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Full text of "Medicinische Woche V 7.1906"

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Medicinische Woche 

und 

Balneologische Centralzeitnng 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, 
des Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 




Herausgeber: 


• • 

• * • 

• A > 

R. Deutschmann, 

A. Dfihrssen, A. Hoffa, 

E. Jacobi, 

• »* • .*» 

R/ tfobert. 

Hamburg. 

Berlin. 

Berlin. 

Freiburg i. Br. 

Rostock. 


M. Koeppen, 

K. Partsch, 

H. Rosin, 



Berlin. 

Breslau. 

Berlin. 


H. Schlange, H. Senator, 

R. Sommer, 

H. Unverricht, 

A. Vossius, 

Hannover. 

Berlin. 

Giessen. 

Magdeburg. 

Giessen. 


Redaktion: 

Dr. P. Meißner, Berlin. 



Halle a. S. 1906. 

Verlag von Carl Marhold. 


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C^>-.'i eL-#i. 


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Medicinische Woche 


R. Denisehmann, A. DShmen, A. Hoffa* E. JacobU 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator, A. Sommer, 

Berlin. Qiessen. 


R. Robert, M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. UnTerrieht, A. Vossint, 

Magdeburg. Qieasen. 


Verlag und Expedition 

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1 

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Redaktion: 


Carl Marhold In Halle a. Sn Uhlandttnuse 6 . 



Berlin W. 62 « KarffirstenatraMe 81 . 


Tel.-Adr.: Mirhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 


__ 

Dr. P. Meißner. 



Vn. Jahrgang. 


1. Januar 1906. 


Nr. 1. 


Die ..Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Beilage Balneologisdie Centralzeltimg, Organ des Allgemeinen Deutschen Blderveibandes, des Scbwartwald- 
bldertages, den Veibandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jähdicb 10 M., einzelne Nummer 2& PL Bestellungen nehmen Jede Bucb- 
han^ffimg, die Post, Bowle die Veriagsbudibindlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden für die dspaltige PetitzeDe oder deren Raum mit äOPf. berechnet. 

Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile I JO Mk. Bei Wiederholung tritt Brmlssiguog ela 
Nachdruck der Orlgfaul-Aulsltze Ist ohne vorherige Oenehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


An unsere Leser! 


Mit der vorliegenden Nummer tritt die „Medicinische Woche^ in ihren 711. Jahrgang ein. 

Durch Ärzte begründet und bisher betrieben, wurde dieselbe am Ende vorigen Jabres von dem in ärztlichen Kreisen 
wohlbekannten Verlage von Carl Marhold in Halle a. S. übernommen. Die sechs Jahre des Bestehens haben die von den 
Begründern ins Auge gefassten Ideen zur Ausführung bringen lassen. Es galt ein Blatt zu schaffen, welches dem praktischen 
Arzt nur das bieten sollte, was Ihn beföhlgt, im Drange seiner täglichen Praxis mit der Wissenschaft in Fühlung zu 
bleiben und sieh bei ihrem stetigen Fortschreiten auf der Hohe zn halten. Es ist von vornherein Abstand genommen 
worden, langatmige theoretische Abhandlungen aufzunehmen, vielmehr hat jede Nummer einen oder zwei Orlginslartikel 
ans der Praxis für die Praxis gebracht. Die medizinischen Gesellschaften deutscher Städte, die Wanderversammlungen 
der Fachkollegen haben eine denkbar concise und für den Praktiker nützliche Berichterstattung erfahren. 
In freier Form wurden Überblicke über Sondei^ebiete veröffentlicht, die geeignet erschienen, die Fortschritte in Gestalt eines 
Gesamtbildes dem Leser vor Angen zn führen. 


ln einer dem Hanptblatt angegliederten Beilage „Therapentlsche Nenhelten^ nnd „Fortschritte der Diagnostik^ wurde 
sowohl dem Bedürfnis nach Kenntnis des neuen sich immer mehr entwickelnden Instrnmentarlnms Rechnung getragen, als 
auch den Veröffentlichungen eine Stätte geschaffen, die auf die weiteren Ausgestaltnngen des diagnostischen Apparates bezug haben. 


Vermischte Notizen, Familiennachrichten sowie Stellengesuche und Vakanzen ergänzen in erwünschter Form den In¬ 
halt des Hanptblattes, welcher sich gegenüber allen anderen medizinischen Zeitschriften durch ein regelmäßig erscheinendes 
Fenilleton auszeicbnet. Dies Feuilleton beschränkt sich nicht allein auf die medizinischen Gebiete, sondern streift die Ge¬ 
biete der Medizin-Geschichte, der sozialen Medizin, der ärztlichen Stapdcsfragen und gibt neben einem nützlichen Unter- 
haltungsstoff aus verwandten Gebieten vielerlei Anregungen. 

Als stihidige Beilage erscheint seit Begründung die „Balneologische Centralzeitnng*^ Als offizielles Organ zahl¬ 
reicher Bäderverbände, ist es das einzige Blatt, welches der Balneologie im wissenschaftlichen Sinne dient, welches das schätzens¬ 
werte Material langjähriger Erfahrnngen der Balneologen und Badeärzte in Originalartikeln wiedergibt nnd welches den Verkehr 
zwischen den praktischen Ärzten und den Bädern einerseits und zwischen den Bädern unter sich andererseits vermittelt. Fern 
von irgend welchen besonderen Interessensphären hat die „B. C. Z.“ sich des allgemeinen Interesses erfreuen können und dürfte 
auch in Zukunft bei der immer mehr und mehr zunehmenden Bedeutung der Bäderkunde ihre Zwecke in hervorragender Weise 
erfüllen. 


Hanptgrnndsatz soll wie bisher bleiben; Nur wahrhaft Praktisches nnd Erprobtes dem Leser zu 
bieten, dieses Praktische aber auch in eine Form zu kleiden, die es dem Leser leicht macht, sich 
zurecht zn finden, die ihm die Lektüre nicht zu zeitraubend und doch erholend und anregend gestaltet. 

Es ist zunächst ein lang gehegter Wnnsch berücksichtigt worden, das Papier der Zeitschrift zu verbessern, 
den Satz übersichtlicher zu gestalten und der Berichterstattung über die Neuerschelnnngen der perio¬ 
dischen Fachliteratur einen breiteren Raum wie bisher zu geben. Es sollen alle grösseren, bedeutenderen 


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2 


MEDICINISCHE WOCHE. 


1906. 


medicinischen Zeitscliriften übersichtlich und kurz referiert werden und zwar in der Weise, dass auch 
hier wiederum nur dasjenige zur Besprechung kommt, was fiir den praktischen Arzt besonderes Interesse hat. Der 
Leser soll gleichsam eine sichere Literaturübersicht erhalten, die ihn auf dem Fortlaufenden hält und ihm 
das Lesen vieler Fachzeitschriften und die teueren Abonnements zugleich erspart. 

Verlag und Redaktion sind allen Anregungen aus Leserkreisen von Herzen dankbar und werden sich bemühen, immer 
mehr und mehr den Wünschen der Leser gerecht zu werden. Die stattliche Zahl hervorragender Kliniker, welche die ^Hcdi* 
ciiiische Woche“ als Herausgeber zeichnen, geben die Gewähr für die Gediegenheit der in der Zeitschrift zur Veröffentlichung 
gelangenden Aufsätze und für das rastlose und ehrliche Bestreben, in dem gedachten Sinne weiter und weiter fortzuschreiten. 

Um in den Beiträgen sowohl wie in der Ausstattung grössere Mittel anwenden zu können, als das bisher möglich war, 
hat sich der Verlag entschlossen, den Abonncmcntspreis auf M. 10, — zu erhöhen in der sicheren Annahme, dass ein dem praktischen 
Arzte wirklich nützliches und dienendes Blatt dieses an sich geringe Üeldopfer wohl gerechtfertigt erscheinen lässt, 
zumal damit die „Medicinische Woche“ noch weit unter dem Abonnementspreisc der anderen Zeitschriften zurückbleibt. 

Indem wir uns der Hoffnung hingeben, dass das bisher der „Medicinische Woche“ entgegengebrachte rege Interesse 
auch in Zukunft derselben erhalten bleiben möge, bitten wir alle unsere Leser, unsere Bestrebungen unterstützen zu wollen 
und uns Beiträge einzusenden, welche als Resultate der praktischen Erfahrungen den anderen Kollegen nützlich und dienlich sein 
können, da wir den Wunsch hegen, in unserem Blatte eine Stätte der Aussprache zwischen den Praktikern zu bilden, geeignet 
fördernd zu wirken und die den Ärzten vorschwebenden Zielen der Weiterbildung in unserer Wissenschaft zu erreichen. 

Redaktion und Verlag. 


Originalien. 

Die Bedeutung der Pupilleuuntersuchung fttr 
die Diagnostik einseitiger Erblindung durch 
Sehnervenläsion. 

Von. A. Vossins in Giessen.*) 

Die Segnungen der Unfallgesetze werden immer noch recht 
häufig von den Verletzten ve^annt. Vielfach werden berech¬ 
tigte Ansprüche auch von ärztlicher Seite nicht berücksichtigt. 
Es entwickelt sich ein Prozess, der durch alle Instanzen von 
der Bernfsgenossenscliaft durch das Schiedsgericht für Arbeiter- 
versichening bis zum Reichsversicherungsamt durchgeführt 
werden muss. Bis der Geschädigte in den Besitz einer Rente 
gelangt, vergeht dann oft eine geraume Zeit. Nicht selten 
trägt ein ärztliches Gutachten mit - unrichtiger Beurteilung der 
Sachlage die Schuld an diesem langwierigen Verln.st der Ent¬ 
scheidung in einer Unfallsache. Diese Erfahrung habe ich 
Öfter gerade bei Patienten gemacht, die durch eine Sehner¬ 
venläsion infolge einer Schädolverletzuug einseitig erblindet 
waren. Ausserlich konnte an dom erblindeten Auge keine 
Anomalie nachgewuesen werden. Eine Untersuchung mit dem 
Augenspiegel war von dem begutachtenden Arzt unterlassen, 
und weg(m des normalen Aussehens des Auges war der Ver¬ 
dacht auf Simulation ausgesprochen, soda.ss eine Abweisung des 
Betreffenden mit seinem Rentenanspruch durch die Berufs- 
geuossenschaft erfolgt war. 

Besonders im landwirtschaftlichen Betriebe kommen solche 
Sehuerveiiverletzungen nicht selten vor. u. A. nach Fall auf den 
Kopf von einem Wagen, einer Leiter, in der Scheuer, nach 
Heugabelstich in die Orbita. Dort ist es ein durch den Canalis 
opticus gehender Bruch der Schädelbasis mit Quetschung oder 
Diivchtreiimmg des N-optiens durch ein Knochenfragmeiit resp, 
mit Kompression des Nei^'en durch eine Sehnen’enscheiden- 
blutung; hier liegt eine direkte Verletzung des Sehnerven mit 
eimmi spitzen Werkzeug vor — in beiden Fällen mit nach¬ 
folgender Sehnervenatrophie. In beiden Fällen ist der Augeu- 

Nacb einem am 29. Mai 1904 auf dem 52. mittelrheinischcD Ärztetag 
zu Bad Kreuznach gehaltenen Vortrag. 


spiegelbefitnd, wenn der Augapfel nicht direkt betroffen und 
frei von inneren Verletzungen gel)lieben ist, resp. wenn die direkte 
Läsion dos Sehnerven in der Tiefe der Augenhöhle stattge- 
fiinden hat, unmittelbar nach dem Unfall normal und erst 
innerhalb 2—3 Wochen nach der Verhetzung beginnt in der 
Hegel eine stetig fortschreitende, mit dem Augenspiegel erkenn¬ 
bare Sehnervenatrophie aufzutreten. 

Die Zeichen einer Schädelbasisfraktur können bisw’eilen 
nur von kurzer Dauer sein. Gelegentlich besteht nur eine 
wenige Minuten anhaltende Bewusstlosigkeit mit etwas Er¬ 
brochen ohne Blutung aus Nase, Mund und Ohr. Die Pupille 
ist, wenn der N-Oculomotorins intakt geblieben ist. meist von 
nonnaler Weite. Indes.sen kann auch auf der verletzten Seite 
eine Erweiterung der Pupille bestehen. So hat Mo um alle 
in seiner 1901 erschienenen Dissertation zur Casnistik der Seh¬ 
nervenverletzungen aus meiner Klinik bei 27 Fällen 7 mal eine 
Erweitening, je 1 mal eine unvollständige Ei^'eitening und 
eine unregelmäßige Erbreiterung der Pupille in den Kranken¬ 
geschichten aufgeführt, ohne dass eine Oculomotoriuslähmung 
bestand. 

Das Sehvermögen ist meist nach dem Unfall sofort er¬ 
loschen und kehrt nicht wieder. Bisweilen wird die Erblindung 
erst zufällig, mehr minder, lange nach dem Unfall von dem 
Patienten festgestellt, z. B. wenn das erblindete Auge anfängt 
nach aussen zu schielen. Gerade diese Fälle geben dem be¬ 
gutachtenden Arzt, der nicht mit allen. Untersuenungsmethoden 
vertraut ist, Anlass zu Täuschungen, die für seine Klienten und 
ihn selbst durch ein unrichtiges Gutachten unangenehme Folgen 
haben können. Durch die richtige Diagnose der Sehnerven¬ 
verletzung kann der Arzt dem Verletzten zu einer Unfallrente 
verhelfen, die ihm auch bei verspäteter Anmeldung des Unfalls 
von der Berufsgenosseiischaft gewährt w'erden muss. 

Ausser dem Augeiispiegelbofuude haben w'ir in diesen 
Fällen ein wichtiges objektives Kriterium für die Entscheidung 
der Frage, ob eine angebliche einseitige Erblindung wahrschein¬ 
lich ist, in dem Vorhalten der Pupillen, deren sorgfältige Unter¬ 
suchung unerlässlich ist. Bei normaler Lichtleitung des Seh¬ 
nerven beider Augen tritt beim Verdecken eines Äuges wohl 
eine leichte Erweiterung der Pupille des unbedeckten Auges 
zumal in einem verdunkelten Raume ein, die Pupille verengt 
sich indessen sofort, wenn man in das freie Auge mittelst einer 
Lampe bei seitlicher Beleuchtung Licht einfallen lässt. Auch 
an dem verdeckten Auge tritt hierbei eine Verengerung der 


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Nr. 1. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


3 


Spille (konsensuelle Reaktion) ein. Ist ein Auge durch Seh¬ 
nervenverletzung erblindet, so env'eitert sich die PupÜle 
dieses Auges sehr stark, sobald man das andere Auge vom 
Lichteinfall völlig ausseUiesst, selbst wenil sich dem offenen 
Auge eine Lichtquelle gegenüber befindet und die direkte 
Licütreaktion der Pupille bleibt bei diesem Auge aus, dagegen 
verengt sich die Pupille sofort, sobald man das andere sehende 
A-uge freilässt und beleuchtet — natürlich vorausgesetzt dass 
der Oculomotorius mit seinem Zweig für den sphincter pupillae 
normal funktioniert. Das Ausbleiben der Pupillenreaktion bei 
Verdecken des sehenden Auges und die Pupillenerweiterui^ trotz 
Einfall konzentrierten Lichtes in das Auge ist ein Beweis 
für die Unterbrechung resp. Aufhebung der Lichtleitung durch 
den Sehnerv des Tbetreffenden Auges. Dieses Pupillenphänomen 
finden wir bei solchen Läsionen sofort nach dem Trauma, doch 
bevor die Augenspiegeluntersuchung an der Papille die deut¬ 
lichen Zeichen der Sehnervenatrophie erkennen lässt: es besteht 
■noch Wochen, selbst Monate und Jahre nach dem Unfall, 
wenn die Lichtleitung sich nicht wueder hergestellt hat und 
bereits eine ausgesprochene Atrophie des Sehnerven mit dem 
Augenspiegel nachweisbar ist. 

In meinen klinischen Vorlesungen habe ich den Studieren¬ 
den dieses Phänomen regelmäßig demonstriert; ich möchte auch 
die Heiren Kollegen in der Praxis in ihrem und ihrer Klienten 
Interesse darauf aufrlierksara machen. Hirschberg hat im 
Jahre 1901 in der Berliner Klinischen Wochenschrift die Be¬ 
deutung des Verhaltens der Pupillen bei schwerer Sehnerven¬ 
entzündung und Erblindung durch Sehnervenverletzung beson¬ 
ders betont. 

Zur Erläuterung führe ich noch einige Beispiele aus meiner 
gutachtlichen Tätigkeit der letzten Jahre an. 

Am 30. IX. 1901 wurde mir der 44 jähr. Landwirt J. H. von 
einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zurüntersuchung 
und Begutachtung zugeschickt. Er war nach seiner Angabe 
im Mai 1900 mit einem Wagen auf sehr ungünstigem Gelände 
umgefallen und bewusstlos unter dem VAgen vorgezogen. 
Nach einigen Minuten war das Bewusstsein zuinickgekehrt. 
Seit dem Unfall konnte er mit dem rechten Auge nicht sehen. 
Er hatte jetzt keinen Lichtschein. Die Pupille war normal 
weit und rund; sie env'eiterte sich beim Verdecken des linken 
Auges sehr stark und verengte sich erst wieder beim Freilassen 
und Beleuchten des linken Auges. Die Papille war leuchtend weiss, 
scharf begrenzt und zeigte enge Gefässe. Das linke Auge war 
normal. Kubrikat war von einem Arzt für einen Simulanten 
erklärt, weil äusserlich an dem Auge nichts zu sehen war Und 
danach angenommen werden müsse, dass er nicht blind sei. 


In einem zweiten Fall handelte es sich um einen 43 jähr. 
Landwirt, der am 14. IX. 1899 in seiner Scheune über 3 m 
hoch herabgestürzt und bewusstlos geblieben war; dabei hatte 
er aus Nase, Mund und linkem Öhr geblutet Seit diesem 
Unfall hörte er auf dem linken Ohre schlecht, ausserdem war 
sein Sehvermögen auf dem linken Auge fast ganz erloschen. 
Er konnte am 4. X. 1901 nur Finger auf 1 Meter Abstand er¬ 
kennen. , Die linke Pupille war etwas weiter als die rechte. 
Beim Verdecken des rechten Auges trat sofort eine erhebliche 
Eiweiterung der linken Papille ein, ohne da.ss direkter Licht¬ 
einfall ins linke Auge eine Verengerung hervorrief. Erst beim 
Freibleiben des rechten Auges verengte sich die linke Pupille 
wieder. Die Sehnervenscheibe war scharf begrenzt, sah ganz 
weiss aus und hatte sehr enge Gefässe. In dem Fall war bei 
dem Patienten eine Verringenmg der Unfallrente von der Be¬ 
rufsgenossenschaft vorgenommen auf Grund eines ärztlichen Gut¬ 
achtens, das dahin lautete, dass man dem Auge nicht ansehen 
könne, dass es blind sei und dass von Seiten des Sehorgans 
die Unfallrente von 25 ®/„ nicht mehr gerechtfertigt sei. Auf 
den Einspmch des Verletzten wurde ich zur Untersuchung und 
Erstattung eines Gutachtens aufgefordert. Auf Grund des 
objektiven Befundes musste ich mich natürlich dahin aussprechen, 
dass der Rubrikat nahezu ganz und unheilbar auf dem linken 
Auge infolge Sehnervenatrophie nach Schädelbasisbruch er¬ 
blindet sei und die Unfallrente von 25‘^/o auch ferner erhalten 
müsse. 

Ähnlich lagen die Verhältnisse bei einem Landwirt, 
der nach Sturz von einem Wagen auf dem rechten Auge er¬ 
blindet war und nach aussen schielte. Seine Rente war ge¬ 
kürzt, weil der behandelnde Arzt das Auge nicht für erblindet 
hielt. Die Untersuchung ergab wieder das charakteristische 
Verhalten der Pupille, ausgesprochene Sehnervenatrophie und 
Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr. 

Ein 15jähr. Schlosserlehrling wollte wegen Erblindung 
seines rechten Auges nach einem Unfall eine Rente'Steanspmchou, 
während der Arzt ihn nicht für blind liielt. Dem Rubrikaten 
war bei der Arbeit vor einem halben Jahre ein grösseres Stück 
Eisen auf die Gegend des rechten unteren Augenhöhlenrandes 
gefallen, so dass er umfiel. Nach Abschwellung der Lider des rech¬ 
ten Auges konnte er zw’ei Tage nach dem Unfall schlecht sehen 
und das Sehvermögen hatte stetig abgenommen. Nach einem 
halben Jahre, im März d. J., erkannte er nur Handbewegungen 
mit dem rechten Auge, dasselbe war etwas nach aussen und 
oben abgelenkt, die Papille grell weiss mit engen Arterien 
und die Pupille zeigte die oben beschriebene Reaktion. 


Feuilleton. 


Wie kam die Cholera im Jahre 1892 
nach Hamburg? 

Diese Frage dürfte nach dem letzten Auftreten der Cholera 
in Deutschland erhöhtes Interesse beanspruchen, und es dürfte 
sich um so mehr lohnen ihr nachzuforschen, als sie während 
der Cholerazeit naturgemäß vielfach aufgeworfen und erörtert, 
aber bisher nicht genügend klar beantwortet ist. 

Rob. Koeb hat sein Gutachten über die Entstehung der 
Cholera in Hamburg dahin abgegeben, dass das Choleragift 
aus den Auswandererbaracken durch die Sielabffüsse in die 
Elbe gelangt sei und das Elbwasser infiziert habe. Er nimmt 
also an, dass cholerakranke Auswanderer — vermutlich rus¬ 
sische — unbemerkt nach Hamburg gekommen — das wäre 
möglich I —, dort unentdenkt ihre Krankheit überstanden — 
schon weniger wahrscheinlich! — und mit ihren Dejekten das 
Elbwasser vergiftet hätten. Andere meinten, dass durch den 
Schiffsverkehr unbemerkt kranke Seeleute bis in den Hamburger 
Hafen gelangt seien und ebenfalls unentdeckt ihre Cholera- 
entleerungen in die Elbe hätten gelangen lassen — auch diese 
Möglichkeit, dass nämlich an leichter Form der Cholera er¬ 
krankte Leute, ohne von ihrer Erkrankung Anzeige zu machen. 


die Träger der Infektion gewesen seien, ist nicht zu bestreiten. 
Doch sind beide Annahmen nicht sehr wahrscheinlich. Es 
bleibt noch eine weitere Möglichkeit, die bisher öffentlich nicht 
erörtert ist, aber diese Besprechung doch sehr wohl verdient: 
ich meine die Einschleppung durch Trinkwassei-. Das klingt 
znnächst rätselhaft, und ich muss etwas weiter ausholen, um 
zu erklären, wie ich dies meine. Ich habe zur selben Sache 
bereits im Jahre 1891 einen kleinen Artikel in der Zeitschrift 
„der ärztliche Praktiker“ geschrieben unter dem Titel „die 
Cholera in Arabien“. Die Notiz hat nicht die Beachtung ge¬ 
funden, wie sie verdient hätte, das haben die Vorgänge in 
Hamburg im darauf folgenden Jahre nur allzu deutlich be¬ 
wiesen. Ich halte es daher für nötig, jetzt, wo die Cholera 
wieder drohend ans Tor pochte, die Sache nochmals zu be¬ 
handeln. Ich machte damals Mitteilung von einer Erfahrung, 
die ich als Schiffsarzt der holländischen Dampfschiffahrts- 
Gesellschaft „Nederland“ zu Amsterdam gemacht, und führte 
folgendes an: Ich habe anfangs die.ses Jahres (91) einen Trans¬ 
port von über 1000 Hadjies (Mekkapilger) nach Djeddah be- 
leitet und habe dabei manches gesehen, was zur Erklärung 
er Frage (der Verschleppung der Cholera) dienen kann. Die 
Mekkapilger nehmen bekanntlich eine Masse Proviant mit, 
damit sie während der Reise und des Aufenthaltes in Arabien 
nicht in Verlegenheit kommen: Reis, gesalzene und getrocknete 
Fische, Früchte usw. Jede Familie schleppt mindestens zwei 
Zentner dergleichen Nahrungsmittel mit sich in Djeddah an Land. 


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4 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 1. 


Eine Tagelöhnerfmn hatte sich im Juni 1897 mit einer Heu¬ 
gabel ins rechte Auge gestochen. Die kleine Wunde in der 
inneren Hälfte des unteren Lides war verheilt mit kaum sicht¬ 
barer Narbe; das rechte Auge war blind, aber der Arzt wollte 
es nicht glauben. Nach einem halben Jahre war die Papille 
blass; die Pupille reagierte in der charakteristischen Art Patien¬ 
tin konnte den Lichtschein nicht wahmehmen. Offenbar w’ar 
der Sehnerv durch den- Heugabelstich verletzt Der Anspruch 
auf eine Unfallrente musste natürlich von der Berufsgenoseen- 
schaft befriedigt w’erden. 

Diese Beispiele Hessen sich noch vermehren; ich müsste 
mich imm er wiederholen. Die angeführten Fälle beweisen, 
wie wichtig unter solchen Umständen für die Diagnostik der 
Sehnervenverletzungen das Verhalten der Pupille des angeb¬ 
lich erblindeten Auges ist und dass man den Argwohn der 
Simulation, derentwegen der Rubrikat dem Strafgesetz ver¬ 
fallen kann, bei einem Patienten nicht aussprechen soll, wenn 
man nicht eine sorgfältige Pupillenprüfung und Augenspiegel¬ 
untersuchung vorgenommen hat 


Kliniken für psychische und nervöse Krank¬ 
heiten. 

Von Prof. Dr. Sommer-Giessen. 

Der Umstand, dass die psychiatrische Klinik in Giessen vor 
einiger Zeit den Namen Klinik für psychische und nervöse 
Krankheiten erhalten hat, veranlasst mich im Hinblick auf den 
längst vorhandenen, nur in letzter Zeit mehr offenkundig ge¬ 
wordenen Antagonismus mancher Psychiater und innerer 
Kliniker mit Bezug auf Nervenpathologie einiges über 
Zweck und Vorgeschichte dieser Namensänderung mitzuteilen. 
Gleich bei meiner Berufung nach Giessen (1895) oin ich dafür 
eingetreten, dass mit der psychiatrischen Klinik eine 
Poliklinik für Nervenarankheiten verbunden werde. 
Da der damalige Vertreter der inneren Medizin hierdurch eine 
Schädigung seiner klinischen Interessen fürchtete, einigte ich 
mich mit demselben und der medizinischen Fakultät auf die 
Benennung: „Psychiatrische Klinik mit Poliklinik für Psychisch- 
Nervöse“, welch letztere Bezeichnung unterdessen auch ander¬ 
wärts in gleichem Sinne benutzt worden ist. Meiner Erwartung 
entsprechend ist durch die Errichtung dieser Poliklinik, die 
dem psychiatrischen Unterricht viele sehr lehrreiche Über¬ 
gangsfälle zugeführt hat, eine Schädigung der inneren Klinik 


in keiner Weise erfolgt und statt der befürchteten Rivalität 
hat sich seit einer Reihe von Jahren ein durchaus kollegiales 
Zusammenwirken der benachbarten inneren und psychiatrischen 
Klinik in Giessen herausgebildet 

Der neurologische Unterricht mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Unfallsnervenkrankheiten ist in Form eines 
wöchentlich einstündigen Kurses seit einer Reihe von Jahren 
von mir in der psychiatr. Klinik neben den psychiatrischen 
Vorlesungen erteilt worden. Ermöglicht wurde derselbe einer¬ 
seits durch den Bestand der Polildinik, anderseits durch die 
freiwillig in die psychiatrische Klinik zur Begutachtung oder 
Behandlung eintretenden Nervenkranken und „Psychisim-Nor- 
vösen“. 

Es war daher nur der Abschluss einer seit 10 Jahren ge¬ 
schehenen Entwickelung, als ich eine Namensänderung in obigem 
Sinne beantragte, was aus rein zufälligen Ursachen zeiUich 
ungefähr mit dem Ableben meines Kollegen Riegel zusammen- 
tral. Um die Berufungsverhandlungen nicht zu stören, verschob 
ich den Antrag bis zur Anwesenheit seines Nachfolgers Prof. 
Moritz, mit dem ich mich alsbald schriftlich und mündlich 
ins Benehmen setzte. 

Meine Motive waren folgende: 

-Seit längerer Zeit habe ich mich bemüht, mit Rücksicht 
auf ^e freiwillig in die Klinik eintretenden psychisch-norvoseii 
Kranken den Namen ,Jrrenklinik“, der früher vielfach ange¬ 
wendet wurde, nach Möglichkeit zu be.seitigen. Durch eine 
Verfügung des Grossherzoglichen Ministeriums ist meiner dies¬ 
bezüglichen Bitte in sehr dankenswerter Weise Rechnung ge¬ 
tragen worden. In der Tat ist auch offenbar infolge dieser 
Verfügung die genamite Bennennung, welche auf eine Anrcahl 
der Kranken in der Klinik nicht passt, seltener geworden. 
Andererseits hat sich auch jetzt noch die Einseitigkeit der Be¬ 
zeichnung in vielen Fällen störend bemerklich gemacht, da 
imm er noch vielfach die Meinung hervortritt, als seien die In¬ 
sassen der Klinik ohne Weiteres als Geisteskranke zu be¬ 
trachten, während das Regulativ den freiwilligen Eintritt in 
geeigneten Fällen voraieht. Eine gründliche Änderung und 
Verbesserung kann nur erfolgen, wenn dem Vorhandensein von 
freiwillig eintretenden Nervösen in dein Namen der 
Klinik von vornherein Ausdruck gegeben wird. 

Es läge nun am nächsten, dieselbe einfach als psychi¬ 
atrische und Nervenklinik zu benennen. Die entsprechende 
Einrichtung besteht schon an einer Reihe von Universitäten, 
zum Beispiel Berlin, Halle, Kiel, neuerdings auch in Göttingen 


Dies — das Verzehren dieser Sachen im arabischen Lande — 
ist ein schädliches Moment; denn vieles von den Vorräten 
verdirbt durch Seewasser, wird schlecht und fast ungeniessbar 
durch das lange Aufbewahren usw., wird aber nichtsdesto¬ 
weniger gegessen nach Ankunft im gelobten Lande. Dadurch 
werden leicht Verdauungsstörungen verursacht; die Keime 
der Cholera aber werden verschleppt durch das 
Wasser, welches die Pilger aus ihrer Heimat mit 
sich führen und wochenlang aufbewahren, um es beim 
Landen in Djeddah mit an Land zu nehmen und während der 
Landreise von Djeddah nach Mekka — zwei Tagereisen durch die 
Wüste — und während des fernen Aufenthaltes — soweit das 
Wasser eben reicht —-zu trinken. Jeder Pilger fast hat 
mehrere Blechgefässo voll Wasser bei sich; meist sind dies 
ehemalige Petroleumkistchen aus Nordamerika, die in Grösse 
und Aussehen den bei uns gebräuchlichen grossen Kakesdosen 
gleichen und zu je zweien in einer länglichen Holzkiste ver¬ 
packt sind. Die Leute wissen von Bekannten, die schon die 
Mekkareise gemacht, dass sie an Bord vielfach nur knapp ge¬ 
halten wurden an Wasser; z. B. habe ich nachträglich aus den 
Wasserverbrauchstafeln unseres Schiffes gesehen, dass unsere 
mehr als tausend Pilger per Woche nur 1800 Ltr. Trinkwasser 
bekommen haben — erstaunlich wenig: kaum 1,8 Ltr. pro 
Kopf und Woche! Hierbei ist zu bemerken, dass die ihnen 
ereichte Nahrung nur aus trockenem Reis bestand, keinerlei 
üssige Kost, das ihnen gereichte heisse Wasser zur 


Theebereitung ist in den erwähnten 1,8 Ltr. mitgerechnet. 
Dass unter diesen Umständen die Leutchen nicht klagten 
und in der Tat nicht Durst litten, ist nur dadurch zu 
erklären, dass sie daneben von ihrem eigenen Wasservorrat 
tranken. In der Tat hatten sie bei unserer Ankunft von der 
Insel Kamaran, der Quarantäne-Station im Roten Meer bei 
Hodeidah, ihren Wasservorrat ziemlich aufgebraucht und 
nahmen nun die leeren Blechkistchen mit an Land, um sie auf 
der Insel an der Quelle frisch zu füllen und bei der Wieder¬ 
einschiffung gefüllt mit an Bord zu bringen. Als sie mit diesen 
Blechgefässen wieder an Bord kamen, erhielt ich erst Kenntnis 
von dem Zweck dieser vermeintlichen Zwiebackdosen, indem 
ich durch Befragen der Offiziere des Schiffes den Zusammen¬ 
hang erfuhr. Nun war zur Zeit unserer Abreise von Java im 
Februar keine Cholera im Lande — abgesehen von ver¬ 
einzelten Fällen in Soerabaya, wo man erst, wenn täglich an 
zweihundert Cholerafalle festgestellt werden, von einer Epidemie 
spricht. Das mitgenommene Wasser war also doch unschädlich 
— zwei bis drei Monate später wäre die Sache doch bedenk¬ 
licher gewesen; im April und Mai hätte man aus dem östlichen 
Java wohl kaum einwandfreies Wasser bekommen. 

Nun denke ich, dass es auf anderen Schiffen aus Ost¬ 
indien, also auch auf Schiffen, die aus englischen Kolonien 
Pilger befördern, ähnlich so sein wird, die Pilger aus Ceylon 
und Vorderindien nehmen sicher auch Wasser für ihren Reise¬ 
bedarf mit an Bord. Daraus erklärt sich leicht, warum zu 


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1906. 


MRDICmiSCHR WOCHR. 


nach Angliederang einer Poliklinik für Nervenkranke mit 
stationärer Abteilung an die psychiatrische Klinik. 

Sachlich bedingt ist diese Verbindung dadurch, dass eine 
grosse Menge von Psychosen auf dem Boden von Neurosen 
und sonstigen Nervenkrankheiten erwachsen und nicht ohne 
Zusammenhang mit diesen gelehrt werden können (z. B. Psy¬ 
chosen bei Hysterie, Epilepsie, Chorea, Paralysis agitans, mul¬ 
tipler Sklerose, tabisch paralytische Erkrankungen usw.). Im 
Hinblick auf diese klinischen Zusammenhänge bin ich von An¬ 
fang an für möglichst freie Aufnahme-Bedingungen der Klinik 
eingetreten und habe eine Poliklinik für psychisch Nervöse 
eingerichtet. 

Es ist Tatsache, dass diese Einrichtung zur Aufnahme 
einer Reihe von Übergangsfällen aus dem psychiatrisch-neuro¬ 
logischen Mittelgebiet in die Klinik geführt haben, was sich in 
der im Verhältnis zu t 3 rpischen Irrenanstalten relativ grossen 
Zahl der freiwillig in die Klinik Eintretenden ausdrückt. Der 
Doppelfunktion der psychiatrischen Kl inik ist gerichtlich da¬ 
durch Rechnung getragen, dass der Unterzeichnete als Sach¬ 
verständiger für Psychiatrie und Nervenkrankheiten vereidigt 
ist und me Klinik zur Begutachtung in beiden Beziehungen 
benutzt wird. 

Es haben sich mit den in die Klinik aufgenommenen Ner¬ 
vösen die von mir seit einer Reihe von Jahren abgehaltenen 
Kurse über Diagnostik der Nervenkrankheiten ermöglichen 
lassen, wenn auch vom Standpunkt der klinischen Vollständig¬ 
keit das Material lückenhaft und einseitig war, da es sich 
wesentlich aus Unfallsnervenkrankheiten zusammensetzte. 

Dabei machte ich die Erfahrung, dass oft sehr interessante 
Fälle nicht in die Klinik kamen, weil die Betreffenden sich 
scheuten, das Odium eines Aufenthaltes in einer dem Namen 
nach rein psychiatrischen Anstalt auf sich zu nehmen. Die 
Zahl der Nervösen in der Klinik ist daher kleiner, als sie in 
Anbetracht der Bauart und Raumverhältnisse dieser sein könnte. 
Bei einer deutlichen Hervorhebung der Aufnahmefähigkeit der 
Klinik auch in dieser Beziehung ist irgend welche Schädigung 
der inneren Klinik nicht zu erwarten, da die möglicherweise 
nach Giessen heranzuziehende Menge von nervösen Encrankungen 
nach meiner privaten Erfahrung eine ganz bedeutende ist. 
Tatsache ist jedenfalls, dass eine Beeinträchtigung der inneren 
Klinik^^durch die Aufnahme von Nervösen in die psychiatrische 
Klinik und durch die Poliklinik für psychisch Nervöse nicht 
im Geringsten erfolgt ist. Um eine Schädigung der inneren 
Klinik si^er auszuschliessen, verzichte ich darauf, den Namen 
„Psychiatrische und Nervenklinik“ vorzuschlagen und halte den 


Ausdruck „Klinik für psychische und nervöse Krankheiten“ 
für ausreichend, um den vorhandenen Tatbestand auszudrücken.“ 

Es ist hieraus ersichtlich, dass ich von vornherein das In¬ 
teresse des innern Klinikers und des Psychiaters an 
Nervenkrankheiten in gleicher Weise ira Auge behielt und 
von einem einseitigen Radikalismus frei war. 

Gegen die Bezeichnung „Psychiatrische und Nervenklinik“ 
hatten sich die Bedenken erhoben, 

1. dass dabei auch solche Fälle in die Klinik gehören 
würden, die wie z. B. Querschnittsmyelitis, peripherische Neu¬ 
ritis und vieles andere ohne psychische Symptome auch im 
weitesten Sinne, einhergehen, 

2. dass dadurch der Anschein erweckt werden könnte, als 
ob eine Monopolisierung der Nervenkranken in dieser Klinik 
unter Ausschluss der inneren beabsichtigt sei 

Um diesen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, wurde 
mit völligem Einverständnis von beiden Seiten der Name 
„Klinik für psychisch und nervöse Krankheiten“ gewählt, der 
meines Erachtens beiden Interessen völlig gerecht wird. 

Was die sprachliche Form betrifft, so könnte man sagen, 
dass es wohl ira deutschen Sprachgebrauch nervöse Kranke 
aber keine nervösen Krankheiten gibt Jedoch lässt sich 
nicht nur ira Hinblick auf die Ausdru^sweise unserer Nach¬ 
baren (maladies mentales et nerveuses, malatie mentalie nervöse, 
nervous and mental diseases) sondern auch im Sinne des 
deutschen Sprauchgebrauches die Bezeichnung gerade im 
Sinne einer gerechten Abgrenzung des Gebiets rechtfertigen, 
indem man unter „Nervös^ besonders diejenigen Gruppen von 
Nervenkrankheiten zusammenfasst, welche m irgend einer Weise 
psychische Erscheinungen auch leichterer Art zeigen (Erreg- 
lichkeit, Angst usw. usw.), die mit der Natur der Nerven- 
vorgänge Zusammenhängen. Die Erforschung dieser psycho- 
physiscnen Beziehungen der Nervenpathologie ist eine sehr 
wichtige Aufgabe der Psychiatrie, falls diese nicht nur ein¬ 
seitig psychische Symptome registrieren sondern deren Patho¬ 
genese aus den Zuständen des Nervensystems verstehen 

In dieser Beziehung muss ich mich gegen die neuerdings 
manchmal hervortretende Neigung, das Studium des Nerven¬ 
systems als etwas Nebensächliches für den Psychiater zu be¬ 
trachten, und gegen die einseitig psychologische Betrach¬ 
tungsweise im Allgemeinen entschieden aussprechen, anderseits 
muss offen erklärt werden, dass auch der innere Kliniker die 
Nervenpathologie nicht entbehren kann. 

Von diesem SUndpunkt habe ich mich mit meinem Kollegen 
Moritz auch über den Unterricht in Nervenpathologie, den 


Zeiten die Choleraepidemien an Bord der Pilgerschiffe Vor¬ 
kommen, daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass bei Auf¬ 
treten der Cholera an Bord . dieser Schiffe immer nur die 
Mekkapilger davon befallen werden — die Besatzung des 
Schiffes tiinkt das von der Hafenbehörde gelieferte einwand¬ 
freie Wasser. So erklärt sich aber auch — denke ich — aus 
dem Mitschieppen des Wasservorrates seitens der Pilger ein 
wichtiges, ja das wichtigste Moment der Verschleppung der 
Seuche nach Arabien. 

Über Land kommt die Cholera nicht oder doch seltener; 
wirdjsie aber auf dem Landwege verschleppt, so dürfte auch 
das auf Kamelen mitgenommene Wasser verantwortlich sein. 
Viel leichter kommt die Krankheit mit den Pilgern über See; 
war deren Heimat znr Zeit der Abreise gesund, so passiert 
auch nichts an Bord, die Pilger kommen gesund nach Djeddah 
und bringen, wenn sie selbst indisches Wasser dort an Land 
schleppen, keine Cholerakeime mit. Wenn aber das Wasser, 
als es an Bord genommen wurde, Cholerakeime enthielt, so 
kommt es ganz darauf an, zu welchem Zeitpunkte die Pilger 
beginnen von ihrem Wasservorrat zu trinken; je früher sie ihr 
Wasser gemessen, um so früher wird sich die Krankheit unter 
ihnen zeigen. Wenn sie so knapp gehalten werden, wie bei 
uns an l^rd geschah, so wird die Krankheit schon in der 
ersten Woche nach der Abreise sich zeigen, jedenfalls vor Ankunft 
bei der Quarantäne-Insel Kamaran; die Seuche wird also recht¬ 
zeitig festgestellt; das Schiff wird, falls auch auf der Quarantäne- 


Insel noch Cholerafälle häufiger Vorkommen, festgehalten und 
eventuell nach Hause zurückgeschickt. So war es kurz vor 
unserer Ankunft in Kamaran einem englischen Dampfer er¬ 
gangen, der aus Vorderindien mit zahlreichen CholeraWanken 
an Bord dort angekomraen war: die Pilger wurden zur 
Beobachtung ausgeschifft, nahmen — so vermute iph — ihr ver¬ 
seuchtes Wasser natürlich mit ins Quarantänelager, und da immer 
neue Krankheitsfälle vorkamen, wurden die Pilger wieder an 
Bord gebracht, und der Dampfer musste seine Leutchen wieder 
in ihre Heimat befördeni, ohne dass sie das ersehnte Land 
anders als von ferne gesehen. 

Es kann nun aber auch Vorkommen, dass die Mekkapilger, 
trotzdem sie verseuchtes Wasser mit sich führen, doch gesund 
bleiben während der Seereise; wenn sie nämlich an Bord des 
Transportschiffes reichlich Wasser bekommen — es sind ja 
nicht alle Kapitäne so inhuman gesonnen, dass sie die Leute 
Not leiden lassen — so trinken sie nicht von ihren Wasser¬ 
vorräten, so lange sie an Bord sind; sie nehmen dann das 
ganze mitgeführte Wasserquantum in Djeddah mit an Land 
— die Krankheit wird also trotz aller Quarantänemaßrogein 
erst nach Ankunft in Arabien zum Ausbruch kommen, weil 
das verseuchte Wasser erst dort getrunken wird. Diese letzte 
Möglichkeit — dass die Pilger ihr Wasser ungeschmälert mit 
an Land nehmen — ist besonders in den Fällen gegeben, wo 
die Reisenden nicht in grossen Massen auf eigenen Transport¬ 
schiffen befördert werden — diese unterliegen ausnahmslos 


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6 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 1. 


ich seit einer Reihe von Jahren allein gehalten hatte, dahin 
verständigt, dass wir jedes Semester abwechselnd einen beson¬ 
deren Kurs darüber abhalten oder abhalten lassen, anderseits 
in unseren klinischen Vorlesungen das nervenpathologische 
Gebiet dem Zweck der inneren und psychiatrischen Klinik ent¬ 
sprechend berücksichtigen. 

Dieses Verhältnis dürfte den wirklichen Interessen des 
Unterrichts und der P^akultät mehr entsprechen, als die ander¬ 
wärts in den letzten Jahren mehrfach hervorgetretene Einseitig¬ 
keit in der Vertretung der Intore.ssen, die nur zur Schädigung 
der Sache und zu weitgehenden Folgen, z. B. bei Berufungen 
führt. 

Vielleicht können diese Mitteilungen zur friedlichen Rege¬ 
lung der Angelegenheit auch an anderen Hochschulen beitragen, 
soweit diese ni(mt schon erfolgt ist. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

MediclniscJie GeseUseJiaft in Giessen, 

Sitzung vom Dezember 1905. 

Vorsitzender: Herr Pfannenstiel. Schriftführer: Herr 
Best. 

1. Herr Koeppe. 2 Fälle von Favus. —Favus ist eine 
in Deutschland seltene Erkrankung. Auch der eine der beiden 
vorgestellten Fälle hatte sich an einem von auswärts zugereisten 
Kinde infiziert, der zweite an diesem; weitere Erkrankungen 
sind nicht erfolgt. Die Diagnose Favus ist mit Hilfe des Mikros- 
kopes leicht zu stellen, soweit man überhaupt an die Möglichkeit 
der Krankheit denkt; sonst kann sie leicht mit Seborrhoe und 
Kopfekzem verwechselt werden. Die Therapie bestand in Epilation 
und Aufpinseln von 10®/o Pyrogallussäuresalbe, jetzt in Aufpinseln 
von 10%iger Formaldehydlösung. 

Hypertrophische Lebercirr h ose bei einem 4‘/»- 
jährigen Kinde. Der Fall kam in einem sehr frühen Stadium 
zur Beobachtung, noch bevor eine Milzi?chwellung sich vorfand. 
Nach etwa 14tägiger Beobachtung stellte sich Ascites ein; ausser¬ 
dem war Ikterus vorhanden. Die Leberhypertrophie war damals 
noch eine sehr mäßige. Ätiologisch ist der Fall dunkel. 

2. Herr Stuhl. Bericht über einen Fall von kongenitaler 
Lues der im klinischen Bilde der reinen lymphatischen Leukämie 
verlief. 


der strengen Quarantäne auf Kamerun — sondern wo sie in 
kleiner Z5il mit den regelmäßigen Postdampfem reisen. Diese 
Postdampfer hatten damals — ich weiss nicht, ob es heute auch 
noch so ist — die Erlaubnis, bis zu 100 Mekkapilger zu be¬ 
fördern und mit Umgehung der Quarantäne-Insel Kamaran 
diese Leute auf einer kleinen Insel vor Dieddah direkt zu 
landen. An Bord der Postschiffe werden die Reisenden na¬ 
türlich reichlich mit Wasser versehen, sodass sie niemals auch 
nur einen Schluck von ihrem Wasservorrat zu nehmen brauchen; 
sie haben aber natürlich ihr gewohntes Wasserquantum bei 
sich, welches ja in erster Linie uir die Landreise bestimmt ist. 
Nun werden die Pilger bei Ankunft des Schiffes vor Djeddah 
auf der kleinen Insel abgesetzt, werden hier fünf Tage 
beobachtet, bekommen Trinkwasser geliefert und schleppen 
nach Ablauf der Beobachtungszeit ihr Wasser, welches nun 
reichlich drei Wochen in den Blechkisten stagnierte, an Land 
und geniessen es dort. Dann wundert man sich noch, wenn 
nach Ankunft in Mekka die Seuche plötzlich zum Ausbruch 
kommt! An das mitgeschleppte Cholerawasser aus Indien dachte 
Niemand. Auf diesen ubelstand wollte ich aufmerksam machen, 
darum schloss ich den erwähnten kleinen Aufsatz mit der 
Mahnung: Wenn man vernünftige Maßregeln gegen 
die Einschleppung der Cholera nach Arabien 
treffen will, so sei als erste empfohlen: Verbietet 
den Pilgern das Mitnehmen von Wasser aus ihrer 
Heimatr — — 


3. Herr Poppert berichtet an der Hand seiuer ErfahrungeD 
über die funktionellen Resnltate bei der Radikal¬ 
operation des Mastdarmkrebses. Gegenüber dem von ver¬ 
schiedenen Seiten gemachte Vorschlag, den Scbliessmuakel grund¬ 
sätzlich zu opfern und regelmäßig, auch bei gesunden Sphinkter, 
die Amputation des Mastdarma vorzunehmen, tritt Vortragender 
entschieden für die Erhaltung des Sphinkters als daa bei weiten 
idealere Verfahren ein, das wir in allen geeigneten Fällen anzu- 
wenden verpflichtet seien. Nach den Erfahrungen des Vortragen¬ 
den (vgl. die demnächst in der Deutsch. Zeitschr. f. Chirurgie er¬ 
scheinende Zusammenstellung von K. Richter) die sich auf 28 
Resektionen mit 1 Todesfall (an Herzschwäche) und 35 Ampu¬ 
tationen mit 3 Todesfällen (je ein Fall an Herzschwäche, Pneu¬ 
monie und Intoxikation) erstrecken, ergibt die zirkuläre Darmnaht 
nach Kraske die funktionell vollkommensten Resultate, während 
die Hochenegg’sche Durchziehungsmethode, welche in 8 Fällen 
zur Anwendung kam, in Bezug auf die Kontinenz un¬ 
sicherer im Erfolg ist. Auch die von Gegnern der Darmnaht 
erhobenen Elnwäiide, dass die Darmnabt fast regelmäßig versage, 
und der Kranke hierdurch der Gefahr des Kotphlegmone ausge¬ 
setzt werde, sind nicht stichhaltig, da sich die Nachteüe durch 
richtige Technik auf ein Minimum reduzieren lassen. So ist es 
dem Vortragenden gelungen, in 20 Fällen von Darmnaht 10 mal 
eine prima intentio zu erzielen, 6 mal kam es zu einer vorüber¬ 
gehenden Kotfistel, nur in 4 Fällen wurden die Kranken mit einer 
kleinen Fistel aus der Behandlung entlassen. 


Österreich. 

K, K, GeseUscJwft der Ärzte in Wien. 

Sitzung vom 15. Dezember 1905. (Eigener Bericht.) 
Albrecht stellt einen Mann nach Totalexstirpation der 
Larynx wegen Carcinom vor. Der Kranke hat .sich selbst 
eine Art von Sprechvorrichtung konstruiert. 

Pöderl demonstriert einen Apparat zur Catgutsterilisa- 
tion mittels Alkoholdämpfen. 

Kraus zeigte mehrere Affen, an welchen er durch Einim¬ 
pfung von Lupus, Hauttuberkulose erzeugt bat. 

V. Khaute zeigt ein Mädchen mit tuberculöser Lymphan- 
gitis am Oberarm nach einer Stichverletzung an einem Finger. 
Ranzi stellt 2 Kinder mit congenitalem Rippendefekt 

vor. 

Landsteiner und Volk demonstrieren mikroskopische Prä¬ 
parate der Spirochaeta pallida im Gewebe. 

Spigler zeigt einen Fall von Favus am Halse. 


Das schrieb ich im August des Jahres 1891 — salvavi 
animann meam! Ich hielt die Tatsache der Einführung von 
Trinkwasser aus Indien nach Arabien für wichtig genug, um 
dies für die Verschleppung der Cholera so wichtige Moment 
durch Veröffentlichung in der erwähnten Zeitschrift bekannt 
zu machen. Es ist doch wohl heute Niemand mehr im Zweifel 
darüber, dass das stagnierende, in kleinen Behältern ein¬ 
geschlossene Wasser das bestgeeignete Medium ist zur Er¬ 
nährung und Züchtung von Cholerabacillen. Wenn man nun 
bedenkt, dass zur Zeit der grossen islamitischen Feste im 
März/April allein auf dem Wasserwege jeden zweiten oder 
dritten Tag 800—1000—1200 Pilger in Djeddah landen, 
deren jeder etwa 6—8 Ltr. Trink wasser mit sich führt, dass 
also jede Pilgerschaar 2500—10000 Ltr. verdächtiges oder ver¬ 
seuchtes Wasser ins Land schleppt, so frage ich, ist irgend 
ein Moment denkbar, das in gleicher Weise geeignet wäre, 
das explosionsartige Entstehen, die fürchterliche Verbreitung 
der Cholera unter den Pilgern, nachdem sie 4, 6 Tage im 
Lande sind, zu erklären? Ich glaube nicht, dass man eine 
andere Möglichkeit finden kann. 

(Schluss folgt.) 


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1906, 


MEDICINISCHE WOCHE. 


7 


Archenegg hält einen Vortrag „Indicationen zur 
Appendektomie bei Ileocoecalschmerz“. Vortr. hat einige 
Fälle gesehen in welchen trotz Fehlen von Entzündung des Wurm¬ 
fortsatzes Schmerzanfklle ausgelöst wurden und das operative Ein¬ 
greifen gerechtfertig war. Das Gewöhnliche z. B, war, dass wenn der 
Wurmfortsatz seiner ganzen Länge nach am Ooecum angewachsen 
war, derselbe eine Dehnung eriUhrt, wenn das Coecum sich bläht. 
Singer tritt dieser Indikation zur Operation entgegen und hebt 
die Schwierigkeiten der Indicationssteilung zur Operation hervor. 

Ge9^l9(haft fUr 't/rmere Med/UyVn und Kinderheil¬ 
kunde in Wien. 

Sitzung vom 16. November 1905. (Eigener Bericht). 

Neurath stellt einen 14jähr. Knaben mit posthemiple- 
gischer Epilepsie vor. 

Schlesinger demonstriert einen Knaben mit typischer 
Fseudoatrophia musculomm, bei dem am Gesicht myxödematöse 
Veränderungen auftraten. 

Jehle demonstriert 2 Kinder mit Dysenterie, bei denen 
das Krusesche Serum angewandt wurde. 

Brandweiner demonstriert ein Kind mit Lichen ruber 
planus. 

Horn stellt ein Kind mit Kheumatismus nodosus nach 
Chorea vor. 

Hecht demonstriert eine Methode zur Fettbestimmung in 
den Faeces. 

Hamburger stellt einen Knaben mit diphtherischer 
Lähmung des linken M. hyoglossus vor. Das Kind war 
mit Diphtherieseriim behandelt worden. 

Zappert berichtet über einen Fall, in welchem sich bei 
einem IBjähr. Mädchen aus einem cerebral aussehenden 
Krankheitsbild eine typische Epilepsie entwickelt hat, 
die Krankheit begann mit den Symptomen eines Hirntumors, 
später verschwanden alle Erscheinungen und es entwickelten sich 
typische epileptische Anfälle, die auf Brom reagierten. Ohne 
Kenntnis der Anamnese würde man den Fall für eine genuine 
Epilepsie halten. 

Sitzung vom 23. November 1905. (Eigener Bericht.) 

Mannaberg stellt einen GS.jähi'. Mann mit einem Aneu¬ 
rysma der Bauchaorta vor. Über denselben sind systolische 
und diastolische Geräusche zu hören. Subjektive Symptome ver¬ 
ursacht der Tumor nicht. 

Türk demonstriert einen Fall von myeloider Leukämie 
mit sublymphämischem Befunde. 

Flesch stellt einen Fall von linksseitiger paralytischer 
Facialiscontractur vor. Elektrische Behandlung bewirkte 
Besserung. 

Schmidt zeigt einen Fall von Polycytaemia rubra und 
einen Mann mit myeloider Leukämie und colossalem Netz¬ 
tumor. 

Wiesel halt einen Vortrag über Gefässerkrankungen im 
Verlaufe akuter Infektionskrankheiten, die Untersuchungen 
erstrekten sich auf 200 Fälle von akuten Infektionskrankheiten, 
ln allen Fällen Hessen sich an den Arterien Veränderungen kon¬ 
statieren, nämlich herdförmige Nekrosen der glatten Gefässmus- 
kulatur und des elastischen Gewebes. Vort. meint, dass die Fälle 
von jugendlicher Arteriosklerose von diesen Erkrankungen ihren 
Ausgang nehmen. 

Schrötter hält die Untersuchungen Wiesels zur Klärung 
der Aetiologie der Arteriosklerose für sehr wichtig. H. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohfl (Berlin-Charlottenburg): 

In den letzten Wochen sind in Freussen die Neuwahlen zu 
den Ärztekammern vollzogen worden. Die Zusammensetzung der 
Kammern ist wohl überall ungefähr die gleiche geblieben mit 
alleiniger Ausnahme von Berlin—Brandenburg, wo die Kammer 
durch die Koalition der grössten Vereinsgruppen doch einen wesent¬ 
lich anderen Anblick bieten wird als bisher. Aber so buntscheckig 
die Ansi<diten der Kammermitglieder in politischen und sozialen 


Dingen auch sein mögen, in zwei der wichtigsten Standesfragen 
werden hoffentlich Alle eines Sinnes sein: die freie Ärztewahl bei allen 
Krankenkassen, audi den staatlichen, einzuführen, soll gemäss den 
einmütigen Beschlüssen der letzten Ärztetage das Endziel unserer 
Bestrebungen sein, die Fürsorge für imsere Hinterbliebenen, wie 
sie durch den Aufbau unserer Unterstützungskasse in grosszttgiger 
Weise in Angriff genommen ist, soll unvermindert weiter gepflegt 
werden. 

Ohne Kampf ist auch in diesem Jahre die Wahl nicht vor 
sich gegangen. Noch in letzter Stunde setzte eine Reihe von 
Kollegen im wesentlicflien aus dem Lager deigenigen, die stets und 
bei jeder Gelegenheit die Bestrebungen der Majorität der Berliner 
Ärzteschaft durchkreuzt haben, eine Gegenliste in Umlauf, auf 
welcher einige wenige der altbewährten Vorkämpfer übernommen 
waren hauptsächlich aber homines ignoti prangten, deren einziges Ver¬ 
dienst darin besteht, dass sie es verstanden haben, die gut fixier¬ 
ten Kassenarztstellen für sich zu reservieren. Dass diese Liste 
von mehr als 200 Ärzten gewählt wu^e, beweist immerhin, dass 
es in Berlin mit einer Einigkeit der Ärzte noch heute so schlecht 
bestellt ist wie jemals. 

Und doch äiäte gerade im jetzigen Momente den Ärzten ein 
fester Zusammenhalt sehr not. Sind doch Angelegenheiten in der 
Schwebe, welche die ärztlichen Interessen aufs bedeutsamste be¬ 
rühren, wir meinen einmal die Verstadtlichung des Rettungswesens, 
dann die Neuorganisation der Armenpfiege. 

Das Rettungswesen in Berlin wird von der Berliner Rettungs¬ 
gesellschaft besorgt, einem privaten Unternehmen, das von hervor¬ 
ragenden Ärzten geleitet wird, und zwar in einer Weise, welche 
die höchste Anerkennung verdient. Die Gesellschaft wird von der 
Stadt Berlin subventioniert, lebt aber sonst von Mitgliedsbeiträgen 
und Spenden edler Wohltäter, welche aber doch das Budget nicht 
ausgleichen, so dass die Gesellschaft gezwungen ist, den Rest ihres 
Bedarfs alljährlich durch Veranstaltung eines der mit Recht so 
unbeliebten Wohltätigkeitsfeste zu decken. Die Tätigkeit der 
Rettungsgesellscbaft umfasst im Wesentlichsten drei Gebiete: Eine 
Zentrale, welche mit sämtlichen Krankenhäusern Berlins und der 
Vororte telephonisch verbunden ist, führt eine Übersicht über die 
jeweils in den einzelnen Krankenhäusern freien Betten; dadurch 
sind die Ärzte in den Stand gesetzt jederzeit, sofort zu erfahren, 
wo ihre Patienten Aufnahme finden können, und diesen bleibt das 
lästige und gefährliche Umherfahren von Tür zu Tür erspart. 
Der zweite Teil der Leistungen der Rettungsgesellschaft vollzieht 
sich auf den Rettungswachen, die Tag und Nacht geöfihet stets von 
einem Arzt und einem Heilgehülfen besetzt und mit den nötigen 
Instrumentarien versehen sind; bei jeder plötzlichen Erkrankung, 
jedem kleineren oder grösseren Unfall wird auf den Wachen oder von 
den Wachen aus die erste Hilfe, aber nur diese, gewährt. Unbe¬ 
mittelten unentgeltlich. Bemittelten gegen Zahlung des ortsüblichen 
Betrages. Der letzte Zweig des Rettungswesens umfasst den 
Krankentransport, der zuvor in den Händen privater Fuhrgesell- 
schaften lag und jetzt von der Rettungsgesellschaft durch Ein¬ 
führung mustergiltiger Wagen, die nach jedem Transport desin¬ 
fiziert werden, in zweckmäßiger Weise organisiert worden ist. 
Nun möchte die Berliner Stadtverwaltung einen Teil des Rettungs¬ 
wesens, die Zentrale, übernehmen, die andern gleich bedeutungs¬ 
vollen Aufgaben sollen aber der Rettungsgesellschaft verbleiben. 
Ist es schon an sich tief bedauerlioh dass die Verwaltung der 
Reichshauptstadt es überhaupt bis jetzt Privaten überlassen konnte, 
für Hilfsleistungen zu sorgen, die eine der vornehmsten Aufgaben 
der Kommune bilden sollten, so verdient diese geplante Enthauptung 
der Rettungsgesellschaft ^e allerschärfste Verurteilung. Nicht 
Sache der Ärzte ist es, die Organisation zu schaffen, die für 
die erste Hilfe notwendig sind, nicht Sache von Privatpersonen, 
einen Teil der Mittel für diesen Zweck aufznbringen, nein eine 
sozial denkende und fühlende Gemeinde darf sich dieser Pflicht 
nicht entziehen. Die Ärzte werden demnächst in einer Versamm¬ 
lung zu der beregten Frage Stellung nehmen, Ex. von Bergmann, 
der sich die grössten Verdienste um das Rettungswesen erworben 
hat, wird das Referat halten. Die Ärzte müssen fordern, dass die 
Stadt das gesamte Rettungswesen übernimmt, dass es wie bisher 
jedem Arzt, der dazu bereit ist, freisteht, sich am Rettungsdienst 
zu beteiligen und dass den Ärzten für diese Tätigkeit eine ange¬ 
messene ^tschädigung gewährt wird. 


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8 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 1. 


Wie wenig in der Stadtgemeinde die ärztlichen Bestrebungen 
gewürdigt werden, wie geringe Berücksichtigung die ärztlichen 
Wünsche finden, das zeigt eine Vorlage des Magistrats über die 
Neuregelung des armenärztlichen Dienstes. Lange schon fordern 
weite ärztliche Kreise die Einführung der freien Arztwahl in der 
Armenpflege, die sich in einer Reihe von Kommunen durchaus be¬ 
währt hat. Der Magistrat von Berlin lehnte diese Forderung 
schlankweg ab; nicht dass er schwerwiegende Gründe für seine 
Stellungnahme hätte, nein die ältesten abgedroschendsten Argumente 
gegen die DuitihfUhrbarkeit der freien Arztwahl in der Armen¬ 
pflege, die theoretisch und praktisch unzählige Male widerlegt 
worden sind, sie werden wieder herausgeholt und neu ausstafHert 
vorgetragen. Wie anders liest sich da eine Arbeit über die Armen- 
ki-ankenpflege, die der Beigeordnete Dr. Schwander in Strassburg vor 
kurzem veröfientlicbt hat. Hier sieht man, wie ein von sozialem 
Geist erfüllter Kopf Anschauungen zu beurteilen versteht, die bei uns 
in Berlin auf einen nicht zu brechenden Widerstand stossen. Trotz 
aller Agitation der Ärzteschaft wird auch diesmal wieder die freie 
Arztwahl glatt abgelehnt werden, die Ärmenarztstellen werden um 
ca. 30 vermehrt und dadurch die Bezirke verkleinert werden. 

So ist auch von diesem Arbeitsfelde aus eine Bessening der 
wirschaftlichen Verhältnisse der Arzte nicht zu erwarten. Kein 
Wunder daher, dass.die Ärzteschaft auf alle mögliche Weise für 
sich selbst zu sorgen bemüht ist. Diesem Bestreben entspringen 
auch die Versuche, durch frühzeitiges und energisches Liquidieren 
die Arzte vor Verlust zu Schützern Schon im Anfang d. J. hatte 
der Geschäftsansschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine be¬ 
schlossen, dass Liquidationen in der Regel unmittelbar nach Abschluss 
der Behandlung, spätestens aber nach einem Vierteljahr abgesandt, 
Atteste und Gutachten an Private nur gegen sofortige Honorierung 
ausgestellt, Nachtkonsultationen durch unbekannte Personen oder 
Nachtbesuche bei solchen in der Regel sofort honoriert werden 
sollten. Vor kurzem nun fand eine Besprechung von Vertretern 
aller Vereine von Berlin und Umgegend statt zwecks Beratung 
eines gemeinsamen Inquidationsformulars für alle Arzte. Dieses 
sollte als solches gekennzeichnet sein und den Aufdruck enthalten: 

An dieses Pauschale halte ich mich nur bis zum.gebunden. 

Wir müssen gestehen, dass wir uns für dieses Vorgehen, wenn¬ 
gleich natürlich das Formular kein obligatorisches sein soll, nur 
wenig begeistern können. Die Form, in der liquidiert werden 
muss und der Zeitpunkt, wo dies zu geschehen hat, richtet sich 
doch allzu sehr nach dem einzelnen Fall, als dass sich hier ein 
Reglementieren empfehlenswert erwiese. Nun ist es ja richtig, dass 
eine grosse Anzahl von Leuten, die sich scheuen würden, irgend 
einem Lieferanten etwas schuldig zu bleiben, wenn ihre Geldmittel 
knapp sind immer in allererster Linie daran denken, den Arzt 
nicht zu bezahlen. Das lässt sich aber durch mehrfaches Liquidieren 
in der für den Einzelfall geeigneten Form eher vermeiden, als 
durch Zwangsmaßregeln, die eventuell recht zweischneidig werden 
können. Da wir nun gerade beim Liquidieren sind, so möchten wir 
zum Jahresbeginn noch einen anderen Punkt anregen: Im Laufe 
der letzten Jahre ist die ganze Lebenshaltung bedeutend verteuert 
worden, alle Berufsstände haben infolgedessen ihre Forderungen 
erhöht, nur das Honorar der Arzte und speziell das der Privat¬ 
praxis ist in keinem richtigen Verhältnis gestiegen. Da erscheint 
es angezeigt, dass die deutsche Ärzteschaft die Forderung nach 
höheren Gebühren lissonders auch in der Hausarzttätigkeit erhebt, 
kein billig Denkender wird den Ärzten solch Vorgehen verargen. 
Die zu gleiche Entlohnung in der Privatpraxis trägt, was lange 
nicht gebührend l>etont wird, ein gut Teil der Schuld an der wirt¬ 
schaftlichen Notlage. Dass diese im kommenden Jahre eine gerin¬ 
gere werden möge, das ist unser Neujahrswunsch. 


Periodische Literatur. 

Berliner klinische Wochenschrift 1905. No. 5i. 

1. Thilenius-Soden: Eine neue Zentrifuge mit hoher 
Tourenzahl und zuverlässigem Tourenzähler. 

Verf. hat eine neue Zentrifuge konstruiert, welche die Anwendung 
sehr hoher Umdrehungszahlen, 5000—6000 pro Min., gestattet. Die 
Vorteiledieser Zentrifuge bestehen darin, dass esz. ß. gelingt, Blut vor 


der Gerinnung in Blntscbeiben und Plasma za trennen. Ferner 
ist der Nachweis von Tuberkelbazillen in Sekreten vor allem im 
Sputum so leicht und sicher, dass allein deswegen schon die Kon¬ 
struktion des Apparates begrüsst werden muss. Wenn anch die 
Benutzung einer solchen Zentrifuge für den praktischen Arzt wohl 
kaum in Betracht kommt, so ist doch ihre Verwendung in Labo¬ 
ratorien und Untersuchungsstationen durchaus angezeigt. 

2. Cohn-Breslau: Über eine durch Operation geheilte, 23 Jahre 
lang geheilt gebliebene, Hetshantablötnng. 

Verfasser teilt die Krankengeschichte eines Falles von 
Sublatio retinae mit, den er vor 23 Jähen zweimal hinter¬ 
einander , es waren in kurzer Folge 2 Stellen der Retina 
abgelöst, durch Scleralpunktion zur Heilung brachte. Die lange 
Dauer der Heilung spricht durchaus für den operativen Eingriff, 
und gibt unter Umständen eine erheblichere Besserung der Prog¬ 
nose. Die Annahme des Verf., dass dieser 23 Jahre geheilt ge¬ 
bliebene Fall zu den allergrössten Seltenheiten gehöre, ist vielleicht 
etwas zu weit gegangen. Für den Praktiker ergibt sich aus 
dieser Krankengeschichte jedenfalls, dass man niemals bei einer 
Retinaablösung verzagen soll, sondern, dass man punktiert, solange 
noch Lichtschein vorhanden ist. Ausserdem ist die Anwendung 
von Laxantien, schweisstreibenden Mitteln und vor allem der 
Druckverband in Rüi-kenlage notwendig. 

Münchener medicinieche Wochenschrift. i90d. No. 52 . 

1 . Jung, Greifswald; Beiträge zur HeisBlufttherapie bei 
Beckenentzflndungen. 

Verfasser empflehlt aufs Angelegentlichste als konservative 
Methode der Behandlung von Beckenentzündungen die Anwendung 
der heissen Luft nach Bier und Polano. Die Erfolge waren 
in der Mehrzahl der Fälle sehr gute. Teilweise wurde subjektiv 
ein erhöhtes Wohlbefinden bewirkt, teilweise objektiv die Resorp¬ 
tion von Exsudaten, Infiltraten etc. erreicht. Verf. verstellt unter 
konservativer Behandlung auch die Entleerung von Eiter aus 
Abszessen. Eine Konlraindikation für die Anwendung der Heiss- 
luft-Behandlung bietet die tuberkulöse Erkrankung der Genitalien. 

2. Krause, Görbersdorf: Die Tuberkulintherapie in der 
ambulanten Behandlung nnd bei Fiebernden. Verfasser berichtet 
über seine Erfahrungen, welche er mit der Anwendung der Koch’- 
schen Bazillenemulsion in der ambulanten Praxis gemacht hat. 
Dieselben sind durchweg günstige. Bei initialen Fällen schwanden 
die katarrhalischen Erscheinungen, bei forgescbritteneren wurden 
sie gebessert. Das Fieber wurde ausnahmslos fllr die Dauer be¬ 
seitigt. Als Normalsanfangsdosis wurde ein Teilstrich der Pravaz’- 
schen Spritze (Lösung 0,1 ccm Emulsion auf 9,9 ccm KloGhsalz- ' 
lösiing, also 0,005 Bazillensubstanz gegeben, ausnahmsweiee bei i 
schwächlichen Individuen auch nur die Hälfte. Die Injektionen 
erfolgten in Zwischenräumen von 3 bis 8 Tagen. Verf. empfiehlt 
die Anwendung des TuberkuliiLs nur in der ambnlanten Praxis, 
zumal bei Fiebernden auf das dringendste. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1905. No. 5i. ' 

Hochenegg, Wien: Über die Indikation zur Appendektomie i 
beim IleocoekaUchmerz. Verf. teilt seine Erfahrungen mit über | 
eigentümliche Erkrankungsfälle, die, da eine nähere Definition oft 
nicht möglich war, als Pseudo-Äppendizitis bezeichnet wurden. Es * 
treten allmählich stäi’ker werdende, bis zur Unerträglichkeit sich i 
steigernde Schmerzen in der Ileocoekalgegend auf, der palpatorische | 
Befund läs.st meist eine walzenförmige Resistenz feststellen, ist 
aber im Verlauf eines Falles nicht konstant. An einem Tage ' 
findet man diese Resistenz, am nächsten kann sie fehlen. Innere ' 
Medikationen können meist keine Besserung herbeiführen. Bei , 
dem chirurgischen Eingriff“ findet sich der Appendix meist völlig 
unverändert, weich und dünn, dagegen zeigt sich das Ileum in | 
starker Kontraktion oder bei der durch die Narkose bewirkten Er- I 
schJaffung in der Wand stark verdickt, mit deutlicher Muskelby- | 
pertrophie. Dieser pathologische Zustand des Darmes wird offen¬ 
bar durch Stauungen des Darminhalts bewirkt. Verf. scHiebt da¬ 
her das häufige Vorkommen derartiger Fälle auf die, ziuxml bei 
Stadtbewohnern nur allzuhäufigen Unordnung im Stuhl, Koprostase 
chronischer Dickdarmkatarrh und die durch letzteren verursachten 
Ansammlungen von Gasen, geben den Anlass zu diesen Erkrank- ' 
ungen. Die im Coecura gestauten Kothmassen dringen natürlich 


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1906. 


MKDICINISCHE WOCHE. 


9 


in den Appendix ein und bewirken sekundär alle die Veränderungen, 
die eine Appendizitis aufweist, ln allen seinen Fällen hat Yerf. gute 
Heilnngsresoltate erzielt. Um Verwechslungen dieser Affektion 
mit anderen au yermeiden, schlägt er den Namen Skolikalgie vor. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1905. No. 52. 

1. Hirschfeld,Berlin: '&berPankx6aBerkTankiuigenwährend 
desBiabetes. Verf. berichteteingehend über dieBeziehuugen zwischen 
ErkrankungendesPaokreasund dem Auftreten desDiabetes. DieErgeb- 
nisse dieser Auseinandersetzungen gipfeln in folgenden Sätzen: Je 
schwerer ein Fall von Diabetes schon ist, destomehr ist zu befürchten, 
dass das Auftreten von Pankreaskolik ein Coma einleitet, namentlich, 
wenn die AnMle schwerer Natur sind. Nach dem klinischen Be¬ 
funde können wir in folgenden Fällen einen Pankreas diabetes an- 
nehmen: Erstens, sobald eine Störung in der Resorption der Nahrung, 
insbesondere der Eiweissstoffe und Fette, als ein Zeichen des 
Fehlens des Pankreassecretes nachgewiesen ist, dann in den Fällen, 
in denen während des Lebens Anfälle von Erkrankungen der 
Bauchspeicheldrüse beobachtet werden. Für die Diagnose dieser Pan¬ 
kreaserkrankungen kommen zuerst die Schmerzanfälle in Betracht, 
bei denen die Verwechslung mit Gallensteinkolik, Angina pectoris 
und Magenleiden nahe liegt. Ein wichtiger Beweis ist ferner die 
Feststellung einer Zirkulationsstörung, das Ausbleiben der reich¬ 
lichen Urinausscheidung nach einer stärkeren Flüssigkeitszufuhr, 
eventuell das Auftreten von Ödemen an den Extremitäten. 

2. Cumpe, Schnarsleben: SoharlaohÜierapie und Soharlaoh- 
Prophylaxe. Verf. berichtet über die bisherigen Versuche und 
Beobachtungen, welche mit dem Marpmann’schen Scharlachserum 
bisher gemacht worden sind. Die Herstellung eines solchen Serums 
bot ganz besondere Schwierigkeiten, da wir bisher über den Erreger 
des Scharlachs noch völlig im Unklaren sind. Die bisher ge¬ 
machten Erfahrungen scheinen den Nutzen der Anwendung dieses 
Serums darzutun, zumal in prophylactischer Beziehung. Verf. hält 
es für durchaus angezeigt, sich dieses Serums zu bedienen, welches 
weder irgend welche unangenehme oder bedenkliche Nebenwirk¬ 
ungen aufweist, noch in der Form der Verabreichung Schwierig¬ 
keiten bietet. Das Serum kann nämlich mit gleichem Erfolg sub¬ 
kutan und innerlich gegeben werden, und da ist natürlich die 
Einverleibung per os als bequem und überall durchführbar vorzu¬ 
ziehen. 

Therapeutische Monatehefle 1905, Dezember. 

1. Freund, Danzig: th>er moderne Bigiitalispräparate. 

Verf. unterzieht die gebräuchlidisten Digitalispräparate einer 

eingehenden Erörterung und kommt auf Grund selbst beobachteter 
Fälle zu dem Resultat, dass eine besonders schnelle Wirkung mit 
dem Digalen erzielt wird. Rattmann hat die intravenöse An¬ 
wendung des Digalens empfohlen, und der Verf. kann sich diesen 
Empfehlungen nur anschliessen. Die Technik der Injektion ist 
folgende: Das Präparat wird mit einer gläsernen, auskochbaren, 
mit Iridiumspitze versehenen Spritze am besten in der Ellenbogen¬ 
beuge injiziert, indem man die Vene durch Umlegen einer elastischen 
Binde am Oberarm staut. Sowie die Canule in die Vene eindriogt, 
pflegt eine Blutsäule in die Spritze einzudringen, als Zeichen, dass 
man die Vene richtig getroffen hat. Die Dosis beträgt 3—10 ccm. 
Diese auflalleode Höhe der Dosis scheint nur möglich wegen der 
ungemein schnellen Ausscheidung durch die Niereo, welche Ratt- 
mann annimmt, allerdings liegt hierüber ein experimenteller Nachweis 
noch nicht vor. Nach etwa 2—5 Minuten tritt eine massige Blut- 
drucksteigerung auf, welche etwa 24 Stunden anhält, eine Beein¬ 
flussung der Pulsfrequenz ist meist nicht festzustellen. 

Ob die Anwendung der intravenösen Injection in der Praxis 
sich so durchführen lässt, wie der Verf. meint, ist wohl noch 
fraglich, immerhin erfordert sie eine ziemlich sichere und geübte 
Technik. 

2. Ulrici, Reiboldsgrün: Über die therapeutische 'Wirkung 
des Styracols. 

Verf. empfiehlt bei Tuberkulose in allererster Linie die An¬ 
wendung des Styracols. Das Präparat steUt den Zimmtsäureester 
des Guajacols dar. Die Tagesdosis setzte der Verf. auf 3 mal 
1,00 g in Tablettenform fest und hielt darauf, dass diese Tabletten 
auch gekaut wurden. Die in ausführlichen Tabellen mitgeteilten 
Resultate lassen allerdings ein recht günstiges Resultat erkennen. 


Neben der günstigen Einwirkung auf den tuberkulösen Prozess 
wird vor allem die desinfizierende und fkulniswidrige Wirkung des 
Styracols auf den Darm hervorgehoben, welcher dieses Medikament 
auch seine Verwendung als Antidiarrhoicum verdankt. 

3. Rau, Wreschen; Kasuistische Hitteilungen über CoUar- 
golbehandlung. 

Verf. macht einige Mitteilungen über zwei von ihm mit intra- 
venoesen Collargolinjectionen behandelte Fälle. Der erste Fall 
betraf eine Sepsis, entstanden nach einem mit Zugpflaster be¬ 
handelten Furunkel, der zweite Fall war eine Puerperalkranke. 
Verf. hat 2—4% Collargollösungen intravendes injiziert und gute 
Resultate erzielt. Allerdings betont er, dass die relativ grosse 
Flüssigkeitsmenge, etwa 3 Pravatzspritzen, einige Schwierigkeiten 
bereitet, immerhin scheinen ihm weitere Versuche in ähnlichen 
Fällen durchaus aogezeigt. 

4. Aufrech t, Magdeburg; Eme neue Flasche für Säuglinge. 

Verf. führt die bei Säuglingen so häufig auftretenden katarrha¬ 
lischen Pneumonien auf das Verschlucken von Milch zurück, weil 
das Kind zu viel Flüssigkeit in den Mund’bekommt und dieselbe 
nicht schnell genug bewältigen kann. Um dieser Gefahr zu ent¬ 
gehen, hat Verf. eine Milchflasche konstruiert, deren Hals seitlich 
abgebogen ist und an der höchsten Stelle der Biegung eine zweite 
Luftöffnung trägt. Nun kann man am Sauger die Öffnung ganz 
klein machen, es wird dem Kind stets möglich sein so viel Milch 
zu entnehmen als nötig, da die durch die zweite Öffnung nach- 
dringende Luft das Saugen erleichtert. 

5. Ehrmann, Berlin: Über eine neue Form der EiseU’Ver- 
Ordnung. 

Verf. hat Versuche mit den von Meissner angegebenen 
Plenulae Blaudii bei Chlorose angestellt und diese Form der Eisen¬ 
darreichung sehr empfehlenswert gefunden. Diese Plenulae ent¬ 
halten Ferrum sulf., Natr. carbonic im Verhältnis von 9 ; 7,5. 
Diese Substanzen werden mit wasserfreiem Lebertran verrieben 
und imter Ausschluss von Luft und Wasser in Gelatinekapseln 
eingeschlossen. Dadurch wird verhindert, dass sich Ferrumoxyd- 
hydrat (Rost) bildet, welches im Magen nicht resorbiert werden 
kann, sondern es bildet sich vielmehr Feirumoxydulkarbonat und 
Glaubersalz. Das erstere'ist zur Resorption vorzüglich geeignet, 
das letztere verhindert die bei Eiseudarreiohung sonst gewöhn¬ 
lichen Obstipationen. Der Lebertran endlich schützt die Magen¬ 
schleimhaut vor Verätzung durch das entstehende Eisensalz. Der 
Verf. hat erstaunliche Wirkungen mit diesen Plenulae gesehen 
imd empfiehlt dieselben dringend. Die Ordination lautet: Plenulae 
Blaudii Meissner in scatula 3 mal tägl. 2 Pillen bei Erwachsenen, 
3 mal tägl. 1 Pille bei Kindern. 

Fortschritte der Medicih. 1905. No. 33: 

1. Fleischer: Über autocbthoue Thorakalgeräusche. 

Verfasser teilt einen bemerkenswerten auskultatorischen 
Befund aus der Prof. Rosin’schen Poliklinik mit, dessen Er¬ 
klärung viel Wahrscheinliches bat. Bei einer wegen tuber¬ 
kulöser Lxmgenerkrankung vorbehandelten Frau von 33 Jahren 
fand sich auskultatorisch in der linken fossa supraclavicularis, supra- 
spinata und über dem ganzen linken Schulterblatt ein schwaches, 
dauerndes, musikalisches Geräusch, dem Bienensummen ähnlich, 
welches sich bei der Herzsystole verstärkte, bei angehaltene*- At¬ 
mung fast ganz verschwand. So lautete der erste Befund. Zur 
Zeit, als Verf. die Patientin in Behandlung bekam, fand sich an 
einer markstückgrossen, scharf umschriebenen Stelle, 4 cm nach 
links vom 3. Brustwirbeldom ein mit der Herzsyatole einsetzendes, 
diese überdauerndes schwaches Geräusch, bei der Inspiration deut¬ 
licher war es bei starker Ausatmung nur schwach hörbar. Die 
Röntgenuntersuchung lässt das Vorhandensein von Anenrysmeu 
ausschliessen. Verf. kommt unter Beachtung aller in Frage kom¬ 
mender Theorien zu dem Schluss, dass es sich um Verengerung 
von Pulmonalarterien handelt, welche durch fortschreitende Schrumpf¬ 
ungs-Prozesse im Lungengewebe verursacht werden. Jedenfalls 
erscheint es wichtig für den Praktiker, an derartige Ursacbeu 
bei Thorakalgeräuscben zu denken. 

2. Lohmann-Berlin: Das Stovain in der Infiltrations- 
anästhesie. 

Verf. empfiehlt für die Praxis die Verwendung des Stovains als 


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10 


MEDICINISGHE WOCHE. 


Nr. 1. 


Ersatz für Kokain und Eukain bei der Infiltrationsanästhesie. Das 
Stovain ein synthetisch dargestelltes Dimethylaminobenzoyldime- 
thylaethylcarbinol ist dreimal weniger giftig, als Kokain und hat sich 
dem Verfasser auf das Beste bewährt. Es wird in Konzentrationen 
von 0,5—1% angewandt und ebenso gebraucht, wie die anderen 
älteren Mittel. Bemerkenswert ist, dass nur eine mäßige In- ) 
filtration schon genügt und man nicht zur prallen Oedemisation 
(Schleich) zu schreiten braucht. 


Ärztliches Fortbildungswesen.*) 


Verzeichnis der Fortbildungskurse und Vorträge für 
praktische Arzte einschliesslich der zahnärztlichen Fortbildungs¬ 
kurse im Deutschen Reiche während der Monate Januar, Februar, 
März 1906. 

Sofern die Kurse unentgeltliche sind, ist dies jedesmal 
durch den Zusatz U. unentgeltlich besonders vermerkt, an¬ 
derenfalls sind sie honorierte Kurse. Städte, in welchen in 
den Monaten Januar, Februar und März nur honorierte Kurse 
stattfinden, sind gar nicht unterstrichen; Städte, in welchen inner¬ 
halb der genannten Monate nur unentgeltliche Kurse stattfinden, 
sind einmal unterstrichen; Städte, in welchen unentgeltliche und 
honorierte Kurse stattfinden, sind zweimal unterstrichen. 


Die Teilnahme an den unentgeltlichen Kursen ist in der . 
Regel nur den inländischen Ärzten gestattet. An den honorierten 
Kursen können in- imd ausländische Arzte ohne jede Einschränk¬ 
ung teilnehmen. 

Erklärung der Abkürzungen: V. —■ veranstaltet von; A. = ; 
Auskunft erteilt; TJ. = unentgeltlich. 

Alle Zuschriften, welche sich auf dieses Verzeichnis beziehen, | 
werden unter der Adresse erbeten: An das Bureau des Zentral¬ 
komitees für das ärztliche Fortbildungswesen in Preußen, Berlin 
W 30, Elßholzstr. 13, von Anfang März 1906 im Kaiserin Fried- i 
rich-Hause, Berlin NW 6, Luisenplatz 2—4. 

Altona: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort- 
bildungswesen. U.: Oktober bis März. Innere Medizin; Chirurgie; 
Pathologische AnatomiePsychiatrie. A.: Dr. Hueter, Städt. 
Krankenhaus. 


Barmen: V. Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort- | 
bildungswesen. U.: Mitte November bis Ende Februar. Innere i 
Medizin, inkl. Neurologie; Chirurgie; Gynäkologie; Augenheil¬ 
kunde. A.: Dr. Ed. Koll. 

B e r 1 in: V.: a) Zentralkomitee für das ärztliche Portbild- i 
ungswesen in Preussen. U.: I. Bis Ende Januar Fortsetzung des | 
am 1. November begonnenen Kurszyklus. II. März und April: j 
Vortragszyklus ijber „Grenzgebiete der Medizin.“ A.: Äechnungs- j 
rat Traue, Berlin NW., Kgl. Charite. i 

b) Dozentenverein für Ferienkurse. Im Monat März. Eis ! 
werden sämtliche Disziplinen berücksichtigt. Die klinischen Kurse j 
sind mit praktischen Übungen verbunden. A.: H. Melzer, j 
Berlin N, Ziegelstr. 10/11 (Langenbeckhaus). 

c) Verein für ärztliche Fortbildungskurse. Das ganze I. 

Quartal hindurch 4 wöchige Kurse in allen Disziplinen. (Die 
klinischen Kurse mit praktischen Übungen.) A.: Medizinisdie 
Buchhandlung Otto Enslin, Berlin NW., Karlstr. 32. | 

d) Vereinigung zur Veranstaltung von Kursen für praktische j 
Arzte. Das ganze I. Quartal hindurch 4 wöchige Kurse in fast 
allen Disziplinen. (Die klinischen Kurse mit praktischen Übungen.) : 
A.; Buchhandlung Oskar Rothacker, Berlin N. 24, Friedrichstr. 
105b. 

e) Kommitee für zahnärztliche Fortbildungskurse. U.: Von 

Mitte Januar 4—6 Wochen dauernd: Auskultation und Perkussion, 
Regulierungen, Porzellanfüllungen, allgemeine und lokale Anä- ! 
sthesie, zahnärztliche Technik. A.: Zahnarzt Dr. Cohn, Berlin ! 
W., Markgrafenstr. 63. i 

Bielefeld: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort¬ 
bildungswesen. U.: Januar bis April. Innere Krankheiten. A.: 
San.-Rat Dr. Huchze rmeier. 

5*) Wir entnehmen diese für alle^praktischen Ärzte höchst wichtigen ^ 
Mitteilungen der „Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“ 11. Jahrg. Nr. 24. | 


Breslau: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Forh- 
bildungswesen. U.: Oktober bis Juli. Sämtliche Disziplinen 
werden berücksichtigt. A.: Prof. Dr. Tietze, Scdweidnitzer 
Stadtgraben 23. 

Chemnitz: V.: Ärztlicher Kreisveretn und ärztlicher Bezirks¬ 
verein. U.: Jeden Sonnabend patboh-anatom. Demonstrationen, 
jeden ersten Freitag im Monat Chirurgie, innere Medizin und 
pathol. Anatomie. A.: Hofrat Dr. Hüfler. 

Cöln: V.: Komitee der Fortbildungskurse deutscher Zahn¬ 
ärzte im Rheinlande. U.: Wintersemester 1906/06. A.: Dr. 

Baldu 8 in Cöln, 

Danzig: V.: Lokale Vereinig^ung für das ärztliche Fort¬ 
bildungswesen. U.: Januar, Februar, März. Erkrankungen des 
Auges, Röntgendiagnostik in der inneren Medizin, Bakteriologischer 
Kurs. A.: Dr. A. Walleuberg, Passage. 

Dresden: V.: Kgl. Frauenklinik. Neben den klinischen 
Vorträgen des laufenden Semesters ein Korszyklus vom 15. Jan. 
bis 23. Februar, in welchem berücksichtigt werden: 1. Gynäko¬ 
logische Diagnostik; 2. Geburtshilflich-seminaristische Übungen; 
3. Geburtshilfliche Operationsübungen am Phantom; 4. Gynäko¬ 
logische Operationsäbungen am Psantom ; 5. Diagnostische Übungen 
an Schwangeren; 6 Mikroskopische gynäkologische Diagnostik. 
(Kurs 1 und 2 U.) A.: Direktion oder Anstaltsverwaltung. 

Duisburg: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort- 
bildungswesen. I. Vom 4. Dezember bis 2. April ein honorierter 
Kurs, n. Anfang Dezember bis Ende April. U.: Pathol. Ana¬ 
tomie, (Wissenschaftliche Wanderversammlung). A.: Dr. Coss- 
mann. 

Düsseldorf: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Port¬ 
bildungswesen. U.: März bis Juni. Frauenkrankheiten, Chirurgie, 
Nerveukrankbeiten, Kehlkopf- und Ohrenkrankheiten, Hautkrank¬ 
heiten. A.: Prof. Dr. Hoffraann. 

Elberfeld: V,: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort¬ 
bildungswesen. U.: Januar bis April: Innere Medizin, Chirurgie, 
Hautkrankheiten und 'Syphilis, Pathol. Anatomie, Bakteriologie, 
Hygiene. A.: San.-Rat Dr. Kleinschmidt. 

Erfurt: V.: Vereinigung für ärztliche Fortbildungskurse in 
Jena, ü.: Dezember, Januar und Februar; Innere Medizin, 
Chirurgie, Geburtshilfe, Psychiatrie, Hygiene, A.: Prof. Dr. 
Gärtner in Jena. 

Frankfurt a. M.; V.: a) Lokale Vereinigung für das ärztliche 
Portbildungswesen. U.: Fortsetzung der im Oktober 1905 be¬ 
gonnenen Kurse bis April 1906. A.: Stadtarzt Dr. Koenig, 
Frankfurt a. M. b) Komitee für zahnärztliche Fortbildungskurse 
in Frankfurt a. M. TJ.: November 1905 bis Februar 1906. 
Kurse für Zahnärzte und Nichtzahnärzte. A.: Bureau des Dr. 
Senkenbeggischen Bürgerhospitals, Stiftstr. 30. 

Hamburg: V.: Direktion des Allgemeinen Krankenhauses St. 
Georg. U.: 19. Februar bis Ende März: Innere Medizin, Magen¬ 
krankheiten, Rückenmarkerkrankungen, Grössenbestimmung des 
Herzens nach Perkussion und Orthodiagramm. Ulcus molle und 
hereditäre Syphilis, Chirurgie (Klinik und Poliklinik), Röntgen¬ 
technik und Diagnostik der Röntgenplatten, Massage, Augen¬ 
spiegelkurs, Krankheiten des Obres, Sprech-, Stimm- und Atmungs¬ 
störungen, Rhinologie und Laryngoskopie, pathol. Anatomie, mikrosk, 
Diagnostik. Ä.: Dr. Deneke , Direktor des Allgemeinen Kranken¬ 
hauses St. Georg. 

München: V.: Vereinigung für ärztliche Fortbildungskurse. 
I. U.: Dezember bis Februar. Moderne Behandlung von Heri- 
krankheiten, Nervenkrankheiten, Kinderkrankheiten, Chirurg. Be¬ 
handlung innerer Krankheiten, Überblick über die Röntgenlehre, 
innere Medizin, pathol. Anatomie. A.: Dr. A. Jordan, Leasing¬ 
strasse 4. II. Zu Beginn der Osterferien honorierter Röntgenkurs. 
A.: Prof. Dr. Rieder, Briennerstr. 14. 

Nürnberg: Mittelfränkische Ärztekammer. U.: November 
bis April. Innere Medicin; Chirurgie; Gynäkologie; Psychiatrie; 
Dermatologie; Pathologische Anatomie. A.: Hofrat Dr, L. Schuh, 
Hauptmarktstraße 26. 

Posen: V.: Vereinigung für das ärztliche Fortbildungsweseu. 
U.: 10. Februar bis 28. April. Näheres noch nicht bestimmt. 
A.: Prof. Dr. Wernicke. 


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1906. 


MEDICINTSCHE WOCHE. 


11 


Pyrmoiit: V.: Vereiuigung für ärztliche Fortbildungskurse. 
U.; Zu Anfang des Jahres 1906. Näheres noch unbestimmt. A.: 
Prof. Dr. Schücking. 

Stettin: V.: Vereinigung für das ärztliche Fortbildungswesen. 
U.: Mitte Januar bis Ende März. Innere Medizin, Chirurgie, 
Hygiene. A.: Dr. Opitz. 

Akademien für praktische Medicin. Die Berufung der 
Lehrkräfte für die Akademie für praktische Medicin in 
Düsseldorf, deren Eröffnung bevorsteht, ist jetzt erfolgt. 
Fünf dirigierende Abteilungsärzte wurden an die Allgemeinen 
städtischen Krankenanstalten in Düsseldorf berufen: für die 
Abteilung für innere Medicin und Nervenkrankheiten der Düssel¬ 
dorfer Arzt Prof. Dr. raed. August Hoffmann, für die Ab¬ 
teilung für Nasen-, Hals- und Ohrenkrankheiten der Spezialarzt 
Sanitätsrat Dr. Peter Keiraer (Düsseldorf), für die Abteilung 
Bakteriologie, Infektionskrankheiten und experimentelle Hygiene 
der Privatdozent für Pharmakologie und Assistent bei Geheim¬ 
rat Binz am pharmakologischen Institut der Bonner Uni¬ 
versität Prof. Dr. Hermann Wendelstadt (gebürtig aus Köln 
a. Rh.), für die Abteilung für Kinderheilkunde Professor Dr. med. 
Arthur Schlossmann, dirigierender Arzt des Säuglingheimsund 
der Kinderpoliklinik und Extraordinarius für physiologische Chemie 
und allgemeine Physiologie an der Technischen Hochschule in 
Dresden, schliesslich für die Abteilung Frauenkrankheiten und 
Geburtshilfe der a. o. Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe 
und erster Assistent bei Prof. Krönig an der Gynäkologischen 
Klinik der Universität Fr ei bürg i. Br. Dr. med. Hugo Sell- 
heim. Anfang Januar 1906 sollen noch die Leiter für die Ab¬ 
teilung für pathologische Anatomie, für Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten und für Augenkrankheiten gewählt werden. Zum 
Direktor der Düsseldorfer Krankenanstalten und der künftigen 
Akademie für praktische Medicin wurde bekanntlich im Januar 
1904 der ordentliche Honorarprofessor an der Bonner Universität 
Dr. med. Oskar Witzel ernannt. Er wird zugleich die chirurgi¬ 
sche Abteilung leiten. 


Vermischtes. 

Bsrlin. nDie willkürliche Musk elbewegung mit Ein¬ 
schluss des Veits tanz es* besprach am 8. d. Mts. der Kinderarzt 
Dr. W. Pürstenheim in der Pädagog. Kommission des Er- 
ziehungs-und Pürsorgevereins für geistig zurückge¬ 
bliebene (schwachsinnige) Kinder. Der Vortragende behandelte 
zuerst, nachdem er eine schematische Übersicht über die Hauptformen 
unwillkürlicher Muskelbewegung gegeben hatte, die ins Gebiet der 
pädagogischen Pathologie fallenden Bewegungen, die teils auf Er¬ 
regung, teils auf Hemmungslähmungen beruhen. Dann führte er 
weiter aus: Auf der Grenze zwischen pädagogischer und medi¬ 
zinischer Pathologie stehen die nervösen Bewegungsgewohnheiten, 
die nach Entstehung, Verlauf und Bewegungscharakter verwandt, 
aber meist doch deutlich zu trennen sind von den sogen. Ticzu¬ 
ständen, die schon völlig in die medizinische Pathologie gehören. 
Eine besondere Rolle im Rahmen unwillkürlicher Muskelbewegung 
spielen die Veitstanzbewegungen, die entweder als Teilerscheinung 
anderweitiger Erkrankungen des Nervensystems auftreten, oder 
aber ein eigenes Krankheitsbild, den Veitstanz, ausmachen, das 
sich im Gefolge verschiedener Infektionskrankheiten, sehr häufig 
des Rheumatismus, entwickelt. Bei belasteten, schwächlichen 
Kindern genügt schon ein geringer Anlass: Schreck, Pall u. a., um 
die Krankheit hervorzurufen. Wichtig für den Lehrer ist die 
Kenntnis des] hysterischen Veitstanzes, der sich auf dem Wege 
der Nachahmung verbreitet; sämmtliche bisher in Schulen beob¬ 
achtete Veitstanzepidemien entpuppen sich bei näherem Zusehen 
als hysterische Erscheinungen, Der Schule selbst kommt bei der 
Entstehung der Krankheit nur eine sehr geringe Rolle zu, wohl 
aber führte Unkenntniss der ersten Anfänge, vor allem der psy¬ 
chischen Erscheinungen, leicht zu ungerechtfertigten Bestrafungen, 
die den Krankheitslauf in ungünstigem Sinne beeinflussen. Be¬ 
sonders in der Hilf^hule, die ja eine Ansammlung schwächlicher 
und belasteter Kinder darstellt, ist eine Vertrautheit der Lehrer 


mit solchen krankhaften Zuständen, deren Verkennung das kranke 
Kind und seine Mitsdiüler gefährdet, notwendig, Jn der Diskus¬ 
sion des mit Dank aufgenommenen Vortrages wurde u. a. festge¬ 
stellt, dass man die ausgeprägte Porm des Veitstanzes in den 
Schulen selten, dagegen die veitstanzähnlichen Bewegungen — 
besonders in den Nebenklassen — häufiger beobachten könne. 

Lsipzig. Die Ortsgruppe Berlin des Verbandes der 
Ärzte Deutschlands (Leipziger Verband) errichtet in nächster 
Zeit ein Seminar für soziale Medicin, das sich die Aufgabe stellt, die 
Kenntnis der bestehenden sozial-mediciniscben Einriditungen und 
der Mittel und Wege, die dem praktischen Arzte zu Gebote stehen, 
um diese Krauken nutzbar zu machen, unter Ärzten, Mediciual- 
praktikanten und älteren Studierenden zu verbreiten. 

Diesem Zwecke sollen dienen: Besichtigungen der einzelnen 
Institutionen in Verbindung mit Vorträgen und seminaristis<fiien 
Übungen, deren Abhaltung Spezialfachmänner Übernommen haben. 
Vorgehen und Verteilung von Merkblättern, Musterbeispiele für 
Gesuche und Atteste, Erörterung der einzelnen Verfahren im Be¬ 
reiche des Arbeiterversicherungswesens u. a. m. Das Seminar soll 
Anfang Februar 1906 eröffnet werden. Die Teilnahme ist kosten¬ 
los, nur haben die Teilnehmer entstehende Fahrkosten selbst zu 
tragen; sie steht allen Kollegen, nicht nur Mitgliedern des 
Verbandes, frei. Ein Arbeitsplan wird Mitte Januar veröffent¬ 
licht, der Schriftführer der Ortsgruppe Dr. A, Peyser, C. 54., 
Hackescher Markt 1, beantwortet Anfragen und erteilt Auskünfte. 


Hochschulnachrichten. 

Breslau. Der ordentliche Professor der Chirurgie und 
Direktor der chirurgischen Klinik und Poliklinik an der Bres¬ 
lauer Universität, Geh. Medicinalrat Dr. Karl Garr6, ist zum 
Mitglied des Medicinalkollegiums der Provinz Schlesien ernannt 
worden. — Dr. R. Stich hat sich für Chirurgie habilitiert. 

Göttingen. Priv.-Doz. Dr. E. Schreiber ist als Nach¬ 
folger von Gebeimrat Aufrecht zum Oberarzt der inneren Ab¬ 
teilung des altstädtischen Krankenhauses in Magdeburg gewählt 
worden. 

Preiburg i. B. Die Gesamtfrequenz der Universität be¬ 
trägt 1641 immatrikulierte Studierende gegen 1501 im vorigen 
Wintersemester. Davon entfallen anf die medicinische Fakultät 
464, darunter 82 Pharmazeuten. 

Heidelberg. Der Dozent der Chirurgie an der hiesigen 
Universität Dr. Kaposi ist zum Leiter des Joseph-Krankenhauses 
in Breslau berufen worden. — Der Privatdozent am physiologischen 
Institut Dr. H. Steudel hat einen Ruf als Ordinarius an die 
Washington-Universität in St. Louis erhalten. 

Kiel. An Stelle des verstorbenen Klinikers Nothnagel in 
Wien sollte Geheimrat Quincke in Kiel gewonnen werden; da 
ihm jedoch keinerlei Garantien für etwa nötige Verbesserungen 
gegeben werden konnten, sind die Verhandlungen ergebnislos ver¬ 
laufen. 

Königsberg. Dr. W. Küsel ist zum Oberarzt der Uni¬ 
versitäts-Augenklinik ernannt. 

München. Zum ausserordentlichen Beisitzer bei demModi- 
cinalkomitee an der Universität München wurde der ordentliche 
Universitätsprofessor Dr. Theodor Paul in München ernannt und 
derselbe mit Vornahme chemischer Untersuchungen in gericht¬ 
lichen Fällen betraut. 

Würz bürg. Die phyaikalisch-medicinische Gesellschaft er¬ 
nannte in ihrer diesjährigen Geschäftssitzung zu korrespondierenden 
Mitgliedern die Herren Christian Bohr, Professor der Physiologie 
an der Universität Kopenhagen. W. Einthoven, Professor 
der Physiologie an der Universität Leiden. Max Neuburger, 
Professor der Geschichte der Medicin in Wien und B. Spatz, 
Redakteur der Münch, med. Wochenschrift in München. 

St. Petersburg. Dr. K. Suslow wurde zum ausser¬ 
ordentlichen Professor der operativen Medicin am mediciniscben 
Institut für Frauen ernannt. 


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12 


mDICINISCHE WOCHK. 


Kr. 1. 


Neu niedergelassen 

haben sich in 

Altroggenrahmede i. V. Dr. med. Wiih. Siemon. — Freien¬ 
steinau (Hess,) Dr. med. Betcke. — München. Dr. Oscar Ilaap. 
— Neugersdorf (Sa.) Dr. med. Carl Bevermann. — Nüniherg. 
Dr. med. A. Hass. — Pethau. Dr. med. Fr. Recke. — Wacken 
i. H. Dr. med. E. Hahn. — Worms, Dr. med. L. Schopp. — 
Zittau. Dr. med. Max Rudolph. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Johanna Hipp i. Strassburg mit Herrn Dr. med. Albert 
Brecke, Chefarzt der deutschen Heilstätte zu Davos - Wolfgang. 
Frl. Johanna Herrmann in Ulm mit Herrn Dr. med Alfred 
Mendler, Frl. Maria Bang mit Herrn Dr. med. W. Weber, 
beide in Marburg. Frl. Lotte Apt in Charlottenburg, mit Herrn 
Dr, med. William Ledermann in Berlin. Frl, Lissy Boden 
in Gelsenkirchen mit Herrn Dr. med. Franz Göckeler in Langen¬ 
dreer. Frl. Edith Rockstroh mit Herrn Dr, med. Josef Wein¬ 
garten in Köln. Frl. Ella Loewenthal mit Herrn Dr. med. 
Rudolf Kiwi, beide in Berlin. Wittwe Margarete Mendelsohn 
mit Herrn Dr, med. H. Steinberg in Dortmund. Frl. Else Hey- 
demann in Frankfurt a. 0. mit Herrn Dr. med. Heinrich Gott- 
getreu in Münster. FrL Eva Michaelis mit Herrn Dr. med. Frieden¬ 
heim, beide in Berlin, Frl. Gertrud Ascher mit Herrn Dr. med. 
Siegfried Loewenstein beide in Stuttgart. Frl. Hedwig Auerbach 
in Köln mit Herrn Dr. med. Emst Benedix in Göttingen. Frl, 
Elfriede Wengler mit Herrn Dr. med. Walter Sesse, beide in 
Göttingen. Frl. Erike Martha Rohrbecke mit Herrn Dr. med. 
Walter Carl Gottfried Carlsburg in Hamburg. Frl. Margarete 
Sasse in Magdeburg mit Herrn Dr. med. Fritz Becker, Oberarzt 
im 3. Garde-Feldartillerie-Regiment in Beeskow-Berlin. Frl. Anna 
Schuster in Köln mit Herrn Dr. med. Arthur Bernstein in Rura- 
melsburg-Berlin. 

Vermählt: 

Herr Dr, med, Walter Wolff mit Frl. Margarethe Kühn- 
Schumann in Berlin. — Herr Dr. med. Fritz Barthelmes mit 
Frl. Else Str^ser in Wassertrüdingen (Bayern). — Herr Sanitätsrat 
Dr. med. Ludwig Bleckmann mit Frl, Else Basse in Hannover. 

Geboren: 

Einen Sohn: Herrn Dr. med. Hamm in Lütgendortmund. 

Eine Tochter: Herrn Marine-Stabsarzt Dr. med. Knoke 
in Kiel. — Herrn Dr. med. E. Harig in Stollberg, (Erzgeb.) — 
Herrn Dr. med, H. Stroux, in Heimbach (Eifel). — Herrn Dr. 
med. Sigmund Kapff in Aachen. — Herrn Dr. med. W, Sommer 
in Hohenstein-Emstthal i. S. — Herrn Dr. med. W. Bemdt in 
Wigandsthal. 

Gestorben: 

Geh. Medizinalrat Dr. med. Karl Merkel in Ziegenhain. — 
Dr. med. Hermann Kaddatz, Oberstabsarzt 1. Kl. a. D. in 
Wilmersdorf b. Berlin. — Sanitätsrat Dr. med. Franz Julius 
Kaulfers in Chemnitz. — Medizinalrat, Kreisphysikus Dr. med. H. 
Reuter in Güstrow. — Dr. med. Hans Benzler in Sterkrade. 
— Dr, med. Fried. Paul Schulze in Dresden. — Dr. med. Johann 
v. Flanss in Breslau. — Dr. med, J. Seidemann in Prachno-Augezd 
(Böhmen). •— Generaloberarzt a. D. Dr. med. Emil Pieper in 
Langfuhr. 


Patentnachrichten. 

Anmeldungen. 

L. 20 33.^. Verfahren zur Reinigung des Roliviscins aus IlcNarten. 
Dr. Willy Lüboll, Klein-Zscbachwitz, 

K. 27464. Äuswecbselnngsvorrichtung fiir künstliche Zäbno an festen 
Brücken. Fritz Kruramnow, Berlin. 

T. 9549. Kompresse. Ignaz Timar, Berlin. 

L. 10297. Operationstisch. Louis & H. Loewenstein, Berlin. 

ü. 21247. Verfahren zur Herstellung flüssiger Gemische von Salizyl- 
glykolsäure-Methyl- und Aethylester; Gesellschaft für chemische Industrie 
in Basel, Basel. 


M. 24505. Zerstäuber für ätzende Flüssigkeiten mit metallfreiem 
Mundstück. Alcide Bellot des Minidres, David Capdeville and Pierrs Cap- 
deville. Leognan, Frankr. 

Er te ilu ngen. 

166931. Hörmuschel für Stethoskope, Telophonhörer usw. Dr. Ifax 
Willner, Bartenstein, Ostpr. 

166812. Pulverzerstäuber mit abnehmbarem, bis zur LuftröhrenOftinng 
einführbarem, Ätmungsrobr. Dr. Karl Eassnitz, Karlsruhe i. B. 

166565. Leibbinde in Formeines mit Scbnallgurten versehenen Tuch- 
streifens. Dr. Johannes Ernst, Köln a. Rb. 

106615. Künstliches Bein mit auf Federn ruhender Geslssstütze. 
Gustav Rosenfelder, Nürnberg. 

107030. Vorfahren zur Horsteliung metallischer Zabnersatzstücke durch 
Guss. Dr. Arthur Ollendorf, Breelau. 

Gebrauohsmuster. 

262972. Befestigungsvorrichtung tUr Federn an künstlichen Gebissen. 
Emst Otto, Braunschweig. 

262830. Wasserbett mit soitHchom Kurbelantrieb zum Heben des 
Matrazengo.stelles. Pflaum & Gerlacb, SchOneberg b. Berlin. 

202831. Wasserbett, dessen Hebegestell dem Traggestell fflr den 
Kranken zur Lagerung dient. Pflaum undOerlach, ScbOnebei^ b. Berlin. 

262907. Krankentragbahre, gekennzeichnet durch eine auf einem zwei¬ 
rädrigen Fahrgestell abnehmbar gelagerte, mit Armlehnen und Tragarmen 
versehene Sitzliegematraze. Wilhelm Brockmüller, Lübeck. 

202410. Lungenventilator. Otto Geutsch, Magdeburg, Gr. Mttnz- 
Strasse 3. 


Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt. 

(Ausführliche Besprechung einzelner nachstehend verzeichneter Werke be¬ 
hält sich die Redaktion vor.) 

Aus dem Verlage von Carl Marhold in Halle a. S.: 
Arnold, Dr. med. in Ulm. Diit and Lebensweise. IIIS.8^ M. 1,50. 
Bokelmanii, Dr. Vf. in Berlin. Über die Anwendnag äusseren Dniekes 
bei Schädellagen. S6S. 8”. M. 1,—. 

Bresler, Oberarzt Dr. Job. in Lublinitz. Wie beginnen Geisteskrank¬ 
heiten! 56 8.8«. M. 1,—. 

Bruns, Prof. Dr. L. in Hannover. Die Hysterie ia Kindesalier. 

2. Aufl. 85 8. M. im 

Grnbe, Dr. med. in Hamburg. Der vordere Scheldenlelbsehnitt, seine 
Technik und Indikation, alt Inter operatloneH anfgenomntenen 
SitnatiousbUdem. Mit Illustrationen im Text und 11 Tafeln. 
62 S. 8«. M. 3,— 

Bier, Hyperämie als Heilmittel. Leipzig bei F. C. W. Vogel, 1905. 
Marburg, Die physikalischen Heilmethoden ln Elnieldarstellongen. 

Leipzig-Wien Franz Deuticke, 1905. 

Pal, Genssuisen. Leip^ S. Hirzel, 1905. 

MUblns, Die Migräne. Wien Alfred Hölver, 1903. 

Heepke, Die Kadaververnichtangs-Anlagen. Halle Carl Marhold, 1005. 
MarwedeL Grundriss and Atlas der allgemeinen Chlmrgie. München 
J. F. Lebroann, 1905. 

Brähl, Grundriss und Atlas der Ohrenheilkunde. München J. F. Leh¬ 
mann, 1905. 

Hnndeshagen, Eiufflhrung ln die ärztliche Praxis. Stuttgart Ferd. 

Enke, 1905. 

Grashey. Atlas typischer R&ntgenbllder. München J.F. Lehmann, 1905. 
Blumenihal, Stonwechselkrankheiten. Wien-Leipzig A. Hölver 1906, 
Salzer, Leitfaden zum Augenspiegelknrs. München J. F. Lehmann. 
1905. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adresse: Ärztliches Anskunfls-Bureau des Gesohäfts-Anssohnssea der 
Berliner ärztlichen Standeevereine Im Mediolnlsohen Waarenhanee (Akt.- 
Ges.}, Berlin N., Frledrlohetrasee 108 I. 

Für persönliche Rücksprache ist Herr Dr. JoMhIa tUflielL TOB VtS^/t^ VbT ><& 
Medicinischen Waarenhause anwesend (Mil sUtiger Erlaubnis des Geschafts-Auctchuuei 
der Berliner ärztlichen Standesvereine rom Auskunfts-Bureau der Med, Woche Qbermittelt.) 

In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1940. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent für augenärztl. Poli¬ 
klinik gesucht. Näheres unter No. 1945. 

In Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent 
gesucht. Näheres unter No. 1951. 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1956. 

In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1959. 

In Westpreussen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter 
Vertreter gesucht. Näheres unter No. 1970. 

In Schlesien wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 1981. 


Veramwortliolier Kcdakieur : Dr. l*. Meissner, Ueriin W. 6*, Knrfurstenstr. 81. — Vevantwortlioli für den \n/'-igenieil: E. Abel, Ris'lorf. 
Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. — Druck von Heyncmann'sclie Biichdnickerei, Gebr. WolfF, Halle a. S. 


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i 


Medicinische Woche 


R. Dentschmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, C. Jacobi, 

Hanburg. Berlin. Berlin. Preiburg i, Br. 

H. Senator, A. Sommer, 
Berlin. Giessen. 

Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a* Uhlandstrasse 6. 

Td.'Adr.; Marhold Verlag Hallesaate. Fernsprecher 2834. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange, 
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricht, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 

Redaktion: 

Berlin W. 62« Knrtflretenstrasse 81« 

Dr. P. Meißner. 


Vn. Jahrgang. 


8. Januar 1906. 


Nr. 2. 


Die flMcdicinjsche Woche* erscheint jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeitimg, Organ des Allgeneiiien Deutschen Biderverbandes, des Schwarzwald- 
bSdertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buch¬ 
handlung, die Post, sowie die Veriagsbuchbandlung von Carl Marhold in Halle a.S. en^^en. Inserate werden fßr die 4spaitige Petitzeile oder deren Raum mit SO PI. berechnet. 

Beilagen nach Uebereinkunft ReUamezeile 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt Brmässignng etit 
Nadidnick der Orlginal-Aufsitze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


(Aus der IHihrssen*sehen PrivatamstuU für Gynä¬ 
kologie und G^urtshUfe.) 

Der praktische Arzt und das Uteruscarcinom. 

Von A. DÜhrßsen-^erlin. 

Für jeden praktischen Arzt, welcher überhaupt bei 
Frauenleiden um Rat gefra^ wird, also in erster Linie auch 
für den Hausarzt , gibt es Kaum eine wichtigere Frage 
als die Frühdiagnose des Uteruscarcinoms — weil 
das definitive Schicksal der am Uteruskrebs leidenden Frauen 
in erster Linie von der rechtzeitigen Diagnose des Hausarztes 
und dann erst von der Operation des Fachgynäkologen abhängt. 
Die Verantwortlichkeit des praktischen Arztes 
dem Uteruscarcinom gegenüber ist deswegen in 
der Neuzeit so ausserordentlich gestiegen, weil das 
Uteruscarcinom durch die rechtzeitige Exstirpation des Uterus 
und seiner Umgebung ein heilbares Leiden geworden ist — und 
zwar sind beim üteruscarcinom die Heilungschancen gegenüber 
dem Garcinom anderer Organe besonders günstige, falls eb^en dem 
Operateur die Kranke frühzeitig zur Operation überwiesen wird. 

Diese Verantwortlichkeit besteht nicht nur dem eigenen 
Gewissen gegenüber, sondern kann bei der fortschreitenden 
Aufklärung des Publikums auch eine strafrechtliche werden. 
Dies sollten sieb besonders die nichtoperierenden G^äkologen, 
die noch als Fossilien der ersten Epoche der Gynäkologie, so¬ 
gar in akademischen Stellungen, in die Jetztzeit hineinragen, 
und die Naturärzte, Schweninger an der Spitze, ad notam 
nehmen, welche entgegen den grundlegenden Lehren von Vir- 
chow die Behauptung aufstellen, das Garcinom sei nur der 
lokale Ausdruck eines allgemeinen Dyscrastie und könne daher 
nicht durch Operation, wohl aber durch eine enfprechende phy¬ 
sikalisch-diätetische Behandlung geheilt werden. Dieser Aus¬ 
spruch zeugt von einer so krassen Unwissenheit in Bezug auf 
fundamentale Lehren und Erfahrungen der Gynäkologie, dass 
es schwer wird, an die bona fides dieser Herren zu glauben. 
Mögen sie denn wenigstens einmal den Beweis für mre Be¬ 
hauptung dadurch antreten, dass sie einen von einer Ärzte- 
Kommission als Uteriiskrebs erkannten Fall durch ihre Be¬ 
handlung heilen. Wir Frauenärzte sehen leider die traurigen 
Folgen dieser Behandlungsweise täglich bei den unglücklichen 
Frauen, deren Uteruscarcinom unter dieser Behandlung 
inoperabel geworden ist und ihnen einen q^ualvqllen Tod bereitet. 
Denn neben den Naturärzten, die approbierte Arzte sind, ist es 
das grosse Heer der Kurpfuscher, welches bei diesen unglück¬ 
lichen Frauen unter Berufung auf ihre ärztlich approbierten 
Oberkollegen durch seinen Hokuspokus die verdorbenen Säfte 
in gesunde umwandeln will. — Wir auf dom Boden der Wissen¬ 


schaft stehenden Ärzte können von diesem Treiben nicht weit 
genug abrücken und müssen uns daher bemühen, jeden Fall 
von Üteruscarcinum so früh wie möglich zu erkennen, um dem 
wissenschaftlichen Ideal auf diesem Gebiet immer näher zu 
kommen. Dieses besteht darin, dass keine Frau mehr an Uterus- 
carcinom stirbt. Die Fachgynäkologen haben zwecks Erreichung 
dieses Ideals ihre Operationsmethoden, immer mehr zu 
vervollkommnen und die praktischen Ärzte haben die 
Pflicht, jedes weibliche Individuum sofort gynä¬ 
kologisch zu untersuchen, welches über Ausfluss, 
Blutungen oder Schmerzen klagt. Wird die Unter¬ 
suchung verweigert, so hat der Arzt die weitere Pflicht, die 
Kranken darauf aufmerksam zu machen, dass der Ausfluss oder 
die Blutungen — selbst wenn diese Symptome nicht von 
Schmerzen begleitet sind — durch eine ernste Erkrankung be¬ 
dingt sein können, deren Vernachlässigung den Tod herbei- 
ruhren kann. Hierbei ist noch zu betonen, dass fast alle gy¬ 
näkologischen Erkrankungen sich speziell durch die beiden 
ersten Symptome manifestieren, und dass daher bei der Fülle der 
Erkrankungen ohne Untersuchung die Entscheidung unmöglich 
ist, ob es sich um einen harmlosen Katarrh, eine Abortblutung 
oder ein bösartiges Leiden handelt Machen selbst diese Aus¬ 
führungen keinen Eindruck, so hat der Arzt nur noch die 
Pflicht, der Pat die unverzügliche Konsultation eines Fach¬ 
gynäkologen zu empfehlen. 

Es müssen also solche Tatsachen, wie die von Winter für 
Ostpreussen gefundenen,,,schleunigst aus der Welt geschafft 
werden, dass „von 225 Ärzten 32, also 14,2%, den folgen¬ 
schweren Fehler begangen haben, ihre Krebskranken gamicht 
zu untersuchen, sondern sie ihrem Schicksal zu überlassen !** 
Man sage sich also als praktischer Arzt nicht, „ich habe 999 
Fälle mit Ausfluss und Blutungen untersucht und nie ein Gar¬ 
cinom gefunden, ich will also die 1000 ste Pat. nicht untersuchen, 
weil ihr die Untersuchung unangenehm ist“, sondern man halte 
sich vor Äugen, dass grade die 1000ste Pat. ein Garcinom 
haben kann! 

Einen gewissen Widerstand setzen die meisten Frauen, die 
bluten, einer sofortigen Untersuchung aus dem Grund entgegen, 
weil sie sich geniren, sich währena der Blutung untersuimen 
zu lassen, sie erklären also dem Arzt, sie mosten erst das 
Ende der Blutung abwarten, ehe sie sich untersuchen liessen. 
Leider gehen manche Ärzte hierauf ein oder geben sogar den 
Frauen die Anweisung, erat nach beendeter Blutung zur Unter¬ 
suchung zu kommen. Hierdurch wird kostbare Zeit versäumt, 
weil die Blutung Wochen lang andauern kann oder überhaupt 
nicht aufhört, falls es sich um eine bösartige Uterusneubildung 
handelt. 

Hat man nun die verschiedenen Hindernisse, welche sich 
dem Vorschlag der sofortigen Untersuchung entgegenstellen, 
überwanden, so ist die Diagnose des Uteruscarcinoms in der 
Mehrzahl der Fälle eine leicbte, zumal in den vorgeschrittenen 
Fällen, deren es ja leider genug gibt, weil manche Frauen 
Wochen- und monatelang mit Blutungen umherlaufen, ehe sie 


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14 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 2. 


ärztUclien Rat in Ansprach nehmen. In diesen Fällen fUhlt 
der in der Scheide eingeführte Fiijger die Portio in einen 
grossen höckerigen Tumor verwandelt, von welchem sich mit 
dom Finger oder dem scharfen Löffel unter stärkerer Blutung 
grosse, markige Brockel ablösen lassen — oder man fühlt 
an Stelle der Portio eine von unregelmäßigen Rändern um¬ 
gebene Uffnung im Scheidengewölbe und eine darüber gelegene 
Höhle oder einen Kanal, von dessen Wänden sich die eben 
erwähnten Brockel in der beschriebenen Weise ablösen lassen. 
Die mikroskopische Untersuchung der entfernten Massen wird 
dann die Diagnose bestätigen. 

Nicht ganz so einfach ist die Diagnose bei den beginnenden 
Portio- und Cervixcarcinomen, sowie bei dem Corpuscarcinom. 
Bei dem beginnenden Portiocarcinom ist die direkte Inspektion 
mittelst Spiegeluntersuchung sehr wichtig. Von einer einfachen 
Erosion unterscheidet sich das beginnende Portiocarcinom durch 
seine Farbe, die keine hochrote ist, sondern einen grauen resp. 
gelben Farbenton aufweist. Es dokumentiert seinen Charakter 
als Neubildung ferner dadurch, dass es über das Niveau der 
gesunden Portioabschnitte wallartig in die Höhe ragt, als ob 
es auf die Portio aufgeklebt wäre. Fasst man nun dies Ge¬ 
bilde mit der Kugelzange, so schneidet diese wie durch Butter 
durch das Gewebe durch; auch der scharfe Löffel sinkt bei leichtem 
Druck in die Neubildung ein und trennt von ihr markige 
Bröckel ab. Beide Erscheinungen fehlen bei einer gutartigen 
Erosion. 

Bei einem beginnenden Carcinom der Cervicalscbleimhaut 
kann die Aussenfläche der Portio, sowie der Muttermund ganz 
normal erscheinen, der scharfe Löffel oder die Curette vermögen 
aber von der Wand des Cervicalkanals grössere, markige Brö<^el 
abzulösen, was bei einer einfachen Entzündung der Cervical- 
schleimhaut nie möglich ist. 

Dieselben Massen werden auch bei den bösartigen Ge¬ 
schwülsten der Corpushöhle zu Tage gefördert, wozu aber ein 
methodisches Curettement erforderlich ist. Will der Arzt ein 
solches nicht unternehmen, so steht ihm als weiteres diag¬ 
nostisches Mittel die Laminaria-Erweiterung und nachfolgende 
Austastung der Corpushöhle zur Verfügung, bei welcher man 
die bösartigen Wucherungen direkt mit dem Finger fühlt. Doch 
ist auch diese Methode nicht ungefährlich und daher nicht 
prinzipiell zu empfehlen. 

Die zu Tage geförderten Massen sind von einem kompe¬ 
tenten Gynäkologen mikroskopisch zu untersuchen! Ob der 
Arzt, nachdem er die oben beschriebenen Befunde bei Portio¬ 
oder Cervixcarcinom erhoben hat, noch eine Probeexcision aus 
den verdächtigen Partieen machen, oder den Fall dann sofort 


Feuilleton. 


Wie kam die Cholera im Jahre 1892 
nach Hamburg? 

(Schloss.) 

Wenden wir uns jetzt zu der Cholera-Epidemie in Ham¬ 
burg, die im August 92 ausbrach und mehr als 8200 Personen 
dahinraffte, so ist zunächst bemerkenswert die gleichfalls 
explosionsartige Ausbreitung der Seuche. Am 14. oder 15. 
August wurde der erste sicher feststehende Cholerafall be¬ 
obachtet und bereits am 19. wurden 20 tötliche Fälle, folgenden 
Tages 49 ErkrankungsfäUe, am 29. aber über 1100 Er^ankungen 
an einem Tage gezählt. 

Der Medizin^in^ektor von Hambu^, Herr Dr. Reineke 
bemerkt in seinem Vortrage über die „(jholera in Hamburg“ 
am 13. 12. 02 — veröffentlicht in der „Deutschen med. 
Wochenschrift“ Nr. 3, 4, 5, 1893 — „hier liegen Umstände 
vor, welche mit höchster Wahrscheinlichkeit auf einen ganz 
bestimmten Verbreitungswog schliessen lassen, nämlich auf 
unsere Wasserleitung.“ 

Es werden, sofern es überhaupt noch Beweise bedürfte, 


dem Spezialarzt überweisen soll, muss seiner Entscheidung Vor¬ 
behalten bleiben. Meiner Ansicht nach ist das Letztere richtiger. 

Im Allgemeinen kann man also die Wahrscheinlichkeits- 
diaenose auf ein Portio- oder Cervixcarcinom durch eine ein¬ 
fache Untersuchung in der Sprechstunde stellen. Hat mau ein 
solches dadurch ausgeschlossen, dass mau die Portio- und Cer- 
vicalschleimhaut normal fand, so sind für die Erkennung des 
Corpuscarcinoms weitere klinische Methoden erforderlich, die, 
wie das Curettement, schon einen kurativen Wert in all den 
Fällen haben, wo es sich nicht um eine bösartige, sondern eine 
einfache entzündliche Wucherung derCorpusschleimhaut handelt 

Übrigens ist bei Corpuscarcinom eine gewisse Verzierung 
der Totalexstirpation nicht so verhängnisvoll, weil das (Jorpus- 
carcinom erst sehr spät Metastasen m den Parametrien und 
den benachbarten Lymphdrüsen erzeugt. Für die Praxis kommt 
es also vorzüglich auf die sofortige Diagnose der Portio- und 
Cervixcarcinome an! — 

Mit diesen Feststellungen und Ratschlägen ist die Aufgabe 
des praktischen Arztes dem einzelnen Carcmomfall gegenüber 
beendet. Ausserdem aber hat er noch die weitere soziale Auf¬ 
gabe, durch Aufklärung der Frauenwelt an den Kampf gegen 
das Uteniscarcinom teilzunehmen und, wo sich die Gelegenheit 
bietet, eingewurzelte Vorurteile zu zerstreuen. Diese Vorurteile 
betreffen besonders die klimakterischen Blutungen, welche stets 
das Symptom einer Erkrankung sind, aber von den meisten 
Frauen selbst heutzutage noch für ganz harmlos gehalten werden. 
Als ob das Wort: „Blut ist ein ganz besonderer Saft“, für 
diese Fälle keine Geltung hätte! 

Ich habe es bereits im Jahre 1899 angeregt, diesen Kampf 
gegen das Uteniscarcinom aus den Kreisen der Ärzte in das 
Publikum hinauszutragen, und Winter ist mir darin einige 
Jahre später gefolgt. Alle die Maßnahmen, welche jetzt in 
Form von Broschüren, Vortri^en in Vereinen, Merkblättern 
seitens gynäkologischer Gesellschaften, Notizen an die Tages¬ 
presse zur Bekämpfung des Uteruskrebses in Scene gesetzt 
werden, sind von mir*) bereits 1899 empfohlen worden. Ich 
habe selbst eine populäre Broschüre zur Bekämpfung des Krebses 
eschrieben und ein Merkblatt**) veröffentlicht Dieses Merk- 
latt habe ich nochmals in der Nummer 24 und 25 der Medi¬ 
cinischen Woche 1904 publiziert. Es lautete nebst einigen 
daran geknüpften Bemerkungen folgendermaßen: 

Merkblatt über den Gebärmutterkrebs. 


*) Zur Verhütung des Gebärmutterkrebses. Deutsche Ärztezeituug 
1899 H 9 

**) Die Verhütung des Gebärmutterkrebses. Deutsche med. W. 1899, 
No. 4. 


um die Verbreitung des Krankheitsgiftes durch das Hamburger 
Wasser zu erhärten, folgende Tatsachen angeführt: Anstalten, 
die eigene Brunnen hatten, oder ihren Wasserbedarf nicht aus 
der Wasserleitung entnahmen, blieben völlig verschont, z. B. 
die Kaserne des 76. Regiments, mit 540 Mann bele^ die 
Alsterdorfer Anstalten mit 575 Insassen, das Pestalozzistift mit 
94 Insassen, das Zentralgefängnis in Fuhlsbüttel mit 1100 und 
die Korrektionsanstalt Fuhlsbüttel mit 600 Insassen hatten 
keinen Erkrankungs- und keinen Todesfall zu verzeichnen; 
dagegen hatte die Irrenheilanstalt Friedrichsberg, die für ihre 
1363 Insassen das Wasser aus der städtischen Wasserleitung 
entnahm, 123 Krankbeits- und 64 Todesfälle an Cholera*, 
ebenso das Werk- und Armenhaus mit 1230 Insassen hatte 45 
Erkrankungen und 13 Todesfälle. 

Es darf als feststehend angenommen werden, dass die 
Cholerakeime durch das Leitungswasser verbreitet sind, dass 
sie also dem Elbwasser entstammten. Wenn man also fragt, 
wie kam die Cholera nach Hamburg ?, so heisst das mi t 
anderen Worten: wie kamen Cholerabacillen in die Elbe, in 
den Hamburger Hafen. 

Nach Reineke richtete sich der Verdacht von vornherein 
auf die jüdischen Auswanderer aus Russland, und gewiss mit 
vollem Recht.“ Indessen ist es trotz sorgfältigster Beobachtung 
dieser Auswanderer und aller Nachforsch^ungen nicht gelungen, 
f estzustellen, dass vor dem 25. August ein Cholerafall im 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


16 


Wanim sterben von den 25000 Kranken mit Qebännatter- 
krebs alljährlich im Deutschen Reich 23—24000? 

Weil diese Tausende sich zu spät an den Operateur ge¬ 
wandt haben. 

Wodurch können diese vielen Tausende in Zukunft gerettet 
werden ? 

Dadurch, dass sie zum Operateur kommen, so lange der 
Gebärmutterkrebs noch auf die Gebärmutter beschränkt und 
durch die unter diesen Umständen fast gefahrlose Herausnahme 
der Gebärmutter mit Sicherheit dauernd zu heilen ist. 

Welches ist die Aufgabe des praktischen Arztes gegenüber 
dem Gebärmutterkrebs? 

Der praktische Arzt hat^edes weibliche Individuum, einerlei 
w'elchen Alters, welches mit Klagen über Ausfluss oder Blu¬ 
tungen zu ihm kommt, so lange für carcinomverdächtig zu 
halten, bis eine sofort (also eventuell auch während der Blutung) 
vorzunehmende Untersuchung mit Sicherheit ergeben hat, dass 
kein Carcinom vorliegt. 

Bezüglich der rortio- und Cervixcarcinome lässt sich 
meistens in der Sprechstunde die sofortige Diagnose stellen, 
die der Corpuscarcinome erfordert das Curettement. Nähere 
Anweisungen über die Diagnostik enthält jedes Lehrbuch der 
Gynäkologie. 

Es ist ein Eunstfehler, einer Patientin mit den genannten 
Klagen, Ausspülungen oder innere Mittel zu verordnen, ohne 
sie vorher untersucht zu haben. 

Verweigert die Kranke eine sofortige Untersuchimg, so ist 
sie auf die Möglichkeit einer schweren Gesundheitsschädigung 
nachdrücklich hinzuweisen. 

Will oder soll der Arzt die Untersuchung nicht selbst vor¬ 
nehmen, so ist es ein Kunstfehler, wenn er der Patientin nicht 
dringend eine sofortige spezialärztliche Untersuchung anrät und 
sie nicht auf die möglichen schweren Folgen der Unterlassung 
einer solchen nachdrücklich aufmerksam macht. 

Anhang: Der Arzt hat bei unbestimmten Magenbeschwerden 
oder sonst nicht erklärlichem Kräfteverfall an die Möglichkeit 
eines Ovarialcarcinoms zu denken und derartige Fälle gynäko- 
logiscK zu untersuchen. 

Bei Myomkranken ist die Möglichkeit der sarcomatösen 
Degeneration der Myome im Auge zu behalten, und sind der¬ 
artige Kranke unter ständiger Beobachtung zu halten. Das 
Abraten einer Myomoperation ist bei der geringen Mortalität 
heutzutage verantwortlicher als die Empfehlung der Operation. 

Welches ist die Aufgabe der ärztlichen Wissenschaft gegen¬ 
über dem Gebärmutterkrebs? 

Ihre Vertreter haben dafür zu sorgen, dass jedes weibliche 
Individuum Folgendes erfährt: 


1. Ausflüsse und Blutungen, seien es verstärkte Menstrua¬ 
tionsblutungen, seien es Blutungen ohne Zusammenhang mit 
der Regel, seien es Blutungen in der Menopause, können die 
ersten Zeichen des Gebärmutterkrebses sein. 

2. Der Gebärmutterkrebs führt, sich selbst überlassen oder 
mit nichtoperativer Methode behandelt, stets zu qualvollen 
Leiden und zum Tode. 

3. Der Gebärmutterkrebs ist nur im Beginn, so lange die 
Wucherung die Gebärmutter noch nicht Überschritten hat, und 
nur durch eine (unter diesen Umständen aber fast gefahrlose) 
Operation dauernd zu heilen. 

4. Jedes weibliche Individuum hat daher die Pflicht, im 
Interesse der Erhaltung seines Lebens bei Auftreten der er- 

. wähnten Erscheinungen sich sofort (auch während des Bestehens 
einer Blutung) vom Arzt, nicht etwa von einer Hebamme, einem 
Kurpfuscher oder einem Naturheilkundigen, untersuchen zu 
lassen. — 

Zur Verbreitung dieser Thesen sind oft wiederholte Notizen 
in der Tagespresse von der grössten Wichtigkeit. Um die 
Delikatesse zu wahren, genügt z. B. folgende Notiz, die wohl 
jede Zeitung aufnehmen würde: „Im Deutschen Reich sterben 
alljährlich 24000 Frauen an Unterleibskrebs. Diese könnten 
fast sämtlich vor einem vorzeitigen und qualvollen Tod bewahrt 
werden, wenn sie bereits bei Auftreten der geringfügigsten Stö¬ 
rungen, wie sie im Frauenleben häufig verkommen und auch 
meistens ohne besondere Bedeutung sino^, sofort einen praktischen 
Arzt oder Frauenarzt konsultierten. Diese geringfügigen Stö¬ 
rungen, bei denen Schmerzen gewöhnlich ^anz fehlen, können 
näidich auch die ersten Anzeichen des beginnenden Unterleibs¬ 
krebses sein. Letzterer ist nur im Beginn, dann aber durch 
eine fast gefahrlose Operation, dauernd zu heilen. Andere Heil¬ 
methoden des Unterleibskrebses, als operative, gibt es nicht. 
Durch die Konsultation von Hebammen, Kurpfuschern, Natur¬ 
heilkundigen wird daher meistens der ^nstige Zeitpunkt der 
operativen Hilfe versäumt.“ 

Solche Mitteilungen an die Presse sind zweckmäßig von 
einer Zentralstelle aus zu dirigieren, z. B. der Deutschen Ge¬ 
sellschaft für Gynäkologie oder dem Komitee zur Erforschung 
des Krebses- Die Vorgesetzten Behörden müssen ferner durch 
entsprechende, oft wiederholte Erlasse, die dann wieder der 
Presse zur Veröffentlichung zugehen müssten, die Hebammen 
dazu anzuhalten, Frauen, welche wegen Unterleibsleiden ihren 
Rat erbitten, sofort an den Arzt zu weisen. 

Es müsste ferner an alle Standesämter ein Merkblatt ge¬ 
schickt werden, welches diesen Gegenstand behandelt und an 
alle eine Geburt anmeldenden Personen zu verteilen wäre. — 


Auswandererschuppen vorgekommen. „Wir haben nichts ge¬ 
funden, was uns berechtigte, Cholera anzunehmen^ (Reineke). 

Neben den Auswanderern richtet sich also der Verdacht 
auf die Schiffe, die aus einem von Cholera verseuchten Hafen ge¬ 
kommen waren; doch sind auch in dieser Beziehung für den 
Beginn der Epidemie keine verdächtigen Krankheitsfälle an 
Bord eines meser Schiffe nachzuweisen gewesen. Reineke 
schliesst sein Referat über diese Nachforschungen mit den 
Worten: „Natürlich können diese Schiffe ebensogut wie die 
russischen Auswanderer, ohne Kranke mit sich zu führen, doch 
die Keime hergebracht haben. Wer will das nachweisen?“ 

Nun ich glaube, dass da doch der Hinweis auf die Ver¬ 
schleppung der Cholera durch das Trinkwasser, wie bei den 
Pilgern, angebracht ist. Gerade, wie die Pilger führen die 
Seeleute Trink Wasser mit sich aus fremden Häfen; 
alle Schiffe, die in den Hafen von Hamburg kommen, haben 
mehr weniger grosse Mengen, mitunter vime Tausend Liter 
Trinkwasser an Bord, und wenn sie von einer längeren Reise 
kommen, so lassen siezunächstdas alte, abgestandene 
Trinkwasser in die Elbe laufen, um frisches Trinkwasser 
in ihre Wasserbehälter zu füllen. Namentlich die Segelschiffe, 
welche oft unvorhergesehene lange Reisen hinter sich haben, 
lassen ihr alt und brackig gewordenes Wasser schleunigst in 
die Elbe ab. Das ist Tatsache, das weiss man, das sollten 


auch die Behörden wissen — und erste Regel, wenn aus¬ 
wärts Cholera herrscht, sollte sein, dass das Trink¬ 
wasser der Schiffe, die aus fremden Häfen kommen, 
die irgend verdächtig sind, dass dies Wasser nicht in den 
Hamburger Hafen — um bei Hamburg zu bleiben — ver¬ 
schleppt wird. Wie das verhindern? — Sehr einfach, man 
lässt bei Gelegenheit der gesundheitlichen Untersuchung der 
Schiffe in Cuxhaven das Trinkwasser, welches aus irgend ver¬ 
dächtigen Häfen stammt, dort gleich in die Elbe lauten. Dort 
kann es keinen Schaden tun, dort wird aus dem mit Seewasser 
gemischten, ungeniessbaren Wasser kein Trinkwasser geschöpft 
Ist diese einfach zu befolgende Maßregel nun vor Aus¬ 
bruch der Cholera in Hamburg geübt worden, wo täg¬ 
lich Schiffe aus choleraverseuchten Häfen: aus Alexandrien, 
Odessa, Marseille, Hävje in die Elbe einliefen, wo täglich grosse 
Mengen verdächtigen Wassers die Elbe hinaufgeschleppt werden 
konnten? Es ist nicht geschehen! Man hat die Menschen, 
Besatzung und Passagiere, sich angesehen, an das unter Um¬ 
ständen gefährliche Wasser — meines Erachtens das ge¬ 
fährlichste von allen Dingen, die in Betracht kommen — hat 
man nicht gedacht! Das Wasser ist unbehindert nach Ham¬ 
burg hinauf mitgenommen und in den hamburger Hafen ent¬ 
leert worden, ist also mit dem Elbwasser zusammen in 
die Trinkwasserleitung geschöpft worden in un- 
kontrollierbarer Menge. 


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16 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 2. 


Dass diese {von dem Verf. bereits im Jahre 1899 gemachten) 
Vorschläge sicherlich einen raschen Erfolg haben werden, be¬ 
weisen die neuerlichen Mitteilungen von Winter,welcher durch 
entsprechende Mitteilungen an die Arzte, die Hebammen und 
die Tagespresse der Provinz Ostpreussen die Operabilitäts¬ 
prozente des Uteruskrebses in dem Zeitraum eines Jahres nicht 
unwesentlich erhöht hatl — 

Zur richtigen Aufklärung nicht der Carcinomkranken selbst, 
wohl aber ihrer Angehörigen, ist es notwendig, dass der prak¬ 
tische Arzt über die besten Operationsmethoden auf 
dem Laufenden erhalten wird. Hierüber zum Scliluss 
einige Worte: 

Die vaginale Uterusexstirpation ist nur noch auf die 
Fälle vonCorpuscarcinomzu beschränken, hei denen sie aufgezeich¬ 
nete Erfolge, nämlich 80% Dauerheilungen erzielt. Alle nicht zu 
weit vorgeschrittenen I’älle bleiben nach dieser Operation, deren 
primäre Mortalität nach meinem Material 0 ist, dauernd gesund. 
Technisch ausführbar ist die vaginale Exstirpation auch bei grossem 
Uterus und enger Vagina, falls man die von mir seit 1890 in 
diesen Fällen angewandte Scheidendammincision*) gebraucht, 
deren Wesen in der Durchtrenniing des Lcvatoani besteht, und 
die 3 Jahre nach mir von Schuchhardt noch einmal erfunden 
worden ist. 

Bei diesem Hilfsschnitt muss man sich jedoch vor einer 
Impfinfektion der gesetzten grossen Wunde hüten. Sie ist mir 
einmal in folgendem Fall passiert: 

Anamnese: 16. 10. 1903 konsultiert mich die 58jährige III. para 
Frau F. MenopauseseitTJahren, seit 2Jahren dann und 
wann geringe Blutung. .luni 1002 wurde von einem hiesigen Fach- 
(lynäkologen, der nicht operiert oder höchstens einmal curettiert, eine Aus¬ 
kratzung vorgenommon und l’at. bis Aiigu.«t mit täglichen Ätzungen ohne 
Krfolg behand^elt. Von Januar bis .luni 1903 wieder jede^ zweiten Tag 
Ätzungen. Trotzdom wurden die Blutungen stärker, auch stellten sich in 
letzter Zeit Schmerzen ein, und Pat. fdblte sich hinOülig. 

Status: Anämische, kackcktisch anssobendo Dame. Ausdoni Mutter¬ 
mund ragt oino verdächtige, leicht blutende Erosion. 

Operation: 19. 10. 03. In Narkose lassen sich von der Erosion 
markige Bröckol abkratzen. Nach Verschorfung mit dom Papiiolin 
wird auch dio 8*/* cm lange Corpushülilo curettiert und entleert ohetifall.s 
markige Bröckel. Nach gründlicher Spülung wird der Mnttormund zuge¬ 
klemmt und der Uterus mit Hülfe einer Schcidondaiimüncision oxstirpiert. 
Da das im Fundus sitzende Corpuscarcinom schon bis an das Peri¬ 
toneum reicht, so rcisst der UtornskOrpor ein und entleert Garc.i- 
nombröckel. 

6. 11. Steht Pat. auf, nachdem dio gesetzten Wunden per priinam ge¬ 
heilt sind. 0. 11. Linksseitige Schcnkelthrombosc. 15. 11, Trotz strenger 
Bettruhe Lungenembolie. 31. 12. geheilt entlassen. 

Die mikroskopische U nt e rsu ch ung ergab ein weit vorgo- 
.sebrittenes Corpuscarcinom tind im unteren Teil des Uorvikalkanals ein 


*) Bemerkungen zur Technik der vaginalen Totalexstirpation des 
•Uterus. Charite-Annalen 1891. 


Man kann nun einwendon, w’enn die fraglichen Schiffe 
wirklich nicht nur verdächtiges, .sondern verseuchtes Wasser 
mit sich führten, so müssen doch auch Cholerakranko an Bord 
dieser Scliiffe gewesen sein, erkrankt infolge Genusses dieses 
verseuchten Wassers. Darauf ist zu erwidern: es können aller¬ 
dings Cholerakranke an Bord dieser Schiffe gewesen sein, es 
ist das Gegenteil nicht hew’ieson; doch ist es unwahrscheinlich, 
da jedenfalls feststeht, dass vor Ausbruch der Krankheit in 
Hamburg keine Todesfälle an Bord dieser Schiffe vorgekommen 
sind — und Choleraerkrankungen in irgend erheblicher Menge 
ohne Todesfälle sind nicht denkbar, sind doch damals in Hamburg 
45%, in diesem Jahre (1905) 30% der Erkrankten gestorben! 

Es brauchen aber keine Cholerakranken an Bord der Schiffe 
gewesen zu sein, sowenig, wie unter den ni.ssischen Auswanderern, 
denn einmal ist es nicht nötig, dass die. Besatzungen von dem 
verseuchten Wasser genossen haben, sie können daneben noch 
älteres, aber wenigstens nicht verseuchtes Wasser zum Genüsse 
bis zur Ankunft in Hamburg ausreichend gehabt haben, sie 
können ferner, wenn sie wussten, dass das Wasser, welches sie 
z. B. in Odessa an Bord nahmen, verseucht oder dort stark 
verdächtig war, dies Wasser nur in gekochtem Zustande ge¬ 
nossen haben. Denn Cholera gehört zu den meistgefnrehteten 
Krankheiten, und wenn das eingenommene Trinkwasser cholera¬ 
verdächtig ist, wird seitens des Schiffsführers seiner Instniktion 
gemäss angeordnet werden, dass von diesem verdächtigen Wasser 


beginnondes Oarcinom der CervikaldrUson, welch lotzcerey durch luipiudektion 
entelandea za sein scheint. 

28. 9. 04. Exciäion eines apfolgrossen, in der Dammnar be gele- 
enen Tumors und einer haselnussgrossen, rechtsseitigen 
ngiiin aldrüse. Der Tumor besteht aus einer von einer 3 mm dicken 
Wand umgebenen, mit eiterartiger Flüssigkeit gefttllten Cyste. Die Wand 
ist von DrUscnschläucben, die mit mehrschichtigen Cylinder-Epithel aasge¬ 
kleidet sind, und mit soliden Krebszapfen durchsetzt. Dasselbe Bild bieict 
auch die Leistendrüse. 

20. 10. 04. Put wird mit per pritnam geheilten Wunden entlassen, ist 
jedoch iun Sommer 1905 gestorben. 

Dieser Fall ist in vieler Beziehung lehrreich. Im Oktober 
1901 entwickelte sich offenbar bei der Pat. ein malignes 
Adenom der Corpusschleimhaut, im Juni 1902 wurde 
curettiert, aber offenbar die entfernten Massen nicht mikroskopisch 
untersucht oder ihr Charakter nicht erkannt. Trotzdem nun 
die Fortdauer der Blutungen auf die Malignität hinwies, wurde 
die Pat. ein ganzes Jahr lang weiter mit AtzuDgen 
behandelt. Zuletzt entwickelte sich noch ein Cervixcarcinom, 
welches ebenfalls nicht erkannt wurde, obgleich ein Blick auf 
dasselbe midi sofort die Diagnose Carcinom stellen Hess. Die 
Folge der langanhaltenden Blutungen war eine solche Schwä¬ 
chung des Organismus, dass die Pat. die Thrombose und die 
lebensgefährliche Embolie bekam — und die Folge der fehler¬ 
haften Behandlung war eine solche Ausbreitung des Corpus- 
carcinoms, dass die infiltrierte Corpuswand einriss und hier¬ 
durch die Impfinfektion der Scheidendammiucision entstand. 
Durch sekundäre Erkrankung der Inguinaldrüsen kam es zum 
Exitus. 

Zur Verhütung der Impfinfektion bei solchen weit vorge¬ 
schrittenen Fällen muss man die Corpushöhle gründlich aus¬ 
spülen und ausätzon, dann den Muttermund vernähen oder fest 
zuklemmen und nun erst <lie Scheidendammincision anlegen. 
Ferner darf man den Uteruskörper nicht mit Zangen fassen, 
da man nie wissen kann, ob das Carcinom nicht schon die 
ganze Wand durchsetzt. — 

Die Portio- und Ceivixcarcinomo mü.ssen mit 
ventraler Exstirpationdes Uterus,derParametrien 
und der zugehörigen I liaca I d r üs en behandelt 
worden. Die beste hierfür angegebene Methode ist nach der 
Erfahrung des Verf.’s dio von Kackenrodt — und zwar liegen 
ihre Vorzüge hauptsächlich in der Art der Vorbereitung aes 
Carcinoms (Auslöffiung und nachfolgende Tamponade mit nasser 
10%iger Formaliogaze), in dem Hufeisenschnitt und drittens 
in der gründlichen Entfernung der Ligamentwurzeln. 

Die Mortalität dieser ausgedehnten Carcinomoperationen 
beträgt bei den verschiedenen Autoren 20—35%. Sie wird 
belastet durch die vorgeschrittenen Carcinome, die man ventral 
noch exstirpiert, während ihre vaginale Entfernung technisch 


nicht getrunken wird; die Wasserfässer werden unter Verschlu8.s 
gelegt, es wird der ausreichende Tagesvorrat in die Küche ge¬ 
nommen und den Leuten in abgekochten Zustande, als düuner 
Tee oder dünner schwarzer Kaffee zum Trinken gereicht 
Diese Maßregel lässt sich sehr leicht durchführen, diese Für¬ 
sorge wird von den Leuten anerkannt, denn vor der Cholera 
haben sie alle Angst. Es ist daher sehr wohl möglich, 
dass diese Schiffe eine grosse Menge verseuchtes 
Wasser, doch keinen kranken Menschen an Bord 
hatten. Dass aber einige hundert Liter choleraverseuchtes 
Wasser, welches 2, 3, 4 Wochen in Gefässon stagnierte, eine 
erheblich grössere Menge Cholerakeime ins Elbwasser brachten, 
als es die Dejecte einiger weniger Cholerakranker tun konnten, 
ist doch ohne weiteres einleuchtend, dazu kommt, dass die 
Schiffe in ihrer überwiegenden Menge der Schöpf- 
stelle der Wasserkunst erheblich näher lagen, als 
die Ausraündungsstelle des Siels der Auswandererbaracken, die 
4 Kilometer unterhalb derselben liegt. Es konnten also 
die aus den Wass er be h äl te rn derSchiffe entleerten 
Keime erheblich leichter bis zur Schöpfstelle und 
damit in die Wasserleitung gelangen. 

Nach alledem halte ich an der Meinung fest,, dass durch 
den Schiffsverkehr choleravorseiichtes Wasser in den hamburger 
Hafen gebracht, hier entleert wurde und in die Wasserleitung 
gelangte; dass also die Cholera in Hamburg einge- 


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1906. 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


17 


-Dicht mehr möglich ist. Diese Fälle sind durch die länger 
dauernden Blut* und Säfteverluste geschwächt und erliegen 
dem Schock der Operation, zumal wenn es sich um alte Frauen 
handelt, die sich vorher nur schlecht ernährt haben. Jüngere 
Individuen, die sich vorher ausreichend ernähren konnten, über¬ 
stehen die Operation nach meinen Erfahrungen ausgezeichnet 
— ich habe bei dieser Kategorie keinen einzigen Todesfall zu 
beklagen. 


Principiis obsta! 

Unter diesem Titel bringt die Wiener klinische Wochen¬ 
schrift 1905, Nr. 52, einen höchst bemerkenswerten Artikel, 
welcher als Mahnwort an die Berufsgenossen von der kaiser¬ 
lich königlichen Gesellschaft der Ärzte in Wien bezeichnet 
wird. Kundgebungen solch bedeutender und grosser wissen¬ 
schaftlicher Gesellschaften verdienen schon an sich erhöhte 
Beachturjg um so mehr, wenn es sich, wie hier, um die wich¬ 
tige Frage der Krebstherapie handelt. Da unser heutiger Leit¬ 
artikel die Stellung des praktischen Arztes zum Uteruscarcinom 
aus der Feder Dührssen’s behandelt, ist es besonders an¬ 
gezeigt, auf diese Veröffentlichung hier etwas näher einzugehen. 
Der Aufsatz verdankt seine Entetehung einem Beschluss des 
von der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien gew^lten Car- 
cinomkomitees und bezweckt, bei den praktischen Ärzten ein¬ 
dringlich auf die Wichtigkeit der Frühdiagnose und Prühope- 
ration des Krebses hinzuweisen. 

Gleich im Beginn wird in w'enigen aber eindringlichen 
Worten der Stab über alle bisher erfundenen und entdeckten 
Krebsheilmittel gebrochen. Es heisst da; „zur Zeit aber missen 
wir schmerzlich selbst die schwächsten dämmernden Anzeichen 
solch einer segensreichen Errungenschaft (sei. Krebsheilmittel).'^ 
Wie wichtig ist diese klare nicht misszuverstehende Feststellung. 
Wir leben ja in der Zeit der Heilsera und an allen Orten 
tauchen hier und da solche gegen Krebs auf, Hoffnungen er¬ 
weckend, bittere Enttäuschungen bereitend. Wir müssen eben 
bis heute ehrlich eingestehen, dass wir in dieser Richtung 
nichts erreicht haben. Äber die Behandlung des Krebses ist darum 
nicht aussichtslos, es ist falsch und unbegründet von einer Un- 
heiibarkeit des Krebses zu sprechen. ^Uer Krebs ist in der 
rossen Mehrzahl der Fälle heilbar; er ist dauernd heilbar in 
em Stadium, wo er noch ein lokales Leiden darstellt, und 
das derzeit zuverlässigste Heilmittel ist das rechtzeitig und 
richtig angewendete Messer des Chirurgen**. 

Hier hegt das Geheimnis der Therapie; die Frühzeitigkeit 
der Operation, des chirurgischen Eingriffs allein kann erfolg¬ 
schleppt wurde durch verseuchtes Trinkwasser der 
Schiffe, die aus verseuchten Häfen kamen. 

Das verseuchte Wasser aus fremden Landen ist also das 
Analogon im Vergleich mit den Mekkapilgem, während im 
Übrigen das weitere Verhalten abweichend ist; Die Pilger 
trinken ihr mitgebrachtes Wasser selbst und erkranken daran, 
während die Skiffe ihr mitgebrachtes Wasser schleunigst von 
sich geben und in die Elbe laufen lassen, um es nicht trinken 
zu brauchen, und also Hamburg die Cholera bescheeren. 

Wenn ich in dem oben angeführten Aufsatz schrieb, „man 
verbiete den Pilgern das Mitnehmen von Wasser**, so hielt ich 
es für ganz selbstverständlich, dass dieser Grundsatz sinngemäß 
auf unsere Verhältnisse angewendet würde, also beim Schiffs¬ 
verkehr auf Hamburg angewendet lauten müsste; „Man ver¬ 
hindere, dass fremdes, verdächtiges Trinkwasser in den Hafen 
und in die Wasserleitung gelang!“ Wie einfach dies auszu¬ 
führen, ist oben angegeben. Ich hatte demnach gehofft, dass 
ausser den vielen damals und auch heute noch oestehenden, 
z. T. unnützen und unzweckmäßigen Quarantänevorschriften 
diese einfache und nützliche Maßregel angeordnet sei, zur Un¬ 
schädlichmachung des fremden, verdächtigen Trinkwassers. In¬ 
dessen ist das nicht geschehen. Ich war sehr überrascht, in 
dem erwähnten Vortrage Reinekes kein Wort über dies Trink¬ 
wasser und seine Beseitigung zu finden, und da der Redner 
zum Schlüsse aufforderte „beim Suchen zu helfen, damit wir 


reiche Hilfe ermöglichen. Das Carcinom tritt, wo immer, zu¬ 
erst als lokales Leiden auf und lässt sich, früh genug erkannt, 
in den meisten Fällen total entfernen, wird aber diese günstige 
Zeit verpasst, dann geht die Erkrankung weiter, es treten 
Komplikationen ein, die regionären Lymphapparate werden 
in Mitleidenschaft gezogen und die Operation wird mit einem 
Schlage unvergleichlich viel umfangreicher, schwieriger, ja oft 
unausmhrbar. So lange ein Carcinom noch auf das befallene 
Organ beschränkt ist, kann ein Erfolg erhofft werden, sind 
bereits Nachbarorgane in das Bereich der Krankheit gezogen, 
dann ist auch der energischste chirurnsche EinCTiff zweifelhaft. 
Besonders günstig ist der in den letzten Jahren errungene 
Fortschritt in der chirurgischen Technik, welcher heute relativ 
ungefährlich Eingriffe gestattet, die vor 30 Jahren überhaupt 
ausgeschlossen erschienen. Heute steht man auch bei der 
Früuoperation auf dem Standpunkt, nicht nur das befallene 
Organ oder das Neoplasma in seiner ganzen Ausdehnung, son¬ 
dern auch, soweit irgend angängig, den regionänen Lympli- 
apparat mit zu entfernen. 

Die bei weitem grösste Schuld an der Verschleppung der 
Fälle trifft ganz fraglos die Patienten selbst. Unacntsai^eit, 
Scham zum Arzt zu gehen, eine gewisse Indolenz sind oft 
schuld daran, dass der Arzt erst spät, meist zu spät gefragt 
wird. Es kommt hinzu, dass das Carcinom in den allerfrübesten 
Anfängen meist schmerzlos, ohne Störung des Allgemeinbe¬ 
findens verläuft und so die Patienten nicht veranlasst werden, 
ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ja selbst wenn eine 
Frühdiagnose zu stände kommt, wird nicht selten der operative 
Eingriff abgelehnt, weil ja gar keine Schmerzen vorhanden 
seien. Einen ganz erheblichen Teil der Schuld an den Ver¬ 
zögerungen tragen aber fraglos die Kurpfuscher und „Natur- 
Urzte“. Diese verbrecherischen Fanatiker der operationslosen 
Heilmethode sind ja gewissenlos genug, um teils aus Eitelkeit 
viel öfter noch aus Gewinnsucht, ihre ganz unsinnigen Kuren 
bei den unglücklichen Patienten so lange zu probieren, bis ein 
rationeller Eingriff nicht mehr möglich oder doch höchst zweifel¬ 
haft geworden ist. 

Aber auch die Ärzte trifft nicht selten ein gewisses Ver¬ 
schulden. Die Unscheinbarkeit der Krankheitserscheinungen 
verleiten zu ungenügender Untersuchung. Vielleicht ist auch 
die Ungeübtheit, beispielsweise in der mikroskopischen Diag¬ 
nose probeexzidierter NooplasmastUcke, mit in Betracht zu 
ziehen. Hinzu kommt noch die oft vorgefasste Meinung, dass 
zum Krebs stets eine Krebskachexie gehöre, die Unkenntnis, 
dass im Beginn der Erkrankung jegliche Störung des Allge¬ 
meinbefindens fehlen kann, welche die reclitzeitige Diagnose¬ 
stellung verzögert. 

schliesslich doch noch auf die richtige Spur kommen** — hielt 
ich mich verpflichtet auf meine oben ausführlich erwähnte Er¬ 
fahrung über das Trinkwasser der Mekkapilger und meinen 
Verdacht betreffs des Trinkwassers der Skiffe hinzuweisen. 
Auf mein Schreiben erhielt die vom 4. Februar 1893 datierte 
Antwort, dass meine „Zuschrift eine sehr interessante Frage 
anrege. Leider ist es jetzt zu spät, darauf gerichtete Unter¬ 
suchungen anzustellen. Vielleicht gibt der Sommer dazu Ge¬ 
legenheit.** — Nun, der Sommer 1893 hat glücklicherweise 
die (Jholera nicht wieder gebracht; ich ersehe aber aus dpr 
Antwort, dass das Trinkwasser aus fremden Häfen nicht Gegen¬ 
stand der Untersuchung war, also nicht beachtet wurde; dass 
man also, trotzdem man auf die Möglichkeit der Einschleppung 
der Cholera durch fremdes Trinkwasser aufmerksam gemacht 
war, dies Wasser ganz unbeachtet lies und nichts tat zu seiner 
Beseitigung. 

Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob später auf meine 
Anregung eine Verordnung zur Beseitigung dieses Wassers, ein 
Verbot seiner Einschleppung erlassen ist. 

Sollte diese Frage noch nicht geregelt sein, so möchte ich 
von Neuem dazu angeregt haben; sollte die Vorschrift aber 
eingeführt sein, so darf ich wohl, ohne unbescheiden zu sein, 
meine Anregung für die Ursache derselben halten. 


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18 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 2. 


In der Veröffentlichung werden weiterhin statistische Zahlen 
über die bisher erzielten Dauerheilungen mitgeteilt, welche 
wichtig genug erscheinen, auch hier gegeben zu werden, wir 
eitleren ^eselben wörtlich: 

Dauerheilungen 

Aus der Klinik v. Esmarch . 1850—78 11,70%, 

- „ „ Billroth . . . 1867—76 4,7 %, 

- - . V. Mikulicz . . 1871—78 9,0 %, 

„ „ „ V. Volkmann . 1874—78 11,0 %, 

- „ _ Gussenbauer . 1878—88 16,7 %, 

„ „ „ Koenig . . . 1875-85 22,5 %, 

„ „ „ Kroenlein . 1881—93 19,4 %, 

_ _ fl Angerer . . 1890—99 16,9 %, 

„ „ „ Albert. . . .1890—1900 25,0 %, 

„ „ n V. Bergmann . 1882— 99 28,79%, 

„ „ r Eiseisberg . 1896—1900 22,7 %. 

Der Durchschnitt würde also etwa 21% betragen. 

Die Statistik ergibt 34,7% Dauerheilungen beim Collum- 
carcinom und 75% beim Corpuscarcinom. Der erste Teil der 
Veröffeutlichung endet mit dem beherzigenswerten Satz: 

Unser Bestreben muss dahin gerichtet sein, in 
jedem einzelnen Falle durch gewissenhafteste 
Ausnützung aller diagnostischen Behelfe zur 
Frühdiagnose des Carcinoms zu gelangen, um die 
Krebskranken in jenem Stadium der operativen 
Behandlung zuzuführen, in dem der Eingriff zur 
dauernden Heilung führen kann. 

In einem zweiten nicht weniger bemerkenswerten Teil der 
Veröffentlichung werden die markantesten S 3 anptome der ver¬ 
schiedenen Carcinomarteu erörtert. Wir behalten uns vor, 
auch den Inhalt dieses Teils auszugsweise wiederzugeben. 


Standesfragen. 

Der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine 
hat an die statistische Abteilimg des Gesundheitsamts eine Petition 
gerichtet, die bezweckt, dass bei Neubearbeitung des Arzneibuches 
für das deutsche Reich das Eis als offfzinelles ständig in der 
Apotheke vorrätig zu haltendes Mittel eingeführt werden soll. 

Für die Anhänger der freien Arztwahl dürfte es interessant 
sein, dass in einem von der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion 
eingebrachten (i^esetzentwiu'f, der die Regelung des Knappsebafts- 
kassenwesens betrifft, die freie Arztwahl für die Kassenmitglieder 
Vorgesehen ist. 

Literarische Monatsschau. 

Aug:enheilkunde. 

Der Aufschwung, den die Augenheilkunde in der zweiten 
Hälfte des vorigen Jahrhunderts genommen hat, beruht auf vier 
Namen: Helmholtz, Albrecht von Graefe, Lord Lister und Koller. 
Es war eine seltene Schicksalsfügung, dass um die Zeit, als uns 
Helmholtz den Augenspiegel schenkte (1851), in Albrecht von 
Graefe ein Mann lebte, der befähigt war, mit Hilfe des neuen 
Instrumentes Entdeckungen von höchster Bedeutung zu machen. 
Die Einführung der aseptischen Wundbehandlung durch Lister 
reduzierte die Verluste nach Augenoperationen auf ein Minimum, 
und als nun gar 1884 mit der Einführung des Kokains in die 
Augenheilkunde durch KoUer die Schmerzhaftigkeit der Eingriffe 
an dem so überaus empfindlichen Sehorgan beseitigt wurde, kannte 
der Enthusiasmus keine Grenzen. Seit dem Tage, da Koller ent¬ 
deckt hatte, dass das Alkaloid des Erythroxylon Coca-Strauches 
auch am Auge die sensibelen Nervenendigungen lähmt, wuchs die 
Bedeutung der lokalen Anästhesie für den Augenarzt gewaltig. 
Bildet doch die allgemeine Narkose stets eine mehr oder weniger 
grosse Gefahr für das Leben des Kranken. Allerdings gibt es 


oft genug Fälle, in denen auch der Augenarzt der allgemeinen Be¬ 
täubung durch Chloroform oder Äther nicht entraten kann; aber sie 
sind verschwindend gering an Zahl gegenüber denen, wo die lokale 
Anästhesie eine unschätzbare Wohltat bedeutet. Wie jedem Arznei¬ 
mittel haften dem Kokain Nebenwirkungen an, die bei seiner Ver¬ 
wendung zu grösster Vorsicht mahnen, oft auch seine Benutzung 
ganz verbieten. Das Kokain ist ungemein giftig, und selbst so 
kleine Mengen und so schwache Konzentrationen, wie die vom 
Ophthalmologen gebrauchten, können schwere Vergiftungser- 
schoinungen, ja sogar den Tod herbeiftthren. Was die unerwünsch¬ 
ten Nebenwirkungen am Auge angeht, so sind da zu nennen, 
Lähmung der Akkomodation, Erweiterung der Pupille und (durch 
Parese der glatten Lidmuskulatur) auch der Lidspalte, so dass 
ein störender unbeweglicher Blick entsteht; da Kokain gefässver- 
engernd wirkt, hemmt es häufig infolge unzureichender Ernährung 
der Gewebe die Wundheilung. Dazu kommt vor allem die Tat¬ 
sache , dass es ein Epithelgift ist, das zu Vertrocknung, ev. sogar 
zu völliger Abstossung des Homhautepithels führen kann. Wir 
sehen also, dass auch der Augenarzt l^i der lokalen Anästhesie 
mit Kokain sich vor .jeder Unvorsichtigkeit zu hüten lud'. 

So ist es denn verständlich, dass die chemische Industrie mit 
grossem Fleisse und einer durch keinen Misserfolg zu brechenden 
Energie nach Mitteln gesucht hat, die dem Kokain den Rang 
streitig machen sollten. Von vielen ist kaum mehr als der Name 
übrig geblieben, einige wenige haben für gewisse Fälle einige 
Bedeutung erlangt. Immerhin Ist es bisher keinem dieser Ersatz¬ 
präparate gelungen, das Kokain zu entthronen, weil keins alle Vor¬ 
züge des Kokains in sich vereinigte und dabei seine Fehler ver¬ 
mied. Nun kommt seit einigen Monaten ein von den Elberfelder 
Farbenfabriken vorm, Priedr. Bayer A Co. dargestelltes Präparat 
in den Handel, das dem Kokain ernstlich Konkurrenz zu machen 
scheint; das Alypin. Es handelt sich bei diesem Körper um einen 
Glyzerinabkömmling, der im Gegensatz zum Stovain sich im Wasser 
leicht löst und anders als Kokain die Sterilisation durch Kochen 
verträgt, ohne sich zu ersetzen oder an anästhesierender Kraft zu 
verlieren. Während Stovain sauer reagiert und infolgedessen die 
Gewebe reizt, mit denen es in Berührung kommt, haben die Alypin- 
lösungen neutrale Reaktion, werden also von den alkalisdi rea¬ 
gierenden Körpersäften nicht ausgefällt und von dem subkutanen 
Zellgewebe und den Schleimhäuten anstandslos resorbiert. Es liegt 
bereits eine grosse Reihe von Arbeiten vor, die übereinstimmend 
folgendes besagen: a) Alypin ist halb so giftig wie Kokain; in 
den therapeutisch in Frage kommenden Mengen ist die Toxizität 
des Mittels also belanglos; b) die anästhesierende Kraft des Aly- 
pins ist der des Kokains mindestens gleich. Wenige Tropfen einer 
höchstens 5 % igen Lösung in den Bindehautsack geträufelt, machen 
die Hüllen des Augapfels so unempfindlich, dass man alle Opera¬ 
tionen, selbst die die Augenwandungen eröfi^ienden getrost vor¬ 
nehmen kann. So hat sich denn das hfittel bewährt bei Ent¬ 
fernung von selbst tiefsitzenden Fremdkörpern der Hornhaut, bei 
Eröffnung und Ausräumung von Gersten- und Hagelkörnern, 
Färbung von Homhautflecken, Breunung von HomfaautgeschwUren, 
Abkratzung des Homhautepithels wegen Keratitis traumatica recur¬ 
rens, Operation des Pterygiums; ferner bei einfachen und kombi¬ 
nierten Scbieloperationen bei Diszission des Schiebt- und Nachstars, 
Punktion der Vorderkanuner, Iridektomieen vor Staroperationen 
und bei Staroperationen selbst. Infolge seiner geringen GKftigkeit 
eignet sich das Alypin besonders zur subkutanen Einspritzung; 
freilich hat Alypin ebenso wenig zu vollständiger Unempfindlichkeit 
bei Entfernung des Tränensacks geführt wie Kokain. Als symptoma¬ 
tisches Mittel bei entzündlichen und schmerzhaften Homhautleiden 
(Erosio, Herpes, Keratitis parencbymatosa etc.) bewährt es sich gut. 
Zur Behandlung des Heufiebers, zur Linderung der bei gewissen 
therapeutischen Eingriffen (PinselnmitHöllenstein,Toucbierenmitdem 
Alaunstift) hervorgerufenen Schmerzen ist das Alypin tauglich. 
Übrigens beginnt es auch sich in der kleinen Chirurgie bei Nasen-, 
Rachen- und Kehlkopfoperationen und in der urologischen Praxis einzu- 
bürgera. c) Das bei der Einträufelung eintretende Brennen ist erträg¬ 
lich und wird vielfach nicht unangenehmer empfunden als das durch 
Kokain erzeugte. Die mit der Einführung des Mittels in den 
Bindebautsack einsetzende Hyperämie ist zwar bei Operationen an 
entzündeten,blutuberfüUten Membranen lästig, aber durch Zusatz 
von Nebennierenpräparaten leicht zu beseitigen, d) Einzelne Be- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


19 


obachter haben nach Eintränfelnng grösserer Mengen hochkonzen¬ 
trierte Lösungen am Tier- und auch am Menschenange Epithelsch&di- 
gungen gesehen. Aber diese Befunde werden durchaus nicht von 
allen Seiten bestätigt, sind aber auch bei den für die Praxis in Be¬ 
tracht zu ziehenden Konzentrationen nicht zu befürchten, e) Das¬ 
selbe gilt von den durch einige Autoren konstatierten Symptomen 
der Pnpillenerweiterung, Akkomodationslähmung und Erhöhung 
des intraokularen Drucks, die bei den gewöhnlich ausreichenden 
2—5%igen Lösungen nicht auftreten. f) Ein immerhin in Frage 
kommender Vorzug des neuen Mittels ist sein geringer Preis 
(25% billiger als Kokain). Bisher haben sich folgende Autoren 
mit Alypin beschäftigt: 

1. Impeus, Deutsche med. W., 1905. Nr. 29. 

2. SeeligsobuQ, Ibid., Nr. 35. 

3. Neustätter, Münch. Med. W., 1906, Nr. 42.. 

4. KöUner, Berliner klin. W., 1905, Nr. 43. 

5. V. Sicherer, Ophthalmolog. Klinik, 1905, Nr. 16. 

6. Weil, Ällg. med. Zentralztg., 1905, Nr. 36. 

7. Hummelsheim, Arch, f. Aughkde. Bd. 53, Heft 1. 

8. Gebb, Inaug.-Diss. Giessen 1905. 

9. Stotzer, Inaug.-Diss. Bern 1905. 

10. Lohnstein, Allg. med. Zentralztg. 1905, Nr. 47. 

11. Jakobsohn, Wochenschr. f. Therapie und Hygiene des 

Auges, Vlir, 52. 

12. Ohm, Ibid. IX, 6. 

13. Brest, Sammlung Vossius; Marhold 1905. 

14. Peckert, Deutsche Zahnärztl. Wochenschr., VIII, 43. 

15. Braun, Deutsche med. W., 1905, Nr. 42. 

16. Seifert, Ibid., Nr. 34. 

17. Königshöfer, Ibid., Nr. 49. 

18. Krauss und Joseph, Ibid., Nr. 47. 

19. Steindorff, Ärztl. Praxis, 1905, Nr. 24. 

(Forteotzung folgt.) 


Periodische Literatur. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. i. 

1. Hoffa, Berlin: Über die tranmatuohe Entsendung des 
Kniegelenks: Verf. berichtet über seine Erfahrung bei einer Er¬ 
krankung des Kniegelenks, welche darin besteht, dass das unter¬ 
halb der Patella gelegene Fettgewebe fibrös entartet, zu einer 
fibrösen Hyperplasie sich verändert und so bedeutende Beweguugs- 
Störungen und Schmerzen verursacht. Die Ursache sind nach An¬ 
sicht des Verf. meist traumatischer Natur. Klinisch machen sich 
Einklemmungserscheinungen geltend. Verf. geht dann weiter auf 
schwerere traumatische Veränderungen, Distorsionen ein und be¬ 
spricht die zu ähnlichen Resultaten führenden dabei auftretenden 
^tzündungsprozesse. Die Therapie ist eine operative und kann 
als partielle Arthrektomie bezeichnet werden. Die Beschwerden 
werden nahezu absolut beseitigt, die Beweglichkeit erhalten. 

2. Buschke, Fischer, Berlin; Über die Lagerung der 
Spirochäte pallida im Gewebe. Die Verf. haben 6 Fälle von here¬ 
ditärer Lues auf das Vorkommen der Spirochäten in den inneren 
Organen untersucht. Nur in einem Falle fanden sich die Parasiten 
in Milz, Leber und Niere. Grösstenteils zeigten sie den steilen 
Typus ihrer Windungen. Sie lagerten in der Wand der grösseren 
und kleineren Gefasse bis dicht unter das Endothel, auch wohl 
im Lumen wurden sie beobachtet. Zahlreich wurden sie auf 
scheinbar intakten Epithelzellen gefunden. Besonders interessant 
waren den Verff. die Befunde bei einer flachen nicht erodierten 
Papel des ersten syphilitischen Kindes. In den Papillen besonders 
in und um die Capillaren lagerten grosse Massen gewundener 
Spirochäten, welche sogar bis unter die Homschioht verfolgt werden 
können. In der Tiefe fanden sie sich weniger; vermehrt nm die 
Talg' und Schweissdrttsen, sowie Haarbälge. Bei maligner terti¬ 
ärer Lues in 5 untersuditen Fällen konnten die Verf. nichts von 
den Parasiten entdecken. 

3. Ostwald, Paris: Über tiefe Alkohol-Kokain- oder Alko- 
hol-Stovain-Injektionea bei Trigeminus und anderen Neuralen. 

Verf. berichtet über ein eigenartiges von ihm ausgebildetes 


Verfahren, die TrigeminnaDeuralgien therapeutisch zu beeinfiossen. 
Er folgt dem Vorgänge Schlössers und verfährt folgendermaßen. 
Eine bajonettfürmige Canüle wird direkt hinter der Alveole des 
Weiaheitszahnes in die Schleimhaut des oberen Fomix des Vesti- 
balum oris eingestocben. Sodann wird dieselbe durch den mnsculus 
pterygoidens extemos bindnrchgeführt bis zur Lamina lateralis 
des Keilbeinfiügels. Nun führt der Weg durch die fosaa zygo- 
matica bis zum Planum infraorbitale des grossen Keilbeinflügels. 
Jetzt erfolgt eine Drehung und der Weg der Canüle führt zwischen 
der lamina lateralis processus pteiygoidei und dem plannm alae 
magnae ossis sphenoidei entlang nach hinten bis die Nadelspitze 
auf weiches Gewebe trifft. Hier ist das foramen ovale 2 mm. 
Höher ist die Durchtrittsstelle des Ramus inframaxillaris Quinti. 
Jetzt injiciert man langsam mit zahlreichen Unterbrechungen 
1—2 ccm 80% Alkohol mit 0,01 gr Kokain oder Stovatn, indem 
man mit der Canülenspitze im Foramen ovale ringsherum fährt. 
Vorsicht ist geboten wegen der Nähe der anssen hinten verlaufenden 
durch das Foramen spinosnm in die Sohädelhöhle eintretenden 
arteria meningea media. Ist so der dritte Ast des Quintus ver¬ 
sorgt, dann wird die Canüle 2 mm zurückgezogen nnd in der oben 
angegebenen Richtung nach vom geführt, bis wiederum der knö¬ 
cherne Widerstand aufhört. Dieser Punkt ist erreicht an der 
Grenze zwischen Fossa zygomatica and Fossa sphenomaxillaris, 
schiebt man jetzt die Canüle 6—8 mm in die Höhe, so kommt 
man auf das Foramen rotundum der Durcbschnittsstelle des supra- 
maxlllaren Astes des Trigeminus, Ist auch dieser Ast versorgt, 
so genügt es die Canüle 2 mm weiter gerade nach oben zu schieben 
um zur fissura orbitalis superior zu gelangen und hier den Augen- 
ast des fünften Gehimnerven zu treffen. Natürlich kann je nach 
dem Auftreten der Neuralgien nur der eine oder andere Ast be¬ 
handelt werden. Der Erfolg soll ein überraschend schneller sein, 
fast momentan hören die Schmerzen auf. Zunächst tritt eine Parese 
des Nerven ein, welche sich aber in geringer Zeit wieder zurUck- 
bildet, ohne dass aber die Neuralgien wiederkehren. Verf. ver¬ 
fügt über 45 Fälle mit 90% Heilung. Nach Ansicht des Verf. 
bewirkt der Alkohol eine Art Entartung, welche aber eine dauernde 
Störung der physiologischen Funktion nicht zu bewirken scheint. 
Die Technik ist wie der Verf. zugibt und wie selbst aus der 
kurz referierten Manipulation ersichtlich ist, eine sehr schwierige, 
sodass man wohl kaum an eine Popularisierung dieser Therapie wird 
denken können. Sie bleibt eben eine Spezialität. Es will uns 
auch scheinen als ob die Nähe so lebenswichtiger und edler Organe 
als Locus operationis den Eingriff zu einem recht gewagten machte. 
Verf. hat Unliebe gute Erfahrungen bei anderen Neuralgien, z. B. 
Ischias, hier ist die Technik einfach und die Therapie wohl be¬ 
sonders aussichtsreich. 

4. Cohn, Berlin. Die Bedentong der Rön^enstrtdüen für 
die Behandlung der lympkatuohen Sarkome. 

Verf. hat fünf Fälle von lymphatischen Sarkomen mit Rönt¬ 
genstrahlen behandelt. Zwei davon sind seit sieben resp. fünf 
Monaten geheilt, ein dritter Patient ist geheilt nnd noch in Be¬ 
handlung, der vierte steht mitten in der Behandlung und ist der 
Genesung nahe, der fünfte ist, weil aussicht^os, aus der Behand¬ 
lung entlassen. Diese fünf Fälle können natürlich nur als casui- 
stischer Beitrag zur 1 Radiotherapie dienen, sie sind kaum im 
Stande über die Bedeutnng der Therapie im Speziellen etwas aus- 
zusagon. Es muss ein bei weitem grösseres Material angesamroelt 
werden um bindende positive oder negative Schlüsse zu gestatten. 

5. de la Camp, Berlin: Die Therapie der habitnellen Ob¬ 
stipation. 

Bei atoni8cher[ Obstipation hat man mit Regelung der Diät 
und Lebensführung zu beginnen. Medikamentöse Abführmittel 
sind zwar nicht zu entbehren aber füglich zu meiden, ln der 
Nahrung bieten die Hülsen von Gemüsen wertvolle mechanische 
Reizmittel dar. Zucker, salzhaltige Substanzen, Fette und Kohlen¬ 
säure und organische ^uren enthaltende Nahrungsmittel wirken 
ebenfalls stnhlbefördernd. Auch die Kälte wirkt in gleichem 
Sinne, so ist oft ein Trunk kalten Wassers früh nüchtern von 
Erfolg begleitet. Sehr wichtig ist die Erziehung |zur Defäcation, 
Regelmäßigkeit, genügende Zeit sind notwendig. Die Therapie 
der atonischen Obstipation wird unterstützt durch die Anwendung 


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20 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 2. 


der Massage, der Faradisation, hydriatische Maßnahmen etc. Verf. 
glaubt nicht, dass in jedem Falle ausgiebige körperliche Beweg¬ 
ung, Übung der Skelettmuskulatur günstig auf die Darmmuskula¬ 
tur wirke. Ferner kommen als therapeutische Maßnahmen in 
Betracht, mehrere 100 g haltende Ölklysmen, welche Uber Nacht 
gehalten und von einem milden Purgans unterstützt werdea Auf 
die Dauer ist die Änwendimg von Clysmen dagegen zu wider¬ 
raten. Bei alten Leuten ist oft digitale Entfernung des Kothes 
aus der ampuUa recti nötig. Als Abführmittel kommen die in Betracht, 
welche einen breiigen nicht wässrigen Stuhl bewirken. Dauernder 
Gebrauch von Abführmitteln ist immer zu widerraten. Bei spasti¬ 
scher Stuhlverstopfung mit Eothkolik muss die Therapie sich gegen 
den Spasmus wenden. Dies geschieht durch narcolicis opium 
Belladonna, ferner ist Wärme, Bettruhe nötig. Während des 
Spasmus stoenge Diät, nach der Periode Behandlung der eventuell 
vorhandenen atonischen Obstipation. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1905. Nr. 52. 

1. Scheimpflug, Vorderbrühl: Über Morphiomentsiehung 
bei Bchwerea ohronisohea Leiden. 

Verf. besdireibt an der Hand einiger schwerere Fälle eine 
,.konträre Morphiumwirkung'' bei welcher folgendes zu Stande 
kommt, im Augenblick des Morphiumhungers treten Erinneinngs- 
bilder altbekannter Qualen auf und stellen eine Form der Abstinenz¬ 
symptome dar. Wird nun das Narcotlcum weiter gegeben, dann 
wiederholt sich nach Ablauf des Rausches dasselbe Bild, wird aber 
Morphium brüsk entzogen, dann wird der Beweis erbracht, dass 
die „altbekannten Qualen“ nicht. auftreton und die Intoleranzer- 
scheinung bleibt auch für die Zukunft aus. So kann eine 
Morphiumentziehung schmerzstillend und beruhigend wirken. 

2. Göllner, Hermannstadt. Über einen Fall von Kretinumns. 

Verf. hat bei einem'ausgesprochenen] Fall von Kretinismus 

bei einem lljährigemMädohen mit überraschendem Erfolg Jodothyrin- 
tabletten (Farbenfabriken vorm F. Bayer & Co. in Elberfeld) ge¬ 
geben. Die Tabletten enthalten 0,3 gr Substanz. Zunächst er¬ 
hielt Pat. Va Tablette nach dem Mittagessen. Im Juli 1902 be¬ 
gann die Kur, die“Bes8erung war bereits im September manifest. 
Nach einigen Wochen wurde 1 Tablette, nach iVa Jahren 2 
Tabletten pro die gegeben. Nach Sjähriger Behandhmg ist die 
Pat. 27,4 cm gewachsen, die Bewegungen sind leicht und gefällig, 
der Gang elastisch, keiue^Neigung zur Ermüdung. Pat. lemtjim 
zweiten Jahr vorzüglich, liest leicht, schreibt vorzüglich, nur das 
Rechnen bietet Schwierigkeiten. Pat. ist munter, gesprächig. 

Verf. hoflft bei Fortsetzung der Kur völlige Heilung zu er¬ 
zielen. Für den Praktiker ist es wohl von grosser Bedeutung 
bei Fällen von Kretinismus mit Jodothyrin wenigstens einen thera¬ 
peutischen Versuch zu machen. Zu beachten dürfte vor allem sein, 
dass man Geduld haben muss und die Kur nicht zu früh abbricht. 
Deutsche med. Wochen8Chrift._:i905. Nr. 52. 

1. Schick, Wien: Über die weiteren Erfolge der Serum- 
behandlung des Soharlaoh. 

Verf. teilt ein erhebliches Beobachtuogsmaterial über die Be¬ 
handlung des Scharlachs durch Moser’schem Scharlach-Serum 
mit. Er kommt zu dem Schluss, dass die in der pädiatrischen 
Klinik in Wien fortdauernd geübte Behandlung schwerer Scharlach- 
fUlle mit Scharlachstreptococenserum Moser die bisherigen 
günstigen Resultate auch neuerdings bestätigt hat. Die Serum¬ 
therapie wird allerdings nur auf die schwersten Fälle von Schar¬ 
lach beschränkt, Fälle bei denen jede andere Therapie aussichtslos 
erscheint. Die zahlreichen günstigen Erfahrungen russischer Ärzte 
lassen es wünschenswert erscheinen, dass auch in anderen Ländern mit 
dem Moser'schen Serum in den gedachten FäUen vorgegangen wird. 

2. Rumpf, Bonn. Die Behandlnng von Herznenrosen, 

Eine sehr grosse Bedeutung [^kommt der ausführlichen und 

gründlichen Erhebung der Anamnese zu. Sehr wichtig ist z. B, 
der Tabakmissbrauch, Therapie: Verbot, ferner gichtische Vorgänge. 
Hier ist Körperbewegung mit leichten Schweisseu angezeigt, die 
Diät ist vegetabilisch zu gestalten, dabei Milch, Gemüse, Obstweine; 
Alkohol überhaupt streng verboten. Kohlensäure Salzbäder von 
31® 0. sind ^nützlich, systematische Gymnastik. Herzneurosen, 
welche durch direkte Beeinträchtigung des Herzens durch den auf¬ 
getriebenen Magen oder das Kolon transversum entstehen, werden 
therapeutisch durch Behandlung des ursächlichen Leidens gut be¬ 


einflusst. Die Gasaufbläbung muss eventuell unter Zuhilfenahme 
der Sohlundsonde beseitigt werden. Sorgsame Diät, langsames 
Kauen. Kleine öfter wiederimlte Malseiten. Käse, Bier, kalte 
Speisen, Salat streng verboten. Gebäck soll statt mit Hefe mit 
^ckpulver bereitet werden. Kaffee als die Verdauung stltoend ist 
zu vermeiden. Tee in geringen Mengen erlaubt. Bei FäUen wo 
nur das Kolon transversum der schuldige Teil ist, müssen Ein¬ 
läufe und Zimmergymnastik und systematische Atemübungen her- 
angezogen werden. Sind die Herzbeschwerden reflektorischer Natur, 
so haben sie ihre Ursache z. B. in Geschwüren am Pylonus, in 
Gallensteinen, den Erkrankungen des Wurmfortsatzes u. a. Hier ist 
Beseitigung der ursächlichen Momente das Wesentliche der 
Therapie. Bei Herzneurosen, welche ihre Ursache in Störungen 
der Gisnitalsphäre haben, gilt es das ganze Leben zu regulieren. 

Bei Herznenrosen in Folge von Wanderherz (starke Ab¬ 
magerung Fettleibiger) ist es erwünscht durch entbrechende 
Diät das Wiedergewinnen des früheren Körpergewidites zu er¬ 
reichen. 

Bedenklich sind die durch Trauma entstandenen Herzneurosen. 
Hierher gehören Verletzungen des Brustkorbes und auch Schädel¬ 
brüche, auch die Fälle in denen übertriebener Sport oder exzessive 
Körperleistongcn die Ursache darsteUen. Liegen im Bett, sorg¬ 
fältige Ernährung, Femhalten von Alkohol, Kaffee, Tee, Tabak 
können dienlich sein. Oft führen diese Fälle zu schwerer Arterio¬ 
sklerose. Es kommen auch Fälle von Herzneurose vor, welche die 
Feststellung eines einzigen ätiologischen Momentes nic^t gestatten. 
Hier sind zu erwähnen, angestrengte geistige Tätigkeit, auch 
wohl rein nervöse Ursachen. Bei Herzneurosen im Pubertätsalter 
und im Klimacterium wird man sich auf eine allerdings individuali¬ 
sierte symptomatische Behandlung beschränken. 

Alle Herzneurosen verlangen aber eine eingehende Regulierung 
des ganzen Lebens. Als Erholungsstätte kommt das Mittelgebirge 
mehr in Betracht als die See. 

Therapeutischer Ratgeber Nr. i6 (Beilage zur Ärzti. Zeu- 
tral-Zeitung Nr. 40, 1905): 

Mobilia, Dr. Karl: Über ein nenes Sohlafinittel, Isopral. 

Ans dem evangelischen Diakonissenhaus. 

Im Diakonissenkrankenhause wurde das Isopral in Form der 
Originaltabletten zu 1 und 0,5 g verwendet. Das Präparat wurde 
seit über Jahresfrist in den verschiedensten Fällen als Hypnotikum 
angewandt und hat sich als solches vorzüglich bewährt, besonders 
wurde es verwendet nach Laparotomien, bei chronischen Fällen 
von Exsudaten und Ädnexschwellungen, sowie in verschiedenen von 
nervöser Agrypnie. In allen Fällen trat ruhiger Schlaf ohne Träume 
ein und die Patienten fühlten sich am Morgen wohl. Das Mittel 
wurde stets gut vertragen und konnten unangenehme Nebener¬ 
scheinungen, welche mit Sicherheit auf den Gebrauch des leoprals 
zurückzuführen gewesen wären, nicht beobachtet werden. In 
leichten Fällen nervöser Schlaflosigkeit dürften auch 0,5 g genügen. 
Da sich das Isopral im Wasser leicht löst, kann man es den Pa¬ 
tienten , die es in der Tablettenform nicht leicht verschlucken 
können, auch in Lösung beibringen, indem man die Tabletten ein¬ 
fach in Wasser löst und die Lösung zur Deckung des unange¬ 
nehmen Geschmacks mit Spirit, menth. oder Spirit, aromat, versetzt. 

In neuerer Zeit kommt es auch in Form von mit Zucker 
überzogenen Isopral-Dragees, in welchen Geruch und Geschmack 
vollständig verdeckt erscheint, in den Handel. 

Der Schlaf trat in der Regel in einer viertel bis halben 
Stunde, höchstens nach einer Stunde ein und dauert in der Regel 
5 — 7 Stunden. Eine Angewöhnung an das Mittel scheint nicht 
einzutreten, wenigstens haben wir eine solche auch bei längerem 
Gebrauche nicht beobachten können. 

Wir können also nach unseren Erfahrungen dieses neue 
Schlaf-Mittel als für die Praxis durchaus verwendbar und frei von 
üblen Nebenwirkungen bezeichnen. 


Vermischtes. 

Berlin. Am 28. d. M. fand unter Vorsitz des Herrn S. Ale¬ 
xander die Generalversammlung des Arzteyereins der Berliner 
Bettnngzgesellsohaft statt. Der Vorsitzende gab den Geschäfts¬ 
bericht über die Tätigkeit des Vereins, in welchem er dessen ge- 


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1906. 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


21 


delUmie iwtwickelung Uervui'liob. Die Zahl der Mitglieder des 
Vereins beträgt im Ganzen 1048, von welchen etwa 250 dienst- 
taende Arzte sind. Weiter wurden einige wichtige Beschlüsse 
des Vorstandes angeführt. Von den Rettungswachen sind, wie 
Herr George Meyer hervorhob, im Ganzen einschließlich der 
Wagenbestellungen 12 914 Hülfsleistungen^ zu verzeichnen, d. h. 
eine Zunahme gegen das Vorjahr von 930 Fällen. In der Hülfs- 
steUe des Verbandes für erste Hülfe, deren ärztlicher Dienst gleich¬ 
falls vom Arzteverein der Berliner Rettungsgesellschaft versorgt 
wird, worden 1816 Hülfslebtungen einschließlich der Wagen¬ 
bestellungen ausgeführt, sodass die Gesamtsumme der Fälle 14230 
betrug. Excellenz von Bergmann schilderte hierauf die historische 
Entwickelung der jetzigen Verhältnisse des Rettungswesen, wies 
auf die Untrennbarkeit der einzelnen Einrichtungen der Rettungs- 
gesellschafb hin und drückte die Hofinung aus, dass eine zweck¬ 
entsprechende Entwicklung des Rettungswesens bei den zu er¬ 
wartenden Verhandlungen der städtischen Behörden mit der Ber¬ 
liner Rettungsgesellschaft sich ergeben würde. Hierauf brachte 
Herr Henius folgende Resolutionen ein, welche einstimmige An¬ 
nahme fanden: 

I. 

1. Der Arzteverein der Berlhier Rettungsgesellschaft erklärt, 
die zwischen ihm und der Berliner Rettungsgesellschaft seit deren 
Begründung bestehende Interessengemeinschaft, welche durch Or¬ 
ganisation des Rettungswesens den berechtigten Wünschen der 
Bevölkerung, wie der Arztein gleich befriedigender Weise Rechnung 
getragen hat, muss bei den zu erwartenden Verhandlungen mit 
den städtischen Behörden über die Einrichtung eines städtischen 
Rettungswesens in vollem Maße gewahrt werden. 

2. Er erwartet demgemäß, dass die Berliner Rettungs- 
ge.sellschaft Verhandlungen mit den städtischen Behörden, wie bisher, 
nur unter Zuziehung und Zustimmung des Vereinsvorstandes führen 
wird, wie er seinerseits seinen Vorstand zu gleichem Verhalten 
verpflichtet. 

3. Für den Fall der Errichtung eines städtischen Rettungs- 
wesens erklärt er sich bereit, seine erprobten Einrichtungen in den 
Dienst der Stadt Berlin zu stellen, falls ihm seine Organisation 
in ihren Grundzügen, insbesondere die Zulassung aller Arzte, welche 
sich den gestellten Bedingungen unterwerfen, zum Wach'tdienste 
gewährleistet und den diensttuenden Ärzten eine angemessene 
Honorirung zugesichert wird. 

n. 

Der Ärzteverein der Berliner Rettungsgesellschaft nimmt mit 
Befriedigung Kenntnis von der Bildung eines Ausschusses Berliner 
ärztlicher Vereinigungen mit der Aufgabe, die Bestrebungen des 
Vereins, als berufenen Vertreter der ärztlichen Interessen auf dem 
Gebiete des Rottungswesens zu fördern und bevollmächtigt seinen 
Vorstand, an den Verhandlungen des Ausschusses teilzunebmen. 

Durch Zuruf wurden die bisherigen Mitglieder des Vorstandes, 
die Herren S. Alexander, Henius, Phil. Herzberg, Kutner, Krause, 
George Meyer, Rotter, 0. Salomon, Schayer wiedergewählt. 

B6rlin. Eine Sonder-Ausstellung „Geschichte der 
Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ wird anlässlich 
der Eröffnung des Kaiserin Friedrich-Hauses von Ende 
Februar bis Mitte April daselbst veranstaltet werden. Die Aus¬ 
stellung wird folgende Gruppen umfassen: I. Originalgemälde (keine 
Reproduktionen, keine Photographien): öl-, Aquarell-Zeichnungen 
etc., mit historischem Bezug auf die Medicin. II. Graphische Künste: 
1. Flugblätter und Einblätter mit Schriftsatz. XV,—XVIII. Jahr¬ 
hundert: 2. Kupferstiche, Radierungen, Schabkunstblätter etc. mit 
raedicinisch-interessantem Inhalt bis zur Neuzeit. 3. Künstlerische 
Plakate für Naturforscher-Versammlungen, Ausstellungen etc. 4. 
Ex libris (auch von lebenden Ärzten). III. Keramiken und Plasti¬ 
ken: 1. Frauenschalen. 2. Künstlerische Apothekergefhße, Ader¬ 
laß- und Barbierschalen. 3. Plastiken und Statuetten von Medicinem. 

4. Plakette, Münzen und Medaillen. IV. Medicinische Elrzeugnisse 
des Kunsthandwerks, namentlich der Renaissancezeit bis zum 
XVIII. Jahrhundert; Instrumente, Schienen und der Apparat des ge¬ 
samten alten Heilpersonals (Bader, Chirurgen etc.) V. Alte illustrierte 
Frachtbücher: 1. Illustrierte Handschriften und Prachtausgaben der 
Klassiker. 2. Illustrierte Werke zur Geschichte der anatomischen 
Abbildung. 3. Illustrierte Standeschroniken und ähnliches. VI. 
Römische etc. Instrumente, in Deutschland gefunden. Die Leitung 


der Ausstellung hat Herr Dr, Holländer-Berlin, Kleiststr. 3 über¬ 
nommen, an welchen alle Zuschriften betreffend die Ausstellung zu 
richten sind. 

Berlin. Das Kaiserin Friedrich-Haus wird nach end¬ 
gültiger Feststellung folgendermaßen eingerichtet werden; Im Erd¬ 
geschoss soll die „Dauerausstellung für die ärztlidi-technische Lq- 
dustrie“ Unterkunft finden. Die erste Etage wird die Verwal¬ 
tungsräume des Zentralkomitees für das ärztliche Fortbildungswesen 
in Preußen, sowie einen Saal für ärztlich-wissenschaftliche Aus¬ 
stellungen enthalten, welcher unentgeltlich zur Verfügung gestellt 
wird. In diesem Saale wird bei der filröfinung eine Ausstellung: 
„Die Geschichte der Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ ver¬ 
anstaltet werden. Ferner finden sich hier eine Handbibliothek 
und Räume für Ausgabe der Karten (für die Fortbildungskurse). 
Die zweite Etage wird die „Staatliche Sammlung ärztlicher Lehr¬ 
mittel aufnehmen, aus welcher unentgeltlich Objekte für Unter¬ 
richtszwecke leihweise zur Verfügung geatellt werden. Die dritte 
Etage soll die technischen Räume umfassen und zwar voraussichtlich 
ein Röntgenkabinett (für Röntgenkurse); ein Atelier für wissen¬ 
schaftliche Photographie; einen Kurssaal für klinische Chemie und 
Mikroskopie; einen Kurssaal für Bakteriologie mit Nebenräumen, 
eine Moulagenwerkstatt. — In der hfittelaohse des Hauses endlich 
befindet sich, durch die erste und zweite Etage hindurchgebend, 
ein großer Hörsaal, welcher ca. 250 Hörem Platz bietet. — 
ist geplant, für diejenigen theoretischen Kurse, welche nicht an 
die Stätten des Krankenmaterials (Kliniken und Polikliniken) ge¬ 
bunden sind, schon im nächsten Jahre im Kaiserin Friedrich-Hause 
die genannten Säle bereit zu stellen. 

Bsrlin. In der Berliner Demetologischen Gesellschaft wird 
am Dienstag den 9. Januar Professor A. Neisser einen Vortrag 
über die bisherigen Ergebnisse seiner Studien in Botania über 
experimentelle Affensyphilis halten. 

Berlin. Habilitiert haben sich Dr. Beitzke, Assistent am 
pathologischen Institut und Dr. Salge, Oberarzt an der paediatrischen 
Klinik der Königl. Charite. 

Berlin. Ernennungen: Den Professortitel erhielten der 
Stabsarzt der Landwehr Dr. Hans Hoffmann, Assistent an der 
Chariteklinik des Gebeimrats Lesser, der Privatdozent Dr. Kurt 
Brandenburg, früher Assistent des verstorbenen Geheimrats 
Gerhardt und Chefredakteur der Medicinischen Klinik, sowie der 
Chirurg Dr. Karewski. 

B6rlin. Verband für erste Hilfe, Im Monat November 
d. J. wurden die Hilfsstellen des Verbandes, zu dem der grösste 
Teil der Berliner Sanitätswacben, die Berliner Unfallstationen vom 
Roten Kreuz und die Berliner Rettungsgesellschait zusammenge¬ 
treten sind, in 5981 Fällen in Anspruch genommen. Darunter 
befanden sich 5302 chirurgische Fälle, 650 innere Erkrankungen 
und 29 geburtshilfliche Fälle. Innerhalb der einzelnen Hilfstellen 
wurde 5639, ausserhalb derselben 342 Personen erste Hilfe ge¬ 
leistet. 

RoyboldsgrUn. Hofrat Dr. Wolff und Dr. Sobotta übernehmen 
die Leitung der hiesigen Privatheilanstalt für Lungenkranke. 

Bonndkensioin. Als Leiter der Johanniterheilanstalt Sorge 
ist an Stelle des ausscheidenden Dr. Sobotta, Dr. Haegelsbach, bis¬ 
heriger Oberarzt an der Weickerschen Lungenheilstätte Goerbers- 
dorf, ernannt worden. 

Paris. Ein internationaler Kongress für Ernäh¬ 
rungshygiene wird in der letzten Februarwoche nächsten Jahres 
in Paris abgehalten werden. Die Veranstaltung der Versammlung 
hat die dort bestehende „Wissenschaftliche Gesellschaft für die 
Hygiene der Nahrungsmittel und für die Ernährung des Menschen“ 
übernommen. Der Kongress wird aus 15 Abteilungen bestehen, 
die in zwei Hauptgruppon, nämlich für wissenschaftliche Unter¬ 
suchung und für soziale Anwendung geteilt sind. Die Ziele, die 
von diesem Unternehmen verfolgt werden, veranschaulichen sich 
am besten aus der Angabe der Gegenstände, mit denen sich die 
einzelnen Abteilungen des Kongresses zu befassen haben werden. 
Es sind dies folgende: biologische Physiologie, physiologische und 
biologische Chemie, Vorschriften für Ernährung und Diät, analytische 
Chemie nebst Nahrungsmittelverfklschung und der darauf bezüg¬ 
lichen Gesetzgebung, Statistik und Zufuhr von Nahrungsmitteln, 
die Gesundheitspflege und ihre Anwendung auf die Aufbewahrung 
und den Transport von Nahrungsmitteln, Mittel zur Beschaffung 


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22 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 2. 


billiger Nahrongsmittel für die Emährong von Kindern, der Wettr 
bewerb des Handels anf dem Gebiet der Ernährung, billige Nah* 
rungsmittelzufuhr in Handelshänsern, die Hygiene der Ernährung 
in Fabriken, die Gesundheitspilege bezüglich der Ernährung in der 
Familie, die soziale Vurbengung gegen Alkoholismus und gegen 
die durch Nahrungsmittel verbreitete Tuberkulose, wohltätige Ver¬ 
anstaltungen zugunsten der Beschaffung von N^urnngsmitteln, 
Belehrung Uber eine vernünftige Diät und über die Hygiene der 
Nahrungsmittel in Schalen. 

Arg6ntlni6n. Die Regierung der Republik will einen Gesetz¬ 
entwurf einbringen, nach welchem es den Apothekern untersagt 
werden soll, ärztlichen Rat irgend welcher Art zu erteilen. Prä¬ 
parate mit einer specifischen oder besonders guten Wirkung sollen 
nicht mehr angekttndigt werden. Wenn dieses Gesetz durchgeht, 
dann wäre Argentinien den europäischen Ländern weit voraus, denn 
dieses Gesetz trifft den bedenklichsten Teil der ganzen Kur¬ 
pfuscherei. 


Neu niedergelassen 

haben sieh ln 

Berlin. Dr. med. Emst Oberndorfer. — Breslau. Dr. med. Qalley. — 
Friedenau. Dr. med. Scbaps. — Hannover. Dr. med. Rudolf Wolf — 
Königsberg i. Dr. med. B. Dangscbat. — Königsberg i. Pr. Dr. med. 
EM. — Lübeck. Dr. med. Fritz Escbenbum. —- Rbeydt-Heyden. Dr. 
med. Herrn. Kocb. — Rc^lan. Dr. med. G. nennigsdorf. — Wiesbaden. 
Dr. med. Theodor Dercum. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Sidonie Baer mit Herrn Dr. med. Adolf Schlesinger, beide in Berlin. 

— Frl. Gerda Schmitz in UalmO mit Herrn Dr. med. Pani Diepgen in 
Frankfurt a. M. — Frl. Liska Grimme in Gaumitz mit Herrn Dr. med. 
Emil Gerth in Polzig. — C^l. Elfriede Wengler mit Herrn Dr. med. Seese 
in Gottingen. — Frl. Käthe Dressei in Koblenz mit Herrn Dr. med. ROmer 
in EllMrfeld. — Frl. Anna Reichenbacber in Fürth mit Herrn Professor Dr. 
med. Heinrich Rosin in Berlin. — Frl. Lucie Petzold in Berlin mit Herrn 
Dr. med. Wilde in Quedlinbni^. — ^1. Theodora Meer mit Herrn Dr. 
med. Karl Neu, beide in BA-GIadbadi. — Frl. Emma Leser in Halle a. S. 
mit Herrn Dr. med. W. Li^mann, Oberarzt a. d. Univ.-Fraaenklinik der 
Kgl. Öiaritd in Berlin. ^ »1. Toni Hennes in Berlin mit Herrn Dr. H^o 
Jacobsobn in Reinickendorf-ScbOnbolz. — Frl. Erna Boiler mit Herrn Dr. 
med. Emit Soens, beide in Rostock. — Frau Blartha verw. Wiecbmann in 
Leipzig-Gohlis mit Herrn Dr. med. C. Gebhardt in Reicbenbacb i. V. — 
Frl. Lnise Flachs in Falkenberg i. Mark mit Herrn Dr. med. S^ied in Ebers¬ 
walde. — Frl. Marianne Koester mit Herrn Dr. med. Wilb. Franck, beide 
in Stargard i. P. — BVl. Elisabeth Lencbtenberg in Grimlinghaasenbrücke 
bei Neuss mit Herrn Dr. med. Heinr. Brand in Paderborn. — Frl. Anna 
Frey in Uhingen mit Herrn Dr. med. Alfred Müller in Esslingen. — Frl. 
Blarnrete Emst in Hamburg mit Herrn Dr. med. Otto Prelle in Berlin. 

— ^1. Mai^farete Praotoriua Tn Zeitz mit Herrn Dr. med. Dirk Lfltjens in 
Wittmnnd. — Frl. Wanda Nauck io Groß-ScbOufeld mit Herrn Dr. med. 
Max Penkert, Freibarg i. Br. — Frl. Margarete Kluge mit Heim Dr. med. 
Bruno Bosse, beide in Berlin. 

Vermfthlt: 

Herr Dr. med. Richard Hirtz mit Frl. Eromy Speyer in fissen. — 
Herr Dr. med. Edgar Alexander mit Frl. Käthe Baer in Leipzig. — Herr 
Dr. med. Hans Suhirokauer mit Frl. Gertrud Frida Krojonker in Berlin. — 
Herr Dr. med. Jakob Metier mit Frl. Else Schmidt in Bonn. 

Geboren: 

Einen Sohn: Herrn Dr. med. Jul. Klapp, Privatdozent in Bonn. 

— Heim Dr. med. Qoom Wolpert, Kaiserslautern. — Herrn Augenarzt 
Dr. Vollert, Leipzig. — Herrn Dr. med. John Hirsch, Berlin. 

Eine Tochter: Herrn Dr. Emil Berberieh in Wiesbaden. — Herrn 
Dr. med. H. Kunz, Altenesseu (Rbeinld). — Herrn Dr. med. Feodor Pflug- 
beil in Ostritz. — Herrn Dr. med. Robert Samuolson in Königsberg i. Pr. 

— Herrn Dr. med. Emil Druckenmüller in Bonn. — Horm Dr. med. Cbarlos 
Knoop in Oberbausen (Rbeinld.) 

Gestorben: 

Dr. med. Christian Doeuz, Davos. — Medicinalrat Dr. Georg Heinr. 
Diotr. Gross, Brako. — Dr. med. Elias M^er, Nürnberg. — Dr. med. Blum, 
Scbwarzacb (Amt Brühl). — Sanitätsrat Dr. Klemm, Ebeloben. — Uedicinal- 
raC Hermann Martini, Malsub. — Dr. med. Hichalok, Leipzig. — Dr. med. 
Karl Ludwie Herberth, Wiesbaden. — Oberstabsarzt a. D. Dr. med. F. 
Müller, Freinurg' i. B. — Dr. med. Anton Riedlin in Gross-Salze-Elroen. — 
Sanitätsrat Dr. Peter Jacobs in Küln. — Sanitätsrat Dr. med. Herrn. Lüdicke, 
Halle a. S. 


Patentnachrichten. 

Anmeldungen. 

C. 13 543. Verehren zur Herstellung eines Heilmittels gegen Eklamp¬ 
sie. Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. C Scberi^), Berlin. 

H. 33060. Verhthren zur Herstellung eines Zabnzoments. Dr. Otto 
Hoffmann, Berlin. 

F. 16427. Vorrichtung: zum Beimengen von Desinfektionsflüssigkeit 
und ^ülwasser. Rudolf Fiscbbach, Straasburg i. E., Honheimentraese 21, 
und Heinrich Kennel, Strassbnig-Neudori i. E. 

8. 20257. Verfahren zur Darstellung wässriger Emalsionen von 
SteiokoblenteerOlen and MineralOIrflckständen. Dr. W. Spalteholz, Amster¬ 
dam; 

Erteilungen. 

167057. Fahrbarer Lan&tubl für Kranke zum Wtedererleraen oder 
Erleichtern des Gehens. Richard Fiedler, Berlin. 

167061. Verfahren zur Herstellung eines haltbaren, gntscbmeckenden 
Hämc^lobinpräparats von der Farbe des arteriellen Bluts. Kalle A Co., 
Akt.-Ges., Biebrich a. Hb. 

1G6958. Einrichtung znm Reinigen und Erwärmen von unter hohem 
Druck stehenden Gasen. Albert CWles Clark, Chicago. 

167 053. Imektionsspritze mit den Sprit 2 enzylinder amgebendem Mantel. 
Felix Reinhard, Düsseldorf. 

Gebrancbsmaster. 

262795. Heisluftbadeapparat mit in einem Gestell befindlicher Heiz¬ 
lampe nnd an&etzbarem, verstellbarem Leitnngsrobr. Emst Hngo Straube, 
Dresden. 

262798. Elektrisch betriebener Lnftmassageapparat f&r die Behandlu^ 
des Trommelfells. Friedricb Eranse A Co., elektromedicinische Werke O. 
m. b. H., Berlin. 

262803. VorricbtQDg zur künstlichen Atmung. F. und M. Lauten- 
Schläger, Berlin. 

262 802. Injektionsspritze mit in einem Porzellankolben eingekitteten 
Metallstempel. Gebrüder Drebmann, Stnttgu't. 

^810. Inhalation^ftss, anf dessen Deckel ein QefiUs für die zo 
extrahierenden Stoffe angeoracht ist. Geoi^ Berger, Angsburg. 

262813. Vorrichtung zur Anfiiabme von DMinfekuonsatoff mit ver- 
schtiessbarem Spritzmandstück. Minerva Patentverwertung ACbem. tecbn. 
Laboratoriom, G. ra. b. H.j Strasabni^ i. E. 

262820. Teleskopartig verstellbare Stempelstange für Spritzenkolben. 
Dewitt & Herz, Berlin. 

263040. Zerstäuber mit unter dem als Hanptventil an^ebildeten Loft- 
pnmpenkolben dicht schliessend eingesetzter verjüngter, das Ende des Druck- 
rohres bildender LnftsasstrümOffnung. Henry Charles Quelc^ London. 


Neüerscheinuns:en auf dem Büchermarkt. 

Ausführliche Besprechung einzelner nachstehend verzeichneter Werke be¬ 
hüt sich die Redaktion vor.) 

Ueltsmann, Atlas der deserfptiven Anatomie. 2. Bd. 2. Hälfte. Wien- 
Tjeipzig, Wllh. Branmüller, 1905. 

Dornblfltn. Diätetisehes Koehbneh. 2. Anfl. Würzboig, A. Stüber, 1905. 
Hoffa, Lenrbneh der orthopädlsehen Chirurgie. 5. Anfl. Stutte^, 
Ferd. Enke, 1905. 

Sehwal^g Jahrbneh der praktischen Medizin. Stnt^rt, Ferd. Enke, 

Fflrst, Die intestinale Tnberknlose-Infektion. Stuttgart, Ferd. Enke, 
1905. 

Tierordt, Diagnostik der Inneren Krankheiten. Leipzig, F. C. W. 
Vogel, 1905. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittluns:. 

Adresse: Ärztliches Auskonfts-Bireau des Qosohifts-Aassehnsses dsr 
Berliner Irztlichen Standesvereine Im Medielnltohen Waareahanse (Akt- 
Ges.), Berlin N., Friedriohstrasse 1081. 

Für pertSnIiche Rücksprache ist Herr Dr. JomSIm tagllek TOD UhV ia 

Medtcinitchen Waarenhause anwesend (Mit pütiger Erlaubnis des Gescnäfis-Ausschusses 
der Berliner ärztlichen Standesvereine Tom Auskunfts-Bureau der Med, Woche übertniuelt.) 

In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1940. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent für augenärztl. Poliklinik ge¬ 
sucht. Näheres unter No. 1945. 

In Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1951. 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1956. 

In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1959. 

In Westpreussen wird für sofort ein kreisärztlicb geprüfter Vertreter 
gesucht. Näheres unter No. 1970. 

In der Rheinprovinz wird für Ende Januar ein Vertreter gesucht. 
Näheres unter No. 1982. 

In Berlin wird für Anfang Februar für chirurg. und gynäkol. Privat¬ 
klinik ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1^3. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, Berlin W. St, KurfOrsienstr. 81. — Verlas Ton Carl Marhold, Hall« a S. 
Druck von der Heynemaan'scheii Bucbdruckerei, Gebr Wollf, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


R. Deatschmann, A. D&hrssen, A. Hoffa, E. Jaeobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Br. 

H. Senator, A. Sommer, 

Berlin. Qiessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2634. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricbt, A. Vossins, 

Magdeburg. Glessen. 


Redaktion: 

Berlin W« 62« Karffirstenntrasne 81* 

Dr. P. Meißner. 


Vn. Jahrgang. 


15. Januar 1906. 


Nr. 3. 


Die »Medl cinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Beilage Balneologische Centralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen BSderverhandes, des Schwsrzwald- 
bädertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jibrlich 10 M.. einzelne Nummer 2S Pt. Bestellungen nehmen jede Bucb- 
handlung. die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden (Qr die 4sp8Jtige Petitzeile oder deren Raum mit SO PL berechnet. 

Beilagen nach Uebereinkunft Rddamezeile 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt BrmSssigung ein. 

Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet 


Originalien. 

Der Einfluss des Alters auf orthopädische 
. Massnahmen. 

Von Prof. Dr. A. Hoffa, Berlin. 

In der Praxis hört man vielfach von den Kollegen die 
Frage aufwerfen, von welchem Zeitpunkte ab man eine ange¬ 
borene Deformität behandeln soll, vielfach ist man der An¬ 
sicht, damit zu warten, bis die Kinder ein gewisses Alter, etwa 
den Beginn des zweiten Lebensjahres, erreicht • haben, da 
sie ja doch sonst etwa notwendig werdende Verbände so ver¬ 
unreinigen würden, dass die Verbände ihren Zweck nicht er¬ 
füllten. Dieser weitverbreiteten Ansicht möchte ich hier ent¬ 
gegentreten. Alle angeborenen Deformitäten sollen 
möglichst bald nach der Geburt in Angriff genommen 
werden. Sobald es sich zeigt, dass das betreffende Kind 
lebensfähig ist, muss der Zunahme der Deformität entgegen¬ 
gearbeitet werden. Gerade im ersten Lebensjahr ist der Bil¬ 
dungstrieb des Scelettes ein ungemein reger, bei verkrümmten 
Knochen ebenso wie bei gesunden und es lässt sich zu dieser 
Zeit durch die einfachsten Maßnahmen mehr erreichen, als 
später durch die kompliziertesten Apparate. Nehmen wir z. B. 
den angeborenen Klumpfuss, so lässt sich derselbe durch täg¬ 
liche Redressionen und einfache Bindenverbände, die man schon 
einige Wochen nach der Geburt beginnt, so uniformen, dass 
beim Beginn des Gehens oft nur noch ein einfacher Üump- 
fussschuh notwendig ist, um die völlige Heilung zu sichern. 
Selbstverständlich wird man in den ersten Lebensmonaten nie¬ 
mals Apparate anlegen oder Gypsverbände, die Monate liegen 
bleiben, sondern man muss als ersten Grundsatz immer den 
festhalten, dass die Pflege des Kindes, die Sorge für Schonung 
und Reinlichkeit der Haut, des ganzen Kindes sowohl wie des 
verkrümmten Teiles oben an st^i Gegen diesen Satz wird 
noch ausserordentlich viel gesündigt. Monate lang werden die 
kleinen Extremitäten in festen Verbänden gehalten, und es ist 
dann kein Wunder, wenn Misserfolge entstehen, einerseits durch 
ausserordentliche Atrophien der Teile, andererseits durch 
Auftreten von Funinkein und Ekzemen, die dann ihrerseits 
wieder für längere Zeit jede Behandlung der Deformität 
verbieten. 

Haben die Kinder das erste halbe Lebensjahr hinter sich, 
so kann man jetzt schon Gypsverbändchen verwenden. Die 
Verbände müssen aber technisch vollendet angelegt werden 
und sollen niemals länger als höchstens 4 Wochen liegen. Dann 
sollen sie wieder gewechselt, das Kind gebadet und der Verband 
dann von Neuem appliziert werden. Um Durchnässung der 
Gypsverbände zu vermeiden, überzieht man dieselben am 
besten mit einer dünnen Schicht Wasserglas oder in Aceton 
aufgelöstem Celluloid. Legt mau daun noch eine Schicht 


Billrothbatist über den Verband und befestigt diese oberhalb 
und unterhalb des Verbandes mit einer Binde, so kann man 
die Kinder getrost jeden Tag baden, ohne dass der Gypsverband 
leidet. Wer einmal erfahren hat, wie schön sich angeborene 
Klumpfüsse auf so einfache Weise heilen lassen, wenn man die 
Behandlung schon bald nach der Geburt beginnt, der wird nie 
mehr die Behandlung bis etwa nach vollendetem ersten Lebens¬ 
jahre hinausschieben. 

Ebenso wie den angeborenen Klumpfuss soll man nun auch 
alle anderen angeborenen Deformitäten möglichst bald behandeln. 
Namentlich kommen hier die angeborenen Luxationen des Hüft¬ 
gelenks in Betracht. Sobald die Diagnose gestellt ist, soll man 
die Reposition machen. Diese ist dann ein Kinderspiel. Eine 
einfache Adductioii des flektierten Beines genügt in solchem Falle, 
um den Kopf in die Pfanne zu bringen. Die Reposition Vami man 
dann mittelst eines Gypsverbändchens oder einer nach Höft- 
mann’s Angabe gemachten Schiene bewirken. 

Je älter man die Kinder mit angeborenen Deformitäten ohne 
Behandlung werden lässt, um so mehr wachsen die deformen 
Knochen und Gelenke in der falschen Wachstumsrichtung weiter 
und um so OTÖsser sind dann die Schwierigkeiten, absohit nor¬ 
male Verhältnisse durch die Behandlung zu erzielen. 

Ist es nun aus irgend einem Grunde nicht möglich die 
Behandlung der angeborenen Deformitäten unmittelbar nach 
der Geburt zu beginnen, so bietet die moderne Orthopädie ge¬ 
nügend Hilfsmittel, um diese ebenso wie die nach der Geburt 
erworbenen Deformitäten auch noch im späteren Lebensalter 
erfolgreich zu-bekämpfen, es bleiben dann aber, selbst wenn 
man das denkbar beste Resultat in dem gegebenen Falle er¬ 
reicht, doch, entsprechend den weiter vorgeschrittenen Defor¬ 
mationen der Knochen und Gelenke und der Anpassung der 
Weichteile an diese Veränderung^ auch nach erfolgreich durch- 
geführten Behandlung oft noch recht erhebliche Störungen zurück, 
welche das kosmetische und funktionelle Endresultat zu beein¬ 
trächtigen vermögen. Nehmen wir zum Beispiel einen FaU von 
spinaler Kinderlähmung an, der zur Bildung eines paralytischen 
Spitzfusses Veranlassung gegeben hat. Kommt ein solcher Fall 
frühzeitig zur Behandlung, so kann man durch Massage, Gym¬ 
nastik und Elektrizität die Muskeln kräftigen, so dass man dann 
durch eine eventuelle Sehnenplastik dem Fuss seine fast nor¬ 
male Stellung und Funktion wiedergeben kann. Durch die 
Stauungsbehandlung nach Helferich kann man ferner erreichen, 
dass das Längenwachstum der Knochen ein gleichmässiges wird, 
bleibt dagegen ein solcher Fall unbehandelt, so atrophieren 
die Muskeln, das Längenwachstum bleibt zurück, die Beine 
werden oft erheblich kürzer und man kann dann schliesslich 
auch durch die bestgeliingene Sehnenplastik nicht mehr 
helfen, weil das Bein so kurz ist, dass die nach der Korrektur 
der Fussstelluiig zurückbleibende Verkürzung des Beines so 
liochgradig sein würde, dass ein viele Zentimeter hoher Kork¬ 
schuh zur Ausgleicliung der Verkürzung notwendig wäre. Man 
kann dem Patienten dann nur noch znm Tragen eines die Ver¬ 
kürzung ausgleicheuden Apparates raten. 


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24 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 3. 


Solclie Beispiele liessen sich viele anführen. Ich will nur 
noch eines heranziehen. Haben wir einen Fall von angeborener 
Coxa vara vor uns im jugendlichen Alter, so kann man durch 
Tenotomie der Adduktoren und Eingipsen der Beine in maxi¬ 
maler Abduktion eine fast normale Heilung erreichen. Im 
späteren Lebensalter lä.sst sich dagegen selbst durch eingreifende 
Operationen nur noch eine Bessening, niemals eine Heilung des 
Leidens mehr erzielen. 

Bezüglich der rachitischen Deformidaton spielt das 
Lebensalter insofern eine gewisse Kolle, als wir wissen, dass 
selbst hochgradige rachitische Verkrümmungen der ersten 
Lebensjahre spontan völlig ziirückgehen können. Die Ver¬ 
krümmungen w'aehsen sich dann wirxlich aus. Vielfache Er¬ 
fahrungen haben gelehrt, dass etwa das ö. Lebensjahr die 
Grenze für eine spontane Au.sheüung dieser Deformitäten bildet. 
Verkrümmungen, die nach dieser Zeit noch bestehen, haben 
keine Aussicht mehr auf spontanes Verschwinden. Sie müssen 
dann orthopädisch oder chirurgisch behandelt werden. 

Durch frühzeitige Inangi-iffnahme der Deformitäten lässt 
sich namentlich auch prophylaktisch sehr viel erreichen. 
Eine beginnende Scoliose können wir völlig heilen, einer aus¬ 
gebildeten Scoliose im späteren Lebensalter steht unsere 
Therapie dagegen so gut wie machtlos gegenüber. 

Wenn wir für einen möglichst bmdigen Beginn unserer 
Behandlung auf dem ganzen Gebiete der Orthopädie plaidieren, 
so ist damit nicht gesagt, dass wir Deformitäten des höheren 
Lebensalters nicht mehr eidolgreich zu behandeln vermöchten. 
Das ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil haben wir gerade 
in dieser Beziehung in den letzten. Jahrzehnten sehr viel ge¬ 
lernt. Wir erreichen dann aber stets nur eine relative, keine 
absolute Heilung, aber auch mit der relati/en Heilung ist den 
Patienten oft schon ganz ausserordentlich viel gedient. Es ist 
ein grosses Verdienst von Julius Wolff gewesen, dass er 
immer wieder darauf hinwies, dass auch der ausgew'achseno 
Knochen nicht ruht, dass vielmehr ein beständig(*s Werden 
und Vergehen der Zellen in demselben stattftndet. Eine der 
Hauptlehren von Julius Wolff ist die, dass mau die 
Knochen der Erwachsenen unter dem Einfluss der Belastung 
ebenso modellieren kann wie die weichen Knochen des 
Kindes. Die Konsequenz dieser Lehre ist die gewesen, dass 
man sich auch an die Redression von Deformitäten bei 
älteren. Leuten herangewagt hat. So habe ich von Julius 
Wolff einen 70jährigen Patienten übernommen, bei dem 
dieser Meister auf diesem Gebiet einen angeborenen Klumpfuss so 
redressiert hatte, dass der Patient jetzt, noch 4 Jahre nach der 
Rodression ohne jede Beschwerden stundenlang mit richtig stehen¬ 


Feuilleton. 


Ärztüclie Standesfragen. 

Von Dr. Franz Hoeniger. 

Rechteanwalt am Kgl. Kammergericht. 

Ich muss zunächst verschiedene Anfragen darüber beant¬ 
worten, wie sich die Praxis des Ehrengerichtshofes zu den im 
1. Artikel (Der Arzt als Gewerbetreibender) vertretenen An¬ 
schauungen stellt. In Betracht kommen zwei Urteile vom 8. 
XI. 1904. (Ministerialblatt 1905, 294). Das erste erMärt den 
Satz des angefochtenen Urteils, dass der Betrieb eines rein 
kaufmännischen Unternehmens durch einen Arzt, mit den ärzt¬ 
lichen Standespflichten unvereinbar sei für zu weitgehend, 
da es zur Beurteilung der Standeswidrigkeit eines solchen 
Unteniehmens auf eine eingehende Prüfung der begleitenden 
Tatumstände (Art des Geschäftes. Geschäftsgebaren, Art und 
Beschaffenheit der Tätigkeit) im Einzelfalle ankommen werde. 

Das zweite exemplifiziert auf den Eiiizelfall und verbietet 
die geschäftliche Verbindung eines Arztes mit einem Kurpfuscher. 
Es deckt sich dies i. W. mit den Anschauungen des Artikels. 
Auch hier ist die allgemeine Unzulässigkeit des Gewerbebe¬ 
triebes verneint und die Zulässigkeitsfrage auf Einzelheiten ab¬ 


dem Fuss herumgeht. Ich selbst habe dann in den letzten Jahren 
ebenfalls bei alten erwachsenen Personen den angeborenen 
Klumpfuss wiederholt erfolgreich korrigiert Natürlich be¬ 
kommt man dann keinen idealen normalen Fuss, aber einen 
Fuss, auf dessen Planta der Patient völlig eben auftritt und 
der wenigstens annähernd die normale Form zeigt. Das zu- 
nickgebliebeiie Wachstum eines solchen Fusses kann man 
natürlich nicht wieder einholen und der Fuss wird dement¬ 
sprechend kleiner bleiben. Demgegenüber habe ich einen Fall 
von angeborenen Klumpfussbei einem Knaben, dessen Behandlung 
bald nach der Geburt begonnen wurde, so gut geheilt, dass der 
Knabe später seinen Dienst als Soldat ohne lule Beschwerden 
verrichten konnte. 

Ist nach dem Gesagten eine Altersgrenze für orthopädische 
Maßnahmen auch nicht gegeben, so hoffe ich doch in den vor¬ 
hergehenden kurzen Ausführungen genügend bewiesen zu 
haben, dass unsern Patienten am besten mit einer möglichst früh¬ 
zeitigen Behandlung ihrer Verkrümmungen gedient ist. 


Zur Diagnose der Carcinome.*) 

Haut. 

Die Hautcarcinome sind am leichtesten zu diagnostizieren, 
wenn si(‘ in der obersten Schicht des Integuments sitzen. Es 
bilden sich harte, blasse Knötchen. Durch Ausfallen der 
Epithelperlen können flache, nässende, kleine Geschwüre ent¬ 
stehen, die nicht selten sogar vernarben. Die Entwicklung 
geht oft von Malern und Warzen aus. Ist das Carcinoni 
in den Tiefen der Cutis lokali.siert, dann ist die Diagnose wohl 
schwieriger. Auch hier ist die Härte der Tumoren charakte¬ 
ristisch, die regionären Lymphapparate werden früher in Mit¬ 
leidenschaft gezogen als beim oberflächlichen Carcinom, auch 
tiefere Gebilde, Muskel, Periost werden mit ergriffen, die Form 
ist bösartiger. Am schnellsten wachsen die papillomatosen 
Formen, sie sind aber auch am seltensten an der Haut. 

Lippe. 

Es treten kleine harto Warzen oder Knötchen im Lippen¬ 
rot an der Hantgrenze auf. Die Epidermisdecke fehlt meistens. 
Die Stelle des Substanzverlustes secemiert, blutet leicht, die 
Umgebung verhärtet sich. Später schwellen die submaxillaren 

•) Wie wir bereits in voriger Nummer andouteton, bringen wir heute 
einen Auszug aus dem zweiten Teil der von der k. k. Gesellschaft der 
Arzte in Wien verüifentlichten belehrenden Mitteilungen. 


gestellt w'orden. Diese sind alsdann unter die allgemeinen 
(lesichtspunkte a) der bürgerlichen Ehrbarkeit und b) der 
höheren Art geistiger oder gewerblicher Betätigung zusammen¬ 
gefasst, wobei als Beispiel für die Negativen die Verbindung 
des Arztes mit Kurpfuschern hervorgehoben wurde. Bei Vor¬ 
liegen beider Positiven ist schliesslich die gewerbliche Be¬ 
tätigung des Arztes nicht nur als zulässig, sondern als erwünscht 
bezeichnet Worden — alles in Ül)ereinstimmung mit dem Ehren¬ 
gerichtshof. 

Wir kommen zur Frage 

III. 

Darf der Arzt lügen? 

Wer diese Frage rundw'eg verneinen wollte, dürfte sich 
sehr im Irrtum befinden. Denn es ist klar, dass beispielsw’eise 
der Arzt am Krankenbett häufig als Schönfärber wird auftreteii 
müssen, um die Psyche zu heben. Hysterische zu beruhigen. 
Unheilbare zu trösten und in Hoffnung zu setzen. Nur der Irr¬ 
tum ist das Leben und das Wissen ist der Tod. Der Arzt, 
der in Eriüllung seiner Berufspflicht lügt, weil er lügen muss, 
verstösst nie und nimmer gegen die Pflichten seines Standes. 

Zu unterscheiden i.st aber auch hier schon die Unwahrheit 
in bewusster Absicht und mit Heil- oder Beruhigungszweck 
Vorgetragen, von anderen, ebenfalls objektiv unrichtigen Behaup¬ 
tungen die der Arzt — sit venia verbo — aus Unkenntnis 
auistellt. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


und submentalen Drüsen an. Differentialdiagnostisch kommt 
die Initialsclerose in Betracht. 

Zunge, Mundboden, Wangenschleimhaut. 

Entstehungsursachen häufig Leukoplagie und Decubital- 
geschwür. An der Zunge ist der Beginn ein flaches Ulcus, 
oder eine derbe knötchenförmige Infiltration. Verwechslung 
ist möglich mit Gumma, Tuberkel, Aktinomyces. 

^t der Mundboden primär der Ort der Entstehung des 
Carcinoma, so kann es sich entweder um ein oberflächliches 
Epitheliom oder einen. Drüsentumor handeln. Das Frenuliim 
linguae und seine Umgebung sind Prädilektionsstellen. Das 
Wangencarcinom beginnt oft gegenüber cariösen Zähnen, be¬ 
sonders der letzten Molaren. Am bösartigsten sind hier die 
Tumoren, welche in den Backentaschen lokalisiert sind. 

Kehlkopf. 

Beim Kehlkopf bedarf es stets gründlichster Spiegelunter¬ 
suchung und bei irgendwie verdächtigem Befunde der Probe- 
excision und histologischen Untersuchung. Die Carcinome 
sitzen entweder warzenförmig auf den Stimmbändern auf, 
oder sind sie papillomatös. Es können ohne histologische Unter¬ 
suchungen Verwechslun^n Vorkommen. Bei Infiltration der 
Kehlkopfwände ist die Diagnose besonders schwer. Zu be¬ 
achten ist die unregelmäßige, höckrige Oberfläche des Neo¬ 
plasmas. Frühzeitiges operatives Eingreifen ist unumgänglich 
nötig, deshalb genaueste Exploration. 

Brustdrüse. 

Die Frühdiagnose ist oft sehr schwer. Kleine zweifelhafte 
Tumoren soll man imm er operieren, da auch gutartige Ge¬ 
schwülste maligne degenerieren kÖ’nnen. Differentialdiagnostisch 
ist die chronische interstitielle Mastitis wichtig. Bei Ekzemen 
an der Mamma denke man bei längerem refraktären Verhalten 
an das Flächencarcinom von Paget (cancer en curasse). 

Magen. 

Das Magencarcinom ist in seinem Beginn mit Sicherheit 
nicht zu diagnostizieren. Achylie und Auftreten von Milch¬ 
säure im Magensaft sind stets Anzeichen eines vorgeschntte- 
neren Stadiums. Dasselbe glt für die Abmagerung, es sei 
denn, dass es sich um eine Pylorusstenose handelt. Palpable 
Tumoren sind immer schon älteren Datums. Der ungefährliche 
von V. Mikulicz’ empfohlene Probeschnitt gibt sicheren Auf¬ 
schluss. Für die Therapie kommt nur die so erfolgreiche 
Magenresektion in Betracht. 

Darm. 

Beim Darmcarcinom machen sich zwei Symptome vor 
allem bemerkbar, erstens die Stenosierung der befallenen Partie 


Ich meine das weite Feld der Berufsirrtümer: Verkennen 
einer Krankheit, Verneinung des Vorhandenseins eines Medi¬ 
kaments, Inabredestellen der Möglichkeit eines (merativen Ein- 
grifis. Auch hier könnte man vulgär von „Unwahrheiten“ 
sprechen, indes fehlt zur Lüge das subjektive Moment: Und 
gerade dieser Mangel lässt es evident erscheinen, dass diese 
„Unwahrheiten“ wohl zivilrechtliche Haftung oder gar krimi¬ 
nelle Bestrafung zur Folge haben können, abgesehen aber von 
ganz besonderen Umständen, nicht zum Disciplinarverfahren 
wegen Verletzung der Berufs- und Standesehre zu führen ver¬ 
mögen. Abgesehen von ganz besonderen Fällen, wenn näm- 
licb der Berufsirrtum eine so leichtfertige Verletzung der Be¬ 
rufspflichten zur Sorgfalt und Weiterbildung erkennen lässt, 
dass aus diesem Grunde die Tatbestandsmerkmale des § 3 er¬ 
füllt erscheinen. Das fällt nicht mehr unter unser Thema. 

Um nun die Frage unserer Aufgabe zu beantworten, bedarf 
es also zunächst wiederum der Einschränkung. Und zwar 
lautet mit dieser unsere Frage dahin: Darf der Arzt — abge¬ 
sehen von Heil-undBerubigungszwecken —bewusst dieUnwahr- 
heit sagen (nicht irren)? Ich bin in der Lage zu dieser Frage 
eine eigenartige Entscheidung eines Ehrengerichts zu zitieren. 
Der Arzt X. der einem grossen gewerblichen Betriebe vorstellt, 
beschäftigte als Bakteriologin das Frl. Y. Zwischen beiden kam 
esj zu^Differenzen. Bei einer Unterredung des X. mit einem 
Professor der Hygiene, der sich für die bakteriologische Ab¬ 
teilung des Betriebes interessierte, kam das Gespräch auf die 


96 


und zweitens die Tumorbildung. Dabei bestehen katarrhalische 
Reizungen, welche sich in Obstipation oder Diarrhoeen äussem 
können. Früh treten krampfhafte bis zu Koliken sich steigernde 
Leibschmerzen auf. Ist der Dünndarm befallen, findet sich 
im Ham Vermehrung des Indicans. Der Mangel an palpa- 
torischem Befund spricht nicht gegen Krebs. 

Mastdarm. 

Bei Blutungen und Schleimabgang, selbst wenn Haemor- 
rhoiden vorhanden sind, muss man stets genau digital unter¬ 
suchen, um einen event. Tumor festzustellen. CarcinomatÖse 
Strikturen an der Flexur lassen sich oft nicht fühlen. Das 
Klaffen der Ampulle deutet auf ihre Existenz hin. 

Harnwege. 

Lokale Schmerzen, Blutharnen, palpatorische Befunde 
müssen zur genauesten Untersuchung Anlass geben und machen 
die Anwendung des Ürethro-Cystoskops und des Ureteren- 
kathetrismus zur Pflicht. Hierbei werden auch wohl Neoplas¬ 
men der Niere festgestellt. 

Weibliche Genitalien. 

Vom 20. Lebensjahre an kann bei Frauen Carcinom auf- 
treten. Es ist falsch anzunehmen, dass nur die Wechseljahre 
in Betracht kämen. Auch die Kachexie kann fehlen, ist sie 
vorhanden, ist es meist zu spät Das wichtigste Zeichen sind 
Blutungen, welche nicht menstruell sind. Dieselben treten 
atypisch nach Digitaluntersuchungen, Irrigationen und nach 
dem Coitus auf. Die Blutungen können ganz geringfügig 
sein. Besonders wichtig sind die unregelmäßigen Blutungen 
während und nach dem Klimakterium. Ferner tritt Aus¬ 
fluss auf, anfangs sehr gering, fleischwasserähnlich, später 
jauchig, stinkend, mit Gewebsfetzen vermischt. Im Beginn 
des Carcinoms nur selten Schmerzen. Das Portiocarcinom 
macht sich meist dem untersuchenden Finger leicht kenntlich. 
Ist die Schleimhaut noch intakt, dann fühlt sich die Portio 
plumper, knolliger an, die Schleimhaut ist über dem Knoten 
nicht verschieblich. Vorhandene ovula Nabotbii sprechen meist 
gegen Carcinom. Ist die Schleimhaut durchbrochen, findet sich 
eine hart infiltrierte gelbliche ijder graue GescWürsfläche, 
von welcher Gewebsbröckel leicht abgestreift werden können 
und welche leicht blutet. Das Cervixcarcinom ist schwieriger 
zu erkennen. Es kann sich im oberen Teil des Collum ver¬ 
bergen ohne dass am Orificium extemiun etwas zu sehen ist. 
Die Sonde fühlt oft unebene, bröcklige Geschwürsflächen und 
Substanzverluste, wenn der Finger nicht eindringen kann. Auch 
hier blutet es bei der Untersuchung meist. Ist der Uterus 
fixiert, so spricht dies für Cerviscarcinom. 


Leistungen der Dame Y. Dabei äusserte sich X. so absprechend 
über diese, dass der Professor den Eindruck gewann, als wenn 
er sie ungern und nur auf Grund vertraglichen Zwanges in 
seinen Diensten behalte. Gleichzeitig gab X. das Gehalt von 
Frl. Y. als ausser allem Verhältnis zu ihrer Befähigung stehend, 
nämlich auf das Doppelte des wirklich gezahlten an. In einer 
späteren ehrengerichtlichen Anzeige des Frl. Y. gegen X. 
machte die Dame ihm auch aus dieser „Lüge“ einen V^orwurf 
und gründete auch auf sie den Anspruch ehrengerichtlicher 
Bestrafung. 

Das Ehrengericht stellte die Lüge zunächst objektiv fest 
und erklärte dann in seinem ablehnenden Bescheide wörtlich 
folgendes: „Die Beschwerdeführerin kann sich hierdurch nicht 
verletzt fühlen, wenn ihre Arbeitskraft anderen gegenüber als 
höher bewertet angegeben wird. Höchstens konnte sich Pro¬ 
fessor XX. durch die ihm gemachte unrichtige Angabe verletzt 
fühlen. Wenn nun auch jede Unwahrheit vermieden werden 
sollte, so liegt für das Ehrengericht jedoch kein Anlass vor, 
aus diesem Grunde gegen Dr. X. einzuschreiten, da irgend 
welche unlauteren Motive in keiner Weise kJargelegt sind.“ 

Diese Gründe enthalten einen sehr richtigen und einen 
sehr unrichtigen Gesichtspunkt. Zunächst den unrichtigen. Es 
ist absolut verkehrt, eine Relativität für Lügen einzuführon 
und zu sagen „Wenn Du zu X. über Y. lügst, so verletzest Du 
die Standesehre nur gegenüber X. nicht gegenüber Y. bezw. 
wenn Dich Y. anzeigt, so gehst Du straffrei aus.“ Entweder 


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26 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 3. 


Daß beginnende Corpuscarcinom ist sehr schwer zu er¬ 
kennen. Auch der Sondenbefund kann täuschen. Nur eine 
vorsichtige Aneschabung und mikroskopische Untersuchung 
gibt sicheren Aufschluss. Das Ausgeschabte ist bröcklich, 
krumlich. Auch hier sind die Blutungen zu beachten. 

Frauen sollten sich in bestimmten Zwischenräumen regel¬ 
mäßig untersuchen lassen, gerade so wie man sich unter die 
Kontrolle der Zahnärzte zu stellen pflegt. 

Das Carcinom des Ovariums und der Tube bietet natur¬ 
gemäß besondere Schwierigkeiten. Schnelles Wachstum, Anf- 
treten von Aszites, Schmerzen und Verwachsungen mit Därmen 
und Uterus deuten auf Carcinom hin. 

Das ist auszugsweise der Inhalt des zweiten Teiles der in 
der vorigen Nummer bereits eingehend gewürdigten Veröffent¬ 
lichung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien. Es schien 
uns gerade dieser Teil für den Praktiker besonders wichtig. 

M. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berli/ner ophUuilmologische Gesellschaft, 

Sitzung vom 16. November 1905. 

1. Feilohenfeld stellt einen Kranken vor, der 3 Tage 
nach Schädeltrauma (Basisfraktur), obwohl er noch Finger = 1^/, 
m zählte, weder direkte noch konsensuelle Pupillenreaktion zeigte; 
der Augenspiegelbefand war normal. Ergo ist Guddecs An¬ 
sicht von der gesonderten Leitung von Licht und Fupillarbewegung 
im Opticus trotz Key und Ketzius richtig. F. nimmt eine Kom¬ 
pression des N. opt. dnrdi Splitter oder Blutung an. 

Disk.: y. Michel sah einen ähnlichen Fall mit horizontaler 
Halbblindheit. 

2. Pollack: Myzoedem mit doppelseitiger Atrophia 
n. opt. bei einem 9 Jahre alten Mädchen. Thyreoidin besserte 
sowohl das Allgemeinleiden wie die Augenerkrankung erheblich. 

3. Schultz-Zehden: a)£ine seltene Ophthalmie. 

Bei einer auf offenem Felde betrunken auigefundenen Land¬ 
streicherin wurden vom Körper ein Liter Maden abgenommen, 
auch ans dem Bindehautsack. Der rechte Bulbus hatte keine 
Hornhaut mehr, war zusammengeschrumpft und musste ezenteriert 
werden, wobei sich ein Parasit im Glaskörper fand. Dia Cornea 
des andern Auges hatte ein Loch und war nur nasal erhalten, 
Linse und Iris sassen in dem Defekt, so dass auch dieses Auge 


verstösst eine Lüge gegen die Standesehre oder sie tut es nicht. 
Eine relative Lttgenlreiheit in diesem Sinne ist zweifellos zu 
verwerfen. Richtig dagegen und entscheident für die Frage 
ob der Arzt lügen durfte, ist die Betonung des M o t i v e s. In 
der Tat gibt es nämlich für den Arzt keine andere Anstands¬ 
regel wie für jeden anderen Gentlemen. Die Lüge ist für 
ihn unter allen Umständen verpönt, so wie sie nachgewiesener¬ 
maßen ihren Anlass in unlauteren Bew^egsgründen nimmt. 

Mit dieser Ursache bildet sie zugleich einen groben Ver- 
stoss gegen die Standesehre und wird ehrengerichtlich strafbar. 
Ob im vorliegenden Falle das unlautere Motiv zu Recht ver¬ 
neint wurde, bleibe unerörtert. 

Ich möchte aber die Feststellung, dass das Motiv über 
die Zulässigkeit der Lüge entscheidet, benutzen, um auf eine 
besonders häufige und oesonders zu verponende Lüge hinzu¬ 
weisen. Es ist dies die üble, zum Teil bewusst unrichtige 
Kritik über den ärztlichen Standesgenossen, resp. das von 
diesem angewandte Heilverfahren. Solche Kritik hat der 
Ehrengerichtshof, selbst wenn sie unter Bezugnahme auf Gut¬ 
achten ärztlicher Autoritäten versucht ward, stets für durchaus 
unzulässig, standesunwürdig und deshalb nach 3 strafbar er¬ 
achtet. (Vgl. Urteil vom 7. V. 1904 Ministerialblatt li)05 S. 
145). Und jeder Einsichtige muss dem Gerichtsliof in dieser 
Hinsicht voll beipflichten. 


entfernt werden musste; Maden waren nicht im Auge. Es handelt 
sich um Larven der Schweissfliege (musca vomitoria). Die Fliege 
wird vermutlich durch das Sekret eines Katarrhs angelockt un<l 
legt dann die Brut ab. Das mazerierende Bindehautsekret und 
die Lebensprodukte der Fliege selbst zerstören die Cornea. 

Disk.: v, Michel: Vielleicht wurden die Eier sekundär auf 
dem Boden eines Keratomalacie abgelegt. 

b) Carcinom der Augenhühlengegend. Zwei 79 bez. 
86 J. alte Insassinnen des Städt. Sieebenhauses mit Canoroid, das 
seit 4V8 i)ezw. 15 Jahren besteht und die Augenhöhlen ganz frei¬ 
gelegt hat. Beide Male sind die Bulbi phthisisch geworden. 

Disk.: Greef sah Heilung eines sehr vorgeschrittenen Falles 
durch Röntgenstrahlen. 

4. Koerber: Ein Fall von Femphigus der Bindehaut. 

Ein früher stets gesunder Mann von 50 Jahren leidet au 
Diabetes (1,65%) und Nephritis (l®/oo Albumen); 1902 wahr¬ 
scheinlich Lues. Vor 2Vs Jahren begann das Augenleiden mit 
Rötung der Lider und Bindehaut; seit 1 Jahr Trichiasis; 1904 
Iritis links. Seit Vs Jahr hat oft er Blasen an der glaus penis und am 
Gaumen. Die Lider sind äusserltch normal. Die Motilität ist besonders 
links beschränkt. Die Bindehaut ist dUsterrot, der Bindehautsack ge¬ 
schrumpft; in der Augapfelbindehaut sind sulzige Einlagerungen, 
die zumal links auf die Cornea übergehen. Im innem Lidwinkel 
sind die Verwachsungen am stärksten, zumal nahe der Plica. 
Sehschärfe, Pupillenreaktion und Augenhintergrund sind normal. 
Es bandelt sich am Pemphigus, der am Auge imter 21000 Kranken 
nur ein Mal beobachtet wird. Differentialdiagnostiach kommt 
nur Trachom in Betracht, das aber vornehmlich die obere Über¬ 
gangsfalte befällt, während der Pemphigus mit Vorliebe in der untern 
sitzt. Ausserdem fehlen hier die Follikel, Narben, Xerose trotz der 
schweren Erkrankung, Pannus und Verdickung des Tarsus; für 
Pemphigus sind auch die multiplen kleinen Falten typisch. 

Disk.: Hirschberg empfiehlt für die Therapie Hg. 

V. Michel leugnet die Existenz eines syphilitischen Pemphigus 
und hält die „essentieUe Schrumpfung“ für kein besonderes Krank¬ 
heitsbild, sondern für einen Folgezustand. 

Rosenthal (a. G.) Die Brillen als Infektions¬ 
träger. 

Die Bindehaut ist für Keime eine vorzügliche Eingangspforte. 
Wird der Bindehautsack einem Spray von Prodigiosus — oder 
Penicilliumkulturen ausgesetzt, so bieten Muschelbrillen einen weit¬ 
gehenden aber keinen vollkommenen Schutz; setzt man die be¬ 
schmutzte Brille einer zweiten Person auf, so lassen sich auch 
von ihren Wimpern noch Keime abimpfen. 

Disk. V. Michel: Leute, die Schutzbrillen tragen, leiden oft 
an besonders hartnäckigen Katarrhen; vielleicht erfolgt durch die 
Brille immer wieder eine neue Infektion. 

6. J. Hirschberg und S. Ginsberg: Ein Fall von 
tuberkulösem Glaukom, 

Eine 36 Jahre alte Dame ist seit 3 Jahren augenleidend; 
sie bekam Zimmtsäureeinspritzungen unter die Haut, bei der 75. 
Injektion aber Spinnweb-Sehen, so dass die Behandlung abge¬ 
brochen wurde. Vor 1 Jahr Pleuritis, nach der die Sehkraft 
rechts geschwächt war. Seit Dezember 1904 häufiges Regenbogen- 
und Nebelsehen, S. und Gf. bds. normal. Links normaler Befund. 
Rechts T Mydriasis, typische Aushöhlung des Sehnerven, Arterien¬ 
puls bei Druck. Bei fokaler Beleuchtung sieht man die Irisperi¬ 
pherie geschwollen, im Stroma Blutgefässstücke, die Kammerbucht 
verengt. Die Sehschärfe sank, die Akkomodation nahm ab, der 
Druck stieg. Eserin wirkte nur unvollkommen. Da die Pat, 
ausser tuberkulöser Spitzenaffektion eine pleuritische Schwarte 
und ein akzidentelles systolisches Geräusch an der Herz-Spitze 
hatte, ausserdem eine Idiosynkrasie gegen Morphium, musste 
von einer Allgemeinbetäubung Abstand genommen werden bei der 
nun auszuführenden Iridektomie. Der Bulbus blieb nach der 
Operation entspannt, das Regenhogensehen trat nicht wieder auf. 
lu dem exzidierten Stück war djis Irisgewebe verdickt imd [durch 
eine aus epitheloiden Zellen ein- und mehrkernigen Leukozytheu, 
Bindegewebs- und Rieseuzellen bestehende Neubildung mit riel- 
facheu Kemdegenerationen ersetzt. Weder Verkäsung noch Tuberkel- 
baziUen oder Tuberkel. Der anatomische Befund spricht mit 
Sicherheit weder für Tuberkulose noch für Lues, doch ist erstere 
wahrscheinlich. 


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1906. 


MB5DI0INIS0HB WOCHE. 


27 


7. Kowalewski: Über Primäraft'ekt am Lid mit De¬ 
monstration von Spirochäten. 

Unter den extragenitalen Initialsklerosen kommt das Äuge 
der Hänfigkeit nach erst an 6. Stelle und wird von Lippen, Brust, 
Mundhöhle, Fingern, Händen und Tonsillen übertrofien; die oku¬ 
lare Sklerose kommt unter 3—10000 Augenkranken 1 Mal vor 
und macht kaum 1% aller luetischen Augenkrankheiten aus. Die 
Initialsymptome bieten nichts Charakteristisches. Er sitzt mit 
Vorliebe am Lidrand imd täuscht anfangs oft ein Chalazion oder 
Hordeolum vor. Die Singularität des Auftretens ist kein für den 
Augenschanker hervorstechendes Merkmal. Pathognomonisch ist 
dagegen der indolente Bubo präauricularis, ferner auch der sub- 
maxillare und cervicale. Ein wichtiges differential-diagnostisches 
Hilfsmittel dürfte in Zukunft der positive Nachweis der Spirochäte 
pallida sein. 

K. sah eine 18 Jahre alte Kontoristin, die 6 Wochen zuvor 
Augenentzündung und Gesichtsschwellung bekommen batte. Es 
hatte anfangs am linken Oberlid ein unscheinbares Bläschen be¬ 
standen. Es zeigte sich jetzt ein schorfbedecktes, exzulzeriertes Ge¬ 
schwür mit steilen wallartigen Rändern; das ganze Lid war derb 
infiltriert. Bubo präauricularis und Schwellung der oberflächlichen 
Halsdrüsen. Die Infektion der jungfräulichen Kranken war durch 
einen Kuss erfolgt. Der Nachweis von Spirochäte pallida in den 
oberflächlichen und tiefen Geschwürsteilen und Papeln (in den 
Drüsen fehlten sie) und das Auftreten eines spezifischen Aus¬ 
schlags sicherten die Diagnose ebenso wie der günstige Einflus.s 
der Therapie auf das Geschwür. Die ursprünglich im Bereiche 
des Geschwürs ,befindlichen Wimpern wuchsen nach, die Drüsen- 
scbwellungen gingen zurück. Nach der 3. Sublimatspritze waren 
die Spirochäten verschwunden. 

Disk.: Schulze: Im Sekrete eines Primärafifektes fanden 
sich ausser Spirochäten eine Menge anderer Mikroorganismen, auch 
Cytorrhyctes. 

Greff: In der Liderosion eines Mumpskranken fanden sich 
auch Spiroch. pall., nachträglich stellte sich auch klinisch heraus, 
dass Lues vorlag. 

Gut mann sah bei einem Arzt einen Lidschanker; der Kollege 
hatte an einem heissen Sommertage ein Ulcus durum exstirpiert 
und sich den Schweiss von der Stirn gewischt. 

Kurt Stein dorff. 


Standesfragen. 

Die Organisation der echuiärztiichen Tätigkeit in Berün. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Später als viele andere Kommunen, besonders auch als seine 
Nacbbargemeinden, entschloss sich Berlin für Einführung von 
Schulärzten. Im Jahre 1900 wurden zuerst zehn Schulärzte ver¬ 
suchsweise angestellt, denen je zwei Gemeindeschulen überwiesen 
wurden. Als sich dann die Einrichtung bewährte, wurde be¬ 
schlossen, alle Volksschulen schulärztlich überwachen zu lassen, und 
es wurden im Jahre 1903 die Zahl der Schulärzte auf 36 ver¬ 
mehrt, denen je 7 — 9 Schulen übertragen wurde. Über die von 
den Schulärzten im Schuljahre 1904/05 ausgeübte Tätigkeit, gibt 
uns Professor A. Hartmann, der Obmann der Schulärzte, einen 
uns vorliegenden in vielfacher Hinsicht sehr interessanten Be¬ 
richt. 

Dass in Berlin die Schulärzte im Gegensatz zu allen anderen 
Städten eine so grosse Zahl von Schulen übertragen ist, wird da¬ 
mit motiviert, dass die lunfassende Tätigkeit eine grössere Be¬ 
friedigung gewähre und den Einzelnen veranlasse, sich im stärkei-en 
Maße mit den besonderen Erfordernissen für die Stellung ver¬ 
traut zu machen. Wir wollen nun betrachten, welche Anforderungen 
an den Berliner Schularzt gestellt werden. Einen wesentlichen 
Teil der Tätigkeit macht die Untersuchung der neueingeschulten 
Kinder aus: es entfielen auf jeden Schularzt 960 Untersuchungen. 
Für die Kinder, bei denen sich krankhafte Zustände ergaben, 
wurden Überwachungsscheine ausge.stellt, die von den Schulärzten 
geführt wurden: dies erwies sich bei 20,4% der Untersuchten als 
notwendig. Es wurden ferner untersucht von jedem Schularzt im 
Durchschnitt: 593 Kinder auf Veranlassung der Schuldeputation 


und der Rektoren, 28 für Nebenklassen und Stottemkurse, 673 
unter Überwachung stehende. Dazu kamen noch zahlreiche bei 
den Schulbesuchen angestellte Untersuchungen. Die Zahl der Über¬ 
wachung wird sich von Jahr zu Jahr steigern, und H. folgert da¬ 
raus, dass, da der Schularzt über die in Überwachung befindlichen 
Kinder einen Überblick behalten soll, es wünschenswert erscheine, 
dass einem Schularzt nicht mehr als sechs Schulen übertragen 
werden. 

Uns erscheint diese Forderung ausserordentlich bescheiden. 
Nach unsem langjährigen Erfahrungen kann der Schularzt, wenn 
er derart überlastet ist, wie sich das aus dem Hartmann’schen 
Beridit ergibt, nicht das leisten, was zur gedeihlichen Wirksamkeit 
der Institute erforderlich erscheint. Au^ H. will gewiss nicht, 
dass die schulärztliche Tätigkeit einen Hauptteil der Zeit des 
Sdiularztes absorbiert, sondern auch er hält es fllr zweckmäßig, 
dass der Schularzt ein wesentlich praktisch tätiger Arzt bleibt. 
Andererseits haften unseres Erachtens der Berliner Organisation einige 
Mängel an, die für die Entwicklung der ganzen Einrichtung höclmt 
bedeutsam werden können. Ob es notwendig ist, für jedes Kind 
einen Gesundheitsschein anszufüUen, ob überwachungs^eine für 
Krankbefundene genügen, darüber kann mmi zweifelhaft sein; 
uns erscheint der erstgenannte Modus der bessere, da er für jedes 
Kind eine Übersicht über die gesamte körperlidie Entwicldung 
während der Schulzeit gewährt. Aber völlig vermissen wir in 
Berlin die alljährlich vorzunehmenden Kontrolluntersuchungen, 
welche wir für mindestens ebenso wichtig halten, wie die Unter¬ 
suchung bei der Einschulung. In Berlin werden nur die Kinder 
untersucht, die dem Lehrer oder dem Schularzt bei den Klassen¬ 
besuch auffallen oder die sich selbst als krank melden. Bei diesem 
Modus kann es verkommen, dass Krankheiten, die sich schleichend 
und langsam entwickeln, völlig übersehen werden. In Charlotten¬ 
burg, wo Verfas^r als Schularzt tätig ist, werden alle Kinder all¬ 
jährlich einmal an der Hand der Gesundheitsscheine durchmustert; 
es wird dabei besonders auf beginnende Tuberkulose, Drüsen- 
schwelluugen, Herzbeschafifenheit, Verkrümmung der Wirbelsäule, 
Zustand von Augen und Ohren geachtet und es gelingt bei jeder 
Kontrolluutersuchung, aus einer Reihe von Kindern teils unbekannt, 
teils unbehandelt gebliebene Übel herauszufinden und für deren 
Abstellung zu sorgen. Dabei haben auch wir die Erfahrung ge¬ 
macht, dass in der weit Überwiegenden Mehrheit der Fälle die 
schulärztlichen Ratschläge von den Eltern gern befolgt werden. 
Auch wir können die verständnisvolle Mitwirkung der Rektoren 
und des Lehrerpersonals nur rühmend hervorheben. 

Ein weiterer Mangel scheint ims darin zu liegen, dass in 
Berlin den Klassenbesuchen ein allzu geringer Wert beigemessen 
wird. Wenngleich wir uns nicht überzeugen konnten, dass in 
bautechuisoher Frage durch diese Besuche viel erreicht wird, so 
halten wir sie doch deshalb für ausserordentlich wichtig, weil sie die 
Gelegenheit bieten, in allgemein hygienischer Frage aufklärend zu 
wirken. Über die Notwendigkeit zweckmäßiger Bekleidung, über 
Reinlichkeit und Baden, über Zahn- und Mundpflege, über Venti¬ 
lation und Beleuchtung, über die Notwendigkeit ausreichender 
Nachtrulie, über die Schädlichkeit des Alkoholgenus-ses u. a. m., 
können den Kindern kurze Ausführungen gemacht werden, die bei 
häufiger Wiederholimg doch allmählich ihren Eindruck -nicht ver¬ 
fehlen und geeignet erscheinen, die heranwachsende Generation 
zur Befolgung der notwendigsten hygienischen Regeln zu erziehen 
und dadurch die Volksgesundheit zu heben. 

Dies ist ja das Ziel, das alle beteiligten Faktoren anstreben. 
Dazu solle auch die Maßnahme dienen, über die H. in den der 
Bekämpfung der Infektionskrankheiten bezw. der Tuberkulose ge¬ 
widmeten Abschnitten berichtet. Seine Ausführungen über die 
Aufgaben des Schularztes beim Auftreten infektiöser Erkrankungen, 
die in der frühzeitigen Erkennung und der langdauerden Aus- 
schlie.ssung der Kinder bestehen, können wir uns nur an.schliessen; 
dass nim die Maßem in erheblichem Maße durch die Schule ver¬ 
breitet werden, ist von uns zuerst statistisch nachgewiesen worden 
(s. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege 1905). Die Bekämpfung 
der Tuberkulose im schulpflichtigen Alter muss sich in der Haupt¬ 
sache darauf richten, die erkrankten Kinder aus den häuslichen 
Kreisen zu entfernen. Kinderheilstätte, Eirholungsstätte, Wald¬ 
schule dürfte dabei in gleicher Weise in jeweils geeigneten 

e 



28 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 3. 


Fällen günstig wirken; die Vermittelung der Fürsorgentellen kann 
segensreich eingreifen. 

So sehen wir, dass der Schularzt eine Fülle von Aufgaben zu 
erledigen hat. Zu dem bisher erwähnten kommt noch die Auslese 
der für die Ferienkolonien bestinunten Kinder, die Nachuntersuch¬ 
ung der von einzelnen Fächern dispensierten, die Erstattung von 
Gutachten für die Schuldeputation, die oft recht schwierig sind; 
Stellt man — last not least — noch die Forderung, dass 'der 
Schularzt noch in ein persönliches Verhältnis zu seinen Schutzbe¬ 
fohlenen treten soll, dass er ihren Gesundheitszustand, ihre häus¬ 
lichen Verhältnisse einigermaßen kennen soll, so muss zugestanden 
werden, dass die Berliner Schulärzte das, was wir als unumgänglich 
notwendige Leistung fordern, nicht erfüllen können. Es ist daher 
mit Freude zu beg;rUssen, dass die sozialdemokratische Fraktion 
der Berliner Stadtverordnetenversammlung den Antrag gestellt hat, 
die Zahl der Schulärzte so zu vermehren, dass einem jeden nur 
zwei Schulen — i. e. 1700—1800 Kinder im Durchschnitt — über¬ 
geben werden. Wir wollen hoffen, dass dieser Antrag die Zu¬ 
stimmung der städtischen Behörden hodet zum Segen unserer Be¬ 
völkerung, als wesentlicher Fortschritt eines wichtigen Teiles der 
fiozialen Hygiene. 

Literarische Monatsschau. 

Augenheilkunde. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

Eine Frage, die seit einigen Jahren das besonders lebhafte 
Interesse der Augenärzte allenthalben in Anspruch nimmt, ist die 
der operativen «Behandlung hochgradiger Kurzsichtigkeit durch 
Entfernung der Kristall-Linse des Auges, „Die Spätresultate der 
Myopie-Operation nach dem Materiale der Roatocker Universitäts- 
Augenklinik“ behandelt Marx in seiner Inaugural-Dissortation. 
Von 65 Fällen bekamen 10 = 15,4% Netzhautablösung. Von 
diesen 65 Kranken hatte Berlin 10 operiert und 3 Ablösungen 
gesehen; voo 43 durch Axenfeld operierten bekamen 7 Ablatio 
retinae und Peters beobachtete bei 11 Operierten die er aber, 
höchstens S'/j Jahre zurück kontrollierte, keine Abhebung der 
Netzhaut Diese Zahlen sind wesentlich höher als die in anderen 
Statistiken niedergelegten und man kann sich nicht verhehlen, 
dass diese schlechten Resultate aufs Konto der Operation zu setzen 
sind, da nach A. v. Hippel bei nicht operierten exzessiv myopischen 
Augen nur in 6,5% der Fälle Netzhautablösung ein tritt. Trotzdem 
soll die Operation nicht ganz ad acta gelegt werden, nur soll man eine 
geeignete, tunlichst ungefährliche Technik zur Anwendung bringen. 
So sollen zu tiefe Einschnitte der Linse mit Verletzung der hin¬ 
teren Linsenkapsel vermieden werden, da sonst leicht der Glas¬ 
körper in die vordere Kammer vorfällt; die Anzahl der Extrak¬ 
tionen mit der Lanze zur Entfernung der quellenden Linsenmassen 
ist einzitschränken und die selten zu umgehende Diszission des 
Nachstars tunlichst schonend vorzunehmen. 

Während Hirschberg („Die Behandlung der Kurzsichtigkeit“, 
Deutsche Klinik 1904) die Operation für so gefährlich hält, dass 
er sie nur 24 mal ausgeführt und seit 1901 gar nicht mehr vor¬ 
genommen hat; während ferner Schmidt-Rimpler zu dem 
Schluss kommt, dass mehr exzessiv myopische Augen zu Grunde 
gehen nach der Fukalascben Operation als ohne sie (Münch, 
raed. W. 04, Nr. 38); kommt A. v. Hippel zu anderen Ergeb¬ 
nissen. Ausser andern Gefahren soll die Operation vor allem 
Netzhautablösung nach sich ziehen, so sagen die Gegner des Ver¬ 
fahrens (Deutsch, med. W. 05, Nr, 26). v. Hippel hat von 1893 
bis 1905 die Operation an 275 Augen ausgeführt, darunter 68 
mal doppelseitig. Er behielt in Beobachtung 


12 

Jahre 

= 8 

Augen 

' 6 Jahre 

= 14 Augen 

11 


= 4 

n 

5 . 

= 28 „ 

10 


= 15 

17 

4 „ 

= 28 „ 

9 

V 

= 8 

n j 

3 „ 

= 24 „ 

8 

n 

= 27 

n 

2 « 

= 32 . 

7 

7? 

= 30 „ i 

< 1 Jahr = 

1 . 

= 10 Augeu. 

= 35 


Von 12 Augen hörte er nichts mehr. 


An^Netzbautablösung erblindeten unter somit 263 Augen 
25 = 9,5%. Sie trat ein nach der Operation: 


9 

Jahre 

an 

1 Auge 1 

4 Jahre 

an 2 Augen 

8 

r* 

ft 

1 . 

3 . 

. 4 „ 

7 



1 « 

2 « 

■' ? ” 

6 

ft 

ft 

1 

1 . 

n 3 »1 

5 

11 


2 Augen 






<C; 1 Jahr - 

- 7 Augen. 



V. Hippel nimmt nun an, dass in den Fällen, wo die Ab¬ 
lösung nach Beginn des 3. Jahres post operationem eintrat, sie 
durch die hochgradige Myopie, nicht durch die Operation bedingt 
war. Es waren demnach 13 Ablösungen = 4,9% der Operation 
zur Last zu legen. Sicher ist dies der Fall in jenen sieben Fäl¬ 
len, in denen sich v. Hippe 1 zu all zuhäuHgeu operativen Maßnahmen 
veranlassen Hess, was er .seit Jahren aber vermeidet. Die Ursache 
der 6 anderen Fälle ist zweifelhaft, da weder der Verlauf der 
Operation noch der der Heilung kompliziert war. 

Unter 100000 poliklinischen Patienten hatten 529 eine Myo¬ 
pie ^ 14,0 D. = 0,53%. Es sei bemerkt, dass heute kein ge¬ 
wissenhafter Operateur Myopieen 14.0 I). operiert. Die 529 
Kranken hatten 842 myopische Augen, von denen 53 = 0,3% eine 
spontan entstandene Netzhautablö.sung aufwiesen. Bei einerfrüheren 
aus Halle stammenden und 69000 Patienten umfa.ssenden Statistik 
war der Prozentsatz 6,7% gewe.sen. Wenn also von allen iür 
die Fukala’sche Operation ev. in Frage kommenden Kranken ca. 
6,5% spontan Netzhautablösung bekommen, so können die 9,5% 
bei den Operierten nicht einzig und allein der Operation zur Last 
gelegt werden. Von 149 nur auf einem Ange Operierten erkrankten 
7 = 4,7% auf dem nicht operierten Auge an Ablatio retinnc. 
9 = 6% auf dem operierten. Es ergibt sich also keine grosse 
Differenz. In Anbetracht seines relativ kleinen Materials rat v. 
H. zu Samraelforschung über diese Frage, der gegenüber eine 
ablehnende Haltung einzunehmen durchaus keine Berechtigung 
besteht. 

Die Opemtionserfolge der Moskauer ophtalraologischon Klinik 
bearbeitete Lütkewitsch (cfr. Z. f. .4., XIV, 5). Von 1890 
bis 1902 inkl. wurden 65 Patienten mit 110 Augen operiert, von 
denen 30 im 21.—25. liebensjahre sfamden. Der Grad der Myopie 
schwankte zwischen 8 D. (sic d. Ref.) und 33,0 D., die Seh¬ 
schärfe zwischen <;;|0,01 und 0,7. An den 110 Augen waren 
(horribile dictu! d. Ref.) 341 Operationen nötig; meist musste der 
primären Zerschneidung der Linse eine Punktion der vorderen 
Kammer und schlie.sslich eine Di.szission des Nacbstars folgen. Bei 
27 Myopen mit 8 —13 D. Testierte natürlich (Hypermetropie 2,75 
bis 4,25 D.); je höher die Myopie war, um so besser waren selbst¬ 
verständlich die Resultate. Die 20 Myopen mit 14,0—16,01). 
Myopie batten nach der Operation fast doppelte S und eine zwischen 

— 1,0 und -}- 2,25 D. schwankende, durchschnittlich -j- 1,39 -j- 1,10 P. 
betragende Refraktion. Die exzessiven Myopieen —16,0 bis — 33,0 
gaben die besten Erfolge. Ihre Refraktion betrug post operationem bei 
_ 16,0 = + 0,7 ; —17,0 =+ 0,62 ;~ 18,0 = — 0,51 S.: 

— 19,0 = — 0,84; — 20,0 = — 0,03; — 21,0 bis — 33,0 D. 
• — 2,4 ö. Die Operation verbes.serte die S. ohne Korrektion 5,5 
bis 9 mal; die S mit Korrektion vor und nach der Operation ge- 
messen, war nachher 1,2 — 1,9 mal besser. Komplikationen: In¬ 
fektion 2 mal = 1,8%; Ablatio retinae 8 mal = 7,2%. Glas¬ 
körpervorfall 15 mal = 13,6%, dem 2 mal Netzhautablösang 
folgte. 7 mal klemmte sich die Iris ein, und 19 mal trat akute'< 
Glaukom auf (17,4%). Nur Patienten mit starken Beschwerden, 
die kein Glas vertragen, sollen operiert werden. Die Behauptung 
Fukalas die Operation halte das Fortschreiten der Myopie auf, 
konnte L. nicht bestätigen, Jodsalze nach der Diszission, innerlich 
gegeben, schützen vor allzu stürmischer Quellung der Linse. 

Das 90 Kranke mit 100 operierten Augen urafas.sende Material 
der Züricher Universitätsangenklinik untersuchte Huber (Beiträge 
z. Aughkde. 05, 64. Heft). Er rät, nicht zu früh ein definitives 
Urteil über die nach der Operation Testierende Sehschärfe zu fällen, 
weil sie nach anfänglicher Be.sserung oft genug im Laufe der 
Jahre sinkt. Häufig treten auch längere Zeit nach der Phakolyse 
und trotz dieser schwerere Folgezustände der exzessiven Myopie 
auf, nämlich 11 mal Erkrankungen der Netzhautraitte, 9 malGla^* 
körpertrübungen, 9 mal Blutungen in der Retina (davon allerdings 
2 nach Verletzungen) und 5 mal Netzhautablösung. Meist wurde 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


39 


das stärker kurzsichtige und öfter auch das schlechter sehende 
Auge operiert. Hu her sah bei 37 Augen im Laufe der Jahre trotz 
der Operation die Myopie zunehmen, so dass er das Fukalasche 
Verfahren nicht als Schutz gegen das Fortschreiten der Myopie 
und gegen das Auftreten der Folgezustände schwerer Kurzsichtig¬ 
keit ansehen kann. Er hält die aphakischen Augen fttr nicht 
widerstandsfähiger, arbeitskräftiger oder weniger vulnerabel als 
die myopischen, ihrer Linse nicht beraubten Augen. 

Über die Behandlung der sog. spontanen Netzhautablösung, 
an deren Entstehung weder intraokulare Tumoren oder Zystizerken 
noch schwere perforierende Verletzungen oder Cycbtis beteiligt 
ist, spricht Sattler (D. med W. 05. Nr. 1/2). Ohne an dieser 
Stelle auf die von Sattler eingehend erörterte Pathogenese ein* 
zugehen, seien hier nur kurz die Ursachen bez. disponierenden oder 
auslösenden Umstände erwähnt. An erster Stelle steht die höher- 
gradige Kurzsichtigkeit. Dazu kommt die lange bekannte Tat¬ 
sache, dass Personen jenseits des 4. Lebensjahrzebntes mehr zur 
Ablatio retinae neigen als junge Individuen, ferner Männer mehr 
als Frauen (66%—34%). Verletzungen spielen eine sehr wichtige 
Rolle, wobei die traumatischen suebretinalen Blutergüsse, Rupturen 
oder Traumen der Augapfelhüllen mit Glaskörperverlust etc. über¬ 
gangen werden. Leichte und aseptisch verlaufende, perforierende 
Traumen, die doch sonst nicht zu Netzhautablösung führen, gehören 
jedoch hierher. Von Gelegenheitaursachen sind zu nennen : körper¬ 
liche Anstrengungen, lange Märsche, schweres Heben, lang dauern¬ 
des Bücken oder Vomüberneigen’des Kopfes, heisse Bäder, seelische 
Ejiregungen usw. 

Selbstheilung der Netzhautablösung kommt vor, wenn auch 
sehr selten teils mit teils ohne Rückkehr der Funktion. Einen 
solch günstigen Ausgang soll man zunächst stets herbeizu führen 
suchen und zwar durch eine tunlichst wenig eingreifende Behand¬ 
lung. Dahin gehört vor allem die möglichst genane Einhal¬ 
tung einer „ruhigen konsequenten Rückenlage“ und zwar in etwas 
verdunkeltem Zimmer, damit der Kranke nicht fixieren kann. Auf 
diese Weise kann der Glaskörper bei Augenbewegungen sich nicht 
verschieben und die abgelöste Retina nicht flottieren. Zudem be¬ 
fördert die Rückenlage jede Resorption, also auch die des subre¬ 
tinalen Ergusses, während ein Druckverband dieses Resultat nicht 
hat. Auch ableitende Kuren (Schwitzen, Bitterwasser, heisse Fuss- 
bäder u. a.) helfen wenig, höchstens nützt eine milde Schwitzkur 
(wöchentlich 2 mal). Antiphlogistische Therapie, Verwendung von 
Quecksilber — oder Jodpräparaten hat wenig Zweck. Die 
subkonjunktivale Einspritzung stark hypertonischer, ca, 4 bis 10% 
Kochsalzlösungen im Bereiche der Abhebung ist, wenn auch nicht 
immer nützlich, so doch nie schädlich. Die operativen Massnahmen 
sollen erst dann versucht werden, wenn Rückenlage, Diaphorese 
und Na-Cl*Einspritzungen versagt haben. Die Chancen sind stets 
unsicher und zweifelhaft. Am sichersten ist noch das einfache Ab¬ 
laufenlassen des subretinalen Ergusses mittels eines Einstiches 
durch Leder- und Aderhaut in der Gegend der stärksten Ablösung. 
Absaugen des Ergusses mit Pravaz’scher Spritze ist wertlos. Die 
Erzeugung einer adhäsiven, die Netzhaut mit ihrer Unterlage ver¬ 
klebenden Entzündung durch Ansengen der Lederhaut im Bereiche 
der Ablösung ist gradezu schädlich. Die Deutschmannschen Netz- 
haut-Glaskörperdurchschneidungen (Beiträge zur Aughkde. H. 59), 
ev. vielfach wiederholt, haben Sattler nicht die günstigen Erfolge 
geliefert, die Deutschmann von seinem Verfahren gesehen hat. Das 
sehr komplizierte Müllerache Verfahren der Verkleinerung der 
Bulbuskapsel hat Sattler selbst nicht erprobt. Die beste Pro¬ 
phylaxe bietet eine rationelle Behandlung der Myopie, vor allem 
Vcllkorrektion. 

Die Frage der Vollkorrektion hatte die französische ophthal- 
mologische Gesellschaft auf ihre diesjährige Tagesordnung gesetzt 
und zum Referenten über das so sehr aktuelle Thema war Bour¬ 
geoisbestellt worden. Sein sehr eingehendes Referat ist bei Stein¬ 
beil in Paris als Monographie erschienen. Aut Grund einer Um¬ 
frage bei den französischen Fachgenossen kommt Bourgeois zu einem 
der Vollkorrektion überaus günstigen Ergebnis. Voraussetzung 
ist volle Akkomodation und normale Sehschärfe, in solchen Fällen 
ist das Tragen eines und desselben Konkovglases für die Nähe 
wie für die Feme zu verordnen, das auf objektivem und subjek¬ 
tivem Wege bestimmt ist und die möglichst beste Sehschärfe ver¬ 


schafft. Da die VoUkorrektion das Fortsohreiten der Myopie anf- 
hält oder wenigstens verzögert, so sollen auch schon die schwächsten 
Grade neutralisiert werden. Ob freüicb die sog. Myopia maligna 
auch durch diese Behandlung so günstig beeinflusst wird, ist noch 
unbewiesen. Für junge Myopien und die geringen Grade der Kurz¬ 
sichtigkeit kann man sofort voll korrigieren, sonst muss man all¬ 
mählich stufenweise zur Vollkorrektion ansteigen. Bei der 12,0 
D. übersteigenden Myopie soll man von Fall zu Fall entscheiden, 
ob man sofort oder nach und nach voll korrigiert, dasselbe gilt von 
der Anisometropie. Für Schulkinder empfiehlt B. Brillen mit 
runden oder elliptischen Gläsern. Vor allem ist darauf zu achten, 
dass der voll korrigierte Myop stets eine Arbeitsdistanoe von 
30—40 cm innehält. Dass der ev. vorhandene Astigmatismus sehr 
exakt zu korrigieren ist, unter Zuhilfenahme des Ophthalmometers 
erscheint B. ebenso wichtig wie die Bekämpfung von muskulären 
Gleichgewichtsstörungen durch Prismen oder Dezentralisation der 
Brillengläser. 

In der sich an Bourgeois Referat misdiliesBenden Diskussion 
kamen Gegner und Anhänger der Methode zum Wort (cfr. la clin. 
opht. 05, Nr. 9), doch waren die letzteren in der Überzahl, 
wenn sie sich auch gegen einzelne Ausführungen Bourgeois wehrten, 
wie z. B. die Vollkorrektion der geringen Grade von Kurzsichtig¬ 
keit, die Behauptung, es gäbe keinen Spasmus des Akkomodations¬ 
muskels und die Atropinkur sei daher zu unterlassen. 

Ein nur bedingter Anhänger der Vollkorrektion ist der Stutt¬ 
garter Ophthalmologe Königshöfer (cfr. Württemberg. Korresp.- 
Bl., Bd. 57, H. 23). Er steht auf dem Standpunkt, man müsse 
vor allem individualisieren und dürfe nicht schematisieren. Die 
Frage: „Was ist Myopie“? beantwortet er so: „M. ist der Aus¬ 
druck eines Missverhältnisses zwischen Bulbuslänge und Brechkraft 
des dioptrischen Systems in dem Sinne, dass die Brechkraft zu 
stark ist im Verhältnis zur Länge der Bulbusachse.“ K. sagt weiter, 
die Praedisposition zur Entwicklung der (sog. Axen) Myopie sei 
angeboren und bestehe vor allem in abnormer Verminderung der 
Resistenz der Lederhaut auch gegen den normalen Binnendruck 
des Auges, so dass die Augenachse durch Dehnung des hinteren 
Augapfelabschnitts sich verlängere. Hauptsächlich Schuld daran 
trägt der von Lange (Braunschweig) nachgewiesene Mangel an 
elastischen Fasern in der Sclera und die von demselben Autor fest¬ 
gestellte mangelhafte Entwickelung des MüUerschen Ringmuskels. 
Abgesehen von der angebomen und der sog. perniziösen Myopie 
entwickelt sich die Kurzsichtigkeit nun mit Beginn der Nähearbeit 
also der Schulzeit durch Anspannung von Akkomodation und Kon¬ 
vergenztätigkeit der Mm. recti intemi (sog. Arbeitsmyopie). 
Während diese beiden Momente das normale Auge nur vorüber¬ 
gehend dehnen (? d, Ref.), persistirt die Dehnung an den zur 
Myopie praedisponierten Augen, so dass nach \ Entstehung der 
Myopie ein Missverhältnis zwischen Konvergenz und Akkomo¬ 
dationsimpuls entsteht, das diese beiden Tätigkeiten pathologisch 
steigert, also der Entwickelung der Myopie Vorschub leistet. So 
kann es nach Röuigshöfers Meinung zu dem vielfach geleugnete» 
Krampf der Akkomodation kommen. Die Bekämpfiing der Myopie 
durch prophylaktische Massnahmen ist allseitig akzeptiert worden. 
Da sich nach K.’s Ansicht jede Arbeitsmyopie aus Emmetropie 
oder Hypermetropie entwickelt, die physiologische Akkomodation 
und Konvergenz, die zum Nahesehen nötig sind, aber am disponierten 
Auge zur Arbeitsmyopie führen, so darf man nicht durch Voll¬ 
korrektion das Auge unter die Bedingungen bringen, unter denen 
die Myopie sich entwickelte. Nur junge Myopen von höchstens 
1,5—2,0 D mit voller Akkomodationsbreite, ohne Hintergrunds¬ 
veränderungen korrigiert er voll, vorausgesetzt, dass die Arbeits¬ 
distanoe von 30—40cm innegehalten wird; in dieser und nur in 
diesen Fällen ist die Konvergenztätigkeit also der Druck der äus¬ 
seren Augenmuskeln, Ursache der Myopie, also auszuschalten. 
Kinder mit Myopie —2,0 bis —6,0 lässt er nur für die Ferne 
vollkorrigiert, in der Nähe arbeiten sie mit Gläsern, die den Fem- 
purikt auf 60—70 cm hinausrücken. Zeigt sich bei normaler Akko- 
raodationsbreite Hyperämie der Opticusscheibe und beginnende 
oder ausgeprägte Sichelbildung, ist also stärkere Praedisposition 
und stärkere Beteiligung der Akkomodation vorhanden, so korri¬ 
giert er für die Feme zwar voll aus, für die Nähe aber schaltet 
er Konvergenz nnd Akkomodation ganz aus, indem er bei M.»3 D. 
plan — f darüber hinaus konkav-prismatische Gläser gibt. Daneben 


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30 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 3. 


Mydriatica zur Lähmung der Akkomodation, die auch dann an¬ 
gezeigt sind, wenn binokulares Sehen imd objektive Refraktions- 
inessung eine erheblich geringere Myopie als monokulare Prüfung 
ergeben (Akkomodationskrampf). In solchen Fällen ist die Atro¬ 
pinkur ev. öfter zu wiederholen. 

Diese Arbeit Königshöfers hat nun Veranlassung gegeben zu 
einer Polemik zwischen Kayser und ihm (cfr. Wörtt. Korresp., 
Bl. 05, Nr. 40). Kayser weist darauf hin, dass Langes Nachweis 
des Mangels elastischer Fasern in myopischen Augen von 
andern Seiten nicht bestätigt worden ist. Er greift König.shöfers 
Theorie von der Bedeutung der Akkomodation für die Entstehung 
der Myopie an, ebenso die Konvergenztheorie. Im Gregensatz 
zu Königshöfer ist Kayser ein warmer Verteidiger der Vollkorrek¬ 
tion, vorausgesetzt dass Akkomodation und Sehschärfe normal sind. 
Er schreibt dieser Behandlung die Vorzüge zu, dass sie das Fort¬ 
schreiten der Myopie aufhalte, die Insuffizienz der Interni günstig 
beeinflusse durch Schafl’ung schärferer Netzhautbilder, die Sehschärfe 
bessere und ausserordentlich grosse hygienisch-diätetische Bedeutung 
besitze. 

Königshöfer wiederholt in seiner Replik die Behauptung, 
dass die Sclera des myopischen Auges weniger widerstandsfähig 
sei gegenüber den Schwankungen des intraokularen Druckes; dass 
die beim Myopen auftretende Inkongruenz zwischen Akkomodations¬ 
und Konvergenzintention sehr wichtig sei; dass die Kontraktion 
der äusseren Augenmuskeln den Binnendruck des Auges steigere. 
Was die praktische Gläserbehandlung der (Schul-) Myopie angeht, 
so bleibt er auf seinem oben skizzierten Standpunkte.* 

Kurt Steindorff. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinieche Wochenechrlft. 1906. No. i. 

1. Sauerbruch, Breslau. Bericht über die ersten in der 
pneumatischen Kammer der Breslauer KlinikTausgeftlhrten Ope¬ 
rationen. 

Verf. berichtet über die mit seinem Verfahren bisher ausge¬ 
führten Operationen. Die Frage war bisher strittig, ob man bei 
operativen Eingriffen, welche mit der Eröffnung der Pleurahöhle 
verknüpft sind unter Über- oder Unterdrück arbeiten soll. Verf. 
glaubt einen Minusdruck auf 8 mm empfehlen zu sollen, welcher 
während der Operation auf 4 bis 6 mm erhöht werden kann. Der 
Schluss des Thorax soll bei —12 mm erfolgen, weil dann die 
Gewähr gegeben ist, dass die Pleura visceralis sich eng an die 
Pleura parietalis anlegt. Neuerdings bringt Verf. die Patienten 
schon vor der Operation und Narkose in die Kammer, da dann die 
geeignete Lagerung leichter vorgenororoeii werden kann. Als 
Narkotikum hat sich Chloroform besser wie Äther bewährt. 

Die Anwendung der pneumatischen Kammer bietet ganz be¬ 
sondere Vorteile bei der Deckung von Tboraxdefekten durch plas¬ 
tische Operationen. Hier stellt die geblähte Lunge eine gute Unter¬ 
lage für die zu bildenden Lappen dar. Jede Tamponade kommt 
natürlich in Fortfall. Verf. konnte während der ganzen Dauer 
intrapleoraler Operationen feststellen, dass nicht die geringste Störung 
der Atmung oder des Pulses auftrat. Die Lunge zeigte eine 
graurosa Farbe, ein Beweis, dass sie ausgezeichnet ventiliert war. Vor 
allem scheint die neue Methode für die Usophaguschirurgie in Be¬ 
tracht zu kommen. Natürlich ist die Zahl der bisher, beobachteten 
Fälle noch klein, aber wenn sie bisher auch keine bindenden 
Schlüsse ermöglicht, fordert sie doch zu eifrigem Weiterforschen 
auf. 

2. V. Düngern, Freiburg: Beitrag zur Taberkulose• Frage 
auf Onmd experimenteller üntersuchnngen an anthropoiden 
Affen. 

Die Frage nach der Übertragbarkeit der Rindertnberkulose 
auf den Menschen steht im Vordergrund des Interesses. Die Auf¬ 
fassung, dass ein Unterschied zwischen der Perlsucht der Rinder 
und der Tuberkulose der Menschen bestehe, leitet sich von der 
nachweisbaren Differenz zwischen Perlsuchtbazillen und Tuberkulose¬ 
bazillen bezügl. ihrer Virulenz her. Verf. hat nun auf Sumatra au 
Gibbons, anthropoiden Affen experimentelle Untersuchungen ange¬ 
stellt und kommt zu folgenden bemerkenswerten Schlusssätzen: 


Ein Unterschied in der Wirkung der Perlsachtbazilien und der 
menschlichen Tuberkelbazillen ist in keiner Beziehung zu konsta¬ 
tieren. Ferner der zweite Satz: ein Unterschied zwischen Perl- 
Bucht und menschlicher Tuberkulose ist in keiner Weise festzu¬ 
stellen. Infolge dieser Untersuchungsresultate glaubt Verf. an der 
Gefährlichkeit der Rindertuberkulose für den Menschen festhalten 
zu müssen. Es ist das ein für den praktischen Arzt wichtiges Er¬ 
gebnis, selbst wenn die gewonnenen Resultate noch der Nach¬ 
prüfung bedürfen sollten, denn liezüglich der Prophylaxe ist es viel 
besser an die Übertragbarkeit der Rindertuberkulose zu glauben, 
wie diese zu bestreiten. 

3. Weichardt, Erlangen: Über Ermlidnngttoxin tt&d deuan 
Antitoxin. 

Verf. berichtet über weitere sehr interessante Untersuchungen, 
welche er seit Jahren Uber die Ermüdungstoxin imd Antitoxin an¬ 
gestellt hat. Es gelang ihm durch Einwirkung naszierenden Wasser¬ 
stoffs und auch aktiven Sauerstoffs ein Ermüdungstoxin aus ge- 
wöbnlicliem Eiweiss herziistellen, w’elches Tieren injiziert die Bildung 
eines un.schwer zu isolierenden Antitoxins bewirkt. Verf. kommt 
auf Grund seiner bisherigen Untersuchungen zu dem Schluss: Das 
Eiweissmolekül hat die Tendenz, bei beginnendem Zerfall unter 
Bildung stabiler Verbindungen als Nebenprodukte physiologisch und 
pbathologisch wichtige sich als echte Toxine charakterisierende 
toxische Substanzen abziispalten. Dieser echten Toxine pflegt sich 
der Organismus nicht durch weitergehende einfache chemische 
Spaltungen zu eutledigen, sondern er bildet gegen diese echt 
toxischen Zerfallsprodukte Antikörper. 

Es sei noch hervorgehoben, dass es dem Verf. auch gelang, 
mittels Reduktion aus Tuberkelbazillen ein Toxin zu gewinnen, 
welches^bei Versuchstieren die Erscheinungen der Ermüdung her¬ 
vorrief. 

4. Fromme, Halle: Über prophylaktische nnd therapeutische 
Anwendung des Antistreptokokkensemms. 

Verf. hat eingehende Beobachtungen über die Verwendbarkeit 
des Menzer’sehen Streptokokkenserums bei puerperaler Strepto¬ 
kokkeninfektion angestellt, auch Fälle von drohender Strepto¬ 
kokkeninfektion bei zerfallenen Uterus-Carzinomen kamen zur ße- 
handlung. Die antioperative Einverleibung des Serums bei diesen 
letzten Fällen scheint durchaus aussichtsvoll und günstig zu sein. 
Was die therapeutische Anwendung angeht, so schränkt sich das 
Gebiet für die Serumbehandlung etwas ein. Eine reine Senun- 
behandlung bei Pyämie glaubt Verf. nicht empfehlen zu dürfen. 
Es wird immer die Drainage der Bauchhöhle mit in Betra(dit 
kommen. Empfehlenswert ist die Serumbehandlung bei Puerperal- 
fleber im allerersten Beginn, hier ermuntern die Resultate durch¬ 
aus zu weiteren Versuchen. 

5. Müller: Augsburg: Über die Beriehnngen von seelizohen 
Empfindungen zu Herzstömngen. 

Verf, erörtert die Beziehungen zwischen seelischen Vorgängen 
und dem Herzen in eingehender Weise. Er hat die Auffassung, 
dass seelische Erregvmgen unangenehmer Art, Angst, Ärger, Sorgen 
und dergl, eine Verengerung der Coronararterien durch ^iz der 
Vasokonstriktoren bewirken, und dass die bei solchen Gelegen¬ 
heiten auftretenden Herzschmerzen und Beklemmungen ischämischer 
Natur sind. Andererseits können angenehme seelische Empfindungen, 
Freude, Liebe u. a. eine Erweiterung der Herzgefässe bewirken 
und damit das Gefühl des Wohlbehagens hervorrufen. Selbst¬ 
verständlich erscheint es demnach, dass auf die Erkrankung der Herz- 
muskulatur oder der Gefässe unangenehme seelische Empfindungen 
schwor schädigend wirken können. Auf der anderen Seite scheint 
es ohne Zweifel zu sein, dass bei primären Herzerkrankungen sich 
seelische Depressionszustände, Angstgefühl u. a. einstellen können, 
eine Beobachtung, welche bei Herzkranken leicht gemacht werden 
kann. 

6. v. Bruns, Tübingen: Brncheinklemmiuig einer Appendix 
epiploica. 

Verf. gibt einen bemerkenswerten kasuistischen Beitrag zum 
pathologischen Verhalten der Appendices epiploicae. Bekanntlich 
kann deren Ven\\achsung zu unliebsamen Strangbildungen führen, 
es können sich lipomatöse Veränderungen in Form von polypen¬ 
artigen Gebilden, ja abgeschnürte freie Körper bilden. Der vom 
Verf. beobachtete Fall betraf eine Frau von 55 Jahren, welche 


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1906. 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


31 


bis dahin niemalä einen Bruch an sich beobachtet hat. Acdit Tage, 
vor sie der Verf. sah, stellten sich Schmerzen und eine Geschwulst 
in der Inquinalgegend ein, welche den behandelnden Arzt zur 
Diagnose Bruch führten. Repositionsversuche misslangen. Die 
vom Verf. vorgenommene Operation ergab eine gangränöse Appendix 
epiploioa im Brachsack bei völlig intaktem Darm. Heilung per 
primam. 

7. Winkelmann, Pölta: Die Bekandlong der fibrösen 
Pnenmonie mit Börners Pnenmokokkensenun. 

Bei 16 Fällen von fibröser Pneumonie hat Verf. das Römersche 
Serum in Anwendung gebracht. Das Resultat der sorgfältigen 
Beobachtungen ergab eine geringe Zuverlässigkeit, was die Heil¬ 
wirkung anlangt. Das Serum scheint unschädlich zu sein. Bei 
einigen schweren Fällen war eine Besserung deutlich erkennbar. 
Verf. glaubt daher doch seine Anwendung bei schweren Fällen 
anraten zu müssen. 

8. Ereund: Danzig: Eilte für Böntgenstrahlen undnrch- 
läMige Sonde. 

Für die genaue Exploration des Ösophagus und Magens er¬ 
scheint es sehr wünschenswert, eine Sonde zu besitzen, die sich 
im Röntgenbild als dunkler Schatten markiert. Die metallgefüUten, 
bisher üblichen Instrumente, sind für den Patienten lästig, wegen 
ihres Gewichtes. Verf. empfiehlt eine von der Röntgenröbren- 
Pabrik 0. H. F. Müller in Hamburg hergestellte Sonde, welche 
aus einem leichten gummiartigen, für Rötgenstrahlen undurch¬ 
lässigen Stoff, besteht. Dass diese Sonde auch für andere Eörper- 
höhlen Verwendung finden kann, ist selbstverständlich. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. i. 

1. Ribbert, Bonn: Über die ICiliftTtaberknloM. 

Der bekannte Gegner Weigerts äussert sich in einem aus¬ 
gedehnten Artikel über die Frage nach der Entstehung der Miliar¬ 
tuberkulose. Bekanntlich hatte Weigert angenommen, es handele 
sich bei der Entstehung der Miliartuberkxilose um eine plötzliche 
Überschwemmung des Organismus mit Tuberkelbazillen von einem 
zerfallenden Herde aus. Meist wurde die Anwesenheit eines 
solchen Herdes in der Blutbahn oder deren Nähe angenommen. 
Ein verkäster Tuberkel in der Gefksswand bricht nach dem Geftlss 
durch und der Blutstrom verschleppt die Bazillen in alle Teile 
des Organismus. Verfasser ist nun dieser Ansicht seit Jahren 
entgegecgetreten und zwar deshalb, weil man bei der Section der¬ 
artige auBSchwemmbare Herde gar nicht immer findet und weil, 
selbst wenn sie vorhanden sind, die enormen Mengen von Bazillen 
nicht aus ihnen stammen können. Wir wissen, dass Bazillen sich 
im strömenden Blute nicht vermehren, sondern sogar sehr schnell 
aus demselben wieder verschwinden. Abgesehen ferner von der 
verschiedenen Grösse der miliaren Knötchen, welche dem Verfasser 
auf ein verschiedenes Alter hin zu deuten scheinen, hat Ribbert 
in Serienschnitten sehr zahlreiche Intimatuberkeln feststellen 
können, denen er eine ursächliche Bedeutung für die Entstehung 
und den Verlauf der Miliartuberkulose beimessen zu müssen glaubt. 
Verfasser kommt zu dem Resultat, dass die Miliartuberkulose 
meist nicht durch eine einmalige Überschwemmung des Blutes mit 
Bazillen zu Stande kommt. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass 
geringere Mengen in den E^eislauf gelangender Bazillen sich nach¬ 
träglich, vor allem in den miliaren Intimatuberkeln, vermehren 
imd dass andere Bazillen immer aufs neue aus den primären Ein- 
bruchsstellen in die Zirkulation übertreten. 

2. Stintzing, Jena; Bekandlnng der Lähmungen. 

Da wir bei den Lähmungen meistens nur auf systematische 
Behandlung angewiesen sind, ist es möglich, trotz ihrer ver¬ 
schiedenen Ursachen die Therapie wenigstens einigermaßen ein¬ 
heitlich zu behandeln. Es ist in der Veröffentlichung von der 
Herabsetzung motorischer Funktionen die Rede. Es gibt für einen 
Teil der Lähmungen eine kausale Therapie. Als Entstehungs¬ 
ursachen kennen wiri EJrkältung, Verletzung, primäre und sekundäre 
jBkitzündung, Infektionskrankheiten uud Vergiftungen. Ausserdem 
kennen wir Lähmungen, die aus Überanstrengung oder Nicht¬ 
gebrauch entstehen. Schliesslich bleibt eine Gruppe, deren Ätiologie 
dunkel ist, für welche wir als Ursache psychische Hemmungs¬ 
vorgänge anzunehmen geneigt mnd. 


Die traumatischen Lähmungen liegen am klarsten. Ist der 
Nerv durchtrennt, so wird man ihn durch primäre Nervennaht zu 
vereinen suchen. Ist die Verletzung vor längerer Zeit erfolgt, so 
kommt die sekundäre Nervennaht in Betracht. Wenn auch die 
Resultate nicht ganz sicher, so sind sie immerhin aussichtsreich. 
Das verletzte Glied oder der betroffene Körperteil wird durch ge¬ 
eignete Verbände völlig ruhig gestellt. Handelt es sich um Kon¬ 
tusionen oder Druckerscheinungen, so ist deren Ursache eventuell 
sogar operativ zu entfernen. 

Die peripheren Lähmungen, welche in Erkältungen ihren 
Grund haben, sind an Zahl nur gering. Heissluftbäder und elek¬ 
trisches Lichtbad kommen in Anwendung. Auch Derivantien aller 
Art werden empfohlen, ohne dass 8i<fiiere Erfolge zu erwarten sind. 
Elektrische Behandlung. 

Die Lähmungen nach akuten und chronischen Infektions¬ 
krankheiten verlmigen eine kausale Behandlung, Gründliche Aus¬ 
heilung und Überwachung der Rekonvaleszenz sind geboten. Bei 
Diphtherie scheinen bei Serumbehandiung, Lähmungen vielleicht noch 
öfter aufzutreten als sonst. Jedoch darf das durdiaus nicht gegen 
das Serum sprechen, zumal diese Lähmungen fast ausnahmslos 
günstig verlaufen. Bei syphilitischen Lähmungen wird nur die 
spezifische Behandlung zu versuchen sein, welche auch in allen 
Fällen dunkler Provenienz versucht werden sollte. Eine kansale 
Behandlung hat auch bei Lähmungen in Folge von Malaria einzu- 
teeten. Chininbehandlung. Für die meist schmerzhaften tuberku¬ 
lösen Lähmungen kennen wir keine cansale Therapie. Wir kennen 
Lähmungen in Folge von Konstitutionskrankheiten, Gicht, Diabetes, 
Carcinom, Anämie. Hier hat sich die Behandlung in erster Linie 
gegen das Grundleiden zu richten. Toxische Lähmungen ver¬ 
langen die Beseitigung der toxischen Einflüsse. Bekämpfung des 
Alhohols. Ist mit Abstinenz nichts zu erreichen, dann können 
Strychnininjektionen gut wirken. Die Beschäftigungsneurosen, welche 
auch in dies Gebiet fallen, verlangen unumgängUch das Aussetzen 
der schädlichen Tätigkeit. 

Die symptomatische Behandlung wird meist neben der 
causalen einhergehen müssen. Hier kommen in erster Linie die 
physikalischen Heilmethoden in Betracht. 

Verf. hält die Anwendung der Elektrotherapie für sehr aus¬ 
sichtsreich und bedauert, dass dieselbe sozusagen aus der Mode 
gekommen ist. Liegen Fälle mit gesteigerter Erregbarkeit vor, 
dann erscheint eine Kontraindikation gegen diese Behandlung zu 
bestehen. Weiter kommt die Massage, Vibrationsmassage, in Be¬ 
tracht. Grosse Erfolge sieht man bei der Gymnastik und Übungs¬ 
therapie. Ebenso hat die Hydrotherapie und Balneotherapie ganz 
bedeutende Erfolge zu verzeichnen. Die medikamentöse Behandlung 
spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Handelt es sich um 
Besserung anämischer Zustände, so wird Eisen und Arsen in Frage 
kommen. Auch der psychischen Behandlung ist für eine Reihe 
von Fällen ein Feld der erfolgreichen Tätigkeit zuzuweisen. 

3. Schlesinger, Wien: Syphilitische and hysterische 
Pseado-Osteomalacie. Verf. kommt auf Grund seiner Beobacht¬ 
ungen und unter ausführlicher Wiedergabe des Verlaufes eines 
neuerdings beobachteten Falles zu dem Schluss, dass die Syphilis 
einen der initialen Osteomalacie. in Bezug auf Knochen-Muakeler- 
scheinungen und Reflexe, recht ähnlichen Symptomenkomplexe 
(ohne Haut- und Schleimhautaffektionen, ohne Suppurationen) her- 
vomifen kann, der unter einer spezifischen Behandlung verschwindet. 
Verf. erwähnt an der Hand eines zweiten Falles die Möglichkeit, 
dass eine Hysterie eine Osteomalacie vortäusche. Eine Pseudo- 
osteomalacia hysterica bei fehlenden Knochendeformitäten wird also 
anzunehmen sein, wenn trotz typischer Osteömalacie-Symptome die 
Punktionsbehinderung und die Schmerzen in ganz kurzen Zeit¬ 
räumen einem jähen Wechsel unterliegen. 

4. Braun-Leipzig: Die Leistungen der Lokalanästhesie. 

Wir müssen unterscheiden, terminale oder peripherische 

Anästhesie imd Leitungsanästbesie. Es handelt sich tatsächlich 
immer um eine Örtliche Vergiftung, wenn nicht physikalische Wirk¬ 
ungen in Betracht kommen. Als l^ttel kennen MÖr Cocain, Eucain, 
Tropacocain Novocain, Stovain, Al^^piu. Die Mittel sind zumal in 
hohen Konzentrationen teilweise recht bedenklich. Am ehesten 
werden grössere Mengen verdünnter Lösungen vertragen. Eine 
wichtige Unterstützung für die Wirkung ist die Beschränkung 


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32 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 8. 


der interstitiellen Resorption, welche mechaniech durch Unter¬ 
bindung des Kreislaufes erreicht wird. Neuerdings bewährt sich 
ein Zusatz irgend eines Nebennierenpräparates zum Anästhetikum 
sehr gut. Die Nebennierensubstanz bewirkt eine maximale Ver¬ 
engung der GefUsse nud bindert so die interstitielle Resorption. 

Ganze Gebiete eines Nerven kann man anästhesieren, wenn 
man den Nervenstamm mit einem Anästhetikum versorgt, Leitungs- 
anästhesie. In der Regel soll man bei [nältrationsanästhesie nie¬ 
mals zu hoch konzentrierte Lösungen anwenden. 

Ein ausgedehnter Gebrauch wird von der Lokalanästhesie in 
der Augenheilkunde gemacht. Es kommen zur Einträuflung 2 
bis 5% Cocainlösungen in Betracht. Nicht allein Konjunktive, 
Cornea, auch Sclera, ja fast der ganze Bulbus kann unempfindlich 
gemacht werden. Die Rhinologie und Laryngologie verdanken 
ihre Fortschritte in Diagnose und Therapie im wesentlichen der 
Anwendung lokaler Anästhetika. Sehr ausgedehnt ist die An¬ 
wendung der Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde, nicht allein 
bei Resektionen der Wurzeln imd Extraktionen, sondern auch bei 
Ausräumungen der Pulpa zwecks Füllung. Die Gynäkologen 
können relativ wenig Gebrauch von der Lokalanästhesie machen, 
zumal sich zwecks Ausschliessung psychischer Momente eine all¬ 
gemeine Narkose nicht vermeiden lässt. Die kleine Chirurgie ist 
das ureigenste Gebiet der Lokalanästhesie, jedoch auch erheblichere 
Eingriffe lassen sich mit ihrer Anwendung ausfübren. Die Trache¬ 
otomie, Rippenresektion, ja Hemiotomie gestatten ihre erfolgreiche 
Anwendung. Das Wesentliche der Lokalanästhesie bleibt immer 
die gute und geeignete Technik, der von seiten des praktischen 
Arztes nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden kann. 

Ö. Schmidt-Trimpler; Die ftneckflilberbehandlniiig bei 
Angenkrankheiten. 

Verf. wendet, so weit möglich, die Injektion von !•/) Subli- 
raatlösungen in die Glutäen an. Dass eine derartige Therapie 
bei syphilitischen Augenafifektionen angezeigt ist, braucht nicht 
hervorgehoben zu werden. Auch nicht syphilitische Neuritis op¬ 
tica geht bei SubÜmatinjektionen häufig überraschend zurück. Das 
Hauptfeld der Mercurialisation .sind die schweren Formen von 
Iritis, Iridocyclitis mit Glaskörpertrübungen und Chorioditis. 
Ferner kommen eitrige infektiöse Prozesse in Betracht. Auch bei 
chorioditis disseminata wendet Verf. die Mercurialisation an. Ja, 
sogar bei einigen Formen der Netzhautablösung, kann man mit 
Quecksilberbehandlung noch einige Erfolge erzielen. 

6. Schultz-Berlin: Gonorrhoische Lymphangitis and 
Gonokokkenmetastasen ohne nachweisbare Schleimhaut-Gonorrhoe. 

Verf. hat einen eigentümlichen Fall beobachtet, bei welchem 
es sich um eine Lymphangitis am Dorsum penis, multiple rheu¬ 
matische Beschwerden und einen zur Eröffnung gelangenden Abszess 
an der Hand handelt, welch letzterer Gonokokken im Eiter zu 
enthalten schien. Da weder eine akute noch die Reste einer 
chronischen Urethralgonorrhoe nachweisbar waren, überhaupt 
gonorrhoische Schleimhautaflfektionen nicht bestanden haben, glaubt 
Verf., dass es sich hier um eine Infektion durch die äussere Haut 
handelte, welche zu jener Lymphangitis mit Metastasierung führte. 
Es sind nur wenige Mitteilungen über derartige Erkrankungen 
bekannt, aber die Möglichkeit bietet natürlich ein bedeutendes 
praktisches Interesse. Der Fall an sich scheint immerhin noch 
dunkel zu sein. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 2 . 

1. Bickel, Berlin: Experimentelle TTntersuchongen über 
den Einfluss der Mineralwässer anf die sekretorische Magen- 
funktion. 

Verf. hat die seltene Gelegenheit gehabt, bei einer Er¬ 
wachsenen Untersuchungen der genannten Art anzustellen. Es 
handelte sich um ein 23 Jahre altes Mädchen, bei welcher wegen 
totaler Osophagustriktur in Folge Laugenverätzung eine öso- 
phagutistel angelegt wurde. Die ^Versuche beruhten auf dem 
Prinzip der Scheinfütterung. Darunter ist folgendes zu verstehen; 
Die Patientin erhielt während einer bestimmten Zeit eine Schein¬ 
mahlzeit, welche^sie im Munde verarbeitet, ohne sie natürlich 
schlucken zu können. Die durch diesen Kauakt, wenn man so 
sagen soll, reflektorisch ausgelöste Magensekretion wurde gemessen 
und in Vergleich gestellt mit derjenigen, welche nach her Ein¬ 


bringung verschiedener Mineralwässer in den Magen eintrat. Die 
Resultate dieser höchst interessanten und verständlicher Weise nur 
selten anszuführenden Versuche sind folgende. 

Die für Magenkrankheiten in Betracht kommenden Mineral¬ 
wässer lassen sich in 6 Gruppen einteilen. 1. Einfache Säuerlinge 
{Appollinaris, Harzer Sauerbrunnen, Gieshübel etc.). 2. Kochsalz¬ 
wässer (Kissinger und Rakoczy, Wiesbadener Kochbrunnen, Haupt¬ 
stollenquelle Baden-Baden etc.). 3. Alkalisch muriatische Wässer 
(Emser Wasser, Selterswasser etc.). 4. Alkalisch-salinische Wässer 
(Karlsbader Quellen, Marienbad, Franzensbad, Tarasp etc.). 5. Al¬ 
kalische Wässer (Vichy, Fachingen, Bilin, Neuenahr etc.). 6. Bitter¬ 
wässer (Hunyadi Janos). 

Die kohlensäurehaltigen Wässer bewirken eine gelegentliche 
Erhöhung der Säureproduktion, neben einer allgemeinen Vermehmng 
der Saftmengen. 

Die Salzarten in den Wässern können eine gleichsinnige und 
entgegengesetzte Wirkung haben, je nach ihrer Art. Die Koch- 
salzwässer wirken in demselben Sinne, wie die einfachen Säuerlinge, 
bei denen die Kohlensäure in erster Linie im gedachten Sinne zur 
Geltung kommt. Die alte Auffassung, dass Koohsalzwässer die 
sekretorische Magenfimktion hemmen, besteht demnach nicht zu 
Recht. In gleichem Sinne, wie die beiden ersten Gruppen, ver¬ 
hält sich die dritte. Die vierte und fünfte Gruppe wirkt ganz 
fraglos sekretionshemmend. Die letzte Gruppe endlich, die Bitter¬ 
wässer, scheinen zwar auch etwas sekretionshemmend zu wirken, 
zeichnen sich aber vor allem dadurch aus, dass sie einen ganz er¬ 
heblichen Erguss von Wasser aus der Magenwand in das Magen- 
innere hervorrufen. 

2. SalomoD, Frankfurt a. M.: Die diftgnoitisohe Pimktioii 
des Bauches. 

Bekanntlich ist der Nachweis von Flüssigkeitsmengen im 
Abdomen unter 1000 ccm nur sehr schwer palpatorisch und 
percutorisch möglich. Immerhin scheint es von grosser ! Be¬ 
deutung, auch geringere Mengen nachzuweisen und analytisch de¬ 
finieren zu können. Die Probelaparotomie ist zwar relativ nnge- 
fährlicb, aber immerhin eine Operation. Verf. hat nun einen 
Troikart konstruiert, welcher mittelst eingeführten Katheters die 
Aspiration auch geringer Flüssigkeitsmengen ermöglicht Der 
Troikart durchbohrt blutig nur die Bauchhaut, während eine stumpfe 
Hohlnadel Fascie, Muskeln und Peritoneum durchtrennt. Der Ein¬ 
stich erfolgt in der iinea alba oder linken Seitenpartie des Ab¬ 
domens. Zu beachten ist ein etwa eintretender Choc bei Durch¬ 
bohrung des Peritoneums. 

3. Gutzman, Berlin: Zur Physiologie and Pathologie der 
AtmongshewegTuigen (Pneumographie). 

Verfasser hat mit graphischen Registrierapparaten die Atmimg 
im ruhigen Zustand und beim Sprechen eingehend analysiert. Es 
ergab sich folgendes: In der Ruhe ist die Atmung automatisch, 
Brust und Bauch sind gleich beteiligt, die Inspiration ist nur 
wenig kürzer als das Exspirium, ein relativ kleines Luftvolumen 
wird bewegt. Die Atmung nimmt ihren Weg durch die Nase, die 
Stimmlippen bilden hei In- und Ex.spiration ein längliches Dreieck. 
Beim Reden und Singen dagegen besteht eine willkürliche, über¬ 
wiegende Innervation der kostalen Bewegungen, die Inspiration 
ist sehr kurz, Expiration sehr lang, Bewegung eines grossen Luft¬ 
volumens, die Atmung erfolgt durch den Mund. Die Stimmlippen 
bilden bei der Inspiration ein grosse.s Fünfseit, während sie bei der 
Exspiration einen der Phonation entsprechenden Spalt bilden. Diese 
physiologischen Normen erleiden bei pathologischen Zuständen er¬ 
hebliche Veränderungen, und machen es nötig, bei der Therapie 
zunächst Gewicht auf eine rationelle Atmungsübung zu legen. 

4. Bosse, Berlin: Über diffuse eitrige Peritonitis. 

Die Mortalität bei diffuser eitriger Peritonitis ist excessiv 
hoch. Wir stehen derselben trotz aller Vorsicht und Mühe bei 
operativen Eingriffen so gut wie machtlos gegenüber. Die einzigen 
Erfolge sind von der Prophylaxe zu erwarten. Wir können zwei 
Formen von eitriger Peritonitis unterscheiden: 1. eine abgekapselte, 
welche entweder völlig abgekupselt oder progredient sein kann und 
2. die diffuse, nicht begrenzte fortschreitende Form. Als Erreger 
kommen in Betracht; Bacterium coli, Anaeroben, Typhusbacillen, 
Eiterkokken, Pneumokokken. Die Behandlung der abgekapselten 
Peritonitis ist Juicbaus erfolgreich, wenn man bei der operativen 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


33 


Therapie eine eiawurfefreie Asepsis und Antisepsis walten lässt. 
Es müssen breite Erüffiiungen des Bauches, genügende Gegen- 
öfihungen gute Drainagen angelegt werden. Von der Anwendung 
Crede’scher Silbersalze zur Beseitigung der septischen Stoffe er¬ 
hofft Verf. nicht viel. Möglichste Vermeidung jeden Reizes auf 
das Peritoneum denkbar gründliche Säuberung durch Spülung mit 
isotonischen Lösungen ist geboten. Daneben Anregung der Diurese 
und Deföcation. Erhöhung der Leneocytenzahl soll nützlich sein, 
zu diesem Zweckz gab v. Mikulic Nucleünsäure. 

Wiener klinische Wochenschrift, idoe. No. i. 

1. Wagner v. Jauregg: Einiges über erbliche Belastung. 

Verf. weist in dankenswerter Weise darauf hin, dass eine 

Statistik über erbliche Belastung bei Geisteskrankheiten nur dann 
einen Sinn hat, wenn über das Vorkommen von Psychosen bei 
nicht belasteten Familien eine gleiche Statistik geführt wird. Dies 
ist nicht immer geschehen und damit hat sich auch im Laien¬ 
publikum eine nicht ganz begründete Angst herausgebildet vor dem 
Begriff erblicher Belastung. Die Hereditätsstatistik der Gesunden 
weist nun ganz überraschend hohe Zahlen auf, 59 und 67%. Da¬ 
mit ist schon bewiesen, dass die Bedeutung der hereditären Be¬ 
lastung bei weitem nicht so hoch ist, als gemeiniglich angenommen 
wird. Die Statistik der Gesunden ergibt ferner, dass nicht so¬ 
wohl Geistesstörung, sondern vielmehr Disposition zu dieser über¬ 
tragen wird. Wenn wir dies wissen, müssen wir auch annehmen, 
dass es Fälle geben wird, wo das Komplement der Disposition, 
die Immuität übertragen, vererbt wird. Die Statistik ergibt, dass 
für Abkömmlinge bluteverwandter Eltern bei erblicher Belastung 
die Gefahr, geistig zu erkranken, mehr als doppelt so gross ist, 
wie bei denen, die von nicht konsanguinen Eltern abstammen. 
Wenn man aber die Verwandtenehen als solche statistisch unter¬ 
sucht, so ergibt sich die merkwürdige Tatsache, dass die Abkömm¬ 
linge von Verwandten-Eltem eine grössere Widerstandskraft gegen 
Geistesstörungen haben, vorausgesetzt, dass das Moment der erb¬ 
lichen Belastung fehlt. 

2. Halban, Wien: thier ein bisher nicht beachtetes 
Schwangerschaftssymptom (Hypertrichosis graviditatis). 

Von der Beobachtung ausgehend, dass die Geschlechtsdrüsen. 
Hoden und Ovarium einen protektiven Einfluss auf die Entwicklung 
der sekundären Sexualcharaktere ausüben und dass die Placenta 
eine ganz gleiche Rolle spielt, kam Verf. auf die Vermutung, dass 
in der Gravidität etwa vorhandene Bartanlagen stärkeres Wachstum 
zeigen müssten. Die Beobachtungen bestätigten diese Vermutung 
im weitesten Maße. Nicht nur etwaige Bartanlagen, alle Lanugo- 
härchen zeigten ein ganz besonders starkes Wachstum. Nach Ab¬ 
lauf der Gravidität verschwanden dieselben wieder. V^erf. glaubt 
auch das starke Wachstum der fötalen Lanugohaare auf eine Ein¬ 
wirkung der Placenta resp. bestimmter in derselben vorhandenen 
Stoffe zurückführen zu können. Ob einem derartigen Symptom 
irgend welche diagnostische Bedeutung beizumessen ist, erscheint 
doch wohl etwas fraglich (d. Ref.). 

3. V. Braun-Fernwald: Eilt seltener Fall von ütems- 
tuberkulöse. 

Eine 35jährige Patientin kommt mit atypischen häufigen 
Blutungen in Behandlung. Uterus normal gross, Cervix intakt, 
Adnexe normal. Die Schleimhaut des Uterus ist stark gelockert. 
Der histologische Befund der mit der Curette excochleirteu Schleim¬ 
haut ergab Tuberkulose. Nach dem genannten operativen Ein¬ 
griff vollkommene Heilung, normale Menses. Verf. erörtert sodann 
die Frage der Genitaltuberkulose im allgemeinen und kommt zu dem 
Schluss: Mit Rücksicht auf den günstigen Erfolg in diesem vor¬ 
liegenden Fall ist man berechtigt, in allen Fällen klinisch streng 
lokalisierter Genitaltuberkulose, zumal wenn diese das Endometrium 
betrifft, zunächst ein expektatives Verfahren einzuschlagen und eine 
konservative Therapie zu versuchen. 

4. Hinteratoisser, Tescben: Zur Therapie der angeborenen 
Blasenapalte. 

Die erfolgreiche Operation der Blaseneklopie ist sehr schwierig. 
Zwei Hauptwege kommen heute in Betracht, wenn es nicht gelingt, 
die anatomischen Verhältnisse durch Naht und Plastik wieder her¬ 
zustellen, die Methode Sonnenburg, die ganze ektopische Blase bis 
auf die Ureteren zu ezstdrpieren und diese in die angefrischte 
Uretralrinne einznnähen. Sonnenburg verzichtet auf Kontinenz 


und lässt Urinal tragen, oder aber die Maydel’sehe Operation, bei 
welcher das Trigonum vesicae mit den Ureteren in die flexura 
sigmoidea eingepfianzt wird. Diese letztere Operation, welche bis 
zu Satündiger völliger Kontinenz führt, bietet nun die Gefahr 
einer aufsteigenden Pyelitis mit nachfolgender Nephritis. Verf. 
hat bei einem 5jährigen Knaben die von Borelius und Berglund 
angegebene Modifikation der Maydei’.schen Operation angewandt, ^ 
mit gutem Erfolg. Er verfuhr folgendermaßen: Die ektopische 
Blase wurde bis auf das Trigonum mit den Ureterenmündungen 
reseciert, die Ureteren etwa 4 cm lang stumpf mobilisiert Dann 
wurde das Perintoneum eröffnet, die flexura sigmoidea hervor¬ 
gezogen und ihre beiden Schenkel am Mesenterialansatz vernäht. 
Am Ende der beiden Schenkel wurde eine Enteroanastomose ange¬ 
legt und in die Kuppe der Flexnr das Trigonum eingenäht. Auf 
diese Weise erreichte Verf. folgendes: Ein Art receptaculum urinae, 
zur Erzielung einer besseren Kontinenz, ferner eine Sicherung der 
Ureterenmündimgen durch die Anastomose des Darmes, welche das 
Vorbeirutschen des Kothes an den Mündungen hinderte. 


Kongresse. 

Der XT, internationale Kongress in lAssabon. 

Vom 19.—26. April tagt in Lissabon der XV. internationale 
med. Kongress, wir entnehmen in Bezug auf denselben der Deut¬ 
schen medicinischen Wochenschrift 1906 Nr. 1 einige recht prak¬ 
tische Ausführungen Greefa, welcher als guter Kenner des Landes 
über die Reiseverhältnisse folgende Angaben macht. 

Von Schiffslinien kommen folgende in Betracht: a) Dampfer der Rob. 
M. Sloman-Linie (nach Genua—Neapel, meist Frachtschiffe) oder der Deut¬ 
schen Ost-Äfrika-Linio. Letztere hat schöne moderne Schiffe, Reiebspost- 
dampfor, die Hamburg—Lissabon fahren und Rotterdam oder Dover, evou- 
tuell Porto anlegen. Es fährt etwa dreimal monatlich ein Schiff. Prospekte 
schicken die Agenturen: Deutsche Ost-Afrika-Linie, Hamburg—Afrikahaus 
oder Berlin. V. Tippelskirch, Potsdamerstr. 128. Fahrzeit 6—8 Tage. Preis 
150—180 Mark. 

b) Die Hamburg-SUdamerikanische Dampfschiffabrtgesellscbaft. Die 
Schiffe halten fast alle in Porto, fahren bisdabin durch oder legen in Dover oder 
Antwerpen an. Dauer fünf bis acht Tage, je nach dem Zwischenaufenthalt. 
Preis IM Mark bis Porto, 160 Mark bis Lissabon. Rotourbillot 240 Mark 
mit Verpflegung. Wie wir aus der Zuschrift des deutschen Reiebskomitees 
für den XV. Internationalen medicinischen Kongress ersehen, hat ausserdem 
die Hamburg-Slldamerika-Gesellschaft den Dampfer „Oceana“ zur Verfügung 
gestellt für diejenigen, welche den Besuch dos Kongresses mit einer Ver¬ 
gnügungsreise zur See verbinden wollen. Der Dampfer wird in Lissabon als 
Uotelschiff dienen. 

Die Preise für die Fahrt mit Verpflegung (exklusive Getränke) vari¬ 
ieren zwischen 700 und 1300 Mark pro Person, je nach der Lage der Kabinen. 

Folgender Fahrplan ist vorgesehen 


ab Hamburg . 

7. 

April früh | 

an Tanger . 

. 17. April 

nachm. 

ab Cuxhaven . 

7. 

11 

nacbm. 

ab Tanger . 

17. 

11 

11 

an Dover . . 

8. 

)1 

11 

an Gibraltar 

17. 

11 

11 

ab Dover . . 

8. 

11 

1) 

ab Gibraltar 

18- 

11 

11 

an Funebul 

12. 

11 

11 

an Lissabon 

19. 

11 

11 

(Madeira) 
ab Funchal 

13. 

1 ) 

abends 

ab Lissabon 
an Dover 

26. 

29. 

11 

11 

11 

an Santa Crux 14. 

11 

nachm. ' 

ab Dover . 

. 29. 

1 ) 

11 

(Teneriffa) 
an Santa Cruz 

15. 

n 

1 > 

an Hamburg 

. 30. 

11 

abends 


c) Die ßrasildampfer des Bremer Lloyd fahren über Antwerpen und 
Oporta nach Lissabon. Die Dampfer der Linie Bremen—Brasilien fahren 
alle 14 Tage Sonnabends von Bremen ab. Die Abfahrtszeit von den übrigen 
europäischen Häfen lässt sich aus folgendem Beispiel entnehmen : Bremen 
ab Sonnabends, 27. Juni, Antwerpen ab Mittwoch, l.Juli, Oporto ab Mon¬ 
tag, 6. Juli, Lissabon an 7. Juli, ln Antwerpen ist drei Tage Aufenthalt. 
Bodass die Passagiere Gelegenheit haben, nicht blos diese Stadt, sondern 
auch Brüssel und event. Gent, Brügge oder Ostende kennen zu lernen, 
ln Oporto ermöglicht ein etwa 1'/, tägiger Aufenthalt den Reisenden, die 
Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Von dort aus erreicht 
der Dampfer in etwa 15 Stunden Lissabon. Der Fahrpreis Bremen—Lissa¬ 
bon beträgt 150 M., von Antwerpen 130 M Der Bremer Lloyd wird je¬ 
doch auf dieser Strecke nicht für jedermann zu empfehlen sein, weil er nur 
KajUtten zweiter Klasse führt, die aber schon recht gut sind. Bei beschei¬ 
deneren Ansprüchen und in grösserer Gesellschaft kann auch diese Route 
wohl empfohlen werden. 

d) für Seebären, die Zeit haben und wetterfest sind, fahren endlich 
jeden Dienstag von Hamburg kleinere Schiffe der Oldenburgischen Portu¬ 
giesischen Dampfschiff-Rhederei in Oldenburg nach Oporto in fünf bis seclis 
und nach Lissabon in 'acht bis neun Tagen. Fahrpreis 120 M., Rückfahr¬ 
karten 200 M., einsohliessUoh Beköstigung. 


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84 


MEÜDIClNISCillS wOCTHE. 


Nr. 8. 


EueDbabobhrt. Die direkte maeobahntkhrt Berliu, P»ru, Iruo LieBabuu 
(Madrid li^ um ein paar Stunden BUenbahn&brt abseits) kostet etwa 325 Mk. 
erster und 237 Mk. zweiter Klasse. luSpanien zweiter Klasse auf weite Strecken 
zu fahren, geht nicht gut an. Zudem hat Spanien und Frankreich nur erster 
Klasse Schlafwagen. In dem Preise sind nicht einbegriffen die Kosten fUr 
Platzkarten, Schlafwagen und LuxuszUge. Der Zuschlag für den Luxuszug 
betrat bei Billet erster Klasse: Berlin-Paris etwa 34 Mark, Paris-Lissabon 
66 Mark. Oie ausländischen Eisenbahn-Verwaltungen geben Erroäfiigungen, 
wenn die Hin- und Herfahrt auf der gleichen Strecke ausgefdbrt wird. l)ie 
Kongressmitglieder sollen gegen Vorzeigung ihrer Legitimation in den 
Hauptplätzen von Frankreich und Spanien Fanrkarten zum Preise einer ein¬ 
fachen Fahrt nach Lissabon erhalten, die in Lissabon während der Zeit des 
Kongresses durch Abstempelnng ohne weitere Nachzahlung fOr die R4ick- 
fabrt gültig gemacht werden. Uundreisebillets mit regulärer Ermäßigung, 
d. h. 33 Vj®/b. resp. 40%: Berlin — Köln — Jeuroont — Paris — Bordeaux— 
Jrun — Lissabon — Madrid — Barcelona — Marseille — Genf — Berlin kosten 
I. Klasse 424,90 Mark, II. Klasse 333,20 Mark. 


Vermischtes. 

Hochschulnachlichten. 

Bonn. Bei der Uiiiyeraität Bonn ist ein Lehrstuhl für 
soziale Medicin errichtet worden. Das nene Lehramt ist dem 
Professor der inneren Medizin Dr. Rumpf übertragen worden. 
— Prof. Dr. Rieder hat die Leitung der chirurgischen Abteilung 
des Krankenbauses der Barmherzigen Brüder hierselbst über¬ 
nommen. 

Breslau. Den Professortitel erhielt Privatdozent Dr. Heine, 
Oberarzt an der Universitäts-Augenklinik. — Privatdozent Dr. 
med. Goebel, ein Schüler von Mikulicz, ist zum Direktor des 
städtischen Krankenbauses in Liegnitz gewählt worden. 

Freiburg i. Br. Zum ordentlichen Professor der allgemeinen 
Pathologie und der pathologischen Anatomie und Direktor der 
pathologisch-anatomischen Anstalt als Nachfolger des. Geh. Hofrat 
Prof. Dr. Bh'ust Ziegler der Prosektor am Stadtkrankenhause 
Priedrichstadt zu Dresden, Obermedicinalrat Prof. Dr. C. Georg 
Schmorl in Aussicht genommen. 

München. Der Privatdozent an der Kgl. Universität Dr. 
Hans Neumayer wurde zum ausserordentlichen Professor für 
Laryngo-Rhinologie in der medicinischen Fakultät der Königl. 
Universität München ernannt, derselbe hat die Leitung der laryngo- 
rhinologischen Poliklinik an der Universität übernommen. — Dem 
Privatdozenten Dr. J. A. Amann, Vorstand der II. gynäko¬ 
logischen Klinik, wurde der Titel a. o. Prof, verliehen. 

Würzburg. Dem Privatdozenten der Augenheilkunde Dr. 
Paul Römer wurde der Titel a. o. Professor verliehen. 


Neu niedergelassen 

haben sieh in 

Bannen. Dr, med. L. Trier. — Berlin. Stabsarzt a. D. Dr. Ader- 
holdt nnd Dr. Adolf Silberstein, eröffneten W. Hardenbergstr. 12, ein 
Medico-mecban.-orthop. Institut. — BUckeburg. Augenarzt Dr. med. Fritz 
Strauch. — Creuzburg (Pr.) prakt. Arzt Johannes Tabbd. — Kaiserslautern. 
Dr. med. H. Dauber. — Königsberg i. Pr. Dr. med. Emst Gauer. — 
Lübeck, Dr. med. Fritz Escbenburg. — Nürnberg. Dr. med. Froraroholz. 
— Wiesbaden. Dr. med. Theodor Dercum 


Familien-N^chrichten. 

Verlobt: 

Frl. Rosa Birn, in München, mit Herrn Dr. med. Joseph Oppenheimer 
in Fürth i. B. — Frl. Sussanne Wagner in Chemnitz, mit Herrn Dr. med. 
Rudolf Üble in Zwickau. — Frl. L. Karbe in Breslau, mit Herrn Mediz.- 
I’rakt. Dr. med. H. Brandt in Stettin. — Frl. Ida Klewansky, mit Herrn 
Dr. med. Max Romm in Königsberg. — Frl. Lissi Albrecht in Flensburg, 
mit Herrn Dr. med. Walter Neubert aus Leipzig. — Frl. Margarete Singer 
m Berlin mit Herrn Dr. med. Peter Danielsohn in Berlin W. — Frl. Käthe 
Wagner in Oschatz mit Herrn Dr. med. Otto Fischer in Neundorf. — Frl. 
Leni Brock in Charlottenburg mit Herrn prakt. Arzt Alfred Niepelt. — 
Frl. Emma Leser in Halle a. S. mit Herrn Dr. med. Wilhelm Liepmann 
in Berlin, — Frl. Hanna Dieterle in Bielefeld mit Herrn Dr. med. Martin 
Pleitner in Hamm i. W. 


Verm&hlt: 

Herr Dr. med. S. Palkenstoin mit Paula Kaafinaon in Weeel. 

Geboren: 

Eine Tochter: Herrn Dr. med. A. Otto, in Dresden. 

Gestorben: 

Dr. med. .Tulius Fieber in Elberfeld. — Dr. med. Karl Dauber in 
Leipzig. — Dr. med. Anton Riedlin, Elmen-Gr.-Salze. — Sanitätsmt Dr. 
med. P. Jakobs-Köln. — Dr. med. Karl Ludwig Herbertb, Wiesbaden- 
Frankental. — Dr. med. Karl Bögle in München. — Dr. med. Franz Rolf 
in Gelsenkirchen. 


Patentnachrichten. 

Geb raue hsmuster. 

263313. PerknssioDshammer mit aml^baren Stiel. Adolf Scbweick- 
hardt, Tuttlingen. WUrtt. 

263361. Feldapotheke ans einzelnen nebeneinander angeordneten 
numerierten und signierten Medikamentenkästen. Fa. C. H. RUdel. 

263 657. Wundklaromer mit mehreren, von einem gemeinscbaftliehen 
MittelstQck ausgehenden, an den Enden mit Spitzen versehenen Amen. 
Dr. Max Samneh Berlin. 

263 300. Halter mit Auheibestäbebon für Ringe. Theodor Bormestar, 
Hannover. 

263660. Elektriscber Schmelzofen für zabnärztUebe Zwecke, mit ab¬ 
hebbarer durch Deckelabnabme freizulegender Muffel. Jul. Sebmebl, Berlin. 

263 221. Zweiteilige, filcfaerartig zusammenlegbare Schntzhrille, dadurch 
gekennzeichnet, dass beide Teile am Nasensteg derart drehber aufeinander 
befestigt sind, dass sieb die Brille fächerartig Zusammenlegen lässt. Hfiller 
& Richter, Dresden. 


Tafel für ärztliche Stellenvermlttluns:. 

Adrsaae: Arztliehea Aiakaafla-Barsan dsa fisaehifla-Asaaobsaasa der 
Beriieer Irztllohea Staedsaversins In Mediolalaobea Waareabanaa (Akt.- 
Qea.), Bsrlla N., Frledrioiiatraaaa 1081. 

Für p«r*ünliche Rück«pr*che ist Herr Dr. JpMklm vew VMr in 

Medicinitch.n WaArenhause anwesend. (Mit sflHger Erlaubnis des Oescnäfts-Auttchusses 
der Berliner ärztlichen Standesvereine von AusKunfu-Burenu der Med. Woche fibemittelt. 

In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesnebt. Näheres unter 
No. 1940. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent für augenärztl. Poliklinik ge¬ 
sucht. Näheres unter No. 1945. 

ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1951. 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht Näheres unter 
No. 1956. 

In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht Näheres 
unter No. 1969. 

In Westpreussen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter Vertreter 
gesucht Näheres unter No. 1970. 

In der Rbeinprovinz wird für Ende Januar ein Vertreter gesucht 
Näheres unter No. 1982. 

ln der Prov. Hannover wird flir sofort ein Assistent gesnebt 
Näheres unter No. 1984. 

In der Mark wird für eine Kinderheilstätte znm 1. April ein Assistent 
gesucht Näheres unter No. 1987. 

Id einer Universitätsstadt Mitteldeutschlands wird für ohimrg. Klinik 
sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1988. 


Draekfehlerberiehtigong aus Nr. 2. 

Seite 16,1. Spalte, Zeile 21 von oben muss es heissen statt: „Levatoani“ 
«Levator ani“; auf derselben Seite, 1. Spalte, Zeile 38 von oben statt: 
«Papuelin*, «Pacouelin“; auf derselträn Seite, 2. Spalte, ^Ue 41 von oben 
statt: «Kackenrodt“, „Mackenrodt". 

Die Brennabor-Werke, Brandenburg a. H., verjgrössem jetzt für 
die kommende Saison ihren Betrieb recht beträchtlich. Die Werke, deren 
Marke allgemein ein hohes Ansehen geniesst, haben nun auch mit ihren 
tadellos funktionierenden, äusserst ansprechenden Motorfahrzeugen so recht 
Wunsch und Geschmack von Händlern und Publikum getroffan und sind zur 
Befriedigung ihrer Abnehmer gezwungen, die erwähnte ^triebsvetgrOsserung 
eiotreten zu lassen. 

Zu den bisherigen respektablen Anlagen kommen Jetzt drei neue Coro- 
wallkessel von je 75 qm Heizfläche and eingebautem tfberbitzer von 33 qm 
hinzu. Ausserdem erhalten drei bereits vorhandene Cornwallkessel zosammen 
mit den nou hinzukommenden einen gemeinsamen Economiser für die Kessel¬ 
speisewasservorwärmung. Die neue Kraftanlage besitzt eine stehende Ver- 
bunddaj^fmaschine von 516 HP mit direkt gekuppeltem Dynamo von 
350 K 

Die Bronnabor-Werke sind im Jahre 1871 entstanden und haben seit¬ 
dem von Jahr zu Jahr eine unaufhaltsame Erweiterung erfahren, die weder 
durch auftauchende Unterbietungen in Rädern noch durch massenhaft ent¬ 
standene Neugründungen einzudämmen war. Brennabor marschiert nach 
wie vor an der Spitze und verdankt dies wohl lediglich der Gediegenheit 
ihrer gesamten Fabrikate. g 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meistner, Berlin W. 61, KurfOrttenttr. Sl. — Verlag tob Carl Marhold, Halle a. S. 
]>ruek von der Heynemann’fchen Buchdruekerel, Gehr WoIiT, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


R. Deatscbmann, A. Dfihnscn, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator, A. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a« S.« Uhlandstrasse 6. 

Tel.'Adr.: Marttold Veriag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

V - . J 


VH. Jahrgang. 


Herausgegeben von 



R. Robert M. Koeppen, K. Partsch, H. Roaln, H. Schlange, 

Rostock. ^rtln. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. UnverHclit, 

Magdeburg. 

A. Vossloa, 

Giessen. 


f 

Redaktion: 


Berlin W* 62, KurfflrstenstmOTe 81» 


l _ 

Dr. P. Meißner. 

J 


22. Januar 1906. 


Nr. 4. 


Die .,Ma di ein iS che W o c h e“ erscheint jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeitung, Organ des AUgeneiaen Deutschen Blderverbandes, des Scfawarzwald* 
bftdertages des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen ndunen jede Buch* 
bandluog. die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entg^en. Inserate werden fQr die 4spalHge Petitzeile oder deren Raum mit 50Pf. berechnet. 

Beilagen nach Uebereinkunft Reklamezefle 1.50 Mk Bei Wiedeibolung tritt Brmässignng ein. 

Nadidnidc der Ori^nal*Aufsätze ist ohne voriierige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau and der Mitteilungen Ist nur mit QueHenangabe gestattet 


Originalien. 

Die Inditation und die Technik der 
Hetolbehandlnng für den praktischen Arzt. 

Von Dr. Erwin Franck, Berlin. 

. WDie Hetolbehandlnng der Tuberkulose in den Jahren 
1883—1890 von Albert Länderer (tl904) in zahlreichen Tier- 
experimenten ausgebildet und daraufhin am Menschen versucht, 
wurde im Jahre 1892 zum ersten Male in der Form einer aus¬ 
führlichen Monogsaphief) der breiteren ärztlichen öfientlichkeit 
bekannt gegeben. Der praktische Arzt wird dadurch in die 
^Möglichkeit versetzt, seinem tuberkulös erkrankten Patienten 
nicht nur „rein expektativ“ oder „hygienisch diätetisch“ gegen¬ 
über zu stehen, sondern heraustretend aus dem mit diesen 
Schlagworten gekennzeichneten therapeutischen Nihilismus selbst 
aktiv gegen den Herd des Leidens vorzugehen. So stellt die 
Behandlung mit Hetol, entgegen den sonst gebräuchlichen 
Methoden (Kreosotbehandlung etc.), ein Vorgehen dar, durch 
welches das Heilmittel direkt dem Blutstrom des Kranken ein- 
verleibt wird, um vom Kreislauf durch das Herz zur Lunge 
getragen, dort bestimmte, in ihren Einzelheiten nunmehr ge¬ 
nügend studierte Erscheinungen auszulösen. 

Es beginnt nämlich 2 Std. nach der intravenösen Ein¬ 
spritzung des Hetol eine Vermehrung der weissen Blutkörper¬ 
chen, deren Zahl innerhalb 8 Std. nach der Injektion um das 
2—2'/2fache anwächst. Nach 20—24 Stunden ist diese Be¬ 
wegung wieder abgeklungen. Da die weissen Blutkörperchen 
in hervorragendem Maße um die. erkrankten infiltrierten Stellen 
sich ablagem, so kommt es dort, wie man sagt, zu einer 
„aseptischen Entzündung“. Dieser Vorgang, durch Wochen 
und Monate wiederholt, f&rt dann zu einer Abkapselung, Durch¬ 
wachsung und schliosslichen Vernarbung solcher Gewebsteile. 

Ein eklatanter Sektionsfall von Ewald, in der Berliner 
Medic. Gesellschaft vorgetragen, zahlreiche mikroskopische 
Schnitte und Präparate von v. Hansemann ebendaselbst de¬ 
monstriert, lassen an diesen Vorgängen als etwas Tatsächlichem, 
einen Zweifel nicht aufkommen. 

Die Indikationen zu einem derartigen therapeutischen 
Vorgehen sind mit obiger Darstellung schon in gewisser Weise 
vorgezeichnet. 

Wir werden mit Hetol erfolgreich behandeln die Lungen- 
tiiberkulo&e dos ersten Stadiums, d. h. bei nicht fieber¬ 
haften Patienten, allerhöchstens mit Abendtemperaturen die 
38" im rectum nicht überschreiten. Bei den darüber hinaus- 

*) A. Länderer, Die Behandlung der Tuberkulose mit ZitimitsUure. S. 
I*r. M. 10. 

Derselbe: Der gegeQvrHrtigc Stand der Hetolbebandlung der Tuberkulose* 
Berliner Klinik 1900. Heft 153. 


liegenden Fällen handelt es sich doch in der Regel bereits um 
ausgedehnte Zerstörungsprozesse, verbunden mit Mischinfektion, 
Zustände, die sich für eine derartige Kur naturgemäß nicht 
mehr eignen. Anders, wenn bei solchen bereits schwerer 
Kranken durch eine Luftkur die Mischinfektion beseitigt, das 
Fieber gehoben, das Allgemeinbefinden gebessert ist Eine 
Hetolbebandlung daran angeschlossen, vermag den sonst nur 
vorübergehenden Erfolg zu einem dauernden zu gestalten. Da¬ 
her das von uns bereits verschiedentlich in Wort und Schrift 
ausgesprochene Verlangen nach Hetolkuren in Sanatorien, 
verbunden mit Freiluftbehandlung. 

Neben der Lungentuberkulose ist die Kehlkopftuberku¬ 
lose primär oder mit kaum nachweisbaren Veränderungen in 
den Lungen ein dankbares Feld für Hetol. Unsere besten und 
gelungensten Kuren entstammen gerade diesem Gebiet. Wir 
verschmähen dabei jede intensivere und stets reizende lokale 
Behandlung des Kehlkopfs, blasen höchstens bei vorhandenen 
Geschwüren Hetokresol — ein weisses feinkörniges Pulver — 
auf dieselben auf. 

Dann sei auch die Bauchfelltuberkulose erwähnt^ so¬ 
weit sie nicht schon zu ausgedehnten Verwachsungen oder ul- 
cerativen Prozessen geführt hat. Ein mir von dem Frauenarzt 
Prof. Dührssen überwiesener Fall —bei der 23jährigen Patientin 
bestand das Exsudat nachweisbar erst seit */a Jahr, die vorge¬ 
nommene Laparatomie zeigte das Peritoneum tibersät mit 
Tuberkeln — in welchem nach dem Leibschnitt es alsbald 
wieder zu einer Ansammlung von Exsudat gekommen w^r, 
schwand dasselbe unter Hetol, um dauernd fortzubleiben. 
Die Patientin ist seither — also seit l*“/ 4 . Jahren — absolut 
gesund und beschwerdefrei geblieben. 

Ebenso unterstützt natürlich die Hetolbebandlung jede 
andere operative Therapie bei chirurgischen Tuberkulosen. 
Länderer, als Fachchirurg, hatte hierin Gelegenheit, beson¬ 
ders reiche Erfahrungen zu sammeln, und es ist der II. Teil 
seiner oben erwähnten Monographie ausschliesslich derartigen 
instruktiven Krankengeschichten gewidmet. 

Haben wir in Vorstehendem kurz die Indikation umgrenzt, 
wie sie sich für die Hetolkuren aus rein physischen Gesichts¬ 
punkten ergibt, so mögen einige Erwägungen sozialer Natur 
nicht ganz umgangen werden. 

Es ist dies die Erfahrung, dass ein grosser Teil der 
Patienten, deren Erkrankung vorerst die allerleichteste ist, und 
von ihnen deshalb auch in keiner Weise als ernst beachtet 
wird, nicht die Zeit und noch weniger die Mittel besitzt, um 
nach dem Süden zu gelien oder jahrelang in Sanatorien sich 
aufzuhalten. Für diese Art von Kranken, besonders der besseren 
Stände, ist die Hetoltlierapie vorzüglich geeignet. Wir sagen 
der „besseren Stände“ aus dem Grunde, weil ein gewisses Maß 
von Schonung und häuslicher Pflege bei dieser ambulant 
erfolgenden Behandlung doch nicht zu umgehen ist. Der 
Arbeitet, welcher aus der Sprechstunde des Arztes in den Kuß 
lind Staub di‘S Erwcili.sb'lii'ii.s ziitiiekkchri. bleibt naturgtunaß 


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8< 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 4. 


so YieleQ schädigenden Einflüssen aasgesetzt, dass dagegen das 
Hetol machtlos ist Man darf eben von einem Med&ament 
nicht Unmögliches verlangen! Daher auch die schlechten 
Statistiken der grossen Polikliniken. — Wir sehen dabei ganz 
davon ab, dass hier teilweise entgegen den Vorschriften 
Landerer’s verfahren und subkutan nicht intravenös inji¬ 
ziert wurde. Wer einem solchen poliklinischen Betrieb jemals 
beigewohnt hat, wird sich ohne Weiteres sagen, dass aus dieser 
Quelle keine reine Freude für den Hetolanhänger zu schöpfen 
ist Stundenlanges Warten, weite Wege, ännliche häusliche 
Verhältnisse, vereiteln da die besten ärztlichen Absichten. So 
hat denn auch der Mittelstand für diese Behandlungsmethode 
bisher stets die besten Resultate gezeitigt. Alles Gute, was er¬ 
reicht und über Hetol geschrieben wurde, stammt fast aus¬ 
schliesslich aus der Feder von praktischen Ärzten, welche Zeit 
und Interesse besassen, den einzelnen Fall im Auge zu behalten, 
eine solche Kur überhaupt nicht erst zu begiimen, wenn die 
häuslichen Verhältnisse der Patienten in hygienischer und wirt¬ 
schaftlicher Beziehung, dieselbe wirksam zu unterstützen nicht 
in der Lage waren. Ist dieses jedoch der Fall, arbeiten Arzt 
und Patient im Punkte der Behandlung und Selbstbeobachtung 
Hand in Hand, dann werden bei richtiger Auswahl der Fälle 
— nach den oben gegebenen Gesichtspunkten — auch völlige 
Misserfolge selten nur zu verzeichnen sein. 

Die Technik der Hetolbehandlung gipfelt in der Be¬ 
herrschung der intravenösen Injektion als einer einzigartigen 
Methode, genau dosierte Mengen von Medikamenten mit Um- 
ehung des Magens oder subkutanen Lymphgefässsystems direkt 
em Blute der Patienten einzuverleiben. 

Seit 6 Jahren mit dieser Bohandlungsweise beschäftigt, 
haben wir verschiedentlich auf die grossen Vorzüge derselben 
hinzuweisen Gelegenheit genommen*). 

Das in Wasser klar und leichtlösliche zimmtsaure Natron, 
Hetol genannt — dem Penibalsam entstammend — wird am 
besten m den völlig sterilen, in Ampullen eingoschmolzenen 
Lösungen, wie welche von der Firma Kalle & Co. oder durch 

i 'ede Apotheke abgegeben werden, gebrauchsfertig bezogen. Ein 
[arton mit 12 derartigen Tuben von 1%, 2% oder 5% Lösung 
kostet M. 2,—. 

Wir bevorzugen Metallspritzen mit Asbestkolben und 
gebrauchen dieselben ausschliesslich. Sie lassen sich leicht aus¬ 
kochen und ihr Stempel bewegt sich weich und gleichmäßig. 

*) Erwin Franck: Die iDtraventee Injektion und ihr g^egenwärtigea 
Anwendungagebiet. Zeitechr. f. ärztl. Fortbilde 1905. No. 22. 

Derselbe: Die Hetol-(Zimmt8aare-)BebaDdIang der Lungentuberkulose 
und ihre Anwendung in der ärztlichen Praxis .Therap. Monatshefte 1901 XII. 


Feuilleton. 


Volksmedicin und Kultur.*) 

Von Dr. E. Roth, Ober-Bibliothekar. 

In den frühesten Zeiten des Menschengeschlechtes musste 
Jedermann seine medicinischen Bedürfnisse selbst befriedigen 
und dem Familienvater lag es im Einzelnen ob, für die seiner 
Angehörigen zu sorgen. 

Natürlich werden sich da oft genug Verhältnisse ergeben 
haben, in denen medicinische Selbsthilfe sich gar nicht oder 
doch wenigstens nicht in genügendem Umfang betätigen liess. 
So war man z. B. bei schweren Unfällen, bei ernsthaften inneren 
Erkrankungen, bei ungewöhnlichen geburtshilflichen Vorgängen 
sicher auf die werktätige Hilfe seiner Stammesgenossen unbe¬ 
dingt angewiesen. 

Hier haben wir also gewissermaßen die erste Form, die 
beginnende Grundlage der Volksmedicin, denn eine Berufs- 

*) Hugo Magnus. Die Volksmedicin, ihre goschiuhtlicho Entwicke¬ 
lung und ihre Beziehungen zur Kultur. Breslau 1905. Kern. S**, VIU. 
12 S. 3 M. 50 i^. 


Letzteres ist von den völlig gläsernen Spritzen nicht zu 
s^en, sie rucken oft beim Injizieren unvermutet an, wodurch 
die Nadel seitlich ausfahren kann. Das Kaliber der Nadel 
muss natürlich so fein als möglich gewählt werden. Wir haben 
erst neuerdings ein Besteck zur intravenösen Injektion zusam- 
mengestollt, welches Alles dazn Nötige enthält*). Es befindet 
sich darin neben der 1 gr Spritze auch eine solche zu 2 gr. 
wie dies für die neueren Attritin-, Fibrolysin- etc. Einspritz¬ 
ungen erforderlich ist, da hiervon die Lösungen in Mengen 
von 2 gr hergestellt sind. 

Es sei dabei besonders auf den billigen Preis des unten 
näher beschriebenen Bestecks hingewiesen, wodurch sich das¬ 
selbe vor ähnlichen Zusammenstellungen, welche 20—25 M. 
kosten und dabei nur eine Spritze en^alten, angenehm unter¬ 
scheidet. 

Die Kanülen werden vor und nach Gebrauch mit heissem 
oder kochendem Wasser durchspritzt, hierauf mittelst des 
kleinen Gumraiballons trocken geblasen und in Alkohol liegend 
bozw. hängend anfbewahrt So halten sich die Nadeln unend¬ 
lich lange und rosten auch innerlich nicht, was bei Anwendung 
von Drahtfäden meist sofort der Fall ist. Gerade dieser Kon- 
servierungsmothode der Kanülen messen wir grosse praktische 
Bedeutung bei und haben dies überall in unseren Arbeiten be¬ 
sonders hervorgehobon. 

Die Spritze selbst wird trocken, am besten in einer Petri- 
Schale liegend, aufbewahrt. 

Der Gang der Hetolinjektion ist nun Folgender. Patient 
sitzt vor dem nicht zu niedrigen Tisch und hat einen Ami 
ontblösst, in überstreckter Haltung über eine nicht zu nacli- 
giebige Unterlage gelegt Durch leichte Bewegungen im Hand¬ 
gelenk oder seitens der Finger (oft besser bei hängendem Arm!) 
schwellen die Venen an und werden durch eine 1—2 mal um 
den Oberarm gewickelte Gummibinde in diesem Füllungszu¬ 
stande erhalten. Die Injektionsstelle wird ■ mit Äther abge- 
riebon. 

Die Befestigung der Gummibinde geschieht im Interesse 
der schnellen Lösung zweckmäßig so, dass nur eine Tour 
ziemlich fest angezogen umgelegt wird, kurz vor Beendigung 
der zweiten schiebt man dann den Schlussteil der Binde unter 
die letzte Tour unter. 

•) Besteck zur intrarenöson Injektion nach Dr. Erwin Franck, ent¬ 
haltend 1 Spritze za 1 gr, 1 Spritze zu 2 gr, 4 Nadeln, Raam für 4—6 
Qlastaben, 1 kleinen Gummiballon und Gammibinde, Heftpflaster etc. Preis 
M. 18,—. Dieses, sowie auch Spritzen und ZubebOr einzeln erhältlich bei 
M. Frost, Instrumentengescfaaft. N. W.52. Ratbenowerstr. 6. 

medicin gab es noch nicht, Ärzte als solche treten erst sehr 
viel später auf. 

Aber die Volksmedicin jener grauen Vorzeit ersetzte frag¬ 
los die Berufsmedicin, sie stand an Stelle der letzteren und 
zwar nicht unbefugter — sondern durchaus befugterweise. 

Freilich besitzen wir über diese erste und müieste Form 
der Volksmedicin nicht allzu viel verbürgte und beglaubigte 
Nachrichten, aber gänzlich fehlen sie auch nicht. Namentlich 
in den Werken mannigfacher alter Autoren haben wir eine 
rechte FundOTube dafür, und da sei vor Allem des Herodot 
edacht, welcher über die Krankenbehandlung so mancher 
tämme berichtet 

Genaue Angaben über die Behiindlungsformen, in denen 
sich die vorhistorische Volksmedicin während der ersten Zeiten 
ihres Bestehens bewegt haben mag, können natürlich nicht 
gemacht werden, höchstens sind wir imstande, einige Vermu¬ 
tungen zu äussem und meinen, dass in der Volksmedicin der 
historischen Zeit wohl noch viele Überbleibsel der vorhistori¬ 
schen Volksmedicin stecken mögen. Namentlich dürfte dieses 
vornehmlich für die therapeutische Benutzung gewisser elemen- 
Urer Naturkräfte gelten, wie z. B. der Wärme und Kälte usw. 
Ähnlich mag es sich mit der Wirkung vieler Pflanzen ver¬ 
halten, und der Gebrauch mineralischer Stoße mancherlei Art 
geht gewiss bis in das graue Altertum zurück, eine Generation 
erbt solche Ge- oder Missbräuche von der anderen, namentlich 
wenn Geschmack oder Geruch in auffälliger Weise durch diese 


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lOOÜ. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


87 


Inzwischen hat der Arzt Spritze und Kanüle mit kochendem 
Jedenfalls abgekochten) Wasser durchspritzt und zieht aus der 
Glastube 2—5 Strich der HetoUösung auf. Er sticht darauf die 
Spritze ein und löst vor dem Ausspritzen die Binde — 
meistens sind die Patienten so g^elehrig, dies selbst zu tun — 
das Injektum schwimmt dauTi direkt mit dem Blutstrom ab, 
und der kleine Eingriff ist beendet. Wir kleben zumeist gar- 
nichts auf die Stichstelle, streuen vielmehr nur etwas Aero- 
form oder Dermatol darauf. Will man die kaum sichtbare 
Wunde verschliessen, so geschieht dies mit englischem Heft¬ 
pflaster. 

Das Einstechen selbst geht ohne jedes Empfinden 
seitens des Kranken vor sich, andererseits hat der Arzt 
deutlich das Gefühl, in einem Gefässrohr mit der Nadel sich 
zu befinden bezw. dieselbe frei hin- und herbewegen zu können. 
Wie rasch das Medikament selbst in ferner gelegene Körper¬ 
provinzen gelangt, zeigt z. B. die Fibrolysm-(Thi 08 inamin)In- 
jektion. Sdion 15 Sekunden nach Beginn derselben tritt ein 
evidenter laugenartiger Geschmack im Munde des Patienten 
auf, der za. '/j Stunde anhält, um dann zu verschwinden. 

Was die Häufigkeit der Einspritzung anbelangt, so 
macht man dieselbe am besten 3 Mal wÖchenmch, begibt mit 
2 Strich der 1 % Lösung und steigt von Injektion zu Injektion 
um V 2 Strich, bis nach za. 2—3 Monaten 5 Strich der 5% 
Lösung als Maximum erreicht sind. Es geht dann wieder laj^- 
sam abwärts und wird besser Jahr pausiert, ehe man eine 
neue Kur beginnt 

Ich möchte hier beifügen, dass von mir in letzter Zeit die 
Verbindung von Hetol mit Arsen, letzteres in Form 
des Atoxyls, bevorzugt "wird. Es wird dies ebenfalls in ge¬ 
brauchsfertigen sterilen Tuben der 20% Lösung abgegeben. 
Der Vorgang der Injektion verändert sich dann m der Weise, 
dass ich zuerst 2 oder mehr Strich Hetol aulziehe, und dann 
die Spritze weiterhin mit Atoxyl vollfülle. Es macht den Ein¬ 
druck, als ob unter dieser Kombination der tonisierende und 
kräftigende Einfluss der Behandlung sich rascher bemerkbar 
macht, auch die Müdigkeit, über welche hin und wieder 
Patienten bei der Hetolkur klagen, wurde anscheinend seltener 
von ihnen empfunden. 

Bezüglich des Atoxyls und seiner Bedeutung sei auf die 
eingehenden umfangreichen Beobachtungen Lassar’s und seiner 
Schule verwiesen*). 

Wie wir schon oben ausführten, ist einige Schonung 


*) Dennatologiscfae Zeitschrift B. X. 


von der Natur dargebotenen Gegenstände leicht beeinflusst und 
in Anspruch genommen werden. 

Die wichtigste Quelle für die frühesten Formen der Volks- 
medicin ist eben die Erfahrung gewesen, welche der Natur¬ 
mensch an seinem eigenen Lerne gemacht hat, daran muss 
unter allen Umständen festgehalten werden. Denn die Beob¬ 
achtungen, welche wir jetzt noch an den sogenannten wilden 
Völkern machen können, bestätigen dieses durch zahlreiche 
Beispiele. 

to einer zweiten Periode verwertete die Volksmedicin dann 
die spekulativen Vorstellungen, welche man sich allmählich 
über die Naturerscheinungeuj sowde über die Lebeusbedingungen 
gebildet hatte, zu therapeutischen Zwecken. Neben den durch 
Erfahrung geworbenen therapeutischen Kenntnissen war sie ein 
Gemisch von Erfahrung und angeblich metaphysischer Speku¬ 
lation geworden. 

Als die ernten berufsmässigen Vertreter der Heilkunde 
treten dann überall die Priester auf, und mit dem Augenblick, 
wo dieselben, Kraft der sich geltend machenden theurigischen 
Einschätzung aller Lebensvorgänge, das Heilverfahren für ihr 
unbestrittenes Eigentum erklären durften, hatte die Volksmedicin 
das legitime Recmt auf das Dasein grösstenteils verloren und 
war im Wesentlichen auf den Standpunkt einer unbefugten 
Äusserung des Heilbestrebens herabgedrückt worden. FreOich 
waren im Beginn dieser Periode beide zunächst durchaus gleich¬ 
wertig, beide stellten noch ein Gemisch von planlos gewon- 


während der Behandlung neben genauester Beobachtung (Reo 
tum-Temperaturmessung) doch erwünscht Sollte Hämoptoe 
auftreten, so setzt man die Kur aus und berinnt mit geringeren 
Dosen. Wir sahen übrigens Hämoptoe bei Hetol nicht häimger, 
als ohne dasselbe. 

Üble Zufälle, welche der intravenösen Injektion oder dem 
Hetol zur Last gelegt werden könnten, sind bei Tausenden 
von Einspritzungen weder von uns noch von anderen Autoren 
jemals beobachtet worden. Wird die Dosis zu rasch gesteigert 
oder einmal zu hoch gewählt, so pflegt eine schnell vortiSer- 

f ehende Temperaturerhöhung die Folge zu sein. Die Vornahme 
er Injektion mit täglichen Intervallen verfolgt auch lediglich 
den Zweck, die jedesmal darnach eintretende, äusserlich nicht 
wahrnehmbare Reaktion wieder abklingen zu lassen. 

Rebosierende Mittel, wie Eisentropon, Hämatin ^bumin 
Finsen etc., unterstützen die Kur "wirksam. 

Bei derartig behandelten Patienten tritt meist bald eine 
Hebung des Allgemeinbefindens ein. Die Schweise hören auf, 
der Appetit bessert sich, die Expektoration "wird seltener und 
lockerer. 

Sollten diese Erscheinungen auch nicht immer gleich oflen 
zu Tage treten, so haben wir doch die Empfindung gehabt 
und beobachtet, dass unter Hetoleinwirkung die Kranken wider¬ 
standsfähiger werden und sich weit länger halten, als man 
dies sonst beobachten kann. 

Wir haben in Obigem, ohne den Rahmen unseres Themas 
zu überschreiten, eine kurze Würdigung der Hetolbehandlung 
und ihrer praktischen Ausführung gegeben. 

Möge dieser kurze Aufsatz dazu beitragen, der Methode 
zahlreiche neue Freunde zuzuführen und damit das Andenken 
an den leider zu früh dahingeschiedenen Begründer A. Länderer 
in Dankbarkeit zu erhalten. 


Cytorrhyctes oder Spirochaete pallida? 

In der Dezembersitzung der Berliner Ophthalmolorischen 
Gesellschaft kam es im Anschluss an einen Vortrag von Werner 
Schulze-Friedenau: „Der Cytorrhyctes luis Siegel in der 
mit Syphilis geimpften Kanincheniris“, zu einer sehr lebhaften 
Debatte zwischen den Verfechtern des Cytorrhyctes als des 
Erregers der Syphilis und den Verteidigern der von Schaudinn 


neuer roher Empirie und therapeutischen Maßnahmen dar. 
Aber bald gewann in der Hand der priesterlichen Heilbeflisse¬ 
nen die Erfahrung an Menge, Übersichtlichkeit und innerem 
Zusammenhang, die Wagschme sank mehr und mehr zu ihren 
Gunsten. 

Für die Aigypter können "wir diesen Zeitpunkt der Schei¬ 
dung auf Grund der vorhandenen Urkunden wohl in das dritte 
oder vierte vorchristliche Jahrtausend zurückdatieren, für das 
Abendland dürfte nach der Ansicht von Hugo Magnus etwa 
die Abfassungszeit der Knidischen und Koischen Sentenzen 
als der Zeitpunkt zu gelten haben, an dem ein tiefgehender, 
wissenschaftlich wohl begründeter Ünterechied zwischen Volks¬ 
und Berufsmedicin das erte Mal klar zu Tage getreten ist. 
Diese Anschauung von der Zugehörigkeit der Medicin zu dem 
religiösen Kultus geriet dann erst m das Wanken, als die 
theurgische Weltanschauung sich dem Ende ihrer Herrschaft 
näherte. Zeitlich lässt 'sich dieser Termin aber wohl kaum 
jemals genau festlegen oder bestimmen, wenn auch für einzelne 
Völker Anhaltspunkte vorhanden sind, welche eine annäherungs¬ 
weise Schätzung ermöglichen. 

Nach der theurgischen tritt die naturphilosophische Lebens¬ 
auffassung auf den Plan. Bei ihrem Scheiden hinterlies sie 
zwei Formen der Volksmedicin. Eine, welche ohne Rücksicht 
auf Gelderwerb nur dem Wohl der Kranken zu dienen bestrebt 
war und in ihrem praktischen Handeln sich nicht viel voll der 
Vorzeit unterschied, und eine zweite, welche ohne Beachtung 


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38 


MKDICINIÖCHK WUCHK. 


Nr. 4. 


ood Hoffmaco bei Syphilitiscbea gefandenen Spirochaete pal- 
lida.*) Scbalze's Unter.sncbuDgen ergaben folgendes: 

In den Epitbelzellon der erkrankten Hautpartieen bei 
Pocken, bei Maul- und Klauenseuche, bei Scharlach, und von 
Klebe, Döhle und Stassano auch bei Syphilis, wurden 
kleine Gebilde gefunden, die als Cytorrhyctes bezeichnet wurden 
(Gnarnieri). Siegel wies nach, dass es sich um Proto¬ 
zoen handelte, da die Gebilde Bewegungen machten, die von 
der Brown’schen Molekularbewegung aWichen, da sie ferner 
Kerne und Geissein besassen. Der Cytorrhyctes ist ein den 
Trypanoplasmen nahestehender Flagellat von ‘/a bis 2 '/a ^ 
Grösse. Am besten färbt man, um ihn fein zu differenzieren, nur 
seine Kerne, deren der Cytorrhyctes 2 — 16 besitzt. Die Unter¬ 
suchung, zu der man guter Immersionen bedarf, ist sehr 
scliwierig, so dass nur langsam Bestätigung positiver Befunde 
zu erwarten ist. Differentialdiagnostiscli kommen hauptsäch¬ 
lich Hämokonien in Betracht. 

Während bei den der Lues so nahestehenden Pocken und 
beim Scharlach der Cytorrhyctes im Plasma der Epithelzellen, 
bei der Maul- und Klauenseuche in ihrem Kern sitzt, findet 
man ihn bei Lues im Plasma der Bindegewebszellen und auch 
in der Grundsubstanz. Bei allen Krankheiten kann man die 
Parasiten während des Höhepunktes der Erkrankung in den 
Körpersäften nachweisen. 

Im Beginn der Lues ist der Cytorrhyctes nur im Primär¬ 
affekt, dann auch in den regionären Lymphdriisen zu finden; 
während der Allgemeininfektion auch im Blut, in den Sekun¬ 
däreruptionen und schliesslich in Tertiärerscheinungen. Die 
erkrankten Hautstellen, das Leichenmaterial, vielfach auch die 
regionären Lymphdriisen der erkrankten Hautgegend zeigten 
meist Sekundärinfektion. Bei Sekundärsymptomen findet 
man die Parasiten stets im Blut, das ja die Krankheit Über¬ 
tragen kann. 

Während sich die Syphilis sicher auf Affen weiterimpfen 
lässt, haben auch die Versuche bei Schweinen und Pferden 
das Auftreten von Exanthemen ergeben, die nicht durch 
die Einführung körperfremden Eiweisses bedingt sind, wie die 
erfolCTeichen Weiterimpfungen bewiesen haben, die Piork o wski 
von Tier zu Tier vorgenommen hat. Impfungen an Kaninchen¬ 
augen (Hornhaut und vordere Kammer), denen Lokal- und All- 
gemeinsymptome folgten, hat Haensell vorgenommen; ein¬ 
geschobene Impfungen an Affen lassen heute eine Kontrolle 

*) FQr die mir zur exakten Abfassung dieses Berichtes seitens der 
Herren Hoffmann , Siegel, Schulze und T b e s i n g gUtigst (ibor- 
lasaenen Autoreferato spreche ich den tJerren an dieser Stelle rerbindlichstun 
Dank aus. 


des Wohles der Kranken nur nach Gelderwerb strebte und sich 
zu dem rechten und echten Kurpfuschertum ausgewachsen 
hatte. 

Mit dem Auftreten des Christentums begannen alsbald dann 
auch in der Volksmedicin sehr erhebliche Wandlungen sich 
bemerkbar zu machen. Und in der Gegenwart — Ausführ¬ 
liches möge der geneigte Leser an Ort und Stelle nachsehen — 
betätigt sich die Volksmedicin in recht verschiedener Weise, 
verschieden sowohl ihrer medicinischen Tätigkeit, als ihrem 
ethischem Werte nach. Genannt seien folgende Formen: 

Die Krankenpflege, geübt aus christlicher Liebe, 

Die freiwillige Kriegskrankenpfiege. 

Die Samaritervereine. 

Die arztlose, mit Erfahrungsmitteln und metaphysischen 
Maßnahmen arbeitende, aber nicht gewewerbsmUßig betriebene 
Volksmedicin. 

Das Kurpfuschertum, die entartete gewerbsmäßig geübte 
Volksmedicin. 

So interessant nun auch ein Eingehen auf die scliriftstelle- 
rische Tätigkeit der Volksmedicin wäre, wie es unser Gewährs¬ 
mann in vortrefflicher Weise tut, wollen wir wegen Raum¬ 
mangel doch hier darauf verzichten und lieber kurz die Um¬ 
stände erwähnen, welche das Bestehen der Volksmedicin nach 
dem Auftreten der Berufsmedicin gestützt haben und noch 
heutigen Tages stützen. 


zu, ob das Versuchstier wirklich syphilitisch infiziert war oder 
nicht. Schulze impfte die Iris möp^chst von albmotischec 
Kaninchen mit fein zerriebenen und zerschnittenen, nicht nlze- 
rierten Primäraffekten, mit Lymphdriisen luetischer Affen und 
mit Blut von Kranken, die fnsche Sekundärerscheinuogen auf- 
wiesen; einige Male machte er auch Weiterimpfungen mit den 
inneren Organen frischer luetischer Kaninchen, teilweise ge¬ 
brauchte er auch Impfstoff von harten Schankem und breiten 
Kondylomen, der fii mit Glyzerinwasser konserviert wurde. 
Er impfte von über 40 Kaninchen beide Augen, denen er nach 
Eröffnung der vorderen Kammer die Iris mit der Lanzenspitze 
ritzte und mit einem Spatel den Impfstoff an dieser Stelle bei¬ 
brachte. Anfang starben mehrere Tiere, weil er keine kräftigen 
Tiere und einen kalten Stall zur Ver^gung hatte. Die All¬ 
gemeinsymptome waren verschieden: viele Tiere bekamen Haar¬ 
ausfall, einige auch Rhagaden am Munde und ekzematöse 
Hautstelleu. andere Fressunlust; 4—5 Tage nach der Impfung, 
nachdem die erste Wundreaktion vorbei war, trat eine neue, 
mäßige lujektion auf, die sich allmählich auf die Iris lokali¬ 
sierte, an der mittlerweile ein oder mehrere Knötchen anfge- 
treten waren; der Höhepunkt lag durchschnittlich in der 3, 
Woche, ohne dass erneblichere Entzündungserscheinuogeo 
(Hypopyon, hintere Synechien) aufgetreten waren, und nach 
1 Monat haben sich die Knötchen wieder znrückgebildet, waren 
allerdings einige Male auch nach 3 Monaten noch erkennbar, 
rozidivierten auch bisweilen. Der mikroskopische Befund war 
entsprechend: anfangs geringe akut-entzündliche Veränderungen 
mit Hyperämie des Gewebes und Diapedese einzelner Leoso- 
zythen. Vielfach nmgab die kleineren Gefässe ein später 
wieder verschwindender hyaliner Saum. Die grösseren Go- 
fässe waren von einem mehr oder weniger breiten Ödemhof 
eingebtillt, der mit der später eintretenden Schrumpfung grössten¬ 
teils wieder zurückging. 

Der Cytorrhyctes liegt zuerst vornehmlich an der 
Gefässintima, später auch im Ödemhof und im Irisstroma; letz¬ 
teres stimmt mit den häufigen Rezidiven der Iritis luetica gut 
zusammen. Die zweikomige Form des Parasiten ist die häu¬ 
figste. Das mikroskopische Bild der menschlichen Iritis speci- 
fica kann nicht bedingungslos zum Vergleich mit diesen Be¬ 
funden herangezogen werden, weil Kanin^en weniger empfänjf- 
lich für das syphilitische Gift sind als Menschen, und weil wir 
beim Menschen nur die endogene Iritis syphilitica kennen. 

Den Ausführungen des Vortragenden trat zunächst Herr 
Kowalewski und vor allem der eine der Entdecker der Spiro¬ 
chaete pallida, Herr Prof. E. Hoffmann, entgegen. Die An- 


Erstens liegen in der menschlichen Natur Momente, welche 
dieser Volksmedicin von vonieherein Vorschub leisten- Die 
Berufsmedicin ist von den Zeiten des Hippokrates an stets be¬ 
strebt gewesen, den Mystizismus auszuscnalten und an seine 
Stelle die nüchterne Rechnung mit irdischen Dingen zu setzen, 
während die Volksmedicin stets versucht hat, die oft so ent¬ 
setzliche nackte Wahrheit der irdischen Angst mit dem Schleier 
des Mystizismus milde zu verhüllen. 

Dann kann man die Berufsmedicin nicht vollständig von 
dem Vorwurf freisprechen, indirekt eigentlich stets die Volks- 
medicin gefördert zu haben, — freilich immer wider ihren 
Willen. Erstere hjit von jeher dem Publikum ohne Aufhören 
das Bild eines schwankenden, unsicheren, widerspruchsvollen 
Wüllens und Willens gezeigt, während der Kranke in der 
Volksmedicin nie etwas von Streit und Hader zu hören bekam, 
sondern stets mit der festen Zusicherung einer unausbleiblichen 
Hilfe getröstet wurde. Ist es ein Wunder, wenn namentlicli 
kritiklose und ungebildete Menschen auf ihrem Krankenl^or 
und in ihren Schmerzen den Zuflüsterungen der arztloseo 
Laienmedicin willig ihr Ohr liehen? 

Aber in noch höherem Maße hat das Volk selbst die 
Volksmedicin grossgezogen und unterstützt Der Arzt soll eben 
nach der Meinung des Publikums stets und unter allen Um¬ 
ständen heilen, man will ferner durch die dem Leben von der 
Natur nun einmal gesteckten Grenzen nicht belästigt werden, 
ja nicht einmal etwas hören, und bereits Hippokrates konnte 


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1906. 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


39 


gnffe der beiden Herren gegen den Vortragenden bez. gegen den 
Entdecker des Cytorrhyctes lues, Herrn Dr. J. Siegel, gipfel¬ 
ten im wesentlichen in folgenden Sätzen: 

a) Es ist zu bezweifeln, dass Siegel bei seinen Makaken 
Syphilis geimpft hat, denn seine Ergebnisse weichen von denen 
aller andeq). Autoren ab. Die Makaken erkranken zam Unter¬ 
schied von Menschen und Anthropoiden nie sekundär. 

b) Die Kaninchenimpfungen können ebenfalls nicht als' 
Syphilisimpfungen angesehen werden, da ein Teil der Tiere 
schon in den ersten Wochen nach der Impfung starb. Nach¬ 
prüfungen hätten nie einen so schnellen Tod zur Folge gehabt. 

c) Die Frage, ob Cytorrhyctes oder Spirochaeten die 
Syphilis erregen, wäre zu öunsten der Spirochaeten durch alle 
Autoritäten entschieden. 

Im einzelnen führte Prof. Ho ff mann folgendes aus: -Er 
demonstriert zuächst einen Macacus cynomolgus, der am 16. XI. 
mit dem Punktion5saft indolenter Submaxillardrüsen (bei Pri- 
märafifekt an der Unterlippe) geimpft worden war und 18 Tage 
später kleine bräunlichrote papulöse Inßltrate an jeder der 3 
Impfstellen (1. u. r. Augenbrauengegend und 1. oberer Lidrand) 
beaam, die bis zu etwa Linsengrösse wuchsen, etwas schuppten, 
ohne jedoch geschwürig zu zerfallen und von Drüsenschwel¬ 
lungen begleitet zu sein; am schönsten ist in diesem Fall der 
Primäraffeat am obem Lidrand ausgebildet, der für den Oph¬ 
thalmologen ja auch besonderes Interesse bietet. Im Anschluss 
an die Demonstration gibt H. ein Bild von der nun durch 
hunderte von Experimenten Metscbnikoff’s, Neisser’s u. A. 
gut bekannt gewordenen Affensyphilis. Bei anthropomorphen 
Affen tritt nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 3 
bis 4 Wochen ein charakteristischer Primäraffekt auf, dem 
ganz wie beim Menschen regionäre Drüsenschwellung und 
Exanthem folgen. Bei den niedem Affen ist das BUd ein 
anderes; auch hier folgt nach der angegebenen Inkubationszeit 
ein flaches Infiltrat, das sich mehr oder weniger peripher ver¬ 
breitet, jedoch nicht von Drüsenschwellungen und Allgemein¬ 
erscheinungen gefolgt wird. 

Die Syphilis der niedem Affen ist also charakterisiert durch 
die lange I^ubationszeit (bis zum Auftreten der Primärläsion) 
und das Fehlen von Allgemeinerscheinungen. Das Wohlbe¬ 
finden der Affen erleidet durch die Impfsyphilis keine Ein¬ 
busse. Natürlich kann hiernach nicht behauptet werden, dass 
das syphilitische Virus bei niedem Affen nicht doch in ge¬ 
ringer Menge ins Blut übergeht und in gewisse innere Organe ge¬ 
langt, aber das steht zweifellos jetzt fest, dass es keinerlei sicht¬ 


bare AUgemeinerscheinungen macht Wo wir also der Behaup¬ 
tung begegnen, dass durch Impfung mit syphilitischem Viras 
eine schwere Erkrankung mit AUgemeinerscheinungen, Knoten 
und Geschwüren an Haut und Schleimhäuten bei niedem Affen 
erzielt worden sei, ist das grösste Misstrauen am Platze und 
die Annahme berechtigt, d^s andre Infektionen dabei eine 
Rolle spielen; wo ferner die charakteristische lange Inkubations¬ 
zeit fehlt, kann es sich nicht um eine Übertragung des reinen 
syphilitischen Virus handeln. Andere Tiere als Affen sind 
unempfänglich für das syphilitische Vims. Auch bei Affen 
geling die Haftung nur bei kutaner Impfung, subkutane und 
intraperitoneale Einbringung des Viras hat keinerlei Effekt. 
Zur Erläuterung demonstriert H. die Abbildungen von Metsch- 
nikoff, Finger und Thibierge. 

Ferner geht H. kurz auf die von Heim Kowalewsky 
und ihm auTgestellten Präparate ein. Sie zeigen die Sptr. 
pallida in ihrer charakteristischen Form in Lunge und Niere 
eines congenital-syphilitischen Kindes und in einer nässenden 
Papel nach einer schönen zuerst von Bertarelli, Volpino 
und Bovero, dann von Levaditi angegebenen Metnode. 
Die Spirochaeten liegen im Bindegewebe, um die Gefässe 
herum, in der Gefässwand (auch im Endothel) und selbst im 
Lumen der Gefässe; sie finden sich aber auch intrazellulär, 
z. B. in den Alveolarepithelien, Leberzellen etc. Dass das 
syphilitische Virus nur im Bindegewebe vorhanden sei, wie 
behauptet wurde, ist falsch, ja unmöglich; bei nicht ulzerierten 
nässenden Papeln muss es die Reteschicbt durchwandern und 
zur Oberfläche gelangen, um neue Infektionen zu bewirken. 
Levaditi und seine Mitarbeiter haben fast alle inneren Organe 
und die Hautefflorescenzen kongenital-syphilitischer Kinder, 
Primär-und Sekundärefflorescenzen Erwachsener und die Primär- 
läsionen geimpfter anthropomorpher und niederer Affen bereits 
untersucht und in ihnen die Spirochaete pallida mittels Silber¬ 
imprägnierung nachgewiesen und ihre Lagerung zu den Er¬ 
krankungsherden schon festgestellt; auch in der Placenta sind 
die Spirochaeten von Paschen-Schaudinn auf diese Weise dar.- 
gestellt worden. Durch diese Befunde werden sie mittels der 
Giemsafärbung an Ausstrichpräparaten erhobenen Tatsachen in 
schönster Weise ergänzt und die aetiologische Bedeutung der 
Spirochaete pallida bewiesen. 

In eine Diskussion über den Cytorrhyctes in dieser Ge¬ 
sellschaft einzutreten liegt dem Vortragenden fern, da er sich, 
davon wenig Erfolg verspricht. (Schluss folgt.) 


das grosse Wort gelassen aussprechen: Dass nicht alle genesen, 
darin liegt der Vorwurf gegen die Kunst Kann der Kunst- 
Arzt — sid venio verhol — nicht helfen, so muss der Volks¬ 
arzt helfen, von der Volksmedicin erwartet man sicher das, 
was die Berafsmedicin leisten sollte und auch gern geleistet 
hätte, wenn es ihr eben die Natur nicht versagt hätte. Man 
glaubt eben Menschen, welche weder eine medicmische Bildung 
genossen haben, noch auch im Besitz medicinischer Kenntnisse 
sind, kurzer Hand Alles, was sie über Heilkunde reden und 
in ihrem Namen versprechen; Worte sind ja billig und Ver¬ 
sprechungen kosten Nichts. 

Selbst der Staat muss angeklagt werden, dass er der 
Volksmedicin in ungehöriger Weise Vorschub leiste, wenigstens 
sicher in Deutschland. Zwar erlässt der Staat für die ärztliche 
Bildung, für das Bestehen der medicinischen Prüfungen strenge 
Vorschriften, er wacht auch in hohem Maße darüber, dass Nie¬ 
mand sich unbefugterweise Arzt nenne, aber — das Heilge¬ 
schäft als solches ist freigegeben, ihm kann sich Jedermann 
widmen, es darf jeder ausübenl’ Und das Unwesen der ge¬ 
werbsmäßigen arztlosen Krankenbehandlung verlangt — dieses 
kann nicht oft genug und nicht eindringlich genug horvorge- 
hoben werden — zwingenderweise das Verbot der Kurirfreiheit. 
Kuriren darf nur, wer befugt ist, sich Arzt zu nennen; und 
Arzt wird man nur durch Bestehen der vom Staate vorge¬ 
schriebenen Prüfung. Klipp und klar ist die Rechnung, aber 
wann wird sie ausgeführt werden? 


Durch diese Ausführungen angespomt, wird hoffentlich so 
mancher Leser das Buch selbst vornehmen, um die Ausfüh¬ 
rungen unseres Hugo Magnus über das Heilverfahren und 
die Heilmittel der Volksmedicin näher kennen zu lernen. Wir 
wollen hier nur der Überzeugung Raum verleihen, der Leser 
legt das Heft nicht aus den Händen, bis er durch ist. Schon 
die Kapitelüberschriften halten ihn fest und verheissen inter¬ 
essante Aufklärungen. 

Da wird von Binden und Lösen gesprochen, da handelt 
Magnus von Vernageln oder Verbohren der Krankheit, dann 
wird die Stellung der Zahl in der Volksmedicin beleuchtet, die 
Wasserbehandlung, die Verwendung des Feuers zu Heilzwecken 
und die der Erde in ähnlicher Weise passiren Revue. 

Auch eine Aufzählung der Heilmethoden, welche die Volks¬ 
medicin aus der Berufsmedicin entlehnt hat, fehlt nicht 

Zum Schluss weisst unser Führer darauf hin, dass der 
nicht gewerbsmäßig Krankeubehandlui^ treibende ‘Laie nur 
bei leichteren Kraiikheitsformen seine (jeschäftigkeit entfaltet, 
sich aber bei schweren Erkrankungen oft einer weisen thera¬ 
peutischen Enthaltsamkeit befleissigt. 

Diese Tatsache lässt uns denn auch die Volksmedicin in 
ihrer Wesenheit klar und deutlich erkennen. Sie zeigt uns, 
dass die Beweggründe der nicht gewerbmäßig Krankenbehand¬ 
lung treibenden Laien durchaus keine unbedingt verwerflichen 
gewesen sind und auch heute noch keineswegs stets sind. Gar 
mancherlei mag den Laien zur arztlosen Medicin treiben, aber 


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40 MEDICINISCHE WOCHE. Nr. 4. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

HUznn-g des Vereins für Psißciiiectrle und Xerren’ 
krankiietten. 8, Januar 1906. 

ZunäcLat spricht Herr Seiffer das Schlusswort za dem Vortrage 
SeifiFer-Borchardt. Er verteidigt dabei die Angaben von Stewart- 
Holmes gegen die Angriffe der Vorredner. 

Herr Henneberg: Die Diagnose des Hirncysticercus ge¬ 
lingt selten, die Häufigkeit des Cysticercus wechselt, der Parasit 
wird auch an sich immer seltener, was mit der Hygiene der Fleischschau 
zusammenhängt. Hirschberg hat darauf hingewiesen, dass auch bei 
Augenkranken die Häufigkeit abgenommen hat. Henneberg teilt 
ein: 1. zufälliger Befund; Cysticercen, die intra vitam keine 
Symptome machten. 2. Zweifelhafte Fälle, in denen es unsicher 
ist, ob das Gehirnleiden auf den gefundenen (verkalkten) Cysticercus 
zu beziehen ist, Henneberg berichtet einen bezüglichen Fall, doch 
lehrt die Litteratur, dass die Wirkung von Cysticercen recht unbe¬ 
rechenbar ist. Bemerkenswert ist, dass früher Geistesstörungen 
häufiger auf Cysticercen bezogen wurden. 3. Fälle von genuiner 
Epilepsie bei Cysticercose; früher sind diese Fälle häufiger ange¬ 
nommen worden, Binswanger erwähnt sie garnicht mehr als Ürsadie. 
Henneberg konnte 2 Fälle beobachten, von denen er auch Prä¬ 
parate demonstriert. In manchen Fällen infizieren sich Epileptiker 
später erst mit Cysticercus, aber es gibt auch einwandfreie Fälle. 
Ein Urteil erhält man bei der Sektion dadurch, dass man die ge¬ 
fundenen Cysticercen nach ihrem Alter beurteilen kann. Sie werden 
älter als 6 Jahre. 4. Fälle, bei denen es sich um Status hemi- 
epüepticus auf Grund von Cysticercus handelt. Henneberg hat 
einen solchen Fall, von dem er makroskopische und mikroskopische 
Präparate zeigt, beobachtet; obgleich die klinischeuErscheinungen auf 
einen operablen Tumor deuteten, starb der Kranke vorher, wobei sich 
heransstellte, dass der Cysticercus an einer anderen Stelle sass, 
als man ihn vermutet hatte. 5. Form von Cysticercus der Him- 
basis mit meningitischeu Erscheinungen, Cysticercus racemosus des 
Gehirns. Die meningitischen Erscheinungen finden sich aber auch 
hei der nicht als racemosus bezeichneten Form. Henneberg kennt 
3Fälle, von denen einermitgeteilt wird, auch Präparate gezeigt werden. 
Auffällig ist die Ähnlichkeit der meningitischen und der Gefäss- 
veränderungen mit denen der Lues. Von den klinischen Erschein¬ 
ungen sind es neben der Neuritis optica noch die leichten Lähm¬ 
ungserscheinungen der Gehimnerven. 6. Ventrikelcysticercen. 
Diese sind meist nicht eingekapselt, sie sind hier häufiger, als an 


so lange deren Vertreter nicht aus gewinnsüchtiger Absicht 
gewerbsmäßig den Arzt spielt, können wir mit dei-selben Ftth- 
Inng behalten, ja ihn unter Umständen in seinen Bestrebungen 
sogar unterstützen und fordom. 

Diese, dem Arzt sich unterordnende und zwar l)esclieiden 
unterordnende Form der Volksraedicin verdient unser Interesse, 
unsere Toilnalmie, sogar wie gesagt, unsere Unterstützung. 
Sie kann unter Bevormundung der Medicin und unter staat¬ 
licher Aufsicht sogar ein wertgeschätzter, geradezu unentbehr¬ 
licher Teil des Kraiikendienstes werden, ein Fall, welclier in 
der Krankenpflege, dem Samaritertum usw. bereits eingotreten ist. 

Bedenklich, w'ird die Volksmedicin nur dann, wenn sie zum 
gew'erbsmäßigen Kurpfuschertum ausartet. Diesen Zweig der 
Laieninedicin werden und müssen die Ärzte in allen Zweigen 
auf das Energischte verfolgen und nicht eher ruhen, als bis 
diese verbrecherischen Ausschreitungen der Volksmedicin gründ¬ 
lich ausgerottet sind. 

Mögen nur die maßgebenden Kreise, mögen Regierung 
und Volksvertretung bald zu der Einsicht gelangen, dass der 
Kampf, w'elchen die modernen Ärzte jetzt gegen die entartete 
Volksmedicin führen und führen müsscui, w'eiiiger im Interes.se 
dm* Ärzte selbst, als zum Wohl des Volkes gestritten wird. 
Jo eher und raschei* sich diese Ansicht Bahn bricht um 
so raselier wird das täglich schwer und schwerer geschädigte 
\ olkswulil wieder gesunden und wirksam geschützt werden. 


audereu Orten, es liegt das an meubamechen VerhäliuLweu, häufig 
sind sie aymptomloe. 

Henneberg sah bei einem Fall von Cysticercus hooh^^radigen Kopf¬ 
schmerz, eigentümliche Kopfhaltung, leichte Abdaoenslähmong, 
Tod in Resplratiooslähmung. Es fand sich ein Cysticercus, der 
den IV. Ventrikel nach hinten abschloss. 

Oppenheim und Bruns haben Fälle mitgeteilt, in denen die 
Diagnose gelang. Charakteristisch hält Bruns den Schwindel und 
Hinstürzen bei plötzlichen Kopfbewegungen. Oppenheim hat sich 
unter Vorbehalt dem angeschloasen. Bei dem Falle Ziehens war 
das Bruns’sche Symptom nicht zu finden. Oppenheim betonte den 
Bcbnellen Wechsel der Symptome. 

Herr Gol.dscheider: Über den materiellen Vor¬ 
gang bei Associationsbildung. Vortragender will eine 
Hypothese vortragen, er hält sie für berechtigt und notwendig, wo 
die anatomischen Studien aufhören! Das Prinzip der Association 
ist ja bekannt, wenn eine Erregungsgruppe in derselben Gruppier¬ 
ung wieder kommt, so ist sie uns bekannt, man hat versucht, den 
Vorgang morphologisch zu erklären. Bei der Association muss es sich 
bandeln um Dissimilation und Assimilation der Substanz. Verworn 
hat das weiter aasgebaut, nach ihm müssen die Lehensvorgänge ge¬ 
knüpft sein an eine labile Substanz, seine biogenen MolecOle be¬ 
stehen aus einem festen Kern und Seitenketten. Legen wir diese 
Vorstellungen der Association zu Grunde, und nehmen wir dazu 
als Element eine Zelle an. Lassen sie hier einen Erregungsvor¬ 
gang stattnnden und sich nach allen Richtungen fortpflanzen und 
sich schliesslich erschöpfen. Nehmen wir eine zweite Zelle an, in 
der desgl. ein Erregungsvorgaug stattfindet, so werden die von 
hier ausgehenden Erregungen sich mit den ersten treffen an einem 
Punkte geringsten Widerstandes. Der Erregungsvorgang findet 
die Molecüle in Auflösung (Dissimilation — status nascendi). Der 
Prozess kann sich dann weiter fortpflanzen, da die dissimilierten 
Molecüle geringen Widerstand darbieten, während zugleich neue 
reizbare Molecüle von besonderer Labilität .sich entwickeln. Die 
besten Bedingungen zur Entstehung neuer Verhiodungen bestehen 
nun in dem vollkommenen Zerfall der Molecüle. Die Hypothese 
Goldscheid er’s hat Ähnlichkeit mit der Seitenkettentheorie Ehrlich's. 

Durch die chemische Einwirkung der in feinste Atome zer¬ 
schellten Molecüle entstehen neue Möglichkeiten des Aufbaues 
labiler Molecüle. Die ganze Hypothese steht in engster Beziehung 
zu den Vorstellungen von der Üi)ung. 

Verein für innere mediein. 

Sitzung vom 7. Jan. 1906. 

Demonstrationen: Herr Manasse stellt einen jungen 
Mann vor, der nach einem Furunkel am Knie massenhafte und 
grosse Abscesse bekam. Zuletzt noch Entstehung eines subphreni¬ 
schen Abscesses. Ausgang in Heilung. 

Tagessordnung: 

1 . Herr Orth: Über Exsudatzellen im allgemeinen 
ondExsudatzellenbeiverschiedenen Meningitisformen 

im Beson der en. 

Die Exsudatzellen im eigentlichen Sinne sind unstreitig Leuco- 
cyten, zwischen beiden ist kein Unterschied vorhanden, auch in 
der GranulafUrbung zeigt sich das, die bei beiden übereinstimmt. 
Doch lässt sich nicht leugnen, dass bei manchen Formen der Ent¬ 
zündung auch andere Zellen beteiligt sind, z. B. Deckzellen, Binde¬ 
gewebszellen. Besonders bei der tuberkulösen käsigen PneuinoDie 
finden wir ein Überwiegen von Lymphocyten, ebenso im Exsudat 
der tuberkulösen Pleuritis. Boi den rein eitrigen Meningitiden 
finden sich auch verschiedene Formen von Zellen, bei der tuber¬ 
kulösen Meningitis fast nur Lymphocyten. Die Untersuchung der 
Meningitis selbst ergibt ebenfalls Unterschiede. Bei epidemischer 
Meningitis findet sich wenig Fibrin, Leucocyten herrschen vor. Da¬ 
gegen sieht man bei der tuberkulösen Meningitis fast nur Lympho¬ 
cyten, die offenbar aus dem Blut stammen. 

2. Herr Senator: Zur Frage der Behandlun g der 
frischen blutenden Magengeschwüre. 

Bei der Leube’schen Hungerkur befinden sich die Patienten 
sicher in Unterernährung. Daher giljt Vortr. ganz kleine Meugen 
Eiweiss, dagegen in der Hauptsache Leim, Fett und Zuckw. D«r 
Leim hat nicht nur blutstillende Wirkung, sondern auch hoben 


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jyoG. 


MEnTOTNTSCHE WOCHE. 


41 


Nährwert. Senator gibt in 24 Stunden Gelatine 15:200 + 50 
Elaeosacch. citri., daneben Sahne und gefrorene Butter (za. 30 gr). 
Er hat immer gute Erfolge gesehen. 

3. Herr Westenhoefer: Über mikroskop. Unter¬ 
suchungen bei epidemischer Genickstarre. 

Wenngleich manche Befunde (kleine Herde ira Herzen und 
Niere) ftir einen hämatogenen Ursprung der Affektion sprechen, so 
steht er selbst doch auf dem Standpunkt, dass es sich um eine 
lymphogene Entstehung der Erkrankxmg handelt. Schlüssige Be¬ 
weise fehlen allerdings. Carl Lewin, 

Sitzung vom 15. Januar 1906. 

Herr L. Lewin: Das Schicksal körperfremder chemi¬ 
scher Stoffe im Menschen. 

Körperfremde chemische Stoffe, welche dem Organismus von 
aussen eingeführt werden, müssen dort denselben chemischen Ge¬ 
setzen unterliegen wie ausserhalb. Sie erfahren teils eine Oxidation 
teils eine Reduktion; es kann auch der Körper an ein und der¬ 
selben Substanz oxydieren und reduzieren, z. B, dem Perricyan- 
kalium. 

Eine bestimmte Zweckmäßigkeit, nämlich die der Entgiftung, 
lässt sich nicht durchgehend bei den chemischen Vorgängen im 
Organismus verfolgen; auch trifft es nicht immer zu, dass der 
Körper das Bestreben bat, eine schwerlösliche Substanz löslich 
und zur Aufnahme geeignet zu machen. 

Die Ausscheidung körperfremder Stoffe geschieht entweder 
schnell, d. i. in absehbarer Zeit, oder es kommt zu einer Deponie¬ 
rung oder Fixierung im Körper. Ala Ausscheidungsorgane funk¬ 
tionieren die Drüsen, deren Tätigkeit individuell sehr verschieden 
ist. Ihre Leistungen können nur bis zu einer gewissen Reizhöhe 
gesteigert werden, über die hinaus es zu einer Schädigung kommen 
muss. Jede einzelne Drüse nimmt an der Ausscheidungsarbeit 
teil, sofern sie gesund ist, so die Speichel- und Magendrttsen an 
der Ausscheidung subkutan verabreichter Medikamente resp. Gifte: 
bei der Schlangenbissvergiftung kann man z. B. im Magen eine ge¬ 
nügende Menge des Schlangengiftes vorfnden, um ^e typische 
Vergiftung eines Hundes damit zu erzielen. Äusserst wichtig, be¬ 
sonders in forensischer Beziehung, ist die Ausscheidung von medi¬ 
kamentösen Stoffen durch die säugende Brustdrüse. — Eine De¬ 
ponierung von Medikamenten für längere Zeit findet bei der ge¬ 
werblichen Bleivergiftung statt. — 

Vortr. Bchliesst mit dem Hinweis, es ist Sache des Arztes, 
möglichst viele Drüsen teilnehmen zu lassen an der Ausscheidung 
körperfremder Stoffe, die von aussen eingeführt worden oder als 
Krankheitsprodukte im Stoffwechsel entstanden sind. 

Fritz Levy. 

BerU/ner medicinische Gesellschaft» 

Sitzimg vom 10. Januar 1905. 

Vor der Tagesordnung: 

Siegel demonstriert einen mit Lues geimpften niederen Affen, 
der allgemeine Drüsenanschwellungen. Papeln am Gesäss und den 
Genitalien und ausgedehnte Psoriasis als Krankheitserscheinuogen 
zeigt. Das Luesmaterial stammte von syphilitischer Placenta und 
wurde in 3 Etappen subcutan injiziert; nach der ersten traten 
die Drüsenschwellungen, nach der zweiten die Psoriasis, nach der 
dritten die Papeln auf. 

Lassar bewundert das vollkommene Luesbild, das der Affe 
bietet und fragt nach dem Befund von Cytorrhyctes und Spiro- 
chaeten. 

Siegel. Die vor einigen Tagen vorgenommene Blutunter- 
suchung des Affen hat reichlich Cytorrhyctes ergeben (etwa 1 auf 
200 Blutkörperchen), Spirochaete pallida hat er oft bei seinen 
Untersuchtmgen gesehen, aber fast immer mit anderen Formen 
oder Fäulnisbakterien vergesellschaftet. 

Aus dem städtischen. Siechenhaua wird ein Patient demon¬ 
striert, der seit langem an Taboparalyse leidet. Vor etwa 1 Jahr 
wurde ein Prostatacarcinom konstatiert und in den letzten Monaten 
Uesen sich Knochenmetastasen am Thorax nachweisen; ein seltener 
Befund in vivo. Demonstrationen von durch Autopsie gewonnenen 
Präparaten von Prostata carcinomen und Knochenmetastasen. 


Tagesordnung: 

Holzknecht (Wien) a. G. Die diagnostische Röntgendurch¬ 
leuchtung des Magens mit besonderer BerUcksiohtigaug der An¬ 
fangsstadien des Carcinoms. 

Das radiologische Bild der Bauchhöhle ist nur zu erhalten bei 
Elmführung von Stoffen in die Organe, die dichteres oder leichteres 
spezifisches Gewicht als die Umgebung haben; ersteres ist mehrfach 
versucht. Er selbst bat mit der Wismutbkapsel, Wismutbwasser 
und Wismuthbrei (Rieger’sche Mahlzeit) gearbeitet. Wichtig für 
die Technik ist weiter die Verwendung enger Blenden, Kompression 
des Abdomens mit dem Schirm. Photogramme ergeben nur selten 
gute Bilder; genaue Untersuchung erlaubt nur die Beobachtung 
am Fluorescenzschirm. Während des Essens sieht man die breiige 
Speise durch den Ösophagus in den Magen fliessen; hier wird sie 
durch eine oberhalb gebildete Luftblase fortgesdioben, die für die 
allmähliche Elntfaltung des Magens von Bedeutimg zu sein scheint; 
der Speisebrei steigt weiter meist vertikal herab; erst allmählich 
sammelt er sich horizontal unter deutlichem Hervortreten der grossen 
Curvator; schliesslich formiert sich der pylorische Teil. Wissmuth- 
wasser kann man gelegentlich schnell durch den Magen rinnen 
imd gleich aus dem Pylorus, der im Ruhezustand wohl als offen, 
aber mit sehr engem Lumen anzusehen ist, aosfliessen und sich 
dann schlangenartig durch den Darm ergiessen sehen. Die Beob- 
aditung kleinerer Blendenkreise der grossen Curvatur lässt leicht 
die Peristaltik erkennen, die in zirkulären Wellen erfolgt. Kon¬ 
stant kommt es schliesslich bei der Peristaltik zu einer Eanschnürung 
des Magenschlauchs vor dem Pylorus, Bildung des Antrum pylori. 
Ist hier der Abschluss vollständig, sodass ein Znrücktreten des 
Speisebreies in den Magen nicht möglich ist, so wird der Speise¬ 
brei durch Kontraktionen des Antmmteiles durdi den Pylorus ge¬ 
presst. Im Liegen ist das radiologische Bild des Magens ein sehr 
variirendes und verwaschenes. Im Stehen zeigt der Magen meist 
eine vertikale Stellung, mit mehr oder minder erheblicher Hubhöhe 
zum Pylorus, Seltener, etwa in 20 % der Fälle, hat er eine horizontale 
Lage; wo diese sich findet, ist sie konstant. Wahrscheinlich ist 
die letztere Form die normale, die andere, wenn auch viel häufigere, 
schon pathologisch. Sie erscheint in allen Übergängen zur Gas- 
troptose. An durch Pausen am Schirm gewonnenen Bildern werden 
die Verhältnisse demonstriert. Was nun die pathologischen Ver¬ 
änderungen, speziell die Tumoren, betrifft, so treten sie als raum¬ 
beengende Bildungen in die Erscheinung nach drei Richtungen hin: 
1. sie lassen ungefüllte R.äame entstehen und geben Defekte des 
Dorchfiiessens des Speisebreies und des Ausflusses, 2. sie bedingen 
abnorme Grenz- und Kontourenführungen, 3. sie verursachen Ab¬ 
weichungen der Peristaltik. Durch diese Beobachtungen lassen 
sich Tumoren nachweisen, die nicht palpabel sind. H. hat so in 
12 Fällen die Diagnose Magentumor stellen können, die durch die 
Operation, auch hinsichtlich der vermuteten Lokalisation, verifiziert 
wurde. Durch Demonstration an Bildern werden einige dieser 
Fälle erläutert. 

Diskussion. 

Grunmach warnt davor, zu grosse Hoffnungen, bezgl. der 
Möglichkeit frühzeitiger Carcinomdiagnose an die Mitteilungen zu 
knüpfen, er glaubt, dass die chemische Untersuchung auch weiter¬ 
hin wohl mehr leisten wird. 

Steisser zeigt auf der 2. medicin. Klinik gewonnene Röntgen¬ 
photogramme vom Magen, damnter solche, die die Diagnose eines 
Carcinoms ermöglichten, das weder palpabel noch durch chemische 
Untersuchung nachzuweisen war. 

Levy-Dorn glaubt, dass die grossen Wismuthmengen, die 
erforderlich sind, die Untersuchungen wohl nur ftir die Klinik er¬ 
möglichen, nicht im Ambulatorium. Er befürchtet, dass bei der 
notwendigen langen Belichtungsdauer eine starke Dermatitisgefahr 
besteht. 

Kraus bewandert die Vollständigkeit der Beobachtungen. 
Die vertikale Stellung des Magens scheint ihm die normale. 

Dasselbe betont von Hansemann nach anatomischen Untei- 
suchungen. P. 


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42 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 4. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn, Berlin-Charlottenbiirg. 

Noch haben in weiten Teilen Dentschlands die Ärzte zu 
kämpfen in der Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen gegen¬ 
über den Krankenkassen, noch sind hier in Berlin die Wunden 
nicht vernarbt, die jene Kämpfe geschlagen haben, noch be¬ 
schäftigen wir uns mit der Abwehr mannigfacher drohender 
Schädigungen, wie dem Überhandnehmen der Polikliniken, der 
Verstadtli^ung des Rettnngswesens, der Neuorganisation der Armen- 
krankenpflege etc., und schon erscheint eine neue wirtschaftliche 
Gefahr ganz geeignet, den Aerzten zu einer schweren Crux zu 
werden: die Gründung von Mittelstandskassen. 

Schon seit längerer Zeit hat sich der sogenannte Mittelstand 
Deutschlands zu einer deutschen Mittelstandsvereinigung zusammen¬ 
getan, die bereits vielfach Ortsgruppen gebildet bat und auch politisch 
bereits einige Male hervorgetreten ist. Diese Partei — so kann 
man sie wohl nennen — beabsichtigt nun, Kassen zu gründen 
und ihren Mitgliedern und deren Angehörigen freie ärztliche Be¬ 
handlung zu gewähren. Als Lockmittel für die Arzte soll freie 
Arztwahl und angemessene Bezahlung bewilligt werden. Ihre 
Werbetätigkeit begann die Vereinigung in Süddeutschland, fand bei 
den im Allgemeinen recht schlecht bezahlten Württembergischen 
Aerzten Entgegenkommen und wusste auch erstaunlicher Weise 
die sonst gut orgmiiaierten Münchener Kollegen so zu bearbeiten, 
dass dort leider ein Vertragsschluss schon für die nächste Zeit in 
Aussicht zu stehen scheint. Welcher Schaden den Ärzten erwüchse, 
wenn jetzt wiederum ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung der 
freien ärztlichen Täti^eit entzogen würde, brauchen wir hier nur 
kurz zu skizzieren: Über die Präge des Einkommens, mit welchem 
Personen in die Kasse Auftiahme finden, lässt sich natürlich etwas 
Sicheres nicht festlegen. Die Kasse würde bei den Ansprüchen, 
die ihre sozial besser gestellten Mitglieder machen würden, recht 
teuer arbeiten, bald wohl in Schwierigkeiten geraten und dann nach 
bekanntem Schema versuchen, die ärztlichen Honorare zu drücken. 
Die Aerzte würden sich strengen Kontrollmaßregeln unterwerfen 
müssen, was bei dem Krankenversicherungsgesetz unvermeidlich 
ist; Ansehen und Unabhängigkeit des Standes würden immer mehr 
gefährdet. 

All diese Gründe und die berechtigte Annahme, dass die 
Mittelstandsvereinigung, wenn sie in Münzen ihren Willen durch¬ 
setzte, bald ihre Netze in Berlin auswerfen werde, hat die Ber¬ 
liner Ärzte zu schleunigen und energischen Gegenmaßregeln ver¬ 
anlasst. Es gebührt dem Kollegen Mol 1, der bisher in wirtschaft¬ 
lichen Fragen sich nicht bethätigt hat, das Verdienst, in dieser 
Sache alle Ärztegruppen von Gross-Berlin geeinigt zu haben. 
Nachdem ein freies Komit4 von Kollegen aus den verschiedensten 
Lagern gebildet worden war, wurden die Vertreter aller kollegialen und 
wirtschaftlichen Ärztevereine Berlins und der Vororte zu einer 
Sitzung eingeladen, die am 10. d. M. stattfand und einen bisher 
in den Annalen der Berliner Ärztebewegung angekannten Anblick 
bot: „Was sich noch jüngst in blutigem Hass getrennet^*, sass 
friedlich mileinander beim sauren Moselwein und die Vertreter der 
freigewählten, wie der fixierten Ärzte, der Berliner Kassenärzte 
und des Gewerkskrankenvereins, der Standesvereine und des 
Ärztevereinsbundes — alle waren einig in der Verurteilung des 
Planes der Mittelstandsvereinigung. So wurde denn nach einem 
einleitenden Referat Hesselbarths einstimmig die folgende 
Resolution angenommen: 

Die Ärzteschaft von Gross-Berlin bestreitet nicht die Berech¬ 
tigung aller Klassen der Bevölkerung, also auch des Mittelstandes, 
zum Zwecke der Versicherung gegen Krankheit genossenschaft¬ 
liche Vereinigungen zu bilden, soweit diese den Mitgliedern eine 
Beihilfe für den Fall der Erkrankung sichern. Dagegen hält sie 
es für unstatthaft, dass ein Arzt oder eine ärztliche Vereinigung 
mit irgend einer neu zu gründenden Vereinigung, die andere als 
versicherungspflichtige Personen anfnimmt, z. B. einer Mittelstands¬ 
kasse, ein Verfcragsverhältnis über Leistung ärztlicher Hilfe ein¬ 
geht. Bestehende Verhältnisse werden durch diese Resolution 
nicht berührt. 

Eine ausgedehnte Debatte entspann sich über die nun zur 
Durchführung dieser Resolution einztisdilagenden Taktik. Von 


mehreren Seiten wurde gewünscht, dass alle Ärzte durch einen 
Revers verpfliditet werden sollten, eine Ansicht die mehrfach, auch 
vom Schreiber dieser Zeilen, unter Hinweis auf die Aussichtslosig¬ 
keit, auch Dur die Majorität der Ärzte zur Reversunterzeichnung 
zu bringen, die Gefahr für die betr. Vereinsorganisation und die 
trüben filrfahrungen, die hier in Berlin mit zwei Reversen, dem der 
Ärztekammer und dem des Ärztevereinsbundes gemacht worden 
sind, bekämpft wurde. Schliesslich gelangten folgende zwei An¬ 
träge zur Annahme: a) die von der Versammlung besohloasene 
Resolution den Vereinen zur Beschlussfassung vorzulegen und den 
Vereinen zu empfehlen, im Falle der Annahme der Resolution die 
Mitglieder zu ersuchen, die Resolution als bindend für sich an- 
znerkennen. b) Die Vereine werden ersucht, sich bis Ende dieses 
Monats über die ihnen heute zugegangenen Anträge schlüssig zu 
machen. 

Nim haben die Vereine das Wort. Möge ihre Kundgebung 
ebenso einmütig und entschieden ausfallen wie die ihrer Vertreter; 
dann wird hoffentlich die „deutsche Mittelstandsvereinigung** darauf 
verzichten müssen, hier in Berlin sich Riemen zu schneiden aus der 
Haut der Ärzte. 


Literarische Monatsschau. 

Hygiene, Bakteriologie. 

lu den letzten Jahren sind die typhusähnlichen Erkrankungen 
Uber die zuerst SchottmUller eingehendere Beobachtungen an- 
gestellthat, eines lebhafteren Interesses gewürdigt worden. Schotte- 
lius (Münch. Medicin. W. Nr, 44) teilt genaue bakteriologische 
Untersuchungen mit, die er bei einer Paratyphus-Epidemie vorge¬ 
nommen hat. Es handelte sich um eine lokale Epidemie in einem 
Gasthause, wo eine alte Senkgrube wieder eröffnet worden war 
und bei der Ausräumung eine starke Verunreinigung des Trans¬ 
portweges stattgefuiiden hatte; nach 14 Tagen trat bei mehreren 
Personen eine akute, fieberhafte, mit Darmerscheinungen einher- 
gehende Erkrankung auf. In der Klinik gelang es nicht, aus 
dem Blute Kranker gezüchtete Bakterienkulturen mit Typhus zu 
identifizieren. Die genauere Untersuchung mit differenziereDdeD 
Nährböden, die eingehend beschrieben werden, ergab eindeutig 
als Erreger ParatyphusbazUlen Typus B; dieselben wurden gleich¬ 
falls im Urin und in den Fäoes der Kranken nachgewiesen. Neben 
dem Kulturverfabren erwies sich das Agglutinationsphänomen als 
wertvoll zur Differenzierung. In allen 10 Krankheitsfällen war 
der Titer für Paratyphus B von der 1. halben Stande an dem 
der andern Arten: Typhus, ParatyphusA, Bakterium coli, weit 
überlegen; der Unterschied der Ägglutinationsmaxima war ver¬ 
schieden ; doch wurde Paratyphus B zum mindesten von der vier¬ 
fach höheren Verdünnung des Typhusagglutinationsmaximums ag- 
glutiniert. Durch Kultur und Agglutinationsphänomene ist danach 
eine sichere Differenzierung der verschiedenen Typhnsarten mög¬ 
lich, nur diese ist die Bedingung für eine zn erstrebende und wohl 
aussichtsreiche zielbewusste serotherapeutische Behandlung. 

Über eine kleine paratyphöse Epidemie berichtet Vage des 
(Klin. Jahrbuch Bd. 14) aus dem Gamisonlazarett Tempelhof. I 
Personen, die von einer am Tage vor der Darreiohong bereiteten 
Griesspeise genossen hatten, erkrankten plötzlich unter dem klini¬ 
schen Bilde einer akut fieberhaften Gastroenteritis; ein Kind 
(14 Jahre alt) starb. Die Autopsie ergab nidits Charakteristisches. 
Bei der bakteriologischen Untersuchung dagegen fand sich ein 
Bazillus, der nahe Verwandtschaft zum Paratyphusbazillus Typus B 
sowie zum Mäuset^'phusbazillus aufwies. Hier ist zum ersten Male 
bei einer nicht durch Fleisch, sondern durdi ein anderes Nahrungs* 
mittel verursachten Vergiftung eine zur Gruppe der Paratyphos- 
bazillen gehörige Bakterienart als wahrscheiuHcher Erreger nach- 
gewiesen. 

Tischler (Mündien. medicin. W. Nr. 43) beschreibt eine 
T^husepidemie unter Schulkindern, die dadurch bemerkenswert ist, 
dass sie zunächst durchaus den Eindruck einer paratyphösen Br- 
kranknng machte. Die Epidemie brach explosionsartig aus; das 
I klinische Bild entsprach nicht dem Abdominaltyphus, sondern nw 
I einer typhusähnlichen Erkrankung; auch die Ätiologie liess an 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


43 


einen Paratyphus denken, da die zuerst erkrankten Kinder sämt¬ 
lich ärmere Schulkinder waren, die eine Suppenanstalt frequentierten; 
trotz genauer Nachforschungen Hess sich allerdings hier keine be¬ 
stimmte Ursache, verdorbenes Nahrungsmaterial, nachweisen. Erst 
die bakteriologische Untersuchung, ganz besonders die Wid al'sehe 
Reaktion, zeigte, -dass es sich bei der Epidemie um echten Abdo- 
minaltjrphus handelte. Für den Sanitätsbeamten ist die Entschei¬ 
dung, ob es sich bei einer Epidemie um echten Typhus oder eine 
paratyphöse Erkrankimg handelt, von grosser Bedeutung; die 
Serumreaktion wird ihm hier die wichtigste Probe sein. 

Zur Frage der Versdileppung typhöser Krankheiten berichtet 
Mayer (Münöh. medicin. W. Nr. 47) über eine interessante Be¬ 
obachtung. Durch einen Zufall wurden im Laboratorium auf ein 
Brett, auf dem ein Käfig mit Mäusen, die mit hochvirulentem 
Mäusetyphus geimpft waren, stand, Käfige mit Mäusen, die mit 
verschiedenen Bakterien infiziert waren, gestellt. Diese gingen 
nun in wenigen Tagen ein und zwar an Mäusetyphus, während 
die in gleicher Weise infizierten aber am gewohnten Ort gebliebenen 
Tiere gesund blieben. Es erwies sich als wahrscheinlich, dass die 
Übertragung des Mäusetyphus auf die zufällig auf das Mäusetyphus¬ 
brett gestellten Tiere durch Ameisen vermittelt worden war, und 
die bakteriologische Untersuchung gefangener Ameisen ergab in 
der Tat, dass diese Träger von Mäusetypbusbazillen waren, die sie 
wahrscheinlich mit den Exkrementen ausschieden. Eine Fortsetz¬ 
ung der Versuche wurde dadurch verhindert, dass M. selbst eine 
Woche nach dem Auftreten der Ameisen erkrankte an einer fieber¬ 
haften, mit Delirien, Schüttelfrösten und Darmerscheinungen ein- 
hergehenden Infektion; als deren Erreger konnte nach den Ergeb¬ 
nissen der Untersuchung des Blutserums und der Fäces nur der 
Mäusetyphusbazillus angesprochen werden. Eine Verschleppung 
typhöser Erkrankungen durch Ameisen erscheint danach möglich, 
und hoch virulent gezüchteten Löffler’s c hen Mäusetyphusbazillen 
ist eine Pathogenität ftlr den Menschen zuzusprechen. 

Ausgedehnte Untersuchungen und Versuchsreisen über Pneu¬ 
mokokken, ihre Morphologie im mikroskopischen Bild und in der 
Kultur, über ihre Virulenz und ihr Verhalten zum Serum hat 
Knidborg (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 
Bd. 51 Heft 2) angestellt, als deren wichtigste Ergebnisse die 
folgenden hervorzuheben sind: Die dem Typus des Fränkel- 
Weichselbaum’schenPneumokokkus entsprechenden Bakterien 
weisen morphologische Differenzen in der Richtung überwiegender 
Grösse oder ausserordentlicher Kleinheit auf; grössere Überein- 
stimmtmg herrscht in den kulturellen Eigenschaften; nur ein Stamm, 
der sonst typisch und virulent war, unterschied sich von allen 
andern durch die Eigenschaft, Gelatine zu verflüssigen. Glyzerin¬ 
agar ist für praktische Zwecke allen komplizierten Nährböden vor¬ 
zuziehen. Die Virulenz unterliegt grossen Schwankungen; meist 
sind Pneumonie-Pneumokokken die virulentesten. Speichelkokken 
besiteen eine konstante Virulenz mittleren Grades. Stämme aus 
alten Eiterherden (Abscesse, Empyeme) sind avirulent. Öftere 
Umzüchtung und Tierpai^ge sind meist zur Erhaltimg der Viru¬ 
lenz notwendig. Padiogenität besitzen die Pneumokokken für 
Mäuse, Kaninchen, Meerschweinchen, aber auch für Tauben; die 
Tiere erkranken unter dem Bilde allgemeiner Sepsis; die Art der 
Pathogenität ist für die einzelnen Stämme verschieden. Die Ag¬ 
glutination ist eine spezifische für den Stamm, mittelst dessen das 
agglutinierende Serum erzeugt ist; der Grad der Agglutination 
kann ein sehr hoher sein (1: 1000 bei Kaninchen, 1:100 000 bei 
Schafserum). Die Widal’sche Technik ist die geeignetste für die 
Anstellung der Agglutination. Es {gelingt"'aktive und passive 
Immunisierung gegen den Pneumokokkus; jedoch ist die Immu¬ 
nisierung für den dazu benutzten Stamm streng spezifisch. Die 
Pneumokokken sind eine Vielheit verwandter Bakterien, ebenso wie 
die Streptokokken; man hat also nicht mehr von dem Pneumo¬ 
kokkus, sondern von den Pneumokokken zu sprechen. 

Dass die Erreger des Tetanus im Erdboden zahlreich ver¬ 
breitet sind, ist als Tatsache anerkannt, und die sich daraus er¬ 
gebenden Konsequenzen für die Praxis sind allgemein beobachtet. 
Strittiger ist die Frage, ob auch in Fäces von Tier und Mensch 
Tetanusbakterien Vorkommen können. Die bisherigen" Versuche 
zeigten, dass eine Infektion mit Tetanus vom Darmtraktus aus bei 
empfincllichen Tieren nicht zu erzielen ist; das erlaubt den Schluss, 


dass die Tiere die Bkreger in ihrem Intestinaltraktus beherbergen 
können, ohne dass sie i^en selbst schaden. Hoffmann (Hygie¬ 
nische Rundschau Nr. 24) hat nun eine Reibe von Impfversuchen 
mit aus Tierkoth in besonderer Weise gewonnenen Material an¬ 
gestellt. Unter 22 Versuchen ergab einer ein positives Resultat; 
und zwar stammte das Impfmaterial aus PferdefUces. Es ergibt 
sich daraus das praktisch wichtige Resultat, alle mit Tierfäces be¬ 
sudelten Wunden als tetanussuspekt zu behandeln. 

Versuche, sich bei der Stellung der Lyssadiagnose unabhängig 
zu machen von der langwierigeren biologischen Probe, die nicht 
nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern gerade für die Praxis 
von grösster Wichtigkeit sind, sind zahlreich gemacht worden, so¬ 
wohl in der Richtung der bakteriologischen, wie der pathologisch¬ 
anatomischen Untersuchung. Während die ersteren bisher alle 
fehlgeschlagen sind, scheint durch die letzteren mit der Entdeckung 
der Negri’schen Körperchen ein wesentlicher Fortschritt gegeben 
zu sein. Bohne (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrank¬ 
heiten, Bd. 62, Heft 1) hat 170 Gehirne von Menschen und ver¬ 
schiedenen Tieren, die zwecks Stellung der Diagnose eingesandt 
waren, auf die Anwesenheit der Negri’schen Körperchen unter¬ 
sucht und die Ergebnisse mit denen der gleichzeitig angestellten 
Tierversuche verglichen. Li 99* Fällen ergaben ein positives Re¬ 
sultat der Tierversuch sowohl wie die mikroskopische Untersuchung, 
in 10 Fällen war nur der Tierversuch positiv; bei 61 zeigten bio¬ 
logische und mikroskopische Untersuchung ein negatives Ergebnis. 
Niemals kam es vor, dass Versuchstiere bei Nachweis von Negri’scheu 
Körperchen im Impfmaterial am Leben blieben. KontroUunter- 
Buchungen an 50 Gehirnen verschiedener Provenienz ergaben nie¬ 
mals einen positiven Befund Negri’scher Körperchen. Wichtig ist 
die Untersuchungstechnik: die Verwendung der Schnelleinbettungs¬ 
methode nait Acieton-Paraffin durch die schon in drei Stunden 
brauchbare Schnitte geliefert werden. Die Ergebnisse der Unter¬ 
suchungen lassen sich dabei zusammenfassen: Die Negri’schen 
Körperchen sind spezifisch für Lyssa. Mit der Schnelleinbettungs¬ 
methode ist man imstande, in wenigen Stunden die Lyssadiagnose 
zu stellen, mit der Maßnahme, dass nur ein positives Resultat 
entscheidet; ist das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung 
negativ, so muss auf den Tierversuch zurückgegriffen werden. 
Ob in den Negri’schen Körperchen die Erreger der Lyssa zu sehen 
sind, wagt B. noch nicht zu entscheiden. 

Nach eingehender kritischer Besprechung aller bisher vor¬ 
genommenen Versuche, Rinder gegen die experimentelle Infektion 
mit Perlsucht zu immunisieren, teilen Koch, Schütz, Neufeld, 
Miessner (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 
Bd. 51, Heft 2) die Ergebnisse ihrer langreihigen Versuche in 
dieser Richtung mit. Daraus ergibt sich, dass es durch einmalige 
Injektion von 1—3®* Bacillen der menschlichen Tuberkulose be¬ 
ziehungsweise abgeschwächter Bazillen der Perlsucht gelingt, 
Rinder gegen hochvirulente Bacillen der Perlsucht zu immuni¬ 
sieren. Die benutzten Bacillen waren auf Glycerini bouillon ge¬ 
züchtet und mussten ein Alter von 30—40 Tagen haben. Sie 
wurden zwischen Filtrierpapier getrocknet und füe erforderliche 
Menge mit 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung vermischt in¬ 
travenös injiziert. Nach etwa drei Monaten trat völlige Immuni¬ 
tät der geimpften Kälber ein. Das Problem der Immuni¬ 
sierung von Kälbern gegen Perlsucht ist danach insoweit gelöst, 
als nun die Bedingungen erkannt sind, unter denen im Labo- 
ratoriumsversuch Tiere sich mit grosser Sicherheit gegen recht 
erhebliche Mengen des virulentesten Materials immunisieren lassen; 
und dieser hohe Grad von Sicherheit lässt sich im Vergleich mit 
{mderen Krankheiten durch eine verhältnismässig einfache Methode 
erzielen. Es muss aber stets berücksichtigt werden, dass das zu¬ 
nächst nur für den Laboratoriumsversuch gilt. Trotzdem die In¬ 
fektion eine sehr schwere, wohl schwerere als die bei der natür¬ 
lichen Übertragung der Krankheit anzunehmende war, lassen sich 
die Ergebnisse doch nicht einfach auf die Praxis übertragen. Die 
natürliche Übertragung ist eben eine andersartige. Und zu allge¬ 
meineren Schlüssen werden die Versuchsergebnisse erst be¬ 
rechtigen, wenn in der Praxis studiert ist, wie sich der natürlichen 
Übertragung gegenüber die künstlich immunisierten Tiere verhalten. 

Über die Einwirkung von Radiumemanation auf pathogene 
Bakterien haben Dorn, Baumann, Valentinen (Zeitschrift für 
Hygiene und Infektionsfoankheiten, Bd. 61, Heft 2) Untersuchungen 


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44 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 4. 


augestellt. Zu den Versuchen wurden verschiedene Typhnsstämme, 
daneben aber auch Choleravibrionen, Diphtherie' und Mäusetyphus> 
bacillen genommen. Eis ergab sich, dass die Radiumemanation stets 
eine Elntwicklungshemmung, vielfach auch eine AbtOtung der Keime 
herbeiführte. 

Über die Vernichtung der Bakterien im Wasser durch 
Protozoen hat Huntemüller (Archiv für Hygiene, Bd. 54, Hf. 2) 
zahlreiche Versuche angestellt, die übereinstimmend zeigen, dass 
in grosser Zahl in Wasser überimpfte Typhuskeime in wenigen 
Tagen durch Protozoen vernichtet oder so decimiert werden, dass 
sie nur noch schwer im Wasser nachzuweisen sind. Die Flagel¬ 
laten zeigen während der Zeit eine ganz bedeutende Vermehrung, 
die erst nach Verschwinden der Typhusbacillen wieder abnimmt. 
Dass die Abnahme der Typhuskeime im Wasser durch die Tätig¬ 
keit der Protozoen bedingt war, war hiermit wahrscheinlich, liess 
sich aber durch mikroskopische Untersuchungen sicherstellen. Nach 
besonderem Verfahren gefärbten lebenden Typhusbacillenkulturen 
wurde flagellatenhaltiges Wasser zugesetzt, und hier liess sich 
dann unter dem Mikroskop in allen Stadien der Verdauimgsvorgang 
der Bakterien durch die Flagellaten von der Aufnahme bis zur 
völligen Auflösung verfolgen. Danach ist es wohl als sicher an- 
zunehmen, dass es nicht das Überwuchern und die Konkurrenz 
der Wasserbakterien, sondern die Tätigkeit der Protozoen ist, die 
die Typhuskeime im Wasser vernichtet. 

Über die Vorgänge bei der Selbstreinigung des Wassers sind 
noch die widersprechendsten Anschauungen verbreitet. Zur An- 
bahnimg einer Klärung teilt Hofer (Münch. Medic. Wochenschrift 
Nr. 47) die EIrfahrungen mit, die er besonders bei der Unter¬ 
suchung der Selbstreinigung der Isar und einiger anderer fliessender 
und stehender Gewässer gemacht hat. Es sind zu unterscheiden 
Vorgänge, welche die allmähliche Reinigung vorbereiten; das sind 
die Verdünnung der eingeleiteten Schmutzstofife, die mechanische 
Zerkleinerung derselben durch das iliessende Wasser und die 
Sedimentierung, von denen der letzteren die wichtigste Bedeutung 
zuzuschreiben ist. Die eigentliche Selbstreinigung, bei der die 
Schmutzstoffe in Formen übergeführt werden, die das Wasser für 
seine verschiedenen Nutzungszwecke nicht mehr schädlich ver¬ 
ändern, besteht 1. in chemischen Umwandlungsprozessen, 2. in 
einer Zersetzung der organischen Substanz durch lebende Or- 
ganismeu. Während man bisher unter den biologischen Faktoren 
der Selbstreinigung die Bakterien stets in den Vordergrund ge¬ 
stellt und ihnen den Hauptefifekt der Selbstreinigung zugeschriebeo 
hat, glaubt H. ihnen nur eine geringe Bedeutung beimessen zu 
können. Eine grössere Bolle spielen gewisse Abwasserpilze, die 
in der Issu* in kollossalen Massen die festen Gegenstände am Boden 
überziehen. Sie wuchern anscheinend auf Kosten des im Wasser 
enthaltenen Zuckers, sind also wohl als Zuckerzehrer zu bezeichnen; 
sie zerstöron einen wenig schädlichen Körper, tragen dagegen 
durch ihre Anwesenheit und besonders durdi die Art ihres Zer¬ 
falls zu den augenfälligsten Verunreinigungen des Wassers bei. 
Die wichtigste Rolle unter den Selbstreinigem sind tierische Or¬ 
ganismen und zwar Protozoen, Schlammwürmer, dann Insekten¬ 
larven, Crustaceen. Dieselben halten sich am, resp. im Boden auf; 
ihre Tätigkeit vollzieht sich in der Weise, dass sie die den Boden 
sich ablagemden Sedimente aufhehmen und verzehren. Der Grund 
der Isar ist deshalb mit den Fäkalien dieser Tiere sowie mit den 
Anteilen der Schlammablagerung direkt durchsetzt und in Fäulnis 
begriffen. Der Vorgang der Selbstreinigung spielt sich also im 
wesentlichen im und am Boden, durch die allmähliche Aufzehrung 
der sedimentierten Verunreinigungskörper durch die im und am 
Boden lebenden Tiere ab; er ist also in der Hanptsache eine 
Funktion des Bodens. In stehenden Gewässern spielen neben den 
bodenständigen Organismen noch eine sehr bedeutende Rolle die 
Massen der sogen. Planktonlebewesen, die im fliessenden Wasser 
die bewegte Welle nicht gedeihen lässt. Daher erscheint die 
selbstreinigende Kraft der stehenden Gewässer am grössten. Da¬ 
rüber gibt auch die Produktivität der Gewässer an Fischfleisch 
einen ziffernmäßigen Ausdruck; die sogen. Dorfteiche übertreffen 
in dieser Hinsicht um ein vielfaches die fliessenden Gewässer. 
Die verschiedene Produktivität der Gewässer ist eben nichts 
anderes als der Ausdruck der darin vorhandenen Mengen an 
niederen Pflanzen \md Tieren und ihres Stoffwechsels, mit anderen 
Worten der in 'den Gewässern sich abspielenden biologischen 


Selbstreinigung. Diese Überlegungen führen dazu, zur Reinigung 
von Abwässern die Einleitung organiscflier Stoffe in Elrdteiche zu 
empfehlen, die flächenhaft auf grösserem Grund ausgebreitet zu 
Fischteichen hergerichtet werden können, ein System, das nicht 
nur geringe Kosten verursacht, sondern durch die Produktion von 
Fischfleisch noch eine nicht unerhebliche Rente abwerfen kann. 

Veranlasst durch die in Darmstadt vorgekommenen bedauer¬ 
lichen Vergütungen durch verdorbene Bohnenkonserven hat Belser 
(Archiv für Hygiene, Bd. 54, Heft 2) eingehende Untersochungen 
über verdorbene Gemüsekonserven angestellt Als wichtigste Ur¬ 
sachen, die Bombagen der Konserven, Gasbildung im Inneren der 
Büchsen und Auftreibung derselben, herbeiführen, sind zu be¬ 
trachten: 1. Die Temperaturen im Inneren der Büchsen erreichen 
nicht die nötige Höhe, einmal wenn zu kurz sterilisiert wird, dann 
wenn Luft im Autoklaven oder in der Büchse zurückbleibt. Entr 
hält eine im Inneren der Büchse gebliebene Luftinsel zufkllig 
Sporen, so können diese, da die Luft sich langsamer erwärmt als 
das Wasser, die Sterilisation überdauern, sich nadiher vermehren 
und Zersetzung der Konserve herbeiführen. 2. Es können Ver¬ 
derber nach der Sterilisation durch Undichtigkeit der Dosen von 
aussen eindringen, indem die Büchse schlecht gefalzt oder nach¬ 
träglich aus irgend einem Grunde defekt wurde. Deshalb soll, 
wenn Büchsen den Autoklaven verlassen, und sie zur Abkühlung 
in Wasser gebracht werden, möglichst einwandfreies Brunnen¬ 
wasser genommen werden. 8. Eine gewisse Rolle dürfte wohl 
auch die Widerstandsfähigkeit mancher Mikroben gegen hohe 
Temperaturen spielen. Um Vorkommnissen wie in Darmstadt zu 
begegnen, soll man Konservennahrung nur nach nochmaligem Auf¬ 
kochen geniessen; Büchsen, die beim öffnen die geringste Spur 
einer Zersetzung zeigen, soll man unschädlich machen mit Rück¬ 
sicht darauf, dass die Möglichkeit der Anwesenheit von Toxinen 
oder pathogenen Keimen nicht ausgeschlossen ist. Bombierte 
Büchsen sind weiter deshalb vom Handel auszuscbliessen, W'eil bei 
ihnen starke Säuerung auftritt, die durch Gärung gebildeten 
Säuren eine Lösung des Zinns erleichtern und so eventuell eine 
Zinnvergiftung berbeigeführt werden kann. 

Hilgermann (Archiv für Hygiene, Bd. 54. Heft 1) empfiehlt 
nach seinen Versuchen das Wasserstoffsuperoxyd als Desinfektions¬ 
mittel für Bürsten und Kämme im Friseurgewerbe. Am geeig¬ 
netsten erwies sich eine 5%ige Wasserstoffsoperoxydlösong (Ver¬ 
dünnung der im Handel erhältlichen Stammlösung zur Hälfte mit 
Wasser). Darin bleiben die Bürsten 30 Minuten, werden dann 
mit dem Kamme ausgebürstet. Danach sind dieselben, wie die 
mitgeteilten bakteriologischen Untersuchungen zeigen, als steril zu 
betrachten. Das Verfahren ermöglicht in einfachster Weise 
gleichzeitige Reinigung und Desinfektion; es beansprucht keinerlei 
Zeitaufwand; irgend eine Schädigung des Materials, Verminderung 
der Leistungsfähigkeit, tritt nicht ein. Das Wasserstoffsuperoxyd 
. ist dazu billig, geruchlos, wirkt desodorierend. Bei diesen vielen 
und einwandfreien Vorzügen dürfte das Wasserstoffsuperoxyd wohl 
I dazu berufen sein, die ELalamität in den Friseurstuben in bezug 
' auf Mangel an Reinlichkeit und Ansteckungsgefahr zu beseitigen. 

I P. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinieche Wochenechrifl. 1906. No. 2 . 

1 . Gehn, Strassburg: Über die diagnoetisohe Verwertoi^ der 
Röntgenstrahlen nnd den Gebrauch der Gneoksübersonde bei 
Speiseröhrenerkranknngen. 

Es handelt sich um Ösophagusstenosen und Divertikel. An 
einer Reihe von Krankengeschichten, zeigt Verfasser eine «de 
grosse Bedeutung der Röntgenuntersuchung bei derartigen Fällen 
beizumessen ist. Er wandte die von Holzknecht angegebene 
seitliche Durchleuchtung von links hinten nach rechts vom an. 
Als schattenwerfender Indikator diente Wismuthaufschwemmang 
und mit Wismuth veiTührter dicker Reisbrei. Zur Behandlung 
der Stenosen bewährten sich dem Verfasser die von C. und F. 
Streisguth in Strassburg angefertigten Quecksilbersonden. 
sind dies Jacques’sche Scblundsonden, die mit Quecksilber gefüllt 
sind. Zur Verwendung kamen 7—18 mm starke Sonden. Pa 


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i9oe. 


MEDICLNISCHE WOCHE. 


45 


die Schwere des Hg. ein allmähliches Tiefergleiten der Sonden 
bewirkt, hat es der Terf. ratsam gefunden, dieselben mit langem 
Stiel imd Handgriff zu versehen, um ein gelegentliches unlieb¬ 
sames Verschwinden in der Tiefe zu vermeiden, 

2. Lotheissen, Wien; Zur Behandlnng des Speiseröhren- 
Bivertikels. 

Wenn die gewiss rationelleste Therapie der Ösophagusdiver¬ 
tikel, die Exstirpation nicht möglich ist, dann ist ein dauernder 
Erfolg nur von einer Sondenbehandlung zu erwarten, welche den 
Zweck hat, die sekundäre Stenose zu beseitigen und das Diver¬ 
tikel in Folge Nichtbenutzung zum Schrumpfen zu bringen. Verf. 
hat eine nach seinen Berichten sehr brauchbare Dilatationssonde 
konstmiert. Man kann dieselbe als pheumatische bezeichnen. 
Eine mit Mercierscher Erümmung versehene Schlundsonde wird in 
ihrem Verlauf mit einem Loch versehen und über diese Stelle ein 
Stück Schlauch von dünnem Gummi gezogen. Einige Zentimeter 
ober- und unterhalb des Loches wird dieser Schlauch fest um die 
Sonde geknüpft. Mittels eines Gebläses kann dieses Schlauch¬ 
stück erheblich aufgebläht werden. Auf diese Weise gelingt es, 
nach den Erfahrungen des Verf. auch in schwierigen Fällen eine 
dauernde und genügende Erweiterung des Ösophaguslumens zu er¬ 
zielen. 

3. Heine, Breslau: Weitere Erfahrungen mit der Zyklo- 
dialyse auf Grund von 56 Operationen. 

Verf. hat die bei der Glaucombehaudluug bisher übliche, 
aber nicht immer erfolgreiche Iridectomie durch eine Operation 
ersetzt, welche den Zweck hat, dem Kammerwasser einen neuen 
und ausreichenden Abfluss zu verschaffen. Die Operation wird 
folgendermaßen ausgefübrt: Temporal oder nasal, oben oder unten 
an der Grenze von Cornea und Sclera, zwischen den Muskelinser- 
tionen 5-10 mm von diesen entfernt wird die Bindehaut bis auf 
die Sclera durchschnitten. Nun legt man mit einer Lanze einen 
zur Corneagrenze tangential laufenden Einschnitt an bis auf den 
Ciliarmuskel. Diese Perforationsöffnung wird auf 2 mm erweitert. 
Nun wird ein Stllet, wie man es zur Reposition der Irisschenkel 
braucht, eingeihhrt und damit stumpf das ligamentum pectinatum 
durchtrennt bis man in die Vorderkammer gelangt. Die geschaffene 
Öffnimg wird durch Excursionen des Instrumentes erweitert. Nun 
ist eine Verbindung zwischen Kammer und Suprachorioidalraum 
geschaffen und neue Abflusswege für das Kammerwasser erschlossen. 
Verf. hat mit dieser, Zyklodialyse genannten Operation sehr gute 
Erfolge gehabt. Die Operation ist ungefährlich, in kosmetischer 
Hinsicht besser als die iridectomie und bietet den Vorteil, dass 
sie an ein und demselben Auge mehrfach wiederholt werden kann, 
was mit der Iridectomie höchstens 2 mal möglich ist. Die Technik 
soll keine besonderen Schwierigkeiten haben. 

4. Finkeistein, Berlin: Ein Urinfknger für Kinder. 

Anknüpfend an eine Mitteilung von Grossmann teilt Verf. 

mit, wie in einfacher Weise in der von ihm geleiteten Säuglings¬ 
station Urin entnommen wird. Bei Mädchen wird ein weithalsiges 
Fläschchen mit der Mündung gegen die Urethralgegend der Vulva 
gelegt, bei Knaben ein starkwandiges Reagenzglas über den 
Penis geschoben und mit einem Heftpflasterstreifen in der Gegend 
des Nabels befestigt. Die. zwei seitlichen Windelzipfel werden 
dann von aussen nach innen und dann wieder nach aussen um 
das gleichseitige Bein geschlagen und in der Mitte geknotet, 
dadurch werden die Schenkel an das Glas angepresst und dieses 
fixiert. 

5. Schümann, Leipzig: Zur Methodik der Plattfhsediag- 

nose. 

Eine recht einfache und praktische Methode zur Gewinnung 
von Fusssohlenbildem gibt der Verf. an. Man stellt sich prä¬ 
parierte Schreibpapierbogen her, indem man dieselben mit. 50 % 
Liquor ferri sesquichlorati bestreicht und trocknen lässt. Die zu 
untersuchende Fusssohle wird mit 5 % Ferrocyankaliumlösung dünn 
bestrichen auf das Papier aufgesetzt und durch Aufstehen des 
Patienten belastet. Sofort erscheint ein schönes blaues Bild, 
welches die Papillarlinien der Haut und viele Details deutlich er¬ 
kennen lässt. Verf. glaubt mit Recht, dass dies Verfahren auch 
zur Gewinnung der Bertillonschen Fingerabdrücke verwendet 
werden kann. 


6. Schmieden, Bonn: Über das erschwerte Beoannlement 
In einer alle Zu^lligkeiten und Komplikationen eingehend 

beleuchtenden Arbeit setzt Verf. seine Erfahrungen auf dem Ge¬ 
biete der Nachbehandlung der Tracheotomie auseinander. Eine 
der schwierigsten Forderungen ist hierbei ein gutes uud geschicktes 
Decanulemeut. Verf. steht auf dem Standpunkt, dass man die 
Canule so bald als irgend möglich nach der Tracheotomie ent¬ 
fernen soll und dass man keinesfalls abzuwarten braucht, bis die 
Diphtherie als solche abgelanfen ist. Jedenfalls soll man spätestens 
nach 48 Stunden versuchen, die Cmiule zu entfernen. Die be¬ 
denklichste Komplikation ist die Stenose der Trachea. Dieselbe 
entsteht in den meisten Fällen aus rein mechanischen Ursachen. 
Die Trachealknorpel werden in Folge des Druckes der Oanule 
weich, die Trachea verliert ihren Halt. Es erscheint daher 
wünschenswert, durch geeignete gefensterte Ganulen eine Nach¬ 
behandlung vorzunehmeu, Verf. hat eine besondere Canule kon¬ 
struiert, die erstens den Vorteil bietet, die Luftröhre vollkommen 
zu stützen und zweitens bei der Einführung keine Schwierigkeiten 
zu bereiten. Die Canule ist T-förmig uud so gearbeitet, dass der 
eine Schenkel des T bei der Einführung durch eine mechanische 
Vorrichtung nach innen zurückgezogen werden kann. Grosses 
Gewicht ist in allen Fällen auf die richtige Ausführung der 
Tracheotomie zu legen. Im Allgemeinen scheint der tiefe Luft¬ 
röhrenschnitt weniger die Gefahr der Stenosen in sich zu schliesseu, 
wie der vom Verf. allerdings stets geübte hohe. Sehr wichtig ist 
es, nicht zu wenig Ringe der Trachea zu durchtrennen, damit die 
Einführung der Canule leicht gelingt. Ziu* Vermeidung falscher 
Wege imd der Blutungen soll es als Regel gelten, den Haut¬ 
schnitt nicht zu klein zu nehmen. Ist eine Stenose vorhanden, 
so muss man zur instrumentellen Erweiterung schreiten und die 
Canule so wählen, dass das Trachealrohr gestreckt wird. Jeder 
Fall ist zu individualisieren, 

7. Renner, München: ttber Bier’sohe Staunngshyperamie 
bei Augenkrankheiten. 

Verfasser bat einige Versuche mit der Bier’schen Methode 
gemacht. Zunächst konnte er bei sich selbst die Harmlosigkeit 
des Verfahrens prüfen. In Betracht kommen nur Kinder und Er¬ 
wachsene bis zum 40. Lebensjahre, natürlich unter der Voraus¬ 
setzung, dass keine Herzstörungen oder Gefksserkrankungen vor¬ 
liegen, Einen scheinbar deutlichen therapeutischen Erfolg konnte 
Verfasser bei 5 Fällen von Keratitis parenohymatosa konstatieren. 
Weniger klar war der Effekt bei Ulcus corneae serpens. Bei 
ekzematös - phlyktaenulösen und bei katarrhalischen Geschwüren 
der Hornhaut war ebenso wie bei älteren Hornhauttrübungen ein 
nennenswerter Erfolg nicht zu beobachten. 

8. Siegel, Berlin: Weitere UnterBUohungen über die 
Ätiologie der Syphilis. 

Verfasser teilt seine weiteren Untersuchungsergebnisse mit. 
Es ist ihm wiederholt gelungen, Cytorrhyctesformen im Blute 
Syphilitischer nacbzuweieen und zwar zur Zeit des allgemeinen 
Exanthems, während zur Zeit des Priraaeraffektes und bei ab- 
gebeilten oder mit Quecksilber behandelten Fällen nichts von dem 
Parasiten gefunden werden konnte. Als bequeme und zuverlässige 
Färbemetbode hat sich dem Verfasser Boraxmethylenblau bewährt 
(Methylenblau 1,0, Borax 2,5, Aq. dest. 100). Die Impfung auf 
Affen gelang po^tiv, ja es konnte auch durch SubUmatinjektionen 
eine Besserung der aufgetretenen Erscheioungen konstatiert werden. 

9. Müller, Graef, Kiel; Hachweis von Typhosbakterien in 
eingesandten Blutproben. 

Die Verfasser hatten sich die Aufgabe gestellt, eine brauch¬ 
bare Methode ausfindig zu machen, lun das an die Untersucbungs- 
ämter eingesandfce Blut bakteriologisch zuverlässich prüfen zu 
können. Zunächst schien es ihnen wichtig, das Blut vor Ge¬ 
rinnung zu schützen, ohne die Bakterien in ihrer Lebensfähigkeit 
irgendwie zu beeinträchtigen. Es stellte sich heraus, dass ein 
ganz geringer Zusatz von Hirudin (Blutegelextrakt) das Blut 
völlig flüssig erhält, ohne die Bazillen zu stören. Das Ver¬ 
fahren ist dann folgendes, es wird 0,01 gr Hirudin in 2,5 ccm 
physiologischer Kochsalzlösung gelöst. Die Lösung wird fractioniert, 
bei 80 Grad sterilisiert und würde aasreichen, um 75 ccm Blut 
flüssig zu erhalten. Jedes zur Übersendung bestimmte keimfreie 


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40 MEDICINISCHE WOCHE. Nr. 4. 


Biöhrchen von einem Rauminhalt von 6 ccm wurde mit 0,4 ccm 
der Löanng beschickt. Bei weiteren Versuchen stellte sich heraus, 
dkss es nicht nötig ist, das Blut vor Gerinnung zu bewahren^ es 
gelang auch ohne Schwierigkeit aus dem Blutkuchen gute Ausstrich¬ 
kulturen zu zUchten. Dabei zeigte sich, dass das Serum frei von 
Bazillen war, mehr wohl eine Folge des die Keime mit sich 
reissenden Oerinnungsvorganges, wie die einer baktericiden Kraft 
des Serums. Die Versuche haben nun ergeben, dass man nicht, 
wie bisher auf die möglichst frühzeitigen Züchtungsversuche zwecks 
Diagnose angewiesen ist, sondern auf normalem Wege übersandte 
Blutproben mit sicherem Erfolge verarbeiten kann. 

10. Stadler, Leipzig: Über Beeinflussnng von Blntkrank* 
heiten doroh Erysipel. 

Verfasser hatte Gelegenheit, einen in seinem Verlauf höchst 
merkwürdigen Fall von perniziöser Anämie zu beobachten. Derselbe 
betraf ein 29 jähriges Dienstmädchen, welches wenige Tage nach 
der Aufnahme in die Klinik in Coma verfiel und moribund wurde. 
Die Untarsuchung des Blutes ergab unzweifelhaft perniziöse Anämie. 
Nach etwa 3 Tagen, vom Beginn des Comas gerechnet, trat ein 
Gesichtserysipel auf. 36 Standen danach machte sich eine ganz 
auffallende Blutveränderung bemerkbar. Bei einem Gehalt von 
632 000 roten Blutkörperchen im Kubikmillimeter fanden sich 
3000 kernhaltiger Erythrozyten. Ein Beweis, dass ein ungemein 
intensiver Regenerationsprozess in den blutbildenden Organen be¬ 
gonnen hatte. Das Coma schwand, die Kräfte nahmen zu und 
unter gleichzeitigem Rückgang des Erysipels wurde die Patientin 
der Heilung zugeführt. Verfasser glaubt, gestutzt auf in der 
Literatur niedergelegte Fälle, dem Erysipel eine bedeutsame Rolle 
bei dem Auftreten dieser Blutkrise zusobreiben zu müssen. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 2 . 

1. Louros, Athen: Über den Emflnss des Halariafiebers auf 
die Schwaagersohaft, die Geburt und das Wochenbett. Verf. 
hat mehrfach Gelegenheit gehabt, Marlaria bei Graviden und im 
Puerperium zu beobachten. Er kann sich der Ansicht, dass die 
Malaria eine Unterbrechung der Schwangerschaft und vorzeitige 
Placentarlösung bewirkt, nicht anschliessen, vielmehr glaubt er an¬ 
nehmen zu müssen, dass die Malaria primär degenerative Prozesse 
im Placentargewebe verursache, welche ihrerseits zur Unterbrechung 
der Gravidität führen. Er fand mikroskopisch Infarkte, fibrinöse 
Ablagerungen, Atrophie der Zotten, Alteration der Gefksse. 
Chinin konnte er unbedenklich bei Graviden und intra partum 
geben. 

2. Kraus, Berlin; Ein Fall von Vergiftung mit /9*Eucain. 

Verf. teilt einen lehrreichen Fall von Eucainvergiftung mit. 

Es handelte sich um einen 40jährigen Patienten, bei welchem 
eine Urethrotomia inferior unter Eucainanästhesie vorgenommen 
wurde. Bei der Operation selbst geschah nichts besonderes, da¬ 
gegen am nächsten Tage als zur Dehnung der gespaltenen Narbe 
geschritten werden sollte und man die frischen Wunden mit der¬ 
selben 2% Eucainlösung behandelte, trat ein schwerer Collaps 
mit Asphyxie ein. Offenbar war lediglich die erhöhte Resorption 
von der frischen Wunde aus Schuld an der Vergiftung, die der 
Verf. bei vielen Fällen sonst nicht beobachten konnte. Man wird 
also gut tun, offene Wunden nur sehr vorsichtig mit derartigen 
Anästheticia zu behandeln. 

3. Küttner, Marburg: Was ergibt sich für den praktischen 
Arzt aus den Fortschritten der Hierenchirurgie. 

Die Diagnose „bewegliche Niere“ ist zu stellen, wenn man 
das nach oben entweichende Organ unter den Rippenbogen fühlt. 
Die Wanderniere ist eine Frauenkrankheit, sie ist selten bei 
Männern (94% bei Frauen, 6% bei Männern). Sie pflegt ein 
Zeichen allgemeiner Euteroptose zu sein, gegen welche sich auch 
die Therapie zu richten hat. (Mastkur, Liegekur, stützende Bauch¬ 
binden). Die Operation ist nur angezeigt, wenn die Beschwerden 
aussclüiesalich auf die Lageverändenmgen znrückzuführen sind 
imd wenn krankhafte Veränderungen (Steine, Tumoren, Cysten) 
vorliegen. 

Es gibt zwei Formen von Saokniere (Uronephrose), eine asep¬ 
tische und infizierte und zweitens eine septische (Pyonephrose). 
Auch bei der Sackniere wie bei der Wanderniere kann ein Unfall 
die Ursadie sein (Rentenanspmch). Der praktische Arzt kann 


sich nur auf die Diagnose besohränken, die Therapie ist stets 
Sache des Chirurgen. 

Bei der Steinniere ist die Diagnose oft sehr schwer. Die 
sicherste Methode ist die Röntgenuntersuchung, der Arzt ist da¬ 
her bei dem Verdacht auf Steinniere stets verpflichtet, eine 
Röntgenuntersuchung zu veranlassen. Was die Therapie anlangt, 
so kommt zunächst als dringliche Notoperation innerhalb 48 Stunden 
bei kalkulöser Anurio die Nephrotomie in Frage. Ist die betroffene 
Niere bereits funktionell zerstört, so wird man die Nepbrectomie 
daran scbliessen. Auch die Eröffnung der reflektorisch ausser 
Funktion gesetzten Niere beseitigt oft die Anurie. Die Operation 
ist eine dringliche, wenn sich ein septisches KrankheitsbÜd ent¬ 
wickelt hat oder bedenkliche Blutungen drohen. Notwendig ist die 
Operation ferner bei Entwicklung einer Sackniere, bei Festkeilung 
von Steinen im Ureter, bei chronisch infizierter Steinniere und 
äusserst heftigen Beschwerden. Die Operation kann empfehlens¬ 
wert sein, wenn bei Nephrolithiasis keine Concremente abgeben, 
sich Anzeichen von Blutungen bemerkbar machen und das I.eidw 
bei erheblichen Beschwerden fortbesteht. 

Koutraindiziert ist die Operation, wenn Koliken vom Abgang 
kleinerer Concremente und Perioden völligen Wohlbefindens ge¬ 
folgt sind. 

4. Friedheim, Hamburg-Eppendorf: Snboata&e JCilmiptiir. 

Verf. beschreibt zwei sehr intereasante Fälle von subcataner 

Milzruptur. Bei dem einen handelt es sich um einen Kutscher 
von 25 Jahren, welcher durch einen Hufschlag in die linke Seite 
verletzt wurde, bei dem anderen um einen Knaben von 4 Jahren, 
der durch Überfahren verunglückte, ln beiden Fällen wurde der 
mittlere Baucbscbnitt gemacht, an dem sich ein linksseitiger Qaer- 
scbnitt anschloss. Die Milz wurde nach Unterbindung der Ge- 
fksse exstirpiert und der Blutverlust durch intravenöse Kocbsalzin* 
fusionen ersetzt. Heilung erfolgte in beiden Fällen ohne jede Störung. 

5. Gonradi, Neunkirchen: Ein Verfahren nm Hachweii 
der Typhuserreger im Blut. 

Verf. hat sich mit der Ausarbeitung einer Methode zum 
Nachweis der Typhuserreger im Blut eingehend beschäftigt. Er 
empfiehlt folgendes Verfahren, 90 ccm Rindergalle werden mit 
10 g Pepton und 10% Glycerin versetzt und sterilisiert. Diese 
Galle füllt man in 9 cm lange, 18 mm weite Glasröhrchen mit 
Gummipfropfen. Die Galle hat nämlich die Eigenschaft, die Ge¬ 
rinnung des Blutes zu verhindern und zugleich einen günstigen 
Nährboden für die Bazillen abzugeben. Der Zusatz von Glycerin 
soll die Entwicklxiug von Saprophyten verhindern. Das Blut wird 
entweder durch Venäsektion oder durch Einstich in das Ohrläpp¬ 
chen gewonnen und im Verhältnis von 1 : 3 mit der Galle ge¬ 
mischt. Von diesen angebrüteten Gallenröhrohen werden in be¬ 
kannter Weise Plattenkulturen angelegt. In 28 TyphusfäUen 
fand Verf. auf diese Weise 22 mal TyphusbaziUen und 6 mal Para- 
typhusbazUlen. Auch bei entfieberten Typbusrekonvaleszenten und 
Typhus levis konnte Verf. Bacillen im Blute nachweisen, sodass 
er damit die Anschauung Schottmüllers Uber die Pathogenese 
des typhus abdominalis widerlegen zu können glaubt. Aocb 
scheineu die Beobachtungen des Verf. zu lehren, dass aus der 
Menge der in den Kulturen nachgewiesenen Keime prognostische 
Schlüs.se nicht gezogen werden dürfen. 

6. Jacoby, Breslau: Zur Badiombehandlong des Traohonu. 

Verf. hat 8 Fälle von Trachom und 3 Fälle von Conjunc¬ 
tivitis-follicularis dem Vorgänge Gohn’s folgend mit Radium be¬ 
handelt. Die Ergebnisse dieser therapeutischen Versuche fasst 
Verf. folgendermaßen zusammen: Ein gewisser F^influss der Radiam- 
strahlung auf das Trachom scheint vorhanden zu sein. Es ist 
noch nicht erwiesen, wie weit durch andere, bisher unbeachtete 
Factoren der Behandlung gefördert wird. Die Erfolge der Ra- 
diumbehandluDg stehen denen der mechanischen, medicamentöseu 
Therapie au Sicherheit uud Dauer weit nach. Durch die An¬ 
wendung des Radiums wird im allgemeinen nur Zeit verloren, 
wenn auch eine direkte Schädigung nur bei progressiven Prozessen 
durch das Aufschieben einer schneller wirkenden Behandlung 
herbeigeführt wird. Diese wichtigen Resultate sind geeignet, die 
etwas wilde Begeisterung für die Radiumtherapie ein wenig za 
dämpfen. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


47 


7. Wieth, EhrznatiQ, Ludwigshafen, Mannheim: Unter* 
snchnngen und Beobachtungen ttber Altere nnd nettere Balea- 
mioa. 

Die Verf. haben die üblichen Balsamica einer eingehenden 
Prüfung in pharmakologischer und medicinisdber Hinsicht unter¬ 
zogen; Sie gelangten zunächst zur Herstellung eines geschmack- 
und geruchlosen Esters des Santalols an Salicylsäure gebunden. 
Dieser Ester „Santyl^* genannt, reizt den Magendarmtractus in 
keiner Weise und wird ganz allmählich in seine Componenten 
unter Abspaltung von Salicylsäure zerlegt Die klinische Prüfung 
dieses Präparats, liess es als sehr günstiges Adjuvans bei der 
natürlichen unentbehrludien lokalen Behandlung der Gonorrhoe er¬ 
scheinen. Das Präparat wird von der Firma Enoll in Ludwigs¬ 
hafen hergestellt. Die Medication kann bei seiner Geschmack¬ 
losigkeit in Form von Tropfen erfolgen. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 3. 

1. Neisser, Sachs, Frankfurt a. M.: Die forensische Blut* 
differenzienmg durch antihämolytische Wirkung. 

Anknüpfend an frühere Mitteilungen (Berl. klin. Wochenschr. 
1905 No. 44) teilen die Verf. folgendes Verfahren mit: Zunächst 
stellt man die komplett lösende Dosis des Kaniuchenserums gegen¬ 
über Hammelblut fest, me betrug in den mitgeteilten Versuchen 
0,25 ccm. Man nimmt 0,25 ccm Kaninchenserum und mischt dieses 
mit der auf Menscdienblut zu prüfenden Flüssigkeit und dem Anti¬ 
serum, dieses letztere wird gewonnen von Kaninchen, die vorher 
mit Menschenserum behandelt worden sind. Das Gemisch bleibt 
1 Stunde bei 37®, dann erfolgt Zusatz von 1 ccm 5®^ Hammelblut 
und abermaliges Verweilen bei 37®. Ist eine Hämolyse nicht er¬ 
folgt, dann ist der- Nachweis des Menschenblutes geführt. Den 
Verfassern scheint diese Methode als Ergänzung der Uhlenhuth- 
Wassermann’schen Reaktion eine grosse forensische Bedeutung 
zu haben. 

2. Meitzer, New*York: Die hemmenden nnd anästhesie* 
renden Eigenschaften der Magnesiumsalze. 

Verf. hat, von theoretischen Überlegungen ausgehend, höchst 
interessante Versuche über die Wirkung von Magnesiumsalzlösungen 
auf Tiere angestellt. Das Resultat derselben war so überrasohend 
und auffallend, dass er zu weiteren Versuchen an Menschen über¬ 
ging. Im Verein mit mehreren Kollegen hat er bei 12 teils 
schweren imd schmerzhaften Operationen die Anästhesierung mit 
sterilen Lösungen von Magnesium sulfuricom angewandt. Er ver¬ 
fuhr folgendermaßen: Von einer 25%Lösung des Salzes wurden 
je 1 ccm pro 12 Kilo Körpergewicht intraspinal einverleibt. Nach 
einigen Stunden, man muss lange genug warten, trat völlige Parese 
und Anästhesie der unteren Körperhälfte ein und es konnte schmerz¬ 
los operiert werden. Sehr merkwürdig war die Beobachtung, dass 
nach Verstreichen weiterer Zeit eine tiefe allgemeine Narkose ein- 
setzte, die in einem Falle 5 bei einem anderen 20 Stunden anbielt, 
ohne dass das Herz oder der Blutdruck irgendwie beeinflusst wurde. 
Als bei dem einen Fall die Atmung auf 10 pr. m. sank, wurde 
eine Lumbalpunktion gemacht, ein ganzes Teil Cerebrospinalflüssig¬ 
keit abgelassen, sterile Kochsalzlösung eingespritzt, wieder abge¬ 
lassen, kurz, der Kanal aasgespült. Die Patienten konnten bei 
Anwendung von ganz geringen Dosen Chloroform sehr leicht nar¬ 
kotisiert werden. Allgemeine Magnesium-Narkose ist wahrschein¬ 
lich leichter zu erreichen, wenn man pro 9 Kilo Körpergewicht 
1 ccm einer 25 Lösung anwendet. Verf. hält das Verfahren für 
ganz ungefUhrlich, empfiehlt aber die Spülung des Spinalkanales 
in der angedeuteten Weise post operationem und die Bereitstellung 
alles Nötigen für künstliche Atmung, da allein diese in gewisser 
Weise gefährdet erscheint. Da Magnesiumsalze normaler Weise 
im Körper Vorkommen, spricht Verf. die Vermutung aus, dass die¬ 
selben vielleicht physiologisch als „Ruhestifter“ dienen. Obwohl 
aus diesen 12 F^len ein abschliessendes Urteil nicht zu ziehen ist, 
erscheint doch die ganze Frage so bedeutungsvoll und im Hinblick 
auf die bisherigen Erfahrungen mit der Rückenmarksanästhesie so 
aussichtsreich, dass eingehende Nachprüfungen erwünscht sind. 

3. Beitzke, Berlin; th>er den Naokweis von Bakterien 
im Blnt nnd seine Bedentnng. 

Auch der praktische Arzt soll sich heute in gewissen Grenzen 
mit dem Bakteriennachweis im Blut befassen, wenn es auch nur 


insoweit geschieht, dass er das für bakteriologische TJntersuch- 
ungsämter brauchbare und notwendige Untersuchungsmaterial selbst 
herrichtet. Für die Untersuchung des Blutes auf Bakterien kommt 
die mikoskopische Untersuchung nur in besdiränktem Maße in Be¬ 
tracht, lediglich die Prüfung auf Tuberkelbazillen gibt hier ein¬ 
deutige Resultate. Für diese kommt die von Jousset angegebene 
^Inoskopie“ in Frage, dieselbe hat den Zweck, gleich mehrere 
Kubikzentimeter Blut der mikroskopischen Durchmusterung zu¬ 
gänglich zu machen. Es geschieht das in folgender Weise. Das 
Blutgerinsel und die Zellen werden in Kalilauge oder künstlichen 
Magensaft zur Auflösung gebracht und das Untersuchungsquantum 
dann zentrifugiert und der Bodensatz mikroskopiert. Für alle 
anderen Fälle kommt nur das Kulturverfahren zur Anwendung. Das 
Blut wird nach sorgfältiger Desinfektion der Haut aus einer ober¬ 
flächlichen Hautvene eventuell unter Stauung mit einer Spritze 
aspiriert (etwa 5 ccm) und sogleich auf geeignete Nährböden (Agar 
oder Bouillon) verteilt. Handelt es sich um Leichenblut, so ent¬ 
nimmt man dieses nach oberflächlicher Verschorfung der Herz¬ 
muskulatur ebenfalls mit der Spritze aus dem Herzen. Die weitere 
Untersuchung der so vorbereiteten Kulturen übergibt man am 
besten einem Bakteriologen. Diagnostisch und prognostisch kann 
die Blutuntersuchung von grosser Bedeutung sein, sie wird tment- 
behrlich bei dem weiteren Ausbau der Serumtherapie werden. 

4. Schloesser, München: Zur Behandlung der Heura^en 
durch Alkoholeinspritzungen. 

Verf. knüpft an die in unserer Wochenschrift Seite 19 referierte 
Veröffentlichung Ostwald’s, Paris, an und warnt die Kollegen vor 
der Ausführung dieser Therapie, ehe seine eingehenden Mitteilungen 
über diese von ihm inaugurierte, in seiner Klinik von Ostwald 
kennen gelernte, Methode erschienen sind. Wir brachten schon in 
dem damaligen Referate unsere Bedenken wegen der Kompliziert¬ 
heit der Technik zum Ausdruck und finden diese durch die Warn¬ 
ung des Verf. vollauf bestätigt. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 2 . 

1. Boudi, Schwarz, Wien: Über die Einwirkung von 
freiem Jod auf Azetessigsäure und deren Hachweis im Ham. 

Das freie Jod bildet mit Azetessigsäure Jodaceton und diese 
Reaktion haben die Verfasser für die Harnuntersuchung bearbeitet 
und brauchbar gestaltet. Man setzt zu 5 ccm Ham etwa 1 ccm 
Lugol’scher Lösung und kocht. Entwickelt sich ein heissender 
Gemch (Jodaceton), dann ist die Anwesenheit von Azetessigsäure 
erwiesen. Msin kann die Reaktion auch noch vorsichtiger gestalten. 
Zu 5 ccm Ham lässt man aus einer Pipette oder aus einem Tropf¬ 
röhrchen die Jodlösung tropfenweise zufliessen. Die ersten Tropfen 
werden prompt entfärbt und man setzt so lange Jodlösung zu, bis 
die Flüssigkeit orangerot wird; bei ganz gelindem Erwärmen ver¬ 
schwindet die Färbung und man fthrt mit Eintropfen fort, bis der 
Ham auch in der Wärme deutlich rot bleibt. Kocht man dann 
einmal auf, so spürt man bald den stechenden Gemch, derselbe 
macht sich noch besser bemerkbar, wenn man das heisse Gemisch 
auf ein Uhrschälchen giesst. Die Reaktion ist viel empfindlicher, 
wie die Gerhard’sche Eisenchloridprobe, jedoch sie gelingt nur bei 
neutralem oder schwach saurem Ham, das letztere erreicht man 
durch etwas Essigsäure. 

2. Kühnei, Wien: Zur medicamentüsen Behandlung des 
Fiebers bei Lungentuberkulose. 

Von den Antipyreticitis konunt vor allem das Antip 3 rrin und 
seine Derivate in Betracht. Antipyrin gibt mau 0.5 pro Dosi 
mehrmals täglich bis zu 4 Gramm pro die. Neben oft beobachteten 
gastrischen Störungen sind auch unerwünschte Nebenwirkungen 
von Seiten des Zentralnervensystems nicht selten. Auch die ver¬ 
mehrte Transpiration ist lästig. Auch das Dimethylamido-Anti- 
pyrin (Pyramidon) zeigt ähnliche Nachteile. Bei Antifebrin (Ace- 
tanilid), welches in etwas grösseren Dosen gegeben wird, beob¬ 
achtet man nach längerem Gebrauch Cyanose und Anilinkachexie, 
auch vermehrter Schweiss und iKollapserscheinungeu treten auf. 
Das Phenazetin in einer Maximaldose von 1,00 pro Dosi und 3,00 
pro die wirkt ganz ähnlich, verursacht aber auch für schwäch¬ 
liche Personen unerwün.schte Vermehrung der Schweisse. Das 
Citrophen, eine Verbindung von Phenetidin mit Zitronensäure im 
Verhältnis von 3:1, scheint in der Wirkung unzuverlässig. Es 


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48 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 4. 


wird in Dosen von 0,5 bis 1,0 gereicht. Verf. hält das^Lakto* 
phenin, ein Milchsänrederivat des Phenetidins, fUr besser wirkend, 
DoBisO,5bis 1,0. BHneganz besondereBedeuüingalsAntipyreticam bei 
Phthisikern scheint dem von der Firma Bayer in Elberfeld erzeugtem 
Mareti z'.'zumeasen sein. Das Maretin ist Karbaminsänre-m-Tolyl- 
hydrazii. Die Dosis ist 0,1 bis 0,5. Verf. hat 50 Fälle von 
Phthisis pulmoniam mit Maretin behandelt. Das Mittel machte 
keinerlei gastrische Störungen. Die Schweisse hörten nach einer 
unter Maretinbehandlung ziemlich sicher zu erreichenden Äfebrili- 
tät auf. Eine bei der Maretindarreichung auftretende Gelbfärbung 
der Haut scheint ohne irgend welche Bedeutung zu sein. 


Vermischtes. 

Drosdon. Am 2.—6. März 1906 wird die Baineologische 
Gesellschaft, die Sektion der Hufeland’schen Gesellschaft, in Ge¬ 
meinschaft mit dem Zentralverbande der Balneologen Österreichs 
hierselbst tagen. Das Entgegenkommen der Behörden, sowie 
seitens der Aj^te Dresdens versprechen eine besonders rege An¬ 
teilnahme am Kongress. Vorträge werden unter anderen halten 
die Professoren Curschmann, F. A. Hoffinann (Leipzig), A. Schmidt 
(Dresden), Galewsky, Wintemitz, Kisch und andere. 

Balin. Die Deutsche Arzneitaxe für 1906 ist erschienen. 
Von den Medikamenten sind 219 im Preise ermässigt, 178 erhöht; 
unter den letzteren befinden sich Morphium, Bromsalze, Ipeca- 
cuanha, Veronal. 

Chftriottonburg. Dr. Th. Weyl, Privatdozent für Hygiene 
an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, ist von der 
Association generale des Ingenieurs et Hygi^nistes Municipaux de 
France zum Ehrenmitglied gewählt worden. 

Blrkenwerder. Das früher unter Leitung von Dr. Ziegel- 
roth stehende nachher anderweitig verwaltete grosse Sanatorium 
ist seit Oktober durch Pacht von dem Berliner Arzt Dr. A. Sper¬ 
ling erworben worden. Die gänzlich neu renovierte \md allen 
Anforderungen der Neuzeit entsprechende Anstalt wird der Be¬ 
handlung von Nerven- und Stoffwechselkrankheiten dienen. 

Breslau. Um den Mangel an jüngeren Ärzten, unter 
dem die Provinzialverwaltungen zu leiden haben, abzuhelfen, hat 
der Provinzialausschuss flir die Provinz Schlesien beschlossen, 
dnrchgehends bei den Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten sowie 
bei den Hebammenlehranstalten bessere Anstellungsbedingungen 
festzusetzen. 

MOnchan. Der Verein zur Unterstützung invalider Ärzte 
in Bayern hat die Angliederung einer Witwenkasse beschlossen. 
— Laut Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 10. 
Dezember 1905 hat der Prinz-Regent den zur Zeit bestehenden 
Ärztlichen Bezirksvereinen in Bayern die Rechtsfähigkeit als Ver¬ 
eine des öfifentUchen Rechts verliehen. 

Wien. Obersanitätsrat Dr. J. Daimer ist als Nachfolger 
des verstorbenen Dr. von Kusy zum Referenten für Sanitätsan¬ 
gelegenheiten im Ministerium des Innern ernannt. 

Bad'DQrkheim. Dr. med. Fritz Kaufmann, hat seine 
Praxis von hier nach Mannheim verlegt. 

Heidelberg. Zur Erweiterung des neuen Krebs-Instituts ist 
von Geh. Rat. Czerny ein benachbartes Anwesen um 120000 M. 
angekauft worden. 


Hochschulnachrichten. 

Berlin: Generalstabsarzt Dr. 0. Sc h je min g ist zum ordent¬ 
lichen Honorarprofessor ernannt. 

Breslau: Dr. H. Triepel, Privatdozent für Anatomie in 
Greifswald ist als L Prosektor an das Anatomische Institut be¬ 
rufen. 

Greifswald: Prof. Dr. R. Bonnet hat den Charakter als 
Geheimer Medizinalrat erhalten. 

Freiburg i. B. Professor Schmorl-Dresden hat den Ruf 
als Nachfolger Zieglers angenommen. 


Königsberg. Der Privatdozent der Chirurgie Dr. Richard 
Runge, Oberarzt der chirurgischen Universitätsklinik, wurde zum 
Professor ernannt. 

München. Privatdozent und 1. Assistent der Münchener 
dermatologischen Klinik Dr. Jesionek hat einen Ruf als ausser¬ 
ordentlicher Professor der Dermatologie an die Universität Giessen 
erhalten und angenommen. 

Wien: Dr. J. Donath, Assistent an der I. Medicinischeo 
Klinik, hat sich für innere Medicin habilitiert. 

Würzburg. In Anerkennung seiner Verdienste um die Elr- 
forschung der osmotischen Eigenschaften der Zellen, des Mecha¬ 
nismus der Narkose and der Bedeutung der Mineralbestandteile 
für die Zellfunktionen hat die medicinische Fakultät den alle 3 
Jahre von ihr verteilten Preis der Franz v. Rinecker-Stiftung Dr. 
EL Over ton, Assistenten am Physiologischen Institut zu Würz¬ 
burg, zuerkannt. 


Neu niedergelassen 

haben sieh ln 

Hartbaa b. Cbemnitz. Dr. med. Qöckeritz. — Wiesbaden. Dr. med. 
Elisabeth FOllinger. — Bonn-Poppelsdorf. Dr. med. H. Weidenhaupt. — 
Hobetisalza. Dr. med. v. Wilczewski. — Barmen. Dr. med. L. Trier. — 
Zeche Graf-Schwerin bei Castrop. Dr. niod. Runge. — Breslau. Dr. 
med. Galley. — Grutsebno. Dr. med. Mai. — Ranxef-Schwerin. L)r. med. 
Runge. — Nüruberg. Augenarzt Dr. med. Wilh. Pütt. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Lotte Landecker in Doelitz i. P. mit Bm. Dr. med. Wilb. Nico¬ 
lai io Beutben a. 0. — Fr. Amalie Deiler in Rudolstadt mit Hm. Dr. 
med. Adolf Heiler in Reit t. Winkel (Ober-Bayern). 

Term&hlt: 

Herr Wilhelm Kcker, prakt. Arzt, mit Frl. Maria Frey, in Bonn. 

Geboren: 

Einen Sohn: Hm. Dr. med. R. G. Patton in Köln. — Hm. Dr. 
med. Wilde in Cettorf. — Hm. Dr. med. Leonb. Baurmann in Aachen. — 

Eine Tochter: Hm. Stabsarzt Dr. Metz. — Hm. Stabsarzt Dr. 
Spüler in Jena. — Hm. Dr. med. Adolf Ketteier in Esson-Rfittenacbeid. 

Ein Zwillingspaar: Hm. Dr. med. H. Rensbui^ in Elberfeld. 

Gestorben: 

Dr. med. Hermann Kühn in Hoya. — Dr. med. Job. Hiebei in Winter¬ 
thur (Schweiz). — Heinrich AomUller, pr. Arzt in Weissenstatlt. — Sanitäts¬ 
rat Dr. Robert Bernard in Kätscher. — Dr. rood. Georg Lazarus io Char- 
lottonbui^. — Geb. Sanitätsrat Dr. Carl Keim in Magdeburg — Dr. med. 
Job, Brandt in Blankenburg. — Dr. med. W. Krause in Kassel. — Dr. 
med. Wilb. Bohrens zu St. Johann. — Sanitätsrat Dr. Klemm in Ebeleben 
{Sebw. S.). — Dr. med. Friede in ßendzin. — Dr. med. Erich Schwartz- 
kopfl in Magdeburg — Dr. med. August Bode in Bonn. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adresse: Ärztliches Anskanfls-Bureau des SesohSfU-AuMebnesM der 
Berliner ärztllohrn Standeevereine in Nedioiniechen Waarenbanse (Akt.- 
Bee.). Berlin N., Frledriohetraese 1081. 

Für pertSaliche Rücksprache ist Herr Dr. Joaehlw tEfflieh Ulir in 

Medicinisch.n Waarenhause anwesend (Mit EÜtieer Erlaubnis des UescnXfis-Ausachusses 
der Berliner ärztlichen Standetvereine Tom Auskuntts-Bureau der Med, Woche übennitteU. 

In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1940. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent ^r augenärztl. Poliklinik ge¬ 
sucht. Näheres unter No. 1945. 

ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1951. 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1956. 

In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1959. 

In Westpreusseo wird für sofort ein kreisärztlicb geprüfter Vertreter 
gesucht. Näheres unter No. 1970. 

In der Rheinprovinz wird für Ende Januar ein Vertreter gesucht. 
Näheres unter No. 1982. 

In der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht 
Näheres unter No. 1984. 

In der Mark wird für eine Kinderheilstätte zum 1. April ein Assistent 
gesucht. Näheres unter No. 1987. 

In einer Universitätsstadt Mitteldeutschlands wird für chimi^. Klinik 
sofort ein Assistent gesucht Näheres unter No. 1988. 


Veraniwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin W. ei, Kurfnrstenvtr. 81. — Verlas Ton Carl Marhold. Halle a. S. 
Druck von der lleynemauD'schen Buchdruckerei, Gebr. WolfT, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


R. Deatschmanr, A. DQhrssen, A. Hotfa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg >. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marbold in Halle a. S.« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: MarhoM Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K< Partsch, H. Rosin, H. Sehlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unrerricht, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62« KnrfflrstenstraMe 81« 

Dr. P. Meißner. 


vn. Jahrgang. 29. Januar 1906. Nr. 5. 


Die .Medi cinische Woche^ erscheint jeden Montag mit der Beilage Balneologische Centralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen BSderverbandes, des Schwarzwald- 
bidertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buch¬ 
handlung. die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle .n.S. entgegen. Inserate werden für die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit SO Pf. berechnet. 

Beilagen nach Uebereinkuntt Reklamezcite I.S0 Mk Bei Wiederholung tritt Brmissigung ein. 

Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit QueQenangabe gestattet 


Originalien. 

Über Gebrauch und Missbrauch von Atropin 
in der Augenheilkunde. 

Von R. Deatsebmann, Hamburg. 

Zweifellos nimmt in dem verliäUnismäßig kleinen, not¬ 
wendigen Arzneiachatz des Augenarztes das Atropin einen her¬ 
vorragenden Platz ein. Kannte man auch seit langer Zeit die 
Wirkung der Belladonna als eines pupillenerweiternden Mittels, 
so fanden doch, nach Snellon jr., erst im Jahre 1868 Mein,, 
Geiger und Hesse, dass die chemische, wirksame Substanz, 
der me bekannten Eigenschaften zukamen, ein Alkaloid sei, 
dem sie den Namen Atropin beilegten. Dasselbe bildet mit 
Säuren Salze, welche leicht wasserlöslich sind, und von diesen 
Salzen ist das Sulfat das allgemein gebräuchlichste. Donders 
war es besonders, der die Wirkung des Atropins auf die Pu¬ 
pille und die Akkomodation studierte. 

Nach Einbringen einer Lösung von Atropin, sulfur. in 
Wasser, oder dieses Mittels in Form von Salbe oder event in 
Substanz in den Bindehautsack, findet eine Diffusion desselben ! 
durch die Hornhaut statt; im humor aqueus lässt sich dann 
nach verschieden langer Zeit das Alkaloid nach weisen, wo es 
direkt auf die glatten Muskelfasern einwirkt und sowohl Pu¬ 
pillenerweiterung, als Lähmung der Akkomodation hervorbringt. 
Der Nachweis des Alkaloids im Kammerwasser wird dadurch 
geführt, dass dasselbe einem Versuchstier in den Bindehaut- 
sack eingebracht, bei diesem wiederum eine Pupillenerweiterung 
erzeugt. Die Menge des Atropins, welche, in den Bindehautsack 
gebracht, noch imstande ist eine Wirkung zu entfalten, ist 
eine sehr minimale. Nach Jaarsm a ist die schwächste Lösung, 
welche noch Mydriasis hervorruft, eine solche von 1:18000 
Wasser. Die volle Wirkung erzielte Donders noch mit 
einer wässrigen' Lösung von 1:120. Auf die Wirkung des 
Atropins hat der Trigeminus keinerlei Einfluss; die Wirkung 
wird durch Lähmung resp. Durchschneidung dieses Nerven 
nicht beeinträchtigt. Bei vollständiger Okulomotoriuslähmung 
lässt sich die mittelweite Pupille durch Atropin noch mehr er¬ 
weitern, eine Beobachtung, die zu der Annahme führte, dass 
dieses Mittel gleichzeitig einen Reiz auf den Dilatator pupillae 
ansübe. 

Snellen jr. meint, die Wirkung des Atropins sei nicht 
änzlich unabhängig von zentraler Innervation; denn wenn 
er nervus sympathicus vorsichtig durchschnitten sei, wird die 
Pupille derselben Seite durch Atropin nicht so stark erweitert, 
■wie die der unverletzten Seite. Die Berechtigung dieser An¬ 
schauung steht und fallt mit der Frage der Existenz eines 
vom Sympathicus innervierten musculus dilatator pupillae. Er¬ 
kennt man das Vorhandensein des Letzteren an, dann bedarf 


es keiner Korrektur der Donders’schen Anschauung; es würde 
sich die geringere Erweiterung der Pupille auf der Seite der 
Sympathicusdurchschneidung damit erklären, dass das Atropin, 
da infolge der letzteren die Pupille natürlich sich stärker verengt 
hat, hier sowohl einen weit erheolicheren Widerstand des sphincter 
zu überwinden hat, als auch eine Wirkung auf den gelähmten 
Dilatator nicht hervorbringen kann. 

Nach der Wirkungsweise des Atropins, die Pupille zu er¬ 
weitern nnd unbewegliÄ zu halten und durch Lähmung des Ciliar¬ 
muskels jede Anstrengung der Akkamodation unmöglich zu machen, 
sollte man annehmen, dass dieses Mittel nur dann in Anwendung 
ebracht würde, wenn es gilt, einen solchen Effekt zum besten 
es Auges eiutreten zu lassen, das heisst Verwachsungen des 
Pupillarrandes der Iris zu zerreisseu oder zu verhüten, event. 
durch Lähmung des Ciliarmuskels dem Einfluss schädlicher 
Zerrungen zu begegnen oder sich die Erweiterung der Pupille 
rein mechanisch nutzbar zu machen; aber dem ist leider nicht 
so. Das Atropin wird oft in der widersinnigsten Weise ver¬ 
wendet und nicht nur nutzlos verordnet resp. ärztlicherseits 
den Patienten eingetropft, sondern es wird diesen damit vor¬ 
übergehend und dauernd oft ein ganz wesentlicher Schaden zu- 
gefü^. — Hierauf näher einzugeben, halte ich, namentlich im 
Interesse des praktischen Arztes, der sich nicht, "wie es der 
Spezialist könnte, über alle einschlägigen Tatsachen jederzeit 
bequem zu orientieren und Rechenschaft zu geben vermag, 
für dringend erwünscht. 

Es kann nahezu als Regel bezeichnet werden, dass Pa¬ 
tienten, denen ein Fremdkörper in den Bindehautsack geflogen 
ist, oder auf die Cornea gelangt ist, sei es nun ein Staubkorn 
oder ein Kohlenstückchen, sei es ein Stahlfunken oder sonst 
ein Metallpartikelchen, wenn sie bereits einen Nichtspezialisten 
konsultiert haben, mit Atropinmydriasis, mit oder ohne corpus 
alienum, in unsere Sprechstunde kommen. Im ersteren Falle 
klagen sie über die Sehstörung, im letzteren über die Seh¬ 
störung und die Beschwerden seitens des Fremdkörpers, vor¬ 
nehmlich aber beschäftigt sie auch daun die Sorge um ihr 
I Sehvermögen. Und in der Tat steht der diesen Kranken 
durch Atropineintropfung zugefügte Schaden gewöhnlich in 
gar keinem Verhältnis zu der Geringfügigkeit ihres Augen¬ 
leidens. Sie sind tagelang geblendet und was, da es sich 
meist um Arbeiter handelt, viel wichtiger ist, tagelang 
arbeitsunfähig; denn meist hat der Arzt die übliche 0,5®ife 
Lösung vorrätig, die unter Umständen eine recht langdau¬ 
ernde Wirkung ausübt. Dazu kommt aber noch ein weiteres 
Moment, was in Betracht zu ziehen ist. Die Atropinlösung 
pflegt manchmal monatelang in dem ärztlichen Arzneikasten 
zu stehen, woraus sie schliesslich in einem nichts weniger als 
aseptisch zu nennenden Zustande benutzt wird. Abgesehen 
von daraus entstehenden infektiösen Conjimctivalkatarnien ist 
besonders au eine Infektion eines durch den Fremdkörper oder 
durch das ihn entfernende Instrument hervorgebrachten Epithel¬ 
defektes der Hornhaut zu denken, mit allen seinen deletären 


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48 


MSDICD7ISCHB WOiJUE» 


Nr. 6. 


Folgen. Da eine Infektionsgefahr für das Auge des Patienten 
auch bei anderweitiger Verwendung derartiger Atropinlösungen, 
als gerade bei Fremdkörpern, besteht, so ist auf alle Fälle 
zu empfehlen, nur solche vorrätig zu halten, die mit Sublimat 
1 : 5000 versetzt sind. 

Aber das Atropin birgt auch noch eine andere Gefahr, 
deren hier gleich gedacht sein mag, eine Gefahr, die dem Auge 
bereits nach Einbringung eines Tropfens der Lösung in den 
Bindehautsack erwachsen kann — ich meine die Dnicksteige- 
rung, das Glaukom. Zweifellos i.st der Einfluss des Atropins 
auf den Augendruck des gesunden Auges noch nicht einwands¬ 
frei festgestellt. 

Während früher behauptet wurde, dem Atropin käme eine 
den Augendruck herabsetzende Wirkung zu, fanden sich später 
Experimentatoren, die als Ergebnis ihrer Untersuchungen die 
Mernntsg äusserten, dass durch Atropin, in der gewöhnlich zur 
EfzeugiTDg der Mydriasis gebrauchten Dosis, der Angendruck 
erhöht werde. Leber ist der Ansicht, dass die verscliiedeneii 
Ergebnisse der Autoren sich wohl durch die Annahme in 
Einklang bringen lassen würden, dass das .4tropiu den intra¬ 
okularen Druck beim normalen Auge in verschiedener Weise 
beeinflusst, dass ihm ausser einer druckherabsetzenden auch 
eine dnicksteigenide Wirkung zukoramt, und dass je nach den 
Umntarrden des Versuches bald die eine, bald die andere Wir¬ 
kung mehr hervortritt. Anders aber bei «disponierten“ 
Augen; hier hat die klinische Beobachtung unleugbar fest¬ 
gestellt, dass eine schon vorhandene Dmcksteigerung durch 
Atropin in der Regel noch gesteigert wird und dass, wo eine 
solche bis dahin nicht vorhanden war. sie sofort durch das¬ 
selbe hervorgernfeii werden kann, so dass ein typischer Glau¬ 
komanfall ansgelöst wird. Es ist bezüglich der Pathogenese 
dieses Vorganges wahrscheinlich, dass es die Pupillener¬ 
weiterung ist, welche ihn in Erscheinung treten lässt. Es 
ist nicht anzunehmen, dass die Gefässerweitening, die das Atropin 
erzeugt, hanptsächlich ins Gewicht fällt, da dass Kokain, das 
mit Gefössverengening einhergeht, in gleicher Weise unter 
Unstäuden drucfcerhöTiend wirkt: beiden Mittoln gemeinsam 
ist aber die Pupillenerweitemng. Nimmt man nun an, dass in 
sogenannten zu Glaukom disponierten Augen, d. h. solchen, 
welche zur Zeit noch normal scheinen, ebenso wie hei 
schon Drucksteigernng zeigenden Augen, durch Anlegung der Iris 
an den Corneoscleralrand der Kammerwiiikel verengt und da¬ 
durch die Filtration in den circulne venosus erschwert ist, so 
läest sich leicht verstehen, dass die Iris, wenn sie durch starke 
Ek^eiteruny der Pupille verdickt und nach dem Kainmerwinkel 


FeuiHeton. 


Der mssische Arzt und dessen Bedentnng für 
die knltnrelle Entwicklmig Russlands. 

Vor ungeföjhr 2 Jahren ist in dieser Wochenschrift eine 
k-leme feuilletonistische Abhandlung erschienen, die als Ein¬ 
leitung zu einer vSerie zwangloser Abhandlungen über den 
russischen Arzt gedacht war. Es sollten nach und nach die 
Schul- und Universitätsjahre des angehenden nissischen Arztes, 
seine Beziehungen zum Lehrkörper der Schule und der U^ni- 
versität, seine, d. h. des angehenden russischen Arztes, Stellung 
in der Gesellschaft (so komisch es dem deutschen Ohr auch 
klingen mag, so ist es doch Tatsache, dass man in Russland, 
wo neben Unreife sprichwörtliche Frühreife stets und 
allerorts anzutreffen sind, mit Fug und Recht selbst von einer 
Stellung der Gy'mnasiasten in der Gesellschaft sprechen kann), 
die ärztlich-berufliche, die akademische, administrative Laufbahn 
des russischen Arztes, seine Rolle als Führer der Intelligenz, 
die Beziehungen des russischen Arztes zu der ärztlichen Welt 
des Auslandes, namentlich der benachbarten w’esteuropäischen 
Staaten geschildert werden. Aber Pläne haben nun einmal 
die Eigenschaft, selten oder W’enigstens nicht immer zur Aus- 


hingeschoben ist. diesen ganz verschliessen kann; und damit 
ist der Glaukomanfall gegeben. -- So wenig also das Atropin 
hei der gewöhnlichen, frischen, unkomplizierten Fremdkörper¬ 
verletzung angebracht i.st. so wenig ist es in der Regel auch 
bei frischen schweren Traumen, die das Auge treffen, mdiziert. 
Bei nicht immer mit Berstung des Augapfels und mit nach 
aussen kommunizierenden Wunden desselben einhergehenden 
schweren Traumen, findet sich gewöhnlich die ganze Augen- 
kammer. oder ein Teil derselben, voll mit Blut; die Pupille 
aber zeigt sich, wo sie sichtbar ist, erweitert; es besteht eine 
traumatische Mydriasis. Hier noch Atropin zu verabfolgen, 
ist natürlich gänzlich unangebracht, da nicht nur die schon 
bestehende IrisTähmung versclüimmert w'ird, sondern auch durch 
Verkleinerung der Iris. d. h. der resorbierenden Oberfläche, die 
Aufsaugung des Blutes in der vorderen Kammer verzögert 
wird. Ich habe im Jahre 1878 in einer experimentellen Arbeit 
nachweisen können. dass die Iris den Hauptanteil an der Re¬ 
sorption pathologischer Inhaltsmassen in der vorderen Augen- 
kammer nimmt; dass bei in die letztere ergossenem Blut ein 
Teil dieses Blutes flüssig bleibt und unverändert in die Iris 
eindringt, um hier sofoit höcLst wahrscheinlich von den Iris- 
gefässen aufgetiommen und in den Kreislauf zurückgeführt zu 
werden, während ein anderer Thoil gerinnt und in allen seinen 
Bestandteilen regressive Veränderungen erleidet, die ihn zur 
Aufsaugung tauglich machen; dass das Atropin wegen der 
möglich.st erreichbaren Verkleinerung der aufsaugenden Fläche 
einen hemmenden Einfluss auf die Blutresorption ausübt. Dem¬ 
entsprechend ist bei den oben erw’ähnten Traumen das Atropin 
zu vermeiden und eher durch Pilokarpin oder Eserin zu ersetzen. 
Ist der Augapfel aber geplatzt, so besteht gleichfalls zunächst 
keine Indikation für Atropin, sondern höchstens für geeignete 
chirurgische Maßnahmen. (Fortsetzung 


Cytori'liyctes oder Spirocliaete paÜidal 

(Srhliisa.) 

Herrn Hoffmanns Darlegungen trat Herr J. Siegel mit 
nachstehender Erwiderung entgegen: 

„Nach Herrn Hoffmanns Behauptung bringt die Tiwnfiwig 
der Makaken nur eine ganz leichte Reaktion an der mut- 
impfungsstelle hervor und niemals sekundäre ErsebeianngeQ. 
Das sei von allen Seiten bestätigt. Dem muss ich entgegetthalten. 
dass Klebs, Martineau und Nenmann schon in früheren 


ftthrung zu gelangen, und namentlich leiden an diesem Übel 
Pläne, die von Autoren, zu deutsch „Verfassern**, d. h. von 
Leuten, die etwas „verfassen“ wollen, ausgehen und wohl des¬ 
halb bisweilen kurzweg «Vorfassungspläne“ genannt werden. 
Die geplante h’euilleton-Serie ist aus verschiedenen Gründen, 
deren Erörterung zu weit führen würde und die infolgedessen 
am besten gamiclit erörtert werden sollen, bis jetzt ausge- 
blioben, wird aber von nun an voraussichtlich regelmäßig er¬ 
scheinen. Da es aber nicht ausgeschlossen ist, dass mancher 
Leser den vor relativ so langer Zeit orscliienenen Feuilleton 
nicht gelesen hat oder sich dessen Inhalts nicht mehr zu er¬ 
innern vermag, so dürfte es wohl angebracht sein, die damaligen 
Ausführungen kurz zu rekapitulieren. 

«Der russische Arzt“, heisst es dort, „ist auch nichts anderes 
als vor allem das Produkt seiner eigenartigen Umgebung, und 
diese Umgebung möchte ich.in ihrer Eigenartig¬ 

keit, ja für deutsche Begriffe Fremdartigkeit zunächst schildern, 
dessen eingedenk, dass man, wenn man den Boden kennt, auch 
das kennt, was diesem entspriesst“. Es werden nun die Kreise, 
aus denen der russische Arzt in der weitaus grössten Mehr¬ 
zahl der Fälle hervorgeht, geschildert, die Kreise der selbst¬ 
losen, geistig ebenso hoch entwickelten, wie materiell niedrig 
stehenden russischen Intelligenz, in denen „mehr gelesen, 
studiert, philosophiert und über die verschiedensten Kultur¬ 
fragen debattiert, als gegessen und getrunken, und mehr von 
einem Beglücken der gesamten Menschheit geträumt, als um 
das eigene Wohl und Wehe gesorgt wird“. In einem Lande, 


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1906. 


MEDICINI8CHB WOCHE. 


48 


Jahren ganz einwaodsfrei bewiesen haben, dass Sekundär¬ 
erscheinungen bei niederen Affen nach der Impfung mit Sy¬ 
philis auftreten und noch kürzlich ist dasselbe von Zabolotny 
(Petersburg) wiederholt Das wäre also, wenn ich mich selbst 
mitrechne, mindestens die Hälfte der in Betracht kommenden 
Autoren. Als ich sah, dass man bei Skaridkation der Haut 
nur eine ganz geringe, gar nicht typisclie Inßltration erhält, 
ging ich b^d zur Kinföhrung größerer Virusmengen, Sklerosen* 
emulsion oder Blut, auf subkutanem Wege Uber, indem ich mir 
sagte, wenn die Resistenz der niederen Affen eine grössere ist 
ak die der höheren, so muss versucht werden, sie durch eine 
mehr massive Impfmethode zu brechen. Bis jetzt ist es mir 
gelungen, bei gegen 30 Affen auf diese Weise Sekundärer- 
scbeinnngen, multiple Driisenschwellungen und Hautexantheme 
zu erzielen. 

Ich halte es nicht für richtig, heute schon auf Grund einer 
verhältBiamassig geringen Zahl von Impfungen niederer Affen, 
die noch dazu fast alle nach derselben Methode vorgenomnien 
sind, von einem Bilde der Affensyphilis zu sprechen. Auch 
die vielen Symptome der Mens.chensyphilis haben wir in ihrer 
Polymorphie erst im Laufe vieler Jahrzehnte genauer kennen 
gelernt, obgleicb die Beobachtung aussergewöhnlich vieler 
Kranker möglich war. In solchen noch nicht abgeschlossenen 
Fragen wie der Affensyphilis ist nichts schädlicher dem weiteren 
Fortschritt unserer Erkenntnis als voreilige Schematisierung. 
Gerade die Geschichte der Syphilis ist ein schlagendes Beispiel 
dafür,, wie voi'zeitige Schematisierung unberechenbaren Schaden 
stiften kann. Ich erinnere nur an die Ricord’sche Lehre von 
der Nichtinfektiösität der secundären Lues, die der grosse Ge¬ 
lehrte aus seinen vielen negativ verlaufenen Beobachtungen 
schloss. Negativer Ausfall eines Experimentes selbst in grossser 
Zahl beweist in der Biologie nie etwas. Die vielen jahrelang 
immer wiederholten negativ ausfallenden Versuche der Ueber- 
tragung der menschlichen Variola auf Kälber haben schliesslich 
do^ die Erkenntnis nicht verhindern können, dass diese Ueber- 
tragung möglich ist. Zum Beweise dafür genügten schliesslich 
einige einwandsfreie positive Ausfälle der Impfung. 

Der Hinweis, dass soviele Autoritäten sich für die ätiolo¬ 
gische Bedeutung der Spirochaeten ausgesprochen hatten, be¬ 
weist noch nicht die Richtigkeit der Sache. Bis jetzt ist nur 
das Vorkommen von Spirochaeten iusyphllitischerxHautprodukten 
und gelegentlich in Leichenorganen bestätigt, eine Tatsache, 
die niemand bestreitet, am wenigsten ich selbst. Bei meinen 
vielen Untersuchungen syphilitischen Materials fand ich häufig 
genug Spirochaeten, aber nur in Gesellschaft mit anderen Fäul- 


wo es noch bis vor kurzem als Staatsverbrechen galt, sich um 
Politik irgendwie zu kümmern, und jede aktive leilnalinie am 
Öffentlichen Leben des Landes eine Unmöglichkeit w’ar, weil 
die Bureaukratie das ganze Regiment, von den machtvollen 
Sphären der hohen Politik bis zu den kleinsten Gebieten der 
Lokalverwaltung, an sich gerissen und in ihren Händen in bis 
zum Zerplatzen straffer Spannung gehalten hat, mussten natür¬ 
lich die „überschwänglichen Träumereien vom Beglücken der 
Menschheit den Gebildeten schliesslich alles ersetzen“, indem sie 
ihnen die Möglichkeit gaben, den mächtigen, alles vergessend 
machenden und alles überwindenden Drang nach sozial-poli¬ 
tischer Betätigung w'enigstens theoretisch zu befriedigen. 
Andererseits musste in einem Lande, in dem man schon 
die polizeiliche Genehmigung einholen musste, wenn 15 Per¬ 
sonen in irgend einem öffentlichen Lokal eine kleine Geburts¬ 
tagsfeier veranstalten wollten, in dem ein Universitätsinspektor 
si^.sogar zu dem Motto: „Bin Student — Verdacht! Zwei 
Studenten — Versammlung! Drei Studenten — Aufruhr!“ 
verstiegen haben soll, in einem Lande also, wo noch ganz vor 
kurzem selbst der leiseste Schatten eines öffentlichen Lebens 
undenkbar war, und Alle nur auf ihre vier Wände angewiesen 
waren, „sich das außerordentlich rege, höchst intellektuelle 
Leben mit all’ den gewaltigen geistigen Exkursionen in das 
Gebiet der Pkilosophie, des höheren und höchsten Idealismus, 
im Hause, d. li. unter den Ohren und Augen der Kinder ab- 
spielen, die bis zu ihrem 9.—10. Lebensjahre, wenn nicht noch 
viel länger, eigentlich nichts tun, als die ülmen spitzen und 


nisbakterien. Ein Beweis ffir die ätiologische Rolle der Bpiro- 
chaeten ist weder von Schaudinn und Hoffmann noch von an¬ 
derer Seite im geringsten erbracht. 

Der anscheinende Siegeslauf der Spirochaete erinnert mich 
selir an die Geschichte des Lustgarten’schen Bacillus. Auch 
damals und fast noch bis in die Gegenwart wurde die ätiolo¬ 
gische Rolle desselben von vielen Autoritäten geglaubt 
führte zum Beweise seiner Bedeutung auch dam^ nicht nur 
den regelmässigen Befund in syphilitischen Hautprodukten an, 
sondern auch sein Vorhandensein in syphilitischen Leicheo- 
organen wurde nachgewieseu. Und docn hat sich heraus* 
gestellt, dass der Lus^aitensche Bacillus ein gewöhnlicher Sa- 
prophyt war. 

Auch die Spirochaeten gehören zu den geradezu ubiquitären 
Fäulnisbakterien. Man findet sie gelegentlich iiberaU, nicht 
allein auf der Haut, im Darm, in der Vulva, anf der Haut 
von Meuscheo, soudern auch in der Kloake von Fröschen u. s. w. 
Von einer bestimmten Artenunterscheidung der Sp. pallida 
sind wir noch weit entfernt. Z. B. kann man in der uund* 
hoble Spirochaeten finden, die sieb nicht im geringsten von 
der sogenminten Sp. pallida unterscheiden. 

Die bei der Sichtbarmachung der Spirochaeten am meisten 
augowaudten Färbemethoden (Giemsa oder auch Süberfoetijode), 
haben die Eigentümlichkeit die kleineren FMllnisbakterien, 
Ooccen und kleinste Stäbchen leicht zu verdecken. So k^no es 
Vorkommen, dass man bei Giemsafärbung, welche den gesMOien 
Ausstrich stark überfärbt, die kaum sichtbaren kleinsten Bak¬ 
terien übersieht, und dass der Anschein erweckt wird, als ob eine 
Reinkultur der grösseren Spirochaeten Vorlage. Ich habe in 
solchen Fällen immer Kontrollfärbungtm der Ausstriche mit den 
gewöhnlichen Bakterienfarbstoffen gemacht z. B. Boraxmothy- 
lenblau und dann mich häufig zu meiuem Erstaunen von dem 
Vorhandensein einer ganzen Reihe verschNeuartiger Bakterien 
überzeugt. 

Meines Erachtens würden die Spirochaeten als Erreger des 
Syphilis nur dann diskutabel sein, wenn man sie wie die 
Cytorrliycten im frischen Blute des Menschen und in den 
I Organen soeben getöteter Impftiere nachweisen könnte und 
zwar ohne Beimengung anderer Bakterien. Herr Hoffmann 
gab heute Abendzu, <Ns selbst bei einfacher Haiitskarifikation 
eine Blutinsektion mit Syphilis bei den Makaken stattfinde. 
Demnach müsste es also auch möglich sein, die Spirocdiaeten in 
ganz frischen Organen der geimpften Affen nachzuweisen, 
wenn sie etwas mit der Syphilis zu tun hätten.“ 

Diesem Angriff gegen die ätiologische Bedeutung der 


den schönen Reden der Erwachsenen lauschen und das Gehörte 
mehr oder minder falsch in das weiche kindliche Gemüt und 
empfängliche kindliche Gehirn einprägeu“. In Russland kommen 
nämlich die Kinder nicht vor dem 9.—10. Lebensjahre zur 
Schule, da die Gymnasien, Realschulen etc. nicht, wie in 
Deutschland 3, sondern nur eine Vorschulklasse haben und 
nur ziemlich fortgeschrittene Kinder aufnehmen. Was Wunder 
also, wenn „der mssische Knabe sowohl, wie das russische 
Mädchen auf das (Tyiniia.siuDi als fertige Schwärmer kommen, 
die sich der ihrer harrenden grossen Aufgaben klar bewusst 
sind und die es nicht begreifen können, dass man auf den 
Gymnasien .statt mit weltbewegenden Fragen sich mit solchen 
lächerlichen Lappalien abgibt wie Deklination, Konji^ation 
etc., und statt Kant, Schopenhauer und Nietzsclie so ein rus¬ 
sisches Lesebuch oder irgend einen Cicero liesst“. 


Das sind also die Hauptmomente der damaligen Ausführ¬ 
ungen, deren Wiedergabe ini Interesse einer besseren Beur¬ 
teilung der nachfolgenden Ausfühningeii durchaus erforderlich 
war, und nun kann ich hüt meinen Schilderungen fortfahren 
— dort beginnend, wo ich damals stehen geblieben bin, näm¬ 
lich bei den Gymnasiasten-Jahren des angehenden russischen 
Arztes. 

Ich werde nicht umhin können, bei diesem Kapitel etwas 
länger zu verweilen — ei*stens weil die Gymnasiasten-Jahre 
vielleicht für die ganze Geistes- und Charakterbildung des 
I späteren Arztes oder, man kann es getrost sag^, des Führers 


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50 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 5. 


SpirocKaete^allida trat schliesslich noch {Herr Thesing mit 
fmgenden Worten bei: 

Da die Spirochaete pallida in Herrn Kowalewski einen so 
warmen Verteidiger gefunden hat, gestatten Sie wohl auch 
mir, ihr einige Worte zu widmen. So eindeutig, wie Herr K. 
es liinstellt, sind die Ansichten über die Spirochaete pallida 
denn doch nicht. So hebt z. B W. Scholz mit Recht hervor, 
dass sich das so häufige Vorkommen der Spirochaeten in syphi¬ 
litischen Produkten auch ohne die Annahme einer ätiologischen 
Bedeutung ganz zwanglos erklären Hesse. In allen luetischen 
Produkten liegt eine Gewebserkrankung spezifischer Art vor, 
welche sehr wohl einen spezifischen Nährboden fUr die Spiro¬ 
chaete pallida abgeben könnte. V erzeihen Sie, meine Herren, wenn 
ich, um dieses zu illustrieren, einen etwas groben Vergleich 

g ebrauche. Eben so wenig, wie man die regelmäßig im alten 
äse vorhandenen Käsemilben für den Reifungsprozess des 
Käses verantwortlich machen wird, ebenso wenig ist das häufige 
Vorkommen der Spirochaeten in luetischen Gebilden ein Beweis 
dafür, dass sie die Erreger der Syphilis sind. Es ist dieses um so 
weniger der Fall, als gerade die Spirochaeten zu den am weite- 
.sten verbreiteten Eäulnisbakterien gehören, die sich auch nor¬ 
maler Weise fast regelmäßig an verschmutzten Stellen der 
Hautoberfläche, im Smegma, am After und in allen Teilender 
Mundhöhle nachweisen lassen. Zahlreichen anderen, als be¬ 
stätigend angeführten Arbeiten ist aber auch schon darum keine 
Bedeutung beizumessen, da den Untersuchern offenbar ganz 
andere Spirochaetenarten, als die von den Entdeckern be¬ 
schriebene Pallida, Vorgelegen haben. Einen typischen Fall 
hierfür bietet die Ai-beit von Grouven und Fabry, eine der 
wenigen Untersuchungen, welche ihre Behauptung durch ein 
Mikrophotogramm zu erhärten versucht. Den beiden Autoren 
haben zum Vergleich Originalpräparate von Hoffmann und 
Schau dinn Vorgelegen, und das beigegebene Mikrophotogramm 
soll denn auch m^ als 30 Exemplare der typischen Spiro¬ 
chaete pallida enthalten. In Wahrheit zeigt jedoch die Abbild¬ 
ung nicht eine einzige Pallida, wohl aber zahlreiche ganz flach 
ewundene, fadenförmige Spirochaeten, wie solche auch neben 
er Spirochaete dentium beim gesunden Menschen häufig im 
vorderen Teile der Mundhöhle Vorkommen. Das Pr^arat ist 
nämlich ein Ausstrich einer Lippensklerose! Dieser Fall zeigt 
klar, dass es eine unbedingte Pflicht, um Irrtum auszuschalten, für 
die Untersucher so kleiner Objekte, bei denen der subjektiven 
Deutung so wie so ein breiter Spielraum gelassen wird, ist, 
ihre Behauptungen durch das objektive Photogramm zu belegen. 
Hervorheben möchte ich auch, dass sogar die von Schaudinn 


der russischen InteUigenz, entscheidend waren, zweitens weil sich 
mir unwillkürlich ein Vergleich der Mittelschulverhältnisse in 
Russland mit demjenigen in Deutschland aufdrängen wird. 
AUerdings wird sich meine Schilderung hauptsächlich auf den 
Hauptrepräsentanten der Mittelschule, das Gymnasium, beziehen, 
das bis vor kurzem allein berechtigt war, seinen Zöglingen, 
die es fertig bringen konnten, bis zum Schluss in seinen „freund- 
Hchen“ Mauern auszuhalten, das Zeugnis der Reife mit auf 
den dornenvollen weiteren Weg zu geben und die Pforten der 
Alma mater zu öffnen. Jedo^ kann man, ohne irgendwie 
fehl zu gehen, sagen, dass es in den anderen Mittelschulen 
Russlands nicht viel anders aussah und aussieht als in den 
Gymnasien. 

Was ist nun der Hauptzug des russischen Gymnasiasten, 
der für seine ganze Charakter- und Geistesbildung so ent¬ 
scheidend ist, der seinem ganzen, auch späteren Tun und 
Lassen einen gewissen Stempel aufdrnckt und vielleicht nicht 
nur für ihn allein verhängnisvoll ist? 

Die Frühreife ist es, die enorme geistige Frühreife, 
die beinahe jeden russischen Gymnasiasten zu einem W'under- 
kind sui generis macht, das mit gleichem Fug und Recht be¬ 
wundert werden könnte, wie einer der jetzt so zahlreichen 
kleinen Podiumhelden, das aber bisweilen und mit bitterem 
Unrecht verhöhnt wurde — leider am häufigsten gerade von 
denjenigen, die schon ex officio etwas mehr Verständnis für 
die Regungen der Seele des, Heranwachsenden Kindes und des 
Jünglings hätten haben sollen. (Fortsetzung folgt.) 


und Hoffmann selbst im Mikrophotogramm wiedergegebenen 
Spirochaetae pallidae absolut nicht der gegebenen Definition 
entsprechen. BekanntHch soll die Pallida enge und steile 
Windungen besitzen, ja, die engo Spirale soll bei ihr im Gegen¬ 
satz zu allen übrigen Spirochaeten präformiert sein. Ferner 
wird auf die grosse Zahl der Windungen grosses Gewicht ge¬ 
legt. In einer der ersten Veröffentlichungen geben nun die 
beiden Autoren ein Photogramm eines Ausstriches einer syphi¬ 
litischen Inguinaldrüse, das 3 Spirochaetae pallidae zeigen soll. 
In Wahrheit enthält das Photogramm jedoch nur eine echte 
Pallida und daneben 2 ganz fla^e, nur 3—4 Windungen auf¬ 
weisende Spirochaeten. Entweder ist also die entworfene Art 
der Diagnose unrichtig oder aber es kommen bei Inetischen Ge- 
webser^ankungen und sogar im Drüsensafte neben der Spiro¬ 
chaete pallida noch andere Spirochaeten als Saprophyten vor. 
Damit hätte aber bereits die Behauptung, dass aerP^idaeiue 
ätiologische Bedeutung zukomme, einen schweren Stoss er¬ 
litten, abgesehen davon, dass sie auch noch aus einer Reihe 
anderer Gründe auf recht schwachen Füssen ruht. Einer dieser 
Gründe ist, dass Spirochaeten, die sich bisher weder morpho¬ 
logisch noch färberisch von der Pallida unterscheiden la^en. 
die man also, bis das Gegenteil erwiesen ist, als Spiroebaet« 
pallida ansprechen muss, auch zahlreich in den verschiedensten 
nicht luetischen Produkten (bei Balanitis, im Smegma, im Saft 
spitzer Kondylome, in kariösen Zähnen etc.) sicher nachgewiesen 
wurden. Darauf haben ausser mir W. Scholz, Kiolomenoglou 
und V. Cube nnd einige andere Autoren hingewiesen. Gil)t 
doch sogar ein so eifriger Verteidiger der Spirochaete pallida. 
wie Kraus in Wien, zu, dass sich dieselbe morphologi8(m nicht 
von gewissen anderenSpirochaeten trennen lässt. Ja, Schaudinn 
selbst muss zugestehen, dass es Fälle gibt, in denen man zn 
keiner Entscheidung gelangen kann, ob man die Pallida oder 
eine andere Spirochaetenart vor sich hat. Als sicherstes Unter- 
scheidungsmerWal rät Schaudinn in diesem Falle die Messung 
der Dicke auf mikrophotographischem Wege. — Eine einfache 
Überle^ng muss einem sagen, dass eine mikrophotographischc 
Dickenbestimmung bei solch kleinen Objekten so ziemlich das 
Unsicherste ist, was man sich denken kann, da, je nachdem 
man das Objekt etwas mehr oder weniger scharf einstellt, was 
ganz unvermeidlich ist, es dementsprechend dicker oder dünner 
erscheinen muss. Aber auch in anderen Punkten entbrechen 
Schaudinns Behauptungen nicht den tatsächlichen Verhält¬ 
nissen. Es ist ein Irrtum, dass nur die Pallida 10—26 enge 
Windungen besitzt; ich habe selbst Präparate und Photogramme 
von Mundspirochaeten und von Spirochaete Obermeieri mit 10, 12 
und mehr engen Windungen. Ebenfalls beruht es auf einem 
Irrtume, dass nur die Pallida spitz auslaufende Enden besitzt, 
alle übrigen abgerundete. Nach den kürzlich von RobertKoch 
in der Deutsch, med. Wochenschr. veröffentlichten Abbildungen 
haben die Recurrensspiroebaeten zugespitzte Enden, ja, ein 
Mikrophotogramm Schaudinns inNo. 22 derBerl. klin. Wochen¬ 
schrift beweist, dass auch die Spirochaete refrii^ens keineswegs 
abgerundete Enden besitzt, sondern in feine Ritzen ausläuft. 
— Nachdem Schaudinn neuerdings endlich den Zusammenhang 
zwischen der sog. .Spirochaet Ziemanni“ und den echten 
Bakterien-Spirochaeten fallen gelassen hat, (denn das Zurück¬ 
versetzen dieser Beziehungen in die frühesten Zeiten der 
Stammesgeschichte braucht man wohl nicht ernsthaft zu dis¬ 
kutieren) ist damit auch gleichzeitig die einzige Stütze für die 
Zurechnung der Spirochaeten zu den Protozoen ^fallen. Er¬ 
wähnen möchte ich nur noch, dass auch Robert Koch in der 
bereits erwähnten Arbeit sich entschieden gegen die Zugehörig¬ 
keit der Spirochaeten zu den Protozoen ausspricht, en^ch sei 
noch bemerkt, dass die erst neuerdings bei den Spirochäten 
beschriebene „undulierende Membran“ nach den ausgezeichneten 
Untersuchungen Bütschlis der Protoplasmakörper der Spiro- 
ebaeten ist. 

Auf den Cytorrhyetes hier noch näher einzugehen, fühl? 
ich keine Veranlassung; dass nach meiner Meinung anchgegen 
seine ätiologische Bedeutung noch schwere Bedenken bestehen, 
brauche ich kaum hervorzuheben. Nur soviel sei erwähnt 
dass der Cytorrhyetes ein wohl charakterisierter Organismus (ob 
Protozoon bleibe dahingestellt) ist, davon habe ich mich wieder 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


51 


holt überzeugt! Eins ist jedensfalls sicher, dass bisher bei 
diesen beiden neuesten „Syphüiserregem“ der Beweis für ihre 
ätiologische Bedeutung noch aussteht, und dass man bei den 
zahlreichen Enttäuschungen, an denen gerade die Syphilis¬ 
forschung so reich ist, doppelten Grund hat, mit einem defini¬ 
tiven Urteile zurückzuhalten, bis über die beiden Rivalen und 
besonders über den bisher sehr vernachlässigten Cytorrhyctes 
eingehende Nachuntersuchungen vorliegen. Eine wirkliche Ent¬ 
scheidung kann ja erst fallen, wenn Reinkulturen gelungen sind 
und Impfungen eine strenge Beweistührung ermöglichen“. 

Im Schlussworte verzichtete Herr Hoffmann auf die gegen 
die Spirochaete pallida vorgebrachten Einwände näher einzu¬ 
gehen und weist auf Schaudinns und seine.Arbeiten hin. Er 
betont, dass das Präparat aus Doutreleponts Klinik zahlreiche 
Exemplare der Spirochaete pallida enthalte, nur sei deren Wieder¬ 
gabe auf dem gewöhnlichen Druckpapier schlecht gelungen. 
Jesionek, unter dessen Leitung die Aroeiten Kiolomenoglou s 
und V. Gubes entstanden seien, habe ihm mitgeteilt, dass die 
neuen Publikationen nunmehr auch ihm alle Zweifel an der 
ätiologischen Bedeutung der wahren Spirochaete pallida ge¬ 
nommen habe. Kurt Steindorff. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

GeaeUachaft für QehurtafMfe tmd Gyn&kologie 
zu BerUtu 

Sitzung am 12. Januar 1906. 

P. Meyer demonstriert ein Melanosarkom, das von der 
rechten kleinen Schamlippe bei einer 47 jährigen Patientin exstirpiert 
wurde. Der Tumor war bereits oberflächlich nekrotisiert. Bei 
der Patientin waren über den ganzen Körper zerstreut, zahlreiche 
Naevi zu sehen, die sich übrigens auch an der Vulva fanden. 

Nagel demonstriert 1. ein Ovarialkarcinom (vom linken 
Ovarium) und ein carcinomatös degeneriertes Oystom (des rechten 
Ovariums), die er durch Laparatomie entfernt hat. Das Cystom 
war wegen der intraligamentären Entwicklung schwer zu lösen. — 
Glatter Verlauf. Entlassung am 22. Tage. 2. Ein Fibrom des 
Ovariums von abnormer Grösse, das nach der Operation 34 Pfund 
wog. Das andere Ovarium wurde zurückgelassen. Bis auf einen 
Fieberanstieg an einem Tage normaler Verlauf. 

Strassmann hält seinen Vortrag: Über die Leitung 
der Nachgeburtsperiode: Die manuelle Lösungder Nach¬ 
geburt sollte möglichst aus der Praxis ausgeschaltet werden. Die 
durchschnittliche Mortalität derselben in den Statistiken beträgt 
11 ^/}, eine erschrecklich hohe Zahl, wenn man sie mit der Mortahtät 
bei Zangengeburten (4%) und beim Kaiserschnitt (8%) vergleicht. 

Durchschnittlich ist die Placenta gelöst und exprimierhar 
10—15 Minuten post partum. Zu den bekannten Symptomen 
fügt Strassmann ein neues hinzu, das bisher in den Lehrbüchern 
nicht berichtet und das Strassmann bisher nie im Stich gelassen 
hat. Bei geringem Druck auf den Uterus füllt sich die Nabel¬ 
vene mit Blut und man bemerkt eine Fluktuation und An¬ 
schwellung der Nabelvene. Ist die Placenta gelöst, so füllt sich 
die Nabelvene bei Druck auf den Uterus natürlich nicht mehr. 

Im allgemeinen ist die von Ahlfeld immer tmd immer wieder 
betonte exspectative Therapie bei der Nachgeburtsperiode die 
einzig richtige. Man soll alle 20 Miauten, vielleicht durch geringen 
Druck auf den Uterus, versuchen, ob die Placenta bereits gelöst 
ist. Nur nach der Geburt von sehr grossen Kindern (also über 
4000 g) und von Zwillingen mache man eine Ausnahme und kürze 
die Nachgebartsperiode ab. Wenn sich die Placenta nach einer 
gewissen Zeit (Strassmann hält 2—3 Stunden für das Maximum) 
nicht löst, so ist der Arzt berechtigt, das Ausdrücken der Placenta 
zu versacken. Eventuell soll noch ein Versuch in Narkose gemacht 
werden, bevor man sich zur manuellen Placentarlösung entschliesst. 
Bei der adhaerenten Placenta freilich, die es zweifellos gibt, 
und bei der eben jede Blutung fehlt, ist ein unmässiges Abwarten 
ein falsches Verfahren. Hier muss manuell gelöst werden. 


Auch sonst in der Nachgeburtsperiode auftreteude Blutungen, 
wie Rissblutungen, atonische etc., indizieren nur ;ganz ausnahms¬ 
weise eine sofortige Lösung der Placenta. Bei Dammrissen in 
der Nachgebartsperiode hat Strassmann seit Jahren immer erst 
den Damm genäht und dann die Placenta gelöst. Den von 
verschiedenen Autoren, besonders von Zweifel-Leipzig, gemachte 
Vorschlag, nach Entfernung der Placenta aus dem Uterus, mit¬ 
telst Spekula die Blutkoagua aus den Scheidengewölben zu 
entfernen, da sie die Hauptquellen für die Infektion seien, ver¬ 
wirft Strassmann, da dies Verfahren in der Praxis mehr Unheil 
als Nutzen bringen würde. Höchstens könne man versuchen, durch 
Druck auf den Uterus von aussen Blutgerinnsel zu entfernen, auch 
wenn keine Blutungen nach aussen erfolgen. 

Bei der manuellen Lösung der Placenta muss vor 
allem die subjektive Desinfektion eine sachgemäße sein. Zeit da¬ 
zu ist immer noch genügend vorhanden, im Notfall desinfiziere 
man nur die operierende Hand. Strassmann macht seit einer 
Reihe von Jahren alles mit Gummihandschuhen, und hat dabei 
gute Resultate. Nur bei wenigen Handgriffen (z. B. Blasensprengeni, 
sind die Gummihandschuhe nicht anwendbar. Strassmann ist der 
Meinung, man soll beim Verdacht, dass ein Stück Placenta zurück¬ 
geblieben, lieber einmal zu viel, als zu wenig eingehen. Bei 
unregelmässig gestalteten Placenten und bei Placenta praevia sei 
eine Nachuntersuchung und Austastung des Uturus unbedingt 
notwendig; bei jedem Fieber im Wochenbett soll man den Uterus 
aastasten. 

Das Abreissen der Eihäute ist häuflg die Folge des zu 
schnellen Abdrehens. Kleinere Stückchen Eihäute gehen meist 
spontan im Wochenbett ab. Oft werden Stücke von Eihäuten 
in utero retiniert, ohne den geringsten Schaden zu verursachen. 
Strassmann hat drei derartige Fälle ganz sicher beobachtet. Nach 
Straosmanns Beobachtungen und Experimenten gehen Eihäute stets 
dann ab, wenn es sich nur um Amn ion oder um Amnion und 
Chorion handelt. Ist dagegen Chorion allein weich geblieben, so 
kann er sich auflösen und als vermehrtes Lochialsekret abgehen. 

Die Zahl der manuellen Placentarlösungen, die Strass¬ 
mann ausgefülirt, beträgt 55. Davon starb eine an Thrombopble- 
titis; bei der betreffenden Frau hatte allerdings vorher eine 
Hebamme, die kurz danach auch einen Todesfall an Sepsis hatte, 
die Placentarlösung versucht. Die übrigen Frauen sind genesen. 
Eine von ihnen hatte die sechste, eine andre die achte Placentar- 
lösuDg durchgemacht. 

Wie soll man sich nun verhalten, um einer wieder¬ 
holten manuellen Lösung bei derselben Fraii vorzu¬ 
beugen? Strassmann konnte feststellen, dass man bei ruhigem Ab¬ 
warten in der Naebgeburtsperiode die nächsten Male ohne manuelle 
Lösung auskam. Baisch-Tübingen dagegen hat von 48 Frauen bei 20 
die manuelle Lösung wiederholen müssen, bei einigen noch öfter. — 
Eis müssen daher solche Frauen vor allem darauf aufmerksam ge¬ 
macht werden, dass sie zur Geburt ärztliche Hilfe holen, damit 
die Nachgeburtsperiode richtig geleitet werde. 

Da nach manuellen Placentarlösungen spontane Uterusrupturen 
vorgekommen sind, schlägt Strassmann nach Beendigung des 
Wochenbetts bei diesen Frauen eine Ausschabung vor, damit sich 
die Schleimhaut an der Placentarstelle gründlich regenerieren kann. 

Diskussion: Keller näht auch den Damm stets vor der 
Expression der Placenta. Was die Ausschabung nach adhärenten 
Placenten betrifft, so rät Keller damit wenigstens V 4 Jahr post 
partum zu warten. Den Vorschlag Strassmann’s, bei jeder fiebernden 
Wöchnerin eine Austastung vorzunehmen, hält Keller für ge^hrlich. 

Bokelmann fordert vor allem, dass die Elxpression der 
Placenta langsam gemacht werde, und nicht so übereilt, wie 
das meistens geschieht. Man kommt dann besser zum Ziele. 

R. K. 

Berliner medicVndsche GeaeUschaft, 

Sitzung vom 17. Januar 1906. 

Tagesordnung: Bergmann: Nachruf an das ver¬ 
storbene Ehrenmitglied von Leuthold. 

Geschäftsbericht des Vorstandes. Interpellation Meissner: 
Über den Modus, nach welchem Vorträge von Mitgliedern auf die 
Tagesordnung gesetzt werden. Meissner und in der Diskussion 


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52 


MBDICINMCHE W0C5HE. 


Nr. 6. 


Lassar und Hirsch machen verschiedene Vorschläge zur Aen- 
derung des bisher üblichen Modus. 

Wahl des Vorstandes: "Wiederwahl in der bisherigen Zu¬ 
sammensetzung. 

Baginsky demonstriert: 1. ein Kind mit Bronchiektasle 
und Dextrocardie, 2. ein Kind mit chronischem Rheumatismus; 
es ist der 6. Pall seiner' Beobachtung. Eine Tuberkulose hat er 
nie damit vergesellschaftet gefunden, während ein solcher Zusammen¬ 
hang von andern als sehr häufig bezeichnet wird. Heilung ist .sehr 
.selten, oft Ausgang in Ankylose, 3. eiu Kind, hei dem in der 
3. Woche einer Scarlatina, nachdem Entfieberung eingetreten, plötz¬ 
lich unter Erbrechen eine Hemiplegie einsetzte mit völliger Aphasie: 
nach Verlauf von Wochen entwickelte sich eine Phlegmasia alba 
am Bein, später völlige Amaurose. Es handelte sich also um eine 
Schenkelvenen und Sinusthroinbose nicht infektiösen Ursprungs. 
Zur Zeit bestehen noch Spasmen und eine fortschreitende Optiens- 
atrophie. 4. Das Präparat von einem grossen visceralen Sarkom 
bei einem 3 Vs jährigen Kinde. 

Diskussion: Pick berichtet über einen ähnlichen Pall bei 
einem 8jährigen Kinde. Hier war der Tumor von den Lymph- 
drüsen ausgegangen und nach dem Darm durchgebrochen. 

Israel gibt einige klinische Daten des betr. Falles. 

Falk enstein: beginnt seinen Vortrag über das Verhältnis von 
Harnsäure zum Harnstoff im Harn der Gichtkranken. P. 

MedlclnUehe GeseÜHvhaft ln G lensen, 

2. Sitzung am 28'. Nov. 1905. 

Herr Kossel: Ueber P ro tozoen krankhei ten. 

Vortragender gibt einen Überblick über die Kenntnisse von 
dem Zustandekommen der Iinmuiiität bei Krankheiten, die dui’ch 
Protozoen hervorgerufen werden. Au.sgehend von der Hämoglo¬ 
binurie der Rinder wird die Immunität bei dieser Krankheit und 
bei der Malaria be.sprochen. Bei beiden wird die Immunität durch 
Ueberstehen der Krankheit in der Jugend verhältnismäßig leicht 
erworben, sie zeichnet sich aber durch eine gewisse Labilität aus. 
Ijetztere findet ihren Ausdruck darin, dass die immun gewordenen 
Individuen bei der Einwirkung von Schädlichkeiten ihre Wider- 
standsftlhigkeit gegen die ki*ankmachenc]en Eigenschaften der 
Parasiten verlieren. Solche Schädlichkeiten sind l)ei der Riuder- 
krankbeit Einwirkung von W'itterungswechseln, gros.se Hitze, Oel- 
bäder, denen die Tiere zur Abtötung von Zecken ausgesetzt werden, 
kurz Einflüsse, die axif die Wärmereguliening der Tiere ungünstig 
wirken. Aehnlich liegt es bei Erkrankung der Neger im Anschhws 
an Massentransporte, Klimawechsel; ferner treten Malariaanfälle 
bei immunen Personen auf nach Operationen, Verletzungen. — An 
die Eigenschaften des Blutserums nach Ueberstehen von Bakterien¬ 
krankheiten erinnert die "Wirkung des Blutserums von Hunden, 
die eine Infektion des Piroplasma canis überstanden haben. Nach 
Nocard und Motas nimmt das Blutserum solcher Tiere parasiticide 
Eigenschaften an; auch lebhafte Phagozytose wurde beobachtet. 
Bei den Flagellaten, die als Krankheitserreger im Blutserum bei 
Tieren voiioramen — den Trypanosomen — werden Phänomene 
beobachtet, die der Agglutination der Bakterien in mancher Hin¬ 
sicht entsprechen, wenn Trypanosomen der Einwirkung von Immun¬ 
serum aasgesetzt werden. Ob auch hier parasiticide Wirkungen 
Vorkommen, ist noch nicht hinreichend sicher festgestellt; präventiv 
scheint solches Serum unter Umständen zu sein 

Bei den Spirochätenkrankheiten kommt Abtötimg durch das 
Blutserum und Phagozytose, wie bei den Bakterien zustande. 
Vortragender wei-st dann noch darauf bin, dass die Syphilis .sich 
den früher besprochenen Protozoenkrankheiten auch insofern ähnlich 
verhält, als die Erreger in lebensfähigem und übertragbarem Zu¬ 
stande noch lange nach erfolgter Infektion und anscheinender 
Heilung der Krankheit im Körper des infizierten Individuums 
fortlehen. 

Österreich. 

GeseH^ehaft fiir innei'e Mediein und Kinder¬ 
heilkunde in Wien, 

Sitzung vom 14. Dezember 1905. 

Hochsinger demonstriert ein Kind mit angeborener Bleich¬ 
sucht. Das Kind ist cyanotisch, die Auskultation ergibt in der 


Ruhe reine Herztöne; wenn das Kind aufgeregt ist, sind Herz¬ 
geräusche hörbar. Das Herz ist hypertrophisch. Es dürfte sich 
um einen Defekt im Septum ventriculorum handeln. 

Escherich demonstriert das anatomische Präparat eine-s 
Falles von Hirschsprungscher Krankheit. Das Kind hatte seit 
der Geburt einen abnorm grossen Bauch, das Meconium musste 
durch ein Klysma entfernt werden. Nach der Entwöhnung kam 
es schnell zur Verschlechterung des Zustandes. Der Stuhlgang musste 
immer durch Klysmen herbeigeführt werden; der Bauch wurde un¬ 
förmlich aiifgetrieben. Das Kind magerte ab und starb an Herz- 
.schwäche. Bei der OI)duktion fand sich eine mächtige Erweiterung 
der Plexur, des Colon traiisversum und des Goecum. 

Rach <lemonstriert das anatomische Präi>arat eines cys t ischen 
Tumors der Hirnhasis, welches von einem 5jährigen Mädchen 
stammt, das durch 9 Monate vor seinem Tode an Kopfschmerz. 
Schwindel, Erbrechen uod Anfällen von Bewusstlosigkeit IHt. Die 
Obduktion ergab einen Tumor der Schädelbasis, welcher aus einem 
soliden und aus einem elastischen Anteil bestand. Es baznielte 
sich um ein Epithelcarcinom, ausgehend vom Hypophysengtmg. 

Spieler zeigt ein l2jHhriges Mädchen mit osteoperiostiti.s 
luetica. Dabei besteht Keratitis parenchy matosa, eine 
luetische Erkrankung des linken Ellbogengelenkes, Hutchinsonsche 
Zähne und radiäre Narben um den Mund. Die rechte Tibia ist um 
4 Vz cm länger als die Unke, während die Fibula normal Lst. 

Hochsinger zeigt eiu 5 Monate altes Kind mit inter¬ 
stitieller Glossitis luetica. Die Zunge ist vergrössert, 
dunkel cyanotisch, in den hinteren zwei Dritteln verdickt und 
infiltriert. 

Swoboda zeigt ein 2 V 2 Jahre altes Kind mit Myxödem. 
Seitdem das Kind abge.setzt wurde, ist es apathisch, die Haut ist 
trocken und .schwitzt nicht. Epiphysenkerne an den Extremitäten 
und die Schilddrüse fehlen, die Temperatur ist subnormal. 

Sitzung vom 21. Dezember 19U5. 

Reitter stellt ein ISjähriges Mäilchen mit chronisch 
parenchymatöser Nephritis und N ieren tu be rkulose 
vor. Patientin hatte vor 5 Jahren Nephritis mit Ödemen. Vor 
einiger Zeit stellten sich wieder Zeichen einer parenchymatösen 
Nephritis ein, im Hani war l2°/oo Eiweiss, im Sediment hyaline 
und granuUerte Zylinder. Im Harn fanden sich reichliche Tuberkel¬ 
bazillen, sonst war kein Zeichen von Tuberkulose nachweisbar. 

Schlesinger zeigt einen 23jtUirigen Mann mit einem fast 
3 Jahre dauernden Trismus; vieUeioht bedingt durch Syrin- 
gobulbie. Im 15. Jahre soll Patient hyphoskoliotisch geworden 
sein, im 18. Lebensjahre entwickelte sich eine rechtsseitige Hemia- 
nästhesie des Körpers. Dann kamen Sprach-, Kau- und Schluck¬ 
beschwerden dazu, sowie eine sich rasch verschlimmernde Kiefer¬ 
sperre. Schlesinger möchte das Krankheitsbild am ehesten durch 
die Annahme einer primären Syringobulbie mit Übergreifen auf 
das Rückenmark erklären. Reim Schlucken dreht Patient den 
Kopf nach rechts und neigt ihn stark, vielleicht um dadurch eine 
Verkürzung des für die Speisen zurttckzulegenden Weges zu 
bewirken. 

Schlesinger zeigt das anatomische Präparat einer Dick- 
darmphlegmone von einer ü6jährigen Frau. Die Symptome 
waren Schmerzen in der linken Seitengegend und eine rasch zu¬ 
nehmende Anschwellung des Bauches bei allgemeiner Abm^erung. 
Bei der Punktion wuirden 8,5 Liter einer .serösen Flüssigkeit 
entleert. Die Untersuchung per rectum ergab das Vorhandensein 
einer sehr harten vom Douglas ausgehenden Wölbung. Stühle flüssig, 
anshaft stinkend. Es erfolgte bald Eixitus unter den Symptomen 
einer Perforationsperitonitis. Vermutungsdiagnose hochsitzende 
RectnnLsclerose, Die Obduktion ergab eine ältere tuberkulöse Peri¬ 
tonitis und eine reoente Perforationsperitonitis, die Wand des 
S. romanum mit Eiter infiltrierte Geschwüre im ganzen Di^darm. 

Schwarz berichtet über eine neue radiologische Methode 
zur Prüfung der Bindegewebsverdauung. iVigr Wismut, 
snbnit, werden in ein Goldschlägerhäutchen eingebunden ver¬ 
schluckt. Bevor das Goldschlägerhäutchen verdaut ist, sieht man 
im Abdomen einen schwarzen Fleck, später nach der Verdauung 
nur einen diffusen Schatten, herrührend von dem zerstreuten 


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1906. 


MEDICimSCHS WCMDHE. 


53 


-1 

Wiamutpalver. Bei Gesjundea -wird das Häutchen nach 7 Stunden 
verdaut, in einem Falle von H^pei-acidität erfolgte die Verdauung 
schon nach 2 Stunden. H. 


Periodische Literatur. 

NKIftchener medioliiUche Weebenschrift. 1906. No. 3 

1. Voelker, Lichteuberg, HeideU)erg: Pyelographie 
(Böntgenographie des Nierenbeckens nach KoUargolftUlnng). 

Um Lageveränderungen und Dilatationszustände des Nieren¬ 
beckens mit dem Äuge erkennen zu können, haben die Verftvtöer 
ein Verfahren ersonnen, welches darin besteht, dass man Ureter 
und Nierenbecken mit einer Röntgenstrahlen nicht durchlasseuden 
Flüssigkeit füllt und dann am Fluorescenzschirm beobachtet, resp. 
eine Röntgenaufnahme macht. Es ist erfahrungsgemäß unmöglich, 
durch einfachen Druck von der Blase aus, Flüssigkeit in den 
Ureter au bringen, man muss zum Ureterenkatheterismua schreiten. 
Derselbe wird in der bekannten Weise mittelst Cystoskops aus- 
gefUhrt, sodann das Cystaskops entfernt und nun mit einer Spritze 
ganz vorsichtig Kollargollösung injiziert. Die nötige Menge ist 
ganz verschieden, bei einem Menschen treten schon bei 5 ccm 
kolikartige Schmers^en auf, bei einem anderen kann man 50 bis 
60 ccm injizieren. Die Röntgenaufnahmen werden mittelst Blende 
innerhalb 2 Minuten gemacht. Die Resultate dieser Untersuchungs- 
methode sind recht gute. Irgend welche Schädigungen erleidet 
der Patient dadurch nicht. Nach der Untersuchung wird das 
Nierenbecken mit 2®/o warmer Borsäurelösung ansge-spült. 

2. Miller, Bayreuth; Höhensohielen. 

Verfasser weist auf eine ganz eigenartige, noch wenig l)ekannte, 
meist angeborene, hier und da wohl auch erworbene Anomalie der 
Augen hin, welche in dem sogenannten Höhenschielen besteht. 
Das befallene Auge weicht also nicht, wie beim gewöhnlichen 
Strabismus, in ein oder der anderen Richtung seitlich ab, .sondern 
in der Verticalen. Dadurch kommt es zu sehr erheblichen 
Störungen des binokularen Sehens, zumal wenn es sich um die 
Perzeption horizontaler Umrisse handelt. Der gewaltsame Versuch, 
die Abweichung zu korrigieren, führt zu Reizerscheinnngen, welche 
nach den sehr wichtigen Beobachtungen Schoens zu Vagus¬ 
reizungen führen und damit einschneidende Stöningeu des Allgemein¬ 
befindens verursachen können. Dieses Bild der Allgemeinstörung 
ist so eigentümlich, dass man ohne weiteres an die erwähnte 
Aetiologie nicht denken wird: Magendrücken, Magenkrämpfe, Auf- 
stossen, Appetitlosigkeit, Uebelkeit, Erbrechen, Herzbeklemmungen 
in allen möglichen Varianten, neurasthenische Beschwerden, Kopf¬ 
schmerzen, Migräne, Schwindel, Platzangst, Seekrankheit, auch in 
der Eisenbahn, Angstanfälle mit Vorliebe Nachts. Das sind im 
allgemeinen die Symptome, welche als Ausdruck der erfolgten Vagus¬ 
reizung sich einstellen. In allen Fällen ist durch Korrektur 
mittels Prismen völlige Beseitigung der Symptome und dauernde 
Heilnng erzielt worden. Diese interessante Aetiologie dürfte 
gerade für den Praktiker von allergrösster Bedeutung sein. 

3. Ehret, Strassburg: Zur Diagnostik der Choledochussteine- 

Bei den Erkrankungen im Gebiete der Galle .spielen die 

Choledochassteine eine ganz erhebliche Rolle und ihre sichere 
Diagnose ist von grossem Wert. Der Symptomenkomplex, welcher 
auf die Existenz von Choledochussteinen, so gut .wie sicher hin¬ 
weist, ist folgender; Anfallsweise treten heftige Temperatur¬ 
steigerungen in i'egelraäßiger Verbindung mit Ikterus auf, ohne 
dass Schmerzen vorhanden sind. Dieser Symptomenkomplex braucht 
zwar nicht bei allen Choledochussteinen vorhanden zu sein, aber 
ist er vorhanden, dann kann man die Diagnose mit Sicherheit 
stellen. 

4. Grassmann, München: Einige Erfahrungen überDigalen. 

Verfasser hat das von Cloetta dargestellte Digitoxinnm solubile 

einer Prüfung unterzogen und günstige Resultate damit eraielt. 
Er gab Dosen von dreimal täglich 1 ccm Digalen. Das Präparat 
wird vom Magendarmtraktus gut vertragen, so dass man sich bei 
der Darreichung per os genügen lassen könnte. Von einigen 


Forschern ist auch die intravenöse Einverleibung empfohlen worden, 
auffallend sind hier die ungeheuer srossen Dosen bis 15 ccm pro 
injektione. Die Beobachtungen des Verfassers haben ergeben, dass 
zwar das Digalen auch kein stets sicheres Mittel ist, so wenig wie 
die Digitalis, dass aber das Präparat fraglos folgende Vorzüge 
aufweist: Gute Erträglichkeit für den Verdauungstraktus, rasche 
energische und lang anhaltende Wirkung. 

5. Rider, München: Böntgenuntarsuohungen des IC^eus 
und Darms. 

Verfasser verbreitet sich in eingehender Weise über die 
radiologischen Befunde von Magen und Darm. Als Indikator 
dient Wisinuth sowohl als Aufschwemmung, wie als Brei. Die 
Beobachtungen lassen sich häufig erschöpfend schon an dem Fluo- 
resceozschirra vornehmen. Die Methode der Röntgenuntersuchung 
erspart die oft nicht unbedenklichen Gasaufblahnngen. Die Be¬ 
stimmung der Form, Grösse und Lage des Magens und einzelner 
Darmabscluiitte gelingt leicht und sicher. Die DifFerentiadiagnose 
zwischen Gastroptose und Ektasie ist ermöglicht. Die Diagnose 
des Sanduhrmagens, Feststellung eines Spasmus oder einer Stenose 
des Pyloros wird mittels de.s Wismuth-Röntgenverfahrens gelingen. 
Auch die Differentialdiagnose von Abdominaltumoren gewinnt 
durch das Verfahren erheblich an Sicherheit. 

6. Schrecker, Köln: üeber die Behandlung der supra- 
kondylären Fraktur des Humerus und Femur mit Barden¬ 
heuerscher Eztension. 

Verfasser steht auf dem Standpunkt, dass die Vermeidung 
der blutigen Eingriffe bei subkutanen Frakturen immerhin ein 
erstrebenswertes Ziel sei, und dass ein Verfahren, welches ohne 
blutige Operation die richtige Fixierung der Bruchenden gestattet, 
sicher den Vorzug verdient. Ein derartiges Verfahren erblickt 
er in der ßardenheuerschen Extension. Der Grundgedanke der¬ 
selben ist der, mit geeignetem Extensionsverband den die Dislo¬ 
kation verursachenden Zug der Weichteile zu beseitigen und die 
Bruchenden so zu fixieren, dass eine möglichst geringe Callus- 
biklung nötig ist, um die Verlötung zu bewirken. Dieser Zweck 
wird erreicht durch möglichst hoch angebrachte Längenextensionen 
und geeignete Querextensionen, um auch die seitlichen Ver- 
schiebungen auszugleichen. Die Erfolge sind überraschend gute. 
Die Extension entlastet auch die Gelenke, so dass Synovitis und 
Ankylose verhindert werden. Von Anfang an sind passive Be¬ 
wegungen möglich, da selbst bei eintretenden Dislokationen die 
verschiedenen Extensioneu wieder für richtige Einstellung sorgen. 
Die Gewichte müssen von Anfang an grosse sein. 

7. Labhardt, Basel: Ueber Clavin. 

Aus dem in der Geburtshülfe so wichtigen Secale coruntum 
sind bisher zwei Körper isoliert worden und zwar von Kobert, die 
Sphazelinsäure und da.s Kornutin. Die erste verursacht Gangrän, 
das letztere Krämpfe, bekanntlich die Symptome, welche das Bild 
einer Ergotinvergiftung beherrschen. Beide Körper sind aber in 
Wasser unlöslich, und doch wirkt wässriges Extrakt des Mutter¬ 
korns wehenanregend. Es musste also noch ein dritter Körper 
vorhanden sein, dem diese spezifische Wirkung zuzuschreiben 
wäre. Es ist nun V ah len gelungen, dieses Tertium in Gestalt 
des Clavin (Cii Hza Nz O 4 ) zu isolieren. Verfasser hat 32 genau 
beobachtete Fälle mit Clavin behandelt. Die Wirkung stand 
keineswegs der des Ergotins nach, dagegen war das Clavin er¬ 
heblich weniger giftig und entbe^te jeder krampferzeugenden 
Eigenschaft, so dass es schon während der Geburt angewendet 
werden kann. Ob dos Clavin für Zwecke einer Frühgeburt oder 
eines Abortns in Frage kommt, hatte Verfasser noch nic^ht Ge¬ 
legenheit zu prüfen. 

8. Morian, Essen: Ueber die Donglaseitemng. 

Die Douglaseiterung ist meist eine Teilerscheinung der 
difiPnsen Peritoniti.s und geht am häufigsten von der Appendix 
aus. Sie entsteht in der Regel dadurch, dass seröses, mikrobien¬ 
haltiges Exsudat von der entzündeten Appendix in den Douglas 
hinabfiiesst. Sie pflegt gegen Ende der ersten Woche nach dem 
Appendizitisanfalle sich zu entwickeln, Douglasabszesae beein- 
öussen den Puls und die Temperatur wenig, man erkennt sie an 
lokalen Druck- und Entzündungserscheinungen des Rektums, ehe 
sie über die Schamfuge emporsteigen. 


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54 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 5. 


Sichergestellt werden kann die Douglaseiterung nur durch 
eine Probepunktion. Eis empfiehlt sich, die Douglaseiteruog so 
frnh als möglich zu entleeren. Dies sind im grossen und ganzen 
die Konklusiouen, welche der Verfasser aus seiner Veröffentlichung 
und den ausführlich beigegebenen Krankengeschichten zieht. 

Deutsche medicintsche Wochenschrift. 1906. Nr. 3. 

1. Koch, Berlin: ITeber den derzeitigen Stand der Tnber* 
kulosebekämpfong. 

Diese in Stockholm ais Nobel-Vorlesung gehaltene Mit¬ 
teilung ist von grossem Interesse. Koch präzisiert darin 
mit knapper Kürze den Standpunkt, welchen er heute der 
Tuberkulosebekämpfung gegenüber einnimmt. Bezüglich der 
Uebertragung der Rindertuberkulose steht Verf. nach wie vor auf 
dem Standpunkt, dass dieselbe als beachtenswerter Faktor nicht 
in Frage komme, dagegen sei der Verbreitung durch Staub und 
Tröpfchen das allergrösste Gewicht beizulegen. Für die Ver¬ 
breitung der Tuberkulose kommen nur die E''älle in Betracht, 
welche als offene Tuberkulosen gelten, also Kehlkopf- und Lungen¬ 
erkrankungen. Jedoch auch diese Kranken können ganz unge¬ 
fährlich sein, wenn sie sich der äussersten Vorsicht bezüglich 
des Auswurfs befleissigen. 

Die wichtigste Maßnahme zur Bekämpfung der Tuberkulose 
erblickt Verf. in der Anzeigepflicht. Diese allein gibt die Mög¬ 
lichkeit, die Umgebung zu schützen. Die Anzeigepflicht setzt 
aber die sichere Erkenntnis der Krankheit voraus und da diese 
nur durch den Bazillennachweis möglich ist, so ist es notwendig, 
überall Anstalten einzurichten, welche den Auswurf der Kranken 
unentgeltlich einer Untersuchung unterwerfen. Wäre es möglich, 
alle ansteckenden Tuberkulösen in Anstalten aufzunehmen, dann 
würde die Seuche bald zurückgehen. Jedenfalls muss die Unter¬ 
bringung Schwindsüchtiger in geeigneten Anstalten ein erstrebens¬ 
wertes Ziel bleiben. Die Heilstätten hält Verf. nur bedingt für 
nützlich, nämlich nur in so weit, als beginnende Fälle noch der 
Heilung zugeführt werden. Als dritter ungemein wichtiger Faktor 
haben sich die von Calmette zuerst ins Leben gerufenen sog. 
Dispensaires, Fürsorgestellen, erwiesen. Dieselben dienen der un¬ 
entgeltlichen Belehrung und Beratung der Fürsorge für die 
Kinder der Erkrankten, der materiellen Unterstützung in jeder 
Richtung. Verf. erhofft von diesen Fürsorgestellen viel. Der 
Staat selbst kann nur wenig direkt tun, ihm bleibt die grosse 
Aufgabe der indirekten Hülfe in Form der Besserimg der 
Wohnungsverhältnisse. 

2. Senator, Berlin; Heber die diätetisohe Behandlung des 
Magengeschwürs. 

Die Frage der Ernährung beim Magengeschwür ist eine sehr 
sdiwierige. Ihre geeignete Lösung bestimmt oft die Prognose 
der Erkrankung. Verf. hat in Hinblick auf die blutstillenden 
Eigenschaften den Leim zur Ernährung herangezogen. Die Diät, 
welche nach Ansicht des Verf. zugleich heilend und ernährend 
wirkt, setzt sich aus drei Nährstoffen zusammen. Glutin (Leim, 
Gelatine), Fett und Zucker, daneben ganz geringe Mengen Ei- 
weiss. Bei frischen blutenden Geschwüren gibt Verf. Decoct. 
Gelatine alb. purissim. (IB—20 auf 150—200 mit 50 Elaeos. citri. 
M. D. S. vor dem Gebrauch zu erwärmen). Davon erhält der 
Patient alle 1—2 Stunden, ja selbst —’/j stündlich einen Ess¬ 
löffel. Ausserdem wird frische Butter und Sahne (Rahm) gegeben, 
beide in kleinen Mengen, aber öfters, so dass selbst in schweren 
Fällen innerhalb 24 Stunden 30 g Butter und V* Liter Sahne 
erreicht werden. Die Butter lässt sich sehr gut in gefrorenen 
Kügelchen, die Sahne als Schlagsahne verabreichen. Diese 24- 
stündige Nahrung enthält ungefähr 900 —1000 Kalorien, aber nur 
sehr wenig Eiweiss, kaum 1 g. Nun pflegt das bei Blutungen 
im Magen vorhandene Blut nicht unerhebliche Mengen von Eiweiss 
darzustellen, so dass mit obiger Ernährung wohl auszukommen 
ist. Will man die Butter durch Oel ersetzen, dann empfiehlt sich 
eine Emulsion in Gestalt der Mandelmilch. 

3. Küttner, Marburg: Was ergibt sich für den praktischen 
Arzt ans den Fortschritten der Nierenchirorgie. 

Bei der Nierentuberkulose kommt es vor allem auf die Früh¬ 
diagnose an. Diese wird durch die Berücksichtigung folgender 
Punkte ermöglicht. 1. Anamnese. Die Heredität kommt kaum 


in Betracht, auch anderweitige tnberknlöse Herde können fehlen, 
dagegen ist voraufgegangene Gonorrhoe oder puerperale Gyelitis 
von grosser Bedeutung. 2. Subjektive Störungen. Gesteigerter 
Harndrang, Schmerzen am Ende der Miktion und in der Nieren¬ 
gegend. 3. Urinveränderungen: Blut und Eiter im Harn, Nach¬ 
weis von Tuberkelbazülen, auch das Fehlen aller Bakterien im 
eitrigen Ham deutet auf Tuberkulose. 4. Der palpatorische 
Nierenbefund. Die tuberkulöse Niere ist vergrössert. Die Nieren¬ 
tuberkulose ist eine chirurgische Erkrankung. Die einzig be¬ 
rechtigte Operation ist die Nephrektomie, Die Prognose ist 
günstig. 

Auch bei den bösartigen Nierengeschwülsten ist eine mög¬ 
lichst frühzeitige Diagnose anzustreben, um Frühoperation zu er¬ 
möglichen. Schmerzen, Hämaturie sind wohl die ersten Anzeichen. 
Im Urin finden sich Turaorzellen. Maligne Tumoren pflegen erst 
dann palpatorisch nachweisbar zu sein, wenn der geeignete Zeit¬ 
punkt für die Operation vorüber ist. Die allein in Frage kom¬ 
mende Nephrectomie ist ohne Rücksicht auf den]t Zustand der 
anderen Niere auszuführen. 

Bei Pyelitis kann man die von Casper angegebene Aus¬ 
spülung des Nierenbeckens mit Borsäorelösung und nacbheriger 
Einbringung von 10—20 g. 1 % Höllensteinlösung vornehmen. 
Ist dagegen die Eiterung bereits auf die Niere übergegangeu. 
dann darf mit dem operativen Eingriff nicht zu lange gezögert 
werden. Spaltung und Tamponade kommen bei Abszedierung «ler 
Niere in Frage. Gleich erfolgreich gestaltet sich die chirurgische 
Behandlung der Nierenabszesse. Die Nephrotomie kommt in Be¬ 
tracht, nicht die primäre Nephrectomie, welche lediglich sekundär 
anzuschliessen wäre. Die Behandlung des Morbus Brightii auf 
chirurgischem Wege, wie sie von Edebohls angegeben wurde, 
scheint durchaus nicht aussichtsreich zu sein. Jedenfalls sind die 
bisher beschriebenen geheilten Fälle keine chronischen Nephritiden 
gewesen. Auf der Frühdiagnose und der rechtzeitigen Indikations¬ 
stellung des praktischen Arztes beruht die Zukunft der Nieren¬ 
chirurgie. 

4. Rennert, Hamburg: Heber TonsUlartüberknloee, ein 
weiterer Beitrag zur Behandlung mit Neutuberkulin. 

Verf. bekam eine 28jährige Patientin in Behandlung, welche 
wegen enormer Schmerzen nicht mehr schlucken konnte und der 
Gefahr erheblicher ErnährungsstCirungen entgegen ging. Der 
Befund ergab auf der linken, kleinen Tonsille einen ausgedehnten 
weisslichen Belag, dessen Entfernung mit dem scharfen Löffel 
eine starke Blutung zur Folge hatte. Die genaue Untersuchung 
des Belages ergab Tuberkulose. Es handelte sich also hier am 
einen solitären teberkulösen Herd. Regionäre Lymphdrüsen waren 
infiltriert. Verf. wandte Neutuberkulin an und hatte einen über¬ 
raschenden Heilungserfolg zu konstatieren. 

5. Schmidt, Dresden: Salit. 

Verf. hat ein neues äusserlich anwendbares Salicylpräparat 
klinisch geprüft. Dieses von der Firma Heyden hergestellte, 
„Salit“ genannte Präparat ist ein öliger flüssiger Körper, der 
Salicylsäureester des Bomeols von der Formel Cio Hn OCO Ce He OH. 
Eine 50 -Mischung von Salit mit Olivenöl wurde auf die 
mit Alkohol gut gereinigte und getrocknete Haut aufgerieben und 
zwar 1—2 Kaffeelöffel voll. Die so behandelte Stelle mit Watte 
bedeckt und diese mit Mullbinden filiert. Die Erfolge bei den 
verschiedensten rheumatischen Erkrankungen werden als sehr 
günstige geschildert. 

Wiener'klinische Wochenschrift. 1906. No. 3. 

1. Stegmann, Wien-Döbling: Zur Behandlung des Morbus 
Basedowü mit Böntgenstrahlen. 

Verf. hat bei drei Fällen die Bestrahlung der Struma mit 
Röntgenstrahlen versucht und so erhebliche ^folge beobachtet, 
dass er zu folgenden Schlüssen kommt: eine äusserst günstige Be¬ 
einflussung und Heilung der Basedow’schen Krankheit ist durch 
Bestrahlung der veränderten Schilddrüse möglich. Verf. hat die 
Auffassung, dass die Rönfgenstrahlen in diesem Falle eine Läsion 
der Drüsenepithelien bewirken, w'elche ihrerseits eine Veränderung 
in Quantität und Qualität des Sekrets herbeiführt.. Jedenfalls 
sollte bei jedem Fall von Morbus Basedowü der ganz unbedenk¬ 
liche praktische Versuch gemacht werden. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


55 


2, Geräuuy. Wien-Döbling: Gegen die Ezzitation in der 

Harkoee. , 

Die im Beginn einer Narkose oft recht störenden Abwehr¬ 
bewegungen der Patienten werden zu heftigen Exzitationen, wenn 
man die Arme und Beine gewaltsam festhält. Offenbar hat der 
Halbnarkotisierte die Vorstellung des Kampfes. Um dies zu ver¬ 
meiden, empfiehlt Verf. im Beginn der Narkose dem Patienten 
steife röhrenförmige Aermel über die Arme zu ziehen, durchweiche 
die Krümmung im Ellenbogengelenk und das Erreichen des Gesichts 
zwecks Wegschieben der Maske unmöglich gemacht wird. (Diese künst¬ 
liche Ankylose ist nicht neu, sie wird in der Kinderpraxis viel¬ 
fach verwendet, um Kinder"" am Kratzen zu hindern. Der Ref.) 
Damit auch das Aufrichten und Aufsetzen der Patienten verhindert 
wird, genügt es, die beiden Fersen etwas über das Lager zu er¬ 
heben und bei allen Bewegungen der Beine zu verhindern, dass 
die Fersen aufgestemmt werden, dann ist das Aufsetzen oder Auf¬ 
stehen unmöglich. 

3. Deutsch, Wien: Bemerkangen znr intermen Behand- 
Inng der Gonorrhoe. 

- Der Verf. verbreitet sich zunächst über die Bedeutung der 
intermen Therapie bei Gonorrhoe überhaupt. Seine Erfahrungen 
mit Arhovin sind nicht günstige. Dagegen hat er gute Er¬ 
folge bei Anwendung des Gonosans, bekanntlich eine Lösung des 
wirksamen Teils der Kawa-Kawa in Santalöl, gesehen, besonders 
in Bezug auf Komplikationen der Gonorrhoe. Es hat also so zu 
sagen eine indirekte wohltätige Wirkung, Ganz besonders günstig 
scheint ihm aber die therapeutische Verwendung der Kombination 
von Gonosan mit Urotropin zu sein, dem sogenannten Urogosan. 
Man gibt vom Urogosan dreimal täglich drei Kapseln, bei Kom¬ 
plikationen von Seiten der Blase. Es erfolgt schnell Klärung des 
Harns, die subjektiven Beschwerden schwinden schnell. Die Zahl 
der beobachteten Fälle ist nur gering. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 4. 

1. Stadelmann, Benfey, Berlin: Erfahrungen über die 
Behandlung der Lnngentuberki^ose mit Harmorek's Serum. 

Sehr schlechte Erfahrungen haben die Verfasser bei 5 Fällen 
von Lungentuberkulose mit dem Marmorek’schen Serum gemacht. 
Sie konnten nicht nur keine Besserung, sondern eine ganz er¬ 
hebliche Verschlechterung des Allgemeinbefindens und höchst un¬ 
angenehme Nebenerscheinungen feststellen. Es trat nach den 
Injektionen Fieber auf, auch Urticaria, Erythem und Petechien in 
der Nähe der Injektionsstelle wurden beobachtet. Die Patienten 
verweigerten wegen ihres schlechten Befindens die Weiter¬ 
behandlung. Die Verfasser glauben daher im Interesse der 
Kranken, von dieser Therapie absehen zu müssen. 

2. Levin, Stockholm: Behandlung der Tuberkulose mit 
dem Äntituberkulosesemm Harmorek. 

Verfasser berichtet über 156 Fälle, welche von den ver- 
•schiedensten Aerzten in Skandinavien mit dem Serum behandelt 
wurden und die alle eine ganz manifeste Besserung zeigten. 
Allerdings traten hier und da Nebenerscheinungen auf der Haut 
ein, aber im allgemeinen wurde das Mittel gut vertragen, so daas 
Verfasser zu dem Schluss kommt, man habe nach seinen Er¬ 
fahrungen den Wunsch, das Marmorek’sche Serum bei der Be¬ 
handlung der Lungentuberkulose und Tuberkulose im allgemeinen 
nicht mehr zu entbehren. Diese Veröffentlichung steht in auf¬ 
fälligem Gegensatz zu der soeben besprochenen Mitteilung Stadel¬ 
manns und Benfeys. Der Gegensatz gibt zu denken. 

3. Brinitzer,*/Bern: Temperatnrsteigenmg nach Thiosi- 
namingebranch. 

Verfasser hat Gelegenheit gehabt, bei einem Pall von Sklero¬ 
dermie, welcher mit Thiosinamin und Fibrolysin behandelt wurde, 
ganz auffällige Temperatursteigerungen zu beobachten. Dieselben 
traten einige Zeit nach Beginn der Kur ein und blieben bei all¬ 
mählichem Gewöhnen an das Mittel aus. Verfasser glaubt daher 
in diesem Fall eine’ „geweckte“ Idiosynkrasie annehmen zu müssen, 
die durch vorsichtigen Gebrauch allmählich überwunden wurde. 
Bei dem grossen Interesse, welches augenblicklich der Thiosinamio- 
bebandlung entgegengebracht wird, ist es besonders wichtig, wenn 
Über Nebenwirkungen auch ungünstiger Art berichtet wird. 


4. Heine, Berlin: Die Frognoae der otogenen Meningitis. 

Vor 10 Jahren stand man noch auf dem Standpunkt, dass 
eine an Otitis media sich anschliessende Meningitis so gut wie un¬ 
heilbar sei und der Patient sicher dem Tode verfalle. Heute 
haben sich die Anschauungen darin doch erheblich geändert. Zu¬ 
nächst fragt es sich, ob man es mit einer Meningitis serosa, 
ev. mit Encephalitis serosa kombiniert zu tun hat, oder ob eine 
Meningitis purulenta vorliegt. Die Meningitis serosa ist in ihrer 
Prognose durchaus nicht so pessimistisch zu beurteilen. Die 
Operation führt hier oft zu guten Resultaten. Bezüglich der 
Diagnose ist die Lumbalpunktion von grosser Bedeutung, ergibt 
dieselbe eine erhebliche Vermehrung der Cerebrospinalflüssigkeit 
bei Fehlen von Bakterien, so ist die Diagnose Meningitis serosa 
wahrscheinlich. Jedoch auch bei der Meningitis purulenta kann 
der Befund der Lumbalpunktion ein gleicher sein, wenn es sich 
Dämlich um eine circumscripte abgekapselte Eiterung handelt, die 
sekundär eine Meningitis und Encephalitis serosa bewirkt. Gute 
operative Erfolge sind auch bei duralen und subduralen Abscessen 
zu verzeichnen. Die Meningitis purulenta diffusa ist der operativen 
Therapie nicht zugänglich und ihre Prognose ist infaust. Ge¬ 
legentlich kann eine solche ohne erhebliche Symptome verlaufen, 
80 dass die Diagnose sehr erschwert wird. Zura Schluss der 
lehrreichen Mitteilung fasst Verfasser seine Ansicht in folgendem 
Satz zusammen: Die Prognose der serösen Meningitis muss als 
günstig bezeichnet werden. Von der abgekapselten Form der 
eitrigen Meningitis sind sicher schon Fälle geheilt worden, von der 
akut fortschreitenden wahrscheinlich ebenfalls. Jedenfalls ist es 
mit gi'össter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie heilbar ist. 
Die Proguose der allgemeinen eitrigen Meningitis halte ich für 
absolut infaust. 

Fortschritte der Medicin. 1906. Nr. i. 

Merzbach: Über weitere therapeatiBeke Erfahrungen mit 
Bomyval. 

Das von der Firma Riedel eingefübrte Bornyval stellt den 
Valeriansäureester des Bomeols, des nach den neueren Unter¬ 
suchungen hauptsächlich wirksamen Agens der Baldrianwurzel, dar. 
Verf. verfügt über eine Reihe von 30 Beobachtungen aus der 
Privat-Praxis; dieselben betreffen in erster Linie Fälle von Neu¬ 
rasthenie, unter denen wieder solche mit sexuellen Symptomen 
überwiegen, weiter Kreislaufstörungen vornehmlich auf arterio- 
sclerotischer Grundlage; schliesslich hat er es auch als Analepticum 
vor Narkosen mehrmals gegeben. Die gewohnte Dosis war 3 bis 
4 mal am Tage 1 Kapsel. Einen merkenswerten Erfolg hat er 
nie vermisst. 

Therapeutische Monatshefte 1906. No. i. 

1. Bourget, Lausanne: Über die gegenwärtige Diphtherie¬ 
behandlung 

Verf. hat bei seinem ziemlich reichlichen Krankenmaterial die 
therapeutische Wirkung des Diphtherieheilserums geprüft und 
kommt zu dem überraschenden Satz; ,,Ich stehe nicht an, zu be¬ 
haupten, dass letzteres (sc. Diphtherieheilserum) die ihm zuge¬ 
schriebenen spezifischen heilenden Eigenschaften nicht besitzt.“ 
Verf. tritt sehr für eine geeignete Lokalbehandlung ein. Dieselbe 
besteht in Pinselung von 

Lig. Feiri sesquichlorati 
' Alum. crud. pulv. 

Acid. boric. äü 2,00 
Glycerini 20,00 
Mf. solutio. 

Die Reinigung der belegten Partien geschieht unter Anwendung 
dieser Lösung, in welche mit Watte ximwickelte Holzstäbchen ge¬ 
taucht werden. Einige Minuten danach gurgelt der Patient mit 
einer Mixtur: 

Tinct. Ratanbiae 

Tinct. Guajaci ä;i 50,00 

M. d. S. 2 KaflFeelöffel auf ein Glas warmes Wasser. 
Die Statistik hat dem Verf. Veranlassung zu dem oben zitierten 
recht scharfen Urteil gegeben. Jedenfalls warnt eine derartige 
Mitteilung vor Sorglosigkeit bei eingeleiteter Serumbehandlung. 

2. Ga lli-Val erio, Lausanne: Die Drahtnetze an Türen 
und Fenstern vom Standpunkte der Hygiene und Prophylaxe. 

Bei der nachweislich erheblichen Gefahr, welche Insekten- 


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56 


MEDICINISCHE WOCHE, 


Nr. 5. 


Stiche in Bezug auf die tJebertragung verschiedener Infektionskrank¬ 
heiten darstellen, hält Verf. di^ Anbringung insektensicberer Draht¬ 
netze vor Türen und Fenstern für sehr wichtig. In Maiaria- 
gegenden ist eine derartige Vorsichtsmaßregel so gut wie selbst¬ 
verständlich, aber auch in anderen insektenreichen Gegenden (See¬ 
bädern etc.) dürfte eine derartige energische Abwehrmaßnabme 
ganz besondere Bedeutung haben. 

3. Eschle, Sinsheim: Die Pathogenese der Fettauoht. 

Verf. geht ausführlich auf die verschiedenen Formen der Fett¬ 
sucht ein, welche er, dem Vorgänge Rosenbach's folgend, in drei 
Hauptgruppen teilt. Erstens Plethora oongestiva s. hypertonica. 
Gesteigerte Einnahme und Ausgabe. Zweitens Plethora e funktione 
minori s. Hypokinese. Gesteigerte Einnahme, verminderte Ausgabe 
infolge von Inaktivität. Drittens Plethora hypotonica, atonica s. 
torpida, hydraemische Korpulenz. Angeborene oder familiäre .An¬ 
lage. Bei dieser ist eine wirklich falsche Betriebsform in der 
Ausnützung der Nahrung vorhanden. Wenn man die funktionelle 
Seite in Betracht zieht, ist es falsch, den Erfolg einer Therapie 
nur nach Gewichtsabnahme oder Konstanz bei Fettsucht zu beur¬ 
teilen. 

4. Klau, Berlin: Über die akute exsudative Mittelohrent¬ 
zündung und ihre Behandlung, 

Die akute eitrige Mittelohrentzündung ist stets eine Erkrank¬ 
ung ernster Art, da die Nachbarschaft lebenswichtiger Organe be¬ 
denkliche Komplikationen ermöglicht. Aetiologisch kommt ein eitriger 
Nasenrachenkatarrh, Angina, Diphtherie, acute Exantheme, Typhus, 
Influenza in Betracht. Ala Erreger findet man den Diplococcus 
pneumoniae, den Staphyloooccus pyogenes albus und aureus und 
den Streptococcus Fast immer besteht zugleich ein ausgesprochener 
Gastricismus. Diese Tatsache muss den Arzt veranlassen, bei 
Kindern mit fieberhaften Verdauungsstörungen an Otitis media zu 
denken. Im Verlauf der Erkrankung kommt es fast stets zur 
Perforation des Trommelfells. Treten Komplikationen nicht ein, 
so pflegt völlige Heilung erreicht zu werden. Allerdings kann aus 
der akuten auch eine chronische Eiterung entstehen. Die Behand¬ 
lung muss sachgemäß und sorgfältig sein. Jede Reizung ist zu 
vermeiden. Kommt der Fall früh zur Beobachtung, ist das Fieber 
noch mäßig, das Trommelfell zwar gerötet, aber noch nicht sehr 
vorgewölbt, dann kann man, zumal wenn die Schmerzen erträglich sind, 
mittels hydropathischer Umschläge eine Resorption des Exsudates 
anstreben. Ein mit abgekochtem Wasser oder der üblichen Essig- 
saurentonerde-Lösung getränkter Gazestreifen wird in den Gehör¬ 
gang eingeführt, mit feuchter Watte die Ohrmuschel ausgefüllt, 
auch die Gegend des Warzenfortsatzes bedeckt und das ganze mit 
Gummipapier durch Verband abgeschlossen. Wechslung alle 2—3 
Stunden. Gleichzeitig Bettruhe, Diät, Laxantien. Ist nach 2 bis 
3 Tagen eine entschiedene Bessenmg nicht eingetreten, dann muss 
die Parazentese zwecks Entleerung des Eiters vorgenommen 
werden. Bei stürmischen Erscheinungen ist die Parazentese auch 
am ersten Tag geboten. Die Indikation für dieselbe lässt sich in 
der von Körner angegebenen Symptomentrias zusammenfassen; 
Zirkumskripte oder totale Vorwölbung des Trommelfells, heftige 
Schmerzen, hohes Fieber. Auch bei Schmerzhaftigkeit des Warzen¬ 
fortsatzes ist sofortige Parazentese geboten, um, wenn möglich, 
entzündlichen Prozessen in den Zellen und der Caries vorzubeugen. 
Die Parazentese muss gross genug angelegt werden (2 mm) und 
so, dass das Exsudat abfliessen kann, also im hinteren unteren 
Quadranten, sie ist auch geboten bei hochsitzenden Perforations¬ 
öffnungen. Als Nachbehandlung empfiehlt sich die Trockenbehand¬ 
lung. Die Anwendung der Luftdusche im entzündlichen Stadium 
unterbleibt am besten. Treten bei Kindern mehrfache Rezidive 
auf, so muss man an eine Hypertrophie der Rachenmandel denken 
und diese entfernen. 

5. Tesche mach er, Neuenahr; Zwei dnrch Thiosinamin-bezw. 
Fibrolysininjektionen erfolgreich behandelte Fälle von Dupny- 
trensoher Fingerkontraktnr bei Diabetikern. 

Verf. hat zwei Fälle von Fingerkontraktur hei Diabetes mit 
Thiosinamin resp. Fibrolysin behandelt. Täglich 1 Spritze 
Thiosinamini 2,00 
Glyzerin! 4,00 
Aq. dest. 14,00. 


Ausserdem wurde auch Thiosinamin zu 0,025 3 mal täglich in 
Pillen gegeben, zu einer Zeit, wo der eine Patient nicht sur In¬ 
jektion kommen konnte. Das Fibrolysin wurde in die Glutton in¬ 
jiziert. In beiden Fällen war der Erfolg ein eklatanter, sodass 
Verf. bei Fingerkontrakturen der Diabetiker eine Thiosinaminin- 
jektion oder miVdem bei Mack in Darmstadt hergestellten Fibrolj^sin 
vor einer Operation dringend empfiehlt. Das Fibrolysin ist weit 
weniger schmerzhaft in der Anwendung und erheblich rascher im 
Erfolg. 

6 . M|obr, Bielefeld; Zur ThiotmaimmbehaBdlittg bei trauma¬ 
tischen Striktnren. 

Verf. bat bei einem Fall von ausgedehnter Narbenbildung im 
Gesiebt nach einem erlittenen Unfall eine Tbiosinaminkor einge¬ 
leitet. Da der ductus parotideus mit iu die Narbe einbezogen 
war, musste gleichzeitig eine Sondenbehandlung eingeleitet werden. 
Nach 2‘/* monatlicher Behandlung war das Narbengewebe weicher 
und die Sondierung ohne Schwierigkeit möglich. Verf. ist geneigt, 
trotz der Sondenbehandlung, den Haupterfolg der Thiosinaminbe- 
handlung zuzusebreiben. 

7. Sadger’, Wien-Gräfenberg: Die Hydriatik derHeuralgiest 
peripherisohea Lähmung, Neuritis und Folyaeuritis. 

So wenig wir über einen Teil der Neuritiden und peri¬ 
pherischen Lähmungen in ätiologischer Hinsicht aufgeklärt sind, so 
wenig wissen wir, warum die mit Erfolg gekrönten hydrothera¬ 
peutischen Maßnahmen wirken. Wintemitz hat die Theorie auf- 
gestellt, dass die rheumatischen Neuritiden auf Grund der durch 
Kälte entstehenden Ischämie sich entwickeln und dass wir durch 
die hydriatischen Maßnahmen die gestörte Zirkulation wieder her¬ 
steilen und die Beseitigung und Ausscheidung der Noxen bewirken. 
Die Theorie ist zwar bis heute nicht strikte bewie.sen, aber sie bat 
in Ermangelung einer anderen viel für sich. Bei Neuralgien em¬ 
pfiehlt sich die Anwendung von Dampfkasten (10—*25 Minuten) resp. 
Packungen bis zum Schweissausbruch mit nachfolgendem kalten 
Regen (2 Minuten) oder Tauchl'ad (8—10®) nnd Va Minute Dauer, 
auch kalte Ganzabreibung 3 ’'Iinuten oder kühlere.s Halbbad von 
5 Minuten Dauer kommen in Betracht. Alle diese Maßnahmen 
kommen bei den Neuralgien in Betracht, wo eine Lokalanwendung 
hydriatischer Maßnahmen nicht möglich ist. Bei Ischialgie da> 
gegen empfehlen sich schottische Duschen und als Ersatz derselben 
im Hause Dampfkompru.^sen mit nachfolgender kalter Waschung. 
Ist bei den ersten Applikationen bereits eine Bessenmg des 
Ischialgie zu konstatieren, so kann man auf vollkommene Heilung 
rechnen, bleibt dagegen jede Besserung bei den ersten hydria- 
lischen Maßnahmen aas, so bandelt es sich meist nicht um eine 
reine Ischias, sondern es Hegt eine andere Aetiologie vor. Bei 
peripherischen Lähmungen kommt die Schottische Dusche nicht in 
Betracht, abgesehen davon, dass sie nicht überall aplizierbar ist. 
Dagegen kommen bei allen Formen die wechselwarmen Kurproze¬ 
duren in Betracht, die für Neuralgien als zweckdienUch bezeichnet 
wurden. Eine ganz eigene und viel Geduld erheischende Therapie 
erfordert die Polyneuritis. Da es sich zunächst um Behebung der 
erheblichen Beschwerden und Schmerzen handelt, können nur er¬ 
regende Umschläge (Priessnitz) in Betracht kommen. Später 
kommen hochtemperierte Halbbäder und Packungen in Betracht, 
Die Erfolge der Hydriatik bei Polyneuritis sind überrasohend. 


Aerztliches Fortbildungswesen. 

Vorträge über Grenzgebiete in der Medicin. Die Vorträge 
finden im Hörsaal des Kaiserin Friedrich-Hauses statt und be¬ 
ginnen pünktlich abends 8 Uhr. 

I. Die chirurgische Behandlung von Ei-krankungen der ner¬ 
vösen Zentren von Wirkl. Geb. Rat Prof. v. Bergmann-Berlin 
am 2. März, 11. Die Verhütung der Infektionskrankheiten auf 
Grundlage der neueren Erfahrungen von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Gaf fky-Berlin am 6. März. III. Ueber spezifische Therapie (mit 
besonderer Berücksichtigung der Serumtherapie) von'Geh. Med.- 
Riit Prof. Dr. Ehrlicb-Frankfurt a. M. am 9, März. IV. Der 
Ausbau der diagnostischen Hilfsmittel und Methoden von Prof. Dr. 
Müller-München am lS. März. V, Die wichtigsten Indikationen 


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MEDICINTSOHE WOCHE. 


öT 


za chirurgischen Eingriffen bei Erkrankungen des Peritoneums und 
des Darms von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Curschmann-Ijeipzlg 
am 16. März. VI. Auge und Gehirn von Geb. Med.-Rat Prof. 
Dr. V. Michel-Berlin am 20. März. VIL Der Einfluss der 
bakteriologischen Forschungsergebnisse auf die Anschauungen in 
der allgemeinen Pathologie von Prof. Dr. v. Baumgarten- 
Tübingen am 23. tlärz. VIII. Gegenwärtiger Stand der Behand¬ 
lung der Nervenleiden von Prof. Dr. Edinger-Frankfurt a. M. am 
27. März. IX. Die mechanische Behandlung von Nervenleiden 
von Dr. H. Frenkel-Berlin am 30. März. X. Medikamentöse 
und mechano-hydrotherapeutische Behandlung von Respirations und 
Zirkulatfonsstörungen von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bäumler- 
Freiburg i. B. am 3. April. Xf. Die chirurgische Behandlung der 
Neuralgien von Geh. San.-Rat Prof. Dr. Bardenheuer-Köln am 
6 . April. XII. Die Behandlung der septischen Infektion von Prof. 
Dr. Lex er-Königsberg am 10. April. XIII. Die interne und 
chirurgische Behandlung der Appendicitis von Prof. Dr. Rumpf- 
Bonn am 17. April. XIV. Die interne und chirurgische Behand¬ 
lung der Gallensteine von Prof. Dr. Ke hr-Halberstadt am 20. 
April, XV. Uebung, Mechanik und Massage bei der Behandlung 
von Knochen- und Golenkerkrankungen von Geh. Med.-Rat Prof. 
Dr. Hoffa-Borlin am 24. April. XVI. Das Licht als Heilfaktor 
von Prof. Dr. Lassar-Berlin am 27. April. 

Die unentgeltlichen Fortbildnngskurse im Sommersemester 1906 
beginnen am 1. Mai; das Verzeichnis wird Anfang April bekannt 
gegeben. 

Bemerkungen für die Teilnehmer. 

1. Berechtigung zur Teilnahme. Zur Teilnahme an 
den Vorträgen ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin 
und der Provinz Brandenburg gegen Lösung einer nicht 
übertragbaren Karte berechtigt. Für jede Karte wird eine Ein- 
sclireibegebülir von M. 2,— erhoben. Diese Einschreibegebühr 
wird, sofern die Karte ans irgend welchen Gründen unbenutzt 
bleibt, nicht zurückerstattet. 

2. Art der Meldung. Die Karten, sowie das Verzeichnis 
der Vorträge sind im Direktionsbureau clei* Kgl. Charite zu er¬ 
halten, wo auch nähere Auskunft erteilt wird (nur schriftlich, oder 
wochent&glich 10 —3 Uhr persönlich). 

Schriftlichen Bes telhxnge n sind ein frankiertes Kuvert 
mit der Adresse des Bestellers und die Einschreibegebühr für die 
gewünschte Karte beizufügeu (in Briefmarken zu 5 oder 10 
Pfennigen oder durch Postanweisung, nicht in Metallgeld ins 
Kuvert). Alle schriftlichen Bestellungen und etwaige Postan¬ 
weisungen sind zu richten an: Herrn Rechnnngsrat Traue, Königl. 
Charite, NW. 6,, Schumannstrasse 21. 

Persönliche Meldungen werden wochentäglich von 10 
Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags angenommen. Hierbei ist 
ein offenes frankiertes Kuvert abzugeben, welches mit der Adresse 
des Bestellers versehen ist und die schriftliche Bestellung enthält; 
zugleich ist die Einsebreibegebühr zu erlegen. 

Telephonische Bestellungen von Karten und Ver¬ 
zeichnissen können nicht berücksicditigt werden. 

3. Termine der Meldungen, a) Beginn der Meldungen 
am 5. Februar, b) Schluss der Meldungen am 20. Februar. 

4. A rt der Karteuau.sgabe. Der Hörsaal fasst 200 Plätze, 
die nummeriert sind. 

Um jedem sich Meldenden die Möglichkeit zu erschliessen, 
wenigstens einen Teil der Vorträge zu hören, werden die Vorträge 
und die Plätze auf die gesamten Meldungen verteilt werden. 
Na<flidem die Zahl der Vorträge, welche hiernach auf jeden Teil¬ 
nehmer entfallen, rechnerisch festgestellt ist, werden die Vorträge 
selbst für ihn aus dem gesamten Zyklus aasgelost. Eine Auswahl 
bestimmter Vorträge bei den Meldungen ist hiernach nicht zulässig. 
Die ausgelosten Vorträge werden durch Eintragung der betreffenden 
Nummern (nach diesem Verzeichnisse) in die Teilnehmerkarte be¬ 
zeichnet; und zwar bedeuten die römischen Ziffern die einzelnen 
Vorträge, die beigefügte arabische Ziffer die Platznuramer für den 
betreffenden Vortrag. 

5. Zuschriften für das Zentralkomitee. Alle Zu¬ 
schriften, welche sich nicht auf die Bestellung von Karten und 
Verzeichnissen beziehen, sind zu richten an das: Bureau des 


Zentralkomitees, W. 80, Elssholzstr, 13, vom 1. März 
an: NW. 6, Luise nplatz 2—4 ;Kaise_ri n Fri edrich - Haus). 

Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildnngswesen in Frenssen. 

E. von Bergmann R. Kutner 

Vorsitzender. Generalsekretär. 


Vermischtes. 

Berlin. Der V^erband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung 
ihrer wirtschaftlichen Interessen hat an den Reichstag folgende 
Eingabe gerichtet: Einen hohen Reichstag bittet der Unterzeichnete 
„Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaft¬ 
lichen Interes.%n“ die beabsichtigte Automobilsteuer, soweit sie die 
zur Ausübung des ärztlichen Berufes dienenden Kraftfahrzeuge be¬ 
trifft, ablehnen zu wollen. 

Es ist folgende Begründung beigefügt: „Die Automobilsteuer 
ist als Luxussteuer gedacht; sie soll den Wohlhabenden treffen. 
Wer sich den Luxus eines Kraftwagens gestatten kann, soll dafür 
eine Steuer von 100 oder 150 M. im Jahre tragen. Man über¬ 
sieht aber, dass das Automobil des Arztes kein Luxusgegenstand 
ist. Der Landarzt ist zur Ausübung seiner Praxis in den weitaus 
meisten Fällen auf ein Beförderungsmittel angewiesen, welches ihn 
von der Post und der Eisenbahn unabhängig macht, und ihm die 
Möglichkeit rascher Hilfeleistung gewährt. Bisher hat er sich hier¬ 
zu des Fuhrwerks bedient, sei es, dass er sich selbst Wagen und 
Pferde hielt, sei es, dass er ein entsprechendes Abkommen mit 
Fuhrwerksbesitzem traf. Nun bietet das Automobil dem Land¬ 
arzte sowohl wie dem Patienten so wesentliche Vorteile, dass sich 
heute bereits ein grosser Teil gerade der minderbemittelten Land¬ 
ärzte veranlasst gesehen hat, das Kutsohgesohirr durch den Kraft¬ 
wagen zu ersetzen. Die Vorteile bestehen in der Möglichkeit 
schnellster Hilfeleistung bei Unglücksfällen und plötzlichen Er¬ 
krankungen, sowie in der grossen Leistungsfähigkeit des Auto¬ 
mobils, welches zur Fahrt stets fertig und grossen Anforderungen 
gewachsen ist, während das Pferd schon bei verhältnismäßig ge¬ 
ringer Anstrengung versagt. Dieser Vorteile wegen haben die 
Aerzte sich nicht gescheut, für Anschaffung eines Automobils die 
erhebliche durch jahrelange Arbeit sauer verdiente Summe von 
3—4000 M, auszugeben. Die Spesen des Automobilbetriebs werden 
sich ungefähr mit den für Wagen und Pferde die Wage halten, 
wenn sie diese nicht übersteigen. Allerdings fallen die Kosten 
für Fütterung der Pferde und der Kutscherlohn fort, dagegen ver¬ 
ursacht das Automobil nicht unerhebliche Ausgaben für Repara¬ 
turen, Benzin und Prämien für Unfall-, Feuer- und Haftp&cht- 
verslcherungen. Alle diese Aerzte würde die neue Steuer ungemein 
hart treffen. Sie würde zur Folge haben, dass zum Nachteile der 
Kranken viele Aerzte gezwungen werden, ihre Kraftwagen wieder 
abzusebaffen, und dass andere von deren Anschaffung Abstand 
nehmen. Es ist ja auch vom Staate längst anerkannt, dass das 
Fuhrwerk des Arztes kein Luxusgegenstand ist. Ein , Pferd des 
Arztes ist von der jährlichen Ausmusterung befreit und die durch 
Pferd und Wagen entstehenden Spesen können bei der Einschätz¬ 
ung zur Einkommensteuer von dem Einkommen in Abzug gebracht 
werden, weil sie zu dessen Erwerb dienen. Das gleiche ist der 
Fall bei dem zur Ausübung seines Berufes vom Arzte benutzten 
Automobil. Eis wäre ein krasser Widerspruch, wenn der Staat 
dieses Automobil mit der Luxussteuer belegen, zugleich aber an¬ 
erkennen würde, dass die Benutzimg des Kraftwagens für den Arzt 
znr Erlangung seines Einkommens notwendig ist. 

Der Verband, welcher 18000, d. h. etwa drei Viertel sämt¬ 
licher praktischer Aerzte Deutschlands vertritt, richtet deshalb an 
die Mitglieder des Deutschen Reichstages das ergebene Ersuchen: 
bei etwaiger Annahme der Steuervorlage die zur Aus¬ 
übung des ärztlichen Berufs dienenden Kraftfahrzeuge 
von der Steuer ausnehmen zu wollen. 

Frankfurt a. M. Der Aerztliche Verein hierselbat Lat in 
seiner Sitzung vom 8. ds. definitiv die Einführung der Sonntags- 
Nachmittagsruhe beschlossen. Die Sprechstunden am Sonntog 
Vormittag sollen einstweilen weiter bestehen dürfen. Die Vertretung 
findet bezirksweise nach eigenem Dienstplan statt, auch bei den 


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58 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 6. 


tipeziaiitaten wird iSoDntagddieQät eiagerichtet. Daa lukral'ttreteu 
erfolgt, sobald die Organisation im einzelnen ausgearbeitet ist. 
Die Teilnahme ist bis jetzt noch nicht obligatorisch. Die Ver¬ 
tretung ist nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit unentgeltlich. — 
Auch der Verein Cannstatter Aerzte hat beschlossen, die Sonn¬ 
tagsruhe einzuführen. 

Bsrlin. Das Deutsche Reichskomitee für den XV. Inter¬ 
nationalen medicinischen Kongress in Lissabon regt die Errichtung 
eines internationalen Bureaus fiir die allgemeinen medicinischen 
Kongresse, welches in der Zeit zwischen den Versammlungen in 
Kraft bleiben soll, an. Der Sitz des Bureaus soll Paris sein, seine 
Aufgabe, den Zusammenhang in der Tätigkeit der Kongresse zu 
wahren und an der Aufstellung de.s Kongressprogramms mitzu- 
wirken. Das Komitee wünscht ferner, dass die allgemeinen inter¬ 
nationalen medicinischen Kongresse in Zukunft nur alle 5 Jahre 
stattfinden sollen. Exz. v. Bergmann, der dem Kongress in 
Lissabon nicht beiwohnen kann, hat den Vorsitz im Komitee 
niedergelegt: an seine Stelle tritt der bisherige II. Vorstand, Ge¬ 
heimrat Waldeyer. 

Hochschulnachrichten. 

Berlin. Dr. Salge, Privatdozent an der hiesigen Universität 
und Assistent an der Kinderklinik der Charite, ist zum Oberarzt 
des Säuglingsheims in Dresden gewählt worden. 

Breslau. Privatdozent Dr. Goebel nahm die auf ihn ge¬ 
fallene Wahl zum dirigierenden Arzte des hiesigen Augusta- 
Hospitals an. 

Dresden. Der Spezialarzt für Chirurgie und Orthopädie 
Dr. med. Wilhelm Hübner, ist zum Direktor des städtischen 
Krankenhauses in Liegnitz berufen worden. 

Erlangen. Dr. Weichardt hat sich für experimentelle 
Therapie in der medicinischen Fakultät habilitiert — Dem Direktor 
des anatomischen Instituts, Prof. Dr. Leo Gerlach wurde der 
Miobelsorden IV. Klasse verliehen. — 

Göttingen. Der Direktor der medicinischen Klinik in 
Göttingen, Prof. Wilhelm Plbstein, wird mit dem Ende des 
nächsten Halbjahrs von seinem Lehramte zurücktreten. 

Jena. Der Privatdozent für innere Medicin Grober, der 
Privatdozent für Psychiatrie Berger und der Privatdozent für 
Psychiologie Noll sind zu ausserordentlichen Professoren ernannt 
Wörden. 

München. Habilitiert: Dr. Siegfried Oberndorfer für 
pathologische Anatomie. 

Tübingen. Auf die neuerrichtete ordentliche Professur für 
Hygiene wurde Dr. Wolf, a. o. Professor für Hygiene und Bak¬ 
teriologie an der technischen Hochschule zu Dresden, berufen. 


Neu niedergelassen 

haben sich iu 

München. Dr. med. Th. Kleinschmidt. — Elberfeld. Dr. Heinrich 
Preuss, Chemiker. — Breslau. Dr. med. Walter Steinitz. — Kaukehmen. 
Dr. med. Deckner. — Pfeddersheim. Dr. med. H. Eckes. — Leipzig- 
Mökem. Dr. med. Stutzer. — Bergneukirchen. Dr. med. Popke. — Dresden- 
Striesen. Dr. med. A. Hähnel. — Kobnrg. Dr. med. Arend. — Koburg. 
Augenarzt Dr. med. Reinhold Alkau. — Hannover. Dr. med. Carl Meyer. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Johanna Kauert in Lüdenscheid mit Hrn. Dr. med. Siemen in 
Altroggenrahmede — Frl. Sabine Hörder mit Hrn. Dr, med. Hans Schlüter 
in Leipzig. — Frl. Auguste Brewe in Osnabrück mit Hm. Dr. med. Werner 
Schmidt in Zierenberg. — Frl. Margarete Eulitz mit Hrn. Stabsarzt Dr. 
Stölzner in Dresden. — Frl. Clara Fehrenborg in Essen-Ruhr mit Hm. 
Dr. med. Paul Kotteler in Hagen i. W. — Frl. Anna Kohlmann in Han¬ 
nover mit Hrn. Dr. med. Wilhelm Tantzen in Langenhagen. 

Vermählt: 

Herr Dr. med. Heinrich Franz Schmidt mit Frl. Ella Dornbach in 
Bonn. — Herr prakt. Arzt M. Zimmermann mit Frl. Tb. Schilling in Kiel. 


Geboren: 

Einen Sohn: Hrn. Dr. med. Schulte in Stendal. — Hrn. Dr. roed. 
R. Kaufmann in Frankfurt a. M. — Hrn. Dr. F’orzolt in Busendorf, Lothr. 
— Hm. Dr. med. Ernst Mo.ser in Zittau. 

Eine Tochter: Hrn. Dr. mod. Otto Lambrecht in Loschwitz.— 
Hrn. Dr. med. Manchot in Hamburg. 

Gestorben: 

Dr. med. Richard Mnyorstein in Hannover. — Dr. med. Robert Roos 
in München. — Obermodi/.inalrat Dr. Klinger in Leisnig. — Dr. med W. 
Krause in Marburg. — Oberstabsarzt I. Ki. a. D. Otto Beesel in Stendal. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adrette: Arztllchee AitkNefla-Buretu dee Seeohiftt-Aaetebittet der 
Berliner ttrztllchtn Standeevereine 1« Mediclnieohen Waarealiaaee (Akt.- 
fiee.), Berlin N, Frledriobetrannn 108 1. 

Für persönliche Rücksprache ist Herr Dr. JoMkla tEfflleh TOS V*l~'/sS Vkr >ni 
Medicinischen Waarenhause anwesend. (Mit tütiger F.riaiibnis des Cteschafis.Aiistchnsses 
der Berliner hrrtlicheD Siandesvereine rom Auikiinfts-Bureaii der Med. Woche übermiiteli. 

In Sachsen wird fUr sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1040. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent für augcnärztl. Poliklinik ge- 
sorht. Näheres unter No. 1945. 

ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. i 
Näheres unter No. 1951. 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1956. 

In der Provinz (’osen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1969. 

In Westpreusson wird für sofort ein kroisärztlich geprüfter Vertreter i 
gesucht. Näheres unter No. 1970. 

In der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht 
Näheres unter No. 19t^. 

In der Mark wird für eine Kinderheilstätte zum 1. April ein Assbtent j 
gesucht. Näheres unter No. 1087. 

In einer Universitätsstadt Mitteldeutschlands wird für Chirurg. Klinik i 
sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1988. | 

In einem Vororte Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1989. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No 1992. | 

In der Mark wird für Anfang Februar ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 1993. 

In Oberscblesien wnrd für Anfang Juli ein Assistent gesucht. Näheres ' 
unter No. 1994. 

In der l’rovinz Posen wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 1995, 

In einem Vororte Berlin wird für Mitte Februar ein Vertreter ge¬ 
sucht. Näheres unter 1996. 

In Westpreussen wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 1998. 

In Berlin wird für Mitte Februar ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 2000. 


Berichtigaog. 

Herr Dr. E Frank, der Verf. des Orivinalartikels in Nr. 4 .Über 
Hotolbebandlung‘' bittet uns mitzuteilen, dass sich auf Seite 37 ein 
störender Fehler eingeschlicboii hat, es ist dort von der intravenösen Injek¬ 
tion von Fibrolysin die Rode und betont, dass bereits nach 15 Sekunden 
ein laugenartiger Geschmack im Munde auftritt und ‘/s Stunde anbält, 
es soll heissen V« Minute anbält. D. Red. 


Benno Chajes- Berlin. Befraktometrisebe Eiweusbestimin- 
nngen znr Kontrolle therapentischeT Hafinahmen. (Ther. d. 
Gegenw., 1904, Oktober.) 

An einem einzigen Tropfen Blut kann man den Eiweissgehalt 
de.s Blutes fe.ststellen und so z. B. nach dem Vorgänge von H. 
Strauss und Chajes für klinische Zwecke den Grad der Ver- 
wä.s3erung des Blutserums bei Herzkranken, Blutkranken, sowie 
Nierenkranken bestimmen. Die Methode der Refraktionsbestimm- 
img ist aber ferner auch für die Untersuchungen geeignet, bei 
denen es gilt, den Einfluss einer bestimmten Maßnahme auf den 
Eiweissgehalt des BlutsenmLs zu sttidieren. Chajes stellte dies¬ 
bezügliche Versuche mit Sanatogen an, um den Einfluss einer ei¬ 
weissreichen Diät auf den Eiweissgehalt des Blutserums zu studieren, 
und gab täglich za. 40 bis 45 g Sanatogen — bestehend aus95®A 
Kasein und 5% glyzerinpbosphorsaurem Natron — und erhielt ein 
ganz vorteilhafte.s Re.sultat: Die Zufuhr von grossen Mengen leicht 
assimilierbaren Eiweiases — in diesem Palle Sanatogen — hat 
eine Steigerung des Eiweissgehaltes zur Folge, sobald schwere 
Stöffwechselanomalien nicht vorliegen. A. R. 


Veraniwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. 6S, Kurfürstenstr. 81. — VerlaK »on Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck TOB der Hejmemanii'schea Buchdruckerei, Gebt. WolfT, Halle a. S. 


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4 , 



Medicinische Woche 


Deotschmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 

■ “ ■ ' ' 

Verlag und Expedition 

Carl Marhold in Halle a« Uhlandstraase 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hailesaale. Fernsprecher 2834. 



Herausgegeben von 


R. Robert M. Koeppen, K« Parbch, H. Rosln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricbt A. Vosslna, 

Magdeburg. Giessen. 

Redaktion: 

Berlin W. 62« Knrffirstenstrasse 81* 

Dr. P. Meißner. 

^ - - J 


Vn. Jahrgang. 5. Februar 1906. Nr. 6. 


Diejiiledicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeltnng, Organ des Allgemeinen Deutschen BAdervertandes. des Schwarzwald* 
bidertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nuimner 25 PL Bestdlungen nehmen jede Buch¬ 
handlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle n.S. entgegen. Inserate werden für die 4spa]tige Petitzeile oder deren Raum mit SO PL berechnet. 

Beilagen nach Uebereinkuntt ReklamezcUe 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt Brmäasigung eia 
Ntcbdrack der Orighial-Aubätze ist ohne vorherige ,Oenebniigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nnr mit Quellenangabe gest a ttet. 


Originalien. 

Zur Behandlung des Ulcus serpens corneae mit 
Berücksichtigung des Pnenmokokkensemm 

(Körner). 

Von A. Vossius in Giessen. 

Mit Recht hat Sämisch das Ulcus serpens corneae wegen 
seines eigenartigen Krankheitsbildes und typischen Verlaufs von 
der Hypopyon K^eratitis getrennt. Dieses Hornhautgeschwtir ge¬ 
hört bekanntlich zu den gefährlichsten Homhauterkrankungen. 
In meinem klinischen Material macht es über 57o aller Palle 
aus. Es entwickelt sich in der Regel nach Hornhautverletzungen, 
die meist nur ganz unbedeutend und oberflächlich zu sein 
pflegen und von den Patienten vielfach nicht eher wahrge- 
noramen werden, als bis die komplizierende Iritis oder Irido- 
cyclitis die cliarakteristischen Ciliarschmerzen verursacht. Die 
ol't recht kleinen Wunden wandeln sich durch Infektion mit 
Pneumokokken in das der Fläche und Tiefe nach fortschreitende 
Geschwür um, an dem der Rand iiach derjenigen Richtung, in 
welcher das Geschwür fortkriecht, durch einen ominösen weiss¬ 
gelblichen, sichelförmigen Hof oder durch mehrere, später kon- 
fluierende eitrige Infiltrate gekennzeichnet ist. Schon früh tritt 
in der Vordei^ammer ein Hypopyon oder an der Homhaut- 
liinterfläche ein festes eitriges Exsudat auf. Beide vergrössern 
sich mit der Zunahme des Geschwürs stetig und nicht selten 
erfüllt ein dicker Eiterklumpen den grössten Teil der Vorder- 
karamer; er kann so kompakt sein, dass man ihn bei der für 
die Behandlung nötig werdenden Punktion der Kammer oder 
Querspaltung des ulcus nachSämisch als eine zusammenhängende 
Masse mit einer Pinzette entleeren kann. 

Wenn das Geschwür sich nicht begrenzen lässt und immer 
weiter in die Tiefe greift, so tritt meist eine Perforation auf 
und hiernach oft die Heilung mit Hinterlassung eines Leukoma 
adhärens ein. Dies ist noch ein günstiger Ausgang. Vielfach 
kommt es zur Ausbildung eines Staphyloms oder die Eiterung 
schreitet noch weiter in die Tiefe vor und die schmerzhafte 
Panophthalmie beschliesst das Leiden. 

Jedenfalls ist das ulcus serpons ein Pi ozess. der dem Arzt 
die äusserste Sorgfalt bei der Behandlung auferlegt und bei 
richtiger Therapie in den Anfangsstadien oft einen günstigen 
Ausgang hat. Die.ses kriechende Geschwür sehen wir bei 
Männern öfter als bei den Frauen; diese erkranken insbesondere 
im land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach Verletzungen 
mit Getreidehalmen, Grannen, Heulialmeii oder Baiimästclien. 
Jm Sommer und Herbst häufen sich besonders bei den land¬ 
wirtschaftlichen Betrieben diese P’älle. Die Krankenkassenärzto 
machen zuerst mit diesen Patienten Bekanntschaft und können 


durch geeignete Maßnahmen bezw. durch frühzeitige Ueber- 
weisung an Spezialärzte viel Unheil verhüten. 

Die Pneumokokken, welche die Infektion verursachen, 
stammen häufig aus den Tränenwegen; eine grosse Zahl 
dieser Patienten ist mit langjähriger Tränensackeiterung und 
Ektasie des Tränensacks behaftet. Amdere infizieren sich mit 
Speichel oder unsauberen Taschentüchern. Die Tränensack¬ 
eiterung kann ein- und beiderseitig bestehen; bisweilen befindet 
sie sich nur auf der nicht verletzten Seite. Ausser der reinen 
Pneumokokkeninfektion kommt noch eine Mischinfektion mit- 
Streptokokken oder Staphylokokken vor. Diese Fälle verlaufen 
bösartiger als jene, bei denen nur Pneumokokken vorliegen. 

Den Tränenwegen muss der Arzt von vornherein bei 
jeder Hornhautverletzung seine Aufmerksamkeit zuwenden. Am 
besten ist es, sofort die Exstirpation des kranken Tränensacks 
vorzunehmen, die mit Hilfe der lokalen Infiltrationsanaesthesie 
mit Cocain-Adienalin meist ohne nennenswerten Schmerz und 
in der Regel auch ohne erhebliche Blutung leicht und schnell 
ausgeführt werden kann. Nur die Abhebung des Tränensackes 
vom Knochen kann schmerzhaft sein. Abgesehen von der Ex¬ 
stirpation des Tränensackes kommt bei messerscheuen Patienten 
die Ausspülung mit desinfizierenden Flüssigkeiten (Lösung von 
Hydrarg. oxycyanat 1 :2000) in Betracht. Mit der gleichen 
Lösung spült man bei frischen Verletzungen den Bindehautsack 
aus. Bei Reizung der liis und starken Schmerzen streicht 
man Atropin-Cocain-Vaseline in das Auge, eventuell kann dieser 
Salbe etwas Sublimat zugesetzt werden. Ist die Iris sehr 
hyperämisch, die Pupille gegen Atropin resistent und der 
Ciliarschmerz sehr stark, so kann man durch ein paar Blutegel 
hinter dem Ohr eine bessere Erweiterung der Pupille und einen 
Nachlass der Schmerzen erzielen. Man mag den Gebrauch von 
Blutegeln beute vielleicht nicht überall billigen; ich kann nach 
meinen Erfahrungen über ihren Nutzen nur Gutes aussagen. 
Ich möchte aber nicht raten, die Blutegel im Gesicht in der 
Umgebung des Auges anzusetzen. Bei sehr heftigen Schmerzen 
kann unter Umständen auch ein Narcoticum erforderlich werden, 
üeber dem verletzten Auge muss ein aseptischer trockener 
oder feuchter Verband angelegt werden. Einen solchen Ver¬ 
band unterlasse man auch niemals nach der Entferaung von 
Fremdkörpern aus der Hornhaut, besonders wenn Cocain zur 
Anästhesie benutzt ist und wenn die Leute sogleich wieder zur 
Arbeit gelien wollen; dadurch allein kann man vielfach der 
Ausbildung eines Ulcus serpens Vorbeugen. Der Verband muss 
bis zur völligen Regeneration des Epithels regelmäßig gemacht 
werden. 

Sehr oft kommt man nach meiner Erfahrung mit dieser 
Behandlung allein noch aus, wenn der Patient bereits mit den 
ersten Zeichen der stiittgofundenon Infektion und den Anfängen 
des ulcus serpens in die Sprechstunde kommt Ruhige Rücken¬ 
lage im Bott unterstützt dabei noch anfangs die günstige Ein¬ 
wirkung dos Verbandes, vor dessen Anlegung man nochJodo- 


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62 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 6. 


formpulver oder Nosophen auf den Siibstanzverhist der Cornea 
anfötäuben kann. Ge^en Jodoform kann zuweilen Idio>ynkrasie 
bestehen, die ich bei Nosophen nicht boobaclitet habe. 

Schreitet das Geschwür fort, so zerstöre man den ominösen 
Rand mit der galvanischen GlUhschlinge oder mit konzeiitricrter 
Karbolsäure. Ist auch hierbei noch eine Progression des Ge- ' 
schwörs zu beobachten, und vergrössert sich <las Hypopyon, 
so punktiere man die Vorderkammer zur Entleerung des Eiters 
oder man mache die Querspaltung des ulcus nach Sämisch. 
Bei grösseren Geschwüren kann man nach der Punktion mit 
einiger Aussicht auf Erfolg auch noch ein Jodoforraplättchen 
(Wüstefeld) in die vordere Augenkammer einführen; ich habe 
hierauf in mehreren, schon ganz hoffnungslosen Fällen noch 
Heilung eintreten sehen. 

Erstreckt sich die eitrige Entzündung weiter in die Tiefe 
des Auges und droht der Ausbruch der Panophthalmie, so ist 
zur Abkürzung des namentlich ältere Leute unnötig angreifon- 
den schmerzhaften Leidens die Exenteration des Augapfels 
indiziert. 

Nach diesen Gesichtspunkten verfahre ich in meiner Klinik, 
und ich bin mit den Erfolgen der Behandlung beim ulcus 
sei’pens durchaus zufrieden. Statt der anderwärts geübten 
warmen Umschläge ziehe ich in der Hegel den feuchtwarmen 
antiseptischen Verband vor, weil er vor Verunreinigungen und 
Infektionsgefahr schützt. Natürlich bekomme ich auch ge¬ 
legentlich Fälle zu Gesicht, die jeder Behandlung trotzen, und 
bei denen auch das von Römer eingeführto Pneuniokokken- 
serum keinen Erfolg hatte. In einer Reihe von Fällen habe ich 
mehrere Tage hintereinander subkutan 10 bis 20 ccm des 
Serams und ausserdem noch 1 ccm subkonjunktival injiziert; in 
andern Fällen habe ich neben der subkutanen Injektion Einträuf- 
lungen in den Bindehautsack mehrmals am Tage vorgeiiommen. 
Leichte Fälle heilen auch ohne dieses Mittel und in schweren 
versagt es nach meinen Erfahrungen, die sich mit denen and«'rcr 
Fachgenossen decken, wie ich aus der soeben erschienenen 
umfangreichen Arbeit von Axenfeld über die Serumtherapie 
bei infektiösen Augenerkrankiingen ersehe. Äx»‘iifeld be¬ 
richtet in dieser Arbeit u. a. sehr eingehend über die Pnoiimo- 
kokkeninfektion und die Resultate «'iner Umfrage bei ver¬ 
schiedenen Fachgenossen über den Heilwert des Pneumokokken¬ 
serums bei dem ulcus serpens. Nach seinen eigenen Beob¬ 
achtungen und den Erfahrungen anderer Kollegen ist die 
alleinige Serumtherapie nur in den ersten Stadien des Pio- 
zesses gerechtfertigt und von Nutzen; aber auch hier darf 


Feuilleton. 

Der russische Arzt und dessen Bedeutung für 
die kulturelle Entwicklung Russlands. 

(Schloss.) 

Noch bevor er in die Geheimnisse des ABC eiiizudringeii 
vermocht hat, hat der russische GjTnnasia.st aus den ewigen 
unendlichen Diskussionen, deren Auge- und Ohrenzeuge er war, 
schon Namen und Gedanken kennen gelernt, die einem deutschen 
Gymnasiasten, selbst dem Oberprimaner, nicht im Traume ein¬ 
fallen können. Und hat er es schon so weit gebracht, dass 
er fliessond lesen kann, so ist er von den Büchern nicht mehr 
w-egzubringen. Der russische, Gymnasiast beginnt also zu ein<‘r 
Zeit zu lesen, zu der sein deutscher Altersgenosse noch seinen 
Triesel treibt und mit seinen Freunden l’ferd spielt. Das 
Lesen wird dem russischen Gymnasiasten bald nicht nur zur 
zweiten, sondern zur ersten Natur; es ist ihm so klar und 
selbstverständlich, dass man immer und immer lesen muss, 
wie es dem deutschen Gymnasiasten gleichen Alters klar uml 
selbstverständlich ist, dass man die Schulaufgaben machen 
muss. ..Hast Du schon Deine Scliulaufgahen gemacht fragt 
der deutsche Sextaner oder Quintaner seinen Schulfreund, zu d<‘m 
er — natürlich «mit der Erlaubnis der Eltern” gekommen ist, 
um ihn, wenn es dessen Vater oder Mutter erlaubt, samt seinem 


man sich darauf ebensowenig verlassen wie bei mittleren und 
grösseren (n'schwüren. HonVui wir. dass es den w'eiteron iiii- 
ermüdlicheii Bestrebmigen Höm«‘r's gelingt, mit dem Pneum''- 
kokkenserum ein<^ gleiclimäüige. sichere Wirkung zu erzielen. 
di(i eine allgenn*i!JO Anwemlung des Serums in allen Fällen 
mit Aus-icht auf Erfolg ennöglicht. In Fällen. bei denen 
trotz der Pnenmt>kokkenserumbehaiullung das Ge.schw’ür fort- 
schritt, habe ich nach der Punktion der Vorderkaminer and 
Einführung eines Jodoformplättchens einen Stillstand des Fni- 
z«*sses una Heilung eintreten sehen. Beiläufig möchte ich nocli 
erwähnen, dass man auch versucht hat, bei den tiefen \er- 
letzung<*n und Operationen am Auge eine Pneumokokkeninfek- 
tioii durch Serum zu bekämpfen und diese Behandlung auch 
als Propliylaxe gegen die Infektion einzuführen. Auch hier 
wii‘<l, wi(' .A,xciil’eld sich ausdrückt, in erster Linie die Pro¬ 
phylaxe in Frage kommen, da die ausgebrochene Erkrankuiii: 
schwer zu beeinflussen ist. 

So viel .steht jedenfalls fest, dass die Auwendiingaweise dt' 
Serums bei ulcus serpens noch nicht in ihrem Erfolg so sicher 
ist, da.ss es ohnt* weiteres den Aerzten in die Hand gegeben 
werden kann. Am ratsamsten ist es, jeden Fall von ulcus 
serpens corneae, zumal wenn der Patient sich in ungünstigen 
häuslichen Verhältnisstui und weit ab vt>m Arzte behndet, i» 
spezialärztliche Behandlung zu überweisen und bei den land¬ 
wirtschuft liehen BenifsgenosstMischaften dahinzuwirken, dass siv 
die Behandlung der nicht in einer Krankenkasse befindlichen 
Patienten sofort unter Uebernahme der Kur- und Verpflegungv 
kosten in einer Augenklinik veranlassen. 

Über Gebrauch und Missbrauch von Atropin 
in der Augenheilkunde. 

Von R. Deatschmann, Hamburg. 

(.Si'lilnss.) 

Dass eine Bindehautentzündung, welcher Ätiologie sie auch 
sein möge, resp. welcher Art bakterieller Infektion sie eventuell 
auch ihren Ursprung verdankt, so lange sie für sich alleinbestellt 
und sich nicht mit Hornhautuffektionen von bestimmtem Cha¬ 
rakter und Sitz verbindet, keiner Atropinbehandluog bedarf, 
sollte eigentlich selbstverständlich sein; trotzdem bekommen 
wir oft genug solche Conjunctivitiden mit Atropinmydriasis in 

Drachen ziim „Drachensteigenlassen" abzuliolen. „Hast Ihi 
schon Dein Buch zu Ende gele.seny“ ist die Frage des russischen 
Quintaners oder Sextaners an seinen Schulfreund, zu dem er. 
natürlich ohne jemanden überhaupt gefragt zu haben, gekommen 
ist, um ihn sein neues Buch oder ,,ganz etwas besonderes" zu 
zeigen, das man nur bei geschlossenen Türen und Fensteni 
lesen darf und dann sofort im Ofen verbrennen muss. 
liest Du?“, ist die erste und letzte Frage einer russischen 
Gymnasiasten-Konversation, und wehe dem, der mit einer Ant¬ 
wort nicht prompt bei der Hand ist: ein russischer Gymnasiast, 
der einmal in den Verdacht gekommen ist, dass er .,garnic]it.' 
liest“, ist in den Augen seiner jungen Mitwelt verloren, und 
es fällt mir tatsächlich schwer, aus dem Leben eines deutschen 
jugendlichen Gymnasiasten irgend eine passive Untugend her¬ 
auszufinden, von der ich sagen könnte, dass sie dem fll-bel- 
täter“ auch annähernd so viel Geringschätzung, ja Missach¬ 
tung seitens der Kameraden einbringen würde, wie das schreck¬ 
liche „on nitschewo nje tschitact“. 

Ja, was liest denn nun der russische Gymnasiast' 
Märchen, Jugeiidschriften, Reisebeschreibungen? Jsein! Allf 
diese Sachen, die Herz und Sinn der deutschen Jugend er¬ 
freuen, sind dem russischen Gymnasiasten kein nutrmieiituiu 
Spiritus. Es gelüstet ihn nach etwas ganz anderem, vor alle«' 
nach dem, wo von er immer gehört hat, d. h. nach denjenigen 
Werken, die in Dmitscliland, so weit mir bekannt, erstens von 
Schülern gleichen und auch höheren Alters nicht gelesen umi 
zweitens überhaupt nicht gelesen, sondern studiert wenkn- 
Von irgend einem System kann hier natürlich nicht die Rede 


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1906. 


MEDICINTSCHS WOCHS. 


63 


weitere Behandlung. Ich rechne hierher auch die sogenannte 
phlyctaenuläre Conjunctivitis. Eine Indikation für den Gebrauch 
von Atropin kann dagegen eintreten, wenn eine Komplikation 
seitens der Hornhaut auftritt; hier aber auch nur dann, wenn es 
sich um ein tiefgehendes zentrales Geschwür handelt, das zu 
perforieren droht und von dem der Pupillarrand fern gehalten 
werden muss, oder wenn etwa von der Hornhaut aus sekundär 
die Iris in Mitleidenschaft gezogen wird, und die Gefahr hinterer 
Synechien, also VerlÖtung der Iris mit der vorderen Linsen¬ 
kapsel zu fürchten ist. 

Eine Ausnahme von dieser Regel mache icli nur dann und 
wann bei den oberflächlichen Epithel- resp. Substanzverlusten 
der Hornhaut, wie sie bei Kindern mit phlyctaenularer Con¬ 
junctivitis resp. Keratitis, vergesellschaftet mit Blepharospasmus 
resp. starker Lichtscheu auftreten. Warum hier ab und zu 
eine Instillation von Atropin sehr gute Dienste leistet, insofern 
danach Lichtscheu und Blepharospasmus schnell schwinden, 
vermag ich nicht zu sagen. Bekanntlich ist von Nagel, Römer 
und Axenfeld über den sogenannten Blendnngsschmerz disku¬ 
tiert w’orden; Nagel hob hervor, dass für ihn beim plötzlichen 
Blick auf eine hellbeleuchtete Fläche ausser dem bekannten 
Blendungsgefühl auch ein wirklicher Schmerz auftreten könne, 
den er auf die starke Kontraktion des sphincter pupillae zu¬ 
rückführt; durch Atropin werde diese Kpntraction verhindert 
dadurch der Schmerz beseitigt. Römer konnte sich davon 
nicht überzeugen, während Bjerrum zwar das Vorkommen 
des physiologischen Blendungsschmerzes bestätigt, aber die 
Erklärung Nagel’s dafür ablehnt; dabei gibt er aber zu, dass 
Atropin den pathologischen Schmerz dämpfe. Axenfeld, 
der auf diese Frage gerade im Hinblick auf die phlyctaenuläre 
Lichtscheu mit Blepharospasmus der Kinder eingoht, äussert 
sich dahin, dass er es noch nicht für entschieden halte, ob 
nicht doch eine schmerzhafte Lichtscheu bestehe, wenn es 
auch fraglich ist, ob diese starke reflektorische Pupillenkon¬ 
traktion, bei der ja ausser dem Lichteinfall vielleicht auch ein 
Reflex durch die sensible Reizung der Augenoberfläche eine 
Rolle spielt, bei diesen Kindern Empfindungen auch im Gebiet der 
Iris resp. des Ciliarkörpers hervorruft. Auf alle Fälle spricht 
Axenfeld von gelogentlicher Beeinflussung dieser phlyc- 
taenulären Lichtscheu durch Atropin, als von einer Tatsache, 
die er aus seiner klinischen Erfahrung gewonnen hat. Diese 
Tatsache kann ich nur bestätigen, ohne mir gleichfalls, wie 
schon gesagt, darüber klar zu sein, in welcher Weise diese 
Beeinflussung geschehen mag. Selten sind die Fälle immer¬ 


sein, und es hängt vom blinden Zufall ab, ob man das Funda¬ 
ment zu seiner Belesenheit mit dem Werke irgend eines 
Philosophen, Ideologen, Sozialreformators oder mit einem 
Werke über Kulturgeschichte oder über die grosse französischeRe- 
volution legt. Die Hauptsache ist, dass man recht viel gelesen 
hat, damit man das Wort „natschitannost“ mit Recht für sich 
in Anspruch nehmen kann, welches, nebenbei bemerkt, in wört¬ 
licher Übersetzung nicht Belesenheit, sondern „Vollgelesen- 
heit“ heisst 

Ob man nun alles, was man liest, versteht? Auf diese, 
nur zu berechtigte Frage eine eindeutige Antwort zu geben, 
ist schw’er. Es gibt zweifellos eine Anzahl enorm heller 
Köpfe, vielleicht sogar Köpfchen, für die in Bezug auf die 
Erfassung fremder Weisheit überhaupt keine Grenzen gezogen 
sind. Das sind die wirklichen Wunderkinder, aus deren Reihen 
anderswo und unter anderen Umständen weit mehr grosse Denker 
hervorgegangen wären, als es in Russland der Fall ist. In den 
meisten Fällen wird jedocli das Gelesene nicht oder falsch ver¬ 
standen. Man hat aber Ausdauer und ein gutes Gedächtnis, so dass 
eine Unmenge trefflicher Zitate, ja ganzer Kapitel im Kopfe 
haften bleiben, mit denen mancher „Dreikäsehoch“ ebenso um- 
zugelien versteht, w’ie mancher zitatenliebender Berufsrediier. 

Mag aber dem sein, wue es will, die Frühreife ist fast all¬ 
gemein. Sie wird [durch die erw’aclisene Umgebung, die mit 
all ihrem Wünschen und Sehnen von dem gewaltigen Daumen 
einer kurzsichtigen Buroaukratie in den bis zum Ersticken 
engen vier Wänden der eigenen Behausung zurückgehalten 


hin und man wird eben nur dann und wann bei dieser Er¬ 
krankung von der Atropinbehandlung einen Vorteil sehen. Es 
ist um so ratsamer hier vor>ichtig vorzugehen, als bei Kindern 
Öfter eine erhöhte Pulsfrequenz und eine Röte der Haut, be¬ 
sonders des Gesichtes, als Zeichen einer Allgemeinintoxikation 
beobachtet werden. Dass auch bei Erwachsenen Symptome 
einer solchen, individuell verschieden, bald früher, bald später 
bei Instillation von Atropin in den Bindehautsack auftreten, 
und zwar als erstes derartiges Trockenheit im Halse, sei hier 
gleich mit angeführt. Es rührt jedenfalls davon her, dass durch 
den Tränennasenkanal Spuren der inatillierten Lösung abfliessen 
und so von dem Organismus aufgenommen werden können. 
ZudrUcken der Tränensackgegend während und nach der Ein- 
tropfung dürfte diese Gefahr am sichersten vermeiden lassen. 
Nebenbei sei erwähnt, dass subkutane Injektionen von Pilo¬ 
carpin und Morphium als bestes Antidot gegen Atropinintoxi¬ 
kation gelten. 

Ich habe bereits davon gesprochen, dass bei geschwürigen 
Prozessen der Hornhaut, falls dieselben zentr^ sitzen und 
Perforation droht, eine Behandlung mit Atropin indiziert ist; 
man hat hier die Aufgabe bei Durchbruch des Geschwürs¬ 
randes und Abfliessen des Kammerwassers dafür zu soigen, 
ass ein Vorfällen des Sphincterrandes der Iris in die Perfo¬ 
rationsöffnung, wenn angängig, vermieden wird. Geschieht 
dies dennoch, so ist es fast stets unmöglich durch Atropin die 
Iris wieder zu befreien und man tut in der Regel am oesten, 
die vorgefallene Iris etwas anzuziehen und abzuschneiden, wo¬ 
nach man das weitere Atropineintropfen entbehren kann. Bei 
allen andern Hornhautgeschwüren, sofern sie nicht sekundär 
eine Iritis indiziert liaben, ist der Gebrauch von Atropin zum 
mindesten überflüssig, wenn nicht direkt schädlich. Hierhin 
rechne ich auch das ulcus serpens, die sogenannte Hypopyon- 
keratitis. Auf alle Fälle bei dieser Erkrankung eine Atropin¬ 
behandlung einzuleiteo, ist durchaus nicht angebracht. Meiner 
Erfahrung nach ist eine Mitbeteiligung der Iris io Form von 
Synechienbildung nicht die Regel und da die Resorption des 
Eiters in der vorderen Kammer bei V e r k 1 e i ner u n g aer resor¬ 
bierenden Irisoberfläche zweifellos schlechter von statten geht, 
ebenso wie ein etwaiger Abfluss durch den Kammerwinkel 
durch die mit der Atropinmydriasis einhergehende Verdickung 
der Iris und ihre Verschiebung nach letzterem hin erschwert 
wird, so müssen eben die Formen, in denen das Atropin wirk¬ 
lich indiziert ist, streng ausgesucht werden. 

Eine Erkrankung der Hornhaut, die zuweilen, aber ent- 

wird, in den Kindern geweckt und durch das Lesen bis zur 
üppi^ten Blüte getrieben. 

Die Konsequenzen dieser Frühreife .können natürlich nicht 
ausbleiben, und sie bleiben auch nicht aus. Vor allem geht 
dem russischen Gymnasiasten, dem Kinde aus dem Kreise der 
Intelligenz, seine Kindheit so gut wie verloren. Selten oder 
fast nie streift ein Zug holder Glückseligkeit über sein blasses, 
durchgeistetes Gesichtchen; vergebens würde man bei ihm 
nach kindlicher Fröhlichkeit, Sorglosigkeit, harmloser Ausge¬ 
lassenheit suchen, die dem kinderreichen deutschen Hause 
Leben und Wärme geben. Es interessiert ihn kein Spiel, es 
lockt ihn kein Lied, er hat kein Auge für die Schönheiten der 
Natur und ist naclilässig in Kleidung und Haltung. Er ist 
wortkarg, sogar kurz angebunden, meistenteils in si^ gekehrt; 
er geht seinen jüngeren Geschwistern, die seine geistige Höhe 
noch nicht erreicht haben, aus dem Wege und meidet ^äter 
selbst seine Eltern, also eventl. die ersten Urheber seiner Früh¬ 
reife, wenn er sie überflügelt zu haben glaubt. Andererseits 
ist der russische Gymnasiast selbstbewusst vom Scheitel bis 
zur Sohle; man merkt es ihm förmlich an, dass er das „omnia 
mea raecum porto“ zu seinem Wahlspruch gemacht hat und 
dass er unter „omnia mea“ nicht etwa die zahlreichen ver¬ 
silberten Knöiife seiner Gyranasiastenuniform meint, sondern 
das, was er gelesen und mehr oder minder sich zu eigen ge¬ 
macht hat. Seine Jahre fühlt er nicht. Während sein deutscher 
Altorsgenoss(! nocli Kratzfnsse macht, ältere Personen nie zu¬ 
erst an redet und auf etwaige Fragen kurz und bündig antwortet, be¬ 
wegt sich der russische Sekundaner oder Primaner in der Ge- 


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64 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 5. 


schieden in der bei weitem kleineren Zahl der Fälle mit Iritis 
kombiniert ist und deshalb den Gebrauch des Atropins nur 
selten wünschenswert macht, ist die t}T)ische parenchymatöse 
Keratitis. Ich möchte bier um so mehr vor dem zwecklosen 
Gebrauch des Atropins warnen, als ich über drei Beobachtungen 
verfüge, die mich gelehrt haben, hier besonders vorsichtig vor¬ 
zugehen. ln allen drei Fällen handelte es sich um Kinder, 
die eine schwere parenchymatöse Keratitis dnrchmachen mussten. 
Zwei derselben waren wegen drohender resp. bereits ausge¬ 
sprochener Iritis anderwärts mit Atropin behandelt worden; 
sie zeigten weite. reaktionslose Pupillen, die späterhiu, trotz 
Anssetzens des Atropins, trotz wiederholter Versuche mit 
upillenverengenden Mitteln dauernd in jenem Zustande ver- 
arrten; dem dritten Kinde hatte ich selbst, da mir die Pu¬ 
pillen sehr eng und auf Verklebungen mit der Linse verdächtig 
erschienen, einen Tropfen Atropin eingetropft; die Pupillen 
wurden danach weit und rund, kehrten aber nicht wieder in 
den Normalzustand zurück, sondern blieben dauernd weit und 
roaktionslos. Ich habe bislang bei keiner anderen Augenaifek- 
tion eine gleiche Beobachtung machen können. 

Das Bestreben, Patienten, welche an diffusen Hornhaut¬ 
flecken, auch wenn solche hauptsächlich zentral gelegen sind, 
leiden, durch Atropinerweiterung der Pupillen einen Vorteil für 
ihr Sehvermögen zu verschaffen, ist in den allerw’enigsten 
Fällen angebracht, so wenig, wie eine Iridektomie. Die Kran¬ 
ken empfinden die Nachteile der Lichtdiffusion bereits genü¬ 
gend durch ihre Homhautaffektion und sind gewöhnlich viel 
dankbarer, wenn man ihnen durch Tätowierung oder event. ein 
pupillenverengerndes Mittel Hilfe bringt. 

Ebenso ist das Atropin bei den nach Homhautverletzungen 
so oft auftretenden sogenannten rezidivierenden Keratalgieen 
zum mindesten überflüssig. 

Lederhautaffektionen, wenn sie nicht mit Iritis kompliziert 
sind, erfordern keine Atiopinbehandlung. 

Unentbehrlich ist das Atropin natürlich bei den verschie¬ 
denen Formen der Iritis und Iridocyclitis; hier kann es seine 
volle, vorzügliche Wirkung entfalten. Aufmerksam w'äre hier 
nur auf zwei Eventualitäten zu machen. Es kommen zuweilen 
im Laufe einer Iritis, besonders der sogenannten serösen Form, 
Drucksteigerungen vor, die dazu nötigen können, wenigstens 
zeitenweise, von der Atropininstillation Abstand zu nehmen; 
es gibt ferner akute Glaukome, die eine Iritis vortäuschen 
können. Es ist also dringend notwendig, bei jeder Erkrankung, 

Seilschaft Erwachsener genau so unbefangen, wie im Kreise 
seiner Schulkameraden. Es fällt ihm nicht ein, zu warten, 
bis ihn jemand einer Anrede gewürdigt hat; er redet selbst 
jeden an; stellt an Personen, die vielleicht Kollegen seines 
Grossvaters sind, Fragen, die, wenn sie aus dem Munde eines 
deutschen Gymnasiasten gekommen wären, eine ganze Ge¬ 
sellschaft sprachlos gemacht hätten. In Russland ist es aber 
etwas ganz natürliches, und der Anblick einer mit einem 
Jüngling in Gymnasiastenuniform eifrig disputierenden hocbbe- 
tagten und bedeutenden Persönlichkeit hat für den Russen 
nichts auffälliges an sich, man ist eben an den frühreifen, alt¬ 
klugen und unbewqisst vorlauten Gymnasiasten gewöhnt. Der 
Fremde allerdings w'ird in dem russischen Gymnasiasten, den er 
in Gesellschaft, namentlich aber auf der Strasse in vollem 
Ornat: im langen, bis über die Knöchel reichenden, am Rücken 
der ganzen Länge nach breit gefalteten Offiziersmantel, langen 
Hosen (kurze Kniehöscben, die dem deutschen Gymnasiasten 
bis zur Einsegnung, manchmal sogar auch eine zeitlang über 
die Einsegnung hinaus ein ständiges, ich glaube, recht wirk¬ 
sames äusseres Mahnzeichen des Altersunterschiedes zwischen 
ihm und dem Erwachsenen sind, kennt der russische Gymnasiast 
nicht) und mit der breitrandigen Uniformmütze auf dem Kopfe, 
begegnet, eher einen jugendlich aussehenden Offizier oder Be¬ 
amten als einen Gymnasialschüler vermuten, des.sen deutscher 
Altersgenosse vielleicht noch in den ominosenKniehöschen herum¬ 
stolziert. —r. 


die unter dem Bilde der Iritis schlechtweg auftritt, niemals die 
sofortige, weiterhin die kontrollierende Prüfung des Augen- 
druckes zu unterlassen. Es muss ferner, da bei der Iritis 
meist längere Zeit hindurch die Atropinbehan<llujig durchgefühil 
werden muss, auf den Zustand der Bindehaut geachtet werden. 
Während oft wochenlang gar keine schädliche W^irkung des 
Mittels auf die Gonjnnktiva sich zeigte, tritt plötzlich eine 
heftige Bindehautentzündung mit Rötung und Schwellung der 
Lider auf, deren Oberfläche wohl auch exeoriiert oder auch wie 
nach einem Eiysipel abschuppt. Gleichzeitig o<ler doch sehr 
schnell treten auf der Bindehaut eine Menge von Follikeln auf. 
die man als Atropingranulationen bezeiebnete; sie sitzen haupt¬ 
sächlich in der unteren Übergangsfalte. Nicht immer sind 
Lider und Bindehaut in gleicher Weise beteiligt; die einen 
oder die andere kann eine hervortretendere Veränderung auf- 
w’eisen. Während man früher die Ursache dieser Affektion auf 
Verunreinigungen der gebrauchten Atropinlösungen durch Pilze, 
oder durcli fremde Alkaloide, oder überschüssige Säure etr. 
zurückführte, hat die Beobaclitung gelehrt, dass auch ganz 
reine und zweifellos sterile Lösui^en unter Umständen den¬ 
selben Effekt ausüben können. Es bleibt also nur die An¬ 
nahme übrig, dass, wieSaemisch sagt, der lange fortgesetzte 
Gebrauch des Mittels schliesslich zu einer Unverträglichkeit 
der Bindehaut diesem gegenüber geführt hat, infolgedessen dii- 
weitere Anwendung desselben einen Reiz hervorruft, der de 
Entzündung unter auffälliger Beteiligung des Lymphapparates 
der Bindehaut und der Lidintegumento hervorruft. Es handelt 
sich also um eine Idiosynkrasie der Bindeiiaut gegen das 
Atropin. Nach Schweigger gibt es noch eine s^r selteiii; 
Atropin-Idiosynkrasie der Conjunktiva. Es sollen Fälle viü- 
kommen, in welchen sofort mit dem Einträufeln von Atropin, 
und zwar eines Tropfens, Schmerzen auftreten und in rascher 
Folge eine akute erysipelatöse Entzündung der Conjunctiva mit 
stader Schwellung derselben sowohl, als der Augenlider sich 
entwickelt: Auch ich habe einmal eine derartige Beobachtung 
gemacht; es stellte sich aber bei weiterer Nachforschung heraus 
dass schon von anderer ärztlicher Seite vor einigen Monaten sehr 
reichlich Atropin eingetropft und schliesslich schleclit vertragen 
w’ar; es muss also daran gedacht w’erden, ob nicht bei solchen 
scheinbar absoluten Idiosynkrasieen gegen dieses Mittel es sich 
nicht nur um eine Unverträglichkeit handelt, die von früherem 
Missbrauch des Atropins herriilirt. Denn eine derartige Unver¬ 
träglichkeit kann sich Jahre lang halten, so dass eme später 
wiederholte Anwendung derselben eine starke Entzündung her- 
vorbringt, auch wenn nur ein Tropfen einer solchen Lösung 
eingetropft wurde. 

Aussetzen des Atropins, Umschläge mit pliimb. acet., 
Pinseln der Bindehaut mit 2% neutral. Bleilösung, oder Ein¬ 
tropfen 4% ßoraxlösung zeigen sich am wirksamsten gegen 
diese Form der follikulären Bindehautentzündung; kann ein 
Mydriaticum niclit entbehrt werden, so verwende man Scopo- 
lamin oder Duboisin. 

Bei unreifen, resp. sehr langsam reifenden Formen von 
grauem Staar, namentlich Kernkatarakten, wird sehr häuBg 
monatelang der Gebrauch von Atiopinlösung verordnet, um 
den Kranken die Benützung der nicht getrübten Linsenpariieen 
zu ermöglichen. Dass auch bei dieser Verordnung stets 
sowohl auf den Augendruck, als auf den Zustand der Binde¬ 
haut geachtet werden muss, ist ganz besonders in Erinnerung 
zu bringen. 

Ich habe mehrfach gesehen, dass Patienten mit Spuren von 
Katarakt monatelang mit Atropin behandelt waren und mit 
ihren Klagen über zunehmend schlechtes Sehen immer unter 
der Begründung abgew'iesen waren, der Staar werde eben 
reifer und müsse erst ganz reif werden, um dann durch Ope¬ 
ration beseitigt zu w’erden; sie hatten bei geringfügiger Linsen¬ 
trübung Atropliie des Sehnerven mit tiefer glaukomatöser 
Druckexcavation und ihr Sehvermögen war unwiderruflich 
verloren 

Will man und kann man Kataraktpatienten, genaue Beob¬ 
achtung und Kontrolle vorausgesetzt, durch Atropininstillation 
helfen, so genügt eine ganz schwache Lösung von 0,1 % , wo¬ 
von etwa zweimal wöimentlich ein Tropfen einzutropfen ist- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


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Im übrigen ist es durchaus nötig, sich erst durch eine Probe¬ 
instillation eines Mydriaticum, wie z. B. Homatropin oder Kokain, 
zu überzeugen, ob man den Kranken durch die Pupillenerwei¬ 
terung auch wirklich einen Nutzen verschafft; eine ganze Reihe 
von Kataraktpatienten lehnt nach einem solchen V^ersuch den 
Gebrauch eines Mydriaticum ab. 

Bei Erkrankungen des Glaskörpei's, der Aderhaut, der 
Netzhaut und des Sehnerven wird man, wo nicht eine Regen¬ 
bogenhautentzündung das Krankheitsbild kompliziert, von dem 
Gebrauch des Atropins in der Regel abzusehen haben. 

Was nun die Kefraktionsanomalien anlangt, so dürfte zu¬ 
nächst zum Zwecke einer Brillenbestimmung nur in ganz extrem 
seltenen Fällen eine Atropinisierung notwendig sein; man hat 
heute der Hilfsmittel so viele zur Hand, dass man vollständig 
damit ausreicht; der Methoden der objektiven Refraktionsbe¬ 
stimmung gibt es zur Zeit mit Hilfe des Augenspiegels eine 
genügende Anzahl, und auch den sonst öfter Schwierigkeit 
machenden Astigmatismus kann man mit Hilfe des Javal’schen 
Instrumentes in ausreichender Weise bestimmen. Auch die 
Alropinkuren bei progres.siver Myopie hat man so gut wie 
gänzlich aufgegeben; die Frage des sogenannten Akkomodations- 
krampfes ist durchaus bisher nicht zu Gunsten eines solchen 
entschieden und immer mehr bricht sich die L’eberzeugung Bahn, 
dass in einer möglichst frühzeitigen Vollkorrektion d^er Myopen 
für Ferne und Nähe das beste Mittel gegeben sei, um der Pro¬ 
gression der Kurzsichtigkeit vorzubeugeii. Bei Hypermetropen, 
auch solchen mit Strabismus coiivergens behafteten, wird man 
meist gleichfalls das Atropin verwerfen, eher ihnen, falls man aus 
irgend einem Grunde Brillen überhauj)t, resp. vollkorrigierende 
nicht tragen lassen will, mit Pilocarpin ihre Akkomodations¬ 
tätigkeit erleichtern. Man müsste denn nach Fröhlich ver¬ 
suchsweise einseitig atropiinsieren wollen. 

Als Hilfsmittel bei operativer augenärztlicher Tätigkeit 
kommt das Atropin gelegentiicli, so für Di.scissionen, einfache Li- 
nearextraktionen, bei der Nachbehandlung von Staaroperierten, in 
Betracht; hier muss der Einsicht des Operateurs nie Verwen¬ 
dung dieses Mittels in jedem Einzelfalle überlassen bleiben. 

Zu erwähnen bliebe schliesslich noch, dass die Instillation 
von Atropin zum Zwecke der Erleichterung einer Augenspiegel¬ 
untersuchung nur in den seltensten Fällen notwendig weiden 
dürfte; man kommt hier gewöhnlich mit irgend einem Mydria- 
ticum, das keine so intensive, namentlich keine so nacliluiltige 
Wirkung aiisübt, vollständig aus; meist genügt schon ein 
Tropfen einer 3% Kokainlösung, evont. benutze man das 
Homatropin in 0,5% Lösung. 

Bin ich mir auch selbstverständlich bewusst, in dieser 
kleinen Mitteilung keinerlei erschöpfende Ausführungen bezüg¬ 
lich des Atropins nach irgend einer Richtung hin gebracht zu 
haben, so hone ich doch, dass die kurze Skizzierung wenigstens 
der hauptsächlichsten Daten über den Gebrauch dieses Mittels 
dazu beitragen wird, die Herren Kollegen in der Anwendung 
desselben mit etwas mehr Kritik vergehen zu lassen, als dies 
in der Regel geschieht. Meiner eigenen, aus langer Erfahrung 
g;ewonnenen Überzeugung nach, wird durch den Missbrauch, 
der mit dem Atropin getrieben wird, mehr ychaden angerichtet, 
als durch die Unterlassung seiner Verordnung in Fällen, wo 
es indiziert gewesen wäre. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Aerxtlichev Verein ln Hamburg» 

(Biologische Abteilung.) Sitzung vom 16. Januar 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

1. Demonstrationen: 

1. Herr Fahr berichtet über einen Fall von enormer Leber- 
zerreissung. Ein junges Mädchen fiel die Treppe herunter, dabei 
erlitt sie mehrere Rippenfrakturen. Dämpfung in der rechten 
Bauchseite. Bei der sofort im Krankenhause vorgenommenen 
Laparatomie konnte nur entdeckt werden, dass die Blutung ans 


der Gegend der Gallenblase kam, so stark war dieselbe. Daher 
nur feste Tamponade. 6 Stunden post operationem Exitus. Die 
Sektion ergab ausser einer Fraktur der 5.—8. Rippe rechts ein 
Exsudat im Pleuraraum, einen Riss in der rechten Lunge, der 
rechten Niere und in der Leber. Der letztgenannte Riss war 
von ganz enormer Ausdehnung; die frischen Präparate werden ge¬ 
zeigt. — Herr Fränckol fragt an, ob im Lungenkreislauf Leber¬ 
zellen gefunden sind. Herr Fahr entgegnet, man habe daraufhin 
nicht untersucht. 

2. Herr Reuter: Ein 44jähriger Arbeiter, der berzleidend 
gewesen sein soll, fiel — angeblich mit Krämpfen — auf der 
Strasse um und wurde sterbend ins Hafenkrankenhaus gebracht. 
Die Sektion ergab eine Myocarditis und eine Heller’sche Aortitis. 
Da der Verdacht auf Lues begründet erschien, — es fand sich 
eine Narbe um Frenulum — wurde nachgeforscht. Der Arzt, der 
den Patienten früher behandelt hatte, erklärte, dass Lues stets 
negiert worden sei, und dass er Jodkali allerdings ohne jeden Er¬ 
folg gegeben habe. Die mikroskopische Untersuchung ergab nun 
das überraschende Bild, dass sich in der Aortenintima viele Spiro- 
chaeten Schaudinn fanden. Die Präparate wurden ausgestellt. 
Schaudinn selbst erklärte denBcfund für richtig und gab Herrn 
Reuter Recht, dass es sich um die von ihm beschriebeno 
Spirochaete pallida handele. HerrFränckel meint, dass es not¬ 
wendig sei, jeden Fall von Arteriosklerose auf Spirochaeten zu 
untersuchen. 

II. Vor träge: 

1. Herr Revenstorf setzt seinen Vortrag „Neuere Untei-su- 
chungen zum Erkennen des Ertrinkungstodes“ fort, muss denselben 
jedoch auf Wunsch des Vorsitzenden unter Zustimmung der Ver¬ 
sammlung nach kurzer Zeit aus besonderen Gründen abbrechen. 

2. Herr Simmonds: „Zur Pathologie der Tuberkulose des 
männlichen Genitalapparates.“ Die primäre Samenblasentuber¬ 
kulose ist weit häufiger als allgemein angenommen wird. Das 
rührt davon her, dass man da.s früheste Stadium bisher nicht ge¬ 
kannt hat. In diesem ist die Wandung der Samenblasen noch intakt, 
der Inhalt dagegen eitrig und von Tuberkelbazilleu dicht durchsetzt. 
Die Bazillen veranlassen erst später eine Wucherung der Epithel¬ 
auskleidung und endlich tul)erkulöse Infiltrate im .subepitlielialem 
Gewebe; schliesslich käsigen Zerfall. Da in 15 derartigen Fällen 
nur 4 mal der käsige Netienboden die Samenblasen infiziert haben 
konnte, in den anderen Fällen hingegen der übrige Genitaltraktus 
mit Ausnahme einiger minimaler fester Tulierkelheerde der Prostata 
intakt war, so ist, entsprechend früheren Angaben, anzunehmen, 
dass in den intakten Hoden die Bazillen ausgeschieden wurden 
und auf ihrem weiteren Wege in die Samenblaseu gelangten, dort 
sich vermehrten und pathologische Störungen venirsachten. Da 
in derartig erkrankten Samenblasen oft Spermatozoen vorhanden 
sind, so liegt die Gefahr einer Uebertragung der Bazillen auf 
Uterus, Tube und Ei nach der Art, wie das Fricdmanii in 
seinen Experimenten beobachtet hat, vor. Die Diagnose der be¬ 
ginnenden Samenblasentuberkulose lies.se sich iutra vitam durch 
den Nachweis grosser Mengen von Tuberkelbazillen im Sperma 
stellen, 

III. Diskussion: Herr König glaubt, dass häufig von der 

Saraenblase aus der Hoden erkrankt. Er ist ebenfalls dafür, dass 
das Sperma auf Bazillen untersucht werden muss, damit in einem 
möglichst frühem Stadium die Samenblase entfernt werden kann. 
Fränckel weisst auf die Baumgartenscheu Untersuchungen hin, 
dass die Infektion mit Bazillen im Genitaltrakt mit dem Sekret¬ 
strom erfolge und nur, wenn irgendwelche Hindernisse vorhanden 
sind, retrograd. An die Friedmannschen Experimente glaubt er 
nicht, warum sollten die Spermatozoen dann nicht auch die viel 
häufiger vorkommenden Gonokokken in den Uterus und von da 
weiter verschlcjipen? HerrSimmonds gibt dann noch ein kurzes 
Schlusswort. Schöuewald. 

Sitzung vom 23. Januar 1906. 

Vorsitzender Herr Kümmel. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Trömner stellt eine 50jährige Frau vor, die vor 
etwa Jahresfrist mit Schwindelanfällen und Herzklopfen erkrankte; 
3 Wochen später trat Doppeltsehen auf, im Juni v. J. beiderseitige 
Ptosis. Vor za. 8 W^ochen traten Kau-, Schluck- und Sprechbe- 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 6. 


schwerden hinzu and eine namentlich gegen Abend besonders stark 
kenntliche Mnskelermüdbarkeit, Es handelt sich um eine bulbäre 
Myasthenie, bei der Paresen im oberen Facialisgebiet und eine 
inkomplete äussere Ophthalmoplegie nachweislich sind. Muskela¬ 
trophie, Entartungsreaktion fehlen; Prognose infaust. 

2. Herr Lenhartz berichtet über 8 von ihm beobachtete 
Fälle von Puerperalfieber, in denen die Trendelenburgsche 
Unterbindung der Vena spermatica ausgeführt wurde; 7 starben, 
nur eine Frau wurde geheilt. Geeignet zur Operation ist über¬ 
haupt nur die thrombophlebitische Form und auch nur dann, wenn 
sie einseitig auftritt. Ausgeführt w’urde die Unterbindung zwischen 
dem 8. und dem 53. Tag nach dem ersten Schüttelfrost, und zwar 
wurde gerade die Frau, bei der am 51. Tag die Vena hypogastrica 
und am 53. Tag die Vena spermatica unterbunden wurden, geheilt. 
Es handelte sich stets um verzweifelte Fälle mit Retiuablutungen; 
3 mal war ilie Thrombose schon bis zur Cava vorgedrungen. 
Trendelenburg schlug vor, bereits nach dem zweiten Schüttel¬ 
frost zu operieren, doch glaubt Lenhartz nur dann dazu berechtigt 
zu sein, wenn dann schon eine sichere Thrombose nachweislich ist: 
eine krampfaderartige Verdickung im Parametrium rechtfertige be¬ 
reits den ausserordentlich schwierigen Eingriff. Bumm habe von 
8 Fällen 3 durchgebracht, bei ihm sei transperitoneal und mit 
sehr grosser Schnelligkeit operiert worden, während im Eppen- 
dorfer Krankenhause teils trans- teils intraperitoneal operiert sei 
und die von Bumm genau gemessene Zeitdauer der Operation be¬ 
deutend überschritten wurde. Vor Allem sei eine Unterbindung 
im Gesunden zum Erfolg nötig mit möglichster Exzidierung der 
thombosierten Partie. 

3. Herr Frä n c kel demonstriert verschiedene Spirituspräparate 
von Blasengeschwülsten im Anschluss an den Treplinschen 
Vortrag und zwar a) gutartige Zottengeschwülste, b) Zottenkrebs, 
c) einen cystischen Tumor, d) 3 Präparate von der so seltenen 
Malakkoplakie der Harnblase, ausgehend vom lymphatischen Gewebe 
am Blasenhals, die leicht mit Tuberkeln verwechselbar sei. 

4. Herr Stein stellt einen Mann vor, der durch Sturz aus 
5 m Höhe eine Absprengung'des Trochanter major erlitten 
hatte, die erst nach einigen Wochen durch Röntgenuntersuchung 
erkannt wurde. Die Konsolidierung erfolgte ungestört; jetzt ist 
nur noch die Aussenrotation etwas beschränkt. 

5. Herr Wiesinger zeigt viele Röntgenaufnahmen von Coxa 
vara, der häufigen Belastungsdeformität, 

6 . Herr H. Adam hat 60 Fälle etwa von beginnender Lun gen- 
tuberkulose untersucht und sie nachher durchleuchten lassen. 
Die Diapositive werden erläuternd gezeigt. Er kommt zu dem 
Schluss, dass die Röntgendurchleuchtung namentlich bei beginnender 
Lungentuberkulose ein wertvolles Hülfsmittol ist, sie zu erkennen, 
da nach seiner Ansicht schon häufig Veränderungen im Röntgen¬ 
bild sich zeigen, die physikalisch noch nicht erkannt werden können. 

n. Herr Kümmel widmet dem am 18. Januar 1906 plötz¬ 
lich einem Herz- und Nierenleiden erlegenen Verwaltungsphysikus 
Herrn Dr. John Wahncau einen warm empfundenen Nachruf. 

HI, Diskussion über den Nochtschen Vortrag über 
Sch warz wass er fieber. Herr Lenhartz hat bei mehreren 
Hundert Malariakranken nur 7 Fälle von Schwarzw’asserfieber zu ver¬ 
zeichnen. Er erörtert die Frage, ob die Malaria selbst oder das Chinin 
Schuld am Auftreten der Hämoglobinurie sei, und glaubt mit Nocht, 
dass das Chinin die Noxe wäre. Es handele sich um eine er¬ 
worbene Disposition namentlich solcher Kranker, die längere Zeit 
hindurch zu prophylaktischen Zwecken Chinin genommen hätten. 
Der vorgeschrittenen Zeit wegen wird die weitere Diskussion 
vertagt, Schönewald. 

Schlesische Ges^schaft f uv vaterländische Kultur* 

Medicinische Sektion, Sitzung am 12. Januar 1906. 

1. Herr Prof. Hinsberg: „Zur Extraktion von Fremdkörpern 
aus den Bronchien“. 

Zur genauen Feststellung der Lage eines in die Luftröhren 
geratenen Fremdkörpers bedient sich der Vortragende der Broncho¬ 
skopie, die auch in Fällen, wo die anderen Untersuchungsmethoden, 
einschliesslich der Röntgendurchleuchtung im Stich lassen, durch 
systematisches Absuchen der Bronchien zum Ziele führt. Die 
Bronchoskopie, die wegen des Passierens der engen Stimmritze 


grössere Schwierigkeiten, wie die Oesophagoskopie bietet, wird in 
2 verschiedenen Formen angewandt, als superior und inferior; die 
Erstere vom Munde aus, die Letztere, nach Ausführung der Trache¬ 
otomie, von der Trachea aus. Der Vortragende berichtet von 8 
Fällen, in denen er Fremdkörper aas den Bronchien entfernen 
musste: 1. Ein Mann hatte einen ca. 3 cm grossen Knochen 
aspiriert; dieser sass auf der Bifurkationsstelle, war durch die 
Bronchoskopia superior leicht festzustellen und wurde mit einer 
Zange entfernt. 2. Einem Kinde war ein Stückchen Wallnusskem 
in die Luftröhre gelangt; die Bronchosk. sup, war erfolglos, das 
Kind musste tracheotomiert werden. Dann gelang auch die Ent¬ 
fernung; ein kleines Restchen, das zurückgeblieben war, wurde 
später ausgehustet. 3. Pat. (der vorgestellt wurde) hatte beim 
Kirschenessen angeblich einen Kern verschluckt. Nach einiger Zeit 
trat starker Hustenreiz und Brustschmerzen auf. Beim systematischen 
Absuchen wurde der Kern im rechten Bronchus entdeckt, aber 
die Entfernung mis-slang, da er beim Versuch, ihn zu fassen, tiefer 
in einen seitlichen Ast hineinrutschte; auch die Aspiration mittels 
Luftpumpe war erfolglos, da das Innere des Schlauches zu eng 
war. Erst nach erfolgter Tracheotomie konnte ein kürzerer und 
weiterer Schlauch genommen werden. Bei dessen Einführung er¬ 
folgte ein plötzlicher starker Hustenstoss, und der Kern flog von 
selbst heraus. 

2. Herr Geh. Med.-Rat Prof, Garre: „Über die Indikationen 
zur operativen Behandlung des Magengeschwürs und seiner Folge- 
zustände.“ 

Drei Fragen sind von praktischer Wichtigkeit: 

1 . Wann und unter welchen Umständen soll man operieren. 

2. Welche Eingriffe sind indiziert. 

3. Welche unmittelbaren und dauernden Resultate sind zu 

erzielen. 

Bei einfachem ulcus ventrikuli ohne Komplikationen nimmt 
der Vortr. io der ersten Frage keinerlei extremen Standpunkt 
ein. Wenn 2 oder 3 sorgfältige Kuren ohne Erfolg geblieben 
sind (in letzter Zeit auf Grund seiner günstigen operativen Er¬ 
fahrungen oft schon nach einer erfolglosen Kur), greift er zum 
Messer. Von Operationsarten kommen vor allem die Excision 
oder die Gastrostomie in Betracht. Erstere, bei der nur der 
kranke Herd entfernt wird, erscheint als die zweckmäßigere, ist 
aber in praxi oft schwer ausführbar, da bei starker Blutung das 
ulcus nicht leicht zu finden, oder schwer zugänglich ist, und es 
sich zuweilen auch um multiple ulcera handelt, dann ist die 
Gastrostomie am Platz, die bei einfachen Fällen gute Resultate 
liefert. Die fudroyanten Blutungen bei jungen Mädchen ergeben, 
wenn der Exitus nicht im ersten Anfalle eintritt, keine schlechte 
Prognose; erst nach häufig wiederholten Attaquen sind die Aus¬ 
sichten der Operation, wegen der grossen Schwäche und Blutleere 
der Pat. ungünstig. G. hat von 3 Operierten 2 verloren. — 
In allen Fällen von Hämorrhagien, sowohl den einmaligen, wie 
den rezidivierenden, ist man von der direkten Unterbindung oder 
Kauterisation wegen der starken Läsion des Magens abgekommen 
und führt die Gastro-Enterostomie aus. Dadurch wird der Magen 
ruhig gestellt und die Heilung ermöglicht. — Handelt es sich um 
Verwachsungen und Tumorbildung, wobei die vordere Bauchwand, 
die Leber und selbst das Pancreas mit einbezogen sein können, 
dann ist von interner Therapie kein Erfolg zu erwarten; auch 
hier leistet die Gastro-Enterostomie vorzügliches; in einigen Monaten 
ist der Tumor und das ulcus verschwunden. 

Als weitere Folge des Magengeschwürs ist die narbige Pylo- 
rus - Stenose zu erwähnen; ihre klinischen Erscheinungen sind 
meist gering und sind anfangs durch sorgiUltige Diät imd fleissige 
Ausspülungen prompt zu beseitigen. Aber nach etwa einem Jahre 
versagen diese Mittel und auch die gut wirkenden Thiosinamin- 
Injektionen können auf die Dauer nicht die Operation entbehrlich 
machen, und zwar kommt, nachdem Pyloroplastik und Resektio 
Pylori wegen der ungünstigen Resultate, zumeist verlassen sind, 
im wesentlichen die Gastro-Enterostomie in Betracht. Diese Opera¬ 
tion ist auch bei den sehr schmerzhaften perigaistrischen Ad¬ 
häsionen am Platze, und zwar im Anschluss an die Gastrolysis 
(die Ablösung des Magens von der Umgebung), sowie bei dem 
sog, Sanduhrmagen neben der Gastroplastik. — Die verhängnisvollste 
Komplikation des ulcus, die Perforation in das Peritoneum oder in die 
Nachbarorgane, kann zwar in seltenen Fällen spontan heilen, führt 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


67 


aber meist rasch zum Exitus; daher ist so schnell als möglich zu 
operieren, weil mit jeder Stunde die Gefahr wächst. Während 
innerhalb 12 Stunden die Mortalität nur 28% beträgt, steigt sie 
bis 24 St. auf 87% und bis 48 St. auf 100%. Ausser plastischen 
Operationen oder Einnähen des Magens in die Bauchwaud xmd 
Dreinage wird auch hier die Gastro-Enterostomie mit gutem Erfolge 
ausgeführt. 

Medicinische Sektion. 

Klinischer Abend, 19. Januar 1906. 

1. Professor Tietze; Demonstrationen zur Leber¬ 
chirurgie, Der Vortragende stellt eine grössere Anzahl ope¬ 
rierter Fälle vor und bespricht dabei die Indikation für operatives 
Eingreifen: a) Verletzungen, z. B. Ruptur der Leber, b) Tumoren, 
besonders Echinokokken und Cyst-Adenome, c) Leber-Abszesse, 
d) Erkrankungen, welche von der Gallenblase ausgehen, z, B. recidi- 
vierende Cholelithiasis, akuter Hydrops, akutes Empyem, Chole- 
dochus-Steine. Bei der Operation empfiehlt er, einen grossen 
Schnitt (Kehrsche Wellenschnitt) zu machen. Der Erfolg ist ab¬ 
hängig von der Technik, die mit den Jahren immer besser wird. 
Die Hauptgefahr besteht in der Bildung einer Bauch-Hemie; doch 
lässt sie sich durch sorgfältige Naht meist vermeiden. In einem 
Falle hat er ein grosses Silbemetz emgenäht, das so vorzüglich 
einheilte, dass Patientin sogar eine Gravidität gut überstanden hat. 
Recidive sind auch nach Entfernung der Gallenblase noch möglich 
(sogen, unechte Rezidive), indem sich in den Gallenwegen der 
Leber Steine bilden. 

2. Professor Buchwald; Sublimatvergiftung. Erstellt 
eine 22jährige Patientin vor, die mit der Absicht des Suicidiums 
die kolossale Menge von 2 Gramm Sublimat zu sich genommen hatte. 
Trotzdem bald eine Magenausspülung vorgenommen wurde, muss 
doch ein sehr grosser Teil des Gifts resorbirt worden sein: die 
Urinsekretion, welche der sicherste Ausdruck für die Schwere der 
Intoxikation ist, sistierte vollständig, und diese Anurie dauerte 
9 Tage. Dann begann unter Anwendung geeigneter Mittel ganz 
allmählich die Nierentätigkeit, und erst nach weiteren 17 Tagen 
trat normale Diurese ein. Nachher erst entwickelte sich ein 
Urämie-ähnlicher Zustand, der vielleicht auch durch eine Blutung 
ins Gehirn bedingt sein konnte. Nieren- und Darmblutungen 
traten alternierend auf, letztere durch Abstossung der Darm¬ 
schleimhaut hervorgerufen. Herzschwäche trat nicht auf, trotz 
Bestehens eines Herzfehlers. Nebenbei sei noch erwähnt, dass 
Op.- u. Morph.-Phagen eine grosse Indolenz gegen Sublimat (bis 
zu 1 und iVj Gramm) zeigen sollen. 

3. Dr. Brieger: Stirnhöhleneiterung: Er stellt zwei 
operierte Fälle vor, der eine mit Kieferhöhleneiterung kombiniert; 
die letztere wurde von der Fossa canina aus breit eröffnet und nach 
2^/2 Wochen geheilt. Auch der kosmetische Effekt war in diesem 
Falle sehr gut. 

4. Dr. Hartung stellt einen Patienten mit Tuberkulose der 
Haut vor; die Grenzen der Erkrankungen waren durch Tuber- 
kulin-Inj. genau festgestellt worden; inmitten eines seborrhoischen 
Ekzems der Stirn hatte sich zwischen den Augenbrauen ein tuber¬ 
kulöses Ekzem entwickelt. 

5. Dr. Landmann: Neuritis optica. Patient, der im 
vorigen Jahre Lues aquirierte, hatte über Kopfschmerz und Seh¬ 
verschlechterung geklagt. Die Untersuchung ergab ein zentrales 
Skotom, Einengung des Gesichtsfeldes und Entzündung des Seh¬ 
nerven (NeuropapilUtis). Durch spez. Behandlung (Colomel-Injekt.) 
trat vollständige Besserung ein. 

6. Dr. Korn: Neuritis alcoholica. Die 56jährige ver¬ 
heiratete Patientin ist seit 10 Jahren im Allerheiligen-Hospital; 
sie hatte sechs Kinder geboren, die aber alle jung starben. 
Patientin hatte anfangs von den Zehen ausgehende Schmerzen, 
derenwegen sie ständig zu Bett liegen musste. Dadurch entwickelte 
sich ein vollständiger pes varo equinus; die Knie lagen in schärfster 
Beugung und konnten wegen der grossen Schmerzen weder aktiv 
noch passiv gestreckt werden; dagegen waren die Fussreflexe ver¬ 
stärkt und lösten krampfartige Zuckungen der Extremitäten aus. 
Die oberen Extremitäten, sowie Blase und Mastdarm waren un¬ 
beteiligt. Das Körpergewicht wechselte und beträgt jetzt 185 Pfd. 


7. Dr. Kamann: Prolaps bei einer Virgo. Er stellt 
ein 19V2jähriges Dienstmädchen vor, das durch schwere Arbeit 
(Kohlentragen) sich einen Scheidenvorfall zugezogen hatte; die 
Cervix war invertiert. Prolaps wurde reponiert und fixiert. Ferner 
ein 14 jähriges Kindermädchen, das auch durch das Tragen des 
Kinderwagens (4 Treppen hoch) einen partiellen Prolaps der 
Cervix erlitten hatte. Beide Mädchen waren virgines angeblich 
intactae. 

8. Dr, Neisser stellt einen Mann mit vollständiger Kahlheit 
des Kopfes und Gesichtes vor; die Haut der Extremitäten ist aal¬ 
glatt, und auch in der Axelhöhle fehlen die Haare; nur die Scham¬ 
gegend ist reichlich behaart. Patient will als Kind von Jahren 
die Haare nach einem Erysipel verloren haben. 

9. Dr. Baensch: Spastische Diplegie. Er stellt ein 
2 jähriges rhachitisches und skrophulöses Mädchen mit einer 
Lähmung der Beine vor; die Beuger der Unterschenkel treten 
stark vor, und an den Füssen bestehen Kontrakturen, die grossen 
Zehen stehen in Plantar-Flexion. Auch in der Rückenmuskulatur 
sind spatische Erscheinungen, 

10. Dr. Mertens stellt einen Patienten vor, der einen 
Messerstich in die Brust erhalten hatte. Stunde später wurde 
er schon aufgenommen. Die 1 ^ 1 % cm breite Schnittwunde war 
trocken, Lippen zyanotisch, tiefe Atmung schmerzhaft, daher 
Untersuchung erschwert. Spitzenstoss war an normaler Stelle zu 
sehen. Inzwischen wurde der Puls aber schwächer, wenn auch 
nicht beschleunigt. Nach Verlängerung des Schnittes zeigte sich 
die Pleura verletzt, und ein zischendes Geräusch wurde hörbar. 
Mit einer Pinzette wurde die Lunge gefasst, und zufällig gerade 
die verletzte Stelle ergriffen, herausgezogen und komprimiert, so¬ 
dann 5. Rippe reseziert, Tampon eingelegt und ein fester Verband 
angelegt. Am 3. Tage trat am Gesicht und über der rechten 
Clavicula Hautempbysen auf. Sonst keinerlei Komplikationen. 
Dies war der 10. Fall von Lungenverletzung, der publiziert worden 
ist; 7 davon sind geheilt. 

11. Prof. Tietze: Bauchsticb. Junge Frau von 20 Jahren 
erhielt am Weihnachtsabend von ihrem Manne einen Stich in den 
Unterleib, so dass das Netz herausqnoll. Die Untersuchung ergab, 
dass Patientin iiri 6. Monat schwanger war, und dass der Stich 
bis in die Eihöhle ging. Der Uterus wurde genäht, und vor 
2 Tagen hat die Frau normal entbunden; das Kind ist allerding.s 
am nächsten Tage gestorben. 

12. Prof. Tietze bespricht dann noch einige Fälle von Ileus 

(von 5 Operierten hat er 2 verloren) und erwähnt die vorzügliche 
Wirkung der Sauerstoff-Inhalationen bei schwerem Collaps während 
der Operation. Dr. Peritz. 

Berliner medidnische Gesdlschaß, 

Sitzung vom 24. Januar 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Holländer demonstriert einen Fall von Hornbildung an 
der Stirn, 

Hildebrand zeigt eine Patientin, bei der er wegen malignen 
Tumors beide Oberkieferbeine beseitigt hat; die Operation gelang 
in einer Sitzung, ohne vorherige Tracheotomie und Unterbindung 
der Carotis einfach am hängenden Kopf. Durch Vemähung der 
Wangenschleimhäute gelang es einen natürlichen Ersatz des 
Gaumens zur Trennung der Mund- und Nasenhöhle herzustellen. 
Weiter zeigt er eine Patientin mit multiplen Neuro-Fibromen und 
elephantiastischer Lappenbildung am Rücken. 

Hamburger stellt zwei Kinder vor, bei denen er einen 
Schichtstaar operiert hat. 

Tagesordnung: 

Falkenstein: Ueber das Verhältnis von Harnsäure 
zum Harnstoff im Harn der Gichtkranken. 

Die Ursache der Gicht ist ein mangelhafter Abbau der Harnsäure 
im Körper. Dieser wird bedingt durch mangelhafte Salzsäurebildung 
im Magen infolge Fehlens oder Atrophie der Salzsäure ausscheidenden 
Drüsen. Zur Stütze dieserThesen hatFalkenstein zahlreiche Urinunter¬ 
suchungen angestellt, die ergaben, dass im Harn von Gichtkranken 
bei Salzsäuredarreichuug das Verhältnis der Harnsäure zum Harn¬ 
stoff wesentlich zugunsten des letzteren verändert wurde, dass 


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68 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 6. 


also die Salzsäure emen energlschoreu Abbau der Harnsäure 
herbeiführt. Für die Bedeutung der Mageufunktion bei Ent¬ 
stehung der Gicht spricht auch die Tatsache, dass immer chronische 
Dyspepsleen dem Gichtanfall vorangehen. Die Magenerkrankungen 
bei der Bleivergiftung erklären das häufige Auftreten der Gicht 
im Verlaufe dieser chronischen Intoxikation. Bei Salzsäure¬ 
darreichung trat die Amelioration des Urinbefnndes in obigem 
Sinne bei Gichtikem ein, unabhängig von der Wahl der Nahrungs¬ 
mittel; animalische oder vegetarische Kost erwies sich als gleich- 
gütig. Deshalb sind diätetische Heilversuche verfehlt. Die 
Therapie der Gicht muss die Zufuhr des fehlenden Salzsäure¬ 
quantums erstreben. Irgendwelche schädlichen Nebenwirkungen 
der lange fortzusetzenden Salzsäuregaben — Nierenreizung, Darm¬ 
läsionen, Beeinträchtigung der Zähne — sind nicht zu fürchten. 
Auch Tierexperimeiite — nach Einspritzung von Harnsäure Hess 
sich durch Einführung von Salzsäure in den Magen die Bildung 
von Urateu verhindern — haben seinen Theorieen Bestätigung 
gebracht. 

Blaschko: Erfahrungen mit Radiumbehandlung: 

Blaschko hat in den letzten zwei Jahren die verschiedensten 
Hautaffektionen einer Behandlung mit Radium unterzogen. Von 
den Tumoren Hessen sich die tiefer gelegenen nicht in einer prak¬ 
tischen Erfolg versprechenden Weise beeinflussen. Für Radium- 
behandlnng sind nur die oberflächlich sitzenden, am be.sten ulcerierten 
Geschwülste geeignet. Vor Recidiven schützt die Therapie nicht 
sicher. Kleinere Naevi und Angiome Hessen sich schon durch 
kurze Radiumeinwirkung beseitigen, wobei feine, glatte Narben 
entstehen. Beim Lupus vulgaris ist die Radiumbehandlung, wenn 
es sich um ausgedehnte Herde handelt, mehr zur Nachbehandlung 
nach Verfahren, die das Gros der Krankheitsherde beseitigt haben, 
geeignet zur Zerstörung noch übrig gebliebener Knötchen; ver¬ 
gleichende Versuche in dieser Hinsicht zwischen der Heissluft-, 
der Salzsäure- und der Radiumbehandlung fielen zugunsten der 
letzteren aus. Weiter wurde die Radiuratherapie bei chronisch- 
entzündlichen Hautaffektionen versucht. Kleinere Psoriasislierde 
schwanden schon nach nur wenige Minuten langer Einwirkung; 
Recidive wurden aber nur dann sicher vermieden, wenn intensive 
hlinwirkung bis zur Uloeration der Haut stattgefunden. Für die 
flächenhaften Efflorescenzen ist sehr geeignet das Radiumpflaster 
(BeyersdorfF). Gute Wirkung Hess sich erzielen bei liartnäckigen 
Eczemen der Hände, die allen andern Behandhingsformen getrotzt 
hatten. Weiter sah Blaschko günstige Beeinflussung bei Lupus 
erythematodes, Lichen ruber verrucosus, bei Nasenröte, bei Keloiden. 
Ungleiche Erfolge erzielte er bei Sycosis vulgaris, gar keine bei 
der Alopecia areata. Im ganzen glaubt er das Radiumverfahren, 
weil es ungefährlicher ist als das llöntgenverfabren, leichter an- 
zuwendea, überall hinzutransportieren und vielseitiger zu applizieren 
ist, als eine Bereicherung der Therapie aussprechen zu müssen. P. 

Berliner Ophilvaltnologische GeseUschaft, 

Sitzung vom 21. Dezember 05. 

1. Herr Greef: Verätzung des Auges durch Calomel bei inner¬ 
licher Darreichung von Jodkali. 

2. Herr A. Gutmann: Ein.seltiges entzündliches Oedem des 
Oberlides mit Druckempfindlichkeit der Tränenbeingegend als 
Frühsymptom bei Siebbeinempyem mit beginnendem Orbital¬ 
abszess. 

3. Herr Gurt Adam: Demonstration eines von ihm kon¬ 
struierten sehr handlichen Apparates zur Messung der Akkom¬ 
modationsbreite bezw. Diagnose der Akkommodationslähmung und 
zur Refraktionsbestimmung bei Myopie. Der Apparat ist in seiner 
äusseren Form ähnlich wie ein sogen, amerikanisches Stereoskop 
gebaut. Vorn an der Stelle, an der beim Stereoskop die Prismen 
sich befinden, ist eine kurze Röhre mit zwei Einschnitten zur 
Aufnahme von Gläsern angebracht. Hinten an der Stelle des 
Stereoskopenbildes befindet sich eine feine Schriftprobe, die auf 
einem mit einem Handgriff versehenen Brettchen verschieblich 
ist. Das Brettchen zeigt eine Reihe von quergestellteu Strichen, 
die mit je zwei Zahlen versehen sind. Die obere Zahl bedeutet 
die Nahepunkteutfemung in einem bestimmten Alter, die untere 
die dem Alter entsprechende normale Akkommodationsbreite in 
Dioptrieen ausgedrückt. Die Anwendung des Apparates geschieht 


folgendermaßen: Handelt es sich beispielsweise um einen Patienten 
von 15 Jahren, so stellt der Untersucher die Schriftprobe auf den 
oben die Zahl 15 tragenden Strich, steckt, wenn nötig, in den 
einen Einschnitt der erwähnten Röhre das einen eventuellen Re¬ 
fraktionsfehler korrigierende Glas und fordert den Patienten auf, 
die Röhre gegen den oberen Orbitalrand zu legen und mit einem 
Auge zu lesen. Kann er die Schriftprobe lesen, so ist die Akkom¬ 
modation in Ordnung; kann er dies nicht, so Hegt, nach Aus¬ 
schluss anderer Ursachen, Akkommodationsläbmung vor. Der Grad 
derselben wird dadurch bestimmt, dass man ansteigend Konvex- 
gläser in den anderen Einschnitt der Röhre steckt; das niedrigste 
Konvexglas, mit dem die Schriftprobe gelesen wird, gibt den Grad 
der Lähmungen. An jenem die Zahl 15 tragenden Strich befindet 
sich noch die Zahl 12, d. h. die dem Alter von 15 Jahren ent¬ 
sprechende Akkommodationsbreite von 12 Diop. Ist zum Lesen 
der Schriftprobe ein Konvexglas von 12 Diop. nötig, so bedeutet 
dies, dass die Akkommodatiou völlig gelähmt ist; ist ein solcher 
von 6 Diop. nötig, dass sie zur Hälite gelähmt ist. Man kann 
sich auf diese Wei.se gleichzeitig von der Besserung oder Ver¬ 
schlechterung der Lähmung überzeugen. 

An der Lntenseite des Bretchens befindet sich ausserdem eine 
Centimeter-Skala, die die Bestimmung des Fempunkts bei höherer 
Myopie, und damit durch leichte Umrechnung den Grad dersell)en 
zu bestimmen gestattet. Wird die Probe noch z, B. in 20 cm 

geleseu, so ist die Myopie = 5,0 Diop. Der Apparat hat 

sich in der Königl. Universitäts-Augenklinik bereits bewährt. 

V. Michel betont im Anschluss an die Demonstration, dass 
er den Apparat sehr praktisch findet und be-stens empfehlen kann. 

Kurt Steindorff. 


Verein für innere Medicln, 

Sitzung vom 22. Januar 1906, 


T agesor dnung: 

Herr Mohr: Zuckerbüduug aus Eiweiss. 

Verf. hat darüber, ob aus Eiweiss oder, Fett Zucker gebildet 
werden kann, an pankreaslosen Hunden Versuche angestellt. Er 
berichtet über die Technik der Operation und meint, dass die 
Beobachtung des Einflusses von Nahrungsstoffen auf die Glyko- 
surie dann für ihre zuckerbildende Kraft beweisend sei, wenn die 
Glykosurie sehr erhebUch ist und wenn die Bilduogsmöglichkeit 
aus dem verfütterten Material besteht. Pflüger bestreitet eben¬ 
so die Bedeutung des von Minkowski gefundenen Verhältnisses 


des Harnzuckers zum Hamstickstoff 


. Er fand diese Zahl 


inkonstant. Verf. glaubt, dass die Inkonstanz die Folge von Tem¬ 
peratureinfluss oder Muskelarbeit ist, auch können Aenderungen 
im Eiweissstoffwechsel vor sich gehen, z. B. durch Synthese schon 
abgebauten Eiweissmaterials oder durch Abartung des Körper¬ 
eiweissbestandes. Hauptzuckerbildner ist wohl das Glykokoll, 
nach Pflüger dagegen das Fett. Verf. schliesst sich dieser 
Ansicht nicht an. Er glaubt nicht, dass der Stoffumsatz durch 
grössere Eiweissverfütterung grösser wird und zu einer grös.seren 
Beanspruchung des Fettmaterials führt. Dafür spricht ihm auch 
das Verhalten des Acetons, das bei seinen Hunden bei seiner 
Eiwftissnahrung nicht nennenswert ausgeschieden wurde. Für ihn 
bleibt nur die Annahme übrig, dass aus Eiweiss Zucker gebildet 
wird, wofür ihm besonders die Vermehrung der Glykosurie spricht, 
die man nach Verfütteruug von Eiweissabbauprodukten, insbesondere 
der Aminosäuren erzielt. 

Diskussion zum Vortrag von Senator: Ueber Behand¬ 
lung des Magengeschwürs. 

Herr Ewald; Die Behandlungsmethode von Senator (Gela¬ 
tine) würde er bei frischen Blutungen nicht empfehlen. Er po¬ 
lemisiert gegen die Belastung des Magens durch die Methode 
Lenhartz, die zu Kontraktionen und ,damit zu neuen Blutungen 
führen müsse. 

Herr Rosenheim: Die schonende Emährungsmethode ist für 
ihn die geeignetste. 

Herr Boas: Hauptsache sei die Ruhigstellung des Magens 
bei frischen Blutungen. Die Stillung der Blutung nach Senator 
scheint ihm gefahrlos. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


69 


Herr Ä. Frankel sah bei Lenhartz’scher Behandlung 
•doch gute Erfolge, zur Hebung der gesunkenen Kräfte sei eine 
Hungerkur nach Ewald nicht geeignet. 

Herr Ewald erhebt gegen diese Therapie Bedenken. 

Carl Lewin. 


Standesfragen. 

Aerztekammer Berlin-Brandenburg. 

Von Dr. M. Cohn, Berlin-Charlottenburg. 

Die Berlin-Brandenburgische Aerztekammer hielt am 22. Januar 
ihre erste Sitzung nach den Neuwahlen ab. Dieselbe wurde durch 
die zur Konstituierung der Kammer notwendigen Wahlen und die 
Erledigung der Eingänge völlig in Anspruch genommen. Vor¬ 
sitzender der Kammer wurde wie nun schon seit einer Reihe von 
Jahren wiederum Julius Becher, im übrigen ergaben die 
Wahlen zu den Aemtern, dem Ehrengericht, der Unteratützungs- 
kasse und den Kommissionen im grossen und ganzen die Wieder¬ 
wahl der altbewährten Mitglieder. Als ausserordentlich lästig und 
die Erledigung der Geschäfte hemmend erwiesen sich die durch 
das Gesetz gegebenen Wahlvorschriften; die Kammer dürfte nach 
ihren Erfahrungen Veranlassung nehmen, die Regierung um eine 
Abänderung der bezüglichen Paragraphen zu ersuchen. 

Unter den zur Verlesung gelangten Eingängen befanden sich 
mehrere von allgemeinem Interesse, die zu lebhaften Auseinander¬ 
setzungen Veranlassung gaben. Ein Ministerialerlass rügte die 
Tätigkeit der Aerzte bei der Durchführung des Invalidenver- 
sicherungsgesetzes, namentlich den Mangel einer genauen Diagnose 
und der bestimmten Angabe des Eintrittes der Invalidität; auch 
über den Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Invalidi- 
tätsgesetzes herrsche vielfach Unklarheit. Mit Energie und Schärfe 
wies Mugdan diese Kritik der Aerzte zurück: er legte dar, 
dass an gewissen falschen Auffassungen der Aerzte nicht diese, 
sondern die Unklarheit des Gesetzes schuld sei und betonte, dass 
■eine humane und weitherzige Auffassung des Invaüditätsbegrififes 
durchaus erforderlich scheine. 

Des Weiteren fuhrt die Bcrufsgeno.ssensohaft der Stahl- und 
Eisenindustrie Klage darüber, dass manche Aerzte zu hohe Ge¬ 
bühren für Gutachten verlangten und schlug eine Konferenz zum 
Abschluss eines Vertrages vor, der der Berufsgenossenschaft ähn¬ 
liche Vergünstigungen gewähren sollte wie den Krankenkassen. 
Dieser Anspruch wurde entschieden abgewiesen und erklärt, dass 
die Aerzte gar keine Veranlassung hätten, auch noch einen Teil 
-der Kosten der Unfallversicherung zu tragen. 

Die ilritte Abfertigung holte sich das Komitee für Krebs¬ 
forschung. Dieses hatte ein Schreiben an die Kammer gerichtet, 
in welchem es mitteilt, dass in der.pbarite eine Fürsorgestelle für 
Krebskranke errichtet sei, deren Zweck es sei, zunächst in allen 
Fällen von zweifelhafter Diagnose bei unbemittelten oder weniger 
bemittelten Patienten den Aerzten die Möglichkeit zu geben, die 
Patienten von „autoritativer“ Seite untersuchen zu lassen. Am 
Schluss des Schreibens wird darauf hiogewiesen, dass die Kranken¬ 
häuser jetzt mit inoperablen und zu spät zu ärztlicher Kenntnis 
und Behandlung gelangten Krebskranken überfüllt seien. Dem¬ 
gegenüber wird in der Kammer erklärt, dass schon längst in 
Berlin jedem Arzte bewährte Autoritäten zur Verfügung stehen, 
an die er sich ziir Sicherung einer zweifelhaften Diagnose wenden 
kann, dass die absolute „Autorität“ der Krebsfürsorgestelle in 
keiner Weise gesichert sei und dass die Fürsorge-, Auskunfts¬ 
stellen etc, die Interessen der Aerzte nicht so wahrten, wie es durch¬ 
aus erforderlich sei. Auch die Fürsorgeschwestern, die sehr gern 
Kurpfuscherei trieben, bedürften einer strengen Ueberwachung. 

Unser Bericht zeigt, dass die Kammer nicht gewillt ist, eine 
Oeringschätzung der Aerzte oder eine Schädigung ihrer wirtschaft¬ 
lichen Interessen von irgend einer Seite hingehen zu lassen. 
Auch bei den Wahlen gab es dafür einen Beleg: die Kammer hat 
zwei Mitglieder in die wissenschaftliche Deputation für das Medi- 
cinalwesen zu entsenden. Diese Mitglieder sind nun in den letzten 
-drei Jahren niemals zu einer Sitzung eingeladen worden. Diese 
Rücksichtslosigkeit veranlasste viele Kamraermitglieder zu erklären, 


dass sie nunmehr eine solche Wahl überhaupt nicht vornehmen 
wollten. Erst nach längerer, erregter Debatte kam diese dann 
doch zu Stande und die Gewählten, Mendel und Pistor, nahmen 
ausdrücklich die Wahl nur unter der Voraussetzung an, dass die 
vorhergegangene Debatte an zuständiger Stelle die Meinung der 
Kammer gebührend zum Ausdruck gebracht hätte. Hoffentlich 
wird die Berlin-Brandenburgische Aerztekammer auch im weiteren 
Verlaufe der Wahlperiode das Ansehen und die Interessen der 
Aerzteschaft stets in gleicher Weise zu wahren wissen. 

Die Beratung des Haushaltsanschlags für 1906 musste der 
vorgerückten Zeit halber und, da die Mitglieder durch die voraus¬ 
gegangenen anstregenden Verhandlungen recht abgespannt waren, 
vertagt werden. 


In weitesten ärztlichen Kreisen herrschte jederzeit die An¬ 
schauung, dass es allein die von Arbeitnehmern geleiteten Kassen 
seien, die sich der Koalition der Aerzte entgegenstemmten, und 
deren hauptsächlichste Forderung, dio Durchführung der freien 
Arztwahl, zu Falle zu bringen suchten. Von dieser Auffassung 
wird wohl jeder geheilt sein, der die Denkschrift gelesen hat, 
welche der Verband rheinisch-westfälischer Betriebs¬ 
krankenkassen an den Reichstag gerichtet hat. Dieser aus¬ 
gedehnte, in den Händen der Grossindustriellen befindliche Ver¬ 
band nimmt zu den Forderungen Stellung, welche namens der 
Aerzte die Kommission des Deutschen Aerztevereinsbundes auf- 
gestellt hat. Die Grossindustriellen fanden nichts mehr und nichts 
weniger, als dass den approbierten Aerzten die gesetzliche Ver¬ 
pflichtung auferlegt wird, auf Verlangen die der öffentlichen 
Krankenversicherung unterliegenden Personen ärztlich zu behandeln. 
Mit den alten, oft widerlegten Argumenten geht die Denkschrift 
gegen die freie Aerztewahl vor, sie verwirft die maßvollen Honorar¬ 
ansprüche der Aerzte und will ganz besonders den Abschluss von 
Verträgen mit Aerztevereinigungen verhindern und nur Einzelver¬ 
träge zulassen. Um aber der Einigkeit der Aerzte ein Gegen¬ 
gewicht zu bieten, um bei Aerztestrikes gesichert zu sein, fordert 
die Denkschrift die Berechtigung für die Krankenkassen, den 
Kranken statt der Gewährung der ärztlichen Hilfe in natura, 
einem Hauptzweck der Krankenversicherung, eine angemessene 
Geldentschädigung gewähren zu dürfen. Diese Denkschrift muss 
den Aerzten eine Mahnung sein, ihren wirtschaftlichen Kampf 
nicht kurzsichtig nach einer Seite hin zu führen, sondern den 
Gegner in allen Lagen mit gleicher Energie entgegenzutreten. 
Dass die Aerzte auch oft Veranlassung haben, Kassen im Kampfe 
um ihre Rechte ihren Beistand zu gewähren, beweist der Kon¬ 
gress der freien Hilfskassen, der kürzlich hier in Berlin 
tagte, um den Schaden abzuwehren, der den Hilfskassen aus den 
dem Reichstag vorliegenden neuen Gesetz über die freien Hilfs- 
kassen zu erwachsen droht. Nachdem eine Reihe von Schwindel¬ 
kassen die Vertrauensseligkeit des Publikums ausgenutzt hatte, 
ohne von den Behörden daran gehindert worden zu sein, legte die 
Regierung einen Entwurf vor, der durch Unterstellung der Hilfs¬ 
kassen unter das Privatversicherungsgesetz nicht nur deren Selbst¬ 
verwaltung bedroht, sondern ihnen die Existenzbedingungen derart 
erschwert, dass ihr Fortbestehen gefährdet ist. Der Kongress 
der Hilfskassen richtete an den Reichstag das dringende Ersuchen, 
den Gesetzentwurf abzulehnen; für den Fall einer zustimmenden 
Haltung des Reichstages wurde eine grössere Anzahl von Ab¬ 
änderungsvorschlägen beschlossen, die freien Hilfskassen haben 
sowohl in ihrer Eigenschaft als selbständige Kassen wie als Zu¬ 
schusskassen gut prosperiert, sie haben ihren.Mitgliedern mancherlei 
Vorteile über ihren gesetzlichen Verpflichtungen hinaus gewähren 
können und haben auch im allgemeinen mit den Aerzten in fried¬ 
licher Weise zusammen gearbeitet. Wir Aerzte haben also an 
einer Unterdrückung der Hilfskassen allein gar kein Interesse; 
unser Bestreben mu.ss darauf gerichtet sein, dass ^le Kassenarten 
vereinheitlicht werden, also auch Betriebs-, Innungskassen etc. 
aufhören. 

Ihre starke Inanspruchnahme in wirtschaftlichen Fragen 
hindert die deutsche Aerzteschaft nicht, auch allen sozial¬ 
hygienischen Bestrebungen ihr volles Interesse zuzuwenden ' So 
sehen wir eine grosse Reihe von Aerzten wieder an der Spitze 
des Komitees, das sich gebildet hat, um eine Musteranstalt 


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70 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 6. 


ins Leben zu rufen, die der Bekämpfung der Säuglings¬ 
sterblichkeit dienen selb Diese soll ein Sammelpunkt für die 
wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Säuglings¬ 
pflege und -Ernährung abgeben und die Ergebnisse dieser Forschung 
für die Praxis verwertbar machen. Die Anstalt soll Schwangere 
in den letzten drei Monaten aufnehmen und für das Stillgeschäft 
vorbereiten, sie erhält eine Station für Entbindungen und Wöch¬ 
nerinnen sowie ein Mütterheim, in welchem die Mütter drei 
Monate verbleiben können. Es wird ferner eine Station für 
künstliche Ernährung und eine solche für kranke Siluglinge ein¬ 
gerichtet und schliesslich eine Fürsorgestelle zur Uel^erwachung 
der entlassenen Mütter und Kinder. Ein reiches und ergiebiges 
Feld wird dieses Institut zu bearbeiten haben; hoffen wir, dass 
daraus reiche Früchte erspriessen werden zum Vorteil unserer 
Säuglinge, von denen ja leider immer noch ein ganz unverhältnis¬ 
mäßig hoher Prozentsatz das erste Lebensjahr nicht vollendet. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinieche Wochenschrift. i906. No. 4 

1. Lanz, Amsterdam: Appendikostomie. 

Heute geht man wahrscheinlich in der zeitlichen Indikations¬ 
stellung des chirurgischen Eingriffs bei der Appendizitis zu weit. Bis 
kann ein entzündeter Wurmfortsatz klinisch ausheilen, ohne dem 
Patienten später irgendwie gefährlich zu werden. Verf. bezeichnet es 
als einen verhängnisvollen Irrtum, in jedem Stadium chirurgisch 
einzugreifen. Das Beobachtungsmaterial des Verf, ist sehr bedeutend, 
es umfasst 1286 Fälle mit 710 Appendizektomien. Gefahrlos ist 
nur die Frühoperation und die kalte Operation, Auf der Höhe der 
Erkrankung ist nach Ansicht des Verf. im allgemeinen der Ein¬ 
griff gefährlicher, als das Abwarten. Natürlich kann es Ausnahmen 
geben. Zum Schluss der Arbeit gibt Verf. folgende Grundsätze 
an: 1. Wenn irgend möglich am 1. oder 2. Tage des Anfalls die 
Frühoperation ausführen. 2. Während des Anfalls soll nur in 
AusnahmefäUen die vitale Indikation gelten und dann soll man 
sich auf Spaltung des Abscesses oder Drainage des Peritoneums 
beschränken. 3. Exsudate, welche nicht zurückgehen, also eitrig 
sind, soll man spalten, schon in Rücksicht auf etwa später vorzu¬ 
nehmende Appendizektomien. 4. Nach leichten, selbst genau beob¬ 
achteten Fällen ohne Exsudat soll man operieren, so wie der 
Patient sich genügend erholt hat. 5. Bei Fällen mit rasch, inner¬ 
halb weniger Tage, zurückgehendem Exsudat, soll man mindestens 
l Monat, bei Fällen mit langsam zurückgehendem Exsudat 
mindestens 3 Monate warten, ehe man zur Ausführung der Radikal¬ 
operation schreitet. 

2. Graser, Erlangen: Bemerkungen zur Therapie der akuten 
PerityphlitiB. 

Verf. hat versucht, eine Statistik über die Theraphie der 
Perityphlitis unter Mitwirkung der mittelfränkischen Aerzte aufzu¬ 
stellen. Dieselbe ist etwas dürftig ausgefallen, da sich im Ganzen 
mit dem Verfasser nur 28 Aerzte mit insgesamt 100 Fällen be¬ 
teiligten. Immerhin lassen sich auch aus diesen wenigen Fällen 
gewisse Schlüsse ziehen, welche vom Verf. in folgenden Leitsätzen 
zusammengefasst werden: 1. Wir können uns bei der heutigen 
Durchschnittsmortalität der Perityphlitis nicht beruhigen. 2. Es 
ist nicht möglich, durch klinische Untersuchung eine anatomisch 
richtige Diagnose über den Zustand des Wurmfortsatzes und des 
Bauchfells zu stellen. 3. Bei allen ernsteren Fällen ist sofortige 
Operation am ersten oder spätestens zweiten Tage die beste Be¬ 
handlung. 4. Bei dieser Frühoperation trifft man dann oft noch 
einen im Wurmfortsatz selbst lokalisierten Prozess, dessen operative 
Beseitigung leicht und der Regel nach bei guter Technik ge¬ 
fahrlos ist. 6. Schon am dritten Tag ist in vielen Fällen die 
Operation viel schwieriger, die Chancen viel ungünstiger, da bereits 
das Peritoneum schwer geschädigt, die Intoxikation beträchtlich 
lind die Darmlähmung eingeleitet ist. 6. Auch die leichteste Er¬ 
krankung ist in steter Operationsbereitschaft aufs genaueste zu 
beobachten und sofort der Operation zuzuführen, wenn die einge¬ 
leitete Besserimg stillsteht oder irgend eine Verschlimmerung ein- 
tritt. 7. Ein ungünstiges Symptom wiegt schwerer, als zehn 


günstige. 8. Bjs ist für den Verlauf der nicht und sofort za 
operierenden Fälle das beste, die Nabrungszafubr per os zunächst 
ganz einzustellen. 9. Abführmittel sind unbedingt zu verwerfea. 
10. Opium soll man erst geben, wenn man sich über die Beur¬ 
teilung der Schwere der Erkrankung im Klaren ist. 11. Unter 
den auf eine ernstere Erkrankung hinweisenden Symptomen ist 
eine ausgebreitete Druckempfindlichkeit des Bauches mit diffoser 
Spannung der Bauchmuskeln besonders bedeutungsvoll. 

3. Stadler, Leipzig: Ein Fall von akuter nickt eitriger 
Thyreoiditis. 

Verf. hat einen Fall beobachtet, in welchem bei einem 
49jährigen recht korpulentem Mann eine akute Schwellung der 
Thyreoidea auftrat unter gleichzeitiger Beteiligung der regionären 
Lymphdrüsen. Die Schwellung war so stark, dass heftige Atem- 
und Schluckbeschwerden und völlige Aphonie bestanden. Zugleich 
zeigte sich eine hämorrhagische Nephritis Albumen). Unter 

Eisumschlägen und Gurgeln bessern sich zunächst Schlucken und 
Atmen. Die Aphonie bleibt noch einige Zeit. Nach Verlauf eines 
Monats konnte Patient entlassen werden. Merkliche Temperatur- 
Steigerungen während der Erkrankung fehlten, e.s lag eine nicht 
eitrige Th^Teoiditis vor. 

4. Hoepfl, Hausham: Pall von Bubkntaner Barmzerreissong 
mit operativer Heilung. 

Es handelt sich um einen Bergmann, der durch eine auf 
seinen Leib fallende Etsenstange verletzt wurde. Trotz anfäng¬ 
lichem Shock vermochte der Verletzte noch 500 m zu gehen. An¬ 
fangs zeigten sich ziemlich bedenkliche Symptome, welche aber am 
zweiten Tage einer auttallenden Besserung Platz machten. Durch 
eine wider ärztliches Verbot verabreichte Nahrung wurden schwere 
peritonitische Erscheinungen ausgelöst. Offenbar war die bei der 
Operation aufgefundene 2’/iCm lange Querwunde des Dünndanns 
durch Kontraktur der Längsmuskulatur und Ektropionierung der 
Wundränder zum zeitweiligen Verschluss gebracht worden und erst 
die erw’ähute Nahrungsaufnahme (Suppe) sprengte diesen Verschlu-ss. 
Die Operation war schwierig, gelang aber gut un<l führte ziu 
Heilung. 

5. Delkeskamp, Königsberg; Ueber Volvulos der flexura 
sigmoidea bei Hirschspnmgscher Krankheit 

Verf. hatte Gelegenheit, einen sehr interes-santen Fall voa 
Volvulus bei einem 28jährigen Menschen zu beobachten. Die 
Operation ergab eine etwa 90 cm lange, auf Mauneskopfgrösse 
erweiterte Flexur mit einer Wondverdickung von 1 cm. Dieser 
Befund lässt mit Sicherheit die Existenz eines Megacolon conge- 
nitum annehmen, zumal die Anamnese ergibt, dass Patient von 
Jugend auf an Obstipation und Aufgetriebensein des Leibes ge¬ 
litten hat. Neben der abnormen Länge der Flexur ist der Um¬ 
stand von Wichtigkeit, dass die Fnsspunkte einander genährt sind, 
in dem mitgeteilten Fall bestand an dieser Stelle sogar eine Ad¬ 
häsion. Jedenfalls lehrt dieser Befund, dass man beim Volvulns 
der Erwachsenen und Kinder immerhin an einen Zusammenhang 
mit Hirschspmmg’scher Krankheit, megacolon congenitum denken 
muss. 

6. Schridde, Marburg: Studien über die farblosen Zellen 
des menschlichen Blntes. 

Verf. fasst die Resultate seiner Untersuchungen in folgende 
Schlusssätze zusammen; Im postembryonalen Leben stellen Lympho¬ 
zyten und Leukozyten zwei absolut zu scheidende Zellrassen dar. 
Auch die Stammzellen sind verschieden; aus den Keimzentnims- 
zellen (Lymphobla.sten) gehen nur L 5 -mphoi:yten hervor, aus den 
Myeloblasten können sich nur Leukozyten oder deren Vorstufen 
entwickeln. Die Bildungsstätte der Leukozyten ist in der Norm 
allein das Knochenmark. Nur unter besonderen Verhältnissen 
kann auch im perivaskulären Gewebe anderer Organe eine Pro¬ 
duktion dieser Zellen statttindeu. Der Ursprungsort der Lympho¬ 
zyten ist normaler Weise ausschliesslich in den Lymphfollikeln za 
suchen. Sowohl Leukozyten, wie Lymphozyten gelangen durch 
aktive Wandeimng in den Kreislauf. 

7. Wilms, Leipzig: Die beim postoperativen Heus wirk¬ 
samen mechanischen Momente. 

Der postoperative Ileus tritt unmittelbar oder wenige Tage 
nach der Operation auf, später sich entwickelnde Darmverschlü^ 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


71 


-verdienen nicht diesen Namen. Die Ursachen sind Fixationen von 
Darmabschnitten mit gleichzeitigen Lähmungserscheinungen an be¬ 
grenzten Darmstrecken. In Folge der letzteren kommt eine über¬ 
mäßige Füllung eines Teils mit Gasen oder Darminhalt zu Stande, 
welche sekundär zu einer Abknickting führt. Therapeutisch sehr 
wirksam ist die Anlegung einer Darmfistel, welche eine Entleerung 
des Darmabschnitts ermöglicht und eine Heilung auf diese Weise 
herbeiführen kann. Solche Darmfisteln pflegen sich später spontan 
zu schliessen. Nach Ansicht des Verf. ist für schwere Fälle von 
postoperativem Ileus die Enterostomie die am wenigsten eingreifende 
Methode. 

8. Gunkel, Fulda: Zur Frühoperation bei Epityphlitis. 

Verf. steht auf dem Standpunkt, dass bei Epityphlitis unter 
allen Umständen die Frühoperation anzuraten ist, selbst bei den 
leichten Fällen, bei denen eine Heilung auch ohne dieselbe vor 
sich gehen würde, ist die Operation keine überflüssige. Für den 
leichten Fall ist die Frühoperation eben die Radikaloperation. 
Verf. operiert daher mit wenigen Ausnahmen innerhalb der ersten 
48 Stunden. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 4. 

1. Wolff-Eisner, Berlin: Zur Differentialdiagnose des 
Henasthmas gegen die anderen Asthmaformen. 

Verf. hat durch eingehende Beobachtung fesstellen können, 
dass das Heufieber bei weitem häufiger vorkommt, als man ge¬ 
wöhnlich annimmt. Er hatte Gelegenheit, 90 Fälle zu unter¬ 
suchen. Therapeutisch hat sich ihm von den beiden im Handel 
erhältlichen Seris das Graminol besser als das Pollantin bewährt. 
Die Prüfung auf Heufieber nahm Verf. in der Weise vor, dass 
er sich durch Verreiben einer Kochsalzlösung mit Pollen von 
Roggen, Gräsern, Mais eine frische Eiweisslösung bereitete, und 
diese in den Conjunctivalsack brachte. Bei Heufieberpatienten 
schlossen sich an anfangs geringe subjektive Symptome sehr schnell 
heftige objektive Symptome an. Bei normalen Menschen fehlen 
die ersteren nicht ganz, die letzteren absolut sicher. Verf. nimmt 
an, dass sich nach Enverleibung des körperfremden Eiweisses 
Lysine bilden, die an der so oft beobachteten gesteigerten Em¬ 
pfindlichkeit schuld sind. 

2. Castellani, Colombo: üntersnchnngen über Framboesia 
tropica (Taws). 

Verf. hat 14 Fälle von Framboesie untersucht und in 11 der¬ 
selben Spirochaeten gefunden, die sich von der Spirocbaete pallida 
{Schaudinn) seiner Ansicht nach nicht wohl unterscheiden lassen. 
Da nun nach Anschauung des Verf., welche wohl allgemein geteilt 
werden dürfte, die Framboesie nicht mit der Syphilis identisch ist, 
schlägt er für die von ihm gefundenen Mikroben den Namen 
Spirocbaete pertenuis seu pallidula vor. 

3. Koerte, Berlin: Bemerkungen über Operationen am 
Jfagen nnd am Pankreas. 

Koerte teilt eine Reibe von Fällen mit, und knüpft daran 
epikritische Bemerkungen. Die operative Therapie des ulcus 
rotundum resp. der infolge von Geschwüren entstandenen Pylorus¬ 
stenose ist die ‘Gastroenterostomie, die Herstellung einer Ver¬ 
bindung zwischen Magen und Jejunum. Dass diese Operation eine 
völlige Heilung nicht immer zu bewirken vermag, ist sicher. Es 
kommen Rezidive vor, abgesehen von den peptischen Geschwüren 
des Jejunums. Die kallösen Ulcera können reseziert werden, je¬ 
doch die Technik der Operation ist nicht leicht, und eine Garantie 
für völlige Heilung nicht gegeben. Mit gutem Erfolg hat Verf. 
bei Uebergreifen des Ulcus vom Pylorus auf das Duodenum, den 
Pylorus gänzlich ausgeschaltet, indem er den Magen oberhalb ab¬ 
trennte und eine Gastroenterostomie daran schloss. Die Resektion 
des Magens kommt in Frage bei Carcinom, dessen Entstehung 
auf der Basis früherer Geschwdire unzweifelhaft zu sein scheint. 
Zum Schluss seiner Mitteilungen geht Verf. auf die operative 
Behandlung der Pankreatitis ein. Die akute Pankreasentzündung 
ist fast stets mit disseminierter Fettgewebsnekrose verknüpft, so 
dass man bei Beobachtung der letzteren intra operationem den 
Schluss auf Pankreatitis ziehen kann. Ursächlich dürfte Chole- 
lithiasis in Betracht kommen. Die Operation wird sich auf ge¬ 
eignete Drainage der erkrankten Drüse beziehen. 


4. Scbaedel, Leipzig: Ein neues externes Blutstillungs« 
mittel (Styptogan). 

Verf. hat in der Kollmannachen Poliklinik ein neues 
Hämostypticum versudit und empfehlenswert gefunden, auf 
welches vonVörner bereits hingewiesen wurde. Es ist dies das 
Kal. permanganicum. In einer Verreibung mit 4% Vaselin be¬ 
währt sich das Präparat ausgezeichnet. Die Firma J. D. Riedel 
bringt Tuben mit Styptogan in den Handel, welche sehr handlich 
und preiswert sind. Irgendwelche schädliche Nebenwirkungen 
konnten nicht beobachtet werden. 

5. Bluth, Neuenahr: Eine neue Methode der quantitativen 
Acetonbestimmung. 

So einfach die qualitative Bestimmung des Acetons im Ham 
ist, so schwierig gestaltet-sieh der quantitative Nachweis. Verf. 
wendet folgende Methode an: 20 ccm Ham werden mit 2 ccm 
Chlorzinklösung (Chlorzink und Ag. dest. fiä) versetzt, durch¬ 
geschüttelt und filtriert. Vom klaren Filtrat werden 15 ccm ge¬ 
nommen und mit 1,5 ccm Bleieasig versetzt und davon 7,5 ccm 
abfiltriert. Dieses Quantum vermischt man mit demselben Vo¬ 
lumen Natronlauge und filtriert nochmals. Das letzte wasserhelle 
Filtrat soll 10 ocm betragen, dieses giesst man in ein Reagenz¬ 
glas, welches 1,5 com Natriumnitroprussidlösung (1 : 9 Ag. dest.) 
enthält. Beim Eingiessen beobachtet man den Sekundenzeiger. 
Die Flüssigkeit färbt sich sofort rot, doch geht die Farbe allmählich 
in orange, gelbgrün und kanariengelb über. Als Testfarbe dient 
verdünnte Lösung von Eisenchlorid (Tinct ferri sesquichlor. offi- 
oinal. 2, Ag. dest. 1). In dem Augenblick, wo die Testfarbe er¬ 
reicht ist, wird der Sekundenzeiger wieder abgelesen. Da nun 
aber in dieser Zeit noch ein Posten einbegriffen ist, welcher von 
noch vorhandenem Kreatinin (bei der Chlorzinkfällung gelingt es 
nicht, alles zu beseitigen) herrührt, so gilt es, diesen Wert zu 
ermitteln. Zu diesem Zweck dampft man 20 ccm Ham in einer 
Porzellanschale stark ein und füllt wieder auf 20 ccm mit Ag. 
dest. auf und wiederholt die Farbenreaktion, man wird meist eine 
Zeit von 20 Sekunden finden, diese muss man von der oben ge¬ 
wonnenen Zeit abziehen. Die Differenz gibt ein ganz genaues 
Maß für den Acetongehalt, denn der Zeitraum einer Sekunde ent¬ 
spricht einem Zentigramm Aceton im Liter. 

Die qualitative Analyse in dieser Form gelingt nur, wenn 
ün Ham keine Acetessigsäure enthalten ist. Um diese zu be¬ 
seitigen, kocht Verf. und destilliert und verwandelt so die vor¬ 
handene Acetessigsäure in Aceton und Kohlensäure, welch ersteres 
er auf diese Weise mitbestimmt. Um nun die Menge der Acet¬ 
essigsäure mitzubestimmen, bedarf es nur einer Rücktitriemng. 
Die Einzelheiten dieser inrnierhin grosse Genauigkeit erfordernden 
Methode müssen im Original nachgelesen werden. Ein vom Verf. 
zur Ausfühmng der Analyse angegebenes Besteck liefert die 
Firma Paul Altmann, Berlin NW. 

6. Loele, Leipzig: Die Agglutination in den Händen des 
praktischen Arztes. 

Die wichtige Tatsache, dass die Agglutination von Bakterien¬ 
aufschwemmungen auch daun gelingt, wenn diese Aufschwemmungen 
abgetötet und haltbar gemacht sind, gibt die Möglichkeit für den 
praktischen Arzt, sich des Agglutinationsverfahrens als diagno¬ 
stisches Hilfsmittel in ausgedehntem Maße zu bedienen. Zur An¬ 
stellung einer solchen Reaktion bedarf man folgender Zurichtungen: 
1. Eine gleichmäßig zylindrische Capillare von mittlerer Stärke. 
Dieselbe ist in gleichmäßige Abschnitte geteilt, ohne dass die 
Grösse derselben irgend wie Bedeutung hat. Sje dient zum Auf- 
fangeu des Blutes und als Messröhrchen. 2. Zwei Agglutinations¬ 
röhrchen von 4—5 cm Länge, 4—5 mm Breite und 0,5—1 ccm 
Inhalt, in der Gestalt kleinster Reagenzgläser. 3. Eine Formalin- 
Kochsalzlösung [0,5% Formalin (Schering) 0,6% Kodisalz]. 4. Die 
Typhusaufschwemmung. Die Agglutination führt man folgender¬ 
maßen aas: Man gibt zunächst in ein Agglutinationsröhrchen 9 
Teilstriche Formalm-Kochsalzlösung mittels der graduierten Capil¬ 
lare, nun entnimmt man durch Stich ans Finger oder Ohrläppchen 
Blut des Patienten ebenfalls mittels der Capillare, Man merkt 
sich, wieviel Teilstriche Blut man erhalten hat und bringt dieses 
Quantum sofort in die Formalin-Eochsalzlösung. Nun bringt man 
noch soviel der letzteren Lösung hinzu, dass eine 10%ige Blut- 
lösimg entsteht. Hat sich nach einigen Stunden Ruhe das 


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72 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 6. 


Blut so abgesetzt, dass das klare Blutplasma Uber dem ganz ge¬ 
ringfügigen Blutkuchen steht, gibt man in das zweite Agglu¬ 
tinationsröhrchen soviel Teilstriche der Typhusformalinsufschwem- 
mung, als in jedem einzelnen Falle nötig ist. So gelingt es ohne 
grosse Apparate und Vorrichtung, mit einer minimalen Blutmenge 
eine durchaus sichere Agglutinationsprobe zu machen. Ein Ver¬ 
fahren, welches jeder praktische Arzt leicht ausführen kann, 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 4. 

1. V. Neumann, Wien: Ein Fall geheilter Lepra maculo- 
tnberosa. 

Verf. hat einen im Jahre 1900 in die Klinik aufgenommenen 
Fall von Lepra maculo-tuberosa geheilt. Es handelte sich um einen 
38 jährigen Mann, der infolge des täglichen Verkehrs mit seinem 
leprösen (auch an Lepra verstorbenen) Bruder, in dessen Bett er 
auch gelegentlich schlief, leprös geworden war. Die Behandlung 
bestand in erster Linie in der Darreichung von Chaulnoograöl, 
täglich 200—250 Tropfen, neben gleichzeitigen Gaben von Salol 
und Jodthion. Obwohl aus dem Verlauf mit Sicherheit ein Schluss 
auf die therapeutische Souveränität des einen oder anderen Mittels 
nicht gezogen werden kann, so ist der Fall doch deshalb von 
hohem Interesse, weil er die Möglichkeit einer Heilung der Lepra 
in einem Stadium beweist, in dem noch nicht durch Mutilationen, 
Amaurose, geistige Umnachtung usf. schwere Schädigungen ein¬ 
getreten sind. 

2. Ranzi, Wien: üeber die Behandlung akuter Eitenuigen 
mit Stanungshyperämie, 

Die von Bier inaugurierte Behandlung chronischer und sub¬ 
akuter Entzündungsprozesse durch Stauung wurde von Bier selbst 
auf akute eitrige Vorgänge ausgedehnt. Verf. berichtet über eine 
ziemliche Anzahl derartiger Fälle, in welchen er die Stauungs- 
hj’perämie in Anwendung brachte, E.s wurden Furunkel, Abszesse, 
Panaritien, Mastitiden behandelt. Die Erfolge waren durchweg 
gute. War Staming nicht anwendbar wegen der Lokalisation des 
Leidens, so trat an ihre Stelle die Saugung. Vorzüglich sind vor 
allen Dingen die funktionellen Resultate. Ohne das Bier’sche Ver¬ 
fahren dürfte es in vielen Fällen nicht gelingen, eine Sehnennekrose 
hintan zu halten. Hervorstechend ist auch die schmerzstillende 
Wirkung. Auch konnte im allgemeinen eine Abkürzung der Be¬ 
handlungsdauer festgestellt werden. Ein Umstand w’irkt ungünstig, 
die Behandlung erfordert von Seiten des Arztes viel Zeit und ist 
ambulatorisch nur bei mehrmaliger Kontrolle täglich ausführbar. 

3. Zikmund, Oderberg: Ein weiterer Beitrag zur Kasuistik 
der Koitusverletzongen. 

Verf. hatte Gelegenheit einen eigentümlichen Fall von Koitus¬ 
verletzung zu beobachten. Bei einem Mädchen, welche schon 
lange Zeit mit ihrem Geliebten geschlechtlich verkehrte, trat 
während der Kohabitation eine heftige Blutung auf. Verf. fand 
eine Ruptur der Scheide rechts seitlich. Der Befund war auffallend, 
weil viele Kohabitationen ohne jede Verletzung voraufgegangen 
waren und weil auch der in Frage kommende Koitus weder durch 
Lage noch gesteigerte Libido sich auszeichnete. Auch ätiologisch 
war nichts weiter festzustellen. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 0. 

1. Edlefsen, Hamburg: Bas jodsanre Hatrium und die 
Cerebrospinalmeningitis. 

Verf. hat durch klinische Beobachtungen die Ueberzeugnng 
gewonnen, dass das jodsaure Natrium sich ganz vorzüglich bei 
Cerebrospinalmeningitis bewährt und dass die hierüber vorliegenden 
Angaben Ruhemanns durchaus bestätigt werden. Ausser dieser 
Spezialindikation eignet sich das Präparat auch für alle anderen 
Fälle, wo eine möglichst energische Jodwirkung erwünscht ist. 
Da.s jodsaure Natrium kann per os oder subkutan gegeben werden, 
in dem letzteren Falle wird es, dem Vorgang Ruhe man ns 
folgend, zweckmäßig mit Eucain kombiniert. 

2. Finder, Berlin: XTeber Älypin in der rhino-laryngo- 
logischen Praxis. 

Verf. berichtet über die klinischen Erfahrungen mit AlypIn 
als Lokalanästhetikum und kommt zu dem Schluss, dass dieses 
von den Bayerischen Farbwerken in Elberfeld hergestellte Präpa¬ 


rat als ein ganz ausgezeichnetes und harmloses Lokalanästbetikun) 
zu bezeichnen sei. Es findet in der rhino-laryngologischeD Praxis 
in 10®/, reap. 20®/, Lösung Verwendung zu Aufpinselungen. Für 
submuköse Injektionen reicht man mit 1 ®/, Lösungen voll¬ 
kommen aus. 

3. Rollin, Stettin: Klinische Erfahmngen über An&mien. 

Sorgfältige und fortgesetzte Blutuntersuchungen haben dem 

Verf. die Ueberzeugung gegeben, dass eine bestimmte Abhängig¬ 
keit zwischen der Acidität des Magens und der Ernährung des 
Blutes besteht. Eine Besserung der Sekretionsverhältni&se des 
Magens durch Darreichung von natürlichem Hundemagensaft nach 
Pawlow ist daher auch geeignet, bestehende Anämien thera¬ 
peutisch günstig zu beeinflu-ssen. 

4. Stöckel, Berlin: Bie Pubotomie, eine neue Methode 
zur Erweiterimg des verengten Beckens. 

Die seit 1777 bekannte Symphyseotomie hat sich in der Praxis 
nicht so bewährt, dass diese Operation sich überall Eingang ver¬ 
schaffen konnte. Die Gefahr der starken Blutungen aus den durch¬ 
schnittenen Clitorisgefässen, das immerhin nicht unbedenkliche Er¬ 
öffnen eines .Gelenks, die Neigung der getrennten Schambeine so 
stark au.seinander zu federn, dass Lockerungen im Ileosacralgelenk 
entstehen können, alles das sind Umstände, welche den Ersatz 
die.ser Operationsmethode durch eine bes.ser geeignete wünschens¬ 
wert erscheinen lassen. Gigli hat nun eine neue Methode ange- 
geV)en, deren Wesen darin besteht, dass das eine Schambein seit¬ 
lich durchaägt wird, Gigli selbst legte den Knochen durch einen 
Schnitt frei und durchsägte ihn mit der von ihm angegebenen 
biegsamen Säge. Eine sehr glückliche Modifikation erfuhr diese 
Operation durch Doederlein. Dieser verfährt folgendermaßen: 
er legt einen kleinen Querschnitt am oberen Schambeinrand an. 
gross genug, um den Zeigefinger an der Hinterfläche des Os puhis 
eiuschiel)en zu können. Zwischen Knochen und Finger führt er eine 
besonders konstruierte, langgestielte Nadel ein, die am unteren Scham¬ 
beinrand, an der Anssenseite der grossen Schamlippen ausgestochen 
wird. Man befestigt nun im Nadelöhr die Gigli'sche Drahtsäge 
und führt dieselbe mittels der Nadel hinter da.s Schambein, so ge¬ 
lingt eine subkutane Durchsägung. Die Blutstillung gelingt leicht 
durch Kompression, die zwei kleinen Hautwunden la.ssen sich 
aseptisch halten und durch ein paar Nähte scliliessen. Neuerdings 
haben Walcher und Bumm empfohlen, das Scliambein ohne 
jeden Schnitt zu urastechen. Auf diese letztere Weise gelingt 
die Pubotomie völlig sulikutan in wenigen Sekunden. 

Neurologisches Zentralblatt, looc. No. i. 

1. Dr. Erwin Stransky: Zur Kenntnis des associierten 
Hystagmns. Das Phänomen i.st bereits von Stransky beschrieben 
worden; bei Neurosen tritt es auf in der Art, dass bei sanften 
öffnen der Lider, wenn der Pat. versucht, sie gegen Widerstand 
zu schlicssen, ein feinschlägiger Nystagmus des Bulbus auftritt. 
Stransky beschreibt jetzt einen Fall von Delirium alcoholicum, bei 
dem das Phänomen deutlich auftrat; er hält es für eine Art von 
Mitbewegung. 

2. Franz Coenen: Über Arsenic neuritiB. Der Fall ist 
bemerkenswert dadurch, dass die Intoxikation percutan verursacht 
wurde bei einer Pelzarbeiterin, die mit den Händen in Arsenic- 
lösung zu arbeiten hatte. Es entstanden eigentümliche trophisebe 
und vasomotorische Störungen an den Fingern. Ref. vermisst die 
eigentlich neuritischen Erscheinungen, es handelt sich fast aus- 
schHe.sslich um vasomotorisch-trophische Symptome. 

3. R. Hirschberg, Paris: Über den plötzlichen Tod der 
Tabischen. Im Anschluss an einen Fall von Goldflam berichtet 
über einen Tabiker: mit 18 Jahren Lues, mit 22 Jahren Beginn 
tabischer Symptome, mit etwa 30 Jahren schwere Ataxie. Nach 
einem heftigen Anfall lancierender Schmerzen (Krises?) bedrohlicher 
Zustand. Erholung, aber .seitdem tachycardische Anfälle, häufiges 
Ohnmachtsgefiibl. Plötzlicher Tod, ohne Krampferscheinungen. 
Hirschherg hält eine bulbäre Ursache für wahrscheinlich, da keine 
Zeichen von Aortenerkrankung oder Coronararterienerkrankung be¬ 
standen hätten: Ref. hält einen Herztod infolge Versagen de.s 
linken Ventrikels nicht für ausgeschlossen. 

Dr. S. Flatan, Berlin. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


73 


Medicinisch'ChirurgUches Centralblatt. 1906. Nr. i. 

1. Emmerich Koszow-Gerronay: Bin seltener Fall 
von Verblntong der Hutter bei der Geburt. 

Der Tod erfolgte durch Blutung aus einem Riss zwischen 
Klitoris und Harnröhrenmündung. Die Hebamme hatte die Quelle 
der Blutung im Uterus vermutet und hierauf ihre Bemühungen 
gerichtet. Als */j Stunde nach der Geburt der Arzt gerufen 
wurde, war die Frau pulslos und starb noch bevor die Naht be¬ 
endigt war. Verfasser betont, dass in Hebammenlehrbüchem nicht 
hinreichend auf die Möglichkeit solcher zwar seltenen, aber ge- 
fMirlichen Verletzungen aufmerksam gemacht ist. 

2. Bail. Zur Frage der Frtthoperation der Perityphlitis. 

Kurze Präcisierung des im Augustahospital dieser wichtigen 

Frage gegenüber eingenommenen Standpunktes, der sich wesent¬ 
lich* von dem vieler Chirurgen unterscheidet. Sie sind nicht 
absolute Anhänger der Frühoperation in dem Sinne, dass jeder 
innerhalb 48 Stunden nach Beginn des ersten Anfalles eingelieferte 
Patient operiert werden muss. Sie verwerfen die Frühoperation 
1. wenn es sich um Patienten handelt, die andere schwere 
Leiden haben, wie uncompensierte Herzfehler, Tuberkulose und 
Nierenkrankheiten; 2. wenn der Anfall so leicht ist, dass die 
Diagnose nicht mit völliger Sicherheit gestellt werden kann; 
3. bei Patienten mit starker Adipositas, wo Potatorium zugegeben 
wird und der Anfall ohne stürmische Erscheinungen einsetzt. 
Für alle anderen Fälle bleiben sie Anhänger der Frühoperation, 
weil kein einigernu^ßen zuverlässiges diagnostisches Hifsmittel vor¬ 
handen ist, um auch nur eine Wahrscheinlicbkeitsprognose über 
leichten oder schweren Verlauf der akuten Perityphlitis stellen zu 
können. Auf jeden Fall sollte' der Kranke einem Krankeuhause 
überwiesen werden, wo er dauernd ärztlich überwacht und jeder 
Zeit der Moment der Operation bestimmt werden kann. Ist mehr 
Zeit seit Beginn des Anfalles veretrichen, so warten sie Fieber¬ 
freiheit ab, um durch einmalige Operation den Kranken gesund 
machen zu können. Grössere Abscesse werden baldigst eröffnet, 
dabei aber der Processus nur reseciert, wenn er leicht zu finden 
und zu isolieren ist. Bei allgemeiner Peritonitis wird die Bauch¬ 
höhle eröffnet, gegenincidiert nach den Lumbalgegenden und 
drainiert; gespült wird nicht, sondern grösster Wert auf möglichst 
schnelle Operation und Abkürzung der Narkosendauer gelegt. 


Kongresse, 

Berlin. Der ll. Kongress der Deutschen Röntgen- 
Gesellschaft findet beschlussgemäß im Anschluss an den 
Chirurgen-Kongress am 8. und 9. April d. J. bierselbst statt. 
Vorläufige Tagesordnung: Sonntag, den 8. April, vormittags; Ge¬ 
schäftssitzung des Vorstandes. Montag, den 9. April, vormittags: 
1. General-Versammlung, insbesondere Beratung und Annahme der 
Statuten. 2. Vorträge und Demonstrationen. Nachmittags: Vor¬ 
träge und Demonstrationen. Abends: Projektionsabend und nach¬ 
her gesellige Zusammenkunft. 

Anmeldungen für Vorträge und Demonstrationen sowie An¬ 
fragen werden an den derzeitigen Vorsitzenden, Herrn Prof. Dr. 
Eberlein, Berlin NW. 6, Imisenstrasse 56, oder den Schrift¬ 
führer, Herrn Dr. Max Immelmann, Berlin W, 35, Lützow- 
strasse 72, bis spätestens zum 1. März d. J. erbeten, damit das 
definitive Programm rechtzeitig fertiggestellt werden kann. 


Vermischtes. 

Bürlin, Es muss einigermaßen befremden, dass die Wiener 
Universität solche Schwierigkeiten hat, den Lehrstuhl Notnagels 
zu besetzen. Zahlreiche Körbe hat sich die Fakultät bereits ge¬ 
holt, an denen in erster Linie wohl die höchst unerquicklichen 
inneren Zustände der Wiener Hochschule schuld sein dürften, 
mehr jedenfalls als der Mangel der nötigen Zusagen für Ver¬ 
besserungen und Neubauten. Es i.st schvver erklärlich, wenn man 
nicht an das Wirken einer Clique glauben will, dass ein Mann 
bisher nicht ge&agt wurde, der selbst Oesterreicher, wohl am 


allerersten verdiente, der Nachfolger Notnagels zu sein, v. Jaksch 
in Prag. Einer der ältesten Schüler Notnagels, als Kliniker und 
Lehrer hervorragend bewährt, bedeutend durch eine grosse Reihe 
von Arbeiten, wäre er der gegebene Mann. Aber nein, die 
Wiener Faknltät muss ün Reiche hausieren geben, weil vielleicht 
einer Clique Herr v. Jaksch nicht gefällt. Man sollte meinen, 
dass gerade die Wiener Fakultät Veranlassung hätte, hervor¬ 
ragende Männer zu halten, sonst dürfte es sich immer wieder er¬ 
eignen, dass österreichische Mediciner ohne Bedenken und Zögern 
den Rufen an reichsdeutscbe Universitäten folgen. Wer weiss 
ob nicht bald v. Jaksch auch an einer deutschen Universität seine 
Fähigkeiten und Erfahrungen wird verwerten können. 

Bürlin. Dem Merkblatt der Deutschen Gesellschaft zur 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, das, vor zwei 
Jahren herausgegeben, jetzt in ca. einer Million Exemplaren 
durch Behörden, Aerzte, Krankenkassen, Vereine und fast sämt¬ 
liche Truppenteile des deutschen Heeres unter jungen Leuten aller 
Gesellschaftsschichten über ganz Deutschland verbreitet ist, hat 
diese Gesellschaft soeben ein zweites, ähnliches, aber speziell für 
Frauen imd Mädchen bestimmtes, ein „Frauenmerkblatt“ an 
die Seite gestellt. Dieses neue Merkblatt „wendet sich besonders 
an Mädchen, welche noch jung in das Erwerbsleben eintreten and 
keine geeigneten Berater haben.* Es ist deshalb, seinem 
Publikum entsprechend, in einem ganz persönlichen, eindringlichen 
und volkstümlichen Tone abgefasst; durch Aufklärung und 
Warnung will das „Frauenmerkblatt“ den jungen Mädchen — 
Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Dienstmädchen usw. —, die ganz 
unerfahren und ohne Obhut allzu früh in den harten Lebenskampf 
hinaustreten müssen, die mangelnde Erfahrung und den mangelnden 
Schutz nach Möglichkeit ersetzen. 

Interessenten erhalten das Blatt auf Wunsch von der Ge¬ 
schäftsstelle der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬ 
schlechtskrankheiten, Berlin W. 35, Potsdamerstr. 105 a., unent¬ 
geltlich zugesandt. Vereine, Krankenkassen usw. können von 
ebendaher grössere Posten beziehen. 

Bürlin. Durch Ministerialerlass ist Migränin in die Liste 
der stark wirkenden Arzneimittel aufgenommen worden. Es darf 
fortan in den Apotheken nur auf die Verordnung eines Arztes ab¬ 
gegeben werden. 

Berlin. Aerzte als Verwaltungbeamte in den 
Kolonien. Bereits mehrfach wirken, wie die Norddeutsche All¬ 
gemeine Zeitung offiziös bemerkt, Aerzte als Stationsleiter in den 
Kolonien mit besonderem Erfolg. Von Reichstagsabgeordneten, 
die vor einigen Monaten unsere westafrikanischen Besitzungen be¬ 
suchten, ist auf die ausgezeichnete Verwaltung einzelner Bezirke 
in Kamerun und Togo durch Aerzte hingewiesen worden. Ein 
Arzt geniesst meist von vornherein das Vertrauen der Eingeborenen, 
er ist in der Lage, auf die Assanierung des Landes nach den be¬ 
währten neueren Methoden sowie auf eine den Tropen angemessene 
Lebensführung der Weissen hiozuwirken. Seine naturwissen¬ 
schaftlichen und botanischen Vorkenntnisse befähigen ihn, sich in 
wichtige Angaben kultureller Art bald einzuarbeiten. Gelegenheit 
zur Ergänzung seiner Kenntnisse auf diesem Felde sowie auf dem 
Gebiete der Tropenhygiene wird ihm auf dem Orientalischen 
Seminar in Berlin sowie am Tropenhygienischen Institut in Ham- 
burg geboten. Es wäre sehr zu wünschen, dass sich beim Kolonial¬ 
amt mehr als bisher jüngere Aerzte melden, die Beruf und Neig¬ 
ung für eine Verwaltungstätigkeit in den Kolonien fühlen. 

Petersburg. Dr. B. I. Puschtschiwy’s Antituberkulöse 
Flüssigkeit. In dieser Wochenschrift ist bereits zweimal (cf. 
Die Medicinische Woche, 1903, No. 19 und ibidem 1905, No. 17) 
vermerkt worden, dass Dr. B. I. Puschtschiwy, ein russischer 
höherer Militärarzt, seit Jahren mit einer von ihm erfundenen 
antituberkulösen Flüssigkeit experimentiert und an Tieren (Ka¬ 
ninchen) bereits beachtenswerte therapeutische Erfolge erzielt hat 
Wenn auch durch das Tierexperiment neben der zweifellosen 
therapeutischen Wirksamkeit der Flüssigkeit vor allem die ab¬ 
solute Unschädlichkeit derselben festgestellt ist, so hielt es P. 
nichtsdestoweniger für seine Pflicht, seine antituberkulöse Flüssig¬ 
keit einer wissenschaftlichen Analyse unterziehen zu lassen, bevor 
er zu Versuchen am Menschen schritt. Diese Analyse ist nun- 


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74 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 6. 


mehr in Petersburg in einem maßgebenden Institut ausgeführt 
worden, und zwar im Laboratorium der Chemisch-Technischen 
Schule zu St. Petersburg. Das Resultat dieser Analyse ist uns 
in amtlich beglaubigter, vom Kaiserlich Deutschen General-Kon¬ 
sulat zu St. Petersburg legalisierter Abschrift zugegangen, die 
folgendermaßen lautet: 

Im Laboratorium der Chemisch-Technischen Schule zu Peters¬ 
burg habe ich eine qualitative Analyse der antituberkulösen 
Flüssigkeit, welche von Dr. B. 1. Puschtschiwy hergestellt worden 
ist, ausgeführt. '— Diese Flüssigkeit ist von gelber Farbe und 
hat ein angenehmes Aroma; ihr spezifisches Gewicht beträgt 1,0771. 
Die Flüssigkeit enthält organische und anorganische Bestandteile. 
Durch Ausglühen habe ich ungefähr 0,5 Trockenrückstandes 
erhalten, der hauptsächlich aus Verbindungen der erdalkalischen 
Metalle besteht. Von organischen Verbindungen habe ich ge¬ 
funden: Kohlehydrate, Eiweiss, Glyzerin, Benthol und die Be¬ 
standteile des Alkoholextrakts von AUium sativum. Irgend welche 
giftige Bestandteile sind nicht gefunden worden. (Gez.) Ingenieur 
L. Leuchmann. 

Wir sind auf den Ausgang der therapeutischen Versuche am 
Menschen, die vorzunehmen Dr. Puschtschiwy jetzt, nachdem die 
Unschädlichkeit seiner antituberkulösen Flüssigkeit sowohl experi¬ 
mentell, wie auch durch maßgebende chemische Analj se festgestellt 
ist, durchaus berechtigt ist, gespannt. 

Berlin. Dr. med. F. Davidsohn, eröffnete hier, Luisen-Ufer 
32, ein Institut für Lichtbehandlung. 

München. Geh. Rat Prof. Dr. August von Rothmund, Ver¬ 
treter der Augenheilkunde an der Universität München, feiert am 
26. d. M. sein 50 jähriges Dozentjubiläum. Der ausgezeichnete 
Augenarzt widmete seine ganze Lehrtätigkeit der Münchner Hoch¬ 
schule. 


Hochschulnachrichten. 

Berlin. Zu ordentlichen Mitgliedern der Königlichen wissen¬ 
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen wurden Geh. 
Medicinalrat Prof. Dr. Georg Gaffky und Geh. Medicinalrat Dr. 
med. Bernhard Fraenkel berufen. Geheimer Sanitätsrat Dr. 
Hofmeier ist von der Leitung der inneren Abteilung desElisa- 
betbkrankenhauses zurückgetreten. Sein Nachfolger ist Dr. Burg¬ 
hardt, Oberarzt der inneren Abteilung des städtischen Luisen¬ 
hospitals in Dortmund geworden. — Dr. Katzenstein wurde 
zum Lehrer der Physiologie und Hygiene des Gesangs bei der 
K. Hochschule für Musik ernannt. 

Berlin. Ein Lehrauftrag für soziale Medicin ist dem Vor¬ 
tragenden Rat im Kultusministerium, Geh. Ober-Medjcinalrat Prof. 
Dr. Kirchner übertragen worden. Kirchner behält daneben 
seinen früheren Lehrauftrag für Hygiene. 

Königsberg i. P. Zum Rektor der Universität Königsberg 
wurde für das Studienjahr 1906/07 Geh. Medicinalrat Dr. Hermann 
Kuhnt gewählt. 

München. Die philosophische Fakultät erster Sektion der 
Universität München hat aus der Froschammer-Preisstiftung dem 
Geheimrat Prof. Dr. W, Wundt in Leipzig für seine „Völker¬ 
psychologie“ einen Preis von 2000 M. verliehen. — Dr. S. Obern¬ 
dorf e r hat sich für pathologische Anatomie habilitiert. 

Erlangen. Dr. Weichardt hat sich für experimentelle 
Therapie habilitiert. 

Tübingen. Dr. Wolf, a. o. Professor für Hygiene und 
Bakteriologie in Dresden, ist als o. Professor auf den neuerrichteten 
Lehrstuhl für Hygiene berufen. 


Neu niederg^elassen 

haben sieh in 

Langobrück. Dr. med. Walter Schmidt. — Dortmund. Dr. med. B. 
Thomas. — Altona. Dr. med. Drouw. — Hagen. Dr. med. Jost. — I’owsum. 
Claassen, prakt. Arzt. — Isselhorst. Dr. med. Koch. — Malseh, Amt Ett¬ 
lingen. Dr. med. Paul Nopp. — Hamburg. Dr. med. Wilhelm Haas. — 
St Johann. Dr. med. Fritz Wertheimer. 


Pamilien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Elisabet Basse, in Kamenz i. W. mit Hrn. Dr. med. Bernhard 
Herhaus in Mülheim a. Rh. — Frl Helene Reussnor in Riga, mit Hm. Dr. 
Willy Rosenstein in Berlin. — Frl. Josephine Guggenberger in Sonthofen, 
mit Hm. k. Militär-Oberarzt Dr. Franz Müller in München. 

Vermählt: 

Hr. Dr. rood. Köbing, mit Frl. Bianka Qritschko in Breslau. — Hr. 
Dr. med. Walter Cartsburg mit Frl. Erica Robrbeck, in Leezen i. Holstein. 

Geboren: 

Einen Sohn: Hrn. Stabsarzt Dr. Müller io Stettin. — Hm. Dr. med. 
Taubenheims Rüsseina (F-'ost Starbach.) 

Eine Tochter: Hrn. Dr. med. K. E. Marung in Rostock. — Hm. 
Dr. med. Julius Frank in Braunschweig, 

Gestorben: 

Dr. med. Jaesobke in Liegnitz. — Dr. med. Moritz Jacoby in Brom- 
borg. — Obermodk'inalrat Dr. Christian Friedrich Klinger in Mügeln (Bez. 
Leipzig^. — Dr. med. Hermann Angonoto in Salzgitter. -- Dr. med. Emil 
Mank, in Httbr-Neustadt. — Dr. med. Ludwig Matthias in Lauterbacb. — 
Dr. med. Arthur Gottberg in Berlin S. — Stabsarzt Dr. Wiebe Düsseldorf. 
— Dr. mod. Adolf Ritter von Kissling in Linz. — Stabsarzt Dr. Franz 
Wolf in Kaiserslautern. — Medicinalrat Dr. Gottfried HorrendOrfer in Rag- 
nit. — Geheimer Sanitätsrat Dr. Bernhard Ziolenziger in Potsdam. 


Patentnachrichten. 

Gebrauchsmuster. 

263296. Geradebaitor aus Stoff mit federnder, nicht mctullncr Einlage. 
M. Pech, G. m. b. H., Berlin. 

263 387. Zwischen den Lippen und Zähnen zu tragender Lungenseboner 
mit verschraubbarem ÄnkerstUck. J. Zaruba &. Co , Hamburg. 

268420. Bruchband, dessen verkürzte Bcckcnfcdor im Rücken durch 
eine Polsterung gestützt wird. Fa. Heinrich Loewy, Berlin. 

263 220. Vorrichtung mit Gurt zur Fixierung von Körperteilen auf 
Untersucbungstischen. Ludwig Dröll, Frankfurt a. M., Kaiserstr. 42. 

263 207. Tropfflasche mit seitlichem, durch eine Gummimenbran ver¬ 
schlossenen Ansatz und an der entgegengesetzten Seite der Tropfflasche an¬ 
gebrachten, in einer HaarrUbre auslaufoiiden Ansflussstutzen. Fa. Wilhelm 
Brauns, Quedlinburg. 

263879. Milcnflascben-Verscblusskapsel aus Aluminium. Fa. A. G. 
Thorwartb, Schmalkalden. 


Tafel ffir ärztliche Stellenvermittluns^. 

Adrensb: Ärztliche« AMkiifts-Bur««« de« 6e«eh&ft«-Au««oh«««e« der 
Berliner Irztüchrn Standeevereine i« Mediciniechen Weareahaaee (Akt.- 
6««.), Berlla N., Frledrlohstraeee 108 I. 

Für persönliche Rücksprftche ist Herr Dr. Joaehlw taallell TOB Uhr in 

Medicinisch.n Wanrenhause anwesend. (Mit sütiger Erlaubnis des Gescnkfis-Ausschiisses 
der Berliner ärztlichen Standesvereine Tom AuskunftsrBureau der Med, Woche übermittelt. 

ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1951. 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 1956. 

In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1969. 

In WestpreuBsen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter Vertreter 
gesucht. Näheres unter No. 1970. 

ln der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1984. 

In der Mark wird für eine Kinderbeilstätte zum 1. April ein Assistent 
gesucht. Näheres unter No. 1987. 

In einem Vororte Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1^9. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1992. 
In Obcrscblesicn wird für Anfang Juli ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1994. 

in der Provinz Posen wird von Mitte Februar ein Vertreter gesucht. 
Näheres unter No. 2002. 

Im Riesengebirge wird von Endo Februar ein Vertreter gesucht. 
Näheres unter No. 2(W3. 

In einem Berliner Vororte wird von sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 2004. 

In einem Berliner Vororte wird von Mitte Februar ein Vertreter ge¬ 
sucht. Näheres unter No. 2005. 

In Berlin wird von Mitte Februar ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 2006. 

In Thüringen wird von sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 2007. 

In Berlin wird von Anfang April ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 2008 


VpraniwortlichcT RcdakiTiir ; Dr. P. Meissner, BerlinW. 61, KurfürsienMr. Sl. — Verlag vnn Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Heynemann'icben Buchdruckerei, Gebr. Wolff, Malle a. S. 


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Medicinische Woche 


Dentschmftnn, A. DQhrssen, A. Hoffa« E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Glessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold In Halle a« S«« Uhlandstraase 6. 

Tel.-Adr.: Martiold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

^ - - 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange, 
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin.] Hannover. 

H. Unverricht, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 

Redaktion: 

Berlin W. 62, Kartflrstenetrasae 

Dr. P. Meißner. 


Vn. Jahrgang. 12. Februar 1906. Nr. 7. 


Die,Ms<liclii)scbe Woche* erscheint jeden Montag mit der Beilage Babieologische Centralzeitung, Organ des AUgemnnen Deutschen Blderverbandes. des Schwarzwald- 
badertages des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buch¬ 
handlung, (Be Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden Ihr die Sspaltige Petitzeile oder deren Raum mit SO PI. berechnet. 

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Nadtdmck der Original-Anfsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen bt nur mit Qndlenangabe gestattet. 


Originalien. 

Die lYage der 

Simulation bei den traumatischen Neurosen. 

Von Dr. Georg Flatau, Nervenarzt in Berlin. 

Unter traumatischen Neurosen versteht man bekanntlich 
jene funktionellen Nervenerkrankungen, die sich nach Unfällen 
einzustellen pflegen. Die Benennung stammt von Oppenheim 
und hat sich trotz vielfacher Angriffe erhalten, weil sie in 
präzisester und bequemster Weise das Leiden bezeichnet 
Handelt es sich um ganz reine Formen von Hysterie oder Neu¬ 
rasthenie, so spricht man wohl von traumatischer Hysterie 
oder Neurasthenie. Indessen zeichnen sich gerade die funktionellen 
Nervenerkrankungen nach Trauma dadurch aus, dass sie ein 
Gemisch von Symptomen aufzeigen, die teils der Hysterie, teils 
der Neurasthenie, dann auch der Hypochondrie zugehören, 
auch Zustände depressiren, melancholische Verstimmung w^erden 
beobachtet, schliesslich Psychosen verschiedenster Art. 

Während nun die Beurteilung von Neurosen anderer als 
traumatischer Ätiologie, im Allgemeinen keine erheblichen 
Schwierigkeiten bietet, so kann das bei denen traumatischer 
Genese m hohem Grade der Fall sein. Hier kommt zu den 
rein medizinisch-wissenschaftlichen Interessen noch ein anderes 
hinzu. Der Arzt soll nicht nur das Vorhandensein der Neurose 
feststellen, sondern auch die Abhängigkeit von dem Unfall, 
die etwaige Erwerbsbeeinträchtigung und den Grad derselben. 
Der Arzt hat gewissermassen durch seine Beurteilung des 
Falles in einem Widerstreit materieller Interessen mitzusprechen, 
zwischen der entschädigungspflichtigen und der Entschädigung 
heischenden Partei. 

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Eigenart der Symptome 
der Neurosen. Es war oben schon gesagt worden, dass die 
tranmatischen Neurosen ihre Kraukheitszeichen mit denen der 
Hysterie, Neurasthenie, Hypochondrie etc. gemeinsam haben, es 
bandelt sich also um solche Erscheinungen, von denen wir nach 
dem heutigen Stande unserer Kenntnisse voraussetzen, dass sie 
nicht in anatomisch nachweisbaren Veränderungen der Substanz 
des Nervensystems ihre Gnindlage haben; es sind nicht orga¬ 
nisch bedingte Krankheitaerscheinungen. 

Bei der Untersuchung eines an traumatischer Neurose 
leitenden Verletzten stellen wir zunächst den Hergang des 
Unfalles fest, erheben dann die Krankengeschichte, lassen uns 
die Beschwerden erzählen und beginnen daun die körperliche 
Untersuchung. Die letztere hat den Zweck, uns möglichst 
einwandfreies Material zur Abschätzung der geklagten Be¬ 
schwerden zu geben. Wir finden da eine Reihe von Symp¬ 
tomen, etwa einen Tremor, eine Gefühlsstörung, einen Druck- 
gchmerz, motoriscie Schwäche, Gesichtsfeldeinengung und es 


ist nun unsere Sache, zu erkennen, ob es sich um objektive 
Dinge handelt 

Eine Hemihypaesthesie, die ja bei traumatischen Neurosen 
nicht selten gefunden wird, hat, so nehmen wir an, ihre Grund¬ 
lage nicht in einer organischen Störung, — ist sie deshalb auch 
kein objektiver Symptom? Bei der Wichtigkeit des Gegen¬ 
standes und bei der Unklarheit, die vielfach noch in ärztliSien 
Kreisen über diese Frage herrschst, müssen wir uns über 
diese Begriffe einigen; oojektive Krankheitszeichen und orga¬ 
nisch begründete sind nicht gleichwertig. Beide Bezeichnungen 
sind nicht synonym. 

Gewisse Läsionen des Centralnervensystems führen zu 
einer Steigerung der Sehnenphänomene an den unteren Extremi¬ 
täten, diese sind in der Regel von Zeichen echter Spasmen 
begleitet, wie Fussklonus, Babinski’sches Zeichen, dorsales 
Unterschenkelphänomen (Oppenheimsches Zeichen); indessen 
können diese Zeichen echter spastischer Zustände auch nur 
unangedeutet sein oder ganz fehlen und die Steigerung der 
Sehnenphänomen kann doch organisch begründet sein, d. h. von 
einer Läsion des Zentralnervensystems abhängen; solche 
Zeichen sind immer objektive, aber es gilt nicht die Umkehrung, 
dass objektive Zeichen immer organisch begründet sein müssen. 

Symptome sind für uns auch dann objektiv,.wenn sie in 
konstanter und einwandfreier Weise immer wieder bei den 
Untersuchungen auftreten, ihre Begründung im Krankheits¬ 
verlaufe, im Ganzen des Krankheitsbildes finden und nicht 
nachweislich auf einer Willenstätigkeit der Untersuchten beruhen. 

In der Mehrzahl der Fälle eignet den Symptomen der 
Neurosen (nicht anatomisch bedingten Krankheitsbildeni) die 
Möglichkeit, dass sie imitiert werden können; die Zeichen echter 
spastischer (organischer) Lähmung können nicht nachgemacht 
werden; zum mindesten nicht so, dass ein auch nur mässig 
erfahrener Untersucher sich längere Zeit täuschen Hesse, eben¬ 
sowenig eine Pupillenstarre*). Dagegen ist ein Hinken, eine 
motorische Schwäche des Armes, ein Tremor, eine halbseitige 
Gefühlsabstumpfung von dem Untersuchten auch künstlich zu 
demonstrieren; auch von Symptomen einer Psychose gilt mit 
gewissen Einschränkungen das gleiche. Diese Mögliclieit hat 
bisher nicht gehindert, die genannten Krankheitszeichen als 
durchaus echt und bewiesen anzusehen, wenn sie bei nicht 
traumatisch bedingten Neurosen und Psychosen auftraten. 

Bei den traumatischen Neurosen gehen aber nicht wenige 
Untersucher auch heute noch**) von dem Grundsätze aus: 
Die Symptome traumatischer Neurosen sind simuHerbar, der 
Verletzte will etwas erreichen, also simuliert er. 

Simulation liegt dann vor, wenn jemand in betrügerischer 
Absicht, Krankheitszeichen, die nicht vorhanden sind, vorspiegelt. 

Im Allgemeinen w’ird Simulation um so eher vom Unter¬ 
sucher angenommen, je geringer seine Erfahrung auf dem Ge¬ 
biete der Unfallnenrosen und der Neurosen überhaupt ist. 

*) Von medikamentösen Einträufelungen natürlich abg^esehen. 

**) Trotz der Arbeiten von Oppenheim, Bruns, Schuster, Möbius etc. 


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MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 7. 


Etwas Ähnliches zeigt sich bei der Art, wie Laien die Hyste¬ 
rischen, Nenrasthemischen, Hypochondrisclien beurteilen; das ge¬ 
lindeste Urteil ist noch das, wenn der Laie zugiebt, ein solcher 
Kranker sei wohl etwas ner^'ös, aber er übertreibe furchtbar; 
im Allgemeinen heisst es wohl im Laiennninde, derartige 
Kranke verstellen sich nur; ganz besondei*s wird das Urteil 
so gefällt, wenn der unglückliche Nervöse scheinbar, bei allen 
seinen Leiden gesund und blühend anssieht. 

Häufig genug ist es bei Ärzten, auch bei solchen, die be¬ 
rufsmäßig mit der Begutachtung Unfallverletzter zu tun haben, 
die Unkenntnis seltenerer Symptome, die sie zu dem Ausspruch, 
es liege Simulation vor, veranlasst. So sah ich einen Kranken 
mit schwerer traumatischer Hysterie untersucht werden, der 
jenes Symptom darbot, das als Vorbeireden beschrieben wr- 
den ist, der Untersucher hielt dieses — hier sehr ausgem)roclione — 
Symptom schwerster Dissociation, für einen frechen Täuschungs- 
Versuch, mir gelang j*s nur mit Mühe, ihn zu überzeugen, dass 
eine schwere Erkrankung vorlag, die sich im ganzen Verhalten 
des Kranken einwandfrei aussprach. 

Wir müssen uns jetzt der Entstehung der Syniptome trau¬ 
matischer Neurosen zuwenden und den znsammenwirkenden 
Käktoven unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Da ist vor allem 
das Trauma selbst zu nehmen und die häufig damit verbundene 
))sychische Emotion. Die Art des Trauma, die Schwere der 
Einwirkung ist ausserordentlich verschiedenartig, sie steht 
durchaus nicht immer im Verhältnis zur Schwere dm* Folgen. 
Kontusionen des Kopfes mit zunächst schweren Erscheinung<m 
der Gehimerschütterung: Bewusstlosigkeit. Erbrechen, können 
weiterhin symptomlos verlaufen. Anderemale ist das Trauma 
etwa ein Fall auf den Rücken von mäßiger Höhe, der zunächst 
gar keine Erscheinungen macht der \’erletzte arbeitet noch 
tagelang weiter, erst .später stellen sich Ib'scliwerden ein. die 
die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Das häufig hestehendi* 
Missverhältnis zwischen der Schw(u’e der Vtodetznug und der 
nervösen Unfallfolgen, ferner der Umstand, da.ss der i)hjektive 
körperliche Befund mit den geklagten Beschwerdeji nicht im 
hlinklang steht, Hess nach weiteren Ursachen forschen, und man 
fand, dass sich in vielen Fällen die mitder körperlichen Verletzung 
verbundene psychische Shok zur Erklärung heranziehen Hess: oft¬ 
mals war der Schreck, die Erregung wesentlich stärker als der 
Unfall selbst, ja es sind Fälle bekannt, in denen d<*r erwartete 
Unfall garnicht eintrat und doch die ansgestandene Angst scliwen* 
Symptome verursachte. VHelen Autoren genügten diese Dinge 
nicht, um die Häufigkeit, mit der gerade in den Jahren 
nach Emanation der Haftpflicht und Unfallgesetze die Unfall- 
iienrosen sich zu zeigen scheinen, zu erklären, sie suchten uacli 
anderen Motiven, nach solclien, die nicht sow’ohl im körperlichen 
und psychischen Traumen lagen, als in den gesetzlichen und 


Feuilleton. 

Geschichte der Hospitäler ün Altertum 
und Mittelalter.*) 

Von Dr. E. Roth. 

Wenn wir auch in dem Handbuch der Krankenversorgung 
und Krankenpflege (Berlin, 1899—1903. A. Hirschwald) eine 
vortreffliche „Geschichtliche Entwickelung der Krankenpflege" 
von Dietrich besitzen, so verdient doch die Geschichte der 
Hospitäler im Altertum und Mittelalter, sowie des Heiliggeist¬ 
spitals in Gmünd, vom Standpunkt des Arztes dargestellt, eine 
besondere Würdigung. 

Die ersten urkundlichen Nachrichten über Hospitäler haben 
wir von den alten Kulturvölkern des Orients, wo auch die 
Medicin bereits in uralten Zeiten auf einer hohen Stufe stand. 
Immerhin scheinen erst mit der Einführung der buddhistischen 

*) Wönicr, Ä, Das sWdtisclio Hospital zum Heiligen Geist in 
Schwäb. Gmünd in Verganffonhelt und Gegenwart, mit einer Abhandlung 
über die Geschichte der Hospitäler im Altertum und Mittelalter, unter 
Mitwirkung von J. N. Denk in ge r, Tübingen 1905. Laupp. 4®. X, 
30S und 2G5 .S. xMit G Taf. und 34 Abb. 12 M. 


wirtschaftlichen Folgen. In der Tat ist zuzugeben, dass in 
vielen Fällen der «'illgemein nervöse Folgezustand gesteigert 
wird durch Befürchtungen des V«>rletzten für seine Zukunft, 
für die Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Betätigung?. 
Dazu treten die Bemühungen um den ge.setzlich gewährleisteten 
Ausgleich dieser Beeinträchtigung, der Kampf um die Unfall¬ 
rente. 

Strümpell gab dem Au.sdruek. als er das Wort von den 
..Begehrungsvorstellungen“ prägte. Von dieser Anschauung ist 
<h‘r Schritt niclit w(“it zu denen, die wenig gemügt sind, den 
nervösen Beschwerden Unfallverletzter Berechtigung zuzu- 
sprecheii. die in der M«*hrzald der Fälle Übertreibung mul 
Simulation zum Zwecke der Erlangung einer Entschädigun^s- 
nuite annehmen. !)emgegenül)er möchte ich einmal auf 
die gidsse Reihe von Beobachtungen hinweisen, in denen 
ang<d)iiche Simulanten von späteren Begutachtern als schwer 
krank h(dniiden worden, ferner auf die allerdings spärlichem 
Befunde von traumatischen Neurosen l)ei Verletzten, die gar 
kidne Ent.schädiguirgansprüche stellten*). Zw(‘i der von mir 
hescliri(*benon Fälle habe ich etwa 8 Jahre lang beobachten 
k«")nnen tuul fand, dass hei ihnen die Symptonn* höchst hart¬ 
näckig warcMi und gar keine Tendenz zur Besserung zeigten. 
Schliesslicli ist zu beachten, dass gar nicht s«dten auch nach 
völlig(*r Erledigung der Entschädigungsansprüclie keine Besse¬ 
rung eintrat, ja sogar der Verlauf progressiv war. 

Ist damit einmal die Möglitdikeit b»*wiesen. dass das 
Trauma, ohne' dass Rentenansprüche in P'rage küuinieii, jene 
Krankheitshilder h(M-beiführen kann, die wir als trtiumatische 
Neurosen kennen, so werden wir jedenfalls jed<*m derartigen 
h’alle ohne Voreinfj»‘nommenheit ‘ic'genühertreten müssen; 
die weitere Betrachtung wird festziistellen haben, ist das ge¬ 
samte Krankheitshild simulierhar, ferner: sind die einzelnen 
Sym))toine siinnlierbar; welche ^!(!thode^ und Möglichkeiten 
s«‘hen wii-, die Simulation zu beweisen, ‘schliesslich ist es 
immer möglich in Fällen, wo der liegründete Verdacht besteht, 
dass Simulation vorhanden ist, diese sicher nachzuweisen. 

Di<> gnissten Schwierigkeiten in dm' Entsclieidung bieten 
jene Fälh*, hoi denmi keine Allgemeinsymptome bestehen, bei 
dcnuMi sich die Neurose an einer Stidle festgesetzt hat. Dahin 
gehören vor allem dii^ lokalisierten Schmerzen und Gefühls- 
störnngen. Nach einer Contusion einer Extremität sind Schmer¬ 
zen zurückgeblieben, die keiner Behandlung weichen, angeblich 
die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Hei der Untersuchung 
findet sich kein wesentlicdies Symptom einer allgemeinen Ner- 

*) Bruns Ncurolog. Centralblatt 1889. S. 127. 

*) Steinthal. Dissortat. inaug. Berlin. 

*) Georg Flatau. Traumatische Xourosen ohne Enlscbüdigongs- 
ansprUchc. Knappe, Araoric. Jonrn. of iiied. Science. IV. 6. Dez. p. 629. 


Religion im sechsten Jahrhundert v. Chr. eigentliche ebari- 
tative Anstalten ins Lehen gerufen w'orden zu sein. Griechen 
und Römer versagen in dieser Hinsicht vollständig, und erst 
das Christentum drängt später dazu, Krankenanstalten und 
Krankenhäuser zu schaffen. Sicher hängt also die Humanitas 
mit religiösen Anschauungen zusammen, dort bildet der Bud¬ 
dhismus den Grundpfeiler, hier die christliche Religion. 

So finden wir in den Asokainschriften, welche vom König 
Asoka im dritten Jahrhundert v. Chr. herrühren, dass ärzt¬ 
liche Behandlung für Menschen und Tiere, Baumpflanzungen, 
Anpflanzungen von Heilkräutern, das Graben von Brunnen und 
Quellen und die Anlage von Herbergen befohlen wird. Wenn 
heute die Tierschutzvereine auf die Schaffung von Tierasylen 
und Hospitälern für das Vieh dringen, so muss ihnen entgegen¬ 
gehalten werden, dass derartige Einrichtungen bereits lange 
vor Christi Geburt in Indien bestanden. 

Ja, vielfach sind die Gelehrten der Meinung, dass man 
das Vorhandensein von Hospitälern in Indien bis ins siebente 
Säkulum vor Christo zurückverlegen dürfe, während freilich 
weiter zurück die Quellen zunächst versagen. Dabei findet 
man nicht nur Krankenanstalten schlechthin erwähnt. Onein! 
Vielfach kennt man Sonderanstalten, wie sie heute teilweise 
nur existieren. Da werden solche für Verkrüppelte namhaft 
gemacht, da haben Blinde ihre eigenen Zufluchtsstätten, und 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


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vosität, aber eine Stelle der Extremität wird als dauernd 
schmerzhaft und dnickschmerzhaft bezeichnet, der Untersuchte 
will eine Anzahl von Bewegungen nicht ausführon können. 
Der lokale Befund zeigt absolut keine Veränderung der Ge¬ 
webe. Man hat aber lediglich die Angabe über Schmerzhaftig¬ 
keit und Bewegungsbeschränkung, die konstant wiederkehreude 
Schmerzäusserung bei Druck auf die bezeichnete Stelle; wollen 
wir in einem solchen Falle, weil unser Befund ein negativer 
ist — ich setze dabei voraus, dass er mit allen Hilfsmitteln 
der Diagnostik erhoben wurde — hier an Simulation denken, 
und wenn wir daran denken, welche Beweise haben wir dafür? 
Es spielen hier Fragen mit, die eigentlich nichtärztlicher 
Natur sind, handelt es sich nämlich um ein Individuum, von 
dessen Glaubwürdigkeit wir überzeugt sind, so ist die Frage 
ohne weiteres entschieden, es liegt keine Simulation vor; halten 
wir die Angaben nicht für glaubwürdig, so können wir eine 
bestimmte Entscheidung überhaupt nicht treffen, demi der 
Kranke kann ja doch die gekla^en Beschwerden empfinden, 
w’ir können nicht beweisen, dass er sie nicht empfindet, so 
lange nicht seine Betliätigung in grellem Widerspruche zu 
seinen Angaben steht. Um ein crasses au.s der Praxis ent¬ 
nommenes Beispiel anzuführen. ein Unfallverletzter klagt über 
Schmerzen und Schwäche im rechten Arm, will denselben für 
irgend welche schwerere Arbeit nicht gebrauchen können, bei 
der Untersuchung stöhnt er bei jeder Bewegung der Anne, 
leistet aktiv nur geringe Kraft damit. Nun wird er zunächst 
entlassen und weiterhin unauffällig beobachtet, da wird er mehr¬ 
mals dabei betroffen, wie er vergnügt und eifrig sich am 
Kegelschub beteiligt und ^den angeblich unbranchbai-en Arm 
dabei recht fleissig gebraucht. In einem solchen Falle ist 
natürlich die Simulation oder eine ihr gleichkoramende Aggra¬ 
vation erwiesen 

Nun ist es kaum Saclie des Arztes, solche Beobachtungen 
anzustellen und es sind die Bekundungen der Umgebung nicht 
immer ohne lebhafte subjektive Färbung, es werden dalier die 
Fälle der Praxis kaum je so einfach liegen, wie bei diesem 
exemplum fictum. Aber auch scheinbare.s Unbeobachtet- 
lassen im Untersuchun^zimmer kann zur Beurteilung mancher 
Symptome beitragen, wie wir nachher noch sehen werden. 

Aus dem angeführten Beispiel eines entlarvten Simulanten 
darf nun nicht geschlossen w'erden, dass jede Inconstanz des 
Schmerz- und Lähmungsbefundes schon für Simulation spreche. 
Es handelt sich ja. wie wdr oben gesehen haben, um grössten¬ 
teils psychisch bedingte Symptome und es ist ganz naturge- 
mäss, dass diese ihrer Intensität nach in gewissen Grenzen 
schwanken; in noch höherem Grade gilt das für Seiisibilitäts- 
störungen und für den Tremor. 

Die Prüfung und Benrteiliiug der Gefühlsstörungen bei 


besondere Entbindungshäuser sorgen für das Wohl der Schwan¬ 
geren, während Lahme anderweitig verpflegt wurden. 

Der sterbende König Gaimono von Ceylon konnte sich 
164 V. Chr. rühmen, beständig an achtzehn verschiedene Hos¬ 
pitäler erhalten zu haben, denen er angemessene Speisen und 
Arzneien zuwies und die er von praktischen Ärzten leiten liess. 
Heute dürfte solcher Ruhm nicht zu haben sein! 

Eine Reihe dieser uralten Wohltätigkeitsanstalten hat sich 
bis znm heutigen Tage erhalten, wenn auch leider jeder Be¬ 
weis für den Betrieb und die Art und Weise der Behandlung 
der Kranken verloren gegangen zu sein scheint. 

Was Griechenland anlangt, so müssen wir wohl mit Be¬ 
stimmtheit annehmen, dass bei den grossen Tempelanlagen 
auch Unterkunftshäuser für Kranke vorhanden gewesen sind, 
welche auf öffentliche Kosten unterhalten wurden und wenig¬ 
stens als eine Art Krankenhäuser zu betrachten sind. In¬ 
schriften sprechen von ut^Xhu rot iuiqov, und ausgedehnte 
Wasseranlagen haben sicherlich oftmals Heilzwecken gedient. 

Die Medicin der Römer war zu den ältesten Zeiten nicht 
weit her, und wissenschaftliche Arzte kamen erst 219 v. Chr. 
nach Rom. Immerhin hängt Jupiter hospitalis mit der Gast¬ 
freundschaft und dem Hospital, dem Krankenhause für weniger 
bemittelte Volksschichten, zusammen. Hier konnte erst das 
Christentum so recht einsetzen, charitative Anstalten zu schaffen, 


Unfallkranken halte ich für das schwierigste Kapitel der gan¬ 
zen Untersuchung. Jeder erfahrenere Untersucher wird s^on 
Fälle gesehen haben, bei denen ihm bei dieser Untersuchung 
eine gelinde Verzvveiflung erfasste, wenn die Angaben des Ver¬ 
letzten, ob er Berührungen und Schmerzreize itihlte, gar zu 
widerspruchsvoll ausfiolen und mancher Simulationsverdacht hat 
diesem Umstande seine Entstehung zu verdanken. 

Ungeübte Beurteiler sind dem umsomehr au.sgesetzt, w'enn 
ihnen nicht bekannt ist, dass nicht nur bei der Hysterie, son¬ 
dern auch bei organischen Erkrankungen ein scheinbar wider¬ 
spruchsvolles Verhalten zwischen der oberflächlichen und tiefen 
Sensibilität vorkommt und dass sehr wohl Hypaesthesie für 
Tastreize mit Hyperaesthesie sich verbinden kann. Zudem ist 
die Aufmerksamkeit des Untersuchten nicht immer in gleicher 
Weise gefesselt und die Angabe eines Verletzten, er fühle eine 
Berührung nicht, kann durchaus in gutem Glauben abgegeben 
sein, w’eil er überzeugt ist, die stattgebabte Verletzung müsse 
das Gefühl in dem betreffenden Körperteil zerstört haben. Aus 
diesen Gründen ist eine sogenannte Entlarvung, indem man 
dem Verletzten Widersprüche bei der Gefühlsprümng nachweist, 
von recht zweifelhaftem Wert. 

Die Möglichkeit, dass jemand Gefühlsstörungen simuliere, 
ist natürlich durchaus zuzugeben, und die Simulation gerade 
dieser Symptome ist auch mit einiger Willensanstrengung ziem¬ 
lich konsequent durchführbar. 

Aber gleich hier dari darauf hingewiesen werden^ dass 
selbst, wenu man überzeugt ist, dieses eine Symptom sei vor¬ 
getäuscht, doch noch nicht der Stab gebrochen werden darf 
und mm das ganze Kranklieitsbild als auf Täuschung beru¬ 
hend angesehen werden muss. 

Mit Verw’underung habe ich bemerkt, wenn ich Gelegen¬ 
heit hatte mit anderen Kollegen Unfallkranke zu untersuchen, 
dass diese bei allen möglichen Formen des Tremor« an Simu¬ 
lation dachten. Meines Erachtens ist nichts schwieriger, als 
die Nachahmung eines Tremors für eine längere Zeit, me Her- 
vorbringiing eines feinschlägigen Tremors ist nahezu unmöglich 
für länger als eine Minute, selbst bei vorangegangener Ein¬ 
übung. Die willkürliche Darstellung eines Tremor bringt fast 
immer die Zeichen körperlicher Anstrengung, z. B. Gesichts¬ 
rötung, Pulsbeschleunigung mit sich. 

Bei Ausübung der digitalen Vibrationsmassage ist es un¬ 
durchführbar, diese in gleichmäßiger Weise ohne längere Ruhe¬ 
pausen eine nennenswerte Zeit durclizufüliren. Grobe langsame 
Zitterschläge lassen sich namentlich bei Ausführung von Kraft 
erforderaden Bew'egnngen ausführen. 

Diese Beispiele solleu mir zeigen, dass einzelne Symptome 
siniulierbar sind, während andere es nicht, oder nur m so 
beschränktem Maße sind, dass eine dauernde Täuschung nicht 


und so kommt es, dass wir den Beginn vei’schiedener wohl¬ 
tätiger Stiftungen etwa um die Mitte des vierten Jahrhunderts 
nach Christo legen können. Tlieodosius (379—395) stellte be¬ 
reits Vülksäi'zte an mit der Verpflichtung, arme Kranke und 
in Lebensgefahr befindliche Personen unentgeltlich zu behan¬ 
deln , so dass es an sachverständiger ärztlicher Hilfe ohne 
Zweifel damals nicht gefehlt hat; 19 Volksärzte werden er¬ 
wähnt, für die Grösse des damaligen Roms gewiss eine be¬ 
trächtliche Anzahl. 

Für die Armen sorgten ferner Stiftungen und von ihnen 
unterhaltene Krankenanstalten, die vielfach den Namen ihres 
Errichters führten. So verfügte die kleine Stadt Lucca über 
drei von Mitbürgern gestiftete Hospitäler, und beispielsweise 
vermochte das von Kaiser Alexius I. (1081 —1118) erbaute 
Orphanotropheum zu Constantinopel, das um die Paiilskirche 
lag, zehntausend Hilfsbedürftige und Kranke jeder Art aufzu- 
nehmen, an deren Pflege die vornehmsten Leute teilnahmen. 

Im Abendland kann man vor dem achten Jahrhundert 
wohl kaum von Hospitälern sprechen. Ihre Entstehung ver¬ 
danken sie hauptsächlich den mehr und mehr in Übung kom¬ 
menden Pilgorfalirten nach Jerusalem. Ursprünglich waren 
es nur Herb^ergen, Hospize, aus denen dann Hospitäler ent¬ 
standen. 

Diese lagen in der Regel ausserhalb der Städte, während 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 7. 


möglich ist, es kann hier nicht meine Aufgabe sein, jedes ein¬ 
zelne Symptom der traumatischen Neurosen nach dieser Rich¬ 
tung zu erörtern, es ist das auch in den Arbeiten von Oppen¬ 
heim, Bruns, Schuster in ausreichender Weise geschehen, 
ich möchte nur noch darauf mit Nachdruck hinweisen, dass 
selbst der gelungene Nachweis, dass ein Symptom simuliert 
ist, das Recht ^ebt, nun auch für die anderen Zeichen einer 
traumatischen Erkrankung dasselbe anzunehmen. 

Eine motorische Schwäche kanu durchaus reell sein, auch 
wenn der Kr ank e dazu noch eine Gefühlsatöning oder vage 
Schmerzen vortäuscht. 

Hat das Krankheitsbild einer traumatischen Hysterie, Neu¬ 
rasthenie oder Hypochondrie erst längere Zeit bestanden und 
hat sich das Leiden erst fixiert, so prägen sich die Beschwer¬ 
den auch im Wesen und Aussem des Kranken schon von vorn¬ 
herein ziemlich deutlich aus. Der Gesichtsausdruck erhält 
etwas Ängtliches, Bedrücktes, die Bewegungen werden lässig 
und schleppend, andere wieder zeigen flüchtige Zuckungen, 
Neigung zu Unruhe, Unmöglichkeit längere Zeit stillzusitzen. 
Die Sprache und Ausdrucksweise bekommt etwas stereot}'pes. 
Nicht selten bemerkt man ein weichliches, weinerliches Wesen; 
die Kranken werden empfindlich reizbar, vertragen kein Ge¬ 
räusch, kein grelles Licht, sitzen am liebsten allem. 

Nun ist es wohl klar, da.ss diese seelischen Veränderungen 
hauptsächlich ihren Grund in den materiellen Sorgen um die 
Arbeitsfähigkeit und Gesundheit haben und dass dabei der 
Kampf um die Entschädigung keine kleine Rolle spielt, aber 
dieser ist doch nur ein secundärer Moment, das eine Ver¬ 
schlimmerung schon vorhandener Symptome herbeiführt. 

Die Aufmerksamkeit, die der Verletzte seinen Beschwerden 
schenkt, dient weiters dazu, ihm selbst diese um so fühlbarer 
erscheinen zu lassen, die Notwendigkeit, sie dem begutachtenden 
Arzte zu demonstrieren, bringt den Verletzten dazu, die Symp¬ 
tome mehr zu akzentuieren, etwaige Kenntnis von schlimmen 
Folgen von Verletzungen bei Bekannten und Arbeitsgenossen, 
lässt die Befürchtung entstehen, dass auch der in Rede stehende 
Unfall üble Folgen haben könne, so wird jedes Gefühl am 
Orte der Verletzung mit ängstlicher Bewachung geprüft und 
betrachtet und infolge davon lebhafter und stärker empfunden. 
Im Gegensatz zu dieser mehr unbewussten Entstehung der 
Symptome steht bei dem Simulanten die be\\nisste absichtliche 
Hervorbringung zum bestimmten Zwecke der Täuschung. Ist 
darnach die psychische Genese der Symptome eine verschiedene, 
so brauchen diese selbst im Augenblicke der Untersuchung 
keine Unterschiede zu zeigen. 

Es geht daraus hervor, dass wir für ein Symptom nicht 
imstande sind zu sagen, ob es eines von krankhaft psychischer 
Genese oder ein simuliertes ist Sind wir nun aber ganz hilf¬ 


los diesem Problem gegenüber? Ich glaube es nicht, sicher 
nicht den allgemeinen Neurosen gegenüber. Die Simulation 
dieser Formen traumatischer Neurosen erfordert namentlich 
bei ständiger — stationärer — Beobachtung ein zu gros-ses 
Maß von Willensanstrengung als dass es gelingen könnte, den 
Beobachter endgültig zu täuschen. 

Schw'ieriger ist die Entscheidung bei den monos^mptoma- 
tischen Formen, aber schliesslich wird auch hier die genaue 
Beobachtung unter Zuhilfenahme aller differentialdiagnostiscben 
Momente zum Ziel führen. 

Vielfach unterscheiden die Untersucher nicht genau genug 
zwischen Übertreibung und Simulation. Übertreibung — das 
geht aus den obigen Erörterungen hervor — wird kaum bei 
einer traumatischen Neurose fehlen. Ja für unser Gefühl ist 
sie bei jeder Neurose vorhanden, weil wir bei nicht organischen 
Erkrankungen immer eine Discrepanz zwischen den subjektiven 
Klagen und den objektiven Erscheinungen zu finden meinen. 
Sie liegt also im gewissem Sinne in der Natur der Erkrankung. 
Der Verletzte hat z. B. niemals nur Kopfschmerz oder Schwindel, 
sondern stets „furchtbare‘‘ Schmerzen und „heftigen Schwindel", 
.sodass er sich beileibe nicht bücken und umdrehen kann. 

Lä.sst man einen solchen Patienten scheinbar unbeobachtet 
und sieht ihn dann sich ganz flott bewegen, sich beim An- und 
Auskleiden ohne iede Beschwerde, ohne jedes objektives 
Schwindelsynmtora bücken, so ist die Übertreibung ohne weiteres 
klar und die Üntersuchung wird sie noch mehr erweisen, damit 
ist aber durchaus nicht bewiesen, dass die Beschwerden gar- 
nicht vorhanden sind und ganz vorgetäuscht werden; man 
wird natürlich diese Dinge bei der Rentenabmessung in Be¬ 
tracht ziehen. 

Auf die Untersuchungsmethoden, zumal auf jene, die als 
„untrügliche“ Unterscheidungsmittel für Simulation angegeben 
werden, bin ich absichtlich nicht genauer eingegangen und 
brauche nach dem Vorstehenden diese Unterlassung nicht weiter 
zu begründen. 

In der Mehrzahl der Fälle wird eine sichere Entscheidung 
sich treffen lassen, in wenigen wird man eine solche nicht aus¬ 
sprechen und in sehr seltenen Fällen nur wird man reine Simu¬ 
lation finden können. 

Ich bin damit am Ende dieser Ausführungen angelangt, 
ich weiss, dass ich nichts Neues vorgebracht habe, glaube aber 
denen etwas Nützliches zu bringen, die in ihrer Praxis zum 
Urteil über traumatische Neurosen veranlasst werden und noch 
nicht Gelegenheit hatten, sich mit der Simulationsfrage ein¬ 
gehender zu beschäftigen. 


innerhalb derselben sich die Heiliggeistspitäler befanden, durch- 

a dem vom Papst Innocenz Hi. in neuer Pracht erbauten 
ospital zum heiligen Geist in Rom nachgebildet. Zu unter¬ 
scheiden sind von diesen beiden Kategorien die Elendsherbergen 
und Leprahäuser vor den Toren der Ansiedelungen; im Norden 
waren sie in der Regel dem hig. Georg gewidmet, im Süden 
der hlg. Katharina; Ueberbleibsel dieser Anlagen oder Anstalten 
finden sich ja noch vielfach, wenn auch der eigentliche Zweck, 
Aussätzigen zum Aufenthalt zu dienen, längst hinfällig ge¬ 
worden ist Bei der Errichtung dieser Häuser hat wofl die 
Liebe und Mildtätigkeit kaum mitgewirkt, es war wohl mehr 
die Angst und Furcht vor der Ansr/eckung mit der grässlichen 
Seuche, welche die Leproserien schuf und unterhielt Welche 
ungeheure Zahl von Aussatzhäusern existiert haben muss, be¬ 
weist der Umstand, dass uns allein aus Frankreich deren über 
2000 bekannt sind. 

Die Krankenhäussr des Mittelalters wurden fast ausnahms¬ 
los durch private Wohltätigkeit gegründet; Staat und Stadt 
beteiligten sich damals noch nicht an der Errichtung derlei 
Anstalten. Heute haben die Kommunen das Recht und die 
Pflicht, für Kranken-Unterkunft und -Pflege zu sorgen, über¬ 
nommen, dafür sind aber leider fromme Stiftungen fast gar 
nicht mehr zu verzeichnen, welche dfem Mittelalter ein so 
eigentümliches Gepräge verleihen und uns mit so manchen 


Schattenseiten desselben aussöhnen. Es ist eben die Auflassung 
für das ganze Mittelalter charakteristisch, dass Reichtum zum 
Verbrau(m für sich und andere da sei, er wird zum eigenen 
Luxus und ganz besonders zu Schenkungen an die Kirche, an 
Stiftungen, zu Werken christlicher Pietät und Nächstenliebe 
verwandt. Demgegenüber spielen die paar Stiftungen der 
Jetztzeit eines Krupp, Abbe usw., die teilweise auch auf an¬ 
deren Prinzipien beruhen, gar keine Rolle. 

Das 13. und 14. Jahrhundert sah in Deutschland die meisten 
Hospitäler errichten, ursprünglich wohl sämtlich unter kirch¬ 
licher Aufsicht und unter kirchlichem Schutz. Es scheint aber, 
dass in unserem Vaterlande bereits ziemlich frühzeitig die Ober¬ 
leitung und Verwaltung der Hospitäler in die Hände der Stadt¬ 
verwaltungen kam, obwohl bei der Gründung noch die Kirche 
beteiligt war. Im Gegensatz dazu behielt beispielsweise in 
Frankreich das Hospit^wesen bis in die Neuzeit eine fast aus¬ 
schliesslich kirchliche Organisation. 

Man tut auch gut, bei diesen ersten Hospitälern stets diese 
Bezeichnung anzuwenden und nicht von Krankenhäusern zu 
reden. Jene Anstalten waren ihrem ersten Zweck nicht ganz 
entfremdet, sie dienten neben der Pflege der Kranken als 
Armenversorgungsanstalten und als Pfründnerstellen für arme 
und der Pflege bedürftige Leute. Vielleicht hängt mit dieser 
I Verwendung auch die heute vielfach noch vorhandene Abnei- 


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190«. 


MEa)ICmi8CHB WOCHE. 


79 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

PhysiologiscJts GeseUachaft zu BerUu* 

6. Sitzung Freitag, 19. Januar 1906. 

Herr Dr. Wessely demonstrierte einen kompendiösen und 
wohlfeilen Apparat, der in bequemer Weise die Autoophthalmo¬ 
skopie ermöglicht und das im wesentlichen zu Unterrichtszwecken 
Verwendung finden soll. Die Gesellschaft überzeugte sich, dass 
der Apparat, der schon vor einigen Jahren im Prinzip beschrieben 
worden ist, tatsächlich ein sehr deutliches Bild der eignen Netz¬ 
haut gibt. 

Herr Prof. Cohnheim-Heidelberg (a. G.) sprach über Gly¬ 
kolyse. Vor Jahren hatte er mitgeteilt, dass im Muskelfieisch 
ein aktives glykolytisches Ferment nicht vorhanden sei, dass es 
vielmehr der Aktivierung durch einen Pankreas-Auszug bedürfe. 
Weitere Studien haben nun ergeben, dass dieser aktivierende Ein¬ 
fluss des Pankreas tatsächlich be.stehe, dass aber auch ohne Pan¬ 
kreaszusatz und unter durchaus aseptischen Kautelen Zucker in 
ziemlich beträchtlichem Grade durch Muskelfieisch ersetzt werden 
könne. Allerdings komme es dabei in ausserordentlich hohem 
Grade auf den Zustand an, in dem sich das Tier vor seinem Tode 
befunden habe. Himger, die Art der Ernährung und die Tem¬ 
peratur des Raumes spielten dabei eine Rolle, und w'enn es auch 
noch nicht gelungen ist, den Einfluss dieser Faktoren im einzelnen 
genau festzustellen, so konnte C. doch dank geeigneter Kombi¬ 
nation der genannten Bedingungen willkürlich die Tiere so beein¬ 
flussen, dass er entweder ein Fleisch erhielt, das in hohem Grade 
die Fähigkeit besass, Zucker zu zersetzen, oder solches, das diese 
Eigenschaft fast gar nicht besass. Nicolai. 

GeseUachaft für Geburtahiilfe und Gynäkologie 
zu Berlin, 

Sitzung am 36. Januar 1906. 

Bunge demonstriert einen Fall von rudimentären Genitalien. 

Hartmann berichtet über einen Fall von Sitz der ad- 
härenten Placenta in der Cervix und stellt auf Grund dieses 
Falles mechanisch-physikalische Betrachtungen über die Bildung 
des unteren Uterinsegmentes an. 

Bröse 1. berichtet über einen Fall, bei dem er bei der 
Untersuchung auf Schwangerschaft das sogenannte Bratin’sche 
Schwangerschaftszeichen, d. i. die deutliche Ausladung des Uterus 
nach einer Seite hin, zur Sicherung der Diagnose hernnziehen 
konnte. Bröse, der in diesem Falle wegen Phthise den künst¬ 
lichen Abort einleitete und den Uterus ausräumte, fand bei Aus¬ 
tastung des Uterus gerade das Gegenteil der Braun'sehen An- 


gung gegen das Krankenhaus zusammen. Weite Schichten 
des Volkes sträuben sich geradezu, die Krankenhäuser aufzu¬ 
suchen , obwohl sie es dort in jeder Beziehung besser als zu 
Hause haben. Doch das nebenbei. 

Die Verpflegung der Hospitalinsassen war in den besseren 
Zeiten des Mittelalters eine vortreffliche, während spätere 
Zeiten freilich darin einen Wandel zum Schlechteren brachten, wo¬ 
zu namentlich Missernten und Hungersnöte das Ihrige beitrugen. 

Aber die hygienischen Einrichtungen der mittelalterli(men 
Spitäler werden nicht viel anders und nicht viel besser ge¬ 
wesen sein, als sie es auch bis in die Mitte des neunzehnten 
Jahrhunderts in den meisten Orten noch waren. Und da blieb 
nach heutigen Begriffen recht viel zu wünschen übrig. In 
Betreff der ärztlichen Tätigkeit dürfen wir wohl mit Recht an¬ 
nehmen, dass die Rolle der Medicin im Mittelalter und noch 
weit darüber hinaus bis in die Neuzeit herein an den Spitälern 
eine ziemlich untergeordnete war, sie trat gegen die Verwal- 
tung ganz zurück. 

Im Folgenden beschäftigt sich dann Verf. im Einzelnen 
mit dem städtischen Hospital zum hlg. Geist in Gmünd. Die 
älteste darauf bezügliche Urkunde ist ein Erlass des Bischofs 
Hartmann von Augsburg vom 8. Juni 1769, in welcher die Er¬ 
bauung einer Kapsle bei dem Spital gestattet wird, doch muss 
demnach die Gründung der Anstalt erheblich weiter zurück¬ 


sicht, dass die Ausladung gewöhnlich das Ei enthalte. In seinem 
Palle fand er das Ei in der linken Uterushälfte, und rechts 
die noch bestehende, vorher gefühlte Aussackung, die leer war. 

Diskussion: Müllerheim hält das Braun’sche Zeichen 
für ein Kontraktionsphänomen. 

Bumm: Die eben erwähnte Ausladung bei Graviditas intra- 
uterina gibt oft Anlass zu Verwechselungen mit Extrauterin¬ 
gravidität. Man achte daher auf den Befand, ehe man sich zur 
Laparatomie wegen Extrauteringravidität entschliesst. 

2. Eine grosse Pyosalpinx. Der Fall ist wegen des klinischen 
Verlaufes und der Schwierigkeit der Diagnose interessant. 

R. Meyer demonstriert 1. ein Lipom am Fundus Uteri, 

2, ein Lipom am Fimbrienende einer Tube, 3. eine Cyste am 
freien Rande der Tube — am ampullären Ende, 4. einen Pall 
von dissezierender Tubargravidität. 

Henkel hält seinen Vortrag „Ueber Pubotomie“. Er 
bespricht zunächst kurz die Anatomie des Beckens, die für die 
Pubotomie in Frage kommt. 

Die Vorteile der Pubotomie gegenüber der Symphyaiotomie 
sind: 1. Die Pubotomie ist viel weniger gefährlich. 2. Bei allen 
publizierten Fällen (über 100) ist eine feste Konsolidierung des 
Knochens eingetreten; die Gangfähigkeit der Frauen nach der 
Pubotomie Hess im Gegensatz zu denen nach der Sympbysiotomie 
niemals zu wünschen übrig. 3, Die Blutungsgefabr ist bei der 
Pubotomie geringer als bei der Symphyaiotomie und zwar deswegen, 
weil bei der Symphysiotomie leicht die vena clitoridis und der 
Plexus pudendus impar verletzt werden können. 

Komplikationen, die bei der Pubotomie auftreten können: 
1. Blasenverletzungen, vor allem bei eventueller folgender Zangen¬ 
extraktion. 2. Scheidenverletzungen, die eventuell wegen der 
Kommunikation mit der Beckenwunde zur Sepsis führen können. 

3. Ruptur der Articulatio sacro-iliaca, die bis jetzt allerdings 
noch von keiner Seite berichtet worden ist. Die beste 
Beinhaltung bei der Pubotomie ist nach den Erfahrungen in der 
Olshausen’scben Klinik die Walcher’sche Hängelage. Zur Ent¬ 
bindung nach der Pubotomie ist am besten die Wendung mit 
nachfolgender Extraktion. Sollte man mal gezwungen sein, die 
Zange zu nehmen, so wähle man wenigstens die Achsenzug¬ 
zange. 

Nachbehandlung: Nach den gemachten Erfahrungen genügt 
es, der Frau einfach einen Gurt um den Leib zu legen, eventuell 
ist auch dieser noch überflüssig. 

Die Prognose: 7% der Mütter ist gestorben, dieselbe 
Zahl, die Zweifel für die Symphysiotomie ausgerechnet hat. 

Was die Indikation der Pubotomie betrifft, so warnt H. 
vor allem bei L paris vor der Pubotomie, weil die Gefahr einer 
Scheidenwunde und kommunizierenden Pubotomiewunde hier eine 


liegen. Es war zweifelsohne von Anfang an für Kranke und 
Hilfsbedürftige aller Art bestimmt, nicht nur für Pfründner, 
von denen im Jahre 1400 etwa 70 vorhanden waren. Freilich 
trat das Pfründnerwesen mehr und mehr in den Vordergrund; 
wann und wodurch dies eingetreten ist, vermag man akten¬ 
mäßig nicht festzustellen; wir dürfen aber wom annehmen, 
dass zur Zeit des Niedergangs aller Verhältnisse im 16. Jahr¬ 
hundert auch die Fürsorge für die Kranken begann, miserabel 
zu werden. 

In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde das 
alte Spital abgebrochen und durch einen massiven Neubau er¬ 
setzt, aber erst 1860 wurde dieser seinem Zweck als Kranken¬ 
anstalt zugeftihrt, während es dem Jahre 1896 Vorbehalten 
blieb, das alte Heiliggeistspital in ein modernes Gewand zu 
kleiden: Das Pfründnerwesen geht zurück, die Aufnahme und 
Pflege von Kranken ist durchaus die Hauptaufgabe geworden, 
und zwar in einer den Anforderungen der Neuzeit entsprechen¬ 
den Weise. 

Da sich erfreulicherweise der Sinn für historische For¬ 
schung auch in der Medicin regt, wollen wir auf diese auf 
Grund der Urkunden und Akten des Spitalarchivs basierte Ge¬ 
schichte des Gmünder Spitals noch besonders Hinweisen, deren 
Lektüre interessante Streiflichter auf längst entschwundene 
Zeiten wirft. 


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80 


MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. T. 


zu grosse ist, uud die Prognose in diesen Fällen eine sehr 
schlechte. Bei I. paris mache man die Pubotomie nur dann, 
wenn die Scheide eine gewisse Weite hat, und die Frau durch¬ 
aus ein lebendes Kind haben will. Sonst kommt die Perforation 
in Frage. Beim platten Becken bilden die Maße der Conj. vera 
6,75—8,5, beim allgemeinen verengten Becken 9—7,5 eine Indi¬ 
kation zur Pubotomie. Man warte mit der Ausführung der Pubo¬ 
tomie, bis der Muttermund ganz erweitert ist. H. warnt vor zu 
häufiger Anwendung der Pubotomie; dieselbe ist natürlich nur für 
klinische Institute geeignet, nicht für den praktischen Arzt. 

B. K. 

Berliner medidnische GeseilsehafU 

Sitzung vom 31. Januar 1906. 

Tagesordnung: 

Koch: Ueber afrikanische Rekurrens. Die Rekurrens 
ist mit am frühesten als parasitäre Krankheit erkannt worden: 
trotzdem blieb ihre Aetiologie am wenigsten geklärt. In Afrika 
kommt eine Rekurrens vor, die der unseren sehr nahe steht. 
Dort Hess sich die Aetiologie leichter fostlegen. Danach darf 
man wohl, wenn hiesige Epidemien wieder Gelegenheit zu Forsch¬ 
ungen geben, auch hier Klärung erwarten. Die afrikanische Re¬ 
kurrens ist eine alte Krankheit; erst in neuerer Zeit hat man 
sie von der Malaria, mit der sie immer zusaramengeworfen wurde, 
differenziert. Sie kommt sehr häufig vor. besonder.s bei Euro¬ 
päern, die auf den Karawanenstrassen marschierten, wurden davon 
befallen; auch Eingeborene können davon befallen werden. Ueber- 
tragung auf Tiere (Affen) war möglich. Das waren die l)ekannten 
Tatsachen, als Koch vor einem Jahre in Ost-Afrika seine 
Forschungen begann. Trotzdem Versuche, die Spirochaeten in 
Zwischenwirten nachzuweisen, misslungen waren, begann er damit, 
Zecken, die an den Karawanenstrassen gefangen waren, zu unter¬ 
suchen, und er fand in ihnen reichlich die Spirillen. Während 
bei uns nur eine einzelne Zeckenart verkommt, in Süd-Europa 
etwa sechs, gibt es in Afrika sehr viele, die sich in zwei Gruppen 
scheiden, solche, die sich dauernd auf dem Wirt aufhalten und 
solche, die den Wirt nur aufsuchen, um Blut zu saugen. Zu den 
letzteren gehört die Art, die die Rekurrens überträgt. Die aus 
dem Ei gekrochene Zecke ist .stecknadelkopfgross, unter mehr¬ 
maliger Häutung wird sie linsengross, geschlechtsreif; das Weib¬ 
chen saugt sich vor der Eilegung reichlich voll Blut. Die 
Menschenzeoke ist eine ganz bestimmte .\rt: sie lebt nur in 
menschlichen Behausungen, in der Erde, in der Decke der Hütten; 
nur des Nachts kommen sie hervor. Man kann sie leicht züchten, 
bei regelmäßiger Blutfütterung; doch können sie auch monate¬ 
lange Hungerpausen ertragen. Die durch diese Zecken übertragene 
Krankheit ähnelt unserer Rekurrens. Im ganzen sind die Anfälle 
der afrikanischen Erkrankung kürzer, und meist werden sehr 
wenig Spirochaeten gefunden; sonst sind Verlauf, Komplikationen 
(Ikterus, Pneumonie) und Nachkrankheiten dieselben. In allen K. 
bekannt gewordenen Fällen trat Heilung ein. Die Spirochaete der 
afrikanischen Krankheit scheint etwas länger; im frischen Präparat 
zeigt sie sich schraubenförmig, sie dreht sich um ihre Längsachse, 
bewegt sieh aber nur sehr langsam fort. Häufig erkennt man 
die Tendenz, zusammenzuwandern, und nicht .selten sieht man 
sich ver.schliDgende Exemplare. Die von Schaudinn für seine 
These. dass die Spirochaeten in den Entwicklungskreis der Try¬ 
panosomen gehören, angeführten Kriterien (Längsteilung, Kern, 
Flimmersaum) hat K. niemals sehen können. Die Untersuchung 
der Zecken, die Blut gesaugt haben, zeigt in den ersten Tagen 
die Spirochaeten unverändert; etwa am vierten Tag sind sie aus 
dem Magen geschwunden; nachher findet man sie, oft in Klumpen 
auf dem Ovnrium, wo sie sich wahrscheinlich vermehren. Auch 
in den Eiern der Zecken findet man in etwa einem Viertel der 
Gelage Spirochaeten, und auch hier ist eine Vermehrung wahr¬ 
scheinlich. Die aus dem Ei gekrochenen Zecken sind wieder in- 
fektionstüchtig. Mit iin Glas gezüchteten Zecken hat K. oft den 
Versuch an Affen angestellt; auch von anderer Seite sind diese 
Versuche bestätigt worden. Durcli die.se wichtigen Versuche ist 
wohl sicher erwiesen, dass die Zecke der Zwischenwirt der Spiro¬ 
chaete, dass sie der Ueberträger der Infektion ist. Damit ist die 
Grundlage der Aetiologie gegeben. Zur Ergänzung der Labo¬ 
ratoriumsversuche hat K. dann praktische Versuche auf den Ka- 


rawanenstrassen angestellt. An jedem Ort der Strasse fanden 
sich infizierte Zecken; der Grad der Verseuchung variierte zwischen 
7 und 40%. Aber auch aus Dörfern, die weit ab vom Verkehr 
lagen, erhielt K. reichlich infizierte Zecken, besonders aus Hütten, 
die von Kindern bewohnt waren. Dadurch ist bewiesen, dass die 
Seuche nicht auf die Verkehrastrassen be.schränkt ist, aondeni 
weit über das Land verbreitet, dass sie endemisch i.st. Der Ein¬ 
geborene wird wahrscheinlich sehr frühzeitig von der Krankheit 
befallen und wird dann immun. Die Immunitätsfrage wurde auch 
experimentell geprüft, und es ergab sich, dass Affen, die eine 
leichte, abortive Erkrankung überstanden, einer Reininfektion zu¬ 
gänglich waren, dagegen nicht .solche, die eine schwere Er¬ 
krankung durchgemacht hatten. Therapeutisch kann K. nichts 
neues beibringen; Chinin hat sich als wirkungslos erwiesen; er 
glaubt aber, das.s es bei der Leichtigkeit des Experimentierens 
gelingen wird, ein Spezifikum zu finden; auch von einer Serum¬ 
therapie verspricht er sich Erfolg. Bei dem bisherigen Mangel 
einer erfolgreichen Therapie mus.s man umso mehr die Prophylaxe 
pflegen; in dieser Hinsicht genügt es, die Orte zu meiden, w’o 
die Zecken sich aulhalten; der Reisende soll seine Zelte in ent¬ 
sprechender Entfernung von den Schutzdächern, Eingeborenen¬ 
hütten aufschlagen. So ist es K. selbst mit seiner Karawane ge¬ 
lungen, von der Kmnkheit verschont zu bleiben. Bei diesem ein¬ 
fachen Verfahren der Prophylaxe sind weitere Maßnahmen zur 
Verhütung der Erkrankung überflüssig. P. 

Österreich. 

Verein deutscher Aerzte ln Brng, 

Sitzung vom 2. Dezeml)er 1905. 

Herr A. Selig, Franzensbad: Die funktionelle Herz¬ 
diagnostik. An 100 Versuchspersonen, teils gesunden, teils 
kranken (insbesondere an solchen mit Erkrankungen des Kreis¬ 
laufapparates) wurden Funktionsprüfungen des Herzens vor- 
genommeu. Die Arbeitsleistung bestand im raschen Auf- und 
Absteigen von Treppen, während bei 4 FussbalLspielem die Unter¬ 
suchung nach einem andertbalbstündigen Wettspiele vorgeuommen 
wurde. War der Puls und Blutdruck auch bei allen Personen 
nach der Arbeit erhöht, bei den Fussballspielern war der arterielle 
Druck gesunken (um 20—25 mm) bei gleichzeitigem Auftreten 
von Eiweiss im Harne (bis 0,5 '’/oo Kssb.) und sehr vielen hya¬ 
linen und granulierten Zylindern im Sediment. 

Der Pols bei gesunden Versuchspersonen stieg bei mäßiger 
Arbeit durchschnittlich um 23 Schläge {in der Minute), der Blut¬ 
druck um ca. 8 mm; bei verschiedenen Erkrankungen betrug die 
Pulszunahme resp. Blutdruckzunahme 28 resp. 8 mm. Bei Er¬ 
krankungen des Herzens und der Gefäs.se nahm die Frequenz 
nur 19 pro Minute zu, die Blutdrucksteigerung betrug 10 mm Hg. 
Dabei zeigten Herzen mit kranken Klappen eine sehr gute 
Leistungsfähigkeit, viel besser als bei Myocarditis und Arterio¬ 
sklerose. 

Die Herzgrösse blieb bei gesunden Versuchspersonen trotz 
Arbeit unverändert, bis aiif einen jungen Mann, bei dem nach 
dem raschen Aufsteigen von 387 Stufen der vorher intramamillär 
gelegene Spitzenstoss ca. 1,5 cm nach au.ssen rückte, ohne dass 
von seiten des Pulses oder des Blutdruckes und Allgemeinbefindens 
irgend welche Zeichen der Ermüdung auftraten. 

Als Zeichen der Herzinsuffizienz fand S. Atemnot, Ver- 
grösserung der Herzdämpfung, Verlagerung des Spitzenstosses, 
Beschleunigung ev. Unregelmäßigkeit der Schlagfolge, einen kleinen, 
weichen Puls. Doch darf nicht aas einem oder mehreren S 3 nnptomen 
auf Herzinsuffizienz geschlossen werden, charakteristisch für dieselbe 
ist der Gesamteindruck, das Bild einer mehr oder weniger schweren 
Erschöpfung. Wichtig ist der Zustand des Herzmuskels. 

Die praktischen Resultate, die sich durch die funktionelle 
Prüfung des Herzens ergeben, fasst Vortr. zusammen: Recht¬ 
zeitiges Erkennen einer mangelhaften Resistenzfähigkeit des 
Herzens, Verhütung von Ueberlastung des Herzens, Wahl eines 
dementsprechenden Berufes. 

Herr Lisa au demonstriert einen Holzgriff eines Handsebuh- 
machermessers von 13 cm Länge und 10 cm Umfang, welcher in 


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im 


MBDICINISCHB WOCHE. 


81 


den Mastdarm geschlüpft war, als der betreffende Patient ein 
eben im Mastdarm verschwundenes Elystieransatzstück mit dem 
genannten Griffe entfernen wollte. Die Extraktion gelang glatt. 


Standesfragen. 

Aerztekammer Berlin-Brandenburg. 

Von Dr. M. Cohn, Berlin-Charlottenburg. 

Die am 22. Januar abgebrochenen Verhandlungen nahm die 
Berlin-Brandenburgische Aerztekammer am 30. wieder auf. Vor 
Eintritt in die Tagesordnung nahm sie Stellung zu dem Beschluss 
des Aerztekammerausschusses, in der Frage der Verschmelzung 
der Arbeiterversicherungsgesetze dem deutschen Aerztevereinsbund 
die Führung zu überlassen. Durch dieses Vorgehen würden die 
reiflich erwogenen Beschlüsse der Kammer einfach unter den 
Tisch fallen. Die Kammer nahm daher folgenden Antrag an: 

„Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den 
Stadtkreis Berlin erhebt Einspruch gegen die Behandlung ihrer 
Beschlüsse seitens des Aerztekammerausschusses, insbesondere auch 
in der Frage der Neuordnung der Arbeiterversicherungsgesetze. 
Sie beauftragt den Vorstand, den Herrn Oberpräsidenten zu bitten, 
die einschlägigen Verhandlungen und Beschlüsse der Kammer dem 
Herrn Minister der Geistlichen-, Unterrichts- und Medicinalange- 
legenheiten unterbreiten zu wollen, damit die preussische Staats¬ 
regierung im Sinne dieser Beschlüsse auf die deutsche Reichs¬ 
regierung einwirken möge“. 

Aus dem dann folgenden Kassenbericht ergab sich, dass Ein- 
nalimen und Ausgaben mit 166 776 Mk. balanziereu. Unter den 
Ausgaben bilden den Hauptposteu 75000 Mk., die der ärztlichen 
Unterstützungskasse überwiesen worden sind. Beim Ehrengericht 
überschreiten die Ausgaben ganz bedeutend die Einnahmen, so 
dass von neuem eine Abänderung des Gesetzes über die ärztlichen 
Ehrengerichte in der Hinsicht angeregt wurde, dass auch säch¬ 
liche Gebühren erhoben werden können. 

Den Hauptteil der Sitzung nahm die nunmehr folgende Be¬ 
ratung des Etatsanschlags für das Jahr 1906 in Anspruch. Den 
Hauptposten bildet auch hier wieder der Betrag für die Unter- 
stützungskasse iu Höhe von 50000 Mk., der einstimmig bewilligt 
wurde. Ein Antrag Thiem (Kottbus), allen Mitgliedern der 
Kammer und der Kommissionen Diäten zu gewähren, wurde nach 
längerer Diskussion abgelehnt. Bei dem Posten „Beitrag zum 
Aerztekammerausschuss“ erhebt Kossmann Klage darüber, dass 
der Ausschuss die Kammer ausserordentlich stark zu den Kosten 
heranziebe, dagegen ihr keine grösseren Rechte gewähre als den 
anderen Kammern; er beantragt, die Kammer solle nur den 
zwölften Teil der Kosten des Ausschusses tragen. Dieser Antrag 
wird abgelehnt, nachdem darauf hingewiesen worden ist, dass der 
Ausschuss zu seinem Vorgehen formell berechtigt sei; gleichzeitig 
wird beschlossen, den Ausschuss um eine ausführliche Rechnungs¬ 
legung zu ersuchen, 

Eäne ausgiebige Diskussion entspann sich bei der Beratung 
des Beitrages für das ärztliche Fortbildungswesen. M. Cohn be¬ 
mängelte zunächst, dass das Zentralkomitee trotz mehrmaligen Ver¬ 
langens bisher keine übersichtliche Abrechnung vorgelegt habe; 
er betont dann, wie ungerechtfertigt es ist, dass die Dozenten 
kein Honorar erhalten, und kritisiert die Organisation der Kurse, 
wobei er hervorhebt, dass die allgemeinen Disziplinen eine grössere 
Berücksichtigung erheischen. Schliesslich weist er darauf bin, dass 
die Gründung einer eigenen „Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“ 
bei der Ueberzahl bestehender medicinischer Organe recht unnütz 
sei. Mugdan verlangt Aufklärung darüber, wie sich das Zentral¬ 
komitee zu der Aeiisserung seines Generalsekretärs stelle, der nach 
einer Sitzung des Komitees veröffentlicht habe, dass das Komitee 
die auf dem Strassburger Aerztetag gefallene Kritik als Aus¬ 
brüche eines „unsachlichen und phrasenhaften Volksrednertums“ un¬ 
beachtet lasse. Exz. von Bergmann, der Vorsitzende des 
Zentralkomitees, erklärt, dass er es lieber gesehen hätte, wenn 
diese Aeusserung nicht gefallen sei; in dem Protokoll der Sitzung 
des Zentralkomitees stehe nichts davon ; man könne die Aeusserung 
Euttners als Ausdruck des Gesamtkomitees ausehen, aber man 


müsse es nicht. Dass man im Zentralkomitee sehr ungehalten über 
die Strassburger Kritik gewesen sei, gebe er zu. Im Uebrigen 
versprach von Bergmann, die vorgetragenen Wunsche nach 
Möglichkeit zu berücksichtigen. Mugdan replizierte, dass die 
Angelegenheit für ihn nicht erledigt sei; der Generalse^etär habe 
sich eine grobe Täuschung des Publikums erlaubt Zum Vertreter 
der Kammer im Zentralkomitee wurde Becher wiedergewählt. 

Für die Einnahmen der Kammer wurde die Besteuenmg wieder 
wie bisher festgesetzt. Es wird also erhoben M. 10 Grundsteuer 
von allen Aerzten und ein Zuschlag von 5% der Staatseinkomm¬ 
steuer von allen Einkommen über M. 5000. Im Ganzen bewohnen 
den Kammerbezirk jetzt 4103 Aerzte; von diesen versteuern 
(Gesamteinkommen, nicht rein ärztliches Einkommen): 

144 oder 3,5% ein Einkommen von 0 Mk. 


999 

n 

24,34% „ 


900—3000 „ 

1685 

M 

16,69% 

}} M 

3000—5000 „ 

1401 


34,68% „ 

V 

5000—12500 „ 

495 

n 

11,99% „ 

IT 

12500—30500 „ 

156 

ij 

3,76% „ 

?T n 

30500—80000 „ 

16 

n 

0,3% „ 

11 n 

80000—120000 „ 

6 

n 

0,14% „ 

H 

160000—180000 „ 

3 


0,07% „ 


26000 bezw. 310000 
bezw. 330000 „ 

Gegen 

das Vorjahr ist 

die absolute 

Steigung des Einkommens 


der Aerzte eine recht geringe, kaum entsprechend der gleichzeitig 
eingetretenen Steigung der Kosten der Lebenshaltung. 

Den Bericht über die Tätigkeit des Ehrengerichts erstattete 
der Vorsitzende. In der Erörterung wurde betont, dass die grosse 
Zahl der Selbstanzeigen das Ehrengericht ganz ausserordentlich be¬ 
laste ; erschwerend auf die Geschäftsführung wirken auch die 
langen Berufungsfristen. 

Der Schöneberger Aerzteverein hatte, um die Abgabe von 
Morphium und Veronal zu erschweren, folgenden Antrag gestellt: 

„Die' Aerztekammer möge an zuständiger Stelle beantragen: 

I. Alle Rezepte, welche Morphium oder dessen Salze zur Ein¬ 
spritzung unter die Haut enthalten, sind in der Apotheke zurück- 
zubebalten und bei jedesmaliger Revision vorzulegen. 

Diese Vonschrift muss sich auch auf tierärztliche Rezepte be¬ 
ziehen. 

Mit Rücksicht auf die Kammergerichtsentscheidung vom 25. 
4. 04 soll jedes Rezept deutlich den Namen des verordnenden 
Arztes, die Bezeichnung als Arzt und den Wohnort bez. die 
Wohnung des Arztes enthalten. 

n. Veronal soll unter die in dem den Vorschriften, betreffend die 
Abgabe stark wirkender Arzneimittel usw. vom 13. 5. 96 bei¬ 
liegenden Verzeichnis aufgeführten Drogen aufgenommen werden.“ 
Die.ser Antrag wurde mit grosser Mehrheit angenommen. 

Den Schluss der Beratungen bildete die Annahme des folgenden 
von S. Alexander begründeten Antrages des Rechtsschutzvereins 
Berliner Aerzte: „Die Aerztekammer zu erauchen, den jüngeren 
Kollegen eine Aufklärung in wirtschaftlichen Rechtsangelegenheiten 
zu teil werden zu lassen, in ähnlicher Weise, wie dies seitens der 
Aerztekammer in Strafsachen geschehen ist.“ 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinische Wochenschrift. 1906. No. 5. 

1. Daxenberger, Regensburg: Ein Fall von Pnenmo- 
kokken-PeritonitiB mit Heilung. 

Der Fall betraf ein 5jähriges Mädchen, welches unter den 
ausgeprägten Erscheinungen einer Pneumonie in Behandlung kam. 
Innerhalb der ersten fünf Tage stellten sich heftige Leibschmerzen, 
Aufgetriebensein und Druckempfindlichkeit des Abdomens ein. 
Pat. kollabierte bei 40" und 140 Pulsen. Die Probepunktion 
ergab dicken gelbgrünen Eiter mit Diplococcus pneumoniae 
Fraenkel. Es würde sofort zur Operation geschritten, eine 
breite Oeffnung gemacht, viel Eiter entleert, mit warmer Koch¬ 
salzlösung ausgespült. Das Fieber fiel, das Allgemeinbefinden hol> 
sich und Pat. wurde geheilt. Bemerkenswert ist der günstige 
Effekt der Operation bei bereits sehr weit vorgeschrittener Perito¬ 
nitis piirulenta. 


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82 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 7. 


2. Loeb, Strassburg; Ein Fall Ton X^eH'Limgea-Fistel. 

Ra sind bisher nur neun Fälle von Magenlungenfistel be¬ 
schrieben worden. Bei allen verlief die Affektion sehr schnell 
tötlich. Verf. hatte Gelegenheit, einen derartigen Fall zu beob¬ 
achten, der sozusagen stationär blieb und bei dem nach dem Ver¬ 
lauf die Prognose nicht ganz infaust aufgefasst zu werden braucht. 
Der Fall bietet auch insofern eine Besonderheit, als anamnestisch 
eine ziemlich frühe Entstehungszeit der Fistel wahrscheinlich ge¬ 
macht wurde. Wie die Fistel entstand, ist mit Sicherheit gar 
nicht zu sagen, aller Wahrscheinlichkeit nach hat es sich hier 
wie in den bisher beobachteten Fällen um einen subphrenischen 
Abszess gehandelt. In der Lunge bestanden deutlich nachweis¬ 
bare Cavemen. 

3. Moro, Graz: Kukmilohpräzipitm im Blute eines 4'/s Mo¬ 
nate alten Atropkikers. 

Verf. hatte schon früher mit negativem Resultate Versuche 
darüber angestellt, ob bei Läsionen des Darmes bei Flaschen¬ 
kindern Milcheiweiss oder spezifisches Präzipitin im Blute nach- 
zuweisen sei. Der vorliegende Fall gab ein positives R/Osultat. 
Das Kind ging unter den klinischen, durch die Sektion bestätigten 
Erscheinungen der Atrophie zugrunde. Das Blutserum gab mit 
roher und gekochter Kuhmilch nach wenigen Minuten einen in¬ 
tensiven, dickflockigen Niederschlag. Mit Menschenmilch trat 
keine derartige Erscheinung auf. Es waren also wirksame Präzi¬ 
pitine vorhanden, welche wohl ihre Entstehung grösseren Mengen, 
vor längerer Zeit aufgenommenen Kuhmilcheiweiss in die Blutbahn 
verdanken. Ob die zum exitus führende Atrophie sich ebenfalls 
von dieser Aufnahme von Rindereiweiss herleitet, ist unwahr¬ 
scheinlich. 

4. L e v y, Heidelberg: Quantitative Zuckerbestimmung im 
Ham. 

Verf. hat das Verfahren von Riegler und Pavy mit der 
Polarisatiousmethode in Vergleich gesetzt und zahlreiche Unter¬ 
suchungen vorgenommen. Das Resultat derselben bestand darin, 
dass die Riegler’sche Methode, der Kaliumpermanganatreaktion 
und nachträglichen gasvolumetrischen Kohlendioxydbestimmung, 
sich wesentlich unzuverlässiger erweist als die Pavy’sche Me¬ 
thode. Es kommt hinzu, dass die letztere viel weniger Apparate 
erfordert und infolgedessen weit einfacher für den praktischen 
Arzt auszuführen ist. Die Pavy’sche Methode nach der Modi¬ 
fikation von Sahli wird in folgender Weise ausgeführt: Man 
bringt 10 ccm einer Lösung von cupr. sulf. 4,158, Seignette- 
salz 20,4, kal. caustic. pur. 20,4, Ammon, caust. (sp. Gew. 0,880) 
300,00, aq. dest. ad. 1000,0 mit 30 ccm Wasser in ein Koch¬ 
kölbchen von 75—100 ccm Rauminhalt. Das Kölbchen setzt man 
auf ein Kochgestell mit Asbestplatte und erhitzt allmählich. So¬ 
dann füllt man eine Bürette mit dem je nach dem Zuckergehalt 
stärker oder schwächer verdünntem Urin (20-, 40-, 50 fach). Die 
Verdünnung muss mit abgekochtem oder destilliertem Wasser 
vorgenommen werden. Sowie nun die Lösung im Kölbchen zu 
kochen anfkngt, setzt man in kontinuierlichem Tropfenstrom den 
Inhalt der Bürette zu und passt den Moment ab, wo Entfärbung 
eintritt. Aus der verbrauchten Hammenge lässt sich unter Be¬ 
rücksichtigung ihrer Verdünnung leicht der Prozentgehalt fest¬ 
stellen. Die Methode ist einfach und nach den Unter.suchungen 
des Verf. ohne besondere technische Fertigkeit ausführbar und 
ergibt in Maximo nur Abwekhungen bis 0,8 *’/ß, ein immerhin 
erträglicher Fehler. 

5. Rosenberger, Würzburg: Heber Harnsäure- und Xan- 
thinbasenausscheidnng während der Behandlung zweier Len- 
kämiker und eines Falles von Psendolenkämie mit Röntgen- 
strahlen. 

Die eingehenden Untersuchungen des Verf. haben folgende 
Schlussfolgerungen ergeben: 1. Die Behandlung mit Röntgen¬ 
strahlen ändert bei Leukämikem die Menge der abgeschiedenen 
Harnsäure, ein Einfluss derselben in dieser Richtung ist jedoch 
bei anderen Kranken bis jetzt nicht beobachtet. 2. Im Anfang 
.steigert die Bestrahlung bei leistungsfähigen Leukämikem die 
ausgeschiedene Hamsäuremenge. 3. Abnahme der ausgeschiedenen 
Harnsäure während der Behandlung ist prognostisch günstig, bei 
Verschlimmerung steigt der Harasäurewert wieder. 4. Die Aus¬ 


scheidung der Xanthinbasen steigt während der Bestrahlung und 
Nachwirkung derselben. 5. Bei der Pseudoleukämie scheinen 
die Röntgenstrahlen nicht ohne Einfluss auf die Milz zu sein. 
Eine Heilwirkung konnte nicht beobachtet werden. Auf die Ham- 
säureausscheidung sind die Bestrahlungen ohne deutliche Wirkung. 

6. Steinbüchel, Graz: Intraperitoneale Ligamentver* 
kürznng nach Menge. 

Die Menge’sche Modifikation der in Frage kommenden 
Operation besteht darin, dass zunächst die ligamenta rotunda 
möglichst ausgiebig gefaltet und die Schlingenschenkel vernäht 
werden und dass ausserdem die bei dieser Operation sich bildende 
Falte des ligamentum latum gleichfalls auf die Vorderwand des 
Uterus aufgenäht wird. Nach den günstigen Erfahrungen des 
Verf. schafft diese Operation den physiologischen Verhältnissen 
möglichst entsprechende Zustände und bewährt sich daher sehr 
gut. Als Nahtmaterial hat sich dem Verf. Jodkatgut am be.steu 
bewährt. 

7. Liebe, Heidelberg: Heber Lokalanästhesie mit Hovo- 
kain-Snprarenin. 

Verf. hat mit dem von den Farbwerken Meister Lucius 
und Brüning in Höchst in den Handel gebrachtem Anaestheticunn 
Novokain Versuche angestellt. Das Novokain ist das salzsjiure 
Salz des p-Aminobenzoyldiaetbylaminoaethanol. Ks ist sehr leicht 
löslich in Wasser und kann in dieser Lösung wiederholt auf¬ 
gekocht, also leicht sterilisiert werden. Die anästhesierende 
Wirkung gegenüber dem Kokain ist etwas geringer, etwa */„. 
Die Kombinierung des Präparates mit Nebennierensubstanz gelingt 
gut, ein wichtiger Umstand, weil durch diesen Zusatz die Mög¬ 
lichkeit gegeben wird, mit viel geringeren Konzentrationen dos 
Anästhetikums auszukommen, da die Nebennierensubstanz die un¬ 
erwünscht schnelle Resorption hindert. Die meisten der vom 
Verf. mit Novokain behandelten Fälle betrafen Leitungsanästhe¬ 
sien, die Erfolge waren durchweg so gute, dass Verf. das Novo¬ 
kain als vollwertigen Ersatz des Kokains bezeichnet. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 5. 

1. Rosenfeld, Breslau; Akute Struma als Folge von See¬ 
krankheit. 

Verf. hatte Gelegenheit, auf einer längeren Seereise eine 
akut auftretende Struma zu beobachten, welche offenbcir infolge 
der durch Seekrankheit bedingten heftigen Brechakte veranlasst 
wurde. Verf. nimmt an, dass es sich um eine durch vermehrte 
Blutzufuhr bedingte Vermehrung des Thyreoideagewebes handelte, 
da der Kropf ziemlich konsistent war und einiger Wochen zur 
Rückbildung bedurfte. Bei einer anderen Patientin konnte er in¬ 
folge von Seekrankheit das Auftreten eines akuten Gefässkropfes 
beobachten, welcher in wenigen Tagen vollkommen zurückging. 

2. Kaliski, Breslau: Heber eine neue Fnnktionsprüfung 
des M^enchemismus während der Verdauungstätigkeit ohne 
Anwendung der Schlundsonde. (Sahli’sche Desmoldreaktion.) 

Die Anwendung der Schlundsonde ist stets mit gewissen, bei 
neura-sthenischen Patienten oft unüberwindlichen Schwierigkeiten 
verknüpft. Es ist daher ein höchst dankenswertes Bemühen, eine 
Methode zu erfinden, welche die Anwendung der Schlundsonde 
entbehrlich macht. A. Schmidt in Dresden hat zuerst auf die 
Tatsache hingewiesen, dass der bindegewebige Teil des Rinder- 
cökums, die sogenannte Goldschlägerhaut, durch Pepsin und Salz¬ 
säure bei Körpertemperatur gelöst wird, während Pankreassekret 
und Milchsäure diese Lösung nicht zuwege bringen. Sahli in 
Bern hat nun Versuche aogestellt, daliingehend, dass in derartige 
Goldsclilägerhäutchen, sogenannte Desmoidbeutel, differente Stoffe 
eingeschlossen wurden, deren Nachweis nach erfolgter Auflösung 
des Beutels im Speichel oder Harn leicht gelingt. Da die Gold¬ 
schlägerhaut nicht immer leicht zu beschaflfen ist, trat an ihre 
Stelle eine dünne Gummihaut, welche mit Katgutfkden zugeschnürt 
wurde. Verf. hat genau nach Vorschrift Sahli’s Untersuchungen 
angestellt, als Indikator dienten ihm Pillen von Jodkali, deren 
Nachweis im Speichel, Pillen von Methylenblau, deren Nachweis 
im Ham leicht gelang. Die Resultate der zahlreichen Unter¬ 
suchungen fasst Verf. zum Schluss rein iiir die Praxis folgender¬ 
maßen zusammen. Nach Darreichung eines Gummibeutels mit 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


83 


Mdt^ylenblanpille zeigte sich der Ham bei Hyperazidität bereits 
nach 4—7 Stunden tiefblau. Bei normaler Azidität tritt die 
Blaufärbung nach 7—12 Stunden ein und ist anfangs schwach. 
Bei Snbazjdität resp. motorischer Insuffizienz tritt die Blaufärbung 
des Harns erst am nächsten Tage auf. 

3. Westenhoeffer, Berlin: üeber perihypophyseale 
Eiterung und einige andere bemerkenswerte Befunde bei Oe» 
nickstarre. 

Verf. hat die Cerebrospinalmeningitis bei der schlesischen 
Epidemie in eingehender Weise studiert und den Versuch gemacht, 
auf histologischem Wege Aufschluss über den Weg, den die In* 
fektion nimmt, zu erhalten. Dieser Versuch ist mit positiver 
Sicherheit nicht als gelungen zu bezeichnen. Die Frage, ob die 
Einwanderung der Meningokokken auf dem Wege der Lymph- 
oder Blutbabn erfolgt, lässt sich auch bei diesen ungemein ein¬ 
gehenden histologischen Untersuchungen noch nicht beantwoiten. Be¬ 
merkenswert war im Befunde bei sechs Fällen eine mehr oder 
weniger starke Eiterung in der Umgebung der Hypophysis. Diese 
Eiterung betraf hauptsächlich die seitlichen Teile, während der 
unterste Teil der Hypophyse stets frei von Eiter war, ein Beweis, 
dass der purulente Prozess nicht vom Grande her sich entwickelt 
haben konnte. Es scheint vielmehr der Eiterungsprozess von der 
Arachnoides her sich zu entwickeln und da bei der gewöhnlichen 
Meningitis die Hypophyseneiterungen nicht beobachtet werden, 
so können sie vielleicht für die Genickstarre als pathognomonisch 
gelten. Jedoch Verf. konnte bei zwei Fällen otogener Meningitis 
gleiche Befunde erheben und kam somit zu der Ueberzeugung, 
dass es sich doch nicht um einen charakteristischen Befund bei 
Genickstarre handeln könne. Die Annahme, dass der Prozess von 
der Bachentonsille, der notorischen Eingangspforte fhr die Menin¬ 
gokokken, der Earotis entlaug durch das foramen lacerum in den 
Schädel eindringe, hat ebenfalls histologisch keine Stütze gefunden. 
Auch ein Eindringen den Nervenstämmen entlang liess sich durch 
die histologische Untersuchung nicht erweisen. Für die häma¬ 
togene Aetiologie der Cerebrospinalmeningitis epidemica sprechen 
die Befunde der Kokken in der Blutbahn, auch Verf. konnte der¬ 
artige Befunde erheben. Vor allem fand er bei einem Pall in 
der Umgebung der nervi optici eine eitrige Infiltration auch der 
in die nervi optici eintretenden Aeste der arteria ophthalmica. 
Diese perivaskuläre Leukozytenanhäufung muss als eine entzünd¬ 
liche Extravasation aufgefasst werden. Auch dieser Befund stützt 
sehr die Theorie einer hämatogenen Verschleppung, aber wie be¬ 
reits anfangs gesagt, ein einwandfreier Beweis ist nicht erbracht. 

4. Hofmeier, Würzburg; Der „vaginale Kakerschnitt^ 
und die ohimq^sohe Aera in der Oeburtshttlfe. 

Unter vollster Anerkennung und Betonung der Verdienste 
Dübrssens um die operative Technik in der Geburtshülfe wendet 
sich der Verf. gegen eine allzuweit getriebene Indikationsstellimg 
in Bezug auf die operative Erweiterung der Gebnrtswege. Immer¬ 
hin müsse der Satz bestehen bleiben: „Erst die Mutter, dann das 
Kind“. Es sei bis heute kein Beweis dafür erbracht, dass die 
durch blutige Operation entbundenen Kinder geistig gesunder 
seien als die, welche bei einer schweren Entbindung zur Welt 
kamen. Verf. steht durchaus auf dem Standpunkt, dass man 
einer Kreissendon nicht jedes Verfügungsrecht über ihren Körper 
abstreiten könne. Zumal bei der in Deutschland bestehenden 
Ueberzahl an Gebxmten müsse der obige Satz besondere Beachtung 
verdienen. Von allem dem abgesehen, ist der von Dührssen 
angegebene vaginale Kaiserschnitt, d. h. die tiefen Inzisionen 
durchaus nicht so einfach und ungefährlich, als man zuerst an- 
ztmehmen geneigt war. Verf. erkennt voll und ganz an, dass die 
operative Technik in der Geburtshülfe ihren wohlverdienten Platz 
einnimmt, aber er wendet sich gegen eine allzu reichliche An¬ 
wendung und zu weite Indikationsstellung. 

5. Zunker, Berlin: Bedarf der menschliche Organismus 
hfinstlioher B^izmittelt 

Diese Frage beantwortet Verf. in gedrängter Kürze mit ,Ja“, 
wenn an den Organismus erhöhte Anforderungen gestellt werden, 
sei es in Gestalt gesteigerter körperlicher oder geistiger Arbeit, 
sei es, weil gewisse Störungen des Allgemeinbefindens vorliegen. 
Der Alkohol in den geringen Mengen, wie ihn unsere Biere ent¬ 


halten, kann als ein durchaus zulässiges und unschuldiges der¬ 
artiges Beizmittei gelten, vorausgesetzt, dass der Genuss in 
mäßigen Grenzen bleibt. Aus diesem Grunde hält Verf. die ex¬ 
tremen Abstinenzbewegungen für unberechtigt. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906, No. 6. 

1. Ludwig, Panzer, Zdarek: Ueber die Vöslauer Therme. 

Die Verf. haben die Vöslauer Thermalquelle einer eingehenden 

qualitativen und quantitativen Untersuchung unterzogen und teil¬ 
weise die älteren Analysen bestätigen, teilweise noch erheblich 
erweitern können. Nach ihren Untersuchungsresultaten enthält 
die Vöslauer Therme folgende Bestandteile: Kalium, Natrium, 
Calcium, Strontium, Magnesium, Eisen, Aluminium, Schwefelsäure, 
Salzsäure, Phosphorsäure, Kieselsäure, Kohlensäure, Cäsium, Rubi¬ 
dium, Lithium, Baryum, Mangan, Arsen, Brom, Jod, Borsäure, 
Ameisensäure. Jedenfalls eine ungemein reichhaltige und sehr 
bemerkenswerte Zusammensetzung. 

2. Freund, Beichenberg: Die gittrige Hornhanttrhbimg. 

Verf. konnte 22 Fälle von gittriger Hornhauttrübung bei den 

Mitgliedern einer grossen Familie nachweisen und damit den 
durchaus hereditären Charakter dieser bösartigen und merkwürdigen 
Erkrankung nachweisen. Nach seinen Beobachtungen Ist die 
Krankheit folgendermaßen zu charakterisieren: es handelt sich 
um eine hereditäre, nach dem Pubertätsalter in Erscheinung 
tretende Komealveränderung, die gekennzeichnet ist durch graue, 
oberflächlich gelegene Flecke in und um das Zentrum der Horn¬ 
haut, welche unter dem Epithel gelegen, dasselbe emporwölben 
und zu grober Unebenheit der Homhautobei’fläche führen, durch 
eine diffuse Hornhauttrübung, welche sich unter der Lupe in ein 
gitterartiges Netzwerk auflöst und ausserdem, namentlich im An¬ 
fang radiär verlaufende besenreiserartige lineare Trübungen auf¬ 
weist; die Randpartien der Hornbaut bleiben immer von der Er¬ 
krankung frei. 

Es besteht eine grosse Aehnlichkeit dieser Erkrankung mit 
den von Groenouw zum erstenmal beschriebenen knötchenrörmigen 
Hornhauttrübung. Die .\etiologie ist vollkommen dunkel. Neuer- 
dings glaubt Wehrli, bei zwei Fällen von Gittertrübung dem 
histologischen Befunde nach eine Tuberkulose der Hornhaut an¬ 
nehmen zu müssen. Verf. hält diese Annahme für nicht .sicher 
erwiesen und möchte sich dei*selben nach seiner Untersuchung 
nicht anscbliessen. 

3. Beer, Wien: Zur Aetiologie des Puerperalfiebers. 

Verf. teilt zwei sehr lehrreiche Fälle mit. Eine Frau er¬ 
krankt nach normaler Geburt an Puerperalfieber und stirbt. Eine 
zweite Frau macht eine sehr schnell verlaufende Steissgeburt 
durch, erkrankt an Puerperalfieber und stirbt. Bei beiden Frauen 
ist dieselbe Hebamme, beide Frauen waren nicht touchiert worden. 
Es stellt sich heraus, dass die Hebamme an einem beiderseitigen 
Kieferhöhlenempyem litt und wahrscheinlich, indem sie nach Des¬ 
infektion der Hände das Taschentuch brauchte, die Kreissenden 
infizierte. Seit das Empyem zur Ausheilung gebracht wurde, kam 
in der Praxis der Hebamme kein Fall von Puerperalfieber mehr 
vor. Es handelt sich also hier weniger um eine neue Aetiologie, 
■wie um eine grobe Unsauberkeit der Hebamme. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 6. 

1. Meyerhoff, Berlin: Zur Typhusdiagnose mittels des 
Typhusdiagnostikums von Picker. 

Verf. hat im Krankenhaus eingehend die Brauchbarkeit der 
von Ficker modifizierten Gruber-Widal’schen Reaktion geprüft 
und kommt zu einem durchaus positiven Resultat. Die Reaktion 
versagt niemals, nur ist sie zur Stellung der Frühdiagnose nicht 
geeignet, da sie nach den Erfahrungen des Verf. erst in der 
Mitte oder am Ende der zweiten Krankheitswoche eintritt. 

2. Petitti, Neapel; Ueberdie Ausnutzung der verschiedenen 
Zuckerarten bei Diabetikern. 

Verf. hat mit vier Zuckerarten Versuche angestellt und zwar 
mit Traubenzucker, Lävulose, Rohrzucker. Milchzucker. Die Ein¬ 
führung geschah wechselweise per os und per rectum. Die Re¬ 
sultate der sehr sorgfältigen und genauen Untersuchungen ergaben 


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84 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 7. 


folgendes: 1. Der durch den Mastdarm eiugefUhrte Zucker wird 
in der Tat als solcher resorbiert, welcher Art er auch sei. Dass 
eine erhebliche bakterielle Zersetzung im Darm statthndet, ist 
nicht anzunehmen. 

2. Mau kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass der 
durch das Rectum eingeführte Zucker besser ausgenutzt wird als 
der durch den Mund gegebene. 

3. Welcdie Zuckerart die in einem diabetischen Organismus, 
sei es per os oder per rectum, auch eingeführt sei, es erfolgt immer 
eine grössere Zuckeransscheidung aus dem Organismus, und -^war 
von rechtsdrehendem Zucker. 

4. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, welches die von 
einem diabetischen Organismus besser ausgenutzte Zuckerart sei, 
der Milchzucker scheint noch am besten ausgenutzt zu werden, 
am schlechtesten der Rohrzucker. 

5. In schweren Fällen von Diabetes, sei der Zucker durch 
den Mund oder durch den Mastdarm eingeführt worden, verändert 
sich eine schon bestehende Äcidosis nicht und die Zuckeraus« 
Scheidung bleibt unverändert, ohne von der Zuckereinführung be¬ 
sonders beeinflusst zu werden. 

6. Die Zuckerklystiere und besonders diejenigen von Milch¬ 
zucker könnten in der diabetischen Diät Verwendung finden. 

Verf. glaubt nicht, dass der per rectum eingeführte Zucker 
direkt in die Blutbahn gelangt (Arnheim), sondern nimmt an, 
dass er in der Leber in Gflykogen übergeht und eine bestimmte 
Menge dort vorhandenen Glykogens verdrängt, welches in Gly- 
kose verwandelt, in den Kreislauf übergeht und ausgeschieden 
wird. 

3. Lange, Tübingen; üeber chronische progressive Chorea 
(Huntington) im jugendlichen Alter. 

Die Angabe Huntington’s, dass die chronische progressive 
Chorea im grossen und ganzen nur in den mittleren Altersstufen 
vorkomme, besteht nicht ausnahmlos zu Recht, wenn auch Jugend¬ 
fälle immerhin zu den Seltenheiten gehören. Sehr bemerkenswert 
ist, dass bei Prüfung der Stammbäume von Choreatikerfamilien 
sich die Tatsache ergibt, dass die familiäre Chorea im allgemeinen 
die Tendenz hat, in jeder folgenden Generation im Durchschnitt 
jüngere Individuen zu befallen als in den vorhergegangenen. 
Verf. teilt die Krankengeschichte eines Patienten mit, welchea 
mit 26 Jahren erkrankte, während der Vater mit 48 Jahren im 
Anschluss an ein Trauma choreatisch wurde. Auch bei dem 
Patienten lag eine Art psychisches Trauma vor. Diese Traumen 
sind lediglich als agent provoratenr aufzufassen und haben somit 
ätiologisch nichts zu bedeuten. Die klinischen Erschein ongeii zer¬ 
fallen in somatische und psychische, die ersteren sind oft ganz 
unbedeutend, die letzteren treten in einer relativ schnellen Ab¬ 
nahme der Intelligenz zu Tage. Aetiologisch ist sicheres nicht 
bekannt, nach Auffassung des Verf, handelt es sich um Proli¬ 
feration fixer epitheloider Embryonalzellen, Wucherung der Glia 
mit Schwund der spezifischen Elemente, Erweiterung der perivas- 
culären Räume. Demnach wäre das Liegenbleiben embryonaler 
Formelemente, das bedeutsamste Element in der Aetiologie dieser 
Erkrankung. Direkte Behandlung vorgeschrittener Fälle ist aus¬ 
sichtslos, die Prognose durchaus infaust. 

4. Br uh ns, Berlin: Die Indikationen der Böntgenbehand- 
Inng bei Hanterkranknngen. 

Verf. gibt folgende Zusammenstellung über die Erfahrungen, 
welche bisher bei der Behandlung von Hautkrankheiten mit 
Röntgenstrahlen gemacht worden sind: 

1. Unsere heutigen Erfahrungen in der Röntgentherapie der 
Hautkrankheiten zeigen, dass wir bei einer Anzahl von Hauter¬ 
krankungen mit der Bestrahlung ausgezeichnete Erfolge dort er¬ 
reichen, wo unsere bisherigen übrigen Behandlungsmethoden oft 
im Stich gelassen oder in viel langwieriger Weise zum Ziel ge¬ 
führt haben. Diese guten Wirkungen der Röntgenbestrahlung 
sind besonders bei chronLschen, trockenem Ekzem, Neurodermitis 
circumscripta chronica, Pruritus localis, Lichen ruber verrucosus 
Favus, Sycosis parasitaria und non parasitaria, chronische Funin- 
culosis nuchae, Aknekeloid, Psoriasis, Hyperidrosis, multiplen ver- 
rucä juveniles, teilweise bei malignen Geschwülsten, bei Myco.sis 
fungoides und Rhinosklerom zu beobachten. Bei einigen anderen 


Hauterkrankungen (Lupus erythematodes n. a.) sehen wir manch¬ 
mal, aber viel weniger regelmäßig gute Erfolge der Röntgen¬ 
behandlung. 

2. Bei vorsichtiger Anwendung, unter Heranziehung der jetzt 
vorhandenen, zur Kontrolle dienenden Hilfsmittel, kann man 
schädigende Wirkungen der Röntgenstrahlen soweit sicher ver¬ 
meiden, dass die Behandlungsmethode au(^ bei relativ unbedeuten¬ 
den dafür geeigneten Hautkrankheiten wegen ihrer ausgezeichneten 
Wirkung sehr empfohlen werden kann. Dieses ungemeui günstige 
Zeugnis, welches der Verf. dem Röntgenverfahren hinsichtlich der 
Dermatotherapie aussteUt, hat bisher nicht allseitige Zustimmimg 
gefunden und dürfte wohl im Laufe der Zeit einige Einschränk¬ 
ung erfahren. 

5. Goldschmidt, Berlin: Die Endoskopie der Hamröbre. 

Verf. gibt eine vorläufige Mitteilung über ein von ihm zum 

Zweck der Endoskopie konstruiertes Instrument. Das verfolgte 
Prinzip besteht darin, dass die Harnröhre mittels Wasser ausge¬ 
dehnt wird imd damit dem Auge des Untersuchenden ein grösserer 
Abschnitt und in Folge der Optik des Instrumentes vergrössert 
zugänglich gemacht wird. 

6. Tobias, Berlin: Die physikalische Behandlnag der 
habituellen Obstipation. 

Bei der habituellen Obstipation ist es zunächst von Wichtig¬ 
keit festzustellen, um welche Art es sich handelt, ob eine atonische 
oder spastische Obstipation vorliegt. Bei der ersteren muss eine 
reizende Nahrung gegeben werden, der Darm muss zur Tätigkeit 
angeregt werden. Daneben sind hydrotherapeutische Prozeduren 
im Sinne der Temperaturwechsel angezeigt, dazu kommt Massage, 
Gymnastik. Ganz anders bei der spastischen Obstipation. Hier 
eine möglichst reizlose Diät, keine Temperaturdifferenzen. Dagegen 
ganze Packungen und warme Bäder, keine Massage, kein Elektri¬ 
sieren aber desto eindringlichere psychische Behandlung wie bei 
Neurasthenikern. 

Le Progres medical. 1905. Nr. 52. 

1. Minet: Höfaits de la sonde de tronsse. 

Mitteilung eines Falles, wo bei einem Prostatiker bei Harn- 
retention durch einmalige forcierte Bougierung mit festem Katheder 
Verletzungen gesetzt wurden, die zu einer leiäil verlaufenden Sepsis 
führten. Daran wird die Mahnung'^ geknüpft, beim Kathederismus 
von Prostatikern nur Nelaton-Katheder, allenfalls grosskalibrige 
Hartgummisonden zu gebrauchen. 

1906. Nr. 1. 

2. Le für: Fatbog4nie et traitement de r^pididymite 
blennorrhagiqne. 

Abgesehen von den Infektionen der Epididymis auf dem 
Blutwege bei Allgemeininfektion des Körpers, ist sonst stets nur 
der urethrale Weg von Bedeutung. Speziell für die gonorrhoische 
Epididymitis ist der Satz zu verteidigen, dass, wenn eine solche 
sich einstellt, stets schon einige Zeit die Urethra posterior und 
die Prostata gonorrhoisch infiziert gewesen sind. Von der hinteren 
Harnröhre aus pflanzt sich die Infektion gewöhnlich per kontin- 
uitatem auf der Schleimhaut fort und erreicht so die Samenwege. 
Es gibt aber Fälle ganz akut einsetzender Epididymitiden, die 
mehr als Perifuniculitis, Periepididymitis anzusprechen sind. Bei 
diesen scheint die Infektion auf dem Wege der Lymphbahnen zu 
erfolgen, in dem wohl meist durch eine Läsion der Schleimhaut 
das gonorrhoische Virus in das Bindegewebe eindringt. Derartige 
Läsionen können bedingt werden durch Stauungen des Inhalts der 
Samenkanäle, namentlich wenn ein heftiger Druck darauf ausgeübt 
wird bei forcierten Injektionen. Infektion der hinteren Urethra, 
Prostata, der Samenbläschen und Ductus ejaculatorii sind imm er 
Vorläufer einer Epididymitis. Die Therapie hat in erster Linie 
eine Vorbeugung zu erstreben. Dazu empfehlen sich häufige 
rektale Touchierungen, die einmal das Fortschreiten des Prozesses 
frühzeitig erkennen lassen und ein Ausdrücken und Entleeren der 
Prostata, Samenbläschen und Samenkanälchen ermöglichen. Ist die 
Epididymitis zum Ausbruch gekommen, so sollen leichte Spülungen 
der Harnröhre nicht ausgesetzt werden. Bettruhe, heisse oder 
Eisumschläge erfordert das akute Stadium; bei Eiterbildung 
Incision; später sind Massage, Dilatationen am Platze. Definitive 
Heilung zu konstatieren, ist sehrJ schwierig; oft genug gibt es 
Recidivej häufig bleiben die Patienten noch lange nach Schwinden 


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1906 . 


MBDICINISCHE WOCHE. 


85 


aller Symptome infektiös. Die Wiederherstellxmg der Durch¬ 
gängigkeit des Samenstranges tritt öfter ein als gemeinhin ange¬ 
nommen wird. 

1906. Nr. 2. 

Longuet: La str^ilisation da matdriel de satare, ligatnre, 
sondage, drainage. 

Nach Aufzählung und Besprechung des vielfältigen in Gebrauch 
gezogenen Materials plaidiert Verf. für möglichste Vereinheitlichung. 
Er verwirft strikte den Gebrauch des Catgut; als Nahtmaterial 
empfiehlt er den Leinenfaden, den er der Seide als solider, gleich¬ 
mäßiger, sicherer sterilisierbar und resorbierbarer verzieht. Für 
die Drainage der Bauchhöhle sind Gummidrains zu verwerfen, 
Gazedrains zu verwenden. Sonden, Bougies sind am besten bieg¬ 
sam aus Aluminium anzufertigen. 


Bücherbesprechung. 

GyiiaeCOlogia Helvetica. Herausgegeben von Dr. 
0. Beuthner, Privatdozent an der Universität Grenf. 5. Jahr¬ 
gang; Genf. Henry Kündig’s Verlag; 1905. 

Der 5, Jahrgang der „Gynaecologia Helvetica“, der ca. 
80 Seiten stärker ist als sein Vorgänger, .bringt wieder in der 
dem Werke eigentümlichen, vorzüglichen kurzen und klaren Form 
alles, was das Jahr 1904 aus der Feder nder Schweizer Fach¬ 
genossen hervorgebracht hat. Der 6. Abschnitt des Beuthner’schen 
Werkes enthält interessante Mitteilungen aus dem Gebiete der 
Veterinär-Geburtshülfe und Gynäkologie. Der mit einer sehr 
reichen Anzahl trefflicher und naturwahrer Illustrationen (75) ge¬ 
schmückte Band bringt ebenso wie im Vorjahre noch einen kurzen 
Ueberblick über die wichtigsten Erzeugnisse der ausländischen 
Literatur; das Kapitel der „Geschichte und Gynäkologie“ in der 
Schweiz wird durch Veröffentlichung biographischer Skizzen der 
Prof. J. J. Hermann und Tb. Hermann, sowie die zweite 
Hälfte der „Tagebuchnotizen“ des Prof. Bischoff ergänzt. 

Die bis jetzt erschienenen 5 Jahrgänge der „Gynaecologia 
Helvetica“ bilden den „ersten Band“ dieser Jahresschrift, und ein 
„General-Namens- und Sachregister“ erleichtert das Nachschlagen 
in dem ca. 1400 Seiten starken Bande. R. Katz-Berlin. 


Kongresse. 

Bsriin. Bei der Festsetzung des II. Kongresses der 
Deutschen Rö nt gen gesellschaft ist leider übersehen worden, 
da.ss mit dem 8. April <(. J. die Charwoche beginnt. Wir sind 
deshalb genötigt, den Kongress anstatt am 8. und 9. April bereits 
am 1. und 2. April d. J. abzuhalten. Der Kongress findet in 
Berlin im Langenbeckhaus statt. Wir bitten, unser Zirkular 
vom 29. V. M. dahin berichtigen zu dürfen. 

Borlin. Der 35. Kongress der Deutschen Gesell¬ 
schaft für Chirurgie findet unter dem Vorsitz von Professor 
Körte vom 4. bis 7. April im Langenbeckhause (Ziegelstr. 10/11) 
statt. Es sind zur Besprechung folgende Themata vorgemerkt: 
1. Kriegschirurgische Fragen nach den Erfahrungen im russisch- 
japanischen Kriege. 2. Ueber die chirurgische Behandlung des Magen¬ 
geschwüres. 3. Ueber die weitere Entwicklung der Operation 
hochsitzender Mastdarmkrebse. 4. Diskussion über dieBier’sche 
Stauungsbehandlung bei akuten Entzündungen. 


Vermischtes. 

Loipzig. Verband der Aerzte Deutschlands zur 
Wahrung ihr er wir tscha ft lieh en Inte ressen. Der Verband 
erlässt folgenden Aufruf: Kollegen in Stadt und Land! Dem 
ärztlichen Stande drohen neue ernste Gefahren! Wer kennt heute 
nicht die verhängnisvollen Folgen der sozialpolitischen Gesetzgeb¬ 
ung für den deutschen Aerztestand? Wer wüsste nicht, welchen 
wirtschaftlichen und sozialen Niedergang sie dem früher hochge¬ 
achteten Stande brachte? Einhalt wurde dieser unheilvollen Ent¬ 
wicklung erst geboten durch den Leipziger Wirtschaftlichen Ver¬ 
band. Sein Grundsatz war „Selbsthilfe“ auf Grund fester Organi¬ 
sation. Der Erfolg war überraschend. Die vorher uneinigen Aerzte 


bildeten — fest zusammengeschlossen — bald eine Macht. Hunderte 
von Landärzten wurden vor Vernichtung ihrer Existenz durch 
eigensüchtige oder feindlich gesinnte Personen bewahrt. Tausenden 
von Kassenärzten in Stadt und Land gelang es, sich mit ihrer 
Hilfe aus unwürdiger Abhängigkeit zu befreien und eine ange¬ 
messene Entlohnung ihrer ärztlichen Leistungen zu erringen. Um 
nicht weniger als 8000000 M. stieg das jährliche Kasseneinkommen 
der deutschen Aerzteschaft. Mit dem Respekt vor der machtvollen 
ärztlichen Gemeinschaft stieg auch wieder das Ansehen des ein¬ 
zelnen Mitgliedes. Trotzdem ist dringend zu warnen vor Selbst¬ 
täuschungen über die Sicherheit des Errungenen, vor Rückfall in 
die alte Lauheit! Zweifellos geht der deutsche Arztebund schweren 
Zeiten entgegen. Unsere Feinde greifen zu den schärfsten Gegen¬ 
maßregeln! Die zielbewusste Zentralleitung der „Ortskranken¬ 
kassen“ sucht eine grosse Gegenorganisation zu schaffen. Schon 
jetzt sucht sie in die Kämpfe einzugreifen. Die „Betriebskranken¬ 
kassen“ zeigen gleiche Bestrebungen. Man hat zu dem Zweck 
den „Rheinisch-Westfalischen Betriebskrankenkassenverband“ be¬ 
gründet. Die Bewegung geht von der Zentrale der mächtigen 
westdeutschen Industrie aus. Veranlassung dazu ist bei beiden 
nicht die Höhe der Honorare, sondern die Aljsicht, die Aerzte in 
Abhängigkeit zu erhalten. Besonders grell tritt bei den Betriebs¬ 
krankenkassen dieses Bestreben hervor. Was man gegen den 
Aerztestand im Schilde führt, zeigt unverhöUt die Eingabe der 
„Rheinisch-Westfälischen Betriebskrankenkassen“ an den Reichstag, 
worin kurz und bündig die Wiedereinführung des Kurierzwanges 
verlangt wird! Man will den Aerzten verbieten, bessere Arbeits¬ 
bedingungen zu erstreben, gegen Uebergriffe sich zu schützen, 
weil sie zum willenlosen Werkzeug heirschsüchtiger Kassenvor¬ 
stände machen; zum Unfreien! zum modernen Sklaven! Und da¬ 
mit nicht genug! Wie das in der „Münchner medicinisohen 
Wochenschrift“ neuerdings veröffentlichte Rundschreiben das „All¬ 
gemeinen Deutschen Knappschafts-Verbandes“ an die Knappschafts- 
vereine (s. Anlage) beweist, will mau die verhasste Organisation 
der deutschen Aerzte — den Schutz und den Rückhalt des Einzelnen 
gegen Willkür — sprengen. Als Werkzeug sollen die Knapp¬ 
schaftsärzte dienen! Man spiegelt ihnen fälschlicher Weise vor, 
ihre Existenz sei durch die Bestrebungen zur Einfiihrung freier 
Arztwahl gefkhrdet, obwohl gar kein Mensch daran denkt, Kollegen 
die freie Arztwahl aufzuzwingen, die sie nicht selbst wollen. Man 
will sie damit nicht allein von der übrigen deutschen Aerzte¬ 
schaft trennen, sondern sie auch veranlassen, durch Eingaben an 
den Reichstag und durch Veröffentlichungen in der Presse ihre 
Kollegen zu bekämpfen. Warum? — Man fühlt die Schwäche 
der eigenen Stellung und braucht Helfershelfer aus dem Lager 
der Aerzte selbst. Wer wird sich aber zu einer solch unwürdigen 
Rolle hergeben? — Was wäre dabei auch zu gewinnen? Man 
käme nur in schlimmste Abhängigkeit von Kassenvorstäuden, 
deren wahre Gesinnung aus ihrem Ruf nach dem Kxirierzwang 
deutlich genug hervorgeht. Bleibt aber das Vorgehen des „All¬ 
gemeinen Deutschen Knappschaftsverbandes“ jetzt auch erfolglos, 
muss doch die deutsche Aerzteschaft stets auf neue Vorstösse ge¬ 
fasst sein. Ihre zahlreichen und mächtigen Feinde werden unab¬ 
lässig darauf hinarbeiten, ihre Widerstandskraft zu brechen und 
sie niederzuringen. Wie ist dieser ungeheuren Gefahr zu be¬ 
gegnen? — Nur durch eigene Kraft! Durch Selbsthilfe! Nur 
eine festgefügte, lückenlose Organisation macht die Stellung der 
deutschen Aerzteschaft unangreifbar, macht sie unüberwindlich! 
Und nur durch Anschluss Aller an die Gemeinschaft ihrer 
Standesgenossen gewinnt der einzelne — schütz- und wehrlose — 
Arzt Kraft zum Widerstande. Die Verkörperung der festgefügten 
Gemeinschaft deutscher Aerzte ist aber der „Leipziger Wirt¬ 
schaftliche Verband“, die wirtschaftliche Abteilung des Deutschen 
Aerztevereinsbundes. Ihm müssen daher Alle beitreten bis zum 
Letzten! Dann wird auch die deutsche Aerzteschaft stark genug 
sein, alle Angriffe abzuwehren, welcher Art sie auch sind und 
woher sie auch kommen mögen! Die Zeiten sind ernst. Kein 
deutscher Arzt darf im Kampf um die höchsten Güter seines 
Standes teilnahmlos oder gar feindlich zur Seite stehen! An 
unsere Mitglieder aber richten wir die dringende Aufforderung, 
ihre Kraft in den Dienst der guten Sache zu stellen und die 
ihnen bekannten Kollegen, soweit sie noch nicht Mitglieder sind, 
für den Verband zu gewinnen. 


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86 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 7. 


Berlin. D er Zentral-Krankenpfiege-Nachweis für 
Berlin und Umgebung hielt am Freitag Abend im Langen- 
beckhaxise' seine Gener al-V er Sammlung ab, welche der Vor¬ 
sitzende des Ausschusses, San.-Rat Dr. S. Alexander, leitete und 
an der n. A. Stadtrat Dr. Muensterberg, San.-Rat Dr. Henius, 
Kreisarzt Dr. A. Dietrich und Dr. 0. Salomon teilnahmen. 
Nachdem der Vorsitzende den verstorbenen Ausschuss-Mitgliedern 
Generalarzt Dr. Schaper und Kommerzienrat Israel ehrende 
Nachrufe gewidmet, erstattete zunächst der ärztliche Betriebsleiter 
des Instituts Dr. P. Jacobsohn Bericht über die geschäftliche 
Tätigheit im letzten Jahre, wonach sich wiederum ein erfreuliches 
Wachstum desselben ergibt. Der Zentral-Krankenpfiege-Nachweis 
wurde im Jahre 1905 im Ganzen in 1992 Fällen zur Besorgung 
von Pflegepersonen in Anspruch genommen (gegen 1620 Fälle im 
Vorjahre). Auch diesmal stehen die dringlichen Erkrankungsfälle, 
wie akute Infektionskrankheiten, Schlaganfälle, Geistesstörungen, 
Blutungen etc. im Vordergründe. In 694 Fällen wurde tüchtiges 
Pflegepersonal zu wesentlich ermäßigten Sätzen, in 60 Fällen für 
arme Kranke ganz unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Be¬ 
stellungen von Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern gingen in 
548 Fällen von Aerzten, in 1160 Fällen von Privatpersonen aus; 
die Nachsuchungen von Krankenanstalten haben sich im letzten 
Jahre mit 242 Fällen verdreifacht. Wie in den Vorjahren, wurden 
auch diesmal 4 mal mehr weibliche als männliche Pflegepersonen 
verlangt. Die Zahl der Beschwerden war recht gering, die der 
Anerkennungen von behördlicher und privater Seite erheblich. 
Neben dem Kgl. Kultusministerium bat neuerdings auch die Stadt 
Berlin, deren Krankenanstalten die Zentralstelle rege benutzen, 
derselben eine materielle Beihilfe in Aussicht gestellt. Mit dem Verein 
ärztlich geleiteter Irrenanstalten und der Pflegestation der Standes¬ 
vereine der Pfleger und Pflegerinnen wurden be.sondere Abkommen ge¬ 
troffen. Bei der kürzlichen Choleragefahr wurden eine Anzahl von 
Baraken und Stromüberwachungastellen schnell in ausreichender 
Weise besetzt. Auch der Schatzmeister Rentier H. Saxenberg 
konnte in seinem Bericht günstige Kassenverhältnisse verzeichnen. 
Die seitherigen Mitglieder des Ausschusses und Vorstandes wurden 
wiedergewählt. 

Bürlin. Exzellenz v. Bergmann ist in das Herrenhaus 
berufen worden. — Die Berliner medicinische Gesellschaft 
hat in der Sitzung am 24. Januar v. Bergmann und Senator 
zu Ehrenmitgliedern ernannt. — Der Geschäftsauaschuss der 
Berliner ärztlichen Standesvereine hat Herrn Geb. San.- 
Rat Dr. Becher in Anerkennung seiner Verdienste um den Ver¬ 
band der Standesvereine zum Ehrenvorsitzenden ernannt. In den 
Vorstand sind gewählt: 8. Alexander, 1. Vorsitzender; Koas- 
mann, 2. Vorsitzender; J. Alexander, 1. Schriftführer; Henius, 
2. Schriftführer; Saatz, Kaasenführer. 

Bonn. Anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaares hat die 
Stadtverwaltung 50000 M. zugunsten der Fürsorge für Lungen¬ 
kranke bewilligt. 


Hochschulnachrichten. 

Breslau. Prof. Czerny, Direktor der Universitätskinder¬ 
klinik, ist an die Universität in München berufen. 

Düsseldorf. An die Akademie für praktische Medicin sind 
berufen Prof. Martin Benno Schmidt (Strassburg) als Pathologe, 
Dr. Pfalz (Düsseldorf) als Ophthalmologe, Dr. Stern (Düsseldorf) 
als Dermatologe. 

Giessen. Dr. E. Leutert, a. o. Professor für Ohrenheil¬ 
kunde, ist als Direktor der Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohren¬ 
krankheiten nach Königsberg berufen. 

Heidelberg. Eriv.-Doz. Dr. Steudel wurde zum ausser¬ 
ordentlichen Professor ernannt 

Wien. Prof. v. Noorden in Frankfurt a. M. hat die Be¬ 
rufung als Vorstand der ersten medicinischen Klinik nach mehr¬ 
tägigen persönlich angenommen. Damit ist die lange Krisi.s end¬ 
lich glücklich gelöst. 


Neu niedergelassen 

haben steh ln 

MUlbaiisen i. E. Dr. Victor Uannos. — GrossentMUfn. Dr. ined. 
Heinrich Boorger. 


Pamilien-Nachrichten. 

Verlobt; 

Fr. Dora Venn in Waldbröl mit Herrn Dr. med. Brano Birke in 
Oörbersdorf i. Sihl — Frl. Kätc Friedonsohn mit Hrn. Dr. med. I’aul 
ßonbeim in Hamburg — Frl. Tilly Hanau in Berlin mit Dr. med. Alfred 
Frank in Berlin. — Frl, Mathilde Rclling mit Hm. Dr. med. Hermann 
Uudolpb 'in Dortmund. — Frl. Anna Scrbulz in Wiesbaden mit Hrn. Dr. 
med. Adrian ICeinp in Magdeburg. — Frl. Elisabeth ErseHus in Leipzig 
mit Hrn, Dr. med. Heinr. ryrotb in Leipzig. 

Vermählt: 

Hr. Dr. med. Alex Rosenberg mit Frl. Anna Schallenborg in Ham- 
bum. — Hr. Dr. mod. Johannes Koch mit Frl. Else Meyerboff in Solingen. 
— Hr. Dr. med. Arno Hotzel mit Frl. Gertrud Schneider in Weimar. 

Geboren: 

Einen Sohn: Ilm. Dr. mod. Hecht in Nowawos-Neuendorf. 

Eine Tochter; Hrn. Dr. med. Tiemann in Gelsonkirchon. — Hrn. 
Dr. med. G. Lange in Kiel. 

Gestorben; 

Königl. Stabsarzt a. D. Dr. Hans Görlitz in Grossen (Oder). — Dr. 
mod. Arthur Rosonfeld in Königsberg. — Dr med. Emil Schulte in Mar¬ 
burg. — Hr. Dr. med. Franz Wolf in Webingon. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung:. 

Adresse; Ärztliches Auskunfts-Bureau des Geschifts-Aussohusses der 
Berliner ärztlicli^n Standesvereine im Mediolnlsohen Waarenhause (Akt.- 
Gee.), Berlin N., Frledrlohstrasee 108 I. 

Kur pcrs^Snliche Ruckitprach« ist Herr Dr. Joaehini tägrllell von V«S~V|n im 

Medicinischen Waarenhause anwesend (Mit eCtiger Krlaubnis des Uescnafti-Austehiisa«s 
der Herliner ärztlichen Mandesvereine rom Auskiinfts-Hiireau der Med. Woche übermiitrlt 

ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1951. 

In der Provinz I’osen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 

unter No. 1959. . 

In Westproussen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter Vertreter 
gesucht. Näheres unter No. 1970. 

In der Prov, Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 1984. 

In der Mark wird fBr eine Rinderbeilstätte zum 1. April ein Assistent 
gesucht. Näheres unter No. 1087. 

In einem Vororte Berlin wird für sofort ein Assisteat gesucht. 
Näheres unter No. 1989. 

In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1992 
ln Obersclilesicn wird für Anfang Juli ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 1994. 

Im Riesengebirge wird von Ende Februar oin Vertreter gesucht. 
Näheres unter No. 2(K)3. 

In oinoni Berliner Vororte wird von sofort ein Assistent gesucht. 
Näheres unter No. 2004. 

In einem Berliner Vororte wird von Mitte Februar ein Vertreter ge¬ 
sucht. Näheres unter No. 2005. 

In Berlin wird von Mitte Februar ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No 2006. 

In Thüringen wird von sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter 
No. 2007. 

In Berlin wird von Anfang April ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 2008 

In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 

2009. 

In Schlesien wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres nntor 
No. 2010. 

ln der Mark wird für Ende Februar ein Vertreter gesucht. Näheres 
unter No. 2011. 

In Berlin wird für Anfang April ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 2012. 


Betreffs der neueren Thymlanpräparate war die Meinung entstanden, 
dass nur durch eine Beigabe von Brom die hustenstillende Wirkung ausge- 
löst würde. Demgegenüber betonte der Hersteller des „Pertussin“, dass 
sein Präparat spezicl bromfroi sei! „Um alle Zweifel zu beseitigen^' Hess 
E. Fischer-Strassburg, der den Anlass zu diesen Kontroversen gegeben 
batte, durch Gutbior-Erlangen speziell das Pertussin und das Dr. Rern’scbe 
Kxtractum thymi I analysieren , und es ergab sich, dass beide Präparate 
vollkommen bromfrei waren. B. Fischer gibt diese Rechtfertigung gleich¬ 
falls in der Deutsch, med. Wocbenschr. (Jahi^ang 1903, Nr. 51.) 

A. R. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. MeUsner, BerlinW. CI, KurfOratenatr. 81. — Verlag von Carl Marhold. Halle a S. 
Druck von der HeynemaDn'achen Buehdniefcerei, Gebr. WoIfT, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 

R. Kobert, *M. Koeppen. K^^PArtsch, H. Rosln* H. SchlAOgf, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berils. HaDoover. 

H. Uarenicht, A. Vouias, 

Magdeburg. Olessea. 


VD. Jahrgang. !9. Februar 1906. Nr. 8. 


Redaktion: 

Berlin W. 62* KnrfArstenstmsse 81. 

Dr. P. Meißner. 


Deo schmann, A. Dfihrssen, A. Hoffe, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br. 

H. Seoator, R. Sommer, 

Berlin. Qiessen. 


Herausgegeben von 


Verlag und Expedition 

Carl Marbold ln Halle a^S^ Uhlandstrasse 6. 

Tel.'Adr.: Marbold Verlag Hallesaale. Fcmsprecber 2834. 



Die vMedIcialscfac Woche* ersdrelnt jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeitang, Organ des Allgemeinen Deutschen Blderveibandes, des SchwarxwcM< 
badertages des Verbaodes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nnminer 25 Pt. Bestellnagen nehmen jede Bi ch* 
haiwUitiig, dis Post, sowie iQe Vsrlagrimchhandlut^ von Carl Marho Id in Halle a.S. entgegen. Inserate werden für die 4spaltige PetitzeUe oder deren Raum mit SO Pt. berechnei. 

Beilagen nach Udrereinkunft Reklamezeile 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt Ermässigung ein. 

NadidniA der Orbjnal-Anlsltze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet 


Originalien. 


Zur Ätiologie der Knorpel- und Nierengicht. 

Von San.'Rat Dr. Soherk (Bad Homburg). 

Es mag gewagt erscheinen, bei den vielen Arbeiten, welche 
in den letzten Jahren von bekannten Forschern über das Wesen 
und die Behandlung der Gicht geliefert sind, wiederum die 
Feder zu ergreifen und die Pathogenese der uratischen Diathese 
von einem Standpunkte aus zu beleuchten, welcher bis jetzt 
noch wenig Anhänger gefunden hat. 

In Nr. 47 und 48, 1905, der Med. Woche habe ich die 
Ursachen der Zuckerkrankheit auf eme gestörte Hydrolyse 
der Kohlehydrate und eine mangelhafte Oxydation der Dextrose 
zurückgeführt und habe ausgefiihrt, dass alle Fälle von Dia¬ 
betes sich ätiologisch in dieses Schema einpassen lassen, eine 
Widerlegung dieser Anschauung ist bis heute von keiner Seite 
erfolgt. 

Bei der ausgesprochenen Koinzidenz der Gicht mit der 
Zuckerkrankheit und der Fettsucht liegt es auf der Hand, die 
Ursache der Gicht von einem analogen Gesichtspunkte aus zu 
beurteilen. In verschiedenen Veröffentlichungen aus den letzten 
Jahren, habe ich demnach die Ansicht zu verteidigen gesucht, 
dass auch hier wieder der gestörten Fermentwirkung eine her¬ 
vorragende ätiologische Rolle zuerkannt werden muss. 

Die Bedeutung der Ferment- resp. Enzymwirkung für die 
Bestreitung des normalen Stoffwechsms ist bekanntlich erst in 
jüngster Zeit in den Vordergrund getreten und namentlich ist 
es das Verdienst anerkannter physiologischer Forscher, diesen 
neuen Weg zur Erkenntnis des Zellenchemismus eröffnet und 
das Steuer der Wissenschaft in diese Richtung gelenkt zu 
haben. 

In diesem Sinne schreibt Franz Hofmeister*) in seinem 
Vortrage, welchen derselbe vor 6 Jahren auf der Hamburger 
Naturforscherversammlung zu halten beabsichtigte: 

„Id der Tat haben scharfsichtige Forscher, vor allem 
Hoppe-Seyler, schon vor langen Jahren, da fast nur die 
Fermente der Sekrete bekannt waren, die Vermutung gehegt, 
dass auch in den lebenden Zellen solche Fermente tätig sind. 
Seitdem ist es in ungezählten Fällen gelungen, aus dem Innern 
der Zellen solche „intrazelluläre Fermente“ ans Licht zu 
ziehen und in vielen Fällen ihre Bedeutung für die vitalen 
Vorgänge klar zu stellen. Ja es hat sich bei den nahezu 
täglich sich häufenden Befunden eine so allgemeine Verbrei¬ 
tung der Fermente in den Organismen und eine solche Mannig¬ 
faltigkeit der Wirkungsweise herausgestellt, dass man fast darauf 
rechnen kann, früher oder später für jede vitale chemische Reak- 

*) Die chomisch® Organisation der Zello, von Prof. Franz Hofmeister, 
Braunschweig 1901. Verl, von Viewog & Sohn. 


tion ein zugehöriges, spezifisch auf diese abgestiinmtes Fer¬ 
ment ausfindig zu machen.“ 

Immerhin müssen wir auch heute noch zugeben, dass uns 
die Aktivierung der Enzyme, welche das Produkt der secre- 
torischen Drüsenzellentätigkeit darstellen, also aus Drüsen mit 
Ausführungsgängen stammen, leichter verständlich ist, als die 
Einwirkung der intrazellulären Fermente. 

Wir wissen, dass die Wirkung der hydrolj^schen Fer¬ 
mente im Verdauungstraktus, durch verschiedene Faktoren be¬ 
dingt wird. 

Es müssen, wenn ihre Wirksamkeit auf die Nährstoffe von 
Erfolg sein soll, die Profermente die Drüsenschläuche ver¬ 
lassen, die Reaktion des Mediums und die Beimengungen 
mehrerer Enzyme und Säfte sind in Betracht zu ziehen. Soll 
eine Spaltung resp. Invertierung der verschiedenen Nährsub- 
stanzen durch Wasseraddition statffinden, so müssen dem spe¬ 
zifischen Fermente bestimmte Angriffspunkte in der zu~ zer¬ 
setzenden Substanz dargeboten werden, die eigenartige Kon¬ 
figuration der Moleküle wird nach dieser Richtung hin auf 
die Wagscbale zu legen sein. Wenn andererseits einzelne 
Fermente sich gegenseitig in der Wirkungsenergie unterstützen, 
so kann derselbe Erfolg auch durch Hmzutritt anderer Säfte 
erzielt werden. So ist z. B. nicht zu bestreiten, dass die Wir¬ 
kung des pankreatischen fettspaltenden Enzyms durch Gallen- 
zufiuss unterstützt wird. 

Erwägen wir andererseits die Wirkungsweise der verschie¬ 
denen Fermente. wie dieselben in den Leberzellen nachge¬ 
wiesen sind, so müssen wir eingestehen, dass bei der Erkennt¬ 
nis dieser interzellulären Produktividät einzelne Faktoren noch 
tief verschleiert sind und noch ein dankbares Forschnngsfeld 
zu eröffnen ist, um auch diese komplizierten Verhältnisse zu 
klären. 

Es steht fest, dass in den Leberzellen ebenso wie das 
Trypsin der Pankreaszellen, ein nncleinspaltendes Ferment 
produziert wird. 

Die Funktion der LeberzeUen korrespondiert einerseits mit 
der pankreatischen Drüsenzelltätigkeit, ist aber andererseits 
viel umfangreicher; denn während von den Pankreaszellen nur 
vier verschiedene Enzyme produziert werden, sind in den Leber¬ 
zellen über zehn verschiedene Fermente nachgewiesen. 

Da nicht zu bestreiten ist, dass die Nucleine die Mutter¬ 
substanz der Harnsäure bilden, so ist einleuchtend, dass uns 
die nucleinspaltenden Fermente der Pankreas- und der Leber¬ 
zellen bei der Ergründang der ätiologischen Momente der 
Gichterkrankung in erster Linie interessieren. 

Es gibt bekanntlich verschiedene Sorten von Nuclein. 
Dasselbe stellt eine Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff, 
Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel dar. Das aus 
Spermatozoen dargestellte Nuclein unterscheidet sich von den 
übrigen Nucleinen durch den Mangel an Schwefel. Durch 
Kossel wurde die Ansicht Hoppe-Seyler's bestätigt, dass 
durch Erhitzen von Dotter-Nuclein und Milch-Nuclein mit 


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88 


MBDICINTSCHE WOCHE. 


Nr. 8. 


schwachen Sänren keine stickstoffreichen Basen, wie Guanin und 
Hypoxanthin gebildet werden. Dagegen zerfallen die Bestand¬ 
teile des Zellkerns, welche die Vereinigung eines ei weissartigen 
Körpers mit einem organischen, Phosporsäure enthaltenden 
Atomkomplex darstellen, beim Kochen mit Wasser oder ver¬ 
dünnten Säuren unter Entstehung eines Eiweisstoffes in Hypo¬ 
xanthin (Xanthin, Guanin, Adenin und Phosphorsäure).*) 

Aus den Untersuchungen von Schröd-er und Minkowski 
geht hervor, dass die Harnsänre vorzugsweise in den Leber¬ 
zellen gebildet wird. 

Unter normalen Verhältnissen, so müssen wir folgern, 
wird der Nucleinbestand der Blutzellen durch die Einwirkung 
des spezifischen Leberenzyms in Harnsäure umgewandelt, die¬ 
selbe wird entweder weiter oxydiert oder durch die Nieren ausge- 
schieden. Dahingegen sind wir nach der normalen Abwick¬ 
lung der fermentativen Vorgänge vollkommen berechtigt, zu be¬ 
haupten, dass die Nucleine, welche mit den Nahrungsmitteln 
dem Organismus zugeführt werden, zunächst der hydrolytischen 
Spaltung des pankreatischen Trypsins unterliegen. 

Unter pathologischen Verhältnissen können dagegen sowohl 
im Darme als auch in der Leber durch minderwertige Enzym¬ 
wirkung bei der Umprägung der Nucleine Albuminoide ge¬ 
bildet werden, welche sich durch eine modifizierte Konfiguration 
der Moleküle, von den normalen Umsatzprodukten unterscheiden. 
Diese veränderte Anordnung der Moleküle wird zu einer her¬ 
abgesetzten Verbrennungsfahigkeit führen. 

Beurteilen wir von diesem Gesichtspunkte aus die Bildung 
von Harnsäure unter pathologischen Bedingungen, so liegt auf 
der Hand, dass die Vernrennung derselben bis zu einem gewissen 
Grade erschwert wird. 

Suchen wir zunächst zu ergründen, auf welche Ursachen 
bei der Entwicklung der uratischen Diathese die minderwertige 
Enzyrnwarkung zurückzuleiten ist, so müssen wir die gestörte 
Nervenzellentätigkeit als verantwortlichen Faktor ansprechen. 

Schon vor 3 Jahren habe ich in einer Arbeit über „die 
neurogene Ursache der Gicht und deren Behandlung“*) darauf 
hingewiesen, dass nicht nur die ausgesprochene Heredität, 
wie dieselbe bei den Gichtkranken nicht zu bestreiten ist, 
sondern auch der negative pathologisch-anatomische Befund 
des Pankreas und der Leber für eine nervöse Affektion sprechen. 

*) HallibartoD, Chem. P^aiol. u. Pathol. S. 211. 

•*) Verlag von Vogel & nreienbriok. Berlin 1903. 


Feuilleton. 


Die Krankheit 

des Königs Ladislaus von Neapel. 

Von Dr. Erich Ebstein {Göttingen). 

Es ist bekannt, dass Wladislaw (Ladislaus) von Anjou, 
König von Neapel (geh. 1375), mitten in einem zweiten Sieges¬ 
lauf gegen den Papst Johann XXII. in Perugia von einer töt- 
lichen Krankheit ergriffen wurde, der er in Castelnuovo am 
8. August 1414 — im Alter von 39 Jahren — erlag. Um 
welche Krankheit es sich gehandelt hat, wird nicht berichtet. 

In den kirchlichen Annalen zu dem Jahre 1414 sagt 
Raynaldus, sich auf Theodoricus e Niem beziehend: 
„Inter medios sucessus cum Italiae imperium Ladislaus affec- 
taret, morbo corruptus ex ilUto genitalibus a scorto Perusino, 
ut ajunt, veneno, sive ignesacro divinitus immisso, utperquae 
peccarat, per la puniretur, Neapolin reversus est, octavoque 
Augusti die interiih“.*) Aus dieser Notiz lässt sich nicht mehr 
sagen, als dass es sich bei Wladislaw um eine „venerische Affek¬ 
tion“ gehandelt hat, und nicht wohl um Syphilis, der 
Hermann Friedberg**) den Tod des Königs zuschreiben will. 

*} Annalds ecclesiastici ab anno 1198 . . . Auctore 0. Hajnaldo. 
Aticednnt in hac editione notae etc. Aactore Joanne Dominico Mausi Lu- 
censi. Tom 8. Locae 1754. fol. Christi annas 1414. pag. 376. 

**) Die Lehre von den venerischen Krankheiten in dom Ältertame and 
Mitteluter: Berlin 1865 S. 12. 


Auch ist die hohe Zahl von Gichtleidenden in England neben 
dem starken Fleischkonsum, meiner Ansicht na^, auf die 
hereditäre Anlage zurückzuleiten. In keiner Nation ist die In¬ 
zucht so vertreten, wie in diesem Insellande. Ebenso weist 
die Entwicklung der Bleigicht auf einen nervösen Faktor hin. 

Einige Autoren haben bei Gichtleidenden eine Stanungs- 
hyperämie der Leber konstatiert und es ist einleuchtend, dass 
dieser Nachweis eher für als gegen eine nervöse Beeinflussung 
spricht, da eine Paralyse der Vasomotoren sich mit der mangel¬ 
haften Innervierung vollkommen in Einklang bringen lässt. 

Dass durch eine fehlerhafte Innervierung der Tonus der 
Drüsenzellen herabgesetzt werden kann, und minderwertige 
Enzyme produziert werden, ist durch experimentelle Unter¬ 
suchungen bewiesen. 

Bekanntlich wird die Funktion der Leber mit einem Filtrier¬ 
apparat verglichen, es ist nicht nur die Aufgabe der Leber- 
zellen die umgewandelten Nährstoffe von den unbrauchbaren 
Schlacken zu scheiden, sondern dieselben sind anch befähigt, 
die Umprägung der Nährstoffe bis zur Oxydationsstufe zu 
vollenden. 

Namentlich werden die Blutmengen der Pfortader der 
Leber Material Zufuhren und der hohe Eisengehalt der Leber 
weist darauf hin, dass dieselbe speziell als Departement zur 
Auflösung der Blutzellen Verwendung findet 

Ein Teil des Eisens wird in den Leberzellen angehäuft, 
es stammt unzweifelhaft aus dem Hämoglobin. Das Gallen¬ 
pigment stammt ebenfalls aus dem Hämoglobin, ist aber 
eisenfrei. 

Aus diesen Befunden lässt sich die Folgerung ziehen, dass 
ein Zerfall der Blutzellen stattgefunden hat und die Schlacken 
mit der Galle exportiert werden. 

Von einem anderen Standpunkte aus lässt sich dagegen 
der Eisengehalt der Milz und der anderen hämapoetiscnen 
Organe deuten. Dieselben entnehmen ihren Eisengehalt infolge 
der Normen derselectiven Zellenfunktion dem arteriellen Blutstrom 
und verwenden das Eisen als Baustein des Hämoglobins. Die An¬ 
nahme, dass das Eisen nach der Resorption nur als Reizmittel 
für die Funktion der blutbereitenden Organe diene, ist von 
der Hand zu weisen. Es findet ebensogut ein Ersatz der 
Eisenmengen im Organismus durch Zufuhr statt, wie wir die 
anderen anorganischen Substanzen bei einem Manko durch 
Verabreichung ausgleichen können. 


Nun erhielt ich vor kurzem durch die Freundlichkeit des 
Herrn Privatdozenten Dr. Beckmann in München, für die ich 
ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage, folgende 
bisher ungedruckte Notiz aus einem Briefe vom August 1414, 
in der es heisst: — — prope Urbem in Castro Montis Rotundi 
quaedam letalis infirmitas in virga ipsum acriter invasit, cui 
cancer se conjunxit, ipsum usque ad viscera corrodendo“. 

Diese wenn auch kurze, so doch recht charakteristische 
Beschreibung des Leidens kann man wohl nicht, wie seiner 
Zeit Friedberg es tat, auf Syphilis beziehen, sondern es 
wird aufs allerdeutlichste ein typischer, gangränöser, serpigi- 
nöser Schanker*) (cancer) beschrieben, der vom Membrum 
virile aus weiterkriecht, sich allmählich auf die Nachbarschaft 
verbreitet und bei unzweckmäßiger Behandlung — in dieser 
Zeit nichts Aussergewöhnliches — zum Tode führen kann, wie 
es bei Ladislaus der Fall war. 

Aus dieser Schilderung kann man wahrlich nicht auch 
nur den geringsten Anhaltspunkt für eine syphilitische Er¬ 
krankung entnehmen und einen Beweis gegen die neuzeitliche 
amerikanische Herkunft ableiten, die meines Erachtens Iwan 
Bloch**) in seinem bekannten Werke überzeugend dargelegt 
hat. 


•) Vgl. Hebra und Kaposi, Lehrbuch der Hautkrankheiten. Stuttgart 
J876 S. 513 und J. Bloch in: Neuburger und Papel III. Band 1904, S. 403. 

*♦) Vgl. Iwan Bloch, Der Ursprung der Syphilis. Bd. 1. Jena 1904 
(Bd. 2 im Drucke); von demselben Autor: Das erete Auftreten der Syphilis. 
Jena 1904 und Kalenbergs encyklopädische Jahrbilcber. Neue Folge. 3. 
Band (Sonderabdruck 14 Seiten). 


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im 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


89 


Andererseits ist die Hauptaufgabe der Leberzellen auf die 
weitere Umwandlung der Nährsubstanzen zu beziehen, in dieser 
Richtung haben die verschiedenen Fermente der Leberzellen 
die ßefähi^ng den Abbau der Nährsubstanzen zu bewerk¬ 
stelligen. Das Material wird denselben durch die Portalvene 
übermittelt und die retrogressiven Prozesse, welchen die Blut¬ 
zellen speziell im LeberWutkreislaufe ausgesetzt sind, begün¬ 
stigen die Einwirkung der verschiedenen Fermente. 

Das synthetisch im Organismus gebildete Zellkemeiweiss 
wird durch das nucieinspaltende Enzym unter normalen Ver¬ 
hältnissen so umgewandelt, dass eine oxydable Harnsäure ge¬ 
liefert wird, welche dann auch zum Teil zu Harnstoff und 
Kohlensäure verbrannt wird. Es ist hier nicht meine Aufgabe, 
die Zwischenstufen aufzuführen, welche bei der Umwandlung 
von Harnsäure in Harnstoff von verschiedenen Autoren ange¬ 
nommen werden. 

Die Frage ist noch nicht gelöst, ob Glykokoll (Latham, 
Haig, Kionka), ob die Xanthinbasen oder andere intermediäre 
Faktoren zu berücksichtigen sind. Entschieden ist jedoch, 
dass bei der Bildung der Harnsäure sowohl, als auch des Harn¬ 
stoffs die Nieren nicht beteiligt sind, letztere dienen nur als 
Ausscheidungsorgane. 

Auch würde es zu weit führen hier auf das Verhältnis 
der Hamsäureausscheidung zum Harnstoff näher einzugehen, 
die verschiedenen Beobacntungen, weiche sowohl unter nor¬ 
malen Verhältnissen als auch bei Gichtkranken von den ver¬ 
schiedenen Forschem angestellt sind, können in jedem Werke 
über Gicht eingesehen werden. Der Kernpunkt meiner Deduk¬ 
tion besteht in der These, dass bei der uratischen Diathese 
durch eine minderwertige Fermentwirkung aus den Nucleinen 
schliesslich eine Harnsäure gebildet wird, welche nicht so 
leicht oxydabel ist, wie die unter normalen Verhältnissen ge¬ 
schaffene Harnsäure. Dieselbe wird sich durch ihre modifizierte 
Molekniekonfiguration anderen Affinitätsgesetzen imterordnen 
and sich durch ihre erhöhte Acidität zu den Basen in den Ge¬ 
weben hinziehen, um sich mit denselben zu einem unlöslichen 
Salz zu verbinden. (Schluss folgt.) 


William Harry (jilbert f. 



Am 1. August 1860 als Sohn eines englischen Offiziers 
und einer deutswien Mutter geboren, lebte Gilbert bis zu seinem 
17. Jahre in England. Er kam dann erst so spät in Wies¬ 
baden aufs Gymnasium, studierte in Strassburg und Erlangen 
und ging als Schiffsarzt auf einer längeren Reise nach 
Südamerika. Von dort zurückge¬ 
kehrt kam er nach Baden-Baden, 

warddortAssistent in einem Sanato¬ 
rium und gründete / im Jahre 1894 zu¬ 
sammen mit Medi- cinalrat Frey die 

bekannte und bei j \ allen deutschen 

Aerzten geachtete \ und beliebte An¬ 
stalt Frey-Gil- ’ bert. Von uner¬ 
müdlichem Fleiss 1:,); /beseelt, hat Gil¬ 
bert, 'den gewiss . / das relativ hohe 

Alter, in dem er Gymnasium 

kam, viel Schwie- rigkeiten machte, 

es verstanden, sich eine allseitig ge¬ 
achtete Stellung in der deutschen 

Aerztewelt zu ver- schaffen. Er war 

ein glänzender Therapeul^, ein hervorragender Diagnostiker 
und verband mit reichen wissenschaftlichen Kenntnissen ein 
seltenes Organisationstalent, welches ihn befähigte fortschritt¬ 
lich in jeder Richtung innerhalb seines Tätigkeitskreises zu 
wirken. In allererster Linie hat er die grosse Bedeutung des 
psychischen Einflusses in der Behandlung rechtzeitig erkannt 
und die grosse Zahl dankbarer Patienten beweisen, wie sehr 
er imstande war, durch seine eigene Persönlichkeit, durch 
seinen nie versagenden Humor, durch eine zur rechten Zeit be¬ 
tätigte Energie zu helfen und zu heilen. 


Unermüdlich vom Morgen bis zum Abend tätig, hat er 
Zeit gefunden, neben seiner grossen und ausgedehnten Anstalts- 
tätigkeit und Praxis eine Reihe von Unternehmungen zu fordern, 
deren Bedeutung für die Aerzteschaft er mit weitschauendem 
Blick erkannte. So beg^ndete er im Jahre 1901 das Komitee 
zur Veranstaltung ärztlicher Studienreisen, ein Unternehmen, 
das sich von J^ zu Jahr grösserer Beliebtheit erfreut und 
dessen Seele er gewesen ist und dessen gelungene Ausführung 
ein Beweis für seine unermüdliche Energie und für sein ver¬ 
söhnliches und liebenswürdiges Temperament bildet 

Er begründete ferner die Balneolodschen Kurse in Baden, 
die sich einer grossen Frequenz zu erfreuen haben, und nicht 
allein für den Kurort Baden, sondern für die Aerzte Deutsch¬ 
lands und des Auslandes eine Stätte der Belehrung und An¬ 
regung bilden. Die ausgedehntesten Beziehungen zu Patienten 
und Kollegen ermöglichten es ihm, auch die Vorzüge aus¬ 
ländischer Einrichtungen in seinem Wirkungskreis zur Geltung 
zu bringen. Er erwarb sich die Anerkennung vieler Souveräne, 
war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und 
hat ausserdem auch literarisch eine Reihe bedeutsamer Publi¬ 
kationen vollendet. 

Seine Gesundheit konnte wohl mit der seltenen Energie 
und dem nie ermüdenden Fleiss nicht Schritt halten, er hat 
öfter empfinden müssen, dass auch der Körper geschont sein 
will und es war ihm nichts schmerzlicher, als wenn das eigene 
Befinden ihn an der Ausführung irgend eines Planes hinderte. 
Eins der Hauptziele seines Lebens, der Neubau seines Sana¬ 
toriums, war gerade so weit, dass in kurzem der Einzug hätte 
gehalten werden können. Da rief ihn ein unerbittliches Ge¬ 
schick ab. Auf der Höhe seines Wirkens und Könnens hat 
ihn eine tückische Krankheit dahingerafft. Er war im Begriffe 
im Interesse der diesjährigen Studienreise in Stuttgart Ver¬ 
handlungen zu pflegen, als er plötzlich an einer Lungenent¬ 
zündung erkrankte, die zentral beginnend, immer weiter und 
weiter um sich griff und unter den schwersten Erscheinungen 
das Ende brachte. 

Gilbert gehörte zu den seltenen Menschen, deren Tod 
wirklich eine Lücke hinterlässt. Er war ein Arzt im besten 
Sinne des Wortes, er war nicht Arzt als Wissenschaftler allein, 
er war daneben auch Mensch. Er war ein stets hilfsbereiter 
nachsichtiger und liebevoller Kollege, jeder der mit ihn in Be¬ 
rührung gekommen, hat ihn zum Freunde gewonnen, alle die 
ihn kannten, verehrten ihn, und er konnte Freund sein, er war 
es nicht nur in guten Tagen, sondern er war es dann, wenn 
man Freunde braucht. 

Sein Wesen im grossen und ganzen voll Humor hatte oft 
etwas komisch-poltemdes, vielleicht auch hin und wieder hef¬ 
tiges, aber das kam ihm nicht von Herzen, dass war nur die 
äussere Form; er war ein guter Mensch, ein Mensch, der sich 
in andere hineindenken konnte, der alles verstand und alles 
verzieh. 

He was a man take him for all in all 
I shall not look upon his like again. 

Leicht sei ihm die Erdel 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medici/nische QeseUschAxft, 

Sitzung vom 7. Februar 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Katzenstein demonstriert eine Patientin mit einem Aneu¬ 
rysma der Arteria maxillaris, das als pulsierender Tumor am weichen 
Gaumen und hinter dem Kieferwinkel in die Erscheinung tritt. 
Tagesordnung: 

Diskussion Über den Vortrag Falkenstein. 

Senator erkennt die Wichtigkeit der Ergebnisse der Tier- 
ezperimente für die Salzsäuretheorie an. 

Falkenstein: Schlusswort. 


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90 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 8. 


Diskussion über den Vortrag Blascbko. 

Saalfeld bestätigt die günstigen Erfolge der Radiumtherapie. 
Doch hat er öfters intensive Schädigungen der Haut gesehen. 

Blaschko glaubt, dass sich solche bei vorsichtigem Verfahren 
vermeiden lassen. 

B. Fränkel zeigt eine Patientin, die er vor Jahren der Ge¬ 
sellschaft mit einer Elephantiasis ossea vorgestellt hat. Damals 
wurde von Virchow die Möglichkeit eine.s Zusammenhanges mit 
Lues verneint. Trotzdem wurden später Innunctionskuren eingeleitet, 
die zur Heilung führten. Weiter zeigt er einen Patienten, bei 
dem sich im Anschluss an ein Trauma allmählich eine Hyperostose 
des Oberkiefers entwickelt hat. Zur Zeit wird derselbe mit Arsen 
behandelt: sollte ein Erfolg ausbleiben, soll auch hier Queck¬ 
silberkur eingeleitet werden. 

Diskussion. 

Grumnach berichtet über einen ähnlichen Fall von Ober¬ 
kieferhyperostose. 

Warnekros: Demonstrationen aus dem Gebiete der tech¬ 
nischen Zahnheilkunde. 

Nach Erörterung der anatomischen Verhältnisse und des Kau- 
niechaui-sinus erläutert er, wie durch Entfernung einzelner Zähne 
ohne Ersatz durch Aenderung der Belastung eine Schädigung des 
Gebisses herbeigeführt wird. Die anormale Belastung führt zu 
Lockerung der Zähne in den Alvaeolen mit folgendem Zahnstein¬ 
ansatz, zu Stellungsanoraalien, die Berührungsflächen schaffen, die 
die Caries begünstigen. 76®^ aller Fälle von Wurzelentzündungen, 
Cariea und dadurch bedingten Zahnverlust könnte durch recht¬ 
zeitigen , nach anatomischen Grundsätzen vorgenommenen Ersatz 
vermieden werden. Nur auf diesem Wege wird sich die Erhaltung 
eines guten Gebisses bis ins Alter ermöglichen lassen. 

Verein für innere Medicln. 

Sitzung vom 5. Februar 1906. 

Vorsitzender Herr Kraus. Schriftführer Herr Ijitten. 

Vor der Tagesordnung: ’ 

1. Herr Westenhoeffer beantragt eine Aenderung der Ge-' 
schäftsordnung dahingehend, dass die Diskussionen zu den Vor-; 
trägen nicht mehr über eine bezw. mehrere Sitzungen aufgeschoV)en 
werden dürfen. 

Herr Kraus verspricht, der Geschäftsordnnngskommission 
einen entsprechenden Vorschlag einzubringen. 

2. Herr Kraus verliest eine Einladung der Physiologischen 
Gesellschaft für die Mitglieder des Vereins zur Sitzung am Freitag, 
den 16. Februar, in welcher Herr Büchner-München über „Den 
Nachweis von Enzymen in den Mikroorganismen“ sprechen wird. 

3. Herr von Leyden hält einen Nachruf auf den in Leyden 
verslorbenen Prof. Rosenstein, zu de.ssen Andenken [sich die 
Anwesenden von den Sitzen erheben. 

4. Herr Löwenstein, Belzig macht eine vorläufige Mitteilung 
betreffend einen „Vorschlag zur spezifischen Therapie der chro¬ 
nischen Infektionskrankheiten“. Er rät eine Immunisierung mit 
den von den einzelnen Patienten stammenden Erregern bezw. obige 
Erkrankungen mit bisher unbekannten Erregern mit dement- 
.sprechenden Körperflüssigkeiten oder Geschwulstextrakten (beim 
Carcinom). 

Tagesordnung: 

1. Diskussion zum Vortrag des Herrn L. Lewin: Das 
Schicksal körperfremder chemischer Stoffe im Menschen. 

Herr Kraus: Mit der ostalistischen Auffassung Herrn Lewins 
sei es schwer in Einklang zu bringen, dass Jod doch eine für 
den Organismus wichtige und trotzdem für den Neugeborenen 
körperfremde Substanz sei. 

Herr Bonninger: Der Satz, dass sich alle Drüsen propor¬ 
tional ihrer Grösse und ihrer Sekretionsmenge an der Ausscheidung 
körperfremder Substanzen beteiligen sollen, dürfte wohl nicht all¬ 
gemeine Geltung haben. Jodau.sscheidung ist absolut unabhängig 
von der Urinmenge. Gibt man einem Hunde Brom, so übernimmt 
das Brom die Funktion des Chlors, so findet sich BrH im Magen, 
und im Serum wird das ClNa durch BrNa teilweise ersetzt. 
Auch die Zweckmäßigkeit der Ausscheidung muss für manche 
Fälle bezweifelt werden. j 


Herr P. Lazarus erwähnt das eigenartige Phänomen, dass 
selbst bei der Einverleibung grosser Dosen von Jodsalzen kein J 
in der Oerebrospinalfiüssigkeit nachweisbar ist; während J im 
Harn auftritt nach intraduraier Einverleibung von etwa 4 mgr 
JNa. 

Herr Brat bittet um Auskunft, in welcher Weise die Wärme 
die Ausscheidung körperfremder Stoffe beeinflusse. Jod wird 
hauptsächlich im Urin ausgeschieden, in der Galle, deren Menge 
etwa die Hälfte der Urinausscheidung beträgt, findet sich J nur 
sehr spärlich. 

Herr Biel: Das Hauptausscheidungsorgan ist die Niere. Die 
Drüsen unterscheiden sich ganz wesentlich bezüglich ihrer Aus- 
süheidungsfäbigkeit. Auch auf die Art der Einverleibung kommt 
es an. 

Schlusswort Herr Lewin: Die experimentell erzielten Resul¬ 
tate seien dort, wo Operationen nötig wären, nicht eindeutig wegen 
der veränderten Bedingungen; dabei spiele bei der erhöhten Blut¬ 
zufuhr auch die Wärme eine Rolle. Den Standpunkt der Teleo¬ 
logie halte er aufrecht. Den Satz, dass jede Drüse befähigt sei, 
körperfremde Substanzen auszuscheiden, sei richtig mit der von 
ihm stets gemachten Einschränkung, dass nicht Hemmnisse physi¬ 
kalisch-chemischer Natur vorhanden seien. Jod sei auch für den 
Neugeborenen keine körperfremde Substanz. 

2. Diskussion zum Vortrag des Herrn Mohr. 

Herr Langstein bezweifelt, ob mit dem Glycocoll als 
Zuckerbildner viel anzufangen sei; weil es ein intermediäres Stoff¬ 
wechselprodukt sei, das nicht genügt zur Bildung des Zuckers. 
Es wäre leicht verständlich, dass Amino-Fettsäuren auch Zucker 
bildeten. 

Schlusswort: Herr Mohr: Bei Einführung von Benzeolsäure 
in einen diabetischen Hungerhund sinkt die Zuckerausscheidung 
ganz beträchtlich. Nach Einführung von Glycocoll geht sie stark 
in die Höhe. Dass Fettsäuren Zuckerbildner seien, dafür liege 
nicht der geringste Beweis vor. 

Aendlicher Verein in HanUnirg, 

(Biologische Abteihmg.) Sitzung vom 30. Januar 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

I. Vortrag des Herrn Fahr: „Über die sogenannten 
Klappenhämatome am Herzen d er Neugeborenen.“ Ob¬ 
wohl Berti schon im Jahre 1890 darauf hingewiesen hat, dass 
die Blutknötchen an den Herzklappen der Neugeborenen Gefäss- 
ectasieen sind, findet sich in den Lehrbüchern noch immer die 
Ansicht der älteren Autoren, dass die Knötchen Hämatome dar¬ 
stellen, die durch Blutungen in die noduli albini entstanden sind. 
Vortragender konnte durch systematische Untersuchungen nach- 
weisen, dass die Blutknötchen stets Capillarectasieen darstelleD. 
Er erklärt ihre Entstehung daduin^, dass an den Oapillaren der 
Klappen, solange die letzteren vascnlarisiert sind, Zerrungen statt¬ 
finden, wodurch es zur Erweiterung der Capillaren kommt, während 
Bei'ti die Entstehung der Knötchen mit der Involution der 
Klappengefä-sse in Verbindung gebracht hatte. Die Knötchen 
finden sich fast stets an den Atrioventricularklappen, was mit den 
Gefässverhältnissen der Klappen am kindlichen Herzen znsammen- 
bängt; sie sind nach dem zweiten Lebensjahre ausnahmslos ver¬ 
schwunden. (Erscheint ausführlich in Virchows Archiv.) 

II. Diskussion: Herr Lochte weist auf die gerichtliche 
Bedeutung dieser Hämatome hin: man könne aus ihnen das Alter 
etwa gefundener Kindesleichen, wenn auch nicht mit gros.ser 
Sicherheit, bestimmen. 

III. *Vortrag des Herrn Revenstorf: „Neuere Unter¬ 
suchungen zum Erkennen des Ertrinkungstodes.“ 
(Schluss). Die Ertrunkenen sterben sehr häufig, wenn Wiederbe¬ 
lebungsversuche erfolgreich waren, bereits am ersten Tag an 
Lungenödem; erfolgt der Exitus später, dann ist meistens eine 
Bronchitis oder eine Pneumonie die Ursache. In der Aspirations¬ 
pneumonie lassen sich in den allermeisten Fällen Wasserbakterien 
reap. Diatomeen nachweisen. 

IV. Diskussion: Herr Lochte macht auf den plötzlichen 
Tod im Wasser aufmerksam, der nicht durch Ertrinken, sondern 
aus anderen Ursachen hervorgerufen wird. Er sah bei eixier 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


91 


Sektäoa im Hafenkrankenhaus ausser einer Elephantiasis des linken 
Beines einen Embolus in der linken Lnngenarterie der ertrunkenen 
Frau. Ferner hat er Wasserleichen mit hochgradiger multipler 
Sklerose, mit Lungengangrän etc. gesehen und seziert. 

Herr Wiesinger operierte einmal einen Herrn, der nach 
einem Fall in einen Graben ein Empyem bekommen hatte: der 
Eiter war jauchig, stinkend und lufthaltig und war durch aspirierte 
Massen entstanden. Herr Schröder führt einen Fall aus seiner 
Praxis an, in dem sich in der Glottis ein erbrochenes Stück Speck 
bei der Sektion vorfand; er weist auf die 3 Faktoren hin, unter 
denen es — abgesehen bei Säuglingen — nur zu einer Aspiration 
kommen kann: ungeeignete Lage, Erbrechen und Bewusstlosigkeit. 
Herr Simmonds fragt an, ob in Herrn Löchtes Fall der Tod 
infolge Lungenembolie oder durch Ertrinken eingetreten sei. Herr 
Lochte schliesst den Tod durch Embolie aus, da die Leiche auf 
der Alster treibend gefunden sei. Es sei nicht anzunehmen, dass 
die Frau gerade, als sie unmittelbar am Rande der Alster stand, 
eine Embolie erlitten habe und dann erst ins Wasser gefallen sei. 
Vielmehr sei die Embolie während des Ertrinkens hinzugekommen. 
Den Vortragenden fragt er, ob er retrograde Amnesie wie bei 
Erhängten beobachtet hätte. Herr Hevenstorf verneint dies 
in seinem Schlusswort und gibt noch an, dass in den letzten 4 
Jahren 410 Ertrunkene, sei es lebend, sei es tot, im Hafenkranken¬ 
hause eingeliefert worden seien. Schönewald. 

M€mnheVmer Aerzteverein. 

Sitzung vom 29. Januar 1906. 

Fuchs: Die moderne Behandlung des Schielens. 
Das Schielen ist eine Affektion, die schon im frühesten Kindes¬ 
alter entsteht. Es besteht darin, dass die Gesichtslinie eines der 
beiden Augen bei allen Blickrichtungen von der richtigen, auf das ' 
Objekt zielenden Lage abweidit, und zwar immer um den gleichen 
Winkel. Das Sehvermögen des schielenden Auges ist im Ver-' 
gleiche mit dem andern gesunden Auge herabgesetzt. Die Seb- ; 
schwäche nimmt jedoch immer mehr zu, je länger das Schielen | 
besteht, weil sich wegen der Ausschliessung des Auges vom Seh- 1 
akte Amblyopia ex aucpira ausbildet. - Man sollte deshalb sich! 
bei Kindern nicht mit dem Gedanken trösten, dass mit dem Aus-; 
wachsen auch das Schielen zurUckginge, sondern so früh wie mög-; 
lieh an die Behandlung herangehen. Man unterscheidet zwischen ' 
Einwärtsschielen und Auswärtsschielen, Strabismus convergens und! 
divergens. Das Schielen ist das Resultat des Zusammenwirkens \ 
zweier Faktoren: Herabsetzung des Sehvermögens eines der beiden; 
Augen bei schon vorher bestehender Störung des Muskelgleich-. 
gewichtes. F. bespricht nornehmlich den Strabismus convergens j 
Derselbe entwickelt sich in der Regel in jenen Jahren, wo zuerst j 
scharfes und andauerndes Fixieren eine gewisse Accomodations-. 
anstrengung erfordert zwischen dem 2. u. 6. Lebensjahre. Er 
Badet sich vornehmlich bei Hypermetropen. Die Ursache ist eine i 
übermäßige Kontraktion des Rectus medialis, infolge abnorm starker ' 
Innervation desselben. Daher verschwindet das Schielen im Schlafe 
und in der Narkose. F. streift dann kurz die Behandlung des: 
Schielens bei den alten Völkern. Die moderne Behandlung zer- \ 
fällt in eine operative und nicht operative. Man unterscheidet: 
bei ihr folgende Momente: ' 

1. Optische Korrektion eines Refraktionsfehlers durch eine 
Brille. Wenn diese Behandlung zum Ziele führen soll, muss sie 
mit Strenge und durch lange Zeit fortgesetzt werden und auch, 
nach Beseitigung des Schielens müssen die Konvexgläser entweder 
beständig oder doch wenigstens für die Arbeit in der Nähe ge-; 
tragen werden, damit der Patient nicht wieder in das Schielen 
verfällt. 

2. Ausschluss des fixierenden Auges durch Verband. Man 
zwingt dadurch das andere, schielende Auge zum Fixieren; hier¬ 
durch wird auch das Sehvermögen dieses Auges vor weiterem 
Verfalle durch Nichtgebrauch bewahrt, ja es kann sieh in günstigen 
Fällen in Folge der Uebung sehr bedeutend heben. 

3. Einträufelung von Atropin in das fixierende Auge. 

4. Hebungen mit dem stereoskopischen Apparate.^ ^ Dieselben 
sind sehr mühselig und erfordern eine besondere Geduld und 
Elnergie von Seiten des Patienten. 

5. Die Operation. Dieselbe ist heimfStrabismus convergens 
in allen jenen Fällen augezeigt, wo die nicht operative Behaud- 


long erfolglos geblieben ist oder von vorneherein keine Aussicht 
auf Erfolg bietet. Dazu gehören alle Fälle, wo das Schielen 
schon lange Zeit besteht oder wo es einen hohen Grad erreicht 
hat. Um die Zeit bis die Kinder alt genug für Operation sind 
nicht unbenutzt verstreichen zu lassen, kann man das abgelenkte 
Auge durch öfteres Verbinden des andern in ständiger Uebung 
erhalten und dadurch dem Verfalle des Sehvermögens durch 
Nichtgebrauch Vorbeugen. Ausserdem lasse man wenn möglich 
Convexgläser tragen. Die Operation besteht beim Einwärtsschielen 
in der Tenotomie^des'^Rectus medialis oder der Vorlagerung des 
Antagonisten. F. hält die erstore Methode für unzuverlässiger. 

Dr. Max Jacoby. 


Standesfragen. 

Die Aerzte und die Sozialpolitik. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Die neueren Bestrebungen der Aerzte um sozialpoli¬ 
tische Bildung werden von der deutschen Presse selten ln 
ihrer Bedeutung genügend gewürdigt. Um so erfreulicher ist es, 
dass eine so hervorragende Zeitung wie die „Soziale Praxis*^ 
in einem zusammenfassenden Aufsatz auf die Bemühungen zu 
sprechen kommt, die ärztlichen Standesgenossen zu Sozialpolitikern 
heranzubilden. „Es ist ja nicht zu übersehen*', heisst es, „dass 
es immer Aerzte gegeben hat, die die in ihrem Berufe erworben^i 
Kenntnisse von dem sozialen Notstand der gewerblich arbeitenden 
Bevölkerung zum Besten der allgemeinen^Wohlfahrt zu erweitern 
bestrebt waren. Was aber auf diesem Gebiete zu erfolgreicher 
Wirksamkeit fehlte, das wai* das systematische Arbeiten und das 
zielbewusste Streben, möglichst viele ärztliche Praktiker an der 
sozialreformerischen Arbeit auch innerlich zu beteiligen. Nun, da 
der Weg der organischen Einigung der Aerzte gefunden ist, kann 
es nicht fehlen, dass der Ruf der anerkannten Führer des ärzt¬ 
lichen Standes in Deutschland nach sozialpolitischer Bildung der 
Standesgeuos.sen von Erfolg sein wird.“ Eis wird dann die Tätig¬ 
keit der Krankenkassenkommission des Deutschen Aerztevereins- 
bundes und das Auftreten der Aerzte in Wien^beim Arbeiterver¬ 
sicherungskongresse erwähnt und gesagt: „Die Aerzte beteiligten 
sich in so ausgezeichneter Weise an den Verhandlungen, dass all¬ 
seitig der Eindruck erweckt worden ist, gerade sie seien berufen, 
infolge ihrer vermittelnden Stellung versöhnend und ausgleichend 
auf dem grossen Gebiete der sozialen Versicherung zu wirken.“ 
Schliesslich wird der innigen? Zusammenarbeit von Volkswirt¬ 
schaftlern mit Aerzten das Wort geredet und die Volkswirtschaftler 
sozialreformatischer Richtung wiederaufgefordert, die Bestrebungen 
der deutschen Aerzte nach sozialpolitischer Bildimg ' eifrigst zu 
fördern. „Mögen sie der Aerztebewegung aufmerksam folgen 
und mögen sie die medicinische Presse durch sozialpolitische Bei¬ 
träge eifrig unterstützen, lum.die Aerzte zu kenntnisreichen und 
eifrigen Sozialreformern zu erziehen.“ 

Diese Kenntnisse sich zu vermitteln, zeigen^sich hier in Berlin 
die Aerzte ganz besonders bestrebt. Wir erwähnten schon vor 
einiger Zeit in dieser Wochenschrift die von der Ortsgruppe Ber¬ 
lin des Leipziger Verbandes geplante Gründung eines Seminars 
für soziale Medicin. Dieses wird nun in den nächsten Tagen 
ins Leben treten. Der erste eben angekündigte Vortragszyklus 
wird als Gesamtthema behandeln: Die staatliche Invaliditäts¬ 
versicherung in Theorie und Praxis Das Programm ver- 
heisst folgende Vorträge: Herr Geh.^llegierungsrat Bielefeldt, 
Senatsvorsitzender im Reichsversicherungsamt; „Die soziale Be¬ 
deutung der Invalidenversicherung“; Herr Dr. Mugdan, M. d. R.: 
,.Invaliditätsversicherung imd Arzt“; Herr Dr, v. Golz, ärztlicher 
Beirat des Vorstandes der Landesversicherungsanstalt Berlin; „Die 
Untersuchung der Vorgeschlageuen und die Ergebnisse des Heil¬ 
verfahrens“ ; die Herren Obersekretäre bei der Landesversicheruugs- 
anstalt Berlin Dr, Koch und Merti^ns: „Ueber den geschäfts¬ 
mäßigen Hergang bei Durchführung des Heilverfahrens bezw. de.s 
Reutenfeststellungsverfahrens“; die Herren Chefärzte der Heil¬ 
stätte Beelitz a) Herr Dr. Pielioke: „Die Auslese für das Heil¬ 
verfahren und deren Grundprinzipien“; b) Herr Dr. Pickert: 


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92 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 8. 


„Das Heilverfaliren bei Lnngentuberknlösen“. An die Vorlesangen 
schliessen sich Diskussionen an; es finden ferner Besichtigungen 
der in Betradit kommenden Anstalten sowie seminaristische 
Uebungen in Gruppen von 6—10 Teilnehmern statt. 

Für diese Neueinrichtung zeigt sich grosses Interesse, die 
Nachfrage nach Teilnehmerkarten ist ausserordentlich gross. Dass 
dieses Interesse vorhanden ist, ist nicht zum geringsten Teile der 
medicinischen Standespresse zu verdanken, vor Allem der Medi¬ 
cinischen Beform, die seit Beginn dieses Jahres in erweiterter 
Form als Wochenschrift für soziale Medicin, Hygiene- und Medici- 
iialstatistik erscheint und durch ihren bewährten Redakteur, R. 
Lennhoff, zu einem wirklich interessanten und anregenden Blatt 
gestaltet worden ist. Sie dient auch als Publikationsorgan für 
die Gesellschaft für soziale Medicin, die jetzt ihr zweites 
Lebenqahr absolviert und sich ausserordentlich rührig erweist. 
Zwei dort letzthin gehaltene Vorträge Uber die in Aussicht stehen¬ 
de Reform der Arbeiterversicherungsgesetze, der eine von Leun- 
hoff, deranderevonRegierungsratSayffaerth, dem Vorsitzenden 
des Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung in Köln, Hessen er¬ 
kennen, dass die Aerzte eifrig an der Arbeit sind, um ihre Wünsche 
für die Gestaltung dieser Reform an die zuständige Stelle ge¬ 
langen zu lassen. Dass gerade jetzt der geeignete Zeitpunkt da¬ 
für ist, zeigt die vom Grälen Posadowsky im Reichstage abge¬ 
gebene Erklärung, dass das Reichsamt des Innern hoffe, Ende 
des Jahres 1907 die Novelle fertiggestellt zu haben. 

Auch in der Literatur zeigt sich ein reges Verständnis für 
die Notwendigkeit allgemeiner Durdibildung der Aerzte. Dafür 
zeugen mehrere in letzter Zeit erschienene zusammenfassende 
Werke. Auch das uns vorliegende Buch von Hundeshagen, 
Einführung in die ärztliche Praxis unter geeigneter Be¬ 
rücksichtigung der Versichemngsgesetze und der allgemeinen Ge¬ 
setzgebung bezweckt, den jungen Arzt über seine Pflichten und 
Rechte zu informieren, ihn zu befähigen, von vornherein als 
Kassenarzt tätig sein zu können und sein soziales Verständnis zu 
fördern. Wir können die Lektüre des anregend geschriebenen 
Werkes warm empfehlen. 

Sozialpolitisches Wissen ist für den Arzt auch erforderlich, 
wenn er die Verhältnisse zwischen Kassen und Aufsichts¬ 
behörden verständnissvoll beurteilen will. Augenblicklich erregt 
wieder einmal die Remscheider Ortskrankenkasse die 
Aufmerksamkeit der Aerzte. Bei dieser Kasse, der im Herbst 1. J. 
durch einen Aerztestreik die freie Arztwahl aufgezwungen worden 
ist, ist jetzt vom Oberbürgermeister die Verwaltung der Kasse 
dem Vorstände zwangsweise genommen worden. Zur Begründung 
wurde eine ganze Reihe von Verfehlungen aufgeführt, deren sich 
der Vorstand schuldig gemacht haben soll. Die Angelegenheit 
erregt Aufsehen in weitesten Kreisen; schon hat sich der Reichs¬ 
tag damit befasst, Kassenvorstand sowohl wie Mitgliederversamm¬ 
lung haben an die höhere Aufsichtsbehörde appelliert und das 
Resultat weiterer Untersuchungen wird ja zeigen, oh das strenge 
Vorgehen des Oberbürgermeisters gerechtfertigt ist. Vorläufig 
sind wir von der formellen RechtsmälÜgkeit der getroffenen An¬ 
ordnungen noch nicht überzeugt; wir werden über den weiteren 
Verlauf der Angelegenheit berichten. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinische Wochenschrift. 1906 No. 6. 

1. Fischer, Kiel: Die Bekämpfdng der Diphtherie mit Be¬ 
rücksichtigung der bei einer Epidemie in einem Automaten¬ 
restaurant gemachten Erfahrungen. 

In dem ersten Teil der Veröffentlichung, welcher in dieser 
Nummer vorliegt, geht Verf, auf die Frage der Bedeutung der 
Serumbehandlung ein. Das Diphtherieheilserum als ein allgemeines 
Schutzmittel gegen die Diphtherie zu verwenden, dazu ist man 
nicht berechtigt, es verleiht keinen genügenden Schutz, Aller¬ 
dings empfiehlt sich die Anwendung durchaus, aber man darf sich 
nicht allein darauf verlassen, sondern muss sein Augenmerk vor 
allem auf die möglichst frühzeitige Ermittlung und Beseitigung, 


aller Infektionsquellen legen. Für die Infektion kommt einzig und 
allein der Mensch in Betracht, aber nicht nur der kranke, sondem, 
was besonders wichtig ist, auch der gesunde und genesende. Die 
Diagnose Diphtherie sollte stets durch die bakteriologische Unter¬ 
suchung gestützt sein. Die Beobachtung lehrt uns, dass auch bei 
Genesenden noch eine ganze Weile hindurch virulente Keime aus¬ 
geschieden werden können. Auch ganz gesunde Menschen aus der 
Umgebung Diphtheriekranker können virulente Bazillen ausscheiden. 
Die Annahme v. Behrings von der Ubiqnität der Diphtherie¬ 
bazillen lässt sich nicht aufrecht erhalten. Für die bakteriologische 
Untersuchung ist die richtige Entnahme der Probe von grosser 
Bedeutung. Die Serumbehandlung hält Verf. für so wichtig, dass 
er dieselbe unabhängig vom Ausfall der bakteriologischen Unter¬ 
suchung empfiehlt. Die bakteriologische Untersuchung hat auch 
festzustellen, wer von der Umgebung des Kranken, ob Genesende 
oder Gesunde, noch virulente Keime liefert, diese Personen sind 
zu isolieren bezw. mit Desinfizieutien zu behandeln. Auch die 
Ausscheidungen sind zu desinfizieren. Isolierung, lokale Behand¬ 
lung und fortlaufende Desinfektion müssen solange fortgesetzt 
werden, bis die in regelmäßigen Intervallen ausgeführte bakterio¬ 
logische Untersuchung wenigstens zweimal hintereinander zur Auf¬ 
findung der Diphtheriebazillen nicht mehr geführt hat. 

2. Ruppanner: Basel; Heber Pyelonephritiz in der 
Sobwangerzohaft 

Die Aetiologie der Schwangerschaftspyelonephritis ist in der 
durch den schwangeren Uterus bedingten Kompression der Ure- 
teren zu suchen und zwar als disponierendes Moment, während die 
Entzündung des Nierenbeckens selbst durch Spaltpilze bewirkt 
wird, unter denen die dem Darm entstammenden eine Haupt¬ 
rolle spielen. Den obigen praedisponierenden Verhältnissen ent¬ 
sprechend, tritt die Pyelonephritis in den meisten Fällen in den 
mittleren Monaten der Schwangerschaft auf. Im Kraukheitsbild 
fällt oft ein attaokenartiger Verlauf auf. Den Attacken können Pe¬ 
rioden scheinbarer Genesung folgen. Mit der Geburt pflegt spontan 
eine Besserung einzutreten. Die Behandlung der Erkrankung 
kann eine interne, eine geburtshilfliche und eine chirurgische sein. 
Zunächst wird man die Patientin zu Bett legen, damit die Kom¬ 
pression der Ureteren, so weit möglich, beseitigt wird. Sodann 
wird man eine interne Desinfektion zu bewirken versuchen durch 
Darreichung von Urotropin, Salol, Helmitol (gut bewährt), auch 
Aspirin. Ferner käme eine Ausspülung mittels Uretereukathe- 
trismus in Frage. Reichliche Flüssigkeitszufuhr zur Durchspülung 
der Nieren (Wildunger Wasser) erweisen sich als nützlich. In 
schweren Fällen die künstliche Frühgeburt. Zur chirurgischen 
Behandlung wird man nur ganz selten Veranlassung haben, in 
Frage kommt dann die Nephrotomie, die Gravidität als solche 
bildet gegen diesen Eingriff keine Contraindikation, 

3. Golley, Insterburg: Beobaehtangen nnd Betraohtimgen 
über die Behandlung ahnt eitriger Prozesse mit Bier’soher 
Stannngshyperaemie. 

Verf. ist mit grosser Vorsicht an die Verwendung der Bier- 
schen Stauung bei akut eitrigen Prozessen herangegangen und 
hat ganz ausgezeichnete Resultate erzielt, so dass er der Ueber- 
zeugung Ausdruck gibt, dass die Bier'sehe Methode eine gleiche 
Rolle in der Chirurgie zu spielen berufen ist, wie seiner Zeit die 
Esmarch’sche Blutlehre und das Lister’scbe Verfahren. 

4. Herhold, Altona: Anwendung der Stannngshyperaemie 
bei ahnten eitrigen Prozessen im Oamisonlazarett Altona. 

Verf. fasst seine mit dem Bier’scben Verfahren gemachten 
Erfahrungen in folgender Weise zusammen: Die Stauungshyperaemie 
bei akuten entzündlichen Prozessen, namentlich bei Fanaritien 
und Furunkeln, zeitigt recht gute Erfolge, sie kann für diese Er¬ 
krankungen als Bereicherung der chirurgischen Hilfsmittel dieneu. 
Andererseits darf man sie nicht als Allheilmittel auffassen, da 
auch sie versagen kann. Bei schweren Phlegmonen ist sie nur 
mit Vorsicht und unter gewissenhafter Ueberwachung anwendbar. 

5. Mindes, Drohobyez; Zar Xeohnik des Bierisohen Ver¬ 
fahrens mltr Stannngshyperaemie, 

Verf. beschreibt einen von Koslowski konstruierten Hilfs¬ 
apparat für die Ausführung der Bier’schen Stauung, Derselbe 
besteht in einer kleinen mit Zahnrad und Sperrzahn versehenen 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


93 


Walee, die mittels eines Schlüssels gedreht werden kann. Die 
Gammibinde kann mittels dieser Vorrichtung leicht beliebig an¬ 
gezogen und nachgelassen werden. Verf. empfiehlt, erst bis zur 
blauen Hyperaemie zu komprimieren und dann einige Zähne nach¬ 
zulassen. Der Apparat dürfte sich seiner einfachen Handhabung 
wegen recht gut bewähren. 

6. Groedel, Nauheim: Idnluseitiger Trommeliohl&gerfinger 
bei AnenryBiiia arous aortae. 

Verf. hatte Gelegenheit, bei einem Fall von Aneurysma des 
Arcus Aortae das Symptom der Trummeischlägerfinger nur der 
einen Hand zu beobachten. Dieser hüchst bemerkenswerte Befund 
gibt dem Verf. Veranlassung, sich über den ätiologischen Zu¬ 
sammenhang zu äussem. Derselbe ist wohl in einer venösen 
Stauung der betroffenen Seite in erster Linie zu suchen. Da« 
neben werden allerdings noch andere Ursachen in Betracht 
kommen. Verf. hat die Auffassung, dass der erhöhte venöse Druck 
auf ein in seiner Widerstandsfähigkeit geschwächtes Gewebe als 
Ursache anzusehen sei, wobei die Schwächling des Gewebes einer 
herabgesetzten Abfuhr toxischer Stoffe zuzns^reiben sein würde. 

7. Bittorf, Leipzig: Zur Pathogenese der angeborenen 
Stuhlverstopfong (Hirsohspmng’sehe Krankheit). 

Die Pathogenese dieser Erkrankung ist noch ziemlich dunkel 
und daher nach Ansicht des Verf, die Mitteilung anatomischer 
Befunde von grosser Bedeutung, Verf. hat einen charakteristischen 
Fall bei einem 19'/| Wochen alten Kinde beobachtet und glaubt, 
die grosse Länge der Flexura sigmoidea als konstanten Befund 
bezeichnen zu müssen. Sie ist die angeborene Grundlage, zu der 
verschiedene Hilfsmomente hinzutreten können. Die übermäßige 
Erweiterung hält Verf. für ein sekundäres Symptom, welche wohl 
meist erst in späterem Alter sich entwickelt. Durch Inhalts¬ 
stauung kann sich dann sekundär eine Art Klappenmechanismus 
entwickeln, welcher zur Erweiterung und Hypertrophie der Wan¬ 
dung führt. 

8. Schiff, Wien: Bdn^enstraUen und Badium bei Epithe« 

Uom. 

Verf. teilt drei Musterfälle von Heilung des Epithelioms 
durch Röntgen- und Radiumstrahlen mit. Dass eine Wirkung der 
vers<^edenen Strahlengattung sicher eintritt, ist bekannt und be¬ 
darf heute kaum mehr des Beweises. Es erweist sich als prak¬ 
tisch, die verschiedenen Verfahren zu kombinieren und teils Aetz- 
ungen, teils Auskratzungen, teils Röntgenstrahlen, teils Radium 
in Anwendung zu bringen. Es gibt eine Reihe von Epitheliomen, 
wo mit der operativen Behandlung bei weitem nicht so gute Re¬ 
sultate erzielt werden. Besonders wichtig ist die radiologische 
Behandlung, wenn man mit der Messerscheu von Patienten zu 
tun hat. Die Anwendung von Bleiglasröhren gestattet, die Rönt¬ 
genstrahlen auf ganz bestimmte Bezirke zu leiten. Die entstehenden 
Narben sind glatt und nicht entstellend. 

9. Schilling, Nürnberg: Operativ geheiltes Hebennieren« 
kystom. 

Verf. bat bei einem 22jährigen Mann einen mannskopfgrossen 
Tumor beobachtet, welcher im rechten Hypochondrium lag. Wäh¬ 
rend der Beobachtung entwickelte sich unter der Haut im Bereich des 
Tumorsein kleinerer Abszess,derselbe wurde gespalten und esentleerte 
sich dünnflüssiger Eiter. Beim weiteren Eingehen in die Tiefe 
gelangte man in eine ziemlich glatte Höhle, welche ebenfalls mit 
Eiter gefällt war tmd in deren Tiefe man einige Gewebsfetzen 
entfernen konnte. Die histologische Untersuchung ergab mit 
grosser Wahrscheinlichkeit ein Peritheliom der Nebenniere. Die 
Heilung erfolgte unter Tamponade anstandslos. 

10. Sommer, Niedermendig: Zur Kenntnis der intrantermen 
Totenstarre. 

Verf. hat in 5 Jahren drei Fälle von intrauteriner Toten¬ 
starre beobachten können. Dass diese im allgemeinen so selten 
beschrieben wird, liegt wohl daran, dass die Früchte erst dann 
geboren werden, wenn die Starre bereits wieder gelöst ist, oder 
aber, dass in der Austreibungsperiode die Zeit zu kurz ist zum 
Eintritt der Totenstarre. Auch die pas.siven Bewegungen bei ge¬ 
burtshilflichen Eingriffen können den Eintritt der Starre ver¬ 
zögern. 


11. Hofmann, Karlsruhe: TTmsetnuig der Lftugsriobtnng 
bei EztonzioiiBTerbänden in queren Zug. 

Da Eztensionsverbände in der Wohnung der Patienten oft 
nur mit Verletzung der Bettstellen anzobringen sind und man 
auch gelegentlich recht erhebliche Gewichte braucht, ist Verf. auf 
den Gedanken gekommen, den Längszug in einen Querzug zu 
verwandeln. Zu diesem Zweck werden die Zuglaschen um ein 
Spreizbrett geführt und durch die Löcher desselben eine Schnur 
gezogen, die durdi eine am Fussbrett des Bettes befestigte Schlinge 
geführt ist und deren beide Enden rechts und links am Bett 
herunterhängen. Die Belastung kann viel geringer sein und das 
Bettgestell wird durchaus geschont. 

12. Zippel, Hamburg: Lagerung von unreinen Kranken 
auf Torfbkuil. 

Im Hamburger Werk- und Armenhause hat sich dem Verf. 
die Lagerung unreiner Kranken auf Torfmull vorzüglich bewährt. 
Es wird folgendermaßen verfahren: Ueber das Bettlaken, unter 
dem wasserdichter Stoff liegt, wird ein dreieckiges Leintuch ge¬ 
legt, die lange Seite quer zur Bettlänge. . Darauf kommt' eine 
dünne lockere Schicht Jute mit ca. 16 cm hohem Rande, dieses 
sogenannte Nest wird mit lockerem Torfmull gefüllt, der Patient 
da^uf gelegt und das dreieckige Tuch um Unterleib und Beine 
genau so herumgelegt, wie die Windel bei Säuglingen. Verf. hat 
Geruchlosigkeit erzielt und Decubitus vermieden. 

Deutsche mediclnische Wochenschrift. 1906. No. 6. 

1. Elsaesser, Hannover; Erfahrungen mit Maretin. 

Verf. hat bei 49 Fällen das Maretin als Antipyreticum ver¬ 
sucht und ist zu sehr guten Resultaten gekommen. Das Fieber 
bei Tuberkulösen schwand vollkommen und blieb auch nach Aus- 
setzen des Medikaments danemd fort. Irgendwelche ungünstigen 
Nebenwirkungen hat E. niemals feststellen können und steht da¬ 
her im Gegensatz zu Steinbauer (Deutsch, med, Wochenschrift. 
1906. Nr. 49). Er kann das Maretin nur dringend empfehlen. 

2. Wechselmann, Berlin: Experimenteller Beitrag cur 
Kritik der SiegeTsohen Syphilisttbertragungsversuche. 

Die nicht eindeutigen Befunde bei den von Siegel mit Sy¬ 
philis geimpften Affen haben Verf. auf den Gedanken gebracht, 
ob nicht das Blut des Kaninchen als solches schon geeignet sei, 
derartige Erscheinungen beim Affen hervorzurufen. Ein von ihm 
angestellter Versuch scheint diese Annahme durchaus bestätigt zu 
haben. Der Affe bekam nach Impfung mit Blut eines gesunden 
Kaninchens Erscheinungen, welche denen der von Siegel be¬ 
schriebenen AffensyphiUs sehr ähnlich waren. Wenn auch nur 
eine einzelne Beobachtung vorliegt, so ist dieselbe doch sehr be¬ 
achtenswert. 

3. Stenger, Königsberg: Die Bier’sohe Stauung bei akuten 
Ohreiterungen, 

Verf. hat die Bier’sche Stauung bei akuten Eiterungen an¬ 
gewandt und günstige Beeinflussung gesehen, die subjektiven Be¬ 
schwerden schwanden schnell, auch der Heilungsverlauf schien 
günstig beeinflusst zu werden. Die Anwendungsweise ist leicht, 
es wird ein 3 cm breites Band fest um den Hals gelegt und meist 
22 Stunden liegen gelassen. Verf. bat das Verfahren auch mit 
g;utem Erfolge bei operierten Fällen in Anwendung gebracht und 
zwar in folgender Weise. Um die Beeinflussung des Eiterherdes 
intensiver vornehmen zu können, bediente Verf, sich nicht der 
Umschnünmgsstauung, sondern der Sangstauung. Zunächst wird 
bei schon bestehendem eubperiostalem Abscess eine 2— 3 cm lange 
Incision gemacht. Das Periost wird abgehoben bis zur Umrandung 
des äusseren Gehörganges. Blutende Gefässe werden unterbunden. 
Ist keine Fistel vorhanden, so wird eine solche mit schmalem 
Meissei angelegt. In die KnocheDöfinuog kommt ein Gazestreifen 
und aussen auf die Haut ein Bier’scher Saugnapf. Erst nach 
drei Stunden wird der Saiignapf entfernt, wenn er nicht schon 
ff-üher ganz gefüllt ist. Allmählich muss die Dauer der Saugung 
verkürzt werden, weil sonst Schmerzen auftreten. 

Verf. ist der Ansicht, dass das Bier’sche Verfahren für die 
Therapie der eitrigen Ohrenentzündung von hervorragender Be¬ 
deutung ist. Bei unkomplizierten Fällen ist die Methode unge¬ 
fährlich, bei komplizierten Fällen bedarf sie noch weiterer Prüfung. 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 8. 





4. Schneider, Berlin: Der Deunfektioiuwert 7on Lyso- 
form^ bei mäfiig erhöhter Temperatur. 

Eingehende, im Institut für Infektionskrankheiten vorgenommene 
Untersuchungen haben dem Verf. gezeigt, dass warme .Lysoform- 
lösungen im allgemeinen zu empfehlen sind. Dieselben dürfen 
aber nicht viel mehr wie 40® haben, ^da^sonst eine Verdampfung 
von Formaldehyd eintritt. 

5. Hering, Prag: XTeberj die häufige Kombination von 
Kammerrenenpnls mit Pnlnu irregnlaru perpetans. 

In 32 Fällen von 34, in denen Kammervenenpuls nach¬ 
gewiesen wurde, bestand jauch Pulsus irregularis perpetuus. Aus 
dieser Beobachtung ergibt sich, dass es zwar Kammervenenpuls 
ohne Puls. irr. perp. geben kann, aber nicht umgekehrt, wenigstens 
soweit die Beobachtungen des Verf. reichen. Ehe diese Beob* 
achtung nicht allgemein bestätigt worden ist, glaubt Verf. auch 
noch keine diagnostischen Schlüsse ziehen zu dürfen. 

6. Sternberg, Wienrü6b6r*Elyttiere und Irrigationen. 

Verf. unterscheidet fünf Gruppen von Klystieren und zwar 

nach ihrem Zweck: 1. Evakuation des Darmes. 2. Behandlung 
von Darmkrankheiten. 3. Behandlung von Krankheiten entfern¬ 
terer Organe durch systematische Wirkung auf den Dann. 4. Ein¬ 
führung von Medikamenten. 5. Rektale Ernährung, Zu Eva- 
kuationsklystieren, eignen^ sich*iWa8ser, Seifenwasser, Salzwasser 
(6%), Zuckerwasser, Qlyzerinwasser (2—5 Esslöffel auf 1^/, Liter), 
Senna infus (15 : 200 bis 50 : 500), Emulsionen von Oel mit 
Seifenwasser unter Zusatz von etwas Natr. bicarbonic., Kamillen¬ 
tee, Fencheltee u. a. Auch Klystiere von reinem Oel (Sesamoel) 
sind zu empfehlen. Hohe Eingtessungen sollen ohne allzustarken 
Druck und vorsichtig vorgenommen werden, wenn die Patienten 
Schmerzen empfinden, muss die Eingiessung unterbrochen werden. 
Als Mikroklysmen empfehlen sich^eolchejvon 20—50]^gr Glyzerin 
mit Wasser ana. 

Bei der zweiten Gruppe der Klystiere zur Behandlung von 
Darmkrankheiten kommt in erster Linie die sogenannte chronische 
oder habituelle Obstipation in Betracht. Hier empfiehlt sich eine 
etwa zwei Monate fortzusetzende Oelkur. Bei akuten und chro¬ 
nischen Darmkatarrhen kommen Ausspülungen des Darmes zur 
Anwendung. Als Flüssigkeit dient die 9% sogenannte physio¬ 
logische Kochsalzlösung. Auch bei chronischen Diarrhoeen und 
Dysenterie kommen derartigej^ Darmspülungen zur erfolgreichen 
Verwendung. “ Hierzu?, kann auch Karlsbader jMühlbrunnen ge¬ 
braucht werden. Bei lUusj'undJ^Verdacht* auf ;Erkrankung des 
Wurmfortsatzes sind hohe Eingiessungen durchaus kontraindiziert. 
Bei Bandwurmkuren, zumal wenn es sich um zwei oder mehrere 
Bandwürme^handelt, dienenlwarmeJWassereingiessnngen besonders 
gut. Bei Cmolera ist Enteroklyse mit 0,5 —l®/o Tanninlösuug 
empfohlen! worden. ‘Bei TyphusJ hat Verf. Gutesj von derAn¬ 
wendung der Oelklysmen gesehen. 

Die dritte Gruppe der Klystiere umfasst diejenigen, welche 
einer Behandlung von Erkrankungen * entfernterer ] Organe dienen. 
Viele Magenleiden weichen einer regelmäßigen Behandlung des 
Darms mitj^ochsalzklysmen.^ Bei Erkrankungen der Leber sieht 
man gute Erfolge mit Oel-Seifen-Klystieren, jj Dasselbe gilt für 
Nierensteine. Eine lange bestehende Obstipation, welche Diar¬ 
rhoeen, gar nicht^ansschliesst, kann das Herz erheblich beein¬ 
trächtigen und ihre Beseitigung s<fiiafift auch quoad cor Besserung. 
Besonders trifft dies für die Herzstörungen im Greisenalter zu. 
Auch Neurasthenie, und Migränen^können in chronischer Verstopfung 
ihren^Grund haben, daher wirken auch hier Klystiere. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 6. 

1. Profanter, Franzensbad: Vorläufige JHtteUuag über 
eine nene^Methode bimanneller gynäkologischer TTntersuehnng. 

Verf. hat des öfteren* in seiner [ badeärztlichen Praxis Ge¬ 
legenheit gehabt festzustellen, dass bei mandien Frauen die 
manuelle Exploration auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst, 
teils wegen allzu grosser Empfindlichkeit, teils weil die Scheide 
sehr lang, die Bauchdecken sehr fettreich sind. Der in der 
Klinik wohl anwendbare Weg der Narkose ^It für die Sprech¬ 
stundenpraxis fort und man muss in manchen Fällen auf die ge¬ 
naue Aufnahme eines Befundes direkt verzichten. Verf. ist nun 
auf den Gedanken gekommen, die Untersuchung onter Wasser 


vorzunehmen und hat mit dieser Methode ganz besonders gute 
Resultate erzielt. Die Empfindlichkeit schwand fast vollständig 
und es gelang auch in ungünstigen Fallen einen genauen Befand 
za erbeben. In der Badewanne die Untersuchung vorzunehmen, 
hat f(ir den Arzt viele Unbequemlichkeiten. Verf. beabsichtigt 
daher einen Apparat zu konstruieren, welcher auch auf dem Unter¬ 
suchungsstahl und im Bett die Exploration unter Wasser ermöglicht. 

2. Mucha, Scherber, Wien: Ueber den Haohweis der 
Spirochaete palUda im syphilitiiohen Gewebe. 

Zahlreiche mikroskopische Untersuchungen an Ausstrich- und 
Schnitt-Präparaten haben den Verff. die Ueberzeugung verschafft, 
dass mit den bestehenden Färbemethoden ein absolut sicherer 
Nachweis der Spirochaeten in syphilitischen Produkten nicht immer 
gelingt. Man darf daher aus dem negativen Befund keineswegs 
den Schluss ziehen, dass Syphilis nicht vorliegt. Es verhält sich 
der negative Befund hier ganz ähnlich wie bei der Tuberkulose, 
bei welcher ebenfalls oft der Nachweis der Tuberkelbazillen fehlt, 
während das Tierezperiment positiv ausfällt. 

3. Hofbauer, Wien: Zar Pathogenese der Lnngentnber- 
knlose. 

Verf. teilt die allgemein anerkannte Anffassung, dass die 
schlechten Ventilationsverhältnisse der Lungenspitzen die Ursache 
dafür sind, dass die Tuberkelbazillen in diesen Lungenpartien sich 
am häufigsten festsetzen. Verf. schliesst mit dem Satz: Die ba¬ 
salen;‘^Partien , der Lunge werden weitaus ^ besser gelüftet und 
besser ernährt als die Lungenspitzen. Der Tuberkelbazillus findet 
dementsprechend ^ * den. basalen , Partien weitaus höhere vitale 
Eigenschaften vor und weitaus grössere Widerstandskräfte gegen¬ 
über der Infektion, als in den Lungenspitzen. Es kann nicht 
wundemehmen, wenn dementsprechend der Tuberkelbazillus mit 
Vorliebe in den Lungenspitzen sich ansiedelt, während ihm dies 
in den basalen Partien entsprechend der gesteigerten Widerstands- 
fähgikeit nicht möglich ist. 

Die hier ausgesprochene Auffassung ist seit langer Zeit 
so allgemein,'dass'es' eigentlich Eulen nach Athen tragen heisst, 
dieselben nochmalsineiner besonderen Publikation zu betonen (d. Ref.). 

Berliner klinische, Wochenschrift. 1906. No. 7. 

1. Baermann,'Hal^bers^tädter, ^atavia: Experimentelle 
Hanttaberkolose bei,; Affen. 

Die Verfasser haben bei einem sehr reichen Versuchsmaterial 
Experimente über die Erzeugung]^von* Hauttuberkulose bei Affen 
aasteilen können. Die Impfung erfolgte cutem und gab positive 
Resultate. Eis ist bemerkenswert, dass die entstehenden tuber¬ 
kulösen Eruptionen absolut verschieden von den bei,Äffen beob¬ 
achteten syphilitischen Primäraffekten waren. Meist entwickelte 
sich bei der Hauttnberkulose * gleichzeitig ^eine Organtuberkolose. 

2. Schüller, Berlin; Heber 'Parasiteabefnnde in Blnt> 
Präparaten eines^Oelbfieberkranken. 

Verfasser hatte Gelegenheit, zwei allerdings etwas spärliche 
Blutproben eines Gelbfieberkranken mikroskopisch zu untersuchen. 
Er glaubt darin einen bimförmigen Parasiten entdeckt zu haben, 
welcher nach seiner Auffassung zu der Protozoen klasse der Sporo¬ 
zoen gehört. Der Parasit scheint in Form seiner Sporozoiten resp. 
Merozoiten in^die Blutkörperchen einzudringen und diese zu zer¬ 
stören. Eine grosse Bedeutung dürfte dieser 'einzelnen an unge¬ 
nügendem Material vorgenommenen Beobachtung kaum beizu¬ 
messen sein. 

3. Koch, Berlin: üeber afrikanischen Beknrrenz. 

Im Rahmen eines kurzen Referates ' lässt sich diese hoch¬ 
interessante Veröffentlichung Inatürlich nicht eingehend würdigen. 
Wir heben nur einige Hauptpunkte heraus: Der Mensch wird in 
Afrika durch eine Zecke (Ornithodorus) infiziert und zwar vorzugs¬ 
weise von den jungen Zecken. Elr übersteht in den endemisch 
verseuchten Gegenden die Krankheit schon in frühester Jugend, 
und wird dadurch immun. Die Zecke muss sich entweder wieder 
an frischen Fällen infizieren, oder an Menschen, die noch ver¬ 
einzelte Spirochaeten haben. Elin* spezifisches Mittel gegen Re- 
kurrenz gibt es nicht, es ist daher das ganze Gewicht auf eine 
geeignete Prophylaxe zu legen. Diese ist relativ einfach. Die 
Zecken sitzen an trockenen Plätzen, Hütten der Elingeboreneu, 


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1906. 


- IflKu TflTWTflfj tHC wOCHB. 


95 


Schatzdächer an den Karawanenstrassen osf. Wenn man diese 
Stellen vermeidet, entgeht man der Gle&far, infiziert zu werden, 
sicher. 

Schutze, Gharbin: Akute aufiteigende (Laudrysche) Para* 
lyse nach Typhus ahdominalis mit Ausgang in Heilung. 

Verfasser bat während seiner Tätigkeit am Lazarett des roten 
Kreuzes in Gharbin Gelegenheit gehabt, einen Fall von Thyphos 
abdominalis zu beobachten, bei welchem nach etwa 4 Wochen eine 
von den unteren Extremitäten nach oben fortschreitende voll¬ 
kommene Tjähmung auftrat. Elektrisches Verhalten der befallenen 
Muskelgruppen vollkommen normal. Der Prozess erstreckte sich 
weiter auf die Bespirationsmuskulatur, und es trat auch eine 
Facialislähmung auf. Alle Symptome gingen allmählich zurück und 
Patient konnte etwa ein Monat später geheilt entlassen werden. 
Rin in seinem Verlauf, wie im Ausgang, höchst bemerkens¬ 
werter Pall. 

Therapeutische Monatshefte 1906. No. 6. 

1. Vollend, Davos: Ueber die Verwendung des Xamphers 
bei Lungenkranken. 

Gelegentlich eines Falles schwerer Asphyxie und Herz¬ 
schwäche hat Verf. den wohltätigen Einfluss grosser uud lange 
gegebener Kampherdosen kennen gelernt, und empfiehlt die sub¬ 
kutane Anwendung von 10% Kampheröl während langer Zelt als 
ein hervorragendes Mittel um die Herzschwäche bei Tuberkulösen 
zu beseitigen, und das Organ leistungsfähiger zu machen. Auch 
die Lungenprozesse scheinen imter Kampherbehandlung dauernd 
sich zu bessern. Die Dosierung ist, täglich 1 bis 2 Spritzen 
von 10% Kampheröl, Wochen hindurch. Irgendwelche üble Neben¬ 
wirkungen hat Verfasser niemals beobachten können. Das Ver¬ 
fahren Lst bereits früher empfohlen worden. 

2. Kuhn, Kassel: Erste Hilfe und künsüiohe Atmung. 

Verfasser tritt zunächst in eine Kritik der üblichen An¬ 
schauungen Über erste Hilfe bei Asphyxien ein and betont, dass 
die Gaszufuhr bei höherem Druck überschätzt werde, ein höherer 
Druck sei durchaus nicht nötig, sondern könne sogar schädlich 
wirken. Ferner überstfliätze man die Bedeutung der Sauerstoflf- 
Zufuhr, die normale nicht verunreinigte Luft enthalte durchaus 
genügenden Sauerstoff. Im Gegensatz hierzu werde die grosse 
Bedeutung einer genügenden Koblensäureabfuhr unteischätzt, so¬ 
dann lege man nicht genügendes Gewicht auf das Freisein der 
oberen Luftwege uud auf die durchaus nötige rhytmische Venti¬ 
lation in der Lunge. Demnach lassen sich folgende Regeln für 
erste Hilfe bei Asph 3 rxien aufstellen. 1. Fürsorge für breitestes 
Offensein der oberen Luftwege (Vorziehen der Zunge, perorale 
Intubation). 2. Energische Betätigung der künstlichen Ventilation 
am besten nach dem Verfahren von Silvester. (Heben der Arme 
über Kopf, Beugung). 3. Zufuhr von Sauerstoff im Takte der 
Atmung, ohne Ueberdruck. 

3. Gohn, Königsberg: tTeber die Therapie der chronisoken 
Hieferhöhleneiapyeme. 

Für die konservative Therapie empfiehlt sich bei chronischen 
Empyemen der Kieferhöhle der mittlere Nasengang, in ungeeigneten 
Fällen die Behandlung von der Alveole aus. Bei filrkrankungen 
der Schleimhaut ist es ratsam, breite Eröfinung der Fossa canina, 
Ausräumung der Kieferhöhle, Anlegung einer Gegenöffnung im 
mitüeren Nasengang, primärer Verschluss der ovalen Oeflnung. 
Ist die Nase stenosiert oder liegen Knochenerkrankungen vor, dann 
eröffnet man die Fossa canina, bildet einen Lappen mit der Basis 
nach unten, räumt die Höhle aus, schlägt den Lappen in die Höhle, 
and zwar auf deren Boden, und schliesst eine Naohbehandiiing vom 
Munde aus, daran. 

4. Heidenhain, Marienwerder: Wanderniere bei Frauen. 

Verfasser geht ausführlich auf Aetiologie und Symphomatologie 

dieser Krankheit ein, and teilt sodann die günstigen Erfahrungen 
mit, welche er mit dem Glenardschen hypogastrischen Gurt ge¬ 
macht hat. Er empfiehlt seine Anwendung dringend. Die nähere 
Beschreibnng dieser Bandage muss im Original nachgelesen werden. 

5. Rahn, Gollm: Die Diphtherie^Semmtkerapie und ikre 
Statistik. Verf. übt berechtigte Kritik an der bisher gehränch- 


liehen Statistik über die Resultate der Berumbehandlimg, Nur 
eine individualisierende Statistik, wie sie Heubner vorgeschlagen, 
hat eine Bedeutung. Verf. ist durchaus Anhänger der Serum- 
thers^ie, ja er geht so weit, die Serumgegner auf eine Stufe mit 
den Impfgegnem zu stellen (vielleicht etwas Übertrieben). Jeder 
Arzt soll sich bemühe^ die immer noch hier und da bWtehende 
Abneigung der Eltern gegen die Injektionen zu bekämpfen und 
unter allen Umständen sofort die Serumbehandlung einzuleiten. 

6. Knopf, Frankfurt a./M.: Valyl gegen Ohrensaiuen. 
Valyl, das Valeriansäurediaethylamid wurde von K i o n k a als 
haltbares und wirksames Valerianapräparat empfohlen. Verf. hat 
dasselbe hei Ohrensausen in Anwendung gebracht und kommt zu 
dem Schluss, dass das Valyl das beste bekannte Mittel gegen 

symptomatisches Ohrensausen za sein scheint. Die Dosis ist 3_9 

^pseln zu 0,126 täglich. Das Valyl scheint rascfli oder gar nicht 
zu wirken. Ist eine Wirkung nach längstens 8 Tagen nicht ein¬ 
getreten, dann ist eine solche nicht mehr zu erwarten und weitere 
Anwendung zwecklos. 

7. Möller, Altona: Kritisek experimentelle Beiträge znr 
Wirkung det Hebennierenextraktes (Adrenalin). 

Urinsecretion und Lymphstrom werden durch Adrenalin er¬ 
heblich vermindert. Im Urin tritt Zucker auf, jedoch nur bei 
grösseren Dosen und wie es scheint nur bei bestimmten Präparaten, 
in gleicher Weise «lürften die hier und da berichteten Nekrosen 
an der Haut von Dosis und Qualität des Präparates abhängen. 
Die Einwirkungen des Adrenalins auf das Blut scheinen auch ganz 
erhebliche zu sein. Der Gehalt an Lipase und Amylase ist ver¬ 
mindert, der des Blutzuckers vermehrt. Die roten Blutkörperchen 
scheinen vermindert die Leukozyten vermehrt. Injektion von Ad¬ 
renalin löst Kontraktionen der glatten Muskulatur aus. Die 
Uteniskontraktionen sind so stark wie bei Darreichong von 
Komutin. Dagegen scheint Adrenalin auf die Muskulatur des 
Magendarmtraktus erschlaffend zu wirken; dasselbe gilt von der 
Blasenmuskulatur. Die Erfahmngen scheinen dafür zu sprechen, 
dass die Nervenendigungen in den Muskeln vom' Adrenalin in 
erster Linie beeinflosst werden. 


Bücherbesprechung. 

Professor Dr. August Bier, Bonn, Hyperaemie als 
Heilmittel. 2. nmgearbeite Auflage. Mit 40 Abbildungen. 
Leipzig. F. G. W. Vogel. 1905. Preis 12 M, 

Die neue Auflage übertrifft die vor zwei Jahren erschienene 
fast am das doppelte, weil einmal der von Bier vorgenommene 
weitere Ausbau seiner Methode darin niedergelegt ist, dann aber 
auch die zahlreichen Arbeiten und Erfahrungen anderer mit heran¬ 
gezogen worden sind. Die grössere Erweiterung hat der zweite 
(spezielle) Teil erfahren, in welchem Kapitel über die Behandlung 
vereiterter grosser Gelenke mit der Stauuugsbiude, der Sehnen¬ 
scheidenphlegmonen mit Stauungshyperaemie, der akuten Osteo¬ 
myelitis usf. eingefügt worden sind. Diese machtvoll auftretende 
Behandlungsart setzt auch d^ Arzt, dem kein aseptischer Ope¬ 
rationssaal und das ganze allmählich bald unübersehbar werdende 
Rüstzeug der modernen Chirurgie zur Verfügung steht, in den 
Stand, einen grossen Teil seiner Patienten in eigener Behandlung 
zu behalten, wenn er nach fleissigem Studium des anregend ge¬ 
schriebenen Buches sich in der Methode hat praktisch unterweisen 
la.ssen. 

Sich mit dem Buche bekannt zu machen, ist Pflicdit jedes 
Arztes, nicht allein zum Nutzen der ihm anvertrauten Kranken, 
sondern auch im wohlverstandenen, eigenen Interesse. 

H. Engel, Berlin. 


Vermischtes. 

Boriin. Seminar für soziale Medicin der Ortsgruppe 
Berlin des Verbandes der Aerzte Deutschlands (WirtschaftL Abt. 
des deutschen Aerztevereinsbundes). Zyklus I. Februar-März 1906. 


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96 


MEDIC1KI80HS WOCHE. 


Nr. 8. 


Gesäinttbema: Die staatliche Invaliditätsversicherung in Theorie 
und Praxis. 

Ä. Vorträge im HOrsaal des poliklinischen Institutes, Ziegel¬ 
strasse 18—19, Portal 5. 1. Freitag, den 23. Februar, abends 

8 Uhr: Herr Geh. Begierungsrat Bielefeldt, Senatsvorsitzender 
im Reichsversicherungsamt: »Die soziale Bedeutung der Invaliden¬ 
versicherung. Herr Sanitätsrat Dr. Mugdan, M. d. R.: „In- 
‘validitätsversicherung und Arzt.** 2. Montag, den 26. Februar, 
abends 8 Uhr: Herr Dr. von Golz, ärztlicher Beirat des Vor¬ 
standes der Landesversfcherungsanstalt Berlin: „Die Untersuchung 
der Vorgeschlagenen und die Ergebnisse des Heilverfahrens.“ 
3. Montag, den 5. März, abends 8 Uhr: Die Herren Obersekretäre 
bei der Landesversichernngsanstalt Berlin Dr. P. Koch und 
Mertins: „Ueber den geschäftsmäßigen Hergang bei Durchführung 
des Heilverfahrens, bezw. des Rentenfeststellungsverfahrens.“ 
(Das Heilverfahren bespricht Herr Mertins, das Rentenverfahren 
Herr Dr. Koch.) 4. Montag, den 12. März, abends 8 Uhr: Die 
Herren Chefärzte der Heilstätten Beelitz: a) Herr Dr. Pielicke: 
„Die Auslese für das Heilverfahren und deren Grundprinzipien.“ 
b) Herr Dr, Pickert: „Das Heilverfahren bei Lungentuberku¬ 
losen.“ An die Vorlesungen 2, 3 und 4 schliesst sich Frage¬ 
beantwortung. 

B. Seminaristische Uebungen in Gruppen von 6—10 Teil¬ 
nehmern unter Leitung der Herren Dr. Begemann, ärztlicher 
Beirat der Landesversicherungsanstalt Berlin, Dr. Rudolf Lenn- 
hof, Dr. Wolf Becher. Donnerstag, den 1. März, abendsS Uhr, 
Dienstag, den 6. März, abends 8 Uhr, Freitag, den 9. März, 
abends 8 Uhr und ferner in zu verabredenden Stunden in den 
Bureauräumen der Aerztekammer Berlin-Brandenburg G., An der 
Spandauerbrücke 6. 

C. Besichtigungen. Sonntag, den 25. Februar, mittags 12 Uhr: 
Besichtigung der Landesversicherungsanstalt Berlin SO., Am 
Köllnischen Park 8. Sonntag, den 4. März: Besichtigung des 
Invalidenheims und der Syphilisanstalt in Lichtenberg. Sonntag, 
den 11. März: Besichtigung der Heilstätten in Beelitz. Weiteres 
über Besichtigungen wird noch bekannt gegeben. 

Bemerkungen. 1. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen 
des Seminars ist bis auf entstehende Fahrunkosten unentgeltlich, 
jedoch nur nach gebührenfreier Lösung einer Karte gestattet; sie 
steht allen Aerzten — nicht nur Mitgliedern des Verbandes — 
und Medicinalpraktikanten sowie allen sonstigen Personen frei, die 
Interesse für den Gegenstand haben; nur von den praktischen 
seminaristischen Uebungen sind Nichtmediciner ausgeschlossen. 
2. Die Meldung kann für die Gesamtarbeiten des Seminars wie 
auch für einzelne Teile des vorstehenden Programms (A. B. oder 

G.) erfolgen. In jedem Falle muss sie erkennen lassen, ob Teil¬ 
nahme an den seminaristischen Uebungen gewünscht oder aus¬ 
geschlossen wird. 3. Die Inhaber von Karten erhalten alle Be¬ 
nachrichtigungen, Merkblätter etc., besonders auch genaue Mit¬ 
teilung über die Einzelheiten der Besichtigungen ohne besondere 
Bestellung zngesandt. 4. Die Inhaltsangabe der gehaltenen Vor¬ 
träge in der Presse ist nur mit Genehmigung der Herren Vor¬ 
tragenden gestattet. 5. Meldungen nimmt vom 10. bis 19. Fe¬ 
bruar 1906 der Schriftführer der Ortsgruppe, Herr Dr. Alfred 
Peyser, Berlin C. 54, Hackescher Markt 1, schriftlich entgegen. 

B6rlin. Der Vorstand des Aerzte-Vereins der Berliner 
Rettungsgesellschaft hat sich in seiner letzten Sitzung neu 
begründet. Zum Vorsitzenden wurde Herr S. Alexander, zum 
Stellvertreter Herr Henius, zum Schriftführer Herr 0. Salomon, 
zum Stellvertreter Herr Schayer wiedergewählt. Die übrigen 
Mitglieder des Vorstandes sind die Herren; Phil. Herzberg, 
Fedor Krause, Robert Kutner, George Meyer, J. Rotter. 


Hochschulnachrichten. 

Giessen. Dr. med. Demeter Ritter v. Tabora hat sich 
an der medicinischen Klinik der Universität als Privatdozent für 
innere Medicin niedergelassen. 


Heidelberg. Der. a. o. Professor der Chirurgie Dr. W. 
Petersen ist zum Chefarzt des Diakonissenhauses in Leipzig er¬ 
nannt worden. 

Marburg. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ahlfeld, Direktor der 
Kgl. Universitäts-Frauenklinik, feierte am 2. Februar sein 25jüh- 
riges Jubiläum als Ordinarius. 

Strassburg. Prof, extraord. M. B. Schmidt hat einen 
Ruf an die Akademie in Düsseldorf als Professor der patholo¬ 
gischen Anatomie erhalten. 

Würzburg. Prof. Dr. Straub-Marburg hat den Ruf als 
Nachfolger von Prof. A. J. Kunkel angenommen. 

Basel. Dr. S. Saltykow, Privatdozent für allgemeine Pa¬ 
thologie und pathologische Anatomie an der Universität Basel, 
wurde zum Prosektor am Kantonsspital St. Gallen ernannt. 

Prag. Die Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen¬ 
schaft, Kunst und Literabir in Böhmen hat in ihrer letzten General¬ 
versammlung den zur Erinnerung an ihren Gründer gestifteten 
„Professor Philipp Knoll-Preis“ (2000 K.) für die besten Arbeiten 
der letzten Jahre auf dem Gebiete der theoretischen Medicin dem 
Professor der Anatomie an der deutschen Universität Prag Dr. 
Hugo Rex und dem Professor der Physiologie Dr. Eugen Steinach 
verliehen. 

Wien. Der jüngst verstorbene kais. Rat Dr. Domenico 
Barbieri hat ein Stiftungskapital in der Höhe von 300000 K. 
testamentarisch zu dem Zwecke vermacht, dass daraus eine Stiftung 
„zu Ehren des Andenkens des Lehrers und Freundes“ mit dem 
Namen ,Dr. Theodor Billroth-Stiftung“ errichtet werde. Mit den 
Zinsen sollen bedürftige Schüler der II. chirurgischen Klinik ohne 
Unterschied der Nationalität und Konfession imterstützt werden. 
Die Stipendien sind auf die Dauer von 3 Jahren im Betrage von 
je 2000 K. jährlich durch das Professorenkollegium der Wiener 
medicinischen Fakultät zu verleihen. 


Soholtz-Königsberg. Uber die Verwendung des SOVsigen Wasser¬ 
stoff Superoxyd von Merck in der Dermatologie and Urologie. 
(Archiv für Denn, und Syph., LXXl, 2—3). 

Das Wasserstofläuperoxyd Merck (Jetzt „Perbydrol“ genannt) repräsen¬ 
tiert eine chemisch reine wässerige Lösnng von 30 Gewichtsprozenten 

H, 0„ die bei der Zersetzung 100 Volomina Sauerstoff abgibt, weshalb 
sie auch seither, im Gegensatz zn anderen Präparaten, die nur höchstens 
bis zn 10 Prozent H,0, enthalten und je nach Provenienz als 10 bis 30 
prozentig im Handel figurieren, unter der Bezeichnung 100 prozentiges 
Wasserstoffsuperoxyd Morck seit einigen Jahren in Verkehr gebracht wurae. 
Das Perbydrol ist uine wasserhelle, spiogelklare Flüssigkeit von begrenzter 
Haltbarkeit. Daher empfielt es sich, die Verdünnungen dieses Präparates 
wenn möglich immer von Fall herzustellen. Man kann aber nach Scholtz 
getrost sieh Mischungen mit Arg. nitr. (10—207o) iQit Jodkalilösung 
herstellen und diose I^ungon halten sich in einer reinen, dunklen Flasche 
1—2 Wochen unverändert. In Olasflaschon, je nach dem Atkaligehalt des 
Glases, zersetzt sich aber nach kürzerer oder längerer Zeit das Wasserstoff¬ 
superoxyd, daher wird das Perbydrol nur in mit.Ceresid ausvekleideten und 
mit Stoffen aus gleichem Material verschlossenen Original&schen von 50 
und 200 g in Handel gebracht. Hierdurch wird die Haltbarkeit des Per- 
bydrols wesentlich erhöht. Die 3%ige Lösung, die hinsichtlich ihrer anti- 
septischen Stärke nach v. Bruns und Honseil einer SublimatlOsung von 
1:1000 völlig gleich ist, erhält man durch Verdünnen dieses Präparate mit 
9 Teilen destill. Wasser, die 1 Voiff^ Lösung durch Verdünnen mit 29 Teilen. 

Neben der antisoptisebon Wirkung kommt aber nach Scholtz noch die 
Eigenschaft des Perbydrols in Betracht, schmierige und eitrig belegte 
Wunden gut zu reinigen und bei gangränösen Prozessen die gangränösen 
Ma.ssen schnell zur Erweichung und Abstossung zu bringen und ausserdem 
zu desodorisieren. Daher benutzt Sch. mit Vorliebe das Perbydrol bei: 

I. ulzerösen und speziell gangränösen Prozessen der Haut (Verbunden 
mit Lösungen von 1:50 bis 1:100 oder besser einfach Pinseln oder Be¬ 
tupfen mit reinem Perbydrol oder einer Lösung 1:2 bis 1:3, täglicb 1 mal!) 
2. Stomatitis mercurialis, besonders bei eitrigem Belegteein (Spülen oder 
auch Pinseln, und zwar mit dem Vorteile, dass dio Wii^ung in der Haupt¬ 
sache auf die erkrankten Partien der Schleimhäute beschränkt bleibt; hier 
kann man die obigen Misebungon von Arg. nitr. mit anwenden!) 3. tor¬ 
piden voreitemden Bubonen, sowie grangänösen oder serbiginöeen Formen 
von ulcera mollia, (wo sonst leicht andere Mittel im Stiche lassen!) 4. Leu- 
koplakia oris. In der Urologie benutzte Sch. das Perbydrol zur Blasen- 
spUlung (1:300 bis 1:100) bei manchen Formen von chronischer Cystitis 
und im Terminalstadium der Gonorrhoe zur Injektion (1:200 bzw. 100, 
meist mit einem Aigentumzusatz von 1: 4000 bis 1:1000!) 

Alle diese Wirkungen entfaltet aber nicht das Wasserstof^uperoxyd 
schlechtweg, sondern eben nur das Perbydrol. A. R. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. tt, KnrfOrstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Hevnemann'tchen Buchdmekerei, Gebr. WolfT, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Deatschmann, 

Hamburg. 


A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jaeobi, 

Berlin. Berlin. Freibai^ i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin- Giessen. 


Verli^ und Biqiedition 

€«ri Miirhold in HaUe a. 5«, Uhlandatraue 6. 

TeL-Adr.: Marbold Verlag Hallesaale. Pemsprecher 2834. 

^ 


Herausgegeben von 



R. Kobert, M. Koeppeo, K. Partsch, H. Roain. H. Scblanfe, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverriekt, A. Votaiaa» 

Magdeburg. Qiessen. 


Redaktion: 

BerlhiW*63e Kiif t arat e nitraw e 8k 

Dr. P. MeiBner. 

^ 


vn. Jahri^aflg. 26. Februar 1906. Nt. 9. 


Di« «Medielatscbc Wocbe*ersdieiirt jeden Montag mH der Beflage BlÜMOlOgiSChB C0Dtnih6itlIII|^ Organ des iUtgendnen Dents ch en Blderverbandes, des ScbwaTswa!il> 
bäderteges des VeriModee der Dentschca NordeeMiider. sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee tmd kostet wrUcb 10 M., ebiteine Nnnner 25 PL naunen jede Btcfa- 

handlang. «Be Post, aosrie ehe Veiiagsbuchhandlimg voa Carl Marbold in Halle a.S. entgegea Inserate werden fflr ifl« Sapaltige Petttseile oder deeen Raum ndt 50PL tifrarhnet 

Beilagen nach Ueh e r elnK nnft. RManesdIe IJOMk Bei tMedetfaoliaig tritt Braiisdgmig ein. 

Nadidmck der Orl^nal-Anfsitze Ist ohne vorherige Oenehntiging nicht g e e t af let — Nacbdmck der Rnndsdun nnd der Mittdlungeo ist nnr mit QneDeBangabe gMtet l e t 


OHginalien. 

Zur Ätiologie der Knorpel- und Nierengiclit. 

Von San.-Rat Dr. Scherk (Bad Homburg). 

(Schloss.) 

Bestätigt wird diese Ansebannng durch den hoben Natron- 
gehalt, 'welmien das Knor p elgew ebe answeist. Deshalb finden 
wir vornehmlich in den Knorpeln bei Gichtkranken Niederschläge 
von saurem hamsauren Natron. Die gichtischen Concremente 
stellen nach Bence Jones Biurate, also saure Urate im Gegen¬ 
satz zu den neutralen Uraten dar. Der Ham der Vögel und 
Reptilien besteht ausschliesslich aus Quaduräten, deren eigen- 
tüi^che charakteristische Reaktion darin besteht, dass sie 
durch Wasser sofort in freie Harnsäure und Biurate zerlegt 
werden (cf. Halliburton, S. 759). 

Dass in der Tat die Knorpel den Anziehungspunkt für 
gichtische Sedimentierungen darbieten, geht aus der Beobach¬ 
tung hervor, dass wir nicht nur in den Gelenkknorpeln, son¬ 
dern im Ohr-, Nasen-, Lidknorpel Gichtknoten vorfinden, sondern 
dass auch im Kehlkopfknorpel und in den Knorpelringen der 
Bronchien gichtische Ablagerungen konstatiert sind. Zu erwägen 
ist auch, ob die Herzbeschwerden, die Angina pectoris und die 
Dnickerscbeinungen auf der Brost, wie dieselben nach Rumpf 
bei Gichtkranken häufig beobachtet werden, gleichfalls auf Sedi- 
mentierung von Uraten in den Rippenknorpeln zurückzufübren 
sind. (D. M. W. No. 52, 1905. Die Behandlung der Herz- 
neuroeen von Prof. Rumpf.) Ebenso ist die „internal gont“ 
der englischen Autoren höchstwahrscheinlich auf eine Knorpel- 
aRektion zurüekzuleiten. — Historisch ist die Notiz, dass 
Friedrich der Grosse einen heftigen Anfall von Dyspnoe hatte, 
auf welchen am folgenden Tage ein Gicbtanfall folgte. (British 
Med. Journal 1888. Bd. II. S. 954. Harnsäure als ein Faktor 
bei der Entstehung von Krankheiten, von Alex. Haig.) Als 
neuer Beweis der sdectivenKnorpelfunktion sind die Forschungen 
A m a 1 g i a’s anzufübren. Derselbe hat experimentell konstatiert, 
dass die Kikorpelsabstanz das Vermögen besitzt, aus sehr ver¬ 
dünnten Lösungen von harnsaurem Natron sehr erhebliche 
Mengen von Urat aufzuoebmen und in krystallinischer Form 
abzmagern. Die Prädilection der Knorpelsubstanz für Urat 
ergibt sich auch bei Injektion von Harnsäure in die Peritoneal¬ 
höhle von Kaninchen. Die Gelenkknorpel zeigen danach posi¬ 
tive Murexidreaktiooen, während sie in Leber, Muskel, Milz und 
Lungen negativ amfällt. (Hofmeister’s Beitr. für Pbys. B. VH. 
M. Amflig ia, Strassburg. Absorptionsvermögen der Knorpel- 
substanz für Harnsäure.) 

Neben diesen chemischen Affinitätsgesetzen kommen bei 
der Bildung von Gichtknoten auch physikalische Faktoren 
in Betracht und wir können auf diese Weise uns eiklären. 


weshalb mit Vorliebe die gichtischen Ablagerungen in den 
Fussgelenken sich nachweisen lassen. 

Auch bei der Bildung der Nierengicht, der Stein- tmd 
Griesformation, treten die physikaliscben Faktoren mehr in den 
Vordergrund, wie die chemischen Affinitfiten. 

Hat sieb Folge mangelhafter Oxydation eine Hochflut von 
Harnsäure im Blutstrome geltend gemacht, so wird dieselbe 
einen Ausweg suchen, ist ein Niederschlag im Knorp^ewebe 
vermieden, so bilden die Nieren immerhin noch als Aussebei- 
dungsorgan eine gefahrvolle Klippe, welche zu nmg^en ist. 

Dass die Tubuli der Nieren, bei den verwickelten ßchlänge- 
lungen und dem minimalen Liimra, ganz besonders geeignet 
sind, bamsaure Sedimente zu bilden, ist auf die KonStndrtion 
zurückzufübren und die physikalischen Verhältnisse sind vor 
allem hier maßgebend. Wenn ap^r das ^nze Gewebe mit 
Concrementen dieser Art durchsetzt ist, weri^n nicht nur durch 
die Stauungen, als auch durch mechanische Läsionen patho¬ 
logische Veränderungen geschaffen, welche uns das gefürchtete 
Bild der Gichtniere vor Angen fü^en. 

Von demselben Standpunkte ans müssra die Steine, welche 
sich in den Nieren bilden, beurteilt werden. Hamsanre Kalk- 
und harnsaure Natronverbindungen bilden meist^is den Kern 
und analoge Bedingungen führen zur Lithiasis nnd nrr Bildung 
von Hamgiies. 

Diese Concremente können sich in den Ureteren fest¬ 
klemmen, können aber auch als Blasensteine die bekannten 
Beschwerden bilden. Ebenso sind die Gallensteine, welche 
einen uratiseben Kern zeigen, dieser Rubrik einzureihen. 

Schon die Coincidenz von Bildung von Gichtknoten und 
Steinleiden weist auf einen gemeinsamen ätiologische Faktor 
hin, in beiden Fällen ist die inoi^dable Harnsäure, welche im 
Blutstrome sich ansammelt, die Ursache der Erkrankung, die 
uratische Diathese bildet die gemeinsame Veranlassung. 

Dass wir unter diesen Verhältnissen mit einer patho¬ 
logisch konfigurierten Harnsäure zu rechnen haben, darauf 
weisen die normalen Ausscheidungen von Harnsäure hin, und 
die Krankheiten, bei denen keine Symptome der nratischen 
Diathese sich zeigen, wohl aber massenhaft Harnsäure im Urin 
nachzuweisen ist. 

Suchen wir die therapeutischen Maßr^eln den ätio¬ 
logischen Momenten anznpassen, so werden wir verschiedene 
Anhaltspunkte finden, welche den pathogenetischen Symptomen 
entsprechen. — Wir werden wohl kaum eine Krankheit ans¬ 
findig machen können, bei welcher bis jetzt die Verordnungen 
von Autoren in einem solchen Gegensatz stehen, wie bei der 
Behandlnng der Gicht und Steinkrankheit 

Einzelne Autoritäten verordnen Säuren, andere Alkalien, 
einige verbieten Fleisch, andere Vegetabilien, kurz die Wider¬ 
sprüche sind so mannigfaltig, dass von einer einheitlichen 
Richtung in der Therapie der Gicht nicht die Rede sein kann. 

Stellen wir dagegen die pathologisch modifizierte Ferment¬ 
wirkung und die daroiederliegende Oxydation der Harnsäure 


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98 


MBDICINISOHB WOCHE. 


Nr. 9. 


als ätiologische Faktoren hin, so ist uns ein Fingerzeig ge¬ 
geben, welchen Weg wir in der Behandlungsweise einzu- 
schlagen haben. 

Da jedes spezifische Ferment im Organismus seinen be- 
renzten Wirkungskreis ausübt, welcher sich nicht nur nach 
er Qualität, sondern auch nach der relativen Quantität der 
Nährstoffe richtet, so ist einleuchtend, dass die Zufuhr der 
Nucleine in erster Linie zu beschräuken ist. 

Wir werden demnach die Zufuhr nucleinreicher Substanzen 
womöglich Termeiden. Kalbsmilch, Thymusdrüse, Leber, Caviar, 
blutreiches Fleisch sind als Nahru^smittel zu verbieten. 

Jeder Gichtkranke macht die Erfahrung, dass der Genuss 
von Alkohol einen schädigenden Einfluss ausübt Die Ursache 
dieser Wirkung ist in der Hemmung der Nervenzellenfunktion 
zu suchen. Sind nervöse Affektionen, wie oben ausgeführt ist, 
bei der uratischen Diathese als belastende Faktoren anzu- 
sprechen, so ist die Schlussfolgerung berechtigt, dass die 
Arbeit der Drüsenzellen mit der relativen Leitfähigkeit und 
den energetischen Leistungen der Nervenzellen in engem Zu¬ 
sammenhänge steht. 

Aus demselben Grunde ist eine genügende Sauerstoffzufuhr 
von grosser Bedeutung, der Sauerstoff im Organismus bildet 
das punctum saliens der normalen Nerventätigkeit. Ausserdem 
werden die Oxydationsvorgänge befördert. 

Deshalb ist Bewegung in freier Luft, leichte Gymnastik 
und Schlaf bei geöffneten Fenstern für Gichtleidende ein Kardi¬ 
nalpunkt in der Therapie. 

Dass bei Nierengicht scharfe Vegotabilien, welche das 
Nierenepithel schädigen, vermieden werden müssen, ist ein 
alter Enahningssatz. Meerrettig, Sellerie, Radieschen, Spargel 
etc. sind deshalb als Nahrung nicht indiziert. 

Andererseits werden von alters her frische Kräutersuppen 
den Gichtleidenden anempfohlen. Da diese Kräuter alle einen 
reichen Gehalt an Oxalsäure aufweisen, so besteht ein Wider- 
^ruch darin, wenn einzelne Autoren Tomaten, welche viel 
Oxalsäure enthalten, verbieten. Erwägen wir, dass die Oxal¬ 
säure, als starke Säure dem Organismus eiiiverleibt, sich mit 
Kalk verbindet und als oxalsaurer Kalk ausgeschieden wird, 
so ist nicht zu bestreiten, dass in der pathologisch konfigurierten 
Harnsäure ein Bindeglied zur Bildung der Tophie resp. der 
Steine gewonnen wird. 

Von diesem hypothetischen Standpunkte aus wäre dem¬ 
nach die Zufuhr oxalsäurehaltiger Kräuter, abgesehen von aus¬ 
gesprochener Oxalurie, anzüempfehlen. 

Die Bedeutung der Mineralwasserkuren bei Behandlung 
der uratischen Diathese ist allüberall anerkannt. Inwieweit die 

Feuilleton. 

Ober Verhütung der Tuberkulose 
(Schwindsucht).*) 

Von Prof. Dr. F, Kraus-Berliu. 

(Populärer Vortrag, gehalten 26. Februar 1905.) 

Die Vereinigung des Ideals der freien Persönlichkeit mit 
dem Ideal der menschlichen Gesellschaft, dieser Hauptbeweg- 
grund für die fortwährende Umprägung der sittlichen Werte 
im Laufe der Zeit, hat entschieden das Gesamtw’ohl in den 
Vordergnind gestellt Der Mensch ist ein soziales Tier, von 
den niederen Tieren bloss durch die Fähigkeit der Überlegung 
verschieden. Der soziale Instinkt gehört zu den der Art nütz¬ 
lichen Eigenschaften, welche sich im Kampf ums Dasein fort¬ 
pflanzen und steigern. Die für die Gattung nützlichen Instinkte 
erw’eisen sich dabei gegenüber denjenigen, welche bloss der 
Selbsterhaltnng dienen, als die beständigeren und überwinden 
d(‘shalb allmählich die letzteren. Darum liegt in allen gesellig 
lebenden Tieren die Anlage zur Sittlichkeit, dieselbe ist bloss 

*) Wir freuen uns, diese allording-s für Laien bestimmten Aus¬ 
lassungen des bokaniitoji Klinikers hier bringen zu können, da dieselben 
viele beherzigenswerte Winke für den Praktiker bezUgl. des Verhaltens 
Laien gegenüber enthalten. 


Blutalkalescenz durch eine Trinkkur beeinflusst wird, ist frei¬ 
lich noch nicht festgestellt. Die Alkalescenzfrage zu präzisieren, 
bleibt noch der Zukunft Vorbehalten, speziell bei der Gicht 
wird die Beantwortung schwieng sein, da die Acidosis je nach 
der Anhäufung der Harnsäure im Blute eine sehr variable Grösse 
darstellt. 

Die praktische Erfahrung führt die Gichtkranken in die 
Heilbäder und vornehmlich werden neben den alkalischen 
Wässern; den Glauborsalzwässem, die Kochsalzquellen Ver¬ 
wendung finden. Namentlich bewähren sich die letzteren bei 
intestinalen Komplikationen, bei verminderter Magensäure und 
herabgesetzter Gallenproduktion. In welcher Weise die Zufuhr 
\ on Alkalien bei Behandlung der uratischen Diathese neuer¬ 
dings in Misscredit kommt, beweisen die Untersuchungen von 
J. J. von Loghern. Derselbe kommt zu dem Resultat, dass 
Alkalien innerlich genommen, die Ablagerungen der ürate 
direkt fördern, Säuren dagegen Vorbeugen. Nach demselben 
empfiehlt es sieb, prophylactisch eine Salzsäuretherapie anzu¬ 
ordnen. (S. Archiv f. kl. Med. Bd. 85, 3 u. 4.) (Experimentelles 
über die Gichtfrage.) 

Inwiew’eit der Eisengehalt der einzelnen Quellen zu be¬ 
rücksichtigen ist, wird bei anämischen Patienten w'ohl auf die 
Wagschale zu legen sein und die abführende Wirkungsweise 
wird den Leberkreislauf entlasten. 

I Die Bäderwirkungen bei chronischen Gichtfallen sind nicht 
j ausser Acht zu lassen. 

Es ist allerdings nicht leicht zu beurteilen, inwieweit die 
Zufuhr von Mineralwasser per os einen Einfluss auf die Be¬ 
förderung der Fermentwirkung ausübt, doch ist nach dem Aus¬ 
bau der physikalisch-chemischen Wi.ssenschaft und deren heu¬ 
ristische Anwendung nicht ausgeschlossen, dass die Aufnahme 
der minimalen Werte anorganischer Substanzen im Organismus 
auf die Umsetzungen in den Zellenlaboratorien von grosser 
Bedeutung sein wird. 

Da nach den neuen Forschungen von Boruttau*) die 
Jonenwanderung bei der Erregung der Nerven eine hervor¬ 
ragende Rolle spielt, so ist dieser Faktor wohl zu berück- 
sichtigen. 

Durch Auweiiduiig der Organsafttherupie ist es noch nicht 
gelungen, eine Fermentwirkung spezifisch zu erhöhen, wiewohl 
die Erfolge, welche bei Myxoedem durch Verabreichung von 
Jodothyrin erzielt w'erden, darauf hinweisen, dass diese Methode 
nicht ganz aussichtslos sein wird. Eine subkutane Injektion 

*) Nouero Fortschritt« auf dem Gebiete der Nervenphjsiologie von 
Prof. H. Boruttau. Fortschritte der Medicin. 30/05. 

der unter Kontrolle der Vernunft stehende soziale Instinkt. 
Das „allgemeine Beste“ kann nichts anderes sein, als die 
Summe der Mittel, durch welche die grösstmögliche Zahl von 
menschlichen Individuen ihr grösstmögliches Wohl findet, vor 
allem eine Existenz in voller Kraft und Gesundheit. Natürlich 
darf Jedermann die Ziele seines Lebens selbständig verfolgen, 
er muss sich jedoch in den Schranken halten, welche das 
gleiche Recht seiner Mitmenschen ihm setzt. Auf dieselben 
Grundsätze wie die Sittlichkeit, die Wohlfahrtsmoral, ist selbst¬ 
verständlich auch alle Gesetzgebung zu begründen, auch sie 
hat nicht dafür zu sorgen, dass sich eine kleinere Zahl von 
Menschen einer hohen Wohlfahrt, sondern, angepasst den vor¬ 
handenen Lebensbedingungen, eine grösstraöghche Zahl des 
grösstmöglichen Wohles erfreuen. Vor der Gleichheit aller, 
vor Wohlstand und vor sinnlichen wie geistigen Genüssen 
steht auch hier noch die Sicherheit und die Erhaltung 
der Existenz des Einzelnen, und noch mehr — der 
sozialen Einheit, der Familie. 

Ich habe diese Ihnen bekannten Dinge bloss vorgebracht, 
um zu zeigen, dass die Volkswohlfahrt nicht nur bizarre und 

S hantastischo Persönlichkeitsideale, wie den „Übermenschen“ 
ietzsche’s, überhaupt nie aufkommen lässt, sondern auch 
Individuen, welche, bereit, sich der Gemeinschaft unterzuordnen, 
nicht mehr verlangen, als auf Grund der Lebenseigenschaften 
des modernen Menschen alle Seiten ihres Wesens narmonisch 
zu entwickeln, mannigfache Opfer auferlegt. Wenn Sie aber 




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r 


Medicinisdie Neuigkeiten 

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nnd deren Bebendlnng. Merk l,:fO. 

s 6. Les^ Dr. med. 0-, in Breunsehvreig. Ueber Gleuooin in seinen Besiehungen zu 
den Allgemeinerkrenkungen. Merk 1,4U. 

. 7, Beeta, Dr. Ludwig, in Wurzbnrg. Antisepsis und Asepsis ln ihrer Bedeutung fDr 
dea Ange. Merk 0,50. 

a S. Oreeff) Dr. Richerd, in Berlin. Keretilis interstittalii (perench^netose) in Ihren 
Besiehungen su Allgemeinerkrenkungen. Merk 1,50. 

Band 11. 

Htlbert. Dr. BIcb., in Sensbnrg 0.*Pr. Die Pathologie des Perbensinnas. Dine 
klinische Studie. Merk 1,80. 

Krienea Dr. H., in Bresleu. Einfluss dea Lichtes euf des Ange in pbytiologiacberu. 

pethologischer Beziehung {Blendungskrenkheiten tt. Blendungisobats), M, 
Tosslns, Prof. Dr. A., in (.ileaien. Der gegenwkrtiga Stendpuiikt in der Pethologle 
nnd Therapie des nlons corneae serpens. Merk 1,~. 

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auf dem Gebiete der Conlnnotiritis und der Keratitis dea Menschen. Mark 1,40. 
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aalis und der multiplsn Scleross. Mark 0,80. 

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aonderer BerOckaiehtigung der Neuritis optica infolge Ton Heredität uud con¬ 
genitaler Anlage (Leber). Mark 1, —. 

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•iobtefeldantersnobnng, ihre hanpUAchlichsten Beiultate und Aufgaben. 

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„ 4/S. Fellebenfeld, Dr. Hugo, in Lttbeck. Der Hellwerth der Brille, Mark 8,60 

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„ 7. Telbagen, Dr., in Chemniti, Ueber die Papillnrabildungauf der Oonjunctiva, M,0,80, 
^ 8- Herford, Dr. E., in Wiesbaden. Ueber artiflcielle AugenentsQndungeu. Mark 1,50. 


Heft 1. 

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Anwendung nnd Wertb. Preis A 0,80. 

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der Haralsiterkompreeslon. Preis A 0,80. 

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lung. Preis A 0^60. 

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echwangsrschaft. Preis A 8,60. 

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. 3- 

- 4. 

- 5. 

- 8- 
„ 7 . 

6 


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H«ft I. Hoebe, Prof. Dr„ in Freiburg i. Br. Die FrAbdiegnote der progreMlTan Pere- 
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Heft 8/3. Ülehen, Prof. Dr. Tb., in Utrecht. Die Krkennnng nnd Behandlung der Melen* 
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Band 111. 

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Heft 1. Arndt, Prof. Dr. Bnd., in Oreifsweld. Wie sind Oeisteskrankbetton su » erthen? 

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Heft 8. MBbfua, Dr. P. J., in Leipzig. Ueber den phyeiologieehen Sobwachainn dos 
Weibes. Siebente Auflage. Preis Mk. 1,50, 

Heft A Boche, Prof. Dr. ln Freiburg i. Br. Die Aufgaben des Aratea bei der Binweianng 
Geisteskranker in die Irrenanstalt. Preis Uk. 1,—. 

Heft 5. Trflraner, Dr. B,, in Hamburg. Das Jugendirreaein (Dementia praecox). 

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Arzt als payohiatrisoher Sauhveretandiger in strafreobtliehen Fragen beeonders 
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Heft 7, Weber, Dr. L. W., Privatdozent in GOttingen. Die Besiebnngen zwischou kOrpor- 
lioben Erkrankungen und OeisteistOrungen. Preis Mk. 1,50. 

Heft 8. Oppenheim, Prof. Dr. H., ln Berlio. Zni Prognose und Therapie der schweren 
I^urosen. Preis Mk. 1,60. 

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klnder. Preis Mk. 1,60. 

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Heft 6. Laaer, Dr. Bemas, Wiesbaden. Ueber UOhenkoran fbr Nervenleidende. 

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Heft 6/7. Wergaadt, Privatdosent Dr. W., Worsburg. Der hentige Stand der Lehre vom 
Kretinismus. Preis Mk. 8,40. 

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Heft 1. Pick, Prof. Dr. A., Prag. Ueber einige bedentsame Payoho-Neurosen des Kindes¬ 
altars. Preis MV. 0,80. 

Heft 8/3. Determaax, Dr., St. Blasien. Die Diagnot* and die Allgemeinbehandlnng der 
PrAbsustAnde der Tabes dorsalU Preis Hk. 8,50. 

Heft i/b. Roennlcke, Dr. Ernst, in Greifswald. Ueber dM Wesen der Oeteomalacle and 
seine therapentlachen Conaequenzon. Ein Beitrag snr Lehre von den Krank¬ 
heiten der ScbilddrUae. Nebst Bemerkungen Ober den seelischen Znttand bei 
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Heft 6/8. Hellbronner, Dr. K. in Utrecht Die strafrechtliche Begntachtung der Trinker 

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Heft 1. Weygao^^ Prof. Dr. W., in WUrzbnrg. Leicht abnorme Kinder. Preis M. 1,—. 

Heft 2/8. Sehroeder, Dr. P., in Breslan. Uober chronische Alkoholpsyohosen. 

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Heft i/b. Stranaky, Dr. Erwin, in Wien. Über Sprachverwirrtheit. Preis X. 8,80. 

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Dr. Gustav Ueermann, Privatdozenten in Kiel. 

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Ab Band TU beträgt der Abonnementsprels fttr 1 Band 8 Hefte 8 Uk. 

Band 1. 

Hoft 1. Snebonnek, Dr. B., Privatdosent in Zürich. Die Benlehungen swiseben Angina 
nnd akutem Oelenkrheumatiemus. Mk. 1,~- 

n 2 Fink, Dr. Emannel, in Hamburg. Die Bedeutung des Schnupfens der Kinder. 

. Mk. LSO. 

, 3. Sebmalta, l>r. Bclnrleh, in Dresden. Die Beziehungen der akuten Mittelohrent¬ 
zündung znm Oeaamterganisma*. Mk. IAO. 

. 4. Rdlhl, Dr L., Privatdosent in Wien Die Blntangen der oberen Luftwege Mk. 1,40. 

, 5 und 6. Bopmann, Dr., Sanitatsrat in Kein. Die adenoiden Tumoren sJz Teiler¬ 
scheinung der Myaterplasie des lymphatiaoheu Kachenrlnge*. Mk. 8,—. 

. 7 LlcbtwlU, Dr. L., Bordeaux. Die Eiteruogen der Nebenhöhlen der Nase. 

Mk. 0,60. 

I 8. Flatan, Dr. Theodor 8., in Berlin. Spraebgebreehen des jagendllcben Altere in 
ihren Besiehnngen zn Krankheiten der oberen Luftwege. Mk. 1,80. 

. 8. Btitbl, Dr. L,, Privatdosent in Wien. Die Verbildungen der Nasenecheldewand. 

Mk. 1,40. 

a 18 Hegedom, Dr. Max, ln Hamburg üeber Beziehungen von Allgemelnkrmnkheien 
sowie von N^Men- und Halsleiden snm Gefaftrorgsne. Mk. 1,—. 

a 11. 8aehannek, Dr. H., Privatdosent ln Zürich. Ueber Skrofulöse, ihr Wesen und 
ihre Beziehungen snr ruhenden Tuberkulose der Mandeln, Halslyxnph- 
drüaen and benachbarter Organe. Mk. 1^0. 

. 18. Holftnaan, Dr. It., in Dresden. Die Fremdkörper des Ohres. Mk. 1,—. 

Band II. 

Hsft 1, WInekler, Dr. E., ln Bremen. Ueber Oewerbekraiikbeiten der oberen Luftwege 

Mk. 

, 8 n. 8. Fink, Dr. E., in Hamburg. Die Wirkung der Syphilis in den oberen Luft¬ 
wegen und ihre Örtlichen Erscheinungen. Mk. 8,— 

, 4 II. 5. Kafbmann, Dr. R., Privatdosent in KOnigeberg i. Pr. Die Tuberkulose in 
ihren Beziehungen zu den oberen Luftwegen eowie ihre nnd des Lupns 
Örtliche Erscheinnogen. Hk. 1^0. 

. 6 Kayscr, Dr. U., in Berlin. Ueber subjektive OebOraempflndungan. Mk. 1^0. 
n 7 llagctl^P"’ ^kx, in Hamburg. Die schädlichen Einwirkungen dee Tabaks 
und Alkohols einereeita und verkehrten Schnenzens nnd Niesene sowie der 
Nasen- und Luftdusche andererseits auf das Ohr. Mk. 1,— 

. 8 Krieg, Dr Bobert, Hofrat in Stuttgart. Wabrscheinliebkeitediagnoeen bei Krank¬ 
heiten auf Grund der Nasenbalserecheinungen. Mk. 0,60. 

, 9 n, 10. StrBbIng, Prof, in Greifewald. Der Laryngospasmue, seine Genoee nnd 
seine Beziehungen zu inneren Erkrankungen. Mk. 1^0. 

, 11 n, 18. Snebannek, Dr, H., Privatdocent in Zürich. Ueber Diphtherie der oberes 
Luftwege. Mk. 8,— 

Band III. 

Heft 1. WInekler, Dr. E., in Bremen. Ueber den Zueammenhang von Naien- und Ohrei- 
erkrankungen. Mk. 8,- 

, 8. Hagedorn, Dr. M., ln Hamburg. Der Kencbbuiten lind seine Örtlichen Er- 
eebeinungen. Mk. QAO. 

. 3. Kayser, Dr. K., ln Breslau. Ueber Durchlöcherungen des Trommelfell*. Mk. I,i0. 

n 4 Heermann, Dr. G., Privatdosent in Kiel. Ueber Otitis medla im fmhen Kindss- 
alter. Mk. 1,60. 

, 6 u. C. Fialen, Dr. Theodor S., ln Berlin. Die Hysterie in ihren Bealehungen zu 
den oberen Luftwigen und zum Ohre. Mk. 

. 7. Ooldsehmldt, Dr. Alfred, Breslau. Die frischen EntzOndungen dee Eeblkepfe*. 

Mk. A- 

, 8. Breagen, Dr. Haxlmllina, in Wiesbaden. Die frischen EntaAndangen der Baches¬ 
bohle nnd dee lymphatischen Racfaenringee. Mk. 1,40. 

, 9 u, 10 WInekler, Dr. E., in Bremen. Ueber Gewerbekrankheitwi dee Ohres. — 
Bayer, Prof. Dr. L., ln Brflssel. Ueber IfremdkOrper (KapfermADse] ia 
Oesophagus. Mk. A~- - 

a 11. Snebannek, Dr. Hermann, Privatdozent in Zürich. Die BeUungsauetände und 
DauerentzUndungen des Kehlkopfes. Mk. 1,30. 

n 18. Hagedorn, Dr. Max, in Hamburg. Ursaoben und Folgen der Erkrankungen des 
Warzentells nnd ibre Behandlung. Mk. t,~ 

Über Inhalt von Bd. IT—TI stehen Verzeichnisse zur Verfügung. 

Band Tll. 

Heft 1. u. 3. Heenaann, Dr. Gnstar, in Kiel. Ueber den Mbnidre'soben Symptomenkoa- 
plex. Mk 8,- 

„ 3. KSnlg, Dr., in Könitz Ohruntersnehnngen in der Dorfrebnie. Mk. A66. 

n 4, Kretschniann, Dr., in Magdeburg. Die Bedentuog des Ohrsetamersee. Hk. 0,40. 

„ 6 Mink, Dr. P. J., in Deveiiter (Holland). Die Nase als Luftweg. Mk. 1,80. 

„ 6 u. 7. Rolflcher, Stabsarzt Dr. Die otogenen Erkrankungen der Hirnhäute. I. Dis 
Erkrankungen an der Aussenflacbe der harten Hirnhant. Mk. 3,60. 

„ 8. Bresgen, Dr Max, in Wiesbaden. Die hauptsächlichen kindlichen BrkraBkusges 
der NaeenbOhlen, der KachenhOhle und der Ohren, Mk. A06. 

^ Band Tlll. 

Heft 1. Heermnnn. Dr. Gnetav, in KieL Ueber die Lehre von den Besiehnngen iHr 
oberen Luftwege zu der welbliohen Gonitalsphäre. Mk. 0,60. 

„ 3. Heermann, Dr Gnstar, in Kiel. Die Bedeutung der aktuellen Frage Aber 

Behandlung der Otitis media acuta für den prantieeben Arzt. Mk 0,60. 

„ 3 Alexander, Privatdozent Dr, G, in Wien. Probleme in der klinischen Patiiolo^« 
des statischen Organe. Mk. 0,00. 

„ 4, 6 u. 6. RSlHChcr, Stabsarzt Dr., in Ulm. Die otogenen Erkrankungen der Hi»' 
häute. — Die Brkraukuugen im Subduralranm und die eiWige ISntaAndnsf 
der weichen Hirnhäute. Mk. A—• 

„ 7. Saonger, Dr. X., Magdeburg. Ueber luhalätionitkerapie Mk. 1,— - 


tleynciunn'Khe Uuchdrucksrei, Gebr. WolfT, Halle a. S, 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


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von Fermenten wird dagegen toxisch wirken und ist durchaus 
Ton der Hand zu weisen. 

Dass eine akute Gichtattacke durch Druck oder Trauma 
veranlasst werden kann, wird seine Ursache in dem Umstande 
haben, dass durch die Zirkulationsstörungen eine UeberfüUung 
der Capillargefässe stattfinden wird und infolgedessen die im 
Blute angeschwwnmte Harnsäure leichter Gelegenheit findet, 
in das Knorpelgewebe überzutreten. 

Da die hamsauren Sedimente zunächst eine mechanische 
Druckwirkung auf die umliegenden Gewebe ausüben und erst 
später chemisch schädigen (Idsteins necrotische Herde), so ist 
eine antiinflammatorische Behandlung der neugebildeten Tophi 
durchaus indiziert. 

Bekanntlich hat sich Applikation von Wärme bei der Be¬ 
handlung der akuten Affektionen in die Praxis eingebürgert, 
doch nimmt die Kälteanwendung sofort den intensiven Schmerz, 
wenn man dieselbe, ohne einen Druck auszuüben, d. h. nicht 
als Eisbeutel oder kalte Umschläge, sondern als Aetherspray 
lokal anwendet. 

Wiewohl, namentlich die englischen Autoren von der Kälte¬ 
applikation bei Gichtkranken abraten, da dadurch leicht interne 
Aliektionen, Herzirritationen, Störungen im Verdauungstraktus 
etc. entständen, so kann ich mich nach meiner Erfahrung dieser 
Besorgnis nicht anschliessen. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

BerU/ner meä/tdnische 

Sitzung vom 14. Februar 1906. 

Tagesordnung: 

klosse: Demonstrationen von Patienten und Präpa¬ 
raten. 

M. zeigt zunächst einige Patienten mit seltenen vasomoto¬ 
rischen Störungen unter dem Bilde der chronischen Akrocyanose 
und dem der idiopathischen Hautatrophie, der Akrodermatitis atro¬ 
phicans. Weiter eine Patientin mit Fibrinurie; schliesslich ein 
Präparat von einem der seltenen Fälle von Hämorrhagie in den 
Vierbügeln. 

Diskussion: Ewald, Senator, W e s t e n h o e f f e r, 
B1 a s c h k 0 . 


einen Blick auf ein Programm der V olkswohlfahrtsbestrebungen, 
wie es z. B. jüngst Herr Robert Behla (Potsdam) aufgestellt 
hat, werfen, so werden Sie erkennen, dass wir, aus welchem 
gesellschaftlichen Lager wir auch hervorgegangen, hinweg 
über die Vorherrschaft einzelner Gesellschaftsklassen, hinweg 
über die blind wirkenden ökonomischen Kräfte und den auf 
einem andern Boden auszufechtenden Klassenkampf, hier ein 
weites gemeinsames Feld segenavoller Arbeit vor uns haben. 
Die Volkswohlfahrtsbestrebungen umfassen die Säuglings- und 
RleinkinderTürsorge, sie nehmen sich der Waisen und der ge¬ 
sunden wie der gebrechlichen Schulkinder an, ihre Organi¬ 
sationen erstrecken sich auf Burschen und Jungfrauen, sie be¬ 
treffen Wohnung, Ernährung, Arbeitsverhältnisse, Armenwesen 
und Krankenpflege, sie vergessen auch Rekonvaleszenten und 
auch die Siechen, auch Geistesgestörte und die von Unfällen 
Betroffenen nicht, sie kommen den Wöchnerinnen und Witwen 
zu Hilfe und nehmen sich endlich der Altersinvaliden an. 
Wohlfahrtsmoral und Wohlfahrtsgesetzgebung vereinigen sich 
dabei immer mehr auf dem Standpunkt, dass neben und trotz 
aller Nächstenliebe ein gesundes Interesse den mächtigsten 
und menschenwürdigsten Hebel für alle Schöpfungen dieser 
Art und die beste Gewähr für die Dauer des Geschaffenen bildet. 

In diesem weiten Rahmen der Volkswohlfahrt gebührt 
nun der Seuchenbekämpfung ein sehr hervorragender Platz; 
insbesondere ist der Kampf gegen die Tuberkulose eine wich¬ 
tige Kultoraufgabe. 


Weyl: Ueber Pellagra. 

Bericht über eine Reihe von Beobauhtuagen, die er gelegent¬ 
lich einer hygienischen Forschungsreise in Italien machte. Pellagra 
ist in Italien zuerst im 18. Jahrhundert beschrieben. Die Krank¬ 
heit entwickelt sich ganz allmählich, zunächst mit harmlos er¬ 
scheinenden Hautaffektionen; später stellen sich kacbektlsche Symp¬ 
tome ein; wird jetzt nicht prophylaktisch eingegriffen, so geht die 
Krankheit in ein drittes Stadium, fortschreitendes Siechtum mit 
völliger geistiger Umnachtung, über. Die Krankheit findet sich 
nur in maisbaueuden Ländern. Nach einer 1898 aufgestellten 
Statistik fanden sich in drei Provinzen Norditaliens über 60000 
Pellagröse; die jährliche Mortalität in Italien an Pellagra beträgt 
ungeföhr 4000 Fälle, und in den Irrenanstalten sind 8 bis 9% 
aller Insassen pellagrös. Die Infektionstheorie ist im Ganzen ver¬ 
lassen zu gunsten der Intoxikationstheorie, die ihren Hauptver¬ 
teidiger in Lombroso gefunden hat. Nur der Genuss von ver¬ 
dorbenem Mais führt zu Pellagra. Die hörigen Landarbeiter in 
Oberitalien werden zum Teil mit Mais bezahlt, imd zwar dem zu¬ 
letzt im Jahr geernteten, der oft nicht mehr hinreichend getrocknet 
werden kann und dann durch Schimmelbildung verdorben wird. 
Von Staatswegen ist der Kampf gegen die Pellagra aufgenommen 
worden; die Hauptmaßnahmen erstrecken sich auf Verbot des 
Verkaufs von verdorbenem Mais und der aus solchem hergestellten 
Produkte, Anzeigepflicht, Bereitstellung von Apparaten zur Mais¬ 
trocknung. Bezüglich der Behandlvfhg hat sich eine solche in 
Ackerbaukolonien für Patienten in den ersten Stadien der Krank¬ 
heit erfolgreich erwiesen. Demonstration von erläuternden Bildern. 

AerxIMcher Verein in SamJbwrg* 

Sitzung vom 6. Februar 1906. 

Vorsitzender Herr Kümmel. 

1. Diskussion über den Vortrag des Herrn Nocht .Ueber 
Schwarzwasserfieber“ (Fortsetzung). Herr Reuter hat 
vier Sektionen bei Schwarzwasserfieber ausgeführt und stets Milz¬ 
schwellung und Hämoglobininfarcte und im Blut Malariapigment 
und das Methämoglobinspektrum nachweisen können, letzteres so¬ 
gar auch im Fruchtwasser einer graviden Frau, die an Schwarz¬ 
wasserfieber zu Grunde gegangen war. Da die Sektionsbefunde an 
den Nieren einer Nephritis entsprechen, regt er die Frage an, ob 
nicht etwa Gefrierpunktsbestimmungen gemacht werden könnten. 
Er verweist auf die Aehnlichkeit der ganzen Erkrankung mit einer 
Chlorkalivergiftung: Hämoglobinurie, Methämoglobinspektrum im 
Blut, Schwellendosis sowohl beim Chinin wie beim CÜorkali, und 
empfiehlt, doppeltkohlensaures Natron in grossen Dosen zu geben, 
um die Bildung des Methämoglobins zu verhindern. Herr Nocht 


Um Sie als Laien für die menschliche Seite dieser grossen 
Aufgabe zu gewinnen, möchte ich Ihnen vor allem eine wahre 
und erschütternde Vorstellung von der schrecklichen Grösse 
aller von der Tuberkulose dem Volke zugefügten Schäden zu 
geben versuchen. Werden Sie sich zunächst klar, wie weit¬ 
gehende und tiefe Wurzeln diese Seuche in unserem Volke 
bereits seit langem geschlagen hat. Im erwerbsfähigsten Alter 
wird bei uns fast jeder dritte Todesfall und mehr als jeder 
zweite Invaliditätsfall der in der Industrie beschäftigten männ¬ 
lichen und weiblichen Arbeiter bis zum Alter von etwa 30 
Jahren durch die Tuberkulose verursacht. Die Tuberkulose- 
sterblichheit ist grösser als selbst die Summe der Todesfälle 
durch Diphtherie, Keuchhusten, Scharlach, Masern, Typhus 
zusammengenommen. Im französischen Kriege sind nach der 
preussischen Statistik gefallen und sonst an Krankheiten ge¬ 
storben 41000 Männer. Die doppelte Zahl von Menschen stirbt 
jährlich an Tuberkulose! Nach Millionen ist die Zahl der je¬ 
weils lebenden erwachsenen Personen, welche neben uns 
tuberkulös sind, zu beziffern; und die Zahl derjenigen er¬ 
wachsenen Menschen, deren tuberkulöses Leiden so weit vor¬ 
schreitet, dass eine Krankenhaus-Behandlung notwendig wäre, 
wird im Deutschen Reiche auf mindestens 200000 jährlich ge¬ 
schätzt. In den 618 Spitälern Oesterreichs liefert die Tuber¬ 
kulose tatsächlich beinahe 6% aller Verpflegten und fast ein 
Viertel sämtlicher daselbst Verstorbenen. Dabei ist die Tuber¬ 
kulose eine Krankheit der ganzen Welt In Eucopur. stellt 


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100 


MBDICmiSCHB WOCHB. 


Nr. 9. 


erklärt im Schlnsswort, dass er noch keine Gefrierpunktsbestim¬ 
mungen bei Schwarzwasserfieberkranken vorgenommen habe; eine 
therapeutische Wirkung des Natrium bicarbonicum und anderer 
Alkalien bei Schwarzwasserfieber halte er für ausgeschlossen, da 
er häufig eine starke Alkaleszenz des Urins beobachtet habe. 
Nach seinen Erfahrungen wirkt auch Chinin insofern anders als 
Chlorkali, als ersteres die gleiche Wirkung bei vollem wie bei 
leerem Magen zeige. Der Lenhartzsche Fall von Petechieen 
statt der Hämoglobinurie sei zwar selten, stehe jedoch lange nicht 
vereinzelt da; er selbst habe Petechieen bei prophylaktischem 
Chiningebrauch auftreten sehen, wo nur jeden vierten Tag 1,0 ge¬ 
geben wurde. Er wendet sich dann gegen die Lenhartzschen 
Ausführungen, dass es eine erworbene Disposition zum Schwarz¬ 
wasserfieber durch prophylaktischen Chiningebrauch gäbe, da mit¬ 
unter bereits bei der ersten Chinindosis Hämoglobinurie auftritt. 
Nach seiner Ansicht komme es überhaupt nur zum Schwarzwassei*- 
fieber, wenn nicht genügend Chinin gereicht würde. 

2. Demonstrationen: Herr Kümmel stellt einen Pall von 
sehr ausgedehntem Magencarcinom vor; Bei der Operation 
stellte sich die Unmöglichkeit der totalen Exstirpation infolge 
Uebergreifens auf den Pankreaskopf heraus. Trotzdem die Bauch¬ 
wunde am zehnten Tag und dann noch einmal nach vier Wochen 
genäht werden musste, befindet sich Pat. jetzt sehr wohl und 
hat bereits 30 Pfd. zug^nommen. Im Anschluss hieran zeigt 
Herr Kümmel auf dem Schirm verschiedene Röntgenaufnahmen 
des Magens, der mit einem mit Wismuth durchsetztem Griesbrei 
gefüllt war. 

3. Vortrag des Herrn Ringel: „Ueber acuten mecha¬ 
nischen Ileus**. (Autoreferat.) Beim mechanischen Ileus 
unterscheidet man den Obturatlonsileus und den Strangulationsileus. 
Letzterer tritt im Gegensatz zum ersteren stets akut auf und ver¬ 
läuft stürmisch, da neben der Verlegung des Darmlumens das 
Mesenterium abgeschnürt ist, was zur Ernährungsstörung des 
Darms führt. Den Ausführungen sind 27 Fälle zu Grunde gelegt, 
und zwar 3 Fälle von Volvulus, 19 Fälle von Darmabschnürung 
durch Stränge, 1 Fall von Hernia obturatoria incarcerata und 
4 Fälle von Intussusception. Bei der Besprechung der Sypmto- 
matologie und der Diagnose wird hervorgehoben, dass die meist 
in den Lehrbüchern angegebenen Symptome die Terminalsymptome 
bereits sind. Man bat auf die Anfangssymptome zu achten, zu 
denen in allererster Linie der peritoneale Shock gehört mit gleich¬ 
zeitigem Erbrechen. Die Therapie besteht in sofortiger Operation, 
Aafbu(fi)iung und Beseitigung des Hindernisses. Ist der Darm 
schon krank, soll unter allen Umständen primär reseciert, niemals 
eine Dünndannfistel angelegt werden. — Von den 27 Fällen 
wurden 18 geheilt, 14 starben, und zwar- hatten die letzteren 


sich die Reihenfolge der Länder, wenn ausschliesslich die 
Sterblichkeit an Lungenschwindsucht, dieser hauptsächlichsten Er¬ 
scheinungsform der Tuberknlose, zum Maß.stab genommen wird, 
dahin, dass England, Norwegen und Belgien verhältnismäßig 
am günstigsten dastehen, das Deutsche Reich mittlere Verhält¬ 
nisse aufweist und Ungarn, Österreich und Russland am ärgsten 
daran sind. Eine säulenartige Zusammenstellung der Schwind¬ 
suchtssterblichkeit in den grossen Städten zeigt, dass Moskau 
und Petersburg sich durch die höchsten Säulen auszeichnon; 
gleich danach Kommen Wien und Ofen-Pest. 

Die Tuberkulosebestrebungen umfassen erstlich die 
Ermittelung, Auslese und Gruppierung der Kranken (insbe^sondore 
die Belehrung der Bevölkerung, die Anzeigepflicht für be¬ 
stimmte Formen der Krankheit, die sog. Auskunfts- und Fiir- 
sorgestellen für Lungenkranke, die Tuberkulosestatioiien in 
Krankenhäusern, bezw. die selbständigen Tuborkulosespitäler, 
die Genesungsheime und Erholungsstätten, die Gemeinde¬ 
krankenpflege), ferner die Unterbringung d(?r Kranken des 
ersten Stadiums in den Volksheilstätten, mit Berücksichtigung 
der Familienfursorge während der Kur, dos Übergangs iu den 
früheren oder-einen neuen Beruf, weiterhin die Versorgung 
der Schwerkranken in Pflegestätten und Invalidenheimen, so¬ 
wie endlich die Maßnahmen zur Verhütung der Tuberkulose. 
Nur. die letzteren sollen den Gegenstand meiner heutigen Be- 
sprephimg bilden. (Fortsetzung folgt.) 


schon zur Zeit der Operation eine Peritonitis mit Ausnahme von 
zwei Kindern im Alter von 6 bezw. 8 Monaten, die im Shock zu 
Grunde gingen. Unter den Geheilten befindet sich ein Fall, bei 
welchem der Darm wegen Gangraen in grosser Ausdehnung rese¬ 
ciert war. 

4. Diskussion: Herr Wiesinger empfiehlt, von dem nicht 
geblähten Darm aus nach aufwärts zu geben, um die Erkrankung 
zu suchen. Im Gegensatz zum Vortragenden hält er die Darm¬ 
resektion für zu gefahrvoll und legt lieber etwas höher herauf 
eine Darmfistel an. Nach einigen Bemerkungen des Herrn Her- 
hold erwähnt Herr Falk einen Fall von postoperativem Ileus, 
der am vierten Tage einsetzte und tötlich endete. Herr Deutsch¬ 
länder ist gleichfalls für möglichst schnelle Operation beim Auf¬ 
treten schwererer Erscheinungen und hält Atropin, Strychnin, 
Eingiessungen etc. nur dann für erlaubt, wenn bereits wenige 
Stunden danach ein Erfolg vorhanden ist. Herrn Kümmels 
Ansicht ist die, dass all’ die sogenannten Ileusfälle, die angeblich 
mit Atropin etc. geheilt sind, gar keine Ileus-, sondern Perity- 
phlitisfälle waren. Er hält eine Heilung ohne Operation bei Ileus 
für absolut ausgeschlossen. Man mnss Erfahrungen sammeln, da¬ 
mit die Ileusdiagnose sicherer wird. Ist jedoch die Diagnose 
sicher, dann gibt es nur ein Mittel, und das ist das Messer. Um 
postoperativen Ileus zu vermeiden, wendet er stets mit sehr gutem 
Erfolg, wenn es sieb nicht gerade um Darmresektionen gehandelt 
hat, die frühzeitige Verabreichung von milden Abführmitteln an. 
Nach einigen Worten des Herrn Grube wird der vorgerückten 
Zeit wegen die Fortsetzung der Diskussion vertagt. 

Schönewald. 

Medicini^che Gesetlseliaft in Giessen, 

3. Sitzung am 12. Dez. 1905. 

Vorsitzender: Herr Poppert. Schriftführer: Herr Kisskalt. 

Tagesordnung; (Klinischer Abend) 1. Herr Soetbeer, 
Milzextirpation bei Malaria. 2. Herr Volhard: a) Demonstration 
eines Mädchens, welches eine Nadel verschluckt hatte mit Demon¬ 
stration der extrahierten Nadel, b) Demonstration eines Falles 
von doppelseitiger Posticusparese nach doppelseitiger totaler Re- 
kurrensparese infolge von Strumectomie. o) Ein Fall von Herz¬ 
block. 3. Herr Moritz: Demonstrationen an dem von ihm an- 
gebenen Kreislaufmodell. 

4. Sitzung am 9. Januar 1906, 

Tagesordnung: 1. Herr Schäffer: Drei mit Römer’schem 
Pneumococcensemm erfolgreich behandelte PneumoniefhUe. 

Nach zusammenfassendem Referate Uber die Fälle von Pässler, 
Knuth und Lindenstein berichtet Vortr. über drei Fälle von 
Pneumonie, in welchen sich unmittelbar an die Injektion von 10 ccm 
Römer’schem Pneumococcenserum die kritische Entfieberung unter 
Schweissausbruch anschloss. Es handelte sich um Patienten von 
51, 26 und 46 Jahren, dem Beruf nach Hüttenarbeiter, Ringofen¬ 
arbeiter und Bergmann. Injiziert wurde am 6., 5. und 2. Tage. 
Im letzten Falle trat am dritten Tage noch Herpes labialis auf, 
obwohl Patient bereits völlig fieberfrei war und rostbraunes Sputum 
gehabt hatte. Ebenso bildete sich in diesem interessanten Falle 
die pneumonische Infiltration nur allmählich unter fortwährendem 
Schwitzen zurück. 

Während in den früheren Fällen neben der Besserung des 
Allgemeinbefindens besonders die Hebung der Pulswelle konstant 
hervorgehoben wird, beobachtete Vortr. eine solche in keinem 
Fall. Der allmählich langsamer werdende Puls blieb vielmehr 
klein; in einem Fall bestand nach der Injektion drei Tage lang 
Dikrotie. Man war daher genötigt, wie übrigens auch die früheren 
Experimentatoren, Stimulantia zu verabreichen. 

Die sonstige Therapie beschränkte sich auf Förderung der 
Expektoration. 

Vortr. empfiehlt versuchsweise frühzeitige Injektion in allen 
Fällen, da eine schädigende Wirkung des Serums von keinem 
Beobachter gesehen wurde, und die bisher veröffentlichten Fälle 
eine Mortalität von einhalb bis einsiebentel des gewöhnlichen Pro¬ 
zentsatzes ergeben (letztere, wenn die drei von vornherein aus¬ 
sichtslosen Fälle Pässlers ausscheiden). 


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MEDICINISCIIE WOCHE. 


101 


1906. 


2. Herr Kisskalt: Ueber Fluss Verunreinigung. 

Der erste Teil des Vortrages behandelt die Flussverunreinigungen 
im allgemeinen, der zweite den Einfluss der Abwässer Giessens 
auf die Wieseck und die Lahn. — Flussverunreinigungen in so 
grossem Stile, wie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts 
an der Themse und der Seine konstatiert wurden, kommen heut¬ 
zutage wohl nicht mehr vor; doch mahnen Erfahrungen, die man 
au verschiedenen Orten gemacht hat, zur Vorsicht bei der Ein¬ 
leitung ungereinigter städtischer Abwässer auch in wasserreiche 
Flüsse. In noch höherem Grade sind die Industrieabwässer zu 
fürchten. Sie führen vielfach ihulnisfkhige Stoffe; aber auch wo 
dies nicht der Fall ist, ja, wo mit dem Auge keine Veränderung 
wahrgenommen werden kann, kann ihre Einleitung in Flüsse mit 
nachteiligen Folgen verknüpft sein. Soweit hier wirtschaftliche 
Interessen in Betracht kommen, sind die Vorteile und Nachteile 
gegeneinander abzuwägen. 

Die Schäden, die bei der Einleitung städtischer Abwässer 
entstehen, sind die Infektionsgefahr und die im Flusse sich ab¬ 
spielenden Zersetzungsvorgänge. Die Infektionsgefahr ist geringer 
geworden, seitdem die wenigsten grösseren Städte ihr Wasser 
mehr ans dem Flusse entnehmen; doch kommt sie für kleinere 
Orte und einzelne Gehöfte noch sehr in Betracht. Auch die in 
dem Flusse sich abspielenden Zersetzungsvorgänge sind für die 
Anwohner als gesundheitsschädlich zu betrachten, da dadurch der 
Genuss frischer Luft verkümmert wird und infolge des erregten 
Ekels der Appetit leidet. Dieser Auffassung haben sich auch die 
Gerichte angeschlossen. 

Die Abwässer der Stadt Giessen gelangen bis zu der bald zu 
erwartenden Vollendung der Kanalisation in die Wieseck und 
diirch diese in die Lahn. Beide Gewässer werden dadurch verun¬ 
reinigt: die Wieseck so stark, dass sie dadurch in einen grauen 
stinkenden Bach umgewandelt wird, die Lahn so schwach, dass 
nur mit feinen Methoden eine Verunreinigung nachzuweisen ist. 
Die sichtbare Verschmutzung wird am besten als Lichtabsorption 
bestimmt. Zur Messung der vorhandenen Zersetzung dient die 
quantitative Bestimmung des Ammoniaks, des freien Sauerstoffs 
und der Keimzahl. Die Zersetzungsfahigkeit wird am besten als 
Sauerstoffzehrung angegeben; wenig leistet die Bestimmung der 
organischen Substanz und des Glühverlustes. Zur Bestimmung 
der Verdünnung mißt man auch das Chlor und den Rückstand. 
Für die Infektiosität gibt die Zahl der Ooli einen Massstab. 

Naturforsi^iende Gesellschaft i/n Freihurg i, B» 

7. Februar 1906. 

Prof. A. Schüle: Ueber die Bedeutung des Röntgen- 
yerfahrens (Radiographie) für die innere Medicin. 

Vortr. demonstriert zunächst eine Anzahl Bilder aus dem 
Rieder’schen Atlas. Bei Erkrankungen der Lunge, speziell bei 
der Lungentuberkulose, liegt die Bedeutung der Radiographie 
darin, dass sie Uebersichtsbilder liefert, wie sie in gleicher Voll¬ 
kommenheit die Perkussion und Auskultation nicht darbieten 
können. Weiterhin lässt sie uns zentrale Veränderungen, z. B. 
Broncbialdrüsentuberkulose sehen, die wir mit Perkussion und Aus¬ 
kultation, die ja nur oa. 4 cm weit in die Tiefe reichen, nicht er¬ 
kennen können. 

Für die Diagnose gerade der beginnenden Lungentuber¬ 
kulose sind dagegen die sonstigen klinischen Untersuchungsmethoden 
weit wichtiger als die Radiographie, die überhaupt fast ausschliess¬ 
lich eine wertvolle Elrgänzung dieser Methoden darstellt. — Beim 
Studium der Bewegungen des Zwerchfells, des Herzens usw. ist 
die Badioskopie, die Durchleuchtung, ein sehr brauchbares 
Hilfsmittel. 

Bei der Diagnostik der Herzkrankheiten giebt die Radio¬ 
graphie zwar nicht die genaue Herzgrösse, lässt aber doch wert¬ 
volle Schlüsse ziehen auf bestimmte Herzfehler, deren jeden eine 
typische Herzfigur zukomrat. Die wahre Grösse des Herzens er¬ 
fahren wir hier durch die Orthodiagraphie; für klinische Zwecke 
ist nach wie vor die Perkussion völlig ausreichend. Anders da¬ 
gegen bei den Aortenerkrankungen: die Diagnose eines be¬ 
ginnenden Aortenaneurysma ist nur durch die Radiographie 
zu stellen. 


An den Verdauungsorganen hat man zunächst durch Wis- 
muthmahlzeiten die wahre Grösse und Lage des Magens und ihre 
Anomalieen, die Fortbewegung der Speisen und namentlich die 
Zeit ihres Transportes feststellen können. Vortr. fand weiterhin, 
dass Oeleinläufe mit Wismuth nur bis zur Bauhinschen Klappe, 
nie über dieselbe hinaus gelangen, und dass man abnorme 
Lagerungen des Colons mit dieser Methode sehr gut erkennen 
kann. — Die ins Rektum eingeführten Sonden pflegen sich sehr 
bald aufzurollen, gelangen jedenfalls nie tief ins Colon hinein. 

Die Hanptbedeutung des Röntgenverfahrens in der inneren 
Medicin liegt auf diagnostischem Gebiet, weniger, namentlioh nach 
den nicht befriedigenden Ergebnissen der Leukaemiebehandlung, 
auf therapeutischem. R. Link, Freiburg i. B. 

C^näkologische Ges^lschaft, 

Sitzung vom 9. Februar 1906. 

Olshausen hält einen Nachruf auf Gusserow. 

Demonstrationen: 

Herr v. Bardeleben: 1 . Eine Placenta membranacea und 
bipartita mit lateraler und fast velammxtöser Gefässversorgung. 

2. Einen Uterus gravidus mensis 11, der mit handöäcbengrosser 
Verbindung mit der Abdominalhaut verwachsen war. Derselbe 
stammt von einer Patientin, die unter peritonischen Erscheinungen 
in die Charite geschickt war, doch nach Nachweis eines strepto¬ 
coccenhaltigen Feritonealexsudats laparatomiert und drainiert war, 
ohne dass es zur Frühgeburt gekommen wäre. Nach vorüber¬ 
gehender Besserung trat nach drei Wochen ein Recidiv auf, das 
zum exitus führte. Aetiologisch zeigte sich bei der Autopsie eine 
rechtsseitige Pyosalpinx und vereiterter Ovarialtumor, links ein 
Gonglomerattumor (Dünn- und Dickdarm); eine Dttnndarmschlinge 
war perforiert imd batte das Recidiv bewirkt. B. empfiehlt bei 
eitriger Peritonitis grosse Gegenincisionen in den seitlichen Par- 
tieen des Abdomens. 

Herr Liepmann stellt eine Patientin vor, die in der Charite 
nach vaginaler Enucleation eines geburtshindemden Myoms ent¬ 
bunden war und nachdem draussen Wendung und vergeblicher 
Extraktionsversuch gemacht waren. 

Diskussion: Herr Bauer. 

Discussion über den Vortrag des Herrn Henkel: Ueber Pu- 
botomie. 

Herr Hocheisen berichtet über die vier in der Charite pu- 
botomierteu Fälle und zeigt die Bumm’sche Modifikation der 
Nadel sowie die Röntgenbilder der operierten Fälle. 

1. 24 J., I p., mit allgemein verengtem, platt rachitischem 
Becken, 0. v. = 8 cm. 3 Tage kreissend. 

2. 26 J., n p., C. V. = 9 cm. Vorderscheitelbeiuemstellu,ng 
— hohe Zange — Pubotomie. Klaffen 2 cm. 

3. 32 J., V p., normales Becken. Vorderscheitelbeinein¬ 
stellung. Erfolgloser Versuch der hohen Zange. Pubotomie. 
Spontaner Verlauf. 

4. 28 J., I p., Conj. V. = 7 cm. Ac. Hydramnion. — Metreu- 
ryse. Pubotomie. Wendung und Extraktion. Kind -{-. Im¬ 
pression des Scheitelbeins und Wirbelsäulenfraktur. Becken klaffte 
nur um 1 cm; der Sägeschnitt hatte das Foramen obturator. ge¬ 
troffen, wie das Röntgenbild zeigte. 

Koblanck fragt an, ob die Pubotomie die Perforation des 
lebenden Kindes ganz ausschalten werde. 

Stoeckel hält die Pubotomie eventuell für eine Operation 
in der Praxis; erkennt den Leichenversuchen doch einen gewissen 
Wert zu und betont die Wichtigkeit der Schnittrichtung. 

Blumreich berichtet über zwei Fälle, die er im Privathause 
pubotomiert hat. 

1. II p., C. V, = 7'/i— 78 / 4 , erste Kind perforiert. Jetzt Pu¬ 
botomie mit Scheidendammincision. 

2. 39 J., I p., rachit. Kyphoskoliose mit schräg verengtem 
Becken. Ext. 17, nach 62stündigem Kreissen nach Döderlin: nach 
drei Stunden Zange am tiefstehenden Kopf. B. betont die Ge¬ 
fährlichkeit der Scheidenrisse bezüglich der Sepsis, der Häufigkeit 
der Thrombosen bei Pubotomieen und spricht sich für den spon¬ 
tanen Geburtsverlauf nach Pubotomie aus. 

Bumm hält die Symphisiotomle für die exaktere chirur^scbe 
Operation gegenüber der Pubotomie, die manchmal ein mtfngel- 


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102 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 9. 


haftea Klaffen des Beckens bewirkt, betont die Gefahr der 
Scheidenzerreiasungen und lÄ'amt zunächst vor der Uebertragung 
der Pubotomie in die Praxis, bevor grössere klinische Reihen vor¬ 
lägen. 

Bokelmann schliesst sich dieser Warnung an; die Perfo¬ 
ration des lebenden Kindes wird nie aus der geburtshilflichen 
Praxis verschwinden. 

Olshausen ist für die Pubotomie sehr eingenommen, gibt 
zu, dass die Beckenerweiterung nicht so stark wie bei der Sym- 
phisiotomie ist und rät, auch weitere Resultate abzuwarten. 

Gerstenberg teilt seine Versuche an der Leiche mit und 
demonstriert das Seligmann’sche Instrument. 

Henkell — Schlusswort — demonstriert ein neues Instru¬ 
ment, das sich ihm in einem Falle bewährte. A. 


Standesfragen. 

Der preueeieche Ehrengerichtshof. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Als im Jahre 1899 das Gesetz über die ärztlichen Ehren¬ 
gerichte in Kraft trat, gab es eine ganze Reihe von Kollegen, 
die da glaubten, die Ehrengerichte würden schon allein durch üire 
Existenz, mehr aber noch durch ihre Tätigkeit für die Aerzte- 
schaft eine Waffe sein in den gerade zu jener Zeit scharf ein¬ 
setzenden wirtschaftlichen Kämpfen. Die solches gehofft hatten, 
sahen sich bald enttäuscht: weder wollten die Ehrengerichte auf 
dem schwierigen sozial-ärztlichen Boden sich mehr als absolut not¬ 
wendig bewegen, noch vermochten sie dies, wenn sie, wozu sie 
gezwungen waren, sich strikt an die gesetzlichen Normen halten 
wollten. So ergab sich dann bald, dass der Nutzen der Ehren¬ 
gerichte für die Aerzteschaft in gar keinem Verhältnis stand zu 
den durch dieselben verursachten Arbeiten und Unannehmlichkeiten 
sowie zu den Kosten, die sie der gesamten Aerzteschaft verur¬ 
sachten. Mehr aber noch als die Ehrengerichte enttäuschte der 
Ehrengerichtshof. Man hatte geglaubt, dass aus dessen Judikatur 
sich im Laufe der Jahre allmählich eine ärztliche Standesordnung 
herauskrystallisieren würde, man hatte nicht daran gezweifelt, dass 
seine Urteile in mustergültiger Weise die Anschauungen der 
Aerzteschaft wiederspiegeln würden. Nun haben aber gerade die 
Urteile des Ehrengerichtshofes schon zu wiederholten Malen den 
allerheftigsten Widerspruch erfahren müssen, wir haben gesehen, 
dass der Ehrengerichtshof die wirtschaftlichen Interessen in keiner 
Weise zu fördern imstande ist und wir haben Anschauungen zu 
hören bekommen, die zu den bisher gütigen im schärfsten Gegen¬ 
satz stehen. In letzterer Beziehung erinnern wir nur an das viel¬ 
besprochene, leider immer noch nicht amtlich bekannt gegebene 
Urteil, das den Aerzten den Zwang auferlegen wUl, im Behinde¬ 
rungsfall für Vertretung zu sorgen. 

Auch jetzt liegen wieder einige Urteile vor, die zu lebhafter 
Diskussion Veranlassung geben dürften. Sie beschäftigen sich 
mit der Frage: „Unter welchen Voraussetzungen begründet der 
Streikbruch eines Arztes bei Streitigkeiten mit Krankenkassen 
einen Verstoss gegen die Standesehre?“ Wir geben zunächst die 
Urteüe im Wortlaut wieder: 

1. Beschluss vom 9. Januar 1905. 

Durch den bezeichneten Beschluss ist der Angeschuldigte im 
nichtfönnlichen Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens mit 
einem Verweise und einer Geldstrafe von Dreihundert Mark kosten¬ 
pflichtig bestraft worden. Gegen diese Entscheidung hat er in 
einer als Berufung bezeichneten Eingabe fristgerecht das Rechts¬ 
mittel der Beschwerde (§ 16 Abs. 2 des Gesetzes vom 25. No¬ 
vember 1899) eingelegt. 

Der Vorderrichter hat festgestellt, 

dass der Angeschuldigte zu X. im Jahre 1903 durch Ab- 
schliessung eines dem Beschlüsse der Krankenkassen- 
Kommission für die Aerzte des Kreises M. widersprech¬ 
enden Vertrages mit den Ortskrankenkassen und durch 
• \ Unterbietung seiner Standesgenossen gegen § 3 des Ge- 
\ setzes vom 25. November 1899 verstossen hat. 


Bei der Bejahung der Schuldfrage geht der erste Richter da¬ 
von aus, dass es Pflicht des Angeschuldigten gewesen wäre, im 
Hinblick darauf, dass die auf Wunsch der Aerztekammer für die 
Aerzte des Kreises M eingesetzte Kommission als Mindestsatz für 
die mit Ortskrankenkassen abzuschliessenden Verträge den jähr¬ 
lichen Satz von 3,50 Mark für den Kopf festgesetzt habe, keines¬ 
falls bei Abschluss eines Vertrages mit den Krankenkassen in X. 
unter diesen Satz, wie er es getan, herunterzugehen. Das Urteü 
stellt weiter fest, dass die Aerzte in X. infolge der Ergebnis¬ 
losigkeit der auf Erzielung des Satzes von 3,50 Mark gerichteten 
Verhandlungen mit der Krankenkasse in X. ihr Amt als Ksissen- 
ärzte medergelegt hatten, bevor der Angeschuldigte, welchem 
dieser Sachverhalt bekannt war, von Berlin aus sicdi seitens der 
Kasse zu dem Satze von 3 M. anwerben Hess. 

In der Beschwerderechtfertigung behauptet der Angeschuldigte, 
er habe den Beschluss der Krankenkassenkommission nicht gekannt. 
Er bestreitet seine Reriitsgiltigkeit, führt aus, dass seine Kassen¬ 
einnahmen den Minimalsatz von 3,50 M. infolge der Bezahlung 
für SonderleistuDgen noch überstiegen und legt dar, dass er durch 
seine persönlichen Verhältnisse gezwungen gewesen sei, die ge¬ 
botene Gelegenheit zur Niederlassung zu benutzen. 

Bei der ehrengerichtlichen BeurteUung des vorliegenden Falles 
war davon auszugehen: 

dass die Kassenarztstellen in X. infolge der von den orts¬ 
ansässigen Aerzten ausgesprochenen Kündigung nnbesetzt 
waren und dass der von Berlin nach X. zugezogene An¬ 
geschuldigte zu den dortigen Aerzten und ihren auf die 
Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage abzielenden 
Vereinsbestrebungen in keiner ihn verpflichtenden Be¬ 
ziehung stand. 

Aus der ersten Tatsache folgt, dass von einer ehrengericht¬ 
lich strafbaren Eindrängimg des Angeschuldigten in den Besitz¬ 
stand seiner Berufsgenossen keine Rede sein kann, da diese ihren 
Besitz selbst aufgegeben hatten. 

Die zweite Tatsache ergibt, dass eine Bestrafung des Ange¬ 
schuldigten aus dem Gesichtspunkt des ehrenrührigen Zuwider- 
handelns gegen Vereinsbeschlüsse ausgesdilossen ist, da der Verein 
nur seine Mitglieder auf seine Beschlüsse verpflichten, keinesfalls 
aber allgemein gütige, auch für ausserhalb seiner Grenzen stehende 
Aerzte verbindliche Normen zu setzen berechtigt ist. 

Die ehrengerichtliche Bestrafung des Angeschuldigten Hesse 
sich hiernach nur dann rechtfertigen, wenn seine Handlungsweise 
imabhängig von ihrem Widerspruch gegen die örtlichen Vereins- 
beschlüsse gegen die Regeln des ärztlichen Anstandes, deren Be¬ 
obachtung der § 3 <les Gesetzes vom 25. November 1899 von 
jedem Arzte verlangt, im allgemeinen veretiesse. Einen solchen 
Verstoss nimmt das Ehrengericht an, indem es den Angeschuldigten 
des „Strikebruchs“ bezichtigt und ihm zum Vorwurf macht, er sei 
seinem im Kampfe mit den Kassen stehenden Kollegen „in den 
Rücken gefallen.“ Diese Auffassung des Elhrengerichts ist jedoch 
rechtsirrtümlich und verstösst gegen die Grundlagen der die Ver¬ 
hältnisse des ärztlichen Standes und seiner Mitglieder regelnden 
Rechtsordnung. Der § 1 des Reichsgesetzea über die Freizügigkeit 
vom 1. November 1867 (Bundesgesetzblatt Seite 55) in Verbindung 
mit Artikel 3 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 
1871 gibt jedem Deutschen das Recht, innerhalb des Reichs' 
gebietes an jedem Ort sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er 
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen 
imstande ist, an jedem Orte Grundeigentum zu erwerben und Ge¬ 
werbe zu betreiben. Der § 29 der Reichsgewerbeordnung ferner 
bestimmt insbesondere, dass die Aerzte einer Approbation bedürfen, 
und dass Personen, welche eine soldie erlangt haben, {innerhalb 
des Reiches in der Wahl des Ortes, wo sie ihr Gewerbe betreiben 
wollen, nicht beschränkt sind. Bei Beachtung dieser reichsgesetz¬ 
lichen Bestimmungen, welche der Auslegung des § 3 des preuaei- 
schen Gesetzes bestimmte, nicht überschreitbare Grenzen ziehen, 
konnte dem Angeschuldigten nicht nur nicht verwehrt werden, sich in 
X. niederzulassen, sondern es konnte ihm auch nicht untersagt 
werden, dort auf die Ausübung seiner Berufstätigkeit bezügliche 
entgeltliche Verträge zu schliessen. Der Umstand, dass er einen 
solchen Vertrag schloss, ist für sich allein nicht geeignet, die 
Grundlage seiner ehrengerichtlichen Verurteilung zu büden. Die 
damit bekundete Abweichung des Angeschuldigten von Anschan- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


103 


ungen und Beschlüssen seiner dortigen Standesgenossen wäre für 
das ehrengerichtliche Verfahren nur dann von Bedeutung, wenn 
das abweichende Verhalten an sich eine Verletzung der Standes¬ 
ehre darstellte (vergl. auch Beschluss des Elirengerichtshofs vom 
7. Februar 1902, Ministerialblatt 1902, Seite 305). Dass aber 
die einzelnen Punkte des abgeschlossenen Vertrages oder die be¬ 
sonderen den Abschluss begleitenden Kebenumstände etwa gegen 
die bei dem Vertragsabschluss selbstverständlich zu wahrenden 
besonderen Regeln des ärztlichen Anstandes, gegen die allgemeinen 
Gebote der Standesehre verstossen hätten und deshalb ein ehren¬ 
gerichtliches Einschreiten begründet gewesen wäre, ist im vor¬ 
liegenden Fall nicht dargetan. Die Vereinbarung eines Satzes von 
3 M. pro Kopf im Kassenvertrag allein ist ehrengerichtlich nicht 
rügbar, da dieser Satz kein unwürdig niedriger ist und an anderen 
Orten als der kassenärztlichen Berufstätigkeit angemessen erachtet 
wird. 

Nach alledem hat der Angeschuldigte sich des standes¬ 
widrigen Verhaltens nicht schuldig gemacht und war unter Auf¬ 
hebung des Urteils erster Instanz kostenlos (§ 46 des Oesetzes) 
freizusprechen. (Schluss folgt.) 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinieche Wochenechrifl. 1906 No. 7. 

1 . Z w e i fe 1 , Leipzig: Bas Gift der Eklampsie und die Kon- 
seqnensen für die Behandlung. 

Verf. hat die Stoffwechselprodukte Eklamptischer in der ein¬ 
gehendsten und genauesten Weise nntersncht. Es zeigt sich, dass 
mangelhafte Oxydation des Eiweisses vorliegt. Dafür ist die Al¬ 
buminurie nicht beweisend, denn sie kommt nur in Folge von 
Reiznog der Nierenepithelien zustande. Erheblich ist die Steige¬ 
rung des Ammoniakgehaltes im Urin. Ist derselbe normaler 
Weise 5% des Oesamtstickstoffs, so kann er bei Eklamptischen 
bis za 16,5% steigen. Auch die Bestimmung der Schwefelsäuren 
ergab eine erhebliche Zunahme der volloxydierten Sulfate. Verf. 
fand regelmäßig im Urin eklamptischer Frauen Fleischmilch- 
säure, ebenfalls ein Zeichen herabgesetzter Eiweissoxydation. 
Fleischmilchsäure im Urin ist stets pathologisch. Die Untersuchung 
des kindlichen Blutes ergab prozentualiter im Blut der Nabel¬ 
schnur mehr Milchsäure als im Aderlassblut der Mutter. 

Als therapeutische Konsequenzen wären zu ziehen: möglichst 
beschleunigte Entbindung jeder eklamptischen Frau, Anwendung 
des Aderlasses, Darreichung von Digitalispräparaten und subkutane 
Einverleibung von Sauerstoff, von welcher Verf. viel gutes ge¬ 
sehen hat. 

2. Lockemann, Leipzig; üeber den Haohweis von Fleisch* 
milohsänre in Blnt, Urin und Cerebrospinalflttssigkeit eklamp- 
tischer Frauen. 

Die Veröffentlichung gibt die technischen Erläuterungen über 
das Untersnohimgsverfahren, welches in der obenstehenden Arbeit 
Zweifel’s zur Anwendung gekommen ist. Die Einzelheiten der 
ziemlich weitläufigen chemischen Analyse müssen im Original 
nachgelesen werden. 

3. Hempel, Dresden: üeber die Gewinnung einwandfreier 
Milch für Säuglinge, Kinder und Kranke. 

Die ungünstige Veränderung, welche die Milch durch das 
Kochen erleidet und welche den Nährwert erheblich herabsetzt, 
lässt es wünschenswert erscheinen, dass rohe Milch zur Ernährung 
verwandt wird. Dies ist aber andererseits nicht möglich, wenn 
nicht bei der Milchgewinnung ganz besondere Maßnahmen getroffen 
werden, um bazilläre Verunreinigungen auszuschalten und nur 
wirklich gesunde Kühe zu verwenden. Verf. hat in dieser Rich¬ 
tung auf einem Rittergut Ohorn höchst erfolgreiche Verbesser¬ 
ungen und Neueinrichtungen getroffen. Das Wesentliche derselben 
besteht darin, dass nur Kühe eingestellt werden, die auf Tuber- 
culin nicht reagieren, dass die Tiere einer äusserst gründlichen 
körperlichen Reinigung unterzogen werden, dass das Melken in 
einem besonderen Melkraum, nicht im Stall stattfindet. Beim 
Melkakt werden die Kühe mit einem schürzenartigen sterilen Lein¬ 
tuch so umhüllt, dass möglichst nur das Euter freibleibt. Eine 


waschbare sterile Kleidung erhält auch der melkende Schweizer. 
Die zur Aufnahme der Milch bestimmten Cefässe sind mit Dampf 
sterilisiert. Mit diesen aufs äusserste betriebenen Sauherkeite- 
maßnahmen ist es gelungen, ganz vorzügliche und nur wenig nicht 
pathogene Keime enthaltende Milch zu gewinnen. 

4. Manteufel, Halle: Statistiscbe Erbebungen über die 
Bedentnng der sterilisierten Milob für die Bekämpfung der 
Sänglingssterbliohkeit 

Die Zahl der mit sterilisierter Milch Ernährten ist im Ver¬ 
gleich zu der Gesamtzahl der auf Tiermilchnahrung gesetzten 
Säuglinge bislang noch so unbedeutend, dass man ein abschliessendes 
Urteil über die Brauchbarkeit des geübten Systems der Milchfür¬ 
sorge zur Zeit noch nicht fällen kann. Der praktischen Hand¬ 
habung der Milchabgabe haften no(di Mängel an, deren Beseitigung 
eine baldige Besserung des Erfolges hervomifen müsste. Die Er¬ 
fahrungen sprechen dafür, dass die dezentralisierte Milchabgabe, 
wie sie in Deutschland üblich ist, der Zentralisation, wie sie in 
Frankreich geübt wird, au Effekt nicht gleichwertig ist. Eine 
zentralisierte Organisation, die eine bessere Ueberwacbung und 
Förderung des Milchkonsums zulässt, dürfte die Leistungsfähigkeit 
der sterilisierten Milch im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit 
bedeutend erhöhen. Die amerikanischen Milchküchen und die 
Konsultations gouttes de lait in Frankreich zeigen auch in finan¬ 
zieller Beziehung, wie man mit relativ geringem Kostenaufwand 
die Milchfürsorge zu einer wahren Säuglingsfürsorge gestalten 
kann. Das sind im grossen und ganzen die Schlüsse, welche der 
Verf. aus den statistischen Erhebungen hat ziehen können. 

5. Hecht, Wien: Eine klinisobe Fettprobe für die Faeees. 

Eine einfache Methode der Fettbestimmnng im Stuhl ist von 

ganz erheblicher klinischer Bedeutung. Verf. verfährt folgender¬ 
maßen: Es werden 10 ccm Stuhl mit einem Holzspatel entnommen 
und in eine Barette gedrückt. Diese Stuhlprobe kommt in einen 
weithalsigen Kolben von 300 ccm Inhalt, man fügt ein linsen- 
grossee Stück Aetzkali hinzu und soviel Wasser, um dieses zum 
^rfliessen zu bringen. Nun erhitzt man auf dem Wasserbad 
zehn Minuten lang, setzt 110 ccm 90% Alkohol hinzu und lässt 
weitere zwanzig Minuten unter RückflusskUhler kochen. Man 
säuert mit konzentrierter Salzsäure an und filtriert in eine Por- 
zellanscbale. Der Alkohol wird auf dem Wasserbad verdampft 
und der Rückstand in möglichst wenig Aether aufgenommen und 
durch ein Filter in einen Erlenmeyerschen Kolben gegossen. Auf 
den Hals des Kolbens kann eine graduierte Röhre aufgesetzt werden 
(eingeschliffen). Durch Nachgiessen von heissem Wasser werden 
die oben schwimmenden Fettsäuren in das Bereich der Graduierung 
getrieben, diese ist so getroffen, dass 25 Teilstriche einem Gramm 
Fett entsprechen. Die Methode ist äiisserst einfach und auch für 
Ungeübte leicht durchführbar. 

6 . Veiel, Cannstatt: üeber die Beaebongen von seelischen 
Empfindungen m Herzstönmgen. 

Verf. hatte Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, in welchem 
jede seelische Erregung unangenehmer Art die heftigen £r- 
scheinuDgen des „Herzdruckes“ hervorriefen. Das Herz war voll¬ 
kommen gesund und es war bemerkenswert, dass energische 
Willensanspannung den Patienten in die Lage setzten, diese lästigen 
und früher bei jeder Gelegenheit auftretenden Beschwerden all¬ 
mählich immer mehr und mehr zurückzudrängen. Verf. steht auf 
dem Standpunkt Müllers, dass es sich um vasoconstrictoriscbe 
Vorgänge an den Coronararterien handelt. 

7. Helbing, Nürnberg: Instrnmententiscb mit elektrisohem 
Anseblnssapparat für Hals-, Hasen- und Ohrenärzte. 

Verf. hat das sonst gewöhnlich an der Wand angebrachte 
Schaltbrett mit den Widerständen in einen Tisch einbauen lassen, 
der ihm zugleich als Instrumententisch dient. Die kompendiöse 
Form dürfte für die spezialistischen Bedürfnisse recht geeignet 
sein. Der Tisch wird von der Firma Reiniger Gebbert v. Schall 
hergestellt. 

8 . Herxheimer, Opificius, Frankfurt a. M,: Weitere 
Mitteilongen über die Spiroobaete pallida (Treponema Schau* 
dinn). 

Verff. haben in jedem Pall von primärer oder sekundärer 
Lues die Spirochaete mit Sicherheit gefunden, dagegen gelang 


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104 


MEDICINISCIIE WOCHE. 


Nr. 9. 


ihnen der Nachweis bei tertiären Fällen niemals. Dieser konstante 
Befund bei primären und sekundären Fällen lässt kaum noch einen 
Zweifel an der ätiologischen Bedeutung der Spirochaete aufkommen, 
und der Nachweis kann durchaus als diagnostisches Hilfsmittel 
zur Sicherstellung der Diagnose verwandt werden. Jedoch die 
Färbemethoden sind bisher immer noch so unsicher und der Nach¬ 
weis so schwer, dass ein negativer Befund keinesfalls als Beweis 
angesehen werden darf. 

9. Daxenberger, Regensburg: Ein Fall von ZwerokfellB* 
hemie mit Kagenrnptnr. 

Verf. hatte Gelegenheit, bei einem 23jähngen Patienten 
folgende Symptome zu beobachten. Plötzlich aufgetretenes Uebel- 
sein, Erbrechen von Mageninhalt und Galle, merkwürdige krampf« 
artige Erscheinungen in den Armen und Händen. Def Erkrankung 
war offenbar ein ziemlich beträchtlicher Diätfehler voraufgegangen. 
Verf. hielt den Zustand zunächst nicht für bedenklich, verordnete 
strenge Diät und zur Hebung des AJlgemeinbefiudens Champagner. 
16 Stunden später trat der Exitus ein. Die Sektion ergab zwei 
etwa fünfmarkstückgrosse Hernien im Diaphragma links, welche 
nur durch einen feinen Gewebsstrang getrennt waren und eine 
kolossale Ruptur des in diese Hernien eingeklemmten Magens in 
der Gegend der Cardia. Dieser Teil der Magenwände war erheb¬ 
lich verdünnt, offenbar wegen der geringen Durchlässigkeit, welche 
der Pylorus infolge narbiger Stenose aufwies. Eine Diagnose 
dieses Falles in vivo erscheint ausgeschlossen, ebenso jede The¬ 
rapie. 

10. Eaupe, Dortmund: Ikterus im Verlauf von Scharlach. 

Bei einem 4jäbrigen Kind trat etwa vier Tage nach der 

Entfieberung unter Schüttelfrost und erhöhter Temperatur eine 
universelle Schwellimg aller Drüsen auf. Darauf stellte sich Ik¬ 
terus ein. Der Urin war spärlich, enthielt Älbumen imd Gallenfarb¬ 
stoff. Allmählich trat Heiluug ein. Verf. nimmt an, dass die 
ebenfalls geschwollenen Drüsen an der porta hepatis den Austritt 
der Galle verhinderten oder aber, dass die Leber als solche an 
der allgemeinen, offenbar toxischen Drüsenschwellung teilnahm. 
Den Ikterus als Folge eines Magendarmkatarrhs anzusehen, lag 
keine Veranlassung vor. 

11. Fischer, Kiel: Die Bek&mpfimg der Diphtherie mit 
fierücksichtignng der bei einer Epidemie in einem Automaten¬ 
restaurant gemachten Erfahrungen. 

Bereits in dem ersten Teil dieser Veröffentlichung hatte Verf. 
die hohe Bedeutung einer gründlichen Untersuchung aller der 
Personen, welche mit Diphtheriekranken in Berührung gekommen 
sind, betont. Eis handelt sich dabei nicht nur um Erkrankte und 
Genesende, sondern auch um Gesunde. Verf. hatte Gelegenheit, 
in Kiel eine ausgedehnte Epidemie zu beobachten, welche von 
einem Automatenrestaurant ihren Ursprung nahm imd auf einen 
zu früh aus dem Krankenhaus entlassenen, offenbar Bazillen 
führenden Kellner zurückverfolgt werden konnte. Gerade bei 
diesem Fall zeigte sich, wie bedeutungsvoll die bakteriologische 
Kontrolle ist und wie schwer die Folgen sein können, wenn ein 
klinisch scheinbar geheilter Patient wieder dem Verkehr über¬ 
lassen wird, bevor alle Bazillen bei ihm verschwunden sind. Die 
recht strengen Forderungen der Prophylaxe, welche Verf. aufstellt, 
dürften sich kaum ohne weiteres durchführen lassen und des 
öfteren bei dem Publikum auf heftigen Widerstand stossen, ob¬ 
wohl nicht geleugnet werden kann, dass ihre strenge Durchführung 
wohl die Entstehung ausgedehnterer Epidemien verhindern würde. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 7. 

1. V. Liebermann, Budapest: Sind die hämolytischen 
Immunkörper oder die Komplemente Katalysatoren, also Per* 
mente t 

Auf Grund experimenteller Untersuchungen kommt Verf. zu 
dem Resultat, dass man bei den hämolytischen Immunkörpern und 
den Komplementen es nicht mit Fermenten zu tun hat. Der Be¬ 
griff Ferment darf nicht übertragend gebraucht werden, man muss 
sich streng an seine Definition halten, welche besagt, dass ein 
solcher Körper Reaktionen zwischen anderen Stoffen bewirkt, ohne, 
wenigstens scheinbar, an ihnen teilzunehmen. Deshalb sind wir 
nicht berechtigt, auf Toxine, Antitoxine, Agglutinine, Hämolysine 
u. a. den Namen Ferment anzuwenden. 


2. Ahlfeld, Marburg: Antefixatlo uteri, üebertragong. 

Verf. hat durch einige selbst beobachtete Fälle veranlasst, 

sich mit der Frage befasst, ob bei antefixatio uteri eine Ver¬ 
längerung der Schwangerschaft beobachtet wird. Die Statistik 
scheint allerdings unzweifelhaft die Tatsache zu ergeben, dass bei 
antefixiertem Uterus die Kinder über die normale Zeit hinaus ge¬ 
tragen werden. Verf. glaubt, dass die durch die Antefixation be¬ 
hinderte frühzeitige Entfaltung des Cervicalkanals daran schuld sei. 

3. GrUubaum, Berlin: Die Prognose bei Operationen des 
Vnlvacaroinoms. 

Die Prognose bei Vulvacarcinom ist bei weitem nicht so in- 
faust wie allgemein angenommen wird. Das Leiden tritt im 
späteren Alter zwischen 60 und 80 Jahren auf. Die Dauererfolge 
nach Operation sind befriedigend. Man operiert, indem man mit 
Scbeere und Messer das Neoplasma auspräpariert und die miter¬ 
krankten Drüsen stumpf auslöst. Ja dauernde Reoidivfreiheit kann 
sogar dann erwartet werden, wenn die Inguinaldrüsen mit ergriffen 
waren. Die Exstirpation der letzteren ist auch dann vorzunehmen, 
wenn ihre Erkrankung in keiner Weise nachgewiesen werden 
kann. 

4. Trautenroth, Bochum: Ein Pall von sohwerer Sto- 
vt^veigiftnng nach Lumbalanästhesie nebst Bemerkungen über 
halbseitige Anästhesien. 

Gelegentlich einer vorzunehmenden Zangenextraktion brachte 
Verf. die Lumbalanästhesie in Anwendung. Ek injizierte in den 
Wirbelkanal zunächst zwei Teilstriche einer 1^1 «o Adrenalinlösung 
und drei Minuten später 0,06 gr StovaTn. Zelm Mimiten später 
trat ein höchst bedenklicher CoÜaps bei der Frau ein. Cyanose, 
kleiner Puls, verlangsamte und oberflächliche Atmung. Auf 
Gampberinjektionen besserte sich der Zustand so weit, dass die 
Operation vorgeuommen werden konnte. Die Anästhesie reichte 
bis zum Halse, auch waren die Augenlider mit gelähmt. Die 
Anästhesie und Lähmung ging langsam zurück. Drei Tage später 
bekam Pat. plötzlich heftige Kopfschmerzen, auch Parästhesien 
und Nackenachmerzen traten auf. Derartige Symptome wieder¬ 
holten sich auch die folgenden Tage und erst nach Monatsfrist 
war Patientin wieder ganz hergestelit. Verf. schiebt alle diese 
toxischen Wirkungen auf das Stoval'n und glaubt, dass er die¬ 
selben bei Anwendung von Tropococain hätte vermeiden können. 
Den Unterschied beider Medikamente hat Verf. besonders deutlich 
bei zwei Fällen von halbseitiger Anästhesie beobachten können. 
Nach der neuen Bier’schen Methode mit zentralem Einstich sind 
halbseitige Anästhesien fraglos zu vermeiden. Verf. glaubt nun, 
dass für gewisse Fälle halbseitige Anästhesien ganz zweckmäßig 
seien. Für die Geburtshilfe glaubt Verf. die Lumbalanästhesie 
mit Tropococain ganz besonders empfehlen zu sollen. 

5. Lissauer, Werden a. Rh.: Dampfdusohe als Ezpeoto- 

rans. 

Verf. hat sehr günstige Erfahrungen mit der Anwendung der 
Dampfdusche bei Katarrhen der oberen Luftwege und bei tuber¬ 
kulösen Prozessen gemacht. Er lässt die Dampfdusche etwa 
15 Sekunden wirken und dieser eine kalte Fächerdusche von 
3—5 Sekunden Dauer folgen. Die Resultate sind erstaunlich, da 
nach kurzer Zeit eine ausgiebige Elxpectoration erfolgt. 

6 . Erlenmeyer, Bendorf a. Rh.: Die Steigenmg des ar¬ 
teriellen Druckes bei der Arteriosklerose und deren Behandlnng. 

Verf. kommt unter Berücksichtigung der von Krehl auf¬ 
gestellten Grundsätze zu folgenden Sätzen: Die Steigerung des 
arteriellen Druckes bei Arteriosklerose kann die Bedeutung einer 
regulatorischen Selbsthilfe des Organismus im Sinne einer Be¬ 
kämpfung der die Krankheit verursachenden Schädlichkeit haben. 
Bei Fällen von Arteriosklerose, bei denen sich eine Zunahme des 
arteriellen Druckes nicht nachweisen lässt, ist therapeutisch seine 
vorsichtige Steigerung anzustreben, wozu sich KoUensäurebäder 
von kühler Temperatur (nicht über 30* C) am meisten empfehlen. 
Bei Fällen mit mittlerer Steigerung des arteriellen Druckes ist 
durch eine „einschleichende“ in der Dosierung progressiv steigende 
Jodsalzkur die Viskosität des Blutes herahzusetzen und über lange 
I Zeiträume herabgesetzt zu halten. Bei Fällen mit starker 
i Steigerung des Druckes ist durch kleine, in geeigneten Zwischen- 


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1906. 


BfEDICINlSCHE WOGHB. 


105 


rüutuea zu wiederholende Aderlässe die Gefahr einer Gefässruptur 
bintanzuhalten, gleichzeitig durch die Jodsalzkur die bessere 
Durchblutung aut' Grund der Viskositätsverminderung anzustreben. 

7. Krpnheimer, Nürnberg: lieber Kieferoyiten. 

Verf. bat Gelegenheit gehabt, zwei Fälle von Kiefercysten 
zu beobachten und knüpft an die Mitteilung dieser Fälle einige 
Bemerkungen. Die Kiefercysten nehmen in den bei weitem 
meisten Fällen ihren Ausgang von kariösen Zahnwurzeln und sind 
das Produkt einer chronischen Entzündung. Die Cysten sind am 
Oberkiefer häufiger wie am Unterkiefer. Die Behandlung besteht 
in Punktion oder Resektion des Kiefers in verzweifelten Fällen, 
Einem Vorschläge Partsch’s folgend, eröffnet man die Cysten¬ 
höhle recht breit und verhindert durch Tamponade das Zusammen¬ 
heilen der Wundränder, dann wuchert das Mundhöhlenepithel und 
vereinigt sich mit dem Epithel der Cystenhöhle und diese schrumpft 
und heilt aus. 

8. Sternberg, Wien: Ueber Klystiere and Irrigationen. 

Der zweite Abschnitt der Veröffentlichung, deren ersten Teil 

wir bereits eingehend besprochen haben. Die vierte Gruppe der 
Klystiere sind die medikamentösen Klysmen. Für diese gilt all¬ 
gemein, dass die Menge sehr gering sein muss und am besten 
60 g beträgt. Die Dosis kann etwas höher sein als die Verab¬ 
reichung per OS. ln Frage kommen Chloralhydrat, Antypirin, 
Natr. salicylicum, Digitalis, Kollargol. Die letzte Gruppe der 
Klystiere sind die Nährklysmen. Hierher gehören auch die Koch- 
salzeingieasungen 0,9% 40" heiss 250—500 g. Ferner kommt in 
Betracht eine Mischung von Milch, ein bis zwei Eidottern und 
ganz wenig Salz unter Zusatz von etwas Opiumtinktur. Verf. 
lobt sehr ein von A. Schmidt angegebenes Nährklystier, welches 
die Firma Heyden gebrauchsfertig in den Handel bringt und 
weiches aus 250 g 0,9% Na CHösung besteht mit 20 g Nähr¬ 
stoff Heyden und 50 g Dextrin. 

Was die Technik des Klystieres anlangt, so ist dieselbe durch¬ 
aus nicht 80 einfach, auch sie erfordert Ueberlegung und Uebung. 
Das Mundstück zum Einfahren soll nicht spitz, sondern stumpf 
und dick sein, desto schmerzloser passiert es den Sphincter. All¬ 
zulange Ansatzrobre sind ganz zwecklos, denn sie pflegen sich 
nur in der Ampnlle aufzurollen und gelangen doch nicht in die : 
Flexur. Mau soll bei jedem Kranken, dem man ein Klystier ver- ' 
ordnet, den Mastdarm untersuchen. Die Lage ist verschieden, 
entweder Seiten- oder Rückenlage, die Knieellenbogenlage ist 
entbehrli<^. Das Ansatzrohr soll in den Anus hineingedreht, 
nicht hineingesteckt werden. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 7. 

1. Kren, Wien: Zar Kenntnis der Aene cachectiooniin 
^ebra). 

Verf. steht auf dem Standpunkt, dass das von Hebra seiner 
Zeit als amie cadiecticornm beschriebene Eirankheitsbild durchaus 
als solches gewahrt werden müsse und keinesfalls mit anderen 
Krankheitabildem in eine Gruppe zusammengeworfen werden dürfe. 
Das charakteristische ist das Auftreten von Acneefflorescenzen am 
ganzen Körper ohne Komedonenbüdung bei Individuen, welche 
skropholös, kachektisch oder überhaupt in ihrer Ernährung herunter 
gekommen sind. Die Krankheit ist durchaus nicht bäuflg. Man 
muss die Affektion auffassen als eine Entzündung des Haartalg- 
drUsenapparates ohne Komedonenbüdung. Eine Berechtigung, 
diese Erkrankung in die Gruppe der Tuberkulide zu recbnen, 
liegt nicht vor. 

,, 2. Sargo, Suess, AUand: Ueber Endooarditis bei Tuber- 
kolose. 

Endocarditische Veränderungen bei Tuberkulose sind nicht 
allzu selten, aber sie bieten meist nur das Bild verrucöser Endo- 
carditis dar, ohne die spezifischen histologischen Merkmale zu zeigen. 
Die Verf. haben nun einen Fall beobachtet, der insofern etwas 
bemerkenswertes darbot, als es gelang, aus den auf der Mitra¬ 
klappe gefundenen Knötchen Tuberkelbazillen kulturell nachzu¬ 
weisen. Es gelang ferner, auch das Vorhandensein einer Misch¬ 
infektion in vivo zu erweisen, welche als wichtige Ursache für 
endocarditische Erscheinungen angesehen werden muss. Dass bei 


Tuberkulose die Enducardicis die charakteristischen histologischen 
Merkmale nicht aufweist, hat wohl seinen Grund darin, dass das 
straffe, nicht sehr gefäasreiche Gewebe nicht recht geeignet ist, 
wirkliche Tuberkeln zu bilden. In den Fällen, in welchen typische 
Tuberkeln beschrieben worden sind, ist vielleicht eine Endocar- 
ditis vorausgegangen, welche eine erhöhte Gefkssbildung in den 
Klappen bewirkte und somit den Boden für typische Tuberkel¬ 
entwicklung darbot. 

3. Herzl, Wien: Ueber daa Halban’sche Sohwangersohafts- 
Symptom (Hypertriohosis graviditatis). 

Halban hat ein Sohwangerschaftssymptom beschrieben, dessen 
Ursachen er in einer Hyperämie der Haut erblickt, die ihrerwits 
durch Placentarsubstanzen veranlasst wird. Wir haben seiner 
Zeit über diese Arbeit Halban’s bereits berichtet. Verf. hatte 
nun Gelegenheit, einige derartige Fälle zu beobachten und fand 
die Angaben Halban’s voll und ganz bestätigt. Besonders be¬ 
merkenswert ist eine Beobachtung von ihm, Er massierte eine 
Dame wegen Atonie und Erschlaffung der Bauchdecken, während 
dieser Behandlung traten zahlreiche Haare und Härchen auf dem 
Bauch zum Vorschein und verschwanden wieder nach Aufhören 
der Massage und erneuter Erschlaffung der Bauchdecken. Offenbar 
hatte die Massage eine für das Wachstum der Haare notwendige 
H 3 T)erämie bewirkt. 

Berliner klinische Wochenschrift. i906. No. 8. 

1. Veit, Halle a. S.: Er&hrangen mit der erweiterten 
Freondsohen Operation. Nach Ansicht des Verfassers sind es 
vor allen Dingen 3 Punkte, welche bei den Frühoperatlonen des 
Garcinoms Gefahren in sich schliessen. Erstens die Infektion 
durch die im Krebs selbst enthaltenen Keime. Zweitens die Ge¬ 
fahr der Narkose und drittens die Gefahr einer Lungenembolie, 
welch letztere ihren Grund in ungenügender Versorgung der Ge- 
fässe hat. Die Aerzte müssen darnach streben, die Frühoperation 
des Garcinoms so zu gestalten, dass ihre Mortalität um ein ganz 
bedeutendes herabsinkt, denn nur dann wird na^ vom Patienten 
den so sehr wünschenswerten Entschluss zu einer Frühoperation 
verlangen können. Um die erwähnten Gefahren zu vermeiden, 
wäre folgendes zu beachten: Zunächst wird man das Carcinom 
äusserlich vor Beginn der Operation gründlichst desinfizieren. Dem 
Verfasser hat sich dazu die von Mackenrodt empfohlene Desin¬ 
fektion mit Formol gut bewährt. Des weiteren wird man den 
Organismus in dem Kampfe mit den sich etwa doch einschleichen- 
den Keimen dadurch unterstützen, dass man ihn mit Serum ver¬ 
sieht. Verfasser hat die besten Erfolge von dem Merck- 
Menzerschen Serum gesehen. Die Verminderung der Gefahr 
der Narkose sieht Verfasser in der Ausübung der Lumbal-Anäs- 
thesie, der sogenannten medularen Narkose. Kr brachte für diese 
immer Stovain und zwar etwa in einer Dosis von 0,08 in Anwen¬ 
dung. Was die Ge&ssversorgung angeht, so steht Verf. auf dem 
Standpunkt, die Venen möglichst wenig zu traktieren, dagegen 
das Hauptaugenmerk auf die Versorguug der Arterien zu legen. 
Die Innehaltung der genannten Vorsichtsmaßregeln haben dem 
Verf. sehr günstige Operationsresiiltate gesichert. 

2. Hoffa, Berlin: Das Antitaberkoloseserom Hamoiek. 

Verf. empfiehlt auf das Dringendste das von ihm in 40 
Fällen bei Knochen- und Gelenktnberkulose angewendete Mamorek- 
sche Antituberkuloseserum. Obwohl ein abschliessendes Urteü noch 
nicht zu fällen ist, scheinen doch diese Resultate durchaus eine 
Weiterprüfung zu rechtfertigen. 

3. Bruhns, Berlin: Ueber Aortenerkrankong bei con¬ 
genitaler Syphilis. 

Pathologisch-anatomische Untersuchungen der Aorta bei syphi¬ 
litisch geborenen Kindern ergaben dem Verf. in 6 unter 9 Fällen 
Abweichungen von der Norm. Verf. hebt hervor, das bisher relativ 
wenig über den Befund der grossen Gefhsse bei angeborener 
Syphilis bekannt geworden ist. Die Arbeit wird in der nächsten 
Nummer der Zeitschrift fortgesetzt. 

4. B lasch ko, Berlin; Erfabrongen mit Badiombehandlnng. 

Die Behwdlung mit Radium gestaltet sich in der Dermo- 
therapie ungemein bequem, sauber und mit wenig Belästigungen 

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106 


MEDICINISCSB WOCHE. 


Nr. 9 . 


für den Patienten verknüpft. Die Erfolge aind teilweise über¬ 
raschend. £a kommen in Frage: Gancroide, Warzen, Naevi, An- 
giome, liupns, Psoriasis, Eczeme, Lichen ruber. Der Gedanke 
mittelst eines radioaktiven Pflasters die Einwirkung noch inten¬ 
siver und dauernder zu gestalten, scheitert vorläufig noch an 
technischen Schwierigkeiten. Verf. kommt zu dem Schluss, dass 
das Radium für die Behandlung der Hautkrankheiten ein vi^fkltig 
verwendbares und bei richtiger Indikationsstellung ausserordent¬ 
lich wirksames Heilmittel ist, welches als eine wesentliche Be¬ 
reicherung des Ärzneischatzes angesehen werden muss. 

5. Falkenstein, Gross-Lichterfeld: Ueber das Verhalten 
der Harnsäure and des Hamstofb bei der Gicht 

Eingehende Studien des Stoffwechsels bei Gichtkranken haben 
den Verf. zu der Ueberzeugung geführt, dass das schädliche 
Agens bei dieser Krankheit das entstehende Natriumurat ist, 
welches im Ham nicht ausgeschieden werden kann. Es ist be¬ 
merkenswert, dass das Tierexperiment erweist, dass dieses Natrium¬ 
urat bei Einverleibung von Harnsäure in das Gewebe von Pflanzen¬ 
fressern sofort entsteht, weil den Pflanzenfressern die Salzsäure 
im Magen fast ganz fehlt, bei Fleischfressern, Hunden z. B., da¬ 
gegen entstehen die Urate nicht, weil dieselben grosse Salzsäuremengen 
produzieren. Als scheint also durchaus zwingend anzunehmen, dass 
die Salzsäureproduktion des Menschen den nötigen Schutz gegen 
die unerwünschte Bildung von Urateu darstellt. Es scheint die 
Wirkung der Salzsäure darin zu bestehen, dass das Lösungsver¬ 
mögen aller Gewebsflüssigkeiten im Körper für die Hamsäure- 
kristalle geändert wird. Um so auffallender müsste es erscheinen, 
dass der Gebrauch von alkalischen Wässern bei Gicht Erfolge 
zeitigt. Dieser Widerspruch ist so zu erklären, dass die bei 
Gichtikera reichlich vorhandenen organischen Säuren, Essig-, Butter-, 
Milch-Säure durch das Alkali neutralisiert werden, zugleich der 
Darm zu energischerer Tätigkeit angeregt wird und so ein besseres, 
aber nur scheinbar gebessertes Allgemeinbefinden resultiert. Es 
wäre nach der Auffassung des Verf. also die Gicht eine Erkran¬ 
kung, deren Ursache in den Salzsäure absondemden Drüsen des 
Magens zu suchen wären. 

6 . Friedmann, Berlin: Die Bekämpfimg des Malariafiebers. 

Die Uebertragung der Malaria geschieht, wie heute einwands¬ 
frei feststeht, durch den Stich bestimmter Moskitoarten, unter 
denen wohl die Anophelesarten die Hauptrolle spielen. Der Vor¬ 
gang der Entwicklung der Malariaparasiten ist folgender: Die¬ 
selben teilen sich ungeschlechtlich im Blut des Menschen in männ¬ 
liche und weibliche Parasiten und diese wieder vermehren sich im 
Darmkanal des Moskitos geschlechtlich, um von da wiedemm 
durch die Lymphgefässe des Insekts beim Blutsaugen in den 
Menschen zurückzugelangen. Es ist bisher niemals nachgewiesen 
worden, dass irgend ein anderes Tier Malariaparasiten beherbergt. 
Was nun die Bekämpfung des Malariafiebers anlangt, so mus» 
man auf die Lebensgewohnheiten der Moskitos besonders achten. 
Dieselben lieben dunkle Ecken und bedürfen zur Ablegung ihrer 
Eier kleiner Wasserpfützen und Tümpel, So hängt es zusammen, 
dass die Malaria am häufigsten in feuchten Gegenden vorkommt 
Der Moskito pflegt zur Nachtzeit den Menschen anfzusuchen, 
weil er dessen Blut braucht, um seine Eier ablegen zu können. 
Man hat nun die prophylaktischen Bestrebungen in zwei Richtungen 
betrieben: erstens, indem man den Menschen vor den Moskitos 
zu schützen sucht und zweitens, indem man die Vermehrung 
dieser Insekten durch geeignete Beseitigung sumpfiger Gegenden 
anstrebte. In den Tropen nun ist das letztere ein ziemlich aus¬ 
sichtsloses Beginnen, während die ersten Vorsichtsmaßnahmen 
durch Anwendung von guten Moskitonetzen und Verschliessen der 
Fen.ster mit Gazegittem durchaus erreicht werden kann. 

Was nun die Tatsache anlangt, dass die Eingeborenen der 
von Malaria heimgesuchten Gegenden fast niemals erkranken, so 
i.st heute nachgewiesen, dass dieses seinen Grund in einer in 
frühester Jugend erworbenen Immunität hat, indem die Kinder in 
den ersten Lebensjahren einer Malaria anheimfallen und dadurch 
immun werden. Die Behandlung der Malaria beschränkt sich, ab¬ 
gesehen von der immerhin erstrebenswerten Entfernung aus der 


Gegend auf die Darreichung von Chinin und zwar jeden 7. bis 
8 . Tag ein Gramm. 

Es darf nicht vergessen werden, dass auch in der anfalls- 
freien Zeit im Blut der Erkrankten Malaria-Parasiten Vorkommen. 
Die prophylaktische Anwendung des Chinins zeitigt ebenfalls gute 
Erfolge, kann aber nur bei längerer gewissenhafter Durchführung 
erfolgreich sein. Man wird auch hier alle zehn Tage ein Gramm 
Chinin verabreichen. Jedoch ist dabei zu bedenken, dass das so 
sehr gefürchtete, in manchen Gegenden vorkommende Schwarz¬ 
wasserfieber höchstwahrscheinlich der Ausdruck einer Chininver¬ 
giftung ist, die unter den lokalen klimatischen Einflüssen sich 
entwickelt und eine bedenkliche Komplikation der prophylaktischen 
Chininbehandlung darstellt. 


Vermischtes. 

Kaiserin Friedrich-Haue. Bei der Eröffnung des Kaiserin 
Friedrich-Hauses für das ärztliche Fortbildungswesen werden 
gleichzeitig drei Ausstellungen beginnen. Die ,Dauer-Ausstellung 
für die ärztlich-technische Industrie*', die Ausstellung ^Geschichte 
der Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ und eine „Sonderaus¬ 
stellung für den Unterricht in der Krankenpflege“. Die „Dauer- 
Ausstellung, an welcher nahezu sämtliche hervorragenden Firmen 
auf dem einschlägigen Gebiete beteiligt sind, wird ein zusammen- 
fassendes Bild von allen denjenigen Gegenständen darbieten, welche 
der praktische Arzt in der Ausübung seines Berufes benötigt; sie 
zerfällt in einzelne Gruppen: Aerztlich-technische Industrie, Elektro- 
Medicin, Medicinische Optik, Medicinische Chemie und einzelne 
Sondergruppen (Bade- und Kurorte, Tropenmedicin, Plastische 
Nachbildungen und Pi-äparate). — Die „Ausstellung für Geschichte 
der Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ wird unter Anderem 
eine grosse Sammlung Inkunabelwerke der Medicin, soweit sie 
künstlerischen Buchschmuck zeigen, enthalten: ferner eine Kollek¬ 
tion von Manuskripten ans dem XIII . Jahrhundert, unter diesen 
interessante Dokumente des scholastischen Zeitalters, welche zom 
Teil noch nicht beschrieben wurden. Die Malerei in der klassischen 
Medicin wird ebenfalls gut vertreten sein, zum grossen Teil 
naturgemäß durch Reproduktionen und Kopien; doch sind auch 
ca. 59 Original-Werke eingetroffen. Hierbei ist Holland, in dem 
der künstlerische Gedanke in Bezug auf die Medicin den höchsten 
Ausdruck fiind, würdig vertreten; so werden neben einer grossen 
Reihe von anderen bildlichen Darstellungen Original-Zeichnungen 
der bedeutenden Anatomen Albinus, Camper usw. ausgestellt 
werden; ferner das erst kürzlich aufgefundene grosse Oelgemälde 
des Andreas Vesalius von van Calcar. — Die „Ausstellung von 
Lehrmitteln in der Krankenpflege“ soll eine Uebersicht verschaffen, 
welche Objekte für den Unterricht in diesem wichtigen Gebiete 
notwendig sind; u. A. wird sie ein komplettes Krankenzimmer 
nach den Änforderungeu der modernen Krankenpflege und einen 
Raum für die Säuglingspflege veranschaulichen. — Der Eintritt in 
die Ausstellungen wird nach der Eröffnung zum Teil auch Nicht- 
Aerzten zugängig gemacht werden. 

Joslonek, Mildenau-Wiesenbad. Das Antlthyreoidin-Mol>tiis 

bei Morbns-Basedowif. (Mod. Woche. 1904, Nr. 37, p. 299.) 

Zwei günstige Erfolge mit dem Möbius’schen Basedow-Serum, weiche 
die prompte Wirkung einerseits und das Fehlen jeglicher Nebenwirkung 
andererseits kund tun! Die Verabreichung ist eine sehr bequeme und zwar 
per OS 1, 2 und 4 gr täglich in Wein oder mit Himbeerlimonade, auch der 
Bezug ist durch die Apotheken sehr bequem: Firma E. Merck-Darmstadt 
stellt das Thjrcoidserum her und gibt dasselbe in Gläsern ä 10 in den 
Handel. Der eine Kranke, ein 54 jähriger Mann, batte seit kurzem erst 
nach seelischen Aufregungen die Erscheinungen des Basedow; er reagirte 
sehr schnell auf das Serum; nach 14 Tagen, nachdem er anfangs 2 Kal 
täglich 1 gr, später 2 Mal täglich 2 gr genommen hatte, d. i. nsich im 
Ganzen 30 gr, konnte er schon körperliche Arbeiten verrichten, und der 
Halsumfang und die Konsistenz der Gchilddrüse batten roorklich abgenonimen. 
Weniger prompt war die Wirkung iin zweiten Falle, der eine 54 jährige 
Frau betraf, die schon länger Basedow batte. Diese musste in der dritten 
Woche täglich sogar 2 Mal 2 gr nehmen und im Ganzen 50 gr; danach 
aber war immerhin eine wesentliche geistige und körperliche Erholung zu be¬ 
merken, und der Halsumfang war von reichlich 35 cm auf 32 zurUck- 
gegangen. Das Thyreoidserum ist wegen der Haltbarkeit mit einem Zusatze 
von 0,57o Carbolsäure versetzt. 


Veraotwortlicher Redakteur : Dr. P. Meitaner, BerlinW. O, KurfQrateni&. 81. — Vertag tob Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck TOn der HeynetnanD'achea Buchdru^erei, Gebr Wciff, Halle a. S 


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Medicinische Woche 

DcfltsebiMiiii» A. Dflhnsen, A. Hoffa, E. Jaeobi, 

Hanburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer. 

Berlin. Glessen. 


Vn. Jahrgang. 5. März 1906. Nr. 10. 


Vertag nnd Expedition 

Citfl Märhold In Halle a« UUandatraaie d. 

Ta.-Adr.: Mailiold Vetlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosio, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Uoveriicht, A. Vosslas, 

Magdeburg. Glessen. 


Redaktion; 

Barlln W« 62» KarfOntenatraaM 81» 

Dr. P. Meißner. 


Die •Medicintecb« Woche* encheint jeden Montag mit der Beilage Bataieologische Ceirtrailzeitiing, Organ des Allgemeinen Deutschen BSderverbandes, des Scbwarzw. M* 
badertages des Vjerfaandee der Dentacben Nordseebider, sowie des Vereins der Badelizte der Ostsee und kostet jihrticta 10 M., Mnselne Nnnuner 25 PL Bestellungen nennen jede Bi cb- 
handliing, die Pqst, sowie iQe Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entg^en. Inserate werden f&r die 4spalt^ Petitzelle oder deren Raiöi mit 80Pt. berecfaneti 

Beilagen nach Udreretnknnft. Reklamezefle IJO Mk Bei Wiederholung tritt Bnnlsiigung ein. 

Nadriwck der Original-AnlsStze ist <dme vorherige Oenebmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschan und der Mitttilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet 


Originalien. 

Die neueren lokalen Anästhetica in der 
,, Augenheilkunde. 

' Von Prof. Dr. F. Best in Giessen. 

Ersatzmittel des Kokains brauchbarer Art stehen uns zur 
Zeit eine ganze Reihe zur Verfügung; die chemische Fabri¬ 
kation drängt uns in den letzten Jahren immer neue Mittel 
auf. Den Wunsch des Chirurgen nach einem ^ nicht in erster 
Linie besser wirksamen, aber weniger giftigen — Präparate 
wird man verständlich finden, und dem verdanken wir wohl 
auch die Fülle der neuen Vorschläge. Weniger ist bei ihrem 
kleinen Operationsgebiet und darum kleineren Giftverbrauch 
die Augenheilkunde interessiert, für die Kokain dem Ideal eines 
örtlichen Betäubungsmittels nahe kommt. Trotzdem — das 
Bessere ist der Femd des Guten — prüfen wir vorurteilsfrei, 
ob irgend ein neueres Ersatzmittel das Kokain und Kokain- 
SuprareTiin übertrifft und worin. Beschränken wir uns, um 
unser Thema nicht zu sehr anschwellen zu lassen, auf die 
' Neuheiten der drei letzten Jahre 1903—1905: Alypin, Novokain, 
Stovain, Subkutin, Yohimbin. 

' ’ Stovain hat sich in der Rückenmarksanästhesie einen 
hervorragenden Platz erworben, dank seiner geringen Giftig¬ 
keit; das ihm nah verwandte Alypin, erst 1905 dargestellt, 
soll dem Stovain in vieler Hinsicht noch überlegen sein. No¬ 
vokain ist Ende 1905 von dem in der lokalen Anästhesie 
besonders erfahrenen Chirurgen Braun warm empfohlen worden. 
Subkutin ist nur der Vollständigkeit halber erwähnt; seine 
anästhesierende Kraft ist den andern Mitteln zu erheblich unter- 
- legen, als dass es eine Bedeutung gewinnen könnte. Yohim¬ 
bin dient ja eigentlich anderen Zwecken; aber Anästheticum 
ist es nebenbei und als solches, nur in der Augenheilkunde, 
verwandt worden. 

Welche Forderungen über den Wert eines örtlichen Anästhe- 
ticnms entscheiden, hat Braun*) vom Standpunkte der Chi¬ 
rurgen in mustergiltiger Weise entwickelt. Diesen Forderungen 
wira sich im allgemeinen auch die Augenheilkunde anschliessen; 
in einigen Punkten können wir sie für die Zwecke des Augen¬ 
arztes abändern, wie ich in einer Abhandlung über „die lokale 
Anästhesie in der Augenheilkunde“ **) gezeigt habe. 

Verstärkt betonen müssen wir zunächst eines: Die Sub¬ 
stanz darf bei Einträuflung ins Auge keinen Schmerz, über¬ 
haupt keinerlei Reiz nervomiien. Zahlreiche Beobach¬ 
tungen an Patienten zeigen, dass ein entzündetes Auge ganz 

*) Die Lokalanästhesie, ihre wissenschaftliche Grundlage und prak¬ 
tische Anwendung. Leipzig 1905. 

**) Sammlung zwangloser Äbh. a. d. Geb, d. Augenheilkunde, heraus- 
^[eben von A. Voss ins. Bd. VT. Heft B. Halle a. S. 1905. 


besonders gegen eine normalerweise nur leichte Reizung em¬ 
pfindlich ist. Daran ist seiner Zeit die Verdrängung des Ko¬ 
kains durch Eukain gescheitert, dass letzteres bei Einträuflung 
Brennen verursacht. Alj'piu und Stovain sind subjektiv ent¬ 
schieden nicht so angenehm wie Kokain und man kann beiden 
Mitteln darum keine gute Prognose stellen. Braun lehnt sie 
aus dem gleichen Grunde für me Chirurgie ab. D^egen wäre 
vom Standpunkte der Reizwirkung gegen Yohimbin nichts zu 
sagen und Einträuflung von Novokain in 4, 5 und 10% Lösung 
ins Auge ist ebenso angenehm wie die von Kokain. 

prZwar die Tiefe der Anästhesie ist bei Alypin wie 
beim Stovain eine gute. Wir haben in der Augenheilkunde 
an den so häufigen kleinen Fremdköroem auf der Kornea 
einen guten Gradmesser, den neben der Kontrolle am normalen 
Auge heranzuziehen deshalb ratsam ist, weil entzündete Ge¬ 
webe viel schwerer unempfindlich zu machen sind. Auch hier¬ 
bei ergibt sich, dass Alypin und Stovain in 4% Lösung dem 
Kokain nur wenig nachstehen; die Anästhesie beginnt etwas 
früher, ihre Dauer ist aber eine beschi'änktere. Leider ist da¬ 
gegen Novokain, selbst in 5—10% Lösung, dem 2—4% Kokain 
erheblich unterlegen, wie schon Braun*) auf Grund von 
Quaddelversuchen festgestellt hat. 5% Novokain ins Auge 
eingeträufelt, macht nach 2—4 Minuten eine Anästhesie mäßigen 
Grades von ca. 10 Minuten Dauer. Braun hat nun aber 
weiter die Beobachtung gemacht, dass die Wirkung des Novo¬ 
kains durch Nebennierenextrakt in noch erheblicherem Maße 
verstärkt wird, als dies schon für Kokain gilt. Nachdem eine 
rössere Zahl von Fremdkörpern der Hornhaut mit Novokain- 
uprarenin entfernt wurden, bin ich doch wieder zum Kokain- 
Suprarenin zurückgekehrt, dessen anästhesierende Kraft eine 
bessere ist. Gleichwohl stehe ich nicht an Novokain-Supra- 
renin zu empfehlen, und zwar besonders bei Operationen, die 
zu hohe Dosen Kokain erfordern würden, also grösseren Ope¬ 
rationen, die mehr ins Gebiet der Chirurgie fallen. Die etwas 
geringere Intensität und kürzere Dauer der Anästhesie, die 
sich bei der sehr empfindlichen und gut ernährten Lidhaut 
und am Auge wohl mehr geltend macht als sonst, muss man 
dann eben dem Vorteil der geringeren Giftigkeit des Novokain 
zn liebe in Kauf nehmen. 

Im übrigen gerade die Giftwirkung des Kokains brauchen 
wir in der Augenheilkunde kaum za fürchten; es ist empfehlens¬ 
wert und durchführbar, bei unsorm kleinen Operationsgebiet 

nie mehr als die Hälfte der Maximaldose 2 

injizieren. Auch können wir aus diesem Grunde in der Augen¬ 
heilkunde mit gutem Gewissen stärkere Konzentration des Ko¬ 
kains oder Novokains verwenden, als in der Allgemeinchirurgie. 
Mit 1—2 Tropfen, höchstens 1 g Lösung kommen wir aus. 
Und was eine Vergiftung durch blosse Einträuflung ins Auge 

*) Braun, lieber eiaige neue Örtliche Anästhetica. Deutsche med. 
Woch. 1905, S. 16Ö7. 


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108 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 10. 


angeht, so muss ich die nach Experimenten an Tieren für un- 
möglicü halten, selbst unter Berücksichtigi;ng von Idiosyn¬ 
krasien. Man kann über eine Stunde lang fortgesetzt 10 bis 
20% Kokainlösung, im ganzen das Vielfache der subkutan 
letalen Dosis ins Auge eines Kaninchens einträufeln, ohne über¬ 
haupt erhebliche Intoxikation zu erreichen. Die bekannten 
Schreck- und Angstohnmachtsanfälle bei labiler psychischer 
Konstitution in Gegenwart des Arztes darf man nicht mit V er- 
giftur^symptomen verwechseln. 

!^kain hat gewisse Nachteile, die seine Ersatzmittel zum 
Teil nicht haben, Zersetzbarkeit beim Kochen, Pupillen- 
erweiterung und leichte Akkommodationsparese,Homhauttrtibung 
bei zu häufiger Einträuflung konzentrierter Mengen. Was den 
ersten Punkt betrifft, so ist Kokain sterilisierbar durch Zusatz 
von Sublimat 1:10000 oder Hydrargyrum oxycyanatum 1:5000 
und einmaliges Aufkochen Übrigens wird Kokain-Suprarenin 
unter dem Namen Eusemin steril in deu Handel gebracht 
Alypin]^und Stovain vertragen d^egen längeres Kochen, auch 
Novok^ ist durch Kochen sterihsierbar. 

Die Pupille und Akkommodation wird von Novokain 
gar nicht beeinflusst, Alypin macht erst in stärkeren Dosen 
eine unerhebliche Pupillenerweiterung, ist praktisch also auch 
ohne Einfluss auf die innere Augenmuskulatur. Stovain be¬ 
wirkt leichte Pupillenerweiterung und Akkomodationsparese. 

Eine Trübung der Hornhaut verursachen bei zu starker 
Anwendung sämtlicne bisher bekannten Anästhetica, auch Novo¬ 
kain; sie geht zurück, wenn man nicht gar zu viel eingeträufelt 
hat, und dies „gar zu viel“ liegt jenseits der therapeutisch in 
Betracht kommenden Grenze. 

Das Yohimbin verdient ein paar Worte für sich. Dass 
seine Einträuflung ins Auge nicht unangenehm ist, wurde er¬ 
wähnt Leider ist es aber als Anästheticum nicht so sehr viel 
wert, erweitert dazu auch etwas die Pupille, und ist sehr teuer. 
Es hat aber eine Eigenschaft, die gelegentlich seine Anwen¬ 
dung veranlassen könnte, und die jedenfalls bemerkenswert ist 
In 1—2% Lösung verursacht es eine starke Hyperämie der 
Bindehaut, die so erheblich ist, dass sie durch mehrere Tropfen 
Suprarenin 1:1000 nicht beseitigt wird. Ein durch Neben¬ 
nierenextrakt anämisches Auge wird durch Yohimbin stark 
hyperämisch. Die gefässerweitemde Wirkung des Yohimbin 
tritt nach etwa 5 —10 Minuten ein und hält stundenlang an. 

Wenn ich zum Schluss nochmals einige Punkte zusammen¬ 
fassen darf, so sind Alypin’ und Stovain insofern dem Kokain 
unterlegen, als sie Einträuflungsreiz verursachen. Novokain 


Feuilleton. 

Über Verhütung der Tuberkulose 
(Schwindsucht). 

Von Prof. Dr. F. Kraus-Berlin. 

(Fortsetzang.) 

Ob das Heilstättenwesen die auf dasselbe berechtigter- 
m^en gesetzten Envartungen in vollem Mafle zu erfüllen vermag, 
wird hoffentlich die nächste Zukunft im bejahenden Sinne ent¬ 
scheiden. Ich habe nach den bereits vorliegenden Erfahrungen je¬ 
doch die Empfindung, dass die Anstaltsbehaodlung allein, selbst 
wenn sie überall und für alle Bevölkerungsklassen durchge- 
führt sein wird, direkt eigentlich doch nur eine beschränkte 
Zahl von Phthisikern auch bloss in wirtschaftlichem Sinne 
dauernd heilen und nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teil 
die Seuche selbst vermindern kann. Wenn der an Lungen¬ 
tuberkulose erkrankte Arbeiter, „geheilt“ oder zur Erwerbs¬ 
fähigkeit gebessert aus der Kur entlassen, wieder in die alten 
schädlichen Lebensverhältnisse, in den früheren Beruf und die 
zu enge Wohnung, in welcher er sehr häufig den Arbeits- und 
Schlafraum mit kranken, Bazillen hustenden Familienmitgliedern 
teilen muss, zurückkehrt, kann eine Verschlimmerung kaum 
ausbleiben, und die io der Heilstätte gewonnenen Vorteile gehen 
dann bald wieder verloren. Und bedenken Sie vor allem das 


ist dasjenige von den neueren Anästheticis, das am meisten 
Beachtung verdient; es wird submktiv angenehm empfanden, 
hat keinerlei Nebenwirkungen auf Pupille, Akkommodation und 
Blutgefässe des Auges, erreicht aber leider auch in Kombination 
mit Suprarenin nicht die Stärke der Kokainanästhesie. Novo- 
kain-Suprarenin wird also gelegentlich das Kokain mit Vorteil 
ersetzen können; so, wenn Pupillenerweiterung vermieden 
werden soll und die Anästhesie nicht sehr intensiv zu sein 
braucht (z. B. vor und nach Aetzungen der Bindehaut mit 
Argentum nitricum oder Zink oder Kupferstift); bei entzünd¬ 
lichem Glaukom dagegen würde Kokain wegen der grösseren 
Empfindlichkeit des Gewebes vorzuziehen sem (zusammen mit 
Eserin); ferner würde Novokain zu verwendeu sein bei'Injek- 
tionen, wenn grössere Mengen Injektionsflüssigkeit Vergiftungs¬ 
erscheinungen befürchten lassen, also im wesentlichen auf 
chirurgischem Gebiete, eventuell auch bei Enucleation des Auges. 

Im grossen und ganzen ist Kokain doch in der Augen¬ 
heilkunde auch durch die neueren Mittel nicht verdrängt In 
richtiger Weise angewendet, ermöglicht es uns, besonders seit 
wir gelernt haben seine Wirkung durch Suprarenin der Zeit und 
Intensität nach zu verstärken, fast alle Operationen in unserm 
Spezialgebiet unter Lokalanästhesie auszumhren. 


Max Nitze f. 

Ganz plötzlich und unerwartet verstarb am 23. Februar 
zu Berlin Max Nitze, der Begründer der Gystoskopio. Am 
18. September 1848 geboren, studierte Nitze in Heidelberg, 
Würzburg, Leipzig und wurde 1874 zum Doktor promoviert. 

vatdozent für 
Ham- und Bla- 
senkrankheiten. 
Es war dies der 
erste derartige 
Lehrauftrag,der 
erteilt wurde. 
Am9.Märzl879 
hatNitzedamals 
in Wien das 
erste Modell des 
Apparates den 
Fach > Kollegen 
demonstriert, 

der heute als Cystoskop allgemein bekannt ist. Den Kollegen 


Schicksal der Kinder in solchen unter schlechten Lebensbe- 
dingungen schmachtenden tuberkulösen Familien. Solche un¬ 
glückliche Familien stellen richtige Tuberkuloseneater darl Da 
muss sich uns die Überzeugung aufdrängen, dass das Schwer¬ 
gewicht der Tuberkulosebestrebungen überhaupt nicht so sehr 
auf dem Gebiete der speziellen ärztlichen Behandlung einzelner 
Erkrankter, als vielmehr auf nationalökonomischen und hygie¬ 
nischen Maßnahmen beruht und dass die Verhütung die 
Hauptsache bleibt. Wir müssen nach Möglichkeit alle tuber¬ 
kulösen Familien ausfindig machen, dieselben in ihren Wohnungen 
aufsuchen, gewissermaßen die Tuberkulosenester ausheben, und 
für die sämtlichen Familien eine hygienische Fürsorge, dabei 
für die Erkrankten natürlich auch ärztliche Behandlung her¬ 
beiführen. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich bereits 
entwickelt und soll sich noch mehr in der Zukunft ausgestalten 
eine wohlorganisierte, praktische Familien-Ftirsorgetätigkeit, 
allerdings eine Riesenaufgabe, welche ungeheure geistige und 
physische Arbeit, vor allem aber enorme Geldopfer, die wir 
aber im Sinne der dargelegten Wohifahrtsmoral gern bringen, 
fordern wird. Nicht nur die durch die Versicherungsgesetz- 
ebung pekuniär gestützten tuberkulösen und tuberkulosever- 
ächtigen Arbeiter, sondern auch die Kranken unter 16 Jahren, 
sowie die übrigen Nichtversicherten , endlich noch die an vor- 

f eschrittener Tuberkulose Erkrankten, sie alle müssen in diese 
ürsorge einbegriffen werden! 

Man hat den Versuch einer Verwirklichung im Kleinen 
begonnen, das Interesse für die Sache ist aber sehr rasch ge- 


Nach Absolvier¬ 
ung seiner Mili¬ 
tärpflichtwurde 
er Assistent am 
städt. Kranken¬ 
haus in Dres¬ 
den, im Jahre 
1878 ring er 
nach Wien. Im 
Jahre 1890 ha¬ 
bilitierte sich 
Nitze an der 
Berliner Uni¬ 
versität als Pri- 



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1906. 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


1:09 


braacht nicht auseinander gesetzt zu werden, was die geniale Er¬ 
findung des Cystoskops bedeutet, wenn wir nur an die enormen 
Fortscnriite der Blasen- und Nierenchirurgie denken, können 
wir ermessen, welch Denkmal sich der Verstorbene mit dieser 
seiner Erfindung gesetzt hat Die Deutsche Medicin verdankt 
es Nitze, dass Frankreich die Führerschaft auf dem Gebiete 
der Uroglogie verloren hat, und dass auch in diesem Spezial¬ 
fach Deutschland an erster Stelle genannt werden muss. Mit 
dem bedeutenden Forscher und Erfinder ist auch ein hervor¬ 
ragender Mensch dahingegangen. Leicht sei ihm die Erde. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner mediei/nAsehe Gesdlschaft, 

Sitzung vom 21. Februar 1906. 

Tagesordnung: 

Kirchner: „Ueber das Klima und die hygienischen 
Einrichtungen Aegyptens“. 

Aegypten ist der Nil mit seinem Delta. Die klimatischen 
Verhältnisse des Nordrandes des Deltas sind nicht besonders 
günstig; bis Catro herunter sind die Wintermonate noch zu kühl 
und feucht. Südlich von Cairo beginnt Jas Niltal, das anf beiden 
Seiten von Wüstenstreifen begrenzt wird und dank diesen ein 
gleichmäßig warmes und immer trockenes Klima aufweist. Für 
die Monate Oktober, November, März, April bietet Heluan ein 
ideales Klima, für Dezember bis Februar die noch weiter südlich 
gelegenen Azzuan, Lnzor. Hier ist das Winterklima wie bei uns 
das im Juni-Juli, nur gleichmäßiger warm und trocken und fast 
stets heiterer EQmmel. Diese klimatischen Verhältnisse ermög¬ 
lichen gesteigerte Perspiration und Transpiration, entlasten die 
'Diurese. Deshalb ist das Klima in erster Linie gemgnet 
für Krankheiten der Harnorgane; weiter für Patienten mit 
Herzaäektionen, dann Rheumatiker. Was die Lungenkrank- 
beitra betrifft, so ist der erhöhte Staubgehalt der Luft eher 
8 chädli<di. Patienten mit offener Lungen- oder Kehlkopftuber¬ 
kulose sollte man nicht nach Aegypten schicken; sterben doch auch 
eine nicht geringe Zahl von im Lande wohnenden Europäern an 
Tuberkulose. Auf Asthmatiker . dagegen, Rekonvaleszenten nach 
Pleuritiden und sonst Erholungsbedürftige übt das Klima den 
günstigsten Einfluss aus. Bei Auswahl der Patienten sind die 
Anstrengungen der Reise zu berücksichtigen. Der Aufenthalt in 


wachsen nnd es steht bestimmt zu erwarten, dass auch in 
Deatschland die Familienfürsorgebestrebungen in Bälde den 
ihnen gebührenden wichtigsten Platz im Kampf wider die 
Tuberkulose mnnehmen. vorgeschrittene derartige Einrich¬ 
tungen in Frankreich und Belgien haben uns hierbei vielfach 
als Muster gedient. Aber auch in Deutschland selbst ist schon 
von früher her die Familienfürsorge nichts ganz Unbekanntes 
gewesen. Jahrelang, ehe in Frankreich die Dispensaires ein¬ 
gerichtet waren, hatte z. B. der Volksheilstättenverein vom 
roten Kreuz den Familien seiner Lungenheilstättenpfleglinge 
aus Grabowsee eine ähnliche Fürsorge zugewendet, welche von 
Anfang an etwa 250 Familien umfasste. Jedenfalls kann aber 
den Franzosen das grosse Verdienst nicht abgesprochen werden, 
dass sie die Vorbeugung oder, wie man sagt, die Prophylaxe 
bei der Tuberkulosebekämpfung mit ihrer Familienfürsorge¬ 
tätigkeit im grossen Stil mustergiltig aufgenommeu und uns 
damit die Anregung gegeben haben zur Ausgestaltung dieser 
Einrichtungen, angepasst natürlich unseren vaterländischen 
Verhältnissen. 

Ich gehe nunmehr über zu einer Darlegung der einzelnen 
Gesichtspunkte für diese prophylaktische Tätigkeit der Familien¬ 
fürsorge. 

Die Bevölkerung muss nicht bloss immer mehr zu der 
Auffassung erzogen werden,*dass die Tuberkulose eine an¬ 
steckende Krankheit ist, sie muss auch wissen, dass bei der 
Erkrankung gewisse körperliche Eigenschaften, welche wir 
Disposition nennen, eine grosse Rolle spielen, dass die unge- 


Aegypten ist kostspielig; man sollte nicht unter vier Monaten 
bleiben; dazu sind bei bescheidenen AnsprUrfien 4000 Mark er¬ 
forderlich. Man tritt die Reise am besten im Oktober an; No¬ 
vember bis Mäi-z sind die heilsamsten Monate. Azzuan, Luxor 
muss man rechtzeitig im Frühjahr verlassen. In Helnau kann 
man bis Anfang Mai bleiben; für die Rückreise empfiehlt sich ein 
kürzerer Aufenthalt in Corfu, Abbazia. Die hygienischen Ver¬ 
hältnisse in Aegypten lassen zum Teil zu wünschen übrig. Die 
Wasserversorgung erfolgt ausschliesslich vom Nil, dessen Wasser 
mit Erdbestandteilen und tierischen wie menschlichen Exkreten 
verunreinigt ist. In den grösseren Städten gibt es. vollkommene 
Filter- und Kläranlagen. Für den Reisenden empfiehlt sich 
grösste Vorsicht beim Wassergennss. Die Beseitigung der Ab¬ 
wässer ist nicht einwandsfrei. Gut eingerichtete und geleitete 
Krankenhäuser gibt es hinreichend zahlreich in den grösseren 
Städten. Die sanitären Vorkehrungen gegen Einschleppung und 
Verbreitung von Seuchen sind gute. 

ÄnälUiher VereVn zu Sdmburg, 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzimg vom 13. Februar 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne.. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Fränkel: „Ueber Corpora lutea“. Eine Frau 
erkrankte vollkommen unter den Erscheinungen einer Appendix¬ 
erkrankung; als 14 Tage nach Beginn die Laparotomie gemacht 
wurde, fand man in der freien Bauchhöhle o. 0,5 1 Blut. Die so¬ 
fortige Inspektion eigab das Fehlen einer geplatzten Extrauterin¬ 
gravidität, wohl aber das Vorhandensein eines geplatzten Hämotoms 
eines Corpns luteum. Diese Erkran’iung ist nicht so selten, wie 
man annebmen sollte, doch da sie meist unter den klinischen Er- 
scheinongen einer Appendixerkrankung verläuft, wird sie oft ver¬ 
kannt. An der Hand verschiedener Spirituspräparate demonstriert 
der Vortragende die oft beträchtliche, (ülrösse dieser Hämatome, 
sodass das Ovarialgewebe fast völlig verdrängt wii'd, während 
meist die Ovarien dabei normal klein bleiben und nur selten 
cystisch entarten. Herr Reuter hat mehrfach solche Hämatome 
bei Sektionen von ertrunkenen Frauen gesehen,,und zwar war das 
Blut teils geronnen, teils flüssig. Er glaubt, dass es durch den 
Sprung ins Wasser zum Platzen des Hämatoms kommen kann. 
Herr Lochte fragt, ob man direkt schon die Ursache soloher 
Blutungen nachgewiesen habe, worauf Herr Reiche über einen 
von ihm beobachteten Fall berichtet: die Frau war von einer 
Leiter herabgesprungen und kam völlig collabiert unt^r den E)r- 


heure Verbreitung ein erhöhtes Bedürfnis für. die Behandlung 
der Erkrankten auch in prophylaktischer Beziehung schafft, 
und dass die Tuberkulose gewöhnlich eine sehr chronisch ver¬ 
laufende , langwierige, durchschnittlich 6—8 Jahre dauernde 
Krankheit ist. Die Verbreitung der Tuberkulose erfolgt haupt¬ 
sächlich dadurch, dass der Kranke insbesondere durch den 
Husten die Bazillen abscheidet und mit Gesunden, besonders auch 
mit den Kindern, in geschlossenen Räumen eng zusammenlebt. 

Der erste prophylaktische Gesichtspunkt ist eine frühzeitige 
Ermittelung der Kranken. Hier ist man zunächst zur Forde¬ 
rung einer gesetzlichen Anzeigepflicht gelangt: Es sei Aufgabe 
der Behörden, dieselbe durchzuführen, unter gleichzeitiger Be¬ 
reitstellung hinreichender Anstalten und Einrichtungen, welche 
zu ihrer Aufrechterhaltung nötig erscheinen. Einer allgemeinen 
Einführung derselben haben sich jedoch fast überall sehr be¬ 
greifliche Schwierigkeiten in den Weg gestellt. In einzelnen 
Bundesstaaten iSachsen, Baden, Hessen) sind einschlägige Ver¬ 
ordnungen bereits erlassen, in Preussen ist zu einem gewissen 
Grade die Anzeigepflicht im Wege der Polizei eingef^rt, der 
Landtag aber hat sich bekanntlitm bisher nicht zur Zustimmung 
entschlossen. Die allgemeine Anzeigepflicht würde in der^Tat 
bei der ungeheuren Verbreitung und oft überaus langsamen 
Entwicklung der Krankheit eine gewaltige Beeinträchtigung der 
persönlichen Freiheit des Individuums bedeuten. Vom Stand¬ 
punkt der Wohlfahrtsmoral, der Moral des grösstmöglicheii 
Wohls der grösstmöglichen Zahl, Hesse sich die Auferlegung 
eines solchen Opfers auch nur dann rechtfertigen, wenn gleioh- 


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110 


MKUlCTNITSCi H K ^^OCMÜj. 


Nr. 10. 


scheinimgen extremen Blutverlustes zur Operation, doch zeigte 
sich, dass die Blutung nur ganz gering, die Hauptsache der peri¬ 
toneale Shock gewesen war. Herr Fränkel teilt mit, dass Mar¬ 
tin in ca. 120 Fällen 27 mal ein Trauma nachweisen konnte. 
Der Vortragende hält die Ruptur als Folge einer bimanuellen 
‘Untersuchung sehr wohl für möglich; in einem der demonstrierten 
Fälle glaubt er als Ursache die Einklemmung beider Ovarien im 
hinteren Douglas bei retroflectiertem Uterus annehmen zu dürfen. 

2. Herr Reiche berichtet über multiple primäre Carci- 
nome und zeigt das frische Präparat eines Magens, an dem im 
Fundus und am Pylorus makro- und miskroskopisch verschiedene 
Garcinome sitzen. Der Fall war insofern noch interessant, als 
der Exitus infolge einer Himembolie bei dem sehr anämischen 
Manne auftrat, bei dem schon vor drei Jahren der Verdacht der 
perniciösen Anämie bestand, Herr Nonne hat Carcinom im 
Rückenmark gesehen mit Metastasen in der Leber. Da dies Vor¬ 
kommnis äusserst selten ist, suchte man noch ein Carcinom und 
fand dies, sehr klein, im Rectum. Histologisch gehörte chmn auch 
die Lebermetastase zu dem Rectumcarcinom. 

3. Herr Simmonds demonstriert einen Hoden mit iso¬ 
liertem käsigen Tumor bei bestehender Tuberkulose, ferner 
einen Eall von Qeuitaltuberkulose mit Verkäsung des Neben¬ 
hodens ohne Veränderung seiner Form. Vas deferens und Samen¬ 
blase waren inhziert. Häufig beobachte man Tuberkulose des 
Genitaltracts kombiniert mit Meningentuberkulose, ohne dass bis¬ 
her der Zusammenhang aufgeklärt sei. Endlich zeigt er noch 
das Präparat einer phlegmonösen Periorchitis ohne Beteiligung 
des Hodens bei einem 60jährigen Manne mit Myelitis. 

4. Herr Scharff: Ein Ööjähriger Arbeiter erkrankte mit 
allen Anzeichen einer lobären Pneumonie, bei der der Stimm- 
fremitus auffallend abgeschwächt war. Am zehnten Tag kam es 
zum Exitus, und die Sektion zeigte eine Pneumonie im rechten 
Unterlappen, während in einem Bronchus eine halbe Getreide¬ 
ähre mit Grannen steckte. Herr Engelmann weist darauf hin, 
dass häufig Aspiration vorkomme, ohne dass die Leute stärkere Be¬ 
schwerden dabei hätten; das läge an der oft geringeren Empfind¬ 
lichkeit der Bronchialschleimhant. Herr Fränkel hält das für 
Ausnahmen; jedenfalls sei der Larynx doch äusserst empSndlich. 
Dieser oben erwähnte Fall sei ein gutes Beispiel für die Entste¬ 
hung einer echten croupösen Pneumonie durch Trauma. Ferner 
beteiligen sich noch die Herren Lochte, Engelm ann und Scharff. 

5. Herr Nonne: „Ueber Stauungspapille bei Hämor- 
rhagia oerebri und bei Encephalomalacie“. Eine 33jährige 
Frau hatte mit 21 Jahren Lues acquiriert, erhielt häufig Schläge 


zeitig die Mittel, den gemeldeten Kranken hygienisch und ärzt¬ 
lich vollkommen zu versorgen, bereitgestellt wären. Diese 
Mittel würden eine durchgeführte unabhängige Wohnungs¬ 
inspektion, die gelungene Lösung des Problems des Kleinwoh¬ 
nungswesens und der Wohnun^pflege, insbesondere der Isolie¬ 
rung der Patienten in der Familie, die Desinfektion der Woh¬ 
nungen und der bazillenhaltigen Ausscheidungen mit Übernahme 
der entsprechenden Kosten, die vollendete Einrichtung von Iso¬ 
lierstationen in den Krankenhäusern, die Einrichtung der vollen 
Zahl von Heilstätten für heilbare, von Pflegeheimen für vor¬ 
geschrittene Fälle umfassen. Auch muss man bedenken, dass eine 
Beteiligung der Medizinalbeamten, speziell der Kreisärzte auf 
Schwierigkeiten stösst, weil die Gelder für so hohe Kostenent¬ 
schädigung usw. nicht zur Verfügung stehen. Leichter werden 
die Schul- und Militärärzte für unsere Sache herangezogen 
werden können. Man hat sich infolgedessen darüber geeinigt, 
dass bei der Tuberkulose nur eine beschränkte Anzeigepflicht 
anzustreben ist. 

Gefordert werden muss dieselbe bei jedem Todesfall. Im 
übrigen kann sie auf die Fälle beschränkt werden, wenn der 
an Lungen- und Kehlkopfschwindsucht leidende, Bazillen 
.‘Spuckende Tuberkulöse die Wohnung oder seine vorüber¬ 
gehende Herberge wechselt, wenn ein derartiger Patient einen 
Beruf übt, welcher ihn mit vielen für die Ansteckung empfäng¬ 
lichen Menschen notwendig in enge Berührung bringt (z. B. 
Lehrer), wenn Wohnungsverhältnisse und Arbeitsräume die 
Übertragungsmögllchkelt sehr nahe legen. (ForUotzuug folgt.) 


auf den Kopf von ihrem Manne, so dass sie seit ca. drei Jahren 
fast ständig an Kopfschmerzen litt. Einen Tag vor der Kranken- 
hausaufnahme erlitt sie einen apoplectischen Insult. Es bestand 
eine linksseitige Hemiplegie, leichte meningitische Erscheinungen 
mit kahnförmig eingezogenem Leib und Hypei^thesie, keine Puls¬ 
verlangsamung, kein Albumen, keine Zylinder, aber starke Ar- 
teriosclerose und eine mittelgradige Stauungspapille mit Hämor- 
rhagien, die bis zum am 5. Tage erfolgten Tode ständig Zunahmen. 
Bei der Sektion fand sich eine grosse Himhämorrhagie und ausser¬ 
ordentlich starke, nicht spezifische Arteriosklerose, besonders an 
der Hirnbasis. Der Opticus war auch mikroskopisch völlig normal. 
Es komme nicht so selten bei Blutungen in die Hirnsubstanz zur 
Stauungspapille; die Ursache sei entweder ein Scheidenhämatom 
des Opticus oder die Steigerung des intracraniellen Druckes. Herr 
Sänger hält diese Art von Stauungspapille mehr für ein Oedem 
der Papille als für eine Papillenneuritia. In diesem Fall komme 
auch, da der Spinaldruck erhöht war, als Ursache ein akuter Hy- 
drocephalus internus in Betracht.. Auf Vorschlag wird die fernere 
Diskussion kombiniert mit dem 

II. Vortrag des Herrn Liebrecht: „Die Blutungen im 
Bereiche der Sehnerven beim Schädelbruob“. Er be¬ 
spricht an der Hand einer Reihe von Photographien miskrosko- 
pischer Präparate die Ergebnisse seiner Untersuchungen an den 
Sehnerven von 16 durch Schädelbruch Gestorbenen. Von 100 
FäUen von Schädelbruch waren 26 gestorben, davon hatten 16 
schon makroskopisch Blutungen in den Zwischenscheidenrämnen. 
Er berichtet nun eingehender über die Entstehung der Blutungen 
in den Scheidenrämnen, über die Blutungen in der Duralscheide, 
die Durchlässigkeit der einzelnen Scheiden, das Verhältnis der 
Blutungen zum Vorkommen von Stauungspapille beim Schädel- 
brucb, die Blutungen in die Papille und Net^aut, ferner in den 
Sehnerven und in die Orbita. Er weist schliesslich auf die klini¬ 
schen Gesichtspunkte hin, die er in einer demnächst im Archiv 
für Augenheilkunde erscheinenden Arbeit ausführlicher behandelt. 

m. Diskussion: 

Herr Trömner nahm bei einem Manne intra vitam eine 
Fissura baseos cranii an; er war vom Wagen gefallen und stellte 
Ansprüche an die Berufsgenossenschaft. Die Autopsie später ergab 
das Vorhandensein von drei Erweichungsherden. Rente wurde 
abgelebnt, da der Sturz vom Wagen infolge Scbwindelgefühls, 
das durdi die Erweichxmgen hervorgerufen sei, erfolgt war. Herr 
Sänger-Wernicke hat zuerst Stauungspapille bei Erweichungen 
nacbgewlesen. Er bespricht ausführlich die Hypothesen der Ent¬ 
stehung der Stauungspapille und weist auf die Seltenheit der 
Blutung in der Dora selbst hin. Die Sebstörungen bei Schädel¬ 
brüchen könnten auch cerebraler resp. corticaler Natur sein. 
Nachdem noch Herr Luce einige Bemerkungen gemacht hat, wird 
die weitere Diskussion der vorgeschrittenen Zeit wegen vertagt. 

Schönewald. 


Standesfragen. 

Der preuselsche Ehrengerichtshof. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

(SchlnBS.) 

2. Beschluss vom 9. Januar 1905. 

Der Angeschuldigte ist in erster Instanz im nichtfönnlichen 
ehrengerichtlichen Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens 
mit einem Verweise und einer Geldstrafe von zweihundert Mark 
kostenpflichtig bestraft worden. Gegen diese Entscheidung hat 
er in einer als Berufung bezeicbneten Eingabe fristgerecht das 
Rechtsmittel der Beschwerde (§ 18 Abs. 2 des Gesetzes) erhoben. 

Der erste Richter hat festgestellt, dass der Angeschnldigte 
zu M. im Jahre 1903 durch Uebemahme einer Stelle als Kassen¬ 
arzt ohne Beachtung der für den Kr . . . eher Aerzteverein, dem 
er als Mitglied angehörte, maßgebenden Grundsätze and angesichts 
der auf Erlangung freier Aerztewahl gerichteten Bestrebungen 
seiner Standesgenossen gegen § 3 des Gesetzes vom 25. Novem¬ 
ber 1899 verstossen hat. 


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I 



1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


lU 


ln der Beschwerdescbrift bestreitet der Angeschuldigte, zur 
Zeit der Abschliessung des Anstellungsvertrages Mitglied des 
Kr . . . eher Aerztevereins gewesen zu sein; im übrigen hält er 
sich für befugt, tmbekümmert um den Kampf um die Einführung 
freier Aerztewahl bei den Krankenkassen sich als Kassenarzt an¬ 
stellen zu lassen. 

Die Schutzbehauptung des Angeschuldigten, er sei, als er den 
Vertrag abschloss, nicht mehr Mitglied des Kr . . . eher Aerzte¬ 
vereins gewesen, wird ohne weiteres widerlegt durch seinen eigenen 
Brief an den Vorsitzenden dieses Vereins vom 29. November 1903, 
Im Anfang dieses Briefes teilt er mit, dass er die Stelle fest an¬ 
genommen habe. Er schliesst den Brief mit den Worten: „Zum 
Schlüsse erkäre ich Ihnen meinen Austritt aus dem Verein der 
Aerzte des Kreises Kr., da ich eine fernere Mitgliedschaft nicht 
für opportun halte.“ Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass der 
Angeschuldigte Vereiusmitglied gewesen ist. 

Ist dies aber festgestellt, so hat der Angeschuldigte durch 
Abschluss des Kassenvertrages in M. den Bestimmungen der 
Satzungen des Kr . . . eher Aerztevereins, auf welche er sich 
verpflichtet hatte, zuwider gehandelt. Nach § 11 der Satzungen 
sind für das Verhältnis zu Kassen im Kreise Kr. die von der 
Kheinischen Aerztekammer aufgestellten Grundsätze maßgebend 
und gegen Nr. 1 und 12 dieser Grundsätze hat der Angeschuldigte 
verstossen. 

Indem er so dem Verein gegenüber sein Wort nicht hielt, 
handelte er standesunwürdig und hat die ehrengerichtliche Be¬ 
strafung verwirkt. Bei Abmessung der Strafe kam mildernd in 
Betracht, dass der Aerzteverein recht lose organisiert war und 
der Angeschnldigte über seine Pflichten nicht ausreichend unter¬ 
richtet gewesen sein mag. Die Strafe des Verweises ersdiien 
deshalb ausreichend. 

3. Beschluss vom 14. April 1905. 

Durch Beschluss des ärztlichen Ehrengerichts für die Pro¬ 
vinz .... vom 20. Oktober 1904 sind die elf Angeschuldigten 
„wegen Pflichtverletzung kostenfällig imit einem Verweise be¬ 
straft“. 

Gegen diesen Beschluss haben sämtliche Angeschuldigte frist¬ 
gerecht das als „Berufung*^ bezeichnete Bechtsmittel der Be¬ 
schwerde (§ 18 Abs. 2 des Gesetzes vom 25. November 1899) 
eingelegt und durch ihren gemeinsamen legitimierten Verteidiger 
gerechtfertigt. 

Der Vorderrichter bat festgesteUt, dass die Angeschuldigten 
sich der Verfehlung nach § 3 des Gesetzes vom 25. November 
1899 dadurch schuldig gemacht haben, dass sie zum Schaden der 
vertragstreu bleibenden Kollegen entgegen der übernommenen 
Verpflichtung eine Kassenarztstelle bei der neu gegründeten 
Familien-Krankenkasse der Gewerkschaft .... annahmen, ohne 
dass gemäß dem Beschlüsse des Aerztevereins für den Stadt- und 
Landkreis N. sowie gemäß § 1 der von der Aerztekammer auf¬ 
gestellten Grundsätze die ft^ie Aerztewahl eingeführt wäre. 

Aus den Gründen des Beschlusses ist hervorzuheben, dass 
der Vorderrichter das standeswidrige Verhalten der Angeschul¬ 
digten darin erblickt hat, dass sie aus dem Aerzteverein für den 
Stadt- und Landkreis N. ausgetreten sind, als es dessen Vertrags¬ 
kommission nicht gelungen war, die Gewerkschaft .... zum Zu¬ 
geständnis der freien Aerztewahl bei Abschluss der Verträge mit 
den Angeschuldigten zu bestimmen, dass sie dann die Verträge 
ohne Rücksicht auf das Erfordernis der freien Aerztewahl abge¬ 
schlossen und somit nach Ansicht des Vorderrichters lediglich des 
materiellen Vorteils wegen das Abkommen durchbrochen und 
andere Aerzte in ihrem Einkommen geschädigt haben. 

In der Beschwerdeschrift bestreiten die Angeschuldigten, dass 
bei Abschluss des fraglichen Kassenvertrages überhaupt fi«ie 
Aerztewahl hätte eingefuhrt werden müssen, da diese nur „unter 
den ortsangesessenen Kollegen“ hätte statthaben sollen. „Orts¬ 
angesessen“, d. h. am Sitz der Zechenverwaltung und des Kassen- 
herm ansässig, sei aber nur der Angeschuldigte Dr, Br. Die 
weite Auslegung des Begriffs, dass als ortsansässig die Aerzte 
aller Orte zu gelten hätten, in denen Kassenmitglieder ihren 
Wohnsitz hätten, sei, als sie dem Verein angehört hätten, vielen 
Vereinsmitgliedem fremd gewesen und erst nach ihrem Austritt 
durch Vereinsbeschluss maßgebend geworden (Beweis; die Sitzungs¬ 


berichte 1903). — Die Angeschuldigten bestreiten ferner, da«« 
sie durch materielle Motive zum Austritt aus dem Verein veran¬ 
lasst seien und legen zum Teil dar, wie gering ihre Einnahmen 
aus der fraglichen Kasse sind. Dr. Br. andererseits erklärt, dass 
der Abschluss des Vertrages für ihn eine Existenzfrage gewesen 
sei. — 

Die Beschwerde ist begründet. Es muss davon ausgegangen 
werden, dass sämtliche Angeschuldigte, als sie den Vertrag mit 
der Gewerkschaftskasse abschlossen, uiriit mehr Mitglieder des 
. . . . Vereins waren, dass also eine Bestrafung wegen Ueber- 
tretung von Vereinssatzungen oder Ausserachtlassung der dem 
Verein gegenüber eingegaugenen Verpflichtungen nicht in Frage 
kommen kann. Deshalb ist es auch gleichgiltig, ob der Begriff 
der Ortsangesessenheit zu Gunsten der Angeschuldigten zu inter¬ 
pretieren ist. Eine Bestrafung könnte allenfalls darauf gegründet 
werden, dass die Angeschuldigten ans dem Verein ausgetreten 
und hierzu vielleicht durch standeswidrige Gründe veranlasst sind. 
Als solchen Grund nimmt der Vorderrichter den des Eigen¬ 
nutzes an. 

Die Tatsache allein, dass die Angeschuldigten aus dem Aerzte¬ 
verein ausgetreten sind, kann ihre ehrengerichtliche Bestrafung 
nicht begründen, da eine Beeinträchtigung der freien Entschliessung 
durch Androhung ehrengerichtlicher Folgen nicht zulässig erscheint. 
Es kann lediglich in Frage kommen, ob die Angeschuldigten, ganz 
abgesehen von den Bestrebungen des Vereins, dessen Gegner sie 
wurden, sich durch ihr Verhalten bei Abschluss der Verträge 
ehrengerichtlich strafbar gemacht haben. Das Einzige aber, was 
den Angeschuldigten zur Last. gelegt werden kann, ist ihre ab¬ 
weichende Anschauung über die Notwendigkeit der Einführung 
freier Aerztewahl. Abgesehen davon, dass sie diese nicht durch- 
führten, waren die von ihnen geschlossenen Verträge für die 
ehrengerichtliche Beurteilung einwandsfrei. Diese abweichende 
Auffassung in einer unter den Aerzten selbst bestrittenen wirt¬ 
schaftlichen Frage IfATiTi aber ehrengerichtlicher Beurteilung nicht 
unterliegen (vergl. auch Beschluss des Ehrengerichtshofes vom 
7. Februar 1902, Min.-Blatt 1902, Seite 306). Die Bekämpfung 
des Prinzips der freien Aerztewahl ist hiernach an sich nicht 
standeswidrig und auch wenn der einzelne Arzt infolge seiner von 
der Auffassung anderer Standesgenossen abweichenden Stellung¬ 
nahme zu diesem Prinzip wirtschaftlidi bessere Erfolge erzielt, 
kann er deswegen nicht ehrengerichtlich bestraft werden. 

Aber auch die den Austritt der Angeschuldigten aus dem 
Aerzteverein begleitenden Umstände vermögen eine ehrengericht¬ 
liche Bestrafung der Angeschuldigten um so weniger zu begründen, 
als diese von vornherein gegen die auf Einführung der freien 
Aerztewahl bezüglichen Beschlüsse des Aerztevereins Widerspruch 
erhoben haben, aber in der Minderheit geblieben sind. Vorzu¬ 
werfen bleibt den Angeschuldigten nur, dass sie insofern nicht 
ganz korrekt gehandelt haben, als sie erst dann aus dem Verein 
ausgetreten sind, als es sich um Abschluss ihrer Verträge mit 
der Gewerkschaft handelte. Sie hätten dem Verein gegenüber 
richtiger gehandelt, wenn sie sofort, nachdem dieser die Ein¬ 
führung der freien Aerztewahl beschlossen hatte, ihren Austritt 
erklärt hätten. Dieses nicht ganz korrekte Verhalten allein kann 
aber die ehrengerichtliche Bestrafung nicht begründen. 

Die Angeschuldigten waren demnach kostenlos (§ 46 des 
Gesetzes vom 25. November 1899) freizusprechen. 

Das erste der vorstehenden Urteile dürfte wohl das in¬ 
teressanteste sein. Schon sind aus ärztlichen Kreisen Stimmen 
laut geworden, welche diesen Beschluss für ganz unhaltbar er¬ 
achten. Wir vermögen uns, diesen Anschauungen nicht anzu- 
schliesaen. Gewiss halten wir das Verhalten der Angeschuldigten 
für standeswidrig, gewiss meinen wir, er sei den Kollegen „in 
den Rücken gefallen“, gewiss glauben wir, dass die Annahme, die 
Kasse sei unbesetzt gewesen, eine irrige ist, aber nach der Lage 
des Gesetzes konnte der Ehrengerichtshof zu keiner Verurteilung 
kommen. Die Gesetzgebung gestattet es dem Elhrengerichtshof 
nicht, wirtschaftlich fördernd einzugreifen, und ganz sicherlich mit 
voller Absicht aus freien Männern unfreie zu machen; das war 
der Zweck des Gesetzes; keineswegs hat man daran gedacht, die 
Bestrebungen der Aerzteschaft zu begünstigen. Jedenfalls ist 
diese Entscheidung für die allererste tätige Vertragskommission 
der Aerztekammer von grösster Bedeutung. 


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112 


MBDICINISGHB WOCHE. 


Nr. 10. 


Der wichtige Punkt des zweiten Urteils, dass Vereinabeschlüsse 
für ihre Mitglieder bindende Kraft haben, wird durch das dritte 
Erkenntnis wieder illusorisch, wonach Mitglieder, faUs sie nach 
einem ihr nicht genehmen Beschluss aus dem Verein austreten 
und nunmehr gegen die Intensionen des Vereins handeln, straffrei 
hleiben. Jedenfalls sind diese Urteile in keiner Welse dazu an¬ 
getan, der Einrichtung der Ehrengerichte neue Freunde zu er¬ 
werben. 


Literarische Monatsschau. 

Gynäkologie. 

Man ist in unserer Zeit leicht geneigt, ,^die Anlegung der 
Kopfzange an den Steiss als völlig gegön die Bügeln der geburts- 
hülfiichen Operationslehre verstossend anzusehen.“ 

Die geburtshülflichen Lehrbücher verhalten sich dieser Ope¬ 
ration gegenüber durchweg schroff ablehnend. Dennoch mehren 
sich in den letzten Jahren die Mitteilungen in der Literatur, die 
bei gegebener Indikation die „Zange am Steiss“ empfehlen. 

C. J. Gaup*) aus der Olshausen’schen Klinik, der „in der 
Not der Verzweiflung“ eine Steissgeburt mittelst der Zange er¬ 
folgreich zu Ende geführt hatte, versuchte an dem poliklinischen 
Material der Universitätsklinik bei gegebener Indikation prinzipiell 
die Anlegnng der Kopfzange an den Steiss. — Von den neun 
mit Zange am Steiss von ihm entbundenen Kreissenden waren drei 
11. parae und sechs I. parae, drei von den letzteren waren über 
30, eine Uber 40 Jahre alt. In einem Falle handelte es sich um 
ein stark verengtes Becken, bei den übrigen acht Frauen wies 
das Becken normale oder annähernd normale Maße auf. Einmal 
stand der Steiss im Beckeneingang, achtmal im Becken; je dreimal 
war der Bücken nach rechts vom und links vom, je einmal ganz 
nach hinten, ganz linka und ganz rechts gerichtet. In zwei Fällen 
waren der erfolgreichen Zangenanlegung schon vergebliche manuelle 
Versuche vorhergegangen, ln sieben FäUen führte die Zange zum 
Ziele, in zweien versagte sie. 

In allen neun Fällen war Gefahr für Mutter und Kind der 
Grand zum operativen Eingriff. 

Bezüglich der Prognose für die Mutter ist zu erwähnen, dass 
in vier Fällen Verletzungen der Weichteile entstanden, jedoch 
fallen der Zange allein nur ein Scheiden- und ein Dammriss 
zur Last. 

Was die Morbidität angeht, so vnirde zweimal Fieber im 
Wochenbett festgestellt; in beiden Fällen bestanden Zeichen der 
beginnenden Infektion schon intra partum und gaben die Indikation 
zur operativen Entbindung ab. In einem Fall wurden Mutter, 
Kind und Pflegerin von Pemphigus befallen. 

Die Mortalität war gleich null. Von den Kindern kamen 
sechs lebend zur Welt, drei wurden totgeboren. Von diesen 
waren zwei schon vorher stark gefährdet, so dass ihretwegen der 
entbindende Eingriff gemacht wurde. Beide Kinder starben unter 
langdaueroden Entbindungsversuchen verschiedener Art ab. 

Zweimal unter neun Fällen wurde eine Diaphysenfraktur des 
Femur gesetzt. Andere Verletzungen, insbesondere solche des 
Beckenriuges, der äusseren Weichteile oder der inneren Organe, 
wurden in keinem Falle beobachtet. 

Verf. beschreibt dann eingehend die von ihm geübte Technik: 
Erst wenn der Steiss fest im Becken steht, kann von der An¬ 
wendung einer bestimmten Technik der Zangenanlegung am Steiss 
die Rede sein. Um mit der Zange einen sicheren Halt am kind¬ 
lichen Steiss zu haben, muss man seine Hüftbreite zwischen die 
Löffel nehmen. Am besten liegt die Zange, wenn crista ossis ilei 
und trochanter ma.jorjeder8eit3 von denZangenlöffeln umlasst werden. 

Zum Schluss stellt Verfasser folgende Sätze auf: Die An¬ 
legung der Kopfzange an den Steiss ist unter geeigneten Um¬ 
ständen und bei richtiger Technik eine wirkungsvolle, und für 
Mutter und Kind ungefährliche Entbindungsmethode. Am hoch¬ 
stehenden Steiss ist das Herabholen des vorderen Fusses, im Not¬ 
fälle die Einführung der Schlinge, eventuell auch des Hakens, in 
die vordere Hüftbeuge die Operation der Wahl, da bei der hohen 

*) Festschr. f. Oiehausen, 1905. 


Anlegung der Zange eine genaue Befolgung der technischen Regeln 
meist schwer and oft unmöglich ist. 

Zur Extraktion des fest im Becken stehenden Steisses kon¬ 
kurriert die Zange erfolgreich mit andern Methoden: Der schonende 
arbeitende Finger versagt oft: Die Schlinge ist oft nur schwer, oft 
überhaupt nicht einzuftthren und dabei durchaus nicht imgefhhrlich 
für das Kind; die Einführung des stumpfen Hakens an der 
vorderen Hüfte ist zwar meist leicht, aber sehr gefährlich, die 
an der hinteren zwar etwas weniger gefährlich, aber technisch 
sehr schwer. Die Zange dagegen ist immer leicht einzuführen 
und führt in den allermeisten Fällen — eine richtige Technik 
vorausgesetzt! — schonend und leidit zum Ziel. 

Der Gebrauch der Zange an dem im Beckenaasgang stehen¬ 
den Steisse zur Beschleunigung der Lateralflexion ist mindestens 
ebenso leicht und ungefährlich wie das Einhaken in die hintere Hüfte. 

A. Kuttner*) äussert sich in einer eingehenden Arbeit über 
die Frage, ob die Kehlkopftuberkulose als eine Indikation 
zur künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft anzusehen sei. 
Auf Grund eines Materials von 100 Beobachtungen, das in An¬ 
betracht der Seltenheit dieser Komplikation der Schwangerschaft 
ein recht ansehnliches ist, kommt er zu folgenden Sätzen: 

1. Die diffuse Lungentuberkulose während der Schwanger¬ 
schaft gibt eine höchst ungünstige Prognose, 

2. Die Sterblichkeit der Kinder, deren Mütter während der 
Schwangerschaft an Lungentuberkulose gelitten haben, ist eine 
ungemein grosse. 

3. Mit Rücksicht auf die beiden ersten Punkte ist die Kehl¬ 
kopftuberkulose im Prinzip als eine berechtigte Indikation zur 
künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft anzusefaen, 

4. Letztere ist nur dann zulässig, wenn sie nach Lage der 
Dinge die einzige Möglichkeit und dabei auch eine gewisse Wahr¬ 
scheinlichkeit für die Rettung der Mutter bietet. 

5. Nach den bisherigen Elrfahmngen sind die Aussichten bei 
der Abtreibung der Fracht in den letzten Schwaogerschaftsmonaten 
wenig günstig. In diesem Stadium dürfte die Tracheotomie, so¬ 
lange es sich nicht um hoffnungslose Fälle handelt, vielleicht noch 
einige Chancen bieten. 

Im Gegensatz zu Kuttner rät P. Rüge**) bei vorge¬ 
schrittener Tuberkulose die Schwangerschaft im allgemeinen 
nicht zu unterbrechen, weil der Frau dauernd doch nicht genutzt 
wird. Nur sehr arge Beschwerden, welche voraussichtlich nach 
der Unterbrechung nachlassen, rechtfertigen die letztere. Bei be¬ 
ginnender Tuberkulose aber, bei der noch Heilung der Mutter er¬ 
wartet werden kann, befürwortet er möglichst fHlbzeitige Unter¬ 
brechung der Schwangerschaft. 

Einem zweifellos bisher vorhandenen Mangel hilft Winter***) 
ab, indem er die wissenschaftliche Begründung den Indikationen 
zur Myomoperation und die Symptomatologie und Pathologie der 
Uterusmyome in einer ausführlichen Arbeit behandelt. Die Er¬ 
fahrungen, die sich ihm bei den Untersuchungen über Ursachen, 
Erscheinungsformen und Behandlung der Myomblutungen ergeben 
haben, fasst er in folgenden Sätzen zusammen: 

Blutungen treten ungefähr in Va der Fälle bei Myomkraoken 
auf und zwar bei weitem am meisten bei submukösen Myomen; 
am häufigsten sind reine Menorrhagieen, am seltesten reine Me- 
trorrbagieen. — Reine Metrorrhagieen müssen den Verdacht auf 
maligne Degeneration, sekundäre (gutartige) Degeneration der 
Myomsubstanz oder auf submuköse Entwicklui^ des Myoms er¬ 
wecken. 

Blutungen in der Menopause entstehen meistens nur bei Kom¬ 
plikationen mit malignen Erkrankungen, sekundärer Degeneration 
des Myoms oder bei submuköser Entwicklung; nur wenn diese 
Möglichkeiten mit Sicherheit auzuscbliessen sind, ist bei Metror¬ 
rhagieen und Blutungen in der Menopause ein konservativer Stand¬ 
punkt gerechtfertigt; meist wird das Myom entfernt werden müssen. 

Bei reinen Menorrhagieen kann man sich in der Indikations¬ 
stellung durch den Grad der Anämie leiten lassen- (Schwere 
Anämie bei kleinen Tumoren deutet auf submuköse Entwicklung 

•) Berl. Klin. Wocbenschr. Nr. 29 u. 30. 

•*) Berl. Klin. Wocbenschr. 1905, Nr 33. 

*•*) Festschrift für Olehaueen, Stuttgart 1905. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


113 


hin, — Die Anämie bietet bis 30^ Haemoglobin keinerlei Gefaliren 
bei der Operation unter den nötigen Eautelen. 

Die Ergotinkur ist nur erfolgreich bei rein intenstitiellen 
Myomen bis zu höchstens Eindskopfgrösse. 

Die Ausschabung der Uterusschleimbaut darf nur vorgenommen 
werden bei sicherem Ausschluss eines submukösen Myoms, und ist 
am wirksamsten bei subserösen und kleinen interstiellen Myomen. 

Da der Erfolg stets ein zweifelhafter ist, so darf sie bei 
schweren Anämieen keine Anwendung finden. Submuköse Myome 
mit Blutungen sind prinzipiell zu entfernen. 

Bei interstitiellen und subserösen Myomen befreit die kon¬ 
servative Operation die Kranken nicht sicher von ihren Blutungen. 

Bezüglich der Ursachen der Schmerzen bei Myomen stellt 
Winter folgende Sätze auf: 

Die Orösse des Tumors ist selten als die alleinige Ursache 
des Schmerzes anzusehen*, es finden sich sogar durchschnittlich 
bei grossen Tumoren seltener Schmerzen als bei kleinen und mittel- 
grossen Tumoren. 

Subseröse Myome verursachen am häufigsten Schmerz¬ 
empfindungen. 

Myome, welche an ihrer freien Entwickelung in die Bauch¬ 
höhle durch subperitoneale oder intraligamentäre Entwickelung 
gehindert werden, machen häufig Schmerzen. 

Beim Dysmenorrhöen werden am häufigsten durch das Myom 
allein, besonders durch submuköse Entwicklung bedingt. 

Die Ursache für Unterleibschmerzen bei Myomen liegt sehr 
häufig in komplizierender Para-Perimetritis und Adnexerkrankung. 

Die Ursache für Schmerzen wird auffallend häufig in den 
sekundären Veränderungen des Myoms (Sarkom, Karzinom, Nekrose, 
Erweichung, Vereiterung) gefunden. 

Durch genaue Anamnese, sorgfältige Untersuchung und Be- 
i'ücksichtig:uDg des Allgemeinzustandes lässt sich das landläufige 
Syptom des Myomschmerzes auf gänzlich verschiedene Ursachen 
hin analysieren. Diese lassen dann sehr wohl eine differentiale 
Indikation für die Myomoperation, sowohl als auch für die Art 
derselben zu. 

Als Mafistab für die Bedeutung des Schmerzes in der In¬ 
dikationsstellung zur Myomoperation führt W. an, dass er 115 Mal 
(zirka '/• seiner Fälle) wegen Schmerzen allein oder in Verbindung 
mit andern Symptomen eingreifende Myomoperationen hat aus- 
fiihren müssen. (Schluss folgt.) 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinieche Wochenschrift. 1906 No. 8. 

1. Spiess, Frankf\irt a.M.: Die Bedeutung der Anaesthesie 
in der ^tzttndungstherapie. 

Verf. hat höchst merkwürdige Beobachtungen gemacht über 
den Einfiuss von Änaestheticis auf den Ablauf von EntzUndungs- 
erscbeinungen. Wenn man beispielsweise eine entzündete Nasen- 
und Rachenschleimhaut mit Änaestheticis behandelt, dann geht die 
Entzündung zurück. Wenn man einen beginnenden Furunkel mit 
einer Einspritzung eines Anaestheticums versieht, verläuft die Hei¬ 
lung ohne dass es zu erheblichen Entzündungserscheinungen kommt. 
Die Schmerzlosigkeit ist daher ein erstrebenswertes Ziel bei Behand¬ 
lung von Entzündungen.! Dass im Schlaf die Sekretion der Nasen¬ 
schleimhaut bei Schnupfen aufhört, ist dem Verf. ein Beweis, dass 
es auch nur die Gefühllosigkeit, bedingt durch den Schlaf ist, 
welche die Entzündung zum Abklingen bringt. In ähnlicher Weise 
erklärt es sich, warum bei Geisteskranken viele Wunden ohne 
Entzündungen heilen, da Paraesthesien bestehen. Der Dolor 
bei der Entzündung spielt also offenbar eine erheblich grössere 
Rolle als demselben nach der alten Cobnheimschen Theorie zuge¬ 
wiesen worden ist. Die Wirkung der Anaesthetica bei der Ent¬ 
zündung fasst Verf. so auf, dass es sich um Beseitigung der von den 
sensiblen Nerven übermittelten Reflexe handelt. Er kommt zu 
folgenden Schlusssätzen: Eine Entzündung wird nicht zum Aus¬ 
bruch kommen, wenn es gelingt, durch Änaesthesierung die vom 
Entzündungsherd ausgehenden, in den zentripetalen, sensiblen 
Nerven verlaufenden Reflexe auszuschalten. Eine schon bestehende 
Entzündung wird durch Änaesthesierung des Entzündungsherdes 


rasch der Heilung entgegengeführt. Die Änaesthesierung hat 
allein die sensiblen Nerven zu beeinflussen und darf das normale 
Spiel der sympathischen Nerven (Vasomotoren) nicht stören.“ 
Diese neue Theorie und Therapie wird wohl hier und da noch auf 
Widerspruch stossen, jedenfalls ist dieselbe leicht nachzuprüfen 
und interessant. 

2. Schaefer, Bonn: Beitrag xor Technik der Knie- 
Boheibennaht. 

Die üblichen Kiescheibennaht hat aus verschiedenen Gründen 
Gegner, 1. birgt die für grössere Operationen nötige Narkose stets 
eine Gefahr, 2. es besteht die Möglichkeit einer Wundinfektion 
vom Stichkanal aus und daraus entstehende Gelenkvereiterung, 
3. kann es zu einer Inaktivitätsatrophie der Muskalatur kommen, da 
man erst spät Massage in Anwendung bringen kann, aus demselben 
Grunde sind auch Gelenkversteifungen nicht ausgeschlossen. Witzei 
wendet nun folgendes Verfahren an. Er sticht oberhalb und unter¬ 
halb der Kniescheibe einen gebogenen Trokar ein, dessen Rohr 
liegen bleibt und beiderseits frei zu Tage tritt, durch diese Rohre 
wird ein Silberdraht gezogen und die vier Enden der Drähte 
kreuzweise über die Kniescheibe um einem Wattebaiisoh verknüpft, 
dadurch werden die Bruchflächen gut fixiert und es kann schon 
nach wenigen Tagen mit der Massage begonnen werden. 

3. Pfeifer, Tübingen: TTeber die B.öntgennnter8Uohimg der 
Trachea bei Tumoren und Exsudat im Thorax. 

Gurschmann hat ein diagnostisch ersichtliches Sym]>tom 
beschrieben, welches darin besteht, dass bei Aneurysmen der 
Aorta und Tumoren im Thorax die Trachea in ihrem Halsteil seit¬ 
lich verlagert wird. Dieses Sympton ist ungemein charakteristisch 
und bei einiger Aufmerksamkeit nicht zu übersehen. Verf. hat 
eine mittels des Röntgenverfahrens die Angaben Gurschmann s 
nachgeprüft und durchaus richtig gefunden. Im Röntgenbilde 
zeigt sich die Trachea in Gestalt eines helleren Streifens. Verf. 
hält nun die radiologische Feststellung der Lage der Luftröhre für 
viel sicherer und einfacher und empfiehlt diese Art des Vorgehens 
durchaus. 

4. Bern dt, Stralsund: Zur Eadioaloperation des Schenkel- 
bracbs. 

Verf. empfiehlt die Löth ei säen sehe Methode. Dieselbe be¬ 
steht in folgendem: Die Faszie des oblig. extern, wird gespalten. 
Der Schambeinrand von Innen her freigelegt, der untere Rand 
des oblig. intern, und transversus wird mit dem so leicht zugäng¬ 
lichen Periost des Schambeins und dem auf diesem liegeudsn liig. 
Coopers vernäht. Auf diese Weise wird die innere Oeffnung des 
Schenkelkanals durch eine Muskelkulisse verschlossen. Diese Lot- 
heissenschen Methode ist etwas kompliziert und umständlich, 
weil die Anlegung der nötigen Nähte in dem engen Raum erheb¬ 
liche Schwierigkeiten macht. Verf. hat daher die Methode wieder 
vereinfacht. Es geht folgendermaßen vor: Hauptschnitt in der 
Höhe und im Verlauf des Lig, Poupnrtii, normale Versorgung des 
Bruchsackes, Spaltung des Faszie des oblig. intern, und trans¬ 
versus. Isolierung des Samenstranges, resp. des runden Mutter¬ 
bandes, Anlegung der erwähnten tiefen Nähte. Annähung der 
Fläche des Ligam. Poupartii an die Faszie des Muse, pectineus. 
Der Schenkelkanal ist nun innen durch Muskeln, aussen durch die 
letztgenannte Naht geschlossen. Verf. hat mit dieser Modifikation 
gute Erfolge uud empfiehlt dieselben. Die einzelnen Etappen der 
Operation müssen im Original nachgelesen werden. 

5. Dreyfus, Würzburg: TTeber traumatiBche PupilleuBtarre. 

Das casuistische Material über die Beziehungen zwischen Er¬ 
krankungen des Halsmarkes und der Pupillenstarre ist bisher sehr 
gering. Verf. teilt einen Fall mit, welcher mit grösster Wahr¬ 
scheinlichkeit als spinale Pnpillenstarre gedeutet werden muss. 
Eine totale Zerstörung des ventralen Hinterstranges des IV. Cer- 
vicalsegmentes darf bei längerer Lebensdauer des Kranken und 
bei genauester Pupillenuntersuchung bis zum Tode nicht mit 
dauernd normaler Pupillenreaktion einbergehen. Es ist nicht an¬ 
zunehmen, dass es eine paralytische Pupillenstarre gibt, sondern 
dass bei allen Fällen von reflectorischer Pupillenstarre das Rücken¬ 
mark charakteristisch erkrankt ist. 

6 . May, München: Eine neue Methode der Bomanowsky 
Färbung. 

Die Blutpäparate werden in einer 0,25 prozentigen Methyl- 
alkoholischen Lösung von eosinsuurem Methylenblau gefärbt. Hier- 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 10. 


anf stellt man sie eine Minute in destilliertes Wasser. Ohne abzu¬ 
trocknen lässt man auf die herausgenommenen Präparate einen Tropfen 
0,5% Methylenazurlösung zufliessen und sorgt für dessen gleich- 
mässige Verteilung. Die blauen Kernfkrbungen blassen ab, um in 
dem Bot wieder aufzutreten. Die Präparate werden nun ge¬ 
trocknet und vorher eventuell noch im Wasser gespült. Bei richtiger 
Äusfühning hat man keine Niederschläge. Das Verfahren geht 
sehr schnell von statten und ist auch geeignet Spirochaete pallida 
gut zu zeigen. 

7. Tomasczewski, Erdmaun, Halle: üeber neue Haar¬ 
färbemittel. 

Ala Haarfärbemittel werden verwandt Pyrogallussäure in ver¬ 
schiedener Bezeichnung und p-Phenylendiamin. Beide Mittel sind 
durchaus nicht indifferent. Die Verff. haben nun mit Aminosulfo- 
säuren Versuche angestellt, in der Annahme, dass die Sulfurierung 
eine Entgiftung bewirken würde. Schliesslich fanden sie in einer 
Mischung der Natriumsalze von o - Aminophenolsulfosäure und p- 
Aminodiphenylaminsulfosäure ein geeignetes gute Ozydationsfarben 
liefernders Präparat. Dies Präparat wird von der Aktiengesell¬ 
schaft für Anilinfabrikation in Berlin unter dem Namen Eugatol in 
den Handel gebracht. 

8 . Adam, Berlin; Ein Fall von Abdozenslähmong nach 
Lnrnbalanaestbesierang. 

Verf, konnte einen Fall beobabchten, wo bei einem 33jähri- 
gen Stellmacher nach einer vor Monatsfrist zwecks Herniotomie 
vorgenommenen Lumbalanaesthesierung, eine dauernde Abduzens¬ 
lähmung links sich zeigte. Der Fall hat keine Analoga in der 
Literatur der medullären Narkose. Es ist fraglich, ob es sich 
um eine direkte Einwirkung des Änaestheticismus Stovain auf 
den Abduzenskem handelt oder ob infolge von Druckherabsetzung 
im Kanal es zu einer Blutung im Boden des vierten Ventrikels 
gekommen ist. Das letztere ist das wahrscheinlichere. 

9. Huber, Salzburg: Eine seltene ürsache innerer Ein¬ 
klemmung. 

Eine 3öjährige Köchin erkrankte plötzlich mit Leibschmerzen, 
heftigster Art. Der Verf. diagnotisiert Appendizitis. Zwei 
Stunden später findet sich der Bauch gespannt, Puls kräftig 72 bis 
76. Zweieinhalbe Stunde später ausgesprochener Kollaps, ISO.Pulse, 
Meteorismus. Es wird allgemeine Peritonitis angenommen. Die 
kurze Zeit darauf erfolgte Verlegixng auf die chirurgische Klinik 
hatte keinen Zweck mehr, weil der Kollaps so stark war, dass an 
eine Laparotomie nicht mehr zu denken war. Der Exitus trat 
20 Stunden nach erfolgter Erkrankung ein. Die Sektion ergab, 
dass das 2^/s m Uleum durch die am Promontorium mit einer Adhäsion 
fixierte rechte Tube abgeklemmt waren. 

10. Knauer, Wiesbaden: Progressive Paralyse! 

Bei einem nervös schwer belasteten und vom Alkoholmiss¬ 
brauch nicht freien 29 jährigen Kaufmann treten eigentümliche 
Träume auf, die zu unbewussten Handlungen führen, Aufstehen 
aus dem Bett, Entzünden eines Streichholzes, Kampf mit seiner 
Fran und dergl. Vor 5 Jahren Lues. Das Gedächtnis scheint 
etwas gelitten zu haben. Verf. wirft nun die Frage auf, ob es 
sich hier um den Beginn einer Paralyse auf luetischer Basis handelt, 
oder ob eine schwere Ueberreizung bei bestehendem Alkoholismus 
handelt. Das letzte scheint wohl wahrscheinlicher zu sein, da alle 
beobachteten Störungen nur im Traume vorgekommen sind und 
Sprachstörungen u. a. bisher zu fehlen scheinen, Ueber den 
Augenbefund ist nichts näheres mitgeteilt. 

11. Bracco, Turin: Orthopädie des Bauches. 

Verf, gibt die Beschreibung einer von ihm konstruierten 
Bauchbinde, welche geeignet ist, bei Gravidität die Bauohdecken 
so zu entlasten, dass im Puerperium eine völlige Rückbildung der¬ 
selben und grosse Festigkeit erzielt wird. Das Prinzip besteht in 
einer Anordnung sf’hmaler Gurte, die so getroffen ist, dass bei 
denkbar grösster Festigkeit grosse Elastizität erzielt wird, 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 8. 

1. Löffler, Greifswald: Der knltuielle Kackweis der 
Typhnsbazillen in Faeces, Erde und Wasser mit Hilfe des Mala¬ 
chitgrüns. 

In ausgedehnter Weise sind Versuche 'angestellt worden, 
einen Nährboden zu finden, welcher das Wachstum der Typhus¬ 


bazillen nicht verhindert aber alle anderen Keime in ihrer Ent¬ 
wicklung hemmt. Ein derartiger Nährboden würde eine sehr 
grosse differentialdiagnostiscbe Bedeutung haben. Im Laboratorium 
des Verf. wurde schliesslich ein Zusatz von Malachitgrün als in 
dieser Beziehung nützlich erkannt. Das Malachitgrün lässt die 
typhusähnlichen Bakterien nicht aufkommen, während diese selbst 
in üppigster Weise wuchern. Allerdings gelingt es nicht, alle 
anderen Bakterien auszuscbalten, und es ist ein elektives Kultur- 
verfahren nötig, um die Typhuskeime zu isolieren. Um auch schon 
makroskopisch den positiven Ausfall einer Kultur erkennen zu 
können, kann man die Zuckervergährenden der Eigenschaften ande¬ 
rer Bakterien gegenüber den Typbu.sbazUlen heranziehen. Die Einzel¬ 
heiten der interessanten Arbeit müssen im Original nacbgelesen 
werden. Jedenfalls ist das Loefflersche Grünzüchtungsverfahren 
auch für den praktischen Arzt von ganz besonderer Bedeutung. 

2. Seidel, Berlin: [Ein Apparat zur Haohbehandlnng des 
offenen Pneumothorax. 

Nach thorakalen Operationen die Wunde gleich zu schliessen, 
hat etwas Bedenkliches und wird besser vermieden. Die Pleura¬ 
höhle ist doch zu sehr Infektionen während der Operation ausge¬ 
setzt. Verf. bat nun einen Apparat konstruiert, welcher das 
Ofifenlassen der Wunde gestattet, ohne die Möglichkeit einer 
PneumothoraxbUdung zuzulassen. Ein metallener Bing wird mittels 
Gummi und Heftpflaster luftdicht auf die Haut so aufgesetzt, dass 
die Operationswunde innerhalb des Ringes zn liegen kommt. Auf 
den Ring lässt sich eine Glasscheibe luftdicht aufpresen. Mittels 
einer Wasserstrahlpumpe wird ein Minusdruck erzeugt und so die 
Aufblähung der Lunge bewirkt und das beabsichtigte Verkleben der 
Pleuratblätter bewirkt. Der Apparat ist leicht zu handhaben. Die 
Herstellung derselben hat die Firma Windler-Berlin übernommen. 

3. Blumreich, Berlin; Zur Fn^e-der Hebotomie. 

Verf. teilt zwei Fälle mit, in denen er die Hebotomie oder 
Pubotomie im Privathause ausgeführt hat, und zwu* mit gutem 
Erfolge. Er geht auf die bisher bekannt gewordenen Fälle ein, 
und kommt zu dem Schluss, dass, wenn es gelingt, die Mortalität 
der Mütter durch Verminderung der ausgedehnten Scheiden - Zer- 
reissungen erheblich herabzudrücken, der Schambeinscbnitt, die 
Perforation des lebenden Kindes, den Kaiserschnitt und die l^nst- 
liclie Frühgeburt verdrängen wird. Die Scheideozerreissungen 
wenien am ersten vermieden werden, wenn man nach der Pubo¬ 
tomie den natürlichen Ablauf der Geburt abwartet. Die Aus¬ 
führungen der Hebotomie im Privathause ist durchaus möglich, 
aber Verf. hält es für bedenklich, wenn der prakt. Arzt diese Ope¬ 
ration ausführen will, da dieselbe sicher eine spezialistische Vor¬ 
bildung voraussetzt. 

4. Lindemann, Berlin: YersuohsergebnisBe mit Melioform 
als DesinfektioiiBmittel für Hände und Instrumente. 

Melioform ist ein Formalinpräparat und ähnelt in gewisser 
Weise dem Formysol. Verf. hat mit demselben bakteriologische 
Prüfungen angestellt und ist zu folgenden Resultaten gekommen. 
Eine 1% Melioformlösung ist imstande, bei zehn Minuten langer 
Einwirkung hemmend auf Milzbrandsporen zu wirken. Schädliche 
Reizwirkungen sind nicht beobachtet worden. Die Brauchbarkeit 
für die Desinfektion der Hände und Instrumente scheint dem 
Verf. erwiesen. Leider ist über die chemische Konstitution des 
Mittels nichts angegeben. 

5. Lublinski, Berlin: lodismus aoutos und Thyreoditu 
acuta. 

Verf. hat einen Fall beobachten können, in welchem infolge 
eines zwecks Therapie bestehender Lues eingeleiteten Jodge¬ 
brauches eine akute Schwellung der Schilddrüse auRrat. Es ist 
schwer Gründe für dieses Verhalten der Drüse anzugeben, zumal 
man annimmt, dass die Schilddrüse normaler Weise Jod enthält. 
Der prompte Zurückgang der Schwellung nach Aussetzen des Jods 
zeigte, dass man es sicher mit einer Jodwirkung, nicht mit einer 
Folgerscheinung der Lues zu tun hatte. 

6 . Ringleb, Berlin: Eystoskop nach MaisoimeuveBohem 
Prinzip. 

Bei Harnröhrenstrikturen, Prostatahypertrophie und anderen 
die Passage der Harnröhre erschwerenden Verhältnissen ist es oft 
unmöglich, ein Kystoskop in die Blase einzuführen. Verf. hat 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


116 


non dem Maisonneaveschen Prinzip folgend ein Eystoskop kon- 
süniert, bei welchem vom eine filiforme Leitsonde angeschranbt 
werden kann. Hiermit gelingt die Eioitihrung ohne jede Schwierig¬ 
keit auch dem Ungeübten. 

7. Axmann, Erfurt: Eine neue Zirknlationskttklimg die 
Finaenlampe. 

Die Kühlung der Finsenlampe ist von grosser Bedeutung für 
einen ungestörten Betrieb. Diese mittels der Wasserleitung zu 
bewirken ist umständlich und unter gewissen Zuiklligkeiten auch ge¬ 
fährlich. Verf. hat nun eine Kühlvorrichtung nach folgendem 
Prinzip konstruiert. Ein au der Wand hängendes Reservoir mit 
10 Ijiter Wasser versorgt die Kühlung, das Kuhlwasser wird 
mittels einer elektrisch betriebenen Zirkulationspumpe immer 
wieder ins Reservoir zurückgetrieben. Die Kühlung ist vollkommen. 
Die Firma Reiniger, Gebbert & Schall liefert die Vorrichtung. 

8. Hamm, Braunschweig: Künstliche Trommelfelle ans 
Paraffin. 

Dem Verf. haben sich künstliche Trommelfelle aus Paraffin 
sehr gut bewährt. Er verfährt folgendermaßen. Die Reste des 
Trommelfelles, resp. der Rand und die Paukenhöhlenschleimhaut 
werden cocainisiert und dann gut abgetrocknet. Hierauf führt 
man ein der Perforationsöffnung entsprechend etwas grösseres 
Stückchen Verbandsgaze, welche in geschmolzenes Hartparaffin (45^ 
Schmelzpunkt) getiucht ist ein, und drückt es ringsherum gut au. 
Dieses Trommelfell wird gut vertragen, vorausgesetzt, dass beim 
Anlegen die Entzündungserscheinungen im Mittelohr abgelanfen 
waren. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Ko. 9. 

1. von Hansemanu, Berlin: Über Kachitu als Yolks* 
krankheit 

Es ist falsch die Rachitis, wie das meistens geschieht unter 
den Knochenkrankheiten abzuhandeln. Die Rachitis gehört zu den 
Stoffwechselkrankheiten und die bei ihr angetrofifenen Knochen¬ 
veränderungen sind nur ein Teilsymptom. Was die Aetiologie 
der Rachitis angeht, so haben sich einige Forscher auf den Stand¬ 
punkt gestellt, dass es sich um eine Infektionskrankheit handle. 
Diese Auffassung ist nach Ansicht des Verf. nicht richtig. Die 
Beobachtungen an Tieren, es handelt sich nur um solche die in 
der Gefangenschaft leben, denn nur bei diesen kommt Rachitis 
vor, lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass die Rachitis eine 
Folge ungenügender Bewegung und des Mangels an Luft ist. Aus 
diesem Zusammenhang würde es sich auch erklären, dass bei Kindom 
die in der rauhen Jahreszeit geboren werden, so viel häufiger 
Rachitis auftritt. Sehr bemerkenswert ist es, dass in Japan bei 
den Menschen die Rachitis ganz unbekannt ist. Verf. führt dies 
auf eine viel rationellere und den natürlichen Verhältnissen ent¬ 
sprechendere Behandlung der kleinen Kinder in Japan zurück. Die 
Domestizierung übt den schädlichen Einfluss aus und ist Ursache 
der Erkrankung. Verf. glaubt daher mit Recht, dass es an der 
Zeit sei die Bekämpfung der Rachitis als Volkskrankheit in Angriff 
zu nehmen, hierzu würde in erster Linie eine grosse Bewegungs¬ 
freiheit und reichliche Luftversorgung der Kinder gehören. 

2. Alexander, Berlin: Zur Huilnng der Larynztaberknlose. 

Die Therapie der Larynxtuberkulose wird in einer Reihe von 

Fällen, Heilung, wo diese aber nicht mehr möglich wenigstens 
Besserung erstreben. Die Behandlung der Larynxtuberkulose kann 
naturgemäss nicht eine rein lokale sein, es muss mit ihr stets eine 
Allgemeinbehandlung einhergehn. Im allgemeinen herrschen sehr 
pessimistische Anschauungen bezüglich der therapeutischen Erfolge. 
Dieser Pessimismus ist nicht ganz berechtigt, es kommen durchaus 
nicht selten dauernde Heilungen vor. Verf. teilt die genauen 
Krtmkengeschichten von 7 geheilten Fällen mit. Die Therapie 
war eine gemischte und erstreckte sich auch auf das Allgemein- 
befinden. 

3. Bruns, Berlin: üeber Aortenerkrankung bei congeni¬ 
taler Syphilis. 

Verf. führt die bereits in voriger Nummer begonnene und in 
ihrem ersten Teile schon besprochene Arbeit zu Ende und kommt 
auf Grund der von ihm bei neun syphilitisch geborenen Kindern 
6 Tnftl gefundenen Veränderungen an der Aorta, za folgenden 


Schlüssen: Bei congenitaler Lues finden sich in der Aorta Ent¬ 
zündungsherde, die ihren Sitz in den äussersten Schichten der 
Media und in der Adventitia, besonders in der Umgebung der 
Vasa vasorum haben. Das Bild dieser Entzündungsherde gleich- 
vollkommen den vonChiari bei acquirirtcr Lues geschilderten Er¬ 
scheinungen von produktiver Mesaortitis. Der Befund dieser 
Aortenverändernngen bei congenitaler Syphilis spricht daher auch 
dafür, dass die Chiarische „Mesaortitis productiva“ als eine Er¬ 
scheinungsform syphilitischer Erkrankung in der Aorta anzusehn sei. 

4. Finder, Berlin: Praktische ürgebiÜBse aus dem Gebiete 
der Ehino-Laryngologie. 

Verf. behandelt ausführlich die Frage nach der chirurgischen 
Behandlung der Kehlkopftuberkulose. Man ist heute nicht mehr 
berechtigt, die Larynxtuberkulose als eine unheilbare Erkrankung 
im Allgemeinen zu bezeichnen. Man braucht auch nicht einem 
blinden Optimismus zu huldigen, aber man wird die grossen Er¬ 
folge einer chirurgischen Behandlung in einer Reihe von Fällen 
nicht bestreiten können. Drei Punkte kommen für die chirur¬ 
gische Therapie in Beträcht. Die lokale Ausbreitung des tuber¬ 
kulösen Prozesses. Hiervon hängt naturgemäß ganz wesentlich 
der Erfolg eines Eingriffes ab. Ist der Prozess umschrieben lo¬ 
kalisiert, dann kann man wohl darauf rechnen, denselben zur 
Ausheilung zu bringen, ist dagegen das ganze Innere des Larynx 
von einer geschwürigen und zerfallenen Masse erfüllt, geht der 
deletäre Prozess in die Tiefe, dann ist eine Heilung so gut wie 
ausgeschlossen und die Therapie wird sich auf die Beseitigung 
des quälenden Symptoms der Dysphagie beschränken. Der zweite 
Punkt betrifft den AUgemeinzustand des Patienten. Man war 
früher der Ansicht, dass ein ausgedehnter und fortgeschrittener 
Lungenprozess eine Kontraindikation gegen jeden chirurgischen 
Eingriff am Larynx bilde. Heute huldigt man dieser Anschauung 
nicht mehr. Ganz überraschend kommen Ausheilungen auch bei 
vorgeschrittener Phthisis pulmonum vor. Jedenfalls wird die 
Hebung des Allgemeinbefindens ein wichtiges Unterstützungsmittel 
darstellen und die klimatische Therapie dürfte dabei eine bedeut¬ 
same Rolle spielen. Schliesslich kommt für den Ausfall der chi¬ 
rurgischen Larynxbehandlung die schwer zu definierende ganz in¬ 
dividuelle Heilungstendenz in Betracht. 

Die Verwendung des frühzeitigen Luftröhrenscbnittes wird 
nicht von allen Forschem empfohlen. 

Die Larynxfissur ist ebenfalls kaum als wesentliche Operation zu 
nennen. Von der Totalexstirpation hat man allgemein Abstand 
genommen. Es bleibt die scharfe Zange und Curette. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. s. 

1. Kreibich, Wien: Zur ätiologischen Therapie der Sy¬ 
philis (Kraus-Spitzer), Spirochaetenbefunde. 

Verf. hat sich zur Aufgabe gestellt, den von Kraus und 
spitzer vorgeschlagenen therapeutischen Versuch zu kontrollieren, 
welcher darin besteht, Syphilitiker im Stadium der zweiten In¬ 
kubation mit Sklerosenaufschwemmung zu behandeln. Diese Ver¬ 
suche haben ein negatives Resultat insofern gehabt, als in fünf 
Fällen der Ausbruch sekundärer Symptome nidit verhindert werden 
konnte. 

Was die Untersuchung der Präparate auf Spirocbaeten an¬ 
langt, so hat der Verf. von den bisher üblichen Färbemethoden 
nur unsichere Resultate gehabt, dagegen bewährt sich ihm die 
Untersuchung der nativen Präparate sehr, welche auf folgende 
einfache Weise gewonnen worden. Eine in die Pinzette geklemmte 
Papel wird mit dem Spray vereist, dann abgetragen und auf 
dem Objektträger mit einem Tropfen physiol. Kochsalzlösung zer¬ 
zupft. Nach Entfernung der grösseren Gewebspartieen wird das 
Deckglas aufgelegt und eventuell mit Paraffin umrandet. Die 
Spirocbaeten sind bei ihrer ununterbrochenen bis zu zwei Stunden 
anhaltenden Eigenbewegung bei einiger Uebung sehr gut zu 
sehen und kaum zu übersehen. Verf. empfiehlt daher gegenüber 
allen gefärbten Präparaten für klinisch-diagnostische Zwecke die 
Untersuchung der nativen Präparate. 

2. Frommer-Wien: üeber die Biersoke Stannng mit be¬ 
sonderer Berttoksioktignng der postoperativen Bekandlnng nnd 
der Altersgangrän. 


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MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr, 10. 


Nach einem kurzen Ueberblick über den Inhalt der bekannten 
gro&sen Monographie Biere Uber Hyperämie als Heilmittel teilt 
Verfasser seine Erfahrungen mit, welche er anf der chirurgischen 
Abteilung des St. Lazarus-Spitals in Krakau mit der Stauungs¬ 
hyperämie gemacht hat. Er hat dieselbe bei Knochen- und Qelenks- 
tuberkulose in 42 Fällen, bei Entzündung des Knochenmark in 
11 Fällen, bei der Nachbehandlung nach Sepuestrotomieen in 8 
Fällen, bei Mastoiditis in 3 Fällen angewendet. Ausserdem berichtet 
er über 5 Fälle von Nacbbehandlnng nach Trepanation des Frozessus 
mastoideus und 24 Fälle von eitriger Gelenks-Unterhaut- und Sehnen¬ 
entzündung und über 5 Fälle von Gangraena praecox et senilis. 
In sämtlichen aufgeführten Fällen konnte Verfasser mehr oder 
weniger erheblichen aber immer deutlichen günstigen Einfluss der 
Stauungshyperämie konstatierten. Besonders betont wird das schnelle 
Schwinden der Schmerzhaftigkeit und die Ankürzung der Heüungs- 
dauer. Da wo Stauung direkt nicht anzuwenden möglich ist, kommt 
mit Vorteil die von Bier empfohlene Saugung in Betracht. Nach 
den Veröffentlichungen des Verfassers scheint das Biersche Ver¬ 
fahren bestimmt zu sein, in der Chirurgie eine souveräne Rolle zu 
spielen. 


Vermischtes. 

Berlin. Während die Rettung Ertrunkener aus Seenot durch 
die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit ausser¬ 
ordentlichem Erfolge seit Jahren betrieben wird und im ganzen 
Lande die Rettungseinrichtungen, wie sich aus dem jüngst er¬ 
schienenen Berichte des Zentral-Komitees für das Rettungswesen 
in Preussen ergibt, in den letzten Jahren in hohem Maße gefördert 
worden sind, fehlte es bislang an den Binnengewässern und Küsten 
insbesondere auch io Seebadeorten an einer ausreichenden Ge¬ 
staltung der ersten Hilfe. Diese Lücke auszufüllen, hat sich am 
17. Februar eine Zentralstelle für das Rettungswesen 
an Binnen- und Küstengewässern unter Vorsitz des Herrn 
Ministerialdirektors Dr. Förster, dessen Interesse und Mitwirken 
in erster Linie zum Zustandekommen der Zentralstelle beigetragen 
hat, im Kultusministerium konstituiert. Anwesend waren als Ver¬ 
treter des Kultusministeriums die Herren; Ministerialdirektor Dr. 
Förster, Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Schraidtmann, Geh. 
Ob.-Med.-Rat Dr. Dietrich, Geh. Reg.-Rat Dr. Eilsberger, 
Geh. San.-RatDr. Aschenboru, für das Ministerium für Landwirt- 
schaftGeh. Reg.-Rat Frhr. v. Falkenhausen, für das Ministerium 
für üffentl. Arbeiten Geh. Oberbaurat Höffgen. Der Herr Minister 
des Innern batte sein Interesse für die in Aussicht genommene 
Zentralstelle in entgegenkommendster Weise kundgegeben., Für 
das Kaiserliche Gesundheitsamt war Reg.-Rat Dr. Breger, für 
das Polizeipräsidium in Berlin Reg.-Rat v. Scheemann und 
Polizeimajor Barckow, für die Stadt Berlin Stadtrat Geh.-Rat 
Dr. Strassmann, für die Stadt Spandau Bürgermeister Wolf, 
für das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz 
Oberstabsarzt Dr. Kimmle, für die Rettung.sgesellschaft der 
Wassersportvereine von Berlin und Umgegend die Herren 
Hartung, Max Jordan, Prof. Dr. George Mey er. Für die 
Rettungsgesellschaft für die Gewässer von Spandau und Umgegend 
Med.-Rat Dr. Jaenicke und Lehrer Witte erschienen. 

Der vorgelegte Satzungsentwurf wurde angenommen und die 
Vorbereitung der weiteren Tätigkeit nach einem entsprechenden 
Vortrage des Herrn Prof. Dr. George Meyer dem Vorstande 
übertragen, in welchen folgende Herren gewählt worden sind. 
Zu Vorsitzenden die Herren Ministerialdirektor Dr. Förster, 
Gebeimräte Dr. Dietrich und Höffgen, zu Sohriftführeru die 
Herren Prof. Dr. George Mey er und Oberbürgermeister Koeltze 
(Spandau), zu Schatzmeistern die Herren Max Jordan und 
Ernst Hartung. Ausserdem gehören dem Vorstande an die 
Herren Geh. Rat v. Falkenhansen und Reg.-Räte Dr. Breger 
und V. Schumann. 

Borlin. Anf Anregung des Zentralkomitees für das 
Rettungswesen in Preussen war von den Deutschen Bundes¬ 
regierungen eine Umfrage über den Stand des Rettimgs- und 


Krankenbeförderungswesens veranlasst worden. Der Bericht über 
diese Umfrage ist jetzt fertiggestellt und wird dem Zentml- 
Komitee für das Rettungswesen in Preussen als Grundlage seiner 
weiteren Arl)eiten dienen. In der denmächst stattfindenden 
Generalversammlung des Zentral-Komitees wird der Bericht vor- 
gelegt werden. Es sollen ferner wichtige Beschlüsse bezüglich 
Organisation des Rettungswesens uud über den weiteren Arbeits¬ 
plan des Zentral-Komitees gefasst werden. 

Berlin. Die Anmeldungen zu der von der Hamburg-Amerika- 
Linie geplanten Fahrt mit der Oceana zum internationalen Kongress 
in Lissabon laufen so zahlreich ein, dass deren Zustandekommen 
völlig gesichert ist; es empfiehlt sich, etwaige weitere Meldungen 
baldigst zu bewirken, da wenigstens die be-sseren Plätze demnächst 
vergriffen sein dürften. (Anfragen sind an das Reisebureau der 
Hamburg-Amerika-Linie, vorm. Carl Stangen’s Reisebureau, Berlin, 
Unter den Linden 8, zu richten.) 


Hochschulnachrichten. 

Berlin. Dr. Schilling ist zum I»eiter der Abteilung für 
Tropenhygiene and Tropenkrankbeiten beim Institut für Infek¬ 
tionskrankheiten ernannt. 

Breslau, Priv.-Doz. Dr. P. Schröder ist zum Oberarzt an 
der psychiatrischen und Nervenklinik ernannt. 

Köln. Bei der Akademie sind für das gynäkologische Ordi¬ 
nariat vorgeschlagen: Priv.-Doz. Dr. Füth (Leipzig) und Priv.- 
Doz. Dr. Jung (Greifswald); für das otiatrische Ordinariat: a. o. 
Prof. Denker (Erlangen); a. o. Prof. Dr. Hinsberg (Breslau); 
Priv.rDoz. Dr. Hegener (Heidelberg). 

München. Prof. Dr. Pfaundler in Graz hat eine Be¬ 
rufung auf den Lehrstuhl der Kinderheilkunde erhalten. 


DIodIb ln der Aagentaellknnde. 

Heu(e wild cs wohl kaum einen, die Augcnhoilkunde ausUbondcu 
Arzt geben, welcher das Dionin entbehren möchte, so leitet JuliasBucsänyi 
seine Abhandlim^ ,Ueber die Verwendung: des Dionins in der 
Äugonheilkuiide“ (ßudapesti Orvosi Ujsäg 19 (j 4, Nr. 30) ein. Eingefübrt 
von Wolffborgs wurden des Dionins Indikationen von vielen Autoren er¬ 
weitert und namentlich von Qräfo. Derselbo empfiehlt Dionin: 1. boi ver¬ 
schiedenen Cornea-Trübungen, aus^^enominen die durch Trachom verursachten: 
2. bei trockenen, chronischen Bmdcbaiitentzündungen; 3. bei Iritis and 
Iridouyclitis, zugleich mit Atropin. Buesänji verwendete Dionin in der 
Ambulanz des .'^t. Johannesspitales in Budapest zunächst bei skropulOsen, 
Ijinpliätischen Individuen, welche von Jahr zu Jahr an Keratitis pblyctenosa 
litten, und wendete es dann überhaupt boi allen den Augenkrankheiten an, 
welche auf mangelhafter, schlechter Ernährung und auf träger Säfte- 
Zirkulation basieren. Die weiteren Atiwendnngsgcbiete stellt Erich 
Spengler (Zeitschrift für Augonhoilkunde, Hd. XII) in soinom ausführlichen 
bammelrct'orato die Verwendung neuerer Arzneimittel in der Augenboilkundo 
betreffend zusammen, es gehören dazu nicht weniger als 4(j Literaturangaben. 
Vor allem wird noch die schmerzstillende, ticfreichende Wirkung des Dionins bei 
örtlicberBoliandlung hervotgehoben. Diesem Einfiusso unterliegen alle schmerz¬ 
haften Entzündungen des vorderen Bulhusabschnittes und GlaukoBi,'und zwar 
hauptsächlich das hämorrhagische Glaukom. Dtonin beseitigt häufig Licht¬ 
scheu und Blepharospasmus; und schliesslich unterstützt Dionin die Atropin¬ 
wirkung. Ob Dionin eine resorbierende, aufhellende, in vivo antiseptische, 
beilungsbefördemdo Wirksamkeit entfaltet, d. b. den Krankhoitsprozess 
selbst beeinflusst, wie dies theoretisch ja einleuchtet, ist noch keineswegs 
festgestellt sagt Spengler weiter. Die Mehrzahl der Autoren verhält sich 
gegen Verwendung des Dionins bei frischen Bauthomverietzungen, bei 
Operationen (Starausziebung) und perforierenden Bulbuswanden ablehnend. 
Aber eine Schädigung des unverletzten Auges durch Dioningebrauch ist 
bislang nicht bekannt geworden. Luniewskis Beobachtung einer Blutung 
in Maculanäho steht vereinzelt da. Das Dionin kann entweder als Substanz 
oder in Salbe angewendet worden. Am besten ist nach Buosänyi folgendes 
Anwendungsverfahren: Ein knotiges Glasstäbcben taucht man in eine Prä¬ 
zipitat- oder Atropinsalbe, nimmt damit ein birsengrosses Dionin-Pulver- 
klümpcben auf und streicht dasselbe auf das betreffende Augenlid auf. Zu 
üinpfchlcn ist, besonders in Fällen, wo Atropinanwendung von nöten, die 


folgende Formel: 

Ilp. Dionin.2,0 

Atropin sulf..0,04 

Vaselini flavi.4,0 


Mf. ungu. Ds. Dionin-Augensalbo. 

Da die Wirkung des Dionins eine sehr vehemente ist und oft ein 
beträchtliches Oedem verursacht, soll die Anwendung desselben stets unter 
ärztlicher Kontrolle erfolgen; auch ist es ratsam, den Kranken auf die Art 
dor Wirkung vorher aufmerksam zu machen. A. R. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. BS, KurCarstenscr. 01. — Verla« ton Carl Marhold. Halle a S, 
Druck ton der Heynemano'tcheti Buchdruciterei, Gebr WotlT, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 

R. Kobert, M. Koeppeo. K. Partocb, H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berliir. Hannover. 

H. Unverricht, A. Vossias, 

Magdeburg. Giessen. 


VU. Jahrgang^. 12. März 1906. Nr. 11. 


Die ,Med i c inische Woche* erscheint jeden Montag mit der HtSglgen Beilage BHllICOlOglSChC Cciltralzcltungy Organ des'Allgemeinen Deutschen 
BSderverbandes, des SchwarzwaldbBdertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne 
Nu mme r 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Redaktion: 

Berlin W.629 KnrlArstenetmsie 81* 

Dr. P. Meißner. 


Deatschmann, A. Dfihrssen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg I. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Herausgegeben von 


Verlag und Expedition 

Carl Mnrliold in Halle a. Sn UUaiidstnitee 6. 

TeL-Adr.: Maiiiold Vertag Haliesaale. Pems]»echer 2834. 



Orlginalien. 

Das Kaiserin Friedricli-Haus 
für das ärztliche Fortbildungswesen. 

Von Dr. P. Meissner, Berlin. 

Am 1. März wurde im Beisein des Kaiserpaares, der 
Grossherzogin von Baden und vieler Prinzen und Prinzessinnen 
des kaiserlichen Hauses in der feierlichsten Weise das Kaiserin 
Friedric-h Haus für das ärztliche Fortbildungswesen eröffnet. 

So unbedeutend manchem 
Kollegen die Tatsache erschei¬ 
nen mag, dass dieses aus pri¬ 
vaten h£itteln errichtete Haus 
vollendet und seiner Bestim¬ 
mung übergeben worden ist, 
so bedeutungsvoll ist in Wirk¬ 
lichkeit dieser Tag für die 
deutsche Aerzteschaft gewesen. 

Fünf Jahre sind es her, dass 
sich auf Anregung des König¬ 
lichen Kultusministeriums ein 
Komitee bildete, welches sich 
zur Aufgabe setzte, die Fort¬ 
bildung der praktischen Aerzto 
in geeignete Bahnen zu lenken 
und Mittel und Wege bereit zu 
stellen und zu finden, mittest 
deren es gelänge, dem im Ge¬ 
triebe der Praxis stehenden 
Kollegen jeweils die neuen Er¬ 
rungenschaften seiner Wissen¬ 
schaft unter möglichster Wah¬ 
rung seiner persönlichen Be¬ 
quemlichkeit und unter Vermeidung materieller Opfer zu ver¬ 
schaffen. 

Die von Tag zu Tag unaufhaltsam fortschreitende raedi- 
ciniache Forschung, welche im Verein mit den anderen Natur¬ 
wissenschaften und den Fortschritten der Technik tagtäglich 
neue Gebiete eröffnet, lassen es unmöglich erscheinen, dass ein 
Arzt mit dem von ihm staaüicherseits verlangten und durch 
die Approbation abgeschlossenen Studium sich genügen lässt. 
Die Ausbildung der Studenten der Medicin spitzt sich lediglich 
darauf zu, die unumgänglich nötige Basis und das medicinische 
Verständnis herzurichten, auf Grund dessen der praktische 
Arzt sich später an der Hand der Erfahrungen weiter und 
weiter aaszubilden vermag. Jedoch selbst die grösste Praxis, 
das reichste Material können heute nicht genügen, um den 
praktischen Arzt ganz auf der Höhe seines Könnens zu halten. 
Ist es doch selbst dem im akademischen Leben stehenden 


Kliniker nur schwer möglich, allen Sonderdisziplinen und ihren 
Errungenschaften zu folgen. 

Es war daher ein aus der Entwicklung der Medicin mit 
Notwendigkeit sich ergebener Gedanke auch für den praktischen 
Arzt eine dauernde Stätte der Unterweisung und Fortbildung 
zu schaffen, die ein Analogon darstellen sollte für das, was die 
Universität dem Studenten bot. 

Die praktische Ausführung dieses Planes bot naturgemäss 
eine Reine von Schwierigkeiten, die ohne eine hochanzu- 
erkennende Opferfreudigkeit der Kollegen kaum hätte über¬ 
wunden werden können. Das wichtigste Moment lag darin, 
dass der praktische Arzt, welcher das Bestreben sich fortzu¬ 
bilden hat, nur selten in der Lage sein wird, seinen Wohnort 

zu verlassen, um an irgend 
einer Universität oder in den 
Krankenhäusern einer gi'össe- 
ren Stadt den gewünschten 
Fortbildungsunterricht zu ge- 
niessen. Es existieren derarti¬ 
ge Ferien-FortbilduDgskurse be¬ 
reits, aber es haftete ihnen der 
Maugol an, dass eben eine 
Reise notwendig war, um sich 
an den Ort des Unterrichts zu 
begeben und dass damit neben 
dem Zeitverlust auch relativ 
hohe materielle Opfer von den 
Kollegen verlangt wurden. So 
lag denn von vomherein der 
Plan vor, diese Vortragszyklen 
möglichst an den einzelnen Or¬ 
ten. kleineren Städten usw. zu 
arrangieren, um dem prakti¬ 
schen Arzt ohne Lokomotion 
Gelegenheit zu geben, in den 
Stunden, welche ihm die Praxis 
freilässt, den Unterricht zu ge¬ 
messen. Langsam aber zielbewusst ist diese Organisation fort¬ 
geschritten und heute blickt das Zentral-Komitee für das ärzt¬ 
liche Fortbildungswesen in Preussen auf eine stattliche Reihe 
von Lokal-Vereinigungen, die auch ausserhalb Preussens auf 
seine Anregung hin entstanden sind und die sich die Installie¬ 
rung von Aerztekursen zur Aufgabe stellen. 

Doch nicht genug damit, auch die materiellen Opfer sollten 
auf ein Minimum beschränkt, ja womöglich ganz vermieden 
werden und so muss man es in aller dankbarster Weise aner¬ 
kennen, dass alle diejen^en, welche sich dem Zentralkomitee 
zum Unterricht für die Fortbildungskurse zur Verfügung ge¬ 
stellt haben, es als eine Ehrenpflicht betrachten, diese Arbeit 
für die Kollegen unentgeltlich zu leisten. 

Jedoch mit diesen beiden gewiss ungemein wichtigen Fak¬ 
toren war noch nicht alles getan. Der Unterricht, zumal zur 
Fortbildung der praktischen Aerzte kann einer der wichtigsten 



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118 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 11. 


Mittel niclit entrateu, and das ist die Demonstration. Es ist 
nun durchaus begreiflich, dass Demonstrationsobjekte aller Art, 
Tafeln, Photographieen, mikroskopische, anatomische Präparate, 
Apparate, Instrumente und dergleichen nicht an jedem Ort in 
geeigneter und genügender h^nge vorhanden sein können, 
um die Fortbildungsdemonstrations-Vorträge in gewünschter 
Weise zu ermöglichen und so erwuchs dem Zentral Komitee in 
zweiter Linie die Aufgabe ein Arsenal zu schaffen, aus welchem 
der ganze wichtige Apparat der Demonstrationsobjekte den 
einzemen Vortragenden leihweise zur Verfügung gestellt werden 
kann. Dieses Arsenal unter der Bezeichnung „Staatliche 
Sammlung ärztlicher Lehrmittel“ wurde im Anschluss an eine 
im Frühjahr 1902 veranstaltete Ausstellung ärztlicher Lehr¬ 
mittel b^ündet. Das, dank der Munificenz der Behörden 
und der Kollegen, schnelle Anwachsen dieser Sammlung sowie 
das immer mehr und mehr gebieterisch sich fühlbar machende 
Bedürfnis die imm erhin schwierige Zentralisation der Organi¬ 
sation, wie sie das Zentral-Komitee vorzunehmen hatte auch in 
geeigneten, die nötige Ausbreitung ermöglichenden Räumen 
unterzubringen war aer Anstoss zu dem Plan für dieses Zen- 
tral-Komite und seine Bestrebungen ein geeignetes Heim zu 
errichten. 

Ein pietätvoller Gedanke war es, diesem Heim den Namen 
derjenigen Frau zu geben, welche in schwerer Krankheit, 
duldend und hoffnungslos darniederliegend bis znm letzten 
Augenblick das in ihrem Leben so oft betätigte Interesse für 
die Wissenschaft, insbesondere für die Medicin wahrend, den 
Wunsch ausgesprochen hatte, die Fortbildung der Aerzte im 
Interesse der leidenden Menschheit zu iurderu. Die Kaiserin 
Friedrich, jene hochdenkende, der Wissenschaft zugeneigte Frau 
muss als eigentliche Schöpferin des ärztlichen Fortbildungs¬ 
wesens angesehen werden. 

Am 2. März 1903 wurde der Vorsitzende des Zentral- 
Komites für das ärzliche Fortbildungswesen in Preussen von 
Sr. Majestät dem Kaiser empfangen und es war ihm vergönnt, 
den Plan für die Gründung des Kaiserin-Friedrich-Hauses vor¬ 
zulegen und die Zustimmung des Monarchen zu demselben zu 
erhalten. Diese Zustimmung fand in einem an Herrn von 
Bergmann gerichteten Kabinet-Schreiben nochmaligen Ausdruck ' 
und eingehende Begründung. Im Anschluss an diese für das 
ganze Unternehmen so ungemein wichtige huldvolle Interesse- 
n^me des Kaisers erfolgte am 7. März 1903 die konstituierende 
Sitzung des vorbereitenden Ausschusses zur Begründung des 
Kaisenn-Friedrich-Hauses. 


Feuilleton. 

Über Verhütung der Tuberkulose 
(Schwindsucht). 

Von Proi Dr. F. Kraus-Berlin. 

(Fortsetzang.) 

Wie es aber, wenigstens grundsätzlich, gar nicht not¬ 
wendig ist, dass die Kranken amtlich bekannt sind, damit für 
sie und ihre Umgebung das Notwendige geschehe, greift schon 
hier die Famlienfürsorge human und wirksam ein. An Stelle 
der nur beschränkt durchführbaren gesetzlichen Anzeigepflicht 
ist auf Grund der hymenischen Belelirung und Erziehung dos 
Volkes (Schule, Ausbildung des ärztlichen Hilfspersonals, Mit¬ 
wirkung der Vorgesetzten beim Militär, der Beamten bei den 
Verkehrsanstalten) die freiwillige Meldung der Kranken gerade 
schon in den nichtinfektiösen Frühstadien des Leidens, mit 
welcher keine Beschränkung der Freiheit, sondern Vorteile für 
den Einzelnen und die Familie verbunden werden müssen, 
und das Aufsuchen der Kranken durch ärztlich geschulte Vor- 
trauenspersonen zu setzen. Die Zentralstätten für diese Art 
der Ermittlung würden die Fürsorgestätten (Dispensaires), bezw. 
auch die (am besten in solche umgewandelten) Polikliniken 
für Lungenkranke bilden. Ärzte und ärztliches Hilfspersonal, 
vor allem die hierzu besonders geschulte Schwester über- 


In nie geahntem Tempo wurde aus privaten Mitteln von 
hochherzigen Gönnern die Summe zusammengebracht, die es 
ermöglichte, den Plan ins Werk zu setzen. Innerhalb 3 Monate 
war eine Summe von über 1 Million Mark zusammengekommen, 
sodass mit den Plänen und dem Bau begonnen weriten konnte. 
Dank der eifrigen Bemühungen des Kuratoriums ist das Kaiserin- 
Friedrich-Haus innerhalb 2*/, Jahren erstanden und fertig ge¬ 
stellt worden. 

Das Haus, von Baurat Ihne errichtet, bietet eine grosse 
Reihe von Räumen dar, die den verschiedensten Zwecken 
dienen sollen. Zunächst sind für Bureaus und Verwaltungs¬ 
räume reichlich Zimmer vorhanden, sodann ist eine Anzahl 
von Sälen bereitgestellt, welche der Dauerausstellung der 
Technik der chemischen Industrie etc. dienen und welche den 
in Berlin das Kaiserin-Friedrich-Haus besuchenden Aerzten 
Gelegenheit geben, sich über die neuesten Fortschritte auf den 

g enannten Gebieten durch den Augenschein zu überzeugen. 

1 demselben Erdgeschoss, in dem sich diese Räume beflnden, 
ist der Packraum und Versandraum für die Objekte der ärzt¬ 
lichen Lehrmittel-Sammlung. 

Das Obergeschoss enthält ein prachtvoll eingerichtetes 
Lesezimmer, das Zimmer des Direktors, wiederum Räume für 
Dauerausstellungen, Bureaus und einen mehrere 100 Plätze 
enthaltenden amphitheatralisch durch zwei Stockwerke reichen¬ 
den Hörsal. 


Das zweite Obergeschoss bietet die Haupträume für die 
Staatliche Sammlung ärztlicher Lehrmittel dar, während das 
dritte Obergeschoss ein Röntgen-Laboratorium, ein Atelier für 
wissenschaftliche Photographie, Kurssäle für klinische Chemie 
und Mikroskopie, Bakteriologie und eTOerimentelle Therapie 
enthalten. Die Räume sind sämtlich in der splendidesten Weise 
mit den modernsten Einrichtungen versehen und können als 
mustergiltig bezeichnet werden. 


Es ist ein Bau geschaffen, wie er wohl selten in so ein¬ 
heitlicher schöner und den beabsichtigten Zwecken entsprechen¬ 
der Weise errichtet worden ist. Das Kaiserin-Friedrich-Haus 
ist ein Haus der deutschen Aerzte geworden und in seiner Art 
wohl ein Unikum auf der ganzen W^lt. In ihm laufen all die 
Fäden zusammen, welche den grosJ»^ und ausgebreiteten 
Apparat des ärztlichen Fortbildungswesl?^ dirigieren und in 
Tätigkeit setzen. Für jeden nach der Hau^tadt kommenden 
Arzt wird der Besuch des Kai 8 erin-Friedrich-HiN ||08 eine reiche 
Fülle der Anregung bieten und jeder Arzt wird s\b mit Freude 
davon überzeugen, dass hier zum ersten Male fü^den prak- 


wachen und besuchen die Familien der bereits geiiN^et©»! 
Patienten, die Kinder in den Schulen, die Arbeiterschaft^ 
den Werkstätten, die Soldaten in der Armee usw. So wer*?®*^ 
alle Gelegenheiten geprüft, bei denen Menschengruppen i'®" 
ständig oder doch längere Zeit in geschlossenen Räumen eAS 
verkehren, stets in der Absicht der Belehrung, Erziehung 
zugleich und hauptsächlich der Verwertung hygienischer, eve^’ 
tuell auch ärztlich-therapeutischer Vorteile. Solche Beratun** ''“ 
stellen für Tuberkulöse sind ferner auch das beste Mittel für 
Klassifizierung der Kranken bezüglich der Zuweisung derselbe 
an Heilstätten, Krankenhäuser, Erholungsstätten usw. Zwische. 
den Tuberkulosestationen, den Krankenhäusern, den SpeziaJan 
staken für die Behandlung Tuberkulöser, den ErholungsstätteiiL 
und diesen üntersuchungsstellen wird also eine innige Verbin-I 
duDg herzustellen sein. 1 

Die Erblichkeitsfrage der Tuberkulose, welche sich heut- \ 
zutage im wesentlichen wohl nicht mehr auf die Rankheit \ 
selbst, sondern bloss auf die Disposition zur Krankheit bezieht, I 
führt zu dem Gesichtspunkte eines etwaigen HeiratsVerbotes 1 
tuberkulöser oder tuberkuloseverdächtiger Personen als Vor¬ 
beugungsmaßregel, ähnlich wie dies auch für die Geisteskrank¬ 
heiten und die Trunksucht erwogen worden ist. Ganz abge¬ 
sehen davon, dass die Vererbungsgesetze noch keineswegs im 
einzelnen so feststehen, dass auf ihrer Grundlage jemand die 
Verantwortung für eine so tief einschneidende gesetzliche oder 
gar polizeiliche Maßregel übernehmen könnte, wird trotz aller 
Eheverbote die aussereheliche Betätigung des doch einmal in 




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im ' 


MBDICINISCHB WOCHE. 


119 


tischen Arzt etwas Grosses und Bedeutendes geschaffen 
worden ist. 

Die Einweihung des Hauses fand in der feierlichsten Weise 
statt und wurde zu einem historischen Momente, weil der 
Kaiser wohl zum ersten Male bei einer rein die Aerzte be¬ 
treffenden Gelegenheit das Wort ergriff und der Befriedigung 
Ausdruck verlieh, dass dieses Werk, zu Ehren des Gedächt¬ 
nisses der verstorbenen Kaiserin Friedrich zum Wohle des 
Volkes und zum Nutzen der Aerzte erstanden sei und dass er 
diesen Tag als besonders bedeutsam ansähe, weil an ihm deut¬ 
lich zum Ausdruck käme, wie sehr der Herrscher im Interesse 
des Volkes mit den Aerzten Hand in Hand gehen müsse. 

Dass auch das Kaiserin-Friedrich-Haus, seine Begründung, 
genau so wie die Tätigkeit des Zentral-Komitees für das ärzt¬ 
liche Fortbildungswesen falscher Beurteilung nicht entgehen 
wird, ist wohl selbstverständlich. So bedauerlich eine un¬ 
richtige Kritik auch sein mag, so begreiflich ist sie wohl, wenn 
man bedenkt, dass die draussen im Lande lebenden Kollegen 
ohne eingehendes Studium der Materie kaum die Bedeutung 
dieser Gründung in ihrem ganzen Umfange ermessen werden. 

Mit der Gründung des Kaiserin-Friedrich-Hauses ist im 
staatlichen Leben des deutschen Reiches den Aerzten eine 
wissenschaftliche Hochburg erstanden, die unter der speziellen 
huldvollen Anteilnahme des Kaisers als der Zentralpunkt alles 
dessen aufgefasst werden muss, was zur Hebung des ärztlichen 
Standes geschehen kann. Denn trotz aller Standesvereine, 
Ehrengenchte, wirtschaftlicher Verbände u. a. m. wird man 
niemals leugnen können, dass der wahre Schild zum Kampfe 
gegen die Widersacher für die Aerzte nur die Wissenschaft ist 
und wenn alle Aerzte über den Gedanken sich klar sind, dass 
Können Macht bedeutet, dann werden sie auch diese Gründung 
in ihrer ganzen Bedeutung zu würdigen wissen. 

Neben dem tätigen und opferfreudigen Wirken der Stifter 
und der Mitglieder des Kuratoriums des Kaiserin-Friedrich- 
Hauses muss auch desjenigen gedacht werden, der mit uner¬ 
müdlichem Eifer das Werk zur schnellen Vollendung geführt 
hat und mit Aufopferung von Zeit und Arbeit alles getan hat, 
um den Plan der Stifter zu einem erfolgreichen Ende zu führen 
und das ist der zum Direktor des Kaiserin-Friedrich-Hauses 
ernannte Kollege R. Kutner. 


Belloform — ein neues Antiseptikum. 

Yon Dr. C. Spann, prakt Arzt in Kaltennordheim. 

Wenn auch an Antisepticis wahrlich kein Mangel ist, so 
ist doch ein neues Desinficiens beachtenswert, das me Theer- 
rodukte-Fabrik „Biebrich“ unter dem Namen „Belloform“ in 
en Handel brin^. 

Nach den Angaben der Fabrik ist Belloform ein Konden¬ 
sationsprodukt von hochsiedenden, kresolarmen Kohlenwasser¬ 
stoffen mit Formaldehyd durch Oeleinsaponierung in wasserlös¬ 
liche Form gebracht. 

Verschiedene bakteriologische Versuche haben ergeben, 
dass Belloform dem Lysol, Creolin und Lysoform an desin¬ 
fizierender Wirkung überlegen ist. So werden durch 1®/^ 
wässerige Lösungen Typhusbazillen in 5 Minuten, durch 3®/o 
Lösui^en Staphylococcen in 10 Minuten und Anthraxsporen 
in 6 Kunden abgetötet Ein grosser Vorteil des Belloform ist 
seine Reizlosigkeit und relative Ungiftigkeit, wie Distriktstierarzt 
Dr. Li^inger (Berliner Tierärztliche Wochenschrift, Nr. 806) 
durch Tierversuche festgestellt hat. Er gab Pferden und Rin¬ 
dern per os grössere Dosen von Belloform mit Erfolg als 
Anthelminthicum ein und wendete 3 ®/o Lösungen bei eitrigen 
Wunden an, ohne dass Ver^ftungserscheinungen von Seiten 
des Verdauungstraktus oder Reizerscheinungen an den Wund¬ 
stellen auftraten. 

Belloform ist eine kirschrote Flüssigkeit von nicht unan¬ 
genehmen Geruch, die sich leicht und durchsichtig klar in Wasser 
löst. Auch bei längerem Stehen an der Luft werden 2—3®/„ 
Lösungen nicht trübe oder wolkig wie z. B. Lösungen von 
Lysoform. Bilden sich dennoch Niederschläge in der Lösung, 
so rühren sie‘vom Kalkgehalt des verwendeten Wassers her, 
wodurch im Wasser unlösliche Kalkseifen sich bilden. Diese 
Niederscbl^e beeinträchtigen aber die desinfizierende Wirkung 
in keiner Weise und können durch den Gebrauch kalkfreien 
oder abgekochten Wassers ganz vermieden werden. 

In der Praxis empfehlen sich am besten 2 Lösungen, mit 
denen ich in der kleinen Chirurgie und in der Gynäkologie^ gute 
Erfolge erzielt habe. Frische Schnitt- und Stichwunden heilen 
unter einem feuchten Belloform-Verband. Bei Panaritien tritt 
die desodorisierende Wirkung des Belloform besonders hervor, 
während es an desinfizierender Wirksamkeit den übrigen Anti¬ 
septicis mindestens ebenbürtig ist 2—3®/^ Lösungen eignen 
sich vorzüglich zur Reinigung und Desinfektion der H^de, 
ohne dass ein Seifenzusatz nötig wäre. Dabei werden* die 


der Welt vorhandenen und erfahrungsgemäß gerade bei den Tuber¬ 
kulösen mächtigen Geschlechtstriebes nicht nur nicht beseitigt, 
sondern geradezu hervorgerufen werden. Auch hier wird man 
in der Praxis am besten die Familienfürsorge in den Vorder¬ 
grund stellen, sei es, dass der Hausarzt, sei es, dass die Or¬ 
gane der erwähnten Beratungsstellen als Ratgeber im Einzel¬ 
falle fungieren. Die Ehe schafft, wenn der eine von den Gatten 
tuberkulös ist, jedenfalls die günstigsten Bedingungen für die 
Übertragung der Krankheit, wenn tatsächlich eine solche auch 
wegen der individuell verschiedenen Empfänglichkeit öfter aus- 
bleibt Da aber die Zahl der sichergestellten Eheaasteckungen 
aus diesem Grunde viele Hunderte übersteigt, wird man gegen¬ 
über der Geschlechtsliebe, den materiellen Interessen oder dem 
Eigensinn fast immer die Eheschliessung mit einem bazillen¬ 
spuckenden Tuberkulösen widerraten. Wenigstens wer selbst 
erblich belastet ist, sollte eine solche Ehe bleiben lassen. 
Auch gefährdet manifeste oder latente Tuberkulose der Eltern 
die Nachkommenschaft. Die grösste Empfänglichkeit für die 
Tuberkulose besitzt unbestritten das Kindesalter. Wenn auch 
in jüngster Zeit bei der Infektion der Kinder die tuberkelhaltige 
Kuhmilch besonders angoschwärzt worden ist, kommt in eng- 
wohnenden tuberkulösen Familien doch vor allem die Selbst¬ 
impfung mit Tuberkelbazillen durch die (im bakteriologischen 
Sinn) beschmutzten Finger der in bazillenhaltigem Staub spie¬ 
lenden Kinder in gelegentlichen unscheinbaren Verletzungen 
an Mund, Nase, Haut usw., sowie das Einatmen der Kr ank - 
heitserreger in Betracht. 


Dies führt mich zu dem speziellen Gesichtspunkt der Be¬ 
kämpfung der latenten und manifesten Tuberkulose im Kindes¬ 
alter. Für die Kinder- wie für die Frauenfürsorge bietet unsere 
soziale Gesetzgebung leider keine günstige finanzielle Grundlage. 
Der Lage dieser Gesetzgebung und der bisherigen Entwicklung 
des Kampfes gegen die TuberKulose entsprechend, stellt das 16. 
Lebensjahr eine scharfbestimmte Grenze dar. Die Tuberkulose 
kümmert sich aber nicht um diese Versicherungsgrenze. Die 
Kranken vor diesem Alter bedürfen somit eines andern Rückhaltes 
als des bekannten § 16 des Invalidenversicherungsgesetzes. Bis¬ 
her hat der Bundesrat bereits seine Zustimmung zu einer er¬ 
weiterten Familienfürsorge insofern gegeben, als die Bestim¬ 
mungen des § 45 in allerdings recht beschränkter Weise auch 
die Fürsorge für die Angehörigen der Versicherten und speziell 
ihrer Kinder im Erkrankungsfalle gestatten. Aber über die 
versicherten Kreise hinaus, für die nichtversicherten Klassen 
des sogenannten Mittelstandes müssen die nötigen Maßnahmen 
leider ganz und gar auf die Wohlfahrtspflege basiert werden. 
Daraus erwächst für die nächste Zeit die Nötigung, wenigstens 
alle in Betracht kommenden gemeinnützigen Kräfte, öffentliche 
und private, auf Grund eines Gesamtschemas der Tuberkulose- 
bestrebungen systematisch zu organisieren, damit nicht mehr 
ausschliesslich die Heilstättenerrichtiing in den Vordergrund 
gestellt wird, sondern sowohl neue Vereine wie schon be¬ 
stehende Verbände die Tuberkuloseverhütung auch in betreff 
der Kinder zum Arbeitsprogramm machen. Von wesentlicher 
Bedeutung wird es dabei sein, dass alle diese Vereinigungen 


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V 



120 


MfiDICn^ISCHE WOOÄE. 


Nr. 11. 


Hände nicht angegriffen und bleiben selbst bei wocfaenlanger 
Anwendung des Mittels weich und geschmeidig. 

In der Gynäkologie sind Belloform-Lösungen vor allem zu 
Sc'heidenspülungen empfehlenswert, sei es das einfache katar¬ 
rhalische oder gonorrhoische Entzündungen in Vagina oder Cer¬ 
vix vorliegen. In einem unzweifelhafien Falle von gonorr¬ 
hoischem Cervix- und Seheidenkatarrh habe ich nach 14 Tagen 
eine bedeutende Besserung und völliges Verschwinden der 
eitrigen Sekretion eintreten sehen, nachdem Patientin sich täg¬ 
lich Scheidenspülungen mit 2'7o Belloformlosung gemacht hatte. 
Angenehm ist der Gebrauch von Belloform auch zum Einfuhren 
von Instrumenten, wie Uterussonden, Vaginal-Specula, da sie 
in den Lösungen einen seifenhaltigen üeberzug erhalten und 
sieh daher leicht einführeu lassen. Ueberhaupt ist die Aufbe¬ 
wahrung und Desinfektion von Instrumenten in Belloform- 
Lösungen angebracht, da sie lange darin liegen bleiben können, 
ohne dass sie oder die Vernickelung darunter leiden. 

Zum Schlüsse möchte ich noch einen Vorteil des Bello- 
form, der nicht zu-gering angeschlagen ist, anführen, nämlich 
seine Billigkeit. Es kostet in Literpackung pro Kilo 1,95 M., 
kommt jedoch auch in graduierten Flaschen von 100 und 200 
ccm zura Preise von 0,50 und 1,— M. in den Handel und ist 
also billiger als die meisten übrigen Antiseptica. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner Ophthalmologiache Gesellschaft* 

Sitzung vom 18. Januar 1906. 

Nagel; Apparat zur Prüfung des Liohtsinns (Ad- 
aptometer). 

Das Adaptometer, das dem gleichen Zwecke wie Pörster’s 
Photoptometer dient, gestattet eine viel umfangreichere Abstufung 
der Helligkeit. Förster hatte sich auf Auberts Angabe vex’- 
lassen, dass bei Dunkeladaptation die Unterscheidungsscbwelle nur 
85 mal kleiner werde als im Tageslicht. Nun haben aber Nagel 
und Piper nach langer Adaptation die Empfindlichkeit um das 
4—8000 fache steigen sehen. Demnach kann am Adaptometer 
die Helligkeit der als Leuchtobjekt verwendeten, durch Osmium¬ 
lampen von hinten belichteten Milchglasplatte sehr erheblich va¬ 
riiert werden (bis auf millionstel). Wenn in dem von Hein¬ 


um der Schwindsucht willen Niemanden der öffentlichen Armen¬ 
pflege anheimfallen las.scii. 

Da es sich vor allem um Kinderpflege und Kindererziehung 
handelt, möchte ich auch hier wiedoruiii die grosse Bedeutung 
der Farailienfürsorge betonen. Dieselbe bedfuikt gerade die 
Kinder intensiv. Die Fürsorgeabtoilung des Volksheilstätten¬ 
vereins vom roten Kreuz, deren ärztliche Aufgaben die zweite 
mcdicinischo Klinik und die Kinderklinik der Charite über¬ 
nommen haben, bis die von Herrn Pütter in Angriff genommene, 
ganz Berlin umfassende grosse Organisation vollständig ins 
Werk gesetzt sein wird, erwirkt für die schwächlichen und 
blutarmen Kinder in den ihr zuständigen tuberkulösen Familien, 
ancli wenn an ihnen selbst noch nichts Tuberkulöses sich 
nacliweisen lässt, einen 4 — 8 wöehentliclien Aufenthalt in einer 
Erholungsstütte oder eine Kur in der Ferienkolonie. Dasselbe 
geschieht mit Kindeni, welche, ohne sonst scliwächlich zu sein, 
au beginnendxM' Skrophulose leiden. Kinder mit ausgeprägter 
Lymphdrüs(uituberkulose werden, soweit dies möglich, der 
Kiiidcrheilstätte oder deren Sechospiz Norderney zugewiesen. 
Leider siiul die Erholungsstätten gewöhnlich nur von April bis 
September geöffnet. Bis zur Aufnahme in eine solche verabreicht 
iiKin an die Kinder wenigstens Milcli- und Volksküchenmarken. 
In dem Falle der Überweisung ei?icr tuberkulösen Mutter in 
eine Lungenheilstätte sucht das Bureau für eine geeignete 
Unterkunft d r Kinder in einer Krippe, in einer Kinderbewahran¬ 
stalt, in einer Spielschule oder dgl. zu sorgen. Auch die Waisen¬ 
verwaltung ist inren Bestrebungen entgegengekommen usw. usw. 


richsdorff begonnenem Sinne die Adaptation weiter nntersneht 
wird, dürfte der Apparat auch klinischen Wert erlangen. 

Nagel: Spektralapparat zu diagnostischen 
Zwecken. 

Der Apparat dient der Diagnose der Farbenblindheit und ist 
im Prinzip so wie Helmholtz bekannter Apparat gebaut, nur 
sind nicht allein rot und gelb, sondern auch Spektxalfarben als 
Verwechselungsfarben verwendet worden. Denn erfahrungsgemäß 
lernen auch Dichromaten allmühlich ihre Verwechselungsfarben in 
Pigmentfarben aus feinen Helligkeitsunterschieden differenzieren, 
was bei Spektralf'arben unmöglich ist. Aus 2 über einander stehen¬ 
den Spektren werden durch ein Zwillingsprisma 2 Felder einer- 
.seits mit spektralem „Gelb“ andererseits mit einem Gemisch von 
Grnn und Rot beleuchtet; aus den bei Herstellung der Farben¬ 
gleichung vom normalen sich ergebenden Differenzen werden sowohl 
die Dichromaten wie auch vor allem die anomalen Triebromaten 
entdeckt, die ja jetzt als „Farbensehwache“ zum Eisenbahndieust 
nicht zugela.ssen werden. 

Collin; Demonstration eines neuen elektrischen 
Perimeters zur Prüfung des Farbensinns. 

Die Perimetrie des Gesichtsfeldes für Farben was bisher wegen 
der geringen Sättigung und Helligkeit der Objekte ungenau, auch 
bei der Prüfung nach Holmgren wurden vielfach Farben-Anomale 
für nonnal gehalten, da die Objekte nicht nur in der Fovea sondern 
auch peripher perzipiert werden. C. konstruierte ein Schlitten- 
periineter mit leuchtendem Fixationsobjekte \ind leuchtenden PrÜ- 
fuogsobjekten (elektrisch beleuchtete bunte Glasscheiben). 

S. Michel: Demonstrationen (Lidadenom, Pinguecula; Naevi, 
Blepharocbala.sis). Kurt Steindorff. 


Verein für innere Mediein, 


Festsitzung zur Feier de.s 25. Stiftungsfestes. 19. II. 


Herr v, Leyden giebt einen Rückblick auf die Geschichte 
des Vereins, erinnert insbesondere an die Sammelforschung über 
Tuberkulose, welche die HeÜstättenbewegung einleitete. 

Herr Fürbringer macht statistische Mitteilungen. 

Herr Rothmann berichtet über verschiedene Ernennungen 
zu Ehren- resp. koi're.spondierenden Mitgliedern. 

Festvorträge: 

I. Herr A. FränkeliDieVerbreitungswegederTuber- 
kulose vom klinischen Standpunkt. 

3 Wege für die Entstehung der Tuberkulose nimmt man an: 
1. Hämatogene, 2. Lymphogene Infektion, 3. Inhalationsinfektion. 

Die hämatogene Infektion kann nur in utero Vorkommen durch 
Tuberkulose de Placenta. Schmorl konnte schon bei incipierter 
Phthise Herde in der Placenta nachweisen, durch die der foetus 
inficiert werden kann. 

Die lymphogene Entstehung wird besonders durch Behring 
in den Vordergrund gestellt. Willeminsky »Hueppes Schüler) 
glaubt, dass die Broncliialdrüsen eine Saramelstelle sind für die 
ge.samte Lymphe des Körpers und das nach Infektion der Bronchial¬ 
drüsen sodann durch die Blutbahn die Tuberkelbazillen in die 
Lunge gelangen. 2 Schüler Weichselbaums zeigten ein Tier- 
e.Yperiment, dass in Bronchialdrüsen die Tuberkulose lange Zeit 
im Latenzstadium sein kann. Für die lymphogene Entstehung 
sprechen besonders die Erhebungen der Kinderärzte, doch sind 
dahingehende Beobachtungen vom Vortr. auch bei Erwachsenen 
gemacht worden. Die Überzahl der Tuberkulose bei Erwachsenen 
entsteht durch Inhalation, die weitere Verbreitung in den meisten 
Fällen durch die Bronchialwege. Diese Aspirationstuberkulose zu 
behandeln, fehlen vorläufig alle Mittel, Nur bei der Gravidität 
kommt die vorzeitige Entbindung in Frage. Doch ist auch die.se3 
Mittel zweifelhaft. 

II. Herr Go Id sch e i d er: Üb er n aturgemäße Therapie. 

Die gegebene Krankenheilung ist diejenige, welche nur von 

der Natur gezeigt wird. Der natürliche Heilprozess besteht z. B. 
in der Selbstheilung der Infektionskrankheiten. Diesen Vorgang 
ahmt die Serumbehandlung nach durch active oder passive Immu¬ 
nisierung. Die Heilserumbehandlung ist aber nur ein Nutzbar¬ 
machen der natürlichen Vorgänge. Der Körper schafft sich selbst 
die Bekümpfungsmöglichkeit etwaiger Schädigungen. Dabei ist 
zweifellos überall eine folgerichtige Zweckmässigkeit zu erkennen, 


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im. 


MEDICIKISCHE WOCHE. 


121 


and 60 hat die teleologische Anschauung über die Schutzmass¬ 
nahmen des Körpers ihre volle Berechtiguug wie in normalen, so 
auch in pathologischen Zuständen. Redner weist das bei deu ein* 
seinen Erscheinungen nach. Der Selbsthilfe des Organismus aber 
sind Grenzen gezogen. Wir unterstützen die Selbsthilfe des Körpers 
durch unsere ärztliche Tätigkeit und so ist alle neue Therapie in 
letzter Sttmde eine naturgemässe. Carl Lewio. 

AerzUicher Verein i/n Hamburg» 

Sitzung vom 20. Pebruar 1906. 

Vorsitzender Herr Kümmel. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Kellner demonstiiert einen 19jährigen Kretin, er¬ 
wähnt dabei Aetiologie (Thyreoidea-Atrophie) und die Merkmale 
des Kretinismus mit den anatomischen Veränderungen am Schädel, 
an der Haut, den Zähnen, der Sprache, der Psyche, dem Wachs¬ 
tum usw. Die therapeutische Wirkung des Thyreoidins war in 
diesem Falle günstig. 

2. Herr Kellner zeigt ferner zwei Fälle von Mongolismus 
(12 resp. 15 jährige Mädchen) und weist dabei ebenfalls auf die 
charakteristischen Merkmale hin. 

3. Herr Calmann berichtet über einen Fall von Pubo- 
tomie bei platt - rhachitischem Becken bei einer I. para mit einer 
Conjugata von 8 cm. Das Fruchtwasser war bereits faulig zer¬ 
setzt, die Kreissende fieberte. Es gelang das tief asphyktlsche 
Kind wieder zum Leben zu bringen, das Wochenbett verlief nor¬ 
mal, die Frau befindet sich jetzt wieder ganz gut. Dies ist der 
dritte Fall von ausgeführter Pubotomie bei einer Fiebernden unter 
169 bis jetzt in der Literatur niedergelegten Fällen. 

II. Diskussion über den Vortrag des Herrn Ringel: 
„Erfahrungen über acuten mechanischen Ileus.“ (Fort¬ 
setzung.) 

Herr Edlefsen weist auf den Wert der Indicanprobe al.s 
diagnostisches Hilfsmittel zur Frühdiagnose des Ileus hin: sie soll 
stark positiv bei Verschluss des Dünndarms, negativ bei Dick¬ 
darmverschluss sein. Sie hat jedoch nur Wert bei Beginn der 
Erkrankung, wenn noch keine peritonitischen Erscheinungen auf¬ 
getreten sind, da bei Peritonitis überhaupt die Indicanprobe stets 
positiv ausftllt. Herr Schmilinsky empfiehlt bei der Operation 
zur Entleerung des Magens eine neue Magensonde und demon¬ 
striert sie. Ausserdem erwähnt er die an der Miculiczschen 
Klinik verwendeten Fragebogen für Anamnese und Status wegen 
der Wichtigkeit der Frühdiagnose. Herr Cordua (Harburg) 
spricht über die Prophylaxe des postoperativen Ileus. Er hat gute 
^sultate bei der Anwendung von Koch.salzinfusionen in die Bauch¬ 
höhle gesehen: leichte- Peristaltik, bezw. Abgang von Flatus. 
Herr Lauenstein empfiehlt, wenn man keine genaue Diagnose 
stellen kann, nur dann zum Messer zu greifen, wenn eine ziemlich 
sichere Wahrscheinlichkeit des Darmverschlusses vorliege. Er er¬ 
wähnt einiges aus seiner Technik (Beckentieflagerung, Anlegung 
eines anus prätematuralis bei hochgradigem Meteorimus). Herr 
Grisson berichtet über einen bisher nicht beschriebenen Fall von 
Darmverschluss. Bei einer wegen Perityphlitis im dritten Monat 
der Gravidität und wegen eitriger Peritonitis post partum operier¬ 
ten Frau stellten sich am 18. Tage nach der (Jeburt Ileuser- 
scheinnngen ein. Bei der Operation stellte sich heraus, dass sich 
mehrere Dünndarm-schlingen um ihre Längsachse im eigenen Mesen¬ 
terium eingewickelt hatten (Volvulus um die Längsachse). Der 
Exitus erfolgte nach einigen Tagen infolge zunehmender Schwäche, 
die Sektion ergab keinerlei Anhaltspunkte für die Art des Ent¬ 
stehens dieser seltenen üeusform. Herr Ringel gebt im Schluss¬ 
wort nochmals auf die Differentialdiagnose zwischen dynamischem 
und paralytischem Ileus ein. Das seltene Vorkommen von postope¬ 
rativem Ileus im Eppendorfer Krankenhause glaubt er der Nach¬ 
behandlung, die hauptsächlich in Anregung der Peristaltik besteht, 
verdanken zu dürfen; er konstatiert die allgemeine Einigkeit in 
der Art der Behandlung. 

III. Vortrag des Herrn A. Franke: Ist die Fürsorge für 
Kinder und Säuglinge in Hamburg ausreichend?“ 

Der Vortragende versucht nachzuweiseu, dass die Bestrebungen 
der Gesellschaft, die gesundheitlichen Verhältnisse der Kinder zu 
bessern, nur dann von Erfolg gekrönt sein könnten, wenn den 


Aerzten die Beteiligung an ihnen mehr als bisher durch den 
Staat ermöglicht sei. Die Milchküchen müssen noch zahlreicher 
werden, und ihre Milch und Milchmischungen aus Zentralen er¬ 
halten, nach denen die Rohm i Ich auf dem kürzesten Wege hin¬ 
gebracht würde. Es soll überhaupt unter dem Namen .„Kinder¬ 
milch“ nur das Produkt solcher Milchwirtschaften, und zwar in 
gesicherten Flaschen, verkauft werden, die folgende Bedingungen 
erfüllen: die Kühe müssen unter steter tierärztlicher Kontrolle 
stehen, das Personal selbst gesund befunden und behindert sein, 
mit infektiösen Kranken in Berührung zu kommen, die Wirt¬ 
schaften dürfen nicht zu weit von der Stadt entfernt sein. Die 
Milchküchen selbst sollten nur dann Müchmiscbungen an Säuglinge 
verabreichen, wenn eine ärztliche Untersuchung derselben voran- 
gegangeu ist. Im Uebrigen wird es genügen, wenn dieselben alle 
2 bis 4 Wochen zur Gewichtsbestimmung nach der Alilohküche ge¬ 
bracht werden. Der Zentralinilohküche sollte ein Säuglingshospital 
angegliedert sein, das unter Leitung eines staatlich be.stellten 
Arztes stände, der dann auch die Prüfung der eingelieferten Milch 
übernehmen mu.ss. Die Frauen, die Haltekinder übernehmen, 
sollten veranlasst werden, die Milch für ihre Pflegebefohlenen nur 
von den Müohküchen zu beziehen, der meiste Wert müsse aber 
auf das Selbststillen der Mütter gelegt werden, wenn auch jetzt 
schon die Ratschläge der Medizinalbehörde in dieser Hinsicht 
wirkten, so könne man sich noch mehr Erfolg versprechen, wenn 
die Hebammen verpflichtet würden, ihren Rat nur zur natürlichen 
Ernährung zu geben, und, falls dies unmöglich sei, einen Arzt zu¬ 
ziehen zu müssen. Von diesem Zwange könne man wieder ab- 
sehen, wenn durch einen geeigneten Unterricht auf einer Säug- 
lingsabteilung die nötigen Kenntnisse von den Hebammen er¬ 
worben seien. Um den kranken Säuglingen, deren Mutter zum 
Selbstnähren untauglich seien, doch die nötige Brustnabrung zu 
verschaffen, will der Vortragende in der von ihm geleiteten Säug¬ 
lingsabteilung der St. Gertrud-Gemeindeklinik sich arme Frauen 
aus der Gemeinde sichern, die für entsprechendes Entgelt mehr¬ 
mals am Tage die Kinder stillen werden. Den Frauen aber, die 
durch Aussenarbeit den Erwerb der Familie mitbeschaflfen müssten, 
sollte der Staat 6 Wochen lang Schutz gewähren. 

Schönewald. 


Literarische Monatsschau. 

Gynäkologie. 

(Schluss.) 

Bezüglich der Blasensyinptome bei Myom (Tenesmus vesicae, 
Dysurie, Ischurie, Inkontinenz) fasst sich W. dahin zusammen, 
dass man sich mit den sogenannten Blasenstörungen bei Myom 
als Indikation für eine Behandlung desselben nicht begnügen darf, 
sondern dass man von den verschiedenartigen, aus den Angaben 
der Kranken zu erhebenden Blasenbeschwerden ausgehend, zu¬ 
nächst die besonderen Ursachen erheben muss, erst dann, wenn 
das Myom mittelbar oder unmittelbar dieselben hervorgerufen hat, 
und erst dann, wenn dem Symptom eine ernste klinische Bedeutung 
beizume.s.sen ist, kann man eine Indikation zur Entfernung des 
Myoms damit begründen. 

In besonders ausführlicher Weise behandelt W. das Kapitel 
Myom imd Herz. HIr hebt dabei folgende Tatsachen hervor: 

Es liegen keine Beweise für einen spezifischen Zusammenhang 
zwischen Myom und Herzkrankheit vor. 

Klappenfehler haben keinen inneren Zusammenhang mit dem 
Myom. 

Das Myom kann durch Anämie Dilatation der Herzhöhlen 
erzeugen. 

Das Myom kann bei schwerer Anämie fettige Degeneration 
des Herzmuskels erzeugen. 

Die braune Atrophie entsteht durch Myome meist nur dann, 
wenn eine starke Reduktion des Gesamtorganismus sich ent¬ 
wickelt bat. 

Für die Indikationsstellung ergaben sich W. folgende Grundsätze: 

Eine günstige Beeinflussung des endokarditischen Klappen¬ 
fehlers an sich ist nicht zu erwarten; dagegen kann bei anämischen 
Myomkranken durch Beseitigung der Blutxmgen die Muskulatui* 


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122 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 11. 


im günstigen Zustand erhalten, event. sogar sekundäre (anämische) 
Dilatation beseitigen und beginnende Degeneration des Herz¬ 
muskels im Fortschreiten hindern. 

Primäre Myokarditis bei nicht anämischen Personen wird durch 
die Entfernung des Myoms gar nicht beeinflusst; bei gleichzeitiger 
Anämie kann man voraussichtlich der Verfettung verbeugen. 
Fettdegeneration und braune Atrophie, welche im Verlaufe der 
Myomkrankheiten auftieten, sind durch rechtzeitige Entfernung 
des Myoms günstig zu beeinflussen. 

Anämische Dilatationen sind durch Beseitigung der Blutungen 
sicher zu heilen. 

Die Ursache für die Schädigung des Herzens liegt in der 
Anämie. Man wird deshalb die Entfernung des Myoms, zwecks 
Beseitigung der Blutung, verlangen müssen: 

Bei Herzfehlern und primären Myokarditiden, sobald die 
Blutungen stärker als vorher sind; von einer internen und palliativen 
Behandlung ist hier abzuraten. 

Bei gesundem Klappenapparat und Fehlen aller Erscheinungen 
seitens des Myokards, sobald sich Erscheinungen von Dilatation 
entwickeln. 

Bezüglich der Neurosen und Psychosen bei Myomen resümiert 
W. folgendermaßen: 

Dass funktionelle Störungen im Zentralnervensystem, soweit 
sie durch die schwächenden Einflüsse des Myoms hervorgerufen 
worden sind, durch die Entfernung des Myoms beseitigt werden 
können und gelegentlidh in der Indikationsstellung wohl auch den 
Ausschlag geben können. 

Dass Psychosen und allgemeine Neurose (Hysterie) die Er¬ 
klärung im begleitenden Myom nicht zu Anden pflegen und durch 
Entfernung desselben nicht geheilt werden können. 

Zum Schluss beantwortet Winter die Frage: „Sollen symptom¬ 
lose Myome operiert werden?“ folgendermassen: 

Im allgemeinen ist die Frage zu verneinen. Nicht aus dem 
Vorhandensein des Myoms allein, sondern aus seinen lokalen und 
allgemeinen Folgezuständen heraus darf man die Indikation zur 
Myomoperation herleiten. Trotzdem hält W. es für notwendig, 
die Frage einer prinzipiellen Entfernung, auch ohne Symptome 
imd Komplikationen subserösen Myomen, bei übermäßig grossen 
Myomen, bei schnell wachsenden Myomen. Er kommt dabei zu 
folgenden Schlüssen: 

Prinzipiell zu entfernen, wenigstens wenn sie zirka die Grösse 
eines halben Mannskopfs erreicht haben, sind subseröse Myome 
mit einem höchstens handtellergrossen Stiele. 

Nicht berechtigt ist die prinzipielle Entfernung eines jeden 
exzessiv grossen Myoms; sie ist erst dann gerechtfertigt, wenn 
Störungen im Allgemeinbefinden auftreten (Dyspnöe, Abmagerung, 
Oedeme, Albuminurie). 

Eine Indikation für eine prinzipielle Entfernung schnell 
wachsender Myome hält W. höchstens in der Menopause für 
gegebea 

Eine bisher wenig gekannte Tatsache über die Kraus*) be¬ 
richtet, ist es, dass die Körpertemperatur durch die Menstruation 
oft Schwankungen erleidet, und zwar auch bei vollkommen gesunden 
Frauen, deren Genitale ohne jede krankhafte Veränderung ist. 
Bei einer Anzahl gesunder Frauen zeigt die aufmerksam durch¬ 
geführte Temperatunnessimg eine Steigerung der Körperwärme, 
die den Menses entsprechend in regelmäßigen Intervallen auftritt. 
Sie erscheint wohl isochron mit der Menses, nicht aber synchron 
mit denselben. Meist geht das Steigen der Temperatur der 
Blutung um 1—2 Tage, seltener um eine W’oehe voraus, beträgt 
gewöhnlich nur einige Zehntel und betrifft meist nur die ph 3 rsio- 
logischen Maximal-, selten auch die Minimaltemperaturen. 

Viel höher als unter normalen Verhältnissen steigt die Tem¬ 
peratur vor der Menstruation in vielen Fällen bei tuberkulösen 
Frauen. Verfasser konnte nach Ausscheiden derjenigen Frauen 
aus der Kalkulation, die konstant fieberten, unter seinem Material 
bei zwei Dritteln dieses Verhalten konstatieren. Die Temperatur¬ 
steigerung fängt gewöhnlich 1 — 2 Tage vor dem Eintritt der 
Blutung an, manchmal auch schon 1—2 Wo<;hen vorher, so dass be¬ 
reits 10—14 Tage nach der vorhergehenden Periode wieder ein 
Ansteigen der Körperwärme zu konstatieren ist. Seltener ist es, 

•) Wien, medic. Wochenschrift 1905, Nr. 18. 


dass die Temperatur zugleich mit dem Einsetzen der Blutung 
plötzlich unter Allgemeinerscheinungen in die Höhe geht. 

Manchmal, besonders bei protrahierter Blutung, tritt die Tem¬ 
peratursteigerung erst am 1. (^er 2. Tage auf. Gewöhnlich steigt 
die Temperatur langsam, treppenförmig, ohne nennenswerte Be¬ 
schwerden, um mit dem Eintritt der Menses entweder lytisch oder 
kritisch abzufallen. Die Steigerung betrifft gewöhnlich die Tem- 
peratunninima ebenso wie die Maxime und beträgt 0,6—1® und 
mehr über die normale Tagestemperatur, so dass stets die höchste 
Temperatur am Nachmittag aufzutreten pflegt. Die Temperatur¬ 
steigerung steht nicht immer im Verhältnis zur Schwere der Er¬ 
krankung, ja es kann sogar verkommen, dass diese periodische 
Erhöhung der Eigenwärme durch lange Zeit das einzige Symptom 
der beginnenden oder latenten Tuberkulose bildet, dass von dem 
Arzt oder der Patientin nur durch Zufall entdeckt wird. 

Verfasser betrachtet nach seinen Erfahrungen das regelmäßige 
Auftreten von prämenstruellen Temperaturerscheinungen als ein 
wichtiges Hilfsmittel bei der im Beginne der Tuberkulose so 
schwieligen Diagnose. 

Ein Thema, das bisher in den gebräuchlichen Lehr- und Hand¬ 
büchern recht stiefmütterlich behandelt wurde, — die Pyelo¬ 
nephritis gravidarum et puerperarum — behandelt E. 
Opitz*; in eingehender und erschöpfender Weise. Opitz konnte 
84 einschlägige Fälle aus der Literatur zusammenstellen, wobei 
er das grösste Material in der französischen Literatur fand. 

Vor allem wichtig ist die Tatsache, dass das Auftreten der 
Nierenbeckenentzündungen in der Schwangerschaft und Wochen¬ 
bett eine viel grössere Bedeutung hat, als man bisher ange- 
genommen hat. 

Die eigentliche Ursache der Pyelonephritis gravidarum ist in 
der Hamstauung zu suchen. Sie kommt zustande durch den 
Druck, welchen die schwangere Gebärmutter bezw. der vorliegende 
Kindsteil auf den Beckenteü des Harnleiters ausübt. Vorwiegend 
ist daher auch die rechte Niere betroffen. — Berücksichtigt man 
die bekannte Tatsache, dass die Cystitis in der Schwangerschaft 
ein ungeheuer häufiges Vorkommnis ist, so ist der Standpunkt 
berechtigt, dass die Pyelonephritis in der Schwangerschaft meist 
als aufsteigende Entzündung aufzufassen ist. 

Das Bakterium coli ist bisher als der weitaus am häufigsten 
gefundene Krankheitskeim, als der wichtigste Erreger der Pyelo¬ 
nephritis in der Schwangerschaft anzusehen. Im Widerspruch 
damit stehen die neuerlichen Befunde von Baisch (Tübingen), wo¬ 
nach eine wirkliche Entzündung, jedenfalls in der Mehrzahl der 
Fälle, nur von Staphylokokken und Streptokokken erzeugt wird, 
und dass das Bakterium coli nur nachträglich als Parasit hinzutritt. 

Was die Prognose angeht, so ist im allgemeinen das Leben 
nicht gefährdet und selbst bei schwerer Erkrankung dauernde 
völlige Heilung möglich. Es bleibt jedoch in der knappen Hälfte 
der Fälle eine dauernde Heilung aus. Eiter- und Eiweiss¬ 
ausscheidung mit dem Ham bestehen dann fort und es können 
neue Nachschübe folgen. Selten führt die Erkrankung unmittelbar 
zum Tode, selten auch bleibt sie in akuter Form über die Ent¬ 
bindung hinaus bestehen. 

Während man im allgemeinen die Aussichten für die in der 
Schwangerschaft erkrankten Frauen nicht als ungünstig bezeichnen 
kann, befinden sich die von ihnen getragenen Kinder in weit 
grösserer Gefahr. In aufiftllliger Häufigkeit wird die Schwanger¬ 
schaft infolge der Krankheit unterbrochen, sowohl von selbst, wie 
künstlich zu Heilzwecken. 

Bezüglich des Einflusses der Erkrankung auf das Wochenbett 
ist zu bemerken, dass in der Tat häufig die fieberhafte Erkrankung 
im Wochenbett noch weiter besteht, insbesondere bei solchen 
Frauen, die bis zur Entbindung oder wenigstens nicht lange vor¬ 
her noch fieberten. Ist dagegen schon längere Zeit vorher das 
Fieber verschwunden, so bleibt gewöhnlich audi das Wochenbett 
fieberfrei. Bei den fiebernden Fällen ist das Fieber meist nur 
von kurzer Dauer, nach wenigen Tagen ist die Körperwärme zur 
Regel zurückgekehrt. Im übrigen ergibt sich die überraschende 
Tatsache, dass das eigentliche Wochenbettfieber zu den grössten 
Seltenheiten gehört. 


*) Festschrift für Olshausen, Stuttgart. Ferd. Enke, 1905. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


123 


Wenn nicht völlige Heilung eintritt, ist ein Rückfall der 
Pyelonephritis in einer neuen Schwangerschaft mit grösster Wahr¬ 
scheinlichkeit zu erwarten. Es wäre daher eine erneute Konseption 
wohl zu verhüten. Ist jedoch nach Ausweis des Hambefundes 
völlige Heilung eingetreten, so darf man hoffen, dass ein Rückfall 
ausbleiben wird. 

Die typische Erkrankung mit dem plötzlichen Einsetzen hohen 
Fiebers nach einem Schüttelfrost, die Hambescbwerden, die 
Schmerzen in einer oder beiden Nierengegenden, der eitrige Harn, 
werden die Krankheit sehr leicht richtig erkennen lassen. Die 
mehr schleichend einsetzenden Erkrankungen sind erst nach ge¬ 
nauer Beobachtung einige Zeit hindurch, dann aber meist eben¬ 
falls mit grosser Sicherheit, zu diagnostizieren. 

Eine aassichtsvolle Behandlung muss zunächst die eigentliche 
Ursache der Erkrankung, die Harnstauung, zu beseitigen suchen; 
am einfachsten durch zweckmäßige Lagerung, welche den Druck 
des schwangeren Uterus auf die Harnleiter aufbebt und vielleicht 
auch den Enickungswinkel beim Eintritte der Harnleiter ins Becken 
verg^rössert. Dazu muss kommen gleichzeitig reichliche Ausspülung 
des Hamapparates und Pembaltung aller Reize von den erkrankten 
Nieren. In diesem Sinne ist auch die Regelung des Stuhlganges 
von Wichtigkeit. Nach erfolgter Erschöpfung der innerlichen 
Mittel ist die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft 
zweifellos anzuraten. 

Die Nierenoperationen bei einfacher Pyelonephritis gravidarum 
können nur ausnahmsweise ernstlich in Frage kommen, treten 
jedenfalls nicht in Wettbewerb mit der Einleitung der künstlichen 
Entbindung. Umgekehrt hat im allgemeinen das letztgenannte 
Verfahren keinen Zweck bei eitrigen Sacknieren. Hier kommt in 
erster Linie ein chirurgisches Eingreifen in Betracht. R. K. 


Periodische Literatur. 

Münchener medfclnieche Wochenschrift. i906 No. 9. 

1. Gierke, Freiburg: Das Yerhältnis zwischen Spiroohaeten 
und den Organen kongenital syphilitischer Kinder. 

Die Frage, ob bei der pathologisch histologischen Unter¬ 
suchung von Geweben sich die Spirochaeten stets nachweisen lassen, 
ist einwandsfrei hente noch nicht zu bejahen, dafür sind die Befunde 
noch zu gering an Zahl. Wenn auch zurzeit aus den histologischen 
XJntersacbnngen die aetiologische Bedeutung der Spirochaeten noch 
nicht einwandfrei sich beweisen lässt, so bilden sie doch wichtige 
Stützen und von ihrer weiteren Ausführung sind bald wertvolle 
Hesultate zu erwarten, da es sich herausgestellt hat, dass in For- 
mol konserviertes Material noch nach Jahren die Untersuchung ge¬ 
stattet, und dass die Spirochaeten auch der von Levaditi ange¬ 
gebenen Maceration relativ lange Stand zu halten vermögen. 

2. Finkelnburg, Bonn: Henrologisohe Beobacktangen and 
XInterflnchnngen bei der Btlckenmarksanästkesie oiitteU Kokain 
und Btovain. 

Verf. hat eine Reihe von Fällen medullärer Narkose auf den 
neurologischen Befund hin genau geprüft und teilt darüber seine 
Beobachtungen mit. Die geübte Technik Lst folgende: dem 
Patienten wird in sitzender Stellung zwischen dem ersten und 
zweiten oder zweiten und dritten Lendenwirbel mit an der Spitze 
kurz abgeschrägten Kanülen genau in der Medrianlinie unter mehr¬ 
fachem Eindringen von Liquor, 0,04 bis höchstens 0,06 Stovain unter 
Zusatz voD 0,11 % Kochsalz und 0,01 % Nebennierensubstanz injiciert. 

Die sich nun entwickelnden nervösen Störungen verlaufen 
etwa folgendermaßen. 1. Neben Gefühlsstörungen im Bereiche 
der unteren Sacralnerven findet sich als Frübsymptom eine Herab¬ 
setzung, bezw. ein Fehlen der Kniescheiben und Achillessehnen- 
Reflexe. 2. Die sich im Verlauf von wenigen Minuten auf Unter¬ 
extremitäten und Rumpf ausbreitende Gefühlsstörung betrifft an¬ 
fangs nur Schmerzempfindung. 3. Abgesehen vom Hodenreflex ver¬ 
schwinden die Hautreflexe verhältnismäßig spät. 4. Als letztes setzen 
Störungen der Motilität ein. Die Serosa der Bauchhöhle bleibt 
meist für Zerrungen und Quetschungen recht empfindlich. Die 
Dauer der Stovainwirkung schwankt in der Regel zwischen Vi und 
1 Stunde, es kommt allerdings auch längeres Ändauern vor. 


Das Schwinden der Anästhesie erfolgt viel langsamer als der 
Eintritt. Als letztes pflegen die Reflexe wiederznkehren. Als 
Nebenerscheinung ist nicht selten eine Pulsverlangsamung zu kon¬ 
statieren. Eine dauernde Schädigung des Nervensystems ist nie¬ 
mals festgestellt worden. 

3. Füth, Leipzig: TTeber die hohe Mortalität der Perity- 
phlitiB während der Schwangerschaft. 

Alle Autoren sind sich darüber einig, dass eine Komplikation 
von Perityphlitis und Gravidität sehr bedenklich ist. Nur wenige 
Fälle kommen durch, gewöhnlich tritt die Unterbrechung der 
Schwangerschaft ein und in den meisten Fällen der Exitus. Es 
wäre die Frage zu überlegen, ob nicht die Hintanhaltung der Ge¬ 
burt durch Opium angezeigt erscheint. Es sind auch eine Reihe 
von Fällen beobachtet, wo nach der später eingeleiteten Operation 
auch noch die Frühgeburt eintrat. In Betracht kommt bei der 
Operation die physiologische Verlagerung des Blinddarms und 
Wurmfortsatzes durch den das kleine Becken allmählich aus¬ 
füllenden Uterus. 


4. Koellreutter, Rostock: Die Erfolge der Dosaoltschen 
Operation des Kieferhöhlenempyms. 

Verf. berichtet über 66 Kieferhöhlenoperationen, welche nach 
der Desault’schen Methode operiert wurden. 61 dieser Fälle sind 
einwaodsfrei geheilt, 5 als ungeheilt zu betrachten. Die Gründe 
für die in den letzteren Fällen nicht erreichte Heilung liegen 
nicht in der Therapie, sondern in äusseren Umständen. Die Desault- 
sche Operation, welche sowohl in Chloroformnarkose wie auch mit 
gutem Erfolg unter Lokalanästhesie ausgeführt wurde, besteht in 
folgendem: 

In der Fossa canina wird über dem Alveolarrand ein die 
Schleimhaut und das Periost durchtrennender Schnitt von 1 bis 
1^/2 cm Länge angelegt. Schleimhaut und Periost werden zurück¬ 
geschoben. Jetzt wird mit einem Meisael die faciale Wand der 
Kieferhöhle durchschlagen, die erhaltene Oeffpung so erweitert, 
dass man das Operationsfeld überblicken kann. Hierauf entfernt 
man mittels scharfen Ijöffels unter Beleuchtung mit der Stirnlampe 
alle erkrankten Teile der Schleimhaut auf das Genaueste und Sorg¬ 
fältigste. Sodann wird die Höhle mit H 2 O 2 ausgetupft und mit 
Jodoformgaze tamponiert. Zwei Tage und zwei Nächte bleibt 
dieser Tampon liegen und vom dritten Tage an wird täglich die 
Höhle mit abgekochtem Wasser von Körpertemperatur und NaCl- 
oder H 2 02-Zuaatz ausgespult. Um die Oeffnung der Hohle frei zu 
halten, wird täglich ein Gazepfropfen eingeschoben, welcher die von 
anderer Seite empfohlene Prothese unnötig macht. 

Nach des Verf. Erfahrungen ermöglicht die Desault’scbe Ope¬ 
ration eine vollkommene Uebersicht über das Operationsfeld, einen 
einfachen und bequemen, allein die Heilung garantierenden Modus 
der Nachbehandlung und die absolute Restitutio ad integrum in 
den Beziehungen der Kieferhöhle zu Nase und Mund. 

5. Vörner, Leipzig; lieber Lympkangiektomia aoricoli 
(Otbaematoma Bpoiiom). . 

Verf. hat einen Fall von Othaematom beobachten können, 
dessen Inhalt nach der mikroskopischen und chemischen Unter¬ 
suchung sich als Lymphe erwies. Die Untersuchung ergab, dass 
der Hohlraum mit Endothel ausgekleidet war, und der Verf. ist 
daher der Ansicht, dass es sich um eine Umwandlung feiner 
Lymphwege in eine Zyste handelt, und nicht wie bei den wahren 
Othaematomen um einen Bluterguss. Die Geschwulst wurde incidiert 
und heilte anstandslos. 


6. Peters, Petersthah Die Behandlong nervöser Leiden 
mit BomyvaL 

Verf. hat in einer Reihe von Fällen den jetzt vielfach em¬ 
pfohlenen und gebräuchlichen Valeriansäure-Ester des Borneols 
angewandt. Er bebt hervor, dass die Patienten das Präparat 
durchweg gut vertragen, dass dasselbe jeder schädlichen Neben¬ 
wirkung entbehrt und bei protnhiertem Gebrauch ungemein güns¬ 
tige Wirkung entfalte. Der Wirkungskreis dieses Baldrianpräpa¬ 
rates erstreckt sich auf alle diejenigen Fälle, wo es sich um Ab¬ 
stumpfung einer nervösen Ueberempfindlicbkeit und die Beruhigung 
einer nervösen Zone in Bezug auf ein Organ oder das gesamte 
Nervensystem handelt. 

Im Gegensatz zum Validol tritt die Wirkung nicht unmittel- 


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124 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 11. 


bar ein, sondern zeigt sich erst nach längerem Gebranch, ist dafür 
aber auch anhaltender. Man kann dieselben Erfolge mit Bomyval 
erzielen wie mit Brom, wird aber begreiflicherweise das unschuldige 
Baldrianpräparat däm Brom vorziehen. 

7. Giese, Jena: XTeber isolierte sabcatane Fissuren der 
langen Eöhrenknoohen. 

Verf. batte Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, bei dem 
durch Gewalteinwirkungen die Tibia eines 11jährigen Knaben 
contusioniert wurde und ohne nachweisbare Fraktur eine hoch¬ 
gradige Empfindlichkeit bestand. Die Böntgenuntersuchung ergab 
eine zwei Fünftel der Länge einnehmende Längsfissur mit daran- 
schliessender Querfissur. Die Heilung erfolgte unter geeigneter 
Behandlung ohne Callusbilduag. Die Diagnose ist ohne Böntgen- 
untersuchung nicht zu stellen, aber nach der Ansicht des Verf. 
muss man bei einem auffallenden Missverhältnis zwischen objek¬ 
tiven Untersuchungsbefund und subjektiven Beschwerden an eine 
derartige subperiostale Fissur denken. Die Prognose ist durchaus 
günstig und die Heilung geht bei Ruhigstellung des Gliedes glatt 
von stotten. Es muss jedoch beachtet werden, dass eine Callus- 
bildung bei diesen Fissuren nicht einzutreten pflegt, ein Punkt, der 
bei der Beurteilung einer Unfallverletzung besondere Bedeutung ge¬ 
winnt. 

8. Riedel, Rothenburg: Zur weiteren Casuistik der Baucb* 
oontosion. 

Ein 24 jähriger Schmiedsohn wird von einem jungen Pferd 
mit beiden Hinterfüssen gegen den Unterleib geschlagen. Verf. 
wird zugezogen und flndet die Symptome eines schweren abdomi¬ 
nalen Shoks. Er entschliesst sich noch in derselben Nacht zur 
Laparotomie und findet zwei Darmrupturen, eine kleinere und eine 
grössere. Dieselben werden mit Etagennähten geschlossen, die 
Bauchhöhle soweit wie möglich von dem ergossenen Darminhalt be¬ 
freit und drainiert. Die Heilung erfolgt anstandslos. Verf. steht 
auf dem Standpunkt, dass man bei denjenigen Fällen, bei denen 
die Wahrscheinlichkeit einer Darmruptur vorliegt, nicht auf die 
zwar mögliche, aber immerhin unsichere Selbstheilung warten 
soll, sondern selbst unter erschwerenden Umständen die Laparotomie 
vornehmen müsse, um die Ruptur zu nähen. 

9. Burgl, Nürnberg; XTeber tötUche innere Benzinvergiftung 
und insbesondere über den Sektionsbefand bei derselben. 

In der Literatur sind bisher nur drei Fälle von Benzinver- 
giftnng beschrieben worden. In dem vorliegenden Falle handelt 
es sich um einen iVajährigen Knaben, welchem von seiner 3jährigen 
Schwester in dem Glauben, es sei Wasser, Benzin zu trinken ge¬ 
geben wurde. Das Kind verstarb und der Verf. konnte bei der 
Sektion die auch andererseits beschriebenen charakteristischen Ver¬ 
änderungen finden r auffallend rosarot gefärbte Herzklappen, weichsel- 
rotes Blut und ausgedehnte Hämorrhagien an den Lungen. 

Es handelt sich offenbar um eine Zerstörung roter Blutkörper¬ 
chen und eine Vergiftung des Organismus im Sinne der Kohlen¬ 
oxydeinwirkung. 

10. Gernsheimer, Mannheim: Eine neue Inhalationsvor- 
ricbtung. 

ln denjenigen Krankenhäusern, in welchen sich eine Dampf¬ 
leitung befindet, lässt sich sehr leicht eine für die Diphtherie- 
Station geeignete Inhalationsvorrichtung herstellen, und zwar in 
der W^eise, dass von der Dampfleitung jedem Bett entsprechend 
ein Rohr abgezweigt wird, welches mit Drosselventil versehen, die 
Dämpfe mit Vio Atm. Druck dem Spray - Apparat des einzelnen 
Patienten zuführt. Die ganze Bedienung besteht dann lediglich 
in Nachfüllung des zu zerstäubenden Medikaments. Der Dampf 
strömt in einer Temperatur von 60 bis 70® C. aus. Die Vorrich¬ 
tung ist mit dem Deutschen Reichs - Gebrauchsmusterschutz 
Nr. 254312 versehen. 

11. Hertzka, Dt. Beneschau Fingerfreies Einfödeln. 

Die Bestrebung, möglichst das Nahtmaterial nicht mit dem 
Finger zu berühren, hat den Verfasser veranlasst, sich eine be¬ 
queme Einfädelpincette zu konstruieren. Es ist eine gewöhn¬ 
liche Hakenpincette, die an ihren beiden Branchen ein ovales 
Fenster trägt. Man fasst mit dieser den Faden und drückt die 
mit dem Nadelhalter gefasste und mit Schlitzöse versehene Nadel 
innerhalb der ovalen Fenster leicht auf den Faden. Die Pincette 


selbst wird wie eine gewöhnliche Hakenpincette bei der Operation 
weiter verwendet. Die Herstellung dieses Instmmentes hat das 
Medicinische Warenhaus, A.-G., Berlin, übernommen. 

12. Stüve, Osnabrück: Behrings Biphtheriesenuii und Ho¬ 
möopathie. 

Verf. berichtet über einen recht wunderlichen Pall, der ihm 
in seiner Praxis vorkam und welcher die sinnlosen Anordnungen 
einiger Homöopathen recht drastisch demonstriert. 

Verf. wurde zu einem vierjährigen Mädchen mit Diphtherie 
gerufen. Der Allgemeinzustand schlecht, die grauen Belege auf 
den Tonsillen dick, der Puls klein, 130 pro Minute. Verf. inji- 
cierte 1500 Einheiten Berhingsches Serum Nr. 3. Es wird ihm 
dann mitgeteilt, dass am Abend vorher die ältere Schwester der 
Patientin an Diphtherie verstorben sei, welche in Behandlung 
eines Homöopathen aus Osnabrück gestanden hatte. Derselbe hatte 
Pulver verordnet, über die nichts Näheres zu erfahren war und 
hatte, um die übrigen Kinder vor Erkankung zu wahren, Bebring- 
sches Serum innerlich verordnet. In gleicher Weise waren auch 
die jüngeren Geschwister der Patientin, vorläufig noch gesund, 
innerlich mit Serum behandelt worden. Als am Tage darauf die 
Mutter dem Homöopathen fragte, warum er das Serum nicht ein- 
gespritzt hätte, äxisserte er, das sei eben Ansichtssache. 

Fs bedarf keines weiteren Kommentars zu diesem Falle. Der¬ 
selbe zeigt nur wieder, wie bedenklich unter Umständen die unsip- 
nigen AiäPassungen und Ansichten dei Homöopathen wirken können. 

Deutsche medicfnfsche Wochenschrift. 1906. Nr. 8. 

1. Kirchner, Berlin: Das preussiscke Seuokengescts vom 
28. August 1906. 

Das neue preussisrhe Seuchengesetz ist im Anschluss an das 
Reichsseuchengesetz entstanden und stellt die langersehnte und 
durchaus notwendige Emeuenmg des preussischen Regulativs von 
1835 dar. Eine Reihe von Krankheiten, welche in diesem ent¬ 
halten waren sind in dem neuen Gesetz fortgefallen, weil man 
dieselben nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht mehr 
als infektiös auffassen kann, hierher gehören: Krätze, Kopfgrind, 
Gicht, Krebs, Weichselzopf, Dagegen enthält das Gesetz Be¬ 
stimmungen gegen Diphtherie, epidemische Genickstarre, Kindbett- 
fiebor, Bückfallfieber, Schanker und Tripper. Ferner Tuberkulose, 
Fisch-, Fleisch- und Wurstvergiftiing, Nicht erwähnt sind Masern, 
Pertnssis, Malaria, Influenza, teilweise weil wir die Krankheits¬ 
erreger nocht nicht kennen, teilweise weil die betreffenden Krank¬ 
heiten bei uns nicht so heimisch sind, dass eine das Publikum 
immerhin belästigende rigorose Bekämpfung gerechtfertigt wäre. 
Bei der Tuberkulose ist lediglich von Todesfällen an Lungen- und 
Kehlkopftuberkulose die Rede. Eine sonst wohl wünschenswerte 
Anzeigepflicht bei allen Fällen von Tuberkulose erschien den 
legislatorischen Körperschaften eine zu grosse Belästigung der Be¬ 
völkerung zu sein. Im Allgemeinen ist der Einteilung des alten 
Regulativs gefolgt worden. Der erste Abschnitt enthält die Be¬ 
stimmungen über die Anzeigepfiicht, der zweite diejenigen über 
Ermittlung der Krankheit, Im dritten Abschnitt werden die 
Schutzmaßregeln, im vierten Teil die Maßnahmen der Behörden, 
im fünften Abschnitt die Entschädigungen abgehandelt. Der 
sechste Abschnitt bespricht die Aufbringung der Kosten, der sie¬ 
bente Strafvorschriften und der achte Schlussbestimmungen. 

2. Fraenkel, Berlin: Über die Yerbreitnngswege der 
LungentuberkuloBe vom kliuisoben Standpunkt 

Eine primäre haematogene Infektion kommt nur beim Foetus 
während des intrauterinen Lebens bei bestehender Tuberkulose 
der Placenta vor. Für kindliche Lungentuberkulosen nimmt Verf. 
ein Eindringen der Krankheitskeime auf dem Wege der Lymph- 
bahn als wahrscheinlichsten Infektions-Modus an. Ist einmal das 
Virus in der Lunge angesiedelt, so ist auch die Möglichkeit 
weiterer Ausbreitung gegeben. Die bei weitem meisten Lungen¬ 
tuberkulosen, von der akuten Miliartuberkulose abgesehen, sind 
Aspirationstuberkulosen. 

3. Miller, Berlin: Über eine scheinbar pathogene Wirkung 
der Spirochaete dentium. 

Die Pathogenese der Spirochaete dentium ist so gut wie gar 
nicht bekannt. Verf. fand dieselbe in grosser Zahl auf der Ober- 


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1906. 


MBDICrniSCHB WOCHB. 


125 


fläche der Pulpa sowie bei diffbsea Biteniugen und cirkumskrip- 
ten Abacessen im Parenchym. Kr ist daher der Ansicht, dass 
die Spirochaete wohl als Ursache dieser Prozesse anzusehw sei. 

4. Voltolini, Naumburg a. B : th)er einen Pall von 
malignem Mediartinaltnmor mit aiueergewfthnlioli schnellem 
ymrlaaf> 

Verf. beobachtete bei einem 45jährigen Manne ein Lympho¬ 
sarkom des Mediastinum, welches in rapidem Verlauf innerhalb 
8 Wochen znm Tode führte. Der Fall kann wieder als Beweis 
gelten, dass Fälle von Rundzellensarkom an Malignität und 
Agressivität alle anderen lymphomatösen Tumoren an Schnellig¬ 
keit des Wachstums übertreffen. Ja dass sie in letzterer Hinsicht 
auch den Carcinomen überlegen sind, und jeder therapeutischen 
Beeinflussung sich entziehen. 

Berliner kllnieche Wochenschrift. i906. No. 9. 

1. Heitler, Wien: Über das Zusammenfällen von Volam* 
Veränderungen des Herzens mit Veränderungen des Pulses. 

Verf. hat früher an Tieren Untersuchungen über die Ab- 
hUogigkeit des Pulses von der Grösse des Herzens gemacht und 
konnte die damals experimentell gewonnenen Resultate durch 
neuerdings vorgenommene Untersuchungen am Menschen durchaus 
bestätigen. Bei kleinen Pulsen grosse und bei grossen Pulsen 
kleine Herzdämpfung. Diese Volumsveränderungen des Herzens 
gehen ungemein schnell vor sich und lassen sich durch Kompres¬ 
sion von blutreichen Organen, z. B, der Leber oder der Muskeln, 
von dem Röüf^enschirm leicht demonstrieren. 

2. Loewenthal, Berlin: Beitrag zur Kenutnis der Spiro- 
ohaeten. 

Verf. hat die verschiedenen auf ulcerierenden Flächen und 
ii) den Füoos vorkommenden Spirochaeten untersucht und kommt 
zu der Überzeugung, dass eine Verwechslung derselben mit der 
Spirochaete palllda bei einiger Kenntnis unmöglich sei. Immerhin 
ist es wichtig auch diese änderen Arten zii kennen und dieselben 
bewusst zu unterscheiden. Eine vom Verf. an den genannten 
Objekten gefundene aussergewöhnlich kleine Art schlägt er vor 
mit dem Namen Spirochaete microgyrata zu belegen. Geissein 
besitzt die.se Art nicht. Die Spirochaete pallida legt .sich öfter 
zu 2 oder 3 Exemplaren zusammen, es gelingt nicht selten trotz¬ 
dem die Geissein zur Anschauung zu bringen. 

3. Mosse, Berlin: Zar Symptomatologie der Paralysis 
agitans. 

Verf. bat einen Fall von Paralysis ngitans bei einer 52jährigen 
Frau beobachtet, welcher gewisse Besonderheiten in den Sympto¬ 
men darbot. Zunächst war der Fall ein auffallend schnell ver¬ 
laufender, innerhalb von zwei Jahren entwickelte sich ein Zustand 
hochgradiger Muskelrigidität. Des weiteren zeigten die Hände 
eine auffallende blaurote Verfärbung, der Gi'und liierftir ist wohl 
in der bestehenden Arteriosklerose zu suchen. Schliesslich zeigte 
der Kehlkopf aufiallende Erscheinungen, sowohl beim In- wie Ex- 
spirium zoigeu beide Stimmbänder Zuckungen. Diese bleiben bei 
dfer Phonation aus. Die Seite des Larynx ist stärker ergriffen, 
auf welcher auch die Hand einen stärkeren Tremor zeigt. 

4. Lilienfeld, Gross Liehterfelde: Über das neue Sohlaf- 
mittel Proponal. 

Pia oh er u.v. Mehring haben einen Körper als Schlaf¬ 
mittel empfohlen, welcher als Dipropylmalonylharnstoff bezeichnet 
wird. Er steht dem Veronal (DiäthylmalonylharnstofF) sehr nahe. 
Verf. hat mit dem Präparat Versuche angestelltund ist zu sehr günst¬ 
igen Resultaten gekommen. Die Dosis ist 0,3, wonach gewöhnlich 
6—9 ständiger Schlaf eintritt. Höhere Dosen wie 0,6 .sind nicht 
ratsam. Besonders gute Wirkungen konnte Verf. bei hysterischer 
Agrypnie beobachten. 

5. Schultz-Ze hd en, Berlin: Die Zerstörung beider Augen 
eines Mensohen durch FUegenlarven. 

Einen ganz ungeheuerlichen Fall konnte Verf. beobachten. 
Eme 47 Jahre alte Landstreicherin wurde auf dem Felde in 
völlig verwahrlostem Zustande mit unzähligen Fliegenlarven be¬ 
deckt aufgefunden. Beide Augen waren durch Larven der Schmeiss- 
fliego vollkommen zerstört. Offenbar hatte das Insekt in die eitrig 


afficierten Konjunktivalsäcke die Eier gelegt und die Larven waren 
von da aus unter Zerstörung der Corhea in die Bulbi gelangt. 
Die geradezu unglaubliche Indolenz dürfte durch den ziemlich 
starken Alkoholismus der Pat. erklärt sein. 

6. Ewald, Berlin: Blut und Blutungen bei Yerdannngs- 
krankheiten. 

Ueber den ersten Teil der interessanten Ausführungen hatten 
wir bereits berichtet. 

Was die Therapie der Magen- und Darmblutungen anlangt, 
so hat Verf. von den zu innerlicher Darreichung vielfach 
empfohlenen Mitteln wenig gutes gesehen. In Frage kommen 
Eisenchlorid, Morphin, Secale (Extract. secol. comut. bis dralysat.), 
Hydrastis, Hamamelis, Stypticin, Styptol, Adrenalin, Gelatine. 
Auch von der letzteren hat Verf. keine so guten Erfolge gesehen, 
dass er dieselbe als sicheres Mittel empfehlen möchte. Dagegen 
hat sich ihm die Ausspülung des Magens mit Eiswasser ganz 
vorzüglich bewährt. Ist die Anämie sehr stark und bedenklich, 
schreitet man zur Kochsalzinfusion. Verf. bedient sich einer 
7,5”/(jft, (warum nicht 9®/„o, der Ref.) Kochsalzlösung, welche in der 
R^gio subclavicularis in der Quantität eines Liters etwa injiciert 
wird. Die Regeneration der roten Blutkörperchen geht sehr 
schnell vor sich. Operative Behandlung profuser Blutungen ist 
eine unsichere Sache, weil es oft nicht gelingt die blutenden Ge- 
fässe zu unterbinden. 

Die Darmblutungen sind im Allgemeinen weit besser thera¬ 
peutisch zu beeinflussen als die Magenblutungen. Bei Hämor¬ 
rhoidalblutung genügt meist die Anwendung von Kälte, in Form 
kalter Sitzbäder oder in das Rectum eingeschobener Eisstückchen. 
Sind die Blutungen sehr profus, dann [ kann man Injektionen 
von Tannin 1 —2®A oder Alaun 1—3®/o oder Plumbum aceticum 
0,2—0,5®/„ und Arg. nitric. 0,5—1 und mehr pr. Cent, in An¬ 
wendung bringen. Boas empfiehlt Injektionen von 10 ”/q Chlor- 
calciumlösung. Verf. hat gut© Erfolge von den Fascol-Kapseln 
gesehen. Bei schweren Fällen bleibt die chirurgische Behandlung. 
Dasselbe Verfahi*en kommt bei den hochsitzenden von den Patien¬ 
ten oft übersehenen Haemorrhoidalknoten in Anwendung. Bei 
allen Darmblutungen ist das grösst© Gewicht auf milde Diät und 
die Vermeidung jeder Kotstauung zu legen. 

7. Posner, Berlin: EineLeitTorrichtungzuHitzosEystoskop. 

Anknüpfend an eine in No. 8 der Deutschen medicinischen 

Wochenschrift veröffentlichte Mitteilung Ringlebsüberein „Kysto- 
skop“ nach Maiaonneuv’schem Prinzip, gibt Verf. eine von ihm 
angegebene sehr einfache Modifikation des Nitze’schen Instruments 
an. An die Lampe wird eine 8 cm lange Leitsonde angeschraubt. 
Diese hindert in keiner Weise die kystoskopische Untersuchung 
und ist einfach an jedem Kystoskop anzubringen. Es kommt hin¬ 
zu, dass der Preis ein geringer genannt werden kann. Die Vor¬ 
richtung wird von Louis u. H. Löwenstein, Berlin, ausgefübrt. 

8. Salge, Berlin: Dia Bedeutung der Infektion für den 
Neugeborenen und Sflngling. 

Alle Infektionen sind beim Säugling bei weitem bedenklicher, 
wie beim Erwachsenen. Der jugendliche Organismus ist eben noch 
nicht so widerstandsfähig, wie der erwachsene. Die eine für In¬ 
fektionen besonders zugängliche Stelle ist der Nabel. Man muss 
für möglichst schnelle Austrocknung des Nabelschnurrestes Sorge 
tragen. Hierzu eignen sich vorzüglich Verbände mit 80—90% 
Alkohol. Als Nabelbinde empfiehlt sich aseptischer Verbandstoff. 
Wenn der Nabelschnurrest abgefallen ist, liegt besondere Gefahr 
für eine Infektion vor. Es kann zu einem Abscess oder zur All¬ 
gemeininfektion auf dem L 3 nnphwege kommen. Der Abscess wird 
eventuell zu spalten sein. Am wichtigsten erweist sich die Er¬ 
nährung mit Frauenmilch, durch diese -wird die bakterientötende 
Kraft des Säuglingsblutes um das Doppelte erhöht. Die zweite 
Eingangspforte ist der Mund. Verf. verwirft energisch die viel 
verbreitete Sitte des Mundauswischens bei den Kindern. Dies 
Verfahren führt nur zu Epithelverlusten der Mundschleimhaut und 
Eröffnung neuer Infektionswege. Es kommt nur darauf an, dass 
die Bedienung des Kindes sich sauber hält Der Schnupfen ist 
immer etwas sehr bedenkliches für Säuglinge, leicht entsteht eine 
Allgemeininfektdon. Die Diphtherie zeigt sich oft nur in der Nase 
um mit Ueberspringung des Pharynx auf den Larynx überzu- 


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MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr, 11. 


gehen. Bei der Purunkulose empfiehlt Verf. eine möglichst gute 
Hautpflege. Bei der Eröffnung von Furunkeln ist auf das strengste 
die Beschmutzung der gesunden Haut mit Eiter zu vermeiden. 
Es empfehlen sich Bäder mit Kal. permanganic. oder Acid. tannic. 
l®/oo. Zu Verbänden furunkulöser Partien eignet sich eine For- 
maiinlösung von 1: 1000. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 9. 

1. Stahr, Krakau: XTeber den Blutbefand bei der Bierschen 
Stauungstherapie. 

Die überraschenden Erfolge der von Bier inaugurierten Be¬ 
handlungsmethode haben die Frage nach der wahren Ursache an¬ 
geregt. Verf. hat nun versucht, der Lösung dieser Frage durch 
Untersuchungen des Blutes näher zu kommen. Die eingehenden 
Untersuchungen, welche sich sowohl auf Stauungen längerer, wie 
kürzerer Dauer beziehen, haben dem Verf. folgendes Resultat er¬ 
geben. Es ist sicher, dass in dem Körperteil, welcher mit der 
Stauung behandelt wird, eine lokale Leukocytose entsteht. Damit 
ist aber auch der Beseitigung der Noxe Vorschub geleistet. 

2. Dorf, Klein-Mohrau; Kasuistisoher Beitrag zui Kenntnis 
der Oeburtsverletzungen des Neugeborenen. 

Verf. wurde wegen der Verletzung eines Neugeborenen von 
der Hebamme gerufen. Er fand ein ausgetragenes lebendes männ¬ 
liches Kind mit einer fast den ganzen Schädel von Augenwinkel 
zu Augenwinkel umkreisenden Hautwunde der Kopfhaut, deren 
Ränder mehrere Zentimeter klafften. Nachforschungen ergaben, 
dass die Mutter und der Vater von dem Eintritt der Geburt ohne 
Beisein der Hebamme überrascht wurden und, dass die Mutter 
des Vaters, zur Hilfe herbeigeholt, in dem Glauben, die Fruchtblase 
liege vor, mit einer Scheere in die Kopfhaut einen Einschnitt 
machte, welcdier dann während der Geburt zu der angegebenen 
Grösse weiterriss. Die Heilung erfolgte unter Naht anstandslos. 

3. Riedl, Bad-Ullersdorf: Zur Starrkrampfserombehandluug. 

Verf. bekam einen Fall von Tetanus in Behandlung, welcher 

nach einer komplizierten Fraktur des Radius entstanden war. Erst 
als die Starrkrampferscheinungen auf der Höhe waren, konnte 
Serum intraspinal gegeben werden. Trotzdem gelang es mit hohen 
Dosen voUkommene Heilung zu erzielen. Bemerkenswert war hier 
eine etwa 18 Tage währende Inkubationszeit. 

4. Knotz, Wien: Ein Fall von Doppelbildung des weib¬ 
lichen Genitales. 

Verf. fand bei einer 27jährigen multipara gelegentlich einer 
Genitalinspektion eine Doppelbildung der Scheide. Beide vaginae 
waren durch ein derhes Septum getrennt. Beide Scheiden normal 
lang trugen je eine Portio. Die eine entsprach einer multipara, 
die andere einer nuUipara. Die Adnexe sind auf der linken virgi- 
nellen Seite nur undeutlich zu' fühlen, rechts normal. Die Sonden¬ 
untersuchung ergibt zwei gleichgrosse Uterusräume. Operativ wird 
das Septxim entfernt. Heilung per primam. 


Vermischtes. 

Berlin. Das 25jährige Stiftungsfest des Vereins für 
innere Medioin, über dessen wissenschaftlichen Teil bereits 
unter der Rubrik „Sitzungsberichte“ näheres zu finden ist, hat am 
22. d. M. in einem glänzend verlaufenen Festmahl seinen Abschluss 
gefunden. Herr v. Leyden präsidierte und sprach nach dem 
Kaisertoast auf das weitere Gedeihen des Vereins und seine Gäste, 
Herr Kraus brachte in schwungvollen Worten die Gesundheit 
des Ehrenvorsitzenden aus, Herr Schwalbe diejenige des Gesamt¬ 
vorstandes; namens der Gäste erwiderte Hen* Rubner. Als Er¬ 
innerungsgaben wurden den Teilnehmern ein Porträt Leyden’s 
sowie seitens der Verlagsbuchhandlung von Thieme ein Festbüch- 
lein überreicht, welches das Protokoll des Stiftungstages und die 
beim ersten Stiftungsfest gehaltenen Reden von Frerichs und 
Leyden enthält. 


Hochschulnachrichten. 

Erlangen. Prof. Denker bat den an ihn ergangenen Ruf 
als ordentlicher Professor für Ohrenheilkunde an der Akademie für 
praktische Medicin in Köln abgelehnt, nachdem er vom bayerischen 
Kultusministerium zum ordentlichen Professor ernannt wurde. 

Kiel. Dem a. o. Professor der Chirurgie, Dr, Petersen, 
wurde der Charakter als Geheimer Medicinalrat verliehen. — Dem 
Marineoberstabsarzt Dr. med. Rüge, seit 1902 Privatdozent für 
geschichtliche und geographische Pathologie an der Universität Kiel, 
wurde vom Kultusminister der Professortitel verliehen. 

Köln. Privatdozent Dr. Füth-Leipzig, wurde zum leitenden 
Arzt der neu geschaffenen gynäkologischen Abteilung am Bürger¬ 
hospital berufen und zugleich zum Professor für Gynäkologie an 
der Akademie für praktische Medicin. Geh. Bat Fritsch-Bonn 
verbleibt unverändert Mitglied des Kuratorinras und des akademi¬ 
schen Rates. Prof. Dr. Aschaffenburg wurde zum leitenden 
Arzt der 2. psychiatrischen Abteilung ernannt. 

Marburg. Der Oberarzt der chirurgischen Universitätsklinik, 
Prof. Dr. Wendel, ist als dirigierender Arzt der chirurgischen 
Abteilung an das städtische Krankenhaus Magdeburg-Sudenburg 
berufen. 


Patentnachrichten. 

Gebrauchsmuster. 

263320. Vorrichtung zum Einatmen flüchtiger Stoffe mit zwei oben 
angeordneten Nasenstilckon und unten angebrachter Luftzutrittsüffnuog. 
Garontal-Ges. m. b. H., Dresden. 

26369S. Äufhängbare Vorrichtung zur aromatischen Desinfektion von 
Zimmern usw. mittels oingefügten Desinfektionskörpers. Minerva Patent¬ 
verwertung und Oheni. techn. Laboratorium G. m. b. H., Strassbarg i. E. 

263 20C. Irrigator, bei welchem die flache Seite und der Boden behufs 
Versteifung mit einer Vertiefung versehen sind. Emil Franke, Berlin. 


Mltiellnng ober ein nenes Kocbgescblrr. 

Wohl keine Frage ist in neuerer Zeit neben der Krebsfrage von chirur¬ 
gischer Seite so häufig ventiliert worden, als die Frage der Operation von 
Blinddarm- und WurmfortsutzontzUndung. Denn höchst auflällig bat sich 
I im letzten Jahrzont die Zahl der Perityphlitiden gehäuft, und es ist schlechter¬ 
dings nicht etwa Lust am Laparatomioren, die den hoben Prozentsatz der 
Blinddarmoperationen gebracht hat, ganz abgesehen von den vielen auf 
roedicinischem Wege geheilten und den tütlich endenden Fällen: es ist und 
bleibt die Blinddarm-Gegend eine getährliche Partie und die Behandlung 
ihrer Entzündungen ein vielumstrittenes Kapitel. 

So ist z. B. schon die Aetiologie viel erörtert worden, und man hat 
mit Recht nach verschiedenen kUnstltebcn Anlässen dazu gesucht. Da bei 
uns nun der Nahrungsmittelvorfälschung sehr entgegengotreten wird, so ist 
kaum mit dor eigentlichen Nahrung eine solche Darmveränderung anzu- 
nehmen. Wohl aber können es die Begleiter der Nahrung sein, die den am 
meisten empfindlichen Ort des Dannkanalos reizen und die Blinddarmgegend 
teils chemisch oder mechanisch schädigen. Schon mancher Operateur, der 
die grossen V'erwüstungen und andrerseits die feinen Läsionen dor Darm¬ 
wand, namentlich am kleinen Wurmfortsatz sah, hat an staubförmige und 
körnige Reibung der Schleimhaut gedacht. Eine solche Reibung und ^izung 
könnte leicht vermutet werden in den vielen kleinen Partikeln, die tagtäglich 
im Kochtopf sich abstossen und der Nahrung heim Rühren, BcuUtteln, 
Schwenken u.s. w. sieb beimengen. Die meiste Gelegenheit fUr solches 
Abbröckeln giebt das überall käufliche Emaillegeschirr. 

Wir wissen, die Qualitäten und Preise solcher Geschirre sind recht ver¬ 
schieden ; gute Emaille kostet in einem Litertopfe etwa 3 M. und im Waaren- 
haus oder Bazar kauft man ebensolche Grössen für 30 Pfennige. Wie kann 
solche Waaro so unterschiedlich im Preise sein!? Nur darum weil die 
Emaille hoi den billigen Bazar-Töpfon sich schon nach 8 -Tagen abstösst. 
Die Gefahren, die gerade mit solchen für den Haushalt unentbehrlich gewor¬ 
denen Emaillegcscbirr entstehen, sind zweifellos noch nicht genügend gewürdigt. 
Dass jedenfalls die tausend und Abertausend kleinen Splitter nicht belanglos 
für den Darm sind, zumal sie meist sehr scharfkantig sind, das dürfte wohl 
auf der Hund liegen. 

Es ist daher mit Freude zn begrUssen, wenn die Industrie dies Ein¬ 
sehen benutzt, um den weiteren Gefahren dor als Durchschnittsware in 
den Handel kuuimenden Emaille zu steuern. Eine .solche hygienische Neu¬ 
erung von weittragender Bedeutung ist das Stahl-Aluminium-Koch* und 
KUchcngeschirr (Alexanderwerk). Da.s Patent-Stahlaluminium-Eochgcschiir 
ist ein Eisengeschirr, aber es hat statt der Emaille einen dauerhaften in der 
Glühhitze autgeschweisston Aluminium-Ueberzug. Dieser Ueborzug hat eine 
ganz andere Widerstandsfähigkeit wie Emaille, derselbe hält Schlag und 
Stoss ohne weiteres aus, ebenso ist er gegenüber dem stärksten Hordfeuer 
unempfindlich, ganz gleich ob sich darin Speisen befinden oder nicht. Dor 
Preis ist daher auch für alle zu erschwingen, da dies Geschirr an sich nicht 
hoch im Preis ist und eine längere Haltbarkeit besitzt. A. R. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Metisuer, BerlinW. 69, Kurfaratenttr. 81. — Verlag ron Carl Harhold, Halle a. S. 
Druck «OB der Heyneataaa’ichen Buebdruekerei, Gebr Wolff, Hall« a. S 


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Medicinische Woche 


Deatsebmann, A. DQhrssen. A. Hoffa* E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br. 

H. Seaator, R. Sommer, 

Berlin. Qlessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marliold in Halle a* S*« Ublandstraase 6. 

TeL-Adr.: Marhold Vertag Hailesaale. Fernsprecher 2834. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppeo, K. Parfsch, H. Rosin, H. Schlange, 

Roatoclc. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerrkbt, A. Vosslns, 

Magdebufg. Glessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62« Knrfflrataistrasee 81* 

Dr. P. Meißner. 


Vn. Jahi^ang. 


19. März 1906. 


Nr. 12. 


Die .Med Iclnlschc Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOglSChe CentralzeitUng, Organ des Allgemeinen Deutschen 
BSderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Die diagnostische Bedeutung des Tuberkulins 
nach den neuesten Erfahrungen. 

Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld. 

Das Interesse der Aerzte wendet sich in den letzten Jahren 
entschieden wieder mehr den Koch’schen Tuberkulin-Präparaten 
zu, sei es zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken. 
Soweit die diagnostische Anwendung in Frage kommt, sind 
es zunächst w(ml die zweifellosen Erfofge in der Tierheil¬ 
kunde gewesen, welche den diagnostischen Wert des 
Tuberkulins immer von neuem bestätigten. Auf dem 3. tier¬ 
ärztlichen Kongreß wurde allseitig festgestellt, daß Tuberkulin 
das beste bisher bekannte Mittel zur Erkennung der Tier¬ 
tuberkulose sei. Voges hatte unter 7327 Fällen nur 2,7% 
Fehlerfolge; Nocard hat 124 Tiere mit positiver Reaktion 
secirt, 123 hatten deutliche Zeichen von Tuberkulose. Weiter¬ 
hin drang immer mehr die Erkenntnis durch, daß bei 
sachgemäßer und vorsichtiger Anwendung nur geringe und 
vorübergehende Nebenwirkungen auftreten, daß schwere Zu¬ 
fälle sich nur ganz ausnahmsweise ereignen, und fast stets, 
wenn sie überhaupt dem Mittel zur Last zu legen sind, auf 
fehlerhafter Anwendung beruhen. Seit man erkannte, daß die 
moderne hygienisch-diätetische Behandlung der Tuberkulose in 
Volksheilstätten und Sanatorien die besten Erfolge bei möglichst 
frühzeitiger Behandlung versprach, mußte es ungemein wichtig 
sein, ein sicheres Mittel zur Diagnose der frünesten Stadien 
der Tuberkulose zu besitzen. Aus den zahlreichen Ver¬ 
öffentlichungen der letzten Jahre aus Volkslungenheilstätten 
und den Remen der praktischen Aerzte scheint der diagnostische 
Wert des Tuberkulins für die Frühdiagnose der Tuberkulose 
nun immer sicherer hervorzugehen. Auch jetzt noch halten 
die meisten Aerzte, insbesondere auch die meisten Heilstätten¬ 
ärzte die Ergebnisse der Krankengeschichte und die klinische 
Untersuchung für ausschlaggebend bei der Diagnosenstellung, 
aber es mehren sich immer mehr die Stimmen derer, welche 

f erade für den ersten Beginn der Krankheit das Tuber- 
ulin als wichtiges diagnostisches Hülfsmittel nicht mehr ent¬ 
behren wollen. Einige Landesversicherungsanstalten haben 
bereits Beobachtungsstationen eingerichtet, in denen diejenigen 
Kranken, bei welchen die Diagnose nach den klinischen Er¬ 
fahrungen zweifelhaft ist, vermittelst des Tuberkulins be¬ 
obachtet werden. 

Bereits in seinen ersten Veröffentlichungen unterschied 
Koch die diagnostisch verwertbaren und die therapeutischen 
Wirkungen des Tuberkulins. Diagnostisch verwertbar ist vor 
allem die Tatsache, daß tuberkulös infizierte Individuen sehr 
viel empfindlicher gegen die toxischen Wirkungen dos Tuber¬ 
kulins sind als gesunde. Nach Petrusehky lösen bei tuber¬ 


kulösen Menschen bereits Tuberkulin-Dosen, die zwischen ein 
Decimilligramm und ein Centigramm Tuberkulm liegen, deut¬ 
liche, ja starke toxische Wirkungen aus, während ganz gesunde 
Menschen gegen diese und selbst wesentlich höhere Dosen 
völlig unempfindlich sind. Immerhin ist bei Tuberkulösen und 
anscheinend auch bei Gesunden die Empfindlichkeit gegenüber 
dem Tuberkulin individuell sehr verschieden. 

Die Technik der probatorischen Tuberkulin-Einspritzung 
wird sehr verschieden angegeben. Da das Tuberkulin zweifel¬ 
los ein ungemein differentes Mittel ist, und in keinem Falle 
sich von vorn herein absehen lässt, wie stark die Reaktion 
auftreten wird, so ist es unbedingt erforderlich, bestimmte 
Vorsichtsmaßregeln zu beobachten. Die erste Voraussetzung 
ist stets völlige Fieberlosigkeit vor dein Beginn der 
Prüfung bei mehrtägiger Temperaturmessung. Nach Petruschky 
genügt es, die „in^viduelle Kurve“ des zu Prüfenden durch 
mehrtägige, 2—3 stündlich vorgenommene Messungen festzu¬ 
legen. Wird 37,5 bei Mundmessung, 37,2 bei Achselmessung, 
37,8 bei Mastdarmmessung nicht überschritten, und übersteigt 
die Differenz zwischen der niedrigsten und höchsten Temperatur 
1®C nicht, so kann die Kurve im Allgemeinen als normal 
gelten. Ist die Differenz größer, so muß die Prüfung entweder 
vermieden oder nur mit großer Vorsicht, bei Bettlage vor¬ 
genommen werden (Petruschky). Auch Götsch empfiehlt 
nach der Injektion Bettruhe. Eine genaue Temperatur¬ 
bestimmung vor der Prüfung ist natürlich ganz besonders 
wichtig bei ambulanter Behandlung, die bei Personen mit 
völlig normaler Temperatur nach vielfachen Erfahrungen ohne 
Bedenken zulässig ist. 

Ein zweiter wichtiger Umstand ist das Allgemein¬ 
befinden. Kranke mit schlechtem Allgemeinzustand, un¬ 
regelmäßiger Temperaturkurve oder deutlichem Fieber dürfen 
der probatorischen Einspritzung auf keinen Fall unterworfen 
werden. 

Die Anfangsdosis muß jedenfalls so niedrig genommen 
werden, daß eine starke Reaktion nicht zu erwarten ist. 
Ganz besonders gilt das von frischen Tuberkulosen, z. B. ge¬ 
schlossenen Lungentuberkulosen. Denn diese Fälle reagieren 
oft schon auf kleinste Dosen heftig, während geheilte Fälle 
und andererseits oft auch vorgeschrittene Lungenphtisen nicht 
mehr oder nur schwach reagieren. Nach Neisser sind frische 
und geschlossene Lungentuberkulosen auf mehrfach wieder¬ 
holte, rasch gesteigerte kleine Dosen besonders empfindlich. 
Dagegen steht Löwenstein’s Ansicht vereinzelt da, dass 
• allerdings ein Zusammenhang zwischen Krankheitsstadium und 
Reaktionsdosis bestehe, dass aber mit fortschreitendem Krank- 
heitsprocess die Höhe der Reaktionsdosis sinke, Leicbtkranke 
demnach im Durchschnitt auf eine höhere, Schwerkranke auf 
eine geringere Dosis reagierten. Jedenfalls muss die Dosierung 
viel vorsichtiger vorgenomraen werden, als es in der ersten 
•Zeit der Tuberkulinanwendung gebräuchlich war; starke 
Reaktionen sollen unter ^allen Umständen vermieden werden. 


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128 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 12. 


Man beginnt daher am besten mit ein Dezimilligramm. Die 
Einspritzunjgen werden unter aseptischen Eautelen am besten 
in der Zwischenschulterblattgegend vorgenommen. Unbedingt 
notwendig ist eine derartig kleine Änfangsdosis bei poli¬ 
klinischer Behandlung. Die Vorteile dieses Vorgehens sind 
nach Petruschky folgende: Tritt schon bei 0,1 mgr. eine deut¬ 
liche Reaktion auf, so setzt man die Kranken nicht der un¬ 
vorteilhaften, unter Umständen gefährlichen Wirkung einer 
starken, ev. allzustarken Reaktion aus. Tritt dagegen nach 
0,1 noch keine Reaktion auf, so dient die Dosis zugleich 
als „Kontrollinjektion“, d. h. sie entscheidet die Frage, ob der 
Akt der Injektion an sich bei dem zu Prüfenden Fieber und 
Schmerzen auszulösen im Stande ist, wie es Fürst u. A. hei 
Hysterischen beobachteten. Ueherhaupt wird von verschiedenen 
Seiten empfohlen, sowohl bei der diagnostischen wie bei der 
therapeutischen Anwendung des Tuberkulins von Zeit zu Zeit 
eine injectio vacua zu machen, um zu sehen, ob nicht das 
suggestive Moment massgebend ist für das Auftreten eines 
FieWs. Denn nach Köhler’s Untersuchungen sind die 
Tuberkulösen hinsichtlich ihrer Temperatur eigentümlich 
suggestiv beeinflussbar, und ans diesen suggestiven Temperatur¬ 
steigerungen kann leicht eine Fehlerquelle für die Annahme 
einer positiven oder negativen Reaktion entstehen. Eine Reihe 
von Autoren empfehlen nnn bedeutend höhere Anfangsdosen, 
nämlich 1—10 mgr., White z. B. aus dem Grunde,’'weil nach 
dem Gebrauche von sehr viel kleineren, allmählich gesteigerten 
Dosen eine Gewöhnung eintreten könne, und daher dann keine 
sichere Reaktion mehr zu Stande komme. Eine derartige Ge¬ 
wöhnung kommt jedoch anscheinend nur selten vor, viel 
häuflger vielmehr ein kumulativer Effekt. Daher benutzen 
Spengler, Petruschky u. A. die erste, scheinbar un¬ 
wirksame , kleinste Dosis, (0,1 mgr.) geradezu als „Vorreiz“. 
Sie bewirkt bereits eine vermehrte Blutzufuhr zu den er¬ 
krankten Geweben, durch welche diese für die nächste In¬ 
jektion empfindlicher werden. Diese zweite Einspritzung ver¬ 
mag daher den vollen Symptomenkomplex d!er Reaktion 
bereits mit einer Dosis auszulösen, welche, an erster Stelle 
gegeben, noch keine deutliche Reaktion bewirkt haben würde. 
Bei Kindern gilt im Allgemeinen mgr. als Norm 

für die Anfangsdosis. 

Fast allgemein wird die probatorische Tuberkulin¬ 
anwendung heutzutage nicht mit einer einzigen Injektion, 
sondern mittels einer Reihe von solchen ausgeführt; hierdurch 
werden einerseits unangenehme Nebenwirkungen durch zu 
starke Reaktionen am sicherst^ vermieden, andrerseits ist das 
diagnostische Ergebnis ein viel sichereres und beweiskräftigeres. 


Feuilleton. 

Über Verhütung der Tuberkulose 
(Schwindsucht). 

Von Prof. Dr. P, Kraus-Berlin. 

(Fortsetzung.) 

Im übrigen ist hinsichtlich der Kinderpflege zu sagen, dass 
alles, was die Gesundheitslehre inbezug auf Ernährung, auf 
möglichst oftmaligen und langdauemden Genuss frischer Luft, 
die Beeidung und die Hautpflege, die Reinlichkeit predigt, 
gerade im jugendlichen Alter mr die allgemeine Kräftigung 
des Körpers und speziell auch für die konstitutionelle Wider¬ 
standsfähigkeit gegenüber der Tuberkulose besonders wichtig 
ist, wenn auch dur^ ihre strenge Befolgung allein die ererbte Dis¬ 
position zur Tuberkulose vielleicht nicht ganz beseitigt oder 
die Erwerbung der Empfänglichkeit nicht absolut verhindert wird. 

Die zuträglichste Nahrung für Kinder stellt hier wie über¬ 
all die Milch dar. Dies bringt mich auf den Gesichtspunkt 
der Beschränkung der Tuberkuloseansteckung durch bazillen¬ 
haltige Nahningsstoffe überhaupt. Hinsichtlich der Beziehungen 
zwischen Menschen- und Tiertuberkulose herrscht dermalen 
unter den Aerzten ein noch nicht ganz geschlichteten Meinungs¬ 
streit Es ist allerdings keinem Zweifel mehr unterworfen, dass 


Die gewöhnliche Dosenfolge, fortgesetzt bis zum Eintritt einer 
Reaktion, ist folgende: 0,1 mgr., 0,5 mgr., 2, 5, 10—20 mgr. 
Wolff steigert bei ambulanter Anwendung folgendermassen; 
Vio nigr., */irt oder ®/io mgr., je nach der mehr oder weniger 
kräftigen Konstitution des Kranken, dann bis 10 mgr. Ge¬ 
wöhnlich gelten 10 mgr. als Maximaldosis für Erwachsene, 
6 mgr. für Kinder. Jedenfalls reicht es nicht aus, bei Er¬ 
wachsenen auf 5 mgr. stehen zu bleiben, wie Einzelne es 
wollen, erst nach 2 10 mgr. kann in einzelnen Fällen noch 

eine t^ische Reaktion auftreten (Kremser). Zwischen den 
einzelnen Injektionen liegen am besten 1—2 injektionsfreie 
Tage, an denen die Temperatur sorgfältig, am besten 2—3 
stündlich, beobachtet wird. Es ist jedenfalls falsch, zu grosse 
Pausen zwischen den einzelnen Einspritzungen zu machen, und 
die Dosis zu langsam zu steigern; man begibt sich dann des 
wichtigen kumulativen Effekts des Mittels, und bei zu langsam 
gesteigerten Dosen tritt unter Umständen sehr rasch eine 
steigende „Immunisirung“ ein, sodass dann leicht überhaupt 
keine Reaktion mehr zu stände kommt. Ist die Maximaldosis 
von etwa 10 mgr. ohne Reaktion erreicht, so kann man, um 
sicher zu gehen, sie nochmals wiederholen (Wolfi). Anderer¬ 
seits wiederholt Petruschky bei eingetretener Reaktion, um 
aus besonderen Gründen jeden Zweifel auszuschliessen, bei 
kräftigen Patienten 3—5 Tage nach Ablauf der Reaktion die 
gleiche Dosis; es pflegt dann eine noch stärkere Reaktion zu 
erfolgen; dabei ist gewöhnlich die örtliche Reaktion an der 
Stelle der Einspritzung geringer als bei der ersten Reaktion, 
die allgemeine Äbgeschlagenheit aber eher grosser. Kremser 
verlangt zum Beweise, dass keine Reaktion eintreten wird, dass 
die Temperatur nach mindestens 20 mgr. sich nicht über 
0,5 ®C. gegen die höchste Tagesmessung vor der Impfung 
erhebt. 

Für diagnostische Zwecke scheint das Alttuberkulin vor¬ 
zuziehen zu sein. Es wurde fast ausschliesslich verwendet. 
Pickert u. A. hatten den Eindruck, dass die Qualität des 
Neutuberkulins keine gleichmässige ist, es empfiehlt sich also, 
besonders wenn die Dosen höher werden, den Inhalt ver¬ 
schiedener Fläschchen zu mischen. 

Freymuth suchte, da die subkutanen Einspritzungen in 
der allgemeinen Praxis ihm unbequem erschienen, und auch 
von manchen Patienten unangenehm empfunden wurden, nach 
einer bequemeren Einverleibung und fand, dass Koch’s An¬ 
sicht, das Tuberkulin sei vom Magen aus unwirksam, nicht 
zutreffe. T. R. löste nach seinen Versuchen unter Umständen 
bei Tuberkulösen dieselbe Reaktion wie bei subkutaner An¬ 
wendung auch dann aus, wenn er es in keratinierten Pillen 


die Bazillen der menschlichen Tuberkulose die Hauptoefahr 
für den Menschen bilden. Da als einzige Quelle für ^esen 
Bazillus der tuberkulöseMenschin Betracht kommt, haben auch bei 
diesem Typus in erster Linie unsere Maßnahmen gegen die 
Weiterverbreitung der Tuberkulose einzusetzen. AlDer ganz 
gewiss sind auch die Bazillen der Rindertuberkulose nicht ohne 
Gefahr für den Menschen, namentlich aber gerade in den ersten 
Lebensjahren. Wie hoch diese Gefahr einzuschätzen ist, da¬ 
rüber werden erst fortgesetzte wissenschaftliche Untersuchungen 
volle Klarheit bringen. Aber was wir schon wissen, berech¬ 
tigt und verpflichtet uns, die Vorsichtsmaßregeln, welche in 
der Praxis der Tuberkulosebekämpfung bereits gebraucht werden, 
festzuhalten bezw. fortzufaliren, Maßregeln gegen die Möglich¬ 
keit der Infektion des Menschen durch Tiere zu ergreifen. 
Obzwar wir also die Säuglingsmilch nicht als Hauptgnmd der 
Schwindsuchtsentstehung gelten lassen können, obzwar wir 
nicht glauben, dass eine allgemeine Durchseuchung der Be¬ 
völkerung mit Tuberkulose ausschliesslich in frühester Jugend 
stattfindet, und wir auch nicht zugeben, dass ein bazillen- 
hustender Tuberkulöser nur für Säuglinge, welche durch Ver¬ 
schlucken des Staubes und der Tröpfchen des Auswurfs ledig¬ 
lich vom Darm her angesteckt würden, gefährlich ist, stellen 
doch auch wir für die Praxis der Tuberkulosebekämpfung den 
Gesichtspunkt auf, dass für die Ernährung der Kinder um jeden 
Preis tuherkelbazillonfreie Milch zu verschaffen ist, und dass 
vor allem von den Milclikindem hustende Phthisiker femzu- 


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1906. 


MBDIGINISCHB WOGHB. 


129 


S er 06 gab. Die Magensäure wird zweckmässig vorher durch 
^a. bicarb abgestumpft. Die Dosis muss im Allgemeinen viel 
höher sein als bei subkutaner Anwendung, für diagnostische 
Zwecke durchschnittlich 10 — 30 mgr. 

Der Symptomenkomplex der toxischen Wirkungen 
einer Tuberkalineinspritzung bei Tubeikulösen, also die sog. 
positive Reaktion setzt sich bekanntlich aus einer Reihe 
von Erscheinungen zusammen, von denen die konstanteste eine 
Temperatursteigerung ist. Die Höhe derselben und die 
Intensität der Reaktion überhaupt ist nicht nur von der Höhe 
der Dosis, sondern auch von der Widerstandsfähigkeit des In¬ 
dividuums und dem Grade der Erkrankung abhängig. Da der 
Allgemeinzustand eine grosse Rolle spielt, muss man z. B. bei 
Rekonvalescenten von ^ut fieberhaften Krankheiten mit der 
diagnostischen Verwertung einer einmaligen Reaktion sehr 
vorsichtig sein (Burghart). Die Kranken pflegen im All¬ 
gemeinen um so rascher und intensiver zu reagieren, je frischer 
die Erkrankung ist, umgekehrt erst viel später, auf viel höhere 
Dosen, mit relativ kleiner Reaktion und mässigem Fieber, je 
älter die Erkrankung ist (Kremser). Die Körper¬ 
temperatur steigt na^ 6—24 Stunden (meist wohl um die 
8 .—12. Stunde nach der Einspritzung), um einige Zehntel bis 
zu mehreren Graden, je nach der Höhe der Dosis und der 
individuellen Empfindlichkeit. Als typisch wird von den 
meisten Autoren der steile Aufstieg der Temperatur und der 
ebenso steile Abfall am gleichen oder 2. Tage, seltener erst 
am 3. Tage nach der Einspritzung angesehen, während die 
Höhe des Fiebers viel weniger maßgebend ist. Immerhin 
kommen zahlreiche Verschiedenheiten in der Temperaturkurve 
vor. Nach Frazier steigt die Temperatur meist allmählich, 
erreicht ihren Höhepunkt im Durchschnitt nach 22 Stunden, 
bleibt einige Stunden auf -der Höhe und kehrt innerhalb 
23 Stunden zur Norm zurück. Auch nach Petruschky 
findet ein allmählicher Abfall innerhalb 1 bis 2 Tagen 
zur Norm oder unter dieselbe statt. P. beobachtete 
Temperaturkurven entweder in der Form eines einfachen 
Hügels (eintägige Reaktion) oder eines doppelgipfeiigen Hügels 
(geringere „Na«mreaktion“ am nächstfolgenden Tag). Die Nei- 
ung zu subnormalen Temperaturen nach Abfall des Fiebers 
leibt in einzelnen Fällen längere Zeit bestehen, sodass vorher 
fiebernde Kranke entfiebert werden. Röpke z. B. beobachtete 
bei Kranken, welche bei zweifelhaftem Lungenbefunde leichtes 
Fieber hatten, welches trotz Bettruhe anhielt, dass nach einer 
kräftigen diagnostischen Reaktion die Temperatur dauernd 
normal wurde. Dauert das Fieber nach der Reaktion aus¬ 
nahmsweise noch einige Tage länger, so liegt nach' 


halten sind. Gegen die Kinderernährung mit Formalinmilch 
müssen wir uns entschieden wenden. Der Zusatz von Formalin 
selbst in kleinsten Mengen ist für eine dauernde Ernährung 
der Säuglinge nichts Gleichgiltiges: Verdauungsstörungen, Ver¬ 
schlechterung des Fett- und des Phosphorersatzes sind die 
Folge davon, auch erscheinen die Nieren gefährdet. Endlich 
bildet der Foimalinzusatz keinen Ersatz für das Kochen der 
Milch. Durch das Kochen haben wir bisher eine ganze Reihe 
von in der Milch enthaltenen krankheitserzeugenden Mikro¬ 
organismen abgewehrt, ferner haben wir durch Kochen und 
nachheriges Kühlhalten die zum Teil giftigen Fäulniserreger 
abgetöiet. Das Kochen der Milch hat sich sonach als ein un¬ 
entbehrliches und vorzügliches Mittel erwiesen, um den von 
der Kuhmilch drohenden Gefahren zu begegnen. Bezüglich 
der Säuglingsemährung bleiben wir wohl so lange bei der 
(nicht zu lange) gekochten Milch stehen, bis Herrn v. Behring 
sein hohes Ziel, welches die ärztliche und die Laienwelt mit 
gespanntem Interesse im Auge behält, die Immunisierung der 
Rinderherden, gelungen sein wird. v. Behring hofft durch sein 
Verfahren den Kühen (durch aktive Immunisierung) soviel 
Tuberkuloseschutzstoffe zuzuführen, dass eine zum Schutz (zur 
passiven Immunisierung) von Kindern genügende Menge der¬ 
selben in die Milch übergeht. 

Eine besondere Bedeutung für die Tuberkulosebekämpfung 
im Kindesalter könnte auch die fortschreitende Einführung von 
Schulärzten erlangen. Durch dieselben müssten den bedürf- 


Petruschky, Kremser u. A. niemals eine reine Tuberkulin¬ 
wirkung vor, sondern es wirken dann noch andere Ursachen 
mit: sekundäre Infektionen, leichte intercurrente Erkrankungen 
(Zahngeschwür, Angina, Influenza etc.). Durch sorgfältige vor¬ 
herige Beobachtung des zu Prüfenden ist ein solches Zu¬ 
sammentreffen zu vermeiden. 

Auch Frazier sah öfters, dass schwere Reaktionen mit 
starker Störung des Allgemeinbefindens durch gleichzeitige 
Gastrointestinalerkrankungen vorgetäuscht wurden. Ist man 
in solchen Fällen in Zweifel, ob nur eine scheinbare Re¬ 
aktion vorliegt, die in Wirklichkeit nicht auf das Tuberkulin, 
sondern auf die interkurrente Erkrankung zurückzuführen ist, 
oder ob ein zufälliges Zusammentreffen von Tuberknlinfieber 
und Fieber durch eine interkurrente Erkrankung vorhanden 
ist, so muss natürlich nach Ablauf letzterer die Prüfung 
wiederholt werden. Bei solchen scheinbaren Reaktionen 
kommt es auch vor, dass einerseits das Fieber schon wenige 
Stunden nach der Einspritzung, also für Tuberkulinwirkung 
zu schnell, ev. auch zu heftig eintritt, andererseits zu spät, 
erst nach der typischen Reaktionszeit, oder auch so, dass der 
erste Fiebertag mild, der nächste erst heftiger ausfällt. 

Zu der Temperatursteigerung kommt nun während der 
Dauer einer deutlichen Reaktion in den meisten Fällen eine 
Störung des Allgemeinbefindens, ähnlich der bei einer 
Influenza: Kopfschmerzen, Abgeschla^nheit, Appetitlosigkeit, 
manchmal auch Nausea, Schmerzen im Rücken und in den 
Gliedern, Schlaflosigkeit, in einzelnen Fällen ausgesprochene 
Depression. Alle diese Erscheinungen werden bei vorsichtiger 
Dosierung fast niemals schwerwiegend; bei Reaktionen geringeren 
Grades kann auch leichtes Fieber ohne Störung des All¬ 
gemeinbefindens auftreten, jedoch wird diese „milde Form der 
Keaktion“, wenn nicht gleichzeitig eine Örtliche Reaktion nach¬ 
weisbar ist, von vielen Autoren als nicht beweisend angesehen. 

Den dritten wichtigen Faktor im Symptomenkomplex der 
Tuberkulin-Reaktion bißen die örtlichen Veränderungen 
am Krankheitssitze. Sie sind durch eine 6—48 Stunden 
nach der Injektion auftretende aktive Hyperaemie des tuber¬ 
kulösen Herdes, eine vermehrte Vaskularisation der Tuberkel 
bedingt; bei stärkerer Reaktion kommt es zu Entzündungs¬ 
erscheinungen, aus der chronischen Entzündung wird eine m^r 
akute; es können schliesslich degenerative Veränderungen im 
tuberkulösen Gewebe und eine teilweise Nekrose desselben ein- 
treten. Klinisch äussern sieb diese Veränderungen am dent- 
lichsten bei sichtbaren tuberkulösen Herden, z. B. beim Lupus. 
Auch bei der Gelenk- und Knochentuberkulose wird, wenn 
auch nicht immer, eine vermehrte Schwellung und Schmerz- 


tigen Kindern die bestehenden und geeigneten Wohlfahrtsein¬ 
richtungen, wie z. B. Ferienkolonien, ^nderheilatätten, zu¬ 
gängig gemacht werden. Selbst bei der Wahl eines für die 
individuelle Körperkonstitution passenden Berufs wäre ein ärzt¬ 
lich-sachverständiger Rat unter Umständen nützlich. 

Ein Hauptgesichtspunkt in der Bekämpfung der Tuberku¬ 
lose, der wiederum vor allem der Familie zugute kommt, be¬ 
trifft die Wohnungsfürsorge. Allgemein gilt die Tuberkulose 
als die Krankheit der geschlossenen Räume. Wohn-, Arbeits-, 
Schlafstuben, in welchen der unreinliche Tuberkulöse in An¬ 
wesenheit einer zahlreichen Familie oder seiner Arbeitsgenossen 
mit seinem Auswurf reichliche Tuberkelbazillen verstreut, sind 
unzweifelhaft eine sehr wichtige, vielleicht die hauptsächlichste 
Ansteckungsgefahr. Hier sollten zunächst öffentlich ernstlich 
Mindestforderungen aufgestellt werden für das Wohnbedürfnis 
der Familien. Dass eine Familie bloss einen einzigen Raum 
zur Verfügung hat, wäre direkt zu verbieten. Nicht bloss 
zwei, mindestens drei getrennte Räume müssen für eine Familie 
in Aussicht genommen und für jeden HauJ^enossen ein ent¬ 
sprechender Luftraum festgesetzt werden. Eine unabhängige 
Wohnungsinspektion muss vor allem das bestehende Wohnungs¬ 
elend in vollem Umfange zu erheben und die hygienisch ganz 
unzulänglichen, als „Vvohnungen“ vermieteten Räumlichkeiten 
auch sofort zu schliessen. Selbstverständlich hätte sich die 
Wohnungsinspektion auch auf Hotels, Pensionen, Chambres 
garnies etc. zu erstrecken. 


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130 


MEDICINISCHK WOCHE. 


•Nr. 12. 


haftigkeit der erkrankten Stellen beobachtet. Bei der Lungen- 
tuberknlose werden die physikalischen Erscheinungen oft 
deutlicher: über verdichteten Partien tritt Rasseln auf, im 
Auswurf erscheinen Bazillen etc. Blutuntersuchungen 
Frazier’s ergaben im Allgemeinen eine Zunahme der Leu- 
kocyten, beginnend etwa 5 Stunden nach der Einspritzung, 
und etwa 24 Stunden später wieder abfallend. 

Schliesslich sind noch die meist geringfügigen entzünd¬ 
lichen Veränderungen (leichte Infiltrate) an der Einspritzungs¬ 
stelle zu erwähnen; sie verlaufen bei aseptischem Vorgehen 
stets ohne Eiterung und verschwinden in wenigen Tagen 
wieder vollkommen. (Fortsetzung folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medid/nische GeseiUschaß» 

Sitzung vom 28. Februar 1906. 

Tagesordnung: Hauser: Ueberernähning im Kindesalter. 

Eine grosse Zahl von Kindern guter Familien wird augen¬ 
scheinlich überernährt. Man soll sein Augenmerk nicht auf die 
Erzielung von Fettansatz richten; der Schwerpunkt der Ernährung 
des Kindes muss darin liegen, dasselbe verdauungsgesund zu er¬ 
halten. Leider wird oft, wenn bei Kindern Unruhe eintritt, die 
Gewichtszunahme stockt, in der falschen Annahme unzureichender 
Ernährung als Ursache konzentriertere Milch gegeben, mit dem 
Rc.saltat weiterer Verschlechterung. In derartigen Fällen gilt 
der paradoxe Satz: Je spärlicher die Kost, desto besser der Zu¬ 
stand des Kindes. Das gilt namentlich für Kinder mit exsuda¬ 
tiver Diathese, die zum Teil auf Ueberemährung beruht. Urti¬ 
caria, nässende papulöse Eczeme finden sich besonders bei gut 
genährten Kindern, von den Rhachitikern neigen die dicken mehr 
zu Tetanie, Deformitäten usw. Vielleicht beruhen die Anämien, 
übermästeter Kinder auf Autointoxikation (Ueberlastung des Darms, 
Obstipation). Wie empfindlich Muskeltätigkeit, Atmung, Kreislauf¬ 
verhältnisse, die ganze Widerstandsfähigkeit der Kinder durch die 
Ueberemährung beeinträchtigt wird, liegt auf der Hand. 

Diskussion: Landstein: Die Auffassungen Hausers wieder¬ 
holen im Wesentlichen schon früher von Czerny vertretene. Die 
exsudative Diathese wird durch Ueberemährung nicht ausgelöst, 
sondern nur in Entstehung begünstigt. Nicht nur in guten, 
sondern auch in ärmeren Familien begegnet man der Ueberer- 


Positives geleistet ist in dieser Richtung leider noch sehr 
wenig. Vor allem könnten die Versicherungsanstalten im 
grössten Umfango gesunde Arbeiterwohnungen in der Weise 
schaffen, dass sie von den in ihren Kassen allmählich an¬ 
gewachsenen Kapitalien, welche ja doch irgendwie plaziert 
werden müssen, an Baugewerk.^cliaften und Bau vereine 
Gelder verleihen zu entsprechend mäßigem Zinsfuss: so würde 
Gutes geschaffen und vielleicht sogar immer noch ein Geschäft 
erzielt! In Hannover, der Kheinprovinz und an andern Stellen 
ist damit auch bereits ein Anfang gemacht. In den Gemeinden 
dürfte die Sache auf Schwierigkeiten stossen, weil die hygie¬ 
nischen Interessen erst versöhnt werden müssen mit den Inter¬ 
essen der Hausbesitzer, ln Hessen, Bayern, Sachsen, Baden 
sind zur Verbesserung der Wohnungen auch von Staatswegen 
gewisse Verordnungen erlassen, in Preussen ist noch kein 
Wohnungsgesetz verabschiedet. Die Hauptaufgabe fiele zu¬ 
nächst, wie mir scheint, einsichtigen und kapitalkräftigen Arbeit¬ 
gebern zu. Herr Putter, welcher, nachdem er bereits in Halle 
in mustergültiger Weise die Familienfürsorge für Lungenkranke 
eingerichtet, gegenwärtig die gleiche Organisation in grossem 
Stile und mit Unterstützung der Regierung auch in Berlin 
durchführt, hat unter den Maßnahmen zur Tuberkulosebe¬ 
kämpfung die Hinziimietung eines Zimmers, sowie die Des¬ 
infektion und die Kontrolle über die Befolgung der Anord¬ 
nungen ins Auge gefasst. Damit wird die Wohnungsverbesse¬ 
rung für weite Kreise aus dem Utopiacben heraus einer prak- 


oährung. Dieselbe ist streng zu scheideu in die mit Fett und die 
mit Kohlehydraten. 

. Hauser: Schlusswort. 

Diskussion über den Vortrag Kirchner: Ueber Klima und 
hygienische Einrichtungen Aegyptens. 

Hirschberg hat Aegypten zum Studium der Kömerkrank- 
beit vor 17 Jahren bereist. Das Klima Oberägyptens zeichnet 
sich aus durch die absolut reine Luft uud die ganz regelmäßig 
warme Temperatur. Man empfindet kein Durst - und Anstrengungs- 
gefühl. Am wohltätigsten ist der Einfluss bei Nieren- und 
Lungenkranken. Das wussten schon Hippokrates, Galen, bei 
letzterem findet sich die interessante Stelle, dass Schwindsucht gar 
nicht oder nur schwer heilbar ist, am besten noch hilft Milch- 
trinken und Aufenthalt in Oberägypten oder Lybien. Vor dem 
Nilwasser warnt H. dringlichst. In alter Zeit lebten in Aegypten 
die gesundesten und reinsten Menschen. 1350 findet sich zum 
ersten Male das häufige Auftreten von Augenkrankheiten in Aegyp¬ 
ten erwähnt; von diesem sind die wichtigsten das Trachom und 
die acute eitrige Bindehautentzündung. 

Simon hat vor 3 Jahren 3Vi Monate des Winters in Heluan 
zugebracht. Die ungünstige Tuberkulosemortalitätsstatistik der Ein¬ 
wohner erklärt sich aus den schlechten hyginischen Verhältnissen 
der Städte. Er warnt vor einem Rückschluss von dieser Statistik 
auf das Klima. Für Initialfälle' der Lungentuberkulose empfiehlt 
er Oberägypten wärmstens. Nierenleidenden empfiehlt er, auch 
den Sommer dort zu bleiben. Vor der Reise mit den Nildampfern, 
die unhygienisch eingerichtet sind, warnt er. Dagegen scheint ihm 
nach seinen persönlichen Erfahrungen die Gefahr des NUwasser- 
genusses überschätzt zu werden. 

Rietschel fragt, ob ein nach gewissen Tierexperimenten zu 
erwartender günstiger Einfluss des warmen, trockenen Klimas auf 
den Diabetes in Aegypten sich einstellt. 

Senator bestätigt die günstige Einwirkung des Klimas 
Aegyptens auf Diabetiker. 

AerxtVtcher Verein zu SanUmrg, 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 27. Februar 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Schottelius demonstriert ein neues Röhrchen für 
praktische Aerzte zum Einsenden von Blutproben zur Vidalschen 
Reaktion: der das Röhrchen verschliessende Wattebausch dient 
gleichzeitig als Träger des Blutquantums, aus dem das Blut nach¬ 


tischen Verwirklichung näher gebracht. Reiche Leute haben 
Zimmer für alles Mögliche und Unmögliche, ein vernünftiges 
Krankenzimmer richten sich nur wenige ein. Da hätte der 
Arme etwas voraus; das hinzugemietete Zimmer, welches 
vor allem zur Isolierung für den tuberkulösen, Bazillen spucken¬ 
den Patienten, der eben noch arbeiten will und kann, im 
Schosse der Familie bestimmt würde. Bedenken Sie, dass 
unzweifelhaft die allermeisten Tuberkulösen dauernd in ihrer 
Familie sich aufhalten, dann werden Sie solchen Bestrebungen 
Gerechtigkeit widerfahren lassen! 

Gewissermaßen nur einen Teil der Wohnungsfürsorge 
bilden die Maßnahmen, welche zu treffen sind, um die aus 
dem Arbeitsverhältnis sich ergebenden krankmachenden Ein¬ 
wirkungen zu vermindern. Da müssen zu den „Unfallver¬ 
hütungsvorschriften“ auch noch „Krankheitsverhütungsvor¬ 
schriften“ hinzukommen. Man hat hinsichtlich dieser Aufgabe 
vorgeschlagon, der Invaliditätsversicherung auch die Durchfüh¬ 
rung der Krankenversicherung zu übertragen. Ins Auge zu 
fassen ist insbesondere der Schutz der Atemwerkzeuge bei der 
Arbeit, die Regelmäßigkeit der Mahlzeiten, die Rücksichtnahme 
auf die Anfangssymptome von Erkrankungen der Luftwege etc. 
etc. Bei besonders exponierten Betrieben sollten Lehrlinge und 
junge Arbeiter vor der Aufnahme auf Konstitution und Gesund¬ 
heit untersucht werden. (Schluss folgt.) 


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1906. 


MEDICIKISCHE WOCHE. 


181 


her durch Centrifugierung wieder' gewonnen wird. Herr Smith 
bestätigt die damit erzielten guten Resultate und bemerkt, dass 
man zur Vidalschen Reaktion mindestens nur 0,1 ccm Blut 
brauche. 

2. HerrManel berichtet über einen 27jährigen moribund ins 
Krankenhaus eingelieferten Fall von Feminismus. Bei der 
Sektion fanden sich diphtherische Beläge bis in die Bronchiolen 
hinein, bronchopneumonische Heerde, Herz> und Leberverfettung 
und eine frische parenchymatöse Nephritis. Die Mammae waren 
stark prominent, das Fettpolster der Baachdecken war bis zu 8 cm 
dick, es bestand ferner ausgesprochen femininer Habitus, eine 
Hypoplasie beider im Scrotum befindlicher Hoden bei normal 
grossem Penis, Prostata und Samenblasen, Spermatozoon waren 
nicht nachweisbar. Solche hypoplastischen Hoden degenerieren er¬ 
fahrungsgemäß häufig maligne. Herr Lochte fragt, ob Patient 
früher geschlechtskrank gewesen sei. Herr Fränkel hat einen 
Pall von Kryptorchismus mit hypoplastischen Hoden gesehen, der 
infolge einer Pyämie nach Gonorrhoe wegen notwendiger Bougierung 
zn Grunde ging: die libido coeundi ist also sicher in solchen Fällen 
vorhanden. Herr Lochte wünscht Auskunft über die Zeugungs¬ 
fähigkeit solcher Leute. Herr Simmonds bestätigt, dass die 
libido coeundi bei hypoplastischen Hoden ungemindert sei. Herr 
Fränkel glaubt, es bestehe ein Unterschied bei erst erworbenen 
hypoplastischen Hoden und bei der Entwickelungshemmung: in 
letzterem Falle sei die libido coeundi zwar vorhanden, die potentia 
generandi jedoch aufgehoben. Herr Nonne zeigt die Photo- 
graphieen zweier Fälle von Feminismus, die zufällig auf seiner 
Abteilung im Krankenhaus lagen. Der eine unverheiratete Mann 
hatte normale Genitalien (mit Gonorrhoe als Nebenbefund!) und 
eine normale Stimme, der andere Mann war verheiratet, allerdings in 
steriler Ehe, hatte kleinen Penis und apiastische Hoden, dabei eine 
ausgesprochene Eunuchenstimme. Herr Engelmann hat einen 
fünfjährigen Knaben mit auffallend grossem Penis und tiefer Bass¬ 
stimme gesehen, der Kehlkopfbefund war wie bei einem Erwach¬ 
senen. Herr Nonne kommt noch einmal auf die einzelnen 
Merkmale des Feminimus zu sprechen und erwähnt, dass er drei 
Brüder kenne, die alle drei steril verheiratet sind, kleine Geni- 
tidien und nicht palpierbare Hoden haben. 

3. Herr Hueter hat eine 80jährige Frau seciert, die unter 
den klinischen Erscheinungen des Marasmus senilis und der Bron¬ 
chitis chronica zu Grunde gegangen war. Es fand sich jedoch 
eine ausgesprochene Phthise, Genitaltuberkulose und eine chro¬ 
nische Peri- und Parametritis. Zwischen Tube und Ovarium sass 
ein gut bohuengrosser Tumor: das erhaltene, aber tuberkulöse 
Epophoron. An der Hand dieses Falles bespricht der Vortr. 
die Entwicklungsgeschichte und die Pathologie des Epophorons tmd 
demonstriert mikroskopische Präparate. 

4. Herr E. Franke spricht ausführlich über ballonierende 
Degeneration des Hornhautepithels: an der Debatte be¬ 
teiligen sich ausser dem Vortr. noch die Herrn Unna und Del- 
banco, doch eignet sich das Vorgetragene nicht zu kurzem 
Referat. 

5. Herr Fränkel spricht über Gasgangrän. Ein Mann 
hatte bei einem dreifachen Mord zu Hilfe eilen wollen und erhielt 
einen Schuss in den linken Unterarm. Am anderen Tage schon 
war von der Einschussstelle aus eine livide Verfärbung zu er¬ 
kennen, die Gewebe knisterten, und zwar nur im Bereiche des Flexors 
digitorum communis sublimis. Der Arm wurde abgesetzt. Das 
von Luftblasen durchsetzte Gewebe wird demonstriert. 

6. Herr Simmonds zeigt den Magen einer Frau, die pro¬ 

fuse Blutungen hatte und an einer Pneumonie gestorben war, 
dabei war das Lumen des blutenden Gefässes nur drei Stecknadel¬ 
kopf gross. Schönewald. 

AerxtUcher Verein München. 

Sitzung vom 7. Februar 1906. 

1. Kassenbericht, erstattet durch Dr. Grassmann. 

2. Beratung über neu anzuschaffende Literatur (Dr. Spatz). 

3. Herr A. Scheibe: Ueber das therapeutische Ver¬ 
halten der akuten Mittelohrentzündungen mit Berück¬ 
sichtigung ihrer verschiedenen Aetiologie. 

Scheibe unterscheidet aus klinischen Gründen eine nicht- 
perforative und eine perforative Mittelohrentzündung. Aetiologisch 


ist kein Unterschied zwischen beiden Formen, sie sind nur graduell 
verschieden. Es hängt lediglich von der Menge der gebildeten 
Sekrete ab, ob eine Perforation zu stände kommt oder nicht. Die 
Therapie, die Sch. bei der Otitis media anwendet, ist die bekannte 
seines Lehrers Bezold (Luftdouche zu Beginn; wo notwendig Eis¬ 
beutel. Sobald Flflstersprache bei Vj Meter nicht mehr hörbar 
ist, Paraoentese des Trommelfells im hintern untern Quadranten, 
damachfolgend Luftdouche. Antiseptische Nachbehandlung; bei 
Sekretion Borsäureeinblasungen. Wattepfropf. — Weiterhin die 
übliche Behandlung der Mastoideiterungen). 

Die Statistik, über die Scheibe verfügt, bezieht sich auf 
1800 Fälle; es konnten aber nur 627 verwertet werden, die 
bis zur definitiven Heilung verfolgt wurden. Von diesen wiederum 
wählte Sch. 272 Frühfälle (die zwischen erstem und dritten 
Krankheitstag in Behandlung kamen) aus. Bei diesen ist dann 
eine Trennung nach der Aetiologie vorgenommen, jedoch nicht in 
bakteriologischer, sondern in klinischer Hinsicht. Bei der ge¬ 
meinen Mittelohrentzündung ist ein Loch nicht sichtbar, die Per¬ 
forationsstelle ist nur an dem schnell auftretenden Granulations- 
wall erkennbar, die Heilungstendenz ist hierbei eine grosse. Bei 
den sekundären Mittelohreiterungen entstehen grosse Löcher, 
die besonders bei Scharlach sich durch ganz rapide Gewebsein¬ 
schmelzung vergrössem. Die tuberkulöse Mittelohreiterung ist der 
Typus der dy.skra8i8chen Formen. 

Eine Einschmelzung des Knochens entsteht bei der gemeinen 
Mittelohreiterung nur, wenn das Sekret unter erhöhtem Druck 
steht; nicht so bei den sekundären Formen, wo nicht selten trotz 
der Perforation Knochennekrosen auftreten. Am schwersten pflegen 
bei Infektionskrankheiten auftretende Mittelohreiterungen zu ver¬ 
laufen. Der Schwere des Verlaufs der Otitis nach sind diese: 
Scharladi, Masern, Diphtherie, Influenza. Die Erkrankungen des 
Mittelohres bei letzterer nähern sich der gemeinen Form. Von 
chronischen Infektionskrankheiten hat schwere Otitiden im Gefolge 
die Tuberkulose, aber nicht die Lues. Ein stark destruierender 
Einfluss zeigt sich beim Diabetes und beim Altersmarasmus. 

Aus der Statistik, die in 3 Tafeln übersichtlich ausgearbeitet 
vorlag, geht hervor, dass die Prognose der gemeinen Form sehr 
günstig ist. Komplikationen lassen sich zwar nicht sicher ver¬ 
meiden, können aber leicht bewältigt werden. Bei den sekun¬ 
dären Formen ergeben sich viel ungünstigere Resultate. Daran 
ist die Widerstandslosigkeit des Organismus infolge der Allgemein- 
krankheit schuld. 

Bei Erwachsenen dauern die Prozesse länger als bei Kindern 
(infolge der bedeutenden Grösse der pneumatischen Zellen und 
ihrer verhältnismäßig geringen Schleimhautauskleidung). Die (im 
Gegensatz zu dem übrigen Kindesalter) längere Dauer der Eiterung 
bei den Säuglingen findet ihre Erklärung in der Persistenz des 
embryonalen Bindegewebes während des ersten Lebensjahres. — 
Bei dem Verlauf der Otisis media ist auch der Einfluss der ade¬ 
noiden Wucherungen zu berücksichtigen, die zum Verschluss der 
Tuba führen; der dadurch hervorgebrachte negative Druck ist 
von grosser Wichtigkeit, da er die Resorption der serösen oder 
eitrigen Ergüsse des Mittelohra verhindert. Schon dieser Punkt 
allein spricht für die Anwendung der Luftdouche. — Schliesslich 
empfiehlt Sch. noch die Bezold'sehe Therapie, die trotz aller 
gegen sie gemachten Vorwürfe (Luftdouche, Borsäureeinblasung) 
sich sehr gut bewährt habe, wie aus der vorliegenden Statistik 
am besten zu ersehen ist. 

Diskussion. 

Hummel berichtete von einem leichten Verlauf der von ihm 
bei seinen Soldaten beobachteten, bei Scharlach und Typhus vor¬ 
gekommenen Mittelohreiterungen. Wassermann bekämpft, von 
chirurgischen Grundsätzen ausgehend, die Borsäureoinblasung und 
empfiehlt Adrenalin-Einträufelung in die Tube. Nadoleczug 
erwähnt ein nicht ganz seltenes Auftreten von Mastoideiterungen 
auch bei Säuglingen. Im Uebrigen drehte sich die Diskussion 
um therapeutische Einzelheiten. 

4. Herr F. Crämer: Bericht der Schulkommission. 

Cr. gibt einen sehr eingehenden Bericht über die Tätigkeit 
der vom ärztlichen Verein eingesetzten Schulkommission. Es kann 
hierauf nicht näher eingegangen werden. Nur die von der Kom¬ 
mission aufgestellten Leitsätze für die körperliche Aus¬ 
bildung unserer Mittelschüler seien im folgenden berichtet: 


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132 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 12. 


■Durch den Ministerialerlass, der die Förderung der Jugend- 
turnspiele empfiehlt, ist eine neue Aera in der körperlichen Aus¬ 
bildung der Mittelschüler eingeleitet. Damit dieser Erlass aber 
tatsächlich die wünschenswerte Wirkung erzielt, sind folgende 
Forderungen (für beide Geschlechter) zu erfüllen: 

1. Die körperliche Ausbildung unserer Mittelschüler soll er¬ 
folgen durch Turnen, Turnspiele, Wanderungen, Eislauf, Schwim¬ 
men etc. 

2. Der körperlichen Ausbildung ist als Mindestmaß täglich 
eine Stunde, wenn irgend angängig, im Freien, zu widmen. Auch 
im Winter soll keine Unterbrechung stattfinden. Für ausreichende 
Turn- und Spielplätze muss baldigst von Seite des Ministeriums 
gesorgt werden. 

3. Die körperliche Betätigung stellt nur unter gewissen Be¬ 
dingungen eine Erholung und Kräftigung dar. Auch sie nimmt 
Körper und Geist in Anspruch. Die Stunden für die körperliche 
Ausbildung dürfen daher nicht einfach in den bisherigen Stunden¬ 
plan eingeftigt werden. Das würde eine Neubelastung der Schüler 
bedeuten, die absolut unzulässig ist. Die nötige Zeit muss viel¬ 
mehr durch Einschränkung anderweitiger Anforderungen gewonnen 
werden. Nach dem Turnen und den Turnspielen dürfen geistige 
Anstrengungen durch Unterricht oder Hausaufgaben nicht ohne 
genügende Pause verlangt werden. 

4. Am besten wird der gesamte Unterricht auf den Vor¬ 
mittag verlegt. Jedenfalls müssen die anstrengenden Lehrgegen¬ 
stände vormittags erledigt werden, den leichteren Fächern und 
der körperlichen Ausbildung soll der Nachmittag gewidmet sein. 
Hausaufgaben sollten nach Möglichkeit eingeschränkt werden. 

5. Die Beteiligung an den Turnspielen etc. ist obligatorisch 
zu machen. Die Wahl der Spiele soll den Schülern freigestellt 
sein. 

6. Beaufsichtigung durch Fachlehrer ist nur zur Verhütung 
gesundheitlicher Schäden bezw. zur Einführung in die Spiele 
wünschenswert. 

7. Der von obligatorischen Stunden freizuhaltende Sonntag 
soll ausschliesslich der körperlichen und geistigen Erholimg ge- 

' widmet werden. Dr. Albert Uffenheimer. 

Ma/tvnhei/mer Aenetevereirt;, 

Sitzung vom 19. Februar-1906. 

Fulda: Behandlung der Leukämie mit Röntgen- 
8 trahle n. 

F. stützt eich im wesentlichen auf die Erfahrungen der 
Heidelberger Klinik des Herrn Prof. Dr. Erb. Nach jeder Be- 
strahlong werden Blutkörperchenzählungen mit dem Zeiss-Thoma- 
Apparate gemacht, es werden zur Analysierung des Blutbefundes 
Blutpräparate angefertigt und die Leukocytenformen bestimmt. 
Die Röntgenstrahlung in Heidelberg erfolgte meist täglich mit 
einer mittelharten Röhre in einem Abstande von 15—20 cm bei 
einer Stromstärke von 4—5 Ampere’ mit Funkeninduktor von 
50 cm Länge und Quecksilbermotorunterbrecher, also bei einer 
Anordnung, wie sie auch in der Anstalt des Vortragenden üblich 
ist. Die nicht zu bestrahlenden Körperteile werden durch Blei¬ 
platten abgedeckt, die besonders gegen Röntgenstrahlen empfind¬ 
lichen Genitaldrüsen und das Gesicht wurden in allen Fällen ge¬ 
schützt. Bei einigen Fällen wurden bei eingetretener leichter 
Pigmentierung oder Rötung die betreffenden Hautpartieen mit 
dünnen Staniollagen bedeckt, um auf diese Weise die der Haut 
schädlichen weichen Strahlen abzuhalten ohne die Tiefenwirkung 
der harten Strahlen zu beeinträchtigen. Die Bestrahlung der 
einzelnen Fälle wurde meist mit allmählich steigender Dauer, 
liöchsteus acht Minuten ausgeführt. Bei den myelogenen Leu¬ 
kämien wurden Milz, Sternum, lange Röhrenknochen bestrahlt. 
Bei den übrigen Fällen die Milz und die Lymphdrüsen, ausserdem 
Brust und Bauch, um auf die weihrscheinlich affizierten Mesente¬ 
rial-, Mediastinal- und Lumbaldrüsen einzuwirken. 

Die Leukämie ist umso leichter zu beeinflussen, je kürzere 
Zeit sie besteht. Bei der myeloiden Form ist es möglich, die 
Allgemeinstönmgen zu beseitigen, den Blutbefund und die Milz 
bis fast zur Norm zu bringen und zwar brauchen die Fälle mit 
Drüsenschwellung und Knochenschmerzen längere Bestrahlungs¬ 
dauer als die Fälle ohne diese Erscheinungen. Bei der lympha¬ 


tischen Leukämie, die viel längere Bestrahlungsdauer als die mye- 
loide erfordert, gelingt es zwar, die AUgemeinstÖrungen zu be¬ 
seitigen, die Milz und vielleicht auch die Lymphdrüsen zur Ver¬ 
kleinerung, die Leukocystenzahl der Norm nahe zu bringen, doch 
scheint eine wesentliche Beeinflussung der Verhältniszahlen der 
Leukocytenformen nicht möglich zu sein. Bei beiden Formen tritt 
zuerst die Besserung des Allgemeinbefindens auf, dann folgt die 
Verminderung der Leukocyten und erst nach dem Sichtbarwerden 
der Wirkung auf die Leukooytenzahl zeigt sich auch die Rück¬ 
bildung der Milz und der Lymphdrüsen. Von einer Heilung der 
Krankheit kann vorläufig in keinem Falle gesprochen werden, doch 
ist zum mindesten anzunehmen, dass bei ständiger Beobachtung 
der Patienten und rechtzeitiger ev. notwendiger Fortsetzung der 
Bestrahlung das Leben der Patienten auf Jahre hinaus verlängert 
werden kann. Es empfiehlt sich zur Unterstützung der Strahlen¬ 
wirkung Arsen während der Behandlung und auch während der 
Pausen zu geben, es aber besonders anzuwenden, wenn eine Ver¬ 
mehrung der Erythrocyten unter der Bestrahlung oder in der 
Pause eintreten sollte. 

Es darf wohl behauptet werden, dass die Wirkung der Rönt¬ 
genstrahlen eine rein symptomatische ist. Es ist in Wirklichkeit 
kein Fall einer Heilung von Leukämie durch Röntgenstrahlen be¬ 
kannt. Wie vorsichtig aber selbst die Besserung eines Symptoms, 
das für die Diagnose einer Leukämie unentbehrlich ist, beurteilt 
werden muss, lehrt ein Fall akuter Leukämie, in welchem die 
Zahl der weissen Blutkörperchen während der letzten, dem Tode 
voraufgehenden Woche spontan von 76 000 auf 3000 im crom 
zurückgingen. Ob die Ursache der Leukämie durch die Strahlen 
unschädlich gemacht werden kann, ist höchst zweifelhaft, da sie 
noch selbst unbekannt ist. Dr. Max Jacoby. 

Schlesische Gesellschaft für vaterlö/nAische Sjultur, 

Medicinische Sektion. Sitzung am 2. Januar 1906. 

Der Vorsitzende Herr Geh, Rat Uhthoff widmet vor Eintritt 
in die Tagesordnung dem verstorbenen Mitgliede Herrn Prof. 
Kolaczek einen Nachruf. 

1. Dr. Kaliski: Ueber eine neue Funktionsprüfung 
des Magenmech|anismus unter natürlichen Verhält¬ 
nissen und ohne Anwendung der Schlundsonde (Sahli- 
sche Desmoidreaktion). 

Der Vortragende prüfte die von Sahli empfohlene Desmoid- 
reaktion nach und benutzte eine Gummimembrane (aus einem 
Dentaldepot), die mit Rohcatgut fest verschnürt wurde. Zur 
Füllung wurden Jodkaliumpillen (kal. jodat. 0,5) oder Methylen- 
blaupillen (4 0,05) verwandt. In den Fällen, wo nach 7 bis 
8 Stunden keine Blaufärbung des Urins eintrat, wurde auf Chro- 
mogen untersucht (beim Kochen mit Eisessig eine blaue Farbe), 
Die extrastomachalen Versuche, die bei einer Temperatur von 37® 
C, im Brütofen ausgeführt wurden, ergeben konstant die Lösung 
des Beutels bei Anwesenheit von HCl und Pepsin, dagegen ein 
negatives Resultat bei HCl allein, oder bei Milchsäure in Ver¬ 
bindung mit Pepsin. Die Darreichung der Kapseln an Patienten 
erfolgte in der Weise, da.ss dieselben unmittelbar nach der Haupt¬ 
mahlzeit mit reichlich viel Wasser geschluckt wurden. Die 
Prüfung wurde vorgenommen mit Kontrolle durch Probefrühstück: 
1. am Gesunden, 2. bei Hyperacidität, 3. bei Anacidität, a) bei 
ausgesprochenem Carcinom, bei Verdacht auf Carcinom, 4. bei 
Subaciditat. 

In allen Fällen, in denen HCl und Pepsin abgesondert wurden, 
fiel die Reaktion positiv aus; in zwei Fällen, wo keine freie HCl 
gefunden wurde, war trotzdem eine Blaufärbung des Urins ein¬ 
getreten ; es ergab aber eine Ausheberung nach einem Mittagsbrote 
freie H CI, so dass man hieraus die Bedeutung der Sahlischen Re¬ 
aktion erkennen kann, denn leichte Störungen der Säureproduktion 
täuschen oft eine Anacidität vor, während nach einer reichlichen 
Mahlzeit freie Salzsäure nachweisbar ist. 

Bei allen Carcinomfällen war die Reaktion negativ, bei Hy¬ 
peracidität kann zuweilen, wenn eine Hypennobilität vorliegt, die 
Pille zu schnell in den Darm geschafft werden, es zeigt sich dann 
keine Blaufärbung des Urins, Die Sahli'sehe Desmoidreaktion ist 
somit eine vorzügliche Probe auf freie HCl und Pepsin nach einer 
aus gemischter Kost bestehenden Mahlzeit. Auf Grund seiner 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


133 


eztrastomachalen and intrastomachalen Beobachtungen gelangt der 
Vortragende zu folgenden Schlüssen: 

1. Für Hyperaridität spricht eine tiefblaue Färbung schon 
nach 4 Stunden, 

2. für eine normale Acidität spricht der Eintritt der Reaktion 
erst nach ca. 7—12 Stunden, 

3. für Subacidität, resp, motorische Insufficienz spricht der Ein¬ 
tritt der Reaktion erst am nächsten Tage. 

Diese Thesen werden bestätigt durch biologische Unter¬ 
suchungen, Uber die Schwarz in der mediz. Gesellschaft referiert 
hat. Er gab Wismut in Desmoidbeuteln und fand im Röntgen¬ 
bilde vor der Verdauung die Kapseln als circumskripten dunklen 
Punkt, nach der Verdauung als diffusen Schatten, vom verstreuten 
Wismutpulver herrührend. Nach seinen Beobachtungen lösten sich 
die Kapseln bei Hyperacidität in 2 Stunden, bei motorischer Acidität 
in 7 Stunden, bei motorischer Infussicienz war die Kapsel noch in 
20 Stunden nicht gelöst. 

In der darauffolgenden Diskussion weist Röhmann auf den 
Widerspruch hin, der darin besteht, dass man sonst allgemein die 
Verdauung nach 5 Stunden als beendet ansieht, während hier erst 
nach 8 Stunden eine Reaktion eintreten sollte. Er glaubt daher, 
dass die Auflösung der Beutel erst im Darm durch Einwirkung 
des Pankreassaftes erfolgt. 

Rosenfeld meint, dass doch auch die Resorption eine gewisse 
Zeit beanspruche, und dadurch die Zeitdifferenz erklärbar sei. Er 
glaubt, dass diese Methode die Sondenuntersuchxmg nicht ersetzen 
könne, weil letztere zuverlässiger sei. Es sprachen noch Rosen¬ 
feld, Krause, der die Methode mit wechselbarem Erfolg nach¬ 
geprüft hat, und 0 p p 1 e r. 

Zum Schluss bemerkte noch der Vortragende, dass diese 
Methode das vor dem Probefrühstück voraushabe, dass sie mehr 
die natürlichen Verhältnisse berücksichtige und auch für den prakt. 
Arzt ein guter Notbehelf sei. 

2. Generalarzt der russischen Marine Dr. B u n g e (a. G.); 
„Ueber Skorbut, besonders an derHand von Beobach¬ 
tungen in Port Arthur.“ 

Die Krankheit hat jetzt fast nur noch historischen Wert, da 
sie mit wenigen Ausnahmen nur in belagerten Festungen und bei 
Polarezpeditionen vorkommt. — Symptome: Zunächst allgemeine 
Schwäche, Anaemie besonders der Schleimhäute (Fieber fehlt 
meist); die Gingiva ist geschwollen, gelockert und blutend, an den 
unteren Extremitäten treten Ekchymosen auf, ebenso Extravasate 
an den Rippenbogen und Pleuritiden; die Zahnfleischerkrankung 
wird immer schlimmer, Zähne fallen aus; am Herzen entstehen 
Geräusche, und die Kranken gehen an Paralyse zu Grunde. Die 
Diagnose ist leicht zu stellen, es kommen Morb. macul. Werlhoffli 
und Purpura rheumatica diff, diagn. in Betracht. Ursachen der 
Krankheit sind ausser mangelhafter und ungeeigneter Ernährung 
und Feuchtigkeit in den Wohnräumen vor allem in dem psychi¬ 
schen Momente der Hoffnungslosigkeit zu suchen. Auch die ge¬ 
zwungene Untätigkeit wirkt begünstigend ein. In Port Arthur 
trat sie zuerst bei den Matrosen der Schiffe auf, die wegen Beschädi¬ 
gungen in die Docks mussten. Dann nahm sie durch den starken 
Fremdenzufluss und den Mangel guter Nahrung, besonders an 
Fleisch, rapide zu. Bei der strengen Winterkälte und der Feuch¬ 
tigkeit in den Wohnungen und insbesondere bei der durch die kriege¬ 
rischen Misserfolge entstandenen Mutlosigkeit und Enttäuschung 
wirkte der Skorbut kombiniert mit anderen Erkrankungen und 
Verletzungen so verheerend, dass er n. A. des Vortragenden, 
schliesslich ausschlaggebend wurde für die Uebergabe der Festung. 

Die Behandlung soll möglichst nicht in Hospitälern erfolgen. 
In Port Arthur wurden auf der bekannten Tigerhalbinsel Gemüse¬ 
gärten eingerichtet und die Skorbutkranken in Kolonien interniert 
und mit Gartenarbeit und Fischfang beschäftigt. Anfangs war auch 
der Erfolg ein vorzüglicher, bis die kolossale Ausbreitung der 
Seuche jegliche Behandlung unmöglich machte. Von inneren 
Mitteln kommen noch in Betracht die Roborantien und sogen. Anti- 
scorbutica, wie Rettig, Radieschen, rote Rüben, Zwiebel, Knob¬ 
lauch, Kartoffeln, Fruchtsäuren, besonders frische Citronensäure 
und Beeren. Auch Transpiration durch heisse Bäder wird em¬ 
pfohlen. 


Ueber das Wesen der Krankheit stehen sich zwei Ansichten 
gegenüber; die einen nehmen einen parasitären Ursprung (Coccus) an, 
die Anderen führen die Krankheit auf einen Mangel an Salzgehalt 
(Kalisalze) zurück. Der Vortragende ist Anhänger der letztge¬ 
nannten Theorie. Gegen die erste spricht das Vorkommen in 
polaren Gegenden, ferner der Umstand, dass die Krankheit in 
Port Arthur nur bei den Mannschaften, und zwar nicht bei den 
Offizieren auftrat, dann gleich nach der Uebergabe der Festung 
erlosch und den Japanern überhaupt vollständig unbekannt war. 
Nur die durch ausschliessliche, nährsalzanne Reisuahrung hervor¬ 
gerufene Beri-Berikrankheit der Japaner ist dem Wesen nach dem 
Skorbut verwandt. 


Österreich. 

GeseUchaft fUr innere Medidn und Ki/nder^ 
heUkufide in Wien, 

Sitzung vom 11. Januar 1906. 

(Eigener Bericht.) 

Widermann stellt drei Patientinnen vor, bei denen er den 
M. Basedowii mit Röntgenstrahlen behandelt hat. Die 
Krankheit ging mit den typischen Symptomen einher. Vortr. be¬ 
strahlte die Struma unter Verwendung weicher Röhren mit Rönt¬ 
genstrahlen. Bei allen Fällen wurden die Symptome der Er¬ 
krankung durch die Behandlung nur wenig geändert, die Augen¬ 
symptome blieben fast unverändert, ebenso die Pulsfrequenz. Die 
nervösen Erscheinungen wurden in zwei Fällen sehr günstig be¬ 
einflusst, in anderen blieben sie gleich, bei allen Fällen konnte 
jedoch eine erhebliche Steigerung des Körpergewichts konstatiert 
werden. 

Weinberger demonstriert anatomische und mikroskopische 
Präparate von dem Falle mit Aneurysma der Arteria 
radialis, welchen er früher einmal vorgestellt hatte, das Aneu¬ 
rysma sass in der Fovea radialis, ausserdem hatten die Symptome 
von Endokarditis und schwerer Nephritis sowie Schmerzen in den 
Gelenken bestanden. Der Tod erfolgte an Herzschwäche. Bei 
der Obduktion fanden sich alte und frische endokarditische Ver¬ 
änderungen an den Herzklappen, chronische parenchymatöse Ne¬ 
phritis, Infarcte der Milz und der Nieren, chronischer Hydroce- 
phalus inteiTi. und das haselnussgrosse Aneurysma der Arteria 
radialis, welches schon intra vitam auf eine Embolie zurück¬ 
geführt worden war. In den endokarditischen Auflagerungen 
fanden sich Influenzabazillen, so dass der seltene Fall einer durch 
Influenzabazillen hervorgerufenen Endokarditis vorliegt. 

H. Pollitzer sprach über die Arneth'sche Veränderung 
des neutrophilen Blutbildes. Arneth bat angegeben, dass 
sich unter den neutrophilen weissen Blutkörperchen des normalen 
Blutes im Durchschnitt 5% einkernige, 33% zweikernige, 43% 
dreikemige, 17% vierkermge und 2% fünf kernige finden; bei 
akuten Infektionskrankheiten vermehren sich die einkernigen und 
zweikernigen neutrophilen Zellen auf 80%. Arneth deutet dies 
so, dass in diesem Falle unter toxischen Einflüssen die alten mehr- 
kernigen Zellen zerfallen und die einkernigen als jugendliche 
Formen im Knochenmark in grösserer Menge neugebildet werden. 
Pollitzer hat nun diese Angaben Arneth’s nachgeprüft und 
konnte sie nur bei Triacidfärbung bestätigen, bei anderen Färbungs¬ 
methoden nicht. Die von Arneth angegebene Vermehrung der 
Zellen wird dadurch vorgetäuacht, dass das Chromatin der Zell¬ 
kerne bei Infektionskrankheiten aufquillt, wodurch die Kerne 
schwer analysierbar werden und bei Triacidfärbung zusammen- 
fliessen. 

K, K, OeseUehaft der Aenste in Wien, 

Sitzung vom 12. Januar 1906. 

(Eigener Bericht.) 

v. Neumaan berichtet über einen Fall von geheilter Le¬ 
pra, den er in floridem Stadium der Krankheit im Jahre 1900 
vorgestellt hat. Die Affektion betraf einen 43 Jahre alten Be¬ 
amten aus Bulgarien. Die Stiruhaut war braun gefärbt, Augen¬ 
brauen, Lider und Wangen gewulstet. Im Sputum und Nasensekret 
fanden sich zahlreiche Leprabazillen. Der Kranke erhielt Injektionen 


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134 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 12. 


von ChaulmoograÖl, Solutio Fowleri und Einatmungen von Jodkalinm- 
lösung. Derzeit ist der Kranke völlig genesen. Dieser Pall bietet 
manchem Leprakranken einen Hoffnungsstrahl, dass nicht jede 
Aussicht auf Genesung ausgeschlossen ist. Die medicamentöse Be¬ 
handlung, der man allenthalben mit grosser Skepsis begegnet, 
wird auch weiter versucht werden müssen. 

V. Fatsch stellt aus der Klinik v. Eiseisberg einen Mann 
mit Spins bifida occulta vor. Bei dem Pat. bemerkt man 
hochgradige Lordose, leichte Skoliose, starke Drehung des Beckens 
nach vome, der Gang ist ähnlich demjenigen bei congenitaler 
Hüftluzation, doch sind beide Hüftgelenke frei. An der Stelle 
des Domfortsatzes des zweiten Lendenwirbels ist eine Grube zu 
tasten, an der Basis des Steissbeines befindet sich ein Grübchen, 
aus dem manchmal eine seröse Flüssigkeit ausfiiesst. 

A. Exner demonstriert eine Frau, die er wegen Perinexitis 
laparotomiert hat Es schien Cystitis vorzuliegen und durch die 
Cystoskopie gewann inan den Anschein eines Tumors am Blsujen- 
scheitel. Die Sectio alta imd die in Ergänzung derselben aus¬ 
geführte Laparotomie ergaben einen aus Granulationsgewebe be¬ 
stehenden, den Blasenscheitel mit dem Netze und einer Dünn¬ 
darmschlinge verbindenden Tumor, der sich um einen’Holzsplitter 
gebildet hatte. 

R. Beck hält einen Vortrag über Touristik und Herz. 
Vortr. hat mehrere hunderte Zahlungen des Pulses mit Berück¬ 
sichtigung seiner Qualität bei Aufstiegen in verschiedenem Terrain 
vorgenommen, die Pulszahlen haben höhere Werte als die bei 
militärischen Märschen beobachteten. Albumen, Cylinder, Nieren¬ 
elemente fanden sich niemals im Harn, hingegen konnte regel¬ 
mäßig nach anstrengenden Touren eine Verbreiterung der 
Herzdämpfung nachgewiesen werden. Sehr mäßig betriebene 
Touristik dürfte nicht zu Herzerkrankungen führen, dagegen könnte 
forciertes und oft wiederholtes Bergsteigen das Herz schädigen. 
Daraus folgt: Bergaufstieg in bequemen Tempo, Einschränkung 
der Zahl der Bergtouren, besonders im Winter. Jeder Tourist 
sollte sich jedes halbe Jahr einmal das Herz untersuchen lassen. 

H. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinieche Wochenechrifl. 1906. No. lo. 

1. Mangold, Jena: Die neurogene und myogene Theorie 
des Herzschlages. 

In dem ersten Teil dieser sehr eingehenden Erörterungen 
gibt Verf. einen Ueberblick über die verschiedenen Anschauungen, 
die Entstehung des Herzschlages betreffend. Man kennt Fälle, in 
welchen die gangliogene Automatie des Herzschlages unabweisbar 
feststeht, andererseits können wir auch Beobachtungen machen, 
in denen die myogene Entstehung zweifellos erscheint. Die Ar¬ 
beit wird in der nächsten Nummer der Wochenschrift fortgesetzt 
werden. 

2. Lichtenstein, Dresden: Das Wasser als Feind der 
BOntgenaufpahmen. 

Verf. wurde durch die geringen Erfolge der Radioskopie bei 
Gravidität veranlasst, den Gründen nachzugehen, welche das 
Misslingen der Aufnahmen bedingen. Es gibt eine ganze Reihe 
allerdings ziemlich weit zurückliegender Arbeiten über die Frage 
der Radioskopie bei Gravidität, deren Resultate in folgenden 
Sätzen zusammengefasst werden können. 1. Die Radiographie ge¬ 
stattet, an der Lebenden die Beschaffenheit eines Beckens kennen 
zu lernen, nicht aber eine genaue Beckenmessung vorzunehmen. 
2. Die Radiographie ist ein sehr unzuverlässiges und unzureichendes 
Hilfsmittel zur Feststellung der Kindeslage und mehrfachen Schwan¬ 
gerschaft an der Lebenden. Dagegen lässt sie den Eiinhalt in 
durch Operation gewonnenen Präparaten erkennen. 3. Schuld an 
dem Misslingen der Darstellung der Kinder in utero ist die Un¬ 
durchlässigkeit dicker Weichteile, die zu grosse Entfernung des 
Kindes von der Platte und die Bewegungen von Mutter und Kind. 
Verf. glaubt nun, andere Gründe für die erwähnten Misserfolge 
anführen zu können. Experimentelle Untersuchungen haben ihn 
zu der Ueberzeugxmg gebracht, dass der Wassergehalt der Gewebe 


in den vorliegenden Fällen, das die Frucht umgebende Frucht¬ 
wasser schuld an den Anfhahmeschwierigkeiten ist. Eine Reihe 
anderer Beobachtungen sprechen dafür. So ist es bekannt, dass 
Blasensteine besser sichtbar werden, wenn man die Blase mit Luft 
füllt, das heisst aber nur, wenn man das Wasser, den Ham 
entleert. 

3, Riegler, Jassy: Heuere Beaktionen auf Aoeteseigs&nre. 

Verf. gibt folgende modifizierte Jodreaktion an. 1—2 ccm 
normaler Ham wird mit 2 com 10% Jodsäurelösung und 3 ccm 
Chloroform versetzt und durcbgeschüttelt. Das Chloroform wird 
violett gefärbt, nun fügt man zu obiger Mischung etwa 10 ccm 
von dem zu untersuchenden Ham hinzu und schüttelt wieder gut 
durch. Bei Anwesenheit von Aoetessigsäure wird das violett ge¬ 
färbte Chloroform farblos. Des weiteren hat Verf. die von 
Arnold angegebene Diazoreaktion modifiziert. In einen zylin¬ 
drischen Scheidetrichter bringt man 20 ccm des auf Acetessigsäure 
zu untersuchenden Harns, fügt 4—5 Tropfen konzentrierte Chlor¬ 
wasserstoffsäure und 10 ccm Aether hinzu. Nach gründlichem 
Schütteln lässt man absetzen und trennt Ham von Aether. Zu 
diesem Ham setzt man 10 ccm Petroleumäther hinzu und schüttelt 
wieder gut durch. Jetzt werden 10 Tropfen einer 10% Ammo¬ 
niaklösung zugefügt und wieder geschüttelt. Nun lässt man die 
untere ziegelrot gefärbte Schicht vorsichtig durch Oeffnen des 
Glashahnes ablaufen. Von dem im Scheidetrichter zurückgeblie¬ 
benen Aether gibt man 4—5 ccm in ein weisses Porzellanschälchen 
und lässt freiwillig verdampfen. Zu dem Trockenrückstande fügt 
man 5—6 Tropfen konzentrierte Chlorwasserstoffsäure, es entsteht 
eine blauviolette Lösung, Zu der im Schüttelzylinder verbliebenen 
Aethermenge gibt man das halbe Volumen, also etwa 5—5 ccm 
konzentrierte Ghlorwasserstoffsänre und schüttelt mehrfach gut 
durch. Ist Acetessigsäure vorhanden, so färbt sich die am unteren 
Ende des Zylinders sich ansammelnde Flüssigkeit prachtvoll blan- 
violett. Will man den Diazokörper in reinem Zustande und in 
grösserer Menge erhalten, so verfährt man folgendermaßen: Man 
löst 1 g Paramidoacetophenon in 40 ccm Wasser unter Zufügung 
von 20 Tropfen konzentrierter Chlorwasserstoffsäure und fügt zu 
dieser Lösung eine Lösung von 0,5 Natriumnitrit in 20 ccm Wasser, 
In ein Kölbchen gibt man 10 ccm Wasser, 10. Tropfen 10% 
Natronlauge und 1 ccm acetessigsaures Aethyl, schüttelt gut durch 
und fügt die erste Lösung hinzu. Es wird wieder durchgcschüttelt 
und 2 ccm konzentrierte Ammoniaklösung hineingegeben, nun 
schüttelt man so lange, bis die so entstandene Diazoacetophenon- 
diazetsäure sich zu einer Masse zusammengeballt hat. Dieser 
Körper ist braun in Wasser unlöslich, löslich in Chloroform, Al¬ 
kohol und Aether. Löst man eine kleine Menge dieses Körpers 
in Chloroform oder Aether und gibt zu 10 ccm dieser Lösung etwa 
5 ccm Chlorwasserstoffsäure, so zeigt sich nach dem Durchschütteln 
eine prachtvoll blauviolette Farbe. 

4, Hoffmann, München: Heber Aktinomykose des Kehl¬ 
kopfes und des Eop&iokers. 

Verf. hatte Gelegenheit, einen letal verlaufenden Fall von 
Aktinomykose der Halsorgane zu beobachten, welche bei einem 
52jährigen Mann sich entwickelt hatte. Es bildeten sich mehrere 
grössere Abszesse, vor allem im linken Stemokleidomastoideus mit 
Uebergang auf die Trachea und multiplen Perforationen von aussen 
nach innen. Verf, betont die Schwierigkeit der Diagnose. Aetio* 
logisch kam bei diesem Fall vielleicht in Betracht, dass Patient 
die Gewohnheit hatte, Kornähren zu kauen. 

5. Kümmel, Hamburg-Eppendorf: Beitrag snr Kenntnis 
der tuberknlfisen Erkrankungen des Oesophagus. 

Bei einem zur Sektion kommenden Pall von Phthisis pulmo¬ 
num konnte Verf. ein auffallend grosses tuberkulöses Geschwür in 
der Speiseröhre beobachten. Dasselbe nahm die ganze Breite und 
mehr als die Hälfte der Länge des Organs ein. Die Tiefe war 
nur gering. Eine Perforation oder Verlötung mit bronchialen Lymph- 
drüsen bestand nicht. Klinisch bestanden gar keine Erscheinungen. 

6. Doerfler, Weissenburg a. Sand: Ein weiterer Fall Ton 
Pubiotomie, 

Verf. hat in der Privatpraxis eine Geburt durch den Scham- 
beinschnitt bei asphyctischem Kinde mit günstigem Ausgang für 
Mutter und Kind beendet. Es handelte sich um ein rhachitisch 


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1006. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


135 


platt verengtes Becken. Die Operation wurde in typischer Weise 
aosgeföhrt and gelang ohne Zwischeniall. 

7. Doerner, Wiesbaden: Probefrtthstttok oder Probenuttag* 
essen. 

Verf. hat sorgfältige Untersuchungen darüber angestellt, ob 
für die Untersuchung der sekretorischen Tätigkeit des Magens das 
Probefrühstück oder Probemittagessen besser geeignet sei. Die 
Werte für HCl sind nach dem Probemittagessen geringer als 
nach dem Probefrühstück, sodass letzteres allein ein falsches Bild 
geben würde. Im Gegensatz dazu scheint HCl-Hypersekretion 
nach dem Probemittagessen deutlicher zu werden. Findet man 
beim Probemittagessen unternormale Werte für HCl oder ein De¬ 
fizit, so wird das Probefrühstück einen wertvollen Aufschluss über 
den Grad der Insuffizienz geben. Es empfiehlt sich daher, beide 
Methoden nebeneinander zu verwerten. 

8. Quosig, Wiesbaden: Zur Kenntnis der Tetanie intesti¬ 
nalen Ursprungs. 

Verf. hat einen Fall von Tetanie beobachtet, welcher ihm 
die Ueberzeugung brachte, dass derartige Fälle nicht sowohl auf 
der von F1 e i n e r angenommenen Wasserverarmung, sondern auf 
Autointozikation beruhen. 

9. Oppenheimer, München: Ueber die Errichtung von Be¬ 
ratungsstellen für Mütter von Säuglingen in München. 

Verf. tritt warm für die Errichtung von Beratungsstellen ein, 
da er in seiner eigenen Beratungsstelle ganz vorzügliche Er¬ 
fahrungen gemacht hat. Vor allem ist das grösste Gewicht auf 
eine Erziehung zum Stülgeschäft zu legen. Immer wieder muss 
erzieherisch darauf hingewirkt werden, dass die Frauen ihre 
Kinder selbst stilleo. In dieser Beziehung hat sich die Auszah¬ 
lung von Stillprämien sehr gut bewährt. Natürlich sollen ledig¬ 
lich bedürftige Frauen zu diesen Beratungsstellen zugelassen 
werden. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. lo. 

1. Goldscheider, Berlin: Über naturgemässe Therapie. 

Der richtige Weg zur Erforschung der Krankheitsheilung ist 
die Beobachtung der natürlichen Krankheitsheilung. Als Prototyp 
derselben kann die Selbstheilung der Infektionskrankheiten gelten 
und die modernste Therapie, die Serumbehandlung ist das Muster 
einer „Naturheilmethode“. ^ ist durchaus notwendig, den tele¬ 
ologischen Standpunkt bei der Betrachtung der Krankheiten und 
Naturheilungen inne zu halten. Natürlich kann man nicht ver¬ 
gessen, dass die Zweckmässigkeit der Vorrichtungen des Organismus 
unter pathologischen Bedingungen gewisse Grenzen zeigt. Bei 
diesen Grenzen beginnt die ärztliche Kunst. Der Natorheilprozess 
ist auf die normalen, physiologischen Prozesse zurückzuführen. 

Die Schädigung irgend eines Gewebes löst eine intensive 
Proliferationstätigkeit der Zellen aus. Je intensiver der Abbau 
im Eliweissmolekul statthat, desto intensiver vollzieht sich auch 
der Aufbau. 

Ob die Entzündung als ein zweckmässiger Vorgang anzusehen 
sei oder nicht, ist heute noch eine strittige Frage. Ein Beweis 
gegen die teleologische Bedeutung liegt bisher nicht vor. Auch 
das Fieber scheint eine zweckmässige Erscheinoug zu sein, wenn 
auch gelegentlich der deletäre Effekt uns daran zweifeln lässt. 
Besonders klar zeigt sich die Zweckmässigkeit der Lebensvorgänge 
bei den Herzkrankheiten. Jedoch der Selbsthilfe des Organismus 
sind Grenzen gezogen und die Erfahrung lehrt, dass die ärztliche 
Kunst den Körper zur erfolgreichen Überschreitung dieser Grenzen 
veranlassen kann. Die ärztliche Kunst i.st auch imstande, die 
Selbstheiliing des Körpers in zweckmässige, der Gesamtfunktion 
gehörig Rechnung tragende Bahnen zu lenken. 

Wir können den Naturheilprozess nachahmen resp. unter¬ 
stützen. Dies geschieht bei Anwendung der Serum-, Antitoxin- und 
Vaccinationsbehandlung. 

Wir können ferner den Naturheilprozess indirekt unterstützen. 
Hierher gehört die symptomatische Behandlung. 

Wir können den Naturheilprozess durch Allgemeinbehandlung 
unterstützen. Wir können den Naturheilprozess regulieren. Die 
Therapie muss eintreten wo der Naturheilprozess fehlt oder ver¬ 
sagt. Schliesslich sind auch die Anpassung und funktionelle Aus¬ 


gleichung Wege, auf welchen der Naturhellvorgang unterstützt 
werden kaTin. 


2. Zettnow, Berlin: Oeisseln bei Hühner- und B^onrrens- 
Spiroohaeten. 

Verf. hat die von Borrel angegebene Beobachtung von 
Geissein bei Hühnerspirochaeten bestätigen können nnd auch 
solche bei Recnirensspirochaeten nachgewiesen. Für die Technik 
ist es besonders wichtig, die Spirochaeten von anhaftendem Eiweiss 
zn befreien, dazu muss das Blut defibriniert und zentrifngiert 
werden. Bei letzterer Manipulation scheinen die Geissein sehr 
leicht abzureissen. 

3. Kromayer, Berlin: Queoksilberwasserlampen zur Be¬ 
handlung von Haut und Sohleimhant 

Im Verein mit der bekannten Platinschmelze von Heräns in 
Hanan hat Verf. Quecksilberlampen mit Wasserkühlung konstruiert, 
welche eine bequeme Handhabung nnd vielseitige Anwendung ge¬ 
statten. Die Vorteile vor der Finsenlamj^e und dem Eisenlicht 
gibt der Verf. folgendermassen an: 1. kürzere Belichtungsdauer, 
2. Behandlung grösserer Flächen, 3. Behandlung von Schleim¬ 
häuten, 4. Bequemlichkeit für den Arzt und Patienten, 5. Billig¬ 
keit im Betriebe. Die Indikationen sind bisher etwa folgende: 
Lupus, Nävus vasculosus Alopecia areata. Acne rosacea, Ekzeme. 
Acute und chronische Gonorrhoe, hartneokige syphilitische Affek¬ 
tionen. Natürlich werden sich diese Indikationen noch vermehren 
lassen. Auch kann mau nicht mit absoluter Sicherheit von einem 
Erfolg bei den genannten sprechen. Hierüber werden erst weitere 
Untersuchungen Änfschluss geben. 

4. Frankenstein, Kiel: Kollision von Zwillingen bei der 
Geburt. 

Verf. hatte Gelegenheit den seltenen Fall von gleichzeitigem 
Eintreten beider Früchte ins Becken zn beobachten. Der eine der 
zweieiigen Zwillinge wurde in dorsoposteriorer Vorderhauptslage, 
der andere in dorsoanteriorer Bec^enendlage geboren. Der letztere 
wurde dekapitiert. Der erstere kam lebensfrisch zur Welt. Irgend 
welche Schwierigkeiten hat die Operation und Entwicklung nicht. 

5. Leuwer, Bonn: Ein neuer Hasensat^er. 

Zur Vermeidung der Mängel des Sondermannschen Nasen- 
sangers hat Verf. im Verein mit der Firma F. A. Eschbaum 
einen Nasensauger konstruiert, welcher auskochbare gut anpassbare' 
Oliven am Glas zeigt. Der Sangeballon ist in Wegfall getreten 
nnd an seine Stelle eine Säugpumpe gesetzt. Das Sekret wird in 
Erweiterungen der Oliven aufgefangen. 

6. Illyes, Budapest: Ein Fall von essentieller Hierenblutnng. 

Ein 44jähriger Patient kommt wegen dauernden Bluthamens 
in das Spital. Unreterkatheterismus ergibt vollkommen normale 
Funktionen beider Nieren und den Ursprung der Blutung in der 
linken Niere. Bioslegung und Spaltung der linken Niere. Da 
kein Befund, wird die Niere wieder vernäht und die Wunde ge¬ 
schlossen. Vollkommene Heilimg, keine Wiederkehr der Blutung. 
Ursachen völlig unaufgeklärt. 

7. Schaedel, Leipzig; Verhaltoiigsmassregeln bei akuter 
Gonorrhoe. 

In Anbetracht der Wichtigkeit guter Informationen für 
Gonorrhoiker geben wir die vom Verf. mitgeteilten in der Koll- 
raannschen Klinik üblichen Vorschriften wörtlich wieder. 

Der Tripper i^t eine ernste Erkrankung and wegen seiner verschiedenen 
Folgecrkranknngcn nicht leicht zu nehmen. Diese lassen sich vermeiden, 
wenn der Tripper sachgemäß and dem Zustand eines jeden angepasst be¬ 
handelt wird; geschieht dies, dann ist der Tripper heilbar. 

Allgemeine Verhaltungsmaßregeln: Peinliche Sauberkeit und 
Vermeiden jeder Berührung mit dem Eiter, denn ins Auge gebracht, ruft 
der Trippereiter schwere Entzündung hervor. Verboten sind: a) sämtliche 
alkoholischen Getränke, also Bier, Wein, Schnaps, Liqueure, brausende, 
koblensäurehaltige Getränke, wie Soda- und Selterswasser. Das viele Trinken 
von Flüssigkeiten bat, wenn nicht anders verordnet, zu unterbleiben; 
b) scharfe Gewürze und scharf gewürzte Speisen (Gulasch, Paprikascbnitzel, 
Senf- und Pfeffergurken, Senf, Hettig, Meerrettig, Spargel, Sellerie, Zwiebel 
Schnittlauch etc.}. Nicht spät essen! Verboten sind ferner: c) alle 
körperlichen Anstrengungen, besonders solche erschütternder Art, wie Keifon. 
Springen, Tanzen, Turnen, Veiocipedfabren und vieles Wagenfähren; aucti 
Treppen-nnd Bergsteigen, Heben schwerer Lasten. AlsGetränke empfohlen, 
Milch, wenig Rotwein, mit Wasser (nicht Selter) gemischt, Brunnenwasser, 


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136 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 12. 


Fruchtsaftlimosaden (ausser Zitronen), Tee und Kaifee nur reichlich mit 
Milch Terdtlnnt, Lindenblütentee- 

Besondere Verbaltungamaüregeln: T^lich ein straff und gut 
sitzendes Suspensorium tragen, öfters wenn möglich, einen Abend um den 
andern, ein Sitzbad von 32 — 36® C 15 Minuten Tang! Ist ein öfteres Sitz* 
bad nicht möglich, so ist das Glied täglich frühmorgens mit warmem Wasser 
zu reinigen. Drei- bis viermal täglich zwei Kapseln Qonosan während, 
d. i. zwischen dem Essen nehmen, und zwar moi^ens zum Kaffee, zum Früh¬ 
stück, zu Mittag und Abend je zwei Kapseln, falls dreimal verordnet nur 
zum Frühstück, Mittag und Abendbrot zwei Kapseln. Von der verordneten 
Flüssigkeit wird eine Spritze voll langsam und vorsichtig in die Harn¬ 
röhre eingespritzt. Vor der Einspritzung muss uriniert werden, damit der 
coccenbaltige Eiter nicht in den gesunden Teil der Harnröhre getrieben 
wird; die Flüssigkeit wird je nach Verordnung 4 bis 10 Minuten in der 
Harnröhre durch ZudrUcken der Eichel darin gelassen und, wenn möglich, 
in der nächsten Stunde nicht uriniert. Jede auffallende Veränderung, jeder 
an irgend welcher Stelle auftretende Schmerz ist dem Arzte zu melden. 
Bevor man zur Sprechstunde geht, suche man den Urin etwa fünf Stunden 
zu halten. Geschlechtliche Aufregungen sind verboten. Wer wissentlich 
oder fahrlässig einen Menschen in seiner Gesundheit schädigt (hier durch 
Ansteckung im geschlechtlichen Verkehr) macht sich im Sinne des Gesetzes 
strafbar und handelt unmoralisch. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. lo. 

1. Hilgenreiner, Prag: Beitrag zur Kenntnis der Hemia 
Uteri ingninalis. 

Patientin war früher wegen rec^htseitigem incarcerierten 
Leistenbruches operiert worden. Bei dieser Gelegenheit fand man 
bereits den Uterus und die Adnexe im Bruchsack, jedoch so fixiert, 
dass bei der nötigen Abkürzung der Operation an eine Ablösung 
und Reponierung nicht gedacht werden konnte. Sechs Jahre 
später trat bei der erblich schwer belasteten Patientin eine Psychose 
in Gestalt einer Melancholie auf. Im Verlauf derselben rezidivierte 
die Hernie und es w\irde von neuem operiert. Man fand ein ein¬ 
geklemmtes Stück des Cöcum, reponierte dieses, löste stumpf 
teils blutig den Uterus und die Adnexe und benutzte den Uterus¬ 
körper mit gutem Erfolge zum Abschluss der weiten Bruchpforte. 
Verf. weiset die Annahme, dass die Melancholie ihre Ursache in 
der Uterushemie habe, nicht ganz von der Hand. Die Verwendung 
des Uterus zum Verschluss der Bruchpforte ist des öfteren ausge¬ 
führt und empfohlen worden. 

2. Heryng: Warschau: üeber neue Inhalationsmethoden 
und neue Inhalationsapparate. 

Im allgemeinen werden Inhalationen falsch vorgenommen. Die 
Zunge muss hervorgezogen werden, der Inhalationsstrom muss ge¬ 
nügend heiss sein und die Medioamente müssen in genügender 
Menge vorhanden sein. Verf. hat ausgedehnte Untersuchungen 
über Inhalationsapparate gemacht und eine Reihe von Neuerungen 
angegeben. Siene Inhalationsapparate zerfallen in vier Gmppfen 
1. Vorrichtung zur Regulierung des kalten Sprays in den Grenzen 
von IB bis 30® C. 2. Thermoregulator für Dampfinhalationsappa- 
rate ohne Thermometer mit einstellbarer Skala von 35 bis 65® C. 
3. Thermoakkumulator zur Vergasung schwer flüchtiger, heilkräf¬ 
tiger Stoffe. 4. Inhalationsapparate für allgemeine Säle mit Thermo¬ 
regulator, resp. Thermoakkumulator. Die Einzelheiten der Kon¬ 
struktionen lassen sich im Rahmen eines kurzen Referates nicht 
besprechen, es muss auf die Originalarbeit verwiesen werden. 

3. Steiner, Altenburg S.-A.: Zur externen Behandlui^ 
Hautkranker. 

Verf. hat mit einem von der Firma „Chemische Werke Fritz 
Friedländer, Berlin“ hergestelltem neuen Teerpräparat Versuche 
unternommen. Dieses Präparat hat den Namen Teerdermasan und 
muss nach den Erfahrungen des Verf. auf das dringendste em¬ 
pfohlen werden. Das Präparat hat juckstillende, schälende und 
austrocknende Eigenschaften. Irgend welche Reizerscheinungen 
hat der Verf. nicht gesehen. Es kommt für alle die Fälle in 
Frage, wo sonst der Teer gebraucht wurde. 

4. Marmorek, Paris: Beitrag xur Kenntnis der Virulenz 
der Tnberkelbazillen. 

Verf. hat ausgedehnte Versuche über die Virulenz von Tu¬ 
berkelbazillen verschiedenen Alters angestellt. Er benutzte die 
sonst sich refraktär gegen Tuberkulose verhaltende weisse Maus, 
indem er durch Aufschwemmung der Bazillen in einer Chinin¬ 
lösung die Phagocyten lähmte und so den Tuberkelbazilleu bessere 
E^stenzbedingungen schaffte. Die Versuche ergaben einwurf8fi*6i, | 


dass die jungen primitiven 2 —3 Tage alten TuherkelbaztUen viru¬ 
lenter sind, als solche, welche demselben Stamm entnommen wurden 
aber 2 —3 Monate gewachsen waren. 

5. Laqneur, Berlin: Die Anwendung der physikalischen, 
Heilmethoden in der Therapie des akuten Oelenkrhenmatisnius. 

Die Winternitz’sche Schule behandelt den akuten Gelenk¬ 
rheumatismus als akute Infektionskrankheit. Halbbäder von 27 
bis 22® C. Vorher fenchte gewechselte Einpackungen, bis zum 
Schweissausbruch. Diese Prozedur entweder ein- oder auch mehr¬ 
mals pro Tag. Um die Schmerzhaftigkeit der Gelenke herabzn- 
setzen, wird eine etwa 7 Minuten dauernde Faradisation den 
hydriatischen Mallnahmen vorausgeschickt. Ferner kommen kalte 
Longettenverbände in Anwendung. Nach Moritz wird die 
Hydrotherapie mit der Darreichung von Salicyl kombiniert. Im 
Gegensatz zu Wiuteruitz wendet dieser Autor heisse Bäder 
von 38—41® und 20 Minuten Dauer an. Noch weiter geht 
Hauffe, derselbe steigert die Temperatur der Vollbäder von 
38 ® bis auf 45 ®. Nach dem Bade wird der Patient noch einge¬ 
packt. Salicylgebrauch verwirft Hauffe gänzlich. Später kommen 
Teilbäder in Anwendung. 

Der Verf. verfährt folgendermaßen: Anwendung des Natr. 
salicylic. Lokalbehandlung der Gelenke mit Longetteuverbänden. 
Nachts Priessnitz’sche erregende Umschläge. Nach Schwinden 
des Fiebers wird das Salicyl fortgelassen und es werden Voll¬ 
bäder von 35—38® gegeben, Dauer 10—20 Minuen. Bei Kom¬ 
plikation mit Endocarditis, Abkürzung des Bades und Applikation 
des Herzschlauches. Lokal kommen Heissluftbäder, Warmwasser¬ 
bäder, Bier’sche Stauung und vorsichtige Massage in Anwendung. 
Zusatz von Ichtbyolammonium zu den Bädern bat sich bewährt. 
Bei Arthritis gonoirhoica ist die Anwendung der Bier’schen 
Stauung ganz besonders empfehlenswert 

Jedenfalls kommt man im Gegensatz zu der früheren An¬ 
schauung mit der lokalen Wärmeapplikation ebenso weit oder gar 
weiter wie mit der Kälteanwendung. Natürlich ist auch hier das 
Individualisieren das wichtigste. 


Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrifti 1906. Nr. 43, 

44, 45. Verlag von Carl Marhold in Halle a. S. 

1. Konrad Alt. Videant consnles. 


Nachdem Dietrich einen bedeutendenRückgang des medicinischen 
Studiums in Preussen und im Deutschen Reich festgestellt und auf 
die Möglichkeit eines Aerztemangels hingewiesen hatte, erhoben 
sich von allen Seiten Stimmen, die diese Gefahr für absehbar 
nicht anerkennen können, da Deutschland mit Aerzten gewisser¬ 
maßen so gesättigt sei, dass auch bei starker Abnahme des me- 
diciaischeu Studiums ein Aerztemangel nicht zu befürchten sei. 

Dem gegenüber weist Alt darauf hin, dass mindestens für 
das psychiatrische Spezialfach die Verhältnisse ganz anders lägen. 
Wenn überhaupt es sich zeige, dass die mehr ideal veranlagten 
jungen Leute sich dem Studium der Medicin weniger zuwenden, 
so müsse das bei der Besetzung der gewöhnlich schlecht besoldeten 
Assistentenstellen am meisten fühlbar werden. Der Psychiatrie 
hat sich von jeher nur ein geringer Bruchteil der Studierenden 
zugewendet und jetzt stösst die Besetzung der Stellen selbst an 
Anstalten von Ruf auf grosse Schwierigkeiten; es liegt das an 
dem grossen Missverhältnis zwischen Pflichten und Tätigkeit des 
Psychiaters einerseits und den Ansichten für eine gesicherte Exi¬ 
stenz auf der andern. Die abgelegene Lage der Anstalt, das 
Misstrauen des Publikums gegen den Psychiater, die mangelhafte 
mindere Besoldung und das Fehlen jeder Sicherheit eines Auf¬ 
rückens hält die jungen Aerzte fern. Alt macht Vorschläge für 
eine Besserung der LÄge der zukünftigen Psychiater. 

1. Eine Möglichkeit, von Zeit zu Zeit die Kenntnisse der 
allgemeinen Medicin wieder aufzufrischen, sollte geboten werden, 
damit auch der ältere Austaltsarzt jederzeit wieder in die aD- 
gemeine Praxis zurückkehren kann. Geldprämien von 5000 bis 
10000 M., je nach Länge der Dienstzeit, sollen diesen üebergang 
erleichtern. 

2. Die Ausbildung soll sich nicht auf die klinische psychia¬ 
trische Seite beschränken, sondern durch Kurse an Anstalten, soll 
Lehrern und Lernenden eine Gelegenheit zur Erwerbung und Auf- 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


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inschtmg von tberapentiBohen Kenntnissen nicht nur der Diagnostik 
sondern auch des Verlaufes, der Beeinflussung der Geisteskrank¬ 
heiten durch die ärztliche Fürsorge gegeben werden. 

3. Urlaube zur Erholung und Gewährung von Funktions- 
Zulagen sollen es ermöglichen, dass der Psychiater alljährlich mit 
den Zentren geistiger Kultur in Berührung komme. Alle drei 
Wochen 24 Stunden Dienstfreiheit ohne Urlaubsgesuch sind not¬ 
wendig. 

4. Anstalten sollten aus vielen Gründen nicht mehr abseits der 
grossen Städte begründet werden. Mittelgrosse Anstalten von 
500—600 Betten sollten sich um eine Wirtschaftszentrale grup¬ 
pieren, jede dieser Anstalten solle einen Direktor und zwei Ober¬ 
ärzte haben. Daneben solle eine kleine offene Anstalt und Poli¬ 
klinik für Nervenkrankheiten bestehen, die dem Einseitigwerden 
der Psychiater wirksam vorbeugt. Alle drei Jahre sollte ein 
Fortbildungskursus, besonders für innere Medizin, besucht werden. 

5. Bei dem Kräfteverbrauch, den die Psychiatrie bedingt, 
sollten Höchstpensionen schon nach 25 Dienstjahren gewährt werden; 
eine nicht geringe Belastung und Gefahr für die psychiatrischen 
Leiter bedingt die Einweisung von verbrecherischen Elementen in 
die Anstalten. 

6 . Auch durch den Titel soll zum Ausdruck gebracht werden, 
welche Wertschätzimg die Tätigkeit des Psychiaters erfährt, die 
Direktoren sollen gleich den Kreisärzten und Gerichtsärzten den 
Medicinalratstitel erhalten. 

Es ist Pflicht der beteiligten Stellen, so schliesst Alt, für 
einen Nachwuchs zu sorgen, der die zeitgemäße Pflege und Be¬ 
handlung der Kranksinnigen gewährleistet. 

Dr. G. Flat au, Berlin. 

Allgemeine medicinieche Central'Zeitung. 1906. Nr. 2 . 

1 . Drehmann: lieber Cervicodorsalskoliose undHalsrippe. 

Fälle einer primären, auf wenige Wirbel beschränkten Cervico¬ 
dorsalskoliose kommen bisweilen vor. Die in der Literatur bisher 
mitgeteilten werden besprochen und mehrere eigener Beobachtung 
analysiert. Die Fälle zeigen meist hereditären Charakter Ano¬ 
malien der Bippenzahl ist dabei ein gewöhnlicher Befund; eine 
überzählige Rippe besteht meistens auf der konvexen Seite am 
Hals; am häufigsten ist diese nicht als einfache Halsrippe anzu- 
sprechen, sondern es handelt sich um das Einsprengen eines keil¬ 
förmigen Wirbelrudimentes, welches eine einseitige Rippe trägt. 
Dieses Rudiment befindet sich stets am Uebergange der Hals- in 
die Brustwirbelsäule. Zuweilen findet sich ein kompensatorisches 
Wirbelrudiment am Uebergang der Brust- und Lendenwirbelsäule 
auf der entgegengesetzten Seite. Im ersten Lebensjahre kann die 
in Frage stehende Skoliose zu einer Verwechselung mit Caput 
obstipum führen. 

2. Liefschütz: lieber den üinfliUB der Ämara auf die 
Magenverdannng bei yerschiedenen Erkrankungen des Magens. 

Die praktisch wichtigsten Ergebnisse der längeren Aus¬ 
führungen sind: Nachlassen oder Fehlen des Appetits ist eine der 
wichtigsten Störungen, die Erkrankungen des Magen-Darm-Apparats 
begleiten; häufig gelingt es allein durch Besserung des Appetits 
den Patienten zugleich von vielen lästigen Krankheitserscheinungen 
zu befreien. Amara üben, V« bis Vz Stunde vor den Mahlzeiten 
gereicht, auf Salzsäureausscheidung, sowie auf die digestive Kraft 
des Magens bei den Erkrankungen, bei denen dyspeptische £lr- 
scheinungen mit verringerter Salzsäureproduktion io den Vorder¬ 
grund treten, und denen keine tieferen anatomischen Veränderungen 
zugrunde liegen, einen günstigen Einfluss aus. Bisweilen ver¬ 
mögen die Amara auch die motorische Funktion des Magens zu 
steigern; auf das Absorptionsvermögen desselben bleiben sie aber 
ohne Einfluss. In starken Konzentrationen (30,0: 200,0) ist die 
Wirkung eine schlechtere als in schwachen Konzentrationen 
(12,0: 180,0). Einen wesentlichen Unterschied in der Wirkung 
der verschiedenen Amara gibt es nicht; relativ am besten wirken 
Absynth und Condurango. 


Bücherbesprechung. 

Zur Organisierung der Geistesschwachen-Für- 
sorge. Von Dr. phil. A. Gundel, Direktor der Idiotenanstalt 
zu Rastenburg. Halle a. S. Verlag von Carl Marhold. 

Die Arbeit des bekannten Verfassers bildet die Ausführung 
der im September 1904 der Konferenz für Idiotenwesen gegebenen 
Referate über Erziehungsanstalten für Geistesschwache. Die in 
Aussicht genommene gesetzliche Regelung der Volksschulfrage 
berührt auch den Unterricht der Geistesschwachen und die noch 
streitige Frage, ob ärztliche oder pädagogische (geistliche) Auf¬ 
sicht, wird in diesem Buche zur Entscheidung gestellt. 

Als Ziel der Erziehung wird eine religiöse Ausbildung als 
Grundlage der Moral und eine praktische Brauchbarkeit zur Ar¬ 
beit festgesetzt. 

Es folgt in weiteren Kapiteln die nähere Ausführung dieses 
Grundsatzes. 

Die ärztliche Leitung setzt mit Recht die körperliche Erziehung 
an die erste Stelle, die geistige an die zweite, daneben wird aber 
die zweite Stelle oft zu Unrecht vernachlässigt. Die theologisch¬ 
religiöse denkt mehr an die Vorbereitung auf das Jenseits. 

Zum Unterricht sind die Geistesschwachen zu teilen in Kinder 
mit verspäteter Entwicklung, Geistesschwache leichtem und 
schwereren Grades oder: Blödsinnige und schwer Geistesschwache, 
die der Anstaltspflege bedürftig; meist entmündigt sind und (sc. 
die schwer Geistesschwachen) nur die Anfangsstufe des Normal¬ 
unterrichtes erreichen. Geistesschwache leichteren Grades, die in 
Hilfsschulen die Mittelstufe erreichen. 

Hilfsschule, Erziehungsanstalt, Pflegeanstalt und die Institute, 
die in Frage kommen neben der Familienpflege der leichter 
Geistesschwachen. 

Auf die pädagogischen Einzelheiten soll hier nicht näher ein¬ 
gegangen werden. Nur die besondere Betonung der Handfertig¬ 
keit im Sinne der einfachen Handwerke möchte ich hervorheben. 

Kapitel V behandelt die Fürsorge für Hilfsschulentlassene. 

Die Frage der Oberaufsicht will Yerf. dahin entschieden 
sehen, dass die Erziehungsanstalten für Geistesschwache unter die 
Unterrichtsverwaltung gehören und mithin dem Pädagogen zu¬ 
fallen, der freilich der Mitwirkung der Aerzte weder entraten 
kann noch soll. 

Zum Schluss werden die Fragen der Beschaffung geeigneten 
Lehrpersonals und die gesetzlichen Vorschriften besprochen. 

Dr. Georg Flatau, Berlin. 


Vermischtes. 

Lims. Das in Lima bestehende hygienische Institut plant 
die Errichtung einer permanenten hygienischen Aus¬ 
stellung. Vornehmlich kommen in Betracht; künstliche Nahrungs¬ 
mittel, rieischexti*akte, mechanische Behelfe für chirurgische Zwecke, 
kondensierte Milch, Desinfektionsapparate, Sera, Impfstoffe, Kleider¬ 
stoffe, oder sonstige Textilwaren von besonderem hygienischem 
Interesse, Mineralwässer und Sodawasser, elektrotherapeutiscbe 
Behelfe, Guspidors, Trockenapparate, Schulmobiliar, Baumaterialien, 
tragbare Häuser für Spitalzwecke, Kindemährmittel. Das hygienische 
Institut in Lima untersteht der dortigen Stadtverwaltung und wird 
von einem italienischen Bakteriologen namens Dr. Ugo Bifii geleitet. 

Berlin, in der Sitzung des Geschäftsausschusses der 
Berliner ärztlichen Standesvereine am 23. Febr, wurden 
folgende Beschlüsse gefasst: Der Geschäftsausschuss erklärt es für 
standesunwürdig, dass Aerzte für Veröffentlichung ihrer Adressen 
im Berliner Verkehrsbuch Zahlungen leisten; der Geschäftsaus¬ 
schuss hofft, dass diejenigen Aerzte, deren Adressen gegen ihren 
Willen veröffentlicht sind, auf Streichung ihrer Namen dringen 
werden. Der Geschäftsaasschuss spricht sein lebhaftes Bedauern 
aus, dass die städtischen Behörden die freie Arztwahl in der Armen¬ 
pflege, für welche Virchow schon im Jahre 1848 mit über¬ 
zeugenden Gründen eingetreten ist, abgelehnt haben. Die Durch¬ 
führbarkeit der freien Arztwahl in der Armenpflege ist seit mehreren 
Jahren in einer grösseren Reihe von Städten, so z. B. mit bestem 
Erfolge in Strassbnrg i. E., emiesen. Da die freie Arztwahl bei 
den Krankenkassen, welche anfänglich ebenfalls heftigem Wider- 


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138 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 12. 


Spruch seitens der städtisohen Behörden begegnete, jetzt allgemein 
als das beste System für die Kranken und fär die Aerzte aner¬ 
kannt ist, so hegt der Geschäftsausschuss die Hoffnung, dass in 
nicht zu langer Zeit die freie Arztwahl auch in der Armenpraxis 
zur Einführung gelangen wird. 

Bsrltn. Durch Bundesratsbeschluss ist der Verkauf von Lysol 
und verwandten Präparaten wesentlich eingeschränkt worden. Die 
Kresolseifenlösungen, Lysol, Lysosolveol etc., sind in die Äbteilnng 3 
des Giftgesetzes eingereiht worden. Sie dUrfen in unverdünntem 
Zustande oder in Lösungen, die mehr als 1 v. H. enthalten, nur 
an zuverlässige Personen und nicht an Kinder abgegeben werden. 
Weiter ist angeordnet, dass Gefäße und Umhüllungen, worin Gifte 
abgegeben wenien, ausser der „Gift“-Aufschrift noch die Inhalts¬ 
angabe tragen müssen. 

Borlin. Laut Ministerialverfügnng sind die Kosten der 
polizeilich angeordneten Leichenschau grundsätzlicdt dem¬ 
jenigen zur Last zu legen, welchem es obliegt, die Bestattimg der 
Leiche herbeizuführen. Polizeikosten erwachsen durch die obliga¬ 
torische Leichenschau bei entsprechender Handhabung hiernach erst 
dann, wenn die Besichtigung einer Leiche mangels ElrfuUung durch 
den Verpflichteten von der Polizei selbst im Wege des Zwanges 
bewirkt werden muss und wenn die hierzu nötigen Vorschüsse von 
dem Verpflichteten nicht wieder eingezogen werden können. 

Borlin. Tjaut Ministerialverfügung haben die Kreisärzte 
alle den Provinzialschulkollegien unterstellten Lehranstalten auf 
ihre hygienischen Verhältnisse hin zu kontrollieren. — Ferner 
ist angeordnet, dass Heilmittel, die mit denaturiertem Brannt¬ 
wein hergestellt sind, nicht in den Verkehr gebracht werden 
dürfen. 


Hochschulnachrichten. 

Breslau. Zwei Extraordinariate sollen in Ordinariate umge¬ 
wandelt werden und zwar die des Dermatologen Geheimrat Dr. 
Neisser und des Pädiaters Dr. Czerny. — Habilitiert für Ohren-, 
Nasen- und Halskrankheiten Dr. med. Georg Boenuinghaus, 
Primärarzt der Abteilung für Ohren-, Nasen- und Halskranke am 
St. Georgs-Krankenhause zu Breslau. 

Freiburg i.B. Obermedizinalrat Prof. Dr. Schmorl in 
Dresden, welcher als Nachfolger Ziegler’s erwählt worden war, 
hat auf die Berufung verzichtet. 

Greifswald. Zum Rektor der Greifswalder Universität 
wurde für das Studienjahr 1906/07 Geheimer Medizinalrat Prof. 
Dr. med. Robert Bonnet, Direktor des anatomischen Instituts, 
gewählt. 

Halle a. S. Prof. Dr. A. Tschermak hat einen Ruf als 
Ordinarius für Physiologie an der tierärztlichen Hochschule in Wien 
erhalten und angenommen. 

Heidelberg. Es habilitierten sich: der Assistenzarzt der 
chirurgischen Universitätsklinik Dr. Ludwig Arnsperger und der 
Assistenzarzt der psychiatrischen Klinik Dr. Karl Wilmanns. 

Jena. Dr. med. Strohmayer hat sich für Psychiatrie und 
Dr. med. Frey für Pharmakologie habilitiert. — Die Privatdo¬ 
zenten Dr. Noll, Assistent am physiologischen Institut, Dr. Grober, 
Assistent am klinischen Laboratorium für experimentelle Pathologie, 
und Dr. Berger, Hausarzt an der psychiatrischen Klinik, sind zu 
ausserordentlichen Professoren ernannt worden. 

Kiel. Prof. Dr, Emst v. Düring, Direktor der hiesigen 
Universitätsklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten wird zum 
1. April d. J. die Direktion der Dr. Lahmann’schen Heilanstalten 
Weisser Hirsch bei Dresden übernehmen. 

Köln. Zum Professor für Ohrenheilkunde an der Akademie 
für praktische Medicin in Köln ist der a. o. Professor und Direktor 
der Universitätsklinik für Ohren-, Nasen und Halskrankheiten an 
der Universität Breslau, Dr. Hinsberg ausersehen. — Anlässlich 
der E)iilweihung des Kaiserin-Friedrich-Hauses in Berlin wurde 
Prof. Dr. Bardenheuer zumJGeheimen Medizinalrat ernannt. 

München. Der ausserordentliclie Professor an der Universität 
Graz,, Dr. Pfaundler, wurde zum ausserordentlichen Professor 
für Kinderheilkunde in der medicinischen Fakultät der K. Uni¬ 


versität München ernannt und ihm die Direktion der Universitäts- 
Kinderklinik übertragen. 

Strassburg. Prof. v. Recklinghausen, seit Gründung 
der Straasburger Universität Professor der pathologis<Iien Anatomie 
dortselbst lässt sich emeritieren. 

Würzburg. Dem Privatdozenten und I. Assistenten an der 
K Universitäts-Frauenklinik in WOrzburg Dr. Polano wurde die 
Funktion eines Oberarztes an dieser Klinik in widerruflicher Weise 
übertragen. 

Th. Lelsewitz-Müncben. Therapie bei den Blagen- nnd 
Oarmerkranknngen im Sangllncaalter« mit beeooderer Berück- 
siuhtigung der Dr. Tbeinhardtschen löslichen Eindernahrung. (Archiv für 
Kinderhejlk., Bd. XLII, Heft 5/6.) 

A. Rahn. Arzt und Mutter in der Säuglingsemäbrang. Eine Studie 
Uber Stillen und künstliches Nähren. (Allg. med. Ctrl.-Ztg. 1906, Nr. 3). 

In der EinderpoUklinik von Prof. Seitz hatte L. es sich zam Prinzip 
emaebt, eine womöglich nur mecbaiiiscb-diätetische Behandlung der mageo- 
armkranken Einder durchzufübren. also womöglich in diesem zarten Alter 
ohne Medikamente auszukomroen. Daher hatte er konsequent Mt^en- und 
Darmausspfilungen durchgefübrt, nnd zwar die Darmansapfilungen in einer 
von Dr. Enterloin konstruierten Wanne, die auf eiuem schiefen durch¬ 
brochenem Brett das Kind zur MastdarmspUluog aufnimmt, ohne die üm- 
zu beschmutzen oder zu durchnässen. 

auptsäcblicb aber kam es L. auf die Versuche und Vergleiche mit 
verschiedenen Nährpräparaten an, von denen er acblieaslich dio Theiobardt'sche 
lösliche Eindernahrung vorzieht. 

Der grosse Vorteil, den dieDr. Tbeinbardt’sche lösliche Eindernahrung 
besitzt, ist darin zu suchen, dass die Stärke dextrinisiert, das Eiweia, das 
der Kuhmilch entstammt, durch ein Pflanzenferment bedeutend leichter 
verdaulich gemacht ist. 

Drei ausfUbrUebo erläuterte Gewiebtskurvon (akute Dyspepsie, akute 
Enteritis und subakute Gastroenteritis) zeigen sehr deutlich, wie eine exakte 
Handhabung nnd individuelle Verteilung der Tbeinbardt'schen Zugabe bald 
und sicher Gewichtszunahme des kranken Säuglings erreichen lässt. 

Im besonderen ist diese Nahrung noch angezeigt bei Fettdyspepsieen; 
auch im Vergleich zu anderen Näh^ktelpräparaton erweist sie sich als 
vorteilhafter z. B. bei Erkrankungen, bei denen in den Stühlen reichlich 
Stärke mit Lugolscber Lösung nachgewiesen werden kann, die Stühle werden 
sofort anders geartet durch den ganz minimalen Gehalt an unlöslichen Kohle¬ 
hydraten, Lugolscbe Reaktionen fallen dann negativ aus. 

Die Anwendung des Präparates kann erfolgen bei akuten Zuständen, 
wenn die ersten nnter stren^tcr Diät Uberstanden sind; geringe 

Meng« Mebles mit WWerzusatz sistiert Erbrechen und Durchfall, und lä^t 
sich schon eine Zunahme des Gewichtes erkennen, dann darf man ruhig 
grössere Dosen gehen mit mehr Milch, oder wenn man will, eine Combi- 
nation von MiVeb und Rahmgemenge, falls keine Fettdyspopsie vorliegt. 
Auch bei chronischen Verdauungsstörungen sollte man dieses Präparates 
gedenken; durch monatelange Gaben unter genauer Berücksiebtigung der 
Stublontersuchungen, durch ein mehr oder weniger, wenn eine leichte Störung 
sich einstellt, lassen sich auch stark im Ernährungszustände herunterge¬ 
kommene Säuglinge zu einem befriedigenden Status heranpflegen. 

Auch Rahn betont die leichte Assimilationsfähigkeit der Dr. Thein- 
hardt's Nahrung und die schonende und vorsichtige Art der Tbeinbardt'schen 
Dampfttocb-Vorschriften, und es kommt ihm namentlich darauf an die Thein- 
hardt'sche Nahrung dort cinznfUbren, wo nur ein teilweises Stillen mißlich 
oder ein baldiges Ahsetzen des Kindes von der Mutterhrust vonnöten ist 
Denn die Kuhmilch wird zweifellos durch die Theinhardt'sehe Ergänzung 
und Kochweise der Frauenmilch am nächsten gebracht, und man erlebt in 
der Praxis bei dem Tbeinbardt'schen Zusatz nicht oder nur selten das sooft 
gefürchtete Verweigern der künstlichen Nahrung neben der natürlichen oder 
umgekehrt. Wo die Zeit und auch die MiittermUcb zum Stillen nicht reichen 
wollte, vorordnete Rahn früh vor dem Fortgehen der Mutter, Mittapf nnd 
Abends die Brust der Mutter und ergänzte diese Nahrung, indem er in den 
anderen Zeiten — wenn möglich wurde Nachts auch die Brust verordnet — 
Kuhmilch mit der Theinhardt's löslichen Eindernahrung meist nach den Vor¬ 
schriften der Theinhardt'scheii Gebrauchsanweisung verordnet. Somit erlitt 
auch die Ahlactation keine Störungen, vielmehr Hess sich gerade mit dieser 
Nahrung die Klippe der Ablactationsstöningen sehr gut umgehen, und daher 
konnte Kahn um so nacbdrucksvollcr für ein anfängliches Stillen eintreten, 
und wenn es nur die ersten Wochen hindurch war. Aber nicht bloss als 
,Beikost bei ungenügender Muttermilch und gelegentlich der Ahlactation", 
sondern auch bei jeder Art von Magen- und Darmstörungen, bei Brech¬ 
durchfall, bei Unterernährung falsch und fahrlässig genährter Kinder und 
bei Rachitis bewährte sich die Dr. med. Theinhardt's lösliche Nahrung. 

Rahn erprobte auch das zweite Nährpräparat der Cannstatter Nähr- 
mittelgestillschaft, das Hygiama. Dr. med. Theinhardt's Hygiama kommt 
nach ihm in Betracht: Als Kräftigungsmittel für Rekonvaleszenten; als 
vorwiegende Nahrung für Magen- und Darmkranke, namentlich bei Fett- 
stüblen; als reizlose Kost bei Albuminurie und Nephritis, bei Neurasthenie 
und Epilepsie; als schonende, leicht verdauliche und anr^ende Kost bei 
fieberhaften Krankheiten, vor allem Scharlach, Diphterie, Erysipel, Puer¬ 
peralfieber; als Gewohnheitsgetränk bei Sports- und Geschäftsleuten, bei 
' Schulkindern, die an Vormittagen lange von Hause weg sind und zu ihrem 
Frühstück auch die entsprechende Menge Flüssigkeit in nährender und an¬ 
regender Form benötigen, ferner als Gewohnheitsgetränk bei Partien, Aus¬ 
flügen, Bergtouren u. s. w.; als kühlendes Getränlc bei Fieber und Rachen¬ 
entzündungen; als Lactagogum bei stillenden Müttern; als Corrigens 
Milch und dauernde Beihilfe für Milchkuren. A. R.^ 



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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


139 


Therapeutische lleuheiten- 


I. Instrumententisch mit elektrischem Anschlussapparat 
für Hals-, Nasen- und Ohrenärzte. 

Diejenigen Spezialärzte, welche in schneller Folge die ver¬ 
schiedensten Instrumente teils mit Hinzuziehung von Stark- oder 
Schwachstrom teils oline diesen in der Sprechstunde gebrauchen, 
müssen das Bestreben haben, sich ihr Instrumentarium so hand- 
iicdt und kompendiös einzurichten wie möglich. Ganz besonders 
ist das bei den Laryngologen, Rhinologen und Urologen der Fall. 



Fig. 1. 


Bald braucht man die Stimlampe, bald den Thermokauter, bald 
einen Aetzuuttelträger, die Cocainspritze, den faradischen Pinsel, 
kurz der Wechsel des Instrumentariums ist ein schneller und 
häufiger. Diesen Verhältnissen Rechnung tragend hatDr. Helbing, 
Nürnberg (vergh Münchn. med. Wochenschr. Nr. 7, 1906) einen 
Instmmententisch angegeben, welcher von der Erlanger Firma 
Reiniger, Gebbert & Schall in den Handel gebracht wird 
und welchen wir obenstehend abbilden. (Fig. 1.) 

Der Tisch besteht ans einem Eichenholzschrank auf Rollen, 
mit zahlreichen Schubkästen zur Aufnahme der Instrumente, die 
eine Hälfte trägt oben eine starke Glasplatte znm Aufstellen von 
Glasschalen, eines Sterilisationsapparates, der Uutersuchungslampe, 
sowie zum Auflegen der Instrumente etc., während sich links oben 
das dnrch ein aufklappbares Glasverdeck geschützte Reguliertableau 
befindet. Auf letzterem sind Galvanometer, sämtliche Schieberrheo- 
state, die Einschalter und Ableitungsklemmen angebracht. Die Trans¬ 
formatorspule, Vorschaltlampe, Sicherung etc. befinden sich auf der 
unteren Fläche der ilarmorplatte. Die ganze Platte ist in zwei 
Nuten des Schränkchens eingeschoben und wird nach vorne durch 
eine aufklappbare Holzwand abgeschlossen. 

Es sei noch darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Be¬ 
triebssicherheit und feuersicheren Installation der Apparat auch 
den höchsten behördlichen Anforderungen Genüge leistet. 

2. Aseptisches Taschen-Injektlons-Besteck. 

Mit die wichtigste Forderung bei der ambulanten Behandlung 
der Gonorrhoe stellt die sorgfältige und zweckmässige Ausführung 
der vom Arzt vorgeschriebenen Injektionen dar. Diese scheitert 
nicht allzu selten an dem Mangel eines gut funktionierenden 
handlichen Instrumentariums, und so dürfte das nebenstehend ab¬ 


gebildete und im folgenden beschriebene von Dr. Blank kon¬ 
struierte Besteck eine willkommene Neuerung darstellen. Das 
,.aseptische Tascben-Injektions-Besteck** enthält 1. eine 
Tripperspritze (10 ccm Inhalt mit konischem Hartgummiansatz), 
2. einen Wattehehälter aus Metall, 3. ein^Glasschälchen (20 ccm 



Fig. 2. 

Inhalt) zur Aufnahme der Injektionsflnssigkeit, 4. eine grosse 
dunkle Flasche (50 ccm Inhalt) für die vom Arzte verordnete Ein- 
spritzungslösung und 5. ein kleines Fläschchen für eine antiseptische, 
zur Reinigung bestimmte Flüssigkeit (1 pCt. Lysoformlösung oder 
dergl.). Diese Gegenstände sind fest, d. h. durch MetaJUeisten von 
einander getrennt, in einem aseptischen Metalletui so untergebracht, 
dass sie beim Transport nnverrückt in ihrer Lage verbleiben. 
„Der Kranke füllt**, nach der vom Erfinder abgefassten und jedem 
Besteck beigelegten Gebrauchsanweisung, nfrüh, ehe er seine Häus¬ 
lichkeit verlässt, die Flaschen mit den vom Arzte verordneten Lö¬ 
sungen, die Einspritzungsflüssigkeit in die grosse braune Flasche, 
die aotiseptiscbe Lösung zur Reinigung in die kleine Flasche, ausser¬ 
dem wird die Watteschachtel mit Watte gefüllt. Wenn nun eine 
Einspritzung in die Harnröhre vorgenommen werden soll, so lässt 
der Kranke zunächst Urin, reinigt daun Eichel und Vorhaut mit 
Watte, die mit antiseptischer Lösung aus der kleinen Flasche 
getränkt ist, reinigt auf die gleiche Weise den konischen Spritzen¬ 
ansatz und die kleine, zur Aufnahme der Einspritznngsflüssigkeit 
bestimmte Glasschale, die aber nachher mit trockener Watte 
nachgewischt werden muss. Dann giesse man aus der grossen 
braunen Flasche in die Glasscbale das zur Füllung der Spritze 
nötige Quantum EinspritzungsflUssigkeit, ziehe sie in die Spritze 
und mache nach ärztlicher Vorschrift seine Einspritzung. Nach 
dem Gebrauch siud die Gegenstände gereinigt in dem Etui so 
unterzubringen, wie es auf der Innenseite des Deckels abgebildet ist**. 

Mit Hilfe dieses Bestecks kann jeder Tripperkranke überall, 
auch fern von seiner Häuslichkeit, die ihm vom Arzte verordnete 
Einspritzung in richtiger, einwandsfreier Weise vornehmen. Die 
handliche Form des Bestecks, es ist nicht grösser wie ein Zigarren¬ 
etui, erleicbert und ermöglicht einen sanberen Transport. Die 
Firma Hoffmann& Co., Potsdam, Neue Königstrasse, Abteilung 
für elektrische und medicinische Apparate, hat die Herstellung 
und den Vertrieb des Bestecks übernommen, es ist aus jeder 
Apotheke oder vom Fabrikanten zo beziehen (Preis 3,50 Mk.}. 

3. Neuer Unlvereal-Anechluesapparat mit Motortraneformer. 

In denjenigen Fällen, in welchen der Arzt, der Anschluss an 
ein Elektrizitätswerk mit Gleichstrom besitzt, ausser Galvanokaustik 
auch Verwendung füJ- einen Elektromotor zu chirurgischen Opera¬ 
tionen, sowie zur Vibrationamassage hat, verdient ein sogenannter 
Motortransfbrmer vor allen anderen Apparaten den Vorzug. Der 
Motortransformer benötigt nur eine geringe Stromstärke und kann 
deshalb an jede vorhandene Glühlampenleitnng angeschlossen werden. 
Er macht sehr wenig Geräusch, nimmt wenig Platz weg und ist 
transportabel. Er kann leicht mit den nötigen Hilfs-Einrichtungen 
für Anwendung des Stromes zur Endoskopie, zur Galvanisation, 
Elektrolyse und zur Faradisation kombiniert werden. 

Eine derartige Universal-Einriohtang, konstruiert von der 
Firma Reiniger, Gebbert ft Schall in Erlangen, zeigt 
umstehende Abbildung. Der Apparat besteht aus einem gewöbn- 


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140 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr 12. 


lieben, kräftigen Oleicbstrom-Elektromotor, auf dessen Achse sich 
ausser dem Kollektor noch zwei Schleifringe befinden, die mit zwei 



Fig. 3. 

einander gegenüberliegenden Punkten der Ankerwicklung in Ver¬ 
bindung stehen. In den dadurch gebildeten beiden Hälften der 
Ankerwicklung entstehen Wechselströme, wenn die auf den Ringen 
schleifenden Bürsten durch eine Verbindungsleitung geschlossen 
sind. Durch eine in die Verbindungsleitung eingeschaltete Trans¬ 
formerspule mit dicker Sekundär-Wicklung kann die relativ hohe 
Spannung der Wechselströme auf niedrige Spannung transformiert 
werden (bekanntlich genügen für Galvanokaustik 3—4 Volt). Die 
Regulierung der Glühhitze des Brenners wird durch eine im Sockel 
angeordnete Rheostatkurbel, welche die Geschwindigkeit des Motors 
beeinflusst, bewirkt. Bei schnellstem Lauf des Motors ist die 
Wirkung am stärksten. 

Auf dem Sockel des Transformers befinden sich zwei Volt¬ 
regulatoren für Galvanisation, sowie Elektrolyse und für Faradisa- 
tion, ein d’Arsonal’sches Galvanometer mit schwingender Spule, 
Ausschalter, Stromwender usw. Auch kleine Glühlämpchen für 
Endoskopie können angeschlossen werden und ist deren Lichtstärke 
in derselben Weise wie die des Galvanokauters 
zu regulieren. Der Apparat wird in der Regel 
auf einem kleinen, sehr eleganten vernickelten 
und fahrbaren Tischchen montiert. 

4. Leitsonde für Cyätoskope. 

Die Cystoskopie kann ungemein erschwert 
werden, wenn Verengerungen der Harnröhre, 
sei es, dass sie durch Strikteren bedingt sind 
oder in einer Prostatabypertrophie ihren Grund 
haben, die Einführung des immerhin ziemlich 
starken Instrumentes schwierig machen. Durch 
vergebliche Versuche werden oft schwere 
Verletzungen gesetzt, ja die Ausführung ge¬ 
legentlich überhaupt in Frage gestellt. Pas* 
ner hat nun eine höchst einfache Vorrichtung 
angegeben, mittels deren das Einführen des 
Cystoskops spielend gelingt. An der Spitze 
der Lampe des bekannten Nitze'sehen In¬ 
strumentes wird eine 8 cm lange filiforme 
Leitsonde angeschraubt. Dieselbe stört bei 
der Inspektion nicht im geringsten und gibt 
eine durchaus sichere Führung. Diese Leit¬ 
sonde und die mit passendem Gewinde ver¬ 
sehenen Lampen liefert die Firma L. und 
H. Loewenstein, Berlin NW., Ziegelstr. 

Fig. 4. 

5. Ein neuer SchlIngenfÜhrer. 

Die Neuerung dieses Schlingenführers, welcher sich in der 
Form an den von Krause angegebenen anschliesst, liegt in der 
Form des Rohres: 




Fig. 5, 


Das Bohr verläuft nach der 
Spitze’zu flach, Istvorn geschlossen, 
hat zwei seitliche feine Löcher 
zur Einfädelung des Drahtes und 
eine tiefe Einkerbung, in welche 
der Draht sich hineinzieht. Der 
Hauptvorzug dieses verbesserten 
Schlingenrohres liegt darin, dass 
die Drahtschlinge beim Zuziehen 
nicht mehr, wie sonst überall, zu- 
sammenknickt. Die Schlinge schiebt 
sich auch nach dem Gebrauch stets 
wieder in schön gerundeter| weit 
geöfiheter Schleife zum Rohr her¬ 
aus, und es ist nicht nötig, sie 
nach jedem Gebrauch erst wieder 
mit den Fingern oder mit einem 
Dorn aufzuweitem und zurecht zu 
biegen. Natürlich lässt sich mit 
einer so gestalteten Schlinge die 
zu exstirpierende Wucherung viel 
besser umschliessen, fassen und 
abtragen. Weitere Vorzüge des 
Schlingenrohres sind das glatte 
Durchschneiden und das bequeme 
Einfädeln. Das glatte Durch¬ 
schneiden wird erreicht durch die 
scharfen Ränder zu beiden Seiten 
der Einkerbung. Gegen diese 
wird der abzutragende Weichteil 
gepresst, ehe sich der Draht 






T 


52 


! 



schneidend in die vertiefte Rille (Einkerbung) des Rohrkopfes legt. 
Feiner Draht, der leichter schneidet, kann hier ebensogut verwendet 
|] werden wie starker. Die Einftdelung 

des Drahtes erfolgt hier müheloser als bei 
irgend einem anderen System. Esistnurzu 
beachten, dass der Mandrin (der Draht¬ 
führer) so weit nach vom geschoben wird, 
bis sich dessen Loch unter die seitlichen 
Löcher des Rohrkopfes gestellt hat. Der 
einzufädelnde Draht wird sich dann nicht 
nur durch die beiden Seitenlöcher des 
ij Rohrkopfes, sondern zugleich auch durch 
das Loch des Mandrins (Drabtführers) 
stossen lassen. Im übrigen erklärt sich 
die Art des Einfädelns und die Wirkung 
des angezogenen Mandrins aus den Zeich¬ 
nungen 1 bis 7. (Fig. 6 u. 7.) 

Soll die Schlinge ausgewecbselt werden, 
also der Draht entfernt werden, so kneift 
man die Schlinge dicht am ^hr, also 
an den beiden seitlichen Austrittsstellen 
ab und zieht den im Rohr verbliebenen 
Rest des Drahtes 
mit dem Mandrin 
(Drahtführer) ganz 
nach unten, so dass 
er berauscht. Zu 
dem Zweck muss 
natürlich d^ Rohr 
vom Griff getrennt 
werden. 

Die Rohre werden 
in zwei verschiede¬ 
nen Stellungen ge¬ 
fertigt, daseineRohr 
trägt die Schlinge 
flach gestellt zum 
Fig. 7. Instrumentengriff, 

das andere quer gestelllt. Der Schlingenführer fürs Ohr zeigt 
die gleichen Eigentümlichkeiten; er dürfte wohl der zuverlässigste 
handlichste und auch zierlichste aller vorhandenenOhrpolypenschnürer 
sein. Der Schlingenführer wird von der Firma Rudolf Dötert, 
Berlin NW., Karlstrasse 9, gefertigt. 


Fig. 6. 



Versatwortlieher Redakteur : Dr. P. Meitiner, BerlinW. M, Kurfürttenetr. 8t. Verleit von Carl Marhold. Halte a. 8. 
Druck v«a der MeTueiBaBa'echcB Bochdrudterel, Gebr Wolff, Halle a. S. 





Medicinische Woche 


Dcatschmaini, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator. R. Sommer, 

Berlin. Glessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a* S*, Uhlandstrasse 6. 

Tct.'Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 


Herausgegeben von 



R. Robert. M. Koeppcn, K. Partsch. H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UoTenicht, A. Vosslas, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62, Knrfflrstenstrasse 81* 

Dr. P Meißner. 


Vn. Jahi^ang. 


26. März 1906. 


Nn 13. 


Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Utagfgen Beilage BallieologiSChe CetltralzeitUflgt Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Hall e a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Über 

einige mit den „Spermathanaton“-Pastillen 
gemachten Erfahrungen. 

Von Dr. med. R. Braun, Wien. 

Es gehört nicht zu den leichten Aufgaben des Arztes, sich 
ein Urteil und eine richtige Auffassung Uber ein Präparat zu 
bilden, wie es das vorliegende ist, d. h. über ein die Schwanger¬ 
schaft, im engeren Sinne die Conception überhaupt, verhindern¬ 
des Mittel- Mit reinen theoretischen Erwägungen, ist es in 
diesen Fällen wohl nicht abgetan, da, wenn auch die chemische 
Wirkung eines Präparates in vitro mit grosser Sicherheit für 
die Vernichtung von Bakterien und anderen mikroskopisch 
kleinen Lebewesen, wie es z. B. die Spermatozoen sind, spricht, 
dennoch diese Mittel am lebenden Organismus ganz andere, 
in der Regel recht komplizierte Verhältnisse treffen und meistens 
wegen anderweitiger schädigender Nebenwirkungen überhaupt 
ar nicht in Frage kommen können. Dadurch wird schon vor- 
erein ein grosser Teil der sonst vielleicht gut brauchbaren 
Desinfizientien von der Verwendung ausgeschlossen. Aber 
auch noch ein zweiter Grund liegt da vor, der sehr wohl ge¬ 
eignet ist, dass wir nur schwer zur richtigen Beurteilung eines 
conceptionsverhütenden Medicamentes gelangen, und ^s ist, 
dass wir ja bis zu einem gewissen Grade mehr oder weniger 
an die meist subjektiven Angaben gebunden sind; immerhin 
können wir bei einer genügend grossen Statistik und Zahl von 
Beobachtungen die einwandfreien Fälle auswählen und so zu 
einer entsprechenden Meinung gelangen. 

Czempin (Zeitschrift f. ärztliche Fortbildung 1905, 18) 
hält operative Maßnahmen zur Verhütung der Conception nur 
in den seltensten Fällen für berechtigt und rät, immer nur 
von conceptionverhütenden Mitteln Gebrauch zu machen. Da 
es sich meist nicht um dauernde Verhütung der Schwanger¬ 
schaft handelt, so genügt es ja, stets nur für die Zeit des 
Coitus eine Unschädlichmachung der Samenfäden zu erzielen, 
was man durch Präservativs, Pessare und endlich durch che¬ 
mische Mittel zu erstreben suchte. 

Czempin ist nun der gewiss richtigen Ansicht, dass zwar 
die Präservativs von ziemlich sicherem Effekt sind, dass sie 
aber doch nur seltener verwendet werden, weil durch die¬ 
selben eine starke Verminderung der Potenz eintritt, gewiss 
ein triftiger Grund, dieses Mittel nicht allzusehr aufkommen 
zu lassen. Auch Pessare, die sich zum Teil grosser Beliebt¬ 
heit erfreuen, bringen manche Nachteile mit sich, die oft so 
hervortretend sind, dass auf deren Verwendung eher Verzicht 
geleistet wird. Immerhin darf man diesen beiden Ausknnfts- 


mitteln in unserer Frage keinesfalls einen Nutzen absprechen 
und es wird eine Anzahl von Fällen geben, in denen wir die¬ 
selben verwenden lassen müssen. Was nun die dritte Gruppe 
der anticonceptionellen Maßregeln, die medicamentösen Mittel, 
anlangt, so gibt es wohl eine grosse Anzahl solcher, doch von 
einer mehr oder weniger ausgesprochenen Sicherheit keines, 
sodass wir jedes neue derartige Präparat, welches als solches 
angepriesen wird, mit einem gewissen Misstrauen empfangen 
und uns nur schwer zu Versuchen entschlieasen können.) 

Nun wurden in der letzten Zeit von dem chemischen 
Laboratorium „Nassovia“ in Wiesbaden Pastillen unter dem 
Namen nSpermathanaton“ in den Handel gebracht, die eben¬ 
falls als ein hervorragendes Anticoncipiens angepriesen wurden, 
weshalb ich es mit Rücksicht auf zahlreiche von bekannten 
Autoren eiogegangene Anfragen und lobende Zustimmungen 
unternommen habe, einige, wie ich glaube, objektive Versuche 
mit diesem Mittel anziistellen, die ich in folgenden Zeilen kurz 
beschreiben möchte. 

Die Pastillen, die schwach komprimiert sind, enthalten 
Borsäure, zum Teil als metaborsaures Natron (Na,BO/), zum 
Teil als Tetraborat (B 4 O 7 HJ). Es ist nun bekannt, dass die 
Borsäure durch die meisten andern Säuren aus den Lösungen 
ihrer Salze ausgeschieden wird. Die Salze der Metaborsäure 
zerlegen sich schon bei Einwirkung von Kohlensäure unter 
Bildung der entsprechenden kohlensauren Salze and Tetrabor¬ 
säure; es bilden sich daher aus 4 Teilen metaborsaurem Natrium 
und 4 Teilen Kohlensäure unter Aufnahme von 3 Teilen Wasser 
— 4 Teile Natriumbicarbonat und 1 Teil Tetraborat nach fol¬ 
gender chemischer Formel: 

4Na,B08 f4CO*-4-3HjO — B40;H, + 4NaHC0B. 

Doch bleibt es bei dieser Reaktion nicht stehen; das Tetra¬ 
borat und das Natrinmbicarbonat zerlegen sich weiter in ein¬ 
fachborsaures Natrium, indem dabei Kohlensäure und Wasser¬ 
stoffsuperoxyd frei werden: 

B4 07H2 + 2NaHC0a = Na^B^O^+H,Oj/+ CO,/. 

Diesen Vorgang kann man sich nun in die Vagina verlegt 
denken; das Wasserstoffsuperoxyd ist in Wasser leicht löslich 
und bleibt daher in der bei der Auflösung der Pastille in der 
Scheide entstandenen Flüssigkeit suspendiert, entfaltet daselbst 
eine längere Zeit andauernde intensive Wirkung, die bakteri- 
cider Natur ist. Die Lösung sterilisiert nicht nur den ejakn- 
lierten Samen, sondern auch die ganze Umgebung; insbesondere 
werden die zahlreichen Falten der Vagina, in welche ja lebende 
Spermatozoen leicht geraten können, vollkommen desinfiziert. 
Das wäre also der theoretische Vorgang, und nun ist es die 
Frage, wie verhält sich der praktische Versuch zu diesen Er¬ 
wägungen. 

Ich habe nun zu meinen Versuchen Frauen ausgewählt, 
bei denen aus irgend einem plausiblen, wohl glaubwürdigen 
Grunde eine Conception verhindert werden sollte, und ich habe 


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142 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 13. 


in der mir zu Gtefeote stehenden kurzen Zeit im ganzen 11 Fälle 
zur Verfügung gehabt, bei denen ich die Spermathanaton- 
pastillen zur Verwendung brachte; aus dieser Zahl will ich 
einige ausführlich darlegen, die mir am instruktivsten er¬ 
schienen. 

1. Fall. 34jährige Privatbeamtengattin, die zweimal äiisserat 
schwer entbunden hatte, beidemale mit Kunsthilfe, das eine 
Mal musste die Zange noch bei hochstehendem Kopfe, das 
zweite Mal ebenfalls die Zange angelegt werden; wie die Frau 
angibt, sei sie sehr eng gebaut, wofür auch die obigen Ein¬ 
griffe sprechen. Dass es sich daher um einen jener Falle 
handelt, bei denen die Verhütung der Conception wohl mehr 
als ein blosser Wunsch war, ist begreiflich, deshalb verwendete 
die Frau bisher seit der zweiten Geburt ein Okklusivpessar, 
welches ihr nicht immer Schutz gewährte; denn trotz der An¬ 
wendung desselben, kam sie vor einem Jahr wieder in die 
Hoffnung, und es wurde aus den oben angeführten Gründen 
im 3. Monat der Abortus künstlich eingeleitet, um der Gefahr 
einer dritten schweren Geburt zu entgehen. Aus diesem Grunde 
fühlte sich die Patientin trotz des Pessars nicht ganz sicher, 
und ich beschloss daher in diesem Fälle die Pastillen zur Ver¬ 
wendung heranzuziehen. Die Frau hielt sich genau an die 
ihr vorgeschriebenen Maßnahmen und trotz des jetzt inten¬ 
siveren Verkehrs mit ihrem Manne zeigte sich bis jetzt nun 
keine Spur von Conception, die Periode trat regelmäßig ein, 
und als besonders wohltätig wurde von der Patientin die Er¬ 
sparnis des Pessar-Einführens empfunden, sowie die grössere 
Reinlichkeit des ganzen Vorgangs. 

Wenn auch die Zeit für ein abschliessendes Urteil in 
diesem Falle noch zu kurz ist, so kann man immerhin be¬ 
haupten , dass die Spermathanatonpastillen bisher von unbe¬ 
strittener "Wirkung waren und es ist nicht einzusehen, warum 
bei genauer Durchführung der Vorschriften in diesem Falle 
nicht auch weiterhin noch in unbeschränkter Weise die Con¬ 
ception verhütet werden sollte. 

2. Fall. 28jährige Hilfsarbeitersfrau, mit einem schweren 
Klappenfehler (Insufficienz und Stenose der Mitralis) behaftet, 
hatte bereits zwei äusserst schwere Entbindungen durchge¬ 
macht, die erste, eine Frühgeburt im 8. Monat, musste künsthch 
herbeigeführt werden, da die Frau sonst an der Insufficienz des 
Herzens zu Grunde gegangen wäre. Auch die zweite Frucht, 
die wohl fast bis zum Schlüsse der normalen Schwangerschaft 
getragen wurde, ging zu Grunde, wobei wiederum die Mutter 
an bedrohlicher Herzschwäche litt, weshalb es sehr wünschens¬ 
wert war, eine weitere Gravidität soweit als möglich zu ver¬ 
hindern. Da Präservativs, Okklusivpessarien sowie operative 


Feuilleton. 


Über Verhütung der Tuberkulose 
(Schwindsucht). 

Von Prof. Dr. P, Kraus-Berlin. 

(Schluss.) 

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt in der Tuberkulose¬ 
bekämpfung betrifft die von den hustenden Kranken reichlichst 
verstreuten Krankheitskeime. Die Patienten selbst müssen dazu 
erzogen werden, nicht auf den Boden und auch nicht ins 
Taschentuch zu spucken, der Auswiirf ist vielmehr in Spuck¬ 
flaschen, welche die Kranken stets bei sich tragen, oder in 
Spucknäpfen, welche leicht zugänglich aufgestellt sind, feucht 
zu sammeln. Bettlägerige Scbwerkranke, welche gegen ihren 
Willen unreinlich sind, können, solange dies möglich, bei der 
Hustenattacke Watte vor den Mund halten, oder der Pfleger 
hält sich die Watte vor. Die Ausatmungsluft beim gewöhn¬ 
lichen Atmen ist nicht ansteckend. Man darf sich von Tuber¬ 
kulosekranken aber nicht anhusten oder auf den Mund küssen 
lassen. Eine verständige Mutter wird doch trotz ihrer Liebe 
zu den Kindern dieselben durch Liebkosungen nicht in Gefahr 
bringen wollen! In Familien, in welchen Ihiberkulöse leben, 
muss man noch mehr als sonst peinlich sauber an Händen, 


Eingriffe, llie in diesem Falle ffoch schliesslich auch wdiziert 
ewesen wären, schroff abgelehnt worden waren, so blieb nur 
er Ausweg einer chemis^en Vernichtung der Spennafaden, 
und so erhielt die Kranke die Spermathanatonpastillen mit den 
entsprechenden Verhaltungsanweisungen. Der Nutzen in diesem 
Falle war ein einwandfreier und bi^er unbestreitbarer; denn 
während bei den beiden ersten Graviditäten schon nach den 
ersten Tage des geschlechtlichen Verkehrs die Befruchtung 
stattgefunden hatte, war sie nunmehr bisher ausgeblieben. Es 
trat zur grossen Freude beider Teile die Menstruation mit 
grosser Regelmäßigkeit ein, sodass man wohl berechtigt ist, 
diesen günstigen Erfolg auf das Konto der Pastillen zu setzen. 
Die Kranke gebraucht noch weiter die Pastillen, die ihr ja 
absolut keinerlei Unannehmlichkeiten oder sonstige Beschwerden 
machen. 

3. Fall. 88jährige Musiklehrersgattin hat bereits achtmal 
eboren und lebt in fortwährender Angst vor einer neuen 
chwangerscbaft, zumal es ihr bei den letzten beiden Eändern 
ziemlich schlecht gegangen ist. Es muss einmal kraniotomiert 
werden, da der I^pf des siebenden Kindes, wie dies ja bei 
^äteren Geburten öfters der Fall ist, zu gross war und dio 
Zange denselben nicht zu Tage hatte fördern können; gelegent¬ 
lich der achten Geburt kam es zu einem schweren Dammriss, 
der nur sehr langsam und mit vieler Mühe zur vollständigen 
Ausheilung gebracht werden konnte. Die Frau wurde nun in¬ 
folge der seit der letzten Geburt geübten Coitus interruptus so 
hochgradig überreizt und erregt, dass wohl nur der normale 
Geschlechtverkehr Heilung versprach, doch wurde dieser ganz 
energisch zurückgewiesen, da die Patientin lieber noch ihre 
nervösen Zustände behalten wollte, als wiederum gravid zu 
werden. Deshalb riet ich der Patientin eindringlichst dazu, 
die Pastillen doch zu versuchen, was mir erst durch eindring¬ 
liches Zureden gelang. Der Erfolg war in diesem Falle, 
welcher der älteste und mithin der am längsten beobachtete 
meiner Kranken ist, ein ganz vollkommener. Die Patientin, die 
ja, wie wir aus der vorgegangenen Schilderung ersehen können 
sich nicht gerade über schwer eintretende Befruchtung zu be¬ 
klagen hatte, da sie innerhalb von 12 Jahren acht Graviditäten 
durchgemacht hatte, blieb frei von der Schwangerschaft, und 
da sie nun den Coitus in ganz normaler Weise ausüben konnte, 
war auch das causale Moment für ihre Beschwerden beseitigt, 
so dass sie nach etwa vier Wochen, ihre alte Laune und Ruhe 
wieder fand. Die vor dem Gebrauch der Pastillen genau durch¬ 
geführte Untersuchung des Genitaltraktes ergab keinerlei Er¬ 
krankung dieser Organe, so dass man das in diesem Falle er¬ 
zielte Resultat wohl den Pastillen zuschreiben kann. 


Kleidern und Wasche sein. Sind Familienangehörige gezwungen, 
mit Tuberkulösen in demselben Raum zu schlafen, so soll ein 
Bettschirm, aber nur von einer Seite her und nicht zu hoch, 
den Gesunden schützen. 

Die Vernichtung der von den hustenden Patienten ausge- 
säeten Krankheitserreger kann nur durch Desinfektion der Ge¬ 
brauchsgegenstände und der Aufenthaltsräume geschehen. Die 
Wohnungsdesinfektion ist bei Todesfällen und Wohnungswechsel 
von Tuberkulosekranken mit reichlichem bazillenhaltigen Aus¬ 
wurf angezeigt. Diese Desinfektion muss, unter tunlichster 
Schonung des Nationalvermögens, ein ausgebildetes Personal 
besorgen. Auf Mitteilung des Bureaus der Familienfürsorge- 
abteilung des Volksheilstättenvereins vom Roten Kreuz werden 
von der Stadt Berlin (städt. Desinfektionsanstalt) Wohnung 
und Wäsche kostenlos desinfiziert, wenn der Wohnungsinliaber 
seine Zustimmung erteilt. Diese Befreiung von der Zahlung 
der Gebühr unter gewissen Voraussetzungen, darf natürlich 
ebenfalls nicht den Charakter einer „ Armenunterstützung“ au 
sich tragen. Ähnlich geht man in Charlottenburg und Schöne¬ 
berg vor. Unsere Schwestern verteilen auf Bedarf in den Fa¬ 
milien Spuckflaschen und Spucknäpfe. Die Entfernung des 
Äuswurfes in der Familie geschieht ebenfalls auf Verweisung 
der Schwester durch Ausspülen mit Seifenwasser über dem 
Ausguss, womöglich vom Patienten selbst. Um kleine Reste 
des Auswurfes auf dem Erdboden unschädlich zu machen, wird 
für tägliche Reinigung desselben mit Sodaseifenlösung gesorgt 


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1906. 


MBDICmiSCHB WOCHE. 


143 


E idlich möchte ich noch einen vierten Fall erwähnen, der I 
gleichsam ein experimentum crucis darstellt. Es handelt .sich 
um eine ganz jung verheiratete Dame, die eine grössere Reise 
mit ihn m Mann vorhatte, und die während dieser Zeit, da sie 
eine längere Seefahrt zu überstehen hatte, gerne die Sc'hwanger- 
Schaft hätte verschieben wollen. Die Frau stammte aus einer 
kinderreichen Familie, war stets gesund gewesen, und es Avar 
daher gewiss ihre Ansicht auf sofort eintretende (irravidität bei 
vorausgesetzter (Gesundheit des Mannes mehr als wahrschein¬ 
lich. Um nun ihrem Wunsche auf eine Verschiebung der 
Gravidität nachzukommen, ohne sofort nach der Verheiratung 
zu Präservativs und Pessare greifen zu müssen, erteilte ich der 
Frau den Rat, die Spermathanaton-Pastillen zu verwenden, 
was sie auch nebst strikter Befolgung aller dazugehörigen 
Vorschriften tat. Nach drei Monaten kam die Frau von ihrer 
Reise zurück und erzählte, dass sie trotz reichlichen, geschlecht¬ 
lichen Verkehrs mit ihrem Manne regelmäßig ilire Periode be¬ 
kommen, und dass sie oben vor sechs Tagen menstruiert habe. 
Nun wollte sie das Mittel anssetzon, da sie sich ja Familie 
wünschte. Nach weiteren sechs Wochen erschien sie bei mir 
mit der Angabe, dass die letzte Periode bereits ausgeblieben 
sei, und auch andere Beschwerden, die sich nun eingestellt 
hatten, zeigten deutlich auf eine beginnende Schwangerschaft, 
was auch in der nächsten Zeit noch deutlicher wurde. 

Wir sehen in diesem Falle also, dass, solange die Sper- 
mathanatonpastillen verwendet wurden, keine Befruchtung ein- 
tritt, dass aber sofort nach Aussctzen derselben die Gravidität 
einsetzt, sicherlich ein guter Beweis für die Verwendbarkeit 
des Mittels. 

Auch in den übrigen, nicht genauer dargelegten Fällen 
war die Wirkung eine ähnliche und man kann über die in den 
einzelnen Gutachten über die Pastillen niedergelegten Ansichten 
und Erfahrungen nicht ohne weiteres hinwegschreiten, da wir 
ja, wie es die Krankengeschichten ohnehin demonstrieren, sehr 
oft in die Lage kommen, ein der Befruchtung entgegenwirken¬ 
des Mittel zu versuchen. 

Notwendig für die prompte, verlässliche Wirkung ist 
folgender Vorgang: Man führt eine Pastille vor dem Coitus 
etwa fünf Minuten früher, so tief als möglich mit dem Finger 
in die Vagina ein; diese Zeit ist deshalb einzuhalten, weil die 
Lösung dann erst vollständig stattfindet. Die Wirksamkeit 
einer solchen Pastille soll nach den chemischen Vorerhebungen 
etwa 20 Minuten betragen; es soll daher die Zeit der Ejakula¬ 
tion des Samens diese Maximalzeit nicht überschreiten, w^as ge¬ 
wiss von grosser Wichtigkeit ist, w'enn man auf einen verläss¬ 
lichen Erfolg rechnen will. Eine Ausspülung der Vagina nach 


Sublimat- imdLysollÖsung zur Desinfektion von Speiflaschen. Ess- 
und Trinkgeschirr anzuempfehlen, bezw. dem Patienten in die 
Hände zu geben, halte ich nicht für zweckmäßig. Heis.ses 
Sodawasser in grosser Menge leistet genügende Reinigungs¬ 
und Sicherheitsdienste! Befinden sich in einer W’ohnung an¬ 
steckende Tuberkulöse, so einpfolilen wir zu bestimmten Zeiten 
die Desinfektion. Die Bettwäsche wird am besten alle 14 Tage 
sterilisiert, zu leiden braucht dabei die Wäsche nicht. Für 
Mund- und Zahnpflege machen die Scliw<‘stern so viel wie 
möglich Propaganda, (■berliaupt trachten wir, gerade dieses 
wertvolle ärztliche Hilfspersonal zur hygienischen Belehrung 
und Erziehung des Publikums auszunützen. 

Dass ich einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt, die Iso¬ 
lierung des Kranken, im Sinne der Familieiifürsorge vor allem 
in der Wohnung des Tuberkulösen selbst, in der er sich so 
lange aufhält, als er zu arbeiten imstande ist, verwirklicht 
wissen möchte, geht aus früheren Ausführungen hervor. Da 
aber die Krankenhäuser gegenwärtig noch unentbehrlich und, 
falls sie gut eingerichtet sind, auch nützlich w^erden können 
im Kampfe gegen die Tuberkulose, so müssen in den Kranken¬ 
häusern Isolierstationen bezw. Heimstätten für fortgeschrittene 
Kranke in genügendem Ausmaß eingerichtet werden. Für Ge¬ 
fängnisse, Klöster und ähnliche grössere Gemeinscliaft**n sind 
dringend Separationen angezeigt. Alle Isoliereinrichtunffen 
müssen natürlich so beschaffen sein, dass zugleich eine Be¬ 
handlung im hygienisch-diätetischen Sinne möglich ist. 


dem Coitus mögo vermieden werden, da dieselbe die günstige 
Wirkung der Pastille unterbrechen konnte. 

Im Anschluss an das bereits in der Einleitung zu dieser 
Arbeit gesagte, möchte ich mir noch folgende Bemerkungen er¬ 
lauben, die ebenfalls zum besseren Verständnisse der Wirkungs¬ 
weise beitragen können. Wir besitzen bekanntlich eine grosse 
Reihe von chemischen Körpern, die, wie Versuche zeigen, auf 
Spermatozoen und andere Lebewesen deletär einzuwirken im¬ 
stande sind, doch können wir dieselben als befruchtnngs- 
hemmende Agentin trotzdem nicht verwenden, weil wir sie 
nicht in entsprechende Form bringen könnten, in der sie olme 
die Schleimhaut der Vagina und der Cervix zu verletzen, zur 
Wirksamkeit gelangen könnten. Bei den Spermathanaton- 
pastillen ist von vornherein jede ungünstige Wirkung ausge¬ 
schlossen, geradezu im Gegenteil entsteht die desinn^cierende 
Lösung erst an Ort und St^le und der in statu nascendi frei 
werdende Sauerstoff des Wasserstoffsuperoxyds kann nun als 
gasförmiger Körper seine keimtötende Wirkung entfalten. So 
finden wir, dass in einer lO'/.,igen Lösung der Pastillen 
Typhusbakterien innerhalb fünf Minuten getötet werden, w'ährend 
die Bakterien der Rhinosclerosis sofoit absterben; Spermato¬ 
zoen werden ebenfalls sofort vernichtet, ja selbst Milzbrand¬ 
agarkulturen, die sechs Tage alt sind, und die noch nicht viele 
Sporen gebildet hatten, starben innerhalb zehn Minuten ab. 
Aus diesem Grund nun habe ich die Pastillen auch bei 
Katarrhen der Vagina zu versuchen begonnen; meine diesbe¬ 
züglichen Erfahrungen lassen mich vermuten, dass wir diese 
Präparate bei Vaginalkatarrhen aus den verschiedensten Ur¬ 
sachen ebenfalls mit gutem Erfolg verwenden können. Da ich 
jedoch diesbezüglich zu wenig Erfahrung bislier gesammelt 
habe und ich noch mitten in diesen Versuchen stelle, werde 
ich mir erlauben, in einer späteren Publikation über diese Er¬ 
gebnisse einen gesonderten Bericht zu geben. 

Die diagnostische Bedeutung des Tuberkulins 
nach den neuesten Erfahrungen. 

Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld. 

(Fortsetzung.) 

Bei Kindern fand Schick folgende Eigentümlichkeiten 
der Reaktion. Die sog. protrahirte Reaktion tritt bedeutend 
häufiger als bei Erwachsenen auf, relativ oft ist die FiUt- 
Zündung an der Einspritzungsstelle recht intensiv. Die dem 
Kindosalter eigentümliche Empfindlichkeit gegenüber klein.sten 


Am schwierigsten lässt sich etwas Positives sagen über 
den letzten Gesichtspunkt, mit dem icli mich zu bescliäftigeii 
habe, die Beschränkung der V(u'aulagnng (Disposition) zu 
tuberkulöser Erkrankung. Alles, was die Volksgt*sundlieit 
fördert: gute Ernährung, besonders auch die richtige Menge 
von Fleisch und frischen Gemüstm, entsprechende Kleidung je 
nach der Jahreszeit, luftige und warme Wohnung. Hautpflege 
in N'olksbädern, vernünftige Kindererzielmng, körperliche Be¬ 
wegung nicht bloss bei der Berufsarbeit, sondern auch durch 
vernünftigen Sport, Einschränkung nicht bloss des Alkohol¬ 
missbrauchs, sondern des Alkoliolg<MUi.s.ses iihei-haupt auf ein 
weitgehendes Minimum, Bestdtigung der (b'schleclitskrankheiten. 
— dieses alles sollte he.rang(‘zogcn werden I 

Am Schlüsse möchte ich Ihnen noch eine Warnung mit¬ 
geben. Die Arzte streiten mitereinaiuler in den Tulierkiilose- 
kongressen noch über den sogenannten Contagionismus, d. )i. 
die ausschliessliche Übertragung von Mensch zu Menscdi clnrcli 
den Bazillus des Auswuris und um die (mtscheldende Rolle 
der ererbten oder erworlieiien Vmanlagung zur Erkrankung. 
Befreien Sie sich nnbefangfui von soIcIht Einseitigkeit der 
wissenschaftliclien Mode: der Bazillus ist wenigstens etwas 
Fassbares, die Disposition schwankt nocli sehr in der medi- 
cinischen Phantasie. Die Pi-axis muss unbedingt auf bei<le 
Faktoren Rücksicht nehmmi! Weiterhin möidite icli Sie warnen, 
allzuviel Vertrauen zu setzen in jene Statistiken, aus denen 
hervorgellen soll, dass die bisher verwirklichten Vorhütungs- 


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144 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr 13. 


Dosen ist um so grösser, je näher der Zeitpunkt der Ein¬ 
spritzung dem der ersten Reaktion auf die tuberkulöse In¬ 
fektion Hegt. 

Es erhebt sich nun die im praktischen Sinne wichtigste 
Frage: ist die negative oder positive Reaktion zuverlässig, 
so zuverlässig, dass sie für diagnostische Zwecke in praxi 
brauchbar ist? Zunächst, ist bei negativer Reaktion 
Tuberkulose sicher auszuschliessen ? Nach Koch's Versuchen 
sind ganz gesunde Menschen gegen Dosen, welche bei 
Tuberkulösen zweifellos eine Reaktion auslösen würdeo, und 
selbst gegen wesentlich höhere Dosen völlig unempfindlich, und 
es wird auch von den neuesten Autoren allgemein anerkannt, 
da.'S eine negative Reaktion beweise, es sei kein tuberkulöser 
Herd im Körper vorhanden. Hier ist aber zu berücksichtigen, 
dass, wie schon oben erwähnt, auch bei Tuberkulösen die Re¬ 
aktion ausbleiben kann, wenn mit zu kleinen Dosen und zn 
allmählich vorgegangen wird; ganz besonders kann dieses der 
Fall sein bei sehr chronischen, alten Fällen, welche so wie so 
oft nur schwach reagieren, ebenso bei ausheilenden Fällen. 
Im Ganzen wird es sich hier wohl, soweit frischere Fälle in Be¬ 
tracht kommen, um grosse Ausnahmen handeln; v. Mengers¬ 
hausen teilte zwei derartige Fälle mit, in welchen die 
Tuberkulinprobe negativ ausfiel, obwohl kurze Zeit darauf die 
Lungentuberkulose klinisch deutlich nachweisbar war, auch 
Bazillen im Auswurf gefunden wurden. Dagegen fand 
Ne iss er bei seinem grossen Material, dass alle negativ Re¬ 
agierenden sich klinisch bei längerer Beobaclitung als 
nicht tuberkulös erwiesen. Kremser hält an der Zu¬ 
verlässigkeit der negativen Reaktion auch dann fest, wenn ein 
mehr oder weniger ausgeprägter klinischer Befund vorhanden 
ist (sofern es sich nicht um zweifellos festgestellte alte Tuber¬ 
kulosen handelt). Unter Bandelier’s 500 untersuchten 
Heilstätteninsassen scheinen die nicht (oder nicht mehr) Re¬ 
agierenden 7,4%, welche alle entweder positive Anamnese 
oder leichtere objektive Symptome boten, sämtlich dauernd ge¬ 
sund geblieben zu sein. Dass bei vorgeschrittener Tuberkulose 
die Reaktion gelegentlich im Stieb lässt, ist übrigens nicht zu 
verwundern, da ja der von den Tuberkelbazillen befallene 
Körper alsdann schon so sehr mit Tuberkulin gesättigt ist, dass 
das minimale Plus des von aussen eingeführten Tuberkulins 
keinen erheblichen spezifischen Reiz mehr auszuüben ver¬ 
mag (Brieger). 

Unter Berücksichtigung der erwähnten Aus¬ 
nahmen darf man also daran festhalten, dass eine 
negative Reaktion beweisend ist für das Nicht¬ 
vorhandensein eines tuberkulösen Herdes, eine für 


maßregeln bereits eine tatsächliche Veiminderung der Tuber¬ 
kulosesterblichkeit bewirkt haben. Im Keime, nie und da, 
z. B. in Gefängnissen, mag das ja richtig sein. Einen grossen 
Maßstab darf man an das bereits Erreichte nicht legen. Wir 
sind am Anfänge, aber dieser Anfang ist verheissiingsvoll! 
Wenn wir genügend beriicksichtigeii, dass neben der Prophy¬ 
laxe im Kampf mit der Tuberkulose gegenüber der Verhütung 
anderer kurzaauemder, w’eniger verbreiteter Seuchen, auch ein 
erhöhtes Bedürfnis für die (zeitweilige) Behandlung der Krank«'n 
besteht, so sind wir wenigstens auf einem ganz riclitigen Wege. 
In der Zuversicht, dass es gelingen müsse und könne, der 
Tuberkulose Herr zu werden, finden wir uns bestärkt, wenn wir, 
unsere Augen rückwärts lenkend in verllosserie Zeiten, in denen 
der Aussatz, eine verwandte Seuche, fast ebenso tief am Marke 
der Menschheit frass, wie jetzt die Tul)erkulose, sehen, dass 
es dennoch geglückt ist, die Krankheit auszurotten bis auf fast 
verschollene Spuren. Musste sich die Vergangenheit dieser 
Aufgabe mit unvollkommenen und brutalen Mitteln entledigen, 
so bedient sich unsere Zeit milderer, sittlicher Waffen. Leider 
sind dieselben nur schwierig zu haben, denn die Hauptwaffe 
bildet wie in jedem Kampfe auch hier das Geld der Steuer¬ 
träger I 


die Differeuzialdiagnose wichtige Tatsache, auf die uuteu noch 
näher eingegangen werden solL 

Beweist eine positive Reaktion unter allen Umständen, 
dass der Betreffende irgendwelche tuberkulöse Veränderungen 
in seinem Körper birgtr Petruschky drückt sich in dieser 
Hinsicht sehr bestimmt aus: „Das Auftreten des typischen 
Symptomenkomplexes nach Einspritzung einer unter 10 mgr. 
liegenden Dosis des alten Tuberkulins beweist mit wissen¬ 
schaftlicher Sicherheit das Vorhandensein eines Tuberkulose- 
Herdes im Körper“. Auch zahlreiche andere Autoren halten 
die diagnostische Zuverlässigkeit einer positiven Reaktion für 
absolut sicher, zumal auch nach den sehr ausgedehnten Er¬ 
fahrungen .der Tierärzte, natürlich eine dem erkrankten 
Individuum angepasste Anwendungsweise vorausgesetzt. 
Neisser z. B. betrachtet das Tuberkulin als das feinste 
Reagens für die Anwesenheit von Tuberkulose im Körper; 
selbst die kleinsten, verstecktesten Herde, die unserem Gesichts¬ 
sinn und unseren Untersuchungsmothoden kaum sonst zu¬ 
gänglich wären, werden sicher angezeigt. Nach Krämer’s 
Erfahrungen reagieren später alle Kranken noch positiv, 
die entweder noch klinische, wenn auch sehr leichte Symptome, 
darbieten, oder welche überhaupt noch bei der Entlassung aus 
dem Sanatorium reagiert haben. Auch die grösseren Statistiken 
sprechen für die Zuverlässigkeit. Unter Neisser’s Material 
reagierten alle manifesten Tuberkulosen positiv; Insassen von 
Heilstätten reagieren nach ihm zu 90% positiv, Insassen von 
Untersuchungsstationen, Kliniken, Krankenhäusern zn 70 bis 
80%; Beck fand bei 2.508 Untersuchten, dass die sicher 
Tuberkulösen, 371, alle positiv reagierten, von den mit 
Spitzenkatarrhen behafteten 8.5%, von Pleuritiskranken 73*/o. 

Die diagnostische Zuverlässigkeit ist jedoch von anderen 
Seiten vielfach angezweifolt worden. Zunächst wird an¬ 
gegeben, dass auch bei „ganz Gesunden“ positive Reaktion 
auftreten könne, bei Individuen, bei denen weder klinisch 
tuberkulöse Veränderungen nachzuweisen noch solche nach 
der Anamnese etc. wahrscheinlich seien. Ferner hat man bei 
Rekonvaleszenten schwerer Erkrankungen und einer Anzahl von 
anderen Erkrankungen positive Reaktionen beobachtet; zu letzte- 
i cn gehören: Lues, Carcinom, Aktinomikose Lepra. Bleichsucht, 
Haemoptoe sonst „gesunder“ Mensclien. Kranz fand bei Unter¬ 
suchungen bosnischer Rekruten 61 ®,o positive Reaktionen bei nur 
6 “/o Morbidität. Schmidt teilt 8 Sektionsbefunde mit, von denen 
5 mit dem Ausfall der Reaktion stimmten, 3 nicht, und zwar 
handelte es sich um 2 Carcinome, die positiv reagiert hatten. 
Die positive Tuberkulinreaktion wäre also nach solchen Er¬ 
fahrungen keine spezifische, die Tuberkulinwirkung eine un¬ 
berechenbare, Fehldiagnosen wären nicht zu vermeiden. 
Einzelne Autoren gehen so weit, dass sie behaupten, eine 
positive Reaktion beweise garnichts für die Anwesenheit einer 
Tuberkulose. 

Solchen Z^voifeln gegenüber muss man jedoch zunächst 
daran festhalten, dass die mitgeteilton Fälle nur einen sehr 
geringen Prozentsatz aller geprüften Fälle bilden, dass sie 
gegenüber der Masse der anderen Ausnahmen sind. Man 
dürfte daher höchstens sagen, die positive Reaktion ist nicht 
stets absolut beweisend für Tuberkulose. Ausserdem 
muss doch in Fällen von Clilorose, Haemoptoe „Gesunder“ 
stets der Zweifel bestehen, ob es sich nicht doch um eine be¬ 
ginnende Tuberkulose ohne dentliclie klinische Symptome 
handelte. Weiterhin gewinnt man in einzelnen derartigen 
Fällen den Eindruck, dass die Bedingungen nicht genügend 
berücksichtigt wurden, unter denen einzig und allein diagnostische 
Impfungen zu lässig sind. Impft man Rekonvaleszenten von 
fieberhaften Krankheiten, oder vorgeschrittene Lues- oder 
Krebskranke, verwendet man womöglich noch hohe Anfangs¬ 
dosen, so ist nicht zu verwundern, wenn die Menge der ein- 
goführten toxischen Substanzen bei dem wenig widerstands¬ 
fähigem Organismus zu Reaktionen führt, zu scheinbaren 

S ositiven Reaktionen, wie sie bereits oben erwähnt wurden. 

urch strengere Auswahl der Fälle und vorsichtigere Dosirung 
könnte also diese Fehlerquelle bedeutend verringert werden. 
Auch wird eine genaue Aufstellung der Temperaturkurve des 
Re.'iktionsfiobers die Bewertung der Reaktion erleichtern; 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


145 


denn die Scheinreaktionen bei nicht tuberkulösen Erkrankungen 
weichen in der Fieberkurve ab. Die Krankheiten, bei welcnen 
über Fieber noch Tuberkulin-Einspritzungen berichtet wird, 
kommen Übrigens praktisch für die Differenzialdiagnose wenig 
in Frage, wie z. B. Lepra und Aktinomykose. 

(Schluss folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medidnische Gesdlsdiaft, 

Sitzung vom 7. März 1906. 

Vor der Tagesordnung demonstriert Holländer die eiserne 
Hand des Götz von Berlichingen. 

Tagesordnung. 

Diskussion über den Vortrag Kirchner: lieber das Klima und 
die hygienischen Einrichtungen Aegyptens. 

Kirchner: Schlusswort. 

Kraus: Einiges über Röntgendiagnostik in der 
inneren Medicin. 

An der Hand einer grossen Reihe von Röntgenbildem erläutert 
er die grosse praktische Bedeutung der Röntgenuntersuchung für 
die innere Medicin. Er bedauert nur Platten demonstrieren zu 
können, da für manche Verhältnisse, so für die Untersuchung der 
Abdominalorgane die Beobachtung am Schirm unerlässlich ist. Die 
Durchleuchtung muss in den verschiedensten Richtungen vorge¬ 
nommen werden, von vom und hinten, von den Seiten und be¬ 
sonders auch in schrägen Durchmessern; nur die vergleichende 
Betrachtung von mindestens zwei in verschiedenen Richtungen auf- 
genommenen Bildern lässt einigermaßen sichere Schlüsse zxi. Bilder 
vom Oesophagus zeigen Dilatationen, Divertikel, Carcinom des 
Organs; der subphrenische Teil des Oesophagus ist einzig durch 
Röntgendurchleuchtung einer Beobachtung zugänglich zu machen. 
Bilder des Cor zeigen die Veränderungen hei In- und Blxspiration, 
bei positivem und negativem Atemdnick; die Veränderungen bei 
Mitral- und Aorteninsufficienz; ein Fall betrifft einen persistenden 
Ductus Botalli, ein weiterer Kommunikation der Ventrikel. Sehr 
charakteristische Bilder geben Aneurysmen der Aorta, Von Tho¬ 
raxanomalien wird die Gelenkbildung zwischen Sternum und erster 
Rippe ("Freund) demonstriert. Besondere Bedeutung gewinnt die 
Röntgenuntereuchung für das Diaphragma; Zwerchfellspiel, Hoch- 
Tiefstand, Lähmungen sind durch keine andere Untersuchungs¬ 
methode besser zu beobachten. Krankhafte Prozesse der Pleura, 
Ergüsse, Luftansammlung, ganz besonders die hierbei in Frage 
kommenden mechanischen Momente haben durch die Röntgenunter¬ 
suchung manche überraschende Klärung gefunden. 

Aenetlicher Yenrein in Hamburg, 

Sitzung vom 6. März 1906. 

Vorsitzender Herr Deneke. 

I. Demonstrationen; 

1. Herr Deutschländer demonstriert mehrere Fälle von 
schweren Frakturen, die mittels Stauungshyperämie geheilt 
sind, und bespricht dabei die Theorie und Technik. 

2. Herr König zeigt einen Mann von 38 Jahren, bei dem 
er vor Jahren wegen Ulcus ventriculi, das kaum von 
Carcinom makroskopisch zu unterscheiden war, die Gastroenterostomia 
posterior gemacht hat; als der Patient vor einigen Wochen wegen 
eines Bauchbruches wiedemm laparotomiert werden musste, zeigte 
sich, dass das kallöse Geschwür völlig geschwunden war. Er tritt 
warm für diese Operation bei Magengeschwüren ein. Durch die 
Resektion wird nur das Symptom der Krankheit beseitigt, nicht 
die Krankheit selbst; die Resektion des Magens ist viel gefähr¬ 
licher, und ausserdem werden bei der Gastroenterostomie die Speisen 
sehr schnell wieder aus dem Magen herausbefördert. 

3. Herr Seeligmann plädiert bei Uteruscarcinom für die 
Operation per laparotomiam mit der neuen Schnittführung, wie sie 
Bomm auf dem Kieler Kongress zuerst angegeben hat, und welche 
eine vollständige Ausräumung der erkrankten Teile gestattet. Er 


demonstriert ferner ein Funduscarcinom, das allerdings noch 
per vaginam entfernt worden war. Er teilt weiter folgenden Fall 
von Bauchschwangerschaft mit, für den er in der gesamten 
Litteratur ein Analogon nicht gefunden hat. Eine 35 jährige Frau 
erkrankte etwa im 3. Monat, nachdem die Regel ausgeblieben 
war, mit allen Anzeichen einer geplatzten Extrauteringravidität, 
die sich jedoch nicht einmal bei einer in Narkose vorgenommenen 
Untersuchung feststellen lassen konnte; dabei entsprach der Uterus 
etwa dem 3. Schwangerschaftsmonat. Als 8 Monate später noch 
immer die Geburt nicht vor sich gegangen war, die Frau auch 
niemals Kindsbewegungen wahrgenommen hatte, wurde der Vor¬ 
tragende wiederum gerufen und konnte deutlich kleine Teile durch 
die Bauchdecken hindorchfühlen. Als wenige Tage danach eine 
sichere Decidua uterina abging, und die Untersuchung einen leeren 
Uterus ergab, wurde sofort zur Laparotomie geschritten, bei der 
sich eine ausgetragene Bauchschwangerschaft herausstellte. Der 
Fruchtsaok war sehr gross, darin das macerierte Kind. Die 
Placenta sass vollkommen auf der Leber fest. Bei 
Lösungsversuchen entstand eine kolossale Blutung, die zur Be¬ 
endigung der Operation zwang. Nach 3 resp. 4 Wochen wurde 
dann die Nachgeburt, die natürlich verjaucht war und zu hohem 
Fieber Anlass gegeben batte, stückweise entfernt. Die Heilung 
erfolgte darauf vollkommen glatt. Der Vortragende denkt sich 
die Genesis so, dass die Befruchtung auf dem Fimbrienende statt- 
gefunden, und das Ei sich im 3. Monat, als die Krankheits¬ 
erscheinungen auftraten, gelöst hatte und sich am unteren Leber¬ 
rand festsetzte. 

4. Herr Fraenkel demonstriert Röntgenbilder von Bar- 
lowscher Krankheit mit akut aufgetretenem doppelseitigem 
Exophthalmus und bespricht an der Hand dieses Falles die patho¬ 
logische Anatomie und zeigt ferner Röntgenbilder von ausgedehnten 
Oesophaguspblebectasieen, wie sie bei Lebercirrhose oft¬ 
mals Vorkommen und Anlass zu tötlichen Blutungen geben. 

5. Herr Mond lässt durch seinen Assistenten einen durch 
supravaginale Amputation per laparotomiam gewonnenen myoroa- 
töseu puerperalen Uterus demonstrieren und berichtet über 
die Krankengeschichte der Frau: die Placenta war merkwürdig in 
ihrer Form; sie war 16 cm lang und dabei nur 4 cm breit. 

II. Diskussion über den Vortrag des Herrn A. Franke; 
„Ist die Fürsorge für Kinder und Säuglinge in Ham¬ 
burg ausreichend?“ Herr Fricke tritt für die Errichtung 
eines Säugliogskrankenhauses in Hamburg ein, verlangt aber zum 
Mindesten in den bestehenden Krankenhäusern gesonderte Säug¬ 
lingsabteilungen. In Hamburg betrug im Durchschnitt der letzten 
5 Jahre die Säuglingsmortalität im ersten Lebensjahre 17,6%. 
Nach seiner Ansicht fehlt es vor allen Dingen an geeignetem 
Pflegepersonal', namentlich bei Verdauungskrankheiten, und auch 
an Frauenmilch. Herr Sieveking kommt auf die jetzt be¬ 
stehenden Einrichtungen zu sprechen: da seien vor Allem die vom 
Medicinalamt ausgegebenen Ratschläge für die Säuglingsernährung 
zu erwähnen, die auf jedem Standesamt bei einer Geburtsmeldung 
umsonst verabfolgt würden, und ferner die Milchküchen mit den 
Wiegestunden, die sich als vorbeugende Kindei*pflege gut bewährt 
hätten. Herr Stamm weist statistisch nach, dass mehr künst¬ 
lich als natürlich ernährte Säuglinge sterben, und fordert neben 
der Errichtung eines Säuglingsheimes nach Schlossmannschem Muster 
Stillprämien. Herr Denecke macht zunächst auf einen Irrtum 
aufmerksam, der in der letzten Nr. der Deutschen Medicinischen 
Wochenschrift im Bergmannschen Artikel vorhanden ist: nicht Vs 
der Geborenen, sondern nur ^/s erreiche das Ende des ersten 
Lebensjahres nicht. Hamburg xmd Schaumburg-Lippe seien die 
kinderarmsten Staaten des Deutschen Reiches. Er glaubt, dass 
einstweilen bei uns aus äusseren Ursachen wohl kaum mit dem 
Ba\i eines Säuglingsheimes gerechnet werden könne; überdies halte 
er solche Häuser mehr für Lehranstalten für Pflegerinnen, als dass 
damit wirklich die Statistik gebessert würde. Das Selbststülen 
ist und bleibt die Hauptsache; Provisionen von Nährmittelfabrikanten 
an Hebammen seien verwerflich und müssten unbedingt in jedem 
Falle zur Anzeige gebracht werden. Er scbliesst damit, dass die 
Hauptursache der grossen Kindermortalität in sozialen Momenten 
zu suchen sei, die uns Aerzten nicht zugänglich wären, Herr 
Oberg wünscht, dass die Milchküchen nur dazu da sind, gute 
Milch abzugebeu, nicht aber, um kranke Kinder zu heilen. Für 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 13. 


kranke Kinder müssten viele, möglichst kleine Hospitäler gebaut 
werden; er weist auf die Schwierigkeit hin, in der Allgeraeinpraxis 
auf dem Totenschein eine richtige Diagnose anzugeben. Herr 
Wfigner (Lockstedt) hält eine Kombination von Entbindungsanstalt 
und Säuglingsheim für nötig, da sonst die Mortalität und die 
Kosten für die Unterhaltung zu gross seien. Herr Pranke weist 
im Schlusswort noch einmal auf die Notwendigkeit von Stillprämien 
hin und berichtet über die Einrichtungen der St. Gertrud-Ge- 
meirideklinik. Schönewald. 

Verein f ür innere Medicin, 

Sitzung vom 5. März 1906. 

Herr v. Leyden. Nachruf an Nitze. 

Bericht über das 25jäbrige Stiftungsfest. 

1. Herr Wassermann demonstriert Reagenzglasversuche, 
welche er gemeinsam mit Bruck angestellt hat. E.s gelang ihnen 
nachzuweisen, dass eine Mischung %’on ,E.\trakt aus tuberkulösem 
(Tewebe und einem Tuberkelbazillenpräparat, z. B. Tuberkulin im 
Reagenzglas komplementablenkcnde Eigenschaft besitzt, während 
bei Verwendung von nichttuberkulösera Gewebe im gleichen Ver- 
sucli keine Kompleraentbindung eintritt. Es folgt daraus, dass im 
tuberkulösem Gewebe Antikörper gegenüber dem Tuberkulin vor¬ 
handen sind. Diese Tatsache ist geeignet, die Spezificität des 
Tuberkulins für das tuberkulöse Gewebe und die baldige Ah- 
schwächung bei wiederholter Einwirkung des Tuberkulins zu er¬ 
klären. 

Disku ssion; Herr L. Michaelis hat mit derselben Methode 
der Komplementablenkung die Bildung von Antikörpern in Organ- 
zellon nachweisen können. 

2. Herr Hans Kohn demonstriert das Gehirn eines Palles 
von lues cerebri; hochgradige Atheromatose der Himgefä-sse. 

Tagesordnung: 

Herr Posner: Ueber traumatischen Morbus Brightii. 
Redner gilit einen Ueberblick über unsere Kenntnisse von der 
Entstehung akuter uud chronischer NierenentzUiidung durch 
traumatische Einwirkungen, wobei er die häufigeren durch Bak- 
terienemwanderung in die subkutan traumatisierte Niere erzeugten 
infektiösen Nephritiden ansschliesst. Er bespricht die Einflüsse 
rein mechanischer Störungen des intraabdominellen Druckes, welche 
wirkliclie Nierenentzündungen prädisponieren können; hierher ge¬ 
höre die Schwangerschaftsnephritis, die Entzündung der Wander¬ 
niere. Auch plötzliche Zirkulationssebwankungeu in der Niere, 
z. B. nach Exstirpation der anderen Niere kommen ätiologisch in 
Betracht. — In einem eignen Falle entstand nach einem Sturz 
zunächst eine rechtsseitige Wanderniere, nach einem halben Jahre 
Albuminurie und Cylindrurie und schlie.sslich typischer doppel¬ 
seitiger Morbus Brightii, 

Diskussion: Herr Fürbringer hat nur wenige W’ahr- 
scheinlichkeitsfälle von eclitem, traumatischem chronischen Morbus 
Brightii, dagegen häufiger akute, abortive Nephritis nach Trauma 
gesehen. 

Herr Senator: Die Blutdrucksteigerung in der Niere nach 
Nephrektomie der andern Seite, kann an sich niemals eine Ent¬ 
zündung des Organs erzeugen; die Nej)hritis der restierenden 
Niere beruht auf ihrer Ueberlastung als Ausscheidungsorgan. 

(Weitere Diskussion wurde vertagt.) Fritz Levy. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinische Wochenschrift, looe. No. ii. 

1. Graeffner, Berlin: Einige Studien über Reflexe be¬ 
sonders an Hemiplegikern. 

Verf, hat an einem ziemlich umfangreichen Kraiikenmaterial 
die Bcfli'xe bei Heraiplegikeni geprüft, besonders im Hiniilick auf 
die iliesbezüglichen Angaben Ganaults. Pntellarreflex unter 89 
Fäll(>ii in 76,7 verstärkt auf der gelähmten Seite. Ac!nllesrofle.\: 
unter 38 Fällen 32,7 mal ver.stäi-kt auf der gelähmten Seite, l)oi 
36 Fällen 31,10 mal abgeschwächt. Subinatorreflex; unter 61 
Fällen 52,5 mal verstärkt auf der gelähmten Seite, unter 17 Fällen 
14.6 mal abgeschwächt. Tricepretlex: unter 54 Fällen 46,5 mal 


verstärkt auf der gelähmten Seite, unter 18 Fällen 15,5 mal ab¬ 
geschwächt. Bei dem contralateralen Adduktorenreflex konnte 
Verf. bei 100 Gesunden 63 mal völliges Fehlen, bei 22 Fällen 
beiderseitiges, bei 15 Fällen einseitiges Vorhandensein feststellen. 
Den Fu.ss3ohlenreflex fand Verf. in 73 Fällen, also 62,9%. Den 
Menderschen Fussrückenreflex hat Verf. in 26,7% der Fälle finden 
können. Der Kiemasterreflex fohlte in 78,4% aller Fälle bei 
Hemiplegikern. 

2. Ehrlich, Wesel: Die Bebandlong akuter und ohronischer 
Eiterungen mit Fhenolkamphei. 

Da die Bier’sche Stauung trotz ihrer grossen Erfolge doch 
nicht überall anwendbar ist, weil die genügende Anzahl geschulten 
und zur Ueberwachmig geeigneten Personals fehlt, so scheint es 
dem Verf. geeignet, auf eine Therapie binzuweisen, welche viele 
Vorteile bietet. Das Verfahren ist von Chlumsky angegeben und 
besteht in der Applikation einer Mischung von reiner Karbolsäure 
und Kampher im Verhältnis von 1 : 2 unter einem geringen Zusatz 
von Alkohol. Dies Gemisch stellt eine klare ölige Flüssigkeit dar, 
welche am Licht sich rosa verfärbt und sich schnell verflüchtigt. 
Die Flüssigkeit ätzt und brennt nicht. Die erkrankten Partien 
werden mit der Flüssigkeit mehrfach betupft, oder es wird Watte 
mit derselben getränkt und aufgelegt unter Bedeckung mit Billroth- 
battist. In gespaltene Abszesse wird die Flüssigkeit eingegossen, 
infizierte Wunden werden damit gespült. Die Erfolge, welche Verf. 
mit diesem Verfahren erzielt, waren sehr gute. Die Behandlung 
ist leicht und gefahrlos. Die gute Wirkung schreibt Chlumsky 
der schnellen Verdunstung des Kamphers zu, welcher kleine 
Quantitäten Karbolsäure freiwerden lässt. Verf. glaubt, dass durch 
den dauernden Hautreiz durch die freiwerdende Karbolsäure eine 
Hyperämie, also aucli eine Stauung bewirkt werde. 

3. Prokiewicz, Krakau: Eine sehr empfindliche Reaktion 
auf Gallenfarbstoffe. 

Drei Reagentien sind nötig: a) eine 1% wässrige Lösung von 
Acidum sulphanilicum, b) eine 1 % wässrige Lösung von Natrium¬ 
nitrit, c) Konzentrierte reine Salzsäure. Die Methode ist folgende: 

Von den beiden ersten Lösungen giesst man in ein Reagenz¬ 
glas je 1 ccm und schüttelt gut durch. Dann giesst man so viel 
fort, dass höchstens ccm im Reagenzglas zurückbleibt. Nun 
giesst man Va ccm der auf GallenfarbstotF zu untersuchende Flüssig¬ 
keit hinzu und schüttelt gut durch. Die Flüssigkeit nimmt eine 
rubinrote Färbung an, welche nach Zusatz von 1 — 2 Tropfen Salz- 
.säure und mehrfachem Verdünnen mit destilliertem Wasser sich in 
Amethystviolett verwandelt. Sind reichliche Mengen Gallenfarb¬ 
stoffe vorhanden, so muss stärker verdünnt werden. 

4. Glas, Wien: Milzbrand des Kehlkopfes. 

Verf. hat einen letal verlaufenden Fall von Anthrax des Kehl¬ 
kopfes beobachtet, über dessen Entstehungsgeschichte nichts Näheres 
zu eruieren war. Gleichzeitig bestand eine Pustula maligna des 
Magens, so dass es nicht ausgeschloasen erscheint, dass von hier 
aus die AUgemeininfektion erfolgte. Da starkes Oedem der Hals¬ 
organe bestand, konnte eine Verwechslung mit Larynxphlegmone 
eventuell in Betracht kommen. 

5. Lichtenstein, Dresden: Zur Diagnose der Extranterin* 
gravidität durch Böntgenstrahlen. 

Bei einer 29jährigen II Gebärenden wird ein Tumor festge¬ 
stellt, welcher sich als Gravidität erweist. Die Röntgenaufnahme 
gelingt und zeigt deutlich durch Lage der Extremitäten und Rippen 
des Kindes dessen Lage, die durch die Operation bestätigt wird. 
Den Grund, dass die Röntgenaufnahme hier gutes Resultat ergab, 
sieht Verf. darin, dass nicht die wasserreiche Wand des Uterus 
und nicht viel Fruchtwasser die Röntgenstrahlen hinderte. 

6. v. Zezsebwitz, München: üeber einen Fall geheilter 
Magenperforation. 

Bei einem 46jährigen Patienten, welcher wegen ulcusver- 
dächtiger Magenstörungen längere Zeit ambulatorisch behandelt 
wurde, tritt j)lötzlich grosse Schmerzhaftigkeit in der Oberbauoh- 
gegend ein. Nach kurzer Zeit Bewegungen unmöglich, Oberbauch- 
gegeiui eingezogen, sehr empfindlich Diagnose Perforation. Rubig- 
stellnng und geeignete Diät. Vollkommene Heilung. Offenbar war 
der Jlageninhalt nicht ins untere Becken geflossen, sondern oben 
hinter Colon uud Netz zurückgehalten worden. 


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1906. 


MED1G1N18GHE WOCH£. 


7. Alexander, Nürnberg: üeber Vaksmeerkrankang des 
Anges. 

Bei einem iVajährigen mit Erfolg geimpften Mädchen treten 
am 8. Tage etwa zahlreiche Pusteln im Gesicht, an den Armen und 
Beinen auf. An den Lidrändem Ulcerationen, Corneae intakt. 
Unter Behandlung mit Suhlimatsalbe vollkommene Heilung. 

8 . Sommer, Niedermendig: Kritisches und Heues zur Therapie 
des TonsiUenabszesses. 

Verf. tonsillotomiert bei Tonsillarabszess nach Anästhesierung 
mit Cocain. Entweder unter Benutzung des Tonsülotoms oder des 
Knopfbistonrie. Die Erfolge sind gute, der oft schwer lokalisier¬ 
bare Abszess ist leicht zu eröffnen und Recidive werden so gut wie 
ganz vermieden. 

9. Rühl, Dillenburg: Ueber den Verlauf von Schwanger« 
Schaft und Oeburt nach Yorausgegangenem Yi^inalen Kaiser« 
schnitt. 

Verf. teilt vier Fälle mit, in welchen der vorausgegangene 
vaginale Kaiserschnitt auf spätere Geburten keinen ungünstigen 
oder störenden Einfluss gehabt hat. In einem Falle musste am 
Beginn der Schwangerschaft eine narbige Adhaesion getrennt werden, 
um das Aufsteigen des graviden Uterus zu ermöglichen. Dass in 
einem der Fälle eine manuelle Placentalösung nötig war, hat wohl 
nichts mit der voraufgegangenen Operation zu tun. Jedenfalls 
zeigen diese Erfahrungen, dass der vordere Uterusscheidenscbnitt 
in Rücksicht auf spätere Schwangerschaft keine Schwierigkeiten 
verursacht und aus diesem Grunde keinesfalls vermieden zu werden 
braucht. 

10. Wild, Schwarzenbach a. S.: Ein Beitrag zum Raffine« 
ment der Masturbation. 

Verf. extrahierte bei einem 64jährigen Waldarbeiter ein zu 
masturbatorischen Zwecken tief in die Urethra eingeführtes mit 
Nadeln besetztes Fichtenästcben. 

11 . Czaplewski, Köln: Blnttnpferrährohen znr Erleichterung 
der Oruber Widal’schen Reaktion. 

Die vom Verf empfohlenen, von der Firma F. u. M, Lauten- 
schläger, Berlin, zu beziehenden Röhrchen sind folgendermaßen 
zugerichtet. Ein Ficker’sches Röhrchen von 5,5 x 0,8 cm Grösse 
wird mit einem tadellosen gut passenden Korken verschlossen. 
Durch den Kork wird eine lange dicke Insektennadel gesteckt, die 
Spitze derselben krallenfbrmig umgebogea und mit entfetteter und 
gereinigter Watte so umwickelt, dass eine Art Tupfer entsteht. 
Je zwei solche Röhrchen finden in einer 7,6 x 3 x 1,8 cm grossen 
Holzhülse Platz, welche abgerundete Kanten und einen Blechdeckel 
hat. Diese Holzhülse kann nach Art der Warenproben leicht per 
Post als Brief versandt werden. 

Verf. empfiehlt die Blutentnahme aus dem Ohrläppchen vor¬ 
zunehmen und dazu ein Skalpell mit Platin-Iridiumspritze zu be¬ 
nutzen. Das Serum wird durch zentrifugieren aus dem Watte¬ 
tupfer gewonnen. 

12. Mangold, Jena: Die neurogene und mjogene Theorie 
des Herzeohlagee. 

Verf. führt die in der vorigen Nummer begonnene und in 
No. 12 d. Zeitschrift bereits referierte Arbeit zu Ende. Die Einzel¬ 
heiten eignen sich nicht zur Wiedergabe in einem kurzen Referat, 
Verf. kommt zu dem Schluss, dass bei unseren heutigen Kenntnissen 
nicht genügend positives Beweismaterial vorliegt, um sich für die 
eine oder andere Theorie zu entscheiden. 

Deutsche medicinieche Wochenschrift. 1906. Nr. li. 

1. Baginsky, Berlin: Zur Frühdiagnose und Behandlung 
des Kehlkopfkrebses. 

Die Carcinome des Larynx gehören durchaus nicht zu den 
seltenen Affektionen. Es kommen primäre und sekundäre Car¬ 
cinome vor. Bei den letzteren ist die Frühdiagnose relativ be¬ 
deutungslos. Jedoch bei dem primären Kehlkopfkrebs kann von 
der Frühdiagnose alles abhängen. Die Hauptlokalisation ist an 
den wahren Stimmbändern. Von den verschiedenen Carcinomarten 
findet man am häufigsten das Epithelcarcinom. Das makros¬ 
kopische Aussehen kann sehr variieren, in vorgeschrittenerem 
Stadium tritt oft gescbwüriger Zerfall auf. Die regionären 


147 


Lymphdrüsen pflegen bei endolaryngealem Sitz des Tumors erst 
sehr spät in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Für die Diag¬ 
nose kommt das Spiegelbild und die mikroskopische Untersuchung 
eines probeexzidierten Stückes in Betracht. Die Probeexzision 
kann sehr schwierig sein, zumal dann, wenn es sich um flache 
Ausbreitung der Neubildung handelt. Ein positiver Ausfall der 
mikroskopischen Untersuchung ist beweisend ein negativer nicht. 
Die subjektiven Beschwerden pflegen nur dann in dem allerersten 
Beginn vorhanden zu sein, wenn das Carcinora an den wahren 
Stimmbändern sich entwickelt, es besteht dann Heiserkeit. Bei 
anderen Lokalisationen kann es sehr lange dauern, bis ein sub¬ 
jektives Symptom sich bemerkbar macht. Differentialdiagnostisch 
kommen gelegentlich in Betracht, Lues, Tuberkulose, Lupus, 
Lepra etc. Die Entnahme einer Probe erfolgt am besten mit 
einer scharfen Doppelkurette. Eventuell wird es nötig, die 
Laryngofissur vorzunehmen, um zur genügenden Probeexzission zu 
gelangen. Die interessante Arbeit wird in der nächsten Nummer 
fortgesetzt. 

2. Kolle, Berlin, Strong, Manila: üeber Schntzimpfong 
des Menschen mit lebenden abgeschwächten Festknltoren (Pest« 
yacoination). • 

Diese hochinteressante Mitteilung kann natürlich nur in 
grossen Umrissen referiert werden. Alle Einzelheiten wären im 
Original nachzulesen. Kolle und Otto hatten bereits vor längerer 
Zeit in grossen Versuchsreihen nachgewiesen, dass man bei Tieren 
eine erheblich höhere und dauernde Immunität erzielen kann, 
wenn man abgeschwächte PestkuUureu injiziert, als wenn man wie 
bis dahin üblich abgetötete Kulturen verwendet. Die Abschwäch¬ 
ung der Kulturen geschieht mühelos durch Fortzüchtuug auf 
künstlichen Nährböden imd kann bis zu einer Virulenzreduktion 
auf. das Hundert- und Tausendfache getrieben werden. Ja, man 
kann es sogar zur Avirulenz bringen. Derartige ahgeschwächte 
Kulturen wurden nach Manila geschickt und von dem einen Verf. 
zunächst bei zum Tode verurteilten Verbrechern versucht. 

Die Erfolge lassen sich folgendermaßen zusammen fassen: die 
abgeschwächten Kulturen sind für den Menschen l)ei künstlicher 
Einverleibung in grösseren Mengen vollkommen harmlos. Sie er¬ 
zeugen ausser einer mäßigen lokalen und allgemeinen Reaktion 
keinerlei Schädigungen. Dagegen lässt sich die Höhe der immuni¬ 
satorischen Kraft sowohl durch das Tierexperiment, sondern auch 
durch spezifische Blutveränderung am geimpften Menschen er¬ 
weisen. Es wird nun die Aufgabe sein, die zeitliche Dauer der 
durch die „Pestvaccination“ bewirkten Immunität zu prüfen. 

3. Ostermann, Breslau: Die MeningocoocenpharyngitlB 
als Onmdlage der epidemischen Genickstarre. 

Die Untersuchung des Verf. haben ergeben, dass in jeder Familie 
in welcher Genickstarre vorkam, sich sogenannte Coccen träger befanden, 
d. h. anscheinend gesunde Personen, welche die Coccen in ihrem 
Rachen beherbergten. Von 24 FamilieDmitgliedem konnten bei 17 
Meningocoocen im Nasenrachenraum nachgewiesen werden, bei 
einigen fast in Reinkultur. Bei zehn Personen, welche zwar in 
der Nähe der erkrankten Familie aber nicht mit diesen zusammen 
lebten, wurden die Erreger nicht gefunden. 

Verf. empfiehlt sodann ein Merkblatt, welches wir des allge¬ 
meinen Interesses wegen hier wörtlich zum Abdruck bringen. 

■Warnung! 

Zur Zeit einer Oonickstarreepidemie finden sich die Erreger der Genick¬ 
starre bei vielen Menschen aut der Schleimhaut der Rachenwand. Sie ver¬ 
anlassen dort manchmal verstärkte Schioimabsondernng, auch wühl Schnupfen; 
in anderen Fällen rufen sie keinerlei merkliche Beschwerden hervor. Die 
Erri^er werden von einem Menschen auf den andern verbreitet: 1. durch 
die Finger mit denen man Mund oder Nase berührt bat, durch Kflsso, gemein¬ 
sames Ess- u?:d Trinkgeschirr: 2. durch den Auswurf, der beim Husten und 
Räuspern aus dem Rachen entleert wird, und durch Nasenschleim; 8. durch 
beim Husten und lauten Sprechen verspritzte unsichtbare Tröpfchen, die 
von anderen Menschen eingeatmot werden können. 

Die Verbreitung der Erreger muss durchaus verhütet werden, weil 
dieselben auch auf solche Menschen (namentlich Kinder) gelangen können, 
bei denen nicht nur leichte Rachenontzündung entsteht, sondern die infolge 
einer besonderen Empfänglichkeit durch dieselben Erreger an schwerer, oft 
tödlicher Genickstarre erkranken. 

Daher brachte jeder, in dessen näherer Umgebung eine Erkrankung 
an Genickstarre vorgekomnien ist oder der mit jemand aus der näheren Um¬ 
gebung eines solchen Kranken in engem Verkehr gestanden hat, drei Wochen 
lang folgende Vorsichtsmaßregeln: 


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148 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 13. 


1. Han meide jeden anndtigen Verkehr mit anderen Menschen, besuche 
namentlich keine Lokale und Versammlungen, wo zahlreiche Menschen Zu¬ 
sammenkommen. Beim unvermeidlichen Verkehr halte man sich in tunlichster 
Entfernung von den anderen Menschen und vermeide Berührungen, Küsse 
und gemeinsames Ess- und Trinkgeschirr. 

2. Auswurf und Nasenschleim nehme man in Leinen-oderMulläppchen 
oder in Papiertaschentüchern auf, die sofort zu verbrennen sind. Benutzte 
Taschentücher mü.sscn 10 Minuten in kochendem Wasser gehalten werden 
oder eine Stunde lang in Kresolwasser (aus Apotheken oder Drogenhandlungen 
zu beziehen) eingelepi; werden. Mit Auswurf oder Schleim in Berührung 

f okommene Finger sind mit dieser Lbsung zu waschen, derart beschmutzte 
'ußbodenstellen und Kleider reichlich damit zu befeuchten. 

3. Während des Sprechens und Hustens halte man sich etwa auf 
Arinlänge von anderen Menschen entfernt. 

4. Riebold, Dresden: Heber praemenstraelle Temperator- 
BteigemiLgen. 

Verf. kommt nach eingehenden Beobachtungen zu dem Schlu&s, 
dass praemenstruelle Temperatursteigerungen, welche die phy¬ 
siologischen Werte überschreiten, normaler Weise nicht Vorkommen. 
Praemenstruelles Fieber weist immer darauf hin, dass der Organis¬ 
mus nicht völlig gesund ist. 

5. Puppe, Königsberg: Heber Ljrsolyergiftimg. 

Das Lysol ist zweifellos ein starkes Gift. Die Vergiftungs- 
erscheinungen ähneln denen der Phenolintoxikafion. Erbrechen, 
Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Sopor. Nur treten die Vergiftungs¬ 
erscheinungen viel langsamer ein wie beim Karbol. Es bestehen 
schwere Aetzwirkungen. 

6 . Wunsch, Berlin: Heber die Anwendung von Oelkljstieren 
bei der chronischen Obstipation der Bmstkinder. 

Verf. hat bei einem Säugling mit nicht weichender Obsti¬ 
pation Clysmen von reinem angewärmten Olivenöl gegeben. Nach 
wenigen Tagen trat dauernder Erfolg ein. 

7. Gross, Harburg: Ein Ventilsohaltstück, welches jede 
grössere Spritze zn einer für Stauung and Punktion tauglichen 
Luftpumpe macht 

Um in der Anwendung der Bi er'sehen Stauung ohne kost¬ 
spielige Apparate auszukommen, hat Verf. ein Ventilschaltstück 
mit Guramiventileii konstruiert, welche.s möglich macht, jede gut 
saugende Spritze zum Evakuieren zu benutzen. Das Schaltstück 
wird von dem Instrumentenmacher K. A. Müller, Harburg 
a. d. Elbe I, Wilstorferstr. 2 a hergestellt. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 12 . 

1 . Schickell, Strassburg: Einige kritische Bemerkungen 
zur Alezander-Adem’sohen Operation, insbesondere über ihr 
Verhältnis zu den Leistenbrttohen. 

Die Erfolge der in Rede stehenden Operation zur Beseitigung 
der retroflexio Uteri sind nicht immer gute, obwohl schon gegen 
früher ein ganz erheblicher Fortschritt zu verzeichnen ist. Ge¬ 
lingt es nicht die Ligamente aufzufinden, dann wird der Effekt 
gleich Null sein. Ist aber die Operation normal verlaufen und 
der Erfolg bleibt dennoch aus, dann kann es sich um folgende 
Punkte handeln: Vereiterung des Operationsgebietes, Nekrose der 
Ligamente, Wiederaufflackem der ätiologisch in Betracht kommen¬ 
den adhäsiven Entzündung, chronische Metritis, neue Adhäsionen. 
Jedoch derartige Misserfolge kann man nicht der Operation zur 
Last legen,- das sind intercurrente Komplikationen. Um derartige 
Misserfolge und Resedive zn vermeiden muss man vor allen 
Dingen sehr vorsichtig in der Auswahl der Fälle sein. Ein 
weiterer Umstand, welcher die Späterfolge in Frage stellt ist die 
Entstehung von Leistenbrüchen. Diese entstehen, so scheint es, 
vor allen Dingen dann, wenn der Leistenkanal gespalten wurde. 
Die Naht ist offenbar nicht sicher genug. Oft ist die Spal¬ 
tung unumgänglich, weil eine Bruchanlage oder ^ein ausgebildeter 
Leistenbruch vorhanden ist. Es wird sich darum handeln, zugleich 
mit, der Verkürzung der Ligamenta rotunda auch die Hernie 
radikal zu operieren. Verf. teilt einen derartigen wohl gelungenen 
Fall mit auf dessen Einzelheiten in diesem Referat nicht einge¬ 
gangen werden kann. Nach dem Ausfall von 138 Operationen 
glaubt Verf. die Alexander-Adamsche Operation als eine typische 
bezeichnen zu mü^en. 

2. Bernhard, Berlin: Heber Vorkommen und Aetiologie 
einseitiger Trommelscblägerfinger. 

Verf. teilt im .Anschluss au die in dieser Zeitschrift seiner¬ 
zeit z. T. referierten Fälle Bereut (Berliner kliu. Wochenschrift. 


1903. Nr. 4) und Groedel (Münebn. med. Wochenschrift Nr. 6) 
einen Fall von rechtseitiger Trommelschlägerfingerbüdung mit, 
dessen Ursache er in einem Aneurysma der Aorta ascendens, 
durch Roentgenaufnahme naebgewieseu, erblickt. Der Fall zeigt 
deutlich eine Knochen- und Weichteilvermehrung an der befallenen 
Extremität. 

3. Üblich, Berlin; Temperatarmessnngin elektrischen Licht¬ 
bädern. 

Verf. hat für eine rationelle, allen Fragen Rechnung tragende 
Temperaturmessung in den Lichtkastenbädem einen Thermometer¬ 
halter konstruiert, welcher zwei Thermometer trägt und zwar ein 
gewöhnliches und eines mit russgeschwärzter Kugel, um auch über 
die Wärmestrahlung Auskunft zu erlangen. Die Thermometer 
lassen sich mittels der mit Gelenken versehenen Halterstange an 
jeden Ort im Kastenbade bringen. Man liest durch ein Schau- 
glaa von aussen ab. Den Halter fertigt die Firma Reiniger 
Gebbert und Schall, Erlangen. 

4. Meier, Berlin: Heber eine Verbessenmg des Mett'sohen 
Verfahrens zur Bestimmnng der verdanenden Kraft von Flüssig¬ 
keiten. 

Das Mett’sche Verfahren besteht darin, dass Glasröhrchen 
mit geronnenem Huhnereiweiss der zu untereuchenden Verdau- 
ungsflüssigkeit im Brütsohrank ausge.setzt werden und dass man 
sodann die Länge des verdauten Eiweissea feststellt. Verf. macht 
auf die grosse Bedeutung einer möglichst gleichmäßigen Gerinnung 
des Eiweisses aufmerksam und hat eine Reibe von technischen 
Vorrichtungen und Verbesserungen angegeben, welche das Mett- 
sche Verfahren fehlerfrei gestalten. 

5. Schütze, Oharbin: Die quaternären Alkaloidbasen in 
der Therapie. 

Verf. hat während seiner Tätigkeit an der inneren Abteilung 
des Lazaretts der deutschen Vereine vom roten Kreuz in Charbin 
Gelegenheit gehabt, die quaternäre Alkaloidba.se das Euporphin 
gegenüber der tertiären Verbindung dem Apomorphin zu prüfen 
und gefunden, dass dieselbe sich als Expectoraus ganz ausgezeichnet 
eignet. Die Anwendung geschah in Lösung und zwar Euporphini 
0,05: 190,00 Sir. simpl. 10,00 dreistündlich ein Esslöffel. 

6. Heryng, Wanschau: Heber neue Inhalationsmethoden 
und neue Inhalationsapparate. 

Die in der vorigen Nummer begonnene und in ihrem ersten 
Teil bereits referierte Mitteilung wird zu Ende geführt. Eine 
wichtige, vom Verf, angegebene Vorrichtung ist der Thermoaccu- 
mulator, derselbe dient dazu, den Inhalationsstrom so in seiner 
Temperatur zu steigern, dass die Vergasung schwer flüchtiger 
Stoffe ermöglicht wird. Es wird dies durch ein lyraförmiges Rohr 
erreicht. Indem der Wasserdampf im engeren Teil des Rohres 
kondensiert wird, gelaugt Wärme in Freiheit und die Temperatur 
steigert sich bis um 20 Grad, Diese Vorrichtnng ist deswegen 
von grosser Bedeutung, weil erfahrungsgemäß nur gasförmige 
Körper wirklich tief in das Lungenparenchym eindringen. Der 
Schluss der Arbeit ist den Apparaten für Inhalationssäle gewidmet. 
Es kann in einem Referat nicht auf alle Einzelheiten eingegangen 
werden. 

7. Bosse, Berlin: Die Prophylaxe der eitrigen Peritonitu. 

Das wichtigste ist die Verbesserung der Diagnose. Je früher 
und je .sicherer eine Peritonitis erkannt wird, desto eher ist Aus¬ 
sicht vorhanden, dass man ihrer Entwicklung vorbeugt. Es gibt 
keine idiopathische Peritonitis, dieselbe hat immer lokale Ursachen. 
Die Diagnose der Appendicitis wird heute für den Arzt relativ 
leicht sein, auch die aus dieser Erkenntnis rührende Anwendung 
operativer Maßnahmen Lst heute bei dem Stand der Technik durch¬ 
aus gerechtfertigt. Anders liegt es bei den infektiösen Prozessen 
der weiblichen (Genitalien. Meist handelt es sich dabei nicht um 
allzugroRse Eile, n:an hat eher Zeit, die nötigen diagnostischen 
wie therapeutischen Uel>erlegungen anzustellen. Es kommt hinzu, 
dass gerade die infektiösen Prozesse der weiblichen Genitalien 
mehr Neigung haben, sich abzukapseln und lokal zu bleiben, so 
dass man von .seiten der Gynäkologen eine durchaus konservative 
Behandlung vorzieht. 

Als Prophylaxe puerperaler Peritonitiden ist ein möglichst 
schonendes und aseptisches Entbindungsverfahren zu bezeichnen. 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


149 


Die Perforation der Gallenblaee mit anschliessender Peritonitis 
kann bei rechtzeitiger und richtiger Diagnose der Cbolelithiasis 
verhütet werden. Für Magenperforationen kommt die diagnostische 
Jürkenntnis der Ulcera in Betracht. Besonders bedenklich sind 
die Perforationen des Darmes wegen seines infektiösen Inhaltes. 
Im allgemeinen hängt die Prophylaxe der Peritonitis von der 
Diagnose ab. Diese kann aber nur ein auf der wissenschaftlichen 
Höhe stehender Arzt stellen. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. lO. 

1. Gersuny, Wien: Eine Operation bei motorischen Läh- 
mungeii. 

Verf. hat, von dem Gedanken ausgehend, dass ein gelahmter 
Muskel durch operative Vereinigung mit einem nicht gelähmten 
wieder funktionsfähig werden kann, in zwei Fällen höchst erfolg¬ 
reiche Operationen ausgeführt. Bei einseitiger Facialislähmung 
präparierte Verf. den musc. orbic. oris frei und vernähte die nicht 
gelähmte Hälfte mit dem gelähmten Teil. In dem zweiten Fall 
handelte es sich um eine Lähmung des rechten musculus deltoideus. 
Hier wurde der musculus cucullaris unter Ueberbrtickung des 
Akroraion jnit dom gelähmten Deltoideus vereinigt. Der Erfolg 
war gut. 

2. Buberl, Wien: üeber Eollargolbehandltmg bei Paer* 
peralfieber. 

Das KoUargol wurde in Form der 15% Fettsalbe und als I 
Klysma verabreicht. In einem Teil der Fälle kam gleichzeitig ! 
Marmorek’s Autistreptococcen-Sernm in Anwendung. Die Er¬ 
gebnisse fasst Verf. dahin zusammen, dass manchmal tatsächlich 
das Kollargol einen mehr oder weniger günstigen Einfluss auf 
den Verlauf des Puerperalfiebers auszuüben scheint, dass es aber 
zu optimistisch sein hiesse, wenn man das KoUargol als ein Spe¬ 
zifikum gegen Sepsis bezeichnen wollte. 

3. Baer, Wienerwald: Zur Sonnenlichtbehandluug der Kehl- 
kopftuberkolose. 

Dem Vorgänge Sargo’s folgend hat Verf. Kehlkopftuber¬ 
kulosen mit Sonnenlicht behandelt. Das Verfahren ist folgendes. 
Der Patient sitzt vor einem Spiegel, mit dem Rücken der Sonne 
zu, hält die Zunge und einan Kehlkopfspiegel und kontrolliert, 
indem er das Bild des eigenen Kehlkopfe.s betrachtet, die richtige 
Stellung der Spiegel. Die Sitzung dauert 15—25 Miauten und 
wird, wenn möglich, täglich ausgeführt. Der Erfolg in den zwei 
mitgeteilten Fällen soll ein sehr guter gewesen sein. 

4. Flinker, Wiznitz a. Oz.: MiBsbildung eiuer 'Thorax- 
hälfte und der entsprechenden oberen Oliedm^e. 

Verf. teilt einen Fall mit, bei welchem vollkommene Atrophie 
der rechten Thoraxmuskulatur, Atrophie der Haut und rudimen¬ 
tärer Zustand der rechten Hand beobachtet wurde. Es scheint 
sich um eine intrauterine Wachstumshemmung zu handeln infolge 
einseitigen Druckes (Amnion). Es besteht in derartigen Fällen 
wohl stets eine gemeinsame Ursache für die Defekte des Thorax 
und die Missbildung der Extremität. 

1906. Nr. 11. 

1. Tauber, Wien: Zur Semmbehandlnng der kronpösen 
Limgenentzündimg. 

Verf. teilt die Krankengeschichten von 9 Fällen mit, welche 
mit dem Röraer’schen Pneumococcenserum behandelt wurden. 
Als Einzcldosis wurden anfänglich 10, später 20 und 30 ccm Se¬ 
rum intramusculär injiziert. Die Erfolge waren derart, da8.s Verf. 
die weitere Anwendung und Prüfung dieser spezifischen Therapie 
bei kroupOser Pneumonie empfiehlt. 

2. Hirschl, Wien: Bemerknngen zur Behandlung des 
Horbns Basedowii. 

Verf, betont zunächst, das.s bei allen Mitteilungen über The¬ 
rapie des Morbus Basedowii eine gewisse systematische Erörterung 
der Symptome vor und nach der Behandlung nötig sei, um klare 
Ueberblicke dem Leser zu geben. Er .selbst berichtet über den 
Effekt der neuerdings empfohlenen Röntgenbehandlung bei zwei 
Fällen. Bei dem ersten einer 36jährigen Patientin wurde durch 
die Röntgenbestrahlung folgendes erzielt: 1. eine Gewichtszunahme 
um 4,8 kg in ca. zwei Monaten; 2. eine leichte Herabsetzung der 


Pulsfrequenz; 3. eine zweifellose Besserung der psychischen Be¬ 
schwerden nnd 4. ein Verschwinden der alimentären Glycosurie. 
Auch im zweiten Fall wurde bei einer nur fünf Tage lang einge¬ 
leiteten Bestrahlung eine Einwirkung auf das Körpergewicht und 
Beseitigung der alimentären Glycosurie bewirkt. 

3. Prokiewicz, Krakau: Erfaknmgen mit HamOTek's Se¬ 
rum bei der Limgenphthise. 

Verf. hat das Antituberkulososerum bei 8 Fällen von Phthise 
angewandt. Zunächst fiel der ungünstige Einfluss des Serums 
auf den Verlauf der Temperatur auf. Des weiteren hat sich 
übereinstimmend mit den ^fafarungen Stadelmann’s ergeben, 
dass ein günstiger Einfluss der Serumbehandlung auf den Verlauf 
der Krankheit in keiner Weise zu konstatieren war. 


Aerztliches Fortbildungswesen. 

Unentgeltliche Fortbildungekuree für praktische Aerzte 
in Berlin und Provinz Brandenburg. Dauer jedes einzelnen 
Kurses 2—3 Monate. 

Allgemeine Disziplinen. 

1. PatboIogUche Histolone (insbesondere Geschwulstlebre und ihre 
dia^nostisebo Bedeutung). Lehrer: Prof. Dr. Benda Ort: Kurssaal im 
Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Dienstag von 6—7'/, Uhr. Beginn am 

8. Mai. 

2. Innere Medicin. Lehrer: Dr. Wirsing. Ort: St. Hedwigs-Kranken¬ 
haus (Operations-Saal). Jeden Mittwoch von 1—2V| Uhr. Beginn am 

2. Mai. 

3. Chirurgie. Lehrer: Prof. Dr. Borchardt. Ort: Kgl. chirurgische 
Klinik, Ziegelstr. 6—9. Jeden Donnerstag von 6V|—8 Uhr. Beginn am 

3. Mai. 

4. Krankenpflege. Lehrer: Prof. Dr. Salzwedel. Ort: Hörsaal im 
Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Donnerstag von 6'/,—8 Uhr. Beginn 
am 3. Mai. 

5. Soziale Medicin (Reichs- und preussisches Seuchengesetz). Lehrer: 
Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner. Ort: Kaiserin Friedrich-Haus. 
Jeden Sonnabend von 7—S Uhr. Beginn am 5. Hai. 

6- Arbeiter-Versicherungs-Gesetzgebung (mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Unfallversicherung; ausgewählto Kapitel, mit praktischen 
Demonstrationen am Schiedsgericht für Ärbeiterrersicberung). Lehrer: 
San.-Rat Dr. J. Köhler. Ort: Hörsaal im Kaiserin Friedrich-Hause. 
Jeden Freiri^ von 6‘/,—8 Uhr. Beginn am 18. Mai. 

Spezielle Disziplinen: 

7. Augenleiden. Lehrer: Prof. Dr. Silex. Ort: Poliklinik Karl¬ 
strasse 18. Jeden Mittwoch von 1—2*/, Uhr. Beginn am 2. Mai. 

8. Bakteriologie und experimentelle Therapie (mit Uebungen). 
Lehrer: Prof. Dr. Wassermann Ort: Kurssaal im Kaiserin Friedrich-Hause. 
Jeden Montag von 6—7'/t Uhr. Beginn am 7. Mai. 

9. Frauenleiden. Lehrer: Prof. Dr. Mackenrodt. Ort: Höreaal im 
Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Freitag von 1—2*/, Uhr. Beginn am 

4. Mai. 

10. Geburtshilfe. Lehrer: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Olshausen. 
Ort: König:!. Frauenklinik Artilleriestr. 19. Jeden Mittwoch von 6—77, 
Uhr. Beginn am 2. Mai. 

11. Hals- und Nasenleiden. Lehrer: Prof. Dr. A. Kuttner. Ort: 
Poliklinik Thurmstr. 34. Jeden Dienstag von 6—77, Uhr. B^inn am 
8. Mai. 

12. Harnleiden (3 Vorträge Über: .,Entwickelunfi und Bedeutung 
der Kystoskopie“). Lehrer: Prof. Dr. R. Kutner. Ort: Kaiserin Friedrich- 
Hans. Dienstag, 3. April, Donnerstag, 5. April und Sonnabend, 7. April 
von 1—27, Uhr. 

13. Hautleiden und Syphilis (mit besonderer Berücksichtigung der 
neueren Forschungen Uber die Aetiologie der Syphilis). Lehrer: Iftiv.- 
Dozent Dr. Busebko. Ort: Dermatologische Abteilung des städtischen 
Krankenhauses Am Urban. Jeden Donnerstag von 12—17, Uhr. Beginn 
am 3. Mai. 

14. Klinische Chemie (mit Uebungen). Lehrer: Dr. Eschbaum. 
Ort: Kurssaal im Kaiserin Friedrich-Hause. .Jeden Freitt^ von 67,-8 
Uhr. Beginn am 1). Mai. 

15. Klinische Mikroskopie (mit Uebungen). Lehrer: Prof. Dr. Krönig. 
Ort: Kurssaal im Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Dienstag von 1—27, 
Uhr. Beginn am 8, Mai. 

16. Ohrenleiden. Lehrer: Prof. Dr. Katz. Ort: Poliklinik Fried- 
richstr. 125. Jeden Sonnabend von 12—17, Uhr. Beginn am 5. Mai. 

17. Die praktische Bedeutung des Köntgenverfahrens in der inneren 
Medicin und Chirurgie (mit Uebungen). Lehrer: Dr. Albers • Schönberg 
(Hamburg). Ort: Ilöntgon-Laboratorium im Kaiserin Friedrich-Hause. Frei¬ 
tag 20. IV., 4. V., 18. V., 1. VI., 15. VI. von 17,-37, Uhr. 

S t undenplan. 

Montag von 6—77, Uhr Herr Wassermann. Dienstag von 1—27, 
Uhr Herr Krönig, von ö—77, Uhr Herr Benda, von 6—7‘/, Uhr Herr 


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150 


MDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 13. 


A. Kuttncr. Älittwöcli von 1—2'/, Uhr Herr Silex, von 1—2'/, Uhr Herr 
Wirsing, von Ö—?*/, Uhr Herr Oishausen Donnerstag von 12—l'/i Uhr 
Herr Buschko, von 6*/,—8 Uhr Herr Borchardt, von 6V|—8 Uhr Herr 
Salzwedel. Freitag von 1—2'/, Uhr Herr Mackenrodt, von \'!^—3 74 Uhr 
Herr Albers-Schöiioerg, von 67,—8 Uhr, Herr Escbbauin, von 6'^—o Uhr 
Herr Küliler. Sotinabend von i2—IV, Uhr HerrKatz, von 7—8 Uhr Herr 
Kirchner. Am 3., 5. und 7. April von 1—2'/i Uhr Herr R Kätner. 

Bemerkungen für die Teilnehmer. 

1. Berechtigung zur Teilnahme. Zur Toilnahmo an den Fortbildungs¬ 
kursen ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin und der Provinz Branden¬ 
burg gegen Lösung nieht Übertragbarer Karton berechtigt. Jede Karte 
gilt für einen einzelnen Fortbildungskurs und wird gegen eine Einschreibe- 
gebilbr von je M. 2,— verabfolgt. Diese EinschreibegebUhr wird, sofern 
die Karte aus irgend welchen Gründen unbenutzt bleibt, nicht zurück¬ 
erstattet. 

2. Art der Meldung. Die Karten, sowie die Verzeichnisse der 
Fortbildungskurse sind im Kaiserin Friodricb-IIause für das ärztliche Fort- 
bildungswescn ^chalter für Karten-Äusgabe) zu erhalten, wo auch Aus¬ 
kunft Uber die Kurse erteilt wird (nur schriftlich, oder wochentäglich 9 bis 
2 Uhr persönlich). 

Schriftlichen Bestellungen sind ein frankiertes Kouvert mit der 
Adresse des Bestellers und die Einschreibegebühr für die gewünschten 
Karton beizufügen (in Briefmarken zu 5 oder 10 IVonnigen oder durch 
Postanweisung, nicht in Metallgeld ira Kouvert). Allo schriftlichen Be¬ 
stellungen und etwaige Postanweisungen sind zu richten: ati Herrn 
0. Zürtz, Kaiserin Friedrich-Haus, NW. 6, Luisenplatz 2—4. 

Persönliche Meldungen werden wochontäglich von 9 Uhr vormittags 
bi.s 2 Uhr nachmittags angenommen. Hierbei ist ein offenes frankiertes 
Kouvert abziigcben, wolchoa mit der Adresse des Bestellers versehen ist 
und die schriftliche Bestellung enthält; zugleich ist die EinschreibogobUhr 
zu erlegen. 

Telephonische Bestellungen von Karten und Verzeichnissen können 
nicht berücksichtigt werden. 

3. Termine der Meldungen, a) Bei Vormerkungen. 

Es haben Diejenigen, welche sich bei einem früheren Zyklus von 
Fortbildungskursen für eine bestimmte Disziplin voreemerkt haben, für dio- 
solbo in der Zeit vom 26. bis 27. März (inkl.) das Vormeldungsrecht. 

b) Beginn der neuen Meldungen am 28. März 

cl Schluss der Meldungen und Vorbemerkungen am 1. Mai. 

Die Vormerkungen gelten stets für den nächsten Zyklus , in 
welchem die betreffende Disziplin vertreten ist. 

4. Art der Kartenausgabe Vom 28. März an werden täglich aus 
allen bis 3 Uhr nachmittags oingelaufenen schriftlichen und persönlichen 
Meldungen durch Auslosung die Teilnehmer festgestollt, welchen hierauf 
die Karton zugesandt werden. Die Uobrigbleibenden (nach Erreichung der 
jeweiligen Maximalzahlen) werden für den nächsten Kurszyklus vorgemerkt 
und erhalten die EinschrcibogebUhr zurück. 

0 : Zuschriften für das Zeiitralkoinitee. Alle Zuschriften sind zu 
richten an das; Bureau des Zentralkomitees, NW. 6, Luisenplatz 2—4 
(Kaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche Fortbildungswesen). 

Zentralkomitee fflr das ärztliche Fortbildnogswesen in Freusseo. 

E. von Bergmann, Vorsitzender. R. Kutner, Generalsekretär. 


Vermischtes. 

Berlin. Am lO. d. M. wurde im Landesausstellungspark in 
Gegenwart der Kaiserin und ihres Hofstaates, unter Anteilnahme 
von zahlreichen Vertretern der höchsten Beaintenkreise von Männern 
der Wissenschaft und vielen auf dem Gebiete der Wohltahrtabe- 
strebungen tätigen Männern und Frauen, die Ausstellung für 
Säuglingspflege, die aus Anlass der silbernen Hochzeit unseres 
Kaiserpaares veranstaltet worden ist, eröffnet. Die Eröffnungs¬ 
rede hielt Geheimrat Heubner; er gab in grossen Zügen einen 
Ueberblick über den Erfolg der bisherigen und die Aufgaben der 
zukünftigen Bestrebungen auf dem Gebiete der Säuglingspflege. 
Nach ihm sprach kurz der Kultusminister Dr. Studt (neben der 
Erbprinzessin zu Wied Ehrenvorsitzender der Ausstellung) über 
die Bedeutung der Ausstellung und endete mit einem Hoch auf 
das Kaiserhaus. Daran schloss sich ein Rundgang durch die Aus¬ 
stellung, bei welchem die Kaiserin für zahlreiche Gegenstände ein 
lei)haftes Interesse bekundete. Die Ausstellung, um welche sich 
der Aj'bcitsausschuss, Geh. Ober-Med.-Rat D ietrich (Vorsitzender), 
Geheimrat Heubner, Dr. A. Kay serling, Oberstabsarzt a. D. 
Dr. Kimmle, Dr. Venn (Hoheiilychen), und Geheimrat Dr. Wutz¬ 
dorf grosse Verdienste erworben hat, macht einen ausserordent¬ 
lich günstigen Eindruck. Den Herren Kollegen und ihren Schutz¬ 
befohlenen wird ein Besuch der Ausstellung dringend empfohlen. 


Einen eingehenden Bericht werden wir in der nächsten Nummer 
veröffentlichen. 

Frankfurt a. M. Nachdem die Versuche des Aerzteverbandes 
für freie Arztwahl, eine freigewordene Bahnarzt-Stelle der freien 
Arztwahl zuzuführen, an der Weigening der Kgl. Eisenbahndirektion, 
irgend welches Entgegenkuramen zu zeigen, gescheitert sind, ist 
diese Bahnarztstelle durch den Leipziger Verband gesperrt 
worden. — Ferner hat der Aerzteverband für freie Arzt¬ 
wahl die Anstellung eines besoldeten ärztlichen Geschäfts¬ 
führers zum 1. April d. J. beschlossen. 

Berlin. Eine Trauerfeier für Max Nitze wird von Freunden 
und Schülern am 1. April im Kaiserin Friedrich-Hause veranstaltet 
werden; ebendort wird eine Sonderausstellung stattfinden, welche 
die Bedeutung und Entwicklung der Kystoskopie unter Benutzung 
von NiCze's gesamten wissenschaftlichen Nachlass, anschaulich 
machen soll. 

Münster I. W. Durch Einschreiten der Aufsichtsbehörde ist 
ein Streit zwischen Aerzten und Kassen beigelegt, und 
zwar auf Grund folgender Bedingungen: Ala kasseuärztliches 
System ist die freie Arztwahl angenommen. Hinsichtlich des ärzt¬ 
lichen Honorars ist ein nicht zu übersteigender Höchstsatz festgelegt. 

Bsriin. Die Schulärzte sind von der Scbuldeputation beauf¬ 
tragt, bei der Einschulung der Kinder den Eltern Merkblätter über 
die Gefahren des Alkohols einzuhändigen. 

Berlin. Dem Elisabetb-Kinderbospital sind von Frau 
K. v. Bülow 100 000 M. überwiesen worden. 


Hochschulnachrichten. 

Halle a. S. Mit einer Antrittsvorlesung über „Die Behand¬ 
lung von Schussverletzungen“ hat sich Dr, Stieda als Privat¬ 
dozent für Chirurgie niedergelassen. 

Königsberg i. Pr. Mit einer Schrift „Qnecksilberschmier- 
kuren und ihre Einwirkung auf die Harnorgane“ und einer Probe¬ 
vorlesung über die „Diagnose des Abdorainaltyphus“ habilitierte 
sich für innere Medicin Dr. Kliene berger. 

Rostock, Professor Dr. R. Kobert, Direktor des pharma¬ 
kologischen und physiologisch-chemischen Instituts, wurde zum 
Rektor der Universität für das Studienjahr 1906/07 gewählt. 


Patentnachrichten. 

Ge brauchsmuster. 

263222. Für ärztliche Zwocko bostimmto blauleuchtende Lampe. 
Rudolf Dreher, Frankfurt a. M. 

26:3 2.')8. Aus einem in einen Hartblcikürpcr cing-eschraubton Speck- 
.slcinmundstUck mit eingesetzter Spirale bo.stcbonde, gegen Säure Widerstands- 
fähige Zerstäuberdüse. Gebr. Körting Akt.-Oes., Linden b. Hannover. 

263 71)8. Kiefcrhöblenstanze mit abgebogeiiem, aus zwei Teilen bestehen¬ 
dem Maul. Ludwig Lieberkneclit, Berlin. 

203873. Mandeli^uctscber. Dr. Levisobn, Gelscnkirchon. 

263875. Ajiparat zum Einfädoln der Nadeln für chirurgische Zwecke. 
Akt.-Ges. für Feiiiniechanik vorm. Jetter & Sclicerer, Tuttlingen. 


Leth Juhl-Hannovor. Heber die Wlrkaiij^ des W. K.och’* 
sehen „Prävalldln**. (Fortschritte der Med. 1906, Nr. 4). 

Aus Kampfer, Porubalsum, Enka-Cyptus .und Rosraarinöl und der 
Salben-Grinidlage-l’orcutilan“ setzt sich dio Prävalidin-Salbe zusammen, 
welche in der cliemischen Fabrik der Wollwäscherei und -Käiumerei Döhren 
liergcstellt wird Die mit ,1’rävaUdin“ erzielten Erfolge übertrafen bis¬ 
weilen die mit der Injektionskur erreichten, sodass Koch, Walser, Stolle 
und Schup poii baucr schon zu durchweg günstigen Resultaten kamen. 
Loth Puhl stellte drei grosse Gruppen zusammen, bei denen er die Kampier- 
Einreibungen machte, und zwar bei Skrofulöse und Rachitis, bei Bronchitis, 
Tuborkiiluso, Influenzapncumonio und bei Schwächezuständon. Es wurde 
meist eine ganze Originaltiibc auf ein Mal verricbcu und die Einreibung 
nach einer Woche wiederholt, etwa auf 2—;3—4 mal. Die Hauptsache aber, 
sagt Jubl, ist die Methodik der Einreibung, und dazu ist folgendes za 
beuchten: Ehe die Einreibung vorgenommen wird, muss die Haut auf das 
Peinlichste gesäubert werden; auf dem Rücken wird dann mit dem Ein- 
reiboii bogoiiuen und bis zum Trockenwerden kommen nacheinander noch 
Brust, Arme und Beine an die Reibe; mindestens auf 10 Minuten wird die 
Einreibungsprozedur ausgedehnt. Namentlich bei Influenza und bei skro¬ 
fulösen Kindern bewährte sich die Prävalidin-Kur. Niemals bat J. — ab¬ 
gesehen von einem Falle mit Asthma, wo Atemboschwerden auftraten — 
einen Misserfolg gesehen; einige wenige Male war nach der Einreibung 
ein mäßig juckender Hautausschlag aufgotreten, der aber nach wenigen 
Tagen wieder verschwand. A. R. 


Verantwortlicher Redakteur t Dr. P. Meis«ner, HerliaW. M, Kurfiirstenscr. 81. — Verlag: von Carl Marhold. Halle a. S. 
Druck von der HeynemanB'schen Buchdmekerei, Gebr Wollt, Halle a. S. 


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Medicitiische Woche 


Dentscbmann, A. D&hruen» A. Hoffa, C. Jacobi, 

Hambari^. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Glessen. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, R. PartMh, H. Rosio, H. Scbltage, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. Uarerricht, A. Voiiiost 

Magdeburg. Qiessen. 


Verlag und Expedition 


^ Redaktion: 

Carl Marhold in Halle a« S*« Uhlandstrasse 6. 

Berlin W« 62, KorlQrstenstrasse 81* 

Tcl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 

e. 


Dr. P Meißner. 


Vn. Jahi^ang. 


2. April 1906. 


Nr. 14. 


Die .Medicinische Woche* erscheint {eden Montag mit der UtSgigen Beilage BaltlCOlOgiSChC CCfltrslzeitUIlg» Organ des Allgemeinen Deutschen 
Biderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold ln H all e a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 60 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein. . 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Aus dem itrthopädischen Institut 
von Dr, Gtistxw JHuskat^BerUn» 

Die verschiedenen Methoden Fnssabdrücke 
herznstellen. 

Von Dr. Gustav Muskat. 

Die Bedeutung des menschliclieQ Fusses zur Beurteilung 
der Stellung des Menschen in der Reihe der Lebewesen ist 
stets anerkannt worden. In neuerer Zeit ist auch von anthro* 
pologischer Seite dieser Frage ein grösseres Interesse zuge- 
wendet worden und es erscheint zweifellos, dass genaue 
Forschungen und vergleichende Feststellungen äusserst wert* 
voll zur Sicherung und Klärung von Problemen dieser Dis¬ 
ziplin sein können. Um nun die Form bestimmen und fest- 
b^ten zu können, sind die verschiedensten Methoden ausge¬ 
arbeitet worden. Dienen dieselben einerseits rein wissensch^t- 
lichen Zwecken, so sind sie andererseits für den Praktiker 
unentbehrlich, um bei Schmerzen und Erkrankungen der unteren 
Extremitäten die Diagnose zu sichern und das Resultat der 
Behandlung graphisch oder optisch festzustellen. 

Die mehr oder weniger komplizierten Messvorrichtungen 
sind wohl im Stande eine Vorstellung der Grösse, Breite und 
Stellung der Achse des Fusses zur Unterschenkelachse zu 
geben, können auch wohl die beim Stehen und Gehen ent¬ 
stehenden Veränderungen wiedergeben, sind aber zur Fest¬ 
haltung der Beobachtungen für den Praktiker nicht verwertbar. 

Erwähnt sei die von Bertillon angegebene Methode zur 
Feststellung der Länge des Fusses. Der linke Fuss tritt auf 
einen Schemel, auf welchem in ungefährem Umriss ein Fuss 
aufgezeichnet ist. Mittels eines Schiebemaßes wird nun die 
Länge festgestellt. Bekanntlich dienen diese Messungen Ber¬ 
tillon s wesentlich kriminalistischen Zwecken. 

Gollebiewski (Zeitschr. f. orth. Chir. 1894) versuchte 
durch verschiedene Gipsformen, an denen er die Entfernungen 
mittels des Tasterzirk^s festlegte, neue Aufschlüsse für die 
Form des Fusses zu erhalten. 

Nieny (Zeitschr. f. orth. Chir. 1902) konstruierte einen 
äusserst sinnreichen aber sehr komplizierten Apparat zur 
Messung der einzelnen Teile, besonders bei dem sogen. Knick- 
fuss, der Vorstufe des Plattfusses. 

H. Hübscher (Zeitschr. f. orth. Chir. 1904) hat durch ein- 
iache Lotung and die Berechnung der entstehenden Dreiecke 
Aufschlüsse über den Plattfuss gewonnen. 

Alle diese angeführten Methoden erfordern bestimmte 
Vorrichtungen, geben dabei aber nicht den eigentlichen Um¬ 
riss des Fusses wieder. Diesen Ansprüchen gerecht werden 


die folgenden Methoden (Seitz, Turner, Volkmann, 
Timmer, Freiberg, Fischer, Muskat). 

Bei Seitz (Zeitschr. f. orth. Chir. 1901) liegt eine starke 
Glasplatte auf zwei Holzblöcken. Der zu Untersuchende legt 
seinen entblössten Fuss leicbt und bequem, wie wenn er suf- 
treten wollte, auf die Glasplatte; mit einem Spiegel können nun 
von unten leicht die Vorgänge an der Fusssohle beobachtet 
werden. 

Zur Bestimmung der Stützpunkte wird zuerst der Fuss 
leicht auf die Glasplatte aufgesetzt, so dass nicht das ganze 
Körpeigewicht, sondern nur die Schwere des Beines selbst 
darauf ruht. Dabei ist natürlich auf ein richtiges Auftreten, 
also in einer Mittelstellung des Fusses von Dorsal- und 
Plantarflexion, von Pro- und Supination, von Abduktion und 
Adduktion zu achten. 

Turner (Zeitschr. f. orth. Chir. 1902, S. 818) empfiehlt 
die Vorrichtung von Bradford und Lovett. Er hat den 
von diesen konstruierten Tisch, der aus einem Rahmen mit 
einer starken horizontalen Glasplatte und einem darunter unter 
45 Neigung gestellten Spiegel besteht, insofern verändert, dass 
der Patient sich mit beiden Füssen auf denselben stellen kann. 
Durch diese Vorrichtung wird es möglich, die Püsse eben in 
der natürlichen Stellung zu beobachten und auf genaueste 
Weise die Stellen, die am meisten durch die Körperbelastung 
leiden, anzumerken. 

Besonders wird der Apparat den Militärärzten, sowie zur 
Demonstration vor einem Auditorium empfohlen. (König lässt 
den nassen Fnss auf den Boden setzen.) Während bei diesen 
Methoden kein dauerndes Bild des Fusses entsteht, bieten die 
folgenden die Möglichkeit, das geschaffene Bild bleibend zu 
erhalten. Die Ideen, von denen man dabei ausging, waren 
ganz verschiedene. 

Volkmann empfahl einen Fussabdruck, der in folgender 
(vom Verf. modifizierter) Weise heroestellt wird. Über einer 
stark russenden Lampe oder einem Stückchen Camphor, das in 
einer eisernen Schale durch ein Streichholz zur Entzündung ge¬ 
bracht wird, wird ein Bogen Papier stark berusst Der Patient 
tritt mit beiden Füssen auf die oerusste Fläche und mit einem 
scharfen Stift, der erst senkrecht gehalten und dann in einem 
Winkel von 45® gedreht wird, wird der Umriss des Fusses ge¬ 
zogen. Einen Abdruck ohne Umreissung des Fusses 
hält Verf. für nicht ausreichend. 

Nun nimmt man eine Lösung von Schellack und Spiritus, 
die mau sich leicbt selbst bersteUen kann (die Menge des 
Schellack ist ganz unwesentlich) und zieht den Abdruck durch 
die Lösung hindurch. Am besten giesst man etwas von der 
Lösung auf den Fliesenboden oder auf eine Glasplatte und 
legt den Abdruck hinein (die berusste Seite natürlich nach 
oben). Die Flüssigkeit zieht von unten genügend ein, um das 
Bild zu fixieren. 

Timmer (Zeitscbr. f. orth. Chir. 1901) nimmt zwei dicke 
Glasplatten, womöglich aus Spiegelglas, eine Tintenrolle, ein 


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152 


MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. U. 


wenig Druckerfarbe guter Consistenz,'. und Watte mit Talcum 
veDetum.r Auf die eine Glasplatte tut [er ein wenig Drucker- 
farbe und rollt dieselbe mit der Tintenrolle aus, wodurch die 
Platte überall mit einer gleich dünnen Schicht Tinte bedeckt 
wird. Auf die andere Platte legt Ti mm er einen Bogen mög¬ 
lichst glattes Papier. Nun lässt er den Patienten auf die erste 
Platte treten und danach auf die zweite. Man hat dann einen 
sehr schönen Abdruck erhalten, den man im Nu trocknen kann 
vermittelst Watte mitjTalcum venetum. 

Der — positive — Abdruck ist sehr schön. Wünscht 
man hintereinander mehr Abdrücke zu machen, so braucht 
man die benutzte Glasplatte nur jedesmal mit der Tintenrolle 
zu behandeln. 

Man kann also in kurzer Zeit eine grosse Anzahl Abdrücke 
machen, was[ in einer Poliklinik sehr zu statten kommen kann. 

Die Druckerfarbe kann man- am leichtesten von der Fuss- 
sohle entfernen mit Terpentin oder Petroleum, Mittel, die auch 
in der Druckerei zu diesem Zwecke benutzt werden. Wasser 
und Seife genügen aber auch. 

Bettmann (Zentralbl. f. Chir. 1902, S. 722) verwendet 
folgende Methode. Er nimmt gewöhnliches photographisches 
Celloidinpapier, das den von ihm geforderten Ansprüchen an 
ein Papier zum Abdruck vollständig genügt.*) Man bestreicht 
die Fusssohle am besten mit etwas Natrönlösung wie zum 
Fixierbad gebräuchlich, oder mit Tonfixierbäd, gerade so viel, 
dass sie eben angefeuchtet ist, und läset dann den Patienten 
in der gewöhnlichen Weise auf das Papier für einige Sekunden 
treten. Setzt man dann das Papier hellem Tageslicht aus, so 
erscheint schon nach einigen Sekunden der .ä^druck ausser¬ 
ordentlich scharf, in den äusseren Gootouren sowohl, wie in 
jeder kleinen und kleinsten Hautfnrche und auch jeder kleinste 
Hautkrater kommt scharf zum Vorschein. Man legt dann das 
Bild ins Tonfixierbad und behandelt es so wie jede Kopie. 
Dann zieht man das Bild auf und fügt es seinen Krankenge¬ 
schichten und Gutachten bei. 

Ein solcher Abdruck übertrifft den Heinabdruck bei weitem 
an Sauberkeit, Schärfe und Einfachheit in der Herstellung. 
Bettmann bemerkt noch, dass man statt der Natrönlösung 
zum Bestreichen der Fasssohle sicher noch eine ganze Reihe 
anderer Chemikalien, die jeder leicht zur Hand hat, nehmen 
kann. Bei starkem Schweissfuss ist gar nichts weiter not¬ 
wendig, der Schweiss allein zersetzt schon die Bromsilber¬ 
schicht des Celluloidinpapiers. Statt des letzteren kann man 


*) Ein Papier moss folgende Eigenschaften haben. Es n)uss fertig 
zum Gebrauch vorrtttig sein, es darf nicht reissen, nicht schmutzen 
und muss mit einer solch feinen Schicht Überzogen sein, dass alle Feinheiten 
der Sohle zum Ausdruck kommen. 


Feuilleton. 


Bichard Neumeister.f 

Um die Mitte des Oktober 1905 schrieb mir Richard 
Neumeister aus Blasewitz, wohin er eben übergesiedelt war, 
„hoffentlich geht es Ihnen so gut wie mir“. Am Weihnachts¬ 
tage desselben Jahres erlag er einem Neuausbruebe seines 
alten Leidens, Blinddarmentzündung, welches durch eine Bauch¬ 
fellentzündung diesem ausserordentlichen Leben ein vorzeitiges 
Ende im noch nicht erreichten fünfzigsten Lebensjahre bereitete. 

Prof. Dr. med. et phil. Neumeistor begann seine selbst¬ 
ständige Laufbahn als Artillerieoffizier, studierte dann, von 
diesem Berufe innerlich nicht befriedigt, Chemie und Land¬ 
wirtschaft und promovierte bereits 25iährig 1882 in Rostock 
mit seiner Dissertation „über die Darstellung gemischt-halogen- 
substituierter Aldehyde und ihrer Derivate“. Doch schon nach 
wenig Jahren fand seine spekulativ angelegte Natur in der 
Tätigkeit als Fabrikchemiker, die er für kurze Zeit gewählt 
hatte, keine Befriedigung und er wandte sich der physiologischen 
Chemie zu. In Willy Kühne’s Arbeitsstätte erschien 1888 
der lebhafte, energische Mann, dessen von vornherein selbstän- 


auch das billigere Eisenblaupapier, das in jeder SokreiWaren¬ 
handlung erhältlich ist, verwenden. Man bestreicht dann den 
Fuss mit Essiglösung, setzt aber das^apier nach dem Abdruck 
nicht dem Lichte ans, sondern legt es gleich ins Wasser und 
lässt es trocknen. Auch hierbei erhält man gute Fusssohlen- 
abdrücke, jedoch die Feinheiten der Fusssohle kommen^nicht 
so scharf zum Vorschein. Das Eisenblaupapier dürfte sich 
z. B. für unsere orthopädischen Schuhmacher eignen, da man 
den Fussabdruck und gleichzeitig die Konturenzeichnung der 
Fusssohlen mit Bleistift wie die Schuhmacher es zu machen 
pflegen, vornehmen kann. Man erhält dann ein sehr an¬ 
schauliches Bild von der Grösse und Form des Fnsses. Das¬ 
selbe gilt auch von anderen'Abdrücken, z. B. für die Hand. 

Freiberg[^(Zeit8 chr. f. orthop. Chir. 1901) verwendet 
folgende Mischung: 

Tinct Ferri-Chlorid 50,0 
Alkohol (80%) 45,0 

Glycerin 6,0 

und lässt dann den Patienten, nachdem die ganze^Fusesohle 
mit der Mischung bestrichen ist, auf ein Blatt glattes weieses 
Papier treten. Mit einer zweiten Lösung entwickelt er das 
Bild. Man bepinselt das Papier mit einer starken alkoholischen 
Gerbsäurelösung, wobei es sich'empfiehlt die Hände za schonen. 
Es erscheint sofort das Bild in blauscbwarzer Farbe. Bei 
richtiger Ausführung hat man^dann einen Abdruck, der an 
Schärfe, Bequemlicl^eit der Handhabung und Leichtigkeit der 
Aufbewahrung nichts zu wünschen übrig lässt. Freiberg 
pflegt nach Entfernung des Fusses die Projektionslinie mittelst 
Bleistift einzuzeichnen. 

Fischer (Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthro- 
' pologie, Ethnologie u. Urgeschichte 1904, Nr. 7) ging von der 
' Absicht aus, den Fussabdruck als Aquarell herzustellen, als 
das zugleich reinlichste, haltbarste und gefälligste Verfahren. 
Der einfachste Weg dazu, das Einreiben der Fusssohle mit 
einer Wasserfarbe, erschien ihm nicht ganz geeignet, zunächst 
wegen des Hautfettes, das vorher durch peinlichste, energische 
; Reinigung mit Seife, Alkohol, Äther hätte entfernt werden 
. müssen, dann^hatte sich aber^auch zwischen den Tastteisten 
Farbenbrei abgelagert und dieser undeutliche, verschwommene 
: Stellen erzeug^. Nach diesen Überlegungen kam er darauf, 
’ das Aquarell durch dünnste Lösungen bestimmter chemisch 
aufeinander wirkender Stoffe gewissermaßenlin statu nascendi 
, beim Aufsetzen des Fusses durch Farbenreaktion an den Be- 
; rührungsstellen von Papier und Sohle zu erhalten. Die be¬ 
kannte Entstehung des Berliner Blaus erschien ihm am ge¬ 
eignetsten. Das Blau gehört zu den dunklen Farben, das 
Berliner Blau ist sehr haltbar, es entsteht aus zwei, beinahe 


dige Tätigkeit bald auf alle anderen Laboranten mitreissenden 
Einfluss gewann. Ich sah seine schönsten Arbeiten über den 
Abbau der Eiweisse in der Verdauung sowie durch andere 
Einflüsse neben mir entstehen und werde es nie vergessen, 
wie er den Unerfahrenen durch Beteiligung an denselben als 
Freund und Lehrer zugleich für die Wissenschaft zu begeistern 
und zu eigenem selbständigen Denken anzuregen verst^d. — 
Er machte daneben seinen medicinischen Doktor und nahm 
den schon nach wenig Semestern an ihn ergangenen Ruf als 
Leiter der physiologisch-chemischen Abteilung an Fick’s 
Laboratorium in Würzburg an. Seine klassischen Arbeiten 
über die Entstehung und Charakterisierung der Albumosen, 
sein bekannter Stammbaum der Albumosen, hatten ihm diese 
Stellung in unglaublich kurzer Zeit, noch während seines 
eigenen Studiums der Medicin, eingetragen, und führten ihn 
bdd darauf in sein neues Amt in Jena, wo er sich als Leiter 
der physiol.-chemischen Abteilung des physiol. Instituts habili¬ 
tierte mit der prächtigen Arbeit „zur Äysiologie der Eiweiss¬ 
resorption und zur Lehre von den Peptonen“ — welche im 
Gegensätze zu der Mehrzahl seiner glänzenden Arbeiten auf 
diesem Gebiete, die im Zentralblatt für Physiologie erschienen, 
in Würzburg bei H. Stürtz 1890 gedruckt ward. — Abgesehen 
von Veröffentlichungen in den Sitzungsberichten der Physi- 
kalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg und in der 
„Deutschen medicinischen Wochenschrift“ findet sich sein 


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1906. 


MifiUlCDTISCMiS wOCMlfi. 


163 


farblosoD Flüssigkeiten, nämlich einer sehr dünnen Lösung von 
Liquor ferri sesquiklorati ;,etwa 1:1000) und Kal. forrocyana- 
tum (etwa 1:100), beide sind vielgebrauchte Reagentien, es 
kommt nicht genau auf die Stärke der Lösung an. 

Das Verfahren geht nun folgendermaßen vor sich: Die 
Person setzt sich wie üblich, auf einen Stuhl, zu il)reD Füssen 
eine glatte Holzplatte, Glasscheibe oder Marmorplatte. Je nach 
der zu erstrebenden Feinheit des Abdruckes, sind vorher die 
Fasse oberflächlicher oder gründlicher mit Seife gereinigt. 
Während die Reinigung vorgenoramen wird, überreibt man 
energisch gleichmäßig mit einem Wattebausch, der mit der 
Lösung von Kal. ferrocvanat getränkt ist, einen Bogen Konzept¬ 
oder Kanzleipapier (o(?er weissen Karton), bis er noch gerade 
feucht ist und lässt den Bogen dann trocknen, indem man ihn 
auf die Platte legt. Darauf befeuchtet man ebenso die Fuss- 
sohlen mit Eisenchloridlösung. Diese Prozedur wird natürlich 
seitlich von dem Papierbogen vorgenommen, damit nicht durch 
Abtropfen oder Abspritzen schon vorher Flecken entstehen. 
Man lässt hierauf die Person mit rechtwinkelig gebeugtem 
Fussgelenke die Fiisse feuclit anf das Papier vorsichtig aber 
fest aufsetzen, aufstehen bis zur militärischen Haltung, sich 
•wieder setzen und die Küsse hochheben; man sieht vor sich 
den scharfen Fnssabdruck in Berliner Blau, der zur Haltbar¬ 
keit keiner weiteren Bearbeitung mehr bedarf. Die Fusssohlen 
bleiben dabei meist sauber. Entsprechend wird bei Handab¬ 
drücken verfahren. 

Nun lässt sich das Verfahren noch viel einfacher und 
reinlicher gestalten. Die Papierbogen brauchen nicht frisch 
bergestellt zu werden. Sie lassen sich vorher zubereiten und 
halten sich lange Jahre brauchbar, so dass man nur die Sohlen¬ 
einreibung vorzunehmen braucht. Mit der Zeit färbt sich das 
Papier leicht grünlich-gelb, ohne dass dies dem unveränder¬ 
lichen Blau Eintrag tut. Man hat also auch die Annehmlich¬ 
keit, solche fertigen, mit Kal. ferrocyanatumlösung imprägnierten 
Bogen, z. B. auf die Reise mitnehmen zu können und braucht 
dann nur etwas liquor ferri sesquichlorati. Liebhabern anderer 
Karben empfiehlt Fischer Antipyrin, Salicyisäure, Phenacetin, 
Tannin, welche rote, blau-violette, braunrote, bez. schwarzblaue 
Abdrücke liefern. 

Bei allen diesen Methoden wird der Fuss mehr oder 
weniger beschmutzt. Muskat (Deutsch, med. Wochenschrift 
1902, 25) ging von der Idee aus, nicht einen eigentlichen Ab¬ 
druck, sondern einen Aufdruck herzustellen. . Zu diesem Zwecke 
bedarf es zweier Medien; des Teiles, der die Farbe liefert, und 
des Teiles, der die an der Stelle der Belastung eintretende 
Färbung erhält. Er bediente sich der gewöhnlichen Hekto¬ 
graphentinte, die in dünner Schicht auf gutes feines Papier 

Lebenswerk an den erwähnten Stellen und in seinem glänzen¬ 
den Lelirbuche der physiol. Chemie (2 Bände, 1893 und 1895, 
Jena, bei G. Fischer), dass schon nach zwei Jahren den un¬ 
erhörten Erfolg einer neuen Auflage, in einem Bande vereinigt, 
erlebte. 

Einer dritten Auflage dieses Werkes wollte N. ausUeberdruss an 
der modernenRichtung in der Physiologie nicht mehr näher treten; 
er beabsichtigte zwar noch mit mir zusammen eine Physiologie 
und Pathologie der Ernährung herauszugeben, doch erlitt er 
damals eine langandauernde Sehstörung zentraler Natur (1908/04) 
und durfte daun wegen der notwendigen Schonung seiner 
Augen nicht mehr an solch umfängliche Arbeiten denken. 
Kurz zuvor war er mit seinen bedeutsamen „Betraclitungeu 
über das Wesen der Lebenserscheinungen“ (1903, Jena, bei 
G. Fischer), dem Ergebnis langjähriger physiologisch-philo¬ 
sophischer Betrachtungen, der m^ernen mechanistischen Auf¬ 
fassung vom Leben entgegengetreten. 

Nur Ganzes pflegte er zu bringen, und überall trat seine 
Person bescheiden hinter den Interessen der Wissenschaft zu¬ 
rück ; seinen Schülern war er ein opferwilliger Lehrer, seinen 
Frennden stets mit Rat zur Seite: Zu früh für Alle, die ihn 
kannten, ist er zum Schaden dev Wissenschaft uns entrissen! 

Darmstadt, 18. 3. 1906. Dr. Klemm. 


aufgetragen wird. Zweckmäßig werden mehrere Bogen gleich¬ 
zeitig vorbereitet und ruhig im Schatten getrocknet. Eine An¬ 
zahl gewöhnlicher Pappepatten (Holzpappe) der ungefähren 
Grösse des Fusses entsprechend, vervoilständigt den einfachen 
Apparat. An Ort und Stelle angelangt, wird die Pappe gut 
durchfeuchtet; ein mit der Farbe imprägniertes Blatt vorsichtig 
darauf gelegt und nun der betreffende Körperteil fest aufge¬ 
setzt. Mit einem halbscharfen Instrument umgrenzt man noch 
die Ränder, und der Aufdruck zeigt genau — allerdings nicht 
in der Feinheit des Russabdruckes — die gewünschten Ver¬ 
hältnisse. Durch eine beiliegende Zeichnung ist s. Z. in der 
zitierten Arbeit die ausreichende Genauigkeit des Abdruckes 
gezeigt. Das imprägnierte Papier kann mehrere Male benutzt 
werden. 

Die Bedeutung dieser Art der Abdrücke wird dadurch 
dokumentiert, dass eine Reihe wissenschaftlicher Versuche da¬ 
mit mit Leichtigkeit durchgeführt wurden. Das Verfahren scheint 
besonders für Untersuchungen ausserhalb des Hauses geeignet 
zu sein. 

Alle oben angeführten Methoden sind absichtlich sehr aus¬ 
führlich und genau — zum Teil wörtlich — nach den einzelnen 
Autoren wiedergegeben, um jedem Interessenten die Möglich¬ 
keit zu geben, strickt nach den Vorschriften, die Methoden zu 
prüfen und die für ihn am meisten passende auszuwählen. 
Da natui^emäß jeder Autor mit der von ihm angegebenen 
Methode gute Resultate erreicht hat, so erschiene es mcht an¬ 
gebracht, einer derselben an dieser Stelle den Vorzug zu 
geben. Aus meiner eigenen mehrjährigen Erfahrung, ers(meint 
im Hause der Russabdruck als die zweckmäßigste Methode, da 
sie ohne Hilfsmittel und ohne Vorkenntnisse herzustellen ist, 
genügend genaue Bilder liefert und last not least am billigsten 
ist, em Umstand der bei einer grossen Zahl von anzufertigen¬ 
den Abdrücken sehr ins Gewicht fällt. 

Handelt es sich um Abdrücke zur FeststeDung von Fuss- 
deformitäten, besonders vom Plattfuss, so ist unbedingt, wie 
schon oben angeführt, eine Umreissung des Fusses enorder- 
lich, da selbst bei guter, normaler Wölbung ein Abweichen 
der Fussachse nach aussen die Diagnose aui Plattfuss sichern 
kann. Wie wichtig dieselbe, besonders für den Militärarzt sein 
kann, ist ohne weiteres verständlich, wenn man die grosse An¬ 
zahl von dienstuntauglichen Leuten, auf Grund des rlattfusses, 
berücksichtigt. 


Die diagnostische Bedeutung des Tuberkulins 
nach den neuesten Erfahrungen. 

Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld. 

(Schiass.) 

Schliesslich kommt bei der Bewertung einer positiven Re¬ 
aktion bei anscheinend Gesunden oder anderweitig Erkrankten 
noch ein weiterer Punkt in Frage, nämlich die Möglichkeit, 
dass bei den positiv Reagirenden „Gesunden“ doch kleinste, 
durch die gebräu«;hlichen Methoden nicht nachweisbare, 
symptomlose tuberkulöse Herde im Körper vorhanden sind. 
Nach den bekannten modernen Anschauungen über die Ver¬ 
breitung der Tuberkulose liegt diese Möglichkeit jedenfalls 
sehr n^e. Gleiches gilt natürlich auch von den anderweitig 
Erkrankten; ein Sy'philis- oder Krebskranker kann gleichzeitig 
tuberkulös sein; jedenfalls sind Fälle dieser Art bekannt, wo 
die spätere, entweder klinisch oder bei der Sektion nach¬ 
gewiesene Tuberkulose die Richtigkeit der positiven Reaktion 
noch nachträglich bestätigte. Andererseits beweist selbst der 
Autopsiebefund, wenn er bezüglich tuberkulöser Veränderungen 
negativ bleibt, auch noch nichts, da solche kleinsten Herde 
auch bei der Sektion der Aufmerksamkeit entgehen können. 

N ei SS er kommt daher auf Grund einer kritischen Be¬ 
trachtung der ungünstigen Erfahrungen zu dem Schluss, dass 
diese keine weitgehenden Folgerungen zu üngunsten der 
diagnostischen Zuverlässigkeit des Tuberkulins erlauben. Die 
ungünstigen Erfahrungen betreffen nur Ausnahmefälle, die 


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154 


BCEDIGINTSCmfi WOCHE. 


Nr. 14. 


Kelilerquellen der Methode sind nicht so bedeutend, dass sie 
die Zuverlässigkeit der Reaktion stärker beeinträchtigten. 
Wie steht es nun, die Zuverlässigkeit der Reaktion voraus¬ 
gesetzt, mit ihrer praktischen Brauchbarkeit zu 
diagnostischen Zwecken? Hier erhebt sich die — bis¬ 
her wohl unentschiedene — Frage: Bedeutet jede positive Re¬ 
aktion eine wirkliche Erkrankung an Tuberkulose im 
klinischen Sinne? oder zeigt die Reaktion auch inaktive, latente, 
ausheilende bezw. ausgeheilte Herde, vielleicht auch nur die 
Anwesenheit von Tuberkelbazillen im Körper an, also eine 
Tuberkulose nur im pathologisch-anatomischen bezw. bakterio¬ 
logischem Sinne, die sich mit vollkommenem Wohlbefinden, 
mit Gesundheit sehr wohl vereinigen lässt? Die Bedeutung 
dieser Frage sowohl für die diagnostische Brauchbarkeit in 
der Praxis, als auch für die Folgerungen, die der Praktiker 
aus einer positiven Reaktion für die Behandlung zu ziehen 
hätte, liegt auf der Hand. 

Die Tuberkulin-Reaktion wäre natürlich von praktisch um 
so grösserem Werte, wenn sie nur die aktive, nicht aber die 
inaktive, obsolute, gänzlich abgekapselto Tuberkulose anzeigte. 
Schlüter und Bandelier glauben aus ihren Erfahrungen 
schliessen zu dürfen, dass inaktive Tuberkulosen nicht mit 
angezeigt werden. Die meisten Autoren verhalten sich jedoch 
bedeutend skeptischer. Cornet, Weber u. A. glauben, dass 
zum Zustandekommen einer positiven Reaktion nicht einmal 
tuberkulöses Gewebe vorhanden zu sein brauclio, sondern die 
Anwesenheit von Tuberkelbazillen genüge; die Tuberkulin¬ 
reaktion gebe über Virulenz und Gefährdung des betreffenden 
Individuums durch die Bazillen keine Auskunft. Da der 
Mensch auch bei der geringsten tuberkulösen Veränderung positiv 
reagiere, so zeige die positive Reaktion allerdings, dass ein 
tuberkulöser Herd vorhanden sei, aber nicht, ob sein Träger 
jetzt oder in Zukunft dadurch in seiner Gesundheit bedroht 
werde; daher brauche z. B. ein auf Tuberkulin reagierender 
Rekrut nicht als untauglich entlassen zu werden. Ein positiv 
Reagierender braucht daher auch nicht krank ira ärztlichen 
Sinne zu sein; tuberkulös im pathologisch - anatomischen, 
l>akteriologischen Sinne ist dagegen wohl der grösste Teil der 
Menschen, die grösste Mehrzahl aller dieser latenten Herde 
lieilt jedoch nach und nach aus oder kommt zum Stillstand, 
ohne jede Behandlung (Romberg). Derartige Anschauungen 
finden in zahlreichen neueren Erfahrungen eine Stütze, Die 
positiven Reaktionen bei scheinbar gesunden Menschen, z. B. 
die Franz'sehen Resultate bei ReKruten, die Tierversuche 
sprechen hierfür. Kossel, Weber, Heuss fanden positive 
Reaktionen bei Tieren, bei denen die Sektion 20 Tage später 
einen spontan geheilten Herd zeigte. Auch nach Ne iss er 
bedeutet die positive Reaktion keineswegs immer eine Er¬ 
krankung an Tuberkulose; bei 250 positiv Reagierenden 
lagen 89 mal keine klinischen Anzeichen von Tuberkulose vor. 
Frazier fand bei Knochen- und Gelenktubcrkiilose, dass bei 
im klinischen Sinne Geheilten der Prozentsatz der positiven 
Reaktionen fast ebenso hoch blieb als bei Fällen, die klinisch 
als noch aktive Tuberkulosen angesprochen werden mussten; 
auch alle als latent betrachtete Fälle reagierten noch positiv. 
Frazier erklärt sich dieses Resultat bei „geheilten^ Tuber¬ 
kulosen so, dass in der Nähe eines vielleicht schon vor Jahren 
resezierten Gelenks sich noch kleine abgekapselte Herde mit 
noch lebenden, jedoch latenten Bazillen erhalten haben; da 
ferner selbst bei sog. primärer Knochentuberkulose die 
llazillen doch erst auf dom Lymph- oder Blutwege ihren Weg 
in die Knochen und Gelenke finden, so ist es möglich, dass 
selbst bei klinisch ausgeheilter Knochentuberkulose sich noch 
irgendwo sonst im Körper tuberkulöse Horde finden, besonders 
vielleicht in tiefliegenden, mediastinalen, mesenterialen oder 
rotroperitonealen Lymphdrüsen. 

Die positive Reaktion allein genügt demnach nicht, 
fdnen Menschen als tuberkulös erkrankt anzusehen, sie 
flarf auch nicht für sich allein als ausschlaggebend für die 
1‘iinleitung einer eigentlichen Behandlung, z. B. einer Tubor- 
kulinkur betrachtet werden. Zweifellos wird hierdurch der 
})raklische diagnostische Wert der Reaktion eingeschränkt, da 
03 in praxi nur interessieren kann, ob der zu Prüfende im 


klinischen Sinne krank ist oder krank zu werden droht. Hier¬ 
zu kommt, dass die Reaktion einen Schluss auf den Sitz des 
tuberkulösen Herdes nicht zulässt; ein örtlicher Prozess kann 
also mit Hilfe des Tuberkulins nur dann als tuberkulös er¬ 
kannt werden, wenn zu den übrigen Symptomen der Reaktion 
sich aucli die örtliche Reaktion gesellt. Die Sache liegt dem¬ 
nach so, dass eine positive Reaktion mit Fieber an sich nichts 
beweist; es müssen noch andere, örtliche Zeichen der Er¬ 
krankung gefordert werden, sei es eine deutliche örtliche Re¬ 
aktion, was besonders für die Lungentuberkulose wichtig ist, 
oder es müssen bereits vor der Reaktion deutliche klinische 
Erscheinungen eines auf Tuberkulose verdächtigen Herdes 
(bes. in den Lungen) vorliegen. Bei genügend sorgfältiger 
Untersnehung wird eine örtliche Reaktion an den Lungen fast 
niemals vermisst. Unter diesen Voraussetzungen bleibt eine 
positive Tuberkulinreaktion stets ein wertvolles, oft für eine 
sichere Diagnose notwendiges Ergänzungsmittel der 
übrigen üntersuchungsmethoden. Die Anwendung des Tuber¬ 
kulins macht daher die physikalischen Untersuchungsverfahren 
durchaus nicht überflüssig oder nebensäclilich, sondern hat sie 
vielmehr bedeutend verfeinert. 

Aus diesen Gesichtspunkten ergeben sich die Anzeigen 
für die diagnostische Verwendung des Tuberkulins, und die 
Auswahl der Fälle. Zunächst für die Differenzial¬ 
diagnose gegenüber anderen nicht tuberkulösen, chronischen, 
der Lungenschwindsucht ähnlich verlaufenden Krankheiten, 
wie sie z. B. nach Influenza Zurückbleiben können. Selbst 
für das Material der V^olkslungenheilstätten und Beobachtungs¬ 
stationen kommt dieser Punkt in Betracht; die Tuberkulinprobe 
dient hier zur Ausscheidung gesunder, bozw'. nicht eigentlich 
kranker Fälle. Kremser brachte die Probe trotz des klinischen 
Befundes (deutliche Schallverkürznng, Katarrh) in gar nicht so 
seltenen Fällen den Beweis, dass es sich nicht um Tuberkulose, 
.sondern zumeist um Konioson handelte, wie sie bei Bergleuten 
häufig gefunden werden. Nach Löw gelingt es mittels des 
Alttuberknlins Öfters, diagnostiscdi äusserst schwierige Hauter¬ 
krankungen von einander zu scheiden. Mcrae bedient sich der 
Probe mit Erfolg bei der oft schwierigen Differentialdiagnose 
zwischen der monartikulären Fonn mancher Golenkleiden, bes. 
der Arthritis deformans und der Tuberkulose, ebenso bei ört¬ 
licher Erkrankung der LendoiiwirbelsUule, wo die Unterscheidung 
von chronischer Arthritis, Ischias und Lumbago oft schwer ist 
Die von Poncet hervorgohobene Tatsache, dass Gelenkleiden 
tuberkulöser Natur gar nicht so selten in der Form eines 
akuten oder chronischen Gelenkrheumatismus verlaufen, macht 
auch in solchen Fällen die Tuberkulinprobe öfters notwendig; 
fällt sie positiv aus, so glaubt Poncet berechtigt zu sein, per 
exclusionem den tuberkulösen Ursprung des Leidens annehmen 
zu dürfen. Auch hier ist die Probe jedoch wohl nur dann 
beweisend, wenn gleichzeitig eine örtliche Reaktion auftritt 
Den Wert einer negativen Reaktion bei Gelenkleiden un¬ 
klaren Ursprungs zeigt auch folgender von mir beobachtete 
Fall: 

Bei einem robusten, 30jährigen, erblich nicht belasteten, 
sonst ganz gesunden Kutscher entwickelte sich nach einer 
starken Quetschung des Knies im Laufe einiger Jahre eine 
chronische Entzündung in dem gequetschten Gelenk: zunächst 
starke Verdickung der Synovialis nach Art der Arthritis chronica 
villosa, später auch Verdickung der Epiphysenenden, Atrophie 
der Oberschenkelmuskulatur, teilweise Versteifung. Obwohl 
die Anamnese, der ganze Verlauf, der Effekt der Behandlung 
(zeitweiliger mehrmaliger Rückgang der SjTnptome nach Mass^e, 
Schwitzbädern, Guajacol-Einspritzungen) und der klinische Be¬ 
fund (fast vollkommene Schmerzlosigkeit) in vielen Punkten 
gegen Tuberkulose sprachen, wurde von zwei anderen Seiten 
eine solche angenommen, und zwar auf Grund des Röntgen- 
bildos und eines wegen angeblicher Eiterung vorgenommenen 
Einschnitts bis auf die Gelenkkapsel. Nunmehr machte ich in 
der von Petruschky vorgeschlagenen Weise die Tuberkulin¬ 
probe mit völlig negativem Ergebnisse, obwohl die Maximal¬ 
dosis von 10 mgr. nochmals wiederholt wurde. Der weitere 
Verlauf bestätigt bisher die Diagnose einer nicht tuberkulösen, 
chronischen traumatischen Arthritis. 


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1906. 


MEDTCINTSCTTR WOCHE. 


155 


Schliesslich sei noch die Anwendung in der Augenheilkunde 
zur Unterscheidung tuberkulöser Hornhaut-, Iris- und Ader- 
hautentztindungen von solchen anderen Ursprungs erwähnt. 

Wichtiger noch als zur Differentialdiagnose ist die Tuber- 
kuli^rüfung für die Prophylaxe und für die Frühdiagnose 
der Tuberkulose. Bei noch nicht eigentlich Erkrankten, aber 
auf Tuberkulose Verdächtigen, bei skrophulösen Kindern, bei 
Mitgliedern tuberkulöser Familien mit Krankheitserscheinungen 
unklaren Ursprungs kann eine frühzeitig ausgeführte Tuberkulin¬ 
probe mit emem Schlage Licht in die Saclilage bringen und 
eine rechtzeitige vorbeugende Behandlung ennöglichen. 
Klimowitz empfiehlt die probatorische obligate Tuberkulin¬ 
impfung in der Armee bei der Rekruteneinstellung, um zu ver¬ 
hüten, dass die Armee durch Lungentuberkulose beträchtliche 
Verluste erleidet; denn ein grosser Teil später erkrankter 
Mannschaften werde bereits mit einem bei der Rekrutierung 
verkannt gebliebenen Frühstadium der Phthise eingestellt. 

Seit es fest steht, dass die Tuberkulose, insbesondere die 
der Lungen, im Anfangsstadiuni heilbar ist, musste die Früh¬ 
diagnose, die Diagnose des ersten B^inns der Erkrankung 
an Wichtigkeit ungeheuer gewinnen. Nach der Ansicht zahl¬ 
reicher kompetenter Beobachter ist nun das Tuberkulin das 
zuverlässigste Hülfsmittel zur Sicherung der Frühdiagnose, zu¬ 
mal in irgendwie zweifelhaften Fällen. Nach Petruschky 
ist es sogar das einzige Mittel, beginnende Tuberkulose, oder 
noch geschlossene Lungentuberkulose sicher zu diagnostizieren. 
Die diagnostische Bedeutung der Reaktion für die Frühdiagnose 
ist um so grösser, als die Reaktion um so kräftiger und 
sicherer bei fieberloser Tuberkulose ausfällt, und je geringer 
der Lungenbefund ist Einzelne Autoren stehen zwar auf dem 
Standpunkte, dass die klinische Diagnose der Lungentuberkulose 
eine so sichere ist, dass die Tuberkulinprobe kaum notwendig 
sei. Pickert z. B. hielt es bei seinem Heilstättenmaterim 
nur in 49% bazillenfreier Patienten für nötig, sie anzu¬ 
wenden. Dem ist entgegenzuhalteu, dass das, was bei sorg¬ 
fältiger klinischer Beobachtung in einem Sanatorium oder der- 
glei^en, durch einen geschulten Spezialisten, diagnostisch mög¬ 
lich ist, in der allgemeinen Praxis, bei ambulanter Behandlung, 
es meist durchaus nicht ist. Nun stehen aber gerade Be¬ 
obachter mit reicher Erfahrung wie Hammer, Wolff und 
Bandelier auf dem Standpunkt, dass die probatorische Tuber¬ 
kulinanwendung nicht nur in den Heilstätten und Kranken¬ 
häusern, sondern auch in den Kreisen der praktischen Aerzte 
anzustreben sei; gerade darin liege der besondere Wert des 
Mittels, dass es bei genügender Vorsicht auch poliklinisch an¬ 
gewendet werden dürfe. In der allgemeinen Praxis lässt sich 
eine Beobachtung zweifelhafter Fälle bis zur sicheren Diagnose 
durch die physftalischeu Untersuchungsmethoden oft nicht 
durchführen, und das Tuberkulin bildet dadurch, dass es die 
klinischen Erscheinungen während der Dauer cler Reaktion 
deutlicher macht, eine wichtige Ergänzung der übrigen Unter¬ 
suchung. An Stellen, an denen die eingehendsten, wieder¬ 
holten physikalischen Untersuchungen nichts abnormes ergaben, 
lassen sich nach der Injektion oft deutliche Rasselgeräusche, 
Knistern, pleuritisches Reiben etc. feststellen, bisher völlig ver¬ 
steckte Herde werden für einige Tage der Untersuchu^ zu¬ 
gänglich (Kremser). Besonders wichtig wird also die Tuber¬ 
kulinprüfung bei Lungentuberkulosen im ersten Stadium, in 
welchen es noch nicht zur Ausscheidung von Tuberkelbazillen 
durch den Auswurf gekommen ist, und die physikalischen Er¬ 
scheinungen noch recht unklar sind. Wolff injiziert daher 
poliklinisch alle derartigen Fälle, wenn sie nach dem sonstigen 
Zustande auf Tuberkulose verdächtig sind. Hager dehnt die 
Indikationen noch weiter aus; nach ihm dürfen wir nicht an¬ 
nehmen, dass die ungeheure Zaiil der Spontanheilungen der 
Tuberkulose durch die Autoimmunisierung des Körpers ohne 
Kampf verläuft; eine grosse Anzahl von Schwankungen und 
Störungen des körperlichen Befindens, welche sich in 
anaemischen Zuständen, Neuralgien, Neurasthenien, Ent¬ 
wicklungsstörungen, Gewichtsabnahme etc. äussern, alles Dinge, 
welche gerade dem praktischen Arzte Vorkommen, sind die 
Symptome eines solchen Kampfes; die Tuberkulinprüfung bringt 
hier oft mit einem Schlage Klarheit. 


Wie schon oben erwähnt, bedingt der positive Ausfall der 
Reaktion allein noch nicht die Einleitung eines Heilverfahrens, 
insbesondere auch nicht die Aufnahme in eine Lungenheil¬ 
stätte ; man muss ausserdem stets noch den Lungeobefund und 
das Allgemeinbefinden des Kranken berücksichtigen. 

Unter Bandelier’s Thesen findet sich als letzte folgende: 
Die Tuberkulindiagnostik ist das sicherste Mittel zur Klärung 
der Diagnose „Heilung“. Man darf hinzufügen: auch zur 
Kontrolle der Heilung. Wer aus der Heilstätten- oder 
Sanatoriumsbehandlung ins Leben treten will, wer überhaupt 
wissen will, ob er geheilt ist (im bakteriologischen Sinne), für 
den ist die Tuberkulinprüfung unbedingt notwendig; sonst ist 
er nicht sicher, ob seine Tuberkulose wirklich ausgeheilt ist, 
oder noch latent weiter besteht. Auch für den Chirurgen ist 
diese Kontrolle der Heilung ungemein wichtig, bes. für die 
Frage einer weiteren Behandlung, z. B. einer weiteren Fixation 
eines an Knochen- und Gelenktuberkulose erkrankten Gliedes. 
Monsarrat bediente sich des Tuberkulins nach der Operation 
von Kniegelenkstuberkulosen, um die definitive Heilung fest¬ 
zustellen, besonders auch dann, wenn es in Frage kam, eine 
bestehende Flexion zu korrigieren. 

Alle bekannten klinischen Merkmale der Heilung einer 
Tuberkulose sind nicht sicher, dagegen ist ein sicheres Kenn¬ 
zeichen der Verlust der Reaktionsfähigkeit auf Tuber¬ 
kulin. Von Bandelier’s 114 nach hygienisch-diätetischer Kur 
klinisch Geheilten reagierten nicht me^ 43 —: 38 ^/i,; von diesen 
43 untersuchte B. nach 12—20 Monaten 22 wiederum und fand 
20 in der,Tat geheilt. 

Von einem diagnostischen Mittel muss man verlangen, dass 
es unschädlich ist Gerade in dieser Hinsicht sind dem 
Toberkulin von seinen Gegnern von jeher die schwersten Vor¬ 
würfe gemacht worden. Dass diese, wenigstens zum Teil, 
während der ersten Aera der Tuberkulinanwendung berechtigt 
waren, wird wohl allgemein zugegeben; es fragt sich nur, ob 
sie es auch heute noch sind, bei der viel vorsichtigeren Do¬ 
sierung und Auswahl der Fälle. Den auch in den letzten 
Jahren noch mitgeteilten ungünstigen Erfahrungen gegen¬ 
über ist zunächst festztistellen, dass fast alle Beobach^ter, 
welche mit grösserem Material arbeiteten, nur in seltenen 
Ausnahmefällen unangenehme Nebenerscheinungen sahen. 
Pickert sah in einzelnen Fällen schwere Störungen, jedoch 
nur ausnahmsweise, vielleicht nur 3 mal unter 900; jedoch 
kamen bei jedem 20. Kranken bereits Reaktionen vor, die 
stärker als erwünscht waren. Es ist jedoch zu bemerken, dass 
P. im Gegensatz zu den meisten anderen T. R. verwendete, 
was für diagnostische Zwecke anscheinend viel weniger ge¬ 
eignet ist als das Alttuberkulin. Frazier, Brieger u. A. 
sahen bei ihren zahlreichen Beobachtungen und langjährigen 
Versuchen niemals, dass im Anschluss an die Probe ein 
Herd aktiver Tuberkulose sich verschlimmerte, die Tuberkulose 
sich verallgemeinerte, eine lalente Tuberkulose manifest wurde, 
eine akute Lungen-Anschoppung oder Lungenblutung auftrat. 
Pauly hat bei sehr zahlreichen probatorischen Injektionen 
nur einen ungünstigen Fall gesehen; es handelte sich um eine 
unbedeutende Mitralinsufficienz, welche P. vernarbt glaubte; 
bei Herzfehlern ist also die Tuberkulinprobe möglichst zu 
vermeiden. 

Schwere Komplikationen und Todesfälle nach probatorischer 
Tuberkulininjektion beruhen zweifellos in den meisten Fällen 
darauf, dass die Vorbedingungen für die Probe nicht eingo- 
halten wurden oder die Technik fehlerhaft war. Schüle hat 
z. B. über einen Patienten berichtet, der mit der Diagnose 
„Typhus“ eingeliefert wurde; er wurde während einiger „fieber¬ 
freier“ Tage mit 2^» dmgr., und, als die Temperatur auf 37,7 
gestiegen war, am übernächsten Tage mit 5 dmgr. eingespritzt, 
starb kurz darauf und zeigte bei der Sektion ausser tuber¬ 
kulöser Pneumonie und Bronchialdrüsentuberkulose eine miliare 
Lungentuberkulose. Von kompetenter Seite ist gegen die Be¬ 
urteilung dieses Falles zu Ungunsten des Tuberkulins eingo- 
wendet worden, dass, wenn überhaupt, so doch jedenfalls nicht 
zum 2. Male bei so unsicherer Temperatar eingespritzt werden 
durfte. Wie vorsichtig man übrigens mit der Annahme einer 
Schädigung durch Tuberkulin sein muss, zeigt folgender Fall 


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156 


MKDICDTISCHE WOCHE. 


Nr. 14. 


Brieger’s: Patient mit Lungenkatarrh unklaren Ursprung; 
da Fieber vorhanden ist, wird die probatorische Tuberkulm- 
einspritzung vorläufig unterlassen. Am 3. Tage nach der Auf¬ 
nahme steigt die Temperatur sehr hoch, und der Kranke er¬ 
liegt innerhalb von 2 Tagen einer Miliartuberkulose. Wäre 
hier eingespritzt worden, so würde man sicher von einem 
„Tuberkiflintode“ gesprochen haben. 

Die Tuberkulmdiagnostik hat also bei sachgemässer An¬ 
wendung keine grösseren Gefahren als sie bei der diagnostischen 
Verwendung irgend eines anderen differenten Mittels über¬ 
haupt vorhanden sind. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

JSerU/ner medidnische Gesdlachafl» 

Sitzung vom 14. März 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Herr Gluck erläutert sein Verfahren einer prophylaktischen 
Resektion der Trachea zur Vermeidung von Pneumonien bei Larynx- 
und Pharynxoperationen und seiner Laryngoplastiken nach Total¬ 
exstirpationen des Larynx und Pharynx. & verfügt über eine 
grössere Zahl von Dauerheilungeu ausgedehnter Larynx-und Pharynx- 
Carcinomej auch bei schwerer Larynxtuberkulose hat er ausge¬ 
zeichnete operative Erfolge erzielt. Entsprechende Patienten werden 
deinonstriert. 

Trotz Pehlens des Kehlkopfs können die Patienten leidlich 
verständlich sprechen. Das ermöglichen sie durch eine Reihe von 
Ersatzbewegungen, deren genauere Funktion Gutsmann analysiert. 

Dass sie trotz ausgedehnter Oesophagusprotbesen gut schlacken 
können, beweist nach Ewald, dass die Muskulatur des Oesophagus 
keine wesentliche Rolle bei der Beförderung der Speisen in den 
Magen spielt. 

Herr Lohnstein demonstriert einen Fall von Priapismus, 
der seit 16 Tagen besteht. Er ist entstanden im Anschluss an 
einen Coitus interruptus. Eine Erklärung ist im ganzen sonstigen 
Körperzustand nicht zu finden. Die bisherige Therapie, lokale 
Bäder, reichlich Narcotica hat nur die allmählich stärker gewordenen 
Schmerzen gelindert. 

Herr Ewald demonstriert Röutgenbilder von hochsitzenden 
Oesophagusdivertikel und Oesophagusdilatatioo. 

Tagesordnung: 

Herr Pick: Zur Kenntnis der Ochronose. Die Ochronose 
ist eine seltene Krankheit, bisher sind 8 Fälle publiziert. Der von 
F. untersuchte stammt aus dem Siechenhause. Die Patientin, die 
lange Jahre an Unterschenkelgeschwüren gelitten und dieselben 
stets mit Carboiumschlägen behandelt batte, zeigte während des 
lisbens auffallend bräunliche und bläuliche Verfärbungen der Haut, 
auf Grund deren intra vitam die Diagnose Ochronose gestellt 
wurde. Die Autopsie bestätigte diese Diagnose. Die Rippenknorpel 
waren braunschwarz verfärbt, die Intervertebralsoheiben von 
schwarzem RAnd eingesäumt, sehr starke Pigmentablagerung fand 
sich in Luftröhre und Kehlkopf, die wie ein preussisches Schilder¬ 
haus gefhrbt erschienen. Braune Streifungen zeigten auch die 
Innenflächen der Gelenke und die Aorta, Ausgesprochen gelblich- 
braun pigmentiert waren auch die Nieren; im Becken derselben 
lagen schwache Concremenklümpchen. Mikroskopisch erwies sich 
das Pigment als völlig diffuses, auch in den Geweben, die sonst 
nicht verändert erschienen. So ausgedehnte Verfärbungen der 
äusseren Teile sind bisher nur noch in einem Falle von einem 
englischen Autor beschrieben; auch hier hatte der Patient Unter¬ 
schenkelgeschwüre lange mit Carbolumschlägen behandelt Das 
Pigment ist spektroskopisch indifferent, eisenfrei, löslich in Alkalien; 
es steht den Melaninen nahe. Sein Ursprung aus dem Blute er¬ 
scheint P. sehr unwahrscheinlich. An der Hand von chemischen 
Erläuterungen ergänzt P. die von einem früheren Autor aufgestellte 
Hypothese, dass die Ochronose eine Stoffwechselanomalie sei und 
zeigt, inwieweit hierbei die langdauemde Zuführung von Phenolen 
eine Rolle spielen kann, sodass man im vorliegenden Fall die 


Ochronose vielleicht als Symptom einer chronischen Carbolsätirein- 
toxikation betrachten kann. 

Herr Langstein ergänzt die Fick’schen Ausführungen zuui 
Chemismus der Ochronose und der Stoffwechseluntersuchungen bei 
dieser Krankheit. 

D i skussion: 

Herr Davidsohn hat vor einigen Jahren 2 bisher nicht 
publizierte Fälle zu untersuchen Gelegenheit gehabt. Beide be¬ 
trafen alte Leute, die an chronischen Magengeschwüren gelitten 
hatten. Er glaubt, dass solche chronischen Uicera doch für die 
Entstehung des Pigments aus Blut von Bedeutung sein können. 

Herr Hansemann glaubt, dass die Krankheit nichts Ein¬ 
heitliches darstellt.. 

Herr Pick: Schlusswort. 

Verein für i/nmere Meäißin, 

Sitzung vom 19. Mät^ 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

1. Herr v. Leyden und Herr Davidsohn demonstrieren 
die Präparate eines Falles von Kalkmetastasen im Herzen und 
anderen Organen. Es handelte sich um ein 19jäliriges Mädchen 
mit Sarkom des Dura, welches zu ausgedehnter Arrosion des 
Schädeldachs geführt batte. Die Kalkmetastasen fanden sich 
merkwürdigerweise am stärksten im Endocard des linken Vorbofs. 

2. Herr Plehn. 2 Fälle von Leukämie. 

Fall 1 betrifft ein 15 jähriges Mädchen mit akuter Leukämie; 
nach dreimonatlicher Röntgenbestrahlung erhebliche Verkleinerung 
des Milztumors und Rückgang der Leukocytenzahl unter gleich- 
I zeitiger Zunahme des Körpergewichts. — Fall 2 akute Leukämie 
einer 71jährigen Frau, plötzlicher Tod an multiplen Blutungen im 
Gehirn. Die Sektion ergab im übrigen myeloide Entartung des 
Knochenmarks, keinerlei Schwellung von Milz und Lymphdrüsen. 

Diskussion: Herr Benda: Sektionsbericht. 

3. Herr Wassermann und Herr Citron: Experimen¬ 
telle Beiträge zur Lehre des Stoffwechsels. Analog dem 
in der vorigen Sitzung von Wassermann und Bruck gezeigten 
Nachweis eines „Antituberkulins“ im menschlichen Serum konnten 
die Autoren mit derselben Methode der Komplementbindung nach- 
weisen, dass auch für die Nährstoffe — Glycogen und Albumosen 
und Peptone — spezifisch bindende Stoffe („Antikörper“) im nor¬ 
malen Blutserum existieren. — Die mit Glycogen etc. vorbehandelten 
Tiere zeigen eine Steigerung des spezifischen „Antiglycogens“ etc. — 
Diese Befunde könnten vielleicht Bedeutung für die Auffassting 
von der elektiven Assimüation der Nährstoffe im Organismus ge¬ 
winnen. 

Tagesordnung. 

1. Fortsetzung der Diskussion zum Vortrag des Herrn 
Posner: Ueber traumatischen Morbus Brightii. 

Herr Mankiewicz: Nach Verletzung der zuführenden Ge- 
fässe tritt Verödung der Niere durch Bindegewebsbildung ein. 

Herr Zondeck: Bei Kaninchen kann man eine direkte trau¬ 
matische Nephritis erzeugen, beim Menschen dürfte das nicht 
möglich sein. — Bei operativ fixierten Nieren kommen chronisch 
entzündliche Veränderungen vor. 

Herr Hirschfeld: Das Trauma hat Bedeutung für die Ent¬ 
stehung der Wanderniere durch Erschlaffung ihrer Bänder. Rasch 
vorübergehende akute Nephritiden durch Trauma hat er des öfteren 
gesehen. 

Herr Bleichroederl die von Herrn Posner demonstrierten 
mikroskopischen Präparate zeigten keine echte Nephritis, sondern 
nur Nekröse des Parenchyms durch traumatische Thrombosierung 
der Arterien. 

Herr Posner: Schlusswort. 

2. Herr Saul: UntersuchungenzurAetiologiederTu- 
m o r e n. Anschliessend an die vorjährige Krebsdebatte in der Medicini- 
schen Gesellschaft erörtert der Vortragende eine Reihe von Tatsachen, 
die fiü* eine parasitäre Aetiologie der malignen Tumoren sprechen 
und berichtet sodann über eigene Impfversuche mit Kohlkrebs, 
bei denen er an geeignetem Material positive Resultate, z. B. In¬ 
toxikationen, Granulationsgeschwülste, interstitielle Veränderungen, 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


157 


sogar Kachexie, erhalten hat. Demonstration einer Reihe von 
Photogrammen von „Parasiten“ menschlicher Tumoren, Kohlkrebs- 
kultnren und tierischen Granulationsgeschwülsten, die Vortragender 
durch Impfung mit Kohihemie erzielt hat. 

(Fritz Levy-Berlin.) 

Gesdlschafi. für Geburtshilfe und Gynäkologie, 

Sitzung vom 9. März 1906. 

Heinsius demonstriert einen Urethraltumor, den er als ma¬ 
lignen Tumor anspricht. Differentialdiagnostisch kommt noch Lues 
in Betracht. H. will den Tumor excidieren. 

Hartmann beendet seinen Vortrag: Ein Fall von Sitz 
der adhärenten Placenta in der Cervix, mit mechanisch-physi¬ 
kalischen Betrachtungen über die' Bildung des onteren Uterin¬ 
segments. 

Disk nssion: 

Ruhe betont nochmals, dass die alte Schröder’sche Lehre, 
nach der die Cervix niemals imstande sei, Decidua zu bilden, 
immer noch zu Recht bestehe. 

Blumreich, Strassmann, Napel, Hartmann. 

(Schlusswort.) 

Berliner Gea^lachaft für PsychicUrie und Nerven¬ 
krankheiten, 

Sitzung vom 5. März 1906. 

1. Herr Remak: Demonstration vor der Tagesordnung. 
32jähriger Patient mit Schwäche der Strecker der rechten Hand, 
von Beruf Schiffer, Lues negiert. Ein halb Jahr später Schwäche 
der Schulter und Abmagerung im unteren Abschnitt der Delto- 
ideus und fibrilläre Zuckungen. An der linken Hand Atrophie 
des Daumenballens. Faser -Erregbarkeit erhalten, keine deutlichen 
EaR, sondern Ausfall der gelähmten Muskeln. Sen.sibilität frei, 
Schmerzhaftigkeit erhalten. Diagnose schwankte zuerst zwischen 
Beschäftigungsatrophie eines Schiffers und progressiver Muskelatro¬ 
phie von atypischem Beginn. Letztere Diagnose ist sicherer, doch 
ist zu beachten, dass die linke Lidspalte enger ist und linke Pu¬ 
pillenstarre besteht, 1. P. >r. Reaktion r. träge, deshalb muss 
auch an Syringomyelie gedacht werden, da andere tahische Symp¬ 
tome fehlen. 

2. Herr Liepmann: Demonstrationenzurlinksseitigen 
Byspraxie Rechtsgelähmter. Die Demonstration hat zum 
Zweck die schon mehrfach von Liepmann vertretene Lehre zu 
stützen, dass nämlich bei linkshimigen Herden nicht nur rechts¬ 
seitige Lähmung besteht, sondern auch linkerseits eine Störung 
höherer Zweckbewegung gefunden wird, und zwar ganz besonders 
bei Aphasischen. Es werden dazu vier Kranke gezeigt, hei denen 
zwar Sprachstörung besteht, aber das Sprachverständnis erhalten 
ist und welche die besprotihene Störung deutlich zeigen. 

3. Herr Jacobsohn: Demonstriert zunächst eine Patientin mit 
vollkommener Lähmung des Facialis rechts und unvollkommener 
links. Daneben Anaesthesie und Paraesthesien in trigemius und 
Schwäche im motor. Teil derselben. Die siebente Lähmung entstand 
durch Schussverletzung; kurze Zeit nachher fand sich eine An¬ 
schwellung am rechten Kiefer, es entleerte sich doit etwas Blei. 
Zurückgeblieben war eine Kieferklemme, die durch Operation ent¬ 
fernt wurde, darnach blieb die siebente Lähmung zurück; es ist 
daher wohl besser, die unblutige Beseitigung der Kieferklemme zu 
machen, wenn sie auch länger dauert. 

4. Herr Abels dorf: Patient mit Oculomotoriuslähmung 
mit eigentümliche^m Pupillenverhalten. 

Die Lähmung entstand durch Trauma. Die linke Pupille 
reagiert nicht auf Licht, weder direkt noch consensuell, während 
sie auf Convergenz reagiert. 

Es handelt sich um eine einseitige, reflektorische Piipillen- 
starre auf peripherer Grundlage. Daneben besteht noch Lähmung 
des obliquus inferior. 

Der Fall beweist, dass ehie einseitige reflektorische Pupilleii- 
starre nicht immer zentral bedingt zu sein braucht. 

5. Diskussi ou zu den Vorträgen des Hcj jii II e iincberg und 
des Herrn Goldscheider. Heir Jacobsohn macht dazu Bemer¬ 


kungen in anatomischer Beziehung und demonstriert dann Präpa¬ 
rate von Cjrticercus cellulosae cerebri et musculorum. 

6 . Herr Rothmann: TJeber eine tabesartige Erkran¬ 
kung bei Äffen. 

Die Frage der Tabessyphilistheorie ist noch unentschieden, 
daher ist die Frage interessant, ob bei Tieren Tabes vorkommt, 
man hat die Schälkrankheit der Pferde und die Traberkrankheit 
der Schafe mit Unrecht für tabesähnlich angesehen Herr Rothmann 
konnte nun einen Affenmit tabesähnlichen Symptomen beobachten und 
fand erstens, dass nach Zerstörung der Pyramidenbahnen die 
Störungen sehr schwer waren und ferner deutliche Veränderungen 
am Opticus und den Hintersträngen sich fanden. Indessen unter¬ 
scheiden sich die Herde doch beträchtlich von dem, was man bei 
Menschen in ausgebildeten Fällen sieht. Der Fall mahnt zur Vor¬ 
sicht, doch nicht für alle Fälle von Tabes eine Lues-Grundlage an¬ 
zunehmen. Es kann wohl einmal auch eine Tabes ohne Lues ent¬ 
stehen. 

AerzlHcher Verein «tu Htmiburg, 

(BioIogUcke Abteilung.) 

Sitzung vom 13. März 1906. 

Vorsitzenden Herr Nonne. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Stertz: „ Axencylinderp räparate bei chro¬ 
nischen RUckenmarkserkrankungen.“ Es werden die 
nach der Methode von Ramon y Gayal gefärbten Präparate von 
Axencylindem bei multipler Sclerose, Tabes dorsalis, Querschnitts¬ 
myelitis und absteigender Degeneration gezeigt und dabei die 
Vorzüge dieser und die Nachteile der früheren Pärbemethoden 
besprochen. 

2. Herr Scharpff: „Ueber einen Pall von Amoeben- 
dyssenterie." Demonstriert wird der Darm eines das Mittel¬ 
meer befahrenden Schiffers, der an Amoebendyssenterie zu Grunde 
gegangen war. Herr Viereck spricht über das Material des 
Tropeninstitutes und über den Unterschied zwischen bacterieller 
und Amoeben-Dyssenterie, welch’ letztere häufig Leberabscesse 
hervon’uft. Herr Fränkel bespricht die pathologisch-anatomische 
Differentialdiagnose zwischen beiden Formen, während Herr 
Herhold (Altona) seine Erfahrungen in China mitteilt: er halte 
die Leberabscesse für pathognomonisch für Dyssenterie, die von 
Amoeben hervorgemfen werde; auch habe er oft Gelenkscbwellungen 
dabei beobachtet. 

3. Herr Simmonds demonstriert ein Präparat von Ver¬ 
schluss der Vena cava inferior, der völlig ohne Erschei¬ 
nungen verlief und ganz langsam entstanden war; beim plötzlichen 
Verschluss treten sehr stürmische Erscheinungen auf. Ferner de¬ 
monstriert er einen Lebereohinococcus des i-echten Lappens 
mit compensatorisch hypertrophischem linken Leberlappen. 

4. Herr Grüneberg (Altona) spricht an der Hand eines 
Präparates über den Unterschied von polycystisch degene¬ 
rierten Nieren und Cystennieren. 

5. Herr Revenatorff zeigt 2 durch Operation aus dem 
Magen entfernte Löffel, die ein psychisch degenerierter Mann 
verschluckt hatte; er hatte schon wiederholt Löffel verschlm^kt. 
Dazu sprechen Herr Nonne und Herr Herhold. 

II. Diskussion (Fortsetzung) über die Vorträge der Herren 
Nonne: „Ueber Stauungspapille bei Hämorrhagia ce¬ 
rebri und bei Eucepbalomalacie “ und Liebreoht: «Die 
Blutungen im Bereiche der Sehnerven beim Schädel¬ 
bruch.“ Herr Deutschmann vertritt seine Theorie des toxi¬ 
schen Ursprungs der Stauungspapille auch für die Fälle von 
Hirnblutung, da bei einem Zugrundegehen von lebender Substanz 
auch Toxine frei werden können. Bei Hirnblutung ist die Stau¬ 
ungspapille überhaupt selten: unter 160 von Uhthoff untersuchten 
Fällen fand sich nur einmal eine Stauungspapille. Er fasst seine 
Ausführungen dahin zusammen, dass? jede Stamingspapüle auf To¬ 
xine zurückgeführt werden kann, wenn auch nicht immer dafür der 
Beweis zu erbringen sein dürfte. Herr Fränkel demonstriert an 
Präparaten, wie bei Blutungen und enceplialoinalacischen Herden 
der Raum im Schädel beenet wird, doch gibt er auch zu, dass ev. 
durch gütige Stoffe beim (iewebszerfall die Entstehung der Stau- 
ung.spapille herbeigeführt werden könne. Herr Sänger versteht 


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158 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 14. 


nicht, warum man auf Toxine zurückgreife, die doch noch keiner 
nachgewiesen habe, während die Raumbeengung doch an den 
Präukelschen Präparaten ad ocxüos demonstriert sei. Weshalb in 
einem Falle eine Stauungspapille entsteht, im anderen nicht, das 
zu erklären reichten unsere Kenntnisse über die Druckverhältoisse 
im Innern des Schädels nicht aus. Die Frage des Vorredners, ob 
er das Zustandekommen der Stauungspapille allein durch Stauung 
in allen Fällen, in denen sie vorhanden ist, erklären wolle, wird 
ausdrücklich bejaht. Herr Liebrecht präzisiert im Schlusswort 
seinen Standpunkt dahin: Die Stauungspapille kann durch Druck- i 
Steigerung hervorgerufen werden in Verbindung mit Oedem; geht ' 
dies zurück, so verschwindet auch die Stauungspapille; tritt Ent¬ 
zündung hinzu, so führt dies zur Atrophie. Schönewald. 

AenstHcher Verei/n München, 

Sitzung vom 24. Februar 1906. 

1. Herrn E. Eraepelin; Der Alkohol in München. 

Zunächst gibt E. einen lehrreichen Ueberblick über die Auf¬ 
nahmen in die neue psychiatrische Klinik während des Jahres 1905. 
Von den insgesamt aufgenommenen 1373 Einzelpersonen (836 
Männer und 537 Frauen) waren durch den Alkohol allein erkrankt 
253 Männer (gleich 30,3% der Aufgenommenen) und 30 Frauen 
(gleich 5,6%). Unter ihnen Hessen sich drei Gruppen unter¬ 
scheiden: I. Einfacher R.auscb ohne Zeichen von chronischem Al¬ 
koholismus: 47 Männer, keine Frau. II. Rausch und chronischer 
Alkoholismus: 124 Männer und 19 Frauen. III. Schwere Er¬ 
krankungsformen des Alkoholismus: 82 Männer und 12 Frauen. 
Unter diesen litten an Alkohol-Schwachsinn 44 Männer und 6 
Frauen, an durch den AlkohoUsmus hervorgerufenen Geistes¬ 
störungen 38 Männer und 6 Frauen. Diese letztere Gruppe um¬ 
fasst das Delirium tremens, den Alkoholwahnsion, die Korsakoff- 
sche Psychose und die Dypsomanie. Interessant ist, dass die Kor- 
sakoffsche Psychose bei den Frauen sich verhältnismäßig viel 
häufiger fand, als bei den Männern. Sehr instruktive Tabellen 
gaben Ueberblioke über die Alters- und Civilverhältnisse der Auf¬ 
genommenen. In einem ./grossen’Teil der Fälle ergab sich eine 
Zerrüttung des Familienlebens, hervorgerufen durch den Alkoho¬ 
lismus. 24,8% aller Personen waren Ausgeber, Tagelöhner oder 
Hauskiiechte, Personen also, die niedrige Dienste verrichteten, zum 
Teil von Hause aus minderwertige Leute, zum Teil erst durch den 
Alkohol heruntergekommene Existenzen. Eis Hess sich mit Leich¬ 
tigkeit feststellen, dass der Biergenuss bei diesen ELranken Über¬ 
weg, Wein wurde wenig getrunken, in 40% der Fälle aber 
Schnaps, was dem, was man bisher über die Münchener Alkohol¬ 
verhältnisse wusste, durchaus nicht entspricht. Deürium tremens 
und KorsakoflFsche Psychose betrugen nur 9,2% aller durch den 
Alkohol verursachten Krankheiten, ein bedeutender Gegensatz bei¬ 
spielsweise zu den BerHner Verhältnissen. Das Bier bewirkt offen¬ 
bar mehr eine Vertrottelung als die genannten Klrankheiten. In 
17% der Fälle wurden entweder Vater oder Mutter als Trinker be¬ 
zeichnet (bei den übrigen Geisteskranken 9,5%, resp. 7,8%, wenn 
die Epileptischen weggelassen wurden). Es ist offenbar, dass 
die Trunksucht der Eltern leicht Trunksucht der Kinder erzeugt. 

In 29 Trinkerfamilien fanden sich 33 mal Fehlgeburten und 
zahlreiche Todesfälle der Kinder im ersten Lebensjahr. 59 % der 
lebend gebliebenen Kinder waren psychisch abnorm. Unter den 
psychisch Gesunden waren noch eine grosse Anzahl körperlich 
Kranker und mit Degenerationszeichen Behafteter. Sehr inter¬ 
essant sind die Beobachtungen über den Oonnex des Alkohols mit 
den nicht durch ihn verursachten Psychosen. Fast die Hälfte 
aller psychopathischen Persönlichkeit kamen deshalb in die Klinik, 
weil sie acut oder chronisch alcoholisiert waren; ähnlich verhielt 
es sich mit den Imbecillen (42,9%); bei der Epilepsie sind die 
Zahlen noch höher (65,1% der Männer, 28,5% der Frauen). Ge¬ 
rade diese Tatsache bat eine grosse praktische Bedeutung. Denn 
die Epileptischen bekommen unter dem Einfluss des Alkohols ihre 
Dämmerzustände, in denen sie ausserordentlich gefährlich werden. 
Bei den traumatischen Psychosen ebenso wie bei der Arterio- 
sclerose Hess sich gleichfalls ein grosser Elinfluss des .41kohoIismus 
nachweisen. Glanz schlimm ist derselbe bei der progressiven Para¬ 
lyse (51,9% bei den Männern, über 35% bei den Frauen), Un¬ 
gefähr ein Drittel aller Paralysen lie.ssen sich vermeiden, wenn es 
möglich wäre, den Alkohol zu eliminieren. Und da die Syphilis 


zumeist im Rausch erworben wird, so wäre es gewiss mögHch, bei 
Ausschluss des Alkoholgenusses die Paralyse auf etwa ein Viertel 
ihres jetzigen Standes herunterzudrücken. Ans öffentlichen Mitteln 
waren über 10000 Mk. in einem halben Jahr für den Aufenthalt 
der Alkoholiker in der Klinik (der verhältnismäßig sehr kurze 
Zeit dauert) zu zahlen. Die Hälfte der chron. Alkoholiker war 
bestraft, sehr viele waren es oftmals (bis zu 99 mal). Sehr an¬ 
schaulich war auf mehreren Diagrammen der Lebenslauf exquisiter 
Alkoholiker aufgezeichnet, ein Hin und Her zwischen Haft, Ge¬ 
fängnis, Arbeitshaus, Zuchthaus, Krankenhaus und das Ende im 
Irrenhaus. 

Um den schweren Schäden des Alkoholismus vorzubeugen, 
empfahl Kr. in erster Linie Aufklärung des Volkes, mit der in 
Schulen begonnen werden sollte. Abstinenzvereine sollten ge¬ 
gründet werden, die .sogen. Trinksitten müssten beseitigt werden. 
Der Alkohol müsste (als Genussmittel) aus allen ärztlichen Anstalten 
verschwinden, Trinkerheilanstalten müssten in möglichster Anzahl 
gegründet werden. 

2. Herr L. Löwenfeld; Alkohol und Neurosen. 

Vortr. erläutert in eingehender Weise den Zusammenhang des 

Alkoholgenusses mit den Neurosen (Neurasthenie, Hysterie, Angst¬ 
neurosen, Epilepsie) in dreifacher Fragestellung: 1. Inwieweit ent¬ 
stehen Neurosen durch den Alkohol? 2. Inwieweit werden auf 
anderweitiger Basis bestehende Neurosen durch den AlkohoHsmus 
verschlimmert? 3. Inwieweit machen bestehende Neurosen zum 
AlkohoHsmus geneigt? Es kann über alle Einzelpunkte hier nicht 
eingehend referiert werden; vielfach deckt sich das Gesagte mit 
den Ergebnissen des vorausgehenden Vortrages. L. empfiehlt Ab¬ 
stinenz vom Alkohol bei allen Neurosen, bei der Epilepsie hält 
er Abstinenz für unbedingt notwendig. 

Diskussion zu beiden Vorträgen: 

Bestelmeyer bezweifelt die Notwendigkeit der Abstinenz 
aller Aerzte, spricht dagegen für allgemeine Temperenz derselben. 
Er wünscht insbesondere zur Förderung der Temperenz, Ver¬ 
billigung der Mineralwässer uud schildert, was in dieser Be¬ 
ziehung zur Herbeiführujig einer Temperenz beim Militär ge¬ 
schehen ist. 

Hecker betont unter Bezugnahme auf einen früheren Vor¬ 
trag, dass nach neuen Statistiken ein Zusammenhang der schlechten 
Noten der alkoholtrlnkeuden Kinder mit dem Alkoholgeuuss selbst 
sich deutlich ergeben habe, und dass nicht die sozialen Verhält¬ 
nisse der Kinder daran die Schuld tragen. 

V. Nothafft erläutert an Hand einer Münchener Statistik 
den Zusammenhang zwischen Alkoholgenuss und unehelichen Ge¬ 
burten. 

Teilhaber, Löwen feld, v. Hösslin gingen noch auf 
weitere Einzelpunkte ein. 

Kraepelin (Schliisswort): Die bestehende grosse Anti-Alko¬ 
holbewegung ist durch die Abstinenten geschaffen. Ein Zwang 
zur Abstinenz soll nicht angeweudet werden, nur Gründe sollen 
überzeugen. Stets muss die Macht des persönlichen Beispiels 
wirken, und die ist der Grund, warum insbesondere den Aerzteu, 
den berufenen Vorkämpfern gegen den Alkohol, die Abstinenz 
empfohlen wird. 

3. Herr R. Grashey hält die Projektionsdemonstrationen zu 
dem auf die nächste Sitzung verschobenen Vortrag: Fremd¬ 
körper und Röntgenstrahlen. 

Dr. Albert Uffenheimer. 

Österreich. 

Ges^lschaft für innere Medicin tvnd Mi/nder^ 
heilkunde in Wien, 

Sitzung vom 19. Januar 1905. 

(Original - Bericht.) 

Frank stellt zwei Fälle von Ascites nach Leberoir- 
rhose vor, in welchen durch die Talmasche Operation wesentUche 
Besserung herbeigeführt wurde. Frank hat die Operation dahin 
modifiziert, dass die Milz neben dem Rectus abdominis, d. h. in 
eine durch Resection der 10. und 11. Rippe entstandene Lücke sub- 
cutan eingenäht wird, Teleky bemerkt, dass die Talmasche 


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1906. 


MBDI0INE8CHE WOCHE. 


159 


Operation nur dann Erfolg verspreche, wenn nicht später ein 
Collateralkreislauf angebahnt sei. v. Eiselsberg hält die Sache 
noch nicht für abgeschlossen und empfiehlt die Frank’scbe Methode. 

V. Haberer zeigt einen Fall von Knochencyste des Ober-, 
sch e nkels, welche sich im Verlauf von zwei Jahren entwickelt hat. 
Ferner stellte er ein Kind mit abnormer Kleinheit des Ober¬ 
schenkels und Defekt des anderen Oberschenkels vor. 
Das Gehvermögen ist merkwürdigerweise relativ gut. 

Ullmann demonstriert einen Patienten mit Pemphigus. 

Lichtenstern zeigt ein auf operativem Wege gewonnenes 
Präparat von Sarcom eines L eis tensh odena, der wegen Er¬ 
scheinungen von Incarceration exstirpiert werden musste. Kien¬ 
böck demonstriert ein Quantimeter, ein neues Messinstru¬ 
ment für Radiotherapie, welches auf dem Prinzipe beruht, dass 
lichtempfindliches Papier desto dunkler wird, je länger es den Rönt- 
genstrahlen ausgesetzt ist. 

Goldmann teilt das Resultat seiner Versuche über Im¬ 
pfung unter Rotlicht mit. Es hat sich gezeigt, dass die 
Bildung der Pusteln, wenn man dieselben nach der Impfung unter 
einem roten Verband hält, milder und schneller verläuft, und zwar 
ohne Beeinträchtigung der Kraft der Vaccine. Knystelmacher 
ist bei seinen Versuclien zu entgegengesetzten Resultaten gelangt. 

Sitzung vom 26. Januar 1906. 

Kirchmeyer demonstriert einen operativ geheilten Fall 
von Milzabscess nach Typhus; im Eiter fanden sich viru¬ 
lente Typhusbakterien. 

Frank bespricht eine Methode der Catgutsterilisation, 
welche in Härtimg in Formalin und Kochen im Wasser besteht 
und ein sehr haltbares Nähmaterial liefert. Eiseisberg und 
Sc hnitzler begrüssten die neue Methode mit Freuden. 

Hofbauer hält einen Vortrag „Zur Pathologie der 
Lungenspitzentuberkulose“. Er vertritt die Ansicht, dass 
die Anschauimg, dass die Lungenspitze wegen ihrer anatomi¬ 
schen Verhältnisse eine Praedilectionsstelle der Ansiedlung der 
Tuberkelbazillen sei, nicht aufrecht erhalten werden kann. Der 
Unterschied bestehe vielmehr in physiologischer Richtung, denn die 
oberen Partien seien bei ruhiger Atmiing völlig ruhig und es be¬ 
wegen sich fast nur die unteren Lungenpartien, weil die Atmtmg da¬ 
bei nur vom Zwerchfell besorgt wird. Die geringere Atemtätigkeit 
bedingt aber nicht nur eine geringere Lüftung, sondern schlechtere 
Blut- und Lymphversorgung. Dadurch wird die Ansiedlung der 
Tuberkelbazilien in den Spitzen begünstigt. 

K» K» Gesellschf^ der Aefrtste i/n Wien, 

Sitzung vom 9. Februar 1906. 

V. Wagner demonstriert einen kretinischen Hund mit 
typischen Symptomen des Kretinismus. Er wird mit Schilddrüsen¬ 
tabletten behandelt werden. 

Enterich zeigte zwei während einer Panik in einer Kirche 
verunglückte Kinder, welche sich derzeit wieder ganz wohl be¬ 
finden; es bestanden hauptsächlich Suffusionen der Haut, 
des Gesichtes und der Brust, Folgen der Erstickungsnot, 
in der sich die Kinder befunden hatten. 

Axner zeigt ein Mädchen mit einem angeborenen Häman¬ 
giom der rechten Wangenschleimhaut und einem nach Puquelini- 
sterung des Tumor entstandenen Aneurysma der Arteria maxillaris 
externa. 

Schiff demonstriert 1.einen Thiosinamininjectionen erfolgreich 
behandelten Fall von Skrotalödem, 2. einen Lupus der Nasen¬ 
spitze nach Röntgenbestrahlung und Beförderung der Heilung 
durch Hochfrequenzströme. 

Sitzung vom 16. Februar 1906. 

V. Eiseisberg stellte einen Fall von excessiver Elephan¬ 
tiasis des rechten Beines bei einem 27jährigen Manne vor, es 
bestehen Luxation im Hüftgelenk, Diastase im Kniegelenk, sowie 
Defekt der unteren Tibiahälfte und des Fusses. Therapeutisch 
hielt Eiseisberg nur die Enucleation der Extremität für angezeigt. 


Alexander stellt einen Fall von Facialisparalyse (nach 
Labyrintheiterung) vor, der durch Vemähung des Facialis mit dem 
Accessorius geheilt worden ist. 

Knopfeimacher zeigt einen Säugling mit ausgedehntem 
Pemphigus neonatorum. Der Verlauf dürfte ein maligner 
werden. 

Jellink führte einen durch Starkstrom verletzten 
Monteur vor, an den Ein- und Austrittsstellen des Stromes sind 
die typischen Verbrennungen aufgetreten. Freund wies auf das 
typische Verhalten solcher Geschwüre hin, das auf eigentümlichen 
Gefkssveränderungen beruht. H. 


Literarische Monatsschau. 

Augenheilkunde. 

In meinem letzten unter obigem Titel in dieser Wochenschrift 
veröffentlichten Sammelreferat hatte ich Gelegenheit genommen, 
die über operative Behandlung hochgradiger Kurzsichtigkeit in 
letzter Zeit erschienenen Veröffentlichungen eingehender zu be¬ 
sprechen. In Nr. 2 der Medizinischen Klinik tritt Gelpke (Karls¬ 
ruhe) sehr warm für die F u k a 1 a ’sche Operation ein und es erscheint 
mir wichtig, auch diese Arbeit hier zu erörtern, damit der den 
ophthalmologischen Zeit- und Streitfragen ferner stehende Nicht¬ 
fachmann sich ein Bild davon machen kann, mit welchem Rüst¬ 
zeug teils wider, teils für diese Operation gestritten wird, die 
Gelpke einen der „dankbarsten Eingriffe der augenärztlichen 
Kunst“ deshalb nennt, „weil durch dieselbe eine grosse Anzahl 
unglücklicher Individuen zu menschenwürdiger Existenz gelangt.“ 
Gelpke wendet sich zunächst gegen die auch von mir kurz refe¬ 
rierte Arbeit Hubers und weist nach, dass Hubers der Operation 
nicht eben sehr günstige Ergebnisse auf nicht einwandsfreier Indi¬ 
kationsstellung beruhen. G 61 pke berichtet über eine zweite Serie 
von ihm operierten Fälle, 146 an der Zahl. „Unter denselben ist 
die Zahl der Komplikationen eine verhältnismäßig so geringe, 
sie beinahe kaum erwähnenswert erscheinen.“ Netzhautablösung 
beobachtete er zweimal (1,4%), und zwar beide Male, ohne dass 
ein vorurteüfreier Beobachter sie dem operativen Verfahren zur 
Last legen kann. Gelpke publiziert nun eine ihm von Deutsch¬ 
mann überlassene Statistik von 259 von D. behandelten und ope¬ 
rierten Netzhautablösungen. Unter 180 dieser Augen waren: 

1— 6D) 

Myopisch 7 —12 D > 148 Angen = 80% 

13^ dJ 

Hypermetropisch 5 „ == 5%, 

Emmetropisoh 27 „ = 15%. 

Die Amotio retinae wird also mit zunehmender Myopie nicht 
häufiger. Von den 148 Augen erfolgte die Amotio retinae 

8 mal = 5,5% auf vorhergegangene Myopieoperation, 

4 „ = 4,5% nach Trauma, 

136 „ == 90,0% ohne bekonnte Ursache. 

Bei ^ 14,0 D. Myopie zählenden Augen mit Netzhautablösung 
war sie: 

39 mal = 80,0% spontan, 

1 „ = 3,5% traumatisch, 

8 „ = 16,5% „operativ“. 

Die „operative“ Amotio ist an sich zwar sehr häufig bei diesem 
Material, doch darf man nicht vergessen, dass Deutschmann der 
Vorkämpfer einer operativen Behandlung der Netzhautablösung ist, 
also ein recht einseitiges Material hat. 

Alle der phakolysierten Augen mit Netzhautablösung er¬ 
blindeten an Netzhautablüsung nach einer operativen „Misshand¬ 
lung“, will sagen späten Diszission, die einer tadellosen Operation 
2 bis 3 Jahre nachfolgte. 

Von Gelpkes 205 Fällen hatten 44 vor der Operation Ver¬ 
änderungen der macula lutea, die nur drei mal post operationem 
aiifflackerten, und zwar infolge besonders schwerer allgemeiner 
und lokaler Komplikationen. Dagegen sah er fünf mal 
Blutungen am nicht operierten Auge nahe der macula, während 
das operierte frei blieb! G. steht nicht an, der Phakolyse einen 
entschieden günstigen Einfluss auf diese Veränderungen zuzu¬ 
schreiben, und weist energisch den der Operation gemachten Vor- 


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160 


KlGDTCDTföCHS ^VOGSB. 


Nr 14. 


wurf zurück, <^afla sie dem Auftreten zentraler Läsionen Vorschub 
leiste. Hält man von einem exzessiv myopischen Auge alle die 
Schädlichkeiten fern, die erfahrungsgemäss von grossem Einfluss 
auf die intakte Funktion eines solchen Auges sind, so schafft die 
einwandsfrei vorgenommene Operation eine relative Prophylaxe 
gegen die in Frage kommenden Komplikationen, und „wir haben 
das durch unsere Erfahrungen bestätigte Recht, derartige my¬ 
opische Augen auf Wunsch mit gutem Gewinn zu operieren.“ 
Gelpke stimmt v. Hippel bei, der gesagt hat; „die Gefahr sei 
keinesfalls grösser, als bei jeder anderen intraokularen Operation.“ 

Einen sehr interessanten , klinisch • statistischen Beitrag zur 
Lehre von der Kurzsichtigkeit gibt Otte in seiner der Giessener 
Universitäta - Augenklinik entstammenden Inaugural-Dissertation. 
Er knüpft an die von mir seinerzeit gleichfalls im Elahmen einer 
literarischen Monatsschau besprochenen Arbeit Hertels aus der 
Jenenser Augenklinik an und hat an der Hand von 5715 poli¬ 
klinisch behandelten Myopen (1879 bis 1899) folgendes feststellen 
können. Die Kurzsichtigkeit ist bei Männern weit häufiger als 
bei Frauen. 4045 Männern stehen 1670 kurzsichtige Weiber gegenüber 
(70,78% zu 29,22%); allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass in 
dem Giessener Material verhältnismäßig viele Schüler, Gymnasiasten 
und Studenten sich befinden. Der Grad der Kurzsichtigkeit ist der 
Zahl der Fälle umgekehrt proportional. Mit dem Alter wird die 
Myopie häufiger, das 15. bis 30. Lebensjahr bildet das Maximum. 
Bei beiden Geschlechtern sinkt die Myopie rapide bis zur sechsten 
Dioptrie, Männer sind dabei etwas mehr beteiligt als Frauen, von 
da an überwiegen die Frauen erheblich. Es haben von 5715 Pa¬ 
tienten 1215 (= 21,26%) eine Kurzsichtigkeit von fünf Diop- 
trieen und darüber. Da dreimal soviel Männer als Frauen unter 
fünf Dioptrien haben, dürfen wir diese als durch Naharbeit ent¬ 
standen auffassen. Die hochgradige Kurzsichtigkeit befhllt 7,78% 
mehr Frauen als Männer. Prozentualiter gibt es bis zum 14. Jahre 
mehr kurzsichtige Mädchen, später wird das anders. Zwischen dem 
15. und 20. Jahre liegt (mit 29,34% Männern) das Maximum, es 
ist um 7% höher als die Zahl der myopischen weiblichen Indi¬ 
viduen angibt. Sohliesst man bei Sonderung des Materials nach 
Berufen Frauen und Kinder aus, so findet man, dass die 
Myopia excess. bei Landlenten, Gärtnern und Förstern, sowie bei 
Handwerkern, die keine Naharbeiten zu verrichten haben 
(Schmieden, Schlossern, Tischlern usw., bei Bergleuten, Händlern 
und Tagelöhnern usw.), überwiegt; während sie bei der Gruppe der 
Schreiber, Maler, Postbeamten, Musiker, Kaufleute usw. im Durch¬ 
schnitt 3,04 D., bei akademisch Gebildeten und Lehrern durch¬ 
schnittlich, 3,28 D. beträgt, sind diese Werte bei den erstgenannten 
Gruppen 3,47, bezw. 2,89 D., d. h. die Durchschnittsmyopie ist 
bei den Leuten, die niemals eine erhebliche Naharbeit zu verrichten 
haben, nämlich bei den Landleuten, am höchsten. Von den Nicht- 
uaharbeitem haben 62,12%, von den Naharbeitern aber kaum 
35% Myopie = 1,0 D., bis ca. 9,0 D. überwiegen diese, über 
9,0 D. hinaus jene. Die Komplikationen, die in 1529 Fällen kon¬ 
statiert werden konnten, betreffen in 72,43% der Fälle Nicht- 
Naharbeiter und zwar vornehmlich Frauen. Am häufigsten ist der 
Conus, bezw. das Staphyloma posticum, das in 17,37% aller My- 
opiefhlle und 64,93% aller Fälle mit Komplikationen vorhanden 
war, am seltensten ist die Netzhautablösung (mit 0,44%, bezw. 
1,63%), häufiger dagegen Trübung des Glaskörpers, Auswärts¬ 
schielen und Veränderung der Aderhaut. Bis zu 10 D. haben 
die Naharbeiter relativ mehr Komplikationen, aber bei den höheren 
Graden der Myopie die Nichtnaharbeiter. Mit dem Fortschreiten der 
Kurzsichtigkeit wächst auch die Gefahr der Komplikationen. Ueber 
die Erblichkeit der in Frage stehenden Befraktionsanomalie lässt 
die sehr fleissige Arbeit Ott es keine Schlüsse zu. 

Ebenso wenig wie Jacoby in Breslau von der Radiumbehand¬ 
lung des Trachoms günstige Resultate gesehen hat, (vergl. Deutsche 
med. Wochenschr. 1906, Nr. 2, ref, in Med. Woche 1906, Nr. 4) 
kommt Birch-H irschfei d in Leipzig zu den günstigen Ergeb¬ 
nissen, wie sie namentlich von Cohn, Breslau, beachtet wurden 
(klin. Monatsbl. f. Aug.-Hkde, 43, 2). Fälle von sicherem, zum 
Teil schon weiter vorgeschrittenem Tiachom wurden in 3 bis 20 
Minuten langen Sitzungen verschieden lange Zeit mit 10 mg 
RaJiumbromid bestrahlt. Ausnahmslos flachten sich die Trachom¬ 
follikel ab und schwanden auch, aber nur einmal blieb dieser 
günstige Erfolg mehrere Wochen lang bestehen, die anderen 


neun Fälle zeigten mehr oder weniger schnell Rückfälle, und 
zwar sogar noch während der Behandlung. Ohne stärkere, ent¬ 
zündliche Reaktion flachten sich die Follikel ab, es besteht kein 
sicheres Verhältnis zwischen Dauer, bezw. Intensität und dem Grade 
der Rückbildung der Follikel. B.-H. jwamt vor zu langen und 
zu häufigen Bestrahlungen in der Nähe des ungeschützten Auges 
und erblickt in der Radiumbehandlung keinen wesentlichen Vorteil 
vor den bisher üblichen Behandlungsarten. 

Kurt Steindorff. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinische Wochenschrift. 1906. No. 12 . 

1. Posselt, Innsbruck: Die Stellung des AlTeolareohinococeiu. 

Verf. weist in dem bisher vorliegenden ersten Teil dieser Arbeit 

anf die Bedeutung des Alveolarechinococcos hin als einer ganz be¬ 
sonders beachtenswerten und bösartigen Form der Erkrankung. 
Verf. steht auf dem dualistischen Standpunkt und nimmt als Er¬ 
reger dieser Form eine besondere Taenie an. Von grösster Bedeutung 
für die Erforschung dieser Fragen wäre eine genaue Kenntnis 
der geographischen Verbreitung der Erkrankung. Der Schluss der 
Arbeit folgt in nächster Nummer. 

2. Trommsdorff, München: Die Müehleueozytenprohe. 

Verf. hat eine grosse Zahl von Milchproben auf den Leuco- 

zytengehalt untersucht und fand bei vermehrter Lencozytose massen¬ 
haft Streptococcen in der Milch. Es handelte sich in diesen Fällen 
also um mastitis kranke Kühe. Ganz abgesehen von der Unappetit- 
lichkeit solcher Milch, ist Verf. der Ansicht, dass man eine mög¬ 
lichste Ausschaltung der Milch mastitiskranker Kühe als Genuss-, 
mindestens als Kindermilch als erstrebenswert bezeichnen muss. 
Die vom Verf. erhobenen Befunde mahnen jedenfalls auch zur Ab¬ 
lehnung des Genusses roher, ungekochter Milch. Grösste Rein¬ 
lichkeit im Milchgeschäft ist notwendig. Im Stall schon muss die 
Milchhygiene beginnen. 

3. Schütz, Frankfurt a. M.: Hitteilnngen über Spiroohaeta 
pallida (Schaudinn) and Cytorrhyotes (Siegel). 

Verf. hat als beste Färbung für die Spirochaeta pallida die 
Original-Giemsa-Färbung erkannt, es kommt vor allem darauf an, 
dass der Aufstrich auf den Deckgläscben recht dünn und gleich¬ 
mäßig erfolgt. Für den Cytorrhyctes-Nachweis ist die neuerdings 
von Siegel empfohlene Boraxmethylenblaulösung recht vorteilhaft. 
Die Ergebnisse der Untersuchungen des Verfasser sind kurz folgende: 
in allen Aufstrichpräparaten von jungen syphilitischen Papeln fanden 
sich Pallida und Refringens sowohl, als auch Cytorrhycten in nicht 
geringen Mengen, manchmal in erstaunlichen Haufen bezw. Bündele 
mit radiärer Anordnung. Verf. neigt der Anschauung zu, dass die 
Pallida und Refringens ein und dieselbe Art darstellen und vielleicht 
als männliche und weibliche Individuen aufzufassen seien. 

4. Hecker, München: üeber Verbreitung und Wirkung des 
Alkoholgenusses bei Volks* und MittelsohtUem. 

Die Erhebungen des Verf. erstrecken sich auf 4 grpsse Volks¬ 
schulen mit 4652 Kindern und eine Mittelschule mit 428 Schülern, 
also im Ganzen auf 5080 Schüler und Schülerinnen. Die Einteilung 
geschah in folgender Weise; a) Kin der, die niemals alkoholische Ge¬ 
tränke erhalten, b) Kinder die zuweilen alkoholische Getränke er¬ 
halten, c) Kinder, die täglich einmal alkoholische Getränke erhalten 
und d) Kinder, die täglich zweimal und öfter alkoholische Getränke 
erhalten. Die Untersuchungsresultate ergaben folgendes: 13,7% 
Abstinente, 55,3% regelmäßig Alkohol geniessende, 4,5% eigent¬ 
liche Trinker, 6,4% Schnapstrinker. Es scheint sich ferner er¬ 
geben zu haben, dass bis zum 11. und 12. Jahre der Alkoholgenuss 
das Längenwachstum behindert, über dieses Alter hinaus aber in 
gewisser Weise vermehrt. Auffallende Unterschiede in der Kon¬ 
fession finden sich. Unter den Katholiken nur 12% Abstinente, 
unter den Israeliten 20%, bei den Protestanten 16%. Wirkliche 
Trinker bei den Katholiken 15%, bei den Israeliten 4,5%, bei 
den Protestanten 9%. Verf. betont, dass diese Differenzen natür¬ 
lich nicht auf die Religion, sondern das soziale Niveau zurUok- 
zuführen sei. 


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1906. 


MBDICINISGHB WOCHB. 


161 


5. Thlenger, Nürnberg: Bie neueren Erfkkrangen über 
Tbeophyllin (neoein. nntr. aeet., Bayer A Co., Biberfeld). 

Verf. hat als Diureticom das Doppelsalz Theocinum natrinm 
aceticum in Anwendung gebracht und zwar als wässrige Lösung in 
einem Adonls-infus (Infos adonis 8,0 : 150,00 Theocinnatrium 1 bis 
1,5). Anfänglich wurden 3—4 stündlich 15 ccm gegeben, also 
etwa 0,1—0,15 gr. Später ging man etwas hinauf, so dass maxi¬ 
mal 0,6 — 0,9 als Tagesdosis heranskam. Eis wurde fast in allen 
Fallen eine Uber die Norm hinansgehende Diurese erreicht. Dabei 
wurde daran festgehalten maximale Diuresen gar nicht zu erstreben. 

0. Welsch, Kissingen: Beitrag zur Prophylaxe und Thera* 
pie der Ai^endisitis. 

Die Erfolge einer internen Therapie bei Appendizitis sind 
durchaus nicht so schlechte, dass man Grund hätte, diese zu 
Gunsten der chirurgischen Behandlung zu verlassen. Die Prophy¬ 
laxe der Appendizitis wie ihre Therapie hat sich vor allem mit 
der Frage der Verhütung and Heilung der Enteritis zu befassen. 
Die Enteritis Ist stets die Ursache der Appendizitis, Zur Ver¬ 
hütung von Recidiven kommen in erster Linie Bäder und Moor¬ 
bäder in Betracht. 

7. Federschmidt, Dinkelsbühl: Zur Kasuistik und The« 
rapie der Darmrupturen durch stumpfe Gewalt 

Verf. berichtet über 5 Fälle bei denen die Dannperforationen 
durch Einwirkung einer stumpfen Gewalt entstanden waren. Alle 
FäUe endeten trotz versuchter Eingriffe letal. In allen Fällen 
handelt es sich um Zerreissungen des Dünndarms, welche ihrer 
Ausdehnung nach von dem mehr oder weniger starkem FttUungs- 
zustand dieses Darmabechnittes abhängen. Je früher nach erfolgter 
Darmruptur laparotomiert wird, desto mehr Aussicht auf Heünng 
ist vorhanden. Nicht immer ist die Diagnose leicht Es kann 
längere Zeit vergehen ehe die Symptome so hervortreten, dass 
man an eine snbcutane Darmruptur denken muss. Treten nach 
überstandener Bauchkontusion Pulsbeschleonigung imd Temperatur- 
steigerangen ein, so soll man mit der Vornahme der Laparotomie 
nicht mehr zögern. 

8 . Voerner, Leipzig: üeber Prurigo hämorrhagica. 

Verf. konnte bei einem 4jährigem Kinde einen Prurigo be¬ 
obachten, dessen Effloreszenzen von einer typischen Hämorrhagie 
omgeban waren. Nur bei den EfEoreszenzen fanden sich die 
Blutungen sonst nicht. Es ist immerhin auffallend, dass sich hier 
Hämorrhagien bei einer Erkrankung zeigten, welche sonst fast nie 
von denselben begleitet zu sein pflegt. 

9. Steim, Hildesheim: Ein Fall Ton Eohinoeoceus dor Leber, 
perforiert in die Lunge, ausgeheflt durch Bippenresektion. 

Eis bandelt sich um eine 40jährige Frau, welche unter 
schweren Symptomen einer Gallensteinkolik erkrankt. Im Laufe 
der Erkrankung stellt sich eitriger Auswurf mit Echinocoocen- 
häckchen und ein Empyem ein. Wegen des letzteren wird eine 
Rippenreeektion vorgenommen und der nach der Lunge durch¬ 
gebrochene Leberechinococcus kommt zur Ausheilung. 

10. Ehrlich, Stettin: Selbstmord durch Veronal. 

Verf. teilt eiaeik selbstbeobaohteten und einen ihm berichte¬ 
ten Fall von VeronalT^giftang mit. In dem einen Fall wurden 
15 gr im anderen 11 gr genommen. Der Tod trat in Bewusst¬ 
losigkeit 20 Stunden später ein. Verf. hält nach diesen Er¬ 
fahrungen die FrM^be des Veronals für den Handverkauf für 
absolnt falsch und verlangt mit Recht, dass das Veronal nur gegen 
Rezept verabfolgt werde. 

11. Hntzler, Mäoohen: Eia neues Kinden^italbett 

Das von der Firma C. Stiefenhofer in München hergestellte 
Bett ist aus Eisen konstruiert. Die Tragfläche besteht aus .sich 
kreusenden Stahlbändern, und (liegt 65 cm über dem Fnssboden. 
Auf der Tragfläche liegt eine Matratze von 10 —15 cm Dicke, so 
dass der Patient in Tiscbhöhe zu liegen kommt. Die Seitenwände 
sind zuin Herunterklappen eingerichtet. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 12 . 

1. \yHssei-mann, Bruck, Beilin; Experimentelle Studien 
über die iRTirkung von TuberkelbaziUen-Fräparaten auf den tuber¬ 
kulös erkrankten Organismus. 

Die Verff. haben die Gründe festzustellen unternommen, aus 


welchen bei Einverleibung eines TuberkelbazUlen-Präparates eine 
tuberkulöse Lokalerkrankung so intensiv reagiert. Das Resultat 
der diesbezüglichen Untersuchungen lässt si(^ ungefähr in folgenden 
Sätzen zusammenfassen: In einer grossen Z&hl tmtersuchter, nicht 
spezifisch vorbehandelter tuberkulöser Individuen sind im tuber¬ 
kulösen Gewebe Antikörper gegen die Tuberkelbazillen-präparate 
vorhanden. Das Serum ist von diesen Stoffen frei. Wenn wir 
solchen Individuen ein Tuberkelbazillenpräparat injizieren, so mus.s 
das Präparat kraft seiner Avidität zu seinem Antikörper an diesen 
heraogehen. Da dieser letztere im tuberkulösen Gewebe seinen 
Sitz hat, so geht deshalb das Tuberkelbazillenpräparat in das tuber¬ 
kulöse Organ. Die spezifische Reaktion des tuberkulösen Gewebes 
tritt ein, weil das Tuberkelbazillenpräparat durch seinen Antikörper 
in das Gewebe hineingezogen wird und bei diesem Vorgänge die 
gewebeeinschmelzenden Kräfte des Organismus an dieser bestimmten 
Stelle konzentriert werden. Die Abstumpfung tritt ein, weil durch 
die Vorbehandlung mit Tuberkelbazillenpräpafaten Antistoffe' gegen 
(diese im freien Blute auftreten, welche durch vorheriges Abfangen 
Jene Präparate hindern, in das tuberkulöse Gewebe zu gelangen. 

I 2. Posner, Berlin: Bebet trauraatisolien Morbus 

Die Möglichkeit einer traumatischen Entstehung eines echten 
1 Morbus Bri^tii muss unter allen Umständen zugegeben werden, 
j Die ätiologische Bedeutung von lokalen Eiterherden für die Ent- 
! stehung von Nephritiden, gehört auch hierher. In ähnlicher Weise 
i wirken die Gewerbevergiftungen. In diesen genannten Fällen ist 
(das Trauma indirekt schuld an der Nierenerkrankung. Aber auch 
I die auf die Niere direkt wirkenden Traumen spielen eine nicht 
I unerhebliche Rolle. Zunächst kommen die Veränderungen in Be- 
I tracht, weldie die Blutgefässe der Niere und die Harnleiter betreffen. 
Hier wäre auch die Schwangerschaftsnephritis zn erwähnen. 

Des weiteren dürften Dislokationen dos Organs, Wanderniere, 
zur Entstehung des morbus Brightii Anlass geben. Ob unmittel¬ 
bar die Nieren treffende Verletzungen eine diffuse Nephritis aus- 
I lösen können, erscheint nic^t ganz sicher. Bemerkenswert ist, dass 
sogar nach Massage der Niere Eiweiss beobachtet worden ist. Das 
Dunkel, in welches in den meisten Fällen die Entstehung des 
’ Morbus Brightii gehüllt ist, muss den Arzt veranlassen, vor allem 
• nachzuforscfiien, ob nicht ein entschädigungs^^chtiger Unfall die 
i Ursache darstellt und in di^r Beziehung verdienen die Geweybe- 
I Vergiftungen besondere Beachtung. 

3. Baginsky, Berlin: Zur Prttbdiagnoee und Behandlung 
I dei Kehlkopfkrebses. 

Der zweite Teil, der in ihrem ersten Abschnitt bereits refe¬ 
rierten Arbeit beschäftigt sich mit der Therapie. Die Anwendung 
Innerer Mittel ist in ihren Resultaten so zweifelhaft, dass man am 
besten von ihr absieht. Bei kleinen scharf umgrenzten Tumoren 
empfiehlt sich die Entfernung auf endolaryngealem Wege. Am 
meisten eignet sich dazu die Doppelkurette. Jedoch für die MehrT 
zahl der Larynxcarcinome ko mm en die extralaryngealen Operations- 
methoden in Betracht, und zwar die Laryngofissur, die Laryngo- 
tomia subhyoidea, die Exstirpatio laryngis entweder halbseitig oder 
total. Die Totalexstirpation ist, wenn auch in den letzten Jahren 
weniger gefährlich geworden, doch immerhin eine so eingreifende 
und stark verstümmelnde Operation und der Zustand der Patienten 
nach derselben so beschwerlich, dass die Aerzte mit allen Mitteln 
die Frühdiagnose zu erreichen bestrebt sein müssen, damit man 
ohne Totalexstirpation anskommen kann. 

4. Riebold, Dresden: üeber prämenstruelle Temperatur- 
Steigerungen. 

Diese Arbeit über deren ersten Teil wir bereits in der vorigen 
Nummer referiert haben, liegt abgeschlossen vor. Prämenstruelle 
Temperatursteigerungen kommen nach abgelanfenen Infektions¬ 
krankheiten vor. Bel bestehender Obstipation handelt es - sich 
wohl um Jntoxikaöonserscheinungen. Dass bei nervösen und tem¬ 
peramentvollen Personen leichter Temperatnrsteigerungen anftreten, 
ist bekannt. Am meisten wird das prämenstruelle Fieber bei Tuber¬ 
kulösen beobachtet. Was die Therapie anlangt, so wird inan in 
erster Linie körperliche Ruhe, anoidnen. Die Bedeutung-prämen¬ 
struellen Fiebers für die Beurteilung der Lungentuberkulose ist 
ziemlich gering, einen Schluss auf die Schwere der Erkrankung zu 
ziehen ist nicht angängig. Wenn jedoch bis dahin auftretende 


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162 


BlKDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 14. 


prämenstruelle TemperatursteigeroDgen aufhören, so ist das ein 
prognostisch günstiges Zeichen. In umgekehrter Weise ist hohes 
prämenstruelles Fieber ein ungünstiges Zeichen. 

Die grosse, allgemeine praktische Bedeutung des prämen¬ 
struellen Fiebers liegt eben darin, dass es den Arzt darauf hin¬ 
weist, dass die betreffenden Personen nicht völlig gesund sind 
igid dass ein kranker Organismus in der Prämenstrualzeit ge^hrdet 
ist. Alle möglichen Krankheiten können sich in der Främen- 
strualzeit verschlimmeim. Es kommt oft zu prämenstruellen Tem- 
peratorsteigenmgen, welche wahrscheinlich ihren Grund in der 
Resorption von älteren Infektionsherden hfkben, sie können aber 
auch eine Exacerbation der Qrundkrankheit bedeuten. Die prä¬ 
menstruellen Temperatursteigerungen kommen zwar häufig aber 
keineswegs ausschliesslich bei tuberkulösen Frauen vor, niemals 
aber bei ganz gesunden. 

3. Peschei, Frankfurt a. M. Die galvanokanstiBohe Bonde 
für den Tränenl^aL 

Verf. hat eine galvanokaustische Sonde für den Tränenkanal 
konstruiert, weldie nur 1,5 mm Durchmesser hat. Das Platin¬ 
glühstück ist seitlich angebracht. Die I^lierung der aus ver¬ 
nickeltem Kupferdraht bestehenden Zuleitung, spiralförmig aber 
sehr sicher. Die Betätigung der Sonde kann nur sekundenlang 
erfolgen, da sich sonst die Sonde in ihi'er ganzen Ausdehnung zu 
stark erhitzt. Verf. rühmt die bequeme Handhabung des In¬ 
struments. Dasselbe wird von der Firma Reiniger, Gebbert & 
Schall in Erlangen hergestellt. 

6. V. Lesser, Leipzig: Emo seltenere Erkraokimg am 
$nie. 

Verf. hatte Gelegenheit bei einem 15jährigen Schüler die 
Einreissung bezw. Abknickung des von der genualen Tibiaepiphyse 
nach abwärts herabsteigenden schnabelförmigen Fortsatzes bei¬ 
derseits zu beobachten. Diese seltene Erkrankung ist bisher nur 
bei Knaben und meist im Pubertätsalter beobachtet worden. 
Offenbar spielt die spätere Verknöcherung dabei eine Rolle. Die 
stärker entwickelte Streckmuskulatur führt zu der Abreissung 
api genualen Tibierende. 

7. Neuhaus, Hagen i. W. Eine neue Hamprobe auf 
Santonin. 

Der zu untersuchende Harn, wird in einer Menge von einigen 
Kubikzentimetern mit einigen Tropfen Fehlingscher Lösung ver- j 
setzt. Es tritt eine dunkelgrüne Farbe auf. Bei weiterem Zu¬ 
satz wird der Ham dunkelviolettrot. Bei Zusatz von etwas 
Essigsäure zeigt sich eine smaragdgrüne Farbe. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. la. 

1 . Krönig, Berlin: TTeber das Verkaltan des medialen Ab- 
sobnittei der hinteren oberen Dämpfhng^sgrense bei pleuralen 
Flüssigkeitsansammlongen. 

Verf. hat ein grosses Krankenmaterial an pleuritischen Exu- 
daton topographisch percutorisoh untersucht und die in den Lehr¬ 
büchern bisher nicht betonte Tatsache konstatiert, dass nahe der 
Wirbelsäule eine Zone heileren Schalles regelmäßig zu finden ist. 
Diese Zone hat die Gtestalt eines Dreiecks und wird nach der Mitte 
von der Wirbelsäule und seitlich von einer Linie begrenzt, welche 
bogenförmig zur Achselhöhle verläuft und deren Höhe in der Gegend 
des inneren Schulterblattrandes liegt. Dies vom Verf. gefundene auf¬ 
gehellte Dreieck hat mit dem seinerzeit von Garland angegebenen 
nur in der Lokalisation, nicht ln der Form Aehnliohkeit. 

2. Buschke, Fischer, Berlin: Weitere Beebachtongen 
über Spiroohaete pallida. 

Verff. haben das totgeborene Kind einer syphilitischen Mutter 
untersucht. In Ausstrichpräparaten der Leber und Milz fanden 
sich sehr spärliche, in Schnittpräparaten sehr zahlreiche Spirochaeten. 
Es ist dieser Befand lehrreich mit Bezug auf die Schnittmethode. 
Offenbar hat das Kind eine frische Infektion erlitten und ist an 
dieser in utero zu Grunde gegangen. Der Uebergang der Spiro¬ 
chaeten ist offenbar durch die Blutbahu erfolgt. Des weiteren teilen 
die Verff. mit, dass die Versuche durch Spirochaetenuntersuchung 
bald nach der Geburt eine Frühdiagnose zu stellen, so lange noch 
klinische Symptome fehlen, fehlgeschlagen sind. Die Befunde 
wurden erst dann positiv, wenn auch die klinischen Symptome 
keinen Zweifel mehr Hessen. Die Untersuchungen der Verff. haben 


ferner gelehrt, dass die von den meisten Autoren gezogene Schluss¬ 
folgerung, dass die Spiroohaete pallida in allen Produkten der sekun¬ 
dären infektiösen Periode sich findet, einzuschränken ist. Sie findet 
sich nicht nur nicht bei tertiärer Sy]>hilis, sondern sie scheint auch 
in manchen besonders gebauten Produkten der Frühperiode zu fehlen. 
In einem weiteren Fall gelang den Verff. in einer Drüse einer an¬ 
scheinend immunen Matter eines syphilitischen Kindes, also wahr¬ 
scheinlich bei latenter Syphilis Spirochaeten naohzuweisen. 

3, Boeder, Berlin: Die Liingeiitnberkiilese im sohnlpflich- 
tigen Alter. 

Die Statistik ergibt, dass ein Hauptfeind unserer Schuljugend 
die Tuberkulose ist und dass der Schwerpunkt der Seuchenbe¬ 
kämpfung während des schulpflichtigen Alters auf die Bekämpfung 
der Tuberkulose gelegt werden muss. Die verschiedenen Formen, 
in denen die Tuberkulose bei den Kindern auftritt, lassen sich in 
folgende Gruppen einreihen: 1. Kinder mit weitgehenden Zer¬ 
störungen der Lunge, Cavemenbildung, Kaohexi, Tuberkelbazillen 
im Sputum. 2. Kinder mit Veränderungen, wie man sie auch bei 
Erwachsenen findet, also Infiltration der Spitze in der Fossa supra- 
clavicularis klingendes Rasseln, Verschärfung des In- oder Ex- 
spiriums mit Dämpfung des Schalles. 3. Kinder, bei denen die 
Veränderungen am deutlichsten hinten in der fossa suprascapularis 
oder auch in einem der Unterlappen vorhanden ist. ^eine Herde 
mit hauchendem bezw. bronchialem Expirium, kleinblasigen Rasseln 
bei normalem Ferkussionsachall fanden sich bei Kindern mit nor¬ 
malem Wohlbefinden in der Fossa suprascapularis und auf dem 
medianen Rand der Scapula so häufig, dass der Ort fast als Frae- 
dilectioDSstelle angesehen werden kann. 4. Nicht selten sind Fälle 
mit wiederholter Hämoptoe ohne markanten Befund bei der physi¬ 
kalischen Untersuchung. 5, Besondere Beobachtung bedarf eine 
weitere Gruppe, Kinder mit Lymphadenitis colli chrouica, bei denen 
in der Fossa infraclavicularis links oder rechts deutliche Dämpfung 
mit nur geringen auskultatorischen Erscheinungen vorhanden ist. 

Das Alter von 5 —15 Jahren scheint am meisten bedroht. 
Zur Bekämpfung dürften sich folgende Maßnahmen empfehlen: 

1. Darchmusterung sämtlicher Schulkinder zwecks Auslese der 
Tuberkulösen und tuberkuloseverdächtigen Kinder oder, 
wenn dies nicht möglich, die Durchmusterung der Kinder 
einzelner Schulbezirke. 

2. Belehrung über die Gefahren der Tuberkulose im Rahmen 
einer allgemeinen Gesundheitslehre. 

3. Ueberweisung der lungenkranken Kinder in Blrholungs- und 
Heilstättea 

4. Errichtung von Kinder-LungenheUstätten. 

5. Nach wiederholter Kur Ueberführung von Pfleglingen in 
ländliche Kolonien, Land- und Waldschulen. 

6 . Ueberwachung der tuberbulösen und tuberkuloseverdäch¬ 
tigen Kinder bis zum Verlassen der Schule. 

7. Untersuchung sämtlicher Kinder beim Verlassen der Schule, 
Gewährung eines Gesundheitsattestes (als Unterlage für 
die Berufswahl bezw. für die Gestellung zum Heeresdienste). 

4. Hildebrandt, Berlin: Die Prognose nnd Therapie der 
Sohädelverletcangen durch die modernen Kriegsfenerwaffen. 

Die Prognose ist von zwei Punkten abhängig, von dem 
Charakter der Wunde und von der Ausdehnung der Scbädelver- 
letzung und der Bedeutung der durchbohrten Himregion. Die 
Wunde ist abhängig vom Querschnitt des Projektils und dessen 
lebendiger Kraft. Direkte Verletzungen der hinteren oder mitt¬ 
leren Schädelgrube enden stets tötlich. Die oberflächlichen Schüsse 
sind besonders gefährlich wegen der vielen Splitter und der In¬ 
fektionsgefahr. Was die Behandlung anlangt, so steht v. Berg¬ 
mann auf dem Standpunkt dass man nicht stets trepanieren soll, 
nur daun wenn Blutungen aus der meuingea media nachgewiesen 
sind oder es sich um eine umschriebene Läsion der motorischen 
Region dui*ch Splitter handelt. Im Burenkrieg haben sich die 
Chirurgen, zumal die Engländer, auf den Standpunkt gestellt, mög¬ 
lichst gleich zu trepanieren. Die eingedrungene Kugel bleibt, 
wenn sie nicht direkt erreichbar liegt, unberücksichtigt. 

Im allgemeinen kann man sagen, dass man bei Schädel¬ 
schüssen relativ viel therapeutisch erreichen kann nnd dass die¬ 
selben nicht so hoffnungslos sind als man gemeinhin glaubt 


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1906. 


MEDIOmiSCHE WOCHE. 


163 


Wiener ktlnieclie Wochenschrift. I0ü6. No. 12 . 

1 . Baomgarien, Popper, Wien: TTeber die AnMobeidtmg 
von Asetonkörpen bei Brkrankimgen des weiblieben Oenitales. 

Verff. haben in sieben Fällen von Extrauteringravidität 
Azeton und Äzetessigsäure nachweisen können, OxybuttersSure 
fehlte dagegen. Die Untersuchungen ergaben> dass bei allen 
Fällen von .^trauteringravidität mit Blutungen in die Bauchhöhle 
sich eine beträchtliche Vermehrung der Azetonkörper fand. In 
dififerentialdiagnostisch schwierigen Fällen, wo es sich um die 
Entscheidung zwischen Adnextumoren und Cysten einerseits und 
Hämatokelen andererseits handelt, kann das konstante Vorkommen 
grösserer Mengen von Azeton und Äzetessigsäure im Ham als 
unterstützendes Moment für die Diagnose der Hämatokeie heran¬ 
gezogen werden. 

2. Oluzinski, Beichenstein, Lemberg: Kyeloma und 
Lenoämia lymphatica plasmo-oeUnlaiis. 

Verff. hatten Gelegenheit bei einem 47jährigem Mann ein 
typisches Myeloma zu beobachten. Dasselbe entstand auf der 
Basis mehrfacher Traumen. Im Verlauf der Erkrankung ent¬ 
wickelte sich eine Leucämia lymphadenoides medullaris. Die 
Lymphocyten zeigten eine plasmatische Veränderung Uber deren 
Entstehung eine einwandsfreie Aufklärung nicht gegeben werden 
konnte. 


Archlves generales de medecine. 1906. Nr. 1 . 

1 . Bouygues: Be rhyperbidrose des extrdmites dite 
essentielle. 

Auf Grund eingehender anatomischer und physiologischer 
Betrachtungen, klinischer und experimenteller Ergebnisse, kommt 
Verf. zu dem Schlosse, dass die abnorme Schweissabsonderung 
der Extremitäten keine essentielle Affektion, nicht als selbständige 
Krankheit zu betrachten ist. Sie ist vielmehr nur ein Symptom, 
Teil eines Komplexes krankhafter Erscheinungen, dessen Katar 
man bestimmen muss. Sie tritt in die Erscheinung bei Intoxi¬ 
kationen: Rheumatismus, Alkoholismus, Wechseljahre, und bei 
chronischen Infektionskrankheiten: Syphilis, Malaria, Tuberkulose. 
Besonders häufig ist sie bei jungen Mädchen, die an Scrophulose 
und Bleichsucht leiden. Physiologisch betrachtet, ist die abnorme 
Schweissabsonderung an den Extremitäten die Folge einer Toxin¬ 
überladung des Blutes, wodurch eine Erregung der medullären 
Centren, die die Schweissabsonderang regulieren, hervorgerufen 
wird. Für die Therapie ergibt sich daraus, dass die lokale Be¬ 
handlung allein keine dauernde Wirksamkeit haben kann; es ist 
eine je nach den verschiedenen Ursachen wechselnde Aligemein- 
behandlung notwendig; in der grossen Mehrzahl der Fälle wird 
sie sich decken mit der Behandlung der Scrophulose und der 
Chlorose. 

2. Hirtz et Lemaire: Bäträoissement tzioiupidien et 
eyanose. 

Mitteilung eines auch durch die Autopsie bestätigten Falles 
reiner Tricnspidalstenose, Als besonders charakteristisch für dieses 
Vitium wird die Cyanose hervorgehoben. Diese unterscheidet sich 
von der mit den komplizierten kongenitalen Herzfehlern ver¬ 
bundenen, durch geringere Intensität und dadurch, dass sie er¬ 
worben ist; von der Cyanose bei Mitralfehlern im Stadium der 
mangelhaften Kompensation, dadurch, dass sie vorkommt, ohne 
irgendwelche sonstigen Zeichen gestörter Kompensation und durch 
die Herztonica in keiner Weise beinflusst wird. 

3. Pichon; Quelques remarques apropos d’une obseryation 
de luxation mätaourpo^balangienue du oinqui^me doigt. 

Fälle einer metacarpo-phalangealen Luxation des kleinen 
Fingers sind sehr selten. Bei dem mitgeteilten war zuerst ein 
Bruch angenommen, und ein Gipsverband gelegt, nach dessen Ab- 
uahme erst die Luxation erkannt wurde. Trotz noch vorgenommener 
Operation gelang die Reposition nicht mehr; es blieb eine wesent¬ 
liche Funktionsstörung, Atrophie der Ballenmuskulatur stellte sich 
ein. Sichere Diagnose erlaubt nur die Röntgendurchleuchtung. 
Hat man sie nicht zur Verfügung, so kann man die Phalange des 
kleinen Fingers forziert extendieren; fühlt man Reiben gegen den 
Hetacarpus oder Widerstand dieses Knochens, ist Luxation anzu- 


neUmen, während widerstandsloses Hereiusinken in die Hand bei 
Druck auf den Finger für BrUoh des Köpfchens s^<^t. Die 
Reposition kann durch Verlagerung des Sraambeins grosse Schwierig¬ 
keiten machen; in dieser Beziehung sind diese Luxationen denen 
des Daumens gleichzustellen. Unter Umständen wird man zur 
Arthrotomie greifen müssen. 

1906, Nr. 2. 

Thorei: Bu prnrit daus la SypbUis. 

Unter Mitteilung entsprechender Krankengeschiditen stellt 
Verf. mehrere Gruppen von Fällen auf, bei denen sypkilitisdie 
EiBorescenzen entgegen dem Gewohnten, mit Jackreiz verbanden 
sind. Die erste betrifft Neuropathiker, bei denen Pruritos bei 
Eruption der Syphilis sich ein^llt, weil sie eine abnorm erreg¬ 
bare Haut haben: die zweite umfasst die abnormen Formen der 
sekundären Hantsyphilide, die aoue-, herpesähnlichen, die bläschen¬ 
förmigen, ekzematösen etc., die umso intensiveren Jackreiz erzeugmi 
können, je mehr sie sich von der Papelform entfernen; in einer 
dritten sind die Fälle zu vereinen, wo znm 83 ^hilitischen Prozess 
Komplikationen hinzutreten, z'. B. Infektionen zu gummösen Pro¬ 
zessen, besonders die Follikulitiden, die fast immer syphilitische 
Manifestationen an behaarten Stellen begleiten und intensivsten 
Juckreiz verursachen, oder wo andere Hautaffektionen mit syphi¬ 
litischen Zusammentreffen. Niemals soll heftiger Juckrmz bei 
Hautaffektionen einen von der Diagnose Syphilis abhalten. 


Vermischtes. 

Boliin. Der soeben erschienene Bericht des Zentral¬ 
komitees für das Rettungswesen in Preussen Uber den 
Stand des Rettungs- und Krankenbefbrderongswesens im deutschen 
Reiche, dessen Ladenpreis 14 Hk. beträgt, ist für den Preis von 
12 Mk, von der Geschäftsstelle des Zentralkomitees, Bendler- 
strasse 13, zu beziehen. 

Berlin. Für den XXXV.Kongress derDentsohen Gesell¬ 
schaft für Chirurgie 1906 ist folgende Tagesordnung seitens 
des Vorsitzenden, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Koerte, vorläufig 
festgestellt worden: Am Mittwoch, dem 4. April, werden die 
Vorträge kriegschirurgischen Inhaltes (8 an der Zahl) be¬ 
ginnen, an welche sieb voraussichtlich eine Diskussion anschliessen 
wird. Für den Nachmittag sind Vorträge über Kropf 
(Kocher), Thymus (Rehn), Schädeloperationen (F. 
Krause, Sauerbruch, Borchard) angesetzt. In einer Abend¬ 
sitzung, um 8 ühr, wird Herr Holländer Uber Akroplastik 
des späteren Mittelalters reden, sodann werden Projektions¬ 
bilder von H. Bardenheuer, Delkeskamp, Scbulze- 
Duisburg, Joachimsthal, Holländer vorgeführt werden. — 
Der zweite Sitzungstag, Donnerstag, den 6. April, wird 
durch den Vortrag des Herrn Krönlein „Ueber Chirurgie 
des Magengeschwürs*' eingeleitot, auf welchen eine Diskussion 
folgen wird; bisher sind 17 Redner angemeldet. Danach werden 
Vorträge und Demonstration aus dem Gebiete der Bauch- 
chirurgie herankommen, wobei die auf dem letzten Kongresse 
so ausführlich behandelten Gtegenstände (z. B. Appendicitis) diesmal 
etwas zurückstehen müssen. Am Nachmittage des zweiten 
Sitzungstages sind drei Mitteilungen über Herzverletzungen 
(Sultan, Wendel, Goebell), ferner solche über Pleura- 
Infektion (Noetzel), Pankreas und Milz angesetzt. — Den 
dritten Sitzungstag eröffnet der Vortrag des Herrn Kraske 
..Ueber die weitere Entwickelung der Operation hoch¬ 
sitzender Mastdarmkrebse“; zur Diskussion sind angemeldet 
die Herren: Czerny, Kümmell, Kocher, Rehn, Hochenegg. 
Darauf folgen drei Vorträge überCarcinom (Czerny, Kelling, 
Borrmaon). Der ganze übrige Teil des dritten Tages ist für 
Vorträge und Demonstrationen aus dem Gebiete der Extre- 
mitäten-Chirurgie bestimmt, über deren Zurücksetzung in 
dhr letzten Zeit Klage geführt worden ist. Am vierten 
Sitzungstage, Sonnabend, den 7. April, findet zuerst die 
voraussichtlich sehr ausgedehnte Verhandlung über die Bier'sehe 
Staunngsbehandlung bei acuten Entzündungen statt 


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164 


&f£D101Nl$CHS WOCi^. 


Nr. 14. 


(1>S Hedöer). Daran raiUan Vorträge aos dem Gubietd üei- 
Bakterlologie, Desinfektion, sowie über Erkrankongen der 
Harnorgane an. Für den Nachmittag sind Mitteilungen aus 
dem Gebiete der Hernien, Geschwülste, Plastik, In* 
strumentenlehre etc. angesetzt. 

Borlln. Der zweite Kongress der Association inter- 
nationale de la Fresse mödicale wird am 17. April, 10 Uhr 
morgens, in der Nouvelle Ecole de Medecine durch den gegen¬ 
wärtigen Vorsitzenden, Senator Prof. Dr. Cortezo, eröffnet 
werden.;,phii ..zwei Tage dauern. Alle Mitglieder der Vereinigung 
könne,daran, teilnehmen, müssen aber gleichzeitig sich als Mit- 
glied^^Ues Internationalen Medioinischen Kongresses einschreiben, 
Die Tagesordnnng umfasst ausser der Neuwahl des Vorstandes 
u. a. folgende Punkto: Schutz des literarischen Eigentums in der 
mediciniscben Presse, Grenzen der medioinischen Journalistik, das 
mediciniscbe und pharmaceutische Gratisjoumal, die Errichtung 
eines permanenten Bureaus der internationalen Kongresse, Be¬ 
rechtigung der Mitglieder der Association zur Teilnahme an me^ 
dicinischen Kongressen ohne Beitragszahlung. Etwaige weitere 
Anmeldungen werden an den Generalsekretär, Dr. Blondel (Paris, 
103 Boulevard Haussmann), bis 8. April erbeten. 

In Lissabon wird zum ersten Male das Jahrbuch der Asso* 
dation ausgegeben werden (Katalog sämtlicher der Vereinigung 
angehörigen Zeitschriften, mit Angabe über das Jahr der Be¬ 
gründung, Erscheinungsweise, Preis usw.); die nicht dort an¬ 
wesenden Mitglieder werden es, gegen Elmsendung der Portokosten, 
auf ihren Wunsch vom Generalsekretär zugesandt erhalten. 


Hochschulnachrichten. 

Berlin. Der Privatdozent für Kinderheilkunde, Dr. Pinkel¬ 
stein wurde zum Professor ernannt 

Göttingen. Es habilitierten sich die Assistenzärzte DDr. 
Wendenburg und Heiderich hei der mediciniscben Fakultät 
als Privatdozentra. 

Kiel. Geh. Rat Prof. Dr. Siemerling, Direktor der psy¬ 
chiatrischen \ind Nervenklinik ist zum Mitglied des Kedidnal- 
kollegiums der Provinz Sohleswig-Holstoin ernannt worden. 

Leipzig. In der mediciniscben Fakultät Leipzig hat sich 
Dr. Heinrich Klien, Assistenzarzt an der Psychiatrischen und 
Nervenklinik, als Privatdozent habilitiert. 

Rostock. Dr. med. Joseph Meinertz, 1. Assistent und 
■Oberarzt der mediciniscbea Klinik, bat sidi für das Fach der 
inneren Medicin bid>Uitiert. 


Neu nieders:elas8eii 

haben sieh ln: 

Braunscbweig. Dr. med. Wilhelm Dego. — DQsMidorf. SpeziaUrzt 
Dr. Mayor. — Frankentbal. Spezialarzt Dr. W. Merckle. — Hamburg. 
Dr. mod. Otto Hallour. — München. Dr. med. J. Berkenheier. 


Pamilien-Nachrichten. 

Verlobt; 

Frl. Hartha Häneel in Kotzaehenbroda mit Hm. Dr. med. Max Haake 
in Leipzig-Connewitz. — Frl. Gertrud Gericke mit Hm. Dr. med. Artbar 
Gaertner beide in Danzig. — Frl. Hedwig von Bülow in Eckemförde mit 
Marine-Stabsarzt Dr. med. Josef Röbiscbon in Kiel. — Frl. Blfriede Lke 
in Elberfeld mit Hrn. Dr. med. Jan Boumann in Rotterdam. 

TermiUilt: 

Hr. Dr. med. Paul Kost mit Frl. Aejine Rittwegor in Pausa i. V. — 
Hr. Dr. med. Gustav Doncks mit Frl. Frieda Huffmann in Königsberg l P. 
— Hr. Augenarzt Dr. med. George Homp mit Frl. Frieda Funke in Königs¬ 
berg. 

Geboren: 

Einen Sofan: Hm. Oberarzt Dr. Findel in Breslau. — Hrn. Dr. 
med. Reinbold Krauss in Heilanstalt Kennenburg. — Hm. Dr. med. C. 
Harnisch in Probstbain (Scbles.) 

Eine Tochter: Hm. Augenarzt Dr. Otto Meyer in Breslau. 

Gestorben: 

Dr. med. Paul Hoffmann in Stogiitz bei BmIio. — Geb. Sanitätsrat 
Dr Emil Beuster in Berlin. — Dr. med. U. Paffenholz zu Düsseldorf! — 
Dr. B)ed. Alfred Frantz in Goltbeim. — Dr. med. Adolph Friedländer ia 
Königsbere i Pr. — Dr. med. Kalcher in Neusalz a. 0. — Dr. med. Gustav 
Prang in Nenmark (WostprJ — Dr. med. Elmil Geon Heinrich Jütte io 
Stettin. — Dr. med. Paul Fmncke in StOrmtal. — ^akt. Arzt Leopold 
Haidl in Pottenstein (Nioder-Oeeterreich). — Königl. Generalarzt a. D. Dr, 
Rudolf Aefner in Wolfenbfittel. — Oberstabsarzt Dr. Anton Worisek in 
Wien. ~ Sanitätarat Dr. S. Rothschild in Zorge. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittluns:- 

Adrtat«: Aerztliehe« Azskanfta-BMreM de« GeMUfto-AastobiaaM iw 
Berllnsr IrztUohsn StudMvereiie In MadioMaobM Waaraabtose (Akt - 
8ea.)f Barlla N., FrledrlobatrasM 108 I. 

Für pertSnliche RQcktprache ict Herr Dr. JoMhla tEclieh TOB Vaz in 

Mediciniechen Waarenbsuse anweteod. (Mit KÜtigcr EHaubnia des Ueachaftt-Auwchnuei 
der Berliner Srttlichen Siandetvereine Tom Autkunfta-Bureau der Med. Woche fibermiodt. 

In der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesncht. 
Näheres unter No. 1084. 

In einem Berliner Vororte wird zum 1. April ein Assistent gesacbU 
Näheres unter No. 2013. 

In Berlin wird für sofort ein Vertreter für Unfallstation gesacbt. 
Näheres unter No. 2020. 

In der Prov. Posen wird für Anf. April ein Vwtreter gesacbt. 
Näheres unter No. 2022. 

Id einer Grossstadt Nordostdeutscblands wird für Anf. April ein 
Asästent für Chirurg. AbUdlung eines Krankenhauses gesucht Näheres 
unter No. 2023. 

In der Mark wird für Anf. April ein Assistent gesucht. Näheres 
unter No. 


^ ^ ^ Nährzudier 

^ ^ ^ oline Abfübrwirkung. als Zusatx zur Kuhmilch 

.ey beste Dauemahrung für geauBde und kraake 

SSuglinge vom frühesten Lebensalter an, klinisch 

T bewährt bei akuten und chroniachen Verdauunga- 

st^run^en; auch für ältere Kinder und Erwachsene, 
den Speisen zugeselzt, tur raschen Kräftigung Kranker 
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Über Diagnose und Behandlung 


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Den Herren Ärzten Grgtisproben und Lileratnr. 

MAHrmUtelfabrtk MABelieas O. m. b. H. In Pastnip. 


Vortrag 

von 

Prof. Dr. med. 0. Laflge 

Augenarzt am Herzoglichen Krankenbaose in Braunscbweig. 

80 ^nnig. 


VoraatwortUchar Radakteur t Dr. P. Maiaaoer, BerliaW. SS, KarfQratanatr. Sl. — Verlag tob Carl Marhold, Halle a. 8. 
Dtoefc rea der Hevaeaia»n'eclieB Buchdmdterei, WellT, Hatte t. 8. 


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Medicinische Woche 


Deatschmann, A. D6br»sen, A. Hofta, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Qiessen. 


Herausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppen, K. Partseb, H. Rosin, H. Schlange 

Rostock. Beriin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverriebt, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 



f ^ 

Verlag und Expedition 

Carl Marhold in Halle a. S., Ulilandstrasse 6. 1 

Icl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher SM- j 


Redaktion: 

Berlin W. 62, Kurffirstenstrasse 81. 

I)r. P Meißner 







Vn. Jahrgang;. 

9. April 1906. 

Nr. 15. 


Die .Medicinische Woche« erscheint Jeden Montag mit der Utagigen Beilage BalneolOgiSChe Centralzcitung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Biderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne 
Nummer 25 Pi. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Üebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmäSigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Eine neue Centrifuge mit hoher 
Tourenzahl und zuverlässigem Tourenzähler 
und ihre Anwendung. 

Von Geh. Sanitätsrat Dr. O. ThiloniaS'Soden a. Taunus. 

So sehr es von allen Seiten anerkannt wird, dass zu dem 
■wissenschaftlichen Apparate der heutigen Medicin auch eine 
Centrifuge gehört, so wenig können die mit den bisherigen 
Instrumenten dieser Art erzielten Resultate auf Zuverlässig¬ 
keit, Genauigkeit und damit auf volle wissenschaftliche Brauch¬ 
barkeit Anspruch erheben. Zu diesem Mangel trägt nament¬ 
lich der Umstand bei, dass über eine relativ niedrige Touren- 



Abb. 1, 


zahl nicht lünausgegangen und diese Zahl nicht einmal mit 
genügender Sicherheit kontrolliert werden kann. 

Um diesem ofifenbaren Mangel abzuhelfen, hat sich Referent 
bemüht, eine Centrifupe*) herzustellen, die beides ermöglicht, 
sowohl eine genügend hohe Tourenzahl als auch eine durchaus 
zuverlässige Ilegistrierang derselben (Abb. 1). (Die aus diesen 
Versuchen hervorgegangene Centrifuge hat der Verfasser be¬ 
reits beschrieben in der Beil. klin. Wochenschr. 1905, Ni’. 51.) 


*) Fabrikant; Cbr. Wützel-Sodeu a. Tautms. 


1. Um die erforderliche Zahl von 5 — 0000 Touren pro 
Minute zu erzielen, wurde ein Motor von — 1 HP gewählt 
und zwar Drehstrom mit Vorgelege und Riemen. 

Gleichstrommotoren mit Rheostaten haben den grossen 
Vorteil, dass sich die Kraftquelle genauer regulieren lässt; 
selbstverständlich kann die letztere auch durch jede andere 
Kraftquelle, Spiritus, Benzin, Petroleum und Gas ersetzt 
werden. 

Mit Rücksicht auf die beabsichtigte hohe Tourenzahl 
wurde bei der Konstruktion der Maschine darauf Bedacht ge¬ 
nommen, den Betrieb so zu sichern, dass das Abfliegen irgend 
eines Teiles derselben als ganz ausgeschlossen betrachtet werden 

Die Centrifuge läuft in starken Kugellagern und hat eine 
trommelartige Umhüllung aus Temperguss oder Aluminium. 

Diese Trommel ist so eingerichtet, dass die eine Hälfte 
derselben feststeht, während die andere geöffnet und zurück¬ 
geschlagen werden kann. 

Um das Trockenlaufen der Kugeln zu verhindern, sind 
die Teller der Kugellager so konstruiert, dass der nötige Oel- 
vorrat von selbst immer wieder zu den Kugeln ziiriickkehrt. 

Als Meßapparat zur Registrienmg der Tourenzahl wurde 
nach Analogie des Regulators einer Dampfmaschine ein Tachy¬ 
meter konstruiert, das in Verbindung mit dem oberen Teil der 
Achse steht. Nach Belieben kann dieses Tachymeter beständig 
mit der Centrifuge verbunden bleiben oder auch vorübergehend 
aufgesetzt werden; durch dasselbe lässt sich die Zahl der Um¬ 
drehungen pro Minute zuverlässig bestimmen und an dem 
Zifferblatt des Tachymeters ablesen. 

Die für 8 Einsätze eingerichtete Scheibe der Centrifuge 
hat zwar die alte Runn5’sche Form, ist jedoch von einem 
starken Eisenring eingefasst, gegen welchen sich die in Federn 
hängenden Messingliülsen während der Hochtour anlegen. Durch 
diese Einrichtung ist ein A'^erbiegen der Hülsen, sowie ein Ab¬ 
splittern irgend welcher Teile unmöglich gemacht. Die aus 
starkem Messingrohr angefertigten Hülsen sind am Boden zum 
Teil geschlossen, zum Teil mit einer Öffnung versehen. 

Auch der Haematokrit wurde den neueren Anforderungen 
angepasst; die Art des Gebrauchs dürfte aus nebenstehender 
Zeichnung (Abb. 2) leicht ersehen werden. Die Pipetten selbst 
wurden besser gearbeitet und das Ablesen der Zahlen er¬ 
leichtert. 

Da es von AVichtigkeit ist, die unterste Schicht des Boden¬ 
satzes der centrifugierten Masse in kleinster Menge zu erhalten, 
wurden zu diesem Zwecke besondere Gläser (Abb. 3) konstru¬ 
iert. Dieselben haben an ihrem unteren zugespitzten Teile 
eine Öffnung, die durch eine mit Schraubengewinde verseheiu' 
Hartgummikuppe verschlossen ist. Wird nun durch eine mit 
Durcligangshahnen und Gummiballon versehene Röhre vor dom 
Absclirauben der Hartgummikuppe die Luft im Centrifugen- 
gläschen unbedeutend verdünnt, so können alsdann die untersten 


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166 


MEDICmiSCHE WOCHE.' 


Nr 15. 


Massen bequem direkt auf das Deckglas fein aufgestrichen 
werden. 

2. Was nun die mit dieser Centrifuge zu erzielenden Resul¬ 
tate anlangt, so darf wohl zunächst darauf hingewiesen werden, 
dass auf diesem Gebiete die Haematokrituntersuchungen mit 
Recht im Vordergründe des Interesses stehen. Handelt es 
sich doch hierbei nicht allein um das Studium der Einwirkung 
der Mineralwässer auf das Blut, sondern auch um Feststellung 
der Wirkung des osmotischen Druckes auf die 
Blutscheiben. Während nun die bisherigen 
Haematokrituntersuchungen 
nur relativ gütige Werte liefer¬ 
ten, Werte, die nur dann 
untereinander verglichen wer¬ 
den konnten, wenn sie unter 
denselben Bedingungen, also 
von demselben Experimentator 
mit Benutzung derselben Centri¬ 
fuge gewonnen worden waren, 
so sind die mit unserer Centri¬ 
fuge erzielten Werte, weil 
unter genau derselben Touren¬ 
zahl gewonnen, absolut gütig! 

Hierdurch aber wird ge¬ 
rade die Haematokritmethode 
zu einer wertvollen Kontrolle 
der übrigen Untersuchungs* 
methoden auf dem Gebiete der 
Haematologie. 

Wie rasch dabei diese 
Centrifuge arbeitet, geht daraus 
hervor, dass es gelingt, frisches 
Blutauch ohne Verwendung von 
üelpipetten so schnell zu centrifugieren, dass Plasma und Blut¬ 
körperchen von einander getrennt sind, ehe Gerinnung eintritt. 
Koeppe machte bei solchem mit über 5000 Touren pro Minute 
centrifugierten Blut im Laboratorium des Verfassers die Beob¬ 
achtung, dass regelmäßig die Blutscheiben durchscheinend er¬ 
schienen, als ob. sie aufgelöst wären. Dass letzteres aber nicht 
der Fall ist, ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Blut- 
scheiben, auf den Objektträger geblasen, unter dem Mikroskop 
auch nicht die geringste Veränderung zeigen. Koeppe gab 
dieser Erscheinung folgende Erklärung: Die auf die Blutscheiben 
wirkende Centrifugalfoaft ist so gross, dass auch der letzte 


Feuilleton. 


Pariser Brief. 

„Je weiter der Fortschritt, desto ferner das Ziel“ möchte 
ich als Paradox an die Spitze meines Ueberblicks stellen und 
sodann die Verhandlungen der Pariser medicinischen Gesell¬ 
schaften aus den letzten Monaten, soweit sie die Infektions¬ 
krankheiten betrafen, zusammenfassen. Der Abdominaltyphus 
ist eine seit drei Vierteljahrhunderten gutgekannte, auf sicherer 
klinischer, wie anatomischer Grundlage aufgebaute Krankheit, 
die zudem seit 1888 zu dem allgemein anerkannten Besitz des 
^ezifischen Erregers, des Eberth’schen Bazillus, gelangt ist. 
Es schien ihm also nichts zu einer gesicherten Existenz zu 
fehlen und nun ist diese doch durch den Wettbewerb, natürlich 
den unlauteren, des Paratyphus sehr bedrängt. Nach einem 
Vortrag von Netter in der Sociötö de Biologie steht es schon 
recht bedenklich um den altehrwürdigen AbdomiDalt 3 q)hus. 
In den letzten zwei Jahren hat Netter seine entsprechenden 
Patienten aufs genaueste untersucht, und gefunden, dass bei 
seinen 37 Fällen 29 mal nach aller Wahrscheinlichkeit der 
Paratyphus vorlag. Also mehr als 70 % der scheinbaren Ty^hus- 
fällo wären Paratyphuslalle. Leider ist nun aber die Aetiologie 
der Paratyphus keine einheitliche. An Stelle des Eberth’schen 
Typhusbacillus findet man beim Paratyphus, bei der Unter¬ 
suchung der Fäcalien und des Blutes, den Gaertner’schen Ba- 


Rest von Flüssigkeit zwischen den einzelnen roteö Blutscheiben 
entfernt wird und daher die letzteren Wand an Wand direkt 
aneinander liegen. Wenn aber keine Flüssigkeit mehr zwischen 
den einzelnen Scheiben ist, so gibt die Blutscheibensäule auch 
das wahre, das absolute Volumen der Blutscheiben im Blute 
an. Somit ist dieses scheinbare Auftreten der Lackfarbe zu¬ 
gleich ein wertvoller Beweis für die erreichte höchste Leistungs- 
föhigkeit einer Centrifuge. 

Es liegt auf der Hand, dass die Vorteile einer solchen 
hochtourigen Centrifuge sich auch ganz besonders bei Unter¬ 
suchungen von Sputa, Urin, eitrigen Sekreten zeigen, weil 
sich die Bakterien als schwerste Teile zu unterst setzen; blut- 
und eiterhaltiger Urin ist schon nach 1 —2 Minuten vollkommen 
klar sedimentiert. Der Nachweis, dass der Urin auch des ge¬ 
sunden Menschen Cylinder enthält, ist unschwer zu führen. 
Wichtig ist auch die Untersuchung auf elastische Fasern, deren 
Nachweis in den letzten Jahren mit Unrecht vernachlässigt 
wurde. 

Eine grosse Erleichterung und Abkürzung erfährt die 
Untersuchung z. ß. der Sputa auf Tuberkelbacillen, der eitrigen 
Sekrete auf Gonokokken usw. Die Frühdiagnose der Tuberku¬ 
lose bietet meistens erhebliche Schwierigk^eiten und ist des 
öfteren nicht exakt zu stellen; wie häufig wird, obwohl ver¬ 
dächtiges Sputum vorhanden ist, nichts gefunden, weil das 
zur Untersuchung stehende stecknadelkopfgrosse Klümpchen 
zu klein ist und ein positives Resultat eigentlich dem Zufall 
überlassen bleibt. Alle zur Auffindung z. B. von Tuberkel¬ 
bazillen vorgeschlagenen Methoden sind umständlich und zeit¬ 
raubend und werden deswegen in der Praxis selten angewandt. 
Wie ganz anders ist die Untersuchung mittels hochtouriger Centri¬ 
fuge! Die verdächtige Sputummenge wird mit einer schwachen 
Lösung von Kal. carbonic., ungefähr 0,1%, 20 — 30 Minuten 
lang in einem Schüttelapparat*) leicht geschüttelt und dann 
unter Zusatz von Alkohol, ungefähr 20 — 30%, 10—20 Minuten 
mit Hochtour {5600 Umdrehungen pro Minute) centrifiigiert.**) 
Ist eine grössere Sputummenge vorhanden, so werden sämt¬ 
liche 8 Einsätze der Zentrifuge gefüllt und centrifugiert, die 
Bodensätze dieser Gläschen darauf in einem Centrimgengläs- 

*) Solche ebenfells nait Motor getriebene Scbllttelapparate liefert der 
Fabrikant der Centrifage. 

**) Eine andere Methode fUr den Nachweis der Tbc. in den faeces 
ist von Strasbuiger (Die faeces des Menschen im normalen nnd krankhaften 
Zustande, von A. Schmidt und J. Straaburger, Berlin, Birschwald, 1905} 
angegeben, auf welche wir verweisen. 


cillus enteritidis, den Conradi’schen Bacillus, den Paracoli-Bacillns 
und die von Brion und Kayser als Paratyphusbacülus A und 
B bezeiebneten Microben. Die Konkurrenz ist also eine recht 
beträchtliche. Das Serum der Parat 3 rpbuskranken agglutiniert 
nicht oder kaum den Eberth’schen Bacillus, dagegen selir leicht 
die anderen Bacillen und dies ist für Netter der Beweis, dass 
in jenen Fällen kein richtiger Typhus vorliegt. Die klinischen 
Erscheinungen des Paratyphns zeigen dagegen eine beängstigende 
Aehnlichkeit mit denjenigen des echten Typhus, so dassVariot 
und Laveran in der Soci^te m6dicale des h^itaux an Netter 
die Frage stellten, ob überhaupt die Schaffung dieser neuen 
Krankheitsform einem klinischen Bedürfnis entspreche und so¬ 
dann welches bei den letalen Fällen die Ergebnisse der Auto 
psie sind. Netter erwiederte, dass allerdings das klinische 
Bild eine sichere Entscheidung nicht zulasse. Die wesentlichste 
und für den Arzt wichtigste Eigenart des Paratyphus sei seine 
verhältnismässige Benignität. In einer Statistik von Prat mit 
86 Krankengeschichten betrug die Mortalität nur 3,6%. Be¬ 
züglich der Frage nach Sektionsergebnissen erwiederte Netter, 
dass er selbst nur Gelegenheit gehabt habe, die Autopsie eines 
zwei Monate nach Paratyphus an Meningitis verstorbenen 
Kindes zu machen, er habe dabei keine Narben im Darme 
gefunden, dagegen liegen vom Auslände fünf Sektionsberichte 
vor, darin sind dreimal keine, zweimal leichte Veränderungen 
an den Peyerschen Plaques vermerkt. Die letzteren waren, 
wie beim echten Typhus ulcerit, wenn auch mehr oberflächlich 
und weniger ausgedehnt, als sonst. Auch nach diesen Ausführungen 
blieb Laveran bei der Auffassung beharren, dass man den 




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1906. 


MBDICINI8CHE WOCHE. 


16t 


eben vereinigt und abermals centrifugiert Nach Abschrauben 
der Kapsel wird dann der Bodensatz direkt auf das Deckglas 
estrichen. Auf diese Weise können mit Leichtigkeit in einem 
pntum, das auch nach genauer Durchsuchung ohne Centri- 
fuge keine Tuberkelbacillen aufweist, Tuberkeibacillen oft in 
ziemlicher Menge gefunden werden. Die Diagnose braucht 
viel seltener in der Schwebe zu bleiben; kann man doch jetzt 
mit annähernder Sicherheit sagen, ob in dem übersandten 
Sputum Tuberkelbacillen vorhanden sind oder nicht. Auf 
Grund zahlreicher Untersuchungen können wir heute be¬ 
haupten, dass ein Sputum mit negativem Untersuchungsresultat 
unbedingt nach obiger Methode durchforscht werden muss. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Dass man im preussisohen Landtag nicht allzu viel für die 
Aeizte übrig hat, ist eine längst bekannte Tatsache. Jüngst 
wurde sie wieder aufs neue bestätigt, als bei den Etatsberatungen 
verschiedene Redner ärztliche und sozialhygieniscbe Angelegen¬ 
heiten zur Sprache brachten. Schon oft haben die Aerzte ihre 
Teilnahme an der Gewerbeinspektion gewünscht und von berufener 
Seite ist dargelegt worden, wie ausserordentlich sich dazu Aerzte 
qualifizierten; der preussischu Handelsminister erklärte eine solche 
Heranziehung der Aerzte für unzweckmäßig. Ueber die schlechte 
Bezahlung von Assistentenstellen und über die Gesamtlage der 
Assistenten wird derart geklagt, dass ein wirtschaftlicher Verband 
der Assistenzärzte in Bildung begriffen ist. Ira Abgeordneten¬ 
hause wurde auf die mangelhafte Besoldung der Assistenten und 
auch der Abteilungsleiter an Instituten für Infektionskrank¬ 
heiten hingewiesen, worauf vom Regierungatische prompt die Ant¬ 
wort erfolgte, die Assistenten könnten mit ihrem Gehalt ganz zu¬ 
frieden sein. Da für das Centralkomitee, für das ärztliche Fort¬ 
bildungswesen ein Beitrag geleistet wird, gelangten auch diese 
"Kurse zur Besprechung. Ein Redner stellte dieselbe Forderung 
auf, die wir selbst schon mehrfach, zuletzt im Januar d. J. in der 
Berliner Aerztekammer vertreten haben: Dass die ärztliche Fort¬ 
bildung in den Händen des Staates liegen müsse, dieser die not¬ 
wendigen Mittel aufzubringen und ganz besonders die Dozenten 
zu besolden habe. Die Antwort des Regierungsvertreters, dass die 
Aerzte für ihre Fortbildung selbst sorgen müssten, lässt die Er¬ 
kenntnis vermissen, dass die öffentliche Gesundheitspflege an einer 


von Netter beschriebenen sogenannten Paratyphusfällen, in 
Ermangelung einer Eigenart, meist wohl die Bezeichnung von 
wahrem Typhus nicht verweigern könne. 

Der klinische Typhus dürfte also wohl einheitlich weiter¬ 
bestehen bleiben, nicht aber der bakteriologische. Vom legi¬ 
timen altangesessenen Eberth’schen Typhusbacillus bis zum 
streberhaften Bakterium coli scheint sich eine ganze Reihe von 
Zwischenformen wie der Gaertnerschen Euteritisbazillus und die 
sogenannten Paratyphus- und Paracolibacillen herauszuheben, die 
man alle für das klinische Typhusbilü verantwortlich machen 
kann. Die Spezifität der Microben erschüttert sich so für den 
Kliniker von Tag zu Tag mehr und mehr. 

Ebenso wie mit dem Typhus geht es auch mit der In¬ 
fluenza, die freilich nicht auf so fester, altgediegener Basis ruht, 
wie der Typhus. So recht bekannt ist sie ja erst durch ihren 
Zug durch Europa vom Winter 1889/90 und ihr „spezifischer 
Erreger“ der Pfeiffer’sche Bacillus, datiert nur vom Jahre 1892. 
Im letzten Winter hatte nun in Paris eine kleine Influenza¬ 
epidemie geherrscht, durch die Bezanpon zu eingehenden 
bakteriologischen Untersuchungen über diese Krankheit ver¬ 
anlasst worden ist. Im Sputum der Patienten konnte Bezan^on 
gegen alle Erwartung nur ganz selten den Pfeiffer’schen Ba- 
cilTns feststellen. Die vorherrschenden Microben waren der 
Pneumococcus, der Streptococcus, derEnterococcus undderMicro- 
coccuscatarrhalis. Diesen Befund teilte Bezamjon derSoci^temödi- 
cale des höpitaux mit, und knüpfte daran die Betrachtung, dass 
der Pfeiffersche Bacillus heute nicht mehr als spezifisch für 
die Influenza angesehen werden könne und dass es überhaupt 


andauernden Fort- und Durchbildung der Aerzte mindestens das 
gleiche Interesse haben muss, als die Aerzte selbst. 

Eine oftmals wiederholte Forderung ist die nach Lehrstühlen 
für die soziale Medicin, die heute von dem ärztlichen Praktiker 
genau so beherrscht sein muss wie die Untersuchungsmeihoden. 
Jüngst hat nun das Cultusministerium in Bonn und in Berlin 
einen Lehrauftrag erteilt an zwei Herren, die durch ihre sonstige 
Tätigkeit in keiner Weise qualifiziert erscheinen, soziale Medicin 
zu lehren. Damit soll es, wie die Regierung erklärte, vorläufig 
genug sein, denn die Fakultäten haben sich gegen solche Lehr¬ 
stühle ausgesprochen und die Akademieer seien zur Pflege dieses 
Faches in erster Reihe berufen. Jede Erwidernng auf derartige 
Ausführungen erübrigt sich, wenn man mitteüt, dass der erste 
Kursus in dem von der Ortsgruppe Berlin des Leipziger Verbandes 
errichteten Seminar für soziale Medicin, dessen Programm wir in 
dieser Wochenschrift besprochen haben, von mehr als dreihundert 
Teilnehmern besucht worden ist. 

Schliesslich fand noch die Frage des ärztlichen Berufsgeheim¬ 
nisses eine Besprechung auf Grund jenes Reichsgerichtserkeunt- 
nisses, dass einen Arzt freigesprochen hatte, der eine Mutter ge¬ 
warnt batte, ihre Kinder mit ihrer syphilitischen Schwester in 
Berührung kommen zu lassen. Die Ausführung des Reichs¬ 
gerichtes, dass der Ary.t durch das preussische Ehrengerichtsgesetz 
verpflichtet sei, seinen Beruf „gewissenhaft“ auszuüben und dass 
das Vorgehen des betreffenden Arztes ein gewissenhaftes sei, wurde 
stark angefochteu, der § 300 als durchaus verbindlich hingestellt 
und eine Abänderung der Formulierung des Ehrengerichtsgesetzes 
bei Wiederholung derartiger Vorkommnisse in Aussicht gestellt. 
Uns Aerzten kann dies einerlei sein; wir werden, ob mit, ob ohne 
Paragraphen, stets so handeln, wie es uns unser Pflichtgefühl 
vorschreibt; wir werden stets das Berufsgeheimnis als ein not¬ 
wendiges Correlat für eine gedeihliche Ausübung unserer Tätigkeit 
ansehen; wir wissen aber, dass es Verhältnisse geben kann, wo 
uns gerade die Rücksicht auf das Wohl unserer Klienten zwingen 
kann, das Berufsgeheimnis zu brechen. Das muss von Fall zu 
Fall entschieden werden. Feste Normen hier aufzustellen, ist 
schier unmöglich. 

Die Vertiefung, welche seit einigen Jahren allerorts die sozial- 
hygienischen Bestrebungen finden, veranlassen die kommunalen 
Verwaltungen, diesen ihr Augenmerk zuzuwenden und dafür Sorge 
zu tragen, dass ihnen eine in solchen Fragen kompetente medi* 
cinisebe Kraft zur Seite steht. Dass dies nur der Fall sein kann, 
wenn einem solchen Arzt Sitz und Stimme als besoldetes Mitgb'ed 
des Magistrats gewährt wird, ist weitsichtigen Communen längst 

wohl keinen Wert habe, nach einem spezifischen Erreger zu 
suchen, da die Inflaenza selbst doch nicht als eine spezifische 
Krankheit betrachtet werden könne. Ihr Krankheitsbild sei 
ja proteusartig, es sei bedingt von vorübergehender, von der 
Witterung meist mitbeeinflusster Steigerung der Virulenz von 
unsere Athemwege bewohnenden banalen Saprophyten. Die 
Neigung zu gleichartiger Lokalisation in den einzelnen Ende¬ 
mien sei durch das längere Verweilen und Anpassen der Bak¬ 
terien an das betreffende Organ zu erklären. Während diese 
Ausführungen von verschiedenen Seiten unterstützt wurden, 
fehlte jedoch auch, wenigstens von klinischer Seite, der Wider¬ 
spruch nicht. Bariö wies darauf hin, dass diejenigen, die 
selbst die Epidemie von 1889 in ihrer Plötzlichkeit una Inten¬ 
sität miterlebt haben, genau wissen, dass es sich dabei um etwas 
ganz anderes, als die Katarrhe die man zwar jetzt gemeinhin 
als Inflaenza und Grippe bezeichnet, gehandelt habe. Und 
auch bei der endemischen Grippe ist kritisch vorzngehen, 
man soll nicht ohne weiteres jede gutartige Rhinitis, Pharyn¬ 
gitis, Tracheites u. s. w. als katarrhalische Grippe bezeichnen, 
sondern wohl wissen, dass die Grippe allerdings unter diesen 
Formen auftreten kann, aber auch daneben oft noch fast spe¬ 
zifische Charaktere besitzt, wie heftiges K<mfweh, starke Zer¬ 
schlagenheit, nervöse Ermattung, grosse Muskelschwäche, die 
langdauerade Reconvalescenz, fast wie bei Typhus, nach sich 
zieht. Also auch, hier wie bei der erstbesprochenen Krankheit 
stimmt Klinik und Bakteriologie ganz und gar nicht überein. 

In der Soci6t6 die Biologiö wurde über die Bakteriologie 
des Icterus catarrbalis verhandelt. Die Zeiten sind ja längst 


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168 


ISJ&LiIGDTlSullJE T^OCSB. 


Nr. 16. 


klar geworden. Augenblicklich geht unsere aufbliiheude Nachbar¬ 
stadt Schöneberg mit dem Plano der Anstellung eines Stadtmedi- 
oinali'ates um Dieser soll ein ständiger Berater der städtischen 
Körperschaft und speziell der Deputationen in allen Fragen der 
öffentlichen Gesundheitspflege sein und als Dezernent alle sozial- 
hygienischen TJntersuchuDgen der Gemeinde bearbeiten. Hierzu 
gehören insbesondere die Angelegenheiten der Bekämpfung der 
Tuberkulose und der Säuglingssterblichkeit. Ihm soll iemer die 
Leitung der Fürsorgestellen übertragen werden und er soll eine 
Heilstätte für Lungenkranke einrichten. Er hat ferner die Unter¬ 
suchung der städtischen Angestellten vorzunehmen und in allen 
medicinischen Fragen Gutachten zu erstatten. Das Vorstehende 
zeigt, dass in den grossen Oommunen ein reiches Arbeitsfeld für 
einen Stadtmedicinalrat vorhanden ist. Das grösste aber birgt 
wohl unsere Stadt Berlin, denn hier ist noch eine Reihe weiterer 
Fragen — wir nennen nur das Rettungs- und Krankenhauswesen — 
andauernd in Fluss. Wann endlich werden in Berlin die leitenden 
Männer einsehen, dass ein ganzer Mann an der Spitze eines 
solchen Amtes stehen muss? Leider ist solche Erkenntnis nicht zu er¬ 
warten, so lange das Oberhaupt der Stadt beim jedesmaligen Ein¬ 
bringen ärztlicher Forderungen sich von dem Verdacht nicht frei 
machen kann, die Aerzte wollten nur ihre eigenen Interessen 
fördern. Gerade die Berliner Aerzteschait hat unzählige Male 
bewiesen, dass sie stets uneigennützig und aufopfernd dem Gemein¬ 
wohl zu dienen bereit ist. 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinische Wochenschrift. 1906. No. 13. 

1. Siegel, Frankfurt a. M.; Die Arteriosklerose in der 
Chimrgie. 

Die Arteriosklerose bietet relativ selten Anlass zu chirurgischen 
Eingriffen. Sie kann erschwerend wirken als Begleiterscheinung, 
wenn es sich um Narcose handelt. Im allgemeinen ertragen alte 
Arteriosklerotiker die Narcose viel besser, wie jugendliche Patienten 
mit der gleichen Erkrankung. Die Brüchigkeit der Gefässe kaun 
bei der Frage der Blutstillung von Bedeutung sein, ebenso die als 
Folgeerscheinung der Arterienverkalkung auftretenden Aneurysmen. 
Der Altersbrand auf arteriosklerotischer Grundlage kann gelegent¬ 
lich Anlass zu chirurgischem Eingreifen geben. Infmerhin wird 
der Chirurg als ersten Grundsatz das „nil nocere“ beachten müssen. 


2. Baumaun, Breslau: üeber den B>aohenreflez. 

Für die Praxis unter.^cheidet mau am besten nur zwei Reflexe. 
Den Rachenreflex und den Gaumenreflex. Der erstere besteht in 
Kontrakturen der Muskulatur bei Berührung der hinteren Rachen¬ 
wand. Zum Zustandekommen des Rachenreflexes ist es nicht nötig, 
dass eine Würgebewegung eintritt, es genügt eine deutlich sicht¬ 
bare Kontraktion der Rachenmuskulatur. Ein wirkliches Fehlen 
des Rachenreflexes ist äusserst selten und auch in diesen seltenen 
Fällen handelt es sich meist nur um ein zeitweiliges Fehlen. Bei 
jugendlichen Individuen ist der Rachenreflex relativ öfters gesteigert, 
als beim Erwachsenen. Bisweilen ist eine psychisch bedingte 
Hemmung des Rachenreflexes nachweisbar. Bei chronisriiem 
Rachenkatarrh kommt eine Steigerung des Reflexes im allgemeinen 
nicht vor. Bei akutem Rachenkatarrh lässt sich keinerlei Gesetz¬ 
mäßigkeit in dem Reflexverhalten nachweisen. Bei Hypertrophie 
der Tonsillen ohne entzündliche Schwellung ist eine Herabsetzung 
des Rachenreflexes im allgemeinen sehr selten. 

3. Berger, Hamburg: üeber die diagnostUoke Sonderung 
echter Choleraf&Ue von oholeraähnliohen Erkrankungen. 

Verf. teilt die Erfahrungen mit, welche am Eppendorfer 
Krankenhaus mit den verschiedenen Nährböden gemacht worden 
sind, wenn es sich dai'um handelte, eine schnelle und sichere Diag¬ 
nose zu stellen. Vor allem wurden gute Resultate mit den Dri- 
galski-Conradi’sehen Nährböden erzielt. Es gelang in einem Fall 
nach 7, in einem zweiten nach 6 Stunden, zwei Fälle von Cholera 
asiatica mit Sicherheit zu diagnosticieren und von den choleraver¬ 
dächtigen gastroenteritiden andersartiger Aetiologie zu trennen. 

4. Lange, München: Schule und Korsett 

Verf. hat auf eine Anfrage des Münchener Ijehrerinnen-Vereins 
das Referat über diese wichtige Frage übernommen. Der Inhalt 
der erst in ihrem ersten Teil vorliegenden sehr interessanten Arbeit 
lässt sich kurz folgendermaßen wiedergeben: Jedes Schnüren ist 
ohne weiteres als gesundheitsschädlich zu verwerfen. Jedoch auch 
jedes sogenannte „lose** Korsett bedingt ganz erhebliche Gesnnd- 
heitsschädigungen. Verf. hat beobachten können, dass der untere 
Thoraxumfang auch bei lose sitzendem Korsett bei der Atmung 
keine Aenderung erfährt, also durchaus festgestellt ist. Infolge 
dessen bildet sich bei der Frau eine rein oostale Atmung heraus 
und das Zwerchfell wird so gut wie ganz ausgeschaltet. Diese 
naturgemäß sehr oberflächliche Atmung ist Schuld an einer nicht 
genügenden Blutbildung, an der Chlorose. Aber auch die geringen 
Exkursionen des Zwerchfells bedingen erhebliche Schädigungen des 
Magens und Darmes, sie können die Ursache von Stauungen in 


vorbei, in denen sich die Gelbsucht einer einfachen Sekretma.ssc, 
die den Ductus choledochus verstopft, als ihres ätiologischen 
Hauptmomentes erfreuen durfte. Die finstere Macht der Ba¬ 
cillen muss auch hier herhalten. Finster sind sie dabei, soviel 
ist sicher, ob mächtig dagegen ist eine andere Frage. Von 
den beiden Forschern Sacquep6e und Fräs in Paris waren 
16 sporadische Fälle von katarrhalischem Icterus aufs sorg¬ 
fältigste bakteriologisch untersucht worden. Sie legten Kulturen 
aus den Dejectionen an und studierten die Aggultinations- 
reaküon des Blutserums. Ihr Ergebnis war, dass in den 16 Fällen 
dreimal der Eberth’sche Typhusbacillus, zweimal der Paratyphus¬ 
bacillus A, einmal der Paratyphusbacillns B nnd fünfmal das 
Bakterium coli als wahrscheinlicher Krankheitserreger sich 
herausstellte. Die fünf übrigen Fälle ergaben kein sicheres 
Resultat. Das eben erwähnte Bacillenkonsoitium scheint also 
alle Darm- und Darmdrüsenkrankheiten in Pacht genommen 
zu haben. 

Um so besser steht es dagegen zur Zeit um die Bakterio¬ 
logie der Syphilis. Nach langem, langem Suchen hat sie end¬ 
lich ihren Erzeuger in der Spirochäta pallida Schaudinni ge¬ 
funden, oder glaubt es wenigstens. In Frankreich hat man 
sich mit grossem Eifer an die Nachprüfung dieser sensationellen 
deutschen Erfindung herangemacht. Als erster in Frankreich 
hatte Metchnikoff in der Acaedmie de Mödecine darüber ge¬ 
sprochen. Er drückte sich sehr günstig aus und teilte mit, 
dass er beim kranken Menschen, wie beim künstlich infleierten 
Affen, die Schaudinn’sche Spirille habe ebenfalls auffinden 
können. Seither haben sich me Mitteilungen in diesem Sinne 


lebhaft vermehrt. In der Soci6tu medicale des höpitaux teilte 
Meneirier mit, dass er bei einem wenige Stunden nach der 
Geburt gestorbenen syphilitischen Neugeborenen die Spiriilen 
in der Pemphigusflüssigkeit, in der Leber, der Milz und den 
Blutgefässen aufgefunden habe. Es lag also in seinem Falle 
eine wahre Spirocbaetensepticämie vor, die iu den Organen 
nur gewöhnlicne lu-peräniische Erscheinungen hervorgerufen 
hatte. 

Eingehende Untersuchungen in der gleichen Richtung sind 
von Bodin kürzlich der Sociötö de Dermatologie et Syphiii- 
graphie in Paris mitgeteilt worden. Beim in der Entwicklung 
begriffenen, nicht behandelten syphilitischen Schanker konnte 
er konstant die Spirochaete pallida von Schaudinn nachweisen, 
ebenso auch bei den sekundären papulo-squamösen und ulce- 
rösen Formen. Nur im Roseolafleck war die Spirochaete nicht 
zu finden. Dies ist dagegen zwei anderen Forschern, Veilion 
und Girard, mittelst der Levaditischen Methode gelungen. 
Aus den angefertigten Schnitten konnten sie ersehen, dass die 
roten Flecke nicht, wie man bisher angenommen, eine Foischer 
Erscheinung darstellen, sondern vielmehr eine wahre Parasiten¬ 
embolie in die Hautpapillen sind. Die Capillaren derselben 
werden darauf hochgradig hyperämisch und eine perivasculäre 
Infiltration stellt sich ein. Damit ist der Roseolafleck gebildet. 
Das bakteriologische Thermometer der Syphilis steht also in 
Frankreich zur Zeit vorzüglich. Auf Hochstände folgen häufig 
Depressionen. Qui vivra, verra. P. S, 


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1006. 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


169 


der Leber (GaUensteinen) etc. sein. Die Rubigstellung der unteren 
Bmstkorbhälfte hat aber eine ganz besondere Bedeutung in Bezug 
auf das Wachstum. Wenn im 13.—16. Jahre ein erhebliches 
Wachstum in die Länge und Breite einsetzt, dann bleibt die 
Gegend der Taille vollkommen zurlick und es entsteht eben das, 
was wir Taille nennen. Ganz erheblich ist die ungünstige Ein¬ 
wirkung des Korsetts auf die RUckenmuskulatur. Diese 'wird fast 
ganz zur Untätigkeit verdammt und verkümmert, daher kommt es 
auch, dass die meisten korsettgewohnten Frauen bei Ablegen des 
Korsetts über Rückenschmerzen klagen. Die Arbeit wird in der 
nächsten Nummer zu Ende geführt. 

5. Gebele, Ebermayer, München: TTeber Behandltmg der 
Oelenktnberknlose. 

In der Münchner chirurgischen Klinik steht man auf dem 
Standpunkt, dass die zum Teil heute vertretene ultrakonservative 
Richtung gerade so verkehrt ist, wie die ultraoperative. In erster 
Linie wird für eine genügende Fixation des Gelenks gesorgt und 
zwar durch Gips- oder Zelluloidverbände. Sind Kontrakturen vor¬ 
handen, so wird extendiert. Mit der Fixation wird eine Injektion 
von 10% Jodoforraglycerin kombiniert und zwar unter Verwendung 
geeignet gefensterter Gipsverbände. Gewöhnlich wird innerhalb 
8—14 Tagen einmal, und zwar bei Erwachsenen 6—10 ccm, bei 
Kindern 1—6 ccm eingespritzt. Für die Bier’sche Stauung sind 
nur die Fälle von Granulationstuberkulose geeignet, bei denen 
unter dem Einfluss der Stauung die Gelenke ausgesprochen blaurot 
und rasch schmerzfrei werden. Die Binde bleibt täglich 4—6 
Stunden liegen. 

Als ideales Ziel ist natürlich zu erstreben Erhaltung des Ge¬ 
lenkes, gutes funktionelles Resultat und Ausheilung. Zu einer 
Resektion soll erst geschritten werden, wenn das konservative Ver¬ 
fahren sich als aussichtslos erwiesen hat. Als operative Maßnahmen 
kam neben fllxkoohleation und Arthrektomie, sowie primären Ampu¬ 
tationen hauptsächlich die von Volkmann eingeführte Arthrektomia 
ossalis bezw. die atypische Resektion zur Anwendung. 

6. V. Be hm, Erfurt; Eine eigenartige SchussTerletsung der 
Kieferhöhle. 

Verf. konnte eine eigentümliche Scbussverletzung beobachten. 
Bei einer Erklärung des Infanteriegewehres durch einen Soldaten 
entlud sich eine in demselben befindliche Platzpatrone imd schleu¬ 
derte den Verschlussdeckel des Gewehres der 62 Jahre alten 
Patientin so gegen die Wange, dass derselbe tief in den Ober¬ 
kiefer und die Kieferhöhle eingedrungen war und mit einem Teil 
in die Nasenhöhle vorragte. Die Entfernung gelang auf operativem 
Wege anstandslos. Heilung per primam. * 

7. Hahn, Mainz: Das Btangenlager. 

Verf. hat, um bequem Rumpfverbände bei bettlägerigen 
Patienten anlegen zu können, folgende Vorrichtung konstruiert. 
Auf dreieckigem Fass erhebt sich eine 1 m hohe Eisenleiste, welche 
mit zahlreichen querovalen Löchern versehen ist. Je ein solcher 
Ständer kommt auf jede Seite des Bettes zu stehn. Eine polierte 
nnd vernickelte Stahlstange wird unter den Patienten beispielsweise 
im Kreuz durohgeschoben und nach Anheben in die entsprechenden 
Löcher der Ständer gesteckt. So gelingt es leicht, den Patienten 
beliebig hoch zu lagern. Das Stangenlager fertigt Mechaniker 
Beruh. Schreiber, Mainz. 

8. Philip, Hamburg; Ein neuer WäBekesehutz bei Oenorrhoe. 

Um die Verunreinigung der Wäsche durch Trippereiter zu 
vermeiden, bat Verf. eine mit Leibgurt umschnallbare oder an das 
Suspensorinm leicht anknöpfbare Schürze aus aufsaugungsfähigem 
Prottierstoff anfertigen lassen. Er nennt diese Vorrichtung den 
„grossen nnd kleinen Servator“. Ein besonderer Vorteil besteht 
darin, dass der Penis in keiner Weise aus seiner natürlichen Lage 
gedrängt wird und dass das Glied auch nicht zu warm eingepackt 
ist. Bei der Gefährlichkeit des Trippereiters dürfte sich jede Ver¬ 
besserung in dieser Richtung sehr empfehlen Der „Servator“ 
wird angefertigt von der Firma Gebr. Bandekow, BerlinSW.61, 

9. Posselt, Innsbruck: Die Stellung des Alveolareohino- 
oooous. 

Die in der vorigen Nummer begonnene und in ihrem ersten 
Teil bereits referierte Arbeit wird zu Ende geführt. Verf. ist es 


gelungen, den nach histologischen und klinischen Befunden sich 
ihm aufdrängenden dualistischen Standpunkt durch das Experiment 
der Züchtung zu erweisen. Bei einem ausgesprochenem Fall von 
Alveolarechinoooccos der Leber schritt er zu Fütterungsversuchen 
bei einem jungen nachweislich helminthenfreien Hund and konnte 
nach einiger Zeit zahlreiche frische Taenien beobachten, welche 
von der Taenia echinococcus cystica resp. dem fllchinococcus hyda- 
tidosus durchaus verschieden waren. Abgesehen von einer Form- 
verschiedenheit der Scolices zeigt auch der Uterus völlig andere 
Gestaltung. Diese Taenia echinococcus alveolaris ist also als spezi¬ 
fischer Erreger des Echinococcus alveolaris aufzufassen und dieser 
nicht als ein Produkt des jeweils umgebenden Gewebes anzusehen. 

Deutsche mediclnleche Wochenschrift. 1906. Nr. 13. 

1. Kranzfelder, Oertel, Berlin: Zur kriegsohirnrgiichen 
Bedeatnng der neaen dentsohen Infanterie-Kimition. 

Die neue sogenannte S-Munition für das Infanteriegewehr 1898 
ist in seiner Form im wesentlichen ein Spitzkegel. Mantel und 
Kern sind aus demselben Material wie das früher übliche Ge¬ 
schoss. Die ballistische Leistung ist eine sehr grosse und dem¬ 
entsprechend die Verwundungen und die Durchschlagskraft selbst 
bei Entfernungen von 1350 Meter weiche fllr den Infanteriekampf 
kaum mehr in Betracht kommen eine bedeutende. Das Geschoss 
pflegt sich wie Versuche gezeigt haben nicht selten quer zu stellen 
oder ganz zu überschlagen. Die Schusskanäle wie Ein- und Aus¬ 
schuss sind oft glattrandig, die Kanäle kalibermässig. Jedenfalls 
hat das S-Geschoss eine hohe Verwundnngsfähigkeit. 

2. Schmidt, Dresden: Zur Behandlung der Lungenphthise 
mit kfinstliohem ^enmothorax. 

Verf. hat bei Phthisikern versucht dadurch therapeutisch 
einzuwirken, dass er in den Pleurasack teils sterile Glase teils 
Flüssigkeiten einlaufen Hess. Er verfährt folgendennassen. Mittels 
eines ganz kurzen 1 cm langen Troikarts wird in der Gegend des 
neunten Interkostalraum die Zwischenrippenmuskulatur und äussere 
Haut durchstossen, sodann mit einer stumpfen Hohlnadel die Pleura 
parietalis durchbohrt und entweder chemisch reiner SanerstofP, 
sterile Luft, oder Kochsalzlösung und Oel eingeführt. Bei 600 ccm 
Gas pflegt eine Erschwerung der Athmnng einzntreten, welche 
aber erst bei 1600 ccm unangenehm empfunden zu werden scheint. 
Die Troikartwunde wird mittels Heftpflaster verschlossen. Die 
Einftihmng von Gasen geschah um die oberen, die von Flüssig¬ 
keiten um die nnteren Lungenpartien zu komprimieren. Behand- 
lungsresultate mitzuteilen ist der Verf, noch nicht in der Lage. 

3. Neisser, Breslau: Vennohe zur TTebertragang der Sy- 
philii auf Affen. 

Die hoch bedeutsamen Untersuchungen Neissers und seiner 
Mitarbeiter haben folgende für den Praktiker wichtige Resultate 
ergeben: Jede tertiäre Sypbiliserscheinung muss als kontagiös 
angesehen werden. Jeder mit tertiären Erscheinungen behafteter 
Mensch ist Träger übertragbarer Krankheitskeime. Trotz dieser 
bezüglich der Kontagiosität bestehenden Gleichheit zwischen se¬ 
kundärer und tertiärer Periode bestehen doch eine Reihe erheb¬ 
licher gradueller Unterschiede. Die primären nnd seknndären 
Formen enthalten fraglos bei weitem mehr Krankheitserreger. 
Diese Formen sind deshalb so gefährlich weil sie sich an Körper¬ 
stellen zu lokalisieren pflegen, die der Übertragung besonders zu¬ 
gänglich sind. Ferner bleiben die Sekundärerscheinungen oft weil 
sie gar keine Beschwerden machen unbeachtet und unbehandelt, 
die tertiären Formen dagegen liegen meist an zur Infektion weniger 
geeigneten Stellen und pflegen so auffallend und auch schmerzhaft 
zu sein, dass die betreffenden Träger direkt zu einer Behandlung 
gedrängt werden. Da es nun absolut feststeht, dass das Sypbilis- 
virus durch Quecksilber vernichtet wird, so ergibt sich aus dem 
Gesagten, dass man auch bei tertiären Syphiliden eine geeignete 
und protrahierte Hg. Behandlung einleiten soll. In günstiger 
Weise werden die Quecksilberkuren mit energischen Bade und 
Schwitzprozeduren kombriniert. 

4. Ho ff mann, Berlin: Experimentelle BBtemchnngen über 
die Infektioflität des syphilitischen Blutes. 

Die Untersuchungen über Infectiosität des Blutes Syphilitischer 
sind älteren Datums, sie wurden in der Mitte des vorigen Jahr- 


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170 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 15. 


Hunderts an fitenschen mit positivem Kesultate vorgenommen. Seit 
die Empfönglichkeit der Affen für Syphilis virus erwiesen ist, kann 
eine nene Prüfung statthaben. Verf. hat bisher vier Impfungen 
gemacht, von welchen 2 mit Si(^erheit positiv ausfielen. Zwei 
dagegen gaben kein Sesultat. Das Blut wurde aus einer Ellen¬ 
bogenvene entnommen und dafür gesorgt, dass nicht etwas sjrphi- 
litisches Zellmaterial mit überimpft wurde. 

5. Wichmann, Hamburg: Wirkungsweise nnd Anwend* 
bsrkeit der Badinmstraklnng nnd Badioaktivität auf die Haut 
mit besonderer Berftcksiohtigang des Lnpns. 

Verf. hat genaue Untersuchungen angestellt über die Absorp¬ 
tionskraft der normalen menschlichen Haut und ihrer einzelnen 
Schichten, sodann über die des pathologischen Gewebes im Ver¬ 
gleich zum normalen. Schliesslich wurde noch die Frage erörtert, 
wieviel das unter der Haut gelegene normale und pathologische 
Gewebe absorbiert. Die normale menschliche Haut von 4 mm 
Sobichtdicke absorbiert % der Gesamtstrahlung des Radiumpräparates, 
und zwar ist es in erster Linie die Cutis, welche diese Absorp¬ 
tionskraft besitzt. Pathologisches Gewebe absorbiert in weit 
höherem Hasse als normales. Je tiefer aber eine Gewebeschioht 
liegt desto weniger absorbiert dieselbe. 

Die Anwendung der mit Radiobromid imprägnierten Pflaster 
empfiehlt sich nicht, weil eine zu heftige und unerwünschte Ober¬ 
flächenwirkung durch die X-Strahlen erfolgt. Diese letztere wird 
vorteilhaft vermieden durch die Anwendung von Filtern, Kapseln 
mit Glimmer oder Gummi., Ausserdem hat nun Verf. noch Ver¬ 
suche mit der Injektion von RadiumbromidlÖsung gemacht und 
zwar in einer Verdünnung, dass 1 ccm Vjo Milligramm Radium¬ 
bromid enthielt. Diese Versuche verliefen ziemlich negativ. Besser 
bewährte sich wohl die Injektion mit Aufschwemmung von radioak¬ 
tivem Baryumsulfat. 

6. Berliner, Breslau: Zur Behandlung des Henfiebers. 

Dem Verf. hat sich die Behandlung der Nasenschleimhaut 
mit dem konstanten Strom in einigen Fällen so gnt bewahrt, dass 
er weitere Versuche in dieser Beziehung wünschenswert hält. Die 
Elektrisierung erfolgt durch zwei Knopielektroden beiderseits des 
Septum narium. Die Sitzungen waren täglich etwa 5 Minuten 
lang, der angewendete Strom 5 Milliampere, 

7. Lohnstein, Berlin: TTeber Älypin in der urologisohen 
Praxis. 

Verf. hat mit Alypin und Cocain vergleichende Untersuchungen 
angestellt, welche durchaus zu Gunsten des ersteren ausflelen. Er 
wandte nur 1 % Lösungen an. Für die urologische Praxis em¬ 
pfiehlt es sich das Alypinum nitricum zu wählen, weil dieses mit 
Argentum nitricum keinen Niederschlag gibt. Der einzige Unter¬ 
schied gegen das Cocain besteht darin, dass man beim Alypin et¬ 
was länger auf die Anästhesie warten muss, wie beim Cocain. 
Die Vorzüge des Präparates bestehen in der geringen Giftigkeit, 
der Sterilisierbarkeit und des geringeren Preises. 

8. Hechinger, Freiburg i. Br. Zur Lokalanästhesie in der 
Ohrenheilkunde. 

In der Freiburger Klinik wird als Anästheticum folgende 
Lösung verwandt: 

Acid carb. liquefact. 0,50 
Cocain, mur, 

Menthol, äa 2,00 

Spirit, vin. 10,00 

Diese Lösung wird aufgetupft bis die Haut weiss geworden 
ist und dann incidiert. Die Lösung bewährt sich sowohl bei Fu¬ 
runkeln des Gehörganges, wie auch bei der Paracentese. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906, No. u. 

1. Hoffmann, Leipzig: Veber die moderne Therapie der 
ehronischen Herzkrankheiten. 

Zunächst bandelt es sich um die richtige Diagnose und bei 
dieser ist es durchaus nötig, auch den Gesamtzustand ins Auge zu 
fassen, man wird an ätiologische Momente allerart, Missbrauch von 
Kaffee, Tee, Tabak, Alkohol etc. denken müssen. Ist die Diagnose 
in dieser Weise gefestigt, dann wird man sich fragen, ob man 
Digitalis, Jod oder kaltes Wasser in Anwendimg bringen soll. 


Für diese drei Gruppen von Mitteln haben wir ziemlich schm*f 
ausgeprägte Indikationen, Bei Herzmuskelschwäcke kommt die 
Digitalis in Anwendung. Sehr wichtig für die Indikation der 
Digitalis ist die Beobachtung der zweiten Töne. Fehlen diese 
oder sind sie au der Basis schwächer, als die ersten, so ist Digi¬ 
talis nach den Erfahrungen des Verfassers kontraindiziert. 

Bei anämischen Individuen mit hoher Spannung im Aorteu- 
system, bei welchen die zweiten Töne stärker als die ersten sind, 
ist die Darreichung von Jod indiziert. Voraussetzung ist, dass 
die Nieren gesund sind. Man gibt Jod 4—6 Wochen. 

Die dritte Gruppe Herzkranker kennzeichnet sich durch Symp¬ 
tome, welche denen der Basedow’schen Krankheit ähneln. Die 
zweiten Töne sind unverhältnismäßig schwach. Hier ist das kalte 
Wasser indiziert in der Art, wie Winternitz es angegeben bat. 
\^on grosser Bedeutung sind die balneo-tberapeutiscben Maßnahmen 
für die Behandlung der Herzkrankheiten, hierher gehören vor allen 
Dingen die kohlensaureu Bäder. Ferner kommen geeignete Diät 
und Respirationsübungen als wichtige Heilfaktoren in Betracht. 
Verf. warnt vor der Herzmassage. Sehr wichtig ist in differential- 
diagnostischer Hinsicht die Stellung des Zwerchfells resp. die Ver¬ 
hältnisse an Magen und Darm. 

2. Schmidt-Dresden: Veber die Wechselbeiiehimgen 
zwischen Herz und Magen-Barmleiden. 

Die durch ungenügende Herztätigkeit bedingte Stauung pflegt 
sich meist erst später dem Magen und Darm mitzuteilen. Wenn 
objektiv auch nur geringe Beeinträchtigung des Verdauungsvor¬ 
ganges anfhoglich zu konstatieren ist, so zeigen sich früh schon 
ganz unverhältnismäßig hohe subjektive Beschwerden. Unbehagen 
im Leibe, Druck, Vollsein, Uebelkeit, Aufstossen und Blähungen 
sind es, über welche geklagt wird und die bei vielen Patienten 
den Glauben an ein primäres Magenleiden erwecken. Die besonders 
lästigen Gasansammlungen kommen offenbar dadurch zu Stande, 
dass nicht, wie normal, genügende Gasmengen resorbiert werden. 
Die Ursache liegt wohl in dem mangelhaften Abfluss des Venen¬ 
blutes aus den Magen- und Darmgefässen. _ Mit der Blutstauung 
stellen sich auch Katarrhe der Schleimhäute des Magens und Darms 
ein, die ihrerseits wieder Veranlassung zu oft sehr reichlichen 
Blutungen geben können. 

Im Gegensatz zu diesen engen Beziehungen zwischen Herz¬ 
krankheiten und Magen-, Darmstörungen pflegen primäre Affek- 
tiouen des Verdauungsapparates nur sehr selten Erscheinungen am 
Zirkulationsapparat auszulösen. Sind aber derartige Wirkungen 
da, so treten sie meist sehr auffällig iu Erscheinung. Die Haupt- 
formen der gastrogenen Herzstörungen lassen sich iu drei Gruppen 
teilen. 1. tachykardische und allorrhythmische Zustände. 2. An¬ 
gina pectorls-artige Erscheinungen und 3. das sogenannte Asthma 
dyspeptioum. Die Ursachen liegen wohl zum Teil in Aufhebung 
des Vaguatonus durch Druck auf die Vagusendigungen in der 
Magenwand infolge von Dilatation, teils auch io direkter mechani¬ 
scher Beengung des Herzens, verursacht durch Blähungen der 
Verdauungsorgane. Es entsteht leicht ein Circulus vitiosus da¬ 
durch, dass eine primäre Behinderung des Blutabflusses aus den 
Magen- und Darmvenen zur Gasansammlung führt, welche ihrer¬ 
seits wieder die Herztätigkeit beeinträchtigt. Die Diagnose wird 
sich in erster Linie auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen 
Herzerscheinungen und Verdauungsstörungen stützen. Die Prog¬ 
nose ist nach Ansicht der meisten Autoren und des Verf. eine 
günstige. Die Therapie wird sich zunächst der Beseitigung der 
Verdauungsstörungen zuwenden. Hier kommen Diät, Massage, 
Faradisation in Betracht. 

3. Strasser, Blumenkranz, Wien: Zur Therapie der 
Hephritii. 

Die Verf. habeu'aehr gute Erfolge von protahierten warmen 
Bädern gesehen. Diese Bäder wurden während 1—iVa Stunden 
verabreicht. Die Temperatur betrug 34—35® C. Gesteigert wurde 
die Diurese, die Stickstoff- und ganz besonders die Kochsalzaus¬ 
scheidung. Die Verf. nehmen an, dass der längere Aufenthalt in 
dem warmen Medium eine Verbreiterung der Blutbahn in der 
Niere mit beschleunigter Zirkulation bewirkt. Die letztere wird 
relativ gleichmäßig erhalten. Im Verlauf der experimentellen 
Studien ergab es sich, dass es falsch ist anzunehmen, dass Kooh- 


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me. 


MBDICINISGHE WOCQB. 


171 


a&lzMientiDn imd WasaMt^entioB beim Nepbritikar das Entstehen 
der Oedeme verursachte. Verf. konnten bei einem Nepbritiker 
das Auftreten von Oedemen im Qesiobt 'bei vermehrter Eochsalz' 
und Wasseraussoheidung beobachten. Es würde das ein Beweis 
für die Richtigkeit der Annahme sein, dass eine Gef&asacbädignng 
die Ursache der Oedeme ist. Es hat sich als nicht praktisch er¬ 
wiesen die 1—iVastöndigen Bäder zu verläogem. 

4. Eaiserling, Berlin: Ueber Hervosität im an 

gynaekologiiobe Operationen. 

Nervosität nach gynaekologischen Operationen ist relativ häufig. 
Meist handelt es sich um ziemlich ausgeprägte Erregungszustände, 
teils auch um Apathie. Es werden ferner beobachtet Hemicrauie, 
Atembeschwerden, Herzpalpitationen, Herzschmerzeo, Uebelkeit 
und Obstipation, auch Paraestbesien aller Art. Die Behandlung 
ist am besten eine hydrotherapeutische. Teilwaschungen und 
Ganzpackungen wirken günstig. Des weiteren kommen Halb¬ 
bäder in Betracht. Auch von dem Strombad hat Verf. gutes 
gesehen. Das gleiche gilt von den Kohlensäurebädem. Neben 
dieser Therapie wird eine zweckmäßige Lebensweise mit geeig¬ 
neter Diaet in Frage kommen. Nach Ansicht des Verf. lassen 
sich diese postoperativen Neurosen teilweise vermeiden, es Hegt 
dies in der Hand des Operateurs. 

5. Uffenheimer, München: Veher das Verhalten der 
Tnberkelbaeillen an der Eingangspforte. 

Baumgarten meint dass bei Fütterung von Tuberkelbaoillen 
eine Lungenaffection durch Aspiration entsteht, dieser Ansioht 
schliesst sich der Verf. nicht an. Ferner glaubt Baumgarten 
dass bei Fütterungstuberkulose die von anderen Autoren behauptete 
Unversehrtheit der Darmwand mikroskopisch nicht erwiesen sei. 
Verf. hat demgegenüber bei seinen Untersuchungen niemals eine 
Alteration der Darmwand gefunden sondern steht auf dem Stand¬ 
punkt, dass die Tuberkelbaoillen die Darmwand ohne Lokalalte¬ 
ration passieren können um in den Lymphdrüsen erst zur Ausied- 
luQg zu gelangen. Eine entstehende Darmtuberknlose ist unter 
Umständen auf retrograden Transport zurückzuführen. 

6. Kempner, BerHn: Veber Stönmgen im Angengebiet des 
Tngomiaiis, speiieU des Cornoalreflexoi und ihre diagnostische 
Verwertung. 

Die schon in einer früheren Nummer begonnene Arbeit wird 
in dieser Vorliegenden Nummer zu Ende geführt. Die Elrgebnisse 
der Untersuchungen des Verfassers lassen sich ungefähr folgender¬ 
maßen zusammenstellen. In 32 Fällen war eine einseitige Auf¬ 
hebung resp. Herabsetzung des Cornealreflexes zu konstatieren. 
Doppelseitig wurde die Reflexstörung 31 mal gefunden. Zur Unter¬ 
scheidung organischer und psychogener Refiexstöimng sind folgende 
3 Punkte zu beachten, a) Organische Reflexstörung. l. Die Störung 
ist meist einseitig. 2. Sie ist meist mit Sensibilitätsstörung ver¬ 
bunden. 3. Diese ist wie auch die Reflexstörung selbst oft progre¬ 
dient. b) Funktionelle Reflexstörung. 1. Sie ist meist doppelseitig. 
2. Die Sensibilitätsstörung fehlt oft. 3. Reflexstörung und Sensi¬ 
bilitätsstörung sind nicht progredient sondern regellos wechselnd. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. is. 

1. Vas. Budapest: Vober Tjrphusbaoterinrie und deren 
Verhftltnif sn den Vieren. 

Die Typfausbacteriurie pflegt gewöhnlich in der zweiten oder 
dritten Woche der Krankheit aufzutreten, ihre Häufigkeit schwankt 
zwischen 10 und 26%. Die Anzahl der Bacterieu scheint eine 
sehr grosse zu sein. Verf. hat sidi die Aufgabe gestellt fest- 
zustellen, in welchem Zustand sich die Nieren der Patienten be¬ 
finden, die Typhnsbacteriurie aufweisen. Diese Untersuchungen 
haben ergeben, dass ein ursächHcher Zusammenhang zwischen 
Typhnsbacteriurie und Nierenerkrankung nicht zu bestehen braucht, 
es kommt die Typhusbaoteriurie auch ohne jede Eiweissausscheidung 
vor. Allerdings kann sich die Typhusbakteriurie mit Pyurie und 
Cystitis vergesellschaften. Beachtet muss jedenfalls werden, dass 
auch durch den Typhus-Urin Kranker Typhusbacillen verbreitet 
werden können. 


2. Moro und Murath, Graz: Uäber baktmalle Komrangi« 
itoff» des BAnglingsblntes. 

Die Verf. haben festgestellt, dass bei normalem Frauenmilch¬ 
stuhl eiue Entwicklung von nachweislich vorhandenen Fäulnis- 
erregem nicht zu Stande kommt. Auch andere Bacterien ent¬ 
wickeln sich auf dem mit normalem Frauenmilchstubl versetzten 
Nährboden so gut wie gamicht. Aus diesen Untersnehungsresul- 
taten hatten die Verf. den Sohluss gezogen) die Stoffwechselpro¬ 
dukte der normalen Darmbacterieu besitzen eine eleotive, anta- 
gonistisohe Wirkung gegenüber jenen Arten, die dem Darm firemd 
sind. Die weiteren Untersuchungen haben nun ergeben, dass im all¬ 
gemeinen die bakteriellmk Hemmungsstoffe der Säuglingsstühle weniger 
wirksam zu sein Sßheinen, als jene beim Erwachsenen. Aus allen 
Untersuchungen lassen sioh folgende Schlüsse g «<M>Tntnflwffta«A n 
1. Der normale Säuglingstuhl enthält intensiv wirksame bakterielle 
Hemmungsstoffe. Die an der uatürlü^en'Schutzkraft des Darmes 
wesentlich beteiligt sind. 2. Der quantitative Gehalt an Hemmnnga- 
stoffen ist abhängig vom Gesundheitszustand des Darmes, unab¬ 
hängig hingegen von der Emährungsart und vom Alter des Säug¬ 
lings. 3. An der Bildung der Hemmungastoffe scheint das B. coli 
commune den hervorragendsten Anteil zu nehmen. 


Die Ausstellung 
für Säuglingspflege in Berlin. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Die leider nach allzu kurzem Bestehen nunmehr schon ge¬ 
schlossene Ausstellnng für Säuglingspflege bildet ein wichtiges 
Glied in der in jüngster Zeit sioh mächtig entwickelnden Kette 
derjenigen Bestrebungen, welche daranf abzielen, die gerade in 
Deutschland erschreckend hohe Säuglingssterblichkeit — im Durch¬ 
schnitt geht jetzt im deutschen Reidie ungefähr der fünfte Teil 
aller Lebendgeboreneu vor Ablauf des ersten Lebensjahres wieder 
zu Grunde — herabzumindern. Die Ausstellung will zur Er¬ 
reichung dieses Zieles in verschiedener Weise beitragen: einmal, 
indem sie die Besucher über den Umfang der SäuglingssterbHch- 
keit informiert, dann, indem sie eindringlich den Wert der natür¬ 
lichen Eruähruog klarlegt, schUessHch, indem sie vorführt, in 
welcher Weise eine künstHche Ernährung zweckmäßig geleitet 
werden muss und wie sonstige dem Säugling sohädliche Elm¬ 
wirkungen vermieden werden können. Dementsprechend gliederte 
sich die Ausstellung in folgende sechs selbständige, von je einem 
Vorsteher geleitete Abteilungen: 

I. Statistik (Wttrzburg): In graphischen Darstellungen, Karto¬ 
grammen und Photographien wird hier der Umfang der Säuglings¬ 
sterblichkeit vorgefübrt. Ganz besonders interessierte uns eine 
vom Kaiserlichen Gesundheitsamte ausgestellte Karte, die bewies, 
dass die einzelnen Teile des deutschen Reiches eine ganz ver¬ 
schieden hohe Säuglingssterblichkeit aufweisen. Auch das Ver¬ 
hältnis der Kindersterblichkeit zur Tuberkulose sowie zur Wehr¬ 
fähigkeit wird illustriert. 

II. Entwicklung des SäugHugs^ (Bendix): Zahlreiche Tafeln, 
Curven und Photographien sowie vortreffliche Präparate führen 
hier zunächst die normale Entwicklung des Säuglings vor. Daun 
werden die Entwicklungsstöruogeu, die Ursachen der Säuglings- 
sterbUchkeit demonstriert. Dazu gehören einmal direkte Ursachen, 
wie die Krankheiten des Säuglingsalters, die Krankheitserreger, 
daun die Beschaffenheit normaler und pathologisch veränderter 
Orgaue, dann kommen in Betracht allgemeine Ursachen, wie Rück¬ 
gang des Stillgeschäftes, unzweckmäßige Ernährung (darunter sehr 
anscbauUcb die UeberfÜttemng),^ Einfluss^^von Stadt und Land, 
allgemeine Lebensführung, Wohnuugs- und Bevölkerungsdichtigkeit, 
EheHchkeit und Unehelichkeit, Beschäftigungsweise, Wasserver¬ 
sorgung etc. 

in. Säuglingsernährung (Salge und Langstein): Hier wird die 
Lehre von der Milch vorgeführt, ihre Physiologie, ihre Pathologie, 
diej,Veränderungen, .dio sie imStoffwechsel erfährt. Sehr klar 
werden die fundamentalen Unterschiede zwischen der Muttermilch 
und jeder anderen künstlichen Ernährung demonstriert, und un¬ 
zählige Male den Müttern klargelegt, dass sie fiurch Selbststillen 


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172 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 16. 


ihres Kindes dasselbe in einer sonst niemals im Leben za er¬ 
reichenden Weise fördern. Weiter wird dann das Wesentliche 
der künstlichen Ernährung gezeigt, (die üblichen umfangreichen 
Keklameausstellungen der Nährmittelfabrikate hätten wohl etwas 
eingeschränkt werden können!) ferner wurden die Ernährungs¬ 
störungen und Darmkrankheiten zum Teil durch^ ausgezeichnete 
Moulagen erläutert. 

IV. Praktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Säuglings¬ 
sterblichkeit (Finkeistein): Diese Abteilung umfasst wiederum 
einen Teil der auf Förderung der natürlichen Ernährung ge¬ 
richteten Bestrebungen (Belehrung, Stillprämien, Schutz in ge¬ 
werblichen Betrieben, Beaufsichtigung des Armenwesens usw.), 
dann zeigte sie die zur Verbesserung der künstlichen Ernährung 
vorhandenen Apparate, Instrumente und Einrichtungen (Mileh¬ 
steigerung, Behandlung der Milch, Ersatzmittel, Verfälschungen, 
Ueberwachung des Verkehrs mit Milch), schliesslich führt sie in 
Bildern und Modellen die für Säuglinge vorhandenen Wohlfahrts¬ 
einrichtungen (Säuglingsasyle, Kinderheime, Fürsorgestellen etc.) 
vor. 

V. Hygiene des Säuglings (Cassel): Hier wird die Hygiene 
des Säuglingszimmers, die zweckmäßige Einrichtung eines solchen 
von der einfachsten bis zur elegantesten Form gezeigt, die all¬ 
gemeine Körperpflege des Säuglings und die Fürsorge für Früh¬ 
geborene durch Apparate, Instrumente etc. vorgeführt und schliess¬ 
lich in anschaulichen Modellen die zur Verhütung von Erblindung 
und von G-ehörstörungen nötigen Maßnahmen erläutert. 

VI. Das Haltelduderwesen (Pütter): Hier wird durch Dar¬ 
stellung von Zeichnungen, die von Polizei- und Gemeindever- 
waltungen'verschiedener Städte ausgestellt sind, die Aufsicht der 
Behörden über Halte- und Ziehkinder vor Augen geführt. 

Die Anordnung der Ausstellung, als deren oberste Leiter 
Heubner und Dietrich zeichnen, verdient uneingeschränktes 
Lob. Ganz besonders hervorheben müssen wir aber noch den 
Katalog. Dieser gibt nicht, wie sonst meist üblich, eine trockene 
Aufzählung der Ausstellungsgegenstände, sondern er erläutert 
diese in anschaulicher, nicht misszuverstehender Weise. Ueberdies 
enthält er ausser einer für jede Abteilung von deren Leiter ge¬ 
schriebenen Einleitung eine Reihe von Aufsätzen, die ihn zu 
einem wertvollen Nachschlagebuch für Mütter machen^ auch der 
Arzt wird ans manchem Artikel Belehrung schöpfen können. 

Wie wir hören, soll der grössere Teil der Ausstellung er¬ 
halten und zu einem Museum^ für Säuglingspflege ausgestaltet 
werden. Dieser Plan ist gewiss aufs freudigste zu begrüssen und 
nur zu wünscflien, dass die Aufstellung dieses Museums an einer 
von allen Teilen Berlins aus leicht zugänglichen Stelle erfolgen 
möge. 


Aufruf! 

Am 7. Juli des vergangenen Jalxres durcheilte die Trauer¬ 
kunde vom Tode Hermann Nothnagels die Welt. 

Ein genialer Kliniker, ein grosser Forscher, ein erhabener 
Menschenfreund war aus dem Leben geschieden. 

Das Andenken Nothnagels ist für alle Zeiten geweiht! Aller 
Pflicht ist es, die Flamme der Erinnerung an ihn, an seine Liebe 
und Aufopferung für die leidende Menschheit, an seine Hingebung 
und Treue für Freunde und Schüler zu hüten und wach zu 
erhalten. 

In diesem Wunsche sind einig: die in allen Zonen tätigen 
Schüler, für die der Kliniker ein begeisterter und richtungsgeben¬ 
der Lehrer war, die Aerzte aller Länder, die aus den Werken 
des Forschers neues fruchtbringendes Wissen geschöpft haben, die 
Hunderttausende, denen er im schweren Leiden ein Helfer und 
Tröster gewesen ist. 

Schüler und Kollegen Nothnagels haben sich vereint, die¬ 
sem Empfinden für den Unvergesslichen durch ein Werk Ausdruck 
zu verleihen, das Generationen überleben soll; Ein Denkmal im 
Arkadenhofe der Wiener Universität führe die Gestalt des ge¬ 
liebten Meisters den Kommenden vor Angen. 


Seinen Namen möge eine Stiftnng tragen, deren Ertragnis als 
Ehrenpreis für eine „Nothnagel-Festvorlesung“ bestimmt ist, 
welche alljährlich von hervorragenden Forschem des ln- und Aus¬ 
landes an der Stätte gehalten werden soll, an der N othnagel durch 
Jahre ruhmvoll und segensreich gewirkt hat. 

Diese Form, das Andenken eines Grossen auf dem Gebiete 
der Wissenschaft zu ehren — an Hochschulen des Auslandes scdion 
mehrfikch bewährt — vermisst unsere Universität bis auf den 
heutigen Tag, Eine derartige Schöpfung wäre die würdigste Art, 
dem Genius Nothnagels pietätvoll zu huldigen, und sie wäre 
ganz in seinem, dem dauernden Fortschritte zugewendeten Geiste. 

Wir sind von der Ueberzeugung erfttUlt, dass unser Ruf bei 
Tausenden Widerhall finden wird, die mit bewegten Herzen an 
dem schönen Werke werden teilnehmen wollen. 

Das vorbereitende Komitee: 

E. Bamberger, R. Breuer, R. Chrobak, E. v. Czyhlarz, 
J. Donath, £. v. Frankl-Hochwart, A. Hammerschlag, 
N. V. Jagic, R. V. Jaksch, Th. v. Kogerer, K v. Leyden, 
H. Lorenz, J. Mannaberg, A. Müller, E. v. Neusser, 

F. 0bermayer, 0. Rosenbach, C. Rudjnger, L. v. Schrötter, 

F. Wechsberg. 

Das grosse Komitee, dem Aerzte aus allen Weltteilen an¬ 
gehören, ist in Konstituierung begrifTen. 

Beiträge für den Nothnagel-Denkmal- und Stiftnngsfonds 
werden erbeten, an die Redaktion dieses Blattes oder an Dr. 
Nikolaus v. Jagic, Assistent der I. med. Klinik, Wien IX./3, All¬ 
gemeines Krankenhaus. (Postsparkassa-Scheck Nr. 86,370.) 


Vermischtes. 

Berlin. Am so. d. Mts. fand im Kultusministerium die 
Generalversammlung des Zentralkomitees für dasRettungs- 
wesen in Preussen unter Vorsitz von Exzellenz v. Bergmann 
und Geh. Obermedizinalrat Dr. Dietrich statt. Nach Erledigung 
geschäftlicher Angelegenheiten wm'de die Tätigkeit des Zentral¬ 
komitees geschildert. Es erfolgte hieranf die Vorlegung des Be¬ 
richtes über den Stand des Rettungs- und KrankenbefÖrderungs- 
wesens im Deutschen Reiche. Der Vorsitzende machte dann der 
Versammlung Mitteilung von der Uebergabe einer Denkaobrift an 
den Reichskanzler, betreffend die Uebemahme und Erhaltung des 
Rettungswesens dnrch die Gemeinden. Eine Ergänzung zn der 
Denkschrift bilden die der Versammlung zur Kenntnisnahme vor¬ 
gelegten Entwürfe von GrundzUgen für die Regelung des Kranken- 
beförderungsweeens, die Herstellung der Krankenbefördemngsmittel, 
für die Einrichtung der ersten Hülfe in Krankenhäuaem, für die 
erste Versorgung Bewustloser und von Krankenhausaufnahme¬ 
scheinen, über welche der Generalsekretär eingehenden Bericht 
erstattete. Nach einer lebhaften Erörterung, an welcher sich die 
Herren San.-Rat Alexander, Exz. v. Bergmann, Geh.-Rat 
Heyder, Prof. George Meyer, Geh.-Rat Pütter, Geh.-Rat 
Schwechten, Generalarzt Scheibe nnd Dr. Streffer (Leipzig) 
beteiligten, wurden die Grundzüge im grossen nnd ganzen auge- 
nommeu und hierauf mehrere Kommissionen zur Ermittelung 
weiterer wichtiger Verhältnisse auf dem Gebiete des Rettungswesens 
besonders im öflentlichen Verkehr, in Bergwerken etc. gewählt. 

Bürlin. Als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Geb. 
Rats Prof. Dr. Lucae übernimmt Geh. Rat Prof. Passow die 
Direktion der Universitätsklinik und Poliklinik für Ohrenkranke. 

Borlln. Prof. Dr. de la Champ, bisher Assistent an der 
Krau s’sehen Klinik in der Königl. Charit^, ist als ausserordentlicher 
Professor und Direktor der medizinischen Poliklinik nach Marburg 
berufen und tritt sein dortiges Amt bereits am 1. April an. 

Berlin. Für die vom Zentralkomitee für das ärztliche 
Fortbildungswesen in Preussen veranstalteten Kurse im 
Sommer findet die Kartenausgabe vom 28. März bis 1. Mai 
statt. Alles Nähere durch das General-Sekretariat, Berlin, LaiBen- 
platz 2—4. 


Verantwortiieher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. M, Kurfürstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dniek Taa der Hejraesaaaa'schea Bnchdnicfcerei, Gabr Halls a. S. 


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Medicinische Woche 


Deotschmann, 

Hamburg. 


A. DQhrssen, A. Hofft. 

Berlin. Berlin. 

H. Senator» 

^rlio. 


E. Jacob!, 

Preiburg i. Br. 

R. Sommer. 
Qiessen. 


Herausgegeben von 


R. Robert M. Koeppen. K. Partich. 

Rostock. Berlin. Breslau. 

H. Unverrlcbt A. Vossina. 
Magdeburg. Olessen. 


H. Rostn, 

Berlin. 


H. Schlange, 

Hannover. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold In Halle a. S.« Uhlandstrasse 6. 



Redaktion: 

Berlin W. 62« Knrfflrstenstrasse 81. 


Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Pernsprecher S2a. 



Dr. P Meißner. 



Vn. Jahrgang. 16 . April 1906. Nr. 16. 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalnCOlOgiSClie CciltralzeltUngt Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbldertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung [von Carl Marhold in Hai] e a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4geBpaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 FM. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt Ermäßigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Gekochte oder rohe Milch? 

Von Dr. Walther Nie. Clemm, 

Arzt für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Darmstadt. 

Als Robert Koch die Reihe seiner weltgeschichtlichen 
Entdeckungen mit der Feststellung derjenigen Bazillen, die 
„nicht bloss eine Ursache der Tuberkulose, sondern die ein¬ 
zige Ursache derselben sind“*) eröffnet hatte, war die noch 
heute bei Vielen geltende Annahme, dass es sich dabei um Ent¬ 
deckung und Feststellung des Bazillus der Säugetier¬ 
tuberkulose (d. h. der von anderen Sängern auf den Mensch 
übertragbaren mörderischen* Zehrung) gehandelt habe, das 
Signal zu einer allgemeinen Panik: Wie konnte noch Jemand 
wagen Milch kuhwarm zu trinken, wie sie früher kurmäßig 
gerade bei Schwächlichen und Kranken angewandt wurde, wie 
überhaupt durfte Milch noch roh, d. h. nicht sterilisiert oder 
desinfiziert, genossen werdeni Das war ja der reine Selbst¬ 
mord! Und doch liefen solcher Selbstmörder mindestens die 
Hälfte aller Deutschen wild herum; aber keiner von ihnen 
dachte daran, dass, was zu seiner Zeit gegolten hatte, doch 
auch jetzt noch gelten müsse, dass doch unmöglich die kleinen 
Feinde, die leben wie Tiere und wachsen wie Pflanzen, nur 
deshalb früher nicht so schlimm waren, weil sie noch kein 
neugierig Menschenauge erblickt hatte und sich jetzt die Ko¬ 
bolde für solche Entweihung, solch Eindringen in ihre Geheim¬ 
nisse rächten! 

Was half es, dass Koch selbst auf Grund seiner gross- 
artigen und so bewundernswert gewissenhaften Studien den 
Zusammenhang, die Indentität der Rindvieh- und der Menschen- 
Tuberkulose verneinte auf jenem berühmten Tuberkulosekon¬ 
gress in London: Gegen den Meister erhob sich lärmender 
Widerspruch der Schüler, die nicht so gewaltigen Geistes 
waren, vom einmal erfassten Irrtum wieder zu lassen. Und 
die paar Trottel, die da dachten, was früher nichts geschadet 
hat, tut auch heute gut, die sah und hörte keiner! 

Ich kenne einen der Letzteren schon so lange ich lebe 
und, wie ich glaube, ziemlich genau, der schlussfolgerte aus 
seiner Familiengeschichte und eigener Entwickelung, da?s die 
grösste Tat Koch’s die war, dass er ein selbsterbautes Wahn¬ 
gebäude mit eigener Hand wieder einriss. Der betreffende 
Kollege stammt väterlicherseits aus einer kerngesunden Familie; 
seine Mutter dagegen litt vor ihrer Verheiratung mit 18 Jahren 
an Hämoptoe, ein Bruder uod eine Schwester derselben sind 
an Lungenschwindsucht in Madeira resp. Habanna gestorben. 
Die Mutter war in den ersten 25 Jahren ihrer Ehe wieder 
völlig frei von tuberkulösen Erscheinungen, dann befiel sie 

*) Robert Koch, Mittl. a. d. Kaiser!. Qos.-Amt, Bd. 2, 1884, p. 46. 


eine akute Infektion der serösen Häute, im Kehlkopfe be¬ 
ginnend und von da über Lungen, Lungenfell und Bauch¬ 
fell sich ausbreitend, von der sie nur sehr schwer und lang¬ 
sam sich erholte unter gewaltigen, lange zurückbleibenden 
Spuren an der Lunge. Allerdings starb sie fast 20 Jahre 
später an Atherosklerose ohne die gelinkten Spuren einer 
tuberkulösen Erkrankung aufzuweisen. — Der Junge war ein 
zartes Kind und machte alljährlich mit rührender Pünktlichkeit 
und bewundernswerter Gewissenhaftigkeit im Frühjahr seinen 
Bronchialkatarrh durch, welcher dreimal durch Ausbreitung 
auf die Lungen das Leben gefährdete; erkältete er sich ein¬ 
mal, so hatte er, so prompt wie der Weck auf dem Laden¬ 
brett abgeht, auch ausser der gewohnten Zeit seine Erkrank¬ 
ung der Bronchialschleimhäute weg. 

Und dieser selbe, so schwer erblich belwtete und mit 
solch entwickeltem punctum minimae resistentiae aus^estattete 
Knabe besuchte in offenbar selbstmörderischer Absicht den 
Kuhstall eines benachbarten Bauern ganz regelmäßig, um von 
gänzlich ungeimpften Kühen körperwarm die Milch zu trinken. 
Es gelang ihm trotzdem nicht, den stets katarrhalischen Cha¬ 
rakter seiner Erkrankungen der Luftwege in einen tuberku¬ 
lösen zu verwandeln und — ein Kuriosum, das hier bemerkt 
und hervorgehoben sein soll, für das mir aber jede Erklärung 
fehlt — mit seinem elften Lebensjahre erlosch jene 
so fatale Regelmäßigkeit und Promptheit zeigende Neigung 
seines Luftverarbeitungsapparates zu aufgelockerten und ge¬ 
schwollenen Schleimhäuten, genau wie derHausarzt, der 
alte von Dusch, es schon Jahre zuvor angekündigt 
hatte. 

Freilich blieb noch eine grosse Empfindlichkeit zurück, 
die erst nach verschiedenen späteren Bronchialkatarrhen syste¬ 
matischer Abhärtung allmählich wich. 

Als dann infolge einer Aspiration sich beim 37jährigen 
Manne jene bösartige Form der Pneumonie samt Pleuritis, in 
zum Glück scharf umgrenztem Herde sich haltend, entwickelte, 
während eine vorhergegangene schwere Magen-Darminfluenza 
jedwede Esslust geraubt und die Kräfte bereits sehr herunter- 
gebracht hatte, da bot derselbe der Infektion breite Einfahrts¬ 
strassen. Um sich rasch wieder zu erholen und zugleich um 
einen Reservevorrat an Kraft zu sammeln, genoss der Kollege 
dann allabendlich Liter ganz gewöhnlidier fetter, aufge- 
rahmter, unabgekochter Kuhmilch während seiner Rekon¬ 
valeszenz und noch etwa 1 Jahr lang danach, bis die unan- 

f enehmen Folgen solches Leichtsinns sich in erschreckender 
orm zeigten: Er nahm bedenklich an Umfang zu, so dass er, 
um nicht einen Schneider ständig für sich mit Weitermachen 
seiner Kleider beschäftigen zu müssen, auf den liebgewordenen 
Abendtrunk, zur tiefsten Trauer und Betrübnis der Antialko¬ 
holiker sei es geklagt, verzichten musste! 

Ich glaube nicht, dass grössere Gelegenheit zur Tuber¬ 
kuloseübertragung durch rohe Milch geboten werden kann, als 
in diesem Falle geschehen ist, — wenn sie eben Überhaupt 


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174 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 16. 


auf diesem Wege möglich wäre! Und dieser, heute [kernge¬ 
sunde Mann — es haben schon viele seinen Thorax aufs Ge¬ 
naueste untersucht — wurde von einer Amme gesäugt, 
die 20 Jahre später an der Schwindsucht starb! 

Angesichts der Veröffentlichungen, welche neuerdings 
V. Behring in einer ebenso neuen als ungewöhnlichen, den 
alten Ben Akiba beschämenden Weise durch „Die Woche“ 
und durch den Mund von Zeitungsreportern der staunenden 
Welt kund zu geben pflegt, noch ehe sie vor dem Forum der 
Wissenschaft auf ihren Wert geprüft werden konnten, habe ich 
diese Geschichte eines Individuums so ausführlich gebracht. 

Die Sturmflut von Gegenschriften aus berufensten Federn 
bis zu den ungeübtesten und ungelenktesten hinab, enthebt mich 
des näheren Eingehens auf jene phantastischen Vorstellungen, 
deren anatomische Grundlage — der nackte, nach Behring 
epithellose Darm des Säuglings — ja ebenfalls zerstört ist, 
indem dieser nackte Rinderdarm sogar in ein besonders gut¬ 
gearbeitetes Schleimhautdeckkleidchen von fleissiger Forscher¬ 
oder Forscherinnenhand eingehtillt worden ist. Es werden also 
kaum die Milchtuberkulosebazillen in zartester Jugend, in den 
ersten Lebensmonden, in die Blutbahn bineinpilgem, um da 
ganz nach Bequemlichkeit und Belieben zehn, zwanzig, dreissig 
Jahre und läWer ein beschauliches Dasein zu führen, dann 
aber plötzlich loszubrechen und mit üblen Genossen anderer 
Spezies über den aiglosen Wirt herzufallen und mit Raub und 
Mord in seinem Zellenstaat zu wüten. 

Es ist daher auch nicht nötig, darauf einzugehen, welche 
Aburteilung die xait Formaldehyd nach Behring’s patentier¬ 
tem Verfahren verbÖserte Milch erfahren hat, es genügt, fest¬ 
zustellen, dass diese Belebung alter furchterzeugender Vor¬ 
stellungen gründlich fehlgeschlagen ist. 

Hoffen wir, dass das geheimnisvoll wunderbare Behring- 
sehe Tuberkulose-Heilmittel, von dem uns Berichterstatter 
französischer Tageblätter zu künden wussten, auf einer ge¬ 
diegeneren Grundlage beruht, als die auf das Märchen vom 
na(»ten Säuglingsdarm gegründete Aetiologie es getan hat! 

Wenn so die eingebildete Hauptgefahr, welche im Genüsse 
der rohen Milch zu liegen schien, zu einem kleinen Frage¬ 
zeichen zusammengeschnimpft ist, so bleiben dennoch gar 
manche und ernsthafte Bedenken gegen ihren Gebrauch be¬ 
stehen, wie sie durch die zweifellos mögliche Uebertragung 
von Milzbrand- und Eitererregern und Keimen anderer Art 
g^eben sind. Aber dagegen vermag unseres Erachtens eine 
gute Stallpolizei vollauf zu schützen, indem die Milch irgend¬ 
wie kranker Tiere gänzlich vom Verkehr ausgeschlossen wird, 
indem nur mit äusserster Reinlichkeit beim Melken verfahren, 
indem der Stall peinlich sauber gehalten wird und nur gesunde 


Feuilleton. 


Kurorte an der ßiviera Levante. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Während die Kurorte an der französischen Riviera und 
die ihr ganz nahe gelegenen italienischen San Kemo und Bor- 
digbera sich schon seit Jahrzehnten der Gunst und des Be¬ 
suches derjenigen Glücklichen aus aller Herren Länder erfreuen, 
denen es vergönnt ist, im sonnigen Süden sich einen Vorsommer 
zu verschaffen, war die Riviera Levante bis vor wenigen Jahren 
eigentlich etwas vernachlässigt. Nunmehr hat aber die Kennt¬ 
nis ihrer Reize im Publikum so zugenommen, haben sich ein¬ 
zelne Orte derart entwickelt, dass es für die Aerzte notwendig 
erscheint, über die Riviera Levante ein wenig genauer orientiert 
zu sein. Wir wollen daher die bei einem diesjährigen Aufent¬ 
halt dort gesammelten Erfahrungen und Eindrücke kurz schildern 
in der Hoffnung, diesem oder jenen Kollegen dadurch eine 
Bereicherung seiner diesbezüglicnen Kenntnisse vermitteln zu 
können. 

Abgesehen von ^ner Reihe kleinerer, für eine allgemeine 


Menschen mit frischgewaschenen Händen und in sauberer Eilei¬ 
dung das IMelken und Äuffangen der Milch in vollkommen 
reinentGefässen besorgen. 

Gegen die übertriebene Rohmilcbangst spricht doch auch 
der vollkommen gefahrlose und überall erlaubte Genuss der 
Butter und der Sahne, die beide bakteriologisch reich, beson¬ 
ders an Tuberkelbazillen, gefunden worden sind. Wie sollte 
auch vom Verdauungaschlauche aus, während dieser selbst in¬ 
takt bliebe, die Lungeninfektion erfolgen? Welches wären die 
Wege, die den Einzellern da vorgeschriebeii wären, um ein so 
fernes Ziel zu erreichen, ohne unterwegs in anderen Lieblings- 
Stätten, den Drüsen des Darms und des Bauchfells, in diesem 
selber, in Leber, Milz und Nieren etc-, einzunisten und ihre 
Spuren zu hinterlasson?! 

Aber trotz alledem wäre es gewiss am Vorsichtigstem 
unsere Nahrungsmilch vor dem Genüsse zu kochen — wenn 
eben nicht vielleicht schwerwiegende Bedenken dagegen sprächen. 

Ich habe schon mehrfach bei Diäterörterungen darauf hin¬ 
gewiesen, wie wesentlich es ist, die für die Verdauung der 
Milch in unserem Darme so notwendigen, ihr innewohnenden 
Spaltpilze zu erhalten und nicht durch Kochen zu zerstören. 
Es ist dies durch die bekannten Arbeiten von Bienstock, 
Strassburger, Schlossmanh, Morro u. A., Allerdings im 
Gegensätze zu solchen aus Behring’scher Feder erwiesen. 
Aber es ist noch ein Gesichtspunkt, der das Abkochen der 
Milch widerraten lässt: Wie alle eiweisshaltigen Nahrungs¬ 
mittel, so erfährt auch die Milch eine Entwertung durch phy¬ 
sikalische Verändemng in der Stmktur des Eiweissmoleküls 
büsst von ihren leicht aufsaugbaren Werten ein und lässt die 
Stoffwechselbilanz schwerer aufrecht erhalten, als dies mit 
roher Milch möglich ist. 

Ausserdem wirkt auch rohe Milch anregend auf trägen 
Darm, während gekochte ihn verstopft, und während der 
köstliche Geschmack des unveränderten Stallerzeugnisses an¬ 
reizend auf die Esslust sich bewährt, nimmt Vielen die ge¬ 
kochte Milch den Appetit. . ; . , 

Ist aber doch die Bazillenfurcht zu gross, um zur Naturmilch 
zurückzukebren — und die Verantwortung, welche in der Üeber- 
redung dazu immerhin doch liegt, will auch nicht Jeder auf 
sich nehmen, — so bleibt noch immer ein Ausweg, die Milch 
unter Erhaltung ihrer Vollwertigkeit ungekocht, unberaubt 
ihrer natürlichen Eigenschaften, zu geniessen: indem dieselbe 
nämlich der natürlichen Sterilisation durch die bazilläre Säue¬ 
rung mit Hilfe des bacillus acidi lactici unterworfen wird- Da¬ 
durch werden bekanntlich die Schädlinge so ausgiebig zerstört, 
dass eine gute Sauermilch oder ein frisch daraus Tjereiteter 
Magerkäse, letzterer durch ein Sieb gleichmäßig fein verteilt 


Betrachtung belangloser Ortschaften, in denen sich allerdings 
auch ganz gut und besonders recht billig leben lässt, sind es 
vier Orte, die der Riviera Levante ihre Bedeutung verleihen; 
Nervi, S. Margherita Ligure, Rapallo und Seatri Levante. 
Noch li^t die Zeit nicht allzu weit hinter uns, wo es in ärzt¬ 
lichen Weisen leider recht üblich war, Lungenkranke ohne 
nähere Bezeichnung des Ortes „an die Riviera“ zu schicken; 
meist geschah dies auf Grund von Kenntnissen vom grünen 
Tische her und führte zu den unangenehmsten Folgen für die Ver¬ 
schickten. Von allen Orten der Riviera wüssten wir eigentlich 
nur einen einzigen für Tuberkulöse geeigneten, das ist Nervi; 
allenfalls käme noch Mentone in Betracht, aber seine allzu nahe 
Lage bei dem aufregenden Monte Carlo dürfte zur Vorsicht, 
besonders bei etwas temperamentvollen Kranken, mahnen. 
Nervi ist durch seine ganz ausserordentlich geschützte Lage, 
seine trockene und staubfreie Luft, seine starke und intensive 
Besonnung, durch die geringen Niederschläge, durch das Fehlen 
plötzlicher Temperaturschwankungen, durch seine Einrichtungen 
— viele Gärten, Liegehallen, ebene Promenaden — ganz ex¬ 
quisit für Lungenkranke zu empfehlen; auch für Nierenkranke 
halten wir es für ausserordentlich geeignet. Die Hotels sind 
gut eingerichtet, bieten jeden Komfort und sind in mannig¬ 
fachen Abstufungen von den elegantesten bis zu den auch für 
den weniger gefüllten Geldbeutel erschwinglichen vorhanden; 


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1906. 


MBDIOmiSGHE WOCHE. 


175 


und mit saurem Rahm buttergleich angerührt, ein auch für den 
Ängstlichsten gefahrloses und wohl das zweckmäßigste und 
beste von allen Essen darstellt. Es sollte viel m^r dafür 
eingetreten werden, dass diese unübertreffliche Kost auf Kranken^ 
^eisezetteln einen bedeutend grösseren Raum einnehme, als 
dies tatsächlich der Fall ist! 

Wir leben im Zeitalter der Bazillenfurcht und diese fear 
of germs hat z. B. im Laode des Spleens schon ganz nette 
Ableger dieses Stammeslieblings gezeitigt — der, wie man er¬ 
zählt, schon hoffnungsvolle überzeugte Anhänger dazu gebracht 
hat, sich aus Furcht vor Langeweue zu erschiessen —; aber 
wir danken ihr auch anderseits gewaltige Fortschritte in der 
Hygiene und hoffen noch viel mehr durch sie zu erreichen; 
aber trotzdem ist es unseres Erachtens doch auch schon man¬ 
ches Mal angezeigt, dem Gespenste entgegenzutreten und ihm 
einen Kaub, den es gar zu dreist sich auf Kosten des Volks¬ 
wohls bereits angeeignet hat, wieder streitig zu machen, der 
zwecklosen Milcnentwer tung durch Kochen entgegen¬ 
zutreten wo letzteres nicht aus besonderen Gründen geboten 
erscheint. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner nied/Uyinieche QeseUsch^xfi;, 

Sitzung vom 21. März 1906. 

Tilmans: demonstriert Präparate von multiplen Osteom¬ 
bildungen. 

Meier (Wildimgen) zeigt ein neues Endoskop der Blase. 
Der Urin wird durch eine mit der Wasserleitung in Verbindung 
gebrachte Vorrichtung abgesogen: alsdann ist mit dem neuen In- 
stmment eine direkte Besichtigung der Blasenwand ohne Flüssig¬ 
keitsmedium möglich. 

Silb erstein demonstriert einen Patienten, bei dem wegen 
Sattelnase eine Paraihninjektion vorgenommen wurde, worauf den 
nächsten Tag sich Amaurose einstellte. Den Verdacht, dass das 
Paraffin nach dem Optikus hingeflossen und diesen geschädigt, be¬ 
stätigte eine vorgenommene Operation nicht. Vielleicht handelte 
es sich um eine Thrombose der Vena centralis. 

Stricker hat mit einem Sarkom, das vom Penis eines Hundes 
stammte,' Ueberimpfungsversuche auf andere Hunde gemacht und 
den Tieren Tnmormaterial in Vagina, Haut, Bauchhöhle, Gehirn 
tibergeimpft. Viele der Versuche ergaben ein positives Resultat. 
Die neu wachsenden Geschwülste wie die Metastasen zeigten den 
Charakter des Urspiningstumors, kleinzelliges Rundzellensarkom. 


Während eine Reihe der geimpften Hände eingingen, trat bei 
anderen Spontanheilung der überimpften Geschwülste ein. Von 
diesen entnommenes Serum in Sarkomgewebe gespritzt, führte 
keinen Effekt herbei, wurde es dagegen direkt in die Blutbahn 
(Vena jugularis) injiziert, so zeigten sich Heilungsvorgänge. Die 
Uebertragungen des Sarkoms gelangen sowohl mit Stückchen des 
Tumors als auch mit einem aus demselben gewonnenen Brei. 
Wurde letzterer mit Sand vermischt oder durch Filter geschickt, 
so hatten die Ueberimpfungsversuche ein negatives Resultat. E2s 
werden mehrere Hunde demonstriert, darunter einer mit einem 
übertragenen Vaginalsarkom mit retrograden Metastasen und einer, 
der durch intravenöse Serumbehandlung geheilt worden ist. 

Grawitz: TJ eher Blutunterauchun ge n mit ultravio¬ 
lettem Licht. Die Untersuchungen wurden angestellt mit dem 
vom Zeisa nach den Angaben von Köhler konstruierten Mikroskop 
aus Qnarzlinsen und Quarzprismen unter Verwendung des ultra¬ 
violetten Teils des Spektrums als Lichtquelle. Der Vorzug dieses 
Systems, das etwas ganz anderes darstellt als das Siedentoprsche 
Uitramikroskop, liegt weniger in einer Steigerung der Vergrösserung 
als in einer Steigerung des Auflösungsvermögens. Bei der Diffe¬ 
renz der Durchlässigkeit der Gewebssubstanzen den violetten 
Strahlen genüber wird eine unmittelbare, fein differenzierte Ab¬ 
bildung des lebensfrischen Objektes ermöglicht. Da ultraviolettes 
Licht mit blossem Auge nicht sichtbar ist, so müssen die mit die¬ 
sem Licht erzeugten Bilder auf fluorescierender Substanz oder 
besser auf photographischem Wege zur Anschauung gebracht 
werden. So erhält man Aufschluss über die protoplasmatischen Be¬ 
standteile der Blutzelien, die durch die Färbemethoden nur einer 
sehr mangelhaften Deutung zugänglich waren. Demonstration von 
Präparaten. Die roten Blutkörperchen zeigen sich als kreisrunde, 
in der Mitte weniger dicht geffigte Scheiben; sie sind völlig ho¬ 
mogen, zeigen keinerlei Gerüstsubstanz und keine morphologisch 
sich ansprägende Differenzierung. Der wichtigste Befund an den 
Lymphooyten und grossen einkernigen Leucocyten ist der, dass 
ihr Protoplasma nioht homogen ist, sondeni wolkige Differenzier¬ 
ungen, vielleicht Vorstufen der eigentlichen Granula, erkennen 
lässt, wonach die Anschauung von der Homogenität der einkerni¬ 
gen Lymphocyten fallen zu lassen ist. Bei den polymorphkernigen 
Zellen lassen die Eeme die scharfe Segmentierung in einzelne 
Teile, sowie die feinen fadenförmigen Brücken zwischen den Kem- 
teilchen vermissen, wie sie die gefärbten Präparate, vielleicht als 
Schrumpfungseffekt bei der Fixation, zeigen; an den lebensfrischen 
Präparaten sieht man nur Einbiegungen des Kernes, keine Ab¬ 
schnürung, keine fadenförmigen Verbindungsstücke. Das macht 
wahrscheinlich, dass die Kenipf)lymorpho3e nicht ein Vorgang der 
Alterung und Reifung der Zellen, eine Degenerationserscheinung, 
sondern eine Anpassung an lokomotoriscbe Tätigkeiten darstellt. 


eine grosse, fast allzugrosse Reihe von Aerzten stehen zur 
Verfügung; einige von ihnen haben auch Sanatorien eingerichtet. 

Ganz nahe bei einander, eigentlich ineinander übergehend, 
liegen S. Margherita und Rapallo an jenem Teil des ligurischen 
Meerbusens, der den Namen Golf von Rapallo führt Dieser 
Golf zeigt einen balbinselartigen, stark hügeligen Vorsprung, 
der ungefähr die Grenze zwischen beiden Orten bildet und 
zum Teil auch die Verschiedenheit ihrer klimatischen Ver¬ 
hältnisse bedingt. In Margherita weht meist, besonders in den 
Morgen- und Abendstunden eine frische Brise, während in 
Rapallo die Luft einen ausgesprochen milderen Charakter hat. 
Beide Orte sind ruhig gelegen, besonders sind die besuchteren 
Hotels von dem eigentlichen Treiben der Orte selbst etwas 
entfernt, so dass au^. wenn der italienische Nationalcharakter, 
wie es des öfteren vorkommt, zu turbulanterem Strassenleben 
fuhrt, der Fremde davon doch wenig berührt wird. Reich ist 
die Auswahl an schönen, abwechslungsreichen und eindrucks¬ 
vollen Spaziergängen; wer etwas stärkere Motion liebt, findet 
Gelegenheit, die Berge zu erklettern, und wer dem Segel- oder. 
Rudersport huldigt, bann sich hier leicht diesem Vergnügen 
hingeben und dabei neben der herrlichen Seeluft die präch¬ 
tigsten Fernblicke nach allen Seiten hin geniessen. So sind 
denn S. Margherita und Rapallo für solche, die ihren Nerven 
eine Erholung gönnen wollen, die nach anstrengender Arbeit 


eine kurze Zeit der absoluten Ruhe gebrauchen, aber auch 
für Rekonvaleszenten, für leichte kat^halische Affektionen 
der Atmungsorgane aufs wärmste zu empfehlen; ganz besonders 
sind die Monate Februar bis April für den dortigen Aufent¬ 
halt geeignet, aber schon von November ab entfaltet sich ein 
reges Leben. Dass die Hotels gut geführt und die Preise im 
Verhältnis zu dem Gebotenen mäßige sind, möchten wir nicht 
unerwähnt lassen. 

Den ausgesprochenen Charakter eines Seebades zeigt 
Sestri Levante. Als wir an einem sommerlich warmen, herrlich 
klaren Tage Ende Februar daselbst am weissen Sandstrande 
sassen, die Wellen in Manneshöhe heranbrausten und mit 
Donnergetöse brandeten, da glaubten wir uns an unsere Nord¬ 
see versetzt; allerdings fehlte es dort an der reichen Kinder¬ 
schar, die unseren Nordseestrand zu bevölkern und ihm durch 
ihr munteres Spiel und ihren Burgenbau ein so charakteristi¬ 
sches Gepräge zu geben pflegt. Aber von Erwachsenen war 
in Sestri Levante aas dortige wohlrenommierte deutsche Hotel 
voll besetzt und wir hörten nur allgemeine Aeusserungen des 
Entzückens über die Annehmlichkeiten des Aufenthaltes daselbst. 
Allerdings ist Sestri für Kranke nicht geeignet, die Luft ist 
meist rauh, der Morgen wie der Abend recht kühl. Aber für 
Neurastheniker, die einer gründlichen Auffrischung bedürfen, 
für abgehärtete Menschen, die ihren matten Körper gern einmal 


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176 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 16. 


L)o.' Uint'iing der cuiüelijeu Cxrauiila iat iu deu verschiedeueu üelieu 
verschietlen; die einzelnen Granula in derselben Zelle zeigen Ver¬ 
schiedenheiten in Bezug auf Durchlässigkeit gegenüber dem uetravio- 
letten Licht, was auf eine verschiedene chemische Zusammensetzung 
schliessen lässt. Die Blutplättchen haben nirgends ein Bild er¬ 
geben, das für das Vorhandensein einer zelligen Strucktur und 
auch eines deutlich abzugrenzenden Kernes spräche. Sie bestehen 
aus einer strukturlosen Masse mit fädigen Bildungen, als deren 
direkte Fortsetzungen breite und deutlich hervortretende Fibrin¬ 
fäden anzusehen sind. 

Berliner Ophthcdmologiache QeseUscImft, 

Sitzung vom 15. Februar 1906. 

1. Herr Levinsohn: Kolobom der Seh nerve n papil le. 
Sitz am temporalen Rande, Tiefe ca. 7,0 D. 

2. Herr May: Perlzyste der Iris. Solider, knollenartig 
geschichteter Tumor, der nach einem Trauma entstanden war, das 
ausserdem zu Dialyse und Einreissung der Iris, sowie zu Luxation 
und Spaltung der Linse geführt hatte. Da eine Perforation dei 
Hullen des Augapfels nicht stattgefunden hatte, so ist anzunehmen, 
dass durch Kapsoiepithel, das auf die Iris gelangte, die Zyste hervor¬ 
gerufen wurde, die schon vor 8 Jahren von einem andern Augen¬ 
arzt festgestellt wurde. 

Diskussion: Herr v, Michel stimmt der Annahme zu, dass 
Epithel der Kapsel oder der Bindehaut dieses gutartige Epitheliom 
erzeugt habe. Demonsti ation mikroskopischer Präparate. 

3. Herr Adam: Normale und anormale Netzhautlokali¬ 
sation bei Schielenden. Untersuchungen an 100 Fällen von 
Strabismus concomitans. Wie Tschmermak und Bielschowsky 
fand auch A. unter Benutzung der Nachbildermethode, dass die 
meisten Schielenden anomale Netzhautlokalisation besitzen und zwar 
besonders, wenn das Schielauge geringere S als das führende, aber 
grössere als Finger: 3 m hat. Die Fovea des führenden Auges korre¬ 
spondiert mit einer extra fovealen Stelle des Schielauges, meist mit 
der dem Objekte zugewandten. Dann wird der Eindruck dieser 
Stelle ebendahin projiziert, wohin der Eindruck der führenden Fovea; 
also ist binokulares Einfachsehen möglich, was sich durch Sammel¬ 
bilder im Stereoskop, Prismen, bunte Gläser, Haploskop, Aufbau 
des gemeinsamen Gesichtsfeldes nacbweisen liess. Tiefenwabr- 
nehmung auf Grund der anomalen Lokalisation fand nicht statt. 
Nach Korrektion der Schielstellung traten mit 2 Ausnahmen (ergo 
länger dauernde paradoxe Doppelbilder) normale Verhältnisse ein. 
Bei jenen beiden Kranken bestand auf Grund der anomalen Lokali¬ 
sation ausgesprochener binokulaerer Sehakt, so dass in diesen Fällen 
bei der Operation Vorsicht geboten ist. 

Diskussion: Herr Feilchenfeld: Diese Tatsachen sprechen 


f rundlich vom Winde durchwehen lassen, für alle diejenigen, 
ie im Sommer bei uns so gern an der See weilen, bietet 
Sestri Gelegenheit, sich diesen Genuss auch im Winter zu ver¬ 
schaffen. Sestri ist den ganzen Winter hindurch besucht, 
Januar und Februar zeichnen sich dort durch eine verhältnis¬ 
mäßig hohe Temperatur — 8 bis 10" R. — aus; vom Mai ab 
pflogen die Italiener aus ihren dann schon übermäßig heissen 
Häusern berauszuziehen und dann während des Sommers Sestri 
zu bevölkern. Eine üppige Vegetation gewährt den Natur¬ 
freunden viel Genuss, zahlreiche Spaziergänge reichlich Zer¬ 
streuung und der von der Bevölkerung intensiv betriebene 
Fischfang bereichert das Strandleben durch manch charakte¬ 
ristisches Bild. 

So können wir denn die Riviera Levante unseren deutschen 
Kollegen aufs wärmste empfehlen, und hoffentlich bietet sich für 
reclit viele die Möglichkeit, nicht nur um ihren Patienten deren 
Vorzüge anzupreisen, sondern auch selbst dort Erholung zu 
suchen nach der meist recht anstrengenden Winterkampagne 
und den Körper frisch zu wappnen zum schweren Kampf ums 
Dasein. 


für angeborene Grundlage der normalen Korrespondenz und nicht 
für die empiristische Theorie. 

4. Loese r berichtet Uber zwei Fälle von Augenmuskellähmung, 
die nach Rückenmarks-Anesthesie aufgetreten waren. Im ersten 
Falle handelte es sich um eine linksseitige Trohlearis-, im zweiten 
um eine linksseitige Abducens-Lähmang. Das in den Lumbal¬ 
sack injioierte Medicament war hier Stovain, im 1. Falle Novocain. 

Bji dem Pehlen jedes anderen aetiologischen Momentes und 
jedes sonstigen objektiv nachweisbaren Krankheitszeichens hält L. 
einen aetiologischen Zusammenhang zwischen Lumbalanaesthesic 
und Aiigeutnuskcllühmung für sehr wahrscheinlich, womit auch ihr 
zeitliches Auftreten wenige Tage nach der Operation und das relativ 
schnelle Schwinden der Augenmnskellähniung gut übereinstimint. 
Was den Charakter der Lähmung betrifft, so nimmt L. eine 
toxische Affektion der betreffenden Nerven bezw. ihrer Kerne an, 
indem der mit dem Gifte vermischte Liquor cerebrospinalis durch 
direkte Kontakt-Wirkung die genannten, gegen Gifte überhaupt 
wenig widerstandsfähigen Gebiete schädigt. 

Diskussion: Herr Scheeler sah 8 Tage nach Kokain- 
Stovain-Lumbalanaesthesie Parese des linken Abduceus. 

Herr Adam sah unmittelbar post operationem eine Lähmung. 
Wegen der langen Latenzzeit hält er die Annahme einer Gitt- 
wirkung als Ursache der Lähmung für unwahrscheinlich. 

Herr Salomonsohn stimmt dem bei; auch dass nur ein ein¬ 
zelner Nerv einer Seite betroffen sei, lasse mehr an Blutung, 
Thrombose o. ä. denken. 

Herr Levinsohn hält basale Wirkung des Giftes für die 
Ursache der Parese. 

Herr Feilchenfeld und Herr Hirsch berg stehen auf 
Loesers, Herr von Michel auf Salomonso hns Standpunkt. 

Sitzung vom 15. März 1906. 

1. Ginsberg: Über die sog. Drusen der Glaslamelle 
und über Retinitis pigmentosa. G. stellt die Frage auf, 
ob diese beiden Erkrankungen auf Ernährungsstörungen, will sagen 
Erkrankungen der Chonocapillaris zurückziifubren seien. Bei den 
Drusenbildungen ist sie völlig normal; die der Drusenbildung zu 
Grunde liegende gesteigerte Abscheidung von Kutikularsubstanz 
ist also eine Erkrankung des Pigmentepitbels. Bei Ret. pigm. 
ist die Verödung der Choriocapülaris weder ihrer Intensität nocli 
ihrer Lage nach der Pigmenteinwanderung in die Retina ent¬ 
sprechend, die Krankheit ist also auf einen Zerfall des NeuroepitheLs 
zurückzuführen, dem Proliferation und Wanderung des Pigmeut- 
epithels in die Retina folgen. 

2. Herr J. Hirschberg: Ein Pall von Verletzung der 
Orbita. Einem 19 Jahre alten Arbeiter flog am 8. Februar d. J. 
beim Schienenlegen ein Stück vom Hammer gegen das Gesicht, 
80 dass er, wenn auch nicht bewusstlos, umfiel. Tags darauf war 
der Augapfel vorgetrieben und fast unbeweglich. Lidwun.de und 
siibkoujunktivale Blutungen; S= Vis,Gesichtsfeld eingeengt. Ophtal- 
moskopisch Netzhauttrübung und Blutungen, aber kein Fremdkörper. 
Das Sidero.skop gab innen unten auf der Lederhaut sehr bedeutenden 
4usscblag, so dass man einen orbitalen EisenspUtter annebmen 
musste, dessen Extraktion mittels des Handmagneten aus der Lid¬ 
wunde glatt gelang. S und Gesichtsfeld besserten sich, es besteht 
noch Diplopie und an der Stelle der Netzhauttrübung sieht man 
jetzt Arlerbautrisse. Unter 340 Magnetoperationen ist dieser Fall 
der erste von orbitalem Splitter. 

3. Herr H. Feilchenfeld: Fernere Beobachtung von 
Augenmuskellähmung nach Lumbalanaesthesie. Wie in 
Adams und Loesers Fall ist auch hier der linke Abducens als ein¬ 
ziger Muskel gelähmt, die Parese trat erst 12 Tage nach der Ope¬ 
ration auf. 

4. Herr Kowalewski: Familiäre Opticusatrophie 
(Krankenvorstellungb Von 3 lebenden Kindern eines gesunden 
Elternpaares erblindeten 3 an Atrophia nervi optici; der eine starb 
an Herzfehler. Die beiden vorgestellten Geschwister sind sonst 
gesund und erkrankten im Beginn des 3. Lebensjahrzehnts. Ein 
Bruder der Mutter bekam im 20. Lebensjahre ein Augenleiden, 
das seitdem stationär geblieben ist. 

5. Herr Ohm: Demonstration eines neuen binokulaeren 
Pupillometers. Der Preis des von Doerffel und Faabes 
(Berlin) gebauten Instrumentes beträgt 300 Mark. 

Kurt Steindorff. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


177 


AerztUi^her Verein in Hamburg, 

Sitzung vom 20. M&rz 1906. 

Vorsitzender Herr Deneke. 

I. Demonstrationen: 

1. Herr Sick stellt einen jungen Mann mit Lichen 
scrophulosus vor: die Erkrankung wurde erst als Scabies ange¬ 
sehen und war combiniert mit Tuberkulose eines Hand- und eines 
Fußgelenkes. 

2. Herr Sick zeigt ferner einen Mann, der mit zuneh¬ 
menden Kopfschmerzen, Sehstörungen, Erbrechen und endlich 
Bewusstlosigkeit erkrankt war. Es bestand der Verdacht auf Tumor 
cerebri. Kolossale Stauungspapille und von Tag zu Tag grösser 
werdende Retinalblutungen. Bei der Operation fand sich eine 
Cyste im Gehirn, aus der sich Cerebrospinalflüssigkeit in grosser 
Menge entleerte. Die Erscheinungen bildeten sich zurück, sodass 
der Mann wieder völlig arbeitsfähig wurde. Die Operations¬ 
resultate bei Tumor cerebri sind in der Regel sehr schlecht, weil 
es schwer hält, den Tumor richtig zu localisieren. 

3. Herr Herhold spricht über die sog. Fußgeschwulst 
beim Militär, die seit einigen Jahren als Bruch eines Mittelfuß- 
knochens erkannt ist. Symptomtrias ist empfindlicher Schmerz, ab¬ 
norme Beweglichkeit und ev. Crepitation. Er behandelt die Patien¬ 
ten nur mit einfacher Bettruhe und untersagt streng, den Fuß 
irgendwie aufzusetzen. Auffallend ist, dass fast ausnahmslos der 

2. oder der 3. Metatarsus erkrankt sind, und zwar sitzt die Fraktur 
meist an der Grenze zwischen distalem und mittlerem Drittel. 
Der Vortragende hat durch Belastungsversnche festgestellt, dass 
es sich nicht um eine besondere Brüchigkeit, sondern nur um ab¬ 
norme Belastung des Fußes handelt. Zur Fraktur kommt es fast 
nie zur Zeit, wo Parademarsch geübt wird, sondern hauptsächlich 
bei grösseren Märschen in der Marschperiode. 

4. Herr Paschen zeigt Spirochaete pallida, nach Leva- 
diti gefärbt, bei einem Fall von congenitaler Lues. 

5. Herr König (Altona) zeigt eine neue Schiene für Cal- 
caneus fraktur. Man hat bis jetzt stets den Bardenheuerschen 
Extensionsverband angelegt, der nicht nur Fixation, sondern auch 
Bewegungen und Massage gestattete. Durch eine sinnreich ange¬ 
brachte, mit einer Stellschraube versehene Vorrichtung bekämpft 
V'ortragender nun gleichzeitig die Entstehung des Plattfußes. 

6 . Herr Rieck (Altona) berichtet über seine glänzenden 
Erfolge in 208 Fällen von vaginalem Leibschnitt. 

II. Herr Denecke widmet warm empfundene Worte den 
verstorbenen Mitgliedern 

1. Herrn Augenarzt Dr. Martin Salomon, f 14. 3. 06, 

2. Herrn Oberarzt der Abt. für Haut- und Geschlechtskranke 
d. AUg. Krankenhauses St. Georg Dr. Julius Engel-Reimers, 
t 10. 3. 06. 

HI. Vortrag des Herrn Hahn: „Kn'ochensyphilis im 
Röntgenbilde“. An der Hand einer ausserordentlich grossen 
Anzahl von vorzüglichen Röntgenbildern bespricht der Vortragende 
die pathologische Anatomie und die Diagnose der Knochensyphilis. 
Der Vortrag eignet sich nicht zu kurzem Referat, erscheint in den 
„Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrablen,“ 

Sch ön e wal d. 

AensUicher Verein München, 

Sitzung vom 7. März 1906. 

1. Herr R. Grashey: Fremdkörper und Röntgen- 
8 trahlen. 

Im Anschluss an die Projektions-Demonstrationen der letzten 
Sitzung bespricht G. zunächst die Frage: Was gehört dazu, um 
den Nachweis eines Fremdkörpers durch die Röntgenstrahlen zu er¬ 
möglichen (Dichtigkeit des Körpers im Verhältnis zu dem ihn um¬ 
gebenden Medium, Qualität der Röhre usw.). Zur Auffindung des 
Fremdkörpers ist die Durchleuchtung notwendig, die Röntgen¬ 
photographie nur bei kleinsten Fremdkörpern. Dann werden die 
Hilfsmittel zur Orientierung über die Lage des Fremdkörpers ge¬ 
schildert (aufgelegte Metallstiicke, Punktograph nach Angerer- 
Rosenthal, Moritzscher Pendelring und ähnliche Apparate). Auf 
die „mathematische“ Bestimmung der Lokalisation der Fremd¬ 
körper wird näher eingegangen. Um Täuschungen (durch Ver¬ 


schiebung des Fremdkörpers) zwischen Durchleuchtung und Opera¬ 
tion zu vermeiden, hat man die „radioskopische Operation“ ein- 
geführt. Sollen hierbei grössere Gebiete durchleuchtet werden, 
so wird Operateur und Röntgenbeobachter sich nicht in einer Per¬ 
son vereinigen lassen. Ersterer braucht das Tageslicht, letzterer 
muss sein Auge durch graue Brillen usw. an das für den Pluor- 
escenzschirm notwendige Licht adaptiert halten. Der Schluss 
des Vortrags galt der Beeinflussung unseres cbirurgiscben Handelns 
durch die Röntgenstrahlen. „Quieta non movere“ muss uach wie 
vor oberster Grundsatz bleiben. Durch die Sicherheit, welche die 
Durchleuchtung gibt, ist ein zielbewusstes Vorgehen möglich, die 
Operation setzt geringere Störung. Hierdurch werden ihre Chancen 
bessere. 

2. Herr S. Oberndorfer: üeber chronische Appendi- 
cltis. 

Im vorgeschrittenen Lebensalter (etwa vom 40. Jahre ab) 
findet man überhaupt keine normalen Appendices mehr. Es bilden 
sich Lymphangitiden in der Nähe des FoUikel des Prozessus ver- 
mif. aus, denen sich weitere Veränderungen produktiver Art an- 
schliessen. Das Endstadium bildet in ein Drittel der Fälle Obli¬ 
teration des Processus, wobei eine reichliche Fettwuoherung ex 
vacuo im submucösen Gewebe statt hat. ln den übrigen Fällen 
findet sich Sklerosierung des submucösen Gewebes und Atrophie 
der Schleimhaut; es kann hierbei nicht zur Obliteration kommen, 
weil sich Inhalt (Schleim, Epithelien, Bakterien) im Processus 
findet. In solchen Fällen lässt sich eine starke Vermehrung de.s 
elastischen Gewebes konstatieren. Vortragender bezweifelt, dass 
es eine physiologische Obliteration gibt, hält vielmehr alle die ge¬ 
schilderten Zustände für chronische Entzündungen, hervorgerufen 
durch Bakterien oder deren Toxine, welche die Schleimhaut durch¬ 
dringen. Er meint, dass es sich um eine primär chronische 
Entzündung handelt, nicht um acute Prozesse. 

3. Herr A. Krecke: Können wir die operativen Fälle 
von Appendicitis diagnostizieren? 

Das Thema des Vortrages heisst, noch mehr eingeschränkt» 
eigentlich: Können wir die schweren, sofort die Operation er¬ 
fordernden Appendicitisfälle erkennen? Kr. beantwortet diese 
Frage mit „Ja“. Er beschränkt sich auf die frischen, in den 
ersten drei Tagen zur Behandlung kommenden Fälle. IHe einzig 
stichhaltige Unterscheidung ist: Appendicitis simplex (leichte 
Fälle, erfordern nicht die Operation) und Appendicitis destruc- 
tiva (schwere Fälle, erfordern umgehend die Operation). 

An der Spitze der Symptome, die eine Unterscheidung der 
beiden Gruppen zulassen, stellt Kr. die schmerzhafte Spannung 
der Bauchdecken. Sie ist unbedingte Indikation ztu* sofortigen 
Operation. Ebenso ist es eine Frequenz des Pulses über 100 
(ausser bei Kindern unter 10 Jahren). An dritter Stelle folgt das 
Erbrechen, dann der lokale Schmerz. Um das letztere Symptom 
richtig beurteilen zu können, vermeide man nach Möglichkeit die 
Darreichung der Narcotica, insbesondere des Opium. Man gebe 
statt dessen den Eisbeutel. Die Temperatur spielt l^i der Beurteilung 
der Appendicitis nur eine untergeordnete EcUe. Oft fehlt Fieber 
bei den schwersten Fällen. Die Perkussion scheint dem Vortr. 
nicht sehr wichtig zu sein, dagegen fällt nach seiner Meinung der 
Atmung eine wichtige diagnostische Rolle zu; costaler Atemtypus 
mit Beschleunigung der Frequenz bedingt eine ernste Prognose. 
Ueber das Verhalten des Leucocythen fehlt Kr. die Erfahrung. 
Er glaubt, dass es nicht von grosser Bedeutung ist für die Frage, 
ob ein destruktiver Prozess vorhanden ist oder nicht. Zum Schluss 
betont er nochmals, dass die Diagnose der Appendicitis destruo 
tiva sofortige Operation notwendig macht; im Zweifelfall operiere 
man lieber, als dass man bis zu einem Zeitpunkte wartet, wo die 
Chancen der Operation sich bedeutend verschlechtert haben. 

Diskussion zu den beiden letzten Vorträgen: 

Herr v. Stubenrauch bestätigtim allgemeinen die Anschau¬ 
ungen von Krecke. Er berichtet über zwei Fälle von Kindern, wobei 
die Diagnose auf Perforativ-Pertonitis gestellt wurde. Es handelte 
sich in beiden Fällen um akute Lymphdrüsenschwellungen, in 
einem Fall verbunden mit Exsudation. 

Herr Schmitt unterscheidet zwischen Appendicitis mit und 
ohne Tumorbildung. Wenn ein Tumor vorhanden ist, kann man 


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178 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr 16. 


i. A. ruhig abwarten. Wo aber keiner vorhanden ist, will er, so¬ 
bald die Diagnose Appendicitis gestellt ist, operieren. Er bewertet 
da.s Zurückbleiben der Atmung auf der kranken Seite als diagno¬ 
stischen Faktor hoch. 

Herr Decker glaubt, dass die chronische Appendicitis in 
den meisten Fällen die Grundlage der akuten ist. Als diagnostisch 
wertvoll (für die chronische Form) hält er unmotivierte Diarrhoeen, 
leiohte Temperatursteigerung, Nabelschmerz und Blasenreizung. 

Herr Gebele bestätigt im allgemeinen die Ansichten von 
Erecke, wendet sich aber gegen Schmitts Anschauungen. Er 
warnt dringend vor dem Opium. 

Herr Wassermann bricht eine Lanze für die Leucocythen- 
Zählung, 

Herr Gillmer warnt ebenfalls vor dem Opium und meint, 
dass die Indication zur Operation möglichst weit gestellt werden 
soll, weil häufig eine Appendicitis simplex diagnostiziert wird, wo 
schwere Veränderungen vorliegen. 

Herr Schmitt spricht den Tumor (zusammengebackene 
Därme) als Schutz des Organismus vor der Infektion des Perito¬ 
neums an. Eine leichte Appendicitis mit Sicherheit zu umgrenzen 
ist unmöglidi. Die Fälle mit seröser Exsudation (dtirdh Strepto¬ 
kokken bedingt!) sind nach seiner Meinung ge^hrlicher als die mit 
eitriger E. 

Herr A m a n n verbreitet sich über den Zusammenhang 
zwischen Appendix und Erkrankungen der weiblichen Genitalen. Er 
hält die Leucocythenzählung für recht wichtig. 

Herr Gebele spricht nochmals gegen die Schmitt’schen An¬ 
sichten. Der Tumor bildet sich meist erst am dritten Tag. 

Herr Oberndorfer (Schlusswort). 

Herr Krecke (Schlusswort). Schluss nach V»12 Uhr. 

Dr. Albert üffenheimer. 

Österreich. 

Verein deutscher Aencte in Pr€ig. 

Sitzung vom 12. Januar 1906. 

Herr Dr. R. Kuh: „Über moderne Skoliosenbehand¬ 
lung.“ Er demonstriert an den Apparaten praktisch die Ideen, 
von denen sich die Skoliosentherapie, die er als eine Bewegungs¬ 
therapie bezeichnet, leiten lässt. Die Wirbelsäule stellt einen 
Geleukskomplex dar, die einzelnen Teile desselben sind zu einander 
fixiert, und durch Lockerung der fixierten Teile und Umkrümmung 
normaler Körperformen wiederherzustellen, näher kommen. Es ist 
dasselbe Prinzip, welches bei der Behandlung anderer Knochen¬ 
deformitäten zur Anwendung kommt. Um die Wirbelsäule zu 
mobilisieren, sind aber ingeniöse Apparate von Lorenz, Hoffa, 
Schulthess u. a. angegeben worden. Speziell die Apparate des 
letzteren zeichnen sich durch grosse Exaktheit aus. Basierend 
auf den Wolfschen Lehren von der Beeinflussung der Knochen- 
büdung durch die Gelenksfunktion führt S. die Deformität durch 
die Bewegung in die korrigierte Stellung über oder die Skoliose 
ward zuerst redressiert, und in dieser Stellung werden dann Be¬ 
wegungen ausgeführt. Lorenz sucht durch leichte Suspension und 
gleichzeitige Redression des Rippenbuckels mittels schlangenfbrmig 
den Oberkörper umfassende elastische Gurte, den statixsquo wieder 
herzustellen. Zur Mobilisierung der Skoliose wdrd auch die Ge- 
wichtabehandlung nach Beely stark verwendet. 

Der Vortr. erwähnt auch die frühere Skoliosenbehandlung, die 
von falschen anatomischen Vorstellungen ausging, so z. B. die 
„Rachylysis“ nach Darwell mit örtlichem Seitenzuge. 

Zuletzt werden die Gyrsebetten demonstriert, wde sie in der 
Anstalt des Vortr. zur Verwendung gelangen. Patient wird nach 
erfolgter Mobilisierung in diesen Apparat des Nachts gelagert. 

Dieselben werden nach einem Modell in suspendierter oder 
schräger Schwebelage, in womöglich überkorrigierter Stellung an¬ 
gefertigt. Nach erfolgter Mobilisierung der Wirbelsäule wird der 
Patient des Nachts hineingelagert. Nach längstens einem Jahre 
müssen dann die Betten umgearbeitet werden. 

Karl Basch: Zur Ausschaltung des Thymus (mit 
Demonstration.) Auf der Naturforscherversammlung in Karls¬ 
bad hat B. bereits eine vorläufige Mitteilung über Ausschaltung 
der Thymusdrüsen erstattet. Er hat nachgewiesen, dass ein Zu¬ 
sammenhang zwischen Thymus und Ossifikation nach der Richtung 


besteht, dass bei geeigneten Versuchstieren nach Ansschaltong der 
Thymus in der ersten Lebenszeit Veränderungen, insbesondere an 
den langen Röhrenknochen auftreten, die sich ausprägen durch 
eine grössere Weichheit und Biegsamkeit und durch ein Zurück¬ 
bleiben im Wachstum gegenüber Kontrolltieren gleichen Wurfes. 
Um ein deutliches Mass für die gestörte Ossifikation zu besitzen, 
hat Bach bei operierten und bei Kontrolltieren unter völlig 
gleichen Bedingungen Fracturen am BUnterbeine angelegt und 
dann festgestellt, dass, abgesehen von einer Verschiedenheit im 
klinischen Ablaufe der Fraktur, das operierte Tier, d. i. das thymus¬ 
lose, einen kleineren Kallus an der Frakturstelle darbot, als ein 
Kontrolltier gleichen Wurfes. Behufts graphischer Darstellung der 
geschilderten Verhältnisse wurden in regelmässigen Zeitebsohnitten 
Röntgenphotographien angefertigt Früher hat R. Fischl über 
das gleiche Thema gearbeitet, ist jedoch zu einem völlig negativen 
Resultate gekommen. Diese Differenz der Ergebnisse erklärt B. 
durch die Wahl völlig ungeeigneter Versuchstiere seitens Fischl’s, 
und durch ungeeignete Versuchsbedingungen. Bach ist in der 
Lage, an der Hand eines neuen ausgiebigen Materials die Rich¬ 
tigkeit seiner Beobachtungen entgegen Fischl vollkommen aufrecht 
zu halten, und neuerdings zu bestätigen; immer konnte es beim 
thymuslosen Tiere Kallusdififerenzen, Verschiedenheit des Ablaufes 
der Fraktur, nur Zurückbleiben ün Wachstum nadiweisen. 

Das einheitliche Ergebnis hat B. durch exakte Durchführung 
der Versuchsbedingungen, deren Leitsätze er in den anscliliessenden 
Ausführungen aus der Morphologie und Entwicklungsgeschichte des 
Thymus entwickelt, wobei er auf die letzte Verschiedenheit gegen¬ 
über den von Fischl gewählten Bedingungen nochmals hinweist. 

0. W—r. 


Kongressbericht. 

II, Kongress der Deutschen Röntgen-CieseUsehaft 

in Beriin, 

Vorsitzender: Herr Eberlein (Berlin). Referent Dr. Heinz 
Wohlgemuth (Berlin). 

Der wissenschaftliche Teil des Kongresses wurde eröffnet mit 
einem Vortrage von Walter (Hamburg) über die Vorgänge in 
der Röntgenröhre, die Phosphoreszenz der Kathodenstrahlen, die 
Erwärmung der Glaswand, deren Ursache nicht die Röntgen- 
Bondem die Kathodenstrahlen sind; eine längere Diskussion be¬ 
schäftigte sich mit der Ablenkung der Kathodenstrahlen, der Frage 
der Erwärmung der Röhre usw. 

Ueber die Dosierung der Röntgenstrahlen in der Praxis spricht 
Herr Levy-Dorn (Berlin); indem er die bisher üblichen und 
benutzten Instrumente zur Messung der Strahlen kurz erwähnt, 
gibt er ein von ihm geübtes Verfahren kund. Er unterscheidet 
ganz richtig zwischen der grossen Differenz in der diagnostischen 
und therapeutischen Dosierung und betont, dass die Schwierigkeit 
einer guten und exakten therapeutischen Dosierung in der Un¬ 
vollkommenheit unserer Apparate im dauernden gleichmäßigen 
Arbeiten liegt, natürlich aber auch von der Beschaffenheit der 
Röhre, ihre Strahlenart, der Grösse des bestrahlten Feldes ab¬ 
hängig ist. Er hat als grösstes Maß der Bestrahlung in einem 
Falle über 20000 qcm in 4 Monaten bestrahlt. Herr lirotka 
und Herr Cowl (Berlin) verbreiten sich über dasselbe Thema 
und behandeln kritisch die Zuverlässigkeit der verschiedenen 
Messungsmethoden. Herr Grashey (München) will Wert darauf 
gelegt wissen, dass man nicht nur unterscheidet, ob eine Röntgen¬ 
röhre weiche oder harte Strahlen hat, sondern welches Gasgemenge 
in derselben enthalten ist, wenn sie regeneriert wird nsw. In 
der weiteren Diskussion betont Herr Stegmann (Wien) mit 
Nachdruck die Individualität des Patienten in bezug auf die Inten- 
sitäts- und Qualitätsmessung der Strahlen. Er selber hat viel¬ 
fach gesehen, dass bei der therapeutischen Bestrahlung dieser 
Patient auf lächerlich kleine Dosen so reagiert hat, dass ein 
drüsiges Organ merklich sich verkleinerte, andere wiederum nicht 
die geringste weder innere noch äusserlicbe Reaktion auf recht 
grosse Dosen darboten. Herr Grnnmach (Berlin) stellt eine 
Mittelmaximaldosis der Bestrahlung von 5 Minuten auf. Herr 


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1906. 


MEUICLMSCIIK WOCUE. 


179 


Albers-Sch önbe rg (Hamburg) unterscheidet bei der thera¬ 
peutischen Behandlung die Fälle, in denen ein tiefer liegendes 
Organ (Mik, Niere usw.) bestrahlt werden soll von denen, in 
welchen die Strahlen m<^t weit unter oder durch die Haut zu 
dringen brauchen, und wählt danach die Röhre und die Zeitdauer 
der Bestrahlung. 

Die Reihe der Vorträge des diagnostisch-medizinischen 
Teiles eröffnete Herr Grunmach (Berlin): Ueber seltene Leiden 
des Oberkiefers nach Untersuchungen mit R önt gen strahlen. 
Er hat sich zum Zwecke einer guten diagnostischen Photographie 
eine Röhre konstruieren lassen, die er in den Mund einführt. Er 
hat vermittelst dieses Verfahrens in einigen Fällen grosser Schmerz¬ 
haftigkeit der Zähne trotz ihrer äusseren Intaktheit, eine allge¬ 
meine Hyperostosis alveolaris konstatieren können. Ändere 
Hyperostosen nach Schlag ins Gesicht demonstriert er an Photo¬ 
graphien. 

Die Fehlerquellen in der Nieren- und Hamleiter-Steindiagnose 
beleuchtet Herr Alb er s-Schön be rg (Hamburg), die Ver¬ 
wechselung von kleinen Verknöcherungen in den Muskeln mit 
Harnleitersteinen, Prostatasteinen, verkalkten Myomen mit Blasen- 
steinen. Er macht auf den kleinen Unterschied in der Lage der 
Uretersteine bei Frauen und Männern aufmerksam, die bei ersteren 
etwas mehr lateral ist, und lenkt dann die Aufmerksamkeit auf 
jene häufigen zahlreidien Flecken im Röntgenbüde, die von Steck¬ 
nadelkopf- bis Erbsengrösse, kreisrund, manchmal mit einem kleinen 
Fortsatz, sich einzeln oder in Haufen besonders bei jeder Becken- 
anfhahme finden, weshalb man sie auch „Beckenflecke“ genannt 
hat, und die als Phlebolithen aufzuiassen sind, mit Ausnahme der 
bekannten S t i e d a ’schen Flecken. 

Herr Graessner (Köln) zeigt Röntgenogramme von Osteo- 
malade, Skoliose und Wlrbelfrakturen zu einem Falle, dessen 
Krankengeschichte er erläutert. Es handelt sich um ein Mädchen, 
das in 14Vs Jahre erkrankte, im Wachstum vollkommen zurück- 
blieb und die im Thema genannten Erscheinungen zeigte, nachdem 
sie bis dahin ganz gesund gewesen. Aus den Röntgenbildern ist 
nach seinem E>afürbalten aucflt zu erkennen, dass — wie viele 
Autoren meinen — Osteomalacie und Rachitis recht eng verwandte 
Krankheiten sind. Vortragender demonstrierte dann einige Rönt¬ 
genaufnahme , in denen trotz angeblicher sehr geringfügiger 
Gewalteinwirkung, „Verheben“, eine deutliche Fraktur eines 
Lendenwirbels, meist des fünften, zu konstatieren war. Herr 
Ludloff (Breslau) macht auf die nicht seltenen Fälle von Kreuz¬ 
beinfrakturen nach verhältnismäßig 'geringer Gewalteinwirkung 
aufmerksam. 

Ueber Präzisionsaufnahmen von Extremitäten 
sprach Herr Grashey (München) mit Demonstration eines 
Blendenapparates. 

Der therapeutische Teil der Verhandlungen ist recht 
karg mit nur 4 Referenten bemessen, von denen Herr Comas 
(Barcelona) mit einem interessanten Thema über kosmetische 
Ergebnisse in der Behandlung des Lupus mittels 
Röntgenstrahlen noch ausfieh 

Herr Schmidt (Berlin) demonstiert eine Reihe rönt- 
genisierter Fälle. Einen durch 1 Jahr lange Bestrahlung 
„erheblich gebesserten“ Fall von Lupus des ganzen Gesichts, 

1 Warze an der Hand, die durch 4 Bestrahlungen fortgebracht, 

2 Fälle von geheiltem Favus ebenfalls nach 4 Bestrahlungen. 

1 Lichen ruber verrucosus des Unterschenkels, der in einem Jahr 
geheilt wurde, mehrere Fälle von Ulcus rodens, die nach nur 6 
bis zu 2 Jahre langen Bestrahlungen geheilt waren und bis jetzt 

2 Jahre lang rezidivfrei geblieben sind. Die eigentlichen Karzi¬ 
nome haben ihm wenig günstige Resultate geliefert und er möchte 
daher die Röntgenbestrahlung nur für die Hautkankroide aufgespart 
wissen, die nicht sehr in die Tiefe dringen. Bei Prostatahyper- 
trophie hat er sehr gute Resultate mit deutlicher Verkleinerung 
der Drüse, Äufhören des Harnzwanges erreicht. Auch bei weichen 
Stmmen bat er in einigen Fällen ganz gutes, in anderen gar kein 
Resultat erhalten, in Uebereinstimmung mit anderen Autoren, die 
ebenfalls die Röntgenbehandlung dieser Fälle als ein meist un¬ 
wirksames Verfahren betrachten. Die Unsicherheit und grosse 
Differenz des Erfolges in der Behandlung der Struma mit Rönt¬ 
genstrahlen bekräftigen ebenfalls die Herren Albers- Schönberg, 
Grunmach, Hahn (Hamburg), Levy (Heidelberg), Stegmann 


(Wien). Sicher haben alle konstatiert, dass die fibrösen und cysti- 
schen Strumen der Röntgenbehandlung absolut nicht zugänglich 
waren, während bei den rein parenchymatösen Fällen oft ein deut¬ 
liches Klemerwerden des Organ.s zu konstatieren war. Herr Hahn 
(Hamburg) und Herr Rosenfeld (Berlin) haben bei der Röntgen¬ 
bestrahlung Wirkungen der Strahlen ' auf den Sympathicus be¬ 
obachtet, ersterer eine günstige Wirkung auf das Gehörvermögen 
eines Hundes, letzterer das Verschwinden einer den ganzen Körper 
einnehmenden Sycosis fungoides nach Bestrahlung nur einer zir¬ 
kumskripten Stelle. 

Herr Rosenberger (Würzburg) macht eine längere Mit¬ 
teilung über den therapeutischen Wert der Röntgen- 
strahleu in der Chirurgie. Die günstige Wiikung der Be¬ 
strahlung beim Hautkarzinom, Sarkom, Ulcus rodens war in allen 
Fällen sicher. Ein Fall von Karzinomrezidiv mit faustgrossem 
Tumor ist in 30 Bestrahlungen vollkommen geheilt worden. Die 
Sarkome haben ihm im allgemeinen keine guten Resultate geliefert, 
doch sind einige Fälle wieder überraschend schnell nach 10—17 
Bestrahlungen scheinbar geheilt worden. Ebenso sind leukämische 
Drüsen auf Bestrahlung schnell verschwunden, doch war zu kon¬ 
statieren, dass diese scheinbar geheilten Fälle nach der Bestrahlung 
ein auffallend kachektisches Au3.sehen zeigten, ein Fall von Leu¬ 
kämie nach der scheinbaren Heilung plötzlich starb. 

Herr Eberlein (Berlin) sprach dann noch über Röntgen¬ 
therapie bei Haustieren. Interessant und für die Therapie 
beim Menschen als Tierexperiment zu betrachten ist ein Fall von 
Polyarthritis eines Chimpansen, die durch Bestrahlung geheilt 
wurde. 

Herr Weick (Breslau) hat bei der Bestrahlung der Haut¬ 
karzinome ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass man sehr streng 
zwischen den der Bestrahlung ein gutes Objekt darbietenden ein¬ 
fachen Epitheliomen und den schwierigen tiefergreifenden Fällen 
unterscheiden müsse. Hier hat er selten zufriedenstellende Re¬ 
sultate erzielt. Die übrige Nachmittagssitzung beschäftigte sich 
nur mit dem technischen Teil der Röntgenologie, neuen 
Röhren, Apparaten, Röntgenpapieren etc. Unter diesen Vorträgen 
war höchst interessant eine Demonstration von plastischen 
R ö n t ge n bild e rn des Herrn Alexander Kesmärk (Buda¬ 
pest), auf denen im einzelnen Bilde Knochen und Fremdkörper 
plastisch und mit Schlagschatten bei deutlichster Struktur sicht¬ 
bar waren. Der Vortragende war jedoch nicht bereit, seine 
Methode zu verraten. 

Die Abendsitzung wurde mit Projektionen zu den ge¬ 
haltenen Vorträgen ausgefUllt. 


Periodische Literatur. 

MOnchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 14. 

1 . Lexcr, Königsberg: Znr Behandlung akuter Entzündungen 
mittels Stannngshyperämie. 

Das Bier’sche Verfahren bezweckt die Unterstützung der 
natürlichen Abwehrvorgänge, diese wird in der Tat erreicht, aber 
sie kann leicht in eine Störung Umschlagen. Es giebt vier 
Grundtypen der Wirkungsweise: 1 Das Infiltrat geht voll¬ 

kommen zurück. 2. Das Infiltrat erweicht rasch ohne sich zu 
vergrösseru. 3. Das Infiltrat erweicht und vergrös.sert sich, wobei 
das Freber nicht wie bei dem vorigen Typ abfällt sondern unbe¬ 
einflusst bleibt oder steigt. 4. Das Infiltrat wächst rasch unter 
dem Bilde der akut fortschreitenden Phlegmone. Die Ver¬ 
änderungen welche die normalen Vorgänge am Infektionsherd 
unter dem Einfluss der sachgemäß ausgeführten Stauung erleiden, 
beziehen sich auf die Resorption, die Schutzstoffe, die proteolytischen 
Fermente, die Transsudation. Die Resorption wird während der 
Stauung geringer, während sie nach Aufhebung derselben mehr 
zu werden pflegt. Es ist die Frage, ob der Organismus die ohne 
Stauung nllmälig erfolgende Ueberführung der resorbierten Stoffe 
besser erträgt als die bei der Stauung schubweise stattfindende 
Resorption. Was die Schutzstoffe anlangt, so werden dieselben 
bei der Stauung am Locus morbi angehäuft. Es findet fraglos 
eine vermehrte Bakteriolyse statt und doch kann daneben lange 


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180 


MEUICIKISCIIE WOCHE. 


Nr. 16. 


Zeit hindurcli eine Vermehrung der Eitererreger im Entzündungs¬ 
herd sich ereignen; ja sekundäre Infektionen sind auch durch die 
Stauung nicht zu verhindern. Bei der eintretenden Bakteriolyse 
bilden sich Endotoxine. Zeigt sich eine örtliche endotoxische 
Wirkung, dann muss die Stauung augenblicklich unterbrochen 
werden und man muss versuchen, durch Incisionen zunächst einen 
Temperaturabfall herbeizuführen. Auffallend ist für jeden die bei 
Anwendung der Stauung erfolgende schnelle Gewebseinschmelzung. 
Es ist bekannt, dass die durch zerfallende Lenkocyten entstehenden 
proteolytischen Fermente bei der Gewebsverfltissigung eine gi-osse 
Rolle spielen. Die Stauungshyperämie wirkt bezüglich der Ge- 
websvei^üssigung wie ein Kataplasma. 

Verf. steht aber auf dem Standpunkt, dass das Abwarten 
der Gewebseinschmelzung gar nicht empfehlenswert ist, wenn man 
durch frühzeitige Incisionen die Verflüssigung verhindern kann. 
Daher müssen die entzündlichen Infiltrate schon vor der Stauung 
mit Incisionen versehen werden, nur in diesem Falle ist der uner¬ 
wünschten Fermentwirkung zu begegnen. Die Transsudation und 
Exsudation werden durch die Stauung ganz erheblich gesteigert. 
Sind die Entzündungsherde geschlossen, so ist diese Steigerung 
nur in leichteren Fällen unbedenklich. Demnach stellen sich die 
Ergebuisse der Untersuchungen des Vert. etwa folgendermaßen: 

1. Die veränderten Resorptionsverhältnisae be¬ 
wirken nur in leichten Fällen keinen Nachteil, bei schweren sind 
genügende Inzisionen zu fordern, um von dem erkrankten Gewebe 
die Gefahr der verminderten Resorption während der Stauung, 
von dem Gesamtorganismus die der gesteigerten Resorption nach 
Abnahme der Binde femzuhalten. 

2. Die Vermehrung der Schutzkörper infolge der 
Stauungsbebandlung ist bezüglich antitoxischer Stoffe ohne wesent¬ 
liche Bedeutung, bezüglich der bakteriziden in leichten Fällen 
vorteilhaft, in schweren schädlich durch das Freiwerden grösserer 
Endotoxinmengen infolge der Bakteriolyse. Nur grosse und früh¬ 
zeitig angelegte Spaltungen des Gewebes begegnen diesem Nachteil. 

3. Die Vermehrung der proteolytischen Fermente 
infolge der Stauungsbehandlung wirkt in infizierten Verletzungs¬ 
und Operationswunden günstig. Die Einschmelzung entzündlicher 
Infiltrate dagegen muss überall, wo es sich nicht um ganz leichte 
Formen handelt, durch frühzeitige Schnitte verhütet werden, da 
sonst der nekrotisierende Vorgaag wichtige Gewebsabschnitte 
(z. B. Seimen) erreicht, oder der Eiter in die Nachbarschaft 
durchbricht. 

4. Die vermehrte Transsudation beziehungsweise 
Exsudation während der Stauung wirkt in geschlossenen oder 
ungenügend inzidierten Entzündungsherden schädlich durch Ver¬ 
breitung der Giftstoffe ira Glewebe, nützlich dagegen in breit ge¬ 
öffneten und in infizierten Verletzungs- und Operationswunden 
durch die mechanische Ausschwemmung der Infektionsstoffe. 

Daraus folgt als Gesamtergebnis, dass sich die Stauungs¬ 
behandlung bei akuten pyogenen Erkrankungen im allgemeinen 
nur in leichten Fällen eignet; in schweren dagegen nur 
nach frühzeitigen und genügend grossen Spaltungen der 
Entzündungsherde. Zweifelhafte Fälle müssen als schwere be¬ 
trachtet und behandelt werden, namentlich wenn auf den ersten 
Stauungsversuch eine örtliche Verschlimmerung eintritt. 

2. Bestelmeyer, München: Erfahnmgen über die Behänd* 
lung akut entztts^oher Prozesse mit Staunngshjperämie nach 
Bier. 

Verf. hat etwa 200 Fälle nach Bier behandelt. Teils kamen 
die Gumraibinde, teils Sauggläser in Anwendung. Wo freier Eiter 
vorhanden war, wurde inzidiert, der Eiter durch Ausdrücken ent¬ 
fernt, aber nicht tamponiert. Die Eitersekretion pflegte in den 
ersten Tagen zuzunehmen, sank aber mit eintretender Besserung 
rasch ab. Furunkel und Karbunkel wurden mittels Sauggläsern 
behandelt, wobei die schmerzstillende Wirkung in erster Linie 
auffiel. Eine Abkürzung der Behandlungsdauer war kaum festzu- 
stellen. Die subkutanen Panaritien wurden meist mit Inzision 
und Bindenstauung behandelt. Dasselbe galt von den Phlegmonen 
der Hand. In 4 Fällen von phlegmonöser Bursitis praepatellaris 
mit subfaszialer Phlegmone am Oberschenkel führte die Stauung 
kombiniert mit kleinen Inzisionen nicht zum Ziele. Sehr bewährt 
hat sich das Biersche Verfahren bei periproktitischen Abszessen, 


hier kamen Saugnäpfe in Anwendung. Unzuverlässig war das 
Verfahren bei Erysipel, dagegen zeigten sich Erfolge bei L 5 nnphangiti 8 . 
Ueberraschende Erfolge sah Verf. bei mastitis puerperalis. Bei 
ostalen Panaritien sah Verf. von der Stauungstherapie keinen Er¬ 
folg. Die Ergebnisse aller dieser Beobachtung sind folgende: Die 
Wirksamkeit der Stauungshyperämie bei akut entzündlichen Pro¬ 
zessen ist erwiesen, jedoch es giebt für dieselbe eine Grenze, wo 
ihre Macht allein nicht mehr ausreicht, die Erkrankung zu über¬ 
winden. Vorteile der Methode sind die subjektiv viel angenehmere 
Behandlungsweise, die kaum sichtbaren Narben und der Fortfall 
der Tamponade. Nachteile liegen in der immerhin schwierigen 
Technik, die ohne Intelligenz des Patienten besonders schwer aus¬ 
führbar bleibt. 

3. Penkert, Freiburg i. B.: Lombalanftithesie im Xorphiom- 
Skopolamin-B&mmerschlaf. 

Der Verf. hat die Beobachtung gemacht, dass bei der sonst 
so erfolgreichen Medularanästbesie das klare Bewustsein der 
Patienten, welche alle Vorbereitungen sehen, störend wirkt, es 
kommt nicht selten zu heftigen Erregungszuständen. Aus diesem 
Grunde wurde Verf. dazu geführt, die Rückenmarksanästhesie mit 
dem durch Skopolamin-Morphium erzeugten Dämmerschlaf zu kom¬ 
binieren. Durch kleine Dosen Skopolamin-Morphium werden die 
Erinnerungsbilder so schnell verwischt, dass der Patient auch die 
Erinnerung an die Operation verliert. 2 V 2 —3 Stunden vor Be¬ 
ginn der Operation wird in je einstündigem Intervall je eine 
Spritze 0,01 Morphium plus 0,0003 Skopolamin injiziert, bis der 
gewünschte Dämmerzustand erreicht ist. Die Gesamtdosie des 
Morphiums beträgt meist 0,02, des Skopolamins 0,0006. In 
sitzender Stellung wird unter Cbloraethylspray, zwischen 1 und 2 
Lendenwirbel in der Mittellinie oder '/2 cm seitlich mit der Bier- 
schen Nadel eingestochen und Stovain-Suprarenin injiziert. Im 
Fehlen des Erinnerungsbildes der Operation liegt das Humane der 
Kombination. Nach dem Erwachen kein Erbrechen. Alle in dieser 
Weise operierten Fälle gaben dasselbe gute Resultat. 

4. Brentano, Charbin; Erfahrungen über Gelenkschüue ans 
dem mssisch-japanischen Krieg. 

Es ist zu unterscheiden zwischen infizierten und nicht infizierten 
Gelenkschüssen. Die letzteren können oft auffallend bringe 
Symptome machen und es kann schwierig sein, dieselben zu 
diagnostizieren. Man schloss auf Gelenkverletzung 1. aus der 
Verlaufsrichtung des Schusskanals, 2. aus der Beschränkung der 
Beweglichkeit und den Schmerzen bei aktiven und passiven Be¬ 
wegungen, 3. aus dem Ergüsse in die Gelenkkapsel, 4. aus dem 
Wundsekret, das in einigen Fällen durchaus die Beschaffenheit 
reiner Synovialflüssigkeit hatte. Ziemlich häufig konnte ein Stecken¬ 
bleiben der Geschos.se beobachtet werden. Eine Entfernung kommt 
meist nur dann in Betracht, wenn das Geschoss im Gelenk frei 
oder in der Kapsel sitzt. Sitzt das Geschoss in den das Gelenk 
bildenden Epiphysen, dann ist seine Entfernung nur dann indiziert, 
wenn es als Ursache länger dauernder Eiterung angesprochen 
werden rau.ss. Bei nicht infizierten Gelenkschüssen sind daher 
operative Eingriffe relativ seiten. Die Störungen auch bei nicht 
infizierten Gelenken sind meist recht beträchtlich. Es bleiben 
Steifigkeit des Gelenkes und Beschränkung der Beweglichkeit, 
spontane Schmerzen und Schmerzen bei Bewegungen und schliess¬ 
lich Muskelatrophien. Auch bei den infizierten Gelenkschüsseo 
ist eine konservative Behandlung am Platz. Sind grosse Weich¬ 
teilwunden und ausgedehnte Knochenverletzungen vorhanden, dann 
wird man wohl stets zur Amputation schreiten müssen. Verf. hat 
ausgedehnten Gebrauch von Gipsverbänden gemacht, je nach Be¬ 
dürfnis gefenstert. Besonders bewährt hat sich dem Verf. als 
Verbandmaterial Palinenblätter. Dieselben sind breit genug, werden 
in warmen Wasser ganz weich, ihre rauhe Oberfläche haftet gut 
am Gips, sie lassen sich leicht in Streifen zerlegen, welche den 
Schusterspahn ersetzen. Viele infizierte Gelenke heilen bei breiter 
Eröffnung, nur das infizierte Hüftgelenk konnte auf diese 
Weise nach den Erfahrungen des Verf. nicht zur Heilung ge¬ 
bracht werden. 

5. Colmers, Leipzig: Die kriegschimrgiBche Bedentnng 
des Böntgenverfahrens und die Art seinei Verwendung im 
Kriege. 

Zunächst sind folgende Fragen zu stellen: 1. Wo (in welchem 


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1906. 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


181 


Ija^'.aretverbande bezw. wie weit hinter dem Schlachtl'elde) ist das 
Röntgenkabinet zu etablieren, um am besten und erfolgreichsten 
für die Verwundeten ausgenützt werden zu können. 2. Wie ist 
das für Kriegszwecke bestimmte Röntgeninstrumentarium zusammen¬ 
gesetzt. Das Röntgenkabinet wird am zweckmässigsten nicht in 
der Nähe des Schlachtfeldes und nicht in leicht beweglichen 
Lazaretten sondern erst im Kriegslazaret aufgestellt. Für die 
Benutzung des Röntgenapparats kommen in Betracht Geschosse, 
Geschosssplitter und Fremdkörper, welche sich im Körper be¬ 
finden. Ferner ist er von grosser Wichtigkeit bei Frakturen, 
denn er giebt Aufschluss über den Grad der Zertrümmerung, die 
Lagerung der Splitter, den Heilungsvorgang und die Sequestrierung. 
Bemerkenswert ist die Erfahrung des Verf., welche dahin geht, 
dass während seiner Tätigkeit in Charbin kein Fall vorgekommen 
ist, in welchem es wünschenswert gewesen wäre, dass der Ver¬ 
wundete inelnemFeldlazaret röntgographisch untersucht worden wäre. 

6 . Jodlbauer, v. Tappeiner, München: üeber die Wir» 
knng des Lichtes auf Fermente (Invertin) bei Sanerstoffab- 
wesenbeit. 

Die früheren Untersuchungen der Verff“. haben gelehrt, dass 
eine sichere Schädigung des Invertins durch Sonnenlicht (ohne 
ultraviolette Strahlen) nur bei Sauerstofianwesenbeit stattfindet. 
Die neueren Untersuchungen beziehen sich auf das gesamte Licht 
und haben folgende Resultate ergeben: 1. Eine quantitativ be¬ 
stimmbare Schädigung des Invertins zeigte sich unter Belichtung 
auch in Gefässen, welche mit Wasserstoff, Stickstoff oder Kohlen¬ 
säure gefüllt waren. 2. Die Schädigung blieb unverändert be¬ 
stehen, wenn sich im Belichtungsgefiiss Sauerstoff absorbierende 
Mittel befanden. 3. Die schädigende Wirkung des Lichtes in 
sauerstofffreier Atmosphäre wird durch Zusatz von fluoriszierenden 
Stoffen zur Fennentlösung nicht beschleunigt. 

7. Selb erg, Berlin: üeber den Abriss der Streckaponen- 
rose der Finger (Distalen Phalanx). 

Das Abreissen der Streckaponeurose von der Endphalanx ge¬ 
hört immerhin zu den selteneren Verletzungen, es kommt meistens 
dadurch zustande, dass mit dem ausgeslreckten Finger heftig 
gegen einen Widerstand gestossen wird. Gewöhnlich wird sofort 
ein heftiger Schmerz empfunden, das Gelenk schwillt an und das 
Endglied bleibt in Flexion stehen. Die Behandlung kann meist 
der Operation entraten. Verf. lässt lediglich einen Däumling 
tragen, in welchem ein mit Leder überzogenes Stahlschienchen 
eingeschoben wird. Tägliche Massage ist vorteilhaft. 

8. Kuhn, Kassel: Wolfsrachen nnd perorale Tnbage. 

Verf. wendet bei der Operation des Wolfsrachens die In¬ 
tubation an. Die Narkose ist leicht und kontinuierlich, Zwischen¬ 
fälle werden vermieden und damit ein beschleunigter Verlauf der 
Operation ermöglicht. Ausser der Erleichterung der Narkose 
kommen bei der peroralen Tubage noch weitere günstige Momente 
in Betracht. Die Zunge wird nicht, wie sonst vorgezogen, sondern 
tief nach hinten in den Mundboden gedrückt und hindert dann in 
keiner Weite mehr. Zugleich dient die Zunge als Rachentainpon. 
Ein zweiter günstiger Punkt ist die Uebersichtlichkeit des 
Operationsfeldes und die so wichtige Reinlichkeit. Zum Zweck 
des Zurückdrängens der Zunge hat Verf. einen eigenen Spatel 
konstruiert, welcher ohne Behinderung des Operateurs gebraucht 
werden kann. 

9. Landgraf, Bayreuth: Sind Hauttransplantationen ein 
Heilmittel. 

Verf. hat im Krankenhaus zwecks Transplantation einen 
zweiten Kranken Thier’sche Lappen entnommen, und nun bei 
der Kasse, welcher der erste zu transplantierende Kranke ange¬ 
hörte, die Kosten für den Hautspender liquidiert. Diese Kosten 
wurden anstandslos bezahlt, ein Beweis, dass die Kasse die Haut¬ 
transplantationen im rechtlichen Sinne als Heilmittel anerkennt. 

10. Weinberg, Dortmund: Eine neue Sicherheitsvorriohtnng 
fhr subkutane und intravenöse Injektionen. 

Die einfache Vorrichtung besteht in einem zwi.schen Spritze 
und Kanüle eingeschaltetem nach Art eines Bajonettverschlusses 
drehbaren Zwischenstückes, welches bei einer be.stimmten Stellung 
eine seitliche mit der Kanüle kommunizierende Ausseuöffnung frei¬ 


macht. Man verfährt bei intravenösen lujeklioueu der Art, dass 
man bei geschlossener Oeffnung einsticht, dann öffnet und wartet, 
ob aus der Oeffnung Blut ausströmt. Bei subkutanen oder intra¬ 
muskulären lujektionen verfährt man in gleicher Weise, nur sticht 
man die Kanüle von neuem ein, wenn aus der Oeffnung Blut aus- 
tritt. Die Spritze wird von der Firma Dewitt A Herz, Berlin 
geliefert. 

11. Lange, München: Schule und Honett. 

Der Schluss der bereits in der vorigen Nummer in ihrem 
ersten Teil eingehend referierten wichtigen Arbeit enthält zunächst 
die Frage; Wie soll nun unsere Jugend von dem Korsett befreit 
werden? Das geschieht nicht dadurch, dass man plötzlich das 
Korsett verbietet sondern, dass man je nach dem Fortschritt einer 
durch Gymnastik zu erstrebenden Stärkung der Rückeomnskalatur 
allraälig das Korsett abgewöhnt. Jedoch es muss ein Ersatz ge¬ 
schaffen werden, denn der lineare Druck der Kleiderbünde ist 
mindestens ebenso oder noch schädlicher als das Korsett. Das 
Prinzip einer gesuuden weiblichen Tracht ist also dasselbe, wie 
das unserer männlichen Kleidung. Dieses Prinzip durchznführen 
empfiehlt Verf. das Tragen eines nirgends geschnürten mit 
Schulterbügeln versehenen sogenannten Münchner Leibchens. Als 
Strumpfhalter wird ein das Becken umspannender Gurt mit an der 
Innenseite der Oberschenkel verlaufenden Strumpfbändern getragen. 
Als Oberkleid dient am besten die sogenannte Prinzessform. Ob 
eine Kleidung weit genug ist, lässt sich am sichersten prüfen, 
wenn sich die Frau in Rückenlage flach hinlegt. Wird in dieser 
Lage beim Ein- und Aasatmen kein ringförmiger Druck am Rumpf 
empfunden, so macht die Kleidung auch in allen anderen 
Stellungen keine Beschwerden. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 14. 

1 . Braun, Göttingen: Die Behandlung des Plenraempyems, 

Zur Feststellung des Pleuraempyems und der Beschaffenheit 

des Eiters ist die Punktion unumgänglich. Dieselbe wird oft 
zweckmässiger Weise an zwei Stellen ausgeführt und zwar an 
einer höher und einer tiefer gelegenen Stelle. Zur Punktion sind 
die Nadeln der gewöhnlichen Pravatz’schen Spritzen im allgemeinen 
zu dünn, man tut besser daran weitere Canulen zu verwunden. 
Mit Punktion nnd Aspiration des Eiters kommt man gewöhnlich 
nicht zu einer Heilung. Die souveraine Methode bleibt die opera¬ 
tive Eröffnung des Pleurasackes mit möglichst gründlicher Ent¬ 
leerung des Eiters. Entweder macht man den Schnitt intercostal 
oder nach erfolgter Rippenresektion retrocostal. Der intercostale 
Schnitt hat oft den Nachteil, dass man nicht lange genug die 
Wunde offen halten kann. Zur Resektion wählt man entweder die 5. 
oder 6. Rippe in der Axillarlinie oder die 9. und 10. hinten am 
Rücken in der Scapularlinie. Im allgemeinen kommt man mit 
dem seitlichen Schnitt aus. Die Operation wird bei ängstlichen 
Personen und bei Kindern in Chloroformnaroose aasgeführt. Man kann 
auch Lokalanästhesie anwenden, nur bleibt das Periost immer em¬ 
pfindlich. Von Ausspülung der Pleurahöhle macht Verf. keinen 
Gebrauch. Die Wunde wird mit genügend weiten Rohren drainiert. 
Ein Nachteil der Inzisionsmethode ist die Bildung eines Pneumo¬ 
thorax. Wichtig ist auch das Fibringerinsel mittels Tupfer oder 
mit dem scharfen Löffel zu entfernen. Man hat auch empfohlen 
mittels Wasserstrahlpumpe den Inhalt der Pleurahöhle auszusaugen. 
Manche Kliniker halten die Heberdrainage für eine dem Schnitt 
gleichwertige Methode. Für die Behandlung der tuberkulösen 
Empyeme lässt sich eine Regel gar nicht aufstellen. Es muss von 
Fall zu Fall entschieden werden. Eventuell ist die Injektion von 
10% Jodoformglycerin in den Pleurasack zu versuchen. Die 
doppelseitigen Empyeme sind vielleicht häufiger als man denkt. 
Man wird die operative Eröffnung nicht gleichzeitig sondern nach 
einander vornehmen. Die therapeutischen Resultate sind nicht 
schlechter, wie bei der eiuseitigen Erkrankung. 

Bei spontan nach aussen durchgebrochenen Empyemen führt 
oft eine Rippenresektion zur Heilung. 

2. Brauer, Marburg: Praxis and Theorie des Überdraok» 
Verfahrens. 

Der Verf. steht auf dem von ihm schon präzisiertem Stand¬ 
punkt, da.ss für die Praxis eia Unterschied zwischen Überdruck- 
nnd Minusdruckverfahren nicht besteht. Die Vorwürfe, welche 


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182 


MBDICINI8CHB WOCHE. 


Nr. 16. 


man dem Überdruckverfahren macht, es sei z. B. unphysiologisch, 
treffen das Uuterdruckverfahren ebenso. Es kommt immer 
nur auf die Druckdifferenz an nicht auf den absoluten Druck. 
Als Nullpunkt kann niemals der normale Ätmosphärendruck 
genommen werden, sondern entweder der Innendruck oder Aussen¬ 
druck nicht aber in dem einen Fall der eine im anderen der 
andere. Bei richtiger Beurteilung kann man unmöglich zu einer 
Unterschätzung des Ueberdruckverfahrens kommen. 

3. Kümmel, Hamburg-Eppendorf: Die operative Behandlung 
der Hypertrophie und des Caroinoms der Prostata. 

Nach Anschauung des Verf. ist die Prostatahypertrophie eine 
lokale Erkrankung der höheren Lebensjahre von deren Beseitigxmg 
auch ein positiver Erfolg zu erw’arten ist. Die Bottinische 
Operation bietet heute bei dem guten zur Verfügung stehenden 
Instrumentarium nicht mehr die erheblichen Schwierigkeiten, welche 
im Anfang ihre Einftihrung in die Praxis verhinderten. Verf. 
hat unter 52 Bottinischen Operationen vier Misserfolge und 
drei kurz nach dem Eingriff eingetretene Todesfälle zu verzeichnen. 
Von den übrigen 45 Fällen starben acht längere Zeit nach der 
Operation. Verf. glaubt, dass die von anderen Klinikern berichteten 
Misserfolge teilweise darauf zurUckzufübren sind, dass die lu- 
cisioneu nicht tief genug aasgeführt wurden. Die Operation hat 
Verf. stets bei vollkommen entleerter Blase ausgeführt. Da die 
Schmerzen nur gering sind, kann man des Narcoticums entraten. 
Von der Operation wurde abgesehen bei Pyelonephritis, Schrumpf¬ 
niere und dergl. 

Zur Verkleinerung der vergrösserten Prostata hat man die 
zuführenden Arterien unterbunden. Die Operation ist zumal bei 
alten Leuten nicht ohne Gefahren. Auf Grund der entwicklungs- 
geschichtlich nachweisbaren Beziehungen zwischen Hoden und 
Prostata hat man bei Hypertrophie der letzteren die Castration 
vorgeschlagen. Die Operation ist einfach und ungefährlich und 
zwingt nicht zu längerem Liegen ein bei alten Leuten recht wichtiges 
Moment. 

Auch die teilweise Excision der Prostata ist mit gutem Er¬ 
folg versucht worden. Man umschneidet deu Mastdarm und löst 
denselben stampf von der Prostata ab und schneidet nun aus dieser 
ein möglichst grosses Stück heraus. 

Die Totalexstirpation ist eine immerhin recht schwierige 
Operation, welche vor allem zu längerer Bettruhe zwingt. Bei 
geeigneter Technik gelingt diese Operation in kurzer Zeit. Es 
fragt sich nun, wann soll eine Prostatahypertrophie operativ 
in Angriff genommen werden. Zunächst wird man versuchen 
durch geeigneten Katheterismus eine spontane Entleerung zu be¬ 
wirken, gelingt dies in einigen Tagen nicht, dann wird man zur 
Operation schreiten. Besteht der Verdacht auf Carcinom, so kommt 
nur die Radicaloperation in Betracht. Welche Operation gemacht 
wird, hängt von dem einzelnen Fall ab. Verf. hat die Entfernung 
der Prostata in letzter Zeit meistens durch sectio alta ausgeführt. 
Die Bottinische Operation wendet Veif. da an, wo der All- 
gemeinzustand einen radikalen Eingriff nicht gestattet. Mit gutem 
Erfolg bat Verf. die Lumbalanaesthesie angewandt. 

4. Neumann, Berlin: Zur Radikalbehandlang der Colon- 
carcinome. 

Die operative Therapie beim Coloncarciuom weist immer noch 
eine erhebliche Mortalität auf. Wichtig ist die sorgfältige Aus¬ 
wahl der für eine radicale Entfernung geeigneten Tumoren und 
ein vorsichtigeres, mehr individualisierendes Vorgehen bei der Ent¬ 
fernung der Geschwülste. Erschwerend für die Operation ist, dass 
meist der Shock ein relativ grosser ist und dass die Nähte nicht 
allzusicher halten. Die Anwendung des Murphyknopfes empfiehlt 
sich durchaus nicht. Die meist in hohem Grade vorhandene Koth- 
staumig wird am besten vor Anlegung der Nähte beseitigt. Wie 
dies geschieht, hängt von der Eigenart des Falles ab. 

5. Amberger, Frankfurt a. M.: Zwei bemerkenswerte Fälle 
von Gehimohimrgie. 

Ein sechsjähriger Knabe erleidet einen Fall auf die Stirn mit 
Hautwunde ohne Knochenverletzung. Im Laufe von Wochen ent¬ 
wickeln sich Symptome eines Gehirnabscesses, es wird trepaniert 
und etwa 100 ccm dünnflüsssigen Eiters entleert, Heilung ohne 
Störung. Der zweite Fall betrifft einen jungen Mann, welcher von 


einer Leiter stürzte und sidi offenbar eine Basisfractor zosogi 
auch hier treten Erscheinungeu eines Gehirnabszesses auf, aus der 
einen Nase entleert sich viel seröse Flüssigkeit. Es wird trepaniert 
und man findet das Stirnbein mehrfach frakturiert. Im Gehirn 
eine grosse porenzephalische Höhle. Heilung glatt. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 15. 

6 . Binz, Bonn: Heber Eaohininund Ariitoohin gegen Keaoh- 
hasten. 

Verf. hat .seiner Zeit auf die therapeutische Verwendbarkeit 
des Chinins bei Pertussis hingewiesen. Die von allen Seiten be¬ 
stätigten guten Erfolge dieser Therapie erklären sich zwanglos bei 
der neueren Auffassung des Keuchhustens als Infektionskrankheit. 
Nun steht der Ordination des Chinins aber der stark bittere Ge¬ 
schmack entgegen, welcher von Kindern nicht ertragen zn werden 
pflegt und daher eine durchaus nötige regelmässige Darreichung 
verhindert. Es gibt nun zwei Chininpräparate, welche so gut wie 
geschmacklos sind. Kirstens das Euchinin, der Kohlensäure-Aethy- 
lester des Chinins. Dasselbe wirkt nach den Beobachtungen des 
Verfassers genau so wie das Chinin und kann daher bei Pertus^ 
in ganz ausgezeichneter Weise verwandt werden. Allerdings ist 
der Preis ein ziemlich hoher. Das zweite Präparat ist das Aristo- 
chin, der neutrale Kohlensäureester des Chinius. Aach dessen 
Wirkung ist gleich gut aber der Preis noch höher wie beim 
Euchinin. 

2. Üblich, Berlin: Ueber emen Fall von aoatem Brom- 
Exanthem bei Morbus Basedowü. 

Einer Basedow-Patientin wurde brausendes Bromsalz verab¬ 
reicht. Es stellte sieb ganz plötzlich ein Elxanthem ein, welches 
auf den Handrücken, im Nacken und an den Augenbrauen lokali¬ 
siert war. Es traten zunächst kleine rote Stippdien auf, welche 
sich schnell vergrösserten, stark juckten und sich in eine Art von 
Quaddeln verwandelten. Diese füllten sich mit etwas wässriger 
Flüssigkeit und wurden blasenartig. Die ausgebogenen wallartigen 
Bänder waren von einer roten Zone umgeben. Es lag bei der 
Patientin eine ganz aussergewöhnlich hohe Reizbarkeit des Gesäss- 
nervensystems vor, was auch durch die starke urticaria factitia 
erwiesen werden konnte. In gewisser Weise abgesehen von der 
Lokalisation glich das Exanthem demjenigen, das nmn nicht selten 
bei Antipyrin zu beobachten Gelegenheit hat. 

3. Litt haue r, Berlin: Ueber abdominale Netetorsion and 
retrograde Inoaroeration bei vorhandenem Leütenbraeh. 

Bei einer 53jährigon Frau, welche ohne jede Beschwerden 
und ohne jede Behandlung einen Leistenbruch heromgetragen hatte, 
traten plötzlich heftige Schmerzen im Brudisack und im Abdomen 
auf. Die Untersuchung ergab in der linken Unterbauchgegend 
eine deutliche mit der im Bruchsack fühlbaren Geschwalst zu¬ 
sammenhängende Resistenz. Am Tage der Einlieferung wurde zur 
Operation geschritten. Im eröfheten Bruchsack zeigte sich Netz 
mit straff gefüllten Venen, kein Erguss. Ein freier Netzzipfel 
findet sich nicht. Es gelingt nicht das Netz durch die Brueb- 
pforte hervorzuziehen und es wird daher die Laparotomie ange- 
schlo.s8en. Diese ergibt eine reichliche Menge blutig ge&rbter 
Flüssigkeit. Die oben erwähnte Resistenz erweist sich als das 
dreimal torquierte Netz. Daneben liegt der kuglig geschwollene 
schwarzverferbte Netzzipfel welcher mit einem Appendix epiploi- 
cus der Flexura sigmoidea verwachsen ist. Diese Verwachsung 
wird gelöst, das Netz reseciert und die Wunde bis auf eine Drai- 
nageöffnung geschlossen. Die Heilung erfolgt anstandslos, abgesehen 
von einer Venenthrombose des Oberschenkels, Wie die Torsion 
des Netzes zustande gekommen ist lässt sich nicht sagen, der 
Netzzipfel dagegen ist offenbar einer retrograden Incarceration an¬ 
heimgefallen. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 14. 

1. Schütz, Wien: Ueber radiologisohe Befände bei Magen* 
karzinom. 

Verf. hat mittels des Wismuthverfahrens verschiedene 
Fälle von Magenkarzinom radiologisch untersucht. In allen Fällen 
wich dieser Befund von der Norm ab. Das übereinstimmende 
Ergebnis war eine fehlende oder höchst mangelhafte FüUimg des 
Antrum pyloricum mit dem Bismuthbrei und ein Fehlen der Peri- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


183 


staltik dieses Magenabschuittes. Es scheint also wohl möglich zu 
sein, auf radiologischem Wege den Sitz eines Erkrankungsherdes 
im Magen zu lokalisieren und die sonst nicht immer zu beant* 
wertende Frage nach der Angehörigkeit eines Turners zum Magen 
zu entscheiden. Man wird hoffen dürfen, dass auf diesem Wege 
es auch gelingt, differentialdiagnostische Fortschritte bei Magenkarzi¬ 
nom und ulcus ventriculi zu machen. 

2. Hamburger. Wien: üeber paravertebrale D&mpfimg 
imd Anfkellmig bei Pleuritis. 

Man ßndetbeiPleuritisauf der kranken Seite regelmäßig eineZone 
relativ aufgeheliten Schalles gleich neben der Wirbelsäule. Die Unter¬ 
suchungen des Verf. haben nun ergeben, daß man in jedem Fall von 
exsudativer Pleuritis imstande ist, auf der Hinterseite des Thorax vier 
Zonen verschiedenen Perkussionsschalles von einander zu unter¬ 
scheiden. Der Schallauf der gesunden Seite ist neben der Wirbelsäule 
dumpfer als in den äußeren Thoraxpartien, dagegen ist der Schall 
auf der kranken Seite neben der Wirbelsäule heller als in den 
äusseren Partien. Man kann daher von einer paravertebralen 
Zone reliitiver Dämpfung auf der gesunden und von einer paraver¬ 
tebralen Zone relativer Aufhellung auf der kranken Seite sprechen. 
Dieses eigentümliche Verhalten kommt dadurch zu Stande, dass 
bei der Percussion der gesunden Seite die Kranke durch das Ex¬ 
sudat behindert!, nicht mitschwingen kann, während bei der 
Percussion der kranken Seite die gesunde Seite mitschwingt. 

3. Kienboeck, Wien: Das quantimetrische Verfahren. 

Verf. hat eine Methode angegeben, um die Intensität der 

verwandten X-Strahlen zu messen und damit zu einer denkbar 
genauen Dosierung und Abstufung zu gelangen. X-Strahlen ver¬ 
ändern lichtempfindliche Papiere desto energischer, je länger sie 
einwirken. Verf. benützt nun Kartoostreifen, welche mit Chlor- 
bromsilbergelatine überzogen sind und mit einem besonders zu¬ 
sammengesetzten Entwickler entwickelt werden. Je nach der 
Dunkelheit des hervorgerufenen Silberniederschlags wird an Hand 
einer von der Firma Heiniger, Gellbert und Schall in Er¬ 
langen beigegebene Scbattenskala die Dose bestimmt. 

4. Fridezko, Wien: Ueber zwei Fälle pulsierender Ober- 
sohenkelvarizen. 

Verf. hat zwei Fälle von Oberscbenkelvarizen beobachtet, 
welche beide folgende Punkte gemeinsam hatten: 1. leichte Arterio¬ 
sklerose, 2. mäßige Bradykardie, 3. Pulsation von Oberschenkel¬ 
varizen, dieselbe ist eineDoppelpulsation von rhythmischem Charakter, 
deren erste Erhebung rein systolisch einsetzt, die zweite Erhebung 
fällt in die Diastole. Sie geht mit Bradykardie einher, schwindet 
mit derselben. Sie. ist äusserst unbeständig, an Intensität wechselnd, 
häufig schwindend. Verf. konnte den Beweis erbringen, daß in 
dem einen Fall sicher, im zweiten wahrscheinlich die Pulsation in 
ihrer Totalität als mitgeteilte anzusehen ist. 

Therapeutische Monatshefte 1906. No. 3. 

1. Sörensen, Kopenhagen: Ueber Bogeuauote retom cases 
— d. b. durch entiassene Oeflobwister angesteckte, dem Spital 
suräokgesobiekte Fälle — bei Scbarlaoh. 

Die sorgsamen und an einem grossen Krankenmaterial vor¬ 
genommenen Untersuchungen haben ergeben, dass im allgemeinen 
die Isolierdauer eine längere sein muss, da auch in der Rekon¬ 
valeszenz die weitere Verbreitung nicht zu den Seltenheiten ge- 
höit. Eine längere Isolierdauer ist aber nur schwer durohiührbar 
und daher kommt es, dass wir der Frage der return cases ziem¬ 
lich machtlos gegenüber stehen. 

2. Lots, Friedrichroda: Zur Therapie nervöser Schmerzen. 

In recht anregender und beachtenswerter Weise entwickelt 

Verf. eine Theorie über die Funktion der sogenannten sensiblen 
Nerven, das heisst der ceotripetalen Leitungen zum Zentralorgan. 
Der Gedankengang ist ungefähr folgender. Der motorische Nerv, 
die oentrifugale Leitung erhält eine Energiewelle von einer zen¬ 
tralen Zellgruppe aus. Das Resultat dieser Welle ist die Kon¬ 
traktion eines Muskels. Woher nimmt die Gehirnzelle die Kraft, 
um dem motorischen Nerv die erwähnte Energiewelle mitzuteilen? 
Diese Kraft muss eine latente sein und Verf. nimmt nun an, dass 
die durch die centripeteden sensiblen Leitungen dem Zentralorgan 


übermittelten, aus der Aimsenwelt stammenden Reize in latente 
Kraft umgesetzt werden und erst im geeigneten Moment als 
Muskelaktion wieder ziim Vorschein kommen. Somit bestände die 
Hauptaufgabe des sensiblen Systems darin, den Zentralorganen 
Energiewellen zuzuführeu, latente Kraft, nervöse Energie zu liefern. 
Dass >vir durch die sensiblen Nerven gelegentlich auch Nachrichten 
Uber die Aussenwelt erhalten, ist nebensächlich. Der Mangel an 
den durch die sensiblen Nerven dem Zentralorgan zu übermittelnden 
Reizen wird der Mensch unangenehm empfinden, und wenn die 
Hautnerven keine Gelegenheit haben, zu funktionieren, so ist dies 
ein Nacliteil. 

Nun sind nervöse Schmerzen nach Ansicht des Verf. die Folge 
eines Rclzzustandes im sensiblen System und haben ihre Ursache 
in einer mangelhaften Tätigkeit des letzteren resp. der Hautnerven. 
Je mehr wir also unsere Hautnerven üben und ihnen erwünschte 
Reize zukommen lassen, desto mehr wird sich nervöse Spannkraft 
im Zentralorgan aufspeichern und desto schneller werden nervöse 
Schmerzen verschwinden. Verf. empfiehlt daher häufiges und 
gründliches Frottieren der Haut mit einem rauen Stoffe. Die Er¬ 
folge dieser Anordnung bei nervösen Schmerzen scheinen gute zu 
sein 

3. Sommer, Dresden: Ueber Maretin. 

Verf. hat das von der Firma Bayer & Co. hergestellte Ma¬ 
retin, ein Karbaminsäure-m tolyl-hydracid einer therapeutischen 
Prüfung unterworfen. Die Resultate sind folgende: Unter 25 
Fällen war das Maretin bei 7 Fällen von einwandsfreier günstiger 
Wirkung. Bei 2 Fällen trat Collaps ein. Bei den übrigen Fällen 
war ein erheblicher Erfolg nicht zu erzielen. Trotzdem hält Verf. 
das Maretin für ein ganz brauchbares Fiebermittel, zumal für 
Phthisiker. 

4. Mo 11 weide, Freiburg i. B.: ürfahnmgen über Regulin. 

Verf. hat mit dem von Schmidt angegebenen Regulin 

(.Agar. Agar mit Cascaraextrakt) recht gute Erfahrungen gemacht 
und empßehlt dasselbe bei chronischer Obstipation ganz besonders. 
Ein besonderer Vorzug besteht darin, dass das Mittel nicht reizt. 

5. Haedicke, Falkenstein: Ueber Appetitlosigkeit und 
appetitanregende Mittel bei Lungentuberknlose. 

Das wichtigste bei Anorexie der Phthisiker ist die Enuierung 
der Ursache. Diese liegt oft in der Erkrankung selbst. Zunächst 
bedingt das Fieber als solches meist eine Appetitlosigkeit. Sodann 
sind es Intoxikationserscheinungen, welche als ätiologisches Mo¬ 
ment herangezogen werden müssen. Auch das starke Husten bei 
den Mahlzeiten muss in Betracht gezogen werden. Des weiteren 
kommen Störungen von seiten des Verdauungstractus in Frage. 
Hierher gehören chronischer Magenkatarrh, Carcinom, Ulcus ven¬ 
triculi. Viele Magendarmstörungen entstehen durch das Verschlucken 
der Sputa. Auch die oft in guter Absicht übertriebene Milcher¬ 
nährung macht gelegentlich Störungen. Sehr wichtig für die all¬ 
gemeinen Ernährungsstörungen ist- auch die bei Tuberkulosen so 
häufige Obstipation. Schliesslich muss auch die Darmtuberkulose 
erwähnt werden. Für alle diese Störungen kommt in erster Linie 
die Beseitigung der Ursachen in Betracht, ferner wird man Me¬ 
dikamente heranziehen können. Als solche stehen zur Verfügung 
die .\mara, die Gewürze, die Pleischsäfte und Fleischsalze, da.s 
Kreosot in kleinen Dosen, das Phytin, der Alkohol in kleinen 
Dosen; der Pawlow’sche Hundemageusaft. Sehr wichtig ist aus¬ 
gedehnter Genuss reiner frischer Luft und Bewegung unter gleich¬ 
zeitiger Anwendung von Arsen. 

6 . Bilharz, Sigmaringen: Medikamentöse Bebandlnng der 
Tuberkulose. 

Verf. betont gegenüber der diätetisch-physikalischen Behand¬ 
lung der Tuberkulose die medikamentöse, zumal in den Fällen, 
in denen der Lungenprozess noch nicht sehr ausgebreitet ist. 
Verf. gibt seit Jahren grosse Gaben von Elalium sulfoguajacolicum 
und zwar mit Ossin zusammengerührt. Der Appetit hebt sich, 
das Körpergewicht nimmt zu. Eine Begrenzung der Darreichung 
gibt es nicht. Zum Beweis der Richtigkeit dieser Angaben führt 
Verf. kurz drei Fälle auf. Vor allem soUen skrophulöse Kinder 
das Mittel sehr gut vertragen und sich dabei erheblich bessern. 

7. Krefft, Berlin: Ueber elektromagnetische Therapie 
(System Trüb). 

Verf. teilt Erfahrungen über die Behandlung mit dem wechsel- 


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MBDICINTSCHB 'WOCHE. 


Nr. 16. 


magnetischen Feld mit. Wenn dieselben auch eine nur immerhin 
kleine Zahl von Heilungen ergeben, so ist das Verfahren als 
solches wegen seiner bequemen und leichten Handhabung, seiner 
Vielseitigkeit und Unschädlichkeit doch dringend zu empfehlen. 
Das Hauptgebiet stellen die Neuralgien, rheumatischen Erkrank« 
ungen, Neurasthenien und Äfifektionen des ZentralnerveDS 3 ^tems 
dar. Verf. führt 7,2% Heilungen und 44,8% sehr erhebliche 
Besserungen auf. 

8 . Meyer, Bernstadt Sa.: Zar Behandlung der entzünd« 
liehen Erkrankungen der oberen Hamwege. Verf. hat die An¬ 
sicht, dass bei entzündlichen Erkrankungen der oberen Hamwege 
als ätiologisches Moment Produkte des intermediären Stoffwechsels 
mit in Betracht kommen, welche einen günstigen Boden für Bak¬ 
terien vorbereiten. Er bat gute Erfahrungen mit dem Helmitol 
gemacht Als Hauptpunkte bei der Behandlung schwerer Er« 
kranknngen der Hamwege besonders in ihren oberen Abschnitten 
sind folgende zu beobachten. 1. Rege Durchspülung der Hara- 
wege durch den Genuss reizloser Flüssigkeiten. 2. Ausschalten 
der Bildung reizend oder toxisch wirkender Stoffe im Darm, durch 
weglassen der Fieischnahrung, Gewürze etc, durch regelmässige 
Darmauswaschung mittels Lösungen von Mittelsalzen in Form der 
Bitterwässer oder des Sanosals. 3. Darreichen eines leicht imd 
in ausgibiger Menge Formaldehyd abspaltenden Medikamentes, am 
besten in der Form des Helmitols. 

9. Ganz, Brünn.* üeber die therapeutische Wirksamkeit 
der Alkoholsilbersalbe. 

Diese Alkoholsilbersalbe von der Firma Helfenberg her- 
gestellt, besteht aus 0,5% Collargol, 70% Alk. von 96%, Natron- 
seife, Wachs und Glycerin. Die Salbe hat eine einheitliche 
dunkelbraune Farbe, ist von geschmeidiger Konsistenz und riecht 
nach Alkohol. Das Anwendungsgebiet ist folgendes: 

1. Zirkulationsstörungen der Haut wie die durch die Kälte 
hervorgerufenen Stauungshyperämien, z. B. Perniones der 
Ohren, Hände und Füsse. 

2. Ernährungsstörungen wie Kongelationen, Ulcera cruis. De¬ 
cubitus. 

3. Traumen: Schwellungen der Weiebteile nach Kontusionen, 
Sugillate, Schwellungen der Gelenke nach Distorslonen; 
Verbrennungen ersten und zweiten Grades. 

4. Nichtinfektiöse Elntzündongen: Tendovaginitis, Bursitis, Phle¬ 
bitis, chronische Ekzeme. 

5. Infektiöse Entzündungen: In&zierte Wunden, Panaritien, 
Phlegmonen, Furunkel, Lymphadenitis und Lymphangitis, 
Bubo und Epididymitis. 

10. Bauermeister, Braunschweig: Zur Therapie der 
Galleasteinkrankheit mit Probilinpillen. 

Diese ProbDinpillen bestehen aus ölsaurem Natron, Salizyl¬ 
säure, Menthol, Phenolphtalein und werden von F. Buchkas Kopf- 
Apotheke in Frankfurt a. M.- hergestellt. 

Von 42 während mehrerer Jahre beobachteten Fällen waren 
4 unbeeinflusst, 17 gebessert, 21 glatt geheilt. Das Präparat 
scheint demnach wohl geeignet zu sein in der Therapie der Gallen- 
steinkrankheit verwandt zu werden. 

AHgemeine medicinische Central-Zeitung. 1906. Nr. 3. 

Rahn: Arzt und Mutter in der Säuglingsemähnmg. Studie 
über Stillen und künstliches Nähren. 

Die Forderung wird erhoben, dass das Stillen auf alle Fälle 
und bei jeder einzelnen Mutter dringend anzuraten und mindestens 
während der ersten 6—8 Wochen zur Pflicht zu machen ist. 
Nach dieser Zeit kann man in den Forderungen insofern nach- 
lassen, als man wenigstens noch das Stillen früh und abends und 
ev. Nachts verlangt. Ist eine Zutat bei mütterlicher Milchdar¬ 
reichung oder ein Ersatz der Muttermilch nötig, dann empfiehlt 
Verf. in erster Linie die Theinhardt’sche lösliche Kindernahrung. 
Ein anderes Theinhardt’sches Nährpräparat, „Hygiama“ hat viel 
gute Dienste geleistet als Kräftigungsmittel in der Rekonvaleszenz, 
hei Magen- und Darmkranken, als reizlose Kost bei Nephritis, als 
schonende und anregende Kost bei fieberhaften Krankheiten; ganz 
besonders glaubt er es empfehlen zu können als Beihülfe bei 
Milchkuren und als Gewohnheitsgetränk bei Magen- und Darm¬ 
empfindlichkeit, bei Ausflügen, Bergtouren, und für Schulkinder 
mit langen Schulvormittagen. 


Medicinisch-chirurgisches Centraiblatt. 1906. Nr. 3. 

Hotys: Krituohe Betrachtungen über Wesen und Therapie 
der Arteriosklerose. 

Ausgehend von der Annahme, dass die Arteriosklerose in der 
Hauptsache in der Ablagerung von Kalksalzen in die Gefässwände 
besteht, dass die Füllung der Kalkphosphate auf den Mangel an 
Alkalien im Blute beruht, hat Trunuck versucht, eine Lösung der 
Alkalisalze des Blutserums als anorganisches Serum arteriosklero- 
ticum einzuspritzen und damit bemerkenswerte Erfolge erzielt. 
Die Salze in Tablettenform gebracht, sind als Antisklerosien in 
jüngerer Zeit in die Therapie eingeführt worden. Damit hat 
Verl. Versuche augestellt. Danach empfiehlt er die Autisklerosin- 
behandlung (4—6 Tabl. tägl. längere Zeit fortgegeben) als ai^s- 
gezeichnete prophylaktische Therapie bei beginnender Arterio¬ 
sklerose, bei der sie die subjektiven und objektiven Beschwerden 
zu beseitigen, zum mindesten auf längere Zeit hinanszuschieben 
vermag; aber auch ^bei vorgeschritteneren Fällen lässt sich eine 
günstigej-e Beeinflussung der subjektiven Beschwerden erzielen als 
mit irgend einer anderen Behandlung. 


Bücherbesprechung- 

Bruns, Prof. Dr. med. L. Die Hysterie im Kindes¬ 
alter. 2. Auflage. Verlag C. Marhold, Halle a. S. 1906. 

Die Hysterie des Kindesalters lat noch nicht so bekannt unter 
den Ärzten, wie es sein sollte. Sie ist sebr häufig eine mono¬ 
symptomatische und sogenannte Hysterie manive mit sofort erkenn¬ 
baren Symptomen und wenig erkennbaren psychischen Eigenheiten, 
auffällig ist das Fehlen der sog. Stigmata. Die Darstellung der 
Symptome entspricht der persönlichen Erfahrung des Vf. Von 
Lähmungen sah er häufiger Hie mit Contracturen verbundenen 
Formen. Die Contracturen sind enorm stark, in Ulose lösen sie sich. 
Die Reflexe sind nicht so häutig gesteigert, wie bei Erwa<'hsenen, 
auch Gefühlsstörungen sind selten. Die Sehstöning, die Astasie 
Abasie ist nicht leicht zu erkennen, ebenso die Optonie, der Mutis¬ 
mus da.s Stottern. Dass die Chorea recidive so häufig ein Ausdruck 
der Hysterie und, kann Referent nicht zugeben, über die Chorea 
electrica uud die Akten noch nicht geschlossen, solange die Form 
nicht sicher von anderen Krankheiten zu isolieren ist. Die Hystero 
epilepsie bat Vf. in letzter Zeit häufiger gesehen, die Anteile lassen 
sich von hysterogenen Punkten leicht hervorrufen. Interessant ist 
die Schilderung der Chorea negrofälle, des Palles von Besessenheit. 
Bezüglich der Amaurose, der Taubheit, der Anaesthesie entsprechen 
die Erfahrungen des Vf. den allgemeinen, die Erklärung des 
Fehlens der Anaesthesie bei Kindern ist sehr plausibel. In con- 
tuentia urinae und häufiger bei dem Typus d4 peru4 gesehen 
als bei reiner Hysterie. Trophischo Störungen der Haut waren 
immer Selbstverletzungen Ueber das psychiatr. Verhalten lässt sich 
Allgemeingültiges nicht sagen, es kann ebensowohl erhöhte In¬ 
telligenz, wie das Gegenteil, Unarten, schwere Lenkbarkeit, wie 
gutes Verhalten vor Mädchen und häufiger betroffen, als frühestes 
Alter ist das 3. Ijebensjahr anzusehen; merkwürdiger Weise kamen 
gerade bei Landkindem recht schwere Fälle vor. Bruns leugnet 
nicht den Einfluss der Vererbung, glaubt aber, dass gerade das 
Beispiel, die Nachahmung, falsche Erziehung gleichfalls eine grosse 
Rolle spielen, wie das recht interessant des Näheren ausgeführt wird. 
Ueber das Capitel: „Diagnose“ möchte ich nur sagen, dass es so 
erschöpfend und glänzend getrieben ist, wie es der vielseitigen 
und gereiften Erfahrung des bekannten Verfassers entspricht; es 
ist auch nicht entfernt möglich, den Inhalt in einem Referat genü¬ 
gend wiederzugeben und es wird daher die Lektüre des Buches 
dringend empfohlen. 

Die Prognose der Kinderhysterie ist eine bessere, als die der 
Erwachsenen. 

Die prophylactischen Maßnahmen stossen auf grosse Schwierig¬ 
keiten, die Entfernung aus der Umgebung ist namentlich in Deutsch¬ 
land kaum durchzu führen. Für die eigentliche Behandlung ist 
festzuhalten, dass neben Isolierung und Allgemeintherapie, im 
wesentlichen psychisch wirkende Mittel in Betracht kommen. 

Während V>ei Erwachsenen die Methode an Überrumpelung nicht 
immer Wirkung hat, ist das l)ei Kindern fast immer der Pall. 

Die Einwirkung muas auf verschiedenartige Weise geschehen, 
der Arzt soll erfinderisch sein und sich die psychiatrische Wirkung 


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1090. 


MBDICmiSOHB WOCHE. 


185 


vorher klar machen. Eine andere ßeeinilussung ist die damit 
berührte Nichtbeachtung der Symptome und Anfälle. Ein Wort 
noch über die hypnotische Behandlung. Verfasser hat sie bei 
hysterischen Kindern selbst nie angewandt und ist ohne sie aus¬ 
gekommen, verwirft aber die Methode nicht principiell. Ref. theilt 
im ganzen den Standpunkt, glaubt aber nicht, dass bei vorsich¬ 
tiger Anwendung Schaden angerichtet wird. 

Wehrle -Basel. Ueber Viofom. (Supplement zum Korrespon¬ 
denzblatt für Schweizer Aerzte. 1903, Nr. 20.) 

Eine aussergewöhnliche Gelegenheit veranlasste Wehrle zu 
einer eingehenden Zusammenstellung über die Versuche mit Vio- 
form In einer 2 Druckbogen umfassenden Arbeit bringt W'. das 
Urteil von 33, hauptsächlich schweizerischen, Aerzten mit seinen 
eigenen Prüfungs-Ergebnissen in Einklang um eine Uebersicht und 
ein abschliessendes Urteil der schweizerischen militärärztlichen 
Expertenkommission zur Umänderung des Sanitätsmateriales er¬ 
bringen zu können. Genannte Kommission unter Vorsitz des Oberst 
Isler hatte die Schweizer Aerzte angeregt, ihre Ansichten über Vio- 
form mitzuteilen in dem Sinne, ob es ein Ersatzmittel für da.s zum 
Kriegsmaterial unbrauchbare Jodoform werden könne. Denn der 
starke, durchdringende Geruch des Jodoforms, die schlechte Halt^ 
barkeit der Imprägnierung bei Verbandstoffen , das häufige Auf¬ 
treten von Jodoform-Ekzemen und die schwere Sterilisierbarkeit 
des Jodoforms veranlassten die schweizerische Heeresverwaltung, 
unter den schweizerischen Aerzten die Umfrage nach einem andern 
Mittel in Bezug auf seine Kriegschirurgische Verwendbarkeit an¬ 
zustellen. Zu dieser Frage und weiterhin zu der Frage, ob das 
Vioform auch für die allgemeine ärztliche Praxis eine Bedeutung 
hat, nimmt Wehrle ausführlich und mit vergleichenden Auslas¬ 
sungen über andre chemische W’undpuder Stellung. Die meisten,, 
ja allermeisten Urteile über Vioform lauten durchweg günstig, und 
W. kiiim sich auf Grund seiner eigenen Erfahrungen und der 
Litteratur-Zusammenstellung dem übrigen gutachtlichen Gesamt¬ 
urteile anschliessen, und er kommt zu folgenden Resume: 1. Da.s 
Vioform kann nach den vorliegenden Untersuchungen als ein Anti¬ 
septikum verwendet werden, das stärkere baktericide Eigenschaften 
hat als das Jodoform. 2. Es reizt dia Haut in keinerlei Weise 
und erzeugt namentlich keine Eckzeme, vielmehr ist es vorteilhalt, 
durch Jodoform verursachte Eckzeme damit zu behandeln. 3. Es 
wirkt in hohem Maße desodorisierend. 4. Es kann in grossen 
Qoantitäten angewendet werden, ohne dass Vergiftungserscheinungen 
eintreten. 5. Zu Injektionen, z. B. bei der konservativen Behand¬ 
lung tuberkulöser Gelenke, ist es ungeeignet. 6. Es ist beständig 
tmd verfluchtet sich nicht. 7. Es kanu leicht sterilisiert werden, 
erträgt Temperaturen bis zu 140" ohne zersetzt zu werden, eben¬ 
sowenig wird es durch Dampf von 115® verändert. 8. Es ist in 
seiner Anwendung geruchlos. Alles in allem kann das Vioform 
in der Wundbehandlung im Kriege vollständigen Ersatz bieten, 
aber es erweist sich auch als das beste Antiseptikum speziell für 
die Privatpraxis des praktischen Arztes. A. R. 


Kongresse. 

XV. Internationaler medicinischer Kongress zu Lissabon 

19.—26. April 1906. Das Programm ist endgültig folgendermaßen 
festgesetzt: 

19. April. Feierliche Eröffnungssitzung um 2 Uhr nachmittags 
in den Räumen der geographischen Gesellschaft. Abends, 
Empfang bei dem Präsidenten des Kongresses im medicinischen 
InsÜtut. 

20. April. Nachmittags Gartenfest gegeben von M. Cook in 

Monserrate. 

21. April. Essen beim König für die Haujitdelegierten der Regie¬ 
rungen. 

22. April. Stierkämpfe in Villa Franca. Hin und zurück per 

Schiff. 

23. April. Soiree, veranstaltet von der geographischen Gesellschaft. 

24. April. Gartenfest in Necessidates, gegeben vom König. Abends, 

Empfang der Delegirten der verschiedenen Staaten, Univer¬ 
sitäten und wissenschaftlichen Gesellschaften durch die Re¬ 
gierung. 

25. April. Empfang aller Kongressteilnehmer durch die Stadt. 

Diese Festlichkeiten können mit Ausnahme des Diners und 


des Empfangs beim König von allen Kougressteilnehmeru besucht 
werden. 

Die wissenschaftlichen Arbeiten des Kongresses finden in der 
Universität am 20., 21., 22., 23., 24., 25. April statt. Die Sitzungen 
der zwanzig Sectionen tagen von 8’/j—3 Uhr. Die allgemeinen 
Sitzungen finden an den Tagen statt, an welchen Nachmittags 
keine Festlichkeiten sind. Das Programm der Sectionen ist, was 
wissenschaftliche Arbeiten sowie Festlichkeiten und Ausflüge 
angeht, noch nicht definitiv festgesetzt. 


Vermischtes. 

Berlin. Das Seminar für soziale Medizin der Orts¬ 
gruppe Berlin des Verbandes der Aerzte Deutschlands hat 
den 1. Zyklus seiner Arbeiten beendet. Das einheitliche Thema 
lautete: Die staatliche Invaliden-Gesetzgebung in Theorie und 
Praxis. Die Beteiligung war über Erwarten gross. Sie betrug 
300 Personen, in der Hauptsache Aerzte aus Berlin und Umgegend, 
25 ältere Studierende und Medizinalpraktikanteu und einige 20 
Angehörige anderer Berufskreise, hauptsächlich Beamte des Ver¬ 
sicherungswesens. Die Vorträge und Besichtigungen erfreuten sich 
stets eines regen Besuches, an den seminaristischen Übungen, die 
in kleinen Kreisen von 6—12 Personen durch praktische Aerzte 
vorgenommen wurden, beteiligten sich insgesamt 130 Herren. 
Sofort nach Schluss der im ganzen drei Wochen dauernden Ver¬ 
anstaltungen, die für sämtliche Teilnehmer völlig unentgeltlich 
waren, wurde der Wunsch laut, auch die anderen Zweige der 
Arbeiterversidierung und des Arbeitersobutzes in derselben Weise 
zu behandeln. Das soll nun in der Art geschehen, dass der nächste 
Zyklus des Seminares die staatliche und freiwillige Unfallver¬ 
sicherung auf breitester Basis behandelt. Auch hier wird die Teil¬ 
nahme für Aerzte, Studierende und sonstige Interessenten eine 
kostenlose sein. 

BBrlln. Zur Ergänzung der Gebühren-Ordnung für 
approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 16. Mai 1896 erlässt der 
Kultusminister unter dem 13. März folgende Bekanntmachung: 
Auf Grund des § 80 der Gewerbe-Ordnung für das Deutsche Reich 
(Reichs-Gesetzblatt 1900, Seite 871 ff.) bestimme ich bezüglich 
der Gebühren-Ordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 
15. Mai 1896 folgendes: 1. Hinter den Ziffern 5 und 87 des Ab¬ 
schnitts HA werden folgende Ziffern 5a und 37a eingefügt: 5a. 
Beratung eines Kranken durch den Fernsprecher 1—3 M. Findet 
die Beratung von einer öffentlichen Ferusprechstelle aus statt, so 
steht dem Arzt neben der Gebühr für die Beratung eine Ent¬ 
schädigung für Zeitversäumnis zu, und zwar Ihr jede angefangene 
halbe Stunde in Höhe von 1,50—3 M. 37 a. Einspritzung von 
Heilmitteln direkt in eine Blutader (ausser dem Betrage für die 
Mittel) 3—20 M. 2. Die Vorschrift in Ziffer 10 erhält nach¬ 
stehende Fassung: Für Besuche oder Beratungen in der Zeit 
zwischen 9 Uhr abends und 7 Uhr morgens das Zwei- bis Drei¬ 
fache der Gebühr zu Nr. 1—4, Nr. 5a, Nr. 7 und zu Nr. 20. 
Die Gebühr unter Nr. 2 ist jedoch nicht unter 3 M. zu bemessen. 

Budapost. Die königliche ungarische Regierung beauftragte 
die ungarischen Delegierten, dem XV. internationalen medizinischen 
Kongress in Lissabon eine Einladung zu übermitteln, den XVI. 

I Kongress im Jahre 1909 in Budapest abzuhalten. — Für Deckung 
der Ausgaben hat die ungarische Regierung 100000 Kronen be¬ 
willigt, dieselbe Summe hat die Generalversammlung der Haupt- 
und Residenzstadt Budapest votiert — Die Einladung wird der 
Präsident des ungarischen Komitees, Ministerialrat Dr. Ludwig 
V. Töth, vorlegen. — Wir zweifeln nicht, dass diese Einladung 
mit Freuden begrüsst und dankbar angenommen werden wird; die 
mächtig aufstrebende Hauptstadt Ungarns wird sicherlich einen 
besonders günstigen Boden für die wissenschaftlichen und kolle¬ 
gialen Interessen des Kongresses bilden! 

Hssg. Auf Einladung des „Nederlaudsch Centraal-Gomite tot 
beitrijding dor tuberculose“ findet die diesjährige V. internatio¬ 
nale Tuberkulose-Konferenz in den ersten Tagen des Sep¬ 
tember in. Haag statt. 

Kiel. An Stelle des Prof. v. Düring, welcher die Leitung 
der bisherigen Lahmann’schen Sanatorien übernimmt, ist Prlv.- 
Doz. Dr. Klingmüller in Breslau zum ausserordentlichen Pro¬ 
fessor für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Kiel ernannt worden. 


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186 


MBlüICrmSCHB WOCHE. 


Nr. 16. 


KiSSingdn. Herrn Or. Carl Dapper hierselbst ist seitens 
des preussischen Kultusministeriums der Titel als Professor beige- 
legt worden. 

Rom. Zu Ehren von Guido Bacoelli findet, anlässlich der 
Einweihung des Policlinico, am 8. April eine grosse Feierlichkeit 
auf dem Capitol zu Rom statt, welcher der König und die Königin 
sowie Königinwitwe Margherita beiwohnen werden. Wir sprechen 
dem hochverehrten Manu, dem würdigen Vertreter der italienischen 
Klinik, dem begeisterten Freunde Rudolf Virchow’a auch bei 
diesem Anlass unsere wärmsten, aufrichtigsten Glückwünsche aus. 
Eine internationale Adresse, welche ihm seitens eines besonderen 
Komitees überreicht werden wird, wird ihm durch die grosse Zahl 
deutscher Unterschriften beweisen, wie lebhafter Sympathien er 
sich auch bei uns erfreut! 

Breslau. Ersuchen an die deutschen Aerzte. Die Breslauer 
dermatologische Vereinigung hat beschlossen, Schritte zu tun, um 
von den ünfallversicherungsgesellacliaften bei Syphilisinfektion im 
Berufe für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu 
erlangen als bisher. Die zurzeit gültigen Versicherungsbedingungen 
entsprechen gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den 
Interessen der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedern der 
Vereinigung Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berech¬ 
tigt erscheinende Entschädigungsansprüche der Aerzte von den 
Versicherungsgesellschaften zurückgewiesen wurden oder nur unter 
Schwierigkeiten geltend gemacht werden konnten. Bevor die Bres¬ 
lauer dermatologische Vereinigung mit Vorschlägen hervortritt, in 
welcher Weise die Versicherungsbedingungen abzuändern wären, 
richtet sie an die deutschen Aerzte dringend die Bitte, ihr die¬ 
jenigen ihnen bekannten Fälle mitzuteilen, in welchen 1. die An¬ 
erkennung von beruflicher Syphilisinfektion als Unfallursache vor 
Abschluss der Unfallversicherung zurückgewiesen oder nur unter 
hohem Präinienzuschlage bewilligt wurdej 2. eine Entschädigung 
für vorübergehenden Verlust der Arbeitskraft nach dem 400. Tage 
.seit der Entstehung des Unfalles beanstandet wurde; 3. die Aner¬ 
kennung von voraussichtlich lebenslänglicher Verminderung der 
Arbeitskraft, d. h. von Invalidität auf Grund beruflicher Syphilis- 
infektion verweigert wurde resp. erst erstritten werden musste. 
Die Vereinigung ersucht, die Mitteilung der einschlägigen Fälle 
— sowohl der erfolglos als auch der erfolgreich geltend gemachten 
Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit den Gesell¬ 
schaften und etwaiger Schiedsgerichtsverbandlungen zu ergänzen. 
Nur auf Grund genauer Kenntnisse über das Verhalten der Ver- 
sicherungsgesellscbaften in den einzelnen Fällen und auf Grund 
eines reichhaltigen Materials wird es möglich sein, in dieser für die 
gesamte Aerzteschaft wichtigen Angelegenheit eine Besserung zu 
erreichen. Die Vereinigung bittet, Zuschriften au den Unterzeich¬ 
neten Dr. Chotzen za senden, welcher die Bearbeitung dieser 
Frage übernommen hat. Für strengste Geheimhaltung der mit- 
geteilten persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet. 

Breslauer dermatologische Vereinigung. 

Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen, 

Geh. Medizinalrat, Breslau XVIII, 

derzeitiger Vorsitzender. Landsbergstrasse 1. 

Berlin. E. von Bergmann wird, wie die „Zeitschrift für ärztliche 
Fortbildung“ mitteilt, von der Universität in Edinburg der Ehren¬ 
doktor verliehen werden. Der akademische Festakt, zu welchem 
sich K. von Bergmann nach Edinburg begibt, findet am 12. April 
statt. Als Kuriosum sei noch mitgeteilt, da.ss der berühmte Chirurg 
hierdurch auch in die Zunft der Juristen einrückt, da die dortige 
Universität nur den „doctor legum“ nicht aber einen doctor medi- 
cinae honoris causa kennt. 

Aus Köln kommt, wie die , Zeitschrift für ärztliche Fort¬ 
bildung“ berichtet, eine hooherfreuliohe Mitteilung. Zwischen der 
Kölner Akademie für praktische Medizin und dem Allgemeinen 
ärztlichen Verein ist eine volle Einigung auf folgender Grundlage 
erzielt worden: 1. In den allgemeinen Lehrplan der Akademie 
werden ausführliche Bestimmungen über die Ausbildung in den 
ärztlichen Spezialfächern aufgenommen, um die Meinung zu ver¬ 
hüten, als ob in kurz dauernden Fortbildungskursen die Kenntnisse 
und die Bezeichnung eines Spezialisten erworben würden. 2. Dem 
Allgemeinen ärztlichen Verein wird für die Wahl des satzungs¬ 


mäßig von der Stadtverordnetenversammlung in daa Koratorium 
der Akademie zu wählenden Arztes ein Vorschlagsrecht emgeräumt. 
3. Auf den bisher geforderten Wegfall des für die Mitglieder der 
Akademie bestehenden liestatigungsrechts des Landesherrn bezw. 
Kultusministers wird verzichtet. Die städtischen Krankenhaus¬ 
arztstellen werden künftig in dem redaktionellen Teil der medi- 
ciniseben Fachpresse angekündigt, jedoch ist das Kuratorium der 
Akademie und der akademische Rat bei seinen Vorschlägen nicht 
an die eingehenden Meldungen gebunden. 4. Die Kategorie der 
Aerzte mit Lehrauftrag füllt weg. 5. Zur Beratung Uber die 
Fortbildungskurse ftlr Kölner Aerzte werden 5 Mitglieder des ärzt¬ 
lichen Vereins mit Stimmrecht zur Sitzung des akademischen Rates 
zugezogeu. Im Grundsätze wird jeder Kölner Arzt als Vortragender 
zu den Fortbildungskursen für Kölner Aerzte zugelassen. 6. Die 
bisherigen Militärärzte bei den städtischen Krankenanstalten werden 
bis zum Ablauf ihres Kommandos beibehaltcn. Nach Ablauf des 
Kommandos wird die Zahl der Müitärassistenzärzte von 6 auf 4 
reduziert. Eine fünfte Stelle kann erst dann eingerichtet werden, 
wenn 60 Zivilassistenten angestellt sind. Eine weitere Vermehrung 
der Militärassisteuten ist mit der Maßgabe statthaft, dass auf je 
10 Zivilassistenten eine Militärassistentenstelle entfällt. Gegen die 
Beibehaltung eines höheren Militärarztes in leitender Stellung wird 
nichts eingewendet. 7. Als Mitglieder der Akademie sollen in der 
Regel nur Aerzte berufen werden, die an städtischen, 'staatlichen 
und provinzialen Anstalten angestellt sind. 


Hochschulnachrichten. 

Kiel. Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Völkers, Ver¬ 
treter der Augenheilkunde an der Kieler Universität, feierte am 
28. März den 70. Geburtstag. 

Leipzig. Professor Dr. Petersen, bisher erster Assistenz¬ 
arzt bei Prot. Czerny zu Heidelberg, der an Stelle von Prof. 
Dr. Braun an das Diakonissenhaus zu Leipzig berufen war, wurde 
als Privatdozent für Chirurgie in den Lehrkörper der Leipziger 
medizinischen Fakultät aufgenommen. 

Marburg. Der Direktor der chirurgischen Universitätspoli¬ 
klinik Prof. Dr. Hermann Küttner wurde zum ordentlichen Pro¬ 
fessor ernannt. — Professor Dr. med. et phil. Heffter, Ordi¬ 
narius für Pharmakologie in Bern, hat den an ihn ergangenen 
Ruf in gleicher Eigenschaft an die Universität Marburg ange¬ 
nommen. 

Über Nafalan (Retortonmarke) der Magdeburger Nafalaneesellsdiaft 
berichten zwei Arbeiten bauptsäciüicb der dermatcflogiachen Praxis ent¬ 
stammend. Zunächst F. Kölbl-Wien, (Deutsche med. Fresse 1903, Kr. 20) 
und weiterhin aus der Wiener Allgem. Poliklinik J. Meiseis-Wien, (Med.- 
Cbirnrg.-Central-BIatt, November 1903). Beide haben das reine Nafalan, 
ferner das mit Zinkoxyd vermengte Hausnafalan, das Nafalan-Streupulver, 
Nafalan-Seife, Nafalansuppositorien und Nafalanpflaster systematisch geprüft. 
Beide sahen pri^nante Erfolge bei allen Formen von Ekzem, insb^ondere 
donen der Kinder, bei Gewerbe-Ekzomen und bei Intertrigo und impetigi- 
nüser Form. Wo zu pudern ist, dann Nafalan-Streupulver; wo Saltw, da 
reines Nafalan oder wie z B. bei Kindern Hausnafalan, oder anch Nafalan¬ 
pflaster namentlich bei behaarter Kopfhaut (Meiseis), nachdem dort die 
Borken wie üblich abgeweicht sind. Bei Pityriasis nahm K. Nafalan und 
H. die Nafalanseife, und K. konnte noch bei Gesiebtsekzem der Kinder von 
Hausnafalan und bei Psoriasis von Nafalan und Chysarobin zusammen gute 
Erfol^o sehen; und auch bei Scabies trat nach K. eine spezifische milben¬ 
tötende und jucklindernde Wirkung ein. M. anderseits konnte bei Psoriasis 
und ausserdem bei Herpes tonsurans keine Erfolge sehen, bei herpes zoster 
hinwiederum und bei caticaria vermochte er eine „schmerzmildemde und das 
.TuckgefUhl herabsetzende Wirkung“ des Nafalans zu konstatieren. Ferner 
noch bei ulcus cruris und bei Erkrankungen der Bewegungsorgane wendete 
Kölbl das Nafalan an, und noch dazu bei 3 Fällen von Parotitis, 2 Fällen 
von Tendovaginitis, 4 Fällen von Pflegmooen, und bei je einem Falle vwi 
Panaritium, Periphlebitis und Phlebitis. Dabei zeigte sich nach K. beim 
Vergleiche des Nafalan mit dem früheren Naftalan die vollständige Identität 
dieser Präparate in chemischer und therapeutischer Beziehung. Bei ulcus 
cruris bewährt sich nach K. das Nafalan durch seine schmerzstillende und 
die Vernarbung befördernde Kraft, besonders unter einem guten Druckver- 
bande. Bei akutem Gelenk- und Muskelrbeumatismus wurden zwar ausser¬ 
dem noch manchmal Salicylpräparate bezw, Aspirin gegeben, aber schon das 
Bestreichen der Gelenke oder das Verbinden der Müskelpartien, ersteres 
3 bis 5 mal täglich, rief stets eine besondere Schmerzstillung und damit 
leichtere Beweglichkeit hervor. In chronischen Fällen von Rkeumatisinus 
und Gicht, bei letzterer mit Einhalten der Diät und der Trinkkur, wurden 
die Massage bezw. Einreibung mit Nafalan ebenfalls jedesmal günstig 
empfunden. A.. R. 


VeramwcrUicher Redmkteur ; Dr. P. Meismer, BerlinW. M, Kurffiratenitr. 81. — Verlag eon Carl Marhold, Halle a. S. 
Dnick reu der HeynemanB’fche* Bnchdmdrerei, Gebr Wolff, Halle a. S, 


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Medicinische Woche 


Deutscimano, A. Dfibnsen, A. Hoffa. E. Jacobi, 

Huiburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Glessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle tu 5*« Uhlaodstrasse 6. 

Tel.*Adr.: Marliold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen. K. Parttch, H. Rotln, H. Schlange 

Rostock. Berlin. Breslau. Bertln. Hannover. 

H. Unverricbt, A. Vossins, 

Magdeburg. aiessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62, Kurfurstenatrasse Sl. 

Dr. P Meißner 


Vn. Jaln^ang. 


23. April 1906. 


Nr. 17. 


Die .Med Icinlsche Woche'erscheint jeden Montag mit der latSgigen Beilage BalneolOgiSCtie CefltralzeltUng, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Blderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a. S. entgegen. Inserate werden fOr 
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet, Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmäHigung ein. 
Nachdruck der OriglnaUAufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Auh (lern Hansa-Sanatorium Danzig, 

Die Digitalisbehandlung 
der Herzschwäche hei Infektionskrankheiten. 

Von Dr. R. Freund. 

Aus experimentellen und klinischen Studien wissen wir, 
dass das Herz bei den meisten Infektionskrankheiten ergriffen 
werden kann, so dass Krehl in seinem die Summe der heu¬ 
tigen Kenntnis der pathologischen Physiologie zusammen¬ 
fassenden Werk nachdrücklich hervorhebt: „Es gibt keine In¬ 
fektionskrankheit. welche das Herz nicht gelegentlich ergriffe 
und grade seine Klappen schädigte, nur tun das einige beson¬ 
ders häufig.“ ') Als Krankheiten werden genannt Typhus, 
Scharlach, Masern, Pocken, Gelenkrheumatismus, Gonorrhoe, 
aber auch lokale Erkrankungen wie Phlegmonen und Abscesso 
und die Entzündungen der Unterleibsorgane bei Frauen. Letz¬ 
tere hebt Krehl besonders hervor, da sie meist verkannt und 
als „nervöse Herzbeschwerden gedeutet werden, deren Ursache 
in den „Aufregungen“ des Wo^enbetts gesehen wird“. Auch 
ihnen liegt meist eine Myocarditis zu Gninde, welche .sich mit 
Krehl und Romberg stets auf eine, wenn auch geringe In¬ 
fektion im Wochenbett zurückführen lassen. 

Ein Teil dieser Herzkomplikationen sind die Folge von 
Mischinfektionen, die sich fast stets neben den eigentlichen 
Krankheit:?erregern finden, es sind meist die gemeinen Eiter¬ 
erreger, Staphylo-, Strepto- und auch Pneumococcen. Dadurcii 
kommt trotz der Verschiedenheit der zu Grunde liegenden 
Krankheit eine Vereinfachung der Herzkomplikationen zu stände, 
die alle gewi.sse gemeinsame Zuge aufweisen. 

Subjektiv äussern sich die Beschwerden in Druck auf der 
Brust oder in der Herzgegend, oder auch als Stechen in der 
Herzgegend, Kurzatmigkeit und Angstgefühlen. Al.s objektive 
Symptome wies Romberg*) eine Dilatation des Herzens und 
Insufficienzerscheinungen nach, die sich durch frequenterwerden 
des Pulses, grosse Labilität und Irre^ilarität desselben kund 
geben. Meist findet sich auch eine Hyperaesthesie der Herz¬ 
gegend, so dass selbst leichte Berührung schon als Schmerz 
empfunden wird. Zu schweren Kreislaufstörungen kommt es 
verhältnismäßig selten, häufiger treten dagegen die Erschei¬ 
nungen des Collapses auf, Blässe und Livor, vor allem des 
Gesichts und der Extremitäten, kalter Schwei.«s, Bewusstsein¬ 
störung und Verfall der Züge, der Puls ist klein, sehr frequent 
und unregelmäßig, oft kaum zu fühlen. Diese Collapse sind 
jedoch nicht in allen Fällen durch eine Lähmung des Herzens 
bedingt, sondern es handelt sich in vielen Fällen um eine 
Lähmung des vasomotorischen Systems durch Toxinwiikung. 


Früher beschuldigte man die Ermüdung durch die schwere 
Krankheit und die Ernährungsstörung als Ursache der Herz¬ 
störung, heute wissen wir, dass es sich entweder um eine Ent¬ 
zündung des Herzmuskels — um echte Myocarditis — oder 
um Vergiftung durch Toxine handelt. Als klassisches Beispiel 
der Toxinwirkung ist die Diphtheritis zu nennen, von deren 
Gift es feststeht, dass sie parenchymatöse Degenerationen her¬ 
vorzurufen vermag. 

Klinisch vermögen wir dio beiden Formen von Myocard- 
erkrankung nicht zu unterscheiden. Beide Formen imponieren 
häufig als Erkrankung der Herzklappen, infolge der auftreten- 
den Geräusche. In der Tat ist es ja oft völlig unmöglich die 
Differentialdiagnose zwischen Klappenfehler und Myocard- 
erkrankung zu stellen. Boi Infektionskrankheiten beruhen ein¬ 
tretende Geräusche jedoch weit häufiger auf muskulärer In- 
sufficienz als gewöhnlich angenotnmen wird. Wenn man einen 
derartigen Fall genau beobachtet, wird man häufig durch den 
Wechsel des Geräusches oder durch zeitweiliges völliges Ver¬ 
schwinden desselben auf den richtigen Weg geleitet. Für das 
richtige Schliessen und Oeffnen der Klappen ist die Funktion 
gewisser Muskelfasern des Herzens Bedingung, ist sie durch 
Erkrankung gestört, so wird das Spiel der Klappen geschädigt; 
hierdurch tritt Behinderung des Blutkreislaufes ein und wir 
haben den ersten Beginn einer Herzinsufficienz, die sich in 
den oben angegebenen Symptomen äussert. Zu klinisch nach¬ 
weisbaren Stauungserscheinungen braucht es dabei nicht zu 
kommen und häufig finden sich nur die subjektiven Beschwerden: 
Spannung, Druck in der Herzgegend und Angstgefühle. 

Auf die zu Grunde liegenden pathologisch-anatomischen 
Verhältnisse brauche ich hier nicht einzugehen. Ich muss je¬ 
doch hervorheben, dass cs entgegen der schulgemäßen An¬ 
schauung nicht nur muskuläre Insufficienzen an den Atrio¬ 
ventrikularklappen gibt, sondern dass solche auch an den 
Semilunarklappen der Aorta Vorkommen.*^ Von vornherein 
für muskuläre Insufficienzen sprechen leise Geräusche von 
hauchendem Charakter, wenn sie sich über allen Ostien 
finden; sie verscliwinden meist mit eintretendevKräftigung des 
Herzens. 

Wir wissen, dass bei einigen der genannten Krankheiten 
dio Hauprgefahr in dem Auftreten der Herzkomplikationen 
liegt und man hat stets Mittel gesucht, dieser Schädigung ent¬ 
gegenzuarbeiten. Ein Mittel, das prophylaktisch wirkt, wodurch 
es möglich wird die Herzkomplikation zu verhindern, besitzen 
wir leider nicht. Dagegen haben wir in den Präparaten der 
Digitalisgruppe vorzügliche Mittel, der Erlahmung des Herz¬ 
muskels entgegenznwirken und seine Leistungsfähigkeit nach 
Möglichkeit zu erhalten. Dass es Fälle gibt, bei denen dies 
unmöglich ist, so stets da, wo fast der ganze Muskel durch 
den Krankhoitsprozess zerstört ist, braucht kaum hervorgehoben 
zu werden. Die Möglichkeit einer günstigen Di^taliswirknng 
ist eben nur gegeben, wenn noch hinlänglich gesunder Musk^ 
vorhanden ist. 


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188 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 17. 


Neuerdings ist das Interesse für diese Fragen wieder da¬ 
durch erhöht, dass man versucht die verschiedenen Ersatz¬ 
präparate anzuwenden, welche berufen erscheinen, die in ihrer 
Dosierung unsicheren Digitalisblätter zu verdrängen. So weist 
Schwarz in einer Arbeit aus der Strassburger Klinik den 
Nutzen der Digitalismedication in Form des Digalens bei ver¬ 
schiedenen Krankheiten nach*), indem er zeigt, dass das 
wesentliche der Digitaliswirkung die Erhöhung des Sekunden¬ 
volumens des Herzens ist, wodurch der Füllungszustand der 
Venen ab-, der der Arterien zunimmt, so dass die den Gesamt¬ 
querschnitt in der Zeiteinheit durchströmende Blutmenge steigt. 
Schwarz hebt entgegen der Ansicht anderer ausdrücklich 
hervor, dass das Verhalten des arteriellen Drucks dabei eine 
sekundäre Rolle spielt, da hierbei die Regulierung durch die 
Gefässnerven trotz Herzschwäche einen normalen Druck in 
den Arterien bewirken kann. Auch ich habe in meinen Druck¬ 
messungen mit dem Basch’schen Sphygmanometer ein durch¬ 
aus ungleichmäßiges Verhalten gefunden bei Anwendung des 
Digalens, bald stieg der Druck, bald sank er sogar etwas oder 
er blieb bei vorher normaler Höhe gleich, ein Verhalten, 
welches ich auch bei anderen herzkräftigenden Prozeduren 
gefunden habe, so bei Wechselstrombädern, und auf die 
Regulierung durch die Vasomotoren zurückführen zu müssen 
glaubte. ®) 

Während bei chronischer Myocarditis der verschiedensten 
Art die Digitalis schon lan^e in Ansehen steht, ist sie gegen 
die auftretende Herzschwäche nur bei einigen Infektionskrank¬ 
heiten im Gebrauch, während sie bei andern in den gebräuch¬ 
lichen Werken nicht einmal erwähnt wird. 

Die erste Infektionskrankheit, bei der die Digitalismedi¬ 
cation Erfolge aufzuweisen hatte, war meines Wissens die 
evoupöse Pneumonie. Hier finden wir fast stets eine Erweite¬ 
rung des Herzens infolge der durch Toxine bedingten Schwäche 
des Herzmuskels. Auf diese hochgradige Schwäche des Herz¬ 
muskels ist der häufige Collaps zurückzuführen, dem so viele 
Pneumoniker im Laufe ihrer Krankheit erliegen. Die Digitalis¬ 
anwendung hat daher hier grosse Anhänger gefunden, da es 
vor allem darauf ankommt, dass die Herzkraft erhalten bleibt, 
sich also die Behandlung der Pneumonie im wesentlichen mit 
der Behandlung des geschwächten Herzens deckt. Eine spe¬ 
zifische Heilwirkung der Digitalis liegt natürlich nicht vor. 
Aufrecht lässt zwar die Digitalisanwendung nur zu, wenn 
eine durch Myocarditis hauptsächlich bei alten Leuten ver- 
anlasste Irregularität und Beschleunigung des Pulses besteht*); 

Feuilleton. 

Vom Aderlass. 

Eine kulturgeschichtlich - medicinische Skizze. 

Von Dr. Archimontanns. 

Ein im Altertum, Mittelalter und neuerer Zeit sehr ver¬ 
breitetes Mittel zur Vorbeugung und Heilung vieler Krank¬ 
heiten war der Aderlass, die Venäsectio. Hierunter versteht 
man die kunstgerechte Eröffnung einer Vene zum Zwecke der 
Blutentziehung. Schon im grauen Altertum hatten die Inder 
und später die Griechen Kenntnis von dieser Operation. Aller¬ 
dings finden wir bei den ältesten Schriftstellern der Griechen, 
so bei Homer, den Aderlass noch nirgends erwähnt. Dagegen 
ist die Lehre vom Aderlass in den Schriften des Hippokrates 
(460 V. Chrgeb.) schon in hohem Maße ausgebildet. Hippo¬ 
krates selbst und seine Schüler empfehlen diese Operation sehr, 
während sie wieder von manchen anderen medicinischen 
Schulen verworfen wurde. Der Aderlass kam hauptsächlich 
durch Galenus (131 nach Chrgeb.) und seine Schüler in Mode 
und wurde im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer mehr 
kultiviert und allmählicli fast bei jeder Krankheit angewandt. 
Diese grosse Verbreitung und allzu häufige Anwendung, man 
kann schon sagen, dieser Missbrauch erreichte am Schlüsse 
des Mittelalters die höchste Blüte. Erst nach der Entdeckung 


sicher ist, dass bei gesundem Herzen eine Pneumonie über¬ 
standen wird ohne jedes Herzmittel, so besonders bei Kindern. 
Doch wenn in einer Krankenhausbehandlung ein expectatives 
Verfahren am Platze sein mag, so halte ich in der nauspraxis 
immer noch die prophylaktische Darreichung von Digitalis an¬ 
gebracht, zumal unter ländlichen Verhältnissen, wo ein genaues 
Ueberwachen oft unmöglich ist. Liebermeister^ und 
Jürgensen’) heben auch die günstige Wirkung der Digitalis 
hervor, welche die Leistungsfähigkeit des Herzens länger zu 
erhalten scheint. Ich selbst habe mir häufig die Frage vor¬ 
gelegt, ob nicht die durch die Regulierung der Herztätigkeit ge¬ 
besserte Blutversorgung der Lunge einen günstigen Einfluss 
ausübt. 

Ich habe in letzter Zeit ausschliesslich das Digalen ange¬ 
wandt, über dessen günstige Wirkung bei Pneumonie bereits 
Winkelmann®) berichtet hat. Ihm gelang es in seinen 
Fällen den so gefürchteten Collaps nach der Krise durch intra¬ 
venöse Darreichung des Digalens zu überwinden, da das Digalen 
bei dieser Applikationsweise eine viel schnellere und grössere 
Wirkung entfaltet als das sonst beliebte Coffein oder der 
Campher, so glaube ich, dass wir durch diese einfache Methode 
noch manchen sonst verlorenen Pneumoniker zu retten ver¬ 
mögen, während seine Wirkung bei Anwendung per os oder 
subcutan zu spät eintroten dürfte. 

Um zunächst bei den Lungenorkrankungen zu bleiben, so 
werden zunächst die katarrhalischen Pneumonien alter, meist an 
Arteriosclerose leidender Leute durch Beteiligung des Hereens 
gefahrvoll. Hier ist das Kreislaufhindernis allein .schon ge¬ 
nügend, das an .sich schlaffe Herz zu ermüden. In diesen 
Fällen wirken geringe Mengen Digalen oft sehr günstig, indem 
der Puls regelmäßiger una voller wird und die subjektiven 
Beschwerden, vor allem die grosse Atemnot und Beängstigung 
iiachlassen. In Dosen von 4 —10 Tropfen habe ich stets eine 
erireuliche Besserung des subjektiven Befindens feststellen 
können. (JSchlu^s folgt) 


Aerzte contra Apotheker! 

Die Apotheker-Zeitung schreibt unterm 11. April (1906, 
Nr. 29) unter obiger Spitzmarkc folgendes: 

„Auf der ganzen ärztlichen Linie wird, wie man in medi- 
cinischen Blättern liest, neuerdings gegen den «teuren Apotheker“ 
mobil gemacht. Warum auch nicht! Nachdem Drogisten, 


des Blutkreislaufes durch Harvey (1627) und mit Zunahme der 
Kenntnisse der Anatomie und Pathologie wurde die Anwendung 
des Aderlasses mehr und mehr eingeschränkt Heutzutage ist 
das Aderlässen fast ganz in Vergessenheit geraten, wenn auch 
mit einigem Unrecht, wie wir noch später sehen werden. 

Nur selten hat der Aderlass bei Freund und Feind eine 
ruhige, rein sachliche Beurteilung gefunden. Im Gegenteil, je 
heftiger seine Gegner auftraten, destomehr priesen ihn seine 
Anhänger. Wenn man bedenkt, dass der Aderlass fast zwei¬ 
tausend Jahre lang in der Behandlung der inneren Krankheiten 
eine grosse, manchmal dominirende Rolle gespielt hat, so sollte 
man doch meinen, dass die medicinische Wissenschaft Zeit und 
Gelegenheit genug gehabt hätte, sich über den Wert oder Un¬ 
wert dieser Operation ein wichtiges Urteil zu bilden. Doch 
ist die Streitfrage immer noch nicht entschieden, wenn auch 
in der Jetztzeit die Anwendung des Aderlasses auf ein ganz 
kleines Gebiet der Heilkunde beschränkt ist. Er dürfte wohl 
jetzt nur noch bei Gehirnblutungen, bei einigen Arten von 
Lungenblutungen mit gleichzeitiger Blutstauung in den Lungen 
und einzelnen anderen mit Ueberfülle an Blut verbundenen 
Krankheiten angezcigt sein. Hiermit soll aber die Liste der 
Indikationen für den Aderlass keineswegs abgeschlossen sein. 
Seine günstige Wirkung bei Bleichsucht und Blutarmut ist 
wohl noch nicht einwandfrei festgestellt worden. Im Grossen 
und Ganzen kann man jetzt wohl behaupten: Der Aderlass ist 
eine Operation, die heutzutage nur noch äusserst selten vor- 
gonommen wird. 


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1906. 


lil£L)IGIMlSOMifi w Ofi VI K . 


189 


Krankenkassen, Fabrikanten sich berufen fühlten, ibm sein Brot 
zu beneiden und zu beschneiden, fehlten ja nur noch die "Ver- 
t«eter der Medicin in dem Chorus. Da fragt man sich ver¬ 
gebens, was haben wir, was hat die heutige Generation von 
Apothekern denn eigentlich verschuldet, dass man so von allen 
Seiten über sie herfällt? Das hätte man vor 25 Jahren nicht 
für möglich gehalten, und wie waren damals doch Rezeptur¬ 
umsätze und Geldeswert ganz andere wie heute! Man be¬ 
hauptet von ärztlicher Seite, das Gros des Publikums gehe 
nicht zum Arzt, weil es die hohen Apothekerrechnungen scheue. 
Da wäre es doch interessant, einmal eine Statistik aufzustellen, 
— und der gesamte Äpothekerstand hatte angesichts der neuen 
Bewegung, die tief einschneidend für seinen Geldbeutel werden 
dürfte, alle Ursache hierzu —, eine Statistik, möglichst um¬ 
fangreich, in der die Beträge der Aerzte- und entsprechenden 
Apothekerrechnungen zusammengestellt würden. Das müsste 
führwahr ein interessantes Material zur Widerlegung obiger 
Behauptung abgeben und wäre des Schweisses der Edlen wert! 
Tansendfach hÄen wir Apotheker allerdings Gelegenheit, wahr¬ 
zunehmen, wie das Publikum vielfach, statt direkt zum Arzt 
zu gehen, erst in der Apotheke versucht, die für sein Leiden 
nötigen Mittel zu erwerben, und wenn es ihm hier versagt 
wird, wie es dann häufig zu dem allezeit entgegenkommenden 
Drogisten wandert, weil, wie man immer wieder auf die Be¬ 
merkung: Geht zum Arzt! —, hören muss, es die hohen „Doktor¬ 
kosten“ schentl“ 

Wir nehmen die Notiz, von der die Aerzte und Apotheker 
in gleicher Weise berührt werden, wörtlich hier auf, weil sie 
Anlass giebt zu den wichtigsten und drii^endsten prophyl¬ 
aktischen Maßnahmen! Warum eine scharfe Trennung zwischen 
Arzt und Apotheker anstreben 1? Oder vielmehr, wer will eine 
solche Trennung herbeiführen? Doch wohl keines von beiden! 
Es giebt wohl Kein Standesverhältnis, was so innig und folge¬ 
richtig einander koordiniert gewesen wäre und noch wäre wie 
das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker. Auch die ärzt¬ 
lichen Errungenschaften auf dem physikalischen Gebiete der 
Heilkunde vermag die Pharmazie nicht irgendwie entbehrlich 
zu machen. Im Gegenteil bei dem vielen Angebot auf dem 

6 harmazeutischen Markte, angesichts der vielen technischen 
[ilfsmittel bedarf es einer sicheren Kritik des modernen Apo¬ 
thekers, bedarf es eines schnellen Blickes und seiner strengen 
altbewährten Grundsätze in Herstellung und Handel. 

Beide Stände aber haben ihre Not, ihre grosse Not; auf 
beiden Ständen lastet schwer die heutige Politik — sagen wir 


kurz: des WaieiihausesI Warenliaus hier, wie Warenhaus 
dort! Krankenkassen und Warenhäuser — es liegt nahe, sie 
mit einander zu vergleichen, es hat nahe gelegen, sie mit ein¬ 
ander zu vermengen! Hier bei Zeiten auf der Hut sein und 
dem Fortschritte richtig und mit Bedacht zu steuern, 
liegt doch ebensowohl im Interesse des Arztes wie des Apo¬ 
thekers. Warum also sich entzweien, wo gemeinsame soziale 
Interessen uns zusammenführen und erst recht zusammenführen 
sollten! Die Missstimmung über unser beider prekäre Lage 
und über die furchtbaren Schwierigkeiten unserer gemeinsamen 
Mission soll uns nicht verzagt und erst gar gegen einander 
verstimmt machen. Wenn es so scheinen wollte, so war es 
mehr ein Missverständnis! Jeder Stand soll auf seiner und 
doch auf einer Linie kämpfen. Dann braucht keiner zu ver¬ 
zagen. Dr. A. Rahn. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Vefretnfh /ät imiere Mediein, 

Sitzung vom 2. April 1906. 

1. Tagesordnung: Diskus sion desVortrages des Herrn 
de la Camp; Ueber Lungenheilstättenerfolg und 
Familienfürsorge. 

Herr Möll er hat in Belzig vielfach Kinder von Tuberkulösen 
untersucht und konnte dabei nur selten mit Sicherheit Lungen¬ 
tuberkulose diagnostizieren im Gegensatz zu den Resultaten de la 
Camps. 

Herr Kraus verliest zunächst ein Schreiben des Herrn 
Senator, in welchem dieser seiner Genugtuung darüber Ausdruck 
gibt, dass in dem Vortrage de la Camps Wege ^r die Tuberkulos- 
bekämpfuDg gewiesen würden, für welche er schon vor Jahren ge¬ 
sprochen habe. Es sei nötig, auch den unbemittelten Kranken 
im Anfangsstadium den Besuch klimatischer Kurorte zu ermöglichen 
und vor allem bedürfe es der Unterbringung der vorgeschrittenen 
Fälle in Krankenhäusern. 

Diese Forderungen führt Herr Kraus des Weiteren ans und 
betont, dass vornehmlich Tuberkulose-Krankenhäuser und die 
Familienfürsorge die unbedingt notwendige Ergänzung der Heil¬ 
stättentherapie im Kampf gegen die Tuberkulose bilden müssten. 

Herr von Leyden: Die Gründer der Volksheiistätten hatten 
in erster Linie das Ziel, die heilbaren Kranken zu retten. Sie 


Umso interessanter ist es, den Spuren der Geschichte des 
Aderlasses in den früheren Jahrhunderten nachzugehen. Wir 
sehen, dass er früher eine ungeheure Bedeutung gehabt haben 
muss. Vor allem war es die Zeit des Ausganges des Mittel¬ 
alters, in der der Aderlass überall florirte. Er wurde allgemein 
nach den Gesondheitsregoln der med. Schule von Salerno von 
Aerzten, aber auch besonders von Wundärzten, Barbierern und 
Feldscherern ausgeübt. Die Operation geschah teils mittels 
Scalpells, teils mittels eines Instrumentes, das extra für das 
Aderlässen konstruiert war und das man das „Lasseisen“ 
nannte. Letzteres hatte vorwiegend bei den Deutschen Eingang 
gefunden. 

Wegen dieser grossen Verbreitung spielt auch die Lehre 
vom Aderlass in den mediciniscben Büchern der damaligen Zeit 
eine grosse Rolle. Es waren Kalender im Gebrauch, die an- 
gaben, zu welchen Zeiten die Venen eröffnet werden durften, 
welche Venen und zu welchen Arten von Krankheiten. Für 
uns Angehörige des XX. Jahrhunderts ist es ergötzlich zu sehen, 
welche \Vichtigkeit den „Zeichen des Himm^s“ in Bezug auf 
den Aderlass in jener Zeit beigemessen wurde. Ich gebe hier 
einen kurzen Auszug aus einem med. Lehrbuche (gedruckt zu 
Augsburg) vom Jahre 1673, betitelt: „Examen chirurgicum“, 
aus dem nebenbei auch ersichtlich ist, bei welch grosser An¬ 
zahl von krankhaften Zuständen damals ein Aderlass vorge¬ 
nommen wurde. Die Fragen und Antworten lasse ich in der 
ursprünglichen Form und Schreibweise folgen: 

Frage: Was Nutzbarkeit bringt das Aderlässen? 


Antwort: 


Frage: 

Antwort: 


Frage: 

Antwort: 


Frage: 

Antwort: 

Frage: 

Antwort: 


Das Lassen erleichert das Gemüth / gibt gut Ge- 
dächnuss / macht die Sinn substil / bringt die 
Stimm / und schärfet das Gesicht / temperirt das 
Gehör j macht einen lustigen Magen / eine ge¬ 
sunde Abdäuung / treibt aus das böse Geblüt / 
stärket die Natur / und längert dem Menschen 
das Leben / wo es ordentlich beschickt / dann 
sie ein Leichterung ist deß Geblüts / Dämpff und 
Feuchtigkeiten. 

Was ist im Aderlässen in acht zu nehmen? 

Der Lasstag soll klar und leicht sein / wol tem¬ 
perirt im Lufft / nicht zu viel kalt oder warm / 
und soll sich der Aderlässen hüten vor überflüssig 
Speiss und Trank und starcker Uebung / vor 
übrigem Schlaffen / dann diese erzehlte Stuck 
zerstören das Blut. 

Wozu lässt man die Ader an der Stivem? 

Ich wollt sie lassen für Geschwüre der Äugen / 
frembde Gedanken / für grosses Hauptrecht und 
Unsinnigkeit / auch stätiges Wachen / und bringet 
wider zurecht das verderbte Hirn. 

Wozu lässt man die Adern an der Nass? 

Ich w’ollt sie lassen vor die Galsucht / und Ge¬ 
brechen der Nasen / so pfinnicht und roth ist. 
Wozu lässt man die Adern unter der Zungen? 
Ich wollt sie lassen für Flüssigkeit des Ange¬ 
sichts / der Wehetag der Zähn und Zahnge- 


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190 


MEDICQTISGHB ^^OCäJfi. 


Nr. 17. 


haben dad grosse Verdienst., dem deutauheu Volke gezeigt zn 
haben, dass die Tuberkulose eine heilbare Krankheit ist, und 
haben damit das allgemeine Interesse für den Kampf gegen die 
Tuberkulose geweckt. 

Herr Putter berichtet von der nunmehr 1'/^jährigen Tätig¬ 
keit der seiner Lieitung unterstellten Fürsorgesteilen. 

Herr de la Camp betont in seinem Schlusswort nochmals, 
dass das Hanptgewioht fUr die künftige Tuberkulosebekämplung 
auf die Ausdehnung der Wohnnngs- und FamilienfUrsorge zu legen 
sei. 

2. Herr C. 8. Engel: Ueber Kernhaltige rote Blut¬ 
körperchen und deren Entwicklung. 

Vortragender berichtet über vielfache Untersuchnngen des 
embryonalen Blutes des Menschen und von Tieren, bei denen er 
die Bntwidklung der späteren roten Blutkörperchen studiert hat. 
Insbesondere erörtert er die Möglichkeiten der Art des Keru- 
schwundes beim XJebergang der Erythroblasten zu Erythrocyten, 
die Rolle der Blutplättchen hierbei and die Bedeutung der baso|)hilea 
Granulation der roten Blotzellen, welche nach Ansicht de.s \'or- 
tiagenden einen Kernrest darstellt. Zahlreiche mlkroskopisclie 
Präparate und Mikrophotogramrae dienen zur Illustrierung lies 
Vorgetragenen. Fritz Levy. 


AeneUicher Vereim, in Hamburg. 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 27. März 1906. 

• Vorsitzender Herr Paschen. 

I. Demonstrationen: l.Herr Roth fuchs: „Ueber Gasphleg¬ 
moneDer Vortragende bespricht die Entstehung der Gas¬ 
phlegmone durch den Bazill. phlegmon. emphysematos., Fraenkel 
die Diagnose: (Verfkrbnng der Haut, Gasblasen, tympanitisclier 
Schall, Pergamentknistern) und die Therapie (grosse Incisionen oder 
Ampntationen resp. Exarticulationen). Man hat auch Injektionen 
von reinem Sauerstoff oder von 2% Wasserstoffsuperoxydlösung 
versucht. Die Prognose ist im Allgemeinen recht ungUnstig. doch 
während früher die Mortalität 96% betrug, ist sie jetzt auf 35% 
gesunken. 2. Herr Rothfuchs spricht über Luxation des 
Oberschenkels nach hinten und über die Technik der 
Eiurenknng. 3. Herr Rothfuchs zeigt das Endglied des Zeige¬ 
fingers eines Arbeiters, das mit der vollständigen Haut des 2. und 
1. Gliedes und den Sehnen abgerissen war und weist darauf hin, 
welch' kolossaler Gewalt die Sehnen Stand gehalten hatten, ohne 
zu zerreissen. lu der Diskussion zur ersten Demonstration sngt 
Herr Wiesinger, er habe dreimal eine Gasphlegmone im An¬ 


Frage: 


Antwort: 


Frage: 

Antwort: 


Frage: 

Antwort: 


Frage: 

Antwort: 


schwären / für die Bräune / Geschwulten und 
Antitzigang der Mandel / in erstecktem Halssge- 
schwär / Angina genannt / und dergleichen. 
Wozu ist die Haupt-Ader auf den Armen zu 
lassen / oder in was für Gebrechen mag sie dem 
Menschen zu Hülff kommen? 

Ich wollt sie lassen für Wehelagen des Haupts / 
für Flüssigkeiten der Augen / Gebrechen der 
Ohren / für den fallenden Siechtag / und Ge¬ 
schwulst des Haupts / wie auch für das Kaltwehe. 
Wozu wird die Lungen-Ader gelassen? 

Ich wollt sie lassen zu der Lungen / Leber und 
Miltz / wider den Fluss der Nasen / auch Wehe- 
tagon der Brust. 

Wozu dient die Leber-Ader? 

Ich wollt sie lassen für alle Ueberflüssigkeit und 
Siechtag der Leber / und der Brust / vor üeber- 
flüssigteit der Gallen / die da kommt von Hitz 
der Leber / vor Nasenbluten / Stechen in der 
rechten Seiten und dergleichen. 

Wozu dient die Median-Ader und vor was Ge¬ 
brechen wüst du sie lassen ? 

Ich wollt sie lassen für Gebrechen der Däuung / 
für Wehetagen der Brust und des Hertzens / dos 
Magens / des Miltzes / in Fiebern / Rippen und 
Seitenwehe und des gantzen Leibes.“ 

- (Fortsetzung folgt.) 


Schluss au eine Darmtistelüpeiatiou uufUeteu geseheu, socLiss uu- 
zunehmen ist, dass sie in diesen Fällen durch das Bakterium coli 
bervorgerufen sei. Herr Fraenkel warnt davor, mit dem Be¬ 
griff Gasphiegraone zu leicht umzugehen: es sei nicht immer eine 
Gasphlegmone vorhanden, wenn Gasblasen da seien; er fragt, ob 
W. bakteriell untersucht habe. 4. Herr Frangenheim: „Ex¬ 
perimentelle Ueberpflanzung von Echinococcen.“ Der 
Vortragende berichtet über seine Versuche, die er bei Kaninchen 
angestellt bat, und demonstriert mehrere, gut wallnusgrosse Tu¬ 
moren. Bei Echinococcusoperation sei die Gefahr der Ueber- 
irapfung eine sehr grosse (postoperative Pfropfung nach Madelung), 
daher sei eine Punktion der Eohinococcusblase nur zulässig, wenn 
sogleich im Anschluss daran operiert werden solle. Herr König 
(Altona) warnt eindringlich vor allen Punktionen auch dann, wenn 
nur der Verdacht eines Echinococcus vorliegt. Dem schliesst sich 
Herr Lauonstoin an und erwähnt 2 diesbezügliche Fälle, bei 
denen schon durch die Nadelstiche Ecbinococcusblaseninhalt aos- 
geflos.sen war und Anlass zur Ueberimpfung gegeben hatte. Das 
W’aebstum der Echinococcen erstrecke sich auf eine ganze Reibe 
von Jahren. Herr Cordua (Harburg) hat multiples Auftreten 
von Elchinococcus am gleichen Individuum beobachtet. Herr 
König (Altona) erklärt, dass nach seiner Ansicht es bereits durch 
das Einnähen des Echinococcussackes zu einer Aussaat kommen 
kann. 5. Herr Fahr: „Ein Fall von angeborenem Defekt 
imZwerchfellmit Verlagerung einerAnzahlderBauch- 
organe in der Brusthöhle.“ Es handelte sich am ein tief 
asphyctisches Mädchen, das nicht durch Schwingungen mehr 
zum Leben gebracht werden konnte. Die Herztöne waren rechts 
vom Sternum wahrzunehraeu, doch lag kein Situs inver.sus vor, 
sondern durch einen angeborenen Schlitz im Zwerchfell befanden 
sich Milz, linker Leberlappen, Dünndarm und Magen in der Brust¬ 
höhle. Es handelt sieb dabei um eine garnicht so seltene 
Hemmungsmissbildung. die links häufiger als rechts auftritt, tmd 
die angeblich durch eine Hyperplasie der Leber entstehen soll. 
Auch in diesem Fall war die Leber hyperplastisch, während die 
linke Lunge durch Kompression hypuplastisch war: es waren also 
nicht erst durch die Schultzeschen Schwingungen die ßauchorgane 
durch einen locus minoris resistentiae in die Brusthöhle geraten. 
6. Herr Reunert: Ein 2V2jährige8 Kind litt vorigen Sommer an 
Darmkatarrh, vor 4 Wochen trat eine Schwellung der Halslymph- 
drüsen auf. Das Kind war ganz munter gewesen und fiel Abends 
plötzlich im Bett tot zurück. Die Sektion ergab eine Perfora¬ 
tion einer verkästen Lymphdrüse iu einen Haupt¬ 
bronchus: Kehlkopf und Rachen waren frei, die Luftröhre ent¬ 
hielt eine weiche, käsige Masse, die das Lumen füllte; im rechten 
Hauptbronchus war ein grosses Loch zu sehen, das mit einer 
käsigen Höhle communizierte Der linke Unterlappen war gesund, 
der rechte tuberkulös. Herr Simmonds erinnert sich, eine 
73jährige Frau gesehen zu haben, die alle Erscheinungen einer 
Phthise hatte, doch waren niemals Tuberkelbazillen im Sputum 
nachweisbar. Erst ganz kurz vor dem Tode traten massenhaft 
Bazillen auf. Die Sektion ergab in beiden Unterlappen eine 
Aspiration-spneumonie, hervorgerufen durch eine durchgebrochene, 
erweichte Drüse an der Bifurcatiou. 7. Herr Paschen hat 
einige mikroskopische Präparate der Spirochaeta pallida auf- 
gestellt. 

II. Vortrag des Herrn Fraenkel: Ue ber Hod ens ch wie- 
len.“ Es handelt sich, seitdem man die diesbezüglichen Präparate 
nach Weigert gefärbt hat, hierbei um eine Spermatoangitis ob- 
literans fibrosa: die Tunica fibrosa ist stark geschwollen, das 
Epithel ist vollständig zu Grunde gegangen, die Samenkanälchen 
sind obliteriert. Was die Aetiologie dieser Erkrankung anlangt, 
so war es Chiari, der zuerst darauf aufmerksam machte, dass 
es nicht immer Lues sei, die diese hervorruft. Dem schliesst sich 
sich F. an, und er glaubt, dass die Syphilis bisher in der Aetiologie- 
frage dieser Hodenschwielen eine viel zu grosse Rolle gespielt 
habe. Seiner Ansicht nach kämen auch andere Konstitutions¬ 
krankheiten in Betracht, so Polyartbritis, Tuberkulose, ebron. 
Alkoholismus, Merkurialismus, Tricliinosis und Lepra. Auch die 
Röntgenstrahlen dürften nicht vergessen werden; wäre doch der 
Schwund des Hodenparenchyms bei Meerschweinchen durch Rönt¬ 
genbestrahlungen festgestellt worden. Herr Simmonds geht in 
histoloffischer Beziehung mit dem Vortragenden conform: primär 


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1906. 


MEDlCCs'ISCHE WOCHE. 


191 


sei die Schädigung des Epithels, dann erst träten die binde¬ 
gewebigen Prozesse auf, wie das jetzt auch z. B, für die inter¬ 
stitielle Nephritis und die Lebercirrhose nachgewiesen sei. Aeti- 
ologie anlangend, stehe er jedoch auf einem ganz anderen Stand¬ 
punkt, so habe er in 80 Fällen von Hodenschwieien 33 mal sicher 
Lues nachweisen können. Er will durchaus nicht eine andere 
Aetiologiemöglichkeit bestreiten, — so sei es bei Lepra z. B. er¬ 
wiesen, — doch spiele Lues zweifellos die Hauptrolle bei diesen 
Schwielen. Herr Ed lefsen erwähnt die Parotitis, die möglicher¬ 
weise ebenfalls Hodenschwielen veranlassen könne. HerrFraenkel 
weist im Schlusswort noch einige Bemerkungen des Herrn S. zu¬ 
rück und beharrt auf seinem Standpunkt, dass Lues bisher in der 
Aetiologiefrage der Hodenschwielen eine viel zu grosse und unbe¬ 
wiesene Rolle gespielt hätte. Schönewald. 


Kongressbericht. 

35, KongresH der DeutscJicn Qeisellschaft 
für Chirurgie» 

4.-7. April 1906. 

Referent: Max Litthauer-Berlin. 

I. Sitzungstag, 4. April. 

Der Vorsitzende, Herr Körte-Berlin, eröffnet um 10 Uhr 
vormittags die zahlreich besuchte Versammlung mit einigen be- 
grüssenden Worten und führt dann in seiner Ansprache des wei¬ 
teren aus, dass die Chirurgie seit der Begründung der Gesellschaft 
ausserordentlich an Umfang und Breite zugenommen habe, dass 
sich demgemäss die Zahl der Chirurgen vermehrt hätte und das 
zu den Universitätslehrern, die sie früher ausschliesslich vertreten 
hätten, sich in Stadt und Land zahlreiche Chirurgen gesellt hätten, 
die in der Privattätigkeit sowie den städtischen Krankenhäusern 
erfolgreich Chirurgie trieben. Die städtischen Abteilungen sollten 
keine Konkurrenz für die Universitätskliniken sein, sondern ergänzend 
und helfend eintretea, wo letztere versagten. Den Hauptsegen 
hätten die chirurgischen Krankenanstalten besonders auf dem Grenz¬ 
gebiete der Chirurgie und inneren Medizin gestiftet, da in den 
kommunalen Hospitälern ein besonders nahes Zusammenarbeiten der 
Chirurgen und Internen stattfinde. Die Rede schloss mit dem 
Wunsche, dass auch dieser Kongress erfolgreich verlaufen möchte. 

Es folgten geschäftliche Mitteilungen, aus denen besonders 
hervorzuheben ist, dass der Ausschuss vorschlägt, Robert Koch 
wegen der grossen Verdienste, die er sich um die Entwickelung 
der aseptischen Chirurgie erworben habe, zum Ehrenmitglied der 
Gesellschaft zu ernennen. Die Wahl selbst erfolgt statutenmäßig 
erst in der zweiten Generalversammlung. Endlich gedachte der 
Vorsitzende in warmen Worten der verstorbenen Mitglieder— 21 
an der Zahl —, zu deren Ehren sich die Mitglieder der Ver¬ 
sammlung von ihren Plätzen erhoben. 

Hr. H. Fischer-Berlin erstattete den Bericht über die Tätig¬ 
keit der Bibliothekskommission. 

Darauf wurde in die Tagesordnung eingetreten. Da.s erste 
Hauptthema betrifft die Kriegsohirurgie. Als erster sprach 

Hr. V. Zoege-Manteuffel: Ueber die erste ärztliche 
Hilfe auf dem Schlachtfelde. 

Redner geht zunächst kurz auf die Organisation des Sanitäts¬ 
dienstes ein und betont, dass im russisch-japanischen Kriege auf 
russischer Seite Regimentsverbnndplätze, Divisionslazarette und 
fliegende Lazarette bestanden hätten. Die Hauptverbandplätze 
seien von besonderer Wichtigkeit. Daneben hätten vom roten 
Kreuz eingerichtete fliegende Kolonnen und fliegende Lazarette 
sehr gute Dienste geleistet. Die fliegenden Kolonnen hätten zum 
Transport ihrer Hilfsmittel ausschliesslich Pferde benutzt, was sich 
bei den schlechten Wegen der Mandschurei ausserordentlich bewährt 
habe, da die Pferde auch dort noch hin gelangen konnten, wo 
Wagen versagten. Ferner seien als Transportmittel noch finnische 
auf Federn gehende Karren und Mauleseltragen erwähnt. 

Was die ärztliche Hilfeleistung anlangt, so mussten die Ver¬ 
wundeten aus der Schlachtlinie berausgebracht werden; bei der 
grossen Tragfähigkeit der modernen Geschosse musste das auf 


ziemlich grosse Entfernungen geschehen. Die Hauptverbandplfttse 
seien tunlichst an Eisenbahnstationen und an den Hanptstrassen, 
auf denen der Marsch der Armeen erfolgt wäre, anznlegen, weil 
sich die verwundeten Soldaten nach diesen Orten in grösster Zahl 
begehen. Die Verbandplätze in unmittelbarer Nähe der Trappen 
hatten sich nicht sonderlich bewährt. 

Die Granatenverletzungen treten ihrer Zahl nach gegen die 
Verwundungen durch Flinten- und Schrapnellkugeln sehr in den 
Hintergrund, doch handelt es sich bei ihnen um meist sehr schwere, 
häufig tödliche Verletzungen. Die Schrapnellkogeln trafen die 
Kämpfer mit sehr verschiedener Kraft und verursachten daher 
Verletzungen von sehr verschiedener Dignität. Sie seien dadurch 
gefährlich, weil sie in der Regel von der Oberfläche des Verwun¬ 
deten Kleiderfetzen, verunreinigte Hautstücke mit in die Tiefe 
der Wunden hineinrissen. Daher käme es bei ihnen häufiger zur 
Eiterung. Ganz anders verhielten sich die Verletzungen durch 
das kleinkalibrige Mantelgeschoss, bei denen die Kleinheit des Ein¬ 
schusses meistens ein Eindringen mitgerissener Stücke nicht ge¬ 
statte. Ein- und Ausschuss sind bei den Flintenkngelverletzungen 
meist gleich gross. Die Verletzungen hätten eine grosse Neigung 
zu primärer Heilung. Grössere Zerreissungen an der Emschuss- 
stelle sowie erhebliche Sprengwirkungen habe er fast nur bei den 
Rückschlägen beobachtet, wo das Geschoss bereits deformiert in den 
Körper eindringe. 

Der Redner berechnet die Gesamtheit der Verluste nach einer 
Schlacht auf über ein Drittel der Iststärke, die Verluste diirch 
Verwundete betrügen etwa ein Viertel der Iststärke. Er kommt 
auf Grund seiner Erfahmngen zu dem Schluss, dass auf 100 Kämpfer 
ungefähr ein Arzt nötig sei. 

Was die Häufigkeit anlangt, mit der die verschiedenen Körper¬ 
regionen verletzt werden, so hängt das wesentlich von der Art 
des Geländes ab, in dem die Schlacht stattfindet. Der Redner 
wendet sich der speziellen Betrachtung der verschiedenen Arten 
der Schussverletzungen zu. 

Bei den Schädelschüssen haben ihn seine Erfahrungen zu et¬ 
was anderen Anschauungen geführt, als sie E. v. Bergmann 
immer vertreten hatte. Zwar halte auch er die den Schädel durch¬ 
querenden Schüsse für ein noli me tangere; aber bei den Tangen¬ 
tialschüssen sei er aktiver vorgegangen. Er habe Knochensplitter 
entfernt, habe die Wunde von Haaren etc. gesäubert. Bei den 
Rinnenscbüssen habe er häufig Ein- und Ausschuss durch eine 
Trepanation verbunden. Wo Abszesse vorhanden gewesen wären, 
habe er sie zu eröffnen getrachtet. Seien Projektile stedren ge¬ 
blieben, so wurden die Versnche zu ihrer Entfernung erst später 
vorgenommen, wenn die Anwesenheit derselben durch Röntgen¬ 
aufnahmen sichergestellt war and die sitzengebliebenen Geschosse 
störende Symptome erzeugten. 

Die Halsschüsse habe er immer konservativ behandelt. Des¬ 
gleichen die Brust- und Wirbelschüsse. Es sei hervorgeljobeD, 
dass Lungenscbüsse bei der konservativen Behandlung sehr gut 
geheilt wären und dass er über 7 Herzschüsse verfüge, welche 
konservativ behandelt und geheilt worden seien. Die Wirbelschüsse 
geben quoad vitam sehr schlechte Resultate. Das Bild würde 
von der Rückenmarksverletzung beherrsdit, die übrigen Verletz¬ 
ungen seien, wie ihn die Sektionen gelehrt haben, sehr unbedeutend. 
Daher solle ma n da, wo Ein- und Ausschuss vorhanden sei, nicht 
operieren. Nur wo das Projektil steckengeblieben sei, könne man 
versuchen, es zu entfernen, um dadurch vielleicht den unglücklichen 
Verletzten Hilfe zn bringen. 

Bauchschüsse solle man primär nicht angreifen, Ijeberschüsse 
erforderten nach den Erfahrungen des Redners öfters die Tampo¬ 
nade , die aber erst dann vorgenommen werden dürfe, wenn sich 
die Möglichkeit biete, antiseptisch zu operieren. Bei den Extre- 
mitätenschUssen hätten die Gipsverbände sieb bewährt. Infizierte 
Fraktnren hätten meist amputiert werden müssen; doch seien auch 
Resektioneo in der Kontinuität in einzelnen Fällen mit Erfolg aus¬ 
geführt worden, 

Hr. Schäfer-Berlin sprach überDi ensttauglichkeit nach 
Verwundungen mit modernen Schusswaffen. 

Er bemerkt zunächst, dass die Verluste, die er auf durch¬ 
schnittlich 16 pCt. der Gefechtsstärke berechnet, nicht so uner¬ 
hörte gewesen seien, wie man vielfach angenommen habe, nicht 
erheblich grösser als in den blutigen Schlachten des Krieges von 


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192 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 17. 


1870. Die Zahl der Verwundeten sei auf die Oesamtkriegsstärke 
berechnet sehr erheblich gewesen, grösser als 1870. Das rühre 
aber vornehmlich daher, dass ün russisch-japanischen Kriege die 
Schlachten stets von den beiderseitigen ganzen Armeen geschlagen 
worden wären. Das Verhältnis der Verwundeten zu den Getöteten 
betrug bei der Infanterie 1: 5,4, bei der Artillerie 1 : 9. Die Zahl 
der Toten habe sich gegen die früheren Kriege verringert , hin¬ 
gegen sei die Zahl der Leichtverwundeten sehr gross. 45 pCt. 
aller Verwundeten waren 3 Monate nach der Schlacht von Mukden 
wieder in der Front. Nur ein Drittel bis die Hälfte der Verwun¬ 
deten sei auf den Hauptverbandplatz gekommen. Die übrigen seien 
in der vorderen Linie versorgt worden, wobei sich das Verband¬ 
päckchen sehr bewährt habe. Verhältnismäßig sehr gering an der 
Zahl seien die operativen Eingriffe gewesen. Am relativ häufigsten 
seien Fremdkörperextraktionen gemacht worden, die aber nicht 
immer durch Projektile, sondern häufig durch Knochensplitter, mit¬ 
gerissene Kleiderfetzen etc. nötig geworden seien. 

Endlich wolle er noch bemerken, dass nach seinen Erfahrungen 
es bei den Verwundungen sehr wesentlich auf die Konsistenz der 
verletzten Gewebe, nicht nur auf die Entfernung, aus der die 
Verwundung erfolge, ankomme. 

Hr. Goldammer-Hamburg behandelt die Erfahrungen mit 
trockener Wundbehandlung im südwestafrikanischen 
Kriege. 

Bei der enormen Schwierigkeit, welche die Wasserarmut Süd¬ 
afrikas der Kriegsführung gemacht habe, seien auch die Aerzte 
zu grosser Sparsamkeit mit dem Wasser gezwungen gewesen. Sie 
waren genötigt, mit den einfachsten Mitteln zu arbeiten. Sie 
hatten die Wunden ganz ausschliesslich trocken behandelt. Jodo¬ 
formgaze, die sie in Leinwand gewickelt bei sich getragen hatten, 
wurde auf die Wunde gelegt, mit Binde oder Pflaster befestigt. 
Wo Knochenverletzungen Vorlagen, wurden Schienenverbände und 
besonders Gipsverbände angewendet. Die Fixation der gebrochenen 
Glieder und der durchschossenen Gelenke sei für den Wundverlauf 
von entscheidender Bedeutung. Sie hatten mit dieser Methode, 
obwohl die Verwundeten sehr lange Transporte hätten aushalten 
müssen, sehr gute Resultate gehabt, besonders auch bei den Schuss¬ 
frakturen des Oberschenkels. Wo die Fixation mangelhaft war, 
sei gewöhnlich Eiterung aufgetreten. Von 104 Fällen seien 87 
primär geheilt, 14 mal seien Eiterungen aufgetreten, darunter 3 
tötliche bei schlecht fixierten OberscbenkelbrUchen; 3 mal wurde 
Erisypel beobachtet. Von den Verwundeten kehrten 58 teils feld- 
dienstfhhig, teils etappendienstfähig zur Truppe zurück. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Im Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine 
kamen jüngst zwei Fragen von allgemeinem Interesse z\ir Ver¬ 
handlung. Zunächst beschäftigte man sich mit jenem vielbe¬ 
sprochenen Urteil des preussischen ärztlichen Ehrengerichtshofes, 
das die Aerzte zwingen will, bei zeitweiser Einstellung ihrer Tätig¬ 
keit für Vertretung zu sorgen. Unter Zugrundelegung des Akten- 
materials gab der Schreiber dieser Zeilen eine Darstellung des 
Tatbestandes und des Urteils der ersten und zweiten Instanz; 
letztere lässt sich in dem in Frage stehendem Punkte wie folgt 
vernehmen: „die Beurteilung der Handlungsweise des Angeschuldigten 
hängt von der Beantwortung der grundsätzlichen Frage ab, ob ein 
praktischer Arzt bei gewissenhafter Ausübung seines Berufes, wie 
das Ehrengerichtsgesetz (§ 3) sie ihm zur Pflicht macht, in Fällen 
zeitweiser Einstellung seiner Berufstätigkeit ^vie bei Erholungs¬ 
reisen u. dgl. verpflichtet ist, für seine Vertretung durch einen 
andern Arzt jedenfalls insoweit zu sorgen, dass die sachgemäße 
Weiterbehandlung der bis dahin in seiner Behandlung stehenden 
Kranken gesichert erscheint. Diese Frage muss mit dem ersten Rich¬ 
ter bejaht werden. Ob vom Standpunkt des formalen Rechtes der 
Arzt den mit den Kranken abgeschlossenen Dienstvertrag kündigen 
kann, ist für den Ehrenrichter, der auch ethische Gesichtspunkte 
für seine Beurteilung in Betracht zu ziehen hat, nicht maßgeblich. 
Für ihn ist entscheidend, dass ein Arzt, der den seiner Obhut 
anvertrauten Kranken im Stich lässt, ge^vissenlo88 handelt, und 


dass das Gebot gewissenhafter Berufsausübung die Fürsorge für 
den Kranken unter Hintansetzung der eigenen Person fordert** 
Die Kritik dieser neuen Standesvorschrift war eine durchaus ver¬ 
urteilende und der Geschäftsausschuss nahm zu derselben durch 
einstimmige Annahme folgender Resolution Stellung: Der Geschäfts¬ 
ausschuss bedauert das Urteil des ärztlichen Ehrengerichtshofes 
vom 15. April 1905, welches den Aerzten die Verpflichtung auf¬ 
erlegt, bei zeitweiser Efinstellung ihrer Tätigkeit für Vertretung 
zu sorgen. Dieses Urteil steht im Widerspruch zu den bisher 
gütigen Anschauungen der preussischen Aerzteschaft und erscheint 
geeignet, die persönliche Willensfreiheit jedes Arztes aufs schwerste 
zu beeinträchtigen. 

Nach Erledigung dieser Angelegenheit gab die zur Veran¬ 
staltung einer Enquete über Missstände in Bädern und Kurorten 
eingesetzte Kommission einen Bericht über das Resultat ihrer Be¬ 
mühungen. Leider war die Beteiligung der Kollegen bei der Be¬ 
antwortung eines von der Kommission versandten Fragebogens eine 
verschwindend kleine; teilweise lag dies wohl daran, dass der 
Fragebogen im vorigen Jahre zu spät in die Hände der Kollegen 
gelangte. Immerhin Hess sich schon aus den eingegangenen Ant¬ 
worten ein interessantes und bedeutsames Material zusammenstellen, 
welches bewies, dass es bei einem Fortschreiten auf dem betretenen 
Wege in einiger Zeit gelingen wird, einen einwandsfreien Bäder- 
almanach zusammenstellen, dessen Benutzung für die Aerzte und 
deren Patienten von gleichem Nutzen sein dürfte. Die Enquete 
wird deshalb in diesem Jahre wiederholt werden, hoflfentlich unter 
recht reger Teilnahme der Kollegen. 

In jetziger Zeit, wo wir beginnen unsere Kranken in die 
Bäder zu schicken, dürften folgende Neuerungen in der Beförderung 
von Kranken auf der Eisenbahn für die Aerzte sehr interessant 
und wichtig sein: 

Für die Beförderung von Kranken stehen folgende Wagen 
zur Verfügung; l) Seit 1900 sind drei vierachsige Wagen I. Kl. 
(Salonkrankenwagen) ira Gebrauch, welche ihre Heimatstation in 
Köln a. Rh., Frankfurt a. M. und Berlin-Grunewald haben. Trotz 
ihres hohen Preises von 12 Fahrkarten I. Kl. (für österreichische 
Strecken mindestens 18 Fahrkarten I. Kl,), für welche der Kranke 
und bis zu 11 Begleiter befördert werden, ist die Nachfrage nach 
diesen Wagen ziemlich gross und deshalb ihre Vermehrung in 
Aussicht genommen. Die Abfertigung der genannten Wagen 
findet nur insoweit statt, als eine durchgehende Personen- und 
Gepäckabfertigung eingerichtet ist. Wenn in dem Krankensalon¬ 
wagen mehr Personen Platz nehmen, als die oben genannte An¬ 
zahl Fahrkarten beträgt, so ist für jede weitere Person eine Fahr¬ 
karte I. Klasse zu lösen. Die Wagen selbst sind nach dem 
Durchgangswagensystem auf Drehgestellen erbaut und enthalten 
an dem einen Kopfende das Abteil für den Kranken, daneben 
fünf Abteile für den Arzt, die Krankenpfleger und sonstige Be¬ 
gleiter, ausserdem zwei Aborte, Wasch- und Gepäckraum. 2) Für 
weniger bemittelte Kranke sind seit 1904 40 vierachsige Wagen 
111. Klasse vorhanden, in welchen zwei Abteüe innerhalb 15 Min. 
zu einem Krankenabteil umgebaut werden können. Diese Wagen 
wurden seit Beginn des Jahres 1906 auf 60 vermehrt, sowie deren 
Ausrüstungsstücke auf 21, sodaas durchschoittUch jede Direktion 
drei Wagen xind eine Ausrüstung besitzt. Die Standorte dieser 
Wagen sind auf 21 Direktionen zweckmäßig an geeigneten Knoten¬ 
punkten verteilt, um schnell erreichbar zu sein; ebenso sind die 
21 Sätze der Ausrüstungsstücke für die Krankenbeförderung an 
bestimmten Stationen vorrätig und müssen jedesmal nach ihrem 
Gebrauch umgebend dorthin zurückbelbrdert werden. Diese 
Wagen werden zum Teil auf genau bekannten Strecken als ge¬ 
wöhnliche Wagen gefahren, zum Teil stehen sie auf gleichfalls 
bestimmten Stationen in Reserve. Der Preis für diese Abteile 
beträgt vier Fahrkarten III. Kl, für den Kranken, wofür ihn 
noch drei Personen begleiten können. 3) Eine dritte Vorrichtung 
zur Krankenbeforderung tritt zum 1. Aprü 1906 in Kraft. Für 
jede der 21 Direktionen sind drei Lühr-Straußsche Krankenbetten 
(zusammen also 63) auf zweckmäßig gelegenen Eisenbahnstationen 
(Heimatstationen) aufgestellt. Die Tragbetten dienen zur Be¬ 
förderung von Kranken und sind .so eingerichtet, dass der Kranke 
darin von der Wohnung oder der Unfallstelle abgeholt, ohne Um- 
betiung in einem eigenen Wagenabteil, in welches das Bett hin¬ 
eingestellt wird, weiter befördert und von der Bestimmungsstation 


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1096. 


MBIDICINISCHE WOCHB. 


193 


wieder bis an die neue Lagerstätte (Klinik, Krankenbaus, Wohnung) 
getragen werden kann. Die Tragbetten sind nicht nur für die 
Heimatstationen, auf denen sie aufgestellt sind, bestimmt, sondern 
können von alien Stationen und Haltestellen der preussisch- 
hessischen Staatsbahnen, im Bedarfsfälle nötigenfalls telegraphisch 
angefordert und zur Beförderung nach sömtlichen Stationen und 
Haltestellen der prenssisch-hessischen Staatsbahnen versendet werden, 
sofern für die ^tladung dort Hilfskräfte zur Verfügung gestellt 
werden können. Die Aufforderung ist stets an die Heimatstation 
des eigenen Direktionsbezirks zu richten. Die Ab- und Rttck- 
meldang von und nach der Heimatstation soll als Eil-Betriebs- 
dienetgnt erfolgen. Die Tragbetten werden nur in Abteilw^en 
III. Klasse mit getrennten oder abschliessbarem Aborte eingestellt 
und in allen FemzÜgen, die III. Klasse führen, befördert, ihre 
Beförderung in D-Wagen oder Wagen mit mittlerem Durchgang 
ist ausgeschlossen. Neben dem Tragbette bleiben noch zwei 

Plätze für Begleiter. Für die Beförderung eines Kranken mit 
Tragbett auf den Strecken der preussisch-hessischen Staatsbahn 
sind zwei Fahrkarten III. Klasse für den Kranken und je eine 
Fahrkarte III. Klasse für jeden Begleiter zu lösen. Weitere Ge¬ 
bühren für die Benutzung, Rücksendung und Desinfektion usw. 
des Tragbettes entstehen nicht. Auch für die Benutzung der 
Tragbetten von und zum Bahnhofe wird keine Gebühr erhoben; 
wenn aber zur Beförderung des Tragbettes zwischen Wohnung 
oder Krankenhaus und Station etwa verfügbare Eisenbahnbedienstete 
(Gepäckträger) in Anspruch genommen werden, ist deren Tätig¬ 
keit nach dem Gepäckträgertarif zu vergüten. Die Gestellung 
der zur Bedienung der Tragbetten erforderlichen Personen ist 
Sache der Kranken, doch sind die Eisenbahnbediensteten ange 
wiesen, namentlich beim Aus- and Eingehen der Kranken Hilfe 
zu leisten. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 15 . 

1 . Ostmann, Marburg: Die Diagnose nnd Prophylaxe der 
Labyrmthentzündung bei der akuten Mittelohrentzttndnng. 

Von den vier Wegen der Uebertragung der Infektion des 
Labyrinths vom Mittelohr ans kommen bei der akuten Mittelohr¬ 
entzündung in erster Linie Schnecken- und Vorhofsfenster in Be¬ 
tracht, der horizontale Bogengang n\ir bei längerem Bestände und 
besonderer Schwere der Erkrankung mit Ausbreitung auf den 
Warzenfortsatz, zumal wenn Lücken des knöchernen Bogenganges 
bestehen. Eis gibt zwei Methoden, welche zur Diagnose der be¬ 
ginnenden LabyrinthentzUndung verhelfen und welchen auch der 
praktische Arzt mit sehr geringem Zeitaufwand nachgehen kann. 
Das Instromentarinm dazu ist sehr wenig umfangreich; es besteht 
aus der Oaltonpfeife und einer kleinen belasteten c-Gabel. Die 
Galtonpfeife umfasst die höchsten, vom Ohr wahrgeiiommenen 
3—4 Oktaven vom g* abwärts und dient dazu, die Empfindlichkeit 
des erkrankten Ohres für diese höchsten Töne zu prüfen. Eine 
schnell einsetzende, auffallend starke Herabsetzung der Hörfühigkeit 
für die höchsten Töne bei der Prüfung durch Luftleitung mit der 
Galtonpfeife, ein Hinüberwandem der Tonwahrnehmung auf das 
gesunde Ohr und eine Verminderung der Dauer der Knochenleitnng, 
während die objektiv nachweisbaren entzündlichen Erscheinungen 
am Trommelfell und Mittelohr ungesohwächt fortbestehen oder 
selbst eine Steigerung erkennen lassen, sind die Zeichen, die das 
Einsetzen einer komplizierten Labyrinthitis von dem gefährdetsten 
Pankte, dem runden Fenster aus, anzeigen. 

2. Heusner, Barmen: Heber die Anlegong der Sobnitte bei 
den Bancboperationen. 

H. bat seit etwa 2 Jahren Quenschnitte durch einen oder beide 
Rekti und seitlich darüber hinaus vielfach angewendet und findet 
dieselben im allgemeinen vorteilhafter als die senkrechten Median¬ 
schnitte. Die Inzisionen müssen am oberen Bauche etwas nach 
oben, am imteren Bauche ziemlich stark nach abwärts ausgehogen 
sein; am Nabel und einige Querfinger nach oben zu verlaufen sie 
horizontal. Die durchtrenuten Muskeln klaffen sofort energisch 
auseinander und geben mit ihrer derben Substanz und ihrer kräftigen 


vorderen und hinteren Scheide solide Unterlagen für die nach¬ 
trägliche Schichtnaht. Sämtliche durchtrennten Schichten, event. 
seihst die Subkutis, werden mit fortlaufender Jod-Katgutnaht ein¬ 
zeln vereinigt, schliesslich der jetzt kaum mehr klaffende Haut- 
Bchnitt mit fortlaufenden Seidensuturen geschlossen. Die Linea 
alba bleibt bei dem Verfahren intakt und wird nur an einer Stelle 
von der Wunde gekreuzt. Die Narben sind nach H.’8 bisherigen 
Erfahrungen fester und zugleich feiner'^als beim Medianschnitte. 
Nachfolgende Brüche wurden bis jetzt nicht beobachtet. Der 
obere Querschnitt eignet sich zu allen Operationen am Magen, 
Gallenblase, Leber, Pankreas, Querkolon, der untere für den 
Dünndarm und die Beckenorgane. 

3. Kr ecke, München: Können wir die schweren, die so* 
fertige Operation erfordernden AppendizitisDLlle erkennen? 

Es bandelt sich um die Erörterung der frischen Fälle von 
Appendicitis und um die Unterscheidung von Appendicitis simplex 
und destruktive (Sprengel). Krogius steht im allgemeinen auf 
dem Standpunkte der frühesten Frühoperatiou, betont aber doch 
sehr nachdrücklich, dass die leichten Fälle von der Operation aiis- 
zuschliessen seien, und dass es uns gelingen müsse, durch eine 
allerfrUheste Frühdiagnose die leichten Fälle von den schweren zu 
unterscheiden. K. schliesst sich den Krogius’schen Anschauungen 
an and fasst seine AusfUhrnngen in kurzen Sätzen folgendermassen 
zusammen: 

Bei jedem Palle von Appendicitis muss sofort bei Uebemahrao 
der Behandlung die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis 
Simplex und Appendicitis destruktive (leichte oder schwere Form) 
gestellt werden. Das sicherste Symptom der Appendicitis destruk- 
tiva ist die schmerzhafte Bauchdeckenspannung; sie indiziert die 
sofortige Operation. Nur wenn die.ses Zeichen völlig fehlt, und 
auch keine sonstigen beängstigenden Erscheinungen vorliegen, darf 
man sich mit der Annahme einer Appendicitis simplex beruhigen. 
Eine Steigerung der Pulszahl auf 100 und mehr Schläge ist in 
der Regel ein sicheres Zeichen der destruktiven Appendicitis nnd 
verlangt die sofortige Operation. Eine niedrige Pulszahl darf uns 
nicht zur Annahme einer leichten Erkrankung verleiten. Heftiges 
mehrmaliges Erbrechen und lebhafte, durch Eisbeutel nicht zu 
stillende Schmerzen, machen immer das Vorhandensein einer schweren 
Appendicitis wahrscheinlich. Das Verhalten der Temperatur ist 
für die Beurteilung der Art der Appendicitis ohne besondere Be¬ 
deutung. Die Beschleunigung der Atmung und das Auftreten des 
kostalen Atmungstypus sind immer höchst ungünstige Zeichen. 
Ein ungünstiges Zeichen ist für die Beurteilung des Falles von 
grösserer Bedeutung als 4 günstige Zeichen. Bei der Diagnose 
„destruktive Appenciditis“ ist die Operation innerhalb der nächsten 
2 Stunden vorzunehmen.. 

4. Esch, Berlin: Zar gebarthilfliohen Tkerapie der Eklampsie. 

Dem Praktiker möchte E. raten, bei ganz oder halbwegs er¬ 
füllten Vorbedingungen in jedem Falle sofort die Zange bezw. in 
geeigneten Fällen die kombinierte Wendung und Elxtraktion bei 
toten Kindern die Perforation und Kranioklasie zu machen. Gleich¬ 
wohl muss man von vornherein wissen, dass mit der schnellen 
Entbindung durchaus nicht alle Dilemmas der Eklampsie-Etablierung 
erledigt sind, und die Statistik erweist sich auch hier doppelsinnig 
nnd beweglich je nach dem Geschmacke des Autors. Die Ver¬ 
giftung mit Eklampsie kommt eben wie jede akute Vergiftung 
verschieden zum Ausdruck. Als schwere Vergiftungen sind die 
Fälle aufzufassen, bei denen das Allgemeinbefinden im hohen 
Grade gestört ist, wo tiefes Koma, Zyanose des Gesichts, schnar¬ 
chende, rasselnde Atmung, kleiner, beschleunigter, oft unregel¬ 
mässiger Puls und Tempe.ratursteigerung bestehen. Ungünstig zu 
beurteilen sind auch die Kranken, bei denen ohne vorherige Kon¬ 
vulsionen (E. fand 7 Fälle in der Literatur, denen er noch 3 aus 
den letzten 6 Jahren der Olsha usen’schen Klinik hinzufügen kann, 
die alle starben', oder nach den ersten Konvulsionen ein tiefes 
Koma eintritt. Ebenso haben eine, schlechte Prognose die Fälle 
mit Ikterus (8 io den letzten 6 Jahren beobachte Fälle starben 
alle) und starker Hämoglobinurie (von 13 Fällen starben 10). In 
höherem Grade gefährdet sind auch im allgemeinen die Patien¬ 
tinnen, welche erst geschwächt durch viele Anfälle in die ärztliche 
Behandlung kommen. Eine höhere Gefährdung weisen auch die 
Kranken mit reichlichem Eiweiss und vielen organischen Form- 


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194 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr 17. 


elementen auf (bei 59 von 83 Gestorbenen fand £. in den Kranken’ 
blättern viel Eiweiss und organische Formelemente verzeichnet). 
Ist die Portio noch völlig oder grösstenteils erhalten und der 
Muttermund nur eben durchgängig, so hat der Praktiker zu über¬ 
legen, ob er imstande ist, die Entbindung sofort vorzunehraen, 
denn diese Forderung kann jeden Augenblick an ihn herantreten. 
Wenn nicht, so ist es angezeigt, umgehend die Kranke einer 
Klinik zu überweisen oder einen Spezialisten zuzuziehen. 

5. Georgi, Dresden: Zwei Fälle von Milzraptnr. 

In denjenigen Fällen, wo die Diagnose zweifelhaft ist, und 
man mit der Operation, wenn man Erfolg haben will, nicht zu 
lange zögern soll, ist es durchaus gerechtfertigt und ratsam, wie 
schon Trendelenburg vorgeschlagen hat, in zweifelhaften Fällen 
eine Probelaparotomie eventuell unter Lokalanästhesie mit kleinem 
Schnitt in der Mittellinie vorzunehmen. Man wird dadurch manchen 
Patienten retten können, der bei längerem Zuwarten verloren 
wäre; dies lehrt auch der eine der von G. operierten Fälle. 

6 . Strohe, Köln: Diaphragma der Trachea im Anachlnss 
an Diphtherie und erschwertes bezw. unmögliches Döoanulement. 

Bei einer 18jährigen Pat. musste wegen einer in das Trache- 
allumen vorspringenden fibrösen Leiste die wegen diphtherischer 
Atemnot im dritten Lebensjahre eingesetzte Kanüle 15 Jahre 
hindurch getragen werden; erst in dem Alter, wo auf ein ruhiges 
Mitwirken und auf ein ruhiges Hinnehmen seitens der Pat. ge¬ 
rechnet werden durfte, erst dann konnte mit dem Herauspräparieren 
der fibrösen Leiste und durch Einsetzen einer Wegener’schen 
Schornsteinkanüle (5 wöchiges Tragen) ein Freihalten des Trache- 
allumens und eine Verheilung der Tracheallappenwunde erreicht 
werden. S. bespricht als wichtiges Mittel beim Decanulement 
auch die von Bruns angegebene dünne Entwöhnungskanüle. Aus 
dem Beispiele und den Erörterungen S.’s geht der für die Praxis 
wichtige Satz hervor, dass es bei operativen Eingriffen angesichts 
eines erschwerten bezw. unmöglichen Decanulements angezeigt ist, 
ein Alter des Kindes abzuwarten, in welchem es die Wichtigkeit 
des Eingriffes verstehen und den Arzt in seinan Massnahmen 
unterstützen kann. 

7. Weissbart, München: Zur Kasuistik der Fremdkörper 
im M^eu- und DarmkanaL 

Alle Erscheinungen drängten zu der Annahme: gEingoklemmter 
Gallenstein im Ductus cysticus. Hydrops vesicae felleae.“ 
Schliesslich aber ging ein seltener Fremdkörper, und zwar ein 
schmales Knochenstück von 3,5 cm Länge ab. Es war ein Stück 
Kalbsrippe, und zwar der vertebrale Teil mit dem Kapitulum. 
Ausser dem Knochen aber war im Stuhlgang nichts gefunden 
worden, vor allem keine Steine. Man musste also annehmen, dass 
der verschluckte Knochen das alleinige Corpus delicti war. 

8 . Richter, Waldenburg: Ueber die Behandlung entzünd* 
lieber Prozesse der Haut mit heissen Bädern. 

„Der Patient hat in seiner Wohnung mehrere Male am Tage, 
jedesmal mindestens i/, bis 1 Stunde lang, das geschädigte Glied 
in möglichst beissem Wasser zu baden und darauf zu achten, 
dass durch Zugiessen heissen Wassers keine Abkühlung eintritt. 
Bei allen Finger- und Zehenerkranknngen lasse ich die ganze 
Hand bezw. den ganzen Fuss baden, bei höherem Sitz der Ent¬ 
zündung den Unterarm bezw. den Unterschenkel. Bei Ober- und 
Unterschenkelaffektionen beschränke ich mich oft auf feuchte 
Pakungen, die durch Wärmflaschen ständig möglichst warm ge¬ 
halten werden. In einzelnen Fällen übe ich die allgemein ge¬ 
bräuchliche Wundbehandlung. Bei der fragwürdigen Sauberkeit 
der benutzten Gefässe lasse ich dem Badewasser etwas Soda zu¬ 
setzen, etwa ^/, Esslöffel auf einen Liter Wasser. Nach dem 
Bade wird das geschädigte Glied mit reiner trockener Gaze ver¬ 
bunden. Eine Kontrolle findet durch mich alle 1—3 Tage statt. 
Diese einfache Behandlungsmethode hat mir so befriedigende Re¬ 
sultate gegeben, dass ich sie beute noch ausübe.^^ 

9. Hoppe, Köln: Zwei Apparate zur Sehsohärfenprüfong 

Es handelt sich a) um einen Apparat zur Sehschärfenprüfung 
in der Ferne (Optometer „F“) und b) einen Apparat zur Seh¬ 
schärfenprüfung in der Nähe (Optometer „N“). Eine einfache, 


Raum und Zeit sparende Apparatur für den vielbeschäftigten 
augenärztlichen Praktiker. 

10. Sieber, St. Petersburg: Die üntertachongen von Prof. 
Emil Fiioher seiner Schüler „über die Synthese der Poly¬ 
peptiden." 

Der Gedanke, auf dem Wege der Synthese die Frage nach 
dem chemischen Aufbau der Protoinsubstanzen zu lösen, ist nicht 
neuen Datums. Die Gewinnung komplizierter Substanzen aus 
Anhydriden der Amidosäuren, welche durch Hydrolyse aus Eiweis- 
körpem dargestellt worden waren, bildete den Gegenstand ex¬ 
perimenteller Forschnngen vieler Autoren, wie z. B. von Schaal, 
Schi ff, Schützenberger, Lilienfeld, ßalbian i-Fras- 
ciatti u. a. Eis wurden hierbei vereinzelte Repräsentanten der 
verschiedenen Aminosäuren erhalten, doch waren diese meist amorphe 
Produkte, welche nicht genau charakterisiert und deren Beziehung 
und Affinität zu den Eiweissubstanzen nicht bestimmt werden 
konnten. Das Haupthindernis bei diesen Untersuchungen bildete 
mangelhafte Methodik. Dieselbe wurde schliesslich von Prof. 
Emil Fischer, der sich schon durch zahlreiche Entdeckungen 
und Forschungen, unter anderem über Kohlehydrate und speziell 
über Zuckersubstanzen, berühmt gemacht hat, ausgearbeitet. Von 
Belang war, dass es im gelungen ist, die technischen Errungen¬ 
schaften, welche das Arbeiten bei vermindertem Atmospbärendruck 
ermöglichten, die Esterifiziemngsmethode der Aminosäuren xmd 
deren Derivnte mit grossem Erfolg auszuarbeiten. 

11. Hager, Magdeburg: Das Heneste über Or^antherspU. 

Es ist folgendes aus die.sem interessanten Kapitel zu beachten. 
Für den praktischen Arzt erscheint zurzeit die allgemeine Anwen¬ 
dung organotherapeutischer Präparate noch nicht ratsam. Zu em¬ 
pfehlen ist aber jetzt schon die Benützung der Schilddrüsenprä¬ 
parate bei Myxödem und verwandten Stoffwechselkrankheiten, nament¬ 
lich in der Form von Jodothyrin, auch Tbyreoidtu siccat. Merck; 
f<>rner die Behandlung des Symptomenkomplexes des Morbus Base- 
dowii mit dem Möbius’schen Schilddrüsenserum. Die Anwendung 
des Adrenalins resp. Paranephrins, Epirenans, Snprarenins u. ä. als 
blutstillendes und namentlich die Schleimhaut anämisiereuden Mittels 
hat mit vorsichtiger Dosierung und Berücksichtigung der Kreislaufs¬ 
organe zu geschehen. Weniger sicher erscheint die Anwendung 
von Organpräparaten, bei welchen es bisher nicht gelang, ein wirk¬ 
sames Prinziz darzustellen; vielleicht macht das Oophorin, das 
Pankreatin oder das Pankreon hier eine Ausnahme. Von diesen 
Präparaten erscheinen die nach Pöhl’schem oder Merck’schem 
Prinzip dargestellten die empfehlenswertesten, namentlich erscheinen 
auch die von Vassale und die nach Scialleros Prinzip darge¬ 
stellten einer Berücksichtigung wert. Die klinische Prüfung der 
nach diesem Prinzip dargestellten organotherapeutischen Präparate 
namentlich auch mit Berücksichtigung der TJrosemiologie und einer 
sicheren Dosierung bleibt wünschenswert. Immerhin aber lohnt es 
sich nach dem Grimdsatze remedium anceps melius quam nollum 
auch für den praktischen Arzt in Fällen, wo es sich um Stoff- 
wechselstöruug oder um funktionelle Schwäche eines bestimmten 
Organsystems oder auch unheilbare Störungen der verschiedensten 
Art handelt, und alle übrigen therapeutischen Maßnahmen frucht¬ 
los bleiben, einen Versuch mit Organopräparaten, womöglich ganz 
frisch oder jedesmal frisch dargestellt, zu machen. Mit der Be¬ 
handlung muss eine sorgfältige Beobachtung einhergehen, und nament¬ 
lich der Grundsatz „primum non nocere“ beherzigt werden. 

Berliner klinische Wochenschrift. i906. No. 16 . 

l.Bashford, London: Einige Bemerkungen zur Methodik der 
experimentellen Krebsforsohnng. 

Eine Replik gegenüber dem Bericht und der Deutung der 
Sarkomentstehung nach Ehrlich. B. vermag nach seinen Tier- 
und Transplantationsversuchen nicht der Ehrlich’schen Erklärung 
zu folgen; er giebt vielmehr seine Methodik der Tumortransplan- 
tatiou an und betont, gezeigt zu haben, dass das mit den Paren- 
chymzellen eines Mäusecarcinoms eingeführte Bindegewebe dege¬ 
neriert, und zwar ausnahmslos degeneriert. Ehrlich und seine 
Mitarbeiter hatten dagegen behauptet, dass gelegentlich eine solche 
Abweichung von der Regel vorkommt und dass in den von ihnen 
angegebenen Fällen eine Öarkomentstehung auf dem Boden eines 


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1906. 


MGDICINISCHE ^^OGHB. 


195 


Carcmoms vorliegt. nEin Beweis“, sagt B., „wird jedoch von ihnen 
nicht beigehracht“. B. hat schon im März 1904 nnd April 1905 
eine Steigerung der Transplantationsf^higkeit nach fortgesetzten 
Tierpassagen beschrieben, doch kann er Ehrlich’s bakterio¬ 
logischer Deutung dieses Phänomens als Virulenzsteigerung vor¬ 
läufig nicht zustimmen. 

2. Pick, Berlin: Veber die Oohronese. 

Diese ganz seltene, bisher 5m ganzen nur acht mal beobachtete 
Krankheit mit den merkwürdigsten Pigmentierungen wurde vor 
40 Jahren zuerst von Virchow beschrieben und ist eine tinten¬ 
artige Verfärbung der Knorpel und knorpelähnlichen Teile, merk¬ 
würdigerweise wurde aber die Bezeichnung Ochronose dafür ge¬ 
wählt, obgleich selbst in den dünnsten Schnitten nicht etwa bloss 
eine gelbe, sondern zum mindesten eine dunkle, stahlfarbene bis 
schwarze Färbung vorherrscht. P. charakterisiert die einzelnen 
Fälle der Literatur und fügt seinen Befund an, dem er auch in 
praktischer Beziehung eine Bedeutung zuweist; die nächste Fort¬ 
setzung bringt die Illustration dieses Falles. 

3. Schmidt, Berlin-Wuhlgarten: Tiansitorisohe doppel¬ 
seitige Amauiose mit erhaltener PnpiUenreaktlon und amnee- 
tisohe Aphasie nach Krampfanfall, 

Genauer Status und ausführliche Krankengeschichte einer 
54jährigen Epiieptikerin, die plötzlich nachts nach einem Kramp f- 
anfali eine schnell vorübergehende völlige Erblindung und Sprach- 
störnng zeigt. S. glaubt aber nur eine Fernwirkung eines epilep¬ 
tischen Paroxysmiis annehmen und nicht etwa Amaurose und 
Aphasie als reine Eigentümlichkeiten desselben bezeichnen zu 
können. 

4. Cohn, Berlin: Zur Würdigung der Bottini'sehen Ope¬ 
ration. 

Da'^s „der Bottini seinen Höhepunkt überschritten“ habe 
und dauernd an Anhängern verliere, wie v. Schmieden in seiner 
Monographie behauptet, möchte C. bestreiten und bekämpfen, nicht 
gerade als „lebhafter Bewunderer“, wohl aber zufrieden mit der 
immerhin schon für die Praxis brauchbaren Methode, die nament- ' 
lieh bei älteren, dekrepiden, vor der Narkose zu verwahrenden i 
Pat., wo darum auch ein langes Krankenlager zu vermeiden ist, ' 
seinen Zweck erfüllt. Es ist zuzugeben, dass die Rezidive nicht 
auszuschalten sind, dass vielmehr solche, wie schon A. v. Fritsch 
berichtet die Regel sind; doch ist es schlechterdings schon ein 
grosser Vorteil, wenn ein Pat. 4—5 Jahre hindurch nach der Ope¬ 
ration in normaler Weise urinieren kann, andrerseits ist die Zeit 
zu kurz, um dagegen die Resultate der Prostatektomie bewerten 
zu können. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. i5. 

1. Silbermark, Wien: Der Meohauismus der Cökumttber- 
dehnung bei Bickdarmstenoseii. 

Die von einer ganzen Reihe von Beobachtern festgestellte 
Tatsache, dass gerade das Cökum der Lieblingssitz der Ueber- 
dehnung ist und andrerseits die auffällige Uebereinstimmung der 
Autopsiebefunde in vivo und in mortuo inbezug auf die Fundstelle 
der Diastasen, resp. der Dehiszenzgeschwüre machen es erklärlich, 
dass man nicht Zufall sondern eine gewisse Gesetzmässigkeit hier¬ 
für annehmeu muss. Dm der Ursache auf den Grund zu kommen, 
weshalb gerade das Cökumöam leichtesten der Ueberdehnung unter¬ 
liegt, hat S. mit Ä. Ghon im pathologisch-anatomischen Institute 
von A. Weichselbaum Versuche an Leichen angestellt, deren 
Resultate die folgenden sind: Die Aetiologie der isolierten Cökum- 
blähung resp. Ueberdehnung beim Coecum fixatum ist hauptsäch¬ 
lich in den Verhältnissen des freien Peritooealüberzuges desselben 
zu suchen, es bilden die vordere imd hintere Tänie die tj^ischen 
Prädilektionsstellen der Serosadiastasen bei Ueberdehnung des 
Cökums. 

2. Jerusalem und Falkner, Wien: üeber Wehen und 
Wehensohmerz und deren Beziehungen zur Hase. 

Die Verfasser stimmen mit Fliess darin überein, dass der 
Wehenschmerz der Eröffnungsperiode —- bei fehlenden patholo¬ 
gischen Vorgängen — dem Schmerz der „nervösen Dysmenorrhoe“ 
analog und wie dieser von der Nase aus beeinflussbar ist. Die 


Flless’sche Deflnitiou vom echten Wehenschiuerz jedoch können 
sie nicht akzeptieren, denn sie fanden bei Gebärenden mit nega¬ 
tivem Nasenbefund und Kokainversuch, die jedoch ad Genitalia 
pathologische Prozesse aufwiesen oder auch bei Beckenenge die¬ 
selben vom Kreuz nach vorne ausstrahlenden Schmerzen wie bei 
den Frauen mit geschwellten und empflndUchen nasalen Genital- 
steilen; daneben fanden sich auch oft in den Fundus Uteri lokali¬ 
sierte Schmerzen. Nach Lomer kann jede Erkrankung der weib¬ 
lichen Genitalien Kreuzschmerzen machen; es liegt nahe, anzunehmen, 
dass dieselben intra partum sich verstärkt fühlbar machen. J^ und 
F. fanden folgende für die Praxis wichtige Ergebnisse, indem sie 
bei Kreiasenden die Nase mit Adrenalin (l®/oo) und Kokain (5%) 
pinselten: Frauen, die an Dysmenorrhoe leiden, haben ceteris 
paribus in der Eröffnungsperiode der Geburt mehr Schmerzen als 
Frauen mit normaler Menstruation. Dieses Pius — objektiv 
charakterisiert durch starke Schwellung und Empfindlichkeit der 
unteren Nasenmuscheln und Tubercula septi — kann durch Pinselung 
dieser Stellen mit Kokain (Adrenalin) coupiert werden. Den Grad 
der Erleichterung, den wir damit der Gebärenden bringen, wird 
davon abbängen, inwieweit diese Scbmerzwurzel die übrigen über¬ 
ragt. In vielen Fällen ist die Erleicbternng zweifellos eine be¬ 
deutende. Die Wehentätigkeit als solche wird dadurch nicht be¬ 
einflusst. Schliesslich haben J. und F. noch den Kokainversuch 
wegen heftiger andauernder Nachwehen gemacht. Hier — wo 
das mechanische Moment fast ganz ausgeschaltet ist — genügte 
meist eine einmalige Kokainisierung der Nase, um die Schmerzen 
dauernd zu beseitigen. Der Lochialfluss blieb unverändet. 

3. von Kautz jun., Wien: Qasphlegmone nach Perforation 
eines Meokelsohen Biyertikeb. 

Die häufigsten Formen, unter denen das Diverticulm Meckelii 
dem Chirurgen Anlass zum Eingreifen gibt sind der mechanische 
Darmverschluss und die sogenannte Diverticulitis perforativa. 
Während nach der Zusammenstellung von Hilgenreiner, der 
vor einigen Jahren gegen 200 Fälle von Darmverschluss durch 
das Divertikel aus der gesamten Literatur gesammelt und 10 
Hauptgruppen aufgestellt hat, der mechanische^ Ileus ungleich 
häufiger ist, sind die Fälle von Divertikelperforation relativ selten. 
Der erste vom Verf. beobachtete Fall von Divertikelperforation 
verlief anfangs unter dem Bilde einer Lymphadenitis inguinalis 
ohne alle Erscheinungen einer Mitbeteiligung des Darmtraktes; 
erst drei Wochen später — am Tage der Operation — wurde die 
Gasphlegmone manifest und damit der wahrscheinliche Ausgangs¬ 
punkt. Der zweite Fall mit seinen Inkarzerationserscheinungen 
zeigt den typischen Verlauf einer Darmwand — oder einer Darm¬ 
anhangshernie mit Wandnehrose und Perforation unter der Haut, 
typisch bis auf das erst in der vierten Woche erfolgte Aufbrechen 
einer Kotfistel, die nach mehrwöchentlichem Bestehen schliesslich 
ohne blutige Behandlung heilt. 

4. Browning, Glasgow: Agglntination und Eomplement- 
sohwnnd. 

Versuchsreihen zur Diskussion der von Eh rlich und Morgen- 
roth angeregten Frage über die Bedeutung der Agglutination für 
die Hämolyse. 

Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 66. 

1. Sugär: Ueher Phosphorbehandlimg der Otosklerose. 

5. kommt auf Grund einer Reihe von längeren Beobachtungen 
und theoretischen Erwägungen zu dem Schluss, dass die von einigen 
Autoren empfohlene langdauemde Pbosphorbehandlung wissenschaft¬ 
lich nicht genügend begründet ist und dass die langdauernde Zu¬ 
fuhr von Mineralphosphor schwere Bedenken errege, worauf ja 
auch schon von anderer Seite hingewiesen worden ist. Wenn ein 
Versuch mit Phosphor gemacht werden soll, ist die Verordnung 
organischer Phosphorpräparate z. B. das Phytin vorzuziehen. 

2. Thomisch: Ein Fall von hysterischer Taubheit. 

Eine nervös veranlagte 28 Jahre alte Frau erkrankte plötz¬ 
lich nach körperlichen Mißstimmungen und seelischen Erregungen 
an beiderseitiger kompletter Taubheit. Entzündliche Erscheinungen 
fehlten völlig. Nach 5 tägiger Taubheit wieder normale Hörfähig¬ 
keit. Aus gleicher Ursache trat etwa 9 Monate später wieder ein 
ähnlicher Anfall ein. Gleichzeitige allgemeine Hyperästhesie, Be- 


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196 


MEDTCINISCHB WOCHE. 


Nr. 17. 


flexiitdlgcraag usw. sprachen fUr Hysterie. Behandlung dement* 
spreshend nur Ruhe. Lues wir ab Ur.?ich3 anizuschliessen. 

Band 67., 

3. V. Behm: Ein Fall von Syphilis hereditaria tarda beider 
Ohrlabyrinthe. 

Bei der 20jährigen, von einem syphilitischen Vater abstam¬ 
menden Patientin, trat zuerst plötzliche Ertaubung links ein, Va 
Jahr später begann auch die Hörfähigkeit rechts hochgradig ab¬ 
zunehmen. Trommelfellbefund rechts normal, links Hammergriff am 
Promontorium angewachsen (wahrscheinlich Folge syphiHtLschen 
Geschwürs). In der Nase Perforatio septi, im Rachen narbige 
Verwachsungen von Zäpfchen und Gaumensegel. Keine akut 
entzündlichen Erscheinungen im Ohre. 

Auf Schmierkur beträchtliche Besserung, Flüstersprache recht.s 
auf 6, links auf 3 m gehört. 

Bei rechtzeitger antiluetischer Behandlung sind die Aus- 
.sichten auf Heilung im allgemeinen nicht ungünstig. Es ist des¬ 
halb dringend nötig, dass auch der praktische Arzt, zu dem ähn¬ 
liche Kranke wohl nicht selten zuerst kommen, in allen Fällen 
von plötzlicher Ertaubung usw., in welchen keine akuten Entzünd¬ 
ungen oder schweren Traumen vorhergegangen sind, an die Mög¬ 
lichkeit einer luetischen Erkrankung denkt und zutreffenden Falls 
sofort eine energische Behandlung einleitet. Die Differentialdiag- 
iiose gegen hysterische Taubheit wird sich aus dem Fehlen 
anderweitiger hysterischer Symptome ergeben. 

Hölscher (Ulm). 


Kongresse. 

23. Kongress für Innere Medicin zu München, 23.--26. 
April 1906. Unter dem Vorsitze des Geheimrnt v. Strümpell, 
Breslau findet vom 23.—26. April der 23. Kongress für Innere 
Medicin in München im Hotel zu den Vier Jahreszeiten, Maxi- 
railianstraase 4, statt. Die Verhandlungen des ersten Sitzungs- 
tages gelten der „Pathologie der Schildrüse“, worüber Fr. Kraus- 
Berlin und Kocher-Bem die Referate übernommen haben. Am 
zweiten Verhandlungstage erstattet Hering-Prag ein kritisches 
Referat über die „Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit“. Ausser¬ 
dem stehen von einer grossen Anzahl hochangesehener Professoren 
und Aerzte eine ganze Reihe von interessanten Vorträgen über 
praktische und wissenschaftliche Fragen der Heilkunde bevor. 
Auch ist wieder eine Ausstellung von Instrumenten, Apparaten 
und Präparaten, soweit sie für die Innere Medicin von Interesse 
.sind, mit dem Kongresse verbunden, und wird nach den wie man 
uns schreibt sehr zahlreichen Anmeldungen eine besonders rege 
Beteiligung hervorragender Fachmänner zu erwarten sein. 


Vermischtes. 

Folgender Aufruf geht uns mit der Bitte um Veröffentlichung 
zu: Vor einigen Jahren ist von ärztlicher Seite der Gedanke an¬ 
geregt und in medicinischen und kolonialen Kreisen erörtert worden, 
in den Anfängen ihres Leidens befindliche und noch erwerbsfflhige 
Lungenkranke im Schutzgebiete Deutsch-Südwest-Afrika anzusiedeln. 
Nach Erfahrungen aus dem hinsichtlich des Klimas und der Boden- 
beschatfenheit ähnlichen englischen Südafrika ist die Erwartung 
berechtigt, dass derartige Kranke durch den dauernden Aufenthalt 
in dem für sie günstigen Klima vor dem Weiterschreiten ihres 
Leidens bewahrt bleiben, damit würde neben den Lungenheilstätten 
ein weiteres Hilfsmittel in dem Kampfe gegen die Tuberkulose 
gewonnen. Auch würde durch eine derartige Besiedelung der wirt¬ 
schaftliche Wiederaufbau der Kolonie gefördert werden. Um die 
für grössere Unternehmungen notwendigen wissenschaftlichen und 
praktischen Grundlagen zu gewinnen, halten es die Unterzeichneten 
für erforderlich, dass eine Anzahl nach bestimmten Grundsätzen 
ausgewählter Kranker in die Kolonie gesandt werden, um an ihnen 


die Heilwirkung des Klimaa festzustellen. Die Unterzeichneten 
richten an alle, welche mit ihnen von der Wichtigkeit dieses 
Unternehmens für die Gesundheit unseres Volkes und für das 
Gedeihen unserer vielversprechenden Kolonie überzeugt sind, die 
dringende Bitte, sie bei der Aufbringung der für diesen Zweck 
erforderlichen, nicht unerheblichen Mittel durch einen Beitrag 
gütigst unterstützen zu wollen. Die Direktion der Diskonto-Ge¬ 
sellschaft, Unter den Linden 35, hat sich freondlichst bereit er¬ 
klärt, Geldsendungen unter der Bezeichnung „Deutsch-Südwest- 
Afrika“ ehtgegenzunehmeu. Erbprinz zu Hohenlohe-Langen- 
burg, I. Vorsitzender, Exz. Althoff, Wirkl. Geb. Ober-Reg.- 
Rat, Prinz v. Arenberg, Graf v. Arnim-Muskau, Exz. v. 
Bergmann, Wirkl. Geh Rat, Ad. Förster, Wirkl. Geh. Ober- 
Reg.-Rat, A. Colinei li, Wirkl. Legationsrat, Dr. med J. Katz, 
Schriltführer, Mart. Kirchner, Geh. Ober-Med.-Rat, stellv. 
Vorsitzender, Rob. Koch, Geh. Med.-Rat, F. Kraus, Gfeh. Med.- 
Rat, Herrn. Paasche, Geh. Reg.-R:it, Vize-Präsident d. R., von 
Poser u. Gross-Nädlitz, Generalmajor z. D., R. v. Renvers, 
Geh. Med.-Rat, Dr. Arth. Salomonsohn, Schatzmeister, K 
Schräder, Eisenbahn-Direkter a. D-, M. d. R., H. Senator, 
Geh Med.-Rat, Ernst Vohsen, Konsul a. D., Waldeyer, 
Geh. Med.-Rat. 


Hochschulnachrichten. 

Berlin. Dr. Rudolf Schelske, Privatdozent für Augenheil¬ 
kunde, feierte sein ÖOjähriges Doktorjubiläum. Er steht im 76. 
Lebensjahre und ist der Zweitälteste Privatdozent der medicinischen 
Fakultät. Dr. Paul Strassmann, Privatdozent für Frauenheil¬ 
kunde, erhielt den Professortitel. Geh. Rat Prof. Dr. A. Lucae 
ist zum Ehrenmitglied der Oto-Laryngologischen Gesellschaft zu 
St. Petersburg ernannt worden. 

Breslau. Dr. med. Hermann Triepel, Privatdozent für 
Anatomie, Abteilungsvorsteher und erster Prosektor am anatomischen 
Institut der Universität Breslau, ist zum ausserordentlichen Hono¬ 
rarprofessor ernannt worden. 

Halle. Professor Dr. med. Armin Tschmermak, Privat¬ 
dozent für Physiologie und erster Assistent bei Geheimrat Bern¬ 
stein am physiologischen Institut der Universität Halle a. S. hat 
den Ruf als ordentlicher Professor für Physiologie und Tn edj y. iniar.h fl 
Physik an der Wiener tierärztlichen Hochschule angenommen. 

Jena. Der Senat der Universität Jena hat bei den Regie¬ 
rungen der Erhalterstaaten den Antrag gestellt, dass künftig Frauen 
an der Universität unter denselben Bedingungen immatrikuliert 
werden können wie die männlichen Studierenden. Bisher waren 
B'rauen nur als Hörerinnen in der philosophischen Fakultät zuge¬ 
lassen. 

Kiel. Privatdozent Dr. Klingmüller-Breslau ist zum ausser¬ 
ordentlichen Professor und zum Direktor der Klinik für Haut- 
und Geschlechtskranke der hiesigen Universität ernannt worden. 

Köln, Prof. Dr. Aschaffenburg wurde zum ordentlichen 
Mitglied der Akademie für praktische Medizin ernannt. Prof. 
Dr. Füth hat die Leitung der neu geschaffenen gynäkologischen 
Abteilung übernommen. 

Leipzig. Die hiesigen Privatdozenten der Medizin Dr, 
Alfred Bielschowsky und Dr. Arthur Birch-Hirschfeld, die 
beide als Assistenten an der hiesigen Augenheilanstalt angestellt 
sind, wurden zu ausserordentlichen Professoren ernannt. Der 
Privatdozent Dr. med. Heinrich Füth, Assistent an der hiesigen 
Universitäts-Frauenklinik, scheidet infolge seiner Berufung an die 
Akademie für praktische Medizin in Köln aus dem Lehrkörper 
der medizinischen Fakultät aus. 

Göttingen. In der medicinischen Fakultät der Universität 
hat sich Dr. Friedrich Heiderich, Assistent am anatomischen In¬ 
stitut, als Privatdozent für das Fach der Anatomie habilitiert. 

In Strassburg starb der Privatdozent Dr. Thomö, I. Assis¬ 
tent am anatomischen Institut. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. F. Meiasner, BerlinW. 61, Knrfflrftenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Hernemann'achen ßuchdruckerei, Gebr Wolff, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Deotschmaoa, A. Dflhnseo, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Herausgegeben von 



Verlag und Expedition 

Carl Marhold in Halle a» UUandstrasse 

Tel.'Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 823. 


asse 6. 

823. 

_ 



R. Kobert, M. Koeppen. K. Partacb, H. Rosin, H. Scblange. 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerrleht, A. Voulns, 

Magdeburg. Glessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62« Kurfflratenstraaae 81« 

Dr. P Meißner 


Vn. Jahrgang. 


30. April 1906. 


Nr. 18. 


Die .Medicinische Woche" erscheint jeden Montag mit der UtSglgen Beilage B&ItieolOgiSChe Cciltralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Baderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold io Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 berechnet. Beilagen nach Uebereiokunft. Reklamezeile r,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmSfligung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


. geben. Am anschaulichsten ist das Schema des Gehirns aus 

OrtQinftlisn. den Arbeiten von Ferrier, Munk, Gorders, Bechterew 


Ueber einige Schädelverletzungen. 

Von Dr. A. W. Minin, 

Chefarzt dos NikoI^-MiUtärbospitals in St. Petersburg. 

Zum besseren Verständnis des Zasammenhangs zwischen 
den Verletzungen, die im Nachstehenden geschildert werden 
sollen, und den durch diese Verletzungen bedingten Konse- 

Das itn Kazaner Bezirkskrankenhaus akzeptierte Seboma. 

Dasselbe ist elektiv und nach Ferier, Munk, Gordors, Bechterew und 
Elagosin zusammengestellt. 



gezeichnet von Dr. Gribojedow. 
x) Geruuhszontrum. Gyrus uncinatus auf der .Schädelbasis. 
Erläuterung. 

A. Linke Hemisphäre: 9. Wernicke’s Zentrum. 

1. Zentrum der abstrakten Be- lÖ. Musikzentrum. 

griffe (Yernunft). D. Wortgedächtniszontrum. 

2. Zentrum des verutinftigen ^2. Gesientszontrum. 

Willens. Bewegungszentrum d. .Schrift. 

3. Bewegungszentrum. B Rechte Hemisphäre: 

4. Yorstellungszentrum. 1. Zentrum der affektiven Vor- 

fj. Gesicbtsvorstallungeii. Stellungen. 

(i. Gesiebtszentrum der .Schrift. 2. Zentrum des freien Willens. 

7. Broca's Zentrum. 3. Zentrum der Gegenstand.svor- 

8. Stimmenzentrum Krause. Stellungen (Verstand). 

quenzen in Form von krankhaften Veränderungen des Nerven¬ 
systems und des Gehirns halte ich es für notwendig, vor allem 
mit einigen Worten die Lokalisation sämtlicher Zentren im 
Gehirn za streifen und dann auch den Begriff der Halluzi¬ 
nation zn präzisieren, sowie den Ort ihrer Entstehung anzu- 


zu ersehen, welches im Bezirkskrankenhaus zu Kasan akzep¬ 
tiert ist and mir in liebenswürdiger Weise von Dr. Gribo¬ 
jedow zur Verfügung gestellt wurde. Nach diesem Schema 
wird jeder sich über die Lokalisation der Zentren genau orien¬ 
tieren können, wenn er sich vorstellen wird, dass aas Geruchs¬ 
zentrum auf der Basis des Frontallappens liegt 

Als Halluzination bezeichnet man nach Erlitzki eine 
Vorstellung, die, ohne dass im gegebenen Augenblick irgrad 
ein äusserer Eindruck perzipiert wird, entstehend, in der äusseren 
Welt durch Vermittlung des einem der Sinnesorgane voll¬ 
ständig objektiviert wird. Gerucbshalluzinationen betreffen be¬ 
sondere Gerüche, die dort gefühlt werden, wo sie gar nicht 
vorhanden sind. 

Ais Sinnestäu.schung oder Pseudo-Empfindung oder auch 
Halluzination im weiten Sinne des Wortes bezeichnet man 
nach Eorsakow das Auftreten in der Sphäre des Bewusst¬ 
seins von Vorstellungen, die mit Empfindungen verknüpft sind, 
welche solchen Gegenständen entsprechen, die in WirWehkeit 
im gegebenen Augenblick einen Eindruck auf die Sinnesorgane 
des Menschen nicht machen. Jede Halluzination ist eine Re¬ 
produktion, ein Gedanke, der sich, wie sich ein französischer 
Psychiater geäussert hat, in eine sensible Hülle gekleidet hat, 
eine nach aussen projizierte Idee. 

Damit eine Halluzination entstehen kann, ist es einerseits 
erforderlich, dass eine Erregung der sensoriellen Zentren statt¬ 
finde, d. h. derjenigen Zentren, in denen die Empfindung ent¬ 
steht, andererseits dass diese Empfindung mit irgend einer 
Vorstellung, welche im Bewusstsein aus dem Vorrat an Vor- 
stelluDgen entstanden ist, kongruiere. 

Nach der Ansicht von Meynert werden Halluzinationen 
durch Erregung der subkortikalen Zentren bei Abscbwächung 
der Funktion der Hirnrinde bedingt. 

Nach der Ansicht des italienischen Gelehrten Tarn burini 
verdanken die Halluzinationen ihre Entstehung einer spontanen 
Erregung, nicht der subkortikalen, sondern der kortikalen 
Zentren, und zwar deijenigen Zellen, die die Endungen der 
sensiblen Leitungsbahnen bilden und die durch die Vermittlung 
von Assoziationsfasern mit den Vorstellungszentren kommuni¬ 
zieren. 

Was die übrigen Definitionen, so diejenigen von Esquirol, 
Krafft-Ebing, Kraepelin, Störring, Pierre, Janet, 
Loewenfeld, Such anow, Kodinsbi etc. betrifft, so möchte 
ich derselben nur nach den Worten von Dr. Obrastzow 
Erwähnung tun, der sagt, dass man den wahren Halluzinationen 
die sogenannten Pseudo-Halluzinationen gegenüberstellt, d. h. 
nach Hagen diejenigen krankhaften psychischen Zustände, die 
nicht mit Sinnestäuschungen im allgemeinen und speziell nicht 
mit Halluzinationen verwechselt werden dürfen. 

Nun möchte ich einige Fälle von Schädel-Verletznngen 
beschreiben, die meiner Meinung nach beachtenswert sind: 


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198 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 18. 


1. Obacst deg^ OeDerftUtabe G. Der Patient wurde am 
22. Pebiruar 1905 in den MukdeB-SchlachteD von einer Ge- 
webikn^I an der rechteo Frontalgegend, an der Grenze des 
behaarten Kopfteiles getroffen. Er kl^ über häuHgen Kopf- 
eoKwüidal und Kopfschmerzen, wobei bisweilen der ^nze Kopf, 
bisweilen nur die von der Verletzung betroffene Stelle weh 
tue. Ausserdem glaubt der Pfttient bisweilen, „Schmerzen zu 
riechen“. 

Am 23. Februar wurde von Dr. Butz die Trepanation 
vorgenommen, bei der mehrere Knochensplitter entfernt wurden. 
Der Patient war, als er von der Kugel getroffen wurde, be¬ 
wusstlos geworden, kam aber nach 5 Minuten zu sich, und in 
diesem Moment stellten sich die Kopfschmerzen ein, die bis 
auf den heutigen Tag anhalten. Nach der Operation haben 
die Schmerzen etwas nachgelassen. Zu irgend welchen An¬ 
fällen ist es niemals gekommen, auch kann der Patient über 
Schwäche irgend eines Gliedes nicht klagen. 

Der Patient stammt aus einer gesunden Familie, in der 
Nerven- und Geisteskrankheiten nicht vorgekommen sind. Der 
Vater ist an Lungenschwindsucht gestorben und hatte zu Leb¬ 
zeiten an Glaukom gelitten. Die Mutter ist am Leben. Die 
Geschwister des Patienten sind am Leben und gesund. Syphilis 
will der Patient niemals gehabt, desgleichen keinen besonderen 
Äbusas in baccbo getrieben haben. In der Kindheit hat der 
Patient an einer Stömng des Ganges wegen Kontraktur der 
Achillessehne im Anschluss an infantile Paralyse, die sich in¬ 
folge einer Erkältung eingestellt hatte, gelitten. Dieser Defekt, 
der den Pat. zwang, anf den Zehen zu gehen, wurde operativ 
unter Anlegnog eines fixierenden Verbandes beseitigt. Der 
Patient hat die gewöhnlichen Kinderkrankheiten durchgemacht 
und anch einra Tripper gehabt. 

Status praesens. Der Patient ist von hoher Statur, 
regelmäßigem, kräftigem Körperbau und gutem Ernährungs¬ 
zustand. Objektiver Befund: Lungen normal, Erschei¬ 
nungen von leichter Bronchitis. Herzdimensionen etwas ver- 
grÖssert. Die Herzdilatation wurde mittelst Röntgeuapparats 
konstatiert. Auskultation: Deutliches systolisches Geräusch 
an der Spitze, welches in der Richtung nach oben zu allmäh¬ 
lich verschwindet. Ausserdem wird ein mit dem ersten Herz¬ 
ton zusammenfallendes blasendes Geräusch an der Aorta wahr- 
genonunen. Arcus aortae etwas erweitert (beginnendes Aneu¬ 
rysma). 

Diagnose: Kombiniertes Vitium cordis; Insufficienz der 
Valvula bicuspidalis und Stenose der Aorta bei leichter Arterio- 


Feuilleton. 


Vom Aderlass. 

Eine kulturgeschichtlich-medicinische Skizze. 

Von Dr. Archimontanns. 

(Scfalnss.) 

In diesem Frage- und Antwortspiel geht es noch weiter 
betreffend die: „Ader auf den kleinen Fmgem, die Ader auf 
der kleinen Zehen, die Rosen-Ader unter den Knochen an 
beyden Füssen, die Spor-Ader an den Knoten, die Ader auf 
der Hand beym Daumen, die Ader auf der grossen Zehen, die 
Brand-Ader“ und Ändere. Dann wendet sich der Examinator 
den wichtigen Fragen zu, an welchen Zeiten die Adern gelassen 
werden sollen. Da heisst es: 

Frage: Zu welchen Zeiten ist mn besten zu lassen? 

Antwort: Die beste Zeit ist zu lassen in guten Zeichen 
des Mondes / und da der Mond neu und voll ist / 
ist solches verbotten / auch nach Art der Ge¬ 
brechen und Krankheiten zu bedienen / und sollen 
alle Adern des Armes vor dem Essen gelassen 
werden / ungleichen alle Adern des Haupts / der 
Hand / der Schenckel und der Füss / die soll 
man lassen nach dem Essen. 

Frage: Welches sein die vier Complexion dess M enschen / die 
einem jeden Wund-Arzt zu wissen vonnöthen seyn? 


Sklerose. Leber, Milz, Darmkanal bieten keine Abweichungen 
von der Norm dar. In der rechten Frontalgegend befindet 
sich eine Narbe, die schräg, von vom nach hinten, von der 
Mittellinie der Stirn zutn rechten Winkel des behaarten Eopf- 
teiles in einer Entfernung von 2 —3 cm von dieser und parallel 
derselben verläuft und 6'/|Cm lang ist. Der zentnde Teil 
der Narbe ist 3 cm lang. An dieser Stelle ist wegen 
Knochendefekts eine 1—IV» cm tiefe Vertiefung vorhanden. 
Der Enochendefekt stellt an und für sich ein Oval dar, welches 
2'/| cm im kleinen und 3'/» cm im grossen Durchmesser hat 
In der Tiefe ist deutlich Pulsation zu sehen. Bei der von 
Dr. Sokolow ausgeführten radiographischen Untersuchung 
des Schädels waren sämtliche Knochen gut zu eebra, während 
an Stelle des Defekts ein heller Fleck hervortraL Pupillen 
gleichmäßg, reagieren regelmäßig auf Licht und Distanz. Ge¬ 
ruch an beiden Seiten gut erhalten, wobei der Patient richtig 
lind rasch schwache Lösungen von Bergamottöl, Ammoniak, 
Terpentinöl und Valeriana-Tinktur unterscheidet. Die Be¬ 
wegungen der mimischen Muskeln gehen regelmäßig vor sxh. 
In der Zunge und in den Augenlidern ist leichter Tremor zu 
sehen. Hautsensibilität in normalen Grenzen erhalten, nur io 
der Gegend der Narbe ist sowohl die Schmerz- wie auch die 
taktile Empfindung herabgesetzt. Der Gang ist. sowohl bei 
offenen wie geschlossenen Augen regelmäßig. Romber^scbes 
Symptom fehlt. Grobe Kraft aer Hände 110 und 115. Dieses 
Verhältnis zwischen der groben Kraft der rechten und der¬ 
jenigen der linken Hand hat übrigens auch vor der Verletzung 
bestanden. Hautreflexe normal; es fehlen nur die Gluteal- 
reflexe. Schlundreflex erhalten. Der von der Nasenschleimhaiit 
ausgehende Refiex [ist beiderseits erhalten und gleichmäßig. 
Dermographismusetwas gesteigert. Conjunctivalreflex kannher- 
vorgerufen werden.*^ Sehnenreflexe gesteigert. Reflex der 
Achillessehne fehlt mfolge der in der Kindheit überstandeoen 
Operation, von Her deutliche Spuren zurückgeblieben sind. 
Die Beuge- und Streckreflexe der Ellbogen sind erhalten und 
auf beiden Seiten gleich. Puls 120 in der Minute. 

Visus oculi dextri 30/20; Visus oculi sinistri 30/20. Die 
von Dr. Dobroslawin ausgeführte ophthalmologische Unter¬ 
suchung ergab ausser einer gewissen Verengerung der Arterien 
der Papille des N. opticus des rechten Auges keine Abwei¬ 
chungen von der Norm. Bei der Untersuimung des rechten 
Auges traten Schmerzen in der Wunde auf, was bei der Unter¬ 
suchung des linken Auges aber nicht der Fall war, trotzdem 
die Untersuchung immer abwechselnd? ausgeföhrt wurde. Von 


Antwort: Erstlich ist die Complexion eine“ zusammen g^ 
schickte Ordnung aus deß Menschen Natur / die 
vier Qualitäten mit Gegenwürkung der vier Ele¬ 
ment / und Himmlischen Planeten Einfluss und 
Nei^ng zu erkennen / als nemlich der viere / 
Chol, warm / trucken und feurig: Sanguin warm / 
feucht und lüfftig: Melanch. kalt / trucken / irr- 
disch: Phlegraat. kalt / feucht und wässerig. 
Welches seyn die vier Qualitäten? 

Warm / feucht / kalt und trucken? 

Welches seyn die vier Element? 

Feuer / Wasser / Lufft und Erdreich. 

Welches seyn die sieben Planeten? 

Saturnus / Jupiter / Mars / Sol / Venus / Mer- 
curius / Luna. 

Welches seyn die vier gute / die vier mittle / und 
die vier böse Zeichen? 

Die vier gute seyn: Wider / Waag / Schütz und 
Wassermann. Die vier mittle seyn: Krebs / Jung¬ 
frau / Scorpion und Fisch. / Die vier böse seyn: 
Stier / Zwilling / Lör^und Steinbock. 

Ist der Mond lim Wider, welche Ader ist ver¬ 
botten zu lassen ? 

Die Ader an der Stirnen, die Ader unter der 
Zungen / und alle Adern des Haupts seyn ver¬ 
botten zu lassen / diß Zeichen ist heiss und 
trucken / und ist ein Zeichen des Mertzene. 


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Frage: 

Antwort: 

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Frage: 
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Frage: 

Antwort: 



1906. 


MBDICmiSCHB WOCHB. 


199 


seiten dos Gesiditsfeldes liegen gleichfalls keine bedeutenden 
Abweichungen von der Norm vor. Es besteht leichte katarrha¬ 
lische Conjunktivitis an beiden Augen. 

Der Patient klagt über Kopfschmerzen und Schwindel, 
wobei letztere hauptsächlich bei angestrengter Arbeit, bei Auf¬ 
regung oder eiliger Geschäftigkeit auftreten. Trotzdem der 
Kranke an ernste geistige Arbeit gewöhnt ist (er hat ja die 
Generalstabsakademie absolviert), muss er jetzt, indem er als 
Lehrer fungiert mehr oder minder anstrengende geistige Arbeit 
vermeiden, weil rasche Ermüdung eintritt, wobei hauptsächlich 
die Aufmerksamkeit in Mitleidenschaft gezogen wird, indem 
sie rasch nachlässt; zugleich steigern sich die Kopfschmerzen, 
und es tritt Schwindel auf. Letzterer besteht darin, dass der 
Patient allgemeine Schwäche im ganzen Körper verspürt, der 
sich dabei gleichsam nach rechts neigt, wobei die Gegenstände 
der Umgebung sich gleichsam zu bewegen beginnen. Der 
Patient vergleicht diesen Zustand mit dem Gefühl eines leichten 
Rausches. Der Schwindel ist von verschiedener Intensität: 
bisweilen kann sich der Patient auf den Beinen halten, manch¬ 
mal muss er sich hinsetzen, und einmal ist er sogar hingestürzt, 
wobei er vorübergehend das Bewusstsein verlor. Seit dem 
Frühling sind derartige Schwindelanfälle nicht mehr autge- 
treten. Gegenwärtig klagt der Patient über gleichmäßigen 
Schmerz im ganzen Schädel; bisweilen schmerzt allerdings nur 
die Wunde allein. Die Sprache des Patienten ist vollständig 
logisch und frei. Das Gedächtnis soll nach Ansicht des 
Patienten in Bezug auf Personen bedeutend nachgelassen haben, 
sonst aber durchaus befriedigend sein. Gemütsstimmung sehr 
labil. Der Patient wird häufig durch Gegenstände erregt, 
welche er früher gar nicht beachtet hat. Er vermag sich 
zwar zu beherrschen, aber nur mit Mühe. Der Schlaf ist bis¬ 
weilen unruhig. Der Patient erklärt, dass er häufig (manchmal 
jeden Tag, manchmal einmal in der Woche) einen „Schmerz¬ 
geruch“ habe, der keinem von den dem Patienten bekannten 
Gerüchen ähnlich und weder widerlich noch angenehm ist. 
Später verglich der Patient diesen Geruch mit dem Ozongeruch 
oder mit dem Geruch unangenehm riechender Parfüms, bei¬ 
spielsweise Patschuli. Der Patient ist sich dessen bewusst, 
dass dieser Geruch nicht von aussen kommt, sondern sich 
innerhalb seiner eigenen Nase, und zwar in der oberen Hälfte 
derselben bildet Dieser Geruch steht in einem Zusammen¬ 
hang mit dem Kopfschwindel nicht, da dieser Geruch manch¬ 
mal besteht, ohne dass Kopfschwindel vorhanden ist, und um¬ 
gekehrt. Der Patient glaubt, seit jeher einen Geruchssinn von 


mittlerer Intensität gehabt und nach der Verletzung eine Ab¬ 
schwächung des Geruchssinnes nicht erfahren zu haben. Die 
Empfindung des geschilderten Schmerzgeruchs dauert 2 — 30 
Minuten und noch länger an. Zum ersten Mal hat der Patient 
diesen Geruch ca. 2 Monate nach der Verletzung empfunden. 

Während die tägliche Erfahrung und die neuesten, bei¬ 
spielsweise in der Arbeit von Prof. Itf. M. Kusnetzow ge¬ 
sammelten Arbeiten zu aktiver Intervention bei Scbädelverletz- 
ungen, so zu primärer Trepanation des Schädels anregen, 
weisen meine nachstehenden Mitteilungen auf den verhängnis¬ 
vollen Zusammenhang des schweren Zustandes der Patienten 
und dem Fehlen von rechtzeitiger operativer Intervention 
hin. Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Tre¬ 
panation des Schädels, selbst wenn sie längere Zeit nach der 
Verletzung, also sekundär vorgenommen wird, den Zustand 
des Patienten, wie aus der folgenden Krankengeschichte zu 
ersehen ist, immerhin bessert. (Schluss fo1g:t) 


Aus dem Hansa^ Sanatorium Ikmzig* 

Die Digitalisbehandlung 
der Herzschwäche hei Infektionskrankheiten. 

Von Dr. R. Frennd. 

(Schluss.) 

Bei Influenza tritt sehr häufig eine starke Schädigung des 
Herzmuskels durch die Grippotoxine ein und manches nervöse 
Herz lässt sich bei genauer Erhebung der Anamnese auf einen 
leichten, kaum beachteten Infiuenzaanfall zurückführen, so dass 
man eine spezifische Wirkung auf den Herznervenapparat an¬ 
genommen hat.®) Der Puls ist während der Krankheit meist 
schwach dicrot und bedeutend beschleunigt, doch kommen 
häufiger als bei jeder andern Infektionskrankheit bedeutende 
Verlangsamungen des Pulses vor, was man durch Einwirkung 
auf das Vaguszentrum erklärt Die Labilität des Pulses ist 
gross, ein Wechsel im Stehen und Liegen von 80 bis 130 wird 
häufiger beobachtet als bei andern Inf^tionskrankheiten. Auch 
Arhythmien kommen als Uebergänge zu den selteneren schweren 
Herzstörungen vor, von denen besonders die Angina pectoris 
und die Herzschwäche mit Collaps, beide auf der Höhe der 
Erkrankung beobachtet werden. Die Collapse führen häufig 
zu den Todesfällen an sogenanntem Herzschlag. Wenn hierbei 


Frage; Ist der Mond im Stier, welche Adern seyn ver- 
botten zu lassen? 

Antwort: Alle Adern am Halß seyn verholten zu lassen / 
das Zeichen ist kalt und trucken / und ist ein 
Zeichen des Aprils. 

Frage: Ist der Mond im Zwilling / welche Ader ist ver- 
botten zu lassen? 

Antwort: Alle Adern der Arm und Hand seyn verbotten zu 
lassen. / Das Zeichen ist warm und feucht / und 
ist ein Zeichen des Magens. 

Frage: Ist der Mond im Krebs, welche Adern seyn ver¬ 
botten zu lassen? 

Antwort: Die Adern auf den linken Arm / das Zeichen ist 
kalt und feucht / und ist ein Zeichen des Brach¬ 
monds. 

So geht es weiter mit den Fragen, wenn der Mond im 
Löwen, m der Jungfrau, in der Waag, im Scorpion, im Schütz, 
im Steinbock, im Wassermann und im Fisch ist und die Ant¬ 
worten lauten dementsprechend.- 

Man muss sich wundem, dass bei den sehr geringen 
anatomischen Kenntnissen, besonders vor Entdeckung des Blut¬ 
kreislaufes (1627), nicht Öfter eine grosse Arterie eröffnet 
worden ist, die eine lebensgefährliche Blutung zur Folge haben 
konnte. Allerdings hören wir aus den Warnungen, die zum 
Beispiel in dem Buche des S. A. D. Tissot, Dr. medicinae und 
Professor in Lausanne („Anleitung für das Landvolk in Ab¬ 
sicht auf seine Gesundheit“ 1768) stehen, dass auch manche 


Verblutungen vorgekommen sind infolge Fahrlässigkeit Die 
Menge des Blutes, die man beim AderTass ablassen solle, gibt 
der letztgenannte Arzt auf 10 Unzen an. Eine Unze = 33,33 gr. 
10 Unzen entsprächen also einem Gewichte von ungefähr 333 gr. 
Diese Menge entspricht auch der jetzt gebräuchlichen Ablassung 
von 180—400 gr. 

Es sind aber nicht nur durch fahrlässige Eröffnung von 
Arterien Verblutungen vorgekommen, sondern auch durch eine 
allzu liäufige und ausgiebige Anwendung der Operation. So 
schreibt Tissot: „Man kann nicht ohne Entsetzen wahmehmen, 
dass man zuweilen einer Person 18, 20 auch 24 mal innerhalb 
zwei T^en zur Ader lässt; andern in einigen Monaten einige 
himdertmahl. Dergleichen Beobachtungen beweisen allemahl 
unwidersprechlich die Unwissenheit eines Arztes oder Wund¬ 
arztes, und wenn der Kranke das Leben erhaltet, so muss man 
die Kräfte der Natur bewundern, welche unter so vielen mör¬ 
derischen Streichen (1) nicht unterliegt.“ "Tla muss man aller¬ 
dings dem guten Tissot Recht geben! 

Ausserdem tritt er auch einem damals weit verbreiteten 
Vorurteile entgegen. Er schreibt: „Es herrschet ein sehr 
falsches Vorurteil, nämlich, dass die erste Aderlässe das Leben 
rette; man darf aber nur die Augen öfftten, und man wird von 
deren Falschheit überzeugt werden, da man zum Unglück alle 
Tage das Gegenteil sehen kann, dass viele Personen nach der 
ersten Aderlässe sterben. Wenn dieser Grundsatz wahr wäre, 
so müsste es unmöglich sein, dass ein Mensch an seiner ersten 
Krankheit sterben könnte, welches doch täglich geschiehet. Es 

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BfEDIClNXSüüJfi wOCHB. 


Nr 18. 


in vielen Fällen nur eine Lähmung der nervösen Regulierung 
vorliegt, so sind doch auch häufig Myocarderkrankungen als 
Ursache nachgewiesen. 

Ueber die Behandlung dieser Form der Herzschwäche 
habe ich wenig Angaben gefunden, wegen der Collapsgefahr 
wird zu Vorsicht mit Antipyreticis geraten, V. Ziemssen em¬ 
pfiehlt gegen die Herzschwäche Campher 0,2 — 0,3, Digitalis 
0,05 3 — 4mal täglich.'“) Ich selbst habe keine Erfahrungen 
darüber. Bei eintretendem Collaps dürften auch hier die intra¬ 
venösen Digaleninjektionen zu versuchen sein. 

Bei den Herzstörungen, welche man als Nachkrankheiten 
der Influenza auffassen muss, liegen die Verhältnisse, wie das 
auch Krehl und Romberg hervorheben, meist sehr kompli¬ 
ziert. In einigen Fällen bringt die Digitalistherapio Nutzen, 
in andern verengten die Digitalispräparate als auch der Stro- 
phantus, wogegen bei einer antineurasthenischen tonisierenden 
Behandlung alle Beschwerden schon nach wenigen Wochen 
völlig schwanden. In den Fällen erster Art glaube ich eine 
Herzstömng durch Erkrankung des Herzmuskels, in denen der 
zweiten Art eine Störung durch Befallensein der nervösen 
Zentren des Herzens annehmen zu müssen. 

Gegen die Fälle von Angina pectoris ist das Digalen wüe 
in dem von Kottmann beschriebenen Fall anzuwenden.") 

Bei Typhus abdominalis *’) lässt sich häufig, trotz schweren 
Verlaufs, mit unsem heutigen Untereuchungsmethoden klinisch 
niclits nachweisen, was auf eine Erkrankung des Herzens hin- 
dentet Wir wissen aber, dass schwere parenchymatöse Degene¬ 
ration des Herzfleisches und echte Myocarditis Vorkommen. 
Tritt letztere auf, so pflegt sie gegen Ende der 2. oder Anfang 
der 3. Woche klinische Erscheinungen zu machen, diese Herz¬ 
schwäche kann dann in den Vordergrund treten und lange an- 
dauern. Sie äussert sich dann in Frequenterwerden des rulses 
ohne gleichzeitigen Temperaturanstieg, Irregularit^ und Inä- 
qualität Diese drei Symptome sind ein sicheres Zeichen für 
Mitbeteiligung der Kreislauforgane. Im weiteren Verlauf wird 
der Puls klein, weich und leicht unterdrückbar und es tritt 
eine Dilatation (Distension) besonders des linken Ventrikels 
ein. Die Auskultation gibt fast unhörbare Töne, nur der 
zweite Pulmonalton ist zuweilen verstärkt und zwar mit oder 
ohne ein gleichzeitiges systolisches Geräusch an der Herzspitze, 
welches durch relative Mitralinsuffizienz hervorgerufen ist. 
Die Lebensgefahr ist bei diesen Zuständen geringer als bei 
den durch das Diphtheriegift hervorgerufonen und meist bilden 
sich die Erscheinungen zurück. Chronische Myocarditiden sind 


ist von grosser Wichtigkeit, dass man dieses Vorurteil au8rt)tte, 
weü solches einen schlimmen Einfluss haben kann. Das Zu¬ 
trauen zu dieser Aderlässe macht, das man sie auf grosse Ge¬ 
fahren verspahren will, und man schiebt sie immer auf, so 
lange der Kranke sich nicht sehr übel befindet, in der Hoffnung, 
dass wenn man solcher entübriget seyn könne, so lasse sie 
sich für einen anderen Anlass aufbebalten. Indessen ver¬ 
schlimmert sich das Üebel, man lässt endlich zur Ader aber 
zu spat, und ich habe verschiedene Beispiele von Kranken ge¬ 
sehen^ weiche man sterben lassen, damit man die Aderlässe 
auf einen wichtigeren Fall verparen möchte. Der ganze Unter¬ 
schied in der Würkung der ersten Aderlässe und der folgenden 
ist gemeinlich dieser, dass sie den Kranken mehr eine schädliche 
als heilsame Aufwallung veranlasset“. 

In den Ratschlägen Tissots ist also schon ein bedenkliches 
Abflauen der Begeisterung für den Aderlass zu merken. In 
den folgenden Jahrzehnten und im neunzehnten Jahrhundert 
eriet die Operation des Aderlasses immer mehr in Vergessen- 
eit, da bei den Fortschritten der wissenschaftlichen Heilkunde 
andere und bessere Ersatzmittel an seine Stelle traten. Heut¬ 
zutage ist im Allgemeinen das vom Aderlass Jahrhunderte lang 
so sicher beherrschte, ungeheure Gebiet der Therapie auf ein 
einziges Rutchen zusammengeschrumpft. Es mehren sich jedoch 
neuerdiogs hier und da die Anzeichen dafür, als sollte diese 
altehrwtirdige, stark vernachlässigte Operation bei gewissen 
Krankheitszuständen wieder zu El^en kommen. 


selten, auch wenn die Herzerscheinungen erst nach der Ent¬ 
fieberung einsetzen, so pflegen sie doch nach monatelanger 
Dauer günstig zu enden. 

Gefährli(m sind die meist aüf das Herz bezogenen Collaps- 
zustände, welche in der 2. oder 3. Woche eintreten können, 
von denen jedoch neuere Untersuchungen wahrscheinlich machen, 
dass es sich um eine Lähmui^ der Vasomotoren handelt. Eine 
sichere Beantwortung dieser Frage steht noch aus. 

Was lässt sich tun diese Herzschwäche zu vermeiden? 

Es ist bekannt, dass man den günstigen Nutzen der Bäder¬ 
behandlung, wie sie heute bei Typhus üblich ist, vor allem in 
der günstigen Wirkung auf das Herz und Gefasssystem sieht. 
Tritt trotz derselben Herzschwäche ein, so sind Aether, Campher, 
Coffein und Alcoholica beliebt, während die Digitalis im all¬ 
gemeinen wenig angewandt wurde. Erst kürzlich hat Schwarz 
nachgewiesen, dass grade bei Typhus ebenso wie bei Pneu¬ 
monie nach Digalenanwendung eine Besserui^ der Herztätig¬ 
keit auftritt, welche sich in Abnahme der Pulsfrequenz und 
Besserung der Qualität des Pulses äussert, und zwar wird hier 
besonders die intravenöse und subcutane Anwendung des Diga- 
lens als dem Campher und Coffein bedeutend überlegen ge¬ 
rühmt, so dass die Anwendung des Digalens auch hier mehr 
in den Vordergrund zu treten hat, was ich betone, weil in den 
gangbaren Handbüchern der Digitalistherapie bei Herzschwäche 
der Typhuskranken nicht gedacht wird. 

Die Herzkomplikationen bei den übrigen oben erwähnten 
Krankheiten bieten nichts besonderes, und sind meist gutartig, 
abgesehen vom Gelenkrheumatismus, bei dem die Endocarditis 
das Krankheitsbild beherrscht, welche bei den andern Krank¬ 
heiten nur gelegentlich vorkommt. Bei einer ausgesprochenen 
Endocarditis pflegt die Digitalis nicht zu wirken, abgesehen 
von einer Gefahr der Embolie, die durch Losreissung eines 
Gerinsels entstehen kann, falls die Herzkraft gehoben \vird. 

Zum Schluss fasse ich das Resultat meiner Untersuchung 
dahin zusammen: 

Bei der bei Infektionskrankheiten auftretenden Herz¬ 
schwäche haben wir in der modernen Digitalistherapie in 
Form des Digalens ein wichtiges Hilfsmittel, da wir dieselbe 
durch subcutane, intramuskuläre und intravenöse Anwendung des 
Mittels bekämpfen können. Es wirkt starker als Campher und 
Coffein und schneller, wenn in Form der intravenösen Injek¬ 
tion gegeben, welch letztere bei gefahrdrohendem Collapse allein 
in Frage kommt. 

Bei Lähmung der nervösen Zentren der Herzregulation, 
wie sie bei Influenza und Diphtherie vorkommt, bleibt die 
Digitalistherapie wirkungslos, ebenso bei schwerer Endocarditis. 
wo sie auch wegen Gefahr der Embolie kontraindiziert ist 

Literatur. 

1) Krehl, Pathologische Physiologie, 1904. 

2) Archiv f. klin. Med. Bd. 04. 

3) Popow, Petersburger med. Wochenschr. 1902. 

4) Arch. t exper. Patb. u. Pharm. 1906. 

5) Ztscbr. t &rztl. Fortbildung, 1906. 

6) Die Lungenentzündungen, 1399. 

7) Hdbch. T. Ebstein und Schwalbe. Bd. 1. 

8) Ther. Monatshefte, 1005, p. 364. 

9) Leicbtenstern, Influenza, 1896. 

10) Penzoldtund Stintzing, Hdbch. Bd. 1. 

11) Ztschr. f. klin Med. 1805. 

12) Curscbmann, Unterleibstyphus, 1898. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

AersfUicher Vereim, in Ha/niburg* 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 10. April 1906. 

Vorsitzender Herr Paschen. 

I, Demonstrationen: Herr Simraonds: „Ueber multiples 
Myelom“. Primäre Knochengeschwülste sind überhaupt selten, 
es kommen nur Sarcome und Myelome vor; erstere sind, nament- 

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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


fiOl 


lioh wenn sie ans kleinen Rundzellen bestehen, nxir schwer von 
letzteren zu unterscheiden. Die Myelome wuchern in der Mark- 
Bubstanz selbst und nagen gleichsam die Corticalis an, gleichzeitig 
entkalken sie die Knochen, sodass es klinisch zu Deformitäten 
kommt, und Osteomalacie vorgetäuscht werden kann. Es besteht 
lebhafte Schmerzhaftigkeit in den erkrankten Epochen, häu£g 
remittierendes Fieber, und im Urin sind Älbumosen nachweislich; 
doch fehlt die Albumosenprobe häufig, sodass nur das Röntgenbild 
sicher Aufschluss gibt. Es werden ^e Knochen zweier Patienten 
gezeigt, im ersteren Falle handelte es sich um allgemeine Sarco- 
inatose, während in letzterem Myelomatose vorlag. Eine 67jährige, 
nach Apoplexie demente Frau ging an einer Pneumonie zu Grunde: 
es war ein deutliches Knirschen in der rechten Schulter wahr¬ 
genommen worden. Die Sektion ergab, dass der Oberarmkopf 
abgebrochen war, und es fanden sich überall grau resp. hämorr¬ 
hagisch aussehende Myelome, sogar im Schädeldach. Herr Könne 
hat eine alte Dame mit besonders heftigen Schmerzen in den Beinen, 
den Rippen, dem Sternum tmd im Rücken behandelt, die für ihr 
Älter aufiallend gebückt ging. Aus bestimmten Gründen (Anacidi¬ 
tät z. B.) wurde ein Magencarcinom und eine sekundäre Knochen- 
carcinomatose angenommen. Bei der Sektion jedoch zeigte es sich, 
dass überall Myelome vorhanden waren, während nur eine Magen- 
atonie bestanden hatte. 2. Herr Simmonds demonstriert ferner 
Spirochaeten, nach Levaditi gefärbt, von einer macerierten 
sjrphilitischen Frucht. Es fand sich eine Unmasse in allen Organen, 
Lunge, Thymus, Leber, Milz, Pancreas und Nebennieren waren 
dnrdisetzt; die grösste Zahl war jedoch in der Darmschleimhaut 
vorhanden. Er verneint die Frage des Herrn Faschen, ob sonst 
keine luetischen Veränderungen zu erkennen waren. 

n. Vortrag des Herrn Fahr: „Das elastische Gewebe 
im gesunden und kranken Herzen und seine Bedeutung 
für die Diastole“. Vortragender hat durch Untersuchungen 
an über 100 normalen uud pathologisch anatomisch veränderten- 
Herzen festgestellt, dass im Gerzen des Neugeborenen elastische 
Fasern sich in den Ventrikeln nur im Endo- und Epicard, sowie 
in der nächsten Nachbarschaft der Gefässe finden, dass beim Er¬ 
wachsenen dagegen elastische Fasern auch in den Muskelschichten 
vorhanden sind, dass sie dort jede Muskelfibrille in Form eines 
feinen Netzes umgeben. Diese Befunde bilden eine Bestätigung 
fröherer Untersuchungen von Melnikow-Raswedenkow. — Die Ent¬ 
wicklung dieses elastischen Netzes beginnt etwa im 5. Lebensjahre 
und ist im allgemeinen mit dem 7. Lebensjahre etwa abgeschlossen. 
In einer Reihe von Fällen nun — fast durchweg bandelte es sich 
um alte Individuen mit lange bestehender, meist hochgradiger 
Arteriosklerose — konnte Vortragender eine Verstärkung des 
elastischen Netzes konstatieren. Sio beginnt in der Umgebung 
der Klappen und Gefässe, wo die neugebildeten elastmchen Fasern 
ihren Ursprung finden, und manifestiert sich im histologischen Bilde¬ 
in der Weise, dass das ursprünglich aus einer Lage elastischer 
Fasern bestehende Netz sich verdichtet und sich aus mehreren 
Lagen zusammensetzt. — Stets ist diese Vermehrung des elastischen 
Gewebes in den unter den Aortenklappen gelegenen Muskelschichten 
deutlicher ausgeprägt, als in den übrigen Abschnitten der Herz¬ 
wand. In vielen Fallen ist die Vermehrung auf die erwähnten 
Muskelabschnitte beschränkt. — Die Schlüsse, die Vortragender aus 
diesen Befunden zieht, lassen sich in folgende Leitsätze zusammen- 
fassen: 

1. Die elastischen Kräfte, die bei der Herzarbeit in Frage 
kommen, werden in den ersten Lebensjahren durch die Muskel- 
fibrillen ohne Zuhilfenahme besonderer elastischen Elemente aus¬ 
gelöst. 

2. Mit zunehmendem Alter jedoch vermag die Muskulatur 
allein den Anforderungen an die Elastizität der Her/wand nicht 
mehr zu genügen, und der Organismus schafft deswegen einen 
Hilfsfaktor in Gestalt eines um die Muskelfibrillen diffus ango- 
ordneten, elastischen Netzes. 

3. Nehmen die elastischen Kräfte infolge dauernd gesteigerter 
Inanspruchnahme des Herzen, z. B. bei lange Zeit bestehender 
Arteriosklerose, weiterhin ab, so wird das elastische Netz in kompen¬ 
satorischer Weise verstäi-kt, und zwar ist diese Verstärkung be¬ 
sonders gross in den unter den Aortenklappen gelegenen Muskel- 
wolsten ausgeprägt, an deren Elastizität bei der Herzarbeit 
offenbar besonders hohe Anforderungen gestellt werden. 


4. Es sind diese Befunde geeignet, die Auffassung zu stärken, 
die Krehl von der Rolle der elastischen Fasern bei der Herzarbeit 
hat: Die elastischen Fasern, welche die Muskelfasern in diffuser 
Weise umspinnen uud namentlich reichlich in den unter der Aorten¬ 
wurzel gelegenen Muskelpartien vorhanden sind, werden in dem 
Bestreben, ihre bei der Systole veränderte Gestalt wieder ein¬ 
zunehmen, das Herz im Beginn der Diastole wieder öffnen können. 
(Der Vortrag wird in extenso in Virchows Archiv erscheinen.) 

III. Diskussion: Herr Simmonds fragt, ob man aus dem 
Verhalten des elastischen Gewebes im Herzen das Älter eines 
Kindes wohl gerichtsärztlich bestimmen kann, und ob irgendwelche 
Unterschiede hinsichtlich des elastischen Gewebes in den Herz¬ 
schwielen vorhanden sind. Herr Fahr entgegnet im Schlusswort, 
dass sich die Entwickelung des elastischen Gewebes zwischen dem 

5. und 7. Lebensjahre vollzieht; Schlüssse auf das Alter jedoch 
könne man nicht mit Sicherheit daraus ziehen. Herzschwielen 
sind anatomisch gleich, ob sie durch Infarct oder durch entzündliche 
Prozesse entstanden sind. Schönewald. 

MediciwUche GeaeUschaft in Giessen, 

6 . Sitzung am 30. Januar 1906. 

Vorsitzender: Herr Poppert, Schriftführer: Herr Kisskattf 

1 . Herr Brink: Demonstration von 3 operierten Fällen von 
malignen Ovarialtumoren (mit makroskopischen und mikroskopischen 
Präparaten). An der Hand dieser werden die wichtigsten Funkte 
Uber Diagnose, ludikationsstellung, Behandlung und Prognose der¬ 
artiger Geschwülste erörtert. 

2. Herr Cohn: I, Demonstration eines Neugeborenen mit 
kongenitaler Pulsarythmle. — Das Kind zeigte schon intrauterin 
während der ganzen Geburtsdauer die auf&llige Erschrinung, dass 
bei sonst normaler Frequenz der Herztöne ab und zu ein Doppel¬ 
schlag auBsetzte, bald nach 8—10 Schlägen, bald in längeren Ab- 
ständ^. « Während der Geburt wurde an Nabelschnurkompression 
als Grand der Pulsarhythmie gedacht, jedoch bestand bei der 
schnellen spontanen Austreibung weder eine Umschlingung noch 
eine Kompression der Nabelschnur. Das Kind zeigt vielmehr 
noch heuto, am 5. Tage des extrauterinen Lebens das zeitweise 
Aussetzen eines Herzschlages in gleicher Weise wie intrauterin. 
Im übrigen ist es völlig normal entwickelt. Es ist zweifelhaft, ob 
eine myogene oder nervöse Ursache für die Herzarhythmie anzu¬ 
nehmen ist. 

II. Medullaranästhesie in der Geburtshilfe. Bei einer 12- 
jährigen Erstgebärenden mit starker Schmerzhaftigkeit der Wehen 
und hochgradiger Erregtheit wurde in der Austreibungsperiode 
beim Herannahen einer fötalen Indikation die Medullaranästhesie 
durch Ifijektion von 0,04 Stovain angewandt. 5 Minuten nach 
der Injektion Beginn der Anästhesie, von den Füssen aufsteigend. 
Nach 10 Minuten voUstäodige Anästhesie der unteren Körperhälfte 
bis handbreit oberhalb des Nabels. Der Wehenschmerz hörte völlig 
auf, die Banchpresse versagte. Am Uterus sind deutlich Kon¬ 
traktionen und Erschlaffungen zu fühlen. 15 Minuten nach der 
Injektion aus fötaler Indikation leichte Beckenausgangszange. 
Die Kreissende empfindet dabei keiuerlei Scdimerz, sieht der Ex¬ 
traktion zu und gibt an. nur einen Zug zu spüren. Die Nach¬ 
geburtsperiode verlief normal. Die Anästhesie nimmt nach einer 
Stimde von oben nach unten ab und ist nach 1 Va Stunden völlig 
verschwunden. Ausser leichten Kopfschmerzen am nächsten Morgen 
zeigten sich keine üblen Nachwirkungen. Die Methode erscheint 
ftir operative Beendigung der Geburt und zur Beseitigung starker 
Wehenschmerzen gut anwendbar, jedoch wegen der relativ kurzen 
Dauer der Anästhesie und der Ausschaltung der Bauchpresse nur 
in der Austreibungsperiode. Eine besonders vorteilhafte Ver¬ 
wendung dürfte sie bei der Pubotomie finden, um nach der in 
Medullaranästhesie ausgeführten Durchsägung des Schambeins 
unter der Fortdauer der Anästhesie einen spontanen schmerzlosen 
Eintritt des Kopfes ins Becken zu ermöglichen. 

3. Herr Krömer: Beckenerweitemde Operationen. Das 
Missverhältnis zwischen Becken und Kindskopf am Ende der 
Schwangerschaft können wir umgehen durch den abdominalen 
Kaiserschnitt und ausgleioheu durch die beckenerweitemden Ope¬ 
rationen. Letztere haben gerade jetzt allgemeineres Interesse er¬ 
weckt durch das Bestreben, die Perforation des lebenden Kindes 

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MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 18. 


in EJüniken ganz auszuschalten. Die Durcbtrennnng der Symphyse 
ist etwas in Misskredit gekommen wegen der Nebenverletzungen 
und der hohen Mortalität der Mütter (7%). Gigli veränderte die 
Technik; er legte den Schnitt nach aussen von der Symphyse in 
das OS pubis. Sein Lateralschnitt ist vielfach modifiziert worden. 
Die jetzt gebräuchliche Art der Operation ist die subcutane 
Hebotomie (Döderlein—Walcher). Man führt die Drahtsäge einfach 
mit scharfer Nadel unter Leitung des in der Vagina orientierenden 
Zeigefingers um das os pubis herum und sägt subkutan etwa 
1 cm weit auswärts von der Symphyse das Schambein durch. 
Kissverletznngen bei forcierten Entbindungen sind auch dabei nicht 
zu vermeiden und höchstens durch Scheidendammiuzision zu er¬ 
setzen. Aber die Scheidenwunde kommuniziert dann nicht mit dem 
Knochenschnitt, daher wohl der günstigere Verlauf. Eine nach 
dieser Beschreibung operierte Wöchnerin wollte ich Ihnen heute 
vorstellen, aber sie ist nicht erschienen. Es bleibt mir nur 
Krankengeschichte und Röntgenogramm. 

Frau M. 26 jährige IV para, allgemein verengtes, platt 
rachitisches Becken, Vera knapp 8 cm, Qu. D. 12 cm, Becken¬ 
umfang 85 cm. I. Partus: spontan Frühgeburt, Kind tot. — 
II. Partus: in Walcher’scher Hängelage Spontanverlauf. — 
in. Partus: Tetanus uteri, Impression des Kopfes; hohe Zange 
(Dr. Krömer), Kind lebt, Wochenbett fieberfrei. Entlassung am 
15. Tag. ^— IV. Partus: Symptomenkomplex ähnlich wie bei III. 
Kopfimpression misslingt, daher subcutane Hebotomie auf der Seite 
des Hinterhauptes. Impression hohe Zange, Kind lebt. Trotz 
leichter ' Extraktion tiefer Riss; komplizierte Nabt. Wochenbett 
leicht fieberhaft; Hämatom der Vulva; Oedem; riechende Lochien. 
Nach dem Aufstehen (14. Tag) minimale Blasenscheidenfistel, 
welche erst bei 300 ccm Füllung manifest wird. Diastase der 
Knochenenden 3 cm. 23. Tag Wöchnerin gesund mit gesundem 
Kinde entlassen. Die Röntgenplatte zeigt ausser der grossen 
Diastase der Sägefiächen die Verletzung im linken Sakroili- 
etcalgelenk. Das Becken ist auf der Seite der Hebotomie schräg 
erweitert; ob von Dauer? Bei der Entlassung war die Diastase 
nur noch ein Finger breit, fibrös, nicht kallös verdickt. Es 
muss in Zukunft unser Bestreben werden, die Risse zu ver¬ 
meiden, das heisst, die Gebart möglichst ^ontan verlaufen zu 
lassen. In Fällen, in welchen wir den Kopf nicht eintreten sehen, 
soll die prophylaktische Hebotomie (Döderlein) unter Rückenmarks- 
anästhesie das Missverhältnis beheben. Versagt die Stovain- 
anästhesie allmählich, so kann man immer noch mit Skopolamin- 
Morphium nachhelfen. 

Bei den forcierten Entbindungen zur Vermeidung der Kinds- 
perforation werden sich infolge der plötzlichen gewaltsamen 
Dehnung Nebenverletzungen nie ganz vermeiden lassen. 

4. Herr P fännenst iel: Zur Behandlung schwer infektiöser 
Krankheiten. — Pf. zeigt zunächst einen Fall von Phlegmasia 
alba dolens abscedens, welchen er mit Incision behandelte. Der 
Eiterherd lag unterhalb der Schenkelgefässe und enthielt Strepto¬ 
coccen. Diese Erkrankung wird gewöhnlich fälschlicherweise als 
Schenkelvenenthrombose bezeichnet, obwohl die Phlegmasia mit 
Thrombose nichts zu tun hat. Die abscedierende Form beweiset 
den rein phlegmonösen Charakter der Erkrankung. Ira Vergleich 
zu der typischen, nicht abscedierenden Form der Phlegmasia ist 
die abscedierende Form selten, aber von ungünstiger Prognose, 
weil in der Regel multiple Lokalisationen im Becken und an ent¬ 
fernten Orten mit der Erkrankung verbunden sind. Im Anschhiss 
daran bespricht Pf. an der Hand einiger Krankengeschichten und 
unter Vorweisung der Kranken selbst die Prinzipien der modernen 
Behandlung von schweren, durch Streptococcen und andere Eiterungen 
bedingte Infektionen. Die Behandlung kann immer nur in ziel¬ 
bewusster Unterstützimg der Naturheilbestrebungen bestehen. — 
Die Spontanheilung erfolgt nach den heutigen Anschauungen durch 
Bildung von Immunkörpern, durch Phagocytose und durch Loka¬ 
lisation der^ Krankheitsherde in der Gegend der Invasionspforte 
oder anders gelegener Herde. — Die therapeutischen Bestrebungen 
bestehen in Einverleibung von Antisepticis ins Blut, in Injektion 
von Antistreptococcenserum, in Anregung der Leucocytenljildung 
durch Nuclei'nsäure und durch Anwendung des Bier’schen Stauungs¬ 
verfahrens. — Die Einverleibung von Antisepticis ins Blut (Ar¬ 
gentum coUoidale Crede) hat sich nach den Erfahrungen Pfs nicht 
als erfolgreich erwiesen und ist daher bis auf weiteres von ihm 


verlassen worden. — Dagegen hält er die modernen polyvalenten 
und hochwertigen Antistreptococoensera für wertvoll, wenn früh¬ 
zeitig angewandt. Für die Behandlung der puerperalen Infektionen 
wichtig ist vor allem der vorherige Nachweis von belegten Wunden 
des Genitalschlauches bei positivem Befund als Beweis der echten 
Infektion. (Gegensatz: saprämische Erkrankung, evtl, auch mit 
Streptococcenbefund, aber ohne Wundbelag und mit Nachlass de.s 
Fiebers nach Uterusausspülung oder Entfernung retinierter Eiteile). 
Die Injektion des Serums ist ungefährlich, kann daher auch prophy¬ 
laktisch bei Fieber sub partu und bei Ausräumung von jauchigen 
Uterusinhalt gegeben werden (Walthard, Bumm). — Die Anregung 
der Leucocytose durch Nucleünsäure (Hofbauer) ist bisher wenig 
benutzt worden, wie es scheint, mit Unrecht. Pf. hat in einem 
Fall von schwerer Tuberkulose des Bauchfells einen eklatanten 
Primärerfolg gesehen: rascher Fieberabfall nach lOwöchentlicher, 
schwerer hochfieberhafter Krankheit mit nachfolgendem subjektivem 
Wohlbefinden durch eine subcutane Injektion von 1,0 Nucleln- 
säure in 50 ccm physiologischer Kochsalzlösung. In diesem Falle 
hatte 4 Wochen zuvor die Punktion des Abdomens trotz Ent¬ 
leerung von 5 Liter Exsudat nur für 2 Tage Besserung erzielt. 
Nach der NucleYnbehandlung besserte sich das Befinden sofort, das 
hohe Fieber schwand prompt und als 8 Tage danach wieder leicht« 
Temperatursteigerungen (bis 38 ®) auftraten, hatten wiederholte 
Nucleingaben per os (4—6 g) regelmässig die Normal temperatu r 
für mehrere Tage im Gefolge. Die Nucleinwirkung zeigte sich 
bei der — übrigens recht schmerzhaften — Anwendung 1. in einer 
Vermehrung der Leucocytenzahl (von 10000 auf 15400), welche 
erst nach 8 Tagen unter allmählichem Absinken zur Ausgangs¬ 
zahl zurückkehrte, und 2. in Schmerzhaftigkeit des Knochensy8tem.s. 
besonders der Arme, des Thorax und der Halswirbelsäule. Bei 
der Darreichung des Mittels per os trat die Leucocytenvermehrung 
gleichfalls auf, während die Knochenschmerzen wenig ausgeprägt 
waren. — In diesem Falle war nach die Nuclemtherapie aus dem 
andauernd schweren Krankheitsbild ein leichtes geworden, welches 
nunmehr einer ungefährlichen chirurgischen Weiterbehandlung zu¬ 
gänglich wurde. (Inzwischen ist, nachdem sich die Patientin er¬ 
holt hat, die Laparotomie ausgeführt worden mit gutem Primär¬ 
erfolg.) — Ohne aus diesem einem Falle weitgehende Schluss¬ 
folgerungen ziehen zu wollen, rät Pf. die Versuche mit der 
Nacleintherapie bei schwer infektiösen Blankheiten wieder aufzn- 
nehmen, eventuell unter Kombination mit Sernmtherapie in ge¬ 
eigneten Fällen. 

Die Bier’sche Stauungsbehandlung kommt in Betracht bei in¬ 
fektiösen Prozessen, die eine Neigung zur Lokalisation zeigen. 
Sie wirkt bei Mastitis wie bei puerperaler Endometritis und ähn¬ 
lichen Infektionen, z. T. gewiss mehr durch Sekretansaugung und 
Verminderung der Toxinämie als durch Erzeugung der Blutstauung 
im erkrankten Gebiete, doch bedarf es auch hier ausgedehnterer 
Erfahrungen. Sehr deutlich war der Erfolg in einem bereits von 
Krömer publizierten Falle von schwerer Endometritis septica (s. 
Zentralbl. f. Gynäkologie 1906, Nr. 4). In einem anderen Falle 
(Fieber vom 7. Tage des Wochenbettes an bei Retention von Ei¬ 
häuten) war zwar der Erfolg quoad Fieber nicht deutlich, aber 
die Entleerung der fötiden, blutigen Uteruslochien wirkte er¬ 
leichternd. Genesung trat erst nach 8 Tagen ein. 

ö. Herr Vossius: Demonstration zweier Fälle von Augen¬ 
erkrankungen. 

6 . Herr Poppert demonstriert das Gehirn eines Palles von 
Exstirpation des Ganglion Gasseri nach Krause, an dem 
tiefgreifende Veränderungen iiifolge des Spateldruckes wahrnehm¬ 
bar sind. Es handelte sich um einen 69 jährigen Mann, bei dem 
schon mehrfach Resektionen an beiden Aesten des Trigeminus ohne 
dauernden Erfolg ausgeführt worden waren. Die Resektion des 
Ganglion geschah nach der Krause’schen Methode; der Knochen 
in der Possa temporalis wurde der Einfachheit halber mit der 
Luer’schen Zange entfernt und nach Unterbindung der Meningea 
media da^ Ganglion freipräpariert und schliesslich exstirpiert. Die 
Operation, die durch die starke Blutung aus der Dura sehr er¬ 
schwert war, musste mehrfach zum Zweck der Tamponade unter¬ 
brochen werden und dauerte im Ganzen 2 Stunden. — Nach dem 
Erwachen ans der Narkose zeigte sich halbseitige Lähmung und 
am Tage darauf erfolgte der Exitus letalis. Bei der Sektion fand 
sich an der Unterfläche des Schläfenlappens die Rindensubstanz 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


203 


infolge des Spateldrücka erweiclit und dunkel verfärbt. Auf dem 
Frontalficbnitt zeigte sieb die betreffende Himhälfte voluminöser 
wie die gesunde Seite; die Substanz war, namentlich im Mark¬ 
lager erweicht und gequollen. Im corp. atriatum fand sich ein 
etwa kirschgrosser roter Erweichungsherd, in dessen Umgebung 
beginnender Zerfall wahrnehmbar war. In der art. fossae Sylvii 
fand sich nur ein loses Gerinnsel vor, im übrigen erwiesen sich 
die Arterien gesund, ohne atheromatöse Veränderungen. 

Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass diese ausgedehnten 
Himveränderungen auf den schädlichen Druck des Krause’schen 
Spatels zurüokgeführt werden müssen, und zwar muss angenommen 
werden, dass durch den Spatel die art. fossae Sylvii komprimiert 
und so die Ernährung des Gehirns beeinträchtigt wurde. Vortr. hat 
bei seinen früheren Operationen nach Krause niemals Gehirnerschein¬ 
ungen beobachtet, er glaubt aber auf Grund dieser Erfahrung vor 
der Gefahr des Spateldrucks, die allem Anscheine nach doch erheb¬ 
licher ist, wie Krause zugibt, warnen zu müssen und wird für die 
Folge diejenigen Verfahren bevorzugen, welche das Ganglion durch 
gleichzeitige Entfernung der unteren Schädelwand (Doyen, Ijexer 
o. A.) zugänglich machen. 

7. Sitzung am 6. Februar 1906. 

Vorsitzender: Herr Poppert. Schriftführer Herr Kisskatt. 

1. Herr Curschmann; Ueber Fleisch- und sogen. 
Vau illevergi ftungen. Massenerkrankiingen nach dem Genuss 
von Nahrungsmitteln, die oft, je nach der geno^nen Speise, als 
Fleisch-, Wurst-, Vanillevergiftungen etc. bezeichnet werden, kommen 
hauptsächlich in zwei Formen vor: als sog. gastro-intestinale Form 
mit vorwiegender Beteiligung des Magendarmkanals und als nervöse 
Form, die hauptsächlich zu Schädigungen der nervösen Zentralorgane 
führt. Die erste Form wird hervorgerufen durch einen von Gärtner 
im Jahre 1888 entdeckten Mikroorganismus, den Bacillus enteritidis. 
In den meisten Fällen stammt da.s Fleisch, das die Erkrankung 
verursachte, von Vieh, das schon intra vitam erkrankt war; ge¬ 
wöhnlich sind es bei den Tieren septische Prozesse, die multiple 
Absoesse bilden und das gesamte Muskelfleisch mit Bakterien 
durchsetzen, nicht selten im Anschluss an das Puerperium oder 
von einer Nabelwunde des Neugeborenen ausgehend. Sehr häufig 
bilden die Bakterien in ihrem Nährboden ein Toxin, das durch 
Siedehitze nicht zerstört wird. — Die Ursachen bei Vergiftungen 
mit Miesmuscheln sind uns noch unbekannt und wahrscheinlich auch 
wechselnde. — Dagegen ist die Aetiologie der zweiten Hauptform 
der Nahrungsmittelvergiftungen, des Botulismus (auch Allantiasis) 
durch die Untersuchungen von van Ermenghem (1897) aufgeklärt. 
Auch hier wird von bestimmten Bakterien ein Toxin in den Nahrungs¬ 
mitteln (nicht immer Fleisch) gebildet; dieses Toxin ist jedoch nicht 
hitzebes^ndig, sondern wird bei Temperaturen über 60® zerstört. 
Der Mikroorganismus selbst, der Bac. botulinus, ist als reiner Sa- 
prophyt zu betrachten, da er nicht bei Körpertemperatur wächst, 
sondern am besten zwischen 18—2ö®0, und ausserdem nur bei 
Sauerstoflfabschluss. Von diesen beiden Bakterien ist über ihr Vor¬ 
kommen in der Aussenwelt, das zweifellos nicht selten ist, so gut 
wie nichts bekannt. 

Im Jahre 1905 kamen in Hes.sen (in der Nähe von Alsfeld 
und in König i. 0.) zwei Massenerkrankungen durch Nahrungsmittel 
vor; in beiden Epidemien konnte im hiesigen hygienischen Institute 
als Ursache der Bac. enteritidis von dein Vortr. ermittelt werden. In Als¬ 
feld war die Erkrankung hervorgerufen worden durch Schweinefleisch, 
das am ersten Tag unschädlich war und erat nachdem es einen Tag 
anfbewahrt und dann wieder angewärmt war, erkrankten sämtliche 
Personen, die Fleisch oder Suppe assen. In König war die Er¬ 
krankung nicht durch Fleisch, sondern durch einen Vanillepiidding 
bewirkt und zwar bei 22 Personen mit 1 Todesfall. Der Pudding 
war ebenfalls über Nacht aufbewahrt worden. — Eine Vergiftung 
durch die Vanille selbst, wie von anderer Seite anfangs vermutet 
wurde, war ausgeschloasen, da Vergiftungen durch Vanillespeiseu 
immer durch Zersetzungsvorgänge anderer Bestandteile der betr. 
Speisen bewirkt werden, wie Hirschberg schon im Jahre 1874 an¬ 
nahm. Vortr. wies besonders darauf hin, dass Vanillevergiitungen 
erst im Jahre 1850 in Paris aufkamen, nachdem 2 Jahrhunderte 
vorher bei meist weit grösserem Konsum die Vanille niemals ül)er- 
haupt nur in den Verdacht einer Schädliclikeit gekominen war. — 
Wie in beiden Fällen die verhängnisvollen Bakterien in die Speisen 


hineingeraten sind, ist völlig unaufgeklärt. Auch die Vermutung, 
dass im Falle König die Infektion des Puddings vom Vieh aus 
durch Verunreinigung der Milch zustande gekommen sei, konnte 
nicht bestätigt werden. — 

Als prophylaktische Maßregel gegen Nahrungsmittelvergift¬ 
ungen kommt hauptsächlich die Fleischbeschau in Frage und die 
mit derselben verbundene Schlachtviehbescbau; verdächtiges Fleisch 
muss bakteriologisch untersucht werden. Zufällige Verunreinigungen 
durch Bac. enteritidis und Bac. botulinus können nur durch grösste 
Sauberkeit vermieden werden; gegen den Botulinus kommt auch 
noch das Aulkochen der betr. Konserven in Betracht. Speziell 
aber wies Vortr. auch auf die Vermittlung der Fliegen im Sommer 
bei Uebertragung von Infektionserregern hin. 

2. Herr Brüning: Hyperämie als Heilmittel. Vortr.gibt 
einen kurzen Ueberblick über die anatomisch-physiologischen Ver¬ 
änderungen, die durch Hyperämie ausgelöst werden. Es wird die 
Anwendungsweise der aktiven und der passiven Hyperämie in der 
Chirurgie besprochen und praktisch vorgeführt an Patienten mit 
chronisch tuberkulösen und akut-entzündlichen Prozessen. Bericht 
darüber, dass an der Giessener Klinik sich die Behandlung mit 
Hyperämie bewährt hat. Warnung, zu übertriebene Erwartungen 
an die Bier’schen Entdeckungen zu knüpfen und dringender Hat 
an die praktischen Aerzte, sehr vorsichtig ln der Anwendung der 
Stauungshyperämie zu sein, da diese Methode eigentlich vorläufig 
noch für das Krankenhaus reserviert sein soll. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 


Seit einigen Jahren erscheinen mit einer gewissen Regel¬ 
mäßigkeit zur Zeit wo die ersten Lerchen schwirren in den 
medicinischen Blätte.m Betrachtungen über das Verhältnis der 
Aerzte zu den Badeverwaltungen. Auch heuer lesen wir in den 
letzten Wochen mehrere diesbezügliche in der Materie selbst viel¬ 
fach übereinstimmende, in den Schlussfolgerungen aber recht 
divergente Artikel. Da die Angelegenheit uns doch von einer ge¬ 
wissen Wichtigkeit scheint, wollen wir sie auch in dieser Wochen¬ 
schrift kurz erörtern. Alljährlich ertönen ans den Kreisen der 
Bäder und Kurorte besuchenden Aerzte Klagen über mangelndes 
Entgegenkommen der Bäderverwaltungen: hier muss die übliche 
Vergünstigung erst erbeten werden, dort werden die Aerzte unter 
die Wohltaten-Empfängor rubriziert, bald sind ihnen die Bäder erster 
Klasse verschlossen, bald müssen sie für Frauen und Kinder voll 
zahlen etc. Dass all solche kleinlichen Chikanen Missmut erregen, 
ist sicher begreiflich; nicht aber darf man nun so weit gehen, wie 
der im Aerztlichen Vereinsblatt schreibende Kollege, der einfach 
sagt, wir wollen nunmehr überhaupt alle Vergünstigungen ab¬ 
lehnen. Im Gegenteil; wir müssen uns bemühen, den Bäderver- 
waltuugen klar zu machen, dass die Gewährung der Vergünstigungen 
mindestens ebenso sehr in ihrem als in unserem Interesse liegt. 
Es ist nicht richtig, dass die Bäder heutzutage der Empfehlungen 
der Aerzte entraten können; wäre dem so, so würden uns die Bäder 
nicht in jedem Frühjahr mit mehr oder minder geschmackvollen 
und umfangreichen Büchlein überschütten. Die Bäder haben auch 
Interesse daran, dass die Aerzte sie persönlich kennen lernen; 
man ist ja doch meist eher geneigt ein Bad zu empfehlen, das man 
aus eigener Anschauung kennt als ein nur vom grünen Tisch bekanntes. 
Und wenn die Bäderverwaltungen dafür eine Vergünstigung ge¬ 
währen, die ihnen selbst direkte Kosten nicht verursacht, so leisten 
sie nur dasselbe, was sie den Vertretern anderer Berufe, die ihnen 
nützen können, z. B. Angehörigen der Presse, stets aufs liberalste 
entgegenbringen. Die Aerzte haben zur Zeit wahrlich keine Ver¬ 
anlassung, irgendwelche wirtschaftliche Vorteile sich entgehen zu 
lassen; bei den Aerzten mit grösserer Familie fällt eine eventuelle 
Mehrau8gaV)e in Bädern und Kurtaxe im Etat der Sommerreise 
ganz erheblich ins Gewicht. Es wäre eine lohnende Aufgabe für 
den Leipziger Verband, die Badeverwaltungen dazu anzuhalten, 
dass sie Aerzten und deren engeren Familienangehörigen (letzteren 
auch, wenn sie ohne Begleitung des Pamilienhauptes reisen müssen, 
da aus de.ssen Beutel die Gelder fliessen) eine Ehrenkarte zu be¬ 
liebiger Benutzung der Kurmittel unaufgefordert zustellen. 


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204 


MEDICINTSCHE WOCHE. 


Nr. 18. 


Die Ueberzeagung, dass die Aerzte sich intensiver als bisher 
mit sozialen Dingen beschäftigen müssen, bricht sich immer mehr 
Bahn. So finden wir in dem Aerztlichen Korrespondenz ~ Blatt 
für Thüringen einen bemerkenswerten Artikel, der die Aerzte er¬ 
mahnt, die sozialmedicinischen Wochen- und Monatsschriften zu 
studieren, den Besuch von sozial wichtigen Kongressen vorschlägt 
und die Aerztevereine aufiPordert, ihren Mitgliedern dazu Zuschüsse 
zu gewähren, — eine sehr beherzigenswerte Anregung! — und 
schliesslich diejenigen Gebiete aufzählt, auf denen sich die Aerzte 
eingreifender beteiligen können. Dazu gehört ausser den Kassen- 
angelegenheiten, die auch von anderen Gesichtspunkten als der 
freien Aerztewahl und der Honorarfrage betrachtet werden können, 
die Wohnungsfrage, die Gewerbehygiene, die sexuellen Zwischen¬ 
stufen, Säuglingsfürsorge, Schularztfrage, Genossenschaftswesen, 
Arbeiterkammem u. a. m. 

Eine solche allgemein-soziale Durchbildung der Aerzte dürfte 
auch für deren Mitwirkung bei der Ausführung der sozialen Ge¬ 
setze von Bedeutung werden. Die Ausstellung der Atteste bietet 
besonders bei der Invaliditätsversicherung grosse Schwierigkeiten. 
Diese schildert in anschaulicher und interessanter Weise der Ver¬ 
trauensarzt der Landesversicherungsanstalt für Schleswig-Holstein, 
Bocken dahl in Kiel in seinem Bericht über das Jahr 1904. Aus 
dem Berichte sei hier folgende Stelle wiedergegeben; „Dass die 
Schwierigkeiten einer ärztlichen Tätigkeit, in welcher Form auch 
immer, gross sein müssten, habe ich mir nicht verhehlt, als ich im 
Jahre 1896 dem Anerbieten des Vorstandes, die Stellung eines 
Vertrauensarztes zu übernehmen, Folge leistete, bin auch ehrlich 
genug, mir selber und anderen einzugestehen, dass ich schwerlich 
den Mut gehabt hätte, das Wagnis zu unternehmen, wenn ich die 
ganze Grösse der Schwierigkeit hätte übersehen können, wie ich 
dies heute glaube zu können. Musste ich mir doch sagen, dass 
bei einem Gesetze, in welchem die Worte „Arzt“, „ärztlicher 
Sachverständiger“, „ärztliche Begutachtung“ an keiner Stelle, die 
Worte „Krankheit“, „Invalidität“, „Heilverfahren“ häufig Vor¬ 
kommen, dem Gesetzgeber die Krankheiten als gegebeni' Objekte, 
die sich aus Krankheiten ergebende Schlussfolgerung, die Erwerbs¬ 
unfähigkeit in ihren verschiedenen Graden, als ein Begriff er¬ 
schienen sind, der sich nötigenfalls auch ohne Mitwirkung von 
Aerzten Enden und umgrenzen Hesse. Da diese Annahme tatsäch¬ 
lich eine falsche, mindestens in der Praxis vollkommen versagende 
ist, der Begriff Krankheit immer nur durch ärztliches Wissen, 
der der Erwerbsunfähigkeit selten ganz ohne ärztliches Können 
gefunden werden kann, die ärztliche Mitwirkung daher erforder¬ 
lich ist, nicht nur innerhalb der Grenzen des eigentlichen ärzt¬ 
lichen Wissens, beim Erkennen der Krankheit, sondern auch 
ausserhalb desselben bei der Mitwirkung, einen Begriff, der gar 
nichts mit ärztlichem Wissen zu tun hat, die Erwerbsunfähigkeit 
zu finden, konnte mir die Schwierigkeit der vom Arzte geforderten 
[jeistung nicht zweifelhaft sein. Ist es doch etwas sehr Ver¬ 
schiedenes, am Krankenbett eine Krankheit festzustellen und eine 
Krankheit zu beurteilen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Leistungs¬ 
fähigkeit des Kranken. Kranke Menschen gesund zu machen, ihre 
Erknmkung womöglich verhüten, sind und bleiben die vornehmsten 
Aufgaben des Arztes, waren auch lange Zeit die einzigen. Neue 
Aufgaben stellt die soziale Gesetzgebung an uns, Aufgaben, auf 
deren erfolgreiche Lösung unser Paohunterricht, wie wir uns nicht 
verhehlen dürfen, uns nicht vorbereitet hat. Ihnen gerecht zu 
werden genügt es nicht der tüchtige und hilfsbereite Arzt zu 
sein, der alle äusseren Umstände so günstig gestalten möchte, dass 
sie seinen Heilzweck fördern. Denn wenn auch der Grundgedanke 
der sozialen Gesetzgebung der des Mitleids mit dem wirtschaftlich 
schwachen Kranken ist, so bleibt es doch immer ein Gesetz, dessen 
Wirkung an das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser 
Voraussetzungen geknüpft ist. Dass bei dem Versuch, die Vor¬ 
aussetzungen zu finden, deren Erfüllung das Gesetz in jedem 
Falle verlangt und verlangen muss, der nur das Wohl seines 
Kranken ins Auge fassende Arzt gleichzeitig auch unparteiischer 
Sachverständiger sein soll, dient nicht zur Erleichterung der dem 
Arzt gestellten Aufgaben. Handelt es sich doch um Aufgaben, 
deren Zuweisung an eine Person auf anderen Gebieten gewöhn¬ 
lich vermieden wird. Aber auch das Gebiet, auf dem diese Auf¬ 
gaben gelöst werden sollen, verhält sich ablehnend gegen die vom 
Gesetz verlangte Aufgabe: es verträgt kein Schematisieren, weil 


es weder für Krankheiten noch für Kranke, somit erst recht nicht 
für die Wechselbeziehungen zwischen beiden Reg^ und Schemata 
gibt. Krankheit ist immer individuell, kann namentlich in Ver¬ 
bindung mit Erwerbsunfähigkeit niemals abstrakt und losgelöst 
vom Träger der Krankheit gedacht werden. Gesundheit und die 
aus ihr resultierende Erwerbsfähigkeit ist stets relativ, wie losge¬ 
löst zu beurteilen vor allen sonstigen Faktoren, die trotz Krank¬ 
heit oder trotz Gesundheit auf Erwerbs^igkeit, teils fbrdemd, 
teils hemmend einwirken. Bei der unendlichen Verschiedenheit 
der Individuen und ihrer Daseinsbedingungen können sonst Krank¬ 
heiten und ihre Wirkungen niemals für sich allein als MaOstab 
für die Erwerbsunfähigkeit verwandt werden; ihr EinfluM wird 
bald verstärkt, bald abgesohwächt, ja gänzUch aufgehoben durch 
Umstände, die, obwohl sie dem Gebiete des ärztlichen Wissens 
gänzlich femliegen, für das Urteil die grösste Bedeutung haben. 
Zur Erfüllung der gestellten Aufgabe, zur Erkennung der Krank¬ 
heit im rechtlichen Sinne schien mir also nicht nur ein Umfang 
ärztlichen Wissens und Könnens, sondern auch Kenntnisse allge¬ 
meiner Art, wie Kenntnisse der Tvebensbedingungen und Gewohn¬ 
heiten der arbeitenden Bevölkerung, Berufsschädlichkeiten und 
Alterseinfiösse in einem Grade erforderlich zu sein, wie er 
schlechterdings nicht in einer Person vorhanden sein kann“. 
Diese Ausführungen erscheinen uns in Anbetracht der Beanstan¬ 
dungen, welche ^ztliche Atteste in einem an die Aerztekammer 
gerichteten Rundschreiben des Kulturministers (s. Nr. 6 dieser 
Wochenschrift pag. 69) erfahren haben, von ausserordentlicher Be¬ 
deutung. 


Periodische Literatur. 


MQnchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 16 . 


1. Rraepelin, München: Der Alkoholismus in JCfinohen. 

„Unter allen psychiatrischen Fragen besitzt heute keine ein¬ 
zige auch nur im entferntesten eine so weit über die irrenärzt- 
lichen Fachkreise hinausreichende Wichtigkeit, wie diejenige nach 
der Bedeutung des Alkoholgenusses für die geistige Gesundheit 
unseres Volkes.“ Es ist die Pflicht der Aerzte, sagt K. weiter, 
dieses Gift als Genussmittel vor allem ans den Heilanstalten aller 
Art zu entfernen. Könnten wir heute den Alkohol aus der Welt 
schaffen. so würde sich die Zahl der in unsere Klinik eintreten¬ 
den Kranken etwa um die Hälfte vermindern. Bauen wir wenig¬ 
stens Trinkerheilstätten, so wird sie um ein Drittel sinken. 
Schaffen wir uns die Hilfsmittel, alle nna zuströmenden Fälle 
von Trunksucht rechtzeitig sachgemäß zu behandeln, so können 
wir binnen kurzem gut % jenes grenzenlosen Elendes beseitigen, 
das sie in gesundheitlicher, sittlicher und wirtscbaftUcher Be¬ 
ziehung für unser Volk bedeuten; unsere Krankenhäuser and 
Irrenanstalten, unsere Arbeitshäuser und Gefängnisse, unsere 
Armenfllrsorge und unsere Rechtspflege würde wesenüich ent¬ 
lastet werden. Staat und Gemeinden, ja, die gesamte Bevölke¬ 
rung, die den schweren Druck zu tragen hat, den uns die Schar 
der Gewohnheitstrinker nebst ihren FamiUen anferlegt, haben 
gleicherweise den Vorteil davon, wenn es uns gelingt, hier Ab¬ 
hilfe zu schaffen. Die Durchführung dieses Planes, der nach den 
zahlreich vorhandenen Vorbildern keine nennenswerten Schwierig¬ 
keiten bietet, kann und soll in erster Linie durch uns Aerzte 
geschehen. An uns ist es, die Schäden der Alkoholdurchseuchtmg 
aufzudecken und weiter die Wege zu weisen, auf denen eine der 
dringendsten und dankbarsten Aufgaben der Volksgesundheitspflege 
gelöst werden kann. 

2. Bumke, Freiburg i. Br.; Heber PapUlenstarre im hyste¬ 
rischen Anfalle. 

Es handelt sich um einen 18jährigen Pat., der bei hyste¬ 
rischen Anfällen die mydriatjsche Form der hysterischen Pupillen¬ 
starre zeigte, B. nimmt nach seinen Versuchen an, dass in diesem 
Palle die Ursache der hysterischen Pupillenstarre kein DUatator- 
spasmus, sondern, allgemein gesagt, eine’Innervationssfcörung im 
Sphinkter bildet. 

3. Mörchen, Hohe Mark:]^ Bericht über die Versnobe mit 
Proponal. 

Das Mittel ist dem Veronal nahe verwandt und ist ein farb- 


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1906. 


MBDICINISCHE WOCHE. 


205 


losea kilatAUiaiacliea Pulver. Gubeu von 0,2 bla 0,25 amd uui' 
bei ganz leichter Schlafemohwerung genügend wirksam. Man wird 
last immer 0,3, besser noch 0,4 g geben müssen. Auf alle Fälle 
tritt aber dennoch bald eine Abstumpfung der Wirksamkeit ein. 

4. Dünger, Dresden-Johannstadt: TTeber nraemiscke 
Henritu. 

Der von D. beschriebene Fall zeigt, dass auch durch eine 
bisher nicht beachtete Schädlichkeit — eine schwere Nephritis 
mit uraemischen Erscheinungen — eine echte Neuritis hervorge¬ 
rufen werden kann. Die nephritische oder urämische Neuritis 
steht in naher Verwandtschaft zu den dyakrasischen Neuritiden 
bei Stoffwechselkrankheiten, also der gichtischen und diabetischen 
Form. Auch hier ist die veränderte Blutzusammensetzung das 
schädigende Moment. Besonders gross ist die Aehnlichkeit mit 
der so häufigen diabetischen Neuritis. Wir wissen, dass für die 
Entstehung dieser Neuritis nicht der Zuckergehalt des Blutes 
maßgebend ist; denn Neuritiden können bei schwerem Diabetes 
ganz fehlen, können andrerseits auch bei dauernd hohem Zuckor- 
gehalt ansheilen (Remak); es handelt sich hier vielmehr wahr¬ 
scheinlich um eine Autointozikation mit vorläufig noch unbekannten 
Stoffwechselprodukten. In ganz analoger Form dürfen wir uns 
auch die uraemische Neuritis entstanden denken. Selbst hinsicht¬ 
lich der Wirkung auf die Nervenenden finden wir eine auf^Iige 
Uebereinstimmung. 

5. Lilienstein, Nauheim: Beitrag zor Lehre vom Anf- 
branoh durch HyperÄmktion. 

Die Disposition zum „Aulbrauch‘' des Nervensystems illustrieren 
3 Fälle, ein Fall von Bleiläbmung im Ulnarisgebiete, ein Fall 
von reiner Arbeitsneuritis im Ulnaris und ein dritter Fall, in dem 
mehrere Momente „in idealer Konkurrenz^ den Untergang eines 
Nervengebietes durch Arbeit begünstigen, und zwar multiple 
professionelle Lähmungen in einem vor langen Jahren gebrochenen 
Arm (Blei, Lues, Tabes bei einem 31jährigen Anstreicher). 

6 . Knauth, Würzburg: Ein eigenartiger Verlauf und Ob- 
dnhtionsbefand von cbronisoher Herztnberknlose. 

Ein junger, kräftiger, gut genährter Mann, der an starken 
NachtscdiweisseD und Beklemmungen und hektischem Fieber litt, 
aber klinisch keine nachweisbaren Tuberkulose-Erscheinungen zeigte, 
nahm plötzlich ein Jahr später ezitus. Bemerkenswert war dabei, dass 
der Patient sich überhaupt so lange hatte halten können. Denn 
die Autopsie zeigte folgendes Bild: Beim Durchschnitt dunh das 
wie ein Eiterklampen aussehende Herz war der Herzbeutel vom 
Herzmuskel nicht mehr zu differenzieren, letzterer war mit dicken, 
stellenweise bis zur Herzinnenhaut reichenden Eiterschwarten durch- 
setet und Hess nur einige wenige Brücken von makroskopisch an¬ 
scheinend intaktem Herzfleisch erkennen. 

7. Hengge, München: Zur Frage der konzervativen Myom- 
Operationen. 

H. huldigt nicht dem Radikalismus der Operation, um den 
Frauen den Verlust der Menses und der Konzeptionsfflhigkeit zu 
ersparen und nicht Ausfallserscheinungen zu schaffen. Aber immer 
möglichst frühzeitig operieren l 

8 . Küppers, Düsseldorf: Soballdftmpfer. 

Dieser Schalldämpfer ist ein Silberdraht mit Bügel und einem 
Drahtknänel, auf dem Wachs festgeknetet wird zum Einführen in 
den Gehörgang, damit nicht bloss empfindliche Personen, sondern 
bei übermäßigem Lärm und Getöse auch gesimde sich schützen 
können. 

9. Weichardt, Erlangen: Weiteres ans der modernen Immn« 
nitfttslehre. 

Eine interessante nnd bequem orientierende Uebensicht über 
den Stand der Immunitätslehre. 

10. Felman: Znr Oesohiohte des dentsoben Vereins für 
Psyobiatrie. 

P. erklärt ein Gruppenbild von 11 bekannten Psychiatern aus 
dem Jahre 1858. 


Deutsche medicinieche Wochenschrift. 1906. Nr. 15. 

1. Döderlein. Tübingen: Ein neuer Vorschlag znr Erzie¬ 
lung keimfreier Operationswnnden. 

Das Verfahren, das die Haut des Operationsgebietes aseptisch 
halten soll, besteht in folgendem. Mittels einesbeson deren Appa¬ 
rates wird auf die Haut des Operationsgebietes, bei Laparotomien 
auf die Bauchhaut und die angrenzenden Partien eine dünne 
Schicht von einer zuverlässigen, keimfreien und aus bestem Para¬ 
gummi hergestellten Lösung aufgetragen, ans der in wenigen 
Minuten durch Verdunstung des Benzins and Aethers eine unsicht¬ 
bare, düone Gummimembran entsteht, die mit ihrer Unterlage 
fest verbunden ist. Nach dem Trocknen wird die ganze Ober¬ 
fläche mit sterilisiertem Talkum bestreut, wodurch die Gummidecke 
ihre Klebrigkeit verliert. Nach dem Abkehren des Talkums mit¬ 
tels sterilisiertem Pinsels ist die Haut mit einer dünnen, glatten, 
glänzenden, festhaftenden Membran überzogen. Der Apparat zum 
Aufträgen, der unter dem Namen „Gaudanin“ eingeführten, sterilen 
Gummilösung, sowie diese selbst, sind bei Zieger & Wiegand, 
Leipzig-Volkmarsdorf, zu beziehen. 

2. Neumann, Wien: TTeber Lokalanaestbezie in der Oto- 
ohimrgie. 

Zur Erzielung einer totalen Anaesthesie wird die Punktions¬ 
nadel in die obere Wand des knorpligen Teiles des Gehörganges, 
^2 bis 1 cm vom Beginne des kDöchemen Teiles entfernt, ein¬ 
gestochen und bis unter das Periost vorgeschoben. Man kann 
dadurch eine vollständige, anch für Operationen genügende Anae- 
stbesie mit Cocain und Adrenalin herbeiführen. 

3. Stern, Düsseldorf: TTeber Perforation der Harnblase bei 
Anssobabnng derselben. 

S trau SS empfiehlt zur Aussohahnng der männlichen Harn¬ 
blase bei chronischer Cystitis ohne deren Eröffntmg die Anwen¬ 
dung eines von ihm konstruierten Instrumentes zur Voruahme 
dieses Eingriffes. Strauss beabsichtigt die chronisch veränderte 
Blaseoschleimbaut mit Hilfe seiner Katheterkurette zu entfernen, 
ausgehend von dem Gedanken, dass nach sicherer cystoskopischer 
Diagnose des Sitzes und der Aasdehnung eines entzündlichen Pro¬ 
zesses es möglich sein müsste, ohne den schweren Eingriff eines 
Blasenschnittes durch die Harnröhre eine Ausschabung der er¬ 
krankten Schleimhaut in tote oder teilweise vorzunehmen. Nach¬ 
dem ihm aber bei einer 57jährigen Pat. eine tötliche Perforation 
der Haimblase begegnet ist, glaubt S. daher doch, sehr grosse 
Vorsicht beim Kurettieren der Blase ohne Sectio alta empfehlen 
zu müssen. Liegt eine Indikation zur Ausschabung der Blase 
vor, 80 möchte S. den Eingriff vielmehr nur nach Eröffnung der 
Blase vorznnehmen raten. 


4. Fers, Kopenhagen: TTeber obimrgiBobe Behandlimg der 
Izobiae. 

Von der Betrachtung ausgehend, dass die Nervendehnung 
oft viel zu sehr übertrieben worden ist, hat P. von der Dehnung 
abgesehen und nur Gewicht darauf gelegt, den Nerv in seinem 
Verlauf auf dem Oberschenkel so weit blossznlegen, wie er krank 
befunden wurde oder seine Teile vor der Operation empfindlich 
waren und die Verwachsungen der Nervenscheide zu lösen. 

5. Barmeister, Goncepoion (Chile): Ein Speiseröhren- 
schnitt 

Ein kaum 2jähriger E^abe hatte ein Geldstück in der Grösse 
eines Einmar kstückes verschluckt. Der Fall lehrt mancherlei, 
nämlich, dass in jedem Falle, wo der Verdacht eines Fremdkörpers 
vorliegt, eine „Schlnckprobe** gamichts beweist und dass eine in¬ 
strumenteile Untersuchung unter allen Umständen vorgenommen 
werden muss: mittelst Sonde, Oesophagoskop, eventuell auch Rönt¬ 
genstrahlen. In diesem Falle war nach der ersten langen imd er¬ 
folglosen Untersuchung 2 Tage mit der Ausführung der Operation 
noch gewartet worden. 

6 . Friedberger, Königsberg: Zur forenauoben Eiweüs- 
differenzienmg auf Qnmd der baemolytizohen Methode mitteU 
Komplementablenkong nebst Bemerkung über die Bedeutung 
des Prüzipitates für diese Phänomen. 

Aus dieser im Königsberger hygienischen Institute aufge- 
stellten für den forensischen Mediciner interessanten Arbeit ergibt 


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206 


MüjDICH^SÜHJfi ^VOCHE. 


Nr. 18. 


sicii iujgüudeä: Die vou ^'eiäcier uud Suclis augegebeue, aut' 
dem Gengou-Moreschi’schen Phänomen basierende Methode 
zur forensischen Differenzierung von Blut ist als eine willkommene 
Ergänzung der U h 1 enh u t - W asse rm ann’scheu Probe anzu¬ 
sehen. 

7. Spengler, Davos; Die Erbdisposition in der Phthise- 
entstehnng, ihre Diagnose nnd Behandlung. 

S. möchte die latente nnd larvierte Erbsyphilis, die äussei- 
lich gar nicht, jedenfalls nicht in einer uns bis dato bekannten 
Maoifestationsform zum Ausdrucke zu kommen braucht, als d e 
Disposition par excellence, nicht lediglich als eine besondere Art 
Disposition für die Schwindsucht bezeichnen, er nennt sie Erb* 
disposition für die Phthise. Behandlung der Erbdisposition un<l 
der Begleitlues Phthisischer nach acquirierter Syphilis. Die Erb- 
disposition wird am wirksamsten durch Jod beeinflusst, und zwar 
eigentlich nur durch Jod, welches percutan angewandt wird. Jod 
innerlich nützt Kindern in beschränktem Maß, Erwachsenen da¬ 
gegen nicht mehr wesentlich. Badekoreu, klimatische und diä¬ 
tetische Maßnahmen sind unter Umständen von giitem, aber nicht 
von durchgreifendem Einfluss auf diese Konstitutionsanomalie. Mit 
der Jodbekämpl'ung der Erbdisposition lernt man rasch das Jo- 
thion und die percutane Jodtherapie schätzen und ermessen, welch 
wichtige Rolle das dispositionelle Moment in der Phthiseogenese 
spielt. Da die allermeisten Schwiudsüchtigen die Zeichen der Erl)- 
disposition, wenn auch in ausserordentlich wechselnder Stärke dar¬ 
bieten und ferner bei ihnen öfter, als man annimmt, auch dje 
Folgen acquirierter Lues in den tuberkulösen Lungen sich geltend 
machen, so wird man mit der ausgedehntesten Anwendung der 
percutanen Jodtherapie selten zu viel tun, jedenfalls niemals 
schaden. Zum mindesten ist das Jothion ein vorzügliches Sputum 
lösendes und expektorierendes Mittel, dem die Nachteile niclit 
anhaften, welche die interne Jodbehanrllung für den Phthisiker 
hat. 

8 . Axmann, Erfurt: 'Weitere Erfahrungen über die Uyiol- 
behandlung, sowie einen neuen Apparat zur Bestrahlung des 
ganzen Körpers mittels ultravioletten Lichtes (Uviolbad). 

Da.s von der Firma Reiniger, Gebbert uud Schall in Erlangen 
hergestellte, von A. angegebene, sogenannte Uviolbad ist itn BiUlc 
vorgeftihrt. Dieses soll dem Stadium ausgedehnter Körperbestrah¬ 
lung dienen und seine Wirkung kann einem verstärkten Sonnen¬ 
bade gleichen. Die Aeosserungen des Uviols auf Herz- und Blut¬ 
gefässe scheinen dem Kohlensäurebade ähnlich, aber von längerer 
Dauer zu sein. 

9. Ameude, Berlin: Weitere Erfahrungen mit dem Lenicet, 
insbesondere dem 10%igen Lenioet-Yaselin. 

Die absolute Ungiftigkeit des Lenicet ist durch Tierexperiment 
erwiesen. A.’s Erfahrungen bestätigen das: in allen Fällen, in 
denen Fett überhaupt vertragen wurde, hat sich ihm das lO^/oige 
Lenicetvaselin als vorzügliche Hautsalbe bewährt. Ferner konnte 
A. konstatieren, dass die Wirkung der Liq. Alum. acetic.-Um- 
schläge durch vorheriges, dünnes Aufstreuen des puren oder 
50®/oigen Lenicets entschieden verstärkt werden konnte. Auch 
Buba fand, dass solche Verbände stärker desinfizierend wirkten 
als die essigsaure Tonerde allein und die Abstossung nekrotischer 
Partien entschieden beschleunigten. Das 20®/oige Lenicetstreu- 
pulver wirkte bei per primam heilenden Wunden austrocknend. 
Ausgezeichnet bewährte es sich ihm bei Decubitus. 

10 . Kheinboldt, Kissingen: Ueber den Desinfektionswert 
des Formamints. 

Das Formamint, eine anscheinend einheitliche Verbindung 
des Formaldehyds mit Milchzucker, verhält sich im Orgauismu.s 
wesentlich anders als freier Formaldehyd, und es spielt daher für 
die interne Formaldehydtherapie eine besondere Rolle. Klinisch 
im Vordergründe steht die äussere Desinfektionswirkung des 
Formamints bei Erkrankungen der Mundhöhle, bei Anginen etc., 
bei denen Seifert den hohen Wert der Formaminttabletten an¬ 
erkennt. R. ist in der Lage, die von Seifert berangezogenen 
Schlüs.se zu bestätigen durch bakteriologische Untersuchungen des 
Speichels, welcher beim Kauen und Zergehen lassen von Forma¬ 
minttabletten abgesondert wird. Das Mittel regt die Salivation 
bedeutend an. 


Nr. 16. 

1. Kolle und Wassermann, Berlin: Versnobe znr 0d- 
winnnng und Wertbestimmong eines Meningooocoensemms. 

ln einer im Mai vorigen Jahres im Institut für Infektions¬ 
krankheiten abgehaltenen Konferenz wurde beschlossen, Versuche 
zwecks Gewinnung eines Meniiigocuccen-lmmunserums anzustellen. 
Infolgedessen wurde das Institut für Infektionskrankheiten seitens 
des Herrn Ministers damit beauftragt, die zu diesem Zwecke nöti¬ 
gen Arbeiten auszuführen. Als Versuchstiere für die Gewinnung 
des Serums wählten K. und W. Pferde. Die anzuwendenden 
Dosen sollen nun in praxi erprobt werden. K. und W. möchten 
aber, gestützt auf Erfahrungen mit anderen Serumpräparaten, be¬ 
stimmte Vorschläge machen; sie empfehlen eine einmalige Injektion, 
die möglichst frühzeitig zu erfolgen hat. Als Dose ist 10 ccm 
vor/uschlagen. Diese Mengen haben sich im Tierversuch, auf 
das Körpergewicht der Tiere berechnet, als vollkommen unschädlich 
erwiesen. 

2. Gutzmann, Berlin: Onmdzttge.der Behandlung nervöser 
Spraohstörongen. 

Für den ärztlichen Praktiker wird es oft darauf ankommen, 
zu bestimmen, was bei beginnendem Stottern eines Kindes in der 
Familie zu geschehen bat. Die alte, häufig gehörte Auskunft; 
„W'arten Sie nur ab, das wird ganz von selbst besser!“ 
widerspricht den täglich zu beobachtenden Tatsachen. Man kann 
schon viel erreichen, wenn die hastig und überstürzt sprechenden 
Kinder systematisch zum Langsamspreeben angehalten werden, 
üebt mau aber vor allen Dingen die Diktion, Antworten in Sätzen 
auf vorgelegte Fragen, z. B. an der Hand des vortrefflichen Bilder¬ 
buchs von Bohny Verlag von J. J. Schreiber, Esslingen bei Stutt¬ 
gart), erzählt man dem Kinde Satz für Satz, kleine Geschichten 
und Märchen und lässt es das Vorgesprochene jedesmal wieder¬ 
holen, mu.ss das Kind dabei jeden Satz, den es spricht, ruhig 
überlegen, so tritt, wenn nur ruhig und nicht zu laut gesprochen 
wird, in beginnenden Fällen fast stets das Stottern zurück und 
verschwindet bald gänzlich. Eventuell zeigt man noch, wie das 
Kind vor dem jedesmaligen Sprechen etwas Luft zu holen hat. 
Auch wahrend der späteren Entwicklung des Kindes in der Schule 
soll der Arzt die Erscheinungen von seiten der Stimme und Sprache 
nicht ausser acht lassen. Es geschieht überaus hänflg, dass Kinder 
mit beginnender Mutation noch zum Gesangsunterricht hinzuge¬ 
zogen werden. Bei den zahlreichen dauernden und später nicht 
mehr zu beseitigenden Störungen, die nicht nur die Gesangs-, 
sondern auch die Sprechstimme dabei erleidet, ist es Pflicht des 
Hausarztes, den rechtzeitigen Dispens vom Gesangsnnterricht zn 
erwirken, Pflicht des Schularztes, in der Pubertätszeit häufigere 
Kontrolle der Stimmverhältnisse der Schüler zu verlangen. Bei 
nervös belasteten Kindern ist die Gefahr besonders gross, zumal 
hier die Mutation oft sich zunächst wenig bemerkbar macht und 
daun dafür später um so grössere Störungen der Stimme zeitigt. 

3. Jochmann, Breslau; Rezidivierende Ocnlomotoriiul&h- 
mong als Komplikation bei Typhus abdominalis. 

Ein interessanter Fall eines 19jährigen Pak, bei dem der 
Beginn des Typhus abdominalis und das Auftreten der rezidi¬ 
vierenden Oculomotoriuslähmung zusammentrafen. Es erscheint 
dafür die Erklärung am nalieliegendsten, dass die Typhusinfektion, 
die den Körper des Patienten schwächte, eine Gelegenheitsursache 
war, um bei der vorhandenen Disposition zur rezidivierenden Mi¬ 
gräne mit Oculomotoriuslähmung eine Wiederkehr der alten An¬ 
fälle auszulösen. Der Fall bot fast alle von Möbius charak¬ 
teristisch aufgestellten Symptome der rezidivierenden Oculomotorius¬ 
lähmung. 

4. Flesch, Budapest: Zur Frage der Röntgenbehandlung 
bei Leukämie. 

Der erste beschriebene Fall weist mit dem von Türk mehr¬ 
fache Aehnlichkeiten auf, nur traten hier an Stelle des Arsens die 
Rüntgenstrahlen. Auch hier war innerhalb weniger Monate eine 
hachgradige Besserung im klinischen und hämotologischen Bilde 
zu verzeichnen, als ])lötzlich da.s ganze Blutbild in ein der akuten 
lymphoiden lieukämie entsprechendes überging und eine üeber- 
fiutung des Blutes mit unreifen, granulationslosen lymphoiden Zellen 
evident wurde. Die beiden anderen Fälle beziehen sich auf akxite 


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1906. 


MBDICJN19CHB WOCHE. 


207 


lymfJKnde I^eakamien. Im aweiten Falle war eichte voa einer 
gatartigen BeeiBfinasimg yorhanden; im dritten Falle sank wohl 
die Lenkocytenzahl btnnen kttrzer 2!eit auf das Normale, doch dieser 
Vorgang wurde einerseits yon gleicbsertiger Verminderang auch 
der roten Bhttk&cperchen begleitet, weshalb die Bestrablang ein¬ 
gestellt wurde, andrerseits bHeb — wie dies bei l 3 aBpboider len- 
klHnie eine allgemeine Erfahrunng bildet — die relative Zahl der 
lymphoiden Zellen anf gleicher Höhe. Wir registrieren es daher 
sagt F., dass ww — fthnlich anderen — bei lympfaoider Lenkämie 
durch die Röntgenbestrahlung kein günstiges Resultat erzielen 
konnten. Wir können wohl, sagt F. weiter b^ myeloider Leu¬ 
kämie eine wenn auch vorübergehende, wohltätige Beeinflussung 
des Prozesses erreichen und sind imstande, das Leiden für den 
Kranken erträglicher zu gestalten. Zu weit gebende Hoffianngen 
dürfen jedoch damit verbanden werden: mehr, als eine vor¬ 

übergehende Besserung ist wohl kaum zu erreichen, bei lymphoider 
Leukämie selbst kaum diese. 

5. Stahl, Giessen: Ines congenita im Bilde lymphatisoher 
Lenkämio bei einem Hengeborenen. 

Die Sektion allein batte in diesem Falle Klarheit geschaflen, 
and erst diese konnte den deutlichen Beweis liefern, dass dem 
klinischen Bilde „lymphatische Lenkämie*^ eine Lues congenita zu 
Grunde lag. 

6 . Bhese, Paderborn: Beitrf^ snr Kenntnis der Beteilignng 
das iBBeron Ohres nach Kopfersehüttemagen. 

Das innere Ohr ist ein äusserst feinen Reagens, ein Gradmesser 
für die Intwisität von Kopferschtittemngen auch da, wo die Hör- 
fhhigkeit für die Sprache gar nicht gelitten bat oder nur in einem 
praktisch nicht in Betracht kommenden Grade. Die traumatische 
Herkunft einer Reihe von Folgezuständen der KopferschUtterungen 
wird häufig noch Jahre nach dem Unfall durch die Ohmntersuchung 
wafaracbeinlitdt gemacht, unter ihnen spielt der mit Tachykardie 
einhergehende vasomotorische Symptomenkomplex eine Hauptrolle, 
er kasm Schwindelgefühl and Gleichgewichtsstörungen verstärke, 
bew. bestimmte Formen dieser Stönmgen hervormfeo, er scheint 
auch in einer Reihe von Fällen nmnittelbarer Polgezustand einer 
LabjrrmthläsioD zu sein. Auch hier entspricht vielfach der Grad 
der Ohren^mptome dem Grade der simstigen Störungen. Je we¬ 
niger von organischer X^äsion des inneren Ohres nachweisbar ist, 
um so mehr ist anf die vorzugsweise psychogene Entstehung zu 
rekurrieren. 

7. Robbers, Gelsenkirchen: Pneamooocoen- oder StaanngB- 
gaagxfta. 

Ein bisher gesunder und kräftiger, eben vom Militär entlassener 
Bergmann stiess sich einen Holzsplitter in das Endglied des rechten 
Daumens; er entfernte den Splitter mit den Zähnen und arbeitete 
dann bis znm Ende der Schicht weiter. Da einige Ständen nach 
Beendigung Schmerzen im rechten Daumen auftraten, suchte er 
ärztliche Hilfe auf. Nach Verordnung von Umschlägen Hessen die 
Schmerzen zuerst nach, doch am dritten Tage nach der Verletzung 
traten sie im ganzen rechten Arm auf, zugleich mit einer starken 
Schwellung des Vorderarms. Mehrere tiefe und oberflächliche 
Punktionen ergeben keinen Eiter. Von breiten Inzisionen wird 
deshalb Abstand genommen und die Stanungsbinde angelegt. Die 
SchweDung und ^tnng nehmen jetzt zu, die Schmerzen werden 
geringer. Da nun die ^hmerzen anhaltend gering bleiben, bleibt 
die Binde über Nacht liegen. Am anderen Morgen ist die Schwellung 
stark ausgeprägt, die Schmerzhaftigkeit gering, dagegen besteht 
eine blättli(^ Färbung der Finger und des Handrückens. Die 
Haut fühlt sich kalt an. Deshalb sofortige Abnahme der Binde. 
Trotzdem geht die bläuliche Färbung .schnell auf den Vorderarm 
über, Empfindungsvermögen im ganzen Vorderarm ist aufgehoben. 
Es wird bei dem schweren Allgemeinbefinden und der völligen 
Aussichtslosigkeit, den Arm zu erhalten, die Amputation vorge¬ 
schlagen, in die der Kranke einwilligte. Exartikulation im Ellbogen¬ 
gelenk. Am Vorderarm sind die Gefässe thrombosiert. Die bak¬ 
teriologische Untersuchung im hygienischen Institute ergab mikros¬ 
kopisch, kulturell und mittels Tierversuch Pneumococcen. Der 
weitere Verlauf war fieberlos. „Jedenfalls soll man aus solchen 
^llen die Mahnung entnehmen, bei grosser Spannung der Weich¬ 


teile von der Stauung abzusehen und lieber durch Ent^mnofBigs- 
schnitte für eine Regelung der Zirkulation zu sorgen.“ 

8 . Classen, Grube (Holstein); üb Fall aon KeioUiiuten 
mit sehweren Symptomen hei einem Erwachsenen. 

Ein kräftiger Mann von einigen 40 Jahren bekam, nachdem er 
etwa 14 Tage an trockenem Husten gelitten batte, im Oktober 
vorigen Jahres plötzlich einen Erstickungsanfall: er fiel bewusstlos 
nieder, war blau im Gesicht, die Atmung schien für einige Sekunden 
still zu stehen. Solche AnfUHe wiederholten sich, anfangs alle 
paar Tage, später mehrmals täglich und jede Nacht. Die AnfkUe 
begannen jedesmal mit einem Hustenreiz, darauf schwand so^eich 
das Bewusstsein. Drei Kinder litten zu gleicher Zeit an Kendi- 
busten. Offenbar war in diesem Falle die Krankheit den Kindern 
durch den Vater, der sich ausser dem Hanse in einer gerade 
damals im Orte herrschenden Epidemie infiziert hatte, zngetragen 
worden. 


Berliner klinische Weehenedirift 190€. No. 17. 


1. Senator, Berlin: Zur Kenntnis des Skorbuts. 

Ein löjähriges, unterentwickeltes, für seine Jahre schon sehr 
HDgestrengt arbeitendes Mädchen ging an Skorbut, d. h. an einer 
erworbenen hämorrhagischen Diathese mit hämMrhagisch entzünd¬ 
licher Erkrankung des Zahnfleisches, innerhalb 5 Wochen zu Grunde. 
Das Blut zeigte eine gewaltige, von Tag zu Tag stetig fortschreitende 
Abnahme der Elrythrocyten bis auf etwa ein Sechstel der Nonnal- 
zahl und eine vielleicht noch etwas stärkere Abnahme des Hämo¬ 
globingehalts, ferner eipe ziemlich stetig fortschreitende Leukocytose 
mit entsprechender Abnahme der Lymphocyteo, dann Poikilocytose, 
polyohromatiache Degeneration der Erythrocyten und Auftreten von 
Normoblasten, also ein Befund, wie er der schweren einfachen 
posthämorrhagischen Anämie von subacutem oder chroniscdiem Verlauf 
entspricht. 

2. Goldscbeider, Berlin: Fall von Hemeorose und Arterio¬ 
sklerose nach Tramna. 

Ein 26 jähriger Abeiter, der schon vorher neurastheuisch war» 
zeigte nach einem Unfall und plötzlichem Schreck — ein Ziegel¬ 
stein fiel ihm auf den Kopf und machte ihn eine Zeit lang be¬ 
wusstlos — bedeutende Beschleunigung der Herztätigkeit, diese 
entwickelte schnell eine Arteriosklerose und Herzhypertrophie. 


3. Krönig, Berlin; Das native Bln^räparat in seiner Be¬ 
deutung für den praktisohen Arzt 

Die Untersuchung in ungefärbtem Präparate ist auch beim 
Blute vom Praktiker nicht zu verachten. Im Gegenteil! K, schlägt 
daher vor, den Blutstropfen in passender GH'Össe schnell mit dem 
vorher leicht angewärmteu und spiegelblanken Deckgläschen anf- 
zufangeu und letzteres dann geschickt anf den ebenso beschaffenen 
CM>jektträger fallen zu lassen. 

4. Bickel und Pincussohn, Berlin: Uebor den Einfluss 
einer Kreosot-Formaldehydverbindnng auf den Stoffwechaeh 

Ein solches Präparat, das ein zweites Desinfioiens neben dem 
Phenol enthält, ist das Pneumin, ein Produkt, das durch Einwir¬ 
kung von Formaldehyd auf Kreosot erhalten wird. Die V^fasser 
führten unter Anwendung dieses Präparates, das eigentlich als 
Ersatz für Kreosot dienen soll, einen volbtändigen Stoffwechsel- 
versuch am Hunde aus. Der Versuch lehrte, dass das phenol- 
artige Präparat die Menge der Aetherschwefelsäure nicht steigerte, 
sondern bei den kleineren Dosen (1 und 2 g Pneumin) rimlich 
unbeeinflusst Hess; bei Dosen von 3 und 4 g hingegen erfolgte 
ein plötzlicher Abfall auf weniger als die Hälfte. Jedenfalls wirkt 
das Präparat als starkes Darmdesinfleiens. 

5. Wohlgemut, Berlin: Zur Kenntnis der Lysolvergiftung. 

Aus der Analyse des tiefschwarzen Harns eines 50jährigen 
mit Lysol vorübergehend vergifteten Pat. ging hervor, dass bei 
der Ueberschwemmung des Orgsnismus mit Kreosol, dem Haupt¬ 
bestandteil des Lysols, eine gewaltige Produktion von Glykuron- 
säure statthat, und dass dabei, entgegen dM* bisher am Menschen 
gemachten Erfahrung, der Fall eiutreteu kann, dass sämtliche 
priiforinierto Schwefelsäure aus dem Ham verschwindet and als 
Aetherschwefelsäure zur Ausscheidung kommt. „Ob das nun in 


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MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 18. 


jedem Fall von Lysolvergiftung zutrifPt, kann erst die EWahrtmg 
lehren.“ 

6 . Pick, Berlin: Heber Oohronoee. 

Beschreibung des eigen beobachteten Falles. Weitere Fort- 
Setzung folgt. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 16 . 

1. Bartel, Wien: Zar Tuberkoloaefrage. 

B. betonte die Schntzwirkung des lymphatischen Gewebes 
gegenüber der Tuberkuloseinfektion und sprach sich schon vor 2 
Jahren dahin aus, dass das lymphoide Gewebe eine Äbschwächung 
der eingedrnngenen Tuberkelbazillen bewirkt haben müsse. Es er¬ 
gab sich, dass in Bestätigung seiner Beobachtungen in vivo dem 
lymphoideu Gewebe, speziell den Lymphozyten eine hohe, viel¬ 
leicht die wichtigste Aufgabe in der Unschädlichmachung der 
Tuberkelbazillen zukomme. Durch längere Einwirkung von Lympho¬ 
zyten in vitro bei 37® konnten nämlich vorher vollvirulente 
Tuberkelbazillen bei erhaltener Lebensföbigkeit in einen Zustand 
der Avirulenz übergeführt werden. Geimpfte Meerschweinchen 
zeigten dann bei klinisch wenig oder gar nicht gestörtem Ver¬ 
halten bei der Tötung geraume Zeit nach der Impfung keine Spur 
von Tuberkulose. Zugleich konnte erwiesen werden, dass mit 
durch Lymphozytenwirkung avirulent gemachten Tuberkelbazillen 
samt dem Lymphozytenmaterial geimpfte Meerschweinchen gegen eine 
zweite vollvirulente Infektion lange Zeit nach diesem „Vakzinations- 
vorgange“ eine hohe Kesistenz gegenüber gleich infizierten Kontroll- 
tieren erkennen liessen. 

2. Merk, Innsbruck: Pellagra in frühester Kindheit 

Ein Beitrag zur Kenntnis von der langen Entwicklungsdauer 
der Pellagra. 

3. Guzmann, Wien: Zwei Fälle von Blitzkatarakt. 

Zwei Fälle von Starbildung, die, da jede andere Ursache da¬ 
für ausgeschlossen erscheint, als Folgen der Blitzeinwirkung anzu¬ 
sehen sind. Was die Art der Einwirkung des Blitzes auf die 
Linse betrifft, so gebt G. von der Vorstellung aus, dass die heftige 
Erschütterung die Läsion der Kapsel herbeigeführt haben kann. 
Dass dann eine Zerreissung der ^psel, namentlich der vorderen 
und besonders bei jugendlichen Individuen, zur Trübung der 
Linse führt, ist bekannt und auch experimentell siohergesteUt. 

4. Stegmann: Bemerkimgen zur Behandlang des Morboz 
Basedowü mit Bdatgeostrahlen. 

5. wendet sich gegen den Einwand von Hirschl, dass alle 
und auch seine Angaben über die therapeutische Anwendung der 
Röntgenstrahlen zu vage und ohne Anhalt für die Praxis wären. 
Die Radiologie ist eben eine Kunst, die sich niemals so ohne 
weiteres detaillieren lässt, sagt S. Bei Basedow aber zeigte schon 
die Verkleinerung der extra- wie auch intrathorakalen Schilddrüse, 
dass die Röntgentherapie nicht von der Hand zu weisen ist. 

5. Ludwig, Panzer und Zdarek: Chemisoh-physikaluohe 
Untersachong des alkalisoh-mariatuchen Säuerlings der Vitaquelle 
zn Sulz bei Büssing in TTngam. 

Die kleine Ortschaft Sulz liegt ungefähr 6 — 6 km von 
Güssing, Station der königlich ungarischen Staatsbahn entfernt, 
abseits vom grossen Verkehre, in einem von bewaldeten freimd- 
lichen Anhöhen umgebenen Tale. Auf dem Territorium von Sulz 
entspringen, nxir wenige Meter von einander entfernt, 2 Mineral¬ 
quellen, deren eine die Vitaquelle, dereu andere die Paulaquelle ist; 
die letztere liefert ein Wasser, das in jeder Hinsicht dem der 
Vitaquelle sehr ähnlich ist. Aus den Ergebnissen sowohl der 
älteren Analysen, als auch dieser neueren Analyse geht hervor, 
dass das Wasser der Vitaquelle zu den alkalisch-muriatischen 
Säuerlingen gehört; dasselbe tritt mit Kohlensäure gesättigt zu 
Tage, es enthält eine Menge gelöster, fester Bestandteile, deren 
Mannigfaltigkeit sehr bemerkenswert ist. In seinem Bericht über 
die Untersuchung der „Vitaquelle“ auf Radioaktivität hin gibt 
Mache an, dass der Emanationsgebalt der „Vitaquelle“ etwa von 
der gleichen Grössenordnung ist, wie der in den Marienbader 
Quellen. 

Therapeutische Monatshefte. 1906. No. 4. 

1. Liebreich, Berlin: Heber den Lamzoheider Stahl- 
bxunnen. 

Die Lamscheider Quelle (Lamscheider Stahlbmnnengesellschaft, | 


G. m. b. H., Düsseldorf) bietet wegen ihrM* Gleichartigkeit und 
wegen des eigenartigen Gemisches der Bestandteile im Sinne eines 
vollkommenen Mineralwassers grosses Interesee, so dass L. an der 
Hand der KontroU-Analysen — es waren schon Analysen im Jahre 
1868 und 1898 von Fresenius (Vater nnd Sohn) gemacht worden — 
die ganze Eisenfrage in ihrer geschichtlichen ^deuttmg und Ent¬ 
wickelung und ihrer Bedeutung und ihren Indikationskreis noch 
einmal berührt und skizziert. Das Hin- und Wieder im Schicksale 
der Eisen-Diskussionen zu verfolgen, ist höchst interessant. Jetzt 
dürfte wohl kein Zweifel mehr an der Geltung des Eisens in 
unserm Medikamentensohatz sein, und der Indikationskreis ist ab¬ 
gesehen von Tuberkulose mit Neigung zu Blutungen der Lunge 
ein ganz bedeutender. Aber hervorzuheben ist beim Lamscheider 
Brunnen noch, dass im Gegensatz zu fast allen anderen Eisen¬ 
wässern in der Flasche trotz Abgabe von Kohlensäure and Zutritt 
von Sauerstoff der Luft sich erst nach einiger Zeit eine Oxydation 
zeigt. Diese Tatsache der überaus langsamen Oxydation ist nicht 
nur für die Haltbarkeit des Wassers, sondern auch für die thera¬ 
peutische Anwendung von Wichtigkeit. Der Gehalt der Lam¬ 
scheider Quelle beträgt im Liter 0,007 Eisen-Bikarbonat. Diese 
Quantität ist schon imstande, dem Wasser einen sehr geringen 
adstringierenden Geschmack zu verleihen, welcher aber durch die 
vorhandene Kohlensäure fast verdeckt wird, so dass es als ange¬ 
nehmes Getränk betrachtet werden kann. Die übrigen Bestand¬ 
teile des Lamscheider Mineralwassers zeigen sofort, wie es auch 
der Praxis entspricht, dass sie eine für die Magenverdauung sehr 
günstige Zusammensetzung haben. Sie erklären auch die geringere 
Stuhlverstopfung. „Dnrch die EÜnführung des Lamscheider Elisen¬ 
wassers dürften jetzt auch die Eisenkuren fera von der Quelle vor¬ 
genommen werden können.“ 


2. Eschle, Sinsheim: Die individualisierende Therapie der 
Fettsucht und des Fettherzens. 

Wenn wir uns die Behandlang der hypotonischen, atonischen, 
torpiden (Rosenbach) Plethora zur Unterlage machen wollen, so 
müssen wir funktionell prüfen und festzusteUen suchen, ob entweder 
durch eine Einschränkung der Emäbmng oder durch eine Steigerung 
der ausserwesentlichen Arbeit oder ob sich endlich durch eine an¬ 
dere zeitliche Verteilung von Kraft Einnahme und Veraosgabnng, 
von Arbeit und Ruhe eine Erhöhung oder eine Herabsetzung der 
Leistungsfähigkeit erzielen lässt. Man hüte sich, in jedem Falle 
vor der heutigen Tages so oft gewünschten Entziehungs- und 
Beschränknngskur und vor der einseitigen Betonung der Bewegnngs- 
gymnastik u. s. w. Bei der Fettbildung infolge absoluter Ueber- 
emährung und ebenso bei der aus ungenügender Funktion ein¬ 
zelner Bezirke oder richtiger Form des Betriebes resultierenden 
Fettbildung ist dieselbe Ansicht unbedenklich, bei der dritten Art 
der Korpulenz aber, der pasteusen Form, kommt es infolge der 
angeborenen Schwäche der Energetik zu einer Metamorphose im 
Innern der kleinsten, den Organismus zusammensetzenden maschi¬ 
nellen Gebilde. Als Nutzanwendung der von Rosenbach inau¬ 
gurierten Prüfung des Körperhaushaltes kommen folgende Grund¬ 
sätze zur Geltung: Nicht gerade das Fett ist um jeden Preis zu 
eliminieren, sondern die Ursache der Fettbildung, die bald in einer 
absoluten, bald in einer relativen Luxuskonsumtion, bald in einer 
Insuffizienz der synthetischen oder spaltenden Tätigkeit der Gewebe 
zu suchen ist. Und nur in den Augen desjenigen Arztes, der in 
Verkennung dieser Tatsachen gegen die „Fettsucht“ wie gegen ein 
Wesen sui generis zu Felde zieht, können generaliter verordnete 
Entziehungs-, Bewegungs- und wie die „Kuren“ sonst alle heissen 
mögen, ihre Rechtfertigung finden! 

3. Tischler, Berlin: Heber die praktische Ausführung der 
koohsalzarmen Eraährung. 

Auf der Karlsbader Naturforscherversammluug hat H. Strauss 
zuerst die Aufmerksamkeit auf die diätetische Bedeutung der Salz-, 
insbesondere Kochsalzfrage bei der Behandlung der Nephritiden 
gelenkt und ein halbes Jahr später in motivierter Form die Forde¬ 
rung gestellt, dass man bei gewissen Formen von Nephritis, so 
insbesondere bei chronisch parenchymatöser Nephritis und in ge¬ 
wissen Stadien der Krankheit, d. h. beim Vorhandensein oder 
Drohen von hydropischen Ergüssen, die Salzzufuhr einschränken 
und die Salzeinfuhr künstlich steigern soll. T. hat sich die Beant- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


209 


worcuug der Ji'rage zur Aufgabe geebeiit, ob ee möglicli iet, dem 
Patienten eine Nahrung zu hieten, die ausreichend ist, nur wenige 
Oramm Kochsalz enthält, und den Vorzug besitzt, auch aus anderen 
Gründen für die Ernährung Nierenkranker geeignet zu sein, ohne 
dass sie dabei eine allzu grosse Entsagung vom Patienten verlangt. 
Nach den Ergebnissen der sehr interessanten T.’schen Zusammen¬ 
stellung zeichnen sich Milch, Eier, Pilze, Obst, Beerenfrüchte, 
Gemüse und Mehlarten diiroh einen sehr geringen Kochsalzgehalt 
aus. Das Fleisch, das an sich sehr kochsalzarm ist, erhält durch 
die Zubereitung in der Regel einen ziemlich hohen Kochsalzgehalt, 
und es ist das Sache der Küche, da, wo Fleisch angewandt wird, 
für eine möglichst kochsalzarme Zubereitung zu sorgen. Dasselbe 
gilt auch für das Brot, dessen Kochsalzgehalt bei der gewöhnlichen 
Zubereitung keineswegs belanglos ist, es verdient hier Zwieback 
vor Schwarzbrot den Vorzug (sonst auch Rademann’s Brot nach 
Prof. Strauss). Von Eiern zeigen Setzeier in Vergleich mit den 
in anderer Form zubereiteten den niedrigsten Kocbsalzgehalt. Von 
Gemüsen bleiben Blnmenkohl und Pilze noch relativ salzarm nach der 
Zubereitung. Wenn man bedenkt, dass Bouillon in einer Menge 
von 250—300 ccm mehr als l^/a g Kochsalz enthält, so sollte, 
was auch aus anderen Gründen (Extraktivstoffe!) zweckmäßig er¬ 
scheint, die Bouillon ausgiebig durch Obst-, Milch- und Mehlsuppen 
ersetzt werden. Von Mineralwässern kommen in Frage: z. B. 
Gleichenberg (Klausenquelle), Wüdungen (Georg-Viktor-Quelle), 
Giesshubel, Neuenahr u. a. 

4. Schliep, Stettin: Zar Diagnose and Therapie der Extra- 
nteringraTidität 

Die Beobachtungen erstrecken sich auf 4 operierte Tuben- 
schwangerschaften. Besondere Schwierigkeiten macht die Diagnose 
bei normalem Darmschall Uber dem ganzen Abdomen und Fehlen 
von Blutungen ans den Genitalien. Für Tubenniptur und innere 
Blutungen sprechen oft die grossen Schmerzen im Leibe, ein kaum 
fühlbarer, frequenter Puls, Facies, Untertemperatur. Die Menstru¬ 
ation ist bisweilen ausgeblieben. Ileus oder Äppendicltis, ebenso 
perforiertes Magen- oder Darmgesdiwür müssen natürlich auszu- 
scbliessen sein. Die digitale Untersuchung ist nicht immer aus¬ 
schlaggebend, dabei ist Vorsicht notwendig: von einem Knrettemeiit 
ist möglichst Abstand zu nehmen. 

5. Maass, Berlin: Phftmakologische TTatersaohangen über 
ein neues Dinreticam „Thephorin^*. 

Dies Präparat ist ein Doppelsalz des Theobrominnatriums mit 
Natrium formicicum, d. i. ein vollkommenes Analogon des Diure- 
tins, in welches an Stelle der Salicylsäirre Ameisensäure eingeflihrt 
wur^. Das Thepborin wird von der Firma F. Hoffmann, La 
Roche u. Cie., (Jrenzach (Baden), in zwei Formen hergeatellt, nämlich 
als Tabletten und als ein weisses staubförmiges Pulver. Das ' 
Tbephorin ist ein Präparat von relativ geringer Giftigkeit. Die 
theiapeutisch wirksame Dosis des Mittels liegt sehr tief unter der 
toxischen. Vor einer Ueberdosierung ist zu warnen, da hierdurch 
das Mittel seine Wirksamkeit einbüssen kann. Die für klinische 
Zwecke geeigneten Dosen dürften dieselben wie die des Diuretins 
sein. Die AUgemeinwirkungen des Körpers scheinen in kleinen 
Dosen eine leicht erregende zu sein, in grösseren resp. tötlichen 
Dosen bestehen sie in der Hervorruftmg einer allgemeinen Lähmung, 
welche zum Tode führt. Auf die Zirkulation ruft das Thepborin 
eine die Höhe des Blutdruckes herabsetzende und gleichzeitig die 
Pulsfrequenz erhöhende Wirkung hervor. Die Diurese gesunder 
Tiere wird durch Thepborin vorübergehend mächtig erhöht; diese 
Wirkung ist jedoch keine so anhaltende, um sich iu den Tages¬ 
quanten Urin sichtbar zu machen. Bei durch toxische Nephritis 
zur Hydropsbildung geeigneten Tieren zeigt sich das Thepborin 
als ausserordentlich wirk^mes Mittel zur Bekämpfung dieser Er¬ 
scheinungen. Die Gerinnfahigkeit des Blutes wird durch Tbepho¬ 
rin vermindert. 

6. Kaiser, Dresden: Erfahmngen überBlutan, einen alko- 
hoUreien Liqnor Perro-lCangani peptonati. 

Einen alkoholfreien, haltbaren therapeutisch wirksamen Liquor 
Ferri-mangani peptonati mit Acid-Albumin mittels Imprägnierung 
mit CO, stellt das neue Präparat Blutan dar, das nach dem Dr. 
K. Dieterich’scheu Verfahren in Helfenberg hergestellt wird und 
bei wirklich vorzüglichem Geschmack durch die CO, auch seine 


tonisiereuiie Wirkung erhält. Es leistete bei den K.’schen Ver¬ 
suchen Blutan bei Chlorose, Anämien, Schwächezuständen der ver¬ 
schiedensten Art gute sichere Dienste. Es stellte sich Blutan 
für die Patienten resp. die Krankenkasse billig, da bei dem Preis 
von 1 M. pro Flasche, welche Dosis 8—10 Tage reicht, die Kur 
ca. 5 M. kostet. K. sagt dazu folgendes: ist insofern eine 

Bereicherung unseres Arzneischatzes, als es die günstigste Kom- ' 
bination von Mn mit Fe anzuwenden gestattet und die erprobten 
Vorzüge der Eelfenherger Präparate bietet auch in Fällen, wo 
es nicht angezeigt ist, Alkohol zuzuführen, eine sichere Fe-Wirkung 
aber erreicht werden soll.“ 

Archives gön^rales de mödecine. 1906. No. 3. 

1. Cassaöt et Micheleau: Sur deao oas de pemphigns 
traitda par la ddohlororation. 

Zwei Fälle werden mitgeteilt, bei denen sich im Verlaufe 
einer intestinalen Intoxikation — Magendarmersebeinungen, Leber¬ 
schwellung, Fieber — ein Pemphigus entwickelte, der erst nach 
längerem Bestehen wieder schwand, nachdem eine stark vermehrte 
Aussdieidung von Chloriden im Urin eingesetzt hatte. Verf. be¬ 
trachten die Retention der Chloride als ein Zeichen der Intoxi¬ 
kation, das aber insofern nicht indifferent ist, als es den Aus¬ 
bruch der Hauterscheinungen begünstigt. Die Therapie solcher 
Affektionen muss eine möglichste Beschränkung der Retention der 
Chloride erstreben, was am besten mit einer kocbsalzanuen Diät 
zu erreichen ist. 

2. Bernard: Epidemie de diphthdrie ä Corbelin (1904/05). 

Die Beobachtungen erstrecken sich auf ein Material von 

118 Kranken. Am meisten befallen wurden Kinder von 6 bis 
10 Jahren; aber auch kleinere Kinder und Erwachsene erkrankten 
in grösserer Zahl; die Mortalität betrug 12%; rechnet man die 
zu spät in Behandlung gekommenen, die in weniger als 24 Stunden 
nach der Seruminjektion gestorbenen, ab. so bleibt eine Mortalität 
von 6%. Die häufigste Komplikation waren Lähmungen, die in 
25% der Fälle beobachtet wurden; meistens waren es Lähmungen 
des Ganmensegels; ihre Prognose war umso günstiger, je früher 
im Verlaufe der Krankheit sie einsetzten. Entgegen sonstigen 
Beobachtungen traten die Lähmungen häufiger bei Kindern als 
F.rwacbaenen auf. Serumexantheme wurden selten beobachtet 
und stets nur lokal an der Injektionsstelle, Häufiger waren in¬ 
fektiöse Erytheme, die meist Urtikariaform aufwiesen. Mehrmals 
stellte sich heftiges Nasenbluten ein, ein prognostisch ungünstiges 
Symptom. Prophylaktische Seruminjektionen erwiesen sich bei 
Kindern wie Erwachsenen völlig ungefährlich, dagegen so wirk¬ 
sam, dass keiner der so Behandelten erkrankte. 

3. Simionescu: A4TO-Taporo«themoth4rapie en gön4ral 
le traitement de Tozäne essentielle^vrai. 

Verf. empfiehlt zur Behandlung der Ozaena die Anwendung 
heissen Wasserdampfes und heisser Luft nacheinander bei dem¬ 
selben Kranken und hat auf diese Weise zwei Fälle zur Heilung 
mit Wiederkehr des Geruchsvermögens gebrächt. Er beschreibt 
einen Apparat, der die Verwendung sowohl von Dampf wie heisser 
Luft ermöglicht. 

La Belgique mddicale. 1906. No. 2 . 

von Haelst: Uncas d’aboaohement anormal de ranns. 

Beschreibung eines Falles von anormalem Anus, Rectal¬ 
öffnung in der Vagina, bei einem drei Monate alten Kinde, den 
Verf. operativ durch Freipräparierung des Rektums und Ein¬ 
pflanzung der Oeffnung an der gewöhnlichen Analstelle heilte. 

1906. Nr. 3. 

F e r e: Cyanose parozystique ohez nn dpileptiqne. 

Paroxysmale Cyanose findet sich bei Kranken mit angeborenen 
komplizierten Herzfehlern; bisweilen tritt sie auf bei Migräne¬ 
attaquen; bei Epileptikern kann sie sich einstellen, unabhängig 
von einem vitium cordis, bedingt durch Dilatation peripherer Ge- 
füsse. Verf. gibt die Krankengeschichte eines jungen Mannes, 
der jahrelang in wechselnden Intervallen sdmell vorübergehende 
An^lle von Cyanose, verbunden mit intensivem Kältegefühl be¬ 
kam, bis schliesslich an solche Attaquen sich ausgesprochene epi- 


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210 


MBmCIKISCH» WOCHE. 


Nr. Ifi. 


UptkucUe Aut'aUe aD8obloe«eD, wodurch e«» wahrduheialich gemacht 
ist, dass die Cyanose^AnfUUe als epileptische Aequivalente zu be- 
tcacfaten sind. 


Bücherbesprechung. 

W. HMpke. Die Kadayerverniohtangsanlagen. 

Verlag von Carl Markold, Halle a. S. 

Der Verfasser bringt auf 186 Seiten und in 65 Abbildungen 
ungefkkr Alles, was zur Zeit über die Kadaververnichtung bekannt 
ist. Er bespricht zunächst die Tierseuchen, ihre wirtschaftliche 
Bedeutung, ihre Infektionsgefahr' für den Menschen und geht 
dann direkt auf sein Thema Ober, sagt aber vorher, dass die 
AblOswag der Waeenmeistareien notwendig sei, wenn auch dadurch 
bedeutende Kosten entständen; so habe z. B. Spandau seinem Ab 
decker für die Nichteinlieierung von verdorbenem Fleisch während 
12 Jahren 21000 M. Entschädigung zahlen müssen (so haben die 
Abdecker einer preussischen Provinz 2*/4 Millionen Mark Ab- 
lösungsaumme beansprucht. Bef). Der Verfasser schliesst sieb 
dann den Forderungen der Tierärzte Preussens an, die sie 1903 
in Hannover anfgestellt haben und die darin ausklingt, dass nach 
Ablösung der Abdeckereien die Verarbeitung der Kadaver in ge¬ 
schlossenen Apparaten, die Zahlung einer Vergütung an die Be¬ 
sitzer gefallener Tiere, die Bildung von Abdeckereibezirken, sowie 
ev. Staatszaachüsse erforderlich seien. Weiter wird angegeben 
und mit Beispielen belegt, wo und wie solche Sammel-Abdeckereien 
eingerichtet sind. Der Verfasser bespricht die Aas-Abdeckung, 
d. h. das Fortwerfen Ideioer gefallener Tiere, gebt über zn dem 
Verse k arren, dem jetzt auf dem Laude fast allein üblichen Ver¬ 
fahren, bespricht dümiuf das Verbreoneu und geht hier auf die 
eiozelneD Ifrertbedeii näher ein. Wenn er auch zugibt, dass das 
Verbrennen von ira vernichtenden Fleischteilen auf Schlachthöfen 
in den Feuerungen möglich sei, so verwirft er es doch als irratio- 
nell. Ein kleines für ländliche Bezirke wichtiges Kapitel ist die 
Anleitung, wie die Tiere in Gräben verbrannt werden können, 
ffierawf folgt die Besprechung von Verbrennungsöfen, unter 
wachen der bekaante Kori’scbe Ofen sowie der v(m Feist ge¬ 
nannt, werden. Die Vernichtung auf chemischem Wege kommt 
kaum in Betracht; wichtiger sind die Meiboden, Fleisch durch 
Zusatz von Cbemikaiien ungeniessbar zu machen. 

Das nächste grosse Kapitel ist dein Kochen und Dämpfen 
gewidmet. IHer iBteresmert dem Arzt vor allem derjenige Teil, 
in welchem die SteriKaierttug des bedingt tauglichen Fimsches be¬ 
sprochen wird. Näher beuchtet werden dei* Apparat von Robr- 
beck (Einleitung von Dampf von aussenher in den .Apparat), 
Hartmann (Erzeogang von Dampf im Apparat selbst), Rietsohel- 
Henneberg (siedendes Wasser und Wasserdunst). Diesen 
Apparaten schliessen rieh an die Sterilisatoren mit direkter 
Feuerung, welche für kleine Schlachtböfe nnsreichend sind. In 
sehr aiisgiebiger, mehr dem Techniker interessierender Weise 
werden die Armaturen besprochen. Das nächste Kapitel ist der 
Zerstörung untauglichen Fleisches unter Ge^vinnung der nutzbaren 
Stoffe, d. b. des Fettes, des Pleiscfamehles und ev. des Leimes 
gewidmet. Hier kommen zunächst die Apparate der kleinen An¬ 
lagen, die sogenannten Destruktoreii zur Besprecluing. Dann 
folgen die Apparate der Grossanlagen, so Pode wil-Augsburg, 
Hart man n-Berlin, Venuleth & Ellenberger-Darmstadt, 
Kaiser & Co.-Kassel, Hoehmuth-Dresden. Die.se Systeme 
werden nicht nur aufgezählt, sondm'n, was die Hauptsache ist, 
kritisch beleuchtet, überhaupt aeichnet sich das Buch durch sehr 
gnte Kritik der einzelnen Apparate ans. 

Es muss zttgestanden werden, dass das Heepke’sche 
Werkchen dem praktischem Arzt als solchen vielleicht weniger 
intere.ssiert, dahingegen hat es für die Aerzte, die in Gemeinde¬ 
verwaltungen sitzen oder bygieoiach tätig sind, grosse Bedeutung, 
weil es in der Tat möglich ist, an der Hand des Buches die für 
dM betr. Fall passendste Methode der Kadaververnichtung und 
den jeweils besten Apparat dafür auszusutben. 

Gärtner-Jena. 


Kongresse. 

In den ersten Tagen des Oktobers soll zu B^tNii rin Kongress 
für Kinderforschung und Jugendfürsorge stattfindea, 
welcher für die ganze, auf Verständnis, Schutz und mutwi^elade 
Pflege der Kindheit und Jugend gehende Bewegung der G^en- 
wart einen festen Zusaiumenschluss erstreben will. Anrnriduogen 
und Anfragen sind zu richten an eines der drei V<wstandsm4t 
glieder. Geh.-Rat Prof. Dr. W. Münch«Berlin, Direktor J. Trüper, 
^phienhöbe bei Jena, Dr. W. Ament, Privatgelriirter in Würs- 
bürg. 


Vermischtes. 

Id LiSS&bon wird zum ersten Male das Jahibuch dw* Asso¬ 
ciation de Ja Presse medicale aasgegeben werden (Katalog sämt¬ 
licher der VereiniguDg angehörigen Zeitschriften, mit Anga^ Uber 
das Jahr der Begründung, Erscheinungsweise, Preis usw.); die 
nicht dort anwesenden Mitglieder werden es, gegen Einsendung 
der Portokosten auf ihren Wunsch vom Generalsekretär (Dr. 
Blondel, Paris 103, Boulevard Hansmann) zogesandt erhalten. 

HannOVBr. Für die grosse Zahl minderbegabter und minder¬ 
wertiger Kinder, deren Erziehung mit normalen niiAt durehfübr- 
bar ist, und die andererseits auch nicht in Idiotenanstalten ge¬ 
hören, ist eine Badeanstalt in Hannover-Kirchrode gegründet 
worden unter dem Namen: Stellings Heilpädagogium für sehwach¬ 
befähigte Kinder gebildeter Stände. 

Berlin. Mit der I./eitung der 3. Säuglingsfürsorgestelle in 
Alt-Moabit ist Oberarzt Dr. Langstein an Stelle des nach 
Dresden berufenen Priv.-Doz. Dr. Salge betraut worden. 


Hochschutnachricliten. 

Tübingen. Prof. Dr. Grunert, Privatdozent der Augen¬ 
heilkunde, der schon 2 Jahre beurlaubt war und jetzt in Bremen 
wohnt, hat auf seine hiesige Lehrtätigkeit verzichtet. 

München. Dem ausserordentlichea Professor für Ohrenheil¬ 
kunde an der medicinischen Fnknltät. der ünlversität MüBcheo, 
Hofrat Dr. Friedrich Bezold, wurde der Titel und Beug eines 
ordentliclieii ProfeHsor.<i, de« zweiU'ti Lehrer and Leiter der tech¬ 
nischen Abteilung des zahnärztlichen Institutes an der Uniuerettgt, 
approbierten Zahnarzt Julius Meder der Titri eines Pro6Bes<M*s 
verliehen. 


««Hmnst brimgt Oanst^! Mit dieser Dorite fühlt steh der 
illustr. i'ro!(pukt Uber pbuiogra^Uai-Iie Apparize eis^ Jeu die Bezugsver- 
oiniguiig fUr Littcrarur, Kuust und Hhotogxapbio, £. Mauck 
A Co in Berlin SW. 47. ^irospheeronstr. 71 in der heutigen Numiuor un¬ 
serer Woebensehrift zur Beilage bringt. 

Allordifigs musste der Amateurpbetegrajpfa biaber «ecb aaacben «Ver¬ 
sager“ mit io den Kauf nehmen, ob} seüi Bild tob einer derantigea Be¬ 
schaffenheit war, dass man damit Gunst erringeo konnte. 

Solche Misserfolge sind aber kein Wunder, wenn man so and so oft 
sehen kann, wie wenig Vorsicht im Ankauf Ton Apparaten, Linsen n. s. w., 
gehandbaht wird, es ist oft zu schade um alle Mähe, am Geld and Zelt, 
wenn der Apparat nicht seu Versprechen hält. Die Bezugs-Veiwini- 
ung mahnt oindringlichst zoi guten bewährten Apparaten mit Torzüglicdier 
ptik, sie fuhrt nur solche ren den Firmen Ernemaan und Goerz und biafcet 
sie auch zu monatiiehen b^uemen Toilzahlungoa, sodass jedermann in der 
Lage ist, sich ohne sofortige Barauslt^n etwas BUTerMesigee zu erwühen. 

Die Firma macht noch auf folgende wichtige Vergteetiguag aufinerksam; 

1. Sie bringt alle ihre Apparate nur unter der Otigiaal-FabiikbeDenimog 
zum Verkauf und bemäntelt nichts mit Deck- oder Pbantasienamen. 

2. Um die Freude an der LicbtbUdkunst zu beben und Tor allem ihre 
Abnehmer zu künstlerischem Schaffen auzaregen, eeadet rie bei Bestellungen 
Ton Mk. 100. — eine reich illustr. vornehme phoU^raphiadie ZritsriiRft 
(14 täg. erscheinend) gratis, (siebe Vorderseite des Prospektes unter 
«Wichtige Vergünstigung“). 

3. Alle Apparate, auch Qeerz Binodes zu äoasent bsqnsBKW mssat- 
lichen Teilzahlungou. 

4. Sie Übernimmt für ihre Apparate und Ferngläser vollste Garantie 
bis auf das kleinste Schräubchen. 

Diese Vorteile sprechen für sich selbst. 


Venntwortiicbei Uedmkteur: Dr. P. Maiitner, BerlinW. ft, KurfQrttenctr. Sl. — Vering tob CvI Mnrhald, Halle a. S. 
Drvek tm der HeTBMaM'tetaea Badidrackeroi, Gabr WoHF, Halte a. S 


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Medicinische Woche 


Oeotschmanii, 

Hamburg. 


A. Dflhrssen, A. Hofta, 

Berlin. Berlin. 

H. Senator, 

Berlin. 


E. Jacobi, 

Prelburg i. Br. 

R. Sommer, 
Oietten. 


Herausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppen, 


K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerricbt, A. VoNins, 

Magdeburg. Qieasen. 


/ > 
Verlag und Expedition 


Redaktion: 

Carl Marhold ln Halle a* Uhlandstnuse 6. 


Berlin W. 62* Knrfflrstenstrasse 81« 

Tcl.*Adr.: Marhold Vertag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Dr. P Meißner 


Vn. Jahrgang. 7. Mai 1906. Nr. 19. 


Oie .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der t4tagigen Beilage B&ltlCOlogiSChC Ccntralzeltungy Organ des Allgemeinen Deutschen 
Blderverbandes, des SchwarzwaldbXdertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jlhrlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmSBlgung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet- 


Originalien. 

Die Diät und deren Bedeutung 
zur Verhütung von Kranlcheiten. 

Von Dr. Müller, Hamburg. 

Die zahlreichen und wechselvollen Methoden und Mittel, 
welche dem Arzte heutzutage zur Verfügung stehen bei der 
Wahl einer geeigneten Diät, sollten es wohl kaum möglich er¬ 
scheinen lassen, dass man es als eine schwierige Aufgabe an- 
sehen musste, in den gegebenen Fällen immer die richtige 
und passende Art der Ernährung zu finden. Wer aber vide 
chromsche Kranke behandelt hat, der kennt auch die Schwierig 
keiten, mit denen man zu kämpfen hat, wenn man dem Kranken 
eine für seinen Zustand genügend Kraft erzeugende Nahrung 
verabfolgen will und muss, und doch ist es eine bekannte 
Tatsache, dass gerade von der richtigen Diät ungeheuer viel 
abhängt, wenn man einen Kranken behandelt, der entweder 
schon die Anfänge chronischer konstitutioneller Krankheiten 
zeigt oder derart disponiert ist, dass man den Ausbruch einer 
solchen, binnen kurzen erwarten muss. Das Hauptkontingent 
solcher^Personen liefert die Tuberkulose, jene für jung und 
alt gleich wichtige Krankheit, vor der zu schützen der Mensch 
nur zu viel Grund und Anlass hat. Aber nicht allein die 
Tuberkulose muss hier bedacht werden, neben ihr steht so¬ 
gleich das Heer von Blutkraukheiten, von der Chlorose bis 
Leukaemie und perniciösen Anaemie. Und dann die vielen 
nervösen Leiden, die zwar weniger wichtig hinsichtlich eines 
baldigen letalen Ausgangs sind, die aber wegen der langen 

? ualvoll6n Dauer nicht minder lästig und qualvoll sein können, 
m Kampfe gegen all diese Feinde des Menschen steht der 
Arzt tagtäglich und man verlangt von ihm, dass er stets das 
richtige Mitttel zu deren Bekämpfung anwendet. 

Das erste Erfordernis bei der Behandlung eines Mensclien, 
der zwar noch gesund ist, aber doch, sei es infolge Disposition, 
sei es infolge hereditärer Anlage oder anderer Umstände, im 
Begriff steht, einem chronischen Leiden obiger Art zu verfallen, 
ist die Regelung der Diät in einer Art, dass die dem Magen 
zugeführte Nahrung für den Kranken die geeignetste, d. h. 
kräftigste, leichtest verdauliche und angenehmste ist. Nur da¬ 
durch, dass man bei einem solchen Individuum die Ernährung 
und den Kräftezustand bessert, wodurch der Organismus in 
den Stand gesetzt wird, die gegen die Krankheit spezifischen 
Schutzstoffe etc. zu deren Abwehr zu bilden, kann man zu¬ 
nächst den Ausbruch eines chronischen Leidens verhüten, oder 
die schon bestehenden akuten Anfänge desselben vernichten, 
die schon bestehende Krankheit heilen. Erst in zweiter Linie 
können wir versuchen durch direktes Eingreifen den Organis¬ 
mus zu unterstützen, können wir Medicamente, Sera oder der- 


f leichen Mittel dem Blute zuführen, indem wir versuchen, 
enjen^en Stoff in das Blut zu bringen, den der Organismus 
eigentlich bilden müsste, aber entweder nicht in genügendem 
Maße oder gar nicht bilden kann. So unterstützen wir den 
Körper in seiner Verteidigung gegen die Krankheit. 

Die Nahrungsaufnahme ist meist der heikle Punkt, denn 
der Kranke besitzt meist einen direkten Widerwillen gegen 
jede Nahrung. 

Diese Hindernisse zu überwinden muss der Arzt imstande 
sein, und er ist dies auch, wenn er all die ihm zur Verfügung 
stehenden Hilfsmittel richtig anwendet und verwendet Was 
die Nahrung in vielen Fällen zu bedeuten hat, dass macht 
man sich nur zu selten klar. Der Beginn einer jeden konsti¬ 
tutionellen chronischen Krankheit wirkt in verschiedener Hiüsicht 
auf den Patienten ein, erstens ruft die beginnende Krankheit 
einen Verlust und ein Minus an Kraft des Köipers, d. h. 
eine Schwäche der Muskeln, einen Schwund des Fettgewebes 
und einen mangelhaften Drang zur Nahningsaufnahme hervor, 
zweitens wirkt die Krankheit auch in ähnlicher Weise auf das 
Zentralnervensystem ein, indem sie dasselbe schwächt und in 
seinen normalen Funktionen stört. Diese doppelte Einwirkung 
wird dadurch hervorgerufeu, dass der beginnende Krankheits¬ 
prozess die für die normale gesunde Funktion von Körper und 
Nervensystem notwendigen Stoffe und Kraft in unverhältnis¬ 
mäßig grossem Maße für sich verbraucht, absorbiert und sie 
so dem Körper und Nervensystem entzieht. Der Körper be¬ 
sitzt aber Reservestoffe in Menge aufgestapelt, und zwar in 
dem Fett, welches subcutan und in den verschiedenen inneren 
Regionen des Körpers, Netz, Mesenterium, Nierengegend etc., 
aufgestapelt und deponiert ist, und dieses Fett kann in Zeiten 
der Not, wo besonders hohe Anfordenmgen an den Organis¬ 
mus gestellt werden, neben gleichbleibender oder gar gennger- 
werdender Kraftzufuhr von aussen, so dass also ein Defizit 
zwischen Kraftleistung und Kraftoufnahme entsteht, wenn 
erstere die letztere ttberwiegt, was auf die Dauer zu Mangel 
an Kraft und schliesslich Erschöpfung führen muss, verwendet 
werden, um dieses Defizit zu decken. Lange Zeit reicht dies 
aber nicht ans, dann ist das Reservefett aufgebraucht. Während 
dieser Zeit sehen wir den Kranken noch in vollkommen nor¬ 
malen Verhältnissen leben, er selbst merkt im Anfang gar 
nicht, dass sich ein solcher Vorgang in seinem Organismus 
abspielt, denn so lange das Fett noch den Mangel, der durch 
den Mehrverbrauch von Kraft durch den Krankheitsprozess 
entsteht, ausgleichen kann, entsteht noch keine Mattigkeit, 
kein Krankheitsgefühl, sondern der Kranke merkt jetzt nur 
einen geringen Schwund des Fettes, er sieht nicht mehr so 
frisch und gesund aus. Da er sonst aber weiter keine Be¬ 
schwerden empfindet, glaubt er nicht an eine Krankheit. Prüft 
er jetzt sein Körpergewicht, so bemerkt er, dass dasselbe um 
einige Pfund vermindert ist gegen früher, je n^h den ob¬ 
waltenden Verhältnissen mehr oder weniger. Wenn aber ein 
beträchtlicher Teil dieser Reservekraft verrannt ist, wird ein 


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212 


MEDICINISCHB WOCHB. 


Nr. 19. 


intensiverer Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen aus¬ 
geübt, jetzt entsteht ein Gefühl der Mattigkeit, leichten Er¬ 
müdens und Mangel an Appetit. Dieser Mangel an Appetit 
ist das verhängnisvollste Symptom, denn von ihm hängt die 
Entscheidung Ä, ob die Krankheit zum Ausbruch kommen 
oder vom Körper unterdrückt werden wird. Dieser Mangel 
an Appetit ist nun aber nur ein Symptom für den Beobachter, 
denn es zeigt uns, dass der Körper nicht in der Lage ist, 
ohne Hilfe den Krankheitsprozess zu besiegen. Dieser Mangel 
an Appetit wird hervorgerufen erstens durch die venninaerte 
direkte Körperkraft, denn mit dem Schwinden derselben 
schwindet auch die normale Arbeitsleistung von Magen und 
Darm, die in der normalen Sekretion von Säften besteht, die 
zur Verdauung notwendig sind und vom schwachen Organ 
weniger gebildet werden, was eben eine geringere Möglichkeit 
der Nahrungsaufnahme darstellt, zweitens, was noch mehr im 
Anfang in Betracht kommt, durch die geschwächte Funktion 
des Nervensystems, welches nicht die kräftigen normalen Im 
pulse zum Secernieren der noimalen Säfte gibt, sondern nur 
wenig den Magen und Darm zur Tätigkeit anregt, dritiens 
durch die direkten Einflüsse der Krankheitsstoflfe, welche in 
vielen Fällen als Toxine auch auf den Magen- und Darm- 
tractus toxisch wirken können und dadurch eine verminderte 
Tätigkeit desselben bedingen. Durch eine solche verminderte 
Nahrungsaufnahme, welche unbedingte Folge des Appetitmangels 
ist, werden aber dem Körper geringere Mengen von Kraft als 
im normalen Leben zugeführt und doch besteht gerade jetzt 
im Organismus ein grösseres Bedürfnis für Stoffe, die sich in 
Körperkraft umsetzen lassen. Dieses Bedürfnis wird hervor- 

f erufen durch zweierlei Umstände. Erstens durch die Krank- 
eitsprozesse selbst, welche dem Körper Kraft entziehen, die 
dieser ersetzen muss, zweitens aber auch durch das Verhalten 
des Organismus und dessen Organen im einzelnen selbst, denn 
derselbe sowie das betroffene Organ allein sind bemüht, die 
Krankheitsprozesse zu heben, zu beseitigen, die Krankheits¬ 
erreger zu vernichten. Zu dieser Tätigkeit bedarf aber der 
Organismus einer grossen Menge, einer viel grösseren Monge 
von Kraft, als er im normalen Leben und gesundem Zustande 
verbraucht. Wo soll er dieselbe hemehmen, wenn ihm nicht 
einmal eine für normale Verhältnisse genügende Menge Nah¬ 
rung zugeführt wird. Er wird daher gegen den Krankheits¬ 
prozess nicht erfolgreich Vorgehen können und somit wird die 
Krankheit zum Ausbruch kommen. Dem intensiven Beob¬ 
achter entgehen diese Stadien der Entwickelung der Krank¬ 
heit nicht, man kann dieselben jeden Tag sehen und an vielen 
Fällen beobachten. Und gerade das ist von ungeheurem Wert, 
dass der Arzt diese Zustände erkennt, denn jetzt allein ist die 


Feuilleton. 


Über Placentophagie. 

In den Fascicules IX et X 1902 der französischen Revue: 
_La m^decine Anecdotique“ fand ich eine interessante Ab¬ 
handlung über das gewohnheitsmässige Verzehren der Nach¬ 
geburt. Dieses Thema fesselt Antropologen und Biologen 
gleichmässig. Da wahrscheinlich nur einer geringen Anzahl 
Kollegen jene Monatsschrift zugänglich ist, dürfte ein kurzes 
Referat nicht unwillkommen sein. 

Den Tierärzten ist es seit altersher bekannt, dass die 
weiblichen Tiere ihre Nachgeburt fressen und dass oft die 
Männchen an diesem Mahle teilnehmen; Herbi- u. Carnivoren, 
Oviparae und Viviparae, wilde und Haustiere ohne Unterschied. 
Die Vögel zerquetschen und fressen bald nach dem Aus- 
schlüpfon der Jungen die Eischalen, weshalb mau fast niemals 
Schalenreste in den Nestern findet, ln einem von 200 Tauben 
bewohnten Taubenschlag konnte man jahrelang Schalen nicht 
nachweisen, auch nicht in seiner Umgebung. 

Die Viviparae zerbeissen die Nabelschnur und fressen dann 
sofort die Placenta. Selbst die absoluten Herbiroron tun es. 
Ein Entgegenarbeiten durch Zähmung u. s. w. nutzt nichts. 


Zeit günstig, wo er noch mancher schweren Krankheit erfolg¬ 
reich begegnen und den Patienten gesund machen kann. Wer 
aber die Bedeutung dieser Symptome nicht erkennt, sondern 
den ihn konsultierenden Kranken tröstet, indem er ihm einen 
Magenkatarrh als Ursache der Indisposition angibt, der kann 
einen unverantwortlichen Fehler begehen. (Fortsetzung- folgt.) 


Ueber einige Schädelverletzungen. 

Von Dr. A. W. Minin, 

Chefarzt dos Nikolaj-Militarhospitals in St. Petersbarg. 

(Schloss.) 

2. Kapitän des 2. Sibirischen Semipalatinski’ßchen Regi¬ 
ments, verwundet am 20. Au^st 1904 oei Liau-tjang durch 
eine (Gewehrkugel an der linken Scheitelgegend, mit conse- 
kutiver Lähmung der rechten oberen und rechten unteren 
Extremität. Am hinteren Ende der Pfeilnaht links liefen zwei 
weissliohe Hautnarben, die je 1 cm lang sind und in einer 
Entfernung von 4 cm von einander liegen. Zwischen diesen 
Narben befindet sich eine Furche in der Knochensubstanz 
selbst; die Narben sind wenig beweglich und wenig schmerz¬ 
haft. Der Patient klagt über permanente Kopfschmerzen und 
hochgradiges Nachlassen des Gehörs. 

Bei der objektiven Untersuchung der inneren Organe fand 
man ausser geringer atheromatöser Degeneration der Blut¬ 
gefässe keine weiteren pathologischen Veränderungen. Die 
Pupillen reagieren regelmäßig auf Licht und Distanz. Die 
Innervation der Gesichtsmuskeln ist normal. Sämtliche Arten 
der Hautsensibilität sind erhalten. Die Bewegungen der rechten 
Hand bleiben von denjenigen der linken etwas zurück; die 
grobe Kraft der rechten Hand beträgt 100, diejenige der linken 
95. Beim Gehen hebt der Patient das rechte Bein übermäßig 
hoch, wobei in demselben klonische Zuckungen auftreten, so 
dass der Gang einen spastisch-paretischen Charakter trägt. 
Die Muskeln der rechten unteren Extremität sind atrophisch. 
In der ganzen Extremität macht sich eine Rigidität leichteren 
Grades bemerkbar. Die Sehnenreflexe sind gesteigert, es be¬ 
steht Klonus des Fusses und der Kniescheibe. Das Babinsky’sche 
Phänomen ist rechts deutlich ausgesprochen. Hautsensibilität, 
Schmerz- und Tastsinn rechts an der Extremität sowohl wie 
am Rumpf herabgesetzt. Der Dermographismus ist an der rech¬ 
ten unteren Kxtremität stärker ausgesprochen als an der linken. 
Beide Trommelfelle sind normal. Gehör beiderseits, aber un¬ 
gleichmäßig herabgesetzt. Das Ticken der Taschenuhr hört 
der Patient am rechten Ohre in einer Entfernung von 144 cm. 

Selbst die Haustiere kehren sofort zu dieser Angewohnheit 
zurück, wenn man sie sich selbst überlässt. 

Nimmt man ihnen die Nachgeburt weg, so fressen sie oft 
ihr Neugeborenes (besonders bei Hündin, Katze und Schwein be¬ 
obachtet), in dem irrtümlichen Instinkte, dass sie die Nach¬ 
geburt verzehren. Als Beweis für diesen ihren „Irrtum“ dient 
die Tatsache, dass die andern neugeborenen Ferkelchen nach 
diesem Versuche der Muttersau fortan Ruhe haben. 

Dieselbe instinktive Gewohnheit finden wir bei den ver¬ 
schiedensten Naturvölkern aller Zonen wieder. 

Ein Reisender, Lery, hat im 16. Jahrhundert in Brasilien 
beobachtet, dass die Eingeborenen die Nachgeburt ihrer Frauen 
und Mütter verzehren. Im 18. Jahrhundert sah Gemelli Carreri 
bei den Jakuten Sibiriens, wie der Vater sofort nach der Ent¬ 
bindung auf die Nachgeburt losstürzt, sie kocht undim Verwandten- 
und Freundeskreise verzehrt. — Die Topinamlus in Amerika 
schmausten mit grossem Vergnügen ganz frische Nachgeburten, 
besonders die Eihüllen. — Auch im Sudan ist die Angewohn¬ 
heit noch heute stellenweise vorhanden, wie Dr. Raynaud, 
Chefarzt in Algier, mitteilt. 

Bouchacourt fragte sich nun, ob die Nachgeburt nicht 
vielleicht therapeutischen Wert hätte. Ist doch seit Jahren auch 
die Eischale, die Vogelnacligeburt, als Nährmittel und Kräftigungs¬ 
mittel im Gebrauch. Bewährt und erprobt ist auch die Anwendung 
sogenannter Eiei-legepulver beim Geflügel; Hauptbestandteil 


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im. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


S13 


am linken Ubeiiiai^t nicht; dumpfe Töne hört der Patient 
besser als hohe. Das Leitrermögen der Knochen und des 
mittleren Teiles des Kopfes fehlt, dasjenige der Warzenfort¬ 
sätze ist herabgesetzt. Diagnose: Otitis interna traumatica 
bilateralis. 

Am 30. Januar wurde bei einer Temperatur von 36,3 ” 
in Hedonal-Chloroformnarkose vom stellvertretenden Konsul¬ 
tanten der chirurgischen Abteilung, Dr. A. E. Koschin, die 
Kraniotomie in der Gegend der Knochen-Impression ausgeölhrt. 
Hufeisenförmige, bis auf den Knochen gehende Incision; nach 
Abseparierung des Periosts fand man an der Stelle der Im¬ 
pression eine mit Bindegewebe aus^füllte Fissur, die eine 
Ausdehnung von 3 cm Imtte. Der Fissur entsprach in der¬ 
selben AuMehnung eine Impression der gesamten Knochen¬ 
masse von 1 cm Breite. Der gesamte hineingepresste 
Knochen wurde mittels Meisseis und mittels Knochenschere 
entfernt. Die Dura mater erwies sich unter der Impressions¬ 
stelle als verdickt und mit bindegewebigen Auflagerungen be¬ 
deckt, nach deren Entfernung zwei Bruchstücke der inneren 
Lamelle, die in die Dura mater eingedrungen waren, gefunden 
und entfernt wurden. Der Sinus longitudinalis erwies sich 
als nonmü ,pulsierend, desgleichen die neben ihm liegende 
Dura mater. Auf die Haut wurden 11 Knotennähte angelegt, 
in den untern Wundwinkel ein steriler Tampon eingeführt 
und hierauf ein trockener Verband gelegt. 

Am 4. Januar wurden die Nähte entfernt. Prima intentio 
bis zum Tampon. In einigen Tagen war alles vernarbt 

Am 14. Januar wurde Nachlassen der Rigidität im rechten 
Unterschenkel und freierer Ga^ festgestellt. 

Am 16. Januar waren die Bewegungen der rechten unteren 
Extremität freier. Ferner wurde der Patient mit Faradisation, 
Wannenbädern, Massage behandelt. Weitere Fortschritte machte 
der Zustand des Patienten jedoch nicht 

Als krasses Beispiel von Verschlimmerung eines ohne 
operative Hilfe belassenen Falles kann der Militärarzt I. gelten, 
der . am 21. September 1904 in Port Arthur durch einen S^itter 
eines geplatzten 170 mm-Geschosses verletzt wurde. Die Folge 
der Verletzung war eine schmerzhafte Schwellung der Haut¬ 
decken der rechten Scheitel- und Hinterhauptgegend und der 
hintm'en Oberfläche des Halses, nebst consekubver Paralyse 
des linken Fusses. Augenblicklich besteht hochgradige, von 
Tag zu Tag zunehmende Schwäche der rechten Seite des 
Körpers, namentlich der rechten oberen Extremität. In der 
rechten Scheite^egend, fast dicht neben der Sutura sagittalis, 
befindet sich eine Schwellung des !^ochens von der Grösse 
eines Fünfz^fennigstücks. Zeitweise klagt der Patient über 
Kopfschwin^ und Anf^e von Amnesie. 

eines solchen ist gepulverte Eierschale. Wahrscheinlich ist 
das Calcium-Carbonat der organischen Eierschale, deren Poren 
Sauerstoff enthalte, assimilierbarer als das gewöhnliche Cal¬ 
ciumphosphat. Sicherlich würden pulverisierte Eierschalen im 
stände sein, voll und ganz all die modernen Kalkpräparate der 
Kinderpraxis zu ersetzen. — 

Die Placentcmhagie hat, logischerweise anzunehmen, 
einen bestimmten Endzweck, wie alle andren Instinkte. 

Wenn die Tiere ihre Eihäute mit Nutzen fressen, muss 
dies auch bei den Menschen der Fall sein. Uralt ist der Ge¬ 
brauch der Placenta als Medicament. Schon Hippocrates 
stellte Übersichtlich alle Indikationen für ihre Anwendung zu¬ 
sammen — ein Beweis, dass sie schon viel länger üblich war. 
In der mittelalterlichen Pbarmacopoe spielt die „Nachgeburt 
der Frischentbundenen“ bis zum 17. Jahrhundert eine grosse 
Rolle. 

In der chinesischen Medicin noch heute laut Berichten eines 
Dr. Fanselle. 

Dass man die embryonale Componente des Eies als Aphro- 
disiacum anaah, war leicht zu verstehen. Und so sieht man 
auch als Ursache für die oben erwähnte Steigerung der Eier- 
legefähigkeit des Geflügels nach Genuss gepulverter Eierschalen 
eine ernöhte genitale Reizung an. Bei Hasen und Meer¬ 
schweinchen liegen positive Beobachtungen über die aphro- 
diastische Wirkung der Nachgeburt vor. 


Status praesens: Regelmäßiger Körperbau, guter Er¬ 
nährungszustand. Puls 76, mittlerer Füllung. Die ^rzgrenze 

g eht rechts eine Fingerbreite über den Stemalrand hinaus und 
nks bis an die Mammilla heran. Der erste Ton ist nament¬ 
lich an der Aorta nicht vollständig rein. Die Auskultation 
der Lungen ergibt vesikuläres Atmen. Bei der Palpation der 
Leber empfinden die palpierenden Finger bei der Inspiration 
einen leichten Stoss; die Milzgrenzen sind normal. Darmtätig¬ 
keit träge. 

Visus an beiden Augen 20/50. Ref. oc. utr. positiv. M. 1/12. 
M. 1/20. Es besteht Spasmus der Accommodation. Die Pupille 
des Nervus opticus ist link« etwas blass, eintönig gefärbt, die 
Gefässe sind normal. 

Beide Trommeln sind etwas eingezogen. Gehör beider¬ 
seits herabgesetzt. Am rechten Ohre hört der Patient das 
Ticken seiner Taschenuhr in einer Entfernung von 10 cm, am 
linken in einer solchen von 20 cm. Die tieferen Töne der 
Stimmgabel hört der Patient besser als die hohen. Weber 
positiv, Rinne gleichfalls positiv. 

Diagnose: Entzündung beider Nn. acustici und der Laby¬ 
rinthe traumatischen Ursprungs. 

Wenn auch in der Literatur sehr viele F^e von Aus¬ 
fallen des Gesichtsfeldes nach Schädelverletzungen veröffent¬ 
licht sind (Westphal, Haab, Wilbrand. Vialet etc.), 
so bietet doch ein Fall besonderes Interesse, der den Militär- 
Ingenieur Kimitän P., der am 21. August 1904 bei Liau-tjang 
verletzt wurde, betrifft. 

4. Fall. Status praesens: Der Pati^t ist von mittlerer 
Statur, ziemlich gutem Köraerbau und ebensolchem Ernährungs¬ 
zustand. Die sichtbaren Schleimhäute sind blass. Von seiten 
des Herzens liegen irgend welche pathologischen Veränderungen 
nicht vor. Die Perkussion der Lungen ergibt einen leicht tym- 
panitischen Schall. Bei der Auskultation hört man stellenweise 
Rasselgeräusche. Bei der Taxation der Leber empfinden die 
palpierenden Finger bei der Respiration Stösse. Im Ham Ei- 
weiss nicht vorhanden, wohl aber deutliche Spuren von Zucker. 
Spezifisches Gewicht des Harns 1010. Im Hamniederschlag 
Elterelemente, Schleim, Blasenepithelzellen. Es besteht eine 
penetrierende Schussverletzung der Hinterhauptoegend. Der 
kugelgang zeigt quere Richtung: die Eingangsöfmung liegt in 
der linken Hälfte des Occipitallappens, 3 cm oberhalb des 
Tuber occipitalis; die Ausgangsöffnung liegt an der rechten 
Seite der mnterhauptgegend in einer Entfernung von 9'/s cm 
von der ersteren, 2 cm oberhalb des rechten 'fuber occipitalis. 
Die Schädelknochen scheinen infolge der Verdickung an der 
Ausgangsöffnung gleichsam vorgewölbt zu sein, indem sie sich 

Der berühmte Liebestrank des Altertums, die Hippomane, 
bestand aus der Nachgeburt des Fohlens. Nach dem Berichte 
Swetons konnte Cesonia ihren Gatten Caligula durch einen 
solchen Trank geradezu liebestoll machen. 

Nach Laurent Joubert, einen Arzt des 16. Jahrhunderts, 
müssen kluge Mütter den Nabelstrang der neu^borenen 
Töchter bis zu ihrer Heiratsfähigkeit aufbewahren. Gepulvert 
dem Liebhaber in irgend einem Vehikel gereicht wirkt er als 
unfehlbarer Liebestra^. 

Wichti^r ist die Anwendung der Placenta per os als Re- 
medium bei Chlorosis, Sterilität und Gebärmutterleiden. Boucha- 
court erprobte es selbst bei Versuchen zur Steigerung der 
Milchsekretion der Brustdrüsen. Placenta von Schafen wurde 
aseptisch gewiegt und hachiert, dann im luftleeren Topf mit 
Milchzucker eingetrocknet, bei einer Temperatur von 45 - 50®, 
und schliesslich fein gepulvert. Das Endprodukt gleicht dem 
gewöhnlichen Fleischpulver. 

Bouchacourt konstatiert nun im Verein mit Dr. Brindeaii 
mehrmals deutlich galactogene Wirkung. 

Der Gedanke unseren Frauen Placenta per os zu geben, 
hat jedenfalls nichts Abstossenderes als die Verordnung von 
Hodenprodukten bei Männerleiden. 

Dr. Ludwig Gross, Liegnitz. 


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»4 


MEDIGINISCHP WOGBOB. 


Nr. 19. 


deutlich als PromloeDz fühlen lassen. Auf der rechten Seite 
vermag der Patient nicht zu liegen, weil er dabei Schmerzen 
verspgit. Sonst klagt der Patient über leichte Erregbarkeit 
des N^onsjstems und über hochgradig Beschränkung des 
Gesichtsfeldes, was ihm die Orientiemng un Baume erschwert. 
Die BeaktioB der Pupillen auf Licht und Distanz ist normal. 
Dermogrwhismus ist nicht vorhandeB. Scblundreflex erhalten, 
Hast' imd SehB4»n>R6flexe desgleichen; Hauteeosibilität gleich¬ 
falls normal. Die grobe Kraft der rechten Hand betrat 95, 

OC. sin. OC. 


site 11. VortiBg des Herrn Bonheim: „Usber die Behänd' 

zen lang acuter EntzUndongen durch Hyperaemie nach 
teit Bier.“ 

des Nach einer kurzen theoretischen Einleitung st^ildert Vor¬ 

ort. tragender, wie das Verfahren an der Poliklinik des Kraaksnhanses 
aal. St. Georg-Hamburg (unbulant ausgeftthrt wird, 
ben, Die Behandlung mit Saugapparaten entspricht voUkommen 

ch- den Angaben Klapps. Die Behandlung ist stets ungefhhrlkh; 
95, man muss nur die Glasgefäde zur Verhütung von Biysipel etc. 

stets nach Gebrauch anskoohMU darf 

OC. dex. ^ Luftverdünnong ni<^t zu weit treiben, 

super damit die Haatrandm* nicht in der ErnBhnmg 

36D leiden, wie es einmal bei einer alten Patientin 



infer. 


infer. 


vorkam. 

Die Bindenstauong kann ganz unbedenk¬ 
lich ambulant ausgefUhrt werden. Die Binde 
wird Mittags in der gewübnlldMn Weise an¬ 
gelegt. Der Patient muss dann ^/t Stunde 
warten. Liegt die Binde zu fest, dann be¬ 
kommt Patient sofort Schmerzen, und es treten 
zinnoberrote Flecke auf. Dann wird die Biade 
etwas gelockert. Der Patient geht jetst nach 
Hause mit der Weisung, die Biode sofort ab- 
zxmehmen. wenn er Sdunerzen bekommt. Sonst 
Ifisst er die Binde bis zum D&ohsteii MoigM 
sitzen. Dann nimmt er sie ab und lAlt bis 
zum Mittag den Arm hoch. 

Es ist niemals durch die Binde geschadet 
worden. 

Das^Oedem ist meist kolossal, gsnisrt die 
Patienten aber nicht, da sie keine Sohmmnen 
haben. 


diejenige der linken 80. Visus am rechten Auge 15/900, am 
linken Ange 20/70. Ref. oc. d. M. 1/6, oc. s. M. 1/10. Staph. 
post, incip. Leichte Verengerung der Arterien und Venen aer 
Warze des rechten N. opticns. Bei der Correction Visus oc. 
d. 20/80 , 00 . sin. 20/20. Hochgradige Beschränkung des Ge¬ 
sichtsfeldes im oberen Abschnitt bei vollständigem Aosfallen 
der unteren Hälfte desselben sowohl fiir die weisse, wie auch 
für alle übrigen Farben, wobei die Farbenempfindnng innerhalb 
des erimltenen Gesichtsfeldes normal ist. 

Literatur. 

L Mey nert. Das Zosammenwirkon der Gobiniteile 1890. Ver¬ 
handlungen d. X. intern. Med. Kongresses in ^rlin. 

2. Bequirol. Des maladiee mentales. Paris, 1886. 

3. Brlitaki. KUniscbe Vorlesangen über Geisteskrankheiten. 8t. 
Peterabaiv, 1896, S. 43 u. 

4. Kraft-Ebbing. Lebrb. d. Psychiatrie 1807, S. 137—139 

5. E. Kra^elin. Psychiatrie. Aus dem Deutschen übersetzt von 
den Aevztea des Eraakrahaueee Nikolaus des Wundertäters. 1896, 8. 90. 

6. StOrring. Psyohc^tbologta in ihrer Anwendung in der Piycbolo- 
gie, Uabersetzt von Dr. Krogius, 1903, S. 154. 

7. Eorsakoff. Kursus der Psychiatrie. 1901, S. 154. 

8. W, N. Obrastzow. Zur Kasuistik der Zwangsvorstellungen, 
kompliiiert mit Sianeetiueebungen. Russki Wratsch, 1905. Nr. 2ü. 

9. M. M. Kuanetzow. Zur Frage der Tr^nation bei traumatischen 
Verletzui^enScdi&delgewülbM. Russki Wratsch, 1905, Nr. 40 u. ii. 

10. Westpbal. L^dcalisstion der Hemianopsie beim Menschmi. 
Cbaritd-Annalen 1882. 

11. Haab. Cortexhemianopsie. Klinische Monatsblätter für Ansren- 
hetlkuDde. Mai 1863. 

12. Wilbrand. Heiiiianoptis<^e GeeiriitaMdfenneB. Wiesbaden, 

1890. 

13. Vialet. Les centres cdrdbraux. Paris, 1893. 


Sitzungsbertchte. 

Deutschlaiidi 

AendUcher Verein in Sambwrg» 

Sitzung vom 17. April 1906. 

Vorsitzender Herr Deneke. 

I. DemcmstratloDen; Herr Albers-Schönberg demonstriert 
mittels Projektionsapparates einige seltene Zahnerkrankungen* 
darunter die Ehitwicklung eines Zahnes in einem anderen. 


Wenn die lokale Entzündung abgelaofen ist, gelingt es nkdit, 
mit der gleicbstuken Stauung ein so starkes Oedsm barvcwzurufen, 
wie vorher. 

Die Sohmerzlinderung gelingt meist, jedoch niekt imsaer. 

Erysipelartige Zustände sind mefannUs beobachtet. Sie wtmn 
stets ungsfährlioh und konnten ambulant weiter behaiuMt werden: 
oft handelt es sich nur um eine exeeeeive Reahtien des Gnw^ies 
auf mnen noch uneröffheten Eiterherd. Naoh ErOffnOBg versehwiadet 
die Hütung und Schwellung sofort. 

Noch nicht reifo Entzündungen werden sofort gesau^, reep. 
gestaut. Oft bilden sich die Entzündtmgen sofort zurück, odw 
sie werden schnell reif. Reife Entzündungen w^en punktförmig 
incidim't. Es wird nicht dralniert und keine Scblene ang^gt: 

Im ganzen sind 300 Fälle behandelt. Besonders günstig 
sind 10 zum Teil schwerste Mastitisiälle verlaufen. Nach 3 
bis 4 Wochen war die kleine Wunde knapp noch erkeonbar. 

Auch Parulisfälle, Weichteilabsceese, periprokt. 
Abscesse, Bubonen der Kinder heilen schnell ab. Nur seltw 
versagt die Methode. ^ , 

Bei Furunkeln führt das Saugen stets zum Ziel, doch dauert 
es oft lange Zeit, ebenso bei Carbunkeln, Periostale Phleg¬ 
monen an den Fingern sind bis auf einen hHssepfolg alle gut 
verlaufen. Nach der Punktion oder Spontanperforation demarkiert 
sich ein Propf aas Weichteilen und Knochen, der nach eimgen 
Tagen berausgehoben wird. Dann schliesst sich die Wunde schn^ 

Alle snbeutanen Abscesse und Lympbangitiden verlaufeB sehr 
günstig, ebenso Osteomyelitis. 

Bei eitrigen Gelmikentzündungen hat die Methode zum Teil 
versagt. Bei 3 gonorrboisoben HaodgeleBkentzttnduiigea gelang es 
nicht, die Schmerzen zu beeinflussen. 

Bei Sehnenscheidenphlegmonen waren 2 volle Erfolge, efaunal 
wurde die Sehne nekrotisch, zweimal war die Sehne bei der In- 
cision schon abgestorben; einmal gelang es nicht, das Portschreiteii 
der Sebnensoheidenphlegmone aufzuhalten. 

Die Hyperaemiebehandlung ist entschieden umständlicher als 
die bisherige antiphlogistische. Sie führt aber schneller zum Ziele 
und hat vor der antiphlogistischen Methode sicher die bekannten 
von Bier erwähnten Vorzüge. Misserfolge bleiben nicht aus. 
Die Zukunft muss lehren, ob die Misserfolge sich durch verbesserte 
Technik einsohränken lassea 


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me. 


WOOHB. 




lli. IHacwsion: 'Serr Grisson hält InoMon durch Sth^ 
■il eiiMm spitzen Messer fär «osrekhend. Er hat s^r gate 
Besoltate mit der Stauung bei der Bobooenbehandlung ge^bt 
und emj^eUt, sie aut dem Paqueli^ zu erb^^MH und dann ga 
saugen. Bei Empyemen, alten sowc^ als fnsohen, vmndet er 
jetzt eben&Us Stauung an und gebraucht z^ beeeeren Abschluss I 
des Dcains ein Stück Eobberdam. Herr Galmann berichtet 
über seine fiesuttate bei Mastitis: beide Fälle waren nach wenigen 
Tagen geheiK mit Sianaag ohne Ineision, und räimt die sofortige 
SdMserastillang. Bei dner anderen Patientin trat einige Monate 
nach einer Blinddarm- und Eierstocksoperation plötzlich am Ende 
der Narbe eine grcase Infiltration auf: er staute, und nach drei- 
naUf^sm'Saugen kam ein Silkworm&den zu Tage. Herr Grube 
tmh ebetifaUs seiiie guten Eesultate bei der Mastitis mit. Herr 
Predöhl: DieBehandlungsdamr ist im Allgemeinen g^n früher 
aioht durch die Stauimgstnethode abgekürzt worden, wohl aber die 
Scduaersdaner, sodass in sehr vielea Fällen die Emerbsfhhigkeit 
nicht vermxDdert war. Für die Sprechstunde des praktischen 
Arztee ist die Staurmg sehr wohl geeignet, wenn man für eih- 
achläg^es Material eine Extrasprenhstunde anberanmt. Herr 
Deneke hat ebenso, wie der Vortragende mrwähnt hat, keine 
Resultate bei gonorrhoischen Gelenkaffektionen erzielt; etwas 
bessere. jedoch l^i aUgemeinem obroniscben Rbeumatismua ln 
der Empyembehandlung schliesst er sich Herrn Grisson aa und 
weist daoeuf hin, dass man in der Dosierung der Sangwbkung 
sehr vorsichtig sein müsse. Elr regt an, Versuche mit Stauung 
bei Pttsrperalfieber zu ma^en. Herr Just erwähnt eiaen Fall 
von Eaie^enkmnobSisierung durch Stauung nach schwerer Osteo¬ 
myelitis. Herr Deutschi ander warnt vor Staunng bei Sepsis, 
dmrah ‘das eigene Blnt ja die Heilwirkung hervorgerufen 
wird, das Blut bei Sepsis jedoch gerade die Noxe sei. Herr 
Bonheim faset im Scddusswort noch ^mal kurz die aUgemem 
günstige Wirkung der Bierschen Stauung zusammen. 

Schönewald. 

AerztUcher Verein München, 

Sitzung vom Sonnabend, dem 31. März. 

I. Herr A. Uffenheimer. Der Nachweis des Toxins 
in dem'Blnte des Diphtheriekranken. 

Nachdem es ü. nicht gelungen war, sichere Unterscheidungs¬ 
merkmale zwischen Diphtherie- und Psendodiphtbeiiebacillen zu 
finden, welche in jedem Falle die DifPerenzialdii^ose ermöglichen, 
suchte er eine Methodik anszuarbeiten, die bei den FäUen von 
echter Diphtherie den Nachweis freien Toxins im Blnte der Kranken 
gestattet. Er verwendete dabei (sich auf die Marx’sche Methode 
des Nachweises kleinster Diphtherieantitoxinmengen stützend) nur 
eine einzige Komponente der Diphtheriegii'twirkung, nämlich die 
Ehregung eines salzigen haemoniiagiBGhen Oedems des Unterhant- 
zellgewebes und fand hierbei: Diese Methode lässt sich, wie Kon- 
troUversuche mit dem Semm Gfesunder, Rekonvaleszenter, sowie 
Masern- und Scharlachkranker lehrten, einwandsfrei verwenden. 
Man braucht nur geringe Mengen blntkörperchenfreien Serums, 
etwa 0,1 — 0,3 ccm. Das Diphtberiegift war in 6 von 14 Fällen im 
kreisenden Blut nachweisbar, in 4 Fällen nicht, in 4 Fällen war die 
Toxinprobe zweifelhaft. Bei einem Falle schwerster Hautdiphtherie, 
wo die Eeaorptionsfiäche eine sehr grosse war, Hess sich nicht nur 
vor, sondern auch noch 3 Tage nach der Heilserumeinspritzung das 
Toxin nach weisen, und zwar hätte an letzterem Termin approxi¬ 
mativ die- im Blut. nachweisbare Toxindosis genügt, um 330 Heer- 
schweiuchen von 250 g Gewicht zn töten. Am ersten fand sich 
das Toxin in Fällen von membranöser Tonsillenerkrankung, nur 
ausnahmsweise hei schweren Fällen absteigenden Groups. 

U. glaubt deshalb, dass dk letzteren der Bronchopneumonie 
und der Erstickung, aber uioht der Difditherieintozikation in den 
meisten FäUen erliegen. Die gewonnenen Befunde, speziell auch 
der Nachweis des Toxins einige Zeit nach der Heilserumeinspritz- 
oi^, mahnen zn energischer, event. zu wiederholender Anwendung 
des Bailserans. 

DCsonssion: Herr Trumpp stellt sich bez. der Diphtherie- 
Fseudod^^tberiebacülenirage auf den glefehen Standpunkt wie U. 
und spricht seine Verwunderang aus über den Nachweis des 
Toxms im Blut auch nach der Heilserumeiaainitzung. 


Herr Hecker: Sind die Sera darauf geprüft, ihnen nicht 
Löiflerbacillen beigemengt waren? 

Herr Uffenheimer (Schlusswort). Die Sera sind mit ein¬ 
wandfreier Methodik auf das Vorhaudensein LöfSerischer Baeülen 
geprüft. Der Ausfidl war negativ. 

n. Herr Alzheimer. Die Histologie der progressiven 
Paralyse und der verwandten Gehirnkraakhetten (mit 
Projektionen). 

Die ausgezeichneten Dariegung«! A’s, die begleitet waiea 
von der Projektion zahlreicber Mikrophotogramme, lassen skfii in 
einem kurzen Referat nicht wiedergeben. 

III. Herr L. Raab. Die Elektrotherapie der Kreis¬ 
laufstörungen. Dr. Albert Uffenheimer-Münehen. 


Kongressbericht. 

3S, Kongress der Deutschen Gesettsehaft 
für CMrwrgie, 

4.-7. AprÜ 1906. 

Schluss des ersten Verhandlungstages. 

Hr. J. Bornhaupt-Riga: Ueber Gelenksehüsse. 

B. hat unter seinen 2206 Verletzten 7*)b Gefenkschflase be¬ 
obachtet, so dass ihm 167 Fälle zu Gfesicht luHaea, 1870/71 be¬ 
trug der Prozentsatz der Geienbchüsse 4,6^. Am häufigsten war 
das Kniegelenk getroffen, dann folgen das Ellenbogengelenk, die 
Sohnltergelenke. Am unteren Ende der Skala befindet ach das 
Hüftgelenk. 108 mal war die Verletzung durch Flintenkogeln ber- 
vorgerufen, 27 mal durch Schrapnellkugeln, der Best durch Granatr 
Splitter. Die Schrapnells waren in €9% der Fälle im G^nk 
stecken geblieben. 

Am meisten Neigung zur Eiterung zeigten die Spnmggelenk- 
verletzungen. Boi perforierenden Schüssen bleibt die Eiterung ge- 
wöhnlidi aus. Bleibt das Projektil im Gelenk steokra, so tritt 
häufiger Eiterung ein. Von der grössten Bedentung für d«x v^eitsren 
Verlauf ist auch die Kleinheit der Einschnsswunde. Bei Riooi^tten, 
wo der Eins<fiius6 grösser ist, tritt häufig Eiterung ein. 

Bornhaupt hat bei konservativer Behaadlung 93^ der Ge- 
lenksohüsse geheilt. Er ist nicht für luge Fixati<m, sondern für 
frühzeitiges Einsetzen der Massage. Deswegen ist er für Ver¬ 
sorgung der Armee mit der nötigen Zahl von Masseuren. 

An seinmi Fällen hat er 44 mal operieren müssen, darunter 
14 Amputationen, je 1 Exartikulation im Hüftgelenk und Schulter¬ 
gelenk ausführen müssen. Von den 14 An^ntationen sind allein 
10 durch Vereiterung des Kniegelenks nötig geworden. 

Im ganzen sind 7 Fälle gestorben, die meisten von ihnen an 
Eiteraugen des Knie- und Hüftgelenks. 

Hr. Brentano-Berlin hat die Sohnssverletzungen der 
Gefässe zum Gegenstand seiner Betrachtungen gemacht; dieselben 
sind seit Einführung des kleinkalibrigen Gewehrs häufiger gew(n*den, 
weil die Blutgefässe dem kleinen, sehr rasanten Projektil nidit 
mehr so leicht ausweichen können. Trotzdem hat der Tod dur^ 
Verblutung auf dem Schlachtfeld an Häufigkeit abgenommen; Ein- 
und Ansschuss stellen meistens kleine Wunden dar, welche den Ab¬ 
fluss sich aus den GeRssen ergiessenden Blutes nicht zulassen. 
Relativ häufig traten Aneurysmen, sowohl gewöhnliche als such 
das Aneurysma arterio-venosum ein. Diese gelangen dann sekundär 
zur Operation; er hat 7 Fälle mit Erfolg operiert, Brentano 
warnt vor den Unterbindungen in der ersten Linie. 

Hr. Colmers-Berlin berichtet über seine Erfahrungen über 
Schussknoohen brüche. Sie betrafen Fälle, welche 6—7 Tage 
nach der Schlacht bei Mukden in Gharbin eintrafen. Er hält es 
für das beste, wenn die Schussfrakturen als ersten Verband einen 
möglichst einfachen aseptischen Deckverband erhalten bei guter 
Fixation durch Schienen- oder Gipsverbände. Während des Trans¬ 
ports soll kein Verbandwechsel vorgenommen werden. Der erste 
Verbandwechsel soll erat im Lazarett erfolgen. Für vereiterte 
Brüche empfiehlt er gefensterte GKpsverliAnde. Der ausgedehnten 
Anwendung des Gipsverbands sduebt Colmers es zn, dase in dem 
deutschen Lazarett kein dort von Anfang an behandelter Fall ge¬ 
storben ist. 


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216 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


Nr 19. 


Hr, Hildebrandt-Berlin verbreitet sich über Sctädel- 
schüsse. 

Er tritt wie Herr Zoege v. Manteuffel für ein aktiveres 
Vorgeben bei Schüdelschössen ein, besondere bei den Quersdilägem. 

Hr. V. Oettingen-Stegbtz betont in seinem Vortrage über 
„Baucbohirurgie im Kriege“ die relative Gutartigkeit der 
Mantelgeschosse, wenigstens bei einem Scbossbereich jenseits von 
300 m. Elr empfiehlt, bei Bauchschüssen auf den ersten Verband¬ 
plätzen hinter der Front möglichst konservativ zu verfahren. 

Disknssion über die Vorträge über Kriegschirnrgie. 

Hr. V. Bergmann-Berlin meint, dass er aus den heutigen 
Vorträgen keine so überraschenden Fortschritte gegen seine eigenen 
Erfahrwgen aus früheren Kriegen habe erkennen können. Er ist 
nach wie vor der Ansicht, dass man bei Schädels<fiiü8Ben primär 
möglidist nicht operieren solle und dass für die Extremitätenschnss- 
verletzungen besonders bei Frakturen und Gelenkverletzungen, der 
Gipsverband das souveräne Mittel sei, der durch genaue Fixation 
geradezu amtiseptisch wirke. Dringend warne er vor zu früher 
Anwendung der Massage, da dadurch eventuell noch retinierte 
Entzündungserreger zu erneuter Tätigkeit angeregt werden könnten. 
Endlich bemerkt er, dass er nicht verstehen könne, warum Herr 
Brentano gegen die Unterbindung auf dem Schlachtfelde sei. Sei 
ein Mann am Verbluten, so müsse die Blutung gestillt werden, wo 
es auch immer sei. 

Hr. V. Zoege-Manteuffel bemerkt, dass die Operationen 
nicht auf dem ersten Verbandplatz erfolgen sollten, sondern erst 
dann, wenn es möglich ist, sie unter geordneten Verhältnissen aus- 
znfü^en, und solle man nicht erst warten, bis eine Eiterung ein¬ 
getreten ist, vielmehr versuchen, dem Eintritt der Eiterung vor¬ 
zubeugen. ' 

Hr. V. Brakei-Libau betont auf Grund seiner in Ostasien 
gemachten Erfahrungen auch seinerseits, dass ein gutsitzender 
^erender Verband das Haupterfordemis bei den Schussverletzungen 
der Knochen und Gelenke sei; damit könne man auch bei schweren 
Granatenverletzungen noch gute Resultate erzielen. 

Hr. Reger spricht seine Genugtuung darüber aus, dass seine 
Voraussagen über die humanen Wirkungen des kleinkalibrigen Mantel¬ 
geschosses nach den Ausführungen der auf dem Kriegsschauplatz 
tätig gewesenen Chirurgen sich voll bestätigt hätten. Demgegen¬ 
über vertritt Hr. v. Wreden-Petersburg die Ansicht, dass die 
Auffassung von der humanen Wirkung der modernen Projektile 
irrig sei Die Vorredner hätten ihre Haupttätigkeit hinter der 
Front ansgeübt. Er jedoch habe Gelegenheit gehabt, die Schlacht¬ 
felder des russisch-japanischen Krieges abzusuchen und dabei so 
furchtbare Verletzungen an Verwundeten und Toten zu sehen, dass 
er nicht der Meinung sich ausschliessen könne, das kleinkalibrige 
Mantelgeschoss für ein besonders human wirkendes zu halten. 

Hr. Majewski-Przemysl benutzte schon vor Jahren gelegent¬ 
lich einer von v. Bruns eingeleiteten Diskussion für den ersten 
Verband eine antiseptische Gaze, und sei 20proz. Hg-Oxydvaseline- 
gaze empfohlen, mit der Redner bei mehr als 6000 Fällen gute 
Resultate erzielt hat. Damals wurde die Aseptik des Verbandes 
noch mehr in den Vordergrund gestellt, während man jetzt wohl 
allgemein die antiseptische Verbandgaze für den ersten Verband 
auf dem Schlachtfelde vorziehe. Er zöge seine Quecksilberoxyd¬ 
vaselinegaze (Hg-Oxyd 20, Vaseline 80, mit steriler Gaze innig 
vermengt) aller mit Pulver imprägnierter Gaze vor, da letztere 
leichter der Zersetzung unterliegen. Die Hg-Oxydvaselinegaze 
hätte sich auch bei Versuchen bewährt, welche auf Veranlassung 
des Prof. Ludowik vom Johanneshospital in Budapest an 7000 
Patienten angestellt wurden, bewährt. Ihm hatte diese Gaze bei 
allen möglichen Arten von Verletzungen gute Resultate gegeben; 
er empfehle daher, in das Verbandpäckchen 20proz. Hg-Oxyd- 
vaselingaze aufzunehmen. 

Hr. Henle-Breslau: Ueber Verl’etzungen der peri¬ 
pheren Nerven. 

Unter 276 Patienten, die im Tokiolazarett des deutschen 
Roten Kreuzes zur Beobachtung gelangten, hatten 36 Verletzungen 
der peripherischen Nerven. Diesen galten 23 Operationen oder 
12pöt. ^ler (195) ausgeführten Eingriffe. Es wurden beobachtet 
7 reine Neuralgien und 10, welche mit Lähmungen kombiniert 
waren. Von diesen 17 heilten 6 ohne Eingriff; 11 Patienten 
wurden operiert. Zweimal handelt es sich um Druck auf den 


Nerven, der je einmal durch ein Aneurysma und einen ge¬ 
schrumpften Pectoralis minor verschuldet wurde. Beide IWle 
wurden durdi Entfernung des drttekendM Moments g^ilt. Aus- 
lösuugeu von Nerven aus parbigen Geweben mit Umbettong in 
weiche wurden 4 mal gemacht, 3mal wurde Heilung erzielt; im 
4. Falle Wiederholung der Operation und Resektion der Nttvea- 
enden und Naht. Die Neuralgie schwand, ebenso in 3 anderen 
Fällen, die wegen komplizierender Lähmung resedert werden 
mussten; ferner in 2 Fällen, in denen die Nervenpfropfung eus- 
geführt wurde; im ganzen 12 Fälle mit 11 guten Erfolgen qooad 
Neuralgien. 

Ungünstiger sind die Resultate bei den Lähmungen, bei 
denen sie wesentlich von der Dauer der Erkrankung abbängen. 
29 Patienten mit Lähmungen kamen zur Beobachtung, 8 heilten 
bei unblutiger Behandlung , 4 Fälle waren von vornherein aus- 
sichtsloe. 17 mal wurde operiert: 3 mal Beaeitigang von äusserem 
Druck (2 Aneurysmen, 1 narbiger Pector. minor) 2 Erfolge, 1 
Misserfolg; 2 Neurolysen (1 Erfolg), 8 Anfrischungen mit Naht 
(3 Erfolge, 5 Misserfolge). 6 mal w^en Pfropfungen aasgeführt. 
3 mal mit Erfolg. Von den 17 operierten Patienten wurden 9 
gebessert, aber nur 2 geheilt. Doch war die Beobaebtungszeit 
nach der Operation eine zu kurze, um die definitiven Resultate 
beurteilen zu können; es ist wabrscheiulioh, dass die guten Resul¬ 
tate sich nachträglich nocdi vermehren werden. 

Für zukünftige Kriege muss es als wünschenswert bezeichnet 
werden, Verwundete mit Nervenverletzung möglichst schnell dem 
Reservelazarett zur etwaigen ohirurgisdien Behandlung zazuföhren. 

Hr. Herhold-Altona spricht dann noch Ober Rückenmai'k- 
sohttsse. Er hält bei ihnen ein operatives Eingreifen dann für 
geboten, wenn durch den Röutgenapparat im Rückenmark Projek¬ 
tile oder eingedrungene Knochensplitter nacbgewiesen wordmi, von 
denen man annehmen könnte, dass sie auf das Rückenmark 
komprimierend wirken. 

Hr. Kocher-Bem: „Einige Schlussfolgerungen aus 
einem dritten Tausend Kropfoperationen.“ 

Von seinen letzten 1000 Kropfoperationen habe er im ganzen 
7 Fälle verloren. Von diesen kämen 4 Fälle auf die maligne 
Struma und die Operationen bei Morbus Basedowii; während die 
904 Operationen bei gutartigem Kropf im ganzen 3 Todesfälle 
gefordert hatten. Davon sei der eine, obwohl es sich nur um 
eine halbseitige Exzision gehandelt hatte, an Oachex-strumip., der 
zweite Fall an Pneumonie gestorben, der dritte an Herzlähmong. 
Die Kropfoperation sei somit eine fast ungeföhrlicbe Operation ge¬ 
worden. Trotzdem sei sie aber ein sehr grosser Eingriff geblieben 
und dürfe nur unter allen erforderlichen Kautelen ansgeführt 
werden. Dazu rechnet er vor allem eine peinliche Asepsis. Weder 
an die Hände des Operateurs noch an den Kranken käme irgend 
ein Desinficiens. Die Reinigung erfolge allein durch Waschen mit 
heissem Wasser und Seife und nachfolgendes Bärsten mit 75proz. 
Alkohol. Allein die Seide, die der Vortragende ausschliesslich zu 
Nähten und zur Unterbindung verwendet, wurde in Sublimat ge¬ 
kocht. Die Blutstillung wurde aufs peinlichste durchgefobrt; 
die Wunde stets draiuiert. Der Drain wurde in der Regel nach 
24 Stunden entfernt. 

Neben der Vorbereitung der Operation xmd der Wundver¬ 
sorgung müsse man den allgemeiem Zustand sorgfältig berück¬ 
sichtigen. Bei lange bestehendem Kropf, insbesondere bei Base¬ 
dowkropf, sei häufig das Herz angegriffen; man müsse daher die 
Kröpfe nicht zu spät operieren, sondern bevor Herzmuskelerkrank¬ 
ungen eintreten. Vor allem soll man sich vor dem solange fort¬ 
gesetzten Gebrauche von Jod- und Schilddrüsenpräparateu hüten, 
da diese Mittel, besonders die letzteren, den Herzmuskel bei 
unvorsichtigem Gebrauch angriffen. Man solle namentlich an 
Basedow Leidende nur dann operieren, wenn man überzeugt sei, 
dass ihr Herz dem Eingriffe noch gewachsen sei. 

Die Narkose wurde nicht angewendet, um die Pneumonie zu 
vermeiden und nur die Möglichkeit zu haben, die Patientin während 
der Operation phoniereu zu lassen, weil man sich auf diese Weise 
am besten vor Verletzungen des Recurrens laryngis schütze. 

Da gelegentlich auch nach partiellen Elxcisionen Ausfallser¬ 
scheinungen von seiten der Schilddrüse beobachtet würden, so 
müsse man sich vor der Excision der einen Hälfte des Kropfes 
stets davon überzeugen, dass die andere auch gross genug sei, um 


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1906. 


MBDICINTSCHB WOCHE. 


217 


die Fnnktionen der Schilddrüse allein zu übernehmen. Anderen- 
falls müsse man an die Stelle der Ezcision die üreilinh viel kom¬ 
plizierteren Methoden der Enncleation oder Besektion treten lassen. 

In der Diskussion ^richt Herr Erönlein-Zürich, der 
sich auf ca. 2000 Fälle stützt, seine völlige Uebei^nstimmung mit 
den von Kocher für die Kropfoperation aufgestelltMi Grundsätzen 
aus. 

Hr. F. Kranse-Berlin: „Ueber Opersti,one^n in der 
hinteren Sohüdelgrube^*. 

Bei der Operation lässt der Redner die Patientin sitzm. 
Atmung und Herz werden von einem besonderen Assistenten, nicht 
dem Harkotisär, kontrolliert. Dadurch wurden Unregelmäßigkeiten 
sclut^er bemerkt, und es sei ihm durch diese Vorsichtsmaßregel 
gelungen, in einem Falle den Tod in der Naikose zu vermeiden. 
Bei Freilegnng des Operationsfeldes würde ein viereckiger Haut¬ 
knochenlappen Umschnitten, der so gross gemacht werde, dass die 
Sinus trahsversus und sigmoideus freigelegt würden. Den Knochen 
schnöde er immer, nachdem mit der Doyen’sehen Fraise ein 
Loch in den Sdiädri gebohrt worden sei, mittelst der Dahlgreen’schen 
Zange. Nach Zurttckklappung des Hautknochenlappens werde die 
Dui« ebenfalls durchschnitten und zurttokgeklappt. Hebe man 
dann mit den von ihm angegebenen Gehimspateln das Kleinhirn 
ho(di, so könne man d ie Schädelbasis bis zur Felsenbeinpyramide 
übersehen. 

Die Anwendung dieser Methode ist bei den Operationen von 
Tumoren am Kleinhimbrückenwinkel indiziert. Dabei handelt es 
sich'um von der Arachnoidea ausgehende Geschwülste, die sich sehr 
leicht ausachlden lassen. In der Tat gelang ihm in einem Falle 
die -Exstirpation einer solchen Geschwulst auf dem angegebenen 
Wege. In einem anderen Falle war es nicht möglich, den Tumor 
zu entfernen; man konnte im Operationsfelde nur den einen Pol 
der Geschwulst sehen. Versuche, den Tumor zu fassen, misslangen, 
da die Instrumente aasrissen. Patient starb, und es zeigte sich, 
dass die Gieschwulst wegen ihrer sehr grossen Ansdehnung nicht 
ezstirpierbar gewesen v^re. 

Der Vortragende macht ferner darauf aufmerksam, dass es 
einen Hydrocepbidos des IV. Ventrickels gebe. In einem Fall, 
wo Symptome eines Kleinhimtumors vorhanden waren, wurden 
mangels genauer topischer Diagnose beide Kleinhimhälften frei- 
gelegt, ohne dass ein Tumor gefunden wurde; wohl aber fand 
sich ein Hydrocephalus des IV. Ventrikels. Patient lebte noch 
31/} Jahr nach der Operation bei sehr wesentlicher Besserung der 
Errcheinungen. Er empfiehlt für diese Fälle die Punktion des 
IV. Ventrikels. Endlich ist es ihm gelungen, mit der Methode 
zur Freilegung des Kleinhirns 2 Fälle von Eitemng an der hinteren 
Fläche der Felsenbeinpyramide durch Entleerung des Eiters zur 
Heilung zu bringen. 

D iskussion. 

Hr. Braun-Göttingen bestätigt das Vorkommen von Hydro- 
cephalos des IV. Ventrikels und berichtet über einen Fall, der 
nach der Punktion 8 Jahre gesnnd geblieben ist. 

Hr. Borohardt-Berlin hat auf ähnliche Weise operiert wie 
Krause, nur ist er mit seinem Schnitt noch Übei die Protube- 
rantia occipitalis hinausgegangen, um den Sinus transversus sicher 
freizulegen. Er hat 3 Fäle von Kleinhimbrückenwinkelgeschwülsten 
beobachtet, von denen 2 gestorben sind, während es beim dritten 
gelang, den Tnmor teilweise zn entfernen. Dieser Patient wird 
vorgestellt. 

Hr. Kaush-Sohöneberg operiert zweizeitig und benutzt zur 
Eröfihnng des Schädels die Sud eck’sehe Fraise. Bei Hydroce- 
phalns empfiehlt er eine Dauerdrainage. 

Hr. V. Bramann-Halle hat in 4 Fällen operiert, wo Verdacht 
auf Kleinhirntomor vorlag. In 3 Fällen wurde nichts gefunden, 
in einem dritten war die Geschwulst wegen ihrer ungünstigen Lage 
nicht ezstirpierbar. 

Hr. Bötger-Berlin demonstriert einen Kranken, bei dem im 
Anschloss an eine Commotio oerebri 1 */a Jahre ein Schlafzustand 
best^t. Die genaue Beobachtimg hat ergeben, dass es sich bei 
diesem Fall nicht um Simulation handle. Da jede organische 
Veränderung fehlt, so mödite er den Fall für eine Neurose ^halten 
und ihn als Stupor traumaticus bezeichnen. 

Hr. Sauerbruch-Greifswald ist es nach vielfachen Versuchen 
geangen, den Druck von komprimierter Luft so genau zu lokalisieren, 


dass er am Schädel von Versuchstieren blutleer operieren konnte. 
Am Menschen konnte er die Methode noch nicht erproben. 

Hr. Borchardt-Berlin kann sich der Empfehlung der 
Dahlgreen’scben Zange zwecks Eröffnung des knöcheren Schädels 
nicht ansohliessen. Er hat eine neue Fraise konstruiert, mittels 
deren es gelingt, in die Schädelknoohen beliebig tiefe Rinnen zu 
ziehen, von denen dann die weitere EröffDung des Schädels leicht 
möglich ist. Er demonstriert das Instrument und seinen Gebrauch 
an einen skelettierten Schädel. 

Hr. Brann-Berlin spricht über einen Fall von Schuss Ver¬ 
letzung des Rückenmarks, bei dem das Projektil operativ entfernt 
wurde. Die durch die Schussverletzung erzeugten Ausfallser- 
scheinxmgen beginnen sich zurückzubilden. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 17. 

1. Müller, München: Ueber Oalopprhythmns des Herzens. 

Die prognostische Bedeutung des Galopprhythmus ist nicht 

so schlimm, als man manchmal anznnehmen scheint. Bei Kropf¬ 
herz und bei Herzneurosen, auch beim Typhus braucht das Phä¬ 
nomen keineswegs eine Gefahr anzudeuten. Ja selbst bei langsam 
verlaufender Schrumpfiiiere, wie bei man<dien Herzerkrankungen, 
z. B. der Trinker, hat M. gesehen, dass sich die Pat. noch viele 
Jahre nach dem Auftreten des Galopprhytbmus eines leidlichen Be¬ 
findens erfreuten und sogar eine zufriedenstellende Leistungsfähig¬ 
keit erlangten. Immerhin verdient der Galopprhythmus die volle 
Aufmerksamkeit des Arztes; er gibt häufig zur Einleitung einer 
energischen Therapie und besonders zur Anwendung der Digitalis 
Veranlassung. 

2. Neubauer, München: Ueher die Wirkung des Alkohols 
auf die Ausscheidung der Azetonkörper. 

Von der Erwägung ausgehend, ob nicht die Zufuhr irgend 
einer Energiequelle, gleichgültig ob sie koblenhydratartiger Natur 
ist oder nicht, wenn sie nnr eine Fettsparung bewirkt, die Bildung 
der abnormen Stoffe herabsetzt, hat sich N. die Aufgabe gestellt, 
die Einwirkung des Alkohols, bei dessen Genuss ja dem Körper 
mit Leichtigkeit grosse Energiemengen zngeführt werden können, 
auf die diabetische Azidose zu untersuchen; er kommt danach zur 
Empfehlung der Verwendung mäßiger Mengen von Wein bei der 
Bekämpfung der schweren diabetischen Azidose in Fällen, in denen 
spezielle Kontraindikationen (z. B. Nephritis) nicht vorliegen. 

3. Meyer undHeineke, München: üeher den Färbeindez 
der roten Blutkörperchen. 

Diese Beobachtangen legen es nahe, auch im Verlauf anderer 
Krankheiten, als gerade der perniziösen Anaemie, dem Färbeindez 
der roten Blutkörperchen grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

4. Meyer und Speroni, München: üeher punktierte Ery- 
tiirooyten. 

Bei den verschiedenartigsten anaemischen Zuständen, nament¬ 
lich bei den durch Gifte bedingten, finden sich in den roten Blut¬ 
körperchen basophile, mit Methylenblan stark färbbare, strich- und 
punktförmige Gebilde. Nach ihren Versuchen bei experimentellen 
Anaemieen glauben M. und S., dass die punktierten Erytbrocyten 
einheitlicher Natur Kemreste sind, die als Zeichen der Regene¬ 
ration, nicht Degeneration, aufgefasst werden müssen. 

5. Heineke und Dentschmann, München: Bas Verhalten 
der weissen Blutzellen während des Asthmaanfalles. 

Ein 30jähriger Mann, der etwa 3 Monate wegen Asthma 
bronchiale in Behandlung der zweiten medicinischen Klinik stand, 
gab Gelegenheit, das Verhalten des Blutes während des Asthma- 
aofalles zu studieren. Ee fand sich eine rapide Abnahme der 
eosinopbileo Leukocyten des Blutes mit Einsetzen des Asthma- 
anfalles bei diesem Kranken, vieUeicht zu erklären dar<di ein 
plötzliches massenhaftes Einwandem dieser Zellform in den Bron¬ 
chialbaum. Diese Beobachtung bestimmt H. und D. an der An¬ 
schauung Ehrlich’s festzuhalten und in der Eosinophilie des 
Sputums wie des Blutes beim Asthma bronchiale ein Reagieren 
i^ezifischer Zellen auf einen spezifischen Reiz zn sehen. 


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218 


MESTiICINISGh E w Ot/Hjc. 


Nr 19. 


6. Stäabli, München: Ueber daf VerbaltM der T^bne* 
agglntiniae im mfttterliehen und foetelen Organiimiii. 

ln Uebereiostimmang mit dem Tierexperiment beweist dieser 
Fall, dass nach Ueberstehen einer Typhusinfektion auch das foetale 
Blut agglatinierende Kraft zeigt, wenn die Infektion längere Zeit 
vor der Niederkunft statthatte. 

7. V. Hoesslin und Selling, München: Beitrag lorKennt* 
nis der Pseudobülbärparalyse. 

Es haben hier 2 Groeshimherde, welche die beiden dritten 
Stimwindungen und den Fuss beider Zentralwindongen befallen 
batten, für sich allein die typischen Erscheinungen einer Pseudo* 
bulbärparalyse bei einer Frau verursacht. 

8. Selling, München:. Hain de Prddicateur bei multipler 
Solerote. 

Das Zuetandekcoamen der Fredigerhand iu einem Falle von 
multipler Sclerose bei einem öTjährigen Fat. ist zurückzuführen 
auf ein besonders starkes Befallensein der unteren Oervikalsegmeute. 
Wie die Beine stärker, jedenfalls früher befallen waren als die 
Anne, so sind auch an deren spinalen Zentren wieder die tiefer 
sitzenden Segmente für die Flexoren stärker geschädigt gewesen, 
als die höheren Segmente, welche die Extensoren des Earpus ver¬ 
sorgen. Eine „mäßige Dorsalflexion im Handgelenk** wini auch 
in der neuesten Mon(^raphie der „multiplen Sclerose** von Eduard 
Müller als vorherrsobende pathologische Handstellung, wenn 
überhaupt eine solche zustande kommt, bezeichnet. 

9. Kerschensteiner, München: üeber Heoromyelitis 
optica. 

Durch den pathologisch-histologischen Befund wurde der Fall 
— ein 2 7 Jähriger Banemknecht, der angeblich nie luetisch war, 
aber unter Erkältungen zu leiden hatte — unzweifelh^t als Neuro- 
myelitis optica Dövic aufgeklärt. Es ging in diesem Falle wie in 
einer grossen Anzahl ähnlicher: weder Anamnese, noch klinische 
Untersuchung ergeben Anhaltspunkte für Lnes, auch das-histo¬ 
logische Bild ist nicht beweisend, und trotzdem möchte man gern 
an die Möglichkeit einer Lues glauben. 

10. Brasch, München; XTeber den BinflnM der Temperatur 
auf die Znokeranuobeidiug. 

Der gefundene Einfluss von Kälte und Wärme auf die Zucker¬ 
ausscheidung in diesen Untersuchungen ist geringer als der von 
Lüthje beobachtete; er ist bei dem einen Hund überhaupt nicht 
zu erkennen, bei dem anderen minimal. Es will dem Verf. so 
scheinen, als wenn es sich bei Lüthje nicht um die schwersten 
Formen des Diabetes gehandelt haben dürfte, als wenn die Exstir* 
pation des Pancreas keine vollständige gewesen wäre. 

11. Bieder, München: Ein Beitrag nr kliniioben Diagnose 
der Lnngen-Absoesee. 

Die Röntgenuntersuchung erwies sich in den 2 R.’schen 
F^en ak sehr wertvoll und ermöglichte die Diagnose „Lungen- 
Abscess“ trotz des Pehlens von elastischen Fasern oder Gewebs- 
fetzen im Sputum; sie zeigte sich also den übrigen klinischen 
Untersttchungsmethoden überlegen. Daher dürfte es sich künftig¬ 
hin wohl empfehlen, bei Nachkrankheiten der Pneumonie und auch 
im Verlaute anderer Krankheiten, bei Verdacht auf Lungenabscess, 
häufiger ak bisher von dem Röntgenverfahren Gebrauch zu machen. 

12. May und Lindemann, München; Oraphisehe Dar- 
steUungfdes Peroassionssohalles. 

Eline Membran wird durch die Schallerschemungen in Schwing¬ 
ungen versetzt, und diese Schwingungen werden mittekt eines 
Lichtstrahles aufgezeichnet. 

13. Cremer, München: XTeber die direkte Ableitnag der 
Aktionsströme desl^menschUolien Hertens vom Oesophagus und 
über das Elektrokardiogramm des Foetus. 

Eine neue Versuchsanordnung mit dem Elektrokardiogramm. 

14. Penzoldt,.Erlangen ; Einiges zur Frage der Tuberku- 
losebehandlong in Volksbeilst&tten. 

P. bespricht die Auswahl der Kranken für die Heilstätte; 
die Behandlung in den Heilstätten und das Verhalten der Kranken 
nach der Heiktättenbehandlung. 


16. .Geigel, Würzburg: Der ente Hecxtoi. 

Es gibt 2 diastolische Herztöne, gebildet an den Klappen 
von Aorta und Fnlmonalk, und zwar 2 B 3 rstolisch 6 Hwxtöne an 
den Ventrikeln, im gutzen 4. Daneben ist stets irgendwo im Be¬ 
reich des Herzens auch noch ein systolischer Ge^a^n za hören, 
dem 1. Ton um eine Spur nachfolgend. Was man an der Aorta 
hört, kt mekt 1. Herzton mit nachfolgendem Aortenton (odsnr 
knizem AMtengeräasch). Wo man hm* einen reinen I. Ton hört, 
ganz gleich wo, ob an der ^itze oder Aorta, kt leicht za ent¬ 
scheiden, was man vor sich hat Man braucht nur an den Zwischen¬ 
stellen zu au^ultieren und wird stets eineü Ort finden, wo ein 
Doppelphänomen wahrnehmbar kt Vcm hiw ans g^;en die Aorta 
vm^ohwindet dann der erste Teil oder wwi wei^eteos leism*, um¬ 
gekehrt gegen die Herz^itze zu. 

16. Arneth, Würzbarg: Zum Yerkaltea des PekteraUke* 
mitus bei der krui^beeu lungeaentttaduBg; einige Bemerkungen 
über das Knistern bei derselben. 

A. geht zunächst den Gründen nacdi, die von versokiedeDen 
Autoren angegeben werden für den Fall, dass ein vcm der ge¬ 
wöhnlichen Regel abweichendes Verhalten des Pektöralfremittis 
voiüegt. Schluss folgt. ■ : : . 

r 

17. Kayser, Strassburg: XTeber die ein^he GaUenröbxe 
als Anreioherungsmittel und die Bakteriologie des Blutes bei 
Typhus sowie Paratyphus. 

K. benutzt die für Typhus- und Paratyphusbazillen bestehende 
entwickelungsbefördemde Wirkung der Gallenbestandteile im Blut¬ 
gemisch. Normale Rindergalle wird sofcrt nacfli Tötung des Tieras 
in einem grösseren sterilen Kolben abgeholt und in Portionen von 
mindestens ö ccm auf eine Anzahl steriler Reagensröbren verteilt. 
Dann kocht man eie im Wasserbade auf, oder sterilisiert kurz bei 
HO'*. In diese Gallenröhren kommen am Krankenbett bk zu 
ca. 2,5 ccm Blut, das aseptisch aus der Fingerkuppe, Ohrläppcdien 
oder am saubersten und oft leichtesten veimittek der sehr ein¬ 
fachen Venaepunktion in der Ellenbeuge gewonnen wird. Um die 
5 oom-„Ga]lenrÖhre** leicht beschaffbar zu machen und diese vor¬ 
züglichen diagnostkchen Hilfsmittel weiter einzuführen, hat £. Merck 
in Darmstadt sie in versandfähiger Form hergestellt und bringt 
sie ak „Typhus-Gallenröhre** in den Handel. Die Röhren sind 
fraktioniert, sterilisiert, mit Gummi und Pergament steril ver¬ 
schlossen und garantieren einen gleiohbleibenden Wassergehalt. 
Ihre Stärke sowie eine den Vcuechriften der Reicl^post entsprechende 
beigegebene Blech- und Holzhülse machen diese „GkUenröhre** 
auf jede Entfernung versandfähig. Sie stehen zu billigstem Preis 
dem praktischen Arzt, Krankenhäusern und Lazaretten zur Ver¬ 
fügung. Es werden damit auch Ghdlenabmessungen für griksere 
Blutmengen ak 2,5 cicm bereit gehalten. A. empfiehlt aber für 
die Praxis in erster Linie die 5 ccxn-Röhre zur Blutentnahme 
und betont, dass diese Züchtungsmethode sich insbesondere für 
die erste Typhuswoche — 96 bis 100% positiv! — eignet. „Wenn 
sich der Brauch einbürgem möchte, sehr früh Blut anzoreichem 
— und es genügen ja etwas mehr ak 2 ccm —, so wäre nach 
unserer Erfahrung viel gewonnen, einmal für die T 3 rphasbe- 
kämpfung und dann für Patient und Praxk, denn eine gaüze Zahl 
Typhen mit irregulärem Beginn sind auf diese Weke s^on einer 
erwünscht zeitigen angemessenen Behandlung zugeführt worden. 
Auch die Truppen im Kriege und Frieden dürften Vorteile aus diesen 
frühen Diagnosen imd der so bewegungsfähigen Methode ziehen, 
welche dem Erkrankten selbst fern von der Untersuchungsstelle 
zu folgen vermag. 

18. Groedel, Nauheim: Zur AugestaltOAg der O^odia- 
graphie. 

Die erschwerte topographische Orientkrung und die Schwierig¬ 
keit, die Körpennitteilinie in exakter Weise einzttzdichnen, war 
bisher noch ein Nachteil der direkten Aufzeichnung des Oithodia- 
gramms auf die ebene Fläche. G. gibt ein Vwffahren an', das 
diesen Mangel der Methode beseitigt. Die sicherste Methode zur 
Bestimmung der Herzgrenze ist die Orthodiagraphie, wie de la 
I Camp experimentell bewiesen hat. hat die exaktesten physi- 
kaliscben Grundlagen, wie auch Guttmann zageben muss. „Wo 
andere Unterauchungsmethoden versagen, arbeiten wir mit der 
Orthodiagraphie besonders leicht (kkqhysem), Nor wenn durch 


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1906. 


MSDICINISGHfl WOCHE. 


Vttdiabtaagan- der LuBgea- oder duck &gö 80 e das Lungetiteld 
ia ^ofichster Nähe des Heraeehattens getrübt wird, kann die ortho- 
dngr^hiacfae Untersuchtuag mehr oder weniger erschwert werden. 
ferner kann man mit dem Oroedel’echen Apparate die Ueber- 
tragung. des Oi^odiagrammes und der zur topographischen Orien- 
tienmg notwendigui Linien auf die! ebene Flächd so exakt aus- 
führen, dass man genaue Hessungen vornehmen kann. 

WfenMT JiynlsGbe Wocbmohrift. I9ö6: No. 17. 

1. Krans-und Fribram, Wien: Ueber Staphylokokkentoxin 
und desMa Antitoxin.' 

Ans .dieekn Versuchen geht hervor, dass einzelne Staphylokokken 
auf der Höbe der HämotoziBproduktion neben denselben ein in Kul- 
-turOltiate übergehendes echtes Toxin produzieronj das sich durch 
edn. Antitoxin neutralisieren lässt und dessen Wirkung wahr- 
scheinli<^ in einer direkten Sohädigna'g des Herzmuskels liegt. 

2. y. Eisler, Wien.'ITe her die Eonsernenmg präzipitier6n> 
der Sera auf Papier. 

Heitdem das von Uhlenh.uthW'Bssermann und Schütze 
isst gleichzeitig angegebene Verfahren rar Untersoheidnng ver> 
Bcbiedener Blutarten in der forensischen Praxis so allgemeine Ver- ' 
breitung und Anerkennung gei'unden.hat, macht sich auch das Be¬ 
dürfnis geltend, die zur Blutuntersuchang notwendigen präzipitie- 
mdeo Sera inein faoher und bequemer Weise ohne Einbusse ihrer 
Wirksamkeit für längere Zeit anfbewahven za können. Vor kurzem 
wurde die Trocknung agglutinierender Sera auf Papier von Berest- 
neff empfohlen-. Er trocknetk das Semm auf Filtrierpapier von 
Schleicher undSchüll. ZumTrocknen des Immnnserums ver- 
wMdete V. £. aber sogenanntes Naturpnpier, das eine gewisse 
Stärke haben muss, da sonst- beim Auftropfen des Serams ein 
Teil desselben dur(^ickert, das, Papier muss schwarz sein. Die 
Ausführung der Reaktion gestaltet sich äusserst einfach. Ein 
soldies mit 0,1 ccm Immnnserum beschicktes Papierchen wird iu . 
die zu untersuchende Blntlösung, resp. SeramverdUnnung (2 ccm) 
gebracht und das eingetrocknete Serum durch Schütteln gelöst. 
Die Xjösung erfolgt schon nach ca. einer Minute langem Schütteln, 
worauf bei einem genügend hochwertigen Serum selbst in einer 
10 000 fachen Verdünnnng des zu untersuchenden Blateiweis.sea 
sofort eitle Trübung auftritt und zwar meistens auf dem Boden 
der Eprouvette; wie es Uhlenhuth in seinen Vorschriften für 
die Ausfühnmg der Keaktion angibt, da sich das gelöste Immun- 
sernm zu Boden senkt. Die Kontröllproben bleiben vollständig 
klar, Hs leistöt also ein derartiges eingstrocknetes Serum genau; 
daseelbe wie das flüssige Serum, hat aber vor diesem ausser der, 
langen Haltbarkeit noch den Vorteil voraus, dass es viel bequemer 
9 u verschicken ist imd.ein grosses Ersparnis an Material gewähr¬ 
leistet. . -' ' 

3. Pfeiffer, (9^: Ü«hM dmi Einflnsa natorwuieiLsehaft- 
lioher Erkeantnifft auf die äntliohe Sachventändigkeit. 

Praktisdie und forensische Medicin brauchen sich oft garnicht 
zu berühren nnd doöh kann ihre Entwickelung von einander ab- 
hiagig sein. 

4. Mattauschek, Wien: XTeber die forensisoke Beurteilung 
akuter Bausohsnstände vom Standpunkte des KUitärstra^esetz* 

Von den Rauschzuständen auf pathologischer Grundlage 
Mtiw^ch und auch . fpreqsisch zu trennen - sind die pathologischen 
Ranach zuatände üa engeren Sixme. Um EoUisionep zwischen 
kKaisohftr AuAtssuog und den, Erfordernissen der militärgericht- 
. Hohen Praxis zu vea^indem, erschmnt es zweckmäßig, in den 
Sohlneseltaen des Gutachtens,, bezw. in der Beantwortung der 
seitesm des Ijtoriohtes gesiegten Fragen den Gebrauch der Aus- 
drü<^ „volle Beranscbong“, „VoUtrunkeuheit“, „sinnlose Be- 
rsosohung^^, „pathologisehe Alkoholreaktion'* zu vermeiden und nur 
von Kanschzuständen zu spre(dien, in ■ wel<dien der Täter sich seiner 
Handlungen nicht bewusst war. Nur in jenen Fällen, in denen 
die Bedingungen zur Annahme eines pathologischen Rauschzu¬ 
standes im engeren ^nne gegebmi sind, ist diese Bezeichnung zu 
geb mm^ m und die Qualiflkation des Zustandes als Geisteskrank¬ 
heit ausdrücklich za betonen. 


219 


5.- MolL Prag: Zur leolmik der BieFsohen Hyperämie Iter 
die ^handlung der Hastitis sehet vorläuflgeu Bemerkungen 
über die Anwendung denelben zur Anregung der Hilehsekre- 
tion. 

Die sehr vereinfachte Technik besteht darin, däss zum Eva¬ 
kuieren der Mastitisglocke keine Spritze oder Säugpumpe, sondern 
eine kleine Wasserstrahlluftpumpe benutzt wird. Eis hat dieses Ver¬ 
fahren den grossen Vorteil, dass das kranke und schmerzhafte 
Organ unter gleichmäßigem und leichtem Zuge langsam in die 
Glocke gezogen wird, sodass bei viel geringeren Schmerzen eine 
stärkere und längerp Hyperämie erzeugt werden kann. Es ist die 
Möglichkeit geboten, das Vakuum langsam und allmählich entstehen zu 
lassen, was mit den Spritzen und üblichen Saugpampen, mit denen 
bisher evakuiert wurde, in dieser Weise unmöglich war. Die 
Bier’sche Hyperämie wurde in der Epstein’sohen Kinderklinik 
nicht nur bei der Entzündung, sondern auch bei mangelnder 
Milcbsekretion der Mamma bei inilcharmen Ammen, unter An¬ 
wendung dieses einfachen Verfahrens angewendet. Die ersten 
Versuche sind zur Zufriedenheit aosgefallen. Dieselben wurden 
gewöhnlich in der Weise durohgeführt, daw» die Glocke zwsi- bis 
dreimal täglich durch je ^e Stunde an die Brust angeeetzt wurde. 

Centralblatt für Chirurgfe. 1906. Nr. i u. 2 . 

1. G. Drebmann, Breslau: Eine typische Erkrankong der 
Achülesehne. 

Verf. erklärt die handbreit über der Ferse auftretende 
Sehnenentzündong durch Druck des Schuhwerks. Besonders beim 
Erheben auf die Fussapitze und beim Beugen des Knies, Stel¬ 
lungen, die beim Bergsteigen und Radfahren besonders häofig ein¬ 
genommen werden, entfernt sich die Achillessehne von der Tibia 
und wird dem entgegenstebenden Druck des Scbuhwerks besonders 
ausgesetzt. Damit ist für Prophylaxe und Therapie ein bedeut¬ 
samer Wink gegeben. 

2. R. V. Bavach, Lemberg: TendoTfl^initu aehillea arihri* 
tioa als eine besondere Form der Aohillesselmenerkrankiuig. 

Bei Rheumatikern und Gichtikem kommt es zu plötzlichen, 
schmerzhaften Veränderungen an der Sehne, häufig mit Bildung 
haselnussgrosser Knoten in der Nachbarschaft. Die Schmerzen 
verschwinden meist nach spätestens 48 Stunden, während eine ge¬ 
wisse Unbehilfliohkeit beim Gehen noch. 2—3 Tage zorttckbleibt. 
In leichten Fällen empfiehlt sich Massage, und Einreibung, bei 
heftigeren Ruhigstellung der Sehne mittels Heftpflasterverband, 
bei starker Entzündung essigsaore Tonerde, EUbeutel. Gegen das 
Grundleiden ist nach bekannten Grundsätzen zu verfahren. 

3. Albers-Schönberg, Hamburg: Ein HautSareom (mehrere 
fünfmarkstückgrosse, nlcerierte Knoten) am Rücken eines 44jäh¬ 
rigen Mannes wurde durch Röntgenl^strahlung (alle 3 Tage je 
6 Minuten) geheilt. 

4. Franz Fink, Karlsbad: Zorn Oallensteinilens. 

Mitteilung eines Falles von Gallensteinileus, der durch Ex¬ 
stirpation der Gallenblase mit den Componenten zur Heilung ge¬ 
langte. 

Fortschritte der Medicin. 1906. Nr. 2 . 

Denis G. Zesas: Die Eirsohi^rang’sche Ejankheit. 

Der Besprechung liegt ein Material von 80 in der Literatur 
, zerstreuten Fälle zugrunde. Die Krankheit, die im wesentlichen 
I in einer Dilatation des Colon ohne nachweisbaren anatomischen 
Grund besteht, beeilt vorzugsweise das männliche Geschlecht, und 
tritt meist solKm in frühester Jugendzeit auf. Das klinische Bild 
resümiert sich in zwei Hauptsymptomen: Verstopfung und Auf¬ 
treibung des Banchee. Der Zeitraum zwischen den Entleerungen, 
die nur mtthsun und künstlidi erreicht werden, ist meist ein sehr 
grosser. Neben der andauernd hartnäckigen Verstopfung findet 
sich oft ein gehäufter Abgang von Winden, der mandunal den 
Kranken von jeglichem Verkäir fernhält. Die Auftreibung des 
Leibes ist meist eiilte beträchtliche; bei Kindern wurde öfters ein 
Umfang von über 70 cm gemessen. Eine gesteigerte Peristaltik, 
oft von kolikartigen Schmerzen begleitet, ist meist damit ver¬ 
gesellschaftet. Die Prognose ist eine sehr ernste; viele der 
Patienten starben schon in jngendlidiem Alter. Was die Patho- 


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M.BDICINS90HB WOCHB. 


I^r. 19. 


290 


genetie dea Leldoua beti'iift, so iat, wenn auch in einem F^e bei 
der Operation das Vorhandensein eines ventilartigen Hindernisses 
durch die Passage des Darminhaltes nachgewiesen werden konnte, 
die Krankheit doch wohl als eine kongenitale Missbildung des 
Oolon, ais eine Art „Riesenwuchs^ zu beti^hten. Die Behandlung 
kann eine interne und operative sein. Die interne Therapie er¬ 
streckt sich auf Regelung der Diät und des Stuhlganges, haupt¬ 
sächlich durch Dmmspälnngen, eventuell Massage und Elektrizität. 
Bei den chirurgischen Maßnahmen kommt zunächst die diagnostische 
Laparotomie in Betracht; de^^ weiteren die Enteroanastomose, die 
Reaktion des erweiterten Dickdarmabschnittes, schliesslich die 
Darmpunktion und die Colostomie. Mit diesen verschiedenen Ver¬ 
fahren sind vereinzelte Erfolge erzielt worden; welches das zweck¬ 
mäßigste ist, ist noch nidit entschieden; im allgemeinen wird wohl 
die Wahl des einzuschlagenden Eingriffs nach den Verhältnissen 
des einzelnen Falles zu entscheiden sein. 


Bücherbesprechung. 

W6yflandt. Dr. med. et phil., Robert, Wttrzburg. Loicllt 
abnorme Kinder* Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 

Zunächst macht die Definition Schwierigkeiten. Zu den leicht 
abnormen Kindern gehören die sogenannten Debilen, psychopathisch 
Minderwertbigen, auch aus exogenen Gründen. Die Betrachtung 
dieser Formen ist für den Psychiater aus mancherlei GrUnden 
wichtig. Leider fehlt es an einem Kanon für die normalen psy¬ 
chischen Verhältnisse der Kinder. Zum Kindesalter gehören die 
Jahre vom Sprechenlemen bis zur Pubertät. Es wird dann auf 
die Äetiologie eingegängen; Material boten die Schüler der Wieder- 
holongsklassen zu Mannheim: Schlechtes Beispiel, viele Kinder¬ 
krankheiten, Alkohol, dann Hydrocephalus, Microcephalie, Encepha¬ 
litis, Epilepsie, Trauma, Lues hereditaria; unsere Autoren wiesen 
darauf hin, dass bei später an schweren Psychosen Erkrankenden 
schon früh Abnormitäten sich zeigen; eine Besprechung der Symp¬ 
tomatologie und der Gnippiemng in sechs Gruppen 1. psychisch 
abnorme Epileptiker, 2. leicht hysterische, 3. oonstitutionell-neu- 
rasthenische, 4. Debilität, 5. die Haltlosen, Veraärtelten, Idiosyn- 
kratischen, 6. leichtere Grade normalen Kretinismus, wird der 
Therapie gedacht; den Schulärzten wird eine wesentitche Rolle 
zugedacht; die Feststellung des Zustandsbildes nach Sommers 
Prinzipien ist notwendig. Neben den Hilfsklassen sind die Förder¬ 
klassen nach Mannheimer System zu empfehlen. Näheres ist im 
Original nachzulesen. Ik. G. Flatau, Berlin. 

EntwioklanR der Sprache des Kindes und ihre 
Stömhgen. Von Dr. Paul Maas, Aachen. Würzburger Ab¬ 
handlungen. 1905. V. 8. A. Stuber’s Verlag. Preis 76 Pf. 

Auf wenigen Seiten wird das Wichtigste aus der Lehre der 
Entwickelung der Sprache auseinandergesetzt; die Störungen: 
Stottern, Poltern, Stammeln, die verschiedenen Arten des Sigma¬ 
tismus (Lispeln) werden beschrieben und die Therapie ausge¬ 
geben. 

Das Heftchen ist für jeden Arzt sehr lesenswert. 

Dr. G. Flatau, Berlin. 


Ersuchen 

an die deutschen Aerzte. 

Die Breslauer dermatologische Vereinigung hat 
beschlossen, Schritte zu tun, um von den Unfallversicherungs- 
gesellscbaften bei 

Syphilisinfektion im Berufe 

für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu erlangen, 
als bisher. 

Die zur Zeit gütigen Versicherungsbedingungen entsprechen 
gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den Interessen 
der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedern der Vereinigung 
Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berechtigt er¬ 
scheinende Entschädigungsansprüche der Aerzte von den Versiche- 


rungsgeeellschatteu zurückgewiesen wurden oder aoe opter Scdiffie- 
rigkeitei) geltend gemacht werden konnten. 

Bevor die Breslauer dermatologische Ve^inigong mit Vor¬ 
schlägen hervortritt, in welcher Weise die Versieherungsbedisg-. 
ungen abzuändem wären, richtet sie an die. deutschen Aerzte 
dringend die Bitte, ihr diejenigen ihnen bekannten, Fälle mitzu¬ 
teilen, in welchen 

1. die Anerkennung von beruflicher Syphilisin- 
iektion als Ünfallsursaclie Abschluss der Uu- 
fallvorsicherung zurüokgewieseir oder nur nnter hohem 
Prämienzoschl^e bewilligt irade; 

2. eine Ent8<diädigung für vorQber£(ehenden Verlast der 
Arbeitskraft nach dem 400. fige seit der Entstehung 
des Unfalles beanstandet wurde; 

3. die Anerkennung von voraussichtlich lebensläng¬ 
licher Verminderung der Arbeitskraft, d. h. 
von Invalidität auf Gm^ beruflicher Sypbüisi^ektion 
verweigert wurde resp. erst erstritten werden musste. 

Die Vereinigung erhucht, ^e Mitteilung der einschlägigen 
Fälle — sowohl der erfolglos als audi der erfolgreich geltend ge¬ 
machten Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit 
den Gesellschaften und etwaiger Schiedsgerichtsverhandlungen zu 
ergänzen. 

Nur auf Giniud genauer Kenntnisse über das Verhalten der 
Versicherung^esellschaften in den einzelnen Fällen und auf Grund 
eines reichhaltigen Materiales wird es möglich sein, in dieser für 
die gesamte Aeizteschaft wichtigen Angelegenheit eine Besserung 
zu erreicheu. 

Die Vereinigung bittet, Zuschriften an den Unterzeichneten 
Dr. Chotzen zu senden, welcher die Bearbeitung dieser iVage 
übemommen hat. . Für strengste Geheimhaltung der mitgeteüten 
persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet. 

Breslauer dermatologisehe Vereiniguag. 

Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen, 

Geb. Medicinalrat, Breslau XVIII, 

derzeitiger Vorsitzender. Laudsbergerstrasse I. 


Vermischtes. 

Lissabon. Der internationale medioinische Kongress in Lissabon 
ist unter dem Präsidium des Königs von Portugal erOflhet worden. 
Für Deutschland sprach Prof. Quincke. Die Herren Ehrlich 
und Laveran erhielten den internationalen Preis. Der nächste 
Kongress wird in Budapest atattfinden. 

Bsiiln. Geh. Rat Prof. Sonnenburg ist zumEhrenmitgliede 
der Gesellschaft der Aerzte Finnlands zu H^singfors ernannt worden. 

Boiiin. Prof. Dtthrssen reist aqx 26, April auf zwei Monate 
nach Amerika, um auf Einladung der amerikanischen gynäko¬ 
logischen Gesellschaft und der American Medical Association auf 
den Kongressen dieser Gesellschaft V(U'träge zu halten und in den 
Hospitälern von New-York, Chicago und anderen Städten seme 
Operationsmethoden zu demonstrieren. Auch die Deutsche medi- 
oinische Gesellschaft zu New-York bereitet im Verein mit der 
Akademie für Medicin eine Festsitzung vor. 

Borlln. Die „Versicherungakasse für die Aerzte 
Deutschlands“ (auf Gegenseitigkeit) hielt am 20. A^rÜ d. J., 
dem Tage, an welchem sie vor nunmehr 26 Jahren gegrtlnd^ 
worden ist, in Berlin eine ausserordenÜiohe Delegiertenversannnlnng 
ab. Aus dem Geschäftsberichte über das letzte Gesdiäft^^r ist 
der das bisherige Wachstum erheblich ttbermflu^eitende Hehrsuwa^s 
an Mitgliedern zu erwMinen; wie denn überhaupt eiu Rüokbli<dc 
auf die Ziffern von 1895/96 im Laufe der letzten 10 Jahre eine 
Verdreifachung der Mitgliederzahl, eine Vervierfachung des Kasseb- 
vermögens, eine Versechsfaohxmg der Gesamtprämieneinnahme, aber 
nur eine Vervierfachung der Schadenfälle ergibt. 

Magdoburg. Privatdozent Dr. Arthur Keller in Magdeburg 
ist zum leitenden Oberarzt der Säuglingsabteünng am Altstädter 
Krankenhaose in Magdeburg ernannt worden. 


Venntwortlicher RedakMur : Dr. P. Maiinier, BeiliaW, Sl, Knrf&rttenftr. Sl. — Verlaf tob Carl MarhoM, Hall# a. S. 
Draek tob dar HajrBaMaaB’tciiaa BBcbdrackarol, Oabr WoUF, Halle a. 8. 


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Medicinische Woche 


Denttebmann, 

Hanbnrg. 


A. Dflbrtsen» A. Hoffa, E. Jacobi» 

Berlin. Berlin. Prelburg 1. Bi 

H. Seoator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Herausgegeben von 



R. Kobert, M. Koeppen, K. Partgeh, H. Rogin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unveniebt, A. Vouins, 

Magdeburg. Olessen. 


Redaktion: 

Berlin W, 62, KurfQrstenstrasse 81« 

Dr. P MciCner 


VD. Jahrgang, 14 . Mai 1906 . Nr. 20. 


Die ,Med 1 cinische Woche* erscheint ieden Montag mit der tdtagigen Beilage BEln6Ol0giSCh6 CClltr&lzeitUng, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Baderverbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badearzte der Ostsee und kostet jahrllcb 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marh old in H all e a. S. entgegen. Inserate Werden fflr 
die 4gespaitene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmäBigung ein. 
Nachdruck der Orlglnal-Aufsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet- 


Originalien. 

Die Diät und deren Bedeutung zur Verhätung 
von Krankheiten. 

Von Dr. Müller, Hamburg. 

Man wird leicht einsehen, dass bei solchen Kranken, die 
klug genug sind, schon bei den geringsten Zeichen abnormen 
Empfindens den Arzt zu konsultieren, die erfolgreichste Therapie 
eingeschlagen werden kann. Was in diesen Verliältnissen zu 
tun ißt, ersieht man sehr leicht, es sind das 2 Wege, welche 
zusammen eingeechlt^en werden müssen, die aber auf ver¬ 
schiedenen Umwegen und Bahnen zu demselben Ziele führen. 
Der eine Weg ist der, indem man den Organismus im allge¬ 
meinen behandelt, d. b. versucht, ihn in einen Zustand zu ver¬ 
setzen , in welchem er genügend Kraft zugeftihrt erhält, um 
den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, gerecht werden 
zu können, indem man also Defizit von Kraftaufnahmo 
und -leistung ausgleicht. Der andere Weg ist der, dass man 
die Erankheitsprozesse beeinflusst, was entweder dadurch ge¬ 
schehen kann, dass man dem Organismus die Schutzstoffe 
zuführt, welche er im Blute bilden muss, um die Krankheits¬ 
erreger vernichten zu können (Antitoxine), die er aber nicht 
in genügendem Maße bilden kann, da iW eben die Kraft 
fehlt (Heilserum etc.), oder dadurch, dass man chemische Körper 
in das Blut bringt oder in die Organe, welche die Krankheits¬ 
erreger töten können (Antiseptica, Jod etc.). Diese beiden 
Arten der Therapie haben sich schon seit jeher in der Medicin 
ezeigt, man bat da die Diätetik and Pharmakologie etc. zu 
eren Befolgung erfunden, in der Neuzeit die Organotherapie 
etc. Immer sind diese beiden Wege in der Behandlung der 
Krankheit die hauptsächlichsten, und erst in zweiter Linie 
kommen die dem Arzte noch zur Verfügung stehenden Mittel 
und Methoden, welche verschiedene Nebenleistungen tun, wir 
versuchen die Körperkraft durch äussere Einwirkung zu heben 
etc. Hierzu gehören Maßnahmen, welche der Arzt je nach 
den verschiedenen Arten der Krankheiten und ihren variablen 
Complikationen anwenden, wählen und ausführen muss. Immer 
werden aber jene beiden die Hauptmethoden ärztlichen Wirkens 
sein. 

Die Diätiegelung ist eine sehr schwierige Frage und muss 
fast in jedem einzelnen Falle besonders entschieden werden. 
Wieviel man aber schon allein durch dieselbe tun kann, das 
hat man an hunderten von Fällen schon erfahren und wird 
'eder Arzt schon genügend erkannt haben, dies habe ich kürz- 
ich wieder an einigen Fällen in recht auffälliger Art gesehen. 
Die Nahrung, welche man einem solchen Patienten zuführen 
will, muss verschiedenen Anforderungen gerecht werden, denn 
erstens muss sie sehr konzentriert sein, sie muss einen hohen 


Nährwert und Kraftwert besitzen, zweitens muss sie sehr leicht 
verdaulich sein, so dass auch der Magen, der in mangelhafter 
Tätigkeit sich befindet, dieselbe leicht assimilieren und die 
zum Umsatz in Kraft gee^eten Bestandteile leicht in das 
Blut überführen kann. Neben diesen Hauptanforderungen 
müssen noch einige weniger wichtige beachtet werden, näm¬ 
lich die Nahrung muss bei hohem Gehalt an Kraft einen ge¬ 
ringen Raum einnehmen, muss wohlschmeckend und leicht em- 
znnehmen sein. Alle diese Anforderungen bei der Ernährung 
zu erfüllen, ist manchmal im Privathaushalt gar nicht leicht 
wenn man nicht über unbegrenzte Geldmittel verfügt, man hat 
daher, und auch aus einer Menge anderer Gründe, z. B. weil 
der Laie die Nahrung nur schwer nach den Forderungen des 
Arztes einrichten und herstellen wird, etc., künstliche Nälir- 
mittel geschaffen, welche allen diesen Anforderungen genügen, 
und d^er zu solcher Ernährung die geeignetsten Mittel dar- 
Btellen. Es ist bei weitem be(}uemer, einfacher, billiger und 
rascher getan, dem Kranken eine Mahlzeit aus einem künst¬ 
lichen Nährmittel herzustellen, als eine solche aus den Mitteln 
der Rüche zusammenzustellen. Mit den künstlichen Nähr¬ 
mitteln führt man dem Kranken vor allen Dingen Eiweiss in 
leicht assimilierbarer Form, Lecithin, Eisen zu, jene Bestand¬ 
teile, die besonders zum Aufbau und Lebensunterhalt der 
Zelle dienen. Die Stoffe werden in dem mit einem Krank- 
heitsprozess ringenden Organismus besonders gebraucht, und 
namentlich das Eiweiss und Lecithin stellen die wichtigsten 
Stoffe dar, aus denen der Organismus einerseits, das Nerven¬ 
system andererseits Kraft schöpfen. Vor allen Dingen muss 
das Eiweiss in einer Form in dem Nährmittel entboten sein, 
in der es leicht und rasch resorbiert wird. Wie viel man 
durch die Nährmittel tun kann, wenn diese Bedingungen er¬ 
füllt sind, habe ich in einigen Fällen in der letzten Zeit wieder 
einmal besonders deutlich gesehen. 

Der eine von diesen I^len, den ich hier nur als Beweis 
für das Gesagte und für die günstige Wirkung der verwendeten 
Ernährungsform anführen will, ist folgender. 

1. Ein Knabe B. aus K.-Steinbek wurde wegen seines ver¬ 
änderten Wesens, Schlappheit, Mattigkeit, mangelhaftem Appetit 
etc. von der Mutter, die ich wegen eines Genitalleidens in Be¬ 
handlung hatte, zur Untersuchung auf den Gesundheitszustand 
ebracht. Der Knabe stammt aus sehr belasteter Familie, 
enn sein Vater ist an der Schwindsucht (Lungentuberkulose) 

f estorben. Zudem befindet sich in der Familie zur Zeit eine 
uberkuloseerkrankung, denn die 17jährige Schwester des 
Knaben leidet an weit fortgeschrittener Phthise. Die Mutter 
ist zur Zeit gesund, hat aber scheinbar kurz nach dem Tode 
des ersten Mannes, dem Vater des Knaben, den sie jahrelang 
pflegte, eine tuberkulöse Lungenaffektion durchgemacht, die 
aber abheilte. Der Knabe ist 11 Jahre alt, kräftig gebaut, 
gut genährt und war bis vor einigen Wochen ganz munter 
und gesund, erst seit dieser Zeit isst der Knabe fast nichts 
mehr, ausser etwas Brot, andere Speisen widerstehen ihm, er 
klagt über Mattigkeit, schläft viel, spielt wenig mit den anderen 


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222 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 20. 


Kindern, ist, kurz gesagt, vollkommen in seinem Wesen ver¬ 
ändert. 

Die Haltung ist krumm, die Brust ist eingezogen, das Aus¬ 
sehen des Knacken ist sonst normal, er ist gut genährt, der 
Pannicuilus adiposus ist kräftig entwickelt, die Muskulatur ist 
ebenfalls kräftig. Der Knochenbau stark. Die Brust ist breit, 
aber flach, eingezogen. Die Schultern stehen hoch und nach 
vorn. Bei gerader Haltung tritt aber die Brust mehr heraus. 
Die Atmung ist beiderseits gleichmäßig. Der Thorax ist kurz 
und wenig tief, die Lungen selbst smd vollkommen normal, 
eine Dämpfung ist nirgends zu finden, überall ist normales, 
reines, vesikuläres Atemgeräusch wahrnehmbar. Herz und 
andere Organe sind ebenfalls gesund. 

Dieser Befuud an dem Patienten war ein vollkommen 
negativer, es fand sich nur eine stark belegte Zunge, aber 
sonst war nichts weiter nachzuweisen. Der Knabe fühlte sich 
auch nicht gerade krank, doch war er bisweilen besonders 
müde und schläft dann plötzlich im Laufe des Tages einige 
Stunden. Daneben ist vollkommener Widerwillen gegen das 
Essen vorhanden, und es hilft da angeblich weder Strenge 
noch gütiges Zureden, der Knabe kann mittags die üblichen 
Gerichte nicht essen. 

Die Diagnose, welche ich in diesem Fälle stellte, war: 
beginnende Tuberkulose der Lungen. Zu dieser Diagnose 
wurde ich veranlasst, weil der Patient erstens von seinem 
Vater her erblich stark bezüglich der Tuberkulose belastet 
war, zweitens in naher Gemeinschaft mit einer schwerkranken 
lungentuberkulösen Schwester wohnte. Die den niederen 
Stünden angehörenden Lebte besitzen nur 3 Räume, Wohn¬ 
zimmer, Küche und Schlafzimmer, in welchem ausser der 
Fnm und ihrem Manne die tuberkulöse Tochter und der Knabe 
schliefen. Bei diesem engen Zusammenleben ist es doch 
selir wahrscheinlich, dass der hinsichtlich dem Tuberkelba- 
zillns schon wenig widerstandsfähige Knabe schon von der Tu¬ 
berkulose affiziert war. Ein sicheres Zeichen ist der mangelnde 
Appetit, die plötzlich seit einigen Wochen eingotretene Mattig¬ 
keit und Unlust zur Arbeit. Dabei fehlten aber jegliche ^mp- 
tome wie Husten, Auswurf, Schmerzen etc. Da der Knabe 
sonst gesund und kräftig entwickelt ist, so kann man annehmen, 
dass me Lungen zuerst von den Tuberkelbazillen ergriffen 
werden, und bereits eine Affektion bestehen musste, dies 
Hess sich aus den übrigen Symptomen entnehmen. Es war 
nun in diesem Falle vor allen Dingen notwendig, den Knaben 
von der kranken Schwester zu trennen und dann zu ver¬ 
suchen durch geeiraete Lebensweise die Krankheit zu be¬ 
kämpfen. Die Einflüsse dieser kranken Person waren absolut 
ungeeiguet für den Knaben, und es war die ewige'Gefahr, 


falls derselbe noch nicht von der Tuberkulose heften war, 
dass der disponierte Organismus infiziert würde. Ich vereuchte 
nun noch durch allgemeine Kräftigung des O^anismus der 
Krankheit entgegenzuarbeiten, und zu diesem ^ecke wurde 
die Diät besonders scharf ins Auge gefasst Da der Appetit 
mangelhaft war, so war'es von Anfang an klar, dass mit der 
gewöhnlichen Nahrung keine besonders günstigen Erfolge zu 
erzielen waren. Deshalb verordnete ich dem Kinde das künst¬ 
liche Nährmittel OddaM.R., ein Eliweiss-Lecithinpräparat von 
hohem Nährwert und leichter Assimilierbarkeit. Diese OddaM. R. 
wird mit Milch zu einem Getränk verarbeitet und erhält durch 
Zusatz von wenig Zucker und ein geringes Quantum Salz 
einen sehr angenehmen Geschmack, der fast dem der Schokolade 
gleicht So wurden früh, mittags und abends je ein Elss- 
löffel Odda M. R. mit Vi Liter Milch versetzt und dem Knaben 
gegeben. Daneben sollte die Nahrungsaufnahme ganz dem 
Willen und Wunsche des Knaben überlassen bleiben. — Der 
Erfolg dieser Ernährung war ein geradezu überraschender. 
Schon nach 8 Tagen berichtete mir die Mutter, dass der 
Knabe jetzt ganz verändert sei, denn er habe schon einige 
Tage nach dem Beginn der Kur viel besseren Appetit be¬ 
kommen und esse jetzt, was er vorher nie getan habe, das 
ihm Vorgesetzte Mittagessen mit Lust und in grossen Mengen. 
Dieser Erfolg war entschieden sehr gut, doch konnte derselbe 
eventuell nur durch das neue Nährmittel hervorgerufen worden 
sein, namentlich durch das neue in seiner Lebensgewohnbeit, 
und man musste erwarten, dass mit der Zeit die Gewohnheit 
den momentanen Erfolg vernichte. Solche Fälle kommen auch 
oft vor, sind aber mehr bei hysterischen und neurastheniscben 
Personen zu finden. Bei unserem Kranken hielt aber die 
günstige Wirkung der Oddamedication an und die Besserung 
schritt immer mehr vorwärts. Nach 14 Tagen hatte der Knabe 
2 Pfund an Körpergewicht zugenommen und die alte Lebens¬ 
lust wiederbekommen, was schon daraus hervorgeht, dass er 
seine Eltern bat, ihn doch in einen Turnverein eintreton za 
lassen, damit er nicht „schief werde^, was ich ihm prophezeit 
hatte, wenn er nicht besserer Haltung des Körpers sich be- 
fieissigte. Um nun eine gerade kräftige Figur zu erhalten, 
wollte er turnen, ein Plan, den ich entschieden begünstigte, 
denn durch Turnen konnte dem Organismus nur gedient werden. 
Der Knabe bekam nun die begonnene Diät weiter und ich 
konnte zu meiner Freude sehen, wie aus dem vorher aof 
Tuberkulose höchst verdächtigen und schwer erblich belasteten 
E^naben ein kräftiger Bursche sich entwickelte, der sicher, falls 
nicht irgend ein Zufall ihn wieder betrifft, dereinst einen 
tüchtigen Soldat abgeben wird. Die Lungen sind nun nach 
Swöch^entlicher Kur vollkommen gesund, und die Mattigkeit, 


Feuilleton. 


Medicinisclies von und über Goethe. 

„Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen; ihr durch¬ 
studiert die gross und kleine Welt, um es am Ende gehn zu 
lassen, wie’s Gott gefallt. Vergebens dass ihr ringsum wissen¬ 
schaftlich schweift . . . “ So sagte, des trocknen Tones satt, 
der Schalk Mephisto zum fragenden Schüler. Er fügt dann 
jene mephistophelische Anweisung zur Praxis bei (doch der den 
Augenblick ergreift, das ist der rechte Mann . . .; an Kühnheit 
wird’s euch auch nicht fehlen, und wenn ihr euch nur selbst 
vertraut, vertrauen euch die andern Seelen . . .), die den 
Schüler ausrufen lässt: Das sieht schon besser aus! Man sieht 
doch wo und wie. — Weniger bekannt als diese Verse aus 
„Faust“ dürfte vielen sein, dass Goethe während seiner Juristen¬ 
zeit in Strassburg Medicin „studiert“ hat, nachdem schon seine 
frühere Leipziger Tisch-Gesellschaft ihn auf medicinischo In¬ 
teressen und Studien hingelenkt hatte. Und nicht alle dürften 
wissen, dass der Dichter neuerdings sogar ein „Studienobjekt“ 
der modernen Medicin geworden ist, indem man den Versucli 
wagte, Goethes Persönlichkeit und gesamtes literarisches Schaffen 


vom medicinischen und im besonderen vom psychiatrischen 
Standpunkt aus zu mustern. — 

Nicht nur ist es zunächst ein Arzt, Dr. Wilhelm Bode in 
Weimar, der in einer besonderen Vierteljahrschrift „Stunden 
mit Goethe“ (verlegt bei Mittler u. Sohn, Berlin, im Fotmat 
etwa eines ärztlichen Taschenbuchs) des Dichtere Lebenswerte 
der hastenden Gegenwart näher zu bringen bemüht ist, indem 
er mehr Lesen von und über Goethe „verordnet“ und bezüg¬ 
lich des letzteren Punktes die richtige „Diagnose“ stellt, dass 
es vor allem auf geniessbare Darlegung des Wissenswerten 
ankomme, sondern wir haben auch nunmehr eine in gewissem 
Sinne epochemachende medicinisch-literarische Studie aus der 
Feder des bekannten Arztes Dr. J. P. Möbius-Leipzig in seiner 
Pathographie über Goethe, die — anschliessend an me gleich¬ 
behandelten Rousseau, Schopenhauer u. s. w. — in zweiter 
Auflage schon vorliegt (in den Möbius’schen „Ausgewählten 
Werken“ bei J. A. Barth, Leipzig 2 Tie.). 

Was den Aesthetikei'n, Literarhistorikern, Philologen, Philo¬ 
sophen, Naturforschern, Juristen und Theologen recht war, be¬ 
ansprucht Möbius für die Mediciner und Nervenärzte als billig. 
Er will beweisen, dass der Biograph Sachverständige nötig 
hat, unter denen der Psychiater eine wichtige Stelle einnimmt. 
Wie der Seelenarzt ernstlich und gründUÄ sein Wissen für 
die Erkenntnis gro.sser Menschen verwerten könne, soll daneben 
auch den Fachgenossen gezeigt werden. Nicht ganz ohne Bitter- 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


223 


Unlust zu Arbeit uod Spiel, sichtbare Abmagerung und der 
deutlich nachweisbare Schwund von Kraft des Körpers und 
Geistes sind einem vollkommen dem Alter entsprechenden 
normalen Körper- und Geisteszustand gewichen. Neben der 
Diät hatte ich nur ab und zu ein Bad, kalte Abreibungen 
morgens und abends angeordnet. Das Körpergewicht hat in 
den wenigen Wochen um 6 Pfund zugenommen. 

Man ersieht aus diesem ('alle recht deutlich, wie viel 
Nutzen das enerdsche Eingreifen zur rechten Zeit stiften kann. 
Hätte in diesem Falle die Mutter des Knaben die Konsultation 
des Arztes verschoben, wie es in solchen Fällen so häufig ge¬ 
schieht, so würde jedenfalls eine tuberkulöse LungenafieKtion 
bei dem Knaben ausgebrochen sein, nur der rechtzeitigen Zu¬ 
fuhr von genügender Kraft ist es zu danken, dass dies ver¬ 
hütet wurde. 

Ein anderer ähnlicher Fall betrifft einen jungen Mann 
von 25 Jahren, der schon seit vielen Jahren an chronischer 
langsam verlaufender Lungentuberkulose leidet, welche zwar 
schon ziemlich hochgradig entwickelt war, aber doch durch 
viele und lange Behandlungen in ein äusserst langsam ver¬ 
laufendes Stadium verwandelt werden konnte, eine vollkommene 
Heilung war unmöglich. Der Kranke lebt nun schon seit 10 
Jahren als Phthisiker. Vor 2 Jahren operierte ich ihn wegen 
Tuberculosis testiculi dextri, und ’/j Jahr später wegen der 
linksseitigen Affektion. Vor 4 Monaten kam er wieder zu 
mir mit den Klagen über Nierenschmerzen mit kolikartigen 
Anfällen in der rechten Niere, trübem Harn etc., kurz, das 
ganze Bild deutete auf rechtsseitige Tuberkulose der Nieren. 
Der Mann wog vor V 2 Jahr noch 111 Pfund und als er zu 
mir kam, hatte er 10 Pfund abgenommen und sah sehr herunter¬ 
gekommen, matt, flau und krank aus. Er bekam alle 10 Tage 
anfangs, dann alle 4 Tage Fieberanfälle bis 40 mit Nieren¬ 
koliken rechts und Abgang trüben Harnes, diese Fieber hielten 
12 Stunden an, dann war der Kranke zwar noch sehr matt, 
aber wieder besser. Das Bild ist also klar, es ist rechtsseitige 
Pyclonephrose mit Tuberkulose vorhanden. Die Operation 
wurde erwogen, doch sollte erst noch eine Kur versucht werden. 
Ich behandelte die Nierenaffektion intern und richtete mein 
Augenmerk besonders auf die Diät, denn der Kranke, der 
immer früher sehr viel gegessen hatte, konnte jetzt fast nichts 
mehr essen, war matt, flau und äusserst deprimierL Ich ver- 
ordnete ihm neben einem Nierenmittel, über dessen Wirkung 
etc. ich an anderer Steile berichten werde, 3mal täglich 2 
Esslöffel Odda M. R. mit ^/a Liter Milch. Der Patient nahm dies 
auch regelmäßig ein und der Erfolg war hervorragend, denn 
die Nierenbehandlung hatte zur Folge, dass die Fieber voll¬ 
kommen ausblieben, dass der Ham weniger trüber war und 

keit sind diese Programmpunkte aufgestellr. Als erster wuch¬ 
tiger Versuch dieser Art nat sein Buch jedenfalls das Interesse 
für den grossen Meister wie für solche Probleme in Kreise 
getragen, die bis dahin diesen Forschungen fremd geblieben 
sind. In dem neu hinzugekommenen zweiten Band wird 
(S. 69—208) auf Grund der Tagebücher, Briefe und Gespräche 
eine wertvolle Zusammenstellung aller psychopathischen und 
physiopathischen Zustände gegeben, denen Goethe von 1767 
bis an sein Ende unterworfen gewesen ist. Da der Verfasser 
bei dieser Arbeit das Gall’sche Schema zu Grunde legte, so 
bringt der Schluss gewissermassen zur Rechtfertigung dieses 
Verfahrens einen Aufsatz über Goethes Beziehungen zu Gail. 
Der Hauptwert ruht auf dem ersten Teil (264 S.). der auch 
die von Weisser bearbeitete Gall’sche Maske als Titelbild 
bringt. Goethes Kenntnis psychopatisclier Zustände ergibt sich 
aus einer Zergliederung der wichtigsten seelisch abnormen 
Charaktere in den Dichtungen: Werther, Lila, Orest, Tasso, 
der Harfenspieler, Mignon usw. Es wäre aber falsch, daraus 
etwa auf eine besondere Vorliebe Goethes für Zeichnung ab¬ 
norm veranlagter Naturen za schliessen. Ihr häufiges Vor¬ 
kommen mag sich vielmehr daraus erklären, dass absolut nor¬ 
male Menscbennaturen überhaupt kein Vorwurf für künst 
lerische Behandlung sein können. Möbius bringt auch eine 
Skizze des Lebenslaufs Goethes mit besonderer Berücksichtigung 
der Krankheitszustände, nervösen Störungen, gelegentlicher An- 


die Schmerzen schwanden, während die Diät zunächst den 
alten Appetit wieder hervorrief, nach 14tägigei* Behandlung 
ass der kranke ebensoviel wie -früher, und er war wieder 
lebenslustig und fühlte sich viel besser. Nach 6 Wochen hatte 
er 4 Pfund zugenommen und fühlte sich wieder ganz gesund, 
so dass er seinen Dienst als kleiner Beamter wieder aufnahm. 
Der Erfolg in diesem Falle ist zwar keine Heilung, das ist 
unmöglich, aber eine so hervorragende Besserung, dass man 
erstaunt sein kann. Wenn auch viel durch die Behandlung 
des Nierenleidens gebessert wurde, so war doch auch die 
roborierende Diät in diesem Falle von hervorragender Bedeu¬ 
tung und hat einen grossen Anteil an dem vorzüglichen Erfolge. 

Ein dritter Fall betraf einen Knaben, der in meine Be¬ 
handlung kam wegen beginnender Perityphlitis. Der Knabe 
war 7 Jahre alt, aber äusserst schwach, zart gebaut, m^er 
und blass. Die Perityphlitis war nur gering und im Beginn, 
und zwar eine Folge chronischer Obstipaüon und bestand, 
und einer Epit}mhlitis incipiens, die aber auf lokale Behand¬ 
lung verschwand. Der Knabe hatte sehr wenig Appetit, und 
war sehr schwach und matt. Die Diät wurde deshalb so ein¬ 
gerichtet, dass er täglich 2 Esslöffel Odda M. R. erhielt Daneben 
eine leicht verdauliche gewöhnliche Kost, nachdem die Epity- 
phlitis abgebeilt war. Auch hier war schon nach wenigen 
Tagen nach dem Beginn dieser Diät bedeutende Besserung des 
Appetits zu konstatieren und Zunahme des Emährungs- und 
Kräftezustandes. Nach einigen Wochen war der Kranke ge¬ 
sünder denn je, er war kräftig und gutgenährt, fühlte sich 
kräftig und wohl. 

Diese drei Fälle veranlassten mich, dies künstliche Nähr¬ 
mittel Odda M. R., welches sich hier so hervorragend bewährt 
hatte, einer genauen Prüfungzu unterziehen und so nabe ich eine 
grosse Anzahl von weiteren Experimenten und Untersuchungen 
vorgenommen, die aber noch nicht vollkommen abgeschlossen 
sind, so dass ich noch nicht über sie berichten kann. Nur 
das habe ich erfahren und kann ich bis jetzt schon erkennen, dass 
Odda M. R. eines der besten künstlichen Nähr- und Kräftigungs¬ 
mittel ist. Dasselbe enthält vor allen Dingen reichlich Eiweiss 
und Phosphorsäuro, daneben Kalksalze und Kohlehydrate. Es 
ist keine reine Eiweissnahruug, die man mit Odda M. R. verab¬ 
reicht. Ein weiterer Vorzug neben der guten Wirkung ist der 
angenehme Geschmack, der vor allen Dingen in der Kinderpraxis 
von besonderem Wert ist. 

Diese drei Fälle zeigen recht deutlich, welchen enormen 
Nutzen man durch die richtige Ordnung der Diät stiften kann 
und wie ungeheuer wichtig bei der Behandlung chronischer 
Konstitutionskraokheiten die kräftige Ernährung des Patienten 
ist. Gerade die Tuberkulose ist unter diese Rubrik zu rechnen 


Wandlungen von taedium vitae, genialischer Erregungen, des 
weiteren einen Abschnitt über die „Periodizität“ im dichterischen 
Schaffen, die tiefe und wundersame Einblicke in die Gedanken¬ 
werkstätte eines genialen Geistes gewährt. Der Schlussabschnitt 
„die Familie“ entrollt in drastischer Weise die Tragik des 
Geschicks, das über der Nachkommenschaft Goethes gewaltet 
hat. — Über Christiane geh. Vulpius und die äussere und 
innere EntwickluM ihrer Familie hat inzwischen mit ruhiger 
Würde Dr. med. Walter Vulpiüs wertvolle Feststellungen 
geliefert im zweiten Heft der BoJe’schen „Stunden mit Goethe.“ 
Dass Goethe geradezu hypermystische Anschauungen und 
Neigungen gehabt habe — es wäre z. B. zu erinnern an Ma- 
karie und an das unzweifelhaft einen sehr tiefen Sinn bergen¬ 
de Märchen —, behauptete jüngst Prof. Max Seiling, der 
ihn in seinem Büchlein „Goethe und der Materialismus“ 
(Oswald Mutze, Leipzig, 1904) auch als einen der grössten 
„Obskuranten“ für den Okkultismus vindiziert. Dass Goethe — 
bei allem Studium der Medizin und seiner naturwissenschaft¬ 
lichen Beschäftigung — sich zum Primat und zu Selbständig¬ 
keit des Geistes bekannt hat, dass die persönliche Fortdauer 
nach dem Tode für ihn über jeden Zweifel erhaben war; dass 
er daneben Wiederverkörperung und Präexistenz annahm: dass 
er von der Existenz eines Geisterreichs und einer ganzen über¬ 
sinnlichen Welt, des „grossen Doppelreichs“ fest überzeugt war; 
und dass er als Okkultist in verschiedener Beziehung viel 


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224 


JIBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 20. 


uud bei der eiiurmou Voibreiiung derselueu uuter den Mensclien 
kann man sehr viel Unheil und Unglück verhüten, wenn man 
schon im Anfang sachgemäß den Kranken behandelt. Man 
ersieht aus den zwei erstgenannten Fällen, dass auch gegen 
Tuberkulose auf diese Weise erfolgreich zu Felde gezogen 
werden kann, und es ist in hunderten von ähnlichen Fällen 
bereits erwiesen, dass die Tuberkulose im Anfangsstadium 
heilbar ist Es ist auch diese Maßnahme die einzige Möglich¬ 
keit, welche uns gegeben ist, um dieser Erkrankung begegnen 
zu können, nur leider nicht in allen Fällen, und man ersieht 
daraus, wie der Organismus durch Zufuhr kräftigender Nah¬ 
rung seine natürlichen Sebutzstoffe gegen den Krankbeitspro- 
zess bilden und in genügendem Maße bilden kann. Es ist nun 
aber die Angabe des Arztes, in jedem einzelnen Falle die- 
ienige Ernährung und Nahrung zu finden, welche dem Orga¬ 
nismus am dienlichsten ist, d. h. welche für den jeweiligen 
Fall gerade diejenigen Stoffe dem Organismus zuführt, welche 
zur Bildung der Schutzstoffe gegen die Krankheitserreger ge¬ 
eignet sind. Hier ist unser Wissen erschöpft und wir können 
uns nur auf die Erfahrung verlassen. Es ist aber zweifellos 
und jeder, der besonders die Diät und Ernährung seiner 
Kranken studiert und beobachtet hat, wird dies auch vielfach 
erfahren haben, dass nicht jede Ernährungsart und jede Nah¬ 
rung für alle Fälle dieser Art so geeignet ist, dass sie zur 
genügenden Kräftigung und Stärkung des Organismus und 
seiner Funktionen beitragen kann. Man sieht z. B. sehr oft 
das eine künstliche Nährmittel in dem Falle vollkommen ver¬ 
sagen, während es in vielen ähnlichen Fällen vorzügliche Dienste 
tat. Dies ist nur zu erklären durch verschiedene Beschaffen¬ 
heit und Zustände der Organe und Teile des Körpers. Man 
muss da erst Erfahrungen sammeln und durch viele und inten¬ 
sive Untersuchungen und Beobachtungen zu entscheiden suchen, 
worin diese wechselnden Verhältnisse begründet sind. Ich 
habe diesem Punkte bereits seit Jahren meine Aufmerksamkeit 
geschenkt, allein es genügen diese Beobachtungen noch nicht 
zu einem Urteil. Es ist aber auch nicht so schlimm, denn 
einesteils besitzen wir eine grosse Anzahl verschieden zu¬ 
sammengesetzter Nährmittel, andererseits wirken ein grosser 
Teil der guten Mittel in den für sie geeigneten Fällen verhält¬ 
nismäßig sicher. Dass man aber individualisieren muss, und 
nicht em und dasselbe Mittel in allen Fällen anwenden darf, 
das gilt auch für die künstlichen Nährmittel. Hierüber werde 
ich an anderer Stelle nähere Erörterungen anknüpfen. 


weiter geht als die wissenschaftlichen Vertreter des Okkultis¬ 
mus (I^llenbach, du Frei, Zöllner, Brookes u. a.\ — glaubt 
Seiling im grossen und ganzen ebenfalls unter Beweis 
gestellt zu haben. Er protestiert deshalb energisch gegen die 
Zusammenstellung von „Häckel und Goethe‘^ und dagegen, dass 
sich Häckel in den „Welträtseln“ mit seinem „Monismus“ auf 
Goethe berufen wolle (S. 3—48), und bringt zum Schluss eine 
Menge von Zitaten und Belegen (50—145) als Beweise. Vor¬ 
sicht in ihrer Benutzung, um solch’ problematische Theorien zu 
stützen, gebietet sich dabei allerdings von selbst. Die Viel¬ 
deutigkeit, besonders der dichterischen Erzeugnisse, verlockt zu 
leicht, sie für den eigenen Standpunkt sprechen zu lassen: wie 
ja auch Goethe tatsächlich auf diese Weise zum Vertreter des 
Pantheismus wie Deismus, zum Anhänger und Leugner des 
Unsterbliehkeitsglaubens, zum ausgesprochensten Okkultisten 
wie zum Anhänger des hylogoistischen Materialismus Häckels 
gestempelt werden könnte, und jeglicher —ismus Anspruch auf 
Goethes Patronat machen dürfte. Eine förmliche Beschlag¬ 
nahme nach der einen oder anderen Richtung hiii wäre sicher¬ 
lich ein Fehler. 

Wer sich tiefer in die Goethe’scheu Seelen-Probleme ver¬ 
senken will, den möchte ich — ausser dem genannten — noch 
Hinweisen auf: „Goethes Charakter“, eine Seelenschilderung von 
Robert Saitschick (Fr. Frommanns Verlag, Stuttgart). Vom 
heutigen wisseuschaftiiehea Standpunkt aus ist „Goethe als 


Sitzungsberichte. 

Gea^lHchfrfl /Är GelmrishOlfe und Gynäkologie, 

Sitzung vom 9. März 1906. 

Vorsitzender: Herr Bumm. 

DemonstratioDen : Herr Ol shauaen stellt als ausserordentliche 
Seltenheit eine Kreisaende mit einem ante vulvam liegenden 
Prolaps der Vagina und der cervix vor, der — obwohl schon er¬ 
heblich abgeschwollen — über KindskopfgnMs ist. Therapeutisch 
beabsichtigt er, zunächst den Prolaps durch feuchte Umschläge etc. 
weiter zu verkleinern, ihn nach Eintreten kräftigerer Wehen zu 
reiwnieren und dann nach Möglichkeit die spontane Entbindung 
allzuwarten. 

Herr Heiusius demonstriert eine Kranke mit einem Tumor 
der hinteren Urethralwand, 

Herr Hartmann beendet seinen Vortrag über die Bildung 
des unteren Uterinsegments. Seine Auslührungen haben nur theo¬ 
retisches Interesse. 

Diskussion: Herren Rüge, Blumreich und Robert Meyer, 
Sitzung vom 23. März 1906. 

Vorsitzender: Herr Olshausen. 

Herr Olshausen widmet dem verstorbenen Geh. San.-Rat 
Dr. Beuske einen warmen Nachruf. 

Herr Bröse: Endometritis atropbica purulenta foe- 
tida. 

Die beiden von B, beobachteten Fälle betrafen Greisinnen von 
65 und 67 Jahren. Es bestand hei beiden ein dauernder, pro¬ 
fuser, eitriger Ausfluss von so penetrant foetidem Geruch, dass die 
Patientinnen ihrer Umgebung lästig wurden. Der Muttermund war 
für die Sonde gut durchgängig, nur manchmal wurde leichte Re¬ 
tention des Sekrets beobachtet. Natürlich bestand zunächst Ver¬ 
dacht auf Carcinom, besonders in dem einen der beiden Fälle, der 
Wochen lang da.s für Corpuscarcinom charakteristische Symptom 
der wehenartigen Schmerzen aufwies. Die Probeabrasio ergab in 
lieiden Fällen Endometritis atropbica. In dem einen Fall war <lie 
ganze' Schleimhaut in Granulationsgewebe umgewaodelt, in dem 
anderen fand sich eine hochgradige interstitielle Endometritis mit 
DrUsenschwund. Die bakteriologische Untersuchung des Sekrets 
ergab nichts besonderes. B. schlägt vor, diese Form der Endo¬ 
metritis unter dem obigen Namen oder der Bezeichnung Hystero- 
zaena besonders heranszubeben und betont ihre differentialdiag- 
nostische Bedeutung gegenüber dem Carcinom und Sarcom. Die 
Diagnose wird immer nur durch Probeabrasio zu stellen sein. 
Therapeutisch empfehlen sich stark desinfizierende Ausspülungen 
und Jodoformgazetamponade. 


Denker“ dargestellt von Prof. Dr. Hermann Siebeck, Giessen 
in Frommanns „Klassikern der Philosophie“ (herausg. von 
Prof. Dr. Fa Icken berg-Erlangen). Ein Bnch för jeden ge¬ 
bildeten Deutschen nennt dagegen Heynacher „Goethes Philo- 
.sophie aus seinen Werken“, von ihm mit ausführlicher Ein¬ 
leitung herausgegeben (bei Dürr, Leipzig 1905). 

Doch nun zu Goethe selbst „als Mediciner“! Mitten unter 
den anderen Fach-Aufsätzen dieser Zeitschrift bildet dies neue 
Thema vielleicht eine erfrischende Abwechslung, zumal ich 
wesentlich den Dichter selbst zu Wort kommen lassen mochte. 

In der vielfachen Zerstreuung, ja Zerstückelung seines 
Wesens und seiner Studien während des Aufenthaltes an der 
Leipziger Universität 1765—68, da trafs sich, dass er bei 
Hoirat Ludwig den Mittagstisch batte. Dieser war Medikus, 
Botaniker, und die Gesellschaft bestand meist in angehenden 
oder der Vollendung näheren Aerzten. „Ich hörte nun“, erzählt 
Goethe im zweiten Teil von „Aus meinem Leben“, „in diesen 
Stunden gar kein ander Gespräch als von Medicin oder Natur¬ 
historie, und meine Einbildungskraft wurde in ein ganz ander 
Feld hinübergezogen. Die Namen Heller, LinnA Buffon hörte 
ich mit grosser Verehrung nennen . . . Die Gegenstände waren 
unterhaltend und bedeutend und spannten meine Aufmerksam¬ 
keit. Viele Benennungen und eine weitläufige Terminologie 
wurden mir nach und nach bekannt“ . . . 

_ (Fortaetzung^ folgt.) 


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1906. 


MEDICINISCÜE WOCHE. 


225 


Diskussion: Herr Saniter ist der Ansicht, dass es sich in 
den beschriebenen Fällen nur um eine einfache und bei älteren 
Frauen garnicht übermäßig seltene intermittierende Pyomena, die 
zeitweise verschlossen war und dann wieder seoernierte, gehandelt 
habe. Er hält deshalb auch eine besondere Nomenclatur für über¬ 
flüssig. 

Herr Olshausen ist derselben Ansicht. 

Herr Brösei, Schlusswort. B.bestreitet entschieden, dass es 
sich in seinen Fällen um eine Pyomena gehandelt h.'ube, da der 
Muttermund durchgängig war und dauernder Ausfluss bestand. 
Wohl aber können aus derartigen Fällen eine Pyomena entstehen, 
nämlich dann, wenn durch Zunahme des Granulatiunsgewebes der 
innere Muttermund verschlossen wird. Diese Fälle sind mithin nicht 
idwitisch mit Pyomena, sondern erklären das Entstehen einer 
solchen auf Grund der primären Erkrankung des Elndometriums. 

Herr Robert Meyer; Ueber die benigne choriale 
Zellinvasion in die Uterus- und Tubenwand. 

B. demonstriert mit dem Projektionsapparat 50 Mikrophoto¬ 
graphien , zeigt die Herkunft der eingewanderten Zellen von den 
Chorionepithelien und bespricht ihre Bedeutung, besonders die 
praktisch wichtige Möglichkeit einer Verwechslung derselben im 
Gefolge von Plazentarretention mit malignem Chorionepitheliom. 

AerzUicher Vere(/n in Harnfm/rg, 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 24. April 1906. 

Vorsitzender: Herr Paschen. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Falke berichtet Über einen Fall 
von einem verschluckten Knochen, der sich unterhalb des 
Larynx festgespiesst und durch eitrige Mediastinitis zum Tode ge¬ 
führt hatte. Herrn Engelmanns Frage, ob die Aorta verlagert 
gewesen sei, wird verneint. 2. Herr Fahr: „Ueber die Färb¬ 
barkeit der Tuberk el bazi llen bei verschiedenen Kon¬ 
servierungsmethoden.“ Aua Anlass der Schmorlschen Be¬ 
hauptung, die Siraraonds bestritten hat, dass Formalin die Färb¬ 
barkeit der Tuberkelbazillen zerstöre, hat der Vortragende Ver¬ 
suche an Präparaten angestellt, die mehrere Monate gelegen hatten 
in a) 96%, b) absolutem Alkohol, c) 5%, d) 10% Formalinlösung, 
e) Müllerscher Lösung, f) Kaiserlingscher Lösung, g) Sal¬ 
petersäuregemisch und h) Trichloressigsäure. Letztere beiden 
Lösungen verändern das Gewebe bei längerem Aufenthalt stark, 
doch behalten die Tuberkelbazillen noch ihre Färbbarkeit, wenn 
schon die Kerne zerstört sind; sie verlieren sie erst, wenn die 
ganze Struktur vernichtet ist. In allen anderen obengenannten 
Lösungen, also auch in Formalin, behalten die Tuberkelbazillen 
ihre Tingierbarkeit unverändert. Herr Reuter hat sich gewundert 
in Schnitten häufig keine Tuberkelbazillen angetroffen zu haben, 
wenn ausgesprochen tuberkulöse Veränderungen vorhanden gewesen 
sind. Herr Fraenkel fragt, ob bei gewissen Konservierungs¬ 
methoden ein grösserer BazUlenreichtum vorhanden gewesen sei, 
und entgegnet auf die letzte Frage, dass das eine häufige Beob¬ 
achtung sei, die in der Art der in dem einzelnen Falle vorhandenen 
Tuberkulose begründet läge; so fände man z. B. in Schnitten von 
Lupusgewebe stets auffallend wenig Bazillen. Die Koch-Ehr- 
lichsche Färbemethode halte er für bei Weitem besser, als die 
Zielsche. Herr Fahr bestätigt Fraenkels Ausführungen und 
erinnert daran, dass auch in frischen Präparaten häufig bei stark- 
tuberkulösen Veränderungen nur wenig Bazillen vorhanden seien. 
3. Herr Fraenkel demonstriert die Harnorgane eines'45jährigen 
Phthisikers, an denen makroskopisch eine symmetrische Ver¬ 
kalkung des vesikalen Endes des Ductuu deferens zu 
erkennen war, Tn der Litteratur hat er nur einen gleichen von 
Chiari beschriebenen Fall gefunden. Auf dem Röntgenbild sieht 
die Verkalkung wie dicke Hörner aus, ausserdem zeigte das Büd 
eine Mediaverkalkung der Beckenarterie und viele Phlebolithen, 
Herr Simmonds hat schon 2—8 derartige Fälle gesehen, ohne 
dass besonders stark ausgeprägte Arteriosclerose bestanden hätte; 
in seinen Fällen war die Schleimhaut intakt, die Verkalkung sass 
in der Wandung, die Entstehungsursache war unbekannt. 4. Herr 
Paschen zeigt das Herz einer 75jährigen Frau, die ganz plötzlich an 
Herzruptur zu Grunde gegangen war. Der Herzbeutel war straff 
mit Blut gefüllt, an der Hinterseite des linken Ventrikels war eine 


kleine Oeffnung vorhanden. Die Ursache der Ruptur war in diesem 
Fall Erweichung, hervorgerufen durch eine thrombosierte Coronar- 
arterie. Ferner zeigt er das Herz eines Mannes mit Aortenin- 
sufficienz und enormer aneurysmatischer Aortener¬ 
weiterung. Herr Simmonds: Hämatoperioarde entstehen durch 
Ruptur des Herzens oder eines Aneurysmas; er hat vor Kurzem 
eine Obduktion gemacht, wo beides fehlte. Ein junger Mann, der 
an chronischer Nephritis litt und häufig Retinalblutungen litte, 
ging an einer Pneumonie zu Grunde. Der Herzbeutel war prall mit 
Blut geftiUt; trotz sorgftltigster Untersuchung wurde ein Qeftlss- 
riss nicht gefunden, wohl aber zeigten sich im Pericard verschiedene 
rostfarbene Stellen, sodass wohl 8(^on vorher Blutungen stattge¬ 
funden hatten. Es handelte sich also in diesem Falle um eine 
diffuse Blutung von der Oberfläche des Herzbeutels. , Herr Paschen 
beantwortet Herrn Edlefsens Frage nach der Todesursache im 
zweiten Falle, dass ein grosser Thrombus im Arcus aortae ge¬ 
funden wurde. Herr Fraenkel hat 2 ähnliche Fälle wie Herr 
Simmonds gesehen; es gibt seiner Ansicht nach eine klinisch 
idiopathisrhe hämorrhagische Pericarditis. Nach Herzruptur braucht 
übrigens der Exitus nicht a tempo einzutreten. Herr Simmonds 
entgegnet, dass in seinem Falle, soweit untersucht sei, sicher keine 
Pericarditis vorhanden war. Herr Lochte hat einen Mann seziert, 
dem 11 Stunden vor dem Tode ein schwerer Holzblock gegen die 
Brust geschleudert war; ausser Rippeufrakturen fand sich am 
rechten Herzohr eine nur borstengrosse Ruptur, die in Pericard 
c. 400 g Blut hatte durchtreten lassen tmd zur Herztamponade 
geführt hatte. 5. Herr Reuter: „Tuberkulose im Kindes¬ 
alter.“ a) Ein 11 wöchiger Säugling verstarb angeblich plötzlich. 
Eis fanden sich ein käsiger Herd in einer Lungenspitze, Verkäsung 
der Mediastinaldrüsen und in allen Organen miliare Knötchen. 
Die Aussaat entstand zweifellos dadurch, dass eine Lungenvene ge¬ 
rade in den käsigen Herd in der Spitze mündete, b) ein 2jähriges 
Kind ging an einer Diphtheritis zu Grunde. Ausserdem fanden sich 
tuberkulöse Geschwüre im Blinddarm und im unteren Dünndarm; 
die benachbarten Drüsen waren geschwollen. Es handelt sich hier¬ 
bei um eine zweifellose Fülterungstuberkulose. c) Ein anderes Kind 
war an einer Masempneumonie verstorben: die stark vergrösserte 
Thymusdrüse entleerte auf Druck käsigen Eäter, sonst war keinerlei 
Tuberkulose nachweisbar, auch Erstickungstod war nicht vorhanden 
gewesen, d) Ein viertes Kind zeigte eine tuberkulöse Endocar- 
ditis der Mitralis und beiderseitige Otitis media, ferner in der 
linken Hemisphäre einen Solitärtuberkel, e) Bei einem an Basilar- 
meningitis verstorbenen Kinde fand sich eine rechtsseitige apo- 
plectische Blutung, das blutende Geföss fand sich nicht, doch war 
es zweifellos eine Blutung des Plexus oder der Vena magna. Bei 
Erörterung der Frage, ob die Tuberkulose im ersten Falle er¬ 
worben oder angeboren sei, meint Herr Simmonds, dass die 
Wahrscheinlichkeit für eine heriditäre Belastung spre(flje, obwohl 
Herr Reuter hierüber keinen sicheren Aufschluss geben kann. 

n. Vortrag des Herrn Simmonds: „Zur Pathologie des 
Ductus Botalli.“ Vortragender berichtet Über sackförmige 
Aneurysmen der Aorta, die hart am Ductus Botalli gesessen hatten, 
und die als Aneurysmen des Ductus aufgefasst worden wären, wenn 
nicht mikroskopisch dieser in der Sackwand angetroffen wäre. In 
beiden Fällen handelte es sich dabei um jüngere, mit Syphilis be¬ 
haftete Individuen. Vortragender weist dann darauf hin, dass so¬ 
wohl bei Persistenz des Ductus Botalli, wie auch bei normalem 
Schluss desselben öfters an der Aorta flache oder tiefere Aus¬ 
buchtungen an der Mündungsstelle verkommen, dass diese in höheren 
Graden Aneurysmen bilden — sogenannte Traktionsaneurysmen 
nach Thoma, — welche ebenfalls mit Ductuseneurysmen verwechselt 
worden sind. Die überwiegende Mehrzahl aller als Aneurysma 
Ductus Botalli publizierten Fälle sind nur Aortenaneurysmen in 
der Nachbarschaft des Ductus Botalli gewesen. Schönewald. 

Schlesische Ges^l^ihaft, 

Sitzung vom 9. Februar 1906.' 

1. Prof. Uhthoff: Krankendem on s tration zur Oph¬ 
tha lmople|giR extern a. 

Bei dem vorgestellten Patienten besteht die Krankheit seit 
iVt Jahren unverändert; die Lider sind halb geschlossen, irgend 
welche^Bewegung'ist unmöglich, die innere Augenmuskulatur ist 
ganz intakt, ophthalmoskopisch ist nichts zu sehen. Der Vor- 


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226 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr 20. 


tragende hat aus der Literatur über 400 Fälle zusammengestellt, 
und zwar acute, subacute und chronische. Die Ersteren entstehen 
durch Intoxieation oder Infektion, von den Letzteren waren: 1. ganz 
isolierte Krankheitsbüder, 29 Fälle; 2. kompliziert mit Tabes, Para¬ 
lyse, 101 Fälle; 3. mit kombinierten Systemerkrankungen (Syring¬ 
omyelie), 9 Fälle; 4. gleichzeitig mit Bulbär-Erscheinungen, 40 Fälle; 
5. mit Basedow, 13 Fälle; 6. bei Diabetes, 8 Fälle; 7. bei Poly¬ 
neuritis. 11 Fälle. 

Die Prognose ist abhängig vom Alter. In der Jugend, allen¬ 
falls im n. oder III. Dezennium ist sie günstig, bei älteren 
Patienten oder mit spezifischer Anamnese ist sie schlechter. 

2. Prof. Herle: Kriegschirurgische Erfahrungen in 
Japan. 

Als der Vortragende im Februar v. J. in Tokio anlangte, um 
die Leitung der neu einzurichtenden Rote-Kreuzstation zu über¬ 
nehmen, erlebte er eine grosse Enttäuschung. In den Telegrammen 
war von 100 Betten und einem Genesungsheim für weitere 50 
Patienten die Rede gewesen; er konnte aber nur alles in allem 
unter Zuhilfenahme der Villa Moste 44 Betten aufstellen, für die 
er ein Wärterpersonal, einschliesslich zwei japanischer Aerzte und 
eines Apothekers, von 36 Personen zur Verfügung hatte. In der 
Nachbarschaft befand sich ein japanisches Lazaret mit 3000 Betten, 
das aber nur mit 150 bis 200 (meist inneren) Kranken belegt 
war. Denn so lange die russische Flotte noch bestand, konnte der 
Verwundetentransport nur in geringem Masse stattfinden und die 
Kranken mussten auf dem Festlande bleiben. Die japanischen 
Baracken waren grösser und boten dem Einzelnen auch mehr 
Baum; ferner hatten sie auch grosse Bodenräume, um die 
Sounenwärme abzuhalten; H. Hess zu diesem Zweck Strohdächer 
darüber anbringen. Oefen war nicht nötig, Beleuchtung bestand 
in elektrischem Licht, die Möbel, die zumeist dort angeschaff't 
wurden, waren aus Holz und wurden mit ausgekochten, sterilen 
Tüchern bedeckt. Die Wimdbehandlung wurde nach Mikulicz ge- 
handhabtr Zur Desinfektion wurde Seifenspiritus ohne Wasser an¬ 
gewandt, und zwar bis auf einen kleinen Misserfolg mit sehr guten 
Heilresultaten. Bei allen septischen Prozessen wurden Handschuhe, 
ebenso Mütze, Binde und Aermel gebraucht. Zur Narkose wurde 
fast immer Aether (mit Morph. Inj.), nur in zwei Fällen Chloro¬ 
form genommen; der Verlauf war, trotzdem der Alkoholgenuss, 
bis auf Reiswein, dort ganz unbekannt ist, kein sehr guter. Bier- 
sche Stauung- und Heissluftbehandlung wurden vielfach verwendet. 
Die Ilöntgerie war das Schmerzenskind; zunächst war gar kein 
elektr. Strom vorhanden, dann der sehr ungeeignete Wechselstrom, 
schliesslich bekam er eigene Dynamo-Maschinen die aber anfangs 
vollständig versagten; erst im Jnni klappte alles, und es konnten 
noch 500 Aufnahmen gemacht werden. 

Behandelt wurden im ganzen nur 272 Patienten, dagegen 
war die Zahl der Verpflegungstage 19840. Die Kranken blieben 
darum so lange dort, weil es sich zumeist um schwere Fälle 
handelte, welche die Japaner in Anerkennung der chirurgischen 
Ueberlegenheit des deutschen Operateurs ihm ausgesucht hatten, 
dann aber auch, weil sie bei der Entlassung wegen der bestehenden 
Invaliditätsgesetzgebung sehr schwerfällig sind. 

Die anamnestische Angaben der Verletzten stimmten meist 
nicht; gewöhnlich wurden als Krankheitssyraptome angegeben: 
Haemoptoe, Blasenblutung, Kopfschmerz oder Gedächtnisschwäche, 
je nach der Lokalisation der Verletzung, aber durch Böntgen- 
bilder wurde oft die Unrichtigkeit der Angaben festgestellt. 

Knochen-Atrophie trat .sehr häufig auf; alle Kranken liefen 
mit Krücken herum und konnten davon nicht abgebracht werden. 
Frische Fälle kamen überhaupt nicht zur Behandlung, der jüngste 
war ein IV 2 Monat alt, die meisten aber viel älter. Es wurden im 
ganzen 120 Operationen ausgeführt. 

Die modernste Verletzung ist die der Gefässe und Nerven. 
Aneurysmen hat H. sechsmal operiert, und zwar hat er zunächst 
nach der Resektion versucht, beide Stümpfe zu vereinigen, die 
Unterbindung hatte nie geschadet, da sich schon vorher ein Colla- 
teral - Kreislauf ausgebildet hatte; auch Gangrän trat nie ein. Es 
mus.ste nur genau beobachtet werden, damit bei Gefahr der Nerv- 
Atrophie durch Kompressen gleich eingegrifien werden konnte. — 
Trei)anationen wurden ^dreimal ausgeführt; bei einer Anzahl von 
Wirbolsiiulensrhüssen mu.4sten die Projektile entfernt werden, wegen 
der Gefahr der Lähmung, Die Ortsbestimmung wurde durch melir- 


fache Aufnahmen (Stereoskop-Bilder) gewonnen. — 30 Fälle von 
Verletzten der peripheren Nerven kamen vor, von denen drei 
wegen Aussichtslosigkeit nicht operiert wurden, da sie zu spät in 
Behandlung gekommen waren, in den anderen Fällen (es handelte 
sich um Neuralgien und Lähmungen) wurden entweder Resektionen 
gemacht, oder von intakten Nerven Lappen für einen verletzten 
abgenommen, oft worden noch Fettlappen um den Nerv gelegt, 
um ihn weich zu betten. Die Erfolge waren alle gut. 

Das grösste Kontingent stellten die Knochenverletzungen: 
Schussfrakturen mit Splitterungen und glatte Frakturen (Loch- 
schüsse), letztere in den weicheren Epiphysen. Ursachen der Eite¬ 
rungen waren Kleiderfetzen usw. und Sequester (27 Seqnestroto- 
mien); in einigen Fällen waren ausgedehnte Knochendefekte, in 
deren Folge P.seudarthrosen entstanden, die meist schlechte Heil¬ 
resultate lieferten, in drei Fällen von Kiefer - Pseudarthrose war 
der Erfolg einmal positiv, einmal negativ und einmal w’enigsteiis 
kosmetisch zufriedenstellend, was aber bei den Reisessem nicht 
schwer ins Gewicht fiel. Amputationen wurden nur wenig aus¬ 
geführt. In den Lungen sind viel Projektile eingeheilt; manch¬ 
mal traten später Blutungen oder auch Empyeme auf. Verletzungen 
der Baucheingeweide sind gar nicht vorgekommen, aus der Bauch¬ 
höhle sind einige Geschosse durch Laparotomie entfernt worden. 
Im Ganzen wurden bei 99 Patienten 68 Projektile beseitigt, ln 
einzelnen Fälle von reaktionsfester Einheilung waren die Kugeln 
doch von Eiter umgeben, in dem aber Bakterien nicht nachweis¬ 
bar waren. Resultate waren: von 272 Patienten, geheilt 112, ge¬ 
bessert 54, ungeheilt 22, vorübergehend nur zur Feststellung 
der Diagnose anwesend 94. 

Bis 14 Tage vor der Abreise war kein Todesfall vorgekommen, 
dann starb ein Patient an Herzschwäche nach einer Cbaolelithisis- 
Operation, nachdem er vorher ein Bad von 50'' C. genommen hatte. 

F. Peritz. 

Ma/nnheimer Aerzteverein, 

Sitzung vom 26. III. 1906. 

Jaküby: Zur Behandlung der Dysmenorrhoe. 

In der Mehrzahl der Fälle ist die Dysmenorrhoe keine selbst¬ 
ständige Erkranking, sondern eine Erscheinungsform der Menstru¬ 
ation, ein Symptom, welchem die verschiedenartigsten Ursachen zu 
Grunde liegen können. Dies sind Erkrankungen des Uterus, der 
Tuben, der Ovarien, des serösen üeberzuges dieser Organe sowie 
des Beckenbiudegewebes. Es bestehen bei dieser Form der Dys¬ 
menorrhoe auch ausserhalb der Menses Beschwerden, es lässt sich 
oft ein Zusammenhang mit einer Infektion nachweisen und die 
Behandlung ist durch die Beseitigung des Grundübels gegeben. 
Teilhaber hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Dysmenorrhoe 
häufig auch eine idiopathische Erkrankung sei, denn 1. findet man 
die Dysmenorrhoe weitaus am häufigsten bei jungen Frauen und 
Mädchen, die nie geboren haben, sehr oft bei Virgines intactae, 
während doch die anatomischen Veränderungen umgekehrt weit 
häufiger hei Deflorierten als bei Virgines viel zahlreicher bei Frauen 
die geboren, als bei jungen Nulliparis sind; 2. wechselt Grad und 
Stärke der Dysmenorrhoe bei derselben Frau in verschiedenen Monaten 
bei ganz gleich lileibenden anatomischen Verhältnissen der Geni¬ 
talien; 3. bewirkt ein Wechsel des Aufenthaltsortes der Patien¬ 
tinnen ein Ausbleiben der Dysmenorrhoe und 4, spricht auch der 
Umstand, dass die Dysmenorrhoe bei gleichen örtlichen Erkran¬ 
kungen und Abnormitäten .sowohl vorhanden sein wie auch fehlen 
kann, dafür, .dass in diesen der hauptsächlichste Grund für ihre 
Entstehung häufig nicht gefunden werden kann. Als weiteren 
Beweis für die idiopathische Dysmenorrhoe führt Vortragender 
den an, das.s man der Dysmenorrhoe besonders häufig bei jungen 
chlorotisehen Individuen begegnet, bei denen jegliche anatomische 
Veränderung an den Genitalien fehlt. Charakteristisch für diese 
Art der Dysmenorrhoe sind rhytmisch auftretende, kolikartige 
Schmerzen verbunden mit mehr oder weniger starken Blutungen; 
die Schmerzen sind streng an die Menses gebunden und hören in 
der Regel auf, wenn die Blutung gut im Gange ist. Die Behand¬ 
lung der Dysmenorrhoe als Symptom eines bestehenden Leidens, 
hat sich zunächst auf die Beseitigung des Grundübels zu beziehen; 
ist sie lediglich Folge de.ssellien, so wird die eingeschlagene Therapie 
aucli von Erfolg l)egleitet .sein. Die idioj)athis»'he Form der Dysme¬ 
norrhoe bietet oft jeder Aiü der Behandlung Trotz, daher die Mannig- 


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1006 . 


MEDICINISCHE WOCHE. 


227 


faltigkeit der angepriesenen Heilmittel. Vortragender erwähnt 
Autipjrrin, Bromkali, Extr. Viburopromifol, Apiol, Manganpräparate. 
elektrische Behandlung und die Bepinselung bezw. Aetzung der 
vorderen Enden der unteren Nasenmuscheln und des Tuberculum 
septi nach Fliess. Als neues, sehr zuverlässiges Mittel gegen 
Dysmenorrhoe empfiehlt J. relativ hohe Dosen von Styptol, dem 
phthalsauren Salz des Cotarnins, welches in den letzten Jahren 
besonders gegen Unterusblutungen empfohlen worden ist. J. hat 
dieses Mittel in ca. 60 Fällen von Dysmenorrhoe angewandt und 
sich stets von der prompten Wirkung überzeugen können. Es 
kommt in Form von roten Tabletten in Originalröhrchen zu 20 
Stück ä 0,05 gr in den Handel. Es ist ausgezeichnet durch seine 
Doppelwirkung; es bekämpft Gebärmutterblutungen, wirkt also 
styptisch und ausserdem hat es eine deutliche sedative Wirkung. 
Diese EUgenschaften sind teils durch eine Anzahl Experimente 
verschiedener Autoren, wie durch reichliche Erfahrung nachgewiesen 
worden. Die styptische Dosis liegt niedriger als die sedative. Das 
Mittel kann aber in verhältnismäßig hohen Dosen gegeben werden, 
da irgend welche toxische Wirkungen beim Gebrauch des Styptols 
bisher überhaupt noch nicht nachgewiesen worden sind. Man ver¬ 
ordnet am besten 3—4X2 — 3 Tabl. ä 0,05 gr p. d. Mit dem 
Gebrauch des Styptols ist schon einige Tage vor Beginn der dysme- 
norrhoischenBescWerden zu beginnen; dasselbe ist dann während 
der Dauer der Blutung weiter zu nehmen, dadurch werden sowohl 
die Schmerzen wie auch Stärke und Dauer der Blutung wesentlich 
beeinflusst. Bei gleichzeitig bestehender Chlorose wird in der 
intermenstruellen Zeit ein blutbildendes Mittel verbunden mit einer 
Milchkur gegeben; ersteres kommt bei Gebrauch des Styptols, also 
vor Beginn der Menses in Wegfall. Styptol zeichnet sich ferner 
durch grosse Billigkeit aus, ein Originalröhrchen kostet 0,80 M. 

Autoreferat. 


Kongressbericht. 

35. Kongress der JDeiUschen GesellscJiaft 
für Chirurgie. 

4.-7. April 1906. 
n. Verhandlungstag. 

Hr. Krönlein-Zürich: Zur Chirurgie des Magenge¬ 
schwürs. 

Seitdem Leube auf dem Chirurgenkongress 1897 in seinem 
Vortrage über die Behandlung des Magengeschwürs auf Grund 
seiner Erfahrungen zu dem Resultat gelangt war, dass er bei seiner 
konsequent duvchgeführten Behandlungsweise nur in ca. 8% der 
Fälle keine volle Heilung erzielt habe bei nur 2,5% TodesfklJen, 
sei die chirurgische Behandlung des Magengeschwürs stark in den 
Hintergrund getreten. Indessen die Zahlen Leube’s berück¬ 
sichtigten nur die unmittelbaren Ergebnisse der Behandlung, nicht 
aber die Pernresultate. Erst in neuerer Zeit seien zwei Arbeiten 
erschienen, welche sich mit der Feststellung der Dauerresultate 
bei interner Behandlung beschäftigten, von Warren in Boston 
und von J. Schulz in Breslau. Der erstere habe an 125 von 
im ganzen 187 Patienten Nachforschungen anstellen können. Von 
diesen 125 seien 45 geheilt geblieben, 54 mal sei ein Rezidiv auf¬ 
getreten. An Perforation sei der Tod 6mal, an Ulcuscarcinoin 
5 mal aufgetreten. Im ganzen habe er in der Fälle erfreuliche 
Resultate, in der Fälle Misserfolge erzielt. J. Schulz hat von 
291 Kranken 157 nach untersuchen können. Bei diesen habe er 
in 77% nachhaltige gute Erfolge erzielt, während er in 23% 
Misserfolge zu beklagen habe. Von seinem eigenen Material 
berichtet Kr,, da.ss bis auf 5 alle nachuntersucht werden konnten, 
dass die Mehrzahl der Patienten bereits einer langdauernden internen 
Therapie unterzogen war, bevor sie zur chirurgischen Behandlung 
kamen, dass sie durchschnittlich mehr als 5 Jahre an ihrem Ulcus 
litten. Die Diagnose ist fast in allen Fällen mit Sicherheit ge¬ 
stellt gewesen. Er habe im ganzen an 101 Fällen 112 Operationen 
au-sgeführt. Von seinen Ulcuspatienten seien 87 geheilt worden, 
während er 14 TodesflUle zu beklagen hatte. Die mittelliaren 
Operation.sresnltate liatten .sich so gestaltet, »biss l)ei 112 Ope¬ 
rationen 98 gilt verlaufen waren, während 14mal ein tötlioher 


Ausgang erfolgte. Bei seinen Nachuntersuchungen habe er nur die 
Patienten berücksichtigt, die bis zum Dezember 1904 zur Operation 
gelangt seien; unter diesen 72 Fällen konnte er über 67 Nach¬ 
richten erlangen, und zwar seien 41 Fälle völlig geheilt und 16 
gebessert gewesen; 8 haben die Operation zwar überstanden, sind 
aber ungeheilt geblieben, und 2 sind gestorben; er habe also in 
157 Fällen = 85% gute Erfolge, in 10 Fällen =«■ 15% Misser¬ 
folge gehabt. Für die Normalmethode der Operation erklärt er die 
Gastroenterostomie, und zwar die Gastroeuterostomia retrocolica 
postica nach v. Hacker, bei der er unter 89 Fällen 79 Heilungen 
erzielt hat, während 10 Fälle gestorben sind. Die Exzision des 
Magengeschwürs soll dagegen nur ganz ausnahmsweise gemacht 
werden, zumal das Magengeschwür häufig multipel auftritt, und 
auch die Exzesion das Auftreten von Rezidiven nicht verhindert, 
ebenso ist die Indikation' für die Pylorusresektion nur sehr selten 
gegeben, wenn die Induration des Geschwürs den Verdacht auf 
Carcinom erweckt; die Gastrolyse und die Pyloropla.stik ist nach 
den jetzigen Erfahrungen nicht mehr gerechtfertigt. Die Indikation 
für ein operatives Eingreifen überhaupt hält Kr. dann für ge¬ 
geben, wenn eine konsequente, eventuell wiederholte kurmäßige 
innere Behandlung keinen Erfolg gibt; ferner bei nachgewiesener 
Pylorusstenose, bei motorischer Insuffizenz, die durch interne Therapie 
nicht beeinflusst werden kann; bei wiederholten kleineren Blutungen, 
bei einmaligen starken Hämorrhagien, hier jedoch erst dann, wenn 
der Kranke sich von dem Blutverlust etwas erholt hat. 

Die Frühoperation des einfachen Magengeschwürs erklärt der 
Redner jedoch für gänzlich, unberechtigt. 

Hr. Rydigier-Lemberg tritt im Gegensatz zu dem Vor¬ 
tragenden für die Resectio pylori bezw. die Exzision des Ulcus ein. 
Die Multiplizität des Ulcus sei nur selten, auch könne auf der 
Basis des Ulcus leicht ein Carcinom entstehen; endlich sei die 
Mortalität bei der Resektion wegen Ulcus nicht wesentlich grösser 
als bei der Gastroenterostomie. Schliesslich stellt E. die Patientin 
vor, bei der er vor 25 Jahren zum ersten Male die Resectio pylori 
wegen Ulcus ausgeführt habe, die seitdem sich einer sehr guten 
Gesundheit erfreut habe. 

Hr, Kümmel-Hamburg stimmt mit dem Vortragenden in be¬ 
zug auf die Indikationsstollung und aut die Therapie überein und 
betont noch besonders, dass eine sorgfältige Ernährung der Patienten, 
die meistens in sehr elendem Zustande zur Operation kämen, er¬ 
forderlich i.st. Er beginnt die Ernährung der Operierten gleich 
nach der Operation mit Eiern und Milch. Die Nonnaloperation 
war auch für ihn die Gastroenterostomie, die er 60mal unter 80 
Operationen ausgeführt hat; 6 Todesfälle. Von den 14 wegen 
hinterer Perforation Operierten sind nur diejenigen durchgekommen, 
die in den ersten 15 Stunden nach der Perforation operiert wurden. 

Zum Schluss erwähnt er die Bedeutung der Röntgenunter¬ 
suchung, die die Unterscheidung von Ulcus und Carcinom ermög¬ 
lichen. 

Hr. Kelling-Dresden berichtet über 74 operativ behandelte 
Fälle von Ulcus ventriculi, bei denen er die verschiedensten Ope¬ 
rationsverfahren angewendet hat; die Mehrzahl jedoch wurde mit 
Gastroenterostomie behandelt. Was die Dauerresultate anlangt, so 
hatten 6 Patienten ein Ulcusrezidiv, 6 litten an neurasthenischen 
Beschwerden ; 2 mal sei später auf dem Boden des Ulcus ein Carcinom 
gewachsen. 

Hr, Kocher-Bern bestätigt die Angaben Krönlein’s. Er 
verfügt über 92 Fälle von Gastroenteroanastomose. Die unmittel¬ 
baren Resultate waren sehr günstige, da nur 3 Patienten starben, 
davon 2 an Ulcusbliitungen. Für die Ueberlebenden ergab sich 
eine spätere Mortalität von 4,2%. Die Gastroenteroanastomie 
ist die Normalmethode, die Resektion wird nur bei Verdacht auf 
Carcinom ausgeführt. Von den verschiedenen Operationsverfahren 
hat ihm die einfachste Methode die besten Resultate gegeben, näm¬ 
lich die Gastroenteroanastomia antecolica anterior; dann folgt die 
retrocolica inferior nach v. Hacker. Die einfachen Methoden 
wirkten besser, weil sie am wenigsten zu Verwachsungen führten. 

Hr. Kau sch-Schöneberg stimmt Krönlein zu in bezug auf 
die Indikation, tritt jedoch lebhaft für die Gastrolysis und die 
Pyloroplastik ein. Auch wendet er gelegentlich die Gastroduodenos- 
toinie lateralis nach Kocher an; den Murphyknopf verwirft er. 

Hr. N 0 et z el - KranUfiirt a. M. P e r fo j-i e rt e Magenge-, 
schwüre. Von 13 operierten Fällen wurden 7 geheilt. 2 Fälle 


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228 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 20. 


wurdeo ioDerbalh der ersten 4 Stunden operiert und zeigten noch 
keine Peritonitis, davon starb einer an Collaps. Die übrigen Fälle 
hatten Peritonitis. Von diesen wurden operiert innerhalb der 
ersten 10 Stunden 3 mit ebensoviel Heilungen, nach 24 Stunden 
3 mit i Heilung und 2 Todesfällen, nach 48 Stunden 2 mit eben¬ 
soviel Heilungen, nach 3 Tagen und darüber 3 mit ebensoviel 
Todesfällen. 

Die Behandlung bestand in Exzision der Geschwüre, drei¬ 
schichtiger Naht des Magens, auf welche ein Tampon gelegt wird, 
und gründlicher Ausspülung und Drainage der Bauchhöhle mittels 
2 seitlichen Eontrainzisioneu, auch wenn noch keine Peritonitis 
bestand. 

Von den geheilten Fällen wurden 5 nachuntersucht und be- 
s(;hwerdefrei gefunden, davon 2 nach mehr als 2Vz Jahren. Eine 
Patientin starb 3 Monate nach der erfolgreichen Operation und 
zeigte bei der Sektion eine ideale lineare Narbe des Magens. 

Hr. Körte-Berlin hat 36 Fälle von Perforationen beobachtet; 
davon fanden 24 in die freie Bauchhöhle statt, 12 in den sub¬ 
phrenischen Kaum. Die ersteren 24 kann man in 2 Serien zer¬ 
legen. Die erste, aus 10 Fällen bestehend, sind solche, die spät 
zur Behandlung kamen. Davon starben 9; einer wurde geheilt. 
Von den 14 Fällen der zweiten Serie wurden 5 geheilt und 9 
starben. Diese Fälle sind früher auf die Abteilung gekommen; 
die Operation in den ersten 12 Stunden nach der Perforation er¬ 
geben die besten Besultate. Die Operation bestand in Äusschneidung 
des Geschwürs, Naht und Ausspülung des Bauches. Bei den sub¬ 
phrenischen Abszessen hatte er 7 Todes&lle und 5 Heilungen 
unter 12 Operationen. 

Im ganzen hat er 155mal bei Ulcus operiert. Darunter be¬ 
fanden sich 12 Resektionen mit 2 Todesfällen and 84 Gastro- 
enteroanastomien mit ebenfalls 17,8% Mortalität. Auch nach den 
Resektionen traten Rezidive auf. 

Hr. Eatzenstein-Berlin berichtet über Experimente, die 
er über die Wirkung der Gastroenterostomie bei Hunden angestellt 
hat. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass bei jeder Art der 
Gastroenterostomie Darminhalt io den Magen Übertritt. Dadurch 
wird die Acidität des Mageninhalts aufgehoben, der Mageninhalt 
wird alkalisch. Hierin und nicht in der schnelleren Entleerung des 
Magens siebt er die günstige Wirkung der Operation. 

Zugleich haben die Experimente aber auch bedeutungsvolle 
Ergebnisse für die Ernährung der Kranken gehabt. Das Pepsin 
vermag seine eiweissspaltende Wirkung nur im Magensaft zu ent¬ 
falten. Wird der Mageninhalt durch den Uebertritt des Darminhalts 
alkalisch, so wird das Pepsin wirkungslos, wohl aber können jetzt 
Pankreas-Sskret und Galle in Tätigkeit treten. Deren Wirkung 
ist eine fettspaltende. Eatzenstein empfiehlt daher auf Grund 
seiner Versuche sowohl als auch auf Grund einiger klinischer Er- 
lahrungen als Ernährung nach der Gastroenteroanastomie wegen 
Ulcus eine Fettkost. Genaueres behält er sich für seine ausführ¬ 
liche Publikation vor. 

Hr. Lorenz-Wien tritt für die Gastroenteroanastomica retro- 
colica als Normaloperation ein; die Resektion hält er nur ausnahms¬ 
weise für berechtigt. 

Hr. Fiebig-Wien berichtet über Experimente, bei denen es 
ihm gelungen ist, durch Kombination von Arteiiennnterbindongen 
und Anätzen der Schleimhaut echtes Ulcus ventriculi hervorzurufen. 

Hr. Körte-Berlin bemerkt dazu, dass diese Ergebnisse ein 
vollkommenes Novum darstellten; ihm seien bei ähnlichen Versuchen 
keine Erfolge bescbieden gewesen. 

Hr. Lauenstein-Hamburg bestreitet die Behauptung, dass 
die Bildung von Verwachsungen durch aseptische Operation ver¬ 
hindert werden könnte. 

Ferner bemerkt er, dass sich bei Perforationen die Ueberer- 
uährung des Ulcus empfehle, während er die Exzision bei den hin¬ 
fälligen Patienten für einen zu schweren Eingriff hält. 

Hr. Graser-Erlangen hat den Murphyknopf wieder aufge- 
gel>en. Bei der Gastroenteroanastomie empfiehlt er die Y-Naht 
nach Roux, aber genau nach dessen Vorschriften, anzuwenden. 

Hr, Clairemont-Wien berichtet über das Material der 
V. Eiselsberg’schen Klinik. Er verwirft die Resektion, die 
Gastrolyse, PyUroplastik und Gastroduodenostomie, empfiehlt viel¬ 
mehr die Gastroenteroanastomie, die er eventuell mit anderen Ein¬ 
griffen, Enteroanastomose, Pylorusausschaltung, Jejunoatomie kom¬ 


biniert. Die letzteren soll man jedoch nicht bei stark blutenden 
Geschwüren machen, da sie 5 solcher Patienten verloren hätten. 
Er glaubt, dass die Gastroenteroanastomose namentlich bei den am 
Pylorus sitzenden Geschwüren gute Erfolge erziele, dagegen keine 
bei den Geschwüren an der kleinen Gurvatur etc. Im ganzen 
seien 91 Gastroenteroanastomien aasgeführt worden, von denen 81 
geheilt, 10 gestorben seien: bezüglich der Femresultate kann er 
über 73 Fälle berichten, davon seien 29 geheilt, 13 gebessi'rt 
worden; 18 seien ungoheilt geblieben, 13 gestorben. Ferner ver¬ 
füge er über 10 operativ behandelte Duodenalgeschwüre. Zunächst 
seien 9 geheilt, einer gestorben; doch seien die Spätresultate 
schlecht gewesen. 

Hr. Barth-Danzig betriebt die Schwierigkeit der Diagnose 
bei Ulcus duodeni und empfiehlt auch für dieses die Gastroentero¬ 
anastomie. 

Hr, Hofmann-Graz befürwortet die Anwendung der Gastro- 
enteroanastomia retrooolica posterior nach v. Hacker, besonders 
auch auf Grund seiner Erfahrungen am callösen Geschwür. Die 
Gastrolyse bei offenem Ulcus und bei Pylorusstenose verwirft er. 
Die Resektion führt er nnr aus, wenn das Uloos an der kleinen 
Gurvatur sitzt. 

Hr. Neugebauer-Mährisch-Ostrau stellt einen Fall von 
Hirschsprung’scher Krankheit vor. Der Anfangsteil des nicht 
erweiterten S. Romanum wurde in den obersten, noch intraperitoneal 
gelegenen Teil des Rektnms implantiert; der Patient wurde geheilt. 

H. V. Stubenrauch-MUnohen berichtet über einen Fall von 
Stenose des Gboledochns durch Pahikreatitis. Br legte 
zunächst eine Oholedochusfistel an, die sich nicht schliessen wollte. 
Schliesslich gelang der Schluss durch eine Operation, bei der er 
den Defekt im Gboledochns finreb einen aus dem Magen entnom¬ 
menen Lappen deckte. 

Hr. V. Bramann-Halle demonstriert eine H aargesohwulst, 
die er aus dem Magen eines 13jährigen Mädchens entfernt hat. 
Das Mädchen hatte unbestimmte Symptome von Seite des Magens; 
eine Diagnose vor der Operation gelang nicht. Bei der Operation 
fand sich die Haargeschwulst, die einen vollständigen Ausguss des 
Magens darstellt. Bemerkenswert war die schwarze Farbe der 
Haargeschwulst, trotzdem die Patientin blond war. v. B. glaubt, 
dass an dieser Verfärbung die genossenen Eisenpräparate Schuld 
seien, welche der Patientin wegen der vermeintlichen Bleichsucht 
gegeben worden waren. Patientin wurde geheilt 

Hr. Blecher-Brandenburg stellt einen Soldaten vor, der nach 
einem Hufscblag gegen den Bauch eine Pankreatitis haemor- 
rhagica acquiriert hatte. Der Vortragende machte die Laparo¬ 
tomie, eröffnete eine hinter dem Colon gelegene Bluthöhle, in deren 
Tiefe man den Riss eines Pankreas fühlte. Derselbe wurde tam¬ 
poniert, da die Naht wegen der Tiefe der Wunde nicht möglich 
war. Nach der Operation zeigte sich 3 Tage lang Zucker im Urin. 
Ausgang in Heilung. 

Hr. Krönig-Freiburg: UeberRückenmarksanästhesie 
bei Laparotomie im Scopolamin-Dämmerschlaf. 

Vortragender hatte zunächst die Eückenmarksanästhesie allein 
angewendet; seine Patientinnen waren damit nicht zufrieden, weil 
sie die ganze Operation mit vollem Bewusstsein miterlebten. Er 
ist deswegen dazu Übergegangen, die Rückenmarksanästhesie mit 
dem Scopolamin-Dämmerschlaf zu verbinden; dadurch wurden die 
Erinnerungsbilder an die Vorgänge bei der Operation zum Schwinden 
gebracht. Im ganzen bat er das Verfahren bei 160 Fällen ange¬ 
wendet, darunter 65 mal bei der Laparotomie von oben und 30 mal 
bei der vaginalen Goeliotomie. Von den 160 Patientinnen hatten 
6 Erbrechen, 154 nicht. Es konnte gleich nach der Operation 
flüssige Nahrung zngeführt werden. Als einzigen Nachteil des Ver¬ 
fahrens hat er in 12 Fällen des Auftreten von Kopfschmerzen be¬ 
obachtet, die am 6.— 8. Tage auftreten und in 4 Fällen bis 2V2 
Tage anhielten. Ein Fall .•starb, wo der Tod durch die Anästhesier- 
ungsmethode verschuldet sein könnte, und zwar eine 65jährige 
Kranke, die wegen Carcinoma Uteri operiert worden war, bei der 
der Tod unter Atemstörungen eintrat. 

Diskussion. 

Hm. Kocher-Bern ist es gelungen, Strumen und Kehlkopf- 
carcinome unter spinaler Anästhesie zu operieren, wobei er Tropa- 
oooaiu in 2 proz. Lösung verwendete; eine Stunde vor der Operation 
gab er eine subkutane Morphiuminjektion. Er injizierte 0,1—0,12 g 


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1906 . 


MBDICINISGHIG WOCHE. 


229 


der Tropacocainlösung iu Trendelenburg’scher Lage. Nach 10 
Minaten konnte er operieren. Bei den Operationen am Halse wunle 
gelegentlich ein unangenehmes Erstickungsgei'uhl empfanden. 

Hr. Döderlein-Tübingen: Bakteriologische Experi¬ 
mentaluntersuchungen über operative Asepsis. 

Trotz aller Bemühungen sei es bisher nicht gelungen, die 
Operationswunden bakterienfrei zu erhalten. Auch die Anwendung 
der Trikothandschnhe nütze nichts, es dringen aus der Haut der 
Hände Bakterien in die Handschuhe ein und kämen von da in die 
Wunden. Auch der Gebrauch der Gummihandschuhe nach Küstner 
habe nichts gefruchtet, da hierbei aus der Haut des Operations¬ 
gebietes Bakterien in die Wunde eindringen. Die besten Ergeb¬ 
nisse hatten die Versuche gehabt, bei denen die Haut gewisser¬ 
maßen gegerbt worden sei, wo man den Bakterien den Austritt 
aus der Haut erschwert habe. Am meisten haben sich nach dieser 
Richtung Jodtinktur und Jodbenzin bewährt. Jedoch habe er erst 
vollkommene Resultate erzielt, als er noch etwas weiteres hinzn- 
gefügt habe, nämlich einen Ueberzug mit einer Gummilösung. 
Nach vielfachen Versuchen sei es ihm gelungen, eine sterile Gummi¬ 
lösung herzustellen und einen Apparat zu konstruieren, mittels 
dessen die Auftragung der Lösung auf die Haut in aseptischer ' 
Weise gelingt. Auf diese Weise habe er Eeimfreiheit der Wunden 
erzielt. 

Es wird der Apparat demonstriert, ferner werden Platten ge¬ 
zeigt, welche den Keimgehalt der Wunden vor und nach der An¬ 
wendung der neuen Methode illustrieren. 

Diskussion. 

Hr. V. Brunn-Tübingen berichtet über Versuche, welche mit 
der Döderlein’schen Methode an der v. Bruns’schen Klinik bei 
verschiedenen chirurgischen Eingriffen angestellt worden seien und 
bestätigt die günstigen Resultate Döderlein’s. Er erwähnt noch, 
dass er der Gummilösung Jodtinktur zusetzt bis zu einem Gehalt 
von 2 pM. 

Hr. Ueusner-Barmen macht darauf aufmerksam, dass er das 
Jodbenzin zur Desinfektion empfohlen habe; er sei mit der An¬ 
wendung desselben sehr zufrieden. Er wendet 1 prom. Jodbenzin 
an. Um der Übermässigen Entfettung der Haut durch das Benzin 
vorzubeugen, setzt er dem Jodbenzin etwas Faraffinöl zu. 

Hr. V. Oettingen-Steglitz empfiehlt namentlich für den Ge¬ 
brauch im Kriege die Umgebung der Wunden mit seiner Mastix¬ 
lösung zu bestreichen und dann erst sterile Verbandstoffe auf der 
Wunde zu befestigen. Er empfiehlt folgende Lösung: Mastix 20, 
Chloroform 50,0, Ol. Lini gtt. 20. 

Hr. Herhold-Altona hält die von Oettingen’sche Methode 
für den Kriegsgebrancb für za kompliziert. 

Hr. Sultan-Leipzig: „Ueber Herzverletzungen und 
Herznaht.“ 

Der Redner stellt einen Patienten vor, bei dem er in der 
Leipziger Klinik 5 Tage nach der Verletzung eine Herzwunde mit 
Erfolg genäht hat. Er ging von der äusseren Verletzung aus 
und legt das Herz unter Bildung eines Hautknocbenlappens frei. 
Dann bespricht er einen zweiten Fall, bei dem eine Wunde im 
linken Ventrikel genäht wurde. Der Verletzte starb an einer 
Blutung aus der Mammaria interna, deren Verletzung bei der 
Operation trotz eifrigen Suchens nicht gefunden worden war. Im 
Anschluss an die beiden Fälle diskutiert er die verschiedenen 
Methoden, die zur Freilegung des Herzens angegeben worden sind. 

Hr. Wendel-Magdeburg: „Zur Chirurgie des Herzens.“ 

Der Vortragende erwähnt zunächst, dass von 100 operativ 
angefassten Herzverletznngen 44 geheilt wurden und bespricht 
dann einen Fall, den er selbst in den sehr ungünstigen äusseren 
Verhältnissen auf dem Lande mit gutem Erfolge operiert hat. Er 
empfiehlt, wenn es irgend angängig ist, extrapleural vorzugehen 

Hr. Goebell-Kiel demonstriert einen Kranken, bei dem er 
eine Herzschusswunde mit Erfolg genäht hat. 

Diskussion. 

Hr. v. Brakel-Libau erwähnt einen Pall von Herzverletznng 
durch einen Granatensplitter. Er bekam den Patienten 10 Tage 
nach der Verletzung zu Gesicht; eine eitrige Pericarditis war höchst¬ 
wahrscheinlich bereits vorhanden. Das Herz wurde freigelegt, die 
eitrigen Blutgerinnsel aus dem Pericard entfernt, mit dem Eiter 
der Granatsplitter, ein Kleiderfetzen und ein Stück vom Sternum. 


Der Patient erholte sich zunächst. Am 15. Tage bekam er jedoch 
eine rechtsseitige Pneumonie, der er erlag. 

Hr. v. Zawadzki-Warschau referiert Uber eine Schnssver- 
letzung des Herzens, die ohne Operation zur Heilung gelangt ist. 
Das Projektil hatte sich im Körper durch Aufschlagen auf den 
knöchernen Thorax in -zwei Hälften geteilt. 

Hr. Borchardt-Berlin stellt einen Fall von Herzpfählung 
vor, der durch Operation geheilt wurde. 

Hr. Jaffe-Posen: Der Redner schliesst sich Herrn Sultan 
an, insofern auch er während der Versorgung einer Her/stichver- 
letznng -die Beobachtnug gemacht hat, dass bei Gelegenheit der 
Naht noch grosse Blutverluste eintreten können, so dass die bis¬ 
her leidliche Herztätigkeit versagt. In solchem kritischen Moment 
nützt nach den Erfahrungen des Redners, solange das Herz über¬ 
haupt noch lebensfähig ist, folgendes Mittel: Mau füllt nach der 
schnell ang^egten Naht den linken Ventrikel mittels einer Pravaz- 
schen Spritze mit physiologischer Kochsalzlösung: das nicht mehr 
schlagende Herz fängt sofort wieder zu schlagen an. — 

Hr. Noetzel-Frankfurt a.M.: Experimentelle Unter¬ 
suchungen über die Infektion und die Bakterienre¬ 
sorption in der Pleurahöhle. 

Die praktische Erfahrung, dass auch nach aseptischen Opera¬ 
tionen in der Pleurahöhle infolge der unvermeidbaren Unvollkom¬ 
menheit der Asepsis meist Eiterung eintritt, hat zu der Anschau¬ 
ung geführt, dass die Pleurahöhle im Gegensatz zur Peritonealhöhle 
eine ausserordentlich geringe Widerstandskraft gegen Bakterien 
besitzt. Demgegenüber hat Redner durch Tierexperimento nach¬ 
gewiesen, dass die natürliche Resistenz der normalen Pleurahöhle 
eine sehr grosse und deijenigen von Haut- und Muskelwunden 
überlegen ist. So z. B. verträgt die Plenraböhle des Kaninchens 
anstandlos ^/s ccm und bei grossen Kaninchen 1 ccm einer Bouillon¬ 
kultur von Staphylokokken, von welcher 0,3 ccm bei intravenöser 
Impfung die Tiere tötet und von welcher bei der intrapleuralen 
Impfung die minimalen an der Impfkanüle haftenden Mengen noch 
Abszesse in der Thoraxmuskulatur machen. Diese natürliche Resi¬ 
stenz, welche deijenigen der Peritonealhöhle analog wenn auch 
wohl quantitativ geringer ist, wird aber vollkommen gebrochen; 
wenn durch Eröffnung der Pleurahöhle ein Pneumothorax zustande 
kommt, wie es bei den intraperitonealen Operationen ohne An¬ 
wendung der Sauerbruch’scben Kammer oder des Brauer’schen 
Ueberdruckverfahrens der Fall ist. Die Versuchstiere, bei welchen 
ein Pneumothorax gemacht wurde, erkrankten nach Impfung der¬ 
selben und auch noch kleinerer Staphylokokkendosen regelmäßig 
an schwerer, fibrinös-eitriger Pleuritis. 

Redner prüfte ferner die Schnelligkeit der Bakterienresorption 
aus der Pleurahöhle und fand, dass, ebenso wie früher von ihm 
für die Peritonealhöhle aachgewiesen wurde, auch von der Pleura¬ 
höhle eine sofortige Resorption der Bakterien stattfindet, so dass 
5 Minuten nach der intrapleuralen Impfung die Bakterien (Pyo- 
cyaneus) bereits im Blut und in den inneren Organen durch das 
Schimmelbusch’sche Verfahren naebgewiesen werden können. 
Diese Resorption ist aber ebensowenig wie in der Peritonealhöhle 
die Ursache der Resistenz, sondern die Bakterien Vernichtung er¬ 
folgt in der Pleurahöhle selbst. Diese reagiert auf die Infektion 
zunächst mit einem leukocytenhaltigen Exsudat, welches dann in 
der Folge wieder verschwindet. Man kann diese Vorgänge in 
allen Stadien an den getöteten and sezierten Tieren beobachten. 


Aus dem 

Gebiet der Volkshygiene. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Seitdem in Deutschland der Kampf gegen die Tuberkulose in 
intensiver Weise aufgenommen worden ist, bildet die deutsche 
Aerztesohaft die Elitetruppe der Kriegsführenden. Ueberall wo 
es galt, neue Kampfesformen zu finden, wo statistische oder wissen¬ 
schaftliche Untersuchungen zu Grunde gelegt werden mussten, 
waren die Aerzte zur Stelle. Es darf sie daher mit grösster Ilu- 
friediguug erfüllen, das.s, wenn auch langsam, so doch unverkenn¬ 
bar Erfolge in diesen Kampfe erzielt werden. Dafür legt u. A. 


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230 


MEDlCrNISCHE WOCHE. 


Nr. 20. 


wiederum Zeugnis ab der uus vorliegeude Verwakuiigsbericht der 
Landeaversicherungsanstalt Berlin l'ür das Jahr 1904. Von nahe¬ 
zu 1300 dort behandelten Lungenkranken wurden fast 700 als 
voll erwerbsfähig, fast 400 als 75®/o erwerbsfähig entlassen, 
während nur bei 100 eine Erwerbsfäbigkeit unter 3.‘}V3®A fe.stge- 
stellt wurde. Allerdings fehlt in dem Bericht eine Angabe über 
die Dauer der Resultate, und es wäre zur Beurteilung des Wertes 
der Lungenheilstätten überhaupt von gro.ssem Interesse, wenn in 
einem der nächsten Berichte eine möglichst eingehende Darstellung 
der Dauerresultate gegeben werden könnte. 

Dass die Lungenheilstätten durch die Art, wie sie die Kranken 
zu einer hygienischen Lebensführung erziehen, ausserordentlich 
segensreich wirken, erscheint uns zweifellos. Ob aber die den 
Krankheitsprozess selbst betreffenden Resultate nicht durch weit 
einfachere Mittel zu erreichen sind, ist noch Gegenstand der Dis¬ 
kussion. Wir denken dabei in erster Linie an die von unserem 
leider jüngst verstorbenen Kollegen Wolf, Becher geschaffenen 
Erholungsstätten. Diese Lieblingsschöpfung des uns Aerzten wie 
der kranken Menschheit allzu früh entrissenen klugen und tat¬ 
kräftigen Sozialhygienikers verdient es, im Kampfe gegen die 
Tuberkulose eine stets wachsende Rolle zu spielen. Erfordert doch 
der Bau von Lungenheilstätten ungezählte Millionen und erleben 
wir es doch alljähi'lich, besonders im Frühjahr, dass die Zahl der 
Aufnahmesuchendeu weitaus die der vorhandenen Plätze über¬ 
schreitet und sehr bedürftige Kranke erst monatelang der Auf¬ 
nahmeordre harren. Für diese Wartezeit müsste den Kranken in 
den Erholungsstätten eine Stelle bereit sein, wo der Heilprozess 
eingeleitet werden kann. Inwieweit er daselbst auch zu Ende ge¬ 
führt werden kann und welche Kategorien von Fällen sich mehr 
für. die Erholungsstätte, welche mehr für die Heilstätte eignet, 
das muss Gegenstand weiterer Erhebungen sein. 

Auch im Kampfe gegen die verschiedenen Formen der Tuber¬ 
kulose des Kindesalters, besonders die Rachen- und Drüsentuber¬ 
kulose, dürfte die Erholungsstätte eine mächtige Waffe bilden. 
Eine weitere bietet uns die Waldschule, eine Tochter der Er¬ 
holungsstätte, die erst der glücklichen Vollendung dieser ihr Da¬ 
sein verdankt. Für die leichten Formen der Lungentuberkulose, 
die gerade im schulpflichtigen Alter das Gros aller Erkrankungs¬ 
fälle bilden, gibt es keine bessere Behandlung als das Heraus¬ 
nehmen der Kinder aus der dumpfen überfüllten Schulstube und die 
Verpflanzung in die von Licht und Luft durchströmte Waldschule. 
Es ist ein grosses Verdienst der Stadt Charlottenburg, die prak¬ 
tische Durchführbarkeit der Waldschulenidee erwiesen zu haben, 
und es steht zu hoffen, dass in kurzer Zeit viele Kommunen sich 
zu gleichen Vorgehen entschliessen werden. Ist es doch grade 
die schulpflichtige Jugend, an der durch hygienische Mallnahmen 
und durch Erziehung zur Hygiene Hervorragendes geleistet werden 
kann. 

Davon zeigt sich auch der Gesohäftsausschus.s des deutschen 
Aerztevereinsbundes durchdrungen, indem er auf die Tagesofd- 
üung des nächsten im Juni iu Halle stattfindenden Aerztetagcs 
das Thema setzte: Unterweisung und Erziehung der Schuljugend zur 
Gesundheitspflege. Die vom Referenten Hartmann (Berlin) aufge¬ 
stellten Thesen sind veröffentlicht und beweisen das Streben, so¬ 
wohl die Lehrer durch Vermittlung der Schulärzte wie die Schüler 
durch Lehrer und Aerzte immer und immer wieder in Bezug auf 
die Regel der Gesundheitspflege unterweisen zu lassen. Wir 
werden auf dieses Thema noch bei Gelegenheit der Berichterstattung 
vom Aerztetage zurückkommen und wollen heute nur bemerken, 
dass uns ein hygienisch einwandfreies Schulhaus und ein eben¬ 
solcher Schulbetrieb als eine unumgängliche Vorbedingung für die 
Durchführung der Postulate des Referenten eischeinen. 

In einer unserer früheren Be-sprechungen erwähnten wir, dn-ss 
die Stadt Berlin seit dem Beginn dieses Jahres den bisher von der 
Berliner Rettungsgesellschaft geführten Nachweis über freie Betten 
in den Krankenhäusern in städtische Verwaltung übernommen 
hat, dass aber die Aerzte sich bemühten, der Stadt klarzumachen, 
dass nur durch Uebernahme des gesamten Rettungsdienstes er- 
spriessliche der Gesamtheit dienliche und der Kommune würdige 
Einrichtungen getroffen werden können. Jetzt wo die Angelegen¬ 
heit noch in der Schwebe ist, erscheint in der Mediciiiischeii 
Klinik ein sehr bemerkenswerter Artikel von Gerhartz, der da¬ 
rauf binweist, dass es nicht nur Aufgabe der Stadt sei, eine Aus- 


kuuftstellü l'ür den öÜbutUcheu Rettungsdienst zu schaffen, sondern, 
dass Berlin ein Zentralauskunftsamt für unentgeltliche Auskunfts¬ 
erteilung in allen Fragen der heutigen WohlfeJirtspfiege sowohl 
auf dem sozialpolitischen wie dem rechtlichen Gebiete und in der 
ärztlichen städtischen wie privaten Fürsorge not tut. Vorbilder 
für solche Institute bestehen in New-York in dem Institut of 
sozial Service und in Frankfurt a. M. in dem Institut für Gemein¬ 
wohl. Die hier den Berliner Gemeindebehörden gestellte Aufgabe 
erscheint uns wohl „des Schweisses der EJdlen wert“; in Berlin 
pflegen aber soziale Angelegenheiten in einem solchen Schnecken¬ 
tempo erledigt zu werden, dass die Stadtväter wohl kaum in 
Schweiss geraten dürften. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 18 . 

1. Leopold, Dresden: Augeneutzündang der Neugeborenen 
und einprozentige HöUensteinlösnng. 

Die nach Crede genaueste Ausführung des Verfahrens, die 
Verwendung einer Iproz., möglichst frisch bereiteten Höllenstein- 
lüsung, das Sicbverteilenlassen nur eines Tropfens dieser Lösung 
auf der Kornea, mittels eines abgerundeten, unbedingt sauberen 
Glasstäbchens, und dann das Inruhelassen der Augen, ohne Nach¬ 
behandlung oder Nachträufelung irgend eines anderen Mittels, 
dieses Verfalireu, das w’ohl kaum einfacher noch gestaltet werden 
kann, garantiert mit voller Sicherheit die Verhütung der Augen- 
entzündung für die erste Lebenswoche. Kommt hinzu eine pein¬ 
liche Ueberwachung von Mutter und Kind auch für das weitere 
Wochenbett, so kann ein Kind auch vor einer nachträglichen In¬ 
fektion bestimmt geschützt werden. 

2. Klieneberger und Zoeppritz, Königsberg: Beiträge 
zur Frage der Bildung spezifisober Leukotoxine im Blutserum 
alz Folge der Röntgenbestrahlung der Leukämie und des Lympho¬ 
sarkoms. 

3. Treutlein, Würzburg: Ueber Protozoenblutkrankheiten 
bei Mensch und Tier in Indien und Dentseb-Ost-Afrika. 

Eine sehr interessante Uebersicht über die durch Protozoen 
verursachten Erkrankungen. 

4. Rosenbach, Berlin: Warum und in welchen Grenzen 
sind anästhesierende Mittel bei entzündlichen Prozessen wirksam? 

kommt darauf an, die Einwirkung äusserer Reize abzu¬ 
halten, und wenn dies nicht mehr gelingt, den .Nährboden, der 
die Bildung innerer Reize begünstigt, im Sinne der Regulierung 
(Akkomodation oder Steigerung der Aktivität für Vernichtung der 
Reize) zu beeinflussen. Die Hauptindikation für die Therapie ist, 
den Zustand, den R. als Exzess der Gewebserregbarkeit resp. 
Reaktion bezeichnet, in den der normalen Erregbarkeit Überzufuhren. 

5. Opitz: Ueber Lumbalanästhesie mit Novokain bei 
gynäkologischen Operationen. 

Bei den 25 Operationen war, von wenigen Ausnahmen abge¬ 
sehen, die Unempfindlichkeit ausreichend und die Kranken fühlten 
sich nach der Operation meist sehr viel wohler, als man das sonst 
nach den gleichen Eingriffen unter Allgemeinnarkose zu sehen ge¬ 
wohnt ist. Die genügende Unempfindlichkeit trat nach 6 —12 
Minuten ein. Die Lumbalanästhesie ist ausserordentlich empfehlens¬ 
wert. Ihre Technik muss zwar, wie alles, gelernt werden, bietet 
aber keine grossen Schwierigkeiten und die Asepsis lässt sieb, 
insbesondere bei Verwendung der zugescbmolzenen Kölbchen mit 
der Lösung, leicht wahren. 

6 . Berger, Köln: Zur Färbung der Spirochaete pallida. 

Die Färbung der Spirochaete pallida gelingt sicher und schnell 
durch die Kombination von Azur oder azurhaltigen Farblösungen 
mit ganz verschiedenartigen gesättigten (oder auch mäßig ver¬ 
dünnten) Farblösungen. Wahrscheinlich fordert das als Beize 
(Michaeli.s: Deutsche Klinik, Bd. XL, S. 459) wirkende, im 
Ueberschusse vorhandene Azur die Aufnahme des betreffenden 
Farbstoffes. 


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im. 


MEIj TCTNTSCHB wochb. 


231 


7. 8 i 111 e r, Strusburg: TTebertragung Ton ])iphth«ri6 durch 
dritte Personen. 

Fall der Uebertragang von Diphtherie durch ein gesund 
bleibendes Kind auf seine Mutter durch Kuss, und ein Fall von 
Diphtherieübertragung von der Brustwarze einer stillenden Mutter 
auf den Säugling. 

8 . Simrock, Frankfurt a. M.: Ziekerbestimmnng im Ham 
mittelst einer ]Codifikaii<m der Treaunersehen Probe. 

9. M1 0 h a e H s, Leipmg: Antointoxikation bei Pylorusstenose. 

Es handelt sich hier um eine 46 jährige Kranke, bei der 

KrampfanilÜle und ein etwa achttägiges Koma bei vorhandener 
boehgi^iger Steuun^ssnffiBienz des Magens aufgetreten sind, und 
bei der die abnormen nervösen und psytdiisohen Erscheinungen 
soinrt nach Herstellung normalerer Abfluasbedingungen für den 
Mageninhalt verschwanden, sodass man sie unbedingt als Folgeer¬ 
scheinungen der Magenaffektion ausspreohen muss. 

10. Bittorf, Breslau: Zur Kasnistik der serebralen Kinder* 
pneomonie. 

Zwei korse Beabaohtongen, wo bei Unterlappenpneumonien 
schwere mMiingitisohe Symptome bestanden, die in Heilung ^us- 
gingen (im 2. Falle erfolgte später allerdings der Tod an anderen 
Komplikationen). 

11. Loeb, Frankfurt a. H.: üebor eintägige Pneumonien. 

Bemerkung zu dem gleichnamigen Aufsatze von Dr. A. Blech- 

told in dieser Wochenschrift 1905, Nr. 44, mit der Mitteilung, 
dass Frerichs bereits am 15. Juli 1867 einen derartigen Fall in 
seiner Klinik vorstellte. 

12. Seeligmann, Hamburg: Zur Hebotomie. 

Eine Erwiderung auf einige Bemerkungen in Herrn Bauer- 
eiseas Au^ts in der Münch, med. Wochensefar. Nr. 52, 1905. 

13. Arneth, Marburg: Zum Terhalteu des Pektoralfremitns 
bei der kruppösen LungenentsOndung; einige Bemerkungen über 
das Knistern bei derselben. 

Die Unricherheit, die bisher in der Bewertung des Verhaltens 
des Fektoralfreraitus bei der kruppösen Pneumonie bestand, liegt 
darin begründet, dass man den Befund seiner Prüfung im 1. und 
3. Stadium der kruppöse Pneumonie zu wenig unterschied von 
dem des 2. Stadiums. 

Berlfner klinische Wochenschrift. i906, No. i8. 

1. Ja ff 4, Posen: Hdbor das Auftreten isolierter Abssesse 
in den Spätitadien der PeritypkUlis. 

Dis glänzenden Erfolge der heutigen Frühoperation bei 
Appendicitis sind im wesentlichen die Erfolge einer Präventiv- 
OpOTät i on, so dass die Operation in allen schweren Fällen von 
Appendicitis bis zom 45. Jahre unbedingt zu raten ist. Spät- 
daparotomien aber soll man ohne weiteres nur bei diagnostizierten 
allgemeinen Bauebemphysem und in denjenigen Fällen machen, in 
sidi immer no<^ die Hauptereigmsse in der rediten Fossa 
'Siaca abspi^en (also mit Sicherheit noch eine Art Beschränknng 
zu ervrarten ist). Bei den übrigen Formen soll man vor dem 
Wagen wägen, welche Ofaance das Abwarten bietet. 

2. Sirschfeld, Berlin: Ueber sdiwere Anämien ohne 
Begeneration des Knoohonmarks. 

Es giebt eine Form der Anämie, bei welcher die Umwand¬ 
lung des Fettmaiks ansbleibt, alo eine Regeneration des Blutes 
nicht ehrtritt, und die deshalb natürlich viel schneller letal ver¬ 
läuft tmd jeder Therapie trotzt Wie es scheint, sind solche Fälle 
schon früher beobachtet worden. Während bei der perniziösen 
Anämie der fiämoglobingehalt nicht so tief gesunken ist, wie man 
nadi der geringen Zahl der roten Blutkörperchen annehmen sollte, 
geht in den zwei hier beschriebenen Fällen, ebenso wie bei den 
gewöhnlichen sekundären Anämien das Verhalten des Blutfarb¬ 
stoffes ungefähr den Werten ftir die Erythrozyten parallel; der 
^äfbisdmc Hst also nioht erhöht. Der Blatbefund gleicht auch in¬ 
sofern noch dem der sekundären Anämien, als die an den roten 
Blutkörperdien festgestellten Forraveränderungei» und Grässen- 
uirterschiede •nur in sehr geringem Grade ausgeprägt waren. Mehr 


an die perniziöse Anämie erinnert schon die bedeutende Herab- 
setznng der Leukozytenzahl. Normoblasten wie Megaloblasten 
wurden trotz eifrigsten Suebens gänzlich vermisst. Jedenfalls 
scheint es an der Zeit zu sein, ausser der normoblastischen und 
megaloblastischen Anämie eine weitere Abart, die hier mitgeteilten 
Fälle umfassend, anznnehmen. Man bezeichnet sie vielleicht am. 
zweckmässigten mit Pappenheim als paralytische oder asthenische 
Anämien, oder einfach als Anämien mit Athropie bezw. Degene¬ 
ration des Knochenmarkes. 

3. Rollin, Stettin: Ursaoheu der belegten Zunge. 

Das mikroskopische Bild des nüchternen Mageninhaltes bietet 
eine auffallende Analogie der Befunde und beweist uns, dass das 
Oberflächenepithel der Zunge bei Superazidität mindestens in dem¬ 
selben Maße gebildet wird wie bei Dyspepsien, aber in voll- 
kommnerem Maße abgestossen wird. Bei der blassen belegten Zunge 
der Dyspeptiker Anden wir mangelnde Kraft in der Abstoasung 
des Oberflächenepithels und dementsprechend Znngenbelag von 
mehr oder weniger Dicke, welcher wieder dem Grade der Dyspepsie 
entsprechend festznsitzen pflegt. Die reinigende Wirkung der 
Mahlzeiten ist nicht von der Hand zu weisen. Ueberhaupt ist die 
Empirie der alten Aerzte, die in der Zunge einen Spiegel der 
Verdauungsvorgänge und der Säftemischnng sahen, durchaus noch 
aufrecht zu erhalten. 

4. Go Id bäum, Hamburg: Beitrag zu einer wichtigen 
angenärztlichen Frage. 

Die Behandlung aller dieser Patienten beruhte auf Schnitten 
in die Netzhaut und Einspritzung verschiedener Substanzen, wie 
z. B. Jod, Hg., Na. CI., Dionin, in die Konjunktiva zur Authellnng 
des fast stets getrübten Glaskörpers. Bei drei Patienten wurde 
Kaninchen- resp. Kalbs-Glaskörper in das Auge eingeepritzt. 

Ueber das Resultat vermag G. noch nichts mitzateilen, da es 
erst nach längerer Zeit sichtbar werden kann. Soviel aber ist sicher: 
Oie Deutschmann’sche Methode hat schon so viele Heilerfolge 
aufzuweisen, dass es nicht mehr erlaubt ist, in einM* misstrauischen 
und ncch weniger gegnerischen Stellung ihr gegenüber zu be¬ 
harren. Ihre Ausübung ist schon jetzt eine Päicbt jeden Augen¬ 
arztes, dem es nicht mehr erlaubt ist, die Netzhautablösnng als 
eine unheilbare Krankheit zu betrachten. 

5. V. Poehl, St. Petersbarg: Die Torzüge der Komhüxation 
der O^anotherapie mit den physikalisch-diätetuoken und bal- 
neotherapeutuohen Mitteln und einige Beweiimethoden dafür. 

Die Wirkung der grössten Anzahl der physiologisch-diätetischen 
und balneotherapeutisohen Mittel besteht in der Ekhöhung der Ge¬ 
websatmung. Für die Erhöhung der inraorganen Oxydation haben 
wir das Sperminom-Poehl, welches prompt wirkt, sobald die Mo¬ 
mente der Säuerung der Gewebe beseitigt sind. Hier ist die 
kombinierte balneotherapeutische Medikation direkt indiziert. Die 
Kombination der allgemeinen Massage und Gymnastik mit der 
Spermintherapie giebt bei Nenrasthenie sehr gute Resultate. Auch 
das zweite Moment der Gewebsatinung, der Exkreti^ der Stoff¬ 
wechselprodukte aus den Geweben, wird durch die physikalisch¬ 
diätetische, wird durch die Balneotherapie in Kombination mit der 
Organotherapie günstig beeinflusst. Wir haben unter den organo- 
therapeutischen Mitteln Büitalysatoren in Form synergetischer 
Gruppen zur Verfügung, welche die herabgesetzte Exkretion ausser¬ 
ordentlich günstig beeinflussen resp. anregen. Dazu gehören in 
erster Linie das Thyreoidinum-Poehl und das Cerebriuum-Poehl. 
Am eingehendsten ist die therapeutische Wirkung des Cerebrinura- 
Poehl bei Epilepsie, Alkobolismus und Neurasthenie von Lion, 
Pantschenko, Stange, Pussep, Ossipoff etc. studiert. 

6 . Pick, Berlin: Heber die Oehronose. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. is. 

1. M ül I e r, Hamburg: Ein Beitrag zur Aeüologie der i&kdo- 
metritiz. 

Eine sozial-ärztliche Skizze, die zeigen will, welch schwere 
Schäden aus der Vernachlässignng der Behandlung der Endometritis 
entstehen. 

2. Kraft, Wien: Bin Beitrag zur Operabilität des Lympho¬ 
sarkoms. 

‘Beide mitgeteilten Fälle zeigen im Beginn der Kraokheitser- 


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232 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


Ni. 20. 


scheinuDgen die Symptome einer Infektionskrankheit; unter mehr 
minder hohem Fieber treten Zeichen allgemeinen Unwohlseins, wie 
Mattigkeit, Abgeschlagenheit, Unlustigkeit und Appetitlosigkeit 
ohne sonst nachweisbaren lokalen Erankheitsprozess ein. Dann 
nach einigen Tagen, selbst Wochen und Monate scheinbaren Wohl¬ 
befindens (Inkubation) lokalisieren sich die Symptome. Entarten 
die Lymphdrüsen des Mesenteriums, vornehmlich des Dünndarms 
primär lymphosarkomatös und werden sie nicht so spät der opera> 
tiven Behandlung zugefuhrt (eine interne Kur, etwa mit Arsen, ist 
wohl wegen Unmöglichkeit einer genauen palpatorischen oder per¬ 
kutorischen Kontrolle von vornherein zu verwerfen), so bieten sie 
infolge ihrer Topographie günstigere Verhältnisse als die Hals- 
lind Mediastinaltumoren. 

3. Ruff, Wien: Bückbildimg des Lymphosarkoms auf nicht 
operativem Wege. 

Es brauchen nicht alle LyrnjAosarkome den typischen Verlauf 
zu nehmen, sondern es gibt eine Reihe dieser Greschwüre, die etwas 
benigner verlaufen und sich zurückbilden können. 

4. Stenczel, Wien: Beitrag nr Kenntnis und Therapie 
der nnkomplizierten ohronisch^gonorrhoisohen Prostatits. 

Die Methode bezweckt lediglich die Vorzüge der Spüldehn¬ 
ungen oder Druckspülungen auf die hintere Harnröhre auszudehnen. 
H. ist mit dem bypermangaosauren Kali 1:5000 als SpUlfiUssig- 
keit ausgekommen, nur in solchen Fällen, in welchen die Blase 
kleinere Mengen verträgt, nimmt H. Ichthargan, Albargin oder 
Novargan. 

5. Biernacki, Lemberg; Kn „Kikrosadimentator^* für 
klinische Blntnntersuohnngen. 

Holobut hatte bei spontaner Blutsedimentierung die Bildung 
aus einer grösseren Blutkörperchenzahl eines kleineren und aus 
einer kleineren Zahl eines grösseren Sedimentes, nicht nur relativ, 
sondern mitunter auch absolut beobachtet. Er schloss daraus, dass 
als Hauptursache der Schwankungen der Blutkörperchenzahl bei 
^hwankungen des Gefhssdruckes nicht die Schwankungen der 
Plasmaraenge, wie dies gegenwärtig allgemein angenommen wird, 
sondern Schwankungen des Volumens der roten Zellen anerkannt 
werden müssen. Bei weiterer Bearbeitung der Befunde Hol obut’s, 
die B. und Holobut unternahmen, erwies sich die Konstruktion 
eines ganz einfachen Apparates („Mikrosedimentator“) vorteilhaft, 
indem dieser für die Untersuchung der Sedimentierung des Mcnschen- 
blutes sehr gut dienen kann. Die erforderliche Blutmenge wird 
durch den kleinsten Stich in die Fingerbeere geliefert. Der Mikro¬ 
sedimentator kann von jedem Untersucher in einigen Minuten aus 
einer Vs mm breiten Thermometerröhre hergestellt werden. Dann 
braucht man noch eine kapillarartig ausgezogene Glaspipette. 

Allgemeine medicinieche Central-Zeitung. i906. Nr. 15. 

Boss: Die Balsamtherapie der Gonorrhoe mit besonderer 
Berttcksioht^niig des Gonosans and Santyls. 

Ein kritischer Vergleich des Gonosans und des jüngsten inneren 
Antigonorhoicums Santyl. Gonosan, das nun schon seit 4 Jahren 
in die Tripperbehandlung eingeführt und gemäß der ausserordent¬ 
lich zahlreichen (65 Arbeiten) Literatur allseitig anerkannt ist, 
besteht aus dem unter bestimmten Cautelen und gleichmäßiger 
Norm gereinigten Sandelöl und dem wirksamen Prinzip des Kawa¬ 
harzes; das Santyl dagegen enthält kein Kawabarz, hat aber die bei 
acuter Gonorrhoe bisher vermiedene Salicylsäure mit anfgenommen 
und zwar mit dem Santalol verestert. Dieses aber bat im Vergleich zum 
reinsten Sandelöl eine schwächere adstringierende und weniger 
sedative Wirkung, es hatte seiner Zeit und solange Bedeutung, 
als das Sandelöl bis dahin noch wenig Reinheit und Zuverlässig¬ 
keit zeigte. Nachdem aber das ostindische Sandelöl zuverlässig 
ausgesucht und minutiös gereinigt war, da war nunmehr das reinste 
Sandelöl, als balsamisches Präparat, dem Santalol, das überdies 
einen Alkohol repräsentiert, überlegen. Ausserdem ist zu beachten, 
dass Santyl relativ sehr wenig Santalol enthält, nämlich nur 60%, 
während das chemisch reine Sandelöl 93% Santalol enthält; daher 
braucht man, um das Sandelöl zur Geltung zu bringen, viel mehr 
.Santyl als Gonosan. Bedenkt man aber, dass bei den grossen 
Santylgaben auch grosse Mengen von Salicylsäure mit eingenommen 


werden, so liegt es auf der Hand, dass Santyl kein harmloses und 
unbedenkliches Antigonorrhoicnm ist, denn es würden innerhalb 6 
bis 6 Wochen 56 g Salicylsäure aufgenommen werden. Das ist 
eine relativ grosse Menge angesichts der durch neuere Arbeiten 
erwiesenen Tatsache, dass die Verwendung der Salicylsäure bei 
der acuten Gonorrhoe contraindiciert ist. 

Deutsche Aerzte-Zeltung. 1905. Nr. 2i. 

Schreiber-Meran: Yerweolulimg fwischen Neorasthenie, 
Nenralgie, Tabes dortalis, Traama und cbronischenL Bbenma- 
tismos. 

Bei Neurasthenie kann zu jeder Zeit auch Rheumatismus sich 
einschleicben, der aber gar zu leicht der Neurasthenie zur Last 
gelegt wird, namentlich sobald der Rheumatismus die Sehnen, 
Bänder und Aponeurosen befkUt. Hier ist nun vor allem nötig, 
auf die vom Rheumatismus mit besonderer Vorliebe befallenen 
Stellen zu achten, und darum schlägt Schreiber vor: Man übe 
einen Druck auf die Fossa supraspinata, auf die äusseren Ränder 
der Schulterblätter, auf die um das Ellenbogengelenk herum- 
gelegenen Muskeln, auf die Ursprünge der Mm. sacrolombales, auf 
die Fascia sacrolumbalis, auf die Ursprünge der Gesässmnskeln, 
der Mm. peotineus, gracialis, sartorius, auf die um das Kniegelenk 
herum gelegenen Muskeln, auf die Ursprünge der Wadenmuskulator, 
auf die Mm. pectorales und ihren sehnigen Ansatz am Oberarme. 

Neorasthenische Zustände dauern nie in gleicher Intensität 
an. Die Neurastheniker haben gute und schlechte Stunden, böse 
und erträgliche Tage, behagliche und lästige Wochen. Schon 
dieser Umstand muss genügen, andauernde Schmerzen, an denen 
Neurastheniker leiden, als rheumatische zu erkennen. Rheumatismus 
ist eine unendlich häufige Erkrankung. Warum sollte ein Neu¬ 
rastheniker nicht anch Gelegenheit haben, dieses Leiden zu er¬ 
werben? 

Wo vorzugsweise sehnige Gebilde vom Rheumatismus befallen 
sind, kann von Heilgymnastik nicht die Rede sein. Bei di^n 
Erkrankungen ist nur durch kräftiges Eingreifen Erfolg zu er¬ 
zielen. Sanftes Verfahren ist zwecklos, auch wenn es durch 
längere Zeit aogewendet und noch so oft wiederholt wird. 

Die häufigen Fälle von Ischias sind keine Neuralgien, sondern 
rheumatische Prozesse der Gesässmuskeln, welche' jeder Zeit ge¬ 
heilt werden, während jene Ischias, die ausschliesslich auf Nerven- 
reizung beruht, eine weniger günstige Prognose gestattet. 

Die reinen Neuralgien charakterisieren sich durch schmerz¬ 
freie Intervalle, was bei den rheumatischen Prozessen nicht der 
Fall ist; hei Neuralgien steigert Bewegung die Schmerzen wenig 
oder gamicht, der rhenmatische Schmerz hingegen erwacht sofort 
bei aktiven und passiven Bewegungen. Die Empfindlichkeit auf 
Druck haben beide Erkrankungen gemeinsam, jedoch mit dem wesent¬ 
lichen Unterschiede, dass man den empfindlichen Nerven genau seinem 
Verlaufe entlang verfolgen l^nn, während beim Rheumatismus 
die Ursprünge und die Enden der Muskeln als die schmerzhaftesten 
Teile sich erweisen. Auch Verwechslung von Rheumatismus (Lum¬ 
bago) mit Tabes dorsalis kann unterlaufen. 

Eine Verwechslnng von Rhenmatismus mit Trauma ist dann 
gegeben, wenn eine auf ein Gelenk einwirkende mechanische 
Schädlichkeit, keine dem Auge sichtbare Veränderung, nicht ein¬ 
mal blaue Flecke erzeugt und trotzdem intensive, selbst durch 
Jahre andauernde Funktionsstörung der Extremität zorücklässt, 
welche der durch Rheumatismus erzeugten Unbeweglichkeit täu¬ 
schend ähnlich sieht. 

Jedenfalls überzeuge mau sich stets bei Individuen, welche 
als Neorastheuiker oder Neuralgiker um Rat fragen, ob nicht 
auch rheumatische Prozesse vorliegen, und man erforsche anderer¬ 
seits bei Personen, welche wegen lange andauernden Funktions¬ 
störungen in den Gelenken klagen, die für den ersten Anschein 
als Rheumatismus erklärt werden müssen, ob nicht Zerrungen der 
Sehnen und Gelenkbänder stattgeiunden haben, wenn auch Jahre 
darüber verflossen sind. 

Mediclnische Blätter. 1906. Nr. i. 

Dr. B rings, Wien: Zar Behandlong der Unterschenkel- 
gesohwüre. 

Das Leiden befällt zumeist Angehörige der armen und arbei¬ 
tenden Bevölkerung, sowie — in besseren Ständen — Personen 


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1906 . 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


933 


mit Herzfehlern und Arterlosclerose. Einen besoiidera hohen 
Prozentsatz stellen marastische Individuen sowie Frauen, die 
stehend ihre Arbeit verrichten, wie Köchinnen. Begünstigend 
wirkt die Gravidität. 

Die häufigste Ursache der Ulcera cruris ist die Varicenbil- 
duag, ferner Tn^unen, Entzündung der Haut, Ekzeme etc. Das 
fertige Geschwür hat die Tendenz, sich nach der Fläche auszu- 
debnen. Sein lieblingsplatz ist das untere Drittel der vorderen 
Fläche des Unterschenkels. 

Der Verlauf ist durch 3 Stadien gekenneeiohnet: 

1. Das Stadium der fortschreitenden Vergrössening, 

2. das Stadium des Stillstandes and 

8 . das Stadium der Vernarbung. 

Zuweilen werden die Geschwüre phagedaenisch oder serpiginös. 

Von den Gefahren, denen die Patienten ausgesetzt sind, ist 
die Epitheliombildung, das Erysipel, Venenthrombose, Pyaemie 
und Septioaemie zu nennen. 

Zur Abkürzung der Heilungsdauer verwendete man früher 
Ueverdiu-Thier’scbe Transplantationen, aber die Recidive blieben 
daruach Picht aus. Mehr Erfolg hatte die Methode von Weber 
und Nussbaum. Gut ist das Verfahren von Martin (Binden* 
Wickelung). Gute Erfolge zeitigt längere horizontale Bettruhe. 
Sehr empfehlenswert sind die Zinkleimverbände. Die Technik 
der Methode ist folgende: Mehrtägige Bettruhe, bis gesunde 
Granulationen aufschiessen. Einstündiges Baden in lauwarmem 
Wasser oder desinficierender Lösung ungefähr 5 Tage lang. Daun 
Bestreichung des Beins mit Einbeziehung de.s Geschwürsrandes 
von den Füssen bis zur Kniekehle mit Zinkleim (Zinc. oxydat. 
und Gelatina alba ;'iri 20,0 -|- Wasser und Glycerin ää 80,0. 
Sterilisieren!). Auf das Geschwür selbst kommt entfettete Gaze. 
Nach Trocknung des Zinkleims: Einwicklung des Unterschenkels 
mit 3 — 4 Bindentouren (Zinkleim). Pat. kann nach 80 Minuten 
etwa seinem Berufe nachgehen. 19 vom Verfasser behandelte 
Patienten mit Unterschenkelgeschwüren wurden auf diese Weise 
innerhalb weniger Wochen geheilt. 

Nr. 3. 

Dr. Emil Fleischl: Ueber lotns laryngis. 

Ictus laryngis ist ein Symptomenkomplex, bestehend in An¬ 
fällen von Schmerzempfindungen im Kehlkopf, mit Husten und 
Kitzeln im Halse, nachfolgendem Schwindel, der in Bewusstlosig¬ 
keit übergeben und mit Konvulsionen verbunden sein kanu, ohne 
bleibende Nacherscheinungen. Charoot gab der Aflfektion den 
Namen: Vertige larynge (analog dem Meni^re’sohen Ohreii- 
schwiudel). 

Die Zahl der bisher bekannt gewordenen Fälle ist kleiu. 
Fleischl fügt einen neuen hinzu: Ein 36jähriger Tagelöhner mit 
Aorteninsufficienz und Bronchitis, Potator, mehrfach in Spitalbe- 
handlung, bemerkt seit Juli 03, dass sein Husten einen bellenden 
Ton annimmt, mit Hitzegefühl im Halse, mühsames Atmen. 

Am 23. VIII. erster t 3 T)ischer Anfall mit kurzem Bewusst- 
seinsverlu.st; seitdem 16 ÄnfUUe. Patient ist cyanotisoh, zeigt 
geringe Oedeme der Beine, Temp. 38,9. Puls 104. Resp. 40. 
Herzdämpfung beiderseits stark verbreitert. Blasendes diastolisches 
Geräusch über der Aorta. Aortenbogen nicht palpabel. 

Am 2. VIII. Verschlucken. Regurgitation von Speisen. 

Am 23. Vni. Typischer Anfall. 

Am 26. und 29. VLU. Je ein Anfall. 

Am 27. VIII. Zwei Anfälle. 

Larynxbefund: Pulsation der finken Trachealwand. 

Recurrenzlähmung links. 

R. Trommelfell glanzlos, eingezogen. 

L. Trommelfell getrübt, retrahiert. 

Weber im Raume. 

Rinne beiderseits positiv. 

Am 14. X. letzter Anfall, aasgelöst durch Was.sertrinken. 

Am 29. X. Exitus. 

Obduktionsdiagnose: Endocarditis bactericidica valv. aort. cum 
insufF. valv. aort. gravsex cmbol. lami iuf. ai't. me.suraic. sup. Gan- 


graena intest, tenuis c. periton, incip. Aspiratio content. ventric. 
(Weintraube) in broncho dextro, Ictus laryngis. 

Der letns laryngis findet sich am häufigsten bei Männern 
und namentlich bei Potatoren im Alter von 35—60 Jahren, ferner 
bei Rauchern, Flethorischen, Gichtikem und nervösen Personen. 
Die Ursache liegt nach Charcot in einer Reizung des N. laryng. 
sup., welche Stillstand der Respiration und der Allgemeinbewegungen 
und auch Tod erzeugen kann. Verf. erklärt die Ursache des 
Ictus in der Weise, dass ein Verschlucken eine Reizong des 
Laryng. sup. erzeugt, welcher auf Herz- und Atemzentrum über¬ 
tragen wird. Diese 3 Faktoren bedingen Hasten und weitere 
Veränderungen in der Zirknlation der Gehirnrinde, die ihrerseits 
zu dem Ictus, der cerebralen Anaemie und Bewusstlosigkeit führen. 

Oie mechanischen Störungen, welche das Verschlucken veran¬ 
lassen, können mannigfach sein; in des Verf. Falle war es eine 
Weintraube; in den anderen Fällen waren die Ursache: Hyper¬ 
plasie der Zungeatonsille, ein Polyp, ein Aneurysma etc. Dem¬ 
entsprechend gestaltet sich die Prognosenstellung und Therapie, 
bei welch letzterer namentlich Alkoholverbot und Rücksichtnahme 
auf Gicht und Arteriosclerose eine Rolle spielt. 

Archlves generale» de mödecine. 1906. Nr. 4. 

Pater et Halbron: Conudörations cliniqnes snr la fievre 
typhoide chez l’eufant. 

Die Beobachtungen umfassen 63 Fälle von Typbus im kind¬ 
lichen Alter während einer Epidemie. Der Beginn war sehr selten 
ein plötzlicher; meist fand sich ein Prodromalstadium von ver¬ 
schiedener Länge mit unbestimmten Erscheinungen. Sehr häufig 
wurde Erbrechen beobachtet; Abdominalschmerz, unabhängig von 
den StuhlverhäUnissen, fand sich in der Hälfte der Fälle, Mete- 
orisraus in 62%; Ileoooecalgurren scheint für Kinder keinen 
wesentlichen diagnostischen Wert zu haben; entgegen anderer 
Meinung wurden in den meisten Fällen Diarrhoeen konstatiert. 
Roseolen erwiesen sich als regelmäßiges diagnostisches Hilfs¬ 
mittel: sie wurden nur in 18% vermisst; desgleichen die Milz¬ 
schwellung, die in 82% zu konstatieren war, oft schon sehr früh¬ 
zeitig. Unter Mitteilung von Krankengeschichten berichten Verff, 
dann über eine Reihe von anormalen Verlaufserscheinungen und 
Komplikationen. Bronohopneumonieen wurden öfters im Beginn 
der Krankheit beobachtet, sie zeigten stets gutartigen Verlauf. 
Darmperforationen wurden wesentlich häufiger angetroffen, als sonst 
für kindlichen Typbus angegeben; Darmblutungen fanden sich in 
6 %. Ganz besonders heben Verff. als prognostisch infaustes 
Zeichen hervor das Auftreten von grünen Diarrhoeen, die öfters 
mit Erbrechen und TemperaturabfÜUen dem Exitus vorausgingen. 
Recidive traten in 17% der Fälle ein; die Mortalität betrug 14,5%. 
Bei den Gestorbenen überwog bei weitem das weibliche Geschlecht, 
wie das auch beim Typhus Erwachsener beobachtet worden ist. 

Dieulafoy: Looalisations rägionaiies invätördes de la Sy¬ 
philis tertiaire. 

Verf. gibt eine Reihe interessanter Krankengesriiichten von 
Individuen, die einen Schanker aquiriert, in der Folgezeit keinerlei 
syphilitische Manifestationen bekommen haben, dann nach 10 bis 
20 Jahren von tertiären Läsionen befallen werden, die jahrelang 
an der Stelle, wo sie zum Ausbruch gekommen, lokalisiert bleiben, 
ohne ihre ursprüngliche Form, ulceröse, nekrotisierende, hyper¬ 
trophische, zu ändern und ohne den Allgemeinzustand des Körpers 
schwerer zu beeinträchtigen. Einer erfolgreichen Behandlung sind 
auch solche Fälle eingewurzelter, veralteter Lues zugänglich. 

Nr. 6. 

Levy: La eure definitive de la nenrasthdnie pur la rdd- 
dneation psyohiqne. 

Für die Behandlung der Neurasthenie und der Neurosen be¬ 
ansprucht die psychische Therapie eine hervorragende Bedeutung. 
Durch mangelhafte Selbstdisziplin ist der Kranke zu einer ner¬ 
vösen Elrschöpfung gekommen; indem man ihn wieder zur Selbst¬ 
disziplin in psychischer und moralischer Beziehung erzieht, soll 
man die Wiederherstellung des normalen physiologischen Ablaufs 
der nervösen Funktionen erstreben. In «fiesem Sinne ist die 
Psychotherapie eine Erziehung oder Wiedererziehung. An der Hand 
I von Beispielen wird das einzuschlagende Vorgehen erläutert. Die 


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234 


MSDIClNlSCUfi WOCHE. 


Nr 


äo zu erzlelüuJen Heilungen können eudgültige eein. Die Peycho« 
therapie ist aber an sich allein nicht auareicäiend; sie soll sich der 
Gesamtheit der allgemMnea Therapie einfügen. 

Etienne: leMn iafeotiMix aigae par angiaohoUte, seale 
maaileatatioa d’an eaaeer du paacräat. 

Kraokengescdiichte eines alten Mannes, der nie krank gewesen, 
bei gnt erbcdtenem körperH(^em Allgeineinznstand nach geringen 
gastro-intestinalen Erscheinungen an fieberhaftem Ikterus erkrankt, 
dem er am 14. Tage erHegt. Die Autopsie ergab Carcinom des 
Pankreaskc^fes, wedurdb die Gallenwege komprimiert waren, mit 
Metastasen in der Leber. 


Bücherbe&prechung. 

Ursachen und Folgen der Rechtshändigkeit. 

Von Dr. Emst Weber. 1905. Verlag von Carl Marhold, 
Halle a. S. 

Die sehr interessante Untersuchung beginnt mit Feststellung 
geschichtlicher Daten, nachdem ein kurzer Ueberblick über die 
Rechtshändigkeit beim Kinde, Tiere und Urmenschen gegeben ist. 
Teil I behandelt die Ursachen der Rechtshändigkeit; Weder die 
Bhttversongnng noch die Kindslage vor der Geburt, die Lage des 
Schwerpunkts im Körper, noch Zufälligkeiten können als aus¬ 
reichende Ursache angesehen werden. Vielmehr ist die Rechts¬ 
händigkeit eine indirekte Folge der Lage der Organe des 
Körpers. Der Urmensch Im Kampfe musste die linke Hand 
zum Schutze der gefährdeten lebenswichtigen Teile, des Herzens, 
benutzen und mit der rechten Hand aktiv sein. So mussten, 
während im Anfänge Linkshänder nnd Rechtshänder nicht viel¬ 
leicht an Zahl gleich waren, die Rechtshänder allmählich das 
Uebergewicht erhalten und es vererbte sich mehr Rechtshändigkeit 
aU Ijinkshändigkeit. Diese sehr geistvolle Theorie wird weiter 
ausgeführt und belegt. Die Bevorzugung der rechten Hand 
musste bei den Kriegern, uamentUch schon im Interesse der 
Gleichmäßigkeit, immer allgemeiner werden. 

Teil U behandelt die Folgen der Reohtshändigkeit. Stärkere 
Ausbildung der Muskeln, Knochen, Blutgefässe. Aus Gehirn 
sprechen weder anatomische noch entwicklungsgeschichtUche Tat¬ 
sachen für eine stärkere Entwicklung der 1-seitigen Centren, das 
spricht indessen nicht dagegen, dass ein Einfluss völlig fehlt, 
sondern nur, dass die Zeit noch nicht ausgereicht hat, die Mehr- 
entwickelung so deutlich zu machen, wie es für die Armcentren 
den Beincentren gegenüber schon der Fall ist; da nun auch die 
Einwirkung cantripetoler Beize stärker ist, so zeigt sich das linke 
Hirn auf Uebungen wesentlich leichter ansprechend; schliesslich 
spricht auch die Lage des Spracheentrums links für eine grössere 
Entwickelung der linken Hemisphäre heim Rechtshänder. Das 
rechtsseitige Schreiben beeinflusst die Ausbildung der linken He¬ 
misphäre auch als Spracheentrum in ganz besonderer Weise. 

Dr. G. Fla tau, Berlin. 

Hirsch. Ein Vorschlag zur Trachombehandlong. 

(Sammlung zwangloser Abhaudlungen). VI, 5. Verlag von (’arl 
Marhold, Halle a. S. 

In die Bindehaut der oberen und der unteren Uebergangs- 
falte werden an je zwei Stellen 7 Teilstriche einer Pravaz’schen 
Spritze voll Sol. hydrarg. oxycyan. 1 ; 3000—4000 eingei^tzt, 
der zur besseren Anästhesie 3 Teilstriche 1 % Akoinlösung zuge¬ 
setzt sind. Später muss auch die Lidbindehaut auf diese Weise 
infiltriert werden. Die Injektionen werden aller 2—6 Tage wieder¬ 
holt, nnd bereits nach 6—8 Spritzen flacht sich das geschwollene 
trachomatöee Gewebe ab imd zieht sich zusammen. Dauererfolge 
sah H. bisher von seiner Methode nicht, empfiehlt sie daher zur 
Nachprüfung. Kurt Steindorff. 

Stnnner, Robert, Prof. Dr. med. et. phil., Giessen: Elinik 
für psyohisoho nnd nervöse Krankheiten. Verlag 
von Carl Marhold, Halle a. S. 

Der Zweck der neuen Schrift ist es: Die psycho-pathologischen 
Untersuebungsmethoden zum Allgemeingut der Aerzte zu machen. 


Die VervuUkouunuuug der Methodau eriDögliicht heute eine bessere 
und schnellere Diagnostik. A«eb der Eriorschung des Mttteige- 
bietes zwisdsen Nerves- und Geistesknakheiten die piydke- 

physischen Methoden wird besondere Aufmerkawslrsit genrkesfcf 
werden; ist die genaue Erkenntnis hier doch eine Voraussetzung 
wirksamer Therapie. 

Der Inhalt der Vierteljahrsschrift soll im Wesentlichen dem 
Gange einer über zwei Semester verteilten neurologischen Eiinfk 
folgen. 

Das Heft 1 ist erschienen und enthält: 

1. Sommer, psychiatrische Untersuchung eines Falles von 
Mord Und Selbstmord mit Studien über Familiengeschichte und 
Erblichkeit, namentlich auf die letztere wird hiermit hingewiesen. 

2. Nachweis von Simulation, von Taubstummheit durch Streck¬ 
wirkung auf amnestische Reize. Von Dr. v. Leupoldt-f^iessen. 
Die Methode besteht in Featatellung und Untmhrächongmi einer 
Curve von Zitterhewegungen, welche aufgezeichoet werden durch 
Reaktion auf plötzliche amnestische Reize. 

3. Dr. Jäger berichtet über Fälle von familiären Kreti¬ 
nismus. 

Weiter dann v. Leupoldt; Zur Symptomatologie der Ka¬ 
tatonie. Sommer: Ueber Geistesschwäche bei psychogeoer Neu¬ 
rose und Berliner über einen Fall von Neubildung des Klein¬ 
hirns mit Sektionsbefand und Photogramm. 

Dr. G. Fla tau, Berlin. 


lieber Pljflen- 

„Bin Präparat, welches die tberapeutisebe Wirkung;.des ent¬ 

faltet, und das zu gleicher Zeit ganz genau dosierbar und zu intraveooseo 
und intramuskulären Injektionen geeignet ist, erfüllt viele thmapeutisebe 
Anforderungen; man erreicht vor allem durch ein solches Präparat eine 
der bostiraoiten DoeU zukommende siobsre Wirkung, und somit wird es 
möglich, das betreffoode Mittel in zahlreichen Fällen io Anwendung zu bringen, 
wo es sich darum bandelt, eine prompte Wirkung zu mreichen und in denen 
die sogenannte Intoleranz, für Dig:itali 3 besteht.^' Diese Worte der Biniei- 
tung E rnes 10 Pe 8 0 i szu den „klinischen Erfehrungen flberdas Digalen* gelten 
für alle neueren Arbeiten, die sidi Uber Digalen ausspreehen. F. Umber 
sagt darüber folgendes: Vor unlanger Zeit iat in die Reibe dw therapeu- 
Ciscbeir DigitaliskOiper ein weiteres Digitozinpraparat auf Veranlassung des 
Zäricber Pbarmakolc^en Cloetta aus Oigitalisblättem ein^tellt worden, 
das Digotoxinum solubile, das als „Digalen“ in den -Handel Kommt; dasselbe 
unterscheidet sich von dem bereits vofkaadsnem krystall. Digitoxin nach 
Cloettas eignen Angaben in erster Linie durch eine viel grossere Wasser¬ 
löslichkeit und leichtere Resorbierbarkeit 1 ccm des Dimlen enthält -—0,3.mg 
Digitoxin und entspricht«0.15e wirksamor Dintalisbwttm-. Dieses Prtoarat 
ist durch Naun^n in die Klinik oingoführt. Das Digalen Ubortrifft dareb 
die Gleichmäßigkeit seiner wirksamen Substanz und durch die Suhoelligkeit 
seines Wirkungseintrittes Infus und Pulver (W inckelmann, Freund, 
Schwartz). 

Soweit innerlicbo Darreiehun? in Frage kommt, rühmt Grassmann 
gute Erträglichkeit scitons des ^iagcl) und Danukanals und in den -för 
(»gitalisthcrapio überhaupt geeigneten Fällen rasche, dabei energische und 
lang anhaltenden Wirkung, auch Keittor hebt die den Miis Digitalis gioicb- 
kommende Wirkung hervor. 

Auch am Froscliherzon konnte Kumoji Sasaki eioe dom-lafus veti 
Digitalisllättcm gletcbkominendo Wirkut^ des Digaleus naebwnisen. 

Rei der subkutanen und be.<iondpr 8 ' auch der intravenösen Injektion 
erwies sich das Üigitoxinum solubile Cloetta in der klinisohen DurebprUfkng 
von Kurt Kottmann als vorteilhaft, letztere Aowettdiwsart pamontlicb 
wegen der Schmerzlosigkeit und der Beschränkung auf eine einzige Injektion 
während 24 Standen, daher giebt auch K. Hochheim der intravenösen bzw. 
subkutanen Verwendung des Digaleasdcäi Vorzug. A.B ulen borg bmronagt 
tiefe intramuskuläre [njektionen des üigalens, da dieses völlig acb.iuerzie 0 e, 

ß de Örtliche Roizwirkung ermangelnde verfahren bei schwereo, i 3 is<^e 
igitalisaktion erheischenden Zuständen vom Praktiker noch zuversichtlicher 
ausgefiibrt werden kann, als die intravenöse Inj^tion. ,Dle LtkiBüg wird 
nach Eulonburg in die Glutaeen oder nach Hoifftor ki die Extensoren 
des Oberschenkels eingespritzt; dio jedesmalige Dosis beträgt in der Regel 
1 ccm. 

Die wesentlichen Vorzüge dos. Digalens sind nach Weinberger fol¬ 
gende; 

l. Dio genaue Dosierbarkeit infolge ^ts gleicher Zasaoweoaotzung. 

2. Die beinahe absolute Reizlosigkeit, die neben der Verabreiebuog peros 
die oft erwünschte und zuverlässige sabkntane und intravenöse Appfilration 
gestattet. 

3. Die eben dadurch gegebene Möglichkeit, durch raadte-Ginvarieihnng 
grosser Dosen oft io kürzester Zeit eine maximale Wick.ung.au erzielen. Dazu 
eignet sich vor allem die vollständig schmerzlose intravenöse (oder intramus¬ 
kuläre) Injektion, bei der relativ grosse Einxetdosen 3—5 ccm (bzw. Iccm) 
möglich sind und auffallend gut vertragen werden. A. R 


Verkotwortlichcr Redakteur : Dr. P. Meisiaer, BerliaW, 4S, Kvt&rttraatr. 81. — V«*lag -eo» Carl Marbeld, Helle.a. S, 
Dmek von der HeynemannVtira Rachdrni'kerei, Oebr WoKT, Halle a. S 


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Medicinische Woche 


Dcotschinanii, 

Hamburg. 

A. Dfibrssen, A. Hofta, 

Berllo. Berlin. 

H. Senator, 

Berlin. 

E. Jacobi, 

Freiburg i. Bt 

R. Sommer, 

Giessen. 


r 

Verlag und Expedition 


1 


Carl Mariiold in Halte tu S*« UUandstrasse 6. 

Tcl.-Adr.: Martiold Verlag Haliesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Kobert, M. Koeppen, K. Pariich, H. Rosln» H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unvenicht. A. VoMlns, 

Magdeburg. Glessen. 

Redaktion: 

Berlin W. 62, Knrfürstenstraase 81» 

Dr. P Meißner, 


Vn. Jahrgang. 21. Mai 1906. Nr. 21. 


Die , Med i cinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utagigen Beilage Baltieologischc CGfltralzeltungy Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fUr 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit SO Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäfiigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Alliohol und Kaffee, 
die grössten Feinde sozialer Kultur. 

Von Dr. A. Rahn, Berlin. 

Wenn bisher der Kampf gegen die verbündeten Feinde, 
Alkohol and Kaffee, auch nicht durchweg mit dem zu wünschen¬ 
den Erfolge geführt wurde, so können wir wenigstens mit 
Genugtuung das eine konstatieren, dass wir im Ersatz des 
Kaffees weiter, viel weiter sind, als im Ersätze der Alkoholika. 
Denn die Alkoholika können in der Hauptsache nur vertauscht 
werden (Fruchtsäfte, Limonaden, Obst, Chokolade u. a.), aber 
der Kaffee, selbst in seiner delikaten Aufmachung, kann getrost 
als ersetzt gelten durch einheimische Getränke Das sind unsere 
Malzkaffees. 

Die Einfachheit der Zubereitung und die geringe Empfind¬ 
lichkeit des Malzkaffees beim Kochen macht ihn in hervorragen¬ 
der Weise zum Volksgetränk geeignet. Wir wollen uns aber 
durch den Ausdruck „Volksgetränk“ nicht abschrecken lassen, den 
Malzkaffee in allen Gesellschaftsklassen einznführen, denn auch 
das Auftischen des Malzkaffees lässt so mancherlei kleine Fein¬ 
heiten, Abstufungen und Abwechselungen zu, die jeder kleinen 
Liebetuerei zu gute kommt. Also, man darf ja nicht glauben, 
dass der Malzk^ee ein „liebloses“ Getränke sei; das kann nur 
derjenige sagen, der von Vorurteilen eingenommen ist und noch 
nicht die ernste Notwendigkeit eingesehen hat, dass jeder ein¬ 
zelne für die wichtige Abatinenzfrage wirkt und eintritt. 

Wir wollen zunächst noch nicht fragen, was das Schädliche 
im Kaffee ist, aber wie die schädlichen Wirkungen sich äussern, 
will ich im allgemeinen an einer kleinen Reihe von langen 
Beobachtungsreihen erläutern: 

I. R. M. 24 J., völlig gesund, aus gesunder Familie, leidet 
nach habituellen Exzessen in Wein und Bier an chronischem 
Magenkatarrh und ist dadurch und durch ängstliche Exameus- 
vorbereituDg neurasthenisch geworden. Herz: etwas dumpfe 
Töne, leichte Erregbarkeit nach Gemütserregungen, flackernder 
Puls beim Treppensteigen u. a. Anstrengungen. Pat. findet 
keine Linderung seiner Hyperacidität, auch nicht bei Regelung 
der Esszeiten, bei Einschränkung der Fleischkost, bei Meidung 
der Gewürze und Alkoholika, bei Einhalten eines indifferenten 
Morgengetränkes und der Milchdiät; es zeigt sich nach jedem 
Nachmittagskaffee (2—2'/., Tassen mittelstarker Bereitung) das 
linke Ohr und die linke Wange gerötet und ein sehr weicher 
flüchtiger Puls. Dies bringt mien auf den Gedanken, auch 
den Kaffee am Nachmittage zu verbieten und Malzkaffee mit 
Würfelzucker früh und nachmittags zu verordnen, und zwar 
mit bestem Erfolge: Vom übernächsten Tage ab keine fliegende 
Röte, keine auffällige Pulsvariierung mehr und namentlich 


Schwinden jeden Sodbrennens und siedend — sauren Gefühles 
im Rachen und Oesophagus. 

n. L. H. 21 J., blasses, lebensfrohes Mädchen, leidet seit 
einem Jahr an ganz unregelmässiger und vielfach sehr profuser 
Menstruation, giebt selbst zu, an Kaffeekränzchen „mit be¬ 
sonderem Zuspruch“ teilgenommen zu haben, trinkt auch in 
der Häuslichkeit viel Kaffee. Lässt anfangs nur mit Mühe den 
Kaffee weg, trinkt aber später sehr gern Malzkaffee schwarz 
mit Würfelzucker. Seit einem halben J^re regelmäßige Menses, 
zu genau bestimmbarer Zeit. Hat sich daran gewöhnt, nur 
einige wenige Kaffeekränzchen zu besuchen und tnnkt dort teil¬ 
weise Malzkaffee, teilweise warmes Zitronenwasser, was sie auch 
bei sich zu Hause gibt. 

III. L. B., Kaufmann, 31 J., hat viel aufreibende Tätigkeit 
mit der Kontrolle im eigenen Geschäft, spielt viel, fährt viel 
Rad, ist leicht erregbar und Gelegenheits- und Qnartaltrinker; 
an „soliden Abenden“ trinkt er zu Hause viel und starken 
Kaffee, nm damit die „nötige Bettschwere“ zu bekommen. 
Frühzeitige periphere Arteriosklerose, Akzentuation des ersten 
Aortentones, leichtes systolisches Geräusch nach Radfahren und 
sonstigen Anstrengungen, und fliegende Hitze und Parästkesien 
nach körperlichen und geistigen Anstrengangen,leichterScliwindel 
nach fahrenden Bewegungen und Erschütterungen usw. Um 
sich zur Abstinenz zu bequemen, schlage ich mm genau vor, 
wie er „die Gastwirte, seine Kunden“, „nicht vor den Kopf 
stösst“, gebe ihm alles an, wie er im Gasthanse die Bestellung 
des Bieres und Weines und Kaffees umgehen kann, gebe ihm 
erst brausendes Bromsalz und Valeriana und schliessUim Bomy- 
val, letzteres 4 Wochen lang, täglich 3—4 Perlen. Pat. be- 
quemt sich allmählich zur Mäßigkeit, lässt nmnentlich auch 
jedes viele Kaffeetriuken und nimmt regelmäßig nachmittags 
Malzkaffee und früh eine Haferschleimsuppe; das Rauchen 
ist ihm nur noch nach dem Mittag- und Abendessen oder Sonn¬ 
tags bei angestrengter Kontorarbeit ein Bedürfnis. 

IV. C. L., 14 J., Bleichsucht, Störung der eben erst ein¬ 
getretenen Menses, Appetitlosigkeit, trinkt viel Bohnenkaffee, 
nur ab und zu allenfalls etwas Milch dazu. Hochgradige Er¬ 
regbarkeit und Weinerlichkeit. Zuerst Kaffee mit Milch, dann 
Kaffee mit Malzkaffee, giebt sich nach 14 Tagen mit 4—5 
Tassen Malzkaffee und reichlich Würfelzucker zufrieden, geht 
nach dem Vor- und Nachmittagskaffee an die Luft, lernt so¬ 
mit, obgleich sie nach einem Morgengetränk erst um 10 Uhr 
Vormittag ihr Frühstück mit Malzkaffee einnimmt, zu Mittt^ 
und zu Abend reichlich essen. Nach 8 Wochen treten die 
Menses regelmäßig auf. 

V. H. P., 43 J., Klimakterische Beschwerden, profuse und 
regelmäßige Menstruation, Hydrämie, schlaffer, atomscher 
Uterus olme Entzündungserscheinungen. Hat bei vieler Haus¬ 
arbeit — nebenher viel Nähen und Sticken! — sich ganz und 
gar an sehr vielen Kaffee gewöhnt und giebt selbt zu, eine 
„tüchtige Kaffeeschwester“ gewesen zu sein. Gewöhnt sieb 
auffallend schnell an Malzkaffee, nimm t ihn erst mit Zitrone, 


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MBDICINISCHB WOCHB. 


Nr. 21. 


später aach mit Vorliebe mit reichlich Würfelzucker, hat ein gewählt. Nur zweier Unsitten will ich noch hier gedenken, 

ganzes Jahr noch regelmäßige Menses, bis diese ganz cessieren. die leider gar nicht so selten sind. Es gibt Mädchen, die 

VI. E. G., 4 J., Bettnässen, hat bisher immer mit der Kaffeebohnen kauen, um anderen Geschmack im Munde zu be- 

Familie tassenweise Kaffee getrunken, wenn auch bisweilen kommen, oder um angeregt zu werden. Es giebt Raucher, die 

noch einmal aufgegossen. Der Kaffee wird entzogen, dafür Kaffeebohnen kauen, um sich den Schwindel nach dem Rauchen 

Malzkaffee; abends keine Flüssigkeit ausser Suppe, am Tage zu vertreiben. 

aber Malzkaffee mit Zucker. Nach zwei Monaten kein Bett- Wie nachteilig der Kaffee, selbst als mäßig benutztes 

nässen mehr. Hausgetränk, wirkt, konnte ich an mir selbst erfahren. Ich 

VII. P. W., 28 J., Hämorrhoidarier. Isst viel Saures, Obst, möchte daher zuletzt nur noch kurz einige Beobachtungen 

Gewürztes und alle Speisen am liebsten nur in Pur^eform, gibt berichten, die. ich an mir selber machte. 

aber gleichzeitig zu, auch recht viel Kaffee getrunken zu haben. Bei chronischer Bronchitis, bei Rippenfell- und Brustfell- 

Gewöhnt sich erst langsam an das ZurücÄommen auf blande Verwachsungen, Vagus-Kompression usw. reagierte ich äusserst 

Diät, gewöhnt sich aber sehr schnell an Malzkaffee und entsagt präzis und fein auf die Reize des Alkohols und Kaffees; ein 

ohne alle Schwierigkeiten dem Bohnenkaffee, indem er ganz im Glas Bier, ein Gläschen Wein und gar noch ein Schluck 

Anfang starken Extrakt des Malzkaffees nimmt und denselben mit Coraac lösten sofort einen Hustenreiz und unruhige, gewisser- 

Milch verdünnt (Caf6 au lait) trinkt. Nach 3 Wochen ist Pat. maSen schaukelnde bezw. flatternde Atmung aus, Kaffee machte 

ganz eingerichtet auf blossen Malzkaffee mit Würfelzucker, und mir sofort heisse Stirn, Unruhe, Eingenommenheit und Hitze- 

nach einem Vierteljahr sagt ihm schliesslich auch völlig die geföhl mit Andrang nach dem Kopfe. Lebe ich vollständig 

blande Diät sehr vorteilhaft zu. Pat lässt die Hämorrhoidal- abstinent oder wenigstens beschränke ich mich auf 1—1*/* Glas 

knoten operieren, ist aber nunmehr in der Lage, die entsprechende Bier in und nach dem Abendessen, dann verspüre ich den 

prophyl^tische Diät auch weiter mit Behagen innezuhalten. ganzen Tag nichts von Hustenreizen imd Kreislaufstörungen. 

Vin. M. H., 26 J., Menstruationsstörungen und Con- Ich muss sagen, dass ich nach jahrelangem Schwanken und 

gestionen. Hat stets grosse Schmerzen vor dem Eintritt der Zweifeln an der Berechtigung gerechter Abstinenz nunmehr 

Menses, krampfartiges Ziehen im Leibe, Abgeschiagenheit und ganz und gar von der Notwendigkeit derselben überzeugt bin. 

‘Angstgefühle. Aber auch sonst häufiger Blutandrang nach dem Wir erinnern hier nur an F. Mendel’s Warnung vor 

Kopfe, Schwindel, Herzklopfen, Hitzegefühle, Ameisenkribbeln den „Schädlichen Folgen des chronischen Kaffeemissbrauches“ 

und zwar allemal dann, wenn sie starken Kaffee trinkt. Will (Berl. Klin. Wochenschr. XXVI., Nr. 40, S. 877): „Drei An- 

aber noch immer nicht an diesen Zusammenhang glauben, griffspunkte sind es“, sagt Mendel, „an denen das Gift 

Strenges Verbot des Kaffees und namentlich das Plausibelmachen hauptsächlich seine Wirkung geltend gemacht hat, es sind dies 

der Einfachheit und Wohlfeilheit und Schmackhaftigkeit des Centralnervensystem, dessen Reflexerregbarkeit gesteigert und. 
Malzkaffees überzeugt sie von letzterem. Nach 12 Wochen dessen reflexhemmenden Centren in mrer Wirksamkeit ge- 

giebt Pat. an, nichts wieder von obigen Störungen in letzter hemmt werden, ferner die Muskeln und das Herz.“ 

Zeit gemerkt zu haben, und sie macht selbst lür diese Bes- Mit Recht führt Hermann Isaac (Berl. klin. Wochenschr. 

serung das Wechseln des Gewohnheitsgetränkes verantwortlich. XXVI. Nr. 3, S. 48) bei seinen Untersuchungen in der Lassar- 

IX. A. K., 38 J., leidet an Flimmern und häufigen sehen Klinik die Beeinflussbarkeit der mechanischen Verstopfung 

Schwindel und Schwäche während der Menses. Trinkt als der Talgdrüsen auf Störungen der Verdauung, Zirkulation und 

Waschfrau den Kaffee meist kannenweise in allen Formen Menstruation zurück, er fand unter den Akne-Kranken viele 

(erster, zweiter usw. Aufguss) ohne Milch und Zucker und gewohnheitsmäßige Kaffeetrinker. 

nimmt sonst nur noch Brot oder Kartoffeln an. Wird aber Ein ganz bemerkenswerter Umstand aber, der auch zugleich 

durch Malzkaffee allmählich abgelenkt und verlangt schliesslich die positiven Vorteile des Malzkaffees am besten illustriert, wird 

selbst nur noch Malzkaffee, ist ruhiger bei der Arbeit und ge- von Oberstabsarzt Cyrillus Koljago in Band II, 81, 745 des 

wöhnt sich an alle die Vorgesetzten Mahlzeiten. Erklärt nach „Militär-Medicinal-Joumals“ hervorgehoben, 

einem halben Jahre selbst, „ein ganz anderer Mensch geworden Schon Nicolai erwähnt im Vorworte zu seiner ausser- 

zu sein.“ ordentlich umfangreichen und eingehenden, sozial-hygienisch 

Diese Fälle könnte ich noch durch einige weitere beleuchten, höchst bedeutsamen Schrift „Der K^ee und seine Ersatzmittel“, 
aber ich habe die instruktivsten der einzelnen Gebiete heraus- wie der Tee bei den Russen als Vorarbeiter der Nervenzer- 

Feuilleton. Bei Tisch also hörte ich nichts anderes als medicinischc 

_ Gespräche, eben wie vormals in der Pension des Hofrats Ludwig. 

Medicinisches von und über Goethe. .'’^'irSidoiscZ fTS 

(Fortsetzung.) überhaupt vor den übrigen, sowohl in Absicht auf die Berühmt- 

Als er dann in Strassburg vom Frülyahr 1770 an seine heit der Lehrer als die Frequenz der Lernenden, und so zog 

juristischen Studien weiter foiteetzen und am Ende promo- mich der Strom dahin, um so leichter, als ich von diesen Dingen 

vieren sollte, ihm aber durch die französische Art gedächtnis- gerade so viel Kenntnis hatte, dass meine Wissenslust bald 

massiger Aneignung der für die Praxis nötigsten Gesetzes- vermehrt und angefeuert werden konnte. Beim Eintritt des 

kenntnisse und das Einpauken zum Examen bei einem Rep- zweiten Semesters besuchte ich daher Chemie bei Spielmann, 

tenten jede eigne Tätigkeit abgeschnitteu war — da fand er Anatomie bei Lobstein und nalim mir vor, recht fleissig zu 

für seine Kräfte einen grösseren Spielraum, den er auf die sein, weil ich bei unserer Sozietät durch meine wunderlichen 

wunderlichste Weise benutzte: „Die meisten meiner Tisch- Vor- oder vielmehr Ueberkenntnisse schon einiges Ansehen und 

genossen waren Mediciner. Diese sind wie bekannt, die ein- Zutrauen erworben hatte.“ Die Anatomie, sagt er an einer 

zigen Studierenden, die sich von ihrer Wissenschaft, ihrem späteren Stelle, war mir auch deshalb doppelt wert, weil sie 

Metier, auch ausser den Lehrstunden mit Lebhaftigkeit unter- mich den widerwärtigsten Anblick ertragen lehrte, indem sie 

halten. Es liegt dieses in der Natur der Sache. Die Gegen- meine Wissbegierde befriedigte. Und so besuchte ich auch das 

stände ihrer Bemühungen sind die sinnlichsten und zugleich die Klinikum des älteren Dr. Ehrmann, sowie die Lektionen der 

höchsten, die einfachsten und die kompliziertesten. Die Medicin Entbindungskunst seines Sohnes in der doppelten Absicht, alle 

beschäftigt den ganzen Menschen, weil sie sich mit dem ganzen Zustände kennen zu lernen und mich von aller Apprehension 

Menschen beschäftigt. Alles was der Jüngling lernt, deutet gegen widerwärtige Dinge zu befreien. Ich habe es auch wirk- 

sogleich auf eine wichtige, zwar gefährliche, aber doch in lieh darin so weit gebracht, dass nichts dergleichen mich je- 

manchem Sinn belohnende Praxis. Er wirft sich daher mit mals aus der Fassung setzen konnte. 

Leidenschaft auf das, was zu erkennen und zu tun ist, teils Zu dieser vielfachen Zersplitterung kam nunmehr eine an¬ 

weil es ihn an sich interessiert, teils weil es ihm die frohe gehende Leidenschaft (zu Friederike von Sesenheim), die ihn zu 
Aussicht von Selbständigkeit und Wohlhabenheit eröffnet. verschlingen drohte, so sehr sie eines der glücklichsten Idylle 


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1906 . 


B4BDICINISCHB WOCHE. 


237 


rüttung za betrachten ist, und Koljago sollte in Praxi die 
Unterschiede zwischen Tee und MaJzkaffee zu Gunsten des 
letzteren kennen lernen. In einer russischen Infant^iedivision 
wurde seit mehr als einem Jahre statt des Tees den Mann¬ 
schaften Malzkaffee gereicht, die Versuche fielen günstig aus. 
Schon der Kommandeur dieser Division teilte dem Kommandeur 
des Militärbezirks Turkestan mit, dass der Malzkaffee nicht nur 
den Durst lösche, sondern auch zur Besserung der Ernährung 
wesentlich beitrage. Dies prüfte Koljago an Mannschaften 
des 2. Turkestan^chen Schützenbataillons, indem er 10 Mann 
nur Malzkaffee und zur Kontrolle dagegen 10 Mann nur Tee 
trinken liess, und zwar im üblichen MaJße und in genau gleicher 
Vorschrift des Wasaerzusatzes; die Menge des Malzkaffees für 
10 Tage betrug 200 g, also pro Tag 20 g auf je drei Glas. 
Koljago berichtet über die Ergebnisse folgendes: „Die zu 
unserem Versuche aus dem Lebrkommando herbeigezogenen 
Leute waren annähernd von gleichem Körpergewicht. Infolge 
ihres angestrengten Dienstes pflegt sich bei der Mannschaft 
gewöhnlich ein Gewichtsverlust einzustellen, wie dies bei den 
„Kontrollleuten“ unseres Versuches zu konstatieren war, indem 
sie in 10 Tagen durchschnittlich 1,3 Pfund an ihrem Körper¬ 
gewicht pro Mann eingebüsst haben. In derselben Zeit aber 
gewannen die Leute, welche den Malzkaffee getrunken haben, 
im Durchschnitt über 2 Pfund pro Mann an ihrem Körperge¬ 
wicht. Es dürfte angesichts einer so bedeutenden Gewichts¬ 
zunahme die Schlussfolgerung gestattet sein, dass dies dem 
Genüsse des Malzkaffees zu verdanken ist, der augenscheinlich 
in hohem Maße die Eigenschaft besitzt, auf die Assimilation 
der Nährstoffe der von der Mannschaft gebrauchten Speisen 
überhaupt günstig einzuwirken.^ 


dass namentlich das benzoe- und Salizylsäure Salz des Coffeins 
bei den Kreislaufstörungen im Anfänge von Diphtherie, Pneumonie, 
Scharlach usw. die Spannung der Gefässe und den Blutdruck 
zu erhöhen vermag, aber eben nur dort, wo das Herz auf den 
peripheren Reiz der Stromverengeruug durch genügende Spann¬ 
kraft noch zu antworten weiss. 

Das im Kaffee enthaltene Coffein ist aber im chronischen 
Gebrauche als degenerierender Feind des Herzmuskels anzu¬ 
sehen, und als zwei Verbündete vollbringen somit Alkohol und 
Kaffee „eine unheimliche sich ergänzende Zerstörungsarbeit“, 
sodass Hans Stell ihre Wirkung (Alkohol und Kaffee in 
ihrer Beziehu^ auf Herzleiden und nervöse Störungen, 2. Auf¬ 
lage, Benno Konegen Verlag, 1905, Leipzig) mit Recht fol- 
gendermassen kennzeichnen konnte: .Erwägt man, dass in der 
guten Gesellschaft während eines ganzen Lebens das Herz täg¬ 
lich dieselbe Attake des „Mokka“ aushalten muss, so wird die 
Häufigkeit der Herzkrankheiten in guten Kreisen erklärlich, 
wenn man neben Mitwirkung der psycnischen Zwangserregungen 
innerhalb der „Karriere“ auch die Arbeit des Sekts und der 
„guten Weine“ gegen das Herz nicht vergisst. Was dagegen 
die kleinen Leute sich in Qualität der Weine und Kaffees nicht 
leisten können, holen sie reichlich durch Quantität nach. Hier¬ 
bei ist die „Kanne Kaffee“ als die billigere Form der praktische 
Faktor in der Reihe der genussgiftigen Feindseligkeiten gegen 
das Herz, weil die Kanne Kaffee von den kleinen Leuten als 
„gesund und billig“ ohne jedes Verständnis überschätzt wird. 
Ausserdem sorgen auch der Schnaps für die gefährliche Wechsel¬ 
wirkung zwischen Alkohol und Kaffee leider noch, so dass 
auch der kleine Mann hinter dem Sekt - Mokkatrinker als 
Kandidat des Herzleidens nicht zurücksteht.“ 


Leven’s Behauptung: „Das Koffein riebt dem Kaffee 
seine Haupteigenschaften“ konnte Felix Wilhelm (Inaug.- 
Dissert. 1895, Würzburg) und M. Geiser (Arch. f. experim. 
Pathol. u. Pharmakol. LIH. 2. p. 112. 1905) durch Versuche be¬ 
stätigen. Schon Wilhelm und Neumann hatten gefunden, 
dass die Wirkung eines Eaffeeaufgusses und einer Koffeinlösung 
die gleiche ist, und zwar entsprach 0,5 reinen Koffeins einem 
Eaffeeaufguss von 50,0 g vollkommen. 

Nicht zu verwechseln mit dem Koffein ist das Koffeon. 
Denn nach den Selbstversuchen von Wilhelm und Neumann 
kommt dem Koffeon keinerlei exzitierende Wirkung zu, sondern 
es repräsentiert nur den würzigen Kaffeegeschmack, den auch 
Kathreiners Malzkaffee besitzt. 

Romberg und Pässler untersuchten experimentell und 
klinisch die therapeutische Wirkung des Koffeins und fanden, 


St oll wird durch die Erfahrungen, die er als leitender 
Arzt der Herzheilstätte Alicenhof und als Badearzt in Bad 
Nauheim über Alkohol- und Koffeinwirkung machen konnte, 
auch erst durch die Praxis zu diesen ernsten und recht be¬ 
herzigenswerten Vorwürfen veranlasst 

Dass guter Malzkaffee geeignet ist, dem Genüsse geistiger 
Getränke Abbruch zu tun, hat sich schon wiederholt in der 
Praxis erwiesen. Wer wollte an dieser Möglichkeit zweifeln, 
wenigstens wenn Beispiele dazu gegeben werden, wie sie H. 
F. Nicolai in „Der Kaffee und seine Ersatzmittel“ S. 85 uns 
vor Augen führt; 

„Prof. Hofmann veranlasste, dass bei den im Winter er¬ 
folgenden Erdarbeiten der Leipziger Wasserleitung den be¬ 
schäftigten Arbeitern seitens des Unternehmers den ganzen Tag 
über das billig zu bereitende Kaffeeersatzmittel zur Verfügung 


seines Lebens bildete (irre ich nicht, so ist dies ebenfalls von 
einem Arzt Dr. Adolf Müller, poetisch verherrlicht worden). 
„Dazu kam noch ein körperliches Uebel, dass mir nämlich 
nach Tische die Kehle wie zugeschnürt war, welches ich erst 
später sehr leicht los wurde, als ich einem roten Wein, den 
wir in der Pension gewöhnlich und sehr gern tranken, ent¬ 
sagte . . . Alles dies machte mich nachdenklich und mürrisch 
und mein Aeusseres mochte mit dem Innern übereinstimmen. 
Verdriesslicher als jemals, weil eben nach Tische jenes Uebel 
sich eingefunden hatte, wohnte ich dem Klinikum bei. Die 
grosse Heiterkeit und Behaglichkeit, womit der verehrte Lehrer 
uns von Bett zu Bett führte, die genaue Bemerkung bedeuten¬ 
der Symptome, die Beurteilung des Ganges der Krankheit 
überhaupt, die schöne hippokratische Verfahrungsart wodurch 
sich, ohne Theorie, aus einer ebenen Erfahrung, die Gestalten 
des Wissens heraufgaben, die Schlussreden, mit denen er ge¬ 
wöhnlich seine Standen zu krönen pflegte, das alles zog mich 
zu ihm und machte mir ein fremdes Fach, in das ich nur wie 
durch eine Ritze hineinsah, um desto reizender und lieber. 
Mein Abscheu gegen die Kranken nahm immer mehr ab, je 
mehr ich diese Zustände in Begriffe verwandeln lernte, durch 
welche die Heilung, die Wiederherstellung menschlicher Ge¬ 
stalt und Wesens als möglich erschien. Er mochte mich wohl 
als einen seltsamen jungen Menschen besonders ins Auge ge¬ 
fasst und mir die wunderliche Anomalie, die mich zu seinen 
Stunden hinführte, verziehen haben. Diesmal schloss er seinen 


Vortrag nicht wie sonst mit einer Lehre, die sich auf irgend 
eine beobachtete Krankheit bezogen hätte, sondern sagte mit 
Heiterkeit: Meine Herren! Wir sehen einige Ferien vor uns. 
Benutzen sie dieselben, sich aufzumuntern; die Studien wollen 
nicht allein ernst und fleissig, sie wollen auch heiter und mit 
Geistesfreiheit behandelt werden. Geben Sie Ihrem Körper 
Bewegung, durchwandern Sie zu Fuss und zu Pferde das 
schöne Land! 

Es waren unser eigentlich nur zwei, an welche diese Er¬ 
mahnung gerichtet sein konnte; möge dem andern dieses Re¬ 
zept ebenso eingeleuchtet haben als mir! Ich glaubte eine 
Stimme vom Himmel zu hören, und eilte, was ich konnte, ein 
Pferd zu bestellen und mich sauber herauszuputzen.“ Noch 
am Abend schwingt sich Goethe aufs l^ferd und sprengt in 
leidenschaftlicher Stimmung durch die rauhe stürmische No- 
vembemacht (1770) nach Sesenheim wo ihn die Geliebte ahnend 
erwartet hatte. An die Schilderung dieses Ereignisses knüpft 
Goethe eine Reflexion über Ahnungen: Wer fühlt nicht einiges 
Behagen beim Eintreffen einer Ahnung, selbst einer traurigen? 
Alle Vorgefühle, wenn sie durch das Ereignis bestätigt werden, 
geben dem Menschen einen höhern Begriff von sich selbst, es 
sei nun, dass er sich so zartfühlend glauben kann, um einen 
Bezug in der Feme zu tasten, oder so scharfsinnig, um not¬ 
wendige, aber doch ungewi.sse Verknüpfungen gewahr zu werden. 
Hier hatte F.riederike vorausgesagt, dass er kommen würde, 
und man erwartete ihn wie einen zugesagten Gast. Von seiner 


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238 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr.-21. 


gebtellt werde, und der Erfolg war ein ausnehmeDd günstiger, 
indem der Schnapsgenuss während der Arbeit abnabm und 
die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitswilligkeit so auffällig stieg, 
dass der Unternehmer erklärte, die Unkosten überreich wieder 
erlangt zu haben.“ 

Auch in ländlichen Arbeiterkreisen hat sich die Verwendung 
des Malzkaffees besonders bei den Emtearbeiten gut bewährt. 
Ein Gutsbesitzer, der seit Jahren seinen zahlreichen Ernte- 
arbeitem dieses Getränk mit auf das Feld gibt, statt des in 
der Gegend üblichen Dünnbieres oder Mostes, fand, dass die 
Arbeiter den mit Zucker versüssten Absud in grossen Mengen 
und mit Behagen trinken und den ganzen Tag keine geistigen 
Getränke verlangen; sie sind dabei natürlich viel reger und 
arbeitsfähiger als andere, die unter dem erschlaffenden Bier — 
und Mostgennss leiden. 

Alkohol und Kaffee, die grössten Feinde der sozialen 
Kultur! Furchtbar bitter wird oft die Arbeit des Arztes, denn 
sein Helfen ist illusorisch, wenn er weiss. dass kein Sinn da 
ist für eine besonnene Gesundheitspflege, kein Interesse für 
eine ruhige Häuslichkeit, keine Selbstbeherrschung dem Alkohol 
und Kaffee gegenüber. So manches kann der Kranke durch 
Selbstzucht erreichen und manches Unheil vermeiden mit dieser 
grössten aller Fähigkeiten. Bei manchem, vielleicht sogar bei 
jedem Künstler lassen sich mehr oder weniger hysterische Stig¬ 
mata Dachweisen, aber die den Künstler oft auszeichnende 
Selbstbeherrschung und Selbstkritik hilft ihm über die Eigen¬ 
heit seiner krankhaften Erscheinungen hinweg. Also Selbstbe¬ 
herrschung ist die wertvollste Lebensaufgabe, sie ist und bleibt 
die grösste Bundesgenossin im Kampfe ums Dasein und im 
Kampfe gegen die Krankheit. Der Malzkaffee hat eine grosse 
sozialhygienische Bedeutung im täglichen Haushalt, und eine 
solche steht ihm auch in der allgemeinen Abstinenzler- und 
Temperenzler-Bewegung und zwar hier gerade im höchsten Masse 
zu. Wie angenehm und wie vorteilhaft für Gwchmack und wie 
reizlos in seinen Nachwirkungen und doch wie nachhaltig der 
Malzkaffee ist, das habe ich genugsam beleuchtet. Nun ist es 
an jedem Einzelnen, der Freude an der Erhaltung der Nation 
und des nationalen Wohlstandes hat, sich gerade der leichteren 
Aufgabe in der Abstinenzfrage, d. i. der bedachtsamen Mäßig¬ 
keit im Kaffee und auch im Tee zu unterziehen: denn der Er¬ 
satz des Kaffees ist bereits voll und ganz gelungen. 


eignen Gabe des ^zweiten Gesichts“ erzählt Goethe gelegentlich 
des Endes des Sesenheimer Idylls. Nachdem er die Geliebte 
zum letzten Mal vor seiner Heimreise besucht, ritt er auf dem 
Fusspfade gegen Drusenheim, und da überfiel ihn eine der 
sonderbarsten Ahnungen. »Ich sah nämlich, nicht mit den 
Augen des Leibes, sondern des Geistes, mich mir selbst, den¬ 
selben Weg, zu Pferde wieder entgegenkommen, und zwar in 
einem Kleide, wie ich es nie gestragen; es war hechtgrau mit 
etwas Gold. Sobald ich mich aus diesem Traum aufschüttelte, 
war die Gestalt ganz hinweg. Sonderbar ist es jedoch, dass ich 
nach acht Jahren, in dem Kleide das mir geträumt hatte, und das 
ich nicht aus Wahl, sondern aus Zufall gerade trug, mich auf 
demselben Wege fand, um Friederike noch einmal zu besuchen.“ 
Aus ferner Mediciuer-Zeit stammt die verstärkte Neigung 
Goethes zu reflektierenden Betrachtungen über Gesundheit und 
Krankheit, Natur und Kultur usw., die er sein Leben lang 
beibehielt. Und als er später seine Lebenserinnerungen in 
„Dichtung und Wahrheit“ niederschrieb, schildert er mit Sach¬ 
kenntnis derlei medicinische Episoden. So zunächst seine 
schwere Erkrankung in Leipzig. Missverstandene Anregungen 
Kousseaus, Hypochondrien von Haus aus, eine unglückliche 
Lebensdiät und dazu das schwere Merseburger Bier und der 
sächsische Kaffee, ein Hin- und Herschwanken in jugendlichen 
Extremen usw. bewirkten eines Nachts einen heftigen Blutsturz 
und eine Veo-hetzung des ganzen Organismus, dass ertrotz Dr. 
Eeiohels sofortiger Hilfe mebrere Tage zwischen Leben und 


Sitzungsberichte. 

BeH/hier medici/M^eihe Oesellwhaft, 

Sitzung vom 2. Mai 1905. 

Vor der Tagesordnung demonstriert Orth Meerschweinchen- 
langen mit experimentell erzeugter Schwindsucht. Dieselbe wurde 
bei den Tieren hervorgerufen einfach durch Einspritzen von rein¬ 
gezüchteten TuberkelbazÜlen, durch deren Injektion sonst nur eine 
allgemeine Miliartuberkulose bei den Meerschweinchen hervoig'e- 
bracht wird. Diese Experimente beweisen demnach, dass Tuberkel- 
bazillen allein Schwindsucht hervorbringen können, dass es zu deren 
Entstehung also keiner Mischinfektion bedarf. Von Interesse ist 
weiter die Lokalisation der phthisischen Veränderungen, kein Teil 
der Lungen wuixie bevorzugt, in allen fanden sich Gavemen and 
Verkäsungen. Das gegenüber den Befunden beim Menschen ab¬ 
weichende Verhalten hängt vielleicht damit zusunmen, dass, während 
beim Menschen die Spitze der höchststdiende Teil der Lunge ist, 
dies beim Meerschweinchen wegen der horizontalen Lagernng des 
Organs nicht der Fall ist. Die Infektion wurde nur dorch In¬ 
jektion der TuberkelbazlUen hervorgebracht; die Möglichkeit einer 
Inhalation wurde sorgfältig ausgeschlossen, sodass die Infektion 
also nur auf dem Blutwege erfolgen konnte. Damit ist bewiesen, 
dass schwere Schwindsucht durch auf dem Blutwege eingedrungene 
Tuberkelbazillen entstehen kann. Die Frage, weshalb nur ein Teil 
der infizierten Tiere schwindsüchtig wurden, bei den anderen sich 
nur die gewohnte Miliartuberkulose einstellte, ist nicht ein¬ 
deutig zu beantworten. Nach Anordnung der Experimente konnte 
daran weder die Menge der Bazillen, noch die Art derselben 
Schuld sein. Eine Rolle scheint die Dauer der Erkrankung zu 
spielen. Die phthisischen Tiere sind im Ganzen der Erkrankung 
später erlegen; aber verschiedene Ausnahmen nach der einen und 
anderen Seite zeigen, dass das Moment der Dauer allein nicht 
ausschlaggebend sein kann. Es ist anzunehmen, dass besondere 
individuelle Verhältnisse bei den Tieren vorliegen. In dieser Hin¬ 
sicht ist es sehr interessant, dass die schwindsüchtig gewordenen 
Tiere mit Kaltblütertuberkelbazillen vorbehandelt gewesen sind. 
Von 6 in dieser Weise vorbehandelten bekamen 4 Schwindsucht, 
während bei allen nicht vorbehandelten sich nur eine Miliartuber¬ 
kulose entwickelte. 

Tagesordnung; Eckstein Paraffininjektionen und Implantationen 
bei Nasen- und Q^sichtsplastiken (mit Demonstrationen von Patienten). 
Von den in Anwendung gezogenen Paraffinarten, Vaselin, Weich¬ 
paraffin, Hartparaffin von 40—80® Schmelzpunkt und Mischungen 
dieser, ist unbedingt dem Hartparaffin von hohem SchB3telzpnnkt, 
nicht unter 50®, der Vorzug zu geben. Die mannigfaltigen, ^um 


Tod schwankte. Unter diesem üblen Nachkiang fuhr Goethe 
im September 1768 nach Frankfurt zurück, wo er noch lange 
laborierte und besonders mit einer Geschwulst am Halse sehr 
geplagt war, die sich bei jener Eruption gebildet hatte. Aus 
jener Zeit erzählt Goethe em medicinisches Heil-Kuriosum, das 
an die Wunderkuren Doktor Eisenbarts und seine Allheilmittel 
erinnert. Arzt und Chirurgus, die ihn behandelten, gehörten 
unter die abgesonderten Frommen. „Der Arzt war ein schlau 
blickender, freundlich sprechender, übrigens abstruser Mann, 
der sich in dem frommen Kreise ein ganz besonderes Zutrauen 
erworben hatte. . . . Mehr aber als durch alles erweiterte er 
seine Kundschaft durch die Gabe, einige geheimnisvolle selbst¬ 
bereitete Arzneien im Hintergründe zu zeigen, von denen nie¬ 
mand sprechen durfte, weil bei uns den Aerzten die eigene 
Dispensation streng verboten war. Mit gewissen Pulvern, die 
irgend ein Digestiv sein mochten, tat er nicht so geheim, aber 
von jenem wichtigen Salze, das nur in den grössten Gefahren 
angewendet werden durfte, war nur unter den Gläubigen jüo 
Hede, ob es gleich noch niemand gesehen oder die Wirkui^ 
davon gespürt hatte. Um den Glauben an die Möglichkeit 
eines solchen Universalmittels zu erregen und zn stärken, hatte 
der Arzt seinen Patienten, wo er nun einige Empfänglichkeit 
fand, gewisse mystische chemisch-alchymische Bücher eii^ohlen 
und zu verstehen gegeben, dass man durch eigenes Studium 
derselben gar wol dahin gelangen könne, jenes Kleinod sich 
selbst zu erwerben“ . . . (Schluss fdgt) 


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1906 . 


MBDICmiSCEE WOCHE 


289 


Teil sehr schweren KompUkatioDen, die im Anachhige an Paraffin- 
iujektioBen beobachtet worden sind, fallen fast aoesehlieaslieh dm 
weichen Paraffinen zur Last. So die Lungenembcffien, damnter 
s<^ehe mit tötUohem Ausgang, Im Anschlnss an Hartparaffinin* 
jektionen smd Gesichtaphlebitiden bescdirieben wohlen, von denen 
aus es aneh zu Embcdien gekommen ist, die aber nicht direkt dem 
Hartparaffin zugeschrieben werden können. Bei dieeem ist die 
Geffihr einer Lungenedibelie eme minimale. Zur Iiyektion s«^ 
man dicke Kanülen geWaudlken, langsam einspritaen und nicht 
mdu* als 5 ccm auf einmal. Dass Paraffin bei gewiesen Injek- 
tionenindieretinalen Venengeraden kann, ist erklärlich. Schwieriger 
zn erklären sind die beobachteten Embolien der Arteria centralis 
retinae. Die Fälle von so herbeigeführter Erblindnng betreffen 
alle Weichparaffin; bm Gebrauch von Hartparaffin ist naoh Verf. 
noch kein Fall von Amaurose beobachtet. Auch Hautnekrosen 
sind nach Injektionen von Hartparaffin noch nicht beschrieben. 
Das harte Paraffin zieht sich beim Erkalten zusammen und gibt 
deshalb bald naoh der Injektion der Hautzirkulation wieder freien 
Spielraum. Hartparaffin bleibt an Ort und Stelle, wo es einge¬ 
spritzt ist, liegen, es wandert nicht und ändert nicht die Form. 
Bei weiohem ist es nodi nach langer Zeit zn sekundärer Verschleppung 
kommen. Bei Hartparaffin sind Spätfolgen nach einmaliger glatter 
EinheilüDg nur sehr selten. Weiches ist chemisch weniger rein, 
es reizt mehr. Es verteilt sich feiner nnd bildet deshalb eine 
grössere Oberfläche. Das harto sammelt sich in grösseren Depots. 
Weiches findet man nach Monaten mit Bindegewebe durohwuchert, 
zum Teil wird es resorbiert. Hartes bleibt unverändert, in Binde- 
gewebskapseln eingeschlossen, wahrsoheinlioh wird es überhaupt 
nicht resorbiert. An Stelle von Injektionen hat Vortr. in letzter 
Zeit auch Implantationen von Paraffin vorgeoommen. Demon¬ 
stration von Bildern von Patienten mit Nasen- und Gesichtsdefor- 
mitäten, die mit Paraffininjektionen resp. -Implantationen behandelt 
sind. 

Diskussion. Silberstein bleibt bei seiner im Anschluss 
an die nach Paraffininjektion beobachtete Amaurose ausgespro(fiienen 
Warnung. Die Gefahren des Verfahrens stehen in gar keinem 
Verhältnis zu den Indikationen. 

Hirsch berichtet über histologische Untersuchungen beir. das 
Schicksal des injizierten Paraffins. 

Joseph warnt vor jedem Optimismus bezüglich der Resultate 
der Ptu'affinbdbandluDg der Sattelnase. Die erst erzielten Resultate 
täuschen. Noch naoh Jahren können noch entstellende Veränderungen 
sich einstellen. Die Indikationen für Paraffinbehandlung sind 
wesentlich einzuschränken. 

David bemerkt bezüglich der Resorbierbarkeit, dass jedes 
Paraffin resorbiert wird, das harte nur langsamer. 

GeseUschafl fUr Q^burtshiüfe und Gynäkologie, 

Sitzung am 27. April 1906. 

Vorsitzender: Herr Bumm. 

Der Vorsitzende hält einen Naobrnf auf Klein Wächter. 

Herr Jacquet wird anlässlich seines bevorstehenden siebzig¬ 
sten Geburtstages auf Vorschlag des Vorstandes zum Ehrenmit¬ 
glied der Gesellschaft erwählt. 

Demonstrationen: Herr Heuse: Tuberkulöse Tuben. Als 
zufälligen Nebenbefand bei der vaginalen Operation einer Ovarial- 
zjste fand H. 2 tuberkulöse Tuben. Der klinische Befund ergab: 
freie Parametrien, Ovarialtumor im Douglas, Tuben fingerdick. Bei 
der Operation kein Ascites, ans dem Douglas entleerte sich nnr 
1 Esslöffel seröser Flüssigkeit; Mesosalpinx war nicht infiltriert, 
der tuberkolöse Process also vermutlich noch ziemlich frisch. H. 
betont die Sehwierigkeit der klinischen Diagnose and glaubt aus 
dem vorliegenden Falle in diagnostmoher Hinsicht folgendes schliessen 
zu können: Während bei der differential-diagnostisch in Betracht 
kommenden Gonorrhoe zunächst von der erkrankten Cervix aus die 
basalen Parametrien, die ligg. sacrouterina infiltriert and später 
erst die Tuben befallen werden, erkranken bei der Tuberkulose 
zunächst die Tuben, ^vährend die basalen Parametrien frei bleiben. 

wäre mithin das Vorhandensein verdickter Tuben bei freien 
l^asalen Parametrien charakteristisch für Tuberkulose. 

Diskussion: Herr ßumm bestreitet das primäre Eindringen 
der Gonooocceu in die Basis der Ligamente. Vorerst bei frisch- 
entzündeten Tuben als auch bei chronischer Gonorrhoe bleiben die 


Parameiriea häufig vcflikommen frai. Der von H. beobachtete 
Verlauf stellt somit nicht die Regel, sondern eine Ansnaduoe dar. 

Herr Heuse glaubt, dass die Infiltration der Parametrien bei 
Gonoirhoe immer vorhanden sei, allerdings brauche öe nioht von 
den Gonococoen harsnrühran, sondern könne auch durch eine Misch- 
infekticm bedingt sein. 

Herr Bröse hat in seltenen Fällen Infiltration der ligg. sacrou¬ 
terina gesehen, glaubt jedoch, dass diese dann erat vom Rectum 
ausgeht. 

Herr Liepmann: Missgeburt mit Zweistr ahlnng des 
distalen femnrendes und Tibiadefekt. Bisher ist nur 1 
ähnlicher Fall beschrieben. Ausserdem fanden sich an der lebend 
geborenen Missgebnrt eine Hernia diaphregmatica sporia und ein 
Uterus bioomis. 

Herr Olshausen fragt nach der Menge des Fmohtwsssera. 

Herr Liepmann: Die Fruchtwassermenge war gering, die 
Placenta normal 

Herr Orthmann stellt eine Patientin vor, bei der er vor 
ca. 10 Wochen die Radikaloperation einer inoaroerierten Nabel- 
hernie und gleichzeitig die doppelseitige Adnexexstirpation wegen 
primären Tubencarcinoms ausgefUbrt bat. Das Garcinom machte 
klinisch nur sehr geringe Symptome; die Exstirpation des rechts¬ 
seitigen grösseren Tumors war wegen Verwachsungen sehr schwierig, 
die Rekonvaleszenz vorübergehend durch einen Bauöhdeckenabszess 
gestört. Das Präparat der rechten Tube macht zunächst den Ein¬ 
druck einer einfachen Sorosalpinx, das Lumen ist durch Zwischen¬ 
räume in mehrere Kamm ern geteilt, die zum grössten Teil durch 
papilläre Wucherungen ausgefüllt sind. Mifcro^opisoh: alveoläres 
Carcinom mit hyaliner Degeneration und Verkalkungen. Prognose 
schlecht, da schon multiple Metastasen auf dem Netz und Peri¬ 
toneum vorhanden waren. 

Diskussion über den Vortrag des Herrn R. Meyer: Ueber 
die benigne choriale Zellinvasion in die Uterus- und 
Tub enwand. 

Herren Bauer, Rüge, Heuse, Stöckel, Herr Meyer 
(Schlusswort). 

Herr Knorr: Zur Diagnose und Therapie der Go¬ 
norrhoe. 

Seit den vor 10 Jahren erschienenen Bnmm’schen Arbeiten 
ist über die Gtenorrhoe der oberen Hamwege wenig Neues bekannt 
geworden. K. hat versucht, diese Frage mit Hilfe cystoskopischer 
Uutersuohungen zu fördern. Am häufigsten ist die im Gefolge der 
Urethritis gonorrhoioa oft auftretonde Cystocollitis oder Urethro- 
cystitis. Ausserordentlich viel seltener ist die Cystitis corporis, die 
streifen- oder inselförmig auftritt; K. hat in 7 Jahren nur 2 der¬ 
artige Fälle gesehen. Pyelitis gonorrhoica, die auoh ohne Bestehen 
einer Cystitis corporis als Komplikation einer Urethrocystitis anf- 
treten kann, ist beim Weib überhaupt nooh nicht beobaohtet worden, 
beim Mann erst in 2 Fällen. Im allgemeinen hat also die Gonorrhoe 
der Hamwege sehr geringe Neigung zum Asoendieren; wohl aber 
können die mit ihr verbundenen Mischinfektionen zu ascendierender 
Erkrankung Anlass geben. Therapeutisch empfehlen sich bei 
Urethralgonorrhoe Ausspritzungen oder Ausspülungen der Urethra, 
bei Urethrooytitis und Cystitis corporis Spülungen der Blase mit 
Protargol, Albargin etc., bei längerem Bestehen einer Pyelitis 
gonorrhoica käme die Anwendung dieser Mittel mittels dra Harn- 
leiterkatheters in Betracht. 

AerxiU<^r Verein in Hamburg, 

Sitzung vom 1. Hai 1906. 

Vorsitzender: Herr Deneke. 

Der Vorsitzende begrösst die als Gäste anwesenden Herren 
Armauer Hansen aus Norwegen und Medicinalrat Möbius 
aus Oppeln. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Stamm stellt einen Säugling 
mit angeborenem Myxödem vor und bespricht die charakteris¬ 
tischen Merkmale. Die Verabreidiung von zweimal täglich einer 
halben Thyreoidintablette hatte in diesem Pall guten Erfolg; es 
ging sogar das deutlich an der Aorta wahrgenommene systolische 
I Geräusch merklich zurück. 2. Herr Nonne ^richt über den 
Status hemiepilepticus an der Hand mehrerer Fälle. Er hat 
im Eppendorfer Krankenhause bisher in 8 Jahren erst 9 Fälle 
dieser seltenen Erkrankung beobachten können. Die Krampfau- 


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240 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr 21. 


fälle glichen den JackBonschen und seidmeten sich durch grosse 
Häufigkeit aus. Bei einem der vorgestellten Patienten traten in 
3 mal 24 Stunden 413 gezählte ÄnfWe auf, bei dem anderen im 
gleichen Zeitraum 120. Es waren keinerlei Druckerscheinungen 
und Symptome einer organischen Störung vorhanden, sodass von 
einer Operation trotz der Häufigkeit der Anftllle abgesehen wurde. 
Ferner stellt er einen Patienten mit Hämatom der Dura 
mater vor, der noch in anderer Beziehung Interesse bot: Der 
Mann fiel auf seiner Haustreppe und stürzte hinunter. Ein Be¬ 
triebsunfall lag nicht vor. ^ trat gleich Erbrechen auf, nach 
einer halben Stunde auch Benommenheit. Bei der Erankeohaus- 
aufnahme fand sich linksseitige Hemiparese, am nächsten Tag 
stellten sich Jacksonsche Krämpfe ohne Stauungs- oder Druck¬ 
erscheinungen ein; am übernächsten Tag wurde beginnende Stau¬ 
ungspapille und Fulsverlangsamung auf 62 Schläge wahrgenommen, 
und infolgedessen trepaniert. Das grosse Hämatom wurde ent¬ 
leert und nach 4 Wochen (!) ging Patient bereits wieder als Vor¬ 
arbeiter in einer Fabrik seiner Arbeit nach. Er hatte keiner¬ 
lei Beschwerden mehr. Da er einen Tagelohn von M. 20.— (!) 
hat, regt Vortragender die Frage an, wie und warm wohl seine 
Arbeitsfähigkeit wieder eingetreten wäre, wenn es sich um einen 
Betriebsunfall gehandelt hätte. 3. Herr Simmonds hat in 12 
Fällen von congenitaler Lues Spirochaeten gefunden und zwar 
mindestens in einem Organ stets, teilweise jedoch in allen Organen, und 
zwar waren manchmal die Spirochaeten in ganz ungeheurer Menge vor¬ 
handen. Auch im Meconium hat er sie nachgewiesen. DieLeva- 
ditische Färbemethode gab auch in seinen Fällen gute Bilder, 
doch lässt sich das Verfahren wesentlich abkürzen, sodass er, statt 
in 8, bereits in 3 Tagen die Präparate fertigstellen konnte. — 
Der Vorsitzende bittet um die Erlaubnis, dass der als Zoologe 
statutenmäßig dem Verein nicht angehörende Herr Schaudinn, 
der jetzt am Tropeninstitut tätig ist, wegen seiner grossen Ver¬ 
dienste um die Medicin auf sein Gesuch hin ständig zu den Ver¬ 
sammlungen des Aerztlichen Vereins zugelassen wird. (Bravo.) 

II. Vortrag des Herrn Reiche: „Zur Pathogenese der 
Pyelophlebitis acuta.“ In 16 Fällen sind ün Eppendorfer 
Krankenhause bei über 20000 Sektionen nur 17 Fälle beobachtet 
worden. Die Erkrankung beginnt ohne Vorboten, das Fieber ist 
völlig uncharakteristisch, Schmerzhaftigkeit und Leberschwellung 
sind nicht immer vorhanden, häufig bestand eine Nephritis als 
Begleiterscheinung, der Icterus trat stets erst kurz vor dem Exitus 
auf, der Stuhl war ohne Anomalie. In 3 Fällen war gleichzeitig 
eine Peritonitis vorhanden, die Leukocythenzahl schwankte wie bei 
jeder anderen septischen Erkrankung sehr bedeutend, die Blut¬ 
entnahme in vivo war stets steril, post mortem fanden sich in 
allen Fällen Bakterien, darunter dreimal Bacterium coli, zweimal 
Streptococcen und einmal Pneumococcen. Man findet im Lumen 
der Pfortaderwurzel stets thrombotisch zerfallenes Material. 
Die Diagnose ist sehr schwer, differentialdiagnostisch kommen 
Sepsis, Leberabscess und Cholangitis in Betracht; der Ausgang ist 
stets tötlich. Die Pyelophlebitis acuta schloss sich 10 mal an eine 
Perityphlitis an; einmal war eine Granne die Ursache, die bei 
einem ööjährigen Manne die Magenwand durchbohrt hatte; bei 
einem 28jährigen Manne trat die Erkrankung im Anschluss an 
einen Leberpfortenabscess auf nach Bronchiektasieen und Bronchial¬ 
drüsenvereiterung. Ferner war je einmal Cholelithiasis, ein uloe- 
riertos Colondivertikel, ein Ulcus ventriculi und ein Ulcus duodoni 
die Ursache, während die Pyolephlebitis sich bei einem Neuge¬ 
borenen, dessen Mutter an Sepsis starb, an eine Nabelinfektion 
anschloss. Die mittlere Krankheitsdauer betrug 5—6 Wochen, 
die kürzeste 18 Tage, die längste 15 Wochen. — 

Eine Diskussion fand nicht statt. Schönewald. 


Kongressbericht. 

23. für innere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Gras sman n-München. 

I. Sitznngstag. 

Die sehr gut besuchte Versammlung wurde durch Prof, von 
Strümpell-Breslau mit einer warmen Begrüssungsrede. eröffnet, 


in welcher er zunächst der seit dem vorigen Jahre verstorbenen 
Mitglieder, danmter besonders Hermann Nothnagel und Emst 
Ziegler, gedachte, um dann auf die besondere Signatar des 
gegenwärtigen Standes der inneren Medicin einzugehen. Wesent¬ 
liche Fortschritte hat die Diagnostik gemacht, besonders durch die 
Einführung der Röntgenstrahlen, ferner durch die Einführung der 
bakteriologischen Untersuchung zur immittelbaren ätiologisohen 
Aufklärung vieler Krankheiten, endlich durch die immer weitere 
Ausbildung der funktionellen Diagpiose, welche darauf abzielt, mög¬ 
lichst genaue Massbestimmungen für die Leistungen der Organe 
zu gewinnen. Daneben dürfen aber die alten Untersuchungsme¬ 
thoden nicht vernachlässigt werden und besonders die genaue 
pathologisch-anatomische Einsicht, welche gegenwärtig hie und da 
etwas vernachlässigt zu werden pflegt, muss nach wie vor den 
Schlussstein aller Diagnostik bilden. Das Zurücktreten patholo¬ 
gisch-anatomischer Vorstellungen ün ärztlichen Denken macht sich 
besonders bemerkbar in der Eigenart mancher therapentisoher Be¬ 
strebungen, welche ein Missverhältnis zwischen dem äusseren Auf¬ 
putz und der inneren wissenschaftlichen Bedeutung darbieten. Für 
grosse Gebiete der Therapie fehlen uns auch heute noch alle Vor¬ 
aussetzungen für wirksame therapeutische Eingriffe, wobei Redner 
an gewisse Uebertreibungen in der baineologischen, sowie der 
Uebungstherapie etc. erinnert. Wir brauchen aber in therapeu¬ 
tischer Hinsicht auch in der inneren Medicin durchaus nicht zu 
verzagen. Z. B eröfihet die Einwirkung der Böntgenstrahlen auf 
verschiedene pathologische Gewebsprodukte neue therapeutische 
Ausblicke. Die Erforschung der Wahrheit um ihrer selbst W'illen 
muss immer unser Leitstern bleiben. 

Es folgte sodann die Reihe der offiziellen Begrüssungsreden 
seitens der Vertreter der Regierung, der Sanitätsverwaltung der 
bayerischen Armee, der Stadt München, des ärztlichen Vereins 
München, sowie eine kurze liebenswürdige Ansprache dnreh den 
Ehrenpräsidenteu der Versammlung, S. Kgl. Hoheit Prinz Ludwig 
Ferdinand von Bayern. 

Ueber die Pathologie der Schilddrüse sprachen als 
Referenten die Herren Kraus-Berlin und Koch er-Bern. 

Herr Kraus erörtert zunächst die Frage, inwieweit die Schild¬ 
drüse ein Organ ist, in welcher ein typischer Sekretionsvorgang 
stattfittdet. Ein sekretorischer Vorgang innerhalb der Glandula 
thyreoidea muss als erwiesen betrachtet werden. Vielfach wird 
schon die Histologie der Drüse als entscheidend für eine innere 
Sekretion angeführt. Die histologischen Befunde beweisen aber 
nicht so viel, wie sie beweisen sollen. Redner möchte da bloss 
zwei Momente herausgreifen. Nach den V’ersuchen von Payr 
ändert die in die Milz transplantierte Schilddrüse, welche unzweifel¬ 
haft fungiert, bei guter Einheilung ihre histologische Struktur, in¬ 
dem sie das angesammelte Kolloid verliert, wahrscheinlich durch 
Aendomng der Zirkulationsverhältnisse; ferner hat Oswald auf 
analytischem Wege naebweisen können, dass Unterschiede im mikro¬ 
skopischen Bau der Schilddrüse mit ebensolchen der chemischen 
Zusammensetzung einhergehen: es besteht ein Parallelismus zwischen 
Kolloidreichtum und Gehalt au Jod-Thyreoglobulin in der gesunden 
wie in der kranken Schilddrüse. Die Sekretion des letzten Stoffes 
scheint wesentlich an den follikulären Aufbau und gewisse zirku- 
latorische Verhältnisse geknüpft zu sein. Wahrscheinlich verharrt 
ein Teil des Sekretes längere Zeit in den Blasen der Drüse, so 
dass das Mikroskop die Schilddrüse als eine „Vorratsdrüse“ er¬ 
scheinen lässt. Das hat vielleicht gerade für die Pathologie be¬ 
sondere Bedeutung. Dass ein Teil des Schilddrüsenproduktes be¬ 
ständig an die Blutbahn abgegeben wird, kann kaum bezweifelt 
werden. Welche Antwort gibt nun das Experiment betr, der 
inneren Sekretion der Schilddrüse? Seitdem Baumann regel¬ 
mässig Jod in der normalen Schilddrüse der Erwachsenen nachge¬ 
wiesen hat, wird angenommen, dass ihre Wirksamkeit auf ihren 
chemischen Lebensprozessen beruht. Es ist nun ein vermeintlich 
scharfer Gegensatz konstruiert worden, zwischen einer angenom¬ 
menen Produktion chemischer Verbindungen in der Schilddrüse, 
die für den Bestand des Gesamtorganismus und fiir die Aufgaben 
bestimmter Organe wichtig sind (innere Sekretion im engeren 
Sinne) und einer ebenfalls durch Schilddrüsensubstanzen bewirkten 
Entgiftung schädlicher StofFwechselprodukte anderer Organe, die 
sonst Autointoxikationeii hervorrufen würden (Entgiftungstheorie). 
Eine innere Sekretion wird am meisten wahrscheinlich, wenn die 


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1906. 


MBDIOINISCHB WOCHE. 


241 


Einführung von Organsaft oder die nachti-ägliche Implantation 
des Organes selbst den Folgeerscheinungen einer operativen Ent¬ 
fernung oder einer pathologischen Zerstörung desselben Organs ent¬ 
gegenwirkt. Out gestützt erschmnt ein lebenswichtiger Modus 
der Schilddrüsenfunktion, welcher in der Abgabe einer für mannig¬ 
fache Leistungen des Organismus nötigen Snbstanz an die Säfte- 
masse besteht. Redner geht nun auf einige spezielle Entgiftungs¬ 
theorien des näheren ein, besonders jene von Blum. Nach Blum 
wären Blut und Zentralnervensystem gesunder Tiere stets frei von 
Jod. Doch haben Gley und Bourcet im Blutserum, speziell im 
menschlichen, regelmäßig Jod nach weisen können, ein Befund, 
welchen Bönniger bestätigt hat. Auch das ganze Zentralnerven¬ 
system ist nicht ganz jod^i. Der Organismus besitzt gegenüber 
der Jodsubstanz der Sdiilddrüse eine ausgiebige zerstörende Kraft. 
Blum zieht nicht in Betracht, dass normal ansser in der Schild¬ 
drüse auch noch in anderen Organen Jod sich findet. Am bemer¬ 
kenswertesten scheinen dem Redner Blums Versuche über indi¬ 
viduelle Schonung thyreoidektomierter Hunde durch Milchnahrung. 
Dass speziell vegetabilische Kost die Fleischfresser nicht schützt, 
zeigen Versuche von Rahel Hirsch, Im ganzen ist die Blum- 
sche Lehre einer gerade durch intraglanduläi*e Jodierung bewerk¬ 
stelligten Entgiftung bisher noch hypothetisch. Umgekehrt sieht 
V. Gyon die zu entgiftende Substanz gerade im. Jod. Kraus 
schildert in Kürze den Kreislauf des Jods in der belebten und 
unbelebten Natur, wo es fast überall vorkommt, z. B. im Wasser, 
in vielen Pflanzen, in der Oerüstsubstanz gewisser Spongien. J. 
Justus nimmt an, dass alle Zellkerne Jod enthalten; ausser der 
Schilddrüse sind sicher jodhaltig die Beiscbilddrüsen, die Hypo¬ 
physe, Thymus, Milz, Lymphdrüsen, die Leber, die Nieren, Neben¬ 
nieren, die Muskeln, das Blutserum. Doch müssen wir der Schild¬ 
drüse der erwachsenen Tiere ein spezifisches Selektionsvermögen 
und eine Hauptrolle bei der Verteilung des Jods in der Säftemasse 
zuschreiben. Höchst bemerkenswert ist, dass das Jod erst im 
extrautermen Leben und nur langsam in den infantilen Organismus 
eintritt, wie die Untersuchungen von Bönniger ergeben. Wir 
haben also da ein Beispiel, dass eine ursprünglich körperfremde 
Substanz nachträglich eine lebenswichtige Bedeutung erlangen soll. 
Die Quantität des Jods in der Schilddrüse ist unter normalen, 
wie unter pathologischen Bedingungen Schwankungen unterworfen, 
z. B. ist das Jod bei Krebs der Schilddrüse vermisst worden. 
Eine exklusive Erklärung der Schilddrüsenfunktion auf Grund des 
Jodgehaltes derselben ist nicht möglich. Die Angaben von Bar¬ 
be r a wurden durch die Nachprüfungen von Kraus und Frieden¬ 
thal nicht bestätigt. Nur einmal konnten sie eine Wirkung einer 
eingeführten Jodnatrinmlösung auf Vagus und Depressor im Sinne 
Barberas bestätigen. Welche Gründe sprechen nun dafür, dass 
wir im Schilddrüsenapparat zwei getrennte Teilapparate mit zwei 
verschiedenen Funktionen anznnehmen haben? Neben und in der 
Schilddrüse der erwachsenen Säugetiere sind von Sandström, 
Nicolas und Alfred Kohn konstante epitheliale Organe, die sog. 
Beiscbilddrüsen, gefunden worden, für deren Selbsttätigkeit ver¬ 
schiedene morphologische Gründe und klinische Beobachtungen 
sprechen. Ueber die physiologische Punktion derselben haben be¬ 
sonders die Untersuchungen von Biedl nnd Pineies Aufklärung 
gebracht. Experimente mit Entfernung bloss der Beischilddrüsen 
und solche mit vorsichtiger Erhaltung derselben machen es sehr 
wahrscheinlich, dass die Entfernung der eigentlichen Schilddrüsen 
das Krankheitsbild der thyreopriven Kachexie, die der Epithelkörper 
(Beischilddrüsen) jenes der Tetanie bewirkt. Zu dieser Auffassung 
scheinen auch die Erfahrungen der menschlichen Pathologie zu 
stimmen. Das Krankheitsbild der Th 3 a‘eoaplasie, dos niemes all¬ 
gemeine oder lokalisierte Spasmen oder Paresen darbietet, ermög¬ 
licht eine beiläufige Trennung der Funktion von Schilddrüsen und 
BeischUddrüsen. Die Frage nach den Beziehungen der Tetauia 
strumipriva zu den menschlichen Epithelkörperchen wird durch die 
operative Ekfahrung mit Wahrscheinlichkeit bejaht. Was wissen 
wir genaueres über Ursachen und Inhalt der wichtigsten Folgen 
der Schilddrüsenausschaltung und die Wirkung der Thyreoideastoffe? 
Als erwiesene Wirkung des gesamten Thereoideasaftes düifen wir 
unter anderen annehmen eine Schädigung des Herzens, eiue Blut- 
dmoksenkung sowie eine merkliche Beschleunigung des Pulses, 
wenigstens gewisser Tiere, z. B. der Hunde, v. Cyon fand, dass 
durch die SchilddrUsensubstanzen die herzhemmende Wirksamkeit 


der B^zong des Vagus und die blutdrucksenkende der Reizung 
des N. depresBor bedeutend verstärkt wird, ja dass dieselben die 
Erregbarkeit der durch Atropin gelähmten Herzvagosfasem sofort 
wieder herstellen. Die Versuche von Kraus und Friedenthal 
haben die Angaben von Asher undBoruttau in dieser Hinsicht 
durchaxis bestätigt. Manche Tatsachen sprechen für die Annahme 
einer herzregulatorischen Leistung der Schilddrüse. Betreffend 
des Zusammenhanges der glandula thyreoida mit Blut und Blut¬ 
bildung berichtet Redner Uber die von Mohr, Plesch und Reck¬ 
zeh erhobenen Befunde. Ueber die prinzipielle Frage, in welchem 
Umfange unter dem Einflüsse der Schilddrüsenstoffe die Oxydations¬ 
prozesse im ganzen gesteigert sind, ob in dieser Erhöhung speziell 
das Eiweiss einen Hauptanteil der Gesamtkalorienproduktion zu 
tragen hat, oder ob die Pettverbrennung überwiegt, haben Stey¬ 
rer, V. Bergmann und Mohr Stoffwecbseluntersucbungeu ange¬ 
stellt. R. Hirsch studierte im Krausschen Laboratorium die 
Glykosurie der thyreoidektomierten Hunde im Hunger. 

In Bezug auf die Lehre vom Kropf erwähnt Kraus das 
wenig berücksichtigte Kropfasthma und den Lar 3 rngospasmus. Zum 
Kropfieiden als solchem gehören ausser der vorwiegend mechanusob 
bedingten Vergrösserung des rechten Herzens einerseits funktiouelio 
Herzstörungen wie Herzklopfen, gesteigerte Frequenz, seltener 
Unregelmäßigkeit derHerzaktion,andererseits wirkliche Vergrösserung 
des verstärkt schlagenden Herzens („Kropfberz**). Die durch 
mechanische Beeinflussungen der berzregulierenden Nerven be¬ 
wirkten funktionellen Abweichungen der Herztätigkeit kann man 
diagnostisch leicht als eine besondere Gruppe abgrenzen. Nach¬ 
weisbare Erweiterung oder Hypertrophie des Herzens lässt rein 
mechanische Beeinflussungen der Herznerven mit Wahrscheinlich¬ 
keit ausschliessen. Andere Anhaltspunkte gibt der Stoffwechsel. 
Aus klinischen Gründen kann Kraus der Annahme nicht folgen, 
dass das Kropfherz einfach als eine forme fruste des Morbus Base- 
dowii aufzufassen sei, da wichtige Symptome des letzteren dem 
Kropfherzen nicht zukommen. Das Basedow-Problem selbst 
kann durch die fortgesetzte Erörterung der Beziehungen des Syn¬ 
droms zur Schilddrüse nicht über einen bestimmten Punkt hinaus 
gefördert werden. Viel besser als früher lassen sich schon jetzt 
alle klinischen Krankbeitsbilder in das nosologische System ein- 
gliedem, welche auf Hypofunktion der Schilddrüse selbst beruhen. 
Man kann sich hier an folgende Typen halten; Die Thyreoaplasie 
(kongentiales Myxödem), das infantile Myxödem, das spontane Myx¬ 
ödem der Erwachsenen, der gutartige Hypothyreodismus, der en¬ 
demische Kretinismus. Letzterer ist gekennzeichnet durch die 
endemische Aetiologie, gehört aber pathogenetisch in die ganze 
Reihe, wie v, Wagner dadurch nachgewiesen bat, dass er zeigte 
wie wenigstens der kindliche Kretin auf Schilddrüsenstofie re¬ 
agiert. Redner schliesst mit zuversichtlichen Ausblicken auf die 
Therapie der „Schilddrüsen-Elrankheiten“. 

Kocher-Bem legt seinem Referate seine langjährigen Er- 
fahmngen an 3 Krankheiten zu Grunde: 1. die Cachexia thyreo- 
priva, 2. die Tetauia thyreopriva, 3. die Basedow’scbe Krank¬ 
heit. Hinsichtlich der ersteren Gruppe stehen Kocher 40 Fälle 
von totaler Schilddrüsenentfemuug, 30 Fälle nach partieller und 
66 Beobchtungen von spontanem Auftreten unter dem Bilde des 
Myxödems zu Gebote. Seit 1883 nimmt er keine Totalexzision der 
Drüse mehr vor. Von den genannten 40 Fällen sind 10 gestorben, 
die mittlere Lebensdauer betrug 7 Jahre, so lange kann man ohne 
Schilddrüse leben, allerdings unter kachektischen Symptomen mit 
Hinneigung zum Kretinismus. Bei 9 dieser Patienten trat Herstellung 
ein, es bildete sich bei ihnen ohne Ausnahme wieder ein Kropf 
aus einem bei der Operation zurückgelassenen Beste der Schilddrüse. 
8 Fälle haben sich sehr bedeutend gebessert, 3 haben sich unter dem Ein¬ 
fluss derBehandlung bis zur Heilung gebessert dank der Verabfolgung 
von Schilddrüsenpräparaten. Einer gebraucht dieselben 13, ein anderer 
11 Jahre ununtei'brochen. Auch die Behandlung mit dem Jod- 
othyrin kann ähnlich günstige Ei’folge erzielen; es ist von grösster 
Wichtigkeit, dass die Erfolge nur so lange dauern, als man die 
Therapie dauern lässt. Schon am' Tage der Aussetzung der Be¬ 
handlung treten wieder Krankheitserscheinungen ein. Bei partieller 
Strumektomie hat Kocher nicht weniger als 30 Fälle mit Cachexia 
strumipriva gesehen, diese Fälle beruhen darauf, dass Kocher 
sich anfangs nicht vergewisserte, ob nicht eine einseitige Aplasie 
vorhanden sei, oder dass nach der Operation durch Störungen der 


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242 


Mia)KHinSCHE WOCHE. 


Nr. 21. 


Wandheilimg der zarückgelaasene Drüaeateil zerstört wurde. Bei ' 
13 Fällen dieser Art bat die Eacbezia ihren Grund darin, dass 
gleichzeitig rechts und links opMnert wurde, bei partieller Razision 
ist die Kachexie zu vermdden, ein grosser Teil dieser Fälle zeigt 
milde Formen. Kocher berichtet aber eiBsn Fall, wo eine sdiwer 
kacbektische Frau ein ganz gesundes Kind geboren hat, das sieh 
völlig normal weiter entwickelte. 

Von der 2. Hauptgruppe sah Kocher 9 TetaniethUe bei 40 
Totalexzisionen. Fs zeigte sich, dass die spätere Kachexie durch« 
aus nicht in einem Verhältnis steht zum Grade und zum Auf¬ 
treten der Tetanie. 6 mal trat Tetanie unter den 30 Fällen par¬ 
tieller Resektion auf und zwar war hier die Tetanie schwer, ^ne ' 
solche Patientin starb, als man sie geheilt glaubte, und daher 
von der Milchdiät ab- und zur Fleischnahrung überging. Von den 
Exzisionsfällen bei Morbus Basedowii bekamen 5 Fälle Tetanie und 
zwar ohne Kachexie. Der Ausgangspunkt der Tetanie und der 
Kachexie ist eia verschiedener. Die erstere ist abhängig vom | 
Ansfall der Funktion der Beisohilddrttsen. Betreffend des Morbus' 
Basedowii führt Kocher an, dass das histologische Bild der Base¬ 
dow-Struma etwas besonderes an sich hat und dass der Morbus 
Basedowii auch bei vorhandenem Kropf auftreten kann. Kocher 
tritt für die frühzeitige Operation der Basedowkrankheit ein. Sie 
hat allerdings nicht immer günstige Erfolge. Kocher hat 216 
Fälle von Morbus Basedowii gesehen, 130 waren typisch, 167 
wurden operiert, 9 = 5% sind gestorben. Die Gefahr der Opera¬ 
tion (Herztod) wird durch Prühoperation vermieden. Von 10 leichten 
Formen wurden alle geheilt, von 60 Basedow-Strumen wurden 55 
geheilt, 4 gebessert, 1 bekam Tetanie. Von den eigentlichen Base- 
dowiikranken wurden 5 tetaniscfa, sind aber nicht gestorben, 8 
wenig, 10 bedeutend gebessert, 56 geheilt, 28 vollkommen geheilt. 
Letztere wurden alle mehrmals operiert. Nicht immer ist der Ex¬ 
ophthalmus ganz zurückgegangen, mehrmals wurde die Operation 
nicht auf einmal vollendet, z. B. die Arterien nicht gleichzeitig 
unterbunden. In einem Palle, wo Kocher alle 4 Arterien zu¬ 
gleich unterband, trat schon nach einer halben Stande Tetanie auf. 
Bei Morbus Basedowii handelt es sich um eine Hypertbyreosis. 
Durch Darreichung des SchilddrUsensaftes kann man Unliebe Ver¬ 
änderungen wie bei Morbus Basedowii hervorrufen. In der Dar¬ 
reichung des Saftes haben wir ein Mittel, um Fälle von Hypo- 
thyreosis zu bessern. Kocher unterscheidet in seinen Schluss¬ 
folgerungen thyreoprive und thyreotoxische Erkrankungen. Erstere 
sind Folge teilweisen oder totalen Ausfalles der Schilddrüsenfuuk- 
tion. Zn unterscheiden ist der Ausfall der eigentlichen Thyreoidea 
mit dem Bilde der Kachexia th 3 o*eopriva, unter dem Bilde einer 
chronischen Stoffwechselkrankheit, und der Ausfall der Parathyreoidia 
unter dem Bilde einer Intoxikation, anftretend alsTetaniaparathyreo- 
.priva. Diese beiden zusammen bilden die Gruppe der Hypothyreosen. 
Es ist wichtig, die gelinden Änfangssymptome und diespäteren degene- 
rativen Ansgänge (Kretinismus), richtig zu beurteilen, besonders sind 
auch die sogenannten thypreopriven Aequivalente zu würdigen (Neu¬ 
rosen, Epilepsie, Waohsturastönmgen). In allen Graden dieser Gruppe 
ist das Thyraden in richtiger Dosis ein Heilmittel, das radikale 
Heilmittel ist die Einbeilung gesunder Schilddrüse. Die thyreo¬ 
toxischen Erkrankungen sind eine Folge der gesteigerten Tätigkeit 
der Schilddrüse und zeigen sich als akute Intoxikationen und als 
chronische Stoffwechselkrankheit. Weitere Untersuchungen-raüssen 
entscheiden, wie weit diese Gruppe unter dem Titel der Hyper¬ 
thyreosen znsammengefasst werden kann oder wie weit sich eine 
Dysthjreosis beimischt. Auch hier sind die Anfengsstadien richtig 
zu beurteilen, das Kraus’aehe Kropfherz und gewisse Psychosen. 
Heilmittel ist alles, was die Tätigkeit der Schilddrüse beschränkt; 
Wegfall von Reizen, geistige Ruhe, Ernährung mit Vermeidung 
von die Drüse erregenden Substanzen, vor allem die Behandlung 
mit Phosphaten, dann die Darreichung von Müclmahrung, die An¬ 
wendung thyreopriver Ziegenmilch und Milchpulver. Das radikale 
Mittel ist die Operation durch Ligatur und Exzision. 

Diskussion: Herr Neusser berichtet von einem Pall von 
Hypoplasie der Genitalien und der Schilddrüse, bei dem sich eine 
hypertrophische Leberzirrhose entwickelte. Myxödem bestand nicht. 
In einem zweiten Pall mit biliärer Zirrhose war Verkleinerung der 
Schilddrüse, sowie Anzeichen von Myxödem vorhanden. Der Zu¬ 
sammenhang beider Erkrankungen ist unklar, vielleicht spielt der 
Ikterus eine Rolle. Zwisebeu den Erkrankungen der Schilddrüse 


und der Leber bestehen wahrscheinlidi engere 
vielleicht dordi Einflüsse auf die Erythrozyten. 

Herr Fr. Müller: Die Basedowkranken zeigen eine leichte 
Ermüdbarkeit der Muskeln, wie er durch eigene Unters u c h nngen 
festgestellt hat, aber auch eine leichte Ermüdbariceit des Geistes. 
Blasse, junge Mftdchen mit VergrüssMung der Schilddrüse und 
einer st^nannten Fseudochlorose leiden ebenfalls an groseer Br- 
müdbarfe^ Die Herzstörungen spielen 8i<^, wie Sektionsbefunde 
lehren, mehr am rechten als am linken Herzen ab. Beim Menschen 
bestehen auch Beziehungen zwistflien Struma und Diabetes, sowie 
zwischen Struma und alimentärer GHykosarie. Bei Morbus B äse 
dowii bestehen vi^fac^ ganz eigenartige Verindenmgen der S^üd- 
drüse. Betr. des Exophthalmus bat M. 2 Fälle beobaditet, wo 
ein einseitiger Exophthalmus bestand. Hier war die Struma auf 
der einen Seite operiert worden, worauf der zuerst doppelseitige 
Exophthalmus auf der korrespondierenden Seite verschwand. 

Herr Ewald gibt Bemerkungen über die Behandlung. Die 
Schilddrüsenbehandlung ist von Erfolg in Fällen von Myxödem, 
dann bei Formen von Myxoe4^me fruste. Auch echter Kretinismus 
wird gut beeinflusst. Er berichtet über seine Erfahrungen in der 
Behandlung von Basedowkrauken und frägt an, in welchem Zeit¬ 
punkte man solche Kranke operieren soll. 

Herr Hoennioke-Greifswald wies experimentell nach, dass 
alle Symptome der Ba sedo w’schen Krankheit, auch die Glotz¬ 
augen, von der Uebersebwemmong des Körpers mit übergrossen 
Mengen sonst normalen Schilddrüsensaftes herrühren und dass da¬ 
her allein die Operation des Kropfes die Kranken dauernd und 
völlig heilen kann, wenn hierbei so viel entfernt wird, dass nicht 
mehr als die Normalmenge von Schilddrüse zurückbleibt, die Vor¬ 
tragender als ungefähr 20,0 g betragend ermittelt hat 

Zum Schluss wies H. darauf hin, dass auch die Osteomalacie 
(Knochenerweichung) nach seinen vor etwa iVs Jahren veröffent¬ 
lichten Untersuchungen eine Schilddrüsenkrankbeit ist, die einer 
Ueberschwemmung des Körpers mit Schilddrüsensaft ihre Entstehung 
verdankt. Ihr Vorkommen sei an das Vorkommen des Kropfes 
gebunden und ihre relativ häufigste Komplikation die Basedow¬ 
sche Krankheit 

Herr Blumenthal berichtet Uber seine Beobachtungen an 
thyreoektomierten Ziegen. Es zeigt sich bei denselben zuerst 
Haarausfall, später unsicherer Gang, dann ein sulziges Oedem des 
Unterbautzellengewebes, Versagen der Milchsekretion. Viele dieser 
Tiere konzipieren nicht oder sie abortieren. Hinsiohtlich der The¬ 
rapie steht er auf dem Standpunkte, erst dann zu operieren, wenn 
die innere Behandlung fehl schlägt. (Fortaeteunf folgt) 


Periodische Literatur. 

Medicinische BJfltter. 1906. Nr. 5. 

Dr. Maurus Fisch: Balneotherapie bei Cor adiposom 
(Fettherz). Vortrag, geh. auf d. 77. Vers. Deutsch. Naturforscher 
und Aerzte in Meran im Sept. 05. 

Unter dem Namen „Fettherz“ bezeichnet man die zwei wohl 
von einander zu trennenden Znstände des „Mastfettherz“ (Kisch) 
und des fettig degenerierten Herzens. 

Nach den symptomatischen Erscheinungen beim Fettherz 
lassen sich drei Arten von Herzerkrankungen, welche mit Polysar- 
ca im Zusammenhang stehen, unterscheiden. Die leichteste Art 
repräsentiert das sog. latente Fettherz nach Eichhorst. 

Die zweite Art umschliesst Fälle ohne auffällige Störungen, 
wo höchstens der Herzmuskel Zeichen von Dilatation und ver¬ 
minderter Resistenzf^hgkeit (ev. spontane Herzmptur) aufweist. 
Die dritte Art umfasst die Fälle mit Insutficienz. 

Der Krankheitsverlauf richtet sich nach der Fettwuchemng 
im ganzen Körper, nach der Steigerang der Widerstände und 
nach den Veränderungen am Herzmuskel. 

Vor der balneotherapeutischen Behandlung hat man zunächst 
den funktionell-diagnostischen UntersuchungsmethodOn des Herzens 
sich zuzuwendeu. Von den Prüfungsmethoden der L/eistungsfbbig- 
keit des Herzens im Verhältnis zu seiner Inanspruchnahme, er¬ 
wähnt Verfasser 


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1906. 


MBDIOQdSCCT} WOCHE. 


243 


1. die Methode von Martine, Staehlein, Kraue u. a.: 
die Ermüdung als Maß der Herzfunktion; 

2. die Methode von Mendelsohn und Gräupner: die Er¬ 
holung als Maß der Herzfunktion; 

8. des Verfassers Methode: der Blutdruck als Maß der Herz- 
funktion. 

Nach Verf. bleibt die einfache Blutdruckmessung, gleichviel 
mit welchem Apparate angestellt, die absolut sicherste Methode 
zur diagnostischen Beurteilung der funktionellen und geweblichen 
Veränderungen des Herzmuskels. 

Die baineotherapeutische Behandlung nun des Cor adiposum 
richtet sich, unter gleichzeitiger Veränderung der Ernährung und 
Lebensweise, auf Befreiung des Herzens vom Eettballaste in 
sofaonMider und allmählicher Weise und Steigerung der motmdschen 
Kraft des Herzmuskels. 

Bei der Ernährungsveränderung darf unter die Erhaltungs¬ 
kost nicht hiuausgegangen werden, von Noorden unterschei^t 
3 Grade der Entfettungsdiäten: 

Der 1. Grad mit etwa Vb des gewöhnlichen Bedarfs (Abnahme 
im Monat: 2—4 Ffd.). 

Der 2. Grad mit etwa Vs des gewöhnlichen Bedarf (Abnahme 
im Monat: 4—6 Pfd.). 

Der 3. Grad mit etwa ^/s des gewöhnlichen Bedm'fs (Abnahme 
im Monat: 6—12 Pfd.). 

Verf. verbreitet sich dann über die verschiedeoen Diätflcfaemata. 
Seiner Erfahrung nach ist die Ebstein’sche Methode der fett¬ 
reicheren und eiweissärmeren Nahrangszufuhr, weil das Hunger- 
und Darstgefühl vermindernd, bei den an grössere Nahrungszutühr 
gewohnten fettleibigen Herzkranken am zweckentsprechendsten. 

Von den baineotherapeutischen Prozeduren setzt er an erste 
Stelle eine 4 — 5 wöchige Badekur mit 20 — 25 Mineralwasser- 
bädern, in welchen die wirksamen Bestandteile in genauester 
Dosierung eiae ascendierende Abstufung aufweisen. Die dadurch 
ermöglichte Erieichterung dor Herzarbeit macht nach Vortr. die 
Anwendung der von Oertel, Kisch u. a. betonten Uebung und 
körperliche Bewegung überflüssig. 

Ale weitere Maßnahme kommt die Trinkkur, namentlich alka- 
lisch-salinischer Quellen in Betracht. Diese wird unterstützt durch 
den. nach Verfassers Erfahrungen sehr wichtigen Faktor derEssentia 
spermini Poehl., das ohne irgendwelche schädigende Wirkung auf 
das -Herz, dasselbe direkt sehr günstig beeinflusst. Wie Dr. Hirsch, 
der Leibarzt des Czaren, so sah auch Verfasser Puls- und Hwz- 
arythmien in viel kürzerer’Eoit als durch andere Mittel schwinden. 
(Old.; Früh nüchtern, vor dem Essen und in den Nachmittags¬ 
stunden 15 — 20 gtt in je 100 g gewärmter Natalie-, Salz- oder 
Wiesenquellö.) 

Le Progrds mödioal. 1906. Nr. 3. 

Terrien: Le«, psyehopathies chez le paysan. 

Verf. kommt bei einem Vergleich seiner Erfahrungen in lang¬ 
jähriger Laudpraxis (Vend4e) mit denen der Praxis in der Stadt 
zu dem Schluss, dass Neurasthenie und Hjrsterie beim Landbe¬ 
wohner keineswegs seltener sind als beim Städter. Disponierende 
Momente für die Landbewohner sind wohl Decadenz durch Trun¬ 
kenheit, Verwandtenehen; eine Rolle spielen weiter der Aber¬ 
glaube, ein grösserer Nachahmungstrieb, schlechtere hygienische 
Verhältoiaso und die auch auf das Land übergreifende Erschwerung 
des Kampfes um die Existenz. Die Krankheitsformen sind im 
Wesentbchen dieselben wie beim Städter; immerhin gibt es ein¬ 
zelne Besonderheiten. Die convulsiva Form der Epilepsie ist sehr 
selten; auffällig leicht sind die hysterischen Symptome beim Land¬ 
bewohner durch Suggestion zu unterdrücken. Sehr häufig findet 
man durch Nachahmung bedingte Epidemien bestimmter hyste¬ 
rischer Krankheitsformen. 

1906. Nr. 5. 

Du bar: Fhlegmon «ous-hyoldien mädiäu consdcutif k la dis* 
eision omygdalienne. 

Im Anschluss an die in mehreren Sitzungen vorgenommene 
Abtragung beider Gaumentonsillen entwickelte sich bei der Pat. 


ülu Abscess iu der Regio sub.-hyoidea, der durch Incisiou von 
der Submentalgegend aus eröffnet wurde. Verf glaubt, da«« viel¬ 
leicht die Freimachung der Bakterien, die in dem Pfröpfen der 
tiefen Lakunen der Tonsillen sitzen, für die Entstehung der In¬ 
fektion eine Rolle gespielt hat. 

La Belgique mödicale. 1906. Nr. 5. 

Broeckaert: Yomissements iucoäroible« chez un jenne 
komme de «eize am«. 

Verf. gibt die Krankengeschichte eines jungen Mannes, bei 
dem sich unter Einfluss einer mangelhaft hygienischen Lebens¬ 
weise ein Leiden entwickelt hat, das in fortdauerndem Erbrechen, 
das jeder Therapie trotzt, besteht. Bald nach der Zufuhr von 
Speisen stellt sich Magendrücken ein und dann erfolgt galliges 
Erbrechen, bis zu 20 mol am Tage. Druckempfindlichkeit der 
Magengegend besteht nicht, Magen und Leber zeigen normale 
Grenzen; Zeichen allgemeiner Nervosität sind nicht vorhanden; 
die Untersuchung des Magensaftes ergibt nur geringeren Salz- 
Bäuregehalt. Ulcus, Carcinom sind auszuscbliessen; ebensowenig 
ist das continuierliche Erbrechen einfach als hystero-neurasthenisches 
S 3 unptom anzusehen. Es ist vielmehr anzunehmen, dass eine ab¬ 
norme Erregbarkeit der Magenschleimhaut, des nervösen Apparates 
des Magens die Ursache des gehäuften Erbrechens ist. Die The¬ 
rapie bezweckte eine Beruhigung des Magens durch Regelung 
des Stuhlgangs, schonende Diät, Magenspülungen und erzielte in 
wenigen Wochen vollen Erfolg. 

Fortschritte der Medicin. Nr. 4. 

Leih Juhl: Ueber die Wirkung de« Koeh’schen Prävalidin. 

Prävalidin, eine aus Kampfer, Balsam peruvian. Ol. Eucalypti 
mit der Salbengrundlage „Percutilan" gewonnene Salbe, liess Koch 
hersteilen, um für die günstige Erfolge versprechende Kampfer- 
tfaerapie bei Lungenaffektionen statt der Injektionen die bequemere 
percutane Applikationsmetbode zu ermöglichen. Wie mehrere an¬ 
dere Autoren hat auch Verf. mit den Prävalidineinreibungen sehr 
befriedigende Erfc^e erzielt, nicht nur bei verschiedenen akuten 
und chronischen, auch tuberkulösen Lungenaflfektionen, sondern 
auch bei Scrophulose und Rhachitis und bei Schwächezuständen, 
wo der Kampfer eine herzroboriereude Kraft betätigen kann. 


Bücherbesprechung. 

Cholewa, Sanitätsrat in Bad Nauheim. HerzschwächO 
und Nasenleideu. Verlag von Otto Gmelln, München. 
Preis 1,— M. 

Cholewa bespricht in der vorliegenden kleinen Arbeit den 
häufigen Zusammenhang der als nervöse Erkrankung angeseheneu 
„Herzschwäche“ mit einer chronischen Nasenerkrankung. 

Der Vorgang ist folgender. Nach einer Influenzainfektion 
(Schnupfen) bleibt eine Entzündung der Moschelknochen und der 
Nasenschleimhaut zurück, welche zur Neubildung von markraura- 
haltigem Knochen und zur Polypenbildung führt. Der neugebildete 
Knochen wird immer ein locus minoris resistentiae für den Gesamt¬ 
organismus bildeu, da er die Sedimentierung und Züchtung von 
Entzündungserregem ausserordentlich begünstigt. Von hier aus 
werden immer wieder Neuintektionen der Körpergewebe und dabei 
auch des Herzmuskels erfolgen, die sich in Herzschmerzen und 
zunächst vorübergehender Herzschwäche äussem. Die Unter- 
sudiung der Nase, welche in den zutrefienden Fällen die bekannten 
Veränderungen ergibt, führt dann auf den richtigen Weg zur Be¬ 
urteilung und ursächlichen Behandlung der Erkrankung. 

In vielen noch nicht zu weit vorgeschrittenen Fällen gelingt 
durch gründliche Behandlung der Nasenerkrankung die Heilung 
der Hei*za£fBktion and auch zugleich die Beseitigung der übrigen 
Beschwerden: Kopfdruck, Schlaflosigkeit, allgemeine Nervosität \isw., 
die bekanntlich sehr häufig die quälenden Begleiterscheinungen 
der chronischen Nasenerkrankungen sind. 

Die kleine Arbeit zeigt wieder aufs deutlichste, von wie 
grosser Bedeutung es für den praküscben Arzt ist, sich ein ge¬ 
wisses Maß von Kenntnissen in der Oto-Rhinologie anzueignen, 
um nicht den Zusammenhang von scheinbar und örtlich bedeut- 


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244 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr 21. 


samen Erkrankungen mit Ällgemeinerkrankuugen zu Übersehen. 
Zum Studium der betreffenden Frage möchte ich nicht versäumen, 
auch auf die zahlreichen Arbeiten Bresgens hinzuweisen. 

Hölscher (Ulm). 


Vermischtes. 

Berlin, in der am 27. v. M. im Langenbeckhause ahge- 
haltenen Mitgliederversammlung der Berliner Rettungsgesellscbaft, 
E. V., welche der stellvertretende Vorsitzende Herr Geheimrat 
Dr. Becher leitete, wurde der Geschäftsbericht für das 8. Ge¬ 
schäftsjahr (190Ö) vorgelegt. Derselbe ergibt ein erfreuliches 
Bild über die weitere gedeihliche Entwicklung des ganzen Unter¬ 
nehmens. Die Zentrale wurde 46061 mal in Anspruch genommen. 
Die Wagenbestellung belief sich auf 3056. Durchschnittlich hatte 
die Zentrale 3828 Fälle monatlich zu verzeichnen. Sämtliche seit¬ 
herigen Vorstandsmitglieder wurden wieder in den Gesamtvorstand 
cooptiert. 

Der Geheimrat Prof. Dr.Fürstner, Direktor der psychiatri- 
.schen Klinik in Strassburg, ist an den Folgen eines schweren 
Diabetes gestorben. Der ausgezeichnete Psychiater, der aus der 
Westphal’schen Schule hervorgegangen war, gehörte zu den 
Führern in seinem Fache und hat sich durch zahlreiche verdienst¬ 
volle Arbeiten einen bleibenden Namen erworben. Vielleicht am 
bekanntesten, auch in nichtpsychiatrischen Kreisen, war der von 
ihm zuerst geführte Nachweis des Auftretens von EliweLss nach 
dem epileptischen Anfall. 

In CzBrnOWltZ verstarb .Prof. Kleinwäcli ter, früher Ordi¬ 
narius für Geburtshilfe in Innsbruck. 


Hochschulnachrichten. 

Berlin. Geheimrat Professor Dr. Hoffa wurde zum Ehren- 
mitgliede der Finnländischen Aerztlichen Ge.seUschaft in Helsing- 
fons ernannt. 

Bonn. Privatdozent Dr. Zieler, bisher Assistenzarzt ander 
Klinik für Hautkrankheiten, übernahm am 1. Mai die Stelle des 
Oberarztes der Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten au 
der Universität Breslau. 

Heidelberg. Der Direktor der Chirurgischen Klinik, Geh. 
Rat I. Klasse Dr. V. Czerny Exz., ist auf sein Ansuchen auf 
1. Oktober 1906 in den Ruhestand versetzt worden. Geh. Medi- 
cinalrat Dr. Bier-Bonn hat den an ihn ergangenen Ruf als Nach¬ 
folger abgelehnt. — Der Professor der orthopädischen Chirurgie 
J^r. Oskar Vulpius erhielt vom König von Italien das Ritter- 
kj-euz vom Orden des H. Mauritius. 

Leipzig. Das neuerbaute pathologische Institut wurde am 
5. d. M. unter Teilnahme der staatlichen und Universitätsbehörden 
feierlichst eingeweiht. 

München. Habilitiert: Dr. Albert Uffenheimer für 
Kinderheilkunde. Habilitationsschrift; Experimentelle Studien über 
die Durchgängigkeit der Wandungen des Magendarmkanales neu¬ 
geborener Tiere für Bakterien und genuine Eiweissstoffe. Probe¬ 
vorlesung : Ergebnisse der biologischen Methode für Säuglings¬ 
ernährungslehre. 

Rostock. Prof. Dr. G. Ricker, I. Assistent am patho¬ 
logischen Institut, ist zum Pro.sektor an den städtischen Kranken¬ 
hausanstalten in Magdeburg ernannt and wird diese Stellung 
Mitte dieses Monats übernehmen. 


Berthold Wagner-Rostock. Die quantitative Zackerbe- 
stimmunK im Harn und ihre klinische Bedentung nebst 
Besehrelbone eines neuen Gämngsapparates, ««Gär- 
nngs-Saecharo-Hlanometer**. (Münch, med. Wochcnschr , 1905, 
No- 48.) 

Bei dom Lohnstoinschen Apparat ist ns notwendig die zu vergärende 
Flüssigkeit nebst der Hefe in dasselbe Gefäss hinein zu Dringen, in welchem 


sich das Quecksilber tür das Manometer befindet. Infolgedessen wird einer¬ 
seits Quecksilber durch die schmierige HefefiUesigkeit J^esmal verunreinigt 
und andrerseits ist infolge der besonderen Konstruktion des Apparates die 
nach jodem Gebrauch desselben notwendig werdende Reinigung mit ge¬ 
wissen Umständlichkeiten verbunden, welche die schnelle Handhabung er¬ 
schweren. 

Um diesem Uebolstand abzuhelfcn, konstruierte W. einen Apparat, der 
dasselbe Prinzip wie der Lohnsteinsche bat, nur ist daboi vermieden, 

dass die GärungsiflQssigkeit mit dem Queck¬ 
silber in Berührung kommt. Die Handhabung 
ist gleichfalls einfach, und das Instrument, 
welches .,Gärung8-Saccharo-Manometer“ ge¬ 
nannt und von der Leipziger Glasinstruroenten- 
fabrik F. 0. R. Götze, Leipzig, Härtel¬ 
strasse 4, bergestollt wird, ist weniger leicht 
zerbrechlich. 

Der Apparat besteht ans einem rechteckigen, 
mit einer Gose zum Aufhängen versehenen 
Rahmenbrett A, in welchem sieb eine ent¬ 
sprechende Vertiefung befindet, die zur Auf¬ 
nahme der gläsernen Manometerröhre B und 
des Gärungsfläsebebens C dient. Die Oese 0 
und ein drehbarer Riegel R am oberen Teil 
des Brettes dienen zum Befestigen des Appa¬ 
rates. 

Zur Vornahme einer Zuckerbestimraung 
füllt man zuerst 0,5 ccm des unverdfinnton 
zuckerhaltigen Urins in das Gärungsfiäschchen 
und zwar zwecks möglichster Genauigkeit mit¬ 
tels der beigegebenen kleinen Pipottu, die für 
0,5 ccm geeicht ist. 

Wenn der betreffende Urin gamieht oder 
wenig sauer reagiert, säuert man denselben ini 
Gärungsgläschen dnreh einen Tropfen einer 
ö-lO^igeii Weinsteinsäurelösung an. die man 
am besten aus einem Tropfglas bineinfallen 

unter Vermeidung der Anfeuchtung des Flaschenhalses (oder man fügt 
ein Körnchen Weinstcinsäurepiilvers hinzu). Dann verreibt man (am besten 
mit dom Zeigefinger) in der kleinen beim Apparat befindlichen Porzellan- 
schale ein hasolnussgrosscs Stück frischer Presshefe mit der doppelten 
Menge seines Volumens Wasser; von diesem dünnen Brei werden 3 bis 4 
Tropfen zu der Gärungsflilssigkeit hinzngefUgt und zwar mit der zweiten, 
weiterer Pipette. Alsdann stülpt man das gefüllte Fläschchen über, sodass 
die beiden Luftlöcher übereinander zu liegen kommen. Es darf dabei die 
Quecksilbersäule nicht Über den Nullstrich getrieben werden. Erst nachdem 
man dessen sicher ist, sucht man einen luftdichten Abschluss zu erreichen, 
indem man am besten das Fläschchen mehrmals hin und her dreht. Sodann 
dreht man durch Druck gegen den kurzen Schenkel und das Fläschchen den 
Apparat in die kuppelfbrmige Vertiefung hinein, wobei die Metallfeder D 
nach unten gedrückt wird. Dieselbe übt nunmehr gegen den Boden des 
Fläschchens einen Druck aus, der dem sich entwickelnden KohleuBäuredriick 
entgegenwirkt und so ein Lockern des Fläschchens unmöglich macht. 

Bei der nunmehr stattfindonden Gärung wird das Quecksilber im' lan¬ 
gen Böbrenschenkel emporgetrieben, an dessen Seite sich eine graduierte 
Skala befindet, deren Einteilung auf der rechten Seite bei Brutofentemporatur 
(37®C) auf d^r linken bei mittlerer Zimmerwärme (20® C) ermittelt ist. 
Die .Skala zeigt den Zuckergehalt in Prozent direkt an (bis 10®/Ä Die 
vollständige Vergärung nimmt bei Zimmertemperatur ca. 24 Stunden in An¬ 
spruch, im Brutofen für Zuckerwerte bis 5 Prozent etwa 3 — 4 Standen, 
für höhere Werte bis zu 6 Stunden. Aus Gründen der Schnelligkeit em¬ 
pfiehlt OS sich also, den Apparat an einem warmen Ort hängen zn lassen, 
wo aber nicht mehr als höchstens 40® C bestehen? z. B. lässt sich auch der 
Apparat während der Gärung bei eiligem Gebrauch in eine Ofenröhre stellen, 
wo vorher mit dem Tberuiometer die Temperatur kontrolliert wurde. 

Die beendete Gärung erkennt man äusserlicb daran, dass die vorher 
durch Hefe getrübte Flüssigkeit sich geklärt hat, so dass die Hefe am Bo¬ 
den des Gefässes liegt. Steigen dagegen im Gärung^e&ss noch Bläschen 
auf, die durch Eraporreissen von Hefepartikelchen die Trübung der Flüssig¬ 
keit unterhalten, so ist die Gärung keinesfalls als beendet an'zuseben. 

A. R. 


Die billigen Pboto-Apparate verschwinden! 

Erst seit wenigen Jahren ist es handelsüblich, den Käufern photo¬ 
graphischer Apparate Zahlungsorleicbterungon zu bewilligen und die er¬ 
freuliche Folge ist, dass die billige Camera mehr und mehr verschwindet. 
Dass in der Tat die neue Verkaufsmetbode, die natürlich eine besondere 
Organisation und grosse Kapitalkraft verlangt, einem Bedürfnis entgegen 
gekommen ist, beweist die bedeutsame Entwicklung der in F^e kommen¬ 
den Firmen. Ein sehr bekanntes Beispiel für den Verkauf g^n erleich¬ 
terte Zahlung ist der Camera-Grussvertrieb Union, Hugo Stöckig & Co., 
dessen Vertriebsgebiet 3 Länder umfasst: Deutschland mit Sitz Dresden, 
Oesterreich-Ungarn mit Sitz Bodenbach und die Schweiz mit Sitz Zürich. 
Diese Firma liefert seit zwei Jahren ihre weithin anerkannten Union- 
Cameras ausschliesslich mit Anastigmaten der Weltfirmen Goerz. Berlin, 
sowie Meyer, Görlitz, und sie befieissigt sich möglichst loyaler Zahlungs¬ 
bedingungen, Der neueste Camera-Prospekt liegt unserem heutigen Blatte bei. 


Veranlwortlicher RfdaWteur ; Dr. P. Mei»aner, BerlinW. U, Kurfüratenstr. 81. — Verlag »on Carl Marhold, Halle a. S. 
Dmck von der Heyaemann'achen Barhdrnclrerei, Oehr Wolff, Halle a. S 



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Medicinische Woche 


Deatschmana. A. Dflbrasen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bt. 

H. Senator« R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a* S«« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Martiold Verlag Hallesaale. Pemsprecher 823. 


Hcrausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partseb, H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricht, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 

Redaktion; 

Berlin W« 62« Kurffirstenstrasse 81* 

Dr. P Meißner. 


Vn. Jahrgang. 28. Mai 1906. Nr. 22. 


Die ,Med 1 clnische Woche* * erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalnCOloglSChG CGtltralzCltung^ Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bfiderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet Jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 2S Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in H all e a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt BrmäBigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Zur modernen Skoliosenbehandlnng 
nach Klapp. 

Nach einem Vortrage auf der Versammlung rhein.-westfal. und 
süddeutscher Kinderärzte zu Wiesbaden am 29. April 1906. 

Von Dr. med. et polit. Stehr, Wiesbaden. 

In einem Vortrage, den im vorigen Jahre Hovorak auf 
dem- I. intern. Kongress für Physiotherapie in Lüttich über 
die Wechselbeziehungen zwischen mechanischer Orthopädie 
und orthopädischer Chirurgie gehalten hat, bezeichnet er mit 
Recht sowohl die begrifflichen wie die inhaltlichen Grenzen 
der Orthopädie als noch flüssige. Wir stehen zwar längst 
nicht mehr auf dem Standpunkte von Quillet, der i. J. 1656 
ein Buch über Kallipädie m lateinischen Versen herausgab, in 
welchem er sich u. a. auch über die Bildung des Geistes der 
Kinder ausliess und Vorschriften gab, wie sich die Eltern bei 
der Zeugung zu benehmen haben. Wir stehen auch nicht 
mehr auf dem Standpunkte der späteren Ortliopäden Maison- 
abe, Bouvier, Prince, Bigelow, die sich schon auf die¬ 
jenigen Störungen beschränkten, welche ein Abweichen von 
der idealen Form des Körpers darstellten, aber noch die 
Behandlung von Wolfsrachen, Hasenscharte und Strabismus 
umfassten. Erst im 19. Jahrhundert haben Yolkmann und 
Hueter die inhaltlichen Grenzen der Orthopädie, wie sie heut 
zumeist anerkannt sind, festgelegt, indem sie sie auf den 
Köroer des Erwachsenen erweiterten und, wenigstens in Deutsch¬ 
land, alles ausschieden, was sich nicht auf die lokomotorischen 
Teile des Körpers bezog. 

Sie zählen also zur Orthopädie die Krankheiten der Be¬ 
wegungsorgane , ganz gleichgültig, ob sie auf chirurgischem 
Wege oder sofern auf konstitutioneller Basis beruhend, durch 
Allgemeinbehandlung zu heilen sind. 

Auch Hovorak trennt ausdrücklich 2 Hauptrichtungen 
in der orthcmädischen Therapie: die operative Ormopädie, die 
Dank ihrer Triumphe der heutigen orthopädischen Wissenschaft 
den Stempel aufgedrückt hat und zu der auch die orthopädische 
Verbandstechnik gehört, und andererseits die mechanische 
Orthopädie, zu der wir Massage und Gymnastik — also thera¬ 
peutische „äussere“ Hilfsmittel der inneren Medicin, da sie ja wie 
die Hydrotherapie auf Blutzirkulation und Stoffwechsel in erster 
Linie wirken — rechnen. Trotzdem wird die Orthopädie zu¬ 
meist noch zu einseitig als Tochter der Chirurgie betrachtet, und 
gerade die chirurgischen Orthopäden vergessen nur zu leicht, 
dass jene ein Grenzgebiet zwischen Chinirgie und innerer 


Medicin darstellt, dass also die innere Medicin eine gleichbe¬ 
rechtigte Stimme verlangen darf.*) 

Je mehr nun bei der aktiven funktionellen Gymnastik der 
modernen Skoliosenbehandlung die eigene Mitarbeit des Patienten 
in den Vordergrund tritt und die mechanische Hilfe der Be- 
wegungsapparate und Stützkorsetts — welche die Schuld daran 
tragen, dass die Behandlung der Skoliosen fast ganz aus dem 
Gesichtskreis der inneren Medicin entschwunden ist — an Be¬ 
deutung verliert, um so mehr muss die innere Medicin wieder 
ihren Anspruch auf Mitarbeit in diesem alten Grenzgebiet er¬ 
heben. Sie kann mit vollem Recht geltend machen, dass 
gegenüber der bisher zu weit in den Vordergrund getretenen 
symptomatischen Bekämpfung dieser Deformität durch Fixation 
und Entlastung, solange ni^t das Messer oder orthopädische 
Yerbandapparate nötig sind, mehr die causale funktionelle 
Therapie, ihre eigene Kunst einsetze. 

Dazu kommt: Grundübel unserer häufigsten Rücken Ver¬ 
krümmungen, die Rachitis und die verschiedenartigen Ent¬ 
wicklungshemmungen, welche Störungen in der Stetik und 
Mechanik der Wirbelsäule bedingen und als Ursache der so- 
enannten habituellen Skoliose gelten, gehören in den Kreis 
er konstitutionellen Erkrankungen, und was liegt da näher 
als bei Bekämpfung solcher auf die kardinalen Hilfsmittel der 
inneren Medicin — Regelung der Lebensweise, zweckmäßige 
Ernährung, Anregung der Iimervationsintensität durch Uebung 
der Funktion, und zwar in unserem Falle mit Konsequenz 
durchgeführte Heilgymnastik, — das OTÖssere Gewicht zu 
legen. Die mangelhaften Erfolge der bisherigen Skoliosen¬ 
behandlung in den orthopädischen Instituten — Heusner 
nennt sie drastisch aber treffend klägliche — bereiten dieser 
Anschauung, insoweit die genannten Skoliosenfonnen in Be¬ 
tracht kommen, den Weg. Dadurch, dass diese moderne 
Skoliosentherapie auf alle Stützkorsetts, alle passiven Be¬ 
wegungsapparate nach schwedischem Mnster, ja sogar auch 


*) Ich darf wohl aDtielimen, dass ihre StellaDg:nahme sich allein 
daraus erklärt, dass die innere Medicin noch zu häufig mit dem zu engen 
Begriff Pbarmaceutik Rllschlich identifiziert wird nnd nichts mit dem per- 
sünlichen Interessenstandpunkte zu ton hat. — Die Nervosität, mit der 
heute schon vielfach von Spezialisten darauf geachtet wird, dass keiner et¬ 
was tut, was aus dem Kreise seiner Spezialität herausfällt, erinnert jedoch 
an die Zeit des Verfalls der Handwerkerzunft Ende des 18. Jahrhunderts. 
Damals wurden als „Bönhasen* diejenigen ausserhalb der Zunft stehenden 
gescholten nnd sozial auf jede Weise geschädigt, die den harten Bedingungen 
der Zunft, die daraus hinausiiefen, so wenig wie mOglicb Konkurrenz auf- 
kommen zu lassen, nicht nacbkamen. Backte der Grobbäcker Weissbrot, 
so galt er den Zunftmeistern als BOnhase, der unnachsicbtlich verfolgt 
werden musste. So kam man zu btlcbst spitzfindigen Abgrenzungen zwischen 
Sattlern und Riemern, Grob- und Kleinscbmieden, Schwarz- und ScbUn- 
fiirbern, Tischlern und Zimmerleuten. Der Zunftzwang hinderte tüchtige 
Elemente ihre Fähigkeiten zu verwerten. Man legte geringeres Gewicht 
darauf sich neuartige Kräfte einer neueren Zeit zu Nutze zu machen, als 
auf solche Kleinigkeitskrämerei. Mit einer solchen Politik ging der Ver¬ 
fall des Handwerks.einher. Wir sehen daraus, dass Hilfsquellen in einem 
erschwerten Existenzkampf anderswo zu suchen sind, als in der Missgunst 
gegenüber den Bemühungen Mitstrebender. 


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246 


BfESIGDJlSCHB WOCHB. 


Nr. 22. 


auf die Apparate für aktive Gymnastik verzichtet, bildet sich 
in Anlehnung an die alten deutschen Freiübungen eine rein 
deutsche Skcuiosentherapie heraus. Dass die so lange mit An¬ 
dacht betrachteten alten Götter: die geistreich ersonnenen 
gymnastischen Apparate gegenüber der anspruchslosen deut¬ 
schen Heilgymnastik zumeist noch als unerlässlich, wenigstens 
bei den nicht ganz leichten Graden der Verkrümmung be¬ 
trachtet wurden, ist nicht zu verwundern. Wo in der Welt 
trennt man sich denn gern von einem kostspieligen Hand¬ 
werkszeug! 

Eine raschere Wendung scheint aber doch der letzte Ortho- 
päden-Kongress anzukündigen. Denn fast ausnahmslos haben 
die Vertreter der chirurgischen Orthopädie gegenüber der 
Klapp’schen Methode der Skoliosenbehandlung wohlwollend 
Stellung genommen. Während früher nur die geringsten Grade 
von Skoliose für die Behandlung allein mit aktiver funktioneller 
Gymnastik als geeignet erklärt wurden, hält man sie jetzt auch 
für die zweiten Grade für indiziert und ist nur bezüglich der 
Skoliosen dritten Grades noch nicht einig. 

Die neuere Richtung, besonders die Methode K1 a p p, auf 
die ich gleich noch eingehen will, verzichtet sowohl auf 
A|)pariito zur Mobilisation der Wirbelsäule, wie auf Stütz¬ 
korsetts. Sie will also allein durch eiserne Konsequenz in der 
Durchführung von üebungen der Rückenmuskeln diese in den 
Stand setzen, Stützkorsetts und Gewegungsapparate auch bei 
schwereren Formen der Skoliosen zu entbehren. 

Da es über die den Methoden der Skoliosenbehandlung 
zu Grunde liegenden Theorien an sich keinen Richter geben 
kann, so muss der Erfolg entscheiden. Und der Erfolg in 
der Bier’schen Klinik entscheidet für die aktive funktionelle 
Gymnastik, die deutsche Heilgymnastik in allen Fällen auf 
rachitischer Basis und bei der sog. habituellen Skoliose, welche 
ja die übergrosse Mehrzahl der Fälle darstellen, u. zw. nicht 
nur bei den leichtesten, sondern auch bei schwereren Deformi¬ 
täten. Ausgeschlossen von dieser Uebungstherapie bleiben 
natürlich Verkrümmungen auf Grund von tuberkulöser Spondi- 
litis und neurogenen oder traumatischen Ursprung.s, die nach 
wie vor zur Domäne der orthopädischen Chirurgie mit ihren 
heut noch vorwiegend symptomatischen Mitteln gehören. Bei 
ersterer ist es, wie der m die Augen springende Erfolg in der 
Bier’schen Klinik zeigt, erheblich rascher wie früher mög¬ 
lich, die Rückenmuskeln so zu stählen, dass sie sich bei kleinen 
Kindern wie Eisen anfühlen. Die Wirbelkörper sind dann in 
der elastischen Masse gleichsam aufgehängt, lasten nicht mehr 
direkt mit der vollen Last des Oberkörpers aufeinander und 
gewinnen so Raum, sich der Funktion der Muskeln entsprechend 


Feuilleton. 


Medicinisches von und über Goethe. 

(Schloss.) 

Dies veranlasste Goethe von Frl. von Bleckenberg (von der 
die in „Wilhelm Meister eingeschalteten „Bekenntnisse einer 
schönen Seele“ stammen), nach Wellings Opus magocabbali- 
stikiim“ und nach bedeutenden Winken des Arztes und Meisters 
mit Windrosen und Sandbad, Kolben und Retorten der ge¬ 
heimnisvollen Natur ihre Wunder abzuzwingen zu versuchen. 
„Faust“ I, der in seinen Anfängen auf jene Zeit zurückdatiert, 
enthält eine Reihe von Reminiszenzen. So die Stelle beim 
Erblicken des Zeichens des Makrokosmus: „Die Geisterwelt ist 
nicht verschlossen; dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!“ — 
oder wo Faust zu erkennen glaubt: „Wie alles sich zum Ganzen 
webt, eins in dem andern wirkt und lebt!“ — Dort ist dies 
geheimnisvolle Buch „von Nostradamus eigener Hand“, wie in 
„Dichtung und Wahrheit“ von Welling, das, wie alle Schriften 
dieser Art, seinen Stammbaum in gerader Linie bis zur neu¬ 
platonischen Schule verfolgen konnte. Goethes vorzüglichste 
Bemühung an diesem Buche war, die dunkeln Hinweisungen, 
wo der Verfasser von einer Stelle auf die andere deutet und 
dadurch das, was er verbirgt, zu enthüllen verspricht, aufs 


zu formen. Es ist leicht verständlich, dass da, wo die Wirbel¬ 
körper einen Halt nicht in der elastischen Muskelmasse finden, 
sie ihn in bindegewebiger und schliesslich knöcherner Verwach¬ 
sung suchen müssen. 

Auf die Stählung der Rückenmuskeln ist also neben der 
Mobilisation der Wirbelsäule das grösste Gewicht zu legen. 
Hier deckt sich bis zu einem gewissen Grade Therapie und 
Prophylaxe. Je mehr wir die Deformität durch Stählung der 
Rückenmuskeln bessern, desto mehr schützen wir auch das 
Kind vor der Gefahr der Ueberanstrengung seines Rückens. 
Erst in den letzten Wochen hat Länge-München in seinem 
Referat über Korsett und Schule darauf hingewiesen, dass sich 
die Häufigkeit der Skoliosen bei Mädchen schon allein durch 
die Inaktivitätsatrophie der ihrer Funktion durch das Korsett 
enthobenen Rückenmuskeln erklären lasse. Auch Hagenbeck- 
Burckhart-Basel betont, wie ich iu Parenthese bemerken 
möchte, im Jahrbuch für Kinderheilkunde, dass die Ausbildung 
des rachitischen pes valgus in der solchen Kindern eigenen 
Schlaffheit der Muskeln zu suchen sei. Also auch er macht 
die Muskeln für Ausbildung dieser Deformität verantwortlich. 

Besonderes Gewicht legt Klapp bei seiner Metltode auf 
dio Kriechübungen, weil gerade bei diesen die ausgiebigsten 
aktiven Bewegungen der Wirbelsäule möglich seien. In der 
Tat ist auch leicht zu beobachten, dass die Muskeln der Lenden¬ 
wirbel, die beim Stehen des Gleichgewichts halber, sich kontra¬ 
hieren und einer ausgiebigen Bewegung der Wirbelkörper 
gegeneinander entgegenwirken, in kriechender Stellung ent¬ 
spannt sind. Er formte die Hebungen nach dem Verbilde 
kriechender Eidechsen und schleichender Katzen, die eine be¬ 
sondere Beweglichkeit der W'irbelsäule zeigen. Dabei wird 
der Kopf hoch getragen, die Wirbelsäule zwischen den Schultern 
hängen gelassen. Eine andere Uebung von mindestens gleich 
grossem Wert ist diese: Das Kind befindet sich in Vierfüssler- 
ausgangsstellung auf der Erde, stützt sich daun auf Knie und 
Hand der gleichen Seite und krümmt den Rumpf seitwärts 
halbkreisförmig um den theoretischen Punkt, den Knie und 
Hand darstellen. Wie dadurch die patholog. Krümmungen 
ausgeglichen, die Zwischenrippenräume weit auseinuidergezogen 
und damit Muskeln und Bänder der kontrahierten Seite ge¬ 
dehnt werden, entnehmen Sie am besten aus diesen Röntgen- 
bildem (Demonstration). Man sieht die Zwischenrippenräume 
sogar da weit klaffen, wo der pathologischen Concavität der 
Wirbelsäule entsprechend eine Verkürzung der Bänder und 
Muskeln erwartet werden müsste. In diesem Falle haben also 
die Kriechübungen ihre Schuldigkeit bereits getan. 

Eine dritte Uebung, die vorwiegend der Mobilisation, der 


genaueste zu bemerken. Doch das Buch blieb dunkel und 
unverständlich genug; ausser dass man sich in eine gewisse 
Triminologie hineinstudierte und, indem man mit derselben 
nach eigenem Belieben gebahrte, etwas wo nicht zu verstehen, 
doch wenigstens zu sagen glaubte. Braucht man da noch be¬ 
sonders an das Hexen-Einmal-Eins in der Küche der Hexe zu 
erinnern, von der Mephisto sagt: „Sie muss als Arzt ein Ho¬ 
kuspokus machen“ ? — „Das tolle Zeug, die rasenden Geberden, 
den abgeschmacktesten Betrug“ nennt’s Faust. Doch Mephisto : 
„Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch; ich habe manche 
Zeit damit verloren. Denn ein geheimnisvoller Widersprach 
bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren . . . Ge¬ 
wöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es 
müsse sich dabei doch auch was Denken lassen.“ Um zu den 
Quellen zu steigen, wendete sich Goethe auch an die Werke 
des Theophrastus Paracelsus und Basilius Valentinus, nicht 
weniger an Helmont, Starckey u. a.; besonders wollte ihm die 
Aurea Catena Homeri gefallen (siehe hierüber das eben bei 
K. Rohm in Lorch erschienene Werkchen von Dr. Ferd. Maack: 
Die goldene Kette Homers. Ein zum Studium und zum Ver¬ 
ständnis der gesamten hermet. Literatur unentbehrl. Hilfsbuch 
1905). Damals ergötzten diese Geheimnisse mehr als ihre 
Offenbarung hätte tun können. Als Vorarbeit zu „Faust“ kam 
ihm diese Lektüre gut zu statten, u. a. auch für die Szene, 
wo durch Salomonis Schlüssel usw. aus dem Pudel Mephisto¬ 
pheles herausgezwuDgen wird. 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


247 


Wirbelsäule dient, ist die Ihnen vielleicht aus dem P. T. Müller- 
sehen Buche bekannte Uebung 7. Der Oberkörper wird bei 
wa^echt erhobenen Armen seitwärts gedreht und gebeugt 
und beim Tempo 2 in der Beu^ng ganz gedreht, so(m8s bei 
Tempo 1 das Gesicht nach dem Boden, bei Tempo 2 nach der 
Decke sieht. Bei Tempo 3 und 4 wird dieselbe Uebung mit 
Beugu^ nach der anderen Seite gemacht 

Die übrigen Uebungen, die sich in der Bier'schen Klinik 
an die vorigen anschliessen, dürften Ihnen alle schon bekannt 
sein. 

Einmal das Seitwärtsbeugen des deutschen Freiturnens, 
das fast ausschliesslich auf die Dors^skoliose Einfluss hat, 
weil die an den Lendenwirbeln einsetzenden Rückenmuskeln 
zwecks Haltung des Gleichgewichts kontrahiert sind und einer 
Dehnung entgegen wirken. Ferner die wichtigen, besonders 
der Stählung der Rückenmuskeln dienenden Uebungen auf der 
Bank; einmal die Aufrichteübung mit Stäben und schliesslich 
die Schwimmübungen mit leichten Holzlianteln, die ja keiner 
näheren Erläuterung bedürfen. 

Wie Sie sehen, schliessen sich diese Uebungen an das 
alte deutsche Freiturnen an, weshalb man sie m. E. gerechter 
weise deutsche Heilgymnastik nennen kann. Ihnen eigentümlich 
ist, dass man vermeidet, die Kräfte des an sich meist 
schwächlichen Kindes noch dadurch zu zersplittern, dass man 
alle Muskeln des Körpers gleichmäßig übt und alle Kraft und 
Energie auf die Entwicklung der Rückenmuskeln konzentriert. 
Was durch diese Uebungen erworben ist, ist im Gegensatz 
zum an Apparaten Erreichten durch eigene Kraft, durch Ver¬ 
mittlung eines disziplinierten Willens erworben. Das Erworbene 
ist zentral ordentlich vertreten und deshalb auch von grösserem 
Bestand. 

Für den Wert der Kriechübungen spricht ausser der, wie 
schon erwähnt, wohlwollenden Diskussion auf dem letzten 
Orthopädenkongress die Tatsache, dass Schultes, wie ich 
erfahre, bereits einen Kriechaj^arat konstruiert hat. Andrer¬ 
seits wird dadurch wieder die Vorliebe der chirurgischen Ortho¬ 
päden für Apparate illustriert, die sich meiner Ueberzeugung 
nach auf die Daner nicht wird halten lassen. Ich erinnere 
daran, dass auch Vnlpius sich nicht bedingungslos, für irgend 
welche Apparate ausspriebt. Er sagte, die Ansichten über 
den Wert der zahlreichen Apparate gehen recht erheblich aus¬ 
einander. Schliesslich sei der Apparat der wirksamste, der 
nicht nur am zweckmässigsten konstruiert, sondern auch am 
fleissigsten benutzt wird Am fleissigsten müssen aber die 
Kinder ihre Muskeln bei der aktiven mnktionellen Gymnastik 
üben. Er verteidigt auch das Korsett nur, weil er meint, man 


Goethes Krankheit brachte in ihrem Verlauf jedoch einmal 
solche Symptome hervor, dass er unter grossen Beängstigungen 
das Leben zu verlieren glaubte. Da zwang die Mutter mit 
dem grössten Ungestüm den verlegenen Arzt, mit seiner Uni- 
versahnedicin hervorzurücken; na^ langem Widerstande eilte 
er tief in der Nacht nach Hause und kam mit einem Gläschen 
krystallisierten trocknen Salzes zurück, welches, in Wasser auf¬ 
gelöst, von dem Patienten verschluckt wurde und einen ent¬ 
schieden alkalischen Geschmack hatte. Das Salz war kaum 
genommen, so zeigte sich eine Erleichterung des Zustandes, 
und von dem Augenblick an nahm die Krankheit eine Wendung, 
die stufenweise zur Besserung führte. — Da Goethe nach eig- 
Aussage stets „gegenständlich“ und durch die Wirklichkeit 
„angeregt“ gedichtet hat, dürfte ihm die Erinnepung an solche 
selbst erlebte Vorgänge, ebenso wie der Jahrtausende alte 
Volksglaube an ein Allheilmittel für alle Siechen nnd Lahmen 
und die stets sich erneuernde Hoffnung der Menschen, die nie¬ 
mals alle werden, auf ein Lebenselixier in allen Leibesnöten 
bei allem dem vorgekebwebt haben, was er im Osterspaziergang 
Faust zu Wägern sprechen lässt: .... „hier war die Arzenei, 
die Patiraten starben, und niemaud fr^te: wer genas? So 
haben wir mit höllischen Latwergen in diesen Tälern, diesen 
Beigen, weit schlimiuor als die Pest getobt. Ich habe selbst 
das Gift an Tausende gegeben; sie welken hin, ich muss er¬ 
leben, dass man die frechen Mörder lobt.“ Und als Antwort 
darauf ganz vom Wagnerschen Standpunkt: „Wie könnt ihr 


dürfe, wenn man den Kindern nicht Anstaltsbehandlung zu 
teil werden lassen könne, nicht untätig zur Seite treten, son¬ 
dern ihnen bieten, was man bieten kann. 

Ich möchte aber auch nicht missverstanden werden. Ich 
plädiere keinesfalls dafür, dass die chirurgische Orthopädie in 
ihren Instituten die genannten Skoliosenformen nicht mehr be¬ 
handeln soll, sondern ich verfechte nur die Gleichberechtigung 
der inneren Medicin auf diesem Grenzgebiet, die besonders 
dort hervortritt, wo die Notwendigkeit eines besondern Instru- 
mentars und eine komplizierte Technik nicht eine Sonder¬ 
wissenschaft gebiert und wo die causale Therapie wieder mehr 
in den Vordergrund rückt Daraus ist zu schliessen, dass ge¬ 
wisse Skoliosen allein in orthopädischen Instituten sachgemäß 
behandelt werden können una am besten solchen zu über¬ 
weisen sind, ähnlich wie Tumoren dem Messer des Chirurgen, 
wenn eben die causale Therapie versagt. 

Zum Schluss noch ein Wort über die soziale Bedeutung 
dieser Uebungen, die mir den Hanptanlass für diese Ausein¬ 
andersetzung Dot. Während bisher das Heil der Skoliosen nur 
aus den orthopädischen Instituten mit ihrem kostspieligen 
Apparat, der nur Wohlhabenden zugänglich sein konnte, zu 
kommen schien, besitzen wir jetzt eine sich bewährende Me¬ 
thode, wenigstens für die genannten häufigsten Formen der 
Rücken Verkrümmungen, die uns gestattet, ohne einen kost¬ 
spieligen Apparat an die Bekämpfung dieser Deformität auch 
in den minderbemittelten Volksklassen nnd in jedem kleinen 
Orte, wo sich orthopädische Institute nicht halten können, zu 
gehen, wenn nur Gemeinde und Arzt sich dafür interessieren. 
Die Uebungen, die nach Art der Verbiegung leicht zu modi¬ 
fizieren sind, können, weil die Kinder turnerisch aufgestellt, 
leicht überblickt werden, an einer grösseren Anzahl Bänder 
gleichzeitig vorgenommen werden, was bei der Apparattherapie 
bisher unmöglich war und das Haupthindernis ^gab für das 
Nichtbehandeln der ärmeren Kinder. Auch die Massage des 
Rückens, die als Einleitung solcher Gymnastik bisher viel Zeit 
und Hilfskräfte erforderte, fällt in der Bier’schen Klinik fort. 
Sie ist ei-setzt durch eine Hyperaemislerung des Rückens durch 
heisse Luft. Im Sommer kann dafür einfach ein Sonnenbad 
des Rückens eintreten. Also auch dadurch wieder werden 
Geldmittel gespart und die Einführung der Heilgymnastik den 
Gemeinden erleichtert. Dieselben Gesichtspunkte sprechen da¬ 
für, dass sich auch die Sanatorien mehr wie bisher für Skoliosen- 
behandlung interessieren können. 

Die emzigti Gefahr liegt darin, dass Laientherapenten sich 
dieser ihnen so leicht zugänglichen Methode bemächtigen. Das 
darf uns aber nicht hindern, sie der Apparattherapie vorzu- 


euch darum betrüben! Tut nicht ein braver Mann genug, die 
Kunst, die man ihm übertrug, gewissenhaft und pünktlich aus¬ 
zuüben!“ — So sonderbare Ingredienzen des Makrokosmus und 
Mikrokosmus auf eine geheimnisvolle wunderliche Weise bei 
seinen Versuchen behandelt wurden, nm die schönste minera¬ 
lische Flüssigkeit wie den Lii^nor Silicum in eine animalische 
Gallert umzuwandeln, und die jur^räuliche Erde in den Mutter¬ 
stand übergehen zu sehen; das Sehen, „dass wir nichts wissen 
können“ blieb ihm doch immer das Endresultat „Was grin¬ 
sest du mir, hohler Schädel, her? Als dass dein Hirn, mir 
meines, einst verwirret, den leichten Tag gesucht und in der 
Dämmerung schwer, mit Lust nach Wärheit jämmerlich ge- 
irret! Ihr Instrumente freilich spottet mein, mit Rad und Kämmen, 
Walz und Bügel. Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein; 
zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. Ge¬ 
heimnisvoll am lichten Tag lässt sich Natur des Schleiers nicht 
berauben, und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, das 
zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben“ — 
diese Worte Fausts sind sicher eine Reminiszenz an jene ver¬ 
geblichen chemisch-alchymischen Versuche. .,Wo fass ich dich 
unendlich Natur? Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Le¬ 
bens, an denen Himmel und Erde hängt, dahin die welke Brust 
sich drängt — ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so 
vergebens? . . . „Du gleichst dem Geist, den du begreifst, 
nicht mir!“ spricht da der Geist der Erde zu Faust, der „seines 
Gleichen“ sich gefühlt. „Nicht dir? Wem denn? Ich, Eben- 


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248 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr 22. 


zioheD, sobald sie als wirkungsvoller anerkannt ist Nur wird 
es eine wichtige Aufgabe der Aerzte, besonders der Schulärzte 
.sein, in ihrem Wirkungskreise darauf zu achten, dass solche 
Uebungen nur nach ihren präzisen Angaben, bezw. unter ihrer 
steten Kontrolle vorgenommen werden. 

Ich resümiere: die Klapp’sche Methode bietet vor allem 
in sozialer Beziehung so erhebliche Vorteile, dass die Unter¬ 
lassung ihrer Ausnutzung seitens der heutzutage so rege sich 
auf sozialem Gebiet betätigenden Gemeinden ein Fehler wäre. 
Vergessen dürfen wir dabei nur nicht, dass die Uebungen un¬ 
verdrossen und regelmäßig oft viele Monate hindurch fortge¬ 
führt werden müssen, dann aber auch den Erfolg nicht missen 
lassen. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

AenstlU^r Verein in Hamburg* 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 8. Mai 1906. 

Vorsitzender Herr Nonne. 

1. Herr Lorey demonstriert Präparate von Ureterano¬ 
malie en. Das erste, das von einem gesunden Manne stammt, 
zeigt kurz vor der Mündung des Ureters in die Harnblase ein 
gut Wallnuss-grosses, in die Harnblase selbst hereinreichendes 
Divertikel, an dessen unterer Seite sich die Hamleiteröffnung be¬ 
findet. Das zweite Präparat stammt von einem 1jährigen Kinde: 
von der rechten Niere gehen 2 sich kreuzende Ureteren zur Blase, 
von denen der eine stark dilatiert ist. Meist sind solche Ano- 
malieen mit anderen Missbildungen gepaart, was jedoch bei diesen 
beiden Abnormitäten nicht der Pall war. Der Referent geht dann 
ausführlich auf die Entstehungsursache solcher Missbildungen ein. 
Herr Umber- Altona hat einen ähnlichen, wie den ersten Fall 
intra vitam diagnostiziert. Er cystoskopierte einen älteren Herrn, 
der ab und zu blutigen Urin Hess, und bemerkte dabei an der 
Eiumündungsstelle des einen Ureters in der Blase einen beweg¬ 
lichen Tumor, der mit einem Phosphatstein Aehnlichkeit hatte, 
anschwoll und sich dann rhythmisch zusammenzog und entleerte. 
Herr Wiesinger hat die gleiche Beobachtung wie der Vor¬ 
redner intra vitam gemacht und fragt, ob der Mann, von dem 
das Präparat herrührt, cystoskopiert sei, was Herr Lorey ver¬ 
neint, da er von Seiten des ÜrogenitalHpparates keinerlei Be- 


bild der Gottheit; das sich schon ganz nach gedünkt dem 
Spiegel ew’ger Wahrheit, sein Selbst genoss, im Himmelsglanz 
und Klarheit, und abgestreift den Erdensohn; . . . wie muss 
ich’s büssen! . . . den Göttern gleich’ ich nicht! Zu tief ist 
es gefühlt; dem Wurme gleich’ ich der den Staub durchwühlt, 
den, wie er sich im Staube nährend lebt, des Wandrers Tritt 
vernichtet und begräbt.“ — 

So wunderlich und unzusammenhängend auch diese 
Operationen waren, sagt Goethe in „Dichtung und Wahrheit“, 
so lernte ich doch dabei mancherlei . . . und ward mit den 
<äus3eron Formen mancher natürlichen Dinge bekannt, und in¬ 
dem mir wohl bewusst war, dass man in der neueren Zeit die 
chemischen Gegenstände methodischer aufgeführt, so wollte ich 
mir davon im allgemeinen einen Begriff machen, ob ich gleich als 
Halbadept von den Apothekern und allen denjenigen, die mit 
dem gemeinen Feuer operierten, sehr wenig Respekt hatte. 
Indessen zog mich doch das chemische Kompendium von ßoerhave 
gewaltig an und verleitete mich, mehrere Schriften dieses 
Mannes zu lesen, wodurch ich denn, da ohnehin meine lang¬ 
wierige Krankheit mich dem Aerztlichen näher gebracht hatte, 
©ine Anleitung fand, auch die Aphorismen dieses trefflichen 
Mannes zu studieren, die ich mir gern in den Sinn und ins 
Gedächtnis einprägen mochte. 

Wie Goethe endlich in Strassburg die von der Krankheit 
gebliebene Reizbarkeit auf eine etwas heftige Weise selbst 
kurierte, indem er Abends beim Zapfenstreich neben der Menge 


schwerden hatte. 2. Herr Jolasse spricht über Barlowscfae 
Krankheit: ein llwöchiges Kind, das sehr elend war, machte 
eine Pneumonie durch, doch verzögerte sieb die Beconvaleszenz 
ausserordentlich, da stets Erscheinungen von Seiten des Magen- 
Darmkanals vorhanden waren. 4 Monate später trat plötzlich eine 
Auftreibung des rechten Oberschenkels auf, der 4 Tage darauf 
eine gleiche Hnk« folgte und das ganze linke Bein ergriff; es 
traten dann noch punktförmige Blutungen am harten (iaumen und 
am Zahnfleisch eines inzwischen durchgebrochenen Sebneidezahnes 
hinzu, und das Kind starb unter zunehmender Kachexie 4 Wochen 
nach dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome, obwohl sofort 
eine veränderte Ernährung angeordnet war. Das Kind war mehr¬ 
fach mit negativem Resultate geröntgt worden. Die Sektion er¬ 
gab an den inneren Organen nur einige punktförmige Blutungen 
an der rechten Pleura pulmoualis; es fanden sich ferner Blutungen 
zwischen Rippen und Periost und am linken Oberschenkel ein 
grosses Hämatom zwischen Knochen und Knochenhaut; ferner eine 
Kontinuitätstrennung des unteren Diaphysenendes des Unken Ober¬ 
schenkels und an beiden Unterschenkeln starke Blutungen im 
Knochenmark. Herr Edlefsen hat in 4 Fällen von Barlow- 
scher Krankheit gute Erfolge vom Phosphorlebertran gehabt uud 
fraget, ob nicht in diesem FaU solcher trotz der Magen-Darmer- 
soheinungen ordiniert worden sei. Herr Fraenkel hat bisher 
20 FäUe seziert und gefunden, dass die Rippen stets die Blutungen, 
wie oben erwähnt, zeigen, auoh wenn die Extremitäten verschont 
geblieben sind. Die Röntgenaufnahmen mü^n in diesem Falle 
vor dem Auftreten der subperiostalen Blutungen gemacht sein, 
da sie sonst nachzuweisen gewesen wären. Eine antirachitische 
Kur in reinen Fällen von Barlow scher Krankheit nützt gamichts. 
Herr Wiesinger hat in seiner Praxis mehrfach leichtere Bar- 
lowfälle gesehen, die sofort bei Aenderung der Diät zorückgiogen. 
Herr A. Pranke weist auf die starke Schmerzhaftigkeit bei jeg- 
Uoher Berührung hin. Herr Fraenkel bestreitet Herrn Wie- 
singers Ansicht ganz entschieden; im Uebrigen hat At Fälle zu 
Gesiebt bekommen, in denen auch die obere Extremität beteiligt 
war. Trotzdem hält Herr Wiesinger seine Ansicht für richtig 
uud weist als auf ein FrUhsymptom auf einen häufig vorkommen¬ 
den blutigen Rand um die ürinflecke in den Kindertüchem hin. 
Herr Fraenkel: Hämaturie bei Barlowscher Krankheit ist, wie 
Heubner selbst erklärt, äiisserst selten, und Hirschsprung 
sagt: Wo keine Knochenveränderung, da kein Barlow. Herr 
A. Franke meint, dass Heubner in der letzten Auflage seines 
Boches die Angabe über Hämaturie dahin geändert habe, dass 
sie sehr häufig vorkomme. Herr Jolasse hat wegen der schweren 
Magen-Darmstörung keinen Phosphorlebertran gegeben und be¬ 
stätigt die Angaben über die starke Schmerzhaftigkeit bei jeder 


Trommeln herging, allein dem höchsten Gipfel des Münster¬ 
turmes erstieg und auf eine schmale Platte in die freie Luft 
trat, die ahnungs- und schauervollen Eindrücke der Finsternis, 
der Kirchhöfe, einsamer Oerter, nächtlicher Kirchen und Kapellen 
sich gleichgiltig zu machen suchte; mit welcher Sachkenntnis 
er die von Professor Lobstein an Herder in Strassburg vor¬ 
genommene Operation eines beschwerlichen, aber nicht heil¬ 
baren Augenübels schildert und später die Star-Operation, die 
Jung-StilHng in Frankfurt 1775 an Herrn von Lersner erifolg- 
los vollzog; wie in den „Wahlverwandtschaften“ Reminiszenzen 
seiner medicinischen Studien eine Rolle spielen; wie er in 
einem ausführlichen und ungemein interessanten Kapitel in 
„Wilhelm Meisters Wanderjahren“ (III. Buch, 3. Kap.) Wilhelmen 
seine eignen Gedanken über Anatomie und anatomische Studien, 
besonders seine Reformideen über anatomische Pr^arate in den 
Mund legt, und wie du der plastische Künstler in Goethe gegen¬ 
über dem Mediciner den Sieg davon trägt: alle diese Details 
hierüber und die vielen andern medicinischen Stellen in seinen 
Werken, Tagebüchern, Briefen, Gesprächen, möge der Leser nur 
dorten selbst studieren. Die gebrachten Proben sollten nur 
eine Lockspeise sein für ein tieferes Eindringen. Goethe ist 
heute noch lange nicht ausgeschöpft! 

Dr. G. K. L. Huberti de’ Dalberg. 


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im 


MEDICINISCHB WOCHB. 


249 


Bertthrtmg, Die Röntgenaufnahmen wurden vom 10. Tage etwa 
nach Beginn der Erkrankung an gemacht, zu einer Zeit also, wo 
zweifellos schon subperiostale Blutungen vorhanden waren, da die 
Beine bereits bretthart geschwollen waren. Weder in der Sohädel- 
höhle noch im Orbitaldach fanden sich Blutergüsse. 

3. Herr Stertz: „lieber scheinbare Fehldiagnosen 
bei Tumoren der motorischen Region des Grosshirns 
mit Demonstration von Präparaten.*^ Häufig finden sich 
keine Tumoren der motorischen Region, selbst wenn Jacksonsche 
Epilepsie mit dauernd bestehenbleibender Lähmimg und ein fort¬ 
schreitendes Krankheitsbild vorhanden gewesen war. Ein SSjähriger 
Krämer hatte vor 8 Jahren zuerst Jacksonsche Krämpfe, die im 
Bein beginnend auf den Arm und das Facialisgebiet übergingen; 
es bestand ferner zunehmende Parese der einen Seite; Jod und 
Quecksilber wurden ohne Erfolg gebraucht. Jetzt trat beider¬ 
seits Stauungspapille auf, sodass die Diagnose auf Tumor cerebri 
sichergesteUt werden konnte. Bei der Operation jedoch fand sich 
der Tumor nicht, Patient ging infolge Eröffnung des Sinus longi- 
tudinalis wenige Stunden nachher zu Grunde. Makroskopisch fand 
sich nur eine Erweichung in der motorischen Region im Para- 
zentrallappen; mikroskopisch fand sich, dass die subkortikale Schicht 
mit grossen Gliazellen infiltriert, und die Erweichung ein angi- 
oraatös entarteter Teil eines Glioms war. Der zweite Fall betrifft 
einen 27jährigen Lehrer, der vor einem Jahr Jacksonsche Krämpfe 
und darauf eine zunehmende Parese hatte. Bei der Trepanation 
wurde nichts gehmden. Wenn der Patient keine Kappe auf der 
Trepanationsöffhung trug, traten auch keine Krämpfe auf. Jetzt 
soll sich plötzlich aus der Trepanationsöffhung nach Angabe der 
Angehörigen eine tumorartige Masse entleert haben. Herr 
Nonne hat vor 10 Jahren zuerst ein Mädchen gesehen, die eine 
multiple einseitige Hirnnervenlähmung mit Ausnahme des Opticus und 
desOcculomotorius hatte ; es bestand der Verdacht auf einen basalen 
Tumor. Da die Halsdrüsen stark vergrössert waren, wurde eine 
Ptobeezc^ion gemacht, die ein Carcinom ergab. Bis traten dann 
im Laufe der Jahre zahlreiche epileptoide Anfälle auf, bis eine 
kroupöse Pneumonie 10 Jahre nach dem ersten Auftreten der 
Himsymptome zum Tode führte. Die Sektion ergab ein alveoläres 
Carcinom des Knochens, das Gerebrum selbst war intakt: es waren 
also die Anfälle nur durch den Druc^ ausgelöst worden. Herrn 
Engelmanns Frage, wo das primäre Carcinom gesessen habe, 
vnrd dahin beantwortet, dass nur der Schädel obduziert werden 
durfte. — Der vorgerückten Stunde wegen fkllt der angekündigte 
Vortrag aus. Schönewald. 


Kongressbericht. 

23. Kongress für im/nere Medidn 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

Herr Erdheim teilt 3 Fälle von tödlich verlaufener Tetanie 
mit, welche nach partieller Strumaoperation aufgetreten war. Er 
berichtet ferner über seine Beobachtungen an Ratten mit Tetanie. 
Letztere ist auch beim Menschen parathyreopriver Aetiologie. Bis 
müssen daher bei der Operation die Epithelkörperchen geschont 
werden. Hinsichtlich der letzteren teilt er Befunde mit bei Fällen 
von Tetanie, Paralysis agitans, Tetania infantum. 

Herr Höhl hat Fälle beobachtet, wo einfache Strumen in 
Morbus Basedowii übergingen, nachdem schwere psychische Er¬ 
schütterungen, sowie körperliche Reduktion eingewirkt hatten. 

HeiT Hofbauer-Wien erweist, dass auch die bei Kropf¬ 
kranken oft auftretenden Suffbkationszustände (Kropfasthma und 
Kropftod) auf TJeberschwemmung mit Schilddrüsensaft beruhen. 
Hierfür spricht die Häufigkeit von Atemstillständen beim Morbus 
Basedowii, der auch anderweitige Störungen der Atmungsbe¬ 
wegungen erkennen lässt und der im Tierversuch bei Einverleibung 
von Schiiddrüsenpräparaten auftretende Atemstillstand. 

Herr Gutzmann bespricht sprachliche Störungen beim in¬ 
fantilen Myxödem, welche bLs zum 6. .Jahre imd darüber das 
wesentlichste Symptom darstellen können. Der Erfolg der Therapie 
beweist den Zusammenhang, Die Sprachstörungen selbst sind nicht 


alle zentralen Ursprungs, sondern auch lokalen, wie z. B. Lähm¬ 
ungen des Gaumensegels. 

Herr Asher-Bem hebt hervor, dass die Dauer der Atropin¬ 
wirkungen auf das Auge verschieden ist, je nachdem die Schild¬ 
drüse vorhanden ist oder nicht. Er schlägt vor, nach Maßgabe 
dieser Beobachtung die Funktion der Schilddrüse zu prüfen. 

Herr Jacob-Kudowa hebt hervor, dass ein gewöhnlicher 
Kropf und ein Basedow-Kropf sich sehr bedeutend unterscheiden. 
Es ist gezeigt, dass das Thyreoidin tatsächlich alle Zeichen von 
Morb. Bas. hervorrufen kann, sodass dasselbe als die Ursache dieser 
Krankheit anzusprechen ist. Die übermäßige Tätigkeit der Schild¬ 
drüse wird hervorgerufen durch Einflüsse von Infektionen, Gifte, 
durch Nervenerregungen. Therapeutisch rühmt er Hydrotherapie 
und Trinkkuren mit Arseneisenwässem. 

Herr Weintraud betont im Anschluss an eine Beobachtung, 
dass Schwund der Schilddrüse mit Störungen im Knochensystem 
verlaufen könne. Bei einer Frau trat mit der Abheilung eines 
jahrelang bestandenen Morb. Bas. kompletter Schwund der Schild¬ 
drüse ein, dann zeigten sich Schmerzen in den Blxtremitäten. Die 
Röntgenuntersuchung ergab Resorptionsvorgänge in den beiden 
Ulnae. In ähnlichen Fällen stellte sich bei Frakturen keine Kallus¬ 
bildung ein. 

Herr Alt bespricht unter Vorzeigung einer Reihe von Photo- 
graphieen den Einfluss der Schilddrüse auf psychische Vorgänge, 
Bei M 3 rxödem hat er durch Schilddrüsenbehandlung, nachdem er 
zuerst Jod gegeben, sehr günstige Resultate erzielt. Bei solchen 
Kiu*^ muss der Stoffwechsel kontrolliert und Eiweissmast erzielt 
werden. Zugleich steigert sich während der Behandlung die Auf¬ 
nahmefähigkeit für Phosphor mächtig, weshalb er zur Förderung 
des Knoohenwachstums nebenbei auch Phosphor in Form des Pro- 
tylin gab. Er schildert ferner seine günstigen Erfahrungen bei 
Morb. Bas. unter dem Einflüsse richtiger Diät, nämlich salzarmer 
Kost, Milchnahrung, Roborat etc. 3mal ging in der Elntatehung 
dieser Bas.-Fälle Ikterus voraus. Alt tritt für die innere Behandlung 
der Krankheit ein. 

Herr Pfaundler hat bei Obduktion von Fällen kongenitalen 
Myxödems ein vollkommenes Fehlen der Schilddrüse, auch der 
Nebenschilddrüsen feststellen können, was gegen die von Kraus 
und Kocher vorgebrachten Anschauungen spricht. 

Herr Seifert bespricht den Zusammenhang der S 3 T)hili 8 mit 
Erkrankungen der Schilddrüse. Veränderungen derselben in der 
Frühperiode sind nach den Beobachtungen von Engel-Reimers 
häufig, die eigentliche Stmmitis syphilitika ist ziemlich selten. Die¬ 
selbe kann zu Erscheinungen von Trachealkompression führen. An¬ 
gezeigt ist hier ausser der allgemeinen besonders eine energische 
lokale Behandlung. Fälle von Myxödem wurden nur 2 durch spezi¬ 
fische Behandlung geheilt. Morb. Bas. und Syphilis zeigen wenig 
Zusammenhang. & weist nicht alle Fälle von Morb. Bas. sofort 
dem Chirurgen zu, sondern empfiehlt ausser dem Röntgenverfahren 
die täglich 2malige Applikation der Leiter’schen Kühlröhren. Bis 
gelang ihm dadurch, 3 Fälle zu heilen. 

ln dem an dieser Stelle genommenen Schlusswort konstatiert 
Kraus die Uebereinstimmung beider Referenten, namentlich auch 
hinsichtlich des Morb. Bas. und hebt hervor, dass sie beide auf 
dem Standpunkte der H 3 ^erthyreosis ständen. In der Behandlung 
nähere er sich mehr dem Standpunkte des Chirurgen. Redner be¬ 
antwortet sodann noch einige an ihn gestellte Fragen speziell betr. 
des Stoffwechsels bei Schilddrüsenstörungen. 

Herr Kocher hat mehrmals bei einseitigen Operationen ein 
einseitiges Zurückgehen des Blxophthalmus gesehen. Hinsichtlich 
der Gewöhnung an Schilddrüsenpräparate erwähnte er nochmals, 
dass seine Patienten sie jahrelang ohne Aendemng des guten 
Effektes eingenommen hätten. Eine Reihe von Tetanieen trat erst 
dann auf, als die Betreffenden gravid wurden. Der Basedow wird 
in der Gravidität oft besser. Blr ist für Frühoperation und für 
medikamentöse-diätetische Nachbehandlung. 

Herr Schultze betont den guten Einfluss der Ruhe für diese 
Kranken; vom Rodagen hat er keine Erfolge gesehen, vom Serum 
nur zweifelhafte. Er lässt operieren, sobald die Basedowerkrankung 
nicht nach Monaten innerer Behandlung verschwindet. 

Herr Siegert berichtet über die SchUddrüsentherapie bei 
Mongolismus, worüber verschiedenlautende Blrfahrungen vorliegen. 


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250 


MEDICINISCHE WOCIIE. 


Nr, 22. 


Er selbst hat günstiges davon gesehen, besonders hinsichtlich des 
Enochenwachstoms and der Abnahme des Stridors. Aach Nabel- 
hemien gehen zurück. 

Herr Gerhardt bespricht die Zusammenhänge zwischen 
Schilddrüse und Gleihsssystem. Er fand öfter Blutdrucksteigerungen 
bei einfacher Struma, ferner berichtet er von seinen Nachprüfung^ 
der V. Cyonsehen Versuche. 

Herr Oswald ist hinsichtlich des Morb. Bas. der Ansicht, 
dass es sich da um eine Hypothyreose handelt. Bei gewöhnlichem 
und Basedow-Kropf findet man weniger Jod in der Drüse. Bei 
den genannten Krankheiten findet man Verminderung der Erreg¬ 
barkeit des Vagus und vermehrte Erregbarkeit des Sympathikiis. 
Es handelt sich nach seiner Ansicht allerdings auch um eine 
Mehrsekretion des Sohiiddrüsensekretes, aber um ein minderwertiges 
Sekret. 

Herr Eoos hat neue Untersuchungen darüber angestellt, ob 
eine oder mehrere wirksame Substanzen in der Schilddrüse vor¬ 
handen sind und fand, dass die Wirkung der zur Verwendung 
gekommenen Drüsen sich mit dem Jodgehalt steigerte. Er spricht 
sich gegen die Berechtigung der Entgiftungstheorie aus. 

Herr Hoffmeister: unter 80 Strumen waren über 30 Fälle 
mit bedeutenden Herzstörungen. Die Kröpfe verhalten sich hin¬ 
sichtlich der begleitenden Herzstörungen verschieden, je nach der 
Gegend, aus welcher sie stammen. Auch anatomisch zeigen sich 
bedeutende Unterschiede. Er hält eine Hyperthyreosis für die 
Ursache dieser Herzstörungen, die Digitalis erwies sich ihm bei 
derartigen Tachykardien als unwirksam, besser wirkte Brom. 

Herr Rheinboldt spricht sich für die häufigere Verwendung 
der Schilddrüsenpräparate zu EnWettungskuren aus, allerdings unter 
gewissen Kautelen. 

Herr Matthes fand die Blutdruckverhältnisse bei Morb. Bas. 
sehr wechselvoU, bald gesteigert, bald niedrig. Die leichteren 
Fälle zeigen mittlere Werte. 

Herr P. Blum: Neues zur Physiologie und Patholo¬ 
gie der Schilddrüse. 

Blum hat auf Grund von zahlreichen Arbeiten die Lehre 
aufgestellt, dass die Schilddrüse kein sekretorisches Organ, sondern 
durch Herausgreifen von Giften aus dem Kreislauf und intraglan¬ 
duläre Entgiftung ein Schutzorgan, hauptsächlich des Zentral¬ 
nervensystems, sei. Diesen Standpunkt hält Blum für erwiesen 
und vermag, wie er ausdrücklich hervorhebt, auch nach den Aus¬ 
führungen des Geh.-Rat. Kraus nicht ihn irgendwie zu modifizieren 
oder abzuschwächen. Auch genüge seine Entgiftungslehre voll¬ 
ständig zur Erklärung aller bisher an der Schilddrüse beobachteten 
Erscheinungen. In grossen Zügen besteht die Lehre darin, dass 
Gifte, die im Darm entstehen (Enterotoxine) und in den Kreislauf 
gelangen, von der Schilddrüse aufgefangen und entgiftet werden 
und als Exkret die Drüse verlassen. Die Entgiftung geschieht 
durch Oxidationsprozesse, deren mächtigster die Jodierung ist. 
Dass eine Jodierung stattfindet, hat Blum schon vor langer Zeit 
nachgewiesen durch den Beweis, dass nach Darreichung von an¬ 
organischem Jod die Schilddrüse sich an organisch gebundenem 
Jod anreichert. 

Eine Ausfuhr von Jod, das einmal in der Schilddrüse ge¬ 
bunden ist, findet nicht statt, wie Blum behauptet auf Grund 
der Untersuchung des Blutes von Tieren aus dem Frankfurter 
Schlachthaus und namentlich auf Grund vieler Prüfungen des aus 
der Schilddrüse abfliessenden Blutes sowie ihrer Lymphe nach 
Anlegung von Lymphfisteln. Diese Säfte haben sich stete jodfrei 
erwiesen. Blum glaubt übrigens in der Schilddrüse eine beson¬ 
dere jodabspaltende Kraft, eine Jodase, annehmen zu müssen. 
Dass eine „besondere“ Art der Jodbindung, wie von anderer Seite 
durchaus ohne irgendwelchen Beweis behauptet wird, in dem Schild- 
drüseneiweiss vorhanden sei und dass deshalb die weitere Jodie¬ 
rung ausserhalb des Körpers, die zu einer definitiven Entgiftung 
führt, nicht flir die entgiftenden Eigenschaften der Jodierung in 
der Schilddrüse spreche, lehnt Blum mit dem Hinweis ab, dass 
ja kein einheitlicher, wohlumschriebener Eiweisskörper in der 
Thyreoidea enthalten ist, sondern dass das Jodeiweiss der Schild¬ 
drüse einen schwankenden Gehalt an Jod aufweist (von 0,1 bis 
ca. 2,0%) und sich damit als ein von fortschreitender Jodierung 
veränderter Körper zeigt. Das jodfreie und ungiftige Thyreoglo¬ 
bulin Oswalds hat mit dem Jodkörper der Schilddrüse nichts 


gemein und ist von ihm niemals als die Muttersubstanz jenes spezi¬ 
fischen Jodkörpers erwiesen worden. Der Jodeiweisskörper der 
Schildrüse gehört zur Klasse der Albumine, die bei ihrer Jodie¬ 
rung in ihrem Verhalten gegenüber Ammoniumsulfat w die nicht 
jodierten Globuline heranreichen, während letztere bei der Jodie¬ 
rung unlöslich werden. 

Erlischt die Tätigkeit der Schilddrüse vollständig (Exstir¬ 
pation, Degeneration), so kommt es zu einer Vergiftung mit Entero¬ 
toxinen und in deren Folge zu Tetanie, Kachexie - Psychosen, Ne¬ 
phritis, Myxödem. Wird zwar das freie Gift in der Schilddrüse 
noch gebunden, kommt es aber nicht zur vollständigen Entgiftung, 
so entsteht ein Th 3 Teoidismus, zu dem auch derjenige des Morbus 
Basedowii gehören dürfte. Das wird wahrscheinlich gemacht durch 
die Folgen der Einverleibuog von Schilddrüsensaft, sowie durch 
die Resultate, die der Vortragende durch Unterbindung der Blut 
und Lymphe abführenden Wege erzielt hat. Hiebei vermehren 
sich die Verbrennungsprozesse im Körper, es kommt zu Herzklopfen 
und es tritt oftmals eine schwere Leberschädigung ein. Die Glan¬ 
dula parath 3 a'eoidea, die Beischilddrüse, der eine besondere Bolle 
bei der Tetanie zugeschrieben worden ist, ist nach den Unter¬ 
suchungen des Vortragenden nichts anderes als jugendliches Schild¬ 
drüsengewebe und erhält man Gebilde, die jenen Epithelkörperdien 
vollkommen gleichen, wofern man bei der Abtragung von Schild¬ 
drüsen irgendwo kleinste Reste zurücklässt. Selbstverständlich ver¬ 
hindern solche Rückstände, wofern sie nur lebensf^g sind, die Te¬ 
tanie und tritt dieselbe erst nach ihrer vollständigen Entferaiing 
ein. Blum weist ferner darauf hin, dass die Enterotoxine nicht 
in der Nahrung präformiert sind, sondern erst aus ihr im Magen¬ 
darmapparat durch Zersetzungen entstehen. Dies konnte er er¬ 
weisen durch die Unschädlichkeit grosser Dosen subkutan injizier¬ 
ten Fleischsaftes bei einem thyreoprivem, mit Milch gefütterten 
Hunde, der späterhin bei Fleischdarreichung in typischer Wejse 
erkrankte und zu Grunde ging. Die mit Fleisch gefütterten 
Pflanzenfresser weisen nach der Thyrorektomie eine wesentlich 
ringere Mortalität als die fleischfressenden Hunde auf. In dem 
Serum thyreopriver Pflanzenfresser vermochte Blum keinerlei be¬ 
sondere Gift* oder Schutzstofle nachzuweisen. Für den Morbus 
Basedowii, dessen Thyreoidismus nach des Vortragenden, schon 
im Jahre 1900 geäusserter Anschauung auf einer Insnffizenz der 
Schilddrüse beruht, empfiehlt Blum wiederum eine konsequent und 
lange Zeit durohgeführte fleischlose Ernährung mit gleichzeitiger 
Darreichung von Bromeiweiss (2—3g täglich), das in der Schild¬ 
drüse ausserordentlich lang zurUckgehalten werde und vielleicht 
einen günstigen Einfluss auf den Halogenstofiwechsel dar Schild¬ 
drüse ausübe. Die Resultate dieser Behandlung geben denjenigen 
der operativen nichts nach. 

Herr R o o s macht in der Diskussion auf einige Widersprüche 
in den Blum’sclien Ausführungen aufmerksam, auch HerrOswald 
kann sich der Theorie von Blum nicht anschliessen, Herr Blum 
betont, dass er nicht behauptet habe, dass der Jodiemugsprozess 
das einzige Entgiftungsmoment darstellt. 

• Herr Gilmer-München; Die Röntgenbehandlung bei 
Struma und Basedow. 

G. berichtet über sehr günstige Erfolge dieser Behandlung 
die sowoht in Amerika als bei uns z. B. von Görl-Nümberg an¬ 
gewendet wurde. Er hat 26 Fälle von Strumen bestrahlt, 3 Fälle 
reagierien gamicht, gering war der Erfolg bei 7 Fällen. Anfihilend 
war das erzielte gute subjektive Befinden; bei 12 Patienten, da¬ 
runter ein Fall von Kropfzyste, wurde erhebliche und subjektive 
Besserung erzielt, bei 4 Fällen ein völliges Verschwinden des Pa- 
renchymkopfes, auch substemale Kröpfe wurden günstig beeinflusst. 
Sehr heftig war die Reaktion bei einer enorm grossen, sehr weichen 
Struma. In diesem Falle, wie in 2 anderen ergab der Ham sehr 
deutliche Jodreaktion, 7 Fälle von Morb. Bas., sowie 1 Fall von 
forme fruste wurden sehr günstig beeinflusst. G. schlägt vor, die 
Wirkung der Bestrahlung durch Sensibilisierang der Strumen 
mittels Eosin- oder Lezithineinspritzungen zu steigern. 

Herr Loening wies in seinem Vortrag über die Schild¬ 
drüsenveränderungen bei Adipositas dolorosa auf den 
eigentümlichen anatomischen Befund bei dieser Erkrankung hin. 
An Hand von mikroskopischen Präparaten zeigte er die hoch¬ 
gradigen atrophischen Veränderungen der Schilddrüse. Er stellte 
sich entgegen der Ansicht französischer und deutscher Forscher 


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1906. 


MBDICCnSCHB WOCHB. 


251 


auf Grnod der Ergebnisse der pathologischen Anatomie, dass das 
merkwürdige Bild der dipositas Ädolorosa und die mit ihm verbundene 
Schilddrüsenatrophie beachtet werden muss. 

Herr F. Mendel: Die Syphilis der Schilddrüse. 

Diese ist überaus selten oder noch nicht recht erkannt. Er 
schildert an der Hand der von ihm beobachteten 3 Fälle, die 
sämtlich für Struma maligna erklärt worden waren, das patholo> 
gisch-anatomische Bild der Erkrankung, welche einen diffusen 
Prozess darstellt, der sich auch in einer schon vorhandenen Struma 
entwickeln kann. Bei zweien dieser Fälle konnte M. die Diagnose 
in vivo stellen. (Fortsetzung folgt.) 

SS» Kongress der Deutschen Oes^lschaft 
für Cht/rv/rgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 
m. Verhandlungstag. 

Hr. Kraske-Freiburg: Ueber die weitere Entwick¬ 
lung der Operation hochsitzender Mastdarmkrebse. 

Bedner empfiehlt bei Carcinomen des Mastdarms, die sehr 
hoch sitzen, ein kombiniertes Verfahren, bei dem die Geschwulst 
zunächst vom Bauche aus durch Laparotomie freigemacht wird, 
und dann auf sakralem Wege entfernt wird. Er hat mittels dieser 
kombinierten Methode besonders bei weiblichen Personen auch in 
verzweifelten Fällen noch mit Erfolg operieren können. 

Diskussion: 

Hr. Kümmel - Hamburg spricht zunächst über die Ex¬ 
zisionen von Mastdarmkrebsen vom After aus nach Dehnung 
des Sphinkters mit partieller Resektion des Mastdaims. Die 
kombinierte Operation vom Bauche und von dem sakralen 
Schnitt aus hat er bei 14 Patienten angewendet, von denen 6 ge¬ 
storben sind. Die Methode müsse technisch noch weiter ansge¬ 
bildet werden, dann würde man auch noch bessere Resultate er¬ 
zielen. 

Hr. Kooher-Bern hält die kombinierte Methode zwar für 
einmi Fortschritt, meint aber, dass die Prognose der Operation 
vorläufig noch zu schlecht sei; deswegen habe er dieselbe nur 
ausnahmsweise angewendet. Im allgemeinen glaube er mit einer 
der Methoden anskommen zu können und operiert je nach dem 
Sitz der Geschwulst entweder per laparotomiam oder von unten. 
Bei der Laparotomie empfehlt er die Anwendung des Murphy¬ 
knopfs und Durchführung eines Drains durch die Lichtung des- 
sell^n; durch dieses könne man den Darm aasspülen und die 
Kotstauung oberhalb der Nahtstelle vermeiden. 

Hr. Rehn-Frankfui't a. M. hält die kombinierte Methode 
für ausserordentlich gefährlich und hat schlechte Resultate mit 
ihr erzielt. Seine Patienten seien entweder im Kollaps oder an 
Darmgangrän gestorben. Auch zweizeitiges Operieren habe die 
Resultate nicht gebessert; deswegen sei er dazu gelangt, die An¬ 
wendung der kombinierten Methode nach Möglichkeit einzuschränken. 

Hr. Lorenz-Wien würde die kombinierte Methode für einen 
Fortschritt ansehen, wenn man damit Tumoren entfernen könnte, 
die sonst nicht zu entfernen seien, wenn die Methode weniger 
gefährlich wäre und wenn die Dauerresultate sich besser gestalteten 
als bei den anderen Verfahren. Diese Voraussetzungen träfen 
aber nicht zu, deswegen hält man an der Hochenegg’schen 
Klinik das kombinierte Verfahren nur ganz ausnahmsweise für 
anwendbar. 

Hr. Popp er-Giessen tritt für die Mastdarmresektion ein 
gegenüber der Amputation. Er wende immer die zirkuläre Darm¬ 
naht an. Unter 28 Operationen seien nur 4 mal Fisteln zurück¬ 
geblieben. 

Hr. Hackenbruoh - Wiesbaden plädiert für Anwendung 
der Bier’sehen Rückenmarksanästhesie bei der Operation der 
Mastdarmkrebse. 

Hr. Meyer-Brüssel empfiehlt die Methode seines Lehrers 
Depage und Anwendung der Bauchlage bei der Operation, um 
Blut zu sparen. 

Hr, Küste r-Marbug gestaltet die Operation wesentlich 
günstiger durch zweizeitiges Operiwen. Die Amputatio recti 
wendet er nur an, wenn ihm die Resektion nicfiit ausführbar er¬ 
scheint. 


Hr. Bardenheuer-Köln hat mit der abdomlno-sakralen 
Methode schlechte Resultate erzielt; er macht immer die Amputation 
unter Schonung des Sphinkters. Diese Operation führte er sehr 
schnell ans, ohne dass er nötig gehabt hätte, Knochenteile zu 
opfern. 

Hr. Braun-Göttingen hat bei der kombinierten Methode 
zunächst stets den Anus praeter naturalis angelegt, dessen Schluss 
er später mittels Murphyknopf bewirkt. 

Hr. Schlange-Hannover glaubt, dass die kombinierte 
Methode nur sehr selten indiziert sei. Alle Fälle, die man vom 
Anas aus fühlen könne, seien auch auf sakralem Wege zu operieren. 
Er legt zunächst einen Anus praeter naturalis an, nach 8—14 
Tagen führt er dann die sakrale Operation aus. Man sei dann 
häufig erstaunt, wie sich die Geschwulst inzwischen verkleinert 
habe; auch finde man dann gelegentlich eine Geschwulst beweglich 
geworden, die vorher fixiert erschien. 

Hr. Jaff4-Posen: Redner meint, dass über die Zweck¬ 
mäßigkeit der Erhaltung des Sphinkterenteils, wenn eine solche 
Konservierung überhaupt möglich sei, keine Frage sein könne. 
Nur müsse man diesen zu erhaltenden unteren Abschnitt ganz 
genau im Auge behalten in Rücksicht auf die Möglichkeit des 
Vorhandenseins von sogen. Implantationsmetastasen. Solche können 
entstehen durch Hemnterfallen von Tumorbestandteilen aus dem 
manche Male weit entfernten primären Carcinom; sie bevorzugen 
die Afterportion. Redner hat solche Fälle selbst erlebt; man ist 
dann natürlich genötigt, den ganzen unteren Abschnitt sekundär 
zu opfern. 

Hr. König-Jena warnt vmr zu grosser Schnelligkeit bei der 
Ansftthrong der Mastdarmresektion; es käme dsiraof an, gründlich 
za operieren. Dann wendet er sich gegen die von Kümmel be¬ 
fürworteten lokalen Operationen. 

Hr. Körte-Berlin hat die abdomino sakrale Methode zwar 
angewendet, hält sie aber für sehr gefährlich. Den Patienten 
droben durch Kollaps und Darmgangrän schwere Gefahren. 

Hr. Kraske-Freiburg bleibt in seinem Schlusswort dabei, 
dass es Fälle gibt, in denen die abdomino-sakrale Methode allein 
die Möglichkeit gebe, ein Mastdarmcaremom noch zu entfernen. 
Er wolle sie auch nur für diese Fälle reserviert wissen. Die 
präliminare Anwendung eines Anas praeter naturalis halte er nicht 
für notwendig. 

Hr. Kelling-Dresden: Ueber eine neue hämolitische 
Reaktion des Blutserums bei Krebskranken und ihre 
diagnostische und statistische Verwendüng in der 
Chirurgie. 

Die Reaktion gründet sich darauf, dass bestimmte Wirbel- 
taerblutkörperchen, hauptsächlich vom Huhn, seltener vom Schwein 
und Schaf, vom Blut der Krebskranken schneller und stärker ge¬ 
löst werden, als von (Kunden und anderen Kranken, und auch 
schneller und stärker als die übrigen Wirbeltierblutkörperchen. 
Es zeigte sich, dass diese Reaktion parallel ging zur Präzipitin- 
reaktioD, dass man durch dieselbe unter besonderen Versuchsbe¬ 
dingungen sonst nicht palpable Krebsgeschwülste diagnostizieren 
kann; das spezifische Lösungsvermögen ist ferner konstant bei ein 
^ und demselben Krebskranken; wie der primäre Tumor, so reagieren 
auch die Metastasen. Exstirpation des Tumors beseitigt die Re¬ 
aktion; die spezifische Reaktion ist unabhängig von der Zellform 
des Tumors. Die Reaktion lässt sich ferner wieder erzielen durch 
Einspritzung von Geschwulstmassen in IMerkörper, and zwar lassen 
sich die Geschwülste in zwei Gruppen teilen: in solche, welche 
gegen Wirbeltierblutkörperchen reagieren, deren Ursache Kelling 
auch auf embryonale Wirbeltierzellen zurückführt, und in solche, 
welche nicht reagieren und deren Ursache er in Zellen wirbelloser 
Tiere sucht. Er befürwortet, diese Reaktion an gesebwulstkranken 
Patienten, welche der Operation unterworfen werden, auszuführen, 
um bei den verschiedenen Organen für die verschiedenen Ge¬ 
schwulstformen eine Statistik biochemischer Reaktionen zu erhalten 
und so weitere Aufs<fiilüsse über die Ursachen der Geschwulst- 
büdung zu bekommen. 

Hr. Sticker-Berlin demonstriert zahlreiche anatomische und 
histologische Präparate und Abbildangen seiner SarkomUber- 
tragungen bei Hunden. 

An den Genitalien der Hunde treten spontane Sarkome auf, 
die auf andere Hunde zu übertragen in zahlreichen Fällen ge- 


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252 


IIEDICINISCHB WOCHB. 


Nr. 22. 


luDgen iät. Durch Operation gelang es, viele Fälle zu heilen. 
In einigen Fällen tritt Spontanheilung ein. Ein solches Tier ist 
dann immun gegen erneute Impfung mit Sarkommaterial. 

Dnrch Injektion von Sarkommasse in die Blutbahn gelang es, 
bei sarkomatösen Tieren Rückbildung und Heilung der Tumoren 
herbeizuführen. 

Bei Tieren, bei welchen sdion Metastasen aufgetreten — das 
Blut also seine cytotoxische Kraft verloren — konnte durch In* 
jektion von Serum eines Tieres, bei dem Spontanheilung einge¬ 
treten war, Heilung erzielt werden. 

Hr. Plücker-Wolfenbüttel zeigt einen Fall von Gesichts¬ 
missbildung, der auf kongenitalen Knochendetekten beruht. 

Hr. Payr-Graz berichtet über neue experimentelle 
Untersuchungen über die Schilddrüsen-Transplan- 
tation bei Hunden, Katzen und Kaninchen. 

Als Organ für die Aufnahme der zu überpflanzenden Drüse 
wurde der ausgezeichneten Zirkulations-Verhältnisse wegen die 
Milz gewählt, in diese eine in Grösse und Form entsprechende 
Tasche gemacht und in dieselbe ein Schilddrüsenlappen implatieit. 

Dieser lebende Tampon stillt die Blutung aus der Milz sicher, 
die Milzkapselwunde wird vernäht und durch Netz plastisch ge¬ 
deckt. Nach Exstirpation des zweiten Schilddrüsenlappens in einer 
zweiten Sitzung konnten zahlreiche Versuchstiere durch lange 
Zeit, bis zu 10 Monaten, am Leben erhalten werden. Die zu 
sehr verschiedener Zeit vorgeoommene Milzexstirpation rief bald 
stürmisch verlaufene Tetanie, bald mehr chronisch kachektisch- 
«trumiprive Zustände hervor. 

Die histologische Untersuchung ergab in der Mehrzahl der 
Fälle gute f^nheilung der Drüse und günstigere primäre Emähr- 
ungsbedingungen, als bei dem früher gebräuchlichen Modus der 
Implatation in Bauchwand oder Peritonealhöhle. 

Payr hat einem 6jährigen, total verblödeten, durch 3*/s Jahre 
vergeblich mit Schilddi^enpräparaten innerlich behandelten Mäd¬ 
chen mit kongenitalem Myxödem ein grosses Stück mütterlicher, 
durch Thyreiodectomie entfernter, gesunder Schilddrüse in die 
Milz implantiert, ohne dass die Technik der Ueberpflanzung oder 
die Beherrachung der Blutung bezondere Schwierigkeiten ge¬ 
boten hätte. Der Verlauf war bei Mutter und Kind ein günstiger, 
und ist die somatische und intellektuelle Besserung bei dem 
Kinde jetzt nach 4 Monaten schon eine ganz erhebliche. 

Der Vortragende weist ferner darauf hin, dass bei der Frage 
der Transplantation drüsige Organe überhaupt zwischen solchen 
mit wesentlidi äusserer und solchen mit vorwiegend innerer 
Sekretion unterschieden werden muss. Bei letzteren sind die Re- 
soiltate zweifellos viel günstiger, besonders bei Ovarium und 
Sohilddiüse. Jene Organe mit innerer Sekretion scheinen eine 
asdere Differenzierung des Epithels zu besitzen. 

Der Vortragende erläutert seine Ausführungen durch Demon¬ 
stration der die Schilddrüsenpfropfungen enthaltenden Milzen, so¬ 
wie zahlreiche Abbildungen mikroskopischer Präparate und Tafeln 
über die Technik des Verfahrens, sowie endlich photographische 
Aufnahmen des operierten Kindes. 

Payr bemerkt, dass auch Versuche Uber Inplantationen 
aaderer drüsiger Organe in die Milz vorgenommen worden. 

Diskussion. 

Hr. Ko eher-Bern hat ebenfalls gelegentlich einen Erfolg 
bei Transplantation von Schilddrüsen gesehen. Die Mehrzahl der 
Kranken ging jedoch zugrunde. Daher warnt er davor, aus dem 
guten Erfolg, den Herr Payr erzielt habe, weitergehende Schlüsse 
zu ziehen. (Fortsetzung folgt.) 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Es ist erstaunlich, dass bei der mit Recht in den Kreisen 
der Aerzte stark verbreiteten Neigung, sich gegen Krankheit, Tod, 
Invalidität, Unfall etc. zu versichern, die nur für Aerzte geschaffene 
und von solchen verwaltete Versicherungskasse für die 
Aerzte Deutschlands es bisher nur auf 93.3 Mitglieder ge¬ 
bracht hat. Dabei ist allerdings ein ganz wesentlicher Aufschwung der 
Kasse im letzten Jahrzehnt nicht zu übersehen, in der sie es za 


einer Verdreifachung ihi*er Mitgliederzahl, einer Vervierfachung 
des Kassenvermögens, einer Versechsfaohung der Gesamtprämien- 
einnahme gebracht hat, während nur eine Vervierfachung der 
Sohadenfälle eintrat. Der vorliegende Geschäftsbericht der Kasse 
ergibt ein durchaus erfreuliches Bild, so dass zu hoffen ist, dass 
bei Ausführung des vorjährigen Strassburger Beschlusses der General¬ 
versammlung des Leipsiger Verbandes zu Gunsten der Kasse diese 
bald eine erhebliche Ausdehnung erfahren wird. 

Auch zwei speziflschBerlinerärztlicheWohlfahrtseinrichtimgen, 
der Rechtsschutz verein Berliner Aerzte und die Sterbe- 
kasse Berliner Aerzte geben ihre Jahresberichte. DerRechts- 
schutzverein besteht bereits seit dem Jahre 1868 und lässt durch 
sein Vereinsbureau die Einziehung der ärztlichen Honorare be¬ 
sorgen. Es wird nicht wie bei dem sogenannten Ehntreibem be¬ 
zweckt, einen hoben Gewinn zu erzielen, sondern nur ein geringer 
zur Bestreitung der Unkosten bestimmter statutarisch festgesetzter 
Prozentsatz erhoben. Ein etwa dennoch erzielter (^winn kommt 
den Aerzten selbst zu (^te. Im Jahre 1905 waren einzuziehen 
21126 Liquidationen im Betrage von 382846 M.; davon sind bis 
31. Dezember 1905 eingegangen 8211 Liquidationen im Betrage 
von 171028 M. 

Die Sterbekasse Berliner Aerzte hat ein Vermögen von 
36700 M., eine Mitgliederzahl von 244. Sie zahlt ein Sterbegeld 
von 400 M., das voraussichtlich in kurzer Zeit eine Erhöhung er¬ 
fahren wird. Der Eintritt von Aerzten, welche in Berlin und 
Umgegend wohnen, ist bis znm 60. Lebensjahre gestattet und 
haben die Mitglieder einen nach dem Lebensalter bemessenen Bei¬ 
trag von 8—25 M. zu zahlen. Die Sterbekaase steht unter Staats¬ 
aufsicht und hat Korporationsrechte. Alle vorgenannten Institute 
sind gut fundiert und können den Kollegen anfs wärmste empfohlen 
werden. 

Weitere Kreise der Berliner Aerzteschaft beschäftigen ‘sich 
augenblicklich mit einer ihren Interessensphären sonst ferner 
liegenden Angelegenheit, einer künstlerischen. Es ist allgemein 
bekannt, dass Schüler, Freunde und Verehrer unseres Altmeisters 
Virchow einen Fonds gesammelt haben, um ein Denkmal des 
Unsterblichen an geeignetem Platze zu errichten. Zar Erlangung 
von Entwürfen war eine Konkurrenz ausgeschrieben und die ein¬ 
gesetzte Jory hatte unter 75 Entwürfen zu entscheiden. Schwer 
hat sich’s die Jury nicht gemacht, eine Sitzung nur fand statt 
und alle waren sich bald einig, wer des ersten Preises würdig 
sei, wem die Ausführung des Denkmals übertragen werden solle. 
Es wurde eia Entwurf von Klimsch gekrönt, der kein Virchow- 
denkmal darstellt, sondern ein allegorisches Werk (Held ein sagen¬ 
haftes Tier bezwingend), an dessen Sockel ein Relief Vir oho w’s 
und die Anbringung von dessen Namen darauf hinweisen soll, wem 
dieses Denkmal gewidmet ist. Ein Sturm des Unwillens erhob 
sich in ärztlichen Kreisen; die grössten Berliner wissenschaftlichen 
und Standesvereine erhoben Protest gegen die Ausführung dieses 
Entwurfes; der grössere Teil der Tagesprease vereinte sich mit 
der medicinischen Presse in der verurteilenden Kritik, das Kommnnal- 
blatt aber, das offizielle Organ des an dem Denkmal für den ver¬ 
storbenen Ehrenbürger natürlich stark beteiligten Magistrats, ver¬ 
öffentlicht ruhig die Mitteilung, die Ausführung sei bereits ver¬ 
geben. Nichtsdestoweniger werden die Aerzte die Pflicht haben, 
anch weiterhin alle Kräfte anzuspannen, um zu erreichen, dass 
Virchow der Nachwelt so überliefert wird, wie wir ihn gekannt 
haben; so wie wir die Humboldt’s, Gräfe, Kant, Helm¬ 
hol tz so vor uns stehen sehen, wie sie als Persönlichkeiten 
sich bewegt haben, so muss es der Bildhauerkunst auch gelingen, 
das au Virchow Charakteristische getreu wiedergeben zu 
können. Den Juroren muss klar gemacht werden, dass sie sich 
geirrt haben, und wenn es sich als Tatsache heraussteUen sollte, 
was allgemein erzählt wird, dass einzelnen Juroren die Autoren der 
Entwürfe vor der ürteilsfällung bekannt waren, so muss die Un¬ 
gültigkeit der ersten Entscheidung gefordert werden. Kann denn 
im roten Haus niemals ein Beschluss gefasst werden, der den 
Anschauungen und Forderungen der Aerzte Rechnung trägt? 

Die Ueberzeugung davon, dass bei den Berliner städtischen Be¬ 
hörden die Wünsche der Aerzte viel zu wenig gehört werden, dass 
man dort über hygienische und sozialärztlicbe Fragen oft ausser¬ 
ordentlich mangelhaft informiert ist, dass es an selbständigem Vorgeben 
in Fragen, die in den anderen Kommunen schnell gelöst werden, fehlt, bat 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


253 


deir Geschäftsaossc.hnss der Berlinerärz tliehen Standes¬ 
vereine veraolasst, eine eigene Kommission für kommunale 
Angelegenheiten zu bilden. Diese Kommission, die neben 
den Aerzten,- Stadtverordnete, Fachmänner aus den verschiedensten 
Gebieten, Statistiker etc. umfassen soll, soll den verschiedenen oben 
angedeuteten Aufgaben gerecht werden. Es ist-sicher, dass diese 
Kommission ein reiches Arbeitsfeld finden wird und es kann er-, 
wartet werden, dass sie erspriesslidies zum Wohle der Gesamtheit 
erzielt. Ihre erste Aufgabe müsste es sein, den Nachweis zu 
liefern, dass an die Spitze der Berliner Medicinalverwaltung ein 
hochbegabter und Obiger Stadtmedicinalrat in selbständiger 
Stellung gehört.’ Dies zn erreichen, sollten sich Aerzte und Bürger 
jedes Standes vereinen, denn für Jeden gilt da das Wort: tua res 
af^tur! 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 19. 

1. Ebstein, Göttingen: üeber die pookenverdäohtigen 
Formen der VarizeUen. 

Es handelt sich um absolute Verdunkeluug des Krankeo- 
ziramers, oder um rote Fensterscheiben, oder das Verhängen der 
Fenster mit roten Vorhängen. Verhütet diese Methode die Blite- 
rung bei der Variola, so dürfte sie dasselbe wohl auch bei den 
Varizellen mit Eiterung, d. b. den zu Pockenverdacht Veranlas¬ 
sung gebenden, leisten. 

2. zur Verth, Kiel: Die Anaesthesie in der kleinen Chi- 
nugie. 

Verf. hält den Aetherrausoh für die Methode der Wahl bei 
allen kleineren Eingriffen,, bei denen die lokale Anaesthesie Schwie¬ 
rigkeiten bietet, ferner bei grösseren Eingriffen, besonders im 
Verein mit Leitungsanaesthesie, wenn der Patient eine Narkose 
nicht erträgt. Sie ist imstande, die Narkose in vielen Fällen zu 
verdrängen; sie ist ferner imstande, jede Lokalanaesthesie zu er¬ 
setzen , sollte dazu aber nur dann verwendet werden, wenn ent¬ 
weder die Hilfsmittel zur Lokalanaesthesie fehlen oder ihre Technik 
unsicher bez. schwierig ist. Schmerzhafter Wechsel grösserer Ver¬ 
bände bedingt wiederholten Aetherrausch. 

Schaden davon sah Verf. nicht. Doch tritt auch bei Leuten, 
die mit allen Kautelen berauscht wurden, nicht selten nach wieder¬ 
holtem Aetherrausch eine starke Aversion gegen denselben auf. 
Das eigentliche Gebiet der Infiltrationsanaesthesie ist die Exstir¬ 
pation kleinerer Geschwülste usw. 

Die von Braun ausgebaute Art der Anaesthesie ist die, 
schönste und idealste bei Phimosenoperation,, bei der Exstirpation 
gewisser Varizen, und bei Anästhesierung bei Zahnex.trähtionen... 

3. Determann, Freibarg i. B.: Zur Methodik der Viskosi- 
tätsbestimmung des menschlichen Blutes. 

Versuche mit einem neuen Viskosimeter. 

4. Zahn, Halle a. S.: Ein zweiter Fall von Abknickungr 
dar Speiseröhre durch vertebrale Eokohondrose. 

Beide Geschwülste sind, wie die des ersten Falles, echte, 
primäre Knorpelgeschwülste, welche von der Zwischenwirbelscbeibe 
ausgegangen sind. 

5. Apetz, Würzbnrg: Symmetrische Gangrän beider Lider 
nach Verletzung an der Stirne. 

Der TJmstaed, dass die Infektionspforte gar nicht am Lid 
selbst seinen Sitz hatte, ferner der gutartige Verlauf der Er¬ 
krankung und der Nachweis der Infektionserreger (Streptococcus 
pyogenes) macht den Fall der l^/,jähr. Pat interessant. 

6 . Richarz, Barmen: Ein Fall von artefizieller, akuter 
Vephritis nach Gebrauch von Perubalsam. 

R. rät zur Vorsicht bei der Anwendung von Pernbalsan^. 

Bei einer IGjähr. Pat. war wegen ausgedehnter Skabies mit 
sekundärem Ekzem von anderer Seite eine Kur mit 10%iger Peru- 
baJsamsalbe eingeleitet worden. Wie viele Einreihungen damit 


gemacht wurden, Hess sich nicht ermitteln, wahrscheinlich jedoch 
nur 3, und zwar an einem Tage (Scbnellkur). Bald darauf stellten 
sich Symptome einer sohweron Nephritis ein; atd 19. Sept. traten 
heftige Kopfschmerzen und Erbrechen' auf. Am Abend desselben 
Tages verfiel die Kranke in urämisches Koma. In diesem Zustande 
wurde ,sie in das St. Petrus Kratikenhaus, Bannen, eingeliefert. 
Am anderen Morgen um 10 Uhr starb sie. 

Heilung eines Falles von Tetanus tiaumatious. 

In dem Falle von Tetanus traumaticus (l-7jähr. Pat.) trat 
Heilung ein nach 2 Injektionen von 100 A. E., daneben Morpbium- 
injektionen, im ganzen während des Tages bis 0,07 g. 

7. Gramer, Bonn:. Eine llprmalflasehe fttr die Säuglings- 
emähmng. 

Es ist ansserordentlich wichtig für die Erziehung der Heb¬ 
ammen, Wärterinnen, Mütter, wenn man ihnen exakte volumetrische 
Vorstellungen von denjenigen Nahrungsmitteln geben kann, die 
der Verdauung des Kindes zuträglich -sind. 

Zu diesem Zweck hat sich C. Trinkflaseben von 250 ccm, 
mit Strichen von 50 g zu 50 g geaicht, anfertigen lassen. 

Ermöglicht die Flasche eine genügend genaue Dosierung der 
Einzelmahlzeiten, so ist ein weiterer Vorteil derselben, dass sich 
darin auch die erforderlichen Milchverdünnungen sehr leicht her¬ 
steilen lassen. 

8 . Klieneberger, Zoeppritz, Königsberg: Beiträge zur 
Frage der Bildung spezifispher Leuootozine im Blutserum als 
Folge der Röntgenbestrahlung der Leueämie und Pseudoleuoä- 
mie und des Lymphosarkoms. 

Verfasser berichten zum-Schluas über Versuche mit mensch¬ 
lichen Blutleucocyteh. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Ne. i9. 

1. de Renzi, Neapel: Heber einige Enttänsohungen und 
Hoffnungen bei der Behandlung der Tuberkulose. 

Ausser dem Sauerstoff ist ein zweites wirksames Mittel bei 
der Behandlung der Lungenschwindsucht das Natrium salicylicum. 

Die Herabminderung der Temperatur ist die bemerkens¬ 
werteste Wirkung dieser Behandlung bei mehreren Patienten ge¬ 
wesen. 

2. Hirschstein, Hamburg: Zur Methodik der Amino- 
säurenbestimmung im Ham. 

Als Fazit dieser Untersuchungen ergibt sich, dass die mit 
der Neuberg-Manasse’schen Methode ermittelten Resultate 
nur mit Vorsicht zu verwerten sind und in jedem einzelnen Falle 
die Identifizierung der isolierten Verbindung versucht werden 
müsste. 

3. Pick, Berlin: Heber die Ochronose. (Schluss.) 

4. Langstein: Zum Chemismus der Ochronose. 

'L. nimmt an, dass es sich in diesem Palle nicht um Alkap- 
touurie gehandelt habe, sondern höchstwahrscheinlich' um eine 
Pigmentanomalie; woher jedoch das Melanin stammt, ist sehr schwer 
zu entscheiden. 

5. v. Poehl, St. Petersburg: Die Vorzüge der Kombination 
der Organotherapie mit den physikalisoh-diätetisehen und balno- 
therapeutisehen Mitteln und einige Beweismethoden dafür. 

Weiter über Spermin- und Adrenalinbehandlung. 

6 . Runge, Berlin: Htemsblutungen. 

Eine allgemeine, kurzgefasste Uebersicht mit wertvollen, prak¬ 
tischen Winken. 

Allgemeine medicinieche Central-Zeitung. 1906. Nr. 5. 

Hinsberg: Zur Extraction von Fremdkörpern aus den 
Bronchien. . 

Verf. berichtet über drei Fälle, bei denen er bronchoskopiscli 
Fremdkörper entfernt hat. Zwei mal wurde das Bronchoskop per 
Trachotomie eingeführt. 


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254 


MEDiCOilSCm WOGHX. 


Nr. '22. 


Bdrn^un: Die TmendlMrkieit >im Sa^aüau •va^en 
MMBelle iSeimstiienie. 

Das Setralin hat als nnnnilriiininfinnr. iiligfimninri ADarkennaag: 
gefondeo. In jüngerer Zeit ist es als wtrkaamstoe Mititel bei der 
Pho^atorie empfohlen wordoi. Verf. hat es aoeh bei vesaehie-: > 
denen Formen sexueller Neuraathenie unter VeisDeidang jeglh^er 
lokalen Therapie mit beetem Zrfelg gegeben. Es ist aweohsnftllig,' 
Hetralintabletten, zu Pulver aerdräckt in Wasser, Miloh oder: 
Haferschleimi nüchtern zu geben in Dosen von 0,5 g”3—4^tägl. 

bis zu 1,0 g 3 X 

1906. Nr. 6. 

£orn: Deber Venritis aleokoUoa. 

Beschreibung eines Falles, bei dem bei Freibleiben der oberen 
Extremität sich im Laufe der Jahre die hochgradigsten Anomalien 
der Stellung der Zehen, Füsse und Knie eingestellt haben. 

Manasse: Oesichtsftinmkel — metastatiMhe EUerongan. 

Verf. gibt die Krankengeschichte eines jungen Mannes, bet; 
dem im Anschluss an einen Gesichtsfurunke! eine schwere Phleg* 
mone des Gesichts und Halses sich ^twiokelte, an die sich me- 
taatatische Eiterungen an den verschiedensten Kbrperstellen im 
Laufe vieler Monate anschlossen, schliesslich eine seltene Kompli¬ 
kation, ein subphrenischer Abscess. 

1906. Nr. 7. 

Garre; nx Operation gutartiger Mi^nafllek* 

tionen und ihrer FolgeEostände. 

Auf Grund lljähriger ^fahrangen vertritt G. folgenden 
Standpunkt. Beim einfachen Ulcus ventriculi ohne besondere 
Komplikationen empfiehlt er den operativen Eingriff, wenn eine 
resp. zwei streng durchgeführte Ulcuskuren vmi 4-^—6 Wochen 
Dauer erfolglos geblieben sind. Die Excision des Ulcus nimmt er 
vor, wenn es fiächenhaft am Pyloros entwickelt ist oder der Ver¬ 
dacht der Bösartigkeit besteht, sonst bevorzugt er die Gastro¬ 
enterostomie. Bei schweren Blutungen, die den Fatimiten so ge¬ 
schwächt haben, dass vermutlich nicht mehr die für Narkose und 
die operativen Manipulationen erforderliche Widerstandskraft vor¬ 
handen ist, wartet er ab; ev. rät er zur Jejunostomie. Bei mitt¬ 
leren Blutungen brachte stets die Gastroenterostomie unter Ver¬ 
zicht auf Excision des Ulcus prompten Erfolg. Das callöse Ulcus 
ist zu excidieren; doch kommt man auch hier meist mit der Gas¬ 
troenterostomie aus. Diese ist auch die Operation der bei 

der Pylorusstenose; B>eeektion des Pyl<»^ ist nur erforderlich 
bei Verdacht auf Garcinom. Bei der Perigastritis adhaesiva ist 
die Gastrolysis vorzunehmen; jedoch empfiehlt es sich, eine Gastro¬ 
enterostomie hinzuzuDigen. Für den Sandruhrmagen kommen in 
Betracht die Gastroplastik, die Gastro-Gastrotomie und Gastro- 
Enterostomie. Bei der Perforation ist sofortige Operation indiciert; 
auch beim Durchbruch in Nachbarorgane ergibt nur der operative 
Eingriff Heilung. G's. Material umfasst 107 Patienten, die wegen 
gutartiger Magennffektionen operiert wurden, mit einer Mortalität 
von 7,5%. 


Bücherbesprechung. 

G. V. Bunge. Lehrbuch der Physiologie des Men¬ 
schen. II. Aufl, Leipzig. F. C. W. Vogel 1905. 2 Bd. 28,— M. 

Im Jahre 1887 erschien die „Physiologische Chemie“ von 
G. V. Bunge und wurde mit dem grössten Beifall, ja, man kann 
fast sagen, mit Enthusiasmus von den Fachgenossen und von 
den Studierenden aufgenommen. Namentlich die letzteren waren 
es, die an der geistvollen und anregenden Darstellungsweise des 
Verfassers Freude fandea Der klassischen „Allgemeinen Patho¬ 
logie“ von J. Cohnheim konnte rnan das Werk in der Art und 
Weise der Darstellung vergleichen. 

In kurzer Zeit erschien das Werk in 4 Auflagen und grösser 
und grösser wurde der Kreis seiner Verehrer. — Da, im Jahre 


1900, entsdiloss sich v. Bunge seine „Blyin«fiogtoflhe ean 

einen ersten Band zu bereioheni, welo^r die Lehre ven den Bmaan, 
Nerven, Muekeki etc. umfasste und die „Physiolefiaake «Okmase“ 
zu einem „Lehrbm^ der Physiologie des Menschen“ konptotiavte, 
•L Von diesem liegt jetct s^oq die 11. Anfiage vor, ein ^esreis 
dafür, dass andi die erweiterte Form AnkUng gefnnden hat. — 
Wer sich non ans eigener Erfahrung der Begeisterung uiifninnt, 
mit welcher man seiner Zeit die „Pbysielegtsohe Chemie“ duneh- 
studiert, nein dnrchgeflogen hat, nnd nun sidi dem erweiterten 
Werke mit glekhem Eifer zu widmen trachtet, der wird — wenn 
auch vialieicht nur gmiz hehnlioh — den Gedanken nicht los 
werden: Der „kleine“ Bunge war dir doch noch lieber, als der 
jetzige „grosse“. — Der „Ideine“ Bunge aprwoh auf jeder Seite, 
ja, auf jeder Zeile das Idiom seines Verfassers: Da war kein Gedanke, 
den nicht Bunge selbst formuliert und ventiliert hatte; man war 
zwar — wenigstens später, als man selbständig zu denken und zu 
schaffen gelernt hatte — durchaiis nicht immer einverstanden mit 
Bunges Ausführungen: Man hatte Neigung za verneinen, wo er 
bejahte, oder zu hemmen, wo sein Geist einmal davon eilte, aber 
gerade hierin, in der Verleitung nun Widetspmdi, zur Oentzoverse, 
lag ein Teil der Anziehungskraft dieses Werkes und wieder nnd 
wieder griff man zu dem lieb gewordenen Bande! — 

Jetzt in der neuen, grossen, etwas an^uruchsvcfileren Form ist 
das Werk minder in sich geschlossen und minder gleicbmälUg ge¬ 
worden. — Da sind nicht wenige Kapitel, in welchen eic^ Bunge 
— an einer Stelle (Bd. I, pg. 128) schreibt er es selbst — im 
Wesentlichen auf Keproduktion fremder* Ansichten, auf blosses 
Referieren beschränken musste und da fehlt natürlich der subjektive 
Zug, der einem die Schilderung anderer Gebiete, an deren Er¬ 
forschung Bunge selbst schaffend mit gearbeitet hat, so besonders 
anziehend gestaltet. — Man vergleiche nur einmal die Kapit^ 
„Muskel- und Nervenphysiologie“ eiuM^eits und „Milch** änderet^ 
seits. Der Unterschied ist unverkennbar! — 

Zwar versucht Bunge es da und dort, ao^ denjenigen Kapiteln, 
welche seiner q>ezieUen Forschertät^eit ferner liegen, etwas 
eigenes aafziq>rägen, sei es durch Aufstellung origu^erTheorieQ, 
sei es durch geistvolle Argnmentieiiiog gegen beetehttde Anschafi- 
ungmi, aber es f^t auch dort an dem, ich möchte sagen, er¬ 
frischend polemischen, beinahe gdrau^i^^erisoben** Zug; alles 
eigene wird mit unangebrachter Zurückhaltiuig beseheideiitlich an 
zweiter Stelle vorgebracht. — 

Dass das „Lehrbuch“ unzähligen seinen Kollegen an anregender 
Darstellongsweise, an Glanz des Vortrages und an Deutlidikeit 
der Schilderung meilenweit überlegen ist, bedarf bei einem L^rer 
wie Bunge keiner besonderen Versicherung, aber — eetemm oensso, 
der tite, der „kleine“ Bunge war doch m^tr „Bunge“ und mir 
deshalb noch lieber l W. Ooenstein (Berlin) 


J. Sllbersteis. tJ«l»er Ver w et| d «Bg BroneMUns 
speziell Im Klndesidter. (AerztH^e Rundsdnu, 1905, No. 40.) 

Boi den Guajakol-E^paraten kommt cs vor allen Dingen daraat an, 
dass sio reizlos sind und gut Tortragen werdon, denn ihre Wirkung ist 
sonst Über allen Zweifel erhaben. Im Bronebitin fC^emiscfae Fabrik von Dr. 
Lüdv & Co. in Bagdwf) ist eine günstige Comb i w eti on g etr oi e n wordoi. 
tnsofem als das gu^akolsnlfosaore Kalinm mit einem an ätherischem Oele 
reichen echten Tbymianestrakt kombiniert ist; es ist somit zwei antikatarr- 
baliscben Mitteln von bekannter Bewährtheit Reebnnng getragen, und im 
Bronebitin ist eine aromatische, leicht zu nobniondo Tbiokollöeung gMebmi. 
Dieses Bronebitin ist nach S. das «Qii^akolpräparat für Kinder", ^iner 
Zusammensetzung kommt das Bronebitin zunächst bei allen Husteam'krank- 
ungen in Betracht, hauptsächlich bei Kenchfansten, hier konnte S. in jedem 
Stidium des Keuebbustens eine reizmildcrende, sekrot-bosefaränkoode und 
sedatire Wirkung des Bronebitins beobaditon. Bei den skrephnlOsen und 
rbacUtiseben Bronchialkatarrben, bei beginnender Tuberkulose, eoUist bei 
Darmstöraogen unter B^leitung von DarmstOrungen war Broochitio gut 
verträglich und von Appetitanregrader, Schletmbeschränkendor, Hustenreiz- 
mildernder and Stuhlregelnder Wirkung. Das Körpergewicht nahm je¬ 
desmal zu, das Allgemeinbefinden hob sich und das Mittel wurde in jedem 
einzelnem Falle anstandslos vertragen. 8. gab das Bronebitin bei Sät^Un- 
gen 2 mal t^lich % Kaffeelöffel, bei Kindern zwei bis drmmal tägmh 1 
Kaffeelöffel, und bei Erwachsenen zwei bis dreimal — viermal t^licb einen 
Esslöffel in Milch. 

A. R. 


Veraitiwordlcti«r Redakteur : Dr. P. MeUraer, BerliaW. tt, Knrf&ratenttr. Sl. — Verlas roa Carl Marhold, Halle a. S. 
Dradi eea 4«r Hiyaiuaai*a«h— ^oMnNkacei, Osbr WalC, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Dentschmaniii A. Dfihrssca. A. Hofft, E. Jaeobi, 

Hanburg. Berlin. Berlin. Prelburg i. Bi. 

H. Seaator, R. Sommer, 

Berlin. Qieesen. 


Herausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppeo, K. Partseb, H. Rosla, H. Schlange. 

Roitock. Berlin. Breelau. Berlin. Hannover. 

H. Uoverricbt, A. Vottlns, 

Magdeburg. Giessen. 



Verlag und Expedition 

Carl Marhold In Halle a* 5*« Uhlandstnuse 6. 

TeL-Adr: Msiliold Verlag HaJlesaale. Fernsprecher 823. 


Redaktion: 

Berlin W. 62, Kurffirstenstrasse 81* 

Dr. P Meißner 

1 






Vn. Jahf^ang. 

4. Juni 1906. 

Nr. 23. 


Die .Medicinische Woche* erscheint Jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOgiSChe CentralzeitUflgt Organ des Allgemeinen Deutschen 
Blderverbandes, des SchwarzwatdbBdertages, des Verbandes der Deutschen NordseebBder, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet Jlhrlich 10 M.. einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fUr 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmBSigung ein. 
Nachdruck der Original-AufsBtze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

CellotropiE (Monobenzoylarbutin) 
als Tuberknlosenbeümittel. 

Von Med. univ. Dr. Wilhelm Meithner, 

Distriktarzt in Wostitz (Mähren). 

Cellotropin — das MonobeozoylarbutiD, ein weisses, kristal> 
liniscbes, leicht aromatisch-bitterlich schmeckendes Palver, das 
in indifferenten Flüssigkeiten nicht löslich ist — ist ursprüng¬ 
lich gar nicht als Tuberknioseheilmittel in den Arzneischatz 
eingeiührt worden, als welches es heute doch vorwiegende Em¬ 
pfehlung und Verwendung findet. Als Abkömmliog des Arbutin, 
das selbst schon durch Speichel und Magensaft wesentliche 
Zersetzung erf^rt, sollte das höher organisierte Cellotropin 
zunächst nur die Zufuhr des unzersetzten Arbutins bis in die 
Blut- und Lymphbahnen vermitteln, um derart dem direkten 
Einflüsse des Arbutins in loco noch eine Steigerung der Drüsen- 
sekretionsvermehning zu ermöglichen. CeUotropin war also 
als ^verbesserter" A^utinersatz zunächst gedacht, jenes Arbutin, 
das bei Blasen- und Nierenleiden, bei Diabetes etc. therapeu¬ 
tische Verwendung gefunden hat. Zufällige Beobachtungen 
an Kranken dieser Art, deren Leiden mit Tuberkulose oder 
Skrophulose kompliziert war, haben dann plötzlich dem Präpa¬ 
rate die Bahn als Tuberkuloseheilmittel gewiesen, weil diese 
zufälligen Beobachtungen lehrten, dass bei tuberkulösen Kom¬ 
plikationen sich das Allgemeinbefinden bei Cellotropingebrauch 
m einem ganz unverkennbaren Grade zum besseren wandte, 
weil tuberaulöse Anschwellungen plötzlich sich rückzubilden 
begannen, und weil schliesslich gelegentliche wiederholte mikro¬ 
skopische Untersuchungen eine ersichtliche Abnahme der Tu- 
berRelbazillen erkennen liessen. 

Um nun dem Wesen dieser ursprünglich rein zufälligen 
Beobachtungen nacbzugehen, hat Aufrecht in Berlin*) eine 
Anzahl exi^t wissenschaftlicher Experimentreihen durchgeführt, 
in denen Kaninchen, Meerschweinchen oder Hunde mit Cello¬ 
tropin gefüttert oder mit Cellotropinemulsion intraperitoneal 
oder intravenös oder subkutan behandelt wurden, nachdem sie 
durch Injektionen hochvimlenter Reinkulturen von Tuberkel¬ 
bazillen tuberkulös infiziert waren. 

Die überraschend markanten Ergebnisse dieser Versuchs¬ 
reihen, soweit sie für die Tuberkulosebehandlung von allge¬ 
meinem Interesse sind, lassen sich in Kürze dahin zusammen¬ 
fassen, dass 

1 . „durch den Gebrauch von Cellotropin weder Funktions¬ 
störungen in den Stoffwechselprodukten noch toxische Funk- 
tioDsstörnngen der Organe herbeigeführt werden"; dass 

*) C. Vilmar; .Cellotropin, ein neues Heilmittel gegenTuberknlose''. 
Reicbs-lfcd-Anz. 1904, Nr 16 n. 18. 


2. „durch genügend hohe Dosen von Cellotropin — die 
für Meerschweinchen bei 0,1 täglich zu liegen scheinen — 
Tuberkelbildung unter allen Umständen verhindert wird“; dass 

3. „das Wachstum der Tuberkelbazillen auch bei Anwen¬ 
dung ganz geringer Mengen Cellotropin merklich beeinflusst 
wird“ (Experiment: Meerschweinchen nach der Injektion von 
Tuberkelbazillen 0,005 Cellotropin nur jeden dritten Tag 1) 
dass aber 

4. „durch eine Vorbehandlung der Tiere mit Cellotropin 
eine Immunisierung derselben gegen nachfolgende Injeküon 
nicht zu erzielen ist. “ *) 

Die Erscheinung des wirkungslosen Immunisierungsver¬ 
suches durch ein Verfahren, das sich auf die Hebung der 
natürlichen Schutzkräfte stützt, dabei aber nur vor der In¬ 
fektion geübt wird und mit der Infektion zugleich erlischt, 
steht nicht nur im Einklänge mit der g^enwärtigen Lehre 
von den Heilungsvorgängen bei infektiösen Erkrankungen, son¬ 
dern sie steht geradezu als Stütze der gegenwärtigen Anschau¬ 
ungen. Diese verlangen unbedingt auch die Gegenwart der 
Antikörper, die erst durch die Infektion aus ihren Verbindungen 
in den Kreislauf gelangen, nach der Versuchsanordnung mit 
dem negativen Immunisierungsergebnisse aber erst dann, wenn 
die Bildung der gleichzeitig notwendigen Abwehrstoffe zweiter 
Art, der Alexine, nicht nur nicht mehr gefördert wird, sondern 
durch die frühere reiche Inanspruchnahme ihrer Biidungsele- 
mente in der Spontanbildung vielleicht eher beschränkt ist. 

Ueber weitere Ergebnisse der Cellotropin-Tuberkulosebe¬ 
handlung an Kranken hat dann, soweit mir bekannt ist, Kapp- 
Berlin**) berichtet. Er hat mit vollem Nachdrucke das all¬ 
mähliche Geringerwerden und oftmalige gänzliche Verschwinden 
der Tuberkelbazillen aus dem Sputum jener Kranken betont, 
die genügend lange und gleichmäßig sich des Cellotropins be¬ 
dient hatten. 

Ich selbst habe mich non des Cellotropin in der Tuberku¬ 
losebehandlung schon über Jahresfrist bedient, zunächst in 
Fällen, bei denen nach der Prognose absolut nichts mehr zu 
verlieren, war. Mir ist dabei ganz wohlbekannt, dass die 
Prognose der Lungentuberkulose, allgemein gesprochen, den 
weitesten Irrungen unterworfen ist. Habe ich doch im Be¬ 
kanntenkreise einen Fall, dem vor ungefähr zwei Dezennien 
einer der grössten Kliniker des vergangenen Jahrhunderts nur 
mehr eine auf Wochen begrenzte Lebensdauer zuerkannte, der 
aber heute noch sich der irdischen Wonnen erfreut. Auf dem 
Lande aber liegen die Verhältnisse doch einfacher. Hier, wo 
nur das kraftstrotzende, arbeitsfähige Leben von Wert ist und 
die Pflege der Tuberkulose fast ausnahmslos sich auf die ein¬ 
fachsten Formen beschränkt, ist der prognostische Irrtum 
geradezu nur nach der Seite der Unterschätzung des Leidens 
möglich. 


*) Zitiert nach Vilmar 1. c. 

**) Kapp-Berlin: Cellotropin, ein neues Tuberkulosebeilmittel. Med. 
Rundschau 1904, Nr. 21. 


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256 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr 23. 


Der eine meiner Fülle betraf eine Arbeitersfrau, Mutter 
von 4 ändern, in den vierziger Jahren, die nach der Anam¬ 
nese schon längere Zeit anderweitig in Behandlung gestanden 
war, angeblich ohne Erfolg. Stat praes. Subjektiv: Kräfteab¬ 
nahme, Mattigkeitsgeföhl, nur mäßige Appetenz, viel Husten 
mit reichem Auswurf, schlechter Schlaf, Nachtschweisse. Ob¬ 
jektiv: Mittelgross, mittelkräftig, abgemagert. Perkussion er¬ 
gibt beiderseits Spitzendämpfung, r. v. unter die Clavicula, 
r. h. unter die Spin. scap. reichend. Auskultatorisch: Bron¬ 
chialatmen und helles Rasseln beiderseits über den Spitzen, rechts 
auch diffus rauhes Atmen, Schnurren, Giemen; Vormittags¬ 
temperatur 38,0! 

Auf Cellotropin die nächsten 14 Tage Va kg Gewichts¬ 
verlust, den. die nächsten 14 Tage wieder hereinbringen. Um 
diese Zeit, Mitte Mai — also noch keine Sommerluft —, bei 
noch geringen Temperaturschwankungen, erscheinen die Lungen¬ 
spitzen reiner, der Husten milder, der Auswurf geringer. Ende 
Miii wird zum erstenmale eine Temperatur von 37 “ C beob- 
aclitet. Patientin ist um 2 kg schwerer geworden. Die Diät 
ist stets ziemlich die gleicharmselige geblieben, wie sie vor 
Cellotropin gewesen, auch in Bezug auf die einzige Zubesse¬ 
rung: Milch. Die linke Lungenspitze wird anscheinend heller; 
jUitte Juni ist letzteres auch zweifellos zu konstatieren. Am 
25. Juni wird neuerlich leichte Temperaturerhöhung (37,5 
morgens) beobachtet, die aber beim nächsten Wiedersehen 
schon verschwunden ist. Von da an erscheint dann die Tempe¬ 
ratur ständig normal bis in den Spätherbst hinein, um welche 
Zeit die Patientin die Gegend verlässt, den Winter bei ihren 
Angehörigen zu verbringen. Die linke Lungenspitze ist gut 
aufgehellt, lässt kaum angedeutetes Exspirium hören, auf der 
rechten Seite ist das Dämpfungsgebiet bedeutend geringer. 
Patientin ist kräftiger, die Nachtschweisse haben sich verloren, 
Schweiss stellt sich nachts nur ein, wenn mitunter die Ruhe 
einer Nacht von heftigem Husten gestört wird. Das ist doch 
kein „Schweiss der Phthisiker“ mehr, und die manchmaligen 
Hustenparoxismen haben eben im Schonungsmaogel auf dem 
Lande ihre gelegentliche Ursache. 

Also bei beiderseitiger tuberkulöser Erkrankung der 
Lungenspitzen mit ziemlich bedeutender Infiltration, die schon 
wochenlangen Fieberzustand gezeitigt hatte, hat hier das Cello¬ 
tropin eine recht schöne Wirkung erzielen lassen, eine Wir¬ 
kung, die um so höher anzuschlagen und eben dem Cellotropin 
anzurechnen ist, weil einmal die Kranke keine andere Unter¬ 
stützung auch diätetischer Natur hatte, als vor der Cellotropin- 
darreichung und dann, weil der erste und wichtigste Effekt in 


Feuilleton. 


Standesehre der Ärzte vor 100 .Jahren. 

Von Dr. E. Roth. 

Bei den vielfach verschiedenen Ansichten, wie weit ein 
Jünger Aeskulaps gehen dürfe, ohne die Standesehre zu ver¬ 
letzen, wollen wir einmal uns um ein Säkulum zurückversetzen 
und betrachten: 

Johannis Lueti, practici Veronensis Ciarlatanaria medicorum 
oder Marktschreyerey der gelehrten Aerzte mit Fleiss in ver¬ 
ständlich Teutsch gesetzt. Freysingen 1717; auf Kosten guter 
Freunde. Klein 8®. 121 S. 

Natürlich können wir den Inhalt in seiner Gesamtheit 
nicht abdrucken, aber die zu zitierenden Stellen werden 
hoffentlich genug Streiflichter auf die Anschauungsweise der 
damaligen Welt werfen. 

Die Marktschreyerey besteht in einer prächtigen Heraus¬ 
streichung geringer Arzneyen oder schlechter, einem jeden me- 
clicinischen Handlanger möglicher Arztneykünste; ein jeder ge¬ 
lehrter Medicus aber machet sich ebenmäßiger Ceriduite theil- 
hafftig, W'enn er, entweder von geringer medicinischer Weisheit 
gross Woick machet, oder, W'as von einem lechtacljaffenen Me- 


eine Zeit fällt, in der man von den aerischen Vorteilen des 
Landlebens zu sprechen kaum eine Berechtigung hat. 

Unter den von mir mit Cellotropin behandelten Tuberku- 
lostikem sind noch zwei Fälle, bei denen am Anfänge der 
Cellotropinbehandlung ziemlich bedeutende Temperatursteige¬ 
rang bestand, die sich auf Cellotropindarreichung in Wochen 
legte. 

Ein Sjähriger Knabe, hereditär belastet. Beide Eltern 
stammen aus tuberkulösen Familien, ein Bruder starb an Tuber¬ 
kulose der Lungen, ein zweiter im Alter von 3 Jahren an tuber¬ 
kulöser Meningitis; der Kranke selbst ein schmächtiges, mageres 
Bürschchen. 

Anfangs Mai tritt das Kind in Behandlung. Der Anam¬ 
nese zufolge schon längere Zeit marod. doch wollte er nicht 
zum Arzt. Nun liegt er über eine Woche „sehr heiss“ im 
Bett, hat keinen Appetit, hustet viel mit Auswurf (eitrig 
schleimig). Bei der ersten Untersuchung am 8. Mai Katarrh 
auf beiden Lungen, über beiden Lungenspitzen, vorne über die 
Clavicula, hinten über die Spina scapulae reichend, Dämpfung, 
Bronchialatmen. Frühten^eratur 38,5. In früherer Kenntnis 
der Familienverhältnisse Prognose infaust, umsomehr als Tu¬ 
berkelbazillen sehr bald im Sputum nachgewiesen wurden. 
Und doch lebt das Kind heute, nachdem sein Fieber zuerst 
wochenlang angehalten, und erst gegen Ende Juli allmählich 
sich verlor. Bis Endo Juli ständiger Cellotropingebrauch, zu¬ 
meist 2 g im Tage, im ganzen also an 12 Wochen. Da schien 
der Knabe den Eltern schon „lange genug“ behandelt und 
ganz gesund zu sein, und tatsächli(m war er frisch, bei guter 
Appetenz, konnte die Nächte ohne Husten und Schweiss regel¬ 
mäßig durchschlafen und verblieb so. Davon hatte ich Gelegen¬ 
heit mich Ende Oktober zu Überzeugen. 

Der dritte Fall, eine 27jährige Häuslersfrau, Mutter zweier 
Kinder. Mutter starb vor wenigen Jahren an Tuberkulose, die 
Frau selbst ist mir seit ihrer Kindheit nahezu als „skrophulös 
veranlagt“ bekannt. Pat. kommt anfangs April mit ver¬ 
schleppter Pneumonie in Behandlung. Das Infiltrat umfasst 
beide Oberlappen. Zur gegebenen Zeit erfolgt weder kritischer 
Temperatursturz, noch lässt sich mit dem Rückgänge des pneu¬ 
monischen Infiltrates eine bedeutende Temperaturabnahme kon¬ 
statieren, dagegen treten Nachtschweisse auf, Sputum enthält 
Tuberkelbazillen. Neben den bisherigen Infusen vom Mai ab 
Cellotropin, gleich vom Anbeginn 4V2 g pro Tag, bald 5 g, 
also grosse Normaldosen. Am 20. Juni wiesen zum ersten¬ 
male Morgen- und Abendtemperatur normale Grenzen auf; sub¬ 
jektiv bei gut erhaltener Appetenz, tags übermäßigem und noch 
morgens anhaltenderem Husten, ziemlich gutes Allgemeinbe- 


dico zu praetendiren ist, vor anderen als ein besonderes donum 
Del besitzen will. 

Die Wohlanständigkeit lässt nicht zu, dass er solches so 
unverschämt und handgreiffiich zu erkennen gebe, als ein ge¬ 
meiner Charlatan; Er muss daher seine Cbarlatanerie seinem 
Stande einigermaßen proportionieren und, was jener öffentlich 
und unter freyem Himmel thun darff, insgeheim m der Conver- 
sation und den Gräntzen seines ordentlichen Berufes bewerck- 

stelligen.eine besondere Tracht und Bedienung, eine 

skrupulöse Diät, eine accessiv gelehrte Aufführung in Worten 
und Geberden und so weiter, kann ohne unnöthige Depansen 
gar leicht, auch bey sonst verständigen und klugen, ein be¬ 
sonderes Aufsehen erregen. . . . 

Affen und Meerkatzen, Bazule (quid sit?) und Murmelthiere, 
im Kasten oder an Ketten mit sich herumzuschleppen, oder 
sich auf den Achseln nachtragen zu lassen, würde für einen 
Doctorem medicinae nicht allzu rühmlich fallen: Allein rare 
und unbrauchbare instrumenta chirurgica et mathematica, still¬ 
stehende perpetuum per se mobilia von Behemoth und Levi¬ 
athan, und andere dergleichen Raritäten, in seinem Cabinete 
zu zeigen, kann einen Medicum leicht in besondere Admiration 
setzen. . . . 

.... Panaceen, Universaltinkturen, herrliche Polychrest- 
mittel, mancherley Arcana, ungemeine Methoden allezeit ge¬ 
schwind, sicher und angenehm zu curiereu zu erfinden, sind 
eitel Meisterstücke gelehrter medicorum. . . Es ist auch ver- 


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1906. 


MEDIGIKISCHS WOCHE. 


257 


finden, Nachtschweisse gering, manche Nacht gar nicht; noch 
bedeutendes Mattigkeitsgefühl. 

Bei weiteren Cellotropingaben, öfterer Lagerung im Freien, 
ersichtliche Fortschritte im Befinden; die Kranke schien der 
Besserung sicher. Die Tuberkelbazillen werden spärlicher im 
Sputum, leider spärlicher auch meine Besuche. 

Um der Ungeduld der Kranken entgegenzukommen, wird 
anfangs August temporär Cellotropin ausgesetzt und durch 
Kalium sulfoguaiacolicum substitutiert 30 g reichen für 8—12 
Tage. Während der Zeit hat am Lande der Arzt bei einem 
rekonvaleszenten Tuborkulotiker nicht viel zu suchen. Als ich 
nun bei gelegentlichem Vorübergehen am 15. August unver¬ 
mutet ins Haus komme, finde ich die Kranke auf der Scheunen¬ 
tenne, mitten in den schweren Staubwolken der Druscharbeit, 
im Luftzuge beider weitgeöffneten Gegentore! 

(Fortsetzung folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

lievliner tnediciniHcJie GeHeUschaft. 

Sitzung vom 9. Mai 1906. 

Vor der Tagesordnung demonstriert Oberwarth ein Kind 
mit congenitaler Lues, bei dem neben dem Hutchinson’schen 
Symptomenkomplex zahlreiche Knochen- und Gelenkveränderungen 
sich finden. 

Tagesordnung; 

Karewski: Ueber gebrauchsfertiges, dauernd 
steriles, aseptisches Catgut. 

E. bespricht die Schwierigkeiten, die sich bieten, um ein 
obigen Anfordenmgen genügendes Catgut zu erzielen und be¬ 
schreibt die von ihm gemeinsam mit Rosenberg ausgearbeitete 
Methode, nach der das Catgut mit Alkobolwasserdämpfen sterili¬ 
siert wird. Nach der Sterilisierung werden die besonders kon- 
stmierten Glasröhren, in denen es sich befindet, zugeschmolzen, 
und dann in mit Alkohol gefüllten Gefässen aufbewahrt, in denen 
auch angebrochene Röhren steril gehalten werden können. 

Disknssiion: Seeligmann berichtet über bacteriologische 
Untersuchungen zur Prüfung dieses Catgut. 

Schaefer betont, dass die bisher geübten Methoden hin¬ 
reichend gute Sorten Catgnt in mehrfacher Auswahl liefern, so 
dass kein Bedürfnis für ein neues vorliegt. 


Israel bestreitet die Sicherheit der Keimfreibeit des bisher 
gelieferten Catguts. 

Karewski betont im Schlusswort, dass sein aseptisch be¬ 
reitetes Catgut eine sichere Gewähr für dauernde Keimfreiheit 
biete als das bisherige, antiseptisch bereitete. 

Sitzung vom 16. Mai 1906. 

Tagesordnung: 

Kronthal: Ist Hysterie eine Nervenkrankheit? 

Nach einem historischen Ueberblick präzisiert K. seinen Stand¬ 
punkt dahin, das Wesen der Hysterie zu sehen in einer krank¬ 
haften Reaktion der das Individuum konstituierenden Zellen an 
bestimmten Orten. Etliche Zellkomplexe reagieren in falscher 
Weise auf die Reize. Die Klagen der Patienten sind deshalb 
nicht für falsch zu halten; sie haben in Wirklichkeit die an¬ 
gegebenen Empfindungen. Die Therapie muss dahin zielen, andere 
Reize auf das Individuum einwirken zu lassen. In erster Linie 
kommen in diesei Hinsicht in Betracht Aenderung der Umgebung 
des Kranken und Stählung des ganzen Organismus. 

Diskussion: Rothmann. 

Holländer: Zur Behandlung der Schleimhaut- 
tuberkulöse. 

Die primäre ascendierende Tuberkulose der Luftwege ist nicht 
so selten, wie man gemeinhin annimmt, und die Prognose solcher 
Fälle weniger infaust. Manche Fälle sind der Heissluftbehand¬ 
lung zugänglich. Grosse Vorsicht mit der Canterisation erfordert 
das Bindehauttnberkulom, weil die Bindehaut sehr leicht nekro¬ 
tisch wird. Von der Gauterisation ist weiter mit Erfolg Gebrauch 
zu machen bei Erkrankungen der Synovia, bei Mastdarmaffektionen, 
bei exstirpierten Fisteln. H. hat alle organischen Säuren dorch- 
probiert, einschliesslich der Milchsäure, eine besondere Wirkung 
aber nicht konstaläeren können. Leidliche Elrfolge brachten Snbli- 
matumschläge, die zu Atrophie der Schleimhaut führen. Jodo¬ 
formgazetamponade ist weniger zu empfehlen, da dadurch zu sehr 
die Sekretion angeregt wird. Die auf die Granulationen anfge- 
tragene Jodtinktur hat nur einen mädigen Effekt. Ausgezeichnete 
BIrfolge erzielte er dagegen mit der sonst verpönten Kombination 
von Calomel mit Jod, in der Weise, dass kurz vor Bestäubung 
der erkrankten Partieen mit Calomel Jodkali in 5%iger Lösung 
innerlich gegeben wurde; noch in letzter Zeit konnte er so einen 
Fall von schwerer Blasentnberkulose, der jeder Behandlung ge¬ 
trotzt hatte, zur Heilung bringen. 

Diskassion: Hirschberg hat auch bei Augenaffektionen die 
Kombination von Calomel und Jod mit Erfolg versucht. Das tuber¬ 
kulöse Ulcus der Cornea heilt gut unter Calomelbestänbung nach 
vorheriger Jodeinnabme. 


dächtig, wenn ein Medicus ohne Unterschied des T^es ein-, 
zwey- bis dreymahl praecise um gewisse Zeit seine Patienten 
ä la ronde besuchet, sie allemahl von vorne an examiniret und 
nach gegebener frischer Ordre mit einem neuen Wunsche 
baldiger Genesung juMu’ k revoir dem lieben Gott befiehlt 

Offenbar ist der Handel, wenn ein Medicus auf der Gasse 
läuft, als lägen alle seine Patienten in den letzten Zügen, oder 
als wären derselben eine so grosse Menge, dass er nicht herum 
kommen könnte: Oder wenn er den Begegnenden einen so 
finstern Gegenschein giebt, als hätte er lanter so gefährliche 
Kranke zu besorgen, dass ihm ihre äusserste Todesgefahr oder 
unverwehrliche Abfahrt keinen freudigen Augenblick gönnten: 
Oder aber, wenn er für grosser Herzensangst gar niemanden 
ansehen kann, sondern continuirlich des Hippocratis Aphorismos 
bey sich ruminirte, den morbum mit seinen symptomatibus 
pro et contra überleget, und keinem Sinne einigen Augenblick 
Freyheit vergönnet, seine so bekümmerte Seele zu distrahiren. 

Das Leben der Menschen bestehet ja wie jeder Bauer weiss, 
in beständiger Praeservation des menschlichen Leibes für würck- 
licher Trübung durch bestäudige Absonderung und Anschaffung 
der bereits verdorbenen und nöthige Anlegung ebenmäßig 
verderblicher Materien: und der fiirtrefflichste medicus kann 
zur Gesundheit der Menschen nichts mehr beytragen als die 
zum Leben der Menschen nöthige secretiones und exeretiones 
befördern, hemmen, und auf mancherley Weyse excitiren, so- 
piren, moderiren und regiren: Und zwar insgeheim durch 


solche quotidiana experientialegitimirte Mittel, die nicht das 
geringste mechanische oder chymische Geschicke dazu haben. . . 

Jede kleinste gelehrte Schrift eines Medici ist ein Rezept: 
doch so klein das ist, so gross Charlatanerie kann damit ge¬ 
trieben werden, sowohl in Ansehung der Composition selbst als 
auch der Signatur und Verordnung wegen. Viele setzen zum 
Ruhme ihrer grossen Wissenschaft in materia medica eine gantze 
Heerde gleichviel würckender Medikamente hintereinander her: 
Andere lassen so ein Hauffen Arztneyen besonderer Natur 
untereinander mischen, dass derjenige, so daraus die Intention 
des Präscribentis errathen wolte, einen eigenen Oedy^s von 
nöthen hätte; Noch andere machen durch eitel schwere Formeln 
dem Apotheker die Composition so sauer, dass er schwören 
möchte, er hielte ihre Wissenschaft in der Medicin für ebenso 
sonderbar, als das verschriebene Recipe ungemein und wunder¬ 
lich ist. Es giebt gelehrte Medicos, die oey der geringsten 
Mattigkeit der Patienten die kräfftigsten Herzstärckungen, im 
Uebrigen aber nach Verlangen eitel besondere ßlutreimgungen, 
herrliche schmertzenstillende, Stein-, Fieber-, Pestilentz- und 
Schwerenoth vertreibende Artzneyen zu verordnen wissen. 

Keine geringe gelehrte Charlatanerie ist es, wenn ein Me¬ 
dicus feine viel Kecepte verschreibet, die formulas medicomen- 
tonim so viel ihm möglich ist, changiret, und dadurch zeigen 
will, dass er nicht nur was Rechtes gelemet habe, sondern 
auch die armen Kranken neben der durchgehends so angenehmen 
Variation auch mit Artzneyen zu delectiren wisse. 


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258 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 23. 


Krause: Ein bemerkenswerter Fall von geheilter 
Schussverletzung des Gehirns und Rrüokenmarks. 

Nach Heilung der schweren Gehimverletzungen durch mehr¬ 
fache Operationen blieb bei dem Patienten eine schlaffe Lähmung 
der unteren Extremitäten bestehen. Als deren Ursache wurde 
ein Tumor oder eine Sequesterbildung der Wirbelsäule angenommen. 
Die Operation ergab nichts derartiges, sondern an der nach den 
Erscheinungen bestimmten Stelle nur eine circumscripte seröse 
Meningitis. Dieselbe heilte nnter Tamponade, wodurch auch Hei¬ 
lung des Erankheitsbildes erzielt wurde. 


Kongressbericht. 

23. Kongress für innere Medidn 

vom 28. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

2. Sitzungstag. 

Herr Hering-Prag: Die Unregelmäßigkeiten der Herz- 
t ä t i gkeit. 

Bei der Analyse der HerzunregelmäOigkeiten ist man in der 
Lage, das Tierexperiment mit der klinischen Beobachtung in weit¬ 
gehendem Maße in Vergleich ziehen zu können, denn das Herz ist 
ein Organ, das beim Menschen und bei den Säugetieren prinzipiell 
gleichartig ist. So konnte man an den künstlich wiederbelebten 
menschlichen Herzen bisher keine einzige Beobachtung maoheu, 
die nicht vom Säugetierherzen bekannt gewesen wäre. Die Fort¬ 
schritte in der Analyse der Herznnregelmäßigkeiten verdanken wir 
in erster Linie den experimentellen Untersuchungen. 

Die bisher beim Menschen bekannten Herzunregelmäßigkeiten 
lassen sich, ohne dass man bei dieser Einteilung auf eine der be¬ 
stehenden Theorien der Herztätigkeit Bezug nimmt, in folgender 
Weise gruppieren: 

1. Pulsns irregularis respiratorius. 

2. Extrasystolische Unregelmäßigkeiten. 

3. Pulsus irregularis perpetnus. 

4. Ueberleitungsstörungen, 

5. Pulsus altemans. 

1 . Die respiratorische Herzarrhythmie ist nur dann patholo- 
logisch, wenn sie schon bei leichter Atmung stark hervortritt, oder 
wenn sie auch bei absichtlich sistierter Atmung, wenngleich abge¬ 
schwächt, bestehen bleibt. Sie scheint normaler Weise bei jugend¬ 
lichen Individuen stark ausgeprägt zu sein. 

Mit Mackenzie einen besonders infantilen Typhus der 
Herzunregelmäßigkeiten aufzustellen, scheint vorläufig nicht not- 


Die medicinischen Berichte, welche zuweilen von den 
Patienten verlangt werden, sind weitläuffiger, als die Recepte 
und dahero auch ein grösserer Tummelplatz für medicinische 
Charlatans. Denn hier kann man nicht allein aus einer Mücke 
einen Elephanten, aus einem schlechten ein gifftiges Fieber, 
aus einem simplen, eine skorbutische Krankheit machen, sondern 
auch von der Ursaclie der Kranckheiten, astrologie, chymice, 
mechanice oder wie man will raisonniren, seinen ganzen phar- 
maceutischen Schatzkasten auspacken, Pulver, Latwergen, Spiri¬ 
tus, Tränckleiü, Pillen, Vomitive, Purgantien, kalte und warme 
Bäder und so ferner verordnen, ja an allen Ecken und Enden 
zeigen, was für ein kostbares Archiv medicinischer Weisheit in 
unserm Hertzen verborgen liege. . . — 

Wenig Remedia machen wenig Parade und schlechte ge¬ 
meine Hülffsmittel finden so wenig Credit bei Leuten von qualit6, 
als dorten das wider den Aussatz recommandirte Wasser des 
Jordans beym syrischen Hauptmann. 

Sollten medicinische Berichte publice oder gar auff publique 
Verordnung der Obrigkeit durch öffentlichen Druck bekannt 
gemacht werden, wie oisweilen in Pestzeiten und Landstaupen 
zu geschehen pflegt, so ist die Gelegenheit grösser durch gelehrte 
Charlatanerie sich bey den Leuten in eine besondere Opinion 
medicinischer Gelehrsamkeit zu setzen, um in den Hertzen 
leichtgläubiger und unvorsichtiger Personen neue Conqu^te zu 
machen. (Schluss folgt.) 


wendig: die Mackenzieechen Fälle eutaprechen wohl dem Puls, 
irregul. respir. 

Puls, irregul. respir. wurde besonders in der Rekonv^essens 
nach fieberhaften Erkrankungen, bei Neurasthenie und bei Gebirn- 
erkrankungen mit Reizung des Vaguszentrums beobachtet 

Puls, irregul. respir. bei organischen Herzerkrankungen steht 
mit diesen in keinem ursächlichen Zusammenhang. Bei zwei Patien¬ 
ten mit Mitralfehlern sah Hering die respiratorische Arrhythmie 
auch während Atemstillstand stark ausgebüdet, nachdem infolge 
Digalen- bezw. Strophantusverabreichung eine leichte Bradykartie 
eingetreten war. 

Die respiratorische Arrythmie bei der Rekonvaleszentenbrady- 
kartie, sowie diese Bradykartie selbst, sind nicht als Zeichen einer 
Herzschwäche aufzufassen. 

Die klinische Bedeutung des Puls, irregul respir. besteht 
darin, dass sein stärkeres • Hervortreten auf eine erhöhte Erreg¬ 
barkeit des ihn vermittelnden Nervensystems hindeutet. Ferner 
beweist das Bestehen eines Puls, irregul respir. das Vorhandensein 
eines Tonus der herzhemmenden Vagusfasem. 

Die Funktionsprüfung dieser Fasern mittels des Nachweises 
eines Puls, irregul respir. ist viel einfacher als die mittels des 
Nachweises einer Erhöhung der Herzfrequenz nach einer Atropin¬ 
injektion. 

2. Mit Rücksicht auf den Angriffspunkt des die Extrasystolen 
auslösenden Reizes haben wir beim Menschen aurikuläre, atrio¬ 
ventrikuläre und ventrikuläre Elxtrasystolen zu unterscheiden. Die 
Diagnose des Angriffspunktes wird ermöglicht durch die gleich¬ 
zeitig mit der Verzeichnung des Arterienpulses bezw. Herzstosses 
vorgenommene graphische Aufnahme des Venenpulses, falls dieser 
ein Vorhofvenenpuls ist. 

Ventrikuläre Elztrasystolen können sich unter Umständen 
zwischen zwei normalen Systolen einschieben, ohne den bestehenden 
Rhythmus wesentlich zu stören (interpolierte Extrasystole). Mit¬ 
unter löst eine ventrikuläre Extrasystole rückläufig eine Vorhof¬ 
extrasystole (retrograde Extrasystole). 

Nach ^ering8 Erfahrungen sind die ventrikulären und atrio¬ 
ventrikulären Extrasystolen häufiger als die aurikulären. 

Dass die normalen Ursprungsreize unter Umständen als Extra¬ 
reize fungieren können, ist unwahrscheinlich. 

Was die Natur der Extrareize anbelangt, so gibt es sicher 
mechanische Extrareize. Wenn es bei Einwirkung chemischer 
Stoffe auf das Herz zu Extrasystolen kommt, so muss man bedenken, 
dass diese Stoffe auch die Anspruchsfähigkeit des Herzens erhöben 
können. Nach Herings Erfahrungen am künstlich durchströmten 
isolierten Sängetierherzen bedingen die Stoffe der Digitalisgruppe 
sowie das Calcium das Auftreten von Extrasystolen in ähnlicher 
Weise, wie dies die Erwärmimg des Herzens oder Akzeleransreizung 
tut, nämlich wesentlich durch Erhöhung der Ansprachsfähigkeit 
des Herzens. 

Auf nervösem Wege können Extrasystolen nur insofern zu¬ 
stande kommen, als die Erregung vasokonstriktorischer Nerven 
durch Erhöhung des Widerstandes für die Entleerung des linken 
Ventrikels zum Auftreten von Extrasystolen führen kann. 

Zwischen der kontinuierlichen Bigeminie und sporadischen 
Bigeminie besteht kein prinzipieller Unterschied. 

Das Auftreten zweier (Trigeminus) oder dreier (Quadrigeminus) 
oder einer ganzen Reihe von Extrasystolen unmittelbar nadiein- 
ander (extrasystolische Tachikardie) ist seltener zu beobachten. 

Die Angabe Mackenzies, bei drei FäUen von paroxysmaler 
Tachykardie Kammerveuenpuls beobachtet zu haben, scheint nicht 
hinreichend begründet. 

Die klinische Bedeutung der Extrasystole liegt weniger in 
der durch sie gesetzten Funktionsstörung, als vielmehr darin, dass 
sie bei gehäuftem Auftreten entweder eine grössere Wirksamkeit 
ihrer Ursache oder eine grössere Reizbarkeit des Herzens verrät. 
Ihre Kenntnis ist bedeutungsvoll, um Verwechslungen mit anderen 
Unregelmäßigkeiten zu vermeiden. 

. Dem Herzflimmem, bisher beim Menschen und am künstlich 
wiederbelebten Herzen beobachtet, kommt vielleicht insofern für 
die menschliche Pathologie eine Bedeutung zu, als man es nach 
den experimentellen Erfahrungen als möglich bezeichnen muss, 
dass mancher plötzliche Tod durch Herzlähmung durch Auftreten 
von Herzflimmem bedingt sein könnte. 


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1006. 


MEDtCIKISCHfi WOCHE. 


259 


3. Unter Pulsos irregularis perpetuus versteht Hering „den 
gewöhnlich andauernd unregelmäßigen Puls, welcher, ob das Herz 
raschör oder langsamer schlägt, immer prinzipiell gleichartig ist, 
nicht unter dem Einflass der Atmung entsteht und si<di weiterhin 
dadurch auszoichnet, dass kürzere oder längere Pulsperioden in 
solch unregelmäßiger Weise sich folgen, wie es bei keiner anderen 
Unregelmäßigkeit der Fall ist.** 

Bisher fand Hering den Puls. irreguL perpet. stets mit Eammer- 
venenpuls kompiniert, ein Umstand, der die vollständige Analyse 
dieser Herzunregelmäßigkeit verhindert. Es handelt sich beim 
Puls, irregul. perpet. wahrscheinlich ausser um Extrasystolen vor¬ 
wiegend um eine zeitlich abnorme Bildung der Ursprungsreize. 

Bei Erhöhung der Herzfrequenz nach Atropininjektion bleibt 
er bestehen und während tachykartischer Anfklle war der Puls, 
irregul. perpet. zwar schwächer ausgeprägt, aber immerhin noch 
deutlich nachweisbar. 

Bei an sich schon herabgesetzter, oder durch Digitalis ver¬ 
minderter Herzfrequenz erscheint der Puls, irregul. perpet. in prin¬ 
zipiell gleicher Form; nur pflegen im allgemeinen mehr lange als 
kurze Perioden vorhanden zu sein. 

Dass der Puls, irregul. poipet. sich bei Insufflzenz der Mitral¬ 
klappen ohne Insufflzenz der Trikuspidallklappen nicht beobachten 
lässt, liegt vermutlich darin, dass sich normalerweise nur im rechten 
Vorhoi die Ursprungsreize des Herzens entwickeln. 

(Fortsetzungf folgt.) 

35» Kongress der DetUschen OeseUschaft 
fütr CMntrgie» 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Bardenhener-Köln: Zur Behandlung der Ge¬ 
lenk f rakturen. 

Die Knochenfragmente unterliegen nach einer Fraktur der 
elastischen Retraktion der an ihnen ansetzenden Muskeln. Da 
diese in verschiedenen Richtungen wirken, so sei eine Extension 
in longitudinaler Richtung ungenügend. Er hält 4 Elxtensionsarten 
für notwendig: die laterale, die rotierende, die abhebende und die 
longitudinale. Wie diese verschiedenen Extensionsarten wirken, 
hat der Redner auf dem Projektionsabend an zahlreichen Licht¬ 
bildern demonstriert. 

ln seinem Vortrage rühmt er vor allem die günstige Wirkung 
der Extensionsbehandlung bei Schultergelenkbrüchen. Hier ge¬ 
stattet sie die Aufnahme einer g 3 rmnastischen Behandlung vom 
ersten Tage an, ohne dass hierdurch die Heiltmg der Fraktur so¬ 
wie des traumatisch entzündeten Gelenks gestört wird. Durch 
die frühzeitig eingeleitete Behandlimg werden alle Nachteile ver¬ 
mieden, welche die laugdauemde Fixierung eines Gelenkes im 
Gefolge hat. Die Resultate der Extensionsbehandlung bei den 
Schultergelenkbrüchen seien sehr gute und machten die blutige 
Naht der Fragmente überflüssig, die nur für die Fälle der Schalter¬ 
brüche in Betracht kämen, bei denen das intraartikuläre Fragment 
vollkommen umgedreht wäre, so dass die Knorpelfläche des Hu- 
meruskopfes gegen die Bruchfläche des distalen Fragments ge¬ 
wendet wäre. 

Hr. Lex er-Königsberg: Zur Behandlung der typischen 
Radiusfraktur. 

Die bisher l}evorzngten Methoden hätten den Nachteil, dass 
sie entweder das Handgelenk zu lange fixierten, oder dass sie, 
wie die Petersen’sche Methode, zu grosse Ansprüche an die 
Intelligenz der Patienten stellten. Er empfiehlt den Arm in 
staike Fronation und Flexion zu stellen und in dieser Stellung 
durch eine nach bestimmtem Prinzip angelegte Flauellbinde zu 
fixieren. Es genüge, diese Binde 5—7 Tage bei täglichem 
Wechsel anzulegen, dann .sei die Fraktur meistens genügend 
konsolidiert und könne dann mit Massage etc. weiterbebandelt 
werden. Demonstration des Verbandes. 

Hr. M. V. Brunn-Tübingen: Ueber das Schicksal des 
Silberdrahtes bei der offenen Naht der gebrochenen 
Patell a. 

V. B. hat aus dem Material der v. Brun’sehen Klinik 12 
Fälle von Kuiescheibenbrüchen, welche mit Silberdraht genäht 
worden waren, einer Nachuntersuchung unterzogen, um festzu¬ 


stellen, wie äoh im Laufe der Jahre der Silberdraht verändert. 
Es zeigte sich, dass er nur in einem einzigen Falle zur knöchernen 
Heilung geführt hatte, ohne zu zerbrechen oder aus den Bruch¬ 
stücken auszureissen. ln einem Falle war er aus den Bruchstücken 
ausgerissen, in allen übrigen Fällen zerrissen oder sogar meist in 
zahlreiche Teile zerbrochen. In drei Fällen waren Drahtstttcke 
ins Gelenk geraten und hatten sich hier zumeist entweder im 
hinteren Recess oder in der Umschlagfalte der Gelenkkapsel auf 
die Tibia abgelagert. Knöchern geheilt waren im ganzen drei 
Fälle, bei zwei weiteren Hess sich nur noch durch das Röntgen¬ 
bild eine minimale Diastase feststellen. In allen übrigen Fällen 
waren schon durch die äussere Untersuchung Diastasen nachweis¬ 
bar. Die Bruchstücke des Drahtes hatten in der Regel nicht zu 
einer Beeinträchtigung des Heilerfolges geführt. Inunerhin klagten 
eine Anzahl Patienten über stechende Schmerzen, darunter auch 
zwei von denen, welche Drahtstücke in ihrem Kniegelenk be¬ 
herbergten. Die volle Streckfähigkeit war nur bei einem sehr 
spät und wegen Refraktur genähten Falle bei gerissenen Drähten 
nicht wieder hergestellt, bei zwei anderen, die ebenfalls beträcht¬ 
liche Diastase aufwiesen, bestand eine Streckschwäche bei starker 
Belastung des Beines. Die Zerstückelung des Drahtes geschieht 
wahrscheinlich nicht durdi Zerreissen, sondern durch Zerbrechen. 

Di skussion. 

Hr. Krönlein-Zürich hat mit der Naht bei Kniescheiben¬ 
brüchen gelegentlich schlechte Erfahrungen gemacht und ist da¬ 
her wieder zu den unblutigen Methoden der Behandlung der 
Patellafrakturen zurückgekehrt. 

Hr. Lex er-Königsberg: Ueber die Cysten der langen 
Röhre nknoche n. 

Die Pathogenese dieser Geschwülste sei noch nicht geklärt; 
es gäbe eine Anzahl von Autoren, welche glaubten, dass es sich 
in diesen Fällen nicht um eine echte GeschwulstbUdung handle, 
dass vielmehr eine deformierende und destruierende Ostitis vor¬ 
liege. Redner berichtet über einen 14jährigen Knaben, bei dem 
nach längerer Zeit nach einer Kontusion eine Auftreibung des 
rechten Humerus auftrat. Lexer diagnostizierte eine Knochen- 
cyste. Er legte den Knochen frei; da derselbe sehr verdünnt 
war, wurde das erkrankte Stück in der Continuität reseziert. Der 
Defekt wurde durch ein Stück einer Fibula, das durch Amputation 
eines anderen gewonnen war, gedeckt. trat glatte Heilung 

ein. Die mikroskopische Untersuchung ergab, das in dem restier- 
enden Knochen an verschiedenen Stellen Knorpelinseln gefunden 
wurden. Daraus glaubt Lexer schliessen zu dürfen, dass es sich 
in seinem Falle um eine echte Geschwulst, und zwar um ein er¬ 
weichtes Chondrom gehandelt habe. 

(Fortsetzung folgt). 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Wirtschaftliche Fragen verschiedenster Natur haben in der 
jüngsten Zeit die ärztlichen Vereine und die ärztliche Presse 
beschäftigt. Vielfache Beachtung findet die Denkschrift, in welcher 
der Allgemeine Deutsche Knappschaftsverband zu den 
Forderungen der Aerzte Stellung nimmi Dieser Verband 
erstreckt sich über ganz Deutschland und umfasst mehr als 
700000 Zwangsversicherte mit deren Familien annähernd 1*/» Million 
kurberechtigte Personen. Begreiflich daher, dass es für die Aorzte- 
schaft von hohem Interesse war, die Anschauungen des Verbandes 
kennen zu lernen, zumal vor einiger Zeit wie wir auch in diesem 
Blatte erwähnt haben, im Reichstage durch die Vertreter der 
Bergarbeiter die freie Aerztewahl für diese gefordert worden war. 
Der Verband fasst seine Ansichten in folgende Sätze zusammen: 
Wir sind der Ansicht, dass die freie Aerztewahl im Sinne der 
organisierten Aerzte für die meisten Krankenkassen namentlich 
aber für die Knappschaftskassen undurchführbar ist, haben jedoch 
kein Interesse daran, ihre Einführung bei anderen Krankenkassen 
zu bekämpfen oder ihre Abschaffung bei denjenigen Kassen zu 
erstreben, welche sie bereits eingeführt haben; wir-,^haltenjdie 
Regelung der ärztlichen Leistungen nach den Mindestsätzen der 
staatlichen Gebührenordnungen für eine Unmöglichkeit, bringen 


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260 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 23. 


aber den Bestrebungen der Aerzte auf Verbesserung ihrer wirt¬ 
schaftlichen Lage an sich volles Verständnis entgegen; wir wider¬ 
streben der gesetzlichen Einführung sog. Vertragskommissionen; für 
einen derartigen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Kassen ist ein 
ausreichender Grund nicht gegeben. Es ist uns unmöglich, auf die 
Begründung dieser Stellungnahme hier näher einzugehen; wir wollen 
nur hervorheben, dass die Denkschrift teilweise von einer bedauerns¬ 
werten Unkenntnis der Vorgänge des letzten Jahrzehntes aber auch 
von einem erheblichen Mangel sozial-politischen Verständnisses zeugt. 
Denkschriften wie die hier vorliegende liefern unseres Erachtens den 
Gegnern der Selbstverwaltung der Kassen, die nicht gering an Zahl 
sind, geradezu Waffen in die Hand, 

Längst schon haben einsichtige SozialpoUtiker und Aerzte 
erkannt, dass zum Ausbau der Gewer behy giene eine dauernde 
und geregelte Mitwirkung der Aerzte bei derselben in selb¬ 
ständiger Stellung notwendig sei. Die Regierungen, namentlich 
die preussische, haben sich leider dieser Forderung gegenüber stets 
ablehnend verhalten. Nun hat die Kommission für Arbeiterhygiene 
des Aerztlichen Bezirksvereins München eine Reihe von Leitsätzen 
formuliert, die den bayrischen Ministerien unterbreitet worden sind 
und doch eventuell den Ausgangspunkt weiteren Vorgehens bilden 
dürften. l.>ie Leitsätze, welche sich mit der Ausbildung und der 
Arbeitstätigkeit des Gewerbearztes befassen, lauteten wie folgt: 

A. Ausbildung. 

1. Es ist erforderlich, dass der Gewerbearzt aus der Reihe 
der praktischen Aerzte gewählt wird, wobei eine mehrjährige 
kassenärztliche Tätigkeit unbedingt nachgewiesen werden muss. 

2. Es muss verlangt werden, dass der anzustellende Gewerbe- 
ai-zt mindestens 1 Semester an einem hygienischen Institute Vor¬ 
lesungen über Gewerbebyglene gehört und an praktischen hygienischen 
Kursen teilgenommen hat. 

3. Aerzte, die bereits wissenschaftlich-literarisch auf dem Ge¬ 
biete der Gewerbehygiene hervorgetreten sind, erhalten den Vorzug. 

4. Während der Ausbildungszeit soll den Kandidaten wenn 
möglich Gelegenheit geboten werden, Fabriken in Begleitung des 
Gewerbeaufsichtbeamten zwecks Orientierung zu besuchen. 

5. Es wäre zweckmäßig, wenn die Anstellung zunächst probe¬ 
weise auf 1 — 2 Jahre erfolgen würde. Während dieser Probezeit 
sollte der Gewerbearzt seine Ausbildung in technologischer und 
nationalökonomischer Beziehung vervollständigen. Die abgelieferten 
Berichte der Probezeit könnten als Maßstab für seine Beftlhigung 
gelten. 

6. Die weiter anzustellenden Gewerbeärzte sollen gehalten 
sein, bei dem bereits im Amte befindlichen '/,Jahr zu hospitieren. 

7. Wünschenswert wäre es, wenn in der Zukunft die Gewerbe¬ 
krankheiten einen besonderen Prüfungsgegenstand in der Prüfung 
pro physicatu bilden würden. 

B. Arbeitstätigkeit des definitiv angestellten Gewerbearztes. 

1. Hauptaufgabe des Gewerbearztes ist die selbständige 
Aufsicht über die Durchführung der in der Gewerbeordnung zum 
hygienischen Schutze der Arbeiter getroffenen Maßnahmen, 
insbesondere die Ueberwachung der Bestimmungen aus § 120a—e 
des Gewerbegesetzes einschliesslich derjenigen Vorschriften, die 
auf Grund des § 120e vom Bundesrate und anderen Verwaltungs¬ 
behörden erlassen sind, wie der die Wöchnerinnen (§ 137) und 
die jugendlichen Arbeiter (139a) und Kinder betreffenden Be¬ 
stimmungen. 

Soweit die vorhandenen Bestimmungen sich als nicht ausreichend 
erweisen, ist er berechtigt, auf Gnmd des vorzulegenden Materials 
in seinen Berichten Vorschläge zur Abänderung oder Erweiterung 
der bis jetzt geltenden Bestimmungen zu machen. 

2. Der Gewerbearzt hat das Recht, die Betriebe selbständig 
nach eigenem Ennessen zu besichtigen und dabei auch eine körper¬ 
liche Inspektion der Arbeiter, sofern .sie sich dazu bereit finden 
und die für eine solche Untersuchung üblichen Cautelen gewahrt 
bleiben, vorzunehmen. 

3. Er hat die Pflicht, auf Wunsch des Fabrikinspektors Be¬ 
triebe zu besichtigen und Gutachten zu erstatten. 

4. Für seine Aufsichtstätigkeit gelten die für den Gewerbe- 
aufsichtsbeamten ein.schlägigen Bestimmungen. Er ist verpflichtet, 
über seine Beobachtungen an den Fabrikinspektor zu berichten. 


Der Jahresbericht des Gewerbearztes hat als Anhang des 
allgemeinen Jahresberichtes gesondert zu erscheinen. 

5. Zu wichtigen Untersuchungen, die einen besonderen wissen¬ 
schaftlichen Apparat erfordern, ist er befugt, die Hilfe der dafür 
geeigneten staatJichen Untersuchungsstellen in Anspruch zu nehmen. 

6 . Da bei den vorgesehenen Aufgaben jede weitere ärztliche 
Tätigkeit als prak. Arzt in Wegfall kommen muss und damit alle 
die daraus resultierenden Einnahmen entfallen, andererseits nur 
Aerzte mit mehrjähriger praktischer Tätigkeit für die Stellung 
in Betracht kommen, so werden voraussichtlich nur dann geeignete 
Persönlichkeiten gewonnen werden, wenn das Jahresgehalt auf ein 
Anfangsgehalt von 6000 M. mit entsprechender Pensionsberechtigung 
bei definitiver Anstellung normiert wird. 

Vielfach geklagt wird über die wirtschaftliche Lage der 
Schiffsärzte, die bei der deutschen Handelsflotte wesentlich 
schlechter gestellt sind als bei anderen Nationen. Namentlidi 
wird übel vermerkt, dass einzelne Gesellschaften den Schiffsärzten 
neuerdings verboten haben, bei Kajütenpassagieren extra zu liqui¬ 
dieren, was uns allerdings auch nicht ganz eiuwandsfrei scheint. 
Der angenblickliche Moment wird für günstig gehalten, um die 
Lage der Schiffsärzte zu bessern, da gegenwärtig in Folge der 
Einführung des praktischen Jahres die Zahl der sich für diesen 
Dienst meldenden Gollegen eine kaum ausreichende ist. Auch 
wird angestrebt, die ganze Vermittlung der Schiffsarztstellen dem 
Leipziger Verbände zu übertragen. Auf dessen demnächstiger 
Generalversammlung in Halle soll die Angelegenheit zur Beratung 
kommen. 

Unnütz viel Staub aufgewirbelt wird unseres Erachtens durch 
eine langatmige Erörterung über die Honorierung der von 
reisenden Aerzten erteilten Hilfe. Es ist zweifellos zu 
verurteilen, wenn ein Arzt auf 'seiner Erholungsreise Praxis aas¬ 
zuüben sucht und dadurch die angesessenen CoUegen schädigt, 
dieser Fall wird wohl aber höchst selten eintreten, denn welcher 
Arzt wäre nicht froh, einige Wochen des Jahres wenigstens gar- 
nichts von Patienten zu sehen und von Praxis zu hören? Nun 
kommt es aber auch häufig vor, dass Aerzte sich an Orten aufbalten, 
wo angesessene CoUegen schwer oder gamicht zu erreichen sind, 
wo der einzige ansässige Arzt sei es mit Recht oder mit Unrecht 
das Vertrauen der Bevölkerung und der Kurgäste nicht geniesat 
oder sich verscherzt hat, es tritt namentlich oft im Auslande der 
Fall eiu, dass dort sich aufhaltende Deutsche begründete Veran- 
lassnng haben, sich von ihrem Landsmann beraten zu sehen. In 
all den vorgenannten Fällen ist der reisende Arzt zweifellos berech¬ 
tigt, Honorar zu fordern resp. anzuuehmen; Arbeit und Verantwortung 
olme Gegenleistung zu übernehmen, dazu liegt gar kein Grund 
vor; zu solcher niemals sehr angenehmen und oft undankbaren' 
Tätigkeit drängen wird sich wahrlich kein CoUege. 

Als eine wirtschaftliche Frage möchten wir es auch betrachten, 
wenn sich neuerdings die Aerzte vielfach mit den Modalitäten der 
Verleihung des Sanitätsratstitels beschäftigen. Es wird 
gerügt, dass absolut nicht zu ersehen ist, nach welchen Normen 
dieser Titel verliehen wird, und gefordert, dass ebenso wie bei 
Richtern und Rechtsanwälten mit der Verleihung des Alterstitels 
streng nach der Anciennität verfahren wird. Diese Forderung er¬ 
scheint uns durchaus berechtigt, so lange man sich nicht entschliessen 
kann, überhaupt die Abschaffung dieser Titel zu verlangen. So 
gut es in anderen deutschen Bundesstaaten mit dem einfachen 
Doktor geht, könnte es auch bei uns der Fall sein. Leider aber 
dürften sich wohl die preussischen Aerztekammem, in welchen ja 
die betitelten Herren die Majorität haben, zu einem solchen radi¬ 
kalen Vorgehen kaum entschliessen. 


Vermischtes. 

FrBiburg (Schweiz). Der Grosse Rat bat einen Kredit von 
110000 Fr. bewilligt für Errichtung einer Augenheilanstalt. Die 
Kosten sind auf 300 000 Fr. veranschlagt. Zwei Drittel davon 
werden durch eine Gesellschaft gedeckt, die ein Kapital von 
150000 Fr. besitzt. Die Augenklinik soll den Anfang bilden zur 
Schöpfung einer Fakult«ät der Medicin. 


VerauiwortUcher Redakteur: Dr. P. Meissner, BerlinW. Kurfürstenstr. 81. — Verlaj; ^on Carl Marhold, Halle a. S. 

Ontek TOn der HejmeBann'tcben Bncbdruckerei, Gebt Wolff, Halle a.S. 


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Medicinische Woche 


Dcatsehmana, A. DBbrssen« A. Hotfa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg 1. Bt. 

H. Senator* R. Sommer* 

Berlin. Glessen. 


Herausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppen* K. Partscb, H. Rosln, H. Schlange. 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricbt, A. Vosslas* 

Magdeburg. Glessen. 


1 

Verlag und Expedition 

Carl Marhold in Halle a* 5*« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Redaktion: 

Berlin W* 62* KarfCrstenstrasse 81* 

Dr. P Meißner. 







Vn. Jahi^ang. 

11. Juni 1906. 

Nr. 24. 


Die .Medicinische Woche* erscheint Jeden Montag mit der Utigigen Beilage BalnCOlOgiSChe Centralzeltung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bfiderverbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 2S PI. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a. S. entgegen. Inserate werden fUr 
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit SO Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezellc 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmlSIgung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Cellotropiii (Monobenzoylarbutin) 
als Tuberkulosenheilinittel. 

Von Med. univ. Dr. Wilhelm Meithner, 
Distriktarzt in Wostitz (Mähren). 

(Fortsetzung.) 

Das ist leider der Typus der wahnsinnigen Dummheit, die 
am Lande die erdrückende Mehrheit der anscheinend oder auch 
ersichtlich heilbaren Tuberkulosekranken dennoch in Bälde dem 
verderblichen Ende zuführt, eine Dummheit, an der alle Ver> 
suche mit Volksheilstätten für die „Tuberkulose im Volke“ 
etwas auszurichten, eitel scheitern werden und scheitern müssen, 
es wäre denn, dass die Ausgangstüre aus dem Volksheilstätten¬ 
heim die Eingangstüre zu einem unter Bewachung stehenden 
Versoi^ngsheime für Tuberkulöse aus dem Volke wäre. 

me oftmals und wie lange im einzelnen derartige ver- 
hän^svolle Irrungen von der Franken begangen wurden, das 
erfahrt kein Arzt, auch von der Umgebung nicht. Schliesslich 
gewöhnt man sichs ab, darnach zu fragen. Am 20. August 
morgens wurde ich eilig zur Kranken gerufen, bei der nachts 
heftigesSeitenstechen au^etreten war. Rechts lateral pleuritisches 
Reiben, Fieber; bald ^udatbildung. Langsam, in Wochen 
saugt sich das Exndat auf, aber unter Fieber bleibt besonders 
rechts oben eine neuerlich verbreiterte Dämpfnn^szone, mit 
Bronchialatmen, hellem Rasseln und allen Erscheinungen des 
Wiederaufflammens der Tuberkulose. Herbstzeit; kühl, nass. 
Die Kranke liegt in der Küche, in der auch fürs Vieh gekocht 
wird; jede Ausrede ist gut genug sie dort zu halten und nicht 
ins Zimmer zu betten; im November Exitus lethalis. 

Also auch in diesem Falle, bei jener Form des manifesten 
Tuberknloseanfanges, der — wenigstens nach meiner eigenen 
Erfahrung — promostisch am ungünstigsten zu beurteilen ist, 
wenn die ersten Tnberkulosesymptome im unmittelbaren An¬ 
schlüsse an aknt-febrile Erkrankungen des Respirationstraktes 
manifest werden, die Tuberkulose also nicht eigentlich als 
primäre Erkrankung sondern als ausgelöste erscheint, die dann 
meist subakuten Verlauf mit ungünstigem Ende nimmt: also 
auch in diesem Falle bat das Cellotropin nach 3 Monaten 
Entfieberung bewirkt, Stillstand des Prozesses erzielt, Beschrän¬ 
kung und Aufhellung des Dämpfnngsgebietes beobachten lassen, 
unter Verringerung des Hustens una des Auswurfes und gleich¬ 
zeitiger Sistierung der Nachtschweise. Subjektiv und objektiv 
war die gewaltige Umänderung des Allgemeinbefindens kennt¬ 
lich und mikroskopisch zweifellos eine bedeutende Abnahme 
der Tuberkelbazillen festzustellen. 

Es ist eigentlich eigenartig, dass Besprechungen von Tuber¬ 
kuloseheilpräparaten sich so selten mit Beobachtungen des 


Sputum in Bezug auf den Bazillengehalt befassen und weit 
mehr nur mit der Beeinflussung der anderen subjektiven und 
objektiven Krankheitssymptome, zweifellos auf Grund des in¬ 
vertierten Satzes: cessante effectu cessavit et causa, in meinem 
Falle soweit zutreffend, dass die Juli-Augustpräparate eine 
entschiedene Abnahme der Bazillen aufwiesen: aber Bazillen 
waren stets darin. 

In dieser Hinsicht waren andere Beobachter, die oft in 
kurzer Frist bazillenfroie Sputa erlangten, so z. B. schon 
Kapp (1. c.), weit glücklicher, vielleicht auch deshalb, weil 
ich eben nur in diesem einzigen schweren Falle systematisch 
auf Tuberkelbazillen untersucht, nachdem einmal durch die 
erste diagnostische Untersuchung der Grund gelegt war und 
weil das Sputum stets leicht zu beschaffen war. Bei dem vor¬ 
her besprochenen Knaben dagegen war, sobald er einmal am¬ 
bulant wurde, trotz mehrfacher Versuche ein brauchbares 
Sputum nicht mehr zu erhalten. 

Kapp sah wiederholt bei Patienten, selbst mit ursprüng¬ 
lich bazillenreichem Sputum, in nur mehrwöchentlicher Frist 
die Sputa bazillenfrei werden. Dr. Wessling-Pinne sah einen 
Kranken, der, seit mehreren Jahren leidend, erfolglos in einer 
Volksheilstätte und auch in Gröbersdorf gewesen war, erfolglos 
mit Zimmteäure, Sauerstoff, Tuberkuloalbuniin etc. behandelt 
wurde. Auf Cellotropin allmählich in Monaten vollständiges 
Verschwinden der Tuberkelbazillen aus dem Sputum. Auch 
bei einem zweiten Fall von chronischer Tuberkulose sah Wess- 
ling das Verschwinden -der Tuberkelbazillen. Die Volksheil- 
stätte in Loslau, O.-S., hat in langer Verwendungszeit stets 
sehr zufriedenstellende und günstige Erfolge vom Cellotropin 
beobachtet. 

Einen günstigen Erfolg in Bezug auf die krankhaften 
Lungenerscheiuungen und die daraus hervorgegangeoen Symp¬ 
tome habe ich auch bei einem 18jährigen Dorfburschen beob¬ 
achtet. Im Herbste 1904, etwa getrennt durch anderthalb 
Monate von der einen Genesung zur anderen Erkrankung, 
zuerst linksseitige, dann rechtsseitige pleuritisch-exudative Er¬ 
krankung. Soweit sich nachweisen lässt, jedesmal völlige 
Rückbildung des Exudates. Nach einigen Wochen, um die 
Weihnachtszeit, bei dem gracilen, hochgradig abgemagerten 
Patienten abendliche Temperatiirsteigerungen, Husten, Nacht- 
schweiss. Auskultatorisch, in den Spitzen unbestimmtes Atmen, 
angedeutetes Exspirium, einzelne Rasselgeräusche; keine nach¬ 
weisbaren Dämpfungsherde, sicher keine neue Exudation. Auf 
Cellotropin verschwindet in 14 Tagen das Fieber, es legt sich 
der Husten bald; Auskultation wie Perkussion ergeben normale 
Verhältnisse. Die wirkliche Genesung bleibt aus. Bei stets 
normalem Lungenbefunde treten, aber wieder erst nach Wochen, 
Schmerzen in der r. Fossa illiaca auf, später Erscheinungen 
eines Beckenabscessdurchbruches in den Darm, im April Exitus 
an Marasmus, ohne dass es jemals noch zu Lungenersebei- 
nungen gekommen wäre. Ich glaube nun mich niciit geirrt 
zu haben, wenn ich die von abendlichen Fiebererscheinungeu 


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262 


MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 24. 


und Nacbtschweissen begleiteten Lungensymptome bei dem 
gracilen, hereditär belasteten Burschen als Initialstadium einer 
Tuberkuloseinfektion deutete, die, von Cellotropin günstig be¬ 
einflusst, in einer Wochenreihe derartig eliminiert wurde, dass 
sie bis zu dem allerdings nicht viel mehr als 2 Monate darauf 
an anderweitigen Nachkrankheiten der pleuritischen Exudate 
erfolgten Tode ohne rezidivierende Symptome blieb, — objek¬ 
tiv ^soluk normaler Lungenbefund, subjektiv sozusagen auch 
nicht eine Spur von Husten. 

Gegenüber der günstigen Beeinflussung der tuberkulösen 
Infektion in den gescnilderten 4 Fällen, von denen wohl jeder 
einzelne sofort als sehr ernste Infektion und Erkrankung an¬ 
zusehen war, habe ich zwei Beobachtungen, bei denen Cello¬ 
tropin sich nicht wirksam erwies, soweit man nach dem Exitus 
urteilen kann. Beide Fälle, ein 19jähriger Bursche und ein 
24 jähriges Mädchen, waren von jener Art, die, wie ich schon 
früher bemerkt, nach meiner Erfahrung a priori prognostisch 
ungünstig liegen, die erste Manifestation der Tuberkulose¬ 
erscheinungen im nmittelbaren Anschlüsse an akute Erkran¬ 
kungen der Lunge. In beiden Fällen lag zwischen dem Krank¬ 
heitsausbruch und dem Exitus lethalis kaum eine zwei- be¬ 
ziehungsweise dreimonatliche Frist. Innerhalb dieser akutes 
Fortscliieiten der linfiltration, rasche Cavemenbildung — akute 
Phthyse. Wenn der Verlauf der Tuberkulose von der Schwere 
der Infektion abhängig ist, was ich übrigens nicht glaube, 
sondern weit mehr an individuell prädisponierende Momente, 
und wenn die schwere Infektion den akuten Verlauf bedingt; 
gegen die akut, verlaufende Tuberkulose hat sich mir Cello¬ 
tropin unwirksam erwiesen. Allerdings bin ich damals noch 
nicht über 3 g pro die hinausgegangen. 

In später Zelt habe ich das Cellotropin oft wochenlang 
in Tugesdosen von 5 g nehmen lassen. Abgesehen von den 
allerersten Tagen, in denen ich eventueller Nebenwirkung 
wegen — die ich allerdings bisher auch bei den 5 g-Dosen 
nie beobachtet habe — von 3 g ansteige, gehe ich derzeit 
beim Erwachsenen unter 4 g pro die nicht herab und reiche 
dem Vollerwachsenen meist 5 g. An diese Dosen halte ich 
mich auch bei ambulanten, af^rilen Tuberkulotikem, deren 
Spitzenkatarrhe ich in zwei Fällen in kurzer Zeit mächtig be¬ 
einflusst sah, beide gegen die Herbstzeit zu, wo der helfende 
Faktor „Landluft“ für die Besserung kaum mehr in Betracht 
kam. In dem einen Falle, Frau, Mutter zweier Kinder, Mattig¬ 
keit, Appetenzabnahme, Gewichtsverlust, Körperschwund (die 
Kleider werden zu weit), Nachtschweisse und Husten. Objektiv 
r. o. h. wenig, r. o. v. knapp unter der Clavicula, inneres Drittel, 
deutlicher Dämpfungshera, darüber Atem sehr unbestimmt 


Feuilleton. 


StaEdeselire der Aerzte vor 100 .Jahren. 

Von Dr. E. Roth. 

(Schluss.) 

Vornehme und berühmte medicos zu Zeuge seiner Raisonne- 
ments zuziehen, kann bev vielen einen sonderlichen Eclat 
macken, zumahl wenn geoachte medici noch am Leben und 
aber von einer weniger zweiffelhaften Renommee sind, als die 
bereits Verstorbenen. . . . 

Weiss man eine oder die ansehnliche Historie von ihrer 
Praxi zu erzehlen, dass man einen Assistenten oder kuriosen 
Zuschauer abgegeben hat, so wird die Präsumption um ein 
vieles, und zwar um soviel grösser werden, um wieviel 
vorteilhaffter und plausibler man die Erzehlung von erwehnten 
Concursen erudito einrichten kan. . . . 

Hat man einen dergleichen renommirten präceptorem in arte 
selbst gehabt, oder man ist bey einem berühmten practico im 
Hause oder am Tische gewesen, so lässt es sich nicht unvor- 
theilhafftig, wenn man seine gelehrten scripta facta bey alller 
möglichen Gelegenheit citiret, ihn dabey allemahl mit einem 
besonderen elogio allegiret und zum mindesten einen medicum 
priucipem, atlantem orbis medici, communemnium om medi- 


Exspir. Deutlich hörbar, wenig Rasseln. Sonst in den Spitzen 
verschärftes Atmen. Nach 3 Wochen ist auf Cellotropin — 
ohne jedes Opiat — der Husten „ganz weg“, die Nachtschweisse 
verlieren sich, Allmählich Appetenzbesserung, leichte Gewichts¬ 
zunahme. Nach 10 Wochen, da Cellotropin ausgesetzt wird, 
ist keine Spur des .Dämpfungsherdes und keine Spur von 
Husten. Ähnlich nimmt auch im zweiten Falle, Mann, 28 
Jahre, der Husten rasch ab, ebenso die Nachtschweisse. In 
2 Monaten 4 kg Gewichtsgewinn und das Aussehen wesentlich 
geändert. 

Erkrankungsfälle von der Art der beiden letzt geschilderten, 
zu chronischem Verlaufe einsetzende, afebrile Tuberkulose, die 
ja naturgemäß der Therapie noch am leichtesten, raschesten 
und sichersten zugänglich sind, mögen es sein, die die Grund¬ 
lage bilden für die raschen und überaus günstigen Berichte, 
mit denen die Cellotropinwirkung von einzelnen Beobachtern 
gerühmt wird. So konstatiert Dr. Bohn-Albishein rasch 
eine Besserung seiner Patientin, die an beginnender Tuberku¬ 
lose litt. Dr. Zo6 pfel-Wiesbaden ist bald mit dem Erfolge 
des Cellotropin bei seiner poliklinisch behandelten Patientin 
„sehr zufrieden“. Dozent Dr. Curschmaun-Giessen sieht 
bald eine Besserung verschiedener Symptome bei einem Falle 
von rezidivierender Tuberkulose. Dr. Banger-Trier berichtet 
über erfolgreiche Cellotropinbehandlung bei „fünf mehr oder 
weniger weit fortgeschrittenen Tuberkulosen“. Ebenso Fischer- 
Meissen. 

Für Initialfälle afebriler Tuberkulose kann ich eben auch 
das Rasche und Schnelle des Effektes hervorheben; bei febriler 
Tuberkulose lehrte mich die Erfahrung Geduld, die Geduld 
aber wird mit Cellotropin seltener enttäuscht werden. 

Fasse ich nun vorläufig die Ergebnisse meiner in mehr als 
Jahresfrist gemachten Beobachtungen über die Cellolropinwir- 
kung zusammen, so kann ich sagen: 

1. Cellotropin hat die Fähigkeit, auf Tuberkuloseerkran¬ 
kungen in günstiger Weise einzuwirken. Dabei erwies sich 
Cellotropin, soweit mir bekannt ist, noch allen Beobachtern 
frei von jeder Nebenwirkung. Auch Monate hindurch in Dosen 
bis zu 5 g pro die genommen ist es ohne jeden schädigenden 
Einfluss auf Appetenz, Verdauung, Stuhl und sonstiges All¬ 
gemeinbefinden. 

2. Die günstige Einwirkung des Cellotropin wird um so 
früher ersichtlich, je milder die die Erkrankung begleitenden 
Symptome sich darbieton. Afebrile Spitzeokatarrhe mit geringen 
Dämpfungsherden können in wenigen Monaten der Heilung 
zugeführt werden. Fieberlos verlaufende Infektionen liegen 


corum parentem und was dergleichen ist, nennet . . . und was 
man bey andern als eine Prahlerey ansiehet, kann von einem 
gelehrten medico unter die bei ihm so nöthige als angenehme 
Experientz verstecket werden. . Wie schöne lässt es nicht, wenn 
anstatt der Rose vom heiligen Feuer, an Stelle des Krampfes 
vom Kriebel, anstatt der fallenden Sucht von den hinfallenden 
Siechtagen, anstatt der gelben Sucht von der gelben Farbsucht 
oder Gwbsucht geschrieben wird ? . . . 

Ist ein Patient einer weichlichen Natur, oder will aus 
anderen Ursachen mit Gewalt kräncker seyn als er ist, so kann 
sich ein medicus in nicht geringen Credit bey ihm setzen, wenn 
er die Grösse und Gefahr der Kranckheit nach seinem Sinn 
herausstreichet, ihm recht giebt, dass er über Schmerzen klaget, 
ja sich wundert, dass er deren nicht noch mehr fühlet, ihm 
dahero einige Hoffnung zum Leben unter seiner guten Fürsorge, 
die nicht minder gross als die Kranckheit sein müsse, machet, 
und was für gelehrte Charlatanerie mehr in dergleichen Fällen 
mag können erdacht werden. . . . 

Arme Krancke, oder dergleichen kränckliche Personen, denen, 
wo nicht alle Leute, doch die Umstehenden und Freunde, gerne 
alle Augenblicke den Himmel für die Erde gönnen, allsobald 
als unheilbar auszuschroyen und ihnen entweder alle Hülffe zu 
versagen oder doch die benöthigte zu entziehen, ist zwar von 
keinem Medico für Gott zu verantworten. Allein, weil man 
sich dadurch nicht nur bei nutzbaren Gesunden msiuuiret, son¬ 
dern auch zuweilen, ab denegatum auxilium des gleich anfangs 


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1906. 


MBDIOSOSCHE 


263 


der Eiawirknng weit günstiger als solche, bei denen Fieber- 
erscheintingen schon bestehen. 

3. Aber auch schon mit Fiebererscheinungen komplizierte 
Tuberkulosen sind dem günstigen Einflüsse des Cellotropin 
unterworfen, wenngleich erst in längerer Frist. 

4. Akut ■verlaufende Infektionen, die rasch zu Gewebszer¬ 
fall und Cavemenbildung führen, beeinflusst CeUotropin an¬ 
scheinend nicht. 

5. Die CeUotropinwirkung beruht sicher nicht auf primärer 
Appetenzsteigerung und ebensowenig auf schleimlösender oder 
expektorierender Wirkung. 

6 . Somit scheint die CeUotropinwirkung — entsprechend 
der klinischen Beobachtung des primären Verschwindens der 
Tuberkelbazillen aus dem Sputum und entsprechend den Er¬ 
gebnissen des Tierexperimentes — ausschbesslich oder vor- 
■wiegend auf einem für die Tuberkelbazillen deletären Einflüsse 
zu oeruhen. Abnahme des Hustens, der Sekretion und der 
N^htschweisse, Zunahme der Appetenz und des Körperge¬ 
wichtes und die Besserung des Allgemeinbefindens sind nur 
sekundäre Folgen der anderweitigen Cellotropin-wirkung. 

(Schluss folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

GeseUaclutfi. für G^nMrtah&ffe und Gynäfaologie* 

Sitzung vom 11. Mai 1906. 

Vorsitzender: Herr Olshausen. 

Nachruf des Vorsitzenden für Emannel. 

Demonstration: 

Herr Palm: Patientin mit Defectus uteri. 

Bei der 22jährig6n Patientin fehlen Vagina, Uterus und 
Tuben vollständig, Blase und Rektum liegen unmittelbar aufein¬ 
ander, an Stelle der Ovarien sind 2 erbsen- bis bohnengrosse harte 
Körper zu fühlen. Aeussere Genitalien normal, Introitus vaginae 
durch eine einstülpbare Membran verschlossen, Harnröhre verläuft 
stark nach hinten. Linksseitiger Leistenbruch. 

Das sonst gut entwickelte Mädchen zeigt ausgesprochen weib¬ 
lichen Habitus, empfindet sexuell normal, und übt auch seit längerer 
Zeit den Gositus mit Befriedigung aus; sie kam zum Arzt, weil sie 
sich sogar für schwanger hielt. Seit dem 17. Lebensjahre vier- 
wöchentlich ausstrahlende Kreuzschmerzen, in den ersten 3 Jahren 


gestellte praesaginm eines gewissen Todes zu der praesagientis 
grossem Ruhme eintrifft; fehlet es auch an dergleichen medi- 
cinischen Charlatans nicht, die in diesem Fall Gott und Ge¬ 
wissen ihrer eigenen Ehre nachsetzen. . . 1 Um wieviel Grad 
ein gelehrter Indiens, der im Uringlase den ganzen Lebenslauf 
der Patienten erblicken, oder aus dem gelassenen Blute ihre 
ganze innere Beschaffenheit lesen will, von einem gemeinen 
Quacksalber differire, weiss ich eben nicht zu determimren; so¬ 
viel weiss ich aber gewiss, dass er ihm sehr nahe verwandt 
ist. . . . 

Einen bereits genesenen Patienten gleichwohl noch fleissige 
Visiten geben, mit grosser Weitläuffigkeit zur wiedererlangten 
Gesundheit gratulieren und dabey seme viele und grosse Mühe 
und Behutsamkeit, welche bey dieser verzweifelten bösen Kranck- 
heit vom Anfänge bis zum glücklichen Ende von nöthen gewesen, 
fein offt erinnern: ist, glaiK)e ich eine gelehrte Charlatanerie.... 
Ein Charlatan muss entweder ohn Noth von seiner Schuldig¬ 
keit viel Redens machen oder mit Dingen viel prahlen, die 
niemals wahr sind. . — 

Am allerschlimmsten ist ein rechtschaffener Medicus daran 
wenn er mit einem dergleichen socio für ein Kranckenbette 
concurriret. Denn lasset er ihm allein in der Cur den Willen, 
so leidet der Patiente, oder der adjungirte medicus muss sich 
bey Gelegenheit als einen unnützen unwissenden Jaherrn aus¬ 
tragen lassen. Lässet er ihm nicht den Willen, sondern will 
entweder den Patienten besser rathen oder durch Fürschlagung 


gleichzeitig Blutungen ans dem Mnnde. Seit dem Aufhören der 
Blutungen stärkere Schmerzen, die solange sistierten, als sie sich 
schwanger glaubte. 

Diskussion: Herr Bumm fragt, ob nicht zur Verbesserung 
der Gohabitationsmöglichkeit eine Plastik in Aussicht genommen sei. 

Herr Palm hält dieselbe nicht für notwendig, da Patientin 
bisher zufrieden war. 

Herr Bumm: Die Frage ist vom operativen Standpunkt aus 
interessant. Die Kanalbildung ist in derartigen Fällen sehr leicht, 
die Epithelialisierung des Kanales sehr schwierig. Er bittet Herrn 
Mackenrodt, der 2 mit Erfolg operierte Fälle beschrieben hat, 
um nähere Angaben über sein Verfahren. 

Herr Mackenrodt schildert sein Vorgehen in den beiden 
Fällen, Die Epithelialisierung ist durch Transplantation kleiner 
von einem frisch operierten Prolaps gewonnenen Hautstückchen, 
die au einem Fadennetz befestigt wurden, gelungen, 

Herr Bumm hat bei gleichem Vorgehen bisher nur Misser¬ 
folge erlebt. 

Herr Saniter schlägt vor, die Epithelialieiernng ev. in der 
Weise zu versuchen, dass man schmale lange Hautstreifen an der 
vorderen Gircumferenz des Kanales annäht imd durch Tamponade 
an die Wundfläche angedrüc^t hält. 

Herr Strassmann macht auf das bei derartigen Defekten 
häufig gleichzeitig beobachtete Vorkommen von Hernien aufmerk¬ 
sam. 

Diskussion zum Vortrag des Herrn Knorr: Zur Diagnose und 
Therapie der Gonorrhoe. 

Herr Stöckel: Die Diagnose der Urethritis gonorrhoica ist 
häufig sehr xmgenau. Nicht jeder Tropfen Sekret aus der Urethra 
ist pathologisch, oft ist es das Sekret der Skeue'sehen Drüsen. 
Nicht jeder chronische Urethritis ist gonorrhoisch; Staphylococcen, 
Streptococcen und Bakterium Goli, die immer in der Harnröhre 
zu finden sind, können auch die Entzündung erregen. 

Spontane Assendenz der Gonococcen auf die Blasenschleimhaut 
ist sicher selten, wenn man nicht zu früh lokal instrumentell 
behandelt. Daher universelle gonorrhoische Gystitis sehr selten, 
noch seltener die Pyelitis. Auch die häufige Gystitis ooUi braucht 
nicht immer gonorrhoisch zu sein, häufig sind auch hier Mischin¬ 
fektionen die Ursache. 

Mit der Cysteskopie kann bei Gonorrhoe sicher sehr viel ge¬ 
schadet und wenig genützt werden. Pyelitis wird oft mit ein¬ 
facher Bakteriurie verwechselt Therapeutisch in äusserste 
Zurückhaltung ratsam. Bei akuter Urethritis zunächst interne 
Behandlung — am besten mit Gonosan —, erst später Gosal mit 
10%igea Protargolinjektionen. 


einiger medicamentorum symbolizantium zeigen, dass er auch 
was geleraet habe, so muss er seine Artzneyen und Artzney- 
kunst auch wohl in Gegenwart der Patienten heruntergemachet 
sehen, er wehre sich, so gut er wolle. . . . 

Ich sa^ mit Fleiss, dass ein angehender Medicus in vielen 
Fällen für Uollegen in acht nehmen muss, denn ausser dem, 
dass die medici überhaupt solennis invidiae avaritiae et de- 
tractionis maclua notiret sind, so hat man sich vor den älteren 
insgemein einer grossen Unleidlichkeit zu versehen, wenn man 
ihnen in Dingen, damit man sich beym Publico insinuiren kann, 
vorgreiffen will. . . . 

Am allermeisten mag ein medicus den andern bey dem 
Patienten in gäntzliche Verachtung zu bringen,-wenn er den¬ 
selben adiungiret oder substituiret wird. Denn der erste medicus 
muss nicht nur die confidence der Patienten mit ihm teilen, 
sondern auch leiden, dass die Ursache solcher Theilung von 
ihm justifleiret, und derKrancke dadurch imm er mehr vom erstea 
medico abalieniret, auch selber endlich honorifice abgedanckt 
■wird. ... 

Kein medicus sollte des anderen Medikamente als zu starck 
oder zu gelinde verwerffen, wenn sie dem morbo adäquat 
wären, sondern nur befundenen Umständen nach zu einer 
kleineren oder grösseren Dosi rathen. ... 

Noch übler steht es einem medico an, seine Gollegeo oder 
antecessoris Nachlässigkeit in Adhibirung solcher Hülffsmittel 
zu taxiren, welche mehr um guter Intention der Krancken' 


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264 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 24. 


Bei Cystitis colli sind Aetzungen mit 6—10%igen Argent. 
nitr. Ldsangen empfeUenswert. Die Curettage der Blase ist nur 
sehr selten indiziert. 

Herr Olshausen macht darauf aufmerksam, dass sich die 
Pyelitis durch die Kcmbination von Fieber mit Druckempfindlich¬ 
keit der Niere sicher gegenüber der Bakteriurie kenntlich macht. 
Therapeutisch empfiehlt er bei Pyelitis Acrek. benzoic. in Dosen 
von 2—9 g pro die. 

Herr Hüllerheim bestätigt, dass es cystoskopisch kein 
charakteristisches Bild für gonorrhoische Cystitis gibt. Wichtig 
kann die Cysteskopie für die Diagnose der seltenen und schwer 
zu erkennenden gonorrhoischen Pyelitis werden. Er teilt einen 
Fall aus seiner Praxis mit, in dem er nach der Operation einer 
gonorrhoischen Pyosalpinx infolge Verletzung oder späterer Ne¬ 
krose des Ureters eine assendierende gonorrhoische Pyelitis und 
Pyelonephritis gesehen hat. 

Herr Bumm hat eine reine echte Pyelitis gonorrhoica ge¬ 
sehen. Oft ifct die mikroskopische Difierentialdiagnose gegenüber 
intracellvllären Staphylococcen recht schwierig. 

Herr Bröse, Müllerheim, Stöckel, Knorr (Schluss¬ 
wort). 

Herr Olshausen: Zur Gonglutinatio oris uteri. 

V. Bardeleben hat im vorigen Jahre 2 Fälle, ein sogen. 
Gonglutinatio oris uteri beschrieben und zu deren Erklärung die 
gleichzeitig bestehende Eiüberfüllung herangezogen in dem Sinne, 
dass die prall gespannte Eiblase nicht erweiternd auf den äusseren 
Muttermund wirken könne. Olshausen hält diese Deutung nicht 
für richtig, da der erste Teil der Erweiterung des Muttermundes ganz 
unabhängig von der Eiblase vor sich geht. Er glaubt vielmehr, 
dass es sich in diesen beiden Fällen um eine echte Conglutinato 
oris uteri gehandelt habe. Diese tritt fast ausschliesslich bei 
Primiparen auf und ist folgendermaßen charakterisiert. Portio und 
Mundermund sind gewöhnlich gamicht oder nur sehr schwer zu 
finden. Da.s untere Uterinsegment ist aufs äusserste gespannt 
und nach imten gedrückt, sodass man oft die Fruchtblase vor sich 
zu haben glaubt. Nach Einfuhren einer Sonde in den Mutter¬ 
mund rapide Erweiterung derselben. Die Ursache ist wahrschein¬ 
lich eine echte Verklebung. Der in der Oravidät sehr stark ent¬ 
wickelte imd zu zäher Konsistenz eingedickte Cervicalschleimpropf, 
der meist ausgestossen wird, bleibt in einzelnen Fällen bestehen 
und bewirkt dann die Verklebung des an sich schon engen Mutter¬ 
mundes der Primiparen. 

Diskussion: v. Bardeleben konnte in seinen Fällen eine 
derartige Verklebung nicht nachweisen. Er glaubt doch, dass die 
AmnionüberfUUung das Bild der Gonglutinatio hervorrufen kann. 

Z. 


Wärter und Conniventz der medicorum ihr Unschädlichkeit 
halber als um einen besondern positiven Nutzen willen, in ge¬ 
wissen Fällen solemniter beybehalten werden... 

Am wenigsten hat ein medicus Raison, den andern zu ver¬ 
unglimpfen, wenn er entweder dem Patienten von der Kranckbeit 
Ursachen und Cur gar keine Nachricht geben will oder sieb 
nicht so mechanisch, chymisch, physikalisch, astrologisch etc. ex- 
plicieren kan wie er: Weil die Pflicht eines Patienten nicht 
m einer accuraten Wissenschaft von seiner Kranckheit, sondern 
darinn bestehet, dass er alle von Gott auferlegte Schmertzen 
geduldig leide und den Verordnungen der medici gehorsam sey.. 

Gleichwie ein jeder gemeiner Marktschreyer um besondere 
Atteste seiner Fürtreffiiehkeit bemühet ist, so unterlasset auch 
ein gelehrter medicinischer Charlatan nicht, dergleichen Zeug¬ 
nisse zu suchen und zu erlangen, welche ihm von anderen 
medicis den Credit einiger Praerogatio erwerben könne .... 
die rühmlichsten Zeugnisse eines medici sind die atteste seiner 
wohlcurirten Patienten. . . 

Die Pfuscherey in der Medicin taugt partouts Nichts und 
soll durchaus abgeschaffet werden. . . , Wer sich der armen 
Krancken aus christlicher Liebe zu ihrer glücklichen Genesung 
erbarmen will, kann sich ihrer zur Genüge durch christliche 
medicos erbarmen und sein überflüssig Geld vernünfftigen me¬ 
dicis zu der Patienten wUrcklichcri Besten gönnen. 

Mancher wird mit Vergnügen wohl die Schrift selbst zur 
Hand nehmen und sie sei weiteren Kreisen empfohlen. 


Verein tür innere Medicin. 

Sitzung vom 30. IV. 1906. 

I. Generalversammlung. Der alte Vorstand wird wieder¬ 
gewählt. ln den Ausschuss neugewählt werden die Herren: 
Schwalbe, Goldscheider, Stadelmann, P. F. Richter, 
Ewer I. 

II. Herr von Leyden: Bericht über den Kongress in 
München. 

Tagesordnung: 

I. Herr Wirsing: Ueber Myiasis intestinalis. 

Diese Krankheit findetsich bei Pferden häufiger, beiMenseben ist 

sie selten, nur in den Tropen etwas öfter beobachtet. Vortr. berichtet 
über 3 Fälle von mehr oder minder heftigen Darmkivtarrhen, als 
deren Ursache sich das Vorhandensein von Fliegenlarven im Stuhl 
erwies. Es handelte sich um unsere gewöhnliche Stubenfliege. 
Während in einem Falle die Affektion vom Anus her zweifellos 
auftrat, ist sie in einem anderen Falle wahrscheinlich durch 
Nahrungsmittel (Käse) verursacht worden. Vortr. bespricht die 
Symptomatologie und Pathologie dieser äusserst seltenen Er¬ 
krankung und empfiehlt als Therapie Galomel oder Bitterwasser. 

II. Herr Keinsheimer: Ueber fermentative Fett- 
spaltung im Magen. 

Die Angaben Volhards und seiner Schüler, dass im Magen 
ein fettspaltendes Ferment produziert wird, sind von Meyer be¬ 
stritten worden. Meyer glaubt, dass es sich um Paukreasferment 
handelt, welches mit dem Darmsaft in den Magen gelangt ist. 
Demgegenüber konnte Vortr. beim Menschen stets das Vorhanden¬ 
sein eines fettspaltenden Magenferments nachweisen, das auch bei 
saurer Reaktion wirksam war, also schon deswegen nicht das 
Pankreasferment sein konnte. Bei Säuglingen findet es sich eben¬ 
falls, hier stärker als beim Erwachsenen. Tierversuche an Paw- 
lowschen Fistelhunden bestätigten auch hier das Vorhandensein 
des Fermentes. 

Diskussion: Herr Langstein berichtet über Versuche in 
der Kinderklinik, wonach bei Säuglingen stets ein solches Ferment 
zu finden ist. 

Herr Boas tritt nach seinen Erfahrungen ebenfalls gegen 
die Behauptmig auf, dass es sich um Pankerasferment handeln 
könnte. 

Herr Keinsheimer: Schlusswort. 

Sitzung vom 7. Mai 1906. 

I. Diskussion zum Vortrag des Herrn Wirsing: Ueber 
Myiasis intestinalis. 

Herr Westenhöffer: erwähnt den Fall eines Mädchens, 
dessen Gesicht durch Maden der grünen Schwoissfliege bis zur 
Unkenntlichkeit entstellt worden war. 

Herr Becker macht Bemerkungen über die Entwicklung der 
Fliegen. 

Herr Jastrowitz berichtet über einen Fall von Myiasis bei 
einem Säugling. 

Herr Wirsing: Schlusswort. 

ir. Herr F. Blumenthal: Ueber Ly solvergi ftung. 

Lysol ist als Nervengift anzusehen, die Aetzwirkung ist nur 
gering und nie die Todesursache. Aus dem ausgeschiedenen Kresol 
lässt sich die Menge des resorbierten und verbrannten Lysols be¬ 
rechnen und damit die toxische Dosis berechnen. Lysol wird von 
der Magenschleimhaut schlecht resorbiert, wirkt offenbar anaes- 
thesierend, daher Erbrechen selten ist. Bau mann nahm an, dass 
die Kresole zuerst an Schwefelsäure, dann an Glyeusonsäure sich 
lagern und so entgiftet werden. Es zeigt sich aber, dass beide 
Synthesen zu gleicher Zeit vor sich gehen. Durch 'die Bildung 
der Kresolglycuronsäure entsteht Linksdrehung des Harns, die 
jedoch nicht parallel geht der Intensität der Vergiftung. Bei 
Hunden zeigt sich bei der experimentellen Vergiftung Tod nach 
8 Stunden. Das Blut ist völlig frei von Kresolen, in Muskeln, 
Niere und Lungen finden sich ungeführ gleiche Mengen, erheblich 
mehr jedoch in der Leber. In allen Organen findet sich das 
Kresol noch überwiegend ungebunden, dagegen in der Leber fast 
viülig bereits gebunden. Merkwürdig ist, dass die Nervensubstanz so 
wenig Gift zeigt, obwohl es doch ein Nervengift ist. Es ist aber, 
ähnlich den Vorgängen bei der Tetanustoxinwirkung, nur die 


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1906. 


AIEDICINISGIIE WüCUK. 


265 


Mengen von Bedentnng, die an das Nervens 3 ^tem gehen. Die 
Paarlingee, Schwefelsäure und Glycusonsäure sind gewissermaßen 
Antitoxine gegen Lysol und analog den Vorgängen bei der Imu- 
nisiemng werden mehr Antitoxin (hier also die genannten Säuren) 
gebildet. Eiweiss resorbiert wenig Kresole, dagegen Fett sehr er- 
hebUch. Die Ausscheidung der Schwefelsäure ist herabgesetzt, 
dagegen der neutrale Schwefel vermehrt, es handelt sich also um 
Störungen in den Oxydationsvorgängen. Therapie: In erster 
Linie Magenspülungen, ganz besonders erfolgreich Digalen intra¬ 
muskulär gespritzt. 

Diskussion: Herr Barghart; Die Vergiftung ist nicht 
immer so harmlos, wie der Vortragende meint. Allerdings ist die 
Aetzwirkung nicht sehr stark. Am meisten geschädigt wird die 
Lieber, er sah Glycosurie auftreten, allerdings nur in schweren 
Fällen. Auch alimentäre Glycosurie und Lävolosurie wurden be¬ 
obachtet, was für die Schädigung der Leber spricht. Der Lysol¬ 
vergiftete scheidet auch viel Glycuronsäure bei Zuokerdarreichung 
in der Beconvaleszenz aus. 

Herr Westenhoeffer: Die Leberzellen sind nicht anatomisch 
verändert, dagegen bestand immer trübe Schwellung der Nieren. 

Herr Hirschfeld sah ähnliche Störungen beim Stoffwechsel 
von Cholerakranken. Er glaubt, dass es sich um Niereninsufficienz, 
nicht um Oxydationstörungen handelt. 

Herr Brieger: Die Entgiftung der Kresole geht auch durch 
Bildung von Hydrochinon vor sich. Die Analogie mit den Vor¬ 
gängen bei der Toxin- und Antitoxinbildung ist diskutabel, aber 
nicht sehr wahrscheinlich. 

Herr Brat fragt, ob in den Faeces Kresole untersucht wurden 
und ob die Organe entblutet waren bei der Untersuchung. 

Herr Hosse sah schwere Nephritis nach Lysol auftreten, 
vielleicht könne man Natr. sulf. geben. 

Herr Plehn sah wie Blumenthal bei den von ihm be¬ 
obachteten 40—50 Fällen einen relativ gutartigen Verlauf. 

Schlusswort: Herr Blumenthal. Carl Levin. 

AerxtHf^r Verein in JBamöurff, 

Sitzung vom 15. Mai 1906. 

Vorsitzender: Herr D e n e ke. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Wulf'stellt einen Patienten 
vor, bei dem vor 4 Jahren wegen eines Blasenleidens die Sectio 
alta gemacht war. Jetzt wird die Diagnose auf Pyonephrose ge¬ 
stellt, da der rechte Ureter völlig klaren Urin mit einer Spur 
Albumen, der linke Eiter entleert; es wurde Nephrectomie aus¬ 
geführt, doch musste der Ureter wegen vieler Verwachsungen zu- 
rückgelassen werden. 3 Wochen nach der Operation trat plötz¬ 
lich an der Einmündungsstelle des linken Ureters in der Blase 
ein grosser weisser Schorf auf, der den Verdacht eines Carcinoma 
erweckte, doch stellte es sich bei der 8 Tage darauf vorgenom¬ 
menen zweiten Sectio alta heraus, dass sich der Schorf von seiner 
Unterfläche leicht abheben liess, und dass es sich um die selten 
vorkommende Cystitis crouposa gehandelt hatte. Die Heilung 
erfolgte ungestört. Ferner zeigt der Vortragende ein neues Urinal 
für Frauen. Um das Nebenträufeln des Urins zu verhindern, 
ist der Oberteil des neuen Urinals in hergebrachter Weise nicht 
aus Weichgummi, sondern aus Hartgummi hergestellt, und es 
tritt aus seiner unteren Partie eine schippenartige Rinne heraus, 
die in die Vagina einzuführen ist, sodass bei richtiger Anlage des 
Urinals der Harn zunächst auf diese Rinne läuft, welche den Ab¬ 
fluss in den unteren Behälter herbeiführt. Ferner zeigt er eine 
durch Operation gewonnene Niere, die 2 Becken und 2 Harn¬ 
leiter besitzt, welch letztere kurz vor der Blase sich vereinigen. 
Diese Anomalie konnte bereits vor der wegen Nephrolithiasis aus- 
geführten Operation richtig diagnostiziert werden. 2. Herr A. 
Franke stellt ein Kind mit Barlowscher Krankheit vor 
und demonstriert die charakterischen Symptome.. 3. Herr Hönck 
wurde zu einer seit 1’/s Tegen Kreissenden gerufen, die er 
sterbend vorfand. Die schnell vorgenommene Untersuchung ergab, 
dass der Leib tympanitisch aufgetrieben, und die Portio vor¬ 
handen war, und dass der Kopf beweglich über dem Becken stand. 
Die Sectiou zeigte das Ei in toto in der mit Blut gefüll¬ 
ten Bauchhöhle infolge Uterusruptur am Fundus. 
Ananmestisch ist von Interesse, dass die Frau c. vor 1 Jahr 


wegen eines Umschlags aosgekratzt worden war. 4. Herr Nonne 
zeigt im Anschluss an den vor 14 Tagen vorgestellten Fall von 
Durahaematom, das keinen Betriebsunfall darstellte, und nach 
dessen Operation der Patient bereits nach 4 Wochen wieder seinen 
Tagelohn von 20 M. verdiente, eine grosse Reihe von Verstüm¬ 
melungen der oberen Extremität, die teils vor der Unfall- 
gesetzgebung entstanden waren, teils keine Betriebsunfälle dar¬ 
stellten, die aber doch ihre Träger befähigten, volle Arbeit zu 
vollem Lohn zu leisten. Die mittels Epidiascops vorgeführten 
Bilder sind sehr instruktiv; so hat z. B. ein Arbeiter, der vor 

Jahren eine Verstümmelung der rechten Hand und eine Fussver- 

letzung, die ihn zeitlebens hinken machte, ihn aber doch seine 
volle Arbeit machen liess (es war kein Betriebsunfall gewesen), 
jetzt wegen einer Kopfcontusion, die im Betriebe entstanden war, 
jedoch nicht die allergeringsten objektiven Symptome gemacht 

hatte, die Berufsgenossenschaft auf Zahlung einer 100%igen 

Rente verklagt! Ferner wird u. A. die linke Hand eines Ham¬ 
burger Arztes gezeigt, der trotz Fehlens des Zeigefingers einer 
der geschicktesten Operateure ist. Es ist eben eine Lücke im 
Gesetz, dass der Unfallverletzte stets appellieren kann, ohne 
auch nur einen Pfennig Kosten davon zu haben; er kann also 
immer nur gewinnen. Würde der Verletzte durch Abweisung der 
Berufimg wenigstens einen gewissen Teil der Kosten selbst tragen 
müssen, so würden nicht so häufig die höchsten Instanzen sich 
mit einfachen Sachen zu beschäftigen brauchen. Vor allen Dingen 
sei es die Lehre von der traumatischen Neurose, die eine unheil¬ 
volle RoUe bei Rentenansprachen spiele. 5. Herr Fraenkel 
demonstriert Spirochaeten von einem 4 Tage alten Kinde, das 
infolge von congenitaler Darmlues an eitrig-exsudativer und chro- 
nisch-adhaesiver Peritonitis gestorben war. Die Spirochaeten waren 
nicht nach Levaditi, sondern nach Bercarelli geerbt. 6. Herr 
Wiesinger berichtet über die Excision eines Holzspahnos, 
den er einem 10 jährigen Knaben aus dem rechten Hypochondrium 
entfernt hatte, und demonstriert Röntgenaufnahmen einer sub- 
cutanen Talusluxation, die blutig reponiert werden musste. 
Diese seltene Verletzung ist meist mit äusserer Wunde kombiniert, 
doch war in diesem Falle keine Weichteilverletzung vorhanden, 
sondern es hatte sich nur der Talus um seine sagittale Achse und 
zwar um 180® gedreht. 

II. Vortrag des Herrn Fraenkel; ,Ueber Allgemein¬ 
erkrankungen durch den Pyocyaneus.“ 

Der 1882 entdeckte Bacillus pyocyaneus kann schwere AIl- 
gemeinerkrankungen hervorrufen. So hat Wassermann 11 letal 
verlaufene Fälle obduciert, bei denen die Infektion durch die 
Nabelwunde erfolgt war; 1903 berichtete Soltmann über einen 
Pyocyaneusfall, der klinisch sich als septische Pneumonie dokumen¬ 
tierte, und 1904 de la Camp über einen ebenfalls tötlich endenden 
Fall bei einer 51jährigen Frau. Vortragender hat nun im Laufe 
der Jahre 5 eigene Fälle beobachtet, in denen 4 mal der Bacillus 
pyocyaneus kulturell nachgewiesen wurde. In allen Fällen trat 
ein universelles, meist bullöses Exanthem auf mit trübem, später 
mit haemorrhagischem Inhalt; mehrfach fanden sich infarctähnliche 
Gebilde in den Nieren, die in einem Falle sogar die richtige 
Diagnose auf Pyocyaneus macroscopisch auf dem Seziertisch stellen 
liessen. Stets fand sich ein dichter Bacterienwall au der Grenze 
zwischen Media und Adventitia eines grösseren Blutgefässes. Es 
wird der genaue klinische Verlauf der einzelnen Fälle berichtet, 
aus denen sich jedoch wenig Charakteristisches ergibt, selbst Milz¬ 
schwellung ist nicht konstant vorhanden. Die Prognose ist infaust, 
ein spezifisches Mittel ist bisher nicht vorhanden. 

Schönewald. 


Kongressbericht. 

23. Kan-gress für innere Medicln 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

2. Sitzungstag. 

Die von Mackenzie bei Vorhofslähmung beschriebenen Un¬ 
regelmäßigkeiten , sowie die von ihm veröffentlichten Fälle, bei 
denen er Kammer- bezw. Atrioventrikularrhythmus annimmt, dUrf- 


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266 


MEDICINISCBB WOCHE. 


Nr. 24. 


ten durchwegs Fälle von Pols, irregul, perpet. mit Kammervenen- 
puls sein. 

Eine dem Puls, irregul. perpet. ähnliche Unregelmäßigkeit 
konnte Hering bei einer chronischen Nephritis beobachten. Es 
handelte sich um eine Kombination von Herzaltemans mit zahl¬ 
reichen Extrasystolen mit der Besonderheit, dass die der Extra¬ 
systole folgenden Herzperioden auffallend länger waren. 

Die klinische Bedeutung des Puls, irregul. perpet. Hegt in 
seiner bisher stets beobachteten Kombination mit Kammervenenpuls. 

4. Die Ueberleitungsstöruugen lassen sich in zwei Gruppen 
sondern, in eine, bei der es sich um zeitweiligen Ausfall von 
Kammersystolen, in eine zweite, bei der es sich um Dissoziation 
handelt. 

Bei den meisten Fällen der ersten Gruppe war Digitalis die 
Ursache des Änsialles. In einem der Rihl’schen Fälle ist der 
Nachweis erbracht, dass Vagusreizung Ausfall von Kammersystolen 
bewirken kann. Der durch Digitalis verursachte Kammersystolen- 
ausfall lässt sich, da Digitalis bekanntUch auf das Vaguszentmm 
wirkt, in den betreffenden Fällen aber keine Herabsetzung der 
Vorhofsfrequenz bestand, durch eine elektive Beeinflussung der 
Ueberleitung durch den Vagus erklären. 

Von Dissoziation spricht Hering, wenn zur Zeit vollständig 
aufgehobener ErregungsUberlettung die Kammern unabhängig von 
den Vorhöfen in ihrem eigenen Rhythmus schlagen, wie dies im 
Tierexperiment nach Durchschneidung des Uebergangsbündels der 
Fall ist. 

Man sollte wohl unterscheiden zwischen Herzblock und Dis¬ 
soziation. Herzblock ist nichts anderes als Ueberleitungshemmung, 
die beiden Gruppen von Ueberleitungsstörungen gemeinsam ist. 
Während jedoch bei Kammersystolenausfall zur Zeit des Herz¬ 
blockes Kammerruhe besteht, besteht bei der Dissoziation Kammer- 
automatie. 

Die Kammerautomatie bei Dissoziation ist auch beim mensch¬ 
lichen Herzen nachgewiesen und zwar dadurch, dass die Karamer- 
extrasystolen bei Dissoziation das fUr antomatisch schlagende Herz¬ 
abschnitte charakteristische Verhalten zeigten. 

Bei den bisher anal 3 r 8 ierten Fällen vom Charakter der Adams- 
S tokes’schen Krankheit erscheint nur die Dissoziation als erwiesen, 
wenngleich das Vorkommen von Kammersystolenausfall bei jener 
Krankheit wahrscheinlich ist. 

Die Dissoziation ist stets als Folge einer Läsion des Ueber- 
gangsbUndels anfzufassen, wählend Kammersystolenausfall sowohl 
(lurch eine Läsion des Uebergangsbündels als durch Vagusreizung 
hervorgerufen werden kann. 

Für den pi'aktischen Arzt wird zur Diagnose der Dissoziation 
w’ohl die Feststellung einer Kammerschlagzahl um 30 herum (eine 
solche haben alle bis jetzt beobachteten klinischen Fälle durch¬ 
schnittlich gezeigt), die sich nach Atropininjektion und heim 
Czermak’schen Vagusdruckversuch nicht wesentlich ändert, ge¬ 
nügen. 

Bisher liegt nur eine einzige Beobachtung einer sicheren 
Läsion des Uebergangsbündels beim Menschen vor, und zwar von 
E. Schmoll. Es bestand wahrscheinlich in diesem Falle Dissozia¬ 
tion. 

Da einerseits alle klinischen Fälle, in denen Dissoziation vor- 
lag, zur Adams-Stokes’schen Erkrankung gehörten, andrerseits 
unter dieser Erkrankung kein scharf umschriebener Symptomen- 
komplex bisher verstanden wird, dürfte es sich empfehlen, unter 
Adams-Stokes’scher Krankheit den Symptomenkomplex der 
Dissoziation zu verstehen. 

Während es für die Dissoziation nur eine allgemeine Ursache 
(Läsion des Uebergangsbündels) gibt, sind die speciellen Ursachen 
verschieden. 

In einigen Fällen bestand die Dissoziation jahrelang unver¬ 
ändert, in anderen kam es, scheinbar unter dem Einfluss von 
Medikamenten, zu einem vörübergehenden Verschwinden derselben. 

Das Auftreten einer Dissoziation ist im allgemeinen als das 
Zeichen einer schweren Erkrankung anzusehen. 

5. ’Dass beim Menschen dem schon längst bekannten Pulsus 
alternans ein Herzaltemans entsprechen kann, ist erst in der 
jüngsten Zeit nachgewiesen worden. 


Meist ist die dem kleineren Pulse entsprechende Herzkon¬ 
traktion nicht nachzeitig; eine Nachzeitigkeit derselben konnte bis¬ 
her nur in einem Falle konstatiert werden. 

Die oft zu beobachtende Nachzeitigkeit der kleineren Puls¬ 
welle trotz Rechtzeitigkeit der ihr entsprechenden Systole rührt 
von der wesentlich durch die Vergrösserung der Anpassnngszeit 
bedingten Extrapulsverspätung her. 

Alternans wurde beim Menschen bisher nur an der Kammer 
nachgewiesen. 

Auffallend ist eine Beziehung, die zwischen der Stärke des 
Kammeralternans und der Herzschlagfrequenz besteht. Man kann 
in der Frequenzerhöhung einen das Auftreten und die Verstärkung 
des Alternans fordernden, ihn aber nicht allein auslösenden Um¬ 
stand erblicken. 

Stellt man sich vor, dass eine Zustandsändemng des Herzens, 
wenn sie stark genug ist, allein, wenn sie gering ist, erst bei Elr- 
höhung der Schlagfrequenz einen Kammeralternans hervorruft, so 
würde der Alternans eine um so stärkere Zustandsändenmg der 
Kammern anzeigen, bei je niedrigerer Frequenz er auftritt. 

Der Zustand des Herzens ist wohl um so ungünstiger aczn- 
sehen, je kleiner die kleine Kontraktion beim Alternans ist. 

Es spricht alles dafür, dass der Alternans einen gewissen 
Grad von Herzschwäche anzeigt. 

Die Unregelmäßigkeiten der beiden erstgenannten Gruppen 
sind am häufigsten zu beobachten. Dissoziation und Alternans sind 
seltener als der Pulsus irregularis perpetuus. 

Extrasystolen können sich mit allen anderen Arten von Un¬ 
regelmäßigkeiten kombinieren. 

Die Herzunregelmäßigkeiten zeigen eine Funktionsstörung an, 
bei welcher meist das Herz der Angriffspunkt der die Funktions¬ 
störung hervorrufenden Ursache ist; beim Pulsus irregularis re- 
spiratorius und bei gewissen, vom Vagus abhängigen Ueberleitungs- 
störungen ist das Herz nur der Indikator einer extrakardial loka¬ 
lisierten Funktionsstörung. 

In vielen Fällen geben die Herzunregelmäßigkeiten einen Auf¬ 
schluss darüber, welcher Herzabsclmitt als Angriffspunkt der je¬ 
weiligen Ursache anzusehen ist; manche Herzunregelmäßigkeiteu 
geben auch Kenntnis über die Schwere der Erkrankung, insofern, 
als der Pulsus irregularis perpetuus, die Dissoziation und der 
Alternans, wenigstens der bei oder unter der Durehschnittsfre- 
quenz bestehende, auf eine schwerere Erkrankung hinweisen. Die 
jeweilige spezielle Ursache der Funktionsstömng geht aus der Art 
der Unregelmäßigkeiten nicht hervor. 

Die erwähnten Tatsachen auf dem Gebiete der Herzunregel¬ 
mäßigkeiten behalten ihre Giltigkeit unabhängig von jeder Herz¬ 
theorie. 

Wenn auch gewisse Tatsachen, so z. B. die, dass Hering das 
ganze schlaglose isolierte Säugetierherz durch Akzeleransreizung 
zum Schlagen bringen konnte, zu Gunsten der neurogenen Theorie 
in die Wagschale zu fallen scheinen, so ist doch auch Jetzt noch 
die myogene Theorie als wesentlich besser gestützt anzusehen, und 
zwar ist eine Hauptstütze der Nachweis, dass ein Muskelbündel 
beim Säugetierherzen die Vorhöfe und Kammern funktionell ver¬ 
bindet. 

Jedenfalls haben die Bemühungen, zu entscheiden, ob das 
Herz myogen oder neurogen schlägt, viel beigetragen zum Fort¬ 
schritt in der Analyse der Herzunregelmäßigkeiten. 

Diskussion: Herr Kisch-Marienbad: Die prognostische Be¬ 
wertung der Herzairhythomie ist eine sehr verschiedene. Die 
günstigste Prognose haben diejenigen Herzunregelmäßigkeiten, 
welche ein nicht seltenes Symptom der nervösen, funktionellen 
Herzstörungen sind. 

Die Charakteristika dieser ersten Gruppe Hegen darin, dass 
die Unregelmäßigkeiten geringen Grades sind, dass sie ferner 
kein konstantes Symptom vorstellen und endlich durch geringe 
äussere Ursachen auftreten können. Elndlich sind fast immer auch 
andere neurasthenisebe Symptome vorhanden. Arrhythmie von nicht 
erheblicher prognostischer Bedeutung kommt z. B. auch vor bei 
der Menarche, bei der Menopause, nach grossen Anstrengungen. 
Diese Art von Unregelmäßigkeiten kann bei geeigneter Behandlung 
völlig verschwinden. Von schwererer prognostischer Bedeutung 
wird die Herzarrhythmie, wenn sie als konstantes Symptom auftritt 
und hochgradiger Art ist. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


267 


Herr Roos-Freiburg berichtet in Kürze über einen Fall von 
AdamS'Stokes’scher Krankheit. Der betreffende Kranke batte 
lange Zeit und zwar Jahr lang doppelt so viele Vorhofkon¬ 
traktionen, als Ventrikelkontraktionen, 

Herr Adam-Hamburg teilt seine durch Experimente über die 
Herzarrhythmio gemachten Beobachtungen mit, aus welchen her¬ 
vorgeht, dass eine im Vorhof entstehende Stauung von grossem 
Einfluss auf die Entstehung der Herzarrhythmie ist. 

Herr Gerhardt-Jena berichtet ober einen Fall von Nephritis, 
welcher durch Puls, irreg. perpet. ausgezeichnet war. 

Herr Vo 11 hard-Giessen hat Pulskurven in einem Pall 
paroxysmaler Tachykardie aufgenomcnen. Es lag dabei eine Ver¬ 
doppelung der Herzfrequenz vor, während von Extrasystolen nichts 
zu beobachten war. Die Differentialdiagnose zwischen Alternans 
und Blgeminns ist eine schwierige, wie Redner des näheren dar¬ 
legt. Er ist zugleich der Anschauung, dass die prognostische 
Wertigkeit des Puls, bigemin. nicht so hoch anzuschlagen ist, als 
gewöhnlich angenommen wird. 

Herr Hoffmann-Düsseldorf verbreitet sich ebenfalls über 
die prognostische Bedeutung der Herzarrbythmie und bespricht die 
von zwei Fällen von Herzjagen gewonnenen Pulskurven. Es gibt 
sicher auch Fälle von nervös hervorgerufener Extrasystole. Zum 
Beispiel zeigten sich solche stets bei einem Knaben, sobald der¬ 
selbe ein Rechenexempel zu lösen hatte. Es ist mittels des Riva- 
Kocci'scheu Blutdruckmessers ermöglicht, einen Puls, altern, als 
solchen zu erkennen, worüber H. sein Verfahren angibt. Der 
Herzalternans ist an der Herzspitze meist nicht darstellbar. Puls, 
irr. perp. hat H. beim Kropfberz beobachtet, ohne dass Mitralin¬ 
suffizienz bestand. Die Prognose und klinische Bedeutung der 
Herzunregelmäßigkeiten schätzt Redner nicht allzu hoch ein. 

Herr His-Basel: Der Begriff der Adams-Stokes’schen 
Ki-ankheit muss modifiziert werden. Es liegt bei diesem Symptom 
ni<-ht immer der Ausdruck einer Dissoziation, wie Hering an- 
niinmt, vor. Das Symptom des ungleichzeitigen Schlagens von 
Vorhof und Kammer kann auch bei Affektionen des Vagus, die 
ihn ausserhalb des Herzens treffen, eintreten, z. B. durch Tumoren, 
durch Erkrankungen an der Schädelbasis. H. schlägt vor, nur von 
einem Adams-S tokes’chen Symptom, nicht von einer Krankheit 
dieses Namems zu sprechen. 

Herr A. Schmidt-Dresden teilt zwei einschlägige Beob¬ 
achtungen mit. Man kann bei Patienten ohne Herzklappenfehler 
wahrnehmen, dass ganz vorübergehend ein lautes systolisches Ge¬ 
räusch auftritt, das schon beim nächsten Herzschlag wieder ver¬ 
schwindet und während einer Extrasystole nicht beobachtet wird. 
Es handelt sich da wohl um eine momentane, für einen Herzschlag 
entstehende relative Mitralinsuffizienz. 

Herr Ortner-Wien berichtet über folgende Beobachtung: 
Ein Mädchen fiel vom Tisch auf den Kopf, zeigte Schweissausbruch, 
Fiebererscheinungen, verlangsamten Puls, typische Extrasystole. 
O. machte eine Atropininjektion, worauf die Bradykardie, sowie 
jede Extrasystole verschwand. Wahrscheinlich war die Beteiligung 
des Vagus Ursache der Extrasystole gewesen. 

In seinem Schlusswort bemerkt Herr Hering, in eine nähere 
Erörterung der tmgeführten Fälle nicht eintreten zu können, da 
hierzu die Vorlage der aufgenommenen Pulskurven notwendig sein 
würde. Es ist richtig, dass Extrasystolen auch auf nervösem Wege 
aasgelöst werden können. Die klinische Bedeutung derselben 
schätzt er auch nicht zu hoch ein. Wenn man die Vagi durch- 
schneidet und dazu das ganze extrakardiale Nervensystem, so kann 
man trotzdem durch Eeizimg der Nasenschleimhaut Extrasystolen 
hervorrufen. 

Herr H. Lorenz-Graz: TJeberHerzerscheinungen bei 
der akuten Polymyositis und deren Bedeutung für die 
Diagnostik der letzteren. 

Unter den verschiedenen MuskelentzUndungen beanspruchen 
die akuten, nicht eiterigen Formen wegen der uns bisher noch 
vollständig unklaren Aetiologie ein besonderes Interesse. Bakterien 
konnten in den typischen Fällen, auch in den vorliegenden, nicht ge¬ 
funden werden. 

Es kann die gesamte quergestreifte Muskulatur einschliesslich 
des Herzens von der Erkrankung betroffen werden; dazu gesellen 
sich in der Regel analoge Affektionen des subkutanen Gewebes 
der Haut und zuweilen auch der Schleimhäute. 


Während die Skelettmuskulatur und die Haut in den einzelnen 
Fällen zwar in sehr verschiedener Verteilung und Intensität von 
der Erkrankung ergriffen werden, aber in der Regel nicht ganz 
frei bleiben, ist die Erkrankung des Herzmuskels nur bei einem 
Teile der Fälle bekannt geworden und zwar bei jenen, in welchen 
die Muskelentzündung gleichzeitig einen mehr oder weniger hä¬ 
morrhagischen Charakter trägt. 

L. hat diese Fälle daher im Jahre 1898 von den übrigen 
Dermatomyositisfällen mit dem von Wagner nnd ünverricht 
geschilderten Krankheitsbilde als eigene Gruppe (Polymyositis häe- 
morrhagica) abgetrennt. 

Der geringen Zahl der damals bekannten Krankheitsfälle 
kann L. noch drei eigene neue Beobachtungen hinzufügen. Diese 
erweisen, dass die Herzmyositis bei der haemorrhagischen Form, 
zumal bei der ganz akuten, fehlen kann (Struppler) und dass 
ihr Auftreten, wie einer der neuen Fälle beweist, nicht an die 
hämorrhagische Form gebunden ist. 

Trotzdem glaubt L., das KrankheitsbUd der Polymyositis hae- 
morrbagica vom klinischen Standpunkte aufrecht erhalten zu müssen. 

Die Herzmuskelerkrankung kann demnach bei der Polymyo¬ 
sitis je nach dem Gmndprozesse eine hämorrhagisch-entzündliche 
oder eine einfach entzündliche sein. 

Die erstere charakterisiert sich schon makroskopisch durch 
schwere Veränderungen im Herzmuskelfleisch, die nicht zu über¬ 
sehen sind. 

Von einer Eiteransammlung ist nirgends die Rede. Der histo¬ 
logische Befund ergibt das typische Bild der Myokarditis. 

Für die klinische Diagnose liefert namentlich die hämor¬ 
rhagische Form wichtige Anhaltspunkte. Bei der akuten Erkrankung 
treten nach vorangehender Tachykardie oder Arrhythmie schwere 
Attaquen von Angstgefühl mit hochgradiger Dyspnoe und allge¬ 
meinen Muskelkrämpfen bei durch mehrere Sekunden anhaltendem 
Herzstillstand auf, die unmittelbar den Tod herbeiführen können, 
andere Male vorübergehen und sich wiederholen können. Inweiteren 
(abortiven) Fällen finden sich ähnliche Anfälle verschiedener In¬ 
tensität. 

Jedenfalls gebührt der Herzmuskelerkrankung bei der Poly¬ 
myositis eine weitgehende klinische und pathologisch-anatomische 
Bedeutung. 

Herr P. Snyers-Lüttich: Ueber Adams-Stokes’sche 
K rankh eit. 

Die Adams-St okes'sche Krankheit ist ein pathologischer 
Zustand, welcher sich erstens durch eine permanente und hoch¬ 
gradige Pulsverlangsamung, und zweitens durch AnfUlle von Ohn¬ 
macht mit apoplektiformen Erscheinungen ohne nachfolgende 
Lähmung charakterisiert. 

Symptomatologie. Die Pulsverlangsamnng, das 
Hauptsymptom der Krankheit, geht in der Regel unter 50 Schläge 
pro Minute. In einem Palle, den S. beobachtete, ging während 
eines Jahres die Pulszahl von 50 auf 40, 35 und zuletzt sogar 
auf 22 herunter. Die Pulsverlangsamnng ist kontinuierlich oder 
paroxysmal. 

Die Auskultation kann normal sein oder die Zahl der Herz¬ 
kontraktionen kann grösser sein, als diejenige der gefühlten Ar- 
terienpulsationen. Die nervösen Symptome, welche das Bild der 
Adams-Stokes’schen Krankheit vervollständigen, können nach 
der wachsenden Schwere in vier Gruppen geteilt werden: Schwindel, 
Synkopen-, Pseudoapoplektische, Koma-, Epileptiforme Anfälle. 

Die Aetiologie ist noch wenig bestimmt. Hier kommen in 
Betracht das Greisenalter, die Arteriosklerose, die Traumen, die 
Veränderungen des N. vagus etc. 

Die pathologische Anatomie ist noch unzureichend, und bieten 
die verscMedenen Untersuchungen die grössten Abweichungen. 

Ueber die Pathogenese finden sich drei Haupttheorien: Die 
erste betrachtet die Entartung des Herzmuskels als direkte Ur¬ 
sache der beobachteten Symptome; nach der zweiten ist der Sitz 
der Erkrankung in die Medula oblongata verlegt; endlich hat man 
die Veränderungen der Gefässe in der MeduUa oblongata oder in 
den Kranzarterien sowie diejenigen des N. vagus. oder die Urämie 
beschuldigt. 

S. schliesst: Der Pulsus lentus permanens ist ein Symptom¬ 
komplex, welcher in sehr verschiedenen pathologischen Zuständen 
Vorkommen kann, welche die hemmende Tätigkeit des Nervus 


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268 


MEDICnnSCHE WOCHE. 


Nr. 24. 


vaguä, sei es iu seinem peripheren Verlaufe oder zentral erregen 
können. 

Die Einheit der Ädams-Stokes’schen Krankheit zeigt sich 
weder vom anatomopathologischen noch vom pathogenetischen 
Standpunkte. 

Man ist also berechtigt, die Affektion vielmehr als ein 
Symptom, denn als eine wohlcharakterisierte nosologische Einheit 
zu betrachten. (Fortsetzung folgt.) 

35. Kongress der Deutschen GeseUscha/t 
für Chirurgie. 

Vom 4. bis 7, April 1906. 

Hr. Tietze-Breslau; ZurKenntuis der Osteodystro- 
phia juvenilis cystica (Mikulicz). 

Vortragender vertritt nach einem kurzen Bericht über den 
augenblicklichen wissenschaftlichen Stand der Frage -die Meinung, 
da.s8 in einer Reihe von Fällen ganz unzweifelhaft eine Ostitis 
Hbrosa im Sinne von Recklinghausen die Ursache zur Cysten¬ 
bildung im Knochen abgäbe. Er sucht dies an der Hand einer 
kurz mitgeteilten Beobachtung zu erweisen. Er will nicht leugnen, 
dass solche Cysten auch aus erweichten knorpeligen Bildungen her¬ 
vorgehen können, hält es aber nicht für notwendig, aus dem Be¬ 
fund von Knorpel in der Wand oder in der Nachbarschaft der 
Cysten den Schluss ziehen zu müssen, dass der Cystenbildung eine 
Wucherung versprengter Knorpelkeime vorausgegangen sei. Es 
kommen hierfür, abgesehen von der von vielen angenommenen 
Recartilaginescenz des Knochens, Verhältnisse in Betracht, wie 
wir sie bei der normalen Callusbildung, noch mehr aber bei den 
sogenannten Callustnmoren finden. In der Sarkomstruktur, die 
manchmal in der Wand von Cysten beqbachtet wurde, sieht Redner 
Uebergänge zu den von Recklinghausen, Rehn, Schoenen- 
berger etc. beschriebenen Fällen von Ostitis fibrosa mit Cysten- 
und Tumorenbildung, so dass es ihm möglich erscheint, diese ver¬ 
schiedenen Zustände unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu 
betrachten. 

Diskussion zu den Vorträgen der Herren Lexer und 

Tietze. 

Hr. König-Jena bespricht einen Fall von Cyste des Schlüssel¬ 
beins, in dem Sarkomgewebe gefunden wurde. 

Hr. Lexer-Königsberg bleibt gegenüber den Ausführungen 
des Herrn Tietze dabei, dass es sich bei den typischen cystischen 
Knochentumoren um erweichte Chondrome handelt. 

Hr. G 0 e b el-Breslau tritt für die Mikulicz’sehe Auffassung 
ein, dass die Cysten durch Dystrovia juvenilis cystica zustande 
kommen. 

Hr. V. Haberer-WTen hat einen Fall beobachtet, in dem es 
sich um ein Cystosarkom gehandelt hat. 

Hr. Schlange-Hannover, der diese Knochengeschwülste zuerst 
beschrieben hat, glaubt, dass sie auf verschiedene Weise entstehen 
können, sowohl durch entzündliche Vorgänge, als auch durch Er¬ 
weichung von Geschwülsten. 

Hr. Körte-Berlin hat Fälle beobachtet, die er als Chondrome 
ansprechen möchte. 

Hr. König-Altona betont die Wichtigkeit des von Lexer 
erhobenen Knorpelbefundes, glaubt aber nicht, dass diese als Chon¬ 
dromreste aufzufassen sind. Vielmehr möchte er meinen, dass es 
sich um versprengte Knorpelreste von der Ossifikation her handelt, 
aus denen bei einem eiutretenden Reiz die Cysten hervorgehen. 
Diese versprengten Knorpelreste kommen im ganzen Knochensystem 
vor, und daraus erkläre sich auch das multiple Vorkommen der 
fraglichen Geschwülste. 

Hr. Riedel-Jena schliesst sich dieser Auffassung an. 

Hr. Wrede-Königsberg; Osteomyelitis durch Aktino- 
mykose. 

Die Knochenaktinomykose kommt fast ausschliesslich durch 
Infektion per continuitatem von der Umgebung her zustande. 
Metastasen im Knochensystem sind nur in wenigen Fällen beob¬ 
achtet worden, obwohl Einbruch der Aktinomykose in die Blut¬ 
bahn mit Metastasenbildung in den Weichteileu nichts Ungewöhn¬ 


liches ist. Demonstration eines Präparates von hämatogener Osteo¬ 
myelitis actbmmycotica im Femur. Die Metastatische Natur des 
Aktinomykoseherdes ist unter anderem durch seine Beziehungen 
zum Metaphysären Knochensystem erwiesen. 

Hr. König-Altona: Ueber traumatische Osteome. 

An Schaftknochen, besonders am Oberschenkel, kommen nach 
heftigem Trauma ohne Fraktur Geschwülste vor, die 1—2 Wochen 
nachher auftetend, innerhalb mehrerer Wochen bis 4 Monate stark 
wachsen und mit periostalen Sarkomen verwechselt worden sind. 
Ueber den Verlauf gibt d^r lokale Befund Anhalt für die Diagnose, 
der Tumor, am oberen Ende diffus, höhrt unten wie abgeschnitten 
auf, die Erklärung findet sich in einem Röntgenbild vom Ober¬ 
schenkel eines jungen Mannes. Auch wo der Knochenschatten 
wie in einem zweiten Fall Königs weniger stark ist, ist die Diag¬ 
nose möglich. 

Die Geschwülste bleil)en etwa vom 5. Monat ab in der Ent¬ 
wicklung stehen, können .auch fast ganz verschwinden. 

Eine dritte Beobachtung setzte K. bis zur Sektion fort (Tod 
an Rückenmarkverletzung). Das vorgelegte Präparat zeigt eine 
dem unteren Femurende aufliegende, z. T. knöcherne, z. T. binde¬ 
gewebige Geschwulst, die bei intaktem Femur und unzerissenem 
Periost von dem sehnigen Muskelansatz überzogen ist. Die innerste 
Cambiumschicht ist in Wucherung, steht mit der Ossifikation im 
Tumor in Verbindung. Im ganzen erinnert das Bild an den 
„parostalen Gallus“, der bekanntlich Periost, Pasoien, Sehnen, 
Muskeln ergreifen kann. In Analogie mit diesen Vorgängen bringt 
K. die Wucherung, eine frakturlose Callusbildung; man soll aus 
dieser Auffassung die Konsequenzen ziehen und nach richtiger 
Diagnose die Tumoren nur bei sehr starken Beschwerden operieren, 
nachdem man sicher ist, dass sie nicht zurUckgehen. Die keines¬ 
wegs einfachen Operationen haben häufig Recidive gehabt und für 
die Unfallbegutachtuag sehr mäßige Erfolge gezeitigt. Wenn die 
Operation nötig wird, so soll sowohl die einhüllende Kapsel, wie 
das Periost und die in Wucherung geratene Gorticalisschicht mit 
abgetragen werden. 

Hr. Kausch-Schönberg demonstriert den grössten bis¬ 
her implantierten toten Knochen, der knöchern ein¬ 
heilte. 

Das 9 cm lange, den vollen Umfang der Tibia umfassende 
Stück wurde bei einer Amputation tags zuvor gewonnen, ausge¬ 
kocht, an Stelle des oberen Tibiaendes, welches wegen myelogenen 
Sarkoms reseziert wurde, eingepfianzt; es wurde mittels ^fenbein- 
stiftes mit dem abgesägten Femur und dem Tibiarest verbunden. 
Primäre Einheilung. Nach V« Jahren Amputation wegen Recidivs. 

Das implantierte Knochenstück ist vollständig fest beiderseits 
verwachsen, ist angefressen, ist von einem neugebildeten Periost 
bedeckt. Das Resultat der weiteren Untersuchung wird mitge¬ 
teilt werden. 

Hr. Lossen-Frankfurt a. M.: Ueber rationelle ambu¬ 
lante Behandlung varicöser Unterschenkelvenen und 
Heilung von Unterschenkelgeschwüren. 

Da die Elntstehung der Varicen und varicösen Geschwüre der 
durch die Blutstauung in ihnen bedingt wird, so muss eine Be¬ 
handlung der beiden trachten, diese Stauung zu beseitigen. Lossen 
Hess zu diesem Behufe Patienten, die wegen der genannten Leiden 
zu ihm kamen, unter Fortsetzung der bisherigen Arbeit gym¬ 
nastische Hebungen mit den Füssen machen; die Geschwüre 
wimden mit geschlemmter gedörrter Kreide behandelt und heilten 
in 4—6 Wochen. In leichteren Fällen gingen auch die Krampf¬ 
adern zurück. 

Hr. Küster-Marburg: Die Silberdrahtnaht in ihrer 
Anwendung als percutane Naht. 

K. hat niemals ein Aufgehen einer Laparotomiewunde beob¬ 
achtet, seitdem er die ganze Bauchwand fassende Silberdrahtnähte 
anlegt, zwischen denen die einzelnen Schichten der Bauchwand in 
Etagen vernäht werden. Diese Naht wendet K. bei allen Lapa¬ 
rotomien an mit Ausnahme von der bei Tuberkulose. Hier werden 
die Silberdrähte nur bis ans Peritoneum geführt. 

Auch bei der Wanderniere werden percutane Silberdrahtnähte 
gemacht, die den unteren Pol der Niere mitfassen. 


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1906. 


MIDICINISCHE WOGHi:. 


969 


Ferner fand die Naht Anwendung bei der Patell^naht, wo 
die Drähte gekreuzt angelegt wurden. 

Der Vorteil der Methode besteht darin, dass der Silberdraht 
jeden Moment entfernt werden kann, wo die Situation es erfor¬ 
dert. 

Hr. Braun-Göttingen; Ueber willkürliche Luxationen 
des Hüftgelenks. 

Braun sprach, durch eine eigene Beobachtung dieses Leidens 
veranlasst, über die willkürlichen Luxationen des Hüftegelenks, da 
ebensowenig über die anatomischen Veränderungen, welche zu ihrer 
Entstehung nötig sind, als Uber ihre Behandlung etwas bekannt 
ist. Die Beobachtung von Br. betraf ein etwa 18 Jahre altes 
Mädchen, das sich sowohl beim Gehen als durch willkürliche An¬ 
spannung gewisser Muskeln das linke Hüftegelenk mit einem lauten 
Krach und heftigen Schmerzen, allerdings warscheinlich nur un¬ 
vollständig, nach ausen verrenkte. Bei der wegen dieser Schmerzen 
ausgeführten Operation zeigte sich, dass ein Labrum cartilngineum 
fehlte, so dass in diesem Falle die Pfanne nicht so tief wie nor¬ 
mal war und die Verschiebung des Femurkopfes erlaubte. Zur 
Heilung des Leidens meiselte Br, ein etwa 5—6 cm langes und 
1—l^/a cm breites Stück des hinteren oberen Pfannenrandes ab, 
verschob dies nach unten und fixierte es in dieser Stellung mittels 
eines Gipsverbandes. Als dieser nach etwa 6 Wochen weggelassen 
wurde, konnte das Mädchen ohne Schmerzen und den Krach im 
linken Hüftegelenk gut gehen. Auch jetzt, etwa 2 Jahre nach 
der Ausführung dieser Operation, ist das Leiden völlig beseitigt, 
das Gelenk frei beweglich. Br. hofft, das auf dieselbe Weise 
auch bei der habituellen Hüftgelenksluxation, die bis jetzt noch 
nicht operativ in Angriff genommen wurde, die Heilung erzielt 
werden könnte. (Fortsetzung folgt) 


Periodische Literatur. 

Allgemeine medicinische Central-Zeitung. 1906. Nr. 8. 

Bemien: Das Isofom in der oto-rhinologisclien Praxis. 

Bei ^/ijähriger Verwendung hat sich dem Verf. das Isofoeir 
als sicher antiseptisches, baktericides, haemostatisches Wundsturm¬ 
pulver erwiesen. Isoformgazetampons lassen nach mehrtägigem 
Liegen keine Zersetzimg erkennen; hei der Entfernung tritt keine 
Naohblntung auf. Deshalb besonders za empfehlen zur Nach¬ 
behandlung bei Eesektionen in der Nase. Die Ausheilung der 
wegen Empyem eröffneten Kieferhöhle erfolgte unter Tamponade 
mit Jsoformgaze und Einblasen von Isoformpnlver prompt. Für 
chronische Mittelohreiterungen erwies sich das Jsoform als wert¬ 
voll; in 25 von 32 Fällen gelang es damit, die Eiterung zu be¬ 
seitigen; musste radikal operiert werden, so erleichterte Jsoform 
die Keinigung der Höhle und die Epidermisierung. 

1906. Nr. 9. 

Kalisky: Heber eine neue Ftmklionsprttfting des Magen- 
Chemismus während der Yerdanungstätigkeit ohne Schlundsonde 
(Sahli’sche Desmoidreaktion). 

Verf. verwandte nach der von Schmidt angegebenen Modi¬ 
fikation Gummibeutelchen, die mit rohem Catgut verschlossen sind; 
diese werden nur durch Salzsänre-Pepsin-Wirkung eröffnet; in 
ihnen enthaltenes Methylenblau ist im Urin, Jodkalium als Jod 
im Speichel nachzuweiaen. Nach Prüfung des Verfahrens durch 
extrastomachale Experimente wurden Versuche an Gesunden und 
Kranken angestellt. Diese ergal)en, dass die Methode eine vor¬ 
zügliche Reaktion von freier Salzsaure nach einer aus gemischter 
Kost bestehenden Mahlzeit ist. Tiefblaue Verfärbung des Urins 
schon nach 4—7 Stunden spricht für Hyperacidität, für normale 
Acidität der Eintritt der Reaktion nach 7—12 Stunden, für Sub¬ 
acidität resp. motorische Insufficienz der Eintritt erst am nächsten 
Tage. Negativ ist die Desmoidreaktion beim Magencarcinom; 
aber auch bei Apepsia gastrica; eine Differentialdiagnose werden 
hier andere Symptome (Blutungen, allgemeiner Körperzustand etc.) 
ermöglichen. 


Bücherbespreohans:. 

Repetitorium der Aug^enliellknnde. Im Anijp.blHaa 

an die neueren Lehrbücher dargestellt von Dr. med. W. Asher, 
Augenarzt in Leipzig. (2. verb. und der äratluAen Prüfungs¬ 
ordnung vom Jahre 1901 entsprechend verm^irte Auflage.) Le^zig. 
A. Dei«^ert. 1906. 

Ob der in Examensnöten schwitz^de oand. med. dem Buche 
mehr Geschmack abgewinnen wird als ich, bleibe dahingestellt. 
Es ist ein Kompendium wie alle andern, jedenfalls nicht besser 
als die andern. Seinem Zwecke entsprechend nimmt es häufig 
Rücksicht auf besondere Steckenpferde beasnders gestrenger Exa¬ 
minatoren. Darin mag mancher einen Vorteil sehen. Dass viel 
für den Staatsexaminanden Ueberflüssiges (z. B. maaidie ganz 
irrelevant seltnere Beobachtungen des Verf.), darin steht, erhöht 
die Handlichkeit des Baches nicht, dessen Stoff genau ^wie in 
Fuchs’s klassischem Lehrbuch eiogeteilt ist. Letzteres -iriTd auch 
der gehetzteste Kandidat mit grösserem Nutaenruad moter kaum 
erheblicherem Zeitaufwande durcharbeiten als dieses -and ^-jedes 
andere „Repetitorium**. Und was iCh ^eziell für den oand. med. 
sagte, scheint mir auch für den vielbeschäftigten Praktiker :su 
gelten, der sich schnell über irgend eine Tatsache der ihm ferner 
gelegenen Ophthalmologie orientieren will. 

Kurt Steindoirff. 


Ersuchen 

an die deutschen Aerzte. 

Die Breslauer dermatologische Vereinigung hat 
beschlossen, Schritte zu tun, um von den Unfallversicherungs- 
gesellschaften bei 

Syphlllslnftktlon hn Berufe 

für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu erlangen, 
als bisher. 

Die zur Zeit gütigen Verslcherungsbedingungcn «nt^nreohen 
gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den Interessen 
der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedern der Vereinignag 
Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berechtigt er¬ 
scheinende Eutschädigtmgsansprüche der Aerzte von den Versiche¬ 
rungsgesellschaften zuruckgewieseu wurden-oder nur unter Schwie¬ 
rigkeiten geltend gemacht werden konnten. 

Bevor die Breslauer dermatologische Vereinigung mit Vor¬ 
schlägen hervortritt, in welcher Weise die Veraicherungsbeding- 
ungen abzuändem wären, richtet sie an die deuts<^en Aerzte 
dringend die Bitte, ihr diejenigen iluien bekannten Fälie mitzu¬ 
teilen, in welchen 

1. die Anerkenn^ing von beruflicher Syphilisin¬ 
fektion als Unfallsursache vor Abschluss der Un¬ 
fallversicherung zurückgewiesen oder nur unter hohem 
Prämienzuschlage bewilligt wurde; 

2. eine Entschädigung für vorübergehenden Verlust der 
Arbeitskraft nach dem 400. Tage seit der Entstehunig 
des Unfalles beanstandet wurde; 

3. die Anerkennung von voraussichtlioh lebensläng¬ 
licher Verminderung der Arbeitskraft, d. h. 
von Invalidität auf Grund beruflicher SyiAilismfektion 
verweigert wurde resp. erst erstritten .werden musste. 

Die Vereinigung ersucht, die Mitteilung der einschlägigen 
Fälle — sowohl der erfolglos als auch der erfolgreich geltend ge¬ 
machten Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit 
den Gesellschaften und etwaiger Schied^eiic^tsverhandlnngen zu 
ergänzen. 

Nur auf Grund genauer Kenntnisse über das Verhalten der 
Versicherungsgesellschaften in den einzelnen Fällen und auf Grund 
eines reichhaltigen Materiales wird es möglieh sein, in dieser für 
die gesamte Aerzteachaft wichtigen Angelegenheit eine Bessenrng 
zu erreichen. 


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270 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 24. 


Die Vereinigung bittet, Zuecbriften an den Unterzeichneten 
Dr. Chotzen zu senden, welcher die Bearbeitung dieser Frage 
übernommen hat. Für strengste Geheimhaltung der mitgeteilten 
persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet, 

Breslauer dermatologische Vereinigung. 

Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen, 

Geh. Medicinalrat, Breslau XVIII, 

derzeitiger Vorsitzender. Landsbergerstrasse 1. 


Vermischtes. 

Borlin. Robert Koch ist zum stimmberechtigten Ritter 
des Ordens pour le Merite für Wissenschaft und Kunst ernannt 
worden. 

Borlin. Die im neuen Etat vorgesehenen vier Stellen als 
Sanitäts-Inspektexire sind in folgender Weise besetzt worden; 
Generalarzt Strick er-Cassel, Generalarzt Timann - Strassburg 
i. Eis., Generalarzt Brodführer-Berlin, Generalarzt Villaret- 
Posen. Ausserdem sind zu überzähligen Sanitäts-Inspekteuren er¬ 
nannt die Herren Generalarzt Kern, Subdirektor der Kaiser- 
Wilhelms-Akademie, und Scheibe, ärztlicher Direktor der Charite, 
welche in ihren bisherigen amtlichen Stellungen verbleiben. 

Borlin. Priv.-Doz. Dr. Seiffer, Assistent an der Poliklinik 
für Nervenkranke an der Charite, ist zum Professor ernannt worden. 

Borlin. Am 31. Mai fand hier die 10. Generalversammlung 
des Deutschen Zentralkomitees zur Errichtung von Heilstätten für 
Lungenkranke, oder, wie es sich auf Antrag ß. Fraenkel’svon 
jetzt an umfassender und bedeutungsvoller nennt, „Deutsches 
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ statt. Die Ver¬ 
sammlung mxrde mit einer Ansprache des Grafen Posadowsky 
eröffnet, worauf Kammerherr v. d, Knesebeck die Grüsse der 
Kaiserin als der Protektorin des Zentralkomitees überbrachte. Den 
Geschäftsbericht erstattete der Generalsekretär, Oberstabsarzt a. D. 
Dr. Nietner, worauf Präsident Gäbel über Umfang, Ausdehn¬ 
ung und Erfolge der Heilstättenbehandlung bis 1906 sprach. Geh. 
Rat Prof. Dr, Kirchner hielt einen Vortrag über Verbreitung 
und Bekämpfung der Tuberkulose im Kindesalt '.Geh. Rat Pütter, 
Verwaltungsdirektor der Charite, berichtete üoer die Tätigkeit der 
Fürsorgestellen. 


Patentnachrichten. 

Gebrauchsmuster. 

264 864. Hygienischer Warmwasserapparat, gekennzeichnet durch 
einen aus Steingut bestehenden Wasserbehälter und einen durch Federdruck 
scbliessosden Abflusshahn. Max Hersel, Hamburg. 

264024. Mit in Scheiben aus isoliermatorial eingebetteten Sekundär- 
leitungen versehener Hochfrequenztransformator für Heilzwecke. Werner 
Otto, Berlin. 

264025. Mit zu Flektrodeiibaltern ausgobildeten Armlehnen und 
passenden Elektroden für die FUsse ausgestattete stublartigo Einrichtung zur 
elektrotberapeutiscben Behandlung von Personen. Werner Otto, Berlin. 

264194. Heissluft-Dusche, bei welcher vor und hinter jeder Flamme 
ein Sieb Uber den lichten Durchmesser des Gehäuses gespannt ist. Arthur 
Löwy, Berlin. 

264 223. Einrichtung an Badewannen für koblensäurehaltige Bäder, 
bestehend aus einem Säuregefäss und einem damit verbundenen, unten in der 
Wanne ringsum geführten, perforierten Hohr. Willi Leopold, Berlin. 

264 259. An Heissluftkästen zur Behandlung der menschlichen Glied¬ 
maßen mit heisser Luft aiisetzbarer elektrischer Heizapparat. Reiniger, 
Gebbert &. Schall, Erlangen. 

263 872. Flasche mit Meßgefäss als Stopfen. Engelbert Schlecht, 
Berlin. 

263874. Gebläse mit düseiiartigem Mundstück zum Aufblasen von 
I’ulverdüten. Stotz & Cie., Eloklrizitäts-Qesellscbaft m. b. H., Mannheim. 

263809. Etui für Englisches Pflaster, in Verbindung mit einer ßrochUre. 
Ernst Friodeberg, Berlin. 

A nmeldungen. 

B. 37 403. Verfahren zur Herstellung von Leibbinden mit einem Becken¬ 
teil und zwei daran sitzenden Schenkelteilen. Dr. Guglielmo Bracco, Turin; 

ü. 4924. Vorrichtung zum Teilen von Pulvern in gleiche Teile. 
Stanislaus Oppl, Fulnek, Mähren. 

L. 20332. Verfahren zur Herstellung nicht trocknender,luftabschliossendor 
Pflaster- und Salbengrundlagen. Dr. Willy Loebell, Klein-Zschachwitz a. E. 


F. 18267. Winklig zum Handgriff versiellbarer Bohrkopf fUr Zabu- 
bobrmasebinen. Chester M. Freeman, Baltimore. 

K. 29033. SaugvorrichtuDg für die Gaumenplatten kfinstlicher Gebisse. 
Carl Kämpf, Düsseldorf. 

Z. 4352. Liebtbadeapparat mit an drehbaren Ständern angebraebteo, 
in senkrechten Reiben angeordneten verschiedenfarbigen elektrischen Lampen. 
C. Richard Zumpe, Chemnitz. 

P. 16705. Tampon, bei welchem das Heilmittel in einer löslichen 
Kapsel auf einer elastischen Packung angeordnet ist. Edmund M. Pond. 
Kutland. 

Er te ilu ngen. 

167 103. Schuheinlage für Plattfflsse. Johannes Freitag, Moritzbei^ 
b. Hildeeheim. 

167161. Durch Schnürung zusammenziebbare Leibbinde. Auguste 
Bielleit, geb. Siewert, Berlin. 

167145. Bettenfabrer. Ernst Walter, Hamburg. 

177146. Sarg mit Einrichtung zum öflnen durch wieder erwachte 
Scheintote. Job. Müllenmoister, M.-Gladbach. 

263801. Vorfilter für Desinfoktionsapparate, bestehend aus einem Des¬ 
infektions-Behälter mit in denselben eintauchender Saugleitung, sowie Steig¬ 
leitung Älr die desinfizierte ausgosaugte Frischluft. Geor. Schmidt, Weimar. 
9. 9. 05. 

263802. Desinfektions-Düsen-Apparat, welcher das mit Wasser ge¬ 
mischte Desinfektionsmittel aus einem Behälter durch an einer Robrleitnng 
angeordnete Düsen auf kaltem Woge nach allen Richtungen hin aassprüht. 
G^rUder Schmidt, Weimar. 

268 797. Injektionsspritze mit Tnnenzylinder, welcher auf seinem 
konischen Ende das Schraubgewinde für die Kanüle trägt. Ludwig Lieber- 
kneebt, Berlin. 


M. Rhelnholdt: ExperlmemtelleUotersnehvnffen Aber 
den Einflnss der GewArse auf die Mageneaflblldiuic. 

(Kgl. pathologisches Institut der Universität Berlin, experimentell biologische 
Abt.). Aus „Zeitschrift für pbysikal. u. diätet. Tborapie*", 10. Band, 1 
Heft, (April 06), Leipzig, Q. Thieroe. 

Pawlow und seiner Schule verdanken wir die Erkenntnis, das es für 
die rationelle Ernährung nicht gonUgt, eine gewisse Nahrungsmenge von 
bestimmtem Nährwert und Volumen dom Ma^n zuzufUbren, sondern dass 
ebenso wich^ die Genussmittel, namentlich die Gewürze, sind. Diese be¬ 
dingen den Wohlgeschmack der Nahrung und fördern den Appetit, wodurch 
die Verdauung günstig beeinflusst wird. Davon ausgehend, wandte V'erfa.sser 
auf Veranlassung von Herrn Frivat-Dozent Dr. A. Bickel 
die Pawlow’sehen exporimonteU - biologischen Untersuchungs-Methoden auf 
eines unser verbreiteston Würzmittel, die Soppen- und Spoisen-WQrzo von 
Uaggi, an. Schon Liebreich hatte auf den diätetischen Wert dieses Prä¬ 
parates bingewiesen („Therapeutische Monatshefte'^ 2/1904) und gefunden, 
dass es, selbst bei subkutaner Injektion, keinerlei unerwUnsebto Keizwirk- 
ungen hervorruft, nicht einmal bei dem überaus drastischen Versuche dor 
Einspritzung in die Jugularvene. Auch eine Verminderung der verdauenden 
Kraft des Pepsins durch Maggi's Würze hat er nicht brobachten können. 
Während Pawlow undSasaki die Wirkuog der Fleischbrühe und desFleisch- 
extraktos auf die Sekretion dos Magensaftes nur an Hunden hatten feststellen 
können, war es hier zum ersten male überhaupt möglich, den Einfluss 
eines solchen täglichen Genus.smittels auf die Magensaft-Sekretion in ein¬ 
wandfreier Weise beim erwachsenen Menschen zu studieren. Die 
Versuchs-Person, ein 23-jäbriges, gut genährtes Mädchen mit g esundem Ma¬ 
gen, Uber die Bickel bereits in der „Berliner klinischen Wochenschrift*' 
(2/1906} berichtete, batte sich infolge einer Laugevergiftung vor 8 Jahren 
eine Stricktur des Oesophagus zugezogen, weshalb ihr damals eine Ma^n- 
fistel angelegt wurde. Aus therapeutischen Gründen batte dann kür^ich 
Prof. Dr. Gluck die Oesophagotomie bei ihr vorgenommen und eine Fistel 
der Speiseröhre am Halse gebildet. Da^ Mädchen verhielt sich demnach 
analog dem Pawlow’schon Schoinfütterungshunde. Die Versuche mit 
einer öligen Lösung von Maggi’s Würze in Brunnenwa^r eigabeii eine 
erhebliche Vermehrung dor Sekretion dos Magensaftes, bei gloiunzeitig be- 
bedcutender ErbObung des Säurewortes. Die Gesamtmenge dies sezemierten 
Saftes betrug in 35 Minuten bei der M^gi-Würze-Lösung 28,3 ccm, gegen 
16,7 ccm beim Kontroll-Versucli mit Wasser. Das auffallendste Resultat 
bei diesen Versuchen war, dass durch die Maggi-Würze-Lösung die Sekre¬ 
tion viel länger andauerto (19 Vorsuebsperioden ä 5 Min. gegen _ll beim 
Wasserversuch.) Die weiter vorgenommenen KontroU-Versuche mit Paw- 
low'scben Hunden batten das nämliche Ergebnis: die Förderung der sekre¬ 
torischen Lebtung des Magens unter dem Einfluss der Mag^i-Würze. 
Die Versuche verdienen, im Örginal nachgelesen zu werden. Rbeinboldt 
fasst ihr Resultat dabin znsammon, dass durch die Untersuchungen 1. mit 
SchoinfUtterung am Menschen, 2. mit direkter Einwirkung anf die mensch¬ 
liche Magenschleimhaut, 3. endlich mit dem „kleinen^ Magen am Hunde, 
der Beweis erbracht ist, dass unter dem Einfluss der Maggi’sehen 
Würze die Magonscblcinibaut mit einer intensiveren und 
nachhaltigeren Produktion eines vordauungskräftigen und 
in seinem .Säuregehalt höherwertigen Saftes reagiert, als es 
ohne dieselbe der Fall ist. Die völlige Uebereinstimmung in der {ibysio- 
logischen Wirkung und diätetischen Bedeutung der Maggi-Würze mit dem 
Fleiscbextrakt ist somit erwiesen. 

Meier, 

Priv.-Ass. d. biol. Abtjg. 


Veranlworllichcr Redakteur : Dr. P. Meis.sner, BerlinW. St, KurfQrttenstr. 81. — Verlag von Carl MarhoM, Halle a. S. 
Dnirk von der Heynemann'tchea Buchdruckerei, Gebr WoKT. Halle a.S 


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Medicinische Woche 


Deotschmann, A. DQhrssen, A. Hofta« E. Jacobl, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg I. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Olessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a* S«, Uhlandstrasse 6. 

Tcl.'Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppeo, K. Partsch, H. Roslo, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unrerricht, A. Voulns» 

Magdeburg. Oiesaen. 

Redaktion; 

Berlin W» 62« Karfflmtenntrasse 81« 

Dr. P MeiOner. 


VII. Jahrgang. 18. Juni 1906. Nr. 25. 


Die .Med i cinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalflCOlOgiSChe CCfltralzeitUtlgy Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pi. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeite oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmIBigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Au4i fl^r Medie. Klinik 
in Rom» Direktor Professor Raeceili» 

Ein neuer Fall von Tetanus, behandelt und 
geheilt nach der Baccelli’sclien Methode. 

In einer, dem König Viktor Emanuel gewidmeten Ver¬ 
öffentlichung, die Prof. Baccelli vor kurzem erscheinen liess, 
bespricht er den Tetanus, der allen bisherigen Versuchen und 
Studien der besten Vertreter der Serumtherapie in Italien, wie 
im Auslände solch hartnäckigen Widerstand entgegensetzt, 
während eine vom Autor entdeckte, höchst einfache Therapie 
die wunderbarsten Erfolge zu verzeichnen hat, wie die zahl¬ 
reichen, in der ganzen wissenschaftlichen Welt angestellten 
Versuche beweisen. Der Fall, der von Prof. Baccelli in der 
genannten Publikation zitiert wird, ist so wichtig und eigenartig, 
dass er die Aufmerksamkeit und das Interesse aller verdient, 
und deshalb will ich ihn hier wiedergeben. 

Anamnese. M. G. Bauer aus Velletri, 80 Jahre alt. ' 
Vater und Mutter sind gestorben, als der Kranke sich noch im 
jugendlichen Alter befand und er kann sich nicht entsinnen, an 
welcher Krankheit. Von eigenen früheren Krankheiten weiss 
er sich nur einer Anschwellung des linken Kniees zu erinnern, 
au der er vor ungefähr sieben Jahren litt, und die ihm im 
Krankenhaus aufgeschnitten wurde. Er hat nie syphilitische 
Krankheiten geh^t. 

Mit 22 Jahren hat er sich verheiratet und seiner Ehe ent¬ 
sprossen zehn Kinder, von denen sieben noch leben und sich 
guter Gesundheit erfreuen; die Krankheiten, an denen die andern 
drei starben, weiss er nicht anzugeben. 

Die letzten 15 Tage vor seinem Eintritt ins Krankenhaus 
hat der Patient in einem Garten io der Nähe der Kaserne des 
Macao (in Rom) gearbeitet. Was er vorher gemacht hat, weiss 
er nicht mehr, er erinnert sich auch nicht, sich irgend welche 
traumatische Verletzung zugezogen zu haben. Lieber seine 
gegenwärtige Erkrankung erzählt er, dass er vor ungefähr sieben 
Tagen (am 23. November) zuerst einen gewissen Schmerz bei 
den Bewegungen des Halses und Beschwerden beim Schlucken 
verspürte. Er hielt es für ein vorübergehendes Uebel und 
maente sich Umschläge von Leinsamen, aber die Sache wurde 
immer schlimmer und zu den früheren Beschwerden kam ein 
Gefühl der Unfähigkeit den Mund zu öffnen, zu kauen und 
schliesslich Steifheit der unteren Extremitäten, die es ihm nnmög- 
lich machte, das Bett zu verlassen. Er hatte Atembeschwerden, 
aber kein Fieber. Er sagt, dass das Gefühl der Spannung aus 
allen möglichen Anlässen sich steigerte, und dass diese Anfälle 
von Muskelkontraktur sehr schmerzhaft waren. Deshalb ent¬ 
schloss er sich endlich Hilfe im Krankenhaus zu suchen, wo 


er am 30. November eintrat. (Zwei leichte Hautverletzungen 
die auf dem Vorderarm gefunden wurden, hat er sich, seiner 
Angabe nach zngezogen, während er krank zu Hause lag.) 

Objektives Examen vom 30. November 1905. 

Regelmäßiges Skelett, allgemeine Ernährung verfallend, 
Hautfarbe blass, leichte Cyanose am Wangenbein und den 
Ohrmuscheln. Keine Oedeme. Weder an den Händen, noch 
an den Füssen finden sich Spuren dauernder Verletzungen, doch 
sind die Hände mit einer schwärzlichen Schicht, den Rück¬ 
ständen der Erde bedeckt. An der Anssenseite des linken 
Vorderarmes zei^ sich eine, zirka 1 cm lange Verletzung mit 
schwärzlicher lu-uste, aber nicht gerötet an den Rändern. 
Andere kleine Verletzungen, Kratzwunden, finden sich am 
gleichen Arm und am linken Oberarm eine zirka 2 cm lange 
Wunde mit weicher Kruste, nach deren Entfernung sich eine 
leicht blutige Flüssigkeit zeigt. Sonst ist am ganzen Körper 
nichts zu entdecken. 

Der Kranke nimmt im Bett die Rückenlage ein, die er 
spontan nicht zu verändern vermag; der Kopf ist nach rück¬ 
wärts gebogen, die Stirne in tiefe Falten gezogen, die Kontrak¬ 
tur der Muskeln ist zwar nicht sichtbar, aber mittels Palpation 
deutlich zu fühlen. Die Lippen sind leicht verzerrt und lassen 
die Zähne sehen, die der Patient infolge Trismus nicht zu 
öffnen vermag. Es fällt ihm daher auch s^wer, Speise zu sich 
zu nehmen und muss ihm löffelweise Milch eingeflösst werden, 
die er jedoch ohne Beschwerden schlucken kann. Die steruo- 
cleido-mastoidei zeichnen sich deutlich unter der Haut ab und 
fühlen sich hart an, die Nackenmuskeln sind steif und halten 
den Kopf nach rüeWärts gebogen. Die Bewegungen der Aus¬ 
dehnung und der Drehung des Kopfes sind sehr beschränkt, 
aber nicht unmöglich. Der Rumpf ist steif, das Rückgrat 
bildet einen leichten Bogen, so dass man zwischen dem Bett 
und dem Rücken bequem die Hand durchschieben kann. Auf 
dem Torax zeichnen sich die Pettorali unter der Haut deutlich 
ab, und fühlen sich hart an. Die Muskeln des Abdomen sind 
straff gespannt, und der ganze Unterleib scheint ein Brett. 
Obere Extremitäten. Die passiven Bewegungen zeigen 
einen ziemlich bedeutenden Widerstand in allen Gelenken, be¬ 
sonders jenen der Schulter. Die Hände sind schwer zu biegen, 
die Finger der rechten Hand sind gegen die Innenfläche ge¬ 
krümmt und diese Krümmung lässt sich nicht leicht lösen. 
Die aktiven Bewegungen können alle ausgeführt werden, aber 
durch eie werden alle Muskeln der Schulter, des Armes und 
des Vorderarmes in tonische Kontraktion versetzt, und auch 
der Trismus nimmt während dieser Krampfanfälle zu. Untere 
Extremitäten. Die unteren Extremitäten sind vollständig 
ausgestreckt, und es ist unmöglich, Bewegungen vorzunehmen, 
sei es aktive oder passive. Die Muskeln befinden sich in 
starker Kontraktur. Während der Untersuchung stellten sich 
wiederholt tetanische Anfälle ein. • Die Palpation der Mnskel- 
masse ist sehr schmerzhaft. Wenn man versucht, den Kranken 
bei den Schultern oder an den Füssen zu erheben, hebt sich 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 25. 


der ganze Körper, nls ob er ein Brett wäre. Dieser Zustand 
der Muskolsteife wird von Zeit zu Zeit durch allgemein wieder- 
kehrende Krampfanfalle noch erschwert, die in unbestimmten 
Zwischenpausen wiederkehren und durch die geringste Ursache 
ausgelöst werden können. 

Die Anfälle dauern gewöhnlich nur wenige Sekunden, der 
Puls wird während dessen beschleunigt und nimmt cieich nach¬ 
her wieder den gewohnten R}i;hmus an. Auch die Atmung 
ist während der Anfälle beschleunigt; sie steigt im allgemeinen 
von lü bis 20 auf 24 bis 30 und die Respiration ist nur dia¬ 
phragmatisch. (Schluss folgt) 


Cellotropin (Monobenzoylarbutin) 
als Tuberkiüosenheilmittel. 

Von Med. univ. Dr. Wilhelm Meithner, 
Distriktarzt in Wostitz (Mähren). 

(Schloss.) 

Iiu letzten Satze ist schon die Wirkungsweise, in der das 
Cellotropin bei der Tuberkulosebehandlung nützlich zur Gel¬ 
tung kommt, kurz vorweg genommen. Tritt man der Frage 
näher, so möchte ich eine primär lytische, auflösende Wirkung 
auf da.s Lungensekret, das Sputum, dem Cellotropin nicht nach- 
saacn, obgleich Arbutin die Drüsensekretion anderer Organe 
erwiesenermaßen anzuregen vermag. Die Beobachtung am 
Kranken ergibt wenigstens gar keine positiven Anhaltspunkte 
dafür. Ebensowenig möchte ich dem Cellotropin primäre, 
appetonzanregende Fähigkeiten nachrühmeo, die etwa sekundär 
die Tuberkulose günstig beeinflussen. Wohl zu beachten! 
Crllotropin schädigt in keinem einzigen Falle die vorhandene 
Appotenz oder ihren Rest. Weder ich selbst habe derartiges 
gesehen, noch ist derartiges sonst in der Literatur erwähnt. 
Dadurch unterscheidet sich die Cellotropintherapie wesentlich 
von der Kreosottherapie, die einerseits mit ihrer günstigen 
Wirkung nach der Anschauung vieler Aerzte einzig auf der 
vVpjietenzsteigerung basiert, andererseits aber in Fällen dem 
Kranken noch den Rest seiner Appetenz raubt und aufgogeben 
worden muss. Cellotropin schädigt also nie eine vorhandene 
Appetenz oder deren Rest, aber eben so sicher behaupte ich, 
dass Cellotropin nicht primär Appetenzsteigeru^ hervorruft, 
denn man sieht beim Cellotropingebrauch der Tuberkulotiker 


Feuilleton. 


Pariser Brief. 

Da Paris unläugbar der Hauptknotenpunkt des derzeitigen 
Weltverkehrs ist, so stellen sich auch bisweilen den Gelehrten 
dieser Stadt Aufgaben und Vorwürfe, die in andern Orten fast 
ganz undenkbar sind. Als Beispiel dafür mögen die folgenden 
beitlen, höchst eigenartigen Mitteilungen aus den Pariser gelehrten 
Gesellschaften dienen. 

In der Sitzung der Acadomie dos Sciences vom 2. April 
d.s. Js. sprach der Anthropologe Lortet über das Herz des 
Königs Ramses 11. von Aegypten, der im Jahre 1258 vor 
unserer Zeitrechnung gestorben ist. Einleitend erzälilte Lortet, 
«lass die Verwaltung der Museen des Louvre in Paris, nach 
tansen«! Schwierigkeiten, in den Besitz von vier altägyptischen 
Urnen gelangt ist, welche auf ihren Verzierungen Inschriften 
tragen, aus denen mit Sicherheit hervorgeht, dass sie die Ein¬ 
geweide jone.s Herrschers enthalten. Lortet wurde nun be¬ 
auftragt. den Inhalt der Urnen näher zu untersuchen. In drei 
Urnen fanden sich in festangezogene und durch Soda und harzig- 
aromatische Substanzen verklebte Leinwandstreifen eingehüllte 
granulöse Massen, deren Natur zwar nicht mehr mit Sicherheit 
lostzn.stellcn war, die aber Lortet die Ueberreste von Magen, 
Darm und Leber zu sein schienen. Die vierte Urne, deren 


niemals das Bild, das im Einzelfalle die rasche Appetenzstei- 
gerung der Kreosottherapie gelegentlich bietet. 

Wie wirkt also Cellotropin? Von den „gangbaren Wirkungs¬ 
arten“ bleibt da nur noch die „innere Desinfektion“ übng, 
die, z. B. beim Kreosot, als „Sättigung des Blutes und der 
Gewebsflüssigkeiten mit Kreosot“ definiert wird, welcher Zu¬ 
stand des erkrankten Organismus die Tuberkelbazillen in der 
antiseptisch gemachten Umgebung kein weiteres Gedeihen Enden 
lässt. Diese innere Antiseptik ist zweifellos mehr ein Schlag- 
wort als eine Tatsache. Letztere halte ich überhaupt nur 
möglich bei den vorübergehend grossen Kreosotaldosen, wie 
sie in akuten Erkrankungen der Respirationsorgane vorüber¬ 
gehend gereicht werden Können, und auch da nur bei der 
Kreosotalthorapie, bei der das Kreosot nicht nur in den Ge¬ 
websflüssigkeiten und im Blute schwimmt, sondern auch reich 
durch die Lungen ausgeschieden wird, so dass es doppelt reich 
immer den Krankheitsherd, den Sitz der Infektion, umwogt. 
Hier also vielleicht! Sicher aber ist die innere Desinfektion 
ein Schlagvvort bei der geistlosen, schematischen Sirolintherapie 
und ähnlichem Wurzentum. 

Aber die Ergebnisse der neueren Forschungen über jene 
Vorgänge, welche das Wesentliche bei der Heilung infektiöser 
Erkrankungen bilden, weisen überhaupt nicht mehr auf die 
Notwendigkeit einer durch Zufuhr antiseptisch wirkender Sub¬ 
stanzen bewirkten Desinfektion des Organismus. Sie verweisen 
ganz präzise nur mehr auf die Notwendigkeit, die im erkrankten 
Organismus latent oder gebunden schon vorhandenen antibak- 
tenellen Elemente frei werden und in den Kreislauf gelangen 
zu lassen. Frei geworden genügen die natürlichen Schutzkräfte 
für den erfolgreichen Kampf des Organismus gegen die einge¬ 
drungene Noxe. Wenngleich die einfache Ph^ocytenlehre 
Metschnikoff's nicht mehr zu recht besteht, hat doch sie 
den Anstoss zur Erkenntnis der Antikörper und Alexine ge¬ 
geben, die, in jedem Organismus vorhanden, wenn kreisend 
im Blute, in ihrer Wechselwirkung die Noxe überwinden, die 
Antikörper, indem sie durch ihren chemischen Einfluss die ein- 
edrungenen Mikroorganismen zugängig machen dem auflösen- 
en, also zerstörenden Einflüsse der bakteriolytischen Fermente, 
die den Namen Alexine führen. Als eine der ersten Ursprungs- 
uellon für die Alexine waren die Leukocyten erkannt, nnd 
amit Metschnikoff's bedeutungsvolle Beobachtung auch 
mit der neuen Lehre in Einklang gebracht, derzufoTge der 
Leukocytose bei der Bekämpfung von Infektionskranloieiten 
noch immer die ganze Vollwertigkeit zukommt. 


Deckel mit einem Schakalkopfe geschmückt ist, enthielt, in der¬ 
selben Umhüllung wie die andern, eine ovale Platte, die 8 cm 
laug und 4 cm breit w’ar. Sie war hart, wie von Hom. Nur 
mit der Säge konnte ein Stück davon herausgetrennt werden. 
Aus diesen gelang es, mit dem Rasiermesser Schnitte zur 
mikroskopischen Untersuchung anzufertigen. Es zeigte sich 
dabei ein guterkenntliches, den Histologen wohlbekanntes Bild, 
nämlich Muskelfasern, die sich ineinander verzweigen. Solche 
Fasern kommen bekanntlich nur im Herz und in der Zunge 
vor. Da sich aber die Mumie jenes Königs in einem Museum 
in Cairo befindet und ein als Zunge anzusprechendes Gebilde 
besitzt, so kann also kein Zweifel darüber obwalten, dass die 
Platte in der Urne tatsächlich aus dem durch die Einbalsamierung 
eingetrockneten, geschrumpften und verhärteten Herzen des 
vor 3164 Jahren gestorbenen Königs Ramses des Grossen, von 
den Griechen Sesostris genannt, besteht. 

Die zweite Mitteilung, die hier besprochen werden soll, 
und die manche Aehnlichkeit mit der ersteren hat, war im 
vergangenen Jahre ebenfalls in der Acadomie des Sciences in 
Paris, gemacht worden. Auch hierfür muss die Vorgeschichte erst 
erläutert werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten von 
Nordamerika hatte dem Gründer ihrer Kriegsflotte, dem Admiral 
Paul Jones, ein Grabdenkmal in der Kapelle der Marine¬ 
akademie in Washington errichtet und brauchte dazu den er¬ 
forderlichen Inhalt, d. h. die Leiche von Jones. Diese aber 
ruhte seit 113 Jahren in Paris auf einen Friedhof, der längst 
mit Häusern überbaut ist und dessen Einzelpläne bei der Nieder- 


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lOüC. 


MEDICIKISCÜE WOCHE. 


27S 


Von diesem Standpunkte aus habe ich in 3 Fällen meiner 
Beobachtungen, das eine Mal drei Monate hindurch, die an> 
deren Male durch 10 Wochen, regelmäßig Blotpräparate an¬ 
gelegt und von jedem Termine einzelne nach gleichen Methoden 
gefärbt. Wenn auch keine mächtige Leokocytose, wie man 
sie nach stärkeren Nucleindosen beobachten kann, anftrat: in 
den späteren Bildern waren die weissen Blutzellen ganz un¬ 
zweifelhaft häufiger zu finden als vor und am Beginne der 
Cellotropinbehandlung. Die Vermehrnng betraf namentlich die 
polymorphen Leukocyten, daneben traten auch eosinophile 
Leukocyten auf. 

Die polymorphen Leukocyten sind als reiche Alexinträger 
bekannt; die Beaeutung der eosinophilen Leukocyten habe ich 
in meinen Behelfen nicht präzisiert finden können, nur Hof- 
bauer*) bemerkt ihr Vorkommen bei starker Nucleinleuko- 
cytose. Also mäßige Leukocytose bewirkt Cellotropin allmäh¬ 
lich. Mäßig und allmählich! Gibt es doch heute genug leuko- 
taktische hßttel, die rasch eine starke Leukocytose bewirken. 
Wenn diese aber in der Tuberkulosetherapie nicht siegreich 
durcbzudringen vermochten, während die mäßig bewirkte Leuko¬ 
cytose bei einzelnen Mitteln, z. B. bei dem Guaiacetin, als der 
wichtigste Eeilfaktor angesehen wird: so drängt sich natur¬ 
gemäß die Frage auf, ob die akut und stürmisch bewirkte 
Leukocytose, die in akut verlaufenden Prozessen mit einer 
günstigen oder deletären Entscheidung innerhalb weniger Tage, 
ganz hervorragende Dienste leisten kann, auch in ewiger 
Wiederholung auf jene Dauer sonst schadlos zu erzielen und 
erfolgreich zur Geltung zu bringen ist, die ein Krankheitspro¬ 
zess von der notorisch chronischen Heilungsdauer einer schon 
etwas eingerissenen Tuberkulose zu seiner Heilung unbedingt 
braucht. 

Neben der mäßigen Leukocytose kommt in Hinsicht auf 
die Möglichkeit der Vermehrung der Alexine durch Cellotropin 
noch die Tatsache in Betracht, dass die Alexine nicht einzig 
im Blute und in den weissen Blutzellen ihren Entstehungsort 
haben. Prof. Turr6-Barcelona**) bezeichnet sie ganz all¬ 
gemein als ein Produkt des Zellplasmas. Ihr Vorkommen 
„wurde bisher experimentell nachgewiesen in der Schilddrüse, 
der Nebennierenkapsel, dem Nierengewebe, in den Lymph- 

*) Dr. S. Hofbauor: Zur Verwertung einer künstiicben Leukocytose 
bei der Behandlung septischer Puerperalprozcsse. Zentralbl. f. Gynäkologie, 
1896, Nr. 17. 

*♦) Prof. R. T u r rö-Barcelona: Ursprung und Beschaffenheit der 
Aioxine. Vortr. a. d. intern, medic. Kongr. 1903. Berl. klin. Wocbenschr. 
190!i, Nr. 86. 


brennuog des Pariser Rathauses durch die Kommune im Jahre 
1871 zerstört worden waren. Jones war nämlich nicht nur 
ein abenteuerlicher Seefahrer, sondern auch ein wenig Land¬ 
streicher gewesen. Von Geburt Engländer, war er als Schiffs¬ 
junge nach Amerika gekommen und hatte sich dort bei Aus¬ 
bruch des Freiheitskrieges anwerben lassen. Er wurde der 
Gründer der amerikanis^en Kriegsflotte, als deren Admiral er 
grosse Heldentaten vollbrachte. Nach Beendigung des Krieges 
führte ihn sein unruhiger Geist nach Europa zurück, wo er zuerst 
in französische und dann in russische Marinedienste trat. In 
der letzteren Stellung hat er hauptsächlich an der Schaffung 
der Kriegsflotte im Schwarzen Meer gearbeitet. Aber auch hier 
war seines Bleibens nicht lange, es trieb ihn von da nach dem 
unter dem frischen Eindruck der grossen Revolution stehenden 
Paris. Wenige Monate nach seiner Ankunft starb er dort, im 
Jahre 1792, krank und verlassen, erst 45 Jahre alt. Er wurde 
auf dem Kirchhofe für ausländische Protestanten, der dicht 
neben dem Hospital St. Louis sich befand, in einem Bleisarge 
beerdigt. 

Auf Veranlassung der Regierung der Vereinigten Staaten 
wurden nun im letzten Jahre in Paris eifrige Nachgrabungen 
nach diesem Sarge angestellt und eine ganze Häuserreihe neben 
dem Hospital St. Louis zu diesem Zwecke unterminiert. Es 
wurden dabei in der Tat auch einige Bleisärge gefunden. Die¬ 
selben trugen jedoch keine Namensangaben. Zwei Pariser 
Aerzte Capitan und Pap illaut wurden nun von der ameri¬ 
kanischen Botschaft in Paris ersucht, festzustellen, ob einer 


drtisen, den Muskeln, in Leber und Milz .... etc“. Wenn 
also die mäßige Leukocytose allein nicht genügend ist zur 
Aufklärung der Alexinvennehrung durch Ceuotropin, auf die 
ebenso das Tierexperiment wie die klinische Beobachtung mit 
dem allmählichen Verschwinden der Tuberkelbazillen aus dem 
Sputum hinweist, so ist in der erwiesenen Einwirkung des 
Arbutin anf die Funktionen mannigfacher anderer diesiger 
Organe genügende Möglichkeit geboten, in ihnen vorhandene 
Alexine frei zu machen. „Im Plasma der Parenchjrmzellen 
werden sie geschaffen und dieses vermag sie in schier uner¬ 
schöpflicher Menge an die Körpersäfte weiter zu geben“ . . ., 
„sie werden um so eher im Zustande potentieller Energie ver¬ 
harren , je weniger passende Mittel für ihre Lösung in den 
Körpersäften vorhanden sind“, sagt Tnrrö. Wie weit im 
einzelnen dieser Einfluss des Cellotropin reicht, sonst passende 
Mittel für die Lösung der Alexine aus dem Plasma den Köiper- 
säften aus den Drüsen zu erwirken, ist heute noch nicht zu 
s^en. Aber heute schon weisen Experiment und Beobachtung 
am Krankenbette auf die Tatsache, dass Cellotropin durch 
Schädigung der eingedrungenen Noxe zur Tuberkulosebeilung 
beitrage. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

AernftHcher Verein in Hamburg» 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 22. Mai 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Hueter (Altona) demonstriert 
eine Herzruptur am linken Ventrikel: ein myomalacischer Herd 
hatte bereits Anlass zu einer grossen aneurysmatischen Aus¬ 
buchtung an dieser Stelle in vivo gegeben. 2. Herr Simmonds 
hat Präparate, die bis zu 10 Jahren bereits in Kay s erlingscher 
Lösung gelegen hatten, auf Spirochaeten untersxicht und konnte 
stets solche nachweisen. Gefärbt wurde nach Levaditi, dann 
5 Minuten lang in Saffraninlösung und Minute in Pikrinsäure. 
Besonders viel Spirochaeten wurden bei den syphiHtischen Foeten 
in der Darmwand und im Meconium gefunden; auch waren grosse 
schwarze Haufen zu erkennen, die von Trümmern von Spirochaeten 
herrührten. 3. Herr Paschen hat ein Präparat unter dem Mi- 


dieser Särge die Leiche von Jones einschliesse. Als Anhalts¬ 
punkte für ihre Untersuchungen wurden ihnen mehrere histo¬ 
rische Angaben über die Körperverhältnisse des Admirals und 
die Krankheiten, die er durchgemacht, mitgeteilt und insbesondere 
ihnen der Abguss einer lebensgrossen Büste von Jones, die vom 
Meissei des einst weltberühmten französischen Bildhauers Hou- 
don herrührt, übergeben. 

In einem der Särge fanden nun die beiden Aerzte eine 
mumienhafte Leiche, die ungefähr der eines 45jährigen Mannes 
entsprach. Sie war 170—171 cm lang und zeigte braune, im 
Ergrauen begriffene Haare, was mit den allgemeinen Angaben 
über Jones übereinstimmte. Es wurden nun die Gesichtszügo 
der Leiche mit der Büste von Houdon verglichen. Die Linie 
der Haarimplantation, die Form der Stirn, der Augenbrauen¬ 
bögen, der Nasenwurzel und des Kinnes, der Prognathismus 
des Unterkiefers und die eigentümlichen Ohrwindungen stimmten 
völlig überein. Die untersuchenden Aerzte nahmen dann yer- 
gleicnende anthropometrische Messungen am Gesicht der Leiche 
und der Büste vor, die nie um mehr als 2 mm differierten, so 
war an der Leiche die Distanz von der Haarimplantation zum 
Punctum subnasale und von hier zum Kinn 12,9 und 7,4 cm, 
an der Büste betrugen diese Maße 12,7 und 7,5 cm. Auch die 
Länge der Oberlippe, die Unterlippe mit Kinn und die Stirn¬ 
breite wurden bestimmt und nur wenig verschieden von den 
entsprechenden Maßen der Büste gefunden. 

Schliesslich wurde noch die pathologische Anatomie zur 
Identitätsfeststellung mit herbeigezogen. Es war bekannt, dass 


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274 


MEDIOINISCHE WOCHE. 


Nr. 25. 


kroskop aufgestellt, bei dem die Spirocliaeten in Zellen ein¬ 
geschlossen liegen. 

n. Vortrag des Herrn Umber (Altona): „Diagnostisches 
und Experimentelles über die Fettverdauung im 
Magendarmkanal.“ (Autorreferat.) Die Abänderung der nor¬ 
malen Vorgänge der Fettverdauung im Magendarmkanal hat Vortr, 
auf seiner Abteilung des Altonaer Krankenhauses zusammen mit 
Dr. Brugsch in quantitativen Ausnützungsversuchen bei ver¬ 
schiedenen Erkrankungen des Verdauungstractus systematisch ver¬ 
folgt, wobei sich bemerkenswerte diagnostische Gesichtspunkte er¬ 
geben haben. So spricht eine Wiederausscheidung bis zu 45% 
des Nahrungsfettes im Kot eines Ikterischen für reinen Gallenab- 
Bchluss, über 60% dagegen für Mitbeteiligung des Fancreas bei 
der Blrkrankung der Gallenwege. Gehen bei einem Nicht-Ikterischen 
mehr als 50% des Nahrungsfettes im Kot verloren, so ist damit 
eine Pancreasstörung wahrscheinlich. Bei gleichzeitigem völligen 
Abschluss von Galle und Bauchspeichel erscheinen bis zu 87 % 
des Nahrungsfettes im Kot wieder. Trotz schwerster Schädigung 
der Fettresorption kann bei isolierter Pancreaserkrankung die 
Fettspaltnng völlig normal ablaufen, wie an quantitativen Aus- 
nützungsversuchen gezeigt wird. Es müssen also im Darmkanal 
ausser dem Pankreas noch andere fettspaltende Kräfte wirksam 
sein, die eine fehlende oder schwer geschädigte pancreatische 
Fettspaltnng vollständig ersetzen können. Welche sind das? 
Auch bei Gallenabschluss vom Darm ist die Fettspaltung darin 
normal, also bedarf es auch der Galle nicht zur Erhaltung der¬ 
selben. Das Vollhardsche Magensteapsin, dessen Existenz auch 
Umber am menschlichen Fistelträger nachweisen kann, kann nicht 
allein für die Erhaltung der normalen Fettspaltung verantwort¬ 
lich gemacht werden, auch nicht die zu geringe bakterielle Spaltung. 
Deshalb hat Umber die aseptischen Fresssäfte von Fancreas, 
Leber, Milz und Darmschleimhaut des entbluteten und mit phy¬ 
siologischer Kochsalzlösung durchspülten Hundes, ferner Galle und 
Blut vergleichend geprüft auf ihre fettspaltende Wirkung gegen¬ 
über einer Eigelbemulsion von der Alcalecenz des Darminhaltes. 
Sämtliche Säfte sind unter geeigneten Versuchsbedingungen einer 
mehr oder weniger energischen Fettspaltung fähig, und zwar be¬ 
stehen Unterschiede zwischen den Säften eines nüchternen und 
eines fleischfettverdauenden Tieres, welch letzteres reicher an 
wirksamen fettspaltenden Enz 3 rmen ist, jenes dagegen zymogen- 
haltiger. Durch zweckmäHige Kombinationen der Säfte (Demon¬ 
stration der Versuchsreihen) ergaben sich interessante wechsel¬ 
weise Aktivierungen und Hemmungen der enzymatischen Fett¬ 
spaltungen, die je nach dem Verdauungsstadlnm variieren. So 
z. B. entfaltet die Kombination von Leber- imd Fancreassaft des 


der Admiral lungenkrank und besonders seine linke Seite affi- 
ziert gewesen war. Weiter wusste man, dass vor seinem Tode 
eine allgemeine Anschwellnng eingetreten war, die an den 
Füssen begonnen, allmählich sich nach oben ausgebreitet und 
zuletzt den ganzen Bauch eingenommen batte. Die inneren 
Organe der Leiche waren unter Einwirkung einer bei der Ein- 
sargung angewendeten alkoholischen Lösung weich geblieben, 
sie waren nur wenig geschrumpft und gebräunt. Man konnte 
von ihnen mikroskopische Schnitte machen, fast wie von einer 
frischen Leiche. Bei diesem Teil der Untersuchung hatte Prof. 
Cornil, der pathologische Anatom der Pariser Medicinischen 
Fakultät, mitgewirkt. Er konstatierte mikroskopisch eine aus¬ 
gedehnte Glomerulitis an den Nieren und stellte die Diagnose 
auf vorgeschrittene chronische interstitielle Nephritis. Die 
Leberstruktur war normal. Die Lungenuntersuchung hatte 
schon makroskopisch bronchopneumonische Herde in der linken 
Lunge ergeben. Anamnese und Leichendiagnose deckten sich 
also. Die beauftragten Aerzte in Paris konnten somit, 113 
Jahre nach dem Tode, ein positives Gutachten über die Iden¬ 
tität der Leiche abgeben. 

Die amerikanisime Regierung hat dieses auch in vollem Maße 
anerkannt. Ein grosses amerikanisches Kriegsgeschwader holte 
darauf die Leiche in Frankreich ab und kürzlich wurde dieselbe 
feierlich unter dem Grabdenkmal in Amerika, zur diesmal wohl 
endgültigen Ruhe, niedergesenkt. P. Schober (Paris). 


nüchternen Tieres eine weit höhere Fettspaltung als die Summe 
der einzeln wirkenden Säfte beträgt. Beim verdauenden Tier 
leistet dagegen die Kombination nicht mehr als die Summe. So 
hemmt ferner der Darropresssaft des nüchternen Tieres die Fett¬ 
spaltung seines Pancreaspresssaftes, während er beim verdauenden 
Tier seine Wirkung erhöht; der Milzpresssaft des verdauenden 
Tieres, der selbst stark fettspaltet, aktiviert den Pancreaspresssaft 
in auffälligem Maße usw. So erklärt sich also, warum beim 
isolierten Pancreasausfall die Fettspaltnng durch alle di^e fett- 
spaltenden Exäfte des Darmes auf normaler Höbe gehalten werden 
kann trotz schwerer Schädigung der vom Fancreas abhängigen 
Fettresorption, und dass sie erst dann notleiden muss, wenn sämt¬ 
liche Funktionen der Darmverdauung durch die Erkrankung in 
Mitleidenschaft gezogen worden sind. 

in. Diskussion: Herr Schümm fragt nach der Versiichsdauer 
der Spaltungen und nach der Art des angewendeten Antiseptikums. 
Herr Umber: Die absolute Versucbsdauer betrug 22 Stimden 
bei 37^ C. Es wurde etwas Toluol zugesetzt und streng aseptisch 
verfahren. S chön e wal d. 


Kongressbericht. 

23. Kon-ffress für innere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Gras sman n-München. 

2. Sitzungstag. 

Herr Albert Fraenkel-Badenweiler: Zur Digitalis¬ 
therapie. 

Das Digalen verdankt wohl die Beachtung, die ihm von allen 
Seiten geschenkt wurde, in erster Linie seiner intravenösen An¬ 
wendung. Es war aber von vornherein anzunehmen, dass jeder 
wasserlösliche Körper der Digitalisgruppe zu dieser Art der An¬ 
wendung geeignet sei, der chemisch rein ist und daher konstanten 
Wirkungswert besitzt. Allen Anforderungen genügt das Stro¬ 
phantin , deren Wirkung bei intravenöser Einführimg der Ver¬ 
fasser in etwa 50 Versuchen an der inedicinischen Klinik 
zu Strassburg studierte. Die voll wirksame Dosis — etwa 
15 ccm Digalen äquivalent — beträgt mgr und kann schon mit 
®/4 ccm HzO in die Vene injiziert werden. Die Wirkung setzt 
darnach schon nach 3 — 4 Minuten ein und unter den Augen des 
Beobachters vollzieht sich die Umschaltung der Kreislaufverhält- 
nisse zur Norm. Der Puls wird voller, die Dyspnoe verschwindet 
und eine enorme Harnflut (bis 6 Liter) setzt ein. Schon durch 
eine einzige Injektion können die schwersten Kompensations¬ 
störungen beseitigt werden. Keinesfalls darf man der ersten In¬ 
jektion rasch andere nachfolgen lassen, da das Strophantin wie 
andere digitalisartige Substanzen kumulierende Wirkung besitzt. 
Magen- und Darmstörungen treten nicht ein, jedoch hier und da 
Teraperatursteigerungen. 

Der Verfasser hat nun diese energische und rasche Digitalis¬ 
wirkung — das Strophantin ist ja pharmokologisch als Digitalis¬ 
substanz anzusehen — dazu benützt, um den Blutdruck und die 
Piilsamplitude mit dem Recklinghausenschen Apparat zu unter¬ 
suchen ; der Blutdruck wird nicht wesentlich verändert, die Pulsam¬ 
plitude aber immer bedeutend vergrössert. Dann erst tritt Puls¬ 
verlangsamung ein und endlich die Diurese und die anderen 
S^Tnptome der Kreislaufverbesserung. Es ist wichtig, dass eine 
einzige Injektion die Stauung dauernd beheben kann, obgleich die 
direkte Einwirkung des Strophantins 2—3 Tage nicht überdauert; 
dadurch ist erwiesen, dass die günstigen Folgen auch nach dem 
Abklingen der Arzneiwirkung selbst fortdauem und dass demgemäß 
auch für die interne DigitsiUstherapie jene Darreichungsmethode 
die rationellste ist, nach der man die Präparate nur solange fort¬ 
geben soll, bis die Kreialaufsymptome, vor allem Pulsfrequenz und 
Diurese — der Verfasser nennt sie „Indikatoren der Digitalis¬ 
wirkung“ — deutlich verbessert sind. Praktisch wird die innere 
Digitalistherapie immer obenan stehen. Die .subkutane Anwendung 
ist für Strophantin wie für alle Digitalisköiq)er zu verwerfen, weil 
sie sämtlich reizen. Die intravenöse Anwendung ko mm t bei be¬ 
drohlichen Graden der Herzinsuffizienz in Betracht und kann hier 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


275 


lebensrettend wirken. Ferner kann sie versucht werden, wo die 
interne Therapie versagt oder Magendarmstörungen ihre Anwen¬ 
dung unmöglich machen. Wegen der Heinheit des wasserlöslichen 
Körpers, der stärkeren Wirksamkeit sowie Wohlfeilheit des Präpa¬ 
rates verdient die intravenöse Injektion des Strophantin Böhrin- 
g e r (in sterilisierter Lösung zu 1 mg in Glastaben) vor dem 
Digalen den Vorzug. 

In der Diskussion bemerkte Herr Ewald-Berlin, dass er 
von Digaleninjektioneu (intravenös) sehr gute Erfolge gesehen habe. 
Einspritzungen ins TJnterhautzellgewebe sind zu vermeiden, da sie 
Reizung mit heftigen Schmerzen machen, (Fortsetzung folgt.) 

33. Kongress der DeutscJien Ges^lsf^iaft 
für Chi/rurgie. 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Bardenheuer-Cöln stellt einige Fälle von Resektion 
der Hüftegelenkspfanne vor, die sehr gut geheilt sind. Am 
besten werden die Resultate, wenn es gelingt, den Trochanter zu 
schonen und ihn am Becken einzuheilen. B. betont, dass die Ver¬ 
bindung zwischen Femur und Becken meist keine knöcherne, sondern 
eine gelenkige sei. Der Verband muss in Abduktionsstellung 
erfolgen, 

Hr. Bosse-Berlin: Mikroskopisches und Radiolo- 
gisches zur cangenitalen Gelenklues. 

B. hat 3 Fälle mikroskopisch untersucht, und zwar Stücke, 
die er durch Prcbeexcision aus congenital syphilitischen Gelenken 
gewonnen hatte. Als Resultat fand er eine granulierende Ent¬ 
zündung der Synovia, welche meist die Innenschicht derselben be¬ 
trifft. Ferner haben seine Untersuchungen ergeben, dass eine eit¬ 
rige Gelenkerkrankung bei der Syphilis wohl Vorkommen könne. 
Der Knorpel war nicht verletzt; hin und wieder wurden leichte 
paunöse Auflagerungen gefunden; Zottenbildung wurde nicht kon¬ 
stant gefunden. Im parraarticulären Gewebe fand er keine Intima- 
wuchening der Gefäase; ferner Veränderungen an den Muskeln; 
die Muskeln atrophierten unter Auftreten von Sarcolemmwucherung. 
Die Knochen wui*den radiologisch untersucht und zwar in 11 Fällen. 
Als Ergebnis der Untersuchung führt B. an, dass verschiedene 
Formen der Syphilis an den Knochen gefunden wurden: Osteochon¬ 
dritis epiphysaria, gummös osteomyelitische Prozesse sowie Perios¬ 
titis ossificans. In 3 Fällen war es ihm möglich, rachitische und 
syphilitische Prozesse, welche an den Knochen kombiniert waren, 
auf radiologischem Wege zu differenzieren. 

Hr. Borchhardt-Posen demonstriert einen von den ober¬ 
flächlichen Venen des Unterschenkels aasgegangenen sarcoma- 
t Ösen Tumor. 

Hr. Rosenberger-Würzburg: üeber konservative 
Behandlung eiternder Fingergelenke. 

R. glaubt, dass die Schwierigkeit der Heilung solcher Eiter¬ 
ungen durch die bisher übliche Behandlung derselben bei den Ver¬ 
bänden bedingt ist; durch die Bewegungen, bei den Verbänden, 
wie sie bisher üblich waren, wurden die Gelenke immer von neuem 
gereizt. Er hat daher in neuerer Zeit feste gefensterte Ver¬ 
bände angelegt, welche nur das eiternde Gelenk frei lassen und 
daher gestatten, die Verbände bei bestehender Fixation des Ge¬ 
lenks anzulegen. Dadurch hat er schnellere Heilung erzielt. 

Hr. Hofmann-Graz: Zur Behandlung der knöchernen 
Gelenksankylose n. 

Redner hat in einem Falle von Ellenbogengelenksversteifung 
nach Influenza das Radiumköpfchen mit Humerus und Olecranon, 
soweit wie es zur Mobilisierung nötig war, reseziert, die Gelenk¬ 
kapsel entfernt. Dann hat er von der Tibia einen Periostlappen 
entnommen, ihn auf den resezierten Humerus aufgesetzt und dort 
mit Nähten befestigt. Naht der Wunde und Verband in recht- 
winklicher Stellung. Wundverlauf gut. Nach 3 Wochen Ab¬ 
nahme des Verbandes. Es wurde mit passiven Bewegungen be¬ 
gonnen. 4 Wochen nach der Operation verliess der Operierte das 
Krankenhaus und entzog sich der Behandlung. 8 Monate später 
stellt er sich wdeder mit einem sehr gut beweglichen Gelenk vor; 
die Pro- und Supination waren ausgiebig möglich, die Beugung 
bis zu einem Winkel von 80®; die Streckung war vollkommen. 
Ein ScMottergelenk bestand nicht. (Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 


Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 20 . 

1 . Denker, Erlangen: Ein neuer Weg für die Operationen 
der malignen Nasentumoren. 

Submuköse Freilegung des Naseninneren nach Fortnahme der 
fazialen und der medialen Kieferhöhlenwand. In zwei Fällen, 
welche von der lateralen Nasenwand ihren Ausgang genommen 
hatten, liess sich das Operationsgebiet in ganzer Breite frellegeii 
und eine radikale Exstirpation vornehmen. 

2. Küster, Freiburg i. Br.: Beitrag zur Frage des spora- 
disohen Auftretens von Meningitis zerehrospinalis (Weichsel- 
haum). 

Mit Schottmüller ist K. der Ansicht, dass, je mehr klinisch 
verdächtige Fälle von Genickstarre sofort mit der nötigen Technik 
bakteriologisch untersucht werden, desto grösser wird die Zahl der 
sicher sporadischen Fälle von Genickstarre. Zwar wird die leichte 
Hinfälligkeit des Erregers zuweilen die Züchtung erschweren, 
doch kann in solchen Fällen das Ausstrichpräparat häufig den 
Verdacht unterstützen und zu einer wiederholten zweckmäßigeren 
Materialentnahme führen. 

3. V. Herff, Basel: Zur Verhütung der gonorrhoischen Oph- 
thalmoblennorhoe mit Sophol. 

Argentum nitricum reizt die Augen zu stark, deshalb müssen 
andere Mittel gefunden werden, die bei mindestens gleicher Sicher¬ 
heit erheblich geringere Reizerscheinimgen verursachen. Im 
Frauenspital Basel-Stadt wurde das Formonukleinsilber — nunmehr 
im Handel als „Sophol“ geschützt, das von den Farbenfabriken 
vorm. Friedr. Bayer & Co. in Elberfeld in den Handel ge¬ 
bracht wird, — erprobt. Bei grösserer Reizlosigkeit ist auf 
gleichen Silbergehalt berechnet die desinfizierende Kraft des 
Sophols derjenigen des Protargols mindestens ebenbürtig, während 
sie, auf gleiche Gewichtsmengen bezogen, bei dem hochprozentigen 
Sophol wesentlich grösser ist. Sophol wurde aiifhugs in 10®/o, 
später in 5% Lösung, in grösserer Menge in das Auge der Kinder 
eingebracht, bisher sind 1200 Kinder geschützt worden. Die 
Reizlosigkeit des Sophol auch in stärkeren, eingeduusteten Lösungen 
ist so gross, dass es unbedenklich jeder Laienhand anvertraut 
werden kann. Das Argentum nitricum muss und wird zweifel¬ 
los aus der Vorbeugung der gonondioischen Ophthalmoblennorrhoe 
verschwinden, möglich, ja wahrscheinlich, dass es durch Sophol 
vollständig ersetzt wird. 

4. Hohmann, München: Fortsekritte in der Flattfusshe- 
handlung. 

Nach einer genauen Technik des Gipsabgusses kommt o.s Verf. 
auf die richtige Wahl und Einlage der Korkstahldrahteinlagon an. 
H. beschreibt die Anfertigung der Korkstahldrahteinlagen, die 
Lange seit mehreren Jahren mit Erfolg bei bestimmten Arten 
von Fussachmerz anwendet. 


5. Racine, Essen: Ueber Analgesie der Achillesferse bei 
Tabes. (Abadiesohes Symptom.) 

Wenn Abadie, seine Untersuchungen zusamraenfassend, 
meint, die Analgesie der Achillesferse finde sich in gleicher Häu¬ 
figkeit in allen Stadien dre Tabes, auch im Anfangsstadium und 
bei den anormal verlaufenden Fällen, wenn er ferner betont, sie 
sei ein leicht zu prüfendes, frühzeitiges und ungemein häufiges 
Symptom, so kann man dem im allgemeinen beipflichten. Jeden¬ 
falls ist es der Mühe wert, dem so leicht zu prüfenden Symptom 
in jedem Falle von Rüokenraarkserkrankung seine Aufmerksam¬ 
keit zuzuwenden und es nachzuprüfen. Als wichtiger Beitrag za 
den bei der Tabes vorkommenden Muskel-, Knochen- und Gelenk¬ 
analgesien ist es von gros.sem Interes.se. Dagegen kann R. ihm 
einen so hohen Wert, dass man es als „Stigma“ der Tabes, gleich¬ 
wertig dem Aufhören des Kuiephänoraens oder der reflektorischen 
Pupillenstarre, hinatellen könnte, nicht beimessen. 


6 . Hartung: Warum sind die Lähmungen des Nervus 
peroneus häufiger als die des Nervus tibialis ? 

Die Lähmungen de.s Nervus pei*oneas sind, wie die klinische 
Erfahrung lehrt, weit häufiger als die des Nervus tibialis. H. 


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MEDlCmiSCHB WOCHE. 


Nr. 25. 


möchte folgende drei Gründe hervorheben: Erstena sind die vor- 
aasgegangenen, oft in Vergessenheit geratenen Schädigungen an¬ 
zuschuldigen, welchen der Peroneus wegen seiner relativ ober¬ 
flächlichen Lage infolge lokaler Ursachen in höherem Grade als 
der Tibialis ausgesetzt gewesen ist und dem Peroneus eine erhöhte 
Disposition zur Erkrankung zurückgelassen haben. Zweitens muss 
man daran denken, dass der Nervus peroneus leichter gequetscht 
werden kann. Neben dieser grösseren Möglichkeit einer Quetschung 
läuft als dritter Grund einher die grössere Möglichkeit einer Zer¬ 
rung. Der Nervus peroneus ist ein dünnerer Nerv als der Tibi¬ 
alis. Für die Praxis lohnt es sich nach dieser Auseinandersetzung, 
bei Repositionsversuchen von Hüftgelenkslozationen den Unter¬ 
schenkel in gebeugter Stellung zu erhalten, um Läsionen durch 
Zerrung oder Quetschung möglichst zu vermeiden. 

7. Rosengart, Frankfurt a. M.: Einige Beiträge m den 
klinischen Erscheinnngformen der abdominalen Arteriosklerose. 

Für die Differentialdiagnose kommen in solchen Fällen eine 
ganze Anzahl von Erkrankungen im Abdomen in Betracht. Je 
nach der Auftreibung und ihrer Lokalisation, je nach den Angaben 
des Patienten über seine Schmorzen werden wir an eine Gallen- 
steinkoUk, eine Kolik von der Appendix aus, aber auch an die 
Einklemmung eines Konkrements in einem der Ureteren denken 
müssen. Besonders auch das letztere hält R. der häufigen Loka¬ 
lisation, der Höhe der Schmerzen und des grossen Meteorismus 
wegen für möglich. Die Intuszeption muss ausgeschlossen werden 
können, bevor im Sinne einer Kolik durch Arteriosklerose oder 
Thrombose im Splanchnikusgebiet entschieden werden darf. Die 
Entscheidung in dieser Richtung mit Sicherheit zu treffen, ist 
überhaupt nur möglich, wenn uns die Arteriosklerose beim Patienten 
am Herzen, an der Aorta, in den Nieren oder im Himbereich ent¬ 
weder schon zuvor bekannt ist oder nach Abklingen des Anfalls 
von uns eruiert werden kann. 

8 . Hagen, Nürnberg: Die Qasgemischnarkose mittelst des 
Both-Dräger'sohen Sanerstoffapparates. 

H. sagt darüber folgendes: Wir wenden, wie schon erwähnt, 
fast ausschliesslich die gemischte Sauerstoff-Chloroform-Aether- 
Narkose an, wobei wir jedoch den Aether im allgemeinen prä- 
valieren lassen. Zur Herstellung der Toleranz ist ja freilich das 
Chloi’oform kaum zu entbehren; aber sobald diese erreicht ist, 
suchen wir, soweit nicht von Seite des Organismus irgendwelche 
Kontraindikationen vorhanden sind, die Chloroformgaben immer 
mehr einzuschränken und die Narkose in der Hauptsache mit 
Aether weiterzuführen. Man muss dabei im Verhältnis die Aether- 
dosen in gleicher Weise steigern als man mit dem Chloroform 
herabgeht, bis man diejenige Menge ermittelt hat, welche eben 
noch die Toleranz enthält, ohne die Narkose allzutief werden zu 
lassen. Hierzu reichen oft erstaunlich geringe Mengen aus. Wir 
geben z. B, manchmal in der Minute 5— 10 Tropfen Chloroform 
mit 70—100 Tropfen Aether. Bei dieser Art des Verfahrens ist 
ein sehr weiter Spielraum gelassen, der es gestattet, alle möglichen 
Variationen im Verhältnis der Narkotika zu einander zur Au- 
w'endung zu bringen. Wir sind damit in der Lage, bei der Nar¬ 
kose in weitgehendstem Maße zu individualisieren. Wir müssen 
und können für jeden Patienten ganz gewiss eine Form der Nar¬ 
kose herausfinden, die, wenn ich so sagen darf, der Individualität 
des Betreffenden angepasst ist. Die Vorzüge des Sauerstoff- 
nurkosenapparates liegen nach H. einmal in der Möglichkeit relativ 
genauester Dosierung und individualisierender Indikationsstellung. 
Damit wird der Verbrauch der Narkotika wesentlich vermindert 
und ausserdem die Konzentration derselben entsprechend herab¬ 
gesetzt, Zum zweiten wird eine Anhäufung von Kohlensäure im 
Organismtis verhütet, wodurch eine Reihe von schädlichen Ein¬ 
wirkungen der Narkose ausgeschaltet werden. Endlich kommt 
dem Sauerstoff eine nicht zu unterschätzende aktive Bedeutung 
zu, indem er teils direkt, teils indirekt, die vitale Energie der 
Zellen im Körper erhält und erhöht. 

9. Martin, Togo: Symmetrische Handrtickenlipome bei 
Togo-Hegern. 

M. will auf eine Geschwulstart aufmerksam machen, die in 
bestimmter typischer Anordnung bei Negern der afrikanischen 


Westküste auftritt, die im allgemeinen nur geringe Beschwerden 
macht und harmlos ist, die aber unter Umständen, wie der eine 
hier beschriebene Fall zeigt, sich zu einem ernsten Leiden aus¬ 
bilden kann. M.’s bisherige Erfahrungen stützen sich nur auf 
Beobachtungen, die in Togo angestellt sind; Uber die geographische 
Verbreitung der symmetrischen Handrückenlipome kann er daher 
keine näheren Angaben machen. 

10. Jäger, Hof: Ein Tumor der linken Clesiehtahaifte, 
ausgehend vom Bachendacke. 

Ein ausserordentlich grosses weiches, sehr blutreidies Sarkom 
der linken Gesichtshälfte, das von der Schädelbasis (Periost des 
Keilbein») ausgehend in die linke Augenhöhle, Nasen- und Rachen¬ 
höhle durchbrach, bei einem 19 Vejährigen zurückgezogen lebenden 
Bauernsohne. 


Bücherbesprechung. 

Taschenbuch für Augenärzte, m. Ausgabe, Jahr¬ 
gang 1906 — 1907. (Spezialärztliche Taschenbücher, herausgegeben 
von L. Jankau. Verlag Max Gelsdorf, Leipzig.) 

Das brauchbare Büchelcben, dem ein Kalendarium beigegeben 
ist, umfasst einen allgemeinen und einen speziellen Teil, in dem 
der Fachmann manches Datum findet, das ihm, wenn auch nicht 
neu, so doch im Augenblick entfallen ist. 

Das Verzeichnis der Spezialärzte Deutschlands macht das 
Buch recht wertvoll, dagegen sehe ich unter den Personalien 
Lücken und Ungenauigkeiten. Kurt Steindorff. 


Vermischtes. 

Berlin. Die Ortsgruppe Berlin der Deutschen Gesellschaft 
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten wird nach Beschluss 
des Ausschusses fortan jedes Jahr eine Reihe von Vortragsabenden 
für bestimmte Berufsklassen veranstalten. 

Der erste Abend wird im Laufe des Juni im grossen Saale 
des Langenbeck-Hauses stattfinden und ist für die Studierenden 
sämtlicher hiesigen Hochschulen gedacht. Den Vortrag, der das 
Gebiet der Geschlechtskrankheiten umfassen soll, hat der Vor¬ 
sitzende der Ortsgruppe, Herr Sanitätsrat Dr. O. Rosenthal, 
übernommen. 

Der zweite Abend ist für Angehörige des Kaufmannsstandes 
in der ersten Hälfte des Monats Juli geplant. 

Bürlln. In der am 31. Mai im Kaiserin Friedrich-Hause für 
das ärztliche Fortbüdungswesen unter Vorsitz des Geheimrats 
Professor Dr. von Leyden stattgehabten Sitzung des Komitees 
zur Veranstaltung ärztlicher Studienreisen wurde an Stelle des 
im Februar verstorbenen Hofrat Dr. Gilbert, Baden-Baden, 
Herr Dr. Albert Oliven, Berlin, Lützowstrasse 89/90, zum 
Generalsekretär, und Herr Oberstabsarzt z. D. Dr. Bassenge 
zum Schriftführer gewählt. 

Holdolborg. Eine internationale Konferenz für Krebsforschong 
wird im Anschluss an die Eröffnung des Institutes für Krebs¬ 
forschung in Heidelberg vom 24. — 27. September d. Js. statt- 
fiuden. Die Einladungen hierzu ergehen von Exzellenz Professor 
Czerny-Heidelberg, Geheimräten Prof. Ehrlich-Frankfurt a.M., 
Prof. V. Leyden-Berlin. Prof. George Meyer-Berlin fungiert 
als Generalsekretär. 

Dresden. Am 24. Mai tagte zum ersteumale die „freie Ver¬ 
einigung für innere Medicin in Sachsen“ zu Dresden in der Aula 
des Kreuzgymnasiums unter dem Vorsitze des Herrn Prof. Cursch- 
mann. Es waren etwa 250—300 Aerzte anwesend und folgende 
Themata wurden durch Vortrag und Diskussion besprochen: 

Prof. Koste r (Leipzig). Tropische Störungen nach Durchschneidung 
der hinteren Wurzeln. 

Lotze (Leipzig). Ueber congenitalen Hochstand des Zwerchfelles. 
Unruh (Dresden). Ueber die sogenannte Schulanämie. 

Prof. Pässler (Dresden). Wie beurteilen wir die Leistungsfähig¬ 
keit des Herzens in der Praxis ? 

H. Meyer (Dresden). Ueber chronische Dysenterie und deren 
Behandlung. 

Riebold (Dresden). Ueber seröse Meningitis. (Lumbalpunction). 


VertinlwortUch«r Redakteur: Dr. P. Meissner, BerlinW. CS, Kurfürttenstr. CI. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck voB der HeyaemaBn'KbeB Bocbdnickerei, Gebr- Wolff, Halle a.S. 


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Medicinische Woche 



Orlginalien. 


Die Aufgaben des Aerztetages 1906. 

Wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, eine längere Reihe 
von Jahren hindurch Gelegenheit gehabt hat, die Tagungen 
des Deutschen Aerztevereinbundes aufmerksam zu beobachten, 
wird sich der Ueberzen^ng nicht Terschliessen können, dass 
sie in ihrer äusseren (^staltnng nicht minder, wie in dem 
Wert der den Teilnehmern gestellten, bezw. von ihnen gelösten 
Aufgaben sich wesentlich gehoben haben. 

Wie sehr schon das äussere Bild sich verändert hat, mögen 
einige Zahlen illnstrieren. Auf dem im Jahre 1896 in Nürn¬ 
berg abgehaltenen Aerztetage waren 132 Abgeordnete mit 
12()06 Stimmen vertreten, an dem vorigen Aerztetage in Strass¬ 
burg dagegen nahmen 239 Dele^erte mit 21247 Stimmen teil. 
Diese gewaltige Steigerung der BesuchsziSer ist nicht nur die 
Folge der Zunahme der Aerzte im deutschen Reiche und der 
neugebildeten oder dem Bunde neu beigetretenen Vereine — 
letztere betr^ gegen das Jahr 1896 nur 31 —, sondern wesent¬ 
lich Folge des Interesses, das die deutschen Aerzte an den 
Verhandlungen des Bundes nehmen. 

Nach dieser Richtung hat der Inhalt der Verhandlungen 
den allergrössten Einfluss ausgeübt. Die Wunden, die die 
sonst so segensreiche Arbeiterversicherung dem Aerzte- 
stande gescQagen hat, sie waren und sind es insbesondere, 
die die Kollegen in ihrer Gesamtheit aufgerüttelt und aufge¬ 
rufen haben, mit vereinten Kräften Abwehr- und Vorbeugungs- 
maßregeln zu versuchen, auf dem Wege der Selbsthilfe nicht 
minder, wie auf dem der sozialen Gesetzgebung. Mit der 
Gründung des Leipziger Verbandes, der mit erstaunlicher 
Schnelli^eit dank der Energie seines V orsitzenden und seiner 
Mitarbeiter die Mehrzahl der deutschen Aerzte zu tatkräftigem 
Schutze geeinigt hat, ist ein frischer Impuls auch in die 
Aerztetage gelangt Ünd wenn hie und da der Mut der Jungen 
überschäumte, dann traten die Alten mit ihren mehr conser- 
vativen Nei^ngen lindernd und beruhigend dazwischen und 
zeichneten die mittlere Linie, auf der das Schifflein des Bundes 
jetzt zielbewusst seine Pfade zieht 

So wird auch in der bevorstehenden Tagung der Haupt¬ 
anteil der Verhandlungen den Arbeiterversicherungsgesetzen und 
der Befestigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Standes 
zufallen. 

Wenn auch merkwürdig spät, so ist doch endlich die 
Reichsregierung zu der Ueberzeugung der Reformbedürftigkeit 
der Versicherungsgesetze gelangt Aber während wir 
Aerzte danach lechzen, unsere dringenden Forderungen an die 
Revision des Kran^nversicherungsgesetzes endlich erfüllt zu 


sehen, hält die Reichsregierung den Augenblick für gekommen, 
die ganze soziale Gesetzgebung durch Zusammenlegung bezw. 
Vereinfachung in den Kreis ihrer Betrachtung zu ziehen. Ob 
und wann dieses Ziel, das gewiss erstrebenswert ist, erreicht 
werden wird, steht bei den Göttern. Der Ausschuss des Aerzte- 
vereinbundes hat mit Recht geglaubt, dieser Strömung Rech¬ 
nung tragen und den sachverständigen Rat der deutschen Aerzte 
auch nach sozialpolitischer Richtung mit in die Wagschale 
werfen zu sollen. Der bekannte Vorkämpfer sozialhyrienischer 
und ärztlich - wirtschaftlicher Bestrebungen Herr Geh. Rat 
Pfeiffer wird als der Berufenstere einer me Zusammenlegung 
der Versicherungsgesetze eingehend erörtern und es unterliegt 
keinem Zweifel, miss die grosse Mehrheit der Delegierten die 
Grundlagen seiner Auffassung sich zu eigen machen wird. 
Aber auch bei dieser Gelegenheit wird betont werden müssen, 
dass uns das Hemd näher ist als der Rock, und dass mit und 
ohne Zusammenlegung der Versicherungsgesetze, die baldige 
Erfüllung der ärztlichen Wünsche zur Beseitigung des durch 
sie geschaffenen Notstandes ein dringendes Postulat ist. Sind 
unsere wirtschaftlicbenVerhältnisse erst konsolidiert, dann werden 
wir mit um so CTÖsserer Liebe und Hingebung der sozialen Ausge¬ 
staltung der Ärbeiterversicherung uns widmen können. 

Dass auch der Selbsthilfe auf dem diesjährigen Aerzte¬ 
tage ein breites Feld eingeräumt wird, dafür wird das wichtige 
Thema der Mittelstandskassen sorgen. Abgesehen von 
der Krankenversicherung der Arbeiter nagt kein schlimmerer 
Wurm an dem Erwerb und der Ethik des Standes, als der 
Versuch, auf dem Wege genossenschaftlicher Versicherung 
unser Niveau herabzudrücken. Gegen eine private Versicherung 
auch potenter Kreise gegen Krankheit und Unfall wird kein 
verständiger Arzt etwas einzuwenden haben. Wir leben in 
dem Zeitalter der Koalition, und ebensowenig wie wir dulden 
können, dass uns der Weg zur Koalition versperrt wird, sollen 
wir unsem Mitbürgern das Recht bestreiten, auf dem Wege 
enossenschaftlichen Zusammenwirkens gegen wirtschaftliche 
chäden, die aus Krankheiten entstehen, durch aus¬ 
gleichende Maßnahmen sich zu schützen. Was wir aber 
verlangen können und durchsetzen müssen, ist, dass die Koa¬ 
lition nicht dazu benutzt wird, um die ärztlichen Honorare 
herabzudrücken und die Aerzte in wirtschaftliche Abhängigkeit 
von Faktoren zu versetzen, die nur allzu geneigt sind, ihre Macht 
zu missbrauchen. Die Vorschläge zur Abhilfe, die Herr 
Kollege Dippe verteidigen wird, sind vielleicht geeignet, das 
üebel, das sich überall im Deutschen Vaterlande und besonders 
in zahlungsfähigen Bevölkerungskreisen breit macht, zu ver¬ 
kleinern. Um es vollends zu beseitigen, dazu reichen sie nicht 
aus. Es ist deshalb mit Freude zu begrüssen, dass von Berlin 
aus der Versuch gemacht werden wird, den Aerztetag zu einer 
radikaleren Auffassung zu bewegen und den Beschluss zu ex¬ 
trahieren, dass mit privaten Vereinigungen ohne Aus¬ 
nahme keinerlei Verträge über ärztliche Behandlung 
abgeschlossen werden dürfen. Und doppelt erfreulich 


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MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 26. 


ist es, dass yon Berlin ans nicht nnr der Antrag gestellt, 
sondern auch auf die vollendete Tatsache hingewiesen werden 
wird, wonach daselbst Dank des Zusammenschlusses aller 
Standes- und wirtschaftlichen Vereine ca. 97 pCt. der prakti¬ 
zierenden Aerzte sich unterschriftlich zur Erfüllung obiger For¬ 
derung verpflichtet haben. Hoffen wir, dass der Weg der 
Selbsmilfe, der in Berlin so erfreuliche Früchte gezeitigt hat, 
auch in allen andern Gauen des deutschen Vaterlandes zum 
Erfolge fuhren wird. 

Der deutsche Aerztevereinsbund hat es von jeher als seine 
vornehme Aufgabe betrachtet, nicht einseitige und engherzige 
ärztliche Wirtschaftspolitik zu treiben, sondern dem deutschen 
Volke in den wichtigsten Fragen der Gesundheitspflege 
ratend und helfend zur Zeit zu stehen. So wird auch diesmal 
ein wichtiges Kapitel der Hygiene: die Unterweisung und 
Erziehung der Schuljugend zur Gesundheitspflege 
zur Debatte stehen und von dem bekannten Verfechter der 
hygienischen Schulbestrebungen Herrn Prof. Hartmann inau¬ 
guriert werden. Bei der Schwierigkeit der einschlägigen Fragen 
lässt sich nicht voraussehen, zu welcher Stellung der Aerzte- 
tag gelangen, ob er sich überhaupt auf bestimmte Thesen fest¬ 
legen wird. Unseres Erachtens ist der Hauptwert bei Behand¬ 
lung hygienischer Angelegeuheiten weniger auf Beschlüsse als 
auf die Diskussion zu legen, und dass diese sich lehrreich ge¬ 
stalten wird, dafür bürgt die Zahl von Sachverständigen, die an 
dem Aerztetage teilnehmen werden. 

Gegenüber der Bedeutung der genannten Themata treten 
die übrigen Gegenstände der Tagesordnung an Wichtigkeit zu¬ 
rück, ja es ist fraglich, ob sie bei der Fiule von Verwaltungs¬ 
angelegenheiten die der Erledigung harren, zur Verabschiedung 
gelangen werden. Wünschenswert wäre es, dass das Verhältnis 
zu den Versicherungsgesellschaften, welches als er¬ 
freulich kaum bezeichnet werden kann, durch Reform der bis¬ 
herigen Verträge endlich geklärt würde. Wichtig wird, wie 
immer, so auch diesmal die Ausschusswahlsein, ist sie doch 
das Spiegelbild der Anschauungen und Wünsche der Deutschen 
Aerzte. 

Mit grossen Hoffiiungen, mit spannendem Interesse blicken 
die Draussenstehenden, Kollegen und Nichtkollegen, auf die 
bevorstehende Tagung. Möge sie unter der Leitung ihres 
umsichtigen Vorsitzenden, den Deutschen Aerzten zum Segen 
gereichen I —r. 


Feuilleton. 


Kant und Hufeland. 

Von Dr. Paul Schenk. 

Im Dezember 1796 schickt der 34irrige Hufeland, in 
seinen jungen Jahren bereits Hofrat und Professor, sein soeben 
erschienenes Buch „von der Kunst das menschliche Leben zu 
verlängern“ an Immanuel Kant in Königsberg. Kant hatte 
bereits 1794 sein 70. Lebensjahr vollendet — Ohne medicini- 
schen Rat hatte er, von Natur schwächlich, die Kunst der 
Makrobiotik wie kaum ein zweiter zu üben verstanden. — „Er 
lebte ein mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzen- 
leben. Ich glaube nicht, dass die grosse Uhr der Königs¬ 
berger Kathedrale leidenschaftsloser und regelmäßiger ihr 
äusseres Tagewerk vollbrachte, wie ihr Landsmann Immanuel 
Kant Aufstehen, Kaffee trinken, Schreiben, Kollegien lesen, 
Essen, Spazierengehen, alles hatte seine bestimmte Zeit.“ — 
Kants philosophischem Geiste konnte Hufelands „lehrreiches 
und angenehmes“ Buch, wie er es nennt, naturgemäß wenig 
Neues sagen. Immerhin machte er Hufeland das Kompliment: 


Sitzungsberichte. 

Österreich. 

K. K. Ges^lschaft der Aerxte in Wien, 

Sitzung vom 2. März 1906. 

(Eigener Bericht). 

V. Eiseisberg demonstrierte an einem jungen Mäddieu ohne 
kosmetischen Effekt einer wegen Noma vorgenommenen Operation. 
Er hat den mächtigen Defekt durch einen gedoppelten Hautlappen 
geschlossen. 

Gersung berichtet über seine Versuche, Muskellähmongen 
durch Implantation des gelähmten Muskels in das Gebiet eines nicht 
gelähmten zu beseitigen. Er stellte einen Fall von Deltoides- 
lähmung vor, den er durch Vemähung des Deltoides mit dem 
gleichseitigen Cucullaris vollständig geheilt hat. 

Zuoke rkandl demonstriert 3 Patienten mit Nieren- und 
üreterexstirpation wegenTuberkulose. Die Diagnose wurde 
durch Palpation des verdickten schmerzhaften Ureters und die ein¬ 
seitige basale Cystitis gestellt; die Heilung per primam wurde durch 
Totalexstirpation des Ureters gewährleistet. 

Kornfeld führt einen durch Blaseuauswaschungen mit einer 
Lösung von Hydrargyr oxycyanat. überaus rasch geheilten Pali von 
Bacteriurie vor. 

Marscbog zeigt einen Knaben nach endolaryngealer Ent¬ 
fernung einerStecknadel. Die Lokalisation des Fremdkörpers 
wurde durch die Radioskopie erleichtert. 

Spiegler stellt eine 24 jähr. Frau mit einem Atheroma 
perforaus an der Innenfläche des Oberschenkels vor. 

Pridelsko zeigt einen Fall von pulsierenden Varices. 
Die Pulsation ist eine mitgeteilte. 

Fabricius zeigt mehrere operativ erhaltene Präparate von 
Extrauteringravidität. 

Hausmann erstattete Bericht über seine Untersuchungen 
über den Einfluss der Temperatur auf die Länge der Incu¬ 
ba tionszeit; die an Fledermäusen angestellten Versuche haben 
gelehrt, dass winterschlafende Tiere gegen chemische Vergiftungen 
uud Toxinwirkung resistent sind, dass jedoch das einverleibte Gift 
nach dem Erwachen der Tiere so zu wirken beginnt, als ob die Ein¬ 
verleibung erst zur Zeit des Erwachens erfolgt wäre. 

Sitzung vom 10. März 1906. 

(Eigener Bericht.) 

Tellky stellt 5 Fälle von Bleilähmun g bei Arbeitern vor 
und machte darauf aufmerksam, dass diese Lähmungsart mit Vor¬ 
liebe diejenigen Muskelgruppen befalle, die bei der Arbeitsleistung 
stärker beansprucht werden. 

Hufeland habe, als gesetzgebendes Glied im Corps der Aerzte, 
nicht nur mit Gescmcklichkeit das, was hilft, sondern auch 
mit Weisheit das, was an sich Pflicht ist, verordnet und da¬ 
mit moralisch-praktische Philosophie geübt. Indessen schränkt 
Kant seine Anerkennung der in der „Makrobiotik“ bekundeten 
ärztlichen Kunst Hufelands sogleich wieder ein durch das 
Hinznfügen: gegenüber der negativ diätetischen Kunst, Krank¬ 
heiten abzuhalten, sei die oberste diätetische Aufgabe die, 
dass man durch den blossen festen^ Vorsatz Meister werde 
über seine krankhaften Gefühle. Die Vernunft übe unmittelbar 
Heilkraft aus. Dieses menschliche ^ Vermögen, diese Macht 
des Gemüts ist die Vorbedingung für die „philosophische“ Heil¬ 
kunde. „Die Heilkunde ist alsdann philosophisch, wenn bloss 
die Macht der Vernunft im Menschen, über seine sinnlichen 
Gefühle durch einen sich selbst gegebenen Grundsatz Meister 
zu sein, die Lebensweise bestimmt. Dagegen, wenn sie diese 
Empfindungen zu erregen oder abzuwemen die Hilfe ausser 
sich in körperlichen Mitteln (der Apotheke oder Chirurgie) 
sucht, sie bloss empirisch und mechanisch ist. 

An sich sind nach Kant die Aeizte genau so wie die 
Geistlichen und Richter nur „Geschäftsleute“ der betreffenden 
Fakultät.*) Denn sie müssen sich den Lehren der Universität 

Kant: Der Streit der Facultäten in drey Abschnitten. Königsberg 
1798. S. 27 und 32. 


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19Ö6. 


MSlDlCINtSCHfi WOCflfi. 


279 


Lotheissen demonstrierte einen Kranken nach Rissquetsck- 
verletzung einer unteren Extremität durch Ueberfahren, durch 
prophylaktische Injektion von Antitetanusserum ist 
es in diesem Falle nur zu mäßigen Tetanuserscbeinungen gekommen 
und so das Leben des Patienten gerettet worden. 

Neurath zeigt einen 6jähr. Knaben mit alkoholischer 
Lebercirrhose; der kleine Patient hat 4 Jahre lang täglich 
1^/,—2 Liter Apfelwein mit einem Alkoholgehalte von fast 4% 
zu Linken bekommen. 

Spitzer stellte einen Fall von Exstirpation eines Unter- 
kieferastes wegenSarkom vor imd berichtete über die Technik 
der Prothesenconstruktion und die Korrektur der durch Narbenzug 
veränderten Zahnstellung in den einschlägigen Fällen. 

Haberer zeigt einen wegen Ileusersch einungen operierten 
Patienten, dessen Occlusionssymptom durch Einklemmen eines 
Qaliensteines im Ductus cystocus hervorgerufen worden waren. 

Ha usmann spricht über „ Arsengewöhnung“. Er wies 
an Hunden nach, dass man Arsen durch langsames Steigen der 
Dosis in letaler Dosis geben kann, ohne dass die Tiere Schaden 
nehmen, die Ausiuhr des Arsens im Ham und Faeces steigt nicht 
in dem Maße der Zufuhr; man muss daher annehmen, dass das 
Gift in irgendwelcher zunächst noch nicht nachweisbaren Form zur 
Ausscheidung gelangt. 

Baum garten und Popper berichten über Acetonausscheidung 
im Harn bei Extrauteringravidität imd führen die Acetonurie 
auf die Resorption von Blutextravasaten zurück. 

C. Teleky hält einen Vortrag über die Tuberkulose¬ 
sterblichkeit in Oesterreich 1873—1904. Er hat an der 
Hand seiner Statistik gefunden, dass die Tuberkulosemortalität 
in Oesterreich relativ sehr hoch ist, dass sich dieselbe jedoch 
in fast sämmtlichen Gressstädten in einer im grossen und ganzen 
absteigenden Linie bewegt, die Industrie bedingt eine höhere 
Tuberkulosesterblichkeit, doch zeigt sich mit einer gewissen Ent¬ 
wicklungsstufe der Industrie eine entschiedene Abnahme der Todes¬ 
fälle. Vortragender bringt diese Erscheinung zum Teile mit der 
Einführung der Arbeiterversicherung in Zusammenhang, da sie sich 
seit jener Zeit in stetig wachsendem Maße l>emerkbar macht. 


Kongressbericht. 

35* Kongress der Deutschen GeseUschaft 
fHvr Chirtvrgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Diskussion. 

Hr. Hel fferich-Kiel erinnert daran, dass er eine Unterkiefer¬ 
ankylose durch Interposition eines Muskellappens in das Kieferge- 

bezw. Autorität der Staatsbehörde fügen und sind insofern 
nicht frei in ihrem Handeln. Wohl kann man die Fakultäten 
der Theologie, Jurisprudenz und Medicin der Philosophie gegen¬ 
über in Bezug auf ihren Wert für den Staat als „obere“ Fakul¬ 
täten bezeichnen. Denn sie sind dazu bestimmt, für das ewige, 
bezw. körperliche, bezw. leibliche Wohl der Untertanen zu 
sorgen. Der „philosophische“ Arzt kann aus der Vernunft 
nur die Vorschriften entlehnen: 
sei mäßig im Genüsse, 
sei geduldig in Krankheiten, 
rechne vornehmlich auf die Selbsthilfe der Natur. 

Das Volk dagegen macht an den studierten Arzt (weil 
dieser doch mehr wissen muss, als bereits der gesunde Ver¬ 
stand zu sagen vermag) den Anspruch, dass er ihm zu Ge¬ 
sundheit und zum langen Leben selbst dort verhilft, wo die 
körperlichen Kräfte missbraucht sind. Philosophische Weisheit 
ist für das Volk zu hoch; es will von „Geschäftsleuten“ ge¬ 
leitet, d. h. betrogen sein, es will an „Wundermänner“ glauben. 
„Daher ist es natürlicherweise vorauszusehen, dass, wenn sich 
jemand für einen solchen Wundermann auszugeben nur dreist 
genug ist, ihm das Volk zufallen und die Seite der Philosophie 
mit Verachtung verlassen werde.“ Gegen diese Privatabsicht 
des medicinischen Geschäftsmannes: das Volk nach seinem Be¬ 
lieben an dem Leitseil neuer Ideen zu gängeln, muss die 


lenk geheilt hat. Sein Verfahren hat sich auch bei einem Fall 
von Hüftgelenksresektion bewährt, scheint also auch da anwend¬ 
bar zu sein, wo die Gelenke eine starke Belastung auszuhalten 
haben. 

Hr. Bier-Bonn empfiehlt das Helfferich'sehe Verfahren 
und bemerkt zu dem Rosen berge r’sehen Vortrage, dass es 
mittels des Stauverfahrens gelingt, eiternde Fingergelenke schnell 
und beweglich zu heilen. 

Hr. Sprengel-Brauuschweig glaubt, dass das Barden- 
heuer’sche Verfahren der Resektion der Hüftgelenkspfanne nur 
bei jugendlichen Individuen aussichstvoll ist. 

Demgegenüber betont Hr. Barden heu er-Cöln, dass er auch 
bei Erwachsenen gute Resultate erzielt hat. 

! Hr. Samter-Königsberg i. Pr. demonstriert eine jugendliche 
Patientin, der beide Füase abgefahren worden waren. Zur Deck¬ 
ung der Stümpfe wurde nach Fortnahme der Malecolen ein Brücken¬ 
lappen aus der Haut des Unterschenkels gebUdet und steigbügel¬ 
artig über den Stumpf herabgezogen. Die Funktion war gut; 
das Knochenwachstum nicht gestört. 

Hr. ßrodni tz-Frankfurt a. M.: Osteoplastische Resek¬ 
tion des Fussgelenkes und Unterschenkels. 

B. berichtet über eine neue osteoplastische Resektionsmethode 
des Fussgelenkes, durch welche man grössere Teile der Tibia durch 
den senkrecht gestellten Fuss ersetzen, kann. 

Schnittführung: Längsschnitt im Verlaufe der Tibia und 
Fibula bis in die Höhe des Talo-navicular-Gelenkes; Verbindung 
der oberen Schnittenden durch einen hinteren bogenförmigen 
Schnitt, der durch die Wadenmuskulatur bis auf die Knochen ge¬ 
führt wird, und der unteren Schnittenden durch einen ovalären 
Schnitt, welcher dicht über der Tuberositas calcanei verläuft und 
bis auf den Knochen dringt: schräge Durchtreniiung der Tibia 
und Fibula mit der Gigü’schen Säge und des Calcaneus mit der 
Stichsäge, dem Weichteilschnitte entsprechend. Ausschälxmg der 
Tibia, Fibula, Talus und vorderen Fläche des Calcaneus aus den 
vorderen Weichteilen; Fixation der Sägefläche des Calcaneus an 
die der Tibia. 

Die Operation wurde mit Erfolg ausgeführt bei einer ausge¬ 
dehnten Tuberkulose im unteren Drittel der Tibia, und des Fuss- 
gelenkes. In geeigneten Fällen, besonders bei Tumoren im mittleren 
und unteren Drittel der Tiba, ist diese Methode empfehlenswert. 

Hr, Jaffe-Posen; Ueber den Wert der Milzexstir¬ 
pation bei Banti’scher Krankheit. 

Der Redner gibt kurz eine Darstellung von der Entwicklung 
der Banti’schen Krankheit. Im Symptomenkomplex (Milzver- 
grösserung mit sklerotischen Veränderungen an der Milzvene, eine 
gewisse Form der Anämie, Ascites, Lebercierrhose) ist als höchst 
bedeutimgsvoll der Umstand hervorzuheben, dass der Milztumor 
den übrigen Symptomen zeitlich voranzugehen hatte. Es beginnt 

Philosophie als die in Wahrheit oberste Fakultät jederzeit auf 
der Hut sein. 

Hufeland sagt: die Kunst, das Leben zu verlängern, hat 
andere Zwecke, andere Mittel, andere Grenzen als die gewöhn¬ 
liche medicinische Diätetik. Diese hat Gesundheit, jene hin¬ 
gegen langes Leben zum Zweck. Die Mittel der Medicin sind 
nur auf den gegenwärtigen Zustand und dessen Veränderung 

berechnet, die der Makrobiotik aber aufs Ganze. Wer 

kann vom menschlichen Leben schreiben, ohne mit der mora¬ 
lischen Welt in Verbindung gesetzt zu werden, der es so 
eigentümlich zugehört? Physische und moralische Gesundheit 
sind genau so verwandt wie Leib und Seele“. In diesen 
Punkten stimmte der „grösste“ Philosoph Kant dem Arzte 
völlig bei. Er erklärt, dass ein hohes Alter als etwas Ver¬ 
dienstliches gilt und sogar verehrt wird. Der Nestor an Jahren 
hat gewissermaßen der Unsterblichkeit etwas abgewonnen. In¬ 
dessen ist ein langes Leben keineswegs immer mit Gesundheit 
verbunden. Mancher fühlt sich gesund und ist krank. „Jede 
Ursache des natürlichen Todes ist Krankheit, man mag sie 
fühlen oder nicht.“ Kant hat, wie er angibt, viele überlebt, 
die sich einer völligen Gesundheit rühmten. Und was ermög¬ 
lichte dem Philosophen trotz seiner von Natur recht schwachen 
Konstitution das Patriarchenalter in verhältnismäßig günstigem 
Gesundheitszustände zu erreichen? Nicht allein das geordnete 


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MfeDlClNISClBE WOCHE. 


Nr. 26. 




ferner die Auffassung des Ascites als eines mehr selbständigen 
Symptoms, Und so erscheint die Beseitigung dieses Ascites (sonst 
aufgefasst als symptomatische Therapie) in einer ganz anderen, viel 
bedeutungsvolleren Gestalt. 

Andererseits ist auch die Lehre von der atrophischen Leber- 
cirrhosein einer Art Umwandlung begriffen, insofern, als die Bedeut¬ 
ung des regelmäßig vorhandenen Miiztumors und des Ascites als reiner 
Stauungssymptome nicht mehr ganz anerkennt werden; also die 
Vorstellung von mehr aktiven Prozessen in der Milz auch bei 
Lebercirrhose tritt hervor. 

Redner schildert alsdann kurz einen von ihm operierten aus¬ 
gesprochenen Fall von Banti’scher Kraiikheit, und zwar eines 
Falles im letzten Stadium mit ungeheurem Ascites, in welchem 
gegen alles Erwarten die Splenektomie einen ausserordentlich bessern¬ 
den, vielleicht heilenden Einfluss ausgeübt hat. Nach der Operation 
ein Umschwung des ganzen Befindens mit einer Erholung des 
Organismus trotz ausserordentlich vorgeschrittener, bei der 
Operation konstatierter atrophischer Lebercirrhose! 

So tritt für gewisse Formen der atrophischen Lebercirrhose die 
Splenektomie in Konkurrenz mit der Talma’schen Operation, 
welche letztere Operation vielleicht mehr durch eine Beeinflussung 
der erkrankten Serosa, als durch Eröffnung von CoUateralbahnen 
wirkt. Die Splenektomie könnte für manche Fälle von Lebercirr¬ 
hose überhaupt, wenn die Fortsetzung weiterhin solche Fälle zu 
charakterisieren imstande sein wird, der Indicatio causalis genügen. 

Hr. Bardenheuer-Cöln; Das Wesen und die opera¬ 
tive Behandlung der Neuralgie mittels Aufmeisselung des 
Kanales, durch welchen der Nerv verläuft und Verlagerung des 
Nerven in Weichteile. 

Bardenheuer spricht als Ursache für die Entstehung der 
Neuralgie das Bestehen einer venösen Hj^perämie in den Knochen¬ 
kanälen, durch welche die Nerven verlaufen, an. 

Es entsteht nach dem Vortragenden infolge irgend einer 
peripheren Ursache: Erkältung, Traumen, Entzündung etc. eine 
periphere Hyperämie, welche entlang den Nervenästchen bis zu dem 
ihm zugehörigen Knochenkanale hinaufsteigt, in welchem sie durch 
die Unnachgiebigkeit der knöchernen Wand ständig wird und sich 
zum Oedem, zur Perineuritis, zur Verwachsung mit dem Knochen¬ 
kanal weiter entwickelt. 

Die venöse Hyperämie wandert bei längerem Bestehen auf¬ 
wärts bis zu den übrigen Aesten, bis zum Stamme bis zu den 
Ganglien. Die venöse Hyperämie kann auch durch innere Ursachen, 
die imBlute oderin denGefässwändenetc. liegen, allerwärtsentstehen,. 
dementsprechend der auch in den betreffenden Knochenkanälen, 
woselbst sie wiederum ständig wird. Aus diesem Grunde empfiehlt 
er die Entfernung einer Wand des Kanals und die sanfte Hervor¬ 
hebung des Nerven aus dem letzteren, die Lagerung desselben in 
einiger Entfernung von der entstandenen Knocbengrundfläche und 


mäßige Leben, sondern vor allem jene dem Gemüte des Men¬ 
schen innewohnende Macht: durch den blossen festen Vorsatz 
seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. Sustine et abstine! 
dieser Grundsatz des Stoicismus gehört unbedingt zur „philo¬ 
sophischen“ Heilkunde. Die Lebensweise muss beherrscht sein 
von dem Regime: die Vernunft ist Herrscherin über die sinn¬ 
lichen Gefühle. Die Gemächlichkeit verwöhnt den Menschen 
und schwächt durch den Mangel an Uebung die Lebenskraft. 
Der Gesunde, welcher sein Leben verlängern will, soll Kopf 
und Füsse nicht warm halten, soll nicht lange schlafen, soll 
beim Ausgehen das schlimme Wetter nicht scheuen, soll sich 
nicht von seiner Ehehälfte im Alter gewissermaßen in Watte 
einwickeln lassen. Hier hören wir den alten Junggesellen 
Kant sprechen: „Es möchte schwer zu beweisen sein, dass 
sehr alt Gewordene meistenteils verehelicht gewesen sind. In 
einigen Familien ist das Altwerden erblich, und die Paarung 
in einer solchen kann wohl einen Familienschlag dieser Art 
begründen.“ Hufeland, der selbst 74 Jahre alt wurde und 
seine Makrobiotik seinem 87jährigen Grossonkel, einem Arzt 
in Frankfurt a. M. widmete, scheint einer solchen „langlebigen“ 
Familie angehört zu haben. (Schluss folgt.) 


an letzter Stelle die Ueberlagerung eines subkutanen, aus der 
Nähe genommeuen Muskelperiostlappens über die Knochenwund¬ 
fläche unter den Nerven. 

Bardenheuer gibt alsdann einen Bericht über 4 von ihm 
selbst operierten Neuralgien des Trigeminus und einen gleichen 
von Oberarzt Dr. Straeter-Düsseldorf und stellt ausserdem 2 
geheilte Fälle vor. 

Alle Fälle sind geheilt worden. 

Nur in einem Falle ist ein Rezidiv nach 13 Monaten einge¬ 
treten, weil bei der Operation ein Bruch des Unterkiefers entstand 
und nachträglich sich eine stärkere Phlegmone und sekundär eine 
Nekrosis der Bruchenden entwickelte. 

Es bestand ein Schmerzpunkt dort, wo der Nerv über den 
Callas lief. Die nachgescbickte Exzision des Bindegewebscallus 
um den Nerven heilte den Patienten (seil 6 Monaten). 

Die Heilungsdaner beträgt in den übrigen Fällen 14, 7, 8, 
3 Monate. 

Das Leiden bestand in den 5 Fällen 3, 6. 10, (2 mal) 12 
Jahre. 

Bardenheuer glaubt daher, dieses Verfahren wenigstens 
zum Versuche der Neurektomie resp. der Ganglionexziaion voraus- 
schickeu zu dürfen, zumal da der Eingriff ein gefahrloser ist and 
die event. nachherige Ausführung der andern Methoden nicht be¬ 
einträchtigt. 

Hr. Wulstein-Halle a. S.: Eine neue Operations¬ 
methode der congenitalen Luxation der Patella. 

Nachdem W. die bisher üblichen Operationsmethoden der 
habituellen und congenitalen Luxationen der Patella kurz erwähnt, 
beschreibt er knrz eine Methode, welche unter all den bisher üb¬ 
lichen einzig und allein als Kapselplastik bezeichnet werden kann. 
Angewandt hat W. dieselbe bei einer irreponieblen congenitalen 
Luxation der Patella, bei der die Patella fast unverschiebbar an 
der Aussenseite des Kniegelenks stand. 

Von der Ansicht ausgehend, dass bei solchen Luxationen Cir- 
kumferenz der Kapsel nicht vergrössert ist, sondern nur ein grosses 
Missverhältnis zwischen innerem und äusserem Kapselteil be¬ 
steht, hat W. den Ueberschuss des inneren Kapselteilea, der nach 
Umschneidung der Patella und Reposition der Patella an ihre nor¬ 
male Stelle zurück blieb, benutzt und in den gleich grossen De¬ 
fekt, welcher nach der Reposition an der Aussenseite der Patella 
resultierte, eiugenäht. 

Zu diesem Zweck mobilisierte er Patella, Quadricepsansatz 
und Ligamentum patellae, indem er die letzten beiden Gebilde 
stampf von dem oberen und unteren Recussus der Kapsel abprä¬ 
parierte, Umschnitt die Kapsel, und zwar den aponenrotischen und 
synovialen Teil an der äusseren Hälfte der Patella, ca. 6—7 mm 
vom Patellarrand entfernt. 

In gleicher Weise wurde die Kapsel an der Innenseite der 
Patella durchschnitten und zwar so, dass dieser Schnitt oben hinter 
der Mitte des Quadricepsansatzes und unten hinter der Mitte des 
Ligamentum patellae in die Endpunkte der äusseren Umschneid¬ 
ung auslief. Dann legte er, dem Ueberschuss des inneren Kapsel¬ 
teiles entsprechend, einen dritten Schnitt an, welcher dieser eben 
erwähnten inneren Umschneidung parallel verlief, oben und unten 
bis zur Umschlagsfalte der Kapsel reichte und an dem Pnnkt 
seiner grössten nach innen gerichteten Konvexität nngefübr über 
die Mitte des inneren Condylus verlief. 

So stellte der aus der Kontinuität gelöste Ueberschuss des 
inneren Kapselteües einen konvex nach innen gerichteten Lappen 
dar, welcher eine obere und untere Basis hatte. Dieser Lappen, 
welcher genau in seiner Breite der Breite des Defektes an der 
Aussenseite nach Reposition der Patella entsprechen musste, Hess 
sich nun leicht hinter dem vorher mobilisierten Streckapparat, d. h. 
Patella. Quadricepsansatz und Ligamentum patallae hindurch.- 
ziehen und darauf an der Aussenseite der jetzt normal in ihrer 
Fossa intercondylica gelegenen Patella einnähen. 

Um den bisher als Beuger funktionierenden Quadriceps in 
seiner neuen Funktion als Strecker zu unterstützen, nahm W. den 
Sartorius aus seiner Scheide und nähte ihn tangential am inneren 
Rande der Patella an. Da die.s6 Kapselplastik sich enorm leicht 
ausführen Hess und zu irgend einer nachweisbaren Blutung itn 
Kapselraum nicht führte, so empfielt W. diese Operationsmethode 


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1906. 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


281 


für alle Fälle von congenitaler irreponibler Luxation der Patella 
und überhaupt immer dann, wenn ein nennenswertes Missverhältnis 
zwisdien innerem und äusserem Eapselteil besteht. 

(Fortsetzung folgt.) 

23. Kongregs für ivmere Medicfi/n 

vom 28. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

2 . Sit zun gs tag. 

Herr Dietlen-Giessen: üeber Grösse und Lage des 
normalen Herzens. 

Orthodiagraphische Untersuchungen herzgesunder Menschen 
— mit dem M o r i t z sehen Horizontal-Orthodiagraph — haben er¬ 
geben ; 

Die Herzgrösse geht im allgemeinen parallel dem Körper¬ 
gewicht; aus diesem Grunde haben unerwachsene Menschen bei 
gleicher Körpergrösse kleinere Herzen als erwachsene Menschen. 

Die Körpergrösse übt insofern einen Einfluss auf die Herz¬ 
grösse aus, als Leute, deren Grösse ihrem Gewicht nicht in dem 
allgemein geltenden Ma6e proportional ist, grössere oder kleinere 
Herzen besitzen, als sie nach ihrem Gewicht haben müssten. 

Das Herz des Weibes ist durchschnittlich kleiner als das des 
Mannes. 

Es gibt eine physiologische — durch erhöhte Anforderungen 
an das Herz auf Altersarteriosklerose entstehende —, allmählich 
zunehmende AltersvergrÖsserung des Herzens. 

Die topographische Lage des Herzens ist eine verschie¬ 
dene, je nach dem Stande des Zwerchfelles. Da dieses beim Weibe 
durchschnittlich höher steht als beim Manne, liegt auch das Herz 
des Weibes höher im Brustkorb; da ferner das Zwerchfell mit 
dem zunehmenden Alter tiefer tritt, liegt das Altersherz, das sich 
auch durch seine Form besonders charakterisiert, tiefer im Brust¬ 
korb als das Herz im mittleren und jüngeren Lebensalter. 

Die in der Diastole gezeichnete Herzspitze liegt — da an 
ihrer Bildung meistens auch der rechte Ventrikel beteiligt ist — 
meistens tiefer als der fühlbare Spitzenstoss; dieser bezeichnet also 
nicht immer den tiefsten Funkt des Herzens und auch nicht immer 
genau die Ausdehnung des Herzens nach links. 

Die Lagerung des Herzens im Brustkorb ist verschieden, je 
nach den Raumverhältnissen im Brustkorb. Man kann schräg-, 
steil- und quergestellte Herzen unterscheiden. Zu den letzteren 
gehört das Altersherz und eine Herzform, die mmi häuflg bei 
jungen Mädchen und Frauen findet, bei denen das Herz — durch 
Hochstand des Zwerchfelles infolge der durch Schnüren veränder¬ 
ten Brustform — hoch und nach links gedrängt ist. 

Als praktisch verwertbare Nor mal zahlen für die Herzgrösse 
können die für einzelne Grössen - Klassen berechneten HerzmaÜe 
gelten, wenn man gleichzeitig die durch Gewicht und Alter be¬ 
dingten Minimal- und Maximalzahlen berücksichtigt. 

Diskussion: Herr Moritz-Giessen betont die Notwendig¬ 
keit, die Normalmaßzahlen für das gesunde Herz durch viele Unter¬ 
suchungen festzustellen. Gesunde Menschen haben auffallend gleich 
grosse Herzen. M. hat wiederholt feststellen können, dass man mit 
der Beurteilung solcher Herzen sehr vorsichtig sein müsse, welche 
trotz anscheinend normaler Leistimgsiähigkeit grössere Maße als 
die Normalzahlen aufweisen. 

Herr N. Ortner-Wien: Klinische Wahrnehmungen 
über Aorta-anonyma-Karotis-Pulse des gesunden und 
kranken Menschen. 

Man hört nach den Untersuchungen des Vortragenden viel¬ 
fach über der lucisura sterni (Aortenbogen, bezw. Anonyma) und 
über der Ksu'otis im seitlichen Halsdreiecke, manchmal aber auch 
höher über der Karotis 3 Töne, einen gespaltenen herzsystolischeu 
und einen herzdia-stolischen Ton, mit der Betonung auf letzteren 
und den zweiten Halbton als schwächsten Tone. Für diese Er¬ 
scheinung wählt der Vortr. den Namen „Triphonie“, Auf klinischem 
Wege, durch Vergleich des zeitlichen Eintrittes des Herzspitzen- 
stosses und des ersten Halbtones lässt sich ieststellen, dass diese 
dem Eintritte der Bhitwelle in die genannten Arterien entspricht. 
Dies lässt sich auch auf sphygmographischem Wege konstatieren 
durch Aufnahme von Sphyginograinmen des Aortenbogen, der 
Anonyma und der untersten Karotis; da solche Pulsbilder bis jetzt 


noch von niemanden gemacht wurden, hat Vortragender zunächst 
derartige Sphygmogramme von physiologischen Individuen ange¬ 
fertigt und gefunden, dass dieselben oft von jenen der peripheren 
Arterien in 2 Punkten abweiohen. Der aufsteigende Schenkel der 
Kurve verläuft sehr schräge und langsam, der absteigende fallt 
oft unter die Abszissenachse ab. Die Ursache hiefür sieht 0. in 
der Beeinflussung der Pulskurve durch das die Arterie deckende 
Gewebe, ganz besonders die Venen. 

An diesen Sphygmogrammen l^t sich weiteres nachweisen, 
dass der zweite Halbton der Triphonie konstant der früher sogen, 
ersten Elastizitätselevation oder jetzt ersten Reflexwellenelevation 
entspricht, macht diese katakrot, in gleicher Höhe mit dem Kxirven- 
gipfel, oder anakrot liegen. Gerade Anakrotie ist aber den Be¬ 
obachtungen des Vortragenden zufolge sehr häufig an den Kurven 
der Aorta resp. der untersten Karotis häufiger als Katakrotie. Die 
Ursache für diese Anakrotie und hiermit für die Triphonie ist eine 
verschiedene. Nach den Beobachtungen des Vortragenden kann sie 
— ganz in Uebereinstimmung mit dem Tierexperimente — bei 
hohem und niederem Blutdrücke verkommen. Bei niederem Blut¬ 
drucke findet sie sich bei Vagusreizung, Bradykardien, kardio-mus- 
kulären Ursprungs und allen möglichen Krankheiten, welche es 
bewirken, dass während der Austreibungszeit mehr Blut in die 
Aorta einströmt, als nach der Peripherie abfliesst. Dies kommt 
nun vor z. B. bei akuten Infektionskrankheiten infolge Reduktion 
der elastischen Substanz, bei beginnender Arteriosklerose infolge 
Erweiterung der noch nicht starren Aorta, bei Aortenstenose infolge 
der verlangsamten Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Blutwelle, bei 
Neurosen etwa infolge Tonusverminderung der genannten Gefässe etc. 

(Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 


Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 2 i. 


1. Weil und Nakajama, Prag: lieber den Nachweis von 
Antituberknlin im tuberkulösen Gewebe. 

Es ist nicht au.szuscbliessen, dass sich durch Behandlung mit 
Tuberkulin Antikörper bilden, die ja, da das Tuberkulin kein Toxin 
ist, Ambozeptoren sein können. 

2. Schikele, Strassburg i. E.: Zur Kenntnis und Beurtei¬ 
lung des kriminellen Abortes. 

Interessante Casuistik und Aufzählung und Erörterung der 
charakteristischen Merkmale, welche den Verdacht auf die krimi¬ 
nelle Unterbrechung der Schwangerschaft berechtigen. 


3. Rosenstern, München: Untersnehnngen über den Stoff¬ 
wechsel bei Leukämie während der Böntgenbehandlnng. 

Schluss folgt. 

4. Walz, Stuttgart: Zur Diagnose der kongenitalen Dünn- 
darmatresie, unter besonderer Berücksiohtignng der Untersuch- 
ung des Mekoniums. 

Ein Pall von kongenitaler Duodenalatresie, verbunden mit 
Hufeisenniere auf entwicklungsgeschichtlicher Basis, ln jedem Pall 
von beständigem Erbrechen Neugeborener ist in erster Linie das 
Mekonium histologisch zu untersuchen, da eine operative Therapie 
der Darmatresie nur auf Grund frühzeitiger Diagnose auf Erfolge 
rechnen kann. Fehlt spontaner Abgang von Mekonium, so ist zu 
versuchen, durch Klysma solches aus dem Rektum zu erhalten. 
Auch bei völliger Duodenalatresie kann Mekonium abgehen. 


5. Scheibe, München: Geber das therapeutische Verhalten 
der akuten Mittelohrentzündungen mit Berücksichtigung ihrer 
verschiedenen Aetiologie. 

Kommt eine akute Mittelohrentzündung ohne Perforation des 
Trommelfells zur Behandlung, so wird die Luftdusche, .sei es mit 
dem Katheter, sei es nach Politzers Verfahren, gemacht. Bei 
Druckempfindlichkeit des WarzenteiLs wird der Eisbeutel aufgelegt. 
Ausserdem wird körperliche und geistige Ruhe angeordnet und 
der Genuss von Alkohol verboten. Da bei Tieflage des Kopfes 
die entzündlichen Erscheinungen im Ohr stärker werden, wird 
Bettruhe nur bei höherem Fieber oder schlechtem Allgemeinbe¬ 
finden empfohlen. Besteht als Ursache ein akuter Nasen-Rachen ■ 
katarrh, so wird derselbe ebenfalls liehandelt. Machen sich An- 


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282 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr 26. 


Zeichen bemerkbar, dass die Mittelobrräume das Sekret nicht zu 
fassen vermögen, wölbt zieh z. B. das Trommelfell vor, und 
nehmen die Schmerzen und die Druckempfindlichkeit des Warzen¬ 
teils oder das Fieber zu, und sinkt das Oehör bis zu einem ge¬ 
wissen Grade, die Hörweite für Flüstersprache etwa unter m, 
so wird mit einer nioht zu schmalen Lanze die Parazentese, und 
zwar im hinteren unteren Quadranten gemacht. Der Parazentese 
wird die Luftdusche angeschlossen, welche häufig noch weitere 
Mengen von Sekret aus der Öffnung herausbefördert. Schh’esst 
sich an die Parazentese Ausfluss an, oder besteht derselbe bereits, 
wenn der Patient in Behandlung kommt, so wird ausserdem die 
autiseptische Behandlung angewandt. Der Gehörgang wird täglich 
einmal mit lauwarmer 4%iger Borsäurelösung ausgespritzt, Po¬ 
litzers Verfahren gemacht, der Gehörgang bis in seinen vorderen 
unteren Rezessus sorgfältig mit einer feinen watteumwickelten, 
entsprechend angebogenen Sonde ausgetrocknet, Borsäurepulver 
insuffliert und der Gehörgangseingang mit lockerer Watte ver¬ 
schlossen. Um Sekretstauung zu verhüten, hat der Patient die 
Watte so oft zu erneuern, als sich Eiter an derselben befindet. 
Im übrigen sind die allgemeinen Verhaltungsmaßregeln (Ruhe, 
Enthaltung von Alkohol usw.) die gleichen, wie sie bei der im- 
perforativen Form gelten. Bildet sich bei länger dauernder pro¬ 
fuser Eiterung auf der Oefihung eine zitzenförmige Wucherung, so 
wird dieselbe mit der Schlinge abgetragen. Auch die Hebung 
des allgemeinen Kräftezustandes und die Behandlung der eventuell 
zu Grunde liegenden AUgemeinkrankheit darf natürlich nicht ver¬ 
nachlässigt werden. 

6 . Ger lach, Göttingen: Versuche mit Neuronal bei Geistes¬ 
kranken. 

Neuronal stellt ein relativ ungiftiges Präparat dar, das in 
Fällen von einfacher Schlaflosigkeit in Gaben von 0,5-—1,0 g und 
besonders bei heftigeren Erregungszuständen in Gaben von 1,5 
bis 2,0 bis 3,0 g eine prompte andauernde Wirkung hat und bei 
guter Ueberwachung aller in Betracht kommenden Momente längere 
Zeit hindurch gegeben werden kann. Dagegen kann das Neuronal 
bei der Behandlung der Epilepsie das Bromkalium nicht ersetzen, 
da hier die narkotische Wirkung gegenüber der spezifischen Brom¬ 
wirkung zu sehr in den Vordergrund tritt. 

7. Lindemann, München: Zum Nachweis der Azetessig- 
säure im Ham, 

8 . Kuhn, Kassel: Technisches zur Biersehen Stauung. 

Stauungsklammer für die Biersche Stauuugshiude und Saug¬ 
glocken znm Abnehmen und Auswechseln. 

9. Laquer, Frankfurt a. M.: Earl Fttrstoer. 

10. Vulpius, Heidelberg: Von der Aerztefahrt zum Lissa- 
boner Kongress. 

11. Uffenbeimer, München: Die medicinische Fsyohologie 
mit Bezug auf Behandlung und Erziehung der angeboren 
Schwachsinnigen. 

12 . Beck: üm die Weihnachtszeit nach Florida. 

13. Spaet, Fürth: Ist Wachsnggestion erlaubtt 

Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. i7. 

1 . Eichhorst, Zürich: Heber Ezpektorantien. 

E. bespricht die Anwendung der Narkotika, ferner lösender 
Expektorantien, Jodkalium, kratzende Expektorantien (Radix Ipe- 
cacuanhae, Acidum, benzoicum, Kampfer), die Verbindung von 
kratzenden Expektorantien mit Narkoticis, die Balsamica und Des- 
infizientien (Oleum Tfaerebinthinae, Oleum Pini Pumilionis, Myr- 
thol, Benzosol, und Kreosot). Ferner ist zu halten auf Feucht¬ 
halten der Zimmerluft, die Lage der Kranken im Bette, auf rhyt- 
mische Kompression des Bauches und der unteren Abschnitte des 
Brustkorbes und schliesslich klimatische und eigentliche Badekuren. 

2. Brauer: Marburg: Der therapeutische Pneumothorax. 

Der therapeutische Effekt ist dabin zu resümieren, dass unter 
dem Einfluss des Lungenkollapses eine prompte und längere Zeit 
anhaltende Beeinflussung des Fiebers eintrat, ein Effekt, der in 
der hier erreichten Form durch eine andere Behandlungsmethode 
wohl kaum erreichbar gewesen wäre. Der künstliche Pneumo¬ 


thorax bedingt eine Entspanntmg der Lunge; sie bietet dann nicht 
mehr zahlreiche ausgespannte Hohlräume, in welchen die infektiösen 
Massen liegen bleiben, stetes Fortschreiten der Erkrankung be¬ 
dingend. Die Lunge wird ferner wie ein Sch^vamm ausgepreast, 
speziell die im Verfall begriffenen Teile werden entleert, broncho- 
pneumonische Herde dürften im gleichen Siime beeinflusst werden. 
Klinisch erscheint dementsprechend eine vorübergeheode Ver¬ 
mehrung des Sputums. 

8 . Krehl, Strassburg: Einige Bemerkungen über Behand¬ 
lung der Blinddarmerkrankungen. 

In zweifelhaften Fällen bin ich für den operativen Eingriff 
za früher Zeit, allerdings mit dem vollen Bewusstsein, dass ein¬ 
zelne unnötige Operationen gemacht werden. Ich befürworte sie, 
weil ich die Verantwortung für ihre Unterlassung nicht zu tragen 
wage. Schwanke ich, ob operativ vorzugeben sei oder nicht, so 
habe ich mich stets für das erstere entschieden, und habe das nie 
bereut, denn ich bin über die Beschaffenheit des Wurmfortsatzes 
oft in hohem Grade erstaunt gewesen. 

4. Wollenberg, Tübingen: Heber das psyohisohe Moment 
bei der Neurasthenie. 

Zwischen den Fällen, in denen uns das psychische Moment 
bei der Neurasthenie lediglich in Form der elementaren Empfin- 
dungsstörung entgegentritt, und jenen, in denen man mit Recht 
von einer neurasthenischen Geistesstörung sprechen kann, liegen 
aber Abstufungen aller Grade und sind also nur quantitative 
Unterschiede vorhanden. Es wäre hiernach ein müssiges Beginnen, 
zu untersuchen, wo hei der Neurasthenie die Neurose aufhört und 
die Psychose anfangt, da es eine scharfe Grenze hier nicht geben 
kann. 

5. Axenfeld, Freiburg i. Br.: Heber traumatische reflek¬ 
torische PupiUenstane. 

Erstens Lichtstarre bei vorhandener Konvergenzbewegung 
der Pupille nach Kontusion infolge Läsion der Pupillenfasem im 
Sehnerv und infolge von Irisveränderung, zweitens reflektorische 
Pupillenstarre nach Schädeltrauma. 

6 . Arneth, Würzburg: .Parallel laufende Magensaft- und 
Blutuntersuohungen bei der Chlorose (nebst einigen therapeu¬ 
tischen Notizen). 

Acht Fälle zeigten mit der Besserung des Blutbefundes, die 
fast immer eine sehr starke war, ein meist ganz bedeutendes Fallen 
der Gesamtaziditätswerte. 

7. Hof meier, Würzburg: Heber seltenere Indikationen zur 
Hnterbrechong der Schwangerschaft infolge innerer Krankheiten. 

Schwangerschaft mit Herzfehler, Diabetes mellitus, Myelitis 
und Schwangerschaft mit SchwaDgerscbaftspsychose. 

8 . Rosthorn und Fraenkel, Badenweiler: Tuberkulose 
und Schwangerschaft. 

Die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft muss aber 
auch nach diesen Erfahrungen so früh wie möglich erfolgen. 
Jedenfalls erscheint es angebracht, dass die Tuberkulöse, die sich 
schwanger fühlt, unverzüglich und so früh wie möglich in ärzt¬ 
liche Beachtung trete. 

9. Loewenthal, Berlin: Hntersnehungen über die sogen. 
Taubenpocke. (Epithelioma contagiosum). 

Vorläufige Mitteilung. 

10. Koranyi, Budapest: Heber die Wirkung des Jods auf 
die durch Adrenalin erzeugte Arterionekrose. 

Aus diesen Versuchen folgt ohne weiteres, dass die Adre- 
nalin-Arterionekrose durch gleichzeitige^ Jodbehandlung wirksam 
bekämpft werden kann. 

11. Zesas, Lausanne: Zur Pathologie des periartikulären 
Fettes am Knie. 

12. Schüle r, Charlottenburg: Zur Frage der Wirkung von 
GueokBilberdampflampen. 

13. Werner, Berlin: Die Revision der Genfer Konvention. 

14. Landsberger, Charlottenburg: Die Krankenversicher¬ 
ung im Jahre 1903. 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


288 


15. Weitzel: Wachenbuchen: Fahrrad und Automolnl als 
Fahrzeuge des praktisohen Arztes. 

Nr. 18. 

1. Hoffa, Berlin: Die spastischen Lähmungen der Kinder 
und ihre Behandlung. 

Die Äetiologie der Littleschen Krankheit, die ErscheinungS' 
formen, der Verlauf, die Diagnose und die Therapie der Little¬ 
schen Krankheit. 

2. Lewin, Berlin: üeber eine örtliche Giftwirkung des 
Fhenylhydroxylamin. 

Die näheren Bedingungen sind nicht bekannt, unter denen 
gewisse Stoffe vorzugsweise in den Lymphwegen der Haut vor- 
rilcken, wenn diese chemisch oder thermisch oder mechanisch ver¬ 
letzt worden ist. Es können hierfür in Frage kommen: die Be¬ 
schaffenheit des Giftes und die Art seines Eindringens. Wichtiger 
als die Beschaffenheit der Gifte scheint L. der Ort ihres Ein¬ 
dringens zu sein. Es sind gewöhnlich die oberflächlichsten Kon¬ 
tinuitätstrennungen der Haut, die schon selbst längst geheilt sein 
können, von denen aus die Ljmphangitis als ein Zeichen der 
Weiterwanderung des Giftes sich entwickelt. So kann das Gift 
eines feinsten, in das Epidermislager gedrungenen Raupenhaares 
wirken, und so vermag Phenylhydroxylamin oder ein anderer 
Körper, der die Elpidermis langsam chemisch verändert, seinen 
Weg in irgend einer Form in die freigelegten Lymphspalten zu 
nehmen. 

3. Boas, Berlin: üeber die Prophylaxe der Magenblu¬ 
tungen. 

In Fällen von Ulcus, auch mit kleinsten Blutungen, müssen 
wir zunächst auf die L e ube-Ziemssensche Kur verzichten und 
neben Milch nnd Chlorcalciuminjektionen besser entweder eine 
Eisblase oder hydropathische Umschläge verwenden. Die Rege¬ 
lung des Stuhlganges in diesem Stadium würde dann besser durch 
passende Eisläufe als durch Abführmittel zu erstreben sein. Die 
eigentliche Domäne für die v. Leube-Zi emssen sehe Kur bilden 
die nicht, oder vielmehr richtiger, nicht mehr blutenden Geschwüre; 
und dass es deren gibt, gilt für B. als unumstössliche Tatsache. 
Zugleich hat auch die Prüfung auf occulte Blutungen einzusetzen. 
Solange die Untersuchung der Faeces ein positives Resultat er¬ 
gibt, dürfen wir in der Kost nicht weiter gehen. Unmittelbar 
nach der neuen Kostordnung muss drei Tage lang regelmäßig auf 
occultes Blut untersucht werden. Von dem Ausfall der Probe 
kann es ferner erst abhängig gemacht werden, ob die Kost die 
passende ist oder nicht. 

4. Reinecke, Hameln: Vereiterter Echinococcus der Bauch¬ 
höhle. 

Dieser Fall einer 36 jährigen Frau war insofern bemerkens¬ 
wert, als der sehr grosse, brettharte Tumor, der vom Zwerchfell 
bis zum Beckeneingang reichte, dem letzteren fest und unbeweg¬ 
lich auflag und mit dem Biasenscheitel verwachsen war. Infolge¬ 
dessen war eine bimauuelle Untersuchung ausgeschlossen und die 
Möglichkeit diagnostischer Irrtümer gross. Auch im vorliegenden 
Falle war vor der Operation die Diagnose auf Echinococcus nicht 
gestellt und das Vorhandensein eines Myoms angenommen worden. 

5. Löhnberg, Hamm i. W.: üeber die Behandlung der 
Mundatmnug und des chronischen Mundversohlnsses mit der 
Gaumendehnung nach Schröder in Kassel. 

Erfahrungen eines Rhinologen über die Eysell-Schröder- 
schen Ideen mit dem Verfahren der Nasenerweiterung durch Gau¬ 
mendehnung. Die Gaumendehnung nach Schröder wirkt in 
höchst rationeller Weise einer zentripetal gesteigerten Wachstums¬ 
tendenz genau entgegen. Sie erzeugt von der Intermaxillarlinie 
ans einen zentrifugalen Druck, der das den Gaumen konstituierende 
Knochenpaar voneinander drängt. Die Folge wird eine Hemmung 
der knöchernen Konsolidierung der Gaumennaht und eine Auf¬ 
hebung und Ueberkompensierung des in der Gaumennaht vorhan¬ 
denen Drucks gegen das Septum sein. Es ist ganz plausibel, 
dass am wachsenden Schädel nun die normale Waebstumskongruenz 
zwischen Septum und Kiefer sich wiederherstellen und dem Re¬ 
dressement des Gaumens die Geradestreckung des Septums folgen 
kann, namentlich wenn zu der Aufhebung dos Drucks in der 


Intermaxillarlinie noch der einsetzende positive Luftdruck in der 
Nasenhöhle hinzukommt. 

6 . Ringleb, Berlin: Kystoskop nach Maisonnenveschen 
Prinzip. 

Das Nitzesche Instrument wie das Ringlebsehe sind als 
Irrigations- resp. Evaknationskystoskop gleich brauchbar. 

7. Heermann, Posen: üeber partielle Stauung nnd Dmck- 
behandlnng bei Entzündongen. 

H. konnte die Weiterverbreitung bei Phlegmonen, Sehnen¬ 
scheiden- und Lymphgefässentzündungen, Furnnkeln, Erysipel u. ä. 
dadurch verhindern, dass er ihnen zentralwärts einen festeren 
Gegenstand (z. B. eine festgerollte Binde, eine gefaltete Gips¬ 
binde, ein umwickeltes Brettchen oder dergleichen) in den Weg 
legte und diesen mit einem Riemen, Gurt oder einer Leinenbinde 
mäßig fest, aber unverrückbar andrückte, wobei jedoch dieser 
Stauungskörper die Hautoberfläche überragte und für die all¬ 
gemeine Zirkulation seitlich etwas Platz Hess. Ebenso wandte er 
lokalen gleichmäßigen Druck bei der Nachbehandlung von Entzün¬ 
dungen etc. und bei Fisteln und Abscesshöhlen an. 

8. Pie sch, Budapest: Probebohnmg als diagnostisches 
Hilfsmittel. 

Der eine Probebohrer dient zur Diagnose der Knochen- und 
yn nnhft nmfl rkArtr mnkiing pin. Der zweite Bohrer ist einer Probe¬ 
punktionsnadel ähnlich. 

9. Marcus, Wien: Infusionsbomben. 

Diese Infusionsbomben, die bezw. 1 1 steriler physiologi¬ 
scher Kochsalzlösung enthalten, werden in der C. Haubnersohen 
Engelapotheke zu Wien hergestellt. Diese Bomben können un¬ 
mittelbar nach entsprechenden Abbrechen des Glases an den Teil¬ 
strichen verwendet werden, sie können sogar nach dem Wieder- 
Zuschmelzen noch einmal gebraucht werden, so dass ihre Verwen¬ 
dung auch wohlfeil ist. 


Nr. 19. 

1. Wassermann, Neisser und Bruck, Berlin, Breslau: 

Eine serodiagnostische Reaktion bei Syphilis. 

Im Institut für Infektionskrankheiten gelang es W., N., und 
Br. eine spezifische serodiagnostische Reaktion auf syphilitisches 
Material zu erhalten, wobei als Kontrolle stets festzustellen war, 
dass das betreffende Serum mit Körpersubstanzen nichtsyphilitischer 
Menschen keine Reaktion gibt. Von der grössten diagnostischen 
und therapeutischen Bedeutung wäre es, wenn es auch gelänge, 
regelmäßig den Nachweis syphilitischer Stoffe oder Antikörper im 
kreisenden Blute Lueskranker zu führen. Verf. verfügen zwar 
bereits über einige Fälle, wo dieser Nachweis gelungen ist, in 
anderen war dies aber noch nicht der Fall. 


2. Hirsebberg: üeber Entzündung der Netzhaut und des 
Sehnerven infolge angeborener Lues. 

. Die frischen Fälle sind schwer zu beobachten. Denn die 
Veränderung ist nicht leicht zu sehen, selbst wenn der Arzt schon 
einige Uebung in Augenspiegeln besitzt, es gehört eine grosse 
Geduld dazu. Endlich ist die richtige Beurteilung des Falles recht 
schwierig. Die Krankheit ist meistens doppelseitig. Es besteht 
feiu-ste, staubförmige Glaskörpertrübung. Zweitens ist der Seh¬ 
nerveneintritt durch eine bläulich-weisse Ausschwitzung ver¬ 
deckt , welche von hier aus nach allen Seiten in die Netzhaut, 
also in deren dickeren Teil, sich ergiesst und in einigem Abstand 
vom Sehnervenrande, d. h. mit zunehmender Verdünnung der Netz¬ 
haut, allmählich abnimmt und unerkennbar wird. Drittens zeigt 
die Netzhautmitte eine bräunliche Färbung. Viertens kommt es 
im ganzen Augengrund zu zahllosen hellen Stippchen, welche in 
der Peripherie dichter gedrängt, nahe aneinander gerückt sind und 
früher mit Pigment-Körnchen in der Mitte, Pigment-Streifchen am 
Rande sich ausstatten. Das Heilmittel ist das Quecksilber, Säug¬ 
linge erhalten 0,5, kleine Kinder 0,75, grössere 1,0 grauer Salbe 
einmal täglich; nur in Ausnahmefällen, die rasche Einwirkung er¬ 
heischen, zweimal täglich: so fünf Tage hindurch, dann ein Bad 
und drei bis fünf Tage Pause. Nie lässt H. vor 100 Einreibungen 
aufhören, und er sucht die Nachbehandlung 1—2 Jahre fortzu¬ 
setzen; öfters war er genötigt, wegen der Rüchfälle bis zu 300 
Einreibungen zu verordnen. 


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284 


MBjDIGCOSCüEI T^OCmiJ* 


Nr. 26. 


3. Buschke nnd Fischer: Ein Fall Ton Hyocarditis 
syphilitioa bei hereditärer Lues mit Spirochätenbefond. 

Es handelt sich um ein drei Wochen altes Kind, dessen 
Mutter nie syphilitisch krank gewesen sein will. Es zeigt sich 
iutra vitam und ex autopsia, eine schwere, allgemeine, hereditäre 
Syphilis, die ein besonderes Interesse durch die Beteiligung des 
Herzmuskels bietet. Histologisch bestand an dem hier zur Ver¬ 
fügung stehenden Material eine sehr ausgebreitete interstitielle 
Myocarditis; zwischen den erkrankten Partien fanden sich Inseln 
von normalem Herzparenchyra. 

4. Bettmann, Heidelberg: Pruritus als Initialersoheinung 
des Herpes zoster. 

Den zwei hier wiedergegebenen Beobachtungen waren folgende 
Eigentümlichkeiten gemeinsam: 1. Bei den Patienten entstand ein 
Pruritus von ganz besonderer („zoster-ähnlicher“) Lokalisation. 

2. Dieser Pruritus bestand längere Zeit, bis schliesslich in dem 
affizierteu Hautbezirke tatsächlich ein Herpes zoster auftrat. 

3. Mit dem Ablauf des Herpes zoster verschwand der Pruritus. 

5. Heinze, Beelitz-Berlin: Beitrag zur Behandlung des 
Korbus Basedowii mit Antithyreoidin Möbius (E. Merck, Darm¬ 
stadt). 

Neben der Verabreichung von Antithyreoidin erhielten die 
Patienten reichliche Ernährung und wurden hydrotherapeutisch 
behandelt. Vor allen Dingen erachtet H. aber gerade bei den 
Basedowkranken die Sanatorienbehandlung für die psychisch so 
leicht zu beeinflussenden Patienten als von der grössten Wichtig¬ 
keit: Entfernung aus der alten Umgebung und Lebensweise, reine 
Luft, Ruhe, zweckentsprechende Diät und die psychische Wirkung 
einer beständigen ärztlichen Aufsicht. In allen solchen Fällen, 
die H. nach diesem Hauptpriuzip im Sanatorium Beelitz ohne 
Serumverabfolgung behandelt hat, erhielt er mindestens die gleichen 
Resultate, wie in den anderen Fällen, 

6 . Treplin, Hamburg-Eppendorf: üeber die Besultate der 
chirurgischen Behandlung der Blasentamoren. 

T. teilt die papillären Geschwülste in gutartige Zottenge- 
schwlUste und carcinomatöse Zottengeschwülste. Er beobachtet 
auch ein Spindelzellensarkom, weiches an der vorderen Blasenwand 
als wallnussgrosser Tumor gefunden und exstierpiert wurde. Ein 
noch selteneres Vorkommnis stellt der Befund einer taubenei¬ 
grossen Cyste dar, welche sich an der Blasenwand einer 44jährigen 
Frau entwickelt hatte. Die Prognose der gutartigen Blasenge- 
schwülste, wenn sie mit sectio alta behandelt werden, ist als eine 
recht günstige zu bezeichnen, das Schicksal der mit Carcinom be¬ 
hafteten Blasenkranken ist nicht schlimmer als das von Patienten 
mit Carcinomen anderer Organe. Von den 30 Kranken mit ma¬ 
lignen Blasentumoren sind als geheilt über mehrere Jahre hinaus 
sechs zu betrachten. Von diesen hatten fünf Zottenkrebse, einer 
litt an einem Spindelzellensarkom. Es erscheint jedenfalls ge¬ 
rechtfertigt, bei jedem diagnostizierten Tumor, auch wenn er bös¬ 
artig imd bereits weiter fortgeschritten ist, operativ einzugreifen. 
Denn einmal ist auch bei malignen Tumoren die Hoffnung auf 
Dauerheilung vorhanden; eine Erleichterung kann man den schwer 
Leidenden aber und sicher verlorenen Patienten doch in fast allen 
Fällen schaffen. 

7. Hoffa, Berlin: 'Die spastischen Lähmongen der Kinder 
und ihre Behandlung. 

Die cerebralen Hemiplegien. Den verschiedenen L i 111 e - 
sehen Momenten ist auch eine verschiedene ätiologische Wertig¬ 
keit beizumeasen. Die Frühgeburt disponiert zu dem Syraptomen- 
komplex, den wir Littl esche Krankheit im engeren Sinne nennen, 
be.sonders; während die schwere Geburt häufiger Beziehung zur 
allgemeinen Starre hat. Die Frühgeburt konnte auch hier niemals 
als einziges ätiologisches Moment gelten. Entweder war der Ge¬ 
burt ein Trauma, das die Mutter erlitten hatte, unmittelbar vor- 
ungegangen, oder es hatten abnorme intraabdorainale Raumver- 
hältiiisse bestanden. In den übrigen Fällen lag gleichzeitig here¬ 
ditäre Lue.s vor. Wenn man nun die eben genannten konkur¬ 
rierenden Momente berücksichtigt, so kaun man sich des Ein- 
flrucks nicht erwehren, dass vermutlich in diesen selbst die Ur¬ 
sache der Frühgeburt zu sehen ist. Ob sie auch gleichzeitig die 
Hemiplegie verursacht haben, Lst nicht mit Sicherheit zu sagen. 


Wahrscheinlich spielt die Frühgeburt nur die Rolle einer eine be¬ 
reits bestehende, anderweitig verursachte Schädigung (hämor¬ 
rhagische Diathese) unterstützenden Faktors. Aeusserst wichtig 
für die ätiologische Betrachtung der cerebralen Kinderlähmung 
ist, dass die Läsionen am häufigsten in der motorischen Zone des 
Gehirns liegen, in dem Verbreitungsgebiet der arteria cerebri 
media. Mag eine syphilitische oder akut entzündliche Gefässer- 
krankung, eine auf verschiedene Weise entstandene hämorrhagische 
Diathese, Embolien, Thrombose oder traumatische Hämorrhagie 
Vorgelegen haben, immer ist ein vaskuläres Moment die eigent¬ 
liche Ursache, und alle sonstigen Erscheinungen sind sekundärer 
Natur. 

8 . Smit, Rotterdam: Die Fliegenkrankheit und ihre Be¬ 
handlung. 

L e 8 b i n i behandelte seinen ersten Fall von Myiasis in Salto 
(Uruguay). Er betraf eine Dame, die ein „Ulcus cruris“ hatte, 
in das eine Fliege ihre Eier gelegt hatte. Der zweite Fall betraf 
ein kleines Kind, das häufig an beiderseitigem Ohreofluss gelitten 
hatte und wiederum über heftige Schmerzen im Ohre klagte. Bei 
der otoskopischen Untersuchung fand sich eine Menge Larven, 
welche er wegen ihrer grossen Lebhaftigkeit und wegen der Schmerz¬ 
haftigkeit der Patientin nicht fassen konnte. In einem dritten 
Falle konnte Lesbini die Larven sehr leicht in der linken Nasen¬ 
höhle entdecken. Das 16jährige Mädchen beherbergte in der 
kranken Nasenhöhle nicht weniger als 260 Larven, die in 16 Be- 
handlung.stagon verschwanden. Smit behandelte eine junge Dame 
bei Hautmyiasis mit Kalomel. Die Geschwüre werden gereinigt 
und gleich darauf dick mit Kalomel bestreut und verbundem 
Ebenso einen Fall von Myiasis naai. Es wird etwa iV* g Kalomel 
in die Nasenhöhle geblasen, dann ein Gazetampon dick mit EAlomel 
bestreut und die Nase damit tamponiert. Patient verblieb darauf 
zwei Stunden im Wartezimmer. Während dieser Zeit kamen 56 
Larven den so exakt wie möglich sohliessenden Tampon entlang 
nach aussen gekrochen. Beinahe alle starben innerhalb einer halben 
Stunde, Die Schmerzen hatten in dieser kurzen Zeit ganz nach¬ 
gelassen. Das ganze Verfahren wird nur noch zweimal wieder¬ 
holt. Die Kalomelmethode empfiehlt sich somit bei Myiasis von 
selbst. 

9. Schellenberg, Beelitz i. M.: Mitteilung über die Her¬ 
stellung plastisoh wirkender Böntgenphotographien. 

Ausgehend von Versuchen in der allgemeinen Photographie, 
erzielt Sch. durch Deckung eines Plattenpositivs und Plattennegativs 
mit geringer Verschiebung Randschattenbildungen und dadurch ein 
plastisches Hervortreten der photographierten Objekte. Die Schatten¬ 
bildungen können durch geringe Verschiebung modifiziert imd ein¬ 
zelne Teile der Objekte besonders plastisch herausgehoben werden 
(besonders wertvoll für die Darstellung der Gelenkspalten!). Die 
Versuche wurden zunächst mit Bromsilbergelatineplatten angestellt 
und aus der allgemeinen Pliotographie in die Röntgenphotographie 
übernommen. 


Nr. 20. 


1. Mendel, Berlin: Die Migräne. 


Aus der Aetiologie der Migräne ergibt sich, dass die Migräne 
in der grossen Mehrzahl der Fälle eine Krankheit ist, zu welcher 
die Disposition auf Grund erblicher Anlage mit zur Welt gebracht 
wird, dass die Entwicklung der Krankheit und die Häufigkeit der 
Aufälle von den verschiedensten acoidentellen Ursachen bedingt 
wird, von denen nur ein Teil bekannt ist. Der Verlauf der 
Migräne zeigt In manchen Fällen das gleiohmaQige Eintreten von 
Migräneanfällen von früher Jugend bis ins späte Alter. Oefter 
sieht man statt des typischen Migräneanfalles ein Aeqnivalent 
eintreten, welches lediglich in einem Magenschmerz, in einem 
Skotom, einem Druck in den Schläfen besteht. In anderen Fällen 
lokalisieren sich die Schmerzen überhaupt nicht im Kopfe., Zu¬ 
nächst gebe man einen speziellen Diätzettel für die einzunehmen- 
den Mahlzeiten. Dabei wird in der Regel nur der einmalige Ge¬ 
nuss von Fleisch täglich (zum Mittagessen) zweckmäßig sein, 
während Milch, Ol)St in den verschiedensten Formen und Gemüse 
die Hauptsache der Kost zu bilden haben; als Getränk empfehle 
man Biliner, Giesshübler, Fachinger etc. Durch eine solche Diät 


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im 


MEDICINISCHE WOCHE. 


285 


pflegt auch eine Begulierung des Stuhlgauges eiuzutreten. Für 
den Sommer empfiehlt sich ein Aufenthalt in bergiger und wal¬ 
diger Gegend, während M. von dem Aufenthalt an der See in 
der Mehrzahl der Fälle einen günstigen Einfluss auf den Verlauf 
der Migräne nicht sehen konnte. Bade- und Brunnenkuren kann 
M. nicht empfehlen; die letzteren verstärken sogar öfter die An¬ 
fälle. Von Medicamenten sind Arsenik (Acid. arsenicos. in Pillen 
0,0005 bis 0,001 g, zweimal täglich), Chinin und Eisen (bei 
Anaemie), besonders auch Nitroglycerin in Tabletten 0,0005 bis 
0,001, zweimal täglich, oder in Tropfenform empfohlen worden. 
M. verordnet mit Nutzen folgendes Rezept: 

Natr. bromat. 2,5 

^ Natr. salicyl. 0,25 

Aconitin (Gehe) 0,0001, 

er lässt 20 Tage hintereinander jeden Morgen nach dem ersten 
Frühstück ein Pulver in einer grossen Tasse Baldrian- oder 
Orangenblütentee nehmen, dann 10 Tage aussetzen, dann wieder¬ 
holen usf. ln Fällen, in welchen schlechter Schlaf besteht oder 
die An^e schon beim Aufwachen früh in voller Heftigkeit da 
sind, lässt M. die Pulver abends beim Zubettegehen nehmen. Ist 
der Anfall da, so ist Ruhe das • Hauptsächlichste für die Kranken. 
Man mache das Zimmer dunkel, der Kranke lege sich mit er¬ 
höhtem Kopfe hin. Der eine macht dann kalte, auch Eisximschläge, 
dem andern sind warme (Kamiilenumschläge) lieber, der dritte 
leidet überhaupt nichts auf dem Kopfe, während der vierte sich 
ein Tuch fest um den Kopf bindet. In der Ruhe bleibt der 
Kopfschmerz oft erträglich und geht schneller vorüber. Daneben 
Kaltwasserkuren bei nicht Amaenischen und elektrische Behandlung. 

2. Jochmann, Breslau: Versuche zur Serodiagnostik und 
Serotherapie der epidemischen Oenickstarre. 

Dieses Menigococcenserum ist polyvalent, was besonders 
wichtig erscheint in Hinblick auf Erfahrungen an anderen Seris, 
z. B. Pneumococcenseris, wo die gebildeten Immunkörper mitunter 
so spezifisch sind, dass sie nur gegen den zur Immunisierung 
verwendeten Stamm eine genügende Schutzwirkung entfalten. Die 
antitoxische Wirkung des Serums gegenüber den in der toten 
Leibessubstanz (enthaltenen) der Coccen enthaltenen Giften ,ist 
gering. Die bactericide Wirkung aber und damit ein wachstum¬ 
hemmender Einfluss trat zutage, wenn man das Blutserum von 
Meerschweinchen, die 24 Stunden vorher mit 2 ccm subcutan in¬ 
jizierten Meningococcenserums passiv immunisiert worden waren, 
in stufenweise fallenden Verdünnungen auf gleiche Kulturmengen 
einwirken Hess und danach durch das Plattenverfahren und Aus¬ 
zählen der Keimzahlen die Einwirkung veranschaulichte. Krömer 
hat bisher 17 Fälle mit Serum behandelt, und zwar grösstenteils 
solche Kinder, bei denen der Beginn der Erkrankung nicht länger 
als höchstens 7 Tage zurücklag. Die Behandlung geschah in der 
ersten Zeit in der Weise, dass man am ersten Tage 20—30 ccm 
subcutan gab und am dritten und vierten Tage die Ein.spritzung 
wiederholte. Bei 11 Fällen wurden nach einer anfänglichen sub- 
cutanen Injektion in den nächsten Tagen Serumeinspritzungen in 
den Lumbalkanal vorgenommen. An der Leiche hatte man sich 
vorher durch Einspritzung von Methylenblau überzeugt, dass die in 
den Spinalkanal eingespritzte Flüssigkeit bis zum Olfactorius hinauf 
vordfingt. Das Verfahren am Kranken war so, dass nach voran¬ 
gegangener Lumbalpunktion und Ablassen von 30—50 ccm Spinal¬ 
flüssigkeit 20 ccm Serum mittels steriler Glaaspritze durch die 
zur Punktion verwendete Hohlnadel hindurch injiziert wurden. 
Die Verbindung zwischen Punktionsnadel und Spritze geschieht 
am besten durch ein 4 cm langes Stück sterilen Gummischlauch. 

3. Einhorn, New-York: Bemerkungen zu Sahlis Besmoid- 
reaktion des Magens. 

Sahlis Desmoidreaktion ist für die Prüfung der Magen- 
fimktion vollständig ungeeignet, und zwar weil Catgut auch im 
Darm verdaut werden kann. 

4. Schirmer, Greifswald: Experimentelle und klinische 
Untersuchungen über die Entstehung der Phthisis bulbi. 

Die entzündliche Circulations.störung als Ursache der Hypo¬ 
tonie einerseits und das Zugrundegehen zahlreicher Gefässe in den 
Ciliarfortsätzen andererseits kombinieren sich miteinander. 


5. Mühlens, Berlin: Ueber Züchtung von Zahnspiroohaeten 
und fusiformen Bacillen auf künstlichen (festen) N&hrböden. 

Es ist M. gelungen, Zahnspirocbaeten auf künstlichen, nament¬ 
lich auch auf festen Nährböden (Pferdeserumagar 1 : 3 in hoher 
Schicht (Schüttelkultur und Serumbouillonkultur) zu üppigem 
Wachstum zu bringen und weiterhin erfolgreich zu übertragen. 
M. hat in der vierten Generation in einem Serumagarröhrchen nur 
feine Kolonien, die lediglich aus Spirochaeten bestanden, erhalten. 

6. Bürgi, Bern; Ueber Lungensteiue. 

In zwei Fällen wurden mit Schleim, Blut usw. Kalkkonkre¬ 
mente ausgehustet. In dem einen der zwei von B. beobachteten 
Fälle war Tuberculosis pulmonum sicher nachgewiesen. Bei Fall 1 
kann es sich auch um diese Krankheit gehandelt haben, weder 
das negative Ergebnis der bacteriologischen Untersuchung, noch 
der günstige Verlauf bewiesen das Gegenteil. 

7. Hirsch, Berlin; Ueber einen Fall von Mediannsver- 
letzung mit seltenen trophisohen Störungen. 

Ausführliche Krankengeschichte. Schluss folgt. 

8. Hoffa, Berlin: Die spastischen Lähmungen der Kinder 
und ihre Behandlung. 

Hoffa gibt über die cerebrale Hemiplegie und über deren 
Aetiologie, Klinik und pathologische Anatomie und schliesslich 
über die chirurgi.nch-orthopädische Behandlung sehr übersichtliche 
Erörterungen, und er stellt kurz seine Thesen zusammen. 

9. Schwalbe, Berlin: Der künftige Versammlungsort des 
Kongresses für innere Medicin. 

Es wäre wünschenswert, dass die Mitglieder des Kongresses 
sich — zunächst! — für die Beibehaltung des bisherigen Ver¬ 
sammlungsmodus (Berlin, Leipzig, München, Wien) entscheiden. 

Nr. 21. 

1 . Ledderhose: Die Diagnose und Behandlung des Platt* 
fusses. 

Dem Verf. liegt es in seinem Vortrag daran, die Aufmerk¬ 
samkeit daraiif zu richten, da.ss man in allen Fällen, wo an be¬ 
liebigen Stellen der belasteten Füsse Schmerzen auftreten, zumal 
wenn die Füsse eine Abweichung im Sinne der Vagusstellung auf- 
weisen und wenn lokale krankhafte Prozesse nicht nachzuweisen 
sind, an Bela.stungsschmerzen, bezw. Plattfussbeschwerden zu 
denken hat, und dass, sobald .diese Diagnose berechtigt erscheint, 
in der Mehrzahl der Fälle die Verordnung guten Schuhwerks und 
die Hygiene des Fusses betreffende Ratschläge ausreichen, um die 
Beschwerden zu beseitigen. 

2. Herxbeimer, Wiesbaden: Panoreas und Diabetes. 

H. hat eine zwischen den Extremen vermittelnde Anschauung 
gewonnen. Nach dieser wohnt von Hause aus den Pancreasacinus- 
zellen ausser der äussern Sekretion auch die den Koblehydrat- 
stoffwechsel regtüierende innere Sekretion iune. Nun bilden sich 
aus dem Pancreasparencbym die Zelleninseln, zunächst im embryo¬ 
nalen Leben und eventuell auch später; diese verlieren den An¬ 
schluss an die äussere Sekretion, und es bildet sich somit gerade 
in ihren Zellen die innere um so stärker aus; sie sind dazii um 
so befähigter, als sie besonders reichlichen Capillaren benachbart 
liegen. Diabetes tritt nur dann ein, wenn ein Funktionsausfall 
vorliegt, der sowohl den einen wie den anderen Bestandteil des 
Pancreas oder auch — und wohl meist — beide treffen könnte; 
der Verlust der Funktion der Langerhansschen Zelleninseln 
wirkt dabei stärker. Die Neubildung der Zelleninseln etc. bei 
Diabetes würde dann einen exquisit regeneratorischen Versuch be¬ 
deuten. Wie weit jeder von beiden Bestandteilen geschädigt sein 
muss, damit Diabetes eintritt, wie weit einer von beiden f^ür den 
andern vikarierend eintreten kann, lässt sich kaum bestimmen, 
doch scheinen hierbei Unterschiede zwischen Mensch und Tier zu 
bestehen. 

3. Martin, Togo; Ueber einen Fall von gleichzeitigem Be¬ 
stehen von Typhus und Amoebendysenterie, kompliziert durch 
Milz* und Leberabszesse. 

Der Krankheitsfall eines 29 jährigen Landwirtes, bei dem die 
Typhus- und Dysenteriesymptome teilweise so deutlich getrennt 


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286 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 26. 


nebeneinander bergingen, ohne sich gegenseitig zu verwischen, 
dass die Diagnose in vivo keine erheblichen Schwierigkeiten bieten 
konnte. Der Pall zeigt, dass es möglich ist, aus den Krankheits- 
erscbeinungen bei genügend langer Beobachtung die richtige Diag¬ 
nose aufzufinden, er erweist aber auch klar den grossen Nutzen, 
den uns die Agglutinationsreaktion in ihrer heutigen vereinfachten 
Form bietet, indem sie uns die Möglichkeit gibt, in unklaren 
Fällen schon zu einer Zeit die Entscheidung zu treffen, in der 
wir früher lediglich auf Abwarten angewiesen w’aren. 

4. Riese, Britz b. Berlin: Operation bei Barlowscher 
Krankheit. 

Bei einem 14 monatlichen Knaben öffnete R. über der rechten 
Tibia und rechten Femur entstandene Haematome mit günstigem 
Erfolge der sofortigen Schmerzstillung und Ausheilung. Wenn 
operiert wird, sagt R., dann ist Incision und Tamponade zu em¬ 
pfehlen, nicht Punktion, da diese eine Nachblutung in die sub¬ 
periostale Höhle nicht sicher vermeiden lässt. Die Oertlichkeit 
der Haematome an den langen Röhrenknochen gestattet, die 
Operation selbst so gut wie blutleer zu gestalten. Nachblutung 
ist durch kurze Tamponade leicht zu vermeiden. Eine Narkose 
ist bei der Kürze des Eingriffs nicht notwendig, dürfte aber un¬ 
schädlich sein. R. hat sie ohne üble Folgen angewandt. R. em¬ 
pfiehlt die Operation aber nur bei ganz schweren Fällen mit sehr 
ausgedehnten Haematomen, weil die Krankheit bisweilen auch so 
heilen kann. 

5. Puschmann, Britz b. Berlin: Fall von Kleinhimbrüoken- 
winkelgeschwulst. 

Das Sektionsresultat entsprach dem intra vitam supponierten 
Tumor, wenn er auch in Wirklichkeit etwas grös.ser war als ver¬ 
mutet wurde. Er hatte den rechtsseitigen Bezirk zwischen Klein¬ 
hirn und Brücke eingenommen, und P. glaubt, ihn mit Recht den 
Kleinhirnbrückengeschwülsten an die Seite stellen zu dürfen. 
Punkenstein fasste den Begriff bereits mehr im klinischen 
Sinne unter Betonung des durch den Sitz bedingten Krankheits¬ 
bildes. Daher rechnete er Endotheliomgliome, ja auch meta¬ 
statische Tumoren unter die Kleinhirnbrückengeschwttlste. P. 
weist darauf hin, dass derartige Neubildungen auch Cholesteatome 
sein können. 

6 . Hirsch, Berlin: Heber einen Fall von Hedianasver* 
letznng mit seltenen trophischen Stömngen. 

Zweiter Teil. 

7. Bussalla, Hannover: Heber ein seltenes Pnlsphänomen 
bei innerer Blutung infolge von Tubenschwangersobaft. 

8 . Matte, Köln: Labyrinthtrepanation und Auskratzung 
des Vorhofes wegen qualvoller Geräusche bei sogenannter 
„Kittelohrsklero8e“-OtospongioBe. 

Nachdem seit der Labyrinthoperation über ein Jahr verflossen 
ist, ist der Zustand seines Gehörorgangs ziemlich gleich geblieben, 
die Hauptgeräusche sind nicht wiedergekehrt, das feine Siedege¬ 
räusch wird noch wahrgenommen, hat sich aber auch iu den letzten 
Monaten noch weiterhin vermindert, da.s Hörvermögen ist durch 
die Operation bislang weder verschlechtert noch verbessert. Ein 
abschliessendes Urteil kann bei der Langsamkeit der sich hier ab¬ 
spielenden Heilungsvorgänge erst in zwei bis drei Jahren nach 
der Operation abgegeben werden. 

9. Edel, Wyk a. Föhr: Serviettenhüllen aus Celluloid. 

Edel hat den Instrumentenmacher Ad. Krauth in Hamburg, 

Gänsemarkt, veranhwst, Serviettenhüllen aus Celluloid herzustellen 
und in den Handel zxi bringen. Es sind Behälter mit Boden und 
überfallendem Deckel, und auch einfache offene, zylinderförmige 
Röhren. Diese letzteren genügen durchaus, um den gewünschten 
Zweck zu erreichen. Sie umhüllen die Serviette vollständig und 
schützen sie vor der Berührung mit anderen Servietten. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 20. 

1. V. Hanseman, Berlin: Heber den Einfluss der Domesti¬ 
kation auf die Entstehung der Krankheiten. 

Die erste Folge, die sich aus der Domestikation ergab, war 
die Erhaltung zahlreicher Individuen, die aus sieh heraus nicht 
die Kraft besässen hätten, in der freien Natur zu existieren, die 
mit allen möglichen ungünstigen Eigenschaften ausgestattet, un- 


I zweifelhaft zugrunde gehen mmssten, die aber diesem Untergang 
I durch die Maßnahmen der Domestikation bewahrt blieben und da¬ 
durch zur Fortpflanzung gelangten. Man hat schon wiederholt 
die Frage aufgeworfen, ob durch die hygienischen Maßnahmen das 
Menschengeschlecht im Sinne einer Degeneration übel beeinflusst 
werden könne, und diese Frage ist zum Teil bejaht, zum Teil ver¬ 
neint worden. Aber man sollte das nicht auf die Hygiene al.s 
solche beziehen, sondern auf das ganze Gebiet der Domestikation, 
und dass es sich dabei nicht allein um eine Schwächung all¬ 
gemeinen Konstitution der Durchschnittsindividuen bandelt, son¬ 
dern zum Teil auch um wirkliche Krankheiten, lässt sich ohne 
weiteres ersehen. Dahin ist z. B. die Kurzsichtigkeit zu rechnen, 
die Zahncaries und die immer mehr abnehmende Fähigkeit der 
Frauen, ihre Kinder selbst zu stillen. 

2. Meyer, Berlin: Heber die bakterizide Wirkung des 
Meliofozm. 

Melioform enthält nach der Analyse von Jacobson als wirk¬ 
sames Agens Formaldehyd, und zwar 25% und essigsaure Ton¬ 
erde 15%, sowie einige konservierende indifferente Stoffe in 
Lösung, und es stellt eine schön rot gefärbte, nach einem Ge¬ 
misch von Formalin und Parfüm nicht unangenehm riechende 
Flüssigkeit dar. Aber nach den angesteliten Untersuchungen 
kommt M. zu dem Ergebnis, dass Melioform noch nicht als ein 
voUwertiges Desinfiziens anzusehen ist und keineswegs mit unsem 
alten bewährten Desinflzientien konkurrieren kann. 

3. Browning und Sachs, Frankfurt a. M.: Heber Antiam- 
booeptoren. 

Schluss folgt. 

4. Rheinbold, Kissingen: Zur bakteriziden Wirkung 
radioaktiven Hineralwassers. 

Das künstlich emanationshaltige Wasser schädigte die Bak¬ 
terien nur zu Beginn'seiner Einwirkung und auch da nur vor¬ 
übergehend, so dass eine Erholung der Bakterien möglich war. 
Im Gegensatz hierzu, batte das natürlich emanationshaltige Mineral¬ 
wasser seine schädigende Wirkung zu Beginn am schwächsten, 
erst nach 4 Stunden sehr deutlich und mit der Zeit noch zu¬ 
nehmend entfaltet. 

5. Deutschländer, Hamburg: Die fhnktionelle Behand¬ 
lung der Knoohenbrüche. 

Be-sondera wichtig ist der funktionelle Reiz, den die Be¬ 
wegungen auf den Heilprozess ansüben. In Betracht kommen die 
Massage und die Bewegungen, die ausser den allgemeinen, die 
Massagewirkung steigernden Effekten die Heilungsvorgänge auch 
hier sowohl im Bereiche der Frakturstelle als auch im Gebiete 
der zur Versteifung disponierten Gelenke in ausgesprochener 
Weise beeinflussen. Schluss folgt. 

6 . Focke, Düsseldorf: Welchen Wert haben DigitaUs*Frosch- 
versuche für die Praxis? 

Froschversuche zur Kontrolle der Digitalis in den Apotheken. 

Nr. 21. 

1. Karewski, Berlin: Heber gebrauchsfertiges, dauernd 
steriles aseptisches Catgut. #■ 

Die Sterilisation geschieht auch hier mit Alkoholdampf, deren 
Sicherheit experimentell erwiesen wurde. Die im Alkoholgefäss 
erkalteten Röhren werden unten zugeschmolzen, im Vacuum mit 
absolutem Alkohol, dem je nach der Stärke der Fäden 1 — 3% 
Glyzerin zugesetzt ist, gefüllt, alsdann oben zugeschmolzen und 
nunmehr, um etwaige aus der Luft aspirierte Keime zu zerstören, 
nochmals 1 Stunde lang auf 103® erhitzt. Auf diese Weise sind 
alle nur in Betracht kommenden Vorsichtsmaßregeln getroffen. Das 
Catgut ist gebrauchsfertig und unbegrenzt haltbar bis zu dem 
Moment, wo die Tube durch Anritzen geöffnet wird. Röhren, die 
geöffnet sind, mag derjenige, der nur selten Catgut benutzt, weg¬ 
werfen, man kann sie aber auch keimfrei erhalten, wenn man sie 
mit dem Hals nach unten in 70®^ sterilen Spiritus versenkt. 
Für Krankenhäuser und Kliniken, für welche die Konservierung 
der Reste eine materielle Rolle spielt, hat K. durch die Firma 
L. u. H. Löwenstein einen Kasten mit Gestell konstruieren 
lassen, der auf die einfachste Weise die keimfreie Aufbewahrung 


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1906. 


MSDICmiSCHE WOCHE. 


287 


gewährleistet. Die Herstellung dieser gerade auch ihr den Prak¬ 
tiker sehr handlichen Catgutfäden geschieht in dem physiolog.- 
chem. Laborat. Hugo Rosenberg, Berlin W. 50. 

2. Heinsheimer, Baden-Baden: Das Experiment in der 
Balneotherapie. 

Verf. hat Tierexperimente zur Prüfung der Mineralwaaser¬ 
wirkungen herangezogen, und zwar für diejenigen Trinkkuren, mit 
denen wir eine Beeinflussung der Magensekretionen herbeizuführen 
suchen, entweder im Sinne einer Anregung von Saft-, Säure- und 
Fermentproduktion oder im gegenteiligen Sinne eine Herabsetzung 
der Drüsenarbeit. Zum Vergleich der Wirkungsweise wird ausser¬ 
dem der Einfluss verschiedener, zu den gleichen Zwecken gebräuch¬ 
licher medikamentöser Substanzen auf die Magensekretion gezeigt 
(Natronbicarbonat, Calcium carbonicum, Soda, Bismutum subnitri- 
cum, Magnesia usi», Bittersalz, Vich 3 rwa 88 er, Hunyadi Jdnos und 
Karlsbader Mühlbninnen). Die Pawlow’sche Methode erweist 
sich, wenn sie auch naturgemäß über die Einwirkung langdauern- 
der Brunnenkuren nichts Entscheidendes aussagen kann, doch 
zweckmäßig, insbesondere zur vergleichenden Prüfung solcher 
Medikamente und Mineralwässer, deren Wirkung auf die Magen- 
Sekretion wir studieren wollen. 

3. Ehrlich und Apolant, Frankfurt a. M.: Erwiderung 
auf den Artikel des Herrn Dr. Bashford: Einige Bemerkungen 
zur Methodik der e]q>erimentellen Krebsforschung. 

In Nr. 16 dieser Wochenschrift wendet sich Bashford gegen 
die von E. u. Ä. vertretene Anschauung, dass die Sarkomentwick¬ 
lung bei fortgesetzten Garcinomimpfungen auf Mäuse, die sie nun¬ 
mehr dreimal beobachtet haben, und die in einem vierten Stamme 
ihres Materials ebenfalls zu beginnen scheint, auf einer gesteigerten 
Proliferation mit überpflanzter, in ihrer Virulenz durch irgend 
welche Momente veränderter Stromazellen beruht. 6 a sh f o r d 
lässt nur drei Erklärungsmöglichkeiten für diese Beobachtung zu, 
über die seiner Ansicht nach eine Entscheidung noch aussteht. 
Nämlich, dass von Anfang an Mischgescbwiilste bestanden, zwei¬ 
tens, dass sich ein infektiöses Granulom auf dem Boden eines 
Carciuoms entwickelt hat, und drittens, dass ein wahres Sarkom 
auf eingeführtem Stroma oder Reaktionsgewebe des Wirtes während 
der Uebertragung des Carcinoms entstanden ist. E. u. A. aber 
können keinen einzigen der von Bashford gegen sie erhobenen 
Einwände eine Berechtigung zuerkennen. 

4. V. Hansemann, Berlin: Heber den Einfluss der Domesti¬ 
kation auf die Entstehung der Krankheiten. 

Zu den Degenerationszuständen ex domesticatione gehören 
ferner noch die abnehmende Fähigkeit der Frauen, ihre Kinder 
mit ihrer eigenen Milch zu ernähren, die Neurasthenie, die Hysterie 
mit ihren verwandten neuropathischen Zuständen, eine Anzahl von 
Verdauungsstörungen, z. B. die habituelle Obstipation mit ihren 
konsekutiven Erscheinungen, die Chlorosen und Anämien, die 
Lungenphthise und die Rachitis. Dazu kommen noch die ent¬ 
stellenden Deformationen des Körpers, denn auch diese können 
sich zu störenden pathologischen Veränderungen steigern. 

5. Browning und Sachs, Frankfurt a. M.: Ueber Antiam- 
booeptoren. 

Die Existenz von Antikörpern der hämolytischen Ambocep- 
toren im Antiserum ist nicht zu bezweifeln. Es gelingt auch bei 
gleichzeitiger Gegenwart von Eiweissantikörpem, sie in ihrer 
Wirkung zu differenzieren und als hemmende Stoffe sui generis 
zu erkennen. Dabei können die Eiweissantikörper durch Präzipitat¬ 
bildung die Wirkung der Antiamboceptoren unter Umständen mehr 
oder weniger begünstigen, ohne aber bei den gewählten Versuchs¬ 
anordnungen an und für sich ihre komplementbildende Funktion 
zu entfalten. 

6. Deutschländer, Hamburg: Die fonktionelle Behand¬ 
lung der Knoohenbrüche. 

Es widerspricht keineswegs dem Prinzip der funktionellen 
Therapie, wenn man Schienen, abnehmbare Gipsverbände oder 
Extensionsverbände anwendet, die direkt einen redressierenden 
Einfluss auf die Bruchstücke ausüben, ja sogar die operative Naht 
lässt sich mit der funktionellen Bebandlungsweise kombinieren. 
Nur müssen alle angewandten Hilfsmittel so beschaffen sein, dass 
sie leicht die regelmäßige Ausführung von Bewegungen imd 


Massage gestatten. Für Knochenbrüche mit schwerer Dislokation 
hält D. sogar die Anwendung derartiger Hilfsmittel nicht nur 
für ratsam, sondern direkt für geboten; bloss muss man sich stets 
darüber klar sein, dass es sich hierbei im Grunde genommen immer 
nur um unterstützende Hilfsmittel handelt, und der Schwerpunkt 
der Behandlung stets in der systematischen Anwendung der funk¬ 
tionellen Heüfaktoren beruht. In dieser Beziehung stellt auch 
die so überaus leistungsfähige Bardenheuer’sohe Extensions¬ 
behandlung eine funktionelle Therapie dar. 

7. Heilbron, Berlin: Die Behandlung des Hlous corneae 
serpens. 

Nr. 22. 

1. Talma, Utrecht: Pyurie durch Xeucoeystose; Leuoo- 
cytose-Py&mic. 

„Kryptogene“ Pyämle; Pyurie durch Ausscheidung des Eiters 
aus dem Blute, bei einem 34 Jahre alten Bleiarbeiter mit 
Schrumpfnieren. Pyurie durch Leuoocytose bei acuter Exacerbation 
chronischer Lungentuberkulose bei einem 59 Jahre alten Land¬ 
streicher. 

2. Käst, Berlin: Experimenteller Beitrag zum Mechanismus 
der Magensekretion nach Probefrühstück. 

Schluss folgt. 

3. Bauer, Berlin: Ueber den Nachweis der präzipitablen 
Substanz der Kuhmilch im Blute atrophiscber Säuglinge. 

B. glaubt einen einwandsfreien Beweis des Vorkommens ge¬ 
nuiner artfremder Eiweisskörper im Blute eines Säuglings ge¬ 
führt zu haben. 

4. Kronthal: Ist Hysterie eine Nerrenkrankheitl 

Hysterie ist eine leicht wechselnde krankhafte Reaktion der 

das Individuum konstituierenden Zellen. Ist Hysterie eine leicht 
wechselnde krankhafte Reaktion der Zellen, so wird therapeutisch 
zu versuchen sein, dur<di Veränderung der Aussenwelt des Kranken 
anderweitig auf die Zellen einzuwirken und durch Kräftigung der 
Zellen ihre Reaktionsfähigkeit weniger labil zu machen. Hin¬ 
gegen wird ein Erfolg nicht zu erwarten sein, wenn wir auf die 
zur Zeit erkrankten Stellen einwirken, selbst günstig einwirken. 
Ein hysterisch Kranker, dem eine Lähmung beseitigt ist, indem 
man nur auf diese wirkte, wird hysterisch bleiben und nach 
Stunden oder Tagen neue krankhafte Erscheinungen zeigen. 
Dauernde Erfolge aber werden wir zu erwarten haben, wenn wir 
durch eine Versetzung des Kranken in eine möglichst nene Um¬ 
gebung seine Aussenwelt ändern, somit andere Reize als bisher 
auf die Zellen einwirken zu lassen und wenn wir die Zellen gegen 
Reize weniger widerstandsfähig resp. widerstandsfähiger gestalten, 
also normal reagieren machen. Wir werden sie gut ernähren, da¬ 
bei alle die Speisen, Getränke, wie auch Arzeneien sorgfältig ver¬ 
meiden, die lähmend oder erregend wirken, durch Massagen, 
Turnen, Bäder, etc. den Körper kräftigen. Funktionieren die 
Körperzellen wieder normal, dann ist auch die Psyche wieder ge¬ 
sund. 

5. Senator, Berlin: Ueber Sohleimhant-Lnpns der oberen 
Luftwege. 

Der Kehlkopf war dreimal beteiligt; zwei Fälle zeigten Er¬ 
krankung der Epiglottis, und zwar waren es Fälle von älterer Er¬ 
krankung, die Taschenfalten waren jedesmal und die Stimmlippen 
wiederum zweimal beteiligt; die letzteren in wenig charakteris¬ 
tischer Weise. Die Prognose ist quod vitam ziemlich günstig, 
quad sauationem dagegen schlecht, kann jedoch durch eine zweckmäßige 
Therapie zum Besseren beeinflusst werden. Nicht unwirksam hat 
sich die Milchsäure in Lösung von 50% und mehr erwiesen, doch 
ist ihre Wirkung nur oberflächlich und daher sehr langsam, als 
Ersatz für chirurgische Eingriffe bei operationsscheuen Patienten 
oder bei anderen Gegengründen mag sie ihren Platz immerhin 
behaupten. 

6. Deutschlander, Hamburg: Die funktionelle Behand¬ 
lung der Knochenbrüche. 

Der Schwerpunkt in der Frakturbehandlungsfrage liegt weit 
weniger in der Modifikation und Konstruktion dieser oder jener 
Schiene oder in der Bevorzugung dieses oder jenes Hilfsmittels, 


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MKDICINISC5HB WOCHE. 


Nr. 26. 


als vielmehr in der sicheren Entscheidung darüber, ob im Prinzip 
die Wege, die wir bisher gegangen sind, in der Tat auch noch 
unseren modernen Anschauungen entsprechen. Das wichtigste 
Moment in der funktionellen Therapie bildet die Bewegung; - die 
Massage spielt nur eine sekimdäre Rolle, und nur im ersten 
Stadium kommt ihr eine etwas grössere Bedeutung zu. Unter 
Umständen würde sie sich sogar durch ähnUch wirkende Heil¬ 
faktoren ersetzen lassen, während dies bei den Bewegungen nicht 
angängig wäre. Freilicdi darf man sich die Ausführung der Be¬ 
wegungen nicht ganz so einfach vorstellen. Nicht jede Bewegung 
wirkt in funktionellem Sinne begünstigend auf den Heüungsver- 
lauf, sondern nur eine solche, die mit Methode und mit richtigem 
Verständnis den pathologischen Verhältnissen und dem Mechanis¬ 
mus der Gelenke angepasst ist. 

7. Mohr, Berlin: Praktuehe Ergebnisse ans dem Gebiete 
der inneren Hedioin. Einiges zur Pathologie und Therapie der 
Arteriosklerose. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 19. 

1. Velich, Prag: Stadien über den Einflnss des Nerven¬ 
systems auf den Pols. 

Ejtperimentelle Erklärung der Ursachen der Pulsfrequenz- 
änderungen bei der Atm un g . Das Auftreten der Pulsverlangsam¬ 
ung schon gegen Ende des Inspiriums kann fast regelmäßig nach- 
gewieseo werden, wenn das Inspirium gewaltig verlängert wird, so 
dass der von den sensitiven Nerven ausgehende Redex schon in 
der Inspirationsperiode sich geltend machen kann. Wird aber das 
Inspirium nicht allzu verlängert, so erscheint die Fulsverlangsam- 
ung erst in der Ezspirationsperiode. Eine auffallend ausgesprochene 
Pulsverlangsamung im Exspirium kann manchmal — besonders bei 
Personen mit einem mehr reizbaren Nervensystem — beobachtet 
werden, wie es schon von mehreren Autoren konstatiert wurde. 
So pflegt die Pulsbeschleunigung während des Inspiriums bei 
solchen Menschen oft überraschend zu sein. Diese Umstände 
sprechen auch für die Richtigkeit der oben erwähnten Erklärung 
der respiratorischen Aenderungen für Erscheinungen, welche durch 
gesteigerte Reizung der den Herzpuls beherrschenden Zentren, 
nicht aber durch Herabsetzung des Tonus des Vagus, wie es 
Hering, Wertheimer und Meyer voraussetzten, hervorge¬ 
rufen werden. Bei den überhaupt reizbaren Zentren pflegt auch 
der Effekt der gesteigerten Irritationen bedeutender zu sein. Wie 
die sogenannte „expiratorische“ Pulsverlangsamung anstatt im Ex- 
spirium schon im Inspirium auftreten kann, so kann auch die „in¬ 
spiratorische“ Pulsbeschleunigung im Exspirium erzielt werden. 

2. Eolisch, Wien-Earlsbad: Zur Präge der Znokerbildung 
ans Fett. 

Aus Tierversuchen an Mäusen, bei denen durch Phlorizin 
Glykosurie bervorgerufen wurde, ging die immerhin merkwürdige 
Tatsache hervor, dass alle mit Fett gefütterten Tiere die Phlorozin- 
vergiftung länger ertragen, als die hungernden oder mit fettfreier 
resp. mit fettarmer Eost gefütterten. 

3. Eephallinds, Eorfu-Graz: üeber akuten Gelenkrhen- 
matismas, Chorea and Endokarditis der Sander. 

Das Endokard bei Mädchen hat eine weit höhere Disposition 
bezw. geringere Widerstandskraft gegenüber dem Gifte des Ge¬ 
lenkrheumatismus als bei Enaben, wogegen die Serosa der Gelenke 
in beiden Geschlechtern gleich disponiert erscheint. Aus dieser 
Darstellung ist ferner ersichtlich, dass die Endokarditis bei Enaben 
etwas häufiger vorkommt, als bei Mädchen, dass sie aber bei 
letzteren so gut wie immer, bei ersteren nur in einem verhältnis¬ 
mäßig kleinen Prozentsatz der Fälle auf polyarthritischer Basis 
beruht. In analoger Weise ist zu konstatieren, dass sich beim 
Veitstänze der Enaben die Polyarthritis als ätiologisches Moment 
nur halb so oft nacbweisen lässt, als bei Mädchen, Nach dieser 
Erfahrung schien es geboten, festzustellen, ob sich die Chorea der 
Enaben auch in klinischer Hinsicht anders verhält, als jene der 
Mädchen. Das klinische Zustandsbild liess aber bemerkenswerte 
lind gesetzmäßige Unterschiede nicht erkennen. 

4. Holup, Earlsbad: Zar Thyreoidbehandlang des Horbas 
Basedowii und insbesondere seiner Kombination mit Hyxödem. 

Die Eombioation dieser beiden Affektionen ist relativ selten 


beobachtet. Zu den grössten Seltenheiten gehört es aber, wenn 
ein mehr oder minder typisches M 3 ncödem dem Basedow voran¬ 
geht, sodass H. nur 3 Fälle in der diesbezüglichen Litteratur vor- 
nnden konnte. Eine strikte Indikation zur Thyreoidbehandlang 
von Basedowkranken scheinen Myxdematöse Begleiterscheinungen 
zu ergeben, wie aus den mitgeteilten Fällen zu ersehen ist. Die 
Tachykardie ist nicht als Eondraindikation gegen die Behandlung 
von Strumen mit Thyreoidpräparaten zu betrachten. Sonst ist bei 
Verwendung der Thyreoidpräparate beim Morbus Basedowii äusserste 
Vorsicht unbedingt geboten. 

ö. Sofer: Zar Alkoholfirage. 

Der Eampf gegen den Alkohol kann nach S.’s Dafürhalten 
nur prinzipiell und zwar auf dem Wege der Aufklärung geführt 
werden, eine Aufgabe, die* vornehmlich dem Arzte zufällt. Nur 
muss er eich dabei vor Augen halten, dass ihn die Resultate 
enttäuschen werden, wenn er radikal darauf lossteuert, jeden zom 
Abstinenten zu machen. Mau muss bei dem Eampfe diflerenziereo 
und individualisieren; unsere Forderungen müssen verschieden sein, 
je nach Beruf, Alter, sozialer Lage, nach der Individualität und 
nach dem Elima. 

No. 20. 

1. JagiS.Wien: üeber Aietonfizierang von Blutpräparaten. 

Die bisher gebräuchlichen Verwendungen des Azetons in der 
Histologie veranlassten J., auch das Verhalten von in Azeton 
fixierten Bluttrockenpräparaten zu den gebräuchlichen Farbstoff¬ 
lösungen zu untersuchen und die dabei erzielten farbetechnischen 
Resultate mit denen zu vergleichen, die bei den bisher für die 
einzelnen Färbungen üblichen Fixierungsmitteln erzielt wurden, Eis 
zeigte sich nun, dass gerade bei der Färbung mit dem Ehrlicb- 
schen Triazid, das ja anerkanntermaßen zur Darstellung 4er soge¬ 
nannten neutrophilen Granulationen die besten Resultate liefert, 
Blutausstrichpräparate, die fünf Minaten in reinem Azeton (Eahl- 
baum) fixiert worden waren, sehr schöne distinkte Bilder boten. 

2. Füster, Wien: Experimentelle Beiträge zur Frage des 
Vorkommens von Taberkelbasillen in Kolostrum and Hntter- 
milch. 

F. fand in der Milch tuberkulöser Frauen keine Tub. Baz- 
und ist der Meinung, dass durch die Milch von sicher tuberkulösen 
Frauen vollvirulente Tuberkelbazillen dem Einde nicht zugeführt 
werden dürften und die Milch solcher wohl nur als akzidentelle 
Infektionsgelegenheit betrachtet werden könne. Was die Ernährung 
des Eiudes betrifft, so sieht P. in manifester florider Tuberkulose 
der Mutter stets eine Eontraindikation gegen das Stillen und sorgt 
in solchen Fällen ausnahmslos dafür, dass die Ernährung des 
Kindes einer Amme übertragen wird. Handelt es sich jedoch nur 
um deutliche Veranlagung der Mutter zur Tuberkulose, lassen sich 
klinisch und physikalisch keine weitergehenden Veränderungen 
Dachweisen, und bleibt vor allem auch der durch längere Zeit ante 
partum schon beobachtete Sputumbefund stets ein negativer bezüg¬ 
lich des Vorhandenseins von Tuberkelbazillen, so sieht auch P. 
keine absolute Eontraindikation gegen das Stillen. 

3. Meller, Wien: üeber Rekto-Eomanoskopie. 

Die Rektoskopie wird schonend, schmerzlos und gefahrlos für 
den Patienten sein, leicht auszuführen ftir den Unteraucher, wenn 
wir folgendes beherzigen: 1. Vorhergehende gründliche Reinigung 
des zu untersuchenden Darmabschnittes (Irrigation); 2. Vorherge¬ 
gangene digitale Untersuchung; 3, Kniebrustlage; 4. Vermeidung 
jeglicher Darmau (blähungspräparate; 5. Nur Vordringen bei offenem 
Darmlumen: 6. Absolute Verwerfung jeder geringsten Gewaltan¬ 
wendung ; 7, Nicht auszuftthren: bei Fissura ani und Entzündungen 
des Sphinkterbereiches wegen Schmerzen; bei Strikturen des Anus 
und tiefliegenden Strikturen der Ampulle wegen Gefahr eventueller 
Verletzungen; 8. Vorteilhaft: Verwendung mehrerer Rohrlängen. 

4. Kern, Wien: Eia Fall von Gastroenteroanastomia spoii- 
tanea. 

Der Befund einer „ Gastroenteroanastomosis rectrooolica poste¬ 
rior spontanes“ auf Grund eines Ulcus chronicum pepticum als 
Nebenbefund bei der Sektion eines an Arteriosklerose verstorbenen 
Mannes. 


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1906. 


5. Fürth, Dervent: Die Sterüüation der Lftminaria and 
ihre praktisohe fiedeatang. 

Zunächst werden die wie gewöhnlich zubereiteten Laminaria- 
stäbchen in dekalziniertes Wasser gebracht und darin eine voUe 
Stande lang kochen gelassen. Hierauf werden die Stäbchen in 
absoluten Alkohol gebracht, wo sie nahezu das ganze Wasser an 
den Alkohol abgeben. Bringt man sie, nachdem man vorher einen 
Druck ihrer ganzen Länge nach mit einer Pinzette ausgeübt hat, 
in einen Trockenschrank und erhitzt diesen durch 10 Minuten auf 
160 bis 170, so sind sie beinahe noch schmaler geworden, als sie 
vor der Präparation waren, haben auch an ihrer Form nicht das 
mindeste verloren und, was die Hauptsache ist, sie sind mindestens 
ebenso aufsaugungs- und damit schwellfähig geblieben, wie vorher. 
Für den praktischen Gebrauch müssten also die Laminariastifte 
nach solcherart durchgeführter Sterilisation in aseptischen Ver- 
sdilüssen — zugeschmolzenen Glasröbrohen — geliefert werden. 

6 . Sofer, Wien; Die fiekämpfang der SäogUngMterbliohkeit. 

„Eiine der wichtigsten Aufgaben einer zielbewussten sozialen 

Medicin ist die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. Speziell 
in Oesterreich ist noch s^r viel in dieser Bichtung zu tim, da 
wir Hand in Hand mit Ungarn den traurigen Buhm gemessen, 
mit Bassland in der Skala der Säuglingssterblichkeit an höchster 
Stelle zu stehen.“ 

No. 21. 

1. Detre, Budapest: Ueber den Kaehweü von spesiflsohen 
SypkiliBantitabstanäen and deren Antigenen bei Laetikem. 

Die Untersuchungen werden weiter fortgesetzt und sollen dann 
ausführlich publiziert werden. 

2. Kraus und Volk, Wien: Weitere Stadien über Imma* 
nität bei Syphilis and bei der Vakzination gegen Variola. 

Verf. sind nicht imstande, heute schon Schlüsse aufBestehen von 
Immunkörpern bei Syphilis des Menschen zu machen,, wie dies 
Wassermann, A. Neisser und Bruck in einer'jüngst er¬ 
schienen Arbeit tun. Was das Vorkommen regionärer Immunität 
anbelangt, so sind bei Vakzine die Besultate der Verf. zum Teil 
als Bestätigung früherer Autoren, zum Teil als neue Gesichtspunkte 
wiedergegeben. 

3. Müller und Soherber, Wien: Weitere- Hitteilongen 

über Aetiologie and der Balanitis erosiva circinata and 

Balanitis gangraenosa, 

Der stets gleiche bakteriologische Befund, sowie das gleich¬ 
zeitige Vorkommen und Ineinanderübergehen beider Formen bei 
ein und demselben Individuum, brachten die Verf. zu der Annahme, 
dass es sich bei den klinisch oft differenten Formen der spezifischen 
Balanitis doch um ätiologisch gleiche Prozesse handelt. Ausser 
diesem interessanten and gleichmäßigem bakteriologischen Verhalten 
konnten die Verf. in ihren Fällen noch eine Eigentümlichkeit beob¬ 
achten, das ist die Tatsache, dass zeitweise eine grössere Reihe 
von Fällen dieser Erkrankung zur Beobachtung gelangt, während 
zu anderen Zeiten Fälle völlig fehlen oder nur vereinzelt auftreten. 

4. Passini, Wien: Die bakteriellea Hemmangsstoffe Con- 
radis and ihr Einfloss aof das Waohstom der Anaerobier des 
Dannea 

Wir befinden uns heute noch ferne von der Lösung der Frage, 
warum von den Millionen von Mikroorganismen, die in einem Milli¬ 
gramm des Stuhles eines Erwachsenen enthalten sind und mikro¬ 
skopisch gesehen werden, nur ein sehr geringer Teil (0,017% 
nach Strassburger) sich als lebensfähig erweist. In der Misch- 
kultur von Bakterien, die in den Ingestis des Menschen anwächst, 
sehen wir zahllose Keime der verschiedenen Arten, und es gelang 
bisher nur wenige Indi-viduen einzelner besonderer Spezies zu kul¬ 
tivieren. Darf aber aus solchen Knlturerfolgen bereits der Schluss 
gezogen werden, dass alle nicht züchtbaren Keime auch abge¬ 
storben seien? Diese Frage wird verneint. 

ö. Bloch, Basel und Reitmann, Wien: tTntersaohongea 
über den Stoffveohiel bei Sklerodermie. 

Nach diesen Versuchen erscheint^es naheliegend und rationeller, 
in geeigneten Fällen das Möbius’sche Serum, das bei Basedow 
gute Resultate ergeben hat, zu verwenden und künftig auch dem 
Hamsäurestoffwechsel bei Sklerodermie Beachtung zu schenken. 


6 . Favarger, Wien und Aussee: Zar Frage der ehronisohen 
Tabakyergiftong. 

Dem Verf. lag daran, in Tierversuchen nachzusehen, ob bei 
Tieren durch lange dauernde Fütterung mit Nikotin pathologische 
Veränderungen am Herzen auftreten; er stellte schon aus diesem 
Grunde in den Jahren 1889/90 einige Versuche an Hunden an, 
die soweit verheissend erschienen, als bei einem derselben sich eine 
fettige Degeneration des Herzmuskels fand. Weiterhin aber 
wurden im Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie 
bei zwei Kaninchen im Gewichte von 1050 g resp. 1000 g im 
Zeiträume vom 26. September bis 19. Oktober 1905 (24 Tage) 
in 17 Injektionen die Gesamtmenge von 5,1 g Brenzöles (25 kg 
ordinären Rauchtabakes, welche mittels A^iration im Zeiträume 
von acht Wochen langsam verraucht wurden, lieferten ungefähr 
80 g dieses ätherischen Oeles) appliziert; anfänglich wurde bei der 
Injektion von 0,3 oder 0,4 einigemale Dyspnoe, geringe Unruhe, 
auch Zittern und Schwäche der Extremitäten wenige Minuten nach 
der Injektion beobachtet; doch gingen die Elrscheinungen rasch 
zurück. Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass auch dem Tsbaks- 
brenzöl im allgemeinen dieselben geringen Wirkungen zukommen 
wie den ätherischen Oelen überhaupt. Ferner waren einige Fütterungs- 
versuche mit Nikotin an Hunden angestellt worden. Das Nikotin 
wurde in wässeriger Lösung von 0,85% bis 6% steigend und in 
steigender Tropfenzahl dem Futter beigemengt. Im grossen und 
ganzen stehen die Versuche im Einklang mit den Resultaten, zu 
denen Vas, der an Kaninchen experimentierte, gekommen ist: All¬ 
gemeine Störung der Elmährungsvorgänge im ganzen Organismus; 
seine Versuchstiere verloren in zwei Monaten an Gewicht und es 
fand sich eine beträchtliche Abnahme der roten Blutkörperchen 
und des Hämoglobins und eine entsprechende relative Vermehrung 
der weissen Blutkörperchen. 

7. Moro, Graz: Ueber Oeüchtsrefiexe bei Säuglingen. 

Die Gesichtsphänomene *<— einschliesslich des Fazialisphäno- 
mens der Säuglinge in den ersten Lebenswodien — sind als Ge- 
sichtsreffexe aufzufassen und sind nichts anderes als ein weiterer 
Ausdruck der allgemein erhöhten Reflexerregbarkeit in diesem 
Lebensalter. Am zweiten oder dritten Lebenstage treten zum 
erstenmal die Gesichtreflexe auf und bleiben zumeist bis in den 
zweiten, manchmal bis in den dritten Lebeusmonat erhalten, um 
von da ab allmählich zu erlöschen. Ihre Kenntnis als psycholo¬ 
gische Reflexe im frühen Säughngsalter ist für die Diagnose der 
Tetanie praktisch verwertbar. Ein weiterer typischer Gesichtsreflex, 
der sich beim Neugeborenen und bei jungen Säuglingen regelmäßig 
nach weisen lässt, ist der Lidschlussreflex. Auch bei den von 
Escherich und Thiemich als Mund- und Lippenphänomen be¬ 
schriebenen Reflexen handelt es sich in beiden um wesentlich gleiche 
Vorgänge. 

8 . Fog es: Ueber Bekto-Bemanoskopie. 

Bemerkungen zu dem gleichlautenden Vortrage des Regiments¬ 
arztes Meller; Verf. verwahrt sich gegen die scharfe Kritik seines 
Proktoskopes. 

Nr. 22. 

1. Kraus, Wien: Ueber GKfte des Choleravibrio and ver¬ 
wandter Vibrionen. 

Weder Pfeiffer noch anderen Untersuchem war es ge¬ 
lungen, in Bouillonkulturen des Choleravibrio ein lösliches Gift 
nachzuweisen, welches im Experiment konstante Wirkungen er¬ 
geben hätte und gleiche KranÜieitserscheinungen ausgelöst hätte, 
wie die Vibrionen selbst. In jüngster Zeit aber haben Brau 
und Denier in einer kimzen Mitteilung der Pariser Akademie 
berichtet, dass es ihnen gelungen ist, bei authentischen Cholera¬ 
vibrionen durch Züchtung auf besonderen Nährböden spezifische 
lösliche Choleratoxie nachzuweisen und mit solchen auch Anti¬ 
toxine zu erzeugen. Auch K. konnte in Uebereinstimmung mit 
Brau und Denier in sieben Tagen in allen Bouillonkulturen 
lösliche Toxine nachweisen. Diese Befunde bringen den direkten 
Beweis dafür, dass der Mechanismus der Krankheitserscheinungen 
bei Cholera asiatica ebenso auf einer Intoxikation durch lösliche 
Gifte bemht, wie die der Diphtherie, des Tetanus, der Dysen¬ 
terie. Dass durch diese Arbeiten weitere Ausblicke sich eröffnen, 
und die Möglichkeit der Heilbarkeit der Cholera asiatica und 


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MfiDIcmiSCfiE WOCHB. 


Nr. 26 . 


der VibrionenkrankhelteD sehr nahe gerückt ist, dürfte kaum zu 
bezweifeln sein. 

2. Nobl, Wien: Beiträge sor Yakaneinunanität 

Befremdend, unwahrscheinlich mutet unter den Folgerungen 
Siegels jene an, welche das Vakzinevirus im Lichte eines vehe¬ 
menten, nach der Einbringung den tierischen Körper sofort in- 
undierenden Giftes erscheinen lassen will. 

3. Fischer, Prag: Veber einen eigenartigen ICarkfasem- 
sohwnnd in der Hirnrinde bei Paralyse. 

F. hat bis jetzt 25 Fälle mit dem Befunde der progressiven 
Paralyse untersucht und fand Markausfall bei 13 Fällen in ganz 
deutlich ausgesprochener Weise vor. Darunter gab es Fälle mit 
sehr zahlreichen und grossen Herden neben Fällen mit nur ganz 
kleinen und selteneren Markdefekten. Auch was die Lokalisation 
in den einzelnen Gegenden anbelangt, gibt es wesentliche Unter¬ 
schiede, indem die Herde am häufigsten in den Zentralwindungen 
sich finden, weniger häufig im Stirniappen, und nur sehr selten 
in den anderen Hirnregionen. 

4. Velich, Prag: Stadien über den Einflnss des Herven« 
Systems auf den Puls. 

Erklärung der Ursachen der Aenderungen von Pulsfrequenz 
bei verschiedenen Körperstellungen. Die Irradiation bei gesteigerter 
Innervation greift neben den beschleunigenden Bahnen auch die 
vasokonstriktorischen Bahnen für die Blutgefässe der Bauchhöhle 
und vielleicht auch die vasodilatorischen Bahnen für die peripheren 
und Muskelgefhsse an (Stricker). Infolgedessen muss in den Fällen, 
in welchen die beim Stehen den Blutdruck erniedrigenden EintlUsse 
(Blutüberfüllung der Gefksse der Bauchhöhle und Erweiterung der 
Muskelgefksse) durch die erwähnte Reizung der vasokonstriktorischen 
Apparate paralysiert sind, der Blutdruck der gleiche bleiben; 
nehmen die blutdruckemiedrigenden Einflüsse überhand, so sinkt 
die Spannung in den Blutge^ssen, in den Fällen aber, in welchen 
die auf die vasokonstriktorischen Nerven der Bauchköhle irra- 
diierendmi Impulse überhand nehmen, kann eine Steigerung des 
Blutdruckes beobachtet werden. 

5. Ullmann, Znaim: üeber meine Erfolge mit Dr. Mar- 
moreks Antitaberkaloseseram. 

Das Antituberkuloseserum Dr. Marmoreks hat bei rektaler 
Behandlung der Kranken absolut keine schädlichen Folgen. Bei 
Behandlung selbst schlechter und vorgeschrittener Fälle erweist 
es sich als ausgezeichnet wirkendes Mittel, da solche Fälle trotz 
anderer langdauender Behandlung keine Fortschritte zur Besser¬ 
ung zeigten und erst von dem Augenblicke an, wo das Serum 
zur Anwendung kam, in erfreulichster Weise zur. Heilung und zur 
wesentlichen Besserung kamen. Die Anwendung der 5 ccm Fläsch¬ 
chen geschah rektabel, täglich 16—30 mal im ganzen. 

6. Heil, Darnastadt: Kurzer Bericht über einen Fall von 
Doppelbildung des weiblichen Genitales. 

Die Doppelbildung ist als Uterus (bicornis) duplex cum vagina 
septa zu bezeichnen. 

7. Sofer: Die Hygiene anf der Wiener hygienischen Aus¬ 
stellung. 

Berliner klinische Wochenschrift. Kr. 25. 1906. 

1. Krause, Berlin: Zur Kenntnis der Meningitis serosa 
spinalis. 

Bei einem jungen Russen, welcher einem Attentat zum Opfer 
gefallen war, hatte eine Revolverkugel die Processi spinosi und 
Bögen mehrerer Halswirbel verletzt. Es kam zur Sequestrierung 
und Necrotisierung. Die hierdurch entstandene ziemlich reichliche 
Eiterung setzte sich auf die Aussenseite der Dura spinalis fort 
und bewirkte eine oedematöse Schwellung und Flüssigkeitsver- 
mehrung, welche das Bild der Meningitis serosa spinalis zeigte. 
Die operative Freilegung des erkrankten Gebietes, sorgfältige Elr- 
öffnung jeder Eiterhöhle führten im Laufe von Monaten zu voll¬ 
kommener Heilung und Restitution der Nervenausfallserscheinungen. 

2. Warnekros, Berlin: Ueber die Ursachen des früh¬ 
zeitigen Verlustes der Zähne. 

Verf. macht darauf aufmerksam, dass jeder Zahnverlust zu 


einer mehr oder weniger bedeutenden Abnützung der übrigen 
Zähne führt. Die Belastung und Kraftverteilung beim normten 
Gebiss ist so vollkommen, dass schon das Fehlen eines Zahnes, 
dieselbe stört. Mehrbelastung führt zur Abnützung und Lockerung, 
Caries und Wurzeleiterungen sind die Folge. Daher sollte jeder 
Mensch auch den Verlust eines Zahnes ersetzen. Zur Behandlung 
vereiterte Wurzel empfiehlt Verf. warm die Anwendung der Elek¬ 
trolyse, durch welche eine sehr schnelle und gründliche Desin¬ 
fektion bewirkt wird. 

3. Popper, Igls: Zur Behandlung der Impotenz beim 
Manne. 

Zur Behandlung der funktionellen Impotenz beim Manne hat 
Verf. das neuerdings vielfach empfohlene Muiracithin in Anwend¬ 
ung gebracht. Das Präparat besteht aus einer Kombination der 
Extraktivstoffe des Muira Puama, welche Holzart in Brasilien vor¬ 
kommt, und Ovolecithin. Das Präparat kommt in Pillenform in 
den Handel und wird zu 3—6 Pillen pro die gegeben. Tierver¬ 
suche, sowie Beobachtungen am Menschen haben keinerlei schäd¬ 
liche Wirkungen erkennen lassen, dagegen scheint der thera¬ 
peutische Elrfolg ein durchaus guter zu sein. 

4. Schlesinger: Strassburg: Der therapeutische und sympto¬ 
matische Wert der Lumbalpunktion bei der tuberkulösen Menin¬ 
gitis der Kinder. 

Die Elrfahrongen des Verf. zeigen, dass die Lumbalpunktion 
bei der so ungemein hoffnungslosen tuberkulösen Meningitis der 
Kinder, einen nicht unerheblichen tfaerapentischen Wert besitzt. 
Es gelingt mittels ausgibiger Punktion die Elntstehung von 
Krämpfen gänzlich zu verhindern. Die bakteriologische Unter¬ 
suchung des Panktats kann Aufschluss über die Erreger und ihre 
Virulenz geben. Uebele Zufälle hat Verf. nie gesehen, und steht 
daher nicht an, die Lumbalpunktion bei MeningbasU. der Kinder 
auch dem prakt. Arzt zu empfehlen.' 


Vermischtes. 

Berlin. Die Angelegenheit des Virohow-Denkmals wurde am 
11. d. M. in einer Sitzung der städtischen gmnischten Deputation, 
zu welcher Vertreter des Denkmalkomitees fainzugezogen waren, 
unter Vorsitz des Herrn Oberbürgermeisters Kirschner beraten. 
Die Diskussion drehte sich wesentlich um die Frage, ob die ein¬ 
gesetzte Jury berechtigt gewesen ist, nicht bloss die Preise zu 
verteilen, sondern auch die Ausführung des Denkmals selbst zu 
vergeben. Ueber diesen rein juristischen Streitpunkt konnte vor¬ 
läufig eine Einigung nicht erzielt werden, sodass die Sitzung zu¬ 
nächst vertagt werden musste. 

Wien. Die Kgl. Akademie der Wissenschaften in Wien hat 
den Professor der Anatomie in Wien Hofrat Dr. E. Zuckerkandl 
und den Professor der medicinischen Chemie in Wien Hofrat Dr. 
E. Ludwig zu wirklichen Mitgliedern, den Professor der allge¬ 
meinen und experimentellen Pathologie in Graz Dr. R. Klemen- 
sievicz und den Professor der Histologie in Wien Dr. J. Schaffer 
zu korrespondierenden Mitgliedern gewählt. 

Greifswaid. Stabsarzt Prof. Dr. Uhlenhuth in Greifswald 
wurde auf die neu geschaffene Direktorstelle der bakteriologischen 
Abteilung im Reicbsgesundheitsamt berufen. 

Marburg. Geh. Med.-Rat Prof. Manpkopff in Marburg 
feierte am 5. d. M. seinen 70. Geburtstag. 

Bonn. Priv.-Doz. Dr. Klapp in Bonn ist zum a. o. Honorar¬ 
professor daselbst ernannt worden. 

ln Wioebaden ist durch Heim Dr. Stern ein Spezialinatitat 
für Herzkranke eröffnet worden, in welchem alle für die Herzbe¬ 
handlung notwendigen Apparate, Bäder u. dgl. vorgesehen sind. 

Schworin. Am 8. JuH findet bierselbst die Versammlung 
des Vereins abstinenter Aerzte statt. 


Verantwortlicher Redakteur ; Dr. P. Meiiiner, BerliaW. SS, Kurffirttenttr. Sl. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der HeTnemann'sehen Bachdrnckerei, Cebr Wolff, Halle a.S 


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Medicinische Woche 


Deotsebmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacob!, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Olessen. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koe 


ppen, K. Partech, H. Rosin, H. Schlange, 

m. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. Unverrlcht, A. Vostins, 
Magdeburg. Qiesaen. 


Redaktion: 

Berlin W. 62« Kurtfirstenstrasse 81* 

Dr. P. Meißner. 


Vn, Jahrgang, 


2. Juli 1906. 


Nr. 27. 


Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalneolOglSChe CetltralzeltUng, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbfidertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pt. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmäSigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Die Entwickelung der Fettsncht 
in ihrer Beziehung zur Fermentwirkung. 

Von San.-Rat Dr. Scherk« Bad Homburg. 

Studieren wir die verschiedenen Werke, in denen die 
Autoren die Pathogenese der Konstitutionsanomalien beleuchtet 
haben, so finden wir, dass der innige aetiologische Zusammen¬ 
hang der Zuckerkrankheit, Gicht und Fettsucht nicht genügend 
erklärt werden konnte, da die gestörte Fermentwirkung als 
gemeinsamer ursächlicher Faktor nicht berücksichtigt wurde. 
Gehen wir dagegen von der Abwickelung minderwertiger fer¬ 
mentativer Prozesse bei unserer Betrachtung aus, so ist die 
Coincidenz dieser geschwisterlichen Trias einleuchtend und 
liefert uns sogar den Beweis, dass die Theorie der gestörten 
Fermentwirkung als Kardinalfaktor bei der Entwickelung dieser 
drei Krankheitsformen zu verwerten ist. 

Wir wissen, dass bei der produktiven Funktion des Pan- 
creas und der Leberzellen bald die Minderwertigkeit des einen, 
bald des anderen Fermentes in den Vordergrund treten kann 
und dass die hydrolytische Spaltung der Nährsubstanzen unter 
pathologischen Bedingungen sowohl zur Entwickelung der 
Zuckerkrankheit, als auch der Gicht und Fettsucht führen 
kann. 

Die Wirkungsweise der hydrolytischen Fermente, wie die¬ 
selben von den secretorischen Drüsenzellen geliefert werden, 
ist leicht verständlich, da dieselben bei ihrer Activierung im 
Intestinaltractus durch Wasseraddition direkt ein wirken, so dass 
die Nährsubstanzen in ihrer Anordnung der Moleküle so um¬ 
geändert werden, dass sie leicht resorbierbar und oxydabei ge¬ 
schaffen werden. 

Zu beachten ist jedoch, dass die Fermente selbst nicht 
resorbiert werden, dieselben würden, wenn sie in den Blut¬ 
strom übertreten, wie H. Hildebrandt zuerst nachgewiesen 
hat, einen toxischen Einfluss ausüben. 

Die Annahme von L6pine, welcher bekanntlich die Ent¬ 
wickelung der Diabetes auf eine Aufnahme eines glycolytischen 
Pancreasfermentes zurückzuführen suchte, ist aus diesem Grunde 
nicht stichhaltig. Es werden die dem Organismus zugeführten 
Kohlehydrate innerhalb des Intestinaltractus der hydrolytischen 
Inversion unterliegen und erst später der Verbrennung aus¬ 
gesetzt. 

Komplizierter liegt allerdings dieser Vorgang, wenn wir 
die Funktion der intracellulären Fermente in den Kreis 
unserer Betrachtung ziehen. 

Wenn beispielsweise das Glykogen innerhalb der Leber¬ 
zellen durch Wasseraddition in Dextrose invertiert wird, so 
haben wir auch hier wieder mit einer hydrolytischen Ferment¬ 
wirkung und zwar innerhalb der Zelle zu rechnen, während 


andererseits die Oxydasen in ihrer Wirkung nicht an das 
Innere der Zelle gebunden zu sein scheinen. 

Der katalytische Prozess, die Sauerstoffubertragung, kann 
sich sowohl innerhalb, wie ausserhalb der Zelle abspielen. 

Die Ansichten über die Oxydationsverhältnisse bei der 
Zuckerkrankheit, Gicht und Fettsucht sind nach neuen For¬ 
schungen von M. Salomon*) bis zu einem gewissen Grade 
zu modifizieren. 

Während bei der Gicht und der Zuckerkrankheit die Stoff¬ 
wechselprodukte ;auf einer niedrigen Oxydationsstufe stehen 
bleiben, wie die Anhäufung der Dextrose und Harnsäure be¬ 
weisen (Paul Fried. Richter: Stoffwechselkrankheiten, 1906, 
S. 364), sind die Oxydationsverhältnisse bei der Fettsucht da¬ 
gegen nicht herabgesetzt 

Wenn wir andererseits die mangelhafte Verbrennung der 
aufgestapelten Fettmassen, welche eine Folge der minder¬ 
wertigen hydrolytischen Spaltung sind, uns deuten wollen, so 
sind wir, meiner Ansicht nach, wohl berechtigt anzunehmen, 
dass die Quantität der oxydativen Faktoren im Organismus, 
wie dieselben unter normalen Verhältnissen vorhanden sind, 
nicht genügen wird, um die Oxydation der enormen Fettlager 
zu bewältigen. 

Eine herabgesetzte Oxydation im Vergleich zu den normalen 
Verhältnissen ist demnach nicht unbedingt erforderlich und wir 
können den Salomon’schen Befund mit dieser Deduktion in 
Einklang bringen. 

Immerhin wird bei der Pathogenese der Fettsucht die 
gestörte hydrolytische Spaltung in erster Linie zu berücksich¬ 
tigen sein. 

Die Produktion eines an Quantität und Qualität minder¬ 
wertigen Enzyms kann, wie ich schon verschiedentlich hervor¬ 
gehoben habe, eine neurogenetische Ursache haben. Wir müssen 
auch bei der Fettsucht (Sesen nervösen Faktor in erster Reihe 
anerkennen, schon die gemeinsame Heredität bei der Zucker¬ 
krankheit, Gicht und Fettsucht weist in erster Linie auf diesen 
pathogenetischen Faktor hin und bestätigt den causalen Zu¬ 
sammenhang dieser drei Konstitutionsanomalien vom fermen¬ 
tativen Standpunkte aus. 

Greifen wir zunächst auf die Spaltung und Resorbierung 
der Fette unter normalen Verhältnissen im Intestinaltractus 
zurück, so ist nicht zu bestreiten, dass wiewohl der grösste 
Teil der Fette hydrolytisch gespalten wird, auch eine direkte 
Aufnahme nicht von der Hand zu weisen ist. 

Nach Pflüg er’s neueren Untersuchungen werden die 
neutralen Nahrungsfette in ihre Komponenten hydrolytisch ge¬ 
spalten und durch Vermittelung des Gallensecretes von den 
Darmzellenepithelien aufgenommeu. Die Resorption findet nur 
in gelöster Form statt, aber schon während der Resorption 
werden die Glycerine und Fettsäuren wieder zu Neutralfett 
vereinigt und erscheinen im ductus thoracicus. Da das Olein 
die Verflüssigung der Fette bedingt, werden die ©leinreiclien 

üeber Durstkoren. Verl. Hirschwald, 1905. 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 27 , 


leichter resorbiert, ebenso die Fette, welche einen niedrigen 
Schmelzpunkt aufweisen. 

Hammelfett ist für den menschlichen Organismus leichter 
resorbierbar, wie Schweine- und Rinderfett. Es müssen dem 
spezifischen fettspaltenden Pancreasfermente bestimmte Angriffs¬ 
punkte der betreffenden Fettart zur Hydrolyse angeboten werden, 
denn ganz fremde Fettarten unterliegen nicht der Spaltung, 
sondern werden ungespalten aufgenommen, wie die Unter¬ 
suchungsresultate von G. Rosenfeld an Tieren neuerdings 
beweisen. Derselbe hat beispielsweise konstatiert, dass bei 
Hunden, die mit Hammelfett gefüttert sind, diese Fettart im 
Hundeorganismus wieder nachzuweiaen ist. Dasselbe muss 
demnach ungespalten resorbiert sein, denn es ist nicht anzu- 
nehmen, dass die eigenartigen Komponenten des Hammelfettes 
sich im fremden Organismus wieder synthetisch zu neutralem 
Hammelfett verbinden. Auch das menschliche Fett im Orga¬ 
nismus hat eine andere Zusammensetzung wie die neutralen 
Nabrungsfette der verschiedenen Tierarten, welche genossen 
werden. 

Die Untersuchungen von Lebedeff bestätigen, dass jede 
Tierart ihr spezifisches Fett aufzuweisen hat, und es liegt auf 
der Hand, dass die Lipasenwirkung sich jeder Fettart anpassen 
muss, wenn eine vollständige Spaltung erfolgen soll. 

Der Schmel^unkt der 

Palmitinsäure liegt bei 
Stearinsäure 


Oelsäure 

des menschl. Fettes 
Hammelfettes 
Ochsenfettes 
Schweinefettes 
Hasenfettes 
Gänsefettes 
der Butter 
(Zeitschr. für physiol. Chemie, Bd. 35. 


62« 

69® 

14® 

41® 

41—52 ® 

41- 50® 

42— 48® 

26® 

24—26" 

37 « 

Fischer, Levene und Aders.) 


Wie bei den anderen Stoffwechselprozeduren ist neben der 
Pancreasfunktion auch bei dem Fett^ffwechsel der Leber- 
zellencheminmus mit in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. 

Abgesehen davon, dass der Gallensecretion bei der Resorp¬ 
tion der Fette innerhalb des Darmtractus eine hervorragende 
Rolle zukommt, ist die intracelluläre Tätigkeit der Leber nach 
dieser Richtung hin zu berücksichtigen. 

Bei der Vielseitigkeit der Leberzellenfunktion, bei der 
grossen Anzahl von differenten Fermenten, welche in den ein¬ 
zelnen Leberzellen nachgewiesen sind, wäre es auffallend, wenn 


das fettspaltende Ferment dort nicht vertreten wäre, es findet 
sich in den Leberzellen, ebenso wie es neben dem peptoni- 
sierenden und invertisierenden Ferment in der Hefezelle zu 
konstatieren ist, also stossen wir auch hier wieder auf eine 
Analogie zwischen geformten und ungeformten Fermenten. 

Immerhin ist zu beachten, dass die Leber ebenso einen 
Stapelplatz für Fette darbietet, wie derselbe auch für die 
Glykogenlager nachgewiesen ist. 

Ueber me Fettwanderung in die Leber selber hat G. Rosen¬ 
feld exakte Untersuchungen angestellt. Vergiftet man Hunde 
mit Phloridzin, so häuft sich 75®A Fett in der Leber an. 
Dieses Fett kann nicht aus dem Eiweiss der Leberzellen 
stammen, weil die Leber an Eiweiss nicht verarmt ist. 

Das Fett ist dagegen von den Depots in die Leberzellen 
gewandert. 

Dieses Experiment wurde an Hunden ausgeführt, welche 
nach langem Hungern fettfrei geworden und dann in ihren 
Fettdepots mit einem fremden Fett, z. B. Hammeltalg, erfüllt 
worden sind. 

In solchen Hammelfetthunden wandert das Hammelfett 
aus dem Unterhautbindegewebe bei Phloridzinvergiftung in die 
Leber, so dass dann 50% Hammelfett dort zu finden sind. 
Das Fett ist nur eingewandert, denn bei ganz fettarmen Tieren 
ist durch Phosphorvergiftung keine Fettleber zu erzielen, da 
die Fettdepots leer sind. 

Diese Versuche sind insoweit von grossem Interesse, da 
dieselben den Beweis liefern, dass bei der Fettdegeneration 
das Fett nicht aus Eiweiss gebildet wird, wie früher ange¬ 
nommen wurde. 

Die Fettdegeneration ist bekanntlich die Folge einer 
Muskelerkrankung oder ein Alterssymptom. Es füllt sich in 
diesen Fällen das Sarcolemna, dicht gedrängt mit Fettkörnchen 
und Fettkügelchen, welche die Streifung der contractilen Sub¬ 
stanz zuerst undeutlich machen und zuletzt ganz verwischen. 


Aus der Medie. Klinik 
in Rom» IHrektor Rrofessor Raecelli, 

Ein neuer Fall von Tetanus, behandelt und 
geheUt nach der Baccelli’schen Methode. 

(Schloss.) 

Die Untersuchung der inneren Organe lässt nur einen 
leichten Grad von Enphysem mit Sjunptomen von Bronchial- 


Feuilleton. 


Kant und Hufeland. 

Von Dr. Paul Schenk. 

(Schluss.) 

Für das Schlafen hatte Hufeland als allgemeine Regel 
aufgestellt: Niemand sollte unter 6 und niemand über 8 Stunden 
schlafen. Auch hatte er auf den Grundsatz des Stifters des 
Methodismus, Wesley, hingewiesen: Early to bed and early 
arise makes the man healmy, wealthy and wise. Nicht im 
baldigen Niederlegen, sondern im Frühaufstehen liegt das 
wahre Mittel gegen das zu lange Aufbleiben des Nachts.“ 
Kant macht einige speziellere erwähnenswerte Ausführungen 
über die richtige Art des Schlafens. Er meint, dasjenige, was 
die Türken von ihrem Prädestinationsstandpunkte ans über 
die Mäßigkeit sagen, gelte wie vom Essen so auch vom 
Schlafen. Jedem Menschen ist im Anfänge der Welt die 
Portion seines Essens und seines Schlafes zugemessen worden. 
Nimmt er den ihm beschiedenen Teil in grossen Portionen zu 
sich, so hat er im ganzen auf eine kürzere Zeit des Daseins 
zu rechnen. Wer dem Schlaf als süssen Genuss viel mehr als 
ein Drittteil seiner Lebenszeit einräumt, verrechnet sich sehr 
in Ansehung seines Lebensquantums, teils dem Grade, teils der 
Länge nach. Es gehört nach Kant unter die „krankhaften 


Gefühle“ zu der gewohnten und bestimmten Zeit nicht schlafen 
zu können. Hier hilft kein anderer diätetischer Rat, als beim 
Bewusstwerden eines sich regenden Gedankens die Aufmerk¬ 
samkeit davon sofort abzuwenden — gleich als ob man mit 
eschlossenen Augen diese auf eine andere Seite kehrte. Aus 
em Abbrechen der Gedanken entspringt allmählich eine Ver¬ 
wirrung der Vorstellungen, die das Bewusstsein der körper¬ 
lichen Lage aufhebt. Wer trotz aller Ablenkung seiner Ge¬ 
danken noch ein spastisches Gefühl im Gehirn spürt, das ihn 
am Einschlafen hindert, dem rät Kant, seine Gedanken auf 
irgend ein gleichgültiges Objekt (Kant selbst wählte Cicero) 
mit Anstrengung zu richten. Durch ähnliche Ablenkung ge¬ 
lingt es nach Kant mit Sicherheit selbst gichtischer Schmerzen 
und epileptischer Krämpfe Herr zu werden. 

Um gegen den krankhaften Hustenreiz mit Erfolg anzu¬ 
kämpfen, empfiehlt Kant mit besonderem Nachdrnck das Atem¬ 
holen mit geschlossenem Munde. Kant selber ist es sogar ge¬ 
lungen, bei Nacht sich einstellenden Durst durch kräftiges 
Atmen durch die Nase zu stillen. Auch dieser nächtliche 
Durst war ebenso wie der abendliche Hunger nach einer reich¬ 
lichen Mittagsmahlzeit für ihn ein krankhaftes Gefühl, das 
durch die blosse Macht des Gemüts beseitigt werden kann. 

Alle krankhaften Zufälle, deren man durch den blossen 
festen Vorsatz Meister zu werden vermag, sind krankhafter 
(spastischer) Art. Jedoch muss auch Kant zugestehen, dass 
die Macht des Gemüts an einigen Krankheiten dieser Art zu 
schänden wird. Dahin rechnet er eine Art Grippe, welche 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


293 


katarrh im Atmnngssystem erkennen, ausserdem verbreitete 
Arteriosklerose, aritmiacordis, der zweite Aortenton ist stark 
und schallend. Pulsfre(^uenz 105 in der Minute; manchmal 
arytmisch, voll und wenig hart. Bei Untersuchung des Urins 
ergibt sich weder Albumin, noch Zucker, oder andere anormale 
Bestandteile. Vorstehendes, klinisches Bild liess keinen Zweifel 
an der Diagnose; nur war es nicht ersichtlich, wo der Tetanus¬ 
bazillus Eingang gefunden hatte und obwohl der Kranke be¬ 
hauptete, si^ ^e beiden obengenannten Verletzungen erst nach 
Beginn der Krankheit zugezogen zu haben, machte man doch 
den Versuch, die Kruste zur Injektion eines Kaninchens zu be¬ 
nützen. Aber das Experiment hatte ein negatives Resultat, 
woraus hervorging, dass höchst wahrscheinlich die schreckliche 
Infektion doch durch einen andern Weg sich Eingang in den 
Organismus verschafft hatte. 

Der Kranke wurde sogleich vollständig und in einer Weise 
isoliert, dass auch jede Störung von aussen völlig ausgeschlossen 
war. Die Behandlung wurde mit dem Antitetanusserum von 
Tizzoni begonnen und zwar während 24 Stunden (30. Novem¬ 
ber) 3000000 U. unter die Haut injektiert. Da die Krampf¬ 
anfalle sehr häufig wiederkehrten, wurde auch eine Morphium- 
injektion gemacht und innerlich Ghloral gereicht. Am 1. De¬ 
zember war der Zustand unverändert; die Anfälle sehr häufig, 
man machte Seruminjektion von 2000000 U. Die Nacht vom 

1. auf den 2. Dez. verlief sehr unruhig, die Krampfanfalle 
wurden immer häufiger und verursachten dem Kranken spas¬ 
modische Muskelschmerzen, besonders an den unteren Extremi- 
tätien; um ihn zu beruhigen, griff man zum Morphium. Am 

2. Dez. weitere Injektionen von 2000000 U. Am 3. Dez. be¬ 
richtete der Krankenwärter, dass die tetanischen Anfälle häufiger 
als je waren; die Nacht war völlig schlaflos verbracht worden 
und auch Delirium eingetret'en. Bei der Untersuchung zeigte 
sich erhöhter Trismus, so dass sich die Kinnbacken nur 1 cm 
weit öffneten und die Ernährung sehr schwierig wurde. Der 
Kranke vermochte nur kleine Schlucke zu nehmen, wenn man 
versuchte, ihm eine grössere Quantität einzuflössen, trat die 
Flüssigkeit wieder aus dem Munde aus. Die Hypertonicität 
der Muskeln des Abdomen und der unteren Extremitäten hatte 
zugenommen, ebenso die Cyanose, allgemeiner Kräfteznstand sehr 
gesunken. Beschleunigter, arythmischer Puls (120 in der 
Minute), schwerer Atem (28 in der Minute). 

Dies alles bewies, dass die Serumtherapie nicht nur keine 
Besserung gebracht sondern, dass sich der Zustand des Patienten 
direkt verschlimmert hatte und man griff daher zur Behand¬ 
lung nach Prof. Baccellis Methode. Da schon geraume Zeit 

ihn selbst in seinen siebziger Jahren befiel und eine Schwäch¬ 
ung der geistigen Fähigkeiten nach sich zog. „Da sich diese 
Bedrückung auf die natürliche Schwäche des Alters geworfen 
hat, wird sie wohl nicht anders als mit dem Leben zugleich 
aufhören“, sagt Kant in philosophischer Resignation. 

Für den reinen Philosophen, der im Vergleich zum Mathe¬ 
matiker seine Gegenstände gewissermaßen in der Luft schwe¬ 
bend vor das Nachdenken halten muss, war das Gefühl der 
Unmöglichkeit, die Einheit des Bewusstseins auch im Alter 
sich weiter zu erhalten, besonders schmerzlich. Doch er weiss 
sich zu bescheiden. „Dahin führt die Kunst, das menschliche 
Loben zu verlängern, dass man endlich unter den Lebenden 
nur so geduldet wird, welches eben nicht die ergötzlichste 
Lage ist. Hieran aber habe ich selber Schuld. Denn warum 
will ich auch der hinanstrebenden jüngeren Welt nicht Platz 
machen. Warum ein schwächliches Leben durch Ent¬ 

sagungen in ungewöhnliche Länge ziehen, die Sterbelisten, in 
denen doch auf den Zuschnitt der von Natur Schwächeren, 
und ihre mutmaßliche Lebensdauer mit gerechnet ist, durch 
mein Beispiel in Verwirrung bringen und das alles, was man 
sonst Schicksal nannte, dem man sich demütig und andächtig 
unterwarf, dem eigenen festen Vorsätze unterwerfen? . . .“ 

Es muss zugegeben werden, dass eine philosophischere 
Art, sich mit den Beschwerden des Alters abzufinden, als die 
von Kant geübte, nicht wohl denkbar ist. 


seit dem Beginn der Krankheit verstrichen war, schien es an¬ 
gebracht, sofort zu verhältnismäßig hohen Dosen zu greifen 
und man begann deshalb am Mittag des 3. Dez. in Zwischen¬ 
räumen von zwei Stunden je einen ccm von der 4®/o Phenol¬ 
säurelösung zu injektieren; d. h. in 24 Stunden 48 cgr. Wie 
auch in den vorhergehenden Tagen, unterstützte man die Be¬ 
handlung durch eine Morphiuminjektion und die Verabreichung 
von Ghloral. Am 4. Dez. erklärte der Kranke, wenig geschlafen 
zu haben und oft und in kurzen Zwischenräumen beklagte er sich 
über Schmerzen in den Beinmuskeln, an denen sich häufige, 
tetanische Anfälle zeigen. Im übrigen war der Zustand so 
ziemlich unverändert; Trismus nicht erhöht. Puls 104, Respira¬ 
tion 24. Von Mittag 4. Dez. bis 12 Uhr 5. Dez. worden 60 cgr, 
vom 5. bis zum 6. Dez. 72 cgr und vom 6. auf 7. Dez. eben¬ 
falls 72 cgr Phenolsäure imektiert 

Im Tagebuch vom 7. Dez, heisst es: Allgemeiner Zustand 
wie in den vorhergehenden Tagen, doch hat der Kranke 
während der Nacht mehr Ruhe gehabt. Tetanische Anfälle 
vermindert, auch den Mund vermag Patient etwas besser 
zu öffnen. Unverändert besteht die Steife des Rück^ades, die 
Hypertonicität der Muskeln des Abdomen und der Beine. Da 
der Kranke ruhig war, wurde keine Morphiuminjektion gemacht, 
sondern nur ein Klystier von Ghloral und Bromur gegeben. 

Vom 7. auf 8. Dez. wurden 70 cgr Phenol injektiert; der 
Zustand des Kranken war der gleiche, wie am vorhergehenden 
Tag. 

Vom 8. auf 9. Dez. 70 cgr Phenolsäure, 
n 9- « 10. „ 70 „ 

„ 10. „ 11. „ id. „ 

n 11- « 12* n n n 

V 12- n 1^* n *^-71 n 

Während aller dieser Tage wurde eine allmählich zu¬ 
nehmende Besserung konstatiert, und im Tagebuch vom 13. 
heisst es: Trismus fast verschwunden, Steife der Muskeln ganz 
bedeutend zurückgegangen. 

Der Kranke war wieder imstande die Beine zu bi^en, es 
zeigten sich keine Krampfanfälle mehr und diö Palpation der 
Muskeln war weit weniger schmerzend. Auch die Steife des 
Rückgrades hatte sich vermindert. Der Patient zeigte Appetit 
und verlangte nach kräftigeren Speisen und vermochte Brot, 
Gehirn und Fleisch zu kauen. Während der Nacht schlief er 
gut Am 14. Dez. konnte er zum ersten Mal im Bett aufge¬ 
setzt werden. Da die Besserui^ anhielt, wurde die tägliche 
Dosis vermindert und in 24 Stunden, vom 14. auf 15. Dez. 
wurden 49 cgr Phenol injektiert. In dieser Weise wurde din 
Behandlung bis zum Mittag des 19. Dez. fortgeführt und dann 
abgebrochen, weil der Patient als geheilt betrachtet werden 
konnte. 

Um noch einmal die ganze Behandlung zusammenzufasaen, 
wurden vom 3. Dez. bis zum 19. Dez. folgende Dosen in- 
jektiert. 

Von 12 Uhr Mittag des 3. bis 12 Uhr Mittag des 4. Dez. 48 cgr. 

id. 4. id. 0. „ 00 „ 

id. 5. id. 6. „ 72 „ 

id. 6. id. 7. „ 72 „ 

id. 7. id. 8. „ 70 „ 

id. 8. id. 0. „ 70 „ 

id. 9. id. 10. „ 70 „ 

id. 10. id. 11. . 70 « 

id. 11. id. 12. „ 70 „ 

id. 12. id 13. „ 70 „ 

id. 13. id. 14. „ 70 „ 

id. 14. id. 15. „ 49 „ 

id. 15. id. 16. „ 49 „ 

id. 16. id. 17. „ 49 „ 

id. 17. id. 18. „ 49 „ 

id. 18. id. 19. „ 49 „ 

im Ganzen 987 cgr. 

Vom 19. ab verbesserte sich der Zustand des Patienten 
zusehends, so dass er aus dem Krankenhaus entlassen zu 
werden wünschte. Fieber batte sich während des Verlaufes 
der Krankheit nur in den Tagen vom 9. bis zum 12. Dez. ge- 


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294 


l^EDICCnSCHB wOG^ffi. 


Nr. 26. 


zei^, infolge einer entzündlichen Hötnng an den Oberschenkeln, 
d. n. den Stellen, wo die Injektionen gemacht wurden. In dem 
täglich untersuchten Urin wurde nie Albumin gefunden, auch 
zeigte er nie die charakteristische Färbung der Phenolver¬ 
giftung. 

Der vorstehende Fall bedeutet nicht nur eine Vermeh¬ 
rung der ja ohnehin schon recht stattlichen Anzahl von 
Heilungen durch die Methode Baccellis, sondern er ist be¬ 
sonders deshalb interessant, weil es sich um einen 80jährigen 
Greis handelt, weil als erschwerende Tatsache die Arterioscle- 
rose in Betracht kommt und weil der Kranke die ersten drei Tage 
lang ausschliesslich mit der Serumtberapie behandelt worden 
war und diese nicht nur keine Besserung, sondern sogar ent¬ 
schieden Verschlimmerung gebracht hatte. Bemerkenswert ist 
auch die grosse Quantität von Fhenolsäure, die injektiert wurde, 
ohne dass sich die geringste Spur von Vergütung zeigte. Diese 
Quantität ist übrigens m anderen Fällen auch noch über¬ 
schritten worden und man kann sagen, dass im allgemeinen 
bei Tetanus die Quantität der ohne I^chteil ertragenen Phenol¬ 
säure ganz iin Verhältnis zur Schwere der Infektion steht. Die 
Sterblichkeit beträgt bei der Behandluug nach Baccelli so¬ 
weit sich dies statistisch nachweisen lässt, zirka 9,10%, aber 
diese ohnehin schon niedrige Ziffer würde sich sicher noch be¬ 
trächtlich vermindern, wenn wirklich alle geheilten Fälle ver¬ 
öffentlicht würden. 

Prof. Giovanni Galli, 
Assistent der Klinik. 


Sitzungsberichte. 

Österreich. 

Verein deutsc^ier Aenete in Prtig» 

Sitzung am 19. Januar 1906. 

Herr Adler; Ueber Tuberkulinbehandlung. 

Vor 4 Jahren hat A. gelegentlich eines Vortrages über Tuber- 
kuUnbehandlong der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass es dem 
Tuberkulin und seinen Anhängern bald gelingen wird, zum Segen 
der Tuberkulosen sich durchzusetzen. Im Gegensätze zu anderen 
Forschem weist A. aus der Litteratur der letzten Jahre die stei¬ 
gende Wertschätzung des Tuberkulins nach, das von Klinikern 
(Arnuth, Leube), und von der Mehrzahl der Sanatorien mit günstig¬ 
stem Erfolge verwendet wird. Der Vortr. bringt nun seine neu¬ 
eren Erfahrungen, welche ihn dazu führen, nur einmal wöchentlich 
langsam aufsteigende Dosen, ohne im allgemeinen irgend eine Reak¬ 
tion hervorzumfen, zu geben und jahrelang damit fortzufahren, da 
sonst meistens Rezidiv auftritt. Das Tuberkulin wirkt hauptsäch¬ 
lich am locus morbi. Nachdem noch die guten und raschen Erfolge 
bei lupus besprochen wurden, erwähnt A., dass das Tuberkulin 
verlassen würde, weil es gefährlich schien und Rezidive nicht ver¬ 
hinderte. Die heutige Methode schliesst jedoch die Gefahr aus; 
die Ausschliessung der Rezidive besorgt die Rücksichtnahme auf 
das Allgemeinbefinden, und die jahrelange Dauer der Kur, die ja 
bei chronischen Erkrankungen, ähnlich wie bei Lues selbstver¬ 
ständlich sei. Das Tuberkulin sei ein echt spezifisches Mittel, das 
die natürlichen Heilwege des Körpers unterstützt; es sei in Ver¬ 
bindung mit hygienisch-diätetischen Maßnahmen unser bestes thera¬ 
peutisches Rüstzeug, in schweren Fällen, z. B. sogen. Mischinfek- 
tionen, versagte es vollständig. 0. W—r. 


Kongressbericht. 

23. Koti-grees für innere MedieVn 

vom 23, bis 26. April 1906 in München. 

Referent; Dr. Grassmann-München. 

2. Sitzungstag. 

Herr D. Gerhardt-Jena: Zur Lehre von der Saug¬ 
kraft des Herzens. 

G. versuchte eine exj)erimentelle Beantwortung der Frage, ob 
die diastolische Saugkraft des Herzens für die Pathologie des Kreis¬ 


laufes eine Rolle spiele in dem Sinne, dass sie einer kompensatorisch 
wirkenden Steigerung fähig wäre. An eine derartige kompen¬ 
satorische Steigerung wäre zu denken bei Zunahme des Schlag¬ 
volumens, bei Mitralstenose und bei Kompression des Herzens durch 
Perikardialergüsse. 

Vermehrung des Schlagvolumens durch Steigerung des Zuflusses 
mittels Bauchmassage oder intravenöser Salzwasserinjektion ergab 
zwar Gleichbleiben, oder (bei raschem Zufluss) eine nur geringe 
Abnahme des negativen Druckes, also eine Adaption des Herzens 
an die neuen Verhältnisse; es liess sich aber nicht ausschliessen, 
dass die stärkere Ausdehnung einfache Begleiterscheinungen der 
stärkeren systolischen Kontraktion sei; wenigstens findet man so¬ 
wohl bei reflektorisch (durch Erregung des Vasomotorenzentrums) 
als pharmakologisch (Digitalis, Adreuidin) als mehr direkt (durch 
Akzeleranareizung) bewirkter Steigerung der Systole regelmäßig 
auch eine Zunahme der diastolischen Ansaugung. 

Bei Verengerung des Mitralostiums (durch Auf blasen eines in 
den Vorhof geführten Ballons) oder der ziemlich gleichwertigen, 
technisch leichteren Verengerung des Stammes der Lungenarterie 
konnte durch Druckmessung im linken Ventrikel mittels Minimum- 
manometor keine Zunahme des negativen Druckes wahrgeuommen 
werden. 

Ebensowenig liess sich eine Verstärkung der Ansaugung im 
rechten Ventrikel beobachten bei Einlassen von Salzwasser in den 
Perikardialraum. Hierbei hoben sich die Druckminima im Ventrikel 
ganz parallel zu der Zunahme des auf der Herzaussenfläche lasten¬ 
den Druckes. 

Nach diesen Versuchen scheint es sehr zweifelhaft, dass der 
Saugkraft des Herzens eine Rolle für den Ausgleich phathologischer 
Zustände zukommt, und dieser Schluss wird um so wahrscheinlicher, 
da bis jetzt noch keine einigermaßen eindeutige klinische oder 
anatomische Beobachtung vorliegt, welche für eine kompensatorische 
Zunahme der Saugkraft des Herzens spräche. (Fortsetzuog- folgt.) 

35. K-ongrees der I>eut8chen ChaeUscfutft 
fü/r Chirurgie. 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

IV. Verhandlungstag 

Die Verhandlungen werden durch die Diskussion über die 
S taunngshyperämie bei akuten Entzündungen eingelei¬ 
tet. Herr Bier hat auf einen einleitenden Vortrag verzichtet. 
Als erster Diskussionsredner spricht 

Hr. Habs-Magdeburg. Er erwähnt zunächst, dass Erysipela 
nach seiner Erfahrung unbeeinflusst bleiben, dass als Kontraindi¬ 
kationen der Behandlung mittelst Stauung Venenthrombose und 
Diabetes zu gelten haben; bei Arteriosklerose jedoch könne man 
ruhig stauen. In einem Falle von arteriosklerotischer Gangrän 
sei der Brand nicht fortgeschritten, vielmehr habe sich die Gangrän 
demakiert, so dass man mit einer relativ geringfügigen Operation 
auskommen konnte. Zum Schluss empfiehlt er, die Stauung pro¬ 
phylaktisch bei allen solchen Verletzungen anzuwenden, bei denen 
man einen reinen Wundverlauf nicht für wahrscheinlich hält, und 
erklärt die Bier’sche Stauungshyperämie für die zurzeit beste Be¬ 
handlung der acuten Eiterungen. 

Hr. Körte-Berlin hat im Gegensatz zu dem Vorredner bei 
einem brandigen Panaritinm einer diabetischen Patientin einen 
guten Erfolg erzielt. 

Hr. Croce-Berlin i. V. von Herrn Rotter; Sie seien mit 
der Bier’schen Methode bei allen acuten entzündlichen Prozessen 
mit den Erfolgen zufrieden gewesen, nur bei der Osteomyelitis 
seien die Erfolge wechselnd. In einem Falle sah er nach Anwen¬ 
dung der Stauung eine Nekrose der Wadenmuskulatur eintreten. 
Immer müsste eine Stich incisiou gemacht werden, auch dann, wenn 
noch kein Eiter vorhanden sei; die kleinen Jncisionen genügten 
auch bei den Sehnenscheidenphlegmoneu. Weniger befriedigt bat 
die Behandlung bei den ostalen Panaritien. Dagegen hatte er bei 
Karbunkeln und Furunkeln sehr gute Resultate gehabt. Er führt 
noch au, dass bei Stichkanaleiterungen nach Operationen sich die 
Methode ebenfalls sehr bewährt habe. (Fortsetzung folgt.) 


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1906. 


\l rti ) Tni rl i3i » H Hj vVO f< H Hi - 


296 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Chajlottenburg). 

Sechste ordentliche Hauptvereammiung des Verbandes 
der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen 
Interessen zu Halle a. S. am 21. Juni 1906. 

Die Hauptversammlung des „Leipziger Verbandes“, die all¬ 
jährlich die Einleitung des deutschen Aerztetages bildet, war zahl¬ 
reich besucht. Der Vorsitzende Hartmann (Leipzig) wies in 
seinen Begrüssungsworten darauf hin, dass allerorts auch im Aus¬ 
lände gewerkschaftliche Vereinigungen der Aerzte in der Bildung 
begriffen seien. Er schilderte kurz die Ereignisse des abgelaufenen 
Geschäftsjahres, gedachte der verstorbenen 112 Mitglieder imd er¬ 
örterte besonders eingehend die Verhältnisse der Knappschafts¬ 
und Eisenbahnärzte, deren Besprechung auch in der Diskussion 
den breitesten Raum einnahm. Die ganze Tätigkeit des Leipziger 
Verbandes führt uns der gedruckte Geschäftsbericht des General¬ 
sekretärs Kuhns vor, der ein stattliches Heft von fünfzig Seiten 
füllt. Ihm legt der Generalsekretär seinen Erläuterungen zu Grunde, 
aus denen hervorgeht, dass der Mitgliederbestand mit der Ziffer 
18723 jetzt eine gewisse Stetigkeit zeigt. Für den Umfang der 
Geschäfte gibt den besten Anhalt die Tätigkeit des Verband¬ 
bureaus, das 18456 Eingänge und 40 310 Ausgänge zu verzeichnen 
hatte. Der Verband hat für seine Mitglieder eine kostenlose 
Rechtsauskunftsstelle und unter Leitung eines Fachmannes eine 
eigene Buchhandlung errichtet, deren Benutzung seitens der Kollegen 
noch nicht genügend stark ist und sehr empfohlen wird; äugen« 
blicklich ist die Buchhandlung mit einer Herausgabe eines Äerzte- 
verzeiohnisses im Anschluss an den Taschenkalender beschäftigt. 
Immer mehr in den Vordergrund tritt die Tätigkeit des Stellen- 
vermittlungsbiireaus; es wurden 1286 Vertreter-, 618 Assistenten- 
und 354 Praxisstellen vermittelt; zum erstem Male Hessen sich 
auch Medicinalpraktikanten durch den Verband Stellen besorgen, 
es waren dies 87 Fälle. Grössere Kassenkämpfe haben im ver¬ 
gangenen Jahre nur in Königsberg und Münster stattgefunden. 
Ausserdem aber kam es noch in 127 mittleren und kleineren Orten 
zu Differenzen mit der Aerzteschaft; verloren wurden Forst i. L. 
und Weissenfels. Mit grossem Nachdruck wendet sich der Gene¬ 
ralsekretär gegen die Absicht des deutschen Knappschaftsverbandes, 
die Knappsohaftsärzte von der übrigen Aerzteschaft zu isolieren 
und empfiehlt eine Verbindung sämtlicher Knappschaftärzte. Auch 
die Stellung der Schiffsärzte, die im Gehalt und Rang nicht in 
gebührender Weise behandelt würden, wird erörtert. Am Schluss 
seiner von lebhaftem Beifall begleiteten Ausführungen empfiehlt 
der Generalsekretär den Ausbau der Organisation. 

Dem Berichte des Generalsekretärs folgte der des Kassenwarts, 
der durchaus günstig war und die. Forderung nach Erhöhung der 
Beiträge unberechtigt erscheinen liess, der des Aufsichtsrates, der 
Nichts zu rügen gefunden hatte, und der Bericht über die Witwen¬ 
gabe, welcher bewies, dass es möglich gewesen war, mittelst der¬ 
selben vielfach dringende Not zu lindem. 

Dann setzte eine umfangreiche Debatte ein, die sich nament 7 
lieh beschäftigte mit dem Verhalten der Kgl. preussischen Eisen- 
bahnverwaltxmg zu ihren Aerzten und mit der Stellung der Ver¬ 
mittlungsstelle des Verbandes zur Stellenvermittlung für Schiffs¬ 
ärzte in Hamburg; ein Zusammengehen beider Stellen wurde be¬ 
fürwortet ; auf dem Aerztetage ergab sich aber, wie wir später 
berichten werden, dass davon wohl nicht die Rede sein kann. 
Die preussische Eisenbahnverwaltung ist augenblicklich in eine 
seltsame Sache verwickelt, die durch lebhafte Debatten erst klar¬ 
gestellt wurde. Zum 26. Juni hat diese Verwaltung verschiedene 
Aerzte, darunter auch drei Mitglieder des preussischen Aerzte- 
kammerausschusses, zu einer Besprechung in das Ministerium ge¬ 
laden, um zu erörtern, ob die freie. Aerztewahl für die Eisenbahn¬ 
bediensteten und deren Familien zunächst probeweise für zwei 
Jahre in Frankfurt a. M. eingeführt werden könne. Gleichzeitig 
aber haben die Bahnärzte im Direktionsbezirk Cassel ein Schreiben 
des Geh. Sanitätsrat Schwechten (Berlin), Vertrauensarztes des 
preussischen Eisenbahnministers erhalten, in dem sie aufgefordert 
werden, sich bis zum 23. Juni zu erklären, ob sie bereit sind, 
unter Austritt aus dem Leipziger Verband sich als halbe Beamte 


anstellen zu lassen. Dieses Vorgehen, das wohl auf eine Sprengung 
der Aerzteorganisation ausgeht, rief grosse Entrüstung hervor und 
führte zur Annahme folgender Resolutionen: 

a) „Seit einiger Zeit wird von einigen Behörden, Betriebs¬ 
direktionen und Krankenkassen der Versuch unternommen, Aerzte 
zum Austritt aus dem Leipziger Verband zu veranlassen, in der 
Absicht, gefügige und billige ärztliche Kräfte zu bekommen. Die 
sechste Hauptversammlung des Leipziger Verbandes spricht die 
Erwartung aus, dass diese Versuche auf einmütigen Widerstand 
in der deutschen Aerzteschaft stossen werden.“ 

b) „Die sechste ordentliche Hauptversammlung stellt sich in 
der Knappschafts- und Bahnarztfrage auf den früheren Standpunkt 
des Endziels der freien Arztwahl und empfiehlt den betreffenden 
Kassenärzten, mit ihren Behörden und Vorständen im Interesse 
des deutschen Aerztestandes möglichst diesem Endziel zuzustreben. 
Die Versammlung erwartet ferner von den Vertretern der preussi¬ 
schen Aerztekammern, in ihren Verhandlungen mit dem preussischen 
Eisenbahnministerium diese Forderungen, soweit deren Durchführung 
durch straffe ärztliche Organisation gewährleistet ist, mit aller 
Energie zu vertreten.“ 

Den nächsten Punkt der Tagesordnung bildete der Bericht 
über die Assistentenfrage. Es wird auf deren geringe 
Besoldung, ihre oft nicht standeswürdige Stellung, insbesondere 
auf die Stellung der Krankenhausärzte hingewiesen. In der Dis¬ 
kussion wird dringend empfohlen, dem Leipziger Verbände die 
ganze Vermittlung der Assistentenstellen zu überlassen, dann würde 
diese ganze Frage mit einem Schlage gelöst sein. Es gelangten 
sodann die Thesen des Referenten Dr. Steinbrück (Stettin) 
zur Annahme, welche lauteten: 

1. Die Gründung eines besonderen Assistenten - Verbandes 
neben dem wirtschaftlichen Verbände ist unerwünscht und 
überflüssig. Dagegen kann in grösseren Ortsgruppen eine 
besondere Assistentenvereinigung geschaffen werden. Der 
Obmann dieser Assistentenvereinigung gehört zum Vor¬ 
stande der Ortsgruppe. 

2. Die jüngeren, noch nicht selbständigen Aerzte sollen dem 
wirtschaftlichen Verbände beitreten und sich io die Va¬ 
kanzen- und Vertreterliste des Verbandes eintragen lassen. 

3. Die wirtschaftliche Lage der unselbständigen Aerzte — 
Assistenten an Anstalten, Krankenhäusern und bei Privat¬ 
ärzten — bedarf vielfach der Aufbesserung. 

4. Das Gehalt der Krankenhausärzte steht nicht im rechten 
Verhältnis zu der aufgewandten Mühe und Zeit. Diese 
Gehälter bedürfen in vielen Fällen dringend einer Erhöhung. 

Nunmehr spricht Peyser (Berlin) über „Erfahrungen über 
soziale Medicin als Gegenstand des Universitäts- und ärztlichen Fort¬ 
bildungsunterrichts. Er schilderte die Notwendigkeit sozialmedi- 
cinischer Kenntnisse für den Praktiker und den angehenden Medi- 
ciner und wies darauf hin, dass die Gründung eines Seminars für 
soziale Medicin in Berlin durch die rege Inanspruchnahme, welches 
dasselbe gefxmden habe, ihre Berechtigung erwiesen habe. Eine 
angeregte Diskussion zeigte das Interesse der Versammlung für 
diese Frage; die Ergebnisse wurden in folgenden Leitsätzen zu¬ 
sammengefasst. 

1. Die Unterstützung von Bestrebungen oder Schaffung von 
Einrichtungen, die auf bessere sozialmedicinische und ärztlichwirt- 
schaftliche Ausbildung von Studierenden und Fortbildung von 
Aerzten abzielen, gehört zu den Aufgaben des Verbandes. 2. Die 
Schaffung von Lehrstühlen für soziale Medicin entspricht einem 
Bedürfnis und ist für alle Universitäten zu erstreben; von den 
akademischen Lehrern der socialen Medicin wird das Zusammen¬ 
wirken mit geeigneten ärztlichen Praktikern erwartet. 3. Für die 
ärztliche Fortbildung erkennt der Verband die Notwendigkeit von 
Einrichtungen an, die unter Beteiligung von ärztlichen und nicht¬ 
ärztlichen Lehrkräften aus den Gebieten sozialmedicinischer Be¬ 
tätigung in regelmäßiger Zeitfolge deren jeweiligen Entwicklungs¬ 
stand veranschaulichen und zugleich der theoretischen und prak¬ 
tischen Belehrung dienen (Seminare für soziale Medicin). 4. Für 
alle derartigen Bestrebungen schafft der Verband eine Zentral¬ 
stelle, der auch die Verarbeitung sich ergebenden literarischen 
Materials obliegt. 


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296 


MEDICINISGHB WOCHE. 


Nr. 27. 


Den Schluss der Verhandlungen bildet der Bericht über die 
Gründung eines ärztlichen Genesungsheimes. Der Berichterstatter 
Dr. Vogel (Heppenheim) wünscht die Uebemahme dieses Gedan¬ 
kens durch die Zentrale für das Unterstützungswesen, was auch 
gebilligt wurde. 

Nach fest achtstündiger Tagung wurde die Sitzung mit einem 
Hoch auf den Vorsitzenden geschlossen. 


Periodische Literatur. 

Deutsche tnedicinieche Wochenschrift. 1906. Nr. 23. 

1. Bosenheim, Berlin: Die Behandlung der chronischen 
Darmkatarrhe. 

Vier Hauptpunkte müssen bei chronisch-katarrhalischen Zu¬ 
ständen des Darmes beachtet werden. Die Ausdehnung und Lokali¬ 
sation der Darmerkrankung und die mit derselben verknUptten 
funktionellen Störungen. Das Verhalten des Magens, eventuell vor¬ 
handene Komplikationen und schliesslich die Art und Intensität der 
hervorgerufenen Folgezustände. Die Lokalisation der Erkrankung 
ist oft sehr schwer festzustellen, man wird unterscheiden müssen 
zwischen Dünndarmkatarrhen, diffusen entzündlichen Prozessen, welche 
Dünn- und Dickdarm betreffen, und reinen Kolitiden. Bei jeder Art 
von chronischen Darmkatarrh hält Verf eine Sondenuntersuchuug des 
Magens für durchaus nötig. Man kann niemals wissen, ob nicht 
bei vollkommenem Fehlen jedes Symptoms doch Magenerkrankung 
besteht. Als Komplikationen kommen in Betracht die Appendicitis, 
ferner katarrhalische Prozesse in der Leber, Affektionen des Panc- 
reas und schliesslich gichtische Diathese und Nierensteine. Ist der 
Dünndarm io der Hauptsache an der Erkrankung beteiligt, so pflegt 
die Prognose ernster zu sein, da die Ernährung insgesamt erheb¬ 
lich leidet. Die Therapie muss sich daher vornehmlich auf die 
Dünndarmerkrankung beziehen. Die Diät muss reizlos, aber leicht 
assimilierbar sein. Eine Normaldiät aufzustellen ist nicht möglich. 

2. Doutrelepont, Grouven Bonn: Ueber den Nachweis 
von Spirochäte pallida in tertiär-syphilitischen Produkten. 

Die Verff. haben vier Fälle tertiärer Lues untersucht und in 
allen, wenn auch sehr spärlich, Spirochäten nachweisen können. Das 
Anffiuden war sehr mühsam. Neben den typischen Spirochäten 
fanden sich auch Scheinformen, welche bei stärkerer Vergrösserung 
sich in Körnchen auflösten. Diese Untersuchungen bestätigen aufs 
neue die jetzt wohl unzweifelhafte Annahme der Infektiosität tertiär- 
syphilitischer Gebilde. 

3. Moritz, Chemnitz: Hitbeteiligniig des Phreniäus bei 
Duoheune-Erbsoher Lähmung. 

Verf. hat einen Fall von typischer Duchenne-Erbscher Lähmung 
bei einem 16 jährigen Hausburschen beobachtet, welcher eine deut¬ 
liche ZwerchfelUähmung der einen Seite aufwies. Dieselbe wurde 
zwar, da ein sehr elastischer Thorax vorhanden war, ohne erhebliche 
Störungen des Allgemeinbefindens ertragen. Der Fall spricht für 
die Richtigkeit der Naunynschen Anschauung, dass der Phre- 
nicus noch vom fünften bis siebenten Halsnerven Fasern erhält 
und daher bei der Erbschen Lähmung häufig beteiligt sein musste. 

4. Robbers, Gelsenkirchen: üeberPueumocooceuperitonitis. 

Verf. hat drei Fälle von Pneumococcenperitonitis beobachtet, 
operiert und geheilt. Der eine betraf ein 6 jähriges Mädchen, der 
andere eine 24 jährige Frau im Puerperium und der dritte Fall 
war eine 31jährige Frau. Die Entstehung der Pneumococcen¬ 
peritonitis ist noch nicht ganz zweiffellos festgestellt Verf. hält 
eine Einwanderung der Krankheitserreger vom Magen - Darmkanal 
nicht Jür ausgeschlossen. Pneumococcen finden sich in der Mund¬ 
höhle gesunder Menschen zweifellos. Bei Kindern ist die Prognose 
nicht durchaus schlecht, bei Erwachsenen allerdings ungünstiger. 
Die Behandlung besteht in Eröffnung und Drainage der Abszess- 
hohle, Die Höhle kenn ohne Nachteil mit steriler Kochsalzlösung 
ausgespült werden. \ ersuche mit Antipneumococcenserum dürften 
angezeigt sein. 


5. Jonas, Wien: Ueber Antiperigtaltik des Xi^ens. 

Die Untersuchungen des Verf. haben folgende Resultate er¬ 
geben; Bei 6 Fällen beobachteter Antiperistaltik des Magens lag 
5 mal Pylorusstenose vor. Auch im 6. Fall Hessen sich Befunde 
erheben, die auf ein nicht normales Verhalten der pars pylorica 
zu deuten waren. Demnach scheint die Antiperistaltik des Magens 
fraglos mit einer Verengung des Pylorus zusammen zu hängen, da 
aber viele Fälle von Pylorusstenose beobachtet werden, welche 
keine Antiperistaltik zeigen, so dürfte wohl noch ein anderes 
Moment hinzukommen, welches wir aber noch nicht kennen. 

6. Diesing, Kamerun: Nene Beobachtungen bei der Jodo¬ 
formbehandlung der Lepra. 

Im Jahre 1904 hat Verf. bereits über die Behandlung von 
Leprakranken mit Jodoform günstig berichten können. Jetzt hat 
er wieder bei drei Fällen ein recht gutes Resultat erzielt. In An¬ 
wendung gelangt 30% Jodoform-Olivenöl-Emulsion. Diese wurde 
in täglichen Dosen von 2—8 ccm subkutan verabreicht. Die Dauer 
der Behandlung erstreckt sich auf etwa 2 V 2 — 3 Monate. Die 
ersten Injektionen erfolgten in der Umgebung der erkrankten Haut- 
Partien, später an den für Injektionen am besten geeigneten Stellen. 
Gewöhnlich pflegt sich nach 3—4 Tagen bereits an den erkrankten 
Partien eine Einwirkung zu zeigen. Irgendwelche Intoxikations- 
ersebeinungen konnte Verf. nicht beobachten. 

7. Dammermann, Berlin: Ein Beitrag zur Behandlung von 
Sohwarzwasserfieber 

Die Beobachtungen des Verf. veranlassen ihn zu folgenden 
Schlussfolgerungen. Bei Schwarzwasserfieber wird der Tod in der 
Regel durch Verstopfung der feinen Harnkanälchen mit Methämo- 
globin herbeigeiührt. Sowie Schwarzwasserfieber auftritt, ist durch 
reichliche Zufuhr von Milch und Anwendung von Solut. Kal. acet. 
4,0: 200, 1 — 2 stündlich ein Esslöffel für reichliche Diurese zu 
sorgen. An Stelle von Milch kann Wasser auch in Form von 
Eingiessungen treten. Da bei Malariakranken, welche einmal 
Schwarzwasserlieber bekommen haben, die Anwendung von Chinin 
ausgeschlossen ist, empfiehlt es sich statt dessen Decoct. fol. Com- 
bret, 24,0 :1500,00 zu geben. Diese Pflanze (Folia Combreti) wird 
von den Eingeborenen an der Westküste Afrikas und in Lagos 
vielfach als Fiebermittel gebraucht. Aus diesem Grunde hält Verf. 
die Einführung reichlicher Quantitäten der Folia Combreti Raimb. 
für sehr wünschenswert. 


Vermischtes, 

Halle. Am 21. Juni fand in Halle a. S. im Anschluss an 
die Hauptversammlung des Leipziger Verbandes eine Versammluog 
von Assistenzärzten statt, zu der Vertreter aus einer grösseren Zahl 
von Städten erschienen waren. 

Es wurde beschlossen, von der Gründung eines besonderen 
Assistenten-Verbandes Abstand zu nehmen, aber den Kollegen zu 
empfehlen, sich in grösseren Orten oder Bezirken im engen An¬ 
schluss an den Leipziger Wirtschaftlichen Verband zu Assistentea- 
Gruppen zusammenzuschliessen. 

Ferner wurden folgende Forderungen aufgestellt: 

1) ein Anfangsgehalt von mindestens 1200 M. ausser vollkommen 

freier Station inkl. Getränke. 

2) alljährlich eintretende Steigerung um 150 M. bis 200 M. 

3) Anrechnung der an Krankenhäusern oder raedicinisch-wissen- 

schaftlichen Anstalten zurückgelegten Dienstzeit. 

4) Urlaub von 4 Wochen in jedem Jahre. 

5) Uebemahme der Unfallversicherung durch die anstellende Be¬ 

hörde. 

Nicht berührt werden hierdurch die weitergehenden oder ander¬ 
weitigen Forderungen der Aerzte au Irrenanstalten oder Lungen- 
Heilstätten. 

Greifswald. Da am 3. und 4. August das 450jährige Jubi¬ 
läum der Universität Greifswald gefeiert wird, ist der Fortbildungs¬ 
kurs für praktische Aerete in Greifswald auf die Zeit vom 19. bis 
31. Juli vordatiert worden. 


Veraniworüicher Redakteur: Dr. P. Meissner, BerlinW. 6t, Kurfürstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der HeTnemann'tcben Buchdrudeerei, Gebr Wolff, Halle a.S. 


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Medicinische Woche 


Deatscbmann, 

Hamburg. 


A. Dfihnseo, A. Hoffa, 

Berlio. Berlin. 

H. Senator, 

Berlin. 


E. Jacobi, 

Freiburg i. Bi. 
R. Sommer, 
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Herausgegeben von 


R. Kobert, M. Koeppen, K. Partteh, 
Rostock. ^rlin. Breslau. 

H. lIoTerrieht, A. Voulnt, 
Magdeburg. Giessen. 


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H. Sehlnage. 
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Verlag und Expedition 


Redaktion: 

Carl Marhold ln Halle a* S*« Uhlandstrasse 6. 


Berlin W. 62« KarfArstenitrasse 81« 

Tet.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Dr. P. Meißner. 


VH. Jahi^ang. 9. Juli 1906. Nr. 28. 


Die .Medicinische Woche-erscheint jeden Montag mit der Utagigen Beilage BalneologlSChe CeiltralzeitUng) Organ des Allgemeinen Deutschen 
Baderverbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet Jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marbold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen na’ch Uebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bel Wiederholung tritt Ermäßigung ein. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet 


Originalten, 


Die Entwickelung der Fettsucht 
in ihrer Beziehung zur Femientwirkung. 

Von San.-Rat Dr. Scherk, Bad Homburg. 

(Schloss.) 

Auch nach Arnold’s*) Untersuchungen wird das Fett bei 
der echten Degeneration nicht aus Eiweiss gebildet, sondern 
von aussen abgelagert. 

Nach Lindemann’s**) Untersuchungen stellt sieb heraus, 
dass das Fett des normalen und des fettig degenerierten Herz' 
muskels wesentlich von einander verschieden ist 

Die Frage, ob überhaupt Fett im Organismus aus Eiweiss 
sich bildet, ist für die Emährungstherame resp. für die Depot¬ 
fettablagerung an praedilectionierten Kegionen eo ipso von 
eingreifender Bedeutung. Unbestritten ist heutzut^e die An¬ 
sicht, dass sowohl Nahrungsfette als auch die ^fohr von 
Kohlehydraten die Fettquellen für den Organismus darstellen, 
da nun andererseits man annehmen könnte, dass das frei ge¬ 
wordene Eohlehydratmolekul des Eiweiss ebenfalls die Fett¬ 
bildung befördern könnte, so wäre hier auf indirektem Wege 
eine Fettbildung ans Eiweiss zu beftirworten. 

Demgegenüber ist zu beachten ^ dass das Kohlehydrat- 
molekul des zerfallenen Eiweiss, wie dasselbe beispielsweise 
bei kachektischen Zuständen der Diabetiker frei wird, sofort 
als Calefaktor verwertet und nicht erst in Fett umgewandelt 
wird. 

Dass andererseits bei Eiweisszufuhr und gleichzeitiger 
Kohlehydratverabreichung die Bildung von Mastfett mehr be¬ 
fördert wird, als bei alleiniger Kohlehydratnabrung, liegt auf 
der Hand, wenn man erwägt, dass durch das Kohlehydrat- 
molekul des genossenen Eiweiss die Menge des neiigebildeten 
Fettes vermehrt wird. 

Nach dieser Richtung hin sind demnach die Untersuchungs¬ 
resultate der Arbeiten vonPe ttenkofer, Voit und Pflüger***) 
zu verwerten, nach denen sich das Mastfett nur dann bildet, 
wenn ein Nahrungsüberschuss von Kohlehydraten bei gleich¬ 
zeitiger Eiweisszuiuhr vorhanden ist. 

Eschlef) unterscheidet mit Rosenbach drei Haupt¬ 
gruppen von Fettsucht: 

1. Plethora congostiva. Gesteigerte Einnahme und Aus¬ 
gabe. 

♦) Virchow’s Arohiv, VII, 2. 

••) Z. f. Biol. 38, 40r.-18. 

•••) Pflügers Archiv, Bd. 52, H. 5 n. 6, 1892. 

t) Tberap. Monatshefte I, 1906. Die Patbognnese der Fettsucht. 


2. Plethora e functione minori s. Hypokinese. Gesteigerte 
Einnahme, verminderte Ausgabe infolge von Inaktivität. 

3. Plethora hypotonica, atonica et torpida, hydraemische 
Korpulenz. Angeborene oder familiäre Anlage. Bei dieser 
ist wirklich falsche Betriebsform in der Ausnutzung der Nah¬ 
rung vorhanden. 

Wir ersehen, dass bei der Erörterung der Quellen, welche 
die Fettsucht verursachen, bis zum heutigen Tage die minder¬ 
wertige hydrolytische Spaltung der Nahrungsfette nicht berück¬ 
sichtig wurde. 

Meiner Auffassung nach ist dagegen die pathologisch modi¬ 
fizierte Fermentwirkung auch hier wieder, wie bei der Zucker¬ 
krankheit und der Gicht, als ursächlicher Cardinalfaktor zu ver¬ 
werten. , ' 

„Freilich“, so hebt Peter Bergeil*) hervor, „sind wir 
noch nicht so weit, zu bestimmen, welche Stufe des successiven 
fermenthydrolytischem Abbau der Eiweiaskörper, besonders im 
pathologischen Spezialfalle, als das Optimum für die Resorption 
anzusprechen ist“ 

Dieselben Schwierigkeiten wie bei der Resorption der Ei¬ 
weisssubstanzen treten uns bei den fermentativen Spaltungen 
der Kohlehydrate und Fette entgegen, wir können die einzelnen 
Etappen bis jetzt noch nicht exakt verfolgen, die Präzisierung 
der intermediären Abbaustufen ist der Erforschung noch Vor¬ 
behalten. Immerhin müssen wir heutzuti^e die gestörte Fer- 
mentwirkung bei den aetiolo^schen Faktoren der genannten 
Stoffwechselanomalien auf die Wagschale legen und dürfen 
diese Vorgänge nicht mehr unberücksichtigt lassen. 

Da nicht zu bestreiten ist, dass lösliche Neutralfette auch 
ungespalten oder minderwertig hydrolytisch beeinflusst, durch 
die Darmzellen aufgenommen werden können, so ist die Folge¬ 
rung berechtigt, dass die ungespaltenen resorbierten Fette nicht 
so leicht der Oxydation unterliegen, wie die Fette, welche 
nach der Spaltung und Resorption sich synthetisch neu ge¬ 
bildet haben. 

Die in toto resorbierten Fette werden sich demnach im 
Organismus der selectiven Zellenfunktion gemäß regionäre 
Lagerstätten aussuchen und erst bei dringender Nachfrage, bei 
eventuellem Mangel an Calefaktoren der Intraorganoxydation 
ausgesetzt werden. 

Je weniger Fette gespalten werden, desto eher wird ein 
Teil derselben direkt in den Chylus übertreten, ein anderer 
Teil wird jedoch unresorbiert mit den Faeces ausgeschieden 
werden. Deshalb finden wir bei Pancreasleiden, also bei einer 
SteapsinwirkuDg, einerseits ausgedehnte Fettlager und anderer¬ 
seits fettreiche Faeces. Der I^ttgehalt der letzteren vertritt 
keineswegs die Gesamtmenge des zugeführten Nahrungsfettes, 
der grössere Teil ist stets durch die Darmzellen ungespalten 
resorbiert. Während ohne Pancreaserkrankung etwa der 
Kotfette gespalten werden, überwiegen nach Friedr. Mueller’s 

*) lieber die Uotersuebungf der Eiweisspräparate. Mod. Elin. 41, 1905. 


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300 


MSDIGINISCHE WOCHB. 


Nr. 28. 


Schiff demonstriert Quecksilberiampen verschiedener 
Konstruktion. Bei denselben ist Quecksilberdampf im luftleeren 
Raume der Träger der intensiven, an roten Strahlen armen, jedoch 
an ultravioletten Strahlen sehr rei<^en Lichtes. Die Strahlen dieser 
Lampen erzeugen bei längerer Anwendung eine oberflächliche Derma- 
litis und Beizung der Conjunktiva, ihre therapeutische Anwendung 
dieser wohl nur bei oberflächlichen Hautaffektionen einen Erfolg 
haben, während das Licht in der Technik wegen seines geringen 
Stromverbrauches Anwendung Anden wird. H. 


Kongressbericht. 

23. Jß.<yngre88 für im/nere Medict/n 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassman n-München. 

Herr R. v. d. Velden-Marburg a. L.: Die Saugkraft 
des Herzens. 

Nach Goltz und Gaule saugt das Herz im Kreislauf. Diese 
mit Manometer und Minimumventil iestgestellte Saugung konnte 
V. bei eröfEnetem Thorax am Katzenherzen nicht nachweisen, 
wenn er den Blutzustrom zu dem rechten oder linken Herzen dui-ch 
ein Blutreservoir ersetzte. Aus diesem floss nur nach den Gesetzen 
der Hydrostatik das Blut ein. Daz Herz saugte nicht. Den Wider¬ 
spruch mit den obigen Resultaten konnte V. dadurch erklären, 
(lass diese Saugung nach Goltz und Gaule nicht vom Herzen, 
sondern vom einstrOmenden Blute (vergl. Bunsensche Wasser¬ 
strahlpumpe) hervorgerufen wird. Hebt man den Blutzustrom auf, 
so hört auch diese Saugung wieder auf, um sofort wieder einzu¬ 
setzen, wenn man die Blutzufuhr freigibt. 

2. Sitzungstag, Nachmittag. 

Herr Gurschmann-Tttbingen: Zur Physiologie und 
Pathologie der kontralateralen Mitbewegungen. 

Die der primär bilateralen Anlage der motorischen Funktionen 
(einer Seite) entspringenden kontralateralen symmetrischen Mitbe¬ 
wegungen an den Extremitäten (bei Willkürbewegungen der einen) 
gehen durch „Uebung der Hemmung** nicht völlig zu Grunde, 
sondern werden nur — in individuell wechselndem Umfang — latent. 
Mit Zunahme von Alter, Ansprüchen und Uebung werden sie bei 
Kindern progressiv eingeschränkt, bleiben aber bei koordinatorisch 


unsere Betä tig ung in den kommenden Jahren, das ist unser 
aufrichtiger Wunsch. 

Und nun noch einige Worte über Halle selbst und über 
den äusseren Verlauf der Tagung. Die Stadt Halle, welche 
durch reichen Flaggenschmuck die Anwesenheit der Aerzte 
ehrte, macht einen freundlichen, sauberen und wohlhabenden 
Eindruck; stattliche und teilweise architektonisch hervorragende 
Gebäude, reich ausgestattete Geschäfte und Warenhäuser, Denk¬ 
mäler bervorr^ender Persönlichkeiten, die in Halle geboren 
sind oder dort gewirkt haben, verschönern das Strassenbild. 
Ganz besonders imponierte uns das medicinische Viertel, das 
alle Institute und Kliniken zu einem umfangreichen, durch schöne 
gärtnerische Anlagen von einander getrennten Komplex vereinigt. 
Vor der chirurgischen Klinik steht ein würdiges Denkmal (Jes 
unvergesslichen Chirurgen Richard v. Volkmann, das in seiner 
Durchführung dem Arzt und Poeten in gleicher Weise gerecht 
wird. Eine gute Photographie dieses Denkmals schmückte die 
erste Seite des den Delegierten gewidmeten Führers durch 
Halle. Von diesem konnte wohl nur wenig Gebrauch gemacht 
werden, da die bis in den Spätnachmittag sich ausdehnenden 
Sitzongen den größten Teil des Tages in Anbruch nahmen 
und sich an diese sehr schnell die östlichen Veranstaltungen 
aoschlossen. Am ersten Tage fand das übliche gemeinsame 
Essen statt, an dem sich auch die Hallenser Fakultät und 
Aerzteaehaft zahlreich beteiligte; das Mahl ward durch viele, 
teilweise auch recht gute Reden gewürzt; der nun schon tra¬ 
ditionell gewordene Damentoast von Dippe (Leipzig) erregte 


Ungeübten bis jenseits der 20 er Jahre schon bei den ersten (be¬ 
fohlenen, nicht eingettbten) Bewegungen ohne alle Bewegimgser- 
schwerung deutb'ch (infantiler Typus der kontraiateralen 
symmetrischen Mitbewegungen auf Grund von physiologischer 
HemroungsinsuAEizienz). Mit wachsender Koordination werden diese 
Kitbeweguogen erst durch Ermüdung (bei wiederholten Beweg¬ 
ungen) und aus ihr resultierender Impulssteigerung frei (Ermttdungs- 
typus der kontralateralen Mitbewegungen). Die symmetrischen 
Mitbewegungen der Gegenseite persistieren — sichtbar — nur an 
den Extremitäteneuden, Hand und Fass, und hier mit grösster 
Konstanz bei Spreiz- und Adduktionsbewegungen. Reflexbeweg¬ 
ungen führen ph 3 rsiologiBcherwei 86 nur, solange noch Hemmungs¬ 
mangel (Typ. S. B.) besteht, zu symmetrischen kontralateralen 
Mitbewegungen. 

Periphere Bewegungshemmungen (arthrogene und peripher- 
neurogene) zeigen, da der Inhibitionsapparat normal arbeitet, häufig, 
in Andeutungen fast konstant kontralaterale Mitbewegungen des 
physiologischen Ermüdungstypos, dementsprechend keine kontrala- 
teralen Mitbewegungen auf Reflexbewegungen. Amputierte zeigen 
— nur solange sie noch Bewegungsillasionen des amputierten 
Gliedes haben — bei beabsichtigten Bewegungen mit diesem kolla- 
terale Mitbewegungen der symmetrischen intakten Muskeln. 

Bei supranukleären Läsionen, vor allem der infantilen Ze- 
rebrallähmongen, führen auf der einen Seite Hemmungsfortfall 
(Typ. S. B.), auf der anderen die notwendig werdende Impols- 
steigerung zu intensiven kontraiateralen Mitbewegungen. Vortr. 
empfiehlt das Prinzip der bewussten Förderung der paretischen 
Willkürbewegung durch gleichzeitige Innervation der 8ymmetri8(dien 
Bewegungen der Gegenseite zum Zweck der Uebungstherapie bei 
organischen und besonders transkortikalen Bewegungsstörungen. 
Bei Koordinationsstönmgen ohne Parese (Tabes, Chorea etc.) resnl- 
tieren kontralaterale Mitbewegungen nur der durch das Ringen mit 
der Irradiation resp. Inkoordination notwendig werdenden Impuls¬ 
steigerung. Charakteristische Züge zeigen die kontralateralen Mit¬ 
bewegungen bei Myasthenie, besonders bei Myotonie, weniger bei 
Paralysis agitans. 

Nur bei hysterischen Motilitätsstörungen jeder Art beob¬ 
achtete Vortr. stets das Fehlen der symmetrischen kontraiateralen 
Mitbewegungen. Der rein transkortikale Sitz der Störung, der zum 
Mangel oder zur Verminderung des Impulses führt (Vereinfachung 
der Bewegung der Willkürseite, Fortfall der physiologischen Syner¬ 
gisten), erklären diesen Mangel der fifitbewegaiigen, der auch 
diagnostisch wohl verwendbar ist. (Fortsetzung folgt.) 


stürmische Heiterkeit Speisen und Getränke entsprachen be¬ 
rechtigten Ansprüchen; aer durch die große Hitze wohl ge¬ 
steigerte Konsum an letzteren brachte es zu Wege, daß am 
Vormittage der zweiten Sitzung mancher bleicher ausschaute 
als am Tage vorher, und manemes Organ die gewohnte Klar¬ 
heit und Frische vermissen ließ. Aber das besserte sich deut¬ 
lich bis gegen Abend, wo sich die Teilnehmer auf Einladung 
der Hallenser Aerzte auf der Peißnitz, einer schön gelegenen, 
bewaldeten Saaleinsel, zu gemütlichem Beisammensein vereinigten. 
Von dort erfolgte dann auf blumengeschmückten Booten eine 
Fahrt die Saale hinauf zur Saalschloßbrauerei, wohin die Stadt 
Halle zu einem Bierabend geladen hatte. Bei prächtigem 
Wetter glitten die schlanken Boote die lieblichen, burgenge¬ 
krönten Ufer entlang, manch überraschend schöner Ausblick 
bot sich uns dar, und als wir den alten Giebicheustein vor 
uns auftauchen sahen, als bei den Klängen der Musik manch 
frohes Lied über das Wasser erscholl, als rings von den Ufern 
die zahlreich herbeigeströmten Hallenser dur^ freudigen Zu¬ 
ruf uns grüßten, da bedauerten wir lebhaft, daß wir gezwungen 
waren, schon früh am gleichen Abend die gastliche Stadt zu 
verlassen und wir empfanden voll und ganz den Schlußvers 
des so allgemein bekannten und beliebten Saaleliedes: 

Und der Wand’rer zieht von dannen, 

Denn die Trennungsstunde ruft; 

Und er singet Abschiedslieder, 

„Lebewohl“ tont ihm hernieder, 

Tücher wehen in der Luft. 


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1906. 


MBDlCINlSCflB WOCHE. 


301 


35, Kongress der Deutschen GeseUschaft 
für Chirurgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Sick-Hamburg spricht über 230 mit der Stauungsbinde 
behandelten Fälle, welche alle nur möglichen Arten der acut ent¬ 
zündlichen Prozesse umfassen. In den meisten Fällen wurde der 
entzündliche Prozess günstig beeinflusst; auch die schweren Phleg¬ 
monen, bei denen grosse Schnitte zu verwenden sind, geben gute 
Resultate; immerhin sind einzelne Fälle vorgekommen, wo die 
Eiterung fortschritt. Bei der schweren Osteomyelitis waren die 
Resultate nicht gut. Kontraindiciert ist die Staubehandlung bei 
Diabetes, bei brandigen Phlegmonen und Phlebectasien. Da die 
Methode eine äusserst peinliche Überwachung erfordert, kann sie 
ordnungsmässig nur in einer stationären Anstalt ausgeführt werden. 
Sick glaubt, dass die Bi er’sehe Methode einen besseren funktio¬ 
nellen Erfolg garantiert als die bisher angewendeten Verfahren. 

Hr. Stich• Breslau hat in der Breslauer Klinik (Garre) gute 
Erfahrungen bei den Sehnenscheidenpblegmonen, Erysipelen und 
Mastitiden gesehen; bei letzteren empfiehlt er die Saugbehandlung 
nach Einbringang eines Drains. Bei der Osteomyelitis waren die 
Resultate imgünstiger. 

Hr. Da n i el s en-Marburg berichtet über die Erfahrungen 
der Marburger Poliklinik, die sehr günstige gewesen sind. Nur 
in 2 pCt. der behandelten Fälle hätte die Methode versagt. D. 
führt die guten Resultate auf die von ihnen geübte Technik zurück 
und erwähnt besonders, dass sie sich auch da nicht von der An¬ 
wendung der Methode hatten abschrecken lassen, wo sie zunächst 
keinen Erfolg zu haben schien. Er rühmt die schmerzstillende 
Wirkung der Hyperämie. 

Hr. Bardenheuer-Köln ist ein begeisterter Anhänger der 
Methode geworden, seitdem ein Assistent, der früher bei Bier 
gewesen sei, die Methode in dem Kölner Hospital ausführt. 

Hr, H eidenhain-Worms schliesst sich dem günstigen Urteil 
der’Vorredner an. Bei der Hand und den Finger hat er die' 
kleinen Incisionen quer angelegt, wodurch er die Entleerung des 
Eiters besser zu garantieren glaubt. Mit Erfolg hat er auch von 
der Stauung prophylaktisch Gebrauch gemacht. 

Hr. Lexer-Königsberg kann sich dem allgemeinen Lob der 
Methode nicht unbedingt anschliessen. Wohl hat sie ihm bei den 
leichten Fällen grosse Erfolge gegeben, die hätte er aber mit 
anderen Methoden auch erzielt. Bei den schweren Fällen habe 
er gleichmässig z. B. Erfolge nicht erzielt; vielmehr habe er hier 
Verschlechterungen, Fortschreiten der Phlegmone, ja in einem Falle 
eine Allgemeininfektion gesehen. Er glaube bestimmt, dass er bei 
Anwendung der alten Methode diese Verschlechterungen vermieden 
hätte. L e X e r glaubt, dass bei der Staubehandlung eine vermehrte 
Bakteriolyse eintrete, dass dadurch eine Anhäufung von Giftstoffen 
in dem gestauten Bezirk auftrete, die sich dann auch über diesen 
hinaus verbreiten könnte. Durch diese sich bildenden Giftstoffe 
würden die Gewebe geschädigt; ganz besonders sei dies bei den 
Streptokokkeninfektionen der Fall. So erklären sich der weit¬ 
gehende Zerfall der Infiltrate, das Weitergreifen der Eiterung, der 
verschleppte Verlauf bei der Staubehandlung. Auch die diffuse 
Rötung, die bei ihrer Anwendung auftritt, sei auf die Wirkung 
solcher freigewordener Toxine zurückzuführen, nicht auf Erisypelin- 
fektion. Er müsse daher bestreiten, dass in den schweren Fällen 
die Methode Besseres leiste als die au der v. B erg mann’schen 
Klinik übliche der breiten Incisionen und Tamponade. Die kleine 
Incision reicht in den schweren Fällen bei der Staubehandlung 
nicht aus, vielmehr müssten auch bei dieser Methode die schwere 
Phlegmone mit grossen Schnitten behandelt werden. Mit grossen 
Incisionen kombiniert leiste die Staubehandlung Ausgezeichnetes. 
Dann sei sie aber nichts principiell von der alten Methode Ver¬ 
schiedenes mehr, sondern die Stauung diene dann auch nur dazu, 
den Saftstrom in der erkrankten Extremität umzukehren , die schäd¬ 
lichen Stoffe aus dem Körper nach aussen zu entfernen; sie sei 
dann nur als ein Ersatz der Tamponade anzusehen, 

Hr. Per th es-Leipzig glaubt, dass nicht allein die Hyperämie 
die günstigen Erfolge bei der Staubehandlung verursacht; er glaubt 
vielmehr, dass eine Umkehrung des Saftstroms stattfindet Um 
die Aspiration genauer dosieren zu können, als es bisher möglich 


war, hat er einen Flascbenaspirator nach Bunsen angewendet, 
den er der Versammlung demonstriert. (Fortsetzung folgt) 


Standesfragen. 

, Von Dr. M, Cohn (Berlin-Charlotteuburg). 

XXXIV. Deutscher Aerztetag zu Halle a. S. 

am 22. und 23. Jimi 1906. 

In Anwesenheit der vollzählig erschienenen Delegierten, der 
Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden nnd zahl¬ 
reicher Aerzte aus Halle und Umgegend, eröffnete der Vorsitzende 
des Geschäftsausschnsses Professor Löbk er (Bochum) den Aerzte¬ 
tag. In seiner Begrüssungsrede führte er Folgendes aus; Dank 
der immer fester werdenden Organisation hat die Regelung der 
Arztfrage befriedigende Fortschritte gemacht. Ohne harte Kämpfe 
ist es nicht abgegangen, aber oftmals ist durch Einigkeit der 
Sieg errungen worden. Trotz aller Erfolge ist den Aerzten der 
Kampf nicht erwüüscht. Sie wären gern bereit zu einer fried¬ 
lichen Verständigung unter voller Wahrung der Selbstverwaltung 
der Kassen. Die Aerzte kämpften einen Verteidigungskampf und 
hätten nicht den Wunsch, zu einem Angriffskampf überzugehen; 
eine friedliche Lösung der Arztfrage liege im allgemeinen In¬ 
teresse. Das grosse geplante Reformwerk der Abänderung der 
Versicherungsgesetze erfordere die Mitwirkung der Aerzte und zu 
diesem Behuf deren Durchbildung in der sozialen Medicin. Alle 
Bestrebungen in dieser Hinsicht, wie die Gründung des Seminars 
für soziale Medicin in Berlin, seien freudig zu begrüssen. Aber 
auch in der Oeffentlichkeit sollten die Aerzte aufklärend wirken 
und sich daher bemühen, dass in den politischen Blättern ärztliche 
Mitarbeiter ständig die Interessen der Aerzteschaft, die ja zugleich 
die der Allgemeinheit seien, vertreten. Mit einem Hinweis auf 
die Beziehungen der Praktiker zur Wissenschaft schloss Löbker 
seine mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausführungen. 

Es folgten die üblichen BegrUssungen: As oh enbor-n (Berlin) 
überbrachte wie alljährlich die besten Wünsche seines hohen Chefs, 
des preussischen Kultusministers, Regierungspräsident v. d. Recke 
die der Regierung des Bezirkes, Oberbürgermeister Dr. R i v e 
gab der Freude der Kommunaibehörde Ausdruck, den deutschen 
Aerztetag in ihren Mauern zu sehen. Die Universität hatte zwei 
Vertreter entsandt: Der Rektor, Professor der Augenheikunde Dr. 
Schmidt-Rimpler sprach im Namen der Universität, deren 
Stellung zu den Akademien für praktische Medicin er im Hinblick 
auf die vorjährigen Verhandlungen des Aerztetages betonte, Pro¬ 
fessor Dr. Harn ack begrUsste die Aerzte in seiner Eigenschaft 
als Dekan der medicinischen Fakultät. Alien Rednern dankte 
der Vorsitzende und gab seinerseits noch der Freude Ausdruck, 
zum ersten Male Delegierte ausländischer — österreichischer und 
niederländischer — Aerzteverbände begrüssen zu können; axich 
der Anwesenheit der Reiebstagsabgeordneten Dr. Becker und 
Dr, M u g d a n wurde gebührend gedacht. 

Nachdem sodann der Generalsekretär den Kassenbericht und 
den Voranschlag zur Genehmigung unterbreitet hatte, wurde der 
Antrag des Geschäftsausschusses, „die Geschäftsstelle des Deutschen 
Aerztevereinsbundes nach Leipzig zu verlegen“, genehmigt, nach¬ 
dem zur Motivierung angegeben worden war, dass eine geplante 
Erweiterung des Vereinsblattes es erforderlich mache, dass Re¬ 
dakteur und Verlag am gleichen Orte seien. 

Der Vorsitzende gab nunmehr bekannt, dass auf dem Aerzte- 
tage 294 Vereine durch 287 Delegierte vertreten seien, die ins¬ 
gesamt 20532 Stimmen repräsentierten. Dann begann die Beratung 
des Hauptgegenstandes der diesjährigen Tagung: Forderungen und 
Vorschläge der Aerzte zur Abänderung der deutschen Arbeiter¬ 
versicherungsgesetze. Referent Geh. Hofrat Prof. Dr. Pfeiffer 
(Weimar). An der Hand der s. Zt. für den Wiener Kongress 
für Arbeiterversicherung herausgegebenen Broschüre beleuchtete 
Referent die Zusammenschliessung als feste Organisation, wie sie 
für den ganzen Aerztestand durch die aufgezwungenen Kämpfe 
notwendig geworden sei. Auf dem Boden der vom Königsberger 
und Kölner Aerztetag gefassten Beschlüsse setzte er die Notwen¬ 
digkeit von Einigungskommissionen und Schiedsgerichten ausein¬ 
ander, hierbei auch der von Mugdan (Berlin) erhobenen Forderung 


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302 


MEDXCINISCHE WOCHE. 


Nr. 28. 


eines Notvertrages Rechnung tragend. Bei Besprechung der 
Stellung zu den Orts» und Betriebskrankenkassen beleuchtete er 
die Angriffe, wie sie namentlich von dem Verbände der rheinisch- 
westfälischen Betriebskrankenkassen erhoben worden waren und 
nahm Stellung zu den neuerdings erschienenen Darlegungen der 
Aerzte des Knappschaitsverbandes. Er hoffe, dass durch die 
wenig glückliche Fassung der dieser Denkschrift angefügten The¬ 
sen keine Erweiterung der bestehenden Kluft hervorgemfen werden 
möge und dass ihnen gegenüber die Zusicherung genüge, dass der 
Aerztevereinsbund nie in die Verhältnisse ohne Willen der Aerzte 
eingreife. Die Durchführung der freien Arztwahl wird nochmals 
in ihren Vorteilen auch für die Kassen dargelegt und namentlich 
auch für die privaten und staatlichen Betriebskrankenkassen ge> 
fordert. Zu l^grüasen sei, dass man endlich damit begonnen habe, 
in der im Kaiserlich Statistischen Amte in Beriin im Januar 1905 
stattgefundenen Konferenz bei Beratung der einheitlichen Formu¬ 
lare für die Krankenstatistik die Aerzte zu Worte kommen zu 
lassen und ihnen Gelegenheit gegeben habe, ihre Wünsche geltend 
zu machen. Die gemeinsamen Beratungen, bei denen auch Kassen- 
vorstände zugegen waren, die bisher dem Aerztevereinsbunde 
feindlich gegenüberstanden, seien zur Zufriedenheit aller Betei¬ 
ligten verlaufen und lassen hoffen, dass auch in Zukunft von den 
Behörden bei der Abänderung des Krankenkassengesetzes den 
Aerzten das gebührende Entgegenkommen gezeigt werde. Was 
die Vorschläge für die Abänderung betreffe, so hätte die Kranken¬ 
kassenkommission nur das Praktisch-Erreichbare berücksichtigen 
zu müssen geglaubt. Es sei nicht richtig, die Selbstverwaltung 
der Kassen als leeres Schlagwort zu betrachten, vielmehr verdienten 
die Erfolge der Selbstverwaltung auf dem Gebiete der Kranken- 
fUrsorge rückhaltlose Anerkennung. Auch dabei werden die von 
Mugdan gerügten Uebelstände in ihrer Wirkung beleuchtet. 
Als dringendste Reform ist die Zusammenlegung aller im Bezirke 
einer unteren Verwaltungsbehörde bestehenden Krankenkassen zu 
einem einheitlichen Gebilde und ferner die Erweitenmg des Ver¬ 
sicherungskreises auf Dienstboten, landwirtschaftliche Arbeiter, 
Heimarbeiter betrachtet worden. Auch der Arbeiterversioherung 
wurde gedacht. Als Zusammenfassung des fast zweistündigen Re¬ 
ferates stellt Pfeiffer folgende Leitsätze auf: 

I. Die Verschmelzung der drei Arbeiterversichungsgesetze 
ist nicht dringlich, zurzeit nicht einmal ratsam, zum Teil bis auf 
weiteres gar nicht durchführbar. 

II. Der Verschmelzung der sozialen Veraicherungsgeaetze muss 
eine Verbesserung und ein Ausbau der jetzt bestehenden Einzel¬ 
gesetze und eine Ergänzung derselben durch Errichtung einer 
Arbeitslosenfürsorge-Versicherung vorausgehen. 

UI. Am dringlichsten ist eine Reform des Krankeoversiche¬ 
rungsgesetzes, und zwar vor allem in folgenden Punkten: 

a) Territoriale Zusammenlegung der bestehenden Krankenkassen. 

b) Erweiterung der Versicherungspflicht zum Umfange der Ver¬ 
sicherung zur Invaliditätsversicherung. 

c) Personen mit einem Einkommen von mehr als 2000 M. sollen 
keinen Anspruch auf freie ärztliche Behandlung haben. 

d) Die Beiträge sind nach Prozenten des wirklichen Arbeitsver¬ 
dienstes (Individuallobnes) zu erheben. 

e) Die Bureaubeamten der Krankenkassen haben den Befähigungs¬ 
nachweis verwaltungstechnischer Ausbildung zu erbringen. 

f) Der ärztliche Dienst erfolgt auf dem Boden der organisierten 
freien Arztwahl, entsprechend den Beschlüssen des Königs¬ 
berger Aerztetages, welche lauten: 

„Der Aerztetag erklärt es für eine Pflicht allen dem Aerzte¬ 
vereinsbunde angehörenden Aerzte, darauf hinzuwirken, dass 
sich. die Aerzte den einzelnen Kassen gegenüber zu festen 
Organisationen zusammenschliessen, welche als solche mit den 
Kassen die Bedingungen für die kassenärzth'che Tätigkeit ver¬ 
einbaren. 

Bei allen Vereinbarungen ist zu erstreben: 

1. Dass jeder Arzt, welcher die Satzungen der ärztlichen 
Organisation und die Vereinbarungen derselben mit den Kassen 
anerkennt,^in die Organisation aufgenommen werden muss; 

2. Dass die Kassenmitglieder die freie Wahl unter den 
Aerzten der Organisation haben; 


3. Dass die Pflichten der Aerzte den Kassen und Eassen- 
mitgliedem gegenüber sowie die Gegenleistungen der Kassen 
ausschliesslich durch die ärztliche Organisation mit den Kassen 
vereinbart werden; 

4. Dass die Organisation als solche die Verantwortung für 
die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen seitmis der 
einzelnen Aerzte übernimmt, nnd deshalb allein befugt ist, die 
einzelnen Aerzte wegen Verletzung ihrer kassenärztlichen 
Pflichten zur Verantwortung zu ziehen; 

5. Dass die Kassen und die ärztliohe Organisation bei allen 
Verhandlungen und Meinungsverschiedenheiten als gleichbe¬ 
rechtigte Parteien erscheinen.*^ 

g) Zur Vereinbarung der Vertragsbedingungen treten die Vor¬ 
stände der Krankenkassen zusammen mit Vertragskommissionen, 
wel<flie von der Aerzteorganlsation gewählt werden. 

Kommt eine Vereinbarung über den abzuschliessenden Ver¬ 
trag nicht zustande, so soll eine kollegial-zusammengesetzte 
Behörde, nach noohmaliger Verhandlung zwischen den Parteien, 
einen Vertrag höchstens für die Dauer des laufenden Geschäfts¬ 
jahres za verkünden das Recht haben, welcher Vertrag jedoch 
ohne weiteres erlischt, sobald eine Einigung der Parteien zu¬ 
stande kommt. Auf Verlangen einer der Parteien müssen 
solche Einigungsverhandlungen jederzeit wieder angeknüpft 
werden. 

Durch Gesetz müssen paritätisch-zusammengesetzte Eüugunga- 
kommiasionen vorgesehen werden, denen die Beilegung von 
Streitigkeiten, welche aas diesen Verh-ägen entstehen, obliegt. 

Gelingt eine solche Beilegung nidit, so entscheidet endgültig 
ein Schiedsgericht mit unparteiischem Vorsitzenden. 

h) „Den Honorarbestimmungen seitens dieser Kommissionen“ (cf. 
vorstehend sub g) „ist die staatliche Taxe zugrunde zu legen“ 
(Wortlaut des Beschlusses des Königsberger Aerztetages), 
eventuell unter Festsetzung einer Höchstgrenze für die Gesamt¬ 
summe des von der Krankenkasse zu zahlenden Honorars. 

i) In die Kassenvorstände ist ein ärztlicher Beisitzer mit beraten¬ 
der Stimme aufzunehmen. 

IV. Für die Begutachtung in Invaliditäts- und Unfallsachen 
sind folgende Gesichtspunkte mallgebend: 

a) Zur Begutachtung sind alle Aerzte grundsätzlich berechtigt, 
welche sich auf die vereinbarten Bedingungen verpflichten. 
Andererseits ist gegen die Anstellung von Vertrauensärzten 
seitens der Versicherungsorgane eine ESinwendnng nicht zu er¬ 
heben, 

b) Die Vereinbarung der Verpflichtungen geschieht durch die 
Vertragskommissionen. 

c) Als letzte Instanz bei Differenzen in der Begutaditung ent¬ 
scheidet eine Gutachterkommission, die von der Aerzteschaft 
gewählt wird. 

V. Die in obigen Thesen gegebenen Grundzüge für die Mit¬ 
arbeit der Aerzte an der Abänderung der drei grossen Versicher- 
ungsgesetze verlangen eine stärkere Beiteiligung der Aerzte ui 
der sozialen Gesetzgebung, besonders nach der Richtung hin, dass 
in Zukunft eine auf Erfahrung gestützte ärztliche Kritik recht¬ 
zeitig an den vielen neuen Fürsorgebestrebungen zur Geltung 
kommen kann.“ 

Unmittelbar im Anschluss an das Referat vertrat Schön- 
heimer (Berlin) folgende Anträge der Berliner ärztlichen Standes- 
vereine: 

1. „Als Maßstab der Versicherungspflicht ist das gesamte 
steuerpflichtige Einkommen anzusehen.** 

2. „Auch bei der Behandlung Unfallverletzter ist die freie 
Arztwahl im Sinne von No. IV. einzuführen.“ 

3. „Die Regelung der ärztlichen Stellung bei den Kranken¬ 
kassen ist ein vitales Interesse der Deutschen Aerzteschaft 
Sie darf nicht länger im Hinblick auf die Zusammenlegung der 
Arbeiterversicherungsgesetze vertagt werden.“ 

Die Diskussion, die ausserordentlich lebhaft und umfang¬ 
reich war, ergab, dass es bisher nicht gelangen ist, die Gegen¬ 
sätze , die bei einer so umfangreichen Materie naturgemäß vor¬ 
handen sein müssen, auf einer mittleren Linie zu vereinigen. 
Zahlreich eingegangene Anträge beweisen dies aufs Klarste. Eis 


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im. 


MKIi TfiINTSi,j H tc wOfi H 


303 


wird daher beschlosden, den Aerztetag auf bestimmte Forderungen 
noch nicht festzalegen, vielmehr alle eingegangenen Anträge 
nebst den Thesen des Referenten der Krankenkassenkommission 
zu weiterer Beratung zu überweisen. Diese Stellungnahme wird 
in folgender Resolution angenommen: 

„Der 34. Deutsche Aerztetag beharrt auf den in Königs¬ 
berg, Köln und Rostock in der Krankenkassenfrage gefassten 
Beschlüssen und erklärt sich nach Kenntnisnahme des von Herrn 
Geh. Rat Pfeiffer erstatteten Referates mit den aufgestellten 
Leitsätzen insoweit einverstanden, als er in ihnen eine geeignete 
Grundlage für ein weiteres Vorgehen erblickt, ohne darum im 
einzelnen der Beschlussfassung spätererer Aerztetage vorzu¬ 
greifen.“ 

Angeommen wurde ferner noch No. 3 der Berliner Anträge 
sowie eine Resolution Bergest (München) betreffend die Zuziehung 
sachverständiger Aerzte bei den Vorarbeiten für die Abänderung 
der Arbeiterversicherungsgesetze. Damit fanden die Beratungen des 
ersten Tages ihren Abschluss. 

Die während der Sitzungen vorgenommenen Wahlen zum Ge- 
schäftsausschuss ergaben als gewählt folgende Herren: Pfeiffer 
(Weimar), Hartmann (Leipzig), Löbker (Bochum), Dippe 
(Leipzig), Herzau (Halle), Lent (Köln), Winkelmann (Barmen), 
Königshöfer (Stuttgart), Wen t sch er (Thom),Ka8tl (München), 
Mugdan (Berlin), Mayer (Fürth). Von diesen wurden gemäß 
der Satzungen folgende 9 Herren kooptiert: Krafft (Strassburg), 
Brunk (Bromberg), Deahna (Stuttgart), Munter (Berlin), 
Lindmann (Mannheim), Scherer (Ludwigshafen), Scheel 
(Rostock), Hartmann (Hanau), Partsch (Breslau). 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. * 22 . 

- .t. ■ . i. 

1 . Dieudoune, München: Aktive Immunisienmg gegen 
Infektionskrankheiten. 

Nadi den seitherigen Erfahrungen eignet sich zur Cholera* 
impfung am besten der ans Agarkulturen hergestellte Impfstoff 
nach Pfeiffer-Kolle, da er leicht herzustellen, mit 0,5% 
Phenol versetzt, lange haltbar ist und weil nur eine einmalige 
Schutzimpfung notwendig ist. Wie die Massenimpfungen in Indien 
uud in Japan zeigten, hat die Cboleraschutzünpfung sicher einen 
gewissen Wert. Das Impfverfahren ist aber nicht etwa ein Er¬ 
satzmittel für die sonstigen prophylaktischen Maßnahmen, sondern 
stellt in erster Linie ein Schutzmittel dar für Aerzte, Kranken¬ 
wärter uud sonstige beim Ausbruch von Epidemien gefährdete 
Personen, ferner kann es in einem Krieg, wo die prophylaktischen 
Maßnahmen nicht so leicht durchzuführen sind, von grosser Be¬ 
deutung werden. Als zweckmässigste Methode wurde bei Typbus 
die Verwendung des Impfstoffes P feiffer-Kolle festgestellt und 
damit die Impfung bei den deutschen nach Südwestafrilm gehenden 
Trappen seit Januar 1905 durchgeführk Die Impfung war fakul¬ 
tativ und zwar mit Recht, da immerhin der Eingriff bei manchen 
Menschen starke Reaktionserscheinongen mit sich bringt und der 
Schutz kein absoluter ist. Sehr günstige Resultate erhielten 
Kolle und Otto bei Pest im Tierversuch bei Verwendung von 
abgeschwächten lebenden Kulturen. Die Abscbwächung erfolgt 
durch mehnnonatliche Züchtung der Pestbazülen bei 41—43® C. 
in Nährbouillon, der 0,6—1% Alkohol zngesetzt ist. Versuche 
am Menschen wurden von Kolle und Strong in Manila durch- 
gefuhrt; bis jetzt wurden 42 Personen mit einer ganzen Agar¬ 
kultur geimpR; wobei nur eine mäßige lokale und allgemeine 
Reaktion eintrat: das Blutserum der Geimpften zeigte agglutinierende 
und bakteriolytische Wirkung; die durch diese Pestvakzine erzielte 
Immunität ist nach dem Ausfall der Tierversuche sehr beträcht¬ 
lich. 

2. Fornet, Unter-Elsass: Ein Beitrag zur Züchtung von 
Typhusbazillen aus dem Blut 

Es konnte auch hier die Galle wegen ihrer blutauflösenden 
Eigenschaft mit Vorteil verwendet werden zur Züchtung von 
Typhnserregem aus dem Blutkuchen. 


3. Loelo, Leipzig: Heber die Anwendung von Formalin 
bei dem Uhlenhuth'sehen Verfahren. 

Das biologische Verfahren zur Unterscheidung von Eiweiss- 
Stoffen und Blut mit Hilfe der Präzipitine ist dnrch die Unter¬ 
suchungen von Uhlenhuth, Wassermann, Schütze u. a, in 
den letzten Jahren ausserordentlich vervollkommnet worden. Dem¬ 
jenigen, der auf diesem Gebiete arbeitet, stellen sich zwei Schwierig¬ 
keiten in den Weg. Die eine ist in der Notwendigkeit begründet, 
absolut keimfreies Material zur Injektion der Versuchstiere zu 
verwenden, was bei den jetzigen Methoden immer mit einigen 
Umständen verbunden ist, die zweite Schwierigkeit ergibt sich 
aus dem schnellen Verderben der Blut- und Fleichauszüge, die 
bei den bisherigen Verfahren mit physiologischer Kochsalzlösung 
bergestelit werden. L. hat versucht, die beiden Schwierigkeiten 
durch Anwendung von Formalin zu beseitigen. 

4. Köster, Leipzig: Zur Kasuistik der Polyzythämie, zu¬ 
gleich ein Beitrag zur Aetiologie der Migräne ophthalmique. 

Zunächst die Krankengeschichte. 

5. Martin, Frankfurt a. M.: Ein Pall von Kaiserschnitt 
bei Adhäsionsileus. 

Die auf Adhäsionsileus und Peritonitis gestellte Diagnose 
wurde durch die Operation (Professor Rehu) bestätigt. 

6 . Bier, Bonn: Zur Qesohichte der Bftokenmarksanästhesie. 

B. nimmt die Erhndnng und Einführung der Rückenmarks¬ 
anästhesie in vollem Umfange für sich in Anspruch, räumt aller¬ 
dings Quincke das weit grössere Verdienst ein. „Nicht nur 
bin ich durch seine Lumbalpunktion auf die Idee des Verfahrens 
gekommen, sondern dies ist überhaupt erst dorrh die Lumbal¬ 
punktion möglich geworden. Das blinde Einspritzen von Kokain 
mit einer mit langer feiner Kanäle versehenen Pravazspritze, wie 
es Corning in seinen >^enigen Versuchen übte, konnte nicht 
zum Ziele führen, selbst wenn man nach Comings Vorschriften 
die Entfernung von der Hautoberfläche bis zum Rückenmark 
durch 'Messungen zu bestimmen sucht. Wir wissen jetzt durch 
unsere sehr reiche Erfahrung, dass nur das Austropfen von Liquor 
cerebrospinalis beweist, dass man sich im Lnmbaisack befindet, 
und dass es ein grober technischer Fehler ist, ohne diese Erschein¬ 
ung überhaupt einzuspritzeu.“ 

7. Fink, Karlsbad: Liegehallen für Qallensteinkranke. 

Galleasteinkranke, die nach schwachen, insbesondere aber 

nach starken Ättaken kürzere oder längere Zeit an das Bett und 
Zimmer gebunden sind; deren Nahrungsaufnahme herabgesetzt ist, 
die sich matt und schwach fühlen, deren Psyche sehr gedrückt 
ist, bedürfen nach dem Kurgebranch am Morgen, nach der Appli¬ 
kation des Moorumschlages, sei es in der Wohnung, sei es in 
den gesperrten Räumen für Moorumschläge, in den schönen 
Sommemachmittagen der Ruhe und Sonne, der erfrischenden und 
belebenden Luft des Waldes. Es sollten daher mehrere solche 
Liegehallen an verschiedenen, der Stadt nahe gelegenen, leicht 
erreichbaren Punkten, mitten im Walde, an sonnigen, vom Ver¬ 
kehr abseits gelegenen Plätzen errichtet werden. 

8 . Gebele, München: Jahresbericht des Ambulatoriums der 
ohirurgisohen Klinik München. 

9. Arneth: Einige weitere Bemerkungen zur Edntgeube- 
Strahlung der Leukämie im Anschlüsse an die Arbeit von C. 
Klieneberger und H. Zoepprik in Nr. 18 und 19 dieser 
Wochenschrift. 

! 

10. Rosenstern, München: Untersuchungen über den 
Stoffwechsel bei Leukämie während der Bön^enbehandlung. 

Die Wirkung der Röntgenstrahlen kann auch bisweilen das 
gewünschte Maß überschreiteo. Es erscheint deswegen bei der 
Anwendung der X-Strahlen, besonders bei der wiederholten, in 
der Behandlung der Leukämie dringende Vorsicht geboten: Neben 
einer ständigen Kontrolle der Leukocythenzahlen wird man vor 
allem die Erythroz 3 rtenwerte und den Hämoglobingehalt verfolgen 
müssen und in ihrem Verhalten, sowie dem Allgemeinbefinden des 
Kranken, das sicherste Mittel zur Entscheidung der Frage sehen, 
wann man die Bestrahlong aassetzen soll. Auch die Harnsäure- 
zahlen scheinen für diese Frage von Bedeutung zu sein: Wenn 
sie trotz der allmählich zur Norm abfallenden Ijeukocyten keine 


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304 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 28. 


Tendenz zum Sinken zeigen, so wird man dies Zeichen eines all¬ 
zu reichlichen Zerfalls als eine Mahnnng zur Vorsicht anffassen 
müssen. 

11. V. Ranke, München: Die Entwicklung der k. ünivoT- 
sitäts-Kinderklinik und des Er. ▼. Hanner’sohen Kindenpitals 
in Httnoken in der Periode vom 24. November 1887 bis Früh- 
jakr 1906. 

12. Vnlpins, Heidelberg: Von der Aerstefahrt zom Lissa* 
boner Kongress. 

13. Ostwalt, Paris; Büokbliok auf den XIII. Intematio« 
nalen medicinisoben Kongress. 

14. Stölzel, München: SohiffsärztUche Verträge mit 
Bbedereien. 

Nr. 23. 

1. Hahn, München: TTeber Cholera» nnd Tjphnsendotozine. 

E.S soll durch eine solche Betrachtungsweise durchaus nicht 
etwa die Existenzmöglichkeit eines spezifischen löslichen Cholera¬ 
giftes negiert werden. Und ebenso wenig soll die Mitwirkung 
von Stoffwechselprodukten überhaupt, so auch der Nitrite, für 
den Choleraprozess vollkommen geleugnet werden. Es sollte nur 
gezeigt werden, dass trotzdem das Experiment die toxische Wirkung 
der Bakterieninhaltssubstanz als eine nicht spezifische kennzeichnet, 
damit doch ihre Bedeutung für den Krankheitsprozess durchaus 
nicht von der Hand zu weisen ist, sondern dass im Gegenteil es 
recht wahrscheinlich ist, dass ihnen eine wesentliche Rolle zu¬ 
kommt. 

2. Wolff-Eisner, Berlin: Eie Biersche Staanngshyper» 
ämie vom Standpunkt der Endotozinlehre. 

Wie Lexer auseinandersetzt, werden schwere Fälle durch 
die Biersche Stauungshyperämie ungünstig beeinflusst, dadurch, 
dass zwar eine Bakteriolyse eintritt, dass diese aber nicht zur 
Vernichtung der Bakterien führt, sondern dass neben der ßakterien- 
auflösung eine Bakterienvermehrung einhergeht. Es sind die 
bakteriolytischen Fähigkeiten des Normalserums nur begrenzte 
und können durch Anstauung des Serums auch nur begrenzt ver¬ 
mehrt werden. Man kann aber in Fällen, in denen durch bakte¬ 
riologische Untersuchungen die Bakterien festgestellt worden sind, 
welche die betr. Erkrankung veranlassen, durch Injektionen des 
betr. bakteriolytischen Immunserums die bakteriolytischen Kräfte 
des infizierten Organismus ausserordentlich erhöhen. So kann man 
die Stauungsbehandlung voraussichtlich zu einer Methode gestalten, 
die auch bei schweren Fällen zu günstigeren Resultaten führt, da 
ja auf diese Weise das Moment in Wegfall gebracht wird, das 
die ungünstigen Resultate verursacht. „Der Bakteriologie, der 
Iromumtätslehre and Serumforschung wird also in der Biersohen 
Stauung ein neues Gebiet erschlossen: Schon immer habe ich die 
Anschauung vertreten, dass der Endotoxinlebre eine ausserordent¬ 
liche klinische Bedeutung zukomme; es mehren sich jetzt täglich 
die Anzeichen, dass die Kliniker die Bedeutung dieser von R. 
Pfeiffer geschaffenen Lehre einzusehen beginnen.“ 

3. Theilhaber: Ein Vezfahren zur Verminderong der In» 
fektionsmögUchkeit bei Operationen in der Banohhöhle. Vor¬ 
läufige Mitteilung. 

Bakterien, die in die Peritonealhöhle während der Operation 
deponiert wurden, werden am leichtesten bei der Ligierung des 
Stiels in denselben hineingebracht, oder der Faden, oder die Hände 
des Operateurs selbst bringen Bakterien in die Stichwunde, also 
ist nochmalige gründliche Desinfektion der Hände und ein neues 
Instrumentarium vor der Stielunterbindung nötig. 

4. Schilling, Nürnberg: Ueber Blutdruckmessungen. 

Bei der Benutzung der 12 cm Riva-Roccischen Binde fand 
Sch., richtige Versuohsanordnung vorausgesetzt, den Blutdruck des 
normalen erwachsenen Mannes in den engen Grenzen von 110 bis 
125 mm schwanken; das Mittel von 100 Fällen ergab den Druck 
von 118,1 mm. 

5. Rührig, Reinhard, Wildungen; Zur Behandlung der 
Prostatahypertrophie. 

Nach R.3 Erfahrung gibt es mit Bottinioperation durchweg 
negative Erfolge nur bei Prostatahypertrophie gei-ingen Grades, 


also bei Fällen, die für keine Prostataoperation geeignet sind. 
Erfolge aber, die darin bestehen, dass die qualvollen Beschwerden 
der Patienten, als da sind: Harnverhaltung, Tenesmns, erschwerter 
Katheteriamus etc. völlig und dauernd schwinden, erzielt un¬ 
zweifelhaft die Bottmische Operation bei vorgeschrittenen Stadien 
der Prostatahypertrophie. Alle Operationen führte R. mit dem 
Original-Bottibrenner aus. 

6. Lev Inger, München: Sehwaagenchaft und Kehlkopf¬ 
tuberkulose. 

Feste Regeln, nach denen sich der Arzt mit seiner Ent¬ 
scheidung im Einzelfall zn richten hätte, werden sich niemals geben 
lassen. 

7. König, Altona a. d. E.: Bleibende Efiokenmarkslähmung 
nach Lumbal-Anästhesie. 

K. betont die Vorsicht, nie bei der entferntesten Möglichkeit 
eine" Rückenmarksläsion Lumbalanästhesie anzuwenden. Vor 
allen Dingen müssen wir aber den von Dönitz schon ans etwa 
anderer Motivierung aufgestellten Grundsatz zur obersten Regel 
machen, nur daun das Anästheticum zu injizieren, wenn klarer 
Liquor sprudelnd hervorkommt Ohne das soll man lieber ver¬ 
zichten. 

8 . Roeder, Berlin; Zwei Fälle von linksseitiger Abduzens¬ 
lähmung nach Süokenmarksanästhesie. 

Wahrscheinlich handelt es sich um eine toxische Wirkung des 
Stovaios. Die Augenlähmungeu gingen bald wieder vorüber. 

10. Heller, Salzburg; Ueber eine unaufgeklärte fieberhafte 
Erkrankung mit den höchsten bisher gemessenen Temperaturen. 

In der ganzen Literatur fand H. ausser einer Messung von 
Wunderlich, der einmal ante mortem 44^ C ma£, keinen Fall 
mit derartig hohen Temperaturen. Das besonders Merkwürdige an 
diesem unaufgeklärten Falle bestand in dem absoluten Fehlen aller 
Erscheinungen, die sonst Hoebfiebernde zeigen. Das Sensorium 
war stets frei, die Zunge nie belegt und stets fencht, die Hers¬ 
tätigkeit verhältnismäßig ruhig und doch war die Temperatur 6 
Tage lang in einer Höhe zwischen 44 und 45". 

11. Frank, Flensburg: Ueber deu Abriss der Streokenapo- 
neurose der Finger. Bemerkungen zu dem Aufsätze des Herrn 
Dr. Selberg. ^Münch. med. Wochenschr. Nr. 14.) 

Eine langsame Entstehung der Flexionsstellung des Endgliedes 
nach einer Fissur des Knochens, die durch den starken Gegenzag 
langsam aaseinandergezerrt wurde. 

12. Köster, Leipzig; Zur B^uistik der Polyzythämie, zu¬ 
gleich ein Beitrag zur Aetiologie der Migraine ophthalmiqne. 

Der Befund Kikuchis war für K. die Anregung, durch syste¬ 
matische Blutuntersucbungen bei Bronchietaktikem festzustellen, ob 
hier ein zufälliges Zusammentreffen Vorgelegen hat, oder ob tat¬ 
sächlich mit Kikuchis Beobachtang eine neue Aetiologie der 
Polyzythämie gefunden worden ist. Bisher geht aus den ver¬ 
schiedenen Befunden nur soviel hervor, dass die Aetiologie des 
polyzythämischen Symptombildes nicht einheitlich sein kann, und 
dass die Befunde selbst uns über das Wesen der eigenartigen 
Bliitverändenmg bis heute nicht aufklären. Das einzige sicher 
Feststehende ist bis jetzt nur die Erkrankung blutbildender Organe. 
Worauf diese aber beruht, ob sie primär oder sekundär ist, wissen 
wir nicht. 

13. Vulpius, Heidelberg: Von der Aerztefahrt zum Lissa- 
boner Kongress. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 23. 

1. Pineies, Wien: Tetaniestar — Zuckerstar — Altersstar. 

Der Tetaniestar verdankt seine Entstehung dem snpponierten 
Tetaniegifte, das infolge Ausfalles einer Blntdriise — des Epithel¬ 
körperchens — seine schädliche Wirkung im Organismus entfaltet. 
Enge schliesst sich ihm die zweite Form eines konstitutionellen Stars 
an — der Star bei Diabetes, welche Krankheit ebenfalls innigen 
Zusammenhang mit BlutclrUsen (Pankre^, Schilddrüse, Nebenniere) 
zeigt. Das Alter hat auch mancherlei Beziehung zu Blutdrüsen 
und tendiert in hohem Grade zur Starbildung. Es erscheint des¬ 
halb vom lieuristischen Standpunkte gerechtfertigt, bei Untersuch¬ 
ungen über den Altersstar auch diese Beziehungen zu den Blut¬ 
drüsen zu berücksichtigen. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


305 


2. Reioher, Wien: Zur Kenntnis der Salomon’schen Kar- 
zinomprobe. 

R. kann nach Untersuchungen unter Ad. Schmidt bei 23 
FäUen, welche im wesentlichen den Zweck hatten, die chemischen 
Grundlagen der Salomen'sehen Probe klarzustellen, den Schluss¬ 
folgerungen Salomo ns hinsichtlich der diagnostischen Verwert¬ 
barkeit der Probe im grossen und ganzen sich anschliessen, möchte 
aber auf einige Fehlerquellen aufmerksam machen. Die Patienten 
dürfen in der Zeit zwischen den zwei Spülungen nicht nur nichts 
essen, sondern auch keinen Speichel schlucken. Beim Spülen ist 
mit Hilfe einer vorgehaltenen Schale darauf zu achten, dass der 
durch das Sondieren übermäßig gebildete Schleim nicht in das 
Spülwasser gelangt. Eine Spülflüssigkeit mit sichtbarem Schleim¬ 
gehalt, von welcher Quelle immer, mit wahrnehmbaren Speiseresten 
oder mit deutlich gelbem Farbenton (Gallenmuzin) ist für die 
Salomon’sche Probe absolut ungeeignet. Die Salomonische 
Probe ist bei Befolgung der angeführten Vorsichtsmaßregeln und 
im Zusammenhang mit anderen Rrankheitssymptomen ein wert¬ 
volles diagnostisches Hilfsmittel bei „exulzerierten^* Magenkarzinom, 
sei dasselbe nun in vorher gesunder Magenschleimhaut oder auf 
dem Boden eines Ulcus ventriculi entstanden. Die Probe fällt da¬ 
gegen negativ aus bei „nichtexulzeriertem^ Magenkarzinom — ist 
daher für die Frühdiagnose desselben nicht geeignet — und eben¬ 
so bei der diffus infiltrierten, szirrhösen Foim des Magenkrebses. 
Chronisches Ulcus ventriculi gibt leichte oder deutliche Trübung 
ohne Niederschlag, niemals flockige Niederschläge mit Esbach- 
Bchem Reagens. Bei akutem oder chronischem Magenkatarrh kann 
gelegentlich eine Trübung mit Esbach’schem Reagens auftreten, 
die dann von Schleim oder Nukleproteidon herrührt. Bleibt ein 
Niederschlag aus, so ist ein ulzerativer Prozess im Magen durch¬ 
aus unwahrscheinlich (Salomon), bei positivem Ausfall der Probe 
muss aber ein solcher nicht unbedingt vorhanden sein. 

3. Feldmann, Budapest: Beiträge zu den durch Bac. fusi- 
formis und Spirillnm dentium hervorgemfenen Infektionen mit 
besonderer Berücksichtigung der Eiterungen. 

Es ist sicher, daas die Spirillen und fusiforme Bazillen auch 
in die Blutbahu eindringen können. Der Bazillus iusiformis und 
das Spirillum dentium kommt nicht nur bei eigenartigen Gangränen, 
sondern auch bei den sich an diese anschliessenden Eiterungen und 
Abszessen häufig in riesigen Mengen vor. 

4. Exner, Wien: Zur Behandlung der flachen Teleangie¬ 
ktasien mit Badinm. 

Die Resultate der Behandlung waren in allen diesen Fällen 
zufriedenstellend. Der Zustand liess sich soweit bessern, dass 
früher scharlachrote Feuermäler nach der Bestrahlung bei hellem 
Tageslicht nicht mehr auffielen und bei leichter Puderung nicht 
zu sehen waren, das heisst nach Abschluss der Behandlung ist die 
bestrahlte Haut stellenweise leicht atrophisch, jedoch ohne Narben, 
stellenweise sieht man noch übrig gebliebene GeiUssverzweigungen 
wegen ungenügender Bestrahlung. 

5. V. Eisler, Wien: Zur Kenntnis eiweissartiger nnd U- 
poider Antihämolysine im Semm. 

6 . Delavilla, Wien: Klinische Erfahrungen über Laote. 

Lacto ist ein teigartiges Produkt von hellbrauner Farbe, welches 

leicht nach geröstetem Brot riecht und, in Wasser gelöst, etwa 
den Geschmack einer Fleischbrühe besitzt. Es ist leicht löslich 
in warmem Wasser und vollkommen keimfrei, weshalb es unbe¬ 
grenzt haltbar ist. Es wird nur aus Milch hergestellt u. zw. aus 
dem Kasein und dem Serum entfetteter Milch. In den 20 Fällen 
bei denen D. Gelegenheit hatte, Lacto zu verabreichen, wurde es 
entweder in Lösung, in warmem Wasser oder in Fleischbrühe auf¬ 
gelöst, verabreicht oder vermischt mit grünem Gemüse etc.: die 
tägliche Dosis betrug etwa zwei bis drei Kaffeelöffel des Prä¬ 
parates, was etwa an Menge 7—15 g entspricht. Es wurde in¬ 
folge seines angenehmen Geschmackes stets gern genommen und 
erzeugte keine Obstipation und keine Verdauungsbeschwerden. Be¬ 
sonders zu bemerken ist die appetitanregende Wirkung des Lacto, 
die von den Patienten in allen Fällen rühmend hervorgehoben wird. 
Die praktischen Resultate der Anwendung des Lacto waren im 
ganzen sehr günstig, und zwar was die Wirkung des Lacto auf 
den Ernährungszustand der Patienten anbelangt, ln Bezug auf die 
objektiven Symptome bei primärer und sekundärer Anämie, bei 


Herzleiden und Nephritis; auch bei Verwendung des Lacto in 
Form von Näbrklysmen gab es keinerlei lokale Reizerschoinungen. 

7. Meller, Wien: üeber Bekto-Bomanoskopie. Antwort 
auf die Bemerkongen des Herrn Br. Arthur Eoges za dem 
gleichlautenden Vortrage. 

M. muss bei seiner Ansicht bestehen bleiben, dass die Patien¬ 
ten bei auch noch so vorsichtig vorgenommener Insufflation häufig 
über mehr oder weniger heftige, nicht genau lokalisierbare Bauch¬ 
schmerzen klagen. 

No. 24. 

1. Wiesel, Wien: TTeber Erkrankung der Koronararterien 
im Verlaufe akuter Infektionskrankheiten. 

Die Erkrankung der Arterien im Verlaufe akuter Infektionen 
stellt einen wichtigen Faktor in der Pathologie dieser Krankheiten 
dar. Wichtig wegen ihrer ungeheueren Häufigkeit und der Dignität 
der befallenen Gewebe, aber wohl ebenso wichtig wegen der bleiben¬ 
den Veränderungen, die aus ihnen hervorgehen können. Die Ge¬ 
fäßerkrankung im Verlaufe akuter Infektionen ist sicher eine Haupt- 
ursaohe der praktisch so hervorragend wichtigen Prozesse, die unter 
dem Namen der Arteriosklerose zosammeiigefaast werden. Von 
diesem Gesichtspunkte aus hält W. die akuten Infektionskrank¬ 
heiten für eine wichtige Ursache später Koronarsklerosen. Aber 
diese Form wäre als ursprüngliche Mesarteriitis ebenfalls von der 
primären Endarteriitis — falls es eine solche überhaupt gibt — 
wenigstens anatomisch scharf zu sondern. 

2. Wiesner, Wien: üeber Veränderungen der Koronarge- 
fttsse bei Infektionskrankheiten. 

W. sah bei den verschiedensten akuten oder chronischen infek¬ 
tiösen Erkrankungen (ebenso bei Eklampsie) in den Koronargefössen 
Veränderungen sich ausbilden, die eine bald grössere, bald geringere 
Aehnlichkeit mit den von Wiesel bei Scharlach und Diphtherie 
geschilderten Gefässerkrankungen besitzen. 

3. Scherber, Wien: Durch Syphilisimpfnng erzeugte Kera¬ 
titis parenchymatosa beim Kaninchen. 

Um die Befunde von Siegel und Schulze nachzuprüfen, 
unternahm es Sch. Ende des vorigen Jahres, Kaninchen durch Ein¬ 
bringung syphilitischer Produkte in die vordere Augenkammer 
zu infizieren. Es entwickelte sich ungefähr um die sechste Woche 
nach der Impfung, meist ohne besondere entzündliche Reaktion der 
Iris, eine Keratitis, die in den zentralen Partien der Kornea mit 
rauchiger Trübung und Rauhigkeit der bis dahin anscheinend ge¬ 
sunden Kornea begann. 

4. Lothernsen, Wien: üeber prophylaktische Ii^ektionen 
von Testanusantitoxin. 

Behring hat seinerzeit erklärt, dass zur Verhütung des Tetanus 
die prophylaktische Injektion von 20 A. — E. ausreiche. Dieses 
Maß kann aber nur dann genügen, wenn die Einspritzung sofort 
nach der Verletzung gemacht wird. Dazu hat man aber nicht 
immer die Gelegenheit, oft gewinnt auch eine Wunde erst nach 
einiger Zeit (Stunden, ja Tage) ein Aussehen, dass sie einer Tetanvis- 
infektion verdächtig wird. Die zur Heilung nötigen Mengen wachsen 
aber in geometrischer Progression; die Möglichkeit, durch erhöhte 
Mengen überhaupt noch zu heilen, ist nur dadurch zu erklären, 
dass infolge Massenwirkung die Antitoxinavidität erhöht wird. End¬ 
lich kommt aber eine Grenze, bei der das Antitoxin unwirksam 
bleibt. Da man nun niemals die Menge des bei der Verletzung 
eingeführten, resp. dadurch sich bildenden Giftes kennt, man also 
den absolut richtigen Zeitpunkt für die prophylaktische Injektion 
nicht bestimmen kann, zieht L. es vor, in allen Fällen 100 A. E. 
zu injizieren. Da das Serum allmählich wieder ausgeschieden wird, 
nimmt auch der Gehalt des Blutes an Antitoxin langsam wieder 
ab. Kommt es zu Eiterung oder gar zu hohem Fieber, so ver¬ 
mindert sich die Schutzzeit (bestenfalls 2^/2 bis 3 Wochen) noch 
bedeutend. Hier muss man also bald die Injektion wiederholen. 
Bei bestehender Eiterung, besonders bei Fieber, gibt L. nach einer 
Woche nochmals eine Injektion von 100 A. — E. Das Tetanusserum 
zeigt zwar ähnliche Störungen wie das Diphtherieserum, doch sind 
sie wesentlich geringer, da ja beim letzteren Gelenkscbwellungen 
und Albuminurie nicht gar so selten sind. Auf alle Fälle sind die 


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306 


MEDIGLNISCIIE WOCHE. 


Kr. 28. 


Störungen nicht ao gross, dass deshalb eine prophylaktische In¬ 
jektion unterlassen dürfte, wo halbwegs die Indikation dafür ge¬ 
geben ist. 

5. Friedjung, Wien: Das chronische .^diepathisohe“ Oe- 
nitalödem junger Säuglinge. 

In der Literatur konnte P. nur eine Stelle finden, an der des 
klinischen Bildes von Zappert Erwähnung getan wird. Alle 
diese (iründe bestimmten P,, einen Fall dieser Art in der Gesell¬ 
schaft für innere Medicin und Kinderheilkunde zu demonstrieren^ 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 23. 

1. Milchner, Wolff. Berlin: Bemerkungen zur Frage der 
Leukotoxinbildung durch Böntgenstrahlen. 

Nach den Beobachtungen von Linser und Helber sollen 
die Röntgenstrahlen eine elektive Zerstörung der Leukocyten im 
kreisenden Blute bewirken und aus diesen zerfallenden Leukocyten 
soll sich ein spezifisches Leukotoxin bilden. Äehnliche Beobach¬ 
tangen haben Cursohmann und Gaupp bekannt gegeben. Von 
diesen Angaben abweichende Resultate haben Keienberger und 
Zöppritz erhalten. Um über diesen Widerspruch Klarheit zu 
schaffen haben die Verff. ähnliche Untersuchungen unternommen. 
Diese ergaben, dass allerdings die Leukocyten des kreisendes Blutes 
durch Röntgenstrahlen elektiv zerstört werden. Ob es aber zur 
Bildung eines Leukotoxins kommt, Hess sich bisher mit Sicherheit 
nicht erweisen. 

2. Holländer, Berlin: Zur Behandluag der Schleimhaut- 
tuberkulöse. 

Die 10jährigen Beobachtungen des Verf. haben ergeben, dass 
die aszendierende Tuberkulose der Schleimhaut des Mundes und 
der Nase viel häufiger vorkommt, sowohl in Verbindnng mit Lupus 
als auch ohne diesen, wie man bisher dachte. Im Gegensatz zu 
der deszendierenden Form, bei welcher der Zustand der erkrank¬ 
ten Lunge das Krankheitsbild beherrscht, ist die Lebensprognose 
auch bei der vollentwickelten Form nicht ungünstig. Die aszen¬ 
dierende Form zeigt nach der Entfernung des primären Her¬ 
des entschiedene Neigung zur Ausheilung. Auch etwa entstandene 
Lungenkomplikationen zeigen beningen Verlauf. Zur Heilung em¬ 
pfiehlt Verf. die von ihm inaugurierte kontaktlose Kauterisation. 

3. Meyer, Berlin. Zur nasalen Behandlung der Epiphora. 

Die Epiphora kann zwei Ursachen haben, welche mit der Nase 

in Zusammenhang stehen. Elntweder ein von der Nasenschleimhaut 
ausgehender reflektorischer Reiz oder ein mechanisches Hindernis, 
welches den normalen Abfluss der Tränen erschwert oder unmög¬ 
lich macht. Verf. hat nun die Beobachtung gemacht, dass eine 
besondere Form der unteren Nasenmuschel auch an der Epiphora 
Schuld sein kann. Diese anormale Form besteht darin, dass die 
Muschel nicht nach innen konvex sondern konkav gekrümmt der 
parietalen Nasenhöhlenwand dicht anliegt. Die geringste Schwel¬ 
lung der Schleimhaut verschliesst dann die Oeffnung des Tränen¬ 
kanals. Verf. hält nun die hier und da vorgenommene Resektion 
der unteren Muschel nicht für angezeigt, dagegen hat sich ihm 
die Abknickung an der Ansatzstelle sehr gut bewährt. Die Muschel 
wird mit einer Heymannschen Zange dicht an der Ansatzstelle ge¬ 
fasst und nach dem Lumen der Nasenhöhle zu abgeknickt. Da 
eine Infraktur stattfindet, behält die Muschel die neue Stellung bei. 
Die Blutung ist gering, ebenso die Schmerzen 


F. Schaudinn f. 

Ara 22. Juni starb nach kurzem aber schwerem Krankenlager 
als Opfer seines Forscliungsdranges an einer septischen Infektion 
Dr. F. Schaudinn, der Leiter der Abteilung für Protistenforsch¬ 
ung am Tropenhygienischen Institut zu Hamburg. Ein tragisches 
Geschick hat den jungen Gelehrten zu einer Zeit abberufen wo 
seine bedeutsamste Arbeit zu der Anerkennung führen sollte, 
welche ihm im Beginnen, wie so Vielen versagt war. Die Ent¬ 
deckung der Spirochaete pallida als Erreger der Syphilis .stiess 
zu Beginn zumal in Deutschland auf den heftigsten Widerstand, 


ein Widerstand, welcher auch heute noch nicht allseitig anfge- 
geben worden ist. Wenige Jahre werden genügen um auch die 
letzten Zweifler zu überzeugen. Es war Schaudinn nicht ver¬ 
gönnt dies zu erleben. Er selbst ein bescheidener echter Ge¬ 
lehrter hat von Anfang an an seine Entdeckung geglaubt. Er 
war Zoologe und ein Beobachter und Mikroskopiker wie selten. 
Sein Name kann and wird nie vergessen werden, denn seinem 
Forschertalent war es vergönnt, der grausamen Feindin des 
Menschengeschlechtes den Schleier fortzureissen mit welchem sie 
sich Jahrhunderte lang der med. Wissenschaft in ihrem wahren 
Wesen verbarg. 


Vermischtes. 

Borlin. Vom 11. bis 16. September wird hier ein interna¬ 
tionaler Kongress für Versicherungsmedicin unter dem Ehren¬ 
präsidium Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Dr. Studt und 
unter der Leitung des Herrn Geh. Med.-Rats Prof. Dr. Kraus 
sowie der Herren Professoren Dr. Florsohütz und Dr. Unver- 
rioht tagen. Aus dem Gebiete der Lebensversicherung werden 
als Hauptgegenstände die Lungentuberkulose, Syphilis und Fett¬ 
leibigkeit zur Verhandlung kommen. Die Unfallversicherung wird 
zum ersten Male auf diesen Kongressen in einer Reihe von Vor¬ 
trägen behandelt werden, namentlich die Verschlimmemng der 
inneren Krankheiten durch Unfälle mit besonderer Berücksichtig¬ 
ung der funktionellen Neurosen und der organisc'hen Gi^hirn- und 
Rückenmarks- wie der Geisteskrankheiten. Der Beitrag für Teil¬ 
nahme an dem wissenschaftlichen Teil des Kongresses einschliess¬ 
lich der Eongressberichte beträgt 16. M. Der Beitrag für gleich¬ 
zeitige Teilnahme an den zahlreichen Festlichkeiten 40 M. Für 
letztere Teilnehmer wird eine Melduug nnr bis zum 16. Juli an¬ 
genommen werden können. 'Der Generalsekretär des Kongresses 
Herr Dr. Manes, Spichernstr. 22, erteilt nähere Auskunft. 

Augsbury. Die diesjährige Jahresversammlung des Deutschen 
Vereins für OffentKche 'Gesundheitspflege wird in den Tagen vom 
12. bis 16. September hier stattfinden, nnmittelbar vor der am 
16. September beginnenden Versammlung Deutscher Naturforscher 
und Aerzte in Stuttgart. Folgende Verhandlongsgegenstände situl 
in Anssicht genommen: 1. Die Bek^pfong der Tollwut; 2. Die 
Milchversorgung der Städte mit besonderer Berücksichtigung der 
Säuglingsemähnmg; 3. Walderholungstätten und Genesungsheime; 
4. Die Bekämpfung des Staubes im Hanse nnd auf der Strasse; 
6 . Welche Mindestforderungen sind an die Beschaffenheit der 
Wohnungen, insbesondere der Kleinwohnungen zn stellen. 


Patentnachrichten. 

Gebrauchsmuster. 

263845. ScbeidonspQlor mit drehbarem Konus für eleicbzei^e oder 
getrennte Anwendung eines kleinen Zu- und grossen Abflusses. Ermann 
Rauch, Cassel. 

263 848. Scheidenspiller, verbanden mit Scbeidentamponspekulum, 
welcher gloicbzoitig als Spritze verwendbar ist. Adalbert Sebiepekamp, 
Essen a. Ruhr. 

264741. Mit Homschläuchen versehener Scball&nger mit nach vom 
Torspringendew Rand. Evens & Pistor, Cassel. 21. 8. 05. E. 8336. 

264279. Künstlicher Kiefer. Wilhelm Meyerholz, Hannover. 

264359. Pinzette,'gekennzeichnet durch einen Hebel, welcher die 
beiden Greifspitzen zusammondrUckt. August Herrmann, Remelfingen b. 
SaargemUnd. 

264608. Speigefäss mit Kapselframpe. Faul Wiederhold, Berlin. 

266616. Instrnmentenkotfer für Zahnärzte, mit Fächereinteitnng und 
Wandböblungen für Flaschen sowie Halteklemmen für Werkzeuge. Heinrich 
Schmitt, SaargemUnd. 

264739. Gewachste Zabnseidti in Reagenzgläschen mit Gipsverschloss. 
Fa. L. A. Decker, Hannover-Kleefeld. 

264 346. Zusammenlegbarer, in einem Gehäuse unterzubringender Hör¬ 
apparat für Schwerhörige, bestehend aus Telephon, Mikrophon mit An- 
bängcbiigel und einer Batterie. W. Knobloch, Pankow b. Berlin. 

264 353. Zusammenklappbare Hörvorriebtung, bestehend aus einem 
Handgriff mit nach Art einer Tasebenmesserklinge Terstellbaren Schienen. 
Eugen Pahl, Aalen, Württ. 

264 554. Uonatsverband mit quer eingelegten Bandfedem. Fa. A. G. 
Ludwig Schmidt, Hamburg. 


Versnlwortlieher Redakteur: Dr. P. Meitioer, BerlinW. SS, Kurfürttenitr. 81. — Verlag vod Carl Marhold, Halle a. S. 
Drock von der Heynemana'ichea Baehdrsekerei, Gebr- Wolff, Hall« a.S. 


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Medicinische Woche 


Deatschmann, 

Hamburg. 

A. Dfihrueo, A. Hoffa, E. Jacobl, 

Berlin. Berlin. Prelburg 1. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Olessen. 


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i 

Verlag und Expedition | 


Carl Marhold in Halle a* S», Uhlandstrasse 6. 

Tel.'Adr.: Matilold Veriag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Vn. Jahrgang. 


Herausgegeben von 



16. Juli 1906. 


R. Kobert. M. Koeppen, K. PariKh« H. Roiin, H. Schlange» 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Haattover. 

H. UaTerrlcht. A. VoMias, 

Magdeburg. Glessen. 

Redaktion: 

Berlin W. 62t Knrffiratenstraase 81* 

Dr. P. Meißner. 

K 

Nr. 29: 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneologiSChC Cefltralzeltung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
BBderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jlbrllch 10 M.. einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in H all e a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei grOBeren Aufträgen wird Rabatt gewShrt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet 


Originalien. 


Die Behandlung Augenkranker 
durch den praktischen Stadt- und Landarzt. 

Von Dr. Gastav Preytag (München). 

Es muss leider zugegeben werden, dass für nicht wenige 
praktisdie Aerzte das Auge — um ein etwas külmes Bild zu 
gebrauchen — die Achillesferse ihrer Kenntnisse bildet, ein 
Umstand, der ihnen jedoch nur zum Teil zur Last gelegt 
werden kann. In der Tat gibt es kein zweites Organ von so 

S rossep--Kompliziertheit und Empfindlichkeit wie das Auge., 
lur zu begreiflich, dass sein Studium von denen, die sich doch 
nicht eingehend damit befassen können, lieber gemieden 
wird als es in allen Fällen wünschenswert ist. 

Später in der Praxis stellt sich dann oft ein Mangel heraus; 
zu dessen Verminderung wenigstens ein Geringes mit beizu¬ 
tragen, war der Wunsch, der den Verf. leitete. Dem Augen¬ 
arzt freilich wird nichts neues gesagt werden können. Es smlen 
nach einander zwanglos die praktisch wichtigsten Kapitel 
und auch aus diesen nur das Nötigste besprochen werden, 
ohne das Theoretische mehr zu berühren als unbedingt er¬ 
forderlich erscheint. Eine hierdurch vielleicht zuweilen ver- 
anlasste Ungleichheit der Darstellung möge daher entschuldigt 
werden. 

1. Fremdkörper der Biode- nnd Hornhaut. 

„Durch nichts wird das Vertrauen des Patienten zum 
Arzte mehr erschüttert, als wenn ein Fremdkörper übersehen 
wird“, so sagt treffend Praun in seinem bekannten Buche: 
Die Verletzungen des Auges. Man könnte noch hinzufiigen: 
Für wenig ist der Patient im allgemeinen dankbarer als für 
die durch rasche und geschickte Entfernung eines Fremdkörpers 
gewährte plötzliche Erleichterung. 

So bekannt jedem, der in der Lage war, das Material 
einer grossem Augenpoliklinik zu verfolgen, der Patient mit 
dem schon von andrer Seite erfolglos gesuchten oder „bearbei¬ 
teten“ Fremdkörper ist, so wenig soll liieraus denjenigen Laien, 
die zu helfen versuchten, ein Vorwurf gemacht werden. Die 
meist sehr erheblichen Beschwerden der Verletzten bringen 
es mit sich, dass jeder sein Heil probiert; auch ist der Patient 
in der Kegel von der Harmlosigkeit der Sache (oft allerdings 
fälschlich) überzeugt und gern bereit, sich von dem Nächsten 
helfen zu lassen, und es ist schon viel, wenn ein Arzt aufge¬ 
sucht wird. Tut dies ein Verletzter, so ist es gewöhnlich die 
letzte Zuflucht und sie muss helfen, wenn nicht das sowieso 
geringe Vertrauen des grossen Publikums zur ärztlichen Kunst 
weiter leiden soll. 

Im Folgenden wird nur von den oberfläclilicheren Fremd¬ 
körpern des Auges die Rede sein, die ja bei weitem die häufig¬ 
sten sind, während die perforierenden sowie die Kalkverletz¬ 


ungen, die eigene Kapitel erfordern, später einmal be¬ 
sprochen werden sollen. 

Die allbekannten subjektiven Beschwerden brauchen 
wohl nicht näher erörtert zu werden, nur sei auf die h änfig 
bestehende Inkongruenz zwischen ihnen und ihrer Ursache 
hingewiesen. Man darf aus starken Beschwerden nicht ohne 
weiteres auf Grösse oder Sitz des Fremdkörpers Schlüsse 
ziehen; die verschiedene Sensibilität spielt eine gewiss«- ■ Rolle, 
nicht immer sind Frauen die empfindlichsten. 

Man versäume nicht bei beruflichen Verletzungen 
Tag und Stunde derselben zu notieren und ob bereits von 
anderer Seite am Auge manipuliert wurde, da dies später 
unter Umständen Bedeutung gewinnen kann. 

Diagnose. Es handelt sich natürlieh im wesentlichen 
darum, wo der Fremdkörper sitzt Wir unterscheiden bei den 
oberflächlichen F. des Auges (von der Aussenseite der Lider 
abgesehen) solche der Binde- und der Hornhaut 

Bei der Bindehaut kommt wieder gesondert in Betracht 
die des Augapfels, der Lider und der Uebergangsfalten. 
Von der Bindehaut des Augapfels sehen wir bei geradeaus ge¬ 
richtetem Blick nur 2 dreieckige Zipfel nach aussen und innen 
von der Hornhaut Wir können in den meisten Fällen mit 
blossem Auge erkennen, ob ein Fremdkörper vorhanden ist, 
namentlich w'enn er dunkle Farbe hat Gute Beleuchtung 
ist jedoch auf jeden Fall erforderlich, weshalb man den 
Patienten mit dem Gesicht gegen das Fenster setzt. Zur 
Inspizierung des inneren Augenwinkels lässt man die Person 
nacn aussen, zu der des äussern nach innen (nasal) blicken, 
hierbei ist es nötig, die Haut etwas schläfenwärts anzuspannen. 
Lässt man nun nach oben sehen und zieht gleichzeitig mit 
dem Daumen das Unterlid ziemlich kräftig nach unten, so 
überblickt man die untere Augapfelbindeliaut, die Uebergangs- 
falte und die Bindehaut des untern Lides. Nicht so leicht ist 
die Sache oben; lässt man nach unten sehen und zieht mit 
dem Daumen das Oberlid in die Höhe, so erscheint zwar der 
grösste Teil der obern Augapfelbindehaut, aber nicht die Ueber- 
gangsfalte und die Konjunktiva des Oberlides. Gerade letztere 
sind jedoch der Lieblingssitz von Fremdkörpern. Namentlich 
in der auf der Bindehaut des Oberlides vorhandenen leichten 
Furche, die ungefähr dem untern Rande des sog. Lidknorpels ent¬ 
spricht und ca. 2 mm vom Lidrande entfernt ist (sulc. subtarsalis), 
setzen sich mit Vorliebe kleine Partikelchen fest Um sich 
diesen locus typicus für Fremdkörper sowie die Uebergangs- 
falte zur Anschauung zu bringen, ist ein kleiner Kunstgnff, 
nämlich das UmstiiTpen des Oberlides erforderlich. 

Dies sollte durchaus jeder Arzt lernen. Es wird folgender¬ 
maßen ausgeführt: Man lässt den Patienten stark nach abwärts 
blicken, legt den nach unten gerichteten Daumen der linken 
Hand von oben her so auf das Oberlid, dass seine Kuppe die 
Strecke zwischen oberm Orbitalrand und Lidrand ungefähr 
halbiert, zieht mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand 
das Oberlid an den Wimpern zunächst etwas straff nach unten 

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308 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 29. 


und vorn und stülpt mm das Lid ziemlich rasch um den als 
Hypomochlion dienenden Daumen nach oben um, wobei man mit 
letzerm einen leichten Druck auf die Umknickungsstelle des 
Lides ausübt. Man gehe zart vor, da Manche (besonders Neu¬ 
rastheniker) ^egen Berührung und Druck auf das Äuge sehr 
empfindlich sind und nachdem der Ektropionierungsversuch 
einmal missglückt ist, nicht zu einem zweiten zu h^en sind, 
event. sogar unter Protest das Sprechzimmer verlassen. 

Es empfiehlt sich deshalb, die ersten Versuche an Be¬ 
kannten oder andern sicher geduldigen Leuten vorzunebmen. 

Ist das Lid umgestülpt, so pfiegt der Patient nach einigem 
Kneifen (wobei man das Lid durch leichtes Andrücken in 
seiner Stellung festhalten muss) in den meisten Fällen die In¬ 
spektion zu ertragen, besonders wenn man ihn durch forciertes 
Abwärtsblicken, das zugleich das Zurückschnappen des Lides 
verhindert, beschäftig. 

Es liegt jetzt die Konjunktiva des Oberlids bloss, aber 
die obere Uebergangsfalte, in deren Wülsten sich gerade häufig 
Fremdkörper befin^n, ist noch nicht sichtbar. Um sie her¬ 
vortreten zu lassen, muss man das umgedrehte Lid unter leicht 
massierenden Bewegungen nach und nach weiter gegen den 
Orbitairand hinaufzuschieben suchen und dabei den Patienten 
mit aller Energie nach unten sehen lassen. Es ist nicht zu 
verhehlen, dass diese Manipulation etwas schwierig ist und 
selbst dem Spezialisten bei sensiblen Personen wohl einmal 
nicht recht glückt (das sog. doppelte Umstülpen des Lides ist 
ziemlich brutal und wird b^esser vermieden). Im Notfall kann 
man mit einem angefeuchteten Haarpinselchen zwischen Lid 
und Bulbus eingehen und versuchen, den Fremdkörper durch 
Streichen in den innern Augenwinkel zu bekommen; natürlich 
darf der Pinsel nicht haaren. (Fortsetzung folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Medie^ische Gesellschaft in Giessen» 

8 . Sitzung am 20. Februar 1906. 

Vorsitzender: Herr Poppert. Schriftführer Herr Kias kalt. 

I. Herr Geppert. Blutfett und Blutseifen. 

II, Herr Poppert gibt einen kritischen Ueberblick über 
die Frage der chirurgischen Behandlung des chroni¬ 
schen callösen Magengeschwürs und stellt im Anscliluss 
hieran 3 Fälle vor, die durch Resektion geheilt wurden. 


Fall 1, 45jähr. Landwirt. Seit Vi Jahren Sclnnerzon in der 
Magoogegend, die mit Sodbrennen, saurem Auftstossen und fast 
täglichem Erbrechen verbunden waren, in der letzten Zeit bis zu 
6 mal des Tags. Bei der Aufnahme zeigt sich der Patient hoch¬ 
gradig abgeraagert, Gewicht 50 kg, während er früher 80 kg 
wog. Die Untersuchung des Magens ergibt motorische Insufflcieuz, 
Verringerung der Salzsäure und Spuren von Milchsäure; mikro¬ 
skopisch zahlreiche rote Blutkörperchen nachweisbar. Bei der am 
20. XI. 05 vorgenommeuen Operation findet sich kein Carcinom, 
wie erwartet worden war, sondern ein vorgeschrittenes callöses 
Geschwür an der kleinen Curvatur, das zum grösseren Teil an 
der hinteren Wand sass, aber auch auf die Vorderwand über- 
gegriffen hatte und mit dem Pancreas fest verwachsen war. Nach 
Eröffnung des Magens erscheint ein fünfmarkstückgrosses Ulcus 
mit scharfen, indurierten Rändern, das in das Pancreas einge¬ 
drungen war. Umschneidung des Ulcus und Abtragung des Ge- 
schwürsgnmdes vom Pancreas. An der grossen Curvatur des 
Magens bleibt nur ein schmaler Streifen gesunder Magenwand 
stehen, die kleine Curvatur erscheint nach Resection des Geschwürs 
sehr verkürzt, sodass die Vereinigung des gewaltigen Defektes, 
besonders an der kleinen Curvatur, schwierig ist. Der Wund¬ 
verlauf war reizlos, doch wurde die völlige Genesung durch Nei¬ 
gung zu Durchfällen etwas verzögert. Der Kranke, welcher sich 
heute wiederum hier verstellt, hat sich jetzt bedeutend gekräftigt, 
an Gewicht zugenommen und klagt Uber keine Beschwerden mehr, 
doch besteht noch eine geringe motorische Insnfficienz (Sanduhr¬ 
magen?). 

Fall 2. 39jähriger Bahnarbeiter. Seit 13 Jahren magen¬ 
leidend, litt öfters an Magenkrämpfen, besonders links unter dem 
Rippenbogen. Ausserdem Klagen über saures Aufstossen und häu¬ 
figes Erbrechen. Die Schmerzen waren 'stets bis Stunde 
nach der Mahlzeit am heftigsten und traten als Magenkrämpfe 
auf. Bei der Untersuchung besteht Druckempfindlichkeit in der 
Mittellinie; ein Tumor ist nicht zu fühlen. Die Untersuchung 
des Magens ergibt mäßige Stenosenersebeinungen mit Hyper- 
secretion und Hyperacidität. Bei der Operation am 15. XII. 05 
findet sich ein Tumor dicht vor dem Pyloros, von dem ausge¬ 
dehnte Verwachsungen nach der vorderen Bauchwand ziehen, die 
gelöst werden. Auf der Hinterwand des Tumors ist jetzt eine 
kraterförmige Vertiefung deutlich zu fühlen. Im Netz und Meso- 
gastrium zahlreiche vergrösserte Drüsen. Typische Pyloruaresection 
nach Billroth II, die infolge der derben Ädhaesion mit dem kleinen 
Netz und dem Pancreas erschwert ist. Dauer der Operation 2V* 
Stunden. — Glatter Heüungsverlauf, — Patient, der bereits seit 


Feuilleton. 


Zur Geschichte der deutschen Nordseehäder. 

Von Dr. Erich Ebstein in Göttingen. 

Wie alt sind unsere deutschen Nordseebäder? Im folgenden 
wird sich heraussteilen, dass man sie erst verhältnismäßig kurze 
Zeit kennt. In dieser Richtung sind die hlngländer bahnbrechend 
vorangegangen*) 

Norderney darf sich rühmen, das älteste deutsche Nord¬ 
seebad zu sein. Die ersten Einriebtungen zum kurgemäßen 
Gebrauch der Seebäder datieren aus dem Jahre 1799 und ver¬ 
danken ihre Entstehung einem Arzte, dem Dr. F. W. v. Halem. 
Dieser hatte bereits 1801 ein kleines Büchelchen über Norderney 
herausgegeben, das aber bald vergriffen war. Anno 1815 er¬ 
schien von demselben eine ausführliche „Beschreibung der zum 
Fürstentum Ostfriesland gehörigen Insel Norderney und ihrer 
Seebadeanstalten“ mit dem Motto: 

Orane quod excellens opus, egregiumque futurum 
Difficiles ortus habet, incrementaque tarda. 

Es ist ein Vergnügen, das kleine Werk von von Halem 
durchzublättern; uns sollen hier nur einige Bemerkungen intor- 

*) Vergl. S. Q. Vog-ol, Uebor den Nutzen und Gebrauch der 
Seebäder, Stendal 1794, S. 6 tf. So besitzt Brighton seit 1769 Einrichtungen 
zu kalten und warmen Seebädern. 


essieren: den warmem Seebädern wird hier bereits das Wort 
geredet; ich werde später zu zeigen versuchen, dass wir diese 
Einrichtung auch den Engländern verdanken. In Norderney 
war die Einrichtung solcher Bäder noch ziemlich unbequem. 
Das Meerwasser wurde in Tonnen in das vom Strande ent¬ 
ferntere Badehaus geschleppt. An den Badezimmern selbst 
lag die Küche, in der mittelst eines eingemauerten Kessels das 
Seewasser erwärmt und durch an der Seite durchlaufende 
Rinnen kälter oder wärmer nach den Bedürfnissen des Badenden 
in die Wanne geleitet wurde. Ein solches warmes Bad kostete 
12 Groschen. Gegen die kalten Wannenbäder spricht sich 
Halem entschieden aus. 

Für die im Freien Badenden spielt die Badekutsche eine 
grosse Rolle, bei denen man die Englische Eleganz nicht er¬ 
warten dürfe. Auf dom dem Buche beigegebenen Kupfer sind 
zwei Norderneyer Badekutschen abgebiidet Die eine, zum 
Gebrauch der Frauenzimmer, wird von vier Insulanerinnen be¬ 
dient, und stellt die Maschine vor, in dem Augenblicke, da sie 
in die See geschoben wird. Die Bedienenden sind in ihrem 
See-Kostüme, so wie sie bei dom besten Wohlbefinden den 
ganzen Tag bis an die Knie in Wasser waten. Der Fallschirm 
ist völlig heruntergelassen. 

In der anderen, deren Schirm nur halb heruntergelassen 
ist, wird eine Mannsperson von zwei Matrosen herausgezogen. 
Letztere sind ebenfalls in ihrem Kostüme. Man sieht es ihnen 
an, dass sie das Werk schon öfters getan haben und als wenn 
sie sagen: „Den haben wir Gottlob wieder heraus!“ 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


809 


3 Wochen aus der klinischen Behandlung entlassen ist, besitzt 
jetzt ein gesundes, frisches Aussehen, verträgt alle Speisen und 
hat bislang keinerlei Beschwerden. Die Magenverdauung normal. 

Fall 3. 48 jähriger Mann. Fühlt sich seit 3 Jahren krank 

und ist seit */4 Jahren bedeutend abgemagert, angeblidi 30 Pfund. 
Nach dem Eissen Gefühl von Völle und Druck in der Magengegend. 
Die Untersuchung ergibt eine geringe Insufficienz und mäßige 
Verringerung der Salzsäure. Operation am 12. II. 06: An der 
kleinen Curvatur, in der Mitte derselben, aber mehr nach der 
Rückwand zu, ist eine harte Geschwulst von Wallnussgrösse zu 
fühlen, in deren Umgebung zahlreiche vergrösserte Drüsen sichtbar 
sind. Nach Ablösung der Geschwulst vom kleinen Netz zeigt 
sich auf der Hinterwand derselben eine narbige Einziehung, auch 
ist jetzt ein charakteristischer rundlicher Defekt in der Mitte der 
verhärteten Partie zu tasten. Keilförmige ElxcLsion des Ulcus und 
Vemähung der so entstandenen Lücke, die relativ leicht gelingt. 
Reaktionsloser Verlauf. 

ITI. Herr Bötticher stellt eine Patientin vor, bei der er 
wegen doppelseitiger Kniescheibenverrenkung mit bestem Erfolge 
die Tendoplastik in zwei verschiedenen Sitzungen ausgeführt hat. 
Und zwar liegt die erste, am rechten Knie vollzogene Operation 
schon zwölf Monate zurück. Ein Recidiv ist nicht eingetreten, 
obwohl das Mädchen schwere landwirtschaftliche Arbeiten ver¬ 
richtete. Bötticher bespricht im Anschluss an diesen Fall das 
Vorkommen, die Aetiologie und die Behandlungsmethoden der 
Affection. Er hält die Tendoplastik für eine schonendere, weniger 
eingreifende und doch sehr guten Erfolg versprechende Methode 
als die Operation am Gelenkapparat (Kapselnaht, Ekcision eines 
Stücks der Kapsel) oder am Knochen (Osteotomie). 

IV. Herr Löhrer. Ueber Behandlung von Pseud- 
arthrosen und verspäteter Gallusbildung durch Blut¬ 
in j e c t ion. 

Nach einleitenden Worten über die Bier 'sehen Anschauungen 
und über die Technik des Verfahrens stellt Vortragender einen 
Fall vor, in dem es gelang, einen veralteten Unterschenkelbmch 
mit vollständig fehlender Callusbildung durch mehrmalige Blut- 
injection zur Consolidation zu bringen. 

Der 54jährige Tagelöhner G. Th. zog sich am 29. August 
1904 einen Bruch beider Unterschenkelknochen zu. Nach vier 
Tagen wurde draussen ein Gipsverband angelegt, der mit ein¬ 
maligem Wechsel angeblich sieben Wochen lang gelegen hat. 
Nach Entfernung des Verbands war die Fraktur nicht fest; eine 
weitere Behandlung fand nicht statt, bis Pat. etwa sechs Wochen 
später von seinem Arzte der Klinik überwiesen wurde. 


Eis handelte sich um einen mittelmäßig gebauten Mann. Die 
Fraktur befindet sich am linken Unterschenkel an der Gb^nze des 
mittleren und unteren Drittels. Das Röntgenbild (Demonstration) 
ergibt Bruch der Tibia und Fibula; Die EVagmente reiten auf¬ 
einander (DIslocatio ad longitndinem cum contractione). Von 
Callusbildung ist auf der Platte keine Spur zu sehen. Die Frag¬ 
mente sind bei den atrophischen Weichteilen deutlich palpabel. 
Fast nach allen Richtungen hin besteht beträchtliche Beweglich¬ 
keit. Die Therapie bestand in der von Bier angegebenen Blut- 
injection. 

9. I. 05. Aus der Vena med. cub. sin. werden 20 ccm Blut 
entnommen und an zwei Stellen zwischen die Knochenenden ein¬ 
gespritzt. Schienenverband. 

In der Umgebung der Injectionsstellen trat in den nächsten 
Tagen Oedem, Rötung, Schmerzhaftigkeit ein; kein Fieber. 

1. II. An der Bruchstelle ist keine wesentliche Veränderung 
wahrzunehmen. Zweite Injection von 20 ccm Blut. Die folgenden 
Tage zeigen dieselben entzündlichen Erscheinungen. 

15. II. Gipsverband. Patient geht umher. 

8 . III. Entfernung des Gipsverbandes. Die Beweglichkeit 
an der Frakturstelle ist merklich geringer geworden. 

13. III. Pai selbst hat beim Umhergehen das Gefühl, „als 
sei der Bruch fester geworden“. Dritte Injection von 20 ccm 
Blut, die in derselben Weise wie früher lokale Reizerscheinungen 
zur Folge hat. Eis ist bei dieser Einspritzung nicht mehr mög¬ 
lich , mit der Nadel zwischen die Fragmente zu gelangen, daher 
möglichst subperiostale Injection. 

23. in. Entlassung mit Gipsverband. Auf der Röntgen- 
platte (Demonstration) ist jetzt deutliche Callusbildung zu sehen. 
Vier Wochen später wurde in der Klinik der Verband entfernt; 
die Fraktur erscheint jetzt fest; da man indessen glaubte, no(di 
ein leichtes Federn feststellen zu müssen, wurde ein neuer Gips¬ 
verband angelegt, der nach weiteren vier Wochen entfernt wurde. 
Die Fraktur war jetzt vollkommen consolidiert. 

Ein am 1. H. 1906 hergestelltes Röntgenbild zeigt die Frag¬ 
mente vereinigt durch festei^ dic^t^j’ügten Ci^ln» (Demonstration). 

V. Herr Ruschhaupt. Ueber Lumbal anaesthes ie 
mi t Sto vai'n. 

Vortragender referiert nach kurzem Rückblick über die ein¬ 
schlägige Literatur über 99 Fälle von Stovain-Lumbalanaesthesie, 
die im Wintersemester 1905/06 in der chirurgischen Klinik Giessen 
vorgenommen wurden. 

Dib Lumbalanaesthesie ersetzte uns die Allgemeinnarkose in 
allen Fäüen, wo ein operativer Eingriff an Körperteilen abwärts 


Auf diese Art, d. h. mit herontergelassenem Fallschirm, 
baden sich gewöhnlich „alle anständigen Frauenzimmer“ nur 
die dreisteren Mannspersonen dürfen sich weiter aus der Bade- 
kutsche entfernen! Ansserdem war das Herrn- und Damenbad 
natürlich getrennt. Doch genug von Norderney! 

Da ich die Bäder ihrem Gründungsjahr nach betrachte,*) so 
kommt als das Zweitälteste Dangast in Betracht; die dortige 
Badeanstalt wurde bereits 1803 eröffnet und wurde sowohl von 
den Bewohnern der Umgegend, wie der Oldenburgischen Länder 
benutzt; im Jahre 1820 kam zu dem Konversaüonshaus noch 
ein ßadehans und ein Logierhaus hinzu. So sah es häufig 
der Humorist Theodor von Kobbe, auf Ausflügen von Olden¬ 
burg ans, der uns manche nette Geschichten aus dem Seebad 
in seinen „Humoresken aus dem Philisterleben“ (Bremen 1841, 
S. 56 ff.) erzählt: Um 1840 war Dangast so unbekannt, dass 
es in den wenigen Schriften, die es erwähnen, nicht einmal 
richtig genannt wird, sondern bald als Ragast, bald als Dagast 
vorkommt Dangast also, dem Reichsgrafen Bentink gehörend, 
liegt nordwestlich vom Ausfluss der Jahde, an einem kleinen 
Meerbusen der Nordsee, welcher um die Mündung der Jahde 
sich gebildet hat, und daher auch wohl der Jahder Meerbusen 
heisst. Kobbe, der bei seinen ersten Bädern in Dangast etwas 
schlecht auf den schlammigen Badestrand zu sprechen war, 

*) Sonderbarerweise fehlen Bemerkungen darüber u. a. auch in dem vom 
Vorstand des Vorbandes deutscher Nordseebäder (Jahrgang 1906) herausge¬ 
gebenen offiziellen Führer (30 Pfennig) und sind auch sonst derart zerstreut, 
dass ich es für nicht unangebracht hielt, einen derartigen Rückblick zu tun. 


entsinnt sich später keines Bades, etwa in Norderney oder in 
Helgoland, das ihn so gekräfti^ hatte, wie dies Dangaster. 
„Wenn das Seebad recht wohltuend wirkt, so dehnt sich zuerst 
das Herz. Es wird einem zu Mut, als habe man einige Edel¬ 
taten getan, eine Geliebte, die jetzt schläft, aus dem Feuer 
gezogen, und als ob man noch heute für sie den Degen ziehen 
müsse. Dann öffnet sich auch der Magen, ganze Portionen 
Beefsteaks verschwinden unter den Augen, als wären es kleine 
Leckerbissen, der St Estenhe wird zum St Julien, kurz, es über¬ 
kommt Einem ein ganz domberrliches Gefühl, dem ein fester, 
erqnickender Schlummer folgt. — Kobbe kann sich gamicht 
genug tun, in Lobpreisungen über Dangast: „Denn ich, der 
tch fast alle Bäder DeutscUands mit allen ihrem Misere von 
A bis Z kenne, gestehe, nie frohere Standen, als während 
meines Aufenthalts in Dangast, selbst nicht später auf Helgo¬ 
land verlebt zu haben.“ (S. 81 f.) — „Am Strande war jedem 
Mittag Gänseparade, und ich gestehe, dass ich nie zweibeinige 
Wesen in solcher Ordnung, in so gleichem Schritt und Tritt 
marschieren wie diese ges^en habe. —“ 

Heute ist Dangast ein Luftkurort ersten Ranges. Be¬ 
sonders hervorzuheben sei der starke Salzgehalt des Meer¬ 
wassers, und der Umstand, dass Dangast das einzige Nordsee¬ 
bad ist, welches Parkanlagen von solcher Ausdehnung mit alten 
Beständen und das vorzüglichste Trinkwasser aufzuweisen hat. 

(FortsetzQDg folgt.) 


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310 


IfBDIGINISCHE WOCHE. 


Nr. 29. 


vom Nabel geboten war imd Infiltrationsanaesthesie nicht auage- 
reicht haben würde. Es worden alle Operationen von Leisten- 
und Schehkelhemien, alle grösseren Operationen an den unteren 
Extremitäten (Resektionen und Ampntationen) und den äusseren 
Geschlechtsorganen, mehrere Fälle von Carcinoma recti^ dann 
Amputationen des Wurmfortsatzes und Eröfihung appendicitischer 
Abscesse unter Stovalnlumbalanaesthesie vorgenommen. Nicht nur 
bei Bewachsenen, sondern auch bei Kindern (bis herab zu 6 Jahren) 
wurde die Methode angewandt. 

Die durchschnittliche Dosis betrug 0,04 — 0,06 g Stovain. 
Benutzt wurden anfangs l^ige Stovainlösungen, zuletzt nur noch 
die 4%igen von Billon in Paris oder von Riedel hergestellten 
Lösungen. 

Nach den benutzten Lösungen teilen sich die Fälle in drei 
Gruppen: 

1. mit l*’^iger Lösung behandelte Fälle: 28, davon 22, wo 
gute Anaesthesie erzielt wurde, 5 Fälle versagten, 1 Fall war 
insofern mangelhaft, als die Anaesthesie nicht hoch genug war 
(Leistenbruchoperation). Allerdin^ hatten 19 Fälle Neben- oder 
Nacherscheinungen (vgl. unten). 

2. Bei dieser Gruppe wurde das französische 4%ige Präparat 
angewandt: 33 Fälle, davon 29 positive Erfolge mit 9 Fällen von 
Neben- und Nackerscheinungen; 2 Versager; 2 mangelhafte Fälle, 
wo Uber erhebliche Schmerzen geklagt wurde. 

3. Es wurde das RiedeF^e Präparat gebraucht; 38 Fälle; 
32 positive Resultate mit Neben- oder Nachwirkungen bei 19 
Fällen; 4 Versager; 2 mangelhafte Erfolge. 

Was die Technik angeht, so wurde im allgemeinen die von 
Sonnenburg, Tilmann, Bier-Dönitz angegebene befolgt. 
Nur stechen wir zumeist seitlich ein. Mit der häufigeren Anwen¬ 
dung der Lumbalanaesthesie erzielten wir immer bessere Blrfolge, 
sodass wohl die ersten Versager auf mangelhafte Technik zurttck- 
zufUhren sind, wie das auch andere Operateure betonen. 

Betreffs der Nach- und Nebenwirkungen ist zu bemerken, 
dass sie in Erbrechen (sei es während, sei es nach der Operation), 
in Kopfschmerzen, mitunter (im Anfänge der Anwendung) in Auf¬ 
treten von Fieber bestanden. Einigemale beobachteten wir das 
Auftreten dieser Erscheinungen erst am 2., 3., ja 4. Tage nach 
der Operation, ohne dass sich ein Grund hierfür finden Hess. 
Einen länger dauernden Schaden sahen wir nie; die Methode er¬ 
setzt uns jetzt, wie oben gesagt, die Ällgemeinnarkose in allen 
Fällen von chirurgischen Operationen im Bereiche der vom Nabel 
abwärts liegenden Körperteile, welche sich unter Lokalanäesthesie 
nicht ausführen lassen. 


♦ 

Kongressbericht. 

23. S.ofi'gress für iwnere Medidfln 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

Herr L. R. Müller: Klinische Beiträge zur Physio¬ 
logie des sympathischen Nervensystems. 

Durch den Vortrag wurde nachgewiesen, dass der Einfluss, 
den das Gehirn auf die Tätigkeit der inneren Organe ausübt, unter 
Umständen recht gross ist, ja dass die Affekte peinliche Störungen 
in deren Funktionen bedingen können (Erbrechen, DurchfäUe, Harn¬ 
drang, Schweisssekretion, Herzklopfen). Müller glaubt nicht, dass 
den einzelnen Organen im Rückenmark bestimmte Fasersysteme 
entsprechen, er vermutet vielmehr, dass durch die verschiedenen 
Stimmungen (Freude, Angst, Kummer), welche das ganze Nerven¬ 
system „durchzittem“, immer eine bestimmte Gruppe der Ursprungs¬ 
zellen des 83 nnpathi 8 chen Nervensystems im Rückenmark ange¬ 
sprochen wird, welche die körperlichen Aeusserungen der seelischen 
Vorgänge auslösen. So wäre zu erklären, dass der Schmerz z\ir 
Sekretion der Tränendrüsen, die Scham zur fleckigen Rötung des 
Gesichtes, die Furcht zur Gänsehautbüdung führen und dass bei 
dem einen seelische Erregungen Durchfälle, bei dem anderen Schweiss¬ 
ausbruch, Erbrechen oder Herzklopfen bedingen. 

Wenn also von physiologischer Seite neuerlich dara\if 
hingewiesen worden ist, dass unsere inneren Organe, wie das Herz, 


der Magen, der Darm, die Nieren und die Gebärmutter die Kraft 
und die Anregung zur Tätigkeit und zur Arbeit in sich haben und 
dass sie auch dann, wenn sie von allen nervösen Verbindungen 
abgeschnitten sind, in völlig genügender Weise weiter arbeiten, so 
glaubt Müller von klinischer Seite darauf aufmerksam nmchen zu 
müssen, djvss lebhafte, wenn auch vielfach unbewusste Beziehungen 
zwischen diesen Organen und dem zentralen Nervensystem bestehen, 
ja dass stärkere Seelenbewegungen, wie sie unsere Affekte darstellen, 
auf den Zirkulationsapparat, die Verdauung und die Tätigkeit 
unserer Drüsen eine grössere Beeinträchtigung ausüben können als 
auf die unserem Willen direkt zugänglichen Funktionen. Zur 
Uebertragxmg dieser Beziehung zwischen den Vorgängen im Gehirn 
und den inneren Organen dient das mit dem Rückenmark in Ver¬ 
bindung stehende sympathische Nervensystem, dessen Name ja schon 
sagt, dass es dazu dient, den Körper an den seelischen Bewegungen 
mitfUhlen, mitleiden <jvfxna.d^iXo zu lassen. 

Diskussion: Herr A. Bickel-Berlin weist auf seine ge¬ 
meinsam mit Sasaki gemachten Untersuchungen hin, welche sich 
mit dem Einfluss der Affekte auf den Magendarmkanal, speziell 
auf die Sekretion des Magensaftes beschäftigten. Es konnte beim 
Hunde durch eine Scheinfütterung eine lebhafte Magensaftsekretion 
ausgelöst werden, welche durch einen beim Tier erzeugten Affekt 
des Aergers fast momentan zum Versagen gebracht wurde. Damit 
wurde der experimentelle Beweis für den Einfluss des sympathischen 
Nervensystems auf diese Funktionen erbracht. 

Herr Lommel-Jena hat mittels Röntgendurchleuchtimg die 
Bewegungen des Magens und Darmes unter dem Einfluss bestimm¬ 
ter Affekte verfolgt und konnte auch die Beobachtung machen, 
dass durch rasche Aenderung der Stimmung und dergleichen eine 
vorher rege Peristaltik verlangsamt oder fast aufgehoben werden 
konnte. 

Herr Reinholdt-Kissingen hat vor 2 Jahren eine Beobach¬ 
tung veröffentlicht, welche hierher gehört. Eine alte Frau bekam 
im Anschluss an Aerger wiederholt vorübergehend Glykosurie mit 
Ikterus, so dass ein deutlicher Einfluss dieses Affektes auf die 
Punktion der Leber festgestellt werden konnte. 

(Fortaetnmg folgt.) 

35. Kongress der J>eutschen GeseUschaft 
für Chi/rv/rgie. 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. T h ö 1 e - Danzig macht B i e r ’ s Staunngsbehandlung den 
Vorwurf, dass sie lediglich auf klinischem Probieren aufgebaut sei. 
An und für sich ist das kein Vorwurf, denn so verfährt die Medizin 
seit allen Zeiten und oft mit Glück. Bier ist aber nicht berech¬ 
tigt, seine Lehre für exakte Wissenschaft auszugeben. £<r selbst 
hat keine einzige naturwissenschaftliche Erklärung gegeben. Psy¬ 
chische anthtropocentrische Momente lässt er in den Ablauf phy¬ 
sikalischer Vorgänge eingreifen. Er spricht von „Zweckmäßig¬ 
keit der natürlichen Heilungsvorgänge“, welche der Arzt nach¬ 
schaffen soll. Der Körper versteht es, den Blutetrom nach seinem 
Bedürfnis zu beschleunigen und zu verlangsamen „durch un¬ 
bekannte Reize“. Seine Lehre ist von teleologisch-anthropomor- 
phiscben Vorstellungen beherrscht, wie die heutige Medizin über¬ 
haupt. 

Die Naturwissenschaft, Physiologie, studiert nur die physi¬ 
kalisch-chemischen Vorgänge im Tierkörper. Alle Wachstums- und 
Rückbildungsvorgänge sind abhängig vom wechselnden Grade und 
Charakter der Blutströmung, diese wieder von Beeinflussung der 
Gefässnerven durch Reize. Davon ist bei Bier nie die Hede. 
Seine ganze Lehre ist von einer mechanischen Betrachtungsweise 
des Kreislaufs beherrscht, in welche sich unklare, nicht studierbare 
teleologische Vorstellungen in unlogischer Weise hineinmischen. 

Der Mangel physiologischer Erklärung wird an mehreren 
Beispielen gezeigt: Bier weise nichts von der Hyperplasie des 
Drüsenepithels durch aktive Hyperämie, von typischer Hyperplasie 
z. B. eines Muskels bei vermehrter und beschleunigter Strömung. 
Seine Deutung der entzündlichen Hyperämie als wesentlich passiver 
entspricht nicht den Tatsachen. Die Hyperämie im funktionierenden 
Muskel hat gar nichts mit passiver Hyperämie zu tun, wie B. 
behauptet, aktive und passive Hj^erämie können unmöglich die 
gleiche Wirkung haben, wie B. dargetan zu haben meint. Völlig 


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1906. 


MEDICINISGHE WOCHE. 


311 


nnverständlioh ist es, wenn B. aus der Ernährung des Fötus, aus 
der Placeuta mit sehr verlangsamten Blut ström sohliesst, dass 
langsam fliessendes Blut zur Ernährung ebenso gut tauge wie rasch 
fliessendes. Gerade als ob der Fötus kein Herz hätte, das seinen 
Kreislauf besorgt. 

Gegen den praktischen Nutzen der Bier’schen Behandlung 
will Vortragender nichts aussagen, sondern nur gegen die sogen, 
wissenschaftlichen Erklärungen, welche keine sind. 

Und was die praktische Anwendung der Bier’schen Stauung 
anlangt, so glaubt er, dass wir noch lange nicht so weit sind, 
bestimmte Indikationen für die Behandlung mit aktiver oder passiver 
Hyperämie aufznstellen, geschweige denn, den Grad der Stauung 
richtig zu bestimmen. Mit dem Probieren kommen wir nicht weiter. 
Es werden noch viele Arbeit, viele Experimente, histologische und 
bakteriologische Untersuchungen nötig sein, ehe für die Hyperämie¬ 
behandlung die naturwissenschaftlichen Grundlagen geschahen sind. 
Diese, die Voraussetzung einer zuverlässigen Therapie, kann uns 
nur ein systematisches, gründliches Studium der physikalisch-che¬ 
mischen Vorgänge schaffen. Zurzeit sind schwere Mißerfolge un¬ 
vermeidlich und keinem zum Vorwurf zu machen. 

(Fortsetzung folgt.) 


Standesfragen. 

Von Dt. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

XXXIV. Deutscher Aerztetag zu Halle a. S. 

am 22. und 23. Juni 1906. 

II. 

Der zweite Sitzungstag begann mit der Erörterung einer Frage, 
die in den letzten Monaten die Aufmerksamkeit der Aerzte ausser¬ 
ordentlich stark in Anspruch genommen hat, der Frage der 
Krankenkassen für nicht versicherungspflichtige Per¬ 
sonen bezw. Mittelstandskassen. Der Referent Dippe 
(Leipzig) gab eine Uebersicht der Geschichte der Mittelstands¬ 
bewegung, schilderte dann, wie ungerechtfertigt die Forderung an 
die Aerzte wäre, ihre Kräfte zu geringen Preisen zur Verfügung 
zu stellen, und gab schliesslich ausführlich das Ergebnis einer im 
Deutschen Reiche veranstalteten Umfrage über die Zahl derartiger 
bereits bestehender Kaaeen wieder. Diese Umfrage hat mannig¬ 
fache sehr interesaants Ergebnisse gezeitigt, das kurioseste war 
w(dil, dass es in Eschweiler eine Knappschaftskasse gibt, in der 
hochgestellte Beamte mit 70—80000 M Jahreseinkommen gegen 
Zahlung von 15 M. pro Jahr Familienbehandlung haben können. 
Seine Ansohanongen und Forderungen fasste D ip p e in folgenden 
Thesen zosammen: 

1. Das Bestreben Derjenigen, die nicht dem Krankenver¬ 
sicherungsgesetze unterstellt sind, in ihren äusseren Verhältnissen 
aber den Versicherungspflichtigen gleichstehen, einander gegen¬ 
seitig bei Erkrankungen vor gar zu grossen Geldausgaben zu be¬ 
wahren, ist als berechtigt anzuerkennen. 

2. Diesem Bestreben wird am besten Genüge geleistet durch 
die Gründung von Versicherungsvereineu, die dem von Krankheit 
Betroffenen mit einer ausreichenden GeldunterstUtzung beistehen, 
sieb aber in das Verhältnis des Versicherten und seiner Ange¬ 
hörigen zu dem Arzte nicht einmisohon. 

3. Kassen, Vereine, Verbände, zu denen sich Leute aus ver¬ 
schiedenen Berufen und verschiedener sozialer Stellung zusammen¬ 
tun, lediglich zu dem Zwecke, für einen möglichst geringen Bei¬ 
trag freie ärztliche Hilfe, freie Apotheke und womöglich auch 
noch Krankengeld zu bekommen, sind durchaus vom Uebel. Mit 
solchen Kassen und Verbänden dürfen Aerzte und Aerztevereine 
nicht Verträge abschliessen. Bestehende derartige Verträge sind 
sobald als möglich zu kündigen, und es ist dahin zu wirken, dass 
die Kassen aufgelöst oder in Versicherungsvereine im Sinne der 
2. These umgewandelt werden. 

4. Ausnahmsweise kann bei besonderen Verhältnissen, unter 
einer abgeschlossenen Gruppe Gleichgestellter, z. B. unter den 
Beamten einer Behörde, eines Betriebes etc., ärztlicherseits der 
Gründung einer Krankenkasse zugestimmt werden, wenn folgende 
Bedingungen erfüllt sind: 


a) Es muss sichere-Gewähr dafür gegeben sein, dass niemand 
in der Kasse ist oder bleibt, dessen jährliches Einkommen 
über 2000 M. beträgt; 

b) die Kasse muss einen Vertrag mit der Vertretung der im 
Orte wohnenden Aerzte abschliessen, in dem &eie Arztwahl 
und Bezahlung der Einzelleistung nicht unter den Mindest¬ 
sätzen der Gebührenordnung ausbedungen ist. 

5. Der Zutritt Nichtversicherungspflichtiger zu den Kassen 
Versicherungspflichtiger ist mit allen Mitteln streng zu überwachen. 
Auch hier ist als Allermindestes ein zuverlässiges Einhalten der 
Einkommengrenze von 2000 M. zu verlangen. 

Zu derselben Angelegenheit waren von seiten der Berliner 
sowie der Düsseldorfer Vereine folgende Anträge gestellt worden, 
die von Hesselbarth und Moll (Berlin) bezw. von Pfalz 
(Düsseldorf) vertreten wurden: 

I. Antoag von 17 Vereinen in Berlin-Brandenburg: 

Der Aerztetag wolle beschliesseu: „Die Aerztesebaft des 
Deutschen Reiches bestreitet nicht die Berechtigung aller Klassen 
der Bevölkerung, also auch des Mittelstandes, zum Zweck der 
Versicherung gegen Krankheit genossenschaftliche Vereinigungen 
za bilden, soweit diese den Mitgliedern eine Beihilfe für den Fall 
der Erkrankung sichern. 

Dagegen hält sie es für unstatthaft, dass ein Arzt oder eine 
ärztliche Vereinigung mit irgend einer neu zu gründenden Ver¬ 
einigung, die andere als versicherungspflichtige Personen auf* 
nimmt, z. B. einer Mittelstandskasse , ein Vertragsverhältnis über 
Leistung ärztlicher Hilfe eingeht. 

Bestehende Verhältnisse werden durch diese Resolution nicht 
berührt“. 

IL Antrag der Berliner ärztlichen Standesvereine: 

„Behufe Verhinderung, bezw. Abwehr von sogen. Mittelstand¬ 
kassen wird den deutschen Aerzten dringend empfohlen, au allen 
Orten, wo dies nicht bereits geschehen ist, möglichst umgehend 
Schutz- und TrutzbUndnisse ad hoc zu schliessen“. 

(Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 25. 

1. Escherich, Wien: Die Verwendung der Pyosyanase bei 
der Behandlung der epidemischen Säuglingsgrippe und der Menin¬ 
gitis cerebrospinalis. 

Es handelt sich um die auf dem Wege der Autolyse aus Bak¬ 
terien gewonnenen bakteriziden Substanzen, auf deren Vorkommen 
und Bedeutung zuerst Emmerich und Löw die Aufmerksamkeit 
gelenkt haben. Sie bezeichnen dieselben als proteolytische Enzyme, 
Nukleasen, denen die Fähigkeit zukommt, das Protoplasma derjenigeu 
Bakterienart aufzulösen, durch welche sie erzeugt werden. Es 
gibt aber auch Nukleasen, welche wie das proteolytische Enzym 
des Bazillus pyoc 3 raneu 8 , das Protoplasma verschiedener Bakterien 
aufzulösen vermag. Emmerich hat die bakterizide Wirkung der 
Pyozyanase auf eine grosse Zahl von pathogenen Bakterien und 
zugleich die relative Ungiftigkeit dieser Substanz in zahlreichen 
Versuchen festgestellt. Das Lingnersche Laboratorium in Dresden 
hat die Herstellung des Mittels im grossen übernommen, und es 
liefert einen Spray-Apparat, der von Escherich angegeben wurde. 
Zum Versuche bot eine auf der Wiener Säuglingsabteüung des 
Kinderspitales herrschende Grippeepidemie die erwünschte Gelegen¬ 
heit. Aber auch die elektive Wirksamkeit des Mittels gegenüber 
dem Meningococcus trat hervor, imd es erscheint nach den bis¬ 
herigen Versuchen wahrscheinlich, dass mit dem Verschwinden der 
Meningococcen aus dem Nasensekret nicht nur der Infizierte vor 
der drohenden Gefahr der Meningitis geschützt ist, sondern auch 
die Umgebung des Kranken vor der Ansteckung behütet und die 
Verbreitung der Seuche durch gesunde Zwischenträger verhindert 
werden kann. 

2. Jehle, Wien: Ueber das Entstehen der Qeniokstarre* 
epidemie. 

Eine Studienreise, welche J. auf Veranlassung von Prof. Esche¬ 
rich in Wien, imd mit Unterstützung des Geheimrat Lingner 
in Dresden, zunächst aus therapeutischen und prophylaktischen 
Gründen nach Orlau im Mai d. J. unternahm, brachte eine Anzahl 


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312 


MEDICmiSGHS WOCHE. 


Nr. 29. 


interessanter Beobachtungen. J. kam zu der Annahme, dass nur 
die Erwachsenen, insbesondere die Eltern der Kinder als Zwischen¬ 
träger an der Weiterverbreitung der Krankheitsfälle schuld sind 
und ihre eigenen oder fremde Kinder infizieren. Die Richtigkeit 
dieser Annahme trat aufs deutlichste zutage, als J. sämtliche inner¬ 
halb von 15 Monaten im Orlauer Epidemiespitale aufgenommenen 
Genickstarrefälle zeitlich und nach dem Orte der Beschäftigung 
der Väter getrennt zusammenstellte. Es zeigte sich, dass in weitaus 
überwiegender Mehrzahl nur Kinder erkranken, deren Väter in ein 
und derselben Grube beschäftigt sind, während die vielen anderen 
Kinder von Arbeitern anderer Schächte gesund bleiben, obwohl sie 
innerhalb derselben Arbeiterkolonien oft räumlich ganz dicht mit 
den Kindern der betroffenen Familien Zusammenleben und ver¬ 
kehren. Also die Grube spielt für die Genickstarre eine ähnliche 
Rolle wie die Schule für die anderen Infektionskrankheiten, wie 
Scharlach, Masern, Keuchhusten. Sie ist das Zentrum, von dem 
die Erkrankungen ihren Ausgang nehmen. Ist in eine Grube von 
irgendwoher ein Meuingococcenträger angelangt, so infiziert er durch 
seinen Auswurf direkt und wohl auch indirekt seine Mitarbeiter 
in derselben Grube, und diese bringen aus ihr, ohne selbst zu er¬ 
kranken, die Krankheitskeime in ihre Familien. 

3. Pick: Ueber motorisch bedingte Mikrographie. 

Der Patient hat vor einigen Jahren Lues durchgemacht; 
vor Jahresfrist heftige Kopfschmerzen; August 1905 ohne Insult 
linksseitige Hemiparese, die nach 14 Tagen zurückging; am 14. 
Oktober schwerer apoplektischer Insult mit beiderseitiger Lähmung, 
danach ausgesprochene Parese der linken Körperhälfte, Zwangs¬ 
ideen, zunehmende Verschlechterung der Sprache (Leiserwerden 
derselben), Veränderung der Schrift, die bis dahin sehr schon ge¬ 
wesen war. Die Schrift setzt mit normaler oder nicht wesentlich 
verringerter Grösse der Buchstaben ein, diese nimmt dann aber 
rasch ab. 

4. Doerr, Wien: Ueber Agressine. 

Auf Grund der neueren Untersuchungen kommt D. zu dem 
Schlüsse, dass die Aggressintheorie Bails experimentell nicht 
hinreichend fundiert ist. Die infektionsbefordemden Wirkungen 
steriler Exsiidate sind nicht spezifisch, beruhen nur znm kleinsten 
Teile auf negativer Chemotaxis, meist dagegen auf ihrer Giftigkeit, 
d. h. auf einer additionellen Schädigung des Tierkörpers und sind 
zudem äusserst inkonstant wegen der Variabilität der individuellen 
Resistenz. Die mit solchen Flüssigkeiten erreichte Immunität ist 
spezifisch, weil sie durch die in Exsudaten enthaltenen gelösten 
spezifischen Substanzen der Bakterienleiber hervorgerufen wird. 
Nichts berechtigt also in den Versuchen Bails zur Annahme neuer 
hypothetischer Stoffe. Nur gegen diese richten sich D.s Ausführ¬ 
ungen; anf andere Leukozytose hemmenden Substanzen, wie sie 
die neueren Untersuchungen über die Opsonine wahrscheinlich 
machen, geht D. nicht ein. 

5. Stegmann und Just, Karlsruhe i. B.; Die Wirkungen 
der Baden-Badener Thermen vom Standpunkte der Radioaktivität. 

Es steht fest, dass bei Einführung von emanationshaltigem 
Wasser in den Körper die Emanation sowohl vom Magen wie vom 
Darme aus in die Blutbahn übergeht und von dort durch die Lunge 
wieder ausgeschieden wird. Die Büttquelle steht mit etwa 10000 
Volt. (Abfall pro Stunde und Liter) weit an der Spitze der radio¬ 
aktiven Quellen. Es ist wohl der erste derartig starke radioaktive 
Trinkbrunnen, dessen sonstiger Salzgehalt es ermöglicht, das Wasser 
ohne künstliche Beigaben zu trinken; aber S. imd J, sahen an einer 
ganzen Reihe von Versuchspersonen bei rascherer Aufnahme grösserer 
Quantitäten des Wassers Allgemeinbeschwerden auftreten, daher 
drängte sich ihnen die Frage der Dosierung auf. Der Voltabfall 
der Quelle beträgt z. B. pro Stunde und Liter 10000 Volt, für 
Vz Liter 5000 Volt. Man dosiert am besten nach Volt und kann 
die zu trinkende Quantität des Wassers leicht berechnen. Wieviel 
Volt nun im einzelnen Falle auf den ganzen Tag zu bestimmen 
sind, das ist eine Frage, die erst nach reichlicher Erfahrung ent¬ 
schieden werden kann. Trotzdem also die Dosierung an und für 
sich eine ungemein leichtere ist als bei Röntgenstrahlen, muss sie 
trotzdem durchaus dem Zustand des Einzelindividuums Rechnung 
tragen. Derartige Trinkkuren sollen nur unter ärztlicher Kontrolle 
ausgeführt werden. 


6. Nespor, Fiselia b. Pola: Beitrag zur Bebandlniig akuter 
Eiterungen und Verletsongen mit Pbenolkampfer (Chlumeky). 

Bei der Anwendung des Phenolkampfers verfuhr N. folgender- 
massen: Auf einen noch geschlossenen Entzündungsherd wurde eine 
sterile in Chlumsky-Lösung getauchte Gazekompresse aufgelegt und 
mit Binden locker befestigt. Chlumsky verwendet zur Behand¬ 
lung von Eiterungen eine Mischung reiner Karbolsäure, Kampfers 
und absoluten Alkohols in folgendem Verhältnisse: Ac. carbolic. 
3000, Camphorae trit. 6000, Alcohol. absol. 1000. Gewöhnlich 
konnte N. schon am nächsten Tage den bereits ausgebildeten Absssess 
spalten, nur selten imd zwar nur in ganz frischen Fällen ging die 
^tzündung zurück. Nach dem Entfernen des Eiters aus der Biter- 
höhle wurde ein Stückchen Vioform-Gaze in Oblumsky-Lösung 
getaucht und dann noch von der Flüssigkeit triefend locker ein¬ 
gelegt. Darüber gab N. gewöhnlich noch eine dünne Lage steriler 
Gaze und schloss den Verband. Wasserdichte Verbandstoffe hat 
N. nie gebraucht. War die Umgebung des Entzündungsherdes 
stark gerötet, üdematös und schmerzhaft, so verwendete N. statt 
steriler Gaze Burrow-Kompressen. N. behandelte hanptsädilich 
Abszesse und frische Verletzungen nach Ghlumskys Methode. 
Besonders empfiehlt er die Kombinaticm von Phenolkampferverband 
und Burrow-Umschläge. 


Vermischtes. 

Borlin. Folgende Wahlen fUr leitende Stellen am Virchow- 
krankenhaus hat der Magistrat in seiner letzten Sitzung vollzogen: 
Innere Abteilung Prof. L. Kuttner; Chirurgische Abteilung Prof. 
M. Borchardt; G 3 mäkologische Abteilung Prof. Koblanck; 
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Prof. Artur Hartmanu; 
Augenkrankheiten Dr. Fehr; Haut- und Geschlechtskrankheiten 
Privatdozent Dr, Buschke und San,-Rat Wechselmann; Hydro¬ 
therapie Dr. Laqueur; Röntgenabteilung Dr, Levy-Dorn; 
Pathologische Anatomie Prof. v. Hansemann ; Infekdonsabtoiliing 
Dr. Jochmann. 

Frankfurt a. M. Als Nachfolger V. Noordens ist Prof. 
Hugo Lüthje in Erlangen zum Oberarzt des städtischen Krankeu- 
hauses in Frankfurt a. M. gewählt, 

GÖttingan. Prof. Wilhelm His- Basal ist als Nachfolger 
Ebsteins nach Göttingen berufen worden. 

Strassburg. Prof. Wollenberg-Tttbingen abernimmt als 
Nachfolger Fürstners die Profeesur fUr Neurologie und Psy¬ 
chiatrie in Strassburg i. E. 

Bsrlin. Bei der diesjährigen ärztlichen Studienreise, 
welche am 2. September in Heidelberg beginnend die Orte Höfeo, 
Schömberg, Wildbad, Teilnach, Freudenstadt, Rippold-sau, Peters- 
tal, BadenweUer, Wehr, Schaffhausen, Konstanz, Triburg, Baden- 
Baden berührt und am 15. September in Stuttgart endet, haben 
ansser den in den zu besuchenden Orten praktizierenden Herren 
Kollegen die Herren Prof. Kionka, Prof, von Krehl, Prof. 
Strauss, Prof. Strassmann, Prof. Romberg, Prof. Kutner, 
Geh. Rat Vierordt Vorträge zugesagt. Der Preis für die 15- 
tägige Reise ist auf M. 225,— inkl. Fahrt, Verpflegung und 
Quatiere festgesetzt. Da maximal nur 200 Teilnehmer zugelasseu 
werden, dürfte sich baldige Meldung empfehlen. Anfragen sind 
zu richten an das Komitee zur Veranstaltung ärztlicher Studien¬ 
reisen, Berlin NW., Luisenplatz 2/4 (Kaiserin Friedrich-Haus). 

Halle a. S. Den prakt. Aerzten Dr. Max Gräfe und 
Dr. Wilhelm Bäumler von hier ist der Charakter als Sanitäts- 
rat verliehen worden. 

Leipzig. Bekanntmachung. Laut § 7 A, Absatz 4 
der Satzungen des „Verbandes der Aerzte Deutschlands zur 
Wahning ihrer wirtschaftlichen Interessen“ hat sich der auf der 
Hauptversammlung in Halle a. S. vom 21. Juni d. Js. gewählte 
Vorstand konstituiert. Nach Zuwahl weiterer 4 Beisitzer gehören 
ihm z. Zt. an die Herren: Dr. Hartmann, Dr. M. Goetz, 
Dr. Hirschfeld, Dr. Dippe, Dr. Donalies, Dr. Streffer, 
Prof, Dr. Schwarz, Dr, Mejer, Dr. Dumas, Dr. Vollert. 

Kuhns, Generalsekretär. 


Veraniwortlicher Redakteur : Dr. P. Meiasoer, BerlinW. 69, Kurfüritenitr. 81. — Vertag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Drtick von der HejBemaaB'sehen Bnchdruckerei, Gebr- Wolff, Halle a.S. 


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Medicinische Woche 


Deatschnann, 

Hamburg. 


A. DQhrtsen, A. Hoffa, 
Berlin. Berlin. 

H. Senator, 

Berlin. 


E. Jacobi. 

Preiburg I. Bi. 

R. Sommer, 
Giessen. 


Herausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, 
Rostock. Berlin. Breslau. 

H. UnTenicht, A. Vossios, 
Magdeburg. Giessen. 


H. Rosin, H. Schlange, 

Berlin. Hannover. 


Verlag und Expedition 


Redaktion: 

Carl Marhald In Halle a. S*« Uhiandstrasse 6. 


Berlin W* 62, KnrfArstenstrasse 8U 

Tcl.-Adr.: Marhoid Verlag Haliesaale. Fernsprecher 823. 


Dr. P. Meißner. 

-—__ J 


VD. Jahi^ang. 


23. Juli 1906. 


Nr. 30. 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der 14tSglgen Beilage BalneolOglSClie Cetltralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Biderverbandes, des Schwarzwaldbidertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhoid In Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Rekiamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Orlginalien. 

Die Behandlung Augenkranker 
durch den praktischen Stadt- und Landarzt. 

Von Dr. Gustav Preytag (Münclien). 

(Schluss.) 

Nicht immer reicht das diffuse Tageslicht zum Erkennen 
kleiner Fremrlkörper aus, man muss es dann mittels einer Lupe 
(von ca. 20 Diop.) auf die gewünschte Stelle konzentrieren 
oder muss im verdunkelten Zimmer (Sehliessen der Vorliäuge 
genügt gewöhnlich) bei künstlicher Beleuchtung arbeiten, wo¬ 
bei man die Lampe (ohne Schirm) oder Kerze seitlicli und 
etwas nach vom von dem zu untersuchenden Auge ungefähr 
in gleicher Höhe mit ihm aufstellt, während Arzt und Patient 
sich gegenüber sitzen. 

Man hält nun die Lupe in ihre Brennweite (ca. 5 cm) 
vom zu beleuchtenden Punkte, wobei zu beachten ist, dass sie 
sich auch auf der Verbindungslinie zwischen letzterm und 
Flamme befindet. Anfänger sieht man nur zu häufig das Ge¬ 
setz von der geradlinigen Fortpflanzung des Lichtes souverän 
ignorieren und mit der Lupe allerhand mystische Bewegungen 
in der Augengegend ausführen, ohne das Jdcht auf die ge¬ 
wünschte Stelle zu zwingen. Also 1. die Lupe so halten, 
dass sie mit Licht und Auge eine gerade Linie bildet, 2. die 
Lupe dem Auge auf Brennweite nähern, 3. achte man 
noch darauf, dass Lichtstralil und Ebene der Lupe möglichst 
senkrecht auf einander stehen, wodurch das Maximum von 
Liehtkonzentration erreicht wird: das ist das ganze Geheimnis 
der sog. seitlichen oder fokalen Beleuchtung, die man 
namentlich zur Diagnose der gleich zu besprechenden Horn- 
haulfromdkörper häufig nicht entbehren kann. 

Die Hornhaut kann durch geringes Auseinanderziehen 
der Lider vollständig übersehen werden. Die erste Besicliti- 
gnng erfolgt gleichzeitig mit der der Bindehaut bei Tageslicht. 
Zuerst dnrehmustere man den sog. Hornhautfalz, in welchem 
die Hornhaut in die Leder- bezw. Bindehaut übergeht; in ihm 
setzen sich mit Vorliebe Fremdköi'per fest, die auch meist 
leicht zn seluMi sind. 

Die Deutlichkeit der auf der Hornhaut selbst befindlichen 
Körper hängt einerseits von ihrer Grösse und Färbung, andrer¬ 
seits von der Farbe des Hintergrundes ab, der durch die 
Hegenbogonliaut (Iris) und das Sebloch (Pupille) gebildet wird. 
Es ist klar, dass sich von letzterm dunkle Teilchen, wie Metall, 
Haramerschlag nsw. sehr wenig ablieben, gut dagegen von 
einer hellen Iris, schwer von dunkelbrauner; aucli kann die 
Zeichnung der Regenbogenhaut Irrtiimer verursachen. Lässt 
man jedoch den Kranken in v6i*schiedeno Richtungen blicken, 
so wird in vielen Fällen der Fremdkörper siclitbar. Ungeübte 


pflegen übrigens die Wölbung der durchsichtigen Hornhaut zu 
unterschätzen und ihr Auge auf das Niveau der Iris einzu¬ 
stellen, wodurch die Details der näher gelegenen Hornhaut 
unscharf gesehen werden. Kleine und si^ wenig abhebende 
Teilchen können nur im verdunkelten Raume mit seitlicher 
Beleuchtung gesehen werden, hier ist es ganz besonders nötig, 
den Lichtkegel genau auf das Niveau der Homhautoberfläche 
zu richten und sorgfältig alle Stellen unter seitlichen Bewe¬ 
gungen der Lupe zu durchmustern. Eine Hervorragung wird 
sich dann sicher verraten. Dasselbe Verfahren dient auch 
zum Nachweise, dass kein Fremdkörper vorhanden ist, sowie 
zum Erkennen von Kratzern (Erosionen), die von solchen hinter¬ 
lassen wurden. 

So sehr es in einer eingehenden Abhandlung nötig wäre, 
sich über die verschiedene Natur der Fremdkörper zu ver¬ 
breiten, .so kann doch hier darauf grösstenteils verzichtet werden. 
In der Praxis fragt es sich meist: wo sitzt er und wie be¬ 
komme ich ihn heraus. Nur 2 Substanzen verlangen kurze 
Erwähnung: Pulverkörner und Eisenteilchen. 

Erstere heilen in vielen Fällen ganz gut ein und werden 
dauernd vertragen. Man warte also, abgesehen von lose im 
Bindehautsack oefindlichen, jedenfalls bis die bei Pulverver¬ 
letzungen gewöhnlich vorhandene Entzündung abgelaufen ist 
und entferne dann nur die Kömer, die durch stärkere Promi¬ 
nenz mechanisch reizen. Das schwarze Pulver stört das Sehen 
in der Regel weniger als zurückbleibende weissgraue Narben. 

Die Eisensplitter der Hornhaut bilden einen kleinen Rost- 
Iiof, d. h, verhalten sich dem Gewebe gegenüber nicht indiffe¬ 
rent, was bzgl. der Behandlung wichtig ist. 

Therapie. Sie hat in erster Linie die Entfernung des 
Fremdkörpers, ferner die Heilung der gesetzten Verletzung zur 
Aufgabe. 

Ganz oberflächliche, also die Mehrzahl der auf der 
Bindehaut gefundenen Teilchen, werden am besten mit einem 
spitzgedrehten, in Borwasser getauchten Wattestückchen ent¬ 
fernt. Bei zahlreichen Körnchen im Bindehautsack (Sand 
u. dgl.) spült man letztem mit vorher zweckmäßig etwas er¬ 
wärmtem Borwasser aus. Man lässt den Pat. den Kopf zu¬ 
rückneigen lind einen Wattebausch an die Jochbeingegend an¬ 
pressen, der die Flüssigkeit vom übrigen Gesicht und der 
Kleidung fernhält; dann füllt man entweder einen Tropfen¬ 
zähler oder Wattebausch mit Borwasser und spült in zartem 
Strahle zunächst die obere und dann die untere Bindehaut- 
tasche mit reichlicher Flüssigkeit aus, wobei man die Lider 
abzieht und den Pat. nach unten bezw. oben blicken lässt. 


Hierdurch werden auch unter Umständen der Hornhaut 
ganz lose aufsitzende Teilchen entfernt. 

Bei allen auf oder in der Hornhaut fester sitzenden 
Freradkorpera ist es nötig das* Gewebe unempfindlich zu 
machen. 

Man träufelt hierzu einige Tropfen 5%iger Kokainlösung 
ein, die vor Gebrauch einige Minuten durch Kochen sterilisiert 


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314 


MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 30. 


werden muss. Nach ca. 5 Min. tritt Anästhesie ein, wovon 
man sich durch vorsichtiges Berühren mit der Fingerkuppe 
überzeugt 

Zur Entfernung der mehr oder weniger ins Gewebe ein- 

f ebetteten Teilchen bedient man sich einer Nadel. In vielen 
allen genügt eine gewöhnliche Stopfnadel, besser aber, nament¬ 
lich bei schon länger vorhandenen Fremdkörpern mit Infiltra¬ 
tionshof, ist eine richtige Fremdkörpemadel, die in einer vom 
zugespitzten Hohlrinne besteht Die Nadel muss steril sein, 
die Stopfnadel glüht man aus, die Hohlnadel wird, schonender, 
einige Minuten ausgekocht Vor Gebrauch muss die Nadel 
abkUhlen. 

Man versuche nun, mit ihr seitlich zwischen Fremdkörper 
und Gewebe zu kommen und erstem nach vom herauszu¬ 
hebeln, muss aber die Nadel nicht zu steil aufsetzen, um Per¬ 
foration zu vermeiden (Horahautdicke 0,9—1 mm). Zurück¬ 
bleibende Partikelchen sollen unter möglichster Schonung des 
Gewebes weggekratzt werden. Bei Eisenteilchen, die heiss 
auf die Hornhaut gelangen, pflegt der sog. Rosthof sehr fest 
an dem Gewebe zu haftem Manche überlassen ihn der Selbst- 
ausstossung, die gewöhnlich erst in einigen Tagen erfolgt. 
Doch dürfte sich eher die — allerdings häufig etwas müh¬ 
selige — Entfernung durch successives Abkratzen empfehlen, 
da so die Heilung nicht nur abgekürzt wird, sondern auch die 
sporttane Abstossung in der Regel einen mindestens ebenso 
grossen, häufig aber grössern Defekt und damit eine störendere 
Narbe zurückTäs.st. Tiefsitzende Fremdkörper muss man erst 
rings herum zu lockern suchen, ehe man sie herausnimmt 
Wenn sie sehr weit nach innen ragen, sodass Gefahr besteht, 
dass die Nadel in die Vorderkammer kommt, mu.ss ev. durch 
Zug von vorn mittels einer feinen (sterilen) Pinzette gearbeitet 
werden. Reicht der Splitter in die Kammer hinein, so über¬ 
weise man den Pat. Fieber dem Augenarzt und sorge nur für 
Reinigung und antiseptischen Verband. — Nach völliger Ent¬ 
fernung des Fremdkörpers ist gleichfalls Ausspülung des Binde¬ 
hautsackes vorzunehmen. 

Es bleibt jetzt noch die Frage des Verbandes. Nach 
Bindehautfremdkörpern ist ein solcher nur nötig, wenn tiefere 
Verletzungen gesetzt wurden; glücklicherweise ist die Nei¬ 
gung der Konjunktiva zu Wundinfektionen gering. Anders 
bei der Hornhaut, die sehr zu Eiterungen disponiert ist. All¬ 
jährlich gehen viele Hunderte von Augen durch eitrige Ent¬ 
zündung (ulcus serpens) zu Grunde, ein beträchtlicher Verlust 
für die Versicherungen und die Volkskraft, wie Römer kürz¬ 


lich in seinon^serumtherapeutischen Arbeiten genauer ausgo- 
führt hat. Das eitrige Hornhantgeschwür stellt sich mit Vor¬ 
liebe nach kleinen, anfänglich oft nicht beachteten Verlet¬ 
zungen ein. 

Wohl jeder Homhautfremdkörper ruft mindestens einen 
mikroskopischen Epitheldefekt hervor; da sich aber ganz ober¬ 
flächliche Defekte, auch wenn sie ziemlich ausgedehnt sind, 
überraschend schnell regenerieren, so darf man solche Augen 
— sofern sie unter Kontrolle bleiben können — 
event. ohne Verband lassen, wenn der Pat keine schmutzige 
Arbeit vor hat 

Bei allen nicht ganz oberflächlichen Verletzungen, sowie 
namentlich dann, wenn 'der Splitter schon mehrere Tage im 
Auge war und sich ein grauweisser Infiltrationsring um ihn 
gebildet hatte, muss verbunden werden. 

Man lege auf die geschlossenen Lider ein mit 
essigs. Tonerde getränktes Läppchen, darüber etwas Billroth- 
batlist, darauf noch eine dünne Schicht Verbandmull bezw. 
Watte und .schliesse mit einem Monoculus unter Verwendung 
einer ca. 5 mm breiten Mullbinde ab. Der Verletzte ist bei 
stärkerer Reizung 2—3 Tage arbeitsunfähig, namentlich wenn 
er beim Feuer zu tun hat. Bei geringerer Reizung kann man 
sich mit einer ovalen, durch Bänder zu befestigenden Klappe 
begnügen. Man streicht dann mit einem Glasstäbchen etvvas 
gelbe Salbe (Hydr. oxyd. flav. v. h. p. 0,025, Vasel. flav. ad 
5.0), die man auch zu andern Zwecken vorrätig hält, zwischen 
die Lider, hierauf kommt Verbandmull bezw. Watte und dann 
die Klappe. In dringenden Fällen darf gearbeitet werden, 
doch ohne dass unter die Klappe gegriffen bezw. letztere 
eigenmächtig entfernt w’ird. Verweigert Pat. den Verband, so 
ist jede Verantwortung für die Folgen ausdrücklich abzu¬ 
lehnen. 

Die Unfallmeldung ist bei Versicherungspflichtigen in 
jedem Falle zu veranlassen, der über eine ganz oberfläcHiIiche 
Erosion hinausgeht und auch dann noch, sobald eine Ueber- 
wachnng des Pat. unmöglich ist, damit bei späterer eyent. Eil¬ 
busse an Sehvermögen (sei es durch die entstehende Narbe 
oder gar durch Fhterung) die Veranlassung festgestellt ist So 
verkehrt es wäre, für jede nach Fremdkörpern meibende kleine 
Trübung gleich eine „Rente“ zu beantragen, wodurch nur die 
Arbeitsscheuen vermehrt würden, so darf man doch nicht über¬ 
sehen, dass Manche beruflich sehr häufig Fremdkörper aqiii- 
rieron und dadurch nicht unwesentlich im Laufe der Zeit im 
Erwerb geschädigt werden können, wofür ihnen dann nichts 


Feuilleton. 


Zur Geschichte der deutschen Nordseebäder. 

Von Dr. Erich Ebstein in Göttingen. 

(Fortsetzung.) 

Cuxhaven bat den Anspruch, das drittälteste deutsche 
Nordseebad zu sein; im Sommer 1816 wurde der Anfang einer 
Scebadeanstalt gemacht; der Gründer war der Hamburgische 
Amtmann und Senator A. A. Abendroth. In dem von ihm 
(Hamburg 1818) herausgegebenen Buche betitelt: „Ritzebüttel 
und das Seebad zu Cuxhaven“ hat der zweite Badearzt zu 
Cuxhaven, Dr. August Rüge über Seebäder im Allgemeinen 
und besonders über das Seebad in Cuxhaven gehandelt. 

Bei der Vorgeschichte des Seebades Cuxhaven mnss ich 
vor allem eines Mannes gedenken, der nicht nur der geistige 
Schöpfer dieses Nordseebades, sondern damit auch der aller 
Nordseebäder ist: Georg Christoph Lichtenberg, 
den wir als Naturforscher, Physiker, Astronom, verehren, der 
voll lebhaften Interesses war für die Philosophie und Psychologie, 
die .Aesthetik, Literaturgeschichte, sowie besonders auch für 
Geographie und Ethnographie. 

Denn er hat bereits im Göttingischen Taschenkalender auf 
1793 (S. 92—109*) die berechtigte Frage aufgeworfen: „War¬ 


um hat Deutschland noch kein grosses öffentliches 
Seebad?“, die er beantwortet und für die Einrichtung von 
Seebädern nach englischem Vorbilde eintritt. Lichtenbergs 
Bemühungen um ein deutsches Seebad reichen sogar bis in den 
Sommer 1788 zurück und lassen sich bequem übersehen in 
seinen Briefen an den Wasserbandirektor Woltmann (1757 
bis 1837), auf die hier verwiesen werden muss. (Vergl- 
G. C. Lichtenbergs Briefe. Bd. 8. Göttingen 1853, S. 
338—344 und S. G. Vogel 1. c. S. 16 fiP.) Lichtenberg hat 
sich auch noch weiter für diesen Gegenstand interessiert, und 
zwar fragt er in einem ungedruckten, ebenfalls an Woltmann 
gerichteten Briefe an, ob er ihm nicht Bücher über englische See¬ 
bäder schicken könne. Er habe in Johann Jakob Wolt- 
mann’s „neueste Reisen durch England“ (Lpz. 1781 u. 1782) ge¬ 
lesen, dass in Harwich eine Einrichtung zu warmen Seebädern 
existiere, und er bittet dringlich, ihm doch darüber nähere 
Mitteilungen zu machen. Also auch diese Einrichtung der 
warmen Seebäder, die zuerst Bromfleld vorgeschlagen hat, kam 
aus England! (Vogel, S. 124 f.) 

Auf Lichtenbergs Aufsatz hin, der Cuxhaven für den 
passendsten Ort zum Seebade erklärt, wurde in der Hamburger 
Gesellschaft zur Beförderung der Künste (Vgl. deren Verhand¬ 
lungen, 4. Bd. 1797, S. 369) verhandelt; allein Hinder¬ 
nisse und Zweifel mancherley Art vereitelten den Plan, und 
der Gegenstand kam nicht weiter zur Sprache. (Vergl. auch 
Vogel a. a. 0. S. 20 ff.) Dagegen ging man in Mecklenburg, 
bald nach dem Erscheinen der Lichtenberg’schen Arbeit 


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*) Wieder abgedruckt in dem Buch von Abendroth, S. 221—232. 





1906. 


MJ£DIGIN1SCH£ WOCHE!. 


815 


Tergütet wird, wenn nicht nachträglich nachweisbar ist, dass 
die neben einer frischen schon vorhandenen alten Trübungen 
ebenfalls von Betriebsunfällen herrühren. 


Sitzungsberichte, 


Vortr. führt aus, dass die Summe unserer physikalischen 
. Untersuchungsmethoden durch die Orthodiagraphie um eine neue 
wesentlich vermehrt worden ist, welche exakt wie keine andere, 
ein Urteil über die tatsächlichen Lage- und Grössenverhältnisse 
des Herzens gestattet. Im Verein mit allen klinischen Unter¬ 
suchungsmethoden und Erfahrungen ist sie ein unschätzbares diag¬ 
nostisches Hilfsmittel, dessen Technik verhältnismäüig rasch und 
leicht zu erlernen ist. 


Medidnlsche Ges^lschaft in Giessen* 

9. Sitzung am 13. März 1906. 

Vorsitzender: Herr Poppert. Sdiriftführer: Herr Kisskalt. 

I. Herr Dietlen. Ueber normale Lage und Grösse 
des Herzens. 

Die Herzpercussion muss darauf ausgehen, neben der abso¬ 
luten Dämpfung (Lnngen-Herzgrenze) auch die wirkliche Grösse 
des Herzens zu ermitteln. Um im Einzelfalle entscheiden zu 
können, ob es sich um ein normal grosses oder vergrössertes Herz 
handelt, ist die Kenntnis gewisser Normal-Herzmaße notwendig. 
Solche lassen sich durch orthodiagraphische Untersuchungen exakt 
ermitteln. Untersuchungen von 261 Personen haben ergeben, 
dass die ortbodlagrapbisch messbare Herzgrösse in einem gesetz¬ 
mäßigen Zusammenhang steht zn Körpergrösse nud -gewicht und 
Lebensalter. Die unter Beachtung ^eser Faktoren berechneten 
Mittelzahlen lassen sich unter Berücksichtigung der Minimal- und 
Maximalzahlen praktisch verwerten. Frauen haben unter gleichen 
Bedingungen ein kleineres Herz als Männer. 

Die topographische Lage des Herzens ist in erster Linie ab¬ 
hängig vom Zwerch fellstande. Da dieser mit dem zunehmenden 
Alter tiefer wird, erfährt auch das Herz in zunehmendem Älter 
eipe zunehmende Senkung. Das Frauenherz liegt im allgemeinen 
höher im Brustkorb als das Männerherz. 

Der Spitzenstoss darf nicht als der tiefste Punkt des Herzens 
gelten, die Beziehnng der Herzgrenze auf die Mammillar- und 
Parastemallinie muss durch Messung ihres Abstandes von der 
Medianlinie ersetzt werden. 

Die Lagerung des Herzens im Thorax und seine Form sind 
vop den Baumverhältnissen im Thorax abhängig. Man kann 
schräg-, steil- und quergestellte Herzen unterscheiden. Die per- 
cutorische Bestimmung der wahren Herzgrenze ist bei geeigneter 
Methode und entsprechender Uebung mit einer für praktische 
Zwecke ausreichenden Sicherheit möglich. 

II. Herr Schieffer demonstriert nach einer kurzen, ein¬ 
leitenden Besprechung der Technik der Orthodiagraphie den Moritz- 
schen Horizontaldiagraphen. 


Neben einer Menge von Vorzügen und Vorteilen für die 
Herzontersuchung im allgemeinen bietet sie speziell für die 
militärärztliche Praxis eine Reihe Annehmlichkeiten und nicht zu 
unterschätzende Handhaben bei der Beurteilung herzkranker Leute, 
bei der Dienstentschädigungsfrage, bei der Beobachtung vermut¬ 
lich herzkranker Mannschaften vor und während der Ausbildungs¬ 
zeit, bei der Frage acuter Dilatationen bei Ueberanstrengungen, 
event. beim Aushebungs- und Musterungsgeschäft usw. Sie fördert 
durch die Möglichkeit der häufigen Kontrolle der gefundenen Re¬ 
sultate ohne Zweifel die Uebung und Sicherheit in der Percussion, 
ergänzt die Ausbildung in der Herzdiagnostik in kurzer Zeit. 

Vortr. hat von 60 Leuten, die vor der Einstellung mehr 
oder minder viel geradelt hatten, 40 mit z. T. erheblichen Herz¬ 
dilatationen gefunden, von denen nur 2 subjektive Beschwerden, nur 
ein geringer Bruchteil einen nennenswerten pathol. aiiskultato- 
rischen Befund aufweisen. 

Er glaubt die Einführung der Orthodiagraphie in der Armee 
warm empfehlen zu können. 


Kongressbericht. 

35, Kongress der Deutschen Gesellscha^ 
für Chi/rurgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Stettiner-Berlin bemerkt auf Grund von etwa 60 meist 
ambulant mit Saugapparaten behandelten Fällen bezüglich der 
Techuik, dass er die Anwendung von mehreren kleineren Sauggläsern 
an Stelle eines grossen nicht für gleichwertig hält. Überhaupt 
kommt es viel auf die Form und Grösse des Glases an. Der 
Panaritiumsauger bewährt sich für den Daumen, nicht für die 
anderen Finger. Er hat aber gerade bei Panaritien in Fällen, 
in denen er früher die Endphalanx geopfert hätte, gnte Elrfahrungen 
zu verzeichnen. Auch bei Mastitis hat er gute Resultate erzielt, 
auch insofern, dass das Stillnngsgeschäft nur anf kurze Zeit unter¬ 


tätig ans Werk, und dem Hofrat Vogel in Rostock wurde der 
Auftrag erteilt, anno 1794 bei Doberan an der Ostsee ein See¬ 
bad anzulegen. Lichtenberg schreibt darüber am 12. Dez. 
1793. (1. c. S. 343): „Bei Rostock kommt ein Seebad zu Stande, 
und zwar unter der Direktion des vortrefflichen Hofrats Vogel, 
der mich vor einigen Monaten besucht hat. Er hat in Gesell¬ 
schaft eines Baumeisters die hauptsächlichsten Bäder Nieder¬ 
sachsens bereist, und die Sache ist schon völlig in Gang. Er 
wird darüber schreiben“. Das Buch S. G. Vogels erschien 1794 
in Stendal unter dem Titel „Ueber den Nutzen und Gebrauch 
der Seebäder“.*) Auf S. 1—28 gibt er eine „Kurze Geschichte 
der Seebäder“. Auf diese Weise ist Lichtenberg indirekt 
auch geistiger Begründer der Ostseebäder geworden, ihr die er 
kein grosses Tendre zeigte, da ihm einmal die ganze Küste der Ost¬ 
see unbekannt war, und zweitens, weil dort das unbeschreiblich 
grosse Schauspiel der Ebbe und Flut, wo nicht fehlt, doch 
nicht in der Majestät beobachtet werden kann, in welcher es 
sich an der Nordsee zeigt“. Nach den Mitteilungen von Wil¬ 
helm Klobes (Berliner Tageblatt vom 20. Februar 1906 Nr. 92) 
scheint Heiligendamm das älteste Ostseebad zu sein: denn 
auf dem dortigen Kurplatz trägt ein viereckiger, errichteter 
Granitblock von Uebermannshöhe die Inschrift, dass anno 1793 
der Grossherzog Friedrich Franz I von Mecklenburg Heiligen- 


*) Während der Korrektur gelangt zu meiner Kenntnis die Arbeit 
von E. Kotb (Balneol. Zentralblatt 1905, Nr. 11 u. 12): „Über den Ge¬ 
brauch der Seebäder, bes. Doberans am Ende des 18. Jahrhunderts". 


dämm gegründet habe. Darauf folgten 1813Rügenwalder- 
münde, 1814 Swinemünde, ISlöPutbus, 1825 Herings¬ 
dorf, 1832 Kolberg, 1835 Misdroy, 1836 Crampas- 
Sassnitz, 1844 Dievenow. 

Nach dieser Abschweifung, die vergleichshalber gemacht 
werden musste, kehre ich zu dem eben begründeten Seebad 
Cuxhaven zurück, das vortrefflich reüssierte. Im Sommer 1817 
kamen 600 Fremde; die Zahl der Badegäste war 295, welche 2743 
Bäder nahmen. Eines solchen Zuspruches konnte sich Doberan, 
wie Rüge bemerkt, erst im achten Jahre nach seiner Entstehung 
erfreuen. 

In Cuxhaven gab es ausser den kalten Seebädern (den sog. 
Karrenbädern), auch sog. Badebassins zum kalten Bade; sie 
waren 1000 Schritt vom Badehause auf der anderen Seite des 
Hafens angelegt. Das Seewasser wird dort zu jeder Flutzeit 
mittelst einer Schleuse gesammelt. Trotzdem für Erneuerung 
des Wassers usw. gesorgt ist, so kann, wie Rüge selbst zugibt, 
dieses Bassinbad das offene Seebad nicht ersetzen. „Es ist 
daher mehr ein Seewasserbad als ein Seebad“. Es scheint 
auch nur bei heftigen Sturm und zu hoher Flut benutzt worden 
zu sein. 

Weit beliebter ist das warme Seebad, das bereits vor¬ 
nehmer und praktischer eingerichtet ist, als das vorhin auf 
Norderney erwähnte. So wird das Seewasser durch Pumpen 
in einen grossen Behälter befördert. Ausserdem gab es in 
Cuxhaven bereits Gelegenheit zu Tropf-, Regen-, Sturz- und 


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316 


MBDIGINISGHJfi WOuuB. 


Nr. 30. 


brochen zu werden brauchte. Schliesslich weist er darauf hin, 
dass die Saugapparate in gewissem Sinne die Brainage ersetzen 
können nach Operation, nach Entfernung des 24 Stunden eingelegten 
Dochtes, aber auch bei allen Fisteln, von denen ein grosser Teil 
durch zu lange Drainage oder Tamponade entstanden zu sein 
pflegt. 

Hr. Hofmann-Karlsrohe: Am städtischen Erankenhause zu 
Karlsruhe wurde bei acuten Entzündungen mit gutem Erfolge die 
Bier’sehe Stauung angewandt. Auch prophylaktisch wurde gestaut. 
Bei einer Urinphlegmone wurde eine Bauchstauung vorgenommea, 
Pat. genas. Bei Abscessen wie bei Fisteln wurde über einem 
eingelegten Drain gesaugt, weil das Oedem der Öffnung die Drai> 
nage erschwert. 

Um Aufschluss Uber die histologischen Vorgänge zu erhalten, 
wurden Granulationen nach phlegmonösen Entzündungen vor und 
nach dem Stauen untersucht, und man gelangte zu ähnlichen Bildern, 
wie dies H. bei der Saughyperämie beschrieben hatte. Im Vorder¬ 
gründe steht jedenfalls das seröse Transsudat. 

Blutdruoknntersochungen ergaben einen gesteigerten Fulsdruck 
bei der Stauung als Ausdruck einer vermehrten Herzarbeit. Diese 
Mehrleistung stellt die therapeutische Forderung, bei ausgedehnten 
phlegmonösen Prozessen die durch die Stauung noch vergrösserten 
Hindernisse in der Cirkulation durch Kräftigung des Herzens zu 
überwinden. 

Hr. C anon - Berlin kommt auf Grund theoretischer Erwägungen 
und praktischer Erfahrungen zu einer Empfehlung der Bier’schen 
' Methode. 

Hr. Blumberg-Berlin demonstriert einen Fremdkörper, den 
er mittels Aspiration aus einem Finger entfernt hat. 

Es sprechen noch die Herren Heller-Greifswald, Küster- 
Marburg, Ranzi-Wien, Haassler-Halle, Gebele-München 
über die Erfahrungen an den Kliniken, an denen sie tätig sind. 
Sie haben alle im wesentlichen günstige Erfahnmgen gemacht. 

(Fortsetzung folgt.) 

23‘ Kongress für iwnere MedieVn 
vom 23. bis 26. April 1906 in München. ,, 
Referent: Dr. Grassmann-München. 

Herr Pässler-Dresden: Beiträge zur Pathologie der 
Nierenkrankheiten nach klinischer Beobachtung bei 
Anurie. 

P. beobachtete eine Frau, welche Jahr nach einer Total¬ 
exstirpation eine Hamsperre bekam, nachdem sie sich zuerst gut 


Spritzbädem, zu der Klystier-Douche, zu Fussbädern, zu Dampf¬ 
bädern, nach dem Vorbild in der Charitö in Berlin usw. Auch 
worden vereinigte See- und Schwefelbäder in hölzerner Wanne 
verabfolgt. 

Znm Schluss darf ich noch des innerlichen Gebrauchs des 
Seewassers gedenken, der neuerdi^s wieder warm empfohlen*) 
bereits damals u. a. bei manchen Formen der Skrophulose an- 
ewandt wurde. (Vgl. auch Vogel 1. c. S. 137 £f.) Soviel aus 
er Frühzeit des Seebades Cuxhaven, das neuerdings wieder 
sehr in Aufnahme gekommen zu sein scheint. Es mag hier 
erwähnt werden, dass der bekannte — leider zu früh ver¬ 
storbene — Literarhistoriker Eduard Grisebach, der ein 
warmer Vertreter Lichtenbergs war, Cuxhaven häufig auf¬ 
gesucht und mit grossem Vergnügen davon erzählt hat. 

Engen Reichel hatte den Vorschlag gemacht (Vossische 
Zeitung, 1904, Nr. 245), es möge das Fest des 100jährigen 
Bestehens von Cuxhaven anno 1916 Gelegenheit geben, dem 
geistigen Gründer dieses Bades, Lichtenberg, ein Denkmal 
oder doch wenigstens einen Denkstein zu setzen. Ebenso wie an 
der Ostsee — wie erwähnt — sich ein erratischer Block erhebt, so 
sollte auch an den Gestaden der Nordsee die Erinnerung an 
Lichtenbergs Vorschlag zur Begründung von deutschen 
Nordseebädem wachgehalten werden. Vielleicht würde es sich 
empfehlen, dass die vereinigten Badedirektionen der deutschen 

•) Vffl. Fodor in Abbazia, Ueber den innerlichen Gebrauch des Meer- 
wassers. Blätter für klinische Hydrotherapie. 1904 Nr. 11. 


erholt hatte. Bei dieser Kranken traten keine eigentlichen urä¬ 
mischen Erscheinungen auf. Auffallend war, dass sich bei der 
Patientin Uringeruch aus dem Munde bemerkbar machte. Der 
Blutdruck fand sich gesteigert. Trotz der Hamsperre traten 
keine Oedeme auf, höchstens ein geringes Knöchelödem. Im An¬ 
schluss an diese Beobachtung geht P. auf mehrere Punkte der 
Urämiefrage ein. Man könnte zunäohst sohliessen, dass das Urä¬ 
miegift eine gewisse Latenzzeit braucht, um, nachdem es eine ge¬ 
wisse Anhäufung erfahren hat, dann erst zu eklamptischen An¬ 
fällen zu führen. Wie schon Senator angibt, kommt das 
Urämiegift im normalen Harn nicht vor. P. geht sodann bei der 
Besprechung der Blutdrucksteigerung, welche bei dieser Kranken 
beobachtet wurde, auf verschiedene Theorien ein, welche zur Kr- 
klärung der Blutdrucksteigerung bei Nierenkranken aufgestellt 
sind. Das Maßgebende für eintretende Blutdmcksteigenmg scheint 
ganz im allgemeinen darin zu liegen, dass eine beträchtliche Stö¬ 
rung der eliminierenden Funktion der Nieren eintritt. Ferner er¬ 
örtert P. die Anschauungen einer Reihe von Autoren über das 
Zustandekommen der Oedeme. Offenbar existieren ausserhalb der 
Nieren noch andere Einrichtungen für die Registrierung des 
Wassergehaltes des Organismus, In dem beobachteten Falle nahm 
die Kranke während der Anurie an Körpergewicht zu. Es war 
also zu erwägen, ob nicht das aufgenommene Wasser sich in den 
Blutgefässen vorfinden würde. Doch ergab die Untersuchung des 
Blutes, dass keine erhebliche Verdünnung desselben vorlag. Das 
nicht ausgeschiedene Wasser müsste also in den Geweben irgend¬ 
wie aufgespeiehert werden, doch war dies offenbar in anderer 
Weise der Fall, als wir das in der Form der Oedeme zu Gesicht 
bekommen. Es gibt echte nephrogene Retentionsödeme and 
andrerseits Aoasarka, das muss unterschieden werden. 

Diskussion: Herr Talma-Utrecht: Auf Grund seiner 
Untersuchungen muss Redner die Existenz eines urämischen Giftes 
überhaupt in Abrede stellen. T. hat Blut- und OedemöUssigkeit 
urämischer Menschen Kaninchen eingespritzt, es zeigte sich aber 
nicht, dass die Lebensdauer abgekürzt wurde, sondern im Gegen¬ 
teil, sie wurde verlängert. Es ist also kein urämisches Gift vor¬ 
handen. 

Herr Umber-Altona: Die Blutanalyse ergibt ebenfalls niobfs, 
was für entstehende Urämie verantwortlich gemacht werden könnte. 

Herr Soetbeer-Giesen hat an Hunden, welchen die Nieren 
exstirpiert worden waren, Untersuchungen des Reststickstoffes 
vorgenommen und berichtet über die Resultate seiner Versuche. 

Herr Falta-Basel weist darauf hin, dass schon in kurzer 
Zeit sehr viel Wasser Aufnahme in den Geweben finden kann. 


Nordseebäder die Sache tatkräftig in die Hand nehmen. In 
unserm Zeitalter der Ansichtspostkarte wäre in Erwägung zu 
ziehen, ob man nicht solche Karten in den Nordseebädem zur 
Verteilung kommen Hesse, die etwa mit einem Porträt Lich¬ 
tenbergs, und einer Abbildung vom ehemaligen Cuxhaven usw. 
geschmückt sind. — 

Drei Jahre später als Cuxhaven — im Jahre 1819*) — 
wurde auf Veranlassung des Kreisphysikus Dr. Friedleb in 
Husum und des Landvogts von Colditz in Wyk durch die 
Bildung einer Gesellschaft von zwanzig Aktionären das Nord¬ 
seebad Wyk auf der Insel Fohr gegründet. Indess sollte 
es sich nur langsam entwickeln; mit 61 Kurgästen im ersten 
Jahr, zählte es 1856: 600 und 1888 bereits 3913 Fremde, eine 
Zahl, welche seitdem noch gestiegen ist. (Vgl. die Jubiläums¬ 
ausgabe zur Feier des 75 jährigen Bestehens 1894). Iwan 
Bloch hat gelegentlich eines Aufenthalts auf Wyk in seinem 
„Föhringer Briefe“ überschriebenen Aufsatz (Deutsche Aerzte- 
Zeitung, Heft 20, 15. Oktober 1903, Sonderabdruck 11 Seiten) 
seine dort empfangenen Eindrücke und Stimmungen nieder- 
gelegt, und ich kann an dieser Stelle nur auf seine Ausführungen 
verweisen, (Fortsetzung folgt.) 

*) Theodor von Kobbo (Wanderungen an der Nord- und Ostsee 
Spz. 0 . Jahr. S. Ö2j gibt als Grilndaiigsjabr 1829 an. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


317 


Bei Diabetikern ist zu beobachten, dass, während die Hammeoge 
geringer wird, das Körpergewicht steigt, ohne dass irgendwie 
Oedeme auitreten. 

Herr Jak sch-Prag ist zur Ueberzeugung gekommen, dass 
bei allen NierenafTektionen eine mehr oder minder grosse HamstofT- 
retention auftritt. 

Herr Weiss-Aachen betont, dass bei Nierenerkrankung Ver¬ 
ringerung des Bluteiweisses auftritt. Dass Wasser in den Ge¬ 
weben zurückgelassen wird, ohne dass Oedeme auftreteu, ist eine 
seit langem bekannte Beobachtung. 

Ferner nahm noch das Wort Herr Rosenberger-Heidelberg, 
sowie der Vortragende. (Fortsetzung folgt.) 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

XXXIV. Deutscher Aerztetag zu Halle a. S. 

am 22. und 23. Juni 1906. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

III. Anträge des Vereins der Aerzte Düsseldorfs: 

1. „Der XXXIV. Deutsche Aerztetag erkennt das Bestreben 
aller nicht versioheruogspfiicbtigen Personen, sich gegen die wirt¬ 
schaftlichen Nachteile von Krankheiten, ebenso wie gegen die¬ 
jenigen von Unfällen, auf dem Wege der Versicherung zu schützen, 
an sich als berechtigt an. 

2. Jedes Bestreben nichtversicherungspflichtiger Personen je¬ 
doch, sich mit Hilfe von Versicherungsorganisationen verbilligte 
ärztliche Hilfe vorweg zu verschaffen, würde nur dahin führen, 
die ohnehin ungünstige wirtschaftliche Lage des Äerztestandes 
noch weiter zu verschlechtern und ist deshalb einmütig zurUck- 
zuweisen. 

3. Mit Versicherungsorganisationen, welche Jedermann ohne 
Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse Zutritt gewähren, 
dürfen deshalb weder von einzelnen Aerzteii noch von ärztlichen 
Vereinigungen Verträge abgeschlossen oder bereits abgeschlossene 
weitergeiührt werden. Letztere sind zum nächstmöglicben Termin 
zu kündigen. 

4. Mit Veraicherungsorganisationen, welche lediglich solchen 
Personen Zutritt gewähren, deren soziale Lage derjenigen Ver¬ 
sicherungspflichtiger gleich ist, können ausnahmsweise Verträge 
geschlossen werden, wenn folgende Bedingungen dabei erfüllt 
werden: 

a) Es darf Niemand der Kasse beitreten oder ihr weiter ange¬ 
hören, dessen Gesamtjahreseinkommen 2000 M. übersteigt. 

b) Die bedingt freie Arztwahl muss durch Vertrag mit den be¬ 
treffenden Aerztevereinigungeu gesichert und die Bezahlung 
nicht unter den Mindestsätzen der Gebührenordnung seitens 
der Versicherungsorganisation gewährleistet sein. 

5. Der Beitritt nichtversicheruugspflichtiger Personen, deren 
Einkommen 2000 M. übersteigt, zu den Kassen Versicheruugs- 
pflichtiger oder ihr Verbleiben in solchen Kassen ist als Nachteil 
für die wirtschaftliche Lage der Aerzte zu bezeichnen und die 
gesetzliche Beseitigung dieses Zustandes zu fordern. Solange er 
besteht, ist durch Verträge festzulegen, dass die Honorare bei 
dieser Art von Kassenmitgliedem nach besonderen, ihrer wirt¬ 
schaftlich besseren Lage entsprechenden Grundsätzen bemessen 
werden“. 

Nach einer lebhaften Diskussion, in welcher die diesbezüglichen 
grossstädtischen Verhältnisse von Munter (Berlin), Bauer (Mün¬ 
chen), Nenberger (Nürnberg), die der kleineren Städte ebenfalls 
von verschiedenen Seiten geschildert waren, präcisierte der Vor¬ 
sitzende die Kernfrage der Materie, um über diese eine Abstim¬ 
mung herbeizuführen und dann die Feststellung des Wortlautes 
dem Geschäftsausschuss zu überlassen. Es wird demgemäß ver¬ 
fahren und mit überwältigender Majorität das Folgende beschlossen: 
Der Aerztetag erkennt das Recht des Mittelstandes, sich zu 
Kassen zusammenzuschliessen, voll und ganz an; es soll aber 
Aerzten nicht gestattet sein, mit Vereinigungen von nichtver¬ 
sicherungspflichtigen Personen Verträge zu schliessen; Ausnahmen 
von dieser Regel sollen in Zukunft nicht erlaubt sein; die Ord¬ 


nung der bestehenden Verhältnisse soll deti örtlichen Organisa¬ 
tionen überlassen werden. 

Nunmehr wird zur Beratung des zweiten Hauptthemas der 
diesjährigen Tagung: Unterweisung und Erziehung der 
Schuljugend zur Gesundheitspflege übergegangen. Der 
Referent A. Hartmann (Berlin) führt aus, wie es durch hygie¬ 
nische Maßnahmen möglich sei, die MorbidiiäU- und Mortalitäts- 
ziffem herunterzudrücken. Er zeigt, welche Verbesserungen sich 
seit Einführung der Schulärzte an den Schulen ergeben haben, 
und was durch ärztliche Mitwirkung in den Schuldeputationon 
erreichbar sei. Er legt dar, welche bedeutsamen Aufgaben die 
S<fliulärzte auch an den höheren Schulen zu erfüllen hätten, und 
fordert dringend deren Einführung. Gesundheitspflege Hesse sich 
nur durch die Schule im Volke verbreiten, für die Volksschulen 
müsse der Lehrer der Unterweisende sein, für die oberen Kleissen 
der höheren Schulen der Arzt. Hartmann fasst seine Dar¬ 
legungen in folgenden Thesen zusammen: 

„1. Unser Volk muss mit den Regeln der Gesundheitspflege 
bekannt gemacht und daran gewöhnt werden, gesundheitsgemäß 
zu leben und die heranwachsende Jugend gesundheitsgemäß zu 
erziehen. 

2. Zu der Unterweisung in der Gesundheitspflege sind in 
erster Linie die Aerzte berufen, welche durch ihre Ausbildung 
und durch ihren Beruf die Gewähr dafür bieten, dass die Unter¬ 
weisung eine zweckmäßige ist. 

3. Ausser der Belehrung, welche von Aerzten gelegentlich 
der Behandlung von Kranken gegeben werden kann, erweist sich 
zur Verbreitung der Grundregeln der Gesundheitspflege die Schule 
am geeignetsten. 

4. Die an der Schule angestellten Aerzte haben, neben der 
Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Kinder und der be¬ 
züglich der Gesundheit der Kinder in Betracht kommenden Ein¬ 
richtungen der Schule, dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder 
mit der Gesundheitspflege vertraut gemacht und mit Hilfe der 
Schule daran gewöhnt werden, gesundheitsgemäß zu leben. 

5. Da der Arzt mit dem Schüler nicht in so enger und an- 
daiicmder Berührung steht wie der Lehrer, müssen ausser der 
direkten Unterweisung durch die Aerzte auch die Lehrer zu dieser 
Unterweisung herangezogen werden. 

6. Nicht nur in den Städten an den Volksschulen, sondern 
auch auf dem Lande und an den höheren Schulen sind Aerzte als 
Berater für die gesundheitsgemäße Erziehung der Kinder den 
Lehrern beizugeben. 

7. Ebenso ist es erforderlich, dass Aerzte den Provinzial- 
schulkollegien, den Schuldeputationen und den Schulkonferenzen 
als Berater beigegeben werden. 

8. Sowohl die Lehrer der Volksschule als die Lehrer der 
höheren Schulen müssen eine besondere Ausbildung in der Gesund¬ 
heitspflege erhalten. 

9. Den Lehrern ist zur Pflicht zu machen, bei jedem Unter¬ 
richtsstoffe, der hierzu geeignet erscheint, auf die Gesundheits¬ 
pflege hinzuweisen und im Verkehr mit den Schülern und bei der 
Beaufsichtigung derselben darauf hinzuwirken, dass die Grund¬ 
regeln der Gesundheitspflege von den Schülern beachtet werden. 

10. Besonderer Unterricht über Gesundheitspflege ist haupt¬ 
sächlich für die älteren Schüler der höheren Schulen imd der Fort¬ 
bildungsschulen erforderHch. Dieser Unterricht ist am zweck¬ 
mäßigsten durch Aerzte zu erteilen“. 

M. Cohn (Berlin-Charlottenburg) führt aus, dass die Er¬ 
ziehung der Jugend zur Gesundheitspflege nur durch die Schule 
erfolgen könne. Die Schule müsse zunächst vorbildlich wirken; 
das Kind dürfe in der Schule nichts unhygienisches kennen 
lernen. Ein systematischer Unterricht aller Kinder von früh auf 
in den Grundregeln der Hygiene sei notwendig, dürfe aber nur 
durch Aerzte erteilt werden. Der Lehrer solle hygienisch vor¬ 
gebildet sein, aber nur die Anweisungen der Aerzte kontrollieren 
und repetieren. Cohn stellt gegenüber Hartmann folgende 
Thesen auf: 

„1. Die Unterweisung der Schuljugend in den Lehren der 
Gesundheitspflege muss durch die Schule geschehen. 

2. Schulhaus und Schulbetrieb müssen den Anforderungen der 
modernen Schulhygiene entsprechen. 


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MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 30. 


3. Den Schulkindern sollen durch die für alle Schulen anzu- 
stellenden Schulärzte bei Gelegenheit der Rlassenbesuche kurze, 
leicht verständliche Vorträge über Gesundheitspflege gehalten 
werden; im Pubertätsalter ist dabei in angemessener Weise die 
sexuelle Hygiene zu behandeln. 

4. Alle Lehrer müssen während ihrer Ausbildungszeit io der 
Gesundheitspflege unterrichtet werden. 

5. Die Lehrer sollen die Schulkinder bei jeder Gelegenheit 
zur Beachtung der Regeln der Gesundheitspflege anhalten unter 
Berücksichtigung der von den Schulärzten gegebenen Untex^ 
Weisungen“. 

Schulten (Köln) und Stephany (Mannheim) wenden sich 
unter Einbringung diesbezüglicher Anträge gegen den Unterricht 
der Aerzte, worauf Eorman (Leipzig) scharf erwidert, vor An¬ 
nahme der Hartmannschen Thesen warnt und auf die Gefahren 
hinweist, die entstehen würden, wenn man den Lehrern, die viel¬ 
fach der Naturheiikunde, Kurpfuscherei etc. huldigen, den Hygiene¬ 
untorricht überliesse. Bei der Divergenz der Ansichten beantragt 
Cohn eine Verweisung der ganzen Materie an eine Kommission 
zur Berichterstattung auf dem nächstjährigen Aerztetage, was 
auch beschlossen wurde. 

Den Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Chemnitz-Land: 

„Der Deutsche Aerztevereinsbund wolle beim Reichskanzler 
bezw. den verschiedenen Bundesregierungen dahin vorstellig werden, 
dass gegen die Vertretung von praktischen Aerzten durch Medi- 
ciner, die nach Vollendung ihres Staatsexamens das vorgeschriebene 
praktische Jahr ableisten, nichts einzuwenden sei, besonders nicht 
während der zweiten Hälfte dieses Jahres, sowie dass die Zeit, 
während der er einen praktischen Arzt vertreten hat, dem Prak¬ 
tikanten auf sein praktisches Jahr angerechnet werde“ 
begründet Bornemann hauptsächlich mit der Schwierigkeit, 
jetzt Vertreter zu finden. Nachdem verschiedene Redner darauf 
hingewiesen haben, dass nach Ablauf des ersten Jahres, wo Medi- 
cinalpraktikanten ausgebildet würden, der Mangel gehoben sein 
würde, und dass der Aerztetag sich durch Annahme des Antrags 
mit sich selbst in Widerspruch setzen würde, wird dieser ab¬ 
gelehnt. 

Den Schluss bilden die Kommissionsberichte. Zuerst- be¬ 
richtet Davidsohn (Berlin) über die Arbeiten der Kommis¬ 
sion für das ärztliche Un t e r st ü tzung s- und Ver¬ 
sicherungswesen. Er gibt das Resultat einer im Vorjahre 
von der Kommission an sämtliche ärztliche Standesvertretungen 
Deutschlands gerichteten Umfrage, sich bereit zu erklären zu fol¬ 
genden Maßnahmen: 

„1. Dass die Jahresberichte und Satzungen der in ihrem 
Wirkungskreise vorhandenen Unterstützungs» und Versicherungs¬ 
kassen, Stiftungen und anderer ärztlicher oder für Aerzte und 
deren Angehörigen in Frage kommenden Wohlfahrtseinrichtungen 
an die Kommission in regelmäßiger Wiederkehr eingesandt oder 
deren Einsendung veranlasst werden. 

2. Dass ein Verzeichnis darüber angefertigt werde, welche 
Wohlfahrtseinrichtungen für Aerzte und deren Angehörige aus¬ 
schliesslich oder auch für Aerzte neben anderen Berufsarten im 
Wirkungsbereiche bestehen (Stiftungen, Krankeuanstalten, Waisen¬ 
häuser, Alters- und Siechenheime, Bonifikationen, welcher Art und 
in welcher Prozenthöhe sie gewährt werden. 

3. Dass örtliche Auskunftsstellen und Beschäftigungsnach¬ 
weise für Aerzte eingerichtet w’erden. 

4. Dass für Hinterbliebene von Aerzten Einrichtungen ge¬ 
troffen werden, 

a) zwecks Nachweises von Beschäftigung auf dem Gebiete der 
Krankenpflege (Oberin, Verwalterin etc.), im Haushalte als 
Stütze etc., im Kunstgewerbe, im kaufmännischen Berufe etc., 

b) zwecks Nachweises und Unterbringung in Stiften, Waisen¬ 
häusern, Familien, Anstalten. 

5. Dass Vergünstigungen angestrebt werden für die verschie¬ 
denen Arten von Versicherung, für Badekuren, Krankenanstalten etc., 
und schliesslich, dass periodische Erhebungen angestellt werden 
a) über die Zahl, das .Alter der Aerzte, ob ledig, verheiratet, ver¬ 
witwet, über das Altersverhältnis zur Frau, über die Zahl der 
Kinder, b) über die Zahl und das Alter sämtlicher Arztwitwen 
und Arztwaisen, soweit letztere zum Haushalt gehören, c) über 
die Zahl der invaliden Aerzte“. 


Die meisten Standesvertretungen haben sich dazu bereit er¬ 
klärt, Die Kommission erbittet die Ermächtigung, nunmehr im 
nächsten Jahre weitere Vorschläge zu machen. Der Bericht von 
Lind mann (Mannheim) über die Kurpfuschereikommission, 
sowie von Hesselbartb (Berlin) über die V er sich e r u n g s- 
kasse für die Aerzte Deutschlands boten nichts 
Bemerkenswertes. Dagegen gab es bei dem Bericht über die 
Auskunftsstellen in Hambiirg für Schiifsärzte und 
Niederlassungen im Auslande noch eine angeregte De¬ 
batte, da der Generalsekretär des Leipziger Verbandes, Kuhns, 
den Nachweis führte, dass die Auskuuftsstelle in ihrer gegen¬ 
wärtigen Gestaltung mehr ein Werbebureau für die Reedereien, 
als eine Interessenvertretung der Aerzte darstelle. Eis wurde 
demgemäß der Geschäftsausschuss beauftragt, ftlr eine Verlegung 
dieser Auskunftsstelle nach Leipzig Sorge zu tragen. 

Nachdem Löbker dann in seinem Schlusswort die Eindrücke 
und Ergebnisse des Aerztetages zusammengefasst hatte, wurde die 
Sitzung mit einem Hoch auf den allbeliebten Vorsitzenden ge¬ 
schlossen. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 24. 

1. Alt: Uchtspringe-Altmark; Emähningstherapie der Base* 
dow’sohen Krankheit. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die erhebliche Belastung 
zu Nerven- und Geisteskrankheiten in vielen Fällen nicht aus¬ 
schliesslich oder vorwiegend auf einer von Haus aus mangelhaften 
Anlage des Nervensystems beruht, sondern auch durch Funktions¬ 
schwäche des und jenes Stofifwechselorgans bedingt sein kann, das 
bei zu starker Belastung versagt und eine das Nervensystem und 
die Psyche schädigende chronische Eigengiftung setzt. In so ge¬ 
legenen Fällen ist eine erfolgreiche Behandlung nur dann zu ge¬ 
wärtigen, wenn das unterwertige Organ geschont and durch stärkere 
Anspannung anderer StofPwech^selkomponenten entlastet oder durch 
künstliche Einverleibung wirksamer Fermente ersetzt wird. 
Ernährungsbehandlung mit Kontrolle des Stoffwechsels führte 'in 
vier Fällen von Basedow günstige Resnltate herbei. Der Nieren- 
insuffizenz wurde durch Verringerung der Kochsalzzufuhr auf etwa 
4 g täglich und Beschränkung des Trinkens Rechnung getragen, 
die Verabreichung von Kohlenhydraten entsprechend der jeweiligen 
niedrigen Toleranzgrenze herabgesetzt, die Nahrung durch Eliweias 
und namentlich viel Fett kalorisch sehr hochwertig gestaltet, wo¬ 
bei sich insbesondere Milch, Schlagsahne und ungesalzene Butter 
als sehr wertvoll erwiesen. Unter solcher Ernährung gelang es 
ganz ausnahmslos, eine durch Ansatz von Körpersnbstanz bedingte 
und nicht auf Wasserzurückhaltung beruhende bedeutende Elrhöhung 
des Körpergewichts, einen sehr beträchtlichen Rückgang aller 
Basedowsymptome, was das erfreulichste ist, auch eine wesentliche 
Steigerung der Leistungsfähigkeit der vordem insuffizienten Organe 
zu erzielen. 

2. Eppenstein und Körte, Breslau: Heber das Verhalten 
der im Blute der Typhuskranken nachweisbaren Typhnsbazillen 
gegenüber der bakteriziden Wirkung des Blutes. 

Die Verfasser konnten in 6 klinischen Fällen beobachten, dass 
das Blut der Typhuskranken, das man der Ader entnimmt, nidit 
imstande ist, mit seiner ihm sonst gegen Typhusbazillen zukommen- 
den bakteriziden Kraft diejenigen Tj^husbazillen aufeulösen, die 
im Verlaufe der Infektion hineingelangt sind. Wie werden wohl 
kaum fehlgehen, wenn wir diese in vitro beobachtete Erscheinung 
auch für das zirkulierende Blut und andere Körpersäfte annehmen. 
Wahrscheinlich handelt es sich um eine im Laufe der Infektion 
erworbene, vielleicht auch zum Teil schon ursprünglich vorhandene 
Widerstandskraft eines Teils der infizierten Bazillen. Auf dieser 
Widerstandskraft dürften wohl auch, worauf Stern schon in seinem 
Vortrag auf der Breslauer Naturforscher-Versammlung hinwies, zum 
Teil die mangelhaften Erfolge beruhen, die man bisher mit der 
Serumtherapie beim Abdominaltyphus zu verzeichnen hatte. 

3. Vandeweyer und Wy bauw, Brüssel: Heber die Wirkung 
der Stahlwässer auf den Stoffwechsel. 

Die Resorption des Stickstoffes wird hier deutlich vermehrt 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


319 


Tlasselbe wird auclt für die Kohlehydrate beobachtet. Für Fette 
findet aber das Gegenteil statt. Diese werden schlechter resorbiert. 
Ea entsteht unter Einfluss des Stahlwassers eine deutliche Zunahme , 
des Eiweisszerfalles. Auch wird im Verhältnis zum Gesamtstick¬ 
stoff weniger Harnsäure ausgesohieden. Die Stahlwässer sind also 
nicht als einfache Eisenpräparate zu betrachten. Sie üben noch 
eine wichtige Wirkung auf den Stoffwechsel aus, welche vielleicht 
erklärlich macht, warum die geringen Eisenmengen eine so deut¬ 
liche klinische Wirkung entfalten. Auch für die während der 
Stahlkur vorzuschreibende Diät sind diese Angaben wichtig, indem 
leichtsrerdauliche Eiweisstoffe nützÜch, Fette dagegen kontraindi- 
ziert sind. 

4. Jesionek, Giessen: Ueher Leokoderma bei Lues, bei 
Psoriasis nnd bei Ekzema Seborrholcnm. 

J. sah, wie bei Lues und bei Psoriasis vulgaris auch in einem 
Falle seborrhoischen Ekzems leukodermatische Veränderungen an 
der Haut auftraten. 

5. Engel und Plaut, Dresden: Art und Menge des Pettes 
in der Habmng stillender Pranen nnd die Wirkung seiner Ent¬ 
ziehung auf das Milchfett 

Verf. kommen nach ihren Versudien zu der Forderung, dass 
man für eine stillende Frau den Fettgehalt der Nahrung nicht 
unter ein bestimmtes Minimum gehen lassen darf, falls man nicht 
die Qualität des Sekretes gefährden will. Uebermässige Steigerang 
der Fettznfnhr hat allerdings auch keinen Zweck, da sich hier¬ 
durch der Fettgehalt der Milch wenn überhaupt, so doch nur in 
sehr engen Grenzen erhöhen lässt, oftmal aber ein sehr unliebsames 
Nachlassen der Sekretion herbeigeführt werden kann. 

6. Credö, Dresden: Prophylaktisohe Antisepsis. 

Zur prophylaktischen Desinfektion kommt Kollargol in Betracht 
und zwar erst als Strenpulver. Da die Benutzung reinen löslichen 
Silbers eine enorme Verschwendung darstellen würde, wendet G. 
ein Pulver an, welches aus drei Teilen Kollargol und 97 Teilen 
feinsten, durchgesiebten Milchzuckers besteht. Dasselbe hält sich 
se}^ gut trocken, stäubt leicht, sieht weissgrau aus, färbt sich 
aber bei Berührung mit nässenden Flächen sofort braun. Es ist 
absolut schmerz- und reizlos und äusserst billig. Der Rezeptur- 
preis für Aerzte beträgt für 100 g höchstens 20 Pf., während 
Jodoform 365, Dermatol 400, Chinosol 600, Airol 650, Vioform 
740, Jodol 1000 und Protargol 1550 Pf. etwa kosten. Für aus¬ 
gedehnte, mehr flächenhafte Wunden ist es besonders geeignet. 
Zweitens benutzt C. eine l%ige Lösung zum Eingiessen in tiefe 
W unden, in Höhlen, in die Bauchhöhle, in die Blase in Mengen 
bis etwa zu 50 g. Drittens verwendet C. KoUagoltabletten, welche 
besonders energisch und dauernd desinfizieren, da sie niu* sehr all¬ 
mählich .schmelzen. Sie dienen z. B. zum Auflegen auf eine Schuss- 
wande, zum Einlegen in die Nischen und Spalten einer kompli¬ 
zierten Fraktur, selbst mehrere Stücke davon können unbedenklich 
mitten in zertrümmertes Gehirn hineingelagert werden. Entweder 
werden sie nackt oder in steriler oder in Silbergaze eingeschlagen 
angewandt. Mit ihnen bereitet man sich ferner rasch Lösungen 
jeder Stärke zum Ansspülen, zum Auswaschen, zum Gurgeln, zn 
Angenaufschlägen, zu feuchten Verbänden und zum Trinken bei 
Verletzungen oder Geschwüren der Speiseröhre und des Magens, 
sowie zu Klysmen und intravenösen Injektionen. Ferner kommt 
Kollargol in den Handel in Form von Stäbchen für Blase, Uterus, 
Fisteln usw., von kleinen Stiften für zahnärztliche Zwecke, Tränen- 
flsteln, Samariterkästen nnd Hausapotheke, als Suppositorium usw. 
Kollargol färbt die Zähne absolut nicht, wie es Silbersalze tan, so- 
dass es jahrelang als Mundwasser zu benutzen ist, seine Flecken 
waschen sich ohne weiteres wieder aus der Wäsche aus. Selbst¬ 
verständlich ist damit die Form seiner Anwendung nicht erschöpft 
und kann sich jeder noch weitere Darreichungsformen zurechtlegen. 
Dass die Verbände nicht täglich, sondern nur nach Bedarf zu 
wechseln sind und dass bei noch vorhandenem Silbervorrat anf der 
Wunde neues Kollargol nicht aufzutragen ist, liegt auf der Hand. 
Das Auftreten von Argyrose ist ausgeschlossen. Das jetzt im 
Handel befindliche, allein von der chemischen Fabrik von Heyden 
dargestellte Kollargol ist äusserst haltbar, in jedem Wasser löslich, 
hat auch intravenös injiziert keine unangenehmen Nachwirkungen 
mehr, wie z. B. Fröste, sodass es auch aus die.sen Gründen sich für die 
ärztliche Hausapotheke besonders eignet. 


7. Heermann, Essen a. d. Ruhr: Zur konservativen Be¬ 
handlung der Kasennebenhöhleneiterungen. 

Hierzu ist die von Soltmann eingeführte Saugbehandlung 
in Verbindung mit der intranasalen Freilegung der Nebenhöhlen 
in erster Linie berufen. 

8. Uffenorde, Göttingen: Kritische Bemerkui^enüber die 
Sondermann’sohe Saugmethode bei Erkrankungen der Nasen¬ 
nebenhöhlen. 

Dass unter besonderen Verhältoissen eiomal der praktische 
Arzt sich des Apparates aushilfsweise wird bedienen können, ist 
natürlich, aber es wird nur eine Aushilfe bedeuten, bis von spezial- 
ärztlicher Seite eine Behandlung möglich ist, da eine solche ge¬ 
wissermaßen blinde Therapie einmal fast immer unzulänglich, unter 
Umständen auch bedenklich sein kann. 

9. Hoffmeyer, Rethema. Aller: Beitragzu den angeborenen 
Ankylosen der Pingergelenke. 

Bei einem 25jährigen Maurermeister besteht eine Gelenkver- 
steifuDg im Metakarpophalangealgelenke des Daumens an beiden 
Händen; der Vater desselben und eine Tochter weisen dieselbe 
Anomalie auf. 

10. Büchner, München: Eine Methode, den Eiweissgehalt 
eines Harnes mit hinreichender Genauigkeit für klinische Zwecke 
in einer Stunde zu bestimmen. 

Es ist sicher von grossem Wert für den Arzt, wenn sich der¬ 
selbe auf einfache Weise mit geringen Hilfsmitteln schnell über 
die Grösse des Eiweissgehaltes eines Harnes mit für klinische 
Zwecke hinreichender Genauigkeit orientieren kann. Zu diesem 
Zwecke hat B. eine Methode ausgearbeitet und bringen die „Ver¬ 
einigten Fabriken für Laboratoriumsbednrf“, G. m. b. H., Berlin N., 
Chaussestrasse 3, den dazu nötigen Apparat unter der Bezeichnung 
„Albuminimeter nach Georg Büchner, München“, in den Handel. 

Dieser Albuminimeter ermöglicht, den Eiweissgehalt eines 
Harnes in einer Stunde mit hinreichender Genauigkeit für die Zwecke 
des Arztes, in einfacher Weise zu bestimmen. Diese Eiweissbe- 
atimmung gründet sich auf die Beobachtung, dass, wenn man 
filtrierten, eiweisshaltigen Harn zum Kochen erhitzt, sodann einige 
Tropfen Salpetersäure und die nötige Menge gesättigte Kochsalz¬ 
lösung zusetzt, sich das koagulierte Eiweiss in einer Stunde so 
dicht nnd gleichmäßig absetzt, dass sich daranf eine quantitative 
Bestimmung gründen lässt. 

11. Rühl, Turin: Cesare Lombroso. 


No. 25. 

1. Baumann, Metz: Beiträge zur Unterscheidung der 
Streptokokken. 

Aus seinen Untersuchungen am hygienischen Institute zu Halle 
behufs Untersuchung der Streptokokken konnte B. folgendes fest¬ 
stellen: 

Auf Schottmüller’s Blutagar bilden nur sicher pathogene 
Streptokokken vom Typus des Strept. longus s. erysipelatos einen 
deutlichen Resorptionshof, während die von B, aus Speichel, Stuhl 
und Milch isolierten Stämme keine ausgesprochene Hämolyse auf 
diesem Nährboden zeigen. 2. Die nicht hämolytischen Strepto¬ 
kokken bilden attf Blutagar teils grünen Farbstoff teils nicht. 
Eine Gesetzmäßigkeit ist hierbei nicht festzusteilen. 3. In Bouillon¬ 
kulturen lässt sich bei pathogenen Streptokokken ebenfalls eine 
starke hämolytische Wirkung nachweisen, während dieselbe bei 
den nicht pathogenen Stämmen meist gering ist. 4. Die Hämo¬ 
lysine treten in den Bouillonkulturen meist schon nach 24 Standen 
auf und erreichten nach 1 — 3 Tagen den höchsten Grad, um meist 
nach 7—9 Tagen, zuweilen auch erst nach 14—20 Tagen zu ver¬ 
schwinden. 5. Zur Unterscheidung der Streptokokkenarten ist die 
Züchtung auf Blutagar dem hämolytischen Versuch in Bouillon- 
knlturen überlegen. 6. Durch Zerlegung von Zuckerarten (Trauben-, 
Milch- und Rohrzucker) lassen sich keine Unterschiede zwischen 
den verschiedenen Streptokokkenstämmen finden. 7. in den Bar- 
siekow’schen Nährböden, sowie in Lakmnsmolke ist kein Wachs¬ 
tum der Streptokokken zu beobachten. 

2. Ludloff, Breslau; Die Auskultation der Wirbelsäule, des 
Kreuzbeins und des Beckens. 

Mit dem Perkussionsbammer hat L. erst systematisch Dorn¬ 
fortsatz nach Dornfortsatz, Gelenkfortsätze, Kreuzbein und Kreuz- 


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320 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 30. 


heinfuge in verschiedener Stärke perkutiert, um einwnndsfrei die 
schmerzhaften Stellen genau herauszußnden und zu isolieren. Diese 
schmerzhaften Stellen hat er darauf auskultiert, und er war er¬ 
staunt Uber den Äuskultationsbefimd, während die Palpation und 
die Inspektion bei Ereuz- und Genickscbmerzen oft vollständig im 
Stich Hessen. In diesen Fällen wurden der Äuskultationsbefund 
unterstützt durch das Röntgenbild und durch bestimmten Inspek¬ 
tionsbefund, der aber bis dahin nicht oder falsch gedeutet war. 
Während an der Kreuzbeindarmbeinfuge nur der Inspektionsbefund 
den Äuskultationsbefimd unterstützte, können wir meistens bei der 
Arthritis der Wirbelgelenke weder durch Palpation noch durch 
Inspektion etwas Pathologisches nachweisen. Therapeutisch ist 
dieser Auskultationsbefund natürUch nicht ohne Bedeutung. Wie 
oft mag die Okzipitalneuralgie sich von so einer zirkumskripten 
Arthritis in diesem oder dem nächst unteren Wirbelgelenk ableiten! 
Die Knochenkrepitation ist manchmal so auffallend, dass man sie 
leicht von den anderen Geräuschen, die hier durch Muskelkon¬ 
traktion, Schleimbeutel, Sehnenbewegungen entstehen, unterscheiden 
kann. 

3. Jolly, Berlin: Ueber die Wendung bei Plazenta praevia. 

Wenn man sonst bei erweitertem Muttermund und stehender 

Blase wenden will, so schont man die Blase möglichst lange, sprengt 
die Eihäute eventuell erst, nachdem man mit der Hand über den 
Muttermund hinanfgegangen ist, und tamponiert sofort mit dem 
Arm, sodass nur wenig Fruchtwasser abüiessen kann. Dies ge¬ 
schieht zur Erleichterung der Umdrehung; das Ergreifen eines 
Fasses macht keine Schwierigkeit, da ja die volle Hand bis hoch 
hinauf in den Uterus geführt werden kann. Ganz anders liegen 
die Verhältnis.se, wenn die Wendung bei nicht erweitertem Mutter¬ 
mund , wie bei Plazenta praevia erforderlich wird. Hier kann 
el)en nicht die volle Hand in den Uterus eingeführt werden, son¬ 
dern man muss mit ein oder zwei Fingern den Fuss herunter¬ 
holen. Die Schwierigkeit der Operation liegt hier nicht in der Um¬ 
drehung der Frucht, sondern gerade in dem Ergreifen und Herunter- 
holen des Fusses. Versucht man dieses, solange die Eihöhle noch mit 
Fruchtwasser angefüllt ist, so wird der Fuss immer wieder ausgleiten, 
da die Frucht sehr beweglich und auch durch äussere Handgriffe 
schlecht zu fixieren ist. Hat man dagegen vor der Wendung das 
Fruchtwasser ablaufen lassen, so entgleitet der einmal gefasste 
Fuss nicht so leicht mehr und kann gerade durch äussere Hand¬ 
griffe fixiert und der inneren Hand und dem Muttermund ent¬ 
gegengedrückt werden. Man soll also nach Blasensprengung mög¬ 
lichst viel Fruchtwasser ablaufen lassen und dann erst den Fuss 
zur Wendung herunterholen. Dabei darf man nicht erschrecken, 
wenn beim Blasensprengen ein grosser Schwall Blutes hervorzu- 
schiessen scheint; es handelt sich um das durch geringe Blutbei- 
menguugen dunkel gefärbte Fruchtwasser. Die Methode, das 
Fruchtwasser vor der Wendimg abfliessen zu lassen, bietet auch 
eine be.ssere Prognose für das Kind. Denn es kommt vor allem 
darauf an, dass eine gute Wehentätigkeit in kurzer Zeit den Zer¬ 
vikalkanal erweitert. Eine solche wird at)er hervorgerufen durch 
rasche Verkleinerung des Uternsinhaltes, da-s heisst also durch Ab¬ 
lassen des Fruchtwa-sses vor dem Heranterholen des Fusses und 
der Wendung. Unterlässt man dieses, so tamponiert der herunter- 
gebolte Schenkel den Zervikalkanal, und das Fruchtwasser kann 
garnicht oder doch nur langsam abfliessen. Die Verhältnisse liegen 
ähnlich wie bei dem durch Hydramnion übermäßig au.sgedehnten 
Uterus. Die Eröffnnngswehen sind hier meist schlecht, werden 
aber regelmäs.sig besser, wenn das Fruchtwa-sser abgelassen und 
damit die Gebärmutterausdehnung verkleinert wird. Je mehr 
Fnichtwasser man ablaufen läs.st, um so besser ist der Erfolg: 
man darf .sich niclit mit einer geringen Menge begnügen, sondern 
muss <'ventnell den vorliegenden Teil zurückschieben, damit die 
Passage für den Fi‘uchtwas.sf^rstrom ganz frei wird. Erleichterung 
der Wendung und Be.schleunigung des Geburtsverlaufes werden 
also die Folge sein. 

4. Treutlein, Würzburg: Kriegschirurgisohes aus Japan*. 

Eine selir interes-sante Erläuterung der Wirkung des Infanterie¬ 
geschosses der Rassen. Es sind Beobachtungen, die T. in den 
Monaten Juli und August 1900 in den grossen Kriogsliospitälern 
in Tokio, der japanischen Hauptstadt, machte. Als neue Ma߬ 
nahmen fielen folgende auf: die Operation traumatischer Aneurysmen: 


die Erzielung tragfähiger Amutationsstümpfe durch Nachbehandlung; 
der Ersatz zerstörter Nervenpartieen durch Kalbsarterien. Rück¬ 
haltslos wurde T. von japanischer Seite zugegeben, dass man die 
Ideen hierzu zumeist aus der deutschen chirurgischen Literatur 
geschöpft habe, die richtige Erkenntnis des Gaten und die prak¬ 
tische Durchführung im grossen Stil bleibt jedoch ungeschmälert 
das Verdienst der Japaner. Das japanische Verbandpäckchen 
hatte sich durch gute Belehrung der einzelnen Träger recht g:ut 
bewährt. Die vorzüglichen Resultate der Japaner, sekundäre 
Wundinfektionen und speziell Tetanus auf dem Schlachtfelde zu 
vermeiden, dürften schliesslich einer rationellen Verwendung von 
Perubalsam zuzuschreiben sein. 


5. Spaether, München: Ein Beitrag zur Sänglmgsem&hnuLg 
in Arbeiterkreisen. 

Leider muss immer noch mit der Tatsache, dass es einem 
grossen Prozentsatz der Mütter in diesen Kreisen infolge Krank¬ 
heit und Arbeit unmöglich ist zu stillen, gerechnet werden. 
Lieferung einer guten Milch und Aufklärung allein hilft nicht. 
Die Ueberlastung der Mutter mit anderweitiger Arbeit ist in die.sen 
Kreisen oft so gross, dass es ihr schwer wird, die Milch zweck¬ 
mässig za behandeln und rationell darzareichen. Oft genug kommt 
dazu noch eine schwer zu bekämpfende Indolenz. Ofienstehen- 
lassen der Milch, .Stehenlassen am warmen Ofen; unreine Geschirre 
können eben die beste Milch zu einer schlechten machen, ln Be¬ 
rücksichtigung dieser Verhältnisse dürften in Zukunft die ärztlich 
geleiteten Milcbküchen, die für billiges Geld trinkfertige Kinzel- 
portionen — aber nur auf Grund vorhergehender kontrollierender 
ärztlicher Untersuchung — liefern, womöglich täglich direkt ins 
Haus, in dem Bestreben nach einer rationellen künstlichen Er¬ 
nährung weiter Volkskreise eine Rolle zu spielen berufen sein. 
Die einfache Vorschrift, dass die Flaschen sofort kühl, entweder 
in Eis, in fliessendes Wasser oder in den Keller gestellt werden 
sollen, dass die Flaschen vor dem Trinken in heissem Wasser an¬ 
zuwärmen ' und die Verschlüsse mit den von der Milchküche ge> 
lieferten Saughütchen zu vertauschen sind, kann auch die l>e- 
schäftigste Arbeiterirau ausiühren. 

6. Köhler, Hosterhausen (Werden a. d. Ruhr): Ein Fall 
von tranmatisebem Oedem. 

Nach einer Verstauchung schwoll der ganze rechte Vorderarm 
an, das Handgelenk, die Hand and allmählich der Unterarm zeigt 
eine zyanotische, stellenweise inselförmige, hellrote Verfärbung, die 
Temperatur des Armes ist herabgesetzt. Die Funktion bleibt 
8 Wochen so gehemmt, dass Patient heim An- und Ausziehen den 
rechten Arm kaum benutzt. Fieber ist niemals aufgetreten. Viel¬ 
leicht spielt die Tatsache mit hinein, dass der Kranke vor 4 Jahren 
einen Hieb über die linke Kopfseite erhielt, infolgedessen er 2 
Tage bewusstlos gewesen sein soll. Auffallend ist allerdings, dass 
diese Verletzung bisher keine nachweislichen Störungen zu Tage 
gefordert hatte. Immerhin ist nicht mit Sicherheit abzulehnen, 
dass diese Verletzung im Zusammenhang mit der aufgetreteoen 
Lokalnourose stehen könne. 

7. Cohn, Mannheim: Heber Bebandlnng mit Hetol bei 
Keratitis parenchymatosa. 

Zwei Fälle erwiesen mit Deutlichkeit, dass Hetol schon bei 
Einträufelung in die Konjunktivs einen günstigen Einfluss auf den 
Verlauf von Keratiti.s parenchymatosa im akuten und subakuten 
Stadium aasübt, auch wenn die Iris mit ergriffen ist. 

8. Beck, Würzburg: Ein neuer Apparat zor Vornahme von 
Sehprüfongen. 

Eine Trommel, die sich selbsttätig bewegt untl in umschriebe¬ 
nem Felde selbsttätig die jeweilig gewünschte Sehproi>e hervor¬ 
treten lässt. 

9. Eouschel, Graz: Die einfachste Methode der Anaeroben- 
Züchtung in flüssigem Nährboden. 

Sehr plau.sihle und leicht zn improvisierende Art! 

10. Berger: Köln-Tjindenburg: Zur Färbung der Spiroohaete 
pallida. 

Man verdünnt 4 ccm konzentrierter Dalilialösnng mit 20 ccm 
Aqn. dcRt. Diese Lö.sung erliält sich lange Zeit gut. Die Färbung 
führt B. iu folgender Weise aus: Fixierung der luftti'ockenen, 


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1906. 


MEDlClNlSCfllS WOCHE. 


321 


möglichst dUnnen Ausstriche in Älcoh. absol. 5 —10 Minuten. Ab- 
trooknen. Vorbehandlung mit einigen Tropfen Azur II>Lösung 
(nach Giemsa) 1 Minute. Abspülen mit Leitungswasser, Ab¬ 
trocknen, kurzes Durchziehen durch die Flamme. Neutraler Ea- 
nadabalsam. Da die roten Blutkörperchen in dUnnen Auastriohen 
hell bleiben, braucht man bei dieser Färbung nicht so ängstlich 
die Anwesenheit von Blut im Präparat zu vermeiden. Eine wässerig¬ 
alkoholische Lösung von Gentianaviolett in derselben Konzentration 
(1 :5) leistet bei gleicher Anwendung dasselbe, gibt aber etwas 
dunklere Bilder. Der Fortschritt dieser Färbung gegenüber der 
früher angeführten Methode scheint neben grösstmöglichster Ver¬ 
hütung von Niederschlägen vor allen Dingen darin zu liegen, dass 
hierbei die unsaubere und unbequeme Zugabe der konzentrierten 
Lösungen zu dem Azur direkt auf dem Objekt vermieden wird. 

11. Liepmann, Berlin: Der Wert der Statistik für die 
Frage der Bchnellentbindnng bei der Eklampsie. 

Die Hauptsache ist auch und bleibt auch Esch gegenüber die 
möglichst schnelle Entbindung. »Wir wissen sehr wohl, dass die 
Schnellentbindung kein Allheilmittel für die Eklampsie ist; wissen 
wir doch niemals, wieviel Gift schon produziert, wieviel Gift schon 
gebiinden ist, weil wir das aber nicht wissen können, anch durch 
die klinische Beobachtung keinen absoluten Anhaltspunkt dafür 
haben, deshalb müssen wir jede Eklamptische sofort entbinden und 
deshalb glauben wir allerdings, dass jeder Praktiker, der wenigstens 
nicht mit allen Mitteln sich bemüht, so gut er es kann, die Frau 
zu entbinden oder entbinden zu lassen, wie Fehling es zuerst 
aassprach: „eine Unterlassungssünde (um den Ausdruck Kunstfehler 
zu vermeiden) begeht.“ 

12. V. Stubenrauch: Bas Theilhaber’sohe Verfalireii zur 
Yermindenuig der Infektlonsmögliokkeit bei Operationen in der 
Baachliöhle. 

Die goldene Regel, von Peritoneum entblOsste Bauchorgane 
nach Möglichkeit wieder mit Serosa zu decken, muss auch für 
Stiele ligierter Organe gelten. „Theilhaber unterschätzt die 
Vorzüge der Peritonisierung; aus seiner Darstellung muss man den 
Eindruck gewinnen, dass er die Stiele lediglich ligiert, abschneidet 
und versenkt.“ Mit dieser Schutzmallregel aber kann das Ab¬ 
waschen der Stiele, welches Tbeilhaber empfiehlt, nicht kon¬ 
kurrieren, und man soU nie die bakterientötende Kraft eines kurze 
Zeit auf Wunden applizierten Antiseptikums überschätzen. 

13. Heller: Uebereineiinaiifgeklärte fieberhafteErkrankimg 
mit den höchsten bisher gemessenen Temperaturen. Naohträg- 
liehe Bemerkung. 

Teabe imd ünverricht berichteten von noch höheren 
Temperaturen als 45'^ C, die auch vertragen wurden, imd zwar bis 
49,9“ C. 

14. Ebstein, Göttingen: Die Krankheit des Kaisers Sig¬ 
mund (1400—1437). 

Man wird bei der letzten Krankheit des Kaisers Sigmund 
daran denken müssen, dass er an einer senilen Gangrän, die sich 
zunächst an einer grossen Zehe lokalisierte, gelitten hat, welche 
sich allmählich weiterkriechend nach oben bis anf den Schenkel 
erstreckte. Dabei ist sehr wohl möglich, dass die solche Brand- 
fonnen vermittelnden krankhaften Veränderungen der Blutgefksse 
auf gichtischer Basis entstanden sind. 

15. Qniuke, Kiel: Heber ärztliche Spezialitäten and 
Spezialärzte. 

16. Bergeat, München: Der Aerztetag and die Arbeiter- 
veriichemngBform. 

Deutsche med. Wochenschrift. 1906, Nr. 24. 

1. Bruck, Berlin: Zur biologischen Diagnose von Infek¬ 
tionskrankheiten. 

Verf. hat mit Wassermann zusammen eine Methode ange¬ 
geben um in vitro das Vorhandensein kleinster Mengen gelöster 
Bakteriensubstanz in KörperflUssigkeiten festzuztellen. Die Methode 
beruht auf dem Phänomen derKomplementbildungbeimZusammentritt 
von Antigen und Antikörpern. Die neueren Beobachtungen des 
Verf. haben nun ergeben, dass es mit dieser Methode gelingt, 
schon in den ersten Tagen einer akuten, allgemeinen Miliartuber¬ 
kulose den Nachweis spezifischer Substanzen der Tuberkelbazillen 


im Blutserum zu erbringen und so die Diagnose serodiagnostiscb 
zu einer Zeit zu sichern, wo dies mit den bisher zur Verfügung 
stehenden Untersuchungsmethoden nicht möglich ist. 

2. Foeppelmann, Coesfeld: Beitrag zor lyphozdiagnoBtik. 

Verf. hebt hervor, dass die bakteriologische Sicherung der 
Diagnose Typhus immerhin recht kompliziert ist und daher dem 
prakt. Arzt nicht allzu nützlich sich erweist. Verf. hat daher eine 
Methode ausgearbeitet um im Ausstrichpräparat die Typhusbazillen 
im Blut nachzuweisen. Aus der gut gereinigten Fingerkuppe 
wird mittels steriler tief eingestochener Nadel Blut entnoinraeu 
und 2—4 Objektträger damit beschickt. Die Färbung geschieht 
durch Eintauchen der Objektträger in R. May-Grünwal dsches 
Farbgemisch. Mit Aq. dest abgewaschen, werden die Präparate 
schnell getrocknet und bei 1000 facher Vergrösserung untersucht. 
Es finden sich stets gute Bilder der charakteristischen Typhus¬ 
stäbchen. 

8. Wilms, Leipzig: Heilong kysterisoher Kontraktoren 
durch Lamball ähmnng . 

Bei einem Fall von ausgeprägter hysterischer Kontraktur im 
linken Bein hat Verf. eine Injektion von Stovain in dem Lumbal¬ 
sack gemacht und damit eine Lähmung der Extremitäten bewirkt. 
Während dieser konnte das Bein gestreckt werden. Nach Auf¬ 
hören der Lähmung war Pat. im Stande zu gehn. 

4. Pochhammer, Greifswald: Zar Technik and Indikations- 
stellong der Spinalanalgesie. 

Der Patient wird auf den Operationstisch gesetzt und beugt 
den Körper nach vorn, so dass die Wirbelsäule gekrümmt ist. 
Die Gegend der Einstichstelle wird in weitem Umfang desinfiziert 
und dann eine Stelle zwischen den Dornfortsätzen des zweiten 
und dritten Lendenwirbels mit Chloräthyl unempfindlich gemacht. 
Die Oanüle wird langsam eingestochen und zwar genau in der Mittel¬ 
linie bis der Lumbalsack durchbohrt ist. Als Injektion8flü.ssigkeit 
dientStovainlösung, dieselbe mischt maumitderangesogenen Gerebro- 
spinaliiüssigkeit. Dies geschieht in besonders ausgedehnter Weise, 
wenn man beabsichtigt eine sehr hoch hinaufreichende Anästhesie 
zu erzielen. Es gelingt die Analgesie bis zur Höhe der Brust¬ 
warzen hinauf zu erreichen. Zu diesem Zwecke hat Verf. eine 
Doppelspritze angegeben. Die Dauer der Analgesie ist verschieden 
und geht kaum über 2 Stunden hinaus. Irgend welche bedenklichen 
Nachwirkungen wurden nicht beobachtet. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 24. 

1. Beitzke, Berlin: Heber Spirochaete pallida bei ange¬ 
borener Syphilis. 

Verf. hat eine Reihe von Neugeborenen auf die angeblichen 
Syphiliserreger untersucht und zwar teils in Ausstricht, teils in 
Schnittpräparaten. Bei Anwendung des Silberimpräguationsver- 
fahrens konnte er in jedem Falle von kongenitaler Lues Spiro- 
chaeten uachweisen. Verf. hält daher die Annahme, dass die Spiro¬ 
chaete pallida als Erreger der Lues anzusehen sei, für begründet. 
Cytorrhyktes nachzuweisen gelang mit Sicherheit nicht. 

2. Lydia Rabinowitsch, Berlin: Die Beziehongen der 
menschlichen Taberkulose zu der Perlsacht des Bindes. 

Die Untersuchungen der Verfasserin haben folgende Resultate 
ergeben: Die Infektionsmöglichkeit des Menschen durch die Perl- 
suebt des Rindes ist erwiesen; die Grösse dieser Gefahr vermag 
man zur Zeit nicht abzuschätzen. Die Bekämpfung der Rinder¬ 
tuberkulose ist dringend geboten, nicht allein im Interesse der 
Landwirtschaft, sondern auch wegen der dem Menschen durch die 
Perlsuoht des Rindes drohenden Infektionsgefahr. Bei der Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit ist in erster Reihe 
die generalisierte Tuberkulose und vor allem die Lungenschwind¬ 
sucht zu berücksichtigen. Mithin kommen bei der Tuberkulose¬ 
bekämpfung vornehmlich die vom Menschen ausgehenden Tuberkel¬ 
bazillen in Betracht, gleichviel, ob die ursprüngliche Infektion 
durch menschliche oder durch Perlsuchtbazillen bedingt ist. 

3. Rheinboldt, Kissingen: Zar Fettsachtbehandlong mit 
Schilddrüse. 

Verf. unterzieht die Schilddrüsentherapie der Fettsucht einer 
genauen Kritik und kommt zu dem Schluss, dass es nicht be- 


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322 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 30. 


rechtigt ist, diese Therapie a limine wegen ihrer Gefährlichkeit 
abzulehnen. Selbstverständlich ist dies keine Therapie für den 
Laien, aber in der Hand des Arztes und unter Beachtung ganz 
bestimmter diätetischer Maßnahmen bei täglicher Beaufsichtigung 
des Patienten können gute Resultate erzielt werden. 

4. Ipsen, Kopenhagen: UnterBUchangen über primäre Tuber* 
kulose im Yerdauungskanal. 

Verf. hat im Verein mit Fibiger eine grosse Zahl von 
Sektionen gemacht und dabei auf das Vorkommen primärer 
Därmtuberkulose sein Augenmerk gerichtet. Bei 187 Sektionen 
von Kindern bis zu 15 Jahren waren 58 Tuberkulöse und da¬ 
runter 10 primäre Tuberkulöse des Verdauungstraktus. Die pri¬ 
märe Därmtuberkulose kam bei 5—G% aller sezierten Kinder und 
bei 17% aller tuberkulösen Kinder vor. Ueber die Ursache dieser ' 
primären Darmtuberkulosen war im Rahmen dieser Untersuchungen 
nichts zu eruieren. 

5. Huebschmapn, Genf: Spiroohaete pallida (Schaudiim) 
und Organerkraukung bei Syphilis congenita. 

Verf. bekam ein neugeborenes Mädchen zur Sektion, bei 
welchem die Diagnose Lues congenita mit Sicherheit gestellt werden 
konnte. Es bestand Milztumor, Osteochondritis syphilitica, inter¬ 
stitielle Pankreatitis und eine immerhin seltene Thyreoditis. Die 
Untersuchung auf Spiroebaeten ergab ein negatives Resultat in 
Lungo und Milz, in geringer Anzahl waren sie zu finden in den 
Nieren, Nebennieren, Leljer, Placenta und Nabelschnur. Dagegen 
fanden sich die Erreger in grosser, teilweise enormer Anzahl im 
Pankreas und der Thyreoidea. Es bestand also ein deutlicher. 
Parallelismus zwischen der Organerkrankung und dem Spirochaeten- 
hefund. Was die nähere Lokalisation anlangt, so fanden sich die 
Erreger vor allem im Bindegewebe, in den Gefäss- und Capillar- 
waudungen. 

Johansen, Dr. J. C., Kopenhagen: Heber einen neuen 
Banchmasflage-Apparat. 

Nach den Angaben von Dr. J. C. Johansen, Kopenhagen, 
hat die bekannte Firma Reiniger, Gebbert Ä. Schall*) iu Erlangen, 
einen Apparat konstruiert, der technische und therapeutische Vor- • 
teile von gleich hohem Masse vereinigt und der bei der ausser¬ 



ordentlich wichtigeu Rolle, welche die Bauchmassage heute bei 
Behandlung vieler Krankheiten der Verdauungsorgane, sowie der 
Anomalien des Stoffwechsels spielt, sicherlich bald eingeführt sein 

*) Filialen: Berlin, München, Hamburg, Köln, Wien und Budapest. 


Wird. Der Apparat, der sowohl mit BettgesteU als mit Fussbodmi- 
gesteli geliefert wird, besteht im Wesentlichen ans eii^ in der 

Mitte des Bettgestelles; oder an 
einem Querarm des Fussbodeo- 
gostclles vertikal gelagerten Hohl- 
achse, in wel<dier eine durch 
Keil oder Längsnute versohieb- 
l)ar geführte Aohse sich befindet, 
die an ihrem nuteren Eu<^e den 
durch Bajonnettyerschlass aofge- 
stecktem Massierkörper • trä^. 
Als .Massierkörper werden im all- 
geitiviaen mit Filz beschlagene und 
vernmdete Holzrollen, mit Flanell 
bezogene rechteckige oder der 
Hauohwölbung entsprechend ge- 
l>ogene Eisenplatten benutz. 

Der Hauptvorzug des Appa¬ 
rates dürfte neben seiner grossen 
Billigkeit und der Gediegenheit 
seiner Ausführung, seine ausser¬ 
ordentlich hohe Regulierfähigkeit 
sein. So lassen sich mit dem 
Ap[iarat Friktionsbewegungen und 
Coloiistreichen ausführen, wobei 
die Grösse der Bewegungen auf 
das leichteste zu dosieren und 
zu regulieren ist Durch Ge¬ 
wichte kann der Druck genau 
bestimmt werden und die Dosis 
kontrolliert werden, als bei der 
Behandlung durch einen Masseur, wobei nooh der grosse Vorzug 
dazu kommt, dass die Bewegungen gleichmässiger sind, als bei 
der Massage durch die geschickteste Hand. Es ist demnach zu 
erwarten, dass der Apparat sich nicht nur da, wo kein Masseur 
zu bekommen ist, oder wo die Kosten eines Masseurs zu hohe 
sind, sich rasch eioführen wird, sondern dass er Dank seiner gros^ri 
Vorzüge, auch da wo diese beiden Fälle nicht zutreffen, die Hand- 
massage stark verdrängen wird. " 


Kongresse. 

Der XIV. internationale Kongress fDr Hygiene und Demo¬ 
graphie findet vom 23.—29. September 1907 in Berlin statt. 
Das Organisationskomitee unter dem Vorsitz des Präsidenten 
des Kaiserlichen Gesundheitsamts Herrn Bumm hat die Vorar¬ 
beiten so weit gefördert, dass die Einladungen demnächst, ergehen 
werden. Die Arbeiten des Kongresses, welcher voraussichtlich im 
Reichstagsgebäude tagen wird, werden in 8 Sektionen erledigt 
werden: Sektion I Hygienische Mikrobiologie und Parasitologie, 
Sektion II. Emährungshygiene und hygieni^e Physiologie, Sek¬ 
tion III Hygiene des Kindesalters und der Schule, Sektion IV 
Berufshygiene und Fürsorge für die arbeitenden Klassen, Sektion 
V Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten und Fürsorge für 
Kranke, Sektion Via Wohnungshygiene und Hygiene der Ort¬ 
schaften, Sektion VI b Hygiene des Verkehrswesens, Sektion VII 
Militärhygiene, Kolonial- und Schiffshygiene, Sektion VIII Demo- 
graphi. Die Organisation einer mit dem Kongress verbundenen 
wis.senschaftlichen Ausstelhing hat Herr Geh, Medicinalrat Prof. 
Dr. Ruhner, Berlin Nr. 4, Hessischestr. 4, übernommen. Die 
Geschäfte des Kongresses führt der Generalsekretär Oberstabsarzt 
a. D. Dr. Nietner. Die Geschäftsstelle befindet sich Berlin W. 
9, Eichhomstr. 9. 


Bsriin. Professor Dr. med. Dührasen, Lessingstr. 35, 
ist von .seiner Reise zurückgekehrt und hat die Leitung seiner 
Privatklinik für Frauenkrankheiten wieder übernommen. 



Veraotwortlicher Redakteur : Dr. P. Meistner, BerlioW. CS, Kurfüratenatr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dniek TOS der Hejmemans'ichea Bschdrsokerei, Gebr. Wolff, HsUe s.S. 


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Medicinische Woche 


Oeatschmtna, A. Dfihrssen, A. Hoffa. E. Jacob!, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg 1. Bi. 

H. Senator. R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Herausgegeben von 


R. Robert M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosin, H. ScManfe, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricbt A. Vossiita, 

Magdeburg. Giessen. 


'N 

Verlag und Expedition 


Redaktion: 

Carl Marhold in Halle a* Sf UhlandstrasM 6. 


Berlin W. 62« Knrtfirstenstrasse 81* 

Tcl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Dr. P. Meißner. 
-— 


Vn. Jahi^ang. 30. Juli 1906. Nr. 31. 


Die »Medicinische Woche'erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalflCOlOgiSChe Ceiltralzeitllflgy Organ des Allgemeinen Deutschen 
BSderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original>Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Über die Wirkung des Urotropins. 

Von E. W. Eistjakowski,’^) 

MilitArarzt io Rassland. 

Bei Erkrankungen der Hamwege wird neben der lokalen 
ancli die interne Behandlung mit Substanzen angewendet, welche 
durch die Nieren aosgeschieden werden und die erkrankten 
Schleimhäute günstig beeinflussen. Am häufigsten werden 
ätherisch-balsamische Mittel (Oleum Terebinthini, Oleum Santali, 
Balsamnm copaivae) nnd Salicylsäurepräparate (Salol, Natrium 
salicylicnm etc.) angewendet In der letzten Zeit haben die 
Formaldehydderivate Helmitol, Citarin, Hetralin, insbesondere 
aber das Urotropin grosse Verbreitung erfahren. 

Das Urotropin, welches vor ungefähr 10 Jahren von 
Nicolaier in die Praxis eingeführt wurde und nach den Unter¬ 
suchungen von Sachs durch seine baktericiden Eigenschaften 
die anderen, früher im Gebrauch gewesenen Mittel übertiifft, 
stellt ein weisses krystallinisches Pulver dar, das sich in Wasser 
löst und dessen chemische Formel (CH,) 6 N 4 ist. Die thera¬ 
peutische Wirkung des Urotropins wird dadurch erklärt, dass 
sich von ihm Formalin abspaltet, welches nach den Unter¬ 
suchungen von Keller dann im freien Zustande im Blute und 
im Ham zirkuliert. Aus diesem Grunde ist es ratsam, unge¬ 
fähr 15 Minuten nach der Einnahme des Urotropins nicht zu 
urinieren, damit das Formalin in der Harnblase in konzen¬ 
trierterer Losung verbleibe. Die übliche Urotropin-Dosis be¬ 
trägt 0,5—0,6 drei- bis viermal täglich. Es ist ratsam, das 
Urotropin nach dem Essen einzugeben, um eine Reizung der 
Magenschleimhaut zu verhüten. Im allgemeinen wird das 
Urotropin vom Organismus gut vertragen, wenn auchKur- 
kowsky und Milligan über Fälle von Hämaturie berichten, 
die mit spastischen Kontraktionen des Blasenhalses einhergingen, 
und Keller krankhaften Harndrang nach Urotropin -Gebrauch 
beobachtet hat. 

Das Urotropin hemmt die Entwicklung von Bakterien 
in der Blase, mit Ausnahme der Tuberkelbazillen und der Strep¬ 
tokokken, erhöht die Löslichkeit der Harnsäure (1: 300 statt 
1:38000), und macht den Harn, indem es mit der Harnsäure eine 
Verbindung eingoht, sauer und hält auf diese Weise die ammonia- 
kalische Gärung des Harns auf. Demzufolge ist die Anwendung 
des Urotropins bei Entzündung der Nieren, der Harnblase 
und der Harnröhre, bei Bakteriurie, bei Phosphaturie und bei 
vermehrter Harasäure-Ausschoidung indiziert. 

Auf die günstige Wirkung des Urotropins bei Bakteriurie 
(Colibazillen, Typhusbazillen) weisen Fuchs, Caro, Leder¬ 
mann etc., bei chronischen interstitiellen Nephritiden Fenton, 

*) Aus dem Russiecben von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf. 


bei Phosphaturie Keller, bei Enuresis nocturna Orelino hin. 
Als Prophylaktikum wird das Urotropin gegen Scharlach- 
Nephritis, sowie gegen Cystitiden vorgeschlagen, die bei Typhus 
infolge der Ausscheidung der TyphusWillen durch die Vieren 
entstehen. 

Ich habe das Urotropin bei akuten und chronischen go¬ 
norrhoischen Urethritiden, sowie bei Cystitiden verschiedener 
Provenienz angewendet und niemals irgend welche Komplika¬ 
tionen erlebt. 

Bei der Behandlung der Urethritis wurde neben dem Uro¬ 
tropin auch die lokale Behandlung angewendet. Infolgedessen 
ist es schwer, sich kategorisch darüber zu äussem, welcher 
Teil des Erfolgs auf Rechnung des Urotropins in jedem 
einzelnen Falle gesetzt werden muss. 

Vergleiche ich aber die Dauer der Behandlung bei zwei 
Gruppen von Kranken, von denen die eine Urbtropin erhielt, 
die andere aber nicht, so kann ich mich des Eindrucks nicht 
erwehren, dass die Behandlung der ersten Gruppe rascher vor 
sich ging und seltener von Komplikationen (Reizung des Blasen¬ 
halses, Epididymitis etc.) begleitet wurde, als die Behandlung 
der zweiten Gruppe. 

Bei Cystitiden war die günstige Wirkung des Urotropins 
weit augenfälliger und hatte in manchen Fällen sogar den 
Charakter und die Beweiskraft eines Experiments, da ich den 
betreffenden Patienten nur Urotropin allein behufs präventiver 
Desinfektion des Harns verordnete und mich jeder lokalen Be¬ 
handlung enthielt, ln der Mehrzahl der Fälle Hessen die 
Schmerzen nach, der Harndrang wurde seltener und der Ham 
wurde, indem sich dessen alkalische Reaktion in eine saure 
verwandelte, reiner und klarer. 

Ich möchte nun 3 Krankengeschichten kurz mitteilen, die 
vorstehende Angaben bestätigen. 

1. Fall. 15. Juli 1904. Der 29jährige Patient, Maler von 
Beruf, leidet seit 2 Monaten an Blasenschmerzen und häufigem 
Harndrang. Die Krankheit hindert ihn bei der Arbeit. Der 
Patient gibt zu, vor 5 Jahren Urethritis überstanden zu haben. 

Status praesens: Der Patient ist abgemagert und blut¬ 
arm. Von Seiten der inneren Organe liegt nichts besonderes 
vor. Der Harn ist sehr trübe und von ammoniakalischem Ge¬ 
ruch. Die Prostata ist leicht vergrössert. Die Untersuchung 
ergibt weder Striktur der Harnröhre noch Blasensteine. Es 
wird Urotropin in Dosen von 0,5 vier- bis fünfmal täglich 
verordnet. Nach 4 Tagen waren die Schmerzen fast vollständig 
verschwunden, so dass der Patient seine Arbeit wieder auf¬ 
nehmen konnte. Der Harn blieb aber trübe. Nun wurde zur 
Spülung der Harnblase mit Argentum nitricum-Lösung (1:100) 
geschritten, aber auch diese Ausspülungen führten eine Besserung 
nicht herbei. Da ich abreisen musste, verlor ich den Patienten 
aus den Augen. 

In diesem Falle hat das Urotropin den Krankbeitsprozess 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 31. 


selbst nicht beeinflusst*), wohl aber die Schmerzen dermaßen 
verringert, dass der Patient, wie gesagt, seine Arbeit wieder 
aufnehmen konnte. 

2. Fall. 10. Februar 1905. Der Patient, von Beruf Ap^o- 
thekor, 55 Jahre alt, sieht aber älter aus. Allgemeiner Er¬ 
nährungszustand angegriffen, Arteriosklerose stark ausgesprochen. 
Der Patient leidet an chronischem Magen-Darmkatarrh: ab¬ 
wechselnd Diarrhoe und Obstipation. Vor 14 Tagen litt der 
Patient an hochgradiger Diarrhoe (Stuhl ca. 20 mal täglich), 
darauf Obstipation. Seit 2 Tagen besteht akute Cystitis. Der 
Harndrang ist sehr frequent und geht mit schmerzhaften Tenesmen 
einher. Der Harn ist trübe, enthält Schleimflocken und Blut¬ 
streifen. Harnreaktion schwach sauer. Behandlung; Rici- 
nusöl, Milchdiät, Vichy, Salol 0,3 und Urotropin 0,5 dreimal 
täglich. 

12. Februar. Die Blutstreifen sind aus dem Harn ver¬ 
schwunden, die Harnfrequenz ist seltener geworden. 

14. Februar. Der Patient diagnostizierte selbst, dass er 
an Nephritis leide und brach den Urotropin-Gebrauch ab. 

17. Februar. Harn gleichmäßig trübe. Reaktion neutral. 
Im Ham Eiweissspuren. Hochgradiger und schmerzhafter Harn¬ 
drang. Diarrhoe. Temperatur 39,0. Behandlung: Salol nebst 
Wismut und Urotropin. 

18. bis 22. Februar. Die Tenesmen lassen allmählich nach, 
der Harn wird reiner und klarer. 

23. Februar. Temperatur normal, Harn vollständig klar, 
Harndrang nicht gesteigert. 

18. März. Harnblase vollständig gesund, es besteht aber 
wieder Diarrhoe. 

In diesem Falle bestand augenscheinlich ein ursächlicher 
Zusammenhang zwischen der Darmstöiung und der Entzündung 
der Harnblase. Zunächst hat sich unter dem Einflüsse dei- 
Urotropin-Behandlung der Zustand der Harnblase gebessert. 
Kaum hatte aber der Patient den Uro tropin-Gebrauch ab¬ 
gebrochen, da stellte sich eine hochgradige Exacerbation der Ent¬ 
zündung ein, aber sclion nach 5 Tagen war unter dem Einflüsse 
des wiederholten Uro’tropin-Gebrauchs vollständige Heilung 
eingetreten. Wenn auch der Patient Salol und Wismut bekam, 
so kann man doch kaum den günstigen Verlauf dos Krankheits¬ 
prozesses auf ihre Rechnung setzen. 

3. Fall. 1. Februar 1905. Der Gemeine Tsch. wurde 
vom Moskauer Militär-Hospital der Sanitätsstation zu Slawiansk 

*) Hinsichtlich des durch das Urotropin unbeeiiidusst geblieben 
sein sollenden Krankbeitsprozesses stellt in einer Kandbemerkung die Redak¬ 
tion der russischen Zeitschrift, in der diese Arbeit erschienen ist, (Wojenno 
Mcdicinski Jonrnal) die durchaus triftige Frage, worauf der Autor seine 
Annahme, dass der Rrankheitsprozess an und für sich unheeindusst go- 
blicbeo ist, stützt. 


Feuilleton. 

Zur Geschichte der deutschen ^sordseehäder. 

Von Dr. Erich Ebstein in Güttingen. 

(Fortsetzung.) 

Die Insel Wangeroog ist seit 1819 seiner Soebade- 
«nstalt wegen bekannter geworden, bis im Winter 1854/55 
die Sturmglocken die Insel und die Regierungsanstaltcn, be- 
siinclers das Konvorsutionshaus, so sehr beschädigten, daSvS die 
Regierung da.s Bad preisgab. Im Anfang der siebziger Jahre 
des abgelaufonen Jahrluinderts bemühten sich die Wangerooger, 
den Ruhm des alten Seebades wieder zu erreichen. (Vergl. 
C. Berenborg, Die Nordseeinseln. Hannover 1872, S. 51.) 

AufHe Igoland erfolgte die Gründung der Badeanstalt durch 
Jacob A ndreas Siome ns im Jahre 1826. (Vgl. E. Lindo- 
mann, Helgoland. Berlin 1888, S. 104.) Anno 1829 zählte 
da.s junge Seebad etwas über zweihundert Gäste, meistens aus 
Hamburg, Lübeck und Kiel; unter ihnen war auch Heinrich 
Heine, der hier einen Teil seiner Nordseelieder dichtete. Es 


überwiesen. Der Patient gibt an, dass er im Juli 1904 Ure¬ 
thritis acquiriert habe, in 14 Tagen aber genesen sei (?). Am 
17. Dezember stellte sich nach reichlichem Schnapsgenuss 
wieder Ausfluss ein. Am 24. Dezember wurde der Patient 
während der Arbeit plötzlich bewusstlos und infolgedessen 
nach dem Moskauer Militär-Hospital transportiert, wo Erschein¬ 
ungen von aktiter Cystitis konstatiert wurden. Der Patient be¬ 
kam Salol und Chinin. Während der letzten 2 Jahre vor der 
Erkrankung hat er in der Buchdruckerei gearbeitet, wobei er 
die Bleiformon für den Stereotjmdruck zu giessen hatte. Diese 
Arbeit hat die Gesundheit des Patienten in hohem Maße ange¬ 
griffen: er wurde mager, es stellte sich Obstipation ein, der 
Appetit verringerte sich. 

Status praesens: Der Patient macht den Eindruck eines 
Schwerkranken, ist ausserordentlich abgemagert und blutarm. 
Herztöne dumpf, Atmungsgeräusch rauh, mit trocknen Rassel¬ 
geräuschen. Nlilz vergrössert und ragt eine Querfingerbreite 
über den Rippenrand hinaus. Aus dem Uretliralkanal reich¬ 
licher eitriger Ausfluss. Harn trübe mit reichlichem rötlicliem 
Niederschlag. Der Patient uriniert häufig, tropfenweise, unter 
Schmerzen. Die Prostata erweist sich bei der Untersuchung 

S er rectum als mittelmäßig vergrössert und schmerzhaft. Im 
.am fand man Staphylokokken in grosser Anzahl und noch 
eine Bakterienart, deren Charakter näher zu bestimmen leider 
nicht gelang. Temperatur 38,7—39,0. Behandlung: Salol 0,6 
vier Pulver und Chinin 0,3 zwei Pulver täglich; ausserdem 
blande Diät. 

2. bis 7. Februar. Keine besonderen Veränderungen. Tem¬ 
peratur morgens 37,5 bis 40,1, abends 37,3 bis 41,3. 

8. Februar. Der Patient kann des Nachts wegen häufigen 
und schmerzhaften Harndrangs nicht schlafen, so dass ihm 
vor dem Schlafengehen Morphium (0,01) gegeben werden musste. 
Temperatur 37,4 bis 39,9. 

10. Februar. Schlaf dank dem Morphium besser. Die 
Cystitis zeigt aber keine Veränderung. Infolgedessen werden 
Salol, Chinin und Morphium ausgesetzt und statt dessen 0,5 
Urotropin viermal täglich verordnet. Temperatur 37,4 bis 37,9. 

11. Februar. Schmerzen bei der Harnentleerung geringer. 
Temperatur 37,4 bis 38,9. 

12. Februar. Unbedeutender Ausfluss aus der Harnröhre. 
Harn vollständig klar, enthält Fäden. Schmerzen überhaupt 
nicht vorhanden. Temperatur 36,5 bis 36,6. 

13. Februar. Subjektives Befinden vorzüglich, Temperatur 
normal. 

19. Februar. In den Fäden wurden Gonokokken nicht 
gefunden. Das Urotropin wird ausgesetzt. Kräftige Diät 
und Ferrum lacticum. 


ist bekannt, dass der Dichter jedesmal, so oft er ein Schiff be¬ 
stieg, seekrank geworden ist. Und dennoch liebte er das Meer 
wie seine Seele. Heine ist ein eifriger Verehrer und Besucher 
der deutschen Nordseebäder gewesen: wir wissen, dass er im 
Sommer 1823 in Cuxhafen lebte, 1825 und 1826 in Norderney; 
übrigens wollte Heine schon 1823 nach Helgoland gehen, 
aber ein wilder Sturm brach los, in der Nähe der Insel musste 
der Kapitän umkehren. Der Dichter hat uns bei dieser Ge¬ 
legenheit sehr drastisch seine erste Seekrankheit geschildert; 
in der es heisst*): ,.Musik der Kotzenden in der Kajüte, Schreien 
der Matrosen, dumpfes Heulen der Wogen, Brausen, Summen, 
Pfeifen, Mordsspektakel, der Rogen giesst herab, als wenn die 
himmlischen Heerscharen ihre Nachttöpfe ausgiessen, und ich 
lag auf dem Verdeck und hatte nichts weniger als fromme 
Gedanken in der Seele“. Weitere Einzelheiten über den 
Aufenthalt Heines 1829 (2 Monate) und denjenigen im Sommer 
1830 (6 M'oehen) mögen bei G. Karpeles, Heinrich Heine 
(Lpz. 1899, S. 153—159) nachgelesen werden. Es wäre ver¬ 
lockend, an der Hand der so zahlreich erschienenen Bücher 
und Aufsätze über Helgoland die Entwickelung desselben bis 
auf den heutigen Tag fortzulühren. Ich muss mich indes da- 

*) Auch Lichtenberg schreibt a, a. 0.: „Die VoniitiTcheo unterw^ 
verschwinden in dem Genuss dieses grossen Anblicks.“ 


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1906. 


MBDICINISCHB WOGHB. 


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3. März. Der Patient hat in 3 Wochen 12 Pfund an 
Körpergewicht zugenommen. 

10. März. Kleiner Morgentropfen. Harn vollständig klar, 
enthält grössere Fäden, in denen Gonokokken in geringer und 
Sta^hyl(mokken in grosser Anzahl gefunden wurden. Der 
Patient uriniert tagsüber viermal, des Nachts zweimal. Prostata 
vergrössert, leicht schmerzhaft. Behandlung: Massage der Pro¬ 
stata und Argentum nitricum-Instillationen. 

Welcher Mikroorganismus die Cystitis in diesem Falle 
verursacht hat, konnte leider nicht festgestellt werden. Mit 
gewisser Wahrscheinlichkeit kann man aber die im Harn ge¬ 
fundenen Bakterien als Colibazillen deuten, um so mehr als 
die durch die Blei-Intoxikation herbejgeführte Obstipation das 
Hinüborwandern der Colibazillen aus dem Darm in die Harn¬ 
wege begünstigt haben konnte. Die Cystitis, welche 7 Wochen 
lang gedauert hatte, hat hohes Fieber verursacht und dadurch 
Erschöpfung des Patienten herbeigeführt. Das Salol blieb ohne 
Wirkung: das Urotropin aber hat sich in diesem Falle 
als Specifikum erwiesen: 2Tage nach der Einnahme 
von 6—8 Pulvern zu 0,5 Urotropin wu rde derHarnnor- 
mal, das Fieber verschwand, und der Patient begann 
sich rasch zu erholen. 

Wenn auch die Wirkung des Urotropins nicht in allen 
Fällen so glänzend war, so ist dessen N ützlichkeit doch ausser 
jedem Zweifel, und infolgedessen ist es zu wünschen, dass das 
Urotropin in die Zahl der Medikamente aufgenommen werde, 
die nach dem Katalog des Kriegsressorts geführt werden müssen. 


Sitzungsberichte. 

AerxtlUher Terei/n in Hambu/rg, 

Sitzung vom 29. Mai 1906. 

Vorsitzender: Herr Kümmell, 

I. Demonstrationen: 1. Herr Delbanco demonstriert 
einen 37jährigen Patienten, dessen seltene Affection der Kopf- 
und 6esi<^tshaut ein Lupus follicularis disseminatus (Lu¬ 
pus miliaris, Acne tuberculosa), vor einem Jahre gezeigt 
worden war. Bettmann (Heidelberg) hat vor einiger Zeit aus¬ 
führlich über diese Affektion berichtet und ihr eine Mittelstellung 
zwischen den anerkannten tuberkulösen Erkrankungen der Haut 
und den sogenannten Tuberkuliden angewiesen. Die vielen, an die 
Follikel gebundenen, kleinen, lupösen, nicht konfluierenden Herd- 
chen waren einer versucbsreichen dermatologischen Therapie nicht 
gewichen; hingegen brachte eine im Januar d. J. begonnene Neu¬ 
tuberkulin-Kur völlige Heilung. Der klinisch und anatomisch ge¬ 


nau studierte und für die AuiFassung der Affektion wichtige Fall 
wird anderweitig publiziert werden. Delbanco nimmt Veran¬ 
lassung, seiner Meinung, dass die Haut ein Ausscheidungsorgan 
des Tuberkelgiftes darstellt, Ausdruck zu geben. Wie die Haut 
mittelst Talgdrüsen und Follikel Jod, Chrom und andere Gifte 
ausscheide, vermag sie solches auch für die chemischen Gifte des 
Tuberkuloseerregers. Seine Studien über die Hauttuberkulose haben 
Vortr. zu dieser Auffassung gedrängt; er schliesst sich der kürz¬ 
lich von chirurgischer Seite geäusserten Ansicht an, dass der Schweiss 
keine Bakterien ausscheide: die Schweiss- bezw. Knäueldrüsen sind, 
wie Unna solches vor vielen Jahren bereits behauptet hat, gegen 
Bakterien immun. 2. Ferner zeigt er einen 47 jährigen Patienten 
mit Sklerodermie beider Füsse und Unterschenkel. 
Das schon die atrophische Form zeigende Leiden besteht seit zwei 
Jahren, ohne dass der als Oberfenerwehrmann fungierende Patient 
in seinem Beruf irgendwie gestört wird. Vortr. demonstriert mittelst 
Epidiaskops die cirkumscripte Form der Sklerodermie an der 
Hand von Photographien und empfiehlt warm die Salioyltherapie, 
die leider oft genug versagt. 3. Ausserdem demonstriert er einen 
38jährigen Patienten mit der leichteren Form der Dermatitis 
herpe tifo rmis D ühring. An symmetrischen Stellen des Stammes 
und der Extremitäten erheben sich gruppierte Bläschenanhäufungen auf 
urticarieller Grundlage. Grössere Blasen- und Papelbildungen fehlen. 
Das viel verkannte Leiden, das eine dubiöse Prognose gibt, ist hier für 
den Anfang, nachdem 3 Jahrelang dem Patienten die Nachtruhe geraubt 
war, unter Salicyl gemildert worden. 4. Er berichtet endlich über einen 
vonLeistikow und ihm beobachteten Fall von Lungengumma, 
bei welchem Herr Edlefsen mit Entschiedenheit die Diagnose 
gestellt hatte. Der gegen Jodkali sehr empfindliche Patient ver¬ 
trug mit glänzendem Erfolg die damals im Sommer 1904 von 
Edlefsen empfohlene innerliche Verbindung von Jod und Queck¬ 
silber. Es handelt sich um eine alte Ricordsche Formel: 

Bp. Hydrargyr. bijod. rubr. 0,1 

Kalii jodat. 8,0 

Solv. in decoct. Sassaparlll, 150,0 
Sir. spl. 30,0 

MDS. Mehrmals tgl. 1 EssL z. n. 

An Stelle des Sassaparilladecoctes hatte Edlefsen — das Rezept 
befindet sich in seiner Rezeptsammlung der Kieler Poliklinik — 
Wasser gesetzt, sodass es lautet: 

Rp. Hydrargyr. bijod. rubr. 0,2—0,25 
Solut. Kalii jodat. 10,0,: 300,0 
MDS. 1—3 X ^gl- I Essl. z. n. 

Die ihnen bis dahin unbekannte Formel haben Leistikow und 
Delbanco seitdem in vielen Fällen bei den Spätformen gern ver¬ 
ordnet ; wo die Diagnose gesichert, ans irgendwelchen Gründen 
aber das in dem betreffenden Falle indizierte Quecksilber äusser- 
lich oder in Form von Injektionen abgelehnt werden muss, ist 


rauf beschränken, nur einige Bücher aufzuflihren, die mir ge¬ 
rade vorliegen*). Ich darf auch hier uns im Vorbeigehen an 
Franz Dingelstedt’s Expektorationen (Wanderbuch, Berlin 
1877, S. 119 ff.) über die Nordseebäder, bezw. über Helgoland 
erinnern, die mit den Worten schliessen: „Zur Nacht singt Dich 
die grosse Mutter See, in deren Armen Du Dich am Morgen 
gewie^ hast, selbst in den Schlaf. Sie ist dir überall nahe, 
allezeit“ — oder wie Dingelstedt einmal so schön singt: 

„0 Meer, o heil’ges Meer! Nach deiner Frische, 

Nach deinem Frieden lechzet meine Seele.“ 

Dingelstedt spricht sich in dem eben zitierten Auf¬ 
satz sehr richtig über die individuelle Eigenart jedes der Nord¬ 
seebäder aus: „ich kenne nur ein paar Nordseebäder, und die 
sind alle ausnehmend verschieden, charakteristisch ausdrucks¬ 
voll . . . Helgoland — vom Besten anzuheben — Helgoland 
ist ein echtes, rechtes Schiffer- und Fischerkind, eine wilde 


Seejungfrau. Norderney ist eine flache, gespreizte, 

leere Schönheit; sie gibt sich Airs und Manieren, weil sie sich 
natürlicher Einfalt und Unbefangenheit schämt. Die Seejungfor 
ist schon zur Städterin geworden“ usw. 

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts standen offenbar 
die Nordsee- gegenüber den Ostseebädern im Brennpunkt des 
Interesses. Wenigstens erachtet kein geringerer als Rudolf 
Virchow eine k^urze Mitteilung über die Ostseebäder von 
Westpommem und Rügen usw. (Virchows Archiv, Bd 7, S. 
541 n.) schon deshalb für „gerechtfertigt, weil durch die vor¬ 
wiegende Neigung zu den Nordsee- und atlantischen Bädern 
selbst die Aufmerksamkeit der Aerzte etwas abgelenkt ist“ 
usw. Virchow hat im Jahre 1858 (Virchows Archiv, Bd. 
15, S. 70) nochmals das Wort für die Ostseebäder genommen, 
in seiner klassischen Arbeit: „Physiologische Bemerkungen 
über das Seebaden, mit bes. Berücksichtigung von Misdroy.“* *) 

(Schluss folgt.) 


*) G. Salomon, firinnerun? an das Seebad auf Helgoland. In 
Briefen. Hamburg 1834. — In: Th.Mfundt], Charaktere und Situationen. 
II. Teil. Wismar und Leipzig. 1837, S. 3—24. „Die Helgolanderrinnen“. 
— Ludolf Wienbarg, Tagebuch von Helgoland. Hamburg 1838. — 
Theodor vonKobbe, Briefe Uber Helgoland. Bremen 1840. — Eduard 
Boas, Loben und Weben auf Helgoland. Lpz. 1847. — Earl Rein¬ 
hardt, Von Hamburg nach Helgoland. Lpz. 1856. 


•) 1871, Virchows Archiv, Bd. 52, S. 133 u. 432) „Wirkung kalter 
Bäder und Wärmereguliorung.“ 


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MBDICINTSCHE ^^OGHS. 


Nr. 31. 


dieses innerliche treitement mixte am Platz. Delbanco hat für 
Darm nnd Nieren keine nachteiligen Folgen erlebt. Penzoldt 
gebührt das Verdienst, einen grösseren Aerztekreis mit der Formel 
wieder vertraut gemacht zu haben: in der 1. Januar-Nummer der 
Therapie der Gegenwart 1905 hat er in einem kurzen eindrucks¬ 
vollen Aufsatz über seine reichen Erfahrungen mit dieser Ver¬ 
bindung berichtet, 5. Herr König (Altona) stellt einen jungen 
Mann vor, der viermal den linken Oberarm gebrochen hatte. Es 
handelte sich um eine Knochencyste. Im Röntgenbild waren 
in der Harkhöhle helle Felder zu erkennen, die in die Görticalis 
hineinreichten. Bei der vorgenommenen Aufmeisselung zeigte es 
sieb, dass der Cysteninh^t blutig war, und dass keine Geschwulst, 
wie vermutet, vorhanden war. Jetzt ist völlige Heilung eingo- 
treten. Solche Cysten, auf deren Entstehungstheoria Vortr. ein¬ 
geht, kommen meist bei jugendlichen Individuen vor und zwar mit 
Vorliebe an der Tibia, am Femur und Humerus und veranlassen 
häufig Spontanfrakturen. Die Resektion dabei ist besser als die 
Auskratzung. 6. Herr Albers-Schönberg zeigt stereosko¬ 
pische Röntgenbilder. Auf dem letzten Chirurgen-Kongress 
wurden bereits solche von Alexander vorgeführt, doch war er 
nicht dazu zu bewegen, die Art der Anfertigung zu verraten. 
Jetzt ist es Vortr. gelungen, sie nachzumachen und zwar mit 
staunenswerter Ausführung. Für gröbere Objekte sind diese 
Stereoskopbilder, die einen starken Schlagschatten zeigen, ausser¬ 
ordentlich geeignet, bei feineren geht die Struktur verloren. 7. Herr 
Kümmell spricht über seine in diesem Jahre ausgeführten 102 
Perityphlitisoperationen mit nur einem Todefall. Er tritt 
warm für möglichst frühe Operation ein: „der akute Anfall ist, 
wenn ich so sagen darf, schon der Schluss des Dramas.“ Die Re¬ 
sultate sind zwar im anfallsfreien Stadium günstiger, die Krank¬ 
heitsdauer ist jedoch viel länger und das Risiko viel grösser. 48 
Stunden nach Beginn des Anfalls sind zur Operation schon zu vieL 
Er demonstriert einige der von ihm innerhalb der ersten 48 Stimden 
entfernten Wurmfortsätze, die schon rupturiert waren. 

II. Diskussion über den Vortrag des Herrn Fraenkel: 
„Allgern einerkrankungen durch den Pyocy aneus,“ Herr 
Lauenstein hat zwar sehr häufig den Pyocyaneus, doch niemals 
durch ihn hervorgerufene Allgemeinerkrankungen gesehen. Je 
geringer die Hautpflege, desto häufiger der Pyocyaneus, am häufig¬ 
sten dort, wo starke Sekretion vorhanden ist. Als sehr gutes Des- 
inficiens hat sich ihm Terpentin und Ichthyol bewährt. Herr 
Kümmell sieht im Eppendorfer Krankenhause höchst selten auf 
seiner Abteilung den Pyocyaneus. Herr König (Altona): Der 
Pyocyaneus verliert z. B. im Urin seine Fähigkeit zu färben, ebenso 
auch in essigsaurer Tonerdelösnng. Es ist daher schwer, ihn an 
der Verfärbung zu erkennen, sodass man nur selten ihn in vivo 
nachweisen kann. Herr Fraenkel erklärt im Schlusswort, dass 
jeder Eiter im Eppendorfer Krankenhause bakteriologisch unter¬ 
sucht wird, der Pyocyaneus aber nur äusserst selten gefunden 
wird. Herrn Königs Angaben bestätigt er, widerspricht jedoch 
energisch Herrn Lauenstein, der den Pyocyaneus häufig ge¬ 
sehen haben will. Wie selten AUgemeiner^ankungen durch den 
Pyocyaneus sind, gehe daraus schon hervor, dass er in vielen Jahren 
nur 5 Allgemeinerkrankungen bei an und für. sich schon seltenem 
Vorkommen des Pyocyaneus gesehen habe. — 

Die Versammlung ehrt das Andenken des am 20. Mai 1906 
verstorbenen Mitgliedes Dr. Julius Goldschmidt Altona, dem 
Herr Kümmell einen warmen Nachruf widmet, durch Erheben. 

III. Vortrag des Herrn Falk: „Üeber Phlebectasieen im 
Bereich der weiblichen Genitalorgane.“ (Autoreferat.) 
Vortragender bespricht die Wandlung, die sich von pathologisch¬ 
anatomischer Seite in der Auffassung der Pathogenese der Phle- 
bectasie vollzogen hat und macht besonders auf das Widersinnige 
der mechanischen Theorie der Entstehung der Varicen intra gravi- 
ditatem aufmerksam. Er verbreitet sich über die Häufigkeit und 
die Lokalisation der Phlebectasieen beim Weibe. Wenn es auch 
bei der grossen Verbreitung der Varicen intra graviditatem seltsam 
erscheint, immer entzündliche Veränderungen an den Venen an- 
nehmen zu sollen, so ist doch zu bedenken, dass während jeder 
Schwangerschaft toxische Produkte im Blute gebildet werden und 
im Körper zirkulieren, die Alterationen der Gefässwände hervor- 
rufen können. Falk führt dann einen selbstbeobachtoten, in Be- 

auf die Aetiologie der Varicenbildung intra graviditatem lehr- 

zug 


reichen Fall an. Es handelt sich um Thrombenbildung in den 
beiderseitigen, ektatischen, labialen Aesten des Plexus pudendalis 
bei einer 24jöhrigen I. graviden Frau in der 32. Woche der Gravi¬ 
dität, welche bei 25*^ Hämoglobingehalt des Blutes das Bild der 
Oligochromämie und Oligocythämie darbot. — F. bespricht die 
sonstigen Begleiterscheinungen der Phlebectasien (Oedeme etc.), be¬ 
sonders ausführlich die Ruptur der ektatischen Venen, speziell die 
der Vulva und der Vagina, ihre Bedeutung in der Geburtshilfe, da 
dieses Kapitel in den gangbaren Lehrbüchern etwas kurz behandelt 
ist. Er streift das Gebiet des Thrombus vulvae, da man die Phleb¬ 
ectasien in Zusammenhang mit der Entstehung desselben gebracht 
hat, und führt einen selbstbeobachteten Fall von Haematoma vul¬ 
vae an, bei dem weder Gravidität noch Trauma mitspielte. Bei 
der sehr ausführlichen Abhandlung der Phlebectasien des Uterus 
und ihrer Bedeutung für den Geburtshelfer demonstriert er Prä¬ 
parate eines Von ihm früher beschriebenen Falles von teleangi- 
ektatischer Tumorbildung der ganzen CJervix uteri einer 24 jährigen 
Frau, 4 Monate post partum. Eis werden die einschlägigen Beob¬ 
achtungen von Heitzmann, Klob, Ed. Kaufmann und Hal¬ 
ben ausführlich mitgeteilt, und die klinische Bedeutung der Phle¬ 
bectasien des Uterus besprochen. Zum Schluss wendet sich Vor¬ 
tragender den Phlebectasien im Ligamentum latiim zu, zitiert die 
Galaissche Arbeit aus der Hegarschen Klinik imd bespricht die 
Symptome und die Therapie dieser Affektionen. Besonders macht 
er auf die schon von Riebet beschriebenen, periodisch mit der 
Menstruationswelle wiederkehrenden Schwellungen im Bereich des 
Plexus utero-ovaricus aufmerksam. In einem solchen Falle musste 
der Vortragende wegen der Intensität der Beschwerden und wegen 
des Versagens aller konservativen Therapie die linken Adnexe 
samt dem linken Ligamentum latum exstirpieren, und zwar mit 
dem besten Erfolge. Bei der grossen Verbreitung der Phlebec¬ 
tasien im Bereich der weiblichen Genitalorgane, bei der hohen 
klinischen Bedeutung, die dieser Gefksserkrankung zweifellos in 
einzelnen Fällen zukommt — hat sie doch zu Uterus- und Adnex¬ 
exstirpationen, ja sogar zur Sectio caesarea Veranlassung gegeben 
— ist die knappe Behandlung, die dieses Kapitel in den meisten 
geburtshilflich-gynäkologischen Lehrbüchern erfährt, von vielen als 
ein Mangel empfunden worden. Falk hofft, durch seinen Vortrag 
zur Beseitigung dieses Mangels mit beigetragen zu haben. — 

Scbönewald. 


Kongressbericht. 

35. Kongreaa der Deutschen GeseUschaft 
f ür Chirurgie. 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Klapp-Bonn bemerkt, dass bei der Mastitis die Saug 
behandlung möglichst lange fortgesetzt werden soll; ferner empfiehlt 
er zur Fixierung der Staubinde die Aufrichtung derselben mit 
Nähten. Dadurch erspare man alle komplizierten Befestigungs- 
apparate. 

Hr. Bier-Bonn hat 1500 Fälle von acuten eitrigen Entzün¬ 
dungen teils mit Stauung, teils mit Saugapparaten behandelt. 
Darunter seien unter anderem 25 Fälle von schwerer Sehnenscheiden- 
eiterung gewesen. Von diesen seien 17 Fälle mit völlig oder 
annähernd normaler Beweglichkeit geheilt; in 8 Fällen sei Nekrose 
der Sehnen aufgetreten; in allen diesen Fällen habe es sich um 
ältere Erkrankungen gehandelt, die mehr als 7 Tage bestanden 
hätten. Bier bestreitet, dass bei irgend einer früheren Methode 
der Behandlung solch gute Resultate erzielt worden wären. Nicht 
so gut seien die Erfolge bei der acuten Osteomyelitis gewesen; 
das liege jedoch daran, dass die Behandlung zu spät begonnen 
worden wäre. In den Fällen, in denen er die Behandlung mit 
Hyperämie bereits am ersten Tage der Elrkrankung begonnen habe, 
waren die Resultate gut. Allerdings müsse er zugestehen, dass 
er für diese frühen Fälle nicht den unbedingten Beweis erbringen 
könne, dass es sich wirklich um Osteomyelitis gehandelt habe. 
Die Erfolge bei den Gelenkeiterungen sind nicht immer gleich¬ 
mäßig gewesen; besonders gut waren sie bei den acuten trau- 

e 



1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


327 


matäscheii EiteruogeD, auch in den schweren Fällen, die zum grössten 
Teil unter Erhaltung der Funktion zur Ausheilung gelangt sind. 

Von Erkrankungen der Ohren habe er 28 Fälle behandelt, 
darunter 17 acute, als welche er solche bezeichnet, die nicht länger 
als 2 Monate bestanden. Davon sind 16 mit guter Gehörfunktion 
geheilt, obwohl keine andere Operation ausgeführt wurde als die 
einfache Inzision auf den Processus mastoideus. 

Bei Erysipel sind die Erfolge schlecht gewesen; über Strepto¬ 
kokkeneiterungen habe er keine Elriahrungen sammeln könuen, da 
sie in Bonn selten yorkämen. 

Bier bestreitet dann die Richtigkeit der Lezer’sehen Äus- 
führnngen. Die Phlegmonebehandlung Hesse sich nicht allein vom 
bakteriologischen Standpunkt aus betrachten. Die Grösse der 
Schnitte richte sich nach dem Fall. Käme man mit kleinen In¬ 
zisionen nicht aus, so müsse man eben grössere machen. Eine 
Fixierung des erkrankten Gliedes sei bei der Staubehandlung nicht 
Dötig, vielmehr seien aktive Bewegungen, namentlich im Bade 
ausgefübrt, sehr geeignet, die Stau- und Saugbehandlung zu unter¬ 
stützen. Gegenüber Herrn Thöle bemerkt Bier, dass zu ver¬ 
schiedenen Zeiten sich verschiedene Auffassungen über das, was 
Wissenschaft sei, geherrscht hätten. Und gegenüber den Philo¬ 
sophen, den Herrn Thöl e gegen ihn ins Feld geführt habe, könne 
er, Bier, sich auf Kant berufen. 

Für ihn stehe fest, dass die Hyperämie und ihre Folgozustände 
die Beschwerden nicht hervorrufe, sondern sie lindere, dass sie 
die Nekrose nicht mache, sondern sie hintenanbalte. Endlich 
erwähnt er, dass nach seiner Meinung die Entzündung in den 
meisten Fällen etwas Nützliches, ein gegen die Schädlichkeiten 
gerichteter reaktiver Vorgang sei (Fortsetzung folgt.) 

23. K.ongre88 für irmere Medicin 

vom 23. bis 26., April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-Mtineben. 

Herr Ed. Stadler-Leipzig: Experimentelle und histo¬ 
logische Beiträge zur Herzhypertrophie. 

Die Pathogenese der Gewebsveränderungen im hypertrophischen 
menschlichen Herzen erfährt vielfach eine recht verschiedenartige 
Auffassung. Neuerdings erklärt A Ib r e c h t - Berlin die Hyper¬ 
trophie des Herzmuskels in jedem Palle für einen progressiven 
entzündlichen Vorgang. Die Veränderungen des Bindegewebes 
werden von einigen insgesamt als entzündlicher Natur, von anderen 
als Folgen von Ernährungsstörungen, und schliesslich gewisse 
Formen der Bindegewebsvermehrung als mechanisch bedingt auf¬ 
gefasst (Dehios Myofibrosis). Eine einwandfreie Beurteilung der 
verschiedenen Veränderungen ist nur bei experimentell an Tieren 
erzeugten Klappenfehlerherzen möglich, bei weichen ätiologisch 
nur ein Moment in Betracht kommt, vor allem wahre entzündliche 
Prozesse auszuschliessen sind. 

Es wurden zu dem Zwecke im ganzen 18 Kaninchenherzen 
mit experimentell erzeugten Aorteninsuffizienzen, Trikuspldalinsuffi- 
zienzen und Aortenstenosen histologisch nach der K r e h 1 sehen 
Methode untersucht. Ausser den bekannten hypertrophischen Ver¬ 
änderungen der Muskulatur fand sich im rechten Vorhof der Tri- 
kuspidalinsuffizienzen und in den Papillarmuskeln zweier schwerer 
Aortenfehler eine diffuse Vermehrung des interstitiellen Binde¬ 
gewebes. 

Da für ihre Entstehung entzündliche Prozesse auszuschliessen 
sind, so weist vor allem ihre Lokalisation in überdehnten Herz¬ 
abschnitten auf das mechanische Moment als ätiologischen Faktor 
hin. Die Funktion des Bindegewebes besteht nach den Gesetzen 
der physikalischen Anatomie daiin, mechanischem Druck und Zug 
Widerstand zu leisten. Wie die Hypertrophie der Muskulatur 
eine Folge gesteigerter kontraktiler Leistung ist, so ist die Binde¬ 
gewebsvermehrung eine Folge dauernder üeberdehnung der Herz¬ 
wand. Für beide Veränderungen gibt das mechanische Moment 
der Funktionssteigerung den ersten Anstoss. Die Hypertrophie 
der Muskulatur imd die Myofibrosis sind einander koordiniert. 

Gegen die Auffassung Albrechts von der Hypertrophie 
des Hei'zmuskels als eines progressiven entzündlichen Vorganges 
spricht ausser diesen experimentellen Befunden namentlich die 
ärztliche Erfahrung über lange dauernde, nahezu normale Leistungs¬ 
fähigkeit hypertrophischer menschlicher Herzen. 


Diskussion: Herr De hi o-Dorpat erklärt zur Vermeidung 
von Mißverständnissen seiner früheren Angabe, dass er den 
elastischen Kräften des Herzbindegowebcs niemals eine Art die 
Herztriebkraft vermehrenden Wirkung zugetraut habe; doch schützt 
das Bindegewebe in gewissem Umfange vor zu weitgehender 
Üeberdehnung. Auch an anderen Organen des Körpers kommen 
analoge Vorgänge zur Beobachtung. Z. B. hat er bei einerFrau, 
welche jahrelang einen gros.sen Bauchtumor gehabt habe, die Mus¬ 
kulatur der Bauchwand nach der Operation untersucht und hat 
feststellen könuen, das.s dieselbe mehr Bindegewebe enthielt, als 
die normale Bauchmuskulatur. (Fortaotzung folgt.) 


Periodische Literatur. 

Deutsche med. Wochenchrift. 1906. Nr. 25. 

1. Aschoff, Marburg: Ist eine chronische EntzUndnng des 
Wnrmfortsatzes die Vorbedingung für den akuten Anfall. 

Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Re¬ 
sultat, dass im Gegensatz zu der Annahme Riedels, Ribberts 
und Oberndorfers für das Auftreten des akuten Anfalls das 
Bestehen einer chronisch obliternierenden Entzündung des Wurm¬ 
fortsatzes nicht notwendig ist. 

2. Schiefferdecker, Bonn; Ueber einen Fall von ru¬ 
dimentärem grossen Netz beim Menschen und über die Bedeut¬ 
ung des Netzes. 

Ein Fall von auffallender rudimentärer Bildung des grossen 
Netzes, dasselbe bestand lediglich in einem schmalen Saum, ver¬ 
anlasst den Verf. Uber die physiologische Bedeutung dieses Or¬ 
ganes einiges beizubringen. Das Netz dient offenbar zur Regu¬ 
lation der Blutvei-sorgung der Eingeweide, ferner zur Absonderung 
seröser Flüssigkeit, aber auch zur Resorption. Sehr interessante 
Versuche haben ergeben, dass das Netz im Stande ist ein von 
der Blutversorgung absichtlich abgeschlossenes Organ, wie z. B. 
die Milz ohne Schaden für den Organismus zu resorbieren. Auf 
diese Weise wirkt das Netz als Schutzorgan in sehr be¬ 
deutungsvoller Weise. Das Netz als Halt- und Haftorgan für 
irgend welche Eingeweide anzusehen, hält der Verf. nicht für 
richtig. Eine besondere Bedeutung gewinnt es durch die Produk¬ 
tion von Phagocyten, es nimmt den Charakter eines desinfizierenden 
Organes an. Im Gegensatz hierzu kommt es wohl auch vor, dass 
die Gefässe des Netzes sich au der Ernährung fremder Tumoren 
beteiligen, an welche sich das Netz angelegt hatte. 

3. Kowarski, Berlin: Eine vereinfachte Methode zur 
quantitativen Bestimmung der Harnsäure im Ham. 

Um unseren Lesern die Möglichkeit zu geben, diese Methode 
zu prüfen, führen wir im Folgenden die vom Verf. gegebene 
Originalvorschrift auf. Man misst mit einer Pipette genau 
10 ccm Harn ab und bringt ihn in ein dünnwandiges, etwa 
15 ccm fassendes Zentrifugenröhrchen. Jetzt fügt man zwei bis 
drei Tropfen Ammoniak und 3 g gepulvertes Ammoniumchlorid 
hinzu. (Das Ammoniumchloridpulver kann in Dosen zu je 3 g aus 
der Apotheke bestellt werden). Man schliesst das Röhrchen mit 
einem gut passenden Gummistopfen zu und schüttelt so lange, bis 
das ganze Ammoniumchlorid sich aofiöst. Es scheidet sich harn¬ 
saures Ammon in Form eines flockigen Sedimentes ab. Die gleich¬ 
zeitig sich ausscheidenden Phosphate stören die Bestimmung nicht. 
Zur vollständigen Ausscheidung des Ammoniumurats lässt man 
das Röhrchen zwei Stunden stehen. Alsdann wird eine bis zwei 
Minuten zentrifugiert, worauf dos Sediment sich in toto am 
Boden des Röhrchens sammelt; die gewöhnlich wasserklare Flüssig¬ 
keit wird ohue Verlust an Sfuliment abgegossen. Beim Abgiessen 
der Flüssigkeit soll das Röhrchen nur einmal geneigt werden, 
denn beim wiederholten Neigen wird das Sediment aufgewirbelt, 
wodurch Verluste entstehen können. 

Hiei*auf werden zum Sediment fünf Tropfen konzentrierter 
Salz.sänre zugesetzt imd vorsichtig über einer kleinen Flamme 
erhitzt; das Ammonurat wird dabei aufgelöst, und es beginnt 
sofort die Ausscheidung der freien Harnsäure in Form eines 
kristallinischen Niederschlages. Zur vollständigen Ausscheidung 

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328 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 31. 


der Harnsäure bleibt das Röhrcheu eine Stunde steben. Die aus- 
geschiedene Harnsäure wirbelt man hierauf durch Erschüttern auf, 
setzt etwa 2 ccm Wasser zu und zentrifugiert, es genügen zehn 
Umdrehungen der Zentrifuge, um das kristallinische Sediment voll¬ 
ständig am Boden zu sammeln; die Flüssigkeit wird jetzt abge¬ 
gossen, das Sediment wieder aufgewirbelt, mit 2—3 ccm Alkohol 
ühergossen und wieder zentrifugiert. In derselben Weise wird das 
Sediment noch zwei- bis dreimal mit Alkohol ausgewaschen, bis der 
Alkohol auf Lackmuspapier neutral reagiert. Das ganze Aus¬ 
waschen des Sediments dauert höchstens drei bis fünf Minuten. 
Nachdem der Alkohol zum letzten Male abgegossen ist, erhitzt 
man in einem Reagenzglase einige Kubikzentimeter Wasser, über¬ 
giesst das wieder aufgewirbelte Sediment mit etwa 2 ccm heissen 
Wassers, setzt einen Tropfen Phenol-Phthalein zu und titriert die 
heisse Flüssigkeit mit einer V&o normalen Piperidinlösung. Die 
Lösung wird unter Schütteln tropfenweise so lange zugesetzt, bis 
eine auch nach Erhitzen der Flüssigkeit bleibende rosarote Färbung 
eintritt. Multipliziert man die Zahl der verbrauchten Kubikzenti¬ 
meter der Piperidinlösung mit 3,36, so erhält man die Zahl für 
die in 10 ccm Harn vorhandenen Milligramme Harnsäure. Wurden 
z. B. 1,6 ccm Piperidinlösung verbraucht, so sind in 10 ccm Harn 
3,36 X == Harnsäure vorhanden. In 100 ccm folg¬ 

lich 5,04 X 10 = 50,4 mg oder 0,0504 g, d. h. 0,0504%. Die 
Piperidinlösung lässt sich gut aufbewahren. Ihre Brauchbarkeit 
ist sehr leicht durch eine Vso normale Salz- oder Schwefelsäure¬ 
lösung zu kontrollieren. 

4. Rosenberger, Heidelberg: UeberZuckeraosscheidimgim 
Urin bei kmpöser Pneumonie. 

Die Ausscheidung von Zucker bei akuten Infektionskrankheiten 
gehört immerhin zu den Seltenheiten. Verf, hat zwei Fälle der¬ 
art bei krupöser Pneumonie beobachtet. Aus der Beobachtung 
derselben kommt er zu folgendem Schluss: Im Verlauf akuter 
Infektionskrankheiten werden zuweilen im Urin Kohlehydrate teil¬ 
weise noch nicht näher bestimmbarer Natur ohne äusserlich er¬ 
sichtliche Ursache, meist nur während ganz kurzer Zeit und in 
geringer Menge, unabhängig von der Ernährung der Körper¬ 
temperatur und ohne bis jetzt feststellbare Abhängigkeit von dem 
Krankheitsverlauf ausgeschieden. Weder Menge noch spezifisches 
Gewicht oder Aussehen des Betreffenden verraten ihre Gegenwart, 
es ist daher anzunehmen, dass sie öfter übersehen werden. Die 
Prognose dieser Glycosurie scheint nicht schlecht zu sein. 


Ersuchen 

an die deutschen Aerzte. 

Die Breslauer dermatologische Vereinigung hat 
beschlossen, Schritte zu tun, um von den Unfall Versicherungs¬ 
gesellschaften bei 

Syphilisinfektion im Berufe 

für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu erlangen, 
als bisher. 

Die zur Zeit gütigen Versicherungsbedingungen entsprechen 
gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den Interessen 
der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedera der Vereinigung 
Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berechtigt er¬ 
scheinende Eutscliädigungsansprüche der Aerzte von den Versiche¬ 
rungsgesellschaften zurütkgewiesen wurden oder nur unter Schwie¬ 
rigkeiten geltend gemaclit werden konnten. 

Bevor die Breslauer dermatologische Vereinigung mit Vor¬ 
schlägen hervortritt, in welcher Weise die Versiclierungsbediug- 
ungen abzuändern wären, richtet sie an die deutschen Aerzte 
dringend die Bitte, ihr diejenigen ihnen bekannten Fälle mitzn- 
teilen, in welchen 

1. die Anerkennung von beruflicher Syi)hilisin- 
fektion als Unfallsursache vor Al)schluss der Un¬ 


fallversicherung zurückgewiesen oder nur unter hohem 
Prämienzuschlage bewilligt wurde; 

2. eine Entschädigung für vorübergehenden Verlust der 
Arbeitskraft nach dem 400. Tage seit der Entstehung 
des Unfalles beanstandet wurde; 

3. die Anerkennung von voraussichtlich lebensläng¬ 
licher Verminderung der Arbeitskraft, d. h. 
von Invalidität auf Grund beruflicher Syphilisinfektion 
verweigert wurde resp. erst erstritten werden musste. 

Die Vereinigung ersucht, die Mitteilung der einschlägigen 
Fälle — sowohl der erfolglos als auch der erfolgreich geltend ge¬ 
machten Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit 
den Gesellschaften und etwaiger Schiedsgerichtsverhandlungen zu 
ergänzen. 

Nur auf Ginind genauer Kenntnisse über das Verhalten der 
Versicherungsgesellschaften in den einzelnen Fällen und auf Grund 
eines reichhaltigen Materiales wird es möglich sein, in dieser für 
die gesamte Acrztoschaft wichtigen Angelegenheit eine Besserung 
zu erreichen. 

Die Vereinigung bittet, Zuschriften an den Unterzeichneten 
Dr. Chotzen zu senden, welcher die Bearbeitung dieser Frage 
übernommen hat. Für strengste Geheimhaltung der mitgeteilten 
persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet. 

Breslaner dermatologische Vereinigung. 

Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen, 

Geh. Medicinalrat, Breslau XVIII, 

derzeitiger Vorsitzender. Laudsbergerstrasse 1. 


Patentnachrichten. 

Ge brauebsmuster. 

264 605. Verstellbare Drückorpelottc, bei welcher die zum Festbalten 
der UiDsteuerwoIle dienende Sperrklinke auf emotn Bügel befestigt ist, der. 
auf der Platte der Pelottc aufgoniotet als Feder für die Klinke dionU 
Gcbr. Weck, Grätratli b. Solingcii. 

264749. Blockfbrmig komprimierte Monatsbinde. Fa. Paul Hartmaon 
Berlin. 

264755. Wäscheschutz-Tasche, bestehend aus einem Stück Stoff in 
Verbindung mit einem auswechselbaren Suspensorium. Gebrüder Bandekow, 
Berlin. 

264414. Sargfuss mit besonderer Auflage. Alexander Recbenbcrg, 
Berlin. 

264476. Schutzträger für Tragbaren und dgl., bei welchem zwisebeo 
den Tragscblaiifon und den Träger elastische Zwischenmittel eingeschaltet 
sind. Robert Kerbusch, Honnef a. Rh. 

264 58H. Massagoapparat, mit dessen starrer Welle eine biegsame 
Welle und ein in radialer Richtung zu verstellender Kurbelzapfen für den 
Antrieb einer Pumpe verbunden ist. Heinrich Buchheiro, Leipzig. 

204180. Salbenbüclise mit Filzplatte zum Verreiben der Blasse. 
Cbcmiscbe Fabrik Köthen. Inhaber Erail Musebe, Köthen i. Anh. 

263715. Gelatine-Kapsel mit gelochtem Boden uud zugehörigem Boden- 
deekel. Eduard Barthels, Frankfurt a. M. 

264331. Verbandstoff, zusammengefügt aus einer inneren, mit Medi¬ 
kamenten imprägnierten und für Oase durchlässigen Schiebt und einer 
äus.seren unimprägnierten und für Gase undurchlässigen Schicht. Dr. Leo¬ 
pold Sarason, Hirschgarten b. Berlin. 

264432. Vorrichtung zum Bedienen dos Friechluftventils bei Desin- 
foktioiis-Apparaton von der infizierten Seite. Blaschinon- und Apparate-Bau- 
anstalt, Boy & Rath. G. m. b. H., Duisburg. 

264 752. Verdampfer für Desinfcktionsanlagen. Maschinen- und 
Apparate-B:iuanstalt, Boy & Rath 0. m. b. H., Duisburg. 

264370. Mutterrohr, dessen Mundstück zur Hälfte abschraubbar, im 
Innern einen kegelförmigen im Boden perforierten Teil dergestalt aufniiumt, 
dass der Kogelknauf, in die konische MuiidscUckÖffnung bineinragend diese 
verjüngt. Arthur Hohenstein, Berlin. 

204402. Bougiespritze mit schraubenförmig gebogener Kanüle. Hein¬ 
rich Noffke, Berlin. 

264403. Bougiespritze mit schaufelförmig ausgebildeter Kanüle. 
Heinrich Xotlke. Berlin. 

264 614. Fassung für Irrigatorgefässo, deren federnde, das Gefäss um¬ 
fassende Klemmstücke gelenkig mit dem Aufhänger verbunden sind. 
Kasseler Gnmmiwarenfabrik H. Nickel & Co., Kassel. 

264737. Zerstäiit'or-Mundstück für Flüssigkeiten mit Austrittsöffnung 
in der oberen Deckplatte und seitlichen Durchgangsöffnongen in der ver¬ 
tieften Bodenplatte. Fa. H. Ziegler, Berlin. 


VeraniwortUcher RedaVieur : Dr. P. Meitaner, Berlin W. SS, Kurfürstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S, 
Orack v«a der Hefnemanii'Bches Buchdruckerei, Gehr Wolff, Halle a. S. 


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Mediciiiische Woche 


Deatschmann, 

Hamburg. 

A. DQhrssen, A. Hoffa, 

Berlin. Berlin. 

H. Senator, 

Berlin. 

E. Jacobi, 

Preiburg i. Bi. 

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Giessen. 


r - 

Verlag und Expedition 

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Carl Marhold in Halle a* S.* Uhiandstrasse 6. 

Tcl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Kobert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unvenicbt, A. Vossias, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W« 62* Kurffirstenstrasae 81« 

Dr. P Meißner. 

V--- J 


Vn. Jahrgang. 6. August 1906. Nr. 32. 


Oie .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BflltieolOgiSChC Cctltralzeitung* Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandcs, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold ln Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzcile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Rekfamezelle 1,50 M. Bei gröBeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Die Serodiagnostik der Syphilis. 

Von Dr. von Niessen. 

Es gibt immer noch Menschen, die den Hausbau mit dem 
Dachfirst beginnen. Man hat den Erreger der Syphilis noch 
nicht kulturell isoliert, — so behauptet „man“ wenigstens — 
gleichwohl wird gegen ihn schon mit seinem Serum zu Felde 
gezogen. Schon eine ganze Reihe Syphilissera*) neben vielen 
anderen vom Greisendter-, Antialkohol-, bis zum Henfieber- 
senim hat’s gegeben, — „wo seit Ihr zur Zeit mir, Ihr Lieben, 
geblieben?“ „Ach weit“ . . . u. s. f. 

' Wie eine alte Ahnfrau taucht das Gespenst der Syphili- 
sation immer wieder zu Zeiten auf und da es Frauen stets 
besonders mit der Mode halten, so hat sie sich bei ihrem 
jüngsten Auftauchen in ein modernes Habit gehüllt, genannt 
„Iso-Serum-aetiologische Therapie“, oder wie sonst die ein¬ 
zelnen Autoren und Anhänger dieser Richtung ihre Schmerzens¬ 
kinder getauft haben. „Die Worte hör’ ich wohl, allein mir 
fehlt der Glaube“. 

Von den über das Wesen der Syphilis, ihrer Feststellung 
und Heilung unaufgeklärten Syphilisatoren um die Mitte des 
vorigen Jahrhunderts bis zu den Vertretern dieser Bestrebungen 
in unserem „aufgeklärten Jahrhundert“ handelt es sich dabei 
nämlich, wenn man dem ganzen Pudel auf den Kern geht, um 
dasselbe Phantoni, ein unlösbares Problem: Um die in¬ 
terne Desinfektion, und künstliche Infektion, soll zur 
Desinfektion führen. Was für ein Nonsens! Neue Mäntelchen 
und neue Frisuren, allein „du bleibst doch, was du bist“ 
Man sollte meinen, dass die heutige Bakteriologie weiter wäre. 
Leider ist dem nicht so. Der Hauptmangel dabei ist, dass sie 
sich ihrer Kompetenzen nicht genügend bewusst ist. Zwar ist 
Serodiagnostik nur eine Vorstufe der Serotherapie, 
diese Disziplinen gehören aber organisch zusammen und mancher 
ist von der Therapie auf die Diagnose gekommen. So auch 
hier. Wie oft wurde das Fell schon verkauft, ehe man den 
Hasen hatte! Ich will hier nicht erörtern, dass die Bakteriologen 
weit mehr mykologisch, vergleichend und phylo- wie onto- 
genetiscb studieren sollten, sondern ich möchte nur erneut 
hervorheben, dass sie sich bewusst sein sollten, dass die Bakteri¬ 
ologie in erster Linie eine diagnostische Hilfswissenschaft 
sein sollte und bislang nur sehr spärlich therapeutische 
Bedeutung von Wert erlangt hat. Auch die Serodiagnostik 


•) Werbraucht wohl die Syphilissera von Borrean und Wellkome, 
von Pau Isen , R isso und Cipolln ia, Quiry und Champagne und 
schliesslich das Pariser .Serum antisyphilitiquo* welches mit Serum gar 
nichts zu tun bat?! 


hat therapeutische Wünsche als Hintergedanken. Sie soll nicht 
desavouiert werden, aber — welcher piaktische Arzt, der nicht 
Kliniker, oder in der Lage ist, über geübte Bakteriologen zu 
verfügen, oder selbst ein solcher zu sein, kann denn mit der 
Sero^agnose*) etwas anfangen? Fast kommt es mir auch 
vor, als wäre sie z. Z für die Praxis ein entbehrlicher Ballast, 
wenigstens so lange sie nicht so leicht ausführbar ist, wie etwa 
die Tromm er’sche Zuckerprobe. 

Eine Krankheit, für die eine solche Probe bes. wertvoll 
und nötig wäre, ist unstreitig die Syphilis mit ihren sogenannten 
„dubiösen Fällen“. Solange der Syphiliserreger nicht Allge¬ 
meingut der Mediciner ist, ja solange selbst tonangebende 
Bakteriologen und Syphilidologen noch nicht imstande sind, 
ihn zu isolieren und den genetischen Zusammenhang seiner 
verschiedenen Entwicklungsstadien und Erscheinungsformen, 
darunter der bes. viel von sich reden machenden Spirochaeten- 
wuchsform zu erkennen, wäre ein serodiagnostischer Notbehelf 
sicher von praktischem Wert. 

Es ist daher anerkennenswert, dass sich letzthin eine 
Tripelallianz zur Ausfindigmachung eines Syphilisreagens 
gebildet hat, darunter ein Syphilidologe und ein Bakteriologe 
von Namen. — Kaum haben sie sich freilich zusammenge¬ 
funden, sieh’ da, so ist das Reagens auch schon fertig und 
„wie einfach!“ konnte mancher beim Lesen der Mitteilung 
sagen. Die Quintessenz ist ja: Man braucht nur das Serum 
des fraglich Kranken mit dem eines nicht fraglichen Leidens- 
enossen zu mischen und die Sache ist fertig. „Dass man 
arauf nicht schon früher gekommen ist!“ ,jWozu noch die 
Quälerei des Bazillensuchens?“ „Unbegreiflich, dass die Syphili¬ 
dologen mit anderen -logen — sich üBer die Syphilis so wenig 
klar waren und gleichwohl ihrer „Beherrschung“ so sicher 
zu sein glaubten“. 

.Daus la matiere de la Vöroie tout est possible“ hat, ich 
weiss eben nicht wer einst gesagt, es wäre also nicht grade 
unrecht, wenn der Mediciner von seinem Recht des Zweifels 
Gebrauch machte und mit nicht allzugrossem Optimismus der 
neuen Mitteilung von Wassermann, Neisser und Bruck 
in Nr. 19, 06 der Deutschen med. W. über „eine serodia¬ 
gnostische Reaktion bei Syphilis“ begegnete. — Sehen 
wir uns also mal diese neue Syphilisreaktion und ihre Hand¬ 
habung etwas näher an. Da ein grosser Teil der Mediciner 
auf das Gebiet der „höheren Bakteriologie“ indes kaum folgen 
kann, — es kann einem in den hohen Regionen in der Tat 
schwindlig werden und ich glaube, das selbst einige Olympier 
hier nicht frei von Schwindel sind — so soll von den zur 


*) Um ein Beispiel zu wählen, so ist z. Zt. allein die Sernmreaktion 
der Typhnsdiagnose und deren Diiferentialdiagnose gegenüber .Paratyphus* 
und .Coli-Gruppe* in der Literatur zu einem kaum tibersebbaren Spezial* 
Studium angcscbwollen. Han spricht hier sogar schon von „Serum- 
fes te n T yp hasst ämmon*. Wenn man nun grade auf solch einen sthsst! 
Oder sind sie erst at^erichtet? 


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330 


MEDICimSCHB WOCHE. 


Nr. 3Ö. 


„Komplettiernng der hämoiytisclien Ambozeptoren*) fehlenden 
Komplementen“ und von der „verankerten Antigone“, — pardon! 
den „verankerten Antigenen“ resp. Komplementen möglichst 
nicht die Rede sein. 

Die genannten Autoren gehen so vor, dass sie „inaktives 
Serum teils mit Virus infizierter, teils vorbehandelter“ (nämlich 
„mit syphilitischem Material vorbehandelter“ Affen auf das in 
seiner Art festzustellende „Material“ in vitro wirken lassen. 
Ist das fragliche Material syphilitisch, so erfolgt eine Reaktion, 
sonst angeblich nicht „oehandelt man Afien mit Blut von 
sekundär syphilitischen Misnschen, fügt Komplement (Kaninchen* 
serum)**) hinzu und mischt mit syphilitischen Organen, so ent¬ 
steht Hemmung der Hämolyse,“ ***) und im „durch Vorbehand- 

*) ESs gibt jetzt sonr schon „Antiambocep toren“ (Browning 
and Sachs, Berl. klin. W. 20. 06.). Da fehlen nar noch die Antianti- 
kOrper. Um nnr eine kleine Masterkollektion der hier grassierenden 
Teminopatbologie anzufUbren, so spricht man von „sensibilisierten Ambo¬ 
zeptoren'*, «^xateuren*, „von Toxin verankerten Ilezeptoren**, „toxophoren 
and haptophoren Atorograppen“, „abgestimmten Rezeptorengruppen'*, „nn- 
giftigen Toxoiden**, „Toxonen**, „Autotoxinen und Aiitiautotoxinen“, 
„Eämolysinen, Anti- und Antohamolysinen“, „Zytotoxinen, Zytolysiiien and 
Antizytolysinen'*, „Iso-, Auto* und Heterolysinen“, Autozytolysinen“ und 
Apfelsinen, neben „^kteriolysinen**, „Sperroatoxinen“ und „Isosperma* 
toxinen**, „Lenkotoxinen**, „Anti- and Zwisebenkdrpern**, „Komplementoiden“ 
und „Antikomplementen**, „dominanten Komplementen**, „Prilcipitinen** „Ag- 
glntininen** und „Heteroagglutininen“, sowie „AntibSma^lutininen**. — Liest 
man von der „Folge einer Verstopfung der Komplemento*pnilen Ambozeptoren* 
firnppen des Hundeserums**, so fragt man sich je nach der „Aviditatsditrerenz“ 
Einzelnen, je nach der Menge seiner „Haytino** und „Uaptoforen** resp. 
nach dem „Horror antotoxicua'*. Ehrlicbs, ob hier nicht bereits ein 
cerebraler Auto* und Heterointoxikationszostand, ohne „Antikomplimonte“ 
gesagt, vorli^t. 

**) cf. hierzu den Veranch Wechsel manns, der mit Blut eines Kanin¬ 
chens S;^ili8-ahn)icbe Erscheinungen am Affen erzeugte, D. m. W. 6. 06. 

***) Woranf bernbt hier diese „Hemmung der Hämolyse“ ? konnte der 
Lemb^erige in einer so wichtigen Frage wissen wollen. Ich muss als 
keiner von der Zunft and als nicht „höherer Bakteriologe** die Antwort 
Berufeneren überlassen. Nur ein Bedenken mOebto ich zu änssern nicht 
unterlassen. So lange die Hämolyse kein absolut nntrUgllcbes differenzioll- 
diagnoetisches Hil&mittel biologischer Reaktion ist, kann sio für eine Re¬ 
aktion, an welche die denkbar höchsten AnsprUcho der Präzision und Exakt¬ 
heit ans nabe liegenden Gründen gestellt werden müssen, ich meine 

für die Syphilis di a gn ose nicht anbMingt in Frage'kommen. Keines¬ 
falls ist sie den anderen Diagnostizis und vor allem der bakteriologischen 
Knltur Uberl^en, vielmehr ist und bleibt letztere noch das snveränste und 
am meisten allgemeingiltige Mittel. Die Serodiagnose derart mag allenfalls 
ein Hilfsmittel für Bakteriologie und Histologie, eine Reserve sein. Was 
aber in erster Linie bei Beurteilung der Hämolyse zu berücksichtigen wäre, 
das ist die von mir experimentell b^ründeto Tatsache, dass die Hämolyse 
ein durchaus physiologischer Vorgang ist. Erythrocyten bersten, 
lösen sich im eigenen, normalen Serum, z. B. durch schroffe Tempera* 
turschwanknngen. Auftreten und Ausbleiben der Hämolyse ist also nur 
ein sehr bedingt gütiger, spezifisch serodiagnostischer Indikator. Wo die 
Hämolyse ein Zel^n besonderer Aviditfit ist, — und dieser Hunger braucht 
nicht nur eia spezifischer, auf l^stimmte Gerichte gerichteter zu sein — da 
wird sich dieselbe nicht nur gegen eine bestimmte Blut- resp. darin 


Feuilleton. 


Zur GescMclite der deutschen Nordseehäder. 

Von Dr. Erich Ebstein in Göttingen. 

(Schluss.) 

In diese Zeit lallt die Begründung der Seebäder Wester¬ 
land undWennigstedt auf Sylt. Anno 1855*) unternahmen 
Westerländer Anwohner den bescheidenen Versuch, ihren 
Heimatsort in die Reihe der Nordseebäder zu stellen; der erste 
Badearzt Dr. Ross aus Altona bat die Gründung des Bades 
in sachgemäße Bahnen geleitet und dadurch unendlich viel zur 
Entwickelung desselben beigetragen. Er war der erste, der 
die Zukunft vVesterlands voranssah, sprach er doch schon ge¬ 
legentlich der Einweihung der Dünenhalle (1858), der ersten 
besonderen Anlage im Interesse des Bades, die denkwürdigen 
Worte: „Vieler Orten sind Seebäder begründet worden, aber 


*) Nach Bereu borg (1. c. S. 86) erseb. 1867. 


lung erzielten Immunserom“ sollen „Antikörper“ entstehen, 
während „Antigene“, spezifische Gegensubstanzen vom er¬ 
krankten Organismns genuin gebildet werden, ein Unterschied, 
der gar nicht vorhanden ist, denn unter „Antikörpern“ versteht 
man „spezifische Gegensubstanzen,“ sonst musste es korrekt 
„Alexine“ heissen und diese würden im Sinne der Reaktion 
nicht wirksam sein. 

Die „Entdecker“ dieser „neuen Methode,“ die eigentlich 
nur eine Kombination bekannter Dinge ist, sagen aber nicht 
nur „es wäre wichtig,“ wenn man damit den „Nachweis sy- 
hilitischer Stoffe oder Antikörper im kreisenden Blnte Lues- 
ranker“ erbringen könnte, sondern sie haben schon Aussicht 
auf eine praktische Brauchbarkeit dieser Reaktion, — vorbe¬ 
haltlich eingehender hier nicht näher zu erörternder Kontrollen.“ 
„Hemmung der Hämolyse“ soll also der Beweis dafür sein, 
dass sich in den untersuchten Extrakten spezifische, ^phili- 
tische Substanzen befinden, oder für Spezimisten: „AntiKörper 
und Antigene verankern Komplement, welches nun zur Kom¬ 
plettierung des liämolytischen Ambozeptors fehlt.“ Ist dann 
das Komplement „verankert,“ was mit „inaktivem*) spezi¬ 
fisch hämolytischem Serum und den dazu gehörigen Blntkörpem“ 
geprüft wird, dann bleibt die Hämolyse „ganz oder teilweise*‘ 
aus. — Wem jetzt die Sache noch nicht einleuchtet und klar 
ist, der braucht nicht an seiner Urteilsfähigkeit darob zu zweifeln. 
Man sieht welche geistreichen Produkte das Ehrlich'sche 
Verballhomungssystem, wie ein hervorragender Münchener 
Hygieniker einst dessen „Seitenkettentheorie“ genannt bat, be¬ 
reits zu zeitigen beginnt. — Das „ganz oder teilweise“ könnte 
übrigens für viele schon genügen. — 

Wer nicht hören will, muss fühlen. Die Verhältnisse Rir 
die Methodik der Syphilisdi^nose liegen für den, der sich nicht 
prinzipiell derselben verschliessen will, so einfach, dass man 


inter- und intracellulär enthaltene Bakterienart zu richten brauchen und 
andererseits wird das Ausbleiben der Hämolyse ein Zeichen dafür sein 
können, dass das aktive Tostserum — es ist stets a k ti v im Sinne der 
„Immunität“, sei es nun, dass soio Lieferant genuin infiziert oder künst¬ 
lich infektiös vorbebandelt wurde — besetzt, Tn Anspruch genommen, enga¬ 
giert, kurz gesättigt ist, nm überhaupt hämolytische Potenzen zu änssern. 
Diese Eigenschaft dürfte das spezifisch potente, abgeriebtete Sy.semm aber 
mit anderen, z. B. dem Diphtberieserum, dem Pestserum etc. teilen, abge¬ 
sehen davon, dass das Komplementsernm eben auch „angesteckt** und so 
spezifisch aktiv, sonst aber bämolytisch inaktiv wird. Das Ausbleiben der 
Hämolyse wird also je nach den verschiedenen Umständen in denen sich 
Solvensund Solvondum befinden, auch ohne Kompliment statthaben. Grade beim 
Syphiliserom kommt es darauf an, ihm nicht nämo* oder vielmehr bakteri* 
olytisebe Potenzen zu nehmen, sondern zn geben and letzteres kann nur 
ein diätetisches Regime erzielen — gesundes Blut. Cf. hierza 
Virchows Archiv, Bd. 141, 1895 u. Klin. therap. W. 17. 02 und 26. (B 
und Med. Woche (balneol. Ctribl. 8.—14. 06). 

*) Worin der Uutorschied zwischen aktivem und inaktivem spezifisch 
hämolytischem Sy.serum beruht, ist nicht ersichtlich. 


nicht das schlechteste wird dasjenige sein, wozu wir heute den 
Grundstein legen, vielleicht das kräftigste von allen! Ein 
grossartiges Meer, ein Strand meilenlang ausgebreitet wie der 
köstlichste Sammetteppich, die hehre SchÖi^eit der ganzen 
Insel, .... das ist eine so seltene Vereinigung von Vorzügen, 
das sicherlich binnen wenigen Jahren Sylt zu den gesuchtesten 
Nordseebädem zählen wird . . . “ Diese Prophezeiung des 
ersten Sylter Badearztes ist vollauf in Erfüllung gegangen. 
Zählte doch Sylt im Jahre der Feier seines 50jährigen Jubi¬ 
läums (1905) gegen 20000 Gäste. 

Auf Langeoog wurden erst im Jahre 1856 zu Bade¬ 
zwecken die ersten zwei Badehäuschen am Strande errichtet; 
die Anregung zur Einrichtung einer Seeanstalt wurde zwar 
1830 durch den Amtsrichter v. Van gero w gegeben, der regel¬ 
mäßig jedes Jahr (bis 1877), nach der Insel kam. In der 
ersten ^eit, da noch keine Badeeinrichtungen da waren, ver¬ 
trat ein altes am Strande liegendes Wrack die Stelle der Bade¬ 
kutsche ; die Entwickelung des Seebades ging indess recht 
langsam; im Jahre 1863 existierten erst 7 Badehäuschenl Seit 
1885 wird Langeoog vom Kloster Loccum aus verwaltet; seit¬ 
dem haben sich sowohl die Badeeinrichtungen als auch die 
Frequenz gebessert. (H. J. Tongers, Die Nordseeinsel 
Langeoog und ihr Seebad. 2. Aufl. 1892, S. 44 S). 


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1906. 


M itei)Tf»TWTSnrt K 


äsl 


sich tatsächlich.nur wundem kann, weshalb ein solcher Wust 
von Umständen mit ihren Irrtümern und Fehlerquellen dran- 
gesetzt wird. Damit wird die Syphilisdiagnose sicher nicht 
zum Gemeingut der Aerzteschaft gemacht, wohl aber dieser 
die Lust sich damit zu befassen und das Vertrauen zur mo¬ 
dernen Bakteriologie mehr und mehr verleidet. — 

Versuchen wir, so gut es geht, auch hier etwas Klarheit 
in den Wirrwarr zu schaffen, der in der Syphilidologie immer 
noch herrscht. — Es ist zwar eigentlich verfrüht, hier zu ur¬ 
teilen, bevor der „Vorbehalt eingehender, hier nicht näher zu 
erörternder Kontrollen“ beseitigt ist, aber vielleicht tragen 
diese Ausführungen dazu bei, solche Kontrollen, die wenn irgend¬ 
wo dann hier näher erörtert werden sollten, rocht sorgfältig 
von neuem vorzunehmen und auf Nachbargebiete aoszudehnen, 
ehe weiter so unreife Produkte in praktisch so überaus wich¬ 
tigen, folgenschweren Fragen auf den literarischen Trödel¬ 
markt geworfen werden. 

Ich möchte zum Zweck dieser Kontrollen einige wichtige 
Vorfragen stellen und daran meine Reflexion über den Gegen¬ 
stand aphoristisch anknüpfen: 

1. Welcher Unterschied besteht wohl für die Autoren des 
tres faciunt collegium zwischen „Syphilitischerinfektion“ 
und „syphilitischer Vorbehandlung,“ was schliesslich 
auf die oft von mir gestellte Frage herauskommt: Gibt es einen 
Unterschied zwischen „Syphilisinfektion und Syphilisimmunität“? 
Da ich entschieden einen solchen Unterschied im Prinzip nach 
wie vor bestreite, wozu mich meine experimentellen Studien 
auf diesem Gebiet, von Fall zu Fall, von Jahr zu Jahr immer 
mehr bestärken, so besteht eine ,,syphilitische Vorbehandlung“ 
zum Zweck der Syphilis-Immunitätsentfaltung für Diagnose und 
Therapie in nichts anderem, wie in mehr weniger systema¬ 
tischer Syphilissuperinfektion, also in der vermeintlich längst 
abgetanenen Syphilisation, analog schliesslich dem Prozess, wie 
• ihn jeder genuine Syphilisfall mit seinen Rezidiven, Paroxys- 

men, seinem zyklischen, allmählich mehr und mehr zur Dia- 
these führenden Verlauf jedem Eingeweihten Vormacht und 
wie solches mit Sicherheit durch die bakteriologische Analyse 
von Blut und Serum experimentell jederzeit nachweisbar 
ist. — 

Man lasse nur mal einen der „vorbehandelten“ Syphilis¬ 
affen ein paar Jahre am Leben, — die „Folgezustände“ werden 
nicht ausoleiben. 

2. Wasistdas für eine neue Reaktion, beiderdas, womit 
geprüft werden soll, sich in nichts von dem unterscheidet, was 
zu prüfen ist? — Reagens und Reagendum müssen hete¬ 
rogen sein, wenn ein Reaktum entstehen soll, das ist ein 
chemisches und biologisches Grundgesetz des Stoffwechsels. 
Wo bleiben denn die „Antigene“ in dem künstlich sj^hilitisch 


Erst um 1860 fängt man an, sich in Borkum für ein 
ev. einzurichtendes Seebad zu interessieren. G. Merkel sucht 
in seinem dem Prof. G. Haussen in Göttingen gewidmeten 
Büchlein (Hannover 1860) für Borkum Propaganda zu machen. 
Man sollte von Borkum nichts wissen, da man eine Konkurrenz 
für Norderney fürchtete! „Es ist nicht zu glauben, dass die 
Kgl. Regierung einer solchen Krämerpolitik huldigen wird“, 
heisst es dort (S. 45). 

In dem zwischen Borkum und Norderney liegenden 
Juist soll bereits im Jahre 1783 der Pastor Janus auf 
Juist in einem Bericht an die ostfriosischen Provinzial¬ 
verbände für die Errichtung eines Seebades eingetreten 
sein; seit ca. 1830 soll es auch bereits als Luftkurort gedient 
haben; die wenigen Besucher fingen auch wohl an, zu oaden; 
als Toilette diente ein geschütztes Dünental oder ein mitge¬ 
brachtes leichtes Zelt. Aber Kurtaxe und Badekarten waren 
unbekannte Begriffe. Die Wogen der Nordsee rollten „noch 
unbezahlt“ an den Juister-Strand. Erst 1866*) b^ann man 
mit der Errichtung einer Badeanstalt auf Juist. (Vgl. C. F. 

*) ln eben diese Zeit fällt offenbar die Begründung' des Seebades in 
Langeoog und Spiekeroog. (Vgl, Berenborg l. c.); dagegen teilte mir 
die Badeverwaltung von Spiekeroog mit, dass bereite um das Jahr 1840 
hier das Bad eingerichtet sei. 


infizierten, „vorbehandelten“ Organismus? Werden sie hier 
von den Antikörpern so „verankert“, dass sie nicht mehr los 
können? Wo viel Antikörper erzeugt werden, müssen doch 
auch besonders viel Antigene, d. h. spezifische „Gegensub¬ 
stanzen“, auf deutsch Syphiliserreger vorhanden sein? Anderer¬ 
seits: Wo bleiben die Antikörper in dem genuin syphilitisch 
infizierten Organismus? Bleiben sie hier dem Ausfall der 
Reaktion zu Liebe versteckt? Sind sie nicht vielmehr gerade 
bei „früher“ Syphilitischen in solcher Uebermacht vorhanden 
dass „früher“ syphilitisch Infizierte nichts mehr von ihren und 
fremden Syphiliserregem zu befürchten haben, weil sie nicht 
nur „geheilt“, sondern sogar „immun“ werden? Sind sie 
hier nicht in solchem Ueberschuss vorhanden, dass Neisser es 
sogar wagen konnte, mit dem Serum „früher“ Syphilitischer 
„immunisatorische“ Versuche am Menschen zu machen? 

(Schluss folgt.) 


Sitzungfsberichte. 

Aenetl/icher Verein in Hambiu*g» 

Sitzung vom 12. Juni 1906. 

Vorsitzender: Herr Kümmell. 

1. Demonstrationen: 1. Herr Lauenstein stellt einen 
44jähr)gen Patienten vor, der angeblich an Gallensteinen litt und 
wegen anhaltender Beschwerden von ihm operiert wurde. Bei der 
am 18. XII. V. J. vorgenommenen Eröffnung der Bauchhöhle fanden 
sich jedoch keine Steine. Als im Februar d. J. wiederum hohes 
Fieber und schmerzhafte Koliken auftraten, wurde der Choledoohus 
freigelegt, in dem dicker Eiter war, und der Hepatious drainiert. 
Am 10. Tage nach der Operation kamen plötzlich 6 Echino- 
ooccusblasen zum Vorschein, denen im Laufe der nächsten 
Wochen noch weitere 30—40 folgten. Jetzt ist der Patient, der 
aus Schwerin stammt und in seiner Jugend viel in nahe Be¬ 
rührung mit 2 Bernhardinerhunden gekommen war, völlig geheilt. 

2. Herr Lauenstein zeigt ferner eine 78jährige Frau, die seit 
ihrem 14. Lebensjahr, also jetzt seit 64 Jahren, einen linksseitigen, 
polycystischen It^mmatumor ohne Metastasen oder DrUsönschwel- 
lungen hat, der nach Punktion des hämorrhagischen Inhalts als 
ein polycystisches Hammacarcinom gedeutet werden muss. 

3. Herr Wiesinger demonstriert einen Kutscher, der ebenfalls aus 
Mecklenburg stammt, und dem beim Äbladen ein Fass in die 
Oberbauohgegend gefallen war. Er wurde mit gerötetem Gesicht, 
flacher Atmung und anfgetriebenem Leib ins Krankenhaus gebracht. 
Das Abdomen war druckempfindlich und zeigte in den abhängigen 
Fartieen eine Flüssigkeitsansammlung; es bestand Singultus, Puls 
120. Bei der sofort vorgenommenen Operation wurden 2 1 serös- 


Scherz, Juist. Norden 1886, S. 1 u. 20.) Es ist seltsam, 
dass auf der Insel, anf der der Gedanke zum Seebaden so früh 
auftauchte, er erst so spät verwirklicht werden sollte. 

Damit will ich die kurzen Bemerkungen schliessen, die 
vielleicht einiges Material zur Entstehungsgeschichte unserer 
bekannteren I^rdseebäder bringen*); dass die Reihe unserer 
Nordseebäder noch nicht geschlossen ist, zeigt hier die Er¬ 
öffnung des jüngsten Nordseebades Lakolk, gwegen auf Röm, 
der nördlichen der nordfriesiseben Inseln, das am 15. Juli 1898 
eingeweiht wurde. (Vergl. J. Jacobsen, 1902.) 

Zum Schluss darf ich vielleicht auf eine bemerkenswerte 
Versuchsreihe zurückkommen, die anf Sylt im August 1903 
von Prof. Dr. A. Loewy und Franz Müller in Berlin an¬ 
gestellt wurden. Sie betrifft „den Einfluss des Seeklimas 
und der Seebäder auf den Stoffwechsel des Menschen“, 
^flüeers Archiv. Bd. 103. (1904.) S. 450—475.) Soviel 
über diesen Gegenstand in sämtlichen Bäderschriften des langen 
und breiten zu lesen ist (vgl. u. a. die Bibliographie bei dem 
Artikel: „Bains de mer“ in A. Dechambre, Dictionnaire 
encyclopedique. Bd. 8. Paris. 1868, S. 252 f.), so lag merk- 


*j Baltruro besass z. B. 1872 noch keine eigentliche Badeanstalt (Vgl. 
Berenberg l. c., S. 37.) 


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332 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 32. 


eitriger Flüssigkeit entleert, in der unzählige Echinococcus- 
blasen waren. An der Unterfiftohe der Leber war ein Sack, der 
durch das Trauma eingerissen war: er musste zagenäht und in die 
Hautwunde eingenäht wwden. Das Peritoneum wurde mit 60 1 
physiologischer Kochsalzlösung gereinigt, und alle Recessus grUnd* 
lic^t ausgetnpft. Später wm^e der Sack, der jetzt völlig verödet 
ist, eröffnet; der Patient ist wieder wohlauf. 4. Herr Arning 
demonstriert eine 32jährige Patientin mit Raynandscher 
Krankheit. Differentialdiagnostisch kamen Lepra und SyringO' 
myelie in Betracht. Die Patientin, deren Schwester das gleiche 
Leiden hatte, die jedoch vor Jahresfrist an Herzschwäche gestorben 
war, erinnert sich nicht, jemals gesunde Hände und Füsse gehabt 
zu ^ben; der Prozess an den Händen, die jetzt nur StUmpf^e dar¬ 
stellen, sodass Fat. nur noch mühsam selbst einen Löffel zum 
Munde führen kann, geht seit Jahren unaufhaltsam weiter, während 
&n den Füssen die Krankheit zum Stillstand gekommen zu sein 
scheint. Die Therapie ist machtlos. 5. Herr Scholtz spricht 
über seine Erfahrungen bei 120, in Privathäusern ausgefUhrten 
Morphium-Scopolamin Narkosen: es fehlt die psychische 
Erregbarkeit, die Patienten schlafen nachher noch lange und kommen 
so über den Wundschmerz hinüber; allerdings muss das Cor auf¬ 
merksam kontrolliert werden. 6. Herr Ringel spricht über zwei 
von ihm operierte Fälle von Nabelbrüchen boi Säuglingen, bei 
denen kein eigentlicher Bruchsack vorhanden war, sondern der von 
der schon nekrotisch gewordenen Nabelschnur gebildet wurde. 
Solche NabelbrUohe müssen stets operiert werden, da die Gefahr 
einer völligen Eventeration vorliegt. Ein Fall endete in Genesung, 
beim anderen trat der Tod nach 18 Tagen infolge einer durch die 
Operation verursachten DOnndarmfistel ein; merkwürdigerweise trat 
in beiden Fällen nach einigen Tagen ein Abszess in der Tunica 
vaginalis des Hodens auf, der wohl dadurch zu erklären ist, dass 
in der Bauchhöhle beim Operieren zurückgebliebenes Blut sich an 
der tiefsten Stelle dem Gesetz der Schwere nach ansammelte. 

II. Vortrag des Herrn Deutschländer: „Ueber die Für¬ 
sorge für jugendliche Krüppel.“ An der Hand der be¬ 
kannten Regierungsstatistiken erörtert der Vortragende zunächst 
die soziale und die nationalökonomische Bedeutung der KrUppel- 
fürsorgefrage und gibt sodann einen kurzen Ueberblick über die 
Entwicklung und über die Ziele der Fürsorgebestrebungen auf 
diesem Gebiete. Er weist besonders auf die bisher nicht so recht 
zur Geltung gekommene ärztliche Bedeutung der Frage hin und 
fordert die Aerzteschaft auf, an der Lösung dieses sozial-medi¬ 
zinischen Problems sich recht eifrig mitzubeteiligen. 

Scbönewald. 


würdigerweise darüber keine einzige von modernen Anschau¬ 
ungen ausgehende Untersuchung vor. *) ln Kürze kann hier nur 
hervorgehoben werden, dass durch Selbstversuche die direkte 
Wirkung des Seeklimas und der Seebäder auf den Sauerstoff¬ 
verbrauch und die Eohleusäureproduktion des Menschen fest¬ 
gestellt werden sollte Die Resultate haben in der Tat gezeigt, 
dass die Anschauungen der Praxis über die Anregung des 
Stoffwechsels an der See zu Recht bestehen. Es existieren 
allerdinM, wie es auch zu erwarten war, individuell erhebliche 
Unterschiede. Indes wurde entgegen der bisherigen Annahme 
bewiesen, dass die Appetitsteigerung keine Folge der gesteigerten 
Verbrennungsprozesse ist. Wie ges^t, konnten die Versuche 
von Loewy und Müller nur die Tatsache hersteilen, „dass 
das Seeklima Reize enthält, die geeignet sind, den Stoffwechsel 
gewisser Individuen zu steigern, und dass auch das Seebad eine 
nicht auf seine Dauer beschränkte Anregung des Stoffwechsels 
lierbeiführt“. 


*) Vgl. BoTieke, Ueber die Wirkung des Nordseebades. Güttingen 

1855. 


Kongressbericht. 

Kongress für iwnere MeöA/dm 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassman n-München. 

Herr Otfried Müller-Tübingen: Experimentelle Unter¬ 
suchungen über die Vasomotoren des Gehirnes. 

Durch die Plethysmographie des Gehirnes, wie auch durch 
die Bestimmung der aus demselben abfliessenden Blutmenge lässt 
sich zeigen, dass nach Durchschneidung des Sympathikas beim 
Kaninchen und des Vagosympatbikus beim Hunde eine andauernde 
starke Gefksserweiterung im Gehirn auftritt, Nach Reizung des 
zentralen Stumpfes des durchschnittenen Nerven verengern sich 
Gehirnarterien beträchtlich. 

Es verlaufen demnach im Sympathikus konstriktorische Fasern 
für die Gehiragefässe, die einen bedeutenden Tonus besitzen. Das 
Gehirn ist in der Lage, seine Durchblutung selbständig zu regu¬ 
lieren. Es ist nicht bedingungslos den Schwankungen des Blut¬ 
druckes preiagegeben. 

Der Nachweis gleichartiger Verhältnisse beim MeuBchen ge¬ 
lingt durch die Methoden der Partialwägung des Kopfes und der 
Lumbalpunktion. 

Herr Otto Hess-Marburg: Ueber einen neuen Reflex 
(Zwerchfellreflex). 

Bei leichter Perkussion oder auch nur Berührung der Bmstr 
Warze kontrahiert sich das Zwerchfell. Diese Kontraktion ist kurz, 
blitzartig, unabhängig von der Respiration und dokumentiert sich 
durch eine muldenförmige Einziehung des obersten Teiles des Epi- 
gastriums, bedingt durch Rückwärtsbewegung des Processus ensi- 
formis infolge Verkürzung der an seiner Rückseite sich ansetzenden 
Pars stemalis des Zwerchfells. Der Reflex ist nur von der Haut 
der Mammilla, dagegen nicht von den umgebenden Hautpartien 
der Mamma, und nur bei jugendlichen Individuen, deren Processus 
censiformis elastisch und einziehbar ist, auszulösen. 

Herr Tuszkai-Ofen-Pest-Marienbad: Der Puls bei Herz¬ 
insuffizienz. 

Nach langjährigen Beobachtungen an herzkranken Schwangeren 
kam der Vortragende zu folgenden Ergebnissen: 

1. Die Anzeichen einer Herzinsuffizienz, d. i. einer Inkon¬ 
gruenz zwischen Ärbeitsanforderungen und Arbeitskraft des Herzens, 
sind aus der Labilitätsveränderung des Pulses schon sehr früh zu 
diagnostizieren. 

2. Der erste Schritt zur Inkongruenz der Herzarbeit ist eine 
Volumsvergrösserung durch Stauuogsdilatation, dessen frühestes 
Stadium durch eine auffallende Steigerung der Labilität des Pulses 
zu erkennen ist. 

3. Die normale Labilität, d. i. die Pulsdifferenz des Körpers 
in vertikaler oder horizontaler Stellung, beträgt 12—20 Puls¬ 
schläge pro Minute nach T.s Beobachtungen. 

4. Ist eine Verkleinerung dieser Differenz zu beobachten, und 
zwar beiläufig unter 12 pro Minute, so müssen wir an eine Vo¬ 
lumsveränderung durch Hypertrophie des Herzens denken, den 
Zustand als eine natürliche Reaktion auf die Mehranforderung an 
Arbeit auffassen und werden alle sonstigen Erscheinungen einer 
erhöhten Herzarbeit finden. Hierher gehören ein kräftiger grosser 
Puls, welcher an Zahl eher vermindert als vermehrt ist, dib Stei¬ 
gerung des GelUsstonus etc. 

5. Finden wir eine Pulsdifferenz beim Wechsel der Körper¬ 
stellung von nahe 20 oder mehr pro Minute, so dürfen wir ans 
dieser Labilitätsvergrösserung auf eine Volumsveränderung durch 
Dilatation schliessen und nach den übrigen Symptomen der Herz¬ 
schwäche fahnden. Diese sind: ein kleiner, leicht unterdrttckbarer 
Puls, eine Verminderung des Blutdruckes, die Anzahl der Puls¬ 
schläge ist gewöhnlich vermehrt. 

6. Eine Verlangsamung der Pulsschläge mit einer auffallenden 
Vergrösserung der Labilität ist ein ominöses Zeichen bei Herz¬ 
insuffizienz und lässt in den meisten Fällen Thrombose und Em¬ 
bolie erwarten. 

Diskussion: Herr Stern-Breslau bezweifelt, da.ss aus den 
Beobachtungen des Vorredners solch bestimmte Schlüsse gezogen 


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1906. 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


333 


werden können und erinnert an die bedeutsame Rolle, welche die 
K^eurasthenie beim Zustandekommen der obigen Symptome spielen 

(Fortsetzung folgt.) 

33, Kongress der Deutschen Ges^lschaft 
/ftr Chirurgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Elapp-Bonn: Behandlung der chirurgischen 
Tuberkulose mit Saugapparaten. 

Die Technik der Saugbehandlung bei tuberkulösen Erkrankungen 
ist dieselbe wie bei den akuten Entzündungen. Indiziert ist sie nament¬ 
lich bei denjenigen Formen der Tuberkulose, welche zur Er¬ 
weichung neigen. Hier erzielt man mit der Saugbehandlung 
erstens die wohltätige Hyperämie und zweitens bewirkt man eine 
Abschwemmung infektiösen Materials. Die Saugbehandlung muss 
täglich vorgenommen werden. Sehr gut bewährt sich die Methode 
bei kalten Abszessen, die durch eine Stichindsion eröffnet und an- 
gesaugt werden. Man verwendet auf diese Weise die sekundären 
Infektionen. Auch bei den anderen Tuberkulösen erzielt inan 
Besserungen und häufig Heilungen. Die für die Tuberkulose 
charakteristisohen Veränderungen gehen an der behandelten Tuber¬ 
kulose verloren. Die Granulationen verlieren ihr schwammiges 
Aussehen, werden rot und körnig; die Gelenke verlieren ihre 
Spindelform. Die Synovitis tubercidosa wird sehr günstig beein¬ 
flusst, eventuell wird die Punktion der Gelenke mit der Saugbe- 
handlung kombiniert. Als geeignetsten Apparat bezeichnet der 
Redner grosse Schröpfgläser. 

Hr. Wrede-Königsberg: lieber Ausscheidung von 
Bakterien durch die Schweissdrüsen. 

Die klinischen Untersuchungen über das Auftreten im Blute 
kreisender Bakterien in den Schweiss haben bisher nur zu wider¬ 
sprechenden Ergebnissen geführt. Experimentell am Tiere ist die 
Frage von Brunner geprüft worden, der Staphylococcuspyoohenes 
aureus, Müzbrand und Prodigiosus, nach Injektion derselben in die 
Blutbahn, im Schweiss wieder auffand. Krikliwy kam bezüg¬ 
lich des Milzbrandes in seinen Experimenten zu einem negativen 
Ergebnis. Vortragender bezweifelt die Beweiskraft vonßrun ner’ s 
Staphylococcusversuch und berichtet über Experimente mit Prodi¬ 
giosus in der Brunner’schen Versuchsordnimg, durch die er 
Brunner’s Ergebnisse nicht bestätigen konnte. 

Diskussion: 

Hr. Brunner-Münsterlingen betont demgegenüber, dass er 
Prodigiosus im Schweiss habe nachweisen können, nachdem er ihn 
Schweinen eingespritzt und dann durch Pilocarpininjektionen eine 
profuse Schweisssekretion hervorgerufen hatte. 

Hr. Pochhammer-Greifswald: Zur Tetanusfrage, 

Redner berichtet über einen Fall von schwerer Maschinenver¬ 
letzung, bei dem trotz einer prophylaktischen Einspritzung von 
Höchster Tetanusserum der Tetanus zum Ausbruch kam. Er hält 
danach die Injektion einer einzelnen Dosis nicht für ausreichend 
und schlägt vor, die Schutzdosis nach 10 — 14 Tagen zu wieder¬ 
holen, wenn Verdacht auf Tetanusausbruch besteht. Bei den Symp¬ 
tomen des Starrkrampfs müsse man jedoch sofort mit der vollen 
Heildosis einsetzen. 

Diskussion: 

Hr. Höcker-Stettin stimmt den Ausführungen des Vor¬ 
tragenden zu. Des weiteren erwähnt er, dass er durch Unter¬ 
suchungen hat foststellen lassen, dass in den meisten militärischen 
Bekleidungsstücken lebensfähige Tetanuserreger vorhanden sind. 
Er ist daher der Ansicht, dass man bei Schussverletzungen, bei 
denen Kleiderteile in den Schusskanal mitgerissen worden sind, 
prophylaktische Injektionen von Tetanusserum machen soll. 

Hr. Riede 1-Jena bemerkt, dass das Serum bei wirklich 
manifestem Tetanus niemals einen Erfolg erzielt hat; wohl aber 
habe es sich ihm in einen Falle von prophylaktischer Anwendung 
bewährt Er wirft daher die Frage auf, ob es nicht zweckmäßig 
wäre, ausgedehntere Versuche mit dem Serum bei prophylaktischer 
Anwendung zu inacheu. 

Hr. Körte- Berlin würde sich zur prophylaktischen Anwendung 
des Serums nur sehr schwer entscliliessen, um so mehr, als ihm 


nach der Tätigkeit in seinem Wirkungskreise scheine, dass der 
Tetanns in Berlin an Häufigkeit abgenommen habe. 

Hr. Deutschländer-Hamburg berichtet über einen Fall von 
Tetanus, der sich 14 Tage nach einer Beiuverletzung entwickelt 
hat. Zwölf Stunden nach den ersten Symptomen Injektion einer 
Heildosis von Höchster Serum, 10 ccm in das gesunde Gewebe 
und 10 ccm in das verletzte und mit einer Staubinde versehene 
Bein. Trotzdem Entwickelung eines schweren Tetanus. D. machte 
eine Lumbalpunktion, entleerte 35 ccm Lig. cerebrospinalis, worauf 
der tetanische Krampf sofort aufhörte. Die Lumbalpunktion wurde, 
da immer wieder AnfUlle auftraten, 12 mal wiederholt. Bann trat 
Heilung ein. 

Hr. Friedrich-Greifswald: Der Tetanus ist territorial sehr 
verschieden häufig; in Pommern habe man oft Gelegenheit, ihn zu 
beobachten. Von den in der (rreifswalder Klinik prophylaktisch 
behandelten Fällen sei nur der von Pochhammer mitgetoilte Fall 
tetanisch geworden, die anderen seien gesund geblieben. Daher 
rät er zur Anwendung der prophylaktischen Injektion. 

Hr. Zoege v. Manteuffel-Dorpat hat sowohl französisches 
als auch Höchster Serum während des russisch-japanischen Krieges 
angewendet. Die Fälle sind alle gestorben. Die prophylak:tiscbcn 
Injektionen hält er nicht für angebracht. (Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 26 . 

1. Grashey, München: Fremdkörper und Böntgenstrahlen. 

Da uns die Röntgenstrahlen so grosse Dienste beim Aufsuchen 

von Fremdkörpern leisten, sollte man auch, wo es die äussoron 
Verhältnisse nur irgend gestatten, dieselben gleich von Anfang an 
zu Rate ziehen und womöglich auch während der Operation als 
Wegweiser zur Seite haben. Es ist eine undankbare Sache, eine 
Nadel unge^r zu bestimmen und daun gewissennaßen dafür ver¬ 
antwortlich zu sein, dass sie ein dritter nach deu gegebenen 
Direktiven, die immer nur mangelhaft sein können und sich bis 
zur Operation wieder ändern können, auch wirklich findet. Eine 
Ausnaiime machen Fremdkörper, deren Lage man als ganz ober¬ 
flächlich anerkannt hat oder die man deutlich unter der Haut fühlt; 
auch solche Nadeln soll mau prinzipiell durchleuchten, denn nicht 
selten erweisen sie sich als gesplittert, in der Tiefe liegt noch ein 
zweites Stück. Ganze Nadeln konnte ich wiederholt durch Druck 
uud Entgegenmassieren der Haut ohne Schnitt entfernen. Manch¬ 
mal kommen Kranke, aus dereu Wunde noch der Faden heraus- 
hängt. Das Röntgenbild zeigte mehrmals, dass das Oehr von der 
Haut abgewandt war, und dass der Faden, der wertvolle Weg¬ 
weiser, bei Zug am Faden abreissen musste, wenn man nicht vor¬ 
sichtig die Stichwunde vom Faden . aus nach beiden Seiten er¬ 
weiterte. Fühlt man eine Nadel dicht unter der Haut, dem Ein¬ 
stich entsprechend (den man stets durch Abschneiden der ober¬ 
flächlichen Epidermis Anden kann), so kann man immerhin zunächst 
sein Glück versuchen und auch die Schmerzempfindung des Kranken 
als Anhaltspunkt nehmen. Fühlt man aber den Fremdköi*por nach 
dem Hautstich im Fett nicht mehr, dann schädige man das Ge¬ 
webe nicht weiter, desinfiziere die Wunde mit Alkohol und nehrao 
die Röntgenstrahlen als Wegweiser. Das Suchen von Fremdkörpern 
auf gut Glück ohne ganz bestimmte Direktiven, ist eine höchst 
undankbare Aufgabe. 

2. Bingel, Tübingen: Veber die Messimg des diaetoUsohen 
Blntdmoks beim Menschen. (Mit Demonstration eines neuen 
Sphygmomanometers.) 

Der Apparat ist im wesentlichen ein Quecksilbermanometer, 
(las beim Steigen elektrische Stromkreise schliesst und öffnet und 
dadurch einen Elektromagneten bewegt. Das Manometer markiert 
automatisch die Druckhöhen von 10: 10 mm, ersetzt also den 
zweiten Untersuoher. Universitätsmechaniker A Ibrech t, Tübingen, 
Uhlandstrasse 8, liefert den Apparat für 70 Mark. Man erhält 
durch die Methode der Messung des diastolischen Blutdruckes 
neben dem systolischen, die eine Vereinigung von Sphygmographie 
uud Sphygmomanometrie darstellt, einen tieferen Einblick in die 
pathologische Physiologie des Kreislaufes, einen tieferen Einblick, 


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334 


Mku TCTNISCHB WOCHE. 


Nr. 32. 


als ihn die Sphygmographie für sich allein, als ihn die Sphygmo- 
manometrie für sich allein gewähren kann. 

3. Pincussohn, Berlin: Die Wirkung des Kaffees und des 
Kakaos auf die Magensaftsekretion. 

Ueber die Wirkung des Kaffees und des Kakaos auf die 
Magensaftsekretion liegen exakte Versuche bisher nicht vor. Ueber 
die Einwirkung des Tees arbeitete T. Sasaki in der experimentell¬ 
biologischen Abteilung unter Benutzung eines ösophogotomierten 
Magenfistelhundes unter Scheinfütterung und fand hier eine Hemmung 
der Sekretion, Den Einfluss von Tee und Kaffee auf die Pepsiu- 
verdauung untersuchte P awlowsky, der eine hemmende Wirkung 
auf die proteolytische Pepsinwirkung feststellte, stärker bei Tee, 
schwächer bei Kaffee, die er jedoch nicht dem Koffeün, sondern 
Nebenbestandteilen zuschiebt. Es schien interessant, den Einfluss 
der obengenannten Getränke näher zu untersuchen, zugleich im 
Vergleiche miteinander, mit Surrogaten und mit reinem Wasser. 
Die Pa wlow’sche Methode des kleinen Magens war hierfür ausser¬ 
ordentlich geeignet. Die stärkste Einwirkung auf die Sekretion 
haben Kaffee und fettarmer Kakao, also die Stoffe, die zugleich 
das Alkaloid in konzentriertester Form enthalten. Bedeutend ist 
diese Wirkung durch das Fett des fettreichen Kakaos abgeschwächt. 
Malzkaffee steht dem echten Kaffee nur wenig nach und dürfte 
dämm wohl als Ersatz gelten können, umsomehr, als ihm auch 
nährende Eigenschaften innewohnen, wie auch Beobachtungen des 
russischen Militärarztes Koljago zeigen. Im Gegensatz zu der 
Kaffeewirkung beansprucht die hemmende Wirkung des Thees ein 
ganz besonderes Interesse. 

4. Gaupp, München: Die klinischen Besonderheiten der 
Seelenstöningen unserer Orossstadtbevölkemng. 

In der Münchner Klinik und Frankfurter Anstalt überwiegen 
die alkoholischen, epileptischen und hysterischen Erkrankungen, die 
Paralyse, die psychopathischen Zustände; auch die Zahl der or¬ 
ganisch Hirnkranken ist hier grösser, das neurologisch-psychiatrische 
Grenzgebiet rückt mehr in den Vordergrund. Noch weit grösser 
sind die Unterschiede zwischen Dziekanka oder Lauenburg und 
München bezw. Frankfurt. (Schluss folgt) 

5. Bruns, Leipzig: Zur Kasuistik der Poliomyelitis anterior 
acuta adultorum. 

Der erste Fall ist schon im Jahre 1894 von Curschmann 
in seinem Atlas „klinischer Abbildungen‘* publiziert worden mit 
der Diagnose Poliomyelitis ant acuta adultorum. 

Der zweite Fall zeigt durch die Verteilung der Atrophie das 
charakteristische Bild einer progressiven neurotischen Muskelatrophie 
(Typus Hofimann) und ist ferner interessant durch das Einsetzen 
einer spinalen progressiven Muskelatrophie, wohl infolge oiner nur 
drei Jahre zurückliegenden, vorübergehenden Mitbeteiligung des 
ZerTikalmarks an einer akuten Poliomyelitis des unteren Dorsal- 
bezw. des Lendenmarks. 

6. Krüger, Vetschau i. L.: Die Anwendung des Tuberkulin 
neu bei der Behandlung von Lungenschwindsucht. 

Bei der Anwendung des Verfahrens wird gemäss der Vor¬ 
schrift ^/lo g des in Fläschchen von 1 com Inhalt erhältlichen 
Tuberkulins mit 1 g 20'yoigen Glyzerinwassers verdünnt, von dieser 
10%igen Verdünnung wird wiederum ^/lo g mittels einer Messpi¬ 
pette entnommen und mit 10 g desselben Glyzorinwassers vermischt. 
Man hat jetzt also eine Verdünnung von 1 :1000. Sowohl das 
Glyzerinwasser, wie auch die Pipette und die für die Verdünnungen 
bestimmten Fläschchen werden vorher durch Kochen sterilisiert. 
Die so bereiteten Verdünnungen sind etwa 2 Wochen haltbar. 
Nach der erwähnten Anleitung soll die Unbrauchbarkeit der Flüssig¬ 
keit au einem durch Schütteln nicht mehr zu feinster Verteilung 
zu bringenden Bodensatz kenntlich sein. Von der letzten Ver¬ 
dünnung wird 0,2 g = 0,002 g Tuberkulin mittels einer keimfrei 
gemachten Pravazspritze in den mit Spiritus abgeriebenen Ober¬ 
arm eingespritzt. An demselben, zuweilen auch noch am nächsten 
Tage, klagen die Kranken über das Gefühl von Mattigkeit und 
Gliederziehen, manchmal auch über Kopfschmerzen. In einem Palle 
trat bei den grösseren Dosen regelmäßig Erbrechen auf. Sensible 
Kranke lässt man bis zum Schwinden dieser Beschwerden im Bette 
liegen. Fast regelmäßig tritt eine einige Stunden anhaltende 
Temperatursteigerung um wenige Zehntelgrade auf. Die Reaktion 


am Ort der Einspritzung ist nicht bedeutend, die Rötung und 
Schwellung, welche nur nach Einspritzungen von 1—2 ccm Flüssig¬ 
keit einen grösseren Umfang erreicht, ist, wenn die Kranken am 
zweiten Tage darauf zur Wiederholung der Injektion erscheinen, 
bereits erheblich zurückgegangen. Nur die Schmerzhaftigkeit ist 
meistens wesentlich, jedoch nur selten so stark, dass sie das Arbeiten 
verhindert. Die Einspritzung wird anfangs jeden zweiten Tag 
wiederholt und zwar wird, wenn keine Allgemeinreaktion (Mattig¬ 
keit, Temperaturerhöhung) erkennbar ist, die Dosis auf das Doppelte 
gesteigert. Nach 3—4 Wochen, wenn die angewandte Dosis etwa 
0,1—0,5 des unverdünnten Tuberkulin beträgt, wird wöchentlich 
nur 1—2mal, später mit ein- bis mehrwöchentlichen Pausen 1 g 
mehreremal eingespritzt, bis keine allgemeine Reaktion hervortritt. 
Nur ausnahmsweise wurde eine Schlnssdosis von 2 g angewendet. 
Hiermit findet die Kur ihren Abschluss und wird nötigenfalls nach 
einem halben Jahre wiederholt. In den Fällen mit ganz geringem 
Lungenbefund tritt eine völlige Heilung im klinischen Sinne ein, 
bei vorgeschrittener Erkrankung blieben einzelne lokale Krank- 
beitsmerkmale, wie gedämpfter Schall, verändertes Atemgeräusch, 
geringere Elxkursionsfkhigkeit der betroffenen Lungenspitze in aller¬ 
dings beträchtlich verminderter Ausdehnung be.stehen. Die schönsten 
Erfolge waren zu beobachten bei der mit dem Eintritt der Pubertät 
beginnenden Tuberkulose. Drei hierher gehörende Fälle, nämlich 
ein Mädchen von 14 und zwei Jungen von 14 V 2 und 16 Jahren 
sind seit iV* bezw, l^/i Jahr gesund. 

7. Hecht, Beuthena.S.: Zur OpiambehandloAg der Larynx- 
stenose im Kindesalter. 

Durch Abschwächung des Hustenreizes wird verhindert, dass 
durch plötzliche Stauung in dem ergriffenen Gewebe die notwendig 
folgende ödematöse Durchtränkung eine weitere Verengerung der 
Passage bewirkt. Diese Erklärung 0. Rosenbachs kann, wie H. 
neuerdings schon ausgeführt hat, nur für solche Fälle von dipbtbe- 
ritischer Larynxstenose Geltung haben, welche nicht durch Mein- 
branbildung, sondern durch ödematöse Schwellung der Kehlkopf¬ 
schleimhaut bedingt sind. Da dieses Oedem durch den Klebs- 
Löffler’sehen Bazillus hervorgerufen ist, muss der Opiumbehaad- 
lung die Anwendung des Behring’schen Heilserums vorangeben. 
Kombiniert mit letzterer, vermag die Opiambehandlung in leichten 
Diphtheriefällen, deren Häufigkeit seit Anwendung des Heilserums 
entschieden zugenommen za haben scheint, die Tracheotomie zu 
ersetzen. 

8. Sachs-Muke, Magdeburg: Ein einfacher Apparat nr 
Wiederanfflndnng bestünmter Stellen in mikroskopischen Prä¬ 
paraten. 

In einem zum Objektivsystem angepassteu Gestell befinden 
sich zwei zur Linsenachse parallel verschiebbare, mit scharfen, ge¬ 
nau zentrisch gearbeiteten Spitzen versehene Stifte, die nach Ein¬ 
stellung des Linsensystema auf den seitlich des Präparates mit 
Papier, Glanzkarton oder dergl. beklebten Objektivträger herabge- 
sclmiubt werden und dort bleibende Eindrücke binterlassen. Da 
die Stifte sämtlicher Apparate gleichweit von einander entfernt 
sind, so kann jeder Besitzer eines solchen Apparates bestimmte Stellen 
eines ihm von ausserhalb zugesandten Präparates ohne Zeitverlust 
finden. Der Absender hat nur nötig, zwei Punkte auf die bezeichnete 
Weise zu markieren und höchstens eine kleine Skizze hinzuzufügen. 
Trotz der Einfachheit des Baues und der Handhabung gestattet 
der beschriebene Objektfinder doch ein leichtes, äusserst schnelles 
und gewissermaßen matheinatLsch genaues Arbeiten für alle Zwecke 
der Demonstration, einschliesslich der mikropliotographischen. Die 
Herstellung des Objektivfinders hat die Firma Gebr. Mittelstruss, 
Magdeburg, übeniommen. Preis 15 Mark. 

9. Läufer, Luxor (Ober-Aegypten): Ueber den Abriss der 
Streckaponeorose der Finger. 

Ein Nachtrag i;nd neuer Fall zu Dr. Selbergs und Dr. 
Franks Mitteilungen in dieser Wochenschrift No. 14 und 23. 

10. P erutz, München: Medizinisches and Sozial-Hygienisches 
von der Jabilänmsausstellung in Nürnberg. 

11. Quiuke, Kiel: Ueber ärztliche Spezialitäten and Spezial¬ 
ärzte. 

Eine sehr interessante Gruppierung aller der vielen Spezial¬ 
fächer, die sich vou der Medizin abgezweigt haben und alle auf 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


335 


einen grünen Zweig gekommen sind. Anoh Qu. vertritt den Stand¬ 
punkt, dass die Kunst des Haus- und Famüienarztes aus alledem 
lierausragen müssen, um ein geistiges Band zwischen den vielen 
kunstgewerblichen Beschäftigungen zu halten. 

1906. No. 27. 

1. Anton, Halle a.S.: Symptome der Stirnhimerkranknng. 

A. kommt zu folgenden diagnostischen Thesen: Das mensch¬ 
liche Stimhim (Präfrontalhirn) ist ein paariges Organ; die Stim- 
anteile sind vielfach wieder mit einem paarigen Organe, dem Klein¬ 
hirn verbunden; in diesen Organen findet eine Supplierung und 
Kompensation der Herderkrankung besonders häufig statt; deshalb 
sind die Ausfallssymptome ausgiebiger verwischt, als bei anderen 
Grosshirnanteilen, oder nur als quantitative Abnahme der Leistung 
erkennbar. Von den Symptomen, die körperlich evident werden, 
sind namhaft zu machen: die Störung der Eörperbalance beim Auf¬ 
rechtstehen und Gehen, ähnlich wie bei ^einhimerkrankung; 
ausserdem Abänderung des Gangtypus und der Haltung (Hypo¬ 
tonie). Auch an den oberen Extremitäten scheint die „höhere 
Koordination“ der Bewegungen gestört, insbesondere die richtige 
Aufeinanderfolge derselben, das Zusammenfassen einzelner Beweg¬ 
ungsakte zu einer komplexeren Verrichtung (wie bei Paralyse). 
Die Nähe der motorischen Region bewirkt häufige Komplikation 
mit Paresen oder Krämpfen, sowie mit motorischer Aphasie. Bei 
Herderkranknng des orbitalen Stimhimes ist Anosmie (gleichseitig 
oder beiderseitig) für die örtliche Diagnostik von Bedeutung (die 
Erkrankung des Septum pellucidum scheint dieses Symptom nicht 
zu geben). Bei einseitiger Stimhimerkrankung sind wohl charakte¬ 
risierende psychische Symptome noch nicht eruiert. Die beider¬ 
seitigen Stimhimerkrankungen mit Beteiligung des Balkens scheinen 
eine psychische Symptomatik hervorzurufen, die der Paralyse sehr 
nahe steht. In vielen Fällen wird die Diagnose erst durch die 
Kombination der obigen Körpersymptome mit diversen psychischen 
Störungen ermöglicht; letztere hängen nicht allein von der Oert- 
lichkeit, sondern von der Art und vom Verlaufstempo und von der 
Intensität der Herderkrankung ab. 

2. Leo, Bonn; Zur Kenntnis der Achylie des Magens. 

Unter den Symptomen der Achylie sind besonders bemerkens¬ 
wert die Magenschmerzen und die Anomalien des Stuhlgangs. Ein 
von allen Autoren als Begleiterscheinung resp. Folge der Achylie 
beschriebenes S 3 nnptom ist schwere chronische Diarrhoe. Viel 
häufiger ist der Stuhlgang regelmäßig, und ausser ^temierender 
Diarrhoe und Verstopfung sieht man — was übrigens auch von 
anderen Autoren (Boas, Einhorn, Martins, Faber) berichtet 
wird — in einer nicht geringen Zahl von Fällen hai^äckigste, 
jahrelang bestehende Obstipation. Der Stuhl wird dabei ganz auf¬ 
fallend hart, er besteht aus mehreren knoUigen, konkrementartigen, 
steinharten Gebilden. Bei der Behandlung der Obstipation hat das 
von A. Schmidt empfohlene Regulin wiederholt ausserordentlich 
gute Dienste geleistet. Auch das von A. Schmidt empfohlene 
Puraffinum liquid., welches als Pararegulin im Handel ist, hat sich 
in mehreren Fällen bewährt. Bei einem Patienten mit Achylie 
wirkte es noch besser als Regulin. Der Kot, der seit 15 Jahren 
stets aus einzelnen harten Knollen bestanden hatte, erhielt weiche 
.salbenartige Beschaffenheit. Natürlich müssen die Mittel ununter¬ 
brochen gebraucht werden, und da ist ihr hoher Preis leider sehr 
zu bedauern. Was die sonstige Therapie bei Achylie anbetrifft, 
so kennt L. kein Mittel, um die einmal erloschene Sekretion wieder 
anzufachen. Die Achylie unterscheidet sich darin von blosser Sub¬ 
azidität resp. der sie veranlassenden Gastritis, welche wir oft ge¬ 
nug unter geeigneten Maßnahmen spez. Irrigationen mit Argentum 
iiitricum wieder zur Norm, ja sogar zu gesteigerter Sekretion 
fuhren können. Wo aber bei Achylie dyapeptische Beschwerden 
bestehen, werden sie nicht selten, ebenso wie wirkliche Schmerzen 
in der Magengegend günstig beeinflusst. Leo verordnete Pepsin¬ 
salzsäure (Acid. mur. dil. 10,0, Pepsin, sico. 10,0, Aq. destill. ad. 
50,0 MDS. zu jeder Mahlzeit 1 Teelöffel auf 1 Weinglas Wasser). 

3. Gerhardt, Jena: Zar Therapie der Oesophagosstenosen 

Die Therapie der Oesophagusstenosen besteht in der Regel 
zunächst in dem Bestreben, möglichst lange durch Beschränkung 
auf flüssige Kost das Schluckvermögen zu erhalten, dann aber, 
wenn auch Flüssigkeiten Schwierigkeit machen, in methodischer 


Sondenbehandlung, allenfalls in Einlegen von Dauerkanülen, Ap¬ 
plikation von Nährklysmen bei günstig liegenden Fällen in der 
Anlegung von Magenfisteln. Die von G. gegebenen Ausführungen 
sollen darauf hinweisen, dass es noch auf andere einfache Weise 
gelingen kann, das Schluckvermögen wesentlich zu bessern, näm¬ 
lich durch regelmäßige Verabreichung von Morphium. 

4. V. Herff, Basel-Stadt: Zur Frage der Ka^^teteriUsation. 

Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass jene Kollegen, 

die keimfreies, ein^hes Katgut anwenden wollen, Kumolkatgut 
wählen müssen. Wird keimfreies und zugleich keimtötendes Kat- 
gut vorgezogen, so ist Jodkatgut nach Schmidt-Billmann in 
wässriger oder in alkoholischer Lösung, jedenfalls aber in 95%igem 
Alkohol aufbewabrt, vorzuziehen, zumal dieses auch in Bezug auf 
Festigkeitsabnahme dem Kumolkatgut überlegen ist. H. kennt 
keine Zubereitungsweise — und er hat fast ^le durchversucht — 
die bei solcher Einfachheit in der Herstellung ein solch wider¬ 
standsfähiges Katgut liefern. Mit dem von Rosenberg in den 
Handel gebrachten Katgut, das nach den Angaben Karewsky’s 
mit Alkohol sorgfältig keimfrei gemacht in den Handel gebracht 
wird, hat v. H. keine eigenen Erfahrungen. Doch scheint es für 
den Hausarzt recht brauchbar zu sein, sofern er ein angebrochenes 
Glas in einem mit Alkohol angefüllten dickwandigen Reagensrohre 
aufhebt, um aUenfalledge Reste nicht wegwerfen zu müssen. 

5. Gauss, Freiburg: Eine einfache Messung. 

Die instrumentelle direkte Messung der Gonjugata obstetrica 
allein ist imstande, das Fundament für eine objektive Becken¬ 
messung und eine allgemein gütige Lehre vom engen Becken zu 
bUden, solange wir die anderen inneren Maße in einwandsfreier 
Weise nicht feststellen können. Der neue Beckenmesser von G. 
vereint in sich die VorteÜe eines exakt arbeitenden, leicht hand¬ 
lichen und preiswerten Instruments, das den klinischen Instituten, 
dem geburtehüflichen Spezialisten und dem praktischen Arzte in 
gleichem Maße zu dienen bestimmt ist; dies ganz handliche In¬ 
strumentarium ist zu beziehen vom Instrumentenmacher Fischer in 
Freiburg i. Br. 

6. Tomasczewski, Halle a. S.: Heber den Kaehweis der 
Spiroohaete pallida bei tertiärer Syphilis. 

In etwa 100 Primäraffekten hat T. nach 1 — 2 ständiger 
Giemsafärbung im Durchschnitt nach 5—10 Minuten, oft schon 
nach wenigen Sekunden regelmässig eine sichere Pallida gefunden. 
Es ist ihm auch in einer grösseren Reihe von klinisch noch zweifel¬ 
haften Fällen gelangen, im Ansstrichpräparat Spirochaeta pallida 
zu finden; und regelmäßig bestätigte der weitere klinische Verlauf 
die mikroskopische Diagnose. nWir besitzen demnach im gefärbten 
Ausstrichpräparat, namentlich für die Diagnose des Primäraffektes 
ein wertvolles und rasch zum Ziel führendes Hilfsmittel.“ 

7. Simmonds, Hamburg-St.Georg: Ueber den diagnostischen 
Wert des Spirochaetennachweises bei Lnes congenita. 

Der Spirochaetennachweis in den Organen von Föten und 
Säuglingen genügt völlig, um die Syphilisdiagnose zu rechtfertigen. 
Ein negativer Befand würde bei mazerierten Früchten mit grosser 
Wahrscheinlichkeit Syphilis ausschliessen lassen, bei Säuglingen 
hingegen wäre ein negativer Befund nur mit Vorsicht zu verwerten. 

8. Chotzen, Breslau: Einseitige Temperatarsteigerang in 
der gelähmten Körperhälfte bei zerebraler Herderkranknng. 

In Fällen, wie der hier angeführte eines 52jährigen Mannes, 
mit einer rechtsseitigen Lähmung nach Apoplexie, wo die höchste 
gemessene Temperatur nur 38,6® betrug, also eine Temperatur, wie 
sie in der Aorta normal ist, könnte die ganze Störung nur als 
vasomotorisch angesehen werden, da es denkbar ist, dass durch 
veränderte Zirkulationsverhältnisse und gesteigerte Wärmeabgabe 
durch die Gefässe die Temperatur der Haut der des Körperinneren 
angenähert werden könnte. Allerdings bedürfte dann die starke 
Differenz der Temperatur der anderen Achselhöhle mit dieser Innen¬ 
temperatur wieder einer Erklärung. Bei höherer Steigerung aber 
müsste man doch eine vermehrte Wärmebildung annehmen. Den 
Ort dieser könnte man in solchen Fällen dann wohl nur in den 
Muskeln suchen, denn eine nicht halbseitige Quelle, wie etwa die 
grossen Unterleibsdrüsen, brauchte für diese Verteüung doch auch 
noch die vasomotorische Störung, und es wäre dabei noch weniger 


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336 


MBDICINISCHB WOCHB. 


Nr. 32. 


verständlich, dass auf dem Blutwege kein Ausgleich zwischen 
beiden Seiten stattfindet nach dem bestwunteu Verhältnis zwischen 
Bluttemperatur und Temperatur der Haut. Eine schlaffe Lähmung 
der Muskulatur, wie im vorliegenden Falle, braucht nicht gegen 
diese Annahme zu sprechen, denn es könnten auch in gelähmten 
Muskeln lebhaftere Stoffwechselprozesse vor sich gehen, wozu die 
veränderten Zirkulationsverhältnisse vielleicht gerade den Anstoss 
geben. 

9. Eohn, Prag: Qanglienielle und Herrenfaser. 

Ganglienzelle und Nervenfaser stehen von allem Anfang an 

und bleiben dauernd in anatomischer Kontinuität, aber sie gehören 
nicht zu einem gemeinsamen Zellenindividuum zusammen. Sie sind 
keine genetischen Zelleneinheiten, sondern zu funktionellen Ein¬ 
heiten verbundene vielzellige Gebilde, die sich mit besonderen Er¬ 
folgorganen zu funktionellen Systemen vereinigen können, So stellen 
motorische Ganglienzelie, Nervenfaser und quergestreifte Muskel¬ 
faser ein funktionelles System (erster Ordnung) dar. Die Integrität 
der Teile des Systems ist von dem unversehrten Zusammenhänge 
des ganzen Systems abhängig. Die Ganglienzelle, ohne welche die 
einzelnen Systeme ihrer notwendigen Verbindungen untereinander 
beraubt wären, nimmt eine dominierende Stellung ein. Abgetrennt 
von der Ganglienzelle sind die peripheren Teile des Systems ausser 
Funktion gesetzt und verlieren ihre spezifische Struktur. Aber 
auch an der übergeordneten Ganglienzelle geht die Trennung von 
den peripheren Teilen nicht spurlos vorüber. Ist sie ihrer Erfolg¬ 
organe dauernd verlustig geworden, so geht auch sie, wenn auch 
langsam, dem Verfalle entgegen. 

10. Benedixund Schittenhelm: DasChromosaooharometer, 
ein neuer Apparat zur quantitativen Znokerbestinimnng im ürin. 

Mit dem Chromosaccharometer kann nur die Bestimmung von 
Traubenzucker im Urin vorgenommen werden. Andere Zuckerarten, 
z. B. Milchzncker, lassen sich damit nicht auf exakte Weise quan¬ 
titativ nachweisen. Aber dieser Chromosaccharometer gibt allen 
anderen bisherigen, vom Praktiker angewandten Zuckerbestimmungs¬ 
methoden zu mindesten gleichwertige Resultate und besitzt infolge 
seiner schnellen und leichten Handbarkeit, sowie seines billigen 
Anschaffungspreises ganz entschiedene Vorteile, welche ihn be¬ 
fähigen, vor allem auch dem Praktiker schätzbare Dienste zu leisten. 
Der Chromosaccharometer „Rapid“ wird von dem Schweizer Me¬ 
dizinal- und Sanitätsgeschäft A.-G. Hausmann in St. Gallen 
(Schweiz) hergestellt und verkauft. Pi'eia des gesamten Apparates 
M. 7,20 oder Fr. 9,50. 

11. Theilhaber: Pie Behandlung der „Stiele“ hei gynäko¬ 
logischen Operationen. 

Herr v. Stabenrauch (s. d. Wochenschr. No. 19, pag. 1210, 
Juni 1906) meint, T.’s These, dass bei gynäkologischen Operationen 
in der Bauchhöhle die lufektion meist an den Stielen, i. e. an den 
Lig. latis beginnt, sei längst bekannt. Dem gegenüber konstatiert 
T., dass keiner der von ihm befragten Chirurgen und Gynäkologen 
eine Publikation kennt, in der dieser Satz enthalten ist. 

12. Gaupp-München: Pie klinischen Besonderheiten der 
Seelenstöningen unserer Orossstadtbevölkerung. 

Der Vergleich zwischen dem Krankenmaterial der Gressstadt 
und des flachen Landes zeigt im wesentlichen Verschiedenheiten, 
die in der Verschiedenheit der Aufnahmebestimmungen und in der 
Notwendigkeit der Versorgung öffentlich störender Elemente wurzeln; 
weit geringer ist das Ergebnis hinsichtlich des Einflusses des 
grossstädtischen Lebens auf die Erzeugung neuer Kraukheitsformen. 
Diese Tatsache wird ohne weiteres verständlich, wenn man erfährt, 
da.ss nach G.’s Münchener statistischen Berechnungen nur 20 bis 
25®/oder Aufgenommenen eigentliche Grossstadtkinder sind. 75 bis 
80% sind nicht in München geboren, nur wenige stammen aus 
anderen Grossstädten, weitaus die grösste Zahl kommt vom Laude. 
Woher das rührt, vermag G. nicht zu sagen, weil er noch nicht 
fe.ststellen konnte, wieviel Prozent der erwachsenen Einwohner 
Münchens überhaupt geborene Münchener sind. Sollten sich hier 
ganz andere Zahlenwerte ergeben, so wäre dies vielleicht ein Finger¬ 
zeig dafür, dass die Grossstadt gerade für die, die nicht in ihr 
aufgewachsen sind, besonders gefährlich werden kann. Doch 
kann der Zusammenhang auch ein ganz anderer sein. Jedenfalls 


sind diese statistischen Tatsachen geeignet, in allen ITragen der 
vergleichenden Psychiatrie zur grössten Vorsicht zu mahnen. 

13. Jacobsohn-Berlin: Allerlei Erfahrungen über das 
praktische Jahr. 

Deutsche mediclnieche Wochenschrift. 1906. Nr. 26 . 

1. Zander, Königsberg i. Pr.: Peber das Wallersche Gesetz. 

Das Wallersche Gesetz besagt etwa folgendes: Nach Dorch- 

schneidung eines motorischen Nerven degeneriert der abgetrennte 
periphere Abschnitt. Der proximale Abschnitt erleidet keine Ver- 
ändörnng. Bei Dorchschneiduog eines sensiblen Nerven peripher- 
wärts vom Spinalgauglien tritt dieselbe Veränderung im distalen 
Abschnitt ein. Nach Durchschneidung der hinteren Wurzel zwischen 
Rückenmark und Spinalganglien verändern sich die mit dem Spinal- 
ganglien in Verbindung bleibenden Nervenfasern nicht, dagegen 
verkümmern die von ihm abgetrennten in das Rückenmark ein- 
tretenden Fasern, und diese Verkümmerung setzt sich in die 
Hinterstränge nach oben fort. Nach Exstirpation eioes Spinal- 
gangUons gehen alle von ihm ausgehenden Fasern nnter. Diese 
Beobachtungen brachten Waller zn dem Schluss, dass die grossen 
Nervenzellen in den Vordersäulen auf die motorischen Nerven, die 
Nervenzellen in den Spinalganglien auf die sensiblen Nerven einen 
nutritiven Einfluss ausüben. Diese Beobachtungen fasste Waller 
zusammen in die Sätze: Nach Danhsohneidung eines Nerven de¬ 
generiert das peripherische NervenstUck, das zentrale Stück, die 
Nervenzelle aber bleibt normal. Die Regeneration des durch¬ 
schnittenen Nerven erfolgt durch Hineiuwachsen der Achsenzylinder 
aus dem zentralen Stumpf in die alten Bahnen im peripherischen 
Stumpf. Die Nachprüfung dieses lange Jahre als richtig geltenden 
Gesetzes hat die Notwendigkeit einer Korrektur ergeben. Nach 
Durchschneidimg eines Nerven degeneriert sein peripherisches 
Ende. Im Anschluss an die Degeneration beginnen — wenigstens 
bei den peripherischen Nerven — regenerative Prozesse, die aber 
nur dann zur völligen Regeneration führen, wenn eine Verbindung 
des peripherischen Nervenabschnittes mit einem zentralen zustande 
kommt. Unterbleibt diese Verbindung, so degeneriert das peri¬ 
pherische Nervenende vollständig. Beide Vorgänge verlaufen in 
der Richtung von der Verwundungsstelie nach der Peripherie zu. 
Der zentrale Abschnitt eines durchschnittenen Nerven bleibt, ab¬ 
gesehen von einem kleinen, unmittelbar an die Verletzungsstelle 
anstossenden Gebiet, unverändert, falls nicht durch die Operation 
die Nervenzellen so geschädigt worden sind, dass sie zugrunde 
geben und infolgedessen nun auch die zugehörigen Fasern von der 
Zelle an peripherwärts entarten. Nach der Durchtrennung des 
Nerven treten Form- und Strukturveränderungen an seinen Ur- 
sprungszellen auf, die nach einiger Zeit sich zurückbilden. Die 
Nervenzelle ist das nutritive und funktionelle Zentrum der Nerven¬ 
faser. Der Untergang der Nervenzelle hat den Untergang der 
Nervenfaser zur Folge. Eine von der Nervenzelle abgetrennte 
Faser degeneriert und vermag nicht sich vollständig zu regenerieren. 

2. Gräupner, Nauheim: Funktionelle Bestimmung der 
Leistungsfähigkeit des Herzmuskels und deren Bedeutung für die 
Diagnostik der Herzkrankheiten. 

Verf. hat zur Prüfung der Leistungsfähigkeit des Myocards 
die Blutdruckmessung herangezogen. Es hat sich dabei folgendes 
gleichmäßige Verhalten ergeben: 

1. Geringe Arbeit lässt den BD unverändert; auch grössere 
Arbeit lässt zuweilen scheinbar den BD zunächst unverändert, 
während die BD-Schwankungen erst nach einer halben Minute 
beginnen. 

2. Unmittelbar nach der Arbeit steht BD höher, fällt jedoch 
rasch zur Norm. Durch „üebung“ kann die Rückkehr zur Norm 
noch beschleunigt werden. Ist keine entsprechende „Anpassungs¬ 
fähigkeit“ vorhanden, so steht BD unmittelbar nach der Arbeit 
noch höher, und es dauert länger, ehe BD zur Norm zurückkehrt. 

3. Eine weitere Erhöhung des Arbeitsanspruches bewirkt, 
dass BD noch während der Arbeit sinkt, jedoch nach der Arbeit 
sofort zu steigen beginnt, um daun erst zur Norm zurückznkehren. 

4. Steigern wir den Arbeitsanspruch noch höher, so werden 
wir finden, dass BD mehr oder minder tief unter die Norm 
sinkt, nach Arbeitsschluss gesunken ist, alsdann zu steigen be- 


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1906. 


MEDICIKISCHB WOCflE. 


337 


ginnt, die Norm erreicht, sie übersteigt, um dann erst zur 
Norm zurüokzukehren. Diese sekundäre Steigerung, deren Höhe 
und deren Dauer sind abhängig von der Grösse der (patho¬ 
logischen) Ge iässwide rs tände. 

5, Eine weitere Steigerung des Arbeitsmaßes kann bewirken, 
dass BD noch langsamer nach Arbeitsschluss ansteigt, jedoch 
nicht mehr die Norm überschreitet. Es kann selbst minuten¬ 
lang nach kleiner Arbeit dauern, ehe der BD zur Norm sich em¬ 
por schlängelt Es fehlt die sekundäre „Steigerung“ und ihr 
Ausbleiben bedeutet, falls trotz wiederholter Arbeitsleistung das 
BD-Verhalten noch, ungünstiger wird, dass der Herzmuskel 
durch die Grösse der Arbeit ermüdet ist —; gewöhnlich 
werden wir alsdann auch die klinischen Zeichen der objektiven In- 
sufficienz finden. 

6 . Eintretende Dyspnoe kann zunächst nach Arbeitsschluss 
den BD hoch erscheinen lassen auf Grund der COz Intoxikation 
des Vasomotorenzentrums; nur tritt alsbald eine tiefe Senkung 
des BD ein. 

Aus diesem Verhalten des Blut-Druckes lassen sich wichtige 
Schlüsse auf die vorliegenden Veränderungen ziehen. 

‘ 3. Schlimpert, Dresden: Spiroohaetenhefunde in den Or¬ 

ganen syphilitischer Hengehorener. 

Die Ergebnisse der vom Verf, angestellten Untersuchungen 
sind folgendermaßen zusammenzustellen: 

1. Die Spirochaete pallida wurde bei Lues congenita vom Verf. 
zum ersten M^e nachgewiesen in; Magen, Mesenterium und Mesen- 
terialdrüsen, Gallenblase, Ductus choledocbus, peripherischen Ner¬ 
ven, Schilddrüse und Thymus, Tonsillen, Zunge, Wangen- und 
Rachenschleimhaut. 

2. Die Spirochaete pallida vermag das intakte Zylinder- und 
Plattenepithel intercellulär zu durchdringen. 

3. Sämtliche Sekrete und Elxkrete des kongential syphili¬ 
tischen Neugeborenen sind als infektiös anzusehen. 

Nr. 27. 

1. Lassar, Berlin: Die VerhUtong und Bekämpfung der 
Kahlheit. 

Kahlheit ist nicht das Resultat seniler Veränderungen, sondern 
die Folge allmählicher oft schon sehr früh beginnender Verödung 
des Haardrüsenapparats. Wie weit die Kahlheit fortschreitet, 
hängt im wesentlichen von der Lebensdauer ab. Normaler Weise 
sollen überhaupt nie Haare ausgehen, meint der Verfasser, eine 
Anschauung, die sich nicht ganz mit der kaum zu leiignenden 
Tatsache des physiologischen Haarwechsels deckt. Kahlheit, welche 
auf einer Verödung des HaardrUsenapparates und der Haarwurzeln 
beruht, ist unheilbar, dagegen ist die Alopeci« welche im Gefolge 
allgemeiner Infektionskrankheiten und durch Pilze verursacht ist, zu¬ 
mal im Beginn, wohl heilbar. Der Schluss dieser Veröffentlichung 
bildet die Wiedergabe der Rezepte zur Lassarschen Haarkur. 

2. Schlossmann, Engel, Dresden: Zur Frage der Ent¬ 
stehung der Lungentuberkulose. 

Die Verfasser haben die in den letzten Jahren so viel um¬ 
strittene Frage nach der Entstehung der Lxmgentuberknlose einer 
experimentellen Prüfung und Klärung unterworfen und sind zu 
der Ueberzeugung gekommen, dass die Lungentuberkulose fraglos 
durch eine intestinale lufektion mit Tuberkelbazillen herbeigeführt 
werden kann. Wenige Stunden nachdem man jungen Meer¬ 
schweinchen Tuberkelbazillen in Milch oder Sahne verrieben in 
den Magen gebracht hat, findet man sie bereits in der Lunge. 
In der weitaus überragenden Mehrzahl der Fälle fällt die Infektion 
mit Tuberkulose in das frühe Kindesalter. Die Verff. stehen 
nicht an, die Tuberkulose als eine Kinderkrankheit zu bezeichnen. 

3. Kutscher, Berlin: Heber Untersnchungen der Hasen¬ 
rachenhöhle gesunder Menschen auf Meningococcen. 

Verf. hat die Nasenraohenhöhle gesunder Menschen unter¬ 
sucht und zwar kulturell. In 52 Fällen war das Resultat negativ, 
in 4 Fällen dagegen fanden sich Diplococcen, welche sich von dem 
Meningococcus nicht unterscheiden liessen. Ueber den Weg, auf 
welcliem diese Gesunden ihre Coccen erhalten hatten, Hess sich 
nichts Sicheres eruieren. Jedenfalls legen die Untersucbnngs- 
resultate es nahe, auch weiter bei Gesunden im Nasensekret nach 
Meningococcen zu suchen. 


4. Doering, Göttingen; Die Behandlung des Caput ob- 
stipnm. 

An der Göttinger chirurgischen Klinik hat sich im Laufe 
längerer Zeit ein einfaches operatives Verfahren herausgebildet, 
welches durchweg gute Resultate gibt. Ein Querfinger breit ober¬ 
halb des stemmen und claviciularen Ansatzes des Kopfnickers, 
wird ein wenige Zentimeter langer nach unten leicht convexer 
Hantschnitt angelegt, der Hantlappen etwas abpräpariert und 
unter Beugung des Kopfes nach der ge.sunden Seite sorgfältig 
alle sich spannenden Fasern des Kopfnickers, des Platysma und 
evtl, auch des Trapezius und die Halsfaser durchtoennt. Nach 
Stillung der Blutung wird die Wunde vernäht und ein Stärke¬ 
bindenverband angelegt. Ist die Wunde geheilt, so wird für ein 
halbes Jahr eine die Schultern, Kinn und Hinterhaupt umfassende 
Cellnloidkrawatte getragen. 

5. Zangenmeister, Königsberg: Ueber die Wirkung des 
Antistreptococcenserums. 

Die Beobachtungen und Untersuchungen des Verf. haben er¬ 
geben, dass das Antistreptococcenserum (Aronson) in seiner heu¬ 
tigen Form für die therapeutische Anwendung am Menschen noch 
nicht brauchbar ist. 

6 . Schindler, Siebert, Breslau: Ueber Obnosan und 
Uonorrhoetherapie. 

Bei der Gonorrhoetherapie kommt es nicht auf die Beseitigung 
der subjektiven Symptome und die Verminderung der entzünd¬ 
lichen Erscbeinongen an sondern darauf, dass völlige Gonococcen- 
freiheit erzielt wird. Die Verff. haben sich nun mit Untersuchungen 
über die Wirksamkeit des Gonosans befasst nnd sind zu dem Re¬ 
sultat gekommen, dass das was der Wirkung des Gonosans nach¬ 
gerühmt wird, teilweise unsicher und inkonstant ist, während der 
erfahrene und geübte Arzt durch frühzeitige und energische Lokal¬ 
therapie viel erreichen kann. Die Lokaltherapie beseitigt nicht 
nur die Symptome sondern auch die Ursache des gonorrhoischen 
Virus. 

7. Sternberg, Berlin: Kartoffelspeisen für Diabetes und 
Adipositas. 

Verf. hat Versuche angestelit, aus entmehlten Kartoffeln 
schmackhafte Speisen zu gestalten. Es gelingt das leicht, und gibt 
es so die Möglichkeit, auch bei Diabetes und Adipositas Kartoffeln 
zur Nahrung zu verwenden. 


Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 26 . 

1. Jacoby, Berlin; Die Oonorrhoehehandlong mit Stau- 
nngshyperaemie. 

Verf. hat, am die von Bier empfohlene Stauungshyperaemie 
auch auf die Harnröhre anwenden zu können, eine Sonde konstruiert, 
welche drei längs verlaufende Rinnen enthält, die mit dem Hohl¬ 
raum der Sonde kommunizieren. An der Sonde ist ein Saugeballon 
angebracht, mittels welchen es leicht gelingt die Hamröhrenschleimhaut 
an die Rinnen anzusaugen. Um alle Teile treffen zu können, wird 
nach der ersten etwa 10 Minuten währenden Sitzung die Sonde 
gedreht. In Betracht kommen nur Affektionen im vorderen Teil 
der Harnröhre und zwar im subacuten und chronischen Stadium. 

2. Kammann, Hamburg: Das Henfieber und seine Sernm- 
behandlnng. 

DerVerf. wendetsich im grossen und ganzen gegen die seiner Zeit 
von Wolff in No. 4 dieser Wochenschrift veröffentlichten An¬ 
schauungen. W. war der Ansicht, dass das von Dunbar darge¬ 
stellte Toxin ein Kunstprodukt sei, während nach den Untersuch¬ 
ungen und ziemlich zahlreichen Erfahrungen des Verf. dieser Körper 
als wahres Antitoxin aufzufassen ist. Jedenfalls scheint die von 
Dunbar inaugurierte Pollentheorie die richtige zu sein. 

3. Ewald, Berlin: Lenkaemie ohne lenkaemisohes Blnt. 

Verf. hat einen Fall beobachtet, welcher während des Lebens 

schwere Erscheinungen darbot, die sich aber in keiner Weise als 
Lenkaemie deuten oder^diagnostizieren liessen. Nach kurzer Zeit 
starb der Patient und die Sektion ergab die unzweideutigen Zeichen 
einer Lenkaemie. Die während der Krankheit vorgenommenen 
Blutuntersuchungen hatten zwar ganz ausserordentlich geringe 
Zahlen von weissen Blutzellen ergeben, aber ein Befund, welcher 
der Lenkaemie entsprochen hätte, war nicht zu konstatieren. 


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das 


M iteii TCPJlSUMK WOCHE. 


Nr. 32. 


4. Oppenheim, Borchardt, Berlin: üeber iwai Fälle von 
erfolgreich operierter EüokenmarkS'Han^eschwriUt. 

Es handelt sich bei dem ersten Fall am eine 33 jährige Frau, 
bei dem zweiten um einen 49jährigen Mann. In beiden Fällen 
konnte O. ans dem Nervenbefand und den Symptomen die Diagnose 
auf extramedullären Tumor am Gervicalmark bezw. Dorsalmark stellen. 
B. führte die Operation unter der nötigen Resektion der Wirbel¬ 
bögen aus. Der Erfolg war ein guter und der Operationsbefund 
bestätigte durchaus die Diagnose. Beide Operationen wurden ein¬ 
zeitig gemacht, und weder eine Blutung noch Abfluss von Cere- 
brospinalflüssigkeit führten zu irgend welchen bedrohlichen Er¬ 
scheinungen. Der klinische Erfolg war ein sehr guter. 

No. 27. 

1. Leo, Bonn: üeber Hyperaemiebehandlung der Lungen* 
tuberkulöse. 

Die glänzenden Resultate, welche bei der Behand¬ 
lung chirurgischer Erkrankungen mit der Bier’schen H 3 rp 6 raemie 
erzielt worden sind, liessen es nahe liegend erscheinen, auch bei 
der Lungentuberkulose ein ähnliches Verfahren zu versuchen. Die 
Erfahrungen des Verfassers lassen sich in 5 Sätzen zusammeu- 
fassen. 1. Das Bestreben, die Lungentuberkulose durch künst¬ 
liche Erzeugung einer Lungenhyperaemie zu bekämpfen, ist in 
bester Weise rationell begründet. 2. Als hyperaemisierendes 
Mittel kommt nur die Stauungshyperaemie in ^tracbt. 3. Wir 
erreichen dieselbe am einfachsten durch eine Liegekur mit Tief¬ 
lagerung des Brustkorbes bei mäßiger Hochlagerang des Kopfes 
und beträchtlicher Hochlagerung der Beine. Diese Behandlung ist 
unter allmählicher Steigerung der täglichen Dauer möglichst konse¬ 
quent durchzuführen. Auch des Nachts soll der Oberkörper nicht 
erhöht, sondern tief gelagert sein. 4. Absolut kontraindiziert ist 
die Anwendung der Methode bei Neigung zu Blutungen. H. Ob 
auch sonstige Maßnahmen spez. Bier’schen Saugapparate, thera- 
peuthische Verwertung finden werden, muss durch weitere Beob¬ 
achtungen festgestellt werden, das gleiche gilt für die vom Verf. 
in Aussicht genommene Kombination der Hyperaemiebehandlung mit 
Tuberkulin. 

2. Kümmel, Hamburg. Üeber moderne HierenoMmrgie, 
ihre Diagnose und Besoltate. 

Die letzten Jahre haben gewaltige Fortschritte auf dem Ge¬ 
biete der Nierenchirurgie gebracht. Die neuen Untersuchungs¬ 
methoden überheben uns der Notwendigkeit, immerhin eingreifende 
und nicht ungefährliche Probeoperationen zu machen. Die moderne 
Nierenchirurgie hat vor allen Dingen drei Explorationsmethoden, 
welche vorzügliche xmd sichere Resultate liefern, die Röntgenunter¬ 
suchung, der Uretherenkatheterismus und die funktionelle Prüfung. 
Heute ist die Röntgoskopie so weit vorgeschritten, dass ihre Er¬ 
folge kaum noch von der KörperbeschafFenheit des Untersuchten 
abhängt. Man kann heute sagen, dass jeder Nierenstein mit Sicher¬ 
heit durch die Röntgographie nachgewiesen werden kann. Aller¬ 
dings gehört eine nicht unerhebliche Uebung zur richtigen Deutung 
des Röntgenbildes. Der Uretherenkatheterismus ist die souveraine 
Methode zur Eruierung der Funktion jeder einzelnen Niere. Alle 
anderen Methoden den Harn der beiden Nieren zu trennen sind 
mehr oder weniger gute Notbehelfe. Die Ausführung des Urethe¬ 
renkatheterismus ist durchaus nicht übermäßig schwer und bei 
Einhaltung aller aseptischen Kautelen gewiss gefahrlos. Was die 
funktionelle Prüfung anlangt, so steht bei dieser an aller erster 
Stelle die von v. Koräny in die medizinische Wissenschaft ein¬ 
geführte Gefrierpunktsbestimmung, die Kryoskopie bei Ham und 
Blut. Der Schluss der anregenden Arbeit folgt in der nächsten 
Nummer. 

3. Bernhardt, Berlin: Zur Pathologie der Basedowschen 
Krankheit. 

Verf. hat einen Fall von Morbus B. beobachtet bei einer 27- 
jährigen Frau und entdeckte dabei das Vorhandensein von Hals¬ 
rippen. Da nun die Existenz von Halsrippen auch bei Syringo¬ 
myelie bekannt ist und dabei als Degenerationszeichen aufgefasat 
wird, ist Verf. nicht abgeneigt, einen ähnlichen Zusammenhang 
bei dem vorliegenden Fall von Basedow anzuuehmen. Ferner 
konnte Verf. Basedowsche Krankheit bei Eheleuten beobachten. 
Ob hier eine üebertragung dieses in erster Linie neuropathischen 
Leidens stattgefunden, lässt sich natürlich nicht sagen. 


Wiener klinische Wocbenechrlft. 1906. Nr. 26. 


1. Ernst Wertheim: Üeberblick über die Leistnugen der 
erweiterten abdominalen Operation beim Gebärmntterkrebs. 

Die abdominale erweiterte Operation beim Rollumkrebs hat 
sich einen bleibenden Platz in der operativen Gynäkologie er¬ 
worben. Dieselbe wird nicht mehr von der Bildfläche verschwinden, 
selbst dann nicht, wenn die Bestrebungen, durch Mahnmfe an 
Aerzte und Publikum, die Fälle in frühestem Stadium zur Operation 
zu bekommen, bleibenden Erfolg aufwelsen sollten. Die vaginale 
Uterusexstirpation ist technisch schwieriger als diejenige auf ab¬ 
dominalen Wege und nie kann sie dieselbe Zugänglichkeit schaffen, 
wie sie der abdominale Weg gewährt^ das bezieht sich nicht nur 
auf die regionären Drüsen, sondern auch auf das den Uterus um¬ 
gebende Zellgewebe. 

2. Benjamin, v. Reu.ss, Sluka und Schwarz, Wien: 

Beiträge zur Frage der Einwirkung der Böntgenstrahlen auf das 
Blnt. 

Aus ihren haematologischen Versuchen heben Benjamin und 
Sluka hervor, dass es nicht nur durch Bestrahlung blutbildender 
Organe möglich ist, die charakteristischen Veränderungen im Blute 
hervorzurufen, sondern dass auch die isolierte Bestrahlung des 
Blutes Hyperlenkozytose und Lymphopenie zur Folge hat. Eio 
kardinaler UnterscÜed zwischen der Bestrahlung des gesamten 
Tieres und der isolierten Blutbestrahlung besteht jedoch darin, 
dass im letzteren Falle eine Regeneration mit erstaunlicher Leichtig¬ 
keit erfolgt und das Blutbild schon nach 24 Stunden zum Status 
quo ante zurückkehrt, während bei Totalbestrahlungen zur Rege¬ 
neration 7 bis 10 Tage erforderlich sind. 

Aus dem radiologischen Teil von Schwarz geht folgendes 
hervor: Die Röntgenbestrahlung ganz im allgemeinen bewirkt als 
Zeichen stattgehabter chemischer Zersetzung im Gewebe das Auf¬ 
treten eines Stoffes, dem gegenüber sich die polynukleären Leu¬ 
kozyten chemotaktisch positiv verhalten; Röntgenisierungsleukozy- 
tose, ein initiales Symptom. Mit dem Entstehen dieses Stoffes im 
bestrahlten Gewebe steht vermutlich die Röntgenotherapeutische 
Vorreaktion (Holzknecht), mit der durch ihn bedingten Lieu- 
kozytose der initiale Hamsäureanstieg im Zusammenhang. Scharf 
von der vorübergehenden Leukozytose zu trennen ist die Röntgen- 
leukopenie. Sie entsteht nur bei Einwirkung der K-Strahlen auf 
die Leukoz 3 ftenbildungsstätten und wird hervorgemfen durch die 
Beeinträchtigung, resp. Sistierung der Neuproduktion von weissen 
Blutkörperchen. 

Im chemischen Teile beschäftigen sich Benjamin und 
V. Reuss mit der Spaltung der Lezithins. Die Resultate dieser 
Versuche lassen sich dahin zusammenfassen, dass nach inteosiver 
Röntgenbestrahlung im Organismus Cholin entsteht. Dabei ist 
bemerkenswert, dass das Auftreten dieses Körpers im Blute mit 
dem Auftreten der Hyperleukozytose zeitlich zusammenfkllt. 

3. Finsterer, Wien: Ein Beitrag zur Kasuistik und 
Therapie des Nabelschnorbraches. 

F. operierte einen neuntägigen Säugling wegen ausgedehnten 
Nabelschuurbruches und erzielte eine vollkommen glatte Heilung; 
nach seinen Erörterungen aus der Literatur hält er an folgenden 
Thesen fest: DerNabelschnurbruch stellt entweder eine Hemmung^ 
missbildung dar, bedingt durch Verweilen des Darmes ausserhalb 
der Bauchhöhle (Bruch der Embryonalperiode), oder seltener ist 
er ein echter Bruch (Bruch der Fötalperiode). Die Prognose hat 
sich in den letzten 10 Jahren bei operativer Behandlung gebessert, 
und betrögt die Mortalität jetzt 23,3% gegen 27,2% (Schramm). 
Sie ist vor allem abhängig von einer möglichst frühzeitigen Opera¬ 
tion. Von der Radikaloperation können ausgeschlossen werden 
ganz kleine reponible Brüche und Eventrationen. Dem extraperi¬ 
tonealen Verfahren nach Olshausen ist bei den irreponiblen 
Brüchen wegen der Möglichkeit von Nebenverletzungen die Radi¬ 
kaloperation mit Eröffnung des Peritoneums vorzuziehen. 

4. Torggler, Klagenfurt: Zweifadenuaht und Baacksohiutt- 
schlnss. 


T. bringt die von Zweifel vor nahezu 10 Jahren einge¬ 
führte Zweifadennaht zur Auerkeunung, nachdem sie auch Döder- 
lein und KrÖnig in ihrem bekannten Lehrbuch „Operative 
Gynäkologie“ gewürdigt und vereinfacht wiedergegeben und be- 


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1906. 


MfiDlCINlSCHfi WOCHE. 


339 


schrieben haben. ICs handelt sich um eine sogenannte ^Kettel- 
stichnaht“, wie solche bei den ersten Nähmaschinen in Anwendung 
kamen Zur Ausführung der Naht braucht man nur zwei Instru¬ 
mente: eine leichtgeUogene, gestielte Nadel, die ihr Oehr an der 
Spitze trägt und einen Pfriem oder stumpfe Spicknadel. T. hat bei 
säratlioheu Laparotomien ohne Unterschied die Haut stets, das Peri¬ 
toneum häußg mittels Zweifadonnaht vereinigt und ist mit dem 
Ergebnis sowohl bezüglich der schnellen Ausführbarkeit, als der 
Narbenfestigkeit äusserst zufrieden. 

5.0esterreicher:£ine neue Befestignngsart anschraubbarer 
Bougies filiformes. 

Bei engen Strikturen der Harnröhre, welche bloss für eine 
Filiforme passierbar sind, kommt man oft in die Lage, diese 
Bougie als „sonde a demeure“ zu belassen: denn schon nach 
kurzer Zeit tropft neben derselben der Harn aus der oft über¬ 
füllten Blase ab uud nach 24 Stunden ist die Striktur meistens 
schon für die Leitsonde des Urethrotroms durchgängig gevvor<ien; 
deswegen sollte man sich beim Sondieren enger Strikturen stets 
aussch raubb are r Bougies filiformes bedienen. Dieses be¬ 
schreibt 0. an der Hand eines instruktiven Bildes. 

6. Benedikt: Art und Wirkung der auglösenden Kräfte in 
der Katar. 

1906. No. 27. 

1. V. Haberer, Wien: Experimentelle üntersuchnngen über 
Kierenreduktion und Funktion des restierenden Parenchyms. 

Aus den Tierexperimenten geht hervor, dass wiederholte Nieren¬ 
reduktion in kurzen Intervallen und in grösserer Ausdehnung von 
Hunden im allgemeinen nicht gut vertragen werden. Eine Reihe 
von Fällen kommt zwar durch, daneben aber kommt es bei vielen 
Fällen mit genau derselben Versuchsanordnung zum Nierentod, 
ohne dass man vor dem letzten operativen Eingriffe ein Kriterium 
besitzt, ob der Nierenrest genügen wii-d oder nicht. Die Ver¬ 
suchsanordnung spielt eine grosse Rolle. Die Reduktion gibt 
bessere Chancen, wenn man mit der Resektion auf der einen 
Seite beginnt und erst nach einiger Zeit die zweite Niere exstir- 
piert, als wenn man zuerst nephrektomiert und dann reseziert. 
Es ist von grosser Bedeutung, ob man bei den Resektionen bis 
ins Nierenbecken hineinreseziert, oder sich mit weniger tief reichen¬ 
den Exzisionen von Nierensubstanz begnügt. Beim Tierexperiment 
war die Phloridzinmethode mit Vermeidung aller Fehlerquellen 
ein wertvoller Gradmesser für die Funktion des jeweilig vor¬ 
handenen Nierenparenchyms. Sie konnte natürlich nicht für die 
Frage in Betracht kommen, ob von dem heute funktionierenden 
Parenchym noch unbeschadet etwas wegkommen darf, denn: Nicht 
den kranken Herd in der Niere weist uns die Phloridzinprobe 
nach, sondern nur die Funktionsstörung der Niere, den Herd nur 
dann, wenn er bereits die Funktion der ganzen Niere stört. 

2. S. Ehrmann, Wieden: Die Phagozytose und die Dege- 
nerationsfomen der Spiroohaete pallida im Primäraffekt and 
Lymphstrang. 

In sehr dünnen Schnitten kann man sehen, dass sich Spiro- 
chaetenbüschel oft an eine Zelle so anschliessen, dass sie mit einem 
Teile ihres Zellleibes in der Zelle selbst sitzen und bis fast an 
den Kern heranstreichen. Dabei sieht man, dass der intrazelluläre 
Teil nicht mehr so distinkt ist, wie der extrazelluläre. Es ist 
daher der Schluss vollkommen berechtigt, dass man es hier mit 
einer Aufnahme von Spirochaetenbüscheln in die Zellensnbstanz, 
von Bindegewebszellen und Leukozyten zu tun hat, die zu Dege¬ 
neration der ersteren innerhalb des Zellleibes führen. Auch in 
den Lymphozyten der Peri-, sowie der Endolymphangitis-Büschel 
fand E. solche Degenerationsformen. Auch hier sieht E. sie als 
Produkte der Phagozyto.se an, wobei er vorläufig unentschieden 
lässt, ob die freiliegenden Leukozyten aus den Zellen ausgetreten 
sind, oder ob sie extrazellular degeneriert sind. 

3. Robert Quest, Lemberg: Veber den Einfioss der Er« 
nähmng auf die Erregbarkeit des Hervensystems im Säuglings- 
alter. 


Qu.s Untersuchungen haben gezeigt, dass wir die Erregbar¬ 
keit des peripheren Nervensystems durch eine kalkarme Ernähr¬ 
ung bedeutend steigern und dadurch äbolicbe Verhältnisse wie bei 
der Tetanie schaffen können. Als Ursache dieses Zustandes mus.s 
danach die mangelhafte Kalkzufuhr angesehen werden. Was für 
Schlüsse konnten wir nun auf Grund der gefundenen Tatsachen 
für die Therapie der funktionellen Krampfzustände im Kindesalter 
ziehen? Auf diese Frage kann man nach dein heutigen Stande 
der exakten Forschung keine wirklich befriedigende Antwort geben 
und zwar aus dem Grunde, weil der Kalkstoffwechsel beim Menschen 
noch nicht genügend bekannt ist. Vielleicht können wir nach 
den Versuchen von Lange dem Phosphor insofern eine Wirkung 
auf die Tetanie zuschreiben, als er vielleicht den Kalkstoffwechsel 
günstig — im Sinne vermehrter Retention — zu beeinflussen ver¬ 
mag. 

4. Franz Hamb nrger, Wien: Parasternale Dämpfung and 
Aafhellong bei Flearitis. 

Rauchfuss hat im Jahre 1904 über eine regelmäßig wieder¬ 
kehrende Dämpfungszone auf der gesunden Seite der Wirbelsäule 
bei Pleuritis berichtet. Er ist auf Grund von üeberlegung und 
Experiment zu dem Schlüsse gekommen, dass die von ihm so ge¬ 
nannte paravertrebrale Dämpfung nicht allein bedingt sein könne 
durch eine Verschiebung des Mediastinums, sondern durch eine 
Behinderung des Mitschwingens der unter erhöhtem Druck stehen¬ 
den Brustwand der kranken Seite. Zn ganz demselben Schlüsse 
kamen zu gleiclier Zeit und unabhängig von Rauchfuss die 
Italiener Baduel und Siciliano, welche die Ursachen der para¬ 
vertebralen Dämpfung einer experimentellen Untersuchung unter¬ 
zogen. Eine differentialdiagnostische Bedeutung der paravertebralen, 
bezw. parasternalen Dämpfung und Aufhellung für die Unter¬ 
scheidung zwischen Pleuritis und Pneumonie kann aber vorder¬ 
hand noch nicht recht bewertet werden. 

5. Detre und Seilei, Budapest: Sind die normalen Serum- 
lipoide Träger oder bloss Vermittler von Antiwirkongent 

Diese Frage ist eher durch eine echt chemische Reaktion zu 
deuten und wäre es lobenswert, die sich hierbei abspielenden Vor¬ 
gänge vom chemischen Standpunkte aus einer weiteren Prüfung 
zu unterwerfen. 

6. Bail und Weil, Prag: üeber die Beziehungen von 
Kaninchenlenkozyten znm Staphyloooccengift. Giftigkeit und 
Agressivität können einer tierischen Flüssigkeit gleichzeitig zii- 
kommen, sind aber, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, zwei ver¬ 
schiedene Funktionen dersellmn und lassen sich psychiologisch 
trennen, sobald ein giftunempfindliches Tier zur Verfügung steht, 
in dem eine durch Aggressive begünstigte Vermehrung der be¬ 
treffenden Bakterien erfolgen kann. 


Josef WInterberg-Wien: Einige Erfabrangen mH Hygiama. 

(Heilkunde 1905, Dezomber.) 

Das Hyg'iama ist ein an Kakao erinaerodes Pulver, welches aus kon¬ 
densierter Milch bergestellt wird, wozu noch Zezalien, die nach einem 
besonderen Verfahren präpariertsind, und teilweise entfetteter Kakao zugesetzt 
werden Es enthält nach zahlreichen fast tlbereinstimniendon Analysen 
Uber 97o Fett, an Eiweissstoffen 21,937», Kohlehydraten 647o* 

Aus den von W. angestellten Stickstoffbestimmmigen ging deutlich 
hervor, dass Hygiama auch bei bedeutendem Ansfatl von Nahrungseiweiss, 
indem bei einen Versuch die Nahrung auf die Hälfte reduziert worden war, 
den Stickstoilümsatz im Körper auf gleicher Hohe erhält, sodass dieser im 
StickstoffgleichgewichC verharrt Man kann die von W. mit Hygiama 
behandelten Kranken in drei Gruppen teilen, erstens in Rekonvaleszenten, 
die infolge akuter fieberhafter Erkrankungen oder chronisch konsumierender 
Storungen wie f^eumonie, Influenza, Typhus, Malaria, Syphilis etc. stark 
heruntergekommen waren und nichts weniger als im SticksCoffgleichgewicht 
sich befanden, zweitens in mehr oder weniger schwere Anäiirien und Chlorosen 
und drittens in Kranke, die eine Störung des Magendarmkanals aufwieson 
oder deren Verdauungstrakt ganz besonderer Schonung bedurfte, wie Ulcus, 
veniriculi, Typhusrekonvaleszonz, Stauungskartairhe des Magens und Darmes 
bei Vitien und chronischen Affektionen der Longe. 

In allen diesen teilweise genau illustrierten Fällen erwies sich das 
Hygiama als ein konzentriertes Nährpräparat, das erfahrungsgemäß den Magen 
nur wenig oder gar nicht irritiert und das Qlcichgwicht des KOrporhaushaltes 
vollkommen aufrecht zu erhalten imstande ist, selbst bei Entkräftigung und 
Appetitlosigkeit. A R. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, Berlin W. SS, Kurfiirttenstr. 81. — Verlag von Carl Marhoid, Halle a S. 
Druck von der Heynenann‘sehen Bucbdrnckerei, Gebr Wolff, Halle a. S 


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H. Rosin, 
Berlin. 


H. Schlange, 

Hannover. 


Verlag und Expedition 


Redaktion: 

Carl Marhold ln Halle a* 5*« Uhlandstnuse 6. 


Berlin W« 6?, iKurfflrafenstrasse 81. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 8Z3. 


Dr. P. Meißner. 

<-- 


Vn. Jahrgang. 13. August 1906. Nr. 55. 


Die .Medicinische Woche* erscheint leden Montag mit der UtSgigen Beilage BalfieolOgiSChC Cefltralzeitungy Organ des Allgemeinen Deutschen 
BSderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold io Halte a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Die Serodiagnostik der Syphilis. 

Von Dr. von Niessen. 

(Schloss.) 

Eine einfache Berücksichtigung dieser vielbesprochenen 
Versuche musste dem ForschertrifoTium doch zu gewichtigen 
Bedenken .Anlass sein, dass nämlich auch das künstliche, wie 
das genuine Syphilisserum keineswegs „inaktiv“ und frei von 
„Antigenen“ ist, wie das des „vorbehandelten Affen“. Was 
soll dann aber die Reaktion nachweisen? Antigen, oder An¬ 
tikörper? In Re agens oder im Reagendum? Beide zugleich? 
Beide sind nämlich in beiden enthalten, wenn auch in jeweilig 
wechselnden Mengen. Nie fehlt eins davon ganz. Ja, das Reagens 
kann mehr von den „spezifischen Gegensubstanzen“, alias Sy¬ 
philiserregern und deren Stoffwechselprodukten enthalten als das 
Reagendum. — Wenn die Reaktion also was taugen soll, so 
müsste sie sowohl im Reagens, wie im Reagendum bereits an 
sich und vonselbst vor sich gehen, sich unter Umständen ver¬ 
brauchen, wenigstens in vitro, ohne dass die Reagentien erst 
gemischt und ebenso überflüssigen wie umständlichen Behand¬ 
lungen gegenseitiger Einwirkungen erst künstlich unterworfen 
zu werd^en brauchten. Mit anderen Worten: künstlich syphüi- 
siertes Affenserum wie genuin syphilitisches Menschenserum 
müssten an sich nach der Methode der Autoren „Hemmung 
der Hämolyse“ geben. Eine „Reaktion“ findet in der Tat auch 
im syphilitischen Körper stets statt, nur ist hier von Toxinen, 
also von Bildung chemischer Antikörper — das Wort „Anti¬ 
toxine“ hat man schon vermieden — so gut wie nicht die 
Rede. Die Syphilis ist keine Intoxikationskrankheit wie z. B. 
die Diphtherie, und soweit überhaupt ein Chemismus mitspielt, 
ist er dem Wesen des Erregers entsprechend überaus variabel. 
Bei jeder Reaktion findet eine Wechselwirkung statt, reagieren 
können aber nur heterogene Agentien. Hier kommt zwar noch 
ein sehr gewichtiger Faktor in Betracht, das ist der individuelle, 
der, man kann sagen jedem einzelnen Fall sein besonderes 
Gepräge gibt; dass dieser aber, der vom jeweilig vorliegenden 
mykologischen Stadium des Erregers mit abhängig ist, diese Art 
biologischer Reaktion besonders erleichtert, oder exakt zu 
machen geeignet ist, möchte ich bestreiten. Ich will auf diese 
Art Reaktion und ihre erst zu erweisende absolute Zuver¬ 
lässigkeit und praktische Brauchbarkeit nicht näher eingehen, 
aber die Frage 2 allein lässt ihren Wert für die Syphilisdiagnose 
meiner Meinung nach sehr zweifelhaft erschienen. 

3. Haben die Autoren, wie das jeder exakt arbeitende 
Chemiker und Experimentator tut, vor der Reaktion Reagens 
und Reagendum auf diese Eigenschaft und andere gründlich 
geprüft? — Ich behaupte: Neinl Sicherlich haben sie die 
Hauptsache verabsäumt: Die bakteriologische Analyse 


der Reagentien, sie hätten sonst die längst gesuchte Wünschel¬ 
rute, u. z. die einzig und allein zuverlässige für den 
S^hilisnachweis gefunden, nämlich den Syphilis errege r. 
Nur mit diesem können weitere serodiagnostdsche Untersuch¬ 
ungen vorgenommen werden, wenn sie einigermaßen Anspruch 
auf Zuverlässigkeit und Exaktheit, sowie Reinheit des 
Arbeitens machen wollen und in letzter Instanz beruht auch 
die Reaktion jener Triumvim lediglich auf der Gegenwart dieses 
Contagium vivum in Reagens und Reagendum, sie Kann daneben 
aber auch auf mancherlei anderem oeruhen. Jene Reaktion 
kann, wie gesagt insofern keine qualitativ unzweideutige sein, 
als allein die gesuchte Grösse X, der Syphiliserreger morpho¬ 
logisch und bimogiscb u. d. h. auch biochemisch ausserordentlich 
variabel ist. Wird sie allein dadurch mindestens sehr kom¬ 
pliziert und vieldeutig, so kann ihre Technik sie erst recht 
nicht akkreditieren, von der quantitativen Bewertung gar nicht 
zu reden. 

Auch dieser Umstand mahnt unabweisbar dazu, erst den 
Gehalt imd das Wesen der Reagentien gründlich zu prüfen, 
ehe man eigene und fremde Verblüffungsversuche macht, neque 
in ipsorum, nec in aliorum medicorum majorem gloriam. — 

Zu Frage 3 gehört genetisch damit verbunden die, ob die neue 
Reaktion nicht auch bei anderen Erankheitszustanden und zu- 
malbei den derSyphilis nahe verwandten Granulationsgeschwülsten 
der Tuberkulose und Lepra, sowie dem Krebs versucht worden 
ist*) und mit welchem Resultat? Ferner bei Vakzine, gonor¬ 
rhoischem Eiter, Laukozytose, ja bei einfacher PeptonlÖsung 
und schliesslich bei irgend welcher peptonisierenden Bakterien¬ 
art? Bei all diesen kann nämlich Haemolyse vorhanden sein, 
resp. nicht und welche Rolle die peptonisierenden Laukozyten, 
abgesehen von den diese Eigenschaft auch bergenden Sypnilis- 
erregem grade in der Syphilis mit ihrer Affinität zum Binde¬ 
gewebe**) und dem Drüsenapparat spielen, ist allbekannt. 

Was die Reaktion aber vor allem als wissenschaftliche 
Spielerei, wenn nicht unbrauchbar erscheinen lassen muss, ist 
der Umstand, dass sie erstens nicht absolut eindeutig ist und 
zweitens zu verhängnisvollen Fehlschlüssen verleiten muss. 
Nehmen wir mal an, sie sei richtig und fehlerfrei ausgeführt, 
so weiss ein jeder erfahrene Syphilidologe, dass die Syphilis 
keine stabile und klinisch jederzeit manifeste Krankheit ist. 
Das Suchen nach diagnostischen Hilfsmitteln ihrer Feststellung 
dort, wo sie subjektiv symptomlos und objektiv unmerklich ist, 
ist der beste Beweis dafür. Wie will man nun mit der empfind¬ 
lichsten biochemischen Reaktion feststellen, dass ein M^ensch 
im Stadium seiner latenten, niemandem ausser durch das An- 

* Allem Anschein nach nähern wir uns mehr und mehr einer pbjle- 
tischen, d. h. vergleichend mykologischen Auffassung der Pathogenese der 
Infektionskrankheiten und ..(iranulationsgeschwttlste'V Man denke an das 
ans dem Karzinom wachsende Sarkom, (E hrlic h-Ap olan t in Berl. klin. 
W. 21. 06) die nahen Beziehungen des Sarkoms zur Syphilis (Virchow), 
die Beziehungen der Tuberkulose zu aktinomykotiscben Sklerosen etc. 

•*) Auch die Beobachtung, dass der Syphiliserreger gern Kernplas¬ 
maparasit der Blutkörper isL aus denen er oft nur schwer zu isolieren ist, 
durfte zur Beurteilung der Haemolyse nicht belanglos sein. 


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342 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 33. 


reicheruDgsverfahren der Keime im Blut, dem einzigen hier brauch¬ 
baren Mittel nachweisbarer Syphilis noch syphilitisch ist? 

Selbst das potenteste Syphilin, um mal das supponierte 
neue Syphilistestserum so zu nennen, wird hierzu nicht im¬ 
stande sein, denn die Syphiliserreger sind in dem zu unter¬ 
suchenden Serum oft so sporadisch verteilt, das sogar das 
Anreicherungsverfahren bei zu kleinen Blutmengen zeitweilig 
im Stich lassen kann, die Depots sind so ausser Kurs gesetzt, 
dass der stärkste Exorzismus ihren Inhalt resp. dessen Aus¬ 
scheidungen nicht mit Sicherheit wird ans Tageslicht befördern 
können, auch wenn noch soviel Antigene und Antikörper gegen 
einander losgelassen werden. Andererseits kann das definie¬ 
rende Material an „Antikörpercehalt“ dem Testobjekt, das doch 
auch niemals ein stabiles Objekt, also kein „Dauermaterial“ 
ist, wie bemerkt, weit überlegen sein. Die „Reaktion“ würde 
also in diesem Fall nicht über die Beschaffenheit des zu unter¬ 
suchend e n Materials sondern vielmehr über die des unter¬ 
suchenden Aufklärung geben können, was gar nicht in der 
Absicht liegt und Beweis für die Unbrauchbarkeit, zumal für 
quantitative Bestimmungen ist, welche jene Autoren gleich¬ 
wohl schon jetzt in Aussicht stellen. Man sieht, in welch 
einen circulus vitiosus man sich dabei begeben würde. — Die 
Katze spielt mit ihrem eignen Schwanz. — 

Una nun gar die praktische Seite der Frage. Würde 
die Methode zu einem brauchbaren differenziell-diagnostischen 
Hilfsmittel in vivo et vitro, also für Kliniker und praktische 
Aerzte präzisiert, wer müsste da nicht alles einen — Affen 
haben I Die Leiterder bakteriologischen Institute, der inneren, 
dermatologischen und neurologischen Klinken mindestens je 
einen, denn der Serumkonsum bei diesen zu Sj^hilisoxamina- 
toren avanzierten Vorfahren des Menschengeschlechts würde 
für die Prüfung ihrer gewaltig in der Zivilisation und Syphili- 
sation steigenden Abkömmlinge ein ganz gewaltiger werden. 
Die Syphilisaffen würden rare Artikel und es würde — die 
„umgekehrte Welt“ sein. 

Die „Syphilisation“ würde retrograd wirken, um Fortschritten 
vorzubeugen, in Wirklichkeit aber denselben Vorschub leisten. 
Sollte nämlich die Reaktion dann keine „Reaktion“ er¬ 
zielen, so könnte man nicht blos „in vitro“, sondern „in vivo“ 
mit dem syphilitischen Affenserum die Diagnose zu stellen 
sich versucht fühlen, wenn man auch im „Immunisieren“ 
derart mit menschlichem Syphilisserum doch ein Haar ge¬ 
funden zu haben scheint, und dann würde sich die „Reaktion“ 
sicher einstellen u. z. etwas umfangreicher und intensiver als 
in Stettin — wo die Syphilisisotherapie ein so trauriges 
Fiasko erlebte. 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krautwig^, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

Das preussische Gesetz vom 28. 8. 05 betr. die Bekämpfung 
der übertragbaren Krankheiten ist mit dem 20. 10. 05 in Kraft 
getreten. Dasselbe hat den doppelten Zweck: 1. dasselbe ent¬ 
hält die der landesgesetzlichen Regelung vorbehaltenen Aus¬ 
führungsbestimmungen zu dem Reichsgesetz betr. die Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. 6. 00, und 2. unterzieht 
es, die in diesem Gesetz nicht genannten übertragbaren Krank¬ 
heiten nach ähnlichen modernen Grundsätzen einer gesetzlichen 
Regelung. Bekanntlich richtet sich das Gesetz über die ge¬ 
meingefährlichen Krankheiten nur gegen die besonders gefähr¬ 
lichen, pandemischen Krankheiten, die uns gewöhnlich aus dem 
Auslande eingeschleppt werden nämlich gegen Aussatz, Cholera, 
Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken. Das Gesetz über 
die gemeingefährlichen Seuchen hatte zumal die Kosten- und 
Entschädigungsfrage im einzelnen nicht gelost, vielmehr in den 


Und die Pathologen und Gynäkologen? Werden sich ihre 
Vertreter auch solche — Affen kaufen ? Die Syphilishistologie 
ist ja ohne Bakteriennachweis und selbst mit den Spirochaeten 
nocü recht im Hintertreffen, der Syphilissenimdiagnose post 
artum dürfte sie aber immerhin gegenüber den sich grade 
ier eo ipso ergebenden weiteren Fehlerquellen schon noch 
gewachsen sein. — Die Plazenta gehört ja post partum wohl 
schon zu Leichenteilen *). Sollten aber Gynäkologen und Patho¬ 
logen nicht auch jetzt schon eine syphilitische Plazenta von 
einer nicht syphilitischen unterscheiden können ? Uebrigens hat 
das Plazentabeschauen in dieser Richtung für den Praktiker 
relativ geringen Wert. Eine Plazenta kann makro- und mikro¬ 
skopisch normal erscheinen und eine bakteriologische Blut- 
resp. Serumanalyse bei Mutter und Kind Syphilis ergeben. Ob 
hier die Syphilisserumdiagnose sicherer und sehne 11 er 
zum Ziel führt, ist noch sehr die Frage, zum mindesten ist 
sie weit umständlicher, bedarf eines wesentlich komplizierteren 
Apparates, selbst vorausgesetzt, dass immer brauchoare Aflfen 
für die Untersuchung zur Stelle sind und vor allem wird sie 
durch die Blutanalyse überflüssig gemacht. Ebensowenig, wie 
die Plazenta zur Sj’philisbazillenzüchtung erforderlich ist, ebenso¬ 
wenig braucht man sie unumgänglich zum Syphilisnachweis ihrer 
Lieferantin und deren Frucht. — Was bleibt dann aber für diese 
Art Diagnose übrig? Die dubiösen kutanen und operativ ent- 
fernbaren Krankheitsprodukte sind, abgesehen davon, dass man 
sich für diagnostische Zwecke nicht gern „schneiden“ lässt, 
relativ recht selten und in der grossen Zahl der aetiologisch 
unklaren Sypbilisformen, ihrer für viele fraglichen Fol ge zu¬ 
stande, der „Para-, Meta-, Hypo-, und Katasyphilis“ käme 
eben nur das Serum contra Serum selbst in Frage und die 
hier geltenden Einwände sind im Voraufgehenden angegeben 
und erst zu widerlegen. Das eigene „Immunserum“ muss 
hier „störend“**) auf das andere wirken und umgekehrt das 
zu prüfende ebenso auf das prüfende. Sie haben sich beide 
„nichts vorzuwerfen“, was sie nicht selbst innehätten: „Anti¬ 
körper und Antigene“, Syphiliserreger und deren „Substanzen“. 

*) Von Leichooteilen isC aasser einigen sammariAchen Andeutungen 
nichts bezüglich ihrer „Reaktion'^ berichtet. 

**) ln dieser spezitischen Störung mag die Reaktion mit beg^rfindet 
sein. Vermutlich geschieht das dann durch Befraebtungsvorgänge der 
Syphiliserreger verschiedener Provenienz, wie man solche die Vitalität oft 
ungemein existierende Vorgänge bei Vermengung und „Kreuzung“ hetergener 
Syphilisbazillenstumme kulturell gut beobachten kann. Das ist ni^t nur gegen¬ 
seitige „Bakteriophagie“. Diese „Reaktion“ ist aber ganz etwas anderes, 
wie Agglutination und Haemolyse. Wie Serum I nicht imstande ist, die 
darin enthaltenen Syphiliserreger zu vernichten, und wenn der Affe noch 
80 intensiv vorbohandclt wird, — eher konnte das den Gehalt an Bakterien- 
elenienten steigern, — wie Serum II ebensowenig vOllig bakterizid auf die 


§§ 34 und 37 ausdrücklich bemerkt, dass diese Fr^en dorch 
landesreohtliche Regelung zu erledigen seien. Bezüglich der 
übrigen übertragbaren Krankheiten hat das Gesetz von 1900 
genauere Maßnahmen nicht vorgesehen. Ganz allgemein hatte 
es nur in § 5 den Bundesrat ermächtigt, die Vors^riften über 
die Anzoigepflicht auch auf andere als die genannten sechs 
Krankheiten zu übertragen. Des weitem hatte es die Ge¬ 
meinden in § 35 verpflichtet, im Kampf gegen die übertrag¬ 
baren Krankheiten die dem allgemeinen Gebrauch dienenden 
Einrichtungen für Versorgung mit Trink- und Wirtschaftswasser 
und für Fortschaffung der Abfallstoffe zu treffen und im Stande 
zu halten. Dass wir im vorigen Jahre die aus Russland in 
das Stromgebiet der Weichsel eingeschleppte Cholera auf kleine 
lokale Herde beschränken konnten, das verdanken wir nur der 
schlagfertigen, umfassenden Organisation, welche die Sanitäts¬ 
behörden auf Grund des Gesetzes von 1900 ins Leben rufen 
konnten. So bedeutungsvoll nun die gemeingefährlichen Krank¬ 
heiten auch sind, so spielen sie doch bei ihren glücklicherweise 
seltenen Auftreten für das Gesundheitswesen des Staates eine 
weit geringere Rolle als die in dem Gesetz vom 20. 6. 1900 ab¬ 
sichtlich übergangenen sogenannten übertragbaren Krankheiten. 

Eine saniUitspolizeiliche Regelung ger^e dieser Seuchen, 
die Jahr für Jahr viele tausende der Bevölkerung aufs Kranken¬ 
lager hinwerfen und einen grossen Teil der Erkrankten wieder 
dem Tode überliefern, erscheint um so dringlicher, als die bis¬ 
herigen gesetzlichen Grundlagen in der Bekämpfung der an- 


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190^. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


343 


Es könnte passieren, dass Serum I (Reagens), obwohl es „in¬ 
aktiv“ ist, resp. so irrtümlich von den Autoren bezeichnet wird, 
nicht haemolytisch ist, Serum II (Reagendum) ebenfalls, wohl 
aber I + II und doch Serum ll von einem noch Syphilitischen 
stammt. Von neuem ein Beweis, dass der Syphilisnachweis 
stets nur ein positiver sein kann, ein negativer Befund sagt 
nichts Bestimmtes, ist nur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Serum I 
wie Serum II müsste dann logischer Weise schon w’ie gesagt 
mit sich selbst die Reaktion geben, die erst von I-|-ll er¬ 
wartet wird. I ist = X, I +Il = X, ergo bekommt II dadurch 
X, wenn es daselbe nicht schon mitbringt. — 

Man dreht und windet sich, um den Syphilisbazillennach¬ 
weis, das einzige wirklich brauchbare Syphilisdiagnostikum 
überflüssig zu machen, ihn womöglich mit seinem Vertreter 
auszuschalten, kaltzustellen, da man dessen Ueberlegenheit 
nicht zugeben möchte, und das Resultat ist, man beweist nolens 
volens mit allen erdenklichen Mitteln immer unwiderleglicher 
die Richtigkeit der Tatsache, dass ohne Syphiliserreger, kein 
sicherer Syphilisnachweis in dubiösen Fällen möglich ist — 

Schliesslich noch eine Frage. Konklusion 3. genannter 
Forscher sagt: „Normales Affenserum wirkt weder auf Material 
syphilitischer Menschen, noch Affen“. Warum ist hier nur 
von „normalem Affenserum die Rede? Es wäre grade ganz 
be.sonder8 wichtig festzustellen, wie sich hier „normales“ Men¬ 
schenserum im Gegensatz zu solchem von kranken Menschen, 
Syphilitischen, Krebskranken, Tuberkulösen, Diabetikern etc. 
verhält, ehe schon voreilig Schlüsse gezogen werden.*) Aller¬ 
dings dürfte es, da demnächst fast alle Mensolien geimpft NB 
mit Vaczine infiziert sein werden, bald schwer hmten, über¬ 
haupt noch „normales“ Menschenserum zu bekommen. 

eigenen Sjpbilisbazillen wirkt, so wäre cs erst recht falsch, ron einer 
Mischung I und II solches zu erwarten. Ich habe nicht nur im Blut, son¬ 
dern auch im Serum Syphilitischer, das frei von Zellen war, Syphilis- 
orreger in vivo kulturell nachgewiesen, zudem weiss jeder, dass sogar im 
potentesten Diphtheriesernra der Diphtheriebazillus nicht untergeht. Wie 
viel weniger der tozisch so impotento Syphiilsorreger im Syphilisserum. — 
Diese Mischungsversucho werden indes das Gute haben, dass sie die Rein- 
zUchtung des Sypbilisbazillas auch durch andere fördern müssen. Die 
künstliche Syphilissteigerang wird sicher zur Kachentdeckung führen. — Dos 
Syphilisseruni ist keine Chemikalie und vor allem keine von bestimmter 
Konzentration. 

*) Die Autoren sagen zwar, dass ,,als Kontrole stets festzustellen, 
dass das Serum mit Körpersuhstanz nicht syphilitischer Menschen keine 
Reaktion gibt“ Keine Reaktion kann aber auch eintreten, trotzdem 
die „Kürpersubstanzen“ von syphilitischen Menschen stammen, von 
„quantitativer Bewertung“ gar nicht zu reden. — Worauf wäre das Serum 
nicht alles zur Kontrole zu untersuchen, wenn man einigermaßen sicher 
gehen will! Im übrigen, wie gesagt, — wer hat denn immer gleich einen 
— Affen und dazu einen syphilitischen? 


Die ^nzeReaktion, soweit damit etwas anzufangen ist, kommt 
meines Dafürhaltens auf das sogenannte Agglutinationsphä¬ 
nomen heraus. Schon in einer meiner ersten Arbeiten über 
Syphilis (Wien. med. W. 11—14, 1899) habe ich betont, dass 
das Serum Syphilitischer in der Eruptionsperiode deutlich 
agglutinierend, auf den Syphiliserreger wirkt u. z. oft sehr 
intensiv. Meine aetiologisch und kasuistisch - argumentativen 
Studien haben mich inzwischen so absorbiert, dass ich dieser 
Seite der Aufgabe meine Aufmerksamkeit nicht mehr widmen 
konnte. Indes glaube ich auf Grund jener Versuche annehmen 
zu dürfen, dass auch das Blut der Spätformen von Syphilis, 
z. B. bei Dementia paralytica, bei Aneurismen*) und bei Paro- 
xysmen der syphilitischen Diathese jeder Art dies Phänomen 
als Ausdruck einerseits eines Ant^onismus von Phyto- und 
Zooplasma und andererseits von Befruchtungsvorgängen der 
Syphiliserreger verschiedener Provenienz erkennen lassen wird. 
Es würde also keiner gegen oder vielmehr mit Syphilis abge¬ 
richteten Affen mit den grossen Umständen und Umkosten 
dieser Art Dressur bedürfen, sondern jeder Paralytiker und 
sonst florid Syphilitische, deren es ja leider bei uns so massen¬ 
haft gibt, — mehr als man glaubt und zugeben möchte — 
würde dazu genügen, zumal einige Kubikeentimeter Serum 
immer „frisch vom Fass“ ohne alle Vorbereitungen und Schwie¬ 
rigkeiten zu haben wären.**) — 

Wozu also die erneute, kostspielige „Reichsexpedition“ nach 
den Sundainseln? Wozu die unnütze und planlose Tierquälerei? 
Die Verlegung des Schauplatzes der Täti^eit dorthin während 
noch 80 wichtige Vorarbeiten hier im syphilitischen Europa zu 
erledigen sind, zumal bei den ganzen isotherapeutischen Bestreb¬ 
ungen der Syphilis praktisch nichts für die Bekämpfung 
dieser Seuche herauskommen wird, was dafür nicht schon ohne¬ 
dies längst zu Hause vorhanden und vergeblich empfohlen 

*) Von besonderem Interesse war mir eine kürzlich vorgenommene 
Blutuntorsuchung bei oinero grossen Aortenaneurisma auf syphilitischer 
Basis 14 Jahre nach der Infektion und nach vielen, z. T. sehr energischen 
spezifischen Kuren. Der Gehalt des Blutes bei diesem Fall eines quasi 
intravasalen Syphilisaffoktes. der seine Erreger immer von neuem direkt 
dem Blutstrom abgibt, war ein geradezu ungeheurer. — Meine Kasuistik posi¬ 
tiver Fälle nähert sich übrigens jetzt der Zahl 300. 

**} Die Agglutinationsversuche bei Syphilis könnten dadurch in ihrem 
diagnostischen Wert Einbusso erleiden, dass der Syphiliserreger in Rein¬ 
kultur wie innerhalb des Organismus je nach Provenienz resp. Stadium und 
Art ein morphotiscb und wie anzunebinen auch biochemisch überaus variables 
Wesen ist. Es könnte also negativer Ausfall wie umgekehrt bei den 
baemolytischeii Experimenten keinen zuverlässigen Rückschluss auf das 
Fehlen dos Kontagiums, resp. auf seine Uneebtbeit oder spozifische Im¬ 
potenz zulassen, ganz abgesehen von dem grossen quantitativen Wechsel 
innerhalb syphilitischer Produkte inkl. Serum. 


steckenden Krankheiten zum grösseren Teile veraltet und un- 
zuläi^lieh geworden waren. 

Welche gossen Verheerungen die ansteckenden Krankheiten 
an Gesundheit und Leben, an Familienglück, an Nationalver¬ 
mögen im Gefolge haben, dass vermögen Sie gerade als Aerzte 
am besten zu beurteilen. Nur einige Zahlen mögen uns kurz 
den Umfang der Krankheiten in Erinnerung rufen. 

Die Tuberkulose, gegen welche wir schon seit Jahren 
systematisch den Kampf ausgebildet haben, hat zwar in den 
letzten Jahren erheblich abgenommen, aber noch im Jahre 1904 
starben im preussischen Staat fast 70000 Menschen an Tuber¬ 
kulose. In den Jahren 1890 bis 1899 betrug die durchschnitt¬ 
liche Sterbezabl für Tuberkulose jährlich 74050 Personen. Auf 
den ersten Januar 1903 ausgerechnet bedeutet das, dass von 
je 100000 lebenden Menschen 236,6 an Tuberkulose dahin¬ 
starben. Noch klarer drückt sich die Grösse der Sterblichkeit 
aus, wenn man ausrechnen kann, dass von je 100 Todesfällen 
nicht weniger als 10,6, also mehr als der zehnte Teil auf Tuber¬ 
kulose entfällt. Dass die Tuberkulose durch den bereits jetzt 
in breitester Weise aufgenomraenen Kampf langsam an Terrain 
verliert, ergibt sich daraus, dass von je 100000 am 1. Januar 
Lebenden in Preussen an Tuberkulose starben: 

in Köln betragen die absoluten Zahlen 
der an Lungentuberkulose Gestorbenen: 
933 
871 


1892 260,1 872 

1893 249,6 855 

1894 238,9 864 

1895 232,6 865 

1896 220,7 787 

1897 218,1 764 

1898 200,8 741 

1899 207,1 782 

1900 211,7 883 

1901 781 

1902 779 

1903 792 

1904 791 


An Typhus, der ebenfalls in allen Teilen unseres Landes 
vorkommt und in einzelnen Gegenden besonders schwer aus¬ 
zurotten ist, der gelegentlich auch explosionsartig grösseren 
Umfang annimmt, starben in Preussen in den Jahren 1890 bis 
1899 durchschnittlich jährlich 4971 Personen, demnach 15,9 
von 100000 Lebenden. 

In Köln starben an Typhus: 

1890: 25 1895: 27 1900: 37 

1891: 38 1896: 19 1901; 30 

1892: 34 1897: 29 1902: 22 


1893: 55 1898: 40 1903: 25 

1894: 21 1899: 31 1904: 20 


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1890 281,1 

1891 267,2 


344 


MBDICDTISCHB WOCHE. 


Nr. 33. 


wäre, — diese Expedition ist, ich will nicht sagen weggeworfenes 
Geld, aber ein Zeichen falscher Strategie, schlechter Expertiese 
und falscher Orientierung der „darüber befindenden“ Instanzen. 
Das Geld könnte zunächst weit nützlicher hier für die Syphilis¬ 
erkenntnis und Syphilishygiene Verwendung finden. „Wozu 
denn in die Feme schweifen?“ ... 

Um Syphilis zu erzeugen genügt jedes Kaninchen und Serum 
s^hilitischer Affen ist kein Syphilis-Heilmittel, sondern ein 
Öypbilisinfektionsmittel. — 

Das Gute wird die erneute Exkursion auf Reichskosten 
hoffentlich bringen, und dann wäre eine Milliarde dafür 
nicht schlecht angelegt, dass sie diesmal wenigstens mit greif¬ 
baren Resultaten für die Syphilisaetiologie und damit 
für die Sjphilisdiagnose heimkehrt. Dies ist der Wunsch, 
den ich ihr mit vielen anderen auf den Weg geben möchte, 
wenngleich auch dieserhalb ein Verlassen der Heimat nicht 
nötig wäre. Es könnte nämlich dazu kommen, dass meine 
Syphiliserreger, die jederzeit hier für Fachgenossen umsonst 
direkt und indirekt, von mir und von jedem Syphilitiker zu 
haben sind, von der Expedition zum Vergleich und zur Iden¬ 
tifizierung mit den dann dort hoffentlich endlich auch anderer¬ 
seits isolierten und kultivierten verlangt würden, sei es auch 
nur aus „übertriebenem Gerechtigkeitsgefühl“ und trotz der 
,,Untorsuchung8fehler“, auf denen ihre Entdeckung meinerseits 
beruht- 

Wie wäre es, wenn man sie lieber gleich mitnähme, oder 
noch besser hier damit einige Versuche und Nachprüfungen 
vornähme, ehe man sich weiter und weiter von ihnen an der 
Nase herum und zu endlosen Irrfahrten verführen lässt? — 

Würde eine nichtzu schwer ausführbare und dabei absolut zu¬ 
verlässige biochemische Syphilisreaktion gelingen, so wäre 
das für die Syphilisdiagnose zweifellos ein gewaltiger Fortschritt, 
denn die bakteriologische Syphilisdiagnoso ist kein Kinder¬ 
spiel, sondern ein schwer erlerntes Meisterstück. Bis dahin 
bleibt aber die Serodiagnose der Syphilis nur eine kulturelle, 
diese bakteriologische Blut- und Serumuntersuch¬ 
ung aber auch dann das Non plus ultra. 


Sitzungsberichte. 

AerzUicher Veref/n in Hamburg. 

Sitzung vom 19. Juoi 1900. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Meixner: „Mikrosko¬ 
pischer Glykogennachweis.“ Nach kurzer Besprechung der 


Demnach zusammen von 15 Jahren: 453 oder durchschnittlich 
jährlich 30 Personen. Die Sterblichkeit beträgt im Durchschnitt 
etwa 10% der Erkrankungen. Da aber der Typhus vielfach 
gerade die Menschen im besten, erwerbsfähigsten Alter viele 
Wochen aufs Krankenlager hinwirft, so ist die enorme-Schä- 
digu^ der Volksgesundbeit durch den Typhus einleuchtend. 

Eine fast noch grössere hygienische und volkswirtschaft¬ 
liche Bedeutung kommt der Bekämpfung des Kindbettfiebers 
zu In den Jahren 1889 bis 1897 starben in Preussen von 
100000 weiblichen Personen durchschnittlich je 29,2, von je 
100000 entbundenen aber 92,8 im Kindbett. Nicht alle diese 
Todesfälle, unter welcher die schwereren zu einer allgemeinen 
Blutvergiftung führenden Formen der Wundinfektion zu rechnen 
sind, sind zwar auf das eigentliche Kindbettfieber zurückzu¬ 
führen, aber doch bei weitem die meisten. Absolut gesprochen 
sind es zwischen 4— 5000 Mütter, die in Preussen jährlich 
dieser Wundinfektionskrankheit erliegen. 

In Köln starben an Kindbettfieber: 


1890: 

1891: 

1892: 

1893: 

1894: 

Demnach in den 


31 

29 

28 

27 

24 


1895: 

1896: 

1897: 

1898; 

1899: 


19 
18 
17 

20 
21 


1900: 25 
1901: 32 
1902: 
1903: 
1904: 


36 

33 

36 


15 Jahren zusammen 382 Personen und im 


Durchschnitt jährlich 25 Personen. 


physiologischen Bedeutung imd des Vorkommens des Glykogens 
gibt Vortr. die Methoden an, dasselbe nachzuweisen, und zwar 
a) die Ehrlichsche, die jedoch nur bei grösseren Mengen positiv 
ist, b) die Lubarsche, eine Modifikation der Weigertscheu 
Fibrinfärbung, die absolut unzuverlässig ist, und c) die Besselsche. 
Letztere hält er für die beste Methode und gibt ausführlich Aus¬ 
kunft über die Technik: die in Alkohol gehärteten Schnitte werden 
in Celloidin oder Paraffin eingebettet, mit Hftontoxylin vorgefUrbt, 
entwässert, 2 Stunden lang in alkalischer Garminlösung gefärbt 
und dann differenziert in einer Lösung von 2 Teilen absoluten 
Alkohols und 1 Teil Liqu. Ammon, caustia So entstehen pracht¬ 
volle Bilder, die Vortr. unter dem Mikroskop aufgestellt hat. Zur 
Kontrolle, dass alles Rotgefkrbte wirklich Glykogen ist, wurden 
die Schnitte mit filtriertem Speichel behandelt. Herr Fraenkel 
bestreitet die Behauptung, dass die Ehrlichsche Methode nur 
bei grösseren Mwgen von Glykogen anwendbar sei. Herr Unna 
schliesst sich den Ausführungen des Vorredners an und übt Kritik 
an den aufgestellten Präparaten; er hält es für undenkbar, dass 
die Leberzellenkeme stark gequollen sein können, und dass trotz¬ 
dem noch Glykogen vorhanden ist; nach seiner Ansicht ist das 
ein Kunstprodukt infolge des hohen Alkaleszenz der verwendeten 
Carminlösung. Um die Ehrlichsche Methode dauerhafter zu 
machen, hat er Stärke (bei Glykogen hat er damit noch keine Ver¬ 
suche angestellt) mit Gentianaviolett vorgefärbt und dann nach 
Ehrlich behandelt: so erhielt er schöne und dauerhafte Bilder. 
Herr Simmonds bezweifelt die Richtigkeit der Angabe des Vor¬ 
tragenden, dass man beim Experimentieren mit Glykogen die em¬ 
pfohlene Wasservermeidung ausser Acht lassen dürfe. Herr 
Fraenkel hält bei der Besselschen Färbung nur das für Gly¬ 
kogen, was einer Kontrolle mit Ehrlichs Methode Stand hält. 
Dieser Ansicht widerspricht Herr Simmonds; auch er hat anfangs 
geglaubt, dass manches mitgefärbt ist, was gar kein Glykogen ist, 
doch hält er die Kontrolle mit Speichel für völlig beweisend. Herr 
Meixner beantwortet im Schlusswort noch einige Fragen. 2. Herr 
Merk: Bei einem 36jährigen Manne, der an einer doppelseitigen, 
croupösen Pneumonie zu Grunde ging, zeigte sich an der Aussen- 
seite des linken Oberschenkels eine 25 cm lange und 15 cm breite, 
blaugrüne Verfärbung, die tympanitisohen Schall abgab und beim 
Einstechen übelriechendes Gas entweichen Hess. Die Musknlatur 
sah schmierig-rot aus und Hess deutlich Gasblasen erkennen. Es 
handelte sich um Gasphlegmone, und es werden die daraus ge¬ 
züchteten Kulturen des Bacill. phlegmon. emphysematos, herumge- 
zeigt. 3. Herr Simmonds: „Elephantiasis congenita molTis 
uni versalis.“ Totgeborenes Kind von 37 cm Länge, Mutter ge¬ 
sund. Hochgradiges Oedem der gesamten Körperhaut, mächtige 
zystische Geschwulst im Nacken. Mikroskopisch: Lympbangiek- 
tasieen der gesamten Unterbaut und der angrenzenden Muskulatnr, 
Lymphzysten im Nacken. Es handelt sich also nicht um eioen 
einfachen Hydrops, sondern um eine aus früher Foetalzeit stam¬ 
mende Missbildung des Lymphsystems. Ursache warscheinlich ein 
diffuser Entzündongsprozess mit Verlagerung der Lympfawege: 
kleinzellige Infiltrate noch vielfach nachweisbar. Derartige als 
Hydrops congenitus meist bezeichnete Fälle beim Menschen selten, 
beim Rindvieh öfter vorkommend und als Mondkälber bezeichnet: 
Aetiologie unbekannt. Herr Unna glaubt, dass es sich bei diesen 
lymphangiektatischen Bildungen ätiologisch nm Ge^ssthrombosen 
handelt, und fragt an, ob das Gefässsystem daraufhin untersucht 
sei. Nach einer kurzen Bemerkung des Herrn A. Franke an- 
wertet Herr Simmonds, dass zwar alle grösseren Venen genau 
nachgesehen seien, dass aber weder eine Thrombosierung, noch eine 
Pigmentanhäufung gefunden werden könnt«. Schönewald. 


Kongressbericht. 

23. Kongress für innere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München, 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

3. Sit zu ngs tag. 

Herr Max Rothmann-Berlin: Ueber die anatomische 
Grundlage der transkortikalen motorischen Aphasie. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


345 


Das von Lichtheim zuerst aufgestellte, von Wernickeals 
transkortikale motorische Aphasie bezeichnete Erankheitsbild ist 
dem klinischen Bilde nach sehr unsicher, anatomisch stark ange> 
zweifelt. Aufhebung der Spontansprache und der spontanen Schrift 
bei intaktem Nachsprechen, Kopieren, Diktatschreiben und Laut¬ 
lesen ist das von Lichtheim geforderde Bild, für das er einen 
Herd im Mark der 3. Stimwindung verantwortlich machte. Aber 
weder von Lichtheim selbst, noch von einer Reihe anderer 
Autoren, die über einschlägige Fälle berichtet haben, ist ein klinisch 
reiner Fall beobachtet worden. Anatomisch sind bald Läsionen 
der Binde der 3. Stimwindung selbst, bald diffuse Prozesse als 
G-rundlage dieser Aphasieform geschildert worden. Es wird daher 
die EMstenz einer selbständigen derartigen Aphasieform bald ganz 
geleugnet, bald durch eine funktionelle Störung des Broca’schen 
Zentrums zu erklären gesucht. Vortragender berichtet über einen 
klinisch reinen derartigen Fall, bei dem die Sprachstörung als 
BiOsiduum einer 6 Jahre vorher erlittenen Apoplexie bestand. Die 
Sektion des 82 jährigen, an Pneumonie gestorbnen Mannes ergab 
tatsächlich einen sklerotischen Herd im Mark am Fusse der 3. 
Stimwindung. Ist damit die transkortikale motorische Aphasie als 
ein klinisch und anatomisch fest umgrenztes Ejankheitsbüd zu be¬ 
trachten, so weist Vortr. weiter daraufhin, dass die „subkortikale“ 
motorische Aphasie auf Unterbrechung der Assoziationsfasem vom 
Broca’schen Zentnim Operknlum beruht. Der Fall beweist, dass 
die spontane Sprache direkt vom begrifflichen Denken („Begriflfs- 
zentrum“) im Broca’schen Zentrum angeregt wird, ohne den Um¬ 
weg über das Wortklangzentram. Vortr. demonstriert ein diesen 
Verhältnissen entsprechend abgeändertes Aphasieschema und schlägt 
vor, den Namen „transkortikal“ zu streichen und die bisherigen 
„transkortikalen Aphasien“ als Lichtheim’schemortorlsche Aphasie 
zu bezeichnen. (Fortsetzung folgt.) 

35» Kongress der Deutschen Gesettschait 
für CMrvrgie» 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Heidenhain-Worms: Funktioneller Erfolg nach 
Operation ausgedehnter Zungenkrebse vom Munde aus. 

Redner stellt zwei Männer vor, welchen er vor 7 und 6^/2 Jahren 
wegen ausgedehnten Garcinoms eines Seitenrandes die Zunge vom 
Munde aus entfernt hat. Der Mundboden war in beiden Fällen 
nicht ergriffen. Die Operation begann mit Ausräumung derLymph- 
drüsen am Halse — in der Mitte, wie auf beiden Seiten, seitUch 
hinunter bis zum" Schlüsselbein —, soweit Drüsen überhaupt auf¬ 
findbar waren, bei welcher Gelegenheit beiderseits die Art. lingualis 
unterbunden wurde. Er erinnert dabei au die schönen Untersuch¬ 
ungen von Küttner über die Verbreitung des Zungenkrebses und 
des Gesichtskrebes in den Lymphbahnen am Halse und bemerkt 
dazu, dass er auch beim Lippenkrebs grundsätzlich eine derartig 
ausgedehnte DrUsenausräumung mache. (Heilungsverhältnis von 
93% — 13 von 14 Fällen — bei einer Beobachtungsdauer von 
3 —8 Jahren bei Lippenkrebs.} Nach vollendeter Drüsenaus- 
räomung wurde die Zunge mit einer Hakenzange an der Spitze 
gefasst, stark hervorgezogen und mit der Cooper’schen Scheere 
unter Erhaltung der gesunden Mundbodenschleimhaut horizontal 
am Mundboden abgetrennt. Bei solchem Vorgehen lässt sich die 
Zunge mit Leichtigkeit soweit hervorziehen, dass die Papillae 
circumvallatae in die Ebene der Zähne kommen. Folgt die Zunge 
nicht genügend, so trennt man den einen oder beide vordere 
Gaumenbögen mit der Scheere. Die Zunge wurde unter Erhaltung 
der Zungenbasis in der Ebene der Papillae circumvallatae ampu¬ 
tiert. Die Kranken haben in wahrhaft wunderbarer Weise gelernt, 
den verbliebenen Zungengrund und die Reste der Mundboden¬ 
muskulatur zu bewegen und zu benützen. Sie strecken den Zungen¬ 
grund bis an die Zähne hervor. Bissenbildung und Schlucken sind 
nicht gestört. Beider Sprache ist klar verständlich. Selbst die 
Zungenlaute spricht der eine ganz rein, der ander fast rein. 

Die vorgesteliten Fälle sollen zeigen: 

1. Dass die Ausräumung aller auffindbaren Lymphdrüsen am 
Halse gute Aussicht auf Dauerheilung gibt. Da Zungenkrebse in 
Worms selten sind, hat H. seine Erfahrungen über den Lippen¬ 
krebs mit herangezogen;. 


2. dass man, um ein örtliches Becidiv zu vermeiden, die Zunge 
in ganzer Breite fortnehmen kann und soll, auch wenn es sich um 
eine halbseitige Erkrankung handelt. Die Punktion des Zungen¬ 
restes wird dennoch gut. (Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906, Nr. 26 . 

1 . Neisser, Baermann, Halberstädter, z. Z. Batavia: 
Experimentelle Versuche über Framboesia tropica an Affon. 

Bericht über die im März 1905 in Batavia begonnenen und 
bis Ende Dezember 1905 (zuletzt von Baermann und Halber¬ 
städter allein) fortgeführten Tierexperimeute; dieselben wurden 
nach 4 Richtungen hin gemacht: 

I. Uebertragung der Framboesie vom Menschen zrun Affen. 

II. Uebertragung vom Affen zum Affen, 
in. Impfungen mit Organen von framboesiekranken Affen. 
IV. Impfungen mit Framboesie und Lues auf dasselbe Tier. 

Die Ergebnisse waren folgende: Die Framboesie ist vom 
Menschen auf höhere wie auf niedere Affen übertragbar. Die 
Framboesie ist vom Affen zum Affen übertragbar. Es tritt wie 
die Drüsen- und Organimpfungen beweisen, eine Generation des 
Framboesiegiftes im Körper ein. Mit Lues behaftete Tiere sind 
für Framboesie empfUogUch. Lues und Framboesie müssen also 
ätiologisch differente Erkrankungen sein. 

2. Dönitz, Bonn: Wie vermeidet man Misserfolge bei der 
lumbalanaestheBie ? 

Ueber die Technik resümiert D. folgendes; Um die be¬ 
schränkte Zeit der Anaestbesio voll auszunutzen, wird vor der 
Funktion alles zum Desinfizieren des (!)perationsfeldes zurecht ge¬ 
stellt, das Kopfbrett flach gestellt, die Kopfrollen entfernt Der 
Kranke sitzt da mit stärkster kyphotischer Biegung der Brust- und 
Lendenwirbelsäole, jede seitliche (skoliotische) Verbiegung oder Ver¬ 
drehung (Torsion) wird ausgeglichen. Ahäthern, Anaesthesieren mit 
Aethylchlorid oder Schl eichscho Infiltration. Zwischen 1. und 2. 
Lendenwirbel oder einen Raum tiefer wird zunächst nur die Haut 
durchstochen; rutscht die Nadel auf dem Lig. interspinale ab, so 
wird die Durchstechung seitlich von der Wirbelsäule vorgenommen, 
und die Nadelspitze darauf nach der Mittelebene zu auf das gen. 
Ligament verschoben. Die Kanüle wird genau median leicht 
kopiwärts einige Zentimeter weit vorgeschoben, ohne zunächst in 
den Rückgratskanal einzudringen. Nach nochmaliger Kontrolle, 
ob die Nadel genau mediane Richtung hat, wird der Mandrin ent¬ 
fernt und die Nadel langsam verschoben, bis Liquor hervorquillt. 
Die Spritze mit dem Anaesthetikum (0,04 Stovam; für hoch¬ 
gehende Anaesthesien 0,05 Tropakokain, wegen der Gefahr der 
Atmuügslähmung) wird aufgesetzt und entleert. Darauf Plach- 
lagerungen für Operationen am Damm, oder sofortige Beckenhoch- 
lagerung, um so stärker, je höher die zum Operationsfeld gehörigen 
Segmente liegen. Desinfektion desselben. 1—2 Minuten nach 
Injektion werden die Reflexe geprüft; Knie- und Kremasterreflex 
für Operationen unterhalb des Leistenbandes; die drei Bauchreflexe 
für höhere Anaesthesien, für die Leistengegend soll der untere 
und mittlere, eventuell auch der obere Bauchreflex verschwunden 
sein. 2—3 Minuten nach der Injektion Prüfung auf Analgesie. 
Man prüft nicht, ob die Analgesie bereits komplett ist, sondern 
ob sie an der richtigen Stelle einsetzt, d. h. da, wo man operieren 
will. Man frage nie: Fühlen Sie noch, dass ich Sie kneife ? Zu 
dieser Zeit ist fast stets die Berübrungsempfindnng, wohl auch die 
Schmerzempfindung noch nicht erloschen, und mit dieser zweck¬ 
losen Frage verängstigt man unnötig die Kranken (Veit). Man 
stelle lediglich fest, ob das Kneifen am Bein usw. noch ebenso 
schmerzhaft empfunden wird, wie z. B. am Hals. Nach dem Er¬ 
gebnis der Prüfung der Reflexe und der Hypalgesie wird dann 
eventuell die Hochlagerung veretärkt oder verringert. Bei diesem 
Vorgehen ist die Anaesthesie stets in 5 Minuten komplett 

3. Deetz, Rostock: Erfkbnmgen anSSOLnmbalanaestbesien 
mit Stovain-Ä^enalin (BiUon). 

D. berichtet über zahlreiche Lumbalanaesthesien bei Opera¬ 
tionen der unteren Extremitäten (126 Fälle), an Bauch und Becken 


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346 


BfBDlCIKISGEüE WOCHB. 


Nr. 33. 


(228 Fälle) ucd bei Brustoperationen (9 Fälle). Auffallend gut 
buben 9 Thorazpatienten die Anaesthesie vertragen. 

4. Becker, Hildeskeün: Operationen mit Bückenmarks- 
anaesthesien. 

Im* städtischen Eirankenhause zu Hildesheim bat B. erst das 
französische Stovain von Billon, später regelmäßig das von der 
chemischen Fabrik von Hiedei in Berlin hergestellte Präparat 
benutzt. Es waren fertig sterilisierte Ampullen mit 2 ccm In* 
halt. Die von Bier empfohlene Rekordspritze wurde von der 
Firma Eschbaum in Bonn geliefert. 

Die Bjinspritzung hat B. folgendermaßen vorgenommen: Nach 
gründlicher Desinfektion des Rückens mit heissem Wasser und 
Alkohol zieht man nach Jacobys Vorschlag eine Verbindungs¬ 
linie von einem Darmbeinkamm zum andern. Dieselbe trifft bei 
etwas nach vom geneigtem Körper den Domfortsatz des 4. Lenden¬ 
wirbels oder den unter demselben gelegenen Raum. Von hier 
zählt man nach oben die Dornen ab und spritzt zwischen dem 2. 
und 3. Domfortsatz ein, nachdem die Haut vorher etwas seitlich 
verbogen und eventuell mit Aethylchlorid eingefroren ist. Nach 
der Einspritzung, bei der vorsichtig der Liquor ausgenutzt wird, 
muss der Kranke sofort in Beckenhochlagerung gebracht werden. 
Die Anästhesie trat einigemale fast momentan, meistens nach 2—3 
Minuten, in seltenen Fällen erst nach einer Vi Stande imd später 
wenige Male überhaupt nicht trotz einwandfreier Technik, im 
Durchschnitt nach 6—7 Minuten ein. Sie erstreckte sich selten 
nur bis zur Dammgegend, meist bis Nabelhöhe resp. bis zum 
Rippenbogen, selten bis zur Brustwarze, einmal bis zur zweiten 
Rippe und einmal sogar bis zum Jugulum. Die Stovainmenge 
schwankte zwischen 0,02 und 0,04, im Durchschnitt wurden 0,05 
verwandt. Teilt man die Art der Operationen in drei Gmppen, 
so wurden bei Operationen an den unteren Extremitäten im 
Durchschnitt 0,05, bei solchen am Damme durchschnittlich 0,04 
und bei Bauchoperationen durchschnittlich 0,06 Stovain verwandt. 

B. hatte bei 81 Operationen in der Bauchhöhle immerhin nur 
10 Versager, wenigstens oberhalb des Nabels; bei Operationen 
am unteren Rumpfende (0,04 Stovain) keinen Versager und bei 
Operationen an den unteren Gliedmaßen (0,05 Stovain) 2 Ver¬ 
sager. 

4. Assmann, Leipzig: üeber eine neue Methode der Bluts- 
und Oewebsf&rbong mit dem eosinsanren Methylenblau. 

Vorläufige Mitteilung über eine Färbungsmethode: 

A. Für Trockenpräparate. I. Einlegen des mit dem zu 
färbenden unfixierten Objekte beschickten Objektträgers in eine 
saubere Petrischale und Uebergiessen desselben mit 40 Tropfen 
der methylalkoholischen Farblösung derart, dass die letztere nicht 
über den Band des Objektträgers überläuft; dieselbe verbleibt 
dann zum Zwecke der Fixation drei Minuten auf dem Präparat. 
2. Uebergiessen mit 20 ccm destillierten Wassers, denen zuvor 
5 Tropfen einer 1 prom. Kalium-carbonicum-Lösung unter kräftigem 
Schütteln beigemischt wurden, und Umschütteln der Schale solange 
bis eine gleichmäßige klare, von Niederschlägen freie, hellviolette, 
überwiegend wässerige Farblösung entstanden ist; 5 Minuten 
langes Färben in der letzteren. 3. Herausnehmen und unmittel¬ 
bares Abtrocknen des Präparates ohne weitere Abspülung. 

B. Für Gewebsschnitte. 1, Wie bei A., nur kann hier, da 
die Fixierung entbehrlich ist, Teil 2 ohne Verzug ausgeschlossen 
werden. 2. Ebenfalls wie bei A, nur füge man statt der alka¬ 
lischen Kalium-carbonicum-Lösung 5 Tropfen einer I prom. Essig¬ 
säurelösung hinzu und fUrbe statt 5 Minuten 15 Minuten. 3. Her¬ 
ausnehmen, kurzes Abspülen in absolutem Alkohol, Abspülen in 
Xylol, Einbetten in neutralen Kanadabalsam. Der verwendete 
Alkohol muss durch einen ständigen Bodensatz von ausgeglühtem 
Kupfersulfat streng wasserfrei gehalten werden. 

5. Gaehtgens, Strassburg i. E.: Beitrag zur Agglutina- 
tionstechnik. 

Vorläufige Mitteilung über eine möglichst schnelle Ausführung 
der Agglutinationsreaktion, 

6. Magnus: Die Tätigkeit der Niere. 

Schluss folgt. 


7. Dreyfuss, Heidelberg: üeber Yerkennong von geiati|r®n 
Erkrankiuigen. 

Das Erkennen von geistigen Erkrankungen kann für das 
Individuum selbst von Bedeutung, und zwar von lebensrettender 
Bedeutung bei Selbstmordgedanken sein.- 

Auch im Interesse der Familie ist das Erkennen geistiger 
Störungen oft von Wichtigkeit, namentlich bei Paralytikern, wenn 
Urteilsschwäche vorliegt, die zu sinnlosen Handlungen veranlasst, 
bei Manischen, die der Betätigongsdrang in immer neue Unter¬ 
nehmungen treibt Die sozialen Schäden der Geisteskranken sind 
ebenfalls sehr grosse, z. B. bei Landstreichern auf Grund der 
dementia praecox. 

Fast die grösste Bedeutung gewinnt aber die Verkennung 
geistiger Erkrankungen in forensischer Beziehung. Hier sind be¬ 
sonders hervorzuheben die schleichende Form der Hebephrenie 
und die Zyklotymie. 

Bei den Geisteskrankheiten ist die Erkennung des Krankseins 
oft nnendlich schwer, und doch doppelt wichtig, da nicht nur das 
Individuum, sondern die Allgemeiidieit betroffen wird, wenn nicht 
rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden, um die Ausflüsse eines 
kranken Gehirns unschädlich zu machen. 

8. Grünwald, Reichenhall und München; Zur Entatehong 
und Verhütung chronischer Diphtherie. 

Gerade angesichts der neuen Bestrebungen, mit lokalen 
Mitteln allein der Diphtherie auf den Leib rücken zu wollen und 
damit das Diphtherieheilserum als überflüssig oder wenigstens als 
Geschmacksache hinstellen zu wollen, ist die Schilderung Gr. recht 
belehrend. So manche verschleppte und durch lokale Polyprag¬ 
masie verwilderte Diphtherie-Fälle zeigten deutlich genug die 
prekären Folgen, welche durch die Unterlassung der wirksamen 
Kausaltherapie (Serum) im Anfänge der Erkrankung entstanden 
waren, sie zeigten ferner, wie die Anwendung lokaler oder gar 
allgemeiner Mittel (Hg.) einen Reizzustand zu unterhalten oder 
die an und für sich sc^on geringe Heilungstendenz zn lähmen 
imstande ist. 

„Daraus ergibt sich ohne weiteres, was wir zur Verhütung, 
eventuell zur Behebung der Verschleppung tun können.“ 

9. Galewsky, Dresden: üeber Lippen- resp. Mnndwasser- 
Ekzeme. 

Ganz besonders scheinen die aromatischen Oele, wie es bereits 
Neisser hervorgehoben hat, diese Ekzeme hervorzumfen, und G. 
möchte insbesondere die Terpene, die in diesen ätherischen Oelen 
enthalten sind, dafür verantwortlich machen. Allerdings sind 
solche Ekzeme relativ sehr selten. 

10. Gonradi: üeber das Verhalten der im Blute der 
Typhnskranken nachweisbaren Typhusbazillen gegenüber der 
bakteriziden Wirkung des Blutes. 

Aus G. B Versuchen geht die antibakterizide Wirkung der 
Galle zur gleichen Menge, die auch Eppenstein und Körte 
nachgewiesen haben, unzweideutig hervor und diese Eigenschaft 
erklärt die auch von Kays er bestätigte Anwendbarkeit der Galle 
zur Züchtung der Typhusbazülen aus dem Blut. 

11. CarlRosenthal,Berlin: Zum 70. Geburtstag J. Bosen- 
thals-Erlangen. 

13. Jesionek, Giessen: Syphilis und ünfallTersicherong 
der praktischen Aerzte. 

Deutsche medicinische Wochenschrift. i906. Nr. 28 . 

1. Znckerkandl, Wien : üeber die Behandlung der Nieren- 
tuberkulöse. 

Die Indikationen für die Entfernung der tuberkulösen Niere 
sind nach den heute geltenden Hegeln dann gegeben, wenn der 
Prozess einseitig ist und wenn die Erkrankung der Niere tatsäch¬ 
lich der Ausdruck einer Lokalinfektion und nicht etwa die Teil- 
erscheinung ausgebreiteter Tuberkulose ist. Küster, Wagner, 
Kümmell sind der Ansicht, bei gesichteter Diagnose der Nieren¬ 
tuberkulose sobald als möglich zu operieren d. i. die kranke Niere 
zu extirpieren. Erst seit Z. prinzipiell bei der Nephrektomie 
wegen Tuberkulose den Harnleiter soweit als möglich extirpiert. 
verfügt er Uber primäre Heilungen, während vor dieser Zeit jahre¬ 
lange Fistelbildungen zur Regel gehörten. 


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1906 . 


MEDICINISCHE WOCHE. 


347 


2. Freund, Halle a. S. Weitere Erfahmogen mit der 
Bückenmarksnarkoee. 

In der Dosierung nimmt F. in der Veit sehen Klinik Bier- 
Dönitz gegenüber insofern eine etwas abweichende Stellung ein, 
als er nach langen Versuchen für alle grösseren gynäkologischen 
Eingriffe, besonders für Laparotomien und längerdauemdeOperationen 
zum Zustandekommen einer guten Änaesthesie bisweilen noch 8 cg 
zum mindestens 7 cg Stovain benötigt. Seit längerer Zeit stellt 
F. vor Beginn der Operation nicht mehr den Zeitpunkt des Ein¬ 
tritts und die Äusbreitungsweise der Analgesie fest, da ein grosser 
Teil der psychisch leicht erregbaren Frauenwelt durch die zu 
diesem Behufs vorgenommenen Stich- und Kneifproben auf Sensi¬ 
bilität, womöglich unter gleichzeitigem Befragen, mitunter erheb¬ 
lich zum Schaden der Narkose beimruhigt wird. Von Begleit¬ 
erscheinungen, die in gleichem Maße dem Stovain wie dem Novo¬ 
cain eigentünüich sind, sind als mehr nebensächlich zu erwähnen: 
Brechreiz oder leichtes Würgen, ganz leichte Kollapserscheinungen, 
Kopfschmerzen und leichte (nicht über 38,3) Temperatursteigerungen. 
Wenn sich bei vaginalen Eingriffen hier und da die Lähmungen des 
Äfterschliessmuskels mit der bisweilen reichlich erfolgenden Stuhl¬ 
entleerung bemerkbar macht, dann versuche mRn die Einführung 
eines Opiumsuppositoriums. 

3. Mühsam, Berlin: Ueber eine typische Verletzung der 
Chauffeure. 

Lucas ChampionniSre, Ohillini, Walther und von 
Deutschen Madelung berichteten über Fälle von Fraktur des 
unteren Radinsendes, welche Chauffeure sich beim Ankurbeln des 
Motors zugezogen hatten. Beim Andrehen des Motors fasst der 
Chauffeur, indem er sich gerade oder schräg vor die Kurbel stellt, 
diese mit der rechten Hand und dreht sie so lange kräftig an, bis 
die Maschine selbständig arbeitet. Tritt aber nun die Zündung 
im Motor zu früh ein, so wird die Kurbel zurückgeschlagen, ein 
Ereignis, das den Automobilisten wohl bekannt ist. Dieses sehr 
starke Zurückschlagen der Kurbel ist die Ursache der Verletzung, 
welche auch M. zweimal beobachtet hat. Beide Patienten waren 
20jährige, kräftige Männer, welche beim Andrehen ihrer Maschine 
infolge des Zurückschlagens der Kurbel einen heftigen Schmerz 
oberhalb des rechten Handgelenks verspürten und daher ärztliche 
Hilfe aufsuchten. Es handelte sich um eine Bissfraktur der 
unteren Radiusepiphyse. 

4. Kirchner, Döttingen: Welches ist der gefährliche 
Moment für die Entstehung eines Mittelfhssknochenbmches beim 
Gehen ? 

Mehr als nuin glauben möchte, ist auch der zweite und dritte 
Mittelfussknochen beträchtlichen Gewichten gewachsen. Um die 
Zeit des Druckminimums in der Periode des Aufstebens des Fusses 
mit der ganzen Sohle, um welche Zeit die Schwerlinie noch nicht 
in den Mittelfuss hinein oder höchstens in sein proximales Ende 
fällt, vermögen diese Knochen, wenn sie auf einer BodenerhöLung 
aufruhen, den Druck bei unbelastetem Körper jedenfalls, vermut¬ 
lich auch den bei Feldmarschmäßiger Ausrüstung zu ertragen, die 
Gefahr des Bruchs tritt erst ein beim Wiederansteigen des Drucks 
gegen Ende der Periode. 

5. Ehrmann, Wieden-Wien: Ueber Befunde von Spiro- 
chaete paliida in den Herren des Präputiums bei syphilitischer 
Initialsklerose. 

Das Bindegewebe um die Nervenscheide zeigt teils streifen¬ 
förmige, teils knotige Infiltration mit mononukleären Leukozyten, 
in den Inliltrationsherden sowie in den sie einschliessenden Binde- 
gewebsbündeln schön ausgebildete, reichliche Spirochaeten. Es 
ist schon jetzt anzunehmen, dass die Spirochaeten unter solchen 
Umständen in den Nerven ziemlich weit zentralwärts gelangen, 
und so wäre es nicht unmöglich, dass sie wie andere Krankheits¬ 
erreger (Lyssa, Tetanus) langsam längs der Nervenbahnen aszen- 
dieren und später zu den parasyphilitischen Nervenerkrankungen, 
namentlich der Tabes führen. Der Umstand, dass die Tabes in 
den allermeisten Fällen im Lendenmark beginnt, würde für diese 
Annahme um so mehr sprechen, als wir ja wissen, dass das Virus, 
in einzelnen Depots lokalisiert, sich jahrzehntelang latent hält. 

6 . Riebold, Dresden: Ueber Menstruationtfieber, meugtru- 


elle Sepsis, und andere während der Menstruation auftretende 
Krankheiten infektiöser, resp. toxischer Hatnr. 

Eine interessante Arbeit, welche die Frage zu beantworten 
sucht, ob man auch die Möglichkeit einer AUgemeininfektion des 
Organismus von den menstruierenden inneren Genitalien ans zu¬ 
geben kann. Schlnss folgt. 

7. Herzog, Heidelberg: Therapeutische Versuche mit Bio- 
ferrin bei Anämien im Kindesalter. 

Die Resnltate der Bioferrinmedikation in 19 Fällen waren 
sehr zufriedenstellend. Bei allen Patienten war eine günstige Be¬ 
einflussung der Blutbeschaffenheit nnverkennbar; auch wo der 
Hämoglobingehalt nur eine geringe Steigerung erfuhr, liess doch 
die Zählung der Elrythrozyten erkennen, dass der Besserung der 
subjektiven oder objektiven Beschwerden eine Besserung der Blut¬ 
beschaffenbeit zn Grunde lag. ln den meisten Fällen ist das An¬ 
wachsen des Eämoglobingehaltes als ein rasches und sehr erheb¬ 
liches zu bezeichnen. In allen Fällen, auch bei den Säuglingen 
wurde das Mittel gern genommen und von den Verdannngsorganen 
gut vertragen. 

8 . Ruhemann: Bemerkungen zu dem Aufsatz von A. Ko- 
warski in Nr. 25: Eine rereinfachte Methode zur quantitativen 
Bestimmung der Harssäure im Ham. 

Die Reaktion muss möglichst schnell und bis zur völligen 
Entfärbung des Schwefelkohlenstoffes geführt werden. 

9. Cohn, Berlin: Ueber den Wert plastiseh wirkender 
Böntgenbilder. 

Die plastische Höntgenphotographie ist ohne Zweifel berufen, 
die bildliche Wiedergabe von Röntgenogrammen ganz erheblich 
zu verbessern. Derselbe Nutzen erwächst dem klinischen Unter¬ 
richt; namentlich da, wo man sich bisher der Kästen, in denen 
die Platte von hinten durch Glühbirnen beleuchtet wurde, bediente, 
wird die plastische Röntgenphotographie, die bequem herumgegeben 
werden kann, für den Beschauer das beste Demonstrationsmittel 
sein. 

10. Justi, Steglitz bei Berlin: Erfindung aus dem Gebiete 
der Medioin und der öffentlichen Gesundheitspflege. 


Vermischtes. 

Zum Empfang der französischen Aerzte hat sich ans an¬ 
gesehenen Berliner Aerzten ein Komitee gebildet, das nachstehenden 
Aufruf erlässt: 

Kollegen! Am 16. d. M. treffen hier eine Anzahl französischer 
Aerzte ein, nm die medicinischen Einrichtungen von Gross- 
Berlin kennen zn lernen. Wir haben beschlossen, den frauzösischen 
Kollegen einen festlichen Empfang zn bereiten, eingedenk der 
herzlichen Gastfreundschaft, die den deutschen Aerzten jederzeit 
im Auslande geboten worden ist. Die Unterzeichneten haben sich 
für diesen Zweck zu einem Komitee vereinigt, und rechnen darauf, 
dass die Berliner Aerzteschaft sie in ihrem Streben mit allen 
Kräften unterstützen wird. 

E. von Bergmann, E. von Leyden, 

Ehrenvorsitzende. 

Bassenge, Dollhardt, R. Lennhoff, Körte, 
Kossmann, R. Kntner, Albert Moll, Albert Oliven, 
H. Settegast, Sonnenburg. 

Aschaffenburg. Laut Gesellscbaftsvertrag bezwecken die 
Vereinigten Elektrotechnischen Institute Frankfurt-Aschaffenburg 
m. b. H. die wissenschaftliche, technische und gewerbliche Be¬ 
arbeitung der technischen Physik, speziell der Radiologie (Böntgen- 
und Radiumforschung) und des gesamten physikalisch-medicinischen 
Grenzgebietes. 

Das Elektrotechnische Laboratorium Aschaffenburg hat, wie 
bekannt, jährlich den ganzen oder wenigstens einen Teil seiner 
Reingewinne zu wissenschaftlichen Arbeiten und zur Unterstützung 
solcher Arbeiten benutzt. Auch die V. E. 1. F. A. sollen einen- 
Teil ihrer Erträgnisse zu solchen gemeinnützigen Zwecken ver¬ 
wenden. 


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348 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 33. 


Diese Aufgabe der wissenschaftlicb-tecbniacheii Bearbeitung 
des piiysikalisch-medicinischen Grenzgebietes erfüllt das Institut 
durch Unterhalt eines wissenschaftlichen Laboratoriums, in dem 
grössere Versuchsreihen zur Durchführung gelangen, durch Ver* 
anstaltung von ärztlichen Unterrichtskursen in Berlin, Frankfurt 
a. M. und Äsohaffenburg (die bekannten Aschaffenburger Röntgen¬ 
kurse), durch eigene Publikationen und Unterstützung fremder 
Arbeiten, durch Gewähren von Arbeitsplätzen für wissenschaftliche 
und technische Arbeiten, durch Gutachten- und Sachverständigen- 
tätigkeit. 

Die Pabrikationsabteüungen stellen in den Werken zu Frank¬ 
furt a. M. und Aschaifenburg im engen Kontakt mit der wissen¬ 
schaftlich-technischen Abteilung alle Apparate und Gerätschaften 
zur physikalischen Medicin, insbesondere zur Elektromedicin zum 
Röntgenyerfahren und zur Radiumforschung her. Ausserdem haut 
das Frankfurter Werk elektrische Messinstrumente (Ampöremeter, 
Voltmeter, Wattmeter, Zahler, elektrische Präzisionsapparate) und 
gehört auf diesem Gebiete, das seit 18 Jahren von dem Frank¬ 
furter Hause (früher Emil Braunschweig) gepflegt wird, zu 
den ältesten deutschen Firmen. 

Auch hinsichtlich der Elektromedicin, die seit dem gleichen 
Zeitraum von 18 Jahren in Frankfurt und seit einigen Jahren in 
Aschaffenburg gepflegt wird, verfügen die vereinigten Institute 
über reiche Erfahrung, während im Röntgenverfahren die Erzeug¬ 
nisse des Elektrotechnischen Laboratoriums Aschaffenburg als gut 
bekannt sind. 

In enger Fühlung mit der Pariser Firma Lacoste & Go., 
einem der angesehendsten französischen Häuser für elektrischen 
Automobilbedarf, wird die Pflege dieses Gebietes, insbesondere 
die Fabrikation von Zündspulen in Anlehnung an den schon längst 
in Aschaffenburg gepflegten Funkeninduktorenbau und nach den 
Pariser Originalmodellen eine weitere Abteilung der Fabrikation 
der Vereinigten Institute sein. 

Zum Verkehr mit der norddeutschen Kundschaft unterhalten 
die Veifa-Werke in Berlin N. 24, Friedrichstrasse 131A ein mit 
reichlichem Lager ausgestattetes Ingenieurbureau, dessen Dienste 
auch zur Beratung in allen technischen Fragen zur Verfügung 
stehen und in dessen Räumen jährlich mehrmals Unterrichtskurse 
für Aerzte in der Elektromedicin, besonders aber im Röntgenver¬ 
fahren, stattflnden. 

In Paris 28, Boulevard de Strasbourg ist das mit den Ver¬ 
einigten Instituten verbundene Ha\is Lacoste & Co. der Repräsentant 
sämtlicher eben aufgefUhrter Arbeitszweige. Diese Firma unter¬ 
hält ihrerseits Zweighäuser in New-York, Mailand und London. 

In London übt die Firma Krupka & Jakoby E. C. 61 und 62 
Watling Street, Stores Queen Victoria Street die Vertretung der 
elektromedicinischen und radiologischen Erzeugnisse aus. 

In Hinblick auf diese unsere Bestrebungen und die geschilderte 
Organisation bieten wir Ihnen unsere Dienste an und versichern 
Sie, dass wir bemüht sein werden, ihr Vertrauen zu rechtfertigen. 

Bekanntmachung. Die zuständigen Ausschüsse des Reichs- 
Gesundheitsrates werden sich in Verbindung mit dem Kaiserlichen 
Gesundheitsamte demnächst mit den Vorarbeiten zu einer neuen 
Ausgabe des „Arzneibuches für das Deutsche Reich“ zu befassen 
haben. Hierzu ist erforderlich, zunächst das einschlägige Material 
zu sammeln. Um es möglichst vollständig zu erhalten, richte ich 
an die für die Angelegenheit sich interessierenden Herren Aerzte, 
Tierärzte und Apotheker ergebenst das Ersuchen, ihre Wünsche, 
die sich anf die Neu-Ausgabe des Arzneibucbe.s beziehen, bekannt 
zu geben, insbesondere sich über die auf Grund ihrer Erfahrungen 
empfehlenswerte Aufnahme neuer oder Streichung offizineller Arznei¬ 
mittel zu äussern. Die Einsendung bezüglicher Vorschläge nebst 
Begründung an den Unterzeichneten würde mit Dank erkannt 
werden. 

Berlin, den 15. Juli 1906. 

B n m m, 

Präsident des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, 
Vorsitzender des Reichs-Gesundheitsrates. 


Neu niedergelassen 

Detmold. Dr. med. Manfred Fuhrmann. — Konstanz. Dr. mcd. Alfr. 
Hiebcr. — Köln a. Ilh. Dr. mod. Heinrich Zenzes. — MUnebon. Dr. med. 
Wilh. Stritzl. — Oberndorf a. N. Dr. med. M. Mauser. 


Familien*Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Martha Braun mit Herrn Stabsarzt Dr. Horbach beide inBautzen. 

— Frl. Honriette Nordmann mit Horm prakt. Arzt P. Herrmann beide in 
Dortmund. — Frl. Monda Ublmann mit Herrn Dr. Fritz Schröpfer beide 
in Gomsdorf i. Brzgob. — Frl. Olga Siegele mit Herrn Dr. med. Ehrich 
Conrad beide in Hamburg. — Frl. Toni Volkmar in Charlottcnbui^ mit 
HeimDr.med.TbeodorQUbmelinLautereckonz.Z.Bonn. —Frl. Martha Sack 
in Leipzig-Connewitz mit Horm Dr. med. Otto Müller in Nanmbarg a. S. 

Vermählt: 

Herr Dr. med. P. Mohr mit Frl. Gertrud Weber in Bonn. — Herr 
Dr. med. Schumacher mit Frl Martha Teuber in Bonn a. Rh. — Herr Dr. 
med. Hermann Schröder mit Frl. Marie Grube in Düsseldorf. — Herr Dr. 
med. Albrecbt Heine mit Frl. Tbea Burckhardt in Osterwaldo (Kr. Hameln). 

— Hr. Dr. med. Hermann Koch mit Frl. Martha Bockmühl in Odenkireben. 

Geboren: 

Einen Sohn: Herrn Dr. med. Jakobs in Elberfeld. — Herrn Dr. 
med. E. Sebwarzkopf in Stuttgart 

Eine Tochter: Hr. Dr. med. Fritz Tooplitz in Breslau. — Herrn 
Dr. med. Frej'or in Bunzlau. — Herr Dr. mod. S. Salzburg in Dresden. 

— Herr Dr. med. H. Lange in Herford i. W. — Herr Dr. med. Babrmanu 
in Leipzig. — Herr Dr. med. G. Coonemann in Leipzig-Lindenan. 

Gestorben: 

Dr. med. Emst Leopold Theodor Damm in Freibere. — Prakt. Arzt 
Hegner in Buchboim b. Freiburg i. Br. — Dr. med. Johann Edmnnd 
Schilling in Rocblitz. — Dr. med. Emil Haumann in Wangern. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adreeee: Aerztilohee Aiskanfto-Buraau de» Geoohäftt-AassobMäM der 
Berliner irztllohen Staedeevereine !■ Medlololaehea Warenbaeae (Akt.- 
fiea.), Berlia N., Friedriidiatraaae 1081. 

Für persönliche Rücksprache ist Herr .Dr. JoMbla täelieh TOB Uhr im 

Mediciniichen Warenhsuse anwesend. (Mit Kotiger Erlaubnis des Getcnkfts-Aiisschusses 
der Berliner ärztlichen Standesvereine rom Auskunfts-Bureau der Med. Woche übermittelt.) 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter Nr. 1989 

In Thüringen wird für sofort ein Assistent gos. Näh. u. Nr. 2007. 
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. u. Nr. 2006. 
In der Mark wird für sofort ein Assistent ges- Näh. u. Nr. 2013. 
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gos. Näh. unter Nr. 2045. 
In Pommern wird f. sofort ein Vortrot. gesucht. Näh. u. Nr. 2054. 
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056. 
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060. 
Im Riesongeb, wird für sofort 2. Assist, od. Yolontärarzt ges. NSh. 
unter Nr. 2061. 

In der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063. 


In Bezug auf das in Nr. 21 gebrachte Referat über ein Gärungssaccha- 
romanoraeter nach Wagner aus der „Münchener modicinischen Wochenschrift“ 
worden uns bezüglich dos Lohnsteinschen Apparates von dem Fabrikanten 
desselben folgende Mitteilungen gemacht mit der Bitte, dieselben zu verOffont- 
lichon, was wir hiermit tun; 

1. „Es ist unrichtig, dass „das Quecksilber durch die schmierige Hefc- 
Üüsslgkeit Jedesmal verunreinigt wM“. Das ist schon deshalb ausge¬ 
schlossen, weil sich wässerige Flüssigkeiten mit Quecksilber nicht mischen, 
sondern sich nur auf dessen Obei'flächc absetzen können. Es kann sich also 
nur um eine Beschmutzung der Innenwand des Gärgefä.sse8 handeln, durch die 
eine folgende Zuckorbestimmung in kölner Weise beeinträchtigt wird- 

2. Es ist unrichtig, dass „infolge der besonderen Konstruktion des 
Apparates nach jedem Gebrauch desselben eine Roiaigung notwendig wird.“ 

Gerade das Gegontoil ist der Fall, wie aus der dem Apparat beiliegen¬ 
den Gebrauchsanweisung hervorgeht. Der Apparat braucht nach einer Be¬ 
stimmung nicht Jedesmd gereinigt zu werden, sondern es ist nur das ver¬ 
gorene, auf dem Quecksilber behndlicbe Harn-Hefegemiscb abzusangen, 
und der Uber dem Quc<'ksiIbor botindliche kleine Raum ein- bis zweimal 
mit Wasser nachzuspUlen. Eino Reinigung des Apparates im strengen 
Wortsinne ist Überhaupt nicht notwendig; sondern höchstens aus Gründen 
der Aosthetik nach häufigerem Gebrauch wünschenswert. 


Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meizsner, Berlin W. U, Kurfürstesstr. Sl. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Heynemann'acheB Buchdrttckerei, Gehr Wolff, Halle a. S 


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Medicinische Woche 


Dentschmann, A. DQhrasen, A. Hoffa, E. Jaeobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Hcrausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosln, H. Schlange» 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricbt, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 


Verlag und Expedition 


Redalction: 

Carl Marhold ln Halle a* S*« Uhlandstrasse 6. 


Berlin W. 62« Kurffirsfenstrasse $!• 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag HaJlesaale. Femaprecher 823. 


Dr. P Meißner. 


Vn. Jahrgang. 


20. August 1906. 


Nr. 34. 


Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOgiSChe Centralzeitung» Organ des Altgemeinen Deutschen 
BSderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


lieber die Technik der medullären Narkose 
fftr den praktischen Arzt. 

Von Prof. Dr. H. Graff-Bonn. 



Sieben JaJire sind verflossen, seitdem Bier uns durch In¬ 
jektion von Narkoticis in den Lumbalsack einen neuen Weg 
zeigte, schmerzlos an der unteren Köi-perhälfte zu operieren. 
Diese neue Form der Anaesthesie ist jetzt von dem Erfinder 
und seinen Schülern und zahlreichen andern Forschern so weit 
ausgebaut, und ihrer anfänglichen Mängel beraubt, dass auch 
der Praktiker sie ruliigen Herzens anweuden kann. Als absolut 

g efahrlos kann sie natürlich auch nicht hingostellt werden. 

'enn jedes Narkoticum ist ein Gift, das individuell verschieden 
auf den Organismus wirkt und so darf man sich nicht wundem, 
wenn auch mal bei der medullären Narkose ein Unglücksfall 
vorkommt, ohne dass ein offenbarer Fehler Schuld an dem 
Ausgang ist. Das Ideal einer vollkommen gefahrlosen Narkose 
wird wohl kaum je erreicht werden. Bei den vielen Tausenden 
Bückenmarksanaesthesien, die bis jetzt ausgeführt sind, hat sich 
aber doch eine relativ so grosse Ungef^rlichkeit herausge¬ 
stellt, dass sie schon aus diesem Grunde den Vorzug vor der 
allgemeinen Narkose verdient Ich habe selbst so viele Rücken- 
marksanaesthesien gesehen und gemacht, dass ich sie aus 
innerster Ueberzeugung nur warm empfehlen kann und daher 
auch gerne dem Wunsche der Redaktion dieser Zeitschrift nach- 
komme, in kurzen Worten dem Praktiker eine Anleitung zur 
Ausführung der Lumbalinjektion zu geben. Ich beschränke 
mich daher auf die Technik der Ausführung. Wer sich für 
die wissenschaftlich hoch interessante Seite interessiert, findet 
in den wissenschaftlichen Publikationen Biers und seines 
Schülers Dönitz (Münchener med. Wochenschrift 1903/04/06 
Chirurgenkongress 1905, alles Wissenswerte. Als Anaes- 
theticum dient am besten Cocain oder Tropacocain in Ver- 
bindui^ mit den Nebennierenpräparaten (Adrenalin, Supra- 
renin Paranephrin) die die Intoxikationsgefahr verringern und 
die Dauer der Anaesthesie verlängern oder das neuerdings von 
dem französischen Chemiker Fourneau hergestellte Stovain. 
Da dieses nicht nur wesentlich gefahrloser, sondern auch sicherer 
und für die Praxis am bequemsten ist, empfehle ich dieses am 
meisten, rate aber dringend nur Originalpräparate zu ver¬ 
wenden, da ich mit anderen Präparaten schlechte Erfahrungen 
gemacht habe. Man bekommt das Stovain in gebrauchsfähigem, 
d. h. sterilisiertem Zustande in kleinen zugeschmolzenen Glas¬ 
kolben, die 0,08 Stovain enthalten, mit Zusatz von Kochsalz 
und Nebennierenextrakt in 2 ccm Flüssigkeit. 

0,04 Stovain genügt in den meisten Fällen, doch kann 
man wenn die Operation voraussichtlich lange dauert bis 0,06 


injizieren, höhere Dosen sind in der Praxis nicht empfehlens¬ 
wert. Schwerere Intoxikation sind bei den gewöhnlichen Dosen 
kaum beobachtet, vorübergehende Kollapserscheinungen (Blässe 
des Gesichts, kleiner frequenter Puls, oberflächliche Atmung, 
Erbrechen) kommen zuweilen vor, nehmen aber keinen be¬ 
drohlichen Charakter an. Zur Verhütung derselben ist es 
zweckmäßig, wenn die Patienten vorher etwas gegessen haben 
oder ein Analepticum in Gestalt von schwarzem starken Kaffee oder 
schwerem Wein zu sich genommen haben. Reichliche Mahl¬ 
zeiten sind zu vermeiden, weil sonst leicht Erbrechen auf- 
tritt. Als Instrumentarium dient das von der hiesigen Firma 
F. A. Eschbaum nach den Angaben Biers zusammengestellte 
Besteck. Die darin befindliche Spritze enthält 2 cbcm. Eine 
halbe Spritze gibt also die gewöhrdiche Dosis von 0,04 Stovain. 

Dass peinlichste Asepsis bei der Lijektion notwendig ist, 
braucht wohl kaum besonders betont zu werden, weil jeder 
Fehler in dieser Richtung eine tötliche Meningitis zur Folge 
haben kann. Die Instrumente werden in Sodalösung oder besser 
noch in Wasser ausgekocht, weil zurückbleibende Sodalösung 
leicht Niederschläge macht und auch für die Nachwirkung 
nicht ganz gleichgültig zu sein scheint. Hat man die Spritze 
in Sodalösung mit den übrigen Instrumenten ausgekocht, muss 
man sie besser mit Kochsalzlösung ausspritzen oder in Notfall 
mindestens durch häufiges Hin- und Herziehen des Kolbens 
trocken spritzen. Die Einstichgegend wird in grösserem Um¬ 
fange genau wie zu einer Operation in der üblichen Weise des¬ 
infiziert. Es ist praktisch, sich vor der Injektion die Einstich¬ 
stelle zu markieren, (am besten tagsvorher durch einen Höllen¬ 
stein- oder Jodtinkturstrich) damit man nicht beim Abzählen 
der Domhortsätze versehentlich auf nicht desinfiziertes Terrain 
kommt. Die Verbindungslinie zwischen beiden Darmbeinkämmen 
trifft den Domfortsatz des 4. Lendenwirbels. Gewöhnlich 
macht man die Injektion zwischen 2. und 3., doch kann man 
ebenso zwischen 1. und 2. injizieren, wenn das Operationsfeld 
hoch liegt. Höher heraufzugeben ist unstatthaft, weil sonst 
das Rückenmark selbst verletzt werden könnte. Für ein leichtes 
Hineingelangen in den Duralsack ist es von grösster Wichtig¬ 
keit, dass der Patient die Wirbelsäule stark krümmt, also einen 
sogenannten Katzenbuckel macht, damit die Dorafortsätze 
klaffen. Es ist interessant, wie schwer im allgemeinen die 
Patienten in der Seitenlage diese einfache Forderung begreifen 
und.zumeist, statt den Rücken zu krümmen, das Gesäss weit 
vorstrecken. Ob man in horizontaler Lage oder in sitzender 
Stellung die Injektion macht, ist Geschmacksache. Dem An¬ 
fänger empfehle ich letzteres als das bequemere und leichtere. 
Durch Vornüberziehen des Kopfes kann man auch leichter dem 
Rücken die gewünschte Krümmung geben. Man sticht nun 
die Kanüle mit Mandrin genau m der Mittellinie zwischen 
den beiden Dornfortsätzen ein. Die geringe Schmerzhaftig¬ 
keit beim Durchstechen der Haut kann man durch eine Schleich- 
sche Quaddel oder durch Besprengen mit Aethylchlorid auf ein 
Minimum reduzieren. Meist richtet sich der Patient beim Ein- 


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350 


MBDICmiSCHB WOCHE. 


Hr. U. 


stich auf nnd schafft damit wieder ungünstigere Verhältnisse 
für das schnelle Hineingelangen in den Lumbalsack. Man wartet 
daher zweckmäßig mit dem weiteren Vordringen einen Moment 
bis er wieder die günstigere Lage eingenommen hat, weil das 
weitere auch vollkommen schmerzlos ist Die Richtung ist 
schräg nach oben. Je nach der Korpulenz des Individuums 
muss man die Nadel 4—7 cm tief hineinstechen. Kommt man 
mit der Spitze auf Knochen, muss man durch vorsichtiges Son- 
dieren, Zurückzieben und Aendem der Richtung versuchen, am 
Knochen vorbeizukommen. Nur keine Gewalt anwenden, weil 
sonst die Spitze umgebogen wird. Mit Geduld gelingt es stets 
das Hindernis zu vermeiden, weiter in die Tiefe vorzudringen, 
und schliesslich mit einem gewissen Ruck in den Lumbalsack 
hineinzukommen. Man hat es direkt im Gefühl, ob man darin 
ist oder nicht Der Anfänger kann zuweilen Schwierigkeiten 
haben, doch sind es keine unüberwindlichen, im allgemeinen 
ist es leicht Glaubt man im Duralsack zu sein, zieht man 
das Mandrin heraus und sieht ob Liquorflüssigkeit abfliesst. 
Ist es nicht der Fall, zieht man die Nadel etwas zurück oder 
schiebt sie noch weiter vor, steckt eventuell auch das Mandrin 
noch einmal hinein, um eventuell Gewebsteile, die den Liquor¬ 
abfluss verhindern, beiseite zu schieben. Sehr häufig entleert 
sich der Liquor im Strahl, meist mehr oder minder schnell- 
tropfend, blutige Tinktion am Anfang ist nicht selten; unter 
Umständen entleert sich auch reines Blut, wenn der starke 
plexus venosus angestochen ist. Dies ist weniger angenehm, 
weil dadurch unliebsame Spinalhaematome entstehen hönnen. 
In diesem Falle zieht man me Nadel schnell zurück und sticht 
in anderer Richtung vor. Bevor nicht deutlich reiner Liquor 
abfliesst darf nicht mjiziert werden, weil sonst die Anaesthesie 
unsicher ist. 

Beweiset deutlicher Liqnorabfluss, dass die Nadel im Dural- 
raum ist, setzt man die vorher schon gefüllte Spritze mit der 
Stovainlösung auf, injiziert langsam 1 bis 1*/« ccm der Flüssig¬ 
keit, saugt langsam noch 1—2 mal Liquor an, damit die Mischung 
eine vol&ommene ist und kein Rest zurückbleibt, und entfernt 
dann durch schnellen Zug die Kanüle: die kleine Einstich- 
Öffnung wird mit Gaze und Pflaster und mit Kollodium bedeckt. 
Das Aufziehen der Stovainlösung aus dem Kolben geschieht, nach¬ 
dem die ausgezogene Spitze des Glaskolben abgebrochen ist, mit 
aufgesetzter Kanüle, weil die Spitze der Spritze zu kurz ist. Nach 
Beendigung der Injektion muss der ^anke die horizontale 
Rückemage einnehmen und darf nicht auf einer Seite liegen, 
weil sonst eine ungleichmäßige Verteilung des Anaestheticums 
eintritt. Soll die Anaesthesie hocli heraufreichen .(Hernien, 
Perityphlitis, Nabelgegend etc.) muss Beckenhochlagemng mit 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfong 
libertragbarer Krankheiten 


Tiefl^erung des Kopfes eingeleitet werden, damit die Lösung 
mögli^st weit hinauffliesst. Man prüft mit einer Klemme die 
Zeit und die Art des ersten Eintritts der Anaesthesie. Bei 
Stovain ist es meist bereits nach 3 Minuten und nur selten 
braucht man 14 Minuten zu warten. Eintretende Kollapser¬ 
scheinungen gehen meist ohne besondere Therapie vorüber, 
und nur sehr selten dürfen Kampferinjektionen oder künstliche 
Atmung bei Atemstillstand notwendig werden. Misserfolge d. h. 
Ausbleioen der Anaesthesie kommen immer noch vor, sind aber 
doch selten, wenn kein technischer Fehler die Ursache ist, 
ebenso sind unangenehme Nachwirkungen nicht auszuschliessen. 
Ausser Erbrechen, Rückenschmerzen namentlich Kopfschmerzen, 
die sehr lästig sindundzuweilen die sonstigen Vorteile derRücken- 
marksanaesthesie illusorisch machen. Die Kopfschmerzen treten 
ewöhnlich schon am nächsten Tage auf, zuweilen erst am 4. 
is 6., sind dann aber oft hartnäckig und durch Mittel schwer 
zu beeinflussen. Antipyretica (Phenacitin, Pvramidin etc.) tun 
zuweilen gute Dienste, ebenso auch Drastica (mcinusöl). Einige 
Tage Bettruhe ist nach jeder Injektion unbedingt notwendig. 
Im Allgemeinen kann man sagen, dass je älter d^ Individuum 
ist, um so geringer die Nachwirkungen. Für die Praxis ist es 
ratsam, Kinder und junge Leute möglichst von der Rücken- 
marksanaesthesie auszuschliessen, ebenso sehr ängstliche Indi¬ 
viduen. Am sichersten ist die Anaesthesie auch bei kleinen 
Dosen am Damm, darum sind Mastdarmoperationen, Prosta¬ 
tektomien etc., kleine gynäkolog^che Operationen, auch die Do¬ 
maine für die Lumbafanaesthesie. Bei Knochenoperationen an 
den Extremitäten wirken die Geräusche, die das Meissein und 
Sägen macht, unangenehm auf die Patienten. Inwieweit die 
Rückenmarksanaesthesie bei Entbindungen die Narkose ersetzen 
wird, lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Ver¬ 
suche darüber sind noch nicht abgeschlossen. 

Der Praktiker möge in der Auswahl der ersten Fälle vor¬ 
sichtig sein und nur besonders geeignete auswählen jedenfalls 
aber Rückenmarksanaesthesie nur anwenden, wenn kein Hinder¬ 
nis für die absolute Asepsis bei der Ausführung der Injektion 
vorhanden ist. 


Sitzungsberichte. 

AerxtHcher Verein in Hambwrg» 

Sitzung vom 26. Jnui 1906. 

Vorsitzender: Herr Deneke. 

1. Demonstrationen: 1. Herr Wiesinger demonstriert 
mittelst Epidiaskops verschiedene zu diagnostischen Zwecken mit 


Erkrankungen: 

Todesfälle: 

1898: 1315 

171 

1899: 949 

110 

1900: 626 

46 

1901: 734 ' 

101 

1902: 908 

119 

1903: 865 

108 

1904: 1057 

114 


vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Fortsetzaog.) 

Von Diphtherie und Scharlach sei nur kurz erwähnt, 
dass erstere in den Jahren 1895—1899 durchschnittlich jähr¬ 
lich 21957 Personen als Opfer verlangte (etwa 48,1 auf je 
100000 Lebende); * 

In Köln kamen von Diphtherie vor: 


Erkrankungen: 

Todesfälle 

1890: — 

176 

1891: — 

255 

1892: — 

3B8 

1893: — 

517 

1894: — 

420 

1895: — 

173 

1896: 1077 

155 

1897: 1151 

150 


Demnach in 15 Jahren 2959 Todesfälle an Diphtherie, oder 
durchschnittlich jährlich 197. Die Zahlen ergeben die auch 
anderwärts beobachtete Abnahme der Häufigkeit der Erkrank¬ 
ung, eine geringe Abnahme auch in der Mortalität- 

Scharlach, dessen Charakter in Bezug auf Bösartigkeit be¬ 
kannt ganz erheblichen Schwankungen (10—30% Sterblichkrit) 
unterliegt, forderte in den Jahren 1890 bis 1899 durchschnitt¬ 
lich jährlich 7586 Personen zum Opfer (entspricht 24,1 von je 
100000 Lebenden.) 

In Köln kamen an Scharlach vor: 


Erkrankungen: 
1890: — 
1891: ~ 
1892: — 
1893: — 
1894: — 
1895: — 


Todesfälle: 

26 

30 

19 

17 

68 

23 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


351 


Wismuthbrei gefüllte Magen. 2. Herr Voigt gibt einen 
Ueberblick über die Ergebnisse der im Jahre 1905 im Ham- 
burgischen Staate ausgefübrten Impfungen. Die aus England 
stammende neue Chloroformlymphe wurde versucht: sie war tat¬ 
sächlich so gut wie keimfrei, doch waren die Resultate damit bei 
Weitem nicht so gut. wie mit der gewöhnlichen Lymphe, nament¬ 
lich nicht bei der Revaccination. Vortr, empfiehlt dann noch die 
Hasenlymphe, besonders für die Tropen, die ebenso kräftig wirke 
wie unsere Kalbslymphe. 3. Herr Albers-Schönbe rg zeigt die 
Rüntgenbilder der beiden Hände des vor 14 Tagen von Herrn 
Arning vorgestellten FaUes von Raynaudschem Gangrän: 
die Knochen sind teilweise transparent, die Enden der Phalangen 
teilweise aufgefasert, auf der Corticalia befinden sich Auflagerungen. 
4. Herr Preisen 25 jähriger Kommis ist bis auf angeblich Typhus 
und Diphtheritis mit 7 Jahren bisher stets gesund gewesen; Lues 
und Gonorrhoe werden geleugnet, hat 2 Jahre als Soldat gedient. 
Vor zwei Jahren Rötung der Hände und der Füsse. Mai 1905 
Platt fussbeschwerden beiderseits. Der Zustand besserte sich lang¬ 
sam; während der Massagebehandlung wurde eine Schwellung der 
Grund- und Mittelphalangen des 2.—4. rechten Fingers entdeckt, 
die sehr stark war ; Endphalangen normal. Der Hauptsitz schienen 
die proximalen Interphalangealgelenke zu sein. Faustschluss un¬ 
möglich. Schmerzen nicht vorhanden, der Pat. hatte bisher noch 
nichts davon bemerkt. Das Böntgenbild erg;ib auser einer Arthritis in 
den Interphalangealgelenken erhebliche periostitische Osteophyf^n- 
bildung längs der Grundphalangen des 2.— 4. Fingers. Anfangs 
November 1905 schwoll plötzlich das rechte Handgelenk stark an 
und wurde ankylotisch. Zugleich verschlimmerten sich die Füsse, 
das linke Kniegelenk schwoll an und machte den Eindruck eines 
sehr grossen Tumor albus; im linken Schultergelenk erschien eine 
schwere Arthritis. Die Röntgenaufnahmen beider Füsse zeigten 
mehrere ostitische Hyperplasieen an einigen Zehen, zugleich mit 
zahlreichen Osteophyten und ossifizierenden Periostitiden an Pha¬ 
langen und Metatarsalknochen. Die knöchernen Gelenkteile am 
Knie und an der Schulter ergaben keine Veränderung. Hier be¬ 
stand also Zunächst nur Synovitis und Schwellung der umgebenden 
Weichteile. Zugleich kam es zu genau derselben Weichteilschwellung 
und Gelenkentzündung am 2.—4. Finger der h'nken Hand mit 
Freibleiben der Endplfalangen, nur ohne Osteophytenbildung. — 
Der Prozess begann also an Phalangen, Metacarpen und Metatarsen 
mit ossifizierenden Periostitiden, an den Gelenken mit Synovitis. 
Fieber, sowie Schmerzen, waren nie vorhanden, und alle ^sebein- 
ungen wurden vom untersuchenden Arzt, und nicht vom Pat. ent¬ 
deckt. Die Dififerentialdiagnose war sehr schwierig. Von Anfang 
an musste man wegen der Schmerzlosigkeit und der Osteophyten¬ 
bildung die am meisten dem Bilde ähnelnde Polyarthritis rheumatica 


Erkrankungen: 

Todesfälle 

1896: 297 

25 

1897: 174 

8 

1898: 144 

8 

1899: 301 

18 

1900: 602 

34 

1901: 1250 

64 

1902: 1495 

129 

1903: 1157 

64 

1904: 893 i 

65 


Demnach zusammen in 15 Jahren 500 Todesfälle oder jährlich 
durchschnittlich 33. Im Gegensatz zu der Diphtherie lallt bei 
Scharlach eine ganz erhebliche Zunahme an Erkrankungen auf. 
Die Mortalität schwankte zwischen 4 und 8%. Nach dem 
Urteil unserer meisten Aerzte hat der Scharlach an ßösa.rtigkeit 
abgenommen. 

Dass auch die übrigen vom Gesetz genannten Krankheiten: 
Genickstarre, Körnerkrankheit, Rückfallfieber, 
Ruhr, Milzbrand, Rotz, Tollwut, Fleischvergiftung, 
Trichinose und Syphilis die Gesundheit des Volkes er¬ 
heblich schädigen, das brauche ich in diesem Kreise nicht 
näher auseinander zu setzen. Die Notwendigkeit, das die be¬ 
rufenen Behörden gegen die Infektionskrankheiten einen plan¬ 
mäßigen, energischen Kampf aufnehmen, wird von jedem Ein¬ 
sichtigen zugegeben. Damm finden wir auch in allen zivili- 


ankylopoetica und die Arthritis deformans ausschalten. Auch an 
Marie’sche Osteoarthropathie bypertrophiante wurde gedacht: es 
fehlten aber Lungen- oder eitrige Prozes.se, auch waren die End¬ 
phalangen normal, Tromraelschlägelfinger nicht vorhanden; für 
Lepra konnte kein Anhaltspunkt gefunden werden. Das gleich¬ 
mäßige Auftreten der Prozesse an Händen und Füssen legte den 
Verdacht auf spinale Einflüsse nahe: die Untersuchung des Nerven¬ 
systems ergab aber nichts Pathologisches, besonders konnte Syrin¬ 
gomyelie ausgeschlossen werden. Obwohl in allen Röntgenbilderu 
primäre Knoebenatrophie nachweisbar war, die bei Lues bisher 
nicht beobachtet wurde, und eine derartige direkte Ueberschwemmung 
des Körpers mit Gelenk- und Knochenaffektionen bisher nicht be¬ 
schrieben ist, wurde doch 2 Monate Jodkali gegeben. Die Schwel¬ 
lungen nahmen ab, die O.steophyteo sind fast verschwunden, die 
ankylotischen Gelenke werden beweglich, sodasa man trotz der 
primären Atrophie der Knochen und der MultipUzität des Prozesses 
eine Lues hereditaria tarda annehmen muss. Der Fall soll 
jetzt mit einer Schmierkur behandelt und dann ausführlich in den 
„Fortschritten auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen“ veröffentlicht 
werden. 

n. Herr Deneke widmet dem am 22. 6. 1906 vei*8torbenen 
zoologischen Assistenten des Instituts für Sebifis- und Tropenhy¬ 
giene in Hamburg, Herrn Regierungsrat Dr. Fritz Schaudinn, 
unter Hervorhebung seiner grossen Verdienste um die Medicin 
warmempfundene Worte des Nachrufs. 

III. Diskussion über den Vortrag des Herrn Deutsch¬ 
länder: „Ueber die Fürsorge für jugendliche Krüppel.“ 
Herr Jaffe definiert das Wort „Krüppel“ und bespricht die Or¬ 
ganisation der sog. Krüppelheime; die bestehenden sind teils nur 
Schulen, teils nur Genesungsheime, es fehlt jedoch, dass sie gleich¬ 
zeitig eine orthopädische Klinik sind. Nach seiner Ansicht müsste 
hier in Hamburg zunächst die Anregung und Gründung einer 
solchen Musteranstalt von privater Seite in Angriff genommen 
werden: später würde sie wohl dann der Staat übernehmen. Herr 
Kellner stellt einen jetzt 20jährigen Krüppel vor, der u\ir mit 
einem Bein und 2 Stümpfen statt der Hände geboren ist; an dem 
linken Stumpf ist ein Daumen. Dieser junge Mann kam vor 11 
Jahren m die Alsterdorfer Anstalten und ist seit einigen Jahren 
jetzt im Bureau derselben als Schreiber beschäftigt und verdient 
den voller Lohn der anderen Bureauangestellten. Seine Hand¬ 
schrift, die herumgezeigt wird, ist absolut nicht von einer gut aus¬ 
geschriebenen Schrift eines gesunden Mannes zu unterscheiden; 
ausserdem stenographiert der Krüppel 120 Silben in der Minute 
und hat sein Telegraphistenexameii gemacht. Irgend welcher Hilfe 
beim Essen, Aus- oder Ankleiden bedarf er nicht. Herr Marr 
hat Erhebungen in hiesigen Schulen über die Krüppel angestellt 


sierten Ländern schon seit vielen Jahrzehnten entsprechende 
Gesetze, die unter Zugrundelegung der neuesten Errungen¬ 
schaften der Wissenschaft den Seuchen zu Leibe gehen. Wir 
in Preussen waren auf diesem Gebiete entschieden im Rück¬ 
stand; denn unsere einzigen gesetzlichen Handhaben mussten 
dem alten Regulativ vom k 8. 1835 entnommen werden. Dieses 
Regulativ, dessen Studium für den Arzt ausserordentliches Inter¬ 
esse bietet, war ohne Frage für seine Zeit ein Meisterstück. 
Vorher hatte in Preussen eine umfassendere Gesetzgebung auf 
dem Gebiete der Seuchenbekämpfung nicht bestanden. Es kam 
nur gelegentlich einzelner schwerer Epidemien von Pest und 
Pocken zu besondern Edikten, die auf Vorschlag des im Jahre 
1725 eingesetzten Kollegium sanitatis erlassen wurden. Auch 
<ias umfassende Regulativ von 1835 war die Frucht einer 
grossen Cholera • Epidemie, die in den Jahren 1831 und 1832 
den Osten Preussens verwüstet hatte. 

Die Vorschriften, welche das Regulativ für die damals 
bekannten ansteckenden Krankheiten erliess, waren für die da¬ 
malige Zeit mustergültig. In der Desinfektionsanweisung heisst 
es, dass man unter Desinfektion die Anwendung von Mitteln 
versteht, wodurch Ansteckungsstoffe (Contagien) fortgeschafft, 
zerstört oder so verändert werden, dass sie nicht mehr schäd¬ 
lich sind. Eine bessere Definition würden wir auch heute kaum 
bieten können, nur dass wir statt des unbestimmten Begriffes 
„Contagien“ heute für die meisten Infektionskrankheiten den 
nunmehr bekannten Erreger einzusetzen haben. Weiter heisst 


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352 


MEDfCmiSCHE WOCHE. 


Nr. 34. 


und findet die Fürsorge bei uns für ausreichend. Die Oberschul- 
behörde habe einen Fonds von M. 2800 p. a., um Krüppel zu 
Hause unterrichten zu lassen; in den letzten Jahren jedoch seien 
nur 2 derartige Gesuche eingegangen. Feisier erwähnt er dio 
Anstalt „Alteneichen“, die 5 Kinder auf Kosten der Allgemeinen 
Armenanstalt verpflege; endlich nähme auch die sog. „Arbeiter¬ 
kolonie* männliche Krüppel auf. Die Krüppelfürsorge gehöre bei 
uns zu den Aufgaben der Armenärzte, genau wie die „fortgesetzte 
Kinderfürsorge“ und die „Lungenfüraorge.“ Eine Lücke sei nirgends 
vorhanden, deshalb warne er vor der Gründung eines Krüppei- 
beimes. Herr Deutschländer macht im Schlusswort darauf auf¬ 
merksam, dass „ Alteneichendas nur einmalig mit M. 5000 sub¬ 
ventioniert sei, zu Preussen gehöre. Bei der Krüppelfürsorge 
lasse sich im Allgemeinen weit mehr erreichen, als bei der Lungen- 
fursorge. Schliesslich beantragt er eine Resolution des Inh^ts, 
dass der Aerztliche Verein der Gründung eines KrUppelheimes in 
Hamburg sympathisch gegenüber stehe. Dieselbe findet einstimmige 
Annahme. 

Der angekündigte Vortrag wird der vorgerückten Stunde wegen 
vertagt, und die Sitzungen des Aerztlichen Vereins werden vom 
Vorsitzenden bis zum Herbst geschlossen. Schönewald. 

Verband det* Aerzte I>eat8cfUanf1s *) 

zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen. 

Die VI. Hauptversammlung des Verbandes der Aerzte Deutsch¬ 
lands fand am 21. Juni zu Halle a. S. statt. Der Vorsitzende Dr. 
Hartmann-Leipzig begrüs-st die zahlreich erschienenen Vertrauens- 
iind Obmänner des Verbandes, besöndes herzlich Dr. Ellmann, 
als offiziellen Vertreter der österr. Aerzteschaft. Er berichtet von 
einem vertraulichen Schreiben der ps'eussischen Eisenbabnverwaltung, 
in dem diese verlangt, dass die Aerzte, die als Bahnärzte angestellt 
werden wollen, aus dem Wirtschaftlichen Verbände austreten 
müssen. Die Verantwortung für die hieraus folgende mangelnde 
Versorgung der Beamten und ihrer Familien mit ärztlicher Hilfe 
trifft allein die Eisenbahnverwaltung. Aus dem umfangreichen 
Geschäftsbericht des Generalsekretärs ist hervorzuheben, dass der 
jährliche Mitgliederzuwuchs jetzt den Beharrungszustand erreicht 
hat. Die Mitgliederzahl betrug am 1. Mai 1906 18 723 Aerzte. 
Für den Umfang der Geschäfte gibt den besten Gradmesser die 
Tätigkeit des Verbandsbureaus, das 42349 Eingänge und 126Ö26 
Ausgänge zu verzeichnen hatte. Der Verband hat für seine Mit¬ 
glieder eine kostenlose Rechtsauskunftsstelle und unter Leitung 

♦) Obwohl wir schon von unsorora Spezialberichtorstatter ausfübrlicho 
Berichte gebracht haben, halten wir uns doch verpflichtet auch diesen offi¬ 
ziellen Bericht zu bringen. Die Red. 


es, dass das beste Desinfektionsmittel das Feuer ist, nächst dem 
Feuer die Luft, das heisst: die Auslüftung von Zimmern und 
Gegenständen. Weniger zustimmen können wir heute der Em¬ 
pfehlung des Chlorgases, der Dämpfe von Salpetersäure und 
Schwefel und des Essigs als Desinfektionsmittel. Die Desin¬ 
fektion von Genesenen durch gründliche Waschung unter Zusatz 
von Seife wird auch heute genügen. Bei den einzelnen Krank¬ 
heiten ist natürlich die Desinfektion dem damaligen Stande 
des Wissens entsprechend angegeben. Heute sind wir z. B. 
bei Krätze, die damals als eine wichtige Infektionskrankheit 
galt, nicht mehr so ängstlich. Damals wurde sorgfältige Rei¬ 
nigung von Türen und Fenstern, besonders der Klinken und 
Schlösser sowie der Riegel und Treppengeländer mit lauge¬ 
haltigem Wasser verlangt. Dasselbe galt für Bettstellen, Tische 
und Stühle. Strenge Vorschriften bestanden für Reinigung von 
Bettzeug und Wäsche sowie von Kleidungsstücken, bei denen 
besonders vorgeschrieben war, dass das untere Aermelfutter 
durch neues zu ersetzen sei. Selbst Waren, die von Krätze¬ 
kranken gearbeitet waren, unterlagen der für die gefährlichen 
ansteckenden Krankheiten vorgeschriebenen Desinfektion. 

Beim Krebs wurde verlangt, dass die mit den Geschwüren 
in Berührung gekommenen Verbandsstücke zu verbrennen waren. 
Leib- und Bettwäsche, Ess- und Trinkgeschirre, Chirurgische 
Intrumente mussten desinfiziert werden. (Fortsetzung' folg-t.) 


eines Fachmannes eine eigene Verlagsbuchhandlang errichtet. Immer 
mehr in den Vordergrund seiner Tätigkeit tritt die Zentralisation 
seiner Stellenvermittlung. So hat er 1286 Vertreter-, 518 Assis¬ 
tenten- und 354 PraxissteUen vermittelt und zwar gleichfalls 
kostenlos. Im vergangenen Jahre haben grössere Kassenkämpfe 
nur stattgefunden in Königsberg i. Pr. und Münster, ausserdem 
aber kam es noch in 127 mittleren und kleineren Orten zu DhSe- 
renzen mit der Aerzteschaft, verloren wurden zunächst Forst i. L., 
Weibern i. Rhld. und Weillenfels a. S. Mit fasern Nachdruck 
wendet sich der Berichterstatter gegen die Absicht des Deutschen 
Knappsebaftsverbandes, die Knappschaftsärzte von der übrigen 
deutschen Aerzteschaft zu isolieren, ebenso gegen die Gepflogen¬ 
heiten der grossen Schiffsrhedereien bei der Anstellung der Sebifis- 
äi*zte, die zu gering honoriert und deren RangsteUung den höheren 
Sebiffsoffizieren gegenüber nicht genügend gewahrt wird. Aus dem 
von Dr. Hirschfeld-Leipzig erstatteten Kassenbericht, der auf 
Antrag des Aufsichtsrates richtig gesprochen wird, wird der änsserst 
günstige Jahresabschluss ersichtlich. Nach langdauemder Debatte 
wird ein Antrag Donalies-Leipzig angenommen, der sich gegen 
das Vorgehen der Behörden ausspricht, Aerzte zum Austritt aus 
dem Wirtsch. Verbände zu zwingen. Ebenso wird ein Antrag 
Hesselbarth-Berlin angenommen, mit Energie für die Ein¬ 
führung der freien Arztwahl auch bei den staatlichen Kassen zu 
wirken. Die bisherigen Verbandsmitglieder: DDr. Hartmann. 
Goltz, Hirschfeld, Dippe, Streffer und Donalies, sämt¬ 
lich in Leipzig und der bisherige Aufsichterat: Geh. Rat Dr. 
P fei ffer-Weimar, San.-Rat Dr. Mug dan - Berlin und Dr. Herzau- 
Halle werden wiedergewählt. Dr. Steinbrück-Stettin berichtet 
über die sogenannte Assistentenfrage, er verlangt, dass diese 
keinen eigenen Verband bilden, sondern sich an den Wirtschaft¬ 
lichen Verband auscbliessen und sich in die Vakanzeniiste ein- 
tragen sollen, dass sie von den Anstalten, Krankenhäusern and 
den Privatärzten, bei denen sie angestellt sind, besser als bisher, 
und zwar steigend, mit der Dauer der Anstellung honoriert werden. 
Generalsekretär Kuhns schildert die immer häufiger auftauefaenden 
Beschwerden der Schifisärzte, die eine mit der Zahl ihrer Fahrten 
steigende Erhöhung des Honorars und eine Gleichstellung mit den 
höheren Deckoffizieren und die Zuweisung besserer Kabinen ver¬ 
langen. Es fällt bereits den SchifFsgesellSchaften schwerer, die 
von den Behörden für jeden Persooendampfer benötigten SchifiFs- 
ärzte zu erlangen. Der Verband wird deshalb in Verhandlungen 
mit den Schiffsrhedereien zwecks Erfüllung der Wünsche der Aerzte 
treten. Dr. Peyser-Berlin berichtet üW die Erfahrungen Über 
soziale Medicin als Gegenstand des Universitäts- und ärztlichen 
Fortbildungs-Untemchts; er verlangt eine bessere sozialmediciniscbe 
Axisbildung der Studierenden wie der sozialen Fortbildung der 
Aerzte, er wünscht die Schaffung von Lehrstühlen für soziale 
Medicin und zur theoretischen und praktischen Belehrung der Aerzte 
Seminare für soziale Medicin, und zwar soll der Verband eine 
Zentrale für alle derartigen Bestrebungen schaffen, der auch die 
Verarbeitung des literarischen Materials obliegen würde. 

Dr. Vogel-Heppenheim a. B. gibt seinen Antrag auf Schaffung 
eines ärztlichen Genesungsheims auf, wünscht aber der Zentrale 
des ärztl. Unterstützungswesens diesen Gedanken zur weiteren An¬ 
regung als Material zu überweisen. Ueber alle Gegenstände der 
Tagesordnung fand eine lebhafte Debatte statt, die zu erfreulicher 
Uebereinstimmung in allen Hauptpunkten führte. 


Kongressbericht. 

23. Kongress für i/nnere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassman n-München. 

Herr Adolf Schmidt-Dresden: I n tra pleura 1 e In¬ 
fusionen zu therapeutischen Zwecken. 

Sch. spricht über die Behandlung von Rippenfellerkraakungen 
und Lungenerkrankung mittels Eiuführuug von Gasen und Flüssig¬ 
keiten in den Brustfellraum. Der dieser Behandlungsmethode zu 
Grunde liegende Gedanke ist der, einerseits die Bedingungen der 
Aufsaugung von Ausschwitzungen in den Brustfellraum durch Ver¬ 
dünnung oder durch Verdrängung zu bessern, andererseits die er- 


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1906 . 


MEDICINISCHE WOCHE. 


353 


krankte Lunge ausser Funktion \ind gleichzeitig unter vermehrte 
Blutzufubr zu setzten. 

Sch. hat einen besonderen Troikart konstruiert, mittels dessen 
Infusionen seihst in die intakte Brusthöhle gefahr- und schmerzlos 
bewerkstelligt werden können, und hat auf diesem Wege zunächst 
die Behandlung alter Brustfellausschwitzungen in Angriff genommen, 
indem er einen Teil des Exsudates durch Oase, speziell durch 
Sauerstoff ersetzte. Es wxirden bei 18 Fällen 24 Infusionen ge¬ 
macht. Tatsächlich wurde dadurch die Aufsaugung wesentlich ge¬ 
fördert. In zweiter Linie bat er nach dem Vorgänge von Murphy 
einseitige Lungenschwindsucht mittels Kompression (Luft) zu heilen 
gesucht. Die Erfolge waren ermutigend Am günstigsten waren 
die Resultate der Behandlung von Bronchiektasien und verwandten 
Zuständen. 3 dieser Fälle wurden geheilt, mehrere gebessert. 
Hier wurde nur zum Teil mit Gasen, zum anderen Teil mit Wasser 
und Oel komprimiert. Die Oelkompression hält längere Zeit an, 
da das Oel durch Exsudation und Einwanderung von weissen Blut¬ 
körperchen zunächst in eine Emulsion verwandelt wird. 

Herr Brauer-Marburg berichtet hierzu über seine eigenen 
Erfahrungen, die er bei Anwendung einer anders gestalteten In¬ 
fusionstechnik erzielt hat. Er sucht bei den Infusionen die Lunge 
selbst sorgffütig zu vermeiden, was nach dem Schmidt’schen 
Verfahren weniger gut möglich ist. (Demonstration zugehöriger 
Röirtgenanfnahmen.) 

Herr Aronsohn-Ems-Nizza: Ueber Vorkommen und 
Bedeutung des erhöhten Eiweissstoffwechsels im Fieber 
und in fieberlosen Krankheiten (Carcinom, Morbus 
Basedowii, Phosphorvergiftung, perniziöse Anämie, 
Ueberhitzung usw.). 

Redner stellt folgende Sätze auf: Die Erhöhung des Ei¬ 
weissstoffwechsels ist abhängig von Nerven- oder 
Fermentwirkung. Die Annahme eines toxischen Ei¬ 
weisszerfalles ist unbegründet. 

Eine Erhöhung des Eiweissstoffwechsels kommt nur vor bei 
Verarmung der Körperzellen an Fett und Kohlehydraten, bei Fieber 
und Kachexie. 

Der erhöhte Eiweissumsatz im Fieber ist eine Folge der 
dem Fieberprozesse zugrunde liegenden erhöhten Innervation der 
Zellen (Beizung des Wärmezentrums). 

Der erhöhte Eiweisszerfall im Fieber ist eine für den Fieber¬ 
zustand charakteristische Eigentümlichkeit. 

Die Krebskrankheit geht nicht mit einer erhöhten Stick¬ 
stoffausscheidung einher; eine solche wird nur beobachtet bei Hin¬ 
zutritt von Fieber oder Verarmung der Körperzellen an Fett und 
Kohlehydraten, oder wenn aus dem zerfallenden Carcinom Fermente 
in die Zirkulation gelangen. 

Die Basedowsche Krankheit verläuft mit völlig normalem 
Stoffwechsel, wenn sie nicht mit Fieber oder exzessiven Nerven¬ 
erregungen kompliziert ist. 

Die perniziöse Anämie zeigt normale Harnstoffaus- 
scheidung. Ist die Krankheit mit Fieber verbunden, so steigt auch 
die Hamstoffausscheidung. 

Bei fieberlosen Phthisikern ist der Eisweissstoffwechsel 
nicht erhöht. 

Die erhöhte Ausscheidung bei Phosphorvergiftung hat 
ihren Grund in der gleichzeitig vorkommenden Temperatursteigerungi 

Bei Pyrodinvergi ftun g erklären die Schädigungen der 
Nerven, Blutzersetzungen, Auftreten von fibrinöser Pneumonie und 
Temperaturschwankungen den erhöhten Eiweisszerfall. 

Nach PbloretinVergiftung tritt nur mit der Erhöhung 
der Wärmeprodoktion eine Erhöhung des Gesamtstickstoffwechsels 
auf. 

Die bei Muskelarbeit und Aufenthalt des Körpers in einem 
überhitzten Raume hin und wieder — sehr selten — beob¬ 
achtete Steigerung der Stickstoffausscheidung ist auf einen der 
eingangs angeführten Gründe zurückzuführen. 

Diskussion: Herr Loening-Halle wies auf Versuche hin, 
die er auf v. Mering’s Anregung an hungernden Hunden ange¬ 
stellt hat. Aus diesen Versuchen ergab sich, dass im Fieber Kohle¬ 
hydrate und Fette eine eiweisssparende Wirkung — der Erhöhung 
der Körperwärme gegenüber zeigen, und eine eiweissschützende 
Wirkung — den Toxinen gegenüber. 


Herr Hartmann-Graz: Ueber den Einfluss des Stirn¬ 
hirns auf den Bewegungsablauf. 

H. schildert einen Pall, bei welchem das linke Stimhirn durch 
einen tumorösen Prozess in mächtiger Ausdehnung zerstört worden 
war. Aus der Lage des Herdes, welcher die Rinde intakt Hess, 
und dem Gesamtbild der dadurch gesetzten Störungen der Motilität 
wurde von dem Vortragenden der Schluss gezogen, dass auch für 
die komplexen Leistungen in der Bewegungssphäre gewisse Zentra- 
lisatioiisvorgänge angenommen werden müssen und dass der Rinden¬ 
bezirk , welcher durch den Tumor von seinen Verbindungen mit 
anderen Hirnbezirken abgeschnitten wurde, sich in seiner Punktion 
zur Zentralwindungszone der Extremitäten so verhält, wie sich die 
Broca’scbe Windung zur Zone der motorischen Hirnnerven verhält 
und dass jener Rindenbezük ein Zentrum für den Gebrauch der 
Extremitäten darstelle. 

Diskussion: Herr M. Rothmann-Berlin: So interessant 
und bedeutungsvoll die Ausfühnmgen des Herrn Hartmann sind, 
so möchte er er doch zn grosser Vorsicht in der Deutung des 
Falle.s mahnen, da die Fernwirkungen eines so beträchtlichen Tumors 
erfahrungsgemäß sehr weitreichende sind. Würde der gleiche Be¬ 
fund in einem Falle als Residuum einer Blutung oder Erweichimg 
des linken Stimhirns zu erheben sein, so würde die Sicherheit 
der Deutung wesentlich gesteigert werden. 

Es hat nun Liepmann darauf hingewiesen, dass die linke 
Hemisphäre nicht nur der Punktion der rechtsseitigen Extremitäten, 
sondern dem gesamten Handeln verstände. Waren in dem Hart¬ 
man n’schen Fall die Funktionen der linksseitigen Extremitäten 
intakt, so würde das gegen diese Auffassung sprechen: waren sie 
geschädigt, so bedeutet das eine Stütze der Liepmann’schen 
Auffassung. 

Herr Hartmann-Graz weist im Schlusswort nochmals auf 
die spezielle Art der Bewegungsstörungen der linksseitigen Extre¬ 
mitäten seines Falles hin. 

Herr v. Jaksch-Prag: Ueber Amylosis pulmonum. 

Wie schon von Gerb ardt-Berlin vermutungsweise geäussert 
worden ist, kommt tatsächlich der als Amyl. pulm. zu bezeichnende 
Krankheitsztistand öfter vor, als man meist annimmt. Redner 
konnte einen solchen Fall beobachten. Dieser bot alle Zeichen 
einer anscheinend tuberkulösen Lungenkrankheit dar, doch hatte 
das Sputum eine eigenartige Beschaffenheit; es war rötlich, hatte 
einen üblen Geruch, doch enthielt es keine Tuberkelbazillen. In 
diesem Sputum war Jod nachzuweisen. Dieser Befund wurde auch 
erhöhen, wenn der betreffende Kranke eine völlig kohlehydratfreie 
Nahrung erhielt. Die Röntgenuntersuchung ergab kein positives 
Ergebnis. 

Herr Külbs-Kiel: Herzmuskel und Arbeit. 

K. untersuchte experimentell den Einfluss regelmäßiger Körper¬ 
arbeit auf den Organismus des Hundes. Zu seinem Experimente, 
bei dem der eine Hund mittels eines Laufbrettes reichliche Be¬ 
wegungen ausfübren musste, benützte er 2 Tiere von demselben 
Wurf, Geschlecht und Körpergewicht. Er fand Folgendes: Der 
arbeitende Hund hat ein erheblich muskulöseres und leistungs¬ 
fähigeres Herz, wie der 2. Hund, der nur wenig bewegt wird. 
Das Herz wird so kräftig, dass es dem Herzen eines Rehes, eines 
Tieres, welches ja grossen körperlichen Anstrengungen sich schnell 
anpassen kann, nahe kommt. Ausserdem fand K. die überraschende 
Tatsache, dass alle inneren Organe, vor allem aber die Leber, an 
Gewicht zunehmen, die Leber wohl deshalb, weil sie im Stoffwechsel 
des Körpers eine wesentliche Rolle spielen muss. 

Die beim Tier nach Muskelarbeit auftretende Temperatur- 
.steigerung gleicht sich bald aus. Interessant ist die von K. beob¬ 
achtete Wasseraufnahme de.s Hundes. Der Hund nimmt stets 
genau die gleiche Menge Wasser auf, die er durch Laufen an 
Gewicht verloren hat. 

Diskussion: Herr Moritz-Giessen hat bei Soldaten, deren 
Herzfunktion ganz normal schien, radiographische Herzmessungen 
gemacht und bei einer Anzahl derselben zu grosse Herzmasse ge¬ 
funden. Die meisten dieser letzteren Fälle waren Radfahrer. 

Herr Dr. Se li g-Frauzensbad berichtet anschliessend an frühere 
Beobachtungen an Fussballspielern die Ergebnisse von Unter¬ 
suchungen an 21 Berufsringern. Nach der ganz enormen Muskel¬ 
arbeit war in sämtlichen Fällen eine sehr bedeutende Pulsbe- 


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354 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 34. 


schleunigung bia 185 in der Minnte, Blutdnicksenkung bis 40 mm 
Gärtner, Respirationen bis 50 pro Minute, Verlagerung des Herz- 
spitzenstosses und in fast allen Fällen das Auftreten von Eiweiss 
im Ham nach dem Hingen zu konstatieren. Im Sediment findet 
man nebst Epithelien, weissen und roten Blutkörperchen sehr 
häufig auch hyaline und granulierte Zylinder. Die Eiweissmessungen 
sind oft bedeutend, bis 1 Prora. Esbach, häufig schon nach kurzer 
Muskelarbeit. Der Vortragende hält es für dringend geboten, 
angesichts des Auftretens von Eiweiss schon nach relativ kurzer 
Anstrengung Urinuntersuchungen auf Eiweiss stets nach längerer 
Ruheperiode vorzunehmen, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Die 
orthostatische und Ermüdungsalbuminerie haben nicht die ernste 
Bedeutung, wie der konstante Eiweissbefund bei pathologischen 
Veränderungen der Nieren. 

Herr Hering-Prag frägt, mit welchem Instnimente die Blut¬ 
druckmessungen gemacht worden seien, worüber Herr S. Aufschluss 
erteilt. 

Herr L e n n h of f-Berlin berichtet über seine früheren Unter¬ 
suchungen an Ringkämpfern betr. des Herzbefundes, Blutdmck, 
Eiweiss- und Zylindergehalt des Harnes und betont speziel aucli 
die häufig gefundenen Temperatursteigerungen, 

35. Kongress der Deutschen Gesellschaft 
für Chirurgie. 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Wullstein-Halle a, S.; Ein neues Operationsver¬ 
fahren bei der Hernia inguinalis. 

W. hat bisher allerdings erst bei 10 Patienten, von denen 
er mehrere demonstriert und von denen der älteste vor etwas mehr 
als 1 Jahr operiert ist, eine Operationsmethodo angewandt, durch 
die er den Leistenkanal völlig zum Verschwinden bringt und zwar 
in einer Weise, bei der dem Samenstrang im Gegensatz zu Bassini 
oder sonstigen Modifikationen der Bassinischen Operationsmethode 
in seinem Verlauf ein beliebig grosser Spielraum gewährleistet ist. 
Der Leistenkanal wird wie bei Bassini bis etwas über den ab¬ 
dominellen Leistenring hinaus gespalten in seinen 4 Schichten — 
Aponeurose des Extemus, Internus, Transversus und Fascia trans¬ 
versa — und der Bruchsack möglichst hoch abgetragen. Nach 
Reposition des Samenstranges in das lockere properitoneale Fett¬ 
gewebe werden die genannten 4 Schichten unter völligem Ver¬ 
schluss des abdominellen Leistenringes bis zur Gegend des sub¬ 
kutanen Leistenringes hin mit dem Poupartscheu Bande vernäht 
und darauf unmittelbar über der Symphyse aus der vorderen Reo- 
tusscheide und dem inneren Ringanteil des subkutanen Leistenringes 
ein Lappen gebildet, welcher sich nach oben und aussen in die 
aponeurotische Ausstrahlung des Externus, Internus, Transversus 
und der Fascia transversa fortsetzt. 

Dieser der vorderen Rectusscheide entnommene, aponeurotische 
Lappen wird plastisch hinter dem Rectus und zwar zwischen die 
Schicht des properitonealen Fettgewel)e.s und des hier ja hinten 
.scheidenlosen Teiles des M. rectus plastisch verlagert und durch 
3 Nähte fiixiert. 

Der bis zum subkutanen Leistenring schon im properitonealen 
Fettgewebe verlaufende Samenstrang verläuft io der gleichen 
Schicht weiter bis zum inneren Rande dieses plastisch verlagerten 
Lappens, d. h. ungefähr bis hinter die Mitte des betrefiendeu M. 
rectus oder wohl gar noch etwas weiter medialwärts und zwar un¬ 
mittelbar oberhalb der Symphyse im prävesicalen Raum, schlägt 
sich um den Rand dieses pla.sti.sch verlagerten Lappens herum und 
kommt nun zwischen Lappen und Muskelsubstanz nach aussen zu¬ 
rück und am äusseren Rectusrand zum Vorschein. 

Zum Schluss werden nun die 4 Gebilde, welche die seitliche 
ßauchdeckenwand bilden — Aponeurose des Extemu.s, Internus, 
Trau.sversus und Fascia transversa — resp. ihre aponeurotische 
Ausstrahlung bis völlig zum Rectusrand hin mit dem Poupart- 
sehen Bande vernäht. 

Auf diese Weise ist der Leistenkanal in kompletter Weise 
beseitigt und zwar, ohne dass der Samenstrang in seinem Verlaufe 
an irgend einer Stelle irgend welche Kompression erleidet. Ja, es 
sind noch idealere Verhältnisse ge.schaffen als bei der gleichen 
Operation beim Weibe, wo man doch immerhin dem Ligamentum 
otundum einige Rücksicht schuldig ist. 
r 


Hr. Graaer-Erlangen: Zur Technik der Radikalope¬ 
ration grosser Nabel-und Bauchwandhernien. (Fascien- 
querschnitt nach Pfannenstiel-Menge.) 

Das Problem ist ein sehr schwieriges; auch nach sorgfältig 
ausgeführter, gut gelungener Operation folgt nicht selten oder 
später ein Recidiv. Je grösser der Bruch, um so geringer die 
Aussicht auf Dauerheilung. Busse aus der v. Eiselbergschen 
Klinik in Königsberg berechnete 1901 noch 43% Recidive, bei 
grossen Brüchen sind die Chancen noch schlechter. Auch die 
überaus zahlreichen Vorschläge immer neuer Methoden und Modi¬ 
fikationen sprechen für die Unsicherheit der bisher erzielten Erfolge. 

Mit den Resultaten unserer Baachnähte nach Laparotomien 
können wir zufrieden sein, bei Nabelbrüchen liegen die Verhältnisse 
ungünstiger wegen der grossen Spannung der Bauchwand bei den 
meist sehr fetten Patienten und wegen des Zuges der seitlichen 
Bauchmuskiilatur. Einen wesentlichen Fortschritt bedeutete die 
1893 durch Gersuny eingeführte Freilegung und Vemähung der 
Musculi recti, sie ist aber oft recht schwierig und die Spannung 
bei gro.ssen Brüchen sehr hinderlich. 

Die günstigen Resultate; welche Pfannenstiel in bezug auf 
die Vermeidung von Bauchnarbenbrücken mit seinem Pascienquer- 
schnitt erzielte, legten Pfannenstiel seihst schon frühzeitig die 
Verwendung dieser Methode zur Beseitigung von Bauchbrüchen 
nahe. Menge berichtet im Zentralblatt für Gynäkologie, 1^03, 
No. 17, über einige „im Sinne Pf annenstie Is“ operierte Nabel¬ 
und Bauchbrüche, Er empfahl am Schlüsse dieser Mitteilung eine 
Modifikation dahingehend, dass das Vorderblatt der Rectusscheiden 
prinzipiell vor jeder Verletzung zu sichern sei und riet daher, die 
hintere Rectusscheide einzuschneiden, um die Auslösung und Ver- 
nähung der geraden Bauchmuskeln möglichst weit nach oben und 
unten ausführen zu können. 

Graser vollführte nun zum Teil mit Menge 4 derartige 
Operationen bei sehr umfangreichen Nabel- und Bauchbrüchen imd 
kann die Methode angelegentlich empfehlen. 

Der Eingriff ist ein sehr grosser, die Operationen dauerten 
bis zu 3 Stunden; es entstehen enorm grosse Wundflächen, die 
zahlreichen versenkten Nähte bei den meist sehr fettreichen Bauch¬ 
decken sind eine strenge Probe auf die Aseptik, aber der Verlaof 
und Erfolg war bei allen 4 Fällen ein über Erwarten ausge¬ 
zeichneter. 

Der Hautschnitt wird quer über die grösste Höhe der Bruch- 
geschwulst gelegt; die Länge des Querschnittes betrug zwischen 
35 und 50 cm. Der Bruchsack wird bald eröffnet, die Eingeweide 
von Verwachsungen befreit, Netz zum Teil reseciert, die verdünnten 
Teile des Bruchsackes bis zum Bruchring abgetragen. Nun ist 
eine Trennung der Rectusscheiden in ein vorderes und hinteres 
Blatt unbedingt nötig. Da eine solche Trennung im Bereich des 
narbigen Bruchringes kaum oder doch nur sehr schwer durchza- 
führen ist, wird die vordere Rectusscheide in querer Richtung bis 
an den äusseren Rand des Rectus beiderseits gespalten und nun. 
dem inneren Muskelrand folgend, die ganze vordere Aponeurose in 
einem zusammenhängenden Lappen von den Musculi recti abge¬ 
hoben , indem ängstlich jede Verletzung des Muskels vermieden 
wird. Die Auslö.sung der Recti geschieht möglichst stumpf, manch¬ 
mal besonders au den Inskriptionen muss man mit der Scheere 
nachhelfen, es ist mühsam und zeitraubend, aber es geht. Oben 
und unten, wo die auseinandergewichenen Recti sich wieder nähern, 
jedoch ohne sich zu berühren, kann die Auslösung nur vollendet 
werden, indem die hintere Rectusscheide rechts und links von der 
Linea alba in der Längsrichtung eingeschnitten wird; dadurch 
wird die Vere'nigung hinten in der Mittellinie zwar etwas er¬ 
schwert, aber man gewinnt dafür einen ganz intakten vorderen 
Laj)pen, der in der Mittellinie noch durch die Kommissur (die 
frühere Linea alba) beträchtlich verstärkt ist (Menge). Die Be¬ 
fürchtung, es möchte die vordere Fascie zum Teil nekrotisch 
werden, ist durch die Erfahrung widerlegt; auch die Sorge, es 
möchten die zurückbleibenden Weichteile nicht zur Bedeckung 
ausreichen, scheint nach dem Erfolge in diesen besonders schwierigen 
Fällen grundlos zu sein. Es wäre ja ganz unmöglich, die Ränder 
des Bruchringes unter Mitfassen der Musculi recti zusammenzu¬ 
ziehen; es ist aber etwas ganz anderes, wenn die durch chronische 
Entzündung verdickten Fascien und Aponeurosenblätter wieder 
entfaltet sind. Die Vereinigung gelang immer ohne besondere 


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1906. 


BOaJICINISCHB WOCHE. 


355 


Spannung; von der Haut wurde immer noch ein mindestens hand¬ 
breites Stück weggesohnitten, weil es überflüssig war. 

Der Nahtverschluss der Bauchhöhle kann erst beginnen, wenn 
die Musculi recti ausgehülst sind. Nun wird das Bauchfell am 
besten zusammen mit der hinteren Rectusscheide vertikal vernäht 
(Katgutknopfnähte); darüber folgt die Vereinigung der beiden 
Musculi recti in der Mittellinie, wobei besonders auf Schonung 
der Muskelfasern zu achten ist (ebenfalls Blnopfnähte). Nun werden 
die Ränder der vorderen Fascie rechts exakt quer vernäht (Jod- 
seideknopfnähte) und endlich das Fett und zuletzt die Haut durch 
versenkte und fortlaufende Naht exakt vereinigt. Auf sorgfältigste 
Blutstillung wurde besonders geachtet. Ein Glasdrain wurde nur 
einmal seitlich durch eine Lücke der vorderen Bauchfascie einge¬ 
führt, die Wundhöhle ist aber so vielbuchtig, dass man von einem 
Drain nicht viel erwarten kann. Stets wurde ein breiter Sandsack 
aufgelegt. 

Eine Vorbereitungskur von 4—5 Wochen, bestehend in täg¬ 
lichem Purgieren, schmaler Kost, Kompression mit Schrotsäcken 
und Repositionsverfahren wurde bei den grössten Hernien voraus¬ 
geschickt. In dem Fall dessen Abbildung beiliegt, betrug der Um¬ 
fang vor der Operation 230 cm. 

Bis zum Eintreten der ersten Stuhlentleerung war der Zu¬ 
stand der Patientinnen ein recht ernster; nach der Stuhlentleerung 
waren alle Beschwerden und Sorgen verschwunden. Der Heilungs¬ 
verlauf der Wunden war stets ein ungestörter. 

Der schlimmste Fall ist nun schon seit Jahresfrist in tadel¬ 
losem Zustand geblieben; nach dem Befund bei der letzten Unter¬ 
suchung erscheint ein Recidiv fast ausgeschlossen. Bei Anspannung 
der Bauchpresse entsteht eine kreuzförmige Einziehung durch An¬ 
spannung der Recti und der Quemarbe. 

Die Operation ist deswegen besonders zu empfehlen, weü sie 
annähernd normale anatomische Verhältnisse schafft. 

(Fortsetzung folgt). 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 29 . 

1 . Müller und Jochmann, Breslau; Heber eine einfache 
Methode zum Haohweis proteolytischer Fermentwirknngen (nebst 
einigen Ergebnissen, besonders bei der Leukämie). 

Beim Studium thermophiler Bakterien fiel es den Verff. auf, 
dass Auswurf, der zum Zwecke bakteriologischer Untersuchung 
auf sterile Löfflerplatten (Petrischalen die erstarrtes Blutsemm 
und etwas Traubenzuckerbouillon enthalten) in grösseren Klümp¬ 
chen ausgesät und bei 60.—60® gehalten wurde, auf dem Nähr¬ 
boden mulden- und dellenförmige Einsenkungen erzeugte. Bringt 
man z. B. Eiterklümpchen von Zystitis, Gonorrhoe, Furunkeln, 
Phlegmonen etc. auf die bei 50® gehaltenen Löfflerplatte, so ent¬ 
stehen schon nach wenig Stunden rasch sich vertiefende und ver¬ 
breitende Löcher, sodass sich nach ein bb zwei Tagen der Ver¬ 
gleich des so veränderten Nährbodens mit der Schnittfläche des 
Schweizerkäses aufdrängt. Dem sogen, tuberkulösen Eiter dagegen 
kommt im allgemeinen keine Fermentwirkung auf die der Löffler- 
platte zu. Eine stark verdauende Wirkung aber hatten das Blut 
der myelogenen Leukämie und das Pankreas. 

2. Jehle, Wien: Die Rolle der Grubeninfektionen bei der 
Entstehung der Genickstarreepidemien. 

Es handelt sich um epidemiologische Beobachtungen aus der 
Neumühl (Kreis Ruhrort) und Mörs, über die in Fortsetzung von 
Nr. 25 der Wiener klin. Wochensc^ift berichtet wird. Es er¬ 
gibt sich daraus: Die Genickstarre findet ihre epidemische Aus¬ 
breitung nur auf dem Wege der Gmbe. Diese ist der Herd, 
wo sich die Bergleute infizieren und wo sie die Krankheitskeime 
in ihre Familie schleppen. Die Ansteckung der Bergleute erfolgt 
last ausschliesslich auf der Arbeitsstelle. Zur Verhinderung einer 
Weiterverbreitung der Genickstarre ist es vor allem notwendig, 
dass die Väter erkrankter Kinder von der Arbeit in der Grube 
so lange femgebalten werden, bis sie durch eine entsprechende 
Behandlung als Zwischenträger nicht in Betracht kommen. Berg¬ 
leute, wel(fäe aus infizierten Grubengebieten kommen, müssen als 


Zwischenträger betrachtet und entsprechend behandelt werden. 
Zur prophylaktischen Behandlung bat sich in allen Fällen die 
Pyozyanase (Chemische Fabrik von Lingner, Dresden) als ein 
ausgezeichnetes, rasch und sicher wirkendes und vollständig un¬ 
schädliches Mittel bewährt. 

3. R 0 11 y, Leipzig: Pyozyaneussepsis bei Erwaohsenen. Es 
handelt sich um eine 28jährig6 Arbeiterin, welche plötzlich, an¬ 
geblich zu gleicher Zeit mit dem Auftreten einer sehr starken 
Menstruation, an Kopf- und Rückenschmerzen und Fieber erkrankte' 
Am 4. Erkrankungstage kommt Pat. in die Klinik, und es konnten 
sofort bei der Aufnahme die klinischen Symptome einer Menin¬ 
gitis neben Zeichen von allgemeiner septischer Infektion erkannt 
werden. Es bestanden Nackensteifigkeit, Schmerzhaftigkeit der 
Halswirbelsäule, der Wadenmuskulatur, Flecke auf der Haut, welche 
wie hämorrhagische Hautembolien aussahen, hauptsächlich an den 
distalsten Teilen der Extremitäten lokalisiert waren, ferner leichter 
Ikterus, geringe katarrhalische Angina, starke Vergrösserung der 
Milz, hohes Fieber usw. Eine am 5. Krankheitstage ausgeführte 
Untersuchung des Blutes und der Lumbalpunktionsflüssigkeit klärte 
das ganze Krankheitsbild auch ätiologisch auf, insofern bakteri¬ 
ologisch im Blut und der Lumbalpunktionsflüssigkeit der Bazillus 
Pyozyaneus in Reinkultur gefunden wurde. Es konnten an diesem 
Tage in 20 ccm bei derselben kulturellen Untersuchungsmethode 
380 und am 10. Krankheitstage in 20 ccm 600 lebensfähige 
Pyozyaneuskeime kulturell nachgewiesen werden. Auch in der 
Lumbalpunktionsflüssigkeit wurden Pyozyaneusbazillen am 6. und 

10, Krankheitstage in Reinkultur gefunden. Im weiteren Verlauf 
der Erkrankung zeigten sich neue Flecke auf der Haut, die alten 
wurden grösser, es traten Benommenheit, Delirien, Meteorismus 
ohne Durchfälle hinzu, die anfangs geringfügige, anscheinend 
katarrhalische Angina verschlimmerte sich, und es erfolgte am 

11. Krankheitstage im tiefen Koma der Exitus letalis. 

4. Spielmeyer, Freiburg L B.: Hemiplegie bei intakter 
Pyramidenbahn (intrakortikale Hemiplegie). 

In diesem Befunde einer Rindenerkrankung, bei der die 
Zellen der motorischen Region in grosser Ausdehnung zu Grunde 
gehen, die Ursprungszellen aber der kortikomotorischen Bahn ver¬ 
schont bleiben ist die Erklärung für das Zustandekommen der 
Halbseitenlähmung dadurch gegeben, dass der Prozess, der in 
diesem Palle zur Hemiplegie geführt hat, sich jenseits des zen¬ 
tralen motorischen Neurons, sich jenseits der unmittelbaren Ur¬ 
sprungszentren der Pyramidenbahn abgespielt hat. 

5. Rumpf, Ebersteinburg (Baden-Baden): Zur Prognose der 
Lnngentnberknlose. 

R. benutzt die Schmidtsche Statistik aus Friedrichsheim 
und berichtet über die Kurerfolge, die an 990 Kranken im Jahre 
1900 und 1901 angestellt worden waren. 

Davon waren im 4. Jahre nach der Elntlassung 
noch arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben 

541 = 54,7«Ä, 108 = 10,9%. 341 = 34,4®/o. 

Bei der Entlassung aus der Heilstätte waren nirgends mehr 
Rasselgeräusche zu hören bei 308 Kranken. Hiervon waren im 
4. Jahre 

arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben 

276 = 89,6®/o, 18 — 6,8®/o, 14 =» 4,6®/o. 

Es waren noch Rasselgeräusche (nicht klingend) zu hören bei 
356 Kranken. Hiervon waren im 4. Jahre 

arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben 

223 = 62,6®/o, 53 = 14,5®/fe, 80 22,9®^. 

Klingende Rasselgeräusche waren zu hören bei 326 Kranken. 
Hiervon waren im 4. Jahre 

arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben 

42 = 12,9®^, 37 ll,3®/o, 247 = 75,8®^. 

6. Rothfuchs, Hamburg; Heber Selbstmordversuche. 

Was ist die Ursache des Anwachsens der Selbstmorde, und 

ist es nicht möglich, dieser Zunahme zu steuern? Gestützt auf 
die Erfahrung bei den in den letzten 6 Jahren in das Hafen¬ 
krankenhaus zu Hamburg noch lebend eingelieferten 375 Selbst- 
mordkandidaten, versucht R. diese Frage zu beantworten. Eine 


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356 


MEDICmiSGHE WOGHB. 


Nr. 34. 


grosse Rolle spielt dabei der Alkohol. Unter den Selbstmord- 
kandidateQ. die allen Ständen angebörten, befanden sich viele, 
die durch chronischen Alkoholmißbrauch materiell und moralisch 
verkommen, geistig und körperlich so geschwächt waren, dass sie 
den Anforderungen, welche das Leben der drossstadt an den 
Elinzeinen stellt, nicht mehr gewachsen waren, den Kampf ums 
Dasein aufgaben und nun Hand an sich legten. Bei den 53 
Selbstmördern, die zur Sektion kamen, fand R. in keinem Falle 
eine akute Erkrankung, dagegen häufig Zeichen von chronischem 
Alkoholismus und einige Male Lungen- und Darmtuberkulose. Die 
Frage, ob es möglich ist, der Zunahme der Selbstmorde zu steuern, 
möchte R. mit ja beantworten. Wenigstens ist dies bis zu einem 
gewissen Grade möglich. Wir sehen, welch unheilvolle Folge 
allein der Alkohol spielt. Hier wäre zunächst der Hebel anzu¬ 
setzen. Segensreich könnten hierbei alle die wirken, welche ver¬ 
möge ihres Beruis Einfluss auf das Volk besitzen, als Aerzte, 
Geistliche, Lehrer. Ferner müssten die Behörden eingreifen 
(Verringerung der Schnapskneipen und Errichtung von Trinker¬ 
asylen und Arbeitshäusern). 

7. Grube, Bad Neuenahr; Die Anwendimg der Hyperämie 
nach Bier bei einigen Erkrankungen der Diabetiker. 

G. hat das Bier-Klappache Verfahren sowohl bei Zucker¬ 
kranken der schweren wie der leichten Form, sowohl bei ein¬ 
fachen wie bei schweren Furunkeln und bei Karbunkel und bei 
diabetischem Fussgeschwür und diabetischem Gangrän angewendet. 

8 . Raab, München: Die Elektrotiierapie der Kreislaufs* 
erkrankungen. 

Schluss folgt. 

9. Viereck, Hamburg: Die Homanowskyfärbung nach 
May. 

Die May sehe Methode bedeutet keine Verbesserung der Ro- 
manowskyfärbung. 

10. Schmidt, Dresden: Ein Fall von Ganglion am Knie¬ 
gelenksmeniskus . 

Ein gutartiger, in der Nähe eines Gelenks ohne Kommuni¬ 
kation mit diesem sitzenden Tumor, der in einem bindegewebigen 
Stroma lange gewachsen war und keinerlei Entzüudungserschein- 
ungen in der Umgebung zeigt. Im Innern enthält er zahlreiche 
mit gallertartiger Flüssigkeit gefüllte Hohlräume, die durch ein 
ziemlich kernartiges, weissliches Bindegewebe von einander ge¬ 
trennt sind. Das alles sind Merkmale, welche die Diagnose 
,Ganglion“ rechtfertigen. 

11. Hofmann, Karlsruhe: Vereinfachtes Exstensionsver- 
fahren. 

Ein Elxtensionsverfahren, welches durch den Wegfall des 
ganzen Rollensystems eine wesentliche Vereinfachung darstellen 
dürfte. Das Prinzip beruht darin, dass der Längszug in einen 
queren Zug nach beiden Seiten hin utngesetzt wird. 

12. Riehl, München: Beitrag zur Bierschen Stauung. 

Ein alter Schäfer hatte zu Gunsten einer alten Beinquetschung 
schon lange das Bi er sehe Stauungsverfahren geübt, um die 
Schmerzen im Beine, die ab und zu auftraten, los zu werdea Er 
schnürte dann mit einer Binde allemal das Bein ab. 

13. Magnus: Die Tätigkeit der Hiere. 

Magnus tritt für die Sekretionstheorie ein. Für die Filtra¬ 
tions- und Rückresorptionstheorie existieren erstens keine zwingen¬ 
den Beweise und zweitens stehen eine Reihe von Tatsachen und 
experimentellen Ergebnissen zu ihr in direktem Widerspruch. 

14. Thorei, Nürnberg: Wie schhtzeu wir uns und unsere 
Diener bei Sektionen? 

Im Sektionssaale des allgemeinen Krankenhauses zu Nürnberg 
hängen gedruckte „Vorschriften für die Sektionsdiener zur Ver¬ 
meidung von Infektionen“ aus. Gummihandschuhe erfüllen nur 
dann ihren Zweck und verringern die Infektionsgefahr, wenn die 
Hände während der Sektionen unter den Handschuhen auch wirk¬ 
lich rein, völlig rein und trocken bleiben; ist das nicht der Fall, 
so kann das Anbehalten der Gummihandschuhe während der Sek¬ 
tionen sogar die Gefahr zur Infektion vergrössem. Die Hand¬ 


schuhe (bezogen von Sohack undPearson, Hamburg, Matten- 
twiete 2, Preis 3,30) leiden nicht; anch ist das handliche Steri¬ 
lisierkästchen für Handschuhe (bezogen von Max Hofmann. 
Nürnberg, Museumsbrücke, Preis 19 M.) warm zu empfehlen. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 28 . 

1. Bonhoeffer, Breslau: Veber die Bedeutung dar Jack* 
BOUBoben Epilepsie fVur die topische Himdiagnostik. 

Was sich zurzeit über die Bedeutung der Jackson sehen 
Epilepsie für die Diagnostik sagen lässt, bedeutet im wesentlichen 
eine Einschränkung früherer Auffassungen und lässt sich dahin zn- 
sammenfassen: Die Jackson sehe Epilepsie ist ein häufiges 
Symptom organischer Erkrankungen der Zentralwindnngen. 

Sie findet sich aber auch als Fernsymptom eines von der 
motorischen Rinde entfernt gelegenen Herdes derselben Hemis¬ 
phäre. 

Rindenepilepsie von Herden der gegenüberliegenden Seiten 
ausgelöst, scheint vor allen Dingen bei Kleinhirnaffektionen vorzu¬ 
kommen. Hier betrifft dann der Krampfanfall die Seite des Him- 
herdes, und es handelt sich wohl um eine Reizübertragung durch 
die kortikopetalen Kleinbirnbahnen. Bei allgemeiner Disposition 
zu epileptischen Anfällen, sei diese durch genuine Epilepsie oder 
durch chronischen Alkoholismus oder eine andere Intoxikation ge¬ 
geben, treten vor allem dann gelegentlich halbseitige Krampfanfälle 
auf, wenn in der entsprechenden Himhälfte irgendwo ein alter 
Herd sitzt. Diese halbseitigen Krampfanfälle zeigen oft dadurch 
ihre Zugehörigkeit zur genuinen oder Alkoholepilepsie, dass das 
Bewusstsein während des Anfalles völlig verlischt. 

Es kommt Jackson sehe Epilepsie vor, ohne dass eine ana¬ 
tomische Grundlage auffindbar ist. Hier muss man vorläufig von 
genuiner Jacksonscher Epilepsie sprechen. Rindenepilepsie kann 
der Ausdruck eines Hydrocephalus internus sein. Gehäufte kor¬ 
tikale Anfälle in Verbindung mit anderen cerebralen Herd- and 
Allgemeinerscbeinungen können klinisch die Diagnose auf Gehim- 
abszess oder Gehirntumor stellen lassen, während der Obduktions¬ 
befund völlig im Stich lässt. 

2. Hoffa, Berlin: Ueber Böntgenbilder nach Sanerstoffein- 
blasnng in das Kniegelenk. 

Nachdem H.s Assistent Dr. Wollenberg gemeinsam mit 
dem bekannten Drägerwerk in Lübeck einen Sauerstoffeinblasungs¬ 
apparat konstruiert hat, durch welchen die — übrigens absolut 
unschädliche — Sauerstoffinjektion auch zu einem technisch über¬ 
aus einfachen, schnell zu erledigenden Verfahren geworden ist, 
findet die Methode in H.s Klin ik eine ausgedehnte Anwendung. 
Das Prinzip des W ollen b er gsehen Apparates ist folgendes: 
Der Sauerstoff wird in einem geschlossenen Gefässe durch Kata¬ 
lyse von chemisch reinem Wasserstoffsuperoxyd unter Druck ent¬ 
wickelt, und zwar dienen als Katalysator kleine Tabletten von 
gepresstem Kalium permanganicum. Eine Anzahl von Bildern 
lehren die grossen Vorzüge, welche die Sauerstoffinsufflationen für 
Röntgenzwecke vor den gewöhnlichen Röntgenaufnahmen haben. 
Die Methode ist nicht besonders schmerzhaft; sie lässt sich ambu¬ 
lant ausführen. Manche Pantienten, die an schmerzhaften Gelenk¬ 
affektionen litten, geben sogar an, nach der Einblasung eine 
wesentliche Erleichterung ihrer Beschwerden gehabt zu haben. 

3. Wolff-Eisner und Rosen bäum, Berlin: Heber das 
Verhalten von Organrezeptoren bei der Antolyse, spes. der 
tetannsbindenden Substanz des Gehirns. 

Diese Versuche haben ergeben, dass die autolytische Ver¬ 
dauung ein Vorgang ist, der ebenso wie er die spezifischen prä- 
zipitinatislösenden Eigenschaften des Eiweisses zerstört, wie er 
die spezifische Giftigkeit aufhebt (oder wenigstens sehr wesentlich 
heralisetzt), wie er die Giftwirkung der Leibesaubstanzen der 
Bakterien vernichtet, in gleicherweise die Rezeptoren vernichtet, 
welche an den Zellen sitzen und im Sinne der Ehrlichschen 
Seitenkettentheorie die Giftbindung bewirken. 

4. Käst, Berlin: Bttokläufige Strömung in der Speiseröhre 
als Erklärung der belegten Zunge. 

Der Belag der Zunge, vorausgesetzt, dass keine lokalen Er¬ 
krankungen der Mundhöhle oder Speiseröhre vorliegen und keine 
ungewöhnliche Beschaffenheit der Zunge selbst vorliegt, hat die 


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1906. 


MEDIcmiSCHE WOCHE. 


357 


Bedeutung, dass daraus auf einen vermehrten Transport von Sub¬ 
stanzen resp. solchen abnormer Substanzen atis dem Magen ge¬ 
schlossen werden kann. Abgesehen von Momenten der Nahrungs¬ 
aufnahme (Kauen, Speichelsekretion und Blutfüllung etc.) kommen 
uls Ursache hierfür motorische oder rein chemische Vorgänge oder 
eine Kombination beider im Magen in Betracht, natürlich auch 
die Qualität der Nahrung oder verminderter Verschluss des Magens 
gegen die Speiseröhre (Neurasthenie, Atonie, Splanchnoptose etc.), 
oder, und das dürfte das gewöhnliche sein, eine Kombination 
mehrerer dieser Faktoren. Für diese Gründe ist es ganz gleich, 
ob es primäre Störungen oder Magenfunktionen sind, oder sekun¬ 
därer Art (Kachexien, Darmerkrankungen, fieberhafte Krank¬ 
heiten etc.). 

5. Rodari, Zürich: Zur Frage der Heilbarkeit der ohro- 
uisohen Gastritis. 

Von der Idee ausgehend, nicht nur peptisch die ungenügende 
oder völlig fehlende Verdauung zu unterstützen, sondern auch 
die Qärungs- und Fäulnisprozesse im Magen, die unter solchen 
Umständen immer auftreten, einzuschränken, verordnet R. seit 
etwa einem Jahre eine Komposition von Papain mit einem neuen 
Magendesinfiziens, von dessen wirklich ausgezeichneter Wirkung 
er sich schon in vielen verschiedenartigen Fällen hatte überzeugen 
können, nämlich eine Superoxydverbindung der Magnesia usta, das 
sogenannte Magnesiumsuperoxyd oder Magnesiumperoxyd. Dieser 
Papain-Magnesiumsuperoxyd-Komposition ist noch Benzonaphthol 
und Natrium bicarbonikum zugesetzt und die Firma Sauters 
Laboratorium in Genf stellt das Präparat unter dem Namen Pep¬ 
sorthin her. 

6. Kümmell, Hamburg-Eppendorf: Heber moderne Nieren- 
Chirurgie, ihre Diagnose nnd Resnltate. 

7. Kettner, Berlin: Heber Kleinkalibersohnssverietznngen. 

Auch diesmal, sagt K., hat die konservative Chirurgie domi¬ 
niert und die erfreulichsten Erfolge gezeitigt, die uns lehren, dass 
in Zukunft in der Front zeitraubende-Operationen immer seltener 
werden dürften, dass vielmehr alles darauf ankommt, die ver¬ 
wundeten transportfähig zu machen und sie so schonend wie mög¬ 
lich nach rückwärts zu evakuieren. Können wir der Bewältigung 
der ersten Aufgabe, die auch dem Nichtchirurgen mehr als bisher 
ein helfendes Eingreifen bei den Verletzten ermöglicht, mit einer 
gewissen Ruhe in einem Zukunftskriege entgegensehen, so dürfte 
die Lösung des letzteren Problems, wozu ich auch das Äufsammeln 
und Wegschaffen der Verwundeten vom Kampfplatze rechne, bei 
den enormen Ausdehnungen moderner Schlacbtlinien und der kilo¬ 
meterweiten Distanz zwischen ihnen imd den Verbandplätzen noch 
manche Schwierigkeiten bereiten. 

Nr. 29. 

1. Martin, Greifswald: Die Behuidlong des Puerperal¬ 
fiebers mit Antistreptocoooenserum. 

Das Menzersche Serum wurde in der Greifswalder Frauen¬ 
klinik mit Erfolg gebraucht. Ein Nachteil für die Wöchnerinnen 
durch die Serumbehandlung ist in keinem Falle beobachtet worden, 
obgleich bis zu 120 ccm eingespritzt worden sind. Die event. 
erythematösen und urticariaähnlichen Hautausschläge verschwanden 
stets nach kurzer Zeit. Bei einer rektalen Temperatursteigerung 
über 38,5, wird die Sekretentnahme gemacht. Haben sich im 
Ausstrichpräparat Gonoooccen nicht finden lassen, so werden gleich 
am ersten Tage der Temperatursteigerung 20 ccm Menzer ge¬ 
geben. Fällt die Kurve nicht am nächsten Tage dauernd unter 
38,0® herunter, so werden wieder 20 ccm gegeben, event. am 
3. Tage noch einmal. Dauert das Fieber bis zum 6. Tage nach 
dem ersten Temperaturanstiege und länger, so wird vom 6. Tage 
an wieder 3 mal je 20 ccm gespritzt. 

2. Hirsch, Kudowa: Die Einwirkung des Vierzellenbades 
auf den Blutdmok. 

H. kann ihm doch nicht die Fähigkeit zusprechen, den Blut¬ 
druck nach Wunsch zu ändern, wie es Schnöe getan hat. H. 
will damit aber den Wert des Vierzellenbades nicht schmälern. 

3. Rosenfelcl, Breslau: Fett nnd Kohlenhydrate. 

Wir haben das Fett zwar als Brennstoff nicht aber als Zünd¬ 


stoff anzusehen. Der Zündstoff für die Fette sind die Kohlen¬ 
hydrate. Die Kohlenhydrate spielen etwa die Rolle einer Art 
Katalysatoren für die Fette. Wir müssen aber die Kohlenhydrate 
keineswegs allein in der Nahrung suchen, nicht nur mit den 
nativen Kohlenhydraten rechnen, sondern auch mit den aiis Biweiss 
entstandenen. Die Mengen der Kohlenhydrate, welche zur Ver¬ 
fügung stehen, stehen in einem gewi.ssen Verhältnis zu der Fett- 
verbfenmiug und dem durch ihren Ausfall bedingten Eiweiss- 
Defizit. 

4. Blume, Kopenhagen: Zur bakterioskopisohen Frühdiag¬ 
nose der Lungentuberkulose. 

In dieser Mitteilung werden Fälle bakterioskopischer Diagnose 
besprochen, wo die Kranken weder husteten noch spuckten. Mit 
Hilfe eines kleinen Wattebausches auf dem Lar3mxstilett wurde 
eiu wenig Schleim vom Kehlkopfinnem entfernt und sofort auf ein 
Deckgläschen aufgerieben. Nach Doppelfärbung zeigten sich im 
Präparate zahlreiche Epithelzellen, einige Eiterzellen und Schleim. 
Bei genauem Nachsehen fanden sich oftmals vereinzelte Tuber¬ 
kulose. Die hier angegebene Methode bewährt sich auch in Fällen, 
wo ein spärlicher Auswurf erhältlich ist. Die Untersuchung geht 
leichter, wenn das Deckgläschen mit Larynxschleim beschickt 
wird, indem man die zeitraubende Aufsuchung geeigneten Ma¬ 
terials vermeidet. 

5. Kümmell, Hamburg-Eppendorf: Heber moderne Nieren- 
obirurgie, ihre Diagnose nnd Resultate. 

Seine Erfahrungen über die Kryoskopie des Blutes fasst K. 
in folgende Schlussfolgerungen zusammen: Bei intakten Nieren ist 
die molekulare Konzentration des Blutes eine konstante und ent¬ 
spricht im Durchschnitt einem Gefrierpunkt von 0,56. Einseitige 
Erkrankung bedingt keine Störung des Gefrierpunkts des Blutes. 
Der normale Gefrierpunkt beweist nur, dass soviel normales funk¬ 
tionsfähiges Nierengewebe vorhanden ist, als zur vollständigen 
Ausscheidung der Stoffwechselprodukte notwendig ist. Der 
Ureterenkatheterismus ist stets notwendig. Nach K.s zahlreichen 
praktischen Erfahrungen deckt sich im allgemeinen ein normaler 
Gefrierpunkt mit einer funktionsfähigen, wenn auch nicht gesunden 
zweiten Niere. Bei einem Vorhandensein einer gesunden Niere 
war der Blutgefrierpunkt stets normal. -Derselbe zeigte sich auch 
normal bei einer nicht gesunden, jedoch wegen der grösseren 
Menge normalen Nierengewebes funktionsfähigen einen Niere. 
Eine Gefrierpunktserniedrigung des Blutes gibt an, dass beide 
Nieren nicht vollkommen funktionsfähig sind. Sinkt J auf— 0,6, 
so sollte man nach unseren bisherigen Erfahrungen von einer 
Nephrektomie Abstand nehmen und nur eine Nephrotomie aus¬ 
führen, die Nephrektomie aber erst folgen lassen, wenn sich der 
Gefrierpunkt gebessert hat und zur Norm gestiegen ist; falls dies 
jedoch nicht eintritt, von einer solchen Abstand nehmen. 

6. Friedemann, Berlin: Heber Staubbeseitlg^ang. 

Als ein grosser Fortschritt in dieser Richtung ist der neuer¬ 
dings in den Handel gebrachte „Vakuumreiniger“ zu begrüssen. 
Das Prinzip dieses Apparates besteht darin, dass durch eine Luft¬ 
pumpe in einem kesselartigen Raum ein starkes Vakuum erzeugt 
wird. Verbindet man diesen Raum mit einem Schlauch, so wird 
durch das Ende desselben, welches ein Mundstück trägt, Luft 
angesaugt. Bei der Benutzung wird dieses Mundstück dem zu 
reinigenden Gegenstand, Möbel, Teppiche etc. genähert und saugt 
nun aus diesem den Staub heraus. In dem Kesselraum befindet 
sich ein Filter, welches den Staub abfängt und die nunmehr ge¬ 
reinigte Luft in das Zimmer übertreten lässt. 

Für grosse Fussbodenfiächen kommen im wesentlichen Oele 
und Abfallsprodukte der Petroleumindustrie, die unter den ver¬ 
schiedenen Namen (Dustlessöl, Staubfrei, Stemolit, Westrumit etc.) 
in den Handel kommen. Sie stellen meist die Form von Emul¬ 
sionen dar und bilden mit dem Staub zähe Massen, die fest am 
Boden haften. Das Dustlessöl wurde vor längerer Zeit an der 
bakteriologischen Abteilung des hygienischen Institutes zu Berlin 
mit gutem Erfolge angewandt, insofern als die Zahl der Luftkeime, 
welche durch unvermeidliche Luftinfektionen beim Arbeiten ent¬ 
stehen, wesentlich herabgesetzt wurde. Lode stellte vor einigen 
Jahren Versuche mit diesen Stoffen an und fand, dass in einem 
geölten Schulziinraer nach der Inanspruchnahme um 92 ®^ Luft- 


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358 


BIBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 34. 


keime weniger nachzuweieen waren, als in einem nicht geölten 
Zimmer unter den gleichen Verhältnissen. Dieser Effekt war noch 
nach 7 Wochen zu konstatieren. Auch die in neuerer Zeit durch 
das Kaiserliche Gesundheitsamt vorgenommenen Prüfungen ergaben 
ein sehr günstiges Resultat. Das Verfahren verspricht daher für 
Räume, die viele Menschen und den mit diesen hereingeschleppten 
Strassenschmutz zu beherbergen haben, in Zukunft von grosser 
Bedeutung zu werden. 

Nr. 30. 

1. Much, Eoemer, Marburg: Ueber belichtete Ferkydrase- 
miloh. 

Perhydrasemilch ist eine Milch, welche ohne Einbusse an ge¬ 
nuinen Eigenschaften absolut keimfrei gemacht wurde. Die Verff. 
haben nun bei diesem von ihnen hergestelltem Präparat die auf¬ 
fallende Bemerkung gemacht, dass die Milch, wenn sie im Licht 
steht, so schlechtschmeckend wird, dass sie garnicht mehr geniess- 
bar ist. Genaue Untersuchungen auch au anderen Milchsorten 
haben ergeben, dass Licht im Verein mit dem Sauerstoff der Luft 
eine Zersetzung des Milch fettes bewirkt, ohne Anwesenheit von 
Bakterien. 

2. Veuema, Strassburg: üeber Agglutination von Bakterien 
der Typhusgruppe durch Oalle. 

Die Versuche des Verfassers haben durchweg negative Re¬ 
sultate ergeben. Es zeigte sich kein Unterschied zwischen Gallen, 
welche mit Kochsalzlösung oder mit Typhus- uud Paratyphus- 
bazillen versetzt waren, hinsichtlich des Agglutinationsvermögens. 
Auch die baktericide Wirkung war gleich Null. 

3. Weinstein, Odessa: Ueber die Grundlagen und An¬ 
wendung der Wright sehen Opsonintheorie. 

Wright hat eine Methode angegeben, welche auf der An¬ 
nahme beruht, dass unter den bakteriotropischen Substanzen eine 
besonders hervorzuheben sei, welche die Bakterien derart ver.- 
ändert, dass sie eine leichte Beute für die fressenden Leucocyten 
werden. Diese Substanz, welche Wright „Opsonine“ nennt, sch^igt 
also die Bakterien. Die spezifischen Sera enthalten die Opsonine 
und besitzen demnach eine opsonische Kraft. Wright fand nun, 
dass es gelingt, durch gewisse Verfahren die opsonische Kraft des 
menschlichen Serums zu erhöhen. Das therapeutLsche Verfahren 
beruht nun darauf, dass man die opsonische Kraft des Serums 
gegenüber der in Frage kommenden Bakterienart bestimmt und 
eine entsprechende Vaccine zur Injektion benutzt. Die Resultate, 
die Verf. in einigen Fällen von Akne und Furunkulose erzielt hat, 
scheinen sehr für das Wright sehe Verfahren zu sprechen. Die 
Einzelheiten lassen sich nicht referieren und müssen im Original 
naohgelesen werden. 

4. Spaether, Duisburg: Ein Beitrag zur Auffassung des 
Diabetes insipidus und zu seiner Behandlung mit Strychnin. 

Verf. hat bei einem 48jährigen Eisenarbeiter das Auftreten 
von Diabetes insipidus nach Kopftrauma beobachtet und kommt 
auf Grund dieses Falles und der sonst niedergelegten Beobacht¬ 
ungen zu der Auffassung, dass der Diabetes insipidus auf eine 
Läsion des Bodens des vierten Ventrikels zurückzuführen ist und 
dass die erfolgreiche Wirkung des Strychnin darauf beruht, dass 
ein hemmender Einfluss auf die Vasodilatatoren der Niere ausge- 
tibt wird. 

5. Heller, Charlottenburg: Ueber Syphilis der Caruncula 
sublingualis. 

Verf. hat bei seiner Patientin neben breiten Condylomen der 
Genitalien eine irritative Syphilis der Caruncula glandulae sublin- 
gualis fe.ststellen können. Ein Befund, welcher immerhin zu deu 
Seltenheiten gehört. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 28. 

1. V. Pirquet, Wien: Die frühzeitige Reaktion bei der 
Schutzpockenimpfang. So unzählige Bearbeiter die Histologie 
und Bakteriologie der Vakzine interessiert hat, so wenig hat die 
klinische Seite derselben angezogen, v. P. ist aus theoretischen 


Gründen an die Impfung herangetreten; sie ist die einzige Infek¬ 
tion, die wir experimentell am Menschen erzeugen dürfen, und 
dadurch bietet sie eine vortreffliche Gelegenheit zu pathologischem 
Studium; ihm kam es darauf an, an der Impfung die theoretischen 
Vorstellungen über das Wesen der Inkubationszeit zu erhalten, die 
er aus der Serumkrankheit gezogen und mit Schick zu einem 
System verarbeitet hatte. 

Nach der Erstvakzination schlummert der vakzinale Keim 
durch zwei bis drei Tage. Daun tritt eine Papel auf, die sieb 
zuerst allmählich entwickelt, bis am 7. bis 8. Tage unter Fieber- 
erscheinungen eine bedeutende Hyperaemle um die gereifte Impf¬ 
pustel erscheint. Am 9. bis 11. Tage findet ihr Wachstum einen 
kritischen Abschluss. Bei der Vakzineentwicklung erscheint nur 
ein Knötchen, das keinen scharfen Höhepunkt erreicht, und all¬ 
mählich wieder abtrocknet. Die andere Form ist der Erstvakzi¬ 
nation ziemlich ähnlich: Pustel, Areolabildung, manchmal sehr 
starke Allgemeinerscheinungen. Dazwischen gibt es Uebergänge. 
Aber das Merkwürdige an allen Formen ist, dass die Entwicklung 
gegenüber der Erstvakzination durchweg beschleunigt ist. Alle 
Phasen treten in kürzerer Zeit auf — also gerade das Gegenteil 
von dem, was mau erwarten sollte. Dieses Verhalten der Revah- 
zination ist allen Impfärzten bekannt, bisher ganz unbeachtet ist 
aber jeder Impferfolg, den man erhält, wenn man die Re Vakzination 
schon in den ersten Monaten nach einer Erstimpfung folgen lässt 
Zur Demonstration der Reaktion bei ganz jungen Revakzinatiooen 
hat V. P. seinen eigenen Arm als Versuc^feld eingerichtet: er 
impfte sich in den letzten drei Jahren sehr hänflg und zeigte ganz 
regelmäßig die frühzeitige Reaktion. Die einzelnen Impfungen 
verlaufen hierbei ganz selbständig; sie beeinflussen sich in ihrem 
zeitlichen und räumlichen Abläufe nicht, wie Sukzessivimpfungen 
nach einer Erstvakzination. Die Vakzination bewirkt keine ab¬ 
solute Immunität, sondern sie verändert die Reaktionsfähigkeit 
des Organismus in der Weise, dass er früher reagiert und die 
wiederholte Infektion in kürzerer Zeit zum Abschlüsse bringt 

2. Neumann und Wittgenstein, Wien: Das Verhalten 
der Tuberkelbazillen in den verschiedenen Organen nach intra¬ 
venöser Injektion. 

Die mit den verschiedenen Proben geimpften Meerschweinchen 
wurden teils nach ihrem erfolgten Tode seziert und Organstück¬ 
chen von ihnen zwecks histologischer Untersuchung eingelegt, 
teils nach ca. 70 Tagen getötet. Schon eine halbe Stande nach 
der Injektion und ebenso in lückenloser Reihe auch noch nach 
35 Tagen in allen zur Verimpfung gekommenen Organen konnten 
Tuberkelbazillen durch den Impfversuch nachgewiesen werden; 
doch nimmt dabei das Ovarium eine Sonderstellung ein, indem 
nämlich von den 7 sofort nach der Entnahme erfolgten Impfungen 
nur dreimal ein positives Impfresultat zu erzielen war. Dagegen 
Hessen sich weseatliche Unterschiede feststellen, wenn Tuberkel¬ 
bazillen eingeschlossen in die verschiedenen Organe 22 bis 25 
Tage lang bei 37® auf bewahrt worden waren. In Uebereinatimm- 
ung mit den von Bartel und Neumann erhobenen Befunden 
erwiesen sich auch hier die Tuberkelbazillen, suspendiert in Milz, 
mesenterialen imd bronchialen Lymphdrüsen der Hunde, die eine 
halbe Stunde, 24 Stunden, 3 Tage, 7 Tage und 11 Tage nach 
der intravenösen Injektion getötet worden waren, nach diesem 
Zeiträume ausser stände, eine allgemeine Tuberkulose der Impf¬ 
tiere hervorzurufen. Aber nicht nur diesen lymphoiden Organen, 
auch der Leber und dem Ovarium kommt diese Eigenschaft zu, 
auch hier erhielten N. und W. in keinem dieser Fälle durch Ver¬ 
impfung der aufbewahrten Proben eine Tuberkulose des Impf¬ 
tieres. Anders aber war das Verhalten des Lungengewebes. Es 
scheint sich darin die auffallend geringe Widerstandsfähigkeit des 
Lungenparenchyms einer Tuberkelinvasion gegenüber zu bekunden. 
Ebenso bemerkenswert war denn auch der Obduktionsbefund eines 
35 Tage nach intravenöser Injektion getöteten Hundes. Obwohl 
hier alle Organe ein positives Impfre.sultat ergaben, Hessen nur 
die Lungen makroskropLsch tuberkulöse Veränderungen erkennen. 

3. Lucksch, Czernowitz; Ueber eine Dysenterieepidemie. 

Im August des vorigen Jahres brach in der Czernowitzer 
Landesirrenanstalt eine Dysenterieepidemie aus, und es herrschte 


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1906. 


MEDIGIKISCHE WOCHE. 


359 


ausserdem im ganzen Lande während der Monate August, Sep¬ 
tember, Oktober and November diese Seuche. Die Epidemie setzte 
mit typischen dysenterischen Erkrankungen ein und befiel die 
Kranken ohne Rücksicht anf ihren körperlichen Zustand (also 
nicht bloss die marantischen). Sie führte nur bei vorher sehr 
herabgekommeuen Patienten im akuten Stadium zum Tode. Be¬ 
züglich der Verbreitung der Epidemie hat wohl augenscheinlich 
die Eontaktiniektion die grösste Rolle gespielt; die Kontaktinfek¬ 
tion, die schon unter geistig normalen Menschen, die in grosser 
Zahl in ungenügend grossen Räumlichkeiten beisammen wohnen, 
sehr leicht eintritt, wurde hier durch den geistig abnormalen Zu¬ 
stand der Patienten natürlich nur noch gefördert; dazu kam noch, 
dass in der Anstalt stets eine grosse Üeberfüllung herrscht, da 
dieselbe für 150 Patienten berechnet ist und durchschnittlich 
320 Irre beherbergt. Das wirklich von einer Infektion gesprochen 
werden kann, beweist der Umstand, dass stets dann, wenn 
Patienten ans der Isolierabteilung auf ihre frühere Abteilung zu¬ 
rückgebracht worden, die Krankheit neu aufflackerte, welche Er¬ 
scheinung sich zwei- oder dreimal wiederholte. Für die Auffassung 
der Erkrankung als einer epidemischen würde ferner sprechen, 
dass ein Wärter sm Dysenterie erkrankte und dass die Herren 
der Anstalt selbst sehr häufig an Durchfhllen mit schleimigen 
Stühlen litten. Da die Dysenterie sonst immer als eine Trink¬ 
wassererkrankung katexochen hingestellt wird, die sofort mit der 
Ausschaltung des schlechten Trinkwassers sistiert, scheinen die 
bei der besprochenen Epidemie gewonnenen Erfahrungen deshalb 
bemerkenswert, weil daraus hervorgeht, dass nicht immer das 
Trinkwasser bei der Dysenterie die grösste Rolle spielt, sondern 
dass der erkrankte Mensch als Hauptquelle der Infektion anzu¬ 
sehen ist; diese Ansichten haben ja auch bezüglich des Typhus 
seit Kochs Untersnchungen in den Rheinprovinzen an Boden ge¬ 
wonnen und es ist deshalb von Wichtigkeit, festzustellen, dass 
auch für andere Infektionskrankheiten in diesem Palle für Dysen¬ 
terie, dieselben Verhältnisse obwalten können. 

4. Jangmann, Wien: Technisoh-therapeutisolieMitteilungen 
zur Lupusbehandlung, spez. zum Finsenbetrieb. 

J. berichtet über ein neues Modell einer manuellen Druck¬ 
linse, die in der „Heilstätte für Lupuskranke“ (Prof. E. Lang) 
im Gebrauche ist; ferner über ein Modell automatischer Druck- 
Imsen, über eine antomatische Zangendrncklinse und über Verein¬ 
fachungen beim Linsenwechsel. 

5. Jellinek, Wien: Zur kausalen Thiosinammbehaudlung 
des Malnm Dupuytren. 

J, berichtet von einem Malum Dupuytren bei einem Patienten, 
welcher an Atheromatose der Gefhsse (64 Jahre alt) und etwas 
Lnngenemphysem litt, der aber sonst keinerlei nervöse oder kon¬ 
stitutionelle Krankheitserscheinungen darbot. Die Therapie, 
welcher nur die linke Hand unterzogen wurde, war eine aus¬ 
schliesslich lokale. Es wurden zunächst in kleineren, später in 
grösseren Intervallen Injektionen einer 15%igen alkoholischen 
Thiosinaminlösung und zwar direkt in die kranke Palmarfascie 
appliziert; zu den Einstichatellen wurden die verhärteten Knoten 
und Stränge gewählt. Die Stellen wurden vorher entweder durch 
Chloräthyl oder durch Kokaininjektion anaesthesiert, da die In¬ 
jektionen im allgemeinen schmerzhaft waren. Injiziert wurden 
zwei bis drei, höchstens fünf Teilstriche einer Pravazspritze. In 
den Zwischenzeiten hatte der Patient seine linke Palma in einem 
Verband von 10% Thiosinamiupflastermull. Eine andere Therapie, 
wie sie z. B. auch von Len ge mann verwendet wurde, (Bäder, 
Massage etc.) wurde bei diesem Falle nicht geübt. 

6 . Salus, Prag: Heber Aggressine. 

Eine Erwiderung auf den in Nr. 25 dieser Wochenschrift 
erschienenen Vortrag von Dörr. 

7. Escherich: Der Verein „Bäugliugssobutz“ auf der 
Lygienisohen Ausstellung iu der Rotunde 1906. 

Eine ausserordentlich interessante Besprechung der Aua- 
stellnng, welche der Verein „Säuglingsschutz“ im Vereine mit 


den erzherzoglich Fried rieh scheu Domänen in der Gruppe III 
veranstaltet hat und welche sowohl ihrem Umfange als ihrem In¬ 
halte nach die erste und bedeutendste derartige Schaustellung auf 
österreichischem Boden darstellt. Bedeutet sie doch für Oester¬ 
reich den Anfang und hoffentlich den Ausgangspunkt einer grossen 
und wichtigen Aktion, die zu den dringensten Aufgaben der mo¬ 
dernen Hygiene zählt: die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
und der Prophylaxe des frühen Kindesaltera, das wie keine andere 
Lebensperiode so für Infektion empfänglich ist. Die Ausstellung 
sollte nicht nur die Ziele und die Leistungen der Vereinstätigkeit 
zur Anschauung bringen, sondern auch durch Gegenüberstellung 
zweckmäßiger unhygienischer Einrichtungen direkt belehrend und 
erziehlich wirken. 


Vermischtes. 

Aerztliche Studienreise 1906. Seine kgl. Hoheit der Gro&s- 
herzog von Baden hat den Teilnehmern der diesjährigen' Studien¬ 
reise den Besuch der Insel Mainau gestattet und den Wunsch ge- 
äussert, die Teilnehmer auf der Insel Mainau zu sehen und das 
Komitee zu empfangen. 

In das Programm der diesjährigen Reise ist ferner der Be¬ 
such von Glotterbad, Salzburg, Sigmaringen, Donaueschingen und 
Dürrheim aufgenommen worden, Meldungen werden noch bis zum 
25, August angenommen und sind nach Berlin, Kaiserin Friedrich- 
Haus, Luisenplatz 2—4 zu richten. 

Nach der Eröffnungssitzung in Heidelberg am 2. September 
vormittags 9 Uhr, für welche die Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Vier- 
ordt und Fieiner Vorträge übernommen haben, findet die Besich¬ 
tigung des neuen Institutes der medicinischen Poliklinik statt und 
wird daselbst gleichzeitig eine Ausstellung der neuesten ärztlichen 
Apparate von Seiten der Firmen, welche diese medicinische Poli¬ 
klinik eingerichtet haben, veranstaltet werden. 


Heber Pyrenol von Dr. F. Walther, Leipzig. (Thorap. Neu¬ 
heiten No. 3, Leipzig 1906.) 

In knapper gut übersichtlicher Form gibt Walther eine GesarotUbor- 
sicht der bisher mit Pyrenol erzielten therapeutischen Resultate. 

Die Wirkung des Pyrenol ist im wesentlichen expektorierend, sedativ, 
antipyretisch und antirheumatisch Auf Blutdruck und Puls übt es nicht 
wie fast sämtliche Salicylpräparato einen ungünstigen Einfluss aus, sondern 
erweist sich im Gegenteil tonisierend und exzitierend. Magen und Darm 
leiden auch bei längerem Gebrauch in keiner Weise, der Appetit bessert 
sich. Ueberbaupt fehlen nach dem übereinstimmenden Urteil sämtlicher Au¬ 
toren irgendwelche schädlichen Nebenwirkungen vollständig. Am eklatan¬ 
testen ist die günstige Wirkung beim Asthma. Hier ruft es erhebliche Er¬ 
leichterungen, öfters sogar der Atemnot hervor. Die Absonderung wird ver¬ 
mindert, die Anfälle abgeschwächt, oft kupiert. Bei Pertussis wird es gleich¬ 
falls mit grossem Nutzen angewendet. P^nol verringert die Zahl der 
Anfölle, nimmt ihnen ihren krampfartigen Charakter nnd kürzt im allge¬ 
meinen die Erankheitsdauer ab. ^hr günstig sind die Erfolge bei Influenza, 
krapöser, katarrhalischer und Influenza-Pneumonie, bei akuten Bronchitiden 
und beim Typhus abdominalis. Hier spielt neben der expektorierenden und 
schmerzstillenden, auch die antipyretische Wirkung eine bedeutende Rollo. 
Der Gehalt an Salicylsäure und deren chemische Bindung zu einem leicht¬ 
löslichen Salze endlich macht das Präparat zur Behandlung von Gelenk- und 
Muskel-Rheumatismus, von Gicht und in grösseren Dosen auch gegen Non- 
ralgien gut geeignet. Es sind besonders hei Muskelrheumatismus und Gicht 
vorzügliche Resultate erzielt worden. Das Anwendungsgebiet ist auch 
schon aus dem Grande ein ausvedehutes geworden, weil es auch bei woeben- 
langer Verabreichung in der vollen Dosis die Herztätigkeit nicht beeinträchtigt 
und deshalb auch bei Herzkranken und bei Arteriosklerose nnbed&nklicb ge¬ 
geben werden kann. 

Znm Schluss erwähnt Walther noch, dass Pyrenol auch boi Herz- 
neurosen and bei durch Herzleiden verursachten Störungen von guter 
Wirkung ist. 

Man verordnet Pyrenol entweder als Pulver oder in Lösung oder auch 
in Form von Tabletten, die in der Fabrik (Chemisches Institut Dr. Horo- 
w i t z, Berlin N. 24) bergestellt werden. 

Die durchschnittliche Dosis für Erwachsene beträgt S mal tgl. 0,5—1,0. 
Bei Pneumonien und beim Typhus abdominalis bewährte sich die dreistünd¬ 
liche Verabreichung von 0.5, mr grössere Kinder die Hälfte, für Säuglinge 
ein Viertel davon, wobei zu beachten ist, dass Pyrenol nicht in warmen 
Lösungen genommen werden darf, sondern in kaltem Tee, Kaffee, Milch, 
Kakao, Wasser mit Syr Rub. Idaei, (besondere für Kinder) oder in Pfeffer¬ 
minztee. 


Verknlwortlieher Redaktettr : Dr. P. Meiitner, Berlin W. 61 , KnrfOrttenttr. 81. — Verlag von Carl Marhold. Halle a. S. 
Draek TOn der HeTneaunn’schen Bncbdmekerei, Oebr Wolff, Halle n. S 


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Cölner flkademie für praktisclie Medicin. 

Dreiwöchiger Fortbildungekursue für auswärtige praktische Aerzte in der Zeit vom 8. bis 27. Oktober 1906. 


1. Ausgewählte Kapitel der inneren Mcdicin mit klinischen Demonstra¬ 
tionen; Prof, Dr. Hochhaus und Prof. Dr. Matthes abwechelnd, täglich von 
12— l Uhr (Augusta-Hospital). — 2. Nervenkrankheiten nach Unfällen; Prof. 
Dr. Hochhaus, zweistündig, Mittwoch von 11 —12 Uhr, zweite Stunde nach 
Vereinbarung (Augusta-Hospital). — 3. Diätetik; Prof. Dr. Matthes, zwei¬ 
stündig, Samstag von 11 —12 Uhr, zweite Stunde nach Vereinbarung (Augusta- 
Hospital). — 4. Ausgewählte Kapitel der Kinderkrankheiten mit klinischen 
Demonstrationen; Prof. Dr. Sieger t, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 
von 8—9 Uhr vorm. (Kinderhospital;. — 5. Physiologie, Pathologie und Therapie 
der Säuglingscrnährung; Prof. Dr. Siegert, Montag und Donnerstag von 
f)—7 Uhr nachm. (Kinderhospital) — h. Die Frühdiagnose der Tuberkulose, 
Heilstätten und Organisation der ergänzenden Tuberkulose-Abwehreinrichtungcn; 
Dr. Dautwiz, Montag und Donnerstag von 3—4 Uhr (Bürger-Hospital) und 
eine Uebungsstunde nach Vereinbarung. — 7. Ausgewählte Kapitel aus dem 
Gebiete der Chirurgie (Verletzung der Unterleibsorgane, Biersche Stauung, 
Extensionsbehandlung); Geheimrat Prof. Dr. Bardenheuer, Montag und 
Donnerstag von 10‘;, — 12 Uhr, (Bürger-Hospital). — 8. Chirurgische Demon¬ 
strationen mit klinischen Operationen; Prof Dr. Tilmann, Dienstag und 
Freitag von 10‘/| —12 Uhr (Bürger-Hospital). — 9. Die chirurgischen Er¬ 
krankungen des Magendarmtraktus; Dozent Dr. Dreesmann, Mittwoch und 
Samstag von 8 — 9% Uhr (Vinzenzkrankenhaus). — 10. Klinisch-chirurgische 
Besprechungen und Operationen, zumal aus den Grenzgebieten der Chirurgie 
und inneren Medicin; Dozent Or. Martin, Mittwoch und Samstag von 8 bis 
9'/s Uhr (Evangelisches Krankenhaus). — 11. Erkrankungen der Speiseröhre 
mit Uebungen in der Oesophagoskopie; Dozent Dr. Martin, einstündig nach 
Vereinbarung(Evangelisches Krankenhaus). — 12. Technik der Extensionsverbände 
bei der Behandlung der Knochenbrüche; Dozent Dr. Grässner, Mittwoch 
von IP/t—1 Uhr (Bürger-Hospital). — 13. Röntgendiagnostik mit besonderer 
Berücksichtigung der Bedürfnisse des praktischen Arztes; Dozent Dr. Grässner, 
Samstag 11 Vs— 1 Uhr (Bürgcr-HospUal. — 14. Röntgenkursus mit praktischen 
Uebungen (Teilnehmerzahl beschränkt); Dozent Dr Grässner, vierstündig 
nach Vereinbarung. — 15. Demonstrationen und Operationen an der Leiche 
unter Berücksichtigung der operativen Gynäkologie, der Bauchchirurgie und 
der Chirurgie der Notfälle; Dozent Dr. Kayser, Mittwoch und Freitag von 


3Vi~‘‘’ Chr (Augusta-Hospital). — 16. Unfallchirurgie mit praktischen L^ebungai 
Dozent Dr. Gramer, Dienstag und Freitag von 5—6 Uhr (Bürger-HospitaJ.— 
17. Oithnpädische Chirurgie: Dozent Dr. Gramer, Mittwoch von 4 — 5 L’hr 
(Bürger-Hospital). — 18. Au.sgewähltc Kapitel der Gynäkologie, insbesonJer« 
Therapie der Blutungen und Verlagerungen, gynäkologischer Diagnostik; Pref. 
Dr. Füth, Dienstag und Freitag von 9 —10*/, Uhr (Bürger-Hospital). — 
Geburtshilflicher Operationskurs, am Phantom; Prof. Dr. Füth, zweistündti 
Dienstag von 3 —4 Uhr, zweite Stunde nach Vereinbarung (Bürger-Hospiul 
20. Geburtshilfe, Dozent Dr. Frank, Montag und Donnerstag von 9—10*.', Uhr 
(Hebammenlehranstalt). — 21. Untersuchungsmclhoden des Auges mit Uebunges 
im Gebrauche des Augenspiegels; Dozent Dr. Pröbsting, Montag und 
Donnerstag von 5V»~7 Uhr (Augenheilanstalt, Gereonswall 114). — 22. Vorträge 
aus dem Gebiete der Nasen- und Halskrankheiten mit Uebungen im Gebrauch 
des Na-sen- und Kopfspiegels; Dozent Dr. Hofmann, Montag und Donnerstag 
von 9 —107t (Bürger-Hospital). — 23. Ausgewählte Kapitel der Ohrenheil¬ 

kunde; Prof. Dr. Preysing, Dienstag und Freitag von 4 —5 (Bürger-Hospital. 
— 24. Klinische l’sychiatrie mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnis« 
des praktischen Arztes; abwechselnd Prof. Dr. Aschaffenburg und Dozent 
Dr. Fuchs, Mittwoch und Samstag von 8—9*/, Uhr (Lindenburg). — 
Gerichtliche Psychiatrie mit praktischen Uebungen; Prof. Dr. Asch affenburg. 
Mittwoch von 6 — 7 Uhr {Lindenburg). — 26. Ueber Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten; Dozent Dr. Zinsser, Mittwoch und Samstag von 9'/,—12 Uhr 
(Lindenburg). — 27. Demonstrationen im Lichtinstitut; Dozent Dr. Zinsser. 
Mittwoch von 5 —6 Uhr (Lindenburg). — 28. Pathologisch-anatomisclK 
Demonstrationen; Prof. Dr. Jores, Montag und Donnerstag von 4 — 5’, 
Uhr (Augusta-Hospital). — 29. Die Bakteriologie des praktischen Arztes, Dozeni 
Dr. Czaplewski, Montag, Mittwoch, Donnerstag von 3 —4 Uhr (Augusta 
Hospital). — 30. Untersuchungen des Wassers, der Luft, der wichtigsten 
Nahrungsmittel; Dr. Grosse-Bohle, Montag und Donnerstag von 4 — 5 Uhr 
(Augusta-HospiUl). — 31. Ueber soziale Medicin; Dozent Dr. Meder, Dienstag 
und Freitag von 6—7 Uhr (Bürger-Hospital). — 


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und sonstige Auskunft erteilt das Sekretariat der Akademie Cöln, Portalsgasse Nr. 2. 


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In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045. 
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2054. 
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In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060. 
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H. Unverricbi» A. Vossins» 

Magdeburg. Gieuen. 


Redaktion: 

Berlin W« 62» Kurfurstenstrasse 81« 

Dr. P Meißner. 


Jahrgang. 


27. August 1906. 


Nr. 35. 


Die .Medicinische Woche” erscheint jeden Montag mit der Utagigen Beilage Balncologische Ceiltralzeltung» Organ des Allgemeinen Deutschen 
Baderverbandes, des SchwarzwaldbBdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit SO Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel grSßeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der OrlglnaNAufsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originaiien. 

Aus dem physioloffisch-baMeriologischen Institut 
von Dr* DiorkowaJH-Berlln, 

lieber Asthmacarbon. 

Von Dr. G. Zehden. 

Die Aetiol^e des Bronchialasthmas ist bis auf den heu¬ 
tigen Tag der Gegenstand lebhafter literarischer Kontroversen 

g eblieben. Nur insofern ist man im allgemeinen jetzt einig, 
ass man die Trennung zwischen bronchialem und nervösem 
Asthma gänzlich aufgegeben hat, und dass man den Krampf 
der glatten Broncbialmuskulatur nur als den sozusagen physio¬ 
logischen Vorgang des asthmatischen Anfalls ansieht, der durch 
die Vermittelung des Nervensystems und die Erregung des 
Zentralorgans zustande kommt. Als Bedingung wird dabei 
vorausgesetzt, dass die für die Atmung wichtigen Partioen des 
Gehirns in dem Sinne verändert sind, dass Reize der ver¬ 
schiedensten Art auf sie asthmaauslösend einwirken können. 
Es ist danach das Asthma als eine Reflexneurose aufzufassen; 
d. h. irgend ein Nerv wird peripher gereizt, die Reizung geht 
über auf das Zentrum und wird von dort übertragen auf die 
glatte Muskulatur der Bronchien. Dann folgt der Bronchial¬ 
muskelkrampf i. e. der Asthmaanfall. 

Nunmehr ist es leicht erklärlich, dass die eigentliche 
Ursache des Asthmas eine recht verschiedene sein kann. Am 
häufigsten entsteht das Asthma durch die Reizung eines Nerven¬ 
endes, in dessen Umgebung oder Bedeckung em Katarrh be¬ 
steht. Dieser Katarrh löst den asthmatiseben Anfall aus; je 
chronischer er ist und je mehr seine Intensität schwankt, desto 
häufiger kommt es zu Asthmaanfällen. 

Das typische Beispiel hierfür ist der Katarrh der feinen 
Bronchien. Hier tritt eine für den Kranken sehr unangenehme 
Wechselwirkung ein: eine Verstärkung des Katarrhs bringt 
einen Asthmaanfall ünd ein Asthmaanfall wieder eine Ver¬ 
stärkung des Katarrhes. Ebenso gut kann aber die Zerrung 
eines Nerven in einer Narbe oder in einem in Organisation be¬ 
griffenen Exsudatrest, eine chronische Hypertrophie der Nasen- 
schieimhaut, ebenso gut auch nervöse Störungen im Urogenital¬ 
apparat oder in den Verdauungsorganen das asthmaauslösende 
Moment abgeben. 

Nach dem Gesagten ergeben sich für die Therapie des 
Asthmas selbst zwei Gesichtspunkte. Erstens — und das ist 
das Wichtigste — muss man unter allen Umständen versuchen, 
die Stelle im Körper festzustellen, wo der Reflex beginnt. Die 
Behandlung der örtlichen Störung, die natürlich je nach den 
Organen, m denen sie sich bemidet, eine verschiedene sein 
muss, ist dann neben der allgemeinen Behandlung das wichtigste 
Erfordernis, um das Asthma selbst zu bekämpfen. 


Daneben handelt es sich um die Feststellung der Gelegen¬ 
heitsursache, die den Reflexreiz abgibt, welche also den Aus¬ 
bruch des asthmatischen Anfalles veranlasst oder begünstigt. 
Dies ist oft nicht leicht anzugeben. Während bei dem einen 
Kranken Umschlag der Witterung, starke Staubentwickelung, 
Regen, bei dem andern der Genuss bestimmter oder zu vieler 
Speisen die Ursache abgibt, so sind es bei andern schwer fass¬ 
bare und schwer festzustellende Veranlassungen, so z. B. ein 
für viele kaum wahrnehmbarer Geruch, oder das unerwartete 
Oeffnen einer Tür usw. Will man bei der Behandlung des 
Asthmas Erfolg haben, so muss man auf die Beseitigung dieser 
Imponderabilien besonderen Wert legen. 

Der zweite ist die Bekämpfung des Asthmaanfalles selbst. 
Wir wollen hierbei nicht näher auf die unzähligen Mittel ein- 
gehen, die dagegen empfohlen und angewandt worden sind. 
Von den eigentlichen Narcoticis hat si^ Chloralhydrat, be¬ 
sonders wenn es bei den ersten Anzeichen des Asthmas ge¬ 
geben wird, am besten bewährt. Aber beim Kranken, der bei 
jeder Gelegenheit zum Chloralhydrat greift, besteht die Gefahr 
der chronischen Vergiftung. 

Erklärlicherweise wird auch mit dem Morphium, das an 
sich noch am leichtesten über den Anfall hiuweghÜft, vielfach 
Missbrauch getrieben, so dass ein chronischer Asthmatiker 
häufig noch dazu ein unheilbarer Morphinist wird. 

Nicht unbedenklich sind auch die zahlreichen Alkaloide, 
die als Antiasthmatica Anwendung finden. Sie stammen meist 
aus der Gruppe der zu den Solaneen gehörigen Giftpflanzen. 
Man lässt den Dampf der brennenden Blätter einatmeii oder 
daraus hergestellte Zigaretten rauchen. — Alle diese Alkaloide 
sind mehr oder weniger starke Herzgifte. Es lässt sich nicht 
von der Hand weisen, dass durch die häufige Anwendung 
immer grösserer Mengen mit der Zeit eine Schädigung dos 
Herzens eintreten kann. 

Wenn uns daher ein alkaloidfreies Mittel zur Verfügung 
gestellt wird, das imstande ist, den Asthmaanfall prompt zu 
kupieren, so wird damit einem Bedürfnis entsprochen. 

Das scheint der Fall zu sein bei einer von der Deutschen 
Asthmacarbon-Gesellschaft eingeführten neuen Droge, die aus 
Argentinien stammt. Sie ist bisher in Europa zu therapeutischen 
Zwecken noch nicht verwertet worden; dagegen wissen wir 
durch private briefliche Mitteilungen, dass die Eingeborenen 
von Mendoza und Patagonien sie als Mittel gegen Asthma und 

f egen die Bergkrankheit kennen und vielfa^ anwenden. Die 
unaria Ascochingae ist eine sehr interessante und schöne 
Pflanze; sie gehört zur Familie der Kompositen und zwar zum 
Tribus der Tribuliflorae: .sie ist von einem argentinischen Forscher 
vor einigen Jahren in der Sierra Chiga an den Abhängen des 
Cerro Blanco in Cordoba zuerst gefunden und klassifiziert 
worden. Sie wächst strauchartig, die Blumenkrone ist zwoi- 
lippig mit dreiteiliger Unter- und zweiteiliger Oberlippe; der 
Griffel ist unter den Narben pinselförmig behaart; die Blätter 
sind ganzrandig, linealisch und zurück gerollt, 


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362 


MEDIGUnSCHE WOCHS. 


Nr. 35. 


Zu Heilzwecken wird sowohl das Kraut als auch die 
Wurzel benutzt. 

Herr Dr. Piorkowski und ich haben die uns zu Ver¬ 
suchen in grösseren Mengen zur Verfügung gestellte Pflanze 
nach verschiedenen Richtungen hin verw'endet. Wir haben sie 
zunächst in ihre chemischen Bestandteile zerlegt, dann die 
einzelnen Produkte und die Pflanze als Ganzes auf ihren 
therapeutischen Wert hin geprüft 

Das kleingeschnittene Kraut wurde zunächst mit verdünntem 
Alkohol extr^iert und das Filtrat behufs Beseitigung des 
Alkohols einer Destillation unterworfen; sodann wurde der 
Destillationsrückstand mit Wasser verdünnt, die Lösung mit 
Bleiacetat versetzt, der Niedei schlag abfiltriert und das Blei 
mit Schwefelwasserstoff gefällt. Nach dem Absätzen wurde 
das Filtrat zur Sirupdicke verdampft, mit Sand und Kalkmilch 
zur Trockene eingedampft und der Rückstand mit Aether im 
Extraktionsapparat extrahiert. Der Verdunstungsrückstand wurde 
zweimal mit absolutem Alkohol umkrystallisiert. Der so ge¬ 
wonnene Körper ist amorph, von weissgelblicher Farbe, 
schmeckt bitter, riecht eigenartig aromatisch, löst sich in Al¬ 
kohol und Aether, nicht ^er in Wasser auf. 

Durch weitere Reaktionen erwies er sich als eine Zucker¬ 
art und zwar ergaben 200 gr. des Krautes etwa 0,01 Glycosid. 

Ein Alkaloid konnte nicht nachgewiesen werden, dagegen 
reichlich Harz, das gleichfalls von dem Glycosid enthielt. 
Wurde das Harz mit Wasser erschöpft und mit Sodalösung 
gekocht, ferner mit Salzsäure neutralisiert, so resultierte ein 
pulvriger Rückstand von Harzsäure. Einige andere Reaktionen, 
die sich ergaben, sind hier belanglos. 

Doch ist noch zu bemerken, dass kleine Mengen eines 
ätherischen Oeles und eine beim Abdampfen flüchtige Substanz 
beobachtet wurden. Sowohl das Kraut selbst wie auch der 
alkoholische Auszug ergaben beim Verbrennen resp. Verdunsten 
starke weissliche Dämpfe. 

Unsere Versuche, die wir an einer grösseren Zahl von 
Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen anstellten, ergaben, 
dass das Kraut und die aus ihm hergestellten chemischen Pro¬ 
dukte für den Tierkörper völlig unschädlich sind. 

Wir verfutterten einerseits das Ejaut, andererseits spritzten 
wir von der Glycosidlösung. zunächst kleine Gaben, die wir 
schliesslich auf '/* g hei Mäusen, auf 1 g bei Meerschweinchen 
und 2 g bei Kaninchen erhöhten, unter die Haut. In der 
Fresslust und dem Allgemeinbefinden machte sich irgend eine 
Einwirkung bei den Tieren nicht bemerkbar, die Temperatur 
bewegte sich nur innerhalb der Grenzen eines halben Grades. 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krantwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Fortsetzung.) 

Bei der Gicht, die man damals auch für eine ansteckende 
Krankheit hielt, unterlag der Desinfektion die von den Kranken 
gebrauchte, von ihrem Sebweiss durchdrungene Bettwäsche und 
Kleidungsstücke, zumal auch Strümpfe, Socken, Stiefel. 

Bei Tuberkulose, deren Erreger unbekannt war, wurde 
verlangt: Reinigung der Lagerstelle des Kranken, des Bett¬ 
zeugs, zumal aber der Leibwäsche und der Kleidungsstücke, 
die Gefährlichkeit des Sputums selbst hat man damals nicht 
gekannt. 

Besonders sorgfältige Maßnahmen verlangte das Regulativ 
bei der Versorgung Infektionskranker in Hospitälern; es schrieb 
hier ausreichende Absonderung vor, möglichst freiliegende Ge- 


Von dem Harz wurden kleinere und grossere Mengen in Wasser 
aufgeschwemmt und injiziert; das Harz blieb an der Injektions¬ 
stelle unverändert liegen. Schliesslich wurden noch grossere 
Mengen des Glycosids an Kaninchen verfuttert; wir Hessen die 
Kaninchen Pillen, die bis 5 Gr. Glycosid enthielten, verschlucken; 
eine Veränderung im Befinden war nicht festzustcllen. Endlich 
haben auch die Dämpfe, welche durch Verdampfen des Krautes 
auf Kohlen oder des alkohoUschen Auszuges erzielt werden, 
keinen nachteiligen Einfluss auf dieselben ausgeübt. 

Es ist also als festgestellt anzusehen, dass die Pflanze keine 
Bestandteile enthält, welche einen schädlichen Einfluss auf den | 
tierischen Organismus ausüben könnten. 

Die Pflanze kommt unter der Bezeichnung „Asthmacarbon“ 
in einer nach Namen und Form geschützten Aufmachung in 
den Verkehr. Kraut und Wurzeln werden hierzu aufs feinste 
pulverisiert, dann werden 6 g zu einer Tablette komprimiert, 
die ungefähr die Grosse und Form eines MarkstücKes hat 
Die Tablette ist auf einer zylindrisch gestanzten, feinporösen 
Holzkohle befestigt. 

Dieses ganze als „Asthmacarbon“ bezeichnete Antiasthma- 
tikum wird in folgender Weise angewandt: Beim Beginn des 
Anfalles wird die Kohle mittels eines Streichholzes auf dem 
beigegebenen Blechuntersatz zum Glühen gebracht. An der 
Kohle entzündet sich die Tablette. Sobald die charakteristisch 
riechenden, weissen Dämpfe aufsteigen, wird das Asthmacarbon 
in die Nähe des Kranken gebracht, der die Dämpfe langsam 
aus einiger Entfernung einatmet. Die Wirkung macht sich 
dann in eklatanter Weise bemerkbar, dass nach anfänglichem 
leichten Hustenreiz die Atmung ruhiger wird imd sich vertieft, 
dass die asthmatischen Beschwerden aufhören, und dass der 
Krank© meist nach einiger Zeit in ruhigen Schlaf verfallt. 

Diese Wirkung hatten wir auch schon beim Tierversuch 
beobachtet: wir hatten Kaninchen, die mit Pneumococcen ge¬ 
impft waren und infolgedessen nach einiger Zeit eine erhöhte 
Atraungsfrequenz aufwiosen, über die Dämpfe gehalten: nach 
einiger Zeit wurden die Atemzüge tiefer und langsamer. 

Ueber die Ergebnisse in der Praxis wird später ausführ¬ 
licher zu berichten sein. An dieser Stelle wollen wir nur ganz 
allgemein anftihren, dass eine Reibe von chronischen Asthma¬ 
tikern durch das Asthmacarbon über ihre Anfälle schnell bin- 
w’eggekommen sind. 

Erwähnenswert scheint uns die günstige Einwirkung auf 
die Atmungsbeschwerden der Phthisiker. Wir konnten mehr¬ 
fach konstatieren, dass starke nächtliche Hustenanfalle, die 
sonst stets mit erheblichen asthmatischen Beschwerden ver¬ 
bunden waren, durch die Asthmacarbondämpfe aufs Günstigste 

bäude, für jeden Kranken ein Luftraum von 540 cbm Fnss, 
Trennung der Rekonvaleszenten von den Kranken, sorgföltig® 
Reinigung der Kleider der Infektionskranken. Auch werdeu 
heute noch die Aerzte mit besonderer Freude dem § 17 zu¬ 
stimmen, der verlangte, dass mit Strenge darauf zu achten sei, 
dass keine unbefugten Personen mit der Behandlung ansteckender 
Krankheiten sich befassen sollten, und dass von den Apotheken 
keine Arznei zu ihrer Heilung ohne ärztliche Vorschrift ver¬ 
kauft werden dürfte. 

Schon aus dem Angeführten wird man ersehen, dass die 
Vorschriften des Regulativs, so vorzüglich sie für die erste 
Hälfte des vorigen Jahrhunderts waren, unmögHch mehr auf 
die heutige Zeit passen, die ja gerade auf dem Gebiete der 
Infektionskrankheiten in den letzten Jahrzehnten so ausser¬ 
ordentliche Fortschritte erlebt hat. Man muss sich nur wundem, 
dass es bei uns möglich war, mit Hilfe dieser Verordnung bis 
hieran eine leidlich gut funktionierende SanitätspoHzei im Gange 
zu halten. Zwar versuchte die Gesetzgebung, die Lücken des 
Regulativs durch besondere Polizeiverordnimgen auszufüllen, 
zumal die Vorschriften auszudehnen auf diejenigen Krankheiten, 
die damals nicht bekannt waren, heute aber durch ihren Um¬ 
fang und ihre Gefährlichkeit ein energisches Eingreifen erfordern. 

Es sind dies besonders Diphtherie, Genickstarre und Wochen¬ 
bettfieber. Die Diphtherie, die bereits im Altertum als Angina 
maligna bekannt war, hatte lange Jahrhunderte wenig von 


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i90ä. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


363 


beeinflusst wurden. Die Patienten gaben übereinstimmend an, 
dass nach anfänglichem geringem Reiz die Expektoration er¬ 
leichtert wurde, dass die Atmungsbeschwerden nachliessen und 
dass sicli auffallend schnell ein erquickender Schlaf einstellte. 


Sitzungsberichte. 

Verein für innere Mediein, 

Sitzung vom 21. Mai 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

1. Herr Jastrowitz: Nachruf auf Heymann. 

2. Herr Fränkel: berichtet über den Protest gegen das 
Virchow - Denkmal, dem sich die Berl. med. Gesellschaft ange¬ 
schlossen habe. 

3. Herr Plehn berichtet über einen schweren Fall von 
Schwarzwasserfieber mit Anurie, die durch subkutane Kochsalz¬ 
infusionen beseitigt wurde. 

Herr Fränkel und Herr Hans Cohn richten einige Fragen 
bezüglich der Therapie an den Vortragenden. 

Tagesordnung: 

Herr Gutzmann; lieber die Grenzen der sprachlichen Per¬ 
zeption. Vortr. hat bei Menschen Untersuchungen angestellt über 
die Grenzen der Sprachperzeption, Dazu wählte er sinnlose Worte 
und Silben, um die Kombination möglichst auszuscbalten. Die 
Untersuchungen wurden mit gewöhnlicher Unterhaltungsstimme 
im Wohnzimmer, im Freien und am Telephon angestellt. Sehr 
interessant sind die Versuche, die Stimmgabelschwingungen be¬ 
stimmter Töne durch das Gefühl unterscheiden zu lassen, es ge¬ 
lang ihm, ganze Töne sicher unterscheiden zu lassen, bei halben 
Tönen ist die Unterscheidung sehr schwer. 

Die Herren Plehn und Rothmann, sowie Herr Jas- 
trowitz richten einige Anfragen an den Vortr. 

Schlusswort: Herr Gutzmann. Carl Lewin. 

Sitzung vom 11. Juni 1906. 

A. Demonstrationen: 

1. Herr B. Lewy: Ein Fall von Megalosplenie ohne leu¬ 
kämischen Blutbefund. In der Milz finden sich Cbarcot-Leyden- 
sche Kristalle. 

2. Herr E. Schlesinger: Fall von passagerer traumatischer 
Pupillenstarre. 

B. Tagesordnung: 

Herr Kuhn: Ueber die Behandlung der Lungentuberkulose 
mit Bierscher Stauung. 


sich reden gemacht; sie trat erst in den ersten Jahrzehnten 
des 19. Jahrhunderts in grösserer Verbreitung auf und wurde 
dann von Bretonneau im Jahre 1826 genau beschrieben; 
immerhin war in der Aerztewelt zur Zeit des Erlasses des 
Regulativs die Krankheit als Diphtherie noch nicht genügend 
bekannt, und man sprach damals von der häutigen Bräune. 
Auch die Genickstarre trat in grösserer Verbreitung erst nach 
der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Das Kindbettfieber 
wurde erst in den sechsziger Jahren des vorigen Jahrhunderts 
von Semmelweiss als eine übertragbare Krankheit genügend 
erkannt. Alle Verordnungen, welche nun versuchten, diese 
drei gefährlichen, im Regulativ nicht genannten Krankheiten 
einer seuchenpolizeilichen Üeberwachung zu unterstellen, schei¬ 
terten an der Fesstellung der höchsten Gerichte, dass das Re¬ 
gulativ die ganze Materie der ansteckenden Krankheiten um¬ 
fassend und erschöpfend geregelt habe, so dass Ergänzungen 
auf dem W^ege der Polizeiverordnungen rechtlich ungiltig seien. 

Unter diesen Umständen wurde die Forderung, dass nun 
endlich eine dem modernen Wissen entsprechende Seuchenge¬ 
setzgebung geschaffen würde, immer energischer erhoben. Aber 
es dauerte bis zum Jahre 1900, ehe Reichstag und Bundesrat 
zunächst dem Gesetz über die gemeingefährlichen Krankheiten 
ihre Zustimmung gaben. Nunmehr konnte es nur noch eine 
Frage der Zeit sein, dass auch die übrigen ansteckenden 
Krankheiten eine gesetzliche Regelung erfahren mussten. Die 


Ausgehend von der Tatsache, dass hyperämische Lungen, wie 
wir sie z. B. bei Herzfehlern infolge von Stauung finden, sehr 
selten tuberkulöse Veränderung zeigen, wollte Vortr. eine künst¬ 
liche Stauungshyperämie der Lungen schaffen, um die Phthise zu 
bekämpfen. Er hat eine Atmungsmaske konstruiert, die durch 
Behinderung der Einatmung eine künstliche Stauungshyperämie 
verursacht. Die Anwendung der Maske hat schädliche Folgen 
niemals ergeben; Vortr. regt zu Versuchen mit seiner Behandlung an. 

Diskussion: Herr Max Wolff: Tiere, deren Lungen durch 
Formaldehydeinatmung hyperämisch gemacht wurden, unterliegen 
schneller der tuberkulösen Infektion. 

Herr v. Leyden stellt einen Patienten vor, dessen Befinden 
bei der Behandlung nach Kuhn sich gebessert hat. 

Herr Kraus: Die Hyperämie nach Formaldehyd lässt sich 
nicht mit der Stauungshyperämie vergleichea 

Herr A. Fränkel bemerkt,• dass es gerade unser Prinzip ist, 
Tuberkulöse der Freiluftbehandlung zu unterwerfen, deshalb spricht 
er sich gegen die Kuhnsche Methode der Atembehinderung axis. 

Herr Kraus und Herr v. Leyden betonen, dass das Atem¬ 
volumen bei der Kuhnschen Behandlung nicht kleiner werde. 

Herr Westenhoeffer weist darauf hin, dass bei der 
Hyperämie der Bauchorgane infolge von Pfortaderstauung doch 
häufig Tuberkulose gefunden werde. 

Schlusswort: Herr Kuhn. Carl Lewin. 


Kongressbericht. 

23. VLongress für innere Medidn 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

Herr Hoppe-Seyler-Kiel: Zur Kenntnis des Binde¬ 
gewebes in der Leber, 

Redner berichtet über Untersuchungen, die er vorgenommen 
hat, um die Menge des Bindegewebes in der Leber zu 
bestimmen. Das Lebergewebe wurde dabei der typischen Ver¬ 
dauung unterworfen, wobei das Kollagen, der Hauptbestandteil 
des fibrillären Bindegewebes ungelöst Weibt. Ausserdem wurden 
Bestimmungen der Trockensubstanz und des Fettes vorgeuommen. 

Da das feste, fibrilläre Bindegewebe die Funktion des Organs 
durch den Druck, den es auf Parenchym, Bhitgefässe etc. ausüben 
kann, stark zu schädigen im Stande ist, so wird der Nachweis 
einer starken Vermehrung desselben mit entsprechender Reduktion 
des Parenchyms für die Beurteilung pathologischer Störungen in 
der Leber von Wichtigkeit sein. Bei Leberzirrhose fand sich im 


verschiedenen Entwürfe, welche die Regierung vorlegte, machten 
besondere Schwierigkeiten bezügl. der Kostenfrage. Auch 
schien verschiedenen Parteien das Gesetz mit zu grossen Be¬ 
lästigungen und zu grossen Einschränkungen der persönlichen 
Freiheit für die Betroffenen verbunden zu sein. 

Die Regelung der Kostenfrage interessiert uns Aerzte 
weniger, dagegen hat es Interesse, die Veränderungen des Ge¬ 
setzes, wie es schliesslich zustande kam, gegenüber dem ersten 
von der Regierung mitgeteilton Entwurf kurz zu besprechen. 
Während der Entwurf die Anzeigepflicht bei Tuberkulose nicht 
nur in Todesfällen, sondern auch in vorgeschrittenen Fällen für 
den Fall des Wohnungswechsels vorsah, beschränkt sich das 
Gesetz auf die Anzeigepflicht eines jeden Todesfalles an Lungen- 
und Kehlkopftuberkulose. Von einer weitern Anzeigepflicht 
fürchtete man eine allzugrosse Belästigung der Erkrankten, 
zumal auch für die Kranken eine allzugrosse Erschwerung in 
der Erlangung geeigneter Wohnungen. Dazu wurde mit Recht 
bemerkt, dass der Begriff „vorgeschrittener“ Fall zu dehnbar sei. 

Bei Syphilis, Tripper und Schanker hatte der Entwurf die 
Auzeigepflicht vorgesehen gegenüber Personen, die gewerbs¬ 
mäßig Unzucht treiben. Ferner verlangte er Mitteilung an das 
Kommando der Truppe oder den bei demselben angestellten 
Obermilitärarzt in jedem Falle, in dem ein Arzt oder eine sonst 
mit der Pflege und Behandlung beschäftigte Person von ünter- 


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MBDICHnSCHB WOCHE. 


Nr. 35. 


364 


Gegensatz zu den Fällen. wo keine wesentlichen pathologischen 
Veränderungen in der Leber nachweisbar waren, eine deutliche 
Vermehrung des Bindegewebes, sowohl absolut als auch im Ver¬ 
hältnis zur Trockensubstanz, besonders wenn von dieser Fett, 
dessen Gehalt in der Leber ja sehr starken Schwankungen unter¬ 
worfen ist, abgezogen wurde. Zugleich geht aus den gefundenen 
Zahlen eine starke Reduktion des Parenchyms bei den Zirrhosen 
hervor, wenn Fett und Bindegewebe von der Masse der Trocken¬ 
substanz in Abzug gebracht werden. Nur geringe Vermehrung 
des Bindegewebes bei sonst gut erhaltener Menge des Parenchyms 
zeigt eine Stauungsleber. Eine sehr grosse Masse Bindegewebe 
war bei einer hereditär syphilitischen Leber vorhanilen. 

Herr Lüthje-Erlangen: 

Die durch die interessanten Arbeiten Löwis aktuell gewordene 
Frage der Eiweissynthese im Tierkörper, die von Löwi 
im positiven Sinn beantwortet wird, ist von L. einer neuen Be¬ 
arbeitung unterzogen worden, und zwar zunächst an Kaninchen 
mit den Extrakten von Kartoffeln, die alle Bausteine des Ei- 
weisses, aber kein Eiweiss mehr enthalten; es gelang jedoch nicht, 
die Tiere ins N-Gleichgewicht zu bringen, vielmehr gingen sie 
nach einiger Zeit zu Grunde, während ein anderes Kaninchen, 
das den Gesamt-N in Form von Kartoffel eiweiss neben dem 
übrigen Futter erhielt, ausgezeichnet existierte. B. zeigt dann 
weiter, dass es nicht einmal gelingt, Kaninchen mit Kartoffeln 
oder Buben allein am Leben zu erhalten (was schon Magen die 
bekannt war); zwar erhalten dieselben Stickstoff genug, aber zu 
je 50 Proz. davon in Amidfonn. Setzt man aber den Kartoffeln 
reines Kartoffeleiweiss zu, so gelingt es sehr gut, die Tiere am 
Leben zu erhalten. 

L. hat dann weiter die Löwischen Versuche an Hund mit 
Verfütterung abiureter Pankreasverdauungsprodukte nachgemacht 
nud kann dieselben in allen Punkten bestätigen. Nur schliesst 
er, dass das Auftreten der negativen N-Bilanz von dem Augen- 
lilicke an, in welchem die Kohlehydrate durch Fett ersetzt werden, 
nicht Zufall sondern offenbar Gesetz ist. Denn in zwei neu von 
ihm angestellten Versuchen tritt ganz dieselbe Erscheinung ein: 
bei Verfütterung von abiureten Pankreasprodukten zusammen mit 
Stärke und Zucker Stickstoffgleichgewicht oder sogar Stickstoff- 
retention, bei Verabreichung von Fett aber ausgesprochen negative 
Bilanz. Da sich nun ähnliche Retention mit Asparagin und Glyko- 
koll erzielen lassen, aber nur bei gleichzeitiger erheblicher Kohle- 
hydratzufiihr, nicht aber bei Verabreichung von Fett, so hält L, 
es für nicht unmöglich, daas die N-Reteutionen in den Löwi scheu 
und seinen Versuchen nicht einen Eiweissaufbau, sondern nur eine 
Verbindung von Kohlehydraten mit N-haltigen Substanzen im 
Tierkörper bedeuten. 


Offizieren und Mannschaften des aktiven Heeres zur Behandlung 
der genannten Krankheiten zugezogon war. Auch diese Be¬ 
stimmungen sind glücklicherweise, wie man auch vom ärzt¬ 
lichen Standpunkte sagen muss, nicht ins Gesetz aufgenommon 
worden. Abgesehen aavon, dass man einer Person nicht immer 
gleich die Prostituierte ansieht, die Furcht vor der Anzeigepfliclit 
nütte gerade bei Prostituierten und Soldaten das Aufsuchen 
ärztlicher Behandlung erschwert, vielleicht sogar verhindert, 
und damit wäre der öffentlichen Wohlfahrt sicher kein Dienst 
geschehen. Es sei daran erinnert, dass auch die früheren Be¬ 
stimmungen des Regulativs, die in ähnlich scharfer Weise die 
Anzeigepfiicht regelten, in der Praxis ohne Erfolg und meist 
auch unangewandt geblieben sind. Das Regulativ verlangte 
Anzeige bei erkrankten Soldaten und in denjenigen Fällen, in 
denen nacli dem Ermessen des Arztes von dem Verschweigen 
der Krankheit nachteilige Folgen für den Kranken s»dbst oder 
für das Gemeinwesen zu befürchten sind. Solche chickanöse 
und kautscliuckartige Bestimmungen passen gewiss nicht in die 
iientigc Zeit, die im Kampf gegen die Prostitution und gegen 
Goschleclitskranklioiten weniger die Hilfe der Polizei sucht, 
als durch Aufklärung und Erleichterung der ärztlichen Be¬ 
handlung zum Ziele kommen will. (Fortsotzunsf foli't.) 


In den hier auftretenden Beziehungen zwischen Kohlehydraten 
und'Amidsubstnnzen siebt L. eine merkwürdige Analogie zu den 
engen Beziehungen zwischen Stärke und Asparagin im Stoffwechsel 
der Pflanze. 

Diskussion: Herr Schlesinger-Wien. Herr Rosenfeld- 
Breslau ; Dieser liestreitet die richtige Deutung der Untersuchungs¬ 
ergebnisse des Vortragenden, der daraufhin die erhobenen Einwände 
zurückweist. (Fortsetzung folgt.) 

35» Kongress der Deutsidien OeseUscha^ 
für Chirurgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Sprengel-Braunschweig: Zur Technik der opera¬ 
tiven Behandlung der Schenkelhernien. 

Vortr. will gegenüber den bisher bekannten Methoden einen 
prinzipiell neuen Weg in der Behandlung gewisser Schenkelhernien 
der Frauen einschlagen, nämlich den operativen Veschluss der 
inneren Mündung des Schenkelkauals von der Bauchhöhle aus. Die 
Operation setzt sich aus folgenden Akten zusammen: 1. In flacher 
Beckenhochlagerung Freilegung des Bruchsacks durch Längs¬ 
schnitt, Eröffnung und Revision desselben sowie Befreiung ver¬ 
löteter Coiitenta. 2. Laparotomie transcectnl, der Bruchseit© ent¬ 
sprechend. Aljdämmung der Baucheingeweide ausser den Organen 
des kleinen Beckens. 3. Einführen einer Mikuliezschen Zange 
durch den Schenkelkanal in den ßruchsack und Invagination des¬ 
selben in die Bauchhöhle. 4. Feste Zusammenrollung des Bruch- 
.sacks uud Vernilhung vor dem Orificium internum unter Heran¬ 
ziehen und Mitvernähen des in unmittelbarer Nähe zum Leisten¬ 
kanal ziehenden Lig. rotundum uterl, 5. Verschluss der Bauch¬ 
wunde und des Längsschnitts über dem Schenkelkanal. 

In fünf Fällen, von denen der älteste revidierte etwa 10 
Monate zurückliegt, wurde ein tadelloses Resultat erzielt. 

Iq dem einen derselben handelte es sich um doppelseitigen 
Schenkelbruch bei gleichzeitigem beginnenden Prolaps des Uterus. 
Der Uterus konnte durch das geschilderte Verfahren vorzüglich 
gehoben werden. Die Methode findet nach S. nicht bei kleinen 
frischen Brüchen, sondern bei allen Brüchen von grossem Umfange 
und namentlich in recidivierenden Fällen ihre Anwendung. Sie 
ist wahrscheinlich leichter und weniger gefährlich als die pro- 
thetischen Methoden und die komplizierten Plastiken. 

Diskussion. 

Hr. Kau sch-Schöneberg wendet das Silberdrahtnetz zum 
Verschluss grosser Bruchpforten nicht mehr an. Er hat Recidive 
und Peritonitis danach gesehen. Er hat bei grossen Rauchwand- 
brüchen so operiert, dass er die Hernie freilegt, den Bruchsack 
exstirpiert und dann anfängt, in der Längsrichtung zu vereinigen. 
Wenn das nicht mehr geht, dann schreitet er zur Quemaht. Aai 
die.se Weise hat er den Verschluss in allen Fällen erzielen können. 

Hr. Seefisch-Berlin empfiehlt gegen den nach der Oj>eration 
grosser Baucliwanclbrüche auftretenden Meteorismus die Anwendung 
von Pliysostiginin. (Fortsetzung folgt.) 


Der Besuch der französischen Aerzte 
in Berlin. 

Von Dr. E. Singer, Berlin. 

Die vor 7 Jahren von Carron in Paris zuerst aufgebrachte 
Idee, ärztliche Studienreisen zu veranstalten, wurde 1901 von 
Bazot, gleichzeitig mit dem deutschen Komitee zur Veranstaltung 
ärztlicher Studienreisen in die Wirklichkeit umgesetzt. Während 
sich diese.s aber bisher nur auf Rei.sen in Deutschland selbst be¬ 
schränkten, hatten'sich die Franzosen in diesem Jahre die Auf¬ 
gabe gestellt, wichtige Badeorte und Gressstädte Deutschlands in 
den Kreis ihrer Studien zu ziehen. So trafen nach einer Rund¬ 
reise über Bonn, Köln, Wiesbaden, Nauheim uud Leipzig am 
Mittwoch den 15. August nachts V*1 Uhr 35 Aerzte und 5 Damen 
auf dem Anhalter Bahnhof ein, unter diesen auch einige Aus¬ 
länder, welche sich als ausserordentliche Mitglieder der Reisege- 
.scllschaft ange.sclilossen hatten, nämlich 1 Italiener, 1 Egypter, 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


365 


2 Belgier und 2 Brasilianer. Zu ihrer Begrüssung hatten sich 
die Vertreter des Exekutivkomitees, Prof. Kossmann, Prof. 
Ku tner, Oberstabsarzt Bassenge, Dr. Oliven undDr. Lennhoff, 
eingefunden, welche die fremden Gäste nach kurzem Aufenthalte 
nach dem Kaiserhotel, dem festlich geschmückten Standquartiere, 
begleiteten. Das Ebrenkomitee zum Empfang der französischen 
Kollegen besteht aus den Herren von Bergmann und v. Leyden, 
während das eigentliche Komitee die Vorsitzenden der Aerzte- 
kammer, der wissenschaftlichen und Staudesvereine bilden. Am 
nächsten Morgen pünktlich ^<9 Uhr begann die Rundfahrt in 
einem von der Allgemeinen Berliner Omnibusgesellschaft in libe¬ 
ralster Weise umsonst zur Verfügung gestellten, blumenge- 
schmückten Automobilomnibus, sowie einigen Luxusautomobilen 
der Bedag-Gesellschaft. Zunächst ging es in schneller Fahrt 
nach dem städtischen Krankenhaus am Urban, woselbst die Herren 
Körte, Fränkel, Plehn, Benda und Brentano die Teilnehmer 
begrüssten und durch die Abteilungen des Krankenhauses führten. 
Im grossen Operationssaale operierte sodann Herr Körte eine 
Perityphlitis und eine Lungengangrän. Zur festgesetzten Zeit 
begab man sich in das Kgl. Klinikum, um nach einer begrüssenden 
Rede des Herrn v. Bergmann, in welcher er kurz auf die Ge¬ 
schichte der Anstalt einging, einer Operation eines Mammasarkoms 
beizuwohnen. Nach einem kurzen Rundgang durch die Pavillons 
und die Poliklinik nahmen die Teilnehmer im Sitzungssaale des 
Langenbeckhauses Platz, um nach einer kurzen offiziellen Be- 
grüssung namens der medicinischen Gesellschaften Berlins seitens 
des Prof. Kossmann einem von demselben französisch gehaltenen 
Vorträge zu folgen, welcher eine Charakterisierung des deutschen 
Arztes, seiner Schulzeit, Studienganges, Examina, socialer Lage, 
Kaasenwesen, freier Arztwahl und Aerztekaramerwesen gab und 
zum Schluss die den Fremden gänzlich unbekannten Titel erklärte. 
Bei dem seitens der medicinischen Gesellschaft dargebotenen 
Frühstücke dankte Prof. Colleville aus Reims für die gute Auf¬ 
nahme ira Hause und Herr v. Bergmann trank auf das Wohl 
der französischen 'Kollegen, indem er seinem Bedauern Ausdruck 
gab, dass es so viele verschiedene Sprachen gäbe; bei einer Uni¬ 
versalsprache wäre die Wissenschaft weiter voraus. Vor dem 
Verlassen des Langenbeckhauses demonstrierte in den Räumen 
der Zentrale der Rettungsgesellschaft, deren Leiter Herr George 
Meyer, das System der Bekanntmachung der täglich freien Betten 
in den Berliner Krankenhäusern, ebenso wüe Herr Jacobsohn die 
Einrichtung des Zentralkrankenpflegenachweises erläuterte. Beide 
Institutionen wurden von den Fremden für mustergültig erklärt, 
Ueber die Zeit von 2 — 4 Uhr erstreckte sich der Besuch der 
Charitee unter Leitung der Direktoren Pütter und Scheibe, wobei 
sämtliche neuen Gebäude besucht wurden, bei der grossen Hitze 
eine ziemliche Anstrengung, so dass verschiedene ältere Herren 
es vorzogen, in den kühlen Korridoren des pathologischen Institutes 
eine kleine Ruhepanse zu machen. Die folgende Rundfahrt durch 
Stadt, Tiergarten, Charlottenburger Chaussee bis zum Schloss, endigte 
um 6 Uhr im Zoologischen Garten, woselbst nach einem längeren 
Spaziergang um 7 Uhr das Diner begann. Auf der reservierten 
prächtig mit Blumen und Bändern dekorierten Terrasse entwickelte 
sich bald unter den etwa 100 Teilnehmern eine lebhafte Unter¬ 
haltung, welche begreiflicherweise fast ausschliesslich in mehr oder 
minder gutem Französisch geführt wurde; Berliner Aerzte, welche 
als Dolmetscher fungierten, waren zwischen den Fremden verteilt. 
Die ganze Veranstaltung trug mehr den Charakter eines Familien¬ 
festes, nur die ziemlich zahlreich erschienenen Militärärzte, an ihrer 
Spitze Generalarzt Dr. Stech o w, trugen durch ihre Uniformen einen 
etwas mehr offiziellen Ton hinein. Die Begrüssung der Gäste in 
französischer Sprache übernahm Herr von Bergmann, welchem 
Herr Bernard aus Roubaix mit einer poetischen Verherrlichung 
der Damen antwortete. Im Namen des verhinderten Generalstabs¬ 
arztes der Armee, Dr. Schj erning, hiess Generalarzt Dr. S techo w 
die Gäste nochmals willkommen. Dr. Guyot-Genf toastete in 
deutscher Sprache auf die Vereinigung der Wissenschaften und 
der beiden Nationalitäten unter dem Banner des Roten Kreuzes. 
Herr Schwerin widmete sein Glas den französischen Damen, 
denen wir diesen Besuch verdankten, w'ährend Herr Lennhoff 
sein Glas den fremden Teilnehmern der Studienreise aus Italien, 
Egypten, Belgien und Brasilien widmete. Die von der Direktion 
des Zoologischen Gartens veranstaltete Illumination des Sees ver¬ 


regnete leider, ohne dass die Stimmung dadurch beeinträchtigt 
wurde. Am nächsten Morgen erfolgte zunächst ein Besuch des 
Garnisonlazaretes 11 in Tempelhof, welches besonders durch seine 
Sauberkeit allgemeine Bewunderung erregte. Im Kaiserin-Friedrich- 
Haus für ärztliches Fortbildungswesen angekommen, wurden die 
Teilnehmer im grossen Hörsaal durch den Direktor Prof. Kutner 
begrüsst, welcher eine kurze Geschichte der Entstehung gab imd 
den technischen Apparat erläuterte. Ganz nen war allen die Vor¬ 
führung des Ze iss sehen Epidiaskops, welcher eingeführte Gegen¬ 
stände stark vergrössert und scharf beleuchtet an der weissen 
Wandtafel wiedergibt. Generalstabsarzt Dr. Schjerning, welcher 
am Morgen in Tempelhof verhindert war, begrüsste sodann an der 
Treppe die fremden Teilnehmer einzeln mit Handschlag. Bei dem 
anschliessenden opulenten Frühstück gab Herr Colleville seiner 
Bewunderung für das am Morgen Gesehene wärmsten Ausdruck 
und dankte den als Uebersetzer fungierenden Aerzten herzlich für 
ihre Mühe. Generalstabsarzt Dr. Schjerning führt deutsch aus, 
dass Wissenschaft und Humanität im Arzte untrennbar sind und 
die Aerzte aller Nationen verbinden. Beiden gelte sein Glas. 
Prof. P i n i aus Bologna spricht italienisch sein Entzücken über die 
Lichtfülle der Stadt und der Deutschen Wissenschaft aus; sein 
Hoch gilt den Damen, die Licht über das Leben ausbreiten. Prof. 
Kossmann feiert in seiner Antwort in fliessendem Italienisch 
Italien als die Mutter aller Wissenschaften, Dr. Guyot dankt 
dem Chef des deutschen Militärwesena für sein Erscheinen. Die 
französischen Damen hatten als eine sinnige Huldigung Buketts 
zu Füssen der Büste der Kaiserin Friedrich niedergelegt und es 
wurde von dem Vorstande der Studienreisegesellschaft ein in 
französischer Sprache verfasstes Huldigungstelegramm, welches diese 
Tatsache erwähnte, an den Deutschen Kaiser nach Wilhelmshöhe 
abgeschickt. Um 2 Uhr begann die Fahrt nach dem Rudolf- 
Virchow-Krankenhaua, wo unter Führung der Herren Ohlmüller 
und Hermes ein Rimdgang durch die ausgedehnten Anlagen mit 
ihren grossartigen Einrichtungen stattfand; es wurde vielfach als 
das Modellkrankeuhaug für Europa bezeichnet. Zum Schlüsse der 
•wissenschaftlichen Arbeit dieses Tages begab man sich noch in 
das gegenüberliegende Institut für Infektionskrankheiten, welches 
von Prof. Gaffky in seinen einzelnen Abteilungen demonstriert 
wurde. Abends 8 Uhr begann auf den Terrassen in Halensee das 
offizielle Bankett, zu welchem sich etwa 160 Berliner Aerzte, unter 
ihnen Namen wie Langerhans, Sohmidtmann, Waldeyer, 
Mendel, Bär u. v. a. m., eingefundeu hatten. Herr Kossmann 
bringt den Kaisertoast aus, begrüsst im Namen der Berliner Aerzte 
die fremden Teilnehmer und spricht den Wunsch aus, dass sich 
die Besuche der benachbarten Kollegen öfters wiederholen mögen. 
Herr Bazot, der Begründer der internationalen Studienreisen, 
dankt im Namen der Teilnehmer für alles was sie gesehen und er¬ 
fahren haben, insbesondere dem Exekutivkomitee, den ärztlichen 
Dolmetschern, dem Chef der Militärraedicin, dem Vertreter des 
Kultusministeriums und der Akademie der Wissenschaften, dem 
Vorsitzenden des Kaiserin Friedrich-Hauses und dem Stadtver- 
orduetenvorsteher. Herr Oliven verspricht im Namen des 
Deutschen Komitees für ärztliche Studienreisen, den Besuch in 
Frankreich zu erwidern. Herr Lifrange (Belgien) spricht im 
Namen der fremden, der Studienreise angeschlossenen Aerzte, 
indem er ausführt, dass die „confr^res“ auch ,freres“ und die 
ältesten Söhne der Wissenschaft seien; er fordert durch Ver¬ 
einigung der Hände der beiden Vorsitzenden des deutschen und 
französischen Komitees zu einer Verbrüderung der anwesenden 
Nationen auf. Herr Langerhans knüpft diesen Faden weiter und 
spricht einer öfteren Zusammenkunft der internationalen Aerzte- 
Schaft das Wort, Herr Settegast begrüsst die französischen 
Damen. Herr Posner spricht im Namen der internationalen 
medicinischen Presse und wünscht eine internationale Vereinigung 
der Aerzte; Herr Pini (Bologna) überbringt als Vertreter der 
ältesten Universität die Grüsse seiner Heimat. Am Ende des 
Festes traf, begeistert aufgenommen, eine Antwortdepesche des 
Kaisers ein, in welchem für die freundliche Kundgebung der fran¬ 
zösischen Damen der Dank ausgesprochen wird. Der Vormittag 
des letzten Tages endlich war der Besichtigung der Heilstätten 
der Landesversicherungsanstalt Berlin in Beelitz gewidmet, Dr. 
Schneiderlin führte in Vertretung des verreisten Leitei'S der 
Anstalt, Dr. Pielicke. Da man in Frankreich die Einrichtung 


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366 


MEDfCINISCHE WOCHE. 


Nr. 35. 


einer staatlichen Versicherung nicht kennt, erregten naturgemäß 
die einzig in der Welt dastehenden grossartigen Anlagen die un¬ 
geteilte Bewunderung, welche sich in der Rede des Herrn Colle- 
ville bei dem von der Direktion dargebotenen Frühstück Luft 
machte; die Heilstätte sei ein wahrer Palast und das soeben er¬ 
haltene Album mit den Photographien sämtlicher Gebäude werde 
ein unvergessliches Andenken bilden. Elinige Zahlen über die 
Kosten der einzelnen Einrichtungen erregten Erstaunen aber auch 
Kopfschütteln, z. B. Bau und Installation des Zentralbadehauses 
für eine Million, Jahresbudget der Gärtnerei 30 000 Mark. Herr 
Schneiderlin antwortete namens der Anstalt und wünschte eine 
entente cordiale der beiden Länder, indem er auf die wissenschaft¬ 
liche Vereinigung der beiden Nationen sein Glas leerte. Bereits 
um ^/j 1 Uhr entführte der Zug die Gäste, welche zum grossen 
Teile, in Begleitung der Damen, vom Bahnhof Priedrichstrasse 
unmittelbar nach der Ankunft nach der Walderhoiungsstätte vom 
Roten Kreuz für Kinder in Sadowa weiterfuhren, wo sie vom 
leitenden Arzte Herrn Lennhoff empfangen und geführt wurden. 
Um- •/,? Uhr fand im Kaiserhotel ein intimes Abschiedsessen statt, 
welches die Franzosen mit den Herren und Damen des Empfangs¬ 
komitees noch einmal vereinigte; die von Herrn Colleville ge¬ 
feierten Aerzte versprachen den Besuch in Frankreich zu erwidern 
und ihre Frauen mitzubringen. Einen künstlerischen Abschluss 
fand der Abend durch die Festvorstellung in der Komischen Oper, 
welche eine meisterhafte Darstellung der den Gästen nicht unbe¬ 
kannten OfFenbach’schen Oper: .Hoffraanns Erzählungen“ brachte. 
Um den Kollegen noch einen Begriff von deutscher Gemütlichkeit 
zu geben, war auf deren Wunsch zum Schluss ein Kommers in 
Alt-Bayem veranstaltet worden, welcher erst gegen 2 Uhr endete. 
Abwechselnd mit Studentenliedem wurden lateinische, französische, 
deutsche und italienische Reden gehalten und die Stimmung er¬ 
reichte am Schlüsse ihren Höhepunkt, als auf Vorschlag von Herrn 
Kutner ein provisorisches internationales Komitee zur Veran¬ 
staltung internationaler Aerztereisen gebildet wurde, bestehend 
aus den Herren Kossmann als Vorsitzenden, Kutner, Bazot 
für Frankreich, Pini für Italien, Guyot für die Schweiz und 
Lifrange für Belgien, welche in jedem Lande Aerzte suchen 
sollen, die das definitive Komitee konstituieren sollen. Dies war 
das greifbare und erfreuliche Resultat des Besuches der franzö¬ 
sischen Aerzte. Hoffen wir, dass aus der Annäherung der Männer 
der Wissenschaft aller Völker auch eine Annäherung der Völker 
selbst resultiert. 

Der Sonntag war noch einem Besuch von Wannsee und Pots¬ 
dam, sowie einer Dampferfahrt auf der Havel gewidmet und um 
7 Uhr erfolgte die Abreise nach Dresden. Das Exekutivkomitee 
war bei der Abfahrt zugegen und als der Zug sich in Bewegung 
setzte, drängte sich der Ruf: „vLve la France“ von selbst auf die 
Lippen, in welchen das nach hunderten zählende Publikum spontan 
einfiel. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 30. 

1. V. Herff, Basel-Stadt: üeber den Wert der HeiMwasser- 
alkoholdesinfektion für die Oeburtshilfe wie für den Wundsohntz 
von fianchwnnden. 

Die Ergebnisse der Ahlfeldschen Heisswasseralkoholmethode 
im Franenspitale Basel waren vorzügliche. 

Iin Interesse eines weitgehenden Wundschutzes ist die Heisa- 
wasseralkoholde.sinfektion, bei welcher die Haut einschrumpft und 
eintrocknet, gewissermaßen gegerbt und die Keimabgabe für 
lange Zeit erheblich, wenn nicht ganz erschwert wird, dringend 
anzuraten. 

2. Vulpius, Heidelberg: Erfabmngen in der Beliandlnng 
der spinalen Kinderlähmung. 

Auf die Wiederherstellung der Funktion gelähmter Muskeln 
Lt die Sehnenüberpflanzung gerichtet, eine Operation, deren Idee 
so ungemein nahe liegt und doch so auffallend spät verwirklicht 
und aufgegriffen wurde. V. bevorzugt die von ihm als „al)steigende“ 


bezeichnete Transplantationsmethode, er bringt also den Kraft- 
spender zu der in ihrer Kontinuität ungestörten gelähmten Sehne. 

„Wir wählen zur Ueberpflanzung möglichst solche Muskeln, 
welche mit dem Kraftempfäuger funktionelle Verwandtschaft auf¬ 
weisen, scheuen uns gegebenen Falles aber auch nicht, Antagonisten 
zu verwenden, Beuger also auf Strecksehnen zu befestigen. 

Fast immer nähen wir Sehne auf Sehne und verzichten auf 
die periostale Fixation der übergepflanzten Sehne, weil wir uns 
fast stets von der genügenden Widerstandskraft auch der gelahmten 
Sehne überzeugt haben,“ 

3. Voit, Nürnberg: A. Schmidts „Regnlin-Bebandlimg'* der 
chronischen habltnellen Yerstopfnng. 

Das Regulin wurde fast ausschliesslich in Kartoffelbrei ge¬ 
mengt den Patienten gegeben, da das Präparat so gut wie völlig 
geschmacklos ist, haben es die Patienten alle gerne genommen: 
ausnahmsweise wurde es bei einigen Patienten abwechslungshalber 
in Apfelbrei gereicht. 

V. hat bei den meisten Patienten mit einem Esslöffel pro Tag 
begonnen, und ist, wenn der Erfolg nach einigen Tagen nicht ein¬ 
trat, auf 2 gestiegen. Die zwei Esslöffel wurden teils auf einmal, 
teils getrennt einer mittags, einer abends nach dem E^sen gegeben. 

Meist erschien das Regulin am 3.—4. Tage im Stuhl, durch 
Au.sschütteln einer Portion Kot, ira kalten Wasser fand man kleine 
Agarstückchen wieder und zwar waren die voi’her braunen Stück¬ 
chen entfärbt und gequollen, sonst aber unverändert. 

Anfangs musste bei mehreren Patienten noch mit Eingiessungea 
und dergleichen nacbgeholfen werden; dann traten spontane Blnt- 
leerungen ein, manchmal noch in Zwischenräumen von 1 selbst 2 
Tagen und nach einiger Zeit batten die Patienten regelmäßig Tag 
für Tag Agarausleerungen von der oben geschilderten Art; hatte 
diese Regelmäßigkeit eine Zeit lang bestanden, 8—14 Tage, so 
wurde auf 1 Esslöffel bis 1 Kaffeelöffel zurUckgegangen. Das 
ZurUckgeben von 2 auf 1 Esslöffel vollzog sich stets, ohne dass 
eine Aenderung in der Beschaffenheit der Stühle und der Regel¬ 
mäßigkeit der Entleerungen sich geltend gemacht hätte; wurde 
dann nur ein Kaffeelöffel Regulin gereicht, so wurden die Stühle 
etwas konsistenter und trockener, blieben aber noch immer feucht, 
weich und wurden auch weiterhin regelmäßig entleert. 

4. Salus, Prag; Zur Kenntnis der Diphtherie. 

Der D.-B. ist ein Saprophyt von intensiver Giftigkeit, genau 
so wie der Tetanusbazillus, auf dessen saprophytische Punktionen 
Hueppe zuerst hinwies. Sein Gift gelangt von der Oberfläche 
aus zur Resorption und bedingt die schweren Erscheinungen; lokal 
erzeugt es Nekrose und ermöglicht dem Bazillus ein saprophytisches 
Wachstum in den abgestorbenen Geweben. Daher kommt es, dass 
man in den Auflagerungen und nekrotischen Schichten Bazillen- 
häufchen findet, welche mit zunehmender Toxinwirkung in tieferen 
Lagen auftreten ; darunter findet man wohl Elntzündung, aber keine 
Bazillen. Nicht die Vermehrung der Bazillen bedingt sonach die 
Schwellung, diese entsteht vielmehr lediglich durch die lokale Gift¬ 
wirkung. 

In genialer Intuition hat Bretonneau vom „Herabfliessen“ der 
Membran in den Kehlkopf gesprochen. Es ist auch kein Zufall, dass 
Bazilleiibefunde in den inneren Organen zu den grössten Seltenheiten 
gehören, damit ist auch klar, dass man von Verfahren, 
welche sich gegen die Vermehrung derDiphtheriebazillen 
richten,schwerlichgrosse Erfolge wird erwarten können 
Das Diphtheriegift ist ein in den Bazillen vorgebildetes, ein Endotoxin. 

Mit dem Beweise der Endotoxinnatur des Diphtheriegiftes er¬ 
gibt .sich auch die Unhaltbarkeit des allgemeinen Satzes, dass 
Endotoxine keine Antitoxine bilden (A. Wolff). 

5. v. Pirquet, Wien: Allergie. 

Der Geimpfte verhält sich gegenüber der Lymphe, der Lue¬ 
tische gegenüber dem Syphilsvirus, der Tuberkulöse gegenüber dem 
Tuberkulin, der mit Serum injizierte gegenüber dem Serum anders 
als ein Individuum, welches mit dem betreffenden Agens noch nicht 
in Berührung gekommen ist, er ist deswegen noch weit entfernt, 
unempfindlich zu .sein. Alles, was wir von ihm sagen können, ist, 
dass seine Reaktionsfähigkeit geändert ist. Für diesen allgemeinen 
Begriff der veränderten Reaktionsfähigkeit schlägt v. P. den Aus- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


367 


druck Allergie vor. Alles bezeichnet die Abweichung von der 
xxrsprünglichen Verfassung, von dem Verhalten des Normalen, wie 
im AUorhythmie, Allotropie. 

Der Geimpfte, der Tuberkulöse, der mit Serum Injizierte 
werden den respektiven Fremdkörpern gegenüber allergisch. Ein 
Fremdkörper hinwiederum, welcher den Organmmus durch ein- 
oder mehrmalige Einverleibung zu einer Veränderung der Keaktion 
beeinflusst, ist ein Allergeu. Der Ausdruck ist — allerdings un> 
philologischer Weise — an die Bezeichnung Antigen (Detre-Deutsch) 
angelehnt, welcher eine Substanz bedeutet, die Antikörper zu er¬ 
zeugen vermag. 

6. Anton, Halle. Veber Formen und Ursachen des In- 
fantiUsmns. 

Die einzelenen Ursachen und Typen des Infantilismus sind zu 
vermerken als: 

I. Generelle Infantilismen. 

a) Infantilismus mit Myxödem und mit Kretinismus. 

b) Mongolismus. 

c) Infantilismus durch Fehlen oder durch Verkleinerung des 
Genit^es. 

d) Infantilismus mit primärer Erkrankung anderer viszeraler 
Drüsen, insbesondere der Nebennieren, der Thymus, der Bauch¬ 
speicheldrüse. 

e) Infantilismus dystrophicus mit folgenden ätiologischen Unter¬ 
arten : 

Infantilismus bei Gefässaplasie (J. anangioplasticus). 

ß) Infantilismus bei primären Gehimerkrankungen (einseitig 
oder beiderseitig.) 

y) Infantilismus nach erblicher Syphilis. 

()) Infantilismus nach Alkoholismus und anderen Vergiftungen. 
(Blei, Quecksilber etc.) der Eltern. 

f) Infantilismus bei frühzeitig erworbenen anderweitigen Er¬ 
krankungen und Stoffwechselstörungen, wie Tuberkulose, Chlorose, 
Herzfehler (Pulmonalis- und Mitralisinsuffizenz), Pellagra und an¬ 
dere Endemien. 

^ Infantilismus durch Verkümmerung in schlechten hygie¬ 
nischen Verhältnissen und durch mangelhafte Ernährung des Kindes. 

II. Partielle Infantilismeu. 

a) Infantilismus, bestehend in Verkleinerung der Sexualorgane. 

b) Infantilismus mit Mangel im Gebiete des kardiovaskulären 
S3’’8tems. 

c) Infantilismus der Stimme und der stimmbildenden Organe. 

d) Ausbleibender Haarwuchs (Pehlen des Bartes und der Pubes, 
aber auch der übrigen Körperhaare mit guten Körperproportionen.) 

e) Reiner Infantilismus psychicus. 

7. Kephallinös, Korfu: Ueber dfu Westphalisohe Phftp 
nomen bei kruppöser Pneumonie der Kinder. 

Bei 32 Kin dern mit kruppöser Pneumonie konnte K. fest¬ 
stellen, dass das Fehlen oder die Herabsetzung des Patellarsehnen- 
reflexes ein die kruppöse Pneumonie der Kinder in ihren Anfangs¬ 
stadien sehr häufig begleitendes Zeichen und im positiven Falle 
neben anderen Indizien im hohem Grade verwertbares diagnostisches 
Kriterium ist. 

8. Tischler, Deggendorf: üeber Mohnkapseln. 

T. tritt nach seinen kasuistischen Betrachtungen für folgende 
Forderungen ein: 

1. der Verkehr mit Fr. Papaveris immaturi und maturi ist 

zu verbieten, weil diese Drogen unkontrollierbar und wegen der 
Unsicherheit über Giftgehalt gefährlich sind. j 

2. Fr. Papaveris immaturi und Sir. Papaveris wollen in der 
Pharmakopoe gestrichen werden. Sir. Papaveris wird aus unreifen 
Früchten bereitet und dieser Syrup gilt allgemein als ganz unge¬ 
eignet zum rationellen Gebrauche. Die Pharmakopöe verlangt bei 
Prüfung dieses Saftes einzig und allein, dass seine Farbe bräun¬ 
lich gelb sei. Weder bei Fr. Papaveris immaturis, noch bei Sir. 
Papaveris wird nach Opium- bezw. Morfingehalt gefragt. Der 
Apotheker braucht sich darum nicht zu kümmern, also ist das ein 
ganz eigenartiger, unhaltbarer Zustand. 


Da nickt angenommen werden darf, dass Morflngebalt nicht in 
Betracht gezogen wurde, so könnte man glauben, dass der Mor¬ 
fingehalt als wirkungslos und unschädlich angesehen werde. In 
letzterem Palle bestände aber erst recht keine Veranlassung zur 
Fortführung dieser Droge im Ballaste der Pharmakopöe. 

3. Die Abgabe von Fr. Papaveris sei nach Streichung aus 
der Pharmakopöe sowohl in- als ausserhalb der Apotheken mit 
Strafe zu belegen, und insbesondere sei die Verwendung von 
Mohn zum Kinderschlafen, von inländischem und ausländischem 
Mohn strafbar. 

9. Landow, Wiesbaden: Ein Fall von doppelseitiger Ab- 
dozenlähmting, verbunden mit aussergewöhnlioh heftigen und 
lange anhaltenden Kaokenschmerzen nach Bückenmarkanästhesie. 

Bei sehr nervösen Personen möchte L. die Rückeumarkanästhesie 
beschränkt angewendet wissen. 

10. Broer, Witten a. d. Ruhr: üeber zwei Fälle von epide¬ 
mischer Genickstarre. 

Casuistik zweier Fabrikarbeiter, von denen der eine starb, der 
eine ohne Folgeerscheinungen genas. 

11. Schilling, Fellner jun., Pranzensbad, Rudinger, 
Wien: Ueber Blutdruckmessungen. 

12. Raab, München: Die Elektrotherapie der Kreislaufer¬ 
krankungen. 

Alle die von R. ndt galvanischem Bade behandelten Fälle 
zeigten die eine wichtige Grundtatsache der allmählichen Herzer¬ 
starkung, wie das objektiv aus der Abnahme der Herzarbeit und 
in der Regel des Pulsdruckes nach dosierter Anstrengung, sowie 
subjektiv aus der Abnahme der Ermüdung bei den Kniebeugen 
einwandfrei hervorgeht, abgesehen natürlich von Aenderungen der 
Herzfigur, der Pulskurven, der Herzgeräusche und der allgemeinen 
Besserung des Befindens. 

Zu dieser Kräftigung der Herzleistung gesellen sich jedesmal 
in mannigfaltigster, aber für jedes Individuum besonderen Weise, 
funktionelle Veränderuugen im GefUsssystem, sei es nun Abfall 
oder Anstieg der arteriellen und kapillaren Druckes entweder in 
gleicher oder entgegengesetzter Weise, bis das, jeder Person eigen¬ 
tümliche Blutdruckoptimum erreicht ist (die venvösen Druckver- 
hältuisse müssen ja leider zur Zeit noch ausser Betracht bleiben 
mangels geeigneter Untersuchungsmethoden). 

13. Dürck, München: Wie sollen Untersnehnngsobjekte ein- 
gesandt werden? 

Eine ausgezeichnete Anweisung aus dem pathologischen In¬ 
stitut in München für Aerzte, die Präpararte, Sputum, Stuhl usw. 
usw. versenden wollen. 

14. Weinberg, Stuttgart: Die Beziebnngen zwischen Krebs 
nnd Tnberknlose. 

Eine solche lässt sich nicht finden. 

Therapeutische Monatshefte. i906. No. 6. 

1. Liebreich, Berlin: Ueber den Namedy-Inselspmdel. 

Eine der interessantesten Erscheinungen bietet in geologischer 
Beziehung der Namedy-Sprudel. In der im Rhein befindlichen 
Insel Namedyer Werth bei Andernach zeigte sich bei starker 
Kohlesäureentwicklung ein periodisches Erscheinen der Quelle. 
Zuerst zeigt sich nur ein leichtes Ueberquellen, welches wieder 
zorücktritt, dann wiederholen sich die Steigerungen von neuem, bis 
sich schliesslich die Wassersäule bis zu einer Höhe von 30—40 m 
erhebt. Der Vorteil eines solchen alkalisch-kalkarischen Wassers 
wie der Namedy-Sprudel ist, beruht nun darauf, dass seinerseits 
eine Reizmilderung der Schleimhäute eintritt, und andererseits 
durch die dauernde Zufuhr von Alkalien eine Lösung oder Ver¬ 
minderung des Harngrieses statttinden kann, während bei Oxal¬ 
säuren Steinen nur die Herabminderung des Reizes auf die 
Schleimhaut eintreten dürfte. Besonders ist diese reizmildernde 
und in manchen Fällen lösende Eigenschaft von besonderem Wort 
bei Abgang von Nierensteinen, welche häufig eine Reizung des 
Ureters und des Nierenbeckens zurücklassen. Bei Dysenterie, 


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368 


MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 35. 


Intoxikationen oder tuberkulösen Erkrankungen des Darms kann 
durch das Namedy-Wasser der häufig vorhandene Durst in ange¬ 
nehmer Weise beseitigt werden. Das milde Namedy-Wasser kann 
auch bei Stuhlverstopfung und Verhärtung der Scybala nütz¬ 
lich sein. 

2. V. K4tly, Budapest: Veber den tberapentisolien Wert 
des Digalens. 

Das Digalen, als derzeit bestes Digitalispräparat, ist dazu 
destiniert, die galenischen Präparate vollkommen zu verdrängen. 
Dies kann umsomehr angenommen werden, als die Verabreichung 
per 08 in der Form, in welcher das Mittel in den Handel kommt, 
sehr leicht durchführbar und das Mittel selbst nicht zu teuer ist. 
Seine Vorteile den galenischen Digitalispräparaten gegenüber sind: 
Es ist immer von gleicher Zusammensetzung und Wirkung. Es 
wirkt viel schneller. Es hat keine kumulative Wirkung. Es ist 
genau dosierbar. Es verursacht keine Iridtation des Magens. Es 
ist am zweckmässigsten per os zu verabreichen, in Dosen von 
V 2 —1 ccm 1—3 mal täglich, in Wasser oder Sirup. Die sub¬ 
kutane Verabreichung ist nicht sehr günstig,, da sie lokale Reiz¬ 
erscheinungen erzeugt und nicht schneller wirkt als die Verab¬ 
reichung per os. In sehr schweren Fällen kann es in der von 
Kottmann angegebenen Weise und die Dosis auch intravenös ge¬ 
geben werden (in diesem Falle betrug die maximale Tagesdosis 
0,2 bis 2,4 mg.). 

3. Galli-Valerio, Lausanne: üeber die desinfizierende 
Wirkung von Meliofonn. 

Der Verfasser betrachtet das Melioform nicht als ein sehr 
aktives Antisepticum, jedenfalls muss es in Lösungen nicht unter 
0,.')% gebraucht werden; die 1 %ige Lösung ist sogar vorzu¬ 
ziehen. Als 0,2%ige Lösung kann Melioform als Mundwasser 
gebraucht werden. Bei Individuen, welche für Forraalin empfind¬ 
lich sind, kann Melioform wie Lysoform Trockenheit der Haut 
und Keizerscheinungen der Schleimhäute hervorrufen, welche je¬ 
doch mit schwachen Lösungen ohne bedenkliche Folgen sind. 

4. Hoppe, Königsberg; üeber einige Fortschritte in der 
Behandlung der Geisteskranken, nebst einem Bückblick über die 
Entwicklung der Irrenbebandlong im 19. Jahrhundert. 

Ihren Hauptwert haben die Wachabteilungen erst durch die 
damit verbundene und durch dieselbe ermöglichte Bettbehandluag 
der Geisteskranken bekommen, welche einen der grössten Fort¬ 
schritte der modenien Irrenbehaudlung bedeutet. Durch die Bett- 
b(;handlung und Ueberwachungsabteilungen ist es, wie bereits an¬ 
gedeutet, ermöglicht worden, auch mit dem letzten Rest der alten 
Zwangsbehandlung, den Isolierungen, aufzuräumen und die Isolier¬ 
oder „Tobzellen“ entbehrlich zu machen. In rascher Folge haben 
sich in den allerletzten Jahren die Berichte aus Irrenanstalten 
vermehrt, wo die zellenlose Behandlung mit Erfolg durchgeführt 
worden ist, und in demselben Maße hat die Zahl der Gegner ab¬ 
genommen. Das Dauerbad hat sich für die unruhigsten Kranken 
als der beste Ersatz der Zellen erwiesen in Fällen, in welchen 
man sonst ohne Zelle sich nicht zu helfen wusste. Die tobsüchtig 
erregten Kranken fühlen sich im Dauerbade, wo sie ihre Glieder 
nach Herzenslust bewegen können, ausserordentlich behaglich, und 
es ist keine Frage, dass dasselbe für viele der beste Aufenthalts¬ 
ort ist. Auch Widerstrebende gelingt es gewöhnlich mit Geduld 
schliesslich an das Bad zu gewöhnen. Ein ßernhigungsmittel ist 
noch sehr wichtig, das ist die Beschäftigung der Geisteskrankeu. 
Neben Hand- und Handwerksarbeiten nehmen in den öffentlichen 
Anstalten Garten- und Feldarbeiten mit Recht den breitesten 
Raum ein. Einen weiteren Fortschritt in der freien Behandlung 
der Geisteskranken bildet die Familienpflege, deren Entwicklung 
in Deutschland erst den letzten 25 Jahren angehort. Die Insti¬ 
tution der Familienpflege stammt aus Belgien, wo ihre Anftlnge 
ins sagenhafte Mittelalter zurückreichen. l3as Dorf Gheel ist als 
Irrenkolonie seit vielen Jahrhunderten weltberülimt. In Deutsch¬ 
land ist in der neuesten Zeit ein Versuch gemacht woi'den, und 
zwar von der Provinz Sachsen, welche auch sonst in der Ent¬ 
wicklung des Irrenwesens in erster Linie steht. Der sächsische 


Provinziallandtag hat vor 6 Jahren gleichzeitig die Gründung von 
zwei Landesasylen als Mittelpunkten von Irrenkolonien beschlossen. 

5. Lublinski, Berlin: üeber das Sajodin. 

Dieses in Wasser unlösliche Salz wird von den Höchster 
Farbwerken Meister, Lucius und Brüning sowie den Elberfelder 
Farbenfabriken in Tablettenform zu einem halben Gramm, je 20 
Stück in gelblichen Glasphiolen, in den Handel gebracht und 
kennzeichnet sich durch seine völlige Geruch- und Geschmacklosig¬ 
keit beim Einnehmen. Irgend eine üble Binwirkimg auf die Ver¬ 
dauungswerkzeuge scheint es in der Einzelgabe von 0,5—1,0 uud 
in Tagesgaben von 2,0—3,0 in einzelnen Fällen selbst von 0, 5,0 g 
nicht zu haben. Der Jodgeschmack reicht nicht an den metal¬ 
lischen unangenehmen Geschmack der früher genommenen Jod¬ 
präparate im entferntesten heran. Aus den klinischen Beobachtungen 
ergibt es sich, dass das Sajodin den übrigen Jodpräparaten trotz 
des geringeren Jodgchaltes an Wirksamkeit gleichkommt, dabei 
gut vertragen wird, den Magen nicht schädigt und von üblen 
Nebeneigenschaften eigentlich frei ist. 

6. Lesser, Berlin; Ernährtmgsversuohe an atrophischen 
Kindern mit einem neuen Halzpr&parat. 

Das Präparat, um das es sich handelt, ist Candol, welches 
von der Firma Deutsche Diamalt-Gesellschaft m. b. H., München, 
in den Handel gebracht wird. Die Kinder erhielten zunächst 
3mal täglich 1 Teelöffel Candol, später 6mal 1 Teelöffel Candol. 
Bei dieser Nahrung gediehen die Kinder ausgezeichnet und nahmen 
sehr stark an Gewicht zu. 

7. Reicher, Berlin: Salimentbol. 

Das Salimentbol ist flüssig, hellgelb, fast geschmacklos und 
von angenehmem, schwachen Gerüche. Es besteht aus annähernd 
gleichen Teilen Salizylsäure und Menthol und wird sowohl inn erlich 
in Kapseln ä 0,25 als auch äusserlich in Form einer 25%igeD 
Salbe „Samol“ genannt, angewendet (Salbengrundlage: Lanolin, 
Oel, Wachs, Wasser, und eine Spor Sapo medic.). Da Salizyl¬ 
säure ebenso wie Menthol desinfizierend und schmerzlindernd ^virkt, 
so ist die Eignung des Salimenthols für infektiöse und schmerz¬ 
hafte Erkrankungen vorauszusehen. Für alle Fälle kann R. das 
Salimentbol als gutes Sedativum und Antisepticum sowohl äusser¬ 
lich als innerlich bestens empfehlen. Die innerlichen Dosen be¬ 
trugen 3—6 Kapseln ä 0,25 täglich, Präparat erhältlich bei Dr. 
ehern. Bertrand Bibus, Wien I, Schottenring 14. 

8. Saalfeld, Berlin: Die Behandlung der Hyperidrosis mit 
Vestosol. 

Es kam darauf an, nach einem Präparat zu suchen, das die 
guten und wirksamen Eigenschaften des Formalins besitzt, ohne 
gleichzeitig dessen unangenehme und destruierende Eigenschaft zu 
zeigen. Diesen Anforderungen entspricht nach S.’s Untersuchun^n 
ein von Dr. Lonner unter dem Namen „Vestosol“ hergesfolites 
Präparat. Dasselbe stellt eine weisslichgelbliche Salbe dar, die 
keinen stechenden Formalingeruch besitzt. Das wirksame Prndp 
des „Vestosol“ ist der Formaldehyd, welcher bis zu 2®A bei 
Gegenwart anorganischer Metalloxyde (Zink und Bor) an ein neu¬ 
trales Fettgemisch gebunden ist. Dem Salbenvehikel wird mit 
Vorteil Fetron beigefügt. Die Flüchtigkeit des Formaldebyds ist 
eine äusserst geringe, sodass selbst alte Präparate an Wirksamkeit 
nichts einbüssen. Geeignete Geruchskorrigentien lassen ausserdem 
den Geruch der Salbe als angenehm empfinden. Bei Pruritus ani 
vermischte L. das reine Vestosol mit Fetron zu gleichen Teilen, 
und er fand, dass der Pruritus ani und. die daraus resultierende 
Entzündung nachliess. 

9. Sachs, Frankfurt a. M.; Santyl im Vergleich mit anderen 
Sandelpräparaten. 

01. Santali oder Gonosan oder Santyl hat S. zum Vergleich 
angewandt, und er betrachtet die Balsamica im allgemeinen als 
Adjuvantien der lokalen Therapie. Man sieht aber gelegentlich 
auch Fälle, in deneji die lokale Therapie versagt und ein inner¬ 
lich angewandtes Balsamicum Heilung bringt. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meirtner, Berlin W. SS, Kurfüritenstr. 81. — Verlag TOn Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Hejmemasn'tchen Bncbdnickerei, Gebr Wolff, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Deatsehmann, A. DBhmen, A. Hoffa, C. Jaeobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bi. 

H. Senator. R. Sommer* 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a« 5«« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hatlesaale. Fernsprecher 88. 

V — J 


Hcrausgegeben von 



R. Robert. M. Koeppea. K. Partseh. H. Rosln. H. Schlange. 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTenicht. A. Vosslas, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62, Kurfurstenstrasse 81. 

Dr. P Meißner 

'•-——- / 


Vn. Jahrgang. 3. September 1906. Nr. 36. 


Die .Mediclnlsobe Woche* erscheint Jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneologlSChC CCfltralzeitUflg, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Baderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pt. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
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Nachdruck der Orlginal-Aufsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Zur Frage der Berechtigung und der Grenzen 
des wissenschaftlichen Tierexperiments. 

Es kann meine Absicht nicht sein, eine Lösung zu bieten, 
aber schon die Diskussion über dieses Thema im Kreise der 
Fachleute anzuregen, scheint mir wichtig genug. Denn bisher 
haben sich wesentlich nur unsere Gegner damit beschäftigt 
und meist in der Weise fanatischer Gegner: einseitig, gehässig 
und maßlos! Wir haben zwar auch nicht immer stillgeschwiegen, 
aber gerade unsere Antworten auf feindliche Angriffe zeigten 
gewöhnlich, dass wir selbst diese Frage niemals in aller Tiefe 
durchdrungen hatten. Es muss bedauernd festgestellt werden, 
dass es einen auf Gründe gestützten Standpunkt zur Vivi¬ 
sektion bei ihren Ausübem schlechterdings nicht gibt. Zwar 
wird dem Pathos der Gegner ein nicht minder klangvolles 
Pathos entgegengestellt und die Würde der Wissenschaft 
und das sicherleitende Verantwortlichkeitsgefühl des ein¬ 
zelnen Vivisektors dithyrambisch gefeiert, der tiefer Zu¬ 
schauende aber vermisst die Gründe hinter diesen wohl¬ 
lautenden Deklamationen. »Die Wissenschaft kann des Tier¬ 
experimentes nicht entraten“, ,die Persönlichkeit ihrer Ver¬ 
treter stehen zu hoch über niedrigen Anfeindungen“ . ., nach 
diesem bequemen Schema pflegen die Angriffe der Antivivi- 
sektoren gemeinhin zurückgewiesen' zu werden. Und damit 
laubt man die Sache selbst erledigt, die sittliche Frage — 
enn um eine solche handelt es sich — erschöpfend beant¬ 
wortet zu haben. 

Aber das ist ein Irrtum, und ein Irrtum ebenso ist es, 
wenn man glaubt, dieser Frage und ihrer prinzipiellen Beant¬ 
wortung sich überhaupt entschlagen zu können. Jede mensch¬ 
liche Handlung bedarf ihrer sittlichen Rechtfertigung, und 
weder der Hinweis auf die Umstände, auf eine irgendwie ge¬ 
artete causale Bedingtheit, noch gar die Ausspielung des Triebes 
— und sei es auch des vornehmen Triebes zur wissenschaft¬ 
lichen Erkenntnis — vermag diese innere Selbstforderung nach 
sittlicher Begründung zu beschwichtigen. Sie ist da und sie 
hat das allerhöchste Recht dazu, denn unser in theoretisches, 
aesthetiscbes und sittliches Interesse geteiltes und doch einiges 
Bewusstsein räumt ohne weiteres dem Sittlichen den Primat ein. 
Diesem richtenden Vorsitz des Sittlichen unterliegen wir auch, 
wenn wir wisenschaftlich arbeiten wollen. 

Aber natürlich nicht der psychologischen Bedingtheit der 
sittlichen Auffassung im Einzelbewusstsein kann die Entschei¬ 
dung anheim gegeben werden, vielmehr rilt es, eine prinzipielle 
Entscheidung zu finden, welche dem Einzelnen als regulative 
Vorschrift zur Nachachtang dienen mag. 


Dass wir diese Dinge nicht einfach dem „sittlichen Takte“, 
dem Verantwortlichkeitsgefühle des Einzelnen überlassen dürfen 
und ebenso, dass dem Schlagworte „Wissenschaft“ unmöglich 
die letzte Entscheidung zukommen kann, dafür sind jene satt¬ 
sam bekapnten Fälle traurig beweisend, in welchen die Hyper¬ 
trophie des theoretischen Interesses die feinen Richtlinien sitt¬ 
licher Erwägung unbedenklich überschreitend sogar zu einem 
Absinken ins Kriminalistische geführt hat. 

Gewiss, wissenschaftlich sehr interessant, mehr noch: 
wissenschaftlich wertvoll sind zweifellos alle jene Versuche am 
Menschen selbst gewesen, die dennoch ebenso zweifellos als 
widersittlich und darum verwerflich bezeichnet werden müssen. 
Ich will hier nur an die bekannten erfolgreichen Syphilisüber- 
tra^ungen des Pfälzer Anonymus erinnern und an jene Tuber- 
kulminjektionen an „liebenswürdigerweise zur Verfügung ge¬ 
stellten“ Neugeborenen der Königsberger Frauenklinik zu. einer 
Zeit, da die W’^irkung dieses Mittels noch wenig genug be¬ 
kannt war.*) Dass es hier eine Grenze des Zulässigen geben 
müsse, gezogen durch sittliche Forderungen noch vor dem 
Machtbereiche des Staatsanwalts, leuchtet ein. Und ebenso 
wird durch diese Fälle, die sich durch Beispiele bis in die 
neuste Zeit hinein beliebig vermehren lassen, evident, dass 
weder das „Im Namen der Wissenschaft“ die letzte Instanz 
für die Feststellung des Zulässigen zu bilden vermag, noch 
dass sittlicher Takt und menschliches VerantwortlichkeitsgefUhl 
mit wissenschaftlichem Forscherdrange unbedingt verknüpft zu 
sein brauchen. 

Diese beiden Feststellungen behalten auch in der Vivi¬ 
sektionsfrage — so fern sie der Frage des Menschenversuchs 
auch stehen mag — erhebliche Bedeutung, — für den Fall 
wenigstens, dass sie überhaupt als eine sittliche Frage aner¬ 
kannt werden sollte. Darüber nämlich können nicht unbe¬ 
gründete Zweifel entstehen. Sittlichkeit hat für die Geltung 
ihrer Gebote die Gemeinschaft gleichberechtigter, freiwollender, 
d. h. vernünftiger Wesen zur Voraussetzung. 

Nur für diese Gemeinschaft, in ihr und gegen sie ver¬ 
pflichten ihre Forderungen. 

Dem Steine, dem Baume gegenüber besteht keine sitt¬ 
liche Verpflichtung, es sei denn, dass diese Dinge durch einen 
menschlichen Anspruch an sie gewissermaßen geheiligt wurden. 

Auch mit dem Tiere können streng genommen — obwohl 
manche Verhältnisse zum Pferde, zum Hunde und zu anderen 
tierischen Hausgenossen Einwendungen zu erheben scheinen — 
sittliche Beziehungen nicht bestehen. Das Tier, das wir als 
Wild und Schlachtvieh verspeisen, als lästiges Ungeziefer in 
tausenden von Exemplaren vertilgen, kann sich auf keine sitt- 

*) Das Experiment batte keine Schädigung zur Folge. Wie sehr je¬ 
doch dem Experimentator die bona fides gefehlt bat, beweist seine eigene 
dramatische Darstellung. Er beschreibt seine Aufregung, wie er die 
Kinder am nächsten Morgen mit geröteten Wangen, hochfiebemd anzutreffen 
fürchtet und wie angenehm er enttäuscht ist, als sich keine bedenkliche 
Einwirkung herausstellte. 


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370 


MUDICmiSCfifi WOCflfi. 


Nr. 36. 


liehe Gemeinschaft mit uns berufend Forderungen in Betreff 
seiner Behandlung an uns stellen. 

Aber eine solche direkte Beziehung ist auch gamicht 
erforderlich, um die Frage der Vivisektion zu einer sittlichen 
zu machen. Nicht so sehr, was das Tier unter unserer Hand¬ 
lung etwa fühlen mag, kommt in Betracht, als was wir selbst 
und unsere Mitmenschen — wissend, dass wir freiwillig Leiden 
verursachen — fühlen mögen oder doch fühlen müssten. Zwar 
nicht dem Tier wohl aber uns selbst, der Menschheit sind wir 
Rechenschaft schuldig über das, was wir hier beginnen. 

Historische Entwickelung hat in erst langsamer und 
dann immer schnellerer Zunahme das Tierexperiment in 
alle Zweige medicin - wissenschaftlicher Praxis eingeführt. 
Wissenschaftlicher Forscherdrang, dem keine gesetztlichen 
Grenzen entgegenstanden und der in seiner Entflammung 
andere als hartmaterielle nicht fühlte, hatte den ersten Schritt 
getan und damit den Weg eröffnet, auf dem nachdrängend 
eine immer wachsende Schar Wissens- oder Erfolgdurstiger 
weitergegangen ist. So erklärt sich leicht der Mangel einer 
sittlichen Begründung, so auch das Erstaunen der Fachleute, 
wenn eine so lange ohne alle Bedenklichkeiten ^nz selbst¬ 
verständlich geübte Gepflogenheit auf einmal in Zweifel ge¬ 
zogen wird. Es erscheint ihnen sicher, dass nur Banausen, 
unwissende, übelwollende und müssige Nörgler ihre stillen 
Kreise stören können. Und doch haben sie wohl alle — und 
darin wiederum liegt der Beweis für die Berechtigung der 
Forderung nach einer prinzipiellen Grenzbestimmung —, sie 
alle, soweit ihnen natürliches Empfinden nicht schon früher 
abhanden gekommen war, mit innerlichem Unbehagen, mit 
Scheu, Ekel und Aufregung, kurz mit dem deutlichsten Gefühl 
einer Dissonanz ihre ersten vivisektorischen Eingriffe vollzogen. 
Schliesslich aber hat die Routine, das Vorherrschen des sach¬ 
lichen Interesses, oft auch ein Stückchen Schneidigkeit, welches 
alle sentimentalen Regungen als unwissenschaftlich und humani¬ 
tätsduselig verwarf, den Sieg über die anfänglichen Bedenken 
davongetragen. 

Seltsamer Gegensatz: das finstere Mittelalter im Scheiden 
den Gedanken der Humanität erzeugend, die modernste Moderne 
ihn verspottend im brutalen Sebmähwort Humanitätsduseleil 
Bekundungen einfach natürlich menschlichen Gefühls wagen 
sich in wissenschaftlichen Arbeiten nur selten ans Licht, und 
wenn Albert üffenheimer gelegentlich einer CTösseren 
experimentell-kritischen Arbeit (Arch. f. Hyg. Bd. LIV) zu 
einem Tierversuch anmerkend sagt: «Der Versuch war mir 
sehr unangenehm. Indess fehlte dem Tier sicher jede Empfin- 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Fortsetzung.) 

Bezüglich des Gesetzes selbst kann ich mich kürzer fassen 
und Sie auf die Ihnen zugegangenen Auszüge aus dem Gesetze 
hinweisen. Das Gesetz über die übertragbaren Krankheiten 
ist im Wesentlichen in derselben Weise aufgebaut, wie das 
Gesetz über die gemeingefährlichen Krankheiten. Ich möchte 
nochmals zur Klarheit darauf hinweisen, dass durch die offizielle 
Benennung der Gesetze zur gegenseitigen Verständigung nun¬ 
mehr daran festzuhalten ist, dass die im Gesetz von 1900 be¬ 
nannten Krankheiten: Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber, 
Pest, Pocken nunmehr den terminus technicus führen: „gemein¬ 
gefährliche Krankheiten“, dagegen die im Gesetz von 1905 be¬ 
nannten Krankheiten den terminus technicus: „übertragbare 
Krankheiten“. Das Gesetz gliedert sich in die Bestimmungen 


düng“ . . ., so bildet er damit eine seltene, aber nicht unerfreu¬ 
liche Ausnahme. 

Solche Ausrufe beleuchten die Situation! Wenn selbst 
dem Bewusstsein des problemgefesselten Experimentators solche 
Bedenken kommen können, dann ist das Bedürfnis einer prin¬ 
zipiellen Grenzbestimmung wohl klar erwiesen. Sache der 
Fachleute wird es sein, mehr vielleicht noch Sache der Philo¬ 
sophen, die geübte Praxis zu begründen und — zu korrigieren! 

In der Tat, eine Korrektur erscheint notwendig. Denn 
auf diesem Gebiete des Tierexperimentes hat sich die Freiheit 
der Forschung in reine Anarchie verwandelt. Jeder experi¬ 
mentiert, und das tierische Material wird fast ohne eine Grenz¬ 
absteckung (abgesehen von der des Geldbeutels) in Bezug auf 
Zahl der Opfer, Art der Verwendung und voraussichÜichen 
Wert des Versuchsergebnisses verbraucht. Wer speziell die 
hygienische Literatur mit Aufmerksamkeit verfolgt, wird nicht 
selten Arbeiten finden, deren m^eres Ergebnis — fast voraus 
erkennbar — mit einer wahren Hekatombe von Schlachtopfem 
erkauft werden musste, andere wieder, bei denen die (Srau- 
samkeit des notwendigen Eingriffes die Frage wachrufb: Wie 
beschaffen muss wohl das Gemüt eines Menschen sein, der 
selbst imstande ist, solche Tierquälereien (mag ihr Zweck auch 
ein noch so wichtiger sein) auszuführen? 

Zufällig stehen mir gerade die Weichardtschen Arbeiten 
über Ermüdungstoxin und Antitoxin in besonderer Erinnerung. 
Sicherlich von höchstem Interesse, theoretisch wertvoll, in 
Fragestellung, Fleiss und Genauigkeit der Beantwortung gleich¬ 
mäßig ausgezeichnet! Aber dennoch! „Weh dem, der zu der 
Wahrheit geht durch Schuld!“ 

Sind hier wirklich nicht Grenzen überschritten, die nie¬ 
mals hätten überschritten werden dürfen? Deckt wirklich der 
wissenschaftliche Fortschritt den humanitären Verlust? 

Allerdings behauptet Weichardt verschiedenen Angriffen 
gegenüber (Nr. 26, 1905, Münch, medicin. W.), dass sein ur¬ 
sprünglicher Ermüdungsmodus (stundeni^ges Rückwärtsziehen 
des an einer Hautfalte festgeklemmten Tieres über einen rauhen 
Teppich bis zum Brmüdungstode) durchaus human und ohne 
Schmerzempfindung für das Versuchstier gewesen sei, und er 
beruft sich zum Beweise darauf, dass die benutzten Meer¬ 
schweinchen, die doch meist bei jeder Unbequemlichkeit ein 
lautes Gequieke auszustossen pflegten, die Prozedur völlig laut¬ 
los ertragen hätten. 

Demgegenüber muss natürlich festgestellt werden, dass 
Tierquälerei nicht schlechthin mit Schmerzerregung identisch 
ist. Auch Furcht und Schrecken sind Qualen haum weniger 


über die Anzeigepflicht, über die Ermittelung der Krankheit, 
über die Schutzmaßregeln, über die zuständigen Behörden, über 
die Entschädigungen und Kosten, sowie endlich über die Strafen. 

Bei der Anzeigepflicht ist als besonderer Unterschied 
gegen früher einmal zu bemerken, dass sich der Kreis der an¬ 
zeigepflichtigen Krankheiten erheblich verändert hat. In Weg¬ 
fall gekommen sind Masern, Röteln, Syphilis, Krätze, Weichsd- 
zopf und Gicht. Bösartiger Kopfgrind, Krebs und Gicht, für 
die zwar früher eine Anzeigepfli^t auch nicht bestand, aber 
doch gewisse sanitätspolizeiliche Maßregeln nach Lage des 
Falles möglich waren, sind in dem heutigen Gesetze überhaupt 
nicht mehr benannt Die Begründung des Gesetzes mit 
Recht, dass wenn auch Masern und Köteln in grosser Aus¬ 
dehnung auftreten und die Masern erheblichen Schaden für 
Gesundheit und Leben stiften, doch eine Anzeigepflicht nicht 

S Taktisch sei, da sie im Verhältnis zu dem zu erwartenden 
utzen zu grosse Belästigungen der Bevölkerung zur Folge 
haben würde. Ueber die Anzeigepflicht bei Syphilis habe ich 
bereits vorhin das Nötige ausgeführt. Krätze ist nach heutiger 
Auffassung kein bedenkliches Allgemeinleiden, sondern eme 
leichte Hautkrankheit, die verhältnismäßig einfach zu beseitigen 
ist Dem Weichselzopf kann man heute überhaupt nicht nur 
als Krankheit sui generis auffassen. Dasselbe gilt von bös¬ 
artigem Kopfgrind, unter dem man früher zweifellos eine Reihe 
von Krankheitszuständen zusammenfasste, die heute genauer 
differenziert und gewöhnlich auch mit gutem Erfolge in ein- 


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1966. 


MJJÖlCINlSCSfi WOCHfi. 


371 


für das Tier als für den Menschen. Dass aber das fortstrebende 
Meerschweinchen hingenommen von seiner Widerstands- und 
Fluchtbewegung selbst auf den Schmerz der zerrenden Klemme 
nicht wie gewöhnlich mit lautem Schrei quittiert, lässt sich 
durchaus begreifen, auch ohne die etwas willkürliche (weil 
nicht gehörig begründete) Annahme des Nichtschmerzempfindens. 

Immerhin, vielleicht hat Weichardt Recht, es lässt sich 
weni^tens denken, dass die beschriebenen Prozeduren die ver¬ 
wendeten Tiere über ein wollüstig prickelndes Gefühl hinweg 
(wie es in der Tat starke Ermüdung zuwege bringen kani^ 
ins Reich der Bewusstlosigkeit geführt haben. Trotzdem ver¬ 
liert dieser Fall durchaus nichts von seiner pathognomischen 
Bedeutung. Wie, wenn die Erlangung jenes Zieles nicht auf 
so harmlos humanem Wege zu erreichen gewesen wäre, wenn 
nur mit ärgster, stundenlanger, vollbewusster Schmerz- oder 
Qualempfindung jenes köstliche Toxin erlangt werden konnte? 
Würden dann wohl solche humanen Rücksichtnahmen einer 
ferneren Betätigung entflammten Forscherstrebens nach dieser 
Richtung hin Schranken gesetzt haben? Würde nicht die 
wissenschaftliche Wicht^keit des Zieles alle Bedenken be¬ 
schwichtigt, der hohe ^eck das peinliche Mittel geheiligt 
haben ? 

Ans der Denkungsart unserer Forscherkreise heraus ver¬ 
mag ich mir kaum vorzustellen, dass solche nLappalien‘* den 
freiwilligen Verzicht auf ein nahes wichtiges Resultat wirklich 
bedingt haben sollten. Und so ansteckend wirkt diese An¬ 
schauungsweise, so faszinierend das Schlagwort Wissenschaft, 
dass ich selbst ganz unwillkürlich jene Verachtung im Worte 
Lappalie mitempfinde, dass ich alle Eingriffs* und Einscbrän- 
kungsbestrebungen von anderer Seite gewissermaßen als Tempel¬ 
schändungen ansehe — und dass ich mich erst durch einen 
bewussten Akt in einfach menschliche Denkweise wie in ein 
fremdes Medium zurückversetzen muss! 

So wird am Weichhardtschen Ezempel, mag es selbst 
der Verdammnis anheimfallen oder nicht, das lösungheischende 
Problem klar. Ist Wissenschaft ein Schrankenbrecher über¬ 
all oder gibt es auch für sie moralische Grenzen noch vor den 
physisch-materiellen und kriminalistischen — und wenn ja: 
wo liegen sie? 

Das Ziel, der Zweck alles menschlichen, also auch alles 
wissenschaftlichen Strebens kann immer nur der Mensch selber 
sein. Der Mensch im bestverstandenen Gesamtinteresse, in 
seiner leibgeistigen Ganzheit, nicht in den Teilinteressen der 
Gesundheit, der Kraft, der aesthetischen Kultur der wissen¬ 
schaftlichen Erkenntnis! 


Im Mittelpunkte dieses Menschheitsideales steht aber der 
sittliche Mensch! Humanität, vollkommene, vor allem sittliche 
Menschwerdung als all unserer Arbeit Endzweck, muss daher 
auch unsern Weg wie unsere Mittel maßgeblich bestimmen! 
Es darf keinen mderspruch zwischen Zweck und Mittel geben, 
dem Ziel entsprechend muss die Methode seiner Erstrebung 
estaltet sein. Wissenschaft als eine Wurzel und ein Zweig 
er Humanität, Wissenschaft zugleich als die bewussteste, 
darum verantwortungsvollste menschliche Betätigung — muss 
sich dieses Zusammenhanges auch in allen Einzelleistungen 
gewärtig bleiben. Es darf nicht geschehen, dass sie in ihrer 
Praxis die Grenzen der Humanität überschreitet und unein- 
gedenk ihrer dienenden Stellung dem grossen Ganzen gegen¬ 
über hyperthrophierend zum Selbstzwecke entartet. 

Es kann nicht bestritten werden, dass gerade unserem 
Wissensgebiete und besonders in der Gegenwart diese Gefahr 
sehr nahe liegt. Die neuen Errungenschaften auf dem Gebiete 
der Immunitätslehre haben ein wahres Entdeckungs- und Ex- 
perimontierfieber in allen Zweigen medicinischer Forschung 
hervorgerufen. Welche Hochflut von Literatur — schier un¬ 
übersehbar! Viel Wertvolles, aber auch Arbeiten darunter, 
denen man ihren Zweck, Veröffentlichung zu sein, von vorne 
herein ansieht, Arbeiten so dürftig an Erfolgen, ja Erfolgsmög¬ 
lichkeiten. dass eigentlich nur die Inkongruenz zwischen Aus¬ 
beute und aufgewendetem Material gerechte Bewunderung er¬ 
regt. All dieser Arbeiten Kern ist das Tierexperiment. Und 
da liegt freilich die Befürchtung nahe, dass allzugrosser, nicht 
immer wissenschaftlicher, manohmal nur neugieriger oder nur 
ehrgeiziger Eifer die gebotene sittliche Besinnung ausser Augen 
lässt. Jedenfalls aber kann es nur wünschenswert sein, wenn 
die berufenen Fachleute, die sich praktisch tagtäglich mit dem 
Tierexperimente beschäftigen und andere sogar untergeordnete 
Organe damit beschäftigen lassen, auch einmal theoretisch und 
nicht in allgemeinen Phrasen zu dieser Frage Stellung nehmen! 
Dass ihre Beantwortung nicht gar so einfach ist, wie es zu¬ 
nächst scheinen könnte, werden meine Ausführungen wohl 
deutlich gemacht haben. 

Aber noch eins: Wir dürfen in diesen Dingen auch die 
Kritik von Laien nicht hochmütig ablehnen. Ueber die wissen¬ 
schaftliche Bedeutung eines speziellen Experiments kann selbst¬ 
verständlich nur der Fachmann maßgeblich befinden, bezüg¬ 
lich der allgemein-menschlichen Grundlage aber, auf welcher 
die Zulässi^eit dieser Forschun^methode überhaupt erst be¬ 
ruhen kann, steht auch dem dei^enden, fühlenden und natür¬ 
lich — objektkundigen Laien ein beachtenswertes Urteil zu. 


facher Weise zu behandeln sind. Der Krebs ist deshalb aus 
dem heutigen Gesetz herausgelassen, weil seine Natur noch zu 
wenig feststeht und damit auch die Zweckmäßigkeit der im 
Einzelnen anzuordnenden Maßregeln. Die Gicht wird heute 
nicht mehr als Infektionskrankheit, sondern als Stoffwechsel¬ 
krankheit angesehen. 

Hinzugek^ommen sind g^en früher Dmhtherie, Genickstarre, 
Wochenbettfieber, Pleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung, Trichi¬ 
nose. Bezüglich der zuerst genannten drei Krankheiten habe 
ich bereits ausgeföhrt, dass sie zur Zeit des Regulativs nicht 
genügend bekannt waren, während heute ihre Gefährlichkeit 
unzweifelhaft feststeht. Die Trichinose, Fisch-, Fleisch- und 
Wurstvergiftungen, die ebenfalls neu hinzugekommen sind, sind 
streng genommen Krankheiten, die nicht von Mensch auf Mensch 
übertragbar sind; sie entstehen bekanntlich nach dem Genuss 
gewisser Nahrungsmittel und können durch ihren bösartigen 
Verlauf und oft auch durch ihr explosionsartiges, auf grössere 
Kreise sich erstreckendes Auftreten gewiss das Interesse der 
Sanitätspolizei erwecken. Unter die Fisch-, Fleisch-, und Wurst¬ 
vergiftungen fallen verschiedene Krankheitsbilder; einmal solche, 
die mit Schwindel, Muskellähmungen an Augen, Schlund und 
Kehlkopf einhergehen Sie sind die Folge von Vergiftung 
durch organische Substanzen, die unter dem Einflüsse von 
Fäulnisbakterien in verdorbenen Fleischwaren entstehen. Bei 
einer andern Gruppe von hierher gehörigen Krankheiten ent¬ 
stehen schwere Durchfälle, Fieber, Hinfälli^eit. Hier sind wohl 


charakterisierte Bakterien als Ursache nachzuweisen. In diese 
Gruppe sind auch die Fülle von Parafyphus einzureihen. 

Im Einzelnen ist gegen früher noch geändert, dass Schar¬ 
lach auf alle Fälle meldepflichtig ist, nicht nur dann, wenn er 
bösartig oder epidemisch auftritt. Dasselbe gilt von der Ruhr. 
Ebenso ist neu eingefUhrt die Anzeigepflicht für jeden Todes¬ 
fall von Lungen- und Kehlkopftuberkulose. Der Ausdruck 
Lungen- und Kehlkopftuberkulose ist zweifellos dahin zu ver¬ 
stehen, dass sowohl ein Todesfall an Lungen- wie an Kehl¬ 
kopftuberkulose, also nicht nur Fälle mit beiden Todesursachen 
zugleich anzuzeigen sind. Besonders wichtig für die Aerzte ist 
die Bestimmung des § 1, dass bei allen genannten Krankheiten 
(mit Ausnahme der ISiberkulose) nicht nur der Erkrankungs¬ 
fall, sondern auch jeder Todesfall besonders anzuzeigen 
ist. Diese Anzeige des Todesfalls berührt die bisher schon 
übliche, dem Standesamt vorzulegende Beurkundung des Todes 
durch den Totenschein in keiner Weise. Die Bestimmung, dass 
die Todesfälle anzuzeigen sind, ist. wohl aus der Erwägung 
hervorgegangen, dass durch diese Anzeige einmal die Behörde 
den richtigen Zeitpunkt für die Desinfektion bestimmen kann, 
des weiteren aber auch aus der Erwä^ng, dass erst auf diese 
Weise ein hinreichendes statistisches Material zur Beurteilung 
der Sterblichkeit der einzelnen Krankheiten gewonnen werden 
kann. 

Noch in einem dritten Falle ist der Arzt zur Anzeige 
verpflichtet, nämlich dann, wenn der Erkrankte die Wohnung 


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372 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 36. 


Ich habe es deshalb auch für geboten erachtet, gegenüber 
einer Aufforderung aus Laienkreisen zur Unterzeichnung einer 
antivivisektorischen Petition meine ablehnende Stellungnahme 
mit Gründen zu belegen. Das in Form und Inhalt leidlich 
emäßigte, nur eine Beschränkung des Tierexperiments fordernde 
chriftstück zeigte unter ca. 600 Unterschriften eine grosse 
Reihe glänzender Namen von Universitätslehrern, Abgeordneten, 
Offizieren, Fürstlichkeiten u. a. m. Auch einige Aerzte waren 
unter den Petenten zu finden. 

Meine Antwort, die den Ausdruck meiner persönlichen 
Stellungnahme zu dem angeschlagenen Thema enthält, lautete 
folgendermaßen: 

Geehrte Frau, obgleich ich an humaner Gesinnung nicht 
tief zu stehen hoffe, bin ich doch nicht in der Lage Ihre 
Petition zu unterzeichnen. Und zwar aus folgenden Gründen: 

Erstens und vornehmlich: Ich kann einer Aktion nicht 
zustimmen oder gar daran teilnehmen, die sittliche Forderungen 
strafrechtlich erzwingen will! Und weder die Tatsache, dass 
unser gesamtes Recht auf dieser Zwangsmethode beruht, noch 
auch die Schwierigkeiten, welche sich praktisch aus einem 
Abweichen von dieser Methode zu ergeben scheinen, können 
dem, welcher grundsätzlich die Anwendung von Gewalt ver¬ 
wirft, hinreichende Gründe sein, in solchem Einzelfalle eine 
Ausnahme zu machen. 

Zweitens: solange nicht die Tötung und der Gebrauch 
von Tieren zur Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses als mit 
menschlicher Würde für unvereinbar erklärt wird, solange 
wird sich auch gegen das Tierexperiment nichts grundsätzliches 
Vorbringen lassen. Diese beiden Fragen gehören untrennbar 
zusammen. Der Kampf aber lediglich gegen die Missbräuche 
der Vivisektion erscheint mir, wenn er nicht sittlich sondern 
gesetzlich geführt wird, abgesehen von den eben skizzierten 
prinzipiellen Bedenken zu völliger Aussichtslosigkeit verdammt. 
Gesetze sind immer umgangen worden und werden sich immer 
umgehen lassen, auch in diesem Falle; sintemalen doch nur 
Fachleute über den Wert oder Unwert eines geplanten vivi- 
sektorischen Experimentes befinden könnten. 

Derartige Gesetze würden die ernste wissenschaftliche 
Forschung nur knebeln, ohne den Ausschreitungen der wissen¬ 
schaftlichen Neugierde oder Tintensucht wirksam steuern zu 
können. 

Zu diesen beiden Hauptgründen gesellen sich zwei andere 
weniger entscheidende, nämhch: 

Drittens: die Form Ihres Aufrufes, welcher im 5. Absatz 
sehr stark ins Schauerromantische verfällt. Dieser Absatz 


oder den Aufenthalt wechselt Die Anzeige ist 24 Stunden 
nach erlangter Kenntnis bei der Polizeibehörde, bei dem Wechsel 
des Aufenthaltsortes bei derjenigen des neuen Aufenthaltsortes 
zur Anzeige zu erstatten. Diese Bestimmung gebt sogar weiter 
als die entsprechende des Gesetzes über die gemeingefährlichen 
Krankheiten, welche nur die Anzeige des Welchsms des Auf¬ 
enthaltsortes, nicht die der Wohnung an demselben Orte vor- 
schreibt. Im wesentlichen wird diese Bestimmung für den 
Arzt ausser bei Ueberführung ins Hospital nicht so oft eine 

f iraktische Bedeutung erlangen. Schliesslich ist eine schrift- 
iche Meldung auch noch dann nötig {siehe § 8 Nr. 3), wenn 
Aerzte zur Behandlung einer an Kindbettfieber Erkrankten zu¬ 
gezogen werden. Sie müssen dann unverzüglich die bei der¬ 
selben tätige oder tätig gewesene Heb^me benachrichtigen. 
Ich hoffe, dass Ihnen auch hier durch Bereitstellung geeigneter 
Karten ihre Aufgabe erleichtert werden kann. 

Der Kreis der zur Anzeige verpflichteten Per¬ 
sonen ist durch § 2 bestimmt, der in erster Linie den Arzt, 
in zweiter Linie den Haushaltungsvorstand, drittens jede sonst 
mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte 
Person, viertens demjenigen, in dessen Wohnung oder Behau¬ 
sung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet hat, fünftens 
den Leichenschauer zur Anzeige verpflichtet. Da der Para¬ 
graph ausdrücklich von dem zugezogenen Arzt spricht, so kann 
JO nach Lage des Falles ausser dem behandelnden Arzt auch 
der konsultierende Arzt oder der obduzierende Arzt, der eben 


fälscht das Bild der Wirklichkeit (die, wie ich zugebe, be¬ 
denklich genug ist), indem er zum Teil ganz seltene Aus¬ 
nahmen oder gar Unica zusammeohäuft und den Eindruck er¬ 
weckt, als handele es sich hier um die Photographie täglichen 
vivisektorischen Wirkens. In einer so ernsten Angelegenheit 
müsste jede tendenziöse Entstellung aufs strengste vermieden 
werden; und nicht an den leicht beeinflussten Instinkt sondern 
einzig an Vernunft und Sittlichkeit dürfte der Appell sich 
richten. 

•Viertens: Ich scheue ein wenig die Gesellschaft der Unter¬ 
zeichner: teils Laien, die ein feines Empfinden leiten mag, 
denen aber so gut wie jede praktische Kenntnis des Tatsäch¬ 
lichen fehlt, teiL Aerzte, die entweder in diesem Punkte den 
Laien gleichzuachten sind und weder Leistungen noch erheb¬ 
liche Erfahrungen auf den einschlägigen Gebieten aufzuweisen 
haben — oder gar solche, die nur, weil sie Opponenten der 
sog. Schulmedicm sind, auch hier opponieren, ohne, wie bei¬ 
spielsweise jener ^homöopathische Naturarzt“, der Unverein¬ 
bares in seinem Titel reklamehaft vereinigt, die sittliche oder 
logische Qualifikation zu solchem Unternehmen zu besitzen. 

Ueber meine eigene Stellungnahme zur Vivisektion möchte 
ich Ihnen kurz aus eigener praktischer Beschäftigung als ehe¬ 
maliger Assistent eines hygienischen Universitätsinstituts das 
Folgende sagen: 

Ich bin von allem Anfang an Gefühlsgegoer der Vivisektion 
gewesen. 

Ich bin auch heute der Meinung, dass viel zu viel, nicht 
immer genügend motiviert und ebenfalls nicht immer genügend 
rücksichtsvoll an Tieren experimentiert wird. 

Ich verwerfe die Vivisektion zu blossen Demonstrations¬ 
zwecken, des ferneren, wo sie zur Befriedigung blosser wissen¬ 
schaftlicher Neugierde oder gar aus Artikel- und Titelsucht 
geübt wird; emilich in allen den Fällen (und das sind nicht 
wenige), in denen das zu erwartende Resultat in auffallendem 
Missverhältnis zu den notwendigen Opfern steht. 

Ich fordere ausnahmslos Narkose (habe natürlich von 
dieser Forderung — abgesehen von ganz kleinen, Sekunden 
dauernden Eingriffen — persönlich auch niemals abgewichen). 
Versuche, welche nur unter längerer, Sekunden überschreiten¬ 
der bewusster Schmerzempfindung auszuführen sind, sollten 
ganz — auch wenn ihr mögliches Ergebnis von höchstem 
wissenschaftlichen Werte sein könnte — unterlassen werden 
— aus Rücksicht (nicht etwa auf das Tier, das ja .Speise¬ 
sache“ ist, mit uns also nicht in sittlicher Gemeinschalt steht) 
auf die in ihrer Sittlichkeit bedrohten ausübenden Menschen. 


den Infektions-Charakter der Krankheit erst erkennt, zur An¬ 
zeige veroflichtet sein. Erst wenn kein Arzt bei der Krank¬ 
heit beteiligt ist, treten die weiter genannten Personen in der 
angegebenen Reihenfolge als Anzeigepflichtige ein. Unter 
Nr. 3 sind nur diejenigen zu verstehen, die berufsmäßig be¬ 
handeln oder pflegen, nicht solche, die gelegentlich dem 
Kranken nur einen kleinen Dienst erweisen. Hier rangiert 
also auch der Kurpfuscher, der erst anzeigepflichtig und daher 
verantwortlich ist, wenn der HaushaltungsVorstand als Ver¬ 
pflichteter nicht vorhanden ist, ein Fall, der kaum Vorkommen 
wird. Inwiefern Kurpfuscher durch das Gesetz doch von der 
Behandlung Infektionskranker ausgeschlossen werden können, 
werde ich nachher zu besprechen Gelegenheit haben. 

Der § 3 ist besonders wichtig für unsere Kranken-, Ent- 
bindungs-. Gefangenen- und ähnliche Anstalten. In erster 
Linie ist nach der geltenden Auffassung als Vorsteher der An¬ 
stalt der leitende Arzt anzusehen, der ja auch in den bereits 
bestehenden Dienstanweisungen als diejenige Instanz bezeichnet 
ist, welche der Aufsichtsbehörde für die Erfiillung hygienischer 
und gesetzlicher Pflichten verantwortlich ist. Es besteht aber 
für ihn nach dem Paragraphen die Möglichkeit, dass an seiner 
statt auch ein von der zuständigen Stelle (bei städtischen 
Krankenhäusern: ist diese die städtische Verwaltung, bei pri¬ 
vaten: der Vorstand, das Kuratorium oder dergl.) damit oe- 
auftragte Person, etwa der Verwalter des Hospit^s die An¬ 
zeigepflicht übernimmt. (Furtsetzung folgt.) 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


373 


— Es darf keine Hvpertropliie des theoretischen Interesses 
auf Kosten des sittlichen geoen. Nicht Wissenschaft ist das 
letzt und unbedingt Verpflichtende, ihre Herrschaft darf viel¬ 
mehr nur soweit gehen, als Sittlichkeit keine Schranke setzt! 

Ernst Thesing. 


Sitzungfsberichte. 

Berliner ophthalmologische GeseUschaß*' 

Sitzung vom 18. Mai 1906. 

Hr. Pollack: Filaria loa unter der Bindehaut. 

Ein jetzt 32 Jahre alter deutscher Polizeimeister in Kamerun 
bemerkte vor 5 Jahren am linken Auge unter der Bindehaut den 
Wurm, dessen schlängelnde Bewegungen ihm Kribbeln verursachten. 
Der Wurm verschwand dann für Jahre, trat audi sporadisch wieder 
auf, wunderte auch einmal unter der Nasenhaut unter die rechte 
Bindehaut und wurde sogar einmal unter dem Handrücken ge¬ 
fühlt. Seit 1 Jahre war er unbemerkt geblieben, kam aber jetzt 
plötzlich wieder zum Vorschein und konnte durch Cocain und 
Adrenalin sichtbar gemacht und mittels eines Schieihakens aus 
einer kleinen Bindehautwunde hervorgezogen werden. Der Wurm 
ist 3 cm lang. 

Hr. Feilchenfeld: Fall von Tarsitis specif. 

Hr. Helbron: Ueber ungestielte Lappen in der 
Ophthalmologie. 

G^tielte Lappen sind aus kosmetischen und mechanischen 
Gründen nicht immer anwendbar. Ungestielte Lappen sind nur 
dann brauchbar, wenn die Konstitution des Pat. gut ist (keine 
Anaemie), und wenn in der Umgebung des zu deckenden Defektes 
akute und chronische Eiterungen fehlen. Sie schrumpfeu sehr 
leicht und müssen auf guter Unterlage ruhen, also nicht auf 
Narben oder lockerem Unterhautzellgewebe, sondern auf 
glatter Unterlage, wie Tarsus oder Knochen. Statt Einheilung 
tritt oft trockene oder feuchte Gangraen, Abstossung nach Eite 
mng im Stich-Kanal oder unter dem Lappen, Binschmelzung 
selbst des schon angeheilten Lappens durch torpide Geschwüre 
ein. Es kommen 3 Methoden in Anbetracht; 1. Uebertragung 
des Lappens in seiner ganzen Dicke (Le Fort-Wolfe); 2. Trans¬ 
plantation Thiersdischer Läppchen; 3. Ueberpflanznng von Schleim- 
hantlappen zur Deckung von Defekten im Bindehautsack und in der 
Augenhöhle. Für Lidplastiken kommen nur die beiden erstge¬ 
nannten Verfahren in Frage, do<h muss man wegen der drohenden 
Sdirumpfung stark überkorrigieren. Innerhalb der Orbita handelt 
es sich meist darum, bei Sym- oder Ankyloblepharon das Tragen 
einer Prothese zu ermöglichen. Zu diesem empfahl als erster 
Stellwag (1872) Schleimhautplastiken, ihm folgte Wolfe, der 
Schleimhaut vom Mund oder der Scheide des Menschen und des 
Kaninchens benutzte, und neuerdings bildete Axenfeld mit 
dieser Methode einen neuen guten Bindehautsack. Die Lappen 
heilen zwar leichter ein als nach den andern Methoden, schrumpfen 
aber stärker, so dass ein grosser Effekt nicht zu erwarten ist. 
Um das Wundwerden der oberflächlichen Blätter zu vermeiden 
und das Verwachsen beider Oberflächen zu hindern, ging man 
zu den beiden ersteren Methoden über. 1899 empfahl May die 
Ueberpflanzung Thier sch scher Läppchen, Einlegen einer Glas- 
prothese und Vernähen des Lides darüber. Die sub. 1 erwähnte 
Methode wurde nicht viel beschrieben. Helbron löst den Binde- 
hautsack los, ezzidiert die Hautbrücke nicht, sondern lässt sie 
zur Fixation der Hautlappen stehen, stillt die Blutung gut. Die 
Haut soll zwecks Vermeidung zu starken Druckes und besserer 
Einpassung von dünnen Hautstellen entno mm en werden (Innen¬ 
fläche des Oberarms, Brust), aber ohne subkutanes Fett, ev. ver¬ 
dünnt. Der ovalaer exzidierte Lappen wird am besten halbiert, 
mit nach oben und unten gerichteten Enden eingepasst und die 
Basis am zentralen Bindehautlappen angenäht (nicht nur eingelegt). 
Die Uebergangsfalte wird uidit mehr durch festes Einbringen 
mit Sonde und Zügelnähten gebildet, weil dieses Verfahren leicht 
mit Eiterung kompliziert ist, sondern durch sofort eingelegte Blei¬ 
platten oder noch besser durch das dauernde Tragen von Glas¬ 


prothesen. Beide Bindehautsäoke, der obere und der untere, 
werden in einer Sitzung gebildet. Bald, d. h. 8—10 Tage nach 
der Anheilung, stösst sich die Epidermis des Lappens ab, dessen blass¬ 
rote Farbe seine erfolgte Anheilung anzeigt. H. hat bisher 
10—12 Fälle auf diese Weise erfolgreich behandelt, von denen 
er 4 vorstellt. Das Endresultat ist erst nach 4—6 Monaten zu 
beurteilen. 

Diskussion: Herr Pollack betont die Wichtigkeit guten 
Gesundheitzustandes der Patienten und guter Unterlage für die 
Anheilung der Lappen. Zeigt die Photographie eines von Prof. 
Silex mit Erfolg operierten Falles. 

Hr. Seeligsohn: Krankenvorstellungen. 

a) Eine 39 Jahre alte, sonst gesunde Frau erkrankte im 

Juli 1903: sie war plötzlich beiderseitig erblindet und ertaubt, 
die Pupillen waren starr, und der Augenhintergrund zeigte das 
Bild der Verstopfung der A centr. ret. Patientin hatte tags zu¬ 
vor von dem ihr gegen nervöse Kopfschmerzen verordneten Chinin 
3,5 g auf einmal genommen. Unter Bettruhe, Bädern und Schwitzkur 
besserte sich der Zustand. Das Hörvermögen kehrte schnell, die 
Sehkraft nur langsam zurück; nach 8 Tagen S = , nach zwei 

Monaten wurde S == Ve. Das anfangs nur schlitzfbrmige Gesichts¬ 
feld wurde schliesslich ganz normal. Jetzt sind die Papillen 
atrophisch, die Gefässe infolge Peri- und Endovasculitis weiss ein- 
gescheidet oder obliteriert. S * •/ 12 , Gf. für Farben beträchtlich 
geschädigt; der Lichtsinn (Nagels Adaptometer) zeigt eine Herab¬ 
setzung der Dunkeladaptation auf ^/lo. Die Pathogenese, deren 
Erklärung infolge des Fehlers von Sektionen auf das Tierexperi¬ 
ment angewiesen ist, lässt als primäres eine Ischaemie und nicht 
eine Aflektion der Ganglienzellen wahrscheinlich erscheinen. 

b) 21 Jahre altes, nie vorher krankes Mädchen erkrankt an 

einer hochfieberhaften Angina lacunaris, nach 14 Tagen bekommt 
sie Muskelschmerzen, Gelenkschwellungen und Eiweiss, nach einigen 
Tagen bds. Rötung und Schwellung des Lides, Exophthalmus, Gyclitis 
mit starken Glaskörpertrübuugen und Stauungspapille. Nach und 
nach besserte sich der Zustand, und es zeigte sich beiderseits eine 
zwischen margo supraorbitalis und Bulbus palpabele, die Augäpfel 
verdrängende, aus mehreren Knoten bestehende und mit den 
Tränendrüsen nicht zusammenhängende Geschwulst; ophthalmos¬ 
kopisch erkennt man helle Aderhautherde. Die Blutuntersuchung 
ergab, dass es sich um pseudoleukaemische Tumoren bandelte. 
As. wirkte gut; jetzt ist der Exophthalmus gering, S. und Gf. 
normal, die Tumoren sind erheblich verkleinert, die Stauungs¬ 
papille besteht noch. Kurt Steindorfif. 

AeneiUcher Verein M/wnehen, 

Sitzung am Mittwoch, den 9. Mai 1906. 

I. Hr. Gebele: Ueber Nierenchirurgie. 

G. verbreitet sich ausführlich über die Anwendung der sog. 
funktionellen Diagnostik vor Nierenoperationen, wie sie in der 
Münchener chirurgischen Universitätsklinik gehandhabt wird. Er 
hält den Ureteren-Katheterismus für das wertvollste Diagnostikum. 
Den Urinseparator hat er ebenfalls angewendet und kann sich 
dem ungünstigen Urteil, das darüber gefällt wurde, nicht au- 
schliessen. Die Blut-Kryoskopie wurde mit dem Beckmannschen 
Apparat ausgeführt. Es zeigte sich der Blutgefrierpunkt 
schwankend. Sie erscheint besser als die Ham - Kryoskopie. 
Harastoffbestimmungen (nach Esbach) wurden bald wieder aufge¬ 
geben. Farbstoffprüfungen wurden mehrfach, die übrigen funktio¬ 
nellen Methoden nicht angewandt. Von 1896 bis zum Herbst 
1902, d. h. vor Anwendung der funktionellen Diagnostik war die 
Operationsmortalität 20%, vom Herbst 1902 —1906 betrug sie 
13% (die Prozentzahlen sind aber aus sehr niedrigen Operations- 
ziffera abgeleitet. D. Ref.). 

Diskussion: 

Hr. Pr. Müller: Das kryoskopische Verfahren ist sehr gut 
weil ein Tod sofort nach einer Nierenoperation durch Kranksein 
der anderen Niere verhindert wird. Die Gefahren eines Ureteren- 
Katheterismus sind nicht zu unterschätzen. Die funktionelle 
Diagnostik wird erst wertvoll durch das Zusammenarbeiten der 
verschiedenen Methoden. 

Eine bedeutende Erhöhung von J im Blut ist ein ernstes 
Symptom; daun ist vielleicht die Nephrotomie der Nephrektomie 


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374 


MBD ffiTTJTRl./ H 16 Ofi H IC . 


Nr. 36. 


vorzuziehen. Auch schwere Nephritiker können normalen Ge¬ 
frierpunkt des Blutes zeigen, (z. B. bei den mit Oedemen einher¬ 
gehenden Nierenkraukheiten). Bei den Gefrierpunktsemiedrigungen 
spielen die anorganischen Salze die wichtigste Rolle. Die Mehylen- 
blaumethode ist nicht so schlecht, wie man zu meinen pflegt, 
zweckmässiger ist die Benützung von Indigokarmin. Die Harn- 
stoffbestimmung wird zumeist mit ungenauen Methoden vorge¬ 
nommen (20% Fehler). Diese haben keine Berechtigung. Die 
Niere, welche der dünnem Ham sezeraiert, ist gewöhnlich die 
kranke. Sezeraieren beide Nieren dünnen Harn, so ist damit 
noch nichts gesagt (nervöse Zustände etc.). 

Hr. Schlagintweit hat die Kryoskopie fast völlig aufge¬ 
geben. Er nimmt den Ureteren-Katbeterismus vor und hat keine 
Schädigungen durch denselben gesehen. Er hat hierbei ausge¬ 
zeichnete diagnostische Resultate. 

Hr. Gebele: (Schlusswort). 

II. Hr. Schloesser: üeber die Behandlung der 
Neuralgien mit Älkoholinje ktionen. 

Ein ausführliches Referat über diesen Vortrag ist nicht mög¬ 
lich, da in demselben grossenteils die Technik der Alkoholein¬ 
spritzungen bei den verschiedenen in Betracht kommenden Nerven 
geschildert wird. Schl, verwendet fast ausschliesslich 80%igen 
Alkohol, wenn er besonders vorsichtig sein will, (bei motorischen 
Nerven — Facialis) 70%igen. Das Anwendungsgebiet ist der 
Tic convulsif und die Neuralgieen (bis auf 5% aller Fälle sitzen 
die letzteren im Trigeminus und Ischiadicus). Der Erfolg ist 
beim Trigeminus keine Heilung, sondern nur eine „temporäre 
ResektionMan miiss infolgedessen die Einspritzungen wieder¬ 
holen. Beim Ischiadicus treten dagegen keine Recidive auf. Bei 
diesen Nerven zeigt sich auch deutlich, dass die motorischen Fasern 
weniger leicht durch den Alkohol irritiert werden als die sen¬ 
siblen. Die Ischiadicus-Neuralgie ist gewöhnlich eine Plexus- 
Neuralgie; desshalb müssen noch die entsprechenden Nerven mit¬ 
behandelt werden. Aehnliche Verhältnisse bestehen auch bei den 
Gesichtsnerven. Dr. Albert Ufifenheimer. 

Mxx/¥i/fihei/nier Aentsteverei/n.* 

Sitzung vom 30. IV. 1906. 

Escholein: lieber Kindermilchversorgung und Milchküchen. 

Die Reform der Milchversorgung bildet zurzeit besonders im 
Interesse der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit eine der 
wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege. Die 
hohen Zahlen unserer Säuglingssterblichkeit sind ohne Zweifel 
zum Teil durch Momente bedingt, wie schlechte Wohnungen, 
mangelhafte Pflege usw.; Zust&nde, auf denen eine Besserung nur 
Schritt für Schritt durch soziale Hygiene im grössten Stile erhofft 
werden kann. Aus der Tatsache jedoch, dass etwa zwei Drittel 
aller Todesfälle im ersten Geburtsjahre auf Ernährungsstörungen 
direkt oder indirekt beruhen, dass hiervon aber Brustkinder selbst 
unter den erbärmlichsten äusseren Verhältnissen so gut wie völlig 
verschont bleiben, geht hervor, dass der Ernährung, und zwar im 
Grunde dem Ersätze der Mutterbrust durch die Flasche, eine aus¬ 
schlaggebende Rolle unter den Ursachen unserer hohen Säuglings¬ 
sterblichkeit zukommt. Die traurigen Ergebnisse der künstlichen 
Ernährung haben im wesentlichen ihre Ursache darin: 

1. dass das Ausgangsmaterial der gewöhnlichen künstlichen 
Ernährung, die Kuhmilch, schon häufig im Handel eine für den 
kindlichen Organismus schädliche Beschaffenheit besitzt, 

2. dass bei der Behandlung der Milch im Haushalte und der 
Darreichung der Nahrung die einfachsten hygienischen und diäte¬ 
tischen Grundregeln nicht beobachtet werden, 

3. dass überhaupt die künstliche Ernährung meist nicht nach 
irgend welchem Schema, nach Laienerfahrungen bei anderen 
Kindern, oder Reklaraeschriften von Nährmittelfabrikanten, sondern 
nur unter genauer Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse 
nach sachverständigem ärztlichen Rate durchgeführt werden k«.nn, 
dieser aber vielfach überhaupt nicht oder erst viel zu spät aufge¬ 
sucht wird. 

Der verhängnisvolle Einfluss der Marktmilch muss im wesent¬ 
lichen zurückgeführt werden auf ihren Gehalt an Bakterien und 


deren Zersetzungsprodukten. Die Grundbedingung für hygienische 
Milchgewinnung ist peinlichste Reinlichkeit schon vom Knhstall 
ab. Gutes Patzen der Kühe, Reinigung der Euter vor dem 
Melken, reine Hände des Melkpersonals sind dafür die nötigen 
Voraussetzungen. Die weitere Behandlung der Milch muss darauf 
bedacht sein, die Entwickelung der Keime zu ungezählten Massen 
zu verhüten. Hierfür ist das beste Mittel die Kälte. Die Hitze, 
die Pasteurisation und Sterilisation, vermag gerade die gef^r- 
lichsten Keime nicht zu vernichten. Ebensowenig zuverlässig sind 
die zur Konservierung der Mittel vorgeschlagenen Ghemiekalien. 
Die Durchführung dieser hygienischen Massregeln ist unter den 
jetzigen Verhältnissen sehr schwierig. Als dringendste Aufgabe 
vom ärztlichen Standpunkte aus, ist die Beschaffung einer billigen, 
für Kinder durchaus einwandfreien Milch zu bezeichnen. E. l'ührt 
dann die Massnahme der Berliner Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Säuglingssterblichkeit an. E. schlägt die Einrichtung einer 
Milchzentrale vor. Sämtliche anfgelieferte Milch musste zunächst 
geprüft und dürfte erst dann au den Händler zur weiteren Be¬ 
handlung, d. h. zum Abfallen in die womöglich sterilisierten 
Flaschen freigegeben werden. Die gefüllten Flaschen wären so¬ 
fort mit einem Datumstempel zu plombieren. Mustergiltig ist die 
Eopenhagener Milchversorgung wie die ,L’oeavre philanthropique 
du lait‘‘ in Paris. Die Finanzierung sollten die Stadtgemeinden 
womöglich ganz oder teilweise übernehmen, im übrigen ist auch 
eine finanzielle Beteiligung der Milchproduzenten wünschenswert. 
Viel kann auch durch Aufklärung des Publikums über die hygie¬ 
nischen Anforderungen, die an den Milchbandel zu stellen sind, 
erreicht werden, und hierdurch könnten besonders viel Aerzte 
schon jetzt das Pablikum zur Selbsthilfe erziehen. Es muss ftir 
eine entsprechende Behandlung der Milch im Haushalte Sorge ge¬ 
tragen werden. Für die Fälle, in denen eine solche aus irgend 
welchen Gründen nicht möglich oder besondere, im Haushalt 
nicht herzustellende Gemische nötig sind, ist die Gründung von 
Milchküchen erforderlich. Sie kann von der privaten Wohltätig¬ 
keit erfolgen. Keine Milchküohe ohne ärztliche Ueberwachnng 
der Pfleglinge, womöglich aber nicht durch eine Poliklinik, sondern 
bei gänzlich freier Aerztewabl. Dr. Max Jacoby. 

Schlesische CreseUschaft für vaterländische Kultur» 

(Med. Sect.) Sitzung vom 25. Mai 1906. 

Vors. Hr. Uhthoff, Schriftf. Hr. Partsch. 

Hr. Ludloff: Ueber Kreuzbeinbrüche. 

Der Vortragende hat an der Hand von 5 Fällen die Symp¬ 
tomatologie und Diagnostik der Kreuzbeinbrüche genau zu er¬ 
forschen gesucht. An einem der vorgestellten Fälle, dessen 
typische Krankengescbichto erzählt wird, demonstriert L. die 
charakteristischen Symptome, die die Diagnose sichern. Die Unter¬ 
suchung im Stehen des Patienten ergibt Schiefstand des Beckens 
bei teilweiser Lordose beziehungsweise Scoliose der Wirbelsäule. 
Die linke Spina tritt etwas mehr hervor. Beim Spreizen der 
Beine (Hoffa) ist keine Ungleichheit vorhanden. Beim Heben des 
linken Beines hebt sich das Becken normal in die Höhe, beim 
Heben des rechten Beines fällt das Becken herunter (Trendeln- 
burgsohes Phaenomen). Das Percutieren der Wirbelsäule ergibt 
an der Bruchstelle Schmerzhaftigkeit, das Auscultieren mit dem 
Schlauchstetoskop crepitierende Geräusche. Die Untersuchung mit 
dem Mikuliczschen Kreuzmaf in der Rückenlage ergibt gleiche 
Länge der Beine. Die Reflexe sind links gesteigert, die Prüfung 
der Sensibilität weist Hyperaestbesie der linksseitigen Penisgegend 
anf. Bei der Untersuchung in der Knieellenbogenlage steht die 
linke Spina posterior höher als die rechte. Im Warmwasserbade 
fühlt man den letzten Lendenwirbel rechts mehr vorgelagert als 
links. Die Röntgenhüder zeigen Asymmetrie des Beckens in Bauch- 
und Rückenlage und geben einen Einblick in den Mechanismus 
der Entstehung der Fraktur. Dieselbe ist in dem vorgestellten 
Falle in der Nähe der linken Synchordrosis zu suchen. Die dem 
entstandenen Schlottergelenk entgegenwirkende Therapie ist An¬ 
legung eines Stützkorsetts. 

Hr. Partsch stellt einen Fall vor, bei dem er eine direkte 
Verletzung des Hüftgelenks ohne Kreuzbeinverletzung annimmt, 
während Hr. Ludloff auch bei diesem Fall das besonders wichtige 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


375 


und entscheidende Trendeinburg sehe Fhaenomen als vorliegend 
erachtet, das ihm für eine Ereuzbeinfraktur zu sprechen scheint. — 

Feritz. 

Sitzung vom 22, Juni 1906. 

Vors. Hr. Uhthoff, Schriftf. Hr. v. Strümpell. 

Der Vors, widmet Hm. Sanitätsrat Bröer einen Nachruf. 

1. Mende (Gottesberg): Demonstration eines Desin> 
fektionsschrankes. Der Vortr. bat bereits vor Jahresfrist 
in einer Zeitschrift (Ther. Monatshefte) darüber geschrieben, hat 
aber wenig Beachtung gefunden, und zwar, wie er glaubt, weil 
die Resultate nicht von einem Fachmanns nachgeprüft worden 
sind. Dies ist nun inzwischen durch einen Bakteriologen geschehen, 
wobei die _ früheren Befunde vollauf bestätigt wurden. Der 
Schrank bängt an der Wand und bat einen Boden ans Schwarz¬ 
blech. Er hat den Zweck, die Kleidungsstücke des Arztes rasch 
und sicher zu desinfizieren, um Uebertragung von Infektionskrank¬ 
heiten zu verhüten und ängstliche Gemüter im Foblikum zu be¬ 
ruhigen. Der Vortr. benutzte eine Schering sehe Lampe aus 
Ponnalin-Fastillen, und zwar verwandte er, wiewohl nach den Ver¬ 
suchen 5—6 Stüc^ genügt hätten, jedesmal 10, denen 120 ccm 
Wasser zur Verdunstung beigefügt wurden. Die Keime der 
Testobjekte (Bakt. coli, Milzbrandbazillen etc.) wurden ausnahms¬ 
los in 3—5 Stunden abgetötet. Nur wo die Keime tief in die 
Sachen eingedrungen waren, wie es in praxi gar nicht vorkommt, 
genügten die Formalin-Dämpfe nicht; hier könnte nur strömender 
Wasserdampf von Erfolg sein. — Der Formalin-Geruch lässt sich 
durch schwache Ämmoniakdämpfe leicht beseitigen. 

2. Hr. Glogner: „Ueber die Ursache und Bekämpf¬ 
ung der Malaria.“ Die Erwerbung der Kolonien nnd der ge¬ 
steigerte überseeische Verkehr haben das Interesse für die Tropen¬ 
krankheiten nnd besonders für die Malaria erhöht. Erst in den 
letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts hat man die Wege, wie 
die Keime in den Körper eindringen, erkannt und ist dadurch zu 
neuen Behandlungsmethoden gelangt. Laveran, der die Farasiten 
entdeckt hat, nahm nur eine Form für die verschiedenen Er¬ 
krankungsarten an; jetzt unterscheidet man allgemein eine tertiana, 
quartana und tropika. Grashej fand, dass die Uebertragung der 
Krankheit durch die Änophelis-Mücke erfolge. Im Magen dieses 
Insekts findet die Kopulation der Farasiten statt. — Bezüglich 
der Recidive hatte Koch angenommen, dass Sporen im Körper 
znrückblieben und erst später zur Entwicklung kämen. Dagegen 
wandte der Vortr. ein, dass dann die Gleichmässigkeit' des Auf¬ 
tretens nicht erklärlich wäre. Aufklärung brachte erst eine Ent¬ 
deckung Grashejs. Er fand, dass ausser der Kopulation auch 
eine asexuelle Schizogenie stattfinde. Diese Fathogenese des 
weiblichen Gameten, tritt immer nach bestimmten Zeiten ein und 
bewirkt dann im Körper des Menschen ein Rezidiv. Bei der 
sexuellen Fortpflanzung entstehen im Mückenmagen zuerst kleine 
Würmchen (Ookineten). die wandern in die Tunica elastica muscu- 
laris des Magens und entwickeln sich zu Oocysten, durch Keim- 
teilung, Frotoplasma-Verdichtung und -Verdünnung entstehen die 
Sporoblasten, dann platzt die Cyste und die Sporozoiden gelwigen in 
das Blut und sammeln sich in den Speicheldrüsen. Beim Stich 
der Mücke gelangen dann die Farasiten mit dem Speichel in den 
Körper des Menschen. — Da aber auch Malaria-Epidemieen in 
Gegenden beobachtet sind, wo wenig Anophelis-Mücken vorhanden 
waren, muss wohl noch eine Verbreitungsmöglichkeit bestehen. — 
Bei der Behandlung gibt» es 3 Wege, 1. durch Chinin, 2I durch 
Drahtnetze an Türen und Fenstern, 3. durch Abtöten der Larven 
in Wasser und Luft. 

1. Bei der Chinin-Behandlung muss man schon bei Gesunden 
prophylaktisch Vorgehen und jeden 4.—8. Tag eine grössere Dosis 
verabfolgen. Treten Intoxikations-Erscheinungen auf, dann gibt 
man täglich 0,2 Chin. mur. Ist Infektion erfolgt, dann 4 Stunden 
vor dem Anfall eine grosse Dosis (1,0). Bei der Recidiv-Frophy- 
laxe gibt man in fieberlosen Zeiten am 9. und 10. Tag je ein 
Gramm Chinin. Diese Behandlung ist aber oft erfolglos, dann 
müssen Fat. ins Gebirge oder nach Europa geschickt werden. 

2. Drahtnetze in den Tropen meist nicht durchführbar, weil die 
Häuser aus Bambus bestehen, und die Mücken durchdringen. 

3. Die AbtOtung der Larven im Wasser, gelingt oft durch Fetro- 


leum, dagegen nicht in der Luft; auch die Ausrottung durch 
Libellen hat sich nicht bewährt. In der Diskussion wurde durch 
Herrn Schmeidler erwähnt, dass auch in Breslau nach Ueber- 
schwemmungen häufig Malaria-Epidemieeii aufgetreten sind, und 
fragt an, ob auch hier in unserer Gegend die Anophelis-Mücke 
angetroffen wurde. Herr Glogner erwidert, dass er das Insekt 
alle Tage in grosser Zahl zu Gesicht bekomme. Dr. Feritz. 

Klinischer Abend. 

Sitzung vom 22. Juni 1906. 

1. Hr. Hartung stellt einige Fälle von Tuberculosis 
verrucosa cutis vor. Die Krankheit war von ostalen Frozessen 
ausgegangen und verbreitete sich annulär. Hauptbehandlung ist 
die Excision. 

2. Hr. Michalke: Myositis bei Abdominaltyphns 
Fat. (ein Schiffer) hatte viel ungereinigtes Oderwasser getrunken 
und war an Thyphus erkrankt. Am 10. Tage trat unter Schüttel¬ 
frost am linken Unterschenkel, besonders in der Wadenmuskulatur 
Schwellung nnd Schmerzhaftigkeit auf; nach 2 Tagen hörte es 
auf. Nach 7 Tagen ein Recidiv. Am 21. Tage am Oberschenkel 
dasselbe Krankheitsbild, am meisten bei den Adduktoren und Ex¬ 
tensoren. Gegen eine eitrige Erkrankung spricht der schnelle Ab¬ 
lauf der Symptome. 

3. Hr. Steinberg: Lähmung des musc. serratus anti- 
cus. Fat. (eine Hausmeisterin) musste in einer kalten Januamaoht 
aufstehen und angestrengt bis zum Schweissausbruch arbeiten. 
Nach einigen Tagen merkte sie Schmerzen und eine Lähmung am 
rechten Arm. Bei der Untersuchung findet man, dass das Schulter¬ 
blatt der erkrankten Seite 3 cm tiefer und 2 cm näher an die 
Wirbelsäule reicht. Bei Bewegung des Armes nach vom steht 
Scapula fiügelförmig ab (pathognomonisch). Die Erhebung des 
Armes über die Horizontale ist zwar etwas erschv )rt, aber doch 
gut ausführbar. Früher glaubte man, dass der Dt Itoideus bis zur 
Horizontalen wirke und dann der Serratus eintretc. Daher hielt 
man pathogn. für Serratns-Lähmung, dass Fat de n Arm nur bis 
zur Horizontalen heben könne. Dies ist aber nidit richtig. Die 
Muskeln treten vikariierend für einander ein. Frogoose nicht sehr 
günstig, da Zustand schon V> Jahr besteht. Therapie: Heissluft¬ 
behandlung, Salizylpräparate und Chinin. 

4. Hr. Tietze bespricht im Anschluss an ein operiertes 
Magen-Carzinom seine Resultate in der Magen-Chirurgie. 

5. Hr. Goldenberg demonstrierte einen Fall von Faraf- 
fintumor, den sich ein junger Mann aus Russland zum Zweck 
der Befreiung vom Militärdienst am horizontalen Ast des Unter¬ 
kiefers hatte anlegen lassen. Der Tumor war mit dem Gewebe 
innig verwachsen, und daher die Entfernung sehr erschwert. In 
der Diskussion werden von den Herren Uhthoff, Reinbach, 
Tietze und Göbel ähnliche Fälle berichtet. 

6. Hr. Görke stellt ein Kind vor, das seit einigen Tagen 
dadurch den Eltern auffiel, dass es mit der linken Gesichtshälite 
Grimassen schnitt. Es hatte rechts Facialis- und Abducens-Läh- 
mnng und mittelschwere Mittelohrentzündung. Anfangs wurde 
angenommen, dass der Ohrbefund die Ursache der Lähmungen 
sei, aber es fehlte Fieber und die sonst immer wirksame Lumbal- 
Funktion blieb ohne Erfolg. Bei der Faracentbese wurde keine 
gespannte Membran vorgefunden. Nach einiger Zeit brachen 
Folypen (Fibrosarcome) in die Schädelhöhle durch und es traten 
auch Lähmungen der anderen Nerven auf. Dadurch wurde das 
ganze Krankheitsbild erklärt. 

7. Hr. Stern und Hr. Eppenstein: Ueber Perment- 
wirkung der Leukocyten. Der Eiter hat verdauende Wirk¬ 
ung, und zwar nicht nur durch Bakterien, sondern auch durch 
Fermente. An 2 Fällen von myeloider und einem Fall von 
lymphoider Leukaemie wurden Untersuchungen angestellt. Bei den 
ersteren ist Ferment im Blut, dies wirkt daher verflüssigend auf 
Gelatine, bei letzterem ist dies nicht der Fall. 

Hr. Müller aus der Med. Klinik berichtet über ähnliche 
Versuche mit gleichem Resultat. 

Auch tubercul. Eiter verdaut nicht. 

8. Hr- Janssen bespricht die guten Erfolge die sie in der 
Hauptabteilung des Allerh. Hospitals bei der Behandlung der 
Epididymitis gonorrh. mit Bierscher Stauung erzielt haben. 


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376 


MBDICmiSGHB WOCHB. 


Nr. 36. 


Der Giimmischlaach bleibt 3—4 Stimden (in einem Falle 13 
Stunden) liegen; der Verlauf ist dann viel rascher, die Schmerzen 
hören bald auf. 

Diskussion: Hr. Schindler berichtet, dass er in der 
Bonner und in der Meisserschen Klinik die Stauung 20—22 
Stunden angewandt habe, die Schmerzen verschwanden auch, 
kehrten dann aber wieder. Er selbst wende die Funktion mit 
sehr gutem Erfolge an, die man auch in der Sprechstunde resp. 
Poliklinik ausführen könne. 

Hr. Hartung hält die Punktion für zu schmerzhaft, um 
sie allgemein anwenden zu können. 

9. Hr. Tietze stellt eine junge Dame vor, der er wegen 
Tuberkulose ein Rnochenstück aus dem Metacarpus entfernt und 
ein Stück aus dem Metatarsus implantiert hatte. Heilung ist fast 
vollständig eingetreten. 

10. Hr. Asch: Badikaloperation bei Sepzis nach 
Abort ohne Befund. Er bespricht einen Fall, wo Elzitus ein¬ 
trat , weil Patientin zu spät in Behandlung kam. Es bestand 
Endocarditis und doppelseitige Nephritis. 

11. Hr. Winkler zeigt Präparate von Perforation der 

Gallenblase nach Beptus und Hr. Ne iss er demonstriert einen 
Lungenstein. Dr. Peritz, Breslau. 


Kongressbericht. 

23. Kongress fO/r 'hvnere Medidn 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

Determann hat mit veränderter Methode Untersuchungen 
über die innere Reibung des menschlichen Blutes, ge¬ 
macht, deren Resultate er in folgende Sätze zusammenfasst: 

1. Viskositätsbestimmungen des menschlichen Blutes haben 
hohes klinisches Interesse, a) weil zur Beurteilung der Hämody¬ 
namik neben der Prüfung der Triebkraft und der Widerstände 
im Kreislauf die Kenntnis der „Flüssigkeit“ des Blutes unerlässlich 
ist, b) weil wir dem Verständnis der osmotischen Spannung des 
Blutes durch Eindringen in das Wesen der inneren ^ibung näher 
treten, c) weil in der Beeinflussung der Viskosität durch gewisse 
Massnahmen möglicherweise ein neuer wichtiger therapeutischer 
Faktor gegeben ist. 

2. Die Vikosität ist eine physikalische Eigenschaft des Blutes 
für sich und nur in lockere Beziehungen zu andern Eigenschaften 
des Blutes zu bringen. 

3. Die Eigenschaft des Blutes als Suspension von Formelementen 
in Flüssigkeit, also das Aneinandergleiten von Formelementen, be¬ 
einflusst der Brauchbarkeit der Viskositätsprüfungen vermittels 
Glaskapillaren, wahrscheinlich nicht in nennenswertem Grade. Bei 
Gebrauch von engen Glaskapillaren, in denen das Durcheinander- 
i'ollen der Formelemente eher die relative Durchflussgeschwindigkeit 
vermindern könnte, ist die Viskosität des Blutes nicht grösser wie 
bei dem von weiten. Lackfarbenes (also zu homogener Flüssigkeit 
gemachtes Blut) ist sogar visköser als deckfarbenes. 

4. In den Blutkörperchen sind wahrscheinlich bochviköse Sub¬ 
stanzen enthalten, die bei Auflösung der Formelemente den Vis¬ 
kositätskoeffizienten des Gesamtblutes erhöhen. 

5. Als einfachere und einwandsfreiere Methode der Viskosi¬ 
tätsbestimmung ist zu empfehlen: Gewinnung des Blutes durch 
Ohrläppchenstich und direkte Ansaugung in ein kleines Viskosi¬ 
meter von 0,2 c-cm Inhalt des Massgefässes, nach Himdinzusatz 
zum Blut in trockener Form. Im Uebrigen Prüfung der Viskosität 
in der früheren Weise mit einigen technischen Aenderungen. 

6. Die mit der neuen Methode vorgenommenen Untersuch¬ 
ungen der Viskosität an Gesunden und Kranken ergaben: 

a) Die Viskosität bei Gesunden schwankt je nach Tageszeit, 
Nahrungsaufnahme, hknäbrungsart, Muskelarbeit. Schwere Muskel¬ 
arbeit erhöht die innere Reibung, vegetarische Blrnährung scheint 
sie zu vermindern. 

b) Bei Bluterkrankungen findet man erhebliche Veränderungen 
des Viskositätsgrades, meistens eine Herabsetzung. Bei Kohlen¬ 


säureüberladung des Blutes steigt die innere Reibung, in einer 
Reihe von Fällen mit erhöhtem Blutdruck war sie relativ niedrig. 

c) Kalte Bäder mit guter Reaktion steigern, warme Bäder 
und Einpackungen setzen die innere Reibung herab. Nach elek¬ 
trischen Lichtbädern mit Schweissbildung steigt sie, jedoch erfolgt 
durch den folgenden Kälteeingriff sofort ein Ausgleich. Venöse 
Stauung eines Armes verursacht ein lokales Zunehmen der Vis¬ 
kosität. 

i Diskussion: Herr Reiss-Aachen erhebt Bedenken dagegen, 
dass aus der Messung der Viskosität des Blutes in der angegebenen 
Weise Schlüsse auf die Mechanik des Kreislaufes gezogen werden 
können. 

Herr Stern-Breslau berichtet über von Herrn Winter aus¬ 
geführte Viskositätsuntersuchungen in einem Falle von Polyzy¬ 
thämie. Es fanden sich bei demselben 11—13 Millionen rote 
.. Blutkörperchen, die Durchströmungszeit des Blutes durch die 
Kapülare der Messvorrichtung war aufs Vierfache gestiegen. Es 
zeigt sich, dass die Zahl der Blutkörperchen von Einfluss auf die 
Viskosität sein muss. Bei Oligozythämie sinkt die betreffende 
; Durchströmungszeit. Bei den untersuchten Fällen von Leukämie 
fand sich eine Steigerung der Viskosität des Blutes. 

Herr Lommel-Jena berichtet über den Fall enorm gesteigerter 
. Viskosität des Blutes, welche übrigens auf die Mechanik des Kreis¬ 
laufes ganz ohne Einfluss zu sein schien. Es bestand dabei keine 
Blutdrucksteigerung, das Herz war nicht vergrössert und war suffi¬ 
zient. 

Herr His-Basel kann kritische Bedenken gegen die Ausdeutung 
der Viskositätsimtersuchungen nicht unterdrücken. Das Blutmaterial, 
das Herr Determann verwendet hat, ist etwas zweifelhaft, da 
es wohl mit Lymphe gemischt gewesen ist. Bekanntlich sind die 
Viskoaitätsuntersuchnngen durch Heubner jun. scharf angegriffen 
und sind diese Angriffe noch nicht widerlegt worden. Vor allem 
ist es nötig, die Viskosität des Blutes bei einem und demselben 
Menschen längere Zeiträume hindurch zu verfolgen, um ein¬ 
mal Einblick in die regulären Schwankungen dieser Bluteigenschaft 
zu erhalten. Bei kurzer Dauer einer rein vegetarischen Diät tritt 
keine Aenderung der Blutviskosität auf. Auf Viskositätsunter¬ 
suchungen können nicht zu grosse Hoflhimgen gesetzt werden, 
jedenfalls dürfen noch keine Schlüsse praktÜKflier Art daraus 
gezogen werden. 

Herr Determann äussert sich über die gegen seine Unter- 
snchungsmethode vorgebrachten Bedenken und seine Schlussfolge¬ 
rungen, gibt aber die Berechtigung, mit Schlüssen betr. der Vis¬ 
kosität zurückzuhalten, durchaus als berechtigt zu. 

Theodor Schilling-Nürnberg: Günstige Beeinflussung 
der chronischen Bronchitis durch Röntgenstrahlen. 

Eine Reihe von Patienten mit chronischer Bronchitis wurde 
mit meist harten Röntgenröhren bestrahlt. Bis auf einen Fall 
trat stets eine mehr oder weniger sterke Verminderung der Bron¬ 
chialsekretion ein. Selbst in Fällen, wo der Beginn der Erkrankung 
monateweit zurücklag, zeigte sich dicht im Anscnluss an die Be¬ 
strahlung Nachlassen und in einigen Fällen allmähliches völliges 
Versiegen des Auswurfs ohne störende Nebenerscheinung. Auch 
sonst verbesserte sich der objektive Befund und besonders die 
asthmatischen Beschwerden der Patienten. 

Diskussion: Herr St eff an-München hat Fälle von Asthma 
bronchiale mit Erfolg mittels Bestrahlungen behandelt. 

Herr v. Jaksch warnt vor jedem Optimismus betr. interner 
Röntgentherapie. Die von ihm bestrahlten Magenkarzinome zeigten 
auffallend starke Verjauchung. Eine Dauerheilung von Bluterkran¬ 
kungen hat V. J. nicht gesehen. 

Der Vortragende hält dem entgegen, dass es sich bei 
seinen Versuchen um ganz andere Zellen handle, als jene bösartiger 
Geschwülste und das erstere daher wohl anders von den Röntgen¬ 
strahlen beeiuflusst werden könnten. 

Herr v. Jaksch hat auch Asthmaanfälle damit behandelt, 
sie wurden anscheinend besser, doch kamen die Anfälle später 
wieder. 

Herr Jul. Baer-Strassburg; Ueher den Abbau von Fett¬ 
säuren. (Nach mit Dr. Blum gemeinschaftlich ausgeführten 
Untersuchungen.) 

Der Vortrag kann nicht kurz referiert werden. 


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1906. 


MSDICOTISCHB WOOilS. 


377 


Diskussion: Herr Ebstein-Göttingen, Herr Blumen- 
thal-Berlin, Herr Bär-Strassburg. 

Herr Embden-Frankfurt a. M.: Beitrag zur Lehre vom 
Abbau des Fettes im Tierkörper. 

£. führt aus, er und Neuberg seien vor mehreren Jahren 
auf Grund von Oxydationsversuche an einem Eiweisskörper, näm¬ 
lich Gelatine, später an anderen Eiweisskürpem, der Ansicht von 
Schwartz und anderen gegenübergetreten, dass aus Eiweiss 
keine Azetonbildung statthabe. Denn sie erhielten bei Oxydation 
von Eiweiss mit H, O^ xmd Eisensalz Azeton und Isovaleraldehyd. 
Sie hätten damals behauptet, dass das Leuzin die Quelle des Alde¬ 
hyds sei, und vermuteten, dass auch Azeton aus Leuzin entstehen 
könne. Neuerdings hätten sie die Versuche mit Leuzin und Allanin 
vorgenommen. Dabei hätten sie bisher nur den Aldehyd, aber 
nicht Azeton erhalten. 

35, 'Kongress der Deutschen GeseUsohaft 
fO/r CMrwrgie, 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Wnllstein-Halle a. S.: Demonstration von patho¬ 
logisch-anatomischen Präparaten, welche nach der 
Eislerschen Methode konserviert sind. 

W. demonstriert Präparate, und zwar Knochengelenkpräparate, 
Hirnschnitte, Schnitte von Nierentumoreu, Pyonephrose mit Nieren¬ 
steinen und Medianschnitte von Becken mit den Beckenorganen, 
welche nach entsprechender Härtung in Glyzeringelatine eingelegt 
sind. 

Diese Methode ist besonders geeignet zur Konservierung von 
Präparaten, welche, wie das Gehirn, leicht auseinanderfallen, und 
bei denen es, wie bei Nierensteinen oder wie bei Hohlorganen, 
der Gelenkkapsel, dem Blasenlumen usw., auf die Erhaltung der 
Form ankommt. 

Wenn die Methode auch umständlich und etwas teuer ist und 
die exakteste' Ausführung voraussetzt, so werden damit für den 
Dnterrioht doch Demonstrationsobjekte erreicht, mit denen keine 
andere Methode der Konservierung und Fixierung in Konkurrenz 
treten kann. Die Medianschnitte von Becken, welche W. ange¬ 
fertigt hat, veranschaulichen 

1. die physiologische Impression der Blase durch den Uteims, 

2. eine Impression der Blase durch ein Sarkom des Mesocolon, 

3. eine Impression bei einer durch Rententio urinae infolge 
von Prostatahypertrophie vergrösserten Blase, welche durch 
das Promontorium bedingt ist, und 

4. eine doppelte Impression an der Blase, welche einerseits 
durch eine linksseitige dystopiscbe Niere und andererseits 
durch das nach rechts verlagerte Rectum bedingt ist. 

Die genaue Beschreibung der Methode würde in einem kurzen 
Referat zu weit führen. 

Hr. Riedel-Jena demonstriert einen in toto ex- 
stirpierten Ductus thyreoglossua 

Hr. Bunge-Königsberg empfiehlt, da die bisherigen Resultate 
der Uranoplasi^ noch zu wünschen übrig lassen, eine fortlaufende 
Naht mit Silberdraht, die er in 16 Fällen erprobt hat. 

Diskussion. 

Hr. Kuhn-Kassel rät, bei der Gaumennaht die perorale 
Intubation anznwenden. 

Auf diese Weise gelänge es, die Narkose ruhig zu gestalten, 
die Aspiration zu verhindern und die Operation sauber auszu¬ 
führen, 

Hr. Zond ek-Berlin demonstriert zwei Fälle von Miku¬ 
liczscher Erkrankung der Speichel- und Tränendrüsen, 
von denen der eine durch Arsenik sich erheblich ge¬ 
bessert hat. 

Zur Diskussion bemerkt Hr. Ranzi-Wien, dass in der 
V. Eiselsbergschen Klinik ein Fall von Mikulicz’scher Er¬ 
krankung, der die Parotis betraf, durch Bestrahlung mit Röntgen¬ 
strahlen geheilt wurde. 

Hr. Steiner-Berlin zeigt einen Fall von Facialislähmung, 
bei dem er den Accessorius auf den Facialis aufgepfropft hat. 
Die Patientin vermag dadurch bei der Erhebung des linken Armes 
Bewegungen der linken Gesichtsmuskulatur auszuführen. 


Hr. Eckstein-Berlin: Beiträge zur Nasenplastik, 
Hartparaffininjektion und Implantation. 

iHe Erfolge, die E. an einem Material von fast 200 Nasen¬ 
deformitäten in einem Zeiträume von etwa 5 Jahren mit Parafßn- 
plastiken erzielte, waren in jeder Hinsicht befriedigend. Unglücks- 
^le sind bei Verwendung von Hartparaffin vom Schmelzpunkt 
50—58® C., wie E. es vorschlug nicht vorgekommen, dagegen bei 
Verwendung von niedriger schmelzenden Paraffinen ^ein 13 
Amaurosen und andere mehr oder weniger fatale Zufälle. Bei 
stark geschrumpfter oder narbiger Haut empfahl E. subkutane 
Ablösung und nachherige Injektion. In noch schwierigeren 
Fällen ist er aber seit mehreren Jahren dazu übergegangen, statt 
der Einspritzungen Paraffin vom Schmelzpunkte 75® vorher in 
Form von Keilen, Plättchen etc. zurechtzuschneiden, dann die 
Haut nach Inzision von der Seite mit gekrümmter Scheere g^ründ- 
lich zu mobilisieren und das Paraffin zu implantieren. Um Spannung 
zu vermeiden, wird auch der laterale Wimdrand unterminiert, so 
dass die Wangenhaut mit verwandt wird. Die Erfolge sind vor¬ 
züglich. Das Verfahren lässt sich mit den Injektionen sehr gut 
kombinieren, soll aber nur für die schwereren Fälle reserviert 
bleiben. 

Hr. Rehn-Frankfurt a. M.: Thymusstenose und Thy¬ 
mustod. 

Früher wurde die Thymusdrüse sehr häufig als Ursache einer 
Tracheostenosis angeschuldigt. Dann verfiel man in das entgegen¬ 
gesetzte Extrem und sprach der persistierenden Thymusdrüse jede 
Bedeutung ab. Neuerdings hat sich jedoch herausgestellt, dass 
zweifellos Fälle von Tracheostenosis Vorkommen, welche auf Druck 
der Thymusdrüse zurückzuführen sind. Rehn macht zunächst 
einige anatomische Bemerkungen, aus denen hervorznheben ist, 
dass die Thymus eine feste fibröse Kapsel hat, welche bindege¬ 
webige Septa in die Substenz der Drüsen entsendet; dass die 
Drüse mit der Umgebung ziemlich verwachsen ist, dass sie ihre 
Getessversorgung durch die Thyreoidea inferior und die Mammaria 
interna erhält. 28 mal hat Rehn bei Sektionen Druckmarken 
an der Trachea gefunden, welche von der Thymusdrüse herrührten. 
Die am meisten dem Druck ausgesetzte Stelle der Trachea ist da 
gelegen, wo die Thymusdrüse von der Arteria anonyma gekreuzt 
wird. Die Stenose bei Druck durch die Thymus ist meist eine 
inspiratorische, weil bei der Inspiration die Drüse tief in den 
Thorax eingezogen wird und alsdann raumbeengend wirkt. Es 
gibt aber auch Fälle, wo die Thymus fest auf einer Stelle der 
Trachea lastet, und endlich eine dritte Art von Fällen, wo es zu 
einer Beengung des Mediastinums kommt. Diese letzteren Fälle 
kommen meistens durch akute Anschwellung der Thymus infolge 
passiver Hyperämie zustande. 

Die Therapie dieser Erkrankung muss eine operative sein; 
und zwar muss die Operation die Thymus selbst angreifen, die 
Tracheotomie hilft nichts. Es wird ein Schnitt in der Mittellinie 
über das Jugulum geführt, die Thymus drängt sich bei der Ex¬ 
spiration vor; man fasst die Kapsel, zieht die Thymus hervor. 
Dann wird die Kapsel gespalten \ind das Thymusgewebe intra¬ 
capsulär enucleiert. Die extrakapsuläre Exstirpatioü ist unmöglich. 
In manchen Fällen macht auch die Enucleation noch Schwierig¬ 
keiten. Zu bemerken ist noch, dass man nicht die ganze Drüse 
zu entfernen braucht, dass es vielmehr auch genügt, Teile der¬ 
selben zu enucleieren. 

Diskussion. 

Hr. König-Altona hat zweimal wegen Thymusstenose mit 
Erfolg operiert; einem jetzt 9jährigen Knaben, dem er im Alter 
von 4 Monaten die Thymus resecierte, stellt er vor. Pat. hat 
eine im Operationsjahre begonnene schwere Rachitis durchgemacht, 
ist sonst gesund. Das zweite Kind operierte K. in diesem Winter 
im Alter von 7 Monaten. 

Beide Male bestanden schon bald nach der Geburt Atembe¬ 
schwerden, die sich steigerten, schliesslich zu heftigen Anfällen 
führte, die einen Eingriff erforderten. Es bestanden inspira¬ 
torische Einziehungen xind keuchendes Exspirium; man fühlte die 
Thymus im Jugulum. K. ist der Ansicht, dass eine mechanische 
Kompression der Trachea durch die zwischen ihr und dem Manu- 
brium gelegene Drüse allein die Atemnot nicht erklärt; da im 
zweiten Falle auch die von der unteren Tracheotomie eingeführtc 


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378 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 36. 


Kanüle den Zustand nicht änderte. Er glaubt aber, dass der 
Druck auf die Nerven indirekt die Erscheinungen hervorruft 
Therapeutisch verwirft er die Totalexstirpation der Drüse, ihre 
Funktion sei doch noch nicht festgestellt; in Bezug auf den mut¬ 
masslichen Zusammenhang mit dem Enochenwachstum gäbe die 
bei dem vorgestellten, partiell resecierten Knaben aufgetretene 
Knochenerkrankung vielleicht zu denken. Uebrigens hält er, wie 
Herr Hehn, eine Totalezstirpation für unwahrscheinlich, dagegen 
ist der linke Lappen leicht zu enucleieren, was ihm im zweiten 
Falle gelang. Dieser Operation fügte K. aber, weil sie noch nicht 
völlig genügte, noch eine bogenförmige Besektion des 
Manubrium sterni hinzu, wodurch ein freier Zugang ins obere 
Mediastinum geschahen und eine weitere Kompression der Trachea 
unmöglich gemacht wird. Dieses Verfahren, zusammen mit Ab¬ 
tragung des oberen Zipfels der Thymus, möchte K. am meisten 
empfehlen. 


Periodische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 29 . 

1 . Reis: Die Immnnitfttslehre in der Aogenheilkünde. 

Während bei der Therapie des Ulcus serpens corneae die Be¬ 
strebungen dahin gerichtet waren, eine allgemeine Reaktion des 
Organismus und eine Gegenwehr vor dem Weiterschweifen der 
Infektion in Form der Bakteriolyse herbeizuführen, so sollte die 
diesen biologischen Symptomen verwandte Hämolyse als heilsames 
Mittel bei der Therapie der rezidivierenden Glaskörperblutungen 
dienen. 

Römers Anschauungen über die Pathogenese der Cataracta 
senilis können zum Verständnis des Selbstheilungsprozesses des 
Altersstarea führen. 

Römer hat die Methode der Immunitätsforschungen auch zur 
Erklärung der Pathogenese des Altersstares angewandt und kam 
dabei zu ganz neuen Ansichten über seine Entstehung. Die Hypo¬ 
these Römers, die ein Wirken spezifischer Zytotoxine auf die Linse 
annimmt, welche durch die Immunitätsforschungen entdeckt wurden 
— bildet eine grundliegende Wendung in der Pathogenese des 
Altersstai'es. 

Diese Untersuchungen Römers führen notwendig zu dem 
Schlüsse, dass man für die Entstehung der senilen Katarakte das 
ätiologische Moment weder in den Veränderungen der Linse, in 
der Sklerosierung ihrer Fasern (Becker, Deutschmann), noch in den 
osmotischen Störungen (Peters) oder in ungenügender Zufuhr der 
EmährungsstoiFe (Michel, Deutschmann, Vossius, Groenow u. a.) 
erblicken kann — sondern man muss annehmen, dass die Linse 
im Alter der aktiven Wirkung der Serumbestandteile ausgesetzt 
ist, welche analog den anderen Zytotoxinen das Linsenprotoplasma 
schädigen. Auch bezüglich der sympathischen Augenerkrankung 
brachte Römer wieder die alte Theorie Berlins zum Ansehen, 
welcher die sympathische Ophthalmie als eine Metastase aufifasst. 

In den Forschungen Römers kann man einen stufenweise sich 
entwickelnden Fortschritt bemerken. Von biologischen, am wenigsten 
komplizierten Prozessen, wie die Wirkung der Toxine und Bakterie- 
lysine, geht Römer zu Untersuchungen der bisher nicht entschie¬ 
denen Frage der sympathischen Ophthalmie und der Pathogenese 
des Altersstares über, und benutzt dieselbe Methode zur Ergrün- 
düng der Lebensverhältnisse der wichtigsten internen Membran des 
Auges, der Netzhaut. 

2. Müller, Wien: üeher den Haohweis von Antikörpern 
im Serum eines an Arthritis gonorrhoica Erkrankten mittels 
Komplementablenknng. 

Die Hemmung der Hämol 3 r 8 e beweist die Gegenwart eines 
spezifischen Antikörpers im Serum eines an Arthritis gonorrhoica 
Erkrankten. 

. 3 . Ottolenghi, Siena: üeher die Konservierung der präzipi- 
tierenden Sera. 

Die präzipitierende Sera oder wenigstens das für das Eigelb 
spezifische nimmt bei Konservierung mit Aether oder auf 
Lüschpapier eingetrocknet, bedeutend und ziemlich rasch an Wirk¬ 


samkeit ab; hiernach bleibt jedoch das Präzipitationsvermögen fast 
unverändert und stark genug, um auch einige Jahre nach der 
Herstellung des Serams eine gute Präzipitationsprobe zu gestatten. 

4. Glaessner, Wien: Diabetes und Pneumonie. 

G. schildert den Verlauf des Palles einer 34jährigen Tage¬ 
löhnerin, der einen mächtigen Einfluss der durchgemachten Pneumonie 
auf die Zuckerausscheidung im günstigen Sinne erkennen Hess. 
Dieser Einfluss der Infektionskrankheit war aber kein vorüber¬ 
gehender, sondern wenigstens für die drei Monate dieser Beob¬ 
achtungszeit ein bleibender. Vor dem Auftreten der Lungenent¬ 
zündung schied die Patientin trotz möglichst kohlenhydratfreier Kost 
Uber 130 g Zucker p. d. aus; G. musste daher den Fall als eine 
zu mindestens mittelschweren, wahrscheinlich aber schweren Fall 
von Diabetes auffassen. Das Eintreten der Pneumonie ändert mit 
einem Schlage das Bild. Die Hammenge wird geringer, die Zucker¬ 
ausscheidung kleiner, Azeton verschwindet. Nach der abnormen 
kurzen Fieberperiode kommt nicht — wie in anderen Fällen — 
der Zucker wieder zum Vorschein, sondern bleibt dauernd ver¬ 
schwunden, ja tritt nicht einmal nach einer Gabe von 100 g Trauben¬ 
zucker wieder auf. 

Ueber die Ursachen, welche bei diesem merkwürdigen Einfluss 
einer akuten Infektion auf den Diabetikerstoffwechsel maßgebend 
sein können, lässt sich vorläufig nidits aassagen und auch die 
experimentellen Untersuchungen geben keine Anhaltspunkte für 
eine auch nur halbwegs haltbare Erklärung. Immerhin ist es ver¬ 
lockend, irgend ein Kriterium zu finden, das imstande wäre, 
grössere Unterschiede im Stoffhaushalt bei Diabetes und Pneumonie 
aufzudecken, um so eine Möglichkeit einer Erklärung zu gewinnen. 

5. Engel, Plaut, Dresden: üeber dai Kilchfett stillender 
Frauen bei der Ernährung mit spezifisohen Fetten. 

Da der Fettwechsel bei manchen Ernährungsstörungen der 
Säuglinge eine ganz besondere Rolle spielt, das Frauenmilchfett 
anderseits selbst von solchen Säuglingen leidlich vertragen wird, 
deren Fettassimilation der Kuhmilch gegenüber gestört ist, so 
wäre gewiss ein Versuch lohnend, im prophylaktischen Sinne auf 
das Fett der Kuhmilch durch die Art der Fütterung einzuwirken. 

£. und P. glauben nicht, dass es erhebliche Schwierigkeiten 
haben könnte, eine Kindermilch herzustellen, deren Fett dem der 
Frauenmilch ähnelt. Die vielen besonderen Anforderungen, welche 
an eine Säuglingsmilch gestellt werden, machen ja immer mehr 
den Betrieb besonderer EHndermilchwirtschaften no^endig und im 
Rahmen solcher tierärztlich \md ärztlich geleiteter Anstalten könnte 
es auch keine Schwierigkeiten haben, die Fütterung nach E. und 
Ps. Vorschlägen so zu gestalten, dass das Milchfett dauernd beein¬ 
flusst wird. 

6. Gioseffi, Istrien: Zur Kenntnis des perniziösen Kalaria- 
fiebers im sttdliohen Istrien, 

Veröffentlichung eines Falles von perniziösen Malaiiafiebers, 
weil derselbe der erste Fall eines in Istrien konstatierten, durch 
die Autopsie und den Parasitenbefund sichergestellten perniziösen 
Malariafiebers ist, mithin für diese Region ein gewisses epidemio¬ 
logisches Interesse erregt, um so mehr jetzt, wo man daran geht, 
die Malaria in Istrien und sonst in der Julischen Region syste¬ 
matisch zu bekämpfen. 


Nr. 30. 

1. Schwarz, Agram: 1000 medulläre Tropakokain• Anal¬ 
gesien. 

In der Frage, ob die medulläre Analgesie als Anästhesierungs- 
methode für praktisch-operative Zwecke zulässig sei, neigt die Ent¬ 
scheidung, wenigstens im Prinzip zugunsten der genialen Coming- 
Bier’achen Entdeckung. Der Gegner werden immer weniger, der 
Anhänger immer mehr. 

Im ganzen sind über 3000 Fälle medullärer Tropakokainanalgeaie 
bekannt (die von Slajmer, Neugebauer, Preindlsberger, Stoltz, Füster, 
Colombani, Völker und Defranceschi, um nur die Träger grösserer 
Ziflern zu neuneu), darunter kein auf die Injektion zu beziehender 
Todesfall. Dieses Resultat ist jedenfalls nicht entmutigend. 

2. Glaessner, Wien: üeher Abkühlungs-Glykosurie. 

Zum Anschluß an 4 Fälle mit schweren Abkühlungen bei 


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1906. 


MlBDtCttnSCfiA WOCfiA. 


379 


Sturz ins Wasser erörtert G. die interessante Tatsache, dass er¬ 
hebliche Mengen von Milchsäure zur Ausscheidung kommen, sowie 
nannentlich den Umstand, dass Glykosurie und Milchsöureausfuhr 
miteinander streng parallel gehen, es ist dies ein Zeichen, sagt G., 
dass diese beiden Symptome eine gemeinsame Stoffwechselstörung 
zur Ursache haben müssen. 

Bs ist immerhin möglich anzunehmen, dass beide Prozesse: 
abnorm gesteigerte Muskeltätigkeit und Sanerstoffinangel bei der 
Abküblungsglykosurie ätiologisch eine Rolle spielen. 

3. Neumann, Wien-Gleichenberg: üeber die Temperatur« 
empfindliehkeit des Magens. 

Da durch eine Kälteeinwirkung vom Magen aus die Temperatur¬ 
empfindung der Haut nicht aufgehoben worden ist, wovon man 
sich auch jederzeit bei dem Vei'suche überzeugen kann, so muss 
die Möglichkeit, vom Magen aus Temperaturunterschiede wahrzn- 
nehmen, ein dem Magen eigenes Vuunögen sein. Wir finden aber 
häufig Abweichungen von dieser Norm, sei es in Form von voll¬ 
ständiger Anästhesie, sei es als eine Art von paradoxer Temperatur¬ 
empfindung, sei es einfach als Hyperästhesie für Temperaturreize 
im Magen. 

4. V. Aldor, Karlsbad: üeber die Fettrerdauung im Hagen. 

Cs ist sehr unwahrscheinlich — wenn im Magen wirklich ein 
fettspaltender Ferment vorhanden ist — dass sich dieses ganz un¬ 
abhängig von den übrigen Faktoren des Mageuchemismus geltend 
machen sollte. Dass die zustande kommende Fettspaltung nicht 
das Resultat einer Fermentwirkung, sondern einer bakteriellen 
Tätigkeit sei, diesbezüglich liefern zwar diese Versuche keine posi¬ 
tiven Beweise, jedoch wird die Berechtigung dieses Standpunktes 
klinisch durch Tierversuche bewiesen, welche in Kunkels Würz¬ 
burger Institute von ihm selbst und von Jnouye ausgeführt wurden. 

5. Kikuchi, Osaka (Japan): üeber die passive A^^essinim- 
munität gegen Pestbazillen. 

Cs handelt sich bei dieser vorläufigen Mitteilung nur um die 
K-onstaiierung, dass eine passive Immunisierung mittels Serums 
von Tieren, die mit keimfreien Pestaggressiuen vorbehandelt sind, 
möglich ist. Das ist zweifellos gelungen und es wird sich darum 
bandeln, höhere Schutzwerte zu erzielen. Berücksichtigt mau die 
relativ sehr geringe Vorbehaudluag des aktiv immunisierten Kanin¬ 
chens, so lassen sich wohl mit Recht noch viel günstigere Ergeb¬ 
nisse erwarten. 

6. Kraus, Dörr, Wien: Das Dysenteriesemm. 

Aus den Versuchen ergeben sich folgende Schlüsse; 

1. Die Versuche bezieheu sich auf die Darstellung der Toxine 
durch Filtration von BouiUonkulturen oder Agarkochsalzextrakten. 
Diese letzte Methode hat auch Besredka in seiner Mitteilung: 
Des endotozines solubles typhique, pesteuse et d^enterique, 
ignoriert. 

2. Auf die Wirksamkeit der Toxine und das Verhalten der 
verschiedenen Versuchstiere. 

3 . Die Unmöglichkeit, aus Flexner-Kulturen typische Toxine 
zu isolieren. 

4. Die Herstellung, die verschiedene Avidität der antitoxi- 
nischen Sera, mit denen K. und D. nicht nur kurative Wirkungen 
bekamen, sondern schon erkrankte (paretische) Tiere zu retten 

vermochten. 

ö. Die Festsetzung einer einheitlichen Wertbestimmung für 
Heilsera, die am Menschen angewandt werden sollen. 

Die Erfolge der antitoxischen Therapie bei menschlicher Ruhr. 

7 . Die prophylaktische Anwendung dieses Serums. 

Nr. 31. 

1. Herz, Wien: üeber Ersobeinungen von EieiBlaofs* 
gtönmgen bei Miliartuberkulose. 

Mit der Anschauung, dass in erster Linie die Gefasslähmang 
• ursächlicher Beziehung zu den Störungen des Kreislaufapparates 
bei einer Anzahl von Infektionskrankheiten, darunter auch bei der 
k ten Miliartuberkulose zu setzen sei, steht Ortner auf dem 

dounkte der durch die experimentellen Untersuchungen von 
B mberg 'Pässler, Bruhns und Müller begründet wurde. 


Während aber diese Autoren neben der zentralen Lähmung der 
Vasomotoren nur eine indirekte Beteiligung des Herzens durch die 
verminderte Blutzufuhr infolge der Vasomotorenlähmung annehmen 
und Ortner hierzu noch ^ine schliesslich toxische Herzlähmung 
auftreten lässt, messen andere wie v. Stejskal der direkten 
Schädigung des Herzens am Zustandekommen der Kreislaufsstörung 
grosse Bedeutung bei. Einen vermittelnden Standpunkt nimmt 
mit anderen Antoren Krehl ein. Er betrachtet „die schwersten 
und dann in der Regel wohl tötlichen Zirkulationsscbädigungen“« 
bei den Infektionskrankheiten der Menschen durch zentrale Gefäss- 
lähmungen hervorgerufen, nachdem lokale Schädigungen voraus¬ 
gingen. In der ^gel ist aber auf der Höhe der Krankheit auch 
das Herz geschädigt, nicht nur in sekundärer Weise. Es leidet 
durch Infekte häufig der ganze Kreislaufapparat. Bald treten die 
Erscheinungen von seiten des Hei zensbald die von seiten der 
Gefässe in den Vordergrund“. 

H. glaubt durch seine Beobachtungen für die pulmonale Form 
der Miliartuberkulose gezeigt zu haben, dass neben der durch die 
Infektion bewirkten Schädigungen sämtlicher Teile des Kreislauf¬ 
apparates, der Sitz der Erkrankung in den Lungen für ein Vor¬ 
herrschen der Erscheinungen von seiten des Herzens maßgebend 
werden kann. 

2. Lüdke, Würzburg: üeber den Hachweis von Tuberkel- 
bazillen im Blut bei der Longentaberkolose. 

Der direkte Nachweis von TuberkelbazUlen im Blute, den L. 
in drei Fällen erbringen konnte, kann zur Stütze des hämatogenen 
Ursprungs der Lungentuberkulose herangezogen werden, wenn in 
weiteren Untersuchungen, speziell auch leichterer Fälle, sich die 
positiven Blutbefunde mehren lassen werden. Nachdem die direkte 
Züchtung der Tuberkelbazillen aus dem Blut von Phthisikern ge¬ 
lungen ist, erscheint der hämatogene Ursprung der Lungentuber¬ 
kulose möglich, indem von den verschiedensten lokalen Ursprungs¬ 
herden aus ein Uebertritt der Bazillen ins Blut stattfindet und 
zur Infektion der Lunge führen kann. 

3. Wechsberg: üeber den Naohweu von Azeton bei £x- 
tranteringravidität. 

Aus den Untersuchungen auf Azeton bei Graviditas extraute- 
rina geht für den Kliniker hervor, dass es sicher Fälle gibt (nach 
den bisherigen Resultaten in nicht unbeträchtlicher Zahl), bei 
denen Azeton nicht nachweisbar ist, daher nach den bisherigen 
Erfahrungen von einem diagnostisch verwertbaren Symptom nicht 
gesprochen werden kann. 

4. Franke, Lemberg; üebez die Wege der KompenBation 
bei Fehlern der Trikiupidalklappe. 

Die Trikuspidalklappenfehler sind für eine längere Zeit kom¬ 
pensierbar nnd die Prognose bei diesen Fehlern ist nicht so un¬ 
günstig, wie Romberg und Krehl behaupten, zweitens sind bei 
der Trikuspidalinsuffizienz drei Agentien besonders wichtig und 
zwar die Tätigkeit der rechten Kammer, die Elastizität und passive 
Resistenz der Venenstämme und des rechten Vorbofes und die 
selbständige Tätigkeit des peripheren Kreislaufes und zwar in erster 
Linie der Leber. 

5. Fein: Die Oz&na and die Stannngstberapie nach Bier. 

Feins Versuche, die Stauungstherapie auch auf die Behand¬ 
lung der Ozäna anzuwenden, sind nach den geschilderten Um¬ 
ständen im grossen und ganzen resultatlos geblieben; doch hofft 
F., dass es anderen Versuchen gelingen kann, auf anderem Wege 
den von ihm vergeblich angestrebten Zweck zu erreichen. 

Therapeutische Monatshefte. 1906. No. 5. 

1. Boas, Berlin: üeber die Behandlung der Hyperaoidit&t. 

Es wird bei der Behandlung der Hyperacidität und Hyper¬ 
sekretion immer der Hauptwert gelegt werden müasen auf die 
Femhaltung irritierender Noxen im weitesten Sinne desWortes. Da¬ 
zu gibt B. ein übersichtliches und für den Praktiker wertvolles 
diätetisches Regime und die Auswahl brauchbarer Medikamente 
und Wässer. 

2. Hoppe, Königsberg: üeber einige ForUohritte in der 
Behandlung der Geisteskranken, nebst einem Rückblick Über 
die Entwickelung der Irrenbehandlung im 19. Jahrhundert. 


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380 


MEDICINISGHE WOOHfi. 


Nr. 36. 


Eine höchst interessante geschichtliche Skizze, hier in ihrem 
ersten Teile zunächst vorliegend, bringt uns die Befangenheit nahe, 
mit welcher die Irren neben Zuchthäuslern und G-escblechtskranken 
misshandelt wurden. Kein Wunder, wenn vor Tollhäusem jeden 
der Jammer erfasste. Oonolly wagte es, das Norestraint-System 
einzuführen, damit wurde dem Offenthür - System die Wege ge¬ 
ebnet und der Franzose Parchappe richtete planmäßig Wachab¬ 
teilungen ein. 

3. Dreyfuss, Heidelberg: ErÜEÜiraiigen mit Henronal bei 
Psychogen. 

In der Universitätsklinik zu Heidelberg wurde im Jsdire 1905 
insgesamt 17 Patienten Neuronal (Bromdiäthylacetamid, von Fuchs 
& Schultze eingeführt), teils als Beruhigungsmittel bei schwerer 
Erregung, teils als Schlafmittel wegen andauernder, nur medikamen¬ 
tös zu bekämpfender Agrypnie gegeben. Das Einschlafen dauerte 
je nach dem Grade der Erregung, resp. nach der Intensität der 
Agrypnie verschieden lang. Ruhige, nur schlaflose Patienten 
schliefen im allgemeinen —Vj Stunde nach Verabreichung des 
Mittelsein, erregte Kranke brauchen längere Zeit, 1—3 Stunden. 
Der Schlaf war durchschnittlich tief und meist ununterbrochen. 
0,5 genügte bei einfacher, 1,0 g bei hartnäckiger Schlaflosigkeit. 
Bei Erregungen 1,5 g als Minimum, im Durchschnitt jedoch 2,0 g, 
manchmal auch 2,5 g. Ueber diese Dosis ging D. innerhalb 
24 Stunden nie hinaus. In 2 Fällen beobachtete D. unangenehme 
Nebenwirkungen; sonst aber gab es keine unangenehmen Neben¬ 
wirkungen, weder Störungen des Kreislaufs, der Nervenfunktion, 
der Verdauung noch des Allgemeinbefindens. Bei vielen Patienten 
gab D. es in verschieden hohen Dosen, 1,0—1,5 g. 3— 4 Wochen 
hintereinander. Neuronal ist in Pulver- oder Tablettenform ganz 
gleich in der Wirkung. 

4. Neumann, Potsdam: Die Diphtherie in meiner Praxis 
vom 1. Januar 1898 bis 31. Deaember 1903. 

Nachdem N. auf Löfflers Empfehlung des Metakresol Anytol 
mit grossem Nutzen in der Behandlung von Gesichts- und Wund¬ 
erysipel schon seit 1900 angewendet hatte, ging er 1901 dazu 
über, in geeigneten Fällen auch bei Diphtherie das Metakresol 
Anytol zu gebrauchen; allerdings nicht, wie Löffler angibt, mit 
1 —3 % Lösungen, sondern pur. Die Behandlung gestaltet sich 
nämlich, ohne jeden Nachteil, dadurch viel einfacher, indem statt 
der öfteren Pinselungen nor überhaupt eine einzige oder höchstens 
eine zweite noch am nächsten Tage für ein günstiges Resultat 
erforderlich war. Als geeignet erscheinen N. diejenigen Fälle, 
welche erst frisch erkrankt waren und nur kleine Beläge an der 
einen oder der anderen Mandel, an der hinteren Rachenwand, an 
den Seitensträngen zeigten. Diese Beläge und ihre nähere Um¬ 
gebung, besonders in den Vertiefungen hinter und zwischen den 
Gaumenbögen, wurden vermittelst Wattepinsel recht energisch be¬ 
pinselt. Bei grösserer Ausbreitung der Membranen oder bei schon 
längere Zeit Erkrankten hat N. das Metakresol Anytol noch nicht 
gebraucht. Die besten Erfolge scheinen sich zu zeigen, sagt im 
Anschluss hieran N., wenn man die moderne mit der bei den 
meisten Aerzten schon antiquierten Methode, je nach der Eigen¬ 
art des Falles, mit einander kombiniert. Im übrigen ist N. der 
Meinung, dass dem Arzte nicht seine wirksamen Mittel, sondern 
immer noch der auffallend milde und alljährlich noch milder 
werdende Genius epidemicus morb. diphth. einerseits und die 
grössere Sorgfalt des Publikums andererseits zu statten kommt. 

m 5. Meissner, Berlin: Beitrag zur Verwendung des Sana- 
togens bei sexueller Neurasthenie. 

Bei 17 Fällen von sexueller Neurasthenie verordnete M. das 
Sanatogen in folgender Weise: täglich dreimal einen Esslöffel 
Sanatogen verrührt, in zwei Esslöffel Wasser, eventuell unter Zu¬ 
satz von etwas Zitronensaft während der Mahlzeiten zu nehmen. 
Der Erfolg war ein über Erwarten guter. Die Patienten berichte¬ 
ten sämtlich ohne Ausnahme, dass sie eine günstige Einwirkung 
des Nährpräparates auf das Allgemeinbefinden deutlich konstatieren 
könnten, und die bei einigen Patienten über ein Jahr fortgesetzte 
Beobachtung hat ergeben, dass ohne jede weitere lokale Behänd- , 
lang, die M. absichtlich unterlassen hatte, die neurasthenischen I 


Beschwerden schwanden.^^M. konnte sämtlinhe Patienten als ge¬ 
heilt entlassen. 

6 . Sonnemann, Berlin: Eisentropon. 

Eisentropon (Mühlheimer Troponwerke) ist empfehlenswert 
durch seinen Geschmack nach Schokolade, weshalb es von den 
Kindern überaus gern genommen wird. Es kann wochenlang ge¬ 
braucht werden, ohne Widerwillen, Ekel oder üeberdruas zu er¬ 
regen; im Gegenteil, je mehr sich die Kranken daran gewöhnen, 
um so schwerer können sie es nachher entbehren. Seine Wirkung 
ist eine ausserordentlich intensive. 


Vermischtes. 

Neu nieder£:elassen 

haben sich in: 

Buckau. Dr. med. Hoffmann. — Budwethen. Dr. med. Herber 
Krüger. — Elberfeld. Dr. med L. Qrüneberg. — Kiel. Dr. med. Karl 
Pansch. — Bad Liebwerda. Dr. med. Hermann Schmidt. — Neisse. Dr. 
med. Jantzen. — Nürnberg. Dr. med. Loebinger. — Solingen. Dr. med. 
Hax Scheuer. — Wiesbaden. Dr. med. Karl ^lake. 


Familien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Erna Weil in Hetz mit Hm. Dr. med. Alfons Jaffe in Berlin. — 
Frl. Margarethe Raphael in Breslau mit Hrn. Dr. med. August Wrobel in 
Alt-Berun. — Frl. Betty Dukaa mit Hm. Dr. med. Georg Krotoschiner, 
beide in Breslau. — Frl. Margarethe Tscbocke in Breslau mit Hru. Dr. 
med. Karl Kentrup in Langnau, Kreis Habelschwerdt. — Frl. Johanne 
Qiese in Leipzig mit Hm. Dr. med. Johannes Zi^^ner in Mockau. 

Vermählt; 

Hr. Dr. med. Christian Gerlacb mit Frl. Agnes Metzger in Berlin. — 
Hr. Dr. med. Franz August Schmidt mit Frl. Adele Soeding in Dortmund. 
— Hr. Dr. med. Max Paul mit Frl. Berta Peltz in Düsseldorf. — Hr. Dr. 
med. Jos. Keller mit Frl. Aenne Holbeck in Golsenkircben. — Hr. Dr. 
med. Erich Liebert mit Frl. Rose Veithusen in Halle a. S. — Hr. Dr. med. 
Otto Fischer mit Frl. Jenny Bergner in Leipzig. 

Geboren: 

Ein Sohn: Hm. Dr. med. Langemak in Erfurt. — Hrn. Dr. med. 
Kurt Froeblich in Len^efeld (Erzgeb.}. — Hrn. Dr. med. H. Hintze in 
Pyritz. — Hm. Dr. med. Theo in Stolzenau a. W. 

Eine Tochter: Hrn. Dr. med. Herst Michalsky in Dresden. — Hrn. 
Dr. med. A. Ostermann in Esslingen. 

Gestorben: 

Sanitätsrat Dr. Hirsch in Darmstadt. — Dr. med. Josef Schuster in 
München. — Geheimer Medicinalrat Dr. Philipp Wagner in Salzungen. — 
Dr. med. Skriba in Wiesbaden. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adreate: Aerztllche« Auakunfla-Bnrean de« fieschäfta-AiiMehusse» der 
Berliner irztlicben Sttndeevereine In Medlclnlsohen Warenhaoee (Akt.- 
fiee«), Berlin N., Frledriohetraeee 108 I. 

Pür p«rt3nliche RQcksprache ist Herr Dr. JoaeUm ttfflleh TOB UkT tm 

Medicinischen Warenhsuse anwesend. (Mil gütiger Erlaubnis des Deschafts-Ausschusses 
der Berliner Ärztlichen Standesvereine vom Auskunfts-Bureau der Med. Woche Sbermitteli.) 

In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter Nr. 1989. 

In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2007. 
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. u. Nr. 2008. 
ln der Mark wird ^ sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013. 
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045. 
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2054. 
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056. 
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060. 
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Volontärarzt ges. Näh. 
unter Nr. 2061. 

ln der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063. 


VeraotwortUchcr Redakteur : Dr. P. Meitsuer, Berliu W. 69, ^urfüratenztr. 81. — Verlag von Car) Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Heynenann'iehen Bucbdruckerei, Debr WoUT, Halle a. S 


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Medicinische Woche 


Deatschmann, A. Dflbrtsen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 

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Tcl.-Adr; Marhold Verlag Hallesaalc. f-oriispri.iher 823. 


Herausgegeben von 



R. Kobert, M. Koeppea, K. Partscb, H. Roiin, H. Sehlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerricfat, A. Vosilos* 

Magdeburg. Glessen. 

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Dr. P Meißner. 


VD. Jahrgang. lO. September 1906. Nr. 37. 


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Originalien. 


Über Keratitis e lagophthalmo. 

Von Dr. R, Halben, Privatdozent in Greifswald. 

Obwohl die Keratitis e lagopbthalmo eine Augenkrankheit 
ist, die dem Augenspezialisten ziemlich selten begegnet, er¬ 
scheint es mir der Mühe wert, sie von Zeit zu Zeit dem 
praktischen Arzt in Erinnerung zu bringen. Denn in der 
Mehrzahl der Fälle sehen wir diese Keratitisform unter den 
Angen des praktischen Arztes entstehen und fortschreiten, ob¬ 
wohl der Arzt ihr Kommen hätte vorhersehen können und 
durch ausserordentlich einfache prophylaktische Maßnahmen 
ihrer Entstehung hätte Vorbeugen können. Wenn diese Keratitis 
auch zu allermeist nicht zum Untergang des Auges führt, 
hinterlässt sie doch in der Mehrzahl der Fälle dauernde Be¬ 
schädigung des Sehvermögens und dauernde Entstellung. Das 
ist um so oetrüblicher, als wie gesagt ihr Auftreten verhindert 
wäre, wenn der behandelnde Arzt überhaupt nur an die Ge¬ 
fährdung der Hornhaut durch (dauerndes) Offenstehen des Auges 
gedacht hätte. 

Für die optische und anatomische Integrität der Hornhaut 
ist eine gleichmäßig Befeuchtung ihrer Oberfläche unerläss¬ 
liche Bedingung. Die erforderliche Feuchtigkeit liefert das 
Bindehaut- und Tränendrüsensekret. Tags, bei geöffnetem Auge, 
wird der Flüssigkeitsverlust infolge Verdunstung im Lidspalten¬ 
bereich durch reflektorische Neuproduktion von Tränensekret 
ersetzt, und der reflektorische Liaschlag sorgt für eine gleich¬ 
mäßige Verteilung der Feuchtigkeit über die Hornhautober¬ 
fläche. Nachts, wo im Schlaf die Tränendrüse ihre Produktion 
einstellt, schützt der Lidschluss das Auge vor Verdunstung. 
Gleichzeitig wird der Bulbus im Schlaf aufwärts rotiert. Durch 
diesen als Bell’schcs Phaenomen bekannten Vorgang wird die 
gewölbte Hornhaut vor dem straff-elastischen Druck der ge¬ 
schlossenen Lidknorpel in den sicheren Schutz des ihrer Wöl« 
bung Raum gebenden oberhalb der Tarsi befindlichen weichen 
Lidabschnitts gebracht. Leidet die erforderliche Befeuchtung 
der Hornhautoberfläche aus irgend welchem Grunde Not, so 
erfolgt zunächst eine Eintrocknung der oberflächlichsten Horn- 
hautschicbten. Durch diese Eintrocknung wird die Oberfläche, 
die in der Norm als festgefügte, glatte \Vand geformten und 
lebenden Schädlichkeiten keine Ansiedlungsgelegenheit bietet, 
rissig und zerklüftet. In diese Risse und Nischen können bei 
längerem Bestand der Störung die stets im Bindehautsack 
vorhandenen Mikroorganismen um so leichter eindringen, als 
einmal gleichzeitig je nach der Ursache der Trockenheit ent¬ 
weder die Tränen mit ihren baktericiden Eigenschaften oder 
der Lidschlag und der Tränenstrom mit ihren mechanischen 
Schutzwirkungen die Hornhaut im Stich lassen und ausserdem 


doch wahrscheinlich die Homhautepithelien selbst mit zu¬ 
nehmender Vertrocknung in ihren vitalen Verteidigungskräften 
Einbusse erleiden, auch schon ehe sie einer völligen Ver¬ 
trocknungsnekrose anheimfallen. 

Zu oberflächlicher Eintrocknung der Hornhaut können 
die verschiedensten Momente führen. 

Es kann die Produktion der Ersatzflüssigkeit durch Atro- 
hie der Tränendrüse und Bindehaut vermindert oder aufge- 
oben sein; ein solcher Zustand fuhrt schliesslich zum Xeroph- 
thalmus. Oder die Ersatzflüssigkeit wird zwar in ausreichender 
Menge produziert, sie kann aber am primärerkrankten Epithel 
nicht haften, wie bei der Xerose und der Keratomalacie, oder 
sie wird durch Ausbleiben des normalen Lidschla^es infolge 
Anaestbesie der Hornhaut nicht regelmäßig über die Hornhaut 
verteilt und in geringer Menge produziert Das spielt eine SpUe 
bei der Cocainkeratitis und der Trigeminuslähmung mit Kera¬ 
titis neuroparalitica. 

Oder schliesslich wird bei normaler Tränen* und Binde* 
bautsekretion, normaler Sensibilität und Epithelbeschaffenheit 
lediglich durch Insuffizienz des Lidschlusses me Hornhaut nachts 
nicht vor Verdunstung geschützt und tags die Ersatzflüssigkeit 
infolge Hemmung des Lidschlages nicht ausgiebig genug der 
Hornhaut zugefünrt. Das ist der Fall bei dem uns inter¬ 
essierenden Lagophthalmus. Nur bei diesem erklären sich alle 
übrigen Erscheinungen lediglich aus der Austrocknung; bei 
allen andern eben aufgeführten Erkrankungen kommt der Ver¬ 
trocknung nur eine unterstützende Rolle zu. Alle diese Krank¬ 
heiten sind deshalb nicht so einfach zu bekämpfen wie die 
Keratitis e lagopbthalmo, zu deren sicherer Verhütung lediglich 
ein Schutz gegen Verdunstung ausreicht. 

Der Lagophthalmus kann verschieden bedingt sein, mecha¬ 
nisch oder nervös. Jenes ist der Fall, wenn entweder bei 
normaler Form und Lage des Bulbus die pathologisch ver¬ 
kürzten oder fixierten Lider zu seiner Bedeckung nicht ansreichen 
(angeborene Kürze der Lider, operative Verkürzung, besonders 
nach Entfernung maligner Tumoren des Lides, narbige Ver¬ 
kürzungen und Fixationen nach Verbrennungen, Verätzungen, 
Traumen, Lupus, Lues und Caries des Orbitalknochen), oder 
wenn die Lider bei normaler Form und Motilität nicht ans- 
reichen, um den pathologisch vergrösserten oder vorgetriebenen 
Bulbus zu bedecken. (Hochgradiger Buphthalmns, Morbffs Base* 
dowi, retrobulbäre Tumoren, Blutungen oder entzündliche 
Prozesse). Bei normaler Form und Lage von Bulbus und Lidern 
ist der Lagophthalmus aus nervösen Ursachen zu erklären, 
einseitig bei Fazialislähmung und doppelseitig bei soporösen 
oder comatösen Schwerkranken, bei denen der Lidschlag- und 
Lidscblussreflex nicht mehr zustandekommt. In allen Fällen 
von Lagophthalmus, wo nicht, wie beispielsweise durch starke 
Protrusion, der Augapfel in seiner Beweglichkeit behindert ist, 
findet im Schlaf und bei jeder Lidschlussintention eine energische 
Aufwärtsrollung des Bulbus statt. (Bellsches Phaenomen.) 
Diese Aufwärtsrollung genügt, um bei geringgradigem Lagoph- 


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382 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 37. 


thalmus, bei welchem die Lider noch einigermaßen einander 
genähert werden können, die Hornhaut noch völlig unter Lid¬ 
schutz zu bringen. Es liegt dann im Lidspaltenbereich nur 
unterhalb der Hornhaut gelegene Augapfelbindehaut frei. Diese 
wird durch den Austrocknungsreiz hyperaemisiert, rötet sich 
und schwillt an und schützt sich gegen die Vertrocknung durch 
vermehrte Sekretion resp. Exsudation. Das Exsudat trocknet 
an ihrer Oberfläche zu gelblichen Borken ein, welche zur Ver¬ 
klebung mit den Lidrändem neigen. Erst in höheren Graden 
von Lagophthalmus reicht das Bellsche Phaenomen nicht aus, 
um die Hornhaut völlig unter dem Oberlid in Sicherheit 
zu bringen. Der unterste Hornhautabschnitt, bei normaler 
Lid- und Bulbusanatomie wohl selten mehr als das unterste 
Homhautdrittel, bleibt frei in der weit geöffneten Lid^alte der 
Verdunstung ausgesetzt. Entsprechend treten in der Regel alle 
Eintrocknungseracheinungen nur in einem untersten Homhaut- 
segment auf, das nach oben mit horizontaler gerader Grenz- 
lime abschneidet. Zunächst wird in diesem Bereich die Horn¬ 
haut oberflächlich matt, uneben, trocken und grau getrübt. 
Infolge der durch Eindunstung an der Oberfläche zunehmenden 
Salzkonzentration muss aus den tieferen Homhautschicbten 
Flüssigkeit an die Oberfläche gezogen werden. Diese eiweiss¬ 
reichere Ausschwitzung kann dort zu Borken eintrocknen, die 
kontinuierlich mit den die blossliegende Bindehaut bedeckenden 
Borken Zusammenhängen. Bei unbehandelten Fällen wird es 
nun in der Regel durch Einwanderung pathogener Mikro- 
o^anismen in das geschwächte und zerklüftete Epithel in 
diesem vertrockneten Abschnitt zu echter Geschwürbildung 
kommen. In Ausnahmefällen kann die Infektion ausbleiben 
oder eine harmlose Infektion leicht überwunden werden. Es 
kann unter der Borke und der eingesunkenen oberflächlichen 
nekrotischen Partie der Defekt durim Narbengewebe und neu¬ 
gebildetes Epithel ersetzt werden. Da bei Fortbestand des 
Lagophthalmus diese unter erschwerenden Umständen rege¬ 
nerierte Partie immer wieder der gleichen Schädlichkeit aus¬ 
gesetzt bleibt, so schützt sich schliesslich der Organismus gegen 
die Ansteckungsgefahr durch Produktion einer epidermisartigen 
Schwiele. 

Für gewöhnlich kommt es aber zu echter Geschwürs¬ 
bildung. In dem eingetrockneten blossliegenden Segment der 
Hornhaut kommt es zunächst zu grauer entzündlicher Infil¬ 
tration des Parenchyms und demnächst zu mehr oder weniger 
tiefgreifender gelber geschwüriger Einschmelzung des Gewebes. 
Die Regenbogenhaut beteiligt sich in ganz leichten Fällen nur 
mit Hyperaemie, in allen schwereren mit exsudativer Iritis. 
Die hmteren Synechien und Pupillarmembranen, die oft nach 


Feuilleton. 

Das Gesetz betr. die Bekämpfong 
übertragbarer Krankbeiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krantwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Fortsetzung.) 

Der § 5 gibt die Möglichkeit auch für solche Krankheiten, 
die in dem ^ 1 nicht genannt sind, im Bedarfsfälle die Än- 
zeigep^cht einzuführen. Es lässt sich z. B. denken, dass ge¬ 
legentlich Keuchhusten, Masern, Influenza so bösartig oder in 
solcher Verbreitung auftreten, dass auch hier schleunigst ein¬ 
gegriffen werden muss. Dasselbe Recht, welches hier der § 5 
dem Staatsministerium für Preussen verleiht, hat bereits der § 5 
des Reichsgesetzes auch dem Bundesrat bezüglich der sämt¬ 
lichen Bundesstaaten eingeräumt. 

Der zweite Abschnitt des Gesetzes betrifft die 
Ermittelung der Krankheiten, welche vorgeschrieben ist 
für Erkrankungs- und Todesfälle an Genickstarre, Rückfall¬ 
fieber, Ruhr, Milzbrand, Rotz, Tollwut, Bissverletzungen durch 
tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch-, 
Wurstvergiftung, Trichinose; weiter aber bei Kindbettfieber 


einer solchen Zurückbleiben, bedeuten immerhin eine recht 
ernste Beschädigung, ja es kann bisweilen eine völlige Seclusio 
pupillae mit nachfolgendem Sekundärglaukom das Auge zu 
Grunde richten. In manchen Fällen wird auch ohne Therapie 
und selbst ohne Rückgang des verursachenden Lagophthalmus 
das Ulcus corneae, nachdem es eine gewisse Tiefe erreicht hat, 
zum Stillstand und zur Selbstheilung mit Narben- und eventl. 
Schwielenbildung kommen. Es kann aber auch das Ulcus die 
Hornhaut perforieren. Meist wird zwar mit der Perforation 
beschleunigte Heilung eingeleitet. Vor allem die durch die 
Bulbuserömiung bewirkte mächtige Hyperaemie des Ciliarkörpers 
wirkt dabei als Heilfaktor. Ein viel reichlicheres und an 
Schutzstoffen reicheres Kammerwasser wird produziert und 
durchströmt das entspannte Homhautgewebe, schwemmt die 
Keime mechanisch hinaus, tötet sie und bindet ihre giftigen 
Produkte. Trotzdem bringt solche Perforation das Auge in 
eine Reihe neuer Gefahren. Die Regenbogenhaut fällt in die 
Perforationsöffnung vor und verwächst mit der Narbe; es 
kommt also zum mindesten zur Bildung eines breiten peripheren 
Leucoma adhaerens, bisweilen infolge Ektasierung der schwachen 
Stelle der Bulbnswandung zum Staphyloma corneae. 

Beide bedingen wieder eine gewisse Disposition zum ver¬ 
derblichen Seknndärglaukom. Und schlies8li<m kommen, wenn 
auch selten, Fälle vor, in denen die Perforation dem Prozess 
nicht Einhalt tut, sondern das Auge durch fortgeleitete Panoph- 
thalmie schneller Zerstörung anheimfallt. 

Die Krankheit ist also durchaus nicht leicht zu nehmen. 
Sie ist mit Sicherheit zu verhüten durch einen dauernden ein¬ 
mal täglich zu wechselnden Verband. Bei doppelseitigem 
Lagophmalmus empfiehlt sich ein durchsichtiger Unrglas-Ver- 
band. (Ebenso wenn das einzige sehtüchtige Auge befallen 
ist) Zur Befestigung des Uhrglases dient Heftpflaster und 
koÜodiumgetränkte Watte. Bei guter Prognose des Lagoph- 
thalmos genügt diese prophylaktische M^nahme. Ist aber 
keine Heuu^ des Lagophthalmus mehr zu erwarten, z. B. bei 
irreparabler ^cialislähmung, so soll man einen Angenspezialisten 
zor operativen Beseitigung des Lagophthalmus zuzienen. 

Ist bei Unterlassung der erforderlichen Prophylaxe bereits 
eine Keratitis e lagophthalmo eingetreton, so genügt in leichten 
Fällen oberflächlicher Keratitis ein einfacher Verband, um 
schnelle Heilung herbeiznführen. Vor dem Verbinden ist na¬ 
türlich das Auge sorgsam zu säubern und alle eingetrockneten 
Borken sind schonend abzuwischen. Zweckmäßig kombiniert 
man mit dem Ocnlusivverband antiseptische Behandlung, Be¬ 
streuen des Geschwürs mit feingepulvertem Jodoform oder Ein- 


und Typhus ausser bei Erkrankungs- und Todesfällen auch bei 
Verdacht der Erkrankungen. Es fallt gerade bei den letzten 
Erkrankungen die Inkonguenz des § 6 zu dem § 1 auf, inso¬ 
fern die F^e von Verdacht an Typhus und Kindbettfieber zwar 
ermittelung^flichtig aber nicht anzeigepflichtig sind. Die Er- 
mittelungspflicht setzt aber eigentlich die Anzeigepflicht voraus, 
und so sind wir nur dann in der Lage, unsere Aufgabe zu er¬ 
füllen, wenn Sie uns auch die Verdachtsfälle mitteilen. Dass 
gerade bei Typhus die weniger scharf ausg^rägten Fälle, wie 
sie meist unter dem Begriff des gastrischen Fiebers zusammen- 
efasst werden, in Bezug auf die Weiterverbreitung der Kränk¬ 
elt die gefährlichsten sind, werden Sie zugeben. 

Allein schon aus der Tatsache, dass zum Beispiel für 1903 
in Köln 128 Typhusfälle gemeldet wurden, die eine Mortabilität 
von 20,2% hatten, geht deutlich hervor, dass bei Zugrunde¬ 
legung der durchschnittlich zu rechnenden Typhusmortabüität 
von etwa 10% etwa die Hälfte der Erkrankungen nicht ange¬ 
meldet wurden. Ebenso ist es bei Kindbettfieber sehr wichtig, 
schon den Verdachtsfall zu kennen und dann für die Hebamme 
die nötigen Vorsichtsmaßregeln anzuordnen, damit auch hier 
nicht die ausserordentlich gefährliche Krankheit auf viele Fa¬ 
milien verschleppt wird. Es ist ja zuzugeben, dass gerade die 
Diagnose des Kindbettfiebers im Anfang grosse Schwierigkeiten 
verursachen kann; der Arzt wird sich selbst und die Hebamme 
aber nur dann vor unberechtigten Vorwürfen, vor strafrecht¬ 
licher und zivilrechtlicher Verantwortlichkeit schützen können. 


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1906. 


MSDICINISCSE ^^OCHS. 


383 


streichen von Sublimatsalbe {Hydrarg, bicblorat. 0,003, Aq. 
dest. 9.5. Vaselin, flav. ad. 10,0). 

In allen schwereren Fällen, die mit ausgesprochener Iritis 
einhergehen, ist ausserdem Anwendung von Atropin und 
warmen Umschlägen zu empfehlen. In sehr schweren Fällen, 
wo Perforation droht, oder wo die Iritis mit sehr reichlicher 
Exsudation oder gefahrdrohender Synechiebildung einhergeht, 
sollte stets ein Spezialist zugezogen werden. 

Zur Erläuterung der gegebenen Darlegung scheint es mir 

f eeignet, zum Schluss einen knappen Bericht über die drei 
alle aus anderen hiesigen Kliniken anzufügen, die ich kürz¬ 
lich im Lauf eines Monats gesehen habe, und die den Anstoss 
zu dieser kleinen Publikation gegeben haben. 

Am 22. 1. 06 wurde ich zu einer an Katatonie leidenden 47jälir. 
Schneiderin in die psychiatrische Klinik gerufen. Es bestand rechtsseitige 
Fazialislähmung, die wahrscheinlich noch von einer vor 25 Jahren operativ 
behandoltenMlttelohrentzündungheirQhrto; das rechte Auge war weit geöffnet, 
das untere Lid hing schlaff und leicht aosgekrempolt herab, die freiliegende 
Lid- und Au^apfelbindehaut war stark ges^weUt und gerötet. Das unterste 
Viertel der Hornhaut war eingesunken und dichtgrau infiltriert, bei Lid* 
scblussversucb bleibt das Auge etwa 1 cm weit offen, der Bulbus rollt dabot 
nach aufwärts, der grau infiltrierte nach o^n scharfiinig horizontal abgesetzte 
Abschnitt bleibt gerade noch in der Lidspalte. Erhebliche Borkenbildung 
bestand nicht, da der Patientin reichlich Umschläge gemacht waren. Die 
Iris war stark hyperaemUch. Das Ulcus heilte schnell unter Behandlung 
mit zweimal täglich Jodoform und l®/oAtropinsublimatsalbo (Atropin sulfer). 
(IJydrarg biclorat0,003, Aq. dest. 9.5 Vaselin flav. ad. 10,0) und dauerndem 
Borsalbenverband. Mitte Februar war das Ulcus schon in eine solide Narbe 
umgowandelt. Weil die Fazialislähmung eine ganz schlechte Prognose gab, 
infolgedessen auch auf eine Zurückbildung des Lagopbtbalmus nicht zu 
rechnen war, und weil das Verbinden der Augen bei der sehr widerspen¬ 
stigen Patientin mit gar zu viel Mühe verknüpft war, beseitigte ich am 
20. II. den Lagophthalinus durch Tarsoraphie nach Fuchs in Narkose. Von 
26. II. an konnte die Patientin ohne weitere Gefahr für das Auge voröand- 
frei bleiben; die Hornhaut wurde jetzt bei Lidschluss völlig- unter dem 
Oberlid geboigen. Das Kosmetische Resultat war gut. Am 23. HI. starb 
die Patientin an Schluckpnoumonio. 

Der zweite Fall betraf einen 24 jäbr. Knecht, der wegen beiderseitiger 
chronischer Cholesteatom-Eiterung vom 7. i. 06. —3. III. 06- auf der hiesigen 
Ohrenabteilung behandelt wurde. Seit einigen Jahren bestand reclitssoitigo 
Gesichtslähmung. Er kam mit leichter Keratitis o lagophthalmo. Die 
quantitative Bestimmung der TrUnensokretion nach Schirmer lieferte den 
Beweis, dass die Bescbäaigung des Fazialis peripher vom Abgang dos Nervus 
petrosus superficialis major, welcher die lacrimosecretoriscben Fazialisfascrn 
durch Anghedorung an den nervus zygomaticu-fazialis zur Tränendrüse leitet, 
ihren Sitz haben musste und also höchst wahrschoinlieh durch das Ohronleidon 
veranlasst war. Die Keratitis heilte in wenigen Tagen unter Verband und 
Sablimatsalbo. Da die Prognose der Fazialislähmung schlecht war (Ent¬ 
artungsreaktion), so wurde einer Wiederkehr des Leidens durch Tarsoraphie 
vorgebeugt. 

Der dritte Fall ist der schwerste gewesen. Ein löjähr. Tischlergosolle 
beging am 10 I. 06 conamon suicidii durch Schuss in die rechte Schläfe. 
Er batte das leider hierbei nicht seUeno Missgeschick, sich durr.h beide 


Sehnerven und damit doppelseitig blind zu schiessen. Anfang Februar 
sah ich den Patienten. Beiderseits bestand totale Amourose und Liebtstarre 
der sehr weiten Pupillen. Das rechte Auge war durch retrobulbäre Blutung 
stark protrudiert und immobilisiert. Bei Lidscblussintontion wurde nur 
etwas mehr als die obere Hälfte der Hornhaut bedeckt. Der blosslicgondo 
Teil war von einem intensivgelben tiefen nach oben geradlinig abgegrenztoii 
Ulcus eingenommen, das durch schwerlüslicho dicke gelbe Burken bedeckt 
und mit den den Unterlidrand und die freiligendo stark geschwollene Binde¬ 
haut bedeckenden Borken fest verklebt war. Der untere Teil der vorderen 
Kammer war von einem hohen Hypopyon eingenommen; die weite Pupille 
war durch graues Pupillarexsudat getrübt und durch zahlreiche hintere Syno- 
chieen an die Linsenvorderflächo geheftet, was bei der Weite der Pupille 
einen merkwürdigen Anblick bot. Von rotem Licht keine Spur. 

Lago und Beweglichkeit des linken Auges war normal; ausser zahl¬ 
reichen massigen Netzhautblutungen, die die Pupille vordockten. Weite und 
Liebtstarre der Pupille bot das Auge nichts bemerkenswertes. 

Es wurde vorsichtige Abweichung der Borken, 2 x tgl. Jodoform und 
4®/u Atropinsublimatsalbo, tgl. 4x1 Stunde warme Umschläge und inzwischen 
Verband angoordnet. Das Ulcus ist unter dieser Behandlung zwar langsam 
ohne Perforation zur Vernarbung gekommen, aber nicht ohne dass die Pupille 
vollständichvon Pupillenmombran verlegt und der Augapfel durch raässiggradigo 
Schrumpfung seiner ganzen vorderen Hälfte und durch die narbige Weiss¬ 
färbung der unteren % der Hornhaut sehr entstellt wäre. 


Sitzungsberichte. 

GeseUsc^iafl f ür Geburtshi'dfe und Gynäkologie 
»u Herlin, 

Sitzung vom 25. Mai 1906. 

Vorsitzender: Hr, Keller. 

Bericht des I. Schriftführers über das vergangene Ge¬ 
schäftsjahr. 

Vorstandswahl: Zum 1. Vorsitzenden wird Herr Keller, 
zum 1. stellvertretenden Vorsitzenden Herr Orthmann, zum 2. 
stellvertretenden Vorsitzenden Herr Bröse gewählt. 

Dem ü n s t rati o n : 

Hr. Hochoisel demonstriert eine 31jährige Patientin, bei 
der vor einigen Wochen infolge einer vor längerer Zeit ausge- 
fuhrten Ventrofixation eine schwere Geburtsstörung aufgetreten 
war. Der Muttermund stand hinten oben in der Höhe des II. 
Lendenwirbels und war für den Finger kaum erreichbar, daher 
Wendung unmöglich. Von einem klassischen Kaiserschnitt wurde 
Abstand genommen, weil das Fruchtwasser schon vor längerer 
Zeit abgeflossen, die Infektionsgefahr daher zu gross war. Ausser¬ 
dem war das Leben der Frucht nicht sicher zu konstatieren. 
Desgleichen schien eine Ablösung und Aufrichtung des Uterus 


wenn er frühzeitig den Fall wenigstens als Verdacht mitteilt. 
An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass die Hebamme bei 
Kindbettfieber oder Verdacht desselben neuerdings durch den 
§ 481 des Hebammenlehrbuchs folgende Pflichten hat: 

I. sie hat auf die Hinzuziehung eines Arztes zu dringen: 

1) wenn im Wochenbett die Temperatur über 38® steigt, 

2) bei jedem Schüttelfrost, 

3) - wenn die Zahl der Pulsschläge sehr in die Hohe, z. B. 

auf 120 geht, und eine auffallend niedrige Temperatur 
besonders am Abend vorhanden ist, z. B. 36® oder 35,5®, 
was auf bestehende Herzschwäche hindeutet, 

”4) sobald ein Geschwür an den äußeren Geschlechtsteilen, 
P; das sich oft hinter einer Anschwellung der Teile ver- 
trJ birgt, entdeckt wird, selbst wenn kein Fieber bestehen 
sollte. 

II. sie hat bei jedem Fieber im Wochenbett von mehr als 
38® dem Kreisarzt ungesäumt Anzeige zu erstatten. 

Da die amtliche Ermittelung der Kranldieit durch den be¬ 
amteten Arzt stattzufinden hat, so wird sich ein gedeihlicher 
Erfolg, welcher sowohl die Interessen des behandelnden Arztes 
wie die der öffentlichen Gesundheitspflege befriedigt, nur durch 
kollogialisches, vertrauensvolles Zusammenarbeiten des be¬ 
handelnden und beamteten Arztes erzielen lassen. Gerade in 
Köln, wo der beamtete Arzt von der Privatpraxis losgelöst 
ist, wird das leicht zu erreichen sein, zumal der beamtete Arzt 
durch seine Amtspflicht gehalten ist, gute kollegiale Beziehungen 


zu den andern Aerzten zu pflegen. Der praktische Arzt kann 
darum meines Erachtens dem beamteten Arzt mit vollem Ver¬ 
trauen entgegenkommen. Der Kreisarzt, der die Art, den Stand 
und die Ursache der Erkrankung fostzustellen hat, wird im 
wesentlichen die Aufgabe haben, den Weg der Einschleppung 
und der Verbreitung der Krankheit zu untersuchen, Vorsichts¬ 
maßregeln anzuordnen gegen die weitere Verbreitung, also Aus¬ 
schliessung der Kinder von der Schule, Desinfektionsmaßregeln, 
eventuell Ueberführung in das Krankenhaus, Beseitigung sani¬ 
tärer Missstände in die Wohnung usw. Dass der beamtete Arzt 
die Diagnose, welche der behandelnde Arzt gestellt hat, so gut 
wie immer als richtig annimmt, werden Sie aus Ihrer praktischen 
Erfahrung heraus wissen. In Zweifelsfällen wird er gewiss 
auch seinerseits zumal durch Bereitstellung bakteriologischer 
Hülfsmittel die Diagnose gemeinsam mit aufzuklären suchen. 

Zu der Erklärung, ob von dem Zutritte des beamteten 
Arztes eine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens dos 
Kranken zu befürchten ist, ist Ihnen durch einen entsprechenden 
Vermerk auf der gelben Karte Gelegenheit gegeben. Ebenso 
können Sie auf dieser Karte die durch die Ausführungsbe¬ 
stimmungen zu § 6 gewünschte Mitteilung machen, ob Sie bei 
den Ermittelungen des beamteten Arztes zugegen sein wollen. 

Ist somit der beamtete Arzt, wenn er seine Aufgabe 
richtig erfüllen soll, auf Ihr Entgegenkommen nach dem Ge¬ 
setze angewiesen, so wird ihm bei Ermittlung des Kindbett¬ 
fiebers oder Verdachts desselben noch eine weitere Schranke 


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384 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 37. 


per laparotomiam za gefährlich. Es wurde daher von Herrn 
Bumm ein vaginales Verfahren eingeschlagen. Mit einem ge¬ 
knöpften Messer wurde der tief hinabgedrückte Sporn der vorderen 
Uteruswand vom Muttermund nach abwärts ohne Ilücksicht auf 
etwaige Blasenverletzung gespalten , worauf die Extraktion eines 
noch lebenden Kindes leicht gelang. Die Blase blieb glücklicher¬ 
weise unverletzt. Die Rekonvaleszenz war glatt , nur besteht bei 
der Patientin dauernd ein breit klaffender Spalt in der vorderen 
Uteruswand. Wie nachträglich in Erfahrung gebracht wurde, war 
die Ventrofixation nach Czerny-Leopold mit Tamponade der 
Bauchwunde gemacht worden. 

Diskussion: 

Hr. Olshausen: In keinem Falle, der nach seiner Methode 
ventrofixiert worden ist, ist bisher eine nachträgliche Geburts- 
Störung beobachtet worden. 

Hr. BrÖse hat einen Fall von Geburtsstörung nach 01s- 
hausenscher Ventrofixation gesehen. Allerdings war in dem 
Falle gleichzeitig eine Ovariotomie gemacht worden, der ev. die 
festen Verwachsungen mit der Bauchwand zur Last fallen. 

Hr. Bumm: Derartige Geburtsstörungen sind die unange¬ 
nehmsten , die es gibt. Die Diagnose ist häufig recht schwer. 
Der vaginale Kaiserschnitt ist unmöglich, weil man den Mutter¬ 
mund nicht mit Speculis freilegen kann. Es bleibt daher eigent¬ 
lich nur die oben beschriebene Spaltung der vorderen Uteruswand 
ohne Rücksicht auf die Blase übrig. Eine ev. Blasenverletzung 
ist weniger zu fürchten, als eine Infektion nach klassischem 
Kaiserschnitt. 

Hr. Olshausen hält in derartigen Fällen doch den klassi¬ 
schen Kaiserschnitt für das beste und sicherste Verfahren; er 
hat ihn in 3 ähnlichen Fällen mit gutem Erfolg ausgeführt. 

Hr. Nagel hat in einem derartigem Fall vollständige Quer¬ 
lage des Uterus beobachtet und die Geburt durch Wendung in 
Seitenlage beenden können. 

Vortrag des Herrn Stöckel: Ueber die Anwendung der 
Nitze sehen Cystoskopie bei Luftfüllung der Blase. Kniebrust¬ 
lage. 

Die normaler Weise in Steissrückenlage bei flüssigkeitge¬ 
füllter Blase ausgeführte Cystoskopie ist in vielen Fällen nicht 
möglich, so z. B. bei Fisteln, bei Inkontinenz, bei erhfihter Reiz¬ 
barkeit der Blase (Steinbildung, Tuberkulose), bei Pyelitis infolge 
der dauernden Trübung der Flüssigkeit etc. Für alle derartigen 
Fälle empfielt St. die Cystoskopie bei luftgefüllter Blase in Knie¬ 
ellenbogenlage, eine Technik, deren sich schon Pawlik und 
Kelly zur Endoskopie der Blase bedient haben. Das Verfahren 
soll natürlich keine Konkurrenzmethode, sondern nur eine Er¬ 
gänzung der klassischen Cystoskopie darstellen. Die Erwärmung 


der Luft in der Blase durch die Lampe wird sehr gut vertragen, 
hingegen erfordert die Vermeidung der sehr schmerzhaften Ver¬ 
brennungen der Blasenwand eine vollkommene Beherrschung der 
cystoskopischen Technik. Die bisher erzielten Erfolge sind sehr 
zufriedenstellend. Insbesondere ist die Aktion der Ureteren ganz 
überraschend gut zu beobachten. Man sieht aus der rüsselförmig 
vorspringenden Ureterenmünduug in kurzen Intervallen einen fast 
bleistiftdicken Urinstrahl herausspritzen. (Demonstration.) 

Verein für PsgcKiatrie und NervenkremkheUen* 

Sitzung vom 11. Juni 1906. 

Hr. Rothmann, Bemerkung zu der Demonstration des 
Herrn Ziehen vom Mai 1906. Postoperative Facialislähmung 
rechts mit automiraetischer Kontraktur links. Er habe die Pat. 
vorher gesehen, die Operation war lediglich auf Schmerzen im 
Ohr erfolgt, die Rothmann für Hysterie hielt, umsomehr, als 
zugleich Hemihypaesthesie rechts bestand. 

1. Hr Henneberg anatomische Bemerkung zum Vortrag 
des Herrn Jaoobsohn über Cysticercus cerebri. 

2. Diskussion zum Vortrage des Herrn Rothmann. 
Demonstration einer Opticusatrophie mit tabesähnlicher Afifektion 
beim Affen. Dazu spricht 

Hr. Jacobsohn und macht darauf aufmerksam, dass auch 
andere Prozesse in Frage kämen, besonders die Wurzelerkrank¬ 
ungen fehlten und die oberen Teile des Rückenmarks, die Goll- 
schen Stränge vorwiegend erkrankt waren, es müsse sich daher 
um eine intraraedulläre Erkrankung gehandelt haben. 

Schlusswort Herr Rothmann hat seinen Zweifeln schon 
dadurch Ausdruck gegeben, dass er von einer tabesartigen 
Erkrankung sprach und nicht von tabes dorsalis beim Affen. 
Nach seinen Präparaten waren doch Wurzelerkrankungen deutlich, 
sodass es sich doch um einen extramedullären Prozess auch 
handelt. 

3. Diskussion zum Vertrag des Herrn Liepmann über 
linksseitige Apraxie bei linkshimigen Herden: 

Hr. Jacobsohn fragt, ob schon Antopsien vorliegen, die 
dartun, dass in der Tat nur ein Herd vorliegt. 

Dazu ferner Herr Oppenheim: Er konnte eine Beobachtung 
machen, bei welcher die bekannte Hypothese des Herrn Liep¬ 
mann ihm die Deutung eines Falles erleichterte. Es handelte 
sich um Erscheinungen bei einem jungen Manne, die auf einen 
Tumor der linken motorischen event. noch der hintern Zentral- 
windung und der lobus parietalis deuteten. Dabei bestand merk¬ 
würdiger Weise eine Andeutung von links.seitiger Astereoguosis. 
Oppenheim vermutet, dass ebenso wie die linke Hemisphäre 


f ezogen; denn hier ist ihm der Zutritt zum Kranken nur mit 
ustimmung des Haushaltungsvorstandes gestattet. Handelt 
es sich um einen Todesfall, bei dem der Verdacht des Typbus 
oder des Rotzes ausgesprochen ist, so kann sich die Ermittelung 
auch auf eine Obduktion erstrecken, ähnlich wie nach dem 
Reichsgesetz bei Cholera — Gelbfieber — und Pestverdacht; 
dieselbe soll aber nach den Ausfiihrungsbestimmungen nur 
dann stattfinden, wenn die bakteriologische Untersuchung der 
Absonderungen und des Blutes zur Feststellung nicht ausreicht 
oder nach Lage des Falles nicht ausführbar ist. 

Der beamtete Arzt wird nicht in Anspruch genommen 
werden bei Fällen von Diphtherie, Kömerkrankheit und Schar¬ 
lach. Hier hat die Polizeibehörde, genau wie nach den Vor¬ 
schriften des Regulativs, nur die ersteren Fälle feststellen zu 
lassen und zwar auch nur dann, wenn sie nicht von einem 
Arzt mitgeteilt werden. Dieser Fall wird in einer grösseren 
Stadt kaum eintreten. Die einzigen Fälle, wo eventuell bei 
Diphtherie und Scharlach ein beamteter Arzt zngezogen wird, 
wären etwa die, dass vorher ein Kurpfuscher behandelt hätte 
oder dass Erkrankungen in Schulen, Herbergen etc. in grösserem 
Umfange aufträten. Bei den übrigen Krankheiten sollen nach 
den Ausführungsbestimmungen auch nur in den sogon.annten 
ersten Fällen amtliche Ermittelungen angestollt werden. Es 
ist aber bereits jetzt von dem Herrn Regierungspräsidenten in 
Köln in Ergänzung des Gesetzes verfügt, dass die Ermittlungs- 
ptlicht bei Typhus sich auf alle Fälle erstreckt. 


Der dritte Abschnitt betrifft die Schutzmaß- 
regeln. Bei jeder einzelnen Krankheit ist anzugeben, welche 
Schutzmaßregeln in Betracht kommen können; aber die an¬ 
gegebenen Maßregeln sind nicht immer alle anzuordnen, viel¬ 
mehr bezeichnen dieselben das höchste Maß dessen, was poli¬ 
zeilich angeordnet werden darf. Die Polizeibehörden haben 
hier genau das gleiche Interesse, wie der praktische Arzt, dass 
nämlich nicht mit unnötiger Beunruhigung und mit unnötigen 
Kosten hervorgegangen wird, sondern dass jedesmal nur das 
Nötige herausgewählt wird. 

Wenn wir die Maßregeln bei den einzelnen Krankheiten 
genauer übersehen, so erscheint Folgendes besonders er¬ 
wähnenswert. 

In erster Linie wird bei den übertragbaren Krankheiten 
eine genügende Absonderung der kranken Perso.üön verlangt, 
die derartig zu erfolgen hat, dass der Kranke mit andern als 
dem zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem Arzt oder 
dem Seelsorger, nicht in Berührung kommt. Angehörigen und 
Urkundspersonon ist, soweit es zur Erledigung wichtiger An¬ 
gelegenheiten geboten ist, der Zutritt zu dem Kranken unter 
Beobachtung der erforderlichen Maßregeln gegen eine Weiter¬ 
verbreitung der Krankheit gestattet. Aus dieser Erklärung des 
Begriffes „Absonderung“, welche der § 14 des Reichsgesetzes 
gibt, werden Sie ei-sehen, dass wir imstande sind, bei allen 
übertragbaren Krankheiten, soweit wir sie erfahren, den Kur¬ 
pfuscher fern zu halten. (Furtsetzung folgt.) 

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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


385 


die Sprache und das Handeln beherrscht, sie auch die Erkennung 
der Gegenstände beherrscht, sodass also eine linkshirnige Er¬ 
krankung auch die Stereognosis der Unken Hand beeinträchtigen 
kann. 

Schlusswort Herr Liepmann konnte durch Sektionsbe¬ 
funde nachweisen, dass kein rechtsseitiger Herd vorlag. 

4. Hr Schuster: VorsteUung eines neuen Falles von Alexie. 
Diesmal besteht zugleich Agraphie. Patientin, 65 Jahre alt, er¬ 
krankte vor einem Jahr, zur Zeit ist nur geringe PiipillendifFerenz 
nachweisbar. Die motorische und sensorische Sprache ist unge¬ 
stört. Sie kann spontan keine Buchstaben ohne Hilfe lesen. 
Einzelne bekannte Worte liesst sie, kann aber Theile nicht er¬ 
kennen. 

Schreiben kann sie weder spontan noch nach Diktat. Daneben 
besteht eine amnestische Aphasie. 

Zeichnungen erkennt sie nicht immer, keine Hemianopsie. 
Schliesslich besteht noch eine auifälUge doppelseitige apraktisohe 
Störung. 

Schuster meint, dass hier ein doppelseitiger Herd vorliegt, 
und fügt noch hinzu, dass hier eine Beeinträchtigung der optischen 
Vorstellungen vorliegt, was ihn gerade zu dieser Annahme ver¬ 
anlasst, der Herd wird in der Rinde sitzen, dafür sprechen 
Fehlen der Hemianopsie und die Agrapliie. 

5. Hr. Klempner: 3 Fälle von Athetosis bilateralia, es 
handelte sich um ungewollte Bewegungen langsamen Charakters 
auf beiden Seiten. Mitbewegungeu beim Sprechen. Saug- und 
Kaubewegungen beim Berühren der Lippen. Spasmen fehlen, 
ebenso Lähmungserscheinungen, in allen Fällen Ueberstreckung 
der Phalangen. Die Bewegungen sind von ungleicher Intensität. 
Intelligenzstömngen fehlen fast ganz. Die Bewegungen bestehen 
seit Jahren, alle Patienten zeigen den 0 pp enheim sehen Fress¬ 
reflex in modifizierter Form. Gerade dieser Reflex macht es 
sicher, dass es sich um ein cerebrales Leiden handelt, es handelt 
sich um die Athetose double der Franzosen, die ohne Lähmungs- 
ersoheinungen auftreten kann. Die Fälle des Vortragenden zeigen 
allerdings mancherlei Abweichungen. 

6 . Cassirer stellt ein Kind mit ausgebreitetem Naevus der 

linken und rechten Gesichtshälfte vor, vorhandene leichte rechts¬ 
seitige Reiz- und Lähmungserscheinungen deuten darauf, dass auch 
in cerebro Gefasserweiternngen vorhanden sind, die wie ein Him- 
herd wirken. Dr. G. Platau. Berlin. 


Kongressbericht. 

23. Kongre98 für in/nere Medici/n 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent; Dr. Grassmann-München. 

3. Sitzungstag, Nachmittags. 

1. Herr Köhler-Jena: Die Untersuchung unge¬ 
färbter Gewebe mit ultraviolettem Lichte. 

2. Herr Selling-München und Herr Edelmann-München: 
Experimentelle Untersuchungen über den Perkus¬ 
sionsschall. 

Herr Edelmann erläutert und demonstriert mittels Projek¬ 
tionsapparates die für die Untersuchung in Verwendung gewesenen 
physikalischen Instrumente und Apparate. 

Herr Selling führt sodann folgendesaus: Entsprechend der 
bekannten Skodaschen Einteilung des Perkussionsschalles in „hoch 
und tief“, «hell und dumpf“, „voll und leer“, „tympanitisch und 
nicht tympanitisch“ wurde zunächst die bei Perkussion in Be¬ 
tracht kommende Tonlage festzustellen versucht. Mittels kegel¬ 
förmiger Resonatoren wurde gefunden, dass die untere Grenze 
der im Perkussionsschall der Lunge enthaltenen Töne beim Kind 
höher ist als beim Erwachsenen, dass sie beim Uebergang aus der 
Ausatmungsstellung dos Bru.stkastens in die Einatmungsstellung 
sich nach unten verschiebt. Diese untere Grenze entspricht der¬ 
selben Tonhöhe, in welcher man bei der Prüfung des Pektoral- 
fremitus die Patienten intonieren lässt (oberer Teil der grossen 
Oktave). Um den Pektoralfremitus in Einatmungsstellung maxi¬ 


mal zu erzeugen, ist ein tieferer Ton des Stimmregisters nötig, als 
in Ausatmungsstellung. Dieses Tonintervall ist ebenso, wie die 
Verschiebung der unteren Grenze bei der Perkussion ein Maß für 
die G^esamtexkursionszeit der Lunge. Für die Auflassung des Pek¬ 
toralfremitus als Reaktion der Thoraxwand auf den mit der Stimme 
erzeugten Eigenton des Thorazinnem spricht unter anderem die 
jedem Arzt geläufige Erscheinung, dass bei Frauen der Pektoral- 
fremitus weniger gut diagnostisch zu verwerten ist, als bei Männern, 
offenbar deshalb, weil weiblichen Individuen der Gnmdeigenton 
ihres Thoraxinnem in ihrem Stimmregister nicht zur Verfügung 
steht. Die obere Grenze der ün Perknssionsschall der Lunge ent¬ 
haltenen Töne hängt ab von der Perkussionsart und wird gebildet 
beim hellen wie beim gedämpften Schall vom Eigenton des Plessi¬ 
meters, bezw. des Fingers. Der „helle" Lungenschall zeichnet sich 
gegenüber dem gedämpften durch seinen Reichtum an tiefen Tönen 
aus, weshalb er auch lauter ist und weiter gehört wird, da die 
längeren Schallwellen der tieferen Töne sich weiter fortpflanzen 
(tiefes Rollen des fernen Donners, weitere Hörbarkeit der Bass¬ 
töne). Man hört deshalb den charakteristischen Unterschied des 
hellen und gedämpften Schalles aus einer entfernten Zimmerecke 
besser, als in der Nähe der Schallquelle. 

Eine praktische Darstellung des Perkussionsschalles wurde 
ermöglicht durch das Edelmannsche Saiteugalvanometer, welches 
von Herrn Edelmann jun. (Dr. phil.) kurz erläutert wird. 

Vortragender demonstriert dann verschiedene mit diesem In¬ 
strument aufgenommene Kurven als Diapositive. Der Lungenschall 
zeigt grö.ssere Intensität, wie der gedämpfte bei gleicher Schlag- 
inteusität und längere Dauer; er ist also „voller“ wie der ge¬ 
dämpfte Schall, der „leerer“ ist. Der tympanitisohe Schall zeigt 
einen „Schallbeherrscher“ und hohe Obertöne. 

Dann demonstriert der Vortragende noch Aufnahmen des 
Perkussionsschalls mittels des Phonographen, die das gleiche Re¬ 
sultat gaben. Er hatte dann noch Gelegenheit, in einem Neben¬ 
lokal eine akustische Wiedergabe der verschiedenen Schallquali- 
läten mittels des Phonographen zn geben und die praktische An¬ 
wendung der Resonatoren an Patienten zu zeigen. 

Der Vortrag wurde durch Vorführung zahlreicher Diapositive 
erläutert. 

In der Diskussion macht Herr Bäumler-Freiburg darauf 
aufmerksam, dass die Perzeption des Perkussionsschalles davon 
beeinflusst wird, ob mitten im Zimmer oder nahe den Wänden 
perkutiert wird; ferner davon, ob der Perkutierende vor oder 
hinter dem Untersuchten steht. 

35. Kongress der Deutschen Gesellschaft 
für Chimrgie. 

Vom 4. bis 7. April 1906. 

Hr. Holländer-Berlin: Beiträge zur Rhinoplastik. 
Eine neue Operationslagerung. 

Eis wird eine Reihe von totalen Rhinoplastiken im Lichtbilde 
gezeigt, die alle nach der vom Autor angegebenen Methode aus¬ 
geführt sind, bei welcher die Nasenspitze durch die herunterge¬ 
schlagenen Nasenbeine gestützt wird. Das Profil hat sich bei den 
schon zum Teil 6 Jahre alten Fällen tadellos erhalten. Es wird 
vom Vortragenden dann eine neue Methode angegeben, ohne den 
Stimhautlappen die verloren gegangene Nasenspitze dadurch neu- 
zubildeu, dass man die Nasenscheidenwand in toto herausnimmt 
und nach Keilexoision aus ihr die Nasenspitze knöchern formiert. 
Die Resultate waren zum Teil befriedigend. 

Hr. Wullstein-Halle a. S.: Experimentelles aus der 
Magenchirurgie. 

W. berichtet über seine Experimente, welche den Zweck 
hatten, speziell der Therapie des Ulcus Tentriooli zu dienen. Er 
hat die Resektion ohne Eröffnung des Magen- und Darmlumens, 
d. h. durch Invagination zu machen versucht. Am Pylorus ge¬ 
lang ihm das erst, nachdem er sich nur auf den Pylorusring als 
solchen beschränkte. Bei grösseren Invaginationen in der Konti¬ 
nuität hatten die Experimente erst dann ein positives Resultat, 
als er begann, an dem ganzen zu invaginierenden Teile mit dem 
Paquelin die Serosa und Muscularis wegzunehmen und die Mucosa 
zu verschorfen. 


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386 


MEDICnnSCHB WOCHE. 


Nr. 37. 


Bei dem Versuche, die Pyloroplastik von Mikulicz durch 
Einnähung einer uneröffneten Darmschlinge in die Pylorus-Schnitt- 
wunde zu komplettieren, gewann W. interessante Resultate über 
die Selbstverdauung. Er beobachtete nämlich, dass, wenn er 
irgend eine uneröfFnete Darmschlinge in die Magenwand einnähte 
und so der Wirkung des Magensaftes aussetzte, schon nach 
wenigen Tagen die eingenähte Partie der Darmwand verdaut 
wurde. 

Diese durch den Magensaft bewirkte Selbstverdauung des 
Darmes hat W. dann dazu benutzt, die Gastroenterostomie ohne 
Eröifnung des Magens und Darms in der Weise herzustellen, dass 
er das Stück in der Magenwand durch Durchschneidung der Serosa 
und Muscularis mit dem Paquelin und flächenbafte Verschorfung 
der Mucosa zur Abstossung brachte und den danach vorliegenden 
Darm der verdauenden Wirkung des Magensaftes überliess. 

Die nach der Literatur häufig beobachteten Verengerungen 
der Anastomosen bei der Gastroenterostomie haben W. veranlasst, 
auch in dieser Richtung Elxperimente zu unternehmen. Um die 
Wirkung der primären, d. h. sofort nach der Operation auftretenden 
Verengerung bei der Gastroenterostomie zu verhindern, hat W. 
bei mehreren Patienten sowohl mit Gastroenterostomie als mit 
Resektion des Pylorus ein nach seinen Angaben gefertigtes und 
noch ca. 20 cm in den Darm hineinreichendes Dauerschlundrohr 
für 10—12 Tage eingelegt imd durch dasselbe sofort nach der 
Operation forciert ernährt. 

Gegen die sekundäre Verengerung, welche ja, wie in der 
Literatur beschrieben, zuweilen Monate nach der Operation zum 
völligen Verschwinden der ursprünglich angelegten Auastomose 
führen kann, will W. eine Gastroenterostomie in Anwendung 
bringen, welche er als trichterförmige Gastroenterostomie be¬ 
zeichnet. Die Technik derselben muss im Original nachgeleseu 
werden. 

Zum Schluss erwähnt W. ganz kurz, dass er die Operationen, 
soweit der Darm in Betracht kam, ebenso wie andere Experimente 
an der Milz, Leber usw. unter Blutleere ausfübrte, und diese 
Blutleere wurde in möglichst schonender Weise durch ein Instni- 
ment bewirkt, welches W. demonstriert und als pneumatische 
EJemine bezeichnet. 

Hr. Holländ er-Berlin: Ueber die Arthroplastik des 
späteren Mittelalters. Ueber eine neue Operations¬ 
lagerung. 

Der Vortragende weist unter Demonstration von 7 Originalien 
ans dem 15. bis 17. Jahrhundert auf den technischen Entwick¬ 
lungsgang der Mechanik der eisernen Glieder hin. Es ergibt sich 
aus der grossen Anzahl dieser, dass der künstliche Ersatz verloren 
gegangener Gliedmassen im 16. Jahrhundert zu einer bedeutsamen 
Entwicklung gelangt war und dass mit diesen künstlichen Gliedern 
namentlich einfachere Handgriffe, wie sie zum Reiten und Schwert¬ 
halten erforderlich sind, gut ausgeführt werden konnten. Zu 
Ende des 17. Jahrhunderts erfolgte ein Verfall dieser Kunst, 
deren alter Höhepunkt auch heute noch nicht erreicht ist. 

Demonstration der Kantonlagerung für Nierenoperationen. 
Pneumatische Nierenrolle. 

Die Vorrichtung ist an jedem Operationstisch mit Seitenbe- 
wegung anzubringen. Der Patient liegt dabei nicht auf dem 
Kücken, sondern auf der Seite, sodass des Körperumfangs für 
(las Messer angreifbar sind. Die Nierenrolle wird je nach Wunsch 
durcli rus.sgehläse liocli oder niedrig gestellt. Beide Vorrichtungen 
sind vom Medicinischeu Warenhaus zu beziehen. 

Hr. Gara-Pistyan demonstriert seinen Universalkorrektor, 
der eine vielseitige Verwendbarkeit besitzt. Er ermöglicht die 
Korrektur zahlreicher angeljorener oder erworbener Deformitäten 
im Bereiche Her langen Röhrenknochen leicht, bequem und mit 
genau dosierbai-er Gewalt unter grösster Schonung der Weichteile; 
ferner gestattet er nach erfolgter Korrektur die sofortige Anlage 
des fixierenden Kontentivverbandes ohne Veränderung der Lage 
chu* Patienten. Bei seiner Anwendung wird die unsichere manu¬ 
elle Assistenz durch die unnachgiebige Fixation mittels Binden- 
tonren ersetzt. Endlich gestattet der Apparat die leichte und 
sieliere Anlage eines Kontentivverbande.s bei Frakturen. Die am¬ 
bulante Behandlung der Kontrakturen wird durch den Apparat 
sehr erleichtert. 


Hr. Kölliker-Leipzig und Glücksmann-Berlin: Oeso¬ 
phago skop isebe Bilder. 

Die Demonstration erstreckt sich auf eine Anzahl farbiger 
Diapositive, welche das Gebiet der Speiseröhrenerkrankungen, ge¬ 
sehen durch das Gl ückma n n sehe Oesophagoskop, darstellen, 
und zwar wurden vorgefuhrt: die normale Speiseröhre, Veränderung 
der Lumenweite derselben im Sinne der Dilatationen und Ver¬ 
engerungen aus verschiedenen Ursachen, traumatischo Vorgänge 
in Form von Narben und Fremdkörpern, die Infektionskrankheiten 
der Speiseröhre (Diphtherie, Herpes), sowie eine etwas grös.sere 
Reihe der verschiedenen Manifestationen des Carcinoms in seinem 
ersten wandständigen und seinem zweiten circularen Stadium. Die 
Bilder sind sämtlich durch das Instrument nach der Natur ge¬ 
zeichnet. Der Vortragende (Glücksmann) schliesst mit dem 
Hinweis auf die praktische oesophagoskopische Demonstration, 
welche die beiden Vortragenden gemeinschaftlich während der 
folgenden Kongresstage abzuhalten beabsichtigen. Bei diesen 
praktischen Demonstrationen zeigte Herr Kölliker einen von 
ihm neu angegebenen doppelten oesophagoskopischen Tubus mit 
besonderer Einführvorrichtung, Herr Glüoksmann einen be¬ 
sonders für Auswärtsuntersuohungen geeigneten leichten (3 Pfund) 
und billigen (27 M.) Akkumulator für Licht und Kaustik. 


Periodische Literatur. 


Therapeutische Monatshefte. 1906. Nr. 7. 

1 . Jacob, Kudowa: Pathologie and Therapie des Morbus 
Basedowii. 

Ein lebhaft und anregend geschriebenes Resume über die 
vielen Theorien und Kontroversen des „Basedow“ und Heraus¬ 
heben der Moebiusschen Deduktionen und Ansichten. 

2. Siegel, Reicheuhall: Ueber die Behandlung von Asthma 
und asthmaähnlicher Zustände. 

Eine sehr wertvolle Zusammenstellung von alledem, was man 
in jedem Hause in der täglichen Praxis anwendeu kann. Zunächst 
kurz das kardiale Asthma! Regelung der Lebensweise; Regelung 
der Dannfunktion; Jodkali und in schweren Fällen von Arterio¬ 
sklerose empfehlen sich täglich IV*—2,0 g, nach geraumer Zeit 
kann man aber auf 1—0,5 g herabgehen. Für nicht allzuweit 
fortgeschrittene Arteriosklerobiker der Gebrauch künstlicher kohlen¬ 
saurer Bäder. Man tut gut, anfangs recht vorsichtig zu sein, die 
Temperatur zwischen 34—35® C. (thermischer Indiflferenzpunkt) 
zu wählen und die Dauer auf 10 Minuten zu beschränken. Bei 
drohendem Asthma greife man zu Digitalis mit oder ohne Coffein. 

Rp. Pulv. Foliorum Digitalis 0,1 
Coffeini 0,2 

D. tal. dos. X. 

S. 2stündlich ein Pulver! 

In dem Digalen Cloetta besitzen wir ein rasch wirkendes 
Digitalispräparat, das neben dem Mangel kumulierender Wirkung 
noch den Vorzug subkutaner Verabreichung hat, allerdings auch 
ziemlich teuer ist. Im Anfall selbst heisse Hand- und Fussbäder 
und Tropfen einer Lösung täglich 0,2—0,5 Nitroglyc. auf 20,0 
Alkob. abs. tägl. 

Von eminenter Bedeutung beim bronchialen Asthma von 
allem Anfang ist die physikalische Behandlung. Morgens und 
abends kalte Waschungen des Körpers, in der Weise, dass man 
einen grossen Schwamm mit Wasser von Zimmertemperatur (14 
bis 15" C.) energisch benutzt und mit Frottiertuch nachtrocknet. 
Für die Nacht empfehlen sich Priessnitzumschläge. Ein weiteres 
Hilfsmittel zur Bekämj)fung dieser chronischen Zustände geben 
die methodischen Turnübungen. Treten die Erscheinungen von 
Seiten des Herzens mehr in den Vordergrund, so tun die CO^- 
Bäder vorzügliche Dienste; man lässt von Zeit zu Zeit eine Digi¬ 
taliskur durchmachen, und zwar gelie man am besten kleine 
Dosen, etwa 0,3 pro die im Infus ca. 10 Tage lang. 

Die Senatorschen Asthmatropfen (Tinct. Stramon. Liq. 
ammon. annis., Tinct. op. benz. ää, nach Bedarf 20 Tropfen zu 


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1906. 


MEDIGINTSCHB WOCHE. 


387 


nehmen) werden sehr gerühmt, ebenso Koffein mit Äntipyrin 
(Koffein 0,2, Antipyr. 0,8 f. pulv., nach Bedarf 1—2 Pulver). 
S. gebraucht dabei die Vorsicht, die Bezeichnung Äntipyrin 
durch den chemischen Namen Pyrazolonum phenyl.-dimethyl. zu 
ersetzen, einmal, weil es dann etwas billiger ist, dann aber, weil 
das Äntipyrin in Laienkreisen zu bekannt ist, als dass es in den 
Augen eines Schwerleidenden von .entsprechender Wirkung sein 
könnte. 

3. Scherf, Bad Orb: Einiges ttber Bad Orb. 

Bad Orb besitzt 2 kohlensäurereiche Solsprudel, die Philipps¬ 
und Ludwigsquelle, welche pro Minute ca. 600 Liter Sole in 
hohem milchweissem Strahle zutage fördern. Die Quellen ver¬ 
danken ihren Auftrieb dem starken Gehalte an Kohlensäure, 
welche als letzte vulkanische Aeusserung des benachbarten Vogels¬ 
berges, des deutschen Aetnas, anzusehen ist. Die chronischen 
Störungen am Herzen werden durch eine Trinkkur mit einem 
Kochsalzwasser, wie es die Martinusquelle darstellt, günstig be¬ 
einflusst, die vorteilhafte Zusammensetzung der Salze bedingt mit 
der Kohlensäure einen lebhaften diuretischen Effekt, welcher sich 
in einer auffallenden Steigerung der Hammenge kundgibt; die 
dioretische Wirkung erklärt oft das rasche Verschwinden von 
Oedemen, welches in der Wirkung der Bäder aUein sich nicht 
begründet. 

Die Lage und das Klima von Orb machen das Bad zu einer 
Erholungsstätte für Herzkranke. Es liegt in den Ausläufern des 
Spessarts, welcher sich durch seine ausgedehnten Nadelholzbestände 
anszeichnet, inmitten eines von allen Seiten geschützten und doch 
die Windbewegungen in genügender Stärke gestattenden Tales, auf 
durchlässiger Buntsandsteinformation. 

4. Naegeli-Ackerblom, Genf: Hintere Tamponade bei 
Hasenblnten. 

„Länger als höchstens 24 Stunden darf man wegen der Ge¬ 
fahr der Infektion den Tampon nicht liegen lassen; man entfernt 
ihn, indem man den Knoten durchschneidet und den Tampon 
mittels des Mundfadens aus der Choane und dem Munde heraus- 
zieht.“ Das war aber nicht in dem von N.-A. beobachteten Fülle 
beachtet worden, denn der übrigens 68jährige Kranke hatte bei 
schwerem Nasenbluten die Tamponade mit ganz dünnem Seiden¬ 
faden erhalten; da derselbe nicht störte, blieb er lange liegen 
(2^/2 Tag), und die Folge war, der Tampon war nur mit grossen 
Schwierigkeiten herauszuholen. Vergleiche die interessante Tech¬ 
nik! Jedenfalls ist es anzuraten, dass man sehr starke Seide 
oder Faden anwende, sodass der Patient selbst nach 24 Stunden die 
Entfernung des Tampons verlangt; denn ein dicker Faden oder 
ein entsprechender Bindfaden stört den Patienten (und auch den 
Arzt) in seiner Buhe und verhindert zu langes Warten. 

5. Maas, Berlin: Die lokale Anästhesie. 

Eine geschichtliche Zusammenstellung über die Phasen der 
Liokalanästhesie in ihrem Entwicklungsgänge. 

6. Pollak, Prag-Weinberge: Somatose and Furo. 

Da W. N. Clemm die Somatose nur als Stomacbicum und 
Abführmittel anerkannte, so sieht sich P. veranlasst dies Präparat 
in Schutz zu nehmen und ihm im Verein mit Puro massgebende 
Indikationen zuzuweisen. Aus den Erfahrungen über Somatose 
(Farbenfabriken vormals Friedr. Bayer & Co.) und Puro (Med.- 
Chem. Institut, Dr. H. Scholl, München) ist folgendes Beachtens¬ 
werte kurz hervorzuheben: Die Somatose wird — obwohl eine 
Albumose — sehr gut ausgenützt. Sie befördert die Ausscheid¬ 
ung der Milch. Auch das Puro ist ein ganz vorzügliches Nähr¬ 
mittel , mit besonderer Zusammensetzung und mit besonderen 
Indikationen. In vielen, insbesondere chronischen Fällen, ist die 
abwechselnde Anwendung beider Mittel angezeigt. In vielen 
Fällen insbesondere bei akuten schweren Infektionskrankheiten — 
vorzüglich Typhus abdominalis — erscheint die kombinierte An¬ 
wendung beider Mittel vorteilhaft. 

Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 24. 

Weissmaun, Lindenfels: Neues über Hetolbehandlnng der 
Tnberknlose nach Länderer. 

Auf dem 54. mittelrheinischen Äerztetag zu Koblenz am 10. 
Joni 1906 berichtet W. zunächst darüber, dass ihm aus dem 


literarischen Nachlasse Länderers ein Entwurf zu einer Arbeit 
über ein „Hetolsemm“ in die Hände gekommen wäre, der über 
das refraktäre Verhalten einzelner Patienten gegen Hetol aufzu¬ 
klären vermöge. Mit dem Hetolsemm werden zur Zeit von 
Guttmann-Berliii, von Schräge-Timmel und von W. Versuche 
gemacht. Diese Versuche sind noch nicht abgeschlossen, aber W. 
glaubt sagen zu dürfen, dass sie sehr aussichtsreich erscheinen 
und dass sie die Hoöhnng rechtfertigen, in dem Hetolserum eine 
wertvolle Verbesserung der Hetolbehandlung als ein Vermächtnis 
Länderers empfangen zu haben. Der Gedankengang Lände¬ 
rers, der ihn zur Erfindung des Hetolsemms brachte, ist fol¬ 
gender: Bulloch hatte festgestellt, dass durch Hetolinjektionen 
nicht nur eine künstliche Leukozytose, sondern auch eine ent¬ 
schiedene Erhöhung der Menge des Komplements hervorgerufen 
wird. Dagegen zeigte sich keine Zunahme des Immunkörpers. 
Wahrscheinlich bereiten die Leukozyten das Komplement oder 
die Alexine. Demnach kann man also die Hetolwirknng als 
Alexinwirkung Im Sinne Büchners auffassen. Auch Dieudonne 
hat sich dahin ausgesprochen, dass es bei der Anwendung der 
bakteriolytischen Immnnsera vor allen Dingen darauf ankomme, 
dass diese im menschlichen Körper ein passendes Komplement 
finden. Man darf nur annehmen, dass durch intravenöse Hetol¬ 
injektionen in einfacher und unschädlicher Weise im Blute selbst 
die Komplementbildung gesteigert wird. Bei einer unkomplizierten 
Tuberkulose wird meist Hypolenkozytose gefunden, ein Umstand, 
der dahin gedeutet werden kann, dass bei der Tuberkulose ein 
Mangel an Komplement besteht. Unter den gewöhnlichen Um¬ 
ständen werden nun bei der Tuberkulose Antitoxin und Immun¬ 
körper ^^hI gebildet, aber sie können nicht zur Wirkung gelangen, 
wegen Mangels an Komplement. Hier greift nun die Hetolinjektion 
helfend ein. So kam Länderer auf den Gedanken, nicht nur 
durch Hetolinjektionen eine Komplementvermehrung herbeizu- 
führen, sondern zu versuchen, auch die beiden anderen notwendigen 
Stoffe, das Antitoxin und den Immunkörper dem Organismus zu¬ 
zuführen. Länderer kombinierte die Hetolbehandlung mit der 
Serumbehandlung und entnahm das Serum Tieren, Rindern, die 
auf natürlichem Wege tuberkulös erkrankt waren, und die durch 
intravenöse Hetolinjektionen zur Heilung gebracht waren. Auf 
Grund klinischer Erfahrungen hielt Länderer die Rindertuber- 
kulose für ausgesprochen virulent für den Menschen und nimmt 
daher an, dass das Serum von Rindern nach erfolgter Heilung 
der Tuberkulose für dt n Menschen einen genügend hohen Heil¬ 
wert habe und reichlich Antitoxin und Immunkörper enthalte. 

A. R. 

Nr. 25. 

1. Kühner, Koburg: Die Zitronalknr in prophylaktischer 
und therapeutischer Beziehnng. 

Wesentlich unterscheidet sich die Zitronalknr von der schon 
von altersher beliebten und berühmten Zitronenkur, die infolge 
der grossen Quantität der zu konsumierenden Zitronen auf Magen 
und Zähne ungünstige Nebenwirkungen äussert. Die Zitronalkur 
bietet in Form von leicht zu nehmenden Pillen die wirksamen 
Bestandteile der Zitrone in konzentrierter Form, frei von üblen 
Nebenwirkungen unter Zusatz von zwei für die Bluternenerungs- 
kur sehr wirksamen Komponenten, ein diuretisch, die Folia myrtil- 
lorum und eia diJnierend, evakuierend wirkendes, die Cortex 
frangulae. Erstere, die Heidelbeeren, werden infolge ihres Ge¬ 
haltes an Zucker, Frnchtsäuren, Pektin, Gummi u. s. f. von 
Winternitz in zahlreichen Fällen als wertvolles Heilmittel — 
aiw der Küche — in unserem Sinne empfohlen. Die Faulbaum¬ 
rinde ist den Aerzten und Pharmazeuten als ein diluierend, ge¬ 
linde evakuierend wirkendes Mittel schon längst bekannt. Daher 
sind die von dem Chemisch-pharmazeutischen Laboratorium 
„Bavaria“ München, Apotheker R. Schoellkopf, hergestellten 
Zitronal-Pillen den Aerzten zum allgemeinen Gebrauch bestens 
empfohlen. 

2. Klautsch, Halle a. S.: Beitrag zur künstlichen Er¬ 
nährung der Säuglinge. 

Ein Präparat, welches sich im Laufe der Zeit bei der künst¬ 
lichen • Ernährung der Säuglinge gerade als Dauemahrung be¬ 
sonders gut bewährt hat, ist der S o x h 1 e t sehe Nährz^icker. 
Dieser Nährzucker, ein weisses, staubfeines, etwas hygroskopisches 


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388 


MEDICINISCHE! WOCHE. 


Nr. 37. 


Pulver, welches sidi in Wasser leicht zu einer schwach gelblich 
gefärbten, etwas opalisierenden Flüssigkeit von schwachem Halz- 
geruch und Malzgeschmaok löst, und etwas süsser als Milch¬ 
zucker, aber nur V« mal so süss als Rohrzucker ist, ist eine 
durch Umwandlung der Stärke des Weizenmehls hergestellte 
Mischung von Dextrin und Malzzucker, und zwar zu gleichen 
Teilen, welcher einmal ein geringer Säuregrad verliehen und dann 
zur Beseitigung der Ghlorarmnt der Kuhmilch, der Ursache der 
unzureichenden Salzsäureproduktion im Magen des Säuglings, noch 
eine geringe Menge von Kochsalz (ca 2%) beigefügt ist. Mit 
Hilfe des Näbrzuckers ist man imstande, das durch die Verdün¬ 
nung der Kuhmilch mit Wasser in ihr entstehende Defizit an 
Fett durch dem Fett isodyname Mengen eines für den kindlichen 
Organismus leicht resorbierbaren und assimilierbaren und dabei 
von erwünschten oder gar schädlichen Nebenwirkungen freien 
Kohlehydrats vollkommen zu ersetzen. Wenn ja auch der Milch¬ 
zucker, ebenfalls ein Kohlehydrat, als Fettersatz benutzt werden 
kann, und vielfach nach Heubner-Hoffmann auch benutzt 
wird, so hat dieser doch den grossen Nachteil, dass er in den 
Mengen, in welchen er eigentlich zu einer annähernd richtigen 
Ausgleichung der unterschiedlichen Verhältnisse der Kuhmilch zu¬ 
gesetzt werden müsste (ca. 450 g pro Liter), stark abführende 
Wirkungen entfaltet, ganz abgesehen von der nicht zu unter¬ 
schätzenden Gefahr der Milchsäuregärung in dem so überaus 
empfindlichen Darmkanal des Säuglings. Was die Meegen Nähr- 
zucker angeht, die sich nicht nur als ein zweckmässiger, sondern 
auch hinreichender Zusatz zu der mit Wasser verdünnten Kuh¬ 
milch erwiesen haben, so hält K. 50—60 g pro Liter der fertigen 
Milchmischung auf die Dauer für vollständig ausreichend f wenn 
auch grössere Mengen bis 100 g unbedenklich verwendet werden 
können, so tritt dabei doch in manchen Fällen eine Verstopfung 
ein, die nicht gerade sehr erwünscht ist. Die Lösung erfolgt am 
besten im heissen Wasser, welches dann der Milch zugesetzt und 
mit ihr sterilisiert wird. Die Nahrung wurde in jedem Lebens¬ 
alter, selbst in den ersten Monaten, ausgezeichnet vertragen, ohne 
den Darm zu reizen oder Gärungen in ihm hervorzurufen. Die 
Dejektionen, welche im Säuglingsalter den sichersten Gradmesser 
für die Zweckmässigkeit des gewählten Emährungsmodus abgeben, 
erfolgten regelmässig und schmerzlos, waren von graugelber Farbe, 
wasserarm, trocken, von neutraler bis alkalischer Reaktion und 
enthielten keinerlei Beimengungen unverdauten Materials. Die 
mit Nährzuckerlösung verdünnte Kuhmilch reichte quantitativ so¬ 
wohl wie qiialitativ vollständig als Nahrung für den Säugling aus, 
sie entsprach dem Nabrungsbedürfnis desselben einerseits und 
förderte seine körperliche Entwicklung andererseits in befriedi¬ 
gender Weise, was sich namentlich durch Zunahme des durch 
Rundung der Körperformeu sich manifestierenden Fettpolsters, so¬ 
wie dur^ blühende Gesichtsfarbe zu erkennen gab. A. R. 

Nr. 26. 

Althen, Wiesbaden: ITeber Bauerinhalationen von äthe- 
riBchen Oelen bei Blatarrhen der Atmnngswege. 

Neben dem vielfach verwandten Eukalyptusöl wird das Oel 
der Zitrone und das der krausen Minze resp. eine Kombination 
dieser 3 am längsten vertragen und zwar in folgender Formel ge¬ 
braucht ; 

Rp. Olei Eucalypti 30,0 

Olei Citri 10,0 

Olei Menth, crisp. 10,0 

Mds. Zur Inhalation. 

Hiervon giesst A. auf ein zweimal zusammengelegtes Taschen¬ 
tuch, das er über Mund und Nase legt und mit zwei seitlich an¬ 
gebrachten Gummischleifen, ähnlich wie eine Schnurrbartbinde, an 
den Ohren in seiner Lage halten lässt, dreimal täglich 5 Tröpfen 
und lässt jedesmal eine halbe Stunde lang das verdunstende Oel 
eiimtraen. Ausserdem lä.sst er vor dem Schlafengehen dieselbe 
Prozedur noch einmal vornehmen und das Tuch möglichst lange, 
manchmal sogar die ganze Nacht, über Mund und Nase liegen. 
Durch diese Anordnung beabsichtigt A. auch eine Vertiefung der 
einzelnen Atemzüge und damit eine bes.sere LiingengjTnnastik. 
Denn durch die etwas behinderte Atmung muss wegen Wieder¬ 


einatmung eines Teils der kohlesänrereichen Ezpirationsluft die 
Inspii’ation eine tiefere werden, damit die Lunge auf das ihr un¬ 
umgänglich nötige Sauerstoffquantum kommt. A. R. 

Nr. 29. 


Kühner, Koburg: „Mein System'* der Behandlung interner 
ohronisoher Erkrankungen. , 

K. empfiehlt ein Sei fe-Prottier-Heisswa8ser-(Licht)-Luftbad mit 
MuskelUbung. Hierzu dient ein einfaches Wasc^efäss, in welchem 
man, bald stehend, bald sitzend, den ganzen Körper bei Zimmer¬ 
wärme mit Wasser von gleicher Temperatur, noch besser bei 
kühler Witterung, welche von kalten Anwendungsformen zurück¬ 
schreckt , mit heissem Wasser unter ständigem Abseifen wäscht. 
Das Frottieren kann für sich, vor, während und nach der Wasser- 
anwendung mittels eines rauhen Handtuches, Frottiertuches iind 
dergl. stattfinden. Das Frottieren des glanzen Körpera wirkt 
kräftiger als ein Massage, um so mehr, als die ganze Schwitz- 
prozednr — insoweit es der Kräftezustand des Kranken ge¬ 
stattet — von ausgiebigen Muskelübungen nach den allgemeinen 
Grundsätzen der Haus- und Zimmergymnastik zur Anregung der 
Haut- und Lungenatmung begleitet wird. 


lieber Perbydrolmiuidwasaer. (Haltbares S%ige8 chem. 
reines Mercksches Wasserstoffsuperoxyd). 


Auf Koerners-Halle Anregung bin machten v. Meri n g sowie Hein- 
rici Versuche mit Mitteln, welche imstande sind, verdünnte wässerige 
Lösungen von B, 0, in der gewünschten Weise haltbar zu machen, 
fonden nämlich, dass verdünnte, wässerige Lösungen von H, 0, dauernd 
haltbar gemacht werden können durch Zusätze minimaler Mengen (z. B. 
0,05 "/n und weniger) von neutralen Körpern aus der Klasse der Acylamide, 
Acylimide der Acylderivate der aromatischen Basen etc., Stoffe, die in der 
ang<^ebenen Verdünnnng absolut indifferent sind. Bin Zusatz von 0,(^V» 
eines zu dieser Gruppe gehörigen Körpers genügt, um eine dauernde Halt¬ 
barkeit ohne besondere Vorsichtsmaßregeln und ohne Schädigung für Schleim¬ 
haut und Zähne zu erzielen. Ferner wurde darauf geachtet, dass ein auf 
die eben angegebene Weise bereitetes H, 0, im barten, möglichst alkaliarmen 
Glas aufbewärt wird, da sonst eine geringe Abnahme von H, 0, eintritt. 

Das von der Chem. Fabrik Krewel & Co., Köln ln den Handel gebrachte 
Perbydrolmundwasser ist nach K. ungiftig, ja indifferent für den Gesamt- 
Organismus; es vorßrbt nicht im geringsten die Zähne; und besitzt auch 
in 1 Vo iß^en Lösungen ausreichende deeinfizierende B^nschaften. Denn 
Perhydrolmandwasser, welches 37qi?ce säurefreies Wasserstoffsuperoxyd 
ist, soll zum gewöhnlichen Gebrauch als Mundwasser mit zwei Teilen Wasser 
verdünnt werden, also als 1% ige Lösung zu Mundspülungen benutzt werden. 
Auf K.8 Veranlassung hatte cand. med. dent. Schm i dt im Hallescben Hygie¬ 
nischen Institut (Dir. Geh. Med.-Rat ProfFraenkeLunterAu^ebt von nof. 
So herb ei m eingehende Versuche mit haltbar gemacQten3%igen Merckseben 
Wasserstoffsuperoxyd veranstaltet. Die Resultate dieser Arbeit (Hyg. 
Rundschau, 1906, Nr. 10) sind kurz folgende: Beim Spülen der Mundhöhle 
mit lOVoig[@ni haltbaren Merckseben Wasserstoffsuperoxyd (15ccm) wurde 
die Zahl der Mikroorganismen der Mundhöhle nach 1 Minute meist bis etwa 
auf die Hälfte, nach 3 Minuten noch mehr und nach 5 Minuten unge&hr 
auf den 4. bis 5. Teil reduziert. 


Versnebe mit Reinkulturen des Bac. acidi lactici ergaben, dass stark 
konzentrierte Anfschwemmungen des Mikroorganismus in die Mundhöhle 
gebracht, durch H,0,-Spülungen (S^/oige Lösung) eine sehr energische nnd 
nach 3 Minuten nahezu vollständige Abtötung erfuhren. Dur^ l^/.ige 
Lösung war die Zahl der Keime nach 5 Minuten ungefilhr auf ein tausendstel 
vermindert. Bei Reagensglasvcrsucben mit Reinkulturen des Bac. acidi 
laciti, bei denen das Versucbsmaterial während des ganzen Versuchs ge¬ 
schüttelt wurde, wurden durch H,0, (17o) Kenne nach 5 Minuten 
abgetOtet. 

Durch H, 0,-Zusatz zu Milchzucker- und TraubenznckerlOsungen, 
sowie zu einem in besonderer Weise bereiteten Brotspeicbelgemiscb konnte 
eine deutliche Verringerung der Gärungswirkung erreicht werden. Dieser 
gärungshemmende Effekt trat schon bei verhältnismäßig schwacher Konzen¬ 
tration von H, 0. zutage. Hervorragend ist die desodorierende Wirkung 
des Perhydrolmunawassers. Schliesslich wirkt Perhydrol auch stark mechanisch 
reinigend, durch seine Scbaumbildung. Was nun die Art und Weise des 
Gebrauchs des Perbydrolmundwasser anbelangt, so rät K. (Acrztl. Viertel¬ 
jahresrundschau 1906, 1. Januar) nach erfolgter sorgfältiger und gründlicher 
Reinigung des Mundes und der Zähne mit Wasser; Bürste mit Zahnstocher, 
Znhnseifo oder Pulver — eine Reinigung, die am besten nach jeder Mahl¬ 
zeit, mindestens aber früh und abends ausgefUbrt werden sollte — das 
Porhydrolmundwasser mit 2 Teilen Wasser zu verdünnen (vielleicht 1 Tee¬ 
löffel in 2 Teelöffel Wasser). Diese Menge ist auf einmal in den Mund 
zu nehmen und unter den gewöhnlichen starken Spülbewegungen möglichst 
lange, mindestens aber 2—3 Minuten in dem Munde zu lassen. £s wird 
eine sehr starke Schaumbildung erfolgen, welches zur Erzielung des vollen 
Erfolges nötig ist. Es ist klar nnd einleuchtend dass je länger man sich 
gewöhnt, das Mundwasser im Mundo zu behalten, um so stärker die Wirkung 
des HjO, sich entfalten wird. A. R. 


Verantirortlicher Redakteur: Dr. P. Meittner, Berlin W. U, ^urfürttentlr. 81. — Verlag Ton Carl Marhold, Halle a. R. 
Oroek von der Heynemaan'tchen Buehdrvdcerei, Gefar WolfT, Halle a. S 


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Medicinische Woche 


Dentsebmann, A. Dfibmen, A. Hoffa« E. jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bt. 

H. Senator, R. Sommer, 
Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a. Sf UUandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Matbold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 623. 


Herausgegeben von 



R. Kobert, M. Koe 


ppen, K. Partsch, H. Roalo, H. Schlange, 

ln. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. Unverricht, A. Vosslosi 

Magdeburg. Glessen. 


Redaktion: 

Berlin W. 62, Knrfflrstenstrasse 81. 

Dr. P Meißner. 


vn. Jahrgang. 


17. September 1906. 


Nr. 38. 


Die .Medicinische Woche'erscheint Jeden Montag mit der Utagigen Beilage Balneologische Ceiltralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Blderrerbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebfider, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4gespaitene Petitzeile oder deren Raum mit 60 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bel gröfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Origlnalien. 

Die Indikation und die Technik der Paracentese 
in der Praxis. 

Von Dr. Max Hagodoril) Hamburg. 

Der Arzt, welcher in einer kleineren Stadt oder auf dem 
Lande AUgemeinpraxis ausübt, muss vorkommenden Falles im¬ 
stande sein, lebensrettende Operationen, wie Tracheotomie und 
Hemiotomie, oder die Sinnesorgane rettende, wie Iridektomie 
zu machen. Beiden Anforderungen — eine Leben und Sinnes¬ 
organ erhaltende Operation auszuführen — wird er sogar zu 
gleicher Zeit gerecht, wenn er in die Lage kommt, die Para¬ 
centese des Trommelfells vorzunehmen. Wenn es auch heute, 
bei der Ueberschwemmung unseres Vaterlandes mit Ohrenärzten, 
nicht mehr so schwierig ist, einen solchen zu erreichen, als bei¬ 
spielsweise vor 20 Jahren, so gibt es doch Fälle, in denen im 
gegebenen Augenblick sofortige Eröffnnng des Trommelfells 
notwendig wird und eine Verzögerung bis zur Hinzuziehung 
eines Spezialisten sogar Lebensgefahr für den Kranken mit 
sich bringen kann. Daher erscheint es wohl wichtig genug, 
dem medicus practiens die Indikation und die Technik des 
Trommelfellschnittes ins Gedächtnis zurückzurufen. 

Es gibt für den allgemeinen Praktiker nur eine Indi¬ 
kation für die Paracentese: Drucksteigerung und Spalt¬ 
pilzinfektion durch Retention von Flüssigkeit hinter 
dem Trommelfell. Diese Erscheinung kann bei verschiedenen 
Erkrankungen des Mittelohres eintreten, wobei dann manchmal 
die Drucksteigerung, und manchmal die Infektion überwiegt und 
das Krankheitsbild beeinflusst: so die erstere bei dem serös- 
schleimigen Mittelohrkatarrh, die letztere bei den schleimig- 
eitrigen Exsudaten der akuten Mittelohrentzündung und bei 
der rein eitrigen otitis media suppurativa acuta; ebenso bei 
chronischen Eiterungen, wenn bei sehr kleiner oder hochge¬ 
legener Perforationsöfihung eine Stockung des Ausflusses und 
Retention des Eiters eintritt. Es spielt natürlich dabei die Be¬ 
schaffenheit des Trommelfelles eine hervorragende Rolle: bei 
festem, verdicktem, wenig beweglichem Trommelfelle werden 
die reinen Druckerscheinungen in den Vordergrund treten, 
während bei nachgiebiger Membran mit verdünnten Teilen die 
Infektiosität des Exsudates wichtiger sein wird, als die Re¬ 
sistenz der Hant. 

Die alarmierenden Erscheinungen, welche zur Paracentese 
nötigen, verlaufen unter dem Bilde der Cerebralirritation resp. 
der beginnenden Meningitis. Auch beim einfachen exsudativen 
Mittelonrkatarrh treten, besonders bei erethischen Personen, 
hauptsächlich Kindern, die Symptome der Cerebralirritation, 
welche auf conseoutiver Gehirn- und Labyrinthhyperämie be¬ 
ruhen und sich in gesteigertem Kopfschmerz, Schwindel, Sopor, 


Delirien, auch Fieberbewegungen äussem, auf. Ja, da nach 
solchen akuten Paukenhöhlenkatarrhen bei intaktem Trommel¬ 
fell und serösem oder serös-blutigem Exsudat von Schwartze 
und Zaufal Todesfälle durch Meningitis beobachtet worden 
sind, so muss man die Indicatio vitalis bei der Erwägung, ob 
Paracentese nötig, wohl im Auge behalten. 

Selbstverständlich tritt die Gefahr der Meningitis in viel 
höherem Maße auf, wenn der Exsudat eitrig ist. Hier ist von 
vornherein schon das ganze Krankheitsbild ein viel ernsteres: 
vor allem sind die Schmerzen viel heftiger, bis zu unerträg¬ 
licher Höhe sich steigernd, besonders wieder bei erethischen 
Personen, vorzüglich Kindern; hochgradiges Fieber, schliesslich 
ein rein cerebraler Symptomencomplex - Schwindel, Erbrechen, 
furibunde Kopfschmerzen, Delirien und Consulsionen, träge 
Pupillen, kurz, das Bild der beginnenden Meningitis! Dass 
hier eine sofortige Coupierung des Krankheitsprozesses erforder¬ 
lich, liegt auf der Hand: dafür ist die Paracentese das sicherste 
und harmloseste Mittel. 


Genau in der gleichen Weise, wie die akuten Exsudations¬ 
prozesse hinter dem Trommelfell, bringen die chronischen 
Lebensgefahr, sobald bei sehr kleiner oder sehr hochgelegener 
Perforationsöffiinng der Eiter nicht abfliessen kann: allgemeine 
Retentionserscheinungen treten auf, Schwindel, Schmerzen, 
Resonanzerscheinungen, Parakusis, O^ression, Aprosexie, Kopf¬ 
schmerzen, Fiebersteigerungen usw. Wird hier nicht schleunigst 
durch Erweiterung der Perforationsöffhung oder Anlegung 
einer neuen an der tiefsten Stelle für Eiterabfluss Sorge ge¬ 
tragen, so sind die Meningen durch Verbreitung der Eitercoccen 
längs der sutura petroso-sq^uamosa gefährdet und indicatio vi¬ 
talis kann eintreten und vielleicht ist es dann schon zu spät. 

Wie erkennt nun der Operateur, wenn die allgemeinen Er¬ 
scheinungen bei einem Kranken auf ein schleuniges Handeln 
hindrängen, aus der Besichtigung der Ohren, ob eine der an¬ 
geführten MittelohrerkrankuMen vorliegt und ob der Zeitpunkt 
für den Eingriff da ist? Das ist natürlich für Jemand, der 
viel Trommelfelle gesehen hat, nicht gar so schwer — obwohl 
auch dem Spezialisten Bilder verkommen, die beim ersten An¬ 
schauen irreführend sind — von dem aber, .4er nur selten ein 
Trommelfell zu sehen Gelegenheit hat, muss es gelernt werden, 
die Zeichen der Entzündung, Secretanhäufnng- una Zurückhaltung 
zu sehen und zu verstehen. Erste Regel ist natürlich, in jedem 
Falle von Cerebralsymptomen bei akuter Erkrankung die Ohren 
zu untersuchen, auch wenn keine Ohrenschmerzen geklagt 
werden, da die Toleranz der Kranken an und für sich eine in 
sehr grosser Breite wechselnde zu sein scheint und ausserdem 


durch die Gehimerscheinungen die Aufmerksamkeit leicht von dem 
Ohre abgelenkt werden kann — ebenso leicht sollte aber auch 
das Vorhandensein oder Eintreten akuter Meningealreiznng eine 
wohl zu beherzigende Aufforderung zur Untersuchung der 
Ohren seinl Findet man nun bei dieser Untersuchung ein ab¬ 
normes Trommelfellbild, so wird der Verdacht auf Meningeal- 
irritation ex otitide nur bestärkt, was zu genauerer Untersuchung 
auffordert; man fahndet auf das drucksteigernde Exsudat. 


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ICSDIClKlSCHB WOCHB« 

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Nr. 38. 


Da ist es non auffällig — wenn auch sehr erklär¬ 
lich — dass man eine Flüssigkeitsansammlung hinter dem 
Trommelfell bei den hier in Betracht kommenden Fällen häufig 
genug nicht direkt erkennen kann, sei es dass die Transparenz des 
Trommelfelles getrübt ist und dieses durch Imbibition, Schwellung 
und Verdickung vollkommen undurchsichtig geworden, besonders 
wenn starke Rötung desselben und Gefässüberfüllung auftritt, 
sei es, dass die Stellung desselben sich geändert hat. Man 
sollte hier nun annehmen, dass sich ein stärkerer Flüssigkeits¬ 
erguss hinter dem Trommelfell immer durch Vorwölbung 
desselben, sei es im ganzen, sei es nur teilweise, anzeigen 
werde. Das ist aber in vielen Fällen nicht so: ^rtielle ^r- 
wöibungen, insbesondere Blasenbildung auf dem Trommelfelle 
findet man fast häufiger bei der akuten Myringitis als bei der 
akuten otitis media, und starke Auswärtswölbungen des 
Trommelfells im ganzen sind erst recht selten zu sehen. Auf¬ 
fälligerweise ist in solchen Fällen häufiger das Trommelfell 
nach innen gedrückt, eingezogen und concaver erscheinend, 
als man es für möglich halten sollte. Ob diese Stellung durch 
die völlige Aufsaugung der Luft hinter dem Trommelfell oder 
durch eine entzün<fiiche Reizung des tensor tympani, der sich 
infolge dieser Irritation stark contrahirt, oder durch beide Um¬ 
stände veranlasst wird, scheint mir noch nicht sicher ent¬ 
schieden zu sein. In solchen Fällen ist es mitunter schwer, 
sich von dem Vorhandensein eines Trommelfelles, zumal der 
Hammergriff stark verkürzt ist, zu überzeugen, bis man den 
Prozessus brevis gefunden hat. Vereinigt sich nun dieses Bild 
starker Retraktion mit starker Rötung der Membran und 
Füllung der radiär in der Oberhautschicht des Trommelfelles 
verlaufenden Gefässe, so liegt sicher ein Exsudationsvor¬ 
gang entzündlicher Natur in der Paukenhöhle vor. Ob aber 
ein eitriger oder nicht eitriger Prozess da ist, kann erstens mal 
von relativer Auffassung abhängig sein, vielleicht aus der 
Schwere der Allgemeinerscheinungen geschlossen werden, auch 
nur quoad diagnosin von wert sein: die Therapie, schleunige 
Paracentese des Trommelfells, wird lediglich durch die Cere¬ 
bralerscheinungen, höchstens noch durch excessive Schmerzen 
angezeigt und muss schleunigst vollzogen werden. 

Es ist nun aber die Ausfühmng des Trommelfellschnittes, 
besonders in den letzt geschilderten Fällen, gar nicht so leicht, 
als man genemt ist, anzunehmen, weil die Tiefe, in der man 
operiert, die E^mmung des Gehörgangs, die Einziehung des 
Trommelfells und die zur Axe des Gehörgangs stark geneigte 
Stellung der Membran eine grosse Rolle spielen; man muss 
seiner Hand und der Accommodationsfähigkeit seiner Augen ab¬ 
solut sicher sein, um die Paracentese des Trommelfells machen 
zu können. 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Fortsetzung.) 

Werden nun auf Erfordern der Polizeibehörde in der Be¬ 
hausung des Kranken die nach dem Gutachten des beamteten 
Arztes zum Zwecke der Absonderung notwendigen Einrichtungen 
nicht getroffen, so kann, falls der beamtete Arzt es für uner¬ 
lässlich und der behandelnde Arzt es ohne Schädigung des 
Kranken für zulässig erklärt, die Ueberführong des Kranken in 
ein geeignetes Krankenhaus oder in einen anderen geeigneten 
ünterkunftsraum erfolgen. 

Bei Dyphtherie und Scharlach darf eine üeberführung 
von Kindern ins Krankenhaus gegen den Willen der Eltern 
nicht angeordnet werden, wenn nach Ansicht des beamteten 
Arztes oder des behandelnden Arztes (für gewöhnlich kommt 
ja nach dem vorher mitgeteilten nur der b^andelnde Arzt in 


Man muss sich daran erinnern, dass das Trommelfell in 
seinem oberen und seinem hinteren Quadranten dem Gehör- 

f angsei^ang viel näher liegt, als im unteren und vorderen 
eile. Wenn man also den üblichen Schrägschnitt quer zu 
den Radiärfasern der Haut von hinten unten nach vom an- 
legen will, so muss man mit der Spitze der Paracentesennadel 
allmählich etwas tiefer gehen, weil man sonst nur die Haut 
ritzen oder aber aus ihr vollständig herauskommen würde. 
Umgekehrt muss man bei einem Längsschnitt von unten nach 
oben (etwa in der Membrana Shrapnelli) die Nadel etwas an 
sich heranziehen, damit man nicht zu tief in die Paukenhöhle 
gelangt, die gegenüberliegende Schleimhaut verletzt oder gar 
in den Knochen gerät und die Spitze abbricht — nebenbei 
bemerkt, ist das letztere Ereignis zwar beschämend, aber durch¬ 
aus nicht gefährlich, weil die aseptische Nadelspitze immer 
ohne Reaktion in den Knochen einbeilt. Zur Ausführung der 
Operation ist erstens Antisepsis erforderlich — asepsis ist wohl 
nur für das Instrumentarium, nicht aber für den Gehörgang 
selbst zu erreichen. Die Desinfektion des Gehörgangs ge¬ 
schieht nach meinen Erfahrungen am einfachsten und sichersten 
durch Eingiessen einer warmen 10% Carbolglycerinlösung, 
welche ja so wie so zur Schmerzstillung vor der Operation 
angewendet worden ist und welche auch die Sensibilität des 
Trommelfells genügend herabsetzt, sodass Narkose kaum er¬ 
forderlich erscheint. Es ist bei der Ordination nur ein wesent¬ 
licher Punkt zu beachten, nämlich der Umstand, dass eine 
10% CarbollÖsung in Wasser ein starkes Aetzmittel dar¬ 
stellen würde. Daher ist jede Spur von Wasser bei der Lö¬ 
sung zu perhorrescieren, ich verschreibe aus diesem Grunde: 
Rp. acid. carbol. pur. i,0 glycerini anhydric. ad 10,0 und 
mcht acid. carbol liquefact, wozu Wasser benutzt wird und 
nicht einfach Glycerin, welches auch immer wasserhaltig ist. 
Das Carboiglycerin möglichst wasserfrei gemacht, ist kein 
Aetzmittel sondern ein vorzügliches Anaestheticum und Des- 
inficiens, welches für die Antisepsis des Gehörgangs aus¬ 
reichend ist. Die Hände und das Instrumentarium des Arztes 
werden in der üblichen, jedem Praktiker bekannten Weise 
aseptisch gemacht (ich ziehe die Paracentesennadel immer un¬ 
mittelbar vor dem Einstich durch eine Spiritusflamme). Dazu 
muss beste Beleuchtung mittels Stirnspiegels vorhanden sein, 
damit man beide Hände frei bat. Der Kopf des Patienten 
muss gehalten werden, indem je nach dem Allgemeinbefinden 
der Kranke im Bette liegt oder auf einem Stuhle sitzt Nur 
bei stark delirirenden od^er an und für sich sehr unbändigen 
Kranken ist Narkose von nöten. 

Welches Instrument man benutzt, ist gleichgiltig: Das am 
wenigsten praktische ist ein solches, welches unter der Spitze 

Frage) eine ausreichende Absonderung in der Wohnung sicher 
gestellt ist. Hier möchte ich besonders darauf hinweisen, dass 
man in Familien, welche Lebensmittelgeschäfte betreiben, zu¬ 
mal auch Miichhandlungen, ärztlicherseits möglichst darauf 
halten möge, dass die Erkrankten ins Hospital überführt werden. 
Andernfalls gestatten die angegebenen Schutzmaßregeln be¬ 
sondere Ueberwachung, Beschränkungen, ja selbst Untersagung 
des Geschäfts. Z. B. würde eventuell in einem Milchgeschäft 
jeder Handel mit Milch untersagt werden können, so lange die 
Mutter gleichzeitig diesen Handel besorgt und etwa an Schar¬ 
lach erkrankte Kinder zu pflegen hat 

Das geringste Maß der Ueberwachung ist die vom Gesetz 
vorgeschnebene Beobachtung, mit der für gewöhnlich keine 
Verkehrsbeschränkung verbunden ist Dieselbe bedingt nur, 
dass die Behörde gelegentlich durch Nachfr^e sich über den 
Gesundheitszustand des Betreffenden orientiert. In welchen 
Fällen im Einzelnen eine Beobachtung oder Absonderung ver¬ 
langt werden kann, ergibt sich aus den Ausfühningsbestimmungen 
zu § 8. Da hierbei ebenso wie im Reichsgesetz, kranke, krank¬ 
heitsverdächtige und ansteckun^verdächtige Personen unter¬ 
schieden werden, so sei auf die hierzu gegebene Definition 
hingewiesen: Krank im Sinne des Gesetzes sind solche Per¬ 
sonen, bei welchen eine der im § 1 aufgeführten Krankheiten 
festgestellt ist 

Krankheitsverdächtig sind solche Personen,!welche 

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1906. 


MBDICINISCHB WOuuB. 


391 


eine Verdickung hat, damit die Spitze nicht zu tief hinein’ 
dringe; diese rarazentesennadeln beeinträchtigen durch ihr 
Volum sehr das Gesichtsfeld in dem ohnehin durch Schwellung 
der Gehörgangswände meist verengerten Operationsgebiet. 

ln welcher Weise man mit einer solchen Paracentesen- 
nadel den Schnitt anlegt, hängt von den Umständen des Falles 
ab. Liegen Vorwölbungen des Trommelfelles vor, so wird man 
in der grössten Ausdehnung dieser einschneiden, ob vertikal 
oder horizontal, ist gleichgiltig. Hat man die Wahl, so bevor¬ 
zugt man allgemein den hintern untern Quadranten, weil der 
der Hand näher liegt als irgend ein anderer und macht einen 
schrägen oder horizontalen Schnitt, weil ein solcher die Ra* 
diärfasem durchtrennt und ein längeres Offenbleiben der Oeff- 
nung gewährleistet Denn das ist die Cruz des Trommelfell* 
schmttes, dass die angelegten Oeffnungen unerwünscht schnell 
wieder verheilen, während man sie gerne solange offen halten 
möchte, bis die Sekretbildung aufgehört hat; man muss also 
nach 24 Stunden mit einer Knopfsonde oder einem geknöpften 
Messerchen wieder in den Schmtt hineingehen und me Wund¬ 
ränder trennen. Nach Anlegung des Trommelfellschnittes unter¬ 
lasse man alle Manipulationen, wie Ausspritzen des Gehörgangs 
oder Luftdouche — sie sind meistens schmerzhaft und bringen 
die Gefahr der Infektion mit sich, besonders die Luftdouche — 
sondern tamponiere den Gehörgang mit lockerem Jodoform¬ 
gazestreifen, wenn man nicht etwa eine stärkere Blutung durch 
eine feste Tamponade zu beseitigen hat Nach 12 Stunden 
Revision des Ohres und Entfernung der tamponierenden Gaze. 

Von üblen Zufallen, welche sich bei der Paracentese er¬ 
eignen können, sind beobachtet worden Ohnmacht, Schwindel, 
E^rechen, Verletzung der Labyrinthwand der Paukenhöhle, 
Verletzung der Chorda t 3 nupani, schliesslich stärkere Blutungen. 
Der erste Erscheinungskomplex von Ohnmacht, Schwindel, Er¬ 
brechen pfle^ nur bei sehr reizbaren Kranken aufzutreten und 
hat, abgesehen von dem üblen, resp. alarmierenden Ein¬ 
druck aiif die Angehörigen, kaum etwas zu bedeuten. Ebenso¬ 
wenig die Verletzungen der hinteren Paukenhöhlenwand. Es 
sind wohl schwerlich üble Zufälle danach vorgekommen, selbst 
wenn die Nadelspitze abbrach, was bei Anfängern ab und zu 
passieren soll. Auch die Verletzung des Chorda tympani führt 
nur zu unerheblichen und vorübergehenden Beschwerden. Die 
durch die Durchschneidu^ hervorgebrachten abnormen Em¬ 
pfindungen (prickeln im ^ngenrande der betreffenden Seite, 
saurer Geschmack, vermehrte Speichelabsonderung) pflegen in 
einigen Wochen nach Zusammenheilung des Nerven ver¬ 
schwunden zu sein, sind auch meistens nur bei genauerem 
Nachfragen dem Patienten bemerklich. 

Bedenklich können unter gewissen Umständen die gewöhn¬ 


lich nicht bedeutenden Blutungen werden, sei es, dass man 
unglücklicherweise einen Haemophilen operiert hat, oder dass 
infolge einer anatomischen Anomalie der Bulbus venae jugularis 
verletzt wurde. Der letztere Fall, welcher zu den erheblichsten 
Blutungen geführt hat, wird sich wohl meistens durch die tief¬ 
blaue Verfärbung im hinteren untern Trommelfellquadranten 
anzeigen, wenn noch genügend Transparenz vorhanden ist, und 
kann dann ja die Inzision an einer ungefährlichen Stelle an¬ 
gelegt werden; meistens hat sich die Blutung durch Tampo¬ 
nade stillen lassen. 

Erfährt man durch die Anamnese, dass Haemophilie vor¬ 
liegt, so wird man natürlich die Paracentese nicht mit dem 
Messer, sondern mittels des Galvanokauters machen, um der 
Blutungsgefahr aus dem Wege zu gehen. 


Sitzungsberichte. 

Berliner medielndsche QeseUschaft, 

Sitzung am 23. Mai 1906. 

Tagesordnung: 

Munter: Ueber Hydrotherapie bei fieberhaften Infektions¬ 
krankheiten. 

Das Fieber ist als ein Heilfaktor zu betrachten; es ist nach¬ 
gewiesen, dass durch gesteigerte Temperatur die Antitoxinbildung 
gefördert wird, dass die Alkalescenz des Blutes gesteigert wird. 
Fieber als solches braucht also nicht bekämpft zu werden. Lang- 
dauernde, hohe Temperatursteigerungen dagegen haben eine un¬ 
günstige Einwirkung; sie führen zur Sdiwäche des Herzens and 
des Vasomotorensystems. Gegen exzessive Fiebersteigemngen soll 
man vorgeben; namentlich ist zu erstreben, eine continua conti- 
nuens zu unterbrechen und plötzliche hohe Temperaturanstiege zu 
verhüten. Eine erhöhte Wäxmeprodnktion wird ausgeglichen durch 
vermehrte Wärmeabgabe. Diese physilogische Reaktion ist bei 
Bekämpfung des Fiebers zu unterstützen. Bei mäßig hohen Tem- 
peratursteigerungen genügen kühle Waschungen des Körpers 16 
bis 24^ morgens und abends. Soll mehr Wärme entzogen werden, 
greift man zu allmählich abgekühlten Bädern; dieselben sollen 
eine Dauer von 15—25 Minuten haben; der Kopf ist dabei zu 
schonen. Kalte Vollbäder von 10—15 Minuten sind bei dauernder 
Continua angebracht; doch ist hierfür Vorbedingung ein kräftiger 
Puls, um vor einem Kollaps gesichert zu sein. Ein Verfahren, 
das dem Stamme Wärme entzieht, den Extremitäten dagegen 
Wärme zuführt, ist besonders für mit Schüttelfrost einhergeliende 
Infektionen geeignet. 


unter Erscheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch einer 
im § 1 anfgeführten Krankheiten befürchten lassen. 

Ansteckungsverdächtig sind solche Personen, bei 
welchen zwar solche Erscheinungen noch nicht vorliegen, bei 
denen aber infolge ihrer nahen Berührung mit Kranken die 
Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sie den Anstecknngsstoff einer 
der in § 1 aufgeführten Krankheiten in sich aufgenommen haben. 

. Während das Reichsgesetz bei Anstecknngsverdächtigen 
die Beobachtung bezüglich aller Krankheiten, die es nennt, er¬ 
möglicht, beschränkt sich die Beobachtung im preussischen Ge¬ 
setz auf solche ansteckungsverdächtige Personen, die von einem 
tollen- oder tollwutverdächtigen Tiere gebissen worden sind. 

Der § 8 gibt auch die gesetzliche Grundlage für die 
üeberwachung der Prostitution, und zwar genügt schon der 
Ansteckungsverdacht, der ja wohl bei allen Prostituierten vor¬ 
liegt, zur Beobachtung, d. h. zur sittenpolizeilichen Kontrolle, 
w^rend für die Absonderung, die hier wohl zumeist in Ueber- 
führung ins Hospital bestehen wird, das Vorhandensein der 
Geschlechtskrankheit Erfordernis ist. 

Wenn auch bei Typhus und Rückfallfieber nach Möglich¬ 
keit dafür zu sorgen ist, dass bei ungenügenden Wohnungs- 
verhältnissen der Erkrankte ins Hospital überführt wird und 
das Gesetz sogar in diesen Fällen die Möglichkeit zur gänz¬ 
lichen oder teilweisen Räumung von Wohnung und Gebäuden 
gibt, so ist doch auch der Fall denkbar, dass gelegentlich der 


Transport eines Typhus- oder Ruhrkranken aus seiner Wohnung 
heraus unmöglich ist. In solchen Fällen können Wohnungen 
oder Häuser kenntlich gemacht werden durch gelbe Tafeln 
bezw. gelbe Laternen. Aebnlicbes bestimmt das Eeichsgesetz 
im § 14. 

Bezüglich der Vorsichtsmaßregeln der Hebammen sei nur 
kura bemerkt, dass dieselbe bei Fällen von Kindbettfieber oder 
Verdacht desselben während der Dauer der Beschäftigung bei 
der Erkrankten und innerhalb einer Frist von 8 Tagen, die 
jedoch nach Lage des Falles vom Kreisarzt verkürzt werden 
kann, jede anderweitige Tätigkeit als Hebamme oder Wochen¬ 
bettpflegerin unterlassen müssen. 

Eine kurze Besprechung erfordert noch das ärztliche Ver¬ 
halten in Fällen von Inmktionskrankheiten gegenüber der 
Schule; bisher waren die zu beobachtenden Vorschriften gegeben 
durch den Erlass des Ministers der Medizinal-AngeWenheiten 
vom 14. 6. 1884, bezw. vom 20. 5. 1898. Unter ^grunde- 
leguDg einiger ^äteren Ergänzungen bestimmen dieselben Fol¬ 
gendes: Zu den Krankheiten, welche vermöge ihrer Ansteckungs- 
fähigkeit besondere Vorschriften für die Schule nötig machen, 
gehören a) Cholera, Ruhr, Masern, Röteln, Scharlach, Diphtherie, 
Pocken, Flecktyphus, Rückfallfieber, für den Bezirk Köln auch 
Unterleibstyphus und Keuchhusten; letzterer, sobald und so¬ 
lange er krampfartig auftritt; b) kontagiöse Augenentzündung, 
Krätze. Bei den beiden letzteren sind nur die Erkrankten, bei 

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392 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 38. 


Israel: Demonstration eines Falles von Rhinoplastik. 

Es handelt sich um die Deckung des Defektes der total zer¬ 
störten Nase. Anfangs hat man dies mit Hautlappen von der 
Stirn verursacht; die Resultate waren schlecht; manchmal gute 
Resultate ergaben Hautperiostlappen. Besser waren dieselben 
noch bei Haut-Knochenlappen; jedoch hat diese Methode den Miss¬ 
stand, dass sich eventuell eine sehr entstellende Narbe auf der 
Stirn bildet. Dies hat man zu vermeiden gesucht, dadurch, dass 
man den Hautknocbenlappen von anderswoher nahm, nach der 
sogenannten italienischen Methode, von der Ulnarseite des Vorder¬ 
arms. Dies Verfahren bietet technisch grosse Schwierigkeiten. 
Er selbst ist nun in letzter Zeit so vorgegangen, dass er von 
Tibia oder Rippen einen Knochenlappen entnahm, diesen ln die 
Armhaut transplantierte und nach der Einheilung dann diesen 
Hautknochenlappen auf den Nasendefekt übertrug. Diese Operation 
hat er mehrmals mit bestem Erfolg ausgeführt. 

Sitzung vom 30. Mai 1906. 

Tagesordnung: 

Oppenheim und Borchardt: Ueber Diagnose und Ope¬ 
ration von Rückenmarkstumoren. 

Der erste Fall, über den Oppenheim berichtet, betraf eine 
Frau, die bei der ersten Beobachtung das Bild der Brown-Sequard- 
schen Lähmung bot. Die Diagnose wurde auf einen das Rücken¬ 
mark komprimirenden Tumor gestellt. Zu der angeratenen Ope¬ 
ration konnte sich die Patientin nicht entschliessen. V« Jahr 
später stellte sie sich wieder vor; die Erkrankung hatte wesent¬ 
liche Fortschritte gemacht; die Eompressionserscbeinungen besonders, 
namentlich die von Seiten der langen Leitungsbahnen der unteren 
Extremitäten, hatten zugenommen, während die Schmerzhaftigkeit 
bedeutend nachgelassen hatte. Die jetzt vorgenommene Operation 
ergab an der entarteten Stelle im Cervicalmark den Tumor, ein in¬ 
tradural, extra median gelegenes, längsgestelltes Fibrom. 2 Wirbel¬ 
bögen mussten entfernt werden. Das Mark war stark bei Seite 
gedrängt und bandartig komprimiert. Nach der Operation wan¬ 
delte sich die spastische Lähmung in eine schlaffe; bald nachher 
konnten die ersten Bewegungen gemacht und spontan Urin ent¬ 
leert werden; nach 2 Monaten waren die ersten Gehversuche mög¬ 
lich. Jetzt ist die Patientin in ihren Bewegungen kaum noch be¬ 
hindert. Nur in einem Arm sind anscheinend dauernde Störungen 
geblieben; die am längsten komprimiert gewesenen Rückenmarks¬ 
stellen haben sich eben nicht mehr völlig restaurieren können; 
eine Mahnung, mit der Operation in solchen Fällen nicht zu lange 
zu warten. Der zweite Fall bot im Anfänge kein eindeutiges 
Bild; die Diagnose schwankte zwischen einer Neubildung im mitt¬ 
leren Dorsalmnrk und einer kombinierten Strangerkrankung. Bei 

den unter a) genannten ausser den Erkrankten aber auch die 
gesunden Kinder vom Schulbesuch auszuschliessen, wenn in 
ihrem Hausstande ein Fall der genannten Erkrankungen vor¬ 
kommt. In ähnlicher Weise wird verfahren, wenn eine im 
Schulhause wohnhafte Person an einer der unter a) und b) ge¬ 
nannten Krankheit und eine ausserhalb des Schulhauses aber 
zum Hausstand eines Lehrers gehörige Person einer der unter 
Nr. a genannten Krankheiten verfällt Bezüglich der Augen¬ 
krankheiten, die vermöge ihrer Ansteckungsfähigkeit besondere 
Vorschriften für die Schule nötig machen, sind unterschieden, 
a) Blennorrhoe und Diphtherie der Augenlid-Bindehäute, b) 
akuter und chronischer Augenlid-Bindehautkatarrh, Follikulär- 
katurrh und Körnerbrankheit. 

Blennorrhoe und Diphtherie sind unter allen Umständen 
von der Schule fern zu halten; Kinder mit Erkrankungen der 
Gnippo b dagegen nur, wenn und solange sie deutliche Eiter¬ 
absonderungen haben; jedoch sind Schüler mit den Krankheiten 
1 b, sowie solche Schüler, die gesund sind, die aber einem 
Haushalt angehören, in der ein Fall von ansteckender Augen¬ 
krankheit aufgetreten ist, wenn sie am Unterricht teilnehmen, 
auf von den gesunden Schülern genügend weit entfernte Plätze 
hinzusetzen. (Fortsetzung folgt.) 


weiterer Beobachtung nahmen die Bewegungsstörungen der Beine 
und die Störungen der Sensibilität zu, sodass sich die Diagnose 
eines das Rückenmark komprimierenden Tumors sicherte und die 
Operation angeraten werden konnte. Bei derselben wurde die Ge¬ 
schwulst an erwarteter Stelle gefunden, ein intradural gelegenes 
Fibrosarkom, zu dessen Beseitigung 3 Wirbelbögen entfernt werden 
mussten. Das Rückenmark war komprimiert, stark nach vom ge¬ 
drängt. Die Operation hatte sofortigen Erfolg, die Schmerzen 
schwanden, Urin wurde spontan entleert. Schnell fortschreitende 
Besserung bezüglich der Beweglichkeit, der Reflexe, der Sensibi¬ 
lität. S^on nach wenigen Wochen konnten Gehversuche gemacht 
werden; jetzt besteht nur noch geringe Ataxie, sonst keinerlei 
subjektive Beschwerden mehr. Die Neubildung hatte das Rücken¬ 
mark nicht wie gewöhnlich seitlich verdrängt, sondern bei dem 
medianen Sitz von hinten nach vorn; dadurch war die Kompression 
der Hinter- und Seitenstränge gleichzeitig erfolgt, woraus sich die 
Besonderheiten der Erscheinungen, ihre mangelnde Eindeutigkeit 
erklärt. 

Borchardt: der die Operation bei diesen Fällen vorgenommen, 
ergänzt die Mitteilungen durch Erläuterung der chirurgischen Ver¬ 
hältnisse. Bei den RUckenmarksoperationon drohen zwei Gefahren : 
die starke Blutung und der Liquorabfluss. Was den letzteren be¬ 
trifft, so hat derselbe in den von ihm operierten Fällen keinerlei 
Komplikation verursacht. Wegen der Heftigkeit der Blutungen 
ist vorgeschlagen worden, zweizeitig zu operieren; dagegen spricht 
sich B. energisch aus; er operiert einzeitig; bei schnellem Ope¬ 
rieren mit geübter Assistenz lässt sich die Blutung gut beherrschen. 
Die temporäre Resektion der Wirbelbögen verwirft er. Nach 
glücklicher Ueberstehung des Eingriffs drohen den Rückenmarks¬ 
operierten noch weitere Gefahren. In erster Linie die secundäre 
Infektion; dieselbe kann leicht zustande kommen, da eine Tampo¬ 
nade der Wunden nicht zu umgehen ist und dabei in den ersten 
Tagen dauernd Liquor abfliesst und die Patienten unter sich 
machen. Häufiger Wechsel des Verbandes, 2—3 mal am Tage 
ist unter Umständen erforderlich. Weitere Gefahren sind Decu¬ 
bitus und Cystitiden. Nach der Statistik der in der Literatur 
mitgeteilten Fälle beträgt die Mortalität bei solchen Rücken¬ 
marksoperationen 50%. Er selbst hat 3 Fälle hintereinander 
mit vollem Erfolg operiert; ein solch günstiges Resultat ist neben 
dem glücklichen Zufall wohl der ausgezeichneten frühzeitigen 
neurologischen Diagnose und der vorzüglichen Pflege zu danken. 

Diskussion: 

Oppenheim: glaubt, dass unter den zahlreichen Fällen von 
chronischen Rückenmarksleiden, Myelitiden, sich wohl noch manche 
Fälle von Tumoren verbergen, die, rechtzeitig erkannt, wohl 
durch Operation geheilt werden könnten. 

Fick erörtert die anatomischen Verhältnisse nach den Elr- 
gebnissen einer grösseren Reihe von Sektionen solcher Rücken¬ 
markstumoren, die er ausgeführt hat. Es gibt fünf Lokalisations¬ 
möglichkeiten der Rückenmarkstumoren 1) subperiostal, 2) epi* 
dural, 3) subdural, 4) intramedullär (Gliome), 5) in der Arachnoidea. 
Für jede der Arten gibt er anatomische Präparate. Bei dem 
letzten von ihm gesehenen Fall fanden sich multiple, von der 
Arachnoidea ausgehende, melanotische Tumoren; sonst war nirgends 
im Körper ein melanotischer Tumor zu finden, so dass dieser Fall 
wohl als sicherer Beweis für das bisher vielfach bestrittene Vor¬ 
kommen primär von den Rückenmarkshäuten ausgehender mela¬ 
notischer Geschwülste gelten kann. 

Orth hat in letzter Zeit einen Fall von multiplen melanotischen 
Tumoren im Gehirn seziert. Hier fand sich ein melanotischer 
Knoten in der einen Nebenniere, der wohl als der primäre Tumor 
anzusprecheu ist. 

Krause hat 19 mal die Operation von Rtickenmarkstumoreu 
ausgeführt; von diesen Füllen hat er 6 verloren, davon einen durch 
sekundäre Meningitis, Die Lokalisationen der Geschwülste waren 
sehr verschieden, sodass er alle Wirbelbögeu bis zum Epistropheus 
entfernt hat; am gefährlichsten sind die Operationen am Halsmark. 
Bezüglich der Technik stimmt er mit Borchardt überein; er ver¬ 
wirft auch die zweizeitige Operation sowie die temporäre Resektion 
der Wirbelbögen. 

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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


393 


Sitzung vom 13. Juni 1906, 

Vor der Tagesordnung: 

Heymann: demonstriert einen Fall von Abducenslähmung 
nach Rückenmarksstovainisation. Der Fall ist dadurch bemerkens¬ 
wert, dass die Symptome erst spät nur allmählich sich einstellten, 
und dass nur die Hälfte der gewohnten Dosis vom Stovain-Riedel 
zur Verwendung gekommen war. 

Tagesordnung: Richter: 

Ueber Verhütung und Behandlung von Fingerinfektionen 
der Aerzte. 

Elr empfiehlt eindringlich die ausgiebige Verwendung von 
Condoms. £r hat solche anfertigen lassen aus einem Stoffe, der 
sehr schwer zerreisslich ist und doch das Gefühl in keiner Weise 
beeinträchtigt. 

Rosenberg: Ueber Zuckerbildung im Harn, 

Abgesehen vom Zucker finden sich gelegentlich reduzierende 
Körper im Ham, die sein spezifisches Gewicht erhöhen und einen 
positiven Ausfall der Trommerschen Probe ergeben, und die somit 
bei oberflächlidier Untersuchung zu der irrtümlichen Diagnose 
Diabetes Anlass geben können. Solche Körper sind: die Harn¬ 
säure; doch dürfte diese selten zu Irrtümera führen. Häufiger ist 
der Befund von Pentosen; ihre Bedeutung wird eine immer grössere 
werden mit der Verallgemeinerung des Genusses alkoholfreier Ge¬ 
tränke. ln den alkoholireien Obstweinen sind reichlich Pentosen 
enthalten, die leicht in den Urin übergehen, ln einem solchen 
Falle kann leicht die Fehldiagnose Diabetes gestellt werden, wie 
das jüngst in der Literatur mitgeteilte Krankengeschichten beweisen. 
Weiter von Bedeutung ist die Glycuronsäure, besonders ihre 
Verbindungen mit therapeutisch verwandten Substanzen : Campher, 
Chloralhydrat, Myrrhentinktur. Solche reduzierenden Substanzen 
können entweder allein auftreten, oder sie kombinieren sich im 
Ham mit Zucker; alsdann ist die Reduktionsprobe besonders 
stark. Es erhellt daraus die grosse Schwäche der klinischen Nach¬ 
weismethoden, die nur mit der Reduktion arbeiten. Die Reduktions¬ 
methode gibt immer nur die Summe der im Harn enthaltenen re¬ 
duzierenden Substanzen. Will man den Zuckergehalt bestimmen, 
so muss man titriren, dann vergäbren und alsdann nochmals 
titrieren. Die einwandsfreie Zuckerbestimmung im Ham mit der 
Reduktionsmethode erfordert also wesentlich mehr Zeit als bisher 
üblich. Was die andern Zuckerbestimmungsverfahren betrifft, so 
ist die Bestimmung durch optische Apparate auch nicht so einfach, 
wie gemeinhin angenommen. Viele Barne enthalten zu viel Ghro- 
mogen; die gewöhnlich empfohlenen Klärmittel: Tierkohle, Bleiessig 
sind zu verwerfen, da sie auch Zucker wegschaffen; nur der Blei- 
Zucker klärt, ohne den Zucker des Harns anzugreifen. Im ge¬ 
klärten Harne können nun neben dem Traubenzucker noch andere 
rechtsdrehende Substanzen vorhanden sein, z. B. Rohrzucker, häufig 
infolge Verunreinigung des Gefässes, in dem der Harn aufbewahrt 
wurde, Milchzucker bei Wöchnerinnen. In solchen Fällen gibt die 
polarimetrische Bestimmung natürlich ungenaue Resultate. Ein¬ 
wandfrei ist das polarimetrisch gewonnene Resultat nur dann, 
wenn man nach der Polarisation, den Harn vergährt, dann noch¬ 
mals polarisiert und nun die Rechtsdrehung geschwunden findet. 
Eine andere Schwierigkeit bei der Polarisation ergibt die Anwesen¬ 
heit von links drehenden Körpern; in solchem Falle ist der Links- 
drebgrad zu dem Rechtsdrehgrad znzuzählen, um ein richtiges 
Resultat zu erhalten. Bei der Bestimmung des Zuckers durch 
Vergährung mit Hefe sind verschiedene Momente zu beachten; die 
Hefe kann Selbstgährung zeigen; oft ist dieselbe verdorben, ihre 
Gährkraft herabgesetzt; von Bedeutung ist auch die Temperatur, 
bei der die Vergährung vorgenommen wird; bei Zimmertemperatur 
erhält man meist zu niedrige Werte. Alkalische Harne binden 
Kohlensäure, deren Vergährung gibt also auch zu niedrige Resul¬ 
tate. Werden diese Momente mit Vorsicht berücksichtigt, so ergibt 
die Gährungsmethode gute Resultate, und ist das einfach zu hand¬ 
habende Saccharimeter Lohnstein wohl zu empfehlen. Jedenfalls 
erfordern alle Methoden der Zuckerbe.stimmung ganz besondere 
Cautelen, und deshalb fordert R. entschieden, dass nur der Arzt, 
der die Verantwortung zu tragen hat, die Zuckerbestimmung vor¬ 
nehmen soll. 


Sitzung vom 27. Juni 1906. 

- Vor der Tagesordnung: 

Schönstedt: demonstriert eine 72jährige Patientin mit einer 
Hemia ischiadica. Seit 1 Jahr etwa klagte die Pat. über ischias¬ 
artige Schmerzen; erst in letzter Zeit entwickelte sich ein Tumor 
von elastischer Konsistenz, der beim Husten stärker vortritt imd 
sich leicht reponieren lässt. Da eine Bandage erfolglos getragen 
wurde; ist Operation beabsichtigt. 

Heymann: zeigt ein junges Mädchen mit multiplen Osteo¬ 
men am Schädel. Die ersten sind schon in den ersten Lebens¬ 
jahren entstanden. Osteome am Schädel sind seltener; meist 
werden sie an den laugen Röhrenknochen gefunden. Eine Be¬ 
seitigung der Tumoren ist für gewöhnlich nicht erforderlich. Beim 
vorliegenden Fall soll aber ein vom nasalen Teil des Orbitalrandes 
des Stirnbeins ausgehender Tumor entfernt werden, da bei weiterem 
Wachstum eine schwere Beeinträchtigung des Auges zu be¬ 
fürchten ist. 

Türk: demonstriert einen Patienten, der sich eine Verletzimg 
des Auges durch einen Stahlsplitter vor 1^/2 Jahren zugezogen, 
und der diese ganze Zeit den Fremdkörper im Auge getragen. 
Der Sitz desselben Hess sich bei der starken Trübung der Medien 
und der hochgradigen Rostftlrbung nicht genauer feststellen. Die 
Entfernung des StablspHtters gelang leicht mit Hilfe des Magneten | 
nachher wurde noch die Discision der getrübten Linse vorgenommen. 
Pat. hat jetzt wieder fast halbe Sehschärfe. Die Rostfärbung ist 
nur noch an der Iris zu erkennen. 

Heymann: demonstriert noch einige Schädelpräparate aus 
dem patbologischeu Museiim mit multiplen Osteomen. 

Bergmann: bemerkt dazu, dass solche Osteome öfters aus 
den Kephalhaematomen entstehen. 

Z au deck: stellt eine Patientin vor, die vor längerer Zeit 
einen Stoss gegen die- eine Stirnseite erlitt, ohne, abgesehen von 
vorübergehendem Schwindel, irgend welche Folgeerscheinungen zu 
bemerken. Erst mehrere Wochen später bemerkte sie plötzlich 
beim Bücken, dass sich in der Gegend des entsprechenden Ohres 
eine schmerzhafte Geschwulst bildete. Demonstration des beim 
Bücken prall hervortretenden, elastischen Tumors in der Parotis- 
gegend; derselbe zeigt keine Pulsation, man hört keine Venen¬ 
geräusche, er ist leicht kompressibel. Jedenfalls handelt es .sich 
um eine starke sinuöse Erweiterung der Vena jugularis externa. 
Eine Kommunikation mit den intracraniellen Venen ist anzunehmen. 
Die Entstehung ist vielleicht auf das Trauma zu beziehen, trotz¬ 
dem damals keinerlei Symptome einer Schädelbasisverletzung vor¬ 
handen waren. Möglich ist auch das VorUegen einer congenitalen 
AnomaHe. Therapeutisch ist das Tragen einer Pelotte imd Ver¬ 
meidung einer mit Bücken verbundenen Beschäftigung zu em¬ 
pfehlen. Wegen der Verbindung mit den intracraniellen Venen 
ist von einer Unterbindung oder Injektionen zur Gerinnung ab- 
znsehen. 

Bockenheimer: erläutert unter Demonstration mehrerer 
Fälle die anatomischen und operativen Verhältnisse bei der Spina 
bifida. Nicht lebensfähig sind die Fälle von Rhachichisis mit to¬ 
taler Spaltbildung bis in den Centralkanal. Bei der Myelocele ist 
die Spaltbildung ebenso tief reichend, aber nur auf wenige Wirbel 
beschränkt. Durch Hydrops der ventralen Partieen kommt es hier 
zu einer Geschwmlstbildung, auf deren Höhe man den offenen 
Centralkanal findet. Eis findet eine starke Verzerrung der Nerven¬ 
stränge statt, weshalb diese Fälle meist kolossale Lähmungser- 
scheinungen zeigen. Weitere Veränderungen entstehen erst nach 
der dritten Woche des Embryonallebena. Die Myelocystocele und die 
Meningocele zeigen Geschwulstbildung mit intakter Haxit; nur im 
Knochen besteht eine Spaltbildung, durch die sich die hinteren 
Teile des Rückenmarks infolge des Hydrops des Zentralkanals 
vorwölben. Man kann die fluktuierende Geschwulst komprimieren 
und bei der Myelocystocele ihre Kommunikation mit dem Zentral¬ 
kanal alsdann durch fühlbare Fluktuation an der Fontanelle nach- 
weisen, eventuell sogar Himdruebsymptome hervorrufen. Die ab¬ 
gehenden Nervenstränge sind hierbei viel weniger gezerrt, deshalb 
bestehen keine Lähmungen. Diese Formen sind der Operation, die 
wie eine Bruchoperation vorzunehmen ist, zugänglich. Die Menin¬ 
gocele kommt eds gestielte Geschwulst in der Sakralgegend vor, 


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394 


MJ&üICQOSGliJS ^^OGHS. 


Nr. 38. 


wo kein Rückenmark mehr vorhanden ist, nur die Cauda equina. 
Auch diese Fälle bieten günstige Chancen für die Operation. Eine 
Spina bifida occulta entsteht ans einer der beiden letzten Formen. 
Von 108 in den letzten 25 Jahren in der kgl. Xlinih zor Be> 
obachtung gekommenen Fällen waren 20 Cystocelen, von denen 
14 zum Teil dauernd operativ geheilt wurden, 6 Meningocelen, die 
sämtlich durch Operation geheilt wurden. 

Coenen; stellt einen Patienten mit multiplen Carcinomen im 
Gesicht vor. Derselbe litt seit langem an hartnäckigem Gesiohts- 
ekzem. Seit zehn Jahren bat auf dem Boden des Ekzems sich ein 
carcinomatöses Geschwür der Wange entwickelt; in jüngerer 
Zeit hat sich ein Krebsknoten an der Unterlippe gebildet. Die 
Unterlippencardnome entstehen aus den obersten Epithelschichten, 
sie zeigen deshalb eine sehr starke Verhornung; die flachen 
Wangenkrebse dagegen entwickeln sich aus den tieferen Epithel' 
schichten, wahrscheinlich stehen sie mit den Talgdrüsen im Zu¬ 
sammenhang. G. nimmt auch für den vorliegenden Fall solche 
getrennte und differente Entwicklung der Tumoren an und hofft 
die mikroskopischen Beläge nach Vornahme der Operation bringen 
zu können. 

Golischer: demonstriert zwei Frauen mit isolierten Luxationen 
des Talus. Bei beiden ist die Verletzung durch Sprung und Fall 
entstanden. Im ersten Falle gelang die Reposition leicht und führte zu 
prompter Heilung. Beim zweiten, der mit äusserer Wunde kom¬ 
biniert war, war die Reposition auch in Narkose nicht möglich; 
es musste deshalb blutig reponiert werden. Der Heilungsverlauf 
wurde durch Eiterungen schwer gestört, die schliesslich dazu 
zwangen, den völlig aus alle seinen Verbindungen gelösten Talus 
zu extrahieren. Die unblutige Reposition bei Talusluxationen ge¬ 
lingt nur in etwa einem Drittel der Fälle; in den übrigen wird 
die blutige Reposition vorzunehmen sein, deren Erfolg abhängt von 
der Vermeidung sekundärer Infektion, hauptsächlich von der Seite 
komplizierender äusserer Wunden. 

Feilchenfeld: zeigt neue Wundklammem zur rascheren 
Vereinigung grösserer und tieferer Wunden, z. B. nach Exartiku¬ 
lationen, Amputatdonen, Bauchschnitten, besonders zu empfehlen 
bei mangelnder Assistenz. 

Sitzung vom 4. Juli 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Lissauer: demonstriert einen durch Operation gewonnenen 
retropharyngealen Tumor, ein Pibrosarkom. 

Holländer: berichtet über einen bemerkenswerten Fall von 
Perforationsperitonitis. 10 Stunden nach Auftreten der ersten 
Krankheitserscheinungen war der Zustand schon ein so schwerer, 
dass er die Operation vomahm. Nach Eröfihung der Bauchhöhle 
entleerte sich reichlich trübseröse Flüssigkeit und Blutcoagula. 
Der Prozessus vermiformis wurde aufgesucht; derselbe zeigte Re¬ 
siduen eines alten, abgelaufenen Entzündungsprozesses, konnte aber 
nicht die Ursache der vorliegenden schweren Erkrankung sein. 
Nach längerem Suchen fand H. endlich zwischen Dünndarmschlingen 
versteckt eine nekrotische Darmstelle. Es bandelte sich um ein 
Meckelsches Divertikel; in demselben lagen mehrere Gallensteine, 
die offenbar die Nekrose der Wand herbeigeführt hatten. Der 
Heilungsverlauf wurde anfangs durch eine hartnäckige Darmatonie 
gestört, die erst nach forzierter Magenspülung wich. 

Coenen: demonstriert miskroskopische Präparate von den 
in voriger Sitzung vorgestellten multiplen Carcinomen des Gesichts. 
Wie angenommen, ist der Tumor von der Lippe ein Homkrebs, 
während der von der Wange drüsigen Bau zeigt. 

Tagesordnung: 

Halle: Externe oder interne Operation der Nebenhöhlen¬ 
eiterungen. 

Bei der Respiration wird ein negativer Druck auf die Schleim¬ 
häute der Nasenhöhlen ausgeübt, wodurch eine Aspiration von 
Sekreten aus denselben herbeigeführt wird; dazu gesellt sich eine 
austrocknende Wirkxmg der Luft, die bei der Ausheilung von 
Nebenhöhlenkatarrhen eine grosse Rolle spielt. Oft genug kann 
man veraltete Katarrhe allein durch Besserung krankhafter Ver¬ 
änderungen der Respiration zur Ausheilung bringen. Ganz be¬ 
sonders ist das austrocknende Prinzip für die Behandlung der 
chronischen Empyeme heranzuziehen. Die Anbohrung der Ober¬ 


kieferhöhle vom Oberkiefer aus gibt sehr oft recht schlechte Re¬ 
sultate. Bei diesem Wege wird zwar eine Ableitung des Eiters 
vom untersten Punkte der Höhle aus erreicht; aber durch den 
Obturator wird sie immer wieder in eine geschlossene verwandelt; 
und häufige Spülungen können schwere Reizzustände verursachen. 
Die Radikaloperation von der Fossa canina aus mit Auskratzung 
sollte nur vorgenommen werden, wenn die Schleimhaut stark ver¬ 
ändert ist. In allen anderen Fällen ist die Eröffnung der Ober¬ 
kieferhöhle vom unteren Nasengang aus vorzunehmen. Die Troikart- 
behandlung hat den Vorzug der Leichtigkeit und ermöglicht Spü¬ 
lung und Ausnutzung der Austrocknung; aber neben der 
Schmerzhaftigkeit hat sie den Nachteil, dass die gesetzte Oeffnung 
nicht konstant bleibt und deshalb eine Dauerdrainage nicht ge¬ 
währleistet ist. Deshalb empfiehlt es sich, vom unteren Nasengang 
aus eine grössere Oeffnung, eventuell mit Resektion der \mteren 
Muschel anzulegen. Damit ist ein guter Abfluss des Eiters von 
einem tiefen Punkt der Höhle aus gegeben und eine ausgiebigste 
Ausnutzung des Prinzips der Austrocknung. 

Dasselbe Verfahren der breiten Eröffnung von innen empfiehlt 
sich auch für die anderen Höhlen. Damit sind absolut einwand¬ 
freie Ausheilungen möglich; Schwierigkeiten bieten sich hierbei 
für die Stirnhöhlen. H. hat hierfür ein neues, von amerikanischen 
Autoren angegebenes Verfahren mit einem elektrischen Bohrin- 
stniment ausgebaut. Mit Hilfe einer Sonde, die immer leicht in 
die Stirnhöhle einzubringen ist, führt er einen Schützer ein, der 
eine Verletzung der hinteren und seitlichen Wand verhütet, da¬ 
nach das Instrument und beseitigt mit diesem den Knochenvor¬ 
sprung an der vorderen Wand, der in erster Linie den Ausführungs- 
gang einengt. Damit ist eine hinreichend weite Oeffnung gegeben, 
von der aas auch die eventuell noch erforderliche Ausräumimg 
der Siebbeinzellen ohne Schwierigkeit vorgenommen werden kann. 
Diese innere Methode lässt die häufig nicht unbedingt notwendige 
Radikaloperation von aussen, die immer zu kosmetischen Defekten, 
oft genug zu Entstellungen führt, vermeiden und gibt doch beste 
Erfolge, wie H. an einer grossen Zahl von Fällen erzielen konnte. 
Er demonstriert einige Patienten, die alle extrem schwere Fälle 
darbieteu und zum grösseren Teil schon lange vergeblich nach 
verschiedenen Methoden behandelt waren, und erst durch seine 
Methode prompt definitiv geheilt wurden. 

Diskussion: 

Senator: Die innere Operationsmethode mit dem elektrischen 
Instrument ist eine grobe; sie gibt keine glatten Wunden der 
Schleimhaut und der Knochen. Es ist ein iG-beiten im Dunkeln, 
wobei eine sichere Führung des Instrumentes nicht möglich ist. 
Für die Kieferhöhlen sind die Gefahren von geringer Bedeutung; 
bei den Stirnhöhlen und den Siebbeinzellen dagegen sehr grosse, 
und bei Benutzung dieser Methode sind schon die unangenehmsten 
Vorkomnmisse beobachtet worden. 

Ritter: Die Eröffnung der Stirnhöhle mit dem elektrischen 
Instrument ist zu verwerfen. Gegenüber der oft unsicher bleibenden 
Diagnose einer Stimhöhleneiterung ist die Operation nicht hin¬ 
reichend gefahrlos; auch der Gebrauch des Halleschen Schützers 
sichert eie nicht genügend. Gelingt es nicht durch Freilegung 
des Infnndibulum und Abtragung der vorderen Siebbeine den Pro¬ 
zess zu bessern, dann ist die Aussenoperation angebracht, die im 
allgemeinen bessere kosmetische Resultate gibt, als H. annimmt. 

Peyser: Bei dem oft abnormen Verlauf der Stirnhöhlen, ist 
die Sondierung derselben keineswegs immer einfach. Bei der 
nicht garantierten Gefahrlosigkeit der Operation dürfte bezüg¬ 
lich der Notwendigkeit der Vornahme derselben eine schärfere 
Trennung zwischen leichteren und schwereren Fällen zu fordern 
sein. Einen Nachteil der inneren Methode sieht P. darin, dass 
dabei maligne Tumoren der Nebenhöhlen, die mit einem Empyem 
beginnen, übersehen werden können. 

Halle: Schlusswort. 


Verein für irmere Mediein. 

Sitzung vom 25. Juni 1906. 

Vor der Tagesordnung hält Herr von Leyden einen Nach¬ 
ruf auf Schaudinn und den Statistiker Hirschberg. 
Demonstrationen: 

1) Herr von Leyden berichtet über einen Fall von Mitral- 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


395 


Stenose kombiniert mit Lungentnberknloee. Bemerkenswert ist, 
dass die Tuberkulose sicher vor dem Äusbrncb des Herzfehlers 
bestand und dass die Mitralstenose den Ausbruch einer floriden 
Phthise verhinderte. 

Diskussion. 

Herr Kuhn: Dieser Fall ist eine Stütze für die von ihm 
aufgestellte Theorie, freilich könne die Stauung in den Lungen 
nicht eine schon sehr lange bestehende Phthise zum Schwinden 
bringen. 

Herr Kraus: Die Seltenheit der Tuberkulose gerade bei 
Mitralstenose ist auffallend. Alle die Fälle, die er gesehen, zeigten 
keine sehr erhebliche Vergrösserung des rechten Herzens, also keine 
grosse Hyperaemie. Die Häufigkeit der Tuberkulose bei den an¬ 
geborenen Pulmonalstenosen lässt sich vielleicht ebenso wie bei 
Diabetes durch eine grosse Trockenheit der Lunge erklären. 

Herr Westenhoefer fragt, ob sich keine frische Tuber¬ 
kulose in der Lunge gefunden habe. 

Herr von Leyden glaubt an dem Vorhandensein einer 
grossen glatten Caveme auf eine alte Erkrankung schliessen 
zu müssen. 

Herr Möller macht Herrn Kraus gegenüber darauf aufmerk¬ 
sam, dass doch bei der Tuberkulose trockenes Klima zur Behand¬ 
lung empfohlen werde. 

Herr Kraus: Die Vorstellung, die er geäussert hat, rührt 
von Traube her. Er selbst glaube im Uebrigen nicht, dass durch 
trockenes Klima eine Austrocknung der Lunge bewirkt wird. 

n. Tagesordnung; Diskussion zum Vortrag des Herrn Kuhn. 

Herr Bickel verweist auf die Angaben Leos, der nach 
ähnlichen Prinzipien, wie Kuhn, die Behandlung der Tuberkulose 
betreibe. Er selbst habe in Göttingen durch Schräglagerung bei 
Tuberkulose und bei Bronchiektasie gute Resultate erzielt. 

Nach einigen Bemerkungen der Herren Schwalbe, Kraus 
und Apolant hat Herr Kuhn das Schlusswort. 

IL Herr Feilchenfeld (a. G.); Ueber Anaesthesie als Heil¬ 
faktor bei Augenerkrankungen. 

Der Schmerz wirkt sowohl heilend als auch andererseits für 
das Leben schädlich. Die Heilwirkung beruht auf seiner Eigen¬ 
schaft als Abwehr der Schädlichkeit oder auch durch die von ihm 
erzeugte Hyperaemie im Sinne Biers. Bei entzündlichen Vor¬ 
gängen am Auge, wo Schmerzen besonders lästig sind, hat Vortr. 
die Anaesthetica ln weitem Umfange angewandt imd viele Erfolge 
gesehen. Er spricht sich gegen die Annahme aus, dass der 
Schmerz, wie Spiess aunimmt, die hauptsächliche Ursache der 
Entzündung sei. 

Diskussion: Herr Wessely jun., Herr Feilchenfeld. 

Sitzung vom 2. Juli 1906. 

I. Herr Manasse: Ueber Ileus. 

Vortr. beschreibt einen Pall von sogenannter Gassperre des 
Dickdarms, wo durch Abknickung an der Flexura coli sin. eine 
so erhebliche Stauung im Coecum verursacht wird, dass es zu den 
bedrohlichsten Erscheinungen konamt. Ein eigentliches Hindernis 
ist an der Abknickungsstelle nicht zu finden, man kann nur an¬ 
nehmen, dass die beiden, durch Herabsinken des Colon transversum 
zu einem abnorm spitzen Winkel verzogenen Schenkel den Flexus 
durch bindegewebige Verwachsungen zu dem Hindernis Veran¬ 
lassung gaben. 

Diskussion; Die Herren Kraus, A. Fränkel. 

II. Herr C. 8. Engel: Entstehung und Neubildung des Blutes. 

Nach einem historischen Ueberblick wird auf den Satz Bemaks 

verwiesen, dass die ersten Blutzellen nicht weisse Blutkörperchen 
sind, dass also rote nicht aus weissen Blutkörperchen entstehen. 
In den ersten 3 Monaten finden wir bei menschlichen Foeten 
grosse Blutzellen mit grossem Kern, die dann plötzlich im vierten 
Monat den Normoblasten weichen, mit oder ohne Kern. Dieser 
Wechsel fällt in die Entwicklung des Knochenmarks, während die 
Leber anscheinend ohne Einfluss ist. Die grossen embryonalen 
Blutzellen existieren nur so lange, bis der Knochenmark sich 
bildet. Wir müssen also zwei Stadien der Blutbildung annehmen: 
Das erste, ein praemedulläres, das bis zum 3. Monat reicht. Das 
zweite Stadium, das medulläre, beginnt mit der Bildung des 
Knochenmarks. Carl Lewin. 


Sitzung vom 16. Juli 1906. 

Demonstrationen: Herr von Leyden. 

a) Fall von Bleiniere, ausgezeichnet durch das Ueberwiegen 
der interstitiellen Bindegewebswuoherung ohne wesentliche Ent¬ 
zündung. Dazu Hypertrophie des Herzens mit wandständigem 
Thrombus. 

b) Fall von ausgedehnter Carcinose, 2 Jahre nach Operation 
eines Mammacareinoms, die völlig gut verheilt war und lokal keine 
Spur von Erkrankung hinterlassen hat. Die Metastasen waren in 
beiden Äugen, massenhaft im Gehirn, Knochen, Nieren etc. zu 
finden, besonders auch in den Ovarien. 

Diskussion: Herr Beitzke: . Die Ausbreitung geschah durch 
die Unke Jugularvene. Auch von den Supraolaviculardrüsen nach 
den Bronchialdri^sen wanderte das Carcinom, 

Herr Westenhoeffer: Ist dieser letztere Gang wahr- 
scbeinUch? 

Herr Beit zke: Offenbar handelt es sich um retrograde 
Wanderung. Die Metastasen im Äuge sind hämotogener Natur. 

Herr Westenhoeffer und Herr Beit zke erörtern die 
Möglichkeit der Verbindung der Supraclavicular- und Bronchial¬ 
drüsen. 

Herr Davidsohn: In der Bleiniere sind einige Kindzellen- 
infiltrationen gefunden worden. 

II. Herr Theodor Meyer demonstriert Apparate zur An¬ 
wendung der Bierschen Stauung bei Erkrankungen des Urethra. 

Tagesordnung: Herr Mosse; Unsere Kenntnisse der Er¬ 
krankungen des Blutes. 

Vortr. gibt einen Ueberblick über unsere Kenntnisse auf 
diesem Gebiete. Insbesondere beschäftigt er sich mit der Ein¬ 
teilung der Blutkrankheiten in Rücksicht auf die Veränderimgen 
der normalen Bestandteile des Knochenmarks. Er teilt die Blut¬ 
krankheiten ein in circiimscripte und diffuse Erkrankungen des 
Knochenmarks. Erstere sind die sogenannten Myelome, letztere 
sind Veränderungen der roten Blutkörperchen: a) Polycythaemie, 
b) Anaemie und Chlorose und c) pemiciöse Anaemie, oder wenn die 
weissen Blutkörperchen verändert sind; 

a) Leucocytose, myelogene, l 3 nnphatiscbe Leucaemie und 
Pseudoleucaemie. Carl Lewin. 


AerzHicher Verein Mjiinehen* 

Sitzung vom 13. Juni 1906. 

Vor der Tagesordnung wurden geschäftliche Mitteilungen er¬ 
ledigt. Hiervon ist nur die Besprechung des Entwurfes zu einer 
Dienstanweisung für die Schulärzte der Stadt München hervorzu¬ 
heben, in der beschlossen wurde, speziell gegen folgende §§ Front 
zu machen: „Die Untersuchung der Mädchen der 7. bezw. 8. Klassen 
ist im allgemeinen Schulärztinnen zuzuweisen. Sind geeignete 
Kräfte hierfür nicht vorhanden, so kann die Untersuchung nur mit 
Genehmigung und in Gegenwart der Eltern stattfiuden“. Weiter¬ 
hin: „Die ärztliche Untersuchung ist mit grösster Rücksichtnahme 
auf das Zartgefühl der Kinder vorzunehmen; daher ist insbesondere 
die Untersuchung des entkleideten Oberkörpers des Mädchens nur 
statthaft, wenn die Kinder das 10. Lebensjahr nicht überschritten 
haben.“ Gtegen die Anstellung von Schulärztinnen wurde natürlich 
im Prinzip nichts eiugewendet, sie aber für Untersuchungen anzu¬ 
stellen, die den Schulärzten nicht gestattet seien, wurde als unan¬ 
nehmbar bezeichnet. Herr Grassmann wurde mit der Vertretung 
dieser Beschlüsse in der fünfgliedrigen Kommission der ärztlichen 
Vereine beauftragt. 

Vor der Tagesordnung demonstriert Herr Pregowski zwei 
Fälle von mit Termophorkompresse behandelter Spina bifida. 

Darnach stellt Herr Oberndorfer einen sehr exquisiten 
Fall von Steinherz vor. 

Diskussion: Herr Sittmanu, Herr Oberndorfer. 

1. Herr L. Seitz; Zur Frage der Hebotomie. 

S. demonstriert zunächst die verschiedenen zur Vornahme der 
Operation angegebenen Instrumente nnd bespricht dann die durch 
die Kgl. Frauenklinik vorgenommenen Operationen. Von 8 zum 
Teil recht ungünstig gelegenen Fällen starb 1, nur 3 hatten 
ein völlig ungestörtes Wochenbett; ungefähr 3,6 ist die Mor¬ 
talität der in der Literatur niedergelegten Fälle. Eine der 


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396 


Kl i Tfil IC wOGUJfi« 


Nr. 38. 


ernstesten Komplikationen sind die verschiedenen Verletzungen; 
es handelt sich dabei nicht um eine Knoohenwunde, sondern um 
einen komplizierten Ejiochenbruch. Auch Blasenrisse sind sehr zu 
fürchten (2 von den 8 Fällen). Ob der Vorschlag, bei den Erst¬ 
gebärenden die Hebotomie nicht vorzunehmen, Berechtigung hat, 
lässt Vortragender unentschieden. S. glaubt, dass die untere 
Grenze zur Vornahme der Hebotomie 7 cm (Conjugata vera) sein 
soll. Er stimmt denjenigen Autoren bei, welche die Operation 
auch noch bei infiziertem Geburtskanal vornehmen. Die Voraus¬ 
setzung ist, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass im Verlauf 
der Geburt keine Scheidenverletzung vorkommt Eine generelle 
Regel, ob gleich nach der Durchsägung die Geburt vorgenommen 
werden soll, lässt sich nicht aufstellen. Ob man Zange oder 
Wendung machen soll, ist Sache der Indikation. Eine knöcherne 
Konsolidierung der Knochenwunde findet oft lange Zeit nach der 
Operation nicht statt. Dabei pflegt aber das Gehvermögen in der 
Regel ein sehr gutes zu sein. S. halt es für verirüht, die Operation 
jetzt schon für die Praxis zu empfehlen. Er hält aber die Operation 
unter günstigen Umständen für geeignet, den Kaiserschnitt und 
die Perforation des lebenden Kindes in einer Anzahl von Fällen 
zu ersetzen. 

Diskussion: Herr A. Müller, Herr Grashey, Herr 
Fe uchtwanger, Herr B. von Hösslin, Herr L. Seitz 
(Schlusswort), 

2. Herr P. Pregowski (als Gast): 

Physikalisch-therapeutische Mitteilungen: 

P. bespricht die Wirkung der Luftdouche auf den mensch¬ 
lichen Körper und weiterhin die Einwirkung des erwärmten Bettes 
auf die Herbeiführung von Schlaf. 

3. Herr G. Trautmann: 

Erythema exsudativum multiforme und nodosum 
der Schleimhaut in ihren Beziehungen zur Syphilis. 

Nach ausführlicher Schilderung der Literatur zählt T. 7 Fälle 
der genannten Art aus seiner Beobachtung auf, welche bei Lue¬ 
tischen vorkamen. Er betrachtet diese Erscheinung als nicht zur 
Lues gehörig, glaubt aber, dass letztere Krankheit den Boden für 
den Ausbruch der neuen Affektion vorbereitet. 

Diskussion: Herr Uffenheimer hat in einer verhältnis- 
mäßig grossen Anzahl von Fällen der beiden Erythemarten bei 
Kindern (60—70) Schleimhautersclieimmgen nie zu Gesicht be¬ 
kommen. In dem grössten Teile seiner Beobachtungen trat das 
Erythema eim. wie nod. sekundär auf, oft im Anschluss an ganz leichte 
Krankheiten, wie Bronchitiden. Es ist wohl zumeist toxischer 
Natur, in manchen Fällen aber auch durch Hineinwandern von 
Bakterien ins Blut zu erklären. Was die ulzerösen Erscheinungen 
bei den Erythemerkrankungen der Mundhöhle betrifft, so dürfte 
hier Spirochaete und Fusiformis die direkte Veranlassung für das 
Zustandekommen der Geschwüre sein, ebenso wie sie es bei den 
sekundären Erscheinungen der Lues und bei der Angina ulcerosa- 
membranaoea selbst sind. Auf normaler Schleimhaut aber kommt 
diesen Mikroben offenbar keine pathogene Wirkung zu. 

Herr Trautmann: (Schlusswort). Albert Uffenheimer. 

Sitzung vom Mittwoch, den 4. Juli 1906. 

1. Herr Craemer: begründet ausführlich den Antrag Craemer- 
Krecke: „Der Aerztliche Verein München wolle beim 
Ministerium dahin vorstellig werden, dass das Recht 
Medicinalpraktikanten aufzunehmen, auch den prak¬ 
tischen Aerzten zugebilligt werde.“ 

Diskussion: Herren Müller, May, Loewenfeld, 
Krecke, von Hoesslin, Craemer, 

Es wird eine Kommission gewählt, die vor der endgiltigen 
Beschlussfassung das Thema gründlich durchberaten soll. 

2. Herr Friedr. Müller: Die Frage der nervösen 
Herzkrankheiten. 

M. gibt zunächst eine Uebersicht über die modernen Ansichten 
von den Herzbewegungeu und von der Rolle, die das Nerven¬ 
system dabei spielt und betont hierbei besonders die Untersuchung 
von Deneke am herausgenommenen Herzen des eben Hingerichteten. 
Dasselbe schlägt, von Ernährungsflüssigkeit durchströmt, regel¬ 
mäßig weiter, genau ebenso wie das Frosch- und Säugetierherz. 
Die sogenannte refraktäre Pause (in der das Herz unempfindlich 


ist gegen neue Reize) erstreckt sich über die Systole und noch 
eine Zeit lang in die Diastole hinein. Digitalis verlängert die 
refraktäre Pause. Jeder Teil des Herzens ist reizbar, am leich¬ 
testen ist es der Sinus, und es ist anzunehmen, dass von hier aus 
die Schlagfolge des Herzen? reguliert wird. Vom Sinus geht der 
Reiz nach dem Vorhof, von hier aus verteilt er sich auf den 
ganzen Muskel, aber er wird verlangsamt, da er nun durch das 
His’sche Bändel, das aus embryonaler Muskulatur besteht, weiter 
geleitet wird. Der Muskel selbst ist der Ort der Reizung und 
das Substrat für die Weiterleitung. Die Adams-Stookessche 
Krankheit besteht darin, dass eine Unterbrechung des Hisschen 
Bündels stattfindet und infolgedessen eine Dissoziation in der 
Sohlagfolge des Vorhofes und des Ventrikels eintritt. Extrasystole 
des Ventrikels kann erzeugt worden durch einen Reiz, der den 
Ventrikel isoliert trifft. Die Erhöhung des Widerstandes, gegen 
den das Herz arbeitet, kann Extras 3 rstoIe erzeugen. Auch eine 
abnorme Reizbarkeit bei Erkrankung des Herzmuskels kann die 
gleiche Erscheinung verursachen. Von den Vagusfasem haben nur 
diejenigen Einfluss auf die Schlagfolge, welche zum Sinus gehen. 

Die Vaguswirkung (hemmende) ist viel energischer als die 
des Sympathicus (augmentierend). Diese Nerven wirken auf den 
ganzen Tonus der Schlagfolge ein, im ganzen verlangsamend 
oder beschleunigend, aber nicht auf den einzelnen Schlag des 
Herzens. Der Nervus depressor überträgt Erregungen von der 
Aorta auf das Zentralnervensystem. Der Splanchnicus ist der 
Vasokonstriktor des Darmsystems, es kann von ihm aus die Blut¬ 
verteilung mächtig beeinflusst werden. 

Die Muskeltätigkeit erzeugt jedesmal eine Beschleunigung der 
Herzfrequenz, wahrscheinlich auf der Bahn des Sympathicus. 
Ebenso beeinflusst die Drüsentätigkeit und die Tätigkeit des Gross¬ 
hirns selbst dieselbe. 

Dies gab Vortragender als die Voraussetzungen zum Ver¬ 
ständnis der nervösen Herzkrankheiten. Dieselben sind in der 
neuen Zeit sehr eingeschränkt worden. Beispielsweise kann das 
Raucherherz nicht ids nervöse Herzkrankheit aufgefasst werden, 
sondern das Nikotin wirkt toxisch auf gewisse Ganglien ein. 
Aehnlich verhält es sich mit Coffein, Jod, Schilddrüse usw. Herz¬ 
beschleunigungen und leichte Erregbarkeit des Herzens bleiben oft 
für lange Zeit zurück nach akuten Infektionskrankheiten (Influenza), 
sie finden sich bei der Tuberkulose. Auch die Herzen der Un¬ 
geübten zeigen solche abnorme Erregbarkeit, Aus dem gleichen 
Grunde scheuen wir uns, Kranke zu lauge Zeit im Bette liegen 
zu lassen (beispielsweise bei einer Schenkelhalsfraktur). Die ganze 
Gruppe der reizbaren Herzen ist streng zu trennen von den eigent¬ 
lichen nervösen Herzkrankheiten. Vom Magen und vom Darm, 
vom Uterus aus können Reizungen des Herzens ausgehen (Myom¬ 
herz usw.). Das erregbare Herz der zu schnell Entfetteten, all 
das rechnet man nicht zu den nervösen Herzkrankheiten. Die 
nervösen Herzkrankheiten gehen meist einher mit Steigerung der 
Frequenz. Aber es findet sich nicht eine ständige Beschleu¬ 
nigung der Schlagfolge. Es zeigt sich besonders ein Einfluss auf 
die Atmung. Es kann wohl auch Extrasystole auftreten, sei es 
durch abnorme Erregbarkeitsvermehrung des Herzens oder durch 
andere Umstände. Vor allem hervortretend sind auch die Klagen 
über abnorme Sensationen am Herzen. Das Gefühl des Herz¬ 
klopfens ist teils hypochondrisch, d. h, es entspricht nicht der Tatsache, 
teils stammt es von zu steilen Kontraktionen des Herzens. Weiter 
sind zu erwähnen Schwankungen im vasomotorischen System (kalte 
Hände und Füsse usw.). Diese können schliesslich zu schweren 
Schädigungen führen, zu Arteriosclerose, zum Absterben der 
Extremitäten usw. Die Pseudo-Angina pectoris hält M, wohl für 
möglich, hat sie aber noch nie gesehen; er betont Krehls Aus¬ 
spruch: „Zur Diagnose eines nervösen Herzleidens ist nötig, dass 
man nachweisen kann, dass das Individuiim auch sonst nervös ist.“ 

Aus nervösen Herzerkrankungen können dauernde Schädigungen 
des Herzens entstehen. Die paroxysmale Taohycarchie entsteht 
aus neuen Reizen, die auf ein reizbares Herz einwirken (im An¬ 
schluss an organische Erkrankungen des Herzens, ebenso bei Er¬ 
krankungen des Zentralnervensystems). 

Die rein nervösen Krankheiten sind nicht mit Digitalis zu be¬ 
handeln, sondern es ist der ganze nervöse Mensch in Behandlung 
zu nehmen (Wasser, Elektrizität nsw.). 


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1906. 


MKDIGINXSGHE WOCHE. 


397 


Diskassion: Raab, Grassmann, Perutz, Hirt, 
Wassermann, von Hoesslin, Müller. (Schlusswort). 

Albert Uffenh e i m e r. 


Kongressbericht. 

23. Kongress für imnere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Herr H. Adam - Hamburg: Ueber denWertröntgenolo- 
gischer Untersuchungen für die Frühdiagnose der 
liungenspitzentuberkulose. 

Herr Adam demonstriert Röntgeuplatten von Lungenspitzen¬ 
erkrankungen, die im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in 
Hamburg von Herrn Albers-Schöneberg angefertigt wurden. 
Der Vortragende hat die physikalische Untersuchung der Kranken 
vorgenommen. Beim Vergleich der unabhängig von einander auf¬ 
genommenen und schriftlich festgelegten Befunde ergab sich fol¬ 
gendes : 

Bei allen Fällen, bei denen physikalisch Schallveränderungen 
oder Veränderungen des Atmimgstypus sich fanden, zeigte die 
Röntgenplatte mehr oder weniger ausgedehnte diffuse oder zir¬ 
kumskripte Trübungen. Diese fanden sich auch bei einem Teil 
der Fälle, wo physikalisch nur katarrhalische Symptome nachweis¬ 
bar waren, oder überhaupt an der Lungenspitze ein abnormer Be¬ 
fund nicht zu erheben war, wo nur der Verdacht auf eine be¬ 
ginnende Spitzenafifektion durch das allgemeine klinische Krank¬ 
heitsbild erweckt wurde. 

Der Vortragende schliesst daraus, dass neben dem Katarrh 
bei der einen Gruppe beginnende Infiltrationserscheinungen vor¬ 
handen sind, dass diese der Röntgenstrahl etwas früher aufdeckt, 
als es die physikalische Untersuchung vermag, dass der frische 
Katarrh auf der Röntgenplatte nicht zum Ausdruck kommt und 
bei der zweiten Gruppe, dass in den selteneren Fällen von Lungen¬ 
spitzenerkrankung, die chronisch infiltrierend und ohne katarrhalische 
Symptome verlaufen, die Röntgenplatte früher als die physikalische 
Untersuchung über die Erkrankung Aufschluss gibt. 

Weiterer Untersuchungen und längerer Beobachtung der Un¬ 
tersuchten bedarf es, um festzustellen, ob die einmalige oder in 
bestimmten Zeitabschnitten wiederholte röntgenologische Unter¬ 
suchung über den mehr oder weniger progredienten Charakter der 
Lnngenspitzentuberkulose Aufschluss gibt. 

Herr Siegert-Köln: Die Frühlingsdiagnose des 
Mongolismus und des Myxödems. 

S. bespricht die Differentialdiagnose des Mongolismus und 
infantilen Myxödems. Nach kurzen ätiologischen und anatomischen 
Bemerkungen schildert Vortragender die angeborenen Symptome, 
das charakteristische Gesicht, die Haltlosigkeit des überfetten 
Säuglings, den im Gegensatz zum Myxödem fehlenden, erst später 
einsetzenden Zwergwuchs, die im Gegenteil beim Mongolismus oft 
sehr langen und schlanken Extremitäten, die zimächst normale, 
gewöhnlich erst im 4. Lebensjahr rissige Zunge, das Verhalten des 
Skeletts, der Gelenke, des Schädels, des Respirations-, Zirkulations¬ 
und Digestionstraktus. An der Hand zahlreicher Projektionen er¬ 
läutert er die charakteristischen Merkmale. Er betont das apa¬ 
thische, somnolente Verhalten im Beginn im Gegensatz zum später 
auftretenden ruhelosen Gebahren, die wie beim Myxödem vor¬ 
kommende Temperaturerniedrigtmg und Wirksamkeit der Schild- 
drüsenmedikation, welche von manchen Seiten für Myxödem, gegen 
Mongolismus verwertet werden. Vorhandene Lymphozytose (Exter), 
Myxödem, stark vergrösserte Zunge, hochgradiger Zwergwuchs, 
fehlende Mongolenaugen schliessen den Monogolismus aus, sprechen 
für infantiles Myxödem; vorhandene Schilddrüse, gleichzeitige 
Rachitis, normale Schweissbildung, früh- oder gar vorzeitige Skelett¬ 
entwicklung schliessen letzteren aus. Die Schilddrüsenbehandlung 
beseitigt Obstipation, Hängebauch, Nabelhemie, Adipositas, Kon- 
jugktivitis, stertoröse Atmung, Appetitlosigkeit des Mongolen, 
führt auch zu geringer Wachstumsbeschleunigung. Die so ekla¬ 
tanten Umwälzungen im psychischen und somatischen Verhalten 
des infantilen Myxidioten aber bewirkt sie beim Mongolen nie. 
Bei ihm ist die Organtherapie viel beschränkter nach ln- und 
Extensität. 


Herr Ehret-Strassburg: Ueber die Bedeutung des 
Fiebers für die Diagnose des Infektes der Gallen¬ 
wege. 

Auf Grund von systematischen Untersuchtmgen an einem 
grösseren klinischen Krankenmaterial — aus der Naunynschen 
und Madelungschen Klinik —, sowie auf Grund von bakterio¬ 
logischen und experimentellen Untersuchungen kommt Ehret zu 
folgenden Sätzen; 

1. Das Vorhandensein von Fieber bei Krankheitserscheinungen 
von Gallensteinen spricht an und für sich mit Bestimmtheit für 
das Bestehen von infektiösen Prozessen in den Gallenwegen. 

2. Aus dem Fehlen von Fieber bei Gallensteinmanifestationen 
darf nur dann mit einiger Sicherheit auf das Fehlen von infek¬ 
tiösen Prozessen in den Gallen wegen geschlossen werden, wenn 
entweder feststeht, dass bei den betreffenden Kranken die Gallen¬ 
steine überhaupt noch keine Krankheitserscheinungen gemacht 
haben, oder dass vereinzelte vorausgegangene Krankheitserschei¬ 
nungen sicher ganz fieberlos verlaufen sind. 

3. Hochinfektiösc, von ansehnlichen Veränderungen der Gallen¬ 
wege und ihres Inhaltes begleitete Prozesse sind nicht immer 
dori am wahrscheinlichsten, wo-gerade hohes Fieber besteht; sie 
finden sich häufig auch bei fieberlosen oder gering fiebernden 
Kranken, bei welchen fieberhafte, von Gallensteinen ausgelöste 
Krankheitserscheinungen schon früher gespielt haben. 

4. Die klinischen Beobachtungen scheinen ihre Erklärung 
darin zu finden, dass durch Infekte, die in den Gallenwegen spielen, 
Abwehrkräfte wachgerufen werden. Diese Abwehrkräfte scheinen 
allgemeiner und lokaler Art zu sein. Einmal scheint der Gesamt¬ 
organismus gegen die Keime, die wiederholt Cholezystisis und 
Cholangitis gemacht haben, immunisiert zu werden; zweitens scheinen 
durch die Infekte Vorrichtungen lokaler Art zu Stande zu kommen, 
die den üebergang der Keime und wahrscheinlich auch den Ueber- 
gang der Keimprodukte in das Blut verhindern oder doch er¬ 
schweren. 

Somit erscheint das Fieber bei Gallensteinkrankheiten nur 
als Ausdruck eines wirksamen, d. h. eines durch die Abwehrkräfte 
des Organismiis noch nicht kompentierten Infektes der Gallenwege. 

Herr Emil Reiss-Aachen: Die Messung der elek¬ 
trischen Reizung sensibler Nerven. 

Die Messungen wurden mit Wechselströmen angestellt. 

Durch die Versuche musste zunächst die Gültigkeit einer von 
Nernst theoretisch abgeleiteten Formel erwiesen werden. Vor¬ 
aussetzung hierfür war, dass mit reinen Simusströmen gearbeitet 
wurde, denn nur für solche ist die Formel mathematisch entwickelt 
worden. Dieser Bedingung wurde durch die vom Vortragenden 
verwendete Versuchsanordnung entsprodxen. 

Zu den Versuchen an den sensiblen Nerven des Menschen 
wurden die Fingerspitzen benutzt. 

Aus dem Vergleich der bei den verschiedensten Wechsel¬ 
frequenzen erhaltenen Konstanten wurde auf die Gültigkeit der For¬ 
mel geschlossen. Ihre Richtigkeit war für den Muskel und den 
motorischen Nerv des Frosches bereits in früheren Versuchen er¬ 
wiesen worden. 

Inwieweit sich die Formel für die praktische Bestimmung 
der Reizbarkeit der sensiblen Nerven des Menschen eignet, wurde 
in dem Vortrag eingehender auseinandergesetzt. 

(Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 


1906. Nr. 3. 


von J a ksch-Prag); Veber einen 
der unter den Erscheinungen der 


Prager med. Wochenschrift. 

Dr. X. R 0 1 k y, (Klinik 
Fall von Knochenkarcinose, 
pemixiösen Anaemie verlief. 

Mepaloplastische Regeneration des Blutes wird ausser durch 
den unbekannten zum Bilde der perniziösen Anaemie führenden 
Reiz verursacht, durch Parasiten (Botriocephalus latus, Bacterium 
coli) und in seltenen Fällen, durch maligne Tumoren. Den letzt¬ 
bezüglich publizierten Fällen von Freese und Epstein fügt 
Verf. einen Dritten hinzu. Die klinische Diagnose lautete: Auae- 
mia gravis (e causa ignota). Icterus (Diathesis haemorrhagica). 


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396 


MEi^ICQflSCHS WOCHK. 


Nr. 38. 


Die Sektion ergab ein fibröses Carcinom der Mamma mit ausge¬ 
breitetem sekundären Carcinom des Enochensystems und der 
Lympbdrüsen. 

Nr. 7. 

Dr. Arthur Seelig-Franzensbad (Klinik von Jaksoh-Prag): 
Blatdrnokapparate nnd Blntdmckmessangen. 

Verfasser vergleicht auf Grund von 1000 Messungen die 
Apparate von Riva-Kocci, Gaertner und Sahli auf ihre 
Verwendbarkeit und Fehlerquellen. Am weitaus empfehlenswertsten 
ist nach ihm das Riva-Roccische Sphygmomanometer; dem 
Gaertnerschen Tonometer haften eine ganze Reihe von Fehler¬ 
quellen an; bei tadellosem Zustande und strenger Befolgung aller 
Kautelen bietet es genügende Vorzüge schon wegen der be¬ 
quemen Handhabung. Das Sahli sehe Instrument zeichnet sich 
durch die leichte Transportierbarkeit aus. 

Für wissentschaftliche Arbeit ist Riva-Rocci, für die 
Praxis sind die Apparate von Gaertner und Sahli vorzuziehen. 


mit Erbrechen einsetzenden Analen, in demi einen Fall gleich¬ 
zeitig unter den Symptomen der Tetanie, in dem anderen unter 
Auftreten eines epüeptiformen Krampfes. Ursache war eine durch 
den Geruch der Atemluft schon konstatierbare Vergiftung mit 
Aceton und Acetessigsäure. Keine Zuckerausscheidung. Magen¬ 
erweiterung fehlte. Obstipation trat erst nach Einsetzen der Er¬ 
krankung ein. Indikan war beim schweren Anfall nicht vor¬ 
handen, trat aber beim Schwinden der Erscheinungen auf. Verf. 
glaiibt, dass Pankreas, welches spontan und auf Druck sehr em¬ 
pfindlich war, ein abnorm beschaffenes Ferment abgesondert habe, 
das zur Bildung des Acetons aus dem Eiweiss führte. 


Aerztliches Fortbildungwesen. 

Unentgeltliche Fortblldungekuree fOr praktische Aerzte 

in Berlin und Provinz Brandenburg. 


Nr. 12. 

Prof. Chiari-Prag: Ueber die diagnostisohe Bedeutung 
der MesaortitU productiva. 

Verf. weist an der Hand eines Falles auf die Bedeutung des 
Befundes von Mesaortitis für die nachträgliche Diagnostizierung 
eines sonst rätselhaften Zustandes hin. 

Ein angeblich, früher stets gesunder, nie syphilistisch infi¬ 
zierter 28jähriger Mann erkrankt plötzlich an Amentia, wird 
aggressiv und daher in eine Irrenanstalt aufgenommen. Nach 10 
Tagen beginnt hier eine zunehmende Nekrose des rechten Unter¬ 
schenkels und Fusses. Nach weiteren 7 Tagen Exitus. Bei der 
Obduktion findet sich ein grosser parietaler Thrombus der ab¬ 
steigenden Aorta, eine Embolie der rechten Poplitea und der 
oberen Mesaraica, anämische Infarcte in Milz und Nieren. Die 
mikroskopische Untersuchung der auffälligen Aortenaffektion er¬ 
gibt das deutliche Bild einer rezenten Mesaortitis productiva. 
Der hieraus gezogene Rückschluss auf eine syphilitische Aetiologie 
der Erkrankung erweist sich berechtigt. Angestellte Nachforsch¬ 
ungen ergeben, dass Pat. vor 4 Jahren Lues mit Exanthem ge¬ 
habt bat. 

Nr. 13. 

Dr. Gustav Eckstein: Der menschliche Bronchialbaum im 
Röntgenbilde. 

Eckstein hat zur besseren Sichtbarmachung der Bronchial- 
verzweigungen Röntgenaufnahmen im suspiratorischen Atemstill¬ 
stand unter Benutzung des von Robinsohn und Wermdorf in 
die Röntgentechnik eingeführten Sauerstoffs gemacht. Die Ver¬ 
öffentlichung der genaueren Ergebnisse in Aussicht stellend, hebt 
Verf. hervor, dass es ihm gelungen sei, den Bronchialbaum in 
einer unserer gemeinsamen Wissenschaft Nutzen bringenden Weise 
sichtbar zu machen. 

Nr. 16. 

Dr. G, Jassler, Assistent an dem Ambul. d. Vereins: 
„Kinderambulatorium und Krankenkrippe in Prag,“: „Zur Tuber- 
kulinbehandluug“. 

Nach durchweg schlechten Ergebnissen mit Tuberculin 
recens im Jahre 1897 hat das Ambulatorium seit 4 Jahren Tuber¬ 
culin. vetus injiciert. Ob bei jungen Säuglingen trotz bestehender 
Tuberkulose die Reaktion ausbleibt, ob eine Verbreiterung der 
Bronchialdrüsentuberkulose verhindert und endlich ob ostitische 
Prozesse günstig beeinflusst werden, diese 3 praktisch wichtigen 
Fragen können erst nach längerer Erfahrung beantwortet werden. 
Einstweilen fällt Verf. ein freilich nicht mehr als ein subjektiv 
günstiges Urteil über die Behandlung. 

Dem Auftreten der lokalen Reaktion misst Verf. eine diag¬ 
nostische Bedeutung nicht zu. 

Nr. 21. 

Dr. P. Palma>Reichenberg: Ein Beitrag zur Autointozi- 
kation durch Aceton. 

Ein 29jähriger Buchhalter erkrankt im Verlaufe eines Viertel¬ 
jahrs 3 Mal ganz plötzlich infolge Autointoxikation an schweren 


1. Vorträge. 

Die nachstehenden Vorträge bilden eine Vortragsreihe und betreffen 
das Gebiet: Elektrizität und Liebt in der Medizin. Die einzelnen Vor¬ 
träge sind: 

1. Gegenwärtiger Stand der Röntgendiagnostik bei inneren Erkiunk- 
ungen. Vortrag von Prof. Dr. Grunmacb am 9. Not. 

2. Das Böntgenrerfabren in der Chirorgie. Vortrag von Dr. Alters- 
SchöDeberg, Hamburg am 13. Not. 

3. Technik der Mn^anologie in der Praxis. Vortrag tob Dr. Lotj. 
Dorn am 16. Not. 

4. Das Licht als Heilmittel. Vortrag Ton Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Lesser am 20. Not. 

5. Elektrochemie und ihre Beziehungen zur Medizin. Vortrag Ton 
Prof. Dr. ßredig-Heidelberg am 23. Not. 

6. RadioaktiTe Stoffe, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung 
für die Heilkunde. Vortrag Ton Prof. Dr. Marckwald am 27. Not. 

7. Die wissenschaftlichen Grundlagen der elektromedizinischenMethoden. 
Vortr^ Ton Prof. Dr. Braun-StrassboM am 30. Not. 

8. Die bisherigen Methoden der Elektrotherapie und ihre praktische 
Anwendui^. Vort^ tod Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bernhardt am 7. Doz. 

9. Die Verwendung hochgespannter Ströme und des Blektromagnetis- 
mns für Heilzwecke. Vortrag Ton Prof. Dr. Boruttau-Göttingen am 11. Dez. 

10. Demonstration der Erscheinungen hoebge^annter und frequenter 
Ströme (Experimental-Vorti^). Vortrag Ton Dr. Donath am 13. Dez. 

Die Vorträge finden im Hörsaal des Kaiserin Friedrich-Hauses statt 
und h^innen pünktlich abends 8 Uhr. 

Vortrag 10: am 13. Dezember im Saale der Urania, Taubenstr. 48/49, 
Ton pünktlich 6—‘/i® Uhr. 


II. Fortbildungskurse. 

Allgemeine Gebiete: 

1. Innere Medizin. Lehrer: Geb. Med.-Etat Prof. Dr. Ewald. Orc; 
Augustahospital. Jeden Mittwoch Ton 12—1'/« Uhr. Beginn am 7. Nor. 

2. Chirurgie. Lehrer: Prof. Dr. F. Krause. Ort: Augustahospital 
(Medikomechamkum). Jeden Dienstag tou 12—U/, Uhr. Beginn am 
6. Not. 

Sondergebiete: 

3. Augenleiden. Lehrer: Dr. Döus. Ort: Poliklinik, Chausseestr. 114. 
Jeden Sonnabend Ton 1*/*— 3 Uhr. Beginn am 3. Not. 

4. Blutuntersuchungen (mit praktischen Uebungen. Lehrer: Dr. Pappen¬ 
heim. Ort: Kaiserin Friedrich-Uaus, bakteriol. Lt^uratorium. Jeden Mon¬ 
tag Ton 12 — VL Uhr. Beginn am 5. Not. 

5. Frauenleiden. Lehrer: Dr. Czempin. Ort: Kaiserin Friedrich-Hans. 
Jeden Donnerstag Ton 6—7*/, Uhr. B^inn am 1. Not. 

6. Hals- und Nasenleiden. Lehrer: Prof. Dr. A. Rosenberg. Ort: 
Poliklinik, Elsasserstr. 331. Jeden Dienstag Ton 1— 2'/, Uhr. Beginn am 
6. Not. 

7. Hantloiden und Syphilis (mit besonderer Berücksichtigung der 
neueren Forschungen Uber die Aetiologie der Syphilis). Lehrer: EfrWat- 
dozent Dr. Busebke. Ort: Dermatologische Abteilung dos Rudolf Virchow- 
Krankenhauses. Jeden Freitag tou 12—1'/. Uhr. Beginn am 9. Not 

8. Kinderkrankheiten (ausgewäbltes Kapitel). Lebror: PriTatdozent 
Dr. Neumann. Ort: E’oliklinik, Blumenstr, 78. Jeden Mittwoch Ton V/, 
bis 3 Ubr. Beginn am 7. Not. 

9. Klinische Chemie und Mikroskopie (mit praktischen Uebungen, ins¬ 
besondere Harnuntersuchungen). Lehrer: l’rof. Dr. Kosin. Ort: ICaUeriD 
Friedrich-Haus, >')aal für Chemie und Mikroskopie. Jeden Sonnabend Ton 
1'/,—3 Uhr. Beginn am 3. Not. 

10. Magen- und Darmleidon. Lehrer: PriTatdozent Dr. Albu. Ort: 
Poliklinik, Ziegelstr. 26. Jeden Mittwoch 6—7*/* Uhr. Beginn am 7. Nov. 

11. NerTenleiden und Psychiatrie. Lehrer: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Ziehen. Ort: Charitö, Psych. und NerTenklinik. Jeden Donnerstag Ton 
6'/» — 8 Uhr. Beginn am 8. Not. 

12. Ohrenloiden. Lehrer: Oberarzt Dr. Lange. Ort: Ohronklinik der 
Kgl. Cbaritö, Louisenstr. Jeden Donnerstag Ton 12—U/, Ubr. Beginn am 
1. Not. 

13. Orthopädie und Massage. Lehrer: Dr. Helbing. Ort: UniTersi. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


399 


tätspoliklinik für orthof^ische Chirargie, Am Zirkus 9. Jeden Dienstog von 
6Vt—8 Uhr. Beginn am 13. Nov. 

14. Röntgen•üntersuchun^n (mit praktischen Uebungen.) Lehrer: 
Dr. Immelmann. Ort: Kaiserin ^iednch-Haos, Röntgen-Laboratorium. 
Jeden Freitag von 6*/,—8 Uhr. B^nn am 2. Nov. 

Bemerkungen für die Teilnehmer. 

1. Berechtigung zur Teilnahme. Zur Teilnahme an den Fortbildungs¬ 
kursen und Vorträgen ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin und der Provinz 
Brandenbnig gegen Losung nicht Übertragbarer Karten berechtigt. Jede 
Karte nlt mr einen einzelnen Fortbildungskurs oder für die gesamte Vor¬ 
tragsreihe und wird gegen eine Einschreibegebühr von je M. 2.— verab¬ 
folgt. Diese Binscbreib^bübr wird, sofern die Karte aus iigend welchen 
Gründen unbenutzt bleibt, nicht zurückerstattet 

2. Art der Meldung. Die Karten, sowie die Verzeichnisse der Fort¬ 
bildungskurse und Vorträge sind im Bureau des Kaiserin Friodrich-Sauses 
für das ärztliche Fortbildungswesen zu erhalten, wo auch Auskunft über die 
Kurse erteilt wird (nur schriftlich, oder wochentäglich 9—2 Uhr persönlich). 
Schriftlichen Bestellungen sind ein frankiertes Couvert mit der Adresse des 
Bestellers und die Einschreibgebühr für die gewünschten Karten beizu- 
fügen (in Briefmarken zu 5 oder 10 Pfennigen oder durch Postanweisung, 
nicht in Metallgeld im Couvert). Alle schriftlichen Bestellungen und 
eh^ge Postanweisungen sind zu richten: an Herrn 0. Zfirtz, Kaiserin 
Priednch'Haus HW. 6. Luisenplatz 2—4. Persönliche Meldungen werden 
wochent^lich von 9 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmitt^ angenommen. 
Hierbei ist ein offenes frankiertes Couvert abzugeben, welches mit der 
Adresse des Bestellers versehen ist und die schriftliche Bestellung enthält; 
zugleich ist die Einschreibegebühr zu erlegen. Telephonische Bestellungen 
von Karten und Verzeichnissen können nicht berücksichtigt werden. 

3. Termine der Meldungen a) bei Vormerkungen. Es haben diejenigen, 
welche sich bei einem früheren Zyklus von Fortbildungskursen für eine be¬ 
stimmte Disziplin vorgemerkt haben, für dieselbe in der Zeit vom 20. bis 
28. September (inkl.) das Vormeldungsrecht, .b) Beginn der neuen Meld¬ 
ungen am 24. ^;^tember. c) Schluss der Meldungen und Vormerkungen am 
I. November. Die Vormerkungen gelten stets für den neuen Zyklus, in 
welchem die betreffende Disziplin vertreten ist. 

4. Art der Kartenausgabe. Vom 24. September an werden täglich ans 
allen bis 2 Uhr nachmitt^ eitmelaufenen schriftlichen und persönlichen 
Meldungen durch Auslosung die Teilnehmer fes^esiellt, welchen hierauf die 
Karten zugeeandt werden. Die Uobrigbleibenden (nach Erreichung der je¬ 
weiligen Maximalzahlen) werden für den nächsten Kurszyklus vorgemerkt 
und erhalten die Einschreibegebühr zurück. 

5. Zuschriften für das Zentralkomitee. Alle Zuschriften sind zu richten 
an das: Bureau des Zentralkomitees, HW 6, Luisenplatz 2—4 (Kaiserin 
Friedrich-Haus für das ärztliche Fortbildungswesen). 

Zentralkomitee für das ftntliehe Fortbildungswesen ln Preussen. 

E. von Bergmann, R. Kutner, 

Vorsitzender. Generalsekretär. 


Patentnachrichten. 

Patent-Anmeldungen: 

B. 40561. Vorrichtung zum Befeuchteu vou Schleifeteinen oder Schleif¬ 
scheiben für zahnärztliche Bohrmaschinen. Harry Sanford Burton, Oxford, 
England. 

W. 23794. Kissen als Unterlage für Kranke und Kinder. Herta 
Winkler, geb. Kempfer, Chemnitz. 

G. 20592. Verfahren und Vorrichtung zum Betriebe eines Vibrations- 
a^paratee mit in einem Gestell o. dergl. drehbar geleertem Schwungkörper 
mit ungleichmässig verteilter Schwungmasse. Dr. ^bert Gross, Rasten¬ 
berg i. Th. 

K. 28418. Ptenra-Punktionsvorricbtung. Dr. Georg KrOnig, Berlin. 

W. 23780. Trokar. Sebastian Wiedauer, Berlin. 

L. 19 789. Lichtbadeapparat zur radiotherapeutischen Behandlung des 
menschlichen Körners mit Fluoreszenzlicht. Marian Lukowski, Posen. 

L. 21136. Verfahren zur Herstellung von Gipsbinden oder dergl. 
Lüscher & Bömper, Berlin und Fahr, Rhld. 

St 9218. Aus einer oder mehreren mit Vioformpulver od. dgl. be¬ 
streuten Verbandstofflagen bestehender Verband. Kaspar Stubner, Basel, 

W. 24214. Bettenfabrer; Zus. z. Pat. 167145. Emst Walter, Hamburg, 

Erteilungen. 

169181. Fahrbarer Laufstahl für Kranke zum Wiedererlemen oder 
Erleichtern des Gehens. Richard Fiedler, Berlin, Wilbelmstr. 6. 5. 10. 04. 

169046. Zerstäuber für ätzende Flüssigkeiten mit metallfreiem 
Mundstück. Alcide Bellot des Mioidree, David Capdeville und Pierre Cap- 
deville, Ldo^an, Gironde, Frankr. 

169337. Verfahren zur Herstellung von Leibbinden mit einem Becken¬ 
teil in zwei daran sitzenden Schenkelteilen. Dr. .Qugiiotmo Bracco senior, 
Turin, Ital. 

169 415. Vorrichtang zum Teilen von Pulvern in gleiche Teile. 
Stanislaus Oppl, Fulnek, Mähren. 

169446. Verfobren zur Herstellung haltbarer Lösungen der wirk¬ 
samen Nebennierensnbstanz. Dr. Walter Stranb, Marburg a. L. 

169862. Ringpessar mit einem Stiel zor Handhabung des Pessars. 
Dr. Ludwig Cohn, Mrlin. 


Gebrauchsmuster. 

268782. Pinzette mit Federvorriebtung zum Feetbalteu von Wund- 
klammem und selbsttätiger Öffnung nach Anlegung der Wondklammera. 
Dr. Max Samuel, Berlin. 

268970. Vorrichtung zum Behandeln von Hühneraugen, bestehend ans 
einer über die Zehe zu ziehenden elastischen Hülse, die mit einem ver- 
Bcbliessbaren Ansatz zum Einfüllen von Medikamenten versehen ist. Emst 
Harms, Magdeburg. 

269 222. Zange zum Quetschen des Magens oder Darmes zwecks Aus¬ 
führung einer Verschlnssoaht, mit Längsscblitz in beiden Schenkeln. G. A. 
Kleinknecbt, Erlangen. 

269234. Pneumatischer Nasenspiegel mit im Querschnitt ovalem An- 
satztricbter. Dr. Siegfried Levinger, München. 

269047. PressvorricbtuDg, durch welche metallene Gaumen- bezw. Oe- 
bissplatten für zahntechnische Zwecke mit in die Form zu pressendem Über¬ 
zug von Rohgummi oder dergl. Masse hergestellt werden. C. Rauhe, 
Düsseldorf. 

268728. Schutzvorrichtung für Rennfahrer, welche aus federndem 
Sturzhelm und federnden Rücken, Brust, Arme und Beine bedeckenden 
Binden besteht. Christoph Pütz, Mühlheim a. Rh. 

269040. Wanderaierenbinde, bei welcher die Pelotte an einer durch 
Taillengurt und Scbenkelriemen gehaltenen Platte sitzt. Reinbold Wurach, 
Berlin. 

269077. Fussscboner, welche das Wundreiben durch das Schubwerk 
verhindern soll und aus zwei beweglich verbundenen, um SoUe und Kappe 

g eführten Metallbügeln, sowie über den Spann geführtem Riemen besteht, 
•tto Emil Schott, Chemnitz i. Sa. 

269257. Stoffgürtel zur Befestigung einer Monatsbinde, welcher durch 
seine Form den Unterleib stützt und znruckbält. Frau Clara Conrad, Köln. 

269211. Fahrbare Uriniervorrichtung mit Schlauchverbindung zwischen 
Urinierglas und im Kasten untergebra^tem Sammelgeüiss, weldie am 
Ständergestell lösbar befestigt wird. Gustav Sommer, l^orzheim. 

269214. Operationstisch mit sieb kreuzenden untereinander verbondenen 
Beinen, deren Stellung zu einander durch eine Kur^lbewegung verändert 
werden kann. Evens & Pistor, Cassel. 


Meyers Grosses Konversattons-Lexlkoti. 

Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neu¬ 
bearbeitete und vermehrte Aufli^e. Hehr als 148000 Artikel und Ver¬ 
weisungen auf Übor 18240 Seiten Text mit mehr als 11000 Ahbildnngen, 
Karten und Plänen im Text und auf über 1400 Illastrationstafeln (darunter 
etwa 190 Farbendrticktafcln und 300 selbständige Kartenbeilagen) sowie 
130 Textbeilagen. 20 Bände in Halbleder gebunden zu je 10 Mark oder in 
Praebtband zu Je 12 Mark. (Verlag des Bibliograpfaisuben Instituts in 
Leipzig und Wien.) 

Mit der Pünktlichkeit eines Uhrwerks ist noch im alten Jahr wieder¬ 
um ein Band erschienen, der dieses Monumentalwerk seiner nun nicht mehr 
fernen Vollendung entgegenführt. Der neue Band (L—Lyra) bringt aus 
allen Gebieten eine solche WiseensfQlIe, dass die Wahl schwer wtrt, das 
beste berauszogreifen. Allgemeines Interesse haben die Artikel „Lebens¬ 
versicherung“ mit einer übersichtlichen „Statistik der Lebensversicherungs- 
gesellscbaften“, „Lehrling und Lehrlingswesen“, „Lotterie“, „Landkarten“, 
-Lithographie“, letztere beiden mit trefflichen bunten Tafeln. Ans dem 
Reiche der Naturwissenschaften erwähpen wir eine Reihe wichtiger Artikel 
über „Licht“ und „Luft“; über „Luftdruck“ und,,Lufttemperatur' werden 
wir durch instruktive Karten aufgeklärt. Der Artikel „Lurtschiffahrt“ zeigt 
uns die Eutwicklung dieses Verkehrsmittels der Zukunft vou den ersten 
Anfängen an bis zu Zeppelins und Santos Dumonts Luftschiffen ib Wort 
and Bild. Von den zahlreichen Beiträgen aus dem Gebiete der Medizin und 
Hvg^ene heben wir die aasführlichen Artikel „Liebttberapie“ und „Lungen¬ 
schwindsucht“ hervor. Das letztenn beig^febene Verzeichnis: ,DeQtscbe 
Heilstätten für Lungenkiunke im Frülyahr 1905“ (einscbliesslicb der Heil¬ 
stätten für skrofulöse Kinder) besitzt eminent praktischen Wert, da bei den 
einzelnen Kuranstalten sogar die Tageskosten beigefügt sind. Von den 
grossen St^te-Artikeln seien die über Leipzig mit treilicheD Tafeln her¬ 
vorragender Bauten, London und Lübeck (mit gründlich erneuerten Plänen) 
genannt. Dass auf dembeig^benen Stad^lan von Leipzig schon der projek¬ 
tierte Hauptbabnbof (der ja der grösste Deutschlands werden soll) einge¬ 
zeichnet ist, sei nur nebenbei erwähnt. Einen breiten Raum nimmt in 
diesem Bande die „Landwirtschaft“ mit einer Reibe einschlägiger Artikel 
(Landwirtschaftliche Betriebsfonnen, Betriebssysteme, Maschinen, Wirt¬ 
schaftserträge etc.) ein, während die i^rar-politischen Bestrebungen der Ver¬ 
gangenheit und der Gegenwart im Artikel „Landwirtschaftspolitik“ ein¬ 
gehend beleuchtet werden. Dass die technolc^ischen Artikel (Lampen, 
elektrische Läutwerke, Leuchta^bereitong, Lokomobile, Lokomoti)re etc.) 
auch in diesemBande wieder mit Vorliebe behandelt und man möchte sagen: ver¬ 
schwenderisch illustriert sind, braucht beim Grossen Meyer eigentlich nicht 
mehr betont zu werden. Eine gewiss hochwillkommene Übemsebung für 
viele bringen die dem Artikel „Litteratur“ beigehefteten vier Porträttafeln 
,.Klassiker der Weltlitteratori', auf denen man nach authentischen Vorlagen 
die Bildnisse der fremdländischen Ritter vom Geist versammelt findet — 
von Dante, Petrarca, Shakespeare etc. bis zu unsem berühmten Zeitge¬ 
nossen IbMn, Eolstoi, d'Annunzio, Rudyard Kipling u. a. Alles in allem: 
dieser 12. Band mit seinen 34 schwarzen und 4 Farbentafeln, sowie 14 
Karten und Plänen reiht sich seinen Vorgängern würdig an. Vivat seqnens! 


Vttnatwonliehw R«d«kte«ir: Dr. P. Meitner, Berlta W. St, Knrffirttentir. 81. — yeriif von Ctrl Marbold, Helle 
Draek voa der HeTeeuM'tehea BBchdracdterei, Oebr Wolfl; Helle e. S. 


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Von 

Dr. Hans Lungwitz. 

Heft 1 . DarmerkraDkuDgen. 

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Familien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Frieda Blumenthal mit Hrn, Dr. med. Heinrich Herzbrunn, beide 
in Berlin. — Frl. Clara Sigle in Essen (Ruhr) mit Hm. Dr. med. Paul 
Steffens, Augenant in Kola a. Rh. — Frl. Trude Lippert iu Pirna mit 
Hrn. Dr. med. Richard Zink in Leipzig. — Frl. Älma Grün in Blumberg 
b. Berlin mit Hm. Dr. med. Paul Mennert in Schwedt a. 0. — Frl. Marie 
Schenk in Oelsnitz i. V. mit Hm. Dr. med. Reinhard ROrig, Badearzt iu 
Wildungen. 

Vermählt; 

Hr. ür. med. Hans Cölle mit Frl. Martha Hagen in Burgdorf. —- Hr. 
Dr. med. Ettore Santangelo mit Frl. Helene Frederich in Bad Kissingen. 

— Hr. Dr. med. Felix Sieglbauer mit Frl. Käthe Schirmer in Leipzig. — 
Hr. Dr. med. Franz F. Krusius mit Frl. Elisabeth von Bombard in Leipzig. 

— Hr. Dr. med. G. Gessler mit Frl. D. Schutz in Leipzig-Gohlis. — Hr. 
Dr. med. Hans Boeschen mit Frl. Lucy Ashoff in Lesum. 

Geboren: 

_ Ein Sohn: Hm. Assistenzarzt Dr. Wilhelm August Gerhard Gilbert 
in Bonn. — Hrn. Dr. med. Jos. Boden in Köln a. Rh. 

Eine Tochter: Hm. Dr. med. Rudolf Lorenz in Berlin. — Hm. 
Dr. med. Hermann Winkler in Breslau. — Hm. Dr. med, Dieckerhoff in 
Köln. — Hrn. Dr. med. Josef Grötschel in Neisse. 

Gestorben: 

Sanitätsrat ]>. Siegfried Sorauer in Berlin. — Sanitätsrat Dr. med. 
Förster in Bigge i. Westf. — Geh. Hofrat und o. ö. Professor der inneren 
Medicin Dr. Oswald Vierordt in Heidelberg. — Dr. med. Hermann Pierer 
in Neuhofen an der Kremstalbahn. — Medicinalrat Dr. Georg Teicbner in 
Nürnberg. — Dr. med. Adolf Weil in Offenbacb. — Dr. med. Matthias. 
Luger in Pilsen. — Bezirksarzt Med.-Rat Dr. Reinbold Findeisen in Ronne¬ 
burg. — Stabsarzt a. D. Dr. Victor Rinke in Taraowitz. — Dr. med. 
Gerdes in Oldenburg. — Dr. med. Friedrich Zenker in Schlegel (Kr. Neu¬ 
rode). 



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VU. Jahrgang. 


24. September 1906. 


Nr. 39. 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utäglgen Beilage BalnCOlOglSChe CcntralzeltUng, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne 
Nummer 25 PI. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet* 


Originalien. 


Die Heilwirkung des Blutes. 

Von Dr. Hans Lungwitz-Hallo. 

.Blut iat ein ganz bosondorer Sufi“ 
(Sdupbi.stoplieles.) 

Die Erkenntnis, dass der Körper bei allen Erkrankungen 
möglichst grosse, ja bisweilen zu grosso Anstrengungen macht, 
die erlittene Schädigung zu kompensieren, ein Vorgang, den 
man im Gegensatz zur Allo* und Homöopathie mit Autopathio 
bezeichnen kann, und dass in der Phamakopöo der Natur die 
Blutflüssigkeit einen integrierenden Bestandteil ausmacht, ist 
ebenso alt wie die medicinische Wissenschaft, und es hat nie 
eine historisch, zugängliche Zeit gegeben, in der man dieser 
Tatsache bei der Behandlung von Krankheiten nicht instinkt¬ 
mäßig Rechnung getragen hat. Wie au! vielen Zweigen des 
Baumes der Erkeuntnis die Knospen der theoretischen Einsicht 
erst blühen, nachdem sie lange als „Augen^ geschlummert und 
ganz allmählich durch den nährenden Saftstrom der praktischen 
Erfahrung zum Spriesseu gebracht worden sind, so eilte auch 
in der Beurteilung und Wertschätzung der natürlichen Heil¬ 
kräfte des Organismus, insbesondere des Blutes die Praxis der 
Theorie weit voraus. 

ln den ältesten Zeiten (und noch jetzt neigen manche Me- 
diciner und — Sozialpolitiker dazu) überliess man die Heilung 
untätig der Natur, einfach deshalb, weil es an Mitteln gebrach 
und wohl auch weil man die Krankheiten als böse Geister an¬ 
sah und jede Berührung mit ihnen fürchtete; man vertraute 
so die Entscheidung über Leben und Tod dem auswählenden 
Prinzip der Natur an, und dieses garantierte zweifellos für 
eine Sichtung der Menschen nach ihrer Widerstandsfähigkeit 
gegen Krankheiten, d. b. aber nach ihrem körperlichen Worte 
für die erzeugte Generation. Aber auch zu Zeiten, da man 
schon gelernt hatte, die Natur durch allerlei Mittel in ihrem 
Heilbestreben zu unterstützen, verfiel man gelegentlich — häu¬ 
fig als Abschluss einer Periode medikamentöser Vielgoschäftig- 
keit — verzweifelnd an der Macht der Mittel immer wieder 
in den therapeutischen Nihilismus. Immerhin ist im allge- 
gemeinen von jeher das Charakteristikum der ausübenden Me- 
mcin das Bestreben gewesen, durch Verordnung von bestimmten 
Mitteln und Maßnahmen den Körper in seinem Kampfe gegen 
Schädlichkeiten zu unterstützen; man merkt das Gefünl heraus, 
dass etwas geschehen müsse, dass es roh wäre, einen Kranken 
seinem Schicksal zu überlassen, und dass man die Krankheit 
angreifen müsse selbst mit Waffen, die zu führen und deren 
Wirkung man nicht verstand. 

Dieser Zug hat zwar die eigenartigsten Blüten gezeitigt: 
vom „Besprechen“ der Krankheiten und der „Sympathie^^ bis 


zur Homöopathie und ähnlichem Blödsinu, aber auch den 
ganzen Apparat der heutigen Heilmethoden. Indem man zu¬ 
nächst rein empirisch fcststellte, was sich als zuträglich 
erwies und was nicht, gelangte man — per aspera ad astra — 
nicht ohne Opfer zu einer I^uistik der verschiedenen Krank¬ 
heiten und zu einer Encyklopädie ihrer therapeutischen Mittel. 
Natürlich mussten sich alsb^d die wirkliclien Heilmittel von 
den pharmakologischen Mitteln streng differenzieren, und in 
der ersteren Gruppe wiederum eine Scheidung eintreten zwischen 
den symptomatisim wirkenden, d. h. nur die Aeusserungen der 
Krankheiten (Schmerz, Husten usw.) bekämpfenden und be¬ 
seitigenden — und den die Krankheit selbst und ihre Erreger 
angreifenden Mitteln, die mit den die Autopathie unterstützenden 
allgemein-therapeutischen Methoden identisch sind. Während 
die ersteren in dieser Untergruppe häufig wechseln, der Mode 
unterworfen sind und ihr Wert dadurch genügend gekennzeichnet 
ist, liegt in den letzteren ein ewiges Prinzip, das sich nie hat 
unterdrücken lassen, wenn es auch Kranke und Aerzte zeit¬ 
weise vergessen hatten, das sich stets von neuem zur Geltung 
bringt und dann oft genug in seinen einzelnen Phasen als 
„neue Entdeckung“ gepriesen wird. 

Diese allgemein-therapeutischen, die Autopathie fördernden 
Methoden haben an Bedeutung unendlich gewonnen, seit die 
theoretische Wissenschaft, mit Seziermesser, Mikroskop und 
Retorte ausgestattet, uns die Geheimnisse der empirisch fest¬ 
gestellten Wirkung der Mittel vielfach enthüllte. Dies ist 
nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, die Praxis profitiert 
davon besonders deshalb, weil eine genaue Dosierung der ap¬ 
plizierten Mittel möglich gemacht ist, ferner weil häufig die 
Wirkung eines Mittels ohne „Haufen von Opfern“ theoretisch 
zu erschliossen ist, endlich weil Methoden, denen ein richtiges 
Prinzip zu Grunde liegt, die aber we^en falscher Ausführung 
geschadet haben und verlassen worden sind, wiederum zu Ehren 
gebracht werden. Dass die physikalisch-diätetische Behandlungs¬ 
weise, dass die arititoxische Therapie der Infektionskrankheiten 
(Pocken, Diphtherie) ihre Triumphe feiern, will schon viel 
sagen, noch mehr aber, dass uns eine so merkwürdige und 
schier transzendente Erscheinung wie die suggestive und hyp¬ 
notische Tlierapie kein Rätsel mehr ist, sofern wir nur bereit 
sind, uns im Bannkreise menschlicher Unvollkommenheit zu 
bescheiden und „letzte Fragen“ nicht lösen zu wollen. 

War bisher nur von den die Autopathie fördernden Me¬ 
thoden die Rede, so drängt sich nun die Frage nach den na¬ 
türlichen Heilkräften des Organismus auf. Es ist bekannt, dass 
ein Körper, je kräftiger er entwickelt ist, um so weniger in 
Gefahr geräU einer Krankheit zu erliegen. Die mehr oder 
weniger kräftige Konstitution offenbart sich in Krankheitsfällen 
durch die verschieden heftige Reaktion auf das Eindringen des 
schädigenden Kraokheitsstoffes: je energischer diese ist, desto 
mehr ist auf Genesung zu hoffen. Diese Reaktion, in der sich 
die natürlichen Heilkräfte des Körpers zu erkennen geben, 
äussert sich vornehmlich in drei Erscheinungen. 


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402 


BIEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 39. 


Das Fieber, dem schon Hippokrates (um 400 vor Christo) 
eine dem kranken Orp^anismus nutzenbringende Wirkung zu¬ 
schrieb, wird erst neuerdings wiederum auf Grund der Ergeb¬ 
nisse bakteriologischer Forschungen als natürlicher Heilfaktor 
gewürdigt, nachdem eine sehr la^e Zeit hindurch die Medicin 
mit verblüffender Blindheit jede Temperatursteigerung als ein 
an sich höchst schädliches Ereignis angesehen nat, zu dessen 
Bekämpfung ein Heer von chemischen Mitteln auf den Markt 
gebracht worden ist. Noch heute stehen zahlreiche Aerzte auf 
diesem falschen Standpunkte, und ein anständiger Mensch muss 
eigentlich immer ein Quantum Phenacetin, Antipyrin, Salipyrin 
usw. in der Westentasche mit sich herumtragen. 

Die Erhöhung der Temperatur wird durch einen vermehrten 
Stoffwechsel infolge bakterieller Einflüsse hervorgerufen und 
steht in engem Zusammenhänge mit der Bildung der sogenannten 
Antikörper im Blute, das sind Stoffe von unbekannter che¬ 
mischer Zusammensetzung, welche die von den Bakterien aus¬ 
geschiedenen und ins Blut resorbierten Gifte dadurch unschäd¬ 
lich machen, dass sie chemische Verbindungen mit ihnen ein- 
gehen. Sobald diese Schutzstoffe in einer zur Bindung sämtlicher 
Giftstoffe genügenden Menge im Blute kreisen, fällt das Fieber 
ab. Die Bedeutung des Fiebers besteht also darin, dass es ein 
Zeichen für den Beginn und das Fortschreiten einer Infektion 
und ein Maßstab' für den im Organismus stattiindenden Kampf 
gegen das eingedrungene Gift ist Es ist also an der Zeit, die 
Anwendung der Antipyretica auf die Fälle von excessiver, an 
sich lebensgefährlicher Temperatur (41®—42® C und mehr) zu 
beschränken, besonders wenn man bedenkt, dass durch die 
chemischen Fiebermittel die eigentliche Krankheit nicht im 
geringsten günstig beeinflusst wird und sich der Arzt durch 
fliro prinzipielle Anwendung eines der wichtigsten Kriterien 
des jeweiligen Standes einer Krankheit begiebt. 

Schon lange währt auch der Streit über den Wert der 
Entzündung. Während schon im Jahre 1797 der englische 
Arzt Hunter darlegto, dass die Entzündung ein Vorgang sei, 
mit dem die Natur den Körper zu seiner Selbstverteidigung 
ausgestattet habe, hatte sich in neuerer Zeit die Auffassung der 
Entzündung als einer an sich deletären Erscheinung einge¬ 
bürgert, und sie spukt noch jetzt in zahlreichen Köpfen, ob¬ 
wohl sie durch theoretische Ueberlegung und Erfahrung am 
Krankenbett widerlegt genug ist. 

Die Entzündung äussert sich abgesehen von dem Schmerz 
und der Erschwerung oder Behinderung der Funktion des be¬ 
fallenden Körperteiles in drei Erscheinungen. Die erste ist die 
Störung der Zirkulation und zwar im Beginn ein ver¬ 
mehrter Blutzu- und abfluss (aktive Hyperämie), darauf eine 
Verlangsamung des Blutstromes im Entzündungsgebiet (passive 


Hyperämie). Während der Verlangsamung des Blutstromes 
flndet eine Auswandemi^ von weissen Blutkörperchen durch 
die Gefässwände in das Entzündungsterrain statt, ein Vorgang, 
den man treffend mit dem Transport von Truppen nach einem 
vom Feinde occupieiten Gebiete vergleichen kann. Weitere 
Hilfe wird diesen Verteidigern des Körpers durch die mit 
bakterienfeindlichen Eigenschaften ausgerüstete Gewebsflüssig¬ 
keit, deren Menge durch Exsudatmassen aus den feinsten Blut¬ 
gefässen so erh^lich vermehrt werden kann, dass es zu einer 
brettharten Spannung oder zu einer teigigen Schwellung der 
infiltrierten Partie kommen kann. 

Als zweiter Faktor bei der Entzündung macht sich eine 
allmähliche Degeneration, ein Absterben der direkt ge¬ 
schädigten Gew^spartieen bemerkbar, hervorgerufen je nach 
der entzündungserregenden Ursache durch die zell töten de Wir¬ 
kung der Bakterien und ihrer Produkte oder auch der che¬ 
mischen, thermischen, mechanischen Schädlichkeiten, wohl auch 
durch die angeführten Zirkulationsstörungen. Das abgestorbene 
Gewebe wird so bald als möglich vom gesunden scharf abge¬ 
grenzt und verfällt der Tätigkeit der weissen Blutkörperchen 
und ihrer Fermente, durch die es eingeschmolzen oder wenig¬ 
stens gelockert und zur Abstossung frei gemacht 'wird. 

An diese Nekrotisierung schliesst sich der Regene¬ 
rationsprozess an, durch den die entstandene Gewebslücke 
wieder ausgefüllt wird. Rings um den Entzündungsherd 
sammeln sich zahllose Scharen von Zellen an, lebendige Ele¬ 
mente zur Bildung des Granulationsgewebes, das zu gleicher 
Zeit mit neugebildeten feinen Blutgefässen reichlich versorgt 
wird und mlmählich unter Abbmasung in Narbengewebe 
übergeht. 

Weniger Widerspruch hat die der Neuzeit ausschliesslich 
angehörende Entdeckung der dritten Schutzmaßregel des Körpers 
gemnden, die sich nur auf die Abwehr von Infektionserregern 
richtet: die angeborene und erworbene Immunität. Ueber 
den chemischen Mechanismus der Bildung der Antikörper, die 
schon normalerweise in geringer Menge im Blute vorhanden 
sind, beim Einsetzen einer Infektion aber mit einer überaus 
intensiven Lebhaftigkeit an Menge zunehmen, ist man trotz 
einiger höchst geistreicher und mteressanter Theorien noch 
nicht zu völliger Klarheit gekonuuen. Die Bedeutung der Tat¬ 
sache aber, dass durch die schädigenden Bakterien die Bildung 
der sie abtötenden und ihre Produkte paralysierenden Schutz¬ 
stoffe im Blute angeregt wird, entgeht auch dem Laien nicht; 
kein Mensch kann daran zweifeln, dass in dieser Relation mit 
absoluter Deutlichkeit eine Mobilmachung der Streitkräfte des 
Körpers gegen feindliche Macht zu erblicken ist. Uebrigens 
basieren darauf die prophylaktische und die therapeutische 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Erautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Fortsetzung-.) 

Es ist nur die Frage schon häufiger aufgeworfen, ob diese 
Bestimmungen der Ministerial - Verordnungen, welche weiter- 
gohon als die Bestimmungen dos Gesetzes (siehe § 8 Nr. VIII der 
Ausführungsbestimmungeil) nicht auch durch den § 37 des 
Preussischen Gesetzes aufgehoben seien. Dann würden die Be¬ 
stimmungen der Verordnungen über die Ausschliessung gesunder 
Kinder, falls Masern, Röteln und Keuchhusten in demselben 
Haiislialto auftreten, hinfällig sein. Indessen ist daran festzu¬ 
halten, dass das vorliegende Gesetz mehr polizeilichen Charakters 
ist. Wenn es auch hier die Materie erschöpfend regeln will, 
so können doch neben dem Gesetz Verwaltungsmaßregeln, die 
seitens der Schulbehörde für richtig gehalten werden, ruhig 


bestehen bleiben. Demnach liegt kein Grund vor, an dem 
bisherigen Zustande vorläu^ etwas zu ändern. 

Von ganz besonderer Wichtigkeit für die Aerzte sind die 
Desinfektionsvorschriften. In der Begründung des Gesetzent¬ 
wurfs sagt die Regierung, dass die Desinfektion mit Ausnahme 
von Syphilis, Tripper, Schanker, Tollwut, Fisch-, Fleisch-, 
Wurstvergiftung und Trichinose, bei keiner der übertragbaren 
Krankheiten zu entbehren ist. Sie ist auszuführen als fort¬ 
laufende Desinfektion während der Krankheit und als 
Schluss-Desinfektion nach der Ueberführung ins Kranken¬ 
haus, nach der Genesung oder nach dem Tode. Die Schluss- 
Desinfektion wird wie bisher durch die städtische Desinfektions¬ 
anstalt ausgeführt werden. Eine von privater Seite ausgeführte 
Desinfektion wird nur g^z ausnahmsweise als gültig zuge¬ 
lassen werden können. Besonders wichtig ist die ausdrücklich 
ausgesprochene Verpflichtung zur fortlaufenden Desinfektion, 
welche auch nicht in beliebiger Weise, sondern nur nach Ma߬ 
gabe der dem Gesetz beiliegenden Desinfektionsanweisung aus- 
gefiihrt werden darf. Abgesehen von der Wäsche, den Kleidern, 
den persönlichen Gebrauchsgegenständen und dem Wohnzimmer 
des Kranken sind bei der Desinfektion besonders zu berück¬ 
sichtigen: der Nasen- und Rachenschleim sowie die Gurgel- 
wässor bei Diphtherie, Genickstarre, Lungen- oder Kehlkopf¬ 
tuberkulose und Scharlach. 

Die Stuhlentleerungen bei Ruhr und Typhus, Urin bei 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


403 


Wirkung der Schutzimpfaug gegen Focken bezw. der Injektion 
von Behringschein Semm bei Diphtherie, zwei Maßnahmen, die 
leider immer noch von den Laien unterschätzt, ja vielfach ver¬ 
worfen werden und die doch ihren ungeheueren Wert schon 
erwiesen haben, noch ehe sie historisch geworden sind. 

Bei der Betrachtung dieser natürlichen Schutzmaßregeln 
tritt es auffällig hervor, dass das Blut für die Autopathie 
die wichtigsten Dienste leistet, einmal im speziellen sozusagen 
als Vehikel, das die weissen Blutkörperchen an Ort und Stelle 
befördert, ferner als Bildungsstätte und Herberge der Anti¬ 
körper, sodann im allgemeinen als Emährungsflüssigkeit. Mit 
vollem Rechte ist das Blut von Alters her als „Safft vor allen 
Säfften“*) gepriesen worden. Man hat unbewusst, vielfach auf 
grundfalschen Vorstellungen aufbauend, von den angegebenen 
Eigenschaften bei allerhand therapeutischen Maßnahmen be¬ 
sonders in der Wasserheilkunde Nutzen gezogen und so der 
Natur ein Geheimnis abgelauscht, die bei allen wichtigen 
Lebensprozessen wie bei der Tätigkeit der Organe, beim 
Wachstum, der Regeneration, der Zeugung, der Fortpflanzung 
usw. einen Ueberschuss von Blut an die entsprechende Körper¬ 
stelle beordert. Im Volke spielt denn auch die Angst vor 
-schlechten Säften“ und das Verlangen nach deren Säuberung 
durch die mannigfachsten Blutreinigungsmittel, also der Ge¬ 
danke, dass ein gutes Blut Hauptbedingung zur Gesundheit 
ist, eine gewichtige Rolle. Aber auch für den Mediciner be¬ 
steht kein Zweifel, dass das Blut das wichtigste Selbst¬ 
heilmittel der Natur darstellt. 

Von dieser Erkenntnis ausgehend hat Prof. August 
Bier die Therapie um einen neuen Zweig bereichert, indem 
er die Art und Weise, wie die Natur mittels des Blutes heilt, 
aufs genaueste beobachtete und nachahmte. Das Neue daran 
ist R’eilich nicht das Prinzip. Schon lange wendet man in der 
Medicin Eataplasmen, Umschläge, Bäder, Packungen, Eisbeutel 
usw. erfolgreich an, und die „ableitenden“ Mittel (Derivantia und 
Revulsiva) hat man von jeher mit Vorteil appliziert, freilich 
ohne sich bewusst zu sein, dass es die Hyperaemie ist, welche 
man durch die angewandten Maßregeln erzeugt bat, und die 
an der Heilung Schuld trägt. Gerade das Gegenteil davon 
nahm man z. B. zur Erklärung der Wirkung des Eisbeutels 
an. In diesem Wirrwarr von Meinungen hat Bier durch seine 
Untersuchungen Licht gebracht; ausserdem gebührt ihm und 
seinen Schülern das grosse Verdienst, zuerst Apparate zur Er¬ 
zeugung der heilenden Hyperaemie für alle Teile des Körpers, 
auch solche, durch die es möglich ist, mehrere Personen zu- 

*) In Christian Heinrich Posteis Sin^piel „Die Gross Mutbige Tha- 
lestris* 1690. 


gleich den hyperaemisierenden Faktoren auszusetzen, angegeben 
zu haben. 

Man hat zwei Arten von Hyperaemie zu unter¬ 
scheiden: eine aktive, wenn in einen Körperteil mehr ar¬ 
terielles Blut zuströmt und abfliesst, als es normalerweise der 
Fall ist (arterielle Hyperaemie), eine passive, wenn der Ab¬ 
fluss des Blutes durch die Venen gehemmt wird (venöse 
oder Stauungshyperaemie). Um eine aktive Hyperaemie her- 
vorznrufen, braucht man nur die Muskeln anzustrengen, zu 
reiben, massieren oder zu elektrisieren oder „hautrötende“ Mittel 
zu applizieren, doch tritt bei letzteren, da sie entzündungser¬ 
regend wirken, nur im Anfang eine aktive, später eine passive 
Hyperaemie ein. Das Mittel par excellence, eine arterielle 
Hyperaemie zu erzielen, ist die von alters her dazu angewandte 
Wärme, sei es in Form von Priessnitzschen-, Brei-, Moor¬ 
oder Schlaramumschlägen, als heisses Sandbad, durch Belich¬ 
tung, durch Thermophore, sei es als heisse Luft. Es ist theo¬ 
retisch klar und von Bier praktisch erwiesen, dass die Appli¬ 
kation der heissen Luft das beste Mittel zur Erreichung des 
vorliegenden Zweckes ist, da man in dieser Form die weitaus 
höchsten Wärmegrade (über 100® C.) auszuhalten vermag. 

(Fortsetzung folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medidnisi^ Gesellsehaft. 

Sitzung vom 11. Juli 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Muskat: berichtet über einen Fall von isolierter Fraktur 
eines Sesambeins der grossen Zehe. 

Lassar: demonstriert einen Patienten, bei dem ein be- 
ginnende.s Cancroid der Nase allein durch innere Arsendarreichung 
zur völligen Ausheilung gebracht worden ist. 

Weiter zeigt er ein Kind mit generalisierter Vaccine. Die 
Impfung war vorgenommen worden bei nicht völlig abgeheiltem 
Ekzem. Die Generalisation erfolgt nur in der ersten Woche, wo 
die Immunität noch nicht eingetreten ist. Therapeutisch hat sich 
ausgezeichnet die Behandlung im rot belichteten Zimmer bewährt. 

Eine weitere Demonstration betrifft einen Fall von Xeroderma 
pigmentosum. Wie gewöhnlich bei dieser Krankheit, ist auch bei 
dem vorgestellten Mädchen eine familiäre Disposition vorhanden. 
Die Haut des Gesichts und der Hände und Arme zeigt zahlreiche 
Gefässectasien und brännliche Pigmentflecke. Auf dem Boden 


Typbus, die eiterigen Absonderungen und Verbandmittel bei 
Kindbettfieber, Körnerkrankheit, Milzbrand und Rotz. 

Da der Polizeiverwaitung die Pflicht auferlegt ist, regel¬ 
mäßig nnd sorgfältig über die Desinfektion zu wachen^ so ist 
in Aussicht genommen, im Einverständnis mit den Aerzten evtl, 
einen Desinfektionsanfseher mit der Ueberwachung der Des¬ 
infektion zumal bei kleinem und unwissenden Leuten zu be¬ 
auftragen. Eventl. würden auch geeignete Desinfektionsmittel 
umsonst an bedürftige Leute abgegeben werden. 

Da auch für die Aufbewahrung nnd Bestattung der Leichen 
das Gesetz bei Diphtherie, Ruhr, Scharlach, Typhus, Milzbrand 
and Rotz die Möglichkeit besonderer Vorsichtsmaßregeln zu¬ 
lässt, 80 werden in geeigneten Fällen Leichen von Infektions- 
kranke schleunigst aus der ..engen Wohnung weggeschafft, die 
Ueberfuhrung von solchen Leichen aus dem Hospital in die 
Wohnung verhindert und schliesslich den Schulkindern der 
Zutritt zum Sterbehaus und die Beteiligung an dem Begräbnis 
in geeigneten Fällen verwehrt werden können. Als notwendige 
Ergänzung zu diesem polizeilichen Einschreiten wird es erfor¬ 
derlich sein^ dass wir demnächst in Köln über würdige und 
geeignete Leichenhallen verfügen. Es sind zwei solcher Leichen¬ 
hallen bereits im Plane begriffen. 

Die weiteren Bestimmungen des Gesetzes betreffen die 
Regelung des Verfahrens und die Angabe der zuständigen Be¬ 
hörden, weiter die Frage der Entschädigung und Kosten, die 


durch das Gesetz veranlasst werden, und zum Schluss die 
Strafvorschriften. 

Bezüglich der Kosten mag nur soviel als für die Aerzte 
besonders interessierend mitgeteilt werden, dass die Kosten der 
Ermittlung der Krankheiten der Staatskasse zufallen; darunter 
fallen hauptsächlich die Entschädigungen für die amtsärztlichen 
Ermittlungen und die eventl. erforderliche bakteriologische 
Untersuchung. 

Den Gemeinden fallen zu: die Bereitstellung geeigneter 
Transportmittel und geeigneter Krankenräume für Infektions¬ 
kranke; ferner die Kosten der Desinfektion und die Kosten der 
besondern Vorsichtsmaßregeln für Aufbewahrung, Einsargung, 
Beförderung und Bestattung von Leichen, falls der Betroffene 
bezw. der für ihn Zahlungspflichtige ohne Beeinträchtigung des 
für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten 
nicht tragen kann. Wohlhabende werden aber auf alle Fälle 
selbst die Kosten der Desinfektion und der besondern Vor¬ 
sichtsmaßregeln gegenüber Leichen und die Kosten einer 
eventuellen Absonderung zu tragen haben. Die Gemeinden 
haben ferner die Entschädigung für vernichtete oder infolge 
der Desinfektion beschädigte Gegenstände auf Antrag zu ge¬ 
währen mit der Einschränkung, dass der Anspruch auf Ent¬ 
schädigung wegfällt, wenn der Antragsteller den Verlust ohne 
Beeinträchtigung des für ihn und seiner Familie notwendigen 
Unterhalts zu tragen vermag. (§ 14 und 34.) (Schluss folgt.) 


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404 


MBDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 30. 


der degenerierten Haut entwickeln sich meist maligne Tumorert, 
im vorliegenden Falle multiple Carcinome. In letzter Zeit hat 
sich die Radiumbehandlung ausgezeichnet bewährt gegen die se¬ 
kundären Tumoren. Die Pigmentflecke werden in der Weise be¬ 
handelt, dass sie ganz leicht und fast schmerzlos mit dem eben 
erwärmten Paquelin bestrichen werden; dabei werden die Flecke 
wie wegradiert. 

Diskussion: 

Baginsky: betont, dass auch Ekzeme bei Geschwistern zu 
impfender Kinder zur Vorsicht mahnen; gelegentlich kann auch 
durch deren Vermittlung eine Generalisation erfolgen. Die Ver¬ 
breitung der Impfpusteln auf die Genitalien bei kleinen Mädchen 
kann zu gewaltigen Geschwärsbildungen führen. 

Tagesordnung: 

Nagelschmidt: Heber lokale Blutbefunde. 

Eine Aenderung der lokalen Veränderung der Blutmischung 
kann durch chemische Reize, Hitze, Kälte, Stauung etc. herbeige- 
lührt werden. Er hat die Veränderungen bei pathologischen Ver¬ 
hältnissen studiert, in letzter Linie beim Lupus. Im Lupusknoten 
findet sich eine starke Vermehrung der Lyinphocyten, während die 
Zahl der eosinophilen Zellen normal ist. Die Grösse der roten 
und weissen Blutzöllen ist im allgemeinen und lokalen Blutbefund 
gleich. Beim Lupus erythematodes findet sich in gleicher Weise 
eine Vermehrung der Lymphocyten. Der Herpes zoster zeigt eine 
lokale Polynucleose. Die Lepra bietet keine charakteristischen 
Veränderungen. Ebensowenig der Primäraffekt bei Lues. Dagegen 
findet sich bei Lues II und III eine Vermehrung der mononucleären 
Elemente und die Lymphocyten erscheinen grösser. Nach der 
Behandlung mit Finsenlicht zeigt der Lupusknoten eine Abnahme 
der Lymphocyten. Die Uebereinstimmung von lokalen und allge¬ 
meinem Blutbefund besagt nichts. Lokale Lymphooytenvermehrung 
spricht für eine tuberkulöse Erkrankung, lokale Vermehrung der 
grossen mononucleären Zellen für Lues. Gegebenenfalls können 
diese Verhältnisse differential diagnostischen Wert bekommen. 

Manuil Perosner (a. G.): Ueber die sekretorische Funktion 
der Bauchspeicheldrüse. 

I. Elxperimentelle Untersuchungen über den Einfluss seelischer 
Vorgänge auf die Sekretion des Pankreas. 

Die Versuche wurden angestellt an einem Hunde mit einer 
Pankreasfistel nach Pawlow. Hielt man dem Hunde nach einer 
längeren Hungerszeit ein Stück Fleisch vor, ohne es ihm gleich 
zu geben, so geriet er in grosse Unruhe. Dabei erfolgte eine 
sehr reichliche Sekretion des Pankreassaftes. Während einer reich¬ 
lichen Mahlzeit sezemierte das Pankreas dauernd Saft; die Se¬ 
kretion versiechte aber bald, wenn man dem Hund während des 
Fressens eine Katze nahe brachte, und zwar war die Sekretions- 
Störung eine so gründliche, dass auch eine neue Mahlzeit sie nicht 
wieder anzuregen vermochte innerhalb einer längeren Zeit. Ebenso 
bewirkte sexuelle Erregung eine absolute Hemmung der Sekretion; 
und hier dauerte dieselbe erhebliche Zeit, wenn dem sexuellen Be¬ 
dürfnis keine Befriedigung geboten wurde. Diese Versuche zeigen 
den dominierenden Einfluss seelischer Vorgänge auf die Drüsen¬ 
funktion. 

II. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss ver¬ 
schiedener Mineralwässer auf die Sekretion des Pankreas. 

Die Versuche wurden an einem Hund mit Fistel nach Paw¬ 
low mit verschiedenen Wässern, Vichy, Wiesbadener, Friedrichs¬ 
haller etc. angestellt. Im Vergleich zu Leitungswasser wirken die 
Kochsalzwässer stark fordernd auf die Sekretion des Pankreassaftes, 
ebenso kohlensäurehaltige wie Selters. Karlsbader Sprudel hatte 
dieselbe Wirkung wie Leitungswasser. Einen deutlich hemmenden 
Einfluss üben die alkalischen Wässer wie Vichy und die Bitter¬ 
wässer wie Hunyadi Janos. Die vermehrten Saftmengen bei den 
Koch.salzquellen haben eine geringere fermentative Kraft. 

F r an k: Ueber Behandlung von Frakturen nach Bardenheuer. 

Bei der Frakturenbehandlung ist die anatomische und funk¬ 
tioneile Wiederherstellung zu erstreben. Dass die erstere sehr oft 
zu wüQ.schen übrig lässt, haben die ausgedehnten Röntgenunter¬ 
suchungen ergeben. B. vertritt den Standpunkt, dass eine sofortige 
Reposition der Bnichenden nur in einer beschränkten Zahl von 
Fällen möglich ist; durchgängig ist ein Ausgleich der Verschiebung 


der Bruchenden, deren Grad abhängig ist von der Entstehnngsart 
des Bruches, von der Schwere des peripheren Bruchgliedes, vom 
Muskelzug nur allmählich möglich. Diese allmähliche Reposition 
wird am besten gewährleistet durch die Extension; sie muss aber 
frühzeitig einsetzen, bevor die elastische Retraktion der Muskulatur 
zu stark geworden ist. B. übt die Extension aus mittels Heft¬ 
pflasterverbänden; der Zug wird ausgeübt durch Gewichte, die 
aber wesentlich schwerer genommen werden, als sonst üblich (beim 
Oberschenkel z. B. 40—50 Pfd.) und durch Federvorricktungen. 
Wesentlich ist weiter, dass der Zug in verschiedenen Richtungen 
je nach Form der Dislokationen der Brucbenden, einwirkt. Diese 
allmähliche Reposition ermöglicht eine genaue anatomische Adap¬ 
tierung der Fragmente und eine Heilung mit geringer Callusbildung 
und Verhütung einer Pseudarthrose. Bei Gelenkbrüchen bietet 
der Zug die beste Entlastung des Gelenkes und sichert damit die 
gute Wiederherstellung der Funktion. Der Erfolg dieser Be¬ 
handlungsmethode wird an einzelnen Patienten demonstriert. Eine 
Reihe von Bildern zeigen die verschiedene Anordnung der Ver¬ 
bände, und Röntgenbilder den allmählichen Fortschritt der Adap¬ 
tierung der Fragmente bei der Zugbehaudlung. 


Österreich. 

Verein deutscher Aenete in ^ag. 

Sitzung am 26. Januar 1906. 

Alfred Kohn: „Nervenzellen und Nervenfaser“. 

Der Kernpunkt des Neuronenlebens besteht darin, dass das 
gesamte Nervensystem aus genetisch und anatomisch getrennten 
Zellindividuen aufgebant sein soll, deren jedes sich aus Nerven¬ 
zelle, Nervenfaser und Endbäumchen zusammensetzt. Der Vortragende 
schilderte zunächst den Entwicklungsgang der Neuronlehre. Ihre 
Grundlagen sind: der direkte Zusammenhang von Ganglienzeile 
mit Nervenfaser; die Bidder-Kupffersche Ausbruchtheorie (ftlr die 
motorischen Nervenfasern); das Wallersche Gesetz; His - Lehre 
von der einzelligen Entstehung der sensiblen Nervenfasern; die 
Golgibilder der nervösen Elemente. Darauf folgt die Kritik der 
Neuronenlehre. 

Gegen die Diskontinuität (Kontakt) der nervösen Elemente 
kehren sich die Ergebnisse der Fibrillenmethoden. Wenn sie auch 
die Kontinuität nicht einwandsfrei beweisen konnten, haben sie 
doch die „Endbäurachen“ als Trugbilder entlarvt und damit der 
Neuronenlehre eine ihrer Hauptstützen entzogen. 

Gegen dio Lehre von der genetischen Einheit des Neurons, 
gegen die Ausläuferbheorie, wendeten sich die Anhänger der Zell¬ 
kettenlehre. Alle peripherischen Nerven enthalten vor allem An¬ 
fänge der Zellen nervösen Ursprungs. Diese sind als Bildungs- 
zellen der Nervenfasern anzusehen und bleiben als sogenannte 
„Schwannsche Kerne“ dauernde Bestandteile der einzelnen Nerven. 

Auch die Neubildung abgetrennter peripherischer Nerven wird 
von diesen Zellen (Neurocythen) angebahnt. Sie bauen das ana¬ 
tomische Substrat auf, aus welchem durch die funktionelle Inan¬ 
spruchnahme (na(fli wiederhergestellter Verbindung mit dem Zen¬ 
trum) der vollkommen differenzierte Nerv hervorgeht. 

Die Regenerationsfähigkeit zentraler Nervenfasern dürfte auf 
das Pehlen der Neurocythen zurückzuführen sein. Ferner spricht 
das Vorhandensein peripherischer (motorischer) Nerven bei hoch¬ 
gradigem Defekte der entsprechenden Rückenmarksabschnitte 
(Amyelie) für die „trophische“ Unabhängigkeit der peripherischen 
Nerven. 

Der Vortragende kommt zu dem Schluss, dass die Neuronlehre 
unhaltbar sei. Den willkommenen Namen „Neuron* mag man 
für die funktionellen nervösen Einheiten, als welche sich Ganglien¬ 
zelle und Nervenfaser erweisen, immerhin gebrauchen. Die Phy¬ 
siologie und Pathologie bleiben von den geschilderten Wandlungen 
theoretischer Anschauungen über den elementaren Aufbau des 
Nervensystems vorläufig ganz unberührt. 


Sitzung am 9. Februar 1906. 

G. Salus.’ „Erfahrungen über Diabetes und Glyko- 
surie“* 

Nach einleitenden Worten über die bei Anwendung der Ny¬ 
landerproben gebotenen Vorsicht, be.spricht Verf. den Unterschied 


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1906. 


ICEDICINISCHE WOCHE. 


i05 


swischen Diabetes and Glykosurie nnd entwickelt an der Hand 
yon 283 Fällen seine Auffassung vom hereditären Diabetes der 
Zuokerausscheidnng in der Schwangerschaft und von der Bedeutung 
der konkomittirenden Älbuminurie, besonders in prognostischer Hin¬ 
sicht Zum Schluss wird die Frage der topischen Diagnostik der 
Krankheit, sowie die Heilbarkeit des Diabetes besprochen. 

0. W—r. 

^ericM über üie XV» Versammlung der Deutschen 
otologischen Gesellschaft» 

Die Versammlung der Dentsohen otologischen Gesellschaft fand 
in diesem Jahre unter dem Vorsitz yon Prof. Hartmann-fierlin 
am 1. und 2. Juni in Wien statt. Die Präsenzliste wies die Zahl 
von 153 Teilnehmern auf. Fürdie nächstjährige Versammlung, welche 
in Bremen stattfinden wird, wurden Geh, Rat Prof. Fassow- 
Berlin zum Vorsitzenden, Prof. Denker-Erlangen zum stellver¬ 
tretenden Vorsitzenden, Prof. Kümmel-Heidelberg zum Schrift¬ 
führer erwählt. 

Das Referat über die Laby rintheiterungen erstattete 
Herr Prof. Hinsberg -Breslau. 

Nach kurzen statistischen Bemerkungen berichtet der Vor¬ 
tragende zunächst über die pathologische Anatomie der Labyrinth- 
eiterungen, speziell der für die Otochirnrgie in Betracht kommenden 
InfektioDsarten der Erkrankungen des liabyrinths, welche einer¬ 
seits vom Mittelohr aus nach traumatischer oder durch entzündliche 
Prozesse hervorgerufener Zerstörung der Labyrinthwand, oder an¬ 
dererseits durch Einbruch eines tiefen Eztraduralabscesses von der 
hinteren Pyramidenfläche ins Labyrinth zustande kommen. 

Als Prädilektionsstellen für den Einbruch vom Mittelohr ins 
Labyrinth haben sich die beiden Paukenfenster, das Promontorium 
und der Wulst des horizontalen Bogenganges herausgestellt. 

Vortr. glaubt auf Grund seiner Beobachtungen, dass Arrosion 
am Bogengang allein als Infektionsweg nicht so stark überwiegt 
wie das früher angenommen wurde, dass sie aber doch eine der 
häufigsten Infektionsweisen bildet. Von den übrigen Infektions- 
stellen scheint ein Durchbrach durch das ovale Fenster am häu¬ 
figsten vorzukommen, dann eine Zerstörung des runden Fensters 
und endlich eine Fistel am Promontorium. Die Vorgänge, die zu 
Zerstörungen an der medialen Faukenhöhlenwand führen, sind meist 
cariöser Natur, seltener sind anscheinend Nekrosen der Labyrinth¬ 
wand. 

Für die Ausbreitung der Infektion im Labyrinth sind ma߬ 
gebend Art und Virulenz der Infektionserrreger, Widerstands¬ 
fähigkeit des Organismus, Lokalisation des Durchbruchs und Ab- 
flussbedingungen für den Eiter. Es kann danach zu diffuser oder 
zu cirkumskripter Labyrintheiterung kommen. Häufig schreitet 
der Krankheitsprozess vom Labyrinth auf die Meningen, und zwar 
in der Regel auf dem Wege präformierter Bahnen fort. Als solche 
kommen in Betracht: 1. spotane Dehiscenzen an der Kuppe des 
hinteren oder oberen Bogengangs, 2. der Nervus acusticus und 3. 
die Apuaeducte. 

Vortr. bespricht sodann bei der Klinik der Labyrintheiter¬ 
ungen die Reizsymptome von seiten des statischen Organs sowie 
die Ausfallerscheiaungen, welche nach Zerstörung desselben auf- 
treten und entwirft ein Bild von dem Verlauf und dem Ausgang 
der Erkrankung. Bei der Besprechung der Diagnostik wird die 
Untersuchung der statischen Funktion durch statische und dyna¬ 
mische Prüfungen, sowie die unter allen Umständen vorzunehmende 
exakte Hörprüfung genau geschildert. 

Was die Prognose anbetrifft, so schätzt Vortr. die Mortalität 
der diffusen Labjuinthelterung auf mindestens 15—20Vo' 

Bei der Therapie muss das Bestreben jedes auf die Bekämpf¬ 
ung der Labyrintheiterung gerichteten Eingriffes sein, den im 
Labyrinth vorhandenen Entzündungsprodukten möglichst freien 
Abzug nach aussen zu verschaffen und andererseits dem Nach¬ 
schub neuer Infektionserreger vom Mittelohr aus vorzubeugen, 
und zwar ist Vortragender der Ansicht, dass man sich in einer 
Reihe von Fällen nicht mit einer breiten Freilegung der Mittel- 
ohrräume begnügen dürfe, sondern eine möglichst weite Elröffnang 
der Labyrinthräume selbst vom Mittelohr aus vornehmen müsse. 
Ans einer statistisohen Zusammenstellnng (unter 70 operierten 


Fällen 67 Heilungen und 3 Todesfälle) geht nach Ansicht des 
Vortr. hervor, dass durch die operative Eröffnung der Labyrinth¬ 
hohlräume die Sterblichkeit wesentlich vermindert wird und dass 
die Operation an sich nur geringe Gefahren mit sich bringt. 

Zum Schluss werden die Operationstechnik, die unmittelbaren 
Folgen der Labyrintheröffnung und die Nachbehandlung geschildert. 

Hr. Herzog-München: Tuberkulöse Labyr intheiter- 
ung mit Ausgang in Heilung. 

Tuberkulöse Mittelohreiterungen greifen häufig auf das innere 
Ohr über. Untersuchungen an tuberkulösen Personen stellten fest, 
dass 5 aller männlichen Patienten mit Labyrintheiterungen 
behaftet waren. Der Vortr. teilt nun Beobachtungen mit über 
den seltenen Verlauf einer tuberkulösen Labyrintheiterung. Es 
bandelt sich um einen 43jährigen, hochgradigen Phthisiker mit 
doppelseitiger, tuberkulöser Mittelohreiterung. L.: Taubheit, R.: 
hochgradig herabgesetztes Hörvermögen; eine begleitende Mastoi¬ 
ditis erfordert Eröffnung des Warzenfortsatzes rechts. 4 Monate 
nach der Operation Ertaubung auch auf diesem Ohre. Nach einiger 
Zeit Wiedererscheinen von Hörresten auf dem rechten Ohre; zu¬ 
erst stückweise, so dass das Hörfeld typische Lücken aufweist; 
schliesslich Auftreten einer kontinuierlichen Hörstrecke von der 
kleinen Oktave bis nahe an die normale obere Grenze. Subjektive 
und objektive Erscheinungen von seiten des Vestibularapparates 
fehlten vollkommen. Die klinischen Erscheinungen im Zusammen¬ 
hänge mit dem makroskopischen Sektionsbeiimde nötigen zu der 
Annahme eines Durchbruches der Mittelohreiterung in das Laby¬ 
rinth durch die Promontorialgegend. — Die histologische Unter¬ 
suchung steht noch aus. 

Hr. Rudolf Pa ns e-Dresden-Neustadt woist von neuem auf 
die Wichtigkeit und Möglichkeit der Erkenntnis von Erkrankungen 
einzelner Labyrinthteile hin, belegt deren Vorkommen mit mikro¬ 
skopischen Präparaten. Er empfiehlt, ein von ihm ausgearbeitetos 
Schema zur Prüfung zu benutzen xmd möglichst viel genau ge¬ 
prüfte Qe^ör- und Gleichgewichtsorgane histologisch zu untersuchen. 

Hr. Denker-Erlangen: Demonstration einer neuen 
Operationsmethode für die malignen Tumoren der 
Nase. 

Das Vorgehen ist folgendes: Horizontaler Schleimhautschnitt 
1 cm oberhalb des Zabnfleischsaumes über dem Weisheitszahn be¬ 
ginnend, nach vom durch das Frennlum labii superioris hindurch 
etwa 1 cm über dasselbe hinaus verlaufend, dann sich nach oben 
zum unteren Rande der Apertura piriformis wendend. Zurück- 
schiebung der Weichteile nach oben bis zum unteren Orbitalrand, 
BO dass die Superficies facialis des Oberkiefers einschliesslich der 
Apertura piriformis freiliegt. Von dem Rande der letzteren aus 
Abhebolung der Mucosa der lateralen Wand des unteren und 
mittleren Nasenganges, Abtrennung der unteren Muschel an 
der Crista turbinalis mit starker Schere. Nun Resektion der 
facialen Kieferhöhlenwand, eventuell Ausräumung der Kieferhöhle, 
Entfernung der knöchernen lateralen Nasenwand. 

Bis zu diesem Funkte der Operation lässt sich das Eindringen 
von Blut aus der Operationswunde in die Nasenhöhle fast voll¬ 
ständig vermeiden. Darauf in raschem Vorgehen Ausschneidung 
der noch stehenden Mucosa der lateralen Nasenwand einschliesslich 
des Tumors, Ausräumung dor Siebbeinzellen und Eröffnung der 
Keilbeinhöhle. Tamponade mit Vioforrogaze und primäre Naht 
der ovalen Wunde; Nachbehandlung von dem Naseneingang aus. 

Vorzüge des Verfahrens: Bei gründlicher Freilegung 
de 8 Opera tionsterrains lässt sich die Gefahr derAspi- 
rationspneumonie sowie jegliche Entstellung gänzlich 
vermeiden. 

(Eine eingehende Mitteilung über die Operationsmethode so¬ 
wie über die operierten Fälle findet sich in der Münchener med. 
Wochenschr. 1906, No. 20). 

Hr. Zimmermann-Dresden wendet sich gegen die den bis¬ 
herigen , Lehren zugrunde liegenden Voraussetzungen, dass der 
Knochen, in dem das Endorgan liegt, garnicht oder wenig ge¬ 
eignet sei, Schall aufzunehmen und abzugeben xmd dass immer 
nur aus dem Labyrinthwasser die percipierenden Fasern ihre letzten 
Impulse erhalten könnten. 


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406 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 39. 


In diesem Sinne werden zunächst die neuerdings wieder in 
einigen Variationen von Bezold vorgebrachten Stimmgabelversuche 
besprochen und dann die von Bönuinghaus am Walohr gemachten 
Schlussfolgerungen als nicht beweisend abgelehnt. Bönninghaus 
hatte ausserdem die von Nagel und Samoyloff angestellten 
Versuche als Stütze für. die bisherigen älteren Theorien verwendet 
und übersehen, dass diese Versuche schon früher von Zimmermann 
in ihren Schlussfolgerungen als unhaltbar zurückgewiesen worden 
waren. 

Es wird dann näher definiert, wie die Vorgänge bei Massen¬ 
bewegungen und Molekularbewegungen in beliebigen Punktsystemen 
sich vollziehen und daraus nachgewiesen, dass bei der Schallfort- 
pfianzung es sich um rein molekulare Bewegxmgen handelt, die als 
solche gar keine Verschiebung eines Knöchelchens gegen das an¬ 
dere oder eines Knöchelchens gegen den Knochen, in den es ein¬ 
gelassen ist, hervorrufen. Die Kette wird messbar an der Steig- 
bügelfussplatte nicht mehr bewegt als der Knochen des Promon¬ 
torium. Dieser ist in letzter Instanz immer die letzte Etappe des 
zu den Fasern zutretenden SchaUs. 

Es wird dann noch daran erinnert, dass dieser Weg bei direk¬ 
ter Zuleitung des Schalls auf den Knochen selbstverständlich 
noch mehr der einzig wirksame ist, dass aber überdies beim Äui- 
setzen einer tönenden Stimmgabel auf die Schädelkapsel in dieser 
noch stehende Schwingungen ausgelöst werden. 

Der zweite Teil des Vortrags beschäftigt sich mit den 
Leistungen des Labyrinthwassers, das nur die notwendige 
Elnbettuugsflüssigkeit ist und für die Schallzuleitung gar keine 
Rolle spielt, besonders nicht wie Bezold sich die Spiral¬ 
bewegungen zwischen den beiden Fenstern denkt. Ausserdem 
bietet das Labyrinthwasser die Möglichkeit, die Druckzustände im 
Labyrinth auf das Feinste zu beeinflussen. Jede Erhöhung des 
hydrostatischen Druckes führt zu einer Schwingungsdämpfung der 
Fasern und nicht zu einer Schwingungsanregung, wie man sich 
das früher vorstellte. Es werden diese Wirkungen kurz skizziert. 

Hr. G. Alexander-Wien demonstriert an 70 Diapositiven 
die Entwicklung, normale, vergleichende und pathologische Ana¬ 
tomie (mit Ausschluss der entzündlichen Erkrankungen) des Vesti- 
bularapparates. (Fortsetzung folgt.) 


Kongressbericht. 

23. Konffre»8 für itmere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Herr Schlay er - Tübingen: Experimentelle Studien über 
toxische Nephritis. 

Schlayer hat beim lebenden, nephritisch gemachten Tier 
die Punktionsfähigkeit der Nierengefässe, die Diurese und den 
Blutdruck geprüft und zwar in allen Stadien von durch verschiedene 
Gifte erzeugter Nephritis unter Berücksichtigung des pathologisch- 
anatomischen Befundes. Es zeigt sich, dass die funktionelle Prüfung 
ermöglicht, zwei scharf voneinander getrennte Formen des funk¬ 
tionellen Ablaufes bei akuter e-xperimenteller Nephritis zu unter¬ 
scheiden: eine vaskuläre, primär an den Nierengefässen — nicht 
nur den glomerulis — angreifende, und eine tubuläre, primär 
an den Kanälchen-Epithelien einsetzeude, mit vermehrter Nieren- 
getässtätigkeit verbundene. Bei letzterer tritt sekundär ebenfalls 
eine funktionell nachweisbare Gefässschädigung auf, die jedoch 
fast nur die Dilatationsfähigkeit betrifft. 

Zur ersten Art gehören Diphtherietoxin, Arsen, Cantharidin; 
zxir zweiten Art Chrom, Sublimat. 

Zylinderbildung hat nichts mit Gefässschädigung zu tun. 
Ei Weissausscheidung kommt auch ohne Nierengefässalteration 
zn stände. 

Die Wasserausscheidung ist völlig abhängig vom Zu¬ 
stand der Gefässe und zwar auch hoi tubulären Nephriditeu. Die 
\ erstopfimg der Harnkanäluhen durch Zylinder spielt daneben so 
gut wie keine Rolle. 

Der Blutdruck ist in den Endstadien der tubulären Nephri- 
diten hoch, in denen der vaskulären niedrig. 


Herr Franz Groedel m-Nauheim; a) Demonstration 
einer neuen Zeichenvorrichtung für Orthodiagraphen. 

An dem zu demonstrierenden Orthodiagraphen ist ein mit der 
Marke des Normalstrahles zwangsläufig verbundener Schreibstift 
angebracht, mit welchem man das Orthodiagramm direkt auf eine 
Ebene aufzeichneu kann, welche ausserhalb des zwischen Röhre 
und Leuchtschirm befindlichen Raumes angebracht ist. Ferner 
kann man nach der eigentlichen Orthodiagrammaufnahme ein parallel 
projiziertes Schattenbild des Oberkörpers und die wichtigen Orien¬ 
tierungspunkte desselben auf das nämliche Zeichenpapier über¬ 
tragen, zu welchem Zweck der Schirm resp. die Marke durch einen 
Pührungsstift ersetzt wird. 

Diskussion: Herr Moritz-Giessen: Technische Bemer¬ 
kungen. 

b) Demonstration einer Vorrichtung zur Ruhig¬ 
stellung des Patienten während der Orthodiagramm¬ 
aufnahme. 

Bei der Aufnahme eines Orthodiagrammes ist es nötig, dem 
zu Untersuchenden gewisse Stützpunkte zu geben, um jede Ver¬ 
änderung der einmal eingenommenen Lage zu vermeiden. Bei 
dem vorzuführenden Apparat wird dies durch dem Brustkorb direkt 
anliegende Pelotten erreicht. Um das Instrumentarium möglichst 
zu vereinfachen, sind diese Bruststützen an einem Gestell ange¬ 
bracht, welches gleichzeitig auch als Stuhl oder Tisch dient 

Herr Thilenius-Soden a. I.: Demonstration einer neuen 
Zentrifuge mit hoher Tourenzahl und zuverlässigem Tourenzähler 
und ihre Anwendung. 

Herr Weisz-Karlsbad: Die Untersuchung des Dick¬ 
darms bei Neugeborenen. 

Herr G r e m e r - München demonstrierte im Physiologischen 
Institut unter Anwendung eines neuen Verfahrens der Ableitung 
(cf. die Mitteilung in der Festnummer der Med. Wochenschr.) die 
Aktionsströme des menschlichen Herzens mif Hilfe des grossen 
Einthovenschen Saiten vanometers. Die Ableitung geschah 
derart, dass die Versuchsperson (ein Degenschiucker von Beruf) 
zwei passende Elektroden aus Feinsilber verschluckte und im 
Oesophagus in bestimmter Höhe einstellte. In den Stromkreis 
waren sehr grosse Kapazitäten (ca. 50 Mikrofarad) eingeschaltet, 
die als automatischer Kompensator für die Ungleichartigkeiten 
der Elektroden wirkten. Das Fadenbild wurde bei etwa 1000- 
facher Vergrösserung auf einem weissen Schirm projiziert, Ausser¬ 
dem wurden vom Vortragenden mehrere Arten von ableitenden 
Elektroden, ein besonders einfaches Modell des Seitengalvanometers, 
ein Transformator für Aktionsströme etc. vorgeführt. 

4. Sitzungstag. 

Herr A. Bickel-Berlin: Experimentelle Untersuch¬ 
ungen über die Magensaftsekretion beim Menschen. 

Der Vortr. teilt neue Beobachtungen über die Magen¬ 
saftsekretion beim Menschen mit. Derselbe hatte Gelegenheit 
ein 23jähriges Mädchen, dem eine Magenfistel und obendrein eine 
Speiseröbrenfistel angelegt worden war, zn untersuchen. Er fand 
dabei, dass der Magen auf verschiedene Reize, besonders aber auf 
Geruch- und Geschmacksreize bereits mit einer Bildung von Magen¬ 
saft antwortete. Bei der sogen. Scheinfüttening, bei der die Speisen 
gekaut und geschluckt werden, aber nicht in die Magenhöhle ge¬ 
langen, sondern durch die Speiseröbrenfistel nach aussen entleert 
werden, überdauert die Magensaftbilduug die Scheinfütterung lange 
Zeit. 

In dem reinen menschlichen Safte konnte Bickel die früher 
von ihm im Hundemagensaft entdeckten kleinsten Körperchen 
aachweisen, die nur mit dem Ultramikroskop sichtbar zu machen 
sind. Ferner fand er, dass der menschliche Magensaft einen sehr 
viel höheren prozentualen Salzsäuregehalt hat, als man früher 
annabm. Dieser; Salzsäuregebalt ist ausserdem relativ konstant. 
Im Gegensatz dazu ist die Menge des produzierenden Saftes grossen 
Schwankungen unterworfen. Die Sekretmenge hängt von ver¬ 
schiedenen Momenten: Wasser- und Chlorgehalt des Körpers, 
psychische und gewisse andere nervöse Momente u. dergl. m. ab. 
Alle diese Beobachtungen deuten daraufhin, dass das Krankbeits- 
bild der Hyperazidität, d. h. die zu grosse Säurebildung im Magen, 
auf andern Ursachen beruht, als man bisher annahm. Wahr- 


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1906. 


MEDlCHTISCHE 


4OT 


scheinlioh liegen ibm Störongen in der Qoantit&t des sezernierten 
Saftes und Bewegungsstörungen des Magens zu Grunde, Auch 
die Lehre von der Subazidität, d. h. zu geringer Säurebildung im 
Magen, bedarf einer Revision, denn im Hinblick auf diese Krank¬ 
heit konnte Bickel feststellen, dass die Magenschleimhaut unter 
gewissen pathologischen Verhältnissen mit einer erstaunlichen 
Zähigkeit an dem normalen prozentualen Salzsäuregehalt des von 
ihr gebildeten Saftes festh^t und eine Verminderung desselben 
nicht zulässt. 

Diskussion: Herr £ b s t e i n - Göttingen stellt die Frage, ob 
bei den Untersuchungen die histologischen Verhältnisse der l^en- 
drösen hinlänglich verfolgt worden seien, und weist auf seine und 
Heidenhains frühere Untersuchungen der MagendrOsenzellen 
hin. Der Vortragende bejaht dies. 

Herr Raab-München: Beitrag zur f unktionellenDiag- 
nose beginnender Kreislaufstörungen. 

Der Vortragende schildert zunächst die Unmöglichkeit aus 
dem Orthodiogramme eine Herzerweiterung erkennen zu können, 
da auch innerhalb der als normal angegebenen Herzgrössen Er¬ 
weiterungen bestehen können. Auch seine Versuche, die nach 
Anstrengung (Kniebeugen) auftretende Herzumfangsvergrüsserung 
als untrügliches Zeichen der Herzschwäche festzustellen, misslangen, 
da aus näher erörterten physiologischen Gründen auch kranke 
Herzen sich nach Anstrengung nicht erweitern, ja sogar verengern 
können, wie gesunde. Redner betrachtet als normales Maß der 
individuellen Herzgrösse die rechte Faust, welche er in der Figur 
einzeichnet. Er fand dabei, dass Ueberschreiten der Faustgrösse 
seitens des Herzumfanges um 1 cm nach beiden Seiten keinen 
völlig normalen Verhältnissen mehr entspricht, also entweder 
Hypertrophie oder Dilatation bedeutet. Beide Zustände ausein- 
ander zu halten ist nur daun möglich, wenn man berücksichtigt, 
dass die Hypertrophie an sich einen abgeschlossenen Krankheits¬ 
prozess, sofern ein solcher vorhanden war, verstellt und ihre Träger 
oft zu enormen körperlichen Leistungen befähigt, für die Diagnose 
also nicht wesentlich in Betracht kommt, während nach dem Satze 
Albrechts: „Keine Dilatation ohne motorische Insofßziens*^, bei 
Herzschwächezuständen, sofern solche nachzuweisen sind, die vor¬ 
handene Herzumfangsvergrössemng sicher zum Teile einer Herz¬ 
erweiterung entspricht. Die weiteren Erkennungszeichen der Herz¬ 
schwäche findet Redner in der Betonong der 2. Herz- und Ge- 
fässtöne (Untersnohung im Liegen und Stehen unbedingt erforder¬ 
lich) in den gezogenen I. Tönen, den akzidentellen Geräuschen, be¬ 
sonders auch, wenn sie nach dosierter Anstrengung (Kniebeugen) 
anftreten usw., ferner in den Pulsbildem, welche sich namentlich 
nach Anstrengung präsentieren, als auffallendes Unregelmäßig werden, 
Kleinerwerden der Fulshöhe statt Grösser-, Ungleichmässigwerden 
des sistolischen, ja auch des diastolischen Kurvengipfels oder Auf¬ 
treten von starker Dikrotie (Schleuderpuls) usw. Redner geht auf 
die Blutdruckmessung über als zahlenmäßiger Ausdruck für den 
motorischen Kraftaufwand des Kreislaufapparates und die Mög¬ 
lichkeit, Einsicht zu gewinnen in die richtige oder unrichtige Blut- 
verteüung, mittels Messung, mit Gärtner und Riva Rocci zu gleicher 
Zeit, wobei Gärtner den Kapillardruck (Nachweis Münch, med. 
Wochenschr. 1905, No. 50) Riva Rocci den Aortendruck angibt. 
Unter Angabe der für seine Instrumente gefundenen normalen 
Blutdruckdurchschnittswerte gibt Redner kurze Beispiele allge¬ 
mein erniedrigten und allgemein erhöhten Blutdruckes (Hochdruck¬ 
stauung nach Sahli), erwähnt ferner Fälle, in denen abnorm er¬ 
höhter Kapillardruck und abnorm erniedrigter Aortendruck besteht 
oder umgekehrt als Zeichen gestörter Blutverteilung, beziehungs¬ 
weise als Anzeichen von BlutgefäUsstÖrungen aus dem arteriellen 
in das kapillare Gefässgebiet. Die Messungen der Pulsdruckhöhe 
vor und nach dosierter Arbeit mittels Riva Rocci haben ergeben, 
dass bedeutende Herzschwäche geringe oder keine Drucksteigerung 
ergab (ja selbst Absinken des Druckes), die mit der Besserung 
der Insuffiziens zunahm, dass dagegen geringe Insuftiziensgrade 
mit gut erhaltenem Herzmuskelzustand starke Steigerungen der 
Druckhöhe gaben, welche mit Besserung des Zustandes sukzessive 
abnahmen. Die Bestimmung des systolischen nnd diastolischen 
Blutdruckes nach Strasburger vor und nach dosierter Arbeit 
und die Berechnung des sogen. Blutdruckquotienten orientieren in 
erster Linie über die Abflusswiderstände in das Kapillargebiet 
imd lassen Herzarbeit und Ge^swiderstände in ihrer Teilnahme 


an der Herstellung der maximalen Blutdruckswerte differenzieren. 
Redner hat nun gerade aus dem Kleinerwerden statt Grösserwerden 
des Quotienten durch dosierte Anstrengung die abnorme Vermehrting 
der peripheren Abflusswiderstände als TJrsadie beginnender 
Kreislaufstörungen feststellen können, wobei auch als weiteres ob¬ 
jektives Zeichen eine Verkleinerung der Polskurve statt Ver- 
grösserong derselben sich nidit nachweisen liess. Die Messungen 
werden vorgenommen im Stehen, links Armschlauch von Riva 
Rocci, rechts Jaquets Pulszeichner nnd Untersuchung vor und 
nach 20 Kniebeugen. 

Beispiele mit Fulskurven erklären zum Schlosse die ganze 
Art der oben geschilderten Diagnoseustellong. (Fortsetzung folgt.) 


Bücherbesprechung. 

Maximilian Bresgen -Wiesbaden. Die Knrmittel Wies¬ 
badens bei Erkrankungen der Atemwege auch 
während der Wintermonate. Dritte Auflage. Wies¬ 
baden, Moritz und Münze!, 1906. 

Verf., der durch seine zahlreichen verbreiteten Schriften über 
Nasen-, Rachen- und Halskrankheiten und deren Erscheinungen 
und Bedeutung schon viel bekannt ist, will in diesem kleinen, kaum 
zwei Druckbogen umfassenden Vademecum eine Erklärung der 
Kochsalzbrunuenkur in ihrer Wirkung au Ort und Stelle geben; 
er lässt jede überflüssige Arabeske weg und begnügt sich mit der 
objektiven Wiedergabe der bisherigen zahlreichen Befunde der 
Wiesbadener Kur-Geschichte und mit der Wiedergabe seiner lang¬ 
jährigen Erfahrungen, ohne jemals zu eindringlich zu werden. 
Bloss dort, wo es gilt, den Deutschen an die reichen Gaben seines 
eigenen Bodens zu erinnern, wo es gilt ibm den reichen Schatz 
gerade der Wiesbadener Quellen für die Winterkur und den winter¬ 
lichen, ausgesuchtesten und den jedem einzelnen Geldbeutel an¬ 
gepassten Komfort Wiesbadens ins rechte Licht zu rücken, da 
greift er mit lebhafter Ueberrednng ein, nnd das mit vollem Rechte, 
denn sicherlich ist es an der Zeit, dass erstens das Vorurteil zn- 
rUcktritt, man müsse bei Katarrhen, namentlich der Atmungswege, 
erst auf den sonnigen Frühling warten nnd zweitens, dass endlich 
die Deutschen durchweg mehr und mehr von der zweifellos über¬ 
triebenen und mehr auf Ueberlieferung und Einbildung beruhenden 
Gewohnheit abkommen, den „Winterbummel nach dem Süden** zu 
richten. 

Wie sich Bresgeu rein empirisch und rein deduktiv die Wirkung 
des Kochbrunnens und seiner Methodik, wohlverstanden seiner Metho¬ 
dik, denkt, das nachzulesen, dürfte ein nettes Stück Kurzweil nnd 
Belehrung sein; darum hat dieses Schriftchen ein weitgehendes 
Interesse. A. R. 

Hoffa, Albert Lehrbuch der orthopädischen 
Chirurgie. Fünfte Auflage. 880 S., 870 Abb. Stuttgart, 
Enke, 1905. 

An dem dauernd wachsenden Lehrbuche, das wohl in allen 
Aerztekreisen als Nachschlagewerk und nicht minder als grund¬ 
legender Bericht über den jeweiligen Stand der Orthopädie ange¬ 
sehen und hochgeschätzt ist, kann man die Fortschritte ersehen, 
den die an sich noch junge Specialwissenschaft von Jahr zu Jahr 
macht. Eine besondere Empfehlung dem vortrefflichen Werke 
auf den Weg zu geben, erscheint wohl überflüssig, wünschenswert 
wäre es, dass jeder Praktiker dem Inhalt, im Interesse seiner 
Klientel, regste Anteilnahme zeigen würde. Die neuen Operations¬ 
methoden, welche zu weiteren Versuchen ermutigen, werden unter 
Innehaltung strengster Kritik, zu guten, segensreichen Erfolgen 
führen. Muskat-Berlin. 

Fr. Quermonprez. Etndes snr le traitement des 
fractures des membres. Paris, J. Rousset, Editeur, 1906. 

Das umfangreiche Werk, das einen Teil Unfallschirurgie dar¬ 
stellt, behandelt die verschiedenen Behandlungsmethoden der Frak¬ 
turen mit besonderer Berücksichtigung ihrer historischen Entwick¬ 
lung. Höchst anschauliche zahlreiche (235) Abbildungen schmucken 
den Text. Eine Uebertragung des Werkes ins Deutsche wäre 
zu wünschen. H. E., Berlin. 


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408 


IfEDIGINISCHE WOCHE. 


Nr. 89. 


Vermischtes. 

Einweihungs-Feier des Instituts für Krebsforschung zu 

Heidelberg uud Frankfurt a. M. am 25. bis 27. September. 

Heidelberg, Montag, den 24. September, abends 
9 Uhr: Zwanglose Zusammenkunft der Teilnehmer in Heidelberg 
im Arturshof (Hotel Lang). 

Dienstag, den 25. September, vormittags IOV 2 Uhr: 
Festsitzung in der Aiila der Universität (Gesellschaftsanzug). Zu 
dieser Festsitzung haben die Höchsten Herrschaften ihr Er¬ 
scheinen zugesagt. Ansprache des Prorektors Prof. Dr. Troeltsch. 
Ansprache des Vorsitzenden des Zentralkomitees für Krebs¬ 
forschung, Geh. Medicinalrat Prof. Dr. v.Leyden. Begrtissung der 
Teilnehmer durch Exzellenz Prof. Dr. Czerny. Bericht über 
die Internationale Konferenz für Krebsforschung von Prof. Dr. 
George Meyer. Ansprache der Vertreter der Behörden. Be¬ 
sichtigung des neuen Institutes für Krebsforschung. 

Nachmittags 3 Uhr: Vorträge (Sitzungssaal wird noch be¬ 
kannt gegeben): Geh. Medicinalrat Prof. Dr. v. Leyden: Ueber 
dasProblem der kurrativeoBehandlung derCarcinome des Menschen. 
Exzellenz Prof. Dr. Czerny: Ueber unerwartete Krebsheilungen. 
Dr. Freiherr v. Dungern-Heidelberg: Verwertung spezifischer 
Serumreaktionen für Carcinomforschung. Dr. R. Werner-Heidel- 
berg: Zur Genese der Malignität der Tumoren. Dr. Fromme- 
Halle: Demonstration über das Verhalten der Mastzellen beim 
Carcinom (mit Projektionen). Prof. Dr. Gol dm a nn-Freiburg : 
Die Beziehungen der Carcinome zu den Geftlssen (mit Projektionen). 
Prof. Dr. Völeker-Heldelberg: Demonstration von Magen- und 
Darmkrebsen. Dr. v. Wasiel e wski-Heidelberg: Thema Vor¬ 
behalten. Dr. Le w isohn-Heidelberg: Zur Behandlung maligner 
Tumoren mit Röntgenstrahlen. 

Abends: Bengalische Beleuchtung der beiden Brucken sowie 
der Neckarufer, daun 8*® Uhr: Fahrt nach Frankfurt, Ankunft 
daselbst 9®® Uhr (oder Abfahrt am 26. September morgens 8® Uhr, 
Ankunft in Frankfurt 9*® Uhr). 

Frankfurt amMain. Mittwoch, den 26. September, 
vormittags 10 Uhr: Begrussung der Teilnehmer durch Geh. Med.- 
Rat Prof. Dr. Ehrlich. Bericht über die Untersuchungen des 
Institutes für experimentelle Therapie. Demonstration der Prä¬ 
parate der Sammlung des Instituts für experimentelle Therapie (in 
Gemeinschaft mit Dr. Apolant). Vorträge: Prof. Dr. Herx- 
heimer und Dr. Hübner-Frankfurt: Ueber die Röntgentherapie 
der Hautcarcinome mit Demonstrationen behandelter Fälle aus dem 
Lichtheilinstitut der Hautkrankenstation. Prof. Dr. Spiess- 
Frankfurt: Experimentelle Heilversuche an Mäusecarcinomen. 

Nachmittags 3 Uhr: Prof. Dr. Henke-Charlottenburg: Zur 
pathologischeu Anatomie der Mäusecarcinome. Prof. Dr. Lubarsch- 
Zwickau; Ueber destruierendes Wachstum und Bösartigkeit der 
Geschwülste. Dr. Haaland-Cbristiana: Ueber Metastasenbildung 
bei transplantierten Sarkomen der Maus (mit Demonstration). 
Dr. Zimmermann-Budapest: Die Entstehung des Krebses; Histo- 
geuese multipler Hautkrebse. Prof Dr. Albrecht-Frankfurt; 
Vorschläge zu einem natürlichen System der Geschwülste. Demon¬ 
stration seltener Geschwülste. Dr. Leaf-London: The cause of 
Cancer of the Breast (clinical) with some remarks upon the Connec¬ 
tion between in-itatiou and the production of malignant growth 
(experimental). 

Donnerstag, den 27. September, vormittags 9 Uhr; 
Prof. Dr. Blu mentha 1 - Berlin; Die chemische Abartung der 
Zellen beim Krebs. Dr. L. Michaelis-Berlin: a) Ueber Ver¬ 
suche zur Erzielung einer Kreb.simmunität bei Mäusen; b) Trans¬ 
plantierbares Rattencarcinom. Dr. W. Loewenthal-Berlin: a) 
Untersuchungen über die Taubenpocke; b) Demonstration von 
Zellen mit Kernveränderungen in der Karpfenpocke. Dr. Bergell- 
Berlin: Zur Chemie der Krebsgeschwülste. Dr. Carl Lewin- 
Berlin: Ueber Versuche, durch Uebertragung vom menschlichen 
Krel).smaterial verimpfbare Geschwülste bei Tieren zu erzielen. 
Dr. A. Sticker-Berlin: Ueber endemisches Vorkommen des 
Krebses. Geh. Medicinalrat Dr. Be h la-Stralsund : Ueber Be¬ 
ziehungen zwischen Wasser und Krebs mit kartograj)hischen 
Demonstrationen. Dr. Prinzing-Ulm; Das Gebiet hoher Krebs¬ 


sterblichkeit im südlichen Deutschland und in den angrenzenden 
Teilen Oesterreichs und der Schweiz, Prof. Dr. Dollinger- 
Budapest: Ein Ergebnis der vom Komitee für Krebsforschung des 
Budapester Königlichen Aerztevereins veranstalteten Sammel¬ 
forschung. Prof. Dr. George Meyer-Berlin: Ueber die Ver¬ 
sorgung Krebskranker. Schluss der Sitzung 12 Uhr. (Aender- 
ungen der Reihenfolge der Vorträge bleiben Vorbehalten.) 

E. V. Leyden, P. Ehrlich, V. Czerny, 

Berlin. Frankfurt a. M. Heidelberg. 

George Meyer, Generalsekretär. 

Berlin, Bendlerstr. 13. 

Wien. Dem ausserordentlichen Universitätsprofessor Herrn 
Dr. Anton Elschnig, Privatdozent der Augenheilkunde an der 
hiesigen Univei-sität, wurde das Ritterkreuz des Franz Josefs- 
Ordens verliehen. 

Szeged, Ung. Mit dem Bau des Augenspitals wii^ dem¬ 
nächst begonnen. 


Patentnachrichten. 

Gobraucbsniuster. 

2(>9285. Loicbenbaltcr in Särgen, bestehend aus Bändern, die an der 
Sargwand befestigt, kreuzweise Uber die Leiche geführt und durch Gurt- 
baher festgeklemmt werden. Eduard Grusebke, Sarlouis. 

269264. Druckglashaltcr fUr Lichtbehandlung nach Finsen. Inter¬ 
nationale Gesellschaft für satinären Bedarf LUtgenao & Co. G. m. b. H., 
Düsseldorf. 

269044. Dampferzeuger, bestehend aus einem Koebgefäss mit am 
oberen Deckel seitlich angeordnetem, dampfdicht aufschraubbarem Leitungs- 
robr. Bartholomeus Justus Hendriks, Liendon, Holl. 

269 262. In einer hermetisch zn verschliessenden GlashUlse unteige- 
brachter, im Querschnitt gewellter hohler Wickelstab fUr Catp^ut, der auf 
den Wellenbergen und am unteren Ende durcblocht und mit emem Gummi- 
verschlnsspfropfcn der AussonbUlso rerbundon ist. Ludwig Barthels, Hamburgf. 

269180. Glasbcbälter mit Gummi-Membran und eingeschliffener Glas¬ 
glocke. Dr. Ernst Smreker, Wien. 

264 394. Mit Ausschnitten versehene oder anatomische Hakenpinzette. 
Dr. Josef Hertzka und Th. Neos, Hamburg. 

269421. Halter für in den Körper eingcfUbrte Instrumente. Georg 
Haertel, Breslau. 

2^792. .Elektrischer Ofen zum Vulkanisieren künstlicher Gebisse, 
mit am Kcsscläussoren vorgosobenen Heizwiderstandsrin^n, sowie am Ofeo- 
mantol angeordneton EontuktstUcken. Heinrich Scholl, Edenkoben, Rheinpf. 

269 351. Gipsblockhaltcr für kUnstlicben Zahnersatz, mit Übereinander 
angeordneton konischen Spitzen und diese schräg durchdringenden Stiften. 
Arthur Folsch, Elberfeld, 

269411. Amalgamstopfcr für zabnärzliche Zwecke, mit senkrecht vom 
Handgriff abzweigonder FUhrungsbUlse für das Stopferonde. Dr. Lndwig 
Wachtl, Wien. 

269419. Halter für Farbonproben von Zahnfüllungen. C. Ash &Sods, 
Berlin. 

269608. Einrichtung, um eine Poliermasebine als Bobnnaschine be¬ 
nutzen zu können. Paul Bogdoll, Simianowitz, O.-S., bei LaurahQtte. 

269672. Zahnbobror mit vertikalen Scheidnuten. Emil Schütz,Breslau. 

269 573. Schlingenleiter mit in einer Scheide verschiebbarer Bügoifeder 
als Operations-Hilfsgerät. Fa. H. Hauptnor, Berlin. 

269339. HOrtrommel mit Membran. Alfred Plobner, München. 

269382: Durchlöchertes Kautschuk-Nabel- und Bruchpflaster mit 
durebtränkter Polotte. Adolf Hofmann, Ebmath i. V. 

269390. Seitlich mit abknöpfbaren elastischen Gurten versehener 
waschbarer MonatsgUrtel. Fa. Paul Hartmann, Heidenbeim a. Brenz. 


WarzmiUel and IWagenverdaanng. Das Kgl. pathol. In¬ 
stitut der Universität Berlin zählt nicht nur zu den grössten der Welt, 
sondern besitzt auch den Vorzug einer eigenen experimentell-biologischen 
Abteilung. Deren Vorsteher, der bekannte Physiologe Bickel, bat u. a. die 
Untersuchungs-Methoden des mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Peters¬ 
burger Gelehrten Fawlow weiter ausgobildet, und namentlich auch durch 
zahlreiche Arbeiten um die Erforschung der Verdauungs-Vorgänge sich ver¬ 
dient gemacht. Auf seine Veranlassung und unter seiner Leitung wurden 
kürzlich interessante Versuche mit einem unserer beliebtesten Genassmittel, 
der Maggi-Würze, angestollt. Es war hier zum erstenmale überhaupt mt^- 
lich, den Einfluss eines solchen täglichen Würzmittels auf die Magenver- 
dauung am gesunden erwachsenen Menschen zu studieren. Datei 
ergab sich nun, dass die Maggisebo Würze einer der mächtigsten Förderer 
des Appetits und der Verdauung ist. Unter ihrem Einfluss reagiert die 
Magonscbloimhautmit einer intensiveren u.Dacbhaltigereo Produktion eines ver- 
dauungskräftigcreii und in seinem Säurogobalt höherwertigen Saftes. Die 
exakte Wissciiscbaft bestätigt damit das günstige Urteil, das die kulinarische 
Praxis Uber dieses bewährte, praktische und appetitliche Gonussmittel längst 
gefällt hat. 


Vertotwortlicher Redakteur : Dr. P. Meisiner, Berlin W. 6S, Kurfüretenttr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Hall« a. S. 
Druck von der HejBoauksn'ichen Bnekdrackorol, Oobr. Wolff, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Deotschmann. A. Dfihmen, A. Hofft, E. Jacobi, 

Hambu^. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Oieasen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold la Halle a« S** Uhfandstnuse 6. 

Tel.*Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Kobcrt, M. Koeppen. K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverrlcht, A. Vosslos, 

Magdeburg. Qiesseo. 

Redaktion: 

Berlin W, 62* Kurfflrstenstrasse 81, 

Dr. P Meißner. 


Vn. Jahrgang. 


1, Oktober 1906. 


Nr. 40. 


Die .Med 1 clnlsche Woche* erscheint jeden Montag mit der Utlgigen Beilage BfllnCOlOgiSChC CCIltralzeltting) Organ des Allgemeinen Deutschen 
Blderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 PF. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mH 50 Pf. Iwrechnet Beilagen nach Uebereiokunft. Reklamezelle 1,50 M. Bel größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Zur Frage 

der epidemischen Meningitis cerebrospinalis. 

Von Dr. G, N. Magakjan*}. 

Die epidemische Meningitis cerebrospinalis oder die Genick¬ 
starre war, wie aus der Literatur ersichtlich, schon im Mittel- 
alter bekannt (Biedert), und es ist sehr wohl möglich, dass 
die Krankheiten, die unter den Namen cephalalgie öpid^mique, 
cephalea, typhus cerebralis, fiövre c6r6bral, cerebrospinitis u. a. 
Synonyme sind. Zum ersten Mal ist eine Epidemie von zweifel¬ 
loser Meningitis cerebrospinalis im Anfang des neunzehnten 
Jahrhunderts in Genove und deren Umgebung von Vieussens 
beobachtet worden. 

Hirsch unterscheidet vier Perioden in der Entwicklungs¬ 
geschichte der Meningitis cerebrospinalis. Die erste Periode 
dauerte von 1805 bis 1830 und wurde in den Vereinigten 
Staaten von Nordamerika, sowie in verschiedenen Orten Europas 
in Form von zersprengten Epidemien beobachtet. Die zweite 
Periode dauerte von 1837 bis 1851 und zeichnete sich dadurch 
aus, dass bedeutende Epidemien nicht nur in Amerika, sondern 
auch in Europa beobachtet wurden, während in Frankreich 
die Epidemie sogar den Charakter einer Pandemie angenommen 
hatte. Hierauf hat die Krankheit, nach einer kurzen Ruhepause, 
ihre höchste Ausbreitung in der dritten Periode (1854— 1875) 
erreicht. Sie erstreckte sich damals auf einen grossen Teil 
Europas, darunter auch auf Russland, desgleichen verbreitete 
sie sich damals wieder mit bedeutender Intensität in den Ver¬ 
einigten Staaten von Nordamerika und in Südamerika. Nach 
Russland kam die Krankheit zum ersten Male im Jahre 1863. 
Seit I876(viertePeriode nachHirsch) waren bedeutende Epide¬ 
mien von Meningitis cerebrospinalis bereits nicht mehr aufgetreten. 
Indem sich die Krankheit in Europa und in Amerika als ende¬ 
mische Krankheit etabliert batte, ruft die Meningitis cerebro¬ 
spinalis ab und zu mehr oder minder bedeutende Epidemien her¬ 
vor, von denen wir in dem soeben verflossenen Jahre auch in 
Russland eine erlebt haben. Die letzte Epidemie in Deutsch¬ 
land hat Ende 1904 begonnen und ihr Maximum im März und 
April 1905 erreicht. Wie intensiv die Epidemie war, kann man 
schon daraus ersehen, dass die Zahl der an Meningitis cerebro¬ 
spinalis zu Grunde gegangenen Personen schon im Mai 1905 
2200 betragen hat. Ebenso heftig war die Epidemie in Oester¬ 
reich und Amerika; in Russland ist die Epidemie im allgemeinen 
ziemlich schwach aufgetreten. 

Während sporadische Fälle von Meningitis durch gewöhn¬ 
liche Bakterien wie Staphylococcen, Streptococcen, Influenza- 

Aus dem Russischen von M. Lubowsky, Berlin-Wilmersdorf. 


Bazillen, Colibazillen, Koch’sche- und Eberth’sche-Bazillen 
bedingt sein können, hat man bei epidemischer Meningitis cere¬ 
brospinalis hauptsächlich zwei Mikroorganismen nachgewiesen, 
und zwar den intracellulären Diplococcus oder Meningococcus oder 
den FraenkePschen Diplobazillns; teilweise kommt hier auch 
der Streptococcus von Bonome in Betracht, der Diplococcen 
darstellt, die sich nach Gram nicht entfärben. 


Der Meningococcus wurde zum ersten Mal von Weichsel¬ 
baum im Jahre 1887 bei einer Kinderepidemie entdeckt, dann 
von Jäger genau erforscht und bestätigt. Nach Jäger hat 
Petersen über eine ganze Reihe von Fällen berichte^ die er 
in Berlin beobachtet natte, und in denen der Weichsel¬ 
baum 'sehe Coccusgefunden wurde (Sclipttmüller). Heubner 
hat in seinen Fällen den Meningococcns nicht nur nach dem 
Tode der Kranken, sondern auch zu Lebzeiten derselben zu 
isolieren vermocht. Ausserdem hat er, indem er Bonillon- 
Kulturen von Meningococcen in die Höhle der harten Hirnhaut 
Tieren (Pferden und Ziegen), bei denen auch spontane Er¬ 
krankung an Meningitis beimachtet wird, injizierte, nachgewiesen, 
dass man bei diesen Tieren eine typische Meningitis cerebro¬ 
spinalis hervorrufen kann. Ferner wurde der Meningococcus 
als Krankheitserreger im Jahre 1898 bei GMegenheit einer 
Epidemie in Berlin von Berdach, Councilmann, Mallory, 
Wreigt beschrieben. Das Vorhandensein des Weichsel- 
baumschen Coccus in der Cerebrospinal-Flüssigkeit wurde von 
einer Reihe von Autoren, darunter auch von mir bei der 
letzten Epidemie (1904/1905) .nachgewiesen. Der Meningo¬ 
coccus, oder der intracelluläre Diplococcus, lagert sich grössen- 
teils paarweise, manchmal auch vierweise innerhalb der weissen 
Blutkörperchen, teilweise auch ausserhalb derselben. Er hat 
die Form von zwei oder drei einander mit der konkaven Seite zu¬ 
gekehrter Kaffeebohnen, die durch einen hellen Zwischenraum 
voneinander getrennt sind (Günther). Vom Gonococcus, der 
dieselbe Form hat, unterscheidet er sich durch seine mehr 
rundliche Form, sowie dadurch, dass er sich in den Zellen in 
weit grösserer Anzahl lagert. Der Meningococcus gedeiht am 
besten auf Agar bei 37,5. Die angelegten Kulturen zeigen 
rasches und üppiges Wachstum. Auf Blutserum von Menschen, 
sowie auf Bouillon wächst der Meningococcus schwach, auf 
Gelatine mangelhaft, wobei er, im Gegensatz zum Staphylo- 
coccus, die Gelatine nicht verflüssigt (Jäger). Auf Kartoffel 
wächst der Meningococcns überhaupt nicht. Das Vorhanden¬ 
sein von Pneumococcen bei epidemischer Meningitis wurde zum 
ersten Mal von Fraenkel und Weichselbaum sowohl bei 
sporadischen, wie auch bei endemischen Formen nachgewiesen, 
und zwar sowohl mit fibrinöser Pneumonie komplizierter, wie 
auch bei einfacher Meningitis. Während einer kleinen Epidemie 
in Böhmen ist es Weichselbaum nicht gelungen, den Meningo¬ 
coccus nachzuweisen; die Ursache der Epidemie war der 
Fraenkelsche Diplococcus. Im Jahre 1894 haben Flexner 
und Barker eine bedeutende Epidemie von 200 Fällen mit 
einer Mortalität von 40% beobachtet, wobei als Krankheits- 


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410 


MEDICmiSCHB ‘WOCHE. 


Nr. 40. 


erregerder Fraenkel’sche Diplococcus fungierte (Schottmüllor). 
Als KrankheitseiTeger bei Meningitis cerebrospinalis ist der 
Fraenkersche Diplococcus ausser von den vorgenannten Autoren 
auch von Panienski, Quadu, Bonome u. a. ausgesprochen 
worden (Stadelmann, Schottmüler). 

Wenn auch, führt M. J. Breitmann aus, das Vorhanden¬ 
sein der oben bezeichneten Bakterien bei Meningitis cerebro¬ 
spinalis nachgewiesen ist, so verdunkelt doch der Umstand, 
dass die epidemische Meningitis häufig zugleich mit irgend einer 
anderen zur Zeit herrschenden Krankheit vorkommt, die Auf¬ 
fassung des Wesens dieser Krankheit in bedeutendem Grade. 
So kennt man beispielsweise das gleichzeitige Vorkommen von 
Meningitis und Influenza (Epidemie zu Lissabon von 1902—03), 
von Meningitis und Abdominaltyphus (Epidemie zu Rastatt 
von 1864), von Meningitis und Flecktyphus, Masern etc. Alles 
in allem kann man somit sagen, dass die Frage der Aetiologie 
der Meningitis immer noch offen bleibt, und dass die Worte 
Dieulafoy’s: „es gibt keine cerebrospinale Meningitis, sondern 
cerebrospinale Meningitiden“ vielleicht immer noch Recht behalten. 
Die Art und Weise, wie sich die Meningitis ausbreitet, ist noch 
dunkler. Während manche Autoren behaupten, dass die Aus¬ 
breitung der Krankheit ausschliesslich auf miasmatischem Woge 
vor sich geht, behaupten andere, dass die Krankheit kontagiös 
ist. Mag es aber an dem sein wie es will, so bleibt doch die 
feste Tatsache bestehen, dass die epidemische Meningitis im 
Gegensatz zu Typhus, Scharlach usw. niemals Massenerkrankungen 
hervorruft. Die Zahl der Erkrankten ist gewöhnlich sehr mäßig. 
Wodurch ist dann aber dieser fast panische Schrecken zu er¬ 
klären, der im Publikum beim Auftreten der epidemischen 
Meningitis Platz greift und sogar zu wirklicher Meningophobie 
führt? Die Meningitis ist nicht schrecklich durch die Zahl der 
Erkrankungen, sondern durch ihren schweren, raschen Verlauf 
und den traurigen Ausgang. Der Mortalitäts-Prozentsatz der 
epidemischen Meningitis beträgt mindestens 50, wobei sich 
natürlich, je nach dem Charakter und nach der Heftigkeit der 
Epidemie, Schwankungen nach der einen oder der anderen 
Seite geltend machen. Die von der Epidemie am meisten 
bevorzugte Jahreszeit ist Frühlings- und Winteranfang. Die 
Epidemie hält einige Monate bis einige Jahre an, wobei sie in 
der heissen Jahreszeit nachlässt. Am meisten zeigen sich 
Kinder besonders prädisponiert. 

Als Eingangspforten des Infektionsstoffes lassen manche 
die Nasenhöhle gelten. Von einer ganzen Reihe von Autoren 
(Jäger, Heubner, Councilmann u. A.) wurde im Nasen¬ 
schleim der Meningococcus gefunden. In der Tat beginnt die 


Krankheit häufig mit Schnupfen. Desgleichen fand man 
Meningococcen auf den Mandeln, im Blute, im Harn und im 
Stuhle. Man kann also annehmen, dass diese Sekrete bezw. 
Exkrete unmittelbar oder mittelbar den Infektionsstoff verbreiten. 

Das pathologisch-anatomische Bild, welches das Gehirn dar¬ 
bietet, besteht in einer mehr oder minder diffusen Affektion 
der Hirnhäute. Zwischen der Arachnoidea und der Pia findet 
man Exsudat, welches in der ersten Zeit gewöhnlich trübe, 
bisweilen auch serös ist. Später wird das Exsudat serös-eitrig, 
fibrinös eitrig oder rein eitrig. Die Eiterung nimmt selten 
diffuse Formen an, gewöhnlich sammelt sich der Eiter entweder 
in Form von einzelnen Plaques, oder den Gefässen entlang 
(Biedert) und breitet sich auf die Hirnsubstanz selbst aus. 
Das Gehirn selbst wird infolge des Oedems etwas weicher. Im 
Rückenmark sind Veränderungen, denjenigen im Gehirn ähnlich, 
vorhanden und finden sich stets bis zu einem gewissen Grade 
als Begleiterscbeinungen dieser letzteren. Die Ventrikelchen des 
Gehirns und des Zentralkanals des Rückenmarks sind ziemlich, 
stark mit serösem oder eitrigem Exsudat gefüllt. Von Affek¬ 
tionen der übrigen Organe findet man am häufigsten Schwellung 
der Milz, ferner Pneumonie, Pericarditis, Nephritis etc. 

Vorboten werden bei Meningitis cerebrospinalis selten beob¬ 
achtet. Sie bestehen aus allgemeinem Unwohlsein, Zerschlagen¬ 
heit, Appetitlosigkeit und Schnupfen. Gewöhnlich beginnt die 
Krankheit plötzlich, wie der Blitz ausheiteremHimmel, mitheftigem 
Schüttelfrost oder Krämpfen, Fieber, starkem Kopfschmerz und 
Erbrechen. Dann stellen sich, je nach dem Fortschreiten des 
Krankheitsprozesses Delirien, Somnolenz, Trübung des Bewusst¬ 
seins, Schmerzen im Nacken, Halse, Rücken, Extremitäten etc. 
ein. Eine der konstantesten und wichtigsten Erscheinungen 
bei epidemischen Meningitis cerebrospinalis ist Störung der 
Sensibilität, die hauptsächlich in Form von Hyperaesthesie und 
Hyperalgesie auftritt. Im Zusammenhang mit dieser Hyperae¬ 
sthesie stehen die Muskelkrämpfe, von denen die Kontraktur 
des Nackens durch ihre Beständigkeit für die epidemische 
Meningitis fast pathognomonisch ist. Tonische Spannung wird 
auch in den Extremitäten, hauptsächlich in den unteren, und 
zwar in Form des Kernigschen Symptoms beobachtet. Bis¬ 
weilen werden Störungen von seiten der Cerebralnerven, am 
häufigsten in der Gegend der NN. oculomotorii in Form von 
Schielen, Nystagmus, Lidersenkung beobachtet. Bisweilen 
bestehen auch Störungen von seiten des Gehörs in Form von 
Taubheit und Ohrensausen. Fast in der Hälfte der Fälle tritt 
an den Lippen und am Gesicht ein Blasenausschlag auf (herpes 
labialis et facialis). Von seiten der Verdauungsorgane besteht 
ausser dem Erbrechen fast stets Obstipation, seltener Diarrhoe. 


Feuilleton. 


Das Gesetz betr. die Bekämpfung 
übertragbarer Krankheiten 

vom 28. August 1905. 

Von Dr. P. Krantwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln. 

(Schluss.) 

Im Ucbrigen sind die Vorschriften über die Kosten¬ 
verteilung, die ganz besonders für kleine Gemeinden auf dem 
Lande von Bedeutung sind, ausserordentlich kompliziert. 

Wie ernstlich die Verpflichtungen sind, die das_ Gesetz 
allen Beteiligten auferlegt, möge aus den Strafbestimmungen 
des § 35 und 36 ersehen werden. 

§ 34. 

I\Iit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe 
bis zu sechshundert Mark wird bestraft: 

1. wer wissentlich bewegliche Gegenstände, für welche 
auf Grund der §§ 8 und 11 des gegenwärtigen Gesetzes eine 
Desinfektion polizeilich angeordnet war, vor Ausführung der 


angeordneten Desinfektion in Gebrauch nimmt, an andere über¬ 
lässt oder sonst in Verkehr bringt; 

2. wer wissentlich Kleidungsstücke, Leibwäsche, Bettzeug 
oder sonstige bewegliche Gegenstände, welche von Personen, 
die an Diphtherie, Genickstarre, Kindbettfieber, Lungen- und 
Kohlkopfstuberkulose, Rückfallfieber, Ruhr, Scharlach, Typhus, 
Milzbrand und Rotz litten, während der Erkrankung gebraucht 
oder bei deren Behandlung und Pflege benutzt worden sind, 
in Gebrauch nimmt, an andere überlässt oder sonst in Verkehr 
bringt, bevor sie den von dem Minister der Medizinal-Ange- 
legenheiten erlassenen Bestimmungen entsprechend desinfiziert 
worden sind; 

3. wer wissentlich Fahrzeuge oder sonstige Gerätschaften, 
welche zur Beförderung von Kranken oder Verstorbenen der 
in Nr. 2 bezeichneten .Art gedient haben, vor Ausführung der 
polizeilich angeordneten Desinfektion benutzt oder anderen zur 
Benutzung überlässt. 

§ 35 . 

Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit 
Haft wird bestraft: 

1. wer die ihm nach den §§ 1 bis 3 oder nach den auf 
Grund des § 5 des gegenwärtigen Gesetzes von dem Staats- 
ministeriura erlassenen Vorschriften obliegende Anzeige schuld¬ 
haft unterlässt. Die Strafverfolgung tritt nicht ein, - wenn die 

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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


411 


Die Milz ist gewöhnlich vergrössert, wenn es auch nicht immer 
gelingt die Vergrösserung zu Lebzeiten der Kranken festzu¬ 
stellen. Die Harnorgane werden selten in Mitleidenschaft 
gezogen. Bisweilen findet man im Ham Eiweiss und Zucker. 
Im späteren Krankheitsstadium wird auch Polyurie beobaclitet, 
die wahrscheinlich zentralen Ursprungs ist. Lungenerkrankungen 
(Bronchitis, lobuläre Pneumonie) Otitis, Perikarditis, multiple 
Gelenkschwellung, PyUmie etc. kommen als Komplikationen 
hinzu. Der Puls wird bedeutend beschleunigt, bleibt aber regel¬ 
mäßig. Die Temperatur zeigt gewöhnlich eine hochgradige 
Steigerung, zugleich aber einen ausserordentlich unregelmäßigen 
Typus. Es sind sogar bösartige Formen von epidemischer 
Meningitis beschrieben worden, die selbst bei subnormaler 
Temperatur verlaufen (Richter). 

Nach der Schwere des Krankheitsverlaufes unterscheidet 
man folgende Formen von Meningitis: 

1. Meningitis acutissima. siderans, welche unter hoher 
Temperatur, sofortiger Trübung des Bewusstseins verläuft und 
schon in den ersten Tagen zu Tode führt. 

2. Akute und subakute Form. Bei der ersteren treten 
heftige Anfälle mit Temperatnrsteigerung über 39,0® auf, die 
nach einigen Tagen kritisch aufhören, oder einen intermittierenden 
Charakter annehmen, indem sie wiederholte Rezidive geben, 
und auf diese Weise mehrere Wochen anhalton. Die zw’eite 
subakute Form verläuft weniger stürmisch und ohne Unter¬ 
brechungen. 

3. Abortive Formen, die sich durch schwache Steifheit 
der Nackonmuskeln äussem; sonst fühlen sich die Kranken 
vollständig wohl und setzen ihre Arbeit fort. Diese Formen 
kann man nur dann diagnostizieren, wenn eine Epidemie be¬ 
steht; in einigen Tagen sind sie gewöhnlich abgelaufen. 

4. Protrahierte Form, die von 2—6 Monate dauert. Am 
eingehendsten hat diese Form Heubner beschrieben. Sie 
zeichnet sich dadurch aus, dass in deren Verlauf wiederholt 
Rezidive nach scheinbarer Genesung der Patienten beobachtet 
werden. 

Nach schw’eren Formen von Meningitis bleiben nicht 
selten verschiedene Nacherkrankungen in Form von Störung 
des Gehörs, des Sehvermögens, Gedächtnisschwäche, Kopf¬ 
schmerz , namenthch Kopfschwindel zurück. Nicht selten 
bleiben stabile Lähmungen sowohl cerebralen, wie auch spinalen 
Ursprungs bestehen. 

Die Differential - Diagnose der Meningitis cerebrospinalis 
ist ziemlich schwer, namentlich wenn es sich um einen spora¬ 
dischen Fall handelt. Als charakteristisch für Meningitis cere¬ 


brospinalis ^It der plötzliche Beginn der Krankheit mit Kopf¬ 
schmerzen, Erbrechen, Steifheit der Nacken- und Rückenmuskcln 
und Muskeln der Extremitäten, namentlich der unteren, mit 
Trübung des Bewusstseins und Auftreten eines Blasenausschlages 
an Gesicht und Lippen usw. Aber selbst dort, wo alle diese 
Erscheinungen deutlich ausgesprochen sind, kann man die 
Diagnose nur durch Ausschliessung sämtlicher anderer Formen 
von Meningitis und derjenigen Erkrankungen, die meningitische 
Erscheinungen hervorrufen können, stellen. Eitrige Meningitis 
kann man ausschliessen, wenn in der Anamnese eine bezüg¬ 
liche bestimmte Aetiologie, wie Schädelverletzungen, Otitis, 
eiterige Parotitis, Erysipel usw. fehlt. Um Meningitis cerebro¬ 
spinalis von tuberkulösen Erkrankungen der Hirnhäute unter¬ 
scheiden zu können, muss man die Anamnese des Kranken 
genau studieren und ganz besonders diejenigen Umstände be¬ 
rücksichtigen, die für die Eventualität einer tuberkulösen Er¬ 
krankung sprechen. Die bei Kindern nicht selten vorkommende 
grippöse Meningitis kann in den gleichzeitig bestehenden hoch¬ 
gradigen katarrhalischen Erscheinungen der oberen Luftwege 
erkannt und durch den Nachweis von Influenzabazillen in der 
Cerebrospinal-Flüssigkeit festgestellt werden. Die übrigen 
Krankheiten, mit denen man die Meningitis cerebrospinalis ver¬ 
wechseln kann, wie fibrinöse Pneumonie, namentlich bei Kindern, 
Tj^ihus, Sumpffieber, Tetanus, Pyämie usw. kann man schon 
leichter ausschliessen, wenn man sämtliche charakteristischen 
Momente der Fälle genau bewertet. 

Die Prognose ist bei Meningitis cerebrospinalis eine sehr 
schlechte, da der Mortalitätsprozentsatz im Durchschnitt 50 
betrag. 

S^pezifische Mittel gegen Meningitis cerebrospinalis gibt es 
leider vorläufig nicht. Die Behandlung bleibt eine rein symp¬ 
tomatische, sodass der Erfolg mehr von der Krankheitsform, 
als von den zur Anwendung gelangenden Mitteln abhängt. 
Das Quecksilber, welches man früher bei der in Rede stehenden 
Erkrankung häufig anwendete, bat man jetzt fast vollständig 
verlassen, da die therapeutische Wirksamkeit des Quecksilbers 
hier sehr zweifelhaft ist. Manche wollen von Credescher Salbo 
und von intravenösen Injektionen von Collargol, desgleichen 
von Collargolclysmen Erfolg gesehen haben. Fiebermittel sind' 
nur bei übermäßig hoher Temperatur anzuwonden. Zur Lin¬ 
derung der Kopfschmerzen, der Schlaflosigkeit und des Er¬ 
brechens werden narkotische Mittel angewendet. Die im Jahre 
1904 von Aufrecht empfohlenen heissen Wannenbäder von 
22® R. sollen gleichfalls gute. Resultate ergeben haben. So 
hat beispielsweise Roschanski heisse Wannenbäder bei 51 
Fällen von epidemischer Meningitis angewendct, und einen 


Anzeige, obwohl nicht von dem zunächst Verpflichteten, doch 
rechtzeitig gemacht worden ist; 

2. wer bei den in dem § 6 Abs. 1 des gegenwärtigen Ge¬ 
setzes aufgeführten Krankheiten, sowie in den Fällen des § 7 
dem beamteten Arzte den Zutritt zu dem Kranken oder zur 
Leiche oder die Vornahme der erforderlichen Untersuchungen 
verweigert; 

3. wer bei den übertragbaren Krankheiten, auf welche 
die Bestimmungen des § 7 Abs. 3 des Reichsgesetzes, betreffend 
die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, für anwend¬ 
bar erklärt worden sind (§§ 6 Abs. 1, 7 des gegenwärtigen Ge¬ 
setzes), diesen Bestimmungen zuwider über die daselbst be¬ 
zeichnenden Umstände dem beamteten Arzte oder der zuständigen 
Behörde die Auskunft verweigert oder wissentlich unrichtige 
Angaben macht; 

4. wer den auf Grund der §§ 8 und 11 des gegenwärtigen 
Gesetzes in Verbindung mit § 13 des vorbezeichneten Reidis- 
gesetzes über die Mmdepflicht erlassenen Anordnungen zu¬ 
widerhandelt. 

§ 36 . 

Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit 
Haft wird, sofern nicht nach den bestehenden gesetzlichen 
Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt ist, bestraft: 

1. wer bei den in dem § 6 Abs. 1 des gegenwärtigen 
Gesetzes bezeichneten Krankheiten sowie in den Fallen des § 7 


den nach § 9 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung 
emeingefährlicher Krankheiten, von dem beamteten Arzte oder 
em Vorsteher dor Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen 
oder den nach § 10 des vorbezeichneten Reichsgesetzes von 
der zuständigen Behörde erlassenen Anordnungen zuwider¬ 
handelt; 

2. wer, bei den in dem § 8 des gegenwärtigen Gesetzes auf¬ 
geführten Krankheiten sowie in den Fällen des § 11 den nach § 12, 
§ 14 Abs. 5, §§ 15, 17, 19 und 21 des vorbezeichneten Reichsge¬ 
setzes getroffenen polizeilichen .4nordnungen zuwiderhandelt; 

3. wer bei den in dem § 10 des gegenwärtigen Gesetzes 
aufgeführton Krankheiten den nach § 24 des vorbezeichneten 
Reichsgesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt; 

4. Aerzte, sowie andere die Heilkunde gewerbsmäßig be¬ 
treibende Personen, Hebammen oder Wochenbettpflegerinnen, 
welche den Vorschriften in dem § 8 Nr. 3 Abs. 2 xmd 3 des 
gegenwärtigen Gesetzes zuwiderhandeln. 

Nur die schuldhafte, absichtliche oder fahrlässige Unter¬ 
lassung der Anzeige einer meldepflichtigen Krankheit ist straf¬ 
bar. Kenntnis der Krankheit ist aber die Vorbedingung der 
Anzeigepflicht. Wer eine Krankheit nicht erkannt hat, kann 
demnach wegen Verletzung der Anzeigepflicht nicht bestraft 
werden. 

Es ist zu hoffen, dass das Gesetz, welches die übertrag¬ 
baren Krankheiten auf Grund unserer neuesten wissenschaft- 


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412 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 40. 


Mortalitätsprozentsatz von nur 35,5 verzeichnen können. 
Woroschilski hat im Jahre 1895 zwei Fälle beschriebeo, 
in denen er gleichfalls mit Erfolg heisse Wannenbäder ange- 
wendet hatte. Die ableitende Behandlung der Meningitis ist 
jetzt fast vollständig verlassen. Besondere Beachtung verdient 
die von Quincke vorgeschlagene Lumbalpunktion. Eine 
spezifische Wirkung von dieser Behandlungsmethode kann man 
natürlich nicht erwarten, es unterliegt aber auch keinem 
Zweifel, dass die Entleerung des Transsudats den intracraniellen 
Druck herabsetzt und dadurch die quälendsten Symptome der 
Meningitis cerebrospinalis, namentlich die Nacken- und Rücken¬ 
schmerzen lindert. Ausserdem wird das Transsudat nach der 
Punktion höchstwahrscheinlich rascher aufgesaugt, als dies bei- 
^ielsweise nach der Entleerung des Exsudats bei Pleuritis der 
Fall ist. In Uebereinstimmung mit Lenhartz bin ich auch 
der Meinung, dass die Punktion das beste Mittel bei der Be¬ 
handlung der epidemischen Meningitis ist. Die Punktionen 
müssen wiederholt werden. Unangenehme Nebenerscheinungen 
habe ich bei der Anwendung der Punktion nicht beobachtet, 
während Quincke selbst in einigen Fällen sogar eine reich¬ 
liche Blutung verzeichnet hat. Während der Lissaboner Epi¬ 
demie in den Jahren 1902—03 hat Franca in den Kanal der 
Wirbelsäule eine l%ige Lysollösung injiziert und ziemlich gute 
Resultate erzielt, wenn auch die Epidemie selbst im allgememen 
keine schwere war. Desgleichen hat man die Behandlung mit 
Antistreptococcenserum, Diphtherie - Heilserum vorgeschlagen, 
letzteres auf Grund der Untersuchung von Wolf, der nachge¬ 
wiesen hat, dass zwischen dem Meningococcus und dem 
Löfflerschen Bazillus ein Antagnonismus besteht, wobei der 
letztere den Meningococcus tötet (M. Breitmann). Trotzdem 
aber eine so grosse Reihe von Mitteln vorgeschlagen worden 
ist, sind wir in der Hälfte der Fälle dieser KranÄeit gegen¬ 
über vollständig machtlos. (Schluss folgt.) 


Die Heilwirkung des Blutes. 

Ton Dr. Hans Lnngwitz-Halle. 

(Fortsetzung.) 

Die von Bier und seinen Schülern angegebenen Heiz¬ 
apparate sind in ihrer einfachsten Form Holzkästen, die zum 
Schutze vor dem Zerspringen durch Hitze und vor dem An¬ 
brennen mit Wasserglas getränkt und mit Packleinen, das 
gleichfalls mit Wasserglas imprägniert ist, überzogen sind. Je 


liehen Erfahrung nach Maßgabe des wirklich vorhandenen Be¬ 
dürfnisses in ziemlich erschöpfender und wohl auch muster¬ 
gültiger Weise regelt, eine erhebliche Verbesserung gegen den 
bisherigen Zustand bedeutet, sodass nunmehr durch einen 
energischen Kampf gegen die Infektionskrankheiten die allge¬ 
meine Wohlfahrt des Volkes erheblich gefördert wird. 

Es wird zum Erfolg des Gesetzes nötig sein, dass alle Be¬ 
teiligten das Gesetz nicht nach den Buchstaben sondern dem 
Geiste nach auffassen, und das jeder an seiner Stelle pflicht- 
mäßig zum Wohle des Ganzen mitwirkt. Maßvoll und ohne 
Ueberstürzung, das gilt auch für den Kampf gegen die an¬ 
steckenden Krankheiten. Mögen die Aerzte, die sich für ge¬ 
wöhnlich mit Gesetzen und Anordnungen nicht besonders Be¬ 
freunden können, gerade im vorliegenden Falle sich der Er¬ 
kenntnis nicht verschliessen, dass hier ein Erfolg doch nur auf 
Grundlage eines umfassenden Gesetzes, welches Pflichten und 
Rechte der Beteiligten genau bestimmt, zu erzielen ist. 

Literatur: Ausser dem Text des ersten Entwurfs und 
des Gesetzes selbst: A. Schmedding: Die Gesetze betr. Be¬ 
kämpfung ansteckender Krankheiten (Verlag von Aschen¬ 
dorf in Münster. 


nach dem Orte der Erkrankung zeigt ein solcher Kasten einen 
oder zwei Ausschnitte, durch die das Glied hinein- bezw. hin¬ 
durchgesteckt werden kann. Der Abschluss wird durch feuer¬ 
feste Asbestwatte erreicht, die zwischen Glied und Holzaus¬ 
schnitt eiogestopft wird. Oben sind in den Kasten mehrere 
Löcher gebohrt; ein Thermometer zeigt die Temperatur im 
Innern an. Seitlich trägt der Kasten einen kurzen eisernen 
Ansatz, ein Rohr, durch das die erwärmte Luft eintreten kann, 
und an dessen innerer Mündung ein mit Wasserglas über¬ 
zogenes Schutzblech angebracht ist, damit die einströmende 
heisse Luft die Haut nicht direkt treffen kann. Die Erwärmung 
findet so statt, dass man an einem Stativ auf- und absebieb- 
bar einen Teller anbringt, auf den ein Gasbrenner (zu Hause 
Spiritusbrenner) gestellt wird. Nachdem die Flamme ange¬ 
zündet worden ist, schiebt man in das Ansatzrohr den ge¬ 
bogenen Schornstein, dessen untere Oeffnung sich dicht ober¬ 
halb der Flamme befindet und der die erwärmte Luft in den 
Kasten leitet. Durch die Löcher in der oberen Wand des 
Kastens wird ein lebhafter Luftzug unterhalten, der dazu dient, 
die verdunstenden Mengen Schweiss abzuführen. — Diese Ap¬ 
parate sind vielfach mehr oder weniger zweckmäßig modifiziert 
worden; eine besondere Erwähnung verdient der Tallermansche 
Apparat. 

Bringt man nun den Arm in einen solchen Heissluftkasten 
und heizt an, so beginnt alsbald die Haut sich zu röten, bei 
ca. 50® C auch zu schwitzen, stärker noch bei 60—70® C; 
bei 100® C läuft der Schweiss in Tropfen herab, während bei 
noch höherer Temperatur (114® C) die Schweissabsonderung 
wieder geringer wird — entsprechend der experimentell er¬ 
wiesenen Tatsache, dass es ein Temperaturoptimum für die 
Schweisssekretion gibt. Die Rötung, von hellem, arteriellen 
Blute erzeugt, nimmt mit der Temperatur und der Dauer der 
Sitzung (bis zu einer Stunde) zu. Dabei hat der Patient ein 
wohltuendes Gefühl im Arm, das auch noch längere Zeit nach 
der Prozedur anhält. Während der Sitzung ist streng darauf 
zu achten, dass der Kranke nicht ein brennendes, schmerz¬ 
haftes Gefühl empfindet; doch kommen imm erhin geringfügige 
Verbrennungen vor, die keinen Schmerz verursachen und sich 
nur durch vorübergehende braune Verfärbung der Haut infolge 
Austritts von Blutfarbstoff verraten. Bei blutarmen und 
schwächlichen Personen steilen sich nach der Behandlung 
Kopfschmerzen, Herzklopfen, Mattigkeit usw. ein, doch lassen 
sich derartige Beschwerden durch Auflegen einer kalten Kom¬ 
presse auf den Kopf, durch Abkürzung der Sitzungen Ter¬ 
meiden. Häufig sind wohl daran die Gase schuld, die sich bei 
der Verbrennung des denaturierten Spiritus entwickeln, be¬ 
sonders die Pyridinbasen, die sehr zum Nachteile des Wohlbe¬ 
findens und der Gesundheit der Konsumenten leider dem 
Spiritus zugesetzt werden, um ihn ungeniessbar zu machen. — 
Die meisten Personen aber leiden nicht nur nicht an so üblen 
Folgen, sondern befinden sich vollkommen wohl, viele enmfinden 
sogar einen ausserordentlich gesteigerten Appetit und Hunger. 

Die zweite Form der Hyperaemie, die venöse, passive 
oder Stauungshyperaemie, spielt von jeher in der Medicin eine 
grosse Rolle. Schröpfköpfe und Saugapparate gehörten schon 
früher und werden künftig wieder in das Armamentarium des 
Arztes gehören, und das Abbinden der Glieder zum Zwecke 
der Blutstillung ist schon lange im Gebrauch. Auch zur Hei¬ 
lung von Knochenbrüchen und zu Ernährungsversuchen hat 
man schon vor Bier absichtlich die Stauungshyperaemie ange¬ 
wendet, im übrigen aber haben die Aerzte ängstlich jede Blut¬ 
stauung vermieden, ja in ihr, wenn sie physiologisch zustande 
kam, eine Schädigung des Organismus erblickt und durch 
antiphlogistische Mittel gegen sie vorzugehen gesucht. Noch 
heute sind die meisten Mediciner dieser falschen Ansicht. 

Das Verfahren ist einfach: man wickelt oberhalb der zu 
behandelnden Stelle z. B. um den Oberarm eine Gummibinde 
in mehreren Touren so fest um, dass eben nur die schwach- 
wandigen Venen, nicht aber die dickwandigen Arterien kom¬ 
primiert werden. Hierdurch schwellen alsbald die Hautvenen 
unterhalb der gewickelten Stelle zu hervortretenden Strängen 
an, und die Haut beginnt eine mit zahlreichen weissen Flecken 
untermischte Blaufärbung zu zeigen, die nach etwa drei Stunden 

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1906. 


MfiDlCIKtSGfiE WOCfi^ 


413 


völlig gleichmäßig wird. Liegt die Binde sehr lange, so findet 
natürlich ein Austritt von Serum aus den Blutbahnen und ein 
Anschwellen der gestauten Partie statt. Bei entzündeten 
Gliedern kann man während der Stauung eine ziemliche Tem¬ 
peraturerhöhung nachweisen, bei gesunden dagegen bleibt sie 
normal. 

Zieht man die Gummibinde sehr fest an, so tritt eine viel 
intensivere Stauung mit Austritt von Blut, Anschwellung, hef¬ 
tigen Schmerzen und starker Herabsetzung der Hauttemperatur 
ein. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass diese letzte Form, 
die sogenannte kalte Stauung, durchaus zu vermeiden und 
nur die oben beschriebene „heisse Stauung“ für Heilzwecke 
in Betracht zu ziehen ist. 

Stauungshyperaemie erzeugt man auch durch trockne 
Schröpfköpfe, die in zierlicher kleiner wie in Riesenform 
angewendet werden, je nach den Körperstellen, denen sie auf¬ 
gesetzt werden müssen. Auch für die Behandlung mancher 
Ohren- und Nasenleiden sind sie von Bedeutung, ln früheren 
Zeiten ist der Schröpfkopf ein in der Vielseitigkeit seiner An¬ 
wendung unübertroffenes Instrument gewesen, z. B. ist er seit 
den ältesten Zeiten zum Aussaugon von Schlangenbisswunden 
usw. benutzt worden, wobei sich im Notfälle als natürlichster 
Schröpfer der Mund bewährte. Während man in jenen Tagen 
Tierhömer, ausgehöhlte Kürbisse und Bambusstäbe in Schröpf- 
köpfe umwandelte, deren Handhabung ziemliche Kuustfertigkeit 
und gute Lungen erforderte, liefert uns jetzt die Technik ebenso 
elegante als zweckmäßige Instrumente: Glasglocken von ver¬ 
schiedener Grösse laufen in stark verengte Hälse aus, über die 
man Gummiballons stülpen oder die man mit einer Saugspritze 
in Verbindung setzen kann. Drückt man den Ballon zusammen, 
nachdem man den Glasrand mit Fett bestrichen hat, setzt 
diesen Rand auf die Haut auf und lässt den Ballon los, so 
haftet der kleine Apparat infolge der Luftverdünnung fest, die 
oberflächlichen Venen werden komprimiert, und der Bezirk 
steht unter venöser Hyperaemie. Natürlich kann man die Luft 
unter der Glasglocke auch mittels einer Saugspritze verdünnen. 

Auf gleichem Prinzip beruhen die zur Hyperaemisierung 
von Gliedmaßen benutzten grösseren Saugapparate, das 
sind gläserne, einseitig offne Zylinder, durch deren Hals das 
zu behandelnde Glied gesteckt wird. Der luftdichte Abschluss 
wird durch eine an der Oeffnung angebrachte Gummistulpe er¬ 
reicht, die sich beim Verdünnen der Luft mittels einer Säug¬ 
pumpe fest an den Arm anlegt, die Venen komprimiert und so 
venöse Stauung macht. Wirksam in dem gewünschten Sinne 
ist auch die Luftverdünnung, infolge deren die feinen Haut- 
gefässe und die Venen sich erweitern. Obwohl durch die 
Erweiterung der Blutbahnen der Widerstand für den Blutstrom 
so stark herabgesetzt wird, dass sich eine regere Zirkulation, 
also eher eine arterielle Hyperaemie einstellen könnte, ist doch 
in der Tat die Hyperaemie eine venöse, eben deshalb, weil der 
Abfluss des Blutes durch die Stulpe gehindert wird. Auch 
hierbei ist streng darauf zu achten, dass der Patient sich wohl 
befindet und weder Kribbeln und Prickeln, noch gar Schmerz 
empfindet. 

Die Saugapparate eignen sich vorzüglich dazu, versteifte 
Gelenke zu mobilisieren; der Luftdruck, der das Glied in das 
Gefäss mit gleichmäßig zunehmender Gewalt hineinpresst, ist 
die Kraft, die steife Gelenke unwiderstehlich beweglich macht, 
sonderbarerweise ohne dass die Patienten Schmerz dabei em¬ 
pfinden. Die Wirkung dieses Verfahrens ist so vorzüglich, 
dass durch Konstruktion von Apparaten, die für die ver¬ 
schiedenen Gelenke passen, eine ganze Reihe orthopädischer 
Instrumente in den Schatten gestellt und unnötig gemacht 
werden. 

Nachdem so io ganz kurzen Zügen das Wichtigste über 
die Arten der Hyperaemie und die zu ihrer Erzeugung ange¬ 
wandten Instrumente angeführt worden ist, soll im folgenden 
die Wirkung der Hyperaemie besprochen werden. Der 
Laie und der Arzt staunt, wie intensiv und vielseitig die 
Hyperaemie auf den behandelten Körperteil einwirkt, und kann 
der Natur nur dankbar sein, dass sie ein solches Heilmittel 
dem Körper zur Verfügung gestellt hat. Vor allem fallt die 
schmerzstillende Wirkung auf. Ein Gelenk, das von 


chronischem Rheumatismus oder jvon gonorrhoischer Gelenk¬ 
entzündung befallen seinem Besitzer die grössten Schmerzen 
bereitet, ist schon nach einstündiger Behandlung freier beweg¬ 
lich und fast schmerzlos. Diese überaus günstige Einwirkung 
der Hyperaemie ist verschieden erklärt worden. Während 
Ritter meint, dass durch die Stauung eine Durchtränkung 
des Gewebes eintrete und dass diese die Empfindlichkeit 
herabsetze, weisen andere Autoren darauf hin, dass z. B. bei 
Stauung von Gelenkerkrankungen eine Ansammlung von Flüssig¬ 
keit im Gelenk bewirkt wird, durch die die Geienkfiäcben von 
einander abgehoben werden. Wie dem auch sei, es ist jeden¬ 
falls Tatsache, dass die alte Ansicht, die Hyperaemie, die sich 
bei Entzündungen physiologischerweise einstellt, errege Schmer¬ 
zen, grundfalsch ist; diese werden vielmehr durch die von den 
Entzündungserregern ausgehende Schädigung der Zellen und 
Nervenendigungen verursacht, durch die i^^ieraemie aber herab- 

f esetzt. Bier zeigt auch folgerichtig, dass die Hochlagerung 
er Gliedmaßen, die man noch jetzt in der Chirurgie zur 
Schmerzstillung anwendet, auf einer völlig falschen Ansimauung 
beruht und dass gerade die dadurch erzeugte Blutleere 
Schmerzen macht, während diese durch Hyperaemie sofort ge¬ 
lindert werden. Ein besonderer Vorteil der Verringerung der 
Schmerzen ist der, dass versteiften Gliedern dadurch zur freien 
Beweglichkeit verhelfen wird, die anfangs zwar nur während 
der Hyperaemie, allmählich aber auch mit fortschreitender 
Besserung der Erkrankung (Entzündung, Kontraktur usw.) auf 
die Dauer erhalten bleibt. Die sich gegen Versteifungen (z. B. 
infolge lange liegender Gypsverbände) richtenden orthopädischen 
Uebungen sind meist wirkliche Quälereien, und mancher ver¬ 
zichtet lieber auf die normale Gebrauchslahigkeit seiner Glieder, 
als dass er die Schmerzen bei der Mobilisierung über sich er¬ 
gehen lässt. Die Hyperaemie leistet hierbei geradezu ideale 
Dienste. 

Da man die Erfahrung gemacht hat, dass sich Infektions¬ 
krankheiten durch die Behandlung mit Stauungshyperaemie in 
überraschend kurzer Zeit bessern, kaun kein Zweuel bestehen, 
dass durch die Hyperaemie die Bakterien in ihrer Virulenz ge¬ 
schädigt oder abgetötet werden. Diese Wirkung ist denn auch 
von verschiedenen Seiten experimentell bestätigt worden. Man 
hat dafür eine Erklärung zu geben gesucht, indem man die 
bakterientötenden Elemente im Blute (die weissen Blut¬ 
körperchen, Immunkörper) verantwortlich gemacht hat; andere 
meinen, dass durch dje Hj^eraemie die giftigen Stoffwechsel¬ 
produkte der Bakterien an Ort und Stelle zurückgehalten 
werden und mit ihren Erzeugern den Tod bringen; wieder 
andere führen den bei der Stauung vermehrten Kohlensäure- 
reichtum des Blutes als maßgebend an usf. Wie dem auch 
sein mag, die bakterizide Wirkung der Hyperaemie 
steht ausser Frage und hat sich bei zahlreichen akuten wie 
chronischen infektiösen Erkrankungen aufs glänzendste bewährt. 
Dadurch ist uns auch das Mittel in die Hand gegeben, einen 
schwachen Organismus, der spontan nicht imstande ist, eine In¬ 
fektion durch Entsenden einer grossen Blutmenge an die be¬ 
troffene Stelle abznwehren und entweder ohne Hilfe unter¬ 
liegen oder doch jahrelang daran kranken würde, in der denkbar 
günstigsten Weise zu unterstützen. Ein passendes Beispiel 
bietet der chronische Gelenkrheumatismus, der sehr häufig mit 
einem abnormen Kältegefühl in den befallenen Gelenken einher¬ 
geht, bei dem also die natürlichen Hilfskräfte des Körpers 
offenbar unzureichend sind. Gerade auf diese Krankheit ver¬ 
mag die aktive wie passive Hyperaemie einen ausserordentlich 
günstigen Einfinss auszuüben, einen günstigeren als sonst eine 
Heilmethode. Natürlich muss sie in der nchtigen Weise her¬ 
beigeführt werden; die kalte Stauung ist streng zu vermeiden; 
nur an Fehlem in der Technik liegt es, wenn keine Erfolge 
erzielt werden. 

Die Entdeckung Biers, dass gerade auf Infektionskrank¬ 
heiten, die von der Medicin bisher nur antiphlogistisch be¬ 
handelt worden sind, die Hyperaemie eine heilsame Wirkung 
ausübt, wird hoffentlich bald überall bekannt und anerkannt 
werden — sehr zum Vorteil der Patienten, die unter der Irr¬ 
lehre der Antiphlogose bisher den meisten Schaden erlitten 
haben. Nach den Erfahrungen Biers empfiehlt sich für akute 


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414 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 40. 


Fälle in erster Linie die Stauungshyperaemie mit Binde oder 
Saugapparat, was dadurch erklärt wird, dass diese den natür¬ 
lichen Heilungsvorgang der Entzündung mit der nach kurzer 
Beschleunigung eintretenden Verlangsamung und Verbreiterung 
des Blutstromes am besten nachahmt, während die aktive Hype- 
raemie sich mehr für die Behandlung chronischer und nicht¬ 
bakterieller Krankheiten eignet. — Unter Iniektionskrankheiten 
sind hier übrigens natürlich solche zu verstehen, deren Be¬ 
handlung dem Chirurgen obliegt, alo Infektion von Wunden, 
Furunkel, Carbunkel, Rotlauf, Phlegmone und andere eitrige 
Prozesse, Milzbrand usw. 

Auf der durch zahlreiche Experimente bewiesenen Tatsache 
aufbauend, dass die Aufsaugung von Wasser und wässrigen 
Lösungen stets durch die Blutgefässe und nicht durch die 
Lymphbahnen erfolgt, kam Bier zum dem Schlüsse, dass die 
aktive Hyperaemie mit seiner erhöhten Durchblutung auch 
die Resorption in hohem Grade befördern müsse. Die 
Praxis hat diesen Gedanken bewahrheitet. Chronische Gelenk¬ 
erkrankungen, Knochenbrüche, elephantiastische Wucherungen 
usw. gehen häufig mit Oedem einher, also mit einer Ver¬ 
mehrung des Gewebssaftes und einer teigigen Schwellung des 
Gewebes, sodass nach Druck mit dem Finger Eindellungen 
Zurückbleiben. Bei allen diesen Erkrankungen hat Bier mit 
der Heissluftbehandlung die grossartigsten Erfolge errungen: 
die Oedeme verschwanden schon nach wenigen Sitzungen. 
Dagegen erschwert natürlich die Stauungshj'peraemie die Re¬ 
sorption, so lange die Binde liegt; jedoch tritt nach dem Lösen 
der Binde eine so vermehrte Aufsaugung ein, dass der endgiltige 
Zustand doch eine Abnahme der Schwellung bedeutet. Um 
auch dann, wenn ein längeres Liegenbleiben der Binde aus 
anderen Gründen erforderlich ist, dieses Resultat zu erzielen, 
ist es zu empfehlen, die Stauung mit Massage zu vereinigen. 

{.Suhiuss folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

OesellschMtt für Gefmrtshiklfe und Gynäkologie 
zu Ber1/i/n» 

Sitzung am 15. Juni 1906. 

Vorsitzender: Herr Keller. 

Demonstrationen: 

Herr Bröae: Hernia ovarica inguinalis. 

Bei der Operation eines irreponiblen Leistenbruches wurde 
in dem Bruchsack, der gegen die Bauchhöhle vollkommen abge¬ 
schlossen war und sich ohne Eröffnung derselben exstirpieren liess, 
ein wallnusgrosses, abgesohnürtes Ovarium und ein 3 cm langes 
abgeschnürtes (abdominales) Tubenende gefunden. 

Herr Flaischlen: a) Beginnendes Carcinom: Bei 30- 
jähriger Frau halbmondförmiges Ulcus der hinteren Lippe. Cervix 
intaot. Mikroskopisch: Beginnendes Carcinom neben Erosion, Va¬ 
ginale Exstirpation, Heilung. Mutter der Patientin ist mit 
39 Jahren an Carcinom gestorben. 

b) Ovariotomie in der Gravidität: Kindskopfgrosser 
Ovarialtumor bei 21jähriger gravida Mens. VI. Ovariotomie, 
Rekonvaleszenz fieberfrei, aber kompliziert durch eine 3 Wochen 
lang andauernde Parotitis. 

c) Carcinom und Myom: Malignes Adenom in Carcinom 
übergehend in myomatösem Uterus. 56 jährige Frau mit lang 
anhaltendem blutigem Ausfluss. Zunächst Probecurettement, dann 
vaginale Ex.stirpution des Uterus. 

d) Diffuse fibromatöse Degeneration des Uterus: 
Vaginale Exstirpation wegen profuser Blutungen. 

Diskussion: Herr Olshauseu hält die bei Fall b er- 
wälmte Parotitis wegen des fieberfreien Verlaufes für sympathischer 
Natur. Die häufig vorkommende Kombination von Carcinoma cor¬ 
poris mit Myom beruht seiner Ansicht nach nicht auf Zufall, 
sondern auf einem Abhängigkeitsverhältnis. 

Herr ßab zeigt ein ähnliches Präparat wie in Fall c. 46- 


jährige Frau mit Carcmoma cervicis. 3 Tage post. Laparot. ge¬ 
storben. Uterus ausgefüllt mit Carcinommassen (Cancroid) und 
durchsetzt von grossen solitären Kugelmyomen, die sich mikros¬ 
kopisch als maligne degenerierte Adenomyome erweisen. 

Herr Arnos: a) Malignes Adenom und Myom. 

b) Cystisches Adenomyom. 

Herr Koblank: Malignes Adenom und multiple Myo¬ 
me. Herr Strassmann und ebenso Herr Eoblank besprechen 
in der Diskussion den von Olshausen erwähnten ursäch¬ 
lichen Zusammenhang zwischen Myom und Carcinom. 

Herr Strassmann: 1. Zur Mjomenucleation. 

a) St. hat bei 35jähriger Patientin 24 hanfkorn- bis apfel¬ 
grosse Myome mit Erhaltung des Uterus vaginal enucleiert. 

b) Vaginale Enuoleation eines über kindskopfgroasen Oervix- 
myoms ohne Eröffnung des Peritoneums. 

c) Enucleation eines apfelgrossen Myoms der Scheide bezw. 
des Septum recto-vaginale. 

2) Demonstration von zufällig in der Tube gefundenen Con- 
crementen. Wahrscheinlich verkalkte Tuberkulose, 

Diskussion: Herr Bröse hält die unter Pall a beschriebene 
Enucleation vieler Myome ohne gleichzeitige Sterilisierung wegen 
der Rupturgefahr bei eventueller Gravidität für unzulässig. 

Herr Olshausen warnt vor der vaginalen Enucleation intra¬ 
ligamentärer Myome wegen der Gefährdung der Ureteren. 

Herr Heimsius, Herr Strassmann: Schlusswort. 

Disk US sion zum Vortrag des Herrn Stoeckel: Üeber 
die Anwendung der Nitze’schen Cystoskopie bei Luft¬ 
füllung der Blase in Kniebrustlage (mit Demonstration). 

Herr Ringleb (als Gast): Die Luftfüllung der Blase, die 
schon Nitze verworfen hat, bietet seiner Ansicht nach keine Vor¬ 
teile, sondern nur Nachteüe. Sie ist ein schönes Schaustück, aber 
technisch schwierig und wegen der Kniebrustlage für die Patienten 
unbequem. 

Herr Knorr hält die Luftfüllung für eine wertvolle Be¬ 
reicherung der cystoskopischen Technik in allen den Fällen, in 
denen eine Wasserfüllung schwierig oder unmöglich ist, ferner zur 
Lokalbehandlung und zur Demonstration. 

Herr Stöckel macht in seinem Schlussworte Ringleb gegen¬ 
über nochmals darauf aufmerksam, dass die Luftfüllung keine 
Koukurrenzmetbode gegentiber der klassischen Cystoskopie. sein 
solle, sondern nur eine Ergänzung derselben für gewisse, ganz 
bestimmte, wie die von Herrn Knorr nochmals erwähnten Fälle 
darstelle. 

Herr Bröse: Zur Pflege der Bauchdeckeu nach der 
Entbindung (mit Demonstration einer Woohenbettabinde). 

B. beklagt es, dass in Deutschland der Pflege der Bauch- 
decken post partum viel zu wenig Aufmerksamkeit von seiten der 
Praktiker geschenkt wird. Es entstehen dadurch in unzähligen 
Fällen Hängebäuche mit allen den Folgeerscheinungen der £n- 
teroptose, die sich durch eine zweckectprechende Bandagierung im 
Wochenbett leicht vermeiden lassen. Er wendet seit längerer Zeit 
eine unter den Namen Idealbinde im Handel befindliche breite 
porös-elastische Binde an, die nach unten bis unterhalb der 
Trochanteren, nach oben bis zum Rippenbogen angelegt und ca. 
alle 48 Stunden gewechselt wird. Er hält diese für die beste der 
zur Zeit existierenden Binden und ist mit den Erfolgen sehr zu¬ 
frieden. 


Sitzung am 29. Juni 1906. 
Vorsitzender: Herr KöHsr. 
Demonstrationen: 


I 


Herr Olshausen: 1) Patientin, 21 jährig, L para, die am 
17. Juni nach 3 eklamptischen Anfällen in die Klinik eingeliefert 
wurde, wo sie nach 2 weiteren Anfällen durch Forceps nach Cervix- 
incisionen entbunden wurde. Einige Stunden p. partum 6. An¬ 
fall. In den folgenden Tagen stieg die Urinmenge dauernd, der 
Eiweissgehalt fiel bis V 2 ®/oo, nur blieb Patientin immer noch etwas 
benommen. Vom 4. Tage an innerhalb 20 Stunden weitere 56 
Anfälle, die dann nach Verabreichung eines Clysmas von 6 g Brom 
sibtierten. 36 Stunden lang bestand noch eine Psychose, dann 
wurde die Kranke nach spontanem 6 stündigem Schlaf allmählich 
klar. Die im Beginn vollständige Amaurose hat sich langsam er. 


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1906. 


MEDICINISCHB WOCHE. 


415 


heblich gebessert. Auffallend an dem Fall ist das bisher über¬ 
haupt noch nicht beschriebene Auftreten der Anfälle nach 4 tägiger 
Pause und ferner der günstige Verlauf trotz der massenhaften 
Anfälle. 

2) Chorionepithelioma malignum. 

48 jährige Patientin, vor l>/j Jahren Blasenmole. Bei der 
Aufnahme erhebliche Macies, vergrösserter Uterus, Blutung. Der 
Uterus wurde exstirpiert, Rekonvaleszenz normal. In der Folge¬ 
zeit trat jeden Morgen massenhaftes Blutspeien auf. Im Sputum 
wurden keine syncytialen Zellen gefunden, die Untersuchung 
der Lungen ergab nur an einer kleinen Stelle Dämpfung und 
Rhonchi. Auffallend ist das späte Auftreten des Chorionepithelioms 
(1^/, Jahr nach der Blasenmole) sowie der regelmäßige reichliche 
blutige Auswarf ohne die Möglichkeit dos sicheren Nachweises 
von Lungenmetastasen. 

Herr v. Bardeleben: 36jährige Pat., die mit 10 Monaten 
laufen gelernt hat und in ihrem 2. Lebensjahre an spinaler Kinder¬ 
lähmung erkrankte. Beide Arme und Beine sowie die Rumpf- 
musknlatur, der erector trunci, sind völlig gelähmt. Patient kann 
nicht sitzen und sich nicht aufrichten. Der Rumpf lagert auf 
der rechten Beckenhälftc, sodass der senkrechte Rumpfdruck fehlt. 
Das Röntgenbild zeigt, dass die Lendenwirbelsäule last horizontal 
an das Kreuzbein ansetzt. Die Folgeerscheinungen sind: 1. Das 
Promontorium ist nicht zur Ausbildung gelangt, es ist nicht tiefer 
getreten, die Lumbosakralverbindung steht ca. 1,5 cm über der 
linea innominata. 2. Das Becken ist nahezu rund, die Quer- 
spannung ist nicht ausgesprochen. 3. Der Beckenausgang ist 
trichterförmig verengt. Die Beckeuschaufeln sind gering ent¬ 
wickelt. Es sind das alles Eigentümlichkeiten des infantilen 
Beckens. Der Fall ist ein Beleg dafür, dass das reife Becken 
ein Produkt mechanischer Momente, speziell des Rumpfdruckes 
ist. Bei der Entbindung, gelegentlich der v. B. die Patientin 
sah, trat der Kopf im geraden Durchmesser ein; die Geburt ging 
spontan bis zur Beckenweite vor sich, dann Stillstand, wahrschein¬ 
lich infolge Vei-sagens der atrophischen Bauchmuskulatur. Forceps. 

Diskussion: Herr Olshausen fragt, ob starker Hänge¬ 
bauch vorhanden war. Herr v. Bardeleben: Ja. Herr Ols¬ 
hausen: Dieses war jedenfalls die Ursache für die fehlerhafte 
Einstellung. 

Diskussion über den Vortrag des Herrn Bröae: Zur 
Pflege der Bauchdecken nach der Entbindung (mit De¬ 
monstration einer Wochenbettsbinde). 

Herr Stöckel demonstriert die Bumm’sche Wochenbettsbinde, 
sowie eine zweite, die er selbst seit längerer Zeit mit gutem Ei'- 
folg verwendet. 

Herr Olshausen ist der Ansicht, dass seit ca. 2 Dezeunien 
die Anwendung der Wochenbettsbinden eine ganz allgemeine ge¬ 
worden ist. Er wendet die Schnallenbinden an, die — richtig 
angelegt — recht gute Dienste leisten. Gegen die Wickelbinden 
ist einzuwenden, dass die Wöchnerinnen bei dem Anlegen und 
Wechseln zu viel bewegt werden müssen. 

Herr Keller ist ebenfalls der Ansicht, dass die Rollbinden 
zu unbequem sind. Bedenklich ist auch die Gefahr der Verun¬ 
reinigung bei der Defäkation etc. Er verwendet breite dach¬ 
ziegelförmig angelegte Heftpflasterstreifen, die den Rücken frei- 
lassen und 8 Tage liegen bleiben. Es kommt nur selten vor dass 
sie schlecht vertragen werden, Ekzeme auftreten etc. In diesen 
Fällen empfiehlt er auch eine Schnallenbinde, die weit genug 
herabreicht. 

Herr Bröse: Schlusswort. B. glaubt, dass die Praktiker 
doch noch sehr wenig Binden verwenden. Die Schnallenbinden 
hält er den elastischen Rollbinden nicht für gleichwertig. Die 
Bumm’scbe Binde ist seiner Ansicht nach zu schwer. Gegen die 
Heftpflasterstreifen spricht die Möglichkeit der Ekzembildung. 
Ein zu häufiges Bewegen der Wöchnerinnen glaubt er nicht be¬ 
fürchten zu müssen, da die Binde nur alle 2 Tage gewechselt zu 
werden braucht. 

Herr Keller: Die Nabelinfektion in der Säuglings¬ 
sterblichkeit der Jahre 1904 und 1905 nach den Auf¬ 
zeichnungen des statistischen Amtes derStadt Berlin. 

Vortragender ist der Ansicht, dass die Nabelheilung, obwohl 
in den letzten Jahren fraglos besser geworden, doch noch nicht 


so gut ist, wie man a priori annehmen sollte. Die bisher be¬ 
kannten Statistiken stammen aus Kliniken und ergaben relativ 
schlechte Resultate. Ueber die Verhältnisse aus der allgemeinen 
Praxis ist wenig bekannt. Die Praktiker behaupten zwar oft, dass 
die Nabelinfektton in der Privatpraxis gar keine Rolle spiele; da 
aber bekanntlich 75®/o aller Geburten nur von Hebammen ge¬ 
leitet werden, so ergiebt sich für die Allgemeinheit daraus kein 
greifbarer Anhalt. Zur Klärung dieser Frage hat daher K. den 
Weg beschritten, mit Hilfe des statistischen Amtes einen Ueber- 
blick wenigstens über die tätlich verlaufenen Fälle zu gewinnen, 
indem den amtlichen Totenscheinen mehrere vom Arzt anszn- 
füllende Rubriken über den Verlauf der Nabelheilung und die Be¬ 
schaffenheit des Nabels angefügt wurden. K. berichtet nunmehr 
über die statistisch verarbeiteten Ergebnisse aus den Jahren 1904 
und 1905. Die aus einer grossen Reihe interessanter Zahlen be¬ 
stehenden Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden. 
Das Gesamtergebnis ist das, dass in Berlin jährlich noch Hunderte 
von Neugeborenen an Nabelinfektion zu Grunde gehen, schwere 
Nabelinfektionen also durchaus keine Seltenheit sind. K. bespricht zum 
Schluss noch die allgemeinen Grundsätze der Nabelbehandlang und 
empfiehlt warm die Verwendung des Alkohols bei der Nabelpflege. 

Herr Odebreoht demonstriert einen myomatösen Uterus. 

Herr Robert Meyer demonstriert 1. einen Uterus, bei 
dem nach Amputation der Portio ein Carcinom des Gartnerschen 
Ganges diagnostiziert wurde. Darauf Totalexstirpation. 2. Einen 
Uterus, der vollständig mit Cysten durchsetzt ist. M. ist der An¬ 
sicht, dass dieselben nicht vom Uterus, sondern vom Ovarium aus¬ 
gehen (Kystom oder Teratom). 

Sclileniache GeseUschaft filr v<Uerländi8cTie Kultur. 

(Med. Sect.) Sitzung vom 23. Februar 1906. 

1. HerrKüstner: Operation der Nabe 1 schnurheruie 
mit Demonstration. K. stellt ein 3 Wochen altes Kind vor, 
das in den ersten Lebenstagen wegen Nabelschnurbruch operiert 
worden ist. Der Verlauf war glatt, Fieber nicht vorhanden; vom 
4. Tage au nahm das Gewicht wieder etwas zu und beträgt heut 
etwas mehr, als bei der Geburt. Die Nabelschnurhemie ist etwas 
sehr seltenes; bei den 15000 Neugeborenen, die K. beobachten 
konnte, hat er sie nur 6 mal vorgefunden (also 1: 2500), davon 
hat er 4 operiert, 1 ist ihm echappiert und 1 war inoparabel. 

Charakteristisch ist, dass die Amnion-Bekleidung kontinuierlich 
auf die Hernie übergeht und dann schroff gegen die Epidermis 
des Nabels absetzt. Bezüglich der Aetiologie herrscht keine ein¬ 
heitliche Auffassung. Am plausibelsten erscheint die mechanische 
Erklärung von Ahlfeld: Derselbe Zustand, wie er bis zur 10. Woche 
beim Embryo bestanden hatte, wird durch eine Entwicklungs¬ 
hemmung stabilisiert. Während normalerweise der Nabelschnur¬ 
ring unter Zerreissung des Ductus omphalomesentericus sich immer 
mehr zusammenzieht, und die Dünndarmschlingen, die vorher in 
der Nabelschnurhülle gelegen hatten, allmählich zurückgedrängt 
werden, bleibt hier, vielleicht infolge übermäßiger Dicke der 
Ductus omphalomesentericus, der Nabelring offen und der Darm 
draussen, und es entsteht eine Hernie. Da aber in etwa 30% 
der Fälle auch Teile der Leber den Inhalt der Hernie bilden, 
sucht Aschhoff nach einer anderen Erklärung und glaubt sie in 
einer falschen Anlage der Leber zu finden. Was die Prognose an¬ 
langt, so geht ein grosser Teil dieser Kinder an anderen Miss¬ 
bildungen (Schädel, Gehirn etc.) zu Grunde. Bei den kleinen 
Hernien ohne Komplikationen vertrocknet die Amnionhülle und 
das sehr dünne Gewebe des Peritoneum zeireisst oder lässt In¬ 
fektionskeime hindurchtreten, wodurch der Exitus herbeigeführt 
wird. Nur selten bei allerkleinsten Hernien erfolgt eine spontane 
Schliessung der Bruchpforte, Daher ist strengste Indikation für 
ein operatives Eingreifen. Vor 30 Jahren ist die Operation zum 
ersten Mal gemacht worden, und zwar Resektion und Naht, wie 
bei Laparotomie. Später empfahl Olshausen extraperitoneal zu 
operieren; er schälte die Hernie aus und stülpte das Peritoneum 
ein. Während bei der anderen Methode doch ein gewisser Pro¬ 
zentsatz zu Grunde geht, hat 0. bei seinen 6 Fällen keinen Ver¬ 
lust gehabt. Der Vortr. konnte in einem früheren Falle die sehr 
grosse Leber erst nach Resektion eines Stückes reponieren; ein 
anderes Mal trat nach erfolgter Reposition der vergrösserten Leber 


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416 


MEDICINISCHE WüCnE. 


Nr. 40. 


durch Kompression der rechten Lunge Asphyxie und der Tod ein. 
Aus diesem Grunde empfiehlt er die Resektion der Leber. 

Herr Tietze bemerkt, dass er vor kurzem bei einem 14- 
tägigen Säugling die Radikaloperation gemacht hat; das Kind 
starb aber nach 5 Tagen. 

2. Herr Göbel: a) Fall von Dysenterie und nicht 
d iagnostiziertemLeberabszess. Tod nach über 4jähriger 
Krankheit. Ein Chinakrieger erkrankte 1900/01 an Ruhr und 
wurde als GanzinvaUde in die Heimat entlassen. In den nächsten 
Jahren kam er in die verschiedensten Krankenhäuser, und zumeist 
wurde eine Infiltration des rechten unteren Lungenlappens diag> 
nostiziert; einige Monate vor seinem Tode wurden auch 300 ccm 
Eiter aus der Pleura entnommen. Die Sektion ergab aber einen 
fast 2 kg Eiter enthaltenen Abscess in der Leber, während die 
Lunge und Pleura frei waren. Der Vortr., der in mehrjähriger 
ärztlicher Tätigkeit in Aegypten die Tropenkrankheiten gründlich 
kennen gelernt hat, glaubt, dass die angenommene Lungen-In- 
filtration der Leberabscess gewesen sei, und fasst seine Ansicht 
dahin zusammen, dass man in allen Fällen von chron. Amoeben- 
Dysenteria mit langem Siechtum, gleichgültig ob mit oder ohne 
Fiebersteigerung, und auch ohne Vergrösserung oder Druckempfind¬ 
lichkeit der Leber an einem Leber-Abscess denken muss. 

b) Fall von hysterischer vasomotorischer Neurose. 

G. stellt ein junges Mädchen vor, bei dem nach Gla-tsplitter- 
Verletzung der linken Hand noch nach Monaten ödematöse An¬ 
schwellungen des linken Armes und abendliche Fiebersteigerungen 
auftreten. Bei einer Inzision wurden Glassplitter nicht gefunden. 
Unter Behandlung mit Bierscher Stauung, heiasen Kompressen und 
Oollargol Hess die Schwellung etwas nach, trat aber immer wieder 
von neuem auf, bis durch einen Zufall entdeckt wurde, dass Pat. 
sich durch Konstriktion das Oedem künstlich erzeugte. Durch 
einen Gipsverband wurde dies verhindert, und der Zustand wurde 
zusehends besser. Hysterische Stigmata waren nicht vorhanden, 
nur gesteigerte Reflexerregbarkeit und fast vollständige Anaesthesie 
des linken Armes; dies Letztere konnte aber auch auf die dauernde 
Oedemi.sierung der Haut zurückgeführt werden. In der Frage, ob 
die Schwellung von vornherein artifiziell war, oder ursprünglich 
spontan auf hysterischer Basis entstand und bei dem ärztlichen 
Interesse von der Patientin künstlich erhalten wurde, neigt der 
Vortr. mehr zu der letzteren Annahme. 

Diskussion: Auf die Frage des Herrn Förster, ob es 
sich nicht um Syringomyelie handeln könne, antwortet Herr 
Göbel, dass dies ausgeschlossen sei, da der Temperatursinn voll¬ 
ständig intakt sei. 

Herr Tietze hat einen ganz ähnlichen Fall auch auf hyste¬ 
rischer Basis beobachtet. 

3. Herr Klingmüller; Ueber Xeroderma pigmen¬ 
tosum mit Krankendemonstration. 

K. stellt 2 kleine Mädchen (Schwestern; vor mit dieser sehr 
seltenen Affektion, die er selbst vorher noch nie gesehen hatte. 
Die Kinder, deren Eltern Geschwisterkinder sind, waren normal 
bei der Geburt; als sie zum ersten Mal an die Luft kamen, wurde 
die Haut glänzend, schuppend, und dann bräunlich verfärbt; in 
der Sonne wurde es immer schlimmer, und zwar besonders an 
Händen, Füssen und im Gesicht. Dann bilden sich noch Blasen 
und Krusten und andererseits atrophische Zustände (Sklerodermie). 
Die Prognose, die an und für sich nicht schlecht ist, wird dadurch 
ungünstig, dass sich alle Formen von Tumoren, Carcroide, Sarcome, 
Angiome oder auch Ulcus rodens entwickeln können, und die 
Kinder an Kachexie zu Grunde gehen. 

Anamnestisch richtig ist, dass meist Geschwister gleichen Ge¬ 
schlechts erkranken, und die Eltern in verwandschafllichem Ver¬ 
hältnis zu einander stehen. Früher hielt man die Krankheit für 
eine angeborene Anomalie, jetzt für eine Idiosynkrasie, wie 
Sommersprossen etc. Dr. Peritz. 

Österreich. 

Bericht i'iher die XV, Veraa/mvnlung der Deutschen 
otologischen Ges^lschaft, 

Hr. V. Frankl-H*ochwart-Wien: Die Diagnose und 
D ifferentialdiagnose des Meniereschen Schwindels. 

Vortr. bespricht in der Einleitung seine Einteilung des 


Meniereschen Symptomenkomplexes. Auf der einen Seite steht 
die klassische apoplektische Form bei Individuen, die früher ohr- 
gesund waren, die ohne Trauma oder nach Trauma auftreten kann. 
Ihr gegenüber steht die accessorische Form — jener Schwindel, 
wie er sich bei bereits vorhandenen Ohrenleiden entwickelt, so 
namentlich bei akuten und chronischen Mittelohr- und Labyrintb- 
prozessen, seltener bei Erkrankung des äusseren Ohres und des 
Nervus acusticus. Hieran schliesst sich noch der Schwindel bei 
Eingreifen in das Ohr und bei Schaukelbewegungen. Anhangs¬ 
weise sind noch die pseudomeniereschen Attacken zu erwähnen: 
paroxymales Auftreten von Schwindel, Ohrensausen und Erbrechen 
bei intaktem Ohre, bei Neurosen — als Aura des hysterischen und 
epileptischen Anfalles. 

F.-H. schildert nun die Hauptsymptome des Anfalles mit seinem 
fürchterlichen Drehschwindel, der Hörstörung, dem entsetzlichen 
Ohrensausen, der Ataxie, dem Nystagmus und dem Erbrechen; vaso¬ 
motorische Begleiterscheinungen, Pulsanomalien, Diarrhoeen, Kopf¬ 
druck sind nicht selten zu beobachten. Weniger markant sind die 
interparoxysmalen Zustände; bis auf die Hörstörung ist der Be¬ 
fund meist völlig negativ, es sei denn, dass man geringe Grade 
von Ataxie und Nystagmus nachweisen kann. 

Leicht ist meistens die Erkenntnis der Men i^re-Apoplexie, 
da die cerebralen Insulte mit ganz anderen Symptomen, wie z. B. 
schweren Bewusstseinsverlusten und Lähmungen etc. einhergehen, 
während gerade bei diesen Fällen plötzliches Ertauben für gewöhn¬ 
lich nicht beobachtet wird. 

Schwieriger ist es, die Vertigo auralls der accessorischen Form 
zu erkennen, besonders, wenn man die Patienten ausserhalb des 
Paroxysmus zu sehen Gelegenheit hat. Der Internist ist ver¬ 
pflichtet, bei jedem Patienten, der über Schwindel klagt, das Ohr 
zu untersuchen. Wo keine Schwerhörigkeit, da ist der Vestibular- 
schwindel sehr unwahrscheinlich, wenn auch nicht völlig ausge¬ 
schlossen. Wo Schwerhörigkeit, da ist Verdacht auf den Ursprung 
ex aure laesa, doch ist selbstverständlich, dass Schwerhörige leicht 
auch Schwindel anderer Proveniens haben können. 


Vortr. bespricht nun die Differentialdiagnose mit den anderen 
Schwindelformen; wenig Aehnlicbkeit hat der Schwindelbei Augen¬ 
muskellähmungen und Refraktionsanomalien sowie der bei akuten 
Infektionskrankheiten und der Lues. Mehr Aehnlicbkeit hat die 
Vertigo es tomacbo laeso wegen des dabei oft beobachteten heftigen 
Erbrechens, Schwieriger ist die Diagnose bei Arteriosklerotikern. 
da dieselben nicht schwerhörig sind. Die Differentialdiagnose 
von den eigentlichen Gehirnerkrankungen, wie z. B. Blutungen, 
Erweichungen, Tumoren, Abscessen, ist nicht so schwierig als 
man a priori denken sollte, da nach den Erfahrungen des 
Autors bei den genannten Affektionen selbst, wenn sie den 
Acusticus ergreifen, typischer Drehschwindel mit Ohrensausen 
nur ganz vereinzelt vorkommt. Aehnliche Erwägungen haben 
auch bei den cerebrospinalen Erkrankungen statt; besonders 
ist da nur die Tabes zu erwähnen, bei welcher Affektion 
bisweilen via der Erkrankung des Labyrinthes und des Acus¬ 
ticus echte Paroxysmen auftreten können. Ferner erinnert Vortr. 
an die von ihm zuerst beschriebene Polyneuritis cerebralis meniöre- 
formis. Das akute Auftreten dieser Rankheit, die Kombination 
von nervöser Hörstörung, Ohrensausen, Drehschwindel mit Herpes 
und totaler Facialislähmung macht die Erkennung sehr leicht. 

Der neurasthenische Schwindel hebt sich dadurch von der 
auralen Form leicht ab, dass er selten ein typischer Drehschwindel 
ist, dass die Leute sich nicht niederlegen, nicht Zusammenstürzen, 
dass sie kein Ohrensausen haben und nicht erbrechen. 

Mehr Schwierigkeit macht die Differentialdiagnose bei der 
Hysterie und Epilepsie. Gerade bei diesen Erkrankungen kommt 
es zu Pseudomeniere im Sinne des Vortragenden; zu Anfällen von 
Drehsohwindel, Ohrensausen und Erbrechen. 

Der negative Ohrenbefund in diesen Fällen, die Beobachtung 
der anderen bekannten Begleitsymptome, wie Bewusstlosigkeit, all¬ 
gemeine Konvulsionen, Inkontinenzen etc., werden die Sache bald 
zur Klarheit führen. 

Ferner erwähnt F.-H. noch der Schwierigkeit, die dadurch 
entsteht, dass es Formes frustes der Meniereanfälle gibt. An einem 
sehr markanten Beispiele wird gezeigt, dass es Vertiga auralis 
ohne Schwerhörigkeit gibt — vermutlich beruhend auf Läsion des 
Vestibularapparates bei freiem Kochlearapparate. Nicht unwichtig 


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1006. 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


417 


ist es auch, dass bei EinzelfäUen in Fu’ozysmns die subjektiven 
Geräusche nicht nur nicht zunehmen, sondern sogar verschwinden; 
ja, es kommen vereinzelte Fälle vor, bei welchen die Leute über¬ 
haupt frei von Tinnitus sind. Ferner gibt es Äequivalente des 
grossen Anfalles, bei welchen nur ein gewisses Taumelgefühl 
(kein Drehschwindel) auftritt, bisweilen sogar nur Kopfdruck mit 
Verdunkelung vor den Augen. 

Hr. Kreidl-Wien demonstriert nach einleitenden Worten 
über die Funktion des Bogengangapparates die Einwirkung der 
Rotation auf die Erhaltung des Gleichgewichts bei Tanzmäusen 
und bei gewöhnlichen weissen Mäusen; ferner werden die Störungen 
des Coordinationsvermögens bei labyrinthlosen Tauben und 
Fröschen demonstriert. 

Hr. Bruehl-Berlin: Beiträge zur pathologischen Ana¬ 
tomie d es G ehörorgans. (Demonstration mit dem Projektions¬ 
apparat). 

Vortr. demonstriert 

1. Diapositive von einem im Lauie von Tabes ertaubten 
Kranken, bei deinsich neben Degeneration in den Wurzelgebieten 
des Hömerven hochgradige atrophische Veränderungen in der 
Schnecke (besonders Ganglion spirale) zeigten; 

2. Präparate von einer Ankylose des Hammers mit dem 
cariösen Ambos, Obliteration der Fossula fen. cochleae durch Binde¬ 
gewebe, Atrophie des Ganglion spirale bei enormem Hoclistand 
der Bulla jugularis, die klinisch als Stepesfization mit nervöser 
Schwerhörigkeit (cat. Adhaesivprozesse) angesehen wurde; 

3. Schneckenpräparate einer in vivo diagnostizierten „nervösen 
Schwerhörigkeit“ mit Atrophie des Spiralganglions und des N. 
co 5 :hleari 8 , besonders in der ersten Windung der Schnecke; 

4. Schneckenpräparate einer in vivo diagnostizierten profes¬ 
sionellen Schwerhörigkeit bei einem Schmiede mit Atrophie des 
Spiralganglions, des N. cochlearis und Defekt des Gor tischen 
Organs in der Basalwindung. 

Hr. Na er-Basel demonstriert mikroskopische Präparate Uber 
Erkrankungdes innerenOhres bei Genickstarre, Tuberkulose, Syphilis, 
Cholesteatom, ferner über angeborene und erworbene Taubstumm¬ 
heit, letztere nach Meningitis und Trauma. 

Hr. Passow-Berlin: Das Trommelfellbild, das wir beim 
Spiegeln erhalten, entspricht nicht der Wirklichkeit. Selbst unter 
günstigen Verhältnissen ist es verzerrt, um so verzerrter, je enger 
der äussere Gehörgang ist und je mehr die Membran in derselben 
Ebene liegt wie die obere Wand des Gehörganges. — Diese Ver¬ 
zerrung des Troromelfellbildes ist dem Ohrenarzt bekannt, sie 
wird aber in praxi vielfach übersehen und in den Lehrbüchern 
fast gar nicht berücksichtigt. Vortr. zeigt eine Reihe von Trommel- 
fellbUdem. — An Leichen ist das durch den Spiegel gewonnene 
Bild gemalt und dann nach Herausnahme des Felsenbeins und 
nach Abtragung der vorderen Wand des äusseren Gehörganges 
das freiliegende Trommelfell gezeichnet. 

Es geht aus den Bildern hervor, dass Narben, Reste, Per¬ 
forationen, Verkalkungen in Wahrheit eine ganz andere Gestalt 
haben, als es durch den Trichter scheint. Manche Narben, sind 
beim Spiegeln überhaupt nicht erkennbar. 

Wichtig ist, dass man die Trommelfelle ganz frisch unter¬ 
sucht. Durch Leichenveränderung tritt sehr schnell eine Ver¬ 
änderung der Wölbungsverhältnisse des Trommelfells ein, und 
Farbe und Glanz der Oberfläche verändert sich. 

Weitere Untersuchungen haben gelehrt, dass unsere jetzige 
Trommelfelleinteilung in Quadranten besonders dann zu fehlerhaften 
Bezeichnungen Anlass gibt, wenn durch krankhafte Veränderungen 
der Hammer retrahiert ist. Die jetzt vorwiegend angenommene 
Einteilimg entspricht auch nicht der anatomischen Einteilung und 
ist deshalb unhaltbar. 

Die Einteilung Politzers, der vom Umbo aus eine Senkrechte 
nach der Peripherie zieht und eine Wagerechte durch den Umbo 
legt, um die Quadranten zu gewinnen, ergibt richtigere Resultate. 
Mängel hat diese Einteilung ebenfalls, sie ist aber zweifellos besser 
als die jetzige. 

Vor allen Dingen aber ist nötig, dass wir uns über eine ein¬ 
zige Einteilung einigen, jetzt herrscht Verwirrung. — Es handelt 
sich nicht nur um theoretische, sondern auch um praktisch wich¬ 


tige Erwägungen. Beim Unterricht erwachsen dem Studenten 
unnütze Schwierigkeiten, wenn der Lehrer ihm eine andere Ein¬ 
teilung beibringt, als in den Lehrbüchern angegeben ist. 

Das verschiedene Lokalisationsbezeichnungen zu Unklarheiten 
in Gutachten führen, liegt auf der Hand. 

Hr. V. Schroetter-Wien demonstriert Röhren für die 
Oesophagoskopie und Bro nchoskopie. Dieselben bestehen 
aus einer äusseren Metall- und inneren Glasröhre, die auf der, der 
Lichtung zugekehrten Fläche einen dunklen undurchsichtigen An¬ 
strich erhält. An dem oberen verbreiterten Ende des Apparats 
sind kleine Glüblämpchen so angebracht, das sie beim Hereinblicken 
von oben her nicht gesehen werden, das Licht aber die innere 
Glasröhre entlang an dem unteren Ende des Rohres erstrahlen 
lassen. Es wird dadurch nicht das Rohr in seinem ganzen Ver¬ 
lauf, sondern nur am unteren Ende belichtet und ein besonderes 
Elektroskop wird überflüssig. 

Hr. A. Be hm-Wien-Mödling hält einen interessanten Experi¬ 
mental-Vortrag über Akustotechnik und Schallmessung. Die von 
dem Vortr. konstruierten exakten Schallmessinstrumente gestatten 
an einer Skala direkt die Schallstärke eines beliebigen Tones ab¬ 
zulesen; ferner kann vermittelst der Apparate eine Analyse des 
Schalles vorgenommen und z. B. ziffermäßig festgestellt werden, 
wieviel Schall durch eine Wand hindurchdringt und wieviel 
Schall dabei von anderen Konstruktionsteilen übertragen worden 
ist. Mit dem von dem Vortr. konstruierten Schallmesser können 
Schallwellen jeder Tonhöhe in Luft oder festen Körpern ihrer In¬ 
tensität nach gemessen werden; ferner kann mit demselben die 
Schwingungszahl einer jeden Schallwelle bestimmt werden, und 
endlich ist es möglich, mit Hilfe des Schallmessers die Schwingungs¬ 
vorgänge in Luft lind festen Körpern zu untersuchen, sowie die 
Schwingungsform derselben sichtbar zu machen. 

Die Ausführungen des Vortr. werden durch die Vorführung 
exakter Experimente erläutert. 

Hr. Gut zmann-Berlin: Ueber die Bedeutung des 
Vibrationsgefühls für die Stimmbildung Taubstummer 
und Schwerhöriger. 

Der Vortr. untersuchte zunächst die Unterschiedsempfind¬ 
lichkeit für das VibrationsgefOhl, indem er zwei elektrisch be¬ 
triebene Stimmgabeln ihre Vibration auf eine Luftkapsel über¬ 
tragen Hess und bald die eine, bald die andere Zuleitung unter¬ 
brach. Indem er die Fehlerquellen nach Möglichkeit ausschaltete, 
fand er, dass die Differenz eines ganzen Tones von dem tastenden 
Finger meist ohne Schwierigkeit wahrgenommen wird. Die Be¬ 
deutung derartiger systematischer Untersuchungen für die Sprach- 
stimme der Taubstummen und Schwerhörigen sieht der Vortr. in 
dem Nachweise, dass das Vibrationsgefühl für Tonhöhen und Ton- 
dififerenzen in den geschilderten Grenzen einzuüben ist. Während 
beim Hörenden die Kontrolle der StimmhOhe und Stimmstärke 
durch deis Ohr geschieht, lässt sich durch systematische Entwicke¬ 
lung und bewusste Einübungen der Vibrationsempfindungen viel¬ 
leicht eine exaktere Kontrolle der eigenen Sprecbproduktion des 
taubstummen Kindes mittels des Vibrationsgefühls erzielen, als 
dies bisher der Fall war. G. schlägt zu diesem Zweck vor, dass 
bei den ersten Stimmentwickelungsversuchen bei taubstummen 
Kindern hörende Kinder des gleichen Alters als „adäquate* Vor¬ 
bilder für die Vibration genommen werden sollten, und dass die 
ersten Einübungen so früh wie möglich, jedenfalls schon im vor- 
schulpfiichtigen Alter, beginnen müssen. Bei genügender und früh¬ 
zeitiger Einübung des Vibrationsgefühls werden dann auch die in 
den Hohlräumen des Sprechapparats entstehenden Vibrationen besser 
zum Bewusstsein gelangen und als Ersatz für die fehlende Hör¬ 
kontrolle dienen können, so dass Stimmhöhe, Stimmstärke und 
Stimmeinsatz auch bei der Spontanspraohe des taubstummen Kindes 
unter Selbstkontrolle gemacht werden. 

G. hofft, dass durch diese Vibrationskontrolle eine wesent¬ 
liche Besserung der Stimmproduktionen der Taubstummen erzielt 
werden kann. 

Hr. Blau-Görlitz; E xp e rimenteller Verschluss des 
runden Fensters. Fortsetzimg der im Vorjahre mitgeteilten 
Versuche der Plombierung des runden Fensters. 

Tiere sind völlig reaktionslos dem Schall gegenüber, sobald 
sie doppelseitig operiert sind. 


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418 


MEDlCmiSCHE WOCHE. 


Nr. 40. 


Nie Eiterangen, nie Exsudate in Bulla oder Pauke oder 
Labyrinth. 

Mikroskopisch: Bindegewebiges Gewebe bis (na(^ 6 Monaten) 
Narbengewebe im untersten Schneckenteil, Verklebungen der Mem¬ 
brana Reisneri mit Membrana Gorti, Membrana reticularis, Cortis 
Organ zusammen geknickt, zum Teil coUoidal entartet oder nicht 
mehr nachweisbar. 

N. cochleae nach 6 Monaten stark degeneriert, Ganglien spirale, 
Ganglien vermindert bis zum fast völligen verschwinden. 

Hr. B1 au• Görlitz: Form der Ohrmusch el bei Geistes¬ 
kranken und Verbrechern. 

Messungen, bezw. Untersuchungen an 206 Normalen, 210 
Geisteskranken, 243 Strafgefangenen. Messungen ergeben, dass 
die Lamina auris bei Geisteskranken und Verbrechern durchschnitt¬ 
lich weit grösser ist, also funktionell vollkommener; „wahre Ohr¬ 
breite“ und „wahre Ohrlftnge“ grösser. (Schluss folgt.) 


Kongress bericht. 

23- Kongress für innere Meäidn 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Herr Leon Asher-Bern: Ueber physikalisch-che¬ 
mische BindungsVerhältnisse der Stoffe im Blute 
und deren Bedeutug für Transsudationen und Sekre¬ 
tionen. 

Die einzelnen Sekrete und Transsudationen unterscheiden 
sich unter anderem durch ihren verschiedenen Gehalt an krystal- 
leiden Substanzen. Die Untersuchung der Gründe dieser Unter¬ 
schiede fuhrt auf eine Reihe prinzipiell wichtiger, und trotz schein¬ 
barer Einfachheit, schwieriger Probleme. 

Eine neuere Auffassung über die eventuellen Bedingungen 
der verschiedenen Ausacheidungsverhältnisse einzelner Stoffe ist 
die, dass gewisse im Blute frei gelöst seien, andere hingegen mehr 
oder weniger fest gebunden. Frei gelöste Substanzen könnten 
nun bei ihrem Durchtritt durch die Zellen einfachen Filtrations- 
gesetzen folgen, hingegen bedürften die kolloid gebundenen Sub¬ 
stanzen erst einer Lösung diirch besondere Kräfte. 

Von Zuntz und Gürber ist der Nachweis geführt worden, 
dass die Alkalien des Blutes zum Teil festgebunden sind, denn 
auf dem Wege der Diffusion lässt sich nur teilweise das Blut al¬ 
kalifrei machen. Der Mechanismus, durch welchen die Freimachung 
oder Bindung der Alkalien reguliert wird, ist gegeben durch den 
im Stoffwechsel entstehenden wechselnden Eohlensäuregehalt des 
Blutes. 

Die Diffusionsmethode angewendet auf den Zucker des Blutes 
lehrt, dass der normale Blutzucker im Plasma frei gelöst ist. 

Der Vortragende weist kurz auf die Vorsichtsmaßregeln hin, 
welche bei diesen Diffusionsversuchen innegehalten werden müssen. 
Die Ursache, weshalb beispielweise im Ham und im Speichel kein 
Zucker auftritt, ist die, dass die Nieren- und Speicheldrüsenzelle 
ein spezifisches Auslesevermögen für Zucker haben. Bei normalem 
Blutzuckergehalt ist die Nierenzelle noch impermeabel für Zucker, 
die Speicheldrüsenzelle bleibt es noch bei sehr hohem, künstlich 
gesteigerten Zuckergehalt des Blutes. 

Da die Niere bei Kochsalzhunger kein Kochsalz ausscheidet, 
ist die Vermutung geäussert worden, das bei Kochsalzhunger das 
Kochsalz im Blute zum Teil festgebunden kreise. Es wird der 
Nachweis geliefert, dass auch im Kochsalzhunger das Kochsalz 
frei gelöst im Blute sei. 

Die vorgetragenen Tatsachen enthalten schwerwiegende Stützen 
für die sekretorische Theorie der Harnabsonderung. Es wird da¬ 
rauf hingewiesen, dass die Erforschung der physikalisch-chemischen 
Prozesse in der Zelle selbst das Verständnis für normale und 
pathologische Ausscheidungsvorgänge zu fördern geeignet sei. 

Herr S. We b e r - Greifswald: Ueber dieBeeinflussung 
der Resorption durch Diuretika. 

Vortr. untersuchte die Frage, ob die Purinkörper neben ihrer 
Nierenwirkung auch direkt die Aufioahme von Lösungen in das 


Blut beeinflussen. Kaninchen mit abgebundenen Nieren erhielten 
subkutane Injektionen physiologischer, bezw. hypertonischer (9,5 
proz.) Kochsalzlösungen. In Parallelversuchen wurde Theophiliin 
intravenös injiziert. Die Blutuntersuchungen (Tr S Asche, NaCl) 
vor und 1 Stunde nach den Injektionen ergaben, dass durch 
Theophiliin die Resorption isotonisoher Lösung erheblich beschleuniget 
wird (stärkere Abnahme der TrS, erhebliche Zunahme von Asche 
und Na CI). Die Aufnahme hjT)ertoni8cher Lösungen wurde durch 
Theophiliin so verändert, dass beträchtlich mehr Salz, aber weniger 
Wasser in das Blut aufgenommen wurde. Die Injektionsflüssig- 
keit wurde durch Theophillinwirkxmg schneller verdünnt als ohne 
Diuretikum. Dieses Verhalten spricht für eine aktive Funktion 
der Angiothelien. Die Kapillarwand ist keine passive osmotische 
Membran. 

Herr Paul Krause-Breslau: Ueber Lipämie im Coma 
diabeticum. 

Der Vortragende erwähnt zuerst, das er das vor 2 Jahren 
von ihm und Heine beschriebene Symptom der „Hypotonia 
bulbi“ bisher in 19 Fällen von Coma diabeticum beobachtet 
habe, so dass er nicht ansteht, da sie bei anderen Erkrankungen 
vermisst wird, sie als ein typisches Symptom des Coma diabetikum 
zu bezeichnea In den beiden letzten Fällen wurden zu gleicher 
Zeit sehr auffällige Veränderungen im Augenhintergrunde beob¬ 
achtet: die Gefässe repräsentierten sich als weissliche Stränge, 
Arterien waren von den Venen nicht zu unterscheiden. Diese 
seltene Veränderung wurde von ophthalmologischer Seite im ersten 
Falle auf Gefässveränderungen zurückgeführt. 

Die Blutuntersuchung lehrte, dass die Ursache in hochgradiger 
Lipämie zu suchen war. Der Fettgehalt des Blutes betrug im 
ersten Falle im Durchschnitte 8 Proz., im zweiten Falle 7 Proz., 
auch das Cholestearin war im ersten Falle etwas vermehrt. 

Die histologische Untersuchung der Organe ergab einerseits 
eine starke Verfettung der Zellen fast sämtlicher Organe, anderer¬ 
seits Ausfüllung einer Anzahl von Kapillaren und kleineren Ge¬ 
lassen, wie bei Fettembolien. 

Wie kommt die Lipämie zustande? Es wäre möglich, durch 
sehr stu’ke Fettaufnahme, doch trifft dies hier nicht zu. ^ kann 
ferner die fettverbrennende Kraft des Blutes gelitten haben, das 
lipolytische Ferment (Fischer) kann verschwunden sein. Die 
Lipämie entsteht bei Alkoholismus (diese kann zur Heilung kommen; 
oder bei Diabetes (diese Formen enden tödlich). 

Diskussion: Herr Hahn-München spricht sich dabin aus, 
dass er der Annahme eines lipolytischen Ferments entschieden 
widersprechen müsse. 

Herr Rosenfeld-Breslau erklärt das Auftreten der dia¬ 
betischen Lipämie dadurch, dass bei Diabetes die Oxydation der 
Kohlehydrate, welche sonst für die Fettverbrennung sorgt, im 
Wegfall kommt oder bedeutend reduziert ist. Es tritt daher ein 
Fettabbau nur in geringem Grade ein, so dass das Fett sich im 
Blute anbäufen kann. 

Herr H. Winternitz-Halle a. S.: Ueber subkutane 
Fettzufuhr. 

Die Resorption subkutan injizierter Fette erfolgt, wie W. 
früher gezeigt hat, so ausserordentlich langsam, dass die Ver¬ 
wendung der Fette zur subkutanen Ernährung nicht geeignet er¬ 
scheint. W. teilt weitere Versuche mit, welche diese Beobachtungen 
sicherstellen und erläutert den Resorptionsvorgang. Beobachtungen 
bei Sektionen legten ihm den Gedanken nahe, dass der Resorption 
aus dem Unterhautzellgewebe eine Emulgierung der Fette voran¬ 
geht. Fette, die mit Gelatine emulgiert sind, werden nun in der 
Tat um das 2 bis 5 fache rascher resorbiert, aber einerseits bleiben 
die absoluten Mengen trotzdem sehr gering und anderseits be¬ 
steht die Gefahr einer Zellgewebsentzündung, so dass von einer 
Uebertragung der Versuche auf den Menschen abgesehen werden 
musste. Auch durch Zusatz von Pankreasferment wird das an¬ 
gestrebte Ziel nicht erreicht und W. hält daher den Schluss für 
endgültig, dass die Fette zur subkutanen Ernährung vom thera¬ 
peutischen Standpunkte nicht geeignet sind. 

Herr GeorgRosen feld - Breslau: Ueber experimentelle 
Verfettung der Niere. 

Er berichtet über Versuche, welche die experimentelle Ver- 


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1906. 


\i mii TfjITrrSO Nic wOCllB. 


419 


fettong der Niere erörtern. Da die mikroskopische Schätzung des 
Fettbestandes in der Niere unmöglich ist, so ist die quantitative 
chemische Bestimmung maßgebend. Sie hat bei allen untersuchten 
Giften u. ähnl. keine Zunahme des F ettbesta ndes in der 
Niere ergeben. Um diese Resultate zu sichern, wird versucht, 
ob durch Exstirpation einer Niere vor der Vergiftung ein Test¬ 
objekt für den Zustand der anderen — zu vergiftenden — Niere 
gewonnen werden kann. Zuerst wird festgestellt, dass beide Nieren 
(gleichzeitig entnommen) annähernd gleichen Fettgehalt jhaben, 
dass ausserdem die Exstirpation der einen Niere beim normalen 
Hund am Fettprozentgehalt der zweiten trotz kompensatorischer 
Hypertrophie nichts ändert. Die Vergiftung mit Alkohol sowie 
mit Phloridzin ändert nichts am Fettgehalt der Niere: es findet 
also keine Nierenver fettun g im Sinne einer Vermehrung des 
Alkohol-Chloroformextraktes statt, ein* Verhalten, das in gleicher 
Weise von Rubow für den Phosphor nachgewiesen worden ist. 

Herr Martin Engländer-Wien: Diagnostische Be¬ 
deutung des prozentischen Eiweissgehaltes und des 
spezifischen Gewichtes der Aszitesflüssigkeit. 

Die araeometrische Bestimmung des spezifischen Gewichtes 
ohne Berücksichtigung der Temperatur der zu bestimmenden Flüssig¬ 
keit ist, wie E. schon früher nach wies, physikalisch fehlerhaft. 
Die Grösse des begangenen Fehlers kann 5, 6 und 7 Araeometer- 
grade betragen. 

Die von mancher Seite empfohlene Methode, die Flüssigkeit 
abkühlen zu lassen bis auf die Temperatur von lö, 16 bis 170C, 
für welche die gebräuchlichen Araeometer gleich sind, ist — trotz 
des physikalisch unanfechtbaren Prinzipes —> wegen der massigen 
Fibrinausscheidung mancher Ergüsse schon bei 20^ C nicht allge¬ 
mein durchführbar. Aus diesen Gründen empfahl E. die Messung 
bei der natürlichen Temperatur der Ergüsse vorzunehmen und gab 
dazu ein Araeometer an, das von der Firma Geissler in Bonn zu¬ 
erst angefertigt wurde. 

E. untersuchte nun an grösserem klinischen Material die Frage, 
ob der Eiweissgehalt der Ergüsse, von dem das spez. Gewicht 
haupt^hlich abhängt, als diagnostischer Mitbehelf angesehen 
werden Va.Tin oder nicht. 

Betrachtet man diejenigen Fälle von Portalstase, bei wel¬ 
chen das Peritoneum sich vollkommen frei erwies, so ergaben so¬ 
wohl E.S eigene Untersuchungen als auch die Fälle der Literatur, 
dass das Maximum des Eiweissgehaltes bei der Portalstase 2,6 Proz. 
beträgt. In den allermeisten Fällen liegt der Eiweissgehalt unter 
2 Proz. Die Fälle mit über 2 Proz. sind schon selten und die 
Fälle mit der maximalen Grenze kommen bloss zweimal unter 50 
Beobachtungen vor. Ueberschreitet in einem Falle von Leber¬ 
zirrhose der Eiweissgehalt der Punktionsflüssigkeit 2,6 Proz. wesent¬ 
lich, so kann mit Sicherheit neben der Leberzirrhose ein entzünd¬ 
licher Prozess angenommen werden. Ist hingegen keine Leber¬ 
zirrhose vorhanden, bewegt sich jedoch der Eiweissgehalt der Punk¬ 
tionsflüssigkeit innerhalb der Grenzen der Portalstase, so kann, 
falls der Ascites nicht anders erklärbar ist, eine Kompression der 
Vena portae angenommen werden. 

Die Untersuchungen bezüglich der allgemeinen venösen Stase 
ergaben^ dass diese Gruppe zu den eiweissreichsten der Transsu¬ 
date gehöre und dass unter Erwägung aller Umstände der Eiweiss¬ 
gehalt diagnostisch dahin verwertet werden kann, ob neben einem 
Herzfehler noch eine Peritonitis bestehe. 

Exsudate. Bezüglich der Peritonitis carcinomatosa kann 
der Eiweissgehalt wegen der grossen Schwankungen von 7 Proz. 
bis unter 2 Proz. zu diagnostischen Zwecken nicht verwertet werden. 

Hingegen ergibt das Minimum der Gruppe der cnronischen, 
exsudativen und tuberkulösen Peritonitis einen brauchbaren 
diagnostischen Anhaltspunkt. Das Minimum beträgt 3 Proz. 

Die Fälle der allgemeinen Serotitis müssen in eine geson¬ 
derte Gruppe gereiht werden, weil in denselben stets neben den 
Bedingungen der Exsudation auch diejenigen der Transsudation 
bestehen und bald die eine Komponente, bald die andere den Er¬ 
guss mehr beeinflusst. 

Die Zahl der untersuchten Einzelfälle beträgt 36, die der 
Eiweissbestimmungen über 70. Alle Bestimmungen wurden im 
med.-ohem. Universitätsinstitute des Hofrat E, Ludwig gewichts¬ 
analytisch durchgeführt. 


E. hat auf Grund dieser Arbeit die Ueberzeugung gewonnen, 
dass der prozentiache Eiweissgehalt insbesondere bei den Ascites¬ 
flüssigkeiten diagnostisch in den meisten Fällen gut verwertet 
werden kann, ja dass derselbe in manchen Fällen direkt ausschlag¬ 
gebend für die Diagnose ist. 

Die noch offene Frage, ob man berechtigt ist, aus dem spez. 
Gewichte den Eiweissgehalt durch Rechnung zu ermitteln, muss 
nochmals auf Grundlage einer grösseren Untersuchungsreihe ducch- 
geprüft werden. 

Behufs genauer Erhebung des spez. Gewichts mittels Araeo¬ 
meter schlägt E. vor; 

I. Allgemeiner Vorschlag. In den Angaben der Kranken¬ 
geschichte sei stets ersichtlich sowohl die Temperatur der Flüssig¬ 
keit, bei welcher gemessen wurde, als auch die Temperatur, für 
weldie das Araeometer geeicht ist. Die stereotype Formel sei 

T 

folgende: Spez. Gewicht bei—®C= so und soviel: z. B. Spez. 
16 T 

Gewicht beiT^®C= 1017, oder im Ausnahmfalle, wenn die Ab¬ 


kühlung auf die Temperatur des Araeometers nicht erfolgt ist, 
34 

z. B. Spez. Gewicht bei — ®C = 1018« 

16 


IL Spezieller Vorschlag. Das spez. Gewicht werde ein¬ 
heitlich nach E.S Prinzipe mittels des von ihm angegebenen Araeo¬ 
meters bei 36® C gemessen, ein Vorgang, der in 2 bis 3 Minuten 
durchführbar ist. Die Formel lautet dann: 

36 

Spez. Gewicht bei — ®C =* X. 

63 

Herr Jochmann-Breslau; Ueber Versuche zur Sero¬ 
diagnostik und Serotherapie der Genickstarre. 

Angeregt durch Beobachtungen bei der Schlesischen Genick¬ 
starre-Epidemie im Jahre 1905, widmete er sich der Aufgabe, ein 
ho(fiiwertiges Immunserum gegen den Diplococcos intracellularis 
Weichselbaum herzustellen. Bei der Firma E. Merk in Darm¬ 
stadt wurden auf seine Veranlassung Pferde, Hammel und Ziegen 
in der Weise immunisiert, dass in langsam steigenden Dosen 
Meningococcenstämme; verschiedener Herkunft intravenös einge- 
spritzt wurden. Man gewann dadurch ein Serum, das echte Me- 
ningococcenstämme in Verdünnungen von 1:1500 agglutiniert 
(geprüft an 32 echten Stämmen), während unechte Gram-negative 
Coccen überhaupt nicht agglutiniert wurden (geprüft an 23 Me- 
ningococoen ähnlichen Kulturen). Von Interesse ist, dass die 
Jägersche Grampositive Modifilmtion des Meningococcus von dem 
Serum nicht agglutiniert wird, ein Beweis dafür, dass dieser Coc- 
cus völlig artunterschieden von dem Weichselba um sehen 
Coccus ist. Das Serum hat sich als Testsernm zur Unterscheidung 
von Meningococcen ähnlichen Gram-negativen Coccen bei der 
Untersuchung von Lumbalflüssigkeiten, sowie von Nasenschleim¬ 
und Rachensekret gut bewährt. Es wird als solches schon seit 
Monaten im Breslauer hygienischen Institut verwendet. 

Der Schutzwert des Meningococcenserums wurde an Mäusen 
und Meerschweinchen geprüft und zwar mit Kulturen, von denen 
eine Oese einer Maua von 20 g Gewicht intraperitoneal injiziert, 
in 20 Stunden den Tod herbeiführte. 0,5 ccm prophylaktisch sub¬ 
kutan injiziert schützt Mäuse vor der sechsfachen, intraperitoneal 
injizierten tödlichen Dosis, 0,2 vor der vierfachen, 0,1 vor der 
doppelten Dosis letalis. Meerschweinchen schützte 0,5 vor der 
doppelten tödlichen Dosis. 

Die Schutzwirknng des Serums beruht nicht auf Virulenz- 
abschwächung und nur in geringem Maße auf antitoxischen Eigen¬ 
schaften. Dagegen scheinen bakterizide Kräfte und bakteriotrode 
Substanzen eine grosse Rolle zu spielen. 

Die Versuche, am Menschen eine Heilwirkung zu erzielen, 
gestatten noch kein abschliessendes Urteil. Der Vortragende re¬ 
feriert über 17 im städt. Krankenhause zu Ratibor behandelte 
Fälle, wo an einem grösseren Material nach gleichen Prinzipien 
vorgegangen wurde. Wo frische Fälle möglichst frühzeitig in 
Behandlung kamen und von Anfang an mit grösseren Dosen ge¬ 
spritzt wurden, hatte man wiederholt den Eindruck, als ob die 
Serumbehandlung eine Wendung zum Besseren bewirkte und den 
weiteren günstigen Verlauf gefördert habe. Die Behandlung ge¬ 
schah in der ersten Zeit in der Weise, dass man am ersten Tage 


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420 


MEDlCmiSCHE WOCHE. 


Nr. 40. 


20—30 ccm subkutan injizierte und am 3. und 4. Tage die Ein¬ 
spritzung wiederholte. Bei 11 Fällen wurde nach einer anfäng¬ 
lichen subkutanen Injektion in den nächsten Tagen Serumein¬ 
spritzungen in den Lumbalkanal vorgenommen. Man verfuhr da¬ 
bei so, dass nach vorangegangener Lumbalpunktion und Ablassen von 
30 bis 50 ccm Spinalflüssigkeit 20 ccm Serum mittels Spritze durch 
die zur Punktion verwendete Hohlnadel injiziert wurde. Diese intra- 
spinalen Injektionen wiederholte man bei erneuter Fiebersteigerung 
noch 1—3 mal. Von 17 Patienten sind 5 gestorben, darunter 3 mit 
starkem Hydrocephalus, die erst im späteren Stadium der Krankheit 
in Behandlung kamen. Von den übrigen hatten 9 Fälle nach der In¬ 
jektion, und zwar 6 Fälle nach intraspinalen Injektionen mit schnellem 
Fieberabfall und dauernder Fieberfreiheit, reagiert. Im übrigen 
bemerkte man Nachlassen der Kopfschmerzen und der Nacken¬ 
starre und Freiwerden des vorher schwer benommenen Sensoriums. 
Irgendwelche schädigende Wirkungen des Serums sind weder bei 
subkutaner noch bei intralumbaler Injektion beobachtet worden. 
Nach den bisherigen Erfahrungen scheint neben der subkutanen 
Injektion die intralumbale Injektion von 20 ccm, die bei erneutem 
Fieberanstieg event. in den nächsten Tagen noch 1—2 mal wieder¬ 
holt werden kann, in Verbindung mit häufigeren Lumbalpunktionen 
den meisten Erfolg zu versprechen. Das Serum ist bei £. Merck 
in Darmstadt zu beziehen. 

Herr Landmann-Darmstadtspricht eingehend über die Her¬ 
stellung der Sera seitens der Firma Merck und berichtet 
über einen mit Serum behandelten Fall, wo er 30 ccm Serum mit 
gutem Erfolge injiziert hat. Das Serum wünscht er besonders bei 
den „chronischen Bazillenträgern“ in Anwendung gebracht. 

Herr Türk-Wien weist auf die Fehlerquellen bei der Be¬ 
urteilung von Serumerfolgen hin. Er hat bei 3 Fällen von Ge¬ 
nickstarre wiederholte Lumbalpunktionen mit Erfolg augewendet. 

Auf eine diesbezügliche Frage von Ebstein -Göttingen betr. 
der Mortalität der Genickstarre bemerkt Herr Jochmann - Breslau, 
dass dieselbe an verschiedenen Orten 70—80 Proz. betragen habe. 

Herr Krause-Breslau führt an, dass in Oberschlesien ca. 
6000 Fälle von Cerebrospinalmeningitis beobachtet worden, dass 
eine Therapie mit allen möglichen Mitteln Cz. B. Kollargo', Hy- 
drargyrum, sogar chirurgische Eingriffe etc.) versucht worden sei, 
aber ganz fruchtlos. Die Mortalität sei an manchen Orten bis 
90 Proz. angewachsen. 

Herr Jamin-Erlangen: Ueber Stand und Bewegung 
des Zwerchfelles. 

Orthodiagraphische Aufnahmen der Lungenfelder zeigen, dass 
der Stand des Zwerchfelles, vorwiegend durch den Einfiuss der 
Belastung seitens der Leber, sich bei Lagewechsel auf der rechten 
Seite in anderer Weise ändert als auf der linken. In gleicher 
Weise sind die Exkursionen bei der Atmung verschieden, wie an 
dem Beispiel eines jungen Mannes gezeigt wird, bei dem im Liegen 
die rechte, im Stehen die linke Zwerchfellskuppe grössere Exkur¬ 
sionen macht. Aufnahmen in frontaler Richtung und bei dorso- 
ventralem Strahlengang in rechter und linker Seitenlage zeigen 
den Einfluss der Brustkorbbewegung und der abdominellen Druck¬ 
verhältnisse auf die Verschiebungen des Zwerchfellschattens bei 
der Atmung. 

Man ist daher nur dann berechtigt, aus dem Verhalten der 
Bewegung der Zwerchfellskuppen im Röntgenbild diagnostische 
Schlüsse zu ziehen, wenn man ausser dem röntgenologischen Be¬ 
fund noch das Verhalten der Brustatmung, der Bauchwand und 
des Bauchinhaltes, sowie der Körperlage sorgfältig berücksichtigt. 

Herr Herrn, Schridde-Marburg: Ueber Myelo b las ten 
und Lymp hoblasten. 

Schon die vom Vortr. früher bewiesene Tatsache, dass man 
niemals in einem normalen Keimzentrum eines Lymphfollikels die 
Vorstufe von neutrophilen Leukozyten trifft, spricht gegen die 
Lehre, dass Lymphoblasten und Myeloblasten identisch sind. In 
mjrphologi.sch6r Hinsicht treten die Unterschiede dieser beiden 
Zellarten besonders bei der Schnittfärbung mit Azur Ü-Eosin- 
Azeton und Pyronin, Methylgrün hervor. Ausser dem Kerne, der 
deutliche Differenzen zeigt, bietet auch das Verhalten des Proto¬ 
plasmas grosse Unterschiede. Das Plasma des Myeloblasten ist 
bei Azur II-Eosin tief blaurot, das des Lymphoblasten rein hell¬ 


blau. Bei Pyronin zeigen die Myeloblasten karmoisinrotes Proto¬ 
plasma, während die Lymphoblasten in ihrem Plasma nur ganz 
schwach blassrot fingiert sind. Bei der Schridde-Altmann- 
schen Methode — und das ist der letzte Beweis — findet man 
immer in den Lymphoblasten, auch in den in Teilung begriffenen 
typische Granula, während in den Myeloblasten niemals ein Alt- 
mannsches Granulum zu finden ist. Endlich beschreibt Vortr. 
noch grosse, mittel-basophile Zellen, welche er in den Keimzentren 
einer hypertrophischen TonsiUe gefunden hat. Diese Zellen be¬ 
sitzen ganz den gleichen Kern wie die Lymphoblasten. Sie weisen 
einen ausgesprochenen hellen Hof um den Kern herum auf, welcher 
niemals bei den Myeloblasten vorhanden ist. Dieser helle Hof 
erweist sich bei der Schridde-Altmannschen Färbung in ähn¬ 
licher Weise wie bei den lymphozytären Plasmazellen als perinu¬ 
kleäre Granulaanhäufung. .Diese Zellen werden von Sch. als lym- 
phoblastische Plasmazellen bezeichnet, welche den lymphozytären 
Plasmazellen gegenüber gestellt werden. Der auch diesen Zellen 
eigene helle perinukleäre Hof ist ein typisches Attribut der lympho- 
zytären Elemente. Daher beweisen auch diese Zellen, wie über¬ 
haupt die ganzen Untersuchungen, dass die Ehrlichsche Lehre 
von der strengen Trennung der Lymphozyten und Leukozyten zu 
Recht besteht. 

Herr Otto Naegeli-Naef-Zürich: Beiträge zur Em¬ 
bryologie der blutbildenden Organe. 

Die erste Blutbildung erfolgt, nicht an ein Organ gebunden, 
überall im Organismus in Beziehung zu Kapillaren und Blutsinus. 
Extrakapilläre Genese ist sicher. 

Die Ekytropoese geht der Leukopoese lange voraus. Beide 
Bildungen sind wohl prinzipiell verschieden. 

Mit der Entstehung der embryonalen Leber erfolgt die Ery- 
tropoese in einem Organe. Gleichzeitig werden auch myeloide 
Leukozyten gebildet. Die Leber des menschlichen Fötus von 2,7 cm 
Länge enthält massenhaft Leukozyten, auch eosinophile nnd 
neutrophile Myelozyten, also zu einer Zeit, zu der andere blut¬ 
bildende Organe noch fehlen. Die selbständige Leukopoese der 
embryonalen Leber ist damit sichergestellt. 

Auch später ist die Leber eine mächtige Quelle von Leuko¬ 
zyten der Kuochenmarksreihe, eine Funktion, die erst gegen den 
9. Embryonalmonat verloren geht; nie aber zeigt die embryonale 
Leber lymphoide Bildungen; sie ist nur myeloides Organ. 

Seit dem 3. Embryonalmonate tritt die Thymus als lym- 
phoides Organ in Funktion. Sie zeigt nie myeloide und erythro¬ 
poetische Tätigkeit. 

Im 4. Embryonalmonat ist die Milz myeloides und erythro¬ 
poetisches Gewebe. Zu gewissen Zeiten (27—30 cm Fötuslänge) 
ist die Bildung der Myelozyten intensiv, verliert sich dann aber 
langsam. 

Die Erythropoese dauert nur ganz kurz und ist schon bei 
27 cm Fötuslänge gering. Diese Bildung ist also nur eine kurze 
und unbedeutende Phase im Vergleich zur Tätigkeit der Leber. 

Lymphoides Gewebe (Follikel) zeigt sich erst spät, erst bei 
24 cm Fötuslänge deutlich. 

Lymphdrüsen entstehen im 3. Embryonalmonate, werden 
erst später grösser und haben wohl nie eine stärkere Punktion, 
weil Keimzentren fehlen. Normale myeloide Bildungen fehlen. 

Das Knochenmark entsteht im 4. Embryonalmonate. Ery¬ 
thro- und Myelopoese erfolgen zunächst völlig getrennt. Die Ery¬ 
throzytenbildung ist anfänglich gering und wird erst erheblich 
später bedeutender. 

Die Embryologie der blutbildenden Organe lässt deutlich zwei 
verschiedene Systeme der Leukopoese erkennen. Die Erythropoese 
ist stets mit den Gebieten der myeloiden Zellformen verbunden 
und geht den lymphoiden ganz ab. 

Autogenetisch und phylogenetisch ist das myeloide System 
das ältere. 

Die embryologische Forschung bestätigt den Ehrlichschen 
Dualismus. (Schluss folgt.) 


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1906 


MBDICINISCHE WOCHE. 


421 


Wilhelm Czennak f. 

Am 8. September 1906 verschied plötzlich Dr. Wilhelm 
Czermak, o. ö. Professor der Augenheilkunde an der k. k. 
deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag. Wir verlieren 
in ihm einen modernen, hochstehenden Forscher, einen genialen 
Operateur, einen unübertrofienen Lehrer. Ein kluger und edler 
Mensch ist gestorben. 

Geboren am 12. Oktober 1856 zu Brünn, wo sein Vater, 
der nachmalige Professor der Psychiatrie in Graz, Arzt an der 
Landesirrenanstalt war, studierte Czermak in Graz und er¬ 
langte daselbst auch den Doktorgrad. Seine okulistische Tätig¬ 
keit begann er bei Stellwag in Wien. Die Jahre 1883—87 
brachte er als Sekundärarzt an der Grazer Augenklinik zu, 
1887—1892 war er Assistent von Fuchs in Wien. Nachdem 
er sich 1886 als Privatdozent habilitiert hatte, wurde er 1892 
ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Innsbruck, und 
nahm 1895 den Ruf als Nachmlger Schnabels nach Prag an, 
wo er bis zu seinem jähen Tode wirkte. 

Sein größtes Werk ist „Die augenärztiichen Operationen“, 
dessen letzte Lieferung im Vorjahre erschienen ist. Seine 
ganze Genialität kommt in diesem Buche zum Ausdruck und 
es ist kein Wunder, wenn die erste Auflage schon während 
des Erscheinens vergrifien war. Seinen Plan, eine zweite neu 
durchgearbeitete Auflage erscheinen zu lassen, hat er leider 
nicht verwirklichen können. Von weiteren Arbeiten — im 
ganzen 40 — sind älteren Datums: Die Arbeiten über die 
Zonula (1885), die ergebnisreichen Untersuchungen über das 
Glaukom (1885 —188^, die er gemeinschaftlich mit Birn¬ 
bach er ausführte. 1888 erschien die „Semiotik und Diagno¬ 
stik der äußeren Augenkrankheiten“, welche mehrere Auflagen 
erlebte. Aus dem Jahre 1891 stammen die Untersuchungen 
über „Fadenkeratitis* und „Homhautfisteln“, aus dem Jahre 
1894 „Ein kurzer Beitrag zur Lehre vom Glaukomanfall“. 
1894 übergab er seine neue Staaroperation („Die subkonjunkti- 
vale Extraktion mit unterer ßindehauttasche“) der OefFentlich- 
keit, eine Methode, die er selbst mit Meisterhand übte und 
die den erheblichen Vorteil des Erhaltens einer runden Pupille 
bringt. Eine Reihe von Arbeiten hinterließ er unvollendet 

ln der Vollkraft seines Schaffens ist er nun von uns ge¬ 
gangen, plötzlich ist er uns entrissen worden, betrauert und 
beweint von den Seinen, betrauert und beweint von seinen 
Freunden und Schülern. W—r. 


Periodische Literatur. 

Deutsche med. Wochenschrift. No. 38. i906. 

1. V. Bruns, Tübingen: XTeber die EadikalopeTation des 
Kehlkopfkrebses mittels Kehlkopfspaltang. 

Die Chirurgie des Kehlkopfcarcinoms hat in den letzten Jahr¬ 
zehnten ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Es gelingt heute, 
in einer durchaus nicht geringen Zahl von Fallen, Dauerheüungen 
zu erzielen. Verf. tritt warm für die Kehlkopfspaltnng ein und 
zwar bei Initialfällen. Der Eingriff wird unter Lokalanaesthesie 
vorgenommen, meist sehr gut ertragen and verursacht so gut wie 
gar keine Gefahren. Von Tracheotomie oder Einlegen einer Kanüle 
in die Wunde kann Abstand genommen werden. Die Heilung 
dauert 10 bis 14 Tage, das Schlucken ist schon vom ersten Tage 
an möglich. 

2. Romborg, Tübingen: Bemerkungen über Kenraethenie 
und ihre klimatische und balneotherspeutisohe Behandlung. 

Dieser auf der sechsten ärztlichen Studienreise in Bad Femach 
gehaltene Vortrag beschäftigt sich in seinem ersten Teil ausführ¬ 
lich mit dem Begriff der Neurasthenie. Der oberste Grundsatz 
bei der Behandlung der Neurasthenie muss der sein, dem erschöpften 
Nervensystem in der geeigneten Weise Ruhe zu verschaffen. Von 
Interesse ist ein Zitat aus dem Lehrbuch der Nervenkrankheiten 
des alten Romberg, des Groasvaters des Verfassers, welches 
deshalb hier wiedergegeben sei 


„Vor allem entfremde man sich nicht, das Zutrauen durch der 
Laien sinn- und trostlosen Zuruf: eingebüdete Leiden! Die Sen¬ 
sationen des Kranken sind zwar eingebildet, allein vom Geiste in 
die Leiblichkeit. Im Empfinden macht es keinen Unterschied, ob 
die Reizung am peripherischen oder zentralen Ende der Nerven¬ 
faser stattfindet, ob sie durch die Intention oder durch einen 
mechanischen, chemischen, organischen Anlass bewirkt wird. Der 
Arzt zeige sich stets dem Kranken als Kenner seiner Sensationen, 
ebenso frei von höhnischem Tadeln, als von niederer Schmeichelei 
und von bemitleidendem Wortkram. Auch die Umgebungen der 
Kranken müssen instruiert werden: sie tragen oft eine grosse Schuld 
am Misslingen der Kur. Ungehörige, übertriebene Besorgnis schadet 
ebenso sehr als kaltes, liebloses Vernünfteln.“ 

„Eine andere Warnung ist nicht minder zu beachten: man 
hüte sieb als stürmiseber Reformator aufzutreten. Der Kranke 
hat sich nicht bloss in seine Bmpfindimgen, auch in alle Handlungen 
bat er sich hineingearbeitet, welche auf sein Wohl und Wehe 
Bezug haben. Davon sich mit einem Schlag trennen zu sollen, 
verträgt sich nicht mit seiner qualvoll erworbenen Einsicht,“ 

Für die balneotherapeutische Behandlung ist schon die Ver¬ 
schiedenheit des Klimas oft von grosser Bedeutung. Das Flach¬ 
land bis zu 1200 m dürfte sich eignen, grössere Höben wären zu 
meiden. Vom Seeklima dürfte die Ostsee bessere Resultate geben, 
als die Nordsee. Für den Winter kann auch das Höhenklima in 
Betracht kommen. Von ganz besonderer Bedeutung für den Erfolg 
sind die äusseren Verhältnisse. Zweckmäßiges Leben, Anwendung 
von Preiluftliegekuren geben gute Erfolge. Die Anwendung von 
Luft und Wasser soll auch anfänglich schonend, später energischer 
geschehen. Von grosser Bedeutung ist die Temperatur des ange¬ 
wandten Wassers. Von sehr günstiger Wirkung ist das Luftbad. 
Ferner kommen in Betracht koblensäurehaltige und elektrische 
Bäder. Niemals soll bei der Behandlung der Neurasthenie zu viel 
getan werden. 

3. Gurschmann, Tübingen: üeber vasomotorische Krampf- 
znstände bei echter .^gina pectoris. 

Verf. macht auf die peripheren vasomotorischen Störungen 
aufmerksam, wie sie bei gleichzeitig bestehender Angina pectoris 
beobachtet werden und welche nach Ansicht des Verf. erhöhte Be¬ 
deutung gewinnen. Die vom Verf. beobachteten und eingehend 
wiedergegebeneu Fälle beweisen, dass das ganze SymptombUd der 
Angina pectoris vasomotoria auch auf dem Boden, oder besser, als 
Begleiterscheinung einer echten coronarsklerotischen Angina pectoris 
auftreten kann und dass es nicht immer der Annahme Notn agels 
entgegen eine harmlose Neurose der peripheren Gefässe darstellt, 
welche erst sekundär zu einer Alteration des Herzens führt. 

4. Doederlein, Tübingen: XTeber den Kampf wider das 
TTtemsoaroinom. 

Verf. unterzieht die bisherige Statistik der Garcinomoperationen 
einer scharfen Kritik. Diese Statistik ist vielfach irreführend. 
Wenn von einer 30—40% betragenden Dauerheüung die Rede ist, 
so wird meist nicht beachtet, wieviel Fälle überhaupt in die be¬ 
treffenden Kliniken kamen, ferner wieviel Fälle Gorpus- und wie¬ 
viele Gollum-Garcinome betrafen. Die letzteren sind bei weitem un¬ 
günstiger, ihre Dauerheüung beträgt kaum 10%, während bei Gorpus- 
carcinome bei einigen Operateuren eine Dauerbeilung bis zu 100% 
vorkommt. Verf. wendet sich energisch gegen die vaginale 
Operationsweise und zieht die abdominale deshalb bei weitem vor, 
weÜ viel gründlicher operiert werden könne. 

5. Sarwey, Tübingen: Ist die Verkleinerung der Ovarial¬ 
tumoren zwecks operativer Entfernung zulässig. 

Gegen die Verkleinerung von Ovarialgeschwülsten durch Ent¬ 
leerung ist geltend gemacht worden, dass die Gefahr einer In¬ 
fektion oder Inplantation bei Beschmutzung der Wunde oder Bauch¬ 
höhle mit Tumorinhalt vorliege. Nur mit einer Verkleinerung ist 
aber die Verwendung der sectio minor und die vaginale Entfernung 
unter Umständen möglich. Verf. hat nun bei 190 Fällen gar 
keinen schädlichen Einfluss der Entleerung bemerken können. 

6. Baisch, Tübingen: Die Lumbalauaesthesie in der Oynae- 
kologie und Oeburtshilfe. 

Gerade für die Gynaekologie scheint die Lumbalanaestbesie von 
souverainer Bedeutung zu sein, da bei geringer Hebung des 


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422 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 40. 


Beckens die in Frage kommenden Nerven mit getroffen werden. 
Nach den Elrfahrungen stellen sich die Vorzüge und Nachteile der 
Lumbalanaesthesie gegenüber der Vollnarcose folgendermaßen: 

1. Will man mit Sicherheit Unglüoks^e vermeiden, so muss 
man sich bei der Spinalanaesthesie anf eine niedere Dosis beschränken 
und als Maximum von Novokain 0,1, von Stovain 0,05 und von 
Tropacocain ebenfalls nur 0,06 g verwenden. Dabei tritt aber eine 
auch für länger als V«—1 Stunde dauernde Laparotomien und für 
vaginalo Cöliotomien ausreichende Empfindungslosigkeit nicht immer 
mit Sicherheit ein. Dagegen genügen diese Quantitäten, ja schon 
etwas geringere Mengen, vollkommen für alle Operationen am 
Damm, an den äusseren Genitalien imd der Scheide. 

2. Die Nachwirkungen in Gestalt von Kopfweh und Erbrechen 
sind in einzelnen Fällen so ausserordentlich unangenehm und trotzen 
so sehr jeder Behandlimg, dass sie für die Betroffenen eine schwere 
Schädigung bedeuten. 

3. Die Erhaltung des vollen Bewusstseins ist bei Laparotomien, 
besonders bei länger dauernder Beckenhochlagerung, ein Nachteil 
der Methode. Das empfinden auch diejenigen Autoren, die em¬ 
pfehlen, den Kranken während der Operation durch Unterhaltung 
zu zerstreuen, den Narkotiseur durch den Causeur zu ersetzen. 

An der Tübinger Klinik wird nun mit Vorteil folgende Com- 
bination geübt: Zwei Stunden vor der Operation wird die Patientin 
in ein verdunkeltes, ruhiges Zimmer gebracht und bekommt eine 
Injektion von 0,0003 Scopolamin und 0,01 Morphium in getrennten 
Lösungen. Diese Injektionen werden nach einer Stunde wieder¬ 
holt. Unmittelbar vor der Operation werden in sitzender Stellung 
der Patientin 0,06 g Tropacocain zwischen zweiten und dritten 
Lendenwirbel in den Duralsack injiziert. Die Wirkung dieser 
Methode ist eine vollkommen ausreichende und vorzügliche. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 3i. 

E. R. W. Frank, Berlin: Ueber Arrhovin. Verf. steht 
auf dem berechtigten Standpunkt, dass mit einer rein internen 
Therapie bei der Gonorrhoe keine Heilung zu erzielen ist, dass 
man aber durch geeignete interne Mittel den Heilungsvorgang 
unterstützen kann. Verf. hat Versuche mit Arrhovin gemacht. 
Diese Versuche sind günstig ausgefallen, das Medicameut wirkt 
reiz- und schmerzstillend. Vor allem rühmt Verf. gegenüber den 
anderen Balsamicis die völlige Unschädlichkeit für den Verdauungs¬ 
apparat. 

Nr. 39. 1906. 

1. Casper, Berlin: Ueber gewöhnliche Nierenblntnngen. 

An der Hand von vier Fällen bespricht der Verf. die Frage 

der Nierenblutungen. Bei zwei Fällen handelt es sich um lange 
Zeit sjmptomlos verlaufenden Morbus Brightii, bei welchem ein¬ 
seitige schwere Blutungen auftraten. Bei den beiden anderen 
Fallen konnte die pathologisch-anatomische Untersuchung der durch 
Operation gewonnenen Nieren gar keinen Anhalt für die klinisch 
beobachteten Blutungen geben. Verf. kommt sodann zu einer 
Präzisierung des Begriffes Nephritis. Er fasst diesen als identisch 
mit Morbus Brightii auf und verlangt, dass er stets doppelseitig 
und diffus über das ganze Organ ausgebreitet seL Für die Diagnose 
der erwähnten Nierenblutungen ist die getrennte Untersuchung 
beider Nieren nötig. Nach den Befunden wird man aber zu der 
Ansicht gedrängt, dass es essentielle Nierenblutungen gibt, für die 
sich eine materielle Grundlage nicht findet. Entsprechend der 
oben gegebenen Charakteristik der Nephritis wünscht Casper die 
Einführung anderer Bezeichnungen xmd zwar Pyelonephrose, 
Nephrosis metastatica, Nephrosis arteriosolerotica. 

2. Weinstein, Odessa: Ueber die Heilung postoperativer 
Fisteln der Bauchhöhle duroh Vaocinebehandlung nach dem 
Wrightschen Prinzip. 

Verf. hat nach dem Wrightschen Prinzip in der Landausclien 
Klinik vier Fälle postoperativer Fisteln behandelt. Verf. teilt die 
Fisteln der Bauchhöhle in drei Gruppen ein und zwar nach ihrer 
Entstehimgsgeschichto. 

I. Solche Fisteln, die dadurch entstehen, dass bei einer 
Laparotomie in der Bauchhöhle zu viel Gewebe zur Unterbindung 
kam und dadurch in seiner Ernährung erheblich gestört wurde. 
Dieses absterbende Gewebe gibt einen ausgezeichneten Nährboden 


für Bakterien ab, die, von aussen (d. h. nicht aus dem Tumor 
selbst) eindringend, zur Vereiterung Veranlassung geben und nach¬ 
träglich, selbst wenn die Bauohwunde schon zur Verheilung ge¬ 
kommen war, Fistelbildung verursachen. 

II. Pistelbildung durch Infektion der Bauchwunde durch Bak¬ 
terien, die sich schon vorher in dem kranken Organismus befanden. 
Das sind Fälle, in denen die Laparotomie wegen Eitergeschwülsten 
(Pyosalpinx, Ovarialabscess, Appendicitis purulenta, Peritonitis, 
tuberkulöse Erkrankungen der inneren Bauchorgane etc.l ge¬ 
macht wurde. 

III. Eine dritte Art von Fistelbildung betrifft solche Fälle, bei 
denen die Bauchhöhle zwecks Drainage offen gelassen wurde, und 
bei denen durch sekundäre Infektion der Drainagegänge sich Fisteln 
bilden, die persistieren. 

Nach genauer bakteriologischer Untersuchung und Feststellung 
des opsonischen Index wurde die „individuelle“ Serumbehandlung 
begonnen. Das Resultat der Behandlung lässt sich kurz folgender- 
massen zusammenfassen: 

Der Fall 1 betraf eine Fistel, die dadurch entstanden w'ar, 
dass bei der Operation sehr viel Gewebe zur Unterbindung kam, 
dabei Seide verwendet wurde und das nekrotisch gewordene Ge¬ 
webe das Wachstum von Bakterien begünstigte. In den Fällen 2 
und 3 haben wir eine Vereiterung auf tuberkulöser Basis, wobei 
schon bei der Operation selbst die Wunde infiziert wurde. Der 
Fall 4 gehört in dieselbe Kategorie, d. h. auch hier muss die Pistel¬ 
bildung nicht auf das eingeschlagene Operationsverfahren, sondern 
auf die Grundursache des Leidens zurückgeführt werden. Der 1. 
und 2. Fall sind vollständig geheilt. An Stelle der Fistel sieht 
man jetzt eine feste, etwas eingezogene Narbe. Der Fall 3 ist der 
Heilung sehr nahe. Es existiert zurzeit nur eine sehr kleine, kaum 
bemerkbare Fistel, die während einer Woche nur wenige Tropfen 
secemiert, während vorher der Fistelverband sogar zweimal täg¬ 
lich gewechselt werden musste und die Umgebung der Fistel leb¬ 
haft entzündlich gereizt und mit leicht blutenden, schwammigen 
Granulationen schmierig belegt war. Im Falle 4 trat bis jetzt trotz 
vieler Impfungen keine Heilung auf. Die Operation bestand ja 
hier nur in einer Inzision und vermochte nicht in radikaler Weise 
die kranke perforierte Appendix mit zu entfernen, deren Anwesen¬ 
heit wahrscheinlich die Kotfistel unterhält. 

Bei der Behandlung ergab sich eine Uebereinstimmung in den 
Schwankungen des opsonischen Index mit dem Zustand der Fistel. 

3. Rosenberg, Neuenahr: KUnisohes und Experimentelles 
über Uastroptose. 

Loening hat bei der Untersuchung ptotischer Mägen in fast 
allen Fällen eine Beschleunigung der motorischen Tätigkeit fest¬ 
gestellt. Verf. kann sich nach seinen Untersuchungen diesen Be¬ 
funden nicht anschliessen. Allerdings kann bei Gastroptose be¬ 
schleunigte Motilität Vorkommen, in der Mehrzahl der Fälle aber 
findet sich Atome. Damit bestehen also die alten Anschauungen 
über Motilitätsverhältnisse bei Magensenkung zu Recht und man 
hat keine Veranlassung, von der bewährten Therapie abzugehen. 

4. Dunin, Warschau: Ueber den Begriff der Nenraathenie. 

Der Verf. gibt eine sehr erschöpfende und zutreffende Defi¬ 
nition des Begriffs Neurasthenie. Es handelt sich um eine reine 
Psychose, deren Hauptcharakteristicium die Autoobservation ist. 
Aus dieser dauernden Selbstbeobachtung ergeben sich alle einzelnen 
Symptome, die wir an den Neurasthenikern zu finden gewohnt sind. 
Was die letzte Ursache dieser krankhaft gesteigerten Selbstbeob¬ 
achtung ist, lässt sich sicher kaum sagen. Eine sehr häufige Ent¬ 
stehungaursache ist fraglos eine falsche Erziehung. Der Aufsatz 
ist höchst interessant geschrieben und für jeden, vor allem für 
Erzieher, sehr lehrreich. 

Zeitschrift für experimentelle Pathologie u. Therapie, 2. Bd. 

H. Kionka-Jena: Zur Pathogenese der Gicht. 

Es war auffallend, verhältnismäßige schwere degenerative 
Veränderungen (Kochmann) an Leber und Nieren nach Pleisch- 
fütterung bei Hunden zu finden, bei Tieren, welche doch gemein¬ 
hin als echte Carnivoren aufgofasst werden und deren normale 
Nahrung zum überwiegenden Teil Fleisohnahrung ist. Man musste 
deshalb bei anderen Tierarten, welche normalerweise kein oder 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


423 


nar wenig Fleisch geniessen, nach ausschliesslicher Fleischfüttemng 
noch früher vielleicht und schwerere Schädigungen erwarten, als 
bei den camivoren Hunden. 

Um dieses festzustellen, fütterte E. zunächst Kaninchen aus¬ 
schliesslich mit Fleisch, welche Nahrung diese Tiere ganz gern 
nehmen. 

K. sah in allen Fällen bei den fleischgefütterten Kaninchen 
immer wiederkehrende Veränderungen gleicher Art in den ver¬ 
schiedenen Organen, namentlich in der Leber. Da aber die Mög¬ 
lichkeit bestand, dass infolge der Kotstauungen vom Darm aus 
giftige Produkte der Fäulnis resorbiert werden, denen dann viel¬ 
leicht die beobachteten Organschädigungen zur Last zu legen 
waren, so wiederholte K. die blosse Fleischnahrung bei der Haus¬ 
maus. Diese „domestizierte** Mäuseart und ihre weisse Spielart 
sind zu ausgesprochenen Omnivoren geworden, und es war daher 
zu erwarten, dass gerade dieses Tier sich eher einer ausschliess¬ 
lichen Fleischnahrung gegenüber widerstandsfähig erweisen würde. 

Mikroskopisch gaben Leber und Nieren bei allen sechs Mäusen 
übereinstimmend andere Bilder, als die Organe bei den KontroU- 
mäusen. „Auch hier begegneten wir,** sagt Kionka, „in jedem 
Schnitte Stellen, welche gegenüber den verschiedenen angewandten 
Färbungsarten gleicbmäGig eine schlechte Tingierbarkeit aufwiesen. 
Die Zellengrenzen und Kerne waren in solchen Partien undeutlich 
und gamicht zu sehen. Zuweilen war das Protoplasma stark ge¬ 
körnt, imd die Zellen (der Leber) sahen trübe und geschwollen 
aus. In manchen Organen fanden sich deutlich verfettete Herde, in 
denen die Zellen ganz mit Fetttropfen angefüllt waren. Auch grössere 
nekrotische Herde waren manchmal zu sehen, in deren Inneren 
nur Zelltrümmer und Blutfarbstoff, aber keinerlei Skruktur mehr 
zu erkennen war. Zuweilen erschien an derartig veränderten 
Stellen das Bindegewebe gegenüber der Umgebung vermehrt.“ 

„Im Allgemeinen waren die pathologischen Veränderungen in 
der Leber häufiger und intensiver als in den Nieren.“ 

Auf diese' Befunde stützt K. folgende Analogie: „So könnte 
es, da auf der einen Seite durch die Art der Nahrung die Harn¬ 
säureproduktion stark vermehrt, auf der andern Seite durch die 
Schädigung der beiden Organe die Zerstörung und Ausscheidung 
unter die Norm vermindert wären, leicht zu einer Hamsäure- 
stauung im Organismus kommen, als deren Folgen beim Menschen 
die Uratablagerungen auftreten“. A. B. 


Therapeutische Neuheiten. 

Neues Rönigen-Schutz- 
hauS. Einen praktisch 
vollkommenen Schutz 
gegen Röntgenverbrenn¬ 
ungen und deren schwere 
Schädigungen garantiert 
nur eine mit Bleiblech be¬ 
kleidete Schutzwand, hin¬ 
ter welcher d er die Bestrah- 
lungen und Aufnahmen 
ausfiihrende Arzt Platz 
nimmt. In der nebenste¬ 
henden Abbildung ist 
Schutzwand und Aufstel¬ 
lungsort des kompletten 
Instrumentariums verei¬ 
nigt. Zum Elinschalten der 
Röntgenröhre muss sich 
der Arzt in das Innere des 
Schutzhauses begeben und 
hält sich dort bis zum 
Ausschalten der Röntgen¬ 
röhre auf. Das Schutz¬ 
haus besteht aus einem 
rechteckigen Gehäuse, des¬ 
sen Wände innen mit 1 mm 
dickem Bleiblech beklei¬ 
det sind. Ein grosses 
Fenster aus Bleiglas ge¬ 



stattet h*eie Uebersicht über das Röntgenzimmer. Auf einer Schmal¬ 
seite befindet sieh eine Türöffnung zum ungehinderten Ein- und 
Ausgang des Arztes. An der Rückseite des Schutzhauses ist das 
Reguliertableau aufgehängt. Der, bezw. die Unterbrecher befinden 
sich zur Dämpfung des lästigen Geräusches in einem vollständig 
geschlossenen Glasschrank unter dem Tableau; damit ist der Vor¬ 
teil verknüpft, den Unterbrecher unter Kontrolle zu haben und be¬ 
quem regulieren zu können. Auf der Decke des Schatzhauses be¬ 
findet sich Induktor, Kondensator und EHmkenstrecke, letztere von 
unten einstellbar. Das Schutzhaus steht frei, ohne Befestigung an 
Fussboden und Wand. Man ist also nicht gehindert, mit der 
ganzen Einrichtung den Platz zu wechseln. Firma: Reiniger, Geb- 
bert & Schall, Erlangen. 


Vermischtes. 

Zur Berichtigung. 

In Nr. 36 dieser Zeitschrift wird meinen „Ermüdungsstudien** 
die Ehre einer Kritik seitens des Herrn Ernst Thesing zu teil. 
Es ist ausserordentlich schmeichelhaft für mich, dass er diese Studien 
als von höchstem In teresse, für theoretisch wert voll, in 
Fragestellung, Fleiss und Genauigkeit der Beant¬ 
wortung für gleich ausgezeichnet hält. 

Um so erstaunlicher ist es, dass er seine volle schriftstelleri¬ 
sche phantasiereiche Begabung einsetzt, den einfachen, von mir 
wiederholt in Gegenwart von durchaus nicht kritiklosen, wissen¬ 
schaftlichen Koryphaeen aasgeführten Ermüdungsmodus: Rück¬ 
wärtsziehen der IHere, zu einer der haarsträubendsten Quälereien 
anszugestalten, sodass den ferner stehenden Leser ein gelindes 
Gruseln packen muss. 

Dieses sein Bemühen ist um so merkwürdiger, da ich doch in 
eben der Nummer der MüncK medizin. Wochenschr., die ihm 
Vorgelegen hat (Nr. 26, 1905), ausdrücklich den nach den ganz 
unentbe hr lieh en dabe imitgr öS stmö gl ich er Schonung 
ausgeführten grundlegenden Versuchen baldigst wesent¬ 
lich verbesserten Ermüdungsmodns wörtlich so beschrieben habe: 

,Das zu ermüdende Meerschweinchen wird in eine Glasglocke 
gebracht, die mit einem, reines Kohlenoxyd entwickelnden Apparate 
verbunden ist. Ganz unmerklich gerät das Tier in einen 
Zustand von schwerer Betäubung, sodass ihm die mm folgende 
Ermüdung mittels Faradisierung seiner Gesamtmuskulatur im luft- 
verdünnten Raume mit überaus schwachen faradischen Strömen 
schmerzhafte oder auch nur unangenehme Sensationen flberhaupt 
nicht hervorrufen kann,“ 

Herr Thesing wird es mir freilich ebensowenig glauben, dass 
die Tiere durch Kohlenoxyd wirklich betäubt und unempfindlich 
werden, genau so, wie er ja auch bezweifelt, dass ein mit 
in seinem Organismus entstehendem Ermüdungstoxin schwer ver¬ 
giftetes Tier soporös, daher unempfindlich wird. Doch vermag ich 
die Gewissensqualen, welche ihm offenbar meine Meerschwein¬ 
chenermüdungen verursachen, vollkommen zu beseitigen. 

Denn schon seit Jahresfrist ist es überhaupt nicht mehr nötig, 
zwecks Herstellung von Elrmüdungstoxiu Tiere zu ermüden. Das 
Tierexperiment hat mir sehr bald den Weg erschlossen znr 
Herstellung des Ermüdungstoxins in vitro, aus Eiweiss (cf. Nr. 1 
u. Nr. 35 d. Münch, med. W. 1906). 

Dr. Wolfgang Weichardt, 
Privatdozent a. d. Univ. Erlangen. 


Brsslau. Geheimrat Neisser unternimmt mit Unterstützung 
des Deutschen Reiches eine zweite Expedition nach Batavia zur 
Fortsetzung seiner Syphilisforschuugen. Mitarbeiter sind die Herren 
Halberstedter, v. Prowacek, Bruck und Siebert. 

Stuttgart. Auf der Naturforscher-Versammlung ist von der 
Neurologischen Sektion der Beschluss, eine Gesellschaft deutscher 
Nervenärzte zu gründen, im Prinzip gefasst worden und sind die 
vorbereitenden Schritte einer vorläufigen Kommission unter dem 
Vorsitz von H. Oppenheim-Berlin Vorbehalten worden. 


Stuttgart. Die Gesellschaft deutscher Naturforscher und 
Aerzte wählte als Ort der nächsten Tagung Dresden, als Geschäfta- 


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424 


.MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 40. 


ftihrer v. Meyer .und Leopold. Erster Vorsitzender der Gesell¬ 
schaft wird Nannyn. 

Stuttgsrt. Am 16. September konstitmerte sich in einer 
Versammlung unter Oberlander’s Vorsitz die Deutsche Ge¬ 
sellschaft für Urologie. Die Kongresse sollen alie zwei 
Jahre, abwechselnd in Berlin und Wien, stattfinden. Vorsitzende 
y. Erisch-Wien und Posner-Berlin, Stellvertreter Zucker- 
kandl-Wien und Casper-Berlin, Schriftführer Kapsammer- 
Wien und Wossidlo-Berlin, Schatzmeister Löwenhardt-Breslau. 
Die erste Tagung wird 1907 in Wien stattfinden. 

Suhtenburg. Am 4. September d. J. wurde das erste deutsche 
Seehospital für 80 skrophulöse und tuberkulöse Kinder eröffnet. 
Der Bau hat die Summe von 665000 M. beansprucht. Bau und 
Betrieb werden aus den Mitteln der Nordheim-Stiftung bestritten, 
die von den Testamentsvollstreckern des verstorbenen Hamburger 
Kaufmanns Marcus Nordheim mit einem Kapital von iVa Millionen 
errichtet ist. Die Anstalt ist als vollständiges Krankenhaus mit 
allen hygienischen und chirurgisch • orthopädischen Einrichtungen 
versehen und wird im Sommer und Winter betrieben werden. Die 
Verpflegungsdauer der Patienten richtet sich lediglich nach ärzt¬ 
lichen Gesichtspxmkten. Leitender Arzt ist Herr Dr. Treplin. 


Hochschuinachrichten. 

Berlin. Exz. v. Bergmann feiert am 16. Dezemberseinen 
70. Geburtstag. 

Breslau. Dem ausserord. Prof, der Augenheilkunde, Dr. 
Magnus, ist der Titel Geheimer Medioinalrat verliehen worden. 

Neapel. Der Privatdozent an der medicinischen Fakultät zu 
Palermo Dr. L. Ferrannini habilitierte sich als Privatdozent für 
Kinder-Augenheilkunde. 

Breslau. Der a. o. Professor der Augenheilkunde, Geheimer 
Medicinalrat Dr. Hermann Cohn ist am 11. September im 
68 . Lebensjahre hierselbst gestorben. 

In Lans bei Innsbruck ist am 8. v. Mts. der ordentliche Professor 
der Augenheilkunde an der Prager deutschen Universität Dr. Czer- 
mak gestorben, cf. Nekrolog. 

Geresbach-Baden. Als ein Opfer seines Berufes starb 
am 10. V. Mts. Dr. Hermann Vögelin, Bezirksassistenzarzt, im 
Alter von 35 Jahren, 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adresse: Aerztllohes Auskanfts-Bureau des Gesohlfts-Aussohusses der 
Berliner Irztliohen Staidesvereine In Medlolnlsoben Warenhaaee (Akt.- 
Bes.), Berlin li, Frledriohstrasse 108 I. 

FSr persönliche RQcksprache ist Herr Dr. JoMhln SAarlleh TOB IThi» im 

Medicinischen Warenhsuse anwesend. (Mit gütiger Erlaubnis des Uescnifts-Ausschusses 
der Berliner Ikrztlichen Siandesvereine Tom Auskuntts-Bureau der Med. Woche übermittelt.) 

Id der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter Nr. 1989. 

In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2(X)7. 
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. n. Nr. 2(X)8. 
ln der Mark wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013. 
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045. 
Tn Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2054. 
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056. 
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060. 
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Volontärarzt ges. Näh. 
unter Nr. 2061. 

In der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063 


Neu niedergelassen 

haben sich in: 

Crenzburg a. W. Dr. med. Erers. — Dortmund. Spezialrat Dr. 
Jos. Kraus. — Dresden-A. Dr. med. Hans Lehmann. — Essen. Spezial- 
rat Dr. Lüsebrink. — Franzburg. Dr. med. Fechtner. — Hannover. 
Dr. med. Burdach. — München. Dr. med. H. Wirth. — Rottwerndorf. 
Dr. med. Matthes. — Ulm. Spezialarzt Dr. Franz Hirsch. 


Pamilien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Marie Schweiger mit Hm. Dr. med. Hermann Goetz, beide in 
Aachen. — Frl. Marie Kaufmann mit Hm. Dr. med. E*aul Haendlj, beide 
in Berlin. — Frl. Bertha Blankenstein mit Hrn. Dr. med. Otto Schild, 
beide in Dortmund. — Frl. Johanna Freischem mit Hrn. Dr. med. Wilh. 
Vossen, beide in Düsseldorf. — Frl. Hedwig Richter in Philadelphia mit 
Hm. Dr. med. Eonrad Mertens in Mei^nde. — Frl. Henriette Wester- 
boff in Bocholt mit Hm. Dr. med. Wilhelm von Laak in Ringenbei^. 

— Frl. Toni Hermann in Berlin mit Hm. Dr. med. Emil Nawratzki in 
Heilanstalt Waldbaus b. Wanosee. 

Vermählt: 

Hr. Dr. med, Robert Cohn mit Frl. Helene Alexander in Berlin. 

— Hr. Dr. med. Jo-sef Piwowarski mit Frl. Elsa Stiebler in Rbeydt- 
Breslau. — Hr. Dr. med. Gottlieb Hoestermann mit Frl. Elisabeth Lebn- 
bof in Gummersbach. — Hr. Dr. rood. Justus Hoff mit Frl. Martha 
Wilhelmi in Hannover. — Hr. Dr. med. Otto Reichel mit Frl. Mathilde 
Goller in Münchberg. — Er. Dr. med. Carl Banmeister mit Frl. Fran¬ 
ziska Damm in Tann (Rböngebirge). 

Gehören: 

Ein Sohn: Hm. Dr. med. Alex ßosenberg in Hamburg. — 
Hm. Stabsarzt Dr. Josef Laogheld in Krotoschin-Sacrow b. Eleinglinike. 

— Hm. Dr. med. R. Bretscbueider in Leipzig. — Hrn. Dr. med. &thcke 
in Rostock i. M. 

Eine'Tochter: Hm. Dr. med. A. Ludewig in Langewiesen. — 
fim. Dr. med. Carl Prausoitz in London-Harrow. — Hrn. Dr. med. Leb¬ 
küchner in Neuenstadt a. K. 

Gestorben: 

Dr. med. Eugen Wierrer in Bamberg. — Prakt. Arzt Martin Ja- 
cohj in Bayreuth. — Dr. med. Gustav Hahn in Berlin. —- Dr. med. 
Hermann Heller-Goelzenleucbter in Frankfurt a. M. — Dr. med. Karl 
Neustadt in Höxter. »= Dr. med. Heinrich Färber in Kattowitz. — Dr. 
med. Richard Vogel in Köln. — Bezirksarzt a. D. Dr. Rottenbäuser io 
Lohr. — Dr. med. Eugen Fricker, Oberarzt des evang. Hospitals io 
Odessa. 


Patentnachrichten. 

Paten t-Anmeldungen: 

E. 10 437. Verfahren zur Entwicklung von Kohlensäure für Bäder. 
Max Elb, G. m. b. H., Dresden. 

F. 20289. Verfahren zur Herstellung neutraler konzentrierter Eisen¬ 
karbonatpaste. A. Flügge, Hannover. 

R. 11568. LeibgUrtol aus verschieden elastischem Gewebe. Edooard 
Abadie-Leotard. 


E. WSrner-Beriin: Ovoieal, ein nenea. zaverlfiaalees Cbo- 

lagorana. (Med. Klinik, 1906, No. 21). 

Dass Galle ein vorteilhaftos Cbolagojnm sein kann, ist bekannt; nur 
kam es bisher immer zur Belästigung des M^ens durch die Gallensäuren, 
die nach ihrer Lösung iro Mag^ensaft schwere ^nktionsstörungen machten. 
Nur dann, wenn es gelang, die Gallensäuren unverändert durch den Magen 
zu bringen und sie erst im alkalischen Darmsaft zur Geltung kommen za 
lassen, nur dann konnte man von einer Verwendung der Galle als gallen- 
treibendes Mittel Erfolge erwarten. Dieses Problem ist anscheinend W. in 
der Verbindung der Rindergalle mit Hübnereiweiss voll und ganz gelangen 
Eine solche Gallensäure-Eiweissverbinduog ist das Ovogal, das von der 
Chemischen Fabrik J. D. Riedel in Berlin in den Handel gebracht wird. 

Das Ovogal ist ein grünlich-gelbes, schwach nach Galm riechendes und 
fast geschmackloses Pulver; weuigstons dann kommt der Geschmack nicht 
zur Geltung, wenn das Ovogal nicht erst Gelegenheit hat, sich im alka¬ 
lischen Speichel zu lösen, sondern wenn es (am besten mit verdünnten Fracht* 
säurenl im Löffel verrührt, bald binuntergespült wird. 

An Galleufistelbunden zeigten sich überraschende Ergebnisse; Die 
Flüssigkeitsmenge nicht nur, sondern auch die Monge der Gallensalze nahm 
nach Ovogal in ganz tabellarisch-gesetzmäßiger Weise zu; ebenso waren die 
PrUfungsergebnisse an einer inkompleten Gtulenfistel einer operierten FWu. 

Da somit die anregende Wirkung auf Gallenblase und Leber auch im 
Experiment erwiesen war, so lässt sich von vornherein das Indikationsgebiet 
dieses zuverlässigen Cbolagc^ums leicht feststellen. 

Zunächst wurde das (Jvogal von Strauss und Zinn bei Gallen¬ 
steinkranken geprüft, und zwar mit anscheinend besten Ergebnissen. Das 
Präparat wurde anscheiaenddurchsebnitt]. gut vertragen (dreimal tägl. iMesser- 
spitze), die Beschwerden Hessen bald — in einigen Fällen sogar aufiällig 
bald — nach. , A. R. 

Ueber die wohl schon in Aerzte-Kreisen bekannten, höchst eleganten 
und praktischen Inatrameiiten- (Jalousie-) Schranke der Firma 
R.Neubauer &Co. inDresdon-A. 21. (gegr. 1894) liegt in der heutigen 
Nummer ein Prospekt, speziell Ober die Marke »Kies“ bei, welcher eine 
höchst vorteilhafte Vorzugsofferte für die Herren Aerzte enthält. 
Je eher man eine Bestellung gegen Barzahlung au^ibt, desto höher ist 
die angebotene Ermässignng. Man lese den Prospekt recht sorgfältig durch 
und man wird finden, dass die Firma R. Neubauer & Co. auch gegen monat¬ 
liche Teilzahlungen von ä M. 6,— allerdings nicht zum Vorzugspreise — 
diese herrlichen Instrumenten- (Jalousie-) SiHiränke liefert. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. MeUener, Berlin W. tt, Knrfürttenttr. 81. — Verlag Ton Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck TOD der Meynemana'echen Bochdnickerei, Gebr Wolff, Halle a. 8. 

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Medicinische Woche 


Deatschmann, A. DShrssen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marfaold ln Halle a« 5.« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K« Partech, H. Rosln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unrerricbt, A. Vosslos. 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W. 62, Kurfflrstenstrasse 81« 

Dr. P Meißner. 


Vll. Jahf^ang. 


8. Oktober 1906. 


Nr. 41. 


Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Utigigen Beilage BalneolOglSChe Cetltralzeltung, Organ des Allgemeinen Deutschen 
Biderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet Jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröBeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Origjnalien. 

Zur Frage 

der epidemischen Meningitis cerebrospinalis. 

Von Dr. G. N. Magakjan. 

(Schluss.) 

Non möchte ich die von mir beobachteten Fälle beschreiben. 

1. Fall: Th. M., 18 Jahre alt, wurde am 30. Juli 1905 in 
bewusstlosem Zustande in das Krankenhaus eingeliefert. Der 
Begleiter des Kranken erzälilte, dass letzterer plötzlich bei der 
Arbeit erkrankte: Er habe über Kopfschmerzen geklagt, einige 
Male erbrochen und dann nach einigen Stunden sei er bewusst¬ 
los geworden. — Ich fand den Kranken in sehr schwerem Zu¬ 
stande. Im Krankenhause trat Erbreclien nicht auf. Sensorium 
getrübt. Stuhl einmal, regelmäßig. Herztöne rein. Puls ziem¬ 
lich guter Füllung, regelmäßig. In den Lungen hört man 
unter dem Winkel des Schulterblattes spärliche subkrepitierende 
Rasselgeräusche. Steiflieit der Nacken- und Rückenmuskeln, 
Kemigsches Symptom. Pupillen normal, reagieren auf Licht. 
Mittels Punktionen zwischen dem 4. und 5. Wirbel wurde ca. 
10 ccm trüber Flüssigkeit gewonnen, in der die mikroskopische 
und bakteriologische Untersuchung Meningococcen ergab. 
Vom 1. Tage der Erkrankung wurden heisse Wannenbäder 
von 30” zweimal täglich und desgleichen Einreibungen von 
Credöscher Salbe in Dosen von 2,0 gleichfalls zweimal täglich 
verordnet. Nach zwei Tagen wurde die Punktion wiederholt und 
eine intravenöse Injektion von 3,0 Collargol gemacht. Am 
5. T^e Sensorium vollständig klar, Steifheit der Muskeln und 
des R^ückens geringer. Die Punktion wurde noch dreimal 
wiederholt, wobei man beobachten konnte, dass sich das Ex¬ 
sudat mit jedem Mal immer mehr und mehr aufklärte. Vom 

4. Krankheitstage begann der Patient über Abnahme des Ge¬ 
hörs zu klagen; im Rekonvaleszenten-Stadium klagte er über 
Sausen im Kopfe und Schwindel. Die Untersuchung der Obren 
ergab linksseitige eitrige und rechtsseitige katarrhalische 
Otitis. Nach 2 Monaten wurde der Patient als vollständig 
geheilt entlassen. 

2. Fall: A. K., 19 Jahre alt, wurde am 1. August, und 
zwar am 2. Krankheitstage in das Krankenhaus aufge¬ 
nommen. Er klagte über Kopf- und Rückenschmerzen, so¬ 
wie über Schmerzen in den Extremitäten. Obstipation. Herz¬ 
töne dumpf, in den Lungen hört man vereinzelte trockene 
Rasselgeräusche. Steifheit der Rücken- und Nackenmuskeln. 
Kemigsches Symptom. Schnupfen nicht vorhanden. Am 

5. Krankhoitstage Schwäche und Schmerzen im linken Arm, 
hierauf Schwäche des rechten Armes; von Interesse ist der 
Umstand, dass am rechten Bein und am linken Arm die Parese 


stärker ausgesprochen war, als am linken Bein und am rechten 
Arm. Kniereflexe, Achillessehnenreflex und Fusssohlenrefiex 
nicht vorhanden. Gesicht und Gehör normal. Lumbalpunktion 
nach Quincke am 8. Krankheitstage, wobei 20 ccm Exsudat 
zu Tage gefördert wird. Ausserdem wurden dem Patienten 
gleich zu Beginn heisse Wannenbäder, dann Einreibung von 
Credöscher S^be verordnet. Am Tage nach der Punktion war 
die Steifheit der Muskeln bedeutend weniger ausgesprochen. 
Am 20. Krankheitstage war der Patient imstande, olme Schwie¬ 
rigkeiten Rückenlage einzunehmen. Kopf- und Rückenschmerzen 
nicht vorhanden. Im weiteren Verlauf begannen zwar die 
paretischen Erscheinungen nachzulassen, vollständige Besserung 
ist aber nicht eingetreten, und man wird wohl kaum auf eine 
solche rechnen können. Der Patient kann zwar gehen, sein 
Gang ist aber unsicher und hinkend; jedenfalls geht er, auf 
einen Stock gestützt, besser. Die linke Hand und das rechte 
Bein vollständig hochzuheben vermag der Patient nicht. Auch 
ist die Kraft dieser Extremitäten geringer als diejenige der 
entsprechenden Extremitäten der anderen Seite. Die Knie¬ 
reflexe sind zwar vorhanden, aber bedeutend herabgesetzt. 
Diese Veränderungen werden wahrscheinlich dauernd bleiben. 
In der bei der Lumbalpunktion gewonnenen Flüssigkeit ergab 
die bakteriologische Untersuchung 2 Arten von Mikroorganismen: 
Meningococcen und Bazillen, die durch ihre Form in hohem 
Grade an die Pfeifferschen Bazillen erinnerten, sich aber von 
diesen dadurch unterschieden, dass sie auf gewöhnlichem Agar 
Wachstum zeigten. 

3. Fall; S. M., 18 Jahre alt, aufgenommen am 2. August. 
Krank seit 4 Tagen. Er erkrankte plötzlich an Kopfschmerzen, 
Nacken- und Rückenschmerzen. Zunge belegt. Obstipation. 
Herztöne rein. Puls frequent, regelmäßig. Von seiten der 
Lunge nichts Abnormes. Auf den Lippen Blasenausschlag. 
Diplopie; linke Pupille enger, als die rechte. Gehör normal. 
Steifheit der Nacken- und Rückenmuskeln. Kerni^ches Symp¬ 
tom. Knie-, Sohlen-Reflexe, sowie Achillessehnen-Reflex herab¬ 
gesetzt. Allgemeine Hyperaesthesie und Hyperalgesie. Die am 
3. und 5. Ta^e nach der Aufnahme des Kranken vorgenommene 
Lumbalpunktion ergab ein negatives Resultat. Am 11. Tage 
wurde die Punktion wiederholt, wobei 15 ccm leicht trüber 
Flüssigkeit entleert wurden. Am 4. Tage wurde wiederum 

unktiert und etwas Flüssigkeit entleert. Ausser der Diplopie 

estand während der Krankheit noch Herabsetzung des Ge¬ 
hörs. Andere Komplikationen waren nicht vorhanden. Nach 
der letzten Punktion sank die Temperatur kritisch und der 
Patient erholte sich. Am 2. November wurde der Patient als 
vollständig geheilt entlassen. Ausser den Punktionen bekam 
der Patient heisse Wannenbäder und Einreibungen von Cred6- 
scher Salbe. In der bei der Lumbalpunktion entleerten Flüssig¬ 
keit ergab die bakteriologische und mikroskopische Untersuchung 
Meningococcen. 

4. Fall: Th. E., 22 Jahre alt. Aufgenommen am 14. August, 

am 6. Erankheitstage, in bewusstlosem Zustande. den 

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426 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 41. 


Angaben des Vaters erkrankte der Patient am 9. Augast plötz» 
lieh unter Kopfschmerzen; nach 2 Tagen begann er sich besser 
zu fühlen und sogar zu arbeiten. Am 14. August trat Ver¬ 
schlimmerung ein und der Patient wurde bewusstlos. Die 
Pupillen reagierten nicht auf Licht; die linke Pupille ist er¬ 
weiterter, ^8 die rechte. Die Kniereflexe sind erhalten. Steif¬ 
heit der Nacken- und Rückenmuskeln. Herztöne rein. In den 
Lungen diffuse Rasselgeräusche. Obstipation. Am 5. Krank¬ 
heitstage wurde die Lumbalpunktion ausgeführt, wobei 5 ccm 
leicht trüber Flüssigkeit entleert und dann in den Kanal der 
Wirbelsäule 10 ccm enier l®/oigen Lysollösung injiziert wurden. 
Um 3 Uhr nachts wurde das Sensorium Idarer, sodass der 
Patient auf die an ihn gerichteten Fragen Antwort gab. Puls 
und subjektiTes Befinden schienen besser zu sein. Die Steifheit 
der Nacken- und Rückenmuskeln liess jedoch nicht nach. Am 
folgenden Tage Sensorium wieder trüber. Der Patient stöhnt; 
Puls schwach. Wiederum Lumbalpunktion, Entleerung von 
15 ccm Flüssigkeit und Injektion von 10 ccm einprozentiger 
Lysollösung. 

22. August. Hochgradige Schwäche. Der Patient stöhnt 
ununterbrochen. In den Lungen rauhe Atmungsgeräusche, 
Rasselgeräusche. Tod an demsmben Tage. 

Ausser der Lumbalpunktion und der Lysoliniektion be¬ 
stand die Behandlung in Anwendung von Wannenbädern und 
Credöscher Salbe. Die bakteriologische Untersuchung der 
Flüssigkeit ergab in derselben Meningococcen. 

Sektion: Beginnende akute cerebrale Leptomeningitis, 
Hyperaemie und Oedem des Gehirns und des Rückenmarks. 
Di^se eitrige Leptomeningitis des Rückenmarks. 

5. Fall: A. S., ;17 Jahre alt. Krank seit einer Woche. 
Die Krankheit begann mit Kopfschmerzen. Am 7. Krankheits¬ 
tage wurde der Patient bewusstlos. Rechter Augapfel etwas 
vorgestülpt. Beiderseitige Parotitis. Obstipation. Am 2. und 
3. Tage nach der Aufnahme in das Krankenhaus Lumbal¬ 
punktion, sowie Entleerung von 10 bezw. 20 ccm etwas trüber 
Flüssigkeit. Sensorium nach wie vor trübe. Frequente, tiefe 
Inspiration; schwacher Puls. Im Harn Eiweissspuren. Am 
24. August Tod. In der bei der Lumbalpunktion gewonnenen 
Flüssigkeit ergab die bakteriologische Untersuchung Meningo- 
und Staphylococcen. Ausser den Punktionen wurden noch 
heisse Wannenbäder und Einreibung von Cred6scher Salbe 
angewendet 

Sektion: Zerstreut liegende metastatische Abszesse in 
beiden Lungen; eitrige Leptomeningitis in der Gegend des 
türkischen Sattels, der Sehnerven und der beiden NN trigenimii; 


Feuilleton. 


Medicinisches aus der schönen Literatur. 

Id zwangloser Folge mitgetcilt von 

Dr. Leopold Hirschberg (Berlin). 

1. Gedanken eines humoristischen Arztes über 
Krankenbehandlung. 

Ehrliche Leser! Hand aufs Herz! Wie viele von Ihnen 
haben ein anerkanntes Meisterwerk der deutschen Literatur, 
den „Münchhausen“ von Karl Immermann, wirklich mit 
Aufmerksamkeit gelesen? Vielleicht haben Sie in früher Jugend¬ 
zeit einmal hereingeblickt, wohl auch den „Oberhof“, der ja 
bekanntlich einen Teil des vierbändigen Werkes bildet, mit den 
hübschen Vautierschen Holzschnitten fein eingebunden in der 
guten Stube der Grosseitem durcholättert. Kommen Sie mir 
nicht mit der Entgegnung, dass Sie als Quintaner genügend von 
den Abenteuern des edlen Freiherrn zu Wasser und zu Lande 
kennen gelernt hätten! Davon ist in dem Immermannschen 
Werke natürlich keine Rede; es gibt darin wohl eine Luftver¬ 
dichtungsaktienkompagnie, aber kein Reiten auf der Kirchturm¬ 
spitze und kein aus der Kanone Sichherausschiessenlassen. Der 


Phlegmone der rechten Augenhöhle; beginnende akute eitrige 
Leptomeningitis des Rückenmarks; akute Myelitis, Septiko- 
Pyaemie. 

6 . Fall; A. Sch., 35 Jahre alt Aufgenommen am 28. Oktober 
1905 in bewusstlosem Zustaude. Die anwesende Frau des 
Patienten berichtete, dass letzterer am 29. Oktober plötzlich 
unter Kopfschmerzen und Kräi^fen erkrankte, während er 
früher etwas gehustet hatte. Im Krankenhaus wurden klonische 
Krämpfe am ganzen Körper beobachtet. Herztöne rein. Puls 
regelmäßig. Von seiten der Lunge wurde, sofern eine Unter¬ 
suchung in Anbetracht des schweren Zustandes des Patienten 
überhaupt möglich war, nichts Abnormes gefunden. Im Harn 
Eiweiss. Der Patient ist Maler von Beruf. Steifheit des 
Nackens, des Rückens und der Arme; das Kemigsche Symptom 
ist hochgradig ausgesprochen. Allgemeine Hyperalgesie. Am 
30. Oktober wurde nach Quincke ca. 20 ccm klarer Cerebro- 
spinal-Flüssigkeit entleert. Die Bewusstlosigkeit hielt an, und 
in der Nacht auf den 2. November starb der Patient. 

Ausser der Lumbalpunktion wurden noch Einreibungen 
von Cred^seber Salbe, sowie Wannenbäder angewendet. 

Die bakteriologische Untersuchung ergab in der entleerten 
Flüssigkeit Meningococcen. 

Sektion: Hyperaemie und Oedem der weichen Hirn- und 
Rückenmarkshaut; chronische Tuberkulose der linken Lungen¬ 
spitze; tuberkulöse Geschwüre im Ileum, sowie Erscheinungen 
von cirkumskripter Peritonitis an den entsprechenden Stellen 
des Bauchfells; akute Tuberkulose der Nieren und der Milz (?). 
Die makroskopischen Veränderungen im Gehirn waren Jedoch 
so geringfügig, dass der Arzt (Dr. Korowin), der die Sektion 
auslührte, sich nicht entschliessen konnte, dieselbe als tuber¬ 
kulöse Meningitis zu bezeichnen, bevor die Organe nicht mikro¬ 
skopisch untersucht sind. Die mikroskopische Untersuchung^ 
ergab Tuberkulose im Anfangsstadium. Es wurden also in 
diesem Falle Meningococcen und Erscheinungen von beginnender 
Tuberkulose nachgewiesen. 

7. Fall; S. M., 17 Jahre alt Aufgenommen am 5. No¬ 
vember 1905 in bewusstlosem Zustande. Die Krankheit begann 
plötzlich am 5. November morgens mit heftigem Schüttelfrost 
und Kopfschmerz, sowie mehrmaligem Erbrechen: unmittelbar 
darauf stellte sich Bewusstlosigkeit ein Die Pupillen reagieren 
auf Licht Rigidität und Schmerzhaftigkeit der Nacken- und 
Rückenmuskeln. Es besteht das Kerningsche Symptom. Noch 
am selben Tage entleerte ich nach Quincke ca. 40 ccm trüber 
Flüssigkeit, in der die bakteriologische Untersuchung Meningo¬ 
coccen ergab. AuSser der Lumbalpunktion bekam der Patient 


Immermannsche Münchhausen erfordert zu seinem völligen Ver¬ 
ständnis nicht nur eine ganz intime Bekanntschaft mit der 
Literatur der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, son¬ 
dern vor allem auch einen wirklich ausgereiften männlichen 
Geist. 

Ich nehme mir solche Bücher ungefähr alle fünf Jahre vor; 
man findet, je älter und nachdenklicher man wird, immer wie¬ 
der etwas Neues und Belehrendes heraus. Und so muss ich 
gestehen, dass ich in den letzten Wochen, wo ich den „Münch¬ 
hausen“ wieder einmal von A bis Z in der unverkürzten Ori¬ 
ginal-Fassung gelesen habe, höchst genussreiche und unterhal¬ 
tende Stunden von dieser Lektüre hatte. Dabei stiess mir aber 
auch eine Stelle auf, von der ich glaube, dass sie allen meinen 
ärztlichen Berufsgenossen von grossem Interesse sein wird. Sie 
gibt nämlich einige noch heutzutage äusserst beherzigenswerte 
Regeln für die allgemeine Krankenbehandlung. Es ist ganz gut, 
in unserer Zeit, wo so viel vom Komfort des Krankenzimmers 
und ähnlichen Dingen die Rede ist, auch einmal einer längst 
verhallten Stimme zu lauschen, zumal wenn diese in dem 
feinsten Stil, den man sich nur wünschen kann, ertönt. 

Die Situation ist die denkbar einfachste. Ein junger Graf 
hat einen Blutsturz bekommen und wird von dem sehr ge¬ 
scheuten, humoristischen Arzt im wesentlichen durch eine Not¬ 
lüge geheilt. Während der Patient nämlich bereits völlig 
ausser Gefahr ist, erklärt unser Hippokrates denselben noch für 
höchst bedenklich krank, nur um den Schwarm der liebenden 

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1906 


MEDICINISCHE WOCHE. 


427 


Wannenbäder und Einreibungen von Credöscher Salbe. Er 
starb am 6. November. 

Sektion: Erscheinungen von aknter Meningitis cerebrospinalis. 

8 . Fall: N. J., 17 Jahre alt Aufgenommen am 7. No¬ 
vember. Krank seit 3 Tagen. Kopfschmerzen, allgemeine 
Schwäche, wiederholtes Erbrechen; reichlicher Blasenausschlag 
auf den Lippen; Schnupfen nicht vorhanden. Zunge belegt 
Zweimal Stuhl, flüssig. Von seiten der Lunge nichts Abnormes. 
Der Patient klagt über Hals- und Rückenschmerzen. Leichte 
Rigidität der Naekenmuskeln; das Kernigsche Symptom ist 
nicht besonders stark ausgesprochen. Die Kniereflexe sind ge¬ 
steigert. Am folgenden Tage wurden nach Quincke ca. 50 ccm 
vollständig klarer Flüssigkeit entleert. 

9. November. Einmaliges Erbrechen, Kopfschmerzen, 
Schwindel. Rigidität der Muskeln, sowie Schmerzhaftigkeit im 
Nacken und Rücken geringer. Subjektives Befinden besser. 

10. November. Enmaliges Erbrechen, Schwindel. Pupillen 
mäßig erweitert Der Patient sieht und hört gut. Lumbal¬ 
punktion mit negativem Resultat. 

11. November. Vom Abend bis 12 Uhr war der Patient 
unruhig und phantasierte. Der Patient ist schlaff und etwas 
apathisch. Muskelrigidität, sowie Nacken- und Rückeoschmerzen 
fast nicht vorhanden, ln den folgenden Tagen begann der 
Patient sich rasch zu erholen, aber am 18. November stellte 
sich plötzlich Verschlimmerung ein: Kopfschmerzen, Erbrechen, 
Erweiterung der Pupillen, aber fast keine Rigidität der Nacken- 
muskeln. Dieser Zustand dauerte 4 Tage, worauf sich der 
Patient erholte und am 27. November beschwerdefrei entlassen 
wurde. Ausser der Lumbalpunktion bekam der Patient Chinin, 
Morphium und Wannenbäder. In der entleerten Flüssigkeit 
ergao die bakteriologische Untersuchung Meningococcen. 

Alle diese Patienten wohnen in Petersburg schon seit 
längerer Zeit, sodass die beschriebene Epidemie zweifellos eine 
lok^e war. Ich muss bemerken ^ dass nach den ersten vier 
Kranken, die innerhalb eines Monats nacheinander eingeliefert 
wurden, eine ziemlich grosse Pause von über 2 Monaten 
eingetreten ist, worauf innerhalb einer Woche wiederum vier 
äh^che Fälle eingeliefert wurden. Das neue Aufflackem der 
Epidemie fiel zeitlich mit dem Eintritt kalter Witterung zu¬ 
sammen, also mit einer Zeit, die als eine für die Entwickelnng 
der Epidemie sehr günstige bezeichnet wird. Die Fälle 2, 5 
and 6 sind besonders interessant und beachtenswert. Die 
bakteriologische Untersuchung ergab im Fall 2 ausser Meningo¬ 
coccen noch einen Bazillus, der dem Influenzabazillus ähnlich 
war, im Fall 5 Meningococcen und Staphylococcen. Diese Be¬ 
funde sprechen dafür, dass auch eine gemischte Infektion mög- 


Verwandten von ihm fernzuhalton. Erst an dem Tage, wo er 
ihn zum erstenmal spazieren gehen lässt, gibt er die Wahr¬ 
heit kund und wird natürlich mit Heftigkeit zur Rede gestellt. 
Lassen wir ihn jetzt selbst reden und beherzigen wir das, was 
er so jovial vorbringt: 

„Eine Notlüge, gnädige Frau und liebe Herren, eine Not¬ 
lüge, ohne welche der rechtschaffenste Mann, absonderlich aber 
der Arzt, nicht durch dieses Jammertal kommt. Denn wollte 
der Arzt immer die Wahrheit sagen, so würfen sie ihn zum 
Hause hinaus. 

Wenn man wie ich eine Reihe von Jahren doktert, wenn 
man seine von vielen Rezepten nicht mehr abhängende Praxis 
hat, so beginnt mau ohne Scheu einzugestehen, dass die Natur 
doch zuletzt der Geheime Medicinalrat oder Öbermedicinalrat 
ist. Wir Aerzte sind nur schärfere Zeugen der Natur, hören 
feiner, was sie flüstert und wispert, als andere Menschen, sonst 
aber sind wir keine Hexenmeister. Der Natur, wenn sie leise 
sagt: Bitte! bitte! die Bitte zu gewähren, Alles fern zu halten, 
was sie in ihrem Gange stört, das ist unsere ganze Kunst. Die 
Krankheiten werden meistenteils nur gefährlich durch Gelegen¬ 
heitsursachen, welche das Walten der Natur stören. Auch dieser 
Blutsturz wäre bei der vortrefflichen Konstitution des Herrn 
Grafen wahrscheinlich ganz von .selbst geheilt, das Blutgefäss, 
welches sich ergossen hatte, hätte sich mit Ruhe und höch- 
tens etwas zusammenziehend Säuerlichem von Natur geschlossen. 


lieh ist Solche Beobachtungen sind auch in der Literatur 
vorhanden. So fanden Gaffky und Lingelsheim Meningo¬ 
coccen samt Staphylococcen und Strej^ococcen; Osler fand 
Pneumococcen mit Meningococcen. Hnnter und Nuttal 
Meningococcen mit Influenzabazillen und Kochschen Bazillen 
usw. (M. Breitmann). Noch interessanter ist Fall 6, in dem 
die mikroskopische Untersuchung der Organe einerseits zweifel¬ 
lose Symptome von beginnender Tuberkulose ergab, während 
die bakteriologische Untersuchung andererseits mit ebensolcher 
Sicherheit das Vorhanden‘;ein von Meningococcen feststellen 
Hess. Dass ein Tuberkulöser wie jeder andere an Meningitis 
cerebrospinalis erkranken kann, nnterliegt natürlich keinem 
Zweifel. Man muss sich diesen Fall folgendermaßen vorstellen: 
Der Patient litt an chronischer Tuberkulose; zu dieser gesellte 
sich nun Meningitis cerebrospinalis hinzu, welche eine Exacer¬ 
bation des alten Prozesses bewirkt hat 

Auf Grund meiner Fälle glaube ich nun folgende Schlüsse 
aufstellen zu können: 

1 . Von sämtlichen Mitteln, die zur Behandlung der Menin- 

f itis cerebrolspinalis vorgeschlagen sind, ist die Lnmbalpunktion 
as beste; einerseits, weil sie die quälendsten Symptome der 
Krankheit, nämlich die Schmerzhaftigkeit und die Rigidität der 
Nacken- und Rückenmuskeln mindert, andererseits, weil sie 
dadurch, dass zugleich mit der Flüssigkeit eine Menge In- 
fektionsstoff aus dem Organismus entfernt wird, wahrscheinlich 
auch den Kampf des Organismus mit der Krankheit erleichtert 
und die Aufsaugung des Exsudats beschleunigt 

2. Das gleichzeitige Vorkommen von zwei verschiedenen 
Mikroorganismen bei Meningitis cerebrospinalis, bestätig die 
Ansicht Dienlafoy’s, dass es keine Meningitis cerebrospinalis, 
sondern cerebrospinale Meningitiden gibt 

Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflieht, dem Chef 
des Krankenhauses, Herrn A. A. Netschaew, für die liebens¬ 
würdige Ueberlassung des Materials zu dieser Arbeit an dieser 
Stelle meinen verbindlichsten Dank zu sagen. 

Literatur: 

1. Aufrecht. Fälle von Meningitis cerebrospinalis. Deutsche med. 
Wochenschrift, 1880. 

2. Baginsky. Lehrbuch der Kinderkrankheiten. 

3. Biedert. Lehrbuch der Kinderkrankheiten. 

4. M. I. Breitmann. Epidemische Meningitis cerebrospinalis. Gratis¬ 
beilage zur Wratschebnaia Gazetta 1905. Nr. 25. 

5. J. S. W oroschilski. Wratsch 1895. 

6. Qrinther. Zur Bakteriologie. 

7. Dioulafoy. Lehrbuch der inneren Pathologie. Band 8, Seite 4. 

8 Heubner. Zur Äetiologie und Diagnose der epidemischen cerebro- 
spinalmoningitis. Deutsche med. Wochenschrift, 1896. Nr. 27. 


Meine Weisheit hat nur darin bestanden, dass ich die der Natur 
feindliche Gelegenheitsursache entfernt zu halten wusste.“ 
„Welche Gelegenheitsursache meinen Sie?“ 

„Ihre und der übrigen verehrten Anwesenden Liebe, Freund¬ 
lichkeit, Besorgnis und Teilnahme an meinem Patienten. 0 
meine geschätzten Freunde, Sie glauben nicht, wie viele Kranke 
dem Arzte durch Liebe und Teilnahme der Angehörigen zu 
Grunde gerichtet werden! Zwar in den ersten Tagen lässt 
man den Leidenden wohl ruhig liegen und behandelt ihn ver¬ 
nünftig, aber späterhin, wenn es nun heisst, er bessere sich, 
oder er sei Rekonvaleszent, da beginnt ein wahrer Kultus 
des Krankenzimmers, in den Augen des gewissenhaften 
Arztes der schlimmste Teufelsdienst. V ergebens rufen die müden 
und zitternden Nerven: Lasst uns in Fnedenl Umsonst sehnt 
sich das in Unordnung gebrachte Blut nach Stille, fruchtlos ist 
es, dass die letzten Kohlen der Entzündung in sich verglimmen 
möchten — es hilft Alles nichts, besucht wird, gefragt wird 
nach dem Befinden, unterhalten wird, vorgelesen wird, soge¬ 
nannte kleine Freuden werden bereitet und voll Verzweiflung 
sieht man das Sch lach topf er der Liebe, was man gestern 
voll guter Hoffnung verliess, heute elend wieder. Deshalb 
sterben auch in Privathäusem verhältnismässig mehr Menschen 
als in wohlbeaufsichtigten Lazaretten, und darum pflege ich 
auf Kranke mit Umgebungen voll Liebe und Teilnahme, die 
ich nicht abhalten kann, von vorne herein doppelt so viel Zeit 
zu rechnen, als auf Kranke ohne liebevolle Umgebungen. 

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428 


M^D ICTNTSCHB WOCHE. 


Nr. 41. 


9. Jaeger. 'Epidemiologisches und Bakteriologisches Uber Cerebrospinal- 
meningitis. Ibidem, 1699. Nr. 29. 

10. Lenhartz. Ueber die epidemische Genickstarre. Deutsches Archir f. 

klin. Medicin, 1905. Band 84. 

11. Rojanski. Heisse Wannenbäder bei der Behandlung der epidemischen 

Meningitis cerebrospinalis. Medicinskoe Obosrenio 1904. 6oito 08. 

12. SchottmUller. UeberMeninffitiscerebrospinalisopidemk'a. Münchner 

med. Wochenschrift, 1905. Nr. 34, 36. 

13. Stadelmann. Ueber sporadisch und epidemische eitrige Cerebrospinal¬ 

meningitis. Deutsche med. Wochenschrift 1899. Nr. 29. 

14. StrUmpel. Spezielle Pathologie und Therapie. 

15. Felatow. Semiotik und Diagnostik der Kinderkrankheiten. 


Die Heilwirkung des Blutes. 

Von Dr. Hans Lungwitz-Halle. 

(Schluss.) 

Interessant sind ferner die Versuche mehrerer Autoren, die 
sie unternahmen, um festzustelien, welchen Einfluss das An¬ 
legen einer starkschnüreuden, die Zirkulation völlig hindernden 
Binde oder eines Gummischlauches z. B. am Oberschenkel auf 
die Resorption und Verbreitung von Giftstoffen habe, die man 
unterhalb von der Binde injizierte. Die Versuche ergaben, 
dass, solange die Binde lie^, keine Vergiftungserscheinungen 
eintreten, ebenso dann nicht, wenn die Binde nach einigen 
Stunden gelöst wird, da das Gift durch das lebendige Gewebe 
unterdes irgendwie paralysiert worden ist. Es bat also die 
gute, alte Sitte, sich vor den Folgen von Bissen giftiger Tiere 
durch Abbinden der verletzten Glieder zu schützen, volle Be- 
rechti^ng. Das Vorbild hierzu liefert wiederum die Natur, 
die in Körperteilen, welche von Schlangenbissen verletzt worden 
sind, alsbald eine absolute Zirkulationsstockung eintreten, um 
den Körper vor dem Gift zu schützen, und lieber ein Glied 
brandig werden und absterben lässt, ehe sie den ganzen Menschen 
opfert 

Ein weiterer Beweis für die Resorptionskraft des Blutes 
liegt darin, dass bei infizierten Wunden, bakteriellen Er¬ 
krankungen das Fieber durch Anlegen der Stauungsbinde so¬ 
fort abföllt, beim Abnehmen wieder steigt, weil wiederum 
bakterische Giftstoffe in den Kreislauf gelangen konnten und 
durch ihre Verbrennung die Temperatur gesteigert wurde. 

Aber nicht nur wässrige und wasserlösliche Stoffe vermag 
die Hyperaemie zn beseitigen, auch feste Gebilde wie Sehnen¬ 
knoten, Gelenkwucherungen und -Versteifungen, Blutgerinnsel, 
Narbenzüge unterliegen ihrer heilenden Wirkung, oft 


Hier nun sah ich einen ganzen Herd von Liebe und Teil¬ 
nahme, als ich zum Grafen berufen wurde. Edle Empfindungen, 
über die mir nicht einfällt zu spotten, welche mir aber als 
Arzt nur als ebenso viele widrige Gelegenheitsursachen und 
Indikationen erscheinen mussten, dass der Patient, befragt, be¬ 
sprochen, unterhalten, durch Vorlesungen aufgeregt und durch 
kleine Freuden im entzündlichen Stadio verzögert, leicht seine 
paar Monate abliegen könne. Deshalb griff ich zu der Not¬ 
lüge, dass er in grosser Gefahr sei, dann folgte die einfache 
Gefahr, dann die langsame Hebung der Kräfte, und auf heute 
endlich wurde die Wirkung einer entscheidenden Krise ver¬ 
brochen. Er war aber nie, verehrte Anwesende, in grosser 
Gefahr und kehrte nach den ersten zehn Tagen schon mächtig 
zu. Einem Kranken tut Niemand Not, als Einer, der 
ihm zu den bestimmten Stunden die Arznei reicht 
und allenfalls ein verschobenes Kissen zurecht¬ 
legt; und dann Langeweile, o du nicht genug zu 
preisende Göttin des Siechbetts! Man sollte Hygieen 
gähnend darstellen, denn es ist nicht auszusagen, welche Riesen¬ 
schritte die Besserung macht, wenn der Leidende weiter gar 
nichts zu tun hat, als zu gähnen.“ 

2 . Ein Laien-Urteil über „Nervosität“ aus dem 
Jahre 1836. 

Nach dieser Ueberschrift könnte die vielgeliebte Neurasthenie, 
die man im allgemeinen ja als ein Nesthäkchen unter der ge- 


dann noch, wenn der Arzt keine andere Hilfe mehr weiss als 
eventuell die operative Entfernung. Dass im Zustande der Ent¬ 
zündung eine Einschmelzung von Gewebe stattfindet (Auto¬ 
digestion oder Autolyse), ist schon oben erwähnt worden; es 
kann uns also diese Wirkung der Hyperaemie, die den Vorgang 
der Entzündung getreulich nachahmt, gar nicht wundernehmen. 
Von der Mobilisierung chronisch versteifter Ge¬ 
lenke kann man schon nach kurzer Behandlu^ die über¬ 
raschendsten Erfolge sehen. Bier führt diese Wirkung der 
Hyperaemie, die übrigens bei aktiver wie passiver gleich ist, 
auf die lösende Kraft des Blutes zurück; welche Bestandteile 
des Blutes diese lösende Kraft haben oder ob bei der Hyperaemie 
Fermente oder Enzyme, die vorher an Zellen gebunden waren, 
frei werden und diese schmerzlose und vollständige Beseitigung 
von Wucherungen, Verwachsungen usw. bewirken, das zu er¬ 
örtern, gehört nicht in den Kähmen dieser Mitteilungen. 

Haben wir so gesehen, dass aktive und passive Hyperaemie 
schmerastillend und auflösend, dass die venöse heilend auf 
chirurgische Infektionskrankheiten einwirkt, dass die arterielle 
die Aufsaugung befördert, so ist noch eine Frage offen, die 
von Bier in klarer und überzeugender Weise experimentell 

f elöst worden ist; ist die Hyperaemie imstande, Umfang und 
!raft eines Körperteiles zu heben und anderseits die Ausfüllung 
von Gewebslücken mit lebendigem Material zu befördern, mit 
andern Worten; hat die Hyperaemie ernährende Wir¬ 
kung? Aus den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts 
sind uns einige Fälle überliefert, wo nach Verstopfung von 
Venen durch Blutgerinnsel eine erhebliche Massenzimahmo 
(Hypertrophie) des betroffenen Gliedes eintrat; freilich zeigten 
die übermäßig dicken Muskeln eine viel geringere Kraft als 
die dünneren gesunden, und dies lässt vermuten, dass es sich 
wohl um eine beginnende Degeneration der Muskelfasern ge¬ 
handelt hat. Jedenfalls lehrt uns die Betrachtung dieser Fälle, 
dass eine derartig hochgradige Stauung, wie sie bei Verstopfung 
der Blutadern statthat, künstlich nicht angewandt werden darf. 

Dass eine mäßige Steigerung der Durchblutung einen 
Reiz auf das Wachstum ausübt, sehen wir z. B. im Sommer 
an unseren Haaren und Nägeln; auch in der Nähe von Ge¬ 
schwüren entzündlicher Natur macht sich, wie oben erwähnt, 
ein lebhaftes Wachstum der zelligen Elemente und des Binde¬ 
gewebes (Regeneration) bemerkbar. Pflanzt man den Sporn 
eines Hahnes in das äusserst blutreiche Gewebe seines Kammes 
ein, so wächst es zu stattlicher Grösse heran. 

Besonders deutlich ist der ernährende Einfluss der Hype¬ 
raemie auf die Knochen. Schon Langenbeck stellte im 
Jahre 1869 den Satz auf, dass Krankheitsursachen, die Reizung 


waltigen Kiiiderschaar der Madame Pandora betrachtet, in 
diesem Jahre ihren siebzigsten Geburtstag feiern. Gratulor. 

Derselbe deutsche Dichter, der uns soeben in ausgezeich¬ 
neter Weise über Krankenbehandlung aufgeklärt hat, Karl 
Immerraann, nimmt in seinen zweiten, hochberühmten, leider 
auch gar nicht mehr gelesenen Roman „Die Epigonen“ Ge¬ 
legenheit, einen Arzt sich über Nervenübel ausseru zu lassen. 
Das Auftreten eines Arztes in beiden Werken, und zwar in 
bedeutender Rolle, legt die Vermutung nahe, dass Immer¬ 
mann vielleicht ein verunglückter Mediciner gewesen sei. Das 
war nun keineswegs der Fall; Immermanns Lebensstellung 
- denn vom Dichten allein konnte man dazumal noch weniger 
leben als heute, wo unsterbliche Meisterwerke wie „Charleys 
Tante“ und ähnliche noch etwas einbringen — war die eines 
Landgerichtsrats. Wir haben also einen ungemein geistvollen 
medicinisclien Laien vor uns, der ernst über Probleme allge¬ 
meinen Interesses nachgedacht hat. Und so legt er dem Arzte 
in den „Epigonen“ folgende inhaltsschweren Worte in den 
Mund: „Der Arzt hat eine grosse Axifgabe in der Gegenwart 
zu lösen. Krankheiten, besonders die Nervenübel, wozu seit 
einer Reihe von Jahren das Menschengeschlecht vorzugsweise 
disponiert ist, sind das moderne Fatum. Was in frischeren, 
kurzer angebundenen Zeiten sich mit einem Dolchstosse, mit 
andern raschen Taten der Leidenschaft Luft machte, oder 
hinter die Mauern des Klosters flüchtete, das nagt jetzt in¬ 
mitten scheinbar erträglicher Zustände langsam an sich, unter- 

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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


429 


und Hyperaemie des Knochengewebes veranlassen, eine Zu¬ 
nahme des Knochens an Länge und Dicke, so lange er über¬ 
haupt noch wächst, zur Folge naben. In der Folgezeit hat sich 
erwiesen, dass nur die dauernde venöse Hyperaemie eine solche 
Wirkung auszuüben vermag, und dass deren Anwendung in 
der Praxis durchaus zweckmäßig ist, z. B. wenn es gilt, im 
Wachstum zurückgebliebene Knochen zum Länger- und Dicker¬ 
werden anzuregen. Die Hyperaemie wurde früher durch Ein¬ 
schlagen von Elfenbeinnägeln, durch Brennen und Aetzen der 
Knochenhaut herbeigeführt, Eingriffe, durch die künstlich ein 
Entzündungsreiz gesetzt werde. Das harmloseste Verfahren ist 
auch hier die Stauungshyperaemie: sie erreicht den gleichen 
Effekt und ist doch bei weitem nicht so eingreifend wie die 
genannten heroischen Methoden. 

Während die ernährende Beeinflussung des Knochens, der 
Haare, der Nägel und anderer epithelialer Gebilde, d. h. also 
passiv fungierender Gewebe durch Hyperaemie zweifellos er¬ 
wiesen ist, ist es bisher noch nicht gelungen, Muskeln, Nerven, 
Drüsenepithelien, Gefässe, also aktiv fungierende Gewebe zur 
wahren Hypertrophie zu bringen. Es ergibt sich daraus, dass 
es nicht möglich ist, durch Hyperaemie fertig entwickelte 
Glieder zu weiterem Wachstum anzuregen. Wenn bisweilen 
ein derartiger wunderbarer Fall beschri^en wird, der dieser 
Ansicht zu widersprechen scheint, so ist das wohl so zu er¬ 
klären, dass durch Hebung der Grundkrankheit ein bisher im 
Wachstum zurückgebliebener Knochen oder Körperteil das 
Versäumte nachgeholt hat. 

Was den zweiten Teil der behandelten Frage angeht, so 
ist der Einfluss der Hj'peraemie auf die Regeneration von Gewebe 
eine allgemein anerkannte Tatsache. Bei Knochenbrüchen, die 
keine Tendenz zur Heilung zeigen oder Pseudarthrosen bilden, 
ferner bei akut entzündeten Gelenken, bei tuberkulösen Granu¬ 
lationen, dann auch bei Erfrierungen hilft die Hyperaemie mit 
geradezu verblüffender Schnelligkeit, und zwar ist es, wie durch 
zahlreiche Experimente erwiesen ist, gleichgiltig, ob man arte¬ 
rielle oder venöse Hyperaemie anwendet. Auch hierbei tritt der 
Unterschied im Verhalten der Gewebe mit aktiver und passiver 
Funktion in dem oben angegebenen Sinne zu Tage. Von dieser 
Wirkung hat man im verkleinertem Maßstabe ebenfalls schon 
lange durch Applikation von warmen Priessnitz- oder Breium- 
semägen oder von chemischen Reizmitteln (Terpentinöl, Höllen¬ 
stein usw.) unbewusst Gebrauch gemacht. 

Es berührt uns eigentlich, wenn durch die Tatsache, dass 
die venöse Hyperaemie ebenso ernährend wirkt oder vielleicht 
noch stärker als die arterielle, unsere bisherige Meinung um- 
gestossen wird, dass das arterielle, mit Sauerstoff gesättigte 

gräbt sich von innen aus, zehrt unbemerkt an seinen edelsten 
Ijebenskünsten, bis dann jene Leiden fertig und ausgebildet 
dastehn. 

Zwischen diese verlarvten Schicksale ist nun der Arzt ge¬ 
stellt. Er muss, will er seinen Beruf mit Weisheit erfüllen, 
ein Eingeweihter sein, Gott und die Welt im Busen tragen, 
er muss gewissermaßen das Amt eines Priesters und Hiero¬ 
phanten üDen. Mittel und Wege hat er aufzufinden, wozu ihm 
me materia medica keine Anleitung gibt. 

Unsrer Wissenschaft steht überhaupt eine Umbildung be¬ 
vor, und wenn es erlaubt ist, der Entwicklung der Dinge vor¬ 
zugreifen, so möchte ich sagen: Wir werden uns der antiken 
Richtung wieder näher anschliessen. Lange genug haben wir 
mit Pulvern und Pillen die Natur zu zwingen gewähnt, oder 
den Leib an das Kreuz des Systems geschlagen, in Zukunft 
werden wir mehr beobachten. Selbst der Auswuchs der jetzigen 
Heilkunde, die Homöopathie, deutet schon diesen richtigeren 
Weg an, wenn sie verschmäht, die sogenannten innem Ursachen 
analysierend sich zur Anschauung zu bringen, in welcher 
isolierten Analysis auch eigentlich nichts mehr vorhanden ist, 
was dem Arzte einen Fingerzeig geben könnte.“ 

Inwieweit sich diese Prophezeiung bewahrheitet hat, das 
zu entscheiden, bleibt jedem der freundlichen Leser selbst über¬ 
lassen. (Schluss folgt.) 


Blut für die Ernährung und das Wachstum viel wertvoller als 
das venöse sein müsse. Und doch brauchen wir nur die 
Beispiele zu betrachten, die uns Unsere Lehrmeisterin Natur 
wiederum gibt, um die richtige Anschauung zu gewinnen. 
Welch mächtiger Gewebsaufbau vollzieht sich oei der Mensch¬ 
werdung, bei der Entwicklung des Embryo zum lebensfähigen 
Kinde! Und diese dazu notwendigen gewaltigen Mengen N^r- 
material entzieht der Fötus einem viel eher venös als arteriell zu 
nennenden Blute; hier flndet, wie Bier sagt, die „grossartigste 
Stauungshyperaemie statt, welche wir irgendwo am menschlichen 
Körper zu sehen bekommen.“ *) Freilich leistet der Embryo 
keinerlei Arbeit. Wo Arbeit verrichtet wird, ist ein entsprechen¬ 
des Quantum Sauerstoff nötig, den wir nur aus dem arteriellen 
Blute beziehen können, und ist ein raschfliessender Blutstrom 
erforderlich, der die bei der Verbrennung im tätigen Organ 

f ibildeten Zersetzungsstoffe vollständig und bald entfernt 
it überzeugender Deutlichkeit folgt hieraus, dass die funk¬ 
tionelle Hyperaemie eine arterielle, die den Aufbau, die Er¬ 
nährung der Körpersubstanz unterhaltende, eine venöse {ist. 
Anderer Meinung sein Messe blind den alten Traditionen an- 
hängen, die freilich allein durch ihr Alter vielen sanktioniert 
zu sein scheinen. 

Man wird sich überzeugt haben, dass die „Entdeckung“ 
der Hyperaemie als Heilprinzip einen hochwichtigen Fortschritt 
in der Therapie bildet Es sind in vorstehenden Zeilen bei 
weitem nicht alle Krankheiten erwähnt worden, die durch die 
Hyperaemie günstig beeinflusst und geheilt werden können. 
Um eine annähernd umfassende Vorst^lung von der gewaltigen 
Ausdehnung der Wirkungsweise der Hyperaemie zu geben, seien 
im folgenden die Erkrankungen mit generellen Namen an¬ 
geführt, bei denen die Hyperaemie erfolgreich angewandt worden 
ist: lokale Infektionskrankheiten (infizierte Wunden, Furunkol, 
Carbunkel. Pflegmone usw.), Tuberkulose in ihrer chirurgischen 
Form (Gelenk-, Hauttuberkulose usw.), akute Entzündungen, 
akute Eiterungen an den Gliedern und am Kopf (Stauungsbinde 
um den Hals), chronische Versteifungen der Wirbelsäule, der 
Gelenke (chronischer Rheumatismus, deformierende Gelenk¬ 
entzündung, gonorrhoische, traumatische Gelenkversteifung; 
Wirbelsäulenverkrümmung), frische subkutane (nicht offne) 
Verletzungen, Gelenkergüsse, Oedeme, Elephantiasis, Neuralgieen 
und andere Schmerzen, Gefässerkrankungen, Aderbeine, „wunde 
Füsse“, Erfrierungen. 

Bei der Bedeutung des Blutes als Heilmittel wie überhaupt 
als „flüssiges Organ“ für den Körper ist die Mahnung sehr 
am Platze, für die normale Beschaffenheit dieses „besonderen 
Saftes“ so sehr als möglich Sorge zu tragen. Kreiste nicht so 
vielen Menschen ein scnlechtes, krankes Blut in den Adern, so 
wäre der Prozentsatz der Tuberkulösen, Rheumatiker und 
anderer chronisch Infizierter viel geringer. Mit der ungesunden 
Beschaffenheit des Blutes ist eine Herabsetzung der Wider¬ 
standsfähigkeit gegen bakterielle Invasion sowie ein Unvermögen, 
die vollzogene Infektion zur Ausheilung zu bringen, verbunden. 
Eine Verbesserung des Blutes und damit einer jeden Zelle des 
Körpers kann nach unsern bisherigen Erfahrungen nur durch 
eine Allgemeinbehandlung eraielt werden, d. h. durch physikalisch- 
diätetiswie Methoden, durch deren instinktive Hochschätzung 
das Laienpublikum manchem Arzte an Einsicht weit überlegen 
ist, und denen ohne Zweifel die Zukunft gehört. Die Allge- 
meinbehandluDg gibt als Therapie den Kranken, als Pro^y- 
laxe den „Gesun&n“. In ihren Bereich gehören sanitäre Ein¬ 
richtungen aller Art, gehört die Hygiene des Säuglings- wie 
das Mannesalter, gehört eine vernünftige Lebensauffassung, 
gehört mehr Annäherung an die Natur. Solange wir glauben, 
dass wir von Gott als fertiges Produkt in die Welt gesetzt 
worden sind, solange wir nicht stolz darauf sind, das vorläufige 
Endglied in der Entwicklungsreihe der organischen Wesen dar¬ 
zustellen, solange wir das Natürliche verpönen und es für un¬ 
anständig halten, uns damit zu befassen, wird es uns kaum 
elingen, uns den Reichtum, den ein gutes, gesundes Blut und 
amit ein gesunder Körper und Geist repräsentieren, zu ge¬ 
winnen. 


*) A. Bier, Hyperaemie als Heilmittel, 2. Aufl. 1905, pag. 222. y 

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430 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 41. 


Sechste ärztliche Studienreise. 

Von B. Singer, Berlin. 

Mit einem tragischen Ereignis begann die diesjährige Stu¬ 
dienreise der Deutschen Aerzte, welche etwa 130 Teilnehmer 
umfasste: Der während der Eröffnungssitzung in den Vorräumen 
der medicinischen Klinik zu Heidelberg ganz plötzlich und 
allen unerwartet eingetretene Tod von Prof. Vierordt, kurz 
vor dem Beginn seines Vortrages, warf düstere Schatten auf 
die Versammlung und Hess an diesem Tage keine rechte 
Stimmung mehr aufkommen. Und mit einer ernsten, würde¬ 
vollen Trauerfeier für den anfangs dieses Jahres verstorbenen 
Begründer und Generalsekretär der Studienreisen, Hofrat Gil¬ 
bert, endete in Baden-Baden die Reise. Aber was zwischen 
dem trüben Anfang und dem ernsten Ende lag, die ganze 
Reise war ein voller harmonischer Klang, war ein ungetrübter 
Genuss an den Heblichen Schwarzwaldlandschaften, die wir in 
den tagelangen Wagenfahrten über den Kamm des Gebirges 
zu sehen bekamen, war Freude über das fast andauernd herr¬ 
liche Wetter, über die überall gefundene herzliche Aufnahme, 
Wohlgefallen an den Einrichtungen und den Fortschritten der 
von uns besuchten Kurorte und Sanatorien, Freude über den 
heiteren Sinn der Einwohner, nicht zuletzt aber auch Freude 
darüber, dass man oft genug unter gleichgesinnten Kollegen 
den ernsten Mann der Wissenschaft beiseite legen und Mensch 
unter Menschen sein durfte, und dass man so manchmal inter 
pocula, beim Biere, nach den anstrengenden offiziellen Diners 
sich wieder in die alte fröhliche Studentenzeit versetzt fühlte. 
Aber es wurde auch fleissig gearbeitet Nulla dies sine linea, 
kein Tag ohne zwei, drei und noch mehr Vorträge; an jedem 
Kurorte, Sanatorium oder Lungenheilanstalt hielten die dort 
ansässigen Badeärzte Vorträge über Indikationen und Kurmittel. 
Aber damit nicht genug, hatte das Komitee diesmal die ausser¬ 
ordentlich dankenswerte und mit grossem Beifall be^üsste 
Einrichtung getroffen, dass einige Universitätslehrer aus Berlin, 
Jena, Heidelberg, Tübingen und Strassburg zusammonfassende 
Vorträge aus ihrem Spezialgebiet hielten, welche die das Gros 
der Teilnehmer bildenden Aerzte aus kleineren und mittleren 
Orten besonders interessierten. Die Namen von Krehl, 
Strauss, Strassmann, Romberg und Kionka zeugten 
davon, dass das Komitee die richtigen Männer gefunden hatte. 
Auch sonst hatte das Komitee seine auf fünf vorhergehenden 
Studienreisen gewonnenen praktischen Erfahrungen wieder 
bestens verwertet und zum Teil noch ausgebaut, so dass 
wirkHch, was Bequemlichkeit und Komfort des Reiaens, sowie 
Organisation anbetrifft, nicht viel zu wünschen übrig blieb. 
Dass kleine, nahezu unvermeidliche Fehler vorkamen, dass 
nicht alle Teilnehmer immer in den größten und neuesten 
Hotels untergebracht werden konnten, lag häufig an dem in 
mdem Ort konstituierten Lokalkomitee und an den durch die 
Besuchsfrequenz bedingten beschränkten Unterkunftsverhält¬ 
nissen. 

Den Nutzen der ärztlichen Studienreisen leugnet wohl 
heute kein vernünftiger Mensch mehr, und die Zahl derjenigen 
Aerzte, welche schon an mehreren derartiger Reisen teilge¬ 
nommen haben, wächst immer mehr und beweist, dass ge¬ 
meinschaftlich ausgeführte Reisen, zumal bei derartig guter 
Organisation, nicht bloss bequemer, sondern auch weit instruk¬ 
tiver sind, als das Besuchen der Kurorte durch einzelne Aerzte. 
Ihre Bedeutung ist auch durch die maßgebenden Behörden an¬ 
erkannt worden und sie sind nicht nur, als wichtiger Faktor 
im ärztlichen Fortbildungswesen, dem Kaiserin Friedrich-Haus 
als selbständige Abteilung angeschlossen worden, sondern zwei 
Behörden, das Reichsgesundbeitsamt und das Reichsmarineamt, 
haben auch zum ersten Male je einen Vertreter als Teilnehmer 
an der Reise entsandt. 

Mit der Besichtigung der drei württembergischen Lungen- 
heilanstalton in Schömberg begann die eigentliche Studien¬ 
reise. In einer hochgelegenen flachen Talmulde gelegen, kann 
man den Ort nur als günstig gewählt bezeichnen; von den 
Anstalten kann aber nur die „Neue Anstalt“ durch ihre Lage 
unmittelbar am und im Walde befriedigen. Am selben Abend 


wurde noch das altberühmte Wildbad erreicht, dessen heil¬ 
kräftige Bäder durch ihre geschmackvolle Anlage, Gesell¬ 
schaftsbäder mit Flusssand, in prächtigem maurischen Kuppel¬ 
bau, bei allen Teilnehmern viel Zuspruch fanden. Ein einfacher, 
sehr schön gelegener Kurort ist Teinach, der eine gut einge¬ 
richtete Kaltwasserheilanstalt besitzt, in deren Keller die er¬ 
frischende, kohlensäurehaltige Hirschquelle entspringt. Höher 
hinauf, nach den Höhen des Kniebis, brachten uns am nächsten 
Tage die Wagen, bis wir abends das noch stark besuchte 
Rippoldsau erreichten. Seine natürlichen Kohlensäurestahlbäder 
und seine (von ausserhalb importierten) Moorbäder ziehen 
immer ein sehr gutes Fremdenpuolikum an, umsomehr, als die 
in einer Hand vereinigten durchaus modernen Hotels keinen 
Luxus und Komfort vermissen lassen. Ueber die Höhe (lOOO m) 
des Gebirges führt der Pass des Kniebis, und jenseits liegen 
die weniger bekannten einfacheren Bäder Petersthal und Freiers¬ 
bach. Eine längere Fahrt durch romantische Täler abwärts, 
dann eine zweistündige Eisenbahnfahrt und wir waren in Denz- 
Hngen, wo eine lange Reihe von Wagen bereit standen, welche 
uns zu dem erst vor kurzem eröffnetcn Glotterbad brachten, 
welches man wohl gern als eine Musteranstalt bezeichnen darf. 
Die Güte der Verpflegung, nebenbei auch der berühmte, etwas 
schwere Glottertäler Wem, lässt nichts zu wünschen übrig, 
wovon wir uns zu überzeugen Gelegenheit hatten. Etwas 
müde kamen wir am Abend in dem alten Römerbad Baden¬ 
weiler an, dessen alte Baderuine, sowie modernes Marmorbad 
mit durchsichtigem, blauen Wasser grosse Anziehungskraft 
ausübten. Auch der Besuch der durchaus modernen Lungen¬ 
heilstätten Friedrichsheim und Luisenheim (700 m hoch gelegen) 
und des Militärgenesungsheimes des 14. Armeekorps in Sulz¬ 
burg bot viel Interesse. Die nächsten Tage wurden durch 
längere Wagenfahrten durch die herrlichen Täler der Alb und 
der Wehra und Besuch der Kurorte St. Blasien und Todtmoos 
ausgefüllt. Ersteres hat eine altbekannte Wasserheilanstalt, 
verbunden mit einem geradezu ideal gelegenen Luft- und 
Sonnenbad, die Sandersche Lungenheilstätte und das neue 
Sanatorium Luisenheim, während Todtmoos durch seine den 
Gipfel der Sauberkeit und Hygiene erreichende Lungenheil¬ 
anstalt Wehrawald bekannt geworden ist. Hier vereinigte die 
Teilnehmer am Abend ein grosses Festessen zu Ehren der 
Feier des achtzigsten Geburtstages des Grossherzogs von Baden. 
Bei unfreundlichem, nasskalten Wetter erreichten wir am folgen¬ 
den Tage den Rhein und die Dampferfahrt bisKonstanz war, unter¬ 
brochen durch einen Besuch der Heilstätte für Herzkrankheiten, 
Schloss Marbach, ein etwas ungemütliches Vergnügen. Der 
Besuch des Konstanzerhof, prächtig, mit Ausblick auf den 
Säntis, am See gelegen, sowie der Binswangerscben Nerven¬ 
heilanstalt Bellevue füllten den nächsten Vormittag aus, daran 
schloss sich eine Rundfahrt auf dem Bodensee, während welcher 
das Komitee, bestehend aus den Herren von Leyden, Ott, Oliven, 
Meissner und Bassenge vom König von Württemberg im Fried¬ 
richshafen empfangen wurde. Den Glanzpunkt des Tages 
bildete aber der Empfang sämtlicher Teilnehmer durch das 
greise Grossherzogspaar auf der Insel Mainau, welcher wohl 
allen eine unvergessliche Viertelstunde sein wird. Die un¬ 
gezwungene Liebenswürdigkeit, Leutseligkeit und gänzlich un- 
ceremonielle Einfachheit, mit der die Unterhaltung geführt 
wurde, die wirklich rührenden Worte, welche der Gros^erzog 
nach einer begeisterten Ovation zum Abschied an uns richtete, 
machten auf alle einen tiefen Eindnick und lassen das herzliche 
Einverständnis zwischen Volk und Herrscherpaar, welches die 
soziale Fürsorge seinem „Ländle“ gegenüber auf das Höchste 
ausgebaut hat, leicht begreifen. — Nun ging es wieder nord¬ 
wärts; ein kurzer Besuch in Siegmaringen mit seinem alten 
hochgelegenen Schloss, dann wurde die Donauquelle bei Donau- 
eschingen besichtigt und der Abend fand uns in dem höchst¬ 
gelegenen Soolbade Deutschlands (700 m) Dürrheim, welches 
auch eine der stärksten Soolen (27%) besitzt. In einer Tiefe 
von 100 Meter stösst man auf eine 30 Meter mächtige Schicht 
Steinsalz, welches, durch das ablaufende Grundwasser in Soole 
verwandelt, durch eine mächtige Pumpenanlage direkt in das 
Badehaus und in das neueröffnete Kindersoolbad, eine Anstalt 
des Badischen Frauenvereins, geleitet wird. Diftr Höhenlage 

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1906. 


MBDICmiSCHB WOCHE. 


431 


bedinge bei unserem Aufenthalte, am 12. September, bereits 
eine Wachttemperatur von — IVa Grad Celsius. Die letzte 
Tagereise: die unvergleichlich schöne Schwarzwaldbahn, wohl 
die schönste Gebirgsbahn Deutschlands, die der Semmering- 
und Gotthardbahn wohl wenig nachsteht. In Triberg wurde, 
zum Besuche der romantischen Gutachfälle, des städtischen 
Schwimmbades und des Sanatoriums Dr. Kuhnemann, noch 
einmal Pause gemacht und dann näherten wir uns dem Ziele 
unserer Peise, dem schönsten und vornehmsten Bade Deutsch¬ 
lands, Baden-Baden. Die Badeeinrichtungen sind ja weltbekannt 
und in ihrer vornehmen Pracht unübertroffen; auch Sanatorien, 
wie das von Frey-Gilbert und Heinsheimer gibt es wohl wenige. 
Das Panorama vom alten Schloss bis zum blinkenden Rhein 
wird wohl als eines der herrlichsten in aller Erinnerung bleiben. 
Ein Abschiedsdiner, [eine anschliessende Fidelitas und Ex- 
Fidelitas: die Reise war zu Ende. Der grössere Teil der Teil¬ 
nehmer begab sich zur Naturforscherversammlung nach Stuttgart. 
Auf fröhliches Wiedersehen bei der nächstjährigen Studienreise! 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

GeseUschfxft für G^mrtshülfe und Gynäkologie 
zu Berlin» 

Sitzung vom 13. Juli 1906. 

Vorsitzender: Herr Olshausen, 

Herr Stöckel demonstriert eine Patientin mit grosser Blasen¬ 
scheidenfistel und Prolaps der Blasenwand durch die Fistel hin¬ 
durch. Entstehung durch protrahierte mit Forceps beendete Ge¬ 
burt. Während des fieberhaften Wochenbetts wurde ein Teil der 
Blasenwand nekrotisch ausgestossen. Eis fehlen der ganze Blasen- 
IxKlen, ein Teil der Scheide und die Harnröhre. Besprechung der 
in Betracht kommenden Operationsmethoden. 

Diskussion: Herr Koblauk, Herr Stöckel. 

Herr Olshausen berichtet über den weiteren Verlauf des 
in voriger Sitzung vorgestellten Falles von Chorionepithelioma 
malignum. Patientin ist, nachdem Lähmung beider Beine einge- 
treten war, an Hirnmetastasen gestorben. Bei der Sektion fanden 
sich Metastasen in Niere, Lunge, Leber und über dem Scheiden¬ 
gewölbe. Demonstration der rechten Lunge. 

Herr Hocheisen: Ueber Geburten unter Scopolamin- 
Morphium. Aus der Krönigschen Klinik wurde vor einiger Zeit 
von Gauss über 120 Fälle von Anwendung des Scopolamin-Morphium- 
Dämmerschlafes während der Geburt äusserst günstig berichtet 
und derselbe als absolut ungefährlich für die allgemeine Verwen¬ 
dung empfohlen. H. berichtet nunmehr über die bei einer Nach¬ 
prüfung an 100 Fällen in der Charitee gewonnenen Resultate. 

Die Injektionen wurden genau nach den Vorschriften von 
Gauss ausgeführt, nur wurden geringere Dosen verwandt. Die 
höchste Dosis Scopolamin betrug 1,3 mg. Die Höchstdose Mor¬ 
phium 2,5 cg. Injiziert wurde nur bei fest im Beckeneingang 
stehendem Kopf, verstrichener Cervix und FünfmarkstUck grossem 
Muttermund. 

Die sohmerzlindemde Wirkung versagte in 18 Fällen völlig, 
in 21 Fällen war sie gering, in 55 Fällen gut. 6 mal trat völlige 
Schmerzlosigkeit ein, 6 mal bestand völlige Amnesie. 

Nebenwirkungen wurden in 70% der Fälle beobachtet: 
Das Gesicht wird gedunsen, bläulich, die Pat. klagen über 
starkes Dorstgefühl, oft treten Kopfschmerzen, Erbrechen, 
SchwindelSchweissausbruch, motorische Unruhe, bisweilen auch 
Delirien auf. Der Gesamteindruck ist ein sehr unangenehmer, 
der einer Vergiftung. Nie kann man die Patientin verlassen, ein 
für die Privatpraxis sehr wichtiger Faktor. 

Die Wehen wurden 64 mal nicht beeinflusst, 21 mal in der 
Eröfinung, 15 mal in der Austreibung bedeutend abgeschwächt 
(Wehenpausen von 3, 4—6 Std.); 3 mal hörten sie völlig auf, 
4 mal wurde künstlicher Blasensprung notwendig. Die einzelne 
Wehe ist auf der Höhe nicht so kräftig wie normaler Weise. 


Die Bauohpresse w&r 15 mal erheblich, 4 mal sehr stark 
abgeschwächt, 4 mal völlig aufgehoben. 

6 mal wurden wegen der langen Geburtsdauer — Verlang¬ 
samung der kindlichen Herztöne — Beckenausgangszangen not¬ 
wendig. 

Die Geburtsdauer war in 50% erheblich verzögert, besonders 
die Austreibungszeit (bis zu 18 Std.). 

Während der Placentarperiode wurde 5 mal Atonie (da¬ 
von 1 tötliche) beobachtet. 13 mal dauerte die Placentarlösung 
über 1 Std. Dabei bestand eine gewisse Neigung zu ElrschlafPung 
des Uterus und Blutung. Im Wochenbett häufig Subinvolutio 
und in 20% Unregelmäßigkeiten in der Herzaktion, die sich in 
einem Fall von Mitralstenose zu bedenklichen Zuständen steigerte. 

Kontraiodiziert daher sicher in allen Fällen von Herz- und 
Zirkulationsstörungen, sowie stets daun, wenn eine Verzögerung 
der Geburt bedenklich werden könnte. 

Die Kinder sind meist zuerst lebensfriscb, bekommen aber 
dann oft eine starke Gysnose mit sehr schlechter Atmung (Oli- 
gopnoe). In 18% der Fälle. 3 Kinder sind nach der Geburt, 
1 in der Geburt gestorben. 

Auf Grund dieser Resultate kommt H. zu dem Schloss, dass 
der Skopolamin-Morphium-Dämmerschlaf durchaus nicht zu em¬ 
pfehlen ist, insbesondere nicht für die allgemeine Praxis. 

Diskussion: Herr v. Bardeleben schildert seine Eindrücke 
bei der Beobachtung des Dämmerschlafes, die ganz mit denen des 
Herrn Hocheisen übereinstimmen, und beschreibt noch ausführlich 
den oben erwähnten Fall von tötlicher Atonie 4 Stunden post partum. 

Herr Gauss (a. G.) vermag sich den Widerspruch zwischen 
den eben beschriebenen relativ ungünstigen Beobachtungen und 
seinen ausserordentlich günstigen Resultaten nicht zu erklären und 
glaubt auf Grund seiner Erfahningen doch bei der Empfehlung 
des Skopolamin-Dämmerschlafes beharren zu können. 

Herr Bumm bestätigt die Beobachtungen der Herren 
Hocheisen und v. Bardeleben. 

Herr Hooheisen: Schlusswort. Dr. G. Z. 


Schlesische GeseUschctft fü/r vaUrW/ndAsche Kultu/r, 


Klinischer Abend vom 16. März 1906. 


I. Herr Garre: a) Unterkieferresektionen: 

1. Junge mit wallnussgrossem Tumor in der Gegend des 
linken unteren Eickzahns wird vorgestellt; die Geschwulst ist seit 
6 Wochen langsam ohne Schmerzen gewachsen und ist auf starkem 
Druck etwas eindrückbar, wie eine Cyste. Nach Elxtraktion 
zweier kariöser Zähne entleerte sich nichts vom Tumor. Bei der 
vorzunehmenden Resektion soll eine schmale Spange des Unter¬ 
kiefers erkalten bleiben. 

2. 17jähriges Mädchen, bei dem wegen 5 Jahre lang be¬ 
stehender ebensolcher Geschwulst der Unterkiefer reseziert worden 
ist. Es handelte sich um ein Osteo-Sarcom. Zum Ersatz des 
Knochens war eine durchlöcherte biegsame Metallspange durch 
Naht an den Knochenenden befestigt worden und vollständig ein¬ 
geheilt. Um ein gutes Heilresultat zu erzielen, muss man darauf 
achten, dass die Zahorelhen genau aufeinander passen. Schwieriger 
ist es, wenn, wie bei Fall 3, der ganze linke Unterkiefer mit 
dem Gelenkköpfchen entfernt werden musste, Elrsatz zu schaffen. 
G. nimmt dann ein doppelt zusammengelegtes Stück Klavierdraht, 
das er in die richtige Form bringt und mit den stampfen Elnden 
in der Gelenkhöhle einheilen lässt. Das vorliegende Resultat ist 
ein sehr gutes. 

Im Anschluss daran stellt Herr Anschütz einen Studenten 
vor, der wegen Vogelgesicht operiert worden war. Das Kinn trat 
vorher sehr zurück und war stark nach der linken Seite gezogen. 
Der rechte Kieferast, der eigentümlich geformt war, wurde durch¬ 
trennt und wieder zusammengenäht, wobei das ^nn nach der 
anderen Seite hin verschoben, und ein guter kosmetischer Erfolg 
erzielt wurde. 


b) Herr Garre spricht dann über Resektion tuberku¬ 
löser Gelenke. Er ist im allgemeinen bezgl. der Resultate 
sehr skeptisch und bevorzugt daher die orthopädische Behandlung, 
nur beim Ellbogen- und Fussgelenk ist er für die Radikaloperation. 
Er stellte n. a, ein lOjähriges Mädchen vor, bei dem er wegen 


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432 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 41. 


Tuberkulose des Sprunggeleuks den Talus exstirpierfc und das 
ganze Fussgelenk nach König reseziert hatte. 14 Tage nach der 
Operation war das Kind beschwerdefrei; jetzt läuft es sehr gut 
und springt sogar vom Stuhl; ein Erfolg, der doch auf unblutigem 
Wege zum mindesten nicht so schnell zu erzielen gewesen wäre. 

c) Herr Gar re stellt darauf einen Mann vor, um zu zeigen, 
wie weit man bei der Lungen-Resektion gehen kann, ohne das 
Leben zu gefährden. Pat. war 1901 an Fieber und Husten mit 
Auswurf erkrankt; im Juni 1901 wurde er operiert, indem links 
3 Rippen reseziert und die gangränösen Herde aufgesucht und 
nach aussen geleitet wurden. Der linke TJnterlappen wurde aus¬ 
geschält, um ihn zur Vernarbung zu bringen; da dies nicht ge¬ 
lang, wurde er nach Resektion einer weiteren Rippe vollständig 
weggenommen. Das Zwerchfell ist links ganz in die Höhe ge¬ 
gangen. Zur Zeit besteht noch eine kleine Fistel. 

d) Bei einem Pat. waren durch Röntgen-Aufnahme 2 Steine 
im Nierenbecken festgestellt worden, bei der Pyelotomie fand 
dann Herr Garr6 aber nur einen; erst später entdeckte er den 
anderen im Urether, 5 cm von der Niere entfernt. 

TT . Herr Czerny; Pylorusstenosen: Typische Symptome 
sind 1. unstillbares Erbrechen, 2. sichtbare Peristaltik des Magens, 
3. leeres Abdomen bei bestehender (scheinbarer!) Obstipation. 

Spontanheilung tritt zuweilen ein, oft aber gehen die Kinder 
an Inanition zu Grunde. Ein Kind kann langsam bis 34% des 
Körpergewichts abnehmen, aber bevor dieses Minimum erreicht ist, 
muss an eine Operation gedacht werden. Bei dem einen der zwei 
vorgestellten Kinder wurde die Gastrostomie mit gutem Erfolge 
ausgeführt. Das zweite etwas ältere und stärkere Kind hatte vom 
ersten Tage an (sonst tritt es erst nach 14 Tagen auf) unstill¬ 
bares Erbrechen, während die anderen genannten Symptome 
fehlten. Da das Erbrechen auf keine Weise zu beseitigen, und 
das Kind schon sehr abgemagert war, wurde eine Probe-Laparotomie 
gemacht, und dabei wurden zahlreiche strangförmige Verwachsungen 
zum Teil unterhalb des Pylorus entdeckt, die, soweit als möglich, 
gelöst Wurden. Nach der Operation hörte das Erbrechen nicht 
ganz auf, wurde aber geringer, und das Körpergewicht ging nicht 
weiter herunter. Ueber die Prognose lässt sich nichts Sicheres 
aussagen. 

TTT. a). Herr Strümpell stellt einen Mann vor, der seit 
8 bis 10 Tagen an einer schmerzhaften Schwellung in der Gegend 
der II. und III. Phalangen der rechten Hand litt, nachdem vorher 
auch die Knie- und Fussgelenke erkrankt waren. Da der Mann 
Maler ist, handelt es sich nach St. um Arthralgia saturnina, Blei¬ 
gicht. 

b) Akute Poliomyelitis: Die Krankheit, die sonst nur bei 
Kindern bis zum 5. Lebensjahre vorkommt, befiel hier einen schon 
erwachsenen Mann von 18 Jahren. Schmerzen fehlten anfangs 
ganz, traten dann sehr heftig auf (bes. am Ileopsoas) und ver¬ 
schwanden bald wieder. Rechts ist Bewegung gut möglich, Streckung 
unmöglich; nur in Zehen ist geringe Bewegung. 

c) Chronische Poliomyelitis: Die subakute oder chro¬ 
nische Poliomyelitis wurde früher häufig diagnostiziert, aber meist 
handelte es sich um polyneuritische Fälle. Strümpell stellte 
einen Mann vor mit sicher festgestellter Diagnose. Es fing vor 
2 Monaten mit einer starken Darmaffektion an, die vielleicht durch 
Aufnahme toxischer Stoffe entstanden war. Dann trat allmählich 
eine Schwäche der Arme und Beine auf, die seit 4 Wochen zum 
Stillstand kam. Schmerzen waren nur ini rechten Arm. Pathog- 
nomonisch ist, dass die Refiexe erloschen, während die Sensibilität 
erhalten blieb. 

2. Syringomyelie: St. stellte einen 34 Jahr alten Lehrer 
vor, bei dem sich seit 4 Jahren eine Beeinträchtigung der Be¬ 
weglichkeit an Händen und Füssen bemerkbar machte. Das linke 
Bein war stark verdickt, sowohl im Knochen, wie in der Haut; 
das rechte war beweglicher, zeigte aber deutlichen Spasmus und 
erhöhte Reflexe; am Kreuzbein bestand Dekubitus. An Armen 
und Händen (Tenar und Hypotenar etc.) Muskelatrophie. Die 
linke Lidspalte imd Pupille sind eng; rechts nicht (Halsmark¬ 
lähmung). Sensibilitätsstörungen sind sehr ausgesprochen; Ther- 
malanaesthesie und Analgesie. Es ist also ein Fall von zentraler 
Gliose (Syringomyelie). 


IV. Herr Kolaczek: Fall von Conus-A ffektio n. 

Ein 37 Jahr alter gesunder Mann fiel 9 Meter herab auf den 
Rücken. Er konnte anfangs beide Beine nicht bewegen. Der 
Zustand besserte sich langsam, doch blieb beiderseits eine Atrophie 
bestehen: Anaesthesie war nur streckenweise (sogen. Reithose); 
Refiexe waren aufgehoben; Urin war anfangs retiniert, jetzt besteht 
Inkontinentia urinae, dünner Stuhl kann nicht zurückgehalten 
werden. Es muss eine Verletzung der Wirbelsäule und des 
Rückenmarks an der untersten Spitze (Conus) angenommen werden. 

V. Herr Perls demonstriert einen Fall von Sklerodermie 
Haut ist derb, Gelenke wenig beweglich. Lues wird zugestanden. 
Behandlung: Quecksilber, Schwitzbäder, Massage. Dr. Peritz. 


Österreich. 


Bericht über die XV* Vet'samnUting der Deutschen 
otologischen Ges^lschaft, 

(Schluss.) 

Hr. G oerke-Breslau: 1. Labyrinthveränderungen 

bei Genickstarre. 

Histologische Untersuchungen von 19 Schläfenbeinen von an 
Genickstarre verstorbenen Individuen ergab in 17 Fällen ausge¬ 
dehnte Veränderungen entzündlicher Natur in den verschiedenen 
Teilen des Labyrinths, meist mit bindegewebiger und knöcherner 
Konsolidierung des Exudats. Fast in allen Fällen waren einzelne 
Teile des Labyrinths von der Erkrankung verschont geblieben, 
in allen Fällen ausnahmslos die einzelnen Teile in verschiedener 
Stärke beteiligt. Infektionsweg: Dreimal Aquaeductus cochleae, 
einmal Aquaeductus vestibuli, elfmal der Nerv, in den übrigen 
Fällen ungewiss. Demonstration der Präparate. 

2. Demonstration mikroskopischer Präparate von: 

a) Empyem des Saccus endolymphaticus bei Labyrintheiterung. 

b) Isolierte Fistel des horizontalen Bogengangs. 

c) Völlige bindegewebige und knöcherne Verödung des Laby¬ 
rinths bei Mittelohrtuberkulose. 

Hr. W. Hölscher-Ulm; Ueber eine Erweiterung des 
Operationsgebietes des Ohren-, Nasen- und Halzarztes. 

Dem praktischen Bedürfnis folgend, werden Oto-, Rhino- und 
Laryngologie in der Praxis meist zu einem Spezialgebiet vereinigt. 
Der modern ausgebildete operierende Ohren-, Nasen- und Halsarzt 
beherrscht heute faktisch den grössten Teil der Kopf- und Hals¬ 
chirurgie — intracranielle Komplikationen der Ohreiterungen, ent¬ 
zündliche Erkrankungen und Geschwülste der Nebenhöhlen der 
Nase, Carotis- und Jugularisunterbindung, grosse Kehlkopfopera¬ 
tionen einschliesslich der bösartigen Neubildungen usw. 

Hölscher hat seit 4 Jahren zuerst die Chirurgie der nicht 
otogenen Schädel- und Gehirnerkraukungen und später der Ge¬ 
schwülste des Halses (insdesondere Kröpfe) usw. mit hinzugenommen, 
was er durch Vorlage einer grösseren Anzahl von Präparaten ver¬ 
anschaulicht. 

Er empfiehlt das gleiche Vorgehen auch den anderen ope¬ 
rierenden Ohren-, Nasen- und Halsärzten für die Praxis. Die ge¬ 
samte Kopf- und Halschirurgie bilde ein in sich abgeschlossenes 
Operationsgebiet, das sich zweifellos noch sehr gut entwickeln 
lasse. 

Den ersten Anspruch auf dieses Sondergebiet habe der Ohren-, 
Nasen- und Halsarzt, der heute schon den grössten Teil desselben 
beherrsche. 

Eine Berechtigung für sein Vorgehen findet Hölscher ausser 
•anderem auch darin, dass sich in der allgemeinen Chirurgie immer 
mehr Bestrebungen nach einer weiteren Teilung des zu gross ge¬ 
wordenen Gebietes zeigen, wodurch z. B. in neuester Zeit die 
chirurgische Orthopädie (umfassend die gesamte Chirurgie der Glied¬ 
maßen) entstanden sei. 

Hr. Kirchner-Würzburg: Apparat zu Operations¬ 
übungen am Schläfenbeine. 

Der von dem Vortragenden demonstrierte Apparat verfolgt 
den Zweck, die schwierigen Operationen am Ohre, wie Aufineisselung 
des Proc. mastoid., Radikaloperation, Eingriffe am Trommelfelle 
und an den Gehörknöchelchen auf bequeme und einfache Weise, 
der natürlichen Lage am Lebenden möglichstangepasst, an Schläfen¬ 
beinpräparaten einzuüben. 


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1906. 


MEDIGmiSGHE WOCHE. 


433 


Der Apparat, aus starkem Eisenblech gefertigt, lässt sich wie 
ein Schraubstock an eine Tischplatte befestigen, ist 15 cm hoch, 
die obere Platte 36 cm lang, 28 cm breit, die quadratische OefP* 
nnng in -der Mitte beti'ägt 12 cm. 

Durch eine Schieber* und Schraubenvorrichtung lässt sich das 
Präparat, das auf einer verstellbaren Platte eine feste Stütze hat, 
in dem Ausschnitt so unbeweglich fixieren, dass man Meisseiungen 
nnd alle nötigen Fräparierungen bequem vornehmen kann. Durch 
Aufrichtung der oberen Platte mittels einer BUgelvorrichtung kann 
man das Präparat aus der horizontalen Lage in eine mehr oder 
weniger aufrechte, vertikale Stellung bringen, auf diese Weise 
ähnliche Ijagerungsverhältnisse wie bei der Operation am Lebenden 
herrichten tmd auch mit Stirnlampe oder anderen Beleuchtungs- 
mitteln arbeiten. 

Der Apparat empfiehlt sich nicht bloss für den klinischen 
Unterricht, sondern besonders auch für Spezialärzte, welche sich in 
den schwierigen Operationen am Schläfenbeine einUben wollen. — 
Auch für andere Präparier- und OperationsUbungen lässt sich 
dieser Apparat verwenden, nach Bedarf auch in grösseren oder 
kleineren Dimensionen herstellen. 

Bj. Schönemann>Bem: Demonstration mikrosko¬ 
pischer Präparate über die pathologische Anatomie der 
Rachenmandel-Hyperplasie. 

Vorläufige Mitteilung über mikroskopische Befunde, welche 
zeigen, dass bei den lymphadenoiden Organen des Rachens die 
Lymphocyten auch durch Zerstörung des Epithels an die Oberfläche 
gelangen können. 

Hr. Schönemann-Bem: Zur Erhaltung des schall¬ 
leitenden Apparates bei der Radikaloperation. 

An der Hand von 2 Fällen, bei welchen Sch. in der gleichen 
Narkose, auf der einen Seite die typische Radikaloperation, auf 
der anderen dagegen die Radikaloperation mit Schonung der Qe- 
hdrknöchelchenkette (nach einem von Sch. beschriebenen Ver¬ 
fahren) aasführte, wird, neben diesem Operationsveriahren selbst, 
die Frage der Metaplasierung der Paukenhöhleaschleimhaut be¬ 
sprochen. 

Hr. Habermann-Graz: Zur Lehre von der professio¬ 
nellen Schwerhörigkeit. 

H. berichtet über die Ergebnisse teils klinischer, teils patho¬ 
logischanatomischer Untersuchungen über diese Krankheitsform. 
Elftere umfassten 107 Fälle, die durch langdauernde Einwirkung 
starker Geräusche auf das Ohr schwerhörig geworden waren. Es 
fand sich bei genauer Prüfung des Gehörs, dass zunächst besonders 
das Gehör für die hohen Töne abnahm, die Schwerhörigkeit aber 
nie einen solchen Grad erreichte, da.ss Flüsterstimme nicht mehr 
gehört worden wäre. 

Der zweite Teil der Untersuchung umfasste die genaue klini¬ 
sche und histologische Untersuchung von 5 Fällen, von denen 
zwei ausserdem an Arteriosklerose, einer an Neuritis acustica in¬ 
folge septischer Meningitis und zwei an Tabes gelitten hatten. 
Bei allen fand sich Atrophie des Cortischen Organs fortschreitend 
auf die Nerven der Lamina spiralis, während die Ganglienzellen 
im Spiralkanal meist gut erhalten waren. Bei mehreren war auch 
die SteigbUgelbasis mit dem hinteren Teil stark nach innen gerückt. 
Eine umschriebene Atrophie und Cysteubildung in der Stria vas- 
cularis in den ersten 2 Fällen wird auf die Arterio.sklerose zurück¬ 
geführt, ebenso wie die Infiltration mit Rundzelleu im Nerven und 
einmal auch in der Stria auf die Tabes in den beiden letzten 
Fällen. Bemerkenswert war, dass in dem einen Fall von Tabes, 
bei dem während des Lebens Schwindel mit Erbrechen und Auf- 
und Abschweben der Gegenstände vor den Augeu beobachtet worden 
waren, nach dem Tode eine starke Infiltration mit Lymphocyten im 
Nervenzweig der hinteren Ampulle gefunden wurde. 

Hr. Bloch-Preiburg i. Br.: Ueber Schwerhörigkeit bei 
Retinitis pigmentosa. 

Kurze Mitteilung von 8 Fällen von Pigmentdegeneration der 
Netzhaut. Bei allen konnte durch die genaue otologische Funk¬ 
tionsprüfung eine, mitunter nur unerhebliche, nervöse Schwer¬ 
hörigkeit ermittelt werden. 

Nur in einem Falle war sie wahrscheinlich mit Hyperostose 
der Labyrinthkapsel (Politzer) und beginnender Stap^ankylose 


kompliziert. In den vorgeschrittenen Fällen bestand, ähnlich der 
konzentrischen Einengung des Gesichtsfeldes der Retinitis pigmentosa 
eine konzentrische Einengung des Hörfeldes, jeweils ohne Er¬ 
krankung des Schallleitungsapparates. 

In zwei Fällen war Consanguinität der Ehen der Ahnen zu er¬ 
mitteln, in drei weiteren Erkrankungen des Sehorganes Blutsver¬ 
wandtschaft. 

Hr. Kümmel-Heidelberg: Bakte riolo gisch-klin ische 
Beobachtungen über akute Otitis media. 

Die bisher gebräuchliche Einteilung der akuten Mittelohrent¬ 
zündungen nach der Beschaffenheit des bei ihnen gebildeten Ex¬ 
sudates (v. Troeltsch) ist heute nicht mehr haltbar. 

Nach Ansicht des Vortr. muss man unterscheiden: 

a) Den einfachen Tubenkatarrh, ohne eigentliche Ent- 
zUndungserscheinungen an der Paukenhöhle und ihren Nebenräumen, 
Sekret steril. 

b) Die mesotympanische Otitis media, bei der die Ent- 
zUndungserscheinungen sich ausschliesslich oder doch wesentlich 
im Hauptraum der Paukenhöhle („Mesotympanum“) abspielen und 
die charakterisiert ist durch das Fehlen umschriebener Vorwölbungen 
und Entzündungen an der Trommelfellmembran. 

c) Die epitympanische Otitis media, bei der von vorn¬ 
herein die Nebenräume der Paukenhöhle wesentlich miterkrankt 
sind; charakterisiert durch erkennbare Entzündungserscheinungen 
am Warzenfortsatz, gewöhnlich noch früher durch umschriebene 
Entzündung und Verwölbung am Trommelfell, regelmässig lokali¬ 
siert im hinteren oberen Quadranten, selten an der Shrapnell- 
schen Membran. 


Die Prognose der Otitis media ist abhängig von ihrem Typus, 
gefährlich quoad Warzenfortsatzaffektion ist fast nur die epitym¬ 
panische Form, und bei dieser sind die gefährlichsten EntzUndungs- 
erreger der Streptococcus pyogenes und mucosus, während Staphy- 
lococcus aureus sich bei meinen (rund 50) Abimpfungen trotz grosser 
Virulenz nur bei relativ leicht verlaufenden Erkrankungen fand. 
Operationen erfolgten nur bei den Streptococcenotitiden, nur in 
einem Falle handelte es sich um Symbiose mit Pneumococciis 
Fränkel-Weichselbaum. Genaue Mitteilung der Abimpfungs¬ 
technik wie der bakteriologischen Befunde und der anatomischen 
Gründe für die Unterscheidung der unter a) und b) aufgeführten 
Typen. 

Hr. R. Hoffmann-Dresden: Zur Kenntnis des Fiebers 
und seiner Ursache beim otitischen Hirnabscess. 


Der Vortr. berichtet über 3 Fälle von Hirnabscess, in deren 
Verlauf hohes Fieber und meningitische Symptome auftraten, die 
beide vorObergingen. Als Ursache dieser klinischen Erscheinungen 
sieht der Vortr. auf Grund der Lumbalpunktionsbefunde eine eit¬ 
rige Meningitis an. 


Hr. Wanner-München; Ein Fall zur Illustration des 
Verhältnisses von Ton- und Sprachgehör. 

W. fand bei seinen Untersuchungen einen erwachsenen Patienten, 
auf dessen linkem Ohr in der Tonskala die Strecke von 16 Doppel¬ 
schwingungen — gis' gehört wurde, dann kam eine Lücke, dann 
wieder von g‘" bis Galton 10,51® gehört. Die Schwerhörigkeit des 
rechten Ohres war so hochgradig, dass ein Hinüberhören auf das 
andere Ohr ausgeschlossen war. 


An verschiedenen Hörreliefs von Fällen mit sicher vorhandener 
Taubheit wird nachgewiesen, dass mindestens die Töne g"" und 
cV von dem linken Ohre perzipiert werden. 

Auf einer Tabelle, welche den gesamten Tonbereich des mensch¬ 
lichen Ohres umfasst, ist die von dem kranken Ohre perzipierte 
Strecke eingetragen, ausserdem die Lage der Vokale und Konso¬ 
nanten nach Bezold; ferner der Konsonant R nach der Fest¬ 
stellung von 0. Wolf. 

In die Lücke fällt gerade das nach Bezold für die Sprache 
notwendige Gebiet von g'—b" ; ebenso die Grundtöne aller Vokale 
und Konsonanten ausser von M, N und R. Diesem Defekte ent¬ 
sprechend wird von sämtlichen Vokalen und Konsonanten nur R 
perzipiert. Dieser Fall beweist somit einerseits die Richtigkeit 
von B e z o 1 d s Untersuchungen an Taubstummen, andererseits 
aber auch die Feststellung des Konsonanten R nach 0. Wolf. 


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434 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 41. 


Auok die Behauptung Bezolds, dass ein Ohr für Sprache 
taub ist, wenn eine unbelastete a'—Stimmgabel durch Luftleitung 
nicht mehr gehört wird, wird durch diesen Fall neuerdings be¬ 
stätigt. Denker-Erlangen. 


Kongressbericht. 

7S. yersamnilung deutscher Naturforscher und 
Aerxte in Stuttgci/rt» 

Stuttgart, den 17. September 1906. 

Zum 78. Male seit der Begründung der Gesellschaft deutscher 
Naturforscher und Aerzte, zum zweiten Male in Stuttgart trat 
heute der Kongress zusammen, der berufen ist, den einzelnen 
Zweigen der gesamten Naturwissenschaft und der Medicin als 
Stamm zu dienen, aus dem sie entspringen und von dem aus sie 
immer neue Nahrung finden. Die Stadt Stuttgart hat festliches 
Gewand angelegt. Von einer grossen Anzahl staatlicher und pri¬ 
vater Gebäude wehen Fahnen. 

Nachdem am Abend vorher die Teilnehmer der Tagung sich 
zu einem zwanglosen Begrüssungsabend vereinigt hatten, wurde 
heute Vormittag der Kongress in Anwesenheit Sr. Majestät des 
Königs feierlich eröffnet. 

Zuerst betrat der erste Geschäftsführer Obermedicinalrat v. B u r k- 
hardt die Rednertribüne, um nach dem Dank an den König den 
Kongress zu begrUssen. Es folgten nun die üblichen offiziellen 
Begrüssungsreden des Kultusministers, des Oberbürgermeisters, der 
Rektoren der technischen Hochschule, der Tierarzneischule usw. 

Als Letzter ergriff der erste Vorsitzende Prof. Dr. Chan 
aus Leipzig zu einer Dankrede das Wort. In geistvoller und 
zündender Rede sprach er über die Bedeutung der naturwissen¬ 
schaftlichen Erkenntnis im verflossenen Jahrhundert und gedachte 
der Grossen, die uns das 19. Jahrhundert beschert hatte. Zum 
Schluss betonte er die Forderung, in unseren Schulen dem mehr 
receptiven philosophisch-historischen Wissen eine stärkere Aus¬ 
bildung in den induktiven Wissenschaften an die Seite zu stellen. 

Rauschender Beifall folgte seinen Worten. Nun erhielt Pro¬ 
fessor Dr. Gutzmer, der Vorsitzende der Unterrichtskommission, 
das Wort, der etwa ausführte: 

Die Schulkonferenz und der Allerhöchste Erlass vom 28. XI. 
1900 hatten durch ihre Anerkennung der prinzipiellen Gleichwer¬ 
tigkeit der Gymnasien, Realgymnasien und Realschulen die Basis 
für die seither in grossem Umfang disputierte Unterrichtsfrage ge¬ 
schaffen. Auch die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte 
hat ihr durch Einsetzung einer besonderen Kommission Rechnung 
getragen. Diese hat das Resultat ihrer erstjährigen Tätigkeit in 
dem „Meraner Bericht“ niedergelegt, in dem eine erweiterte Durch¬ 
führung des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unter¬ 
richts ira Rahmen der allgemeinen Bildungsaufgabe gefordert wird. 
Die Kommission hat nun bezüglich der humanistischen Gymna.sien 
die in dem Meraner Bericht niedergelegte einfache Konstatierung 
eines [argen Missstandes dahin verbessert, dass dem biologischen 
Unterricht in den oberen Klassen bei voller Wahrung der philo¬ 
sophischen Eigenart der Anstalt mehr Raum gegeben werden müsse. 
Die in den letzten Jahren in grosser Zahl entstandenen Reform¬ 
schulen teilen sich nach einem dreijährigen gemeinsamen lateini¬ 
schen Unterricht in zwei Zweige. Der Meraner Bericht hätte 
dieser Teilung nicht genügend Rechnung getragen. Die Unterrichts- 
kommissiou findet auch hier eine Vernachlässigung der mathema¬ 
tischen und naturwissensf’haftlichen Fächer, der entgegengetreten 
werden müsse. Sei doch gerade der Anstoss zur Gründung von 
Roformschulen von Vertretern der exaktwissenschaftlichen Fächer 
ausgegaugen. Sowohl der mathematische wie der naturwissen¬ 
schaftliche Unterricht müs.se durch eine Vermehrung der Wochen¬ 
stunden erweitert werden. Auch der Lehrplan der sechskiaasigen 
Realschulen bedürfe hinsichtlich der Mathematik und der Natur¬ 
wissenschaften einer selbständigen Ausgestaltung. Gerechtfertigt 
werde dieses Verlangen sowohl durch das ständige Zunebmon der 
Zahl die.ser Schulen als vor allem dadurch, dass eben aus ihnen 
eine breite Schicht des mittleren Beamten- und Bürgerstandes, 
und namentlich ein grosser Prozentsatz derjenigen hervorgehe, die 


sich in Handel und Gewerbe und in der Industrie betätigen wollen. 
Eine Vermehrung der naturwissenschaftlichen Unterrichtsstunden 
sei dringend geboten, selbst auf Rechnung der allgemein sprach¬ 
lichen Ausbildung. Auch in den Volks-, Fortbildungs- imd Fach¬ 
schulen, sowie in den Lehrerseminaren müsse in derselben Rich¬ 
tung gearbeitet werden. Mit Rücksicht auf die grosse Rolle, die 
die Naturwissenschaften im Haushalt und in der Hygiene des 
Hauses und der Familie spielen, müsste diesen in den Mädchen¬ 
schulen sogar ein relativ grösserer Platz gegönnt werden. Doch 
müsse man die Verschiedenheit der Veranlagung der Geschlechter 
durch eine verschiedene Darbietung des Lehrstoffs zur Geltung 
kommen lassen. Auch mit der Frage der Schulhygiene hat sich 
die Kommission beschäftigt und allgemein formulierte Vorschläge 
aufgestellt, so besonders „dass die Lehrer planmäßig mit den 
Grundzügen der Schulhygiene und der Lehre von der geistigen 
Entwicklung des Menschen und deren Variabilität bekannt ge¬ 
macht werden“. Um den Klagen über Ueberbürdung zu begegnen, 
hebt die Kommission die Vorzüge des 40 Minuten-Betriebes her¬ 
vor und betont die ausserhalb der Schule liegenden Ursachen der 
Ueberbürdung, wie dasUebermaß von Privat- und Nachhilfestxmden, 
unzureichenden Schlaf, unzweckmäßige Lektüre, die nur im Eltem- 
hause rationell bekämpft werden könnten. Von einer allgemeinen 
sexuellen Aufklärung will die Kommission absehen. Hier müsste 
durch geeignete Persönlichkeiten eine individuelle Auslese unter 
den Schülern getroffen werden. Zu diesem Zweck hat die Kom¬ 
mission ein „Merkblatt zur Handhabung der sexuellen Aufklärung 
an höheren Schulen“ ausgearbeitet. Um die wirkliche Lage des 
naturwissenschaftlichen Unterrichts kennen zu lernen, hat die 
Kommission mit Genehmigung des preussischen Unterrichtsministe¬ 
riums Fragebogen au die höheren Schalen Preussens verschickt, 
über deren Ergebnis in der nächsten Versammlung berichtet wer¬ 
den soll. 

Nun ergriff Prof. Lipps, der Münchener Psychologe, das 
Wort zu einem Vortrag über Naturwissenschaft und Welt¬ 
anschauung. 

Das naturwissenschaftliche Erkennen ist die Durchdringung 
des in der sinnlichen Wahrnehmung Gegebenen mit und durch 
den Geist. Dies kann aber nur eintreten durch eine Umdenkung 
des Gegebenen, bis es sich für uns in einen gesetzmäßig geord¬ 
neten Zusammenhang des Wirklichen einfügt, und wir stellen dies 
als das objektiv Wirkliche gegenüber dem unmittelbar Gegebenen, 
dem Subjektiven. 

ln diesem Sinne erscheinen der Naturwissenschaft alle spezi¬ 
fischen sinnlichen Qualitäten subjektiv. Untergebracht werden sie 
und begrenzt durch die raum-zeitlichen und Zahlbestimmungen. 

Infolge dieses Strebens der Naturwissenschaften, alles Wirk¬ 
liche in ein System zu ordnen, besteht heute die naturwissen¬ 
schaftliche Erkenntnis nicht in der Erkentnis des Wirklichen, son¬ 
dern nur der Gesetzmäßigkeit des Wirklichen. 

Die Begriffe der Maße, Ki'aft, Energie, die man geprägt 
hat, sind nichts als Anthropomorphismen, und man könnte, so wenig 
Aufschluss geben sie über das wirklich Reale, sie ebensogut mit 
E oder W oder X bezeichnen. Ebenso ist es mit einer Reihe 
anderer Technicismen in der Naturwissenschaft. „Streben, Ten¬ 
dieren, Wirkung, Arbeit, Spannung“, alle diese Worte bezeichnen 
nur Bestimmungen unseres Ich. So hat im Grunde die Natur¬ 
wissenschaft, da sie ihrem ganzen Sinne nach nicht auf das Wesen 
des Wirklichen geht, mit Weltanschauung schlechterdings nichts 
zu tun. 

Die Naturwissenschaft ist die Darstellung der Gesetzmäßigkeit 
des Wirklichen in einer bestimmten Frage. 

Erst jenseits der Naturwissenschaften beginnt die Frage nach 
dem Quäle des Wirklichen. 

Und dies ist die Aufgabe der Naturphilosophie. Zu deren 
Lösung ist nötig die Einsicht in das Wesen der Erkenntnis. Hier 
setzt nun als einzige Lösung der absolute Idealismus ein, d h. 
einzig das Bewusstsein, das Ich, der Geist. Zum allumfassenden 
einheitlichen Weltbewusstsein, zum Welt-Ich, zum Welt-Geist er¬ 
weitert, kann die von der Naturwissenschaft gelassene Lücke, die 
das Quäle des Wirklichen betrifft, ausfüllen. Diese Weltanschauung 
ist auch zugleich die einzig denkbare monistische Weltanschauung. 
Bei dem materialistischen Monismus haben wir neben der Materie 
immer noch das Geistige. 


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1906. 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


435 


Auf diesen absoluten Idealismus scheinen aber auch die gegen¬ 
wärtigen naturwissenschaftlichen Bewegungen hinzuzielen; Die 
Rede, dass die naturwissenschaftliche Erkenntnis Erscheinungen 
zum Gegenstand habe, der Dynamismus, der Energetismus, der 
Vitalismus, auch der Umstand, dass der Name Naturphilosophie 
wiederum zu Ehren gekommen ist. Vielleicht auch schon dies, 
dass in dieser Naturforscherversammlung ein Philosoph hat sprechen 
dürfen. 

Dem Redner wurde für seine zum Teil sehr schwierigen 
Deduktionen reicher Beifall zuteil. Fritz Rosenfeld-Stuttgart. 

Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Referent: Dr. R. Gli tsch-Stuttgart. 

Sitzung vom 17. September 1906, nachmittags 3 Uhr. 

Vorsitzender Herr Peter Müller. 

Hr. Fehling-Strassburg: Pubiotomie und künstliche 
Frühgeburt. 

F. zeigt zunächst das Bild einer fünfköpfigen Geschwister¬ 
schar, die sämtlich durch künstliche Frühgeburt zur Welt befördert, 
was lebenskräftige Entwickelung anbelangt, nichts zu wünschen 
übrig lassen. Von HO künstlichen Frühgeburten der Strassburger 
Klinik wurden 80% Kinder lebend geboren, 78% lebend entlassen. 
Von diesen waren am Ende des 1. Lebensjahres 82% noch am 
Leben, nach dem 15. Jahr noch 52%. Vergleiche mit Kaiser¬ 
schnittkindern ergaben: Von 27 Fällen innerhalb 15 Jahren wurden 
lebend geboren 92%, lebend entlassen 80%. Weitere Nach¬ 
forschungen ergaben: Am Ende des 1. Lebensjahres waren von den 
lebend Elntlassenen übrig 63%. Eine Erklärung für die grössere 
Sterblichkeit dieser Kaiserschnittkinder, liegt in der Unehelichkeit, 
schlechteren Fürsorge. Die künstliche Frühgeburt gibt beachtens¬ 
werte Resultate auch hinsichtlich der Lebensfähigkeit der Kinder. 
Was die Pubiotomie betrifft, so ist dieselbe kein Strohfeuer in die 
Symphysektomie. Die Versuche werden zu einem bleibenden Re¬ 
sultat führen, da die Pubiotomie ungefährlicher für die Mutter ist, 
als letztere. Auch die Blutung ist bei der Pubiotomie geringer. 
Die Heilresultate sind ausgezeichnet, sicher und rasch. Die Mor¬ 
talität von 5% bei der grossen Serie von 100 Pubiotomien beweist 
noch nichts, dagegen ist die Mortalität der Kinder geringer als 
bei künstlicher Frühgeburt. Nach der Pubiotomie soll man so¬ 
lange als möglich abwarten, eventuell Ausgangszange machen. 
Zweckmäßig ist die Verbindung von künstlicher Frühgeburt und 
Pubiotomie. Dem praktischen Arzt kann die Operation bei weiterer 
Vervollkommnung überlassen werden. Die Pubiotomie ist berufen, 
an Stelle der Perforation der lebenden Kinder sowie des Kaiser¬ 
schnitts aus relativer Indikation zu treten. Indiziert ist die Pubio¬ 
tomie bei Erstgebärenden mit engem Becken mittleren Grade.s bei 
sonst abwartendem Verfahren, sodann bei Mehrgebärenden, die 
den relativen Kaiserschnitt ablehnen oder wenn Gefahr für Mutter 
und Kind auftritt. Die künstliche Frühgeburt bleibt dem prak¬ 
tischen Arzt Vorbehalten, besonders bei Mehrgebärenden, die schon 
Kinder verloren haben. 

Hr. P fannenstieI-Gies.seu: Die Ind ikationsstelluug 
zur Behandlung der Geburt bei Beckenenge. 

Pf. wendet sich in der Klinik mehr der operativen Praxis zu 
und glaubt nicht, dass die Pubiotomie in der Praxis gute Resultate 
haben wird. Die künstliche Frühgeburt dagegen kann ruhig dem 
Praktiker überlassen werden, und deshalb muss sie in der Klinik 
gelehrt werden. Auch aus sachlichen Gesichtspunkten darf man 
die künstliche Frühgeburt nicht fahren lassen. Technisch ist die 
Pubiotomie wesentlich leichter und günstiger als die Symphysek¬ 
tomie. Die Perforation des lebenden oder abgestorbenen Rindes 
lässt sich auf ein Minimum berabdrücken. Höhere Grade der 
Beckenenge und gewisse Formen sind nicht geeignet, gute Re¬ 
sultate bei künstlicher Frühgeburt zu geben. Die Mortalität bei 
künstlicher Frühgeburt ist verschwindend gering gegenüber den 
5% Mortalität bei Pubiotomie. Auch der praktische Arzt wird 
bei besserer Asepsis bessere Resultate haben. Auch die Resultate 
bezüglich der .Kinder sind günstig. Die Sectio caesarea wird nicht 
viel an die Pubiotomie abgeben. Hinsichtlich der Indikations¬ 
stellung kommt es besonders auf die Formen der engen Becken an, 
die bezüglich der Resultate sich sehr verschieden verhalten. Die 
relativ günstigstem Chancen bei exspektativen Verfahren bietet 1 


das allgemein verengte Becken, sodann das einfach platte, endlich 
das allgemein verengte platte Becken. Die Zange gibt bei plattem 
Becken die schlechtesten Resultate, bei den beiden anderen Formen 
etwas bessere. Dagegen gibt die Wendung bei platten Becken 
(NB. nicht die prophylaktische Wendung I) günstige Resultate, bei 
allgemein verengten und allgemein verengten platten Becken sind 
die Resultate schlecht. Die Zange soll nur im Notfall, die pro¬ 
phylaktische Wendung nur bei hinreichend dehnbaren Weichteilen 
ausgeführt werden. Die Pubiotomie besteht zu Recht; auch für 
sie kommt die Becken form in Betracht. Hierbei ist zwischen 
Pubiotomie und Kaiserschnitt abzugrenzen, letzterer tritt bei all¬ 
gemein verengtem platten Becken in sein Recht. Bei höheren 
Graden von Beckenenge gibt die künstliche Frühgeburt noch an 
die Pubiotomie ab. Doch soll man nicht unter 7V8cm Conj. vera 
heruntergeben. Hinsichtlich der Technik der künstlichen Früh¬ 
geburt ist beim .platten Becken prinzipiell die prophylaktische 
Wendung angezeigt nach vorheriger Hystereuryse. Beim allge¬ 
mein verengten Becken benützt Pf. nicht den Hystereurynten 
wegen der Verdrängung des Kopfes, sondern ist hier dem Bougie- 
verfahren treu geblieben. Hier lässt sich gelegentlich die Pubio¬ 
tomie anfügen. Hinsichtlich des vaginalen Kaiserschnitts bei Pubio¬ 
tomie verhält sich Pf. ablehnend wie Fehling. 

(Fortsetzung folgt.) 


Periodische Literatur. 

Fortschritte der Medizin. Nr. 21, i906. 

Bergner, Dr. Hans: Veber „7iivit‘* ein neues Nähr* 
mitteL 

Visvit ist ein neues Nährpräparat, das die beiden, den Stoff¬ 
wechsel am stärksten belebenden Körper, Lecithinphosphor und 
Haemoglobineisen, innig gebunden enthält an die unentbehrlichen imd 
wichtigster Nährstoffe: Eiweiss (80,14%) und Kohlehydrate 
(15,20%) ohne Zusatz von Extraktstoffen und ohne 
irgend welche Geschmackskorrigentien. Dem Dar¬ 
stellungsverfahren, das darauf gerichtet war, das Eiweiss in 
nativer Form zu erhalten und es mit den übrigen Elementen in 
natürlicher Bindung zu vereinen, gelang es nach vielen Mühen, 
die Mängel der bisher bekannten animalen oder vegetabilen Ei¬ 
weissverbindungen zu beseitigen und ein hochprozentiges Eiweiss¬ 
nährpräparat zu gewinnen, das in erster Linie hervorragend im 
Geschmack ist, im Gebrauch niemals Widerwillen erregt und 
gleichzeitig eine hohe Ergiebigkeit in der Ausnutzung gewährleistet. 
Der hohe Eiweissgebalt ermöglicht es leicht, eine Ablagerung von 
Eiweiss in der einzelnen Zelle zu erzielen, die diese zu höherer 
Leistung befähigt und dient, was von ausschlaggebender Bedeutung 
ist, besonders zur Vermehrung des Muskelfleisches. Der niedrige 
Gehalt an Kohlehydraten macht Visvit zu einem vorzüglichen 
Kräftigungsmittel auch für Diabetiker, für die es sich infolge 
seiner Reizlosigkeit und seines Freiseins und Extraktivstoffen noch 
besonders gut eignet. Eisen von Phosphor sind in organischer 
und so leicht assimilierbarer Form enthalten, dass jede Belästigung 
des Magens ausgeschlossen ist: ihr Prozentgehalt ist ausreichend, 
um eine volle blut ver besse rnde und nerventonisierende 
Wirkung zu entfalten. Die Salze sind nicht künstlich zugesetzt, 
sie sind die natürlichen Bestandteile der Urstoffe des Präparates 
und demnach, im Gegensatz zu künstlich zugesetzten Extraktiv¬ 
stoffen, ohne jede Reizwirkung auf Herz oder Niere. Der 
hohe Wohlgeschmack des Präparates, seine rationelle Zosammen- 
setzimg und vorzügliche Bekömmlichkeit lassen gute Resultate in 
der Behandlung erwarten. B. fasst seine an 128 Patienten ge¬ 
sammelten Erfahrungen dahin zusammen, dass Visvit 

1. das Körpergewicht hebt: bei Unternährung, Anaemie, 
in der Rekonvaleszens, bei mit Gewichtsverlusten verbundenen 
Krankheiten 2 Arteriosklerose, Phthisis plum. Skrophulosis chron. 
Nephritis. In einem Falle von Spitzentuberkulose wurden 18 Pfd. 
Zunahme in zwei Monaten erzielt; 

2. die roten Blutkörperchen vermehrt, denHaemo 
globingehalt steigert. Erhöhung von 50 auf 90% und 
ähnliches zwar öfters beobachtet Chlorose, primärer und sekundäre. 

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436 


liffiDIülNISCHB WOCHE. 


Nr. 41. 


Anaemie, Ulo. ventriculi. Hand in Hand ging Beseitigung der 
Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und zahlreicher anae- 
mischchlorotischer Beschwerden; 

3. im Verlauf schwerer eiweisskonsumierender 
Krankheiten (Typhus, Pneumonie. Influenza etc.) dem Kräfte¬ 
verfall vorbeugt. Vom ersten Tage an kann man dieser Gefahr 
durch hohe Visvitgaben entgegentreten. Kontraindikation ist hier¬ 
bei nicht vorhanden; 

4. das Knochenwachstum befördertund ein gerade¬ 
zu ideales Mittel gegen Hhachitis ist, weil es die Muskelsohwäche, 
Anaemie und Knochenweichheit gleichzeitig bekämpft; 

5. die Nerven tonisiert. Es ist mit glänzendem Erfolg 
gegen Neurasthenie, in verschiedenster Form, Abspannung, beruf¬ 
liche Ueberarbeitung, allgemeine Nervenschwäche angewandt 
worden. B. erscheint Visvit von allen bis jetzt vorhandenen 
Nährpräparaten dasjenige zu sein, welches der Patient am 
leichtesten nimmt, mit welchem der Arzt bei richtiger 
Indikationsstellung die sichersten und schnellsten Erfolge er¬ 
zielen kann, ein Präparat, welches mit hohemN ähr wert starke, 
Muskeln und Nerven tonisierende und stimulierende Eigenschaften 
verbindet, dabei frei ist von allen Herz und Nieren reizenden 
Extraktivstoffen. 

Visvit wird vom Chemischen Institut Dr. Horowitz-Berlin in 
den Handel gebracht. 

Schmidts JahrbQcher der gesamten Medizin. Nr. 7, 1906. 

Fürst, 8. San.-Rät Dr.: Die ünterernfthrongund deren 
rasche Heilung. 

Die Erhaltung der „vis vitae“ ist im Grunde eine Er¬ 
nährungsfrage. Sie wird erleichtert, wenn es gelingt, dem Organis¬ 
mus eine leicht assimilierbare, von jeder Einseitigkeit freie, also 
sämtlich für eine Erhaltung notwendigen Nährstoffe enthaltende 
Kost heizubringen. Dies kann nur eine gemischte, d. b. dem 
Tier- und Pflanzenreich entstammende Kost sein. Es war deshalb 
ein glücklicher Gedanke, dass Dr. Horowitz (Berlin) bei Dar¬ 
stellung eines neuen Nährmittels den von der Ernährungslehre 
anerkannt, einzig richtigen Weg einschlug, die gemischte Kost 
nachzimhmen und Stoffe io konzentrierter, leicht assimilierbarer 
Form dem animalen, wie pflanzlichen Gebiete zu entnehmen; er 
gab seinem neuen Nährpräparat im Anklange an das Wort „vis 
vitae“ den Namen Visvit, um damit anzudeuten, dass das Präparat 
die Aufgabe erfüllen soll, die „Lebenskraft“, die vitale Energie 
des gesamten Organismus zu heben. 

Visvit ist ein feines voluminöses Pulver von hellgelblichem 
Aussehen, leichtem Malzgeruch und recht angenehmen indifferen¬ 
tem Geschmack, es erregt selbst bei längerem Genuss in Milch, 
Thee, Kakao. Kaffee oder Suppe keine Spxir von Widerwillen. 
Man rührt es kaffeelöffelweise mit etwas Wasser zu einem Brei 
an, und setzt dann das betr. warme Getränk unter Umrühren zu. 
Kein Patient refüsierte diese Nahrung; es lag auch, da sie keinen 
spezifischen Geschmack hat und sich kaum bemerkbar macht, hier¬ 
zu kein Grund vor. Das Präparat reizt auch, da es keine Extraktiv¬ 
stoffe enthält, weder den Magen noch die Nieren, 

Aus einer Zusammensetzung (80,14% Eiweiss, 15,26% lös¬ 
liche Kohlehydrate, 1,85% Haemoglobin-Eisen-Eiweiss, 0,24% Leci¬ 
thin, 1,34% natürliche Nährsalze) geht deutlich hervor, dass das 
Visvit nicht einseitig der Fettmast dient, sondern ebenso die 
Blut- und Muskelbildung, die Regeneration der Nervensubstanz 
vermittelt, und die Konsolitatiou des Skelets fördert. Das Präpa¬ 
rat ist ganz besonders geeignet für das normale Wachstum und 
bei entkräftenden, pathologischen Zuständen des Kinde-salters. Der 
hlisengehalt befindet sich in natürlicher Bindung, belästigt also 
den Magen in keiner Weise, bewährt sich vielmehr gerade als 
Zusatz zu der, das Eisen entbehrenden Kuhmilch bei anaemischen 
Säuglingen. 

Seine Erfahrungen fasst F. dahin zusammen: in erster Linie 
ist Visvit ein Nährmittel, das bei Unterernährung, bei fieber¬ 
haften oder konsumierenden Krankheiten, bei Entkräftungszustäiiden 
und in der Rekonvaleszens gute Dienste leistet, ln zweiter Linie 


bietet es aber die Möglichkeit, energisch zu stimulieren und zu 
touisieren, wenn es sich um Erschlaffungszostände nach körper¬ 
licher oder geistiger Erschöpfung handelt. 


ßücherbesprechung. 

Dl*. Hans Preitz. Ein Beitrag zur Kenntnis der 
angeborenen Cystenniere. Leipzig, Benno Konnegen, 1906. 

Ausführliche Schilderung der Operation, des klinischen Ver¬ 
laufes und des mikroskopischen Befundes bei einem Fall von 
Cystenniere, der mittels Nephrectomie geheilt wurde. 

Dr. J. Boas -Berlin. Beiträge zur Kenntnis der 
Bectnmcarcinome nebst Bemerkungen zur Früh¬ 
diagnose. Verlag von S. Kanger-Berlin, 1906. 

Zu.sammeDfassende Schilderung des heutigen Standes der Frage 
der Rectumcarcinome. Boas betont die Notwendigkeit, nicht blo.ss 
bei Symptomen, die mit Evidenz auf das rectum als Sitz des 
Leidens hinweisen, eine Mastdarmuntersuchung vorzunebmen, son¬ 
dern auch in solchen Fällen, deren Beschwerden scheinbar auf die 
höheren Darmpartieen hinweisen. 

Dr. Riedingen- Würzburg. Ueber Schlottergelenke. 

Würzburger Abhandlungen. VI. Band, 3. Heft. A. Stübers 
Verlag, 1905. 

Eine erschöpfende Behandlung aller die Schlottergelenke be¬ 
treffenden Fragen, die namentlich für diejenigen, die mit Unfall¬ 
heilkunde zu tun haben, nutzbringend ist. 

Prof. Adolf Cluss. ,,Die Alkoholfrage“ vom phy¬ 
siologischen, socialen und wirtschaftlichen Stand- 

pnnkte. Berlin, Verlagsbuchhandlung Parey. 

Etwas zu machen, sagt Leopold v. Ranke, dazu gehört dreier¬ 
lei. Gesunder Menschenverstand, Mut und Redlichkeit. Der erste, 
um seine Sache einzusehen; der zweite, um vor den Resultaten 
nicht zu erschrecken; die dritte, um sich nicht selber etwas vor 
zu machen. Sodass die einfachsten moralischen Eigenschaften auch 
die Wissenschaft und Kunst beherrschen. Von diesen Eigenschaften 
kann man in Rankes Sinne unbedingt die zweite Prof. Cluss für 
seine Leistung zusprechen. Denn den Gedanken zu fassen, dass 
„die Bestrebungen Abstinenzfanatiker eine mindestens ebenso 
grosse social und wirtschaftliche Gefahr in sich tragen, wie der 
Alkoholismus selbst,“ eine solche Behauptung niederzuschreiben 
und in die Welt zu schicken, dazu gehört allerdings Mut, wenn 
auch kein beneidenswerter. Dieser Satz ist allerdings des ganzen 
Buches würdig. Wenn schon die neuere Literatur, die gegen 
die Abstinenz gerichtet ist, das Tatsachenmaterial nicht beherrscht 
oder verfälscht und die grossen socialethischen Gesichtspunkte der 
modernen Abstinenzbewegung gar nicht kennt oder nicht zu be¬ 
werten vermag, so steht das Buch von Cluss unter dem Nullpunkte. 
Die berühmten Kraepelinschen Versuche werden damit abgetan, 
dass behauptet wird, dass die Versuchspersonen zum mindesten 
75, vielleicht auch 80—90 absoluten Alkohol bekommen 

haben. Tatsächlich haben Kraepelin und seine Schüler erwiesen, 
daas 30—45 ocm Alkohol eine Erschwerung sämtlicher geistigen 
Vorgänge hervorrufen. 70—100 ccm werden von Kraepelin schon 
als „Rauschdosen“ bezeichnet. Dr, Meinerst Worte: „Bei täglichem 
Alkoholgenuss habe ich übrigens im hohen Alter keine Gesundheit 
getroffen“, paraphrasiert Cluss dahin „unter den sämtlichen Personen, 
welche das 80. Lebensjahr überschritten hatten, fand sich nicht 
ein einziger abstinent, wohl aber mehrere recht starke Trinker“; 
übrigens wiederholt hier Cluss Hueppe, den ich bereits widerlegt 
habe. Geraeinnützlich wirkende Frauen werden „Sittlichkeitstante, 
Kleiderreformtante, Abstinenztante“ apostrophiert. Dem segens¬ 
reich wirkenden Guttemplerorden, von dem Frenssen sagt „da.ss 
er manchen erloschenen Herd wieder angezündet habe“, werden 
die schranken- und skrupellosesten Heisssporne zugezählt. Die 
Verwirklichung der Ideen der Abstinenzfanatiker würde nach 
Cluss eine Vermehrung der Unsittlichkeit eur Folge haben. 
Sapienti sat. Dr. Otto Juliusburger. 


Verantwortlicher Redakteur: Dr. P, Meiisuer, Berlin W. 61, Rurfüratenitr. 81. — Verlas *on t^^rl Marhold, Halle a. S. 
Druck von der Meyneniann'Khen Bachdmdcerei, Gebt Wolff, Halle a.. S 

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Medicinische Woche 


Dcntschmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi. 

H. Senator« R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold in Halle tu 5.« Uhlandstrasse 6. 

TeL-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rotln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerrlcht, A. Voisins, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62« Kurffirstenstraase 81* 

Dr. P Meißner. 

V---.w' 


Vn. Jahrgang. 15. Oktober 1906. Nr. 42. 


Die .Med i cinische Woche“ erscheint Jeden Montag mit der UtSgigen Beilage Baln60]Ogi8Ch6 Cdltralzeltung« Organ des Allgemeinen Deutschen 
Biderverbandes, des SchwarzwaldbXdertagcs, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne 
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für 
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Original len. 


Nicht chronischer Psendorheumatismus, 
sondern primärer 

progressiver chronischer Gelenkrheumatismus, 
sogenannte rheumatoide Arthritis, 
nach einer Lungenentzündung entstanden. 

Von Dr. Äug. Beisheim , Badearzt in Bad Salzschlirf. 

Bei dem mannigfachen und bunt zusammengewürfelten 
Material, das in einem „Gichtbad“ zusammenströmt, gibt es 
für den Arzt mancherlei Klippen, die in differentialdiagnostischer 
Beziehung umschifft sein wollen: echte Gicht, chronischer 
primärer und sekundärer Gelenkrheumatismus, deformierende 
Osteoarthritis, chronische Pseudorheumatismen im Anschluss 
an Gonorrhoe, Influenza, Scharlach, Masern, Pneumonie, Typhus 
and dergleichen Infektionskrankheiten mehr; der neuropathi- 
schen Arthropathien gar nicht zu gedenken! 

Diesen Rattenschwanz von Krankheiten zu entwirren ist 
oftmals der Arzt beim besten Willen und Können nicht in 
der Lage, und zwar dann, wenn es sich um Zeitpunkte han¬ 
delt, die dem Anfang des Leidens möglichst nahe liegen, in 
denen sich die Symptome über die Phase des Vagen noch 
nicht hinausentwickelt haben. Ein weiterer Hemmschuh für 
schärfere Differenzierung dürfte manchem die uniformierte 
Therapie fast aller in Rede stehenden Krankheiten sein, die 
ja doch für alle so ziemlich gleich, es gar nicht der Mühe 
wert erscheinen lässt, den umständlichen Wissensapparat in 
Szene zn setzen. 

Das Maß voll machte aber bislang die Verworrenheit in 
der Nomenklatur, die es gestattete, dass dieselbe Krankheit 
bald unter diesem bald unter jenem Namen abgehandeit wurde. 
Und wenn es nur immer dieselbe Krankheit gewesen wäre in 
pathologisch-anatomischer Hinsicht! Aber auch hier war wieder 
der Willkür Tür und Tor geöffnet, indem z. B. für die defor¬ 
mierende Osteoarthritis bald die osseären Veränderungen bald 
die der Synovialis und .des fibrinösen Bandapparates in An-, 
sprach genommen wurden. 

Da ist es denn kein geringes Verdienst Pribram’s, in 
diesem Wust aufgeräumt und auf Grund klinischer Beob¬ 
achtungen reine Balm gemacht zu haben. Er erhebt den pri¬ 
mären progressiven chronischen Gelenkrheumatismus zu einer 
Krankheit sui generis und definiert ihn als einen chronischen 
Prozess, der in den distalen Gelenken beginnend, womöglich 
symmetrisch, in proximaler Richtung auf die Gelenke des 
Stammes weiterschreitet und allgemein bekannte Veränderungen 
setzt: Verdickung und Schwellung der Finger- und Hand- 


elenke, Deviation der Finger im Metacarpo-Phalangealgelenk, 
achziegellörmig nach der ulnaren Seite, Kontrakturen und 
Muskelatrophien. Pathologisch ist der Knorpel- und Band¬ 
apparat ergriffen, nicht der Knochen, wenigstens nicht in 
früheren Stadien, im Gegensatz zur Osteoarthritis deformans; 
diese ist pathologisch charakterisiert durch Knochenneubildung 
und Knochenschwund und ergreift umgekehrt wie der primäre 
progressive chronische Gelenkrheumatismus zuerst proximale 
Gelenke (Hüft-, Schultergelenk) und tritt auch überwiegend 
monartikulär auf. 

Die chronischen Gelenkerkrankungen im Anschluss an 
akuten Gelenkrheumatismus zeitigen in der Regel fibröse 
Formen. Ihre Signatur hat auch noch zwei weitere Eigen¬ 
heiten : 

a) Häufigkeit von Herzklappenfehlern; 

b) öfterer Stillstand und öfteres Ausheilen des Krankheits¬ 
prozesses trotz aller Malignität. 

Die chronischen Pseudorheumatismen im Anschluss an 
Gonorrhoe, Influenza usw. dürften ira allgemeinen keinen allzu 
grossen differentialdiagnostischen Schwierigkeiten begegnen, 
mit einer Ausnahme, nämlich der mehr gutartig und nicht 
rapid verlaufenden Influenza. In ihrem protrahierten Verlauf 
ist es möglich, dass sich Gelenkaffektionen selbständig etablieren. 

In Bezug auf die Pseudorbeumatismen äussert sich Pribram 
wörtlich; 

„Wenn im Verlauf einer dieser Affektionen, beziehungs¬ 
weise nach Ablauf derselben, auch ohne Üazwischentroton eines 
akuten Stadiums, Gelenkaffektionen nicht purulenter Art ein¬ 
getreten sind, welche einmal entstanden, in denselben Gelenken 
nach Erreichung eines gewissen Grades der Ankylose oder der 
Gelenksdeformität stationär geblieben sind, wenn vollends diese 
Affektion etwa nur das Kniegelenk, das Hüftgelenk, das Ellen¬ 
bogengelenk, die Schulter u. dergl., oder ein oder das andere 
Fingergelenk betrifft, so wird man nicht fehlgehen, einen auf 
Grundlage jener früheren Infektion entstandenen chronischen 
Pseudorheumatismus anzunehmen. 

Wenn dagegen nach längerem oder kürzerem 
Intervall nach jener Infektionskrankheit sich das 
typische Bild der in sämtlichen Fingern beginnen¬ 
den nnd allmählich deformierenden progredienten 
Gelenkaffektion entwickelt hat, so kann mit oder 
ohne Vorbereitung durch die vorausgegangene In¬ 
fektionskrankheit eine rheumatoide Arthritis ein¬ 
getreten sein, beziehungs weise ist eingetreten, und 
befindet sich dann nicht in unmittelbarem Kausal¬ 
nexus mit jener Infektionskrankheit. Es ist uns 
unbekannt, ob solche Fälle existieren usw.“ 

Nun, solche Fälle existieren, und ich kann den Beweis da¬ 
für erbringen. Es handelt sich um eine jetzt fünfzigjährige 
Frau, die verheiratet mehrere normale Geburten durchgemacht 
hat und bis zu ihrem 37. Lebensjahre stets gesund gewesen 
ist In diesem Alter aquirierte sie eine schwere kroupöse 


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438 


MteDICINlSCHB WOCHB. 


Nr. 42. 


i. 


Pneumonie, die mit Pericarditis kompliziert war, von der sie 
sich nur langsam erboien konnte 

Hatte die Kranke auch ab und zu vor dieser akuten Er¬ 
krankung an unangenehmen Empfindungen in Händen und 
Füssen gelitten, so entwickelten sich nun, wie die Frau sich 
ausdrückt, „Schlag auf Schlag“, chronische, sehr schmerzhafte, 
mit leichten Temperaturschwankungen verbundene Gelenkaffek¬ 
tionen, sodass nach einem Zeitraum von 8 Wochen fast alle 
Gelenke incl. der der Halswirbelsäule befallen waren. Analog 
deöi vonPribram für den primären progressiven chronischen 
Gelenkrheumatismus vorgesehenen Typus entwickelte sich die 
Erkrankung symmetrisch in den distalen Fingergelenken und 
schritt proximal auf die Gelenke des Stammes fort dergestalt, 
dass die Hüftgelenke am stärksten affiziert wurden. Die 
Affektion besteht heute 13 Jahre und kann als klassisches 
Paradigma einer rheumatoiden Arthritis gelten, die sich selbst¬ 
ständig, nicht in unmittelbarem Causalnexus mit der vorauf¬ 
gegangenen Lungenentzündung, auf einem Körper eingenistet 
hat, der durch die FränkeFschen Pneumoniecoccen äteriert 
war. Ob deren Arbeit der rheumatoiden Arthritis den Weg 
geebnet hat, mag zweifelhaft sein, ebenso wie die andere 
Version, ob durch die Lungenentzündung der Schlummerzustand 
der dem Körper von irgend einer Seite vererbten Disposition 
zur rheumatoiden Arthritis aufgeweckt, die Krankheit zum Aus¬ 
bruch gebracht hat. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medictniaclie Gesellschaft, 

Sitzung vom 18. Juli 1906. 

Diskussion über die Appendicitisbehandlung. 

V. Bergmann schlägt vor, aus dem grossen Gebiet zwei 
der wichtigsten Fragen zu diskutieren: 1. Die frühzeitige Diagnose 
des akuten Anfalls, 2. die Notwendigkeit der Operation im Intervall. 

Kraus: Grosse Schwierigkeit bietet die Beurteilung des Ver¬ 
hältnisses der anatomischen Veränderungen zu den klinischen Er¬ 
scheinungen. Die frühzeitige Diagnose der Erkrankung an sich 
ist möglich; über die Intensität der Krankheit aber kann man 
dauernd im Unklaren bleiben, und oft ist das Moment der Gefahr 


schwer zu erkennen. Zur rechtzeitigen Erkennung des akuten 
Anfalles ist es wichtig, auch die abortiven Fälle zu berücksichtigen 
und die Vorlaufserscheinungen in Rechnung zu stellen. Schmerzen 
und Verdauungsstörungen unbestimmter Art und Lokalisation be¬ 
gleiten oft die chronischen Fälle als Vorläufer von akuten Ver¬ 
schlimmerungen. Von grösster Wichtigkeit ist es, eine Unter¬ 
scheidung von leichten und schweren Fällen zu treffen. Die 
eichten stellen sich häufig dar als chronische EnterokoUtiden, anl 
denen der Prozessus teilnimmt. In solchen Fällen geben zeit¬ 
weilige Auftreibungen, Gasgeschwulst und die Defense musculaire 
diagnostische Anhaltspunkte. Weiter können die Schmerzen ein 
Leitphaenomen abgeben. Sie werden verursacht durch Spasmen 
des Prozessus, neuralgiforme Momente, reflektorische enteralgische 
Koliken; deren Lokalisation ist unbestimmt, sie treten auf unab¬ 
hängig von der Nahrungsaufnahme. Von wesentlichster Bedeutung 
ist der Lokalschmerz, der keineswegs immer am Mao Bumeyschen 
Funkt lokalisiert ist. Abgesehen vom Druck kann er ausgelöst 
werden durch Lageveränderungen, Bewegungen, Erschütterungen. 
Die differentielle Diagnose zieht noch Begleiterscbeinangen herbei; 
dazu gehören Durchfälle, die seltener sind bei Gallenstein- etc. 
Koliken. Schwierigkeiten machen oft die Genitalerkrankungen; 
für solche spricht der doppelseitige Schmerz, Beeinflussung durch 
Menstruation, tiefere Lokali-sation. Grosse Schwierigkeit kann auch 
die Hysterie verursachen. In der Mehrzahl der Fälle von Appen- 
dicitis setzt die schwere Attaque nicht aus heiterem Himmel ein; 
meist geht ihr ein chronisches Stadium voraus, in dem die Gas¬ 
blähung, Defense muskuläre imd die anderen praemonitoriscben 
Momente wichtige diagnostische Elemente darstellen. Die Colica 
appendicularis, die Appendioite a rechutes, die Blinddarmreizung 
sind von der schweren Attaque zu trennen; sie charakterisieren 
sich durch das Fehlen des Erbrechens, der Pulsbeschleunigung, 
des Fiebers und der Zunahme der fixen Druckschmerzstelle. Aber 
es handelt sich hierbei um unausgeprägte Anfälle, und man muss 
darauf gefasst sein, dass der abortive Anfall plötzlich in die 
typi.sche Attaque übergehen, dass innerhalb weniger Stunden die 
gefährlichste Aenderung der Situation eintreten kann. Bei der 
Blinddarmreizung kann ein konservatives Verfahren eingehalten 
werden, die Operation wäre hier mehr eine prophylaktische Ma߬ 
nahme. Die Hälfte der Fälle der Appendicitiden verläuft leicht 
und bedarf nicht des operativen Eingriffs. Alle schweren Fälle 
aber sind sofort dem Chirurgen zu überweisen; nur die Chirurgie 
vermag deren hohe Mortalität berabzudrücken, niemals die kon¬ 
servative Behandlung. K. regt zum Schluss zur Klärung noch 
vieler Fragen eine genauere Morbiditätsstatistik von Staatswegen an. 

Heubner betont die hohe Mortalität bei der Appendiciti^ 


Feuilleton. 


Sanctorius über das Luftbad vor 300 Jahren. 

Von Dr. Heinrich Pudor. 

In den medicinischen Lehrbüchern heisst es über die Ent¬ 
deckung der Hautatmung gewöhnlich, dass dieselbe in der 
zweiten Hcälfte des 18. Jahrhunderts durch den Franzosen 
Lavoisier erfolgte. Das ist indessen nicht richtig; in 
Deutschland erfolgte sie früher, in England noch früher und 
in Italien erfolgte sie, also die eigentliche Entdeckung der 
Hautatmung, vor zirka 300 Jahren. Und zwar kann man das 
Jahr 1614 als das Entdeokungsjahr ansehen, denn in diesem 
Jahre erschien in Venedig die Schrift des Sanctorius „De 
statica medicina“ über die unmerkliche Ausdünstung der Haut. 
Und Sanctorius nimmt im Vorwort das Recht der Entdeck¬ 
ung für sich selbst in Anspruch: „Es ist etwas neues, wovon 
man in der Medicin bisher nichts gehört hat, dass jemand 
fähig sein sollte, das exakte Gew'icht der unmerkliclien Haut¬ 
ausatmung zu bestimmen, und keiner von den Phüo.sophen und 
Aerzten hat versucht, etwas auf diesem Gebiete der Medicin 
zu tun: Ich bin der erste, welcher es versucht hat, und 
welcher, w’onn ich mich nicht irre, diese Kunst durch Vernunft 
und eine Erfahrung von 30 Jahren zur Vollendung gebracht 


hat.“ So schrieb Sanctorius im Jahre 1614; da er 30 Jahre 
experimentiert hat, gehen also die Versuche einer Entdeckung 
der Hautatmung bis in das Jahr 1584 zurück, d. h. also bis 
in die Blütezeit der italienischen Renaissance, als der grösste 
Baumeister Alberti, zugleich der grösste Athlet war, unter dem 
die wildesten Pferde schauderten und zitterten, der den Leuten 
mit geschlossenen Füssen über den Kopf weg sprang, der im 
Dom ein Goldstück so hoch warf, dass man es an der Kuppel 
anklingen hörte*), als die Leute sich kleiden durften, wie es 
ihnen gefiel**), als Lorenzo de Medizi, „der Prächtige“, selbst 
unter das Volk ging, die Lieder des Volkes mitsang und die 
Tänze des Volkes mittanzte, als Cäsar Borgia einem Pferde 
mit einem Schwertstreich den Kopf vom Rumpfe trennte, als 
Titian den hundertjährigen Ludwig Cornaro malte und selbst 
noch mit 99 Jahren unsterbliche Meisterwerke schuf. Es ver¬ 
lohnt sich bei diesem Italien der Renaissancezeit etwas zu 
verweilen, bevor wir zu Sanctorius selbst übergehen. Der 
erwähnte Lud^vig Cornaro schrieb in seinem 81. Lebensjahre 
eine Schrift „über den Nutzen eines nüchternen und mäßigen 
Lebens“ (Trattafo de la vita sobria, Padova, 1558). Diese 
S chri ft fand in Deutschland grosse Verbreitung und wurde 

*) Sein Xatursinn war so ausgebildet, dass ihn, wie gesagt wurde, 
mehr als einmal, wenn er krank war, der Anblick einer scuüncn Gegend 
gesund machte. 

**) Jacob Burkhardt, der beste Kenner der italienischen Renaissance, 
schreibt in seiner Kultur der Renaissance: „Noch bis tief ins 16. Jahr- 
hundert gab cs bedeutende Leute, die den Mut hatten, eine eigene Mode 
zu tragen.“ 


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1906 


MEDICINISCHE WOCHE. 


439 


der Kinder. Die Diagnose der chronischen Form bei Kindern 
bietet grosse Schwierigkeiten. Subjektive Angaben sind wenig 
zu verwerten; die isolierte Muskelspannung an umschriebener Stelle 
ist wichtig. Plötzlicher Beginn, schelle Erhöhung der Pulsfrequenz 
bedingt sofortige Operation. Er erläutert dies an einem konkreten 
Falle, wo sich bei der Operation eine haemorrhagische Appendicitis 
fand. 

Orth hebt hervor, dass für anatomische Untersuchungen des 
Blinddarms sorgfältigste Konservierung Bedingung ist. Bei einer 
grösseren Serie von untersuchten Processus, die wegen Appen¬ 
dicitis entfernt waren, fanden sich in etwa 9% keinerlei anatomische 
Veränderungen. Bei andern war die Veränderung am Appendix 
nicht primär; öfters Hessen sich ältere Veränderungen, so Residuen 
von Blutungen nachweisen. Ein Teil der gefundenen frischen 
Blutungen ist sicher durch die Operation bedingt. Bei Leichen 
finden sich oft schwere Veränderungen des Appendix, ohne dass 
die Anamnese irgend etwas Uber eine überstandene Appendicitis 
ergibt; so Obliteration, die nur möglich nach Verlust des EpiÜxels, 
der wieder nur auf Grund schwerer Entzündung entstehen kann, 
und Schwielenbildungin der Wand, die ihrerseits eine granulierende 
Entzündung als sekundäre Erscheinung nach Eiterung oder pseu¬ 
domembranöser Ausschwitzung ins Lumen zur Voraussetzung hat. 
Dies» zeigt, dass selbst schwerste Appendicitiserkrankungen glatt 
ausheileu können. Andrerseits aber finden sich auch häufig 
chronische Veränderungen, die zu akuten Prozessen führen können. 
Das erste würde gegen das zweite für prinzipielle Operation nach 
dem I. Anfall sprechen. Vom anatomischen Standpunkt ist danach 
die Frage nach der Notwendigkeit der Intervalloperation nicht zu 
entscheiden. 

Sitzung vom 25. Juli 1906. 

Fortsetzung der Diskussion. 

Israel: Die Frage nach der Notwendigkeit der Intervall¬ 
operation ist generell nicht zu beantworten. Sie hängt ab vom 
Befinden und den Befunden in der anfallsfreien Zeit. Zwei Gruppen 
von Patienten sind zu uutirsebeiden. Die I. umfasst die Fälle, 
wo der 1, Anfall nachweisbare Residuen hinterlassen hat. Hier 
sind die Indikationen zur Operation leicht zu stellen: Bestehen 
chronische Warmfortsatzbeschwerden, Schmerzen in der Ileococcal- 
gögend mit oder ohne Gasauftreibung, mit oder ohne Verdickung 
des Prozessus, so ist die Operation indiziert. Bleibt eine lokale 
Druckempfindlichkeit ohne sonst subjektive Beschwerden, so soll 
bei längerem Bestehen, etwa drei Monate, operiert werden. Bei 
schwieliger Verdickung des Wurmfortsatzes kann die Operation 
grosse Schwierigkeiten bieten; deshalb soll man hier nur operieren, 


vor ein paar Jahren in England von E. Carpenter, dem 
bekannten Anhänger der Naturheilkuude und des Vegetarismus, 
neu herausgegeben. Im Jabre 1560 erschien Cornaros Ab¬ 
handlung über das Wasser. 

Das war die Zeit, als in Italien die Natur vergöttert 
wurde und die italienischen Naturphäosopben, vor allen 
Giordano Bruno (1548 —1600) lebten und wirkten. In dieser 
Naturvergötterung wurzelt die ganze italienische Renaissance 
mit ihrer ganzen hehren Kunst. 

Noch weiter zurück liegt das Wirken des herrlichen 
Vittorino da Feltre, der am Hofe des Giovan Francesco Gon- 
zago zu Mantua (1407 bis 1444) lebte, und dem der Fürst 
einen prachtvollen Palast, die berühmte La Casa Giocosa, er¬ 
baute, in der Vittorino eine Erziehungsreformanstalt an¬ 
legte. Von ihm wird berichtet; „Wie das Geistige, so pflegte 
er auch körperliche Übungen, wurde ein ausgezeichneter Reiter, 
Tänzer*) und Fechter, kleidete sich im Winter ebenso wie im 
Sommer, trug selbst während der härtesten Kälte nur Sandalen 
und lebte so einfach und mäßig, dass er bis in sein hohes 
Alter niemals krank wurde. Seine Leidenschaften, Neigung 
zur Wollust und Zorn bekämpfte er so, dass er sein ganzes 
Leben hindurch keusch blieb (das letztere wurde ihm auch 
von dem berühmten Naturforscher Newton gesagt) und selten 
durch ein liartes Wort jemand verletzte.‘‘ \'on diesem Vitto¬ 
rino da Feltre gibt es heute noch ein Bild, das zu seinen 

*) Die Italiener tanzten damals noch im Freien. 


wenu besondere Beschwerden dazu zwingen; auf jeden Fall aber 
möglichst lange mit der Operation warten. Bei inneren Fisteln, 
Durchbruch in Blase, Darm etc., kann man lange spontanen Schluss 
abwarten. Aeussere Fisteln sollen bald operiert werden. Bei der 
II. Gruppe, die die Fälle umfasst, bei denen nach dem 1. Anfall 
keine subjektiven und objektiven Residuen gebHeben sind, ist eine 
individuelle Indikationsstellung nicht mögUch. Was der Gesamtheit 
frommt, soll auch das Handeln für den Einzelnen bestimmen. 
Bei der Operation rechnet man hier nur mit einer möglicher Weise 
in Zukunft entstehenden Gefahr, sie richtet sich nicht gegen Be¬ 
stehendes. Unser Handeln hängt hier von der Beantwortung 
dreier Fragen ab: 1. können wir die Fälle anssuchen, die ein 
Rezidiv annehmen lassen; wenn nicht, soll man dann 2. in jedem 
Fall operieren oder 3. einen zweiten Anfall abwarten, um diesen 
sofort zu operieren ? Die erste Frage ist mit nein zu beantworten; 
ob ein Rezidiv eintreten wird oder nicht, ist niemals vorauszu¬ 
sagen. Nur zwei Ausnahmen gibt es: nach Anfällen, die mit 
Eiterung einhergegangen sind, sind Rezidive selten, und weiter ist 
ein solches unwahrscheinlich, wo der Patient zwei Jahre völHg 
frei geblieben ist. In diesen beiden Fällen kann also die Inter- 
valloperatifin unterbleiben. Zar Entsoheidnng von Frage 2 und 3 
sind 4 Unterfragen zu beantworten: 1. Wie gross ist die Zahl 
der Rezidive nach Appendicitis simplex? 2, Wird das Rezidiv 
gewöhnlich gefährlicher als der erste Anfall? 3. Wie gross ist 
die Gefahr der Rezidivoperation im Vergleich zur Intervalloperation ? 
4. Können wir stets darauf rechnen, bei einem zweiten Anfall den 
Patienten frühzeitig zur Operation zu bekommen? Rezidive nach 
Appendicitis simplex treten etwa bei 50% der Fälle auf. Die 
zunehmende Gefahr der Rezidive ist durchaus unsicher. Die Ge¬ 
fahr der Intervalloperation nach mehreren grösseren Statistiken 
drückt sich in einer Mortalität von 0,5% aus; wogegen die Mor¬ 
talität der Frühoperation in den ersten 48 Stunden des akuten 
Anfalles 2% beträgt. Diese Differenz mag zu klein erscheinen, 
um daraus die Notwendigkeit der Intervalloperation abzuleiten. 
Man muss aber berücksichtigen, dass das Desiderat der Früh¬ 
operation beim 2. Anfall keineswegs immer zu erfüllen ist. Das 
wird bedingt durch diagnostische Schwierigkeiten auf Seiten der 
Aerzte, besonders bei Kindern, Mädchen, Frauen, durch Indolenz 
und Stupidität des Publikums, durch die Unmöglichkeit stets einen 
Chirurgen zur Hand zu haben, auf dem Lande, in kleinen Städten, 
auf Reisen. Dadurch kommt es, dass die Mortalität des 2. An¬ 
falles auf fast 12% erhöht wird. Die Differenz von 12% zu 
0,5% ist aber sicherlich gross genug, um zu sagen, dass die All¬ 
gemeinheit besser fahrt mit der Intervalloperation, und um diese 
prinzipiell zu fordern. Für dieselbe können dann noch einige 


Lebenszeiten von dem berühmten florentinischen Maler Pisano 
gemalt wurde. 

Trotzdem also dem Sanctorius der Boden eigentlich 
gut vorbereitet war, scheint er doch gegen grosse Vorurteile 
zu kämpfen gehabt zu haben. Denn er sagt in seiner Wid¬ 
mung: „Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich diese 
meine Lehre Vom Gewicht, die ja neu ist und vor mir von 
niemand behandelt wurde, an die Oeffentlichkeit bringen sollte. 
Auf der einen Seite war die lange Reihe von unwissenden 
und übelwollenden Leuten, welche neues nicht fassen und sub¬ 
tile Dinge nicht verstehen können, und welche die gewisser¬ 
maßen göttliche Kunst verdammen würden, und auf der an¬ 
deren Seite fühlte ich mich zur Veröffentlichung veranlasst 
durch das Drängen meiner Freunde und die Sache selbst, 
wie sie durch so viele Experimente gestützt war. Und den¬ 
noch wären die Schwierigkeiten zu gross gewesen, wenn es 
mir an dem erlauchten Schützer gefehlt hätte“ etc. „Du bist 
es, dessen erhabenen Schutz ich genossen habe, seitdem ich 
mich der Gelehrtenlaufbahn gewidmet, der mich seit 40 Jahren 
mit Liebe überhäuft hat. Für dieses einzig dastehende Wohl¬ 
wollen empfange, erlauchter Senator, diese Frucht vieler Jahre, 
welche durch Deinen erhabenen Schutz vor allen anmaßenden 
Anfeindungen bewahrt bleiben wird.“ 

Im Vorwort verschmäht er die Vernünftelei der Ungebil¬ 
deten, denen alle Dinge, welche ungewohnt sind, lächerlich er¬ 
scheinen, glaubt aber an die grossen Vorteile der Entdeckung, 
da es bekannt ist, wie gross die Bedeutung der Kenntnis der 


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440 


MEDIGINISGSIB WOCHE). 


Nr. 42. 


weitere Momente sprechen, so die Möglichkeit der Gravidität and 
wirtschaftliche Gründe, die es wünschenswert erscheinen lassen, 
nicht dem Zufall das Einsetzen eines 2. Anfalles zu überlassen, 
sondern im selbst gewählten Moment dem vorzubeugen. Zu- 
sammenfassend lassen sich folgende Indikationen aufstellen; Die 
Intervalloperation ist unnötig nach eitriger Appendicitis, die ohne 
konsekutive Krankheitserscheinungen abgelaufen ist, und nach 
zweijährigem Freisein nach Appendicitis simples; sie ist strikte 
indiziert bei äusseren Fisteln, bei mehrfachem Anfall im Laufe 
eines Jahres, bei Schwangeren, bei Kindern; bedingt bei inneren 
Fisteln, bei Druckschmerz des Coecum; empfehlenswert bei Er¬ 
wartung der Schwangerschaft, aus wirtschaftlichen Gründen, bei 
Rezidivfurcht. 

Krause: Wenn die Frage nach der prinzipiellen Notwendig¬ 
keit der Intervalloperation mit ja oder nein zu beantworten wäre, 
würde er sie mit nein beantworten. Er hält sie für unnötig nach 
leichteren Anföllen, die keine Beschwerden und keine objektiven 
Symptome hinterlassen haben. Nach eitriger Appendicitis operiert 
er stets. Sonst ist die Indikation durchaus inviduell unter Be¬ 
rücksichtigung von Alter, Beruf, Körperbeschaflfenheit zu stellen. 
Sehr weit ist sie zu stellen bei jungen Leuten, an deren Körper 
hohe Anforderungen gestellt werden, bei Leuten, die grössere 
Reisen unternehmen wollen, bei Kindern wegen der oft sehr 
schweren Rezidive; wesentlich zurückhaltender aber bei älteren 
Leuten mit Adipositas, Alkoholismus, bei bestehenden anderen 
krankhaften Aflfektionen der Luftwege, des Herzens, der Nieren; 
hier verzichtet er sogar auf die Intervalloperation auch bei Vor¬ 
handensein leichter Residuen. 

Rotten Die prinzipielle Frühoperation hat einen Wendepunkt 
in der Behandlung der Appendicitis gebracht* ihr ist die Herab¬ 
schraubung der Mortalität von 12 auf 2% zu danken. Bedingung 
dafür ist die Frühdiagnose, die mit ausreichender Sicherheit ge¬ 
stellt werden muss, dass nicht Gesunde operiert werden. Bei 
einem grösseren Material haben sich nach den anatomischen Unter¬ 
suchungen 4^2% Fehldiagnosen gefunden. Dieselassen sich nach 
seinen neuen weiteren Erfahrungen auf 2% herabmindem; und 
diese Sicherheit erscheint bei der so oft lebensrettenden Bedeutung 
der Frühoperation ausreichend. Die Frühdiagnose muss damit 
rechnen, dass in 15—20% der Fälle der Anfall mit unauffälligen 
Erscheinungen unter dem Bilde einer Indigestion, Appetitlosigkeit, 
unbestimmter Leihschmerz, beginnt. Dieses Vorstadium ist von 
grosser Bedeutung, nur wenn man dieses zum akuten Anfall zu¬ 
zählt, ergibt sich eine Mortalität von 2%. Der klassische Anfall 
beginnt mit Peritonealgefühl, Erbrechen, Schmerzen rechts oder 
in der Magen- oder Nabelgegend. Die subjektiven Symptome 


reichen aber zur Diagnostik nicht aus; dazu muss der objektive 
Druckschmerz am Mac Burneyschen Punkt treten. Um diesen 
festzustellen, beginne man mit der Untersuchung links, drücke erst 
allmählich stärker und tiefer ein, um sich an Resistenz der Bauch¬ 
wand und den Patienten an den Druck zu gewöhnen imcl zu be¬ 
ruhigen, gehe langsam nach oben und erst zuletzt nach der 
rechten Seite, Bei solchem Vorgeben allein ist es möglich, ob¬ 
jektive Angaben zu erhalten. Ist kein Druckschmerz vorhanden, 
so ist mit den subjektiven Symptomen nichts anzufangen, man warte 
ab; ist er deutlich nachweisbar, so operieie man. Unterstützende 
Momente für die Diagnose sind: Kleine Temperatursteigerungen, 
die Muskelspanuung an Ort und Stelle, die aber meist erst später 
einsetzt. Bei noch akuteren oder schon vorgeschritteneren Fällen 
lässt oft die Ausdehnung des Druckschmerzes auf Ausdehnung des 
Prozesses schliessen. Der Puls ist von geringerer Bedeutung; 
Steigerung über 110 lässt Schwere annehmen. Schwere und leichte 
Fälle zu unterscheiden, ist nur in etwa 70®/o möglich; deshalb soll 
man lieber alle frühzeitig operieren. 

Beck (New York) betont, dass die Diagnose im Frühstadium 
doch oft erhebliche Schwierigkeiten bietet. Bei der Unsicher¬ 
heit der Diagnostik und Prognostik — schwerste lokale Verän¬ 
derungen können ohne irgendwie alarmierende Symptome vorhan¬ 
den sein — soll man lieber öfter operieren, als unbedingt notwendig. 
Gegenüber der zu späten Operation ist die Fehldiagnose das kleinere 
Uebel. Er freut sich, dass die deutsche Chirurgie sich jetzt auch 
zu dem unbedingten Prinzip der Frühoperation bekennt, wie es die 
amerikanische schon lange getan hat. 

Landau: Die Prozesse in der Tube sind denen im Prozessus 
in vieler Beziehung gleiohzusetzen; nur bietet der letztere in er¬ 
höhtem Maße die gefahrvolle Möglichkeit der Fortpflanzung der 
Infektion und der Perforation. Gegenüber dem Pyosalpinx, der 
Tubargravidität, der Stieldrehung beim Ovarialtumor und auch der 
Hysterie sind die objektiven Symptome nicht immer differential- 
diagnostisch zu verwerten. Fehldiagnosen sind möglich; trotzdem 
ist die Frühoperation notwendig. Die Intervalloperation ist nur 
nötig, wenn Symptome vorhanden sind. Sehr oft kommen Fehl¬ 
diagnosen beim chronischen Blinddarmschraerz vor. 

Olshausen hält die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis 
und Salpiügitis meist für leicht. Eine falsche Diagnose wird meist 
in dem Sinne gestellt, dass eine Appendicitis angenommen wird, 
wo eine tubare Erkrankung vorliegt. Er selbst kann sich nicht 
einer Fehldiagnose entsinnen. Ein häufigeres Vorkommnis, das Be¬ 
achtung verdient, ist ein adhaerenter Prozessus bei tubarer Er¬ 
krankung und eine gleichzeitige Erkrankung beider Organe. Am 
leichtesten ist eine Fehldiagnose bei retroperitonealem Exsudat, vom 


Hautatmung in der Medicin ist. Die Schrift selbst ist einge¬ 
teilt in folgende 7 Kapitel: 

1. Von dem Gewicht der unmerklichen Ausdünstung. 

2. Von der Luft und dem Wasser. 

3. Von Speise und Trank. 

4. Vom Schlafen und Wachen. 

5. Von der Leibesübung und der Ruhe. 

6 . Von der Geschlechtsliebe. 

7. Von den Leidenschaften. 

Aus dem hier allein in Betracht kommenden ersten Kapitel 
möge folgendes wiedergegeben werden: 

„Die Ausatmung vollzieht sich entweder durch die Aus¬ 
atmung der Poren der Haut — da der Körper transpi- 
rabel in allen seinen Teilen ist und in die Haut 
eingehüllt ist wi e in ein Netz — oder durch den Mund, 
welcher an einem Tage durchschnittlich ein halbes Pfund aus¬ 
atmet. denn das kann man sehen an dem tauigen Niederschlag 
des Atems auf einem Spiegel, wenn man mit dem Mund nahe 
daran kommt. 

„Schweissige Ausdünstung ist nicht gut*), denn das 
S<'hw'itzen schwächt den Körper, wenngleich es manchmal den 
Körper von einem noch grösseren Uebel befreit. Je weniger 
feucht die Ausatmung ist, desto gesünder ist man.“ 

*) Der gleichen Ansicht war der englische Philosoph Bacon, der des¬ 
halb das hiUitigo Salbon und Oelen des Körpers, namentlich nach dom Bade 
anoinpfuhl. 


„Wenn ein Mensch sich leichter fühlt, als er in Wirklich¬ 
keit ist, so ist dies ein Zeichen einer ausserordentlichen ge¬ 
sunden Konstitution.“*) 

„Jedes, selbst das geringste Kältegefühl, das wir in der 
Nacht während des Schlafes haben, verhindert die Hant- 
atmung“ (und erzeugt infolgedessen Erkältung, wie wir hinzu¬ 
fügen können). 

„Wer Medicin einnimmt, bereitet der Hautatmung 
Hindernisse.“ 

„Die Kleidung ist ein Hindernis für die Hautatmung und 
schwächt die Lebenskraft des Menschen.“ 

Auf die Experimente des Sanctorius bezüglich des Ge¬ 
wichtes der unmerklichen Hautausatmung einzugehen, fehlt uns 
hier der Raum. Es genügte derHinw'eis, dass er sie während 
eines Zeitraumes von 30 Jahren gemacht hat, dass dieselben 
dann später in England durch James Kei 11 fortgesetzt wurden, 
und dass also der Italiener Sanctorius, nicht der Franzose 
Lavoisier, der eigentliche Entdecker der Hautatmung ist. 

Sanctorius Vaterland ehrte sein Verdienst durch Er¬ 
richtung einer marmornen Bildsäule; sein Jahrhundert erkannte 
in ihm einen zweiten Hippokrates. Der Gelehrte Boerhave 
sagt (Seite 40C, method, stud. med. London 1726) von seiner 
Schrift: «Kein Buch der Medicin ist mit gleicher Vollendung 
geschrieben". 

*) Erhebende Gefühle, Begeisterung, Idealismus etc. sind also nur 
einem Menschen inüglieb, dessen Leih nicht verschmutzt ist. 


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1906, 


^ icTl TfiTW T^ ((j WW WOCHE. 


441 


Appendix ausgehend, namentlich wenn es bis zum Beckenboden 
reicht. DiiFerentialdiagnostisch ist hier die Anamnese wichtig, die 
beim Pyosalpinx meist eine Gonorrhoe im Beginn ergibt; weiter 
die Doppelseitigkeit bei tubaren Prozessen. Fühlbare Adnexe bei 
biraanueller Palpation vor dem Exsudat sicheren seinen Ausgang 
vom Appendix, desgleichen die grössere Lüngen- als Breitenaus¬ 
dehnung. 

Sitzung vom 1. August 1906. 

Fortsetzung der Diskussion. 

Guttstadt gibt eine Reihe interessanter statistischer Daten. 

Baginsky hebt einige Punkte der Appendicitis bei K^indern 
hervor. Die Appendicitis ist seltener eine akute Krankheit; meist 
geht sie aus einer chronischen Darmerkrankung hervor. Wichtig 
sind chronische Blinddarmentzündungen, die nie zu akuten Anfall 
führen; merkwürdige Fieberkurve mit häufigen Untertemperaturen, 
Abmagerung, gelegentliches Erbrechen, unbestimmte Schmerzen sind 
ihre Zeichen; ein operativer Eingriff ist hier nötig. Bei der Unter¬ 
suchung auf Druckschmerz kaun man objektive Resultate nur er¬ 
zielen bei dem von Rotten hervorgehobenen Vorgehen. Ganz akute 
Fälle von Appendicitis ohne jedes praemonitorische Moment kommen 
vor; sie erinnern io ihrem plötzlichen Einsetzen an bestimmte 
Formen von Anginen und machen den Eindruck einer Tonsillitis 
abdominalis. Zwischen Lokalbefund und Allgemeinerscheinungen 
besteht kein Parallelismus. Trotz der Möglichkeit von diagnostischen 
Irrtümern ist er prinzipieller Anhänger der Frühoperation und auch 
der Intervalloperation geworden. 

Me ge rer: Die bei den anatomischen Untersuchungen so oft 
am Prozessus gefundenen Blutungen sind zum grösseren Teil als 
Effekt der Operation anzusehen, wie sich das auch durch das Experi¬ 
ment nachweisen lässt. Sicher gehören hierher die punktförmigen 
Haemorrhagien; die grösseren können als pathognomisch ange¬ 
sprochen werden, wenn sich Veränderungen des Blutfarbstoffs nach¬ 
weisen lassen. 

Neu mann hebt hervor, dass in der allgemeinen Praxis doch 
eine grosse Zahl von frischen, aber leichten Appendicitiden Vor¬ 
kommen, die bei Bettruhe, antiphlogistischer Behandlung, Opium 
glatt und auch ohne Recidiv ausheilen. Diöse Fälle kommen nur 
selten vor das Forum des Chirurgen und figurieren deshalb auch 
nicht in den von diesen aufgestellten Statistiken. Für die Praxis 
spielen sie eine grosse Rolle; die Frühopej-ation ist bei diesen ab¬ 
solut nicht erforderlich. Die Intervalloperation ist vorzunehmen, 
wenn objektive Residuen dauernd bleiben. 

Ewald: Der plötzliche Anfang der Appendicitis erscheint ihm 
häufiger als ein praemonitori.sches Vorstadium. Schwerer ist es, 


Medicinisches aus der schönen Literatur. 

In zwangloser Folge mitgeteilt von 

Dr. Leopold Hirschberg (Berlin). 

3. Was eine Dichterin vor 100 Jahren über den 
Aderlass dachte. 

ln den Jahren 1804—1806 unterhielten zwei der inter¬ 
essantesten Frauengestalten der deutschen Literatur einen 
langen, ausgiebigen Briefwechsel, der von einer derselben, der 
Bettina Arnim, unter dem Namen der anderen „Die Günde- 
rode“ im Jahre 1840 zweibändig veröffentlicht wurde. Die 
„Bettina“ (so wird sie gewöhnlich genannt) ist allen Literatur¬ 
freunden als das berühmte „Kind“ bekannt, welches in dem 
wundervollen Buche „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“ 
die Hauptrolle spielt. Zweifellos eine der genialsten Frauen, 
die je gelebt haben, ist Bettina in ihren meist aphoristisch ge¬ 
haltenen Werken allen möglichen Fragen der Philosophie, Ethik 
und Aesthetik nahegetreten. Die Günderode (dieser Name hat 
sich im Gegensatz weit mehr eingebürgert als ihr Vorname 
Caroline) war eine begabte Dichterin, doch scheuen, melancholi¬ 
schen Temperaments, die durch einen gegen das Herz geführten 
Dolchstoss aus dem Leben schied; am 26. Juli 1906 jährte 
sich ihr Todestag zum 100. Male. In einem ihrer Briefe er¬ 
wähnt die Günderode, dass sie zur Ader lassen müsse. Es ist 
männiglich bekannt, dass solche Aderlässe zur Reinigung des 


die Prognose als die Diagnose zu stellen. Puls, Temperatur, Leu- 
cocytose geben keine sicheren Anhaltspunkte. Viele Fälle heilen 
glatt aus; deshalb soll man nur operieren bei dringenden Symptomen. 
Dieser Zeitpunkt ist mit ausreichender Sicherheit zu erkennen, 
wenn man den Patienten dauernd in Beobachtung hat. Nur bei 
Kindern ist prinzipiell früh zu operieren, da hier oft überraschend 
plötzlich das leichte Bild sich in ein schweres wandelt. Unnötige 
Operationen zu vermeiden, bedingt auch die nicht völlige Gefahr¬ 
losigkeit der Operation (Narkose, Folgeerscheinungen). Die Indika¬ 
tion zur Intervalloperation ist nach individualisierenden Erwägungen, 
wie es Krause ausgeführt, zu stellen. Er glaubt, dass das Streben 
nach der Frühoperation ersetzt werden wird durch das Streben 
nach dem operativen Eingreifen zur rechten Zeit. 

Albu: In 80—90®/o der Fälle von Appendicitis wird die Früh¬ 
diagnose des akuten Anfalls sicher möglich sein; der Lokal¬ 
schmerz, lokale Druckempfindlichkeit, Plötzlichkeit der Verdauungs¬ 
störungen etc. sind zu verwerten. Viel richtiger aber erscheint es, 
die leichten von den schweren Fällen zu unterscheiden. Die er- 
steren sind im allgemeinen Praxismaterial entschieden häufiger. 
Die Schwere eines Falles muss rechtzeitig erkannt werden. Ein 
sicheres Symptom gibt es dafür nicht; aber einen Symptomen- 
komplex: anhaltendes Fieber, Pulsfrequenz im Missverhältnis zur 
Temperatxir, Fortdauer des Erbrechens, steigende Dmokempfind- 
lichkeit, Allsdehnung derselben, der Dämpfung, Rötung der Haut, 
Defense musculaire, Drucksymptome von Blase und Rectum, Sin- 
gultus, allgemeine Verfallenbeit. Diese Symptome zusammen oder 
in einzelnen Kombinationen lassen die wachsende Schwere des 
Krankheitsbildes gut erkennen und rechtzeitig den Termin für die 
Operation bestimmen. Plötzliche Umwandlung eines anscheinend 
leichten Falles in einen sehr schweren ist ein höchst seltenes Er¬ 
eignis. Prinzipielle Frühoperation ist nicht nötig; die Operation 
ist nur nach genauen Indikationen vorzunehmen. 

Hermes fordert die Frühoperation nidit prinzipiell, sondern 
nur für die Fälle, die von vornherein schwer sind oder als schwer 
verdächtig erscheinen. Für Difierentialdiagnose gegenüber Genital¬ 
affektionen ist die Anamnese wichtig; auch ist der meist weniger 
stürmische Beginn bei genitalen Peritonitiden zu berücksichtigen. 
Der Leucocytose misst er eine grössere dififerentialdiagnostische Be¬ 
deutung zu als sonst meist angenommen. 

Hencke macht auf die Häufigkeit des Befundes von Kot- 
steinen aufmerksam. Wenn auch die anatomische Untersuchung 
die nicht seltene spontane Ausheilung selbst schwerer Veränderungen 
des Prozessus dartut, so glaubt er doch, dass im ganzen die Er¬ 
gebnisse der pathologischen Anatomie im Sinne der Frühoperation 
zu verwerten sind. 


Geblütes früher ganz regelmässige Prozeduren waren, die be¬ 
sonders Frauen von ihren Hausärzten mit einer gewissen Feier¬ 
lichkeit vornehmen Hessen. Der gesunde Sinn Bettinens sträubte 
sich stets gegen diesen willkürlichen Eingriff in den Kreislauf 
des Lebens; wie sie sich über Alles, selbst das Geringste, ihre 
Gedanken macht, so äussert sie sich auch über die Venäsektion 
so originell, dass eine Wiederauffrischung dieser Zeilen immer¬ 
hin auf einiges Interesse rechnen kann. In ihrer entzückenden 
Schreibweise, deren Charakteristikum unter anderen eine ge¬ 
wisse Formlosigkeit des Satzbaus und eine ganz willkürliche 
Interpunktion ist, wendet sie sich folgendermaßen an die ab¬ 
göttisch geliebte Freundin: 

„Ach lasse doch ja nicht zur Ader, aus tausend Gründen, 
denn (vielleicht): wenn einer nur einmal zur Ader gelassen 
hat, so kann er kein Soldat mehr sein, kein Held! man kann 
gar nicht wissen was so ein Eingriff in die Natur für Ver- 
ändrung im menschUchen Geist macht, und wozu er all die 
Fähigkeit verlieren kann. Ich bitte Dich, lasse nicht zur Ader, 
im Kloster, da, wenn der Tag kam wo das Aderlassmännchen 
im Kalender steht, ich glaub es war grad in der heissen Zeit 
wie jetzt, da Hessen die Nonnen alle am linken Fuss zur Ader, 
da Kam ein Chirurg, ich war immer in Anstaunen seiner 
Hässlichkeit verloren, er hiess Herr Has. — Eine alte Nonne 
sagte einmal, man könne in seine Pockengruben, in denen sehr 
viel erdiger Schmutz war, Kresse säen, so würde er einen 
grünen Bart bekommen, ich hielt also immer Kresse bereit und 
passte auf die Gelegenheit ihm den Samen einzustreuen, und 


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442 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 42. 


Seefisch spricht sich bei der Schwierigkeit der Beurteilung 
bleibender Residuen nach Appendicitisattaquen für möglichst radi¬ 
kalen Standpunkt bezüglich der Intervalloperation aus. Ausnahmen 
will er nur bei Alkoholikern und Fettleibigen gelten lassen. 

Bet'liner ophthalmologisclie Gesellschaft, 

Sitzung vom 21. Juni 1906. 

1. Herr Köllner: Ueber Gesichtsfelder bei typischer 
Eigmentdegeneration der Netzhaut, 

Die erste bei der Pigmentdegeneration der Netzhaut auf¬ 
tretende Gesichtsfeldstörung ist die ringförmige. Vortragender 
konstatierte dies an 18 Fällen, die mit dem von Michelscheu elek¬ 
trischen Perimeter untersucht wurden. Gewöhnlich fällt erst die 
obere Hälfte aus, meist liegt der Defekt zwischen 20 und 60 Fast 
bei allen hochgradigen Fällen lässt sich das Ringskotom konstatieren, 
selbst wenn am Perimeter eine rein konzentrische Einengung fest¬ 
gestellt wird. Rein zentrale Skotome kommen nur sehr vereinzelt 
vor. Das ophthalmoskopische Bild geht diesem Befunde bis zu 
einem gewissen Grade parallel, denn nach dem Zentrum, wie nach 
der äussersten Peripherie nehmen die Pigmentherde ab. Die Ge- 
sichtsfeldstörungen rühren von dem anatomischen Verhalten der 
Ciliararterien, bez. des anastomosenarmen ringförmigen Gebietes der 
Aderhaut her. 

2. Herr Lichtenstein: Hypermetropie und Diabetes 
mellitus. 

Ein iTjähriger Gärtner erklärt, dass sein Sehvermögen in 
letzter Zeit abgenommen hätte, S = Ve, dabei völlige Akkommo¬ 
dationslähmung (+ 12,0 D.). Linke Pupille ist erweitert, normales 
Gesichtsfeld. Bei einer Menge von 6 Litern Urin und 1026 sp. Gew. 
4,5 ®/o Zucker. Wie häufig bei Diabetes schwache Kniereflexe. Pat. 
benötigt am Tage nach der 1. Untersuchung für die Ferne -j- 2,5, 
nach 5 Tagen + 3,5, nach 8 Wochen wieder 1,5, während 
die Lähmung auf 5,0 zurückgegangen war. Dieser Befund liess 
sich stets objektiv mittels des Augenspiegels kontrollieren. Es han¬ 
delte sich also um eine transitorisehe Hypermetropie. Au-sgeschlossen 
war latente Hypermetropie, so dass Vortr. sieb genötigt sah, Groe- 
nouw und Schmidt - Rimpler zu widersprechen, die diese Fälle auf 
das Manifestwerden einer bis dahin latenten Hyi^ermetropie zurück¬ 
führten. Es ist vielmehr eine Veränderung der ßrechkraft der Linse 
durch vermehrte Wasserabgabe infolge der Zuckerkrankheit als Ur¬ 
sache anzunehmen. In der Diskxission stellt Herr Ko wale w sky 
einen Fall von Ophthalmoplegia interna bei chronischer Nierenent¬ 
zündung (7 ®/oo Eiweiss) vor, der akut aufg etreten war. 

3. Herr von Michel: Ueber syphilitische Augen- 
gefässverändernngen. 

habe auch einen Augenblick wo er über dem Warten auf die 
Nonnen eingeschlafen war, benutzt, und Du magsts glauben 
oder nicht, die Kresse hatte einen sehr günstigen Boden, sie 
begann mit Macht emporzuschies.sen, man brauchte ihn nur 
mit Essig und Oel einzuseifen, so hatte man den trefflichsten 
Salat von seinem Bartschabsei. Aber gelt Du glaubest 
nicht? — Aber hör, da fällt mir ein, esse doch eine recht 
tüchtige Schüssel voll Salat, das kühlt das Blut ab, aber wenn 
Du bei einer Entzündung noch Blut verlierst, so wird natürlich 
diese verstärkt, denn wenn Du ein Dippen mit Wasser kochend 
hast, und schüttst einen Theil davon weg, so kochts viel 
stärker. — 

Ich dacht auf was, was Dir recht gut war, da dacht ich 
gleich die Aprikosen in der Grossmama ihrem Garten müssten 
Dir gesund sein; da ging ich um die Bäum herum und er¬ 
spähte die besten, und lernte sie alle auswendig wo sie hingen, 
und so spazierte ich einem Wiederholen meiner Lection, bis 
die Sonne unterging, denn bei Tag könnt ich sie nicht stehlen, 
ich musste warten bis alles am Spieltisch sass, es war Dir das 
schönste Plaisir, diese Aprikosen zu stehlen, erstens die Angst 
ist ein wahrer Spass, das Herz klopfte mir so, ich musste so 
lacbcii vor Freud; Herzklopfen ist so was angenehmes, und 
denn wars grud als Hessen sie sich recht gern stehlen, sie 
fielen mir in die Hand, ich hatte mir ein Tuch um den Hals 
gebunden da warf ich sie hinein, zwanzig! — ich war recht 
froh wie icli sie all iiatte, und glücklich auf meiner Stube war, 
da hab ich sie alle in die jungen Weinblätter gepackt, die sind 


Es handelt sich meistens um eine sehr zellreiche, herdförmige, 
proliferierende Entzündung der Intima und Adventitia; die Er¬ 
krankung der Media ist meistenteils sekundär. Bei Untersuchung 
des wegen schmerzhaften, absoluten Glaukoms entfernten Aug¬ 
apfels eines 38jährigen Syphilitikers, fand Vortr. die episkleralen, 
ciliären und retinalen Gefässe krank (Endarteriitia und Perivas- 
culitis), besonders am Cirkulus arteriosus maior. 

Im Strahlenkörper Knötchen. Durch gleichmäasige Infiltration 
verdickte Aderhaut, Netzhautgefässe auf der Papille und in der 
Lamina cribrosa erkrankt. Gumma auf der Papille, am Sehnorven- 
stamm Leptomeningitis. Keine Spirochaeten; zahlreiche epidiasko- 
pische Erläuteningen. Kurt Steindorff. 


Kongressbericht. 

23. Kongress für innere Medicin 

vom 23. bis 26. April 1906 in München. 

Referent: Dr. Grassmann-München. 

(Scäluss.) 

Herr Türk-Wien: Ueber die Beziehungen zwischen 
myeloidem und lymphoidem Gewebe im Verlaufe von 
Leukämi en. 

T. berichtet über mehrere klinische Beobachtungen chronischer 
myeloider Leiikämie, in deren Verlaufe sich in Spätstadien oder 
unter dem anscheinenden Einflüsse therapeutischer Massnahmen 
(Arsen, Röntgen) eine mehr oder weniger akut einsetzende und 
verlaufende leukämische Wucherung lymphoiden Charakters ent¬ 
wickelte. Diese lymphoid - leukämische, sekundär entstandene Er¬ 
krankung be.stand dann eine Zeit lang neben der noch fortdauernden 
myeloiden Leukämie, verdrängte diese aber in dem einen Falle 
so vollkommen, dass schliesslich im Blut und in den blutbereitendeu 
Organen nur mehr äusserst spärliche granulierte Zellen neben der 
überwiegenden Zahl der lymphoiden Elemente gefunden wurden. 
Leider fehlt in den 3 zur Sektion gekommenen Fällen die histo¬ 
logische Untersuchung von Schnitten der blutbereitenden Organe; 
es wurden bisher nur Ausstrichpräparate untersucht und diese zeigen 
in den ersten zwei Fällen in i^ochenmark, Milz und Lymphdrüsen 
beinahe ein Ueberwiegen lymphoider Zellen gegenüber den Granu- 
lozyden; im letzten Falle sind, wie erwähnt, überhaupt nur mehr 
vereinzelte neutrophil granulierte Zellen zu sehen. 

Ein vierter Fall wurde vom Vortragenden nur vorübergehend 
selbst untersucht, ist sonst hämatologisch nicht genau beobachtet 
und verlies kurz vor dem Tode das Spital, so dass keine Sektion 


vom zweiten Schuss und haben einen so weichen Sammet auf 
der linken Seite. Da liegen sie in der Schachtel und gucken 
mich an als hätten sie Appetit auf einen Biss von meinem 
Mund, aber da wird nichts draus, sie sind all für Dich, sie 
müssen sichs vergehen lassen von mir gespeist zu werden. 
Esse sie Günderod, sie sind gut, Gott hat sie geschaffen für 
Entzündungen damit die aus dem Blut wieder in den Geist 
zurückgehen soll, aus dem sie eigentlich nur ausgetreten war 
ins Blut. Lass nur nicht zur Ader, denn wie gesa^ es ahnt 
mir, dass dadurch etwas im Menschen zu Grunde g^en könne, 
vielleicht das echte Heldenthum; wer weiss, ob nicht einer, der 
einmal Ader gelassen hat, hierdurch nicht seine ganze Nach¬ 
kommen um die Tapferkeit gebracht hat, und dass diese Jugend 
eben darum jetzt so rar ist. — Das Aderlassmännchen ist der 
Teufel, der hat sich so ganz sachte in den Kalender ge¬ 
schlichen, um die Menschen um das einzige zu betrügen was 
ihm Widerstand leisten kann, um den Stahl im Blut, der 
übergeht in den Geist, und den fest macht dass er thun kann 
was er will.“ 

Heiliger Rabbi Ben Akibal Also auch einer der grössten 
Clous der modernen Blumenläden, das bewachsene Glücks- 
schw^ein, war schon vor hundert Jahren da! 

(Soll fortgesetzt worden.) 


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1906. 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


443 


vorgenommen werden konnte. Es bestand zunächst eine mjeloide 
Leukämie mit einem dem chronischen Verlaufstypus entsprechenden 
Blutbefunde; doch waren schon anfangs etwa 13 Proz. lymphoide 
Zellen vorhanden, von denen die meisten nicht lymphoide 
Markzellen sein dürften (ungünstige Färbung). Terminal ent¬ 
standen (nach Arsen und Röntgenbehandlung) akut wachsende 
Drüsentumoren und es erfolgte ein rapider neuerlicher Leukozyten- 
anatieg, wobei scheinbar besonders die lymphoiden Zellformen Zu¬ 
nahmen. Bei' guter Triazidfarbung zeigte jedoch ein Teil dieser 
sonst sehr atypisch aussehenden Elemente eine minimale Andeutung 
neutrophiler Granulation, während ein anderer bedeutender Teil 
auch diese Andeutung vermissen Hess. Jedenfalls bestand hier 
terminal eine weitgehende Entdifferenzierung der rapid wuchernden 
neutrophilen Myeloeiten, doch glaubt der Vortragende, dass auch 
noch separat eine von Anfang schon angedeutete lymphoid-leukä- 
mische Wucherung terminal sich weiter ausbildete. In diesem 
Palle ist jedoch ein sicherer Schluss nicht möglich, weil die lym¬ 
phoiden Zellen nicht wie in den früheren, besonders im ersten 
und zweiten Falle, typische kleine und grosse Lymphocyten, sondern 
atypisch gebildet waren, und weil die Sektion fehlt. In den ersten 
3 Fällen wurde dagegen niemals in den lymphoiden Elementen 
auch nur eine Spur neutrophiler Granulierung gefunden und des¬ 
halb nimmt der Vortragende für sie mit Sicherheit die sekundäre 
Entwicklung einer lymphoiden Wucherung neben der ursprünglichen 
myeloinen Leukämie an. 

Diskussion. 

Hr. E. Meyer-München hat bei schweren Anämien in der 
Leber und Milz, in den Lymphdrüsen Veränderungen gefunden, 
welche sich decken mit dem Befunde an diesen Organen, wie 
man denselben ln bestimmten Zeiten des embryonalen Lebens 
findet. 

Hr. Schritte-Marburg hat in zwei Brustdrüsen zwei ausge¬ 
dehnte Entwicklungsherde für Brutkörperchen nachweisen können. 

Hr. Königer-Erlangen weist darauf hin, dass die Röntgen¬ 
behandlung den Uebergang der myeloiden Leukämie in eine 
scheinbar lymphoide Form begünstigt. Wahrscheinlich handelt e.s 
sioh dabei aber lediglich um eine Verfügung der lymphoideu 
Wucherung, 

Zu kurzen Bemerkungen ergreifen noch das Wort der Vor¬ 
tragende zu einer Entgegnung gegenüber E. Meyer sowie Nae- 
geli' Zürich. 

Hr. Achelis-Marburg: Kurze Mitteilung über die 
Hervorrufung der Entartungsreaktion durch Er¬ 
müdung. 

Experimentell-physiologische Untersuchungen haben gezeigt, 
dass man durch Ermüdung mit dem faradischen Strom am Nerv- 
Muskelpräparat vom Frosch wie auch vom Warmblüter momentan 
die Erscheinungen der Entartungsreaktion hervorrufen kann. 
Durch Latenzbestimmungen und durch Parallelversuche an Tieren, 
bei denen durch Nervendurchschneidung Eiitartungsreaktioii her¬ 
vorgerufen war, Hess sich ferner eine völlige Ueljereinstiinmung 
der durch Ermüdung und der durch Nervendurchschneidung ent¬ 
standenen Entartungsreaktion darlegen. 

Diese Resultate sind geeignet, einmal speziell die Umkehr der 
Zuckungsformel zu erklären, zweitens aber auch zu zeigen, dass 
die Entartungsreaktion beim Menschen wohl nicht auf die degene- 
ralive Atrophie der Muskulatur zurückzuführen ist, sondern wohl 
lediglich durch den Fortfall der spezifischen Wirkung der Nieren 
auf den Muskel zu erklären ist. 

Mit kurzen Dankesworten des Vorsitzenden, Herrn Strüm¬ 
pell-Breslau wird der Kongress um 12 Uhr geschlossen. 

Dem Kongresse, der nach jeder Richtung hin sshr befriedigend 
verlaufen zu sein scheint, war eine Aus-stcllung technischer, pharma- 
ceutischer, buchhändlerischer und anderer medicinischer Neuheiten 
in herkömmlicher Weise angegliedert. Besondere Erwähnung ver¬ 
dient jedoch die von Prof. Dr. G. Klein-München arrangierte 
Ausstellung von Originalwerken zur Geschichte der medicinischen 
Abbildungen, die gewiss die Bewunderung jedes Kenners wachge¬ 
rufen hat. 

Die Erinnerung an einen ganz reizenden, dem feinsten Kunst¬ 
genüsse geweihten Abend aber weiden alle Kongressteilnehmer 
mit nach Hause genommen haben, die der Festvorsteilung in 
unserem prächtigen Residenztheater anwohnten. Die Herausgeber 


der Münchner med. Wochenschrift hatten sie dahin eingeladen, um 
im Mozart-Jahre 1906 sich an des Meisters Cosi fan Tutte zu er¬ 
quicken. 

78» Versammlung deutacTiet* Naturforscher und 
Aerzte in St^Utgart. 

Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Hr. v. Herff-Basel: Zur Behandlung der engen 
Becken. 

Man kann zwei Richtungen in der Geburtshilfe unterscheiden! 
Die abwartende und die vorbeugende. Erstere nennt sich kon¬ 
servativ , weil sie sich nicht zur künstlichen Frühgeburt versteht. 
Sie schätzt das Leben des Kindes höher ein und mutet der Mutter 
schwierige, langdauemde, häufig operative Geburt zu. Die zweite 
Richtung vertritt das Interesse der Mutter als des kostbaren 
Lebens und ihr vornehmstes Mittel ist neben der prophylaktischen 
Wendung und der äusseren Wendung die künstliche Frühgeburt. 
Unter 10 000 Geburten der Baseler Klinik sind 413 enge Becken 
mit einer geschätzten Conj. vera unter 10 cm; dieselben verteilen 
sich auf die Zeit unter Bumm und v. Herff. Bei vorbeugender 
Behandlung konnten hierbei 87,8% Kinder lebend entlassen werden, 
welch Resultat hauptsächlich auf Rechnung der künstlichen Früh¬ 
geburt zu setzen ist. Nimmt man unter 10 000 Geburten mit 
Gönner 700 enge Becken an, so beträgt der Verlust an Kindern 
in Basel 8%. Die künstliche Frühgeburt hat die Resxütate für 
die Kinder nicht verschlechtert, sondern verbessert, da sie haupt¬ 
sächlich schwerere Fälle betriffc. Die Verluste der Mütter betrugen 
unter 700 Geburten bei Beckenenge rund 1,3% (9 Todesfälle). 
Von diesen wurden aber 4 nach erfolgter Uterusruptur, 2 infiziert 
eingeliefert. Damit reduzieren sich die Verluste auf 0,4%, wovon 
2 auf Atonie entfallen. Ein Fall von Bakteriaemie nach Scham- 
fugensclmitt aus dem Jahr 1897 bleibt übrig. Die mütterliche 
Sterblichkeit in Basel ist dieselbe wie in Leipzig und Tübingen. 
Die künstliche Frühgeburt ist auch heute noch ein vollberechtigter 
und segensreicher Eingriff. 

Hr. Hofmeier-Würzburg: Ueber die Berechtigung 
einer aktiven Behandlung in der Geburtshilfe. 

Unter den Todesursachen der Kinder (im ganzen 3,3% Tot¬ 
geburten an der Würzburger Klinik) stehen die engen Becken mit 
71 Todesfällen = 43,6%. An exspektativer Behandlung sind 29 
Kinder, infolge der sogenannten prophylaktischen Operationen 24 
Kinder gestorben. Die Zahl der an künstlicber Frühgeburt ge¬ 
storbenen Kinder ist in Würzburg sehr gross; 16 Todesfälle auf 
115 künstliche Frühgeburten. Hofmeier neigt deshalb immer 
mehr dem relativen Kaiserschnitt zu; er würde seine entbindenden 
Verfahren ohne weiteres ändern, wenn es etwas Besseres gäbe, 
Die Chancen für die Kinder sind bei operativem Vorgehen sehr 
gute. Die Mortalität der Mütter betrug unter 163 Fällen mit 
während der Geburt gestorbenen Kindern 7, die mit der Leitung 
der Geburt nicht in Zusammenhang stehen (Eklampsie, Placeuta 
praevia, fibrinöse Pneumonie). Bei gemäßigt aktiven Prinzipien 
hat H. keinen Todesfall der Mütter, dagegen nur bei solchen 
Operationen, die zur Rettung des Kindes unternommen wurden. 
Ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz der durch aktive Operation 
geretteten Kinder ist kurz nach der Entlassung zu Grunde gegangen. 
Deswegen ist H. einem gemäßigt aktiven Vorgehen, auch hin¬ 
sichtlich der Art der Operation, an sich nicht abgeneigt. 

Diskussion. 

Hr. Wal eher-Stuttgart pflichtet dem Vortitigenden im all¬ 
gemeinen bei, besonders hinsichtlich der künstlichen Frühgeburt, 
scbliesst eventuell auch noch die Pubiotomie an, doch soll inan 
möglichst lange warten. Er legt zunächst die Säge sukutau an 
und sägt den Knochen nur im Notfall durch, wenn die Geburt 
in Hängelage nicht gelingt. Unter 8 Pubiotomien hat er 1 Todes¬ 
fall (Infektion eines Scheidenrisses bei einer Eklamptischen). 

Hr. Herzfeld-Wien: Die Frage der Pubiotomie ist für 
Klinik und Arzt noch nicht spruchreif. Man muss mit der Pubio¬ 
tomie so lange als möglich warten. Die Einteilung der Becken 
nach Pfannenstiel ist sehr zweckmäßig. Die künstliche Früh¬ 
geburt kann bei Becken bis 8 cm angewandt werden. Doch ist 


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444 


"M fcD TfilN iSC j H K ^VOCllJfi. 


Nr. 42. 


auf die Zustimmung der Mutter zum betreffeuden Eingriff Rück- 
eicht zu nehmen. 

Hr. W. Freund-Strassburg: lieber das Schicksal-der ent¬ 
lassenen Kinder wissen wir gar nichts. Prinzipielle Abmachungen 
hinsichtlich der Indikationsstellung dürfen wir nicht machen, doch 
sollen möglichst viel lebende Kinder erzielt werden. Immerhin 
geht man heute darin wohl aber zu weit. Eine gute Beobachtung 
während der Geburt ist für den guten Verlauf derselben das 
Wesentlichste. 

Hr. Krönig-Freiburg i. B. ist mit allen Vorrednern gar 
nicht einverstanden, er will keine sozialen Indikationen gelten 
lassen. Das Leben der einzelnen Kinder ist mehr zu wägen. Die 
Zahl der lebenden Kinder hat Kr. mit aktivem Vorgehen ent¬ 
schieden erhöht und glaubt an eine noch weitergehende Besserung 
der Verhältnisse. Die Operationsfrequenz im ganzen ist natürlich 
gestiegen, doch ist in der Freiburger Kliuik unter 1000 Geburten 
nur 16mal wegen engen Beckens eingegriffen worden, darunter 
13 Hebotomien und 3 Kaiserschnitte. Kr. verwirft prinzipiell die 
prophylaktische Wendung, die hohe Zange und die künstliche 
Frühgeburt, auch wären bei seinem Material die letzten nur ein¬ 
mal möglich gewesen. Die künstliche Frühgeburt wird in den 
meisten Fällen unnötigerweise gemacht. Die Hebotomie ist nie¬ 
mals durch dieselbe zu ersetzen. 

Hr. Veit-Halle a. S: Die künstliche Frühgeburt lässt die 
Perforation der lebenden Kinder noch nicht vermeiden, dagegen 
können wir die Pubiotomie noch nicht in die Praxis übersetzen; 
deshalb können wir die künstliche Frühgeburt vorläufig noch nicht 
entbehren. 

Hr. Baisch-Tübingen: Bezüglich der Mortalität der Kinder 
müssen die Todesursachen getrennt betrachtet werden. Eine 
Kombination von künstlicher Frühgeburt und Pubiotomie ist zu 
verwerfen, da sie die Nachteile beider kumuliert, die Vorteile aber 
eliminiert. In solchen Fällen empfiehlt sich der Kaiserschnitt. 

Hr. M e n g e - Erlangen; Weder künstliche Frühgeburt noch 
prophylaktische Wendung haben fest umgrenzte Indikationen, sind 
somit unwissenschaftlich und haben keine Berechtigung. Dies sei 
besonders unter dem didaktischen Gesichtspunkte gesagt. 

Hr. Everke-Bochum verwirft die Perforation der lebenden 
Kinder zugunsten des Kaiserschnittes. Als Praktiker darf man 
die künstliche Frühgeburt nicht ganz über Bord werfen. 

Hr. Gutbrod-Heilbronn spricht sich ebenfalls für die künst¬ 
liche Frühgeburt aus. 

Hr. Hofmeier betont, dass die künstliche Frühgeburt keine 
unwissenschaftliche Operation ist. Die soziale Stellung der Frau 
ist nicht maßgebend. 

Hr. v. Herff: Die Pubiotomie ist nur Notoperation. Erbe¬ 
kennt sich als Freund der hohen Zange, die er früher oft ge¬ 
macht hat. Die Indikation zur künstlichen Frühgeburt beruht 
nicht auf den Beckenmaßen, sondern auf dem Verhältnis zwisdien 
Kopf und Becken. Dies ist eine wissenschaftliche und umschriebene 
Anzeige. 

Hr. Pfannenstiel betont gegenüber Kronig den didak¬ 
tischen Standpunkt; der Praktiker müsse die künstliche Frühge¬ 
burt beherrschen. 

Hr. Krönig hält die Frage für noch nicht genügend geklärt, 
um didaktisch vergehen zu können. 

Sitzung vom 18. September, vormittags 11 Uhr. 

Vorsitzender: Herr Hofmeier. 

Hr. Veit-Halle a. S.: Tuberkulose und Schwanger¬ 
schaft. 

Die Auffassung der inneren Medicin, dass die tuberkulöse 
Frau sich in der Schwangerschaft wohl fühlt und dass sie im 
Wochenbett schnell zu Grunde geht, trifft nicht zu. Wie Veit 
schon in Cassel vorgeschlagen hat, ist das Wesentlichste bei der 
Beurteilung der tuberkulösen Schwangeren die Kontrolle des Körper¬ 
gewichts. Regelmäßige Gewichtszunahme kontraindiziert den künst¬ 
lichen Abort, ebenso eine regelmäßige Abnahme, da hier nichts 
mehr zu gewinnen ist. Bei Fieber allein ist die Einleitung des 
künstlichen Aborts diskutabel. Die Tuberkulose an sich ist noch 


keine Indikation, sondern die Reaktion des Körpers, und dies bezieht 
sich auch auf Fälle von Kehlkopftuberkulose sowie von Erbrechen. 
In letzterem Falle hat Veit kein einziges Mal Grund zur Ein¬ 
leitung des künstlichen Aborts gefunden. 

Diskussion. 

• Hr. Weinberg-Stuttgart hat mit Hilfe der württembergischen 
Familienregister sowie der sächsischen Statistik gefunden, dass ein 
Einfiuss der Tuberkulose auf die Sterblichkeit im Wochenbett nicht 
existiert. Am 1. Tage des Wochenbetts starben ebenso viele 
Frauen an Tuberkulose, wie an den 7 Tagen der 6. Woche zu¬ 
sammen. Das Wochenbett kann also in den meisten Fällen nicht 
die Ursache dieser Sterblichkeit sein, sondern es wird durch die 
häufige vorzeitige Unterbrechung der Schwangerschaft übermäßig 
mit Todesfällen an Tuberkulose belastet. 

Hr. Neu-Heidelberg: Gewichtsbestimmungen allein können 
nicht ausschlaggebend sein, die Beobachtung der Temperatur ist 
ebenfalls sehr wichtig, besonders bei belasteter Anamnese. Tem¬ 
peraturen von 37,7 im Rektum sind schon suspekt. Nur auf 
Grund streng individualisierender Beobachtung, womöglich unter 
Zuziehung eines Internisten, dürfen therapeutische Entschlüsse ge¬ 
fasst werden. 

Hr. E ve r k e - Bochum: Maßgebend ist auch die Gemüts* 
Stimmung der tuberkulösen Schwangeren, Unter Umständen ist 
die vaginale Sterilisierung angezeigt. 

Hr. W. Freund-Strassburg teilt den Pessimismus der inneren 
Mediciner hinsichtlich der Komplikation von Schwangerschaft und 
Tuberkulose nicht. Bei Fortschreiten der Tuberkulose mit fort¬ 
schreitender Gravidität ist der Abort diskutabel, ist aber trotzdem 
sehr gefährlich. Günstig liegen die Verhältnisse dagegen bei 
beginnender Kehlkopftuberkulose. 

Hr. Krön ig-Freiburg wünscht eine möglichst grosse Kasuistik, 
hält aber den Pessimismus der Internisten doch für berechtigt. 
Eine Dame war 6 Jahre gesund, verheiratete sich dann mit einem 
Arzt, konzipierte, und trotz künstlichen Aborts im II. Monat trat 
ein schweres Recidiv auf, 

Hr. Schaffer-Heidelberg: Statistiken nützen wenig, die 
eigenen Fälle sind am wichtigsten. Bei Erstgebärenden haben 
Aborte meist sehr schlechte Prognose. Bei Mehrgebärenden mit 
progressiver Verschlechterung in den einzelnen Graviditäten liegt 
die Sache anders. Eine Frau aus gutem Mittelstand hatte 5 Kinder 
in 6 Jahren, 3 lebten, waren aber kränklich, dabei trat eine 
progressive Verschlechterung auf. Dann Abortus arteficialis, Besser¬ 
ung. Nach 4 Jahren ausgetragene Schwangerschaft bei bester 
Gesundheit, bat selbst gestillt. Frau und Kind jetzt ganz gesund. 

Hr. P fan nenstiel-Giessen: Frauen mit schwerer Tuberkulose 
werden durch den künstlichen Abortus oft vor ernsthafter Ver¬ 
schlimmerung bewahrt, mit dem Wägen kommt man oft zu spät. 
Zu den Indikationen gehören ausser Fieber Hämoptoe, Larynx- 
und Darmtuberkulose, ferner Komplikationen mit Vitium cordis. 

Hr. Veit-Halle a. S. (Schlusswort): Nicht wegen der Tuber¬ 
kulose allein ist einzuschreiten, sondern wegen des Einflusses, den 
die Schwangerschaft axif den tuberkulösen Prozess ausübt. Des¬ 
wegen ist die Gewichtsbestimmung ein wertvolles Mittel, um fest¬ 
zustellen, wie es steht. 

Hr. Everke-Bochum: Die Osteomalaoie in Westfalen. 

In 20jähriger gynäkologischer Tätigkeit hatte E. 32 Fälle von 
Osteomalaoie, alle bis auf 2 in Bochum oder nächster Umgebung 
und fast alle in guten Nabrungs- und Wohnungsverhältnissen. Die 
schwersten Formen zeigten 2 Frauen, eine mit zahlreichen Spontan¬ 
frakturen, die andere auf 20 kg abgemagert und nur 112 cm gross. 
Durchgehends waren es Mehrgebärende mit zunehmender Osteomalaoie, 
alle waren absolut arbeitsunfähig, eventuelle Geburten mussten 
durch die schwersten Operationen beendet werden. E. hat in 
15 Fällen im Anschluss an Sectio oder auch für sich die Kastration 
ausgeführt und in allen Fällen, welche die Operation überstanden 
(11), Heilung erzielt. In frischen, leichten Fällen mag eine Phosphor¬ 
therapie versucht werden, 

Diskussion. 

Hr. Peter Müller glaubt nicht, dass die Heilung eine dauernde 
ist, da er immer nach 3, einmal nach 4—5, einmal nach 7 Jahren 
Recidiv gesehen hat. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


445 


Hr. Frank'Cöln weist auf die Arbeit yon Beanoamp hin, 
wonach die Besserung nach Kastration auch nur eine Zeitlang anh&lt. 

Bür. Krönig-Freiburg berichtet über einen Fall von Osteo- 
malaoie in jugendlichem Alter mit Reimplantation der Ovarien. Es 
trat erhebliche Besserung ein, solange die Menses ausblieben, mit 
Wiedereintritt derselben wieder erhebliche Verschlechterung, dann 
aber auf Phosphorlebertran deutliche und anhaltende Besserung. 

Hr. W. Freund-Strassburg spricht sich ebenfalls für kon¬ 
servative Behandlung aus. Er versuchte in einem Falle, nur das 
Corpus luteum graviditatis zu entfernen; da dies nicht gelang, 
entibmte er das betreffende Ovarium für sich mit bisher sehr 
befriedigendem Erfolg. 

Hr. Waloher-Stuttgart hat unter 20 Kastrierten bisher noch 
keine Kenntnis von Recidiven erworben. Das Ovarium ist kein 
regulierendes Organ für die Schwangerschaft; er hat dasselbe zwei¬ 
mal während der Schwangerschaft exstirpiert, mit dem Erfolge, dass 
die Beschwerden sofort aufhörten und die Frauen auch nach normaler 
Geburt gesund blieben. 

Hr. Hofmeier-Würzburg hat nach seinen reichen Erfahrungen 
in Würzborg nach 16—17 Jahren nie ein Recidiv in einem Falle 
von Kastration oder Porro - Operation auftreten sehen. Unter¬ 
suchungen von Hoenicke haben in auffallender Weise Kompli¬ 
kationen mit Schilddrüsenerkranknngen ergeben. 

Hr. Peter Müller-Bem glaubt nicht an einen Zusammen¬ 
hang zwischen Kropf und Osteomalacie, da in Bern die Kröpfe ja 
sehr häufig, Osteomalacien dagegen selten Vorkommen. 

Hr. E V e r k e (Schlusswort) erwähnt noch, dass osteomalacische 
Mütter häufig rachitische Kinder gebären. Hinsichtlich der Dauer 
der Heilung hat er solche in Verbindung mit Arbeitsfähigkeit noch 
nach 16 Jahren konstatiert, viele nach 8—10 Jahren. 

Sektion 16 für innere Medioin, Pharmakologie, Balneologie und 

Hydrotherapie. 

Referent: Dr. Weinberg-Stuttgart. 

Sitzung vom 17. September, nachmittags 3 Uhr. 
Vorsitzende: Hr. Naunyn-Baden-Baden und Hr. Moritz-Giessen. 

1. Hr. Senator: Ueber den Stoffwechsel bei der 
Erythrocythaemia splenica (Plethora polyeythaemica rubra). 

Bei dieser Krankheit, die mit Milzschwellung verbunden ist, 
sind die roten Blutkörperchen bis auf 10 Millionen pro Kubikmilli¬ 
meter vermehrt, man findet im Blut Normoblasten. Die Leuko- 
cytenzahl ist normal, aber das Verhältnis der einzelnen Arten ist 
verschoben, die Lymphocyten sind vermindert, die Myelocyten 
vermehrt, was auf vermehrte Tätigkeit des Knochenmarkes zurück¬ 
geführt wird, die eosinophilen und Mastzellen sind vermehrt. Das 
spezifische Gewicht des Blutes ist erhöht, sein Trockeurückstand 
vermindert. Nach den Untersuchungen von Hirschfeld handelt 
es sich um eine Plethora vera, also Vermehrung des Blutes. Der 
Stickstoffwechsel ist nicht gestört, der Gasstoffwechsel dagegen 
ist wesentlich erhöht, das Atmun^volumen gesteigert. Entweder 
bildet die Zunahme der roten Blutkörperchen einen Reiz auf die 
Gewebe oder wirkt ein besonderer Reiz ein, der durch stärkere 
Blutbildung überhaupt zu vermehrter Atmung führt. Der respira¬ 
torische Quotient schwankt nach 0,7 und 1,0. Ein verminderter 
Verbrauch von Blutkörperchen ist als Erklärung der vermehrten 
Blutkörperchenzahl nicht wahrscheinlich, einzig die beobachtete 
Herabsetzung des Urobilins im Ham würde dafür sprechen. Für 
die Annahme einer gesteigerten Blutkörperchenbildung spricht die 
Hypertrophie des Knochenmarks in den wenigen untersuchten 
Fällen, die Eisenausscheidung ist gesteigert. Von ständigen Be¬ 
fanden an der Milz kann man nicht sprechen. Blutentziehungen 
bewirken vorübergehende Besserung des Zustandes des Kranken. 

Diskussion. 

Hr. Mohr-Berlin; Elr glaubt in der Erhöhung des Sauerstoff¬ 
gehaltes des Blutes bei der in Frage stehenden Krankheit keinen 
Beweis gegen die Richtigkeit der Pflüger-Voitscheu Theorie 
zu sehen. Injizierter Sauerstoff hat dieselbe Wirkung wie ein¬ 
geatmeter; möglicherweise wirken auch andere Momente auf den 
Sauerstoffwechsel erhöhend ein, namentlich ist das Atmungsvolum 


erhöht. Bei dieser Krankheit hat ferner die Blotbewegung grössere 
Hindernisse zu überwinden, was auch Einfluss auf den Ghtsverbranch 
haben kann. Ueber den Einfluss des Knochenmarks wissen wir 
gar nichts, es hat vielleicht unter pathologischen Verhältnisseu 
einen Einfluss, wie ihn die Schilddrüse unter normalen Verhältnissen 
besitzt. 

Hr. Senator (Schlusswort): Er hat die Gültigkeit des Pflu- 
ger-Voitschen Gesetzes nicht bestritten. Die Viscosität des 
Blutes ist erhöbt und damit muss allerdings die Herzarbeit steigen, 
man hat dann andi in manchen Fällen Herzhypertrophie gefunden. 

2. Hr. Hoffmann-Düsseldorf: Ueber die klinische Be¬ 
deutung der Herzarhythmie. 

Früher sah man in jeder Störung der rhythmischen Herz¬ 
aktion das Zeichen einer organischen Affektion, erst seit kurzem 
ist Dachgewiesen, dass solche Störungen häufig nur funktioneller 
Natur sind. Die verschiedenen Formen der Arhythmie sind von 
verschiedener klinischer Bedeutung. Man beachtet jetzt nicht bloss 
die Pulsform, sondern auch die verschiedenen Formen der Herz¬ 
tätigkeit selbst. H. bat 183 Fälle von Arhythmie, die grössten¬ 
teils ambulant behandelt wurden, beobachtet: 

Pulsus respiratorius iiregularis (48 Fälle). Ein auffallender 
Einfluss der Atmung auf die Pulsfrequenz kann auch bei Gesunden 
Vorkommen, besonders bei Neurasthenikern (29 Fälle). Nur 
10 mal wurde organische Affektion des Herzens iräobachtet, die ju- 
cunde Form 5 mal Eine Abart ist die orthostatische Herz¬ 
irregularität (11 Fälle), die im Moment des Aufstehens ent¬ 
steht und beim Niederlegen ebenso schnell verschwindet. Ihre 
klinische Bedeutung ist die gleiche wie beim Pulsus respiratorius 
iiregularis. * 

Eztrasystolische Irregularität, bei der sich in den regulären 
Rhythmen zeitweise Systolen einschieben. 64 Fälle, darunter 
18 mal andauernde Irregularität (18 mal Arteriosklerose). Bei 
Schwangeren von vorübergehendem Charakter indiziert sie keine 
operativen Eingriffe. Bei fieberhaften Krankheiten, auch bei Pneu¬ 
monie, ist ihre Prognose nicht immer ungünstig. 19 mal bestand 
sie bei Neurasthenikern. Sie kann sich an jede Phase der Herz¬ 
aktion anscbliessen. 

Der Pulsus irreg^ularis perpetuus stellt keine bestimmte kli¬ 
nische Form dar, besondere Formen sind die paroxysmale Arhyth¬ 
mie, die das Wohlbefinden wenig alteriert, und das Delirium cor- 
dis. Oft fehlt der Venenpuls. Er ist nicht ein Zeichen der 
Tricuspidalinsufficienz, sondern eines auf Kammer und Vorkammer 
gleichzeitig zur Kontraktion wirkenden Reizes. 

Pulsus altemans kann manchmal bei anscheinend regelmälligeüi 
Puls durch Kompression des Oberarms sphygmographisch nach¬ 
gewiesen werden. Er ist ein Zeichen der nachlassenden Kontrak¬ 
tilität des Herzens. 

Diskussion. 

Hr. Hering verwahrt sich dagegen, dass er den Pulsus irre- 
gularis perpetuus als eine besondere Form aufgefasst habe. Pur- 
kinjewsche Fasern kommen in den Vorhöfeu nicht vor. Zu den 
Ueberleitungsformen vom Vorhof zum Ventrikel kommt als weiterer 
Befund Ueberleitung von den Venen zum Vorhof. 

Schlusswort des Vortragenden: Herr Hering hat 
seine Ansicht über die Ueberleitungsformen geändert. Er selbst 
hat nur von einem ähnlichen Verhalten in den Vorhöfen gesprochen, 
wie es die Purkinjewschen Fasern im Ventrikel bedingen. 

3. Hr. Minkowski-Greifswald: Zur Deutung von 
Herzarhythmie mittels des Kardiogramms. 

Für die Beurteilung der pathologischen Herztätigkeit ist es 
wünschenswert, nicht nur die peripheren Arterien, sondern auch 
die Tätigkeit des Herzens und seiner verschiedenen Teile, nament¬ 
lich aber auch den Venenpuls zu registrieren. Dieser ist oft 
äusserlich nicht zu konstatieren. Seine Untersuchung trägt wesent¬ 
lich bei zur Erklärung der verschiedenen Formen der Herzarhyth¬ 
mie. Bei fehlendem Venenpuls lässt sich die Bewegung der Vor¬ 
höfe durch Einführung einer an ihrer Oeffnung mit einer Gummi- 
membran geschlossenen Schlundsonde unter Kontrolle des Röntgen- 
bildes feststellen. M. demonstriert das Verhältnis zwischen Arte¬ 
rien- und Vorhofpuls an verschiedenen, gleichzeitig gewonnenen 
Kurven. (S. Diskussion.) 


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446 


fi4£iUlCINISCHS WOCHE. 


Nr. 42. 


4. Hr. Bingel-Tübingen: lieber den systolischen und 
diastolischen Blutdruck bei Herzkrankheiten. 

Für die Pathologie des Herzens ist nicht nur die Kenntnis 
des maximalen systolischen Blutdrucks, sondern auch die des 
minimalen diastolischen Blutdrucks und der Unterschied beider 
Werte, der Pulsdruok, von Bedeutung. B. hat die Methode von 
Sahli in einer Weise modifiziert, dass ein zweiter Beobachter 
zur Ablesung des Druckes nicht mehr nötig ist; deulurch wird der 
Beobachtungsfehler verringert An Stelle des relativen Sphygmo- 
gramms tritt die absolute. B. demonstriert die Bedeutung dieser 
Untersuchungsmethode an einer Beihe von Kreislaufstörungen. 
Während normal der systolische Blutdruck 100—110, der diasto¬ 
lische 40—50, der Pulsdruck 40—50 mm beträgt, bewirken Kälte¬ 
reize am anderen Arm grössere Steigerung des diastolischen wie 
des systolischen Drucks, also Verminderung des Blutdrucks. Bei 
Dilatatio cordis ist der Pulsdruck vergrössert, bei Pulsus alternans 
schwankt er zwischen 45—50 mm. Bei dekompensierter Mitralin¬ 
suffizienz ist der Pulsdruck vermindert, indem der systolische Blut¬ 
druck sinkt. Bei der Herstellung der Kompensation steigt der 
systolische Blutdruck allein. Aorteninsuffizienz und Herzneurosen 
erhöhen den Pulsdruck. Bei Lösung von Pneumonien geht der 
hohe Pulsdruck auf die Norm zurück. Bei Arteriosklerose ist der 
systolische Blutdruck hoch, der Pulsdruck gering. Bei Nephritis 
chronica ist der systolische Druck enorm erhöht, der diastolische 
weniger. Das bewirkt eine grosse Vermehrung der Herzarbeit. 
Sicher beteiligen sich daran neben der Hypertrophie des Herzens 
auch die Arterien. 

Hr. Lustig-Meran: Ueber die Bedeutung der Blut¬ 
druckmessungen für dje Diagnostik. 

Im wesentlichen historischer Vortrag. L. weist daraufhin, 
dass hei Arteriosklerose und chronischer Nephritis die Messung des 
systolischen Drucks genüge. 

Hr. Rosenfeld-Stuttgart: Ueber die Therapie der, 
Aorten an eurysm en. 

Im Gegensatz zu der herrschenden, absolut ungünstigen Auf- 
fassxmg der Prognose des Aortenaneurysmas findet man in der 
Literatur nicht selten lange Zeit stationär gebliebene oder geheilte 
Fälle. Die unmittelbare Ursache des Aneurysmas ist stets die 
Steigerung des Blutdrucks, mittelbare Ursachen tragen zur Ent¬ 
wicklung des Aneurysmass bei. Unter diesen ist in erster Linie 
(in ca. 50% der Fälle) die Syphilis zu nennen. Bei tertiärer 
Syphilis ergibt die antimercurielle Kur günstige Erfolge, bei ge- 
heiltor Lues ist damit nicht viel zu erreichen. Die Syphilis wurde 
bei ca. 90% der sackförmigen Aneurysmen gefunden, bei den zylin¬ 
drischen Formen bringt Gerinnung, am besten durch Gelatine herbeizu- 
fuhren, Heilung. Sie wurde unterstützt durch Ruhe, Kälte und Diät. 
Bei den sackförmigen Aneurysmen liegt die Gefahr in der Per¬ 
foration, bei den cylindrischen Formen in der Embolie, bei dieser 
Form ist daher die Gerinnung zu verhüten; dies bewerkstelligt 
man durch Jodkali und Stagnin, die die Viscosität des Blutes und 
den Blutdruck herabsetzen. Wegen der verschiedenen Art der 
Behandlung ist zeitige Feststellung der Art des Aneurysmas not¬ 
wendig. 

Hr. Schick 1 er-Stuttgart: Ueber Blutentziehnng. 

Der Haupteffekt der Blutentziehung ist die Verdünnung des 
Blutes, Herabsetzung der Vlscoaität des Blutes und die Herab¬ 
setzung des Blutdrucks, Verminderung des Blutvolums, die Er¬ 
weiterung der Kapillaren. Sch. übt die Blutentziehung seit 15 
Jahren. Blutegel verwendet er an zum Zweck der Verminderung 
der Extravasate bei Frakturen, bei Aortitis, Angina, Diphtherie, 
Myocarditis, Mittelobreiterung, Augenkrankheiten, Parametritis, Kar¬ 
bunkel etc., den Aderlass bei Bronchitis capillaris, Pneumonie, 
drohendem Lungenödem, Perityphlitis, Pericarditis, Eklampsie 
parturientium, Uraemie, Nephritis, drohender Apoplexie, Arterio¬ 
sklerose und Haemorrhoiden. Auch Schröpfköpfe wendet er bei 
verschiedenen Krankheiten an. 

Diskussion. 

Hr. Burwinkel-;Nauheim bestätigt die guten Erfolge, 
namentlich bei Arteriosklerose. 

Hr. Weinberg-Stuttgart vermisst für eine Reihe der ange- 
geführten Indikationen den Nachweis, dass die abwartende Be¬ 


handlung weniger geleistet hätte und kritisch gesichtete Kranken¬ 
geschichten. Speziell bei der Pneumonie war der Aderlass all¬ 
gemein üblich, bis 1846 Dietl in Wien durch seine Parallelver¬ 
suche nachwies, dass die Ergebnisse der exspektativen Behandlung 
wesentlich günstiger sind. Wenn man heutzutage keine Uebung 
mehr im Aderlass hat, so liegt die Ursache darin, dass man in 
Erkenntnis seiner Gefahren und häufigen Nutzlosigkeit seine Indi¬ 
kationen eingeschränkt hat. 

Hr. Burwinkel-Nauheim erwartet bessere Resultate, wenn 
nicht bloss in extremis der Aderlass bei Pneumonie angewandt 
wird. 

Abteilung fttr Chirurgie. 

1. Sitzung, Montag, 17. September 1906, nachm. 

Referent: R. Grashey-München. 

1. Hr. Gluck-Berlin: Die Verhütung der Schluck¬ 
pneumonie bei Operationen. 

Um die Gefahr der Aspiration von Wundsekret während und 
nach Operationen an den Luftwegen auszuschalten, hat Vortr. mit 
Zeller plastische Methoden ausgearbeitet und an einem grösseren 
Material mit Erfolg angewandt. Reseziert man die Trachea und 
näht das untere Stück in ein Knopfloch im Jugulum ein, so kann 
man am hängenden Kopf vollkommen sicher weiteroperieren. Bei 
Hemilaryngektomie schlägt man einen Hautlappen in den Wund¬ 
raum ein; bei Operationen im Zungengrund büdet man einen or¬ 
ganischen Gewebswall in Gestalt eines Brückenlappens, den man 
in den Kehlkopfeingang bineinlegt und rings festnäht, an der 
Schleimhaut des Sinus pyriformis, an Trachea und Oesophagus. 
G. kam stets ohne Unterkieferresektion aus, mit einem Schnitt 
quer über die Regio infrahyoidea. Wurde der Pharynx mit ent¬ 
fernt, so geschieht die Ernährung mittels eines oben trichterförmig 
sich erweiternden, eingesetzen Gummischlauches per os. G. zeigt 
einen Kranken, dem Zunge, Pharynx, Larynx, Tonsillen und Hals- 
drüsen, also alles bis auf die Wirbelsäule entfernt wurde wegen 
einer hyperplastischen ulcerösen Tuberkulose. G. hat auch bei 
malignen Tumoren Dauerre-sultate von 6 und mehr Jahren. 

In der Diskussion äussert sich Czerny-Heidelberg aner¬ 
kennend im Hinblick auf die technischen Schwierigkeiten. Die 
Kuhnsche perorale Intubation hält er für aussichtsvoU. 

2. Hr. Wossidlo zeigt ein Ureterenoystoskop, das die 
Wegnahme des Cystoskops ohne Verschiebung der eingelegten 
Ureterenkatheter gestattet und (mit einem Verschlussapparat) aus- 
kochbar ist. 

3. Hr. Jordan-Heidelberg. Erfahrungen über die 
Tropfnarkose mit Chloroform und Aether. 

Die Tropfmethode ist die sicherste Anwendung des Narko¬ 
tikums, man kommt mit viel geringeren Mengen aus, insbesondere, 
wenn man vorher Morphium, Skopolamin gibt; auch Vorbereitung 
des Herzens durch Digaleu empfiehlt sich. Auch Potatoren ge¬ 
lingt die Narkose mit Aethertropfmethode, Bei Kindern muss 
man sie event. mit einem Aetherrausch einleiten. Aether verdient 
den Vorzug, ist auch bei leichten Lungenafliektionen nicht kon- 
traindiziert. Mit ihm allein lässt sich aber nicht auskommen. 
Bei absoluter Indikation, ferner wenn die gewünschte Anaesthesie 
ausbleibt, tritt die Chloroformtropfnarkose dafür ein. Ereignet 
sich ein Chloroformtod, so wäre vom Arzt der Nachweis zu ver¬ 
langen, dass er Aether vorher versuchte oder aus wichtigen Gründen 
vermied (Widerspruch). 

4. Hr. Defranceschi-Rudolfswert (Krain): Bericht über 
weitere 200 Fälle von Lumb alanaesthesie mit Trope¬ 
cocain. 

D. verwendete auch letztes Jahr seine hohen Dosen (minde¬ 
stens 15 cg, bei Kindern 7—10 cg), glaubt aber, dass die Steri¬ 
lisation in trockener Hitze sein Präparat abschwächt. Unange¬ 
nehme Nachwirkungen waren sehr selten, man soll aber nicht mehr 
Liquor ablassen als 16 g. Unter jetzt 420 FäUen war nur ein 
Versager. Kehrt die Schmerzempfindung zu früh wieder, so wird 
die Injektion wiederholt. 

Diskussion: Herr Hirsch-Wien findet, man müsse bei 
entsprechender Technik mit 6—7 cg, auskommen, bestreitet, dass 
Tropaoocain in der Hitze zerlegt werde. Lichtenstern-Wien 
beobachtete bei Prostataoperierten (nach Lumbalanaesthesie) auf. 


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1906 


MEDICINISCHE WOCHE. 


447 


Mlige Temperaturateigenmgen. Brenner-Linz hat über 500 
Fälle lumbal anaesthesiert, ist sehr zufrieden, seit er von 6 cg Tropa- 
kokEiinlösung auf 12 cg stieg. Die Lösung wird in den Phiolen 
ausgekocht, also vielleicht auch verändert. Für Operationen über 
Nabelhöhe bewährt sich die Lumbalanaesthesie (Beckenhochlagerung) 
nicht. Steinthal -Stuttgart beobachtete bei einer Hemiotomie unter 
Novokainadrenalin trotz exakter Blutstillung eine schwere Nach¬ 
blutung und nach einer Novokainadrenalin-Morphiumnarkose heftiges 
Erbrechen. Ein schwächlicher Prostatiker starb nach Stovain- 
injektion, war tags zuvor mit Novokainadrenalin und 2 Tage vorher 
mit Stovain anaesthesiert worden. Katholicky-Brünn glaubt, dass 
Narkosentodesfälle oft auf Unvorsichtigkeit und Ueberdosierong 
zurückzuführen sind, nimmt Billrotsche Mischung, vorher 1 cg 
Morphium. 

Sektion tfir innere Medicin. 

Referent Dr. F. Rosenfeld-Stuttgart. 
Gesamtsitzung beider Hauptgruppen am 20. Sept. 06. 

Als gemeinschaftliches Thema für den Vormittag war Re¬ 
generation und Tansplantation gewählt worden. In dieses 
Thema hatten sich drei Redner geteilt. Prof. Korschelt-Mar- 
burg sprach über Regeneration und Transplantation im 
Tierreich, Prof. Spemann-Würzburg, ein geborener Stuttgarter, 
über embryonale Transplantation, als dritter sprach Prof. 
Garre-Breslau über Transplantationen in der Chirurgie 

Hr. Korschelt führte in seinem iVastündigen Vortrag etwa 
folgendes aus: 

Regeneration ist die Wiedererzeugung von verloren gegangenen 
Teilen des Tierkörpers. Diese Regeneration ist natürlich bei allen 
einzelligen Organismen eine einfache. Bei manchen Protozoen ge¬ 
nügt */ 2 oo des ganzen Körpers, um eine Regeneration zu ermög¬ 
lichen. Beim Stentor bedarf es V«4 des ganzen Organismus zur 
Wiederherstellung. Einige auch höher organisierte Tiere haben 
die Fähigkeit, verloren gegangene Teile zu ersetzen durch von 
andersartigen Körperpartien gebildete Teile. Andere, z. B. Regen¬ 
würmer, können auf gewisse äussere Reize hin freiwillig in ein¬ 
zelne Teilstücke zerfallen oder bei Gefahr bestimmte Partien ihres 
Körpers abstossen, wie z. B. Blindschleichen das Schwanzende. 
Diese abgestossenen Teile werden dann durch Regeneration wieder 
ersetzt. Daraus geht hervor, dass die Regeneration eine äusserst 
zweckmässige Anpassungserscbeinung ist. 

Nun können aber auch neue Organe und Gewebe entstehen, 
und zwar von ganz andersartigen Organen und Geweben aus. 
Dabei finden dann weitgehende Umgestaltungen, Reduktionen, 
Einschmelzungen der vorhandenen Teile statt und erst daraufhin 
die Neubildungen. 

Hierher gehört auch die aus der Pflanzenphysiologie bekannte 
Tatsache der komp ensatorischen Regulation. Verloren ge¬ 
gangene Teile werden durch andere ersetzt, die schon vorhanden 
sind, die aber für den neuen Zweck umgebildet werden müssen. 
Ab und zu tritt diese Erscheinung auch bei Tieren auf. 

Noch eine zweite Tatsache fordert zum Ersatz verloren ge¬ 
gangener Teile bei Tieren und Pflanzen heraus. Das ist die Be¬ 
ziehung der Regeneration zur Polarität des Tierkörpers. Der 
Tierkörper wie die Pflanzen sind beide polar diflferenziiert, d. h. 
die Pflanze liefert am apikalen oder Sprosspol nur Sprosse, am 
basalen oder Wurzelpol nur Wurzeln. Auch beim Tier gilt dieses 
Gesetz. Aber auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Bei der 
Pflanze gelingt es experimentell, aus dem nach oben gekehrten 
Wurzelpol Sprosse zu erzeugen und vice versa. Auch beim Tier 
gelingt es Heteromorphosen, d. h. Köpfe am Hinterende, Schwänze 
am Vorderende zu erzeugen. 

Aber die experimentellen Versuche haben noch andere Resul¬ 
tate gezeitigt. Seit Jahrhunderten hat man Versuche gemacht, 
die in der Uebertragung und Vereinigung von Teilstücken ein¬ 
zelner Tiere bestanden. So vermag man z. B. durch Zusammen¬ 
fügen zweier ungefähr gleich grosser Teilstücke, etwa einer 
vorderen oder hinteren Hälfte ein vollständiges lebeusfkhiges Tier 
zu bilden. Man hat dies mit Amphibienlarven und Regenwürmem 
gemacht. Solche Vereinigungen verheilen so gut, dass sie die 
Zusammensetzung aus mehreren Teflstücken gar nicht mehr er¬ 
kennen lassen. 


Hr. Spemann-Würzburg führt aus: 

Als embryonale Transplantation bezeichnet Born die 
Verpflanzung von Keimteilen an andere Stellen desselben oder 
eines anderen Organismus, ln den 10 Jahren, die seit B.s grund¬ 
legender Arbeit verflossen sind, hat sich diese experimentelle 
Methode als ein wertvolles Hilfsmittel der biologischen Forschung 
erwiesen, durch welches wichtige und schwierige Probleme der 
Embryologie und Physiologie ihrer Lösung näher geführt wurden. 
In Fragen der beschreibenden Embryologie, die in der Regel 
durch reine Beobachtung zu lösen sind, kann das Experiment 
manchmal aushelfend eintreten, wo jene spezifische Methode der 
beschreibenden Wissenschaft versagt. So entziehen sich nament¬ 
lich Lageveränderungen, die Zellen oder Zellprodukte während 
der Entwicklung im Organismus erfahren, nicht selten der direkten 
Beobachtung; man kann dann nach Fertigstellung irgend eines 
Organs nicht genau sagen, ob seine einzelnen Teile noch ungefähr 
die gleichen Lagebeziehungen aufweisen, wie die Anlagen, aus 
denen sie entstanden sind, oder ob sich die mit den verschiedenen 
Entwicklungsfähigkeiten begabten Zellen aus vielleicht weit von¬ 
einander entfernten Regionen des Keimes zum Aufbau des Organs 
zusammengefunden haben. 

Mittels der embryonalen Transplantation kann man hier 
manchmal die Entscheidung bringen. Man trennt entweder die 
Hauptanlage des betreffenden Organs und die vermutete Quelle 
der zuwandemden Zellen voneinander und beobachtet daun event. 
den Ausfall bestimmter Teile, etwa der Nerven. Oder aber, man 
macht die Einwanderer dadurch kenntlich, dass man den Teil des 
Keimes, in dem man den Ursprung vermutet, durch den ent¬ 
sprechenden Teil einer anderen Spezies ersetzt, die etwa durch 
andere Färbung oder sonstwie verschieden ist. 

So fügte Harrison Frosohlarven aus der dunklen Vorder¬ 
hälfte und der hellen Hinterhälfte zweier nahe verwandter Arten 
zusammen und fand, dass die Sinnesorgane der sogen. Seitenlinie, 
die vom Kopf bis zur Schwanzapitze reichen, als Strang, der jetzt 
durch seine dunklere Färbung schon im Leben unterscheidbar ist, 
in das helle Hinterende einwachsen. 

Braus verpflanzte Gliedmassenanlagen von Amphibien an 
den Kopf und fand, dass sie sich hier normal entwickeln, auch 
mit den Nerven. Daraus schloss er, dass diese letzteren schon 
in der transplantierten Anlage enthalten waren und nicht vom 
Rumpf aus in sie eingewachsen sind. 

Leichtverständlich ist die Bedeutung der embryonalen 
Transplantation für die Entwicklungsphysiologie. Wird ein be¬ 
stimmter Bezirk des Keims aus seiner normalen Umgebung in 
eine neue gebracht, so muss sich aus der Natur der entstehenden 
Abnormitäten ersehen lassen, ob und inwieweit die einzelnen Ent¬ 
wicklungsprozesse abhängig oder unabhängig voneinander ver¬ 
laufen. 

Spemann und später Lewis haben so die Entwicklung der 
Linse des Wirbeltierauges studiert. Ursprünglich entsteht das 
Wirbeltierauge aus einer Wucherung der Epidermis an der Be¬ 
rührungsstelle mit der vom Grosshim auswachsenden Netzhaut- 

wis hat nun diesen augenbildenden Himbezirk unter die 
Bauchhaut transplantiert und gefunden, dass auch hier eine Linse 
entsteht, ln anderen Experimenten ersetzte L. den linsenbildenden 
Hautbezirk durch ein Stück Bauchhaut, wieder mit dem Erfolg, 
dass eine Linse entstand. Es hat also die vom Hirn kommende 
Netzhautanlage die Fähigkeit, an irgend einer Stelle der Haut, 
die sie berührt, die Bildung einer Linse zu veranlassen. 

Spemann selbst hat an jungen Frosohlarven Versuche ge¬ 
macht, einen Situs viscerum inversus zu erzeugen. Er schnitt 
diesen Larven ein Stück der Darmanlage aus und brachte es um¬ 
gedreht zur Einbeilung. Interessant ist, dass dadurch auch das 
Herz invers werden kann, obwohl seine Anlage durch den Ein¬ 
griff in keiner Weise direkt betroffen wurde. 

In einer Reihe anderer Versuche hat Sp. an Frosohlarven 
das Organ des statischen Sinnes in seiner ersten Anlage heraus¬ 
genommen und umgekehrt wieder eingeheilt. Diese Larven zeigen 
beim Schwimmen „Reitbahn“bewegungen. 

Es kann somit auch eine Aufgabe der embryonalen Trans- 
pläntation sein, Veränderungen in den Lebenserscheinungen der 


anlage. 

Le 


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i48 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 42. 


Larven oder erwachsener Tiere hervorzamfen, aus deren Natur 
Rückschlüsse auf die Funktion der verlagerten Organe gezogen 
werden können. 

Experimentell gelingt es auch, Tiere mit 2 Köpfen und 4 
Augen, einen Kopf mit 4 Augen zu erzielen. 

Hr. Garrö-Breslau, der über Transplantation in der 
Chirurgie sprach, führte aus: 

Das Gebiet der Gewebsverpflanzung’ oder Gewebspfropfung 
war ursprünglich nur auf die Haut beschränkt. Mit der Ein¬ 
führung und Vervollkommnung der anti- und aseptischen Opera¬ 
tionsmethode ist die Methode auf Gewebe, ja auf Organe ausge¬ 
dehnt worden. Man kann heute jedes beliebige Gewebe, Teile 
von Organen, ja ganze Organe teils von demselben Individuum, 
teils von einem anderen stammend zur Einheilung bringen. Der 
Heilzweck ist aber erst erreicht, wenn das transplantierte Gewebe 
auch zu funktionieren vermag. 

Dazu sind nötig; 1, gute Emährimgsbedingungen. 2. Auch 
die Grösse resp. Masse der Transplantation kommt in Betracht. 
3. Das transplantierte Gewebe muss lebensfähig und regenerations- 
fkhig sein. Hierfür sind die ersten 4 Tage nach der Operation 
ausschlaggebend. 4. Die Transplantation muss im Sinne einer 
strengen Asepsis vor sich gehen. Antiseptica schädigen die 
Zellen. Eine Eiterung ist fast gleichbedeutend mit einem Miss¬ 
erfolg. 

Am besten gelingen Verpflanzung und Einheilung von Ge- 
websstüoken derselben Person, in zweiter Linie unter Blutver- 
wandten, in dritter Linie unter derselben Gattung, also von Mensch 
auf Mensch, Hund auf Hund etc. Thiersoh-Leipzig war einer 
der ersten, der Transplantationen in grösserem Umfange vornahm. 
Wie sehr sich die überpflanzten Teile dem Gesamtorganismus ein- 
fügen, geht aus einem Beispiel Thierschs hervor. Derselbe 
tauschte Hautstücke zwischen einem Neger und einem Weissen 
aus. Nach einigen Monaten war beim Neger das eingepflanzte 
weisse Hautstück schwarz, beim Weissen das schwarze Stück 
weiss geworden. 

Die Hauttransplantation ist eine sehr einfache Methode. Die 
auf eine frische, nicht mehr blutende Wundfläche aufgelegten 
Hautläppchen verkleben durch Blut- und L 3 rmphgerjnnsel auf dem 
neuen Mutterboden und werden die ersten Tage durch ausge- 
sickerte Lymphe ernährt. Junges Bindegewebe, durchsetzt von 
Gefäss-Sprossen, wächst in die Lücken und Buchten des Läppchens 
hinein und schon am 3.—4. Tage ist in dem neuen Gewebe die 
Blutzirkulation vorhanden. 

Ebenso wie die äussere Haut, lässt sich auch die Schleimhaut 
transplantieren. Am meisten machen die Ophthalmologen davon 
Gebrauch. 

Auch die Transplantation grosser Hautlappen gelingt dank 
der aseptischen Wundbehandlung und der Krauseschen Methode 
leicht. Die Hautdrüsen und die Haare bleiben erhalten, und mit 
der Zeit wachsen auch von den Rändern her die Hautnerven als 
Träger der Sensibilität hinein. 

Auch Knorpel und Knochenteile werden überpflanzt. So kann 
man das untere Augenlid durch ein Stückchen des Ohrläppchens 
ersetzen. Auch gelingt es, auf verstümmelte Finger Zehen zur 
Anheilung zu bringen und so die Funktion zu verbessern. 

Fettge webe wird selten und nur zu kosmetischen Zwecken 
transplantiert. So ist bei einer Sängerin die Wölbung einer ampu¬ 
tierten Bnist durch eine transplantierte Fettgeschwulst erhalten 
worden. 

Sehnenstücke zu verpflanzen ist zwecklos; sie sind zu un¬ 
genügend ernährt und werden durch Bindegewebe ersetzt. 

Eine Muskelverpflanzung ist nur dann erfolgreich, wenn die 
Blutversorgung, die Innervation keine Unterbrechung erleiden. 

Dagegen fusst auf der Knochentransplantation heute ein 
wichtiges Kapitel der konservativen Extremitäten-Chirurgie. So 
hat z. B. von Bergmann ein 12 cm langes Stück des Schien¬ 
beins durch ein entsprechend grosses des Wadenbeines ersetzt 
und glatte Heilung erzielt, Knochenstücke heilen überhaupt leicht 
ein. Wenn man sie mit ihrem Periost verpflanzt, so wachsen sie 
sogar mit. Auch Pseudarthrosen sind durch Knochenverpfropfong 
heflbar. 


Ein Schädeldeckenfragment kann man durch ein ausgemeisseltes 
Stück des Schienbeins ersetzen. 

Man hat jetzt auch gelernt, einen Zahn zu implantieren, so 
dass er featwädist. 

Auch au die Verpflanzung von Organen, entweder ganz oder 
teilweise, ist man mit gutem Erfolg gegangen. Bekannt sind die 
Transplantationsversuche der Schilddrüse, die ihre Triumphe feiert 
beim Kretinismus jugendlicher Personen, besonders wenn man 
nach dem Vorschläge von Payr die blutreiche Milz als Einpflan¬ 
zungsstätte für die Schilddrüse nimm t, deren für die psychische 
und physische Entwicklung des Individuums unentbehrliche Aus- 
Bcheidungsprodukte direkt durch die Lymph- resp, Blutgefässe 
aufgenommen werden. 

So hat Payr im verflossenen Winter einem 4jährigen Kinde, 
das ein Kretin war, ein Stück der Schilddrüse der Mutter in die 
Milz verpflanzt, uncl jetzt nach ^f^ Jahren beginnt das Kind sich 
geistig zu entwickeln, lernt gehen und sprechen. 

Um Drüsen mit äusserer Absonderung zu transplantieren, 
bedarf es vor allem der Sorge für einen genügenden Blut-Zufluss 
und -Abfluss. Dazu bedarf es einer ausserordentlich guten Naht¬ 
methode der Blutgefksse, damit an den genähten Stellen kein 
Thrombus sich entwickelt. Es gelang nun G., Blutgefksse von 
nur mm Durchmesser zusammenzunähen, ohne dass Gerinnung 
eintrat. Es gelang G. weiter, Gefkssstücke von einem Tier auf 
das andere zu verpflanzen, sogar wenn die Tiere seit 1 Stunden 
tot waren. 

Fernerhin gelang es ihm, starkwandige Arterien mit dünn¬ 
wandigen Venen zu vereinen, so dass keine Hemmung der Blut¬ 
zirkulation eintrat. 

Auch ganze Nieren hat G. verpflanzt. Zunächst nähte er 
die Niere eines Hundes in den Hals desselben Tieres ein, ver¬ 
nähte die A. renalis mit der A. carotis und die V. renalis mit der 
V. anonyma, ohne dass eine Störung der Nierenfunktion eintrat. 
In einer zweiten Versuchsreihe nähte er die Niere eines Hundes 
an die Stelle der exstirpierten Niere eines anderen Hunde» und 
verband die zu- und ableitenden Gefksse miteinander xmd den 
Harnleiter mit der Blase. Auch hier sonderte die transplantierte 
Niere Ham ab. 

Die praktische Bedeutung all dieser Versuche lässt sich heute 
noch nicht ermessen. Doch werden die Versuche fortgesetzt. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Alljährlich, wenn der Aerztetag seine Beratungen gepflogen 
hat, pflegen die ärztlichen Standesorganisationen und Vereine in 
einen mehrmonatlichen Sommerschlaf za versinken, ans dem sie 
erst das Bauschen der herbstlichen Winde zu erwecken vermag. 
Dann bewähren zunächst einige Kongresse und grössere Versamm¬ 
lungen ihre Anziehungskraft und regen zu Debatten an and schliess¬ 
lich — so ungeftlhr, wenn der Oktoberumzug beendet ist — öfihen 
erst wieder die Vereinslokale ihre gastlichen Pforten und von 
neuem beginnt der Redekampf, wie dem ärztlichen und mensch¬ 
lichen Elend abzuhelfen sei. 

Der Kongressmonat September brachte diesmal fast allzuviel 
des Guten: Naturforscherversammlong und Tuberkuiosekonferenz, 
Kongress für Versicherungsmedicin und für Kinderforschung. Die 
nunmehr schon altehrwürdige Naturforscherversammlucg 
tagte heuer in Stuttgart und erfreute sidi auch dort der ge¬ 
wohnten Beliebtheit. Mehr und mehr bricht sich aber die Er¬ 
kenntnis Bahn, dass die bisher gültige Organisation dieser Ver¬ 
sammlung nicht mehr zeitgemäss ist und dass sie einer Reform 
in der Richtung bedarf, dass statt der vielen kleinen Sektionen 
und Sektiönchen nur mehrere Hauptgruppen gebildet werden, in 
denen dann bedeutendere, allgemein interessante Fragen eine 
gründliche Erörterung erfahren können. Ein glücklicher vielver¬ 
sprechender Anfang zu solcher Umwandlung wurde unter allge¬ 
meinem Beifall in Stuttgart gemacht. Ueber den Aufenthalt dort, 
herrschte allgemeine Befriedigung; Staat, Stadt und Kollegen wett¬ 
eiferten in edler Gastfreundschaft. Das Medizinische Correspondenz- 
blatt des Wörttembergischen ärztlichen Landesvereins gab eine 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


449 


iFestoummer mit reichem Inhalt heraus; wir heben aus demselben 
^hervor die Mitteilung der Pläne einer neuen Volksheilstätte für 
Lungenkranke bei Calmbach, eine geplante Walderholungsstätte 
Stuttgart, sowie die recht interessante Uebersicht über den 
Alkoholgehalt der Stuttgarter Biere, aus der heiworgeht, dass die 
Stuttgarter Brauereien bestrebt sind, den Alkoholgehalt herabzu¬ 
setzen, die Extraktivstoffe zu vermehren. 

Ein internationaler Kongress für Versichernngs- 
medicin tagte in Berlin. Er bot Aerzten wie Versicherungs¬ 
gesellschaften viel bedeutsames Material; besonders eingehend 
wurden die Unfallversicherung und die Unfallskrankheiten be> 
sprechen. Auch der gleichzeitig tagende Kongress für Ver¬ 
sicherungswissenschaft wurde von zahlreichen Kollegen besucdit. 

Ebenfalls in unseren Mauern fand der erste Kongress für 
Kinderforschnng und Jugendfürsorge statt, an dem sich 
Aerzte, Juristen, Lehrer und Verwaltungsbeamte in erstaunlich 
grosser Menge beteiligten, die Frauenwelt aber die überwiegende 
Majorität der zahlreichen Besucher bildete. Dieser erste derartige 
Kongress muss als ein voller Erfolg bezeichnet werden. Es wurde 
eine Fülle von anregenden Vorträgen aus dem Gebiet der psycho¬ 
logischen Pädagogik, derKinderhygiene, der Jugendfürsorge gehalten, 
und es steht zu hoffen, dass dieser Kongress zu einer bleibenden 
Einrichtung werden und reiche Früchte tragen wird. 

Wenden wir uns nun wieder unseren Standesinteressen im 
Speziellen zu, so sind es zunächst gewohnter Weise die Orts¬ 
krankenkassen, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. 
Ihr Zentralverband hat auf der Jahresversammlung in Düssel¬ 
dorf einen Antrag angenommen, der eine Aenderung des jetzigen 
Zustandes bezweckt, bei der für die Krankenkassen ein Zwang 
ärztlicher Hilfeleistung besteht, den Aerzten aber die Freiheit ge¬ 
geben ist, den Kassenmitgliedem gegenüber die Hilfeleistung zu 
verweigern. Der angenommene Antrag lautet wie folgt: 

„Die Krankenkassenvertreter eraditen eine Aenderung der 
sich auf den ärztlichen Beruf erstreckenden Bestimmungen der 
Gewerbeordnung für geboten, da die Krankenkassen gesetzlich zur 
Gewährung ärztlicher Hilfeleistung gezwungen und somit den 
Aerzten gegenüber wehrlos gemacht sind. Der Staat, der den 
Eirankenkassen die Gewährung dieser Leistungen direkt auferlegt, 
muss auch gesetzlich für die Möglichkeit ihrer ErfüUhng dadurch 
Sorge tragen, dass er die Aerzte gegen die Bezahlung staatlicher 
Taxen zur ärztlichen Hilfeleistung gegenüber den Krankenkassen- 
mitgliedem verpflichtet. Da jedoch von der grossen Majorität 
der Aerzteschaft die Forderung auf Kurierzwang für Kassenkranke 
als Eingriff in die Gewerbefreiheit bekämpft wird, erklärt die 
Jahresversammlung der Ortskrankenkassen es als Konsequenz der 
Ablehnung des Knrierzwanges, dass bei einer Neuordnung 
des Ar beiter Ver si cherungs wesen s die Organe der 
Krankenversicherung von derGewährung freier ärzt¬ 
licher Behandlung und freier Arznei entbunden 
werden. Diese früher bei den Hilfskassen bestehende Regelung 
hat sich bei diesen bewährt. Die für die Krankenversioherang 
erforderliche Aufsicht ist durch Ausbau des Instituts der Ver¬ 
trauensärzte und durchgreifende Krankenkontrolle durchzufUhren. 
Die von der Aerzteschaft verlangte freie Arztwahl kommt in voll¬ 
endeter Form zur Durchführung, die Differenzen zwischen den 
Kassen, Aerzten und Aufsichtsbehörden verlieren ihre Unterlage.** 

Dieser eigentümliche Schritt der Ortskrankenkassen wird 
sicherlich die Aerzteschaft noch vielfach beschäftigen, ln Berlin 
hat sich eine aUgemeine Aerzteversammlung mit dem Thema befasst 
und nach Hinweis auf densozialhygienlschen Rückschritt, welchen die 
Verwirklichung dieser Forderung mit sich bringen würde, in einer 
motivierten Resolution dazu Stellung genommen. 

Mit einer Angelegenheit, der die Berliner Aerzteschaft durch¬ 
aus sympathisch gegenübersteht, beschäftigt sich die Zentral- 
kommission der Berliner Krankenkassen, nämlich mit der 
Frage der Zentralisation der Kassen. Die Kommission hat 
beim Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg die Zusammen¬ 
fassung der Ortskassen zu einer Zentralkasse beantragt. Der Ober- 
präsident bat diesen Antrag abgelehnt, da er diese Maßregel für 
undurchführbar hält. Nunmehr beantragt die Zentralkommission 
eine Zentralisierung nach Industriegruppen, wodurch die jetzt be¬ 
stehenden 55 Ortskrankenkassen in deren acht zusammengefasst 
würden. Die Kommission hat beschlossen, die Durchführung dieses 


Planes zu empfehlen. Sie kann sich bei diesem Vorgehen der 
Unterstützung der Aerzte versichert halten. Wir wmsen zwar 
wohl, dass wir bei etwaigen Kämpfen in Zukunft einer grösseren 
und machtvolleren Organisation gegenüberstehen würden. Wir sind 
aber von der wirtschaftlichen und hygienischen Bedentung des 
Zustandekommens dieses Planes so durdidrungen, dass wir, wie so 
oft, alle Standesinteressen in den Hintergrund treten lassen und 
gern mitarbeiten wollen an einer gedeihlichen Lösnng der für 
unsere Klienten hodiwichtigen Frage. 


Periodische Literatur. 

Mflnchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 40. 

1. Rieder, München. Heber den Wert der Thorax-Dnroh- 
lenehtnng bei der Pneomonie, namentliob bei xentraler Lekali- 
sation. Nicht abgeschlossen. 

2. Spiess, Frankfurt a. M. Therapentisohe Versnobe znr 
Heilnng von ^ebsgescbwülsten durch die Methode der Anaes* 
tbesimng. 

Die Experimente wurden vorgenommen an Krebsmänsen ans 
dem Ehrlich’schen Institut; die Behandlung bestand in Injektionen 
von hauptsächlich Novocain in die Tumoren. Die Versuche er¬ 
gaben das bemerkenswerte Resultat, dass Karzinome, die Mäusen 
eingeimpft werden, durch Injektionen anaesthesierender Mittel 
günstig zu beeinflussen sind, unter bestimmten Bedingungen 
— langsames Wachstum und flrühzeitiges Einsetzen der Behand¬ 
lung — geheilt werden können. Es sind dann Versuche an 
menschlichen Tumoren gemacht worden; dazu wurden inoperable 
Fälle ausgewählt oder solche, bei denen der richtige Zeitpunkt 
für die Operation nicht versäumt werden konnte. Die Kranken¬ 
geschichten von 11 so behandelten Fällen werden auszugsweise 
mitgeieilt. Eine kritische Besprechung lehnt Sp. selbst ab. 

3. Kayser, Strassburg. Weiteres Über die Verwendung 
der Typhnsgalleröhre snr Blnticnltnr. 

In Ergänzung früherer Mitteilungen berichtet K. über weitere 
75 Fälle, bei denen er Gelegenheit hatte, das Blut von Typhus- 
und Paratyphuskranken nach dem Anreioherungsverfahren mit der 
Galleröhre auf die Anwesenheit der Bakterien zu untersuchen. 
Bei 47 Typhen in der ersten Woche ergab die Blutanreicherung 
ein positives Resultat, das sind 100 Prozent; in der 2. Woche ge¬ 
langen von 92 Typhen ca. 58 Prozent der Blutkulturen, in der 
3. bis 6. Woche von 56 Typhen und Paratyphen ca. 40 Prozent, 
insgesamt von den 200 im Ganzen zor Verfügung stehenden 
Fällen ca. 65 Prozent. 37 mal glückte die Blutkultur, während 
die Ägglutinationsprobe negativ war: in 18,5 Prozent. Die Blut¬ 
untersuchung nach dem Anreicherungsverfahren mit der Galleröhre 
ist danach als ein sehr wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, ganz 
besonders im Typhusbegiun zu betrachten. 

4. Stieda, Königsberg, üeber die Sesambeine der Metv 
tarsophalangealgelenke. 

Kurze Mitteilungen Uber einige in Röntgenbildem gefundene, 
noch nicht beschriebene Sesambeine. 

5. Hornung, Marbach. Beitrag znr Lehre Tom Fnlsos 
altemans. 

Interessante kardiosphymographische Kurven von einem Fall 
von echtem Alternans. Als Grand für die alternierende Herztätig¬ 
keit wird mit Wenckebach das Vorhandensein einer Kontraksili- 
tätsschädigung angenommen. Die Verspätung der kleinen Welle 
au der Radialis glaubt H. mit einer Atonie des Gefässsystems er¬ 
klären zu sollen. 

6. Giovanni Galli, Rom. Folsns altemans mit purtiell 
alternierender Herztätigkeit. 

G. begründet an Kurven des vorher beschriebenen Falles und 
nach dem auskultatorischen Herzbefund die Annahme, dass eine 
funktionelle alternierende Mitralinsufiicienz vorliege. Als Erklärung 
für diese nimmt er an, dass die als Grund des Pulsus altemans ange¬ 
sehene Störung des Kontraktionsvermögens hier sich auf die 
Papillarmuskel beschränkt hat. 


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IM ici i TftTWTSi i H IC VVOGHBi 


Nr. 42. 


7. ÄgSron, Hamburg, üeber erfolglose Hineralwasser- 
trinkkuren bei Magenkrankheiten. 

Misserfolge von Trinkkuren bei Magenkrankheiten sind in den 
Fällen zu erwarten, die unter dem gemeinsamen Namen der 
Atonie bekannt sind, als bei den Formen, wo als objektives Symp¬ 
tom die motorische InsufGcienz im Vordergründe der Krankheits¬ 
erscheinungen steht. Hier steht die heute übliche, traditionell ge¬ 
wordene Art der Trinkkur im umgekehrten Verhältnis zu den aus 
der Auffassung von dem Wesen der motorischen InsufFicienz des 
Magens sich ergebenden therapeutischen Absichten. In Bezug auf 
die Trinkkuren müssen zwei prinzipielle Forderungen aufgestellt 
werden: erstens soll vor dem Beginn der Trinkkur der Tonus 
und die motorische Leistungsfähigkeit des Magens sorgfältig ge¬ 
prüft und nachher regelmäßig kontrolliert werden, und zweitens 
muss da, wo erhebliche Störungen der Mechanik und Dynamik 
des Magens konstatiert werden, die Art des Trinkens, d. h. die 
Belastung desselben mit dem Quantum des Wassers, modifiziert 
werden. Hier muss die bisher übliche Form der Verabreichung 
gewisser Mengen Mineralwassers innerhalb kurz bemessener 
Zeit eine Einschränkung erfahren und die einseitige Belastung der 
grossen Kurvatur des Magens durch horizontale Lagerung des 
Patienten ausgeschaltet werden. 

8. Hoppe, Köln. Heber den Einfiuu der Saughyperaemie 
auf das gesunde Auge und den Verlauf gewisser Augenkrank¬ 
heiten. 

Durch gelinde Saugwirkung lässt sich eine ausgiebige venöse 
Hyperaemie der Lider erzielen; die Veränderungen schliessen etwa 
an den Uebergangsfalten ab, so dass der Augapfel mit seinem 
Ueberzug makroskopisch völlig unverändert bleibt. Auch bei 
länger fortgesetztem Saugen trat keinerlei Funktionsstörung ein. 
Bei der therapeutischen Verwendung wurden gute Erfolge erzielt 
bei Hordeoien, Schmerzen und SpannungsgefUhl schwanden bald; 
die Kranken konnten ausserhalb der Sitzung (etwa 2 am Tage 
von 15—30 Minuten Dauer) unbelästigt bleiben und schmerzfrei 
der Arbeit nachgehen. Beginnende Hordeoien gingen meist 
schnell und restlos zurück. Gute Erfolge wurden weiter erzielt 
bei Vereiterungen der Meibom’schen Diüsen, bei Furunkelbildung 
der Augenbrauen; weniger befriedigend waren die Resultate bei 
Chalazien. In der Hand des fachkundigen Arztes ist die Saug¬ 
behandlung frei von Schädigungen und wird in Gesellschaft oder 
Ersatz anderer Maßnahmen viel Gutes wirken können. 

9. Schubert, Breslau. Ein Narkosenapparat mit Dosinrngs- 
vorriohtimg. 

Die technischen Einzelheiten des anscheinend einfachen 
Apparates sind im Orginal einzusehen. Erprobt wurde derselbe 
mit gutem Erfolg bei etwa 50 Narkosen (meist Laparotomien) mit 
Aether. 

10. Brenner, Heidelberg. Ein Fall von Fnbotomie ans 
der Präzis. 

Wegen Verzögerung der Geburt bei mäßig plattem Becken 
und Bedrohung des Lebens des Kindes wurde die Pubotomie aus¬ 
geführt, und durch nachfolgende Zange ein lebendes Kind ent¬ 
wickelt. Trotz grösseren Scheidenrisses glatte Heilung. Längere 
Zeit blieb eine Gangabnormität, für die eine Erklärung nicht zu 
finden war, bestehen. Trotz der Einfachheit der subkutanen 
Pubotomie warnt B. wegen der Möglichkeit schwerer Kompli¬ 
kationen, die unter primitiven Verhältnissen eine beträchtliche Ge¬ 
fahr für das mütterliche Leben bringen können, vor der Aus¬ 
führung der Operation von nicht geübter Hand in der Praxis. 

11. Burk. Frankfurt. Fnsshaltor zur Fiziemng des Fusses 
bei Verbandanlegung. 

12. Maas, Heidelberg. Eine neue waschbare Bauchbinde. 

13. Prüsmanu. Dresden. Uterushadtezange. 

14. Wieck, Halensee. Ein Apparat zur Entnahme kleiner 
Blutmengen. 

15. Zahnarzt Brejtung. Gesichtsschutzmaske nach An¬ 
gabe des Zahnarztes Eichentopf. 

Die Apparate, resp. Bandagen sind an der Hand von Ab¬ 
bildungen beschrieben. 


16. Silbergleit, Kissingen. Vorsehläge zur praktisches 
BurchfOhrung einer individuellen Verpflegung in Badeorten. 

Abdruck der auf Veranlassung des ärztlichen Bezirksvereins 
für Kissingen nen aüfgestellten Speisekarte mit den für Patienten 
und Wirte bestimmten Begleitworte. 

Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 40. 

1. Quincke, Kiel: Heber Hydrops tozicus. 

Es wird die Krankengeschichte eines Mannes mitgeteilt, bei 
dem sich im. Verlaufe einer hochgradigen perniciösen Anaemie 
unklaren Ursprungs, unter Gewichtszunahme von 9 kg, ein allge¬ 
meiner Hydrops entwickelte, während das Allgemeinbefinden un¬ 
gestört blieb und die Besserung in Blutbeschaffenheit und Er¬ 
nährung kontinuierlich fortschritt. Ansteigen und Abklingen des 
Hydrops währten etwas über zwei Wochen; in der dritten Woche 
stellte sich eine Abschuppung der Epidermis wie nach einem 
Scharlach ein. Im Anschluss daran werden die Entstehungsbe- 
dingangen der Wassersucht besprochen und ein Hydrops mechani- 
cns, neuroticus und toxicus unterschieden, klinisch der cardiale, 
renale, kachektische und essentielle Hydrops. Bei dem letzteren 
ist an eine Giftwirkung zn denken; und zwar bieten sich Ent¬ 
stehungsmöglichkeiten 1. durch örtliche Wirkung des Giftes, a) auf 
die Gefässwandungen, b) auf das Gewebe selbst, c) auf beide; 
2. durch Giftwirkung auf die Nerven; dies können sein a) Gefäss- 
nerven, b) „trophische“ Nerven, welche auf das Gewebe selbst 
wirken, o) beide, 

2. Mayer und Milchner: Heber die topographiBcho Per- 
koBsion deB kindliohen Herzens. 

Unvollendet. 

3. Saito: Ezperimentell-kritiBclie Hnteranohnng über die 
SshliBobe Desmoidreaktion. 

Die Versuche, die mit Verdauungssäften, welche von Hunden 
gewonnen waren, denen nach den Pawlowschen Methoden die entr 
sprechenden Dauerfisteln angelegt waren, angestellt wurden, zeigten, 
dass die Sahlische Reaktion für die funktionelle Magenprüfung 
von einer ganzen Reihe von Momenten abhängig ist, dass auf sie 
die sekretorische und motorische Funktion des Magens in gleicher 
Weise Einfluss gewinnen können, und dass endlich dabei auch die 
Darmverdauung eine entscheidende Rolle zu spielen vermag. Die 
diagnostische Bedeutung der Sahlischen Desmoirreaktion ist des¬ 
halb nicht hoch einzuschätzen, ihr Ausfall ist von zn vielen, am 
Krankenbett oft unübersehbaren Faktoren abhängig. 

4. Funck, Köln; Znm Verständnis der BesBemng der 
Leokaemie dnrch intercnrrente Infektionen. 

F. gibt die Krankengeschichte eines Falles von Myelaemie, 
bei dem im Verlaufe der Krankheit eine Verstopfung des einen 
Urethers durch Massen von Hamsäurekrystallen, als Folge davon 
Hydronephrose und Infektion derselben eintrat. Unter dem Ein¬ 
fluss der Infektion stellte sich nun eine auch anderweitig schon 
beobachtete wesentliche Besserung der leukaemischen Erscheinangen, 
Schwinden der Milz- und Drüsenschwellimg, Besserung des Blutbe¬ 
fundes, ein. Genaue Blutuutersuchungen nach der Aruethschen 
Methode, die der Kernmorphologie der Leukocyten, speziell der 
neutrophilen, besondere Beachtung schenkt, erlauben eine Erklä¬ 
rung für diese auffallende Erscheinung zu geben. Ameth vindi- 
ziert den neutrophilen polynucleären Leukocyten eine besondere 
Bedeutung im Kampfe gegen Infektion; sie werden in Massen 
zur Bildung von Antikörpern verbraucht. Bei den Abwehrbe¬ 
strebungen des Organismus werden zuerst die ältesten Neutrophilen, 
also die mit mehrfach geteilten Kern, als die geeignetsten zur 
Antikörperbildung verwandt, sie schwinden zuerst aus dem Blut¬ 
bild, und im Verlaufe der Infektion findet bald eine Verschiebung 
zur Klasse der ein- und zweikemigen, also der jüngeren Formen, 
statt. Im vorliegenden Falle setzte mit der Infektion eine Ueber- 
schwemmung des Blutes mit polynucleären neutrophilen Leukocyten 
ein, die aber nach wenigen Tagen wieder schwand und einer 
Leukopenie Platz machte. Dieses plötzliche, überwiegende Auf¬ 
treten polyuucleärer Neittrophylen findet nach F. seine Erklärung 
in dem Verschwinden der Drüsen, der Verkleinerung der Milz. 
Diese sind von myeloiden Wucherungen durchsetzt, die als Meta- 


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1906. 


MEDICINISCHB WOGHB. 


451 


stasen der vom Knochenmark produzierten Leukocyten solche in 
allen Entwicklongsstuien in Massen, also gleichsam als Vorräte 
enthalten. Von hier aus geht bei Bedarf ein Schub älterer, zur 
Abwehr der Infektion geeigneter Zellen in das Blut über, und so 
entsteht die Verbesserung des Blutbildes, begleitet von deutlichem 
Abschwellen der Drüsen und der Milz. 

5. Dinger, Amsterdam: Beitrag zur Behandlung des 
Trachoms mit Badixun. 

Die Behandliing wurde vorgenommen mit 6 mg Radium, das 
zweimal w&chentlich bis zu fünf Minuten einwirkte, später mit 
dem doppelten Quantum einmal wöchentlich. Nachteilige Folgen 
wurden niemals beobachtet. Von 16 Patienten wurden bei 7 die 
Traohomkömer völlig zum Schwinden gebracht. Die Heilung trat 
nman schneller und vollkommner ein, je jünger die Patienten 
waren. Aber auch in älteren Fällen, bei Komplikation des 
Trachoms mit Pannus, gelang es,- wenn auch langsam, Pannus 
und Trachomkömer zum Schwinden zu bringen und die Patienten 
wieder arbeitsfähig zu machen. Diese Behandlungsweise ist der 
mit Causticis und der mechanischen vorzuzieheu, weil die Heilung 
nicht nur schneller erfolgt, sondern die Patienten dabei auch 
keinerlei Schmerzen empfinden. 

6. Westenhoeffer: Heber den gegenwärtigen Stand 
unserer Kenntnisse von der übertragbaren Genickstarre. (Schluss.) 

So wertvoll die Ergebnisse der neueren Untersuchungen für 
die Aetiologie sind, betr. die Krankheitserreger, ihre Eintritts¬ 
pforte, die Coocenträger, für die Epidemiologie haben sie erst den 
Boden gegeben. Die wichtigen Fragen, warum meistens aus den 
sporadischen Fallen keine Epidemieen werden, warum dagegen in 
den grossen Kohlenrevieren Deutschlands die Krankheit wieder¬ 
holt so schwere epidemische Ausbreitung gefunden hat, harren 
noch der Beantwortung. Namentlich werden weitere Forschungen 
ontersuchen müssen, ob nicht die hohe Feuchtigkeit, die erhöhte 
Temperatur in den Bergwerken, die Abwesenheit des Sonnen¬ 
lichtes ein saprophytisches Wachstum des Meningococcus in den 
Tiefen der Bergwerke ermöglicht. Was die Entstehung der 
Meningitis betrifft, so ist bei aufmerksamem Suchen stets ein 
primärer Herd extrakranlell, fast stets in Gestalt der Meningo- 
coccen-Pharyngitis zu finden; die Meningitis selbst ist secundär. 
Eine lymphogene Infektion der Hirnhäute, insbesondere den 
Nervenbahnen entlang nach aufwärts, durch in wandernde Leuko¬ 
cyten eingeschlossene Meningococcen, ist nicht ausgeschlossen; 
wahrscheinlicher dagegen ist die haematogene Infektion. Die 
Disposition scheint gegeben zu sein in dem Vorhandensein grosser 
lufektionsreceptoren, wie sie in den Tonsillen und dem lymphati¬ 
schen Apparat dargestellt werden. Die besondere Empfänglich¬ 
keit der Kinder für Genickstarre liegt im kindlichen Organismus, 
der einen wohl ausgeprägten, zum Teil hypertrophischen lympha¬ 
tischen Nasenrachenring, insbesondere eine Rachentonsüle aufweist. 
Die an Genickstarre gestorbenen Erwachsenen hatten fast alle 
ausgeprägte Rochentonsillen, in diesem Sinne also einen kindlichen 
Habitus. Die Rachentonsille tritt so zum Meningococcus in ein 
gleiches Verhältnis, wie etwa die Gaumentonsille zum Strepto¬ 
coccus und der Peyersche Haufen zum Typhus- und Tuberkel- 
bacUlus; sie gehört zu den spezifischen Eintrittspforten. Was die 
Therapie betrifft, so haben weder die Bäderbehandlung, noch die 
Lumbalpunktion, noch die sonst empfohlenen Maßnahmen das ge¬ 
halten, was man von ihnen erwartet hat. Insbesondere hat die 
Lumbalpunktion, ausser vorübergehender Besserung, niemals nach¬ 
weisbar den Krankheitsverlauf wesentlich beeinflusst. Von einer 
wirksamen Therapie sind drei Dinge zu verlangen: 1. Bekämpfung 
der Infektion (der Coccen und ihrer Gifte); 2. Emtfemung des 
Eiters aus den Hirnhäuten und Höhlen; 3. Verhütung oder Be¬ 
seitigung des Hydrocephalus. Zu 1 und 2 ist die Lumbalpunk¬ 
tion und vielleicht die Incision und Drainage des Lig. atlanto- 
occipitale beranzuziehen; das wirksamste wäre freilich die Behand¬ 
lung mit einem Heilserum, Solange hier aber noch keine befrie¬ 
digenden Resultate erzielt sind, wird man sich in erster Linie 
bemühen müssen, das Stadium hydrocepbalicum zu verhindern 
oder zu beseitigen. Hier bietet sich eine noch nicht bervorge- 
hobene Schwierigkeit. In den Plexus, besonders des Unterhorns, 
hält sich der Eiter am längsten, von diesen Stellen aus findet 
eine dauernde Reizung der Plexns und des Ependyms statt, die 


znm Hydix)cephalns führt. Um hier einzugreifen, ist die Behand¬ 
lung der Meningitis in die Hand des Chirurgen Zu legen. Trepa¬ 
nation des Schläfenbeins und Punktion und Drainage des Unter¬ 
horns sind vorzunehmeu. Nach Versuchen an der Leiche empfiehlt 
W. hierzu eine relativ einfache und zuverlässige Operations¬ 
methode. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 39. 

1. Fischer. Semmelweis’ Vorläufer. 

Historische Darlegung der Entwicklung der Anschauungen 
über die Aetiologie des Puerperalfiebers, Namentlich englische 
Forscher waren es, die die Lehre von der Contagiosität des Puer¬ 
peralfiebers begründeten. Ihre Anschauungen bewiesen gegenüber 
den kontinentalen Ansichten Über die Natur des Kindbettfiebeis 
eine bedeutend vorgeschrittenere Erkenntnis und die Semmelweis- 
sche Lehre ist nur ein weiterer, aber entscheidender Schritt auf 
derselben Bahn. 

2. Löwy, Prag: Heber die Bedeutong der Beaktion des 
BigitaUsinfases für seine Wirksamkeit. 

Als Ursachen der von praktischer Seite oft beobachteten Un¬ 
sicherheit und Unregelmäßigkeit der Digitaliswirkung sind heran¬ 
gezogen worden die Droge, mit ihrea^ vom Alter, Standort, Auf¬ 
bewahrungsart etc. abhängigen Gehalt an wirksamen Bestandteilen, 
und die individuellen Verhältnisse des Patienten, wie Schwankungen 
der Resorption, Füllung des Magens, des Darmes, schädigende 
Wirkung der freien Salzsäure. In letzterer Hinsicht hat Deuseler 
eine beträchtliche Abschwächung der Wirksamkeit des Digitalins 
durch die Magenverdauung nachgewiesen. L. hat nun experimentell 
zu prüfen versucht, von welchen Umständen die Wirk^mkeit des 
klinisch wichtigsten Digitalispräparats, des Digitalisinfoses, ab¬ 
hängig ist, und kommt zu folgenden Ergebnissen: Ein Digitalis- 
infus wird durch Salzsäure in Konzentration der Magensalzsäure 
in allen Fallen abgeschwächt; die Gegenwart von l^epsin ist ohne 
Bedeutung. Ein Stehenlassen bei Zimmertemperatur genügt, um 
im Verlaufe von 24 Stunden ein Infus fast auf die Hälfte seiner 
ursprünglichen Wirksamkeit zu bringen. Diese letztere Schädigung 
des Infuses wird durch eine in ihm vorkommende organische Säure, 
deren genauere Bestimmung noch nicht möglich war, hervorge¬ 
rufen und kann durch Neutralisation in der Mehrzahl der Fälle 
beseitigt werden. Eine vorratsweise Herstellung von Digitalisin- 
fusen ist deshalb zn verwerfen; die frisch hergestellteu sollten in 
neutralisierter Form am Krankenbett zur Verfügung gestellt werden. 

3. Urbantschitsch: Heber „Beflexepilepsie.** 

Um in der strittigen Frage der „Reflexepilepsie^ eine Einigung 
herbeizuführen, sind scharf zu trennen: die echte Epilepsie, wenn 
die einzelnen Krampfanfälle von einer entfernten Körpersteile aus¬ 
gelöst werden, und die epileptiformen Anfälle, die zeitweise durch 
einen krankhaften Zustand einer bestimmten Körperregion zur 
Auslösung gelangen. Nur die letzteren sind als ,R«fiexepilepsie‘* 
zu betrachten und wohl besser als „reflektorisch-epileptiforme An¬ 
fälle“ zu bezeichuen. Diese Scheidung ist sehr wichtig bezüglich 
der Prognose, da die wahre Epilepsie in der Regel als eine un¬ 
heilbare, wenn auch bedeutend besserbare Erkrankung aufzufassen 
ist, während die „Reflexepilepsie“ durch geeignete Maßnahmen 
heilbar ist, und somit anch der Therapie, indem die Behandlung 
der echten und Reflexepilepsie eine verschiedene ist, insbesondere 
was die Brommedikation betrifft, die meistens bei der ersten einen 
günstigen Einfluss ausübt, bei der letzteren oft wirkungslos bleibt, 
wogegen gerade hier die Behandlung der peripheren Stelle, von 
wo die Anfälle ausgelöst werden, die Hauptrolle spielt. Freilich 
wird die Unterscheidung von „Reflexepilepsie“ und echter, beson¬ 
ders, wenn eine „epÜeptogene Zone“ besteht, oft grossen Schwierig¬ 
keiten begegnen und häufig erst der Dauererfolg eine Entscheidung 
zu gunsten der ersteren bringen. Das Forschen nach „epilepto- 
genen Zonen“, auch bei wahrer Epilepsie, soll keineswegs ver¬ 
nachlässigt werden. Der Begriff ist aber wesentlich zu erweitern 
and neben den gewöhnlich mit diesem Namen belegten Hautzonen 
alle inneren Organe in Betracht zu ziehen, insbesondere der Darm- 
traktus. Interessante Krankengeschichten erläutern dies und zeigen, 
wie die gründliche Erforschung, ob nicht gewisse Körperpartien 
zu den Anfällen in Beziehung treten, es oft ermöglicht, einen 


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452 


MEDlCmiSCHB WOOHE. 


Nr. 42. 


grösseren Eini^nss anf den 'Krankheitsverlauf zu gewinnen, als 
durch die vielfach angewandten .iNervenmittel“. 

4. Teleky. Die Sterhliohkeit an Tuberkulose in Oester- 
reiob a873—1904). 

Die interessanten Statistiken ergeben bei den Eronländern, 
Bezirken und Städten immer das bemerkenswerte Phänomen, dass 
Orte mit hoch entwickelter Industrie eine hohe Tuberkulosenmor¬ 
talität zeigen, dass aber gerade Orte mit hoher industrieller Ent¬ 
wicklung auch die grösste Besserung der Tuberkulosesterblichkeit 
in den letzten Jahrzehnten aufweisen. Dieses Sinken der Tuber- 
kulosesterblichkeit mit fortschreitender Entwicklung der Industrie 
scheint durch Kräfte verursacht, die im allerengsten Zusammen¬ 
hang mit der industriellen Entwicklung stehen oder durch diese 
erst hervorgerufen werden. Die wichtigsten Faktoren in dieser 
Hinsicht dürften sein: die wirtschaftliche und politische Organi¬ 
sation der Arbeiterklasse, die ihre Lebenshaltung durch kürzere 
Arbeitszeit und höheren Lohn gehoben hat, und die staatliche 
Fürsorge, Axbeiterschntzgesetze und Arbeiterversicherungsgesetze. 

5. R4thi, Wien: Die Ozaena und die Stauungstherapie. 

Bericht über Versuche mit Saugbehandlung und Stauung 

durch Tamponade der Choanenöffnung, womit aber nur temporäre 
Erfolge erzielt wurden. 

Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 38. 

1. Ziegenspeck, München: Heber Pessarien. 

Als Grundsätze für die Pessarbehandlung werden ältere Thesen 
von Schulze und Prochownick in Erinnerung gebracht: 1. das 
Pessar darf keine Stütze am Knochen suchen; 2. sein Querdurch¬ 
messer darf nicht grösser sein, als sein Längsdurchmesser und der 
grössere Durchmesser muss mit der Längsachse der Vagina zu¬ 
sammenfallen ; 3. es darf keine Kommunikation mit der Atmosphäre 
unterhalten; 4. es darf in der einmal der Vaginalwand gegebenen 
Anspannung nicht durch latente Elastizität reizend wirken, muss 
runde, glatte, leicht gleitende Flächen ohne freie Binden besitzen; 
5. es darf nicht durch Eigenschwere aus der gegebenen Lage 
sinken oder lästig werden, und weiter hinzugefügt 6. durch das 
Pessar darf kein grösserer Hohlraum in der Vagina geschaffen 
werden; 7. es darf die Trägerin nicht kohabitatlonsunfähig machen. 
An der Hand dieser Leitsätze werden die verschiedenen Pessar¬ 
formen einer Kritik unterzogen und eine Reihe von Modifikationen, 
die sich bei Z. in langjähriger Praxis bewährt haben, empfohlen. 

2. Strebei, München: Die ärztliche Kunst auf dem Gebiete 
der Kosmetik. 

Skizzierende Darstellung der wesentlichsten in Betracht kom¬ 
menden Veränderungen und der wichtigsten therapeutischen Ma߬ 
nahmen und Verfahren. 

Nr. 39. 

1. Goebel, Bielefeld: Heber die syphilitische Aetiologie 
und Therapie der Tabes dorsalis. 

Die Beweiskraft der grossen Statistiken (Erb) wird bestritten. 
Neben der Lues kommen noch zahlreiche andere Faktoren als 
aetiologische Momente in Betracht: Potus, Trauma, Ueberarbei- 
tung, Sorgen, Veranlagung. Vielleicht führt ein Zusammenwirken 
mehrerer, in verschiedenster Kombination, zum Ausbruch der Tabes; 
vielleicht geben sie auch nur den Anlass zur Entwicklung der 
Tabes, deren Bedingungen vorhanden waren; die oft bei Tabikern 
nachzuweisenden Degenerationszeicheu legen diesen Gedanken nahe. 
Die Edingersche Hj’pothese von der funktionellen Ueberanstreng- 
ung und die umgekehrte Lotssche von der angeborenen Schwäche, 
infolge des Fehlens oentripetaler Erregungen, werden erwähnt. 
Als sehr verführerisch zur Erklärung der Entetehung der Tabes 
werden die Toxintheorien herangezogen. Aber auch gegen diese 
sprechen manche Momente: die auffällige Tatsache, dass bei der 
Tabes vorwiegend sensible Neurone, hei der Paralyse motorische 
ergriffen sind; die nicht seltenen gutartigen, lange Zeit andauern¬ 
den Fälle; die Seltenheit der Tabes bei Ehegatten; die Seltenheit 
von Tabes und Paralyse in exotischen Ländern, wo Lues als 
Volksseuche auftritt. Wenn nun auch bezüglich der aetiologischen 
Bedeutung der Lues noch keine Entscheidung zu treffen ist, so 


ist doch bezüglich der Therapie mit Entschiedenheit ein Verzicht 
auf eine merkurielle Behandlung zu fordern. 

2. Kurrer, Horb: Heber Helaena vera neonatomm. 

2 Fälle, spontan geborene, kräftig entwickelte Kinder be¬ 
treffend. Während der eine mit Genesung endete, trat beim 
andern der Exitus schon 36 Stunden nach Einsetzen der Darm¬ 
blutung ein. Die Autopsie ergab capilläre Blutungen, rein anf 
den Dickdarm beschränkt. Irgend eine Ursache war nicht auf¬ 
zufinden. 


Pamilien-Nachrichten. 

Verlobt: 

Frl. Elsa Becker io Naamborg (Saale) mit Hm. Dr. med. Rudolf 
Heinrich in München, — Frl. Paula Birnbaum in Giessen mit Hrn. Dr. 
med. Ernst Unger in Berlin. — Frl. Henriette Joski in Cbarlottenbiirg mit 
Hm. Dr. med. Adolf Schlesinger in Berlin. — Frl. Klara Mareks mit Hm. 
Dr. med. Bruno Henske in Heidelberg. — Frl. Stephanie Josten in Kempen 
(Rhein) mit Hrn. Assistenzarzt Dr. Hoffmans in Metz. — Frl. Margarete 
Stohrmann mit Hrn. Dr. med. Joseph Meyer, beide in Breslau. 

Vermählt: 

Hr. Dr. med. Heior. Bisping mit Frl. Johanna Kammann in Bredeney. 

— Hr. Dr. med. E. Brame mit Frl. Clara von Winniog io Mühlrüdlitz 
i. Scbles. — Hr. Dr. med. Karl BlUmel mit Frl. Margarete Oeitel in Stendal. 

— Ur. Dr. med. Paul Diepgen mit Frl. Gerda Schmitz in Malmö (Schweden). 

— Hr. Dr. med. Herrn. Feinberg mit Frl. Hedwig Picard in Eizgen (Schweiz). 

— Hr. Dr. med. Arthur Honneth mit Frl. Auguste Rüken in Essen-Ruhr. 

— Hr. Dr. med. Emst Otto Kracht mit Frl. Gertrud Elisabeth Frieda 
Kuhn in Körenberg. — Hr. Dr. med. Ai^ost Mau mit Frl. Fränzel Sievers 
in Heyerswerda. — Hr. Dr. med. Theo Sebommertz mit Frl. Marie Rüken. 
in Troisdorf. — Hr. Dr. med. Max Walch mit Frl. Melanie Keller in 
Leipzig. — Hr. Dr. med. Johannes Ziegner mit Frl. Johanne Giese in 
Mockau b. Leipzig. 

Geboren: 

Ein Sohn: Hm. Dr. med H. Hirsch in Trier. — Hm. Dr. med 
Freies in Königsberg i. Pr. 

Eine Tochter: Hm. Dr. med. Rieh. Frank in Stuttgart — Hrn 
Dr. med. Galinsky in Fitschen OS. — Hm. Dr. med. Kitsche in Niemberg 
b. Halle a. S. 

Gestorben: 

Dr. med. David Bloch in Breslau. — K. K. D- Sanitätsrat Dr. Adolf 
Eisl in Graz. — K. and K. Oberarzt Dr. Friedrich Lackoer in Graz. — 
Dr. med. Christian Brich Müller io Grimma. — Geh. Sanitätsrat Dr. med. 
Paul Wilhelm Richter io Berlin. — Dr. med. Loois Stadtier io Bremen. 

— Dr. med. Albert Voss in Berlin. 


Neu nieders^elassen 

haben sich in: 

Boebom. Spezialarzt Dr. Reckzeh. — Berlin. Spezialarzt Dr. Schindler. 

— Berlin. Dr. med. Leopold Sternberg. — Braonschweig. Dr. med T^t- 
meyer. — Bremen. Dr. med. Schomburg. — Darmstadt. Dr. med. C. Hof. 

— Dresden-A. Dr. med. Georg Riebold, — Essen. Spezialarzt Dr. Steiner. 

— Fermersleben. Dr. med. Sebmeisser. — Frankfurt a. M. Dr. med. August 
Hombuiger. — Frankfort a. M. Arzt Dr. Gostav Löffler. — Frankfurt a. M. 
Dr. med. Arthur Stein. — Gettorf. Dr. med. Leoschau. —> Grimma. Dr. 
med. Rudolf Kindt. — Halensee. Dr. med. Max Willner. — Halle a. S. 
Dr. med. Gaezkowski. — Höxter. Dr. med. Bremer. — Jena. Dr. med. 
Krütze. — Karlsruhe. Dr. med. Otto Bloos. — Kiel. Dr. med. Völkel. 

— Leipzig. Dr. med. Adolf Rauscher. — Leipzig-Gohlis. Augenarzt Dr. 
Seetelder. — Leipzig-Stötteritz. Dr. med. Quinger. — Mannheim-Waldbof. 
Dr. med. Treiber. — Kümbeig. Dr. med. Heinrich Bräutigam. — Remda. 
Dr. med. Krachen. — Sulau. Prakt. Arzt Johann May. — Weisser Hirsch. 
Dr. med. Loebell. — Wiesbaden. Dr. med. Georg Hünerfauth. 


Tafel für ärztliche Stellenvermittlung. 

Adresse: Aerztliohee Ayskanfle-Bureau des fieeehSfts-Aaseohueeee der 
Berliner Irztlioben Standeevereine Im Mediolnlschea WarenliaBee (Akt.- 
GesOi Berlin N., Frledriohetraeee 1081. 

rUr persönliche Rücksprache ist Herr Dr. JomIÜh tAaltek TOm Vlur in 

Medicinischen Warenhause anwesend, (Mit gütiMr Erlaubnis des Geschafts-Ausachusse* 
der Berliner arxtlichen Stsuidesvereine Tom Auskunfit-Bureau der Med. Woche Übermittelt.) 

Io der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres 
unter Nr. 1989. 

In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. n. Nr. 2007, 
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. n. Nr. 2006. 
ln der Mark wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013. 
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 20^. 
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. n. Nr. 2054. 
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056. 
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060. 
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Yolontärarzt ges. Näb. 
unter Nr. 2061. 

ln der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063, 


Varantwonlicber Redakteur : Dr. P. Meiaaner, Berlin W. SS, KnrfÜratenttr. 81. — Verlag Ton Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck Ton der HeTsemaiiB'acheB BBchdmcicerei, Gebr- Wolff, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Deottehniann, A. Dflhnsen. A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bt, 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Vertag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a» Uhlandstrasse 6, 

Tei.'Adr: Marbold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert. M. Koe 


ppen, K. Partscb, H. Roslo, H. Schlange, 
In. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. Unverricht, A. Vosslas, 

Magdeburg. Glessen. 


Redaktion; 

Berlin W. 62, Kurfflrstenstraaac 81» 

Dr. P Meißner 


Vn. Jahrgang. 


22. Oktober 1906. 


Nr. 43. 


Die .Medi cinische Woche« erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOgiSChe CefltralzeltUng, Organ des Schwarzwaldbadertages, 
des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Hall e a. S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 
mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 

Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Zur Therapie des Favus des behaarten 
Kopfteües. 

Von Dr. L. L. Sinis, Ekatherioodar*). 

Gegen Favus des behaarten Kopfteiles gibt es bekanntlich 
keine geringe Anzahl von Mitteln, darunter auch ziemlich zu¬ 
verlässige, wie beispielsweise Chrysarobin, Pyrogallol etc. 

Jedoch üben selbst die besten dieser Medikamente, wie 
wir gleichfalls sehr wohl wissen, auf den favösen Prozess nur 
dann einen günstigen Einfluss aus, wenn neben der medi¬ 
kamentösen Therapie eine systematische Auszupfung der er¬ 
krankten Haare, d. h. die Epilation vorgenommen wird. 

Da aber diese Epilationsprozedur mit grossem Zeitverlust 
verknüpft ist, und nicht selten auf Widerstand seitens der 
Kranken, namentlich der Kinder, welche an Favus am meisten 
erkranken, stösst, haben sich die Dermatologen schon relativ 
lange zur Aufgabe gemacht, nach einem Mittel oder Heil¬ 
verfahren zu suchen, mit dem man den Favus heilen könnte, 
ohne zur Epilation greifen zu müssen. 

Wenn man die hierher gehörige Literatur einer Durchsicht 
unterzieht, findet man tatsächlich auch Empfehlungen von 
Mitteln dieser letzten Kategorie. Als Beispiel möchte ich nur 
die Pirogowsche Jod-Teer-Salbe, das Kupferoleat, Jodtinktur, 
graue Quecksilbersalbe, Formalin etc. nennen. 

Leider ist es weder mir, noch den übrigen Aerzten, die 
über ihre bezüglichen Erfahrungen publiziert haben, gelungen, 
durch die Anwendung der soeben genannten Mittel dauernden 
Erfolg zu erzielen, wenn nicht zugleich auch die Epilation an¬ 
gewendet wurde. 

Wir vermissen somit bis auf den heutigen Tag ein Mittel 
gegen Favus, welches ohne Epilation mit Erfolg angewendet 
werden könnte. 

Von dieser Erwägung ausgehend, erachte ich es für an¬ 
gebracht, über ein Mittel zu berichten, oder richtiger, an ein 
Mittel zu erinnern, durch dessen Verwendung ich selbst 
schwere Fälle von Favus ohne jegliche Epilation zur Heilung 
bringen konnte. 

Dieses Mittel ist bei weitem nicht neu, sondern im Gegen¬ 
teil sehr alt und wird von den Aerzten larga manu angewendet. 

Es ist das gewöhnlich Jod. Das Wesen der Sache liegt 
nur in der Form, in welcher diese Substanz angewendet werden 
muss, damit ein Erfolg erzielt werden kann. 

In meinen Fällen verwendete ich eine Salbe, welche aus 

metallischen Jods und 30,0 Gänseschmalz bestand. Diese 

« ■ 

*) Aus dem Rassischen von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf. 


Salbe wurde vor einigen Jahren von einem ausländischen Arzte, 
dessen Namen ich leider nicht behalten habe, empfohlen, wo¬ 
bei angegeben wurde, dass das Jod in der bezeichneten Appli¬ 
kationsform in die Gewebselemente der Haut tief eindringt. 

Ich kann den Kollegen nur diese letztere Form der Jod¬ 
applikation für die Behandlung des in Rede stehenden Leidens 
empfehlen, weil sämtliche übrigen jodhaltigen Mischungen oder 
Lösungen, wie die oben erwähnte Pirogowsche Salbe, Jod¬ 
tinktur etc., bei meinen mit Favus behafteten Patienten ohne 
Epilation nichts fruchteten. 

Anbei einige Beobachtungen aus meiner Praxis. 

I. 4jähriges Mädchen von schwachem Körperbau und 
ebensolchem Ernähningszustand mit skrophulöser Erkrankung 
der Halslymphdrüsen, Kam in meine Behandlung am 14. Fe¬ 
bruar 1002. Bei der Besichtigung des behaarten Kopfteües 
wurde eine ziemlich bedeutende Quantität von geblichen Borken 
bemerkt, die verschiedene Grösse zeigten und von Haaren 
durchbohrt waren; die grösste Borke nahm die Mitte des 
Kopfes ein und hatte die Dimension eines silbernen Fünfmark¬ 
stückes. Diese Borke war über dem Niveau der übrigen Haut 
erhaben, wobei man unter der Borke das Vorhandensein von 
Flüssigkeit wahmehmen konnte, denn es bestand deutliche 
Fluktuation. Durch Befragen wurde festgestellt, dass die 
gegenwärtige Erkrankung sich bei dem Kinde im Dezember 1901 
in Form einer kleinen Borke am Scheitel eingestellt hatte. 
Der Arzt, dem man das Kind zunächst gezeigt natte, deutete 
die Krankheit nicht als Favus, sondern als Ekzem. Er ver- 
ordnete die verschiedensten Salben, jedoch ohne Erfolg; der 
Krankheitsprozess griff immer mehr und mehr um sich. Als 
der behandelnde Arzt die Fluktuation unterhalb der in der 


Mitte des Kopfes befindlichen Borke entdeckt hatte, schlug er 
eine Inzision vor, in welche die Mutter des Kindes jedocli nicht 
einwilligte. Das geschah an demselben Tage, an welchem sich 
die Mutter an mich wandte. Die favöse Natur der Affektion 
konnte man schon auf Grund des klinischen Bildes feststellen; 
um aber sicher vorzugehen, habe ich Haare und Borken mi¬ 
kroskopisch untersucht und das Vorhandensein der spezifischen 
Favuspilze konstatiert. 

Ich verordnete die oben erwähnte Jodsalbe, welche fol¬ 
gendermaßen appliziert wurde; Stücke weicher, alter Leinwand 
wurde gleichmäßig mit der Salbe bestrichen (die frisch herge¬ 
stellte Salbe ist von ziemlich flüssiger Konsistenz, später wird 
sie aber dicht, namentlich wenn sie der Kälte ausgesetzt ist) 
und einzeln auf jede Borke aufgelegt, worauf sie mittels einer 
Gazebinde oder eines Kopftuches befestigt wurden. Zweimal 
täglich wurde der Verband gewechselt. Stellte sich Reizung 
ein (Schmerz, Jucken), so wurde die Jodsalbe auf 1—2 Tage 
ausgesetzt und durch eine 25prozentige Ichthyolsalbe, die mit 
gelber Vaseline hergestellt war, ersetzt; falls Jucken bestand, 
wurde zur Salbe 2 prozentigo Menthol zugesetzt. Beim abend¬ 
lichen Verbandwechsel wurde der Kopf mit warmem Wasser 


und grüner Seife gewaschen. 


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454 


MBDICINISCHl WOCHE. 


Nr. 43. 


Auf den entfernten Leinwandstücken fand man Häufig er¬ 
krankte Haare. Beim Verbandwechsel empfand das Kind keine 
Schmerzen. 

Drei Wochen nach Beginn der Behandlung waren die affi- 
zierten Stellen rot und haarlos. Hierauf wurde die Behandlung 
für eine gewisse Zeit unterbrochen, um festzustellen, ob an 
diesen Stellen wieder kranke Haare erscheinen würden. In 
der Tat zeigten sich favöse Haare, aber nicht auf allen, 
sondern nur auf einigen haarlosen Gebieten. Letztere wurden 
zum zweiten Mal der oben erwähnten Therapie unterzogen. 

Nach einer Behandlungsdauer von 2 Monaten, das Kon- 
trollstadium mit eingeschlossen, war von einem Recidiv der 
Krankheit nichts mehr zu sehen. Ende Mai desselben Jahres 
sah ich das Kind wieder und konnte mit Vergnügen feststellen, 
dass sämtliche erkrankt und haarlos gewesenen Stellen nun 
wieder mit normalem, dichtem Haarwuchs bedeckt sind. 

Auch in diesem Jahr sah ich das Kind und kann be¬ 
zeugen, dass dasselbe wohl für immer von ihrem Favus ge¬ 
heilt ist. 

II. 5 jähriger Knabe, blutarm, mit rachitischem Körper¬ 
bau und chronischer Milzschwellung infolge von Malaria. Auf 
dem behaarten Kopfteil sah man, namentlich in der Hinter¬ 
hauptgegend, ziemlich grosse, graue, trockene Borken, in denen 
die mi&oskopische Untersuchung das Vorhandensein von 
Achorion Schönleinii ergab. Ich verordnete die oben erwähnte 
Jodsalbe und gab die Weisung, in der geschilderten Weise zu 
verfahren. Während der Behandlung bot sich mir keine Ge¬ 
legenheit, den kranken Knaben zu sehen. Ich sah ihn erst 
nach 3 Monaten und fand bei sorgfältiger Besichtigung der 
Kopfhaut an sämtlichen Stellen, die früher favös erkankt 
waren, absolut normalen Haarwuchs. 

Die Behandlung wurde, wie die Mutter des Patienten ver¬ 
sicherte, genau nach meinen Angaben gehandhabt. Ichthyol¬ 
salbe brauchte nicht an gewendet zu werden, da Reizerscheinungen 
nicht vorhanden waren. Die ganze Behandlung hat, zwei Kon- 
trollperioden mit eingeschlossen, ca. 2^/2 Monat gedauert. 

HI. Sjähriges Mädchen von mäßigem Körperbau und 
ebensolchem Ernährungszustand. Der Vater des Kindes ist 
52 Jahre alt und gibt zu, in der Jugend syphilitisch erkrankt 
gewesen zu sein. Die Besichtigung des beharrten Kopfteiles 
ergab zahlreiche charakteristische favöse Scutula. Die Krank¬ 
heit besteht bereits seit 8 Monaten. Die Diagnose wurde auf 
Grund der mikroskopischen Untersuchung der Borken und 
Haare, die den affizierten Stellen der Kopfhaut entnommen 
waren, und in denen spezifische Favuspillen gefunden wurden, 
gestellt Die Behandlung mit der oben erwähnten Salbe wurde 
am 18. Oktober 1903 begonnen. 


Feuilleton. 


Etymologisches zu den Krankheitsnamen 
„Ilens“ und „Mserere“. 

Von Dr. Erich Ebstein {Göttingen). 

Der klinische Begriff des Wortes „Ileus“ ist in verschie¬ 
denen Zeiten verschieden weit gefasst worden. Daher schlug 
Nothnagel*), und ihm beistimmond, A. Pribram und H. 
Braun, vor, den Ausdruck, der zur Verständigung überflüssig 
und veraltet sei, gänzlich fallen zu lassen, da man ohnehin 
im einzelnen Falle genötigt sei, die spezielle Diagnose, warum 
Ileus eingetreten sei, zu machen. Pribram scheint, wenn 
man schon selbst die Diagnose nicht machen kann, für den 
gegebenen Fall der Ausdruck Darmundurchgängigkeit, Darm- 
occlusion mit oder ohne Koterbrechen, zur Verständigung voll¬ 
kommen hinreichend zu sein. „Höchstens“, fährt Pribram 
fort, „könnte man die Kürze desselben als einen Vorzug an- 

*) Vgl. A. Pribram in Ebstoin-Schwalbo, Handbuch der praktiacben 
Medicin. 1. Auflage ßd. 2, S. 624 f und S. 1143 Anmerkung 1. 


27. Dezember. Borken sind nicht mehr vorhanden. Die 
erkrankten Partien sind rot und etwas kahl. Geringer Schmerz 
bei Berührung und mäßiges Jucken. Drei Tage wurde infolge¬ 
dessen Ichthyol-Menthol-Salbe angewendet. Dauer der Be¬ 
handlung 7 Wochen. Vollständige restitutio ad integrum, nebst 
Wiederherstellung der normalen Dichte und Färbung der Haare 
wurde nach einer Behandlungsdauer von 3'/2 Monaten erzielt. 

IV. 4jähriges Mädchen von schwachem Körperbau und 
ebensolchem Ernährungszustand. Das Kind erkrankte häufig 
an Urticaria infolge von Malaria. Am 6. Mai 1904 wurde das 
Kind in meine Sprechstunde wegen seit 6 Monaten bestehenden 
Borken am Kopfe gebracht. Die Besichtigung ergab auf den 
behaarten Kopfteil eine bedeutende Quantität von gelblich- 
grauen Borken, in denen die mikroskopische Untersuchung das 
Vorhandensein von Favuspilzeu ergab. Dieselbe Behandlung, 
wie in den vorstehenden Fällen. Dauer der Behandlung sechs 
Wochen. Ausgang: Genesung nebst Wiederherstellung eines 
normalen Haarwuchses. 

V. 7jährigos Mädchen von mittelmäßigem Körperbau und 
ebensolchem Ernälirungszustand. Auf dem behaarten Kopfteile 
befinden sich grau-gelbliche, trockene Borken, die bereits seit 
8 Monaten bestehen sollen. Auch in diesem Falle wurde die 
Favus-Natur der Affektion mikroskopisch sicher gestellt. Unter 
dem Einflüsse der oben geschilderten Behandlung mit Jodsalbe 
trat innerhalb eines Zeitraumes von ca. 3 Monaten vollständige 
Genesung mit Wiederherstellung des Haarwuchses ein. 

Ausser den vorstehenden Fällen verfüge ich über weitere 
sieben gut beobachtete Fälle, in denen gleich günstige Resultate er¬ 
zielt worden sind. Ich nehme aber von einer Mitteilung dieser 
Fälle Abstand, um den Leser durch die Wiederholung ein¬ 
förmiger Krankengeschichten nicht zu ermüden. 

Die im Vorstehenden geschilderte Methode der Favus-Be¬ 
handlung hat bis jetzt die Aufmerksamkeit der Aerzte noch, 
nicht in vollem Maße auf sich zu lenken vermocht, während 
sie doch, wie wir gesehen haben, die weiteste Verwendung 
verdient. 

Von enormer Bedeutuug sind hier folgende Momente: 

1. die Möglichkeit, ohne die zeitraubende und ziemlich un¬ 
angenehme Epilationsprozedur auszukommen und 2. vollständige 
Genesung nebst Wiederherstellung des normalen Haarwuchses. 

Es versteht sich von selbst, dass zur endgültigen Ent¬ 
scheidung der Frage der Spezifizitat der von mir vorgesc^agenen 
Salbe noch weitere Beobachtungen erforderlich sind. 


sehen und deshalb ist der Name ^Heus“ wohl bis auf den 
heutigen Tag nicht aus der klinischen Nomenklatur ver¬ 
schwunden.“ 

Ileus kommt von o (iX€6g und bedeutet „eine durch Ver¬ 
wickelung der dünnen Därme entstehende schwere Krankheit, 
Darmverschlingung“.*) Wie Pribram {1. c. S. 573) angibt**), 
hiess die Krankheit des Dünndarms nach Diokles Carystins, 
dem dXXog 'JnnoxQdxtig (zwischen 400 und 350 v. Chr.) 
die des Dickdarms nach demselben c/Afd?; doch wurde zu 
Celsus’ Zeiten (f 20 p. Chr.) vielmehr die erstere €?Afdf, die 
letztere als tcxpXtxüg bezeichnet. 

Bereits Hippocrates und Galenos (geb. ca. 130 p. Chr.) 
nannten diejenige Entzündung der Gedärme Ileus, welche die 
Höhle derselben so verschliesst, dass nichts hindurch passieren 
kann. Alexander von Tralles nennt den Ileus „colici 
affectus intensionem et incromentum“. 

Im Gegensätze zu Diocles Carystius und Celsus, 
die wie wir eben sahen, den Namen von dem Sitze der Krank- 

*) Vgl. Franz Passow, Hatidwörterbucb der Griechischen Sprache. Bd. 
I, S. 6:33. Leipzig 1831 und W. Prellwitz, Ebyiuolo^ Wörterbuch der 
Griech. Sprache. Göttingen 1905, (S 130) wonach das wort eih-öi schon 
bei Hipponates verkommt, und sich ableitet von {'dlro drohe wickle. 

**1 Vgl. auch Fr. Aug. Forcke, Historische Untersuchungen und prak¬ 
tische Beobachtungen über den Ileus, die Invagination und die croupartige 
Entzündung der Gedärme. Leipzig 1843, S. 3, der fiilschlich schreibt. 

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1906. 


MEDICINISCHK WOCÖB. 


455 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

AeneUicher Verein in Hamburg* 

Sitzung vom 2. Oktober 1906. 

Vorsitzender Herr Kümmell. 

1. Herr Kellner demonstriert: 

a) Einen 3^/j jährigen Mikrocephalen Die Schädelmaße be¬ 
tragen: Umfang 37 cm, Längsdurchmesser 12,5 cm, Quordurch- 
messer 9,5 cm, Höhe 6,4. cm. Das Kind ist völlig idiotisch und 
entsprioht in seiner Schädelform dem Aztekentypus (hochliegende 
Nasenwurzel, fliegende Stirn, Vogelgesicht). 

Infolge der ausserordentlich schwach entwickelten Muskulatur 
ist an eine normale Fortbewegung nicht zu denken; nach Art eines 
Wurmes ist es jedoch im Stande, indem es sich zunächst zu- 
sammenkrümmt und dann auseinmider schnellt, sich fortzubewegen. 

b) Einen Hydrocephalenschädel, wo der Kopf mehr als der 
gesamte übrige Körper wog. 

2. Herr Krieg demonstriert das von Klapp inaugurierte 
Verfahren zur Mobilisierung der Wirbelsäule bei Verkrümmung 
an einer Reihe von Patienten. Insofern bedeutet das von Krieg 
benutzte Verfahren eine Erweiterung, als er es mit Atemgym¬ 
nastik kombiniert. Die erzielten Erfolge glaubt Krieg mit anderen 
Methoden nicht erreichen zu können. 

3. Herr Denecke demonstriert einen 48jährigen Mann, bei 
dem beiderseits kein Radialpuls nachweisbar, an der Art. bra- 
chialis nur schwache Pulsation zu fühlen; ausserdem war der 
Carotispuls rechts stärker wie links. Herz und Lungen boten 
keine Erklärung für diesen Befund. 

Die Diflferentialdiagnose konnte zwischen einem intratorakalen 
Tumor, Eutarteriitis obliterans und Aneurysma schwanken. Das 
ßöntgenbild zeigte das Vorhandensein eines Aneurysmas am 
Aortenbogen. Bei darauf gerichteter Aufmerksamkeit waren jetzt 
noch einige andere Symptome zu finden; geringe Pulsation be¬ 
sonders bei erregter Herzaktion, vom oben links am Thorax und 
das Oliver-Cardarelli’sche Symptom. 

Die Bestimmung des Blutdruckes ergab Werte, die um mehr 
als die Hälfte hinter den normalen zurückblieben. 

Herr Nonne spricht über „Myelitis und kom> 
binierte Systemerkrankungen bei Alkoholismus chro- 
n icus 

Der ausführliche, durch historische Bilder illustrierte Bericht 
lässt sich dahin zusammenfassen, dass ausser den bereits früher 
von anderen Autoren und N. selbst gefundenen Veränderungen am 
Rückenmark beim chronischen Alkoholismus primäre kombinierte 


heit in den Dünn- oder Dickdärmen abhängig machten, ver¬ 
einigten Hippocrates, Aretaeus, Galen u. a. unter dem 
Begriffe Ileus diejenigen Formen von Kolik, in denen der 
Durchgang der Faeces durch den Darmkanal völlig versperrt 
ist, und meistens auch Erbrechen stattfindet.*) 

Soweit ich die Sache übersehe, hat Aretaeus von Kappa- 
dozien (2 Jahrhundert v. Chr.) den Symptomenkomplex des 
Ileus zuerst schärfer gefasst, bezw. erkannt und deutlicher be¬ 
schrieben**), obgleich M. E. A. Naumann***) der Ansicht ist, 
dass für Aretaeus f?A«o'?, die Darmentzündung selbst sei, 
was mir nach der klaren Beschreibung von Aretaeus nicht 
recht einleuchtend erscheint. 

Die Synonomik des Wortes Ileus hat Naumann (1. c- 
S. 755 f.) wohl am ausführlichsten und gründlichsten behandelt, 
und doch vermisse ich bei ihm eine hinreichende Erklärung, 
wie das Wort Ileus zu dem Synonym „Miserere“ und „Miserere 
mei“ kommt; Naumann sagt, nur „wegen der jämmerlichen 
Lage der Kranken“ habe man dasselbe so genannt. Forcke 
gedenkt des Synonymes „Miserere“ in seinem sonst so sorg¬ 
fältigen Buche überhaupt nicht. 

Eine weit plausiblere Erklärung, die ich für recht wahr- 

*) Forcke 1. c. S. 2 f. 

*•) Vgl. A. Mann, Aretams. Halle 1858 S. 29 f. 

***) Handbuch der medic, Klinik. 4. Bd. Berlin 1834 S. 753. 


Systemerkrankungen Vorkommen, die auch dann einer klinischen 
Diagnose zugänglich sind, wenn die Seitenstränge mit ergriffen 
sind. 

Somit rückt der chron. Alkobolismus, falls weitere Unter- 
suohimgen die Angaben Nonnes bestätigen, ein in die Reihe aetio- 
logischen Momente für die Entstehung von primären Systemer¬ 
krankungen, als welche wir bisher Ergotin, Pelagra und in letzter 
fast nach Rothmanns Untersuchungen auch das Pyrodin kennen. 

Blank. 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 9. Oktober 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

Herr Schümm demonstriert die Krystalle aus einer Mesente¬ 
rialcyste und mikroskopische Präparate des Cysteninhaltes. Die 
Krystalle bestanden aus den Kalksalzen einer höheren Fettsäure. 

Herr Paschen spricht über die Uebertragung von Vaocine- 
pusteln bei Exzem. Es handelt sich im vorliegenden Falle um 
ein 4*/* jähriges Kind, bei dem ein Eczem bestand und das bisher 
nicht geimpft war. Ein jüngerer Bruder des Bandes war gerade mit 
Erfolg geimpft; von diesem, mit dem es zusammenschlief, hatte 
es sich inoculiert. 

Von den auf dem Eczem entstandenen Pusteln wurden Ueber- 
tragungen auf Kanincben-Comea mit Erfolg vorgenommen. Zwei¬ 
mal wiederholte Impfung bei dem Kinde war erfolglos. 

Herr Simmonds hält einen Vortrag „über Form und 
Lage des menschlichen Magens“, der durch Projektions¬ 
bilder ergänzt wurde. 

Die Untersuchungen wurden so vorgenommen, dass von der 
geöffneten Leiche eine photographische Aufnahme mit vertikal ge¬ 
stellter Kamera gemacht wurde. 

Simmonds hat bei seinen Untersuchungen gefunden, dass 
weder der von Rieder aufgestellte Typus des Magens mit der 
Hubhöhe, noch der von Holzknecht als normal angesprochene, 
als der wirklich normale aufzufassen ist, beide können normal sein; 
die von Rieder und Holzknecht angegebenen Zeichen reichen 
nicht aus, um einen Normaltypus daraus zu konstruieren. 

Simmonds meint, dass die kleine Curvatur und der Pylorus 
auf alle Fälle beim normalen Magen vom linken Leberlappen be¬ 
deckt sein müssen, dass dagegen die Lage der grossen Curvatur 
nicht für eine Normallage heranzuziehen sei, da sie zu sehr von 
dem FUllungszustand der Därme beeinflusst sei. 

Auch auf die Ungenauigkeiten, die bei der Herstellung von 
Röntgen-Aufnahmen des Magens nach Füllung mit Wismuth-Broi 
durch die Projektion entstehen, weist Simmonds hin . 

Diskussion: Jolasse, Lauenstein, Engelmann. 

Blank. 


scheiiilich halte, ist von keinem geringeren als von Georg 
Christoph Lichtenberg (1742 — 1799) in dem Göttinger 
Tascbenkaleiider von 1788, S. 181 ff., gegeben worden: „Der 
Name der bekannten, fürchterlichen Krankheit, des Miserere, 
rührt wohl von einem Missverstände her. Ei).i6g, welches die 
griechische Benennnng für dieselbe ist, und bloss die Idee 
von Verwickelung (der Eingeweide) und nichts weiter aus¬ 
drückt, ist vermutlich einmal von jemandem mit welches 

Erbarmen heisst, verwechselt worden.“ Wer der Jemand ge¬ 
wesen ist, hat uns leider Lichtenberg nicht verraten, aber 
ich halte es durchaus für sehr wohl möglich, dass wir auf 
diese Weise zu der Bezeichnung „Miserere“ gekommen sind, 
die sich auch bis auf den heutigen Tag mit Ileus den Rang 
streitig macht in der medicinischen Terminologie. Zedier 
(Bd. 21, Leipzig und Halle 1739, S. 462), das Lexikon von 
St. Blancard*), von E. Kraus und andere, lassen in dieser 
Frage im Stich. Nur in M. Höfler’s Deutschen Krankheits¬ 
namenbuch (Münclien 1899, S. 417) finde ich die Notiz, dass 
das Wort „Miserere“ „ein seit Rhazes durch die mittelalter¬ 
lichen Aerzte und deren Handlanger volkstümlich gewordener 
Ausdruck“ für „Ileus“ w’ar. In Khazes Werken selbst habe 
ich allerdings das Wort „Miserere“ nicht finden können**), 

•) Leipzig 1777, S 647. 

♦*) Ich benutzte eine auf der Kgl. Bibliothek in Berlin Torhandene 
Ausgabe (Abubetri Rhazae a. s. w. Basileae in officina (o. J.) Hourichi Petri., 


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456 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 43. 


Kongressbericht. 

78, Versamtnlung deutscher Naturforscher und 
Aerxte in Stuttgart, 

Abteilung fbr Cbirargie. 

2. Sitzung, Mittwoch, 19. September 1906, Nachm. 

5. Hr. Bade-Hannover: Zur Lehre von der angebornen 
Hüftverrenkung. 

B. zeigt Röntgenbilder, welche für eine schleichende Er¬ 
krankung in Kopf und Pfanne als Ursache des Leidens in 
manchen Fällen sprechen, und stellt fünf Kinder vor zum Beweis, dass 
man mit der Behandlung individualisieren muss, ln manchen 
Fällen ist ein Kniekappenzug und starke Erhöhung der anderen 
Sohle nötig, um den Kopf in der Pfanne zu halten. In anderen 
Fällen steht der Kopf nur richtig, wenn in leicht flektierter 
Stellung eingegipst wird. In einzelnen Fällen kann man auch 
Destruktionsluxationen zur Heilung bringen. Doppelseitige Luxa¬ 
tionen behandelt er zweizeitig, wenn die Kinder sehr jung und 
die primäre Stabilität ungleich, einzeitig bei älteren Kindern. 

6. Bbr. Hirsch-Wien: Ueberisolierte subkutane Frak¬ 
turen einzelner Handwurzelknochen. 

Am häufigsten wurde Fraktur des Navikulare beobachtet. H. 
unterscheidet a) die intrakapsuläre Fraktur des Körpers; sie 
kommt durch Kompression, Biegung oder Riss zustande, ist diag¬ 
nostizierbar, heilt fast immer pseudartbrotisch und hinterlässt be¬ 
trächtliche Funktionsstörungen, während b) die extrakapsuläre Ab- 
rissfraktur der Tuberositus sehr günstige Prognose hat. Fraktur 
Os lumatum wurde dreimal beobachtet. 

Diskussion: In der Münchener Chirurg. Klinik wurden 
ausser den genannten beobachtet: isolierte Fraktur des Hamatum, 
Fraktur des Triquerum kombiniert mit Fraktur des Proc. styl, 
uln. Bei einer der drei Lunatumfrakturen konnte der Unfallkranke 
nur allgemein über Anstrengung, dagegen nicht den Moment 
der Fraktur angeben. — Letzteres wurde auch im Stuttgarter 
Kathar. Spital einmal beobachtet; hier war öfters Veranlassung 
zur blutigen Entfernung von Karpalknocbenbruchstücken gegeben. 

7. Hr. Guradze-Wiesbaden: Behandlung des Genu 
v algum. 

Röntgenbilder sprechen für die Albertsche Ansicht, da-ss 
an den pathologischen Veränderungen bei Genu valgum auch die 
Epiphysen wesentlich beteiligt sind. Ferner sind die Torsionen 
sehr wichtig. Die Osteoklasie verwerfend, möchte Vortr. die In¬ 
dikationen zur Osteotomie erweitern und auch starre rachitische 
X-Beine einbeziehen. Als Beleg dient ein erfolgreich nach 


vielleicht kommt es erst bei einem Pseudo-Rhazes oder einem 
späteren Rliazes-Kommentator vor.*) 

Danach dürfte „Miserere“ für „Ileus“ erst ums Jahr 1000 
nach Christus in die medicinischo Terminologie übergegangen 
sein. 

Zum Schluss will ich der Vollständigkeit halber hierher 
setzen, wie Lichtenberg in der oben ang(?gebenen Notiz 
W’eiter fortfährt: „Ich führe dies nicht an, um damit jenem 
Uebel das Mindeste von seinem Erbarmungswürdigen nehmen 
zu wollen, das sich ihm nicht nehmen lässt, sondern nur 
ausser dieser Berichtigung des Sprachgebrauchs, anzuzeigen, 
dass wenn das Erbarmungswürdige einmal den Namen 
einer Krankheit bestimmen soll, leider! in diesem Jammertal 
die Wahl sehr schwer werden möchte. Der Jammer, heisst 
aucli schon die fallen Je Sucht an mehreren Orten**), und, 
wie mich dünkt, mit beträchtlichem Uebergewicht über das 
Miserere, das zwar mit fürchterlichen, aber doch immer 
nur kurzen Leiden verbunden ist.“ 


Kapitel 49 „de colica“, wo uns «iliaca alfectio“ i'boi (Uber IXj und 
vorkonimt. 

*) Brieflicbe Mitteilung dos Herrn Dr. M. Höflor vom 9. .Tannar 19u6. 
**) Vgl. Höflor 1. c. S. 248 und Griiunrsches Würterbiich IV, 2, 2253. 


Maeewen doppelseitig osteomierter Fall von hochgradigem Genu 
valgum. 

Diskussion: Herr Lorenz-Wien erinnert an einem noch 
höhergradigen Fall, geheilt durch Osteotomia supracondyhea linearis, 
welche L. von der Aussenseite her vomimmt. Beide Unter¬ 
schenkel kreuzten sich im rechten Winkel. — Herr Schulze- 
Duisburg empfiehlt ebenfalls quere Durchmeisselung von aussen, 
dann aber zunächst Fixation in der pathologischen Stellung und, 
erst nach 10 Tagen Korrektur. — Herr Bade-Hannover findet, 
dass man zwar mit der lineären Osteotomie alles machen kann, 
dass man aber die Osteoklasie öfter machen würde, wenn man 
bessere Instrumente hätte. Ti Ilmanns-Leipzig bemerkt, dass 
man den Knochen schwer da brechen kann, wo man grade will. 

8. Hr. Haasler-Halle: Zur Chirurgie der Gallenwege. 

Bei partieller Hepatoptose mit Gallenstein oder Cholezystitis, 
ferner wenn der mobile Leberlappen die Choledochus- oder Hepa- 
tikosdrainage stört, empfiehlt H., die Gallenblase mit Längsschnitt 
auszuhülsen und den gut ernährten Serosasack als festes, neues 
Aufhängeband durch die Leber, an der Gallenblaseninzisur hin- 
durchzuführeu und am Thorax zu fixieren 


9. Hr. Pochhammer-Greifswald: Experimentelle Stu¬ 
dien über Euteroanastomose und Darmresektion. 

P. hat deu Gedanken der Anastomosenbildung mittels elasti¬ 
scher Ligatur wieder aufgenommeu und mit Erfolg bei Hunden 
modifiziert. Die Oeffnung blieb durchgängig. Versuche, auch bei 
Anlegung des Murphyknopfs die freie Eröffnung des Darms dnrdi 
elastische Ligatur, galvauokautische Schlinge u. a. zu umgeben, 
waren ermutigend. 

10. Hr. Wichmann-Hamburg: Beitrag zur Behand¬ 
lung inoperable r Geschwülste mittels Röntgenstrahlen. 

Eosinisierte Speiseröhren- und Magenschleimhaut des Kanin¬ 
chens reagierte viel stärker auf äussere Bestrahlung, als die des 
Kontrolltiers. 

11. Hr. Glück-Berlin: Probleme und Ziele der pla¬ 
stischen Chirurgie. 

G. gibt einen Ueberblick über seine aaf diesem Gebiet ge¬ 
leistete, vielfältige Arbeit, erinnert an die spontane Degeneration 
des peripheren Stücks nach Nervendurchschneidung (Neuroblasten- 
bildung), an seine Akzessorins-Fazialis-Plastik; an die Gewebs- 
züchtung durch Einschaltung homologen oder heterologen Materials, 
das als Reiz wirkt und dem sich regenerierenden Gewebe den 
Weg weist; an Arthroplastik durch gestielte Hautlappen, welche 
eine S 3 rnoviametaplasie eingehen können u. a. 

Diskussion: Herr Hofmeister-Stuttgart fragt, wie lange 
es nach Akzessorius-Fazialis-Plastik dauert, bis die Mimik koordi¬ 
niert und frei von Mitbewegungen sei. (Herr Gluck: 5 Jabre, 
unter mühevollen systematischen Uebungen.) Herr Tilmann- 
Köln empfiehlt, lieber den Hilfsnerven zu opfern und zwar den 
Hypoglossus ganz zu duichtrennen; man kommt rascher zu einem 
befriedigten Resultat. 

12. Hr. Kathollcky-Brünn: Ueber Pagets Knochen- 
erkrankung. 

Ein schöner Fall mit Raefizierung und Zystenhildung in den 
Knochen, tumorartiger Auftreibung des Unterkiefers, Spontanfrak¬ 
turen, Verbiegungen, Anaemie (Präparate). 

Sektion fUr innere Medioin. 

Referent Dr. F. Rosenfeld-Stuttgart. 

Sitzung vom 21. September 1906. 

Die Hörer der Vormittagsvorträge hatten kaum Zeit zum Mittag¬ 
essen. 

Um 2^/2 Uhr war eine Sitzung der medicinischen Haupt¬ 
gruppe, auf deren Tagesordnung stand: Die chemischen Korre¬ 
lationen im tierischen Organismus. 

Als erster Redner sprech Herr Starling-London, einer der 
hervorragend.sten Vertreter der englischen biologischen Wissenschaft 

Organisches Leben, so führte er aus, ist nur möglich, wenn 
alle Teile eines Organismus Zusammenwirken. Wenn irgend ein 
Teil verloren geht, so muss der Verlust, wenn es zu keinem 


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19UG 


JilEDlCINISCHE WOCflfi. 


457 


Schaden fUr den Organismus kommen soll, gedeckt werden. Gedeckt 
wird er aber durch die Bildung chemischer öul)statizen, die unseren 
Heilmitteln ähnlich in ihrer Wirkung sind. Diese Stoffe üben 
einen gewissen Beiz auf die anderen Organe aus, zu denen sie in 
einem Verhältnis der chemischen Korrelation stehen. Deswegen 
nennt sie Sterling Hormone. Hierher gehört z. B. die CO 2 - 
Spannung des Blutes, die den Ätmungsprozess und dadurch die 
Muskeltätigkeit bedingt. Hierher gehört ferner die Steigerung 
der Sekretion der Leber und des Pankreas, wenn man gewisse 
Reizstoffe in das Duodenum einführt. 

Am deutlichsten tritt diese Tätigkeit der Harmone bei den 
Wechselbeziehungen zwischen Brustdrüse und Geschlechtsorganen 
zutage. So beginnen die Brustdrüsen zu wachsen mit der beginnenden 
Funktion der Ovarien. Entfernt man die Ovarien, so hört das 
Wachstum der Mammae auf. 

Ein weiteres Wachstum der Mammae tritt ein mit dem Ein¬ 
tritt der Gravidität. Es beginnt allmählich Colostrumabsonderung. 
Mit der Ausstossung der Frucht hört das Wachstum der Mammae 
auf. Es beginnt die Milchabsonderung. Der Beiz, der dies alles 
bewirkt, geht wohl von dem Fötus selbst aus, nicht von der 
Placenta uad nicht von den Chorionzotten. 

Injizierte man weiblichen Kaninchen Embryoneneztrakt, so 
steUte sich. Wachstum der Brüste, in einem Falle sogar Milch¬ 
absonderung ein. 

Mit einem Ausblick auf den Zeitpunkt, wo die Aerzte im 
Besitz vollständiger Kontrolle über die Funktionen unseres Orga¬ 
nismus, die Herrschaft über den menschlichen Körper wirklich 
antreten werden, schloss der Redner seine interessanten Aus¬ 
führungen. 

Nach ihm sprach Herr v. Kre hl-Strass bürg. 

Das Zusammenwirken der Funktionen der einzelnen Organe 
findet nicht allein durch die Vermittelung der Nerven, sondern 
auch durch chemische Stoffe statt. Diese Beziehung kommt besonders 
fär den auf chemischem Wege sich vollziehenden Auf- und Abbau 
der Gewebsbestandteile in Betracht. Die Fragestellung lantet nach 
der Beeinflussung der Funktion von Organen durch chemische 
Substanzen, die von anderen Organen gebildet werden. Unsere 
Methoden zur Bearbeitung dieser Frage sind das Tierexperiment 
und die Beobachtung am Krankenbett. Doch muss man bei der 
letzteren sehr scharfe Kritik üben, 

’ Denn bei einer Organerkrankung fällt dies Organ nicht ganz 
aus, jedenfalls nicht auf einmal. Dann kann ein Teil des aus¬ 
fallenden Organs in seiner Wirkung kompensiert werden durch 
Reizung des erkrankten Organs. 

Am meisten studiert ist der Ausfall der Geschlechtsdrüsen. 
Je länger sie bestanden, haben, desto weniger Schaden vermag 
der Ausfall anzurichten. 

Die schon unter physiologischen Bedingungen während der 
Periode auftretenden Veränderungen des körperlichen und geistigen 
Lebens sind auf chemische Wirkungen, die von den Geschlechts¬ 
drüsen ausgehen, zu beziehen. 

Für die Eklampsie scheinen solche von dem Kinde oder der 
Placenta ausgehenden Gifte eine Rolle zu spielen, deren Wirkung 
sich wie eine Fermentintoxikation äussert. 

Wenn man einem gesunden Individuum SchilddrUsen- 
sobstanz in übermässiger Menge darreicht, so entwickeln sich Puls¬ 
beschleunigung, Zunahme der Schweissaekretion, auffallende Auf¬ 
geregtheit, alles Symptome, denen wir beim Morbus Basedowii 
auch begegnen, den man deshalb mit Recht als Ausdruck einer 
quantitativen Vermehrung des ScbilddrUsensekrets angesehen hat. 

Dagegen hängt die Tetanie wohl mit einer Erkrankung, resp. 
einem Aasfall der Nebenschilddrüsen zusammen. Mit der 
Schilddrüse hat sie sicher nichts zu tun. 

Redner bespricht nun die blutdrucksteigemde Wirkung der 
Nebenniere, auf deren Einfluss vielleicht der ständige Tonus der 
Gefässe zurückzuführen sei. Der Morbus Addisonii, den man früher 
als Ausdruck der Erkrankung der ganzen Nebenniere ansab, wird 
heute zurUckgeführt auf die Erkrankung des chromaffinen 
Syst ems der Nebenniere. 

Redner streift die Beziehungen der Hypophysis zur Akrome¬ 
galie. Alle diese Drüsen haben aber auch Beziehungen zum Zucker¬ 
stoffwechsel. Doch ist uns eine klare Einsicht in diese Verhältnisse 
noch verwehrt. 


Liegt die Deutung dieser Verhältnisse im Tierexperiment 
schon schwierig genug, so sind sie beim Menschen wegen ihrer 
Variabilität noch viel schwieriger zu erklären. 

Denn man darf nicht ausser Acht lassen, dass jedes Individuum 
seinen eigenen Zellaufbau und seinen eigenen intermediären Stoff¬ 
wechsel hat, die zwar im ganzen ähnlich, im einzelnen aber 
recht verschiedenartig sein können. 

Früher hat man all dies einfacher anfgefasst, nach der Art 
der Glykogenbildung z. B., das, von der Leber produziert, als 
Energiequelle den Muskeln zugeführt wird. Bei den obenerwähnten 
Drüsen liegen die Verhältnisse viel verworrener. Aktivierungen, 
Hemmungen, Sekretionen spielen daher eine grosse und oft gegen¬ 
sätzliche Rolle. Hierher gehören die interessanten Versuche 
Gohnheims, Stocklasas, Blumenthals u. a. über die 
Glykolyse. Aber ein definitiver Abschluss ist auch hier noch 
nicht erfolgt. 

Alles in allem kann man sagen: Für eine Betrachtung vom 
chemischen Standpunkt aus sind die zurzeit vorliegenden Resultate 
und Tatsachen völlig unzureichend, da über die wirksamen che¬ 
mischen Substanzen nur wenig bekannt ist. Andererseits ergibt 
sich daraus, dass die Beziehungen der einzelnen Organe zueinander 
sehr verwickelte sind. Der Arzt aber soll daraus den Schluss 
ziehen, bei Erkrankungen eines einzelnen Organs vor allem den 
AUgemeinzustand zu berücksichtigen. 


Literarische Monatsschau. 

Augenheilkunde. 

Wie sehr die Augenheilkunde an den in anderen Disziplinen 
gemachten therapeutischen Fortschritten teilnimmt, zeigt eine Reihe 
von Arbeiten, die letzthin über die auf ophthalmologischem Gebiete 
mit der Biersohen Stauung gewonnenen Erfahrungen ver¬ 
öffentlicht worden sind. Hesse konstmierte eine schröpfkopfartige 
Saugglocke, mit der er die gewünschte Wirkung genau lokalisieren 
und graduell abstufen konnte; er benutzte eine Druckdifferenz von 
20—50 Tnm Hg. Wurde der Sauger auf die geschlossenen Lider 
aufgesetzt, so zeigte sich am vorderen Bulbusabschnitt Rötung und 
Oedem, dagegen beteiligten sich die tieferen Teile des Anges erst 
dann, wenn die Glocke bei geöffneten Lidern verwendet wurde, 
aber auch hier blieben Linse, Glaskörper und Netzhaut unbeein¬ 
flusst. Hesse hat selbst zwar bei pathologischen Fällen das Ver¬ 
fahren noch nicht eingehend erprobt, glaubt aber, dass es bei allen 
entzündlichen Prozessen der Lider, der Bindehaut und Hornhaut 
(Ulcus corneae) event. auch bei Iritis und Cyclitis gute Dienste leisten 
werde. Bei Lidabszessen, Gerstenkörnern und Tränensack-Eiterungen 
sah er günstige Beeinflussung durch die Stauung, ebenso bei einem 
grossen Ulcus corneae serpens. 

Renner^) hat Stauung durch Umlegen einer elastischen Binde 
um den Hals erzeugt und so jüngere Leute mit äusserlich sicht¬ 
baren Augenleiden behandelt, bei denen das Augeninnere, zumal 
der Uvealtraktus, gesund war. Er sah bei 5 ELranken mit un¬ 
komplizierter Keratitis parenchymatöse, die er 2—4 Wochen hin¬ 
durch täglich 6—12 Stunden staute, nicht unbeträchtliche Besserung. 
Im Gegensatz zu Hesse konnte er das Ulcus corneae serpens nicht 
sicher beeinflussen, was er auf die Virulenz der infizierenden Keime 
zurüokführt; immerhin verliefen auch seine Fälle rasch und günstig, 
und die Ziliarschmerzen wurden durch die Stauung beseitigt. 
Ekzematöse und katarrhalische Geschwüre der Hornhaut wurden 
durch das Verfahren nicht beeinflusst, ebensowenig ältere, ohne 
Gefässentwickelung bestehende Trübungen der Hornhaut. Weder 
das Auge noch das Allgemeinbefinden wurden durch die Biersche 
Stauung irgendwie gestört. 

Auf der altehrwürdigen Tagung der Deutschen Ophthalmolo- 
gischen Gesellschaft in Heidelberg besprach Wessely®) die Wirkung 
der Bierschen Kopfstauung auf das Auge am Tierexperiment, Er 
erzielte bei Kaninchen Exophthalmus und Chemosis der Bindehaut, 
dagegen keine Hyperaemie der inneren Gefässe. Diese Erscheinungen 

Centralbl. f. prakt. Augenbeilkande, Juni 1900. 

^ Münch, med. W.. 1906. Nr. 2. 

*) Ophtbalm. Klinik, X, 17. 


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458 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 43. 


sind bei Verwendung der Saugglocke nach dem Vorgang von Hesse 
(s. 0 .) erheblich stärker, der Binnendruck des Auges steigt enorm, 
macht aber bald einem Weicherwerden Platz; erst bei den höchsten 
Graden der Ansaugung tritt eine leichte innere Hj'peraemie auf. 
Wessely glaubt, dass die Anwendung des Verfahrens am Kranken¬ 
bette stets nur eine beschränkte bleiben und die gefahrloseren, 
lokale Hyperaemie erzeugenden Methoden nicht verdrängen wird. 
In der an diesen Vortrag sich anschliessenden Diskussion berichtete 
Augstein über 30 verschiedene pathologische Fälle, bei denen er 
gestaut hatte (Iritis, Iridocyclitis, Keratitiden, Granulöse, Pantr 
Ophthalmie); nur bei den 3 Fällen von Pantophthalmie sah er 
günstige Wirkung, so dass ein operatives Eingreifen unnötig wurde. 
Während Bahr und Hummelsheim auch bei intensiver und lang- 
dauernder Anwendung, selbst bei äusseren Augenerkrankungen, 
keinen Einfluss von der Kopfstauung sahen, glaubt M&yweg nach 
seinen therapeutischen Versuchen an eine günstige Einwirkung aut 
Infektionen in der Tiefe des Augapfels. 

Jedenfalls liegen augenblicklich die Verhältnisse so, dass der 
Augenarzt mit grosser Reserve und möglichst geringem Optimis¬ 
mus an die Anwendung der Bierschen Stauung schreiten sollte. 
Er wird so seine Kranken und sich selber am besten vor unange¬ 
nehmen Enttäuschungen bewahren, wie sie in letzter Zeit Chirurgen 
mehrfach erlebt haben, die nach Anwendung der neuerdings so 
vielbeliebten Rückenmarksanaesthesie Lähmungen der Augenmuskeln 
beobachten konnten. So berichtete Loeser*) in der Berliner 
Ophthalmologischen Gesellschaft über eine linksseitige Trochlearis- 
parese nach Einspritzung von Novokain in den Rückenmarkskanal 
und Uber 2 linksseitige Abduzenslähmungen nach Stovainanaesthesie; 
einen den letzteren analogen Fall schilderte in der Diskussion 
Sohoeler. Loeser hält die Paresen für den Ausdruck direkter Gift¬ 
wirkung der benutzten Anaesthetica. In der nächsten Sitzung der¬ 
selben Gesellschaft schilderte Feilchenfeld ®) zwei fernere Fälle links¬ 
seitiger Abduzensparese nach Lumbalanaesthesie durch Stovain, 
einen analogen Fall teilte Adam®) mit: nach Rachistovainisation 
linksseitige Abduzensparese, die aber nicht auf Kontaktwirkung des 
Mittels auf den Nerven oder seinen Kern zurückgefuhrt wird, son¬ 
dern auf eine Kemblutung als Folge der Druckherabsetzung durch 
die abgeflossene Spinalflüssigkeit. Dass gerade der N. abducens 
bezw. sein Kemgebiet ausserordentlich empfindlich gegen Stovain ist, 
beweisen die von Boeder’) veröffentlichten beiden Fälle, in denen 
die Lähmung am 12. Tage nach dem Eingriff einsetzte; auch hier 
war sie eine nur vorübergehende. In der Deutung der Fälle 
stimmt Boeder der Ansicht Loesers bei. Diesen sieljen Beobach¬ 
tungen schÜesst sich endlich noch die von Landow gemachte an®): 
neben aussergewöhnlich heftigen und lange anhaltenden Nacken¬ 
schmerzen trat eine doppelseitige Abduzensparese auf, die allmäh¬ 
lich zurückging. Die Lumbalanaesthesie wurde mit 3,5 ccm 6 ®/o 
Novokain - Suprareniulösung (Höchst) nach vorhergegangeuer Sko- 
polamin-Morphiuminjektion bewirkt, da sie aber ungenügend blieb, 
mussten noch 26 gr Chloroform gegeben werden. 

Einer andern, von chirurgischer Seite lebhaft empfohlenen 
Medikation werden die Ophthalmologen mit Zurückhaltung begegnen 
müssen: der Thiosinamin-Behandlung, über die Grunert in Heidel¬ 
berg berichtete, ®) ohne aber in der Gesellschaft viel Anklang zu 
finden. Er spritzte bei 13 Kranken mit postneuritischer Atrophie des 
Sehnerven anfangs täglich, später seltener, lOproz. Thiosinaminlösung 
in die Armmuskulatur ein und beobachtet ein 9 Fällen „erhebliche Bes¬ 
serung“. Als Kontraindikation des hyperaemisierenden, lymph¬ 
stauenden Mittels gelten Netzhautablösung, Glaskörpertrübungen, 
frische Entzündungen an einem oder am andern Auge. Soll die 
Behandlung Erfolg haben, so muss die Entzündung mindestens 
schon Monate lang abgelaufen sein. In der Diskussion trat keine 
grosse Vorliebe für diese Behandlungsform zu Tage: Uhthoff ver¬ 
sagte sie bei Trachomnarben, und Nieden teilte mit, dass Ein¬ 
spritzung des Medikaments in unmittelbarer Nähe der Narben 
Gangraen herbeiführen kann. 

*) Zeitschrift für Augenheilkunde, XV, 4, pag. 370; vgl. auch Med. 
Klin. II, p. 289. 

*) Ibid., pag. 372. 

®) Münch, med. W., 106, Nr. 8. 

5 Wiener Klin. therap. W, 1906, Nr. 25. 

Münch, med. W., 1906, Nr. 30. 

Klin. Monatabl. f. Augenheilkunde, September 1906. 


In seiner ausgezeichneten Biog:raphie Albrecht von Graefes’®) 
teilt Hirschberg die, Graefes Doktordissertation („De Bromo ejusque 
praecipuis praeparatis“, Berlin 1847) angehäugten Thesen mit, 
deren erste lautet: „Je vollkommener die Therapie, desto geringer 
die Zahl der Arznei-Mittel“. Dieser Satz gilt heute ebenso, wenn 
nicht mehr, als vor 60 Jahren. Wird gegen irgend ein Leiden, 
dem wir bisher nur schwer beikommen konnten, ein neues Mittel 
empfohlen, so werden bald enthusiastische Lobeserhebungen laut, 
bis die Skeptiker sich vernehmen lassen, worauf die neue Medika¬ 
tion sang- und klanglos verschwindet, bis eine andere auf der Bild¬ 
fläche erscheint, der kaum ein besseres Schicksal beschieden sein 
dürfte. Ob es der von Koster^*) gegen akute und chronische 
Bindehautentzündungen empfohlenen Verwendung von 3proz. KaUum 
chloricum-Lösungeu anders ergehen wird? Koster sah damit gün¬ 
stige Wirkung auf akute Exazerbationen von Trachom, foUikulaere 
Bindehautentzündungen, chronische Entzündungen-mit kleinen Ero¬ 
sionen und Geschwüren am Hornhantrande, besonders auf Con- 
iunctivitis catarrhalis chronica. Natürlich dürfen dabei die allgemein 
gültigen hygienischen Vorschriften nicht ausser acht gelassen wer¬ 
den. Ueble Nachwirkungen sah Koster von dem Mittel, dessen 
Wirkung er für eine adstringierende und desinfizierende hält, nie. 
Ref. freilich hat bisher in einer Reihe von Fällen, in denen er 
Kal. chlor, verordnete, keine Erfolge erzielt; vielleicht haben an¬ 
dere Beobachter mehr Glück damit. (Schluss folgt.) 

‘®) Leipzig, Wilhelm Weicher, 1906. 

") Zeitschr. f. Augenheilkunde, XV, 6. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. Nr. 4i. 1906. 

1. Seitz, München. Zar Frage der Hebotomie. Nicht 
abgeschlossen. 

2. Manteuffel, Halle. Heber das Verhalten der Agglnti- 
nine im passiv immimisierten Organismus. 

Die Forschung nach den Ursachen, die das relativ rasche 
Verschwinden der Bakterienantikörper aus dem passiv immunisierten 
Organismus bedingen, bat zunächst ergeben, dass im lebenden 
Organismus Antitoxin durch eine dabei gleichzeitig auftretende, 
für das gleichzeitig dabei eingeführte Arteiweiss spezifische 
Präzipitinreaktion ziemlich bald dem Nachweis entzogen wird; wenn 
dagegen das antitoxische Serum einer homologen Tierart ein¬ 
verleibt wird, so tritt eine Präzipitinreaktion nicht ein, und die 
passive Giftimmunität ist dementsprechend länger nachzaweisen. 
betreffs der Agglutinine wurde nun ein gleiches Verhalten an¬ 
genommen. M. hat aber in ausgedehnten Experimenten nachweisen 
können, dass dem nicht so ist. Die Versuche ergaben kein zeit¬ 
liches Zusammengehen des Agglutiationsschwundes und der auf- 
tretendeu Präzipitinreaktion, derart, dass das letztere als Ursache 
de.s ersteren hätte angesproohen werden können; auch bei Ver¬ 
wendung arteigenen Serums liess sich kein längeres Verweilen der 
Agglutinine im Serum des passiv immunisierten Tieres erzielen. 
Unter den Bedingungen des lebenden Organismus ist also die 
Auslösung einer Präzipitinreaktion nicht als Ursache für das rasche 
Verschwinden passiv einverleibter Agglutinine anzusehen. Die 
Agglutinine verhalten sich in dieser Hinsicht anders wie die 
Antitoxine. 

3. Moro, Graz: Natürliobe Barmdesinfektion. 

Die Einfuhr desinfizierender Medikamente in den Darm kann 
nur eine beschränkte Wirkung haben. Das Antiseptikxun ver¬ 
nichtet wahllos alle Bakterien seines Wirkungskreises, sowohl 
die sch.ädigenden, als auch die nützlichen, und der natürlichen 
Reparation ist in der zeitweisen Schwächung der sesshaften Dann¬ 
flora die mächtigste Waffe entzogen; denn in der überwiegenden 
Mehrzahl der Fälle führt der Kampf offenbar in der Weise zum 
Siege, dass die autochthonen Darmbakterien die fremden Keime 
allmählich überwuchern, bis das normale Bild sich wieder einge¬ 
stellt hat. Das Ideal einer natürlichen Darmdesinfektion liegt in 
der Veränderung der elektiven Entwicklung aktiver, normaler 
Darmbakterien. Diesen klassischen und in seiner Art einzig da- 


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1906. 


MBDiClNlSCHE WOCHE. 


459 


stehenden Versuch führt tagtäglich die Natur am Brustkind aus. 
Die Dannflora des Brustkindes ist eine einheitliche und konstante. 
Sie setzt sich vorwiegend nur ans einer Bakterienart zusammen, 
dem B. bifidus von Tissier. Er wandert mit anderen Bakterien 
schon in den allerersten Lebenstagen in den Darm ein und wird 
durch das Erscheinen der ersten Frauenmilchreste im Darm, und 
allein durch diese zu einer elektiven und stürmischen Entfaltung 
seines Wachstums veranlasst. Daran ändert sich nichts, solange 
der Säuirling natürlich ernährt wird. Seine unausgesetzte, ein¬ 
seitige Entwicklung schützt den Darm des Brustkindes vor mani¬ 
festen und ernstlichen Infekten. Deshalb ist in jedem Darm, der 
den Bifidus, wenn auch in verschwindender Zahl, beherbergt, eine 
wirksame Desinfektion mittels Frauenmilch möglich. Beim künst¬ 
lich ernährten Säugling, beim älteren Kinde, ja auch beim Er¬ 
wachsenen lässt sich eine reine Bifidusvegetation im Darme er¬ 
zielen, sobald die Ernährung mit Frauenmilch durch mindestens 
2—3 Tage fortgeführt wird. Die Verabreichung von Frauenmilch, 
als ideales, natürliches Darmdesinficiens erscheint deshalb sowohl 
beim Säugling, als auch beim Erwachsenen angezeigt. Ob die 
Frauenmilch als Ganzes, oder ob nur gewisse Bestandteile als 
gBifiduswecker“ fungieren, ist weiteren Untersuchungen Vorbe¬ 
halten. 

4. Jochmann und Müller, Breslau: Weitere Ergebnisse 
unserer Methode zum Nachweis proteolytischer Fermentwir- 
kungen. 

I. Ueber Unterschiede im Fermentgehalt der Leukocyten bei 
Warmblütern. Vergleichende Untersuchungen, die sich auf Affen, 
Camivoren, Nagetiere, Paarzeher und Unpaarzeher erstreckten, er¬ 
gaben, dass das proteolytische Ferment der Leukocyten, abgesehen 
vom Menschen, nur noch beim Affen und in geringerer Menge 
beim Hunde vorzukommen scheint. Die Frage nach dem zeit¬ 
lichen Auftreten des Leukocytenfermentos in der Ontogenie konnte 
bisher nur dahin beantwortet werden, dass es beim Neugeborenen, 
uud sogar schon im achten embryonalen Monat, in annähernd der¬ 
selben Menge wie beim Ei^vachsenen nachweisbar ist. Normale 
Lymphdrüsen, die Brutstätten der Lyinphocyten, besitzen ebenso¬ 
wenig ein proteolytisches Ferment wie die Lymphocyten; dagegen 
können entzündlich geschwollene oder vereiterte Lymphdrüsen in¬ 
folge der Zuwanderung polynucleärer Leukocyten eine erhebliche 
Verdauungskraft erlangen. Die Annahme, dass Lymphocit und 
Leukocit aus einer gemeinsamen Mutterzelle stammen, wird durch 
den Nachweis ihrer funktionellen Differenz erschüttert. 

II. Ueber den Nachweis eines eiweissverdauenden Fermentes 
im menschlichen Kolostrum. 

In den letzten Wochen der Schwangerschaft und in der ersten 
Zeit nach der Geburt findet sich in der aus der Brustdrüse aus¬ 
gepressten Flüssigkeit ein sehr wirksames eiweissverdauendes Fer¬ 
ment, Nach mehrtätigen Stillen verliert sich die Fermentwirkuug, 
tritt aber vorübergehend noch einmal auf nach dem AbstiUen. Der 
Befund kann nicht überraschen, da die Kolostrumkörperchen Leuco- 
cyten darstellen, die aktiv in die Brustdrüsenräume einwandern. 
Das eiweisslösende Ferment des Kolostrums ist identisch mit dem 
proteolytischen Ferment der Leucocyten des kreisenden Blutes, 
nur tritt bei den Kolostrumkörperchen die fermentative Wirkung 
gleich stark bei 37® wie bei 50® ein, während die Leucocyten 
erst bei letzterer Temperatur intensiv verdauen; das beweist, dass 
die Kolostrumkörperchen Zellen sind, die im Absterben begriffen 
sind. Die Leucocyten des Kolostrums vermögen als Träger eines 
proteolytischen Fermentes die Eiweissstoffe der stagnierenden Milch 
abzubanen und der Resorption wieder zugänglich zu machen; doch 
dürfte ihre biologische Aufgabe damit noch nicht erschöpft sein. 

5. Ritter, Charlottenburg: Beiträge zum Nachweis der 
Spirochaete pallida in syphilitischen Produkten. 

Bei den vielen Mängeln der Färbung der Spiroebaeten in 
Ausstrichpräparaten bedeutet die Bertarelli-Levaditi sehe 
Silberfärbung, die den Nachweis.s der Spirochaeten im Gewebe er¬ 
möglichte, einen grossen Fortschritt. R. hat eine Reihe von Fällen 
untersucht; bei 3 von 6 klinisch sicheren Luesfällen wurden reich¬ 
lich Spirochaeten im Gewebe gefunden; bei 8 klinisch zweifel¬ 
haften nur einer, der sich im weiteren Verlauf auch als Lues er¬ 
wies. Von Produkten tertiärer Syphilis Lst der Nachweis ganz 


vereinzelter Spirochaetenexemplare nur in 2 Fällen gelungen. Er¬ 
strebenswert ist eine Abkürzung der für praktische Zw’ecke noch 
ziemlich langwierigen Methode der Stückförbung. 

6. Sudeck, Hamburg: Zur Teohnik des Aetherrausohes. 

Die filiher übliche, wegen des heftigen Erstickungsgefühls 
quälende Methode ist zu modifizieren. Nachdem alle Vorbereitungen 
zur Operation getroffen sind, lässt man den Patienten durch die 
vorgehaltene Maske tiefe Atemzüge tun, giesst dann einen Tropfen 
Aether auf, nach einigen Atemzügen einen weiteren, bald bei 
jedem Atemzuge einen Tropfen und dann, je nach der Toleranz 
der Atmungswege steigend, bis man zum raschen Tröpfeln ange- 
langt ist. Der Eintritt der Analgesie wird durch Nadelprüfung 
festgestellt; wird stumpf und spitz nicht mehr unterschieden, wird 
operiert. Zur Ausführung des Aetherrausches ist jede Maske ge¬ 
eignet, die Sauerstoffzufnhr ermöglicht. S. benutzt eine mit dem 
Roth-Trägerschen Ansatz konstruierte und eine Tropfflasche 
mit einem mit einer Schraubenvorrichtung versehenen Stöpsel, wo¬ 
durch eine genaue Regulierung der Tropfung möglich wird. Der 
ideale Verlauf des Aetherrausches ist so, dass der Patient bei Be¬ 
ginn der Operation noch so weit bei Bewusstsein ist, dass er 
etwaigen Aufforderungen des Operateurs gehorcht, den Vorgang 
der Operation bemerkt, aber keine Schmerzen, sondern nur Tast¬ 
eindrücke hat und sofort nach der Narkose bei völligem Wohl¬ 
befinden aufsteht. Einen Misserfolg wird der Geübte nur haben 
bei einer Kategorie von Menschen, die so von Angst beseelt sind, 
dass sie fest entschlossen sind, nichts an sich machen zu lassen, 
solange sie noch etwas bemerken. Da ist am besten, gleich die 
volle Narkose einzuleiten. 

7. Waelsch, Frag: üeber die Indoratio penis plastica. 

Das Krankheitsbüd der plastischen Induration des Penis ist 
charakterisiert durch das Auftreten umschriebener, derber Knoten 
oder Stränge oder plattenformiger Gebilde an der Dorsalfläche 
des Gliedes. Die Knoten selbst sind sehnenlos, verursachen aber 
häufig dadurch Beschwerden, dass die Erektionen schmerzhaft 
werden und sich bei der Erektion an der Stelle der Knotenbildung 
eine Knickung des Penis, eine Chorda, einstellt. Die Krankenge¬ 
schichten dreier Fälle werden mitgeteüt. Für die Entstehung von 
Indurationen des Penis sind die verschiedensten Ursachen verant¬ 
wortlich gemacht worden; schwere Allgemeinerkrankungen (Leu- 
kaemie, Diabetes, Gicht, Infektionskrankheiten), traumatische 
Blutungen, Gonorrhoe, tertiäre Syphilis, Neubildungen. Für die 
Fälle typischer Induratio penis plastica verweist W. auf die Er- 
klärungsmöglichkeit, dass eine zunächst von den Venen ausgehende 
Bindegewebsneubildung, um eine chronisch verlaufende Phlebitis 
und Periphlebitis handelt. Damit würde der Prozess in eine ge¬ 
wisse Analogie gesetzt zu der Dupuytren’schen Fingerkon¬ 
traktur. Die Krankheit wurde bisher als unheilbar betrachtet; 
bei einem seiner Fälle konnte W. komplette Heilung durch Fibro- 
lysininjektionen bei V 2 jähriger Behandlung erzielen. 

8. Assfal g, Frankfurt: lieber Behaadlnng mit QueokBÜber- 
licht. 

Nur die Behandlung mit chemisch wirksamen, aktinischen 
Strahlen verdient den Namen Lichtbehandlung. Neben der Kohlen¬ 
bogenlampe F i n s e n 3 und der Eisenlampe B an g s liefert die Queck- 
süberlampe ein an aktinischen Strahlen reiches Licht; sie wird in 
zwei Formen in den Handel gebracht, die Heraeussche Quarzlampe 
und die Schottsche Uviollampe. Mit letzterer hat A. zahlreiche 
Versuche angestellt und bei den verschiedensten Hautaffektionen: 
Alopecia areata, Acne vulgaris, Furunkulose, Acne roseola, Pso¬ 
riasis, chronischem Eczem, Ulcus cruris sehr gute Heilerfolge er¬ 
zielt. Die Behandlung ist äusserst einfach, der Patient bedarf 
kaum der Beaufsichtigung bei der Bestrahlnng; die Anschaffungs¬ 
kosten der Lampe sind nicht hoch und der Betrieb ist relativ 
billig. Im Vergleich mit dem FinsensUcht geht aber der Uviol¬ 
lampe die Tiefenwirkung ab, weshalb sie zur Behandlung des 
Lupus nicht geeignet erscheint. 

9. Mayer, München: Beitrag zur Histologie der Cbondro" 
Sarkome. 

Eingehende Beschreibung der Kranken- und Operationsge¬ 
schichte, sowie des pathologisch-anatomischen Befundes eines Falles 
von Chondrosarkom des Oberarmes. Der histologische Aufbau der 


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460 


MJfiüIClKlSCUE WOCHE. 


Nr. 43. 


Geschwulst zeigt manche Aehnlichkeiten mit den Vorgängen bei 
der normalen enohondralen Ossifikation. Danach ist die Entstehung 
des Tumors wohl durch die Cohnheim-Ribbertsche Theorie die 
Geschwulstgenese zu erklären, nach der anzunehmen wäre, dass 
wohl im embryonalen Leben Knorpelzellen aus dem Verbände der 
Schwesterzellen ausgeschieden und die natürliche Entwicltlung ver¬ 
loren haben, dagegen spät (Pubertätszeit) zu starker Proliferation 
angeregt wurden und hier nicht nur ein indifferentes, zellreiches 
Gewebe gebildet haben, sondern die meisten Stadien ihrer natür¬ 
lichen Reifung, wenn auch in verworrener Weise, durchgemacht 
haben. 

10. Weckerle, Freising: Hernia diaphragmatica sporia. 

Zuf^ger Sektionsbefund. Durch eine 4 cm breite Oefihung 

im Zwerchfell ist, von diesem bedeckt, ein grosser Teil des Magens 
in die Brusthöhle eingestülpt, wo er die Lunge entsprechend ver¬ 
drängt hat. Die Hernie dürfte kongenital nicht traumatischen Ur¬ 
sprungs sein. 

11. Palmer, Biberach: Ein Fall von akuter Entaftndung 
der Hirn- und Büokenmarkshänte. 

Neben mäßigem Fieber bestanden als hervorstechendste Symp¬ 
tome Starre der erweiterten Pupillen, Ptosis, Schluck- und Blasen¬ 
lähmung. Genickschmerz und -Steifigkeit bestanden nicht, die 
Lumbalpunktion ergab gesteigerten Druck; in der Flüssigkeit 
wurden keine Meningococcen gefunden. P. betrachtet den Fall 
als rheumatische Gehirn- und Rückenmarksbautentzündung. 

12. Rieder, München: XTeber den Wert der Thorax-Duxch- 
leuohtung bei der Pneumonie, namenüioh bei zentraler LokaU- 
sation (Schluss). 

Die Methodik wird erläutert und der Befund bei den unter¬ 
suchten Fällen an der Hand von instruktiven Bildern beschrieben. 
Der Sitz eines pneumonischen Herdes zeigt sich röntgenologisch 
in einem charakteristischen Schatten im hellen Lungen teld; häufig 
ist er bei noch fehlendem perkutorisch-auskultatorischen Befunde, 
namentlich bei zentraler Entwicklung, nachzuweisen und so die 
Diagnose Pneumonie differential-diagnostisch gegenüber anderen Er¬ 
krankungen, z. B. Typhus, Meningitis, fieberhaftem Ikterus, zu 
stellen. Der röntgenologische Befund eines Lungensohattens ist 
natürlich nicht allein ausreichend zur Diagnose „Pneumonie“; aber 
in Verbindung mit einzelnen klinischen Symptomen kann ein solcher 
Nachweis von grösster Wichtigkeit sein. Interessant ist der Nach¬ 
weis, dass alle Arten der fibrinösen Pneumonie, die zentrale, die 
an der Oberfläche fortschreitende, die wandernde, selbst die des 
Oberlappens, als Hiluspneumonieen beginnen. Die einzelnen Stadien 
des pneumonischen Prozesses sind röntgenologisch nicht sicher von 
einander zu trennen. Von Komplikationen der Pneumonie dürfte 
der Nachweis eines pleuritischen Exsudates mit Hilfe der Röntgen¬ 
strahlen wohl stets gelingen. Und bei einiger üebung ist zu er¬ 
warten, dass die Röntgenuntersuchung auch bei katarrhalischen, 
bezw. lobulären Pneumonieen, sowie bei den Bronchopneumonieen im 
Verlaufe von Typhus, Influenza, Masern, Pertussis, den Sitz der 
Erkrankung erkennen lässt. Die Röntgenuntersuchung gibt am 
sichersten Aufschluss über die Lokalisation eines pneumonischen 
Herdes, seine Ausdehnung und die Art seiner Ausbreitung; es ist 
ihr deshalb ein beachtenswerter Einfluss auf Prognose und Therapie 
einzuräumen. 

13. Kuhn, Kassel: Eatgut vom gesunden Sohlachttier. 

Es wird gefordert die Verwendung von gesunden Därmen von 
amtlich kontrollierten Schlachttieren. Die Därme sollen unmittelbar 
nach der Schlachtung unter aseptischen Kantelen entnommen, ge¬ 
reinigt und in alkalischen oder anderen Flüssigkeiten „geschleimt“ 
werden. Erst die auf ihre Keimfreiheit geprüften Elementarfäden 
des Darmes sollen zu Katgut werden, das dann einer Schlussbe¬ 
handlung unterzogen und als steriler Faden dem Handel übergeben 
wird. 

Deutsche med. Wochenchrift. Nr. 4i. 1906, 

1. Goldscheider, Berlin. TJeber die Untersnohung des 
Herzens in linker Seitenlage. 

Die Untersuchung des Spitzenstosses in linker Seitenlage bei 
einem grossen Material von Arteriosklerotikern, Herzkranken und 
Herzgesunden hat gezeigt, dass bei der Mehrzahl der Herzge¬ 


sunden eine Verlagerung des Spitzenstosses um 2—8 cm ein tritt; 
in mehreren Fällen, bei denen weder im Liegen noch im Sitzen 
oder Stehen ein Spitzenstoss sicht- oder fühlbar war, wurde der¬ 
selbe in linker Seitenlagemng deutlich. Bei x^rteriosklerotikern 
fand sich durchweg eine beträchtliche Verlagerung in Seitenlage; 
bei 76 derselben bot der verlagerte Spitzenstoss ein ausge¬ 
sprochenes Resistenzgefühl dar; bei einigen Fällen, welche auf 
andre Weise keine Hypertrophie erkennen liessen, zeigte sich in 
Seitenlage dieses Resistenzgefühl. Bei Herzklappenfehlem trat 
fast durchweg Verlagerung des Spitzenstosses auf. Die linke 
Seitenlage bietet danach sowohl für das nicht veränderte wie in 
besonderem Maße für das hypertrophische und dilatierte Herz be¬ 
sonders günstige Bedingungen zur Manifestierung des Spitzenstosses 
dar. Bei starken Dilatationen und Hypertrophien ist dieses Ver¬ 
hältnis weniger auffällig, weil die Verschieblichkeit des Herzens 
hierbei eine geringere ist. Wo aber die Verschiebung zustande 
kommt, da ist auch gewöhnlich die Stärke des Spitzenstosses in 
linker Seitenlage in bemerkenswerter Weise ausgeprägt. Am 
prägnantesten ist das Phänomen bei geringen und mäßigen Hyper¬ 
trophien des linken Ventrikels und, wie es scheint, bei gleich¬ 
zeitigen leichten IDilatationen. Unter Umständen ist erst bei der 
Untersuchung in linker Seitenlage die Hypertrophie festzustellen. 
Bezüglich der letzeren kommt es nicht auf die Höhe des Spitzen¬ 
stosses, sondern auf die Resistenz desselben an. Die Unter¬ 
suchung in nach vom geneigter Haltung ist bei weitem nicht so 
günstig für die Erkennung der Hypertrophie. Ganz besonders 
bei der Arteriosklerose fördert die Untersuchung in linker Seiten- 
lage sehr oft einen resistenten und eventuell auch hebenden 
Spitzenstoss zutage, während derselbe in Rückenlage nicht oder 
eben bemerkbar und auch im Sitzen und Stehen nicht deutlich 
hebend ist. Wichtig für die Technik der Untersuchung in Links¬ 
seitenlage ist die Berücksichtigung der Atmung; man muss tief 
aus- und einatmen lassen, wenn der Spitzenstoss nicht sofort in 
mittlerer Atmungsstellung merklich ist. Des weiteren ist darauf 
zu achten, dass der Patient die Muskeln erschlafft, sich passiv 
sinken lässt. 

2. Pfannenstiel, Giessen. Die IndikationuteUung zur 
Behandlung der Geburt bei Beokenenge. 

Die Behandlung der Gebart ist in den letzten Jahren in ein 
neues Stadium getreten durch Einführung der Pubiotomie. P. er¬ 
scheint es aber mehr als fraglich, ob die Pubiotomie sich leicht 
und sicher in die allgemeine ärztliche Praxis einbürgern wird, und 
vor allem, ob sie in der privaten Geburtshilfe bessere Resultate 
zu zeitigen imstande sein wird, als die bisherigen Behandlungs¬ 
methoden beim engen Becken. Die Pubiotomie ist wie der Kaiser¬ 
schnitt dazu berufen, zur Rettung des kindlichen Lebens beizu¬ 
tragen, darf aber die Mutter nicht ohne Not geftlhrden. Sie wird 
die durch Symphyseotomie und Kaiserschnitt bereits stark ver¬ 
drängte Perforation des lebenden Kindes fast vollkommen be¬ 
seitigen, sie wird der künstlichen Frühgeburt Abbmch tun, diese 
aber nicht ganz zu Falle bringen. Mit fortschreitender Asepsis 
dürfte der Kaiserschnitt an Gebiet zu gewinnen befugt sein, 
namentlich für die nicht seltenen Fälle einer Komplikation von 
engem Becken mit starren Geburtsnarben in Cervix- und Scheiden- 
gewölbe. Trotz aller Verschiebungen muss auch für die moderne 
Geburtshilfe der Grondsatz obenan bleiben, den natürlichen Ver¬ 
lauf nicht zu stören. Die Indikationsstellung zu geburtshilflichen 
Eingriffen wird wie bisher zu berücksichtigen haben: den Grad 
der Beckenverengerung, bezw. die Relation zur Grösse des Kindes, 
die Weite und Elastizität der Weichteile, die Intaktheit des 
Kindes wie der mütterlichen Gewebe, das Allgemeinbefinden, und 
nicht zuletzt die Form des Beckens. Die Zange, ein beim engen 
Becken überhaupt ungeeignetes Hilfsinstrument, gibt die schlech¬ 
testen Resultate beim platten Becken. Die Wendung mit nach¬ 
folgender Fussextraktion gibt schlechte Resultate beim allgemein 
verengten platten Becken, bei straffen WeiohteUen, beim allgemein 
gleichmäßig verengten Becken, die relativ besten beim platten 
Becken. Sie eignet sich vor allem fllr Mehrgebärende mit 
plattem Becken, wenn die spontane Einstellung des Kopfes in das 
Becken ausbleibt. Die Pubiotomie kommt in Betracht, wenn am 
Ende der Schwangerschaft oder bei nicht ganz ausgetragenen, aber 
lebensreifen Kindern das Missverhältnis so gross ist, dass eine 
Perforation des Kindes notwendig wäre. Als untere Grenze dürfte 


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1906 


MEDICINISCHB WOCHE. 


461 


bei plattem Becken nnd reifem Kinde etwa eine G. v. 7, beim 
allgemein verengten Becken eine solche von 7 Vs zu gelten haben. 
Was darunter liegt, gebührt dem Kaiserschnitt, ebenso die Fälle 
mit narbiger Cervix nnd mangelhafter Aufschliessbarkeit des 
Beckens. Für die künstliche Frühgeburt eignen sich die ver¬ 
schiedenen Beckenverengernngen geringeren Grades, besonders die 
platten Becken bis herab zur C. v. von 7^/2 om, die allgemein 
verengten bis zur Grenze von 8 cm. Bezüglich der Ausführung 
der künstlichen Frühgeburt ist beim platten Becken prinzipiell 
die prophylaktische Wendung anzuwenden und deshalb für diese 
Fälle die Hystereuryse geeignet, beim allgemein verengten Becken 
dagegen Spontanverlanf anzustreben und in Ermangelung eines 
besseren Verfahrens die Bougiemethode anzuwenden. 

3. Franke, Braunschweig. XTeber die primäre Tnberka* 
lose der Kils. 

F. exstirpierte einer Patientin wegen zunehmender Beschwerden 
die stark vergrCsserte Milz, für deren Wachstum sich eine Ur¬ 
sache nicht hatte eruieren lassen. Die mikroskopische Untersuchung 
ergab Tuberkulose. Da, abgesehen von einer sekundären Tuber¬ 
kulose der Leber, keine tuberkulösen Veränderungen an andern 
Organen nachweisbar waren, rechnet F. den Fall zu den primären 
Milztuberkulosen, die in geringer Zahl beschrieben sind. Die 
Diagnose am Krankenbett ist bisher noch nicht gestellt worden. 
In Fällen von Milztumor, in denen die bisher bekannten Ursachen 
der Entstehung wie Lues, Malaria, Alkoholismus, Leukaemie, 
Pseudoleukaemie ausgeschlossen werden, ist eine Tuberknlin-Probe- 
einspritznng berechtigt, eventuell auch die Probelaparotomie, um 
bei Nachweis von Tnberkulose die Exstirpation der Mil?; vorzu- 
nebmen. 

4. Maacesse, Berlin. IleiiB durch Obturation derFlexura 
ooli sinistr&. 

Es handelte sich um einen Fall von Ileus, der durch eigen¬ 
tümliche Obturation der Flexura coli sinistra, nämlich durch Gas¬ 
sperre zustande gekommen war. Die Operation ergab hochgradigste 
Auftreibung des Coecums, geringe des Colon descendens und trans- 
versum bis zur Flexura sinistra, völlige Leere und Abplattung 
des Colon descendens und der Flexura sigmoidea, ohne dass ein 
gröberes Hindernis für die Passage des Darminhaltes hätte ge¬ 
funden werden können. Wahrscheinlich hat infolge älterer ent¬ 
zündlicher, peritonealer Prozesse eine streckenweite Verlötung der 
beiden Schenkel der Flexura coli sinistra stattgefunden, wodurch 
eine Art Spombildung eintritt, die bei Gasblähung des zuführen¬ 
den Schenkels zu einer Verlegung des Darmlumens führen kann. 
Äoffallend ist der maximale Metorismus des Coecmus, der die 
Prognose der Erkrankung sehr ernst gestalten kann. Die Opera¬ 
tion muss eine Eliminirung der Flexor durch Vereinigung des 
Colon transversum und ascendeus erstreben eventuell bei schweren 
Erscheinungen sich zunächst auf Anlegung einer Darmfistel be¬ 
schränken. 

5. Oberndorf, München. Gibt es eine ohronisobe Appen- 
dicitisl 

Während die Frage über die Entstehungsweise und die patho¬ 
logische Anatomie und Histologie namentlich durch die Arbeiten 
AschofiTs als geklärt gelten kann, herrscht noch Uneinigkeit über 
die Fragen, ob in der Appendix nur akute Entzündungen be¬ 
stehen, die sich in ganz normalem Gewebe entwickeln, oder ob 
sie auf dem Boden chronischer Reizzostände entstehen, oder ob 
es von vornherein chronische Erkrankungen der Appendix gibt, 
die mit der akuten Form nichts zu tun haben. Aschoff vertritt 
den Standpunkt, dass eine chronische Äppendicitis als Krankbeits- 
form sui generis nicht vorkommt, dass alle chronisch-entzündlichen 
Veränderungen in der Appendix als Polgezustände, Heilungspro¬ 
zesse einer akuten Äppendicitis aufgefasst werden müssen. 0. 
hält demgegenüber auf Grund seiner Untersuchungen an ausge¬ 
dehntem Leichemoaterial, die er in neuerer Zeit ergänzt hat, 
durch solche an irischem Operatlonsmaterial, daran fest, dass 
chronische Entzündungen des Wurmfortsatzes Vorkommen, deren 
Entstehung er so erklärt, dass Bakterien die intakte Schleimhaut 
passieren, zuerst in den lymphatischen Apparaten Reizzustände be¬ 
dingen, die allmählich Neigung zur indurativen Umwandlung des 
Gewebes, Auftreten von Bindegewebe, ergeben und schliesslich 
Obliteration herbeiführen. 


6. Tilliss, Berlin: Beitrag zur Behandlung der Herzmuskel- 
schwäche mit elektrisoben Strömen. 

Der Wirksamkeit dieser Behandlung sind zwei Einwendungen 
gemacht worden: I. die Einschränkung, dass die Behandlung mit 
„Wechselströmen“ bei manchen Patienten gute Erfolge gehabt, 
bei andern aber sieb als ungeeignet erwiesen habe; 2. dass durch die 
übliche Behandlungsmethode viele Patienten zu stark angegriffen 
würden. Zu 1 bemerkt T., dass, wenn auch die Einführung der 
Wechselströme in die Herztherapie als ein grosser Fortschritt zu 
betrachten ist, neben ihnen doch der faradische Strom als gleich¬ 
berechtigter Faktor bestehen bleiben muss, und dass es Sache ist, 
festzustellen, welche Stromart für den einzelnen Patienten die 
richtige ist. Ad. 2 ist zu bemerken, dass man mit der Verwendung 
der allerscbwäcbsten Ströme am weitesten kommt; die bei den 
Patienten verschieden erforderliche Strommenge lässt sich durch 
Aenderung der Sitzungsdauer, die von 1—5 Minuten variieren 
kann, erzielen. Zur Unterstützung der elektrischen Behandlung 
ist die Vibrationsmassage und gymnastische Uebnng heranzuziehen. 

7. Rastner, Berlin. Therspeutisoke Erfahrungen Über die 
Verwendbarkeit des Bomyvals bei funktionellen Besobwerden 
unterleibskranker Frauen. 

Bornyval wurde solchen Patientinnen verabreicht, die neben 
der g 3 niaekologischen Erkrankung noch eine Reihe allgemeiner 
funktioneller Beschwerden darboten, die trotz eingehender lokaler 
Behandlung und auch bei Rückgang der organischen Beschwerden 
bestehen blieben. Eine günstige Beeinflussung bei Verabreichung 
von 2—4 Bomyvalperlen täglich wurde beobachtet bei den un¬ 
definierbaren subjektiven Beschwerden während der Menses, hei 
klimakterischen und dysmenorrhoisohen Beschwerden, Störungen 
in der Menopause, bei Kreuz- und Rückenschmerzen ohne nach¬ 
weisbare Ursache, Herzpalpitationen, Magenschraerzen, Oppressions- 
gefühl, Agrypnie, Schwindel, Angst und Erregungszuständen, 
letzteres auch vor grösseren operativen Eingriffen. R. gewann 
den Eindruck, dass die Erfolge der Therapie sicherlich nicht allein 
einem suggestiven Einfluss zuzuschreiben waren. Gerühmt werden 
die gute Haltbarkeit des Präparats, die gleichmässig gute Ver¬ 
träglichkeit, das Fehlen jeglicher idiosynkrasischer Reaktion, der 
Gewöhnung und der Beeinträchtigung des Appetits, so dass das 
Präparat als wertvolles Sedativum, Antih 3 r 8 tericum und Antineurha- 
stenicum zu begrüssen ist. 

8. Uumt, Dresden. Die sogenannte Sohnlanaemie. 

Unter dieser Bezeichnung werden sehr zu Unrecht verschiedene 
Erkrankungsformen zusammengeworfen. U. greift als besonders 
wichtig 4 Gruppen heraus. Die 1. umfasst die Kinder mit ein¬ 
fach anaemiachen Erscheinxmgen, für die die Schule wenigstens 
bis zu einem gewissen Grade verantwortlich zu machen ist; die 
2. Kinder mit deutlichen Zeichen einer Myocarditis, die gar nicht 
so selten nach schwereren oder leichteren Infektionskrankheiten 
sich entwickelt; hier kann natürlich die Schule nicht zur Ver¬ 
antwortung herangezogen werden; die 3. bilden Kinder mit einer 
Hypoplasie des Herzens und der grossen Gefässe, die entweder 
angeboren oder als Wachstumsstörungen anzusehen sind. Für ihre 
Entstehung kommt die Schule ebensowenig in Betracht wie bei 
der 4. Gruppe, die die an Albuminurien leidenden Kinder umfasst. 
Die Häufigkeit der Myocarditis und der Wachstumsstörungen wird 
gemeiniglich wesentlich unterschätzt; trotzdem bleibt eine grosse 
Zahl von Erkrankungen, für die der Ausdruck Schulanaemio gerecht¬ 
fertigt bleibt. Die aus diesen Tatsachen sich ergebenden Konse¬ 
quenzen sind für die Behandlung sehr wichtig. Ein vollständiger 
Äusschlnss vom Sdiulbesuch kann beim lediglich Anaemischen und 
bei dem mit einer Wachstumsstörung Behafteten nicht gefordert 
werden; das Vorhandensein einer Myocarditis erfordert ohne 
weiteres Sperrung des Schulbesuchs auf längere Zeit. Albuminurien 
schliessen im Einzelfalle Schulbesuch nicht aus, erfordern aber 
grosse Vorsicht; Entscheidungen werden hier neben medicinischen 
Erwägungen durch Alter und Geschlecht, Stand der Kenntnisse, 
Befähigung und soziale Lage der Eltern zu berücksichtigen haben. 
Wichtiger noch als die Frage des Schulbesuchs im allgemeinen 
erscheint die Frage der Beteiligung an der Mmskelübung, am 
Turnen, Sport, dem man in letzter Zeit immer grösseren Raum 
als Gegengewicht gegen angebliche geistige Ueberbürdung gegeben 
hat. Hier dürfte in der Regel das Prinzip der Schonung am 


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MEDlCINlSCflB WOCHE. 


Nr. 43. 


Platzo sein, die im Einzelfall eventuell erforderliche Uebung aber 
nie dem schematischen Verfahren der Schule überlassen werden. 

9. Mayer, Berlin. Ueber sohmerzloBe Injektion löslicher 
Qneokailbersalze. 

M. hat, um der selbst bei tadelfreier Injektionstechnik oft 
geklagten Schmerzhaftigkeit nach Vornahme löslicher Hg-Salz- 
Einspritzungen zu begegnen, mit den neueren Anaestheticis Ver¬ 
suche angestellt und empfiehlt auf Grund derselben die Kombina¬ 
tion Sublamin-Novocain: 

Sublamin (Schering) 1,12, 

Novocain 0,45, 

Aq. dest. ad. 30,0, 

für Männer, 

oder in Modifikation eines Vorschlages von Hirsch die Kombination 
von Hydrargyrum cyanatum mit Äcoin nach folgender Formel: 

1. Hydrargyr. cyanat. 1,0, 

Solve leni calore in 

Aq. reot. dest. cont. Ac. boric. 1% 30,0, refrigera; 
n. Aooini Heyden“ 0,4, 

Solve in aq. dest. frigid, cont. Ac. boric. 1% 70,0, 
M. D. i. V. fusco. 

S. 2 ccm (bezw. 1 Cc:a für Frauen) zu injicieren. 


Sublamin 0,56, 

Novocain 0,30, 

Aq. dest. ad. 30,0, 
für Frauen, 


Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 41. 1906. 


1. Baumgarten, Tübingen: Experimente über haematogene 
Lymphdrüsentaberknlose. 

Analog dem Verhalten von ins Blut infundierten Farbstoff¬ 
körperchen, die sich mit besonderer Reichlichkeit gerade in den 
Ijymphdrüsen und lymphatischen Geweben ablagern, ist anzu- 
uehmen, dass auch Tuberkelbacillen, wenn sie ins Blut gelangen, 
sich mit besonderer Vorliebe in den Lymphdrüsen niederlassen 
werden. Um diese Frage zu klären, hat B. direkte experimentelle 
Untersuchungen über das Verhalten der ins Blut eingeführten 
Tuberkelbacillen zu den Lymphdrüsen angestellt. Kaninchen 
wurden homogene Suspensionen von Reinkulturen, teils mensch¬ 
licher Tuberkelbacillen, teils Perlsuchtbacillen, in der Menge von 
1—2 Pravazapritzen in die Vena jugularis oder die Arterie carotis 
communis injiciert. Die Untersuchung der nach 12—20 Tagen 
gestorbenen IHere ergab: Bei allen waren sämtliche Lymphdrüsen, 
inclusive der Peyersohen Haufen und Sollitärfollikel der Darm¬ 
wand, tuberkulös erkrankt; zum Teil schon makroskopisch, teils 
erst mikroskopisch. Die Tuberkelbildung begann stets in der 
Drüsenperipherie, wie bei lymphogener Infektion. Die Bronchial¬ 
drüsen waren stets starker als die anderen Drüsen erkrankt, be¬ 
sonders nach intravenöser Injektion. Je früher die Tiere gestorben 
waren, umsomehr prävalierte die Lymphdrüsen tuberkulöse über 
die tuberkulöse Erkrankung der anderen Organe; je später die 
Tiere gestorben waren, umsomehr trat die Lungentuberkulose in 
den Vordergrund der Gesamterkrankung, besonders ausgesprochen 
wieder nach intravenöser Injektion. Bei den mit Perlsuchtbacillen 
inficierten Tieren waren ceteris paribus die tuberkulösen Prozesse 
bedeutend stärker entwickelt. Die Beobachtung, deiss die Lymph- 
drüsentuberkulose anfangs der Lungentuberkulose vorauseilt, später 
aber von ihr überflügelt wird, wird folgendermaßen erklärt: Die 
im Blut kreisenden Bacilleu werden zunächst besonders reichlich 
in den Lymphdrüsen, weniger reichlich in den Lungen und andern 
Organen abgelagert; so entsteht eine generalisierte Lymphdrüsen- 
tuberkulose, während die Lungentuberkulose noch im Rückstand 
begriffen ist. Wuchern später die in den Geweben sesshaft ge¬ 
wordenen Bacillen, so dringen sie, die Lymphdrüsenfilter über¬ 
schreitend, in die Blutl)ahn, speziell die Venenblutbahn, ein und 
sammeln sieb .so überwiegend in den Lungen, die ja das gesamte 
Venenblut de.s Körpers aufnehmen, an. Auf diese Weise erlangt 
schliesslich die Lungentuberkulose das Uebergewiebt über die 
Tuberkulose der Drüsen und der andern Organe. Die stärkere 
Ausbildung der Bronchialdrüsentuberkulose hängt wohl damit zu¬ 
sammen, dass diese Drüsen nicht nur wie die andern vom Blute 
aus, sondern auch von der an haematogener Tuberkulose schwer 
erkrankten Lunge auf lymphogenem Wege besiedelt werden. Die 
.so l'cstgestellte Tatsache der grossen Geneigtheit des Lymph- 
drüsenapparates, auf haematogenem Wege tuberkulös zu erkranken, 
fordert dazu auf, diesen Infektionsweg bei der Beurteilung der 


Genese von Fällen menschlicher Lymphdrüsentnberkulose mehr als 
bisher zu beachten. Selbst wenn neben den Lymphdrüsen auch 
ihre Quellgebiete tuberkulös erkrankt sind, kann nicht ohne weiteres 
eine direkte äussere Infektion angenommen werden; noch mehr 
Zurückhaltung in dieser Ausnahme ist angezeigt bei LymphdrÜsen- 
tuberkulose ohne tuberkulöse Erkrankung der entsprechenden 
Lympbwnrzelgebiete. Ein schadloses Passieren infektionstüohtiger 
Tuberkelbacillen durch Haut, Schleimhäute etc. hält B. für aus¬ 
geschlossen. Die BerÜcksichtigrmg des haematogenen Infektions- 
weges dürfte namentlich für die Fälle von primärer generalisierter 
Lymphdrüsentuberkulose, besonders im ersten Kindesalter, von Be¬ 
deutung [sein. Eiine spontane extrauterine Infektion wird wohl 
keinen Bacillenimport ins Blut zu Wege bringen; dagegen stellt 
die spontane intrauterine (plaoentare) Infektion eine spontane pri¬ 
märe Blutinfektion par excellence dar, bei der in der Regel nur 
wenige Bacillen ins embryonale Blut gesandt werden. Dieser In¬ 
fektionsmodus kann ans das Auftreten wirklich primärer isolierter 
Tuberkelerkrankungen von Lymphdrüsen verständlich machen. 

2. Cohn-Kindborg, Bonn: Heber Heisslofttherapie bei 
Emphysem, ebron. Bronchitis imd Asthma bronchiale. 

Gelegentlich von durch Leo angestellten Versuchen einer 
Hyperaemiebehandlung der Lungentuberkulose durch Heissluft^ 
applikation auf den Thorax, zeigte sich eine Besserung von Be¬ 
gleiterscheinungen , die nicht durch eine Beeinflussung des tuber¬ 
kulösen Prozesses in der Lunge erklärt werden konnte. Es er¬ 
schien überhaupt zweifelhaft, ob durch die angewandte Methode 
eine Hyperaemisierung der Lunge, oder nicht vielmehr eine Blut¬ 
entlastung des Organs durch die auf der Thoraxoberfläche erzeugte 
Hyperaemie erreicht wurde. Experimentell liessen sich die Zweifel 
lösen in dem Sinne, dass die Erhitzung der Thoraxoberfläche eine 
intensive Blutableitung von den Langen zu stände brachte. C. 
ging dann daran, diese Erfahrungen therapeutisch auszunutzen 
und die Heissluftbehandlung bei Fällen einzuleiten, bei denen Blut¬ 
en tlastung der Lunge angezoigt erschien, bei Emphysem, chronischer 
Bronchitis und Asthma bronchiale. Er konstruierte einen, den ganzen 
Thorax umfassenden Heissluftkasten, mit durch Füz abgedichteten 
Oeffnungen für Kopf und Arme, der in, bei den Atembeschwerden 
der Kranken erforderlichen, sitzender Stellung anzulegen ist. Die 
damit erzielten Erfolge sind äusserst ermutigend. Von 12 Fällen 
von Emphj^em und chronischer Bronchitis wurden 11 in günstig¬ 
ster Weise beeinflusst, einige bis zu völliger Wiederherstellung 
der Arbeitsfähigkeit. Ebenso trat schnelle Besserung bei 5 Fällen 
von schwerem Asthma ein. Die Erleichterung der Atemnot machte 
sich schon nach einer Sitzung geltend, Husten und Auswurf liessen 
nach, der Stridor schwand, die Nachtruhe wurde wiedergewonuen; 
objektiv Hess sich das Zurückgehen des Volumen pulmonum nach- 
weisen xind eine Zunahme der Vitalkapacität der Lungen konsta¬ 
tieren. 

3. Lewinson, Moskau: Barberios Reaktion aof Sperma. 

Das Wesen der Reaktion besteht darin, dass dem Sperma 
oder seiner konzentrierten wässrigen Lösung Pikrinsäure zugesetzt 
wird (z. B. Esbachs Reagens), wodurch gelbliche, rhombische 
Kristalle ausfallen. Die Reaktion scheint im Gegensatz zu der 
allgemein üblichen Florenceschen Probe für menschliches Sperma 
spezifisch zu sein. Ausgedehnte Nachprüfung ergab stets positives 
Resultat bei samenfädenhaltigem Sperma; von einer Reihe von 
Fällen mit Azoospermie ergaben die Mehrzahl gleichfalls einen 
positiven Ausfall, einzelne mangelhafte Kristallbildung, wenige 
ein völlig negatives Resultat. Für die forensische Untersuchung 
von Samenflecken, die gegenwärtig ausschliesslich auf dem Nach¬ 
weis von Samenfäden basiert, ist die Tatsache, dass das in Fällen 
von Azoospermie beim Coitus ausgeschiedene Sekret die Barberio- 
sche Reaktion geben kann, bei der relativen Häufigkeit der Azoo¬ 
spermie von grosser Bedeutung. 

4. Br Öse, Berlin; Zur Pflege der Banehdecken nach der 
Entbindong. 

B. plädiert für systematische Wicklung des Leibes der Wöch¬ 
nerinnen, wie sie in England und Amerika schon lange üblich. 
Durch zweckmäßiges Wickeln des Leibes nach der Entbindung 
kann der Erschlaffung der Bauchmuskulatur und den Folgezu¬ 
ständen, Enteroptosen, Bauchbrüche — die einzelnen Formen der 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


463 


letzteren werden eingehend erörtert —, vorgebengt werden. B. 
hat breite Binden, nach Art der Idealbinden, anfertigen lassen; 
der Stoff ist eine Art Exepp, sehr elastisch, gnt porös und wasch¬ 
bar. Damit lässt sich eine gute Compression aasüben, ein Wechsel 
ist nur alle 24 bis 48 Stunden erforderlich; ein eventuelles Herauf¬ 
ratschen lässt sich durch Anlegung einer Menstruationsbinde ver¬ 
hindern. Die Bandagierung des Leibes der Wöchnerin soll gleich 
nach Beendigung der Nachgeburtsperiode vorgenommen werden. 
Nach dem Aufstehen empfiehlt sich noch das Tragen einer Leib¬ 
binde für 8 bis 12 Wochen, 

5. Mayer und Milchner, Berlin: üeber die topographische 
Perknuion des kindlichen Herzens. (Schluss aus Nr. 40.) 

Bei den eigentümlichen Beziehungen der einzelnen Herzteile 
zu einander, zum gesamten Herzen, zur Brusthöhle, wie sie im 
kindlichen Organismus gegeben sind, ist beim Bande, auch wenn 
man es mit normalen Verhältnissen zu tun hat, mit der Perkussion 
der oberflächlichen Dämpfung, also des von der Lunge nicht be¬ 
deckten Teiles der vorderen Herzwand, noch erheblich weniger zu 
leisten, als beim Erwachsenen. Nur die Perkussion, die die absoluten 
Grenzen des Organs ermittelt, gibt befriedigenden Aufschluss über 
die funktionelle Tüchtigkeit und den organischen Zustand des 
Herzens. Dies wird ermöglicht durch die von Goldscheider an¬ 
gegebene Schwellenwertsperkussion oder die leiseste Sagittalper- 
kussion, deren wesentlichste Momente bestehen in allerleisester 
Perkussion, Erschütterung eines möglichst kleinen Bezirks, sagit- 
talOj also nicht, wie bisher, eine der Thoraxwand senkrechte Per¬ 
kussion. An zahlreichen Fällen wurde diese Methode geübt und 
durch röntgenoskopische Untersuchung die grosse Genauigkeit der 
Perknssionsbefunde konstatiert. 

6. Kutscher: Praktische Ergebnisse ans dem Gebiete der 
Bakteriologie. 

Aetiologie und Epidemiologie der übertragbaren Gehirn* 
hantentzündnng (Genickstarre). 

Dass in dem Weichselbaumschen Meningococcus der Er¬ 
reger der übertragbaren Oerebrospinalmeningitis zu sehen ist, ist 
heate nicht mehr zu bezweifeln. Derselbe ist als obligater Parasit 
des Menschen anzusehen. Der eigentliche primäre Ansiedlungs¬ 
ort des Meningococcus ist der Nasenrachenraum; für den einwand¬ 
freien Nachweis im Schleim kommt nur das Kulturverfahren in 
Betracht. Die Verbreitung der Krankheit erfolgt im wesentlichen 
durch gesunde Coccenträger. Die individuelle Disposition für die 
Krankheit ist in der lymphatischen Konstitution zu suchen. Die 
Prophylaxe erfordert strikte Anzpigepflicht und muss bestrebt sein, 
die gesunden Coccenträger unschädlich zu machen. Da eine Iso¬ 
lierung derselben nicht möglich ist, müssen sie durch Belehrung 
über die Gefahr, die sie für die Umgebung bedeuten, zu mög¬ 
lichster Einschränkung des Verkehrs angehalton werden. Die Des¬ 
infektion kann eine beschränkte sein, nur die Umgebung des 
Krankenbettes und die abgesonderten Sekrete betreffend. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 40. 

1. Zelenski, Krakau: Heber das Verhalten des „neutrophilen 
BlntbUdes** bei gesunden und kranken Säuglingen. 

Eingehende Darlegung der Ergebnisse ausgedehnter Unter¬ 
suchungen, die die Resultate und Ansichten Ameths vielfach be¬ 
stätigen, sie aber um wichtige Befunde im Säuglingsblutbild er¬ 
weitern. 

Einzelheiten entziehen sich einem kürzeren Referat. 

2. Pollak, Wien: Heber paravertebrale und parasternale 
Perknssionsbefonde bei Pneumonie. 

P. hat die bei pleuritischem Exsudat erhobenen Perkussions- 
befunde, paravertebrale und parasternale Aufhellung auf der kranken, 
Abschwäcbung auf der gesunden Seite, auch bei Pneumonie er¬ 
heben können, so dass diese Phänomene kein differentialdiag¬ 
nostisches Moment zwischen Pleuritis und Pneumonie abgeben 
können. 

3. Kurt, Wien: Zar praktischen Verwertung der Sohall- 
stärke des ersten Herztones. 

Die wichtige Abschätzung der Schallstärke des ersten Herz- 
tones ist Sache der Uebung. Ueber dem Spitzenteil des linken 


Herzens präsentiert sich der erste Ton zumeist voller und kräftiger, 
als in der unmittelbaren Nachbarschaft des rechten Herzens. Der 
charakteristische systolische Ton ermöglicht nicht selten, die Herz¬ 
spitze auch da zii eruieren, wo direkte und indirekte Palpation 
im Stich lassen, was bei dei Wichtigkeit der Lage der Spitze von 
wesentlicher praktischer Bedeutung ist. Der systolische Ton ist 
über dem rechten Ventrikel stärker zu hören, als über dem rechten 
Vorhof. Dadurch ist eine ziemlich genaue Abgrenzung dieser Herz¬ 
abschnitte möglich und eine dilatative Hypertrophie des rechten 
Ventrikels auch geringeren Grades nachweisbar. Ueber dem 
oberen Teil des linken vorderen Herzabschnittes ist der systolische 
Ton schwächer, als über dem entsprechenden rechten Herzab¬ 
schnitt; ein Wachsen der Schallstärke lässt auf Hypertrophie des 
linken Ventrikels schliessen. 

4. Volk, Wien: Schwere Nierenerkrankong nach änsser* 
Hoher Chrysarobinapplikation. 

Es wird die Krankengeschichte eines Mannes mitgeteilt, bei 
dem wahrscheinlich wegen Proriasis eine ausgedehnte Chrysarohin- 
applikation stattgefunden hatte, die zu einer Dermatitis exfoliativa 
und zu einer chronisch-parenchymatösen Nephritis, bei der es zu 
mehrfachen Nachschüben mit Haematurie kam, führte. Das mahnt 
erneut zur Vorsicht bei der Chrysarobintherapie, bei der bei 
längerer Verabreichung nie die kumulative Wirkung ausser Acht 
gelassen werden darf. 

5. Rosenbacb, Berlin: Einige Bemerkungen über wissen* 
schaftliohe Methodik und die Berechtigung des opportunistischen 
Prinzips in der Wissenschaft. 

Im Anschluss an eine Besprechung seiner Schrift „Das Pro¬ 
blem der Syphilis“ durch Finger verteidigt R. die induktive 
Forsohnngsmethode der reinen Beobachtung des Studiums natür¬ 
lichen Geschehens gegenüber der experimentierenden Laboratoriums¬ 
wissenschaft, und bekämpft energisch die Geltendmachung von 
opportunistischen Gesichtspunkten, Rücksicht auf Feind der Wissen¬ 
schaft, Kurpfuscher etc.; bei der Bewertung von Forschungs¬ 
ergebnissen, die nicht im Einklang stehen mit den landläufigen 
Lehren der Wissenschaft. 

6. Salles, Frag: Die biologische Aeqniyalenz von Bakt. 
coli et typhi. 

7. Zupnik, Prag: Zur Frage der biologischen Aeqnivalenz 
von Bakterinm coli et typhi. 

Richtigstellungen von Behauptungen in einer Arbeit Doews 
zu dieser Frage in No. 36 der Wochenschrift. 

Allgemeine mediclnieche Central-Zeitung. 1906. Kr. 22 . 

DDr. Theodor und Rudolf Lohnsteiu, Berlin: Der 

Gärungs-Saooharometer mit Glycerin*Indikator. 

Th. Lohnstein hat vor etwa 6^/2 Jahren ein Präzisions- 
Gärungs-Saccharometer angegeben, das in kurzer Zeit Eingang in 
die Praxis gefunden hat, denn es ermöglicht, in der denkbar ein¬ 
fachsten Weise eine genaue .^'lantitative Zuckerbestimmung und 
setzt dabei keinerlei besondere Vorbildung oder Uebung in chemi¬ 
schen Arbeiten voraus. 

B. Wagner hat vor kurzem ein modifiziertes Gärungs-Sac¬ 
charometer angegeben, bei welchem der Glasteil auf einem Holz¬ 
rahmen montiert, und das zur Aufnahme der gärenden Flüssigkeit 
dienende Gefäss von dem Quecksilber getrennt und abnehmbar 
eingerichtet ist. 

Wenn man aber die gärende Flüssigkeit im Saccharometer 
von der Messfiüssigkeit trennt, so meinen Th. und R. Lohnstein, 
ist man nicht genötigt, Quecksilber als Messflüssigkeit zu ver¬ 
wenden; dies zeigt schon der Apparat von Lyons. Von diesem 
Gesichtspunkte ausgehend, haben Th. und R. Lohnstein ein neues 
Gärungs-Saccharometer konstruiert, welches sich in den Grund¬ 
prinzipien seiner Konstruktion an das frühere Präzisions-Gärungs- 
Saccharometer von Th, Lohnstein anlehnt, aber sich von diesem 
dadurch unterscheidet, dass die gärende Flüssigkeit nicht in der 
Kugel des Apparates, sondern in einem an diesen sich anschlies¬ 
senden U-Rohr Platz findet. Das neue Gärungs-Saccharometer ist 
folgendermaßen konstruiert: Es besteht aus einem grösseren U- 


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464 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 43. 


Rohre, dessen einer hohe Schenkel zylindrisch ist, während der 
kleinere Schenkel die Gestalt einer Engel hat. Diese Engel setzt 
sich nach oben durch ein kurzes umgebogenes Rohrstück in ein 
zweites kleines U-Bohr fort, dessen äusserer Schenkel durch einen 
eingeschlififenen Stöpsel gasdicht verschlossen werden kann. Dieses 
kleine U-Rohr ist an seiner unteren Umbiegungsstelle leicht bauchig 
erweitert und dient zur Aufnahme der Flüssigkeit, deren Zuckerge¬ 
halt durch Verjährung bestimmt werden soll Das grössere U- 
Rohr nimm t die MessflUssigkeit auf. Diese wird vom grösseren 
Schenkel aus bis zum Nullpunkt eingegossen. Als Messllüssigkeit 
haben Th. und R. Lohnstein Glycerin gewählt, und zwar aus dem 
Grunde, weil es so gut wie gar nicht Eohlensäure absorbiert. Die 
meisten leicht zugänglichen organischen Flüssigkeiten, wie die 
Paraffine, fetten Gele, Mineralöle, Petroleum etc. erwiesen sich als 
ungeeignet, weil sie, wie wenig bekannt ist, COs in ziemlich er¬ 
heblichem Maße absorbieren. So ist z. B. der Absorptionscoeffi- 
cient von Olivenöl bei 18® 151, und ähnlich verhält es sich mit 
den übrigen genannten Flüssigkeiten. — Wie bei dem alten 
Gärungs-Saccharometer kommt auch bei dem neuen Gärungs-Sac¬ 
charometer ein Volumen von 0,5 ccm Urin zur Vergärung, welches 
mittels einer geeichten Spritze oder einer Messpipette eingefüUt 
wird. Die Teilung ist bei dem neuen Apparat direkt auf dem 
Messzylinder eingraviert. Der Apparat ist für 20® C berechnet. 

Es empfiehlt sich, die Gärung im allgemeinen im Wasserbad 
bei erhöhter Temperatur, etwa 35®, vor sich gehen zu lassen und 
nach Beendigung der Gärung, d. h. wenn bei der konstanten 
Temperatur von 35® die Glycerinsäule im längeren Schenkel nicht 
mehr steigt, den Apparat für Stunde auf 20® abzukühlen. Die 
Gärung ist bei hohem Zuckergehalt (6—8%) meist in 6 Stunden 
beendigt, bei geringerem Zuckergehalt geht die Gärung entspechend 
schneller vor sich. Ist die Bestimmung beendigt, so wird der 
Apparat dadurch gereinigt, dass man das kleine Gärungsgefäss mit 
einem um einen Eupferdraht umgewickelten Wattebausch aus¬ 
wischt und mittels einer kleinen Pipette oder Spritze mehrere 
Male Wasser nachspült. Die Reinigung ist also sehr einfach. 

Als wesontlicher Vorzug des neuen Saccharometers ist der 
Umstand zu betrachten, dass in ihm das Quecksilber durch Gly¬ 
cerin ersetzt ist, wodurch der Apparat weniger zerbrechlich, für 
Ungeübte angenehmer im Gebrauch und schliesslich billiger wird. 


Subowsky, Berlin: Bornyval und dessen therapeutische 
Bedeutung. 

Das Bornyval ist ein synthetisch dargestelltes Präparat, das 
die beiden wirksamsten Bestandteile der Baldrianwurzel vereinigt; 
es ist künstlich in absoluter chemischer Reinheit gewonnener Iso- 
valeriarsäureester des Bomeols. Für seine therapeutische Ver¬ 
wendung sind die bewährten Indikationen, die für die Baldiian- 
therapie in Betracht kommen, zu acceptieren. Eis ist von ver¬ 
schiedenen Seiten mit vollem, zum Teil überraschendem Erfolg 
angewandt worden bei krankhaften Erscheinungen von seiten des 
Nervensystems, bei Hysterie, Neurasthenie, Epilepsie, bei nervöser 
Agrypnie, bei traumatischen Neurosen, bei Sexualneorasthenie; 
des weiteren bei krankhaften Erscheinungen des Circulationsappa- 
rates, bei den Herz- und Gefkssneurosen, in der Gynaekologie 
bei gewissen mit der Menstruation und der Menopause in Zu¬ 
sammenhang stehenden Erscheinungen, ferner bei Neurosen mit 
Erscheinungen von seiten des Magendarmkanals, bei der nervösen 
D 3 '^spepsie; schliesslich in vereinzelten Fällen bei Diabetes mellitus 
und incipidus, bei Enuresis nocturna und diuroa. 


Bücherbesprechung:. 

Haudek, Max. Orundriss der orthopädischen 
Chirurgie, 356 S., 198 Abb. Stuttgart, Enke, 1906. 

In dankenswerter Weise hat Verf. in dem vorliegenden Buche 
den Versuch gemacht, den praktischen Aerzten und Studierenden 
in kurzer, präciser Darstellungsweise die Fortschritte und den 
augenblicklichen Stand des orthopädischen Specialgebietes darzulegen. 


Die übersichÜiche Anordnung des Stoffes, die Hervorhebung der, 
besonders für den Praktiker wichtigen differentialdiagnostischen nnd 
therapeutischen Momente und das Weglassen der noch so unge¬ 
klärten mannigfachen Erörterungen über die Theorieen der Ent¬ 
stehung der einzelnen Defermitäten werden das Buch für den ge¬ 
dachten Zweck empfehlenswert machen. Die Ausstattung des 
Buches ist besonders hinsichtlich der Abbildungen eine ausserordent¬ 
lich gute. Maskat. 

HofTa- Blencke. Die orthopädische Literatur. 

446 S, Stuttgart, Enke, 1905. 

Mit einem Aufwande von bewundernswertem Fleisse haben die 
beiden Verfasser einem dringenden Bedürfnisse abgeholfen. Schon 
seit Jahren war die Literatur über die Orthopädie, und die vielen 
ihm nahestehenden Grenzgebiete, derartig gewachsen und in so 
verschiedenartigen Erscheinungsstellen verteilt gewesen, dass es 
für den wissenschaftlich arbeitenden Arzt ebenso wie für den 
Praktiker beinahe unmöglich war, sich über die augenblicklich be¬ 
stehende Meinung Uber irgend eine Erkrankung oder Theorie 
wirklich genau zu informieren. Aus diesem Grunde ist dieses 
Werk von allen Beteiligten mit grosser Freude zu begrüssen. 
Es wäre erwünscht, wenn in regelmässigen Zeitabschnitten £r- 
gänzungshefte herausgegeben würden, falls nicht bald eine zweite 
Auflage erscheinen kann. Muskat. 

Richard von Hippel -Eassei. Ueber Perityphlitis und 
ihre Behandlung. Sammlung klinischer Vorträge, No. 406. 
Leipzig, Breitkopf und Härtel. 

H. schildert in anschaulicher Weise den heutigen Stand der 
PerityphUtisfrage und belegt seine Ansichten mit persönlichen Er¬ 
fahrungen aus seiner Praxis. Eine scharfe Abfertigung lässt er 
Allen zu teil werden, dessen Heilplan, eine chronische Appendidtis 
in das Latenzstadium zu überführen, er in extenso vorfuhrt, um za 
zeigen, zu welch unmöglichen Consequenzen die Wasserscheu führt. 

Hofp. Dp. Suchlep, Freiburg i. B. Der Orden der 
Trappisten und die vegetarische Lebensweise. Zweite 
vermehrte und verbesserte Auflage. (Verl, der ärztl. Rundschau, 
Otto Gmelin, München 1906). 

In ausserordentlich anregender Weise verteidigt Verf. zu¬ 
nächst auf theoretischem Wege den Standpunkt des absoluten 
Vegetarismus. Die praktischen Ergebnisse fasst er in die Schluss¬ 
folgerung zusammen, dass die Fleischnahrung für den Menschen 
überflüssig sei. Eine Schilderung des Lebens der Trappisten (ab¬ 
soluter Vegetarianer) zeigt vor allem an dem durchschnittlich 
hohen Lebensalter dieser Mönche die gesundheitliche Zuträglich¬ 
keit der vegetarischen Lebensweise. Die in der Abhandlang ge¬ 
gebenen allgemein gültigen hygienischen Lehren sind gewiss be¬ 
herzigenswert. 


Vermischtes. 

BoPlin. Im Eaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche Fort- 
bildungswesen finden im Monat Oktober an jedem Sonnabend, 
abends 8 Uhr, technische Demonstrationen in der Dauer- 
Ausstellung für die ärztlich-technische Industrie statt Am 
Sonnabend, den 6., wurden Apparate und Instrumente aus dem 
Gebiete der Elektromedicin und Optik gezeigt. Für die nächsten 
Demonstrationen sind in Aiissicht genommen: Am Sonnabend, den 
13. Oktober: Chirurgische Instrumente aller Art (allgemeine Chirur¬ 
gie und Sondergebiete), Operationsmöbel und Bekleidung, Vorrich¬ 
tungen und Apparate für Sterilisation, Desinfektion, Inhalation. 
Am Sonnabend, den 20. Oktober: Erankenmöbel, Vorrichtungen 
und Apparate für Orthopaedie und Gymnastik, Bandagen, Prothesen, 
Verbandmittel. Am Sonnabend, den 27. Oktober: Medizinische 
Chemie, insbesondere neuere pharmazeutische Erzeugnisse, Bäder- 
einrichtungen und -Produkte. Ferner: Tropenmedioin, sowie plastische 
Nachbildungen und Präparate (zu Lehrzweoken). Der Eintritt 
steht jedem Arzte ohne weiteres frei. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. MeUtner, Berlin W. 6S, KurfQntenitr. 81. — Verlnc von Carl Marhold. Halle a. S. 
Drsek von der Heyn ea eann’ache« Buchdrticfcerei, Oebr Wolff, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Dcotscfamann, A. Dflhrssea, A. Hoffa« L Jacobi, 

Hamburg. BerUn. Berlin. Freiburg 1. Bt. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 

Veriag und Expedition 

Carl Marhold In Halle a. S.« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 623. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 


H. Uovenieht. 

A. Vossias, 


Magdeburg. 

Oiesseo. 


' 

Redaktion: 


Berlin W« 62« Kurffirstenstrasse 81. 



Dr. P Meißner. 


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_ ) 


Vn. Jahi^ang. 


29. Oktober 1906. 


Nr. 44. 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der MtSgigen Beilage BflltieolOglSChe CefltralzeitUflg, Organ des Schwarzwaldbadertages, 
des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Hall e a. S. entgegen. Inserate werden fdr die 4gespaltene Petitzeiie oder deren Raum 
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeite l^iO M. Bei grSfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 

Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Zur 

Pathologie des sympathischen Nervensystems. 

Von San.-Rat Dr. Scherk, (Bad Homburg). 

Wiewohl die Fortschritte, welche die Neurologie vornehm¬ 
lich in der Dia^jnostik und Therapie in den letzten Jahren auf¬ 
zuweisen hat, in hohem Grade anzuerkennen sind, muss man 
zugeben, dass auf diesem Gebiete immer noch ein grosses Ar¬ 
beitsfeld unbestellt vor uns liegt und namentlich die Pathologie 
des Sympathicus anderen Nervenleiden gegenüber zurüc.ksteht, 
in dem n.icht nur die Symptomatologie, sondern auch die The¬ 
rapie dieses Systems, dicht verschleiert unserer Erkenntnis bis 
in die jüngste Forschungsperiode hinein entzogen wird. 

Nehmen wir die Werke anerkannter Autoritäten zur Hand, 
so beschränken sich die Angaben über die Erkrankungen des 
Nervensystems sympathischem auf die Pathologie des Cervical- 
ganglions, welche durch die Einwirkung auf die Pupille, Lidspalte 
und Schweisssekretion erläutert werden; die Pathologie der ande¬ 
ren Ganglien wird dagegen mit Stillschweigen übergangen. 

Es erscheint mir demgemäss durchaus zeitgemäß, zu er¬ 
gründen, inwieweit wir heutzutage berechtigt sind, durch Beob¬ 
achtung subjektiver und objektiver Symptome, auf die Affek- 
tionen anderer Ganglien näher einzugehen, die aetiologischen 
Faktoren zu berücksichtigen und therapeutische Maximen zu 
befürworten. 

Bei der grossen Ausdehnung und den mannigfachen Ver¬ 
bindungen des Sympathicus mit den anderen Nervensystemen 
im Organismus, scheint mir eine Klärung der Funktionslehre, 
wenn dieselbe auf anatomische Forschungen sich stützen lässt, 
wohl geeignet, nach dieser Richtung hin Wandel zu schaffen 
und zu versuchen, den Schleier zu lüften, um in der Erkenntnis 
fortzuschreiten. 

Gehen wir von der trefflichen Schilderung der feineren 
Anatomie und der physiologischen Bedeutung des sympathischen 
Nervensystems aus, welche uns Koelliker auf der 66. Natur¬ 
forscherversammlung geliefert hat, aus, so müssen wir aller¬ 
dings über die Vielseitigkeit der Funktionen dieses Systems 
staunen und die grosse Bedeutung für die Bestreitung der 
psychischen, als auch somatischen Faktoren im Zellenleben un¬ 
bedingt anerkennen. 

Schon allein der Einfluss des Sympathicus auf die Vaso¬ 
motoren würde genügen, um die Wertschätzung dieser Funk¬ 
tion für die biologischen Umsetzungen zu würdigen. — 

Nach Koellikers Ausführungen stellt das sympathische 
Nervensystem eine reich gegliederte Kette vieler sich berühren¬ 
der motorischer und sensibler Einheiten dar, welche von den 
cerebrospinalen Nerven ausgehen. Wie das Cerebrospinal¬ 


system, besteht auch das sympathische System aus vielen psychi¬ 
schen und somatischen, centriiugal und centripetal wirkenden 
Einheiten oder Nervenbäumchen. Letztere stellen Nervenzellen 
nebst Nervenfasern dar, die Zellen sind einesteils unipolar, d. h. 
nur mit einem weitreichenden Fortsatze versehen, andernteils 
multipolar, so dass, ein nervöser Fortsatz länger als ein kurzer 
(Dendriten) ist. Alle diese Fortsätze sind physiologisch als 
Leitungsapparate zu bezeichnen, in denen die Dendriten zu¬ 
leiten oder centripetal, die langen Fortsätze ableiten, also oentri- 
fugal wirken. 

Die Beziehungen des Cerebrospinalsystems und des Sympa¬ 
thicus zu einander, sind nicht nur direkte, sondern auch in¬ 
direkte , in dem Erregui^en cerebrospipaler sensibler Fasern 
Reflexe im Gebiete des Sympathicus erzeugen und umgekehrt, 
solche auch von den Eingeweiden aus in der cerebrospinalen 
Sphäre veranlasst werden können. Auch auf den Chemismus 
bestimmter Drüsen üben die sympathischen Fasern einen 
wichtigen Einfluss aus. Dieselben innervieren nicht nur die ge¬ 
samte glatte Muskulatur des Körpers, indem sie auf Tonus und 
Contractur wirken, sondern können auch eine Erschlaffung der 
Muskulatur, der Gefässe, des Herzens und der Dannwand er¬ 
zeugen. — Die Einwirkung des Sympathicus auf die sekre- 
tonische Drüsenfunktion geht aus dieser Darstellung deutlich 
hervor, diese spezifische Einwirkung ist durch physiologische 
Experimente klar bewiesen und die Streitfrage, nach welcher 
einzelne Forscher neben den sensiblen und motorischen Fasern, 
noch sekretorische oder trophoneurotische Fasern als maßgebend 
hinstellen, ist immer noch nicht entschieden, uns genügt zu¬ 
nächst die Tatsache, dass die vermehrte oder verminderte Tätig¬ 
keit der Drüsen auf die Innervierung des Sympathicus zurück¬ 
zuführen ist. 


Bekannt sind die interessanten Untersuchungen, wie die¬ 
selben vor 40 Jahren von Heidenhain, Bayliss, Bradford 
und L an g 1 e y über die Physiologie der Speichelsekretion an¬ 
gestellt sind. 

Während Haidenhain zu beweisen versuchte, dass die Zellen 
einer sezernierenden Drüse von Nerven versorgt werden, welche die 
chemischen Prozesse im Protoplasma anregen und von sekreto¬ 
rischen Nerven, welche die Absondernng bewirken, wurden diese 
Untersuchungsresultate andererseits von Langley bekämpft. 
Nach Heidenhains Forschungen enthält die Chorda der Sub- 
maxillardrüsedes Hundes viele sekretorische und wenig trophische 
Fasern, die Folge davon ist, dass der durch Reizung dieses 
Nerven sezemierte Speichel sehr reichlich und wässerig ist. 
Dem gegenüber enthält der Sjnnpathicus viele trophische und 
wenig sekretorische Fasern, die Reizung des Sympathicus 
liefert demnach spärlich zähen, dicken Speichel. 


Diese These über die beiden verschiedenen Fasergattungen 
wurde durch die physiologischen Experimente von Bayliss 
und Bradford bestätigt, welche ausserdem nachwiesen, dass 
die elektrische Wirkung der Chordareizung durch Atropin auf- 


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466 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


ehoben, die elektrische Wirkung der Sympathicusreizung je- 
och nur wenig herabgesetzt werde. 

Andererseits konstatierte Langley, dass durch Anwendung 
sehr kleiner allmählich verabreichter Atropindosen alle sezer- 
nierenden Fasern gleichmäßig und gleichzeitig gelähmt werden. 

Derselbe führt die Sekretion auf die Einwirkang der Vaso¬ 
motoren zurück, das relative Lumen der Gefässe, also die Vaso- 
constrictoren und Vasodilatoren, sind allein maßgebend für die 
sekretorische Funktion, es wurde demnach auch hier wieder 
dem sympathischen System die Hauptrolle bei der Sekretion 
zu erteilen sein. (Halliburton: Chemische Physiologie und 
Pathologie.) 

Anologe Verhältnisse, wie bei der Speicheldrüse, finden 
auch bei den anderen drüsigen Organen statt, welche sich 
durch ihre sekretorische Funktion auszeichnen. Aber auch die 
interne Sekretion der Drüsenzellen wird sich auf dieselben 
Faktoren zurückführen lassen, da die metabolischen, als 
auch anabolischen und katabolischen Prozesse im Zellenleben, 
mit Anregung, resp. Hemmung der Sympathicusfunktion in engem 
Zusammenhang hängen. Es liegt nun auf der Hand, dass 
wir zunächst die drüsigen Organe, welche sich durch Produktion 
hydrolytischerFermente kennzeichnen, von diesem Gesichtspunkte 
aus, in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen suchen. Wenn 
bei den drei Constitutionsanomalien der Gicht, Fettsucht 
und Zuckerkrankheit beispielsweise die hereditären Momente 
nicht zu bestreiten sind, so sind wir, meiner Ansicht nach, voll¬ 
kommen berechtigt, die Afifektionen des Sympathicus in erster 
Linie als aetiologischen Faktor zu berücksichtigen. Wie ich 
in verschiedenen Arbeiten den Lesern dieses Fachblattes aus- 
g^eführt habe, ist eine minderwertige Enzymwirkuug bei der 
Entwicklung dieser drei Geschwisterkrankheiten nicht ausser 
Acht zu lassen. 

Ist die spezifische ümprägung der Nucleine, die Spaltung 
der Fette und Kohlehydrate fehlerhaft, so werden schwer 
resorbierbare und iuoxydable Substanzen als Endprodukte des 
intermediären Stoffwechsels geliefert, welche zum Zellenhaus¬ 
halte keine Verwendung finden, teilw’eise im Blutstrome sich 
ansammeln, teilweise niedergeschlagen werden oder als un¬ 
verwertbarer Ballast durch die Nieren ausgeschieden werden. 
Die Bildung von hamsauren Salzen und deren Niederschlag 
im Knorpelgewebe, die Aufstapelung der Fette in praedilektio- 
nierten Regionen und die Ausscheidung der Dextrose illustrieren 
diese pathologischen Vorgänge zur Genüge. 

Dass die Veranlassung dieser Prozesse durch einen neuro- 
genetischen Faktor geliefert werden kann, ist heutzutage 
nicht mehr zu bestreiten, als maßgebend müssen wir nach dieser 


Feuilleton. 


Geschichte der Geburtshilfe*) 

Von Dr. E. Roth. 

Erfreulicherweise hat sich die Lust an historischen Forsch¬ 
ungen auch in dem grossen Reiche der Medicin und der ihr 
verwandten Wissenschaften vermehrt und eingehende Forsch¬ 
ungen haben uns hervorragende Werke auf diesem Gebiet be- 
scheert, von denen an die auch an dieser Stelle besprochene 
Geschichte der Pharmacie von Hermann Schelenz erinnert sei. 

Nunmehr liegt eine neue Geschichte der Geburtshilfe in 
deutscher Sprache vor, nachdem Rudolf Dohm den alten Ver¬ 
such einer Geschichte der Geburtshilfe von Eduard von Sie¬ 
bold vor kurzem bis zum Jahre 1880 weitergeführt hatte. 

Lag also über die Neuzeit ein brauchbares Buch vor, so 
mußten doch naturgemäss die früheren Zeitabschnitte in der 
Darstellung als veraltet erscheinen, zumal neueiitdecktes wich¬ 
tiges Material manche Teile jetzt in einer ganz anderen histo¬ 
rischen Beleuchtung erscheinen Hess. 

*) H. Fasbender. Gcschi(thte der Geburtshilfe, detta lOOh, G'istav 
Fischer. Gr. 8® XVI. 1028 S. 25 M. 


Richtung hin die Erkrankungen des Sympathicus anerkennen, 
andererseits können aber auch andere Momente, wie direkt 
destruktive Prozesse in bestimmten Drüsen, oder Störung der 
Katalyse, resp. der Sauerstoffübertragung als Ursache ange¬ 
sprochen werden. 

Schon früher haben englische Autoren die Ursache der 
Gicht auf eine primäre Neurose zurückgeführt. In erster Linie 
hat Duckworth diese Ansicht energisch vertreten. Auch 
Lauceraux nimmt an, dass die Gicht durch eine Tropho- 
neurose verursacht werde und von deutschen Forschern hat 
der geniale Anatom Jakob Henle schon vor 50 Jahren ana¬ 
loge Anschauungen veröffentlicht. 

Welchen Einfluss das sympathische Nervensystem auf die 
Entwickelung des Diabetes hat, das beweisen die Experimente, 
welche seiner Zeit Claude Bernard ausgeführt hat. 

Danach wissen wir, dass die Zerstörung des oberen und 
des unteren sympathischen Halsganglions, des ersten Brust- 
ganglions, der Öauchganglion und anderer sympathischer Nerven 
Dextrosurie zur Folge hat: 

Eine Störung des Zellenchemismus des Paukreas, der Leber 
oder der Intestinaldrüsen ist auf eine fehlerhafte Einwirkung 
des sympathischen Systems zurückzuführen und die Folge der 
mangelhaften Innervierung wird eine minderwertige Produktion 
spezifischer Enzyme darstellen. In diese Rubrik sind auch die 
Dextrosurien zu rechnen, welche nach Verabreichung bestimmter 
Gifte, die einen paralytischen Einfluss auf die sympathische 
Funktion ausüben, zu rechnen. 

Von demselben Standpunkte aus müssen wir bei der Ent¬ 
wicklung der Fettsucht eine Affektion des Sympathicus als 
aetiologischen Faktor ansprechen, zumal die ausgesprochene 
Heredität der Fettsucht nicht zu bestreiten ist. Durch die Pro¬ 
duktion eines minderwertigen fettspaltenden Fermentes werden 
die Fette, welche dem Verdauungskanale einverleibt sind, nicht 
in ihre Komponenten gespalten, wie unter normalen Verhält¬ 
nissen, bei denen Glycerin und Fettsäuren durch Synthese sich 
zu neuen Fetten verbinden. Unter pathologischen feedingungen 
werden die Neutralfette zum Teil in toto durch die Darmzotten 
resorbiert, zum Teil durch die Faecalmassen exportiert. Die 
in dieser Weise resorbierten Fette sind schwerer verbrennbar, 
als die Fette, welche eine neue Synthese überstanden haben, 
und stapeln sich massenhaft auf, zumal die oxydativen Elemente 
im Organismus an Quantität nicht ausreichen, um die Verbrenn¬ 
ung der umfangreichen Reservefeitlager zu bewerkstelligen. Die 
Entwicklung der Fettsucht wird die unmittelbare Folge sein. 

Dass bei den sogenannten funktionellen Herz-, Magen- 
und Darm-Neurosen das sympathische System beteiligt ist, dass 

Bereits aus dem Inhaltsverzeichnis vermögen wir die Grund¬ 
linien einer Geschichte dieser Wissenschaft zu entwickeln, da 
Fasbender in genialer Weise den Kapitelüberschriften kurze 
Bemerkungen hinzugefügt hat, welche den Hauptinhalt der 
jeweiligen Darstellung enthalten. So heisst es in: „Die Ge¬ 
schichte der alten Aegypter“. Die spärlichen Angaben über 
piierperale Vorgänge gehören zu den lältesten der Geschichte. 
Eine Stelle im Papyrus Berolinensis (Brugsch) ist fast wörtlich 
mit einer Hippokratischen übereinstimmend. 

Die Geburtshilfe der alten Hebräer. Die Geburtshilfe des 
Talmud, die keineswegs die weiter entwickelte althebräische 
ist, kennt den Kaiserschnitt an der Toten, wahrscheinlich auch 
den an der Lebenden usw. 

Natürlich kann es sich in den folgenden Zeilen nur da¬ 
rum handeln, etwa das Hauptgerippe des Werkes vorzuführen 
und in Zusammenfassungen zu zeigen, was in den einzelnen 
Zeitenläufen oder bei einzelnen Völkern an Fortschritten zu 
verzeichnen war. Nur ausnahmsweise kann auf kleinere Ab¬ 
schnitte oder besonders interessierende Einzelheiten einge¬ 
gangen werden. 

Von vornherein ist als ausgeschlossen zu betrachten, dass 
die spärlichen schriftlichen üeberlieferungen der ältesten Kultur¬ 
völker alles wiedergeben, was in jener Zeit ihre Geburtskunde 
umfasste. Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, dass der 
Niederschrift einer so hoch entwickelten Geburtshilfe, wie der 

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1906 


BIEDICINISCHB WOCHE. 


467 


ebeDso die Symptome der Neurasthenie und Hysterie mit 
dem Sympatnicus in Verbindung stehen, wird von keiner Seite 
mehr bestritten. 

Nach den Ausführungen von Fr. Kraus*), werden fol¬ 
gende Organe vom Sympathicus versorgt: 

1. Herz, Blutgefässe, Milz, Lymphdrüsen (Knochenmark?), 

2 . der ganze Verdauungstraktus, 

3. teilweise die äusseren und die inneren Geschlechtsorgane, 

4. das uropoetische System. 

Es liegt auf der Hand, dass der ganze Symptomenkomplex, 
wie derselbe uns bei der Neurasthenie, als auch bei der Hysterie, 
in kaleidoskopischer Abwechselung vor Augen tritt, mit der 
vielseitigen Tätigkeit des sympathischen Systems in Zusammen¬ 
hang zu bringen ist- 

Jendrassik**) hebt neuerdings die erbliche Dispo¬ 
sition als aetiologischen Kardinalfaktor der Neurasthenie mit 
Nachdruck hervor und geht sogar soweit, dass er die Ent¬ 
wickelung dieser Krankheit direkt von einer hereditären Dia- 
these abhängig binstellt. 

Dunin***) neigt sich zu der Auffassung, dass die Neura¬ 
sthenie eine Psychose sei, deren Hauptcharakteristik die Aulo- 
observation darstellt. 

E Hoenk+) führt sowohl die Neurasthenie, als auch die 
Hysterie auf eine Erkrankung des sympathischen Systems zurück, 
derselbe stützt sich auf die Arbeiten von Freund, Buck, Gas- 
keil, Langley und Rüdinger. 

Es wurde zu weit gehen, auf alle neuen Veröffentlichungen 
über die Ursache und das Wesen der Neurasthenie und Hysterie 
hier näher eingehen, beachten müssen wir jedoch, meiner An¬ 
sicht nach, dass wiewohl die Ursachen der Neurasthenie und 
Hysterie beiden auf die Pathologie des Sympathicus zurückzu¬ 
leiten sind, wir mit differenten Momenten zu rechnen haben, 
denn die Symptome der Neurasthenie sind meistens die Folge 
von Irritationsznständen, die der I^sterie dagegen lassen, auf 
Depressionen, resp. paralytische Affektionen schliessen. 

Dass Komplikationen Vorkommen können, ist andererseits 
nicht zu bezweifeln. In diesem Sinne hebt Binswanger in 
seiner „Hysterie“ auch hervor, dass bei dieser Krankheit häufig 
auch neuraathenische Symptome auftreten. 

*) Einiges Uber die funktionelle Herzdiagnostik. Deutsebe medici- 
nische Woc-bonsebrift 1.05. 

**) .SammluDg klin. Vorträge 4*26/427 üeber Neurasthenie. 

**•) Ueber den Begriff Neurasthenie. Berl. klin. Wochensebr. 31.06. 

t) Ueber Neurasthenie bysterica und die Hysterie der Frau. Abhandl. 
aus dem Gebiete der Fraiienlioilkiinde u Geburtshilfe, \'I Bd. H. 6 190.'». 


Bekanntlich bilden die Schmerzempfindungen und Neu¬ 
ralgien ein Hauptsymptom der Neurasthenie. 

Nach Jendrassiks Ausführungen (1. c.) kommen echte 
Neuralgien eigentlich ausschliesslich im Gesichte vor: 

nEs sind dies die echten Trigeminus neuralgien und diese 
haben mit der Neurasthenie nichts zu tun, ferner gibt es noch 
eine zu den Neuralgien gezählte Affektion — die Ischias — 
diese sollte aber eigentlich im Kapitel über Neuritis behandelt 
werden. Mit Ausnahme dieser beiden Neuralgien sind nahezu 
alle vorkommenden Schmerzen mit neuralgischem Charakter 
n eurasth enischer Natur, nur in den allerseltensten Fällen 
kommen auf dem Gebiete der übrigen sensiblen Nerven echte 
Neuralgien vor, hingegen beobachten wir sowohl im Gesicht, 
wie auf dem Gebiete des Nervus ischiadicus ziemlich häufig 
neurasthenische Neuralgien. 

Charakteristisch für diese letzteren ist, dass man den 
Schmerz objektiv nicht beobachten kann. Die neurasthenischen 
Schmerzen treten nicht anfaUsweise auf, sie sind unablässig 
vorhanden, ihre Intensität wechselt kaum, höchstens zeigen sie 
den Tageszeiten entsprechend geringe Schwankungen.“ 

Es ist eioleuchtend, dass die neurasthenischen Schmerz¬ 
empfindungen, die Kopfschmerzen, die Schlaflosigkeit, die Herzpal- 
pitationen etc. auf abnorme Initationszustände des sympathischen 
Systems zurückzuleiten sind, während die Hautanaestnesien, die 
Analgesien und Hemianaesthesien der Hysterischen deutlich auf 
Depressionszustände hinweisen. 

Auch die therapeutischen Erfolge, welche wir bei der Be¬ 
handlung der Neurasthenie und der Hysterischen zu verzeichnen 
haben, bestätigen diese Differenz im Auftreten der verschieden¬ 
artigen Krankheirserscheinungen. 

Denn die Erfahrung lehrt uns, dass wir bei den Hyste¬ 
rischen mit Brompräparaten beispielsweise wenig erreichen, dass 
dagegen dieser Sedativum bei Neurastheriieen stets einen gün¬ 
stigen Einfluss ausübt, da wir pathogenetisch mit Erregungs¬ 
zuständen hoi diesen Kranken zu rechnen haben, welche zu be¬ 
kämpfen sind. 

Zu demselben Resultat führt die Beobachtung, welche ich 
schon im vorigen Jahre*) veröffentlicht habe, nach welcher, 
durch die Anwendung der elektromagnetischen Bestrahlung wir 
bei Hysterischen keinen Erfolg erzi^en, dagegen bei neuras¬ 
thenischen Kranken diese Energieform eine sedative Wirkung 
bei abnormer Erregbarkeit des Neurasthenie sympathicus aus¬ 
übt. Die Anschauungsweise, dass bei genannten Nervenleiden 
molekular-chemische Veränderungen zu Grunde liegen, bricht 


1005 , 


Zur Kritik dor oloktromagnetiscbon Behandlung. Mod. klin. 4 u. 


hippokratischen, ein langes Studium planmässiger Förderung 
vorangegangen ist. Ursprünglich beobachtete man wohl zu¬ 
erst bei Opferungen oder auf der Jagd, wie der Foetus den 
Tod der Mutter überleben kann. 

In kurzen Worten schildert Fasbender den Gang der Ge¬ 
schichte in der Geburtshilfe wie folgt, wobei nur die wesent¬ 
lichsten Punkte hervorgehoben werdeu: 

Sehr hoch steht die Geburtshilfe der Hippokratiker. Die 
des Soranus ist die griechische in der noen höheren Blüte, 
zu der sie, um den Beginn der christlichen Zeitrechnung nach 
Rom verpflanzt und deshalb römische genannt, ebenfalls von 
Griechen geführt worden. Nach der Glanzepoche im Anfang 
des 2. Jahrhunderts n. Chr. folgt eine lange Periode des Rück¬ 
schritts. Die Byzantiner vermochten nicht die Geburtshilfe auf 
der früheren Hohe zu halten, ähnliches galt für die Araber. 
Im 16. Jahrhundert beginnt das Wiederaufleben unserer Wissen¬ 
schaft durch die Wiedereinführung und Vorbereitung der seit 
dem 6. christlichen Jahrhundert in Vergessenheit geratenen 
Wendung auf die Füsse seitens französischer Chinirgen. Es 
folgt ein weiteres Fortschreiten auf dieser Bahn, doch wesent¬ 
lich nur für die praktische Seite, für die Hebammenkunst. 
Allmählich macht sich der Aufschwung der Anatomie in einer 
besseren Kenntnis der Geburtswege geltend, wie auch bereits 
um die Mitte des 17. Jahrhunderts, vielleicht unter dem Ein¬ 
fluss der induktiven Metliode der Baconschen Philosophie, 


die Beobachtung dor Natur im Vertrauen auf deren Kräfte 
durch William Harvey von der Geburtsleitung gefordert wird. 
So tritt die exspektative Richtung auf hundert Jahre nach der 
von Frankreich inaugurierten chirurgischen. So gebührt Eng¬ 
land der Ruhm, die ersten Anfänge eines genaueren Studi¬ 
ums der mechanischen Verhältnisse des normalen Geburtsvor¬ 
ganges verfolgt zu haben, dort setzt die Lehre vom Geburts- 
mechanismus ein. 

Die eigentlich wissenschaftliche Geburtshilfe beginnt aber 
mit einem Deutschen, mit Ignaz Philipp Semmelweis, dessen 
Verdienste neuerdings erst in stetig höherem Grade gewürdigt 
worden, dann mit Gustav Adolf Michaelis und seinem unsterb¬ 
lichen Werk über das enge Becken, um in Lister ungemeine 
Förderung zu erlangen, bis Robert Koch die moderne Bakteri¬ 
ologie schuf; so erhielten manche Abschnitte der Geburtshilfe 
in dem kurzen Zeitraum weniger Dezennien eine völlig neue 
Gestalt. 

Wie bereits hei vorgehoben, sind von den Zeiten der alten 
Aeg.vpter uns nui* spärliche Angaben über die Geburtshilfe und 
die Kenntnisse derselben erhalten. Was die alten luder betrifft, 
so bestehen zwischen ihrer Geburtshilfe und der hippokra¬ 
tischen bei vielfacher Uebereinstimmung immerhin fundamentale 
Unterschiede. Der Kaiserschnitt an der Toten war ihnen be¬ 
reits bekannt, doch beschreibt Fasbender ihre Kenntnis von dem 
engen Becken und der Wendung auf die Füsse. 


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468 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 44. 


sich immer mehr Bahn, in diesem Sinne hat sich auch Deter¬ 
mann*) kürzlich ausgesprochen. 

Es ist einleuchtend, dass die Anordnung der Moleküle, wie 
dieselbe unter normalen Verhältnissen in den Nervenzellen statt¬ 
findet, für die chemischen Umsetzungen von einschneidender 
Tragweite ist. Denn wie ich schon (1. c.) hervorgehoben habe, 
sind die Oxydationsprozesse von der Molekülekonfiguration ab¬ 
hängig und die Schlussfolgerung ist vollkommen berechtigt, 
dass nach gewaltigen Traumen, nach Eisenbahnkollisionen etc. 
eine Verschiebung der Nervenmoleküle durch die Erschütterung 
des ganzen Organismus stattfinden kann; wie wir diese Wirk¬ 
ung beispielsweise bei der Commotio cerebri schon lange aner¬ 
kennen. 

Dass ausserdem, durch Zirkulationsstörungen, welche auf 
Neubildungen zurückzuführen sind, die sterochemischen Ver¬ 
hältnisse eine Aenderung erleiden und abnorme Druckverhält¬ 
nisse zur Entwicklung von Erregungszuständen, resp. zu Her¬ 
ausbildung einer neurasthenischen Sjmptomenreihe führen kann, 
dafür diene beifolgende Krankengeschichte zur Illustration, zu¬ 
mal dieselbe durch den günstigen Erfolg, welcher durch die 
elektromagnetische Behandlung erreicht wurde, von besonderem 
Interesse sein wird. 

J.-Nr. 103. 

Am 17. Februar 1906 unterzieht sich Patient der elektro¬ 
magnetischen Behandlung. Derselbe ist 47 Jahr alt, früher ge¬ 
sund gewesen, jedoch als Bataillonsführer vor 8 Monaten mit 
dem Pferde gestürzt. Ein Bruch der Schädelbasis war die 
Folge dieses Unfalls, nachdem P. 14 Tage lang besinnungslos 
gelegen, entwickelten sich allmählich die Symptome einer trau¬ 
matischen Neurasthenie. Schwindelanfälle, Schlaflosigkeit, trau- 
palpitation, Gehbeschwerden (Breitbeinigkeit). Schmerzempfin¬ 
dungen in den Schultern, im Rücken, im Kreuz, Pulsfre¬ 
quenz erhöht, Selmenreflexe gesteigert, rechte Pupille bedeu¬ 
tend erweitert. Gewicht des Körpers 78,3 kg. 

Gegen dieses Leiden hatte Patient bis dahin den Gebrauch 
von Fichtelnadel-, Luft- und Vierzellenbäder ohne jeglichen Er¬ 
folg angewendet. 

Die elektromagnetische Bestrahlung wurde auf die Gegend 
des Halsganglions ausgeführt und zwar 2 Amp. 2 Cont anfangs 
einmal täglich, nach 10 Applikationen wurden zwei Sitzungen ge¬ 
halten, jede von 20 Minuten Dauer und die Zahl der Umdreh¬ 
ungen des Elektromagneten allmählich vermehrt. Schon nach 
Verlauf von 15 Tagen zeigten sich Besserung einzelner Symp¬ 
tome. Der Schlaf wird zunächst ruhiger, die Schwindelanfälle 
nehmen ab, die Herzpalpitationen beängstigen den Kranken 

*) Neurasthenie und Hysterie. (Handb. der phys. Therapie von Qold- 
sehoidor-Jacob. Bd. II. S. 5,ö4. 


weniger und die verschiedenen Schmerzempfindungen bessern 
sich zunehmend. 

Dementsprechend nimmt die Erweiterung der rechten Pu¬ 
pille ab, der Puls wird regelmäßig und die gesteigerten Sehnen¬ 
reflexe verschwinden. Nacli 65 Applikationeu wird Patient als 
gesund entlassen. Die Gewichtszunahme beträgt 2 kg. Zehn Tage 
nach der Entlassung wird der erste Reitversuch mit gutem Er¬ 
folge ausgeführt und während des letzten Manövers hat P. sein 
Bataillon tadellos geführt. 

Wenn mir von Geguero der elektromagnetischen Behand¬ 
lung der Einwand entgegengehalten werden sollte, dass eine 
Besserung auch ohne Anwendung der elektromagnetischen Ener¬ 
gie einfach durch allmählichen Schwund der Callusmasse erzielt 
werden können, so ist demgegenüber zu erwidern, dass durch 
die sedative Wirkung der elektromagnetischen Bestrahlung die 
Irritationszustände des sympathischen Systems in kurzer Zeit 
beseitigt wurden, ein Erfolg, welche durch andere Behandlungs¬ 
methoden vorher nicht erreicht wurde. Dafür spricht in erster 
Linie die Abnahme der Pupillenerweiterung auf dem rechten 
Auge. Dieselbe muss auf ein Uebergewicht, als einen Erre¬ 
gungszustand des Sympathicus gegenüber der Oculomotorius 
Wirkung, angesehen werden. Es bleibt fraglich, ob dieser Er¬ 
regungszustand durch den Druck der Callusmasse und infolge¬ 
dessen durch Zirkulationsstörungen hervorgerufen ist, oder ob 
eine molekuläre Verschiebung der Moleküle innerhalb der 
Nervenzellen direkt durch das Traumen veranlasst wurde. 

Dass Tumoren jeglicher Art, wie Aneurysmen, Carcinoma 
etc. durch den Druck, welchen sie auf das umliegende Gewebe 
ausüben, und durch diesen mechanischen Einfluss die Ganglion¬ 
knoten in ihrer Funktion beeinträchtigen können, ist nicht zu 
bezweifeln. Auch bei der Entwicklung des Morbus Basedowii 
werden wir mit analogen Momenten zu rechnen haben. 

Immerhin hoffe imi durch diese Darstellung Anknüpfungs¬ 
unkte zur Diskussion zu stellen, von welchen ausgehend, wir 
ie Pathologie des sympsthischen Systems tiefer ergründen 
können, um auch auf diesem Pfade nach und nach mehr Klar¬ 
heit zu schaffen. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Aerxtlicher herein MüncTien. 

Sitzung vom Mittwoch den 10. Oktober 1906. 

1. Arthur Müller demonstriert eine Frau, welche die 
Pubiotomie gut überstanden hat. 


Bei den Griechen ist bereits von einem attischen Heb¬ 
ammenwesen zu berichten. Die Angaben des Aristoteles haben 
auf viele Jahrhunderte Gültigkeit. Bereits ein Aristoteles be¬ 
beschreibt den jetzt als Schultzescher Mechanismus bezeich- 
neten Austrittsmodus der Nachgeburt. Zuerst wird von diesem 
Volke auf eine von Skelettanomalie hergeleiteten Dystokie hin¬ 
gewiesen; auch dürfte zuerst dort auf Weiber mit schmalen 
Hüften aufmerksam gemacht sein. 

Die sogenannte römische Geburtshilfe lässt vor allem einen 
Soranus in den Vordergrund treten. Stellen wir anstatt der 
Personen mehr die erzielten Fortschritte in den Vordergrund, 
so wurde in dieser Periode die angebliche Einmündung der 
Samengänge oder Eileiter in die Harnblase richtig gestellt und 
der Scheide eine selbständige Position gegeben. Verworfen 
werden dann beispielsweise die alten hippokratischen Lehren 
von der Entwickelung der Knaben in der rechten, der Mädchen 
in der linken Seite der Gebärmutter. Die ersten Spuren der 
Lehre vom engen Becken tauchen auf; Soranus kennt eine 
zu feste Verwachsung der Schambeine als Geburtshindernis, 
was den Anfang einer jahrhundertelang herrschenden falschen 
Beckenpathologie bildete. Die römische Geburtshilfe erwähnt 
zuerst die Wendung auf einen Fuss, zunächst bei abgestorbenen 
Früchten, dann bei lebenden Kindern. Auch die Wendung auf 
den Kopf muss hier eine Erwähnung finden, die Reposition eines 
vorgefallenen Armes, der Armlösung bei Fussgeburt. Das Ab¬ 


lösen des Mutterkuchens mit gespreizten Fingern ist auf diesen 
Zeitabschnitt zurückzuführen. Die Darstellung der Pflege der 
Neugeborenen bei Soranus ist in vieler Hinsicht mustergiltig. 

Neu ist dann in der arabischen Geburtshilfe des Mittel¬ 
alters die bis dahin von keinem Autor erwähnte Anwendung 
von Schlingen zur Extraktion der Kinder, sowie das Ver¬ 
fahren den Durchtritt des Foetus unter Umständen in Steiss-, 
bezw. Knielage zuerst zu heben. Dagegen ist die Wendung auf 
die Füsse total in Vergessenheit geraten. Zum ersten Male 
wird hier zur Vornahme eines geburtshilflichen Eingriffes die 
Hängelage empfohlen. 


Aus der abendländischen Geburtshilfe bis zum 16. Jahr¬ 
hundert sei zunächst der ersten Hebammenordnung, der von 
Regensburg, gedacht. Die Wiedereinführung der Zergliederung 
menschlicher Leichen beginnt, eine durchaus notwendige Vor¬ 
bedingung zur Hebung der Geburtshilfe. Dann fangen Aerzte 
an mehr in Beziehung zum Geburtsbett zu treten, obwohl zu¬ 
erst noch zu rein medizinischer Tätigkeit. Zum eisten Male 
wird zweifellos die Wendung auf den Kopf durch direkten 
inneren Handgriff geübt, zuerst tritt die Vorstellung eines in 
seiner primären Formation engen Becken auf, der Kaiserschnitt 
an der Toten wird der Vergessenheit entrissen, Abortus-Provo- 
kation in einer Pariser Hebammenordnuug mit Todesstrafe be¬ 
droht. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


469 


2. Ueber die Beziehungen zwischen Larynztuber- 
kulose und Gravidität und Qber die Berechtigung zur 
Einleitung der künstlichen Frühgeburt bei dieser Er¬ 
krankung. 

Referent; Herr Neumayer. 

N, bespricht zunächst die verschiedenen Arten der Kehlkopf¬ 
tuberkulose und die üblichen therapeutischen Methoden, unter 
ihnen besonders die Tracheotomie und Lai:ynxfissur. Seine 
Schlusssätze bezüglich der Dignität der Kehlkopftuberkulose 
während einer Gravidität sowie der Indikation zur Einleitung des 
Abortes entsprechen im grossen Ganzen völlig denen des Kor¬ 
referenten. 

Korreferent; Herr J. A. Amann. 

Im allgemeinen ist die Kehlkopftuberkulose keine primäre 
Erkrankung, sondern sie. ist vergesellschaftet mit einer Lungen¬ 
tuberkulose. ln 0,8 bis 1,4% liegt nach verschiedenen Statistikern 
eine Komplikation der Schwangerschaft mit Lungentuberkulose 
vor. Die Fälle, in denen Kehlkopftuberkulose schon vor der 
Schwangerschaft bestanden hat, sind nicht sehr häufig. Wahr¬ 
scheinlich lässt die schwere Allgemeinerkrankung Konzeption nur 
selten zu Stande kommen. Der Beginn der Kehlkopftuberkulose 
fällt meist in die ersten Schwangerschaftsmonate. Oft wird die 
Schwangerschaft spontan unterbrochen. 

A. trennt die mehr lokalisierte Kehlkopftuberkulose von der 
sofort mit schweren Lungenerscheinungen einhergehenden Kehl- 
kopftuberkolose. Die mehr lokalen Fälle sollen vor der Einleitung 
des Abortes unbedingt chirurgisch behandelt werden. (Tracheo¬ 
tomie und Larynxfissur). 

Für die zweite Art von Fällen kommt die möglichst früh¬ 
zeitige Ausführung des künstlichen Abortes in Betracht. Eine 
peiolichst genaue Untersuchung des einzelnen Falles muss die 
richtigen Fälle, die noch chirurgischer Behandlung zugängig sind, 
aassuchen. Denn es darf selbstverständlich durch längeres Zu- 
warten infolge der vorher versuchten therapeutischen Eingriffe 
keine Zeit versäumt werden. Auch der künstliche Abort bringt 
natürlich gewisse Schäden, die aber nicht so schwer sind wie die 
Schäden der Schwangerschaft selbst. Die Unterbrechung der 
Schwangerschaft vom 7. Monat ab gibt eine ganz schlechte 
Prognose. Hier ist bis auf wenige Ausnahmen die künstliche 
Frühgeburt abzulehnen. Das Kind selbst ist ebenfalls bei zu 
später Frühgeburt sehr geföhrdet (nur 2 von 80 lebten mehrere 
Jahre). Bei der Einleitung des Abortes soll man von Inhalations¬ 
narkosen absehen. (Laminariadehnung, Ausräumung.) Bei eventl. 
Frühgeburt soll der vaginale Kaiserschnitt vorgenommen werden. 
(Lumbalanaesthesie bei diesen Operationen.) 

Diskussion: Herr Hör mann. 

Herr Mirabeau will in jedem Falle von Kehlkopftuber- 

Hatte Regensburg die erste Hebammenordnung gezeitigt, 
so gab es in dieser Stadt bereits um die Mitte des 16. Jahr¬ 
hunderts Bestimmungen über Alters- und Invaliditätsversorgung 
von Hebammen, während sonst namentlich Frankreich an einer 
Aufbesserung des Hebammenwesens arbeitete. Daneben begann 
ällmählicb die männliche Geburtshilfe an Boden zu gewinnen 
und die Anatomie der weiblichen Genitalien gefördert zu werden. 
Erste Erwähnung des vorliegenden Mutterkuchens und des 
äccouchement forcö sind Ruhmeszeichen dieser Periode. 

Im 17. Jahrhundert und dem ersten Drittel des darauf 
folgenden Säculums nimmt vor allem das Interesse für eine 
Besserung des Hebammenstandes auch bezüglich des Unter¬ 
richts zu. Offenbar findet, durch das Material des Hötel-Dieu 
iä Paris angeregt, die männliche Geburtshilfe weitere Verbrei- 
tung, es entwickelt sich aus dem Chirurgen der Geburtshelfer. 
Ein Mauriceau behauptet zuerst für das Weib, im Gegensatz 
Zürn Tier, die zeitliche Unabhängigkeit der Konzeption von 
dem Eintritt der menstruellen Blutung. Die Entdeckung der 
Spennatozoen ruft eine Umstürzung der Ansichten hervor; 
zuerst finden wir erwähnt, dass von den vielen „Millionen“ in 
einer geringen Samenmenge befindlichen „Würmern“ nur ein 
einziger die eventuelle Beinichtung herbeiführe. 

(Schloss folgt.) 


kulose möglichst &üh den künstlichen Abort eingeleitet wissen, 
bespricht einen hierher gehörigen Fell. 

Herr Kraemer sohliesst sich der Meinung des Letzteren 
an, macht nur eine Ansnahme bei dem tuberkulösen Tumor. 

Herr Amann (Schlusswort). 

Zum ersten Vorsitzenden für das neue Vereinsjahr wurde 
Herr Professor A. Seitz gewählt. 

(Albert Uffenheimer-München.) 

Ferein fUr i/n/nere Medid/n in Berlin, 

Sitzung vom 15. Oktober 1906. 

Tagesordnung: Herr Kraus: Ueber Kropfherz. 

Man muss das Kropfherz im engeren Sinne streng scheiden 
sowohl von den durch mechanische Atembehinderung als auch den 
diu'ch Druck auf die herzregulatorischen Nerven hervorgerufenen 
Herzstörungen. Letztere z. B. zeigt gegenüber den durch Thy- 
reoidismus hervorgerufenen Herzstörungen, auch keine Hypertrophie, 
es fehlen die Stoffwechselstörungen. Das Kropfherz ün engeren 
Sinne wird durch die veränderte Schilddrüsenfnnktion hervorge¬ 
rufen ohne mechanische Einflüsse, es zeigt mäßige Tachycardie, 
die Pulskurve zeigt herabgesetzten Gefässtonus. Ezophthedmus ist 
nur angedeutet. Partielle Strumektomie wirkt oft günstig ein, 
ebenso Jodbehandlung. Herzvergrössemng ist nicht sehr häufig. Es 
ist das alles in allem der Symptomkomplez der von Charcot-Marie 
aufgestellten Forme fruste des Morbus Basedowii. Die Gardiopathie 
ist fortschreitend, Exophthalmus und trophisohe Störungen fehlen. 
Vortr. glaubt, dass die gestörte Schilddrüsenfunktion nicht allein 
ausreichend ist für die Theorie des Basedow. Es muss ein das 
Sympathicussystem alterierendes unbekanntes Etwas hinznkommen. 

Diskussion: Senator, Brieger, Burghart, Kraus. 

Carl Lewin. 


Kongressbericht. 

78, Versammlung deutscher Naturforscher und 
Aerzte in 8tkdtga/rt, 

Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Sitzung vom 19. September, vormittags 8 Uhr. 
Vorsitzender: Herr Veit. 

1. Demonstrationen. 

Hr. L. Seitz - München: Ueber Hypersekretion der 
Schweiss- und Talgdrüsen in der Achselhöhle während 
des Wochenbetts, echte Milchsekretion vortäuschend. 

S. demonstriert Abbildungen von vier gänseeigrossen Schwel¬ 
lungen der Achselhöhle, die in der Schwangerschaft auftraten und 
auf Druck ein milchähnliches, auch mikroskopisch das Aussehen 
fertiger Milch bietendes Sekret entleerten. Es handelt sich um 
eine Emulsion des Talgdrüsensekrets in dem reichlichen Schweiss. 
S. weist auf die genetische und morphologische Aehnlichkeit der 
Milch- und Talgdrüsen hin. 

Diskussion. 

Hr. Welcher glaubt, dass es sich um accessorische Milch¬ 
drüsen gehandelt habe, die er in 5 ®/q aller Fälle konstatiert hat. 

Hr. Seitz erwidert, dass ihm nur ein einziger Fall von 
accessorischer Mamma in der Achsel bekannt sei und dass hier die 
Milch aus mehreren kleinen Oeffhuogen, nicht ans einer einzigen 
sich entleerte. 

Hr. Herzfeld-Wien hat ähnliche Anschwellungen bemerkt, 
beidemal kam es zu einer Vereiterung. Die Inzision ergab, dass 
es sieb nicht um accessorische Milchdrüsen handelte. 

Hr. Polano-Würzburg demonstriert eine Missbildung, 
deren Abnormitäten (multiple Spaltbildungen, Verwachsung der aus 
diesen Organen prolabierten Organe mit den Eihäuten, Verkümmerung 
der Oberextremitäten, Verkrümmung der Wirbelsäule) sich ledig¬ 
lich auf die obere Fruchthälfte besohränkeiu Dies spricht für 
mechanische, exogene Entstehungsursachen, vielleicht Haltungs- 


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MBDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


anomalien der Frucht und Schädigung der normalen sekretorischen 
Fähigkeit des Ämnionepithels. 

Diskussion. Hr. Veit>HaUe fragt, ob hier nicht auch die 
Deutung durch Persistenz ursprünglicher Verbindungen zwischen 
Ghorion und Frucht möglich sei. 

Hr. W. Freund-Strassburg: 1. Drei Fälle yon Kompli¬ 
kation von Myom und Schwangerschaft. 

Zweimal wurde die Diagnose richtig gestellt, im 1. Fall aus 
der sehr charakteristischen Auflockerung im Collum und allgemeinen 
Intoxikationserscheinungen infolge Zersetzung der Myome (durch 
die Operation bestätigt); im 2. Fall war der Tumor intraligamentär, 
von dem deutlich vergrösserten aufgelockerten Uterus gut al^grenzbar. 
Der 3. Fall mit sehr hartem Fibromyom wurde erst bei der 
Operation (Amputatio uteri) diagnostiziert. 

2, Uterus unicollis bicornis bei 20jährigem Mädchen. 
Daneben grosses Carcinoma coli transversi, Ovarialtumor vor¬ 
täuschend. Resektion, primäre Heilung, später Elxitus an allgemeiner 
Carcinose. 

Hr. Gutbrod-Heilbronn demonstriert 1. das von ihm schon 
beschriebene Präparat von Totalexstirpation des kreissenden 
Uterus. 

2. Macerierten Fö tus einer verj suchten Extrauterin¬ 
gravidität im sechsten Monat. 

Exspektative Behandlung wegen Verweigerung der Operation. 
Im siebenten Monat Abgang der Decidua. Vom neunten Monat 
an normale Menses. Ein Jahr später spontane Geburt, dann 
plötzlich rapider Verfall und hohes Fieber infolge Bakterium coli- 
Infektion des extrauterinen Fruchthalters. Laparotomie, Exitus 
an Sepsis. 

Hr. E. Kehrer-Heidelberg: 1. Acardiacus completns 
bei hochgradigem Hydramnion. 

Geburt im achten Monat, vorher Abgang einer normal gebil¬ 
deten toten Frucht. 

2. Kombination von Mediastinal- und doppel¬ 
seitigem Ovarialtumor, deren ersterer wahrscheinlich der 
primäre war, trotzdem zuerst die beiden Ovarialgeschwülste zur 
Operation gelangten. Histologisch vielleicht Sarkom. 

3. Adenocarcinom des Corpus uteri, das sich in einem 
submucösen Myomknoten entwickelt hatte und denselben fast völlig 
substituierte. 

4. Heissluftapparat, in dem die Glühlampen durch 
Metallplatten ersetzt sind, um eine bessere Graduierung zu ermög¬ 
lichen. Der Apparat ist durch Dröll-Heidelberg zu beziehen. 

Hr. Hofmeier-Würzburg: Missbildung, die wegen unge¬ 
wöhnlicher Auftreibung des Abdomens die grössten Geburts¬ 
schwierigkeiten machte. Durch Flüssigkeit kolossal ausgedehnte 
doppelte Scheide sowie doppelter und getrennter Uterus. Blase 
und Urethra vorhanden, dagegen fehlt Anal- und Vaginalöffnung 
gänzlich. Einmündung des Rektums mit feinerem Gang im Septum 
beider Scheiden, die mit feiner Oeffnung kommunizierten. Beide 
Nieren und Ureteren dilatiert, letztere obliteriert an beiden Seiten 
der ausgedehnten Scheide. Entstehung: die Müllerscben Gänge 
haben den Sinus urogenitalis nicht erreicht, frühzeitige Flüssigkeits¬ 
ansammlung in denselben infolge Kompression von Rektum und 
Urethra, Hydronephrose, Ascites und Hydramnion. 

Hr. Schottländer-Heidelberg: Fall von Uterus bicornis 
(subseptus) unicollis mit Vagina subsepta und Cystenbildung, mit 
Drüsenwucherung im Gebiet des linken cervikalen und vaginalen 
Gartner-Gang-Abschnittes und gleichzeitig vorhandenen doppel¬ 
seitigen Tuboovarialcysten. Sch. will seinen Fall mit Hilfe der 
Fränkischen Erklärung deuten (Klin. Beitr., N. F., Nr. 363), 
ebenso kann die Kermaunersche Hypothese (Archiv f. Gynäkol., 
Nr. 78) hier vielleicht Klarheit schaffen. (Wird ausführlich ver¬ 
öffentlicht.) 

Hr. Gauss-Freiburg i. B. demonstriert seinen neuen Becken¬ 
messer zur direkten Messung der Conjugata obstetrica. 

Sektion 16. Ihr innere Medicin, Pharmakologie, Balneologie und 

Hydrotherapie. 

Sitzung vom 19. September, nachmittags 3 Uhr. 

Vorsitzender: Herr Meyer-Wien. 

1. Hr. Romberg-Tübingen: Ueber die Diagnose der 
beginnenden Schrumpfniere. 


Ueber den Beginn der Schrumpfniere kann die anatomische 
Untersuchung allein Aufschluss ge^n, es bleibt fraglich, ob der 
Untergang der GlomeruU oder die Bindegewebswucherung das 
Primäre ist. Die experimentelle Forschung hat bis jetzt keine 
wesentlichen Resultate gefördert, experimentell hat bis jetzt 
Schrumpfniere nicht erzeugt werden können. Schlayer zeigte, 
dass die akute Nephritis bald Gefksse, bald Epithelien zuerat trifft, 
später verwischt sich der Unterschied. Glomeruli und intersti¬ 
tielle Gewebe verhalten sich bei der Schrumpfniere stets in der¬ 
selben Weise, während das Verhalten der Epithelien verschieden 
ist; dieser Umstand weist anf Gefässveränderungen als erste Ur¬ 
sache der Schrumpfniere hin, welche zuerst die GlomeruK zum 
Schwund und später das interstitielle Gewebe zur Wucherung 
bringen. Von diesem Standpunkt aus erscheint die Abgrenzung 
der arteriosklerotischen Schrumpfniere als besondere Form nicht 
gerechtfertigt, auch die tiefere Einziehung der Nierenoberfläche 
stellt keinen wesentlichen Unterschied dar. Im Beginn ist die 
Trennung der genuinen und arteriosklerotischen Schrumpfoiere 
überhaupt schwierig. Die Arteriosklerose bewirkt lediglich eine 
starke Disposition zur Schrumpfniere durch ihren ungünstigen Ein¬ 
fluss auf die Ernährung der Gewebe, sie folgt nicht selten erst 
der Scbrumpfhiere. Wichtig ist die Zusammenfassung klinischer 
und anatomischer Befunde, wie sie Romberg an 16 Fällen durch- 
geführt hat. Eis handelt sich hauptsächlich um Untersuchung 
früher Stadien, solche fludet man hauptsächlich bei frühem Tod 
an Herzschwäche. Dies tritt häufig ein, weil das Schrumpfnieren¬ 
herz infolge der Notwendigkeit, grosse Widerstände zu überwinden, 
leicht ermüdet. Je früher das Herz versagt, desto mehr wiegen 
die kardialen Symptome gegenüber den direkt von der Niere aus¬ 
gehenden im Krankheitsbilde vor, während in späteren Stadien 
die urämischen Erscheinungen in den Vordergrund treten. Bei 
frühen Stadien weisen auf die gleichzeitig bestehende Schrumpf¬ 
niere Drahtpuls, erhöhter Blutdruck und Herzhypertrophie, niederes 
spezifisches Gewicht des Urins hin. Der Blutdruck braucht aber 
nicht immer erhöht zu sein, er kann sich bei Herzschwäche der 
Norm nähern. In noch früheren Stadien ist das Krankheitsbild 
ein reich kardiales, nur der Arteriendruck ist abnorm hoch, der 
zweite Arterienton akzentuiert, der Ham kann lange eiweiss- und 
zylinderfrei sein. Die anatomische Untersuchung solcher Fälle 
zeigt makroskopisch normales Verhalten, höchstens Stauung, mi¬ 
kroskopisch Verödung zahlreicher Glomeruli in ungleicher Ver¬ 
teilung auf die einzelnen Teile der Niere, das Bindegewebe ist 
gewuchert imd kleinzellig infiltriert, es lässt sich also nur durch 
die mikroskopische Untersuchung die Diagnose auf Schrumpfniere 
stellen. Die Anschauung, dass die Schrumpfniere durch Störungen 
des Kreislaufs entsteht, wird durch Untersuchung verschiedener 
Stadien bestätigt. In den Fällen von Romberg lagen weder 
Splanchnicusreizung, noch zentrale Erhöhung des Blutdrucks, noch 
Darmstörungen vor. die Differentialdiagnose war daher gesichert. 
Dass es sich bei diesen Fällen nicht um Stauuugserscbeinuugen 
handelt, beweisen 6 Fälle, in denen die Patienten nicht an Herz¬ 
schwäche starben and die gleichen Elrscheinungen aufwlesen. Ein e 
weitere Zahl von Fällen an fieberhaften Krankheiten gestorbener 
Personen, bei denen eine Erhöhung des Blutdrucks nicht bestand, 
ergab bei der Autopsie charakteristische beginnende Sohrumpfhiere. 
Die starre Wandbeschaffenheit der Arterien ohne Blntdrucksteige- 
rung hatte in diesen Fällen auf die richtige Diagnose geführt. 
Dieselbe fand sich auch in einem Fall Addisonscher Krankheit. 
Die Blutdrucksteigerung kann auch bei ausgebüdeten Fällen fehlen. 
Das wichtigste Prühsymptom ist also der Drahtpuls und Verände¬ 
rungen am Herzen, der Blutdruck braucht nicht gesteigert zu sein. 

Diskus sion. 

Hr. Vollhard-Dortmund: Die Ursache des erhöhten Blut¬ 
drucks ist die Gefässerkrankung, die Schrumpfung ist das Sekun¬ 
däre, die Erkrankung der Glomeruli ist das Charakteristische. 
Man sollte daher von einer chronischen Glomerulonephritis und 
nicht von einer Schrumpfniere sprechen; gerade die Schrumpfung 
kann man ja nicht nachweisen. 

2. Hr. Mankiewicz-Berlin spricht über Borovertin, ein 
neues Harnantiseptikum. Es soll das Urotropin und seine Surro¬ 
gate ersetzen und deren Nebenwirkungen nicht besitzen. Es ist 
ein borsaures Hexamethylentetramin, und zwar ein Triborat. Aut 


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1906. 


MEDIGINISCHS WOGHB. 


471 


die Anfrage, ob es sich um ein natürliches Salz handelt, antwortet 
M. mit ja, da die Borsäorefärbnng der Flamme nicht nachweisbar sei. 

3. Hr. Lustig'Meran: Ueber Arteriosklerose und 
deren Beziehungen zur Schrumpfniere. 

Die Ursache der Arteriosklerose ist üppige Lebensweise, be¬ 
sonders wenn sie mit Alkohol-, Kaffee-, Tee- und Tabakgenuss ver¬ 
banden ist. Die Arteriosklerose ergreift besonders diejenigen Or¬ 
gane, an deren ph 3 rsiologische Leistungen besondere Ansprüche 
gemacht werden und darum auch die Nieren. Die Kardinalsymp- 
tome sind erhöhter Blutdruck und Hamveränderungen. (Hier wird 
der Vortrag wegen abgelaufener Vortragsfrist unterbrochen.) 

4. Bb*. Lenhartz-Hamburg: Ueber akute und chro¬ 
nische Nierenbeckenentzündung. 

Die Hamnntersuchung gestattet nicht immer zwischen Pyeletis 
und Cystitis zu entscheiden; es ist daher wünschenswert, neben 
dem eingreifenden Mittel der Cystoskopie auch klinische Symp¬ 
tome kennen zu lernen, welche die Diagnose erleichtern. Bei 
seinen Untersuchungen an 60 Fällen von Pyelitis hat er sein Augen¬ 
merk hauptsächlich auf die Temperaturverhältnisse gerichtet. Das 
vorwiegende Auftreten der Pyelitis beim Weibe spricht für deren 
Entstehung durch Ascension von der Blase her. Von 60 Fällen 
wiesen $0 im Urin Reinkulturen von Bacterium coli, 3 Faratyphus, 
and 2 MilcbsäurebazUlen auf. Die Ansicht der Lehrbücher, dass 
die Temperatur keinen charakteristischen Verlauf habe, konnte L. 
nicht bestätigen. Heubner hat auf charakteristische Anfälle bei 
Kindern hingewiesen, die sich jahrelang hinziehen können, bei den 
Erwachsenen sind sie bis jetzt nicht genügend studiert. Unter 
seinen 60 Fällen waren 10 mit geringer Temperatursteigerung, 
14 hatten kurze, 4 —14 tägige einmalige FieberanfUlle oder leichte 
Remissionen, bei 20 Fällen traten typische Bückfälle mit hohem 
Fieber und Kolik auf, ohne dass eine Verlegung des Nierenbeckens 
bestand; in einem dieser Fälle waren beide Nieren erkrankt und 
die Kolik beiderseitig, was gegen Verlegung spricht, jeder dieser 
Anfklle war mit einer Vermehrung der Bakterien und mit Ver¬ 
mehrung des Harns verbunden. Nach seiner Auffassung handelt 
es sich bei diesen Rückfkllen also nicht um einen mechanischen I 
Vorgang, sondern um bakterielle Veränderungen des Nierenbeckens. 
Namentlich wenn der Druckschmerz nicht deutlich ausgesprochen 
ist, können derartige cyklische Anfhlle die Diagnose sichein. Auch 
sollte man mehr auf die Trübung des Harns und seinen Bak¬ 
teriengehalt achten. Die Entstehung der Rückfälle ist ähnlich 
wie bei den Gallensteinkoliken, bei denen auch das Bacterium 
coli eine grosse Rolle spielt, ohne dass es sich um Verlegung 
handeln muss, sondern nur eine gewisse Schwierigkeit der Passage 
durch den langen Kanal besteht. Die Art der Bakterien scheint 
bei den Anfällen belanglos zu sein. Jeder Pall wurde vor seiner 
Entlassung nochmals bakteriologisch untersucht, es ergab sich, dass 
meist wenige Fälle nicht ausheilen. Bei zwei Fällen trat Pseudo¬ 
rheumatismus auf, einmal mit steril serösem Erguss in beide Knie¬ 
gelenke. Klinisch geheilt wurden 40 Fälle, von denen die grössere 
Anzahl bei späterer Kontrolle noch Bakteriurie aufwies. Der me¬ 
chanischen Behandlung zieht Lenhartz die Ausspülung mit Mine¬ 
ralwasser oder Lindenblütentee vor. 

Disk ussion. 

Hr. Müller-München: Verstopfung und Erkältung spielen 
eine Hauptrolle bei der Entstehung der Pyelitis, ersteres scheint 
gegen die ausschliessliche Entstehung durch Ascension von der 
Blase her zu sprechen. Die Therapie muss mit der Hebung der 
Verstopfung beginnen. Er fand ebenfalls häufig das Bacterium 
coli in verschiedenen Varietäten, die zum Teil meist gegenseitig 
agglutinierten. Die Bakteriurie ist eine Ausgangsform der Pye¬ 
litis, Sie kann zu Blutdrucksteigerung und zu Schrumpfniere 
führen. Verwechslung mit Typhus ist nicht selten und durch die 
Aehnlichkeit seiner Erreger mit dem Colibazillus begründet. 

Hr. Nauny n-Baden-Baden : Die Pyelitis ist auch bei Männern 
nicht selten. Die Beziehung zur Nephritis äussert sich in häufiger 
starker Albuminurie bei anscheinend reiner Pyelitis, sie deutet auf 
starke Schädigung der Niere hin. Die Atrophie der Niere ist nach 
Pyelitis und chronischer Cystitis häufig. 

Hr. Goldberg-Wildungen: Wenn die Fälle katheterisiert 
wurden, so kann es sich um Katheterfieber gehandelt haben, das 
ganz ähnliche Fieberanfälle macht. Auch er sah auf Bakteriurie 


Schrumpfhiere folgen. Die Schwierigkeit der Diagnose liegt bei 
den chrönischen Fällen, wo das Hilfsmittel des Fiebers wegfällt. 
Die einmalige Cystoskopie ist nicht ergreifender als zahl^iohe 
Katheteranwendungen. 

Hr. Mohr-Berlin: Nicht selten liegen Entwicklungsanomalien 
in Form von schiefer Insertion des Ureters vor, der sich bei ver¬ 
schiedenem Gh*ad abknicken kann. 


Hr. Lenhartz-Hamburg (Schlusswort): Der Gehalt an Albu¬ 
min übertraf mehrfach den Gehalt an Eiter, aber auch solche Fälle 
zeigten einen Rückgang auf Spuren. Der Fall mit Kniegelenk- 
erguss führte zu starker chronischer Veränderung der Niere mit 
Andeutnug vou Scbrumpfniere. Wegen der aetiologischen Be¬ 
deutung der Verstopfung behandelt auch er dieselbe mit salinischen 
Mitteln, sieht aber in der Verstopfung keinen Beweis gegen die 
Ascension und für die Ueberwandemng vom Darm her. Die Rolle 
der Entwicklung und die Bakteriurie als Ausgangsform erkennt 
er ebenfalls an. Seine Fälle wurden fast nie katheterisiert. Auch 
war Bakteriaemie selten, die bei Katheterfieber die Regel darstellt. 
Die Blasenspülung ist meist zwecklos, reichliches Trinken genügt. 
Die Rolle der Anomalien der Lage ist ihm bekannt. 


5. Hr. Clemm-Darmstadt: Ueber die Behandlung von 
Magen- und Darmerkranknngen mittels Kohlensäure- 
masaage. 

Die in den Darm oder Magen vorgenommene Einblasung von 
Kohlensäure vermittelst eines Apparates, der eine bestimmte und 
allmählich gesteigerte Dosierung zulässt, wirkt erweiternd auf die 
Blutgefässe, anregeud auf die Nervenendigungen und als Mitskel- 
reiz. Die Einblasung vemraacht behagliches Wärmegefühl und 
hebt den Appetit. Io Verbindung mit Massage ist die Kohlen- 
säureeiüblasung bei den verschiedensten Magen- und Darmerkran¬ 
kungen, selbst bei Appendicitis und Typhus von Nutzen, bei Atonie 
hebt sie das Gefühl des Schlottems der Därme auf. In Ver¬ 
bindung mit dem Heftpfiaatergürtel .Enterophor“ ist sie auch als 
Mittel gegen Seekrankheit zu empfehlen. 


6. Hr. Sick-Tübingen: Experimentelles zur Prüfung 
der Magenfunktionen. 

Die Fortbewegung des Speiaebreis konnte beim Tiere experi¬ 
mentell längst genan studiert werden; die Röntgendurchleuchtung 
hat diese Untersuchungen auch beim Menschen gefördert. Grütz- 
ner hat weiterhin durch verschiedene Färbung der verschiedenen 
Mahlzeiten nachgewiesen, dass sich der Speisebrei der neuen mit 
demjenigen der alten Mahlzeiten noch im Magen mischen kann. 
Je nach der Lage der Sonde mnss also ein verschiedener Speise¬ 
brei genommen werden, entsprechend werden die Befunde der 
Acidität und fermentativen Kraft verschieden aasfallen. Diese 
Fehlerquellen veranlassten Sick zur Untersuchung der sekreto¬ 
rischen Verhältnisse beim Gesunden und Kranken mit einer Aspi¬ 
rationsmanometersonde, welche in einer Sitzung den Druck ab¬ 
zulesen und Darminhalt zu aspirieren gestattet. Im Pylorus und 
Fundus waren von vornherein verschiedene Ergebnisse zu erwarten. 
Die Sonde gelangt in den Pylorus durch rechte Seitenlage und 
Verwendung einer sehr langen weichen Sonde. Kontrolliert wird 
die Lage der Sonde ferner durch Messung des Drucks, der im 
Pylorus und Fundus verschieden ist. 


Bei einfacher Superacidität herrschen ebenfalls Druck-Gegen¬ 
sätze zwischen Pylorus und Fundus. Bei Atonie des Magens sind 
die Druckverhältnisse weniger verschieden. Die fraktionierte Aus¬ 
hebung des Magensaftes ergab beim Gesunden, selbst bei dick¬ 
flüssiger Kost, eine auffallende Schichtung und Sedimentierung des 
Mageninhaltes. Der Pylorus ist im Anfang völlig frei von Sekret, 
später ebenso der Fundus. Die Magensekretion beginnt im Fundus 
und hat stets hohe Werte im Pylorus, selbst gegen Ende der Ver¬ 
dauung ergeben. Bei Superacidität und Supersekretion steigt 
die Acidität im Pylorus noch, während sie im Fundus bereits nach¬ 
gelassen hat. Das pathologische Moment dieser Störungen ist 
darin zu suchen, dass der Speisebrei zu sauer in den Pylorus und 
in den Darm gelangt. Der Satz, dass die Magendrüsen überall 
gleichzeitig stark secemieren, lässt die bisherigen Anschauungen 
über Superacidität und Supersekretion hinfllUig erscheinen. Bei 
Krebs findet man keinen durchgreifenden Gegensatz zwischen 
Pylorus und Fundus, ebenso bei Atonie. 


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472 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


7. Hr. Weiss-Karlsbad: Die Arbeit des gesunden und 
kranken Dickdarms. 

Die Arbeit des Dickdanns geht streckenweise vor sich, die 
Grösse der Arbeitsstrecke ist um so geringer, je kräftiger der 
Muskel arbeitet und umgekehrt. Die Arbeitsstrecken des Dick¬ 
darms sind bei denselben Individuen gleich gross, was auf eine 
Bestimmung ihrer Grösse durch das Nervensystem hinweist. Die 
Innervation ist doppelseitig. 

Abteilung f&r CliiniTgie. 

3. Sitzung, Donnerstag, 20. September 1906, nachm. 

13. Hr. Lorenz-Wien: lieber die Behandlung der 
Arthritis deformans cozae. 

Das Leiden, im wesentlichen ein Oberflächenprozess, eine 
Ausleierung des Gelenks darstellend, ist klinisch gekennzeichnet 
durch Adduktionshinken, leichte Beugekontraktur, iliakle Luza- 
üonstendenz, d. h. gewissermaßen perpetuiertes Trendelenburg- 
sches Phänomen. Ausser Schmerz durch Reibung besteht auch 
Zerrungsschmerz, indem das Gelenk den Belastungswiderständen 
keine genügende innere Festigkeit entgegensetzt. Anstatt der 
schablonenhaften Eztension Supension, welche das Gelenk seiner 
Funktion entzieht und zu Knochen- und Muskelatrophie führt, ist 
das Gelenk in überstreckter, mechanisch günstigerer Stellung zu 
fixieren in einem Gipsverband, der Abduktionsübungen und Gehen 
gestattet und nach 4—8 Wochen durch eine Koxitishülse ersetzt 
wird, neben Massage und aktiven und passiven Abduktions- und 
Hyperextensionsübungen. Nur bei ankylotisch gewordener Ab¬ 
duktionskontraktur entschliesse man sich zur Operation und zwar 
zur subkutanen subtrocbantem Osteotomie. 

Diskussion: Herr Bade-Hannover erinnert an seine früher 
gegebene p^hologisch-anatomisehe Einteilung der Arthritis defor¬ 
mans in hypertrophische und atrophische Formen, deren jede 
konzentrisch oder exzentrisch sein kann. Hülsenapparate verwendet 
B. seit 6 Jahren nicht mehr dafür, sah Gutes von Bewegungsüb¬ 
ung, z. B. Radfahren. — Herr Tilmann-Köln erzielt mit Heiss¬ 
luftbehandlung (60—140®), nebenBewegung, Abnahme der Schmerzen 
und Zunahme der Beweglichkeit. 

14. Hr. V. Aberle-Wien: Ueber das modellierende 
Redressement des Klumpfusses Erwachsener. 

Vortr. erläutert die Leistungsfähigkeit des Osteoklasten an 
erfolgreich korrigierten Füssen. Am vertikal eingespannten Fuss 
wird erst die Inflexion beseitigt, dann in horizontaler Lage die 
Varusstellung und dann mit dem Schulz eschen Hebeldruckbrett 
die Spitzfussstellung; wichtig ist die Nachbehandlung. 

Diskussion: Herr E. Müller-Stuttgart bevorzugt die 
Keilexzision mit event. offener Tenotomie der Weichteile. Statt 
4 bis 6 Monate braucht man nur 6 bis 8 Wochen zur eigent¬ 
lichen Behandlung. Der Fuss wird, ohne Nachteil, etwas verkürzt, 
kann aber vor allem dann gut abgewickelt werden. — Herr 
V. Aberle betont, dass seine Patienten während eines grossen Teiles 
der unblutigen Behandlung umhergehen können. 

15. Hr V. Truhart-Dorpart: Aetiologie und Patho¬ 
genese der Pankreashämorrhagien. 

Vortr. hält die Pankreasblutungen für keineswegs selten und 
für sehr bedeutungsvoll. Ein unbedeutendes Trauma könne eine 
unbedeutende Hämorrhagie verursachen und das Trypsin greife 
dann die geschädigten Blutgefässe an: das führe dann zu Zer¬ 
störungen und grösseren Hämorrhagien. 

16. Hr. Samter-Königsberg: Zur traumatischen Ent¬ 
stehung und zur operativen Behandlung derSerratus- 
lähmung. 

Der N. thoracicus longus wird zwischen Proc. coracoideus und 
Rippe anscheinend leicht lädiert, d. h. eingeklemmt. Bei einem 
Kind mit Serratuslähmung (nur die obersten Zacken reagierten) 
verpflanzte S. die abgelöste Sehne der kostosternalen Pektoralis- 
portion an den unteren Skapulawinkel (Bohrlöcher); am 12. Tag 
war bereits regelrechte Bewegung möglich. Bei der Nachbehand¬ 
lung nach der Operation muss der Arm eleviert werden zwecks 
Entspannung des Nerven und Verhütung von Narbenkontraktion. 


Die Operation käme event. auch bei manchen Formen von Schulter¬ 
blatthochstand in Betracht. S. rät den Neurologen, bei ihren 
Serratuslähmungen frühzeitige Elevation des Arms, wenigstens 
nachts, anzuordnen. 


Sitzung der naturwiMensohaftliohen Hauptgruppen 

vom 20. September 1906. 

Referent Dr. F. Rosenfe Id-Stuttgart. 


Auf Nachmittag 4 Uhr wareine Sitzung der naturwissen¬ 
schaftlichen Hauptgruppen gelegt worden. Redner waren 
Zsigmondy-Jena über Colloidchemie mit besonderer 
Rücksicht der organischen Golloide und Wolfgang 
Pauly-Wien über Beziehungen der Colloidchemie zur Physio¬ 
logie. 

Hr. Zsigmondy führte aus: Die Grundlagen der Colloid¬ 
chemie hat Thomas Graham in zwei Arbeiten gegeben, welche 
die erste umfassende Charakteristik der colloidalen Stoffe ent¬ 
halten, und in welchen auf die Unterschiede zwischen Kristall- 
oiden und Colloiden, „den zwei verschiedenen Welten der Materie“, 
mit Nachdruck hingewiesen wird. 

Der Colloidziistand ist aber nicht bloss auf die organische 
Materie beschränkt; es existieren auch zahlreiche anorganische 
Colloide, die für die Erforschung des Colloidzustandes besondere 
Bedeutung gewonnen haben. Fast jedes Colloid existiert iu 
zweierlei voneinander verschiedenen Formen : als Hydrosol (colloidale 
Lösung) und als Hydrogol, von gallertartiger oder schwammiger 
Beschaffenheit, eine Zwischenstufe zwischen festem und flüssigem 
Zustand darstellend. Die Bedeutung der Colloidchemie für die 
Biologie ergibt sich daraus, dass alles Leben an den CoUoidza- 
stand gebunden ist, für ^e Landwirtschaft daraus, dass der 
Ackerboden Colloiden die Fähigkeit verdankt, Nährsalze zurückzu¬ 
halten und der Pflanze zuzuführen. 

Redner hebt hervor, dass die Anwendung physikalisch-che¬ 
mischer, insbesondere physikalischer Methoden, einen tieferen 
Einblick in die Natur der CoUoide gewährt habe. So konnte mit 
Hilfe der von Siedentopf und Zsigmondy ausgearbeiteten 
Methoden der Sichtbarmachung und Grössenbestimmung ultra¬ 
mikroskopischer Teilchen nicht nur die von vielen Forschem vor¬ 
ausgesetzte Heterogenität der Hydrosole erwiesen werden, es war 
auch mit Hilfe derselben möglich geworden, zahlreiche interessante 
Aufschlüsse über die Grösse, die Farbe, das Verhalten dieser 
Teilchen zu erhalten. Es konnte aber auch gezeigt werden, dass 
die optische Inhomogenität der Materie mit zunehmender Zer¬ 
teilung immer mehr abnimmt, und dass bei Teilchengrössen, welche 
den molekularen gleichkommen, alle Zerteilungen homogen er¬ 
scheinen müssen. Teilchen, welche im Ultramikroskop noch ein¬ 
zeln sichtbar gemacht werden können, werden als Submikronen, 
andere dagegen, die nicht mehr einzeln zu sehen sind, als 
Ämikronen bezeichnet. 

Nun bespricht der Verfasser die Publikationen van Bemme- 
len’s, der das Gebiet der Absorption erschlossen hat. Von van 
Bemmelen und anderen ist dann gezeigt worden, dass viele 
Körper, die früher für chemische Verbindungen gehalten waren, 
in Wirklichkeit innige Mischungen oder „Absorptionsverbindungen“ 
sind. Ein typisches Beispiel für eine derartige Absorptionsver¬ 
bindung bietet der Cassiussche Purpur, der selbst von Ber- 
zelius für eine chemische Verbindung gehalten worden war, von 
anderen aber für ein Gemenge von Gold mit Zinnsäure, was 
Redner bewiesen hat. 

Die Colloidteilchen sind meist elektrisch geladen, und ihre 
Ladung spielt bei den Reaktionen der Colloide eine hervorragende 
Rolle. Entgegengesetzt geladene Teilchen fällen einander aus 
unter Bildung von Niederschlägen, und ahmen hierin chemische 
Reaktionen oft täuschend nach. 


Für die Auffassung der Ferment- und Enzymwirkungen als 
heterogene Katalyse sind die Untersuchungen Bredigs wichtig 
geworden, der mit seinen Schülern zeigen konnte, dass colloide 
Metalle gerade so wie Fermente das Wasserstoffsuperoxyd zu 
katalysieren vermögen, Reaktionen, die so weitgehende Analogie 
untereinander zeigen, dass starke Blutgifte sich auch als starke 
Platingifte erwiesen haben. 


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1906. 


MEDICn^ISCHB WOCHE. 


473 


Redner bezeichnet den von der CoUoidforschung erbrachten 
Nachweis der Diskontinuität colloidaler Lösungen als einen wesent¬ 
lichen Fortschritt in der Naturerkenntnis, dessen Wert durch die 
Existenz zahlreicher Uebergangsformen zwischen colloidalen und 
kristalloiden Lösungen noch erhöht wird. 

Bt. Pauly will sich auf die allgemeinen Gesichtspunkte be¬ 
schränken, möglichst wenig Hypothetisches bringen. 

Die lebendige Substanz stellt sich als ein Komplex ver¬ 
schiedenartiger gelöster oder verquollener Stoffe dar, so der lipoiden 
Lecithine und Cholesterine, der colloidalen Proteine, Enzyme und 
gewisser Salze, an deren richtiges Verhältnis und Zusammenwirken 
die Lebenstätigkeit geknüpft ist. Erst indem sich in diesem 
Komplex die Hauptgruppen trotz ihrer innigen Beziehungen zu 
einander eine nicht unbeträchtliche physiko-chemische Selbständigkeit 
bewahren, ist jener Parallelismus in den Eigenschaften toten und 
lebenden colloidalen Materials möglich. 

Ausser den Zeilen kommt aber auch der festen oder flüssigen 
Zwischensubstanz eine eminente physiologische Bedeutung zu als 
Träger von Emähmugsmaterial oder als Vermittler mechanischer 
Aufgaben. Zustandsänderungen der colloidalen Stoffe dieser 
eztracellularen Bestandteile bewirken auch Zustandsänderungen 
der in sie eingebetteten Zellen. 

Die Colloide des Organismus sind durch einen verwirrenden 
Reichtum vom physikalischen Zustandsänderungen ausgezeichnet. 
Zur Gruppe der Colloide gehören z. B. auch die Eiweisskörper. 

CoUoidale Zustandsänderungen im Tierkörper gehen mit Hilfe 
von Enzymen vonstatten. Entweder werden sie von ihrer Resorption 
oder Verteilang in diffusibles Material zerlegt, oder kristalloide 
Substanzen im colloidaler Form aus dem Stoffwechsel heraus in den 
Zellen deponiert. 

P. stellt nun drei Leitsätze auf, die er dann einzeln bespricht. 

1. Eiweiss weicht im Verhalten gegen Elektrolyts von den 
anorganischem Colloiden ab und zeigt besondere Gesetzmässigkeiten. 

2. Gegen anorganische Colloide verhält es sich hingegen 
ähnlich wie diese untereinander. 

3. Durch verschiedene Einwirkungen können den Eiweisskörpern 
bis zu einem gewissen Gh’ade die Eigenschaften anorganischer 
Colloide gegen Elektrolyte erteilt werden. 

Die Proteinkörper sind gegen Neutralsalze der Alkalimetalle 
und alkalischen Erden ziemlich unempfindlich. Vergleicht man die 
Fällung des Eliweisses durch Elektrolyte mit der des Calciumchlorids 
z. B., so ist das Eiweiss fast 100000 mal weniger empfindlich als 
das colloidale Metall. Ferner zeigt gereiuigtes Eiweiss keinerlei 
merkliche elektrische Ladung. Man kann ihm aber durch die 
positiven H-Ionen verdünnter Säuren eine elektropositive (und 
vice versa) Ladung erteilen, ohne dass das Eiweiss ausfällt Erst 
bei hohen Konzentrationen von Salzen der Alkalien tritt Eiweiss¬ 
fällung auf. Bei näherem Studium zeigt es sich nun, dass die 
beiden Salz-Ionen antagonistisch wirken, die Metall-Ionen fUUend, 
die Säure-Ionen hemmend. So kommt die Reihe zustande Fluorid, 
Sulfat, Tartiat, Acetat, Chlorid, Bromid, Jodid, Rhodanid. Die 
Fluoride usw. sind starke Eiweissfäller, die Jodide, Rhodanide 
etc. hindern diese Fällung. Der Angriffspunkt dieser Fällungen 
liegt nach Hofmeister und Spiro in dem Lösungsmittel. 

Dieselbe lonenreihe erscheint auch bei den eigenartigen Zu- 
standsändemngen von Leim und Agar. Und zwar machen die 
Sulfate etc. die Gelatine fester, während die Rhodanide etc. den 
Gelatinierpunkt erniedrigen. 

Proteinlösungen werden auch durch Schwermetallverbindungen, 
Fe-, Ca-, Zn-, Pb-, Hg-Ag-Salzegefällt, und zwar in sehr niederen 
Konzentrationen. Parallel mit dieser grossen Empfindlichkeit der 
Eiweisskörper geht auch die Empfindlichkeit vieler Pflanzen and 
Tierzellen gegen diese Verbindungen, welche als Gifte wirken. 

Infolge des colloidalen Charakters der Schwermetallprotein- 
verbindnng und ihrer Irreversibilität bei der Verdünnung mit 
Wasser wird das Schwermetall auch aus grossen Verdünnungen 
allmählich von den Zellen aufgenommen und kann sich, ohne dass 
der Zutritt von neuem Schwermetall gehemmt oder das bereits 
hn Plasma deponierte wieder in Freiheit gesetzt wird, schliesslich in 
den Zellen bis zur schwersten Vergiftung anhäufen. So kommt 
es, dass hochgradige Verdünnungen der Ca-, Ag- und Hg-Salze 
(1; 1000 Millionen) genügen um Mikroorganismeu zu schädigen 


und schliesslich zu töten, während z. B. Strychninnitrat in Ver¬ 
dünnungen unter 1 : 10000 für Pflanzenzellen harmlos ist. 

Dem Charakter einer Colloidreaktion entspricht es auch, dass 
ein Ueberschuss von Mikroorganismen (Spirogyren) die übrigen 
vor der Einwirkung der verdünnten Schwermetalllösung bewahrt, 
und dass der gleiche Schutz von verschiedenen anderen, erfahrungs- 
gemäss Colloide leicht aufnehmenden Substanzen aasgeübt wird, 
so von Kohle, Schwefel, Torf, Braunstein u. a. m. 

Aus dem colloiden Charakter der Immunkörperreaktion lassen 
sich auch ihre allgemeinen Gesetzmässigkeiten herleiten. So wird 
z. B. die Agglutination dadurch bewirkt, dass die Bakterien, welche 
sonst die colloidalen Merkmale ihrer Eiweisskörper besitzen, unter 
Aufnahme von Agglutinin, einem spezifischen colloidalen Bestandteil 
des Serums der vorbehandelten Tiere, durch geringe Salzzngaben 
ausgefällt werden. 

Wie colloidales Material von lebenden Zellen aufgenommen 
wird, beweisen Versuche von Douwe, der künstliche Zellen mit 
festen Eiweisswänden hergestellt hat, in welche Pepsin ans der 
Umgebung durch Absorption eindringt. 

P. bespricht dann die Einwirkung der Neutralsalze der Al¬ 
kalien in vitro und im Organismus. Er unterscheidet Ionenpro- 
teide und solche, die ihr Analogon besitzen in der reversiblen 
Salzeiweissfällung. 

Die lonenproteide spielen eine Rolle bei der künstlichen Par¬ 
thenogenese J. Loeh’s etc. Doch sind sie im allgemeinen noch 
wenig erforscht. Jedenfalls lässt alles Vorgetragene erkennen, 
dass die Colloidcbemie, wie kaum ein zweites Gebiet, den Forscher 
in ständiger Berührung mit den verschiedenartigsten Problemen 
der Biologie erhält, offenbar weil sie nahe heranreicht an die 
Fundamente der Lebenserscheinnngen. 


Oemeinsame Sitzung der Abteilungen fbr innere Medizin, Chi¬ 
rurgie, Gynäkologie, Henrologie, Ohrenheilkunde nnd Militär- 

sanitätswesen. 

Dienstag, den 18. September 1906. 

Referent: R. Grashey-München. 

Ueber den Einfluss der neueren deutschen Unfall¬ 
gesetzgebung auf Heilbarkeit und Unheilbarkeit der 
Krankheiten. 

Herr Nonne-Hamburg: ftir posttraumatische Erkrankungen 
im Rückenmark. 

Herr Ganpp-München: für Psychiatrie. 

Herr Baisoh-Tübingen: für Gynäkologie. 

Herr Thiem-Cottbus: für Chirurgie. 

Herr Nonne hat seit 1903 aus Eppendorf und Privat¬ 
praxis 667 einschlägige Begutachtungsfälle gesammelt. Bei den 
Unfallsneurosen fiel ihm, im Gegensatz zur Mannigfaltigkeit des 
Materials, die Monotonie des Symptomenkomplexea auf: Subjektiv 
Kopf-, Rüokenschmerz, Schwindel, allgemeine motorische Schwäche, 
Schlafstörung, oft Herzbeschwerden; Energie- und Mutlosigkeit, 
Streben nach Rente; objektiv sehr wenig, meist lebhafte Sehnen¬ 
reflexe, mehr weniger Erhöhung der vasomotorischen Erregbarkeit 
an Peripherie und Herz, vage Sensibilitätsstörungen, inkonstante 
Gesichtsfeldeinschränkung massigen Grads u. a.; es fehlen in der 
Regel die sonst bei Neurasthenie zu findenden Zwangsvorstellungen, 
Magen-, Darm- und Sexualbeschwerden. Ebenso ist klassische 
Hysterie selten Grandlage. Alle diese neurasthenischen 
Unfallhypochonder verraten schon in ihrem Gesichtsausdrnck 
eine gewisse Familienähnlichkeit, wie Vortr. an Lichtbildern an¬ 
schaulich macht. Er zeigt ferner eine grosse Anzahl von Hand¬ 
verstümmelungen und Versteifungen, deren Träger (ohne Renten- 
anspnich) volle Arbeit leisten, erwähnt ferner einen Pall von 
Kopftranma mit Trepanation und Ausräumung eines extraduralen 
Haematoms, der rasch wieder voll arbeitsfähig wurde — im Gegen¬ 
satz zur subjektiven Arbeitsbeschränkung unbedeutend verletzter 
Rentenbewerber. Das Rentensystem wirkt nachteilig insofern, 
als die Leute nicht selten Alkoholisten werden. Die Möglichkeit 
einer einmaligen Abfindung sollte gesetzlich erweitert werden; 
bei Berufungen, die als ungerechtfertigt abgewiesen werden, sollte 
der Bewerber einen Teil der Kosten des Appelationsverfahrens 


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474 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


trageo. Durch langsame stufenweise Herabsetzung der Heute 
kann man oft viel erreichen, durch schroff aberkennende Beurteilung 
dagegen sehr schaden. Ein Missstand ist, dass der Kranke eine 
Abschrift der Obergutachten eingehändigt bekommt. 

Von traumatischen organischen Rilckenmarkskrankheiten beob* 
achtete Vortr. vier Fälle sicher luesfreier Tabes; ferner Myelitis 
chronica, Poliomyelitis anterior, amyotropbische Lateralsklerose, 
ferner zwei eindeutig traumatische Fälle von multipler Sklerose. 

Herr Gaupp hebt hervor, dass anerkanntermaßen die trau¬ 
matischen Neurosen keine Bilder von absoluter klinischer Selbst¬ 
ständigkeit abgeben, und dass diese Neurosen nach Uni^llen ver¬ 
schiedenster Art (hinsichtlich Ort und Stärke) auftreten. Es ist 
doch merkwürdig, dass man nach Mensuren, nach Kopfverletzungen 
mit Bierkrügen etc. diese Neurosen nicht beobachtet. In ihrer 
Häufigkeit und Hartnäckigkeit kennt man sie erst seit Inkraft¬ 
treten der Unfallgesetzgebung. Die geringen objektiven Symptome 
kann man bei vielen sonst Gesunden beobachten. Es müssen 
seelische Vorgänge dazukommen, um das Bild der ünfallneurose 
zu erzeugen. Der Kranke hat die Ueberzeugung, dass er nicht mehr 
arbeiten könne. Begünstigend auf Entstehung dieser Vorstellung 
wirken chronischer Alkoholismus, Monotonie der Arbeit, gespanntes 
Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber. Es liegen durch¬ 
aus nicht etwa bloss unmoralische Motive, sondern auch falsche 
Auffassungen vor, vermeintlicher Anspruch auf eine Rente als 
Schmerzensgeld. Sehr \ingünstig wirken auf den Arbeiter der 
Einblick in die Uneinigkeit der Aerzte, deren widersprechende Gut¬ 
achten er zu lesen bekommt, die häufigen Untersuchungen, die 
ihn immer in Spannung erhalten. Man setze die Rente nicht zu 
hoch an; psychische Beruhigung und Hebung des Selbstbewusstseins 
sind Aufgaben des Arztes. Eis ist ein Kunstfehler, dem Kranken 
zu sagen, sein Zustand sei aussichtslos. Die Unfallgenossenschaft 
sollte das Recht haben, 2—3 Jahre nach dem Unfall, nach An¬ 
hörung eines Kollegiums von Aerzten, die zum Teil den Fall schon 
vorbegutachteten, den Pat. mit einer Summe abzufinden, wenn die 
Verletzungen selbst völlig geheilt sind und die übrigen Störungen 
objektiv sich nicht verschlimmerten, und (eventuell) wenn nach 
Ausspruch der Aerzte die endgültige Erledigung auch im Interesse 
des Kranken selbst gelegen ist. — Direkt nach jedem Unfall 
sollte eine genaue Feststellung des Befundes ärztlicherseits erhoben 
werden. 

Herr Baisch stellt fest, dass die früher seltenen Unfall¬ 
begutachtungen seit Einführung der Unfall- und der Invaliden¬ 
versicherung auch auf gynaekologischem Gebiet immer häufiger 
werden. Obwohl der Zusammenhang von Hysterie und Neurasthenie 
mit Genitalerkrankungen zu negieren ist und auch die Verschlim¬ 
merung eines gynaekologischen Leidens durch Trauma selten Wahr¬ 
scheinlichkeit hat, gelingt es Kranken, die ihr Ziel beharrlich 
verfolgen, nicht selten, hohe Renten herauszuschlagen. Auch 
Laparatomieu wurden ausgeführt, um die scheinbaren traumatischen 
Veränderungen zu beseitigen; sie wurden nicht gefunden und die 
Beschwerden nicht beseitigt. Es. ist eben schwer, bei geringem 
Untersuchungsbefund eine anatomische Veränderung sicher aus- 
zuschliessen. Man muss zum mindesten versuchen, den Begehrungs¬ 
vorstellungen der Versicherten durch Gegenvorstellungen entgegen¬ 
zutreten. 

Herr Thiem bedauert, dass die Unfallversicherung sich des 
Verletzten erst von der 14. Woche an annehmen muss, dass man 
eine primäre und eine Nachbehandlung voneinander trennt. Die 
erste chirurgische Behandlung ist entscheidend und 
leider oft mangelhaft, sie sollte in Unfallkrankenhäusem oder in 
besteingerichteten Kliniken erfolgen; die Karenzzeit sollte beseitigt 
werden; namentlich bei Landarbeitern, die sich solange selbst 
versorgen müssen, zeigt sich deren schädliche Wirkung. Der 
medikomechanischen Behandlung, die nur ein wertvoller Faktor 
neben vielen anderen ist, wird vielfach zu grosse Bedeutung bei¬ 
gemessen. Unsere Kenntnis bezüglich der Unfallverletzuugen ist 
durch die geregelte ärztliche Kontrolle der Kranken sehr gefördert 
worden, auch die Therapie wesentlich beeinflusst worden (Verzicht 
auf allzu konservative Behandlung von Hand Verletzungen, auf 
anatomische Heilung der Brüche etc.). Ebenso haben sich unsere 
Kenntnisse seit Einführung der Unfällgesetze erweitert hinsichtlich 
der Wechselwirkung von Trauma und Krankheit. Wo derZusammen- 
hang unklar (z. B. Leukaemie), sollten w'ir unsere Unkenntnis ruhig 


eingestehen und lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs 
zugeben. 

Diskussion: HerrRumpf-Bonn beklagt dieQualitätmancher 
Unfallgutachten und betont die Notwendigkeit geeigneten Unter¬ 
richts. Zu bedauern ist ferner, dass Arbeitswillige so schwer 
Arbeitsgelegenheit finden, und dass die Rentenbewerber solang 
mit den Entscheiden hingehalten werden. Er beobachtete von 
anatomischen Erkrankungen 6 Wirbelbrüche, ferner traumatische 
Verschlimmerung von Syringomyelie, Tabes dorsalis, multipler Skle¬ 
rose, dann verhältnismäßig häufig Schädelbasisfrakturen mit bleiben¬ 
den Folgen, neben anderen Genesenen. Man solle bei der Renten¬ 
abmessung nicht rigoros vorgehen, die Rente ganz langsam mindern 
und die psychische Behandlung nicht ausser acht lassen. — Herr 
Oppenheim-Berlin findet einen Widerspruch darin, dass einer¬ 
seits unbedeutende Traumen schwere Erscheinungen nach sich 
ziehen und andererseits bei Entstehung der traumatischen Neurosen 
nicht das physikalische Moment, sondern sekundäre psychische 
Faktoren als eigentliche Erzeuger des Leidens betrachtet werden 
sollen. Das mechanische Moment des Traumas scheint doch in 
allen Fällen wesentlich zu sein, wenngleich psychische Faktoren 
hinzutreten. Das ganze Nervensystem bildet anatomisch und funk¬ 
tionell eine Einheit, und auch ein Trauma, das am Fuss angreift, 
kann auf dem Wege der mechanischen Erschütterung das Zentral¬ 
nervensystem tangieren. — Herr Bruns-Hannover betont, dass 
die moralischen Minderwertigkeiten nicht nur bei Arbeitern, sondern 
auch bei Privatversicherten zu beobachten sind. Werden die 
Hoffnungen der unbegrenzt Begehrenden getäuscht, so sieht man 
nicht selten schwere Herzstörungen. Bei der Rentenbemessung 
ist B. im Laufe der Zeit strenger geworden. Der Wille macht 
ungemein viel aus, das sieht man bei verunglückten Offizieren, 
die über die hemmenden Vorstellungen hinwegkommen. Einseitige 
mechanische Behandlung ist nicht zu befürworten. Es wäre 
anzustreben, dass das Produkt der wieder geleisteten Arbeit für 
den Arbeiter direkt Geldeswert bekommt, dadurch würde er ange¬ 
spornt, seine Arbeitskraft besser zu entwickeln. Es ist schade, 
dass man — nach Reichsversicherungsentscheidung — die Rente 
nicht lediglich zu dem Zwecke kürzen darf, um manche Patienten 
zur Arbeit zu bringen. Andererseits sollte niemals ein Versicherter 
ab irato beurteilt werden. 


Literarische Monatsschau. 

Augenheilkunde. 

(Schloss.) 

Besser ergeht es offenbar dem neuesten Ersatzpräparat des 
Kokains, dem Alypin. Castresana berichtet aus de Madrider Uni¬ 
versitäts-Augenklinik^*) sehr Günstiges: Operationen an den Lidern, 
Staroperationen, Sphinkterektomleen, Enukleationen (ohne Chloro¬ 
form!), Spaltung des Tränenkanals lassen sich mit 4proz. Alypin- 
lösimg absolut schmerzlos ausführen. Auch Castresana rühmt dem 
Alypin gegenüber dem Kokain völlige Ungiftigkeit, gute Sterilisier- 
barkeit und vorzügliche anaesthesierende Kraft nach; Brennen beim 
Einträufeln beobachtete er nicht. Haass^®) sagt dem Alypin die¬ 
selben Vorzüge nach: völlige Ungiftigkeit und absolute Zuverlässig¬ 
keit bei allen Operationen am Bulbus und seinen Adnexen, so dass 
er Kokain gar nicht mehr benutzt. Ebenso enthusiastisch äussert 
sich Zimmermaun der u. a. mit subkonjunktivaler Alypin-Adrenalin- 
Einspritzung einen Bulbus schmerzlos enukleieren konnte. Wenn 
sich neben diesen lobenden Stimmen auch tadelnde hören lassen, 
so kann dies doch wenig ins Gewicht fallen, da sie in der Minder¬ 
zahl bleiben. Die Gewohnheit an ein altes, bewährtes Präparat wie das 
Kokain, eine daraus resultierende, in diesem besonderen Falle freilich 
grandiose Skepsis gegen neue Mittel, ein vielleicht nicht ganz ein¬ 
wandsfreies Präparat, nicht genügendes Vertrautsein mit der Anwen¬ 
dung des neuen Mittels und seine Dosierung, und schliesslich die nir¬ 
gends behauptete und auch nicht zu erwartende Tatsache, dass auch 

'*) El sig-lo medico, 19. 5. 06; vgl. Wochenschr. für Ther. und Hygiene 
des Auges. IX, 49 

1^) 'Wochenschr, L Therapie und Hyg. des Auges, IX, 60. 

Elin. Uonatsblättcr f. Augenheilkunde, Septbr. 1906. 

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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


475 


dem Aljrpin Mängel (aber weniger als dem Kokain nnd allen'seinen Er¬ 
satzmitteln) anhaften — all das mag der Grund fOr die Tadel sein, 
wie sie z. B. Sommer geäussert hat’®). Zu denen, die der Ver¬ 
wendung des Alypin das Wort reden, gehörtauch Fischer^*): hält 
man nach dem Einträufeln die Lider auseinander und sorgt dafür, 
dass der Kranke das Mittel durch Kneifen mit den Lidern nicht 
herauspressen kann, so genügen 1—3 Tropfen einer 3proz. Lösung, 
um Fremd körpereztraktionen aus der Cornea, Inzision von Cha- 
lazien etc. und auch Bulbusoperationen schmerzlos ohne die dem 
Kokain anhaftenden störenden Nebenwirkungen auszuführen. 

So viel erscheint nach den zahlreichen, in den letzten 1^/s Jahren 
über Alypin erschienenen Veröffentlichungen sicher, dass wir es 
hier mit dem zukunftsreichsten aller Kokain - Ersatzmittel zu tun 
haben. 

Schliesslich möchte idi noch über eine rein theoretische Arbeit 
referieren, die vielleicht berufen ist, unsere Anschauungen über 
das Zustandekommen der Farbenemphndungen auf ganz neue Bahnen 
überzuleiten, nämlich die geistreiche Abhandlung von Raehlmann 
(Weimar): Eine neue Theorie der Farbenempfindung auf anatomisch- 
physikalischer-Grundlage (Arch. f. d. ges. Phys., Bd. 112). 

Weder die Young-Helmholtzsche noch die Heringsche Farben¬ 
theorie halten sich an die anatomischen Einrichtungen der Netz¬ 
haut; diese Theorieen beruhen mehr auf philosophischen Speku¬ 
lationen und erklären zwar die Abhängigkeit der Gesicbtsempfin- 
dung von der Qualität des Reizes, aber nicht das Zustandekommen 
der Elmpfindung und die Reizübertragung auf die Nervensubstanz. 
Man kann sich nicht vorstellen, dass eine Stelle der Netzhaut, die 
kleiner als ein Zapfeuquerscbnitt ist, die qualitativen Differenzen 
aller sichtbaren Lichtwellen empfinden kann; diese Vorstellung ist 
nur möglich, wenn dieselbe Bewegungsphase der Lichtwelle stets 
denselben Zapfenteil erreicht, wenn Maximum und Minininm der 
Schwingung für dieselbe Lichtart an der gleichen Stelle des Zapfens 
liegen. — Die Lagerung der perzipierenden Schicht des Sinnes- 
epithels an der hinteren'Seite der Membran ist unzweckmäßig, 
da die Lichtwellen nun entgegengesetzt zur Richtung der Leitung 
auftreffen; dieses weitere Missverhältnis zwischen Anatomie der 
Netzhaut und physiologischer Funktion wird nur dann verständlich, 
wenn an der Aussenschicht der Retina eine Reflexion erfolgte, die 
Lichtstrahlen also von rückwärts her in eine entsprechend der Leitungs¬ 
richtung in die perzipierende Schicht gelangen. Die Erregung der 
Endorgane wtmde dann verständlich, wenn die Lichtstrahlen durch 
diese Reflexion derart vereinfacht wurden, dass der entstehende 
Erregungsvorgang dadurch mehrfach bestimmt wurde. Nun ist aber 
dieser hier theoretisch postulierte Reflektor anatomisch in den 
Aussengliedem des Stäbchen und Zapfen gegeben. Raehlmann 
wendet nun die Lehre von den stehenden Wellen, die bei der 
Lippraannschen Photographie in natürlichen Farben zur Anwendung 
gelangt, auf die Netzhaut an. Durch teilweise Reflexion an den 
Aussengliedem der perzipierenden Netzhautelemente kommt es zur 
Bildung stehender Wellen; die Reflexfläche wird durch phototrope 
Pigmentwanderung aus dem Pigraentepithel nach den Stäbchen und 
Zapfen zu isoliert, so dass seitliches Licht die Funktion benach¬ 
barter Zapfen nicht stören kann. Die bei Belichtung erfolgende 
Wanderung des Pigments nach innen ist bekannt. Der Reflex ist 
namentlich bei brünetten Individuen auch ophthalmoskopisch sicht¬ 
bar, zumal in der Gegend der Netzhautmitte, weniger in der 
Peripherie, was an der anatomischen Lagerung der Grenzflächen 
zwischen Innen- und Aussengliedem der Stäbchen und Zapfen liegt. 
Die, die Aussenglieder zusammensetzenden Plättchen führen durch 
die Reflexion an ihren Grenzflächen zu Interferenz der Lichtwellen 
und zur Bildung stehender Wellen, und damit zu der phisiologisch 
so notwendigen Richtungsänderung des Lichtreizes. Verf. entwirft 
nun für die Einwirkung der stehenden Wellen auf die Nerven¬ 
substanz von Innenglied und Kern des Zapfens folgendes topo¬ 
graphische Schema: 1. Reizlicht: weisses, gemischtes Licht erzeugt 
durch starkes Ansteigen der Wellen aller farbigen Lichter direkt 
innen von der Grenzfläche der Äussenglieder, Reizung der Innen¬ 
glieder nnd damit die Empfindung für Weiss. 2. Einfarbig homo- 
genes Licht. Stehende Wellen zerlegen das ganze Innenglied in 
gleich grosse Reizungsabschnitte gleich der halben Wellenlänge des 

'*) Wochenachr. £. Therapie und Hyg. d. Auges, iX, Nr. 41 und 45. 

'*) Qyozyaagat, 1906, Nr. 7; vgl. W. t Therapie etc., IX, 29. 


Reizlichtes, so dass an den Knotenpunkten der Wellen die Reizung 
fehlt. Analog der Lippmannschen Photographie werden in den 
Zapfen-Innengliedem (Re erregten Felder entsprechend der Wellen¬ 
länge der verwendeten farbigen Lichter verschiedenen Abstand 
haben, für dasselbe farbige Reizlicht aber gleichen. 3. Gemischt- 
farbiges Reizlicht. Die Reizungsfelder beider Lichter liegen in 
relativ typischen, aber ungleichen Abständen, bei denen schwächere 
und stärkere Reizstellen wechseln. Die Anzahl der durch die 
Schwebungen erzeugten Maxima und ihre räumliche Verteilung auf 
die Innengliedfiäche hängt von der WeUendiflerenz der gemischten 
Lichter ab. 4. Reizlicht: Mischung komplementärer farbiger Lichter. 
Kumulative Wirkung des Ansteigens der Wellen beider Lichter 
dicht einwärts vor der Reflexfläche; im übrigen Innenglieder, Reiz¬ 
felder von bestimmtem Abstande. Empfindung weiss. — Das 
Licht bewirkt an den Sehzellen ausser der erwähnten Pigment¬ 
wanderung eine Verkürzung der Stäbchen und Zapfen, der eine 
Wiederausdehnung im Dunkeln entspricht. Das Zustandekommen 
der Farbenempfindung ist folgendermaßen zu erklären; Das von 
den Reflexflächen der Äussenglieder reflektierte farbige Licht in 
stehenden Wellen versetzt das Protoplasma je nach der Lage der 
Maxima und Minima der verschiedenen Wellenlängen in verschie¬ 
dene Erregungsbezirke, denen wieder bestimmte, für jede Erregungs¬ 
phase konstante Kontraktionsgrade entsprächen. Diese (vielleicht 
auch die direkten Schwingungen der Lichtwellen) gehen entweder 
durch direkte Uebertragung der Protoplasmabewegung oder der 
durch sie erzeugten Druckdifferenzen auf die Kerne über. Diese 
Theorie erklärt die Anomalieen des Licht-, nicht des Farbensinns 
bei Erkrankungen des retinalen Pigmentepithels, erklärt die Nach¬ 
bilder durch allmähliche Wiederausdehnung des Zapfeninnen- 
gliedes im Dunkeln, bezw. bei Äenderungen der Reizqualität, wo¬ 
bei auf die Körner wirkende und subjektive Empfindungen auslösende 
Spannungsgrade des Protoplasmas durchlaufen werden. Die Theorie 
erklärt auch die Anomalieen des Farbensinns und die Farbenblind¬ 
heit mit der Annahme eines veränderten Dickendurchmessers der 
Plättchen der Äussenglieder, wodurcii andere Interferenzphasen der 
stehenden Wellen und damit veränderte Farbenempfindungen ent¬ 
stehen. Kurt Steindorff. 


Periodische Literatur. 


Münchener med. Wochenschrift. Nr. 42 . i906. 


1. Fischer, Bonn: Die experimentelle Erzeng^nng atypisoher 
Epithelwnchenmgen und die Entstehung bösartiger Geschwülste. 

Fussend auf der von Ribbert hervorgehobenen Bedeutung 
subepithelialer entzündlicher Infiltration des Bindegewebes für die 
Krebsgenese, hat F. den Einfluss experimentell erzeugter ent¬ 
zündlicher Prozesse in der Kutis auf die unverletzte Epidermis 
studiert. Durch möglichst subepitheliale Injektion von Olivenöl 
mit Scharlach-R. (oder Sudan III) brachte er an Kaninchenohren 
Veränderungen des Bindegewebes, bestehend in zelliger Infiltration, 
Hyperaemie, Zell Vermehrung, Riesenzellenbildung, zu stände. Im 
Anschluss daran stellten sich nun bemerkenswerte Veränderungen 
am Epithel ein: Vermehrung der Mitosen der Keimschicht, sowohl 
im Deckepithel, wie an Haarbälgen und Talgdrüsen, atypische 
Mitosen, gesteigerte Hornbildung, Einwachsen von Epithelzapfen 
in die Tiefe, und zwar auf die Oeltropfen zu, die in regelmäßigster 
Weise umwachsen werden. Schliesslich ist das Bindegewebe von 
Epithelzapfen, -strängen und -nestern, Kankroidperlen, durch¬ 
wachsen und bietet ein Bild, das sich histologisch vom Platten¬ 
epithelkrebs des Menschen nicht mit Sicherheit unterscheiden lässt. 
Ist das Scharlachöl allmählich verschwunden, so beginnen die 
Epithelhaufen stark zu verhornen, und es entstehen zuletzt cho¬ 
lesteatomähnliche Bildungen, die nach aussen durchbrechen können. 
Das angeregte Wachstum ist also kein destruierendes und unbe¬ 
grenztes. Für diese eigenartige Epithelwucherung kann der ent¬ 
zündliche Prozess im Bindegewebe allein nicht verantwortlich ge¬ 
macht werden — Versuche mit anderen Gelen ergeben dieselben 
Entzündungserscheinungen, aber keine Epithelveränderung. — F. 
nimmt vielmehr an, dass von dem Scharlachöl eine starke chemo¬ 
taktische Wirkung auf das Epithel ausgeübt wird; dieses folgt 


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476 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


dem Zuge und wächst durch das entzündlich gelockerte Binde* 
gewebe hindurch zu dem Scharlachöl hin. Und zwar scheint nach 
bisherigen Versuchsergebnlssen diese chemotaktische Wirkung des 
Scharlachöls eine spezifische für das Plattenepithel der Haut zu 
sein. 

Nach diesen Versuchen lässt sich der Satz aufstellen, dass es 
Stoffe — vielleicht Attraxine zu nennen — gibt, die eine spe¬ 
zifische starke chemotaktische Wirkung auf fixe, ruhende Zellen 
im Gewebe, auf eine bestimmte Epithelart ausUben und dieses 
Epithel dadurch zu raschem, atypischem Wachstum veranlassen. 
Daraus lassen sich neue Anhaltspunkte für das Verständnis des 
Wesens und Wachstums der malignen Geschwülste gewinnen. 
Nach der Cohnheim-Ribbertschen Theorie gehen alle Geschwülste 
aus Gewebskeimen hervor, die — embryonal oder postembryonal 

— aus dem physiologischen Zusammenhang des Organismus heraus¬ 
gelöst sind. Jetzt findet man die Erklärung für das Wie einer 
solchen Gewebsverlagerung oder Keimveraprengung: die Ansamm¬ 
lung von Attraxinen im Gewebe — embryonal oder postembryonal 

— hat die Zellverlagerang, Epithelabschnürung zur Folge. Wenn 
man nun annimmt, dass sich im Organismus Substanzen, Attraxine, 
anhäuien und dauernd entstehen, welche auf die Zellen eines aus¬ 
geschalteten oder verlagerten G^ewebsteiles eine hinreichend starke, 
spezifische, chemotaktische Wirkung ausüben, so ist die Folge da¬ 
von notwendigerweise ein dauerndes, schrankenloses Wachstum 
dieser Zellen: die maligne Geschwulst. Diese Theorie setzt eine 
grosse Vielheit spezifisch chemotaktischer Substanzen voraus, was 
aber keine Schwierigkeit macht, seitdem die Serumforschung ge¬ 
zeigt hat, dass die Zahl spezifischer Substanzen eine geradezu un¬ 
endlich grosse ist. Die neuen Anschauungen über Geschwulst¬ 
entstehung und -Wachstum führen eine Reihe von Tatsachen der 
Geschwulstlehre dem Verständnis näher, für die bisher eine Er¬ 
klärung fehlte. Es erscheint danach selbstverständlich, dass eine 
Geschwulst im allgemeinen nicht übertragbar ist. Geschwulst- 
Übertragungen bei Tieren sind am besten gelungen bei blutsver¬ 
wandten, derselben Zucht entstammenden. Da gerade Stoffwechsel- 
erkraiikungen vorzugsweise erblich sind, so ist wohl zu schllessen 
erlaubt, dass die Tiere der gleichen Zucht eine gleiche Alteration 
ihres Stoffwechsels, spezifische Attraxine gleicher Art darboten, 
daher die Möglichkeit der Geschwulstübertragung. Die erbliche 
Disposition zur Geschwulstbildung würde danach in einem neuen 
Lichte erscheinen. Es wird verständlich, weshalb nicht aus allen 
versprengten Keimen bösartige Geschwülste hervorgehen, warum 
nur ein kleiner Teil diesem Schicksal verfällt. Näher gerückt dem 
Verständnis wird auch die willkürlich anmutende, wechselvolle Meta¬ 
stasenbildung durch die Annahme, dass die Attraxine nicht in allen 
Organen sich gleichmäßig finden, dass sie vielleicht in einzelnen 
produziert, in anderen zerstört werden. Eingehendere Begrün¬ 
dung der interessanten Hypothesen muss weiterer Forschung Vor¬ 
behalten bleiben. 

2, Wiehern und Loening, Leipzig: Heber Verlagerung 
des Kehlkopfs und der Luftröhre bei verschiedenen Erkrankungen 
der Brustorgane. 

Eine Verlagerung des Kehlkopfs und des Halsteiles der Luft¬ 
röhre kann sowohl durch Druck als auch durch Zug innerhalb 
des Brustkorbes zustande kommen. Beide Möglichkeiten werden 
durch Mitteilung von Krankengeschichten von Fällen, Aorten¬ 
aneurysmen , Mediastinaltumoren, Pleuraexsudate, Pneumothorax, 
Cavernen betreffend, belegt. Die Bedeutung des Symptomes liegt 
darin, dass schon bei der ersten Betrachtung des Kranken die 
Aufmerksamkeit auf einen im Inneren des Thorax vorhandenen 
Krankheitsvorgang gerichtet werden kann, der sonst vielleicht 
kaum beachtete Erscheinungen macht. 

3. Saathoff, Augsburg: Bas Aortenaneurysma auf syphi¬ 
litischer Grundlage und seine Frühdiagnose. 

In Ergänzung der Hellerschen Lehre von der Aortitis 
luetica sieht S. die Vasa vasorum als die eigentlichen Träger des 
pathologischen Prozesses, das Primäre in einer Lues der Vasa 
vasorum. Diese charakterisiert sich als eine Vasculitis proliferans, 
die unter Granulationsbildung mit plastischen Vorgängen und 
regressiven Veränderungen zu einer Vasculitis obliterans führt. 
Diese leitet eine allgemeine regressive Metamorphose ein, die in 
erster Linie die elastischen Fasern und Muskelzellen der Media 


trifft, durch deren Verlust die Aortenwand der Hauptstütze gegen 
die Last des Blutdrucks beraubt und der Aneurysmabildung aus- 
gesetzt wird. So charakterisieren sich Mesaortitis luetica und das 
Aortenaneurysma als Stadien ein und desselben Prozesses. Was 
nun die Diagnose des Aortenaneurysma betrifft, so ist zu fordern, 
dass es nicht nur in seinen ersten Anfängen diagnostiziert wird, 
sondern dass in geeigneten Fällen die Diagnose sich schon auf das 
Vorstadium, auf die Aortitis luetica, richtet. Der Zusammenhang 
zwischen Aneurysma und Lues ist stets im Auge zu behalten. 
Drückendes Gefühl auf der Brust, das je nach dem Sitz der Eir- 
krankung verschieden lokalisiert wird, ausstrahlende Schmerzen in 
einem oder beiden Armen, perkutorisch feststellbare Verbreiterung 
des Gefässstammes, Ungleichheit der Pulse, seitliche Verschiebung 
der Trachea weisen auf die Aortenerkrankung hin. Die Röntgen¬ 
durchleuchtung kann weitere Sicherheit schaffen. Das wichtigste 
S 3 rmptom aber ist eine eventuell nachweisbare Aorteninsuffizienz. 
Jede Aorteninsuffizienz, die in verhältnismäßig jungen Jahren — 
solange man noch Arteriosclerose mit grosser Wahrscheinlichkeit 
ausschliessen kann — ohne vorhergehenden Gelenkrheumatismus 
oder Endokarditis aufgetreten ist, muss den Verdacht auf Aortitis 
luetica in hohem Grade erwecken. Besonders wertvoll kann dieses 
Symptom deshalb werden, weil es die Aortitis luetica anzeigt, 
ohne dass schon ein Aneurysma zu bestehen braucht, und dass es 
deshalb ein Mahner ist, das Aneurysma zu verhüten oder im 
Keime zu unterdrücken. Vier Krankengeschichten werden mit- 
geteilt, die zeigen, wie auf diesem Wege das Aneurysma in ver¬ 
schiedenen Stadien des Beginns festgestellt werden konnte. In 
günstigen Fällen ist unter Zuhilfenahme aller Mittel nicht nur das 
Aortenaneurysma frühzeitig zu diagnostizieren, sondern auch der 
Prozess, auf dessen Grundlage es erwächst, die Aortitis luetica 
ist unter Umständen bis zu einer grossen Wahrscheinlichkeit der 
Diagnose zugänglich zu machen, und schon hier hat die Therapie 
einzusetzea Die Prophylaxe des Aortenaneurysmas muss in der 
Behandlung der Aortenlues liegen. 

4. Rothfuchs, Hamburg: Heber Gasphlegmone. 

Zwei Fälle werden mitgeteilt, die im Anschluss an kompli¬ 
zierte Frakturen entstanden waren. Als Erreger wurde der 
Bacillus phlegmonis emphysematosae Fraenkel nachgewiesen. Der 
eine endete trotz Amputation letal. Die Therapie besteht im He- 
ginn in Inzisionen, Spülungj, Tamponade mit H^Og, subkutaner 
Sauerstoffzufuhr, in vorgeschrittenen Fällen kommt einzig und 
allein die Absetzung des betreffenden Gliedes in Frage. 

Ö. Waljaschko, Charkow: Zur Teohaik der Hauttrans¬ 
plantation nach Thiersoh. 

Bei der Technik der Hauttransplantation ist die] Anlegung 
des Verbandes ein wichtiger und schwerer Moment. W. empfiehlt, 
die transplantierten Hautstückchen mit undichtem Tüll, der in 
Sodalösung ausgekocht und zwischen sterilen Gazekompressen aus¬ 
gepresst war, in der Weise zu bedecken, dass die Ränder des 
Tifilstücks auf die umgebende gesunde Haut kommen und hier 
mit Kollodium angeklebt werden. Darüber kommt ein gewöhn¬ 
licher Gazeverband, der täglich gewechselt werden kann. Auf 
diese Weise wird eine ziemlich vollendete, vom Verbände ganz 
unabhängige Immobilisation der übertragenen Hautläppchen erzielt 

6. Asbeck, Harburg: Bio Behandlimg frischer Wunden 
mit durch Wärme zum Austrooknen gebrachten Verbänden« 

Bei mehr als 500 Fällen frischer Verletzungen hat A. folgen¬ 
des Behandlungsverfahren mit gutem Erfolg ausprobiert. Die 
frische Verletzung wird ohne Desinfektion der Umgebung, ohne 
Berührung mit den Händen mit Jodoform- oder Xeroformgaze 
bedeckt, darüber einige Lagen MuU, dann Watte, Fixation mit 
Binde. Bei Brandwunden wurde dieser Verband nach Entfernung 
der Blasen, mit Sebeere und Pinoette, angelegt. Die so Verbun¬ 
denen werden alsdann auf Vj bis Stunden der strahlenden 
Glut eines Kesselfeuers, des Herdes, eines Bunsenbrenners aus¬ 
gesetzt, wodurch eine intensive Austrocknung erreicht wird. Unter 
diesem Verband heilten alle Wunden schnell und reaktionslos. 
Dieser Verband schliesst die Wunde nach aussen bakteriendicht 
ab, ohne die Ausdünstung zu hemmen. Die in der Umgebung 
der Wunde befindlichen pathogenen Bakterien werden am Ein- 
wandern in den Wundbezirk verhindert. Ein Teil der oberfläch¬ 
lich gelegenen Bakterien wird durch die intensive Hitze in der 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


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Lebensfähigkeit gehemmt. Schliesslich wird dprch die erhöhte 
Temperatur der, der Hitze ausgesetzten Gewebe die Blutzufuhr 
nach diesen Gegenden vermehrt und damit die Heilkraft erhöht. 
Der Verband zeichnet sich durch grosse Einfachheit aus, ist spar¬ 
sam und erfordert in der Nachbehandlung wenig Mühe. 

7. Elaussner, München: Znr Kasuistik der angeborenen 
Hernien der Linea alba. 

Die Hemia epigastria ist nach den Leistenhernien die häufigste 
von allen ßrucharten; angeboren kommt sie aber sehr selten vor. 
Zwei solcher Fälle werden mitgeteilt. Entgegen den Nabelbrüchen 
der Kinder, die oftmals unter Verbänden heilen, zeigt die ange¬ 
borene Hernie der Linea alba keine derartige Heilungstendenz; es 
ist deshalb hier frühzeitige operative Behandlung zu erstreben. 

8. Doerfler, Weissenburg. Darmokklusion durch Murphy« 
knöpf nach Pylorusresektion. 

Nach einer sonst gut verlaufenen Pylorusresektion und Gas¬ 
troenterostomie mittels Murphyknopf wurde der Abgang des 
Knopfes vermisst. Nach 8 Tagen machten sich Stuhlbeschwerden 
geltend, die allmählich an Intensität Zunahmen. Die Patientin be- 
zeichnete eine Stelle unterhalb des Nabels als Ort des Wider¬ 
standes; hier war eine, auf Druck empfindliche, von Zeit zu Zeit 
sich steifende Darmschlinge zu fühlen. Die Zunahme der Ileus- 
erscheinungen machte nach 6 Monaten die Relaparotomie not¬ 
wendig. Dabei wurde der Murphyknopf in einer frei beweglichen 
Dünndarmschlinge unterhalb des Nabels gefunden; er war in der¬ 
selben oral- und analwärts etwa 5 cm verschiebbar, dann aber 
peripher- und zentralwärts durch eine unnachgiebige, für den 
Finger nicht fühlbar, aber völlig wirksame Kontraktur der Darm¬ 
muskulatur am Weiterrutschen verhindert. Die Eutfemung gelang 
leicht und brachte prompte Heilung. D. nimmt an, dass der 
Knopf einen bestimmten Nervenast des Darmes gereizt hat, dass 
darch diese Reizung in der betreffenden Darmpartie ein leichter 
Kontraktionszustand der Darmmuskulatur sich einstellte, der durch 
deu Lumenunterschied an der Grenze zwischen dem Bezirk des 
gereizten Nervenastes und dem Bezirke der beiden benachbarten 
oralen nnd analen nicht gereizten Nervengebiete das Weitergleiten 
des Knopfes verhinderte. Ausgesprochen psychopathische Be¬ 
lastung und hochgradige sensitive Reizbarkeit der Patientin unter¬ 
stützen diese Annahme der Möglichkeit eines Heus infolge eines 
nervösen Darmkrampfes durch einen Fremdkörper. 

9. Federschmidt, Dinkelsbühl. Ein Fall von Phosphor« 
veigiftnng mit tödlichem Ausgang. 

Der betreffende Patient nahm die vielfache tödliche Dosis; 
erst nach 15 Stunden trat Erbrechen ein; am 2. Tage ging er 
wieder seiner Arbeit nach. Erst am 3. Tage stellten sich bei 
ausgesprochener Euphorie schwerere Vergiftungserscheinungen ein, 
am 11. Tage erfolgte der Exitus. Der Sektionsbefund ergab das 
charakteristische Bild der Phosphorvergiftung. 

10. Seitz, München. Znr Frage der Hebotomie. (Fort¬ 
setzung aus Nr. 41.) 

Das Material umfasst acht Fälle, die eingehend mitgeteilt 
werden; dabei ein Exitus. Die ernsteste Komplikation bei der 
Hebotomie ist die Scheidenverletzung, durch die bei infiziertem 
Gebnrtskanal eine gefährliche Infektion der Knoohenwunde er¬ 
folgen kann. Von praktischem Interesse sind weiter die Blasen¬ 
verletzungen, die Haematombildungen und von Folgeerscheinungen 
die Gehstörungen und Lähmung.serscheinungen. Der Grad der 
Beckenverengerung, bis zu dem die Hebotomie mit gutem Erfolg 
für Mutter und Kind ausgeführt werden kann, ist auf 7 cm C. v. 
als untere Grenze zu normieren. Bei infiziertem oder infektions¬ 
verdächtigem Geburtskanal sollte bei Erstgebärenden mit engen 
Weichteilen die Hebotomie nur aus ganz besonderen Gründen 
vorgenommen werden, während ihr bei Mehrgebärenden mit weiten 
Genitalien auch in diesem Falle nichts im Wege steht. Die Frage, 
ob nach Durcbsägung sogleich die Entbindung angescblossen 
werden soll, ist nicht generell zu entscheiden. Die Pseudarthrosen- 
bildong am durchsägten Schambein ist als harmlos zu betrachten; 
meist kommt durch die.selbe eine dauernde Vergrösserung der 
Conjugata zustande. S. fasst sein Urteil dahin zusammen, dass 
bei richtiger Auswahl der Fälle, aseptischer Geburtskanal, nicht 
zü enge Genitalien (Mehrgebärende) und nicht zu starke Becken¬ 


verengerung (nicht unter 7 cm C. v.) die technisch sehr einfache 
Operation vorzügliches leistet und geeignet ist, den Kaiserschnitt 
aus relativer Indikation, die künstliche Frühgeburt und die Per¬ 
foration des lebenden Kindes nicht zu verdrängen, aber erheblich 
einzuschränken. 

11. Wolfiberg, Breslau. Hermann Cohn. Biographie. 


Deutsche med. Wochenchrift. Nr. 42. 1906. 


1. Euderlen, Basel. Behandlung desFnrnnkels, Karbunkels 
und der Phlegmone. 

Für Furunkel und Karbunkel wird im wesentlichen die Saug¬ 
behandlung, für Phlegmonen die heisse Stauung empfohlen. 

2. Ribbert, Bonn. Znr Kenntnis des Carcinoms. 

R. hält die Aussichten der Erreichung des Zieles bei experi¬ 
mentellen Krebsuntersuchungen; die künstliche Erzeugung des 
Carcinoms bei Tieren für sehr gering. Die Genese des Krebses 
findet ihren Ausdruck nicht darin, dass ein beliebiges Epithel von 
sich aus auf unbekannte Veranlassung hin in das genetisch un¬ 
beteiligte Bindegewebe hineinwüchse; die Entstehung des Tumors 
ist der einer Drüse zu vergleichen, dass das Epithel durch primäre 
zellige Umwandlung des Bindegewebes dahin gebracht wird, in 
die Tiefe, in die vorher veränderte Bindesubstanz einzusprossen, 
dass es mehr und mehr selbständig wird, sich schliesslich ganz 
ausschaltet und so das fertige Carcinom erzeugt. Der Verlauf 
der Ausbreitung des Krebses zeigt, dass das Epithel hei beständig 
abnehmender Beteiligung des Bindegewebes immer selbständiger 
und rascher sich ausbreitet. Von einer Immunisirung des Organis¬ 
mus durch den Tumor kann nicht die Rede sein. Der Umstand, 
dass die Bindegewebswucherung nur anfangs dem Epithel vor- 
ausgeht, später bei zunächst noch vorhandener zelliger Infiltration 
nur nachfolgt, um endlich ganz nachzulasseu, zeigt, dass es sich 
bei dem geänderten Wachstum um einen mehr und mehr hervor¬ 
tretenden Nachlass der Reaktion des Körpers, um eine zunehmende 
Angewöhnung der Gewebe an das Gift handelt. Danach ist anzu- 
nehmen, dass die nach längerem Bestehen eines primären Tumors 
eintretende Durchsetzung des Körpers mit metastatiaohen Knoten 
nicht darauf beruht, dass die Geschwulattoxine die Widerstands¬ 
kraft des Organismus unter das normale Niveau herunterdrücken, 
sondern dass die Gewebe" sich an^ die^^Gifte gewöhnen und die 
Carcinomepithelienruhig wachsen lassen. Die zunehmende Geschwulst¬ 
proliferation verträgt sich mit der experimentell festgestellten 
Möglichkeit der Immunisierung eines bis dahin gesunden Tieres 
durch Implantation lebenden Tumorgewebes. Denn es ist etwas 
anderes, ob mit einem Male ein Körper unter die Einwirkung von 
Geschwulstgewebe und seinen Produkten |gesetzt wird, oder ob 
eine Neubildung sich aus kleinsten Anfängen allmählich entwickelt. 
Im ersteren Falle wird der Organismus auf den raschen Angriff 
mit der Bildung von Gegengiften antworten, im andern sich ohne 
diese Reaktion au die sich allmählich vermehrenden Toxine ge¬ 
wöhnen. 


3. Ohm, Berlin. Einiges über die diagnostische Bedentnng 
des Blntgehaltes and der Lymphooytose im Liquor cerebrospinalis 
(zugleich ein Beitrag znr Kasuistik der basalen Hirnaneuiysmen). 

Der Blutgehalt der Cerebrospinalflüssigkeit findet seine häu¬ 
figste Ursache in einem Durchbruch von Hirnblutungen in die 
Ventrikel und an die Oberfläche des Gehirns; bei der Apoplexie 
kann er wesentliche Bedeutimg für die anatomische Diagnose und 
die Prognose gewinnen. Das Symptom ist aber stets mit Vorsicht 
zu beurteilen, und zur Entscheidung, ob ursprüngliche oder durch 
den Eingriff verursachte Blutung vorliegt, ist mehrmalige Liimbal- 
punktion erforderlich. An der Hand einer Krankengeschichte 
wird gezeigt, wie der Blutgehalt der Lumbalflüssigkeit die Diag¬ 
nose eines intrakraniellen Aneurysmas an der Hirnbasis ermöglichte 
und die Bedeutung dieses Symptoms für die Differentialdiagnose 
zwischen basalem Hirnaneurysma und Tumor, resp. meningealen 
Prozessen ad basin erörtert. Die Lymphocytose des Liquor cere¬ 
brospinalis lässt auf einen tuberkulösen oder luetischen Prozess 
schliessen und kann im letzteren Falle zu einer erfolgreichen spe¬ 
zifischen Behandlung anregen, wie an einem Beispiel gezeigt wird. 
Auch bei der Dlfferentialdiagnoae „vomitua nervoaua“ speziell 
„periodisches Erbrechen“ und gastrische Krise“ kann die Lympho- 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


cytose der Lumbalilüssigkeit für letztere entscheidende Bedeutung 
haben. 

4. Messe, Berlin. Ueher unsere Kenntnisse von den £r- 
krankni^en des Blntes. 

Bei der Einfachheit und Leichtigkeit der Technik der Blut¬ 
färbung sollte die Blutuntersuchuug verbreitetere Anwendung 
finden; Fixation und Färbung geschieht am besten in einem Akt 
mit der Jenner-May-Grründwald’schen Lösung. Bei den Erkrank¬ 
ungen des Knochenmarks sind die circumscripten — Myelome, 
selten — von den diffusen zu unterscheiden. Die diffuse V^ermeh- 
rung der Knochenmarkaelemente ist die anatomische Grundlage 
des Bildes der Polycythämie mit Cyanose und Milztumor. Wi(di- 
tiger sind qualitative und quantitative Veränderungen der einzelnen 
Bestandteile des Marks. Was die Veränderung der haemoglobin- 
haltigen Anteile betrifft, so ist die wichtigste Erkrankung die 
pemieiöse Anaemie, die anatomisch in einer megaloblastischen De¬ 
generation des Knochenmarks besteht, d. h. darin, dass an Stelle 
des normalen Blutbildungstypus, wie bei der posthaemorrhagischen 
Anaemie, der embryonale Typus tritt. Gewöhnliche Anaemie und 
Chlorose, die im Blutbilde durch Abnahme der Zahl der Erythro- 
cyten, resp. des Haemoglobingehaltes charakterisiert sind, bieten 
keinen besonderen Knochenmarksbefund. Was die weissen Blut¬ 
körperchen betrifft, so ist eine Zunahme der neutrophilen multi- 
nncleären und ihrer Vorstufen, der Myelocyten das Charakteristikum 
der neutrophilen Leucocytose, die wir bei den meisten Infektions¬ 
krankheiten finden. Eine Vermehrung aller weissen granulierten 
Elemente, der neutrophilen Zellen, ihrer Vorstufe, der Myelocyten, 
der Vorstufe dieser, der Myeloblasten, der eosinophilen, der Mast- 
zellen gibt das Bild der myelogenen Leukaemie, die wahrschein¬ 
lich dadurch zustande kommt, dass die Myelocyten in die Zirku¬ 
lation gelangen und in den Organen, Müz, Lymphdrüsen, Leber, 
Metastasen erzeugen. Eine Hyperplasie des lymphatischen Anteils 
des Knochenmarks führt zur lymphatischen Leukaemie; dabei bleibt 
die Hyperplasie nicht aufs Knochenmark beschränkt, sondern er¬ 
greift alle die Organe, in denen Lymphocyten vorhanden sind, 
Müz, Lymphdrüsen, die lymphatischen Apparate des Verdauungs¬ 
und Bespirationstraktus. Bei den Pseudoleukaemien sind die mye- 
loide und lymphatische zu unterscheiden und diese wieder zu 
trennen von der Hodgkin’schen Krankheit und dem Lymphosarkom. 
Im grossen und ganzen ist das Bild, das die Ehrlich’sche Schule 
entwickelt hat, in seinem Grundcharakter bestehen geblieben. 

5. Ahlfeld, Marburg. Weitere Beweise ihr die dauernde 
Tiefenwirkung der Heisswasser-Alkohol-Händedesinfektion. 

Gegenüber den Angriffen von Opitz und Baiscb verteidigt 
A. auf Grund seiner Statistik, die gegenüber anderen die Vorzüge 
bat, dass sie mit grossen Zahlen rechnet, keine Fälle ausnimmt 
und auf exakter Temperaturmessung beruht, die präliminare Scheiden¬ 
desinfektion vor Operationen, die den Gebärenden nach keiner 
Richtung Mn einen Schaden bringt, vielmehr eine Besserung der 
Wochenbettsverhältnisse sichert. Weiter berichtet er über neue 
Experimente, die eine ausgesprochene Tiefenwirkung des Alkohols 
bei der Händedesinfektion erweisen und führt als Beweis für den 
Wert der Heisswasaer-Alkohol-Händedesinfektion seine Morbiditäts- 
atatisiik an, nach der bei peinlichem Gebrauch dieser Methode die 
Zahl der fieberhaften Wochenbetten nach 1—15 Untersuchungen 
nahezu gleich geblieben ist. Die Mahnung anderer zur strikten 
Abstinenz von geburtshilflicher Tätigkeit nach Berührung infektiösen 
Materials und die Behauptung, der Verlass auf seine Desinfektions- 
methode bedeute einen „grossen Rückschritt“ weisst A. danach 
energisch zurück. 

6. Tintemanu, Güttingen. Zui Kasuistik der Blausäore- 
vergiftung. 

Mitteilung eines Falles von Vergiftung nach kurzem Einatmen 
von Blausäuredämpfen. DieErscheinungen entsprachen dem — nach 
Husemann — asthmatischen Stadium der Vergiftung, Schwindel, 
motorische Unruhe, Kopfschmerz, Atemstörungeu, beschleunigte 
Herzaktion, Cyanose; besonders bemerkenswert, weil im klinischen 
Symptombild der akuten Blausäurevergiftnng bisher wenig beachtet, 
waren Degenerationserscheinungen von Seiten der Nieren, starke 
Eiweissausscheidung und hochgradige Cylindrurie, und Temperatur¬ 
steigerungen. 


7. Ehrlicl\, Stettin. Biliöser Typhus. 

Zwei Fälle, bei denen sich an eine Gallensteinkolik eine hooh- 
fieberhafte Erkrankung mit Bronchitis, Milzschwellong, Meteoris- 
mus, Pulsverlangsamung anschloss, und die bei positivem Widal 
als eine typhöse gedeutet wurde. 

8. Borgnis, Mannheim. Zur Entfernung des im Btems 
snrttokgehaltenen Kopfes nach Ahreissen des Rumpfes. 

B. empfiehlt, den Kopf mit einer gut fassenden Kngelzange 
oder einem ähnlichen Instrument anznhaken, daran eine Schnur zu 
befestigen, die über die Fusswand der Bettstelle geleitet und be¬ 
lastet wird; dadurch wird die Wehentätigkeit angeregt, und durch 
leichten Zug an der Zange kann nach einigen Standen der Kopf 
entfernt werden. Die Infektionsgefahr hat sich als sehr gering 
erwiesen. Der Eingriff empfiehlt sich als höchst einfach und 
schonend dem Praktiker für alle Fälle, wo die sonst gebräuch¬ 
lichen operativen Maßnahmen scheitern, oder deren Anwendung 
aus irgeud einem Grunde, wie z. B. Erschöpfung der Kreissenden, 
nicht ratsam erscheint. 

9. Sternberg, Berlin. Heber Bnloinol*Schokolade. 

Als Ersatz der Saccharin- und Laevulose - Schokolade für 
Diabetiker, die hauptsächlich wegen ihres schlechten Geschmacks 
sich als wenig brauchbar erwiesen haben, bat St. eine Schokolade 
mit dem Süssstoff Mannit hersteilen la^en. Diese Dnlcinol-Schoko- 
lade gibt eine wohlschmeckende Ess- und Trinkschokolade und 
zeichnet sich weiter durch einen sehr geringen Gehalt an Kohle¬ 
hydraten aus. 

10. Rosenhaupt, Frankfurt. Pflegekinderwesen und natftr- 
liohe Ernährung. 

Es ist zu fordern, dass Säuglinge, die der direkten Kontrolle 
der Behörden imterstehen, nur bei stillenden Pflegemüttern iinter- 
gebracht werden. Eine Umfrage bei den Verwaltungen der grö¬ 
sseren Städte hat ergeben, dass in dieser Hinsicht nur ganz ver¬ 
einzelt Versuche gemacht worden sind. Pflegekinderwesen und 
natürliche Ernährung sollten nicht mehr getrennte Begriffe sein. 

11. Horstmann, Berlin. Wilhelm Czermak. Nekrolog. 


Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 42. 1906. 


1. Vulpius, Heidelberg: Hisserfolge der SehnenfLherpflan- 
zimg. 

Für eine erfolgreiche Sehuentransplantation sind verschiedene 
Grundbedingungen erforderlich. Voraussetzung ist zunächst, dass 
es sich um eine umschriebene Lähmung handelt. Je enger be¬ 
grenzt das Lähmungsgebiet, desto besser die Heilungsanssichten. 
Des weiteren ist der Zustand der nicht durch die Lähmung ver¬ 
nichteten Muskeln von grösster Wichtigkeit. Liegen neben den 
fettig degenerierten Muskeln oder in einer die Operation nicht 
hindernden Distanz intakte Nachbarmuskeln, dann sind günstige 
Bedingungen für die Ueberpflanzung gegeben; sind aber nur ein¬ 
zelne, mehr oder weniger paretische Muskelreste, die einer energi¬ 
schen Kontraktion nicht mehr fähig sind, übrig, dann können diese 
den allgemeinen Funktionsbankrott nicht beseitigen, dann muss 
ihre Verwertung zur Transplantation ein zweckloses Bemühen sein. 
Raschen Erfolg versprechen Fälle, die durch die Lokalisation des 
eng begrenzten Lähmungsbezirks die Ueberpflanzung des gesunden 
Nachbarmuskels mit weitgehender Funktionsverwandtschaft ermög¬ 
lichen; doch können oft auch mit gutem Erfolg Antagonisten der 
Transplantation zugänglich gemacht werden. Nach diesen allge¬ 
meinen Erörterungen gibt V. einen eingehenden üeberblick über 
das Indikationsgebiet der Sehuenüberpflanzung, im speziellen bei 
den. peripheren Lähmungen, bei den schlaffen und spastischen 
Lähmungen infolge von spinalen und zentralen Aflfektionen. Von 
wesentlicher Bedeutung für einen guten Erfolg ist die Operations- 
technik. Strengste Asepsis, Operation bei Blutleere, ausgiebige 
Freilegung der Sehne bis zum Muskelbauch, solide Nahtvereinignng 
der Sehnen, am besten mit Seide, Energie der Nachbehandlung 
sind wichtige Faktoren. 

2. Hudovernig, Budapest: Die Verwendbarkeit des Methyl* 
atropinnm bromat. bei Erkrankungen des Nervensystems. 

Das Methylatropin, bromat. ist ein neues, von Merck-Darm- 
stadt in den Handel gebrachtes Atropinderivat, das sich durch 


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1906 


MEDICINISCHE WOCHE. 


479 


wesentlich geringere toxische Wirkung vor dem Atropin, snlfur. 
aaszeicbuet. E. hat es bei 37 KrankheitsfUUen geprüft. Es hat 
sich als schätzenswertes schmerzstillendes Mittel erwiesen, welches 
bei lanzinierenden Schmerzen der Tabiker, bei spinalen Wurzel¬ 
schmerzen , bei Kopfschmerzen verschiedener Natur und bei 
schmerzlichen hysterischen Sensationen fast ausnahmslos mit Er¬ 
folg angewandt werden kann. Oute Dienste leistet es auch bei 
nervösen Hypersekretionen. Bei Neuralgieen und neuralgischen 
Schmerzen wirkt es nicht bloss schmerzstillend, sondern auch hei¬ 
lend. Bei Epilepsie ist die Wirkung nur gering, bei motorischen 
Beizzuständen, Paralysis agitans, Tic convulsif, fehlt diese gänz¬ 
lich. Gewöhnung und unangenehme oder toxische Neben- und 
Nachwirkungen wurden nicht beobachtet. Als Einzeldosis genügen 
1—2 mg, 2—3mal täglich; die zweckmäfiigste Darreichung erfolgt 
in Pulvern oder in Lösungen; durch Kombination mit antineural- 
gischen oder antirheumatischen Mitteln kann die Wirkung des 
Methylatropin, bromat. gesteigert' werden. 

3. Danziger, Frankfurt: Zur Frühdiagnose des syphiliti- 
lohen Prim&raffekts. 

Es werden fünf Fälle mitgeteilt, bei denen es sich um Ulce- 
rationsbildungen an den Genitalien, völlig unbestimmten Charak¬ 
ters, handelte, und bei denen die Diagnose auf Syphilis nur durch 
den Nachweis der Spirochaete pallida in den Sekreten möglich 
war. Das allmähliche Eintreten der klinischen Charaktere des 
syphilitischen Primaraffekts, die prompte Heilung unter Hg-Allge- 
meinbehandlung, oder das Auftreten von Allgemeinsymptomen, 
sicherte nachträglich diese Diagnose. Diese Erfahrung lässt hoffen, 
dass in absehbarer Zeit auch bei banal aussehenden Afifektionen 
ein Zweifel an der Diagnose nicht möglich sein wird. 

4. Engel, Berlin: Ein Beitrag cnr Semmbehandlnng der 
Syphilis. 

In der Voraussetzung, dass im Blute von Syphilitischen Stoffe 
zirkulieren, die sich im Blute Gesunder nicht finden, hat E. Blut¬ 
serum von Syphilitikern Kaninchen häufig intraperitoneal einge¬ 
spritzt nnd nach wochenlanger Behandlung derselben, unter den 
geeigneten Kautelen, den Tieren Blut entnommen und das frische 
Serum den syphilitischen Blutgebern allein, oder gleichzeitig mit 
menschlichen Normalserum wiederholt injiziert. Es traten nach 
diesen Injektionen des „Autoimmunserums“ bei den Kranken Ver¬ 
änderungen auf, die bei Einspritzungen von Normalkaninchenserum 
allein weder bei Gesunden noch bei Syphilitikern zu beobachten 
sind. An den Stellen, wo schuppige Papeln sich befanden, trat 
eine starke Rötung der sonst braunroten Flecke auf; kleinere 
solcher roten Flecke wurden an Stellen sichtbar, an denen bis da¬ 
hin nichts Krankhaftes zu sehen gewesen war; nach wiederholten 
Einspritzungen schwanden die Schuppen ganz, unter Hinterlassung 
stark roter Stellen. Gelegentlich traten intensivere Reaktionen 
mit starker SchweUung der Injektionsstellen auf, in deren Verlauf 
sich an erkrankt gewesenen Hautstellen geschwürige Prozesse mit 
Elterabsondernng entwickelten, die allmählich unter Hinterlassung 
von braunroten Pigmentflecken abheüten. Danach ist die Ver¬ 
mutung , dass das auf die beschriebene Weise gewonnene Kanin- 
chenserum spezifische Eigenschaften besitzt, nicht von der Hand 
zu weisen. Die Reaktionen erinnern in gewisser Beziehung an 
die Lokalwirkungeu des Tuberkulins und dürften sich erklären 
durch einen lokalen Reiz positiv chemotropischer Art, durch welchen 
auch die auffallenden Ulcerationen die einfachste Erklärung finden 
würden. Mit der Behandlung wurde aufgehört, wenn nach den 
Injektionen keine Reaktionen mehr auftraten. Danach sind keine 
Recidive aufgetreten, bei dem einen der drei so behandelten Fälle 
in einem Zeitraum von drei Jahren. Die Methode ist sehr ein¬ 
fach und ganz schablonenhaft durchführbar und hat sich als völlig 
nnschädlich erwiesen. 

5. Leva di ti, Paris: Bemerknngen zu dem Aufsatz „Die 
SUberspiroohaete*' , von W. Schulze, in Nr. 37 der Wochen¬ 
schrift. 

Den von Schulze gegenüber den Silberspirocbaeten er¬ 
hobenen Einwaud, dass diese Gebilde als Nervenfasern oder 
elastisches oder Bindegewebe anzusehen seien, macht L. durch 
den Hinweis hinfällig, dass die Spirochaete pallida und das ihr 
verwandte SpiriUum gallinarum und Spirillum des Tik-Fever in 


dem Befand im Ausstrichpräparat adaequaten Mengen im Gewebe 
gefunden werden, dass sie dort am dichtesten liegen, wo die 
pathologisch anatomische Läsion am stärksten ausgesprochen ist, 
und dass sie verschiedentlich in Blutgefässen mitten zwischen 
Blutkörperchen imd in der die Lymphräume ausfUUenden Flüssig¬ 
keit gefunden worden sind. 

6. Halle, Berlin: Externe oder interne Operation der 
Nebenköhleneitemngen. 

Nicht abgeschlossen. 

7. Martens, Berlin: Ueber den Bau und die Einrichtung 
moderner Operationsränme. 

Eingehende Beschreibung der neuen Operationsräume des 
Krankenhauses Bethanien-Berlin, 


Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 4i. 

1. Jelliuek, Wien: Zur Hygiene der elektrisohen Hans- 
einriohtnngen. 

Nach Erörterung der Momente, die die Gefährlichkeit des 
Stromes bedingen, \md nach eingehender Besprechung der in 
letzter Zeit vorgekommenen Unfälle, werden folgende Forderungen 
bezüglich der elektrischen Hauseinrichtungen gestellt: Im Wohn¬ 
haus muss zwischen „stromsicheren'' und „stromgefährlichen" 
Räumen unterschieden werden; zu letzteren gehören diejenigen, 
deren Fusaböden gute Ableitung zur Erde, keine Isolation, haben, 
z. B. Keller, Waschküchen, Badezimmer. In stromgefäbrlichen 
Räumen sind die Elektrizitätsaclagen mit besonderer Vorsicht durch¬ 
zuführen; Keller, Baderäume sollten am zweckmäßigsten nur 
Deckenbeleuchtung erhalten. Für die Leitungskabel im Hause 
empfiehlt sich die Montage auf Putz; soll auch das Kabel unter 
Putz liegen, so muss der Verlauf an der Wand genau vermerkt 
werden. Die Konstruktion der aUgemein in Verwendung stehen¬ 
den Glühlampen (Gewindefassung) ist zu verbessern. Alle Schalter, 
Stechkontakte, Taster sind in solcher Höhe anzubringen, dass sie 
nur Erwachsenen erreichbar sind. Um bei besonderen Anlässen 
ein Haus rasch stromlos machen zn können, sollte jedes einen 
versperrbaren Generalausschalter haben. Der Benutzung von 
Wechselstrom vor Gleichstrom ist vom hygienischen Standpunkt 
der Vorzug zu geben. 

2. Doerr, Wien; Das Dysenterietoxin. 

Die Mitteilung betrifft die Erzeugung experimenteller Dysenterie 
bei Tieren durch das Toxin der Kruse-Shigaschen Bacillen. Am 
empfänglichsten erwiesen sich Kaninchen, in zweiter Linie Affen 
und Katzen; widerstandsfähiger waren Hunde, völlig refraktär 
Meerschweinchen. Die empfänglichen Tierspezies reagieren am 
intensivsten auf intravenöse Injektion; doch wirkt das Gift auch 
von der Subkutis, vom Peritoneum und Gehirn; unwirksam ist es 
vom Darmlumen aus. Die Krankheitserscheinungen sind teils 
nervöser Natur (Lähmungen, Krämpfe), teils intestinaler (blutige 
Diarrhoeen). Die Obduktion ergibt bei Affen, Hunden, Katzen 
haemorrhagische Entzündung des gesunden Darmes. Ganz anders 
liegen die Verhältnisse bei Kaninchen; hier sind die Veränderungen 
nicht nur schwerer, sondern auf bestinunte Darmpai’tieen, das 
Goecum und Anfangsteil des Colon, beschränkt, während Dünn¬ 
darm und Appendix stets frei bleiben. Beim Kaninchen ist der 
Prozess wohl als reine Intoxikation anzusehen, und es ist anzu- 
nehmen, dass die Dünndarmschleimhaut ein toxinzerstörendes Fer¬ 
ment besitzt. 


3. Kren, Wien: Ein Beitrag zur Kenrofibromatosis Beok- 
linghansen. 

Eingehende Beschreibung der Krankheitserscheinungen bei 
einem Fall, bei dem sich finden: Ausgedehnte Pigmentationsano- 
malien und Fibrome der Haut, Fehlen des hinteren Teiles des 
Alveolarfortsatzes des rechten Oberkiefers, Fehlen des Knorpels 
im Tragus und Gehörgang, partieller Defekt des Os sphenoidale, 
Haemangiom und dadurch bedingte Usur des Jochbeins und 
Atrophie .des Musculus temporalis, Neurofibrom mit Usur des 
Unterkiefers, Skeletasjrmmetrie des Schädels. Die Neurofibro- 
matosis ist eine hereditäre, oft in mehreren Generationen — und 
da bisweilen als forme fruste auftretend — zu verfolgende Krank¬ 
heit und mit ihren Tumorbildungen am Nervenapparat und den 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 44. 


begleitenden nävusartigen Bildungen der Haut, sowie den Hem- 
mungs- und Missbildungen an inneren Organen im weiteren Sinne 
selbst als Missbildungskrankheit aufzufassen. 

4. Felix, Baden: Ueber ein neues Verfahren snr Unter« 
suchung des Patellar- und Achillessehnenreflexes. 

Bei dem häufigen Versagen des Jendrassikschen Handgriffs 
empfiehlt F. die Untersuchung des Patellarreflexes in Seitenlage 
mit leichter Beugung im Hüft- und Kniegelenk vorzunehmen (in 
sogenannter Schlafstellung). Diese Art der Untersuchung hat den 
Vorteil, dass dabei völlige Erschlaffung des Extensor quadriceps 
und der Wadenmuskulatur erzielt wird und eine willkürliche 
Spannung dieser Muskelgruppen, weil für den Untersuchten un¬ 
bequem, nicht zu erwarten ist; ferner kann in ein und derselben 
Lage der Patellar-, Achillessehnen- imd auch der Glutealreflex 
ausgelöst werden; schliesslich kann durch gleichzeitiges Schliessen- 
lassen der Augen und durch den Umstand, dass das Untersuch¬ 
ungsfeld von jeder vorzeitigen Berührung durch den Untersucher 
frei bleibt, jeder Einfluss von seiten des Kranken auf den Gang 
der ärztlichen Untersuchung ausgeschaltet werden. 

5. V. Preuss; Das CoUyrimu adstringeiiB luteum (Aq.Horsti). 
Historische Studie. 

Allgemeine medicinische Central-Zeltung. 1906. Nr. 40. 

Lewin: Ein Fall von ausserordentlich profusem Abgang 
von cerebrospinaler Flüssigkeit aus dem äusseren Gehörgang bei 
unverletztem Trommelfell. 

Der Fall betrifft ein junges Mädchen, das, nach einem Pall 
aufs linke Ohr, einige Tage Kopfschmerzen, Stechen im Ohr und 
Kopfschwindel verspürte, während das Bewusstsein erhalten blieb 
und kein Blut aus dem Ohr entleert wurde. Am dritten Tage 
nach der Verletzung stellte sich Flüssigkeitsabgang aus dem Ohr 
ein, der anfangs spärlich war, dann aber zeitweilig bis zu 2 1 
in 24 Stunden betrug und nach etwa drei Wochen wieder auf¬ 
hörte. Die Flüssigkeit erwies sich als Cerebrospinalflüssigkeit. 
Eline Verletzung des Trommelfells war nicht nachzuweisen, wahr¬ 
scheinlich sickerte die Flüssigkeit durch eine Stelle ün Gehörgang. 
Anzunehmen war eine isolierte Fraktur desjenigen Teils der Schädel¬ 
basis, der die obere Wand des Gehörgangs bildet und diesen von 
der mittleren Schädelgrube trennt. Sehr lehrreich ist das fast 
indifferente Verhalten des jugendlichen Organismus einem so ge¬ 
waltigen Verlust von Cerebrospinalflüssigkeit gegenüber. 

Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 40. 

Silberstein; Ueber eine neae VerordnangBform des Leci¬ 
thins. 

Das Präparat ist Lecithovanadin (Apoth. Hadra), eine chemische 
Verbindung von Ovolecithin mit einem Gehalt von 4% Phosphor 
mit Vanadium. Es wird am besten in Pillenform verordnet, als 
Ovolpillen, die 0,025 Lecithovanadin pro Pille enthalten. Davon 
erhält der Erwachsene dreimal tägl. 2 — 3, am besten nach dem 
Essen, Kinder entsprechend weniger, am besten die zerkleinerten 
Pillen in Milch oder Suppen. Das Präparat ist den andern Leci¬ 
thinpräparaten zum mindesten gleichwertig und hat befriedigende 
Resultate gegeben bei geistigen Erschöpfungszuständen, bei Neu¬ 
rasthenie, sowie bei rhachitischen und andern Eutwicklungsstörungen 
im Kindesalter. 


Bücherbesprechung:. 

Dr. Kleintjes. Hygiene in den Bergen. (Verl, der 
ärztl. Rundschau, Otto Gmelin, München 1906). 

Die grosse Lust unserer Zeit an Bergsport und Hochgebirgs- 
reisen macht das Erscheinen der Broschüre zu einem förmlichen 
Bedürfnis. Die Erklärungen des Verfassers über die Wirkung des 
Gebirgsklimas auf den menschlichen Organismus, die Ratschläge 
für gesundheitsgeinässes Verhalten in den Bergen (Kleidung, 
Nahrung etc.) und über Massregeln bei eventueller Erki'ankung 
(Bergkrankheit, Erfrierung etc.) sind treffend und unterhaltend 


geschrieben. Das Heftchen gehört in den Toumister jedes Hoch¬ 
touristen. 

Dr. 0. Burwinkel in Bad Nauheim. Die Herzleiden, 
ihre Ursachen und Bekämpfung, Gemeinverständliche 
Darstellungen. 7.—9. vermehrte und verbesserte Auflage. (Verl, 
der ärztl. Rundschau, Otto Gmelin, München 1906). 

Das Erscheinen der Broschüre in 9. Auflage beweist am 
besten ihren grossen und anerkannten Wert. Es ist eine be¬ 
sondere Gabe des Verfassers, die Kenntnisse seiner Wissenschaft 
in leicht verständlicher und treffender Form wiederzugeben. Da¬ 
bei ist das kleine Buch nicht etwa eine blosse Zusammenfassung 
landläufiger ärztlicher Anschauungen über Herzleiden und ihre Be¬ 
handlung, sondern stellt vielmehr ein höchst individuelles Urteil 
dar und schlägt zum Teil neue Wege ein, zu denen offenbar grosse 
und langjährige Erfahrung geführt hat. Die Broschüre sollte von 
jedem Herzkranken gelesen werden. 

Runge, Goettingen. Die Krankheiten der ersten 
Lebenstage. Ferd. Lutze in Stuttgart 1906. Dritte Auflage. 

Das vortreffliche, allen Rungeschen Schülern ganz besonders 
wertvolle Buch liegt in dritter Auflage vor. Der Verfasser 
hat mit Rücksicht auf die neuesten Forschungen sein bereits in 
der zweiten Auflage ganz erheblich erweitertes Werk umgearbeitet, 
so dass es heute den modernsten Anforderungen entspricht. Das 
Gebiet, welches eigentlich den Paediatern zugehört, ist von R. in 
80 klarer und verständlichef Weise abgehandelt, dass jeder Arzt, 
der sich mit Geburtshilfe und Wochenpflege zu befassen hat, 
grossen Nutzen und reiche Belehrung aus der Lektüre wird ent¬ 
nehmen können. M. 


Vermischtes. 

Kissingen. Der „Ständige Ausschuss für die gesundheit¬ 
lichen Einrichtungen in den deutschen Kur- und Badeorten“ hat 
seine dritte Zusammenkunft am 13. Oktober in Kissingen abge¬ 
halten. 

Das K. Gesundheitsamt, das preuss. Kultus- und das Land- 
wirtschaftsministorium, die bayerische und die hessische Regierung 
hatten Vertreter entsandt. Die erneuten Beratungen über die 
Mindestforderungen für Wasserversorgung und Beseitigung der 
Abfallstoffe gelangten nach den Ausführungen des Vorsitzenden, 
Hofrat Dr. Röchling - Misdroy, zum Abschluss. Eine Reihe von 
Vorschlägen für bau- und gesundheitspolizeiliche Verordnungen in 
den Kurorten, Referent Dr. Siebelt-Flinaberg, wurde in zweiter 
Beratung endgültig angenommen. 


Wie 60 vieles Andere, was den Anspruch auf Handlichkeit für den 
praktischen Gebrauch machen kann, verdanken wir den praktischen Amerikanern 
seit längerer Zeit die Ideen der komprimierten Arzneimittel. Für längere 
oder kürzere Reisen, bei denen alle Bedürfnisse für den täglichen Gebrauch 
und die Bequemlichkeit mitgefUhrt werden sollen, dabei aber nur den ge¬ 
ringsten zur Verfügung stehenden Platz einnehmen dürfen, wurde dieser 
Gedanke bald auch auf andere Erzeugnisse dos Handels und der Industrie 
ausgedehnt. So hat die bekannte Fabrik medic. Verbandstoffe von Max 
Arnold in Chemnitz, welche schon lange komprimierte Verbandstoffe unter 
der Bezeichnung „Earawanen-Packung“ in den Handel brachte, neuerdings 
einen Gebrauchsmuster-Schutz auf eine komprimierte Damenbinde genommen, 
welche nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in England berechtigtes 
Aufsehen erregt. Die Binde kommt unter dem eingetragenen Namen „Pari- 
siana-Damenbinde“ zum Verkauf und erfreut sich grosser Beliebtheit bei 
der kaufenden Damenwelt, da das Päckchen in jeder Tasche zu verbergen 
ist, es nimmt nicht mehr Raum ein, wie etwa eine Viertel-Tafel Schokolade. 
Eine feste Papiervorpackung, gehalten durch einen schmalen Streifen, schützt 
die Binde vor jeder Berührung, geöffnet nimmt sie mit einigen helfenden 
Griffen sofort die ursprüngliche Form an, da der Inhalt nur aus elastischer, 
"ut saugender weissor Watte, der echten von Bruns'sehen Cba^iebaumwolle 
besteht. Ein wesentlicher Vorteil der Parisiana-Damenbinde ist ferner der, 
das.s der Uoberzug aus einem ganz eigenartigen netzartigen Gewebe besteht, 
welches an den Enden in Schlaufen oder Üesen ausgent; auf diese Weise 
kommt ein Abreissen der Schlaufe, wie bei den angenähten so häufig zu 
beobachten ist, nicht vor. Neben dieser komprimierten Form der einzelnen 
Binde wird die Parisianabindo auch dutzend- und halbdutzendweise in den 
Apotheken und jedem besseren Sanitäts- und Drogenhause abgegeben. 


Veraolwortlichcr R«dakt«ur : Or. P. Meissner, Berlin W. SS, Kurfürsteostr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle 
Druck von der Hegneiunn'schen Bucbdrackerei, Gebr Wolff, Halle a. S. 


a. S. 


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Medicinische Woche 



Deatscbmaoo, A. Dfibrsseo. A. Hofft, E. Jtcobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Prelburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Glessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a* Uhlandstrasse 6. 

TeL-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerricht, A. Vossloi. 

Magdeburg. Glessen. 


Redaktion; 

Berlin W« 62, Karfflratenstranse 81* 

Dr. P. Meißner. 


Vn. Jahrgang. 


5. November 1906. 


Nr. 45. 


Die »Med Icinische Woche* erscheint jeden Montag mit der IdtSgigen Beilage BaltlCOlogiSChC CctltralzeitUtlgy Organ des SchwsrzwaldbSdertages, 
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet JBhrlicb 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede 
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fflr die 4gespalteae Petitzeile oder deren Raum 
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel gröberen Aufträgen wird Rabatt gewSbrt. 

Nachdruck der Original-AufsStze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 


Aus dem neuen Städtischen Krankenhause zu Odessa. 

Heber die Methylen-Blau-Reaktion, 

Von Dr. L. P, Dmitrenko *). 

Im vorigen Jahre hat Russe (Riforma med. 1905, Nr. 19) 
die Methylen-Blau-Reaktion als Ersatz der Diazoreaktion bei 
der Diagnose des Abdominaltyphns vorgeschlagen. Um diese 
Reaktion auszuführen, setzt man vier Tropfen einer einprozentigen 
Methylen-Blau-Lösung (Methylen-Blau Merck) zu 4— 5 ccm Harn, 
wobei der Ham typhöser Kranken sich CTün bis smaragden 
färbt. Eine ebensolche Reaktion erhielt Verfasser bei Masern, 
Pocken, bei fortgeschrittenen Formen von Lungentuberkulose, 
bei tuberkulöser Pleuritis, bei Empyen und Peritonitis. Die 
Vorzüge dieser Reaktion vor der Diazoreaktion erblickt Russe 
in ihrer einfacheren Technik, zweitens darin, dass ihr An¬ 
wendungskreis enger ist, als derjenige der Diazoreaktion. 

Ich habe die Beobachtungen von Russo innerhalb der Zeit¬ 
periode vom 9. Oktober 1905 bis 19. Januar 1906 dadurch ge¬ 
prüft, dass ich den Harn sämtlicher Kranken, die in meine Ab¬ 
teilung aufgenommen wurden, auf die Methylen-Blau-Reaktion 
hin untersuchte; ausserdem verfolgte ich bei 14 typhösen Kranken 
systematisch Tag für Tag die Entwicklung und den Gang dieser 
I^aktion im Harn. 

Die 400 Kranken, deren Harn auf mit Methylen-Blau- 
Reaktion hin untersucht wurde, umfassen folgende Erkrankungen: 

Typhus abdominalis.23 Fälle 

Typhus recurrens. ^ n 

Variola. 2 „ 

Influenza.22 „ 

Pneumonia crouposa.n 

Tuberculosis pulmonum.44 „ 

Andere tuberkulöse Erkrankungen. 7 „ 

Polyarthritis rhenm. acuta.12 „ 

Gonorrhoea acuta und ihre Komplikationen . , 5 „ 

Malaria. 9 „ 

Andere Infektionskrankheiten. 6 „ 

Karzinom verachiedener Organe. 9 „ 

L^phosarcomatosis. 1 „ 

Würmer. 3 „ 

Bronchitis.10 „ 

Kmphysema pulmon.39 „ 

Bronchopneumonia ehr. 4 „ 

Pleuritis rheumat. w 

Andere Erkrankung der Atmungswege. 4 „ 

M^enerkrankungen. 6 „ 

*) Aus dem RoBaischen voo M. Lubowski, BerliD-Wilmeradorf. 


Darmerkrankungen. 6 Fälle 

Icterus catarrhalis. ^ n 

Cirrhosis hepatis atroph. 1 „ 

Peritonitis acuta. 1 „ 

Nephritis acuta. 4 „ 

Nephritis parech. chron. 3 „ 

Nephritis mterstitilalis. 4 „ 

Amyloides rennm.. . 1 „ 

Herzerkrankungen.13 „ 

Gefässerkrankungen.26 ^ 

Erkrankung des zentralen Nervensystems ... 7 „ 

Erkrankungen des peripherischen Nervensystems 8 „ 

Funktionelle Nervenkrankheiten.• . 10 „ 

Kontusionen, Frakturen und Hernien.22 „ 

Vergiftung mit Ammoniak. ^ n 

Diabetes mellitus. 1 „ 

Chronische Gelenkrheumatismen.14 „ 

Myositis rheumatica.13 „ 

Phlegmone. 2 „ 

Hautkrankheiten. 7 ,, 

Marasmus senilis.16 „ 

Es wurde gewöhnlich die morgendliche Hamportion bei 
Kranken, die mindestens zwei Tage lang keine Medikamente 
erhielten, untersucht. 

Vor allem musste man sich überzeugen, dass die Aus¬ 
führung der Reaktion, die in ihrem Prinzip so einfach ist, doch 
einer gewissen Sorgfältigkeit benötigt ist, weil die geringste 
Vergrösserung oder Verringerung der Menge des zugesetzten 
Reagens den Farbenton des Harns in hohem Maße beeinflusst 
Um möglichst präzise vorzugehen und gleichartige Resnltate 
zu erzielen, graduierte ich sowohl das Reagensgläschen, in 
welches ich den Ham goss, wie auch das schmme Röhrchen 
mit lang gezogenem Ende, mit dem ich das Reagens hinzusetzte. 

Eine weitere Schwierigkeit, die ich noch zu überwinden 
hatte, war die Bestimmung der Farbe des Harns nach Schluss 
der Reaktion. Eine absolut genaue Skala für die Farbennuancen 
festzustellen, ist nicht möglich. Ich begnügte mich infolge¬ 
dessen mit folgender Einteilung der sich darbietenden Farben 
des Harns: grüne Reaktion, blaugrüne Reaktion, unbestimmte, 
smaragdene und olivenblaue ins gelbliche schimmernde Reaktion. 
Als unbestimmte Reaktion bezeichnete ich diejenige, wo man 
bei sichtbarer smaragdener Farbe des Harns einen etwaigen 
Stich ins Bläuliche nicht mit absoluter Sicherheit ansschliessen 
konnte. 

Auf 400 Proben erhielt ich: 

olivenfarbene Reaktion 34 mal 
smaragdene „ 137 „ 

unbestimmte „ 13 » 

blaugrüne „ 138 „ 

blaue „ 73 „ 

Die smaragdenfarbene Reaktion wurde in folgenden 137 Fällen 
beobachtet: 


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MJjiDlCCnSiJiiJfi WOC^K« 


Nr. 45. 


48ä 


Typhüs abdominalis (15), Typhus recurrens (3), Variola (1), 
Influenza (7), Pneumonia crouposa (10), Tuberculosis pulmo¬ 
num (13), Tuberculosis milliaris (1), Pleuritis tbc. (l), Perito¬ 
nitis tbc. (1), Polyarthritis rh. acuta (4), Dysenteria (1), Gonor- 
rhoea acuta (2), rolyarthr. gonorrh. ehr. (1), Malaria (3), Erysi- 
pelas (1), Carcinoma ventriculi (2), Bronchitis acuta (3), Emphy- 
sema pulmonum (15), Pleuritis rheum. (4), Gastritis acuta (2), 
Atonia intestinorum (1), Perityphlitis ehr. (1), Enteritis acuta (1), 
Angina follicularis (1), Icterus catarrhalis (1), Cirrhosis hepatis 
atrophica (1), Amyloides renum (1), Vitium cordis (4), Myocar- 
ditis (1), Arteriosklerosis (7), Alcoholismus ehr. (1), Paralysis 
progressiva (1), Paralysis agitans (1), Myelitis ehr. (1), Ischias (3), 
rolyarthr. rh. ehr. (7), Osteomyelitis ehr. (1), Fractura costa- 
rum (l), Haemothorax träum. ^1), Phlegmone (1), Carbunculus (1), 
Psoriasis vulgaris (1), Tintoxicatio liq. ammon. caust. (1). . 

Die olivenfarbene Reaktion wurde an folgenden 34 Fällen 
beobachtet: 

Tuberculosis pulmonum (4), Tj^phus abdomin. (6), Pneu¬ 
monia crouposa (2), Pleuritis tbc. (1), Peritonitis tbc. (1), 
Polyarthr. rh. acuta (1), Carcinoma oesophagi (1), Carcinoma 
hepatis (2), Emphysema pulmonum (5), Gangraena pulmonum (1). 
Gastritis acuta (1), Icterus catarrhalis (3), Nephritis parench, 
ehr. (1), Myocarditis ehr. (1), Arteriosclerosis (1), Varices ani (1), 
Myositis rh. (1), Marasmus senilis (1). 

Zugleich beobachtete ich die blaue Reaktion in folgenden 
73 Fällen; 

Influenza (7), Pneumonia crouposa (1), Tuberculosis pulmon. 
(6), Polyarthr. rh. acuta (1), Dysenteria 1), Carcinoma ventri¬ 
culi (2), Lymphosarcomatosis (1), Parasiten (2), Bronchitis (2), 
Emphysema pulm. (9 , Pleuritis rh. (3), Angina catarrhal. (1), 
Ulcus rotundum ventriculi (1), Colitis ehr. (l), Nephritis inter- 
stitialis (4), Herzerkrankungen (5), Gefässerkrankungen (6), 
Tabes dorsalis (1), Neurasmenia (3), Diabetes mellitus (1), 
Arthritis deform. (1), Polyarthr. rh. ehr. (1), Moysitis rh. (2), 
Contusiones (2), Haemothorax träum. (1), Psoriasis (1), Maras¬ 
mus senilis (7). 

Als positives Resultat betrachtete ich den positiven Aus¬ 
fall der smaragdfarbenen oder olivenfarbenen Reaktion. 

Meine Beobachtungen haben mich überzeugt, dass die Farbe 
des Harns an der Entstehung der smaragdenfarbenen Reaktion 
überhaupt und der olivenfarbenen insbesondere eine grosse 
Rolle spielt. Ich habe die erzielten Resultate je nach der 
Farbe des Harns in vier Abteilungen eingeteilt, die ungefähr 
vier Grundfarbennuancen des Harns dokumentierten: dunkel¬ 
orange, orange, zitronenfarben und hell - zitronenfarben. Ich 
habe dabei fmgende Zahlen erhalten: 


Feuilleton. 


Empfehlung der Schutzpockenimpfung 
durch einen Arzt im Jahre 1762. 

Von Dr. Gätjen. 

Wir können wohl mit Recht behaupten, dass es infolge 
des Impfzwanges, wie er seit dem Inkrafttreten des Impfge¬ 
setzes vom Jahre 1874 besteht, im deutschen Reiche keine 
Pocken mehr gibt, abgesehen von einer verschwindenden Zahl 
meistens aus dem Auslande eingeschleppter Fälle. Trotzdem 
gibt es auch jetzt noch in allen Schichten der Bevölkerung, 
auch unter den Aerzten, heftige Gegner der Schatzpocken¬ 
impfung. Umsomehr müssen wir uns wundern, wenn wir von 
einem Manne, einem zu seiner Zeit berühmten Arzte, hören, 
der schon im Jahre 1762 mit der ganzen Kraft seiner Autorität 
und Ueberzeugung für die Schutzpockenimpfung, oder wie er 
sie nennt, die „Einpfropfung der Pocken“ eingetreten ist. Die 
Art und Weise, wie er diese Einpfropfung vornimmt, kommt 
einem jetzt im Zeitalter der Asepsis und speziell der animalen 
Lymphe allerdings bedenklich genug vor. Aber es ist von 
grossem Interesse, zu sehen, wie dieser Arzt schon damals 


Auf 400 Hamportionen entfielen solche mit 

dunkel orangefarbener Nuance 42 Portionen, 

orangefarbener Nuance 196 „ 

zitronenfarbener „ 135 „ 

hell-zitronenfarbener Nuance 27 „ 

Wenn wir nun jetzt genau nachzählen, wie oft die eine 
oder die andere Farbe der Methylen-Blau-Reaktion bei der 
einen oder der anderen Farbe des Harns beobachtet wurde, so 
erhalten wir folgende Verhältnisse: 


Harntarbe Farbe der 

oHren- 

smaragfden- 

unbe¬ 

grün¬ 

blaue 

Reaktion. 

farbonc 

farbone 

stimmte 

blaue 

dunkel-orangefarben 

15 

21 

1 

5 

0 

orangefarben 

17 

97 

17 

63 

2 

zitronenfarben 

2 

19 

0 

66 

48 

hell-zitronenfarben 

0 

0 

0 

4 

23 


Aus dieser Tabelle ersehen wir beispielsweise, dass die 
olivenfarbene Reaktion bei zitronen- und hell-zitronenfarbenen 
Nuancen des Harns fast nicht vorkommt (auf 162 Harnportionen 
nur zweimal, und zwar beide Male bei Abdominaltyphus). Im 
Gegenteil die Harnportionen haben dunkel-orangefarbene und 
orangefarbene Nuance, was die Zahlen von olivenfarbenen und 
smaragdenfarbenen Reaktionen ergeben. Die blaue Reaktion 
wird D^ei dunkel-orangefarbenen und orangefarbenen Nuancen 
des Harns fast nicht beobachtet (zweimal auf 238 Fälle), wohl 
aber sehr häufig bei zitronenfarbenen und hell-zitronenfarbenen 
Nuancen. Letztere Farbentöne des Harns geben fast stets blaue 
Reaktion (23 mal auf 27 Fälle). Die blaugrüne Reaktion als 
Uebergangsreaktion nimmt die mittleren Teile der Tabelle ein: 
kommt selten bei dunkel-orangefarbenen und hell-zitronen¬ 
farbenen Nuancen des Harns und sehr häufig bei orangefarbenen 
und zitronenfarbenen vor (9 bezw. 129 auf die Gesamtzahl von 
138 Fällen). 

Man kann also als feststehend betrachten, dass die Methylen- 
Blau-Reaktion zwar nicht die direkte Folge des Farbentons 
des Harns ist, nichtsdestoweniger von diesem Farbenton in 
hohem Grade abhängt 

Nun möchte ich die Frage erörtern, bei welchen Krank¬ 
heiten die Methylen-Blau-Reaktion beobachtet wird, und zu 
diesem Zwecke einige der in Vorstehendem angegebenen ziffer- 
mäßigen Resultate näher ins Auge fassen, wobei ich die Er¬ 
hebungen, welche sich auf Abdominaltyphus beziehen, an letzter 
Stelle betrachten werde. 

Die erste Stelle nimmt natürlich die Lungentuberkulose 
ein. In 44 Fällen von dieser letzteren wurde die Methylen- 
Blau-Reaktion 17 mal beobachtet (4 olivenfarbene und 13 


mit weit vorausschauendem Blicke die Impfung als die ein¬ 
zigste Möglichkeit der Bekämpfung der früher so überaus stark 
grassierenden Pocken erklärt. Dieser Mann war der Doctor 
der Medicin und Professor S. A. D. Tissot in Lausanne, ein 
Franzose von Geburt. 

In dem vom Züricher Stadtarzt Hirzel 1762 übersetzten 
Buche von Tissot: „Anleitung für das Landvolk in Absicht 
auf seine Gesundheit“, also einem populär geschriebenen Werke, 
äussert sich der Verfasser folgendermaßen über die Pocken: 
„Es ist unter allen Krankheiten keine so allgemein als die 
Pocken, da von hundert Personen nur vier oder fünf davon 
befreyt bleiben. Indessen ist es wahr, dass dieselbige, obgleich 
sie alle Menschen angreift, doch nur einmahl angreife, und 
wenn man sie einmahl gehabt, man derentwegen für immer 
gesichert seye. Die zum zweytenmale kommenden Pocken, 
von welchen man zwar einige erwiesene Fälle’ anführt, sind so 
selten, dass sie kaum eine Ausnahme dieser Regul machen. 
Die Krankheit ist zugleich unter denjenigen zu zehlen, welche die 
grösste Anzahl Menschen tödten; und wenn sie oft sehr ge¬ 
linde ist, so ist sie anderemahl beynahe so verheerend als die 
Pest. Es ist erwiesen, dass wenn man die Verheerungen der 
schlimmen und guten Epidemien zusammennimmt, diese Krank¬ 
heit den siebenten von denen, die davon ergriffen werden, 
tödte.“ Er gibt dann allgemeine Verhaltungsmaßregeln bei 
Pocken, vor allem der Kinder, und apostrophiert dann am 
Schlüsse des Kapitels die Bauern in folgender drastischen aber 

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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


488 


smaragdenfarbene). Die 44 Fälle von Lungentuberknlose lassen 
sich nach dem Krankheitastadium in drei Groppen einteilen; 

I. Stadium 18 Fälle; davon Methylen-Blau-Reaktion 5 Fälle, 

n. „ 19 „ „ „ „ „ 10 „ 

n 

Die Methylen-BlaU’Reaktion wurde also im II. Stadium der 
Lungentuberkulose häufiger beobachtet als im L Stadium; aber 
wider Erwarten seltener als im III. Stadium. 

Es ist somit klar, dass ein Zusammenhang zwischen dem 
Auftreten der Methylen-Blau-Reaktion und der Schwere der 
Erkrankung nicht vorhanden ist. 

Bei krupöser Pneumonie wurde die Methylen-Blau-Reaktion 
12 mal in 18 Fällen beobachtet, wobei ein Zusammenhang 
zwischen der Schwere der Erkrankung, bezw. dem Ausgang 
derselben einerseits, und dem Auftreten der Methylen-Blau- 
Reaktion andererseits, auch hier nicht festgestellt werden konnte. 

Von 22 Fällen von Influenza zeigte die Methylen-Blau- 
Reaktion sieben Fälle. 

Febrile, so wie afebrile Myositiden gingen gleichfalls häufig 
mit positivem Ausfall der Methylen-Blau-Reaktion des Harns 
einher (8 von 13); desgleichen chronische Gelenkrheumatismen 
(7 von 14). Akute rheumatische Polyarthritiden unterscheiden 
sich in dieser Beziehung von chronischen nur wenig (5 von 12). 
Von den senilen Erkrankungen geht das Emphysem am häufig¬ 
sten (20 von 39), seltener die Arteriosklerose (8 von 21) mit 
positivem Ausfall der Methylen-Blau-Reaktion im Harn einher. 

Das Vorhandensein von Gallenpigment erzeugt, indem es 
den Farbenton des Harns beeinflusst, die Methylen-Blau-Reaktion, 
sämtliche vier Fälle von katarrhalischer Gelbsucht gaben diese 
Reaktion, und zwar drei olivenfarbene und eine smaragden¬ 
farbene. Dasselbe wurde in zwei Fällen von Leberkrebs beob¬ 
achtet, die mit Gelbsucht einhergingen, und in denen der Harn 
die olivenfarbene Reaktion gab. 

Der Einfluss der Farbe des Harns machte sich auch bei 
interstitieller Nephritis geltend: nämlich vier Fälle gaben die 
blaue Reaktion. 

Aus dieser kurzen Uebersicht geht klar hervor, dass die 
Methylen-Blau-Reaktion nicht nur keine vomehmliche Reaktion 
auf Abdominaltypbus ist, sondern überhaupt bei der Diagnose 
der verschiedenen Kranl^eiten jeglicher Bedeutung entbehrt. 

Wenn wir die 23 Fälle von Typhus aus der Gesamtzahl 
der Fälle ausschliessen, erhalten wir folgendes Resultat: die 
Methylen-Blau-Reaktion wurde bei 377 verschiedenen Er¬ 
krankungen 150 mal, d. h. fast in der Hälfte der Fälle beob¬ 
achtet. 


Ich möchte nun die Bedeutung der Methylen-Blau-Reaktion 
bei Abdominaltyphus erörtern. 

Von 23 Fällen von Abdominaltyphus habe ich nur in 14 
Fällen den Ham systematisch untersucht. In diesen Fällen 
machte ich im ganzen 130 Analysen, die folgendes Resultat 


ergaben: 

olivenfarbene Reaktion kam 

19 mal 

vor, 

smaragdenfarbene Reaktion kam 

70 „ 

B 

nnbestimmte „ „ 

7 „ 

71 

blaugrüne , „ 

21 „ 

M 

blaue „ „ 

13 B 

» 

Ein regelmäßiges Nachlassen der Methylen-Blau-Reaktion 


je nach dem Fortschreiten oder dem Erlöschen des typhösen 
Prozesses konnte nicht nachgewiesen werden. Die blaue Reak¬ 
tion wurde, wenn auch selten, in der Mitte des Typhusverlaufes 
bei sehr blassem Harn beobachtet; die olivenfarbene wurde 
hauptsächlich bei dunkler Harnfarbe angetroffen. Der Farben- 
toD des Harns hat auch hier auf die Nuance der Methylen- 
Blau-Reaktion einen starken Einfluss. 

Hier die Tabelle der Wechselbeziehungen der Farben- 


nuancen: 

Harnfarbe. Farbe der 

oliv«'n- 

smaragden- 

unbe¬ 

blaa- 

blau 

Methylon-Blau-Heaktion 

farbon 

farten 

stimmt 

grün 

dunkel orangefarben 

1 

1 

0 

0 

0 

oraogefarben 

13 

50 

4 

6 

0 

zitronenfarben 

5 

19 

3 

14 

3 

hell-zitronenfarben 

0 

0 

0 

1 

10 


Der Abdominaltyphus spielt bei dem Auftreten der Methylen- 
Blau-Reaktion zweifellos eine Rolle, indem diese Reaktion hier 
fast stets beobachtet wird und dabei so intensiv ausgesprochen 
ist, dass man sie bemerken kann, und zwar beispielsweise nach 
der Häufigkeit des Auftretens der olivenfarbenen Reaktion: 
während ich die olivenfarbene Reaktion bei zitronenfarbenem 
Ham bei nicht typhösen Kranken niemals beobachtet habe, 
fand ich diese Reaktion ceteris paribus bei typhösen Kranken 
fünfmal auf 44 Hamportionen; während die olivenfarbene Reak¬ 
tion bei orangefarbenem Harn bei nicht typhösen Patienten 
elfmal auf 196 Fälle (d. h. in 5,6 ®/o) beobachtet wurde, wurde 
sie bei typhösen Kranken in 13 Fällen von 73 (d. h. in 17,8 ®/o 
der Fälle) angetroffen. 

Um den Wert der Methylen-Blau-Reaktion und der Diazo- 
reaktion zu vergleichen, braucht man nur einige der vorange- 
gangenen Zahlen der ersteren mit denjenigen der letzteren zn 
vergleichen. 


auch manchmal noch heute wahren Weise: „Wenn der Bauer 
allemahl, so oft die Pocken herrschen, diesen Anleitungen, 
welche sehr leicht und seinen Umständen angemessen sind, 
folgen wollte, ich bin versichert, die Verheerungen derselbigen 
würden sich ungemein verringern. Es werden sich viele der¬ 
selbigen zu nutz machen; es giebt unter ihnen solche, die sehr 
venraüftig und mit einer wahren väterlichen Zärtlichkeit er¬ 
füllet sind; es giebt aber auch andere, welche zu dumm sind, 
den Nutzen zu begreifen, und allzu viehisch (!), dass sie auf 
ihre Kinder einige Sorgfalt verwenden sollten.“ 

Das wirksamste Vorbeugungsmittel aber nennt er die 
„Einpfropfung der Pocken“. In eigenartiger Weise sucht er 
seine Leser von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der 
Schutzpockenimpfung zu überzeugen, nämlich durch ein vor¬ 
trefflich gewähltes Gleichnis. 

Er schreibt: „Ein unwiederrufliches Schicksahl unterwirft 
die Einwohner eines Landes einem Gesetze, dass ein Jeder 
einmahl in seinem Leben über ein sehr schmales Bret gehen 
soll, unter welchem ein tiefer Waldstrom mit grossem ün- 
gestühm und Schnelligkeit durchfliesst. Die Erfahrung von 
10 Jahrhunderten hat gelehrt, dass von 10 Personen, welche 
dieses thun, wenigstens einer fällt und ertrinkt; derjenigen zu 
geschweigen, welche zwar fallen, aber noch errettet werden, 
inzwischen aber sich an den Felsen stossen, mit welchen der 
Waldstrohm angefüllt ist, und oft ihr ganzes Leben durch 
Schwacliheiten behalten, welche ihnen das Schicksal der Er¬ 


trunkenen beneidungswerth machen. — Die nämlichen Beob¬ 
achtungen , welche die Gefahr dieses Ueberganges bewiesen 
haben, entdeckten auch die Ursachen der Gefehr. Man sähe, 
dass viele durch die Furcht zum Fallen gebracht wurden; 
andere weil sie zu schwehr waren und dem Bret eine falsche 
Bewegung beybrachten; die dritten, weil sie bei dem Ueber- 
gang von einem Schwindel, oder einer Ohnmacht oder der 
Epilepsie überfallen worden; die vierten, weil das Bret mit 
Eis überzogen war; die fünften wurden durch einen heftigen 
Windsturm von dem Bret geworfen; andere giöngen zu Grunde, 
weil sie diese Reise zu Nacht unternahmen; verschiedene 
schwangere Weiber fielen, weil es Ihnen schwer ward, den 
Körper im Gleichgewicht zu erhalten, und auf den Ort zu 
sehen, wo sie die Füsse absetzeu sollten. Eine grosse Anzahl 
ward ein Opfer der vielen Einschlägen, welche von guten 
Leuten aus den besten Gesinnungen, aber ohne Einsichten, 
dergleichen sich nur gar zu viel finden, empfohlen worden.“ 
„Es machte Jemand darüber seine Anmerkungen und 
sprach: Da doch der üebergang nicht notwendig tötlich ist, 
sondern nur durch zufällige Umstände so gefährlich wird, weil 
wir doch alle diesen Weg einmahl nehmen müssen, und wenn 
wir ihn einmal gemacht, solchen sehr selten ein zweytes Mal 
nehmen müssen; so wollen wir zu einem Gesetze annehmen, 
dass jedermann nur in einer gewissen Zeit, wenn alle ungün¬ 
stige Umstände abwesend sind, den Weg vornähme und zwar 
1. ehe man die Gefahr kennen gelernt f 2. Ehe man gar zn 
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484 


i TQINIR^» HK wOCHJil. 


Nr. 45. 


Bei typhösen Kranken wurde die 
Methylen-Blau'Keaktion 150 mal in 377 Fällen beobachtet, 
Diazoreaktion 31 „ „ 377 „ . 

d. h., die Diazoreaktion wurde fast fünfmal seltener beobachtet. 

Die 31 Fälle, in denen die Diazoreaktion beobachtet wurde, 
entfallen auf folgende Krankheiten: 

Variola (1 von 2), Pneumonia crouposa (1 von 18), Tuber¬ 
culosis serosarum (2 von 4), Tuberculosis miliaris (1), Tuber¬ 
culosis articularis (1 von 2), Tuberculosis pulmonum (25 von 44). 


Auf 44 Kranke: 


in der 

» n 
tt w 


I. Periode wurden auf 18 Fälle 

n. « « « 19 » 

ni. « . . 7 . 


DR. 

4 
16 

5 


MR. 

5 beobachtet. 


Bei gleichzeitigem Vorhandensein von Diazoreaktion wurde 
Methylen-Blau-Reätion bei Tuberkulösen viermal beobachtet 
Eine prognostische Bedeutung hat Methylen-Blau-Reaktion bei 
Lungentuberkulose, ebenso wie die Diazoreaktion nicht. Diazo¬ 
reaktion ohne Methylen-Blau-Reaktion wurde in folgenden 16 
Fällen beobachtet: 


Wenn wir jetzt aus der Gesamtzahl von 377 Kranken die 
44 Tuberkulosen ausschliessen, so erhalten wir folgende Zahlen: 
die Methylen-Blau-Reaktion wurde 133 mal auf 333 Fällen beob¬ 
achtet, die Diazoreaktion wurde 6 mal auf 833 Fällen beob¬ 
achtet, d. h., bei sämtlichen Krankheiten, die auf die 333 Fälle, 
d. h. auf die Zahl, die nach Abzug der Typhus- und Tuber¬ 
kulose-Fälle zurückbleibt, entfallen, wurde die Methylen-Blau- 
Reaktion 22 mal so häu6g beobachtet, wie die Diazoreaktion. 

Was die einzelnen Erkrankungen betrifft, bei denen die 
Methylen-Blau-Reaktion und die Diazoreaktion am häufigsten 
beobachtet werden, so sind es eben der Abdominaltyphus und 
die Lungentuberkulose, namentlich der erstere. 

Bei 23 Fällen von Typhus wurde die Diazoreaktion 23 mal, 
die Methylen-Blau-Reaktion 21 mal beobachtet. 

Auf 89 Fälle von positivem Ausfall der Methylen-Blau- 
Reaktion ans 130 Harnportionen (bei eingehend untersuchten 
14 typhösen Kranken) wurde Diazoreaktion nur in 69 Fällen 
beobachtet; in den üorigen 20 Fällen war Diazoreaktion nicht 
mehr vorhanden (im Endstadium des Typhus), so dass die 
Methylen-Blau-Reaktion im Ham der Typhösen länger bestehen 
bleibt, als die Diazoreaktion. Nur in sechs Harnportionen von 75 
(aus der Gesamtzahl von 130) war Methylen-Blau-Reaktion nicht 
vorhanden, während Diazoreektion bestand. Mit anderen Worten: 
wenn Diazoreaktion vorhanden ist, so ist fast stets auch Methylen- 
Blau-Reaktion vorhanden, während das Umgekehrte bei weitem 
nicht der Fall ist. Eine regelmäßige Kurve zeigt die Methylen- 
Blau-Reaktion, wde bereits erwähnt, im Gegensatz zu der Kurve 
der Diazoreaktion bei Typhuskranken nicht. 

Was die Lungentuberkulose betrifft, so wurde auch hier 
die Diazoreaktion häufiger beobachtet, als die Methylen-Blau- 
Reaktion, wobei der Zusammenhang zwischen der Intensität 
der Reaktion und der Schwere der Erkrankung bei Diazoreaktion 
unvergleichlich stärker ausgesprochen war, als bei Methylen- 
Blau-Keaktion. 


schwer worden. 3. In einer Zeit, in welcher man auf dem 
Weg keinen Anfall einer Krankheit zu besorgen hat. 4. Wenn 
das Bret nicht gefroren ist und kein Sturmwind bläset. 5. Am 
hellen Tag. 6. Für das Frauenzimmer: wenn sie sicher sind, 
dass keine Schwangerschaft vorhanden. 7. Jedermann soll sich 
eines Führers bedienen, welcher die Zeit des Ueberganges be¬ 
stimmen soll. Alle vernünftigen Menschen und redlichen Bürger 
werden den Nutzen dieses Vorschlags fühlen; man wird ihn 
in Ausübung bringen und finden, dass er die glücklichsten 
Folgen haben werde, so dass anstatt, da bisher von 10 einer 
zu Grunde gegangen, nur ein einziger von 200 zu Grunde 
gehen wird.“ (Schluss folgt.) 


Typhus abdominalis (2), Tubercul. pulm. I (2), Tuberculosis 
pulmon. U (8), Tuberculosis pulm. III (2), Pneumonia crouposa 
(1), Gonitis tbc. (1). 

Von diesen 16 Fällen war Diazoreaktion sehr gut in acht 
Fällen ausgesprochen; statt der smaragdenfarbeneo Reaktion 
wurde 13 mal die blaugrüne, zweimal die unbestimmte und ein¬ 
mal sogar die blaue Reaktion beobachtet. 

Auf Grund des im vorstehenden erörterten Materials glaube 
ich, folgende Schlüsse aufstellen zu können: 

1. Die Ausführung der Methylen-Blau-Reaktion ist nicht 
einfacher, als diejenige der Diazoreaktion. 

2. Es ist häufig sehr schwer, die richtige grüne Farbe von 
den bläulich grünen Nuancen bei Methylen-Blau-Reaktion zu 
unterscheiden. 

3. Der Farbenton des Harns übt auf das Resultat der 
Untersuchung bei der Metliylen-Blau-Reaktion einen Farben- 
einfiuss aus. 

4. Die Methylen-Blau-Reaktion wird bei den verschiedensten 
Erkrankungen beobachtet und kann keinen Anspruch auf Be¬ 
deutung in differential-diagnostischer Beziehung erheben. 

5. Die Methylen-Blau-Reaktion wird am häufigsten bei 
Abdominaltyphus beobachtet, gibt aber bei demselben keine 
regelmäßige Entwicklungskurve. 

6. Die Methylen-Blau-Reaktion wird bei Lungentuberkulose 
seltener als die Diazoreaktion beobachtet und steht auch in 
geringerem Zusammenhang mit der Entwicklung des Krank¬ 
heitsprozesses, als die Diazoreaktion. 

7. Die Methylen-Blau-Reaktion kann nicht nur hoher als 
die Diazoreaktion gestellt, sondern nicht einmal mit derselben 
verglichen werden. 


Allgemein ist in diesem Zeitraum die künstliche Dilation 
der Geburtsw^e und das Blasensprengen; nach de la Motte 
wird für die Erhaltung des Dammes der langsame Durchtritt 
des Kindes durch die Schamspalte als besonders wichtig erkannt. 
Der Geburtsstuhl ist vielfach in Gebrauch, auch die Stellung 
der Niederkommenden auf dem Schosse einer anderen Frau, 
der sogenannte lebendige Geburtsstuhl. Die Gesichtslage dürfte 
in dieser Zeit zuerst erkannt sein. 

Mauriceau ist der erste, welcher den Wochenfluss als 
Wundsekret erkennt, bezüglich dessen alle seine Vorgänger 
einen dem hippokratischen Standpunkt mehr oder weniger ähn¬ 
lichen beibehalten hatten; derselbe bildet die Tubarachwanger- 
schaft zuerst ab, denkt sie aber als geplatzte hemeinartige Aus¬ 
dehnung einer Stelle der Uteruswand. 


Geschichte der Gehiirtshilfe. 

Von Dr. E. Roth. 

(Fortsetzung.) 

Die Physiologie des Foetus wird gewaltig gefördert, als 
Beispiel seien die foetale Respiration und die vita propria des 
Foetus, die eigene Wärmebildung desselben herangezogen. Die 
hochgradige Beweglichkeit des gross gewordenen schwangeren 
Uterus, besonders oei engen Becken, wird erkannt und die erste 
Anregung einer Lehre von der Beckenachse gegeben, wie die 
Anfänge der Lehre vom Geburtsmechanismus aufgestellt. 


In der Operationslehre widmete man das grösste Interesse 
dem Ausbau der Wendung auf die Füsse. Die Frequenz ver¬ 
letzender Eingriffe wird im Vergleich mit der Gepflogenheit 
früherer Zeiten vermindert. Vom künstlichen Abort ist nicht 
mehr die Rede. Die Ausführung des Kaiserschnitts an der 
Lebenden muss für das 17. und den Beginn des 18. Jahrhun¬ 
derts als sehr selten bezeichnet werden; selbst die Sectio 
cae.sarea an der Toten findet nicht allgemeine Anerkennung. 
Der Eintritt der unschädlichen Kopfzange und des geburts¬ 
hilflichen Hebels in die allgemeine Praxis bereitet sich vor. 

Ein weiterer Abschnitt reicht yojpTzweiten Drittel des 18. 

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1906. 


MBU TfjTtJTflfl H K WOOÜJfl. 


485 


Sitzungfsberichte. 

Deutschland. 

AerzUicher Ferein in Harnburg» 

Sitzung vom 16. Oktober 1906. 

Vorsitzender Herr Kümmell. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Lauensteinberichtetüber 
eine an einer 79 jährigen Patientin mit Ausgang in Heilung vor* 
genommene Operation wegen Volvulus coeci; es handelte sich 
um eine seit 8 Tagen bereits bestehende Drehung des Coecuins um 
die Längsachse noch aussen. 2. Herr Schmilinsky spricht über 
die Schwierigkeit der Diagnose des Sanduhrmagens, wenn der 
Pylorus von der Leber verdeckt wird, und stellt eine Patientin 
mit Syringomyelie vor, bei der differential-diagnostisch Lepra 
und Raynaudsches Gangraen in Betracht gezogen werden musste. 
8. Herr Haemisch demonstriert das Röntgenbild dieses Palles. 
4. Herr Liebrecht bespricht die Resultate seiner weiteren Unter¬ 
suchungen von Sehnervenschädignng bei Schädelbrächen, die 
er im Hafenkrankenhaus angestellt hat. 5. Herr Mond berichtet 
über zwei von ihm operierte Fälle von Extrauteringravidität. 
6. Herr Albers-Sohönberg führt einen 65jährigen Patienten 
vor, dessen Nasencarcinom durch Röntgenbestrahlung in 46 
Einzelsitzungen von je 6 Minuten Dauer ansgeheilt ist. 7. Herr 
Preiser stellt die Bilder eines 44jährigen Mannes mit einer 
Kombination von „schnappender Hüfte“ mit willkürlicher 
anscheinender Subluxation beider Hüften vor. Der Patient 
kann willkürlich ein schnappendes Geräusch an den Hüften hervor¬ 
bringen; zugleich treten beide Trochanteren seitwärts, um unter dem 
gleichen Geräusch dann wieder zurückzuschnappen. Klinisch handelt 
es sich um eine willkürliche Subluxation beider Schenkelköpfe nach 
hinten; im Röntgenbilde siebt man in beiden Phasen einen deut¬ 
lichen "Unterschied in der Entfernung des Kopfpols vom Pfannen- 
boden, ein Teil des Kopfschattens bleibt aber im Pfannenschatten 
noch zurück. Anatomisch durfte also der Kopf beiderseits teilweise 
auf dem hinteren Pfannenrand treten. Gleichzeitig tritt auf beiden 
Seiten im Moment der Subluxation die Sehne des Musculus glutaeus 
maximns auf die Aussenseite des Trochanter major, bietet also das 
Bild der schnappenden Hüfte. Auch die Mutter des Patienten soll 
dasselbe Phänomen geboten haben. 

TT. Diskussion über den Vortrag des Herrn Nonne: 
„Myelitis und kombinierte Systemerkrankungen bei 
Alkoholismus chronicus“. Es beteiligten sich kurz die Herren 
Liebrecht, Saenger, Cimbal und Nonne. Schönewald. 


bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Nur für wenige Ab¬ 
schnitte reicht mehr und mehr die Nennung eines Namens aus, 
um die Vorstellung der wesentlichsten Förderung des betreffen¬ 
den Gegenstandes wacbzurufen. 

Als neue Operationen müssen zunächst die Symphyseotomie 
in Frankreich und die künstliche Frühgeburt, welche in England 
ihre Geburtsstätte hatte, erwähnt werden. Auch in der Lehre 
vom Kaiserschnitt ging ersteres Land bahnbrechend voran. 

Wenn im allgemeinen auch neben dem Studium des Ge¬ 
burtsmechanismus die Operationen in erster Linie das allgemeine 
Interesse in der Geburtshilfe beherrschten, so sind doch auch 
grosse Fortschritte auf anderen Gebieten zu verzeichnen. So 
müssen anatomische Arbeiten über den schwangeren Uterus 
und den Plazentarbau genannt werden, wie wichtige Unter¬ 
suchungen zur Beckenlenre einen Platz finden. 

Im grossen und ganzen ziehen sich hippokratische Lehren 
noch durch das ganze Jahrhundert hindurch. Die Lehren vom 
Stürzen und von der Selbstgeburt des Kindes treten aber all¬ 
mählich zurück. 

Zu betonen ist die Einführung des klinischen geburtshilf¬ 
lichen Unterrichts für Studierende im 18. Jahrhundert, und die 
erste Entstehung einer geburtshilflichen Zeitschrift, wie die 
Gründung der ersten Gesellschaft für Geburtshilfe. 

(Schiass folgt.) 


(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 23. Oktober 1906. 

Vorsitzender Herr Paschen. 

1. Nach einer kurzen Demonstration des Herrn Fahr, zu der 
noch Herr Fraenkel, Simmonds und Engelmann sprechen, 
berichtet 2. Herr Umber (Altona) über seine Erfahrungen mit 
Veronal und über einen Fall von Veronalvergiftung. Der 
Vortragende hat in den letzten drei Jahren im Altonaer Krankenhaus 
im Ganzen 2800 g Veronal verordnet, ohne jemals üble Nach¬ 
wirkungen beobachtet zu haben, ausser einer ab und zu am nächsten 
Tag noch vorhandenen gewissen Schlaftrunkenheit. Er hat dabei 
das Mittel als Hypnoticum und als Sedativum schätzen gelernt, 
als letzteres besonders bei drohenden Delirien der Alkoholiker 
während Pneumonie und Cirrhose; er gab dabei bis zu 4,0 pro 
die und würde event. bis zu 10,0 gehen. In der Literatur sind bis 
jetzt zwei Fälle von tötlicher Veronalvergiftung niedergelegt worden, 
einen dritten Fall zu beobachten hatte Vortr. diesen Sommer Ge¬ 
legenheit. Eine 25 jährige Frau hatte in selbstmörderischer Absicht 
20,0 Veronal genommen. Cyanose, tiefes Coma, Reflexe völlig er¬ 
loschen, Puls 110 klein, aber regelmäßig, Temperatur 36,4®. Der 
Magen war bei der Ausheberung völlig leer; Kochsalzinfusionen, 
Coffein, Camphor. Am zweiten Tag Trachealrasseln, moribund, 
Pupillen reagierten träge; nachmittags die Reflexe, die früh noch 
völlig erloschen waren, deutlich gesteigert. Am dritten Tag keine 
Cyanose mehr, die Reflexe wieder erloschen, Temperatur 39,5®; 
Pneumonie im rechten Unterlappen; Blutdruck normal, systolisch 
123 mm, diastolisch 112 mm. Am fünften Tag abends exilus letalis, 
nachdem die Temperatur bis 42,3® in die Höhe gegangen war. 
Die Sektion ergab ausser der Lungenentzündung nichts. Da die 
Kranke anurisch war, wurde der Urin gesammelt; mit dem Leichen- 
ham waren es im ganzen 4590 g Urin, aus dem 10,94 g Veronal 
gewonnen werden konnte. Während im Gehirn kein Veronal nach- 
gewiesen werden konnte, wurden aus der Leber noch 0,036 g 
extrahiert. Herr Fraenkel fragt nach der Ansicht des Vor¬ 
tragenden über diesen Fall in forensischer Beziehung, nach dem 
Urin und dem mikroskopischen Nierenbefund. Herr Saenger be¬ 
handelt z. Zt. einen starken Morphinisten, der in den letzten Tagen 
unbekannte Veronalmengen genommen hat; der Kranke ist tief 
soporös und augenblicklich moribund. Herr Caro sah nach 10 bis 
12,0 g Veronal Doppelbilder auftreten. Herr Umber: In foren¬ 
sischer Beziehung ist zweifellos das Veronal Schuld am Tod der 
Patientin, denn hätte sie das Veronal nicht genommen, wäre wohl 
keine Pneumonie eingetreten. Der Urin zeigte Spuren Albumen, 
die mikroskopische Untersuchung steht noch aus. Von Doppel¬ 
bildern bei Veronalvergiftung hat er bisher noch nichts gehört 
gehabt; in seinem Fall war infolge des tiefen Comas der Patientin 
hiervon nichts nachzuweisen. 3. Herr Saenger berichtet über 
einen Fall von Morbus Addissonii, bei dem vor 13 Jahren 
wegen Bauohfelltuberkulose die Laparatomie ausgeführt war. Die 
Sektion ergab rechts eine echte Nephrophthise, links eine compen- 
satorische Nierenhypertrophie, beide Nebennieren waren tuberkulös 
entartet. Herr Simmonds teilt mit, dass bei der Laparatomie 
damals eine Tube wegen tuberkulöser Erkrankung entfernt werden 
musste. 4. |Herr Saenger spricht über einen tötlich verlaufenen 
Pall von retrobulbärer Opticusneuritis, dessen Diagnose 
in vivo richtig gestellt war. Am neunten Tag trat plötzlich der 
Exitus ein, olme dass die Sektion die eigentliche Ursache desselben 
ergab. Am Canalus opticus war eine circumscripte Entzündung 
vorhanden, die in drei Tagen zu völliger Erblindung geführt hatte. 
Die Rückenmarksuntersuchnng steht noch aus, möglicherweise 
handelt es sich um eine Myelitis im Dorsal teil. Schönewald. 


Kongressbericht. 

VeraamrrUung deutscher Naturforscher und 
Aerxte in Stuttgart» 

Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie. 


der 


2. Vorträge. 

Hr. Gau88 - Freiburg i. B.: Typische Veränderungen 
Blase, Harnleiter und Nierenbecken in der 


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486 


MEDlCmiSCHE WOCHE. 


Jfr. 45. 


Schwangerschaft an der Hand von oyatoskopischen 
and röntgenographischen Bildern. 

Die Schwangerschaft ruft in der Blase drei Kardinalveränder¬ 
ungen hervor: 1. Ausgedehnte aktive und passive Hyperaemie der 
Schleimhaut; 2. Hypertrophie gewisser Gebilde, besonders der dem 
Ureter zugehörigen Teile der Blasenwaud; die Veränderungen sind 
hier sehr mannigfaltige; 3. eigenartige Abweichung der Blase von 
ihrer sonstigen Form mit charakteristischer Schattenzeichnung, Ver¬ 
kleinerung des medianen Sagittaldurchmessers der Blase, so dass 
gegen Ende der Schwangerschaft ein oder zwei hohe und schmale, 
schwer zu besichtigende Spalträume entstehen. — Retroflexio uteri 
gravidi, Descensus und Prolapsus vaginae rufen ebenfalls charak¬ 
teristische Bilder hervor. Nach der Geburt zeigen sich Schwellungs¬ 
zustände des Schliessmuskels und Trigonums, typische Schleimhaut- 
blutungen, eventuell Drucknekrosen und Fisteln, die zu einer 
Cystitis disponieren können. Röntgenographisch betrachtet, zeigt 
der Blasenschatten in den ersten Schwangerschaftsmonaten die 
Form einer mehr oder weniger tief eingekerbten Bohne, später zieht 
er sich zu einer Mondsichel aus. Im Wo>'henbette ähnelt er anfangs 
der mittleren Schwangerschaftszeit, kehrt aber nach sechs Wochen 
zur normalen Form zurück. Lageanomalien des Uterus, Hebotomie 
geben ebenfalls charakteristische Bilder, Knickungen, Schleifen- 
bildungen und Dilatation des Ureters, Veränderungen des Nieren¬ 
beckens und der Nierenkelche sind ebenfalls deutliche Schwanger¬ 
schaftsveränderungen. 

Hr. Frank-Köln: Ist der Kaiserschnitt ver b esser ungs- 
fähig? 

Die Infektionsgefahr macht die Liebe zum Kaiserschnitt zn 
einer platonischen. Der Nachteil des bisherigen Verfahrens besteht 
darin, dass die Uterushöhle bei geöffneter Bauchhöhle geöffnet, 
und die Üteruswunde in die Peritonealhöhle zurückversenkt wird. 
F. hat in 10 Fällen, die vorher mehrfach untersucht und wahr¬ 
scheinlich infiziert waren, den Kaiserschnitt nach seiner Methode 
gemacht, die darin besteht, dass die Bauchhöhle mittels supra¬ 
symphysären Querschnitts geöffuet und sodann die Umschlags¬ 
falte mit dem Peritoneum parietale vereinigt wird. Die Resultate 
waren durchaus gut. 

Diskussion. 

Hr. Herzfeld-Wieu: Statt einer Infektion des Peritoneums 
hat die Franksche Methode bei infizierten Fällen eine Becken¬ 
phlegmone zur Folge, da die Eröffnung der Uterushöhle tief zu 
erfolgen bat. 

Hr. Krönig-Freiburg i. B. hält auf Grund von Leichen¬ 
versuchen die extraperitoneale Operatiou filr sehr praktisch. Die 
Infektion des Beckenbindegewebes ist nicht so ins Gewicht fallend. 
K wird bei infizierten Fällen nach Frank operieren. 

Hr. Everke-Bochum hält die Methode nicht für eine Ver¬ 
besserung bezüglich des primären Resultats. Viele Kinder werden 
an der schwierigen Entbindung zu gründe gehen. Beim klassischen 
Kaiserschnitt kommt es hauptsächlich auf die gute Naht der 
Üteruswunde und schnelles Operieren an. E. hat einen Fall mit 
Fieber und hohem Puls operiert, an dem sich schon Rötung des 
Peritoneums und Verklebung der Darmschlingen zeigte. Konser¬ 
vatives Verfahren, glatte Heilung. Bei der folgenden Sectio keine 
Verwachsungen, glatte Narbe. 

Hr. Gutbrod-Heilbronn hält die Vernähung des Peritoneums 
nur für einen Aufenthalt der Operation. Mit Rücksicht auf 
spätere Entbindungen ist die alte Methode besser. 

Hr. Peter Müll er-Bern fürchtet Kollisionen mit der Harn¬ 
blase. Zur Vermeidung der Infektionsgefahr scheint ihm die alte 
Porrooperation mit extraperitonealer Stielversorgung besser zu sein 
als das Franksche Verfahren. 

Hr. Veit- Halle a. S. erinnert an das Schicksal der Gas- 
troelytrotomie. In dem Everkeschen Falle kann es sich um 
eine Saprophyteninfektion gehandelt haben. 

Hr. Frank (Schlusswort) hält an seiner Methode fest. Die 
Entbindung der Kinder macht keine Schwierigkeiten, da die Um¬ 
schlagsfalte beim kreisseoden Uterus über dem Beckeneingang 
liegt. Deshalb macht auch die Blase keine Schwierigkeit. Blasen¬ 
beschwerden treten keine auf, ebenso auch keine Hernien. 


Hr. Polano-WOrzburg; Die Blasenfüllung mit Sauer¬ 
stof f. 

In Fällen von Cystitis mit starken Blutungen oder eiti’iger 
Sekretion hat sich die Sauerstofffüllung ausgezeichnet bewährt. 
Sie gibt klare, leicht übersehbare Bilder, so dass Fälle schwerster 
Cystitis, Tuberkulose, Zottenkrebs sogar gezeichnet werden konnten. 
(Demonstration.) AuffaUend ist auch die schmerzlindernde Wirkung 
des Sauerstoffs, die den Erfahrungen der Chirurgen entspricht. 
Auch die Ueberlegenheit der Röntgenaufnahme bei Sauerstoff- 
füllung der Blase liess sich an Leichenversuchen nacbweisen. P. 
verwendete anfangs den D räger-Wollenbergschen Apparat, der 
aber kompliziert und teuer ist, und bedient sich jetzt einer ein¬ 
fachen 100 g-Flasche, die mit 3 proz. Wasserstoffsuperoxydlösmig 
gefüllt, bei Zusatz einer Kalium hypermanganicumpastille lebhaft 
Sauei*8toff entwickelt. Durch Drehung des Pfropfenkopfes lässt 
sich diese Entwicklung regulieren. 

Diskussion. 

Hr. Gauss-Freiburg i. B. hält die alte Lufteinblasung für 
einfacher, billiger und ungefährlicher. 

Hr. Polano hält Luftembolien für möglich. 

Hr. W. Freund-Strassburg: Zur Entstehung von Em- 
bry Omen. 

Die Genese der ovulogenen Tumoren ist noch nicht gelöst- 
Sicher ist nur ein reifes Ei entwicklungsfähig, es fragt sich aber, 
ob ein bestimmter Zustand des reifen Eies Vorbedingung zur 
Entwicklung von Embryomen ist, ob letztere an eine gewisse 
Lebensepoche gebunden und welches der Reiz ist, der ein reifes 
Ei treffen muss. Nach Bonuet entstehen die Embryome aus dein 
Teilstück eines befrachteten, sich furchenden Eies und sind dem¬ 
nach angeboren. Nach F. Hesse sich denken, dass der Vorgang 
der Weiterentwicklung einer dislozierten oder in der Teilung 
zurückgebliebenen Blastomere anch im späteren Leben verkommen 
könne, d. h. dass es auch erworbene Embryome gibt. F. demon¬ 
striert die Präparate von 6 Fällen, bei denen sich stets Lutein¬ 
gewebe in den Tumoren nacbweisen liess, bei einem waren 
Scheide und Uterus aufgelockert, letztere vergrössert, einmal auch 
Colostrum- und Milchbildung vorhanden, so dass an eine Schwanger¬ 
schaft gedacht werden musste, obgleich sich der Uterus als leer 
erwies. In einem Fall handelte es sich um perforierende Scheiden- 
ruptur intra partum, hervorgerufen durch ein eingekeiltes Embryom. 
Auch in ihm Luteingewebe, im anderen Ovarium, kein Corpus 
luteum. Man kann aunelimen, dass nach einem reifen befruchteten 
Ei ein zweites befruchtet worden ist, dass aus irgend einer Ver¬ 
anlassung nur ein Teilstück, eine Blastomere hat zur Entwicklung 
kommen lassen. Die von Schottländer beschriebene Dilatation 
der Lymphbahnen Hesse sich dann als Reaktion des Ovarialrestes 
auf die Implantation der Blastomere ansehen, ähnlich gewissen 
Schwangerschaftsvorgängen am Uterus. Die Befruchtung eines 
(vielleicht geschädigten) Eies in dem atrophischen Stromarest einer 
Eierstockscyste könnte also nach P. zur isolierten Entwicklung 
einer Blastomere und so zur Embryombüdung führen. 

Diskussion. 

Hr. Pfannenstiel-Giessen: Die Theorie Bonnets ist 
gewiss sehr geistreich, aber nicht beweisend. Eis ist durch ihn 
nicht bewiesen, dass nicht auch andere Reize als die Spermie im¬ 
stande wären, die Eizellen zur Teilung zu veranlassen und wenigstens 
Ansätze embryonaler Entwicklung zu produzieren, Pf. nimmt nach 
wie vor an, dass das Follikelei imstande ist, ohne Spermienbeteiligimg 
Geschwülste hervorzubringen. 

Hr. Schottländer-Heidelberg: Nach der Fischelschen 
Urgeschlechtszellentheorie muss die Frage nach der Entstehung 
der Dermoide und Teratome noch immer in suspenso bleiben. 
Lymphangiektasien im Eierstock sind für Dermoide nicht so 
charakteristisch wie die Wucherung des Endothels neben der 
Erweiterung der Lymphgefksse. 

Hr. Halban-Wien: Zur Anatomie und Aetiologie der 
Genitalprolapse. 

Die Genitalprolapse sind nichts als eine Hernie im Hiatus 
genitaHs, unter dem wir die im Levator ani, zum Teil vom Trans- 
versus profuudus bedeckte Lücke zu verstehen haben. Die Band- 

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1906. 


MSDICIKlSCSlB WOG^X. 


487 


apparate des Uterus spielen besüglioh dessen Lage nicht diejenige 
Rolle, die man ihnen bisher zugewiesen hat. Wichtig fdr die 
Lage sind die Wirkung der Bauchpresse und die Funktion des 
Beckenbodens, bezw. der hier befindlichen Spalte und ihrer Schliess- 
Organe. Der Druck der Bauehpresse wirkt auf alle Eingeweide, 
also auch den Uterus, senkrecht ein, somit wird dieser unter nor- 
maleu Verhältnissen in der Richtung gegen die Symphyse gepresst. 
Ist der Hiatus genitalis nun infolge Geburtstraumas oder Lähmungen 
nicht mehr schlussfähig, so stellt er eine Bruchpforte dar, durch 
welche der Uterus oder ein Teil von ihm in dem Augenblick 
hindurchgepresst wird, wo er in dessen Bereich gelangt. Elon* 
gationen werden dadurch hervorgerufen, dass nur die Cervix in 
der Bruohpforte liegt, während das Corpus durch den Bauchhöhlen- 
dmck an die Beckenwand angepresst wird. Tritt der Uterus in 
toto in die Bruchpforte, so entstehen Totalprolapse, wobei es 
gleichgültig ist, ob eine Retro- öder Auteversio vorlag. Die 
Schrödersehe Lehre vom Zug der vorderen und hinteren Vaginal¬ 
wand ist demnach hin^Ilig, da auch Oystocelen ihre Ursache 
lediglich dem Bauchhöhlendruck verdanken. Im Fall von abnorm 
tiefem Douglas entstehen Prolapse der hinteren Vaginalwand mit 
hypertrophischer Elongation des Uterus bei Anteversionsstellung 
dadurch, dass das Corpus in verstärkter Auteversio gegen die 
Symphyse gepresst wird, während die Cervix-innerhalb des Hiatus 
liegt. H. demonstriert diese Verhältnisse an einem sehr sinnreich 
ansgedachten Beckenphantom. 

Diskussion: Hr. Ziegenspeck-München bemerkt, dass 
die Ausführungen H.’s sich mit seinen eigenen Auffassungen decken. 
Was H. heute Bruchpforte nenne, habe er in Würzburg schon 
die Stelle des Durchtritts der Vagina durch den Levator oder 
auch die Grenze der Druckdifferenz zwischen Bauchhöhlen- und 
.^tmosphärendruck genannt. 

Hr. Krö nig» Freibiu'g i. B.: Weitere Erfahrungen 
über die Kombination des Scopolamin-Morphium- 
Dämmerschlafs mit der RUckenmarksanästhesie bei 
Laparotomien. 

Wie bei der Inhalationsnarkose, so hat sich bei der Ii^jektions- 
narkose das Bestreben geltend gemacht, Kombinationen von 
verschiedenen Narcoticis anzuwenden. Ain meisten bewährt haben 
sich dabei Scopolamin und Morphium. Kümmell hat die Ver¬ 
bindung des Scopolamin-Morphiums mit der Chloroform-Aethemarkose 
warm befürwortet, besonders zur Herabsetzung der Häufigkeit der 
postoperativen Bronchitiden. K. kann dem nur beipflichten; ebenso 
haben Franz, v. Rosthorn und Rotter, was geringe Reizung 
der Atmungsorganeund ruhige Narkose betrifft, sehr gute Erfahrungen 
gemacht. Wenn nun K. die Rückenmarksanästhesie mit der 
Scopolamin-Morpbinminjektion bei gynäkologischen Operationen 
verbunden hat, so hat ihn hierzu hauptsächlich die Rücksicht auf 
das psychische Verhalten der Operierten gefühi't. Hinsichtlich des 
letzteren sind aber die einzelnen Teile des Deutschen Reiches sehr 
verschieden; der Süddeutsche ist im allgemeinen sensibler, nervöser 
als der Norddeutsche. Die Technik wird folgendermaßen ge- 
handhabt: 2 Stunden ante operationem 0,0003 Scopolamin plus 
0,01 Morphium. Nach einer Stunde eventuell Wiederholung der 
gleichen Dosis. Ausschaltung störender Gehörs- und Gesichts¬ 
empfindungen durch Lagerung iu geschütztem Zimmer, schwarze 
Brillen, Antiphone und Gehörmuscheln über die Ohren. Nach einer 
weiteren Stunde, wenn nötig, nochmals 0,00016 Scopolamin allein, 
bei dekrepiden Frauen gewöhnlich als zweite Dosis 0,00015 Scopo¬ 
lamin ohne Morphium. Hierauf B i e r sehe Rückenmarksanaesthesie 
in folgender Weise: Die Punktion und Injektion wird unter 
Kontrolle des Arztes mit dem G. Kroenigschen Apparat aus- 
geiührt (zu haben bei Fischer-Freiburg). K. vermeidet die sofortige 
Beckenhochlagerung zur Vermeidung von Atemstörungen, nimmt 
aber dafür grössere Dosen als Bier, Stovain-B i 11 o n bis zu 0,1—0,12. 
Tierversuche von Gauss und Spielmeyer lassen die Beckenhoch¬ 
lagerung als nicht unge^hrlich erscheinen, so dass K. davon wieder 
Abstand genommen hat. — Vorteile des K.sehen Verfahrens: 
Die kombinierte Narkose ist die humanste aller Narkosen, die 
Gefahr der postoperativen Bronchitis ist verringert und dadurch 
die Lebenssicherheit der Laparotomien erhöht. Ferner werden 
die Bauchde^ken besser entspannt, abgekürzte Rekonvaleszenz, so- 
dass K. seine Laparotomierten bereits am 1. bis 3. Tage post 


operationem aufstehen lässt. Erbrechen tritt nur in 12 % aller 
Fälle ein, und dann nur vorübergehend. Nachteile: Der Mangel 
der Möglichkeit einer langsamen Einverleibung des Mittels, be¬ 
sonders bei der Lumbalinjektion. K. hat unter 300 Fällen zwei 
Narkosentodesfklle erlebt, die wohl auf zu hohe Dosierung zurfick- 
znführen sind. Ein weiterer Nachteil sind endlich die Kopf¬ 
schmerzen, die von verschiedener Intentität in 31,4% der 
Fälle eintreten. Ein Mittel zu ihrer Verhütung haben wir noch 
nicht. Weitere Komplikationen sind Abducenslähmungen (3 mal), 
von Koenig ist ein Fall von dauernder Parese der unteren Extre¬ 
mitäten beschrieben worden. 

Diskussion: 

Hr.Franz-Jeua gibt mehr Scopolamin und weniger Morphium, 
bis zu 0,00015 Scopolamin-Böhrin ge r. Dieses bleibt nach 
Kionka konstant. Bei 0,15 Novocain bleibt der Puls besser. 
Pneumonien hat F. ebenfalls nicht erlebt. Kopfschmerzen sieht 
er wenig. 

Hr. Neu-Heidelberg: Die Heidelberger Klinik geht prinzipiell 
individualisierend hinsichtlich der Narkose vor. Die Novocainlösung 
ist verschieden, je nachdem, ob man Tabletten oder fertige Am¬ 
pullen nimmt. Frisch bereitete Lösungen sind bessetv. Auch mit 
Stovain wurden gute Analgesien erzielt, doch treten hier post 
operationem hohe Temperatursteigerungen (bis 39,5) auf, die aber 
wieder rasch abklingen. Sehr angenehm ist bei Stovain die abso¬ 
lute Entspannung der Bauchdecken, doch kommen auch Sphinkter* 
lähmungen vor. Inhalationsnarkosen anzuschliessen ist misslich 
wegen der starken Zwerchfellbewegnngen. 

Hr. Walcher-Stuttgart bemerkt, dass hinsichtlich der Ver¬ 
breitung des zur Lumpalpunktiou verwendeten Mittels dessen 
spezifisches Gewicht im Verhältnis zu dem der Cerebrospinal¬ 
flüssigkeit von Einfluss sein wird. 

Hr. Veit-Halle a. S. findet keinen Unterschied zwischen 
Nord- und Süddeutschen, 

Hr, Kröuig (Schlusswort) hält doch an dem Unterschied fest 
und schliesst sich ün übrigen Herrn Neu an. Die Lumbalanäs¬ 
thesie wird es auch sicher ermöglichen, dass der Pfannenstiel- 
sche Schnitt eine noch viel weitere Ausdehnung finden kann. 


Sektion 16 für innere Medioin, Pharmakologie, Balneologie und 

Hydrotherapie. 

Sitzung vom 20. September, morgens 8 Uhr. 
Vorsitzender: Hr. Moritz-Giessen. 


1. Hr. Mager-Brünn: Ueber das Facialisphänomen bei 
Enteroptose. 

Das zuerst bei Tetanie beobachtete Facialisphänomen, Zuckung 
des ganzen Facialisgebietes oder von Teilen desselben bei Beklopfen 
einer Stelle, wurde seither auch bei anderen Krankheiten gefunden. 
Redner hat es bei 40 Fällen von Enteroptose beobachtet, und 
zwar in allen unterschiedenen Graden und meist doppelseitig. Bei 
24 Fällen von Enteroptose hat er den Stuhl nach der von Schmidt 
angegebenen Methode untersucht, dabei fand er 22 mal vermehrte 
Gasbildung, die in 13*Pällen über Vs des Röhrchens betrug, neben 
sonstigen Störungen, Bei drei Tetanusfällen fand er ebenfalls ge¬ 
störte Darmfunktion, er führt das Facialisphänomen, ebenso wie 
die Tetanie auf eine durch Darmstörungen hervorgerufene Auto¬ 
intoxikation zurück. Bei reiner Hysterie besteht kein Facialis¬ 
phänomen, wenn der Stuhl in Ordnung ist. Durch therapeutische 
Beeinflussung des Darms kann man das Facialisphänomen zum 
Verschwinden bringen. Die Darmstörung ist bei J^teroptose das 
Primäre, die nervösen Erscheinungen und das Facialissymptom 
das Sekundäre. Die Frage, warum bei denselben Dannstönmgen 
einmal Facialisphänomen, ein anderes Mal Tetanie eintritt, beant¬ 
wortet Mager damit, dass zur Tetanie ausserdem noch eine Insuf- 
ficienz der Epithelkörperchen der Thyreoidea notwendig ist. 

Diskussion. 

Hr. Moritz-Giessen ist nicht überzeugt, dass ein Ergebnis 
von über ein Drittel Gasentwicklung nach der Schmidt’sehen 
Methode immer auf Störungen der Dannfunktion hinweißt, er hat 
solche Befunde auch bei gesundem Dann erhoben. 


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488 


IfBDICDTISC^X WOuHE. 


Nr. 45. 


Hr. Mager (Schlusswort): Die Stühle seiner Patienten zeigten 
nur 13 mal saure Gährung. Er hält die Methode von Schmidt 
für zuverlässig. 

2. Hr. Lange-Leipzig: Therapeutische Beeinflussung 
der Ischias und anderer Neuralgien. 

L. spritzt bei Ischias 100—150 ccm einer Lösung von 1 proz, 
Eucain und 8 prom. Kochsalz an die auf Druck schmerzhafte Stelle 
der Nerven ein. In manchen Fällen hat eine einzige Einspritzung 
Besserung herbeigeführt. Die Folgeerscheinungen der Ischias, 
Atrophie des Beins, Muskelkontrakturen und Skoliose, schwinden nur 
allmählich. Der Erfolg war aber auch bei chronischen Fällen 
auffallend. Im Ganzen wurden 86% der 36 Fälle geheilt. 
Gering ist der Erfolg bei Hysterischen und Neurasthenikern, gut, 
wo Erkältung die alleinige Ursache der Ischias bildet. In einem 
Falle von Neuralgie des Nervus cruralis hat er diesen freigelegt 
und direkt injiziert, worauf die Schmerzen verschwanden. Ein 
Zeichen dafür, dass der Nerv direkt getroffen ist, ist der blitz¬ 
artige Schmerz bei der Einspritzung und das Herausspritzen eines 
Teiles der Injektionsflüssigkeit nach Herausnahme der Nadel in¬ 
folge des hohen Drucks der straffen Nervenscheide. Kochsalzlösung 
ist nicht gleich wirksam. Die Nebenwirkungen sind unbedeutend. 
Die Heilung trat oft in 3 Tagen ein. 

Di skussion. 

Hr. Leo-Bonn weist auf den guten Erfolg der unblutigen 
Dehnung des Nervus ischiadicus hin, diese könnte mit Eucainein- 
spritzung kombiniert werden. Er hat mit der Dehnung ebenfalls 
bei chronischen Fällen gute Kesultate gehabt. 

Hr. Moritz-Qiessen bestätigt die Erfolge der Injektionen und 
selbst nach der Anwendung der Methode auf kleinere Nerven. 

Hr. Lange (Schlusswort): Bei kleineren Nerven spritzt er 
etwa 50 ccm in die Nähe der Nerven ein. 

3. Hr. Rumpf-Bonn: Zur Therapie der Herzkrank¬ 
heiten. 

R. hat oscUlierende Ströme, welche zwischen Tesla- und In¬ 
duktionsströmen stehen, die durch eine Glasplatte unterbrochen 
sind, und bei denen der eine Pol bei schwacher Anwendung mit 
der Erde verbunden werden kann, zur Behandlung von Herz¬ 
kranken, leichten Insufhcienzen des Herzens und Emphysem ver¬ 
wendet und dabei eine Verkleinerung namentlich des rechten 
Herzens erzielt. Die Wirkung ist nicht durch einen Reiz der 
Atmungsorgane bedingt, sondern es scheint durch Erweiterung der 
Lungengefhsse eine Entlastung des rechten Herzens einzutreten; 
ausserdem scheint eine direkte Reizung der Herzmuskulatur ein¬ 
zutreten. Er demonstriert an einer Anzahl von Röntgenbildem 
die Wirkung der Ströme. 

4. Hr. Ri chartz-Homburg: UeberdenWert des Schleim¬ 
befundes für die Bestimmung der Lokalisation der 
Enteritis. 

Die herrschende Lehre, dass eine feine Verteilung des Schleims 
auf hohen Sitz der Enteritis hinweist, ist unhaltbar. Sie stützt 
sich teilweise auf theoretische Ueberlegungen, teils auf Autopsien; 
Schmidt hat dieses Dogma zuerst bezweifelt. R. hatte Gelegen¬ 
heit, mehrere Fälle von Sprew zu beobachten und fand Schleim 
nur bei den mit Diarrhöe verbundenen Fällen. Diese Beobachtung 
legt den Gedanken nahe, dass in den nicht mit Diarrhöe verbun¬ 
denen Fällen der Schleim resorbiert wurde. Bei der Schleimver¬ 
dauung ist die Konsistenz des Stuhles, die Verteilung des Schleims, 
die umgebende Temperatur, die Länge des Weges und die Dauer 
des Verweilena im Darm und die Art der Nahrung von Bedeutung. 
Er machte Versuche mit künstlichen Schleimgemischen, mit natür¬ 
lichem eigenem Schleim der Versuchsindividuen und fremdem 
Schleim. Schleimlösende Wirkung fand er auch bei schleimfreien 
Personen. Bei der Schleimhaut spielen sowohl Fermente wie 
Bazillen, darunter auch Colibazilien u. a. eine Rolle. Thymollösung 
verlangsamt oder sistiert die Schleimlösung. Daraus ergibt sich, 
dass je höher die Ursprungsstelle des Schleimes sitzt, um so mehr 
Aussicht auf feine Verteilung derselben vorhanden ist, damit aber 
auch um so mehr Aussicht auf Resorption des Schleimes besteht. 
Je tiefer im Darm die Schleimbildung sitzt, um so geringer ist 
die Aussicht auf Resorption. Da mau die ursprüngliche Konsi¬ 
stenz des Schleims nicht kennt, so ist der Sitz nicht zu diagnosti¬ 


zieren, lediglich Proktitis kann man bei vorhandenem Schleim aus- 
Bchliessen. Bei hochsitzendem Elatarrh braucht kein Schleim auf¬ 
zutreten; eine kurze Zeit des Verweilena im Darm lässt den Schleim 
nicht zur Lösung gelangen, wird ihn daher im Stuhl erscheinen 
lassen. Bei normaler Darmfunktion findet man Bilirubin nicht jen¬ 
seits der rechten Flezur, bei pathologischen Prozessen ist dies 
wohl möglich. Die Farbe des Stuhles spricht dann für hohen Sitz 
der Schleimbüdung, wenn auf Hydrobilirubinstubl direkt Bilirubin¬ 
stuhl folgt. 

Im Rektum sind die Bedingungen der Vermischung des Schleims 
nicht gegeben. Der Stuhl nimmt das wenige Rektumsekret auf, 
es bleibt an seiner Oberfläche und wird grossenteils verdaut, ein 
Teil bleibt unverdaut, und deshalb hat jeder Stuhl etwas Schleim. 
Bei sehr hartem Stuhl wird mehr Sekret gebildet; daher ist ganz 
harter Stuhl stets von unregelmäfiig verteiltem oder seifenförmigem 
Schleim begleitet und mit glänzender Lackfarbe überzogen. Bei 
Residnalscybalis findet man äusserlich keinen Schleim. Die Bildung; 
von Rektalschleim ist eine Vorbedingrmg der Defkkation, ihr 
Mangel eine Ursache der Verstopfung. Feiner Schleim im Innern 
von Scybalis kann vom oberen Darmteil herrühren, braucht aber 
nicht pathologisch zu sein, sondern kann in einen bereits einge¬ 
dickten Kot hineingeraten sein. 

Sitzung der naturwisBensohaftlichen Hauptgrnppen. 

Sitzung vom 21. September. 

Heute fand die zweite allgemeine Versammlung der 78. Ver¬ 
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte statt. Auf der 
Tagesordnung standen drei Vorträge der Herren Bälz-Stuttgart, 
früher Tokio, Lehmann-Karlsruhe und Penck-Berlin. 

Hr. Bälz sprach über Besessenheit und verwandte 
Zustände. 

Die Vorstellung, so führte er aus, dass Krankheiten überhaupt, 
aber namentlich das scheinbare Auftreten einer neuen Persönlichkeit 
im Menschen — das sogenannte Besessenaein — auf dem 
Einfluss böser Geister beruhen, ist so alt wie die Menschheit selbst. 
Bekanntlich wurde beides, sowohl Krankheit als auch Besessenheit 
auf die Wirkung von Dämonen zurückgeführt. Und noch heute 
gibt es Geistliche, katholische und protestantische, die den Teufel 
als die Ursache der Besessenheit betrachten. Der moderne Mensch 
aber steht dem Dämonenglauben skeptisch gegenüber. Für ihn 
werden jene Erscheinungen verständlich durch die Wirkung der 
Suggestion — Auto- und Alterosuggestion — der Hypnose und 
der psychischen Ansteckung. 

Immer wird dabei der in der Regel stark prädisponierte 
Mensch durch fremde oder eigene Suggestion in einen hypnostischen 
oder hysterischen Zustand versetzt mit Ausschaltung, resp. Ein- 
engimg einiger Gebiete des Nerven- und Seelenlebens und abnormer 
Verschärfung anderer. In dieses Gebiet gehören die Medicinal- 
männer und die spiritistischen Medien nicht minder, als die Lehre 
vom Stigmatismus, die Taten der Säulenheiligen usw. 

Bei der eigentlichen Dämonbesessenheit erscheint plötzlich im 
Körper des Menschen ein neues feindliches Ich, das durch den 
Mund dieses Menschen redet usw. 

Der Mensch besteht also ans einem Körper und zwei Seelen. 
Diese beiden Seelen widersprechen und bekämpfen sich. 

Während nun bei den Christen dieser Dämon der Teufel ist, 
ist es in Ostasien der Fuchs, der dort als Gottheit selbst verehrt 
ist. Interessant ist bei diesem Besessensein die Intelligenz und 
die Redefertigkeit des Dämons, die weit über denen des besessenen 
Menschen zu stehen scheinen. Zur Erklärung dieser Erscheinung 
zieht er das Unterbewusstsein heran, das eine viel höhere 
und viel geordnetere Tätigkeit entfalte als man gewöhnlich an¬ 
nehme. Beim Wegfall von Hemmungen und bei gewissen Reizen 
greife es manchmal plötzlich in die Sphäre des normalen Bewusstseins 
ein, wobei es wahrscheinlich überwiegend die eine gewöhnlich 
ruhende Hirnhälfte benützend den Anfall von Besessenheit hervor- 
rufe. Die Behandlung erfolgt durch Suggestion. Nur bei sehr 
chronischen Fällen ist sie oft ohne Erfolg. Der Redner weist 
darauf hin, dass man diesen interessanten psychischen Fällen mehr 
Aufmerksamkeit als bisher schenken ^oUip.! 

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1906. 


MBr)TflTNTRfih k WOC^X. 


489 


Als zweiter Bedner sprach Hr. 0. Lehmann über flüssige 
und scheinbar lebende Kristalle. 

Hr. ErnstHaeekel hat die Meinung ausgesprochen, zwischen 
Kristallen und niedrigsten Lebewesen bestehe eine nahe Verwandt¬ 
schaft. ^ Es besteht sicherlich in dem Verhalten beider eine Reihe 
von Analogien, besonders für den, der die Kristalle während ihrer 
Bildung beobachtet. 

Schon die Fähigkeit zu wachsen an sich ist eine solche Ana¬ 
logie, denn amorphe Körper, wie Harz, Glas, wachsen nicht. Den 
Kristallen kommt auch Begenerationsfkhigkeit zu. So ergänzen 
sich z. B. Kristalltrümmer von naphthionsaurem Natrium, in wässeriger 
Lösung erwärmt, bis sie sich auf wenige gerundete Reste aufgelöst 
haben, beim Abkühlen zu scharfkantigen Tafeln. Jedes noch so 
kleine Fragment wirkt als Kristallisationskern vergleichbar dem 
Kern bei Organismen. Erwärmt mau, bis alle diese Kerne ver¬ 
schwunden sind, so tritt kein Kristall mehr auf, die Lösung ist 
übersättigt. In einer übersättigten Lösung können aber auch von 
selbst wieder Keime auftreten, von denen dann die Auskristallisierung 
wieder anznheben pflegt. 

Ebenso wie Lebewesen können sich auch Kristallformen gegen¬ 
seitig aufzehren. Auch fremde Stoffe können Kristalle in sich 
aufhehmen. Setzt man z. B. einem Salmiakpräparat Eisenchlorid 
zu, so ziehen die Kristalle den Farbstoff durch Absorption an sich 
heran und färben sich dunkelgelb. Aber sie vermögen dann nicht 
mehr so schön zu kristallisieren. Es ist eine Art Vergiftung 
eingetreten. 

Es bestehen aber auch Unterschiede zwischen OrganismeD 
und Kristallen. Jene sind weiche, manchmal eiweissartige, flüssige 
Gebilde, diese gelten als starie Körper. Aber zu Unrecht. Schon 
1876 hat der Vortragende beobachtet, dass die oberhalb 146® 
beständige Modifikation des Jodsilbers, die man bis dahin für eine 
zähe Flüssigkeit gehalten hatte, in Wirklichkeit aus äusserst weichen 
Kristallen besteht, die ohne die geringste Aenderung ihrer Eigen¬ 
schaften fliessen können wie eine Flüssigkeit. Auch andere Autoren 
haben ähnliches beobachtet. Interessant ist Gattermaous 
Paraazoxyphenetol, das ebenso wie Wasser in kugelförmigen 
fliessenden Tropfen kristallisiert. Diese Tropfen besitzen als Aus¬ 
druck der LichtbrechuDg im Centrum einen dunklen Kern. 

Wenn sich zwei derartige Tropfen berühren, so fliessen sie 
ineinander. Sie haben ursprünglich noch zwei Kerne und schliess¬ 
lich nur noch einen Centralkem. 

Bringt man zwei verschiedene flüssige Kristalle zusammen, so 
vereinigen sie sich unter der Bildung von Mischkristallen. 

Alle diese interessanten Erörterungen begleitet der Redner 
mit zahlreichen Lichtbildern. Er schliesst mit den Worten: Welche 
Wirkungen lediglich durch Kraft und Stoff in toter Materie hervor¬ 
gebracht werden, und wo das eigentliche Leben beginnt, lässt sich 
nicht genau präzisieren. Nur durch gründliche Untersuchung der 
Erscheinungen ist es möglich, weitere Aufklärung über die Wirkung 
der Molekularkräfte und die Molekularkonstitution der Stoffe zu 
«•hoffen. 

Als dritter Redner sprach Hr. Fenck über Südafrika und 
Samb es ifälle. 

Südafrika ist eines der grossen Hochländer der Erde. In der 
Mitte eine Hochfläche von 1000—1500m Höhe, fällt es seewärts 
verhältnismäßig rasch ab. Ueberall steigt der Weg ins Innere 
steil, häufig stufenförmig an und führt schliesslich zu einem jäh 
abfallenden Plateaurande. Ist dieser erstiegen, so steht man auf 
verhältnismäßig ebenem Boden. Der seewärtige Abfall dieses 
Hochplateaus ist von Tälern durchfurcht, zwischen denen, namentlich 
im östlichen Natal, ein Ueberrest der ehemaligen Rumpffläche sich 
befindet. Der Steilabfall dieses Plateaus hat viel Aehnlichkeit 
mit dem der schwäbischen rauhen Alb. 

Von der inneren Hochfläche aus führen nur zwei Flüsse zum 
Meer, der Oranjefluss und der Sambesi, beide mit grossen Wasser¬ 
fallen. 

Der geologische Aufbau Südafrikas bietet eine ausserordentlich 
bemerkenswerte Tatsache, nämlich das Auftreten von Moränen 
und Gletscherschliffen beim 20. Breite^ad südlich vom Aequator. 
Es handelt sich um Spuren eines grossen Inlandseises, das der 
Redner nicht auf eine Verschiebung in vertikaler, sondern in 
horizontaler Richtung bezieht. Es handelte sich offenbar um 


horizontale Verschiebungen der Erdkruste infolge des Schrumpfungs¬ 
prozesses bei der Abkühlung der Erdrinde. 

Zahlreiche wohlgelimgene Lichtbilder erläuterten die Worte 
des Redners. 

Nach einer kurzen Rede des 2. Geschäftsführers, Herrn v. 
Hell-Stuttgart, dankte noch einmal der Vorsitzende, Herr Chun- 
Leipzig, allen Vortragenden, Ganz besonderer Dank gebühre der 
Geschäftsleitung. Niemals in den letzten Jahren sei man ähnlich 
gut gebettet gewesen, wie diesmal in Stuttgart, alles habe sich 
nach einem fein durchdachten Plan geregelt. Unter herzlichem 
Beifall schloss der Redner mit den Worten: „Wir danken Euch, 
die Tage in Stuttgart bleiben uns unvergesslich.“ 


Literarische Monatsschau. 

Gynäkologie. 

Die Pubiotoraie, die nunmehr schon seit mehreren Jahren 
eine ständige Rubrik in der gynäkologisch-geburtshilflichen Lite¬ 
ratur bildet, steht noch immer im Vordergründe der Diskussion 
der Fachkollegen. Während aber in der ersten Zeit nur die Frage 
ihrer Berechtigung und ihres Wertes im allgemeinen erörtert 
wurde, handelt es sich jetzt um die Festlegung einzelner Indi¬ 
kationen und die Diskussion technischer Einzelfragen, — der beste 
Beweis dafür, das.s die Operation als solche allgemein anerkannt 
und als eine dauernde, wertvolle Bereicherung unserer thera¬ 
peutischen Tätigkeit betrachtet wird. Aus der Fülle der Publi¬ 
kationen, in denen sich naturgemäß vieles Gleichartige wiederholt, 
lassen sich einzelne Hauptgesichtspunkte zu einem ziemlich ein¬ 
heitlichen Gesamtbild herauskristallisieren. Die Indikationsstellung 
ist das schwierigste und erfordert grosse Erfahrung, da es sich 
in jedem einzelnen Falle, namentlich bei den Beckenverengerungen 
höheren Grades, um eine genaue Beurteilung der Grösse und Stärke 
des kindlichen Kopfes im Verhältnis zum Becken handelt, und 
eine Pubiotomie, der nachher doch noch die Perforation ange¬ 
schlossen werden muss, selbstverständlich einen vollen Misserfolg 
bedeutet. Als unterste Grenze wird im allgemeinen eine Coujugata 
vera von 8—7 cm angegeben. Die sanguinischen Hoffnungen 
einzelner Autoren, dass durch die Pubiotomie die künstliche Früh¬ 
geburt und die Perforation des lebenden Kindes völlig verdrängt 
werden wird, dürften sich wohl kaum verwirklichen, wenn auch 
ihr Anwendungsgebiet, besonders das der letzteren, sicher auf ein 
Minimum reduziert wird; in verschleppten, fieberhaften Fällen 
wird sie jedoch immer noch das schonendere und ungefährlichere 
Verfahren darstellen. 

Die z. Z. noch ziemlich hohe Mortalitätsziffer der Mütter 
(ca. 6—7®^) ist sicher auf Rechnung der zahlreichen Anfang.sf'ällo 
der einzelnen Operateure zu setzen und dürfte mit der zunehmenden 
technischen Ausbildung undUebung rasch erheblich niedriger werden. 

Bezüglich der Technik sind im wesentlichen drei Operations- 
typen zu unterscheiden: die von Gigli angegebene, vollkommen 
offene Pubiotomie, die Doederleinsche halb-subkutane Methode 
und das von Bumm und Stoeckel empfohlene völlig subkutane 
Verfahren. Die offene Pubiotomie Giglis mit ihrer grossen, als 
überflüssig erkannten Weichteilwunde, ist jetzt wohl von fast allen 
Operateuren verlassen. Das Bummsche Verfahren, bei dem die Säge 
völlig subkutan von unten nach oben um das Schambein hemmgeführt 
wird, hat viel Bestechendes an sich dadurch, dass es keine anderen 
Wunden setzt, als die punktförmigen Ein- und Ausstichöffnungen. 
Es ist fraglos der kleinste Eingriff, der bei technisch korrekter 
Ausführung auch sicher gute Resultate erzielt. Dem stellen aber 
andere Autoren, so besonders in letzter Zeit Rissmann, als 
schwerwiegende Bedenken die Gefahren der postoperativen Haema- 
tombildung mit eventuell späterer Senkung und Vereiterung, so¬ 
wie die Möglichkeit von Blasenverletzungen gegenüber, Bedenken, 
die ihn zu der strikten Forderung führen, stets nach dem Vorgehen 
von Doederlein von einer am oberen Schambeinrand angelegten 
Incision aus Blase und Periost abzuhebeln und die Säge unter 
Leitung des bis zum unteren Schambeinrand eingeführten Zeige¬ 
fingers um den Knochen herumzuführeu. Zur Verminderung der 
Haematombildung empfiehlt er, unter aUen Umständen zu drainieren. 

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490 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr, 45. 


Als Beweis fflr die Richtigkeit seiner Forderungen gelten ihm 
auch die Erfahrungen, die Kannegiesser auf Grund von 23 
Pubiotomieen aus der Leopoldschen Klinik veröffentlicht hat. 
Acht nicht subkutan operierte und grösstenteils mit Drainage be¬ 
handelte Fälle zeigten keine der obigen Komplikationen, bei 15 
subkutan operierten FäUen ^vurden viermal, d. h. in über 25%, 
Blasenverletzungen, dreimal Haematome und dreimal Thrombosen 
beobachtet. Zweimal wurde trotz Kontrolle von der Vagina aus 
das foramen obturatorium angesägt, zweimal der Knochen nicht 
völlig durchtrennt. 

Eine neue Modifikation der Technik gibt Henkel zur Ver¬ 
meidung von Weichteilverletzungen beim Sägen an, indem er die 
mit einem Faden armierte Nadel an der Vorderfläche des Scham¬ 
beins bis zu dessen unterem Rand durchführt und den Faden mit 
dem an der Hinterfläche subperiostal herabgeführten Zeigefinger in 
Empfang nimmt. Der Knochen wird dann von unten nach oben 
durchsägt. 

Von den bei der Operation auftretenden Komplikationen be¬ 
anspruchen die ziemlich starken, im wesentlichen aus dem crus 
corpor. cavernos. clitorid. stammenden venösen Blutungen keine be¬ 
sondere Bedeutung, da sie sich fast immer durch Kompression 
stillen lassen und nur selten Umstechungen notwendig machen. 

Die eventuellen Nebenverletzungen der Blase veranlassen, wie 
oben erwähnt, einen Teil der Autoren zu der Forderung des halb- 
offeuen Operierens, während andere, wie Bumm und Stoeckel, 
ihnen geringere Bedeutung beimessen, da sie sich in den meisten 
Fällen spontan schliessen dürften und bei sorgfältiger Technik ver¬ 
meidbar sind. 

Die Bildung postoperativer Haematome wird in einer grossen 
Anzahl der Fälle beobachtet. Auch ihnen wird von einem Teil 
der Autoren geringe Bedeutung beigemessen, während andere 
wegen der Gefahr der Vereiterung und Senkung der Drainage 
das Wort reden. (Schluss folgt.) 


Periodische Literatur. 

Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 43. 1906. 

1. Maragliano, Genua. Die spezifische Therapie der 
Tuberkulose. Nicht abgeschlossen. 

2. Rautenberg, Königsberg. Hethaemoglobinvergiftung 
durch SesamöL 

In Ergänzung einer früheren Mitteilung über Fälle von Ver¬ 
giftung nach Darmirrigationeu mit Sesamöl, deren Haupterschein¬ 
ungen in Schwächegefühl, Erkrankung der peripheren Körperteile, 
Cyanose, Scbwarzfärbung des Blutes bestanden, wird über einen neuen 
derartigen Fall berichtet. Nach zwei Darmeinläufen von ca. */2 1 
setzte ein sehr schwerer Krankheitszustand ein: zunehmende 
Schwäche, Bewusstlosigkeit, Reaktionslosigkeit der Pupillen, zeit¬ 
weiliger Atmungsstillstand, Lungenoedem; das Blut zeigte ein 
kaffeebraunes Aussehen, im Spektrum fanden sich die charakteri¬ 
stischen Methaemoglobin-Absorptionsstreifen. Es handelte sich also 
um eine Methaemoglobinvergiftung, die ohne Zweifel durch das 
Sesaniöl herbeigeführt worden war. Woran die Giftwirkung im 
Sesaraol gebunden war, lie.ss sich nicht sicher feststellen; wahr¬ 
scheinlich ist es aber nicht das Oel an sich, sondern irgend welche 
Verfälschungen, wie sie im Handel üblich zu sein scheinen. Trotz 
der lebhaften Em|)fehlung des Sesamöles durch v. Noorden als 
Nahi-nngsmittel und Mittel zur Behandlung chronischer Obstipation 
i.st also vor uneingeschränkter Benutzung zu warnen. 

3. Ilojas, ]3erlin: Zur Atrophie der Darmschleimhaut. 

Die Untersuchung der Dünndarmschleimhaut eines an chro- 
ni.schem, zunehmendem Ileus verstorbenen Mannes ergab eine 
typische Atrophie der Schleimhaut, wie sie bei der pemiciöseu 
Anaeinie betrieben worden ist. Irgend eine Blutveränderung hatte 
al)er intra vitam nicht bestanden. Darnach kann die Darmatrophie 
bei permciri.ser Anaemie nicht mehr als absolut spezifisch für diese 
Krankheit angesehen werden. Vielmehr ist dieser Zustand wohl 
als eine Folge der schlechten Ernährung zu betrachten. 


4. J a n s e n, Kopenhagen: lieber Wftrmewirkung hei Fuuieii- 
behandlung. 

Von anderer Seite angestellten Elzperimenten gegenüber, die 
auf eine bedeutende Erwärmung in der Tiefe der „Pinsenbehan- 
delten“ Gewebe schliessen Hessen, hat J. versucht, direkt mit 
Hülfe von Thermonadeln die Temperatur innen in den einer Finsen¬ 
behandlung unterzogenen Geweben festzustellen. Dabei ergab sieb, 
dass in der Tat eine Erwärmung stattfindet, dass diese jedoch 
nicht 80 hohe Grade erreicht — als Maximum wird 40,8® gemessen — 
dass sie nennenswerten Einfiuss auf Bakterien oder Gewebe haben 
kann. Dass eine schädliche Erwärmung der tiefer liegenden Gewebe 
nicht eintritt, konnte auch durch eine Reihe histologischer Unter¬ 
suchungen bekräftigt werden. Die Finsenbehandlung als eine 
Wärmebehandlung aufzufassen, ist man danach nicht berechtigt 

5. Posner, Berlin: Zur Histologie des gonorrhoischen 
Eiters. 

Die Untersuchungen, denen ein Material von 204 Fällen männ¬ 
licher Urethritis zugrunde lag, ergaben folgende Resultate: 1. Va- 
cuolen finden sich in polynucleären und uninucleären Leucocyten, 
und zwar in allen Stadien. Sie sind ein Zeichen stattgehabter 
Phagocytose; für Gonococcen sind sie nicht allein spezifisch; diag¬ 
nostische Schlüsse erlauben sie nicht. 2. Uninucleäre basophile 
Zellen trifft mau ebenfalls in jedem Stadium der Gonorrhoe an, 
auffeillend zahlreich aber meist nur in den ersten Tagen der Er¬ 
krankung und in sehr chronischen Fällen. 3. Auch Elosinophile 
kommen vereinzelt immer vor; der Höhepunkt ihres Auftretens 
fällt in die vierte und fünfte Krankheitswoche. Ihr zahlreiches 
Auftreten spricht für echte Gonorrhoe. 4. Der Befund von soge¬ 
nannten Kugelkernzellen legt den Gedanken nahe, dass entweder 
nie eine echt gonorrhoische Infektion bestanden hat, oder dass die 
Eiterung nicht mehr durch die Gonococcen allein, sondern durch 
andere Mikroorganismen oder Toxine im Gange gehalten wird. 

6. Halle, Berlin: Externe oder interne Operation der 
Kebenhöhleneiternngen. (Schluss aus No. 42.) 

Die längeren Ausführungen sind kurz dahin zusammenzufassen, 
dass 1. in jedem Falle von rhinogenem Empyem in erster Linie 
die physiologische Atmung herzustellen ist; dass 2. in jedem Falle 
versucht werden muss, durch eine breite AbflussöflFnung nach der 
Nase zu eine Heilung herbeizuführen; dass 3. auch die Stirnhöhle 
in einer grossen Anzahl der Fälle, vielleicht in der Mehrzahl, be¬ 
quem und gefahrlos von innen her eröffnet werden kann, nach 
einer eingehend dargelegten Methode (dabei wird eine elektrisch 
betriebene bohrende Fräse, die mit einem besonderen Schützer 
armiert wird, benutzt); dass 4. bei gleich profus bleibender, bezw. 
lange persistierender Eiterung, ebenso bei vitaler Indikation die 
Operation von aussen auszuführen ist, dabei aber die Weiterbe¬ 
handlung auch zweckmäßig von innen geleitet wird, wenn nicht 
eine völlige Verödung der Höhle durch Zugranulierung erstrebt 
wird. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 42. 

1. von Noorden, Wien. Ueber die Aufgaben des Unter¬ 
richts in der medicinischen Klinik. 

Rede, gehalten bei Eröffnung der I. medicinischen Klinik 
in Wien. 

2. Bartel, Wien. Ueber die Beziehungen zwisehen Organ- 
zelle und Tuberkuloseinfektion. 

Studien über den Aufbau und die Entwickelung des lympha¬ 
tischen Gewebes, über die Schutzwdrkung des lymphoiden Gewebes 
gegenüber der Tuberkuloseinfektion, Impfversuche mit Tuberkel- 
bacillen, die durch verschiedene organische Substanzen in ihrer 
Virulenz abgeschwächt waren, haben gezeigt, dass die manifest 
tul^erkulüsen Prozesse im Organismus durch mehrere Momente be¬ 
dingt sind. Einmal ist der Grad der Virulenz des Infektions¬ 
trägers zu beachten, zum zweiten die Resistenz der infizierten 
Organismen; auch im Einzelorganismus sind Stellen mit höherer 
oder geringerer Widerstandskraft gegenüber dem tuberkulösen 
Prozess, gegeben durch den Grad der Entwicklung, die Art der 
Zelle und Schädigung des Gewebes, anzunehmen. Speziell erscheint 
die Lunge mit ihrem zugehörigen lymphatischen Apparat als ein 
„locus minoris resistentiae“ geeignet, die häufige, manifest tuber- 

oogle 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


491 


kaldse Erkrankung daselbst zu erklären, auch ohne die zwingende 
Annahme, dass gerade an dieser Stelle die häufigste Eintrittspforte 
des tuberkulösen Virus zu finden sei. Ein Standpunkt, der bei 
Beurteilung der häufigsten Invasionspforten das alleinige Gewicht 
auf die manifest tuberkulöse Erkrankung legt, ist abzulehnen, 
vielmehr das Hauptgewicht, nicht das alleinige Gewicht, auf ein 
früheres Stadium, das der Inkubation, zu verlegen. 

3. Pfeiffer, Graz. XTeber Antolyse leukämischen und 
leukosytotisohen Blutes. 

Von dem Gesichtspunkte aus, dass die weissen Blutkörperchen' 
leukozytotischen Blutes sich nach Eermentgehalt und -bindung nicht 
von! normalen unterscheiden, möglicherweise aber durch ihre Menge 
Wirkungen erkennen lassen, welche im normalen Blute keine i 
messbare Grösse erreichen, wurde dio Autolyse des Blutes von 
Leukozytosen mit jener von Leukaemien verglichen. Die Versuche 
ergaben, dass die Autolyse keine charakteristische Eigenschaft 
leukämischen Blutes ist. Vielmehr enthalten wenigstens die neu¬ 
trophilen, polymorphkernigen Leukozyten regelmäßig ein eiweiss- 
spaltendes (nicht nur spezifisch autolytisches) Ferment: je grösser 
ihre Zahl in der Volumeinheit Blut ist, desto ausgiebiger verläuft 
die Bildung „incoagulablen“ Stickstoffs; nur deshalb ist sie im 
leukämischen Blute am grössten, geringer im leukozytotischen, am 
kleinsten im normalen Blute; doch wird sie auch in letzterem bei 
genügend langer Versuchsdauer deutlich. 

4. Zirkelbach, Budapest. Ein Fall von orthostatischer 
Albnminnrie. 

Der Kranke, ein 22jähriger Mann, schied im Stehen und 
Gehen Albumen bis zu 0,S°/oo aus, während in der Ruhe, meist 
schon nach einer halben Stunde die Ausscheidung sistierte; gleich¬ 
zeitig im Stehen bemerkenswerte Erhöhung des Blutdrucks. Die 
onliostatische Albumiüurie wird als eine physiologische betrachtet. 
Sie bat ihren Grund wohl in gemeinsamen Störungen des Nieren¬ 
parenchyms und der Zirkulation. Die Ursache der Parenchym- 
veränderung ist wahrscheinlich in einer ererbten oder zugezogenen 
Schwäche zu sehen. Als Ursache für die Zirkulationsstörung 
kommt als Hauptfaktor der nervöse Zustand in Betracht; bei den 
meisten Kranken ist der Habitus neurasthenicus nachweisbar. 
Die Prognose quoad vitam ist absolut gut, quoad restitutionem 
günstig, da Heilung meist, wenn auch erst nach Jahren eiatritt. 
Die Therapie hat imi wesentlichen eine vorbeugende, Schädigungen 
femhaltende zu sein. 

5. Grossmann, Wien. Die Bebandlnng der Tobias mit 
perineuralen KoobBaMnfiltrationen. 

Unter peinlicher Asepsis wird mit einer Spritze, die mit 8 cm 
langer Nadel armiert ist, in der Mitte einer Trochanter major und 
Tuber isohii verbindenden Linie eingestochen, bis der Nerv erreicht 
ist, was sich durch Schmerz und Paraesthesien kundgibt, und dann 
50 bis 100 ccm 0,6 % Koch^lzlösung injiziert. 15 Fälle wurden 
auf diese Weise behandelt. Das auffälligste war die unmittelbare 
Wirkung auf den Schmerz; Patienten, die vorher fast unbeweglich 
gewesen waren, stiegen nach der Injektion ohne Unterstützung 
vom Operationstisch, üeble Nebenwirkungen wurden nie beobachtet. 
11 Patienten wurden geheilt, 3 gebessert, nur 1 blieb unbeeinflusst. 
Die perineurale Infiltration ist kein absolutes Heilmittel der Ischias, 
aber in Kombination mit andern physikalischen, besonders thermo- 
therapeutischen Einflüssen ein Verfahren, das in den meisten Fällen 
zum Ziel führt. Als schmerzstillendes Mittel verdient der einfache 
und gefahrlose Eingriff in erster Linie empfohlen zu werden. 

6. Mann, Triest. Das Serum Harmorek bei Lungentuber* 
kulose. 

Benutzt wurde die rektale Einverleibungsmethode: 5 ccm pro die 
21 Tage lang, dann mit je 8 Tagen Pausen noch 2 solcher 
Perioden. Die Versuche worden an 23 Kranken angestellt, mittel- 
schwere Fälle (ein- oder beiderseitige Spitzen- resp. Lappen¬ 
affektionen, Enteritis tuberculosa, Tabes mesaraica); bei allen war 
die Anwesenheit des Kochscben Bacillus festgestellt. Die End¬ 
resultate waren: 1 Fall geheilt, 2 gebessert, aber nach kurzer 
Zeit wieder verschlimmert, 7 ungebessert, 3 sichtlich verschlimmert, 
8 gestorben, davon 2 während der Behandlung, 6 im Laufe der 
Zeit. Bei 5 zur Autopsie gekommenen ergab sich eine sehr anf- 
filllige Ausbreitung des tuberkulösen Prozesses auf der Lnngen- 


oberfiäche, mit kavernöser Einschmelzung der Infiltrate und 
peribronchitischen Abszesschen, ein Bild, das den Eindruck machte, 
als ob das Serum, statt die Wirkung der Bacillen zu hemmen, 
ihrem spezifischen Zerstörungsprozesse Vorschub geleistet hätte. 
Das Resultat der Versuche mit dem Marmorek-Serum ist also als 
ein absolut negatives zu bezeichnen. 

7. Stein, Budapest. Eine Universalblende. 

An der Hand von Zeichnungen wird eine Blende für Röntgen¬ 
untersuchungen beschrieben, die sowohl den Untersucber gegen die 
Röntgenstrakleu schützen soll, als auch Durchleuchten und alle 
Aufnahmen ermöglicht. 


Bücherbesprechung. 

Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen. Her¬ 
ausgegeben von Dr. med. Magnus Hirschfeld. VII. Jahrgang, 
I. und II. Band, 

Eingeleitet wird der neue Band des Jahrbuches mit einer 
juristischen Studie über den § 143 des preussischen Strafgesetz¬ 
buches, der als § 152 im Entwürfe des Str. G, B. für den Nord¬ 
deutschen Bund erscheint. Zur besseren Kenntnis des anonymen 
offenen Briefes (der dem Schriftsteller Kertbenz zugeschrieben 
wird) an den Justizminister Leonhardt, wird zunächst der § 143, 
später 152, die Motive dazu und ein Gutachten der wissenschaft¬ 
lichen Deputation von 1869 angeführt. Der offene Brief legt die 
Gründe dar, aus denen der § 143, welcher die widernatürliche 
Unzucht unter Personen männlichen Geschlechtes oder Menschen 
mit Tieren bestraft, im neuen Gesetzbuch fallen sollte. 

Die erbliche Belastung des Zentralnervensystems bei 
Uraniem, geistig hemmenden Menschen und Geisteskranken be¬ 
handelt von Römer, Amsterdam. 

Er kommt zu einer Reihe von zehn Thesen, die durch Tabellen 
unterstützt werden, es ergeben sich dabei recht merkwürdige Ge¬ 
setzmäßigkeiten , die aber noch sehr der kritischen Nachprüfung 
bedürfen. 

Höchst anfechtbar scheint nur Max Kattes Aufsatz über 
„visile Homosexuelle“. Er will nachweisen, dass die Abneigung 
der Homosexuellen gegen die H,—S. sich auf mangelhafte Kennt¬ 
nis der letzteren stützt, sie hätten immer nur die feminiren H. S, 
im Auge, während es eine grosse Zahl visile H. S, gebe, bei denen 
das Verhältnis der männlichen zu den weiblichen Eigenschaften 
näher am ersten liege, als bei den feminiren. Der visile H. S. 
sei deswegen namentlich hervorragend als feinsinniger Dichter, 
Künstler, Philosoph, während dem hervorragenden Homosexuellen 
sich nach den Gebieten sein fnännlichen Können auszeichnet. 
Eine Charakteristik des visil Homosexuellen schreibt ihm männ¬ 
lich charakteristische, abgerundete Bewegungen zu, Neigung zu 
Beschäftigung männlichen Charakters, entwickelte Logik neben 
Verständnis für Musik und Poesie, im Verkehr bevorzugter Jüng¬ 
linge zarten anschmiegenden Wesens; ist ihnen Führer und Er¬ 
zieher. 

Dr. 0. Kiefer entwickelt die Stellung Platos zur Homo¬ 
sexualität, ohne etwas wesentlich Neues zu sagen. 

Dr. Anne Rülings Rede: „Welches Interesse hat die Frauen¬ 
bewegung an der Lösung des homosexuellen Problems“ hat bereits 
ihre Besprechung im Bericht über die Jahresversammlung von 1904 
gefunden und es wird hier auf diese verwiesen. 

Bertz sucht den Amerikaner Walt Whitmann (Dichter) 
als Edel-Uranier zu erweisen. 

Die Beschuldigung der Paederastie des Reformators Jean 
Calwin wird durch H, J, Sohonten-Utrecht als eine Ver¬ 
leumdung durch seine Gegner nachgewiesen. 

Die Biographie der vierge rouge Louise Michel, 
von Karl Frhr. v. Levetzow, wird jeder mit Interesse lesen. 

V. Beulwitz wundert sich, dass Zola, der doch alle sexuellen 
Beziehungen in seinen Romanen ei^ähnt, an dem homosexuellen 
Problem schweigend vorübergeht, nur an einer Stelle tut er eines 
homosexuellen Vorkommnisses Erwähnung. Aufklärung gibt ein 
j Schreiben Zolas an Dr. Laupt in Lyon, in dem er sein hohes 
I Interesse an dem Gegenstand bekundet und erwähnt, er freue 

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492 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 45. 


sich, dass ein Gelehrter sagen dürfe, was er nicht gewagt habe 
zu sagen. 

Entwarf zu einer reizphysiologischen Anal3'se der erotialen An¬ 
ziehung unter Zugrundelegung vorw'iegend homosexuellen Materials 
von Benedikt Friedläuder, betitelt sich ein Aufsatz, der zunächst 
die Berechtigung der modernen Reizphysiologie für viele tierische 
Funktionen erweist, dann aber dazu Übergeht, die Wurzeln der 
Erotik in bestimmten Reizen nachzuweisen; eine Enquete ergab, 
das.s die Gesichtswahrnahme der am meisten wirksame Reiz 
ist; die Geruchswahrnahme ist bekanntlich ebenfalls von grosser 
sexueller Bedeutung j Homosexuelle bezeichnen den Geruch des 
Weibes aks widerwärtig; es handelt sich in der menschlichen 
Erotik um positive oder negative Chemotaxis. 

Eines der schwerwiegendsten Bedenken gegen die legale Frei¬ 
gabe und die soziale Anerkennung de.s homosexuellen Verkehrs be¬ 
steht in der Befürchtung der Verweichlichung der Rasse und des 
Eintretens kriegerischer Untüchtigkeit. Benedikt Friedländer weist 
an dem Beispiel der Hellenen, der Japaner die Unhaltbarkeit dieser 
Befürchtung nach. 

Neugebauers Zusammenstellung der Literatur über den 
Hermophoditiam beim Menschen w'cist 2072 Nummern auf. 

Band VI enthält die Bibliographie der Homosexualität für 
1904 von Anne Praetorius und den Jahresbericht 1904—05 von 
Dr. M. Hirschfeld selbst. Dr. G. Flatau, Berlin. 


Vermischtes. 

Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts¬ 
krankheiten, Ortsgruppe Berlin, veranstaltet am Freitag, den 

2. November, abends 8 Uhr, im Arclntektenhause einen öffent¬ 
lichen Vortragsabend. Auf der Tage.sordnung steht ein Vortrag 
des Geh. Med.-Rats Prof. Dr. A. Eulenb\irg über Geschlechts¬ 
leben und Nervensystem. Der Zutritt ist jedermann gestattet. 

Der Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung 
Ihrer wirtschäfllichen Interessen teilt folgende Anstellungs¬ 
bedingungen für Schiffsärzte, welche den Rhedereien zur 
Richtschnur dienen sollen, mit: 

1. Gehalt: a) Monatliclies Mindestgehalt für überseeische 
Fahrten: im 1. Jahre: 175 Mark, im 2. Jahre: 200 Mark, im 

3. Jahre: 250 Mark; b) Monatliches Mindestgehalt für Küsten- 
fahrten (z. B. China uff.): 1. Halbjahr: 250 Mark, 2. Halbjahr: 
300 Mark. Bei erfolgreichem Absolvieren eines Kursus im Tropen- 
hygienischen Institut-Hamburg erhöben sich die Sätze um je 25 
bis 50 Mark. 

2. Barauszahlung der üWichen Getränkekompetenzen von zwei 
Mark täglich. 

3. Wegfall der Bestimmung, „Schiffsärzte nicht länger als 
drei Jahre im Dienste zu laasen“, und Gewährung regelmäßiger 
Zulagen bei längerer Dienstzeit. 

4. Behandlung von Kajütpassagieren: Der Schiffsarzt hat das 
Recht, von Kajiitpa.ssagieren 1. Klasse für ärztliche Behandlung 
angemessene Bezahlung zu verlangen. 

5. Alle reklamenhaften Hinweise auf die „Verpflichtung des 
Arztes zur unentgeltlichen Behandlung und Abgabe von Arzneien“ 
sind aus den Passagierlisten wegzulassen, weil geeignet, über¬ 
mäßige Ausnutzung de.s Arztes zu veranlassen und sein Ansehen 
zu schädigen. Ebenso sind auf den Schiffen alle Plakate, Aus¬ 
hänge oder anderweitige Hinweise auf die Kostenlosigkeit der ärzt¬ 
lichen Behandlung und Arznei zu entfernen. 

6. Rangstellung an Bord. Der Schiffsarzt hat den Rang 
eines 1. Offiziers; er verzichtet aber auf die äusseren Abzeichen 
eines solclien. Besteht Uniforinzwang, so trägt er nur Aeskulapstab 
(keine Streifen) und Samtkragen. (Vorschlag von seiten des „Deut- 
sclieii Schulschiff-Vereins“: Blauer Samtkragen und Aeskulapstab.) 
Besteht kein Uniformzwang, so entfällt die Frage der äusseren 
Abzeichen von selbst („Nordd. Loyd“): in diesem Falle ist Dienst¬ 
mütze zu tragen. 

7. Wegfall des Rechtes des Kapitäns, dem Arzt in fremden 
Häfen den Landurlaub zu verweigern. Beim Verlassen des Schiffes 


hat der Arzt dem Kapitän oder seinem Stellvertreter Meldung zu 
erstatten. Er verlässt das Schiff unter voller eigener Verant¬ 
wortung. 

8. Bei Uniformzwang ist von den Rhedereien ein angemessener 
Zuschuss zur Anschaffung der Uniform zu leisten. 

9. Arztkabine. Dem Arzt ist eine seinem ,Rang entsprechende“ 
— in Lage, Grösse und Ausstattung nicht hinter den Kabinen der 
Schiffsoffiziere gleichen Ranges zurückstehende — Kabine an¬ 
zuweisen. 

10. Apotheke. Das Unterbringen der Apotheke im Arzt¬ 
zimmer ist aus hygienischen und anderen Gründen unzulässig. 
Für die Apotheke ist ein besonderer Raum in einer Grösse, die 
das Abhalten der ärztlichen Sprechstunden gestattet, einzurichten. 

Bdriin. Herr Geheimrat Bernhard Fraenkel ist zum 
Ehrenmitgliede der Berliner medicinischen Gesellschaft erwählt 
worden. Damit haben die grossen Verdienste, die Fraenkel sich 
während der 2öjährigen Periode seiner Tätigkeit als geschäfts¬ 
führender Schriftführer um die Entwickelung und das Gedeihen 
der Gesellschaft erworben hat, die gebührende Würdigung und 
Anerkennung gefunden. 

Zur Feier des 70. Geburtstages der Professoren Waldeyer 
und Exz. V. Bergmann findet am 13. Dezember ein vom Aka¬ 
demischen Verein für Naturwissenschaft und Medicin an der 
Universität Berlin veranstalteter Festkommers statt. 

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Dr. Immelmann’s 
trefflich geleitetem Institut für Röntgenstrahlen und orthopaedische 
Therapie hielt die Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins da¬ 
selbst am 22. d. M. eine Festsitzung ab, in welcher Herr Immel- 
mann zahlreiche Patienten, Röntgenaufnahmen imd Apparate 
vorführte. HerrHoffa beglückwünschte ihn namens der Spezial¬ 
kollegen zu den schönen, von ihm erzielten Erfolgen, über welche 
eine reich illustrierte Festschrift „Zehn Jahre Orthopädie und 
Röntgenologie“ in Übersichtlicher Darstellung berichtet. 

Bochum. Prof. Dr. Loebker, Vorsitzender des Deutschen 
Aerztevereinsbundes und Chefarzt des Krankenhauses Bergmanns- 
heil zu Bochum, ist zum Geheimen Medicinalrat ernannt worden. 

Drei Millionen Merkblätter. Eine Aktion grossen Stils hat 
neuerdings die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten ausgeführt. Durch die wider¬ 
spruchsvolle Rechtsprechung, welche den Krankenkassen Ausgaben 
zu hygienischen und prophylaktischen Zwecken hier gestattete, 
dort versagte, und durch das rigorose Vorgehen einzelner Ver¬ 
waltungsbehörden sind bei den Kassenvorständen vielfach Bedenken 
über die Zulässigkeit derartiger Ausgaben, wie sie früher von den 
Behörden nicht nur nicht beanstandet, sondern sogar ausdrücklich 
gutgeheissen wurden, entstanden. Die Deutsche Gesellschaft 
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten bat nun 
nach Uebereinkunft mit der Zentrale für das deutsche Kranken- 
kassenwesen, welcher zurzeit 1450 Kassen mit über drei Millionen 
Mitgliedern angeschlossen sind, dieser zur Verteilung an ihre Mit¬ 
glieder ebensoviele Exemplare des „Merkblattes“ und des „Prauen- 
merkblattes“ unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Selbstver¬ 
ständlich kann es nicht Aufgabe einer mit bescheidenen Mitteln 
arbeitenden Gesellschaft sein, eine solche Massenverbreitung, die 
einen Kostenaufwand von ca. 8000 Mark erfordert, zu einer 
dauernden Institution zu machen, doch wird einstweilen bis zur 
definitiven Regelung dieser Frage durch die in Aussicht stehende 
Reform des Krankenkassengesetzes ein momentanes dringendes 
Bedürfnis befriedigt. 


Ueber die wohl eeboa in Äerzte-Ereisen bekannten, höchst ele^nten 
und praktischen Instramenten-(Jalousie«) Schränke der^rma 

R. Neubauer & Co. inDreedon-A. 21 (goer. 1894) liegt in der heutigen 
Nummer ein Prospekt, spezieil über die Marke .Eios*' toi, welcher eine 
höchst vorteilhafte Vo rzugsofferte für die Herren Aerzte enthält. 
Jo eher man eine Bestellung gegen Barzahlung aufgibt, desto hoher ist 
die angebotene Ermäßigung. Man lese den Prospekt recht sorgfältig durch 
und man wird finden, dass die Firma R. Neubauer & Co. auch gegen monat¬ 
liche Toilzahlungeu von k M. 6,— allerdings nicht zum Vorzugspreise — 
diese herrlichen Instrumenten- (Jalousie-) Schränke liefert. 


Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meisiner, Berlin W, 69, Kurffiratenttr. Sl. — Verla( tob Carl Marhold, Halle 
Draek tob *ier HevBoniBna’teheB Bnchdmdcorei, Oebr. Wolff, Balle b. S. 


B. S. 


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Medicinische Woche 


Deotscbmann, A. Dflhnseo, A. Hotta, E. Jacobi, 

Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bt. 

H. Senator, R. Sommer. 

Berlin. Giessen. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold la Halle a» 5*« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Mailiold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppeo, K. Partseb, tt. Rosin, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unverricht, A. Votsins, 

Magdeburg, Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W. 62, Karfflratenstraane 61* 

Dr. P. Meißner. 


VIL Jahrgang. 


12. November 1906. 


Nr. 46. 


Die .Mediclniscbe Woche* erscheint jeden Montag mit der Utflgigen Beilage BalnCOlogiSChe Ccntralzeitung, Organ des SchwarzwaldbSdertages, 
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jlbrlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 
mit so Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei grSberen Aufträgen wird Rabatt gewibrt. 

Nachdruck der Origlnal-Aufsltze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originalien. 

Heber therapeutische Verwendung von 
Tuberkulin*). 

Von Dr. Koch, Marine*Stabsarzt a. D., 

Chefarzt des Sanatoriums fOr Lungenkranke. 

Von den spezifischen Mitteln, welche in Deutschland gegen 
die Tuberkulose angewandt werden, komiuen zur Zeit wohl nur 
die drei Koch sehen Tuberkulin-Präparate, das Alt-Tuberkulin 
(A. T.), das T. R. und das Neu-Tuberkulin, die Bazillenemulsion 
(B. E.) in Betracht. 

Das neue Behringsche Mittel, die Tulase, ist nur an 
einige wenige Kliniken abgegeben worden, in welchen seine 
Anwendung von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig 
gemacht worden ist; es wird aus Tuberkelbazillen gewonnen, 
soll aber von dem Kochseben Tuberkulin prinzipiell ver¬ 
schieden sein. Wie Behring den französischen Aerzten kürz¬ 
lich bei ihrem Besuche in M^burg mitgeteilt hat, ist es ihm 
geglückt, mit Hilfe dieses neuen Mittels Tiere gegen eine In¬ 
fektion mit virulenten Tuberkelbazillen zu schützen; die Ge¬ 
winnung eines Serums, etwa ähnlich dem Diphtherie-Serum, 
sei bisher nicht gelungen, sei auch für die Zukunft zweifelhaft. 
Es sei nicht unmöglich, dass durch Verfütterung der Tulase 
Schutz- und Heileffekte erzielt würden. Durch Einspritzungen 
unter die Haut seien skropbulöse und tuberkulöse Erkrankungen 
von Kindern beeinflusst worden. 

Das Spenglersche Perlsucht-Tuberkulin, das Marmo- 
reksche Heilserum, das Denyssche und Beranecksche Tu¬ 
berkulin sind bis jetzt in Deutschland nur in vereinzelten Fällen 
angewandt worden. 

Das Alt-Tuberkulin (A. T.) wird aus Tuberkelbazillen¬ 
kulturen bereitet, welche 6 Wochen lang auf Kalbfleischbouillon 
mit Pepton und Glyzerin gewachsen, durch Tonfilter filtriert 
und auf '/lo ihres Volumens eingedampft sind; es stellt ein 
dickflüssiges braunes Extrakt dar. 

Das T. R ist die untere Schicht der nach dem Zentri¬ 
fugieren ‘in destilliertem Wasser aufgeschwemmten Bazillen- 
leiber; zur Herstellung werden vollvirulente Tuberkelbazillen- 
kultoren im Achatmörser zerrieben. Auf diese Weise sollten 
die Tuberkelbazillen resorbierbar gemacht werden. Die beim 
Zentrifi^eren entstehende obere Schicht wurde von Robert 
Koch T. 0. genannt. 

Das Neu-Tuberkulin, die Bazillenemulsion (B. E.), ist eine 
Aufschwemmung pulverisierter Tuberkelbazillen in Wasser mit 
Zusatz gleicher Teile Glyzerin. Es enthält sowohl die Bestand¬ 
teile des früheren T. R, d. h. die zerriebenen Bazillenleiber, als 
auch diejenigen des T. 0., d. h. die löslichen und toxischen 

*) .Vvrtrftg, gehalten auf der YI. äTztlichen Studienreue. 


Bestandteile der Bazillen. Es soll im Gegensatz zum A. T., 
welches auf das tuberkulöse Gewebe direkt ein wirkt, immuni¬ 
sierende Eigenschaften besitzen und eine unmittelbare Abtötung 
der Tuberkelbazillen durch neugebildete lmmunstofi“e bewirken. 
1 ccm B. E. enthält 5 mg der pulverisierten Tuberkelbazillen. 

Während nach Robert Koch das A- T. sich nur für ganz 
fieberlose Fälle mit einer Maximaltemperatur von 37® eignet, 
bildet bei der B. E. Fieber keine Kontraindikation; er en^fiehlt 
es auf Grund seiner ßehandlungsresultate auch bei Fieber¬ 
kranken des zweiten und dritten Stadiums. 

Die Ansichten über den therapeutischen Wert dieser Tu¬ 
berkulinpräparate sind noch sehr geteilt. 

De la Camp verwirft das Tuberkulin als Therapeutikum 
wegen der unabsehbaren Schädigungen des Kranken und weil 
die Heilwirkung eine ungewisse sei, ebenso Schröder. 

Köhler steht den Berichten über die erfolgreiche An¬ 
wendung sehr skeptisch gegenüber; er sagt, bis auf weiteres 
läge kein Grund vor, von imn seither bewährten Prinzipien der 
in den Lungenheilstätten geübten physikalisch-diätetischen Be¬ 
handlung zugunsten der ihr nicht überlegenen und dabei nicht 
einmal als ungefährlich zu erklärenden wiederanftauchenden 
Tuberkulin-Therapie abzuweichen. 

Lüders warnt vor dem Gebrauch der Tuberkulin-Prä¬ 
parate bei kombinierter Tuberkulose der Lungen und des Kehl¬ 
kopfes. 

Weischer hat im Anschluss an eine Pleuritis sicca nach 
Injektion von 2 mg eine schwere exsudative Rippenfellent¬ 
zündung auftreten sehen, die er auf das Tuberkulin zurückführt. 

Krapf erwähnt zwei Fälle, die schwer durch Tuberkulin 
geschädigt worden seien: schnelles Fortschreiten der Phthise 
m dem einem Falle; im anderen, der an Nierentuberkulose litt, 
brach nach Beendigung der Tuberkulinkur eine akute Miliar¬ 
tuberkulose aus. 

Wegner sah keinen Nutzen davon, ihm ist die Kurdauer 
zur Dur(3iführung einer erfolgreichen Tuberkulinkur zu kurz, 
was auch Ritter bedauert, der dem Mittel sonst sympathisch 
gegenüber steht. 

Rumpf will es angewandt wissen bei allen Fällen, die 
durch die physikalisch-diätetische Methode allein nicht recht 
weiterkommen. 

Röpke nennt es ein sicheres Heilmittel bei der Kehlkopf¬ 
tuberkulose; er sah bei leichter Larynx und leichter Lungen¬ 
tuberkulose besonders gute Erfolge, aber auch bei schweren 
Fällen von Larynxtuberkulose, kompliziert mit leichter Lungen¬ 
tuberkulose, gute Erfolge. 

Nach Amreim, welcher 24 Fälle mit A. T. und einzelne 
mit T. R. behandelt hatte, beeinflusst es im allgemeinen den 
Krankheitsprozess und die ganze Konstitution günstig. 

Lüdke erklärt, wenn er auch eine Tuberkulose-Heilung 
nie habe konstatieren können, so vermöge er doch, soweit ihn 
die Mehrzahl seiner Beobachtungen lehre, im Verein mit einer 
Linderung der Beschwerden der Tuberkulösen eine Kräftigung 


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MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 46. 


4 )4 


ihies Allgemeinzustandes, die sich im Gefolge der Tuberkulin- 
Injektion einstellte, zu konstatieren, und darum gäbe er der 
Tuberkulin-Ther^ie den Vorzug vor jeder spezifischen Be¬ 
handlungsweise der Lungentuberkulose. 

Nach Philippi haben von 28 Patienten, welche Tuberkel¬ 
bazillen im Auswurfe hatten, 12 = 42,9% ihre Bazillen durch 
Tuberkulin verloren, während von den Nichtgeimpften nur 11 
von 98 = 11,270 so glücklich waren. 

Mo eil er konnte in allen Fällen, in welchen er Tuberkulin 
zu therapeutischen Zwecken anwandte, einen guten Verlauf der 
Kur, d. h. stetig fortschreitende Besserung des Lungenbefundes 
bei gutem Allgemeinbefinden beobachten; er sah bei der kom¬ 
binierten Behandlung 36,8% Heilungen, bei der hygienisch- 
diätetischen Methode allein 10,9%. 

Ganghofner ist vom Werte des A. T. bei Anwendung 
im Eandesalter fest überzeugt. 

Nach Sahli sind mit allen Tuberkulinen recht schöne Er¬ 
folge zu erzielen; es komme nicht auf das Spezifikum, sondern 
die Art seiner Anwendung an. Eine Tuberkulinkur soll mög¬ 
lichst mild und reaktionslos sein. Seine Erfahrungen beziehen 
sich auf das alte und neue Eochsche, sowie auf das Denys- 
sche und Beranecksche Tuberkulin. 

Kraemer kommt in seinen Studien über Heilung und 
Ausrottung der Tuberkulose zum Schluss, dass eine klimatisch¬ 
hygienisch-diätetische Kur unter den ide^sten Bedingungen im 
Hochgebirge oder anderen Klimateu nur bei gleichzeitiger Tu¬ 
berkulin-Behandlung eine völlige anatomische Heilung gewähr¬ 
leisten könne. 

Im Gegensatz zu allen Anderen, welche Fieber für eine 
Kontraindikation halten, hat Aufrecht hartnäckiges Fieber im 
vorgerückten Stadium durch kleinste Dosen günstig beeinflusst. 

Andere, zum Teil begeisterte Anhänger der Alt-Tuberkulin- 
therapie sind Biedert, Petruschky, Roemisch u. a. m. 

Ueber günstige Erfolge mit B. E. berichtet Krause. Er 
hat Patienten, welche aus irgendwelchen Gründen der Heil¬ 
stättenbehandlung nicht teilhaftig werden konnten, der Tuber¬ 
kulintherapie unterzogen und hatte in allen Fällen günstige 
Wirkung zu verzeichnen. In den meisten Fällen verschwanden 
die subjektiven Beschwerden und katarrhalischen Erscheinungen, 
und in vielen Fällen wurde auch eine wirkliche Heilung er¬ 
reicht. Das Fieber wurde ausnahmslos für die Dauer beseitigt. 

Holdheim erzielte ebenfalls gute Erfolge bei ambulanter 
Behandlung. 


Feuilleton. 


EmpfehliiBg der Schntzpockenimpfimg 
durch einen Arzt im .Jahre 1762. 

Von Dr. Gä1;jen. 

(Schluss.) 

„Da die Sache sich so verhält, ist es zu vermuthen, dass 
ein vernünftiger Vater, der seine Kinder wahrhaftig liebt, 
nicht glauben sollte, seine Pflichten zu erfüllen, und den Be¬ 
wegungen einer erleuchteten Zärtlichkeit zu folgen, wenn er 
sie über das Bret in der Einstigsten Zeit gehen lässt, wenn 
schon einer von 200 in Gefahr kommt und nicht lieber warten 
wdll, bis sie von den Schicksal geführt werden, wo alleinahl 
von 10 einer zu Grunde gehet. Wenn dieses Gleichnis richtig 
ist, 80 dünkt mich, es seye sehr schwehr dem Schlus.s zu 
widerstehen.“ 

Doch er begründet seinen Lesern auch mit wissenschaft¬ 
lichen und historischen Beweisführungen seine Ansicht von 
der grossen Nützlichkeit der Impfung. Er beschreibt ihnen 
kurz, was man unter Einpfropfung versteht, erzählt ilmci), dass 
„diese Art zu handeln in China und in den grossen Indien 
von undenklichen Jahren her in Uebung gewesen“, ebenso in 


Krüger hat die schönsten Erfolge gerade bei der mit 
der Pubertät beginnenden Tuberkulose ges^en. 

Elsaesser hat besonders gute Erfolge gesehen, was die 
Entfieberung betrifft, konnte aber auch an den Lungen teilweise 
ganz entschiedene Besseiningen konstatieren. 

Bandelier empfiehlt die B. E. warm; er sah bei allen 
Stadien günstige Enolge, nachdem die hygienisch-diätetische 
Methode allein keine Fortschritte hatte erkennen lassen. 

Nagel berichtet eingehend über 183 von Bandelier mit 
B. E. behandelte Kranke und gibt an, dass die B. E. gerade bei 
offener Tuberkulose mit unleugbarem Vorteile angewandt worden 
sei; es handle sich hierbei, wie aus den Nachuntersuchungen 
hervorgehe, fast durchweg um Dauererfolge. 

Pickert teilt mit, dass er Besserungen erzielt habe, wie 
er sie bei der hygienisch-diätetischen -Methode allein nicht an¬ 
nähernd hätte erwarten dürfen. 

Schräder hat Erfahrungen gemacht, welche ihn zum 
Fortsetzen seiner Versuche ermutigen; er ist aber ein Gegner 
des A. T. 

Moeller hat noch kein abschliessendes Urteil über die 
B. E., sondern meint, es. bedürfe noch weiterer Beobachtungen, 
um festzustellen, in welchen Fällen At, T. und in welchen N. T. 
indiziert sei. 

Ein begeisterter Anhänger ist Poeppelmann; nach ihm 
heilt die Tuberkulinkur doppelt soviel Fälle beträchtlich gründ¬ 
licher, als die Freiluftbehanmung allein. 

Dagegen haben Jürgens und Kraus Verschlimmerungen 
nach der Anwendung von B. E. gesehen; letzterem bestätigten 
seine Tierversuche die Kochschen Versuche, während er mit 
der klinischen Anwendung schlechte Erfahrungen machte. 

Kremser ist von dem Mittel abgekommen wegen der 
häufig auftretenden starken Reaktionen. 

Nach dem letzten Jahresbericht des deutschen Zentral¬ 
komitees zur Bekänmfung der Tuberkulose werden die Tuber¬ 
kulinpräparate zur Zeit in 33 deutschen Heilstätten therapeu¬ 
tisch verwertet. 

Das T. R. ist in der letzten Zeit wiederholt von den Oph¬ 
thalmologen angewendet worden. 

von Hippel empfiehlt es mit grosser Wärme bei Tuber¬ 
kulose des Auges. 

Schleich hat in einem Falle von Cborioideal-Tuberkel 
einen ganz vorzüglichen Erfolg gesehen; bei der Mehrzahl 
seiner Fälle ist ein sichtbar günstiger, zum Teil ganz ausser¬ 
ordentlich guter Erfolg erzielt worden. 


Georgien, Cirkassien Constantinopel und einigen Provinzen von 
Afrika. 

Nur die Art und Weise der Einpfropfung sei verschieden 
gewesen. Er erwähnt auch, dass die bekannte Lady Wortley 
Montague, die Gemahlin des englischen Gesandten in Constan- 
tinopel, im Jahre 1712 die Impfung in ihrer Heimat eingetdhrt 
habe. Von London aus habe sich dann die Einpfropfung 
durch ganz England, die amerikanischen Kolonien und einzelne 
Staaten von Europa verbreitet. ^Fast allenthalben musste sie 
Widersprüche erfahren, ein Schicksal, welches sie mit allen 
nützlichen Erfindungen zu allen Zeiten gemein hat. An einigen 
Orten hat sie solche überstiegen und sich festgesetzt; in 
einigen andern ist sie noch schwankend. Es giebt Oerter, wo 
man sie wieder verworfen hat, nachdem sie durch Unklugheit 
in der Ausübung in einen schlimmen Ruf gefallen; man darf 
also nur von der Zeit, dem einzigen Zerstörer der Vorurtheilen, 
eine allgemeine Einführung derselben hoffen.“ 

Von einer „allgemeinen Einführung“, wie Tissot sie von 
der Zeit erhoffte, kann auch jetzt, am Anfang des XX. Jahr¬ 
hunderts, nicht die Rede sein, wenn auch die zwangweise 
Schutzpockenimpfung mit animaler Lymphe in den meisten 
Kulturstaaten im Wege der Gesetzgebung eingeführt worden ist. 

Er verkennt nicht die Regungen des Zweifels vieler Men¬ 
schen, ob es denn richtig sei, einem gesunden Körper eine 
Krankheit beizubringen und er meint, es müssten ohne allen 
Zweifel sehr wichtige Gründe sein, welche diesen Entschluss 
zeitigten. Diese Gründe findet er in dem Charakter der Pocken, 

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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


495 


Elsaesser berichtet über eine geheilte doppelseitige Iris* 
Tuberkulose; der Lungenbefund wurde vollständig normal. 

Dahingegen warnt Michel vor dem Gebrauche der Tuber- 
kuli^räparate bei Augentuberkulose, und nach anderen sind 
die Erfolge recht ungewisse und zweifelhafte. 

Renn er t teilt einen mit T. R. geheilten Fall von Ton- 
silJartuberkulose mit; Drüsenschwellungen und Milzschwellung 
gingen während der Behandlung zurüt^. 

Während meiner Falkensteiner Assistentenzeit wurde eine 
rössere Anzahl von Patienten mit dem damals gerade aufge- 
ommenen T. R. behandelt; eine Beeinflussung des Lungen- 
befundes konnten wir nicht feststellen. Die Beobachtungs- und 
Behandlungszeit war allerdings zu kurz, denn nachdem bei 
einigen Kranken starke Reaktionen aufgetreten waren, lehnten 
alle andern die weitere Behandlung ab, wie ja auch heute noch, 
nachdem die Hochflut der Tubereulinbegeisterung verrauscht 
war, im Publikum und auch unter den Aerzten ein nach meiner 
Ansicht unberechtigtes Misstrauen gegen die Tuberkulinpräparate 
herrscht. 

Ich habe späterhin keine Lungenkranken mehr mit T. R. 
behandelt, habe vielmehr hauptsächlich das A. T. und in einigen 
wenigen Fällen die B. E. angewandt.- 

Bei letzterer begannen wir die Behandlung mit subku¬ 
taner Injektion von 0,0025 mg der Bazillensubstanz, also mit 
dem 2000. Teil eines ccm des Präparates; die Verdünnungen 
wurden mit physiologischer Kochsalzlösung und ’/»% Karbol¬ 
wasser hergestellt. ln Zwischenräumen von 3—4 Tagen wurde, 
je nachdem die Einspritzung vertragen wurde, mit der gleichen 
oder höheren bis zur doppelten Dosis fortgefahren. In zwei 
Fällen gelang es uns, das Fieber, das vorher durch nichts zum 
Schwinden zu bringen war, dauernd zu beseitigen. Reaktionen 
haben wir stets zu vermeiden gesucht. 

Bei A. T. wurden die Verdünnungen ebenfalls mit 
Karbolwasser hergestellt und mit Einspritzungen von 0,0025 mg 
A. T. begonnen. Anfangs wurde sehr langsam gesteigert; so¬ 
bald sich eine Temperaturerhöhung einstellte, wurde auf eine 
kleinere Dosis zurückgegangen oder dieselbe Dosis so lange ge- 
eben, bis keine Reaktion mehr erfolgte. Von 25—30 mg an 
ann man schnell. aufsteigen, da dann erfahrungsgemäß nur 
selten Reaktionen eintreten. Bei den Reaktionen unterscheiden 
wir die lokale Reaktion: Veränderung des Atmungsgeräusches, 
Auftreten oder Zimahme von Rasselgeräuschen, eventuell Zu¬ 
nahme der Dämpfung, und die allgemeine Reaktion: mehr oder 
wenig heftige Störungen des Allgemeinbefindens, verbunden mit 


einer Temperatursteigerung von mindestens Grad über das 
Temperatur-Maximum der letzten Tage. 

Bei 200 oder 300 mg empfiehlt es sich, eine Pause von 
einigen Monaten zu machen und dann eine zweite, bezw. dritte 
Kur mit kleinen Dosen wieder beginnend, anzuschliessen (Pe¬ 
trus chkys Etappenkur). 

Behandelt wurden nur absolut fieberfreie Kranke, d. h. 
solche, welche längere Zeit hindurch bei Mundmessung nicht 
höher als 37,0® C gemessen hatten. 

Lokale Reaktionen traten nur selten auf; Schädigungen 
unserer Kranken haben wir nie beobachtet. Bei einer Patientin, 
welche bis dahin die Injektionen gut vertragen hatte, musste 
bei 50 mg die Kur abgebrochen werden, weil dann jedesmal 
sehr starke Schmerzen „in der Magengegend“ auftraten. Da 
wir keinen Grund für diese einige Stunden nach der Injektion 
auftretenden und mehrere Stunden anhaltenden Schmerzen zu 
entdecken vermochten, glaubten wir, dieselben beruhten viel¬ 
leicht auf Einbildung und machten daher wiederholt eine In- 
jectio vacua, d. h. eine Einspritzung von physiologischer Koch¬ 
salzlösung oder sterilem Wasser, die wir, beiläufig bemerkt, 
bei den probatorischen Impfungen zu diagnostischen Zwecken 
stets einschieben. Darnach verspürte die Patientin niemals 
Schmerzen und freute sich, dass mit der Kur fortgefahren 
werden könnte; sobald aber wieder Tuberkulin eingespritzt 
wurde, traten die Schmerzen wieder auf. Es wird sich wahr¬ 
scheinlich um eine tuberkulös erkrankte Mesenterialdrüse ge¬ 
handelt haben; der Patientin geht es übrigens sehr gut. In 
einem Falle wurde die Kur wegen Auftretens einer Mittelohr¬ 
eiterung abgebrochen; Tuberkelbazillen waren im Sekret nicht 
nachzuweisen. 

Leichte, rasch vorübergehende Störungen des Allgemein¬ 
befindens, Unlust zum Essen, Kopfschmerzen haben wir wieder¬ 
holt am Tage nach der Einspritzung beobachtet; höhere Tempe¬ 
ratursteigerungen kamen nie vor, geringere Steigerungen gingen 
meist in wenigen Stunden zurück. VorausgegangeneBlutungen 
betrachten wir nicht als Kontraindikation. 

In mehreren der von uns mit A. T. behandelten Fällen, 
welche bei der hygienisch-diätetischen Methode allein wochen- 
und monatelang auf demselben Standpunkt stehen geblieben 
waren, ohne irgend eine Veränderung im Allgemeinzustande 
oder im Lungenbefunde zu zeigen, konnten wir nach Einleiten 
einer TuberkuUnkur eine beträchtliche Besserung des Allgemein¬ 
zustandes und einen wesentlichen Rückgang der Krankheits¬ 


der Allgemeinheit, der grossen Sterblichkeit und andererseits 
wieder in dem ersichtlichen Verteil und geringfügigen Nach¬ 
teil der Einpfropfung. Auch zu Zeiten, wo die Pocken-Epi¬ 
demien in leichter Art auftreten, empfiehlt er die Einpfropfung, 
um die Menschen von den immerhin auftretenden Folgen der 
Krankheiten — ernennt: „Ungestaltenheiten, oder Lähmungen, 
oder Schleichkrankheiten“ — zu bewahren. 

Er erzählt .uns ferner von einem interessanten Versuch, 
indem man die Verzeichnisse von zwei Krankenhäusern in 
London, von denen das eine für die Kranken an den natür¬ 
lichen Pocken, das andere für die Kranken an den einge¬ 
pfropften bestimmt war, verglichen hat. Die ausgezogenen 
Summen aus den Registern von 20 Jahren zeigen, dass in 
dem Spital für die natürlichen Pocken von neun Kranken 
zwei starben, hingegen in dem Spital für die eingepfropften 
von dreihundert und fünfundvierzig nur einer! 

Er selbst hat bei Erscheinen seines Buches seit mehr als 
12 Jahren die Einpfropfung ausgeübt und gibt folgenden 
kurzen Bericht: „Ich habe keinen einzigen Kranken gehabt, 
bey welchem die Krankheit auch nur die geringste Gefahr 
gezeigt hätte; nicht einen einzigen, bey welchem sich schlimme 
Folgen gezeigt hätten; und nicht einen einzigen, der nicht 
immer sehr vergnügt gewesen, dass er sich habe einpfropfen 
lassen.“ Leider verschweigt er uns die Anzahl aller von ihm 
geimpften Patienten. 

Wenn wir nun lesen, wie er die Einpfropfung bei seinen 
Patienten vorgenommen hat, so müssen wir uns wirklich 


wundern, wie alles immer so gut, wie er behauptet, abgelaufen 
ist. Er macht mit einem ,jBi8torie“ zwei „15 —16 Linien“ 
(etwa einen Zoll) lange Schnitte an den Schenkeln, sodass in 
der Tiefe des Einschnittes eben das Blut zum Heraussickern 
kam. Dann legte er in diese Einschnitte einen Faden, welcher 
mit dem Eiter von den Pocken getränkt war und bedeckte 
die Wunden dann mit einem „Diapalmapflaster“, Kompresse 
und Binde. Den Faden liess er 24—48 Standen liegen, nahm 
ihn dann, wenn die Eitemng beträchtlich war, heraus und 
stopfte in die Wunde Charpie. Diese Manipulation ereuerte 
er alle 24 Stunden. Den Faden, den er zu der Einpfropfung 
benutzte, legte er vielfach zusammen, drehte ihn mehrmals 
und zog ihn durch mehrere Blattern hin und her. Zu diesem 
Zwecke wählte er Blattern, welche gross und „wohl zeitig“ 
waren, von einer „guten Art“, d. n. von einem gesunden 
Körper. Solche präparierte Faden wickelte er in Schreib¬ 
papier (!) und bewahrte sie in einer wohl verschlossenen Blech¬ 
büchse auf bis zum Gebrauch. Manchmal benutzte er Faden, 
die er auf diese Weise monatelang, ja bis zu 26 Monaten auf¬ 
bewahrt hatte, noch mit gutem &folg. 

Bei dieser Art der Einpfropfung sah Tissot gewöhnlich 
zwischen 50—400{!) Pocken entstehen, manchmal auch weniger 
als 50. 

Es ist begreiflich, dass Tissot zu seiner Zeit einen scharfen 
Kampf mit den Gegnern der Einpfropfung zu führen hatte. 
Aber alle auch noch so plausibel vorgebrachten Gründe konnten 
ihn nicht in seiner üeberzeugung von dem unendlichen Nutzen 


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496 


MEDlCmiSCHE WOCHE. 


Nr. 46. 


erscheinangen auf den Lungen, Abnahme der Rasselgeräusche 
etc. nachweisen. 

Unsere Beobachtungen über die therapeutische Wirkung 
des Tuberkulins können wir dahin zusammenfassen: 

In Fällen, in welchen die hygienisch-diätetische Kur allein 
nicht zu dem gewünschten Ziele führt, kann durch Zuhilfe¬ 
nahme des Tuberkulins eine wesentliche Besserung des Allge¬ 
meinzustandes sowohl als auch des Lungenbefundes herbeige¬ 
führt werden; bei vorsichtiger Anwendung bringt dasselbe 
keinen Nachteil, 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

BerU/ner medidniache Gea^lschaft. 

Sitzung vom 24. Oktober 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Schlesinger demonstriert einen Fall von Sarkoid, 

Lehr zeigt einen Patienten, bei dem mittels Bronchoskopie 
ein Enochenstück aus einem der unteren Bronchi entfernt wurde. 

Meyer stellt einen Fall von Rhinosclerora vor, der schon vor 
einigen Jahren in der Gesellschaft mit geringen äusseren Erschei¬ 
nungen gezeigt worden war. Inzwischen hatte die Krankheit 
enorme Fortschritte gemacht; grosse ulcerirte Tumoren hatten die 
Oberlippe und die Nasenflügel ergriffen; im Gaumen und Pharynx 
hatten sich grosse Geschwulstknoten gebildet. Jede Therapie war 
bisher erfolglos geblieben. Deshalb wurde zu einer energischen 
Röntgenbestrahlung gegriffen. Darunter trat schnelle Reinigung 
der Ulcerationen, Epithelialisierung und dann allmählicher Schwund 
der Tumoren ein. 

Tagesordnung: 

Senator. Ueber Erythrocytosis (Polycy thaemia 
rubra) megalosplenica. 

Die Krankheit, deren Hauptsymptome eine Zunahme der roten 
Blutkörperchen, Rötung der Haut und Schleimhäute, Milzschwellung 
sind, ist in den letzten Jahren öfters beschrieben worden. S, hat 
in letzter Zeit zwei Fälle beobachtet und dabei Gelegenheit genommen, 
die Blutveränderungen und Stoffwechselverhältnisse zu studieren. 
Das Blut zeigte eine Vermehrung der roten Blutkörperchen in der 
Raumeinheit, 6—10 Millionen; Form und Gestalt boten keine 
Abweichungen von der Norm; Geldrollenbildung und Blutplätt¬ 
chen zeigten normales Verhalten; der Haemoglobingehalt war ent- 


der Einpfropfung wankend machen. Wir wollen den Artikel 
schliessen mit den "Worten, die er an seine Widersacher 
richtete: 

.Man hat einen starken Band herausgegeben, den man 
das Marterbuch oder auch die Todtenliste der Einpfropfung 
nennen könnte, in welchem man mit vieler Mühe alle Zufälle 
gesammelt hat, welche als eine Folge der Einpfropfung anzu¬ 
sehen, oder welche nach der Einpfropfung vorgefallen, denn 
man hat in demselben diesen so nötigen Unterschied nicht 
beobachtet. Es sind es aber die Werke der Einpfropfer selbst, 
welche fast alle Materialien zu diesem Buch geliefert haben; 
indessen muss man sich dadurch nicht erschrecken lassen, ob¬ 
gleich es bestimmt zu sein scheint, diese Würkung herfür zu 
bringen. Es beweist nur, dass die Einpfropfung die Gefahr 
der Pocken nicht völlig wegräume, es hat aber dieses auch 
kein vernünftiger Einpfropfer behauptet; vielleicht mag es 
einem Enthusiasten entfallen seyn, denn die Einpfropfung hat 
eben sowohl ihre Enthusiasten als ihre Feinde: allein dieses 
schwächt auf keinerley Weise die von mir festgesetzte Wahr¬ 
heit, nämlich, dass sie diese Gefahren ausserordentlich ver¬ 
mindere, eine Wahrheit, die unwidersprechlich erwiesen ist, 
und mit welcher sich die Einpfropfer nur nicht mehr beschäf¬ 
tigen: Das Gebäude ist, wenn ich so reden darf, unter Dach 
gebracht, und man siebet, ohne Furcht, öfteren Stürmen zu, 
welche auf dasselbige anstossen, wovon aber keiner dasseibige 
zu erschüttern vermag 1“ 


sprechend der vermehrten Zahl der roten Blutkörperchen wesent¬ 
lich erhöht. Die Leucocyten waren wenig zahlreicher; es fanden 
sich darunter Myclocyten, Eosinophile, Mastzellen; die L 3 rmpho- 
cyten waren vermindert. Das speziflsche Gewicht des Blutes hielt 
sich in normalen Grenzen; desgleichen die molekulare Konzentration. 
Der Blutdruck zeigte eine Erhöhung; dementsprechend fand sich 
in dem einen Falle eine Herzhypertrophie. Die Untersuchung des 
Stoffwechsels ergab Stickstoffgleiobgewioht. Interessant war das 
Verhalten des Gaswechsels; es fand sich eine wesentliche Erhöhung 
des Ätemvolumens, eine Erhöhung der Werte des aufgenommenen 
Sauerstoffs und der ausgeschiedenen Kohlensäure. Eine sichere 
Erklärung für diese Erhöhung des Gaswechsels ist nicht zu geben. 
Was die Ursache der Vermehrung der Erythrocyten betrifft, so 
kann dem eine Steigerung des "Verbrauchs oder eine vermehrte 
Bildung zu Grunde liegen. Für ersteres spricht nichts; für letzteres 
der Befund von hyperplastischem Knochenmark bei einzelnen 
Autopsien; auch das Auftreten der Mylolocyten, der eosinophilen 
■und Mastzellen würde auf das Knochenmark hinweisen. Möglich ist 
auch, dass eine Beeinträchtigung der Funktion der Milz vorliegt, 
wodurch die vermehrte Biutbildung bedingt wird. Die Therapie 
bestand in Blutentziehungen, Sauerstoffeinatmungen, vegetabilischer 
Diät. Die Krankheit ist in das Gebiet der alten Plethora vera za 
rechnen. 

Diskussion. 

Kraus. Der Nachweis der Erhöhung des Gaswechsels ist 
von grosser Wichtigkeit. Die Vermehrung der Erythrocyten dürfte 
wohl durch Erhöhung der Tätigkeit der Blutdrüse, des Knochen¬ 
marks bedingt sein. Der Begriff der alten Plethora bekommt durch 
die Ausführungen von 8. eine handgreifliche Unterlage. 

Grawitz. Ob Stauungen im Gefäassystem oder vermehrte 
Bildung der roten Blutkörperchen die Erhöhung der Zahl be¬ 
dingen, dürfte schwer zu entscheiden sein. Gegen vermehrte 
Bildung durch Hyperplasie des Knochenmarks spricht entschieden 
der Befund von nur normalen Erythrocyten. Bei der Hypertrophie 
der Milz ist es denkbar, dass in dieser sich erythroblastische Herde 
entwickeln. 

Ferner Hirsohfeld, Milcher, Senator (Schlusswort). 

SUmingabeHcht der OeaeUschaftfür Qetmrtahilie und, 
Qynctekologie zu Berlin, 

Sitzung vom 26. Oktober. 

Vorsitzender; Herr Olshausen. 

Herr Rapin, Lausanne (als Gast) demonstriert ein von seinem 
Vater angegebenes neues Zangenschloss, dessen Prinzip 


Geschichte der Geburtshüfe. 

Von Dr. E. Roth. 

(Schluss.) 

Die Jahrhundertwende bringt den alten Gegensatz zwischen 
der operativen oder französischen zu der exspektiven oder 
englischen Richtung in Form eines Kampfes zwischen der Ent- 
bindungskunst und der natürlichen Geburtshilfe auf deutschem 
Boden zum Ausdruck. 

In der Geburtshilfe verlangte man nach der allgemeinen 
Anschauung mehr und mehr nur eine Zugwirkung und dem 
früher so verbreiteten Hebel, dessen Unentbehrlichkeit vielfach 
hervorgehoben war, billigte man im wesentlichen nur nock ein 
historisches Interesse zu. Tempora mntantur . . . 

Dafür wurde 1804 von Karl Wenzel die erste künstliche 
Frühgeburt ausgeführt, und 14 Jahre später stellte Francois 
Isaak Mayor zuerst die foetalen Herztöne mittelst Auskultation 
am Unterleibe von Schwangeren fest. 

Es mehren sich die wichtigen Gedenktage für die Geburts¬ 
hilfe, doch dürfte es für weitere Kreise genügen, wenn wir hier 
nur die wichtigsten erwähnen und nur die hervorheben, welche 
auch für Laien einen grossartigen Fortschritt darstellen. 

So brachte das Ende der 4üer Jahre die Lehren von Holmes 
und Semmelweis über die Ursache des Puerperalfiebers. Um 
dieselbe Zeit fällt die Einführung des Chloroforms in die ge¬ 
burtshilfliche Praxis. 1842 wurde im Allgemeinen Krankenhaus 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


497 


darin besteht, dass sich eine rechten Blatt befindlicdie rundliche 
Platte beim Schluss der Zange zwischen zwei gleiche, parallel ge¬ 
stellte Platten am linken Löffel schiebt Bei geschlossener Zange 
sind Bewegungen der Löffel nur in. der Ebene der Griffe möglich, 
Verschiebungen in der Längsrichtung unmöglich. Ein weiterer 
Vorzug ist die leichte Reinigung des Instrumentes. Das neue 
Schloss lässt sich an jedem Forceps anbringen. 

Herr Olshausen! Indikationen bei TJterusmyom. 
Die Unsicherheit und Willkür in der Indikationsstellung zur Myom¬ 
operation erhellt am besten aus der Tatsache, dass ein Teil der 
(^erateure nur in 15%, ein anderer dagegen in über 60% aller 
MyomAille operativ eingreifen zu müssen glaubt. Herr Olsbausen, 
der sich als entschiedenen Anhänger der conservativen Richtung be¬ 
kennt, präzisiert seine Indikationsstellung folgendermaßen: Es gibt 
vitale Indikationen, wie Peritonitis, Ascites, Stieltonsion, Hydro- 
nephrose, Uraemie etc., über die eine Diskussion selbstverständlich 
überflüssig ist; diese sind aber sehr selten. Nicht zu den vitalen, 
aber doch zu den sicher begründeten Indikationen gehören 
die schweren Blutungen, die zwar niemals direkt, aber häufig 
doch sekundär durch Anaemie, Embolie, Thrombose etc. das Leben 
bedrohen und zu völliger Invalidität führen können. In die Kategorie 
der sicheren Indikationen gehören, wenn auch in seltenen Fällen, 
auch die Schmerzen, fernerhin ezcessive Grösse der Tumoren, 
bezw. oystische Degeneration, endlich Störungen der Urin- 
exkretio n mit den event. Folgeerscheinungen der Cystitis und 
Pyelitis und in sehr seltenen Fällen Neurosen. In allen diesen 
Fällen wird aber genau zu erwägen sein, ob die Beschwerden wirk¬ 
lich von dem Myom abhängen und im entsprechenden Verhältnis zu 
der Gefahr der Operation stehen. Entschieden Front macht 0. 
gegen die Operateure, welche in allen möglichen Komplikationen, 
wie kleincystischer Degeneration der Ovarien, Pyosalpinx etc., In¬ 
dikationen zur Operation sehen und auf diesem Wege schliesslich 
dahin gelangen, fast jedes Myom zu operieren. 

Was endlich die malignen Degenerationen anbelangt, so 
wird die sarcomatöse ziemlich häufig, d. h. in ca. 3—4% 
beobachtet. Die Hauptsymptome sind Blutungen, Schmerzen und 
abnorm rasches Wachstum, die klinische Diagnose ist nur selten 
mit Sidierheit zu stellen. 

Bei der Kombination von Myom mit Caroinom ist besonders 
beachtenswert das auffallend häufige Auftreten von Corpuscarcinomen 
— ca. 15mal so häufig als unter normalen Verhältnissen —, eine 
Tatsache, die entschieden für einen inneren Zusammenhang zwischen 
Myom und Carcinom spricht; wahrscheinlich zunächst gutartige, 
dann maligne werdende Schleimhautwucherung. 


zu Prag die erste gynäkologische Klinik eingerichtet. 1851 ist 
denkwürdig durch das Werk von Michaelis über das enge 
Becken. Nur 3 Jahre später erschien die erste Mitteilung 
Credos über seinen berühmten Handgriff zur Herausbeförderung 
der Nachgeburt, an dessen Stelle namentlich Ahlfeld seine ab¬ 
wartende Methode setzen will usw. 

Die erste Hilfe der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts ist 
vor allem dadurch in der Geschichte der Geburtshilfe ausge¬ 
zeichnet, dass die Lehren von Semmelweis auf Grund der Er¬ 
fahrungen, welche die Chirurgie mit der Listerschen Wundbe¬ 
handlung errungen, anfingen in die geburtshilfliche Praxis all¬ 
gemein Eingang zu finden. Es entwickelte sich die Antiseptik, 
aus welcher die Aseptik hervorging. 

Dieser Abschnitt ist so wichtig, dass Fasbender für ihn 
eine Teilung in die äusseren Verhältnisse der Geburtshilfe und 
die spezielle Geschichte für angebracht hält. 

In dem ersteren Teile hat naturgemäß das Hebammen¬ 
wesen und der Unterricht für dieselben einen weiten Raum 
inne. Wir erfahren dabei beispielsweise unter anderem, dass 
Joh. Jac Fried in Strassburg als der erste klinische Lehrer der 
Geburtshilfe anzusehen ist, aber nicht einmal dem Verbände 
der Universität angehörte. So geschehen im Jahre des Heils 

Jedenfalls aber haben wir in der bereits 1728 von Fried 
eröffneten Strassburger Hebammenschule die Musterpflanzstätte 
aller der Anstalten zu erblicken, welche später in Deutschland 
in 80 grossem Umfange errichtet wurden. Auch hat diese alte 


Ebne Indikation zur Operation symptomloser Myome geben 
auch diese Feststellungen nicht. Man würde ca. 95 % unnütz 
operieren und auf diese Weise — da die Mortalität der radikalen 
Operationen z. Zt. noch mindestens 5—6 % beträgt — mehr 
Menschenleben verlieren als retten. 

Diskussion: Herr Bröse erklärt seine völlige Ueber- 
einstimmung mit dem Standpunkt des Vortragenden und möchte 
nur darauf aufmerksam machen, dass bisweilen auch ganz kleine 
Myome infolge sehr heftiger, krampfartiger Schmerzen eine Indi¬ 
kation zur Behandlung, ev. auch zur Operation abgeben können. 
UrinretentioD hat er besonders oft bei grossen Cervixmyomen be¬ 
obachtet. 

Herr Bokelmanu dankt dem Vortragenden für seinen ener¬ 
gischen Protest gegen das zu häufige Operieren und pflichtet ihm 
besonders darin bei, dass die Möglichkeit einer Kombination mit 
Carcinom unsere allgemeine Indikationsstellung nicht beeinflussen 
darf. 

Auch Herr Flaischlen gibt seiner Freude über die präcise 
konservative Indikationsstellung O.'s Ausdruck. Bezüglich der Urin¬ 
retention macht er darauf aufmerksam, dass man häufig durch Re¬ 
position der hindernden Myome die schweren Symptome beseitigen 
und event. eine Operation umgehen kann. 

Herr Czempin erkennt im wesentlichen nur eine Indikation 
— die schweren Blutungen — an; doch muss dabei streng indi¬ 
vidualisiert werden. Entscheidend ist, ob die Frauen bei längerer 
Beobachtung mit Unterbilanz im Stoffwechsel arbeiten. So können 
bisweilen auch kleine Myome zum operativen Eingriff drängen. 
Häufig machen Myome gerade in frühen Entwicklungsstadien starke 
Blutungen, die dann naehlassen, wenn die Tumoren aus der Sub¬ 
stanz des Uterus herauswachsen, subserös werden. Von der Abrasio 
zur Bekämpfung der Blutungen hält C. nichts, er hat wenig Er¬ 
folge, dagegen oft rascheres Wachstum der Myome danach gesehen. 
Ebenso, wie ein Myom Urinverhaltung verursachen kann, wo¬ 
gegen auch er die Reposition häufig für vorteilhaft hält, kann es 
auch gelegentlich Inkontinens veranlassen. Endlich erwähnt C. 
noch einen Fall, in dem ihn eine rasch entstehende Necrose eines 
kleinen Myoms mit begleitender akutester Metritis zum operativen 
Vorgehen zwang. 

Herr Straßmann fragt den Vortragenden an, wie er sich 
bei gleichzeitigen Herz- und Gefässveränderungen verhält (Dilatation, 
Angina pectoris, Asthma cordiale etc.). Er ist der Ansicht, dass 
eine Anzahl Patientinnen an diesen Komplikationen zu Grunde gehen, 
die durch rechtzeitige Operation hätten gerettet werden können. 
Häufig auftretende Ohnmächten sind nach seiner Erfahrung ein 


Reichsstadt, wenn sie damals auch unter französischer Ober¬ 
hoheit stand, dadurch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung 
erlangt, dass ihr die Aufgabe einer Vermittelung zwischen der 
französischen und der deutschen Geburtshilfe zufiel. 

So sehen wir denn, wie allmählich der Hebammenstand, 
für dessen Ausbildung und Entwickelung durch zwei Jahrtau¬ 
sende der historischen Geburtshilfe hindurch nichts geschehen 
war, vom 16. bis zum 18. Jahrhundert Ordnungen, Bücher und 
Unterrichtsanstalten erhielt, dessen Einzelheiten man im Werke 
selbst studieren möge. 

Aber trotzdem ertönten stetig lauter die Klagen über die 
Hebammen, am lautesten seit dem Beginn der antiseptischen 
Aera. Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass etwa 95 % 
aller Geburten durch Hebammen allein geleitet werden. Zum 
Vergleich werden namentlich in den 80er Jahren die wesent¬ 
lich besseren Statistiken der Kliniken in Bezug auf das Kind¬ 
bettfieber herangezogen, als sie die Privatpraxis aufzuweisen 
hatte. Um reinen Tisch zu machen, zog man auch die opera¬ 
tiven Befugnisse der Hebammen in den Kreis der Erörterungen, 
die Kontrolle derselben durch die Meldepflicht, ihre Tagebuch¬ 
führung und last not least — die Nachprüfungen. 

Die Frage der Wöchnerinnenasyle wurde namentlich von 
Brennecke in Magdeburg angeschnitten, während man anderer¬ 
seits die materielle Lage des Hebammenstandes zu heben 
trachtete. 

Höchst interessant sind die Ausführungen Fasbenders über 
den geburtshilflichen Unterricht für Studierende der Medicin, 


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498 


MBDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 46. 


prognostisch sehr nngünstiges Symptom. Die Emboliegefahr ist 
bei stark aasgebluteten Frauen eminent gross. Zur Behandlung 
auskeimender Myome hält er Ergotinkuren {10—20 g. pro anno) 
für sehr geeignet. 

Herr B. Meyer macht auf die Häufigkeit der Myrosarkome 
aufmerksam, die Imum in der Hälfte der Fälle klinisch diagnostiziert 
werden. 

Herr Nagel fragt den Vortragenden an, wie er sich bei der 
Komplikation von Myom und Gravidität verhalte. 

Herr Keller erwähnt als Beispiel einer seltenen Indikation 
zur Myomoperation einen Fall von Abort M. IV. bei bis über den 
Nabel reichendem Myom, in dem die Grösse des Uterus eine voll¬ 
ständige Ausräumung der Flacenta unmöglich machte. Ein infolge¬ 
dessen sich entwickelnder, mit profusen Blutungen einhergehender 
Placentarpolyp machte schliesslich die Operation notwendig. 

Herr Olshausen: Schlusswort. Die Abrasio ist sehr ge¬ 
eignet, um Frauen mit mäßig grossem Myom über die Operation 
hinwegzuhelfen, allerdings nur bei nicht zu stark vergrössertem 
und glattwandigem Uteruscavum. Wachstum nach dem Klimakterium 
spricht meist für cystische Degeneration der Myome und indiziert 
dann die Operation. Ueber das Verhalten bei gleichzeitiger Gravi¬ 
dität lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen, da je nach 
der Art des Falles alle möglichen Verfahren in Betracht kommen; 
nur soviel lässt sich als Regel aufstellen, dass subseröse Myome 
im allgemeinen keinen Eingriff indizieren und dass Enucleation nach 
Möglichkeit zu vermeiden ist. 

In der Diskussion zu der Demonstration des Herrn Rapin 
sprechen: Herr Olshausen, Herr Flaischlen, Herr Rapin. 

G. Z. 


Kongressbericht. 

78. Ver8a/m/nU%mg deutscher Naturforscher und 
Aenete in Stuttgart. 

Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Sitzung am 19. September, nachmittags 3 Uhr in der 
Kgl. Landeshebammenschule. 

Vorsitzender: Herr Pfannenstiel. 

Herr Walcher-Stuttgart: Ernährung der Wöchne¬ 
rinnen und Still vermögen. 

W. berichtet, dass er schon Ende der 80 er Jahre Versuche 
damit angestellt hat, ob und inwieweit die Ernährung auf das 


über die geburtshilflichen Universitäts-Kliniken, und die Univer¬ 
sitäts-Frauenkliniken wie die Biographien hervorragender Ge¬ 
burtshelfer, doch dürften diese Seiten immerhin mehr an die 
Fachkreise als an das grosse Publikum sich wenden. 

Aehnliches gilt von dem Abschnitt über die geburtshilflichen 
Zeitschriften wie die geburtshilflichen-gynaekologischen Gesell¬ 
schaften. 

Die spezielle Geschichte der Geburtshilfe dieses Zeitab¬ 
schnittes setzt dann mit der Geschichte der Physiologie und 
Diätetik der Schwangerschaft ein, um dann dieselben Verhält¬ 
nisse bei der Geburt zu behandeln, woran sich das Wochen¬ 
bett reiht. Des weiteren wird die Pathologie und Therapie der 
Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes besprochen. 
Umfassend (S. 842 bis 1010) gestaltet sich die Geschichte der 
geburtshilflichen Operationen, welche mit dem Absatz schliesst: 

Angesichts der neuesten Statistiken erscheint die Frage be¬ 
rechtigt, ob man heute noch ein lebendes Kind perforieren dürfe. 
Jedenfalls müssen die Zahlen dazu auffordern, das Gebiet der 
relativen Indikation des klassischen KaiserschniUes in geeigneten 
Fällen zu erweitern. 

Jedenfalls hat sich Fasbender mit dieser Gesamtgeschichte 
der Geburtshilfe ein grosses Verdienst um seine Spezialwissen¬ 
schaft erworben. Möge das Werk verdienterweise auch ausser¬ 
halb seines Spezialfaches die ihm gebührende Anerkennung 
ßnden. 


Befinden und besonders die Stillfkhigkeit der Wöchnerinnen Ein¬ 
fluss habe. Er teilte damals seine Wöchnerinnen in zwei Abteilungen 
ein, und zwar eine solche, die mit der bisherigen, damals noch 
üblichen Hungerdiät ernährt wurde, während die andere eine aus¬ 
gesucht kräftige Kost erhielt. Die Folgen dieses Verfahrens 
zeigten sich bald: Während die Wöchnerinnen mit kräftiger Kost 
sich rasch erholten, frisch und rotbäckig am 13. Tag das Haus 
verliessen, mussten aus der Hangerabteilung hohlwangige blasse 
Frauen entlassen werden. Besonders fiel aber in die Augen die 
Tatsache, dass statt 27,5 % Wöchnerinnen, wie noch im Jahre 1879 
berechnet worden war, nunmehr auf der gut genährten Abteilung 
79 % ihre Kinder ohne Beinahrung selbst ernähren konnten. Die 
Stilifkhigkeit hat sich im Laufe der Jahre noch bedeutend erhöht, 
so dass heute 100%, d. h. alle Wöchnerinnen, sofern sie gesund 
sind, ihre Kinder selbst und ausschliesslich stillen. Doch muss 
auch hier gesagt werden, dass die Indikation zum Nichtstillen 
ausserordentlich selten ist und dass auch ein durch Komplikationen 
gestörtes Wochenbett durch das Stillen nur günstig beeinflusst 
wird. Wie wichtig das Stillen für die Kinder ist, beweist die 
Tatsache, dass die Brustkinder am 13. Tage ihr Anfangsgewicht 
um 9,6 überschritten, während die Kinder mit Beinahrung ein 
Minus von 31,9®/oo zeigten. Von grosser Bedeutung für die Still- 
fldngkeit ist aber auch der suggestive Einfluss, der sich direkt 
in einer vermehrten Milcbsekretion zeigt. Frauen, die nicht den 
Glauben an diese Stillfähigkeit haben, bleiben zurück in der 
Milchabsonderung, während bei wilUgen Frauen, wenn sie nur ihr 
Kind wimmern hören, auch schon „die Milch einschiesst*^. Um 
diese Ueberzeugung von der Stillfähigkeit zu erlangea, dazu hilft 
aber ganz besonders eine kräftige Ernährung mit. Die einmal 
gewonnene Stillfähigkeit kann sich über Monate hinaus erstrecken, 
wenn sich keine gegenteiligen suggestiven Einflüsse geltend machen. 
Das zunehmende StUlungvermögen ist einer psychischen und 
moralischen Erkrankimg unseres Volkes gleich zu achten, der mit 
allen Mitteln entgegengearbeitet werden muss. Darum ist auch 
hoffentlich die Zeit nicht mehr fern, wo die knappen Speisezettel 
für Wöchnerinnen in der historischen Rumpelkammer ein ehrliches 
Begräbnis finden. 

Diskussion. 

Hr. Krönig-Freiburg i. B. ist ebenfalls Anhänger der reichen 
Diät, wünscht aber nach dem Vorgänge von Küstner, dass die 
Wöchnerinnen nicht mehr so lange liegen. K. lässt nach 12, 
spätestens nach 16 bis 18 Stunden aufstehen, dadurch wird die 
motorische Funktion des Darmes erhöht. Im allgemeinen wird die 
knappe Diät nicht mehr so streng eingehalten, wie Herr Wel¬ 
cher meint. 

Hr. Freund-Strassburg: Es ist nicht hoch genug anzu- 
schlagen, dass Walcher endlich einmal dem Pessimismus der 
Lehrbücher entgegengetreten ist. Auch der Alkoholismus der 
Mütter hat keinen Einfluss auf die Stillfkhigkeit. Trotzdem gibt 
es aber tatsächlich Fälle, die nicht stillen können. Auch kann 
Walcher nur über die 13 Tage des Anstaltsaufenthalts urteilen. 
Kommen die Frauen unter schlechte Ernährung, so versiegt die 
Quelle. F. wendet sich gegen das frühzeitige Aufstehen; die 
Blutungen, Hängebäuche und Retroflexionen dieser Frauen kommen 
uns nicht zu Gesicht. 

Hr. Fehling-Strassburg bemerkt, dass sich seine Still¬ 
resultate gegenüber seiner Stuttgarter Zeit bedeutend gebessert 
haben, in Strassburg hat er bis zu 80 ®/o völliger Stillfahigkeit 
erreicht. Die ausgezeichneten Stillresultate Walchers rühren 
wohl auch von der ausreichenden Pflege her (jede Wöchnerin hat 
eine Schülerin zur Pflege). Die Frauen der ärmeren Stände 
haben ihr frühes Aufstehen zu büssen, wie wir an dem Material 
unserer Polikliniken zur Genüge sehen. 

Hr. Krönig hat in dieser Beziehung Nachprüfungen vorge¬ 
nommen. 

Hr. Walcher (Schlusswort) hält nicht streng die Rücken¬ 
lage ein, sondern lässt auch auf der Seite liegen. Die Hebammen¬ 
schülerinnen sind kein Vorzug vor den Kliniken, namentlich in 
der ersten Zeit, wo sie mit grossen Vorurteilen behaftet sind. 

Hr. Walcher zeigt dann noch seine künstlichen Dolicho- und 
Brachycephalen, über die er in der Abteilung für Anthropologie 
ausführlich gesprochen hat. 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


499 


Hr. Labhardt'Basel: Ueber die Extraktion nach 
Müller, 

Bei Beckenendlagen wird im allgemeinen zu hänfig einge- 
grifPen. Oberster Grundsatz hierbei muss sein: Möglichstes Ab* 
warten der spontanen Gebart bis zum Erscheinen der Spitze der 
Scapula. Im Gegensatz zu der allgemeinen üblichen Armlösung 
hat A. Müller 1898 die Entwicklung bei Beckenendlagen ohne 
Armlösung wieder empfohlen, und zwar brauchen nach ihm auch 
die nach oben geschlagenen Arme nicht gelöst zu werden, da sich 
die Schulterbreite hierbei verschmälert. Wichtig ist nur, dass die 
Schultern in richtiger Weise den Beckeueingang passieren, was 
dadurch erreicht wird, dass das Kind, bis zur Scapula geboren, 
sehr stark nach unten gezogen und nach Geburt der vorderen 
Schultern unter gleichzeitigem Zug gehoben wird. Dadurch er¬ 
übrigt sich die „Lösung“ der Arme. Vorteile des Verfahrens: 
1. Zeitersparnis durch Wegfall der Armlösung. 2. Die Gefahr 
der Humerus- und Clavicularfraktur ist gleich Null. 3. Ver¬ 
minderung der Infektionsmöglichkeit. 4. Auch die Hebamme kann 
sich im Notfall des einfachen Handgriffs bedienen. L. demonstriert 
sodann die Vorzüge des Verfahrens am Material der Basler Klinik. 

Diskussion. 

Hr, Herzfeld-Wien hält die Verletzungen nach Ärmlösungen 
in Basel für auffallend hoch. Die Unterlassung der Armlösimg 
öffnet dem unberechtigten Eingreifen der Hebammen Tür und Tor. 
Die Lösung allein beeinflusst die Rotation des Kopfes günstig. 

Hr. Znegenspeck-München: Der Müllersche Vorschlag 
ist alt. Di« Arme vermehren das Volumen des Kopfes. 

Hr, L»bhardt (Schlusswort): Die hohe Zahl von Frakturen 
rührt von Studenten her. Die Hebamme soll und muss in gewissen 
Fällen eingreifen zum Wohl der Kinder, und dafür ist das Ver¬ 
fahren günstiger. 

Hr. E. Kehrer-Heidelberg: Ueber physiologische und 
pharmakologisehe Versuche an den überlebenden und 
lebenden inneren Genitalien. 

K. brachte die von den Ligamenten abgetrennten inneren 
Genitalien verschiedener Versuchstiere und die exstirpierte mensch¬ 
liche Gebärmutter in die von Sauerstoff durchströmte, auf Körper¬ 
temperatur erwärmte Ringersche Flüssigkeit und registrierte die 
Bewegungen mit Hilfe des Kymographions. Noch 12 Stunden 
nach der Exstirpation waren die Bewegungen noch so stark wie 
am Anfang, und die einzelnen Abschnitte des Genitaltraktus ver¬ 
halten sich hierbei ganz verschieden. Charakteristisch sind die 
Bewegungen des schwangeren Uterus: energische, plötzlich begin¬ 
nende, aber langsam sich lösende Kontraktionen mit langen Pausen. 
Die Bewegungen lassen sich durch vermehrte Sauerstoffzufuhr, 
Temperaturveränderungen beeinflussen. Pharmakologische Unter¬ 
suchungen ergeben: Pilocarpin, Physostigmin, Chlorbaryum und 
Strychnin, Aether wirken erregend, Atropin und Strophantin in 
kleinen Dosen erregend, in grossen lähmend. Morphium wirkt in 
erster Dosis anregend, in zweiter lähmend. Bei Nikotin xmd Sup- 
rarenin erfolgt beim trächtigen Tier eine Umkehr der Reaktion. 
Ferner hat K. die Wirksamkeit der einzelnen Ergotin-, Hydrastis- 
ond Cotaminpräparate festgestellt. Am lebenden Tier fielen die 
Versuche gleich aus. 

Diskussion. 

Hr. Labhardt -Basel: Die Uteruskontraktionen sind myo- 
genen Charakters, die Uterussubstanz enthält keine Ganglien. 

Hr. Franz-Jena: Die Frage nach der myogenen oder neu¬ 
rogenen Entstehung der Uteruskontraktionen ist noch offen. Auto¬ 
matische Bewegungen können nur neurogenen Ursprungs sein. 

Hr. Kehrer: Wenn keine Ganglien gefunden werden, so 
beweist das nichts. Die Frage, ob myogeu oder neurogen kann 
Überhaupt noch nicht entschieden werden. 

Hr. Franz-Jena: Ueber Careinom-Recidiv-Opera- 
tionen. 

F. führt dieselbe jetzt grundsätzlich bei allen einigermaßen 
operablen Fällen aus, er verfügt zurzeit über 12 Frauen mit 16 
Recidivoperationen. Eine Patientin ist gestorben an einer Phlegmone, 
sieben sind beschwerdefrei entlassen worden, zwei mit Blasenscheiden¬ 
fisteln, eine mit einer Blasen- und Rectumscheidenfistel, eine mit 
gleichen Fisteln ist noch in Behandlung. Wenn die Recidivoperationen 
auch nur in seltenen Fällen Danerheilung bringen, so halten sie 


dock für längere Zeit die Krankheit auf und ersparen den Frauen 
viele Schmerzen. Natürb'ch ist genaue palpatorische, cysto- und 
rektoskopische Diagnose notwendig. Statt der Unterbindung der 
Ureteren macht F. lieber die Nierenexstirpation. 

Diskussion. 

Hr. Krönig-Freiburg i. B. hat mit der Ureterimplantation 
gute Resultate gehabt. 

Hr. Franz hält die Implantation für wichtig zur Verhütung 
von Hydronephrosen. Fast alle Fälle scheinen Beckenzellgewebs- 
recidive zu sein, deren anatomischer Sitz dicht unterhalb des Ureters 
liegt. 

Hr. Fromme-Halle a. 8.: Macht Blut in der Bauch¬ 
höhle Adhaesionen? 

Baisch vindiziert dem Blut die Hauptursache bei der Ent¬ 
stehung der Adhaesionen. F. hat darüber Tierversuche angestellt 
mit folgendem Resultat: 31 unter 35 Kaninchen hatten nach Er¬ 
öffnung eines mittleren epigastrischen Gefässes keine Spur von 
Adhaesionen in der Bauchhöhle. Das Blut war regelmäßig nach 
6 —10 Tagen vollständig resorbiert. In den vier anderen Fällen 
war wohl eine Infektion mit im Spiel, wie KontroUversuche mit 
infiziertem Blut ergaben. Auch hier waren nicht in allen Fällen 
Adhaesionen entstanden. Es scheint auch auf die grössere oder 
geringere Menge Blutes anzukommen. Drei mit Bacillus subtilis infi¬ 
zierte Tiere batten keine oder nur wenig Adhaesionen. Man kann 
demnach Blut ruhig zurücklassen; Adhaesionen macht dasselbe nur 
dann, wenn es stark und virulent infiziert ist. 

Hr. Pankow-Freiburg i, B,: Zur Frage der perito¬ 
nealen Wundbehandlung. 

P, kommt auf Grund von Tierversuchen zu folgenden Resul¬ 
taten: 1. Bei oberflächlichen Läsionen des visceralen oder parietalen 
Peritonexxms ohne Blutaustritt erfolgten keine Verwachsxmgen. 2. 
Bei Verschorfung des visceralen oder parietalen Peritoneums bleiben 
in der Regel, doch nicht immer, die Verwachsungen aus. 3. Bei 
tiefgehendem Abschabeu des parietalen Peritoneums bis zur diffusen 
punktförmigen Blutung traten in der Hälfte der Fälle Verwach¬ 
sungen ein, 4. Bei gleicher Behandlung und Stillung der Blutung 
durch Verschorfung, resp, Alkohol fand sich einmal bei ersterem 
Verfahren leichte Ädhaesionsbildnng. 5. Infektionsversuche mit 
Staphylococcus aureus ergaben, dass die Widerstandsfähigkeit des 
Organismus durch die Läsion des Peritoneums beträchtlich herab¬ 
gesetzt wurde. Am ungünstigsten waren die Resultate bei den 
Tieren, bei welchen das wundgemachte Peritoneum unbehandelt 
blieb, während nach Verschorfung mit Glühhitze oder Alkohol die 
Resultate etwas besser oder ungefähr die gleichen waren. 


Standesfragen. 

Von Dr. M, Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Sitzung 

der Berlin-Brandenburger Aerztekammer am 27. Oktober 1906. 

Die Herbstsitzung unserer Aerztekammer wurde vom Vor¬ 
sitzenden Becher mit einem warmen Nachruf für die verstorbenen 
Kammermitglieder Wolf Becher und Jarislowsky eröffnet. Nach 
einigen geschäftlichen Mitteilungen, aus denen wir eine Zuschrift 
des Sanitätsamtes des Garde-Korps erwähnen, welche die Aerzte um 
Zusendung spezialisierter Liquidationen nach Behandlung von 
Militärpersonen bittet, wird zum Ehrenrichter an Stelle von Thiem 
(Kottbus), der das durch lange Jahre von ihm verwaltete Amt 
niedergelegt hat, Sohultze (Fürstenwalde) gewählt. 

Erster Gegenstand der Beratung war folgender Antrag Pistor: 
„Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Städte 
kreis Berlin wolle beschliessen, den Aerztekammer-Ausschuss zu 
ersuchen, dass er nach Anhörung der übrigen Aerztekammem den 
Herrn Minister der Medicinal-Angelegenheiten bitte, bei Seiner 
Majestät dem Könige 

1. die Leitung der wissenschaftlichen Deputation für das 
Medicinalwesen durch ein ärztliches Mitglied derselben als 
Direktor, und 

2. die Leitung der Medicinal* Abteilung des Ministeriums durch 
einen ärztlichen vertragenden Rat als Ministerial-Direktor 


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500 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 46. 


zu erwirken, sobald eine dieser Stellen durch das Aus¬ 
scheiden ihres jetzigen Inhabers erledigt wird. 

Der Antragsteller gab eine Uebersicht der Entwicklung des 
preussischen Medicinalwesen, schilderte die eigentümlichen Verhält¬ 
nisse, die sich unter juristischer Leitung entwickeln können und 
wies darauf hin, dass leitende Stellen im Gesundheitswesen ebenso 
durch Mediciner zu besetzen seien, wie solche in der Justiz durch 
Juristen. Seinen Ausführungen schloss sich Exz. von Bergmann, 
der fast ein Vierteljahrhundert Mitglied der wissenschaftlichen 
Deputation ist, voll und ganz an; die Kammer votierte einstimmig 
die Annahme des Antrages. 

Ein Antrag der rheinischen Aerztekammer, der eine Verein¬ 
fachung der Wahlen zum Vorstand der Kammer, den Ausschüssen 
etc. durch Zulassung der Akklamation bezweckt, bildete den zweiten 
Gegenstand der Tagesordnung. Auch er gelangte zur Annahme, 
doch mit der Einschränkung, dass für die Wahl des Vorsitzenden 
und der Ehrenrichter die Wahl durch Stimmzettel obligatorisch 
bleiben soll. 

Nunmehr erstattete Kossmann (Berlin) den Bericht über 
den Pariser Kongress zur Unterdrückung der ungesetzlichen Aus¬ 
übung des Heilgewerbes und über Anträge der Kommission zur 
Bekämpfung der Kurpfuscherei. Der Bericht über den Pariser 
Kongress lag gedruckt vor; er bietet ein interessantes Bild der 
französischen Zustände, welche trotz des Bestehens eines Kur¬ 
pfuschereiverbotes noch traurigere sind als bei uns. Nachdem in 
der Diskussion darauf hingewiesen worden war, dass nur durch 
sy.steraatische Aufklärung unseres Volkes, insbesondere der heran- 
wachsenden Jugend, sowie durch das Ausschalten des verderblichen 
Beispiels, das hohe und höchste Kreise durch Begünstigung der 
Kurpfuscher geben, deren verderbliches Treiben eingedämmt werden 
könne, gelangten folgende Anträge der Kurpfuschereikomission zur 
Annahme: 

V Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Stadt¬ 
kreis Berlin erklärt, in anbetracht, dass 

1 . durch das Urteil des Königlichen Preussischen Oberver¬ 
waltungsgerichts vom 22. April 1895 im Widerspruch mit 
den Motiven zu. dem § 6 der Reichsgewerbeordnung ent¬ 
schieden worden ist, dass die zum Schutze der Volksge¬ 
sundheit erlassenen Landes-Medicinal-Ordnungen, insonder¬ 
heit die §§ 17 und 72 des Preussischen Sanitäts-Regulativs 
vom 8. August 1835, durch die Reichsgewerbeordnung 
aufgehoben seien, wogegen die bei Annahme der Reichs¬ 
gewerbeordnung von den Volksvertretern widerspruchslos 
für erforderlich erklärte Reichsmedicinal-Ordnung bis heute 
nicht geschaffen worden ist; 

2. dass auch die Absieht der Gesetzgeber, durch den § 29 
der R. G. 0, das Recht zur Führung des Arzttitels von 
dem Besitze einer Approbation abhängig zu machen, durch 
die Auslegung, die das Reichsgericht dem § 137 ^ R. G. 0. 
in seinem Erkenntnis vom 21. September 1905 gegeben 
hat, vereitelt worden ist; 

3. dass hierdurch auf allen Gebieten des Medicinalwesens 
Missbräuche eingerissen sind, die die Volksgesundheit und 
die Moral in hohem Grade schädigen; und dass sich die 
vereinzelten Verordnungen und Gesetze, die zur Abhülfe 
dienen .sollten, gegen diese fortdauernd steigenden Miss¬ 
bräuche «als völlig unzureichend erwiesen haben, 

eine zusammenhängende Regelung des gesamten Medi¬ 
cinalwesens durch eine alle seine Teile umfassende 
Reichs-Medicinal-Ordnung für dringend erforderlich. 

Sie bittet den Herrn Reichskanzler, anzuordnen, da.ss das 
Reichsamt des Innern die Ausarbeitung einer solchen Keichs- 
Medicinalordnurig unter Zuziehung von Hilfsarbeitern aus dem 
Aerztestande unverzüglich in die Hand nehme, und dass der aus 
dieser Arbeit hervorgehende Entwurf, bevor er dem Reichstage 
und clem Bundesrate vorgelegt wird, den vom Staate eingesetzten 
Vertretungen des Aerztestandes zur Begutachtung mitgeteilt werde. 

Sie beschliesst, von Vorstehendem dem Ausschüsse der Preussi- 
.schen Aerztekammern Kenntnis zu geben, um eine zustimmende 
Erklärung der übrigen preussischen Aerztekammern herbeizuführen. 

(Schluss folgt.) 


Literarische Monatsschau. 

Gynäkologie. 

(Schluss.) 

Allgemein als schwerwiegende Komplikation anerkannt sind 
die häufig beobachteten grossen Scheidendammrisse, die oft mit der 
Pubiotomiewunde kommunizieren und infolge der dauernden Verun¬ 
reinigung mit infektiösem Lochialsekret leicht zu schweren In¬ 
fektionen führen können. Zu ihrer Vermeidung werden ausgiebige 
prophylaktische Scheidendammincisionen empfohlen. Henckel geht 
sogar soweit, dass er bei Erstgebärenden mit sehr enger und 
rigider Scheide die Pubiotomie für kontraindiziert hält und durch 
den klassischen Kaiserschnitt ersetzt wissen will. 

Ueber die Frage, ob man in Fällen, in denen der Zustand 
von Mutter und Kind eine schleunige Entbindung nicht erforderlich 
machen, nach Durchsägung des Schambeins abwarten oder sofort 
entbinden soll, gehen die Meinungen noch auseinander, ebenso 
darüber, ob Zange oder Wendung das geeignetere Entbindungs- 
Verfahren darstellen. 

In der Nachbehandlung ist man jetzt allgemein von den 
früher verwandten festen Beckenverbänden abgekommen, weil man 
es ftir wünschenswert hält, dass die Knochenenden nicht durch 
einen knöchernen, sondern durch einen fibrösen Gallus mit einer 
gewissen Diastase verheilen. Man erzielt hierdurch eine dauernde 
Erweiterung des knöchernen Beckens mit einer Verlängerung der 
Conjugata vera um ca. */*—V* cm (Sellheim), ohne bisher jemals 
eine Störung der Gehfunktion beobachtet zu haben. 

Einen interessanten und praktisch bedeutsamen Beitrag zur 
Behandlung von Blutungen in der Nachgeburtsperiode liefern die 
experimentellen Untersuchungen Kurdinowskis über die 
Physiologie der Uteruskontraktionen. Er konnte expeiimentell nach- 
weisen, dass, wie das auch schon Range festgestellt hat, die Kälte 
ein viel besseres kontraktionserregendes Mittel ist, als die allgemein 
angewandte Hitze und zwar genügen ganz kurze, nur wenige 
Sekunden dauernde kalte Douchen (9—10 ®C.), um eine dauernde 
Kontraktion des Uterus herbeizuführen. Damit werden die Be¬ 
denken Runges, der in der Anwendung kalter Ausspülungen bei 
entbluteten Frauen eine Gefahr im Sinne einer Wärmeentziehung 
sah, hinfällig. Heisse Douchen, die in der Wirkung erheblich 
schwächer sind, müssen, wenn sie wirksam sein sollen, eine Tem¬ 
peratur von mindestens 39 ® haben und ebenfalls von kurzer Dauer 
sein. Protrahierte heisse Spülungen rufen event. Atonie hervor! 
K. empfiehlt die heissen Douchen zur Anwendung während der 
Geburt (schwache Wehen, Blutungen), die kalten zur Behandlung 
der Atonie post partum. Wichtig ist ferner die Feststellung, dass 
es durchaus nicht notwendig ist, die Douchen intrauterin anzu- 
wenden, sondern dass eine die Portio treffende Scheidenspülong 
vollkommen genügt, da sich der Kontraktionsreiz rasch über den 
ganzen Uterus fortpflanzt. 

Nach seiner Meinung müsste auch die Kiwis chsche Scbeiden- 
doucbe ein durchaus zweckmäßiges Mittel zur Einleitung der künst¬ 
lichen Frühgeburt sein. Er glaubt, dass ihre bisher beobachtete 
geringe Wirksamkeit ihre Ursache darin habe, dass man statt 
Wasser von 39® und darüber nur solches von 34® verwandt hat. 

Dem Fieber erkennt er eine kontraktionseiregeude Wirkung, 
mithin eine für die Aetiologie der Frühgeburt wichtige Bolle zu. 

Seine Untersuchungen über den Einfiuss mechanischer Reize 
auf die Kontraktionsfhbigkeit des Uterus führen ihn zu einer ernsten 
Warnung vor dem besonders bei Hebammen beliebten Kneten und 
Massieren des Uterus post partum, das nur geeignet ist, zu einer 
völligen Erschöpfung des Organs zu führen, während lediglich kurze, 
schwache, in entsprecbendenZwischenpausenangewandte mechanische 
Reize zweckentsprechend sind. 

Durch eine Erschöpfung infolge langdauernden Reizes erklärt 
er auch das häufige Versagen der Krausesohen Bougiemethode 
und die Fälle von missed labour. Den elektrischen Reiz hält er 
in seiner Wirkung für wesentlich mechanischer Natur; der Anaemie 
spricht er jegliche kontraktionserregende Wirksamkeit ab. 

Der Atmokausis, die sich in der letzten Zeit ein, wenn 
auch kleines, so doch gesichertes Indikationsgebiet erobert zu haben 
schien, ist ein gewichtiger Gegner in Pfannenstiel erstanden, 
der auf Grund von 60—70 eigenen Fällen zu einem ziemlich ver- 


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1906. 


BfEDIClNISGHE WOCHE. 


501 


Dichtenden Urteil koDimt. Trotz sorgfältigster Aasführung des 
Verfahrens können nur ca. 40% der Fälle als geheilt oder wesentlich 
gebessert erscheinen, ln sechs Fällen erwies sich eine nachträg¬ 
liche Totalexstirpation des Uterus als notwendig. Die so ge¬ 
wonnenen Präparate boten ein geeignetes Material zum Studium 
der Atmokausiswirkung. Pfannenstiel resümiert: DieWirkung 
der Vaporisation auf das Endometrium ist trotz aller Sorgfalt 
der Technik eine nicht zuverlässige. Der primäre Erfolg ist nicht 
vorhanden, der Dauererfolg bleibt häufig aus. funduscavum und 
Tubenecken können leicht intakt bleiben, es ist daher verfehlt, 
Obliteration anzustreben. Eine sorgfältige Abrasio leistet dasselbe. 
Ferner: Die Atmokausis ist nicht frei von unerwünschten Neben¬ 
wirkungen; dazu gehört vor allem die Stenosierung der Cervix 
mit Schleimcysteubildung. Folge: Dysmenorrhoe und sonstige 
Schmerzen. Viel bedenklicher ist die trotz aller Asepsis nicht 
immer vermeidbare Infektion. Folge: Exsudate, schwere Aduex- 
erkrankungen etc. 

Versagen lokale und innere Mittel, so ist die vaginale Total¬ 
exstirpation oder Elxcision der Uterusschleimhaut der Atmokausis 
vorzuziehen. Dr. G. Z. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. Nr. 43. 1906. 

1. Fehling, Strassbarg. Pnbeotomie und kttnstliohe Früh¬ 
geburt. 

Gegenüber den Behauptungen Zweifels und Krönigs, die ■ 
Erfolge der künstlichen Frühgeburt seieu trügerische, weil von den 
durch dieselbe erzielten Kindern am Schlüsse des ersten Lebens¬ 
jahres kanm noch eins am Leben sei, zeigt F. an der Hand von 
Statistikern, dass die künstliche Frühgeburt die Prognose für das 
Leben des Kindes ganz wesentlich bessert und sogar bessere Re¬ 
sultate gibt als der Kaiserschuitt, welcher immerhin mehr Gefahren 
für die Mutter in sich birgt als die künstliche Frühgeburt, und 
nach welchem am Ende des ersten Lebensjahres weniger Kinder 
leben als nach der Frühgeburt. Die Pubeotomie ist indiziert: 1. bei 
allen Beckenverengungen mittleren Grades, sowohl bei plattem als 
bei allgemein verengtem Becken Erstgebärender, welche erst intra 
partum in die Beobachtung gelangen. Macht der Zustand von 
Matter oder Kind die Vollendung der Geburt wünschenswert und 
ist die Wendung oder Zange nach den gewöhnlichen geburtshilf¬ 
lichen Regeln nicht am Platze, so ist die Pubeotomie auszuführen. 
Dadurch entgeht man dem Dilemma, das lebende Kind perforieren 
za müssen, oder zum Schaden der Mutter abzuwarten, bis dasselbe 
abgestorben ist. 2. Bei Mehrgebärenden, welche den Kaiserschnitt 
aus relativer Indikation von vornherein ablehnen, oder wo sich im 
Verlaufe der Geburt Schwierigkeiten ergeben, durch die Grösse 
des Kindes, Einstellnng des Schädels etc., welche im Interesse des 
Kindes eine Erweiterung des Beckens verlangen. Die künstliche 
Frühgeburt wird man danach von jetzt ab bei Erstgebärenden mit 
engem Becken möglichst vermeiden. Ihr Gebiet in der Praxis sind 
die Entbindungen Mehrgebärender, wo bei der ersten, eventl. auch 
zweiten Geburt, spontane Totgeburt, schwere Zange oder Per¬ 
foration vorkamen. Die Devise des Geburtshelfers soll also nicht 
lauten: Pubeotomie oder Frühgeburt, sondern Pubeotomie und 
Prühgebort. 

2. Pässler, Dresden. XTeber akute Barmtuberkulose unter 
dem Bilde einer schweren allgemeinen Infektionskrankheit. 

Es werden ausführlich die Krankengeschichten zw’eier Fälle 
mitgeteilt, die unter dem Bilde einer schweren allgemeinen In¬ 
fektionskrankheit verliefen, ohne dass es möglich gewesen wäre, 
irgend eine Lokalisation festzustellen, und die nach einigen Wochen 
letal endeten. Die Differentialdiagnose schwankte zwischen Typhus, 
akuter Miliartuberkulose — bei dem einen Falle wurden zuletzt 
vereinzelt Tuberkelbazillen im Sputum gefunden — und krypto¬ 
genetischen Sepsis — in beiden Fällen gelang es, Staphylococcen 
im Blute nacbzuweisen. Elrst die Autopsie ergab Aufklärung und 
zeigte in beiden Fällen hochgradigste ulceröse Darmtuberkulose, 
während sonst nur geringere tuberkulöse Veränderungen — alte 
Herde in den Spitzen der Lungen und mäßige Aussaat frischer 


miliarer Tuberkel in verschiedenen Organen — sich fanden. Dass 
es sich hier um eine primäre Darminfektion mit besonders viru¬ 
lenten Tuberkelbazillen gehandelt hat, erscheint bei dem Befunde 
älterer Herde in den Spitzen sehr zweifelhaft. Vielleicht spielt 
eine Mischinfektion mit Eitererregern für den schweren Verlauf 
einer tuberkulösen Darmaffektion dieselbe verhängnisvolle Rolle wie 
bei der Lungentuberkulose. Jedenfalls muss der Verdacht auf 
eine akute Darmtuberkulose geweckt werden, wenn sich eine 
schwere fieberhafte, die Körperkräfte konsumierende Krankheit ohne 
befriedigenden Organbefund und ohne sichere Zeichen für Sepsis, 
Typbus oder allgemeine akute Miliartuberkulose nach allmählichem 
Beginn über eine Anzahl Wochen hinzieht. Bei schweren fieber¬ 
haften Infektionskrankheiten dunkler Genese könnte vielleicht das 
Sueben nach Tuberkelbazillen im Stuhl gelegentlich der Diagnose 
den Weg weisen. 

3. Jochmann und Ziegler, Breslau, lieber das Lenoo- 
oytenfennent in Milz, Lympkdrttsen und Knochenmark bei 
Lenkaemie und Fseudolenkaemie. 

Die Tatsache von der Verdauungskraft der Leucocyten im 
Gegensatz zur Unwirksamkeit der Lymphocyten, die durch Unter¬ 
suchung des Blutes bei myelogener und lymphatischer Leukaemie 
festgestellt war, findet eine Bestätigung durch die Untersuchung 
der Organe, die für die Bildung der weissen Blutelemente in Be¬ 
tracht kommen. Beim normalen Menschen „verdaut“ Knochenmark 
stark, dio Milz in geringerem Grade, Lymphdrüsen gar nicht, ent¬ 
sprechend dem Gehalt an Leucocyten, resp. Lymphocyten. Bei 
myelogener Leukaemie fanden sich in Knochenmark und Milz ausser¬ 
ordentlich stark verdauende Kräfte, in verschiedenem Grade auch 
bei den Lymphdrüsen, je nachdem sie myeloid entartet waren. 
Diese bei einem frischen Pall myelogener Leukaemie gemachten 
Beobachtungen Hessen sich auch an einer Reihe von bereits früher 
sezierten Fällen bestätigen; in einem hatte sich das Ferment 7 
Monate lang in den in Fonnalinlösung konservierten Organen un¬ 
versehrt gehalten. Das zeigt, dass das autolytische Ferment durch 
den Zusatz von Antisepticis in seiner Wirksamkeit nicht beein¬ 
trächtigt wird. Bei lymphatischer Leukaemie zeigte das Knochen¬ 
mark mittelstarke Verdauung, dagegen ergab die stark vergrösserte 
Milz keine Fermentwirkung und ebensowenig die hyperplastischen 
Lymphdrüsen irgendwelche Verdauungsersebeinungen. Die Unter¬ 
suchungen bringen einen weiteren Beweis für die Richtigkeit der 
Lehre, dass die Zellen der myeloiden Reihe Träger bestimmter 
fermentativer Eigenschaften sind, welche denen der lymphatischen 
Reihe fehlen. Ihr Inkrafttreten bei Untersuchungen von Gewebs- 
teilen der hämo- und lymphopoetischen Organe spricht stets für 
die Anwesenheit zahlreicher myeloider, resp. leucocytärer Zellen. 
Dieses Verhalten kann auch als gute Stütze der Ehrlichschen 
Lehre von der Spezifität der lymphatischen und myeloiden Zellen 
gelten. 

4. Tiedemann, Strassburg. Poliomyelitis acuta und 
Meningitis cerebrospinalis. 

Krankengeschichte eines Mädchens, bei dem sich im An¬ 
schlüsse an eine akute Infektionskrankheit, wahrscheinlich Influenza, 
eine mit ausgesprochen meningitischen Erscheinungen einhergehende 
Monoplegia brachialis einstellte. Eine von Anfang an deutliche 
Neuritis optica Hess den Sitz des Krankheitsherdes im Hirn ver¬ 
muten. Die Diagnose wurde deshalb zuerst auf akute Encephalitis 
oder mit Rücksicht auf frühere Drüsenerkrankuugen auf eine tuber¬ 
kulöse Meningitis, worauf auch die Mononucleose der Spinalflussig- 
keit hinwies, gestellt. Fehlen der Tuberkelbazillen und vor allem 
rasche Besserung machten aber diese Diagnose hinfällig. Da in 
der Folgezeit sich im gelähmten Glied keine Spasmen zeigten, die 
Sehnenreflexe völlig erloschen waren, keine Sensibilitätsstürungen 
beobachtet wurden, konnte die Erkrankung nicht ihren Sitz in der 
motorischen Rindenregion haben; es blieb nur die Region der 
grauen Vorderhömer übrig; das spätere Auftreten der Entartungs¬ 
reaktion sicherte schliesslich die Diagnose Poliomyelitis. Die Kom¬ 
bination einer akuten Poliomyelitis mit meningitischen Erscheinungen 
ist eine seltene und bisher noch wenig beschrieben. 

5. Liefmann und Nieter, Halle. Ueber Eubr bei Irren. 

Das Material für die bakteriologischen Untersuchungen stammt 

aus einer Irrenanstalt Mitteldeutschlands, in der seit längerer Zeit 
Ruhr herrscht. In weit überwiegender Zahl wurden die Irren selbst 


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502 


MEDIGINISGSB 


Kr. 46. 


befallen, insbesondere in einem Gebäude, in dem die abgelaufenen 
Fälle mit solchen Irren untergebracht sind, die die Ruhr bisher 
nicht überstanden batten. Es kamen aber auch gelegentlich Er¬ 
krankungen unter dem Pflegepersonal vor; auch einer der Aerzte 
blieb nicht verschont. Die klinischen Erscheinungen waren die 
einer nicht allzu schweren Dysenterie. Ein Todesfall im akuten 
Stadium trat nicht ein; dagegen stellten sich häufig Recidive ein, 
und ein chronischer Ausgang der Krankheit war nicht selten. In 
einem Zeitraum von 2^/2 Monaten konnten acht akute Fiüle genauer 
beobachtet werden. Bei sieben von diesen wurden Bazillen gefunden, 
die sich als zur Gruppe der Pararuhrbazillen gehörig herausstellten. 
Echte Ruhrbazillen, vom Shiga-Kruseschen Typus, konnten in keinem 
Falle nachgewiesen werden. Bei 22 Irren (darunter auch abge¬ 
laufene Fälle), die, ohne sichtlich krank zu sein, Schleim in ihren 
Entleerungen hatten, und ebenso bei 240 körperlich Gesunden war 
die Untersuchung der Faeces auf Ruhr- und Pararuhrbazillen absolut 
negativ. Die biologische Prüfung der gefundenen Stämme ergab, 
dass dieselben zum Typus a der Pararuhrbazillen gehören. Die 
Verbreitung der Krankheit geschah sicherlich durch Kontakt. Die 
Bekämpfung muss deshalb vornehmlich in der möglichst recht¬ 
zeitigen Isolierung aller Infektionstüchtigen bestehen, also nicht nur 
der Erkrankten, sondern auch aller leichten und leichtesten Fälle, 
bei deren Auffindung die bakteriologische Untersuchung zu Hüfe 
genommen werden muss. Ein grosser Mißstand ist, dass es nur 
bei akuten Erkrankungen gelingt, die Bazillen in den Faeces zu 
finden, doch wird es auch ohne diesen Nachweis wohl berechtigt 
sein, einen Irren zu isolieren, wenn er Schleimspuren in den Faeces 
hat, und sein Serum Pararuhrbazillen hoch (1 : 400 und mehr) 
agglutiniert. 

6 . Trautmann, München. Erythema exsudativum multi- 
forme und nodosum der Schleimhaut in ihren Beziehungen zur 
S3rphili8. 

Eine Reihe von Erkrankungen, deren Domäne für gewöhnlich 
die äussere Decke ist, wie Pemphigus, Herpes, Psoriasis, vor allem 
aber das Erythema exsudativum multiforme et nodosum, können 
gleichzeitig sekundär, primär und sogar solitär die Mundhöhle und 
die oberen Luftwege befallen. Alsdann können gelegentlich, speziell 
bei Vorangehen einer syphilitischen Infektion, grosse Verwechselungs- 
möglichkeiten mit den Schleimhautefflorescenzen dieser Krankheit 
sich ergeben. Bei der Folgenschwere, die die Diagnose „Syphilis“ 
in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht, namentlich bei lang¬ 
jährig zurückliegendem Infektionstermin und nach als genügend an¬ 
zusehenden und sorgfältig ausgeführten Kuren, hat, ist gerade in 
solchen Fällen ein genaues Erwägen und Beobachten wichtig. T. 
schildert von sieben Patienten mit luetischer Anamnese Befunde von 
Uloerationen, Errosionen, Tumorbildungen an den Tonsillen, Uvula, 
Wangenschleimhaut, Zunge, Pharynx und Larynx, die alle lues¬ 
verdächtig aussahen, sich aber doch als erythematöse erwiesen und 
prompt auf eine einfache Salicylsäurebehandlung schwanden. 

7. Fränkel, Berlin. Ueber FseadarthroBenheilung und 
kttnstliohe Pseudürthrosenbildung. 

Die Zahl der Pseudarthrosen bei Schaftbrüchen des Vorder¬ 
arms ist keine geringe, relativ sogar grösser als am Oberarm, Ober¬ 
und Unterschenkel. Dies wird begreiflich, wenn man die rota¬ 
torischen Verschiebungen ins Auge fasst, die hier leicht an der 
Bruchstelle eintreten können und zur Aufhebung des Kontaktes und 
damit zur Pseudarthrose führen. Dies ist wohl zu beachten bei 
den Kontinuitätsresektionen aus den Vorderannknochen, wie sie 
vorgenommen werden bei den durch ischämische Muskellähmxmg 
entstandenen hochgradigen Muskelverkürzungen, bei Flexionskontrak- 
turen der Hand infolge cerebraler Hemiplegia, bei den nach Ent¬ 
zündungen und Verletzungen zustande kommenden Kontrakturen. 
Hier, wie bei der Pseudarthrosenbehandlung ist tadellose Adaption 
und Fixation bis zur Heilung zu erstreben. Für die Knochen¬ 
vereinigung empfiehlt sich keilförmige Anfrischung, derart, dass die 
Läilgskante des Keiles am Radius frontal, an der Ulna senkrecht 
dazu sagittal verläuft. Bei einer von F. vorgeuommenen Konti¬ 
nuitätsresektion trat feste Verwachsung am Radius ein, während 
an der Ulna ein falsches Gelenk sich bildete; dieser Zufall war 
aber als erfreulicher zu begrüssen, da dadurch der Patient in den 
Stand gesetzt wurde, die Hand zu pro- und snpinieren, was früher 
wogen Ankylose des unteren Radiouluar-Gelenks nicht möglich ge¬ 
wesen war. 


8 . Herz, Meran. Die Lioht*Laft8trombehandltmg der ohro« 
niscben Herzkrankheiten. 

Die Hebung der Widerstandskraft gegenüber atmosphärischen 
Einflüssen ist für den Herzkranken ebenso wertvoll, wie für den 
Gesunden. Dabei muss es sich bei der Abhärtung nicht nur um 
Gewöhnung an thermische Kontraste handeln, sondern um Ertragung 
einer Reihe von Faktoren, unter denen besonders die Luftbewegung 
zu erwähnen ist. Abhärtung gegen Einflüsse des Wetters wird 
wirksam nur durch Einwirkung von Licht und Luft erzielt. H. 
verwendet hierzu nicht das freie Licht - Luft - Bad, das von den 
Launen des Wetters, von den Jahreszeiten abhängig ist, sondern 
ein künstliches Licht-Luftstrom-Bad nach einer Versuchsanordnung 
von Kühner. Seine Wirkung ist in vieler Beziehung dem COa-Bad 
zu vergleichen, ermöglicht, wie dieses, intensivere Kältereize und 
bedingt eine bedeutende Erhöhtmg der Atmungsgrösse. Die steigende 
Dosierung wird erreicht durch allmähliche Steigerung der Differenz 
zwischen Strahlungs- und Scbattentemperatur und Intensität der 
Luftströmung. Durch starke Strahlung in Verbindung mit einem 
Luftstrom von 30—34 ° ist eine intensive Entwässerung zu erzielen, 
wobei die unangenehmen Erscheinungen des Schweissausbruchs ver¬ 
mieden werden. 

9. Wätzold, Freiburg. Leberruptnr mit tötliober Blutung 
infolge Berstens eines oberflächlichen Aneurysmas. 

Ein Mann mit verhältnismäßig geringen klinischen Erschein¬ 
ungen — Hydrops, Ascites, Leberschmerzen — kollabierte plötz¬ 
lich und ging an einer intraabdominellen Blutung in IV 2 Stunden 
zu Grunde. Die Autopsie ergab an der Leber die Ruptur einer 
oberflächlichen Höhle, die bei den intensiven Veränderungen am 
Bindegewebs- und Gefassapparat der Leber als Aneurysma, wohl 
auf luetischer Grundlage, das in verschiedenen Schüben zur Ent¬ 
wicklung gekommen war, angesprochen werden konnte. 

10. Mennacher, München. Ein Fall vou chronischer Lympho« 
cytenleukaemie bei einem llmonatlichen Kinde. 

Der Blutbefund zeigt starke Herabsetzung des Haemoglobin- 
gebaltes bei nicht verminderter Erythrocytenzahl, starke Vermehrung 
der kernhaltigen roten Blutkörperchen, wesentliche Erhöhung der 
Zahl der weissen Blutkörperchen, dabei prozentuales Ueberwiegen 
der Lymphocyten (74%), Verminderung der polynucleären Leuoo- 
cyten (20 %). Der Sektionsbefund ergab schwere Knochenmarks- 
Veränderungen, starke Beteiligung der Lymphdrüsen und der Leber, 
dabei bedeutendes Ueberwiegen der Lymphocyten in diesen Organen. 
Danach ist das Krankheitsbild wohl von der Anaemia pseudo- 
leukaemica zu trennen und der lymphatischen Leukaemie zuzuzählen. 
Die Erkrankung als angeboren zu betrachten, liegt kein Grund vor; 
chronische Störung des Verdauungskanals infolge falscher Er¬ 
nährungsweise, sonstige hygienische Schädlichkeiten in Verbindung 
mit florider Rhachitis haben vielleicht den für das Zustandekommen 
einer Leukaemie zu fordernden spezifischen Reiz auf das Knochen¬ 
mark ausgeübt; es ist aber nicht auszuschliessen, dass die Ver¬ 
dauungsstörungen schon Folgeerscheinungen der Leukaemie waren. 

11. Bettmann, Leipzig. Portativer Apparat ftir Behand¬ 
lung von Finger- und Handgelenksversteifongen. 

12. Wiesner, Aschaffenburg, Zur Technik der Röntgen- 
therapie-Schutzapparate. 

An der Hand von Abbildungen werden die technischen Einzel¬ 
heiten dargelegt. 

13. Grisson, Hamburg. Praktische Vorschläge zur Hygiene 
der Frauenkleidung. 

Die vorgeschlagene Kleidung wird an Zeichnungen beschrieben. 
Sie bezweckt: 1. den Uebergang von der Korsettkleidung zur 
korsettlosen ohne grosse Aenderung der im Gebrauch befindlichen 
Kleidungsstücke zu bewerkstelligen; 2. unterscheidet sie sich äusser- 
lich fast gar nicht von der bisher üblichen; 3. sie ermöglicht jede 
Ausgestaltung von elegantester Machart bis zum schlichten Öeid 
der Arbeiterin; 4. sie ist praktischer und ökonomischer als die 
Reformkleidung, da alle Teile gegen einander ausgewechselt werden 
können; 5. sie nutzt die Reibung aus, um die Last der Kleider 
auf eine möglichst grosse Fläche wirken zu lassen, sucht den Ueber- 
schuss an Gewicht möglichst gleichmäßig auf Schultern und Becken 
zu verteilen, und so eine Ueberls^tung der Taille, wie bei der 
Korsettkleidung, und der Schultern, wie bei der Reformkleidung, zu 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


503 


vermeiden. Sie beengt den Rumpf an keiner Stelle, nur den 
knöchernen Beckenring, der einen leichten Druck wohl ver¬ 
tragen kann, umschliesst sie ringförmig, aber beliebig lose, und 
empBehlt sich deshalb auch für Frauen in der Gravidität, da sie 
nicht auf dem wachsenden Uterus lastet; 6. sie ist durchaus weib¬ 
lich, ohne irgendwelche an filännerkleider gemahnende und deshalb 
Frauen unkleidsame Zutaten. Nach G.’s Erfahmngen gewinnt 
eine Frau durch Anlegting der empfohlenen Kleidung ganz wesent¬ 
lich an Wohlbefinden und Leistungsfkhigkeit; für eine erfolgreiche 
Kur bei Bleichsucht, Magengeschwür, chronischer Verstopfung, 
Wanderniere, manchen GenitaUeiden betrachtet er sie als Vor¬ 
bedingung. 

Deutsche med. Wochenschrift. Nr. 43. 1906. 

1. Böhme, Marburg: ErnähnmgtTersaehe mit Ferhydrase* 
milch. 

Der von verschiedenen Seiten erstrebten Einführung der 
Rohmilchemährung in die Praxis steht eine grosse Schwierigkeit 
entgegen, die Beschaffnng einer einwandfreien Rohmilch. Römer und 
Much haben ein Verfahren angegeben, das die Gewinnxmg einer 
sterilen, besonders von lebenden Tuberkelbazillen freien, in ihren 
Eigenschaften sonst unveränderten Milch ermöglichen soll. Da¬ 
nach wird die Kuhmilch durch Wasserstoffsuperoxyd sterilisiert, 
dessen unzersetzter Ueberschuss nach der Sterilisation durch eine 
Katalase, d. L durch ein aus tierischem Gewebe gewonnenes, 
Wasserstoffsuperoxyd zerlegendes Ferment zersetzt wird. B. hat 
die Verwendung der so gewonnenen „Perhydrasemilch“ für Säug- 
linge geprüft. Es hat sich ergeben, dass die Perhydrasemilch für 
Kinder und Säuglinge (auch kränkliche) über Jahr eine ge¬ 
eignete Säuglingsemährung darsteUt, die einer gekochten Milch 
bester Beschaffenheit mindestens ebenbürtig ist. Die grössere 
Gewichtszunahme mancher Kinder und das Schwinden der Rhachitis 
scheinen sogar für eine direkte Ueberlegenheit der Perhydrasemilch 
za sprechen. Ganz junge, schwächliche Säuglinge scheinen die¬ 
selbe weniger gut als gekochte Milch zu vertragen; und eine 
spezifisch günstige Beeinflussung chronischer Verdauungsstörungen, 
wie sie für rohe Milch behauptet worden ist, liess sich nicht nach- 
weisen. Jedenfalls aber dürfte, sobald es gelingt, die noch be¬ 
stehenden technischen Schwierigkeiten zu beseitigen und die Her¬ 
stellungskosten zu verringern, die Perhydrasemilch, die der bis¬ 
herigen Marktmilch bei weitem vorzuziehen ist, eine grosse prak¬ 
tische Bedeutung für die Mildiversorgungsfrage gewinnen. 

2. Rolly, Leipzig: Experimentelle XTntersnohimgen über 
das biologisohe Verhalten der Bakterien im Diokdarm. 

Dem Bakterienwacbstum im Dickdarm sind gewisse Grenzen 
gezogen, insofern einerseits die Menge der Mikroorganismen ein 
gewisses Maß scheinbar nicht überschreiten kann, und andrerseits 
nur ganz bestimmte Bakterienarten unter normalen Verhältnissen 
gefimden werden, so dass man von einer spezifischen Bakterien¬ 
flora im Diokdarm sprechen kann. Das von andrer Seite behauptete 
Vorkommen von Autotoxinen und deren Bedeutung für das Wachs¬ 
tum der Bakterien im Dickdarm wird nach eingehenden Versuchen 
bestritten, vielmehr angenommen, dass die Menge der im Dickdarm 
befindlichen Keime in erster Linie von der Grösse und Art der 
in ihm vorhandenen und für die Bakterien förderlichen Nahrungs- 
bestandteile abhängt, dass daneben die Reaktion, die Peristaltik 
entweder im Sinne einer Vermehrung oder Verminderung der 
Bakterienanzahl eine Rolle spielt. Für das starke Prävalieren 
des Bakt. coli im Dickdarm ist wohl der Gehalt der Faeces an 
Kohlehydraten verantwortlich. Die normale Tätigkeit der Dick- 
dannscUeimhaut hat einen grossen Einfluss auf die Zusammen¬ 
setzung der ganzen Vegetation im Dickdarm; eine Erkrankung 
derselben kann allein schon hinreichen, eine abnorme Bakterien¬ 
vegetation hervorzubringen. 

3. Huismans, Cöln; Ein Fall von Tay-Saohssoher famili¬ 
ärer amanrotischer Idiotie. Es handelt sich um ein 3jähriges 
Kind, das sich bis zum 6. Monat annähernd normal entwickelt 
hatte; von da bildeten sich allmählich die Störungen heraus, die 
zu dem jetzt vorhandenen Zustande führten. Rhachitiacher Schädel, 
Zahnbildung etwa dem 15. Monat entsprechend; dauernd grim- 
massierende Gesichtsbewegungen, sonst völlige Teilnahmlosigkeit; 


absolut idiotischer Eindruck; im Augenhintergrund keine Veränder¬ 
ung der Macula, wie sonst meist beobachtet, sondern eine Atrophie 
des Opticus. Spastische Starre der Extremitäten mit allseitiger 
Erhöhung der Reflexe. Bezüglich der Aetiologie liess sich nichts 
Klärendes eruieren. 

4. Bradt, Berlin: Zum Kapitel der EalBverletzangen. 

B. gibt die Krankengeschichte eines Mannes, der mit der 
linken Halsseite auf den Rand einer Holzkiste anfschlug, worauf 
sich Schmerz, Atem- und Schluckbeschwerden, Bluthusten und 
Sprachstörung und ein Hautempbysem am Halse einstellten. Ein 
genauerer Befund am Pharynx wegen vieler Blutgerinsel zunächst 
nicht zu erheben. Eine Untersuchung am 4. Tage ergab völliges 
Intaktsein der Gebilde des Kehlkopfs, dagegen einen Tumor an 
der hinteren Pharynxwand mit oberflächlicher Ulceration. Es 
war also durch ein akutes, von aussen einwirkendes Trauma ohne 
Läsion der Umgebung eine isolierte, indirekte Verletzung, Zer- 
reissung des Plmrynx zustande gekommen, wahrscheinlich in der 
Weise, dass der hintere Rand der Sobildknorpelplatte bei dem 
Unfall gegen die Pharynxwand gepresst wurde und diese durch¬ 
quetschte. 

5. Scheib, Frag: Ueber die Heilung der Wunden nach 
G^luchem Sohambeinsohnitt. 

Nicht abgeschlossen. 

6 . Boesser, Chemnitz: Das Eelmholtzsehe Verfahren gegen 
Henfieber, modi^ert. 

Helmholtz hat nach Erfahrungen an sich selbst zur Be¬ 
handlung des Heuflobers Nasenspülungen mit Chininlösungen 
empfohlen. Dies Verfahren kann nur da wirksam sein, wo die 
HeufiebererscheiuuDgen nur auf die Nase beschränkt bleiben, was 
aber nur in vielleicht 31% der Fälle der Fall ist. Wo dagegen 
die örtlichen Symptome zuerst an der Augenbindehaut auftreten 
und diese erheblich katarrhalisch affiziert ist, da muss die örtliche 
Chinintherapie von der Bindehaut aus einsetzeu. B. benutzt dazu 
eine 1 % Corticinlösung (Corticin = salzsaures Chinin-Coffein), von 
der er, wenn das typische Jucken im inneren Augenwinkel beginnt, 
einige Tropfen in den Conjunktivalsack träufelt; der Patient legt 
sich darauf hin: vermehrte Tränenabsonderung setzt ein, und die 
corticinhaltige Tränenflüssigkeit fliesst in reiohJichem Strom durch 
den Tränennasenkanal durch die Nase über Gaumensegel und Schlund, 
so dass mit Ausnahme der Highmorshöhle alle Schleimhäute, von 
denen die Reflexsymptoine des Heuflebers ausgehen können, mit 
corticinhaltiger Flüssigkeit bespült werden. Der Anfall wird auf 
diese Weise koupiert, die Wirkung hält mehrere Standen an. 

7. Schoengut, Krakau. Zur Therapie der Otitis externa 
oironmsoripta und verwandter Affektionen. 

Sch. empfiehlt für Gehörgangsfurunkulose eine Dmckbehand- 
lung durch feste Tamponade des Gehörganges mit in Lösungen 
von essigsaurer Tonerde oder Alaol getauchten Gazestreifen. Er¬ 
zielt man den individuell richtigen Grad von Druck, so lassen die 
Schmerzen bald nach, die Furunkel öffnen sich ohne Incisiou, in 
5—7 Tagen ist in mittelschweren Fällen bei täglichem Tampon¬ 
wechsel Heilung zu erzielen. In neuerer Zeit hat er mit noch 
besserem Erfolg die Stauungshyperaemie, Umlegen der Staubinde 
um den Hals nach der Bierschen Vorschrift, ausgeübt. Damit er¬ 
zielt man promptesten Nachlass der oft sehr erheblichen Schmerzen, 
gute Nachtruhe; Furuukel im Infiltrationsstadium kommen nicht 
zur Vereiterung; abscedirende brechen schnell auf. Streng indivi¬ 
dualisierendes Vorgehen ist erforderlich; dann ist die Methode in 
ihrer Einfachheit allen anderen Heilmethoden überlegen und ausser 
bei den akut entzündlichen Prozessen des äusseren Gehörganges 
wohl auch erfolgreich bei Dermatitiden der Ohrmuschel, perichon- 
dritischen Prozessen und Othaematomen zu verwenden. 

8 . Zernik, Steglitz. Neue Arzneimittel, Spezialitäten, Ge¬ 
heinunittel. 

Es werden besprochen: Hartmanns Nervennabnmg Antineu- 
rasthin, Brandol, Capsula duplex stomachlca Bouri, Formosasprudel, 
Kaiserborax, Müglitzol, Polveri antigottose delle R. R. Madri Bene¬ 
dictine di Pistoia, Steges Kräuterwein, Sulfopyrin, Urecidin Stro- 
schein, Winthers nature health restorer. 


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504 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 46. 


9. Lewin. Die Hilfe fUr Oiftarbeiter. 

Ein allgemeines Belehmngsblatt für Giftarbeiter, 

10. Selter, Bonn. Die wesentlichen Fortschritte auf dem 
Gebiete der Schulhygiene während der letzten Jahre. 

Berührt werden die Schularzteinrichtnng, die hygienischen 
Einrichtungen des Schulhauses, die Hygiene des Unterrichts. 

No. 44. 1906. 

1. Wassermann und Flaut. Deber das Vorhandensein 
syphilitischer Antistoffe in der CerebrospinalfftLssigkeit von 
Paralytikern. 

Wassermann und Bruck haben eine Methode ansgearbeitet, 
mittel» deren es gelingt, in Körpersäften einerseits geringe Mengen 
vorhandener gelöster Bakterienstoffe, andrerseits deren Reaktions¬ 
produkte, d. h. die Antikörper, nachzuweisen. Die Methode be¬ 
ruht darauf, dass beim Zusammentreffen von Antigen und zuge¬ 
hörigem Antistoff Komplement gebunden wird, wodurch die Hae- 
molyse roter Blutkörperchen, die hinzugefügt werden, gehemmt 
wird. Ausbleiben, i. e. Hemmung der Haemolyse bedeutet also 
bei einem entsprechenden Versuch, dass bei der Mischung einer 
Körperflüssigkeit x mit einem bekannten Antigen, z. B. Extrakt 
aus syphilitischen Orgaiien, in der Körperflüssigkeit x auf das 
Antigen einpassende Antistoffe, i. e. Syphilisantistoffe vorhanden 
sind. Nach dieser Methode wurde die Lumbalflüssigkeit einer 
Anzahl von Paralytikern und zur Kontrolle die einer Anzahl von 
Nichtparalytikern, bei denen keinerlei Anhaltspunkte für das Vor¬ 
handensein einer Syphilis vorlag, untereucht. Von 41 Lumbal- 
flüssigkeiten, die von Paralytikern stammten, ergaben 32 bei der 
Mischung mit dem Elxtrakt von luetischen Organen deutliche 
Hemmung der Haemolyse, während die verwendeten Extrakte, bezw, 
die Lumbalflüssigkeiten allein die Haemolyse nicht hemmten; in 
den neun übrigen Fällen trat die Hemmung undeutlich oder 
gamicht auf. Dieselben Lumbalflüssigkeiten, mit Extrakten aus 
Organen nicht syphilitischer Foeten gemischt, ergaben keine 
Hemmung der Haemolyse. 19 Lumbalflüssigkeiteii von Individuen 
ohne Syphilis ergaben mit den Extrakten syphilitischer Organe, 
mit welchen die Spinalflüssigkeiten von Paralytikern stark hemmten, 
keine Hemmung. Es unterscheidet sich also durch diese Reaktion 
die grösste Zahl der Lumbalflüssigkeiten von Paralytikern in 
spezifischer Weise von derjenigen der nicht luetischen, bezw. nicht 
paralytischen Personen. Weitere Kontrollversuclie sicherten die 
Feststellung, dass in der Lumbalflüssigkeit der meisten Paralytiker 
spezifische Antistoffe gegenüber dem Syphilisaetigen vorhanden 
sind, woraus zu schliessen ist, dass diese Individuen früher Lues 
hatten, bezw. noch haben. Um den Schluss zu ziehen, dass die 
Paralyse direkt mit der Lues kausal zusammenhängt, reichen diese 
Untersuchungen nicht aus; dieser Nachweis ist weiteren Versuchen 
Vorbehalten. 

2. Litten und Lovy, Berlin: Deber atypische Aktinomy* 

kose. 

In einem Falle, dessen klinische Beobachtung am ehesten an 
Tuberkulose denken liess, fanden sich bei der Autopsie in Lungen, 
Leber, Tuben, Gehirn multiple Abze.sse, deren Eiter kleine, weisse, 
makroskopisch erkennbare Körnchen enthielt, die an Aktinomykose 
erinnerten. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Eiters in 
Abstrichpräparaten und Organschnitten wurden jedoch die hierfür 
charakteristischen typischen Drusen und keulenförmigen Auftreib¬ 
ungen durchweg vermLsst; vielmehr bestanden die Körnchen aus 
Haufen von Mikroorganismen, welche ganz kurze Stäbchen, zu 
kimuelförmig verschlungenen Ketten aiieinandergereiht, darstellen, 
so da.ss meist der Eindruck von Streptococctui hervorgerufen wurde. 
Durch Reinkultur wurde ein Fadenpilz gezüchtet, der aerob auf 
allen Nährböden gedieh, morphologisch weitgehende Pleomorphie 
von kurzen, coccenartigen Stäbchen zu langen, verzweigten Fäden 
mit sporonartigt'ii Bildungen zeigbj und sich patliogen für Mäuse 
und flleerschweiiichen, für Kaninchen nur bei ijitraperitonealer 
Einverleibung erwies. Trotz der im menschlichen Eiter gefundenen 
Küniclien iiiiterschei'let sieh der Mikroorganismus we.sentlich von 
dom typischen Aktinomyces bovis Harz durch das Fehlen der 
typisclicii Dnisfii mit iliren kolliigcn Anschwellungen im mensch- 
liclien Eiter, ilnrch mannigt'altige Abweichungen in Wachstum und 
Morphologie und endlich durch seine im Laufe der Weiterzüchtung 


erlöschende Pathogenität für Tiere. Die meiste Aehnlichkeit hat 
er mit dem von Eppinger beschriebenen Aktinomyces asteroides. 

3. Schlesinger, Berlin: Zur Differeutialdi^nostik swiichen 
Hierenerkrankungen und Ferityplüitis. 

Es werden mehrere Krankengeschichten von Fällen besprochen, 
bei denen die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis und Nieren¬ 
leiden, Ureterstein, in Frage kam, und die zu diagnostischen 
Irrtümem, einmal auch zu überflüssiger Appendektomie Anlass 
gaben. Der Befund von roten Blutkörperchen im Urin, der bis¬ 
her als sicheres differentialdiagnostisches Merkmal angesehen wurde, 
kann diese Bedeutung nicht beanspruchen, da auch bei chronischer 
Perityphlitis nicht allzuselten das Auftreten von roten Blutkörper¬ 
chen (frischen und ausgelaugten) im Urin zu beobachten ist. 
Wichtig gegenüber den Erkrankungen der Nieren oder des Ureters 
für die Diagnose sind Ausstrahlungen der Schmerzen in Hüfte, 
Oberschenkel, besonders in den Hoden; absolut maßgebend sind 
sie aber nicht. Eis ist daran zu denken, dass auch bei nephriti- 
Bcheu Zuständen die Erscheinungen von Seiten des Darmes im 
Vordergründe des Krankheitsbildes stehen können. 

4. Bloch, Kattowitz: Deber willkttrlieke Erweiterung der 
Pupille. 

B. berichtet über einen Patienten, Morphinist, der imstande 
war, seine Pupillen willkürlich zu erweitern. Solche Fälle müssen 
zu einer Modifikation der Anschauungen über die Lokalisation des 
Pupillenzentrums und der Lehre von der willkürlichen (querge¬ 
streiften) und unwillkürlichen (glatten) Muskulatur führen. 

5. Heüman, Göteborg: ElektromedikamentÖBe Therapie. 

Die therapeutische Verwendung der elektrochemischen Methode 

kommt zunächst in Betracht bei der lokalen Behandlung lokalisierter 
Hautleiden. Hier gibt sie uns Mittel an die Hand, hakterien- 
tötende, adstringierende oder gewebetötende Ionen in genauer 
Dosierung der Haut einzuverleiben. Am besten nim mt man die 
Behandlung so vor, dass man unter einer biegsamen Metallplatte 
ein hydrophiles Gazelager mit der Lösung durchtränkt, deren Ion 
man einführen will. Zur Anodenplatte ist Platin oder Alnminium 
zu verwenden. Wenn man Zink-, Kupfer- oder Silberionen ein¬ 
führen will, kann man Platten aus diesen Metallen anwenden. 
Zur Kathodenplatte eignet sich am besten Blei. Günstige Re¬ 
sultate »ind mit dieser Methode erzielt worden bei Hautcarcinomen, 
tuberkulösen Herden und chronischen Geschwüren. In zweiter 
Linie ermöglicht die elektromedikamentöse Methode Einführung 
medikamentöser Stoffe in Blut- und Ljonphwege durch die unver¬ 
sehrte Haut; weiter die Einführung der Ionen durch die Haut 
auf darunterliegende kranke Gewebe (so Morphium auf einen 
schmerzhaften Nerven, Salicyl auf rhenmatische Muskeln und Ge¬ 
lenke, Jod auf die Schilddrüse bei Basedow). Für die Dosierung 
der Ionen wird eine Tabelle angegeben. 

6 . Geissler, Schöneberg. Daher Taherknlose der Mamioa. 

Die Tuberkulose der weiblichen Brustdrüse ist eine seltene 
Krankheit. G. hat drei Fälle untersucht. Vor der Pubertät tritt 
die Krankheit nicht auf, betrifft fast ausschliesslich Frauen. Zwei 
Hauptformen sind zu unterscheiden: der kalte Abscess und die 
disseminierte Tuberkulose. Im ersteren Fall ist die Brustdrüse ver- 
grössert, die prallelastiscbe Geschwulst kann fluktuieren. Durch 
fortschreitende Einschmelzung erfolgt Durchbruch durch die Brust 
und Ffstelbildungen. Bei der disseminierten Form fühlt man in 
der Drüse mehrere derbe Knoten. Die Drüse ist wenig vergrössert, 
auf der Unterlage verschieblich, die Warze gewöhnlich eingezogen; 
auf dem Durchschnitt sieht man die isolierten Knoten durch nor¬ 
males Gewebe getrennt. Mikroskopisch findet sich bei kalten Ab- 
.soessen keine Veränderung des an der Peripherie gelegenen DrUsen- 
gewebes; bei der disseminierten Form liegen die Tuberkel in und 
zwischen den Acini. Differentialdiagnoatisch kommt wohl am 
häufigsten bei Tuberkulose der noch in situ befindlichen Brustdrüse 
die Verwechslung mit Carcinom in Betracht, besonders wo eine 
Einziehung dos Mamille stattgefunden hat, so auch in dem einen 
der beschriebenen Fälle. Bei der mikroskopischen Diagnose kann 
die Differenzierung gegenüber der Syphilis Schwierigkeiten machen. 

7. Schmidt, Leipzig. Beiträge zur Diagnostik der schweren 
Banchqnetschnngen; ihre Indikation zur Laparotomie. 

Es wird über vier Fälle von Bauchquetsohungen mit inneren 


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1906 


MEDICINISCHE WOCHE. 


505 


Verletznngen berichtet. Der erste wurde dxxrch breite Gewalt- 
einwirkung, Stoss yon eiuem durcbgehecden Gespann veranlasst. 
Nach anfänglichen schweren Shockerscheinungen entwickelte sich in 
der Folge das Krankheitsbild der chronischen Peritonitis; eine nach 
Wochen vorgenommene Laparotomie zeigte, dass eine Verletznng 
der Gallenwege stattgefunden und durch die ins Abdomen fliessende 
Galle eine chronische adhaesive Peritonitis sich entwickelt hatte. Die 
drei andern waren Verletzungen durch Hufschlag und zeigten bei der 
Laparotomie im. ersten extraperitoneale; Ruptur des Duodenum, 
im zweiten totale Zerreissung einer DUnndarmschlinge, im dritten 
Einriss des Duodenum bis zur Muoosa. Die beiden letzten wurden 
durch die Operation gerettet. Für die Diagnose ergeben sich aus 
den Beobachtungen nicht unwichtige Folgerungen. Nicht zu ver¬ 
werten für die Diagnose ist der Shock. Normale Temperatur und 
kräftiger Puls von regelrechter Frequenz lassen nicht eine schwere 
innere Bauchverletzung ausschliessen; ebenso wenig das Fehlen des 
Erbrechens. Eine nachweisbare Dämpfung gibt meist Klarheit über 
die Sachlage und kann häuflg schon recht frühzeitig die Verlegung 
eines Bauchorgans durch den Erguss von Blut, Galle, Hagendarm- 
inhalt, Ham signalisieren. Das wichtigste Symptom bei inneren 
Bauchverletzungen ist die Bauchdeckenspannung; bei den be¬ 
schriebenen Fällen fehlte sie niemals, im schwersten war sie am 
deutlichsten ausgesprochen. Sie ist keineswegs als eine direkte 
Folge der Quetschung der Bauchmuskeln zu betrachten; meist wird 
sie erst nach einer grösseren Zahl von Stunden, als Folge der Zu¬ 
nahme des Ergusses in die Bauchhöhle nachweisbar. In - gleicher 
Weise ist der Druckschmerz des Leibes zu verwerten. Wenn nach 
einem Trauma, das die Bauchdecken getroffen hat, eine aus¬ 
gesprochene Spannung der Bauchdecken und eine deutliche Druck- 
empflndli<3ikeit des Bauches sich einstellt, so ist die Annahme einer 
schweren Verletzung der Bauchorgane gerechtfertigt, und wenn 
diese Erscheinungen nicht schnell abnehmen, ist es indiziert, ohne 
Säumen die Laparotomie vorzunehmen. 

8 . Scheib, Frag. Heber die Heilung der Wunden nach 
Oiglischem Schambeinsohnitt. (Schluss aus Nr. 43.) 

Wie die Röntgenuntersuchungen ergeben haben, sind meist 
schon 3—4 Wochen nach dem Schambeinschnitt die Knochenenden 
durch straffes Bindegewebe fest vereinigt, das nach wenigen Monaten 
eine mehr oder minder vollständige Verknöcherung zeigt. Das Er¬ 
halten einer möglichst weiten ^ochenspalte im Interesse einer 
dauernden Erweiterung des Beckens dürfte vielleicht zu erstreben 
sein; nicht zu festes Anlegen des Beckenverbandes nach der 
Operation, frühzeitiges Aufstehen könnten vielleicht in diesem Sinne 
empfohlen werden. Die Befürchtung, dass die gewonnene Er¬ 
weiterung durch einen mächtigeren Gallus aufgewogen oder über¬ 
kompensiert werden könnte, ist nach den bisherigen Beobachtungen 
unbegründet. Die Seltenheit der Nebeuverletzungen bei der Hebo- 
tomie sichert dieser den Vorzug vor der Symphyseotomie. Von 
Nebenverletzungen kommen als ernstere Komplikation zunächst 
Blasenlaesionen in Betracht; ihre Entstehung beim Herumführen 
der Nadel um das Schambein lässt sich hei genauer Befolgung der 
Technik (unter präziser Leitung der andern Hand von der Scheide 
aus) auch beim subcutanen Verfahren immer vermeiden; ebenso 
eine Zerreissung der Blase infolge zu brüsken Auseinanderweichen 
des Knochens nach der Durchsägung durch prinzipielle sorgfältige 
Fixation des Beckens durch einen Gummischlauch. Blasenlaesionen, 
die sich erst nach dem Durchtritt des kindlichen Körpers kund¬ 
tun, sind wohl als Quetschungen der Blasenwand von seiten des 
durch tretenden Kopfes gegen die scharfkantigen Sägeflächen zu 
betrachten. Des weiteren können Scheidenverletzungen, welche mit 
der Knochenwunde kommunizieren, von besonderer .prognostischer 
Bedeutung werden. Aetiologisch dürfte für dieselben die Enge 
des Scheidenrohres bei Erstgebärenden, rasches Auseinanderweichen 
der Knochenenden und vielleicht auch der veränderte Geburts¬ 
mechanismus des Kopfes nach der Beckendurchsägung in Betracht 
kommen. Nach 11 an der Klinik ausgeführten Pubeotomien wurden 
die Mütter alle mit voller GehfUhigkeit und ohne jede Beschwerde 
entlassen; die Kinder wurden lebend geboren, nur eins starb, aber 
nicht infolge der Pubeotomie, sondern weil diese zu spät vor¬ 
genommen wurde. Fasst man die bei den etwa 170 publizierten 
Fällen gemachten Erfahrungen zusammen, so treten die ganz be¬ 
sonderen Vorzüge dieser Methode, speziell was die Heilung der 
Knochenwnnden anbetrifft, klar zu Tage. Betreffs der mitunter 


beobachteten Blasen- und Scheidenverletzungen ist zu sagen, dass 
sie die Rekonvaleszenz zwar verlängern können; aber die ersteren 
sind bisher stets spontan ausgeheilt, und die Scheidenrisse sind, 
selbst wenn sie mit der Knochenwunde kommunizieren, und selbst 
wenn sie infiziert werden, einer glatten Ausheilung fähig, wenn 
für regelmässigen Abfluss der Wundsekrete gesorgt wird. Aus 
Rücksicht auf die Möglichkeit dieser Verletzungen erscheint es des¬ 
halb nicht angebracht, das Feld für diese so segensreiche Operation 
einzuschränken. 

9. Stephani, Mannheim. Heber KOrpermesnmgen und 
einen neuen Körpermessapparat. 

Beschreibung eines Sitzmessstuhles, der besonders die Er¬ 
mittlung der Grössenverhältnisse der einzelnen Körperteile er¬ 
möglicht. 

Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 44. 1906. 

1. Hoffa, Berlin: Heber das Marmorek-Serum in der 
Therapie der ohirorgischen Tuberkulose. 

H. berichtet über seine Erfahimngen mit dem Marmorek- 
schen Serum bei der Behandlung tuberkulöser Knochen- und Ge- 
lenkerkrankungen. Niemals wurde ein irgendwie ernstlicher nach¬ 
teiliger Einfluss auf das Befinden der Kranken beobachtet. Cha¬ 
rakteristische Serumreaktionen traten öfters bei den Injektionen 
auf, dagegen hörten die Nebenerscheinungen völlig auf bei An¬ 
wendung der rektalen Applikationsmethode. Subkutane Injektionen 
wurden in den einzelnen Fällen zwischen 19—48 gemacht von je 
2—10 ccm Inhalt, jo nach Empfänglichkeit und Verlauf des 
Heilungsprozesses; die dem einzelnen Patienten gereichten Semm- 
mengen schwankten zwischen 50 und 200 ccm; zwischen je 8 bis 
10 Injektionstagen wurden achttägige Pausen eingeschaltet. Auf 
diese Weise wurden 11 Fälle behandelt und dabei erzielt zwei 
Heilungen, eine wesentliche Besserung und bei den übrigen acht 
schnelle Besserung des AUgemeinbeflndens, des Appetits, Abkürzung 
des Heilungsprozesses im Vergleich zu den sonst gewohnten Be¬ 
obachtungen. Bei rektaler Einführung erhielten die Patienten im 
Anfang täglich 5 ccm, später 10 ccm Serum 3—4 Wochen hin¬ 
durch; nach fünf bis achttägiger Pause event. eine zweite Serie. 
Die Ergebnisse waren bei 11 Fällen zwei Heilungen, drei wesent¬ 
liche Besserungen, vier günstige Veränderungen, zweimal keine 
Beeinflussung. Bei den 22 Fällen im Ganzen sind also 18% ein¬ 
wandsfreie und schnelle Heilungen und 18% auffällig günstige 
Beeinflussungen zu verzeichnen, während nur wenige der Serum¬ 
therapie unzugänglich waren. Speziell bei der rektalen Methode, 
die voraussichtlich in der Zukunft vorherrschend sein wird, ergab 
sich Heilung in 18%, wesentliche Besserung in 27%, günstige 
Einwirkung in 36%, keine Beeinflussung in 18%. Dem Anti¬ 
tuberkuloseserum Marmorek ist danach in einer Reihe von Fällen 
eine spezifisch zu nennende, heilende Einwirkung auf den Verlauf 
des Tuberkuloseprozesses zozuspreohen, und, bei der völligen ün-, 
Schädlichkeit und der leichten und einfachen Technik der An¬ 
wendung, sollte ihm der ihm gebührende Platz im Kampfe gegen 
die Tuberkulose nicht länger vorenthalten werden. 

2. Krönig, Berlin: Ein einfacher Kunstgriff zur Erzengimg 
des Knie-Phänomens. 

Als Ersatz des Jendrassikschen Kunstgriffs, dessen erfolg¬ 
reiche Anwendung oft genug an dem Unverstand oder der Un¬ 
geschicklichkeit der Patienten scheitert, empfiehlt K. eine dem all¬ 
gemeineren Fassungsvermögen angepasste Methode. Auf das 
Kommando „jetzt“ hat der Patient möglichst schnell eine einmalige 
forcierte Inspiration bei gleichzeitigem Hinaufblicken nach der 
Zimmerdecke auszuführen. Mit dem Inspirationsakt hat dann die 
Beklopfung der Sehne genau zusammenzufallen. 

3. Hoffmann, Berlin: Heber die diagnostische Bedentnng 
der Spirochaeta paUida. 

Gegenüber der von Danziger in No. 42 d. W. mitgeteilten, 
nur auf fünf Fälle gestützten Erfahrungeu zur Frühdiagnose des 
syphilitischen Primäraffektes verweist H. auf seine bei verschiede¬ 
nen Gelegenheiten zu dieser Frage gemachten Aeusserungen, die, 
ebenso wie bei anderen Autoren, auf einem wesentlich ausge¬ 
dehnteren Beobachtungsmaterial basierten. Des weiteren verweist 
er darauf, dass bezüglcih der wichtigen Frage der frühzeitigen 


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506 


M HiTl TfirNTSO H K WOGiUfi- 


Nr. 46. 


Quecksilberbehandlung erst jetzt, wo mit dem Spirochaetennach- 
weis die frülizeitige ErkennuDg eines syphilitischen Schankers er¬ 
möglicht ist, sich sichere Erfahrangen werden gewinnen lassen. Gegen¬ 
über den von Schulze und Saling betreffs der Silberspirochaeten 
gemachten Einwänden verweist er auf die völlig negativen Er¬ 
gebnisse zahlreicher Kontrolluntersuchungen, auf den Nachweis frei 
gelegener Spirochaeten im Lumen von Blut- und Lymphgefässen, 
Bronchien, Drüsen und schliesst sich der von Levaditi gegebenen 
vernichtenden Kritik an. 

4. Morgenroth und Oarpi: üeber ein Toxoleoitliid des 
Bienengiftes. 

Die Versuche ergaben, dass die haemolytische Wirkung des 
wässrigen Extraktes des Giftapparats der Biene auf verschiedene 
ßlutarten durch Lecithinzusatz eine sehr erhebliche Verstärkung 
erfahrt. Durch Einwirkimg von Lecithin auf die Giftlösung lässt 
sich eine in Alkohol lösliche, durch Aether fällbare und in Koch¬ 
salzlösung leicht lösliche Substanz von charakteristischer haemo- 
lytischer Wirkung darstellen. Das Produkt der Einwirkung von 
Lecithin auf die Giftlösung hat im Gegensatz zu der in der Gift¬ 
lösung ursprünglich enthaltenen giftbildenden Komponente einen 
ziemlich hohen Grad von Thermostabilität. Cholesterin hemmt die 
Haemolyse durch Bienengift und Lecithin. Das Bienengift enthält 
also — analog den'Schlangengiften und dem Skorpiongift—eine 
Substanz (Prolecithid) von toxin- resp. amboceptorartigem Charakter, 
die sich mit Lecithin zu einem eigenartigen, haemolytisch wirken¬ 
den Toxolecithid vereinigt-. 

5. Cohn, Berlin; DieLtmgenanthrakosenndihreEatstehong 
vom Barm aas. Nicht abgeschlossen. 

6 . Maragliano, Genua: Bie spezifische Therapie der Tu¬ 
berkulose. (Fortsetzung aus No. 43.) Nicht abgeschlossen. 

7. Simon: Eine neue Reaktion auf freie Salzsäure im 
Uageninhalt. 

Für die Reaktion wird verwertet die Fähigkeit der salpetri¬ 
gen Säure, alkoholische Guajacharzlösungen zu bläuen. Man löst 
eine Messerspitze Guajacharz in 5 ccm einer Mischung von Spirit. 
Aetheris nitros. 10,0 Spirit, vini 40,0; einige ccm der Lösung 
werden im Reagenzglase über 5 ccm filtrierten Mageninhalts ge¬ 
schichtet; an der Grenze beider Flüssigkeiten bildet sich ein grau- 
weisser Ring, der bei Anwesenheit freier Salzsäure bald (eventuell 
zu beschleunigen durch vorsichtiges Erwärmen) blaue Färbung an- 
niramt. Der Ablauf der Reaktion vollzieht sich so, dass die freie 
Salzsäure aus dem Aethylnitrit des Spirit, aether. nitros. salpetrige 
Säure freimacht, die das Guajacharz zu blauem Guajaconsäureozonid 
oxidiert. Organische Säuren, z. B. Milchsäure, können auch aus 
Aethylnitrit salpetrige Säure abscheiden, aber erst in Konzentra¬ 
tionen, wie sie im Mageninhalte nicht Vorkommen können. Die 
Empfindlichkeit der angegebenen Reaktion gegen freie Salzsäure 
reicht für die gewöhnlichen Aufgaben der klinischen Diagnostik 
völlig aus und steht den andern Salzsäureproben in keiner Beziehung 
nach. 

8 . Laqueur, Berlin: Zur hydrotherapeutischen Behandlung 
der Tabes dorsalis. 

Die Ansichten über die Besserungsfähigkeit der Tabes dorsalis 
haben sich unter dem Aufschwung der physikalischen Heilmethoden 
wesentlich geändert. Neben der kompensatorischen Uebungstherapie 
spielen hydrotherapeutische Maßnahmen eine wichtige Rolle, L. be¬ 
richtet über die Erfahrungen mit der Hydrotherapie bei 162 in 
der Poliklinik ambulant behandelten Tabe.skranken. Die hydriati- 
scbc Therapie bestand in Halbbädern mäßiger Temperatur (von 
340 —28'*), verbunden mit gelinden Friktionen und Begiessungeu, 
von 3—5 Minuten Dauer. Die günstige Einwirkung dieser Bäder 
zeigte sich in einer Hebung des Allgemeinbefindens, Besserung der 
Gehfähigkeit, Bo.sserung resp. Be.seitigung der Blasen- und Mast- 
dannstörungen, Nachlassen der lancinierenden Schmerzen und Paraes- 
thesien. Schwächliche auaemische Tabeskranke vertragen manch¬ 
mal kühle liydrotlierapeutische Anwendungen schlecht; für die.se 
Fälle empfiehlt sich die Applikation von Kohlensäure-, event. auch 
Sarasonschen Sauerstoflbädern. Auf diese Weise liess sich liei 
69% der länger beobachteten Kranken eine we.sentliche Besserung 
erzielen. 


Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 43. 

1 . Wagner von Jauregg. Beber marinen Kretiniimue. 

Die Hirsch sehe These, dass nur die Seeküsten sich einer 
Immunität von Kropf und Kretinismus erfreuen, ist bisher nicht 
widerlegt; man kann ganz entschieden von einer kröpf- und kretinis¬ 
muswidrigen Wirkung der Meeresküste sprechen; vielleicht ist der 
Jodgehalt der Luft der Faktor, der die Entstehung der beiden 
Krankheiten hindert, dem die Meeresküsten ihre Immunität ver¬ 
danken. Der Tatsache, dass nirgends Kretinismus endemisch vor¬ 
kommt, wo nicht auch der Kropf endemisch herrscht, scheint die 
österreichische Sanitätsstatistik zu widersprechen; denn während 
Dalmatien so gut wie kropffrei nach den Ergebnissen der Re¬ 
krutierung ist, wird in diesem Lande doch jedes Jahr eine gewisse 
Anzahl von Kretins ausgewiesen. W. hat nun die betreffenden 
Landstriche aufgesucht und daselbst 15 Individuen gefunden, die 
zunächst als richtige Kretins imponierten. Genauere Untersuchung 
zeigte aber gewisse Besonderheiten: die Individuen waren alle 
kropffrei; der Grad der Wachstumsstörung war stets ein sehr be¬ 
deutender, alle waren als Zwerge zu bezeichnen; die Hemmung 
der Entwickelung der Genitalorgane zeigte stets extreme Grade; 
keiner zeigte erheblichere Gehör- und Sprachstörungen: die Beein¬ 
trächtigung der Intelligenz war nur eine verhältnismäßig geringe. 
Danach scheint dieser Kretinismus etwas vom echten endemischen 
Kretinismus Verschiedenes zu sein, vielleicht ein Produkt der in 
jenen Landstrichen verbreiteten hochgradigen Inzucht, er vermag 
also auch die Hirscbsche Lehre nicht zu entkräften. 

2. Bail, Prag. Morphologische Terändenmgen der Bak¬ 
terien im Tierkörper. ^ 

Die Untersuchungen erstrecken sich auf Milzbrandbazillen und 
sollen die Bedingungen für das Auftreten tierischer, kapseltragen¬ 
der Bazillen klarlegen. 

3. Picker, Budapest. Wachstum des Oonocooous auf seinen 
freien Nährböden. Wert des Gramschen Verfahrens in der 
differentiellen Biaguose des Oonococcus. 

Positive Züchtungsversuche des Gonococcus auf dem serum- 
freien Thalmannschem, d. h. bis zu zwei Dritteln der Gesamt¬ 
acidität neutralisiertem, Agar, sowie Weiterzüchtung auf gewöhn¬ 
lichem und Glycerinagar. Die Versuche tragen dazu bei, die Un¬ 
haltbarkeit der N e iss ersehen These: „alles was auf gewöhnlichem 
Agar wächst, sind sicher keine Gonococcen“ zu beweisen. Ebenso 
wie sich das für den Pneumococcus und Tuberkelpilz ergeben hat, 
ist auch für den Gonococcus das Gedeihen ausserhalb des Organis¬ 
mus nicht streng an das Vorhandensein von unkoaguliertem, mensch¬ 
lichem, resp. tierischem Eiweiss gebunden. Damit erhält der 
Gonorrhoecoccus auch eine neue Stellung im Bakteriensystem; er 
kann nicht mehr in die Klasse der streng obligaten Parasiten ein¬ 
gereiht werden, der „paratrophen“ Bakterien, deren Gedeihen 
ausserhalb des menschlichen Organismus an das Vorhandensein von 
Serum gebunden ist, sondern zeigt vielfache Uebergänge zu der 
nächst niederen Klasse, den metatrophen Bakterien, die im Pepton 
das zu ihrem Fortkommen erforderliche Eiweiss finden. Die 
Gram sehe Färbung hat sich als zuverlässiges Unterscheidungs¬ 
merkmal der Gonococcen erwiesen. Nur müssen die Zeitausinaße 
für das Eiuwirkoii der einzelnen Reagentien genau eingehalten 
werden (für Anilinwassergentianaviolettlösung eine halbe Minute, 
für Gramsche Lösung eine Minute, für den Alkohol absolutus, der 
stets frisch sein mu.ss, zwei Minuten). 

4. AU. Ein Beitrag zur operativen Behandlung der oto¬ 
genen Facialislähmung. 

Bericht über einen Pall, wo eine langwierige Ohreiterung zu 
einer Nekrose des Labyrinths geführt hatte und bei Ausräumung 
des nekrotisierten Lal)yrinthgehäu.se.s ein mehrere Zentimeter langes 
Stück des Nervus facialis mitentfeint werden musste, und w-o 
dann nachher mit gutem Erfolg eine Facialia-Hypoglossus-Anasto- 
mose angelegt wurde. Anschliessend stellt A. die einschlägigen 
in der Literatur uiedergelegten Fälle zusammen, hinsichtlich der 
Ursache der Lähmung, der Dauer des Bestandes derselben, der 
Art der Operation, des weiteren V^erlaufs und des Erfolges. Diese 
zeigen, da.ss die Lälimuugsorscheinungen im Gebiete des Hypo- 
glo.ssns, bozw. Accessorius, welche postoperativ auftreten, zu keiner 
dauernden Schädigung führen, deshalb nicht als Kontraindikatioii 


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1&06. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


507 


ftir die Operation gelten können. Die Herstellung der Nerven- 
anastomoae ist frühestens sechs Monate nach der Ohroperation ge¬ 
rechtfertigt, wenn bis dahin keinerlei Zeichen einer beginnenden 
Restitution der Facialisfunktion trotz elektrischer Behandlung und 
Massage eingetreten sind; frühzeitiges Operieren ist indiziert, wenn 
das Labyrinth sequestriert war und ein Stück Facialis mit dem 
Sequester entfernt werden musste. Der Verlauf der mit gutem 
Erfolg operierten Fälle beweist, dass Willensimpulse auf dem 
Wege des Accessorius, bezw. Hypoglossus auf den Facialis geleitet 
werden können, dass zunächst aktive Bewegungen der Gesichts¬ 
muskulatur nur bei Mitbewegungen der Schulter, hezw. der Zunge 
möglich sind, dass aber nach langer Uebung eine Dissoziation der 
Bewegungen eintritt. 

5. Braun- Femwald. üeber einen günstig verlaufenen Fall 
▼on Hydramnios und Lungenembolie am 24. Tage post partum. 

Der Fall betrifft eine 35jährige Xpara; infolge starken Hydram- 
nios verzögerter Geburtsverlauf: Menge des abgegangenen Frucht¬ 
wassers auf 6—7 1 geschätzt; schliesslich spontane Ausstossung 
der Frucht. Völlig normal verlaufendes Wochenbett; nach Rück¬ 
bildung des Uterus Aufstehen am 18. Tage; völliges Wohlbe¬ 
finden. Am 24. Tage während leichter Tätigkeit schwerer Ohn- 
noachtsanfall mit starken Collapserscheinungen; in den nächsten 
Tagen stellen sich die deutlichen Zeichen eines embolischen Lungen¬ 
herdes ein. Allmähliches Abklingen der schweren Krankheitser¬ 
scheinungen mit völliger Heilung. Ein so spätes Eintreten einer 
Embolie nach völlig afebrilem Wochenbett und der Ausgang in 
Heilung sind selten beobachtet. 


Deutsche 

Gesellschaft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten. 

Die Ortsgruppe Berlin der Deutschen Gesellschaft zur 
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hielt am Freitag, den 
2. November, im Architektenhause einen Vortrag ab, zu dem der 
berühmte Nervenarzt, Herr Geheimrat Prof. Eulenburg den Vor¬ 
trag iVbernommen hatte. Zuvor erledigte der Vorsitzende, Herr 
Sanitätsrat Dr. 0. Ro.se nthal noch einige geschäftliche Ange¬ 
legenheiten, insbesondere wurde an Stelle des Herrn Dr. Bern¬ 
stein, der sein Amt als Schriftführer niedergelegt hatte, Herr 
Dr. P. Schück, der bereits seit einigen Monaten provisorisch das 
Amt versehen hatte, definitiv zum Schriftführer gewählt. Nun¬ 
mehr nahm Herr Geheimrat Eulenburg das Wort zu seinem an¬ 
gekündigten Vortrage „Geschlechtsleben und Nerven¬ 
system*. Derselbe erinnerte zunächst daran, dass die Deutsche 
Gesellschaft, obwohl erst 5 Jahre alt, durch ihre Vorträge und 
verschiedenartigen Veröffentlichungen es doch schon zu Wege ge¬ 
bracht habe, dass vor gebildeten Männern und Frauen solche 
Themata jetzt frei und ohne Prüderie besprochen werden können, 
denen man früher mit verständnislosem Kopfschütteln begegnet 
wäre. Das ermutige ihn, sein Thema mit möglichster Ausführlich¬ 
keit zu behandeln. Die Beziehungen zwischen Geschlechtsleben 
und Nervensystem sind auch im Tierleben ausgeprägt, beim Menschen 
aber natürlich viel gewaltiger und umfassender, andererseits aber 
auch zarter und intimer. Das Nervensystem, insbesondere das 
eigentliche Seelenorgan, die Grosshimrinde, ist der Träger der 
Persönlichkeit, des Ichwesens, der Individualität; folglich, da dieses 
Ichwesen auch Geschlechtsweseu ist, werden auch alle Lebens¬ 
äusserungen durch NerveneinfiUsse angeregt und vermittelt, ge¬ 
hemmt und gefördert. Gleichwohl gab und gibt es auch Ge¬ 
schlechtsleben ohne Nerven System, nämlich bei den niedersten 
Lebewesen, ja, man kann sogar von einem Geschlechtsleben 
ohne Geschlecht sprechen, denn der geschlechtlichen Fort¬ 
pflanzung geht bei den niedersten Tieren und Pflanzen der Vorgang 
der ungeschlechtlichen voraus. Diese Art der Fortpflanzung hängt 
mit der Nahrungsaufnahme der Organismen zu.sammen und bekundet 
sich dadurch, dass bei dem durch Ernährung gesteigerten Wachs¬ 
tum aus den überschüssigen Wachstumsprodukten ein Teil des 
früheren Organismus abgespalten wird und selbständig sich noch 


weiter entwickelt. Die elementaren Anfänge der Geschlechts- 
trennnng und -Vereinigung sind ebenfalls schon im niedersten 
Tierleben nachzuweisen. Aber erst bei den höheren Tieren findet 
man einen wirklichen Geschlechtsakt, und zwar in dem Maße, wie 
die Keimzellen und Geschlechtsapparate sich differenzieren. Damit 
geht eine chemische Veränderung der Keim8ub8tanzember(Haeckels 
„sexuelle Chemotaxis“ und „erotischer Chemotropismus“). Alles, 
was die Natur in der Folge hinzugeschaffen hat, besonders die 
Verknüpfung des Seelenlebens und Nervensystems mit der sexu¬ 
ellen Sphäre, verfolgt den Zweck, das GescWechtsleben dem Ge¬ 
fühlsleben unterzuordnen und so den Geschlechtsakt zu einem 
intensiv gefühlten Bedürfnis, zu einer Art Naturtrieb zu erheben. 
Der Geschlechtssinn als Ausdruck einer spezifischen Sinnesenergie 
entsteht auf Grund örtlicher Erregungen der Nerven-Endigungen, 
die reiz-wirksamen Stellen bilden eine erogene Zone, welche die 
wirklichen Reize aufnehmen und durch das Nervensystem fort¬ 
laufen zum Zentralorgan. Der Reiz kann nun eine vollständige 
Wirkung ausüben und eine unvollständige. Eine vollständige ist 
vorhanden, wenn eine TJebertragung. von den sensiblen Nerven 
auf die Bewegungsnerven stattfindet. Die unwillkürliche, unbe¬ 
wusste Auslösung der Bewegung heisst Reflex, die dabei zu 
Stande kommende Aktion Reflexbewegung, wie Anhäufung, Keim- 
ausstossung, Blutanhäufung usw. Werden die höheren Stellen des 
Nervensystems in Anspruch genommen, dann entstehen durch die 
intimeren Seelenkräfte Triebe, Impulse, auf welche dann wieder 
regulierend und hemmend eingewirkt werden kann. Die Einflüsse des 
Trieblebens sind für die Gesamtheit der sexuellen Erscheinungen und 
Beziehungen von nahezu unumschränkter, tief ein greifender Bedeutung. 
Der Geschlechtstrieb, der Trieb der Arterhaltung, ist der mächtigste 
der Triebe hinter dem Nahrungstriebe. Die Prüfung dieses Triebes 
führt oft in die geheimsten Tiefen dos Seelenlebens. Tjeider hat 
man hierbei vielfach mit unbewussten Vorstellungen zu tun, deren 
Erforschung ungemein schwierig ist. Erst in letzter Zeit hat die 
Analyse des Geschlechtstriebos gezeigt, dass er aus verschiedenen 
Arten von Einzeltrieben besteht. Der berühmte Frauenarzt Hegar 
unterschied zwei von einander getrennte Soudertriebe: den Be- 
gattungs- und den Fortpflanzungstrieb. Der letztere scheine immer 
mehr bei dem Manne zurückzutreten, bei dem Weibe aber sei er 
zwar durch unsere Ueberzivilisation stark zurückgedrängt, gleich¬ 
wohl aber noch wirksam genug. Daraus hat sich später die Auf¬ 
fassung ergeben, dass bei dem Weibe geringere sexuelle Sensibilitäts- 
erscheinungen (geschlechtliche Unterempfindlichkeit) bestehe. Be¬ 
sonders Lorabrose und Ferrero stehen auf diesem Standpunkt. 
Nach Eulenbnrg ist diese Auffassung jedoch sehr anfechtbar, viel¬ 
mehr sei das Gebahren des Weibes durch konventionelle Rück¬ 
sichten und die Erziehung leicht erklärlich. Nach Lombrose soll 
das Weib durch seine sexuelle Hingabe stets nur ein Opfer bringen 
und nur zur Befriedigung seiner Mutterschaftsgefühle den sexuellen 
Genuss pflegen, es liebe in dem Mann nur den Gatten. Dies ist 
aber zum Teil richtig, denn auch beim Weib kommt viel häufiger, 
als gemeinhin angenommen wird, die Erotik in Betracht. Dem 
Recht auf Mutterschaft, wie es in unserer modernen Frauen¬ 
bewegung neuerdings gefordert wird, müsste eventuell auch die 
Pflicht der Mutterschaft gegenübergestelit werden. Und doch 
ist bekannt, dass die Zahl der von der Frau angewandten anti¬ 
konzeptionellen Mittel und Methoden immer mehr zimimmt. Guy 
de Maupassant malt uns in „Notre-Coeur“ in vortrefflicher Weise 
das Grauen der modernen Weltdame vor der Mutterschaft, die sie 
verhindere, die Freuden des Lebens und der Liebe ungestört nach 
Wunsch zu geniessen. Derartige Frauentypen sind aber auch bei 
uns in Deutschland zahlreich und jedem Arzte, besonders aber dem 
Nervenärzte, wohl bekannt. Zu einer ganz bestimmten Zeit sind 
die Geschlechtsempfindungen und -Aeusserungen heim weiblichen 
und männlichen Geschlecht wesentlich verschieden: das ist in dem 
Pubertätsalter und der darauf folgenden Lebensperiode. Nach der 
Auflassung von S. Freud, Wien, entbehrt aber auch schon das 
früheste Kindesalter nicht der sexuellen Antriebe, was sich beim 
Trinken an der Mutterbrust durch das Lutschen des Kindes kund¬ 
geben soll. Beim männlichen und weiblichen heranwachsenden 
Kinde seien gleichmäßig Verdrängungserscheinnngen (Ekel, Scham, 
Angst) zu verzeichnen. Während dann bei den Jünglingen ein 
Vorstoss der Geschlechfcstriebe und -Aeusserungen sich in der 
Pubertät zeige, sei eine Verdrängung der sexuellen Empfindungen, 


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508 


SiEüicönsoHi: wochs. 


Nr. 46. 


eine Verstärkung der sexuellen Hemmung bei Jungfrauen vor-' 
banden. Gerade dies letztere reize nun das männliche Individuum 
zur.Liebesäusserung gegenüber der Jungfrau. Bei dieser befinde 
sieb das Geschlechtsleben in einem Zustand der Latenz, ihre 
dauernde Verdrängung könne schliesslich auch einmal zur Hysterie' 
führen. Die Richtigkeit dieser Auffassung erkennt Eulenhurg im 
allgemeinen an und geht alsdann auf die Analyse des Geschlechts* 
triebes über, über den vor einigen Jahren der Berliner Nervenarzt 
Moll eine ausgezeichnete Studie veröffentlicht hat. Nach dem' 
letzteren habe der Geschlechtstrieb zwei Hauptkomponenten; d^^ 
Contrectationstrieb und den Detumescenztrieb. Der erstere zeitige 
den Drang nach dem. andern Individuum in Form der seelischen 
Annäherung, der zweite das rein körperliche sinnliche Verlangen 
und die unmittelbare Auslösung der geschlechtlichen Spannung. 
Das letztere war natürlich das Fxühere in der Tierwelt; erst im Bunde 
mit. der reicheren Ausgestaltung des Nervensystems kam es dann auch 
zur Aeusserung des Contrectationstriebs. Unerreicht schön hat dies 
Wilhelm Bölsche in seinem „Liebesleben in der Natur“ dargestellt. 
So wird aus dem Geschlechtstrieb allmählich das Wunderphänom 
der Liebe geboren. Die individuelle Forschung hat nun ergeben, 
dass die Liebe in der Pubertät für sich besonders betrachtet 
Wörden muss. Max Dessoir will drei Stadien oder Perioden aner-' 
kannt wissen: ein neutrales Entwiokelungsstadium des Kindes, 
eine Periode des noch undifferenzierten Geschlechtstriebes, und. 
drittens das Stadium des differenzierten Geschlechtstriebes. Auf 
demselben Standpunkt steht auch Moll. In der Tat findet man 
bei Eintritt der Pubertät, dass der Geschlechtstrieb zwar offenbar 
geworden ist, aber noch keine bestimmte Richtung verfolgt, so 
dass das .Individuum sich öfters sowohl zu dem gleichen als zum 
andern Geschlecht hingezogen fühlt. Deshalb kommen in diesem 
Zwischenstadium auch ohne besondere pathologische Veranlagung 
durch, gelegentliche zufällige Momente (Verführung, geselliges Zu* 
sammenleben) Abirrungen besonders homosexueller Natur vor. 
Erst im weiteren Verlauf der Pubertät macht sich dann allmählich 
der natürliche Trieb zum andern Geschlecht immer stärker und 
bleibend bemerkbar. Dass die Aeusserungen des Geschlechtslebens 
beim Weibe an eine gewisse Periodizität gebunden sind, ist all¬ 
gemein bekannt; aber dass dieselben in ähnlicher Weise auch 
beim Mann vorhanden sind, hat Havelock Ellis gezeigt, welcher 
fand, dass der Geschlechtstrieb des Mannes zweimal im Jahre 
Steigerungen, resp. ein Maximum erfahre, ausserdem mit 8 bis 
14tägigen Schwankungen. Die neuerdings von Dr. Wilhelm 
Fliess aufgesteDte Behauptung, dass bei jedem Individuum ur¬ 
sprünglich eine doppelte Lebenssubstanz vorhanden sei, sowohl 
eine männliche als auch eine weibliche, dass alle lebenden Wesen 
doppelgeschlechtlich veranlagt waren, ja sogar während ihres ganzen 
Lebens doppelgeschlechtlich fühlten, ist nach Eulenburg fach¬ 
wissenschaftlich noch nicht erhärtet. Dieselbe Frage der Bi¬ 
sexualität ist neuerdings auch von Freud, Weininger und be¬ 
sonders von Magnus Hirschfeld studiert worden, welcher ge¬ 
zeigt hat, dass zwischen beiden Geschlechtern vielfach Zwischen¬ 
stufen existieren, wobei der Mann mehr weibliche, das Weib mehr 
männliche Erscheinungen und Eigenschaften zeige und dass die 
Idee der individuellen Doppelgeschlechlichkeit schon seit den ältesten 
Zeiten bekannt ist. Leider ist noch nicht recht aufgeklärt, wie 
die Beziehungen zwischen Geschlechtsleben und Nervensystem an¬ 
geregt und vermittelt werden. Ursprünglich nahm man an, dass 
die Geschlechtsprodukte selbst die Rückenmarks- und Gehirnzentren 
erregen und dadurch die geschlechtliche Spannung auslösen. Diese 
Erklärung bedarf aber noch weiterer Ergänzung, denn die Ge¬ 
schlechtlichkeit beruht noch auf andern Dingen als auf der Tätig- i 
keit der spezifischen Keimdrüsen. Auf dem Wege der inneren 
Absonderung von gewissen Drüsen — u. a. kommt vielleicht die 
am Halse gelegene Schilddrüse hier in Betracht — können in 
sehr geringer Menge Stoffe in die Blutbahnen und zum Nerven¬ 
system gelangen, die dort als spezifi-sch geschlechtlicher Reiz 
wirken. Die durch derartige sogenannte „Enzyme* hervorgerufenen 
eigenartigen Reaktionen und Auslösungen beanspruchen höchst 
wahrscheinlich eine Bedeutung für die Aeusserung des gesunden 
und kranken Geschlechtslebens. Ob aber Störungen in der Ab¬ 
sonderung und Beschaffenheit dieser Enzyme auch für die Ent¬ 


stehung gewisser mit dem Geschlechtsleben zusammenhängender 
Nervenerkrankungen, der Neurasthenie und Hysterie, verantwort¬ 
lich gemacht werden können, entzieht sich vorläufig noch unserer 
Beurteilung. Es ist häutig angenommen worden, dass andauernde 
geschlechtliche Enthaltsamkeit allein ohne vorausbestehende krank¬ 
hafte Veranlagung und ohne weitere Schädlichkeiten bei ge¬ 
sunden Individuen Neurasthenie oder Hysterie heryorrufen könne. 
Dies ist aber nach Eulenborgs Erfahrungen nicht der Fall. Das¬ 
selbe bestätigt Forel. Der Nervengesunde wird die Abstinenz 
ohne Schaden ertragen, der Belastete allerdings nicht immer. Hier 
kommen Einflüsse der Erziehung und des Milieus als ungünstige 
Momente noch in Betracht. Es sind auch von Eulenburg wirkliche 
Schädigungen des Nervensystems bei solchen Personen beobachtet 
worden, welche, neuropathisch veranlagt, aus religiösen, moralischen 
oder anderen aesthetischen Skrupeln sich selbst zu uneingeschränktem 
Gölibat bei auch sonst unbygienischer Lebensweise verdammten. 
Wenn aber im Volk und vielfach auch noch bei Gebildeten die 
Ansicht besteht, dass geschlechtliche Abstinenz sogar Epilepsie und 
Geisteskrankheiten hervorrufen könne, so ist das ein sehr bedaner- 
licher Irrtum, der zu der geradezu gemeingefährlichen Forderung 
geführt hat, man solle epileptische Männer und Mädchen im ver¬ 
meintlichen Interesse ihrer Genesung möglichst rasch heiraten 
lassen. Denn daraus entstehen nicht nur die verderblichsten 
Folgen für die Ehescbliessenden selbst, sondern auch für ihre 
Nachkommenschaft. Gleiche Gefahren können bei der Verhei¬ 
ratung von schwer Neuraathenischen und Hysterischen auftreten, 
und deshalb sollte in solchen Fällen stets erst das Urteil des Arztes 
eingeholt werden. Was den ausserehelichen Verkehr betrifft, so 
ist das der Männerwelt so bequeme Gesetz der „doppelten Moral“ 
gegenüber beiden Geschlechtern leider noch immer anerkannt. 
Freilich machen sich bei uns bereits seit einiger Zeit vernünftige 
Gegenbestrebungen bemerkbar, und zwar mit Unterstützung der 
Aerzte. Eulenburg hat bereits an anderer Stelle ausgesprochen, 
dass, statt immer blos auf die vermeintlichen Gefahren der sexuellen 
Abstinenz aufmerksam zu machen, man lieber stets von neuem 
hygienische Lebensordnung, Bekämpfung schädlicher Neigungen 
und Gewohnheiten, vor allem des überflüssigen Rauchens und 
Trinkens unserer männlichen Jugend predigen solle und auch diö 
D. G. z. B. d. G. hat in einem ihrer Merkblätter darauf binge- 
wiesen, dass Enthaltsamkeit im geschlechtlichen Verkehr nach dem 
übereinstimmenden Urteil der Aerzte, im Gegensatz zu einem viel 
verbreiteten Vorurteil, in der Regel nicht gesundheitsschädlich ist, 
und dass nüchternes Lelwn und fleissige Arbeit sowie körperliche 
Bewegung im Freien (Wandern, Turnen, Schwimmen, Rudern, 
Schlittschuhlaufen usw.) ein gutes Gegengewicht bilden gegen ein 
Ueberhandnehmen des Geschlechtstriebes. Leider sind erschöpfende 
Aufklärungen über die Beziehungen zwischen Geschlechtsleben 
und Nervensystem nicht möglich; wir können nur auf die Pro¬ 
bleme hinweisen, ihre weitere Lösung muss späteren Zeiten über¬ 
lassen bleiben. 

Eine zahlreiche Zuhörerschaft, die den Saal schon lange vor 
Beginn bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, lohnte mit leb¬ 
haftem Beifall die geistreichen Ausführungen des Redners. 


Tafel für ärztliche Stellenvermlttluns. 

Adresse: Aerztllches Aiskunfls-Bureaii des Gesohifts-Aassohusses der 
Berliner ärztlichen Staideevereine Im Medloinisohen WarenhauM (Akt.- 
Gee.), Berlia N., Friadriohstrasae 108 I. 

Für pprsönKche Rücksprache ist Herr Dr. JomUm täarUell Vtl~*/s^ Tfca» in 

Medicinischen Warenhause anwesend. (Mit aütiaer Erlaubnis des Gesch&fu-Ausschusse» 
der Berliner Antlichen Standesvereine vom AuKunfts-Bureau der Med. Woehe fibennittelt.) 

In der Mark wird für sofort ein Assistent eesneht. Näheres 
unter Nr. 1989. 

In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u, Nr, 2007. 
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. u. Nr. 2008. 
In der Mark wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013. 
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045. 
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2(^4. 
In der ^rk wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056. 
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060. 
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Volontärarzt ges. Näh. 
unter Nr. 2061. 

In der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063. 


Verantwortlicher Redakteur s Dr. P. Meiatner, Berlin W. St, Kurfüritenatr. 81. — Verlag von Carl Marheld, Halle a. S. 

Oniek von der HeTneaann'ichea Bttdidmckerei, Gebr Welff, Halle a. S.' ' ' 


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Medicinische Woche 


Deatschmann, A. D&hrssen. A. Hoffa, E. Jacobi, 

Hatnbura. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Giessen. 


Herausgegeben von 



R. Robert, M. Koeppen. K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange, 
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Unvenicht, A. Vossins, 

Magdeburg. Giessen. 


Verlag und Expedition 

— .vC- 

Redaktion: 

Carl Marhold in Halle a« S«« UhUndstrasse 6. 

Berlin W. 62, Kurffirstenstrasse 81. 

Tel.'Adr: Marhold Vertag Hailesaale. Fcmst>recher 823. 


Dr. P Meißner. 

_ 


Vn. Jahrgang. 


19. November 1906. 


Nr. 47. 


Die .Medicinische Woche'erscheint jeden Montag mit der Utflgigen Beilage BalneolOgiSChC CentralzeitUtlg) Organ des SchwarzwaldbSdertages, 
des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badefirzte der Ostsee und kostet jihrlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Buchhandlung, die Pest, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröfieren Aufträgen wird Rabatt gewahrt. 

Nachdruck der Orlglnal-Aufsitze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet- 


Originalien. 

lieber Benzosalin, ein neues Antirheumaticum. 

Von Dr. Carl Ganz. 

Der Wert der Salicylsäure als Antirhenmaticum steht 
schon seit seiner Einführung in die Therapie durch Kolbe im 
Jahre 1874 unbestritten da; die Intoxikationserscheinungen 
nach Salicylsäuregebrauch aber haben die Anwendung derselben 
in Misskredit gerächt und beschränkt. Obzwar über die 
Wirkungsweise der Salicylsäure bei Gelenk- und Mnskelrheu- 
matismus nichts Genaueres bekannt ist. muss doch wegen seiner 
prompten Beeinflussung der Dauer und Schwer© der (ielenks- 
affektionen an eine spezifische Wirkung auf die Krankheits¬ 
ursache gedacht werden. Die Erkenntnis der ausgezeichneten 
Wirkung der Salicylsäure bei rheumatischen und febrilen Krank¬ 
heiten und das Bestreben, die Toxicität derselben zu paraly¬ 
sieren, brachten die Chemie dazu, Ersatzmittel der Salicvlsäure 
zu schaffen, denen die spezifischen Eigenschaften der Salicyl- 
säure ohne dessen schädliche Nebenwirkungen zukommen. 
Unter den zahlreichen auf diese Weise entstandenen Salicyl- 
derivaten, die den an sie gestellten Erwartungen zu entsprechen 
und Vorzüge gegenüber anderen ähnlichen zu besitzen scheinen, 
gehört auch das von der Firma K. Hoffmann-La Roche & Cie. 
in Basel in den Handel gebrachte Benzosalin, der Methylester 
der Benzoylsalicylsäure. Das Benzosalin ist im kalten und 
warmen Wasser unlöslich, goruch- und geschmacklos, erst 
bei längerer Einwirkung des Mundspeichels tritt geringer 
Benzoesäuregeschmack auf. Die mit Benzosalin gemachten 
Erfahrungen am Krankenbette haben ergeben, dass das¬ 
selbe nicht nur ausgezeichnet antirheumatisch wirkt, sondern 
anch die Fiebererscheinungen günstig zu beeinflussen vermag; 
dabei belästigt es nicht im geringsten den Magen, was damit 
Zusammenhängen mag, dass das Benzosalin den Magen unzersetzt 
passiert, um erst im Darmsaft in seine beiden Komponenten, 
feenzoe- und Salicylsäure, zerlegt zu werden, ein Vorteil, der 
dasselbe für eine weitere Medikation sympathisch macht. Seine 
Domäne sind die acuten rheumatischen Affektionen, bei denen 
ausnahmslos günstige Ergebnisse aufzuweisen sind; die spe¬ 
zifische Wirkung liess sich bald nach Einnahme konstatieren, 
indem das Fieber abfiel, die Schmerzhaftigkeit der befallenen 
Gelenke nachliess und die Schwellungen zurückgingen. Hand 
in Hand damit besserte sich auch der übrige Zustand, ohne 
dass dabei Appetenzstörungen auftraten; der Schweissausbruch 
war gering, Collapserscbeinungen wurden nicht beobachtet. 

Im folgenden seien einige Krankengeschichten kurz wieder¬ 
gegeben : 

1. Fall. Ä. L., Kaufmann, 40 J. alt. Diagnose: Rbeuma- 
tismuB articulorum acutus. Pat. gibt an, dass er vor fünf Tagen 


Schmerzen in beiden Kniegelenken nnd Schwellungen in den¬ 
selben bekam, die sich dann später auf beide Knöchel- und 
Handgelenke verbreiteten. Schüttelfrost mit Kopfschmerzen 
und Mattigkeit zwangen ihn, das Bett aufzusuchen. Status 
praes.: Mittelgross, von starkem Knochen- und Muskelbau; 
Lungen- und Herzbefund normal. Beide Knie- und Knöchel¬ 
gelenke, sowie rechtes Handgelenk, mäßig geschwollen und 
gerötet, bei Druck äusserst schmerzhaft. Temperatur 38,7, 
Atmung beschleunigt, Puls 108, Sen.sorium frei. Therapie: 
Fixierung der Gelenke, zweiNtündlich Benzosalin a 0,5 g. Am 
nächsten Tage haben die Schmerzen un i Schwellungen bedeu¬ 
tend nachgelassen, Temperatur abends 37,5; nach weiteren 
zwei Tagen ist Patient vollständig fieberfrei, und wird ihm 
noch, behufs Verhinderung von Uecidiven, i'- 2 g Beuzosalin 
täglich verabreicht. Nach i^echs Tagen vollständige Herstellung 
der Beweglichkeit sämtlicher Gelenke; Pat kann das Bett 
wieder venassen und seiner Beschättigung nachgehon. 

2. Fall. B. D.. 23jähriges Dienstmädchen. Diagnose: Poly¬ 
arthritis rheumaticii acuta. Die Anamnese ergibt, dass Pat. 
be-eits zweimal Gelenkrheumatismiis durchgemacht und seit 
dieser Zeit an Herzklnpfen leidet. Seit einer Woche neuerliches 
Auftreten von Schmerzen in beiden Hand- und sämtlichen 
Fingergelenken, im rechten Ellbogen- und beiden Schulter- 
gelenken, so dass Pat. infolge der dahei entstandenen Schwel¬ 
lungen ganz steif daliegt und jede Bewegung der Arme nur 
mit äusserster Kraftanstrengung ausführen kann. Sämtliche 
von der Krankheit befallenen Gelenke sind gerötet und druck- 
schmerzhaft. Herzauskultation ergibt ein blasendes systolisches 
Geräusch an der Herzspitze und Accentuierung des zweiten 
Pulmonaltonos. Temperatur 39,2“, Puls 120; Therapie: 4 g 
Benzosalin täglich, rat. hat in der ersten Nacht besser ge¬ 
schlafen, die Ilütung ist am nächsten Tage unverändert, die 
Schmerzhaftigkeit der Gelenke aber bedeutend geringer. Tempe¬ 
ratur: 38,5. Am folgenden Tage leichter Schweissausbruch. 
Die Schwellungen am rechten Arme bedeutend weniger, der 
rechte Arm kann bereits ohne Schmerzen bewegt werden, 
beide Arme zeigen keine Rötung mehr. Linker Arm noch ein 
wenig geschwollen. Temperatur 37,2. Nach Verlauf von drei 
Tagen ist Pat. vollständig fieberfrei, die Schwellung der Ge¬ 
lenke des linken Armes ebenfalls verschwunden, so dass Pat. 
als vom Rheumatismus geheilt betrachtet werden kann. Trotz 
des bestehenden Herzfehlers konnte Pat das Benzosalin ohne 
Schaden für das Herz vertragen. 

3. Fall. K. R., :^0 Jahre alte Arbeiterin. Diagnose: Rheu¬ 
matismus acutus und Aiwina. Vor drei Tagen Fieber und Hals¬ 
schmerzen , seit zwei Tagen Schwellung und Schmerzen im 
rechten Knie- und Fussgelonk, die Haut derselben gerötet und 
geschwollen, bei Berührung äusserst schmerzhaft. Temperatur: 
38,3°, Therapie: fünfmal täglich je Vs g Benzosalin, Gurge- 
lungen mit Kalium chloricum. Ajh folgenden Tage ist Pat. 
fieberfrei, die Schwellung besteht noch, Schmerzen und Rötung 
haben nachgelassen, Schluckbeschwerden geringer. Nach drei 


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BfEDIGINISGHE WOCHE. 


Nr. 47. 


Tagen Angina geheilt, keine Schwellung mehr wahrnehmbar. 
Therapie <lieselbe. Am achten Tage seit Beginn der Krank¬ 
heit vollständige Genesung. 

4. Fall. S. T., Fleischer, 33 Jahre alt. Diagnose: Akuter 
fieberhafter Gelenkrheumatismus. Pat. hat einmal eine Pneu¬ 
monie durchgemacht, war sonst stets gesund. Seit fünf Tagen 
fühlt er sich krank und klagt über Schmerzen und Spannungs¬ 
gefühl sämtlicher Gelenke beider unteren Extremitäten, sowie 
des rechten Armes. Objektiv lassen sich Schwellung, Rötung 
und grosso Empfindlichkeit der befallenen Gelenke nachweisen. 
Sonstiger Körperbefund normal. Temperatur 38,6, Puls 108. 
Auf Benzosalindarreichung, und zwar einstündlich je 0,5 g (im 

f ;anzen 4 g), sofort Nachlassen der Schmerzen und Schwel¬ 
ungen; allmählicher Abfall der Temperatur nach je 3 g täg¬ 
licher Benzosalinmedikation. Am sechsten Tag ganz fieber- 
und schmerzfrei, Schwellungen nicht mehr vorhanden. Pat. 
verlässt das Bett. 

5. Fall. D. Z., 21 jähriger Taglöhner. Diagnose; Rheuma¬ 
tismus acutus articulorum. Beginn vor acht Tagen. Pat. klagt 
über Schmerzen io beiden Hand- und Fussgelenken. die ge¬ 
schwollen und gerötet sind. Temperatur 38,1'’. Umschläge 
mit essigsaurer Tonerde und Natr. salicylicum, dreimal täglich 
je 1,0g. bringen bloss vorübergehende Besserung; nach drei 
Tagen Recidive. Nach dreimal täglich je 2 Benzosaliopastillen 
a 0,5 g tritt prompter Temperaturabfall und sofortiges Ver¬ 
schwinden von Rötung, Scliraerzen und Schwellung der Ge¬ 
lenke binnen drei Tagen ein, so dass Pat. geheilt entlassen 
werden kann. 

6 . Fall. B. F., öOjähriger Schneider. Diagnose: Ischias. 
Pat. datiert die Krankheit seit acht Tagen, angeblich nach 
einer Verkühlung. Starke Schmerzen im ganzen rechten Bein, 
hauptsächlich des Nachts, so dass Pat. nicht schlafen kann; 
jede Bewegung im Bett verursacht ihm Schmerzen. Objektiv 
im ganzen Verlaufe des Nervus ischiadiens Druckschmerz¬ 
haftigkeit, hauptsächlich in der Glutäalgegend und am Köpf¬ 
chen der fibula. Pat. erhält fünfmal täglich je V 2 g ßenzo- 
salin, nach welchem geringer Schweiss eintritt. Bereits am 
zweiten Tag kann Pat. das Bein besser bewegen, die Schmerz¬ 
haftigkeit ist geringer; nach fünf Tagen hat sich unter fort¬ 
laufender Benzosalinmedikation der Zustand soweit gebessert, 
dass Pat. seiner Arbeit nachgehen kann. 

7. Fall. S. G., 42 jährige Taglöhnerin. Diagnose: Rheu¬ 
matismus acutus articulorum. Pat. leidet seit mehreren Jahren 
an rheumatischen Beschwerden, die sich angeblich bei Regen¬ 
wetter verschlimmern. Vor zehn Tagen erkrankte sie aber¬ 
mals mit Schmerzen im rechten Bein; ^eichzeitig traten Rötung 


Feuilleton. 


Valparaiso. 

Aus dem Tagebuche eines Schiffsarztes. 

Von Dr. M. Brenning. 

Wie die meisten Reisenden, welche zu Schiff nach Neapel 
kommen, infolge des Mangels an Vegetation in der näheren 
Umgebung der Stadt ein wenig enttäuscht zu sein pflegen und 
keineswegs daran denken, zu sterben, nachdem sie Neapel 
gesehen haben, so dürfte auch beim Anblick von Valparaiso 
eine gewisse Enttäuschung die Regel sein. Rio de Janeiro, 
diesen, seiner Lago nach, unvergleichlich schönen Hafenplatz, 
über welchen die Natur die ganze Fülle ihrer Pracht ausge- 
gosson zu haben scheint, und andere kaum weniger schöne 
Häfen in allen Teilen der Welt, kannte ich bereits; wie musste 
nun erst jenes „Tal des Paradieses“, von welchem ich so viel 
gehört hatte, beschaffen sein! 

Die Sonne war eben hinter der fernen Gebirgskette der 
Anden emporgostiegen, als wir vor Valparaiso anlangten. Er¬ 
wartungsvoll spähte ich nach den Schätzen des Paradieses 
aus. welche sich nach meiner Vorstellung alsbald meinen 
staunenden Blicken darbieten mussten. Doch je näher wir 


und Schwellung der Gegend des rechten Sprung- und Knie- 

t elenkes ein. Interner Befund normal; rechtes Sprung- und 
Kniegelenk aktiv bewegungsunfähig, leicht geschwollen und 
auf Druck äusserst schmerzhaft. Temperatur: 38,5®. Therapie: 
Umschläge mit essigsaurer Tonerde, zweistündlich je '/a g 
Benzosalm. Unter stetiger Zunahme der Besserung war Pat. 
in sechs Tagen beschwerdefrei, die Schmerzen bei aktiver und 
assiver Bewegung waren vollkommen geschwunden, die 
chwellungen verliefen sich unter Massage. Nach weiteren 
fünf T^en konnte Pat. arbeitsfähig entlassen werden. 

8 . Fall. K. N., 35jähriger Kommis. Diagnose: Polyarthritis 
rheumatica acuta. Pat., der an Bronchitis vor vier Tagen er¬ 
krankte, klagt über Fieber und Schmerzen in beiden Knie- 
und Fussgelenken und im rechten Handgelenk; sämtliche von 
der Krankheit befallenen Gelenke sind gerötet, geschwollen 
und äusserst druckempfindlich. Temperatur: 39'’. Therapie: 
4 g Benzosalin in g - Dosen einstüudlich. In der darauf¬ 
folgenden Nacht hat Pat. besser geschlafen und leicht ge¬ 
schwitzt. Die Gelenke noch immer geschwollen, dagegen dio 
Schmerzen bedeutend geringer. Therapie: Dieselbe wie tags 
vorher. Die Rötung der Hand verschwunden, ebenso beider 
Kniegelenke, die Schwellungen überall geringer, die Schmerzen 
mäßiger. Unter weiterer Benzosalintherapie war Pat. nach 
einer Woche vollkommen hergestellt und arbeitsfähig. 

Aber auch subakute und chronische Rheumatitiden wurden 
mit ersichtlichem Effekt von Benzosalin beeinflusst. 

9. Fall. A. E., 25jährige Bäckersfrau. Diagnose: Rheu¬ 
matismus articulorum subacutus. Pat. klagt über Schmerzen 
im rechten Ellbogengelenk, das bei Inspektion nicht gerötet 
erscheint; leichte Schwellung. Temperatur: 37,2®. Therapie; 
Jodpinselungen, fünfmal täglich je g Benzosalin, das drei 
Tage hindurch gegeben wird. Die Schmerzen Hessen allmäh¬ 
lich nach, Temperatur sinkt zur Norm. Nach acht Tagen voll¬ 
kommene Heilung. 

10. Fall. H. Z., 41 jähriger Schneider. Diagnose: Rheuma¬ 
tismus chronicus. Pat. hat bereits dreimal im Verlaufe von 
fünf Jahren Gelenkrheumatismus durchgemacht, erkrankte vor 
14 Tagen neuerdings mit Schmerzen in beiden Hand- und 
sämtlichen Fingergelenken ohne Schwellung und Rötung. Sali- 
pyrin und Einreibungen bringen gar keine Erleichterung. Auf 
Benzosalin, fünf Tage lang fünfmal täglich je V« lassen die 
Schmerzen vollständig nach, nach weiteren drei Tagen war 
Fat. schmerzfrei und konnte die Arbeit wieder aufnehmen. 

In 2 Fällen von Pleuritis exudativa auf rheumatischer Basis 
war die antirheumatische und resorptionsbefördernde Wirkung 
des Benzosalins ähnlich der der S^icylsäure zu konstatieren, 


dem Hafen kamen, desto mehr erkannte ich, dass ich mich 
gründlich getäuscht hatte, so gründlich, wie später nur noch 
einmal, und das war eben bei meinem ersten Besuche Neapels. 

Wie viele Hafenstädte, so zieht sich auch Valparaiso, 
welches an einer nahezu halbkreisförmigen, nach Norden zn 
ziemlich offenen Bucht gelegen ist, amphitheatralisch die Berg¬ 
abhänge hinauf. Doch diese Abhänge entbehren, abgesehen 
von einigen kleineren Gärten und vereinzelt stehendem Busch¬ 
werke, eigentlich jeglicher Vegetation, und die Gipfel der die 
Stadt wie einen Kranz umgebenden Berge sind sogar völlig 
kahl und bilden in ihrem eintönigen, gelbbraunen Kolorit einen 
nichts weniger als malerischen Hintergrund. Dass ein von der 
Natur so wenig bevorzugter Ort „Tal des Paradieses“ genannt 
wurde, ist ohne Zweifel nur dadurch zu erklären, dass die 
spanischen Eroberer auf ihrem Zuge von Peru aus nach Süden 
gezwungen waren, zunächst das nördliche Chile zu passieren, 
eine Gegend, welche auf einer Strecke von gegen 1000 km so 
gut wie vollständig vegetationslos ist, und wohl das ödeste 
und traurigste Gebiet darstellt, welches überhaupt auf der 
Erde existiert. 

Während im Süden der Bucht der schmale Uferstreifen 
nur Raum für eine oder zwei Strassen übrig lässt, entfaltet 
sich im Norden, wo die Berge ein wenig zurücktreten, die 
Stadt zu grösserer Breite, so dass hier etwa 5 bis 6 Strassen 
parallel zu einander und zu dem Ufer der Bucht angelegt 
werden konnten. Von diesen Strassen und ihrem dichten 


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1906. 


MBDIOINISCHE WOCHE. 


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ohne daraus einen Schluss auf Verlässlichkeit bei derlei 
Krankheiten zu ziehen. 

11. Fall. Ch. E., 45 Jahre alt, Private. Diagnose: Pleuritis 
exudatira. Anamnese ergibt, dass Pat. vor 7 Monaten Lungen¬ 
entzündung durchgemacht habe; seither besteht Husten. Seit 
3 Wochen klagt Pat. über Stechen in der rechten Seite, das 
stetig zunahm, bis ein Schüttelfrost vor 3 Tagen sie zwang, 
das Bett anfzusuchen und ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. 
Stat. praesens: kräftig gebaute und gutgenänrte Person von 
mittelgrosser Gestalt. Rechte Brustseite Weibt bei der Atmung 
zurück und ist auf Druck schmerzhaft; Percussion links hell 
und voll, rechts vorne vom oberen Rand der 3. Rippe nach 
abwärts gedämpft tympanitisch, hinten von der Spina scapulae 
an ebenfalls dumpfer Schall. Auskultatorischer Befund links 
normal, rechts im Bereiche des veränderten Schalles vollkommen 
aufgehoben. Temperatur 38,5®, Puls und Atmung beschleunigt. 
Therapie: Digitalisinfus, das später mit Digalen vertauscnt 
wurde, Dunstumschlä^e, 4 g Benzosalin tägli^. Unter dieser 
Behandlung bessert sich der Zustand immer mehr, Schmerzen 
und Atmungsbescbwerden lassen nach; Pat. ist nach 6 Tagen 
vollkommen fieberfrei, die pleuritischen Erscheinungen treten 
zurück. Nach 15 Tagen ist der Percussionsschall rechts noch 
ein wenig gedämpft, auskultatorisch einige Rasselgeräusche und 
pleurales Reiben. Pat. fährt zur weiteren Behandlung in einen 
Kurort. 

In weiteren 3 Fällen von typischer Influenza weichen nach 
je 3 g täglich Benzosalin alle krankhaften Symptome. 

Aus den nach obigen Versuchen mit Benzosalin gemachten 
Erfahrungen bewährt sich dasselbe in erster Linie als Spezifikum 
bei allen Arten von Rheumatismus unter Vermeidung jeglicher 
unangenehmen Nebenwirkungen; neben dieser antirheumatischen 
Wirkung kann das Benzosalin auch als Antipyreticum Ver¬ 
wendung finden, so dass dasselbe geeignet erscheint, das Na¬ 
trium und Acidum salicylicum vollständig zu ersetzen, weshalb 
seine Einführung in die Therapie eine beachtenswerte Be¬ 
reicherung unseres Arzneischatzes bedeutet. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medicinische Gese^ehaft* 

Sitzung vom 31. Oktober 190G. 

Vor der Tagesordnung: 

Stabei demonstriert einen Patienten mit einem Ecchymoma 


conjunctivae, das nach Stoss gegen das Abdomen, das selbst 
keinerlei Verletzungen aufwies, entstanden war. 

Krause zeigt einen Patienten, bei dem er den Ersatz des 
Daumens durch die grosse Zehe mit vorzüglichem kosmetischem 
Erfolg vorgenommen hat. Es besteht eine gute passive Beweg¬ 
lichkeit; eine aktive durch Uebung erzielen zu können, ist zu er¬ 
warten. Die nrspntn^ich beabsichtigte Verkleinerung der trans¬ 
plantierten Zehe trat spontan durch Nekrose in der Narbe ein. 

V. Bergmann stellt einen Patienten mit einem grossen 
Knochensarkom der Nase vor. 

Tagesordnung. 

Saul: Demonstration zur Aetiologie der Tumoren. 

S. bespricht zunächst einige Statistiken, aus denen sich Mo¬ 
mente für die parasitäre Natur des Krebses ziehen lassen. Als¬ 
dann demonstriert er eine Reihe von Bildern, die Amoeben als 
Erreger des Koblkrebses darstellen sollen. 

Türk: Ueber eine Strömung in der vorderen 
Augenkammer. 

Die interessanten Experimente, die eingehend besprochen 
werden, haben ergeben, dass in der vorderen Augenkaramer bei 
Kaninchen eine eigenartige Strömung besteht, die an der hinteren 
Wand aufwärts, an der vorderen nach abwärts gerichtet ist. Sie 
entsteht wahrscheinlich infolge der Temperatardifferenzen der 
Wandungen, höhere an den hinteren, niedere durch Abkühlung an 
der vorderen. Es erscheint wahrscheinlich, dass die Ehr lieh sehe 
Pluoresceinlinie durch eine solche Strömung bedingt ist. Vielleicht 
lassen sich durch dieselbe auch gewisse Ablagerungen an der 
hinteren Eammerwand bei Iritis erklären. 

Diskussion: 

Wessely berichtet von Experimenten, die das Auftreten von 
Fluoresoeinlinien auch bei Anssdiluss von Temperatnrdifferenzen 
erkennen Hessen. Er hegt deshalb Zweifel bezüglich der Richtig¬ 
keit der von Türk seinen Experimenten gegebenen Deutung. 

Hamburger schliesst sich den Bedenken au. P. 

GeaeUschaft der Aerzte isu Ma/miheim, 

Sitzung vom 22. Oktober 1906, 

Hanser: Ueber Thomlsensche Krankheit. Demonstra¬ 
tion eines Falles. 

Das Wesen der Thomsenschen Krankheit besteht in der 
Myotonie. Jeder willkürlich oder passiv bewegte Muskel, der vor¬ 
her eine Zeit lang in Ruhe war, verfällt bei seiner Kontraktion 
in einen mehr oder weniger langen andauernden Kontraktionszu- 


Häusermeere aus zielien sich nun etwa 15 bis 20 schmale, 
mehr oder weniger tiefe, häufig von einem kleinen Bache 
durchflossene Schluchten, die sogenannten „Quebradas“, die 
Abhänge hinauf und bilden gewissermaßen die Querstrassen, 
da auch sie mit nach oben mn immer spärlicher steheuden 
Häusern, welche oft wie Schwalbennester an den Felswänden 
kleben, besetzt sind. Nur wenige Gebäude, wie die hoch ge¬ 
legene Marineschule, treten schon von weitem unter den übrigen 
Häusern in auffallender Weise hervor. Sonst bietet sich eigent¬ 
lich nichts, was das Auge besonders fesseln könnte. 

Bei dem Versuche, an Land zu gehen, wartete meiner 
eine neue Enttäuschung. Ich hatte als selbstverständlich an¬ 
genommen, dass man in dem weitaus bedeutendsten Hafen an 
der ganzen Westküste von Süd-Amerika bequem und sicher 
an Land steigen könnte. Statt dessen fand ich eine hölzerne, 
halb verfallene, halbkreisförmige Treppe, deren unterste Stufen 
beständig vom Wasser überflutet und daher schlüpfrig waren; 
ein Geländer war erst an den oberen Stufen angebracht. 
Wollte man daher nicht Gefahr laufen, auszugleiten und ins 
Wasser zu stürzen, so war man gezwungen, von dem Boote 
aus jene Treppe buchstäblich hinaufzukriechen, bis man das 
Geländer erreicht hatte. Dass man danach in nicht gerade 
salonfähigem Zustande oben anlangte, lässt sich denken. 

Hatto man sich durch die grosse Schar der dort herum- 
lungernden Müssiggänger und Neugierigen hindurchgewunden, 
so gelangte man auf einen weiten Platz, die Plaza Sotomayor, 


an welchem die Station der Santiago-Bahn, das Gouvernements¬ 
gebäude, die Post und die Haupt-Feuerwache gelegen sind. 
Keines dieser Gebäude verdient indessen eine besondere Be¬ 
achtung. Ueber einen kleineren Platz, die Plazuela de Justicia, 
auf welchen dem Wanderer das erste deutsche Firmenschild, 
nämlich das der grossen Droguenhandlung und Apotheke von 
Teicbmann & Co., in die Augen fallt, kommt man in die Calle 
Arthuro Prat, die Haupt-Verkehrsstrasso von Valparaiso. Es 
ist dieses eine schmale, in mehrfachen Windungen nicht weit 
vom Strande entlangfübrende Strasse, in welcher, ebenso wie 
in ihrer Fortsetzung, der Calle Esmeralda, die wichtigsten Ge¬ 
schäfte, Hotels, Banken, Versicherungs-Gesellschaften etc. ihren 
Wohnsitz aufgeschlagen haben. Auch hier fielen mir die vielen 
deutschen Namen, besonders an den grössten Läden, auf, ein 
Zeichen, dass unsere Landsleute auch in Valparaiso eine be¬ 
deutende Rolle im Verkehrsleben spielen. Ein ähnliches Aus¬ 
sehen haben weiterhin noch die Calle Condeil und die Calle 


Victoria, womit allerdings die Geschäftsstrassen der Stadt 
nahezu erschöpft sein dürften. Eine angenehme Unterbrech¬ 
ung dieser Strassenzüge mit ihrem recht lebhaften Verkehr 
bildet die kleine Plaza Victoria mit schönen schattigen An¬ 
lagen, welche sonst in Valparaiso leider recht spärlich sind, 
wie sich auch Bäume nur in sehr wenigen Strassen, wie in 
der schon erwähnten Calle Victoria, finden. An der Plaza 


Victoria erheben sich die Kirche „Espirito Santo“ und das 
„Victoria-Theater“. - (Schluss folgt.) 


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BISDIGIKISCSB WOüliB. 


Nr. 47. 


stand, einem Tetanus vergleichbar. Es ist dem hetrefiPenden Indi¬ 
viduum unmöglich, den einmal kontrahierten Muskel sofort wieder 
erschlaffen zu lassen. Erst nachdem dieselbe Bewegung mehrmals 
hintereinander ausgefUhrt ist, werden die Widerstände leichter 
überwältigt und dadurch die Bewegungen leichter und gelenkiger. 
Die Muskeln zeigen eine ungewöhnliche Entwickelung, sodass man 
fast von einer echten Muskelhypertrophie sprechen kann. Die 
elektrische Erregbarkeit der Nerven imd Muskeln zeigt ebenfalls 
interessante Abweichungen. Bei andauernden faradiscben wie 
galvanischen Reizen tritt eine Nachdauer der Zuckungen auch 
nach Aufhören des Reizes auf. Die Muskeln sind faradisch sehr 
leicht-erregbar. Auch zeigen sich bei anhaltenden Reizen eigen¬ 
tümliche wogende oscilliereade Muskelkontraktionen. Die mechanische 
Erregbarkeit der Muskeln beim Beklopfen ist gleichfalls meist er¬ 
höht. Als anatomische Grundlage für diese Krankheit ist wohl 
eine angeborene Anomalie des Muskelsystems anzusehen. Erb 
konnte eine Volumzunahme der einzelnen Muskelfasern, eine feine 
und undeutliche Querstreifung, reichliche Kernvermehrung und 
Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes konstatieren. Die 
Krankheit ist häufig familiär; so beobachtete sie Thomson an 
sich selbst und an zahlreichen Mitgliedern seiner Familie. Die 
Therapie ist ziemlich machtlos. Psychische Erregungen müssen 
vermieden werden; desgl. wirkt Abkühlung sehr ungünstig. 

Der von Hanser vorgestellte Fall weicht doch in manchen 
Punkten wesentlich von diesem Bilde ab, wie es Thomson für 
diese Krankheit beschrieben hat. Während das Leiden in der 
Regel im frühen Kindesalter sich schon bemerkbar macht, traten 
hier die Erscheinungen erst im frühen Mannesalter auf. Der 
Patient war früher Athlet gewesen und merkte erst, nachdem er 
einige .Tahre diesem Gewerbe angehört, die ersten Symptome. 
Auch ist neuerdings ein Pall beschrieben worden, wo sich die 
ersten Symptome der Krankheit zeigten, als das betreffende Indi¬ 
viduum zum Militärdienst eingezogen war. Das Leiden wurde 
erst nach vielfacher Untersuchung als solches erkannt, war vorher 
immer für Simulation gehalten worden. Was nun den Hanser- 
schen Fall besonders auszeichnet, ist der Umstand, dass die be¬ 
fallenen Muskeln sämtlich eine hochgradige Atrophie zeigen. Trotz¬ 
dem möchte Hanser diesen Fall auch für eine Thomsensche 
Erkrankung halten. Dieselbe Beobachtung ist auch von anderen 
Autoren festgestellt worden und diese, wie auch H., neigen der 
Ansicht zu, dass die Atrophie das primäre sei. Bei dem vorge- 
stellten Patienten waren besonders die Extremitäten, Hals- und 
Kaumuskeln befallen. Neuerdings ist auch das Befallensein von 
glatten Muskeln konstatiert worden. Dr. Max Jacohy. 


Kongressbericht. 

7Ä. VeraamniUing deuineher Nainrforscher und 
Aerzte in Stuttgart, 

Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie. 

Sitzung vom 2i}. September 1906, vormittags 8 Uhr. 

Vorsitzender: Herr Fehling 

1. Demonstrationen. 

Hr. Schic ke 1 e-Strassliiirg : 1. O va ri al grav idität. Das 
Ei sass in der Peri|)herie des <U-;inums, in nächster Nähe des 
letzten Corpus luteum. Die Bititgcrmiisel , denen das Ovarium 
aufliogt und mit denen di« Eimole in V^ertiindung stand, siud von 
einer derhen Haematoceleiimi-Mnljraii »iingcbon (s. unten). 

2 . Geplatzte 3 Vz m o n af 1 i c li e Tu 1) e n s ch w an g er sch a f t 
mit multiplen Usuren der Eiwand. Der Fötus zeigt einen 
tiefen Riss in der Brusthölilo, der nicht arleticiell, sondern wahr- 
.schoinlich dadurch entstanden i<t. das.s beim Platzen des Frucht- 
sai-ks der Fötus corniuplicato corpore geboren und an seiner Kon¬ 
vexität iil)erd(dmt worden ist. 

Hr. Seil aller-Stuttgart demonstriert eine si e be n m o n a t- 
liehe M issgebur t mit totalem Defekt der Nabelschnur, ausserdem 
inultiplcii Missbildungen (Hydreuceplialocele posterior, rechtsseitiger 
All iplitliidnius, Hasenseharte, Wolfsrachen msw., komplette Tlioraeo- 
gastroschisis). 


Hr. Schäffer -Heidelberg demonstriert intraligamontär 
entwickeltes Kystomyxofibromyöm. 

2. Vorträge, 

Hr. Sch ick el 6-Strassburg! Ueberdie Implantationder 
Eier im Ovarium. 

Nach unseren heutigen Kenntnissen lassen sich zwei Arten von 
Eiimplantation im Ovarium unterscheiden, die intrafol’ikuläre, für 
die C. van Tussenbrock ein typisches Beispiel beigebracht 
hat, und die intraovariale, wie im Palle von Franz. Sch. kann 
hierzu einen weiteren Beitrag liefern mit einem Fall, wo das Ei 
wie bei Franz neben dem Corpus luteum peripher von ihm lag. 
Das wachsende Ei bat einen cirkumskripten Abschnitt des Corpus 
luteum stark ausgedehut, jedoch derart, dass der übrige Teil des 
Corpus luteum und seine Höhle unverändert geblieben sind. Dies 
lässt sich nur dadurch erklären, dass sich das befruchtete Ei in 
einer Falte der dünnen geborstenen Follikelwand niedergelassen 
hat. So entwickelte sich das Ei zwar intraovarial, ist aber auf der 
einen Seite von den sich weiter ausbildendeu Luteinzelleu umgeben. 
Man kann diese Art der Eieinbettung als epovariale bezeichnen. 

Hr. Sip pel-Frankfurt a. M.; Ueber einen neuen Vor¬ 
schlag zur Bekämpfung sch we rst er E kla m psie forme n. 

Die aktive, auf möglichst i*asche Beseitigung der Schwanger¬ 
schaft gerichtete Therapie genügt nicht in allen Fällen. In vielen 
Fällen ist die Ausscheidung des Giftes auch nach der Entbindung 
noch gehemmt, und hier kommt der zweite therapeutische Weg in 
Betracht: Die Entfernung der im Körper vorhandenen Toxine. 
Die hierzu angewandten bekannten Mittel reichen nicht aus, oft 
genug gehen die Kranken im Couia zugrunde. Dies hat seine 
Ursache in einem Versagen der Niorenfunktiou, die ihi-erseits wieder 
auf degenerativen Vorgängen infolge von Stauung beruhen. Diese 
koranit in einer Voluinvergrö.sserung des Organs zum Ausdruck, 
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Stauung haben die 
Kouvulsiouen selbst. Die intrakapsuläre Drucksteigerung lässt 
sich durch Spaltung der Kapsel, bezw. Nephrotomie beseitigen. S. 
schlägt vor, in Fällen, in denen nach der Geburt trotz ent¬ 
sprechender Hilfen die Nierensekretiou nicht in Gang kommt, die 
beiderseitige Spaltung der Nierenkapsel vorzunehmen, ein Vorschlag, 
den er bereits im Jahre 1900 gemacht hat. Edebohls hat diese 
Operation zwar schon mit Erfolg gemacht, jedoch ohne weitere Be¬ 
gründung, speziell jede pathologisch-anatomische Unteilage. 

Diskussion. 

Hr. K rön i g-Freiburg i. B.: Von chirurgischer Seite wird 
die W^irksamkeit der Dekapsulation bei akuten Nierenerkrankungen 
bezweifelt. K. wird aber im gegebenen Palle nach dem Vorschlag 
von Sippel operieren. 

Hr. Schaffer-Heidelberg macht auf eine Mitteilung von 
Körte weg aufmerksam, nach der die einseitige Dekapsulation 
genügt, um Wiederbor.stellung der Diurese zu erzielen, 

Hr. Pankow-Preiburg i. B.: Ueber R eimplant atio n 
der Ovarien beim Menschen. 

Mau unterscheidet autoplastisclie (Umjifianzung der eigenen) 
und homofilastische (Einpflanziiug der Ovarien anderer Frauen) 
Transplantationen. P. berichtet über neun eigene Fälle, und zwar 
sieben autoplastische und zwei homoplastische. Die sieben ersteren 
wurden ausgeführt einmal wegen Blutungen und Dysmenorrhoe, 
einmal wegen Dysmenorrhoe allein. Die Ovarien wurden in eine 
Bauclifelltasche zwischen Blase und Uterus eingenäht und Einheilung 
in fünf Fällen beobachtet. Die Resultate sind noch zweifelhaft: 
Dysmenorrhoe und Blutungen zeigten keine odernur geringe Besserung. 
Bei der Osteoinalacie trat anfangs rasch Besserung, nach Wieder¬ 
eintreten der Periode aber erneute Verschlechterung ein, erat auf 
Allgemeinbehandlung mit Solbädern und Lebertran erfolgte völlige 
Heilung. Die beiden Fälle von homoplastischer Transplantation 
hatten keinen Erfolg, vielleicht lässt sich dieser mit einer Modifi¬ 
kation des Verfahrens erreichen, etwa durch Verwendung der 
Ovarien von Neugeborenen. 


Diskussion. 

Hr. Kronig-Freiburg i. ß. pflanzt kleine Stücke von Ovarien 
von Neugeborenen ein, er glaul>t, dass die Weismannsche 
Theorie durch zahlreiche hninnpla,stische Transplantationen gelöst 
werden könnte. 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


513 


Hr. Pankow: Die implantierten Ovarien passen eiuU in ganz 
knrzer Zeit ihren neuen Funktionen an. 

Hr. Scballer-Stuttgart: Zur Vaporisationsfrage. 

Auf Onmd von 26 Fällen kommt Sch. zu folgenden Resultaten: 
3. die Vaporisation kann die AI}rasio in gewissen Fällen wirksam 
ergänzen. 2. Eine exakte Do^erung ist nicht möglich, deshalb die 
Misserfolge. 3. Bei jugendlichen Frauen in gebärfähigem Alter 
ist die Vaporisation wegen der Gefahren der Menopause und Obli¬ 
teration zu verwerfen. 4. Bei Myomen ist die Vaporisation kon¬ 
traindiziert. 5. Auch lange bis zu 6 Minuten dauernde Vaporisation 
ist häufig nicht imstande, radikale Maßnahmen zu ersetzen. 6. 
Partielle Obliteration und Haematometrabildung kann nicht sicher 
vermieden werden. 7. Bei hartnäckigen, nicht infektiösen, gegen 
andere. Behandlungsmethoden refraktären, häufig mit Pruritus ver¬ 
gesellschafteten Katarrhen kann das Obliterationsverfahren gute 
Dienste leisten. 

Hr. Ziegenspeck-Müneben: lieber Pessarien. 

Z. rekapituliert kurz die Geschichte der Pessare und beschreibt 
dann die von ihm augewendeteu Formen, gegen Retroflexion das 
Gabelpessar und das verbesserte Thomaspessar, gegen Prolaps und 
Descensus das Zungen-Bügelpessar (bei Cystokolpocele mit Retro- 
fiexion) und das Schleifenpessar (bei Proctokolpocele). 

Abteilang ftr Chirurgie. 

4. Sitzung, Freitag, 21. September 1906, nachm. 

17. Hr. Lichtenstern-Wien: lieber Funktionsstör¬ 
ungen der nach Nephrektomie restierenden Niere. 

Bei nacbuntersuchten nepbrektomierten Patienten fand L., in 
Ilebereinstimmung mit seinen früheren Tierexperimenten, beträcht¬ 
liche Schwankungen In der Zuckerausscheidung nach Phloridzin- 
darreichung, wonach also die Phloridzinprobe kein exaktes Reagens 
auf die Funktionsfähigkeit der Niere darstellt. 

18. Hr. V. Hovorka-Wien: lieber die Wichtigkeit 
der Ausfüllung hohler RäQiud in der Chirurgie. 

Vortr. wünscht der v. Mosetigschen Jodoformknochenplombe 
grössere Beachtung. Misserfolge fallen der Technik zur Last. 
Sie muss gut anliegen, alles Kranke muss entfernt, die Höhle 
selbst absolut trocken sein; dann wird sie resorbiert und durch 
echtes Knochengewebe ersetzt. Vergiftungen wurden nicht be¬ 
obachtet. Fisteln sind kein Hindernis. Auch die erweiterte An¬ 
wendung der Plombe auf Weichteilhöhleu bewährte sich. 

Diskussion: Herr Hirsch-Wien würdigt die Bedeutung 
der Plombe bei Gelenkresektionen. Man kann viel mehr von 
der Kontinuität des Knochens erhalten, wenn man die auf der 
Sägefläche sichtbaren Herde ausmeisselt und plombiert. 

19. Hr. Rosenfeld-NUrnberg: lle ber Krü ppel fürsorge. 

In Deutschland leben mindestens 360 000 Krüppel, davon 

zwei Drittel in ärmlichen Verhältnissen, 15 Proz. fallen der 
Armenpflege zur Last. Die Krüppel fürsorge in Deutschland ist 
noch sehr zurück, die jetzt neu organisierte Münchener Anstalt 
ist die einzige staatliche. Eine Anstalt müsste zugleich Heilanstalt, 
Erziehungsanstalt, gewerbliche Fortbildungsschule und Versorgungs- 
heim für Erwerbsunfähige sein. Durch mangelhafte Ausbildung 
and Versorgung der Krüppel erwächst dem Land beträchtlicher 
Schaden, da es sie unterhalten muss. In Deutschland gibt es 
nur 33 Institute mit zusammen über 2600 Betten. Die Haupt¬ 
sache wäre entsprechende spezialärztliche Hilfe in entsprechenden 
Kliniken; denn 80 Proz. der Krüppel werden nach Lange durch 
orthopädische Hilfe erwerbsfähig. Die Aerzte sollten sich mehr 
für diese Frage interessieren. 

Diskussion; Herr Bade-Hannover bedauert, dass vieler- 
cn’ts die KrUppelfürsorge in der Hand der Geistlichkeit liegt, an¬ 
statt in der des Staates. Der Arzt muss zeigen, was unsere Kunst 
für den Kranken leisten kann, dann findet er am ehesten Unter¬ 
stützung; das hat B. wenigstens iu seinem Wirkimgskreis erfahren. 

20. Hr. Ri tter-Greifswald :DieNeubildungvonLymph- 
drüsen im Fettgewebe bei Karzinom und Sarkom. 

R. zeigt Präparate von solchen Lymphdrüsen, z. B. aus der 
Axilla bei Mammakarzinom, bei welchen Fett- und Lymphdrüsenge- 
webe ganz unvermittelt ineinander übergeben. Es handelt sich 


dabei nicht um fettige Entartung der Drüse, denn das Fett liegt 
peripher, nicht zentral iu den Drüsen.’ R. glaubt, dass das Kar¬ 
zinom erst sekundär in die neugebildeten Lymphdrüsen hinein¬ 
wächst. 

21. Hr. Arnsperger-Heidelberg: Die Diagnose des 
funktionellen Ikterus. 

Es gibt Fälle von Ikterus, welche ohne Hindernis in den 
Gallenwegen einhergehen, also auf eine Funktionsstörung der 
Leber zu beziehen sind; sie sind klinisch erkennbar, selbst wenn 
ein mechanisches Moment noch hinzukommt: chronischer Verlauf, 
Abmagerung ohne Kachexie, Ikterus, gleichmäßige Lebervergrösser- 
ung, Fehlen von Milztumor oder Aszites, gleichmässige Färbung 
der Fäzes, Urobiliuurie, oft mit Albuminurie, Hämoglobiumangel 
sind bezeichnend für das Leiden. In 2 Fällen wurde die Diagnose 
gestellt und der Zustand durch Jodkali gebessert (Lues). Die 
Operation wirkt in solchen Fällen meist schädlich. 

Sektion 16 für innere Medioin, Pharmakologie, Balneologie und 

Hydrotherapie. 

Nachtrag zu dem Vortrag von Minkowski vom 17. Sep¬ 
tember; Zur Deutung von Herzarythmien mittels des 
„oesophagealen^^ Kardiogramms. 

An der vom Oesophagus aus aufgeuommenen Kurve kommen 
sämtliche Phasen der Herzbewegung zum Ausdruck. Bei jeder 
Verkleinerung einer Herzhöhle wird die Wand des Oesophagus 
nach vom gezogen. Man erkennt in der Präsystole die anfangs 
schneller, dann langsamer verlaufende Entleerung des Vorhofs. 
Dann folgt ein steiles Ansteigen der Kurve bei der Erschlaffung 
des Vorhofs und der gleichzeitigen Anspannung des Ventrikels, 
bis zur Eröffnung der arteriellen Klappen. Die Entleerung des 
Ventrikels in der Austreibungszeit führt mit der Verkleinerung 
des Herzeus wieder zu einer stärkeren Senkung der Kurve. Dieser 
folgt die diastolische Füllung des Herzens, bei der die Oesophagus- 
wand allmählich nach hinten gedrängt wird, bis die wiedereinsetzende 
Vorhofskontraktion sie abermals nach vorn zieht. 

Bei einem Fall von Herzarythmie sieht man eine stärkere 
Erhebung mit nachfolgender tieferer Senkung in der Mitte der 
langen Pulsperiode, welche am Arterienpuls absolut nicht bemerkbar 
ist. Der nachfolgenden am Pulse bemerkbaren Ventrikelsystole 
scheint eine Vorhofskontraktion nicht unmittelbar vorauszugehen. 
Die tiefe Senkung während der Pulsinterraission entspricht der zu 
der folgenden Ventrikelsystole gehörenden Vorhofskontraktion. Es 
handelt sich um einen verzögerten Ablauf einzelner Herzkontrak¬ 
tionen durch Störung der Reizleitung bei Pulsus retardatus. Die 
Störung beruhte vermutlich auf einer Vaguswirkung, da nach 
Atropin die langsamen Pulse seltener wurden. In gleicher Weise 
wie die Insuffizienz der TriouspidHÜs am Venenpuls sich bemerkbar 
macht, kommt die Schlussuufahigkeit der Mitralis au den Beweg¬ 
ungen des linken Vorhofs zum Au.sdruck. An einem Palle von 
Insufflzienz und Stenose der Mitralis zeigt sich an Stelle der 
Senkung der Kurve bei der Entleerung des Ventrikels während 
der ganzen Systole, indem durch ^urückströmen von Blut in den 
Vorhof dieser am Schluss der Ventrikelsystole den höchsten Grad 
der Füllung zeigt und nur in der Präsystole sich entleert. Bei 
muskelschwachem Herzen können verübergehend auftretende systo¬ 
lische Geräusche aut vorübergehende Schlnssuntähigkeit der Mitralis 
zurückgeführt werden. Das Vorkommen von muskulärer „Mitralis- 
insuffizienz** ist damit erstmals bewiesen. 


Nachruf für Wilhelm Czermak in Prag. 

Auf der Höhe des Lebens, noch nicht 50 Jahre alt, verschied 
plötzlich an einer Hirnblutung am 8. September in Lans bei Inns¬ 
bruck, wo er von schwerer Arbeit Erholung suchte, der Direktor 
der Augenklinik an der k. und k. Universität zu Prag, Professor 
Dr. Wilhelm Czermak, ein ausgezeichneter Lehrer und Forscher, 
ein hervorragender Operateur, ein liebenswürdiger Kollege, dem 
die Wissenschaft eine Reihe bedeutender Arbeiten verdankt. 

Seine bekanntesten Werke sind seine Habilitationsschrift über 
die Zonula, ein kleines Lehrbuch der Semiotik und Diaguostik der 


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MBDICINISCHB W0C5HB. 


Nr. 47. 


äusseren Äugenkrankheiten, 4as znerst im Jahre 1888 erschienen 
ist, und die augenärztlichen Operationen, mit deren letztem Heft 
er erst im Jahre 1904 nach elfjähriger Arbeit das grosse Werk 
beendigt hat. Mit Fug und Hecht kann man diese grosse Arbeit 
sein Lebenswerk nennen. In diesem Werk hat er nicht nur eine 
für alle Zeit mustergültige Geschichte der Augenoperationen in 
Wort und Bild, sondern auch eine Reihe eigener Modifikationen 
und neuer Operationen mit seinen reichen Erfahrungen geliefert. 
Das Buch ist für jeden Augenoperateur unentbehrlich. In den letzten 
Jahren hat er sich noch besonders mit der subconjunktivalen 
Extraktion der Katarakt bescliäftigt und sein Verfahren in Heidel¬ 
berg besproclien. Ausser diesen grösseren Werken besitzen wir 
noch eine Reihe kleiner gediegener Arbeiten aus Czermaks Feder 
in verschiedenen Zeitschriften, die teils klin'sche Beobachtungen, 
teils histiologische Untersuchungen betreffen. Der Verstorbene war 
Mitarbeiter an verschiedenen ophthalinologisehen Zeitschriften. 
Auch der von dem Unterzeichneten herausgegebenen Sammlung 
zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Augenheilkunde 
hatte er bereitwilligst seine Unterstützung zugesagt. Durch die 
grosse Arbeit, die er in Prag zu bewältigen hatte, sowie durch 
die Mühe, die ihn die Herausgabe der augenärztlichen Operationen 
machte, und durch seinen unerwarteten, frühzeitigen Tod ist ihm 
leider tlio Erfüllung seines Versprechens unmöglich geworden. 

Wilhelm Czermak wurde geboren in Brünn am 12. Oktober 
1856. Er studierte Medicin in Graz und promovierte daselbst im 
Jahre 1882. Nachdem er seine augenärztliche Ausbildung bei von 
StelKväy in Wien begonnen hatte, wirkte er als Assistenzarzt an 
der Augenklinik in Graz von 1883 bis 1887 und bei Fuchs in Wien 
von 1887 bis 1892. Im Jahre 1886 habilitierte er sich in Graz, 
1892 wurde er als ordentlicher Professor und Direktor der Augen¬ 
klinik nach Innsbruck berufen. Von hier siedelte er im Jahre 1895 
in gleicher Eigenschafc an die Deutsche Universität nach Prag über, 
an der er bis zu seinem Tode gewirkt, im Jahre 1899 die neue, 
nach seinen Angaben erbaute Augenklinik eingeweiht und eine 
Reihe tüchtiger Schüler herangebildet hat. Ehre seinem Andenken! 

A. Vossius. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

Sitzung 

der Berlin-Brandenburger Aerztekammer am 27. Oktober 1906. 

(Schluss.) 

Nunmehr wandte sich die Beratung einer Vorlage zu, die vom 
Aerztekammerausschuss ausgeht und eine einheitliche Organisation 
der Vertragskommissionen aller Aerztekammern bezweckt. Die Vor¬ 
lage zerfallt in drei Teile, einen allgemeinen, der die vorbezeichneten 
Ziele enthält, einen speziellen mit den Ansfübrungsbestimmungen 
und einen letzten, der einen Revers vorschlägt, auf den sich die 
preussischea Aerzte verpflichten sollen. Die Vorlage ist in der 
Vertragskommission unserer Kammer vorberatenworden. Deren Vor¬ 
sitzender Munter (Berlin) trägt die dort gefassten Beschlüsse 
vor, die sich in vielen Beziehungen mit denen des Aerztekammer- 
ausschusses nicht decken. Er empfiehlt folgenden Beschluss zu 
fassen, welchem die Kammer auch zustimmt; 

Die Aerztekammer Berlin-Brandenburg tritt den Vorschlägen 
des Aerztekammerausschusses insoweit bei, als eine Einheitlichkeit 
in der Organisation der Vertragskommissionen in ganz Preussen 
gefordert wird, dagegen sieht sie von einer Annahme des Gesamt¬ 
entwurfes ab und zwar wogen abweichender Anschauungen in einer 
Reihe wichtiger Bestimmungen, insbesondere bei der Verpflichtung 
zur Unterzeichnung eines Reverses. 

Den letzten Gegenstand der Beratung bildeten Anträge des 
Vorstandes der Aerztekammer, die sich auf die Geschäftsführung 
dc.s Au-s-scliusses der preussischen Aerztekammern beziehen. Der 
Referent Kos.smanu zeigte an der Hand der Verhandlungen des 
Aerztekammerausschusses seit dessen Bestehen, dass derselbe fast 
in jeder Sitzung seine Befugnisse überschritten habe, dass seine 
Vo,rhandlangen und seine Geschäftsführung in keiner Weise in der 
üblichen Form gehalten seien und begründete folgende Anträge: 


Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den 
Stadtkreis Berlin wolle beschliessen, das Verlangen auszusprechen: 

I. dass der Ausschuss der preussischen Aerztekammern sich 
fortan streng auf dem Boden des § 2 der Verordnung 
vom 6. 1. 1896 halten und auf die vermittelnde Tätigkeit 
zwischen den einzelnen Aerztekammern oder zwischen 
diesen und dem Herrn Minister der Medicinalangelegen- 
beiten beschränken möge) 

II. dass der Ausschuss der preussischen Aerztekammern, ab¬ 
gesehen von ausserordentlichen Sitzungen, die im Palle 
dringenden Bedürfnisses angesetzt werden können, zwei¬ 
mal im Jahre zu einer einfürallemal festgesetzten Zeit zu- 
sammentreten möge, damit es den preussischen Aerzte¬ 
kammern möglich sei, die auf der vorher zu veröffent¬ 
lichenden Tagesordnung des Ausschusses stehenden Gegen¬ 
stände rechtzeitig zu beraten; 

III. dass ein ausführliches Protokoll der Verhandlungen des 
Kammerausschnsses aufgenommen und publiziert werde, 
aus dem der Gang der Verhandlungen und die Abstimmung 
jedes einzelnen Mitgliedes ersichtlich ist. 

Die Anträge fanden die Billigung der Kammer; es wnirde 
beschlossen, sie direkt dem Ministerium zu übersenden und den 
.-Kerztekammerausschuss davon in Kenntnis zu setzen. 

Der letzte Punkt der Tagesordnung, der die Herausgabe eines 
Commentars zu don für die Aerzte wichtigen Paragraphen des 
Bürgerlichen Gesetzbuches, der Zivilprozessordnung, der Gewerbe¬ 
ordnung u. a. m. betraf, wurde vertagt. 


Periodische Literatur. 


Münchener med. Wochenschrift. Nr. 44. 1906. 


1. von den Velden, Marburg. Intravenöse Digitalisthe- 
rapie mit Strophantin. 

Strophantin, die wirk.same Substanz aus dem Strophantussamen 
kommt in steriler wässriger Lösung 1 : 1000 io den Handel (von 
der Firma Boehringer-Waldhof). Die optimale Dosis für den Er¬ 
wachsenen ist 1 ccm (= 0,001 Strophautin); 1 ccm Strophantin ent¬ 
spricht ungefähr 15 cciu Digalen; dabei stellt sich dieses auf 3,20 M., 
jenes auf 25 Pfg. Die Injektion kann in jede Hautvene ohne be¬ 
sondere Stauungsmanipulationen vorgenommen werden. Das 
Strophantin wirkt wie alle digitalisartigen Substanzen auf Herz, 
Gef^se und nervöse Zentralorgane; im therapeutischen Stadium 
verstärkt es Systole und Diastole, hebt Arbeitskraft und Aus- 
wurfmenge des Herzens, reguliert und verlangsamt die Herz¬ 
tätigkeit, verschiebt die pathologische Blutverteilung zur Norm 
und bringt dadurch den Blutdruck wieder zur Norm. Erprobt 
wurde es bisher an 19 Patienten bei 30 Injektionen; dabei wurde 
die volle Dosis von V* — 1 ccm sofort in ca. 30 — 50 Sekunden 
injiziert. Damit war in den meisten Fällen, ohne dass stärkere 
lokale Reizerscheiuungen auftraten, ein vollständiger therapeutischer 
Digitaliserfolg zu erzielen. In den günstigsten Fällen erreicht 
man schon nach Minuten eine Uraschaltung der pathologischen 
Kreislautverbältnisse zur Norm, und selbst in Fällen, in denen 
jede andere Digitali.stherapie im Stich gelassen hatte, war noch 
ein vollständiger Erfolg zu erzielen. Wie alle Digitalispräparate 
unterliegt auch das Strophantin der Reservatio, dort wo der 
Herzmuskel stärker erkrankt ist, unter Umständen gar nicht an- 
zusprechen oder sogar ungünstig einzuwirken. Die Indikationen 
für die intravenöse Digitalistherapie sind bedeutend präziser zn 
fassen, wie für die sonst übliche, langsamer wirkende interne. 
Nur wenn man das Verhalten der einzelnen Kreislauffaktoren, 
namentlich den Zustand des Herzmuskels sorgfältigst analysiert, 
kann man mit Strophantin auf eklatante, durch keine andere Form 
der Medikation zu erreichende Erfolge rechnen. 

2. Veiel, Nürnberg. Heber Digalen (Digitozinnm solubile 
Cloetta). 

Bei chronischen Herzerkrankungen wurde das Digalen per bs 
verabfolgt; sechs Krankengeschichten werden mitgeteilt, die zeigen, 
dass namentlich im Hinblick auf Versager quoad Diurese und auf 
gastrische Störungen hier dem Digalen ein wesentlicher Vorzug 


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1906 


MBDICINISCHB WOCHE. 


616 


gegenüber den alten Digitalispräparaten nicht zuzueprechen ist. 
Bei akuten HerzinsufifizieDzen wurde das Mittel intravenös in 
14 Fällen gegeben. Dabei erwies sich das Digalen als ein hocb- 
einzuschätzendes Mittel, das ganz besonders den grossen Vorzug 
hat, dass es bei Infektionskrankheiten unmittelbar vor der Krise 
gegeben werden kann. 

3. Schlüpfer, Bern. Die biologische Bedeutnng der 
Photoaktivität des Blutes und ihre Beziehung zur vitalen Lieht- 
und Wäimewirkung. 

Die Experimente, die sich einer kürzeren Wiedergabe ent¬ 
ziehen, ergeben, dass die Photoaktivität resp. Lumineszenz des 
Blutes sich als ein biologischer Faktor charakterisiert, der dem 
Wesen nach dem Lichte sehr ähnlich ist, auch chemisch und in¬ 
direkt vital wirkt mit Beeinflussung der Oxydation und sich hierin 
durch seinen geringen Euergiewert vom Lichte unterscheidet. 
Vielleicht lassen sich daraus auch neue Gesichtspunkte für die 
Erklärung der grossen Aktivität des im Oxyhaemoglobin aufge¬ 
stapelten Sauerstoffs, des Wesens der Entzündung, des Sehaktes 
gewinnen. 

4. Wolff-Eisner, Berlin, üeber Komponenten des 
Tetanustoxins bei Anwendung von wasserfreiem Salzsäuregas 
bei der Temperatur der flüssigen Luft. 

Tetanustoxin, von dem 1 ccm einer Verdünnung 1 : 1000000 
eine Maus von 16 g schon am zweiten Tage tötet, wurde nach 
der Bergell’schen Methode behandelt, die darin besteht, dass man 
die auf Toxin und Bakterien einwirkenden Reagentien wasserfrei 
anwendet, also an Stelle der bisher üblichen wässrigen Lösung 
wasserfreie Gase, z. B. wasserfreie Salzsäure, die bei 86 ® siedet, 
bei der Temperatur der flüssigen Luft einwirken lässt. Von so 
hydrolysiertem Tetanustoxin erhielten Meerschweinchen */2 ccm 
1:50 000, 1 ccm 1:100000 und blieben, nachdem sie einen 
mittelschweren Tetanus durchgemacht hatten, am Leben. Mau 
würde daraus den Schluss ziehen können, dass durch die Be¬ 
handlung mit Salzsäure die Toxinwirkung abgeschwächt worden 
ist, wenn nicht bei den gleichen Versuchen bei einer Dosis von 
1 ccm 1:1000000, d. i. eine zehn mal kleinere Dosis, die 
tetanuserzeugende Wirkung erhalten geblieben wäre. Eine 
Wiederholung der Versuchsreihe ergab die gleichen Verhältnisse: 
1 ccm 1 : 700000 und 1 ccm 1 : 740 machten das Tier tetanisch 
und führten beide nicht zum Tode. Das der Hydrolyse nach 
Bergell unterworfene Tetanustoxin zeigt also die merkwürdige 
Eigenschaft, dass es seine tötliche Wirkung verloren, seine 
tetanuserzeugende aber vollkommen beibehalten hat. Die Unter¬ 
suchungen ergeben also die wichtige Tatsache, dass es beim 
Tetanustoxin möglich ist, die todbringende Wirkung von der 
krampferregenden zu trennen. Für eine praktische Verwertung ist 
ein Ausbau der Methodik, die es erlaubt, diese Trennung in jedem 
Falle sicher vorzunehmen, Vorbedingung. 

5. Lengfellner, Berlin. Ueber Versuche von Einwirkung 
von Bön^enstrahlen auf Ovarien und den schwangeren Uterus 
von Meerschweincken. 

Lange Bestrahlung ist imstande, die Frucht zu töten; kürzere 
hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensfähigkeit der Frucht. 
Es ist nicht aasgeschlossen, dass kurze Bestrahlungen, öfters vor¬ 
genommen, den allmählichen Tod der Frucht bedingen, ohne der 
Mutter Schaden zu bringen. Das könnte für die Frage der 
künstlichen Abtreibung von Bedeutung werden. Veränderungen 
in den Ovarien Hessen sich in jedem Fall von Bestrahlung bei 
Meerschweinchen naohweisen. Das lässt es als möglich erscheinen, 
dass bei Frauen, abgesehen von der Tötung der Frucht, bleibende 
Sterilität die Folge von kürzeren, öfters wiederholten Beleuchtungen 
werden kann. Jedenfalls dürfte bei der Röntgendurchleuchtung 
grössere Vorsicht empfehlenswert sein. 

6 . Meyerstein, Köln. Zur Frühdiagnose des Typhus. 

Die typhusanreichemde Wirkung der Galle ist durch die 

gallensauren Salze bedingt; wesentliche Unterschiede bezüglich 
der anreichemden Wirkung bestehen zwischen dem glykochol- 
sauren und dem taurocholsauren Natron nicht. Für den praktischen 
Gebrauch genügt also vollkommen das Gemisch beider Salze, wie 
es sich aus der Galle kristallisiert darstellt, bezw. dessen Lösung 
in Glycerin (in den Handel gebracht durch Kahlbaum - Berlin). 


Es empfiehlt sich, zuerst einige Tropfen der Lösung ins Reagens¬ 
glas zu bringen, darauf das durch Veuenpunktlon erhaltene Blut 
zuzufügen und zu schütteln; gelangt das Blut erst geronnen zur 
Untersuchung, so zerkleineri man den Blutkuchen im Reagensglase 
mit einem Glasstab, wenige Tropfen der Gallensalzlösung bewirken 
dann völlige Verflüssigung. Nach längerem Stehen bei 37° ist 
die Anreicherung so ausgiebig erfolgt, dass es ein Leichtes ist, 
in mit Methylenblau gefärbtem Ausstrichspräparat die Typhus¬ 
bacillen aufzufinden. Um sich vor einer Täuschung durch Ver¬ 
unreinigungen zu schützen, bedient man sich, abgesehen von der 
Aussaat auf charakteristische Nährböden, der Gramfärbung; die 
in Betracht kommenden Verunreinigungen sind meist Gram-positiv, 
Bac. typhi deutlich Gram-negativ. Die Anreicherungsmethode für 
die Frühdiagnose des Typhus erfordert also nichts als ein Mikro¬ 
skop, die Gallensalzlösung und eine Temperatur von 37°, dürfte 
also auch für den Praktiker leicht zu benutzen sein. Im Aus- 
strichpräparat des angereicherten Blutes ist die Unterscheidung 
von T 3 T)hus und Paratyphns nicht zn treffen; diese Differenzie¬ 
rung muss dem Kulturverfahren im geeigneten Institut Vorbe¬ 
halten bleiben. Wo der Nachweis der Typhusbacillen im ange¬ 
reicherten Blute nicht gelingt, greift man auf die Agglutinations¬ 
probe zurück, die ohne weiteres statt mit Serum mit dem durch 
die Gallensalze verflüssigten Blute angestellt werden kann. Die 
Tatsache des Verschwindens der Typhusbacillen aus dem Blute 
lässt den Typhus im Beginn als echte Bakteriaemie erscheinen 
und rechtfertigt die therapeutischen Bestrebungen, durch früh¬ 
zeitige und energische Einverleibung von Antiseptizis, die ins 
Blut übergehen (Jod, Quecksilber, Chinin) die Krankheit zu be¬ 
kämpfen. Nicht unmöglich erscheint es auch, mit der Anreiche¬ 
rungsmethode die Typbusbacillen schon der Inknbationszeit im 
Blute zu entdecken (z. B. bei Personen, in deren Umgebung 
T 3 rphuserkrankungen vorgekommen sind) und durch energisches 
Eingreifen den ganzen Krankheitsverlanf zu koupieren. 

7. Baer, Strassburg. Ueber proteolytische Wirkungen 
intrazellulärer Fermente. 

B. macht auf Fehlermögliehkeiten bei den Untersuchungen 
von Jocbmann und Müller über die proteolytischen Fermentwir¬ 
kungen aufmerksam und fordert Erweiterung der Versuche, ehe 
weitgebende Schlüsse daraus gezogen werden. 

8. Fock, Hamburg. Beitrag zur Alkoholanwendung bei 
der Pneumonie. 

F. hat an eine grosse Zahl von Professoren, in erster Linie 
innere Kliniker, und andere Aerzte in Deutschland, Oesterreich, 
Schweiz, Dänemark, Schweden, England einen Fragebogen gesandt 
bezüglich der therapeutischen Verwendung des Alkohols bei der 
Pneumonie mit folgenden Hauptfragen: Wird Alkohol verordnet 
in jedem Palle von Pneumonie oder nur in besonderen Fällen? 
In welcher Form und in welcher Menge wird Alkohol gegeben? 
Erfordert Pneumonie bei Potatoren Alkoholdarreichung? Welche 
Wirkung wird vom Alkohol erwartet? Inwieweit erfüllt er diese 
Erwartung? Würde sich die erwartete Wirkung auch durch 
andere therapeutische Maßnahmen erzielen lassen? Die zahlreichen 
Antworten zeigen die auch heute noch bestehende kolossale 
Divergenz der Anschauungen in dieser Frage, 

9. Eckersdorff, München. Scheinbare Stenosiemug des 
Fylorus durch ein chronisches suprapapilläres Duodenalgeschwür; 
postoperative Parotitis. 

Die klinische Beobachtung des Falles stellte eine Erweiterung 
des Magens fest; bezüglich der Ursache Hessen die Symptome 
zwischen einem chronischen Ulcus oder einem Carcinom schwanken. 
Bei der Laparotomie fanden sich entzündliche Verwachsungen in 
der Nachbarschaft des Magens; die Eröffnung des Magens ergab 
auch keine nachweisbaren Veränderungen; in der Annahme von 
Narbenstönmgen wurde die Gastroenterostomie vorgenommen. 
Der Exitus erfolgte durch postoperative Pneumonie und Parotitis. 
Die Autopsie ergab: Stenosierung des Anfangsteils des Duodenums 
durch ein altes, vernarbtes Duodenalgeschwür, Retentionscyste des 
Duktus pankreaticus, partielle Peritonitis, putride Bronchitis und 
Gangrän beider Lungen, eitrige Parotitis beiderseits, chronischer 
Katarrh des Magens und Darms, ausgeheilte Spitzentuberkulose. 
Danach ist der Krankheitsprozess dahin zu deuten, dass das ur¬ 
sprüngliche der Magen-Darm^tarrh auf Grund des Potatoriums 


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MEDIGINIBCHB WOCHE. 


Nt. 47. 


war; auf Gh'uad des Katarrhs entstand das Duodenalgeschwür, 
das zur Verwachsung der Dünndarmserose und des Pankreas- 
bindegewebes führte; die narbige Schrumpfung des neugebildeten 
Bindegewebes führte zur Verengerung des Darmlumens, zur Ab¬ 
schnürung grösserer Aeste des Duktus pankreaticus mit folgender 
Cystenbildnng, die nun ihrerseits das Darmlumen noch weiter ver¬ 
engte. Danach hätte die vorgenommene Gastroenterostomie eine 
Heilung herbeiführen können, wenn nicht Parotitis und Pneumonie 
das Resultat verdorben hätten. 

10. Riehl, München. AnenryBma der hinteren Ventrikel« 
wand des linken Herzens. 

Herzaneurysmen der linken, hinteren Ventrikelwand sind sehr 
selten, das erklärt sich daraus, dass die Hinterwand des linken 
Herzens im Gegensatz zur vorderen zwei vasa nutnentia besitzt. 
Der beschriebene Fall betrifft einen SOjähr. Mann; das hühnereU 
grosse Aneurysma wurde bei der Autopsie gefunden. Eine Diag¬ 
nose intra vitam wäre nicht gut möglich gewesen; die seit langem 
vorhandenen Herzbeschwerden und objektiven Symptome waren 
auf Arteriosklerose zurUckghführt worden. 

11. Peters, Magdeburg. ' Pie Tätigkeit der Choleraüber* 
wachungsstelle Kttstrin in den ' Monaten September—Kovem- 
ber 1906. 

Die eingehende Darstellung soll zeigen, inwieweit es möglich 
ist, die in den Bundesratsbestimmungen festgesetzte Anweisung 
zur Bekämpfung der Cholera, soweit sie sich auf die Ueberwachung 
des Binnenschifführts- und Flössereiverkehrs bezieht, praktisch 
durchzufuhren. 

12. .Schuberg, Heidelberg. Zur Beorteilnng der nach 
0. Schmidt in malignen Tumoren aoftretenden protozoenähn- 
Uchen Mikroorganismen. 

Für die Protozoennatur seiner Gesohwulstmikroorganismen 
hatte Schmidt die Autorität von Schuberg ins Feld geführt. 
Schuberg sieht sich deshalb veranlasst, sein Urteil über die ihm 
von Schmidt vorgelegten Präparate darzulegen. Die Gebilde aus 
den Reinkulturen des aus Tumoren gezüchteten Mukors hält er 
für nichts anderes als Fetttröpfchen. In den Präparaten aus 
malignen Geschwülsten hat er nur zweimal Gebilde gesehen, die 
protozoenähnlich waren; bei dem öfteren Befunde von Bakterien 
in den i-*räparaten sind sie aber wohl sicher als Verunreinigungen 
anzusprechen. Alle anderen Gebilde, die ihm als Parasiten vor¬ 
gelegt wurden, konnte er nicht als solche gelten lassen, vielmehr 
handelte es sich wahrscheinlich um isolierte und in Zerfall 
begriffene Geschwulstelemente. Pen Schmidtschen Präparaten ist 
danach keinerlei Wert als Beweis für die Richtigkeit seiner 
Theorie der Entstehung der Geschwülste durch Protozoen znzu- 
sprechen. Dagegen verdient die Angabe, dass durch Injektion 
der Mukorkulturen in gesunde Mäuse und Ratten echte Tumoren 
an der Impfstelle entstehen, eine Nachprüfung, 

13. Lindemann, Bochum. Sind die Steiokohlengruben die 
Verbreiter der Genickstarre? 

Die Richtigkeit dieser These bestreitet L. auf Grund von 
Erfahrungen, die er bei der letzten Epidemie im Ruhrkohlenge¬ 
biet gemacht hat, und glaubt nicht, dass die vorgeschlagene 
prophylaktische Maßregel, beim Auftreten der Genickstarre in der 
Familie eines Bergmanns ausschliesslich den Vater als Träger der 
Infektion anzusehen und von der Arbeit unter Tage auszu- 
schliessen, einen Erfolg versprechen kann. 

No. 45. 1906. 

1. Fraenkel. Heber die MöUer-Barlowsehe Krankheit 
(Infantiler Skorbut). 

Nicht abgeschlossen. 

2. Bechtold, Würzburg: Heber zeitweises gehäuftes Vor- 
Kommen von Endokarditis bei Muskelrheumatismns. 

Eine epidemieartige Häufung der rheumatischen Erkrankungen, 
speziell auch des Muskelrheiimatismus wurde während der regueri- 
schen Monate des letzten Sommers beobachtet. Dabei musste es 
atiffallen, dass bei nicht weniger als sechs von den beobachteten 
Muskolrheuinatisiriusfällen sich während der Spitalbebnndlung endo- 
karditische Symptome zeigten. Eine Prüfung älterer Kranken¬ 


geschichten Kess noch weitere solcher Fälle auffinden; die Kranken¬ 
geschichten von elf werden im Anszage mitgeteilt. Die Prognose 
der den Muskclrhenmatismus kompHzierenden Endokarditis ist 
qnoad functionem nicht absolut günstig; in drei Fällen blieb eine 
ansgebildete Mitralinsuffizienz, in zwei ein systolisches Geräusch 
zurück. Das zeitweise gehäufte Auftreten, Temperaturateigerungen, 
Störungen des Allgemeinbefindens, die Komplikation mit Endokar¬ 
ditis sprechen für eine infektiöse Natur des MuskelrbeumatiMius. 
Dass die Erreger des Muskel- und GelenkrhettiaatiMMis nicht 
schlechthin identisch sind, scheint sich aus dem Verhalten der 
beiden Erkrankungen gegenüber den Salizylpräparaten zu ergeben, 
prompte Reaktion beim Gelenk-, sehr mäßige beim Moskelrhen- 
matismus. Nahe verwandt mit dem Muskelrheumatismns erscheint 
die infektiöse Myositis, diese ist viellei<^t nur ein stärkerer Grad 
des ersteren; beide sind wohl ebenso wie der Gelenkrheumatismus 
unter die Reihe der septischen Erkrankungen zu rechnen, weli'be 
nicht durch einen spezifischen Erreger, sondern durch alle Bakterien, 
die gelegentlich Eiterung bervorrufen können, verursacht werden. 
Als Eintrittspforte dürfte neben kleinen Hautverletzungen und 
den Tonsillen wohl vor allem der Darm in Frage kommen. 

3. Eppenstein, Breslau: Heber das proteolytisohe Ferment 
der Lenkocyten, insbesondere bei der Lenkaemie, nnd die 
fermenthemmende Wirkung des Blutserums. 

Der biologische Unterschied zwischen den bei myeloider Leu- 
kaemie einerseits, bei Lymphaemie andrei'seits vermehrten Leu- 
kocyten lässt sich durch einen einfachen Reagensglasversuch 
demonstrieren: isoliert man Leukocyten aus leukaemischem Blut 
und prüft die proteolytische Wirkung, indem man abgemessene 
Mengen zu schwach alkalischer Gelatine zusetzt und diese dann 
im Brütofen bei Körpertemperatur stehen lässt, so beobachtet 
man, dass die Leukocyten bei myeloider Leukaemie (polynucleäre 
Leukocyten und Myelocyten) die Gelatine verdauen, die Lympbo- 
cyten dagegen nicht. Für ein oxydatives Ferment der weissen 
Blutzellen ist der gleiche Gegensatz zwischen diesen beiden Len- 
kocytengruppen gleichfalls bekannt. Diese biologischen Befunde 
geben der von Ehrlich auf Grund histologischer Befunde ver¬ 
tretenen Ansicht, dass die genannten Arten von Leukocyten prin¬ 
zipiell von einander zu scheiden sind, eine neue Stütze. Die Leu- 
kocytenaufschwemraung von myeloider Leukaemio zeigt auch noch 
bei stärkerer Verdünnung verdauende Wirkung auf Gelatine, die 
Fermentwirkung nimmt bei längerem Stehen erheblich zu, wahr¬ 
scheinlich infolge des Zerfalls der Zellen und Freiwerden des ver¬ 
dauenden Ferments; die Aufschwemmung von Lymphocyten dagegen 
bleibt auch bei tagelangem Stehenlassen im Biutschrank ohne 
Wirkung. Das proteolytische Ferment der Leukocyten wirkt am 
besten bei schwach alkalischer Reaktion; seine Wirkung ist bei 
50“ erheblich stärker als bei 37 ®, beiTO^wirdsieabgesohwächt, bei 75 ® 
aufgehoben. Diese Eigenschaften stimmen etwa mit denen des 
tryptischen Verdauungsfermentes überein. Wie gegenüber dem 
Trypsin, Pepsin, und andern Fermenten, z. B. dem bei der Auto¬ 
lyse der Organe wirksamen, wirken Blutplasma und Blutstfum 
hemmend auf das verdauende Leukocytenferment Diese hemmende 
Wirkung des Blutplasmas lässt sich durch ^jistiXndiges Erwärmen 
auf ca. 58® absohwächen. 

4. Blum, Strassburg: Heber einen Fall von gekeilter 
Arteriitis typhosa. 

Die Arteriitis gehört zu den seltenen Komplikationen des 
Typhus, Beschreibung eines Falles, bei dem, wie in der Mehrzahl 
der Beobachtungen, die komplizierende Gefässerkrankung in der 
Deferveszenzperiode des Typhus einsetzte und, wie meist die Arteria 
femoralis betraf. Unter den Symptomen der Erkrankung ist mit 
am wichtigsten der Schmerz, der den Kranken jede Bewegung 
schenen lässt; weiter von Bedeutung ist die Abnahme der Pul¬ 
sation in den Arterien; die betroffenen Glieder sind etwas ge¬ 
schwollen, aber nie oedematös; kommt es zur Gangrän, so stellt 
sich Cyanose, Herabsetzung der Temperatur, Anaesthesie ein. 
Besonders wichtig ist das Auftreten eines Stranges, der dem Ver¬ 
lauf der Arterie entspricht. Im vorliegenden Fall trat völlige Heilung 
ein, vielleicht bedingt durch einen günstigerweise zustande ge¬ 
kommenen Kollateralkreislauf. Differentialdiagnostisch ktonen im 
Beginn in Betracht kommen die Myositis typhosa, Nenritis, Phleg¬ 
masia. Die Ursache der Arteriitis ist eine Erkrankung der Ge- 
fässwand selbst; da das jugendliche Alter mit Vorliebe befallen 


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1906. 


MEDICINISGEE WOCHE. 


517 


wird, dürften arteriosklerotische Verändeningen der Gefässwände 
keine Bedentang haben. Der Typhusbazillos selbst scheint bei 
der Gntstehnng die Hauptrolle zu spielen, was sich aus dem Be¬ 
fand von Typhosbazillen in der Gefässwand und den Thromben 
ergibt. 

5. Grassmann, Hünchen: Seltene Verlaufsweisen von 
Klappenfehlern. 

Der erste Fall betrifft ein hjUbriges Mädchen, das bei einem 
Gelenkrheumatismus eine Euducarditis acquirierte, die zu einer aus¬ 
gesprochenen Mitralinsufhcienz führte. In den nächsten Monaten 
gute Kompensation des Klappenfehlers und weiterhin völliges 
Schwinden jeglichen klinischen Symptoms, so dass wohl von einer 
Ausheilung des endocartischen Klappenfehlers gesprochen werden 
konnte. Trotzdem nach einem Jahr Rezidiv der Endocarditis mit 
letalem Ausgang. Der zweite Fall betrifft einen Patienten mit 
hochgradiger Mitralstenose und Aorteninsufficienz. bei dem im 
Stadium der Dekompensation der Exitus durch eine Darmblutung 
herbeigeführt wurde, für die eine Erklärung auch durch die 
Autopsie nicht zu hndeu war. 

6. Schöppler, München: Keber Sarkomatose des Epikards. 

Eingehende makroskopische und mikroskopische Beschreibung 
eines Falles von ausgedehnter Sarkomatose des Epikards. Eine 
Zusammenstellung der in Frage kommenden Literatur ergibt: Zu 
den seltensten Ijokalisatlonen primärer Geschwülste gehören die 
des Perikards; primäre Tumoren des Herzens sind relativ selten, 
die Hanptrolle spielen Fibrome und Myxome, das Sarkom kommt 
erst ao zweiter Stelle. Der häufigste Sitz der Tumoren ist der 
linke Ventrikel. Männer werden häufiger l)efallen als Frauen; 
das Alter gibt keine für die Aetiologie zu verwertenden Anhalts¬ 
punkte. Ein eigenes Krankbeitsbild wird durch Herzgeschwülste 
nicht hervorgerufen. 

7. Besold, Falkenstein: Die bildliche Darstellung von 
Longenbefnnden. 

Beschreibung eines Schemas, das sich durch Einfacbheit aus¬ 
zeichnet, nur einen einfarbigen Stift erfordert; die Zeichen inner¬ 
halb der erforderlichen Gruppen entwickeln sich auseinander, so 
dass wenig dabei auswendig zu lernen ist; es ermöglicht die Dar- 
steUung von allem, was irgend wie von Wichtigkeit ist und wahrt 
trotzdem die Klarheit und Uebersiclitlichkeit dos Bildes, so dass 
eine lange Reihe verschiedener Befuude mit einem Blick über- 
zehen werden kann. Einzelheiten sind im Original einzusehon. 

8. Watlart, St. Ludwig. Heber gleichzeitige Darstellung 
von Fettkömem, eisenhaltigem Pigment nnd Zellkernen in Oe- 
Merschnitten. 

Die Methode erstrebt die Färbung dieser drei Faktoren, die 
sonst getrennt, nacheinander vorzunehmen ist und viel Zeit er¬ 
fordert, in einem Akt. Zur Verwendung kommen folgende Lös¬ 
ungen: I. 2 g Karmin in 10 ccm Wasser und 8 Tropfen Salzsäure 
unter Kochen gelöst, mit 10 ccm Alkohol absolut verrührt, filtriert 
und das Filtrat mit absolutem Alkohol auf 50 ccm aufgefüllt. 
II. Gesättigte Lösung von Sudan III oder Scharlach R in 80—90% 
Alkohol, ni. 5% Ferrocyankaliumlüsung. Man mischt 2 ccm von 
Xjösung I mit 1,2 ccm von II mit 2 —3 Tropfen Salzsäure, fügt daun 
2 ccm von III hinzu. Die in Wasser aufgefangenen Gefrierschnitten 
von in Formol gehärtetem Material kommen nach einer Passage 
durch 50—70% Alkohol in die Mischung, in der sie 3—15 Minuten 
bleiben, werden kurz in Alkohol 50—70%, dann in Wasser abge¬ 
spült und in Glycerin konserviert. Kerne erscheinen karminrot, 
Fettgranula gelb, eisenhaltiges Pigment blauschwarz. 

9. Sondermann, Dieringhau.sen. Zur Saugtherapie bei 
Hasenerkrankungen. 

Die Anwendung des Saugens bei Nasenerkrankuugen vermag 
die Diagnostik besonders der Nebenhöhlenaffektionen wesentlich zu 
erleichtern. Die Untersuchung muss bei verschiedenen Haltungen 
des Kopfes vorgenommen werden, dann kann .sie wertvolle Anhalts¬ 
punkte für differentielle Diagnose geben. Bezüglich der thera¬ 
peutischen Verwendung ist wohl zu individualisieren; nicht jeder 
Patient eignet sich für diese Behandlung. Ohne weiteres müssten 
die Falle ausscheiden, über deren operative Behandlung ein Zweifel 
nicht obwalten kann, bei ausgedehnter Curies oder Nekrosen, Neu¬ 


bildungen, abnormer Erweiterung der Höhlen, bei Gefahr des Ueber- 
gangs auf Nachbarorgane. Bei den übrigen Fälieu i»t zu unter¬ 
scheiden zwischen akuter und chronischer Plrkrankung. Erstcre 
dürfte wohl stets für die Saugbehandlung geeignet sein; zweifelhaft 
bleibt es bei letzterer. Je länger ein Nebenhöhlonleiden besteht, 
um so geringer ist die Aussicht, es durch Saugen allein zu bessern. 
Wenn beim Saugen reichliches Sekret entleert wird, es an Menge 
allmählich abnimmt, den eitrigen Charakter verliert, wenn die Be¬ 
schwerden nachlassen, ist ein guter Erfolg zu erwarten; bleibt 
das Sekret dagegen reichlich und eitrig, so ist durch Saugen höch¬ 
stens eine vorübergehende Besserung der Beschwerden zu erzielen. 
Das Ansaugen muss, namentlich im Anfang, ein- bis zweistündlich 
fünf Minuten lang ausgeübt werden, wenn ein Erfolg erreicht werden 
soll. Eine neue Olive, die ein Eindringen von Sekret in den Stiel 
verhüten soll, wird beschrieben. 

10. Grosse, München. Schutzmittel, gegen Öeschlechte- 
krankbeiten. (Nachtrag zu der in Nr. 21 1905 d. W. erschienenen 
Arbeit.) 

Die bakteriologische Prüfung des von G. angegebenen Prophy- 
Jaktikuras „Selbstschutz“, welches Hydrargyrum oxycyanatum in 
Mischung mit Gelatine und Glycerin enthält, hat ergeben, dass 
Gonococcen in Kulturen sowohl bei ganzer Konzentration der Flüssig¬ 
keit, als auch bei halber in kurzer Zeit sicher vernichtet werden. 

Deutsche med. Wochenschrift. No. 45. looe. 

1. llabiuuwitsch, Berlin: Neuere experimentelle Unter¬ 
suchungen über Tuberkolose. 

Die Erreger der sogenannten Geflügeltuberkulose sind als Va¬ 
rietäten der Säugetiertuberkulosebazilleu zu betrachten. Was die 
Beziehungen der einzelnen Vertreter dieser letzteren untereinander 
betrifft, so wird, um zu einer Differenzierung zu kommen, von 
Wichtigkeit sein, die einzelnen Tierspezies auf das Vorkommen 
verschiedener Tuberkelbazillenl'ormeii zu uuter.suchen; auf Grund 
dieser Ergebnisse wird sich die Möglichkeit der üebertragung der 
Tuberkulose einer Tiors()ezies auf eine andere beurteilen lassen. Die 
Tatsache, dass der Meusch für die Erreger der Rinciertuberkulose 
empfänglich ist, hat R. in neuen Versuchen bestätigen können. 
Aus tuberkulösen Milchproben lies.sen sich, neben anderen, Kulturen 
gewinnen, die im kulturellen Verhalten, wie in ihrer Virulenz in 
keiner Weise von mensclilichen Tuberkulosestämmen abwichen, da¬ 
neben solche, deren kulturelles und tierpathogenes Verhalten 
weder den Eigenschaften der Rinderstämme, noch denen der mensch¬ 
lichen Bazillen entsprach. Solche sind am besten als Uebergangs- 
formen zu bezeichnen in dem Sinne, dass eine Tuberkelbazillcn- 
form bei längerem Verweilen im heterogenen Organismus diuch 
allmähliche Anpassung sich den Eigenschaften derjenigen Tuberkol- 
bazillenform nähert, die für die betreffende Tierspezies als spe¬ 
zifisch gilt. Es ergibt sich also, dass sowohl beim Menschen, wie 
beim Rind, die beiden mit verschiedener Virulenz begabten Ver¬ 
treter der Säugetiertuberkulose sich vorfinden, dass mithin, falls 
wir uns nach diesen Eigenschaften die Herkunft der Bazillen zu 
bestimmen für berechtigt halten, die Rindertuberkulose auf den 
Menschen und die menschliche Tuberkulose auf das Rind über¬ 
tragbar ist. Eine Stütze findet diese praktisch wichtige Schlus.^- 
folgerung in bei Affen mit spontaner Tuberkulose angestellten 
Untersuchungen, die ergaben, dass bei der Mehrzahl Tuberkulose- 
stämine von der Virulenz menschlicher Bazillen, in einigen Rinder¬ 
stämme, in anderen Uebergangsformen, einmal auch Geflügeltu- 
berkulosebazilleu gezüchtet wurden. Danach erscheint eine be¬ 
sondere Disposition für die eine oder andere Form der Tuberkel- 
bazilleu bei den einzelnen Tierspezies zweifelhaft. Vielmehr dürfte 
der Gelegenheitsursache für die Spontan-Infektion eine grös.sero 
Bedeutung heizumessen sein. Dafür sprechen auch Beobachtungeu 
an Papageien; während bei Hauspapageieii meiston.s die Infektion 
durch menschliche Tuberkulose bedingt war, wurden bei den Papa¬ 
geien des Zoologi.schen Gartens bisher nur Geflügeltuberkulose- 
baziUen gefunden. Für den Menschen ist die hauptsä<‘hlichste In¬ 
fektionsquelle der tuberkulöse Mensch selbst. Doch dürfte auch 
die Infektion mit Perlsuchtbazillen nicht so selten sein, wie es 
bisher den .4nschein hatte, und der Fütterungsiiifektiou dürfte eine 
grössere Rolle zuzuerkennen sein. 


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518 


MEDIOINISCHB WOCHE. 


Nr. 47. 


2. Herz, Meran: Zur physikalischen Therapie der chroni¬ 
schen Nierenerkranknngen. 

Die Thermotherapie bei den Erkrankungen der Niere besteht 
in 1. systematisch betriebener Hautpflege, 2. Einwirkung von 
trockener warmer Luft, 3, Schwitzprozeduren, 4. Maßnahmen zur 
Erzielung einer Wasserretention, 5. Maßnahmen zur Anregung des 
Herzens. Es wird ausgeführt, wie all diesen Prozeduren durch 
variierte Verwendung des Lichtluftbades genügt werden kann. 

3. Lindenstein, Nürnberg: Erfahnmgen mit der Lumbal- 
anaesthesie. 

Dieselben erstrecken sich auf 100 Fälle mit 13 Versagern, 
die aber wohl auf Fehler der Technik zu beziehen sind. (Ein 
Nachtrag bei der Korrektur weist bei 50 neuen Fällen nur drei 
Versager auf.) Verwandt wurde anfangs Stovain, später nur No¬ 
vocain (2 — 2,5 ccm einer 5% Lösung); letzteres übt keinerlei 
nachteilige Wirkung auf die Gewebe aus, während sonst ein wesent¬ 
licher Unterschied in der Wirkungsweise beider Mittel nicht be¬ 
steht. Nach- und Nebenwirkimgen schwerer, störender oder länger- 
dauemder Art kamen nicht zur Beobachtung; einzig Kopfschmerz 
von wechselnder Intensität und Dauer und häufigeres Erbrechen 
traten manchmal auf, ohne aber je einen bedenklichen Charakter 
anzunehmen. Dem Verfahren unterworfen wurden alle geeigneten 
EingriflFe an den unteren Extremitäten, Operationen am After, den 
Genitalien, Hernien, eine Appendicitis und eine Ovariotoroie. Die 
Anaesthesie trat meist nach 5—10 Minuten ein und war dann eine 
vollständige. Bezüglich des Alters dürfte nach oben dem Ver¬ 
fahren keine Grenze zu setzen sein; der älteste der so operierten 
Patienten war 82 Jahre alt. Nach der Operation empfiehlt sich 
eine kleine Morphiumgabe zur Linderung des ersten Wundschmerzes. 
Eine Kontraindikatioii für die Lumbaianaesthesie ist in einer im 
Körper vorhandenen Eiterung zu erblicken, ebenso in Lues des 
ersten und zweiten Stadiums. 

4. Goebel, Breslau: Heber Thoracoplastik. 

G. beschreibt kurz die Operation von zwei Lungenfisteln nach 
in der Lunge durchgebrochenem Leberabszess und ausführlich die 
eines Empyems und erläutert dabei eine Modifikation der Thoraco¬ 
plastik. Das Neue besteht in der prinzipiellen Verwendung der 
vom Thorax und der überliegenden Haut abgelösten Muskulatur 
zur Ausfüllung der trotz Rippenresektion noch verbleibenden, toten 
Räume. Diese lassen sich so sicher vermeiden, so dass Nach- 
Operationen unnötig werden; weitere Vorteile dieser Modifikation 
liegen in der rascheren Heilung — der Empyemkranke konnte 
schon nach drei Wochen das Hospital verlassen — und in der 
Bedeckung der Rippenstümpfe durch die Haut, so dass Nekrosen 
der Stümpfe leichter vermieden werden. 

5. Dietrich und Arnheim, Rixdorf: Fomysol, ein neues 
Händedesinfektionsmittel. 

Formysol ist eine flüs.sige Kali-Formalinselfe mit starkem 
Alkoholgehalt und Zusatz anderer desinfizierender und desodorie¬ 
render Stoffe, und wird mit 10 und 25% Formalingehalt herge¬ 
stellt (Hahn, Schwedt a. 0.). Die bakteriologischen Untersuchungen 
haben ausgiebige Einwirkung auf Bakterien bei den gebräuch¬ 
lichen Losungen ergeben, und diese können zu inteusiven Wasch¬ 
ungen der Hände benutzt werden, ohne dass die Hand zu sehr 
angegriffen wird. 

G. Velhagen, Chemnitz: Ueber die familiäre Hornbaut- 
entartnng. 

Drei Fälle dieser erst in den letzten 15 Jahren öfters be- 
obacliteten Erkrankung. Es handelt sich dabei um eigenartige 
Trübungen der Hornhaut, die ohne irgend welche entzündliche 
Erscheinungen auftreten. Die Affektion kommt meist erst im 
mittleren Alter zur Beobachtung; es ist aber wahrscheinlich, dass 
sie schon in der Jugend entsteht, aber so langsam fortschreitet, 
da.ss sie erst iin reiferen Alter Selrstörungen verursacht, gegen 
die die erste ärztliclio Hilfe in Anspruch genommen wird. Be¬ 
züglich der Aetiologie kann als festgestellt gelten, dass diese Horn- 
hautaftektion eine ausgesjtrochen hereditäre Affektion ist. Sie be- 
tritl't fast immer mehrere Geschwister, ohne Unterschied des Ge- 
sclilechts in überraschend gleichmäßiger Form; so auch die drei 
mitgeteilten Fälle. 


7. Wolff, Leipzig. Heber eine neue Anwendungswoise der 
konzentrierten Karbolsäure in der externen Therapie, vor allem 
bei Bubonen und Fnrunknlose. 

Das Verfahren besteht darin, dass bei geschlossenem Bubo die 
Haut im Bereiche der Schwellung mit einem Vs—1 cm breiten An¬ 
strich von reiner Karbolsäure (am besten in Alkohol absolut gelöst) 
versehen wird, was in den nächsten Tagen wiederholt wird; der 
fluktuierende Bubo wird ebenfalls 2 — 3 Tage bestrichen, ist dann 
die Fluktuation nicht geschwunden, so wird eine kleine Incision 
gemacht, der Eiter abgelassen und die Höhle mit Karbolsäure aus- 
gestrichen, dann verbunden und das Verfahren alle 2—3 Tage 
wiederholt, bis die Höhle granuliert. Beim aufgebrochenen Bubo 
ist die Behandlung die gleiche. Besonders gute Erfolge wurden 
bei der Furunkulose erzielt; je nachdem es sich um harte oder 
erweichte Knoten handelte und je nach der Ausdehnung wurde ein¬ 
fach betupft oder Stich- resp. Incisionsöffnungen angelegt und 
nachher touchiert mit der Karbolsäure; daneben wurden Umschläge 
mit einer Lösung Acid. boric. 4,0 Liq. Alum, aoetic. ad 100,0 
verordnet, später indifferente Salben. Auszüge aus Krankenge- 
sohichteu illustrieren die guten Heilerfolge. Vereinzelt wurden 
dann in ähnlicher Weise noch behandelt ulceröse Stomatitiden, 
scrophulöse und tuberkulöse Drüsen und Panaritien. 

8. Gessner, Olven.stedt. Heber das Verhalten nengeborenei 
Tiere bei parenteraler Zufuhr von artfremdem Eiweiss. 

G. hatte jungen Tieren verschiedener Gattung Kuhblutserum 
und rohe, unverdünnte Kuhmilch injiciert und dabei keinerlei 
toxische Wirkungen gesehen, ein Ergebnis, das namentlich den Ton 
Schlossmann und Salge bei menschlichen Säuglingen mit Injektionen 
artfremden Eiweisses gemachten Erfahrungen widerspricht. 

9. Adler undHensel, New-York. Heber intravendse Nikotin- 
einspritznngen and deren Einwirkung auf die Kaninchenaorta. 

Von einer Verdünnung 1: 200 chemisch reinen Nikotins wurde 
Kaninchen Va ccm (= l'/a mg Nikotin) intravenös injiciert, worauf 
einige Miijuten dauernde Konvulsionen eintraten; dieselben wieder¬ 
holten sich in gleicher Weise bei jeder erneuten Injektion; 
Zeichen einer sich allmählich einstellenden Toleranz oder Ge¬ 
wöhnung an das Gift waren nicht zu beobachten. Schon nach 
18 Injektionen waren vereinzelt geringe Veränderungen an der 
Aorta zu sehen, die nach 38 Einspritzungen sich fast durchgängig 
in grosser Ausdehnung eingestellt hatten. Die pathologischen Er¬ 
scheinungen stellten sich als aneurysmat^he Erweiterungen und 
Bildung von Vorsprüngen, Rauhigkeiten’, Plaques dar; mikro¬ 
skopisch zeigte sich als primäre Laesion hauptsächlich eine Er¬ 
krankung der Media, Nekrotisierung der Muskelfasern mit nach¬ 
folgenden Zerstörungen der elastischen Elemente, sekundär Prolife¬ 
ration der Intima. Die Veränderungen erinnern in vielem an die 
durch Adrenalininjektioneu erzielten, und sind auch in mancher 
Beziehung denen der menschlichen Arteriosklerose analog. 

10. Ogata, Tokio. Vorläufige Mitteilung über die Aetio¬ 
logie der Tsutsugamushi' (Kedaui*) Krankbeit (Ueberschwemmungs- 
fieber nach Baelz). Nicht abgeschlossen, 

Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 45. 190G. 

1. Bernhard, Berlin. Beitrag zur Lehre vom Status 
hemiepilepticus. 

B. berichtet über eine Patientin, bei der kürzere Zeit be¬ 
stehenden Kopfschmerzen und vorübergehendem linksseitigem 
Schwächegefübl, heftige epileptische Krämpfe einsetzten, die in 
wenigen Tagen an Intensität so Zunahmen, dass sie nicht mehr zu 
bekämpfen waren. Dauernder Bewusstseinsverlust trat ein, der 
Puls stieg auf 140 Schläge in der Minute, die Temperatur auf 
39 Da die Anamnese ein freilich Jahre zurückliegendes Ohr- 
Iciden ergab, die Krämpfe hauptsächlich die linke Seite betrafen, 
und bei dem schweren Ergriffensein ein tötJicher Ausgang gewiss 
erschien, so wurde als letztes Mittel eine Eröffnung der rechten 
Schädelhällte vorgenommeu, in der Hofi’nung, hier an Rinde oder 
subkortikalem Gewebe eine Ursache des Leidens zu finden. Das 
Ergebnis war ein absolut negatives. Auch die Autopsie Hess 
keine pathologisch-anatomisch nachweisbare Schädigung j am Ge¬ 
hirn aulfinden. Im Anscblu.ss daran bespricht B. die wichtigsten 
neueren Arbeiten über den Status hemiepilepticus, die zeigen, dass 


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190S. 


MBDICmiSCHS WOGHB. 


519 


für die Praxis die Schwierigkeit bestehen bleibt, diese Fälle 
klinisch so vor den übrigen herauszuheben, dass man dem 
Chirurgen widerraten kann, die als ultimum refugium anzusehende, 
lebeosrettende Operation zu unterlassen. Trotz der unleugbaren 
Fortschritte, die die Forschungen gebracht haben, erscheinen die 
Schwierigkeiten einer das weitere Handeln bestimmenden Diagnose 
für den Praktiker eher noch grösser. Nur das eine erscheint als 
Gewinn für den Praktiker, dass einmal bei Operationen, die unter¬ 
nommen wurden, um eine höchstwahrscheinlich im motorischen 
Bezirk der Hirnrinde vermutete Neubildung, Ahscess etc. zu ent¬ 
fernen, absolut kein zu eliminierendes pathologisches Produkt ge¬ 
funden wurde, dass andrerseits selbst bei verzweifelten Fällen 
einseitiger Epilepsie der Zustand sich nach einigen Tagen trotz 
anhaltendem Status hemiepilepticus so gebessert hat, dass ein 
relativer Gesundheitszustand resultierte. 

2. Dege, Berlin. Zur Aetiologie der L&hmong des Nervus 
laryngeos inferior. 

Vier Fälle von einseitiger, peripherischer Recurrenslähmung 
mit verschiedener Aetiologie; 1. infolge einer Fraktur der Clavicula, 
2. infolge eines Aneurysmas der Ärteria subclavia, das sich nach 
einem Trauma entwickelte, 3. Durchschneidung des Recurrens bei 
einer Schilddrüsenoperation, 4. nach einer fibrinösen Pneumonie, 
hier bedingt entweder durch Toxinwirkung, oder Druck von ge¬ 
schwollenen Lympbdrüsen oder von pleuritischen Schwarten über 
der Lungenspitze. 

3. Hübner. Zur Lehre von der Lues nervosa. 

Während in neuerer Zeit bezüglich des durch zahlreiche 
statistische Erhebungen erwiesenen Zusammenhangs zwischen Ta¬ 
bes und Paralyse einer-, der Syphilis andererseits, die Ansicht 
vorherrschend geworden ist, dass als aetiologische Momente für 
Tabes und Paralyse neben der Lues entweder eine ab ovo vor- 
h:\ndene Disposition oder erworbene Schädlichkeiten in Betracht 
kommen, die beiden genannten Erkrankungen der nervösen 
Zentralorg.ine also nicht Produkte der Syphilis allein, sondern 
mehrerer gleichwertiger Faktoren sind, ist in den letzten Jahren, 
namentlich von Frankreich ans, eine neue Hypothese propagiert 
worden, die Lehre von der Lues nervosa, nach der es Formen der 
Syphilis geben soll, welche mit ihrer Schädigung vorzugsweise das 
Nervensystem heimsucht. An der Hand von Beobachtungen führt 
H. dagegen aus, das es klinische und anatomische Tatsachen gibt, 
die man ungezungener ohne die Annahme einer Lues nervosa 
erklären kann; ferner zeigten, dass das Material, welches die Au¬ 
toren als beweisend für ihre Theorie ansehen, hauptsächlich die 
Fälle von infantiler und juveniler, von konjugaler und familiärer 
Tabes und Paralyse und die Qruppenerkrankungen von diesen 
Neurosen, auch unter anderen Gesichtspunkten betrachtet werden 
können, vielleicht sogar betrachtet werden müssen. 

4. Sei lei, Budapest. Die Behandlung der Cystitis mit 
Alkohol. 

5. empfiehlt Blasenspülungen mit 5 —15 prozentigen Lösungen 
von Alkohol von kurzer bis zu Vzstündiger Dauer. Besonders 
bei Cystitiden, die sich zu Prostatahypertropliie gesellen, und bei 
sich an gonorrhoische Urethritiden anschliessenden hat er sehr 
gute Heilerfolge erzielt. Für den therapeutischen Effekt dürfte 
neben der antiseptischen, bakterientötenden Wirkung der stark 
adstringierende Einfluss des Alkohols von Bedeutung sein. 

5. MaragUano, Genua. Die spezifische Therapie der Tuber¬ 
kulose. (Schluss aus Nr. 43 und 44.) 

An der Hand einer Reihe von Thesen werden die Funda¬ 
mentalpunkte, die für die spezifische Therapie der Tuberkulose in 
Betracht, kommen, erläutert. Diese Thesen lauten: 1. Die leben¬ 
den Tuberkelbazillen, sowie die Leiber der Bazillen erzeugen, so¬ 
bald sie experimentell in den tierischen Organismus eingeführt 
werden, spezifische Schutzsubstanzen. Bis sind das antitoxische, 
bakteriolytisohe und agglutinierende Substanzen, welche zu demon¬ 
strieren imd ziemlich genau zu dosieren sind. 2. Die autituber- 
kulösen Substanzen, welche man experimentell mit verschiedenen 
bazillären Stoffen erhält, verdanken stets ihre Herkunft dem 
gleichen Verteidigungsvorgang, welches auch ihre Form sei, welchen 
Namen man ihnen auch geben mag. 3. Um antituberkulöses, für 
die Therapie beim Menschen verwendbares Material zu erhalten, 
ist die Anwendung lebender Bazillen absolut ausgeschlossen 4. Die 


antituberkulösen Substanzen befinden sich in den Zellelementen 
der Gewebe, den Leucocyten, im Blutserum, in der Milch der be¬ 
handelten Tiere, in den Eiern der behandelten Hühnchen, in den 
tuberkulösen Eutzüudungsprodukten, welche experimentell mit den 
Bazillensubstanzen erzeugt wurden, ö. Die tuberkulöse Infektion 
beim Menschen ruft die Produktion spezifischer Schutzsubstanzen 
hervor, analog denen, die man experimentell bei Tieren erhält, 
6. Die Tuberkuline und die anderen Tuberkelgifte können bei dem 
von Tuberkulose ergriffenen Menschen die Produktion spezifischer 
Schatzstoffe hervorrufen. 7. Die antituberkulösen Stoffe, welche 
sich im Organismus der behandelten Tiere befinden, können auf 
verschiedenen Wegen auf neue Organismen übertragen werden 
und dort ähnliche Schutzsubstanzen erzeugen. 8. Man kann eine 
spezifische Therapie der Tuberkulose mit zwei Arten von Mitteln 
insWerk setzen: mit den Tuberkulinen und andern Tuberkelgiften; 
mit den im Organismus gesunder Tiere erzeugten antituberkulösen 
Substanzen. 9, Man besitzt jetzt in der Tat eine spezifische The¬ 
rapie der Tuberkulose und dtr menschlichen Tuberkulosen; aber 
sie wird so lange keinen Glauben in der Praxis finden, bis nicht 
die Aerzte davon überzeugt sind, das-s es absurd ist, von ihr ejne 
Heilung bei zerstörten Geweben eines in Auflösung begriffenen 
Organismus zu erwarten. 10. Es ist möglich, dahin zu gelangen, 
beim Menschen eine Prophylaxe der Tuberkulose mittels einer 
spezifischen Impfung auszuüben. 

G. Cohn, Berlin: Die Lnngenanthrakose and ihre Entstehung 
vom Dam ans. (^Schluss aus No. 44.) 

Die Frage nach Ursprung und Herkunft des Lungenpigmentes 
war durch die Arbeiten Am olds , nach denen die Schwarzfärbung 
der Lungen durch Kohlenstaubpartikelchen verur.sacht ist, die mit 
der Atemluft inhaliert werden, zu einem Abschluss gebracht. In 
jüngerer Zeit ist nun von Van.steenberghe und Grysez die 
Behauptung aufgestellt worden, die Lungenanthrakose sei inte.sti- 
nalen Ursprungs, die Absorption des Staubes erfolge vom Darm 
au.s, was im Hinblick auf die Behringsche Tuberkulosetberapie 
besondere Beachtung verdient. C. hat die Experimente der betr. 
Forscher einer Nachprüfung unterzogen mit dem Ergebnis, dass 
von einer Fütternngsanthrakose keine Rede sein kann. 

7. Finder, Berlin: Kehlkopfontersaohang and einige haupt¬ 
sächliche Kehlkopfkrankheiten hei Kindern. 

Bei vielen Kindern erweist sich eine Spiegeluntersuchung des 
Kehlkopfs als unmöglich; in solchen Fällen empfiehlt sich die 
autoskopische, direkte Besichtigung nach Killian entweder mit 
dem Kirsteinschen Spatel oder dem K illian sehen röhrenförmigen 
Instrument. Einige Kehlkopfkrankheiten der Kinder, die in pädi¬ 
atrischen Lehrbüchern stiefmütterlich bedacht sind und den Praktikern 
meist nicht genügend vertraut sind, werden besprochen: die an¬ 
geborene Membranbilduug im Kehlkopf, der kongenitale Larynx- 
stridor, die akute Laryngitis der Säuglinge, die chronische Laryn¬ 
gitis, Laryngitis tuberosa oder nodosa, Noduli lymphatici, die Kehl- 
kopfpapillorae. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 44. 

1. Mosetig, Moorhof: Die Aasschaltong von Hohlräomen 
in Operationswanden. 

Eine Ausschaltung sogenannter toter Räume in Operations¬ 
wunden ist stets aozustreben, um Eiterung und deren Folgen zu 
verhindern und raschere Heilungen zu erzwingen. Am zweck- 
mäCigsten wird die Ausschaltung, wenn andere Verfahren nicht 
ausführbar sind, durch hermetische Ausfüllung der Räume bewerk¬ 
stelligt. Bedingung zur Ausführung der bezweckten Ausfüllung 
oder Plombierung bei Kuochenhohlräumen sind: von Seiten des 
Cavums Entfernung alles Krankhaften, Neuformung der Höhle 
durch Abtragung im Gesunden behufs Herstellung der Asepsis, 
Trockenlegung der Höhle; von Seiten der Füllmasse Bereitung 
unter antiseptischen Kautelen, Bereitung der Plombe mit einem 
Dauerantiseptikum als wesentlichstem Konstituens, die Möglichkeit, 
die Füllmasse in flüssiger Form einzuführen, damit sie erst in 
der Höhle erstarrt und so hermetischen Abschluss zustande bringt. 
Diese Bedingungen erfüllt die Jodoformplombe. Dieselbe besteht 
aus Walrat (Cetaceum), Sesamöl und feinstpulverigem Jodoform, 
im Verhältnis des letzteren zu den beiden andern zu gleichen 
Teilen genommenen Konstutituentien von 40:60. Der Schmelz¬ 
punkt liegt zwischen 45® und 48®; auf 50® im Wasserbade er- 


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520 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 4 , 1 . 


hitzt, kann die Emulsion flüssig eiugegossen werden und erstarrt 
bald. Die Jodoformplombe soll nur als Platzhalter dieneu und so¬ 
lange in der Höhle bleiben, bis sie durch die Granulation ent¬ 
weder ganz verzehrt oder nur teilweise resorbiert und zum Teil 
nach aussen verdrängt wird. Resorption oder Verdrängung er¬ 
folgen nur langsam, entsprechend dem Aufbau der Granulations¬ 
masse, welche die bleibende organische Ausfüllung besorgt. Jodo¬ 
formintoxikationen sind bei der äusserst langsamen Aufnahme und 
Ueberlührung in den Kreislauf nicht zu besorgen, selbst nicht 
bei grossen Höhlen und entsprechendem Quantum der Füllmasse. 
Der Wundverlauf nach Anwendung der Jodoformplombe ist, wenn 
sie richtig gemacht wird, stets aseptisch. Bei vollkommenem 
Wundverschluss sind Heilungen prima inteutione die Regel. Die 
Endresultate sind die bestmöglichen, auch vom kosmetischen 
Standpunkt betrachtet, weil tief eingezogene Narben, dank dem 
regen organischen Ersatz, dabei vermieden werden. 

2. Weiss, Alland: Beobachtungen über die Ehrlichsohe 
Biazoreaktion bei Lungentuberkulose. 

Für Ausführung der Reaktion wird die Verwendung von 
Paramidoazetophenon an Stelle der Siilfanilsäure empfohlen. Nicht 
unwichtig für den Auställ kann die Konzentration dos Harnes sein; 
die die Reaktion verursachende Substanz kann in zu geringer 
oder in zu starker Konzentration im Harne Vorkommen; dann 
sind die Harne auf entsprechende Volumina einzudampfen oder zu 
verdünnen. Bei 257 Patienten wurden systematische Prüfungen 
des Harnes auf Diazoreaktion vorgenommen und mehr als 1000 
Einzeluntersuchungen gemacht. Dabei ergab sich, dass die Inten¬ 
sität der Reaktion keinen sicheren Schluss auf die Intensität des 
Krankheitsprozesses zulässt, wenn auch im Allgemeinen die stärkere 
Reaktion einer schweren Erkrankung entspricht. Die Reaktion 
fand sich immer nur bei Fällen mit zweifelhafter oder schlechter 
Prognose, niemals bei Fällen mit guter Prognose. Die sichere 
Konstatierung der Diazoreaktion kann daher die Stellung der 
Prognose in diesem Sinne beeinflussen. Wenn während einer 
längeren Beobachtungszeit, trotz eingeleiteter entsprechender 
Therapie, die Reaktion bestehen bleibt, so berechtigt dies zu 
einer schlechten Prognose. Auf die längere Bcobachtuugszeit ist 
ein besonderer Nachdruck zu legen. Das Fehlen der Diazoreaktion 
bei sonst schlecht zu stellender Prognose kann in günstigem Sinne 
aufgefasst werden. Das vorübergehende .Auftreten der Reaktion 
kann nicht als Signum mali ominis aufgefasst werden, bleibt aber 
ein Symptom, das einen Fingerzeig gibt, dass die Prognose des 
Falles ernst ist, schliesst aber nicht immer eine Besserung aus. 
Ein Zusammenhang der Diazoreaktion mit dem Fieber war nicht 
festzustellen. Interessant ist die Feststellung, dass im Anschluss 
an Tuberkulinbehandlung Diazoreaktion auftreten kann. Versuche, 
mit dem Blutserum von Kranken die Diazoreaktion anzustellen, 
ergaben ein negatives Resultat. 

3. Marcovich, Trle.st: Meningococcen im kreisenden Blut. 

Bei einem klinisch eigentümlich verlaufenden Fall von Menin¬ 
gitis cerebrospinalis — es fehlten die hohen Temperatursteiger- 
ungen und die Nackenstarre, dagegen war ein ausgesprochenes 
Exanthem vorhanden — wurden aus dom Blute in vivo Weichsel¬ 
baum sehe Meningococcen gezüchtet. Pathologisch-anatomisch fand 
sich die Lokalisation des Exsudate.s, in dem die gleichen Erreger 
nachgewieseii wurden, nur am Gehirn. Es liegt die Annahme 
nahe, dass im vorliegenden Falle die Meningococcensepsis die primäre 
Läsion war, und die Lokalisation des Krankheitserregers auf die 
Hirnhäute auf dein Blutwege zustande kam. 

4. Klautz, Wien: üeber Cholecystis typhosa. 

Bei der Patientin wurde nach 14 tägigem, mäßig fieberhaften 
Unwohlsein, eine Cholecystis purulenta acuta diagnostiziert und 
durch die Operation bestätigt. In der Gallenblase fand sich neben 
Steinen eitrige Flüssigkeit, in der Typhusbazillen in Reinkultur 
nachgewiesen wurden. Der positive Ausfall der Widalschen 
Reaktion 1:30 lie.ss einen vorangegangenen Typhus annehmen. 
Die Üntersuchung der Steine auf Typhiisbazillen ergab ein nega¬ 
tives Resultat. 

5. Liehtenstern, Wien: Ueber Fonktionsprüfangen der 
nach Nephrektomie restierenden Nieren. 


L. hat bei einer Anzahl nephrektomierter Patienten teils 
gleich, teils Jahre nach der Operation das Auftreten des Pboridziu- 
diabetea beobachtet. Diese Beol^chtungen zeigten, dass bei 
Menschen, die nur eine arbeitende Niere besitzen, die die Funktion 
für den Gesamtorganismns in einwandsfreier Welse übernommen 
hat, und dieser Arbeit auch völlig gewachsen ist, dieses Organ 
Atypien in der zeitlichen Zuckerausscheidung aufweisen kann. 
Damit ist die Behauptung gerechtfertigt, dass das zeitliche Auf¬ 
treten des Phloridzindiabetes kein sicheres Reagens für Nieren¬ 
arbeit ist. 

6. Ludwig, Panzer, Zarek: üeber die St. Bnpertus- 
Quelle in Bad Abtenau (Herzogtum Salzburg). 

Eingehende Darlegung der Ergebnisse der Analysen der 
Quelle, nach denen dieselbe als eine Kochsalztrinkerquelle und 
zugleich leichte Bitterquolle zu bezeichnen ist, die durch ihren 
Gehalt an kohlensaurem Eisen noch besonderer therapeutischer 
Wirkung befähigt erscheint. 

Allgemeine medicinieche Central-Zeitung. 1906. Nr. 4i. 

R a 11 n e r, Berlin: Das Biersche StaunngSTsrfahren, eine 
allgemeine Betrachtung mit besonderer Würdigung der gegneri¬ 
schen Kritik. 

Gegen die im allgemeinen sehr günstige, zum Teil sogar 
begeisterte Aufnahme des Bi ersehen Stauungsverfahrens haben 
hauptsächlich zwei Autoren, Lexer und Thoele, ihre warnende 
Stimme erhoben und gegen diese Behandlungsmethode die prak¬ 
tische Unzulänglichkeit einerseits, und den Mangel einer theoretisch¬ 
wissenschaftlichen Begründung andrerseits ins Feld geführt. Diese 
Einwendungen werden eingehender dargelegt; aber trotz derselben 
ist wohl daran festzuhalten, dass Bier uns mit seiner Methode 
eine wesentliche Bereicherung unseres therapeutischen Schatzes 
gegeben hat. 

No. 42. 1906. 

Dmitrenko, Odessa: BelatiTe Stenose der Hitraliz. 

Die Stenose des Ostium venosum sinistram kann ohne jeden 
auskultatorischen und palpatorischen Befund verlaufen; es können 
aber auch charakteristische Zeichen dieses Klappenfehlers, prae- 
systolisches oder diastolisches Geräusch an der Herzspitze, vorhanden 
sein, ohne dass anatomisch eine Stenose der Mitralis vorliegt. D. 
berichtet über einen solchen Fall; bei einer Mitralinsufflzienz war 
intra vitam ein lautes diastolisches Geräusch an der Herzspitze 
zu hören, die Autopsie ergab keine absolute Verengerung der 
Mitralis, aber eine starke Dilatation des linken Ventrikels. In 
solchen Fällen muss an der Entstehung der praesystolischen oder 
diastolischen Geräusche an der Herzspitze das Verhältnis der Zu¬ 
nahme desUmfanges der Höhle zur Zunahme der Grösse des Lomens 
der zuführenden Öffnung, und zweitens die Differenz des Druckes 
in den mit einander kommunizierenden Höhlen und folglich die 
Beschleunigung des passierenden Blutstromes beteiligt sein. Das 
diastolische Geräusch bei der Mitralinsuffizienz bedarf also für 
eine Entstehung gewisse Bedingungen und ist für einen be¬ 
stimmten Zustand des Herzens, in diesem Falle für eine Über¬ 
mäßige Dilatation des linken Ventrikels, charakteristisch. Und 
weil jedes Geräusch nur unter gewissen physikalischen Bedingungen, 
die nur durch Veränderungen eines Organs (des Blutes, der Ge- 
fässe, des Herzens) gegeben werden, auftreten kann, ist die Unter¬ 
scheidung der Geräusche in organische und anorganische fallen zu 
lassen. Ausser bei Mitralinsuffizienz wird das praesystolische oder 
diastolische Geräusch an der Herzspitze auch bei Chlorosen, Neu¬ 
rosen, Myocarditis, Aorteninsutfizieuz beobachtet; den Erscheinungen 
liegt immer der gleiche Mechanismus zu Grunde, weshalb D. vor- 
schlägt, alle hierher gehörigen Fälle unter der gemeinsamen Bezeich¬ 
nung der relativen Mitralstenose zu vereinigen. 

Der heutigen Nummer liegt ein Prospekt über ,,Vlberon**der Firma 
G. Sartori in Berlln-SchÖneberg 1 bei. Auf einem Teil dieser 
Prospekte befindet sich ein Druckfehler; das Werk «Die Vibrationsmaaeage* 
von Dr. med. Arno Hohnbaum-Hannover kostet M. 2,50, nicht M 1,50. — 

Der *Viberon“ wird ,auf Wunsch“ gegen 50®/# Barzahlung und 50®/, 
monatliche Ratenzahlungen (ä 5 bis 10 M.) geliefert. — Einzelne Apparate 
werden auch leihweise gegen monatliche Vergütung — nach Vereinbarung 
— abgegeben. 


V«r*niwnrtlich«r Redmkt^nr : Dr. P. Meiiiner, Berlin W. SS, Knrfflrttenttr. 81. — Verleg von Cerl Merheld. Helle e. S. 
Drvek *on 'ler HeTveneDn'echee Racbdmckarei, Gebr WoUr, Helle e. S 


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Medicinische Woche 


Deatschmano, A. DfthrtMO, A. Hofft, L Jacobi, 

Hanbarg. Berlia. Berlin. Prelburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sonner, 

Berlin. Oleeten. 


Verlag und Expedition 

Carl Marhold In Halle a. 5*« Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hatleuale. Fernsprecher 823. 


Herausgegeben von 



Jahrgang. 







5t, 




R. Robert, M. Koeppen, K. Partecb, H. Rosln, H. Schlange. 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerrlcht, A. Vosaias, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion; 

Berlin W. 62« Kurfflrstenstrasse 81. 

Dr. P Meißner 


26. November 1906. 


Nr. 48. 


Die .Med icinlsche Woche-erscheint Jeden Montag mit der Utaglgen Beilage BalneolOgiSChe Centralzeitung, Organ des Schwarzwaldbadertages, 
des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badearzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Buchbandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden für die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 
mit 50 P(. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezelle 1.50 M. Bei gröSeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 

Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originaiien. 


Zur Frage der experimentellen Anaemien. 

VorlänBge Mitteilung von Dr. A. A. Wyssotzki,*) 
ordinierender Arzt an der Tberapeiitischeu Fakult&taklinik zu Mo.skuii. 

Die Aetiologie der sogenannten essentiellen pcrniciösen 
Anaemie beschäftig schon seit jeher die Forscher, und trotz¬ 
dem kann man ni^t sagen, dass seit der Beschreibung dieser 
eigenartigen Krankheit durch Biermer die Aetiologie der¬ 
selben in mehr oder minder ausreichender Weise erforscht wäre. 

Die bakterielle Theorie ist nach vielen misslungenen Ver¬ 
suchen, im Blute den Erreger der perniciösen Anaemie zu finden, 
heutzutage fast vollständig verlassen worden. Die allgemeinen 
Ursachen, wie schlechte hygienische Verhältnisse, mangelhafte 
Ernährung, übermäßige Anstrengung etc. können gleichfalls 
das Wesen der Krankheit nicht erklären, wenn es andererseits 
auch keinem Zweifel unterliegt, dass alle diese Momente im 
Sinne einer prädisponierenden Ursache eine gewisse Holle 
spielen können. 

Die Ursache der Anaemie in früher überstandenen Er- 
krankangen, wie Malaria, Lues, Geburt etc. zu suchen, ist 
gleichfalls nicht ganz angebracht, da alle diese Krankheiten sehr 
verbreitet sind, während die perniciöse Anaemie eine relativ 
seltene Erkrankung darstellt Es unterliegt keinem Zweifel, dass 
diese Erkrankungen auf den Allgemeinznstand des Organismus 
einen hochgradigen Einfiuss auszuüben vermögen; immerhin ist 
es nicht möglich, einen direkten Zusammenhang zwischen diesen 
Erkrankungen und der perniciösen Anaemie nacbzuweisen. 

Eine ganz besondere Stellung nehmen in dieser Beziehung 
die Störungen von seiten des Magendarmkanals ein, die bei der 
perniciösen Anaemie beobachtet werden und, wie zahlreiche 
Untersnchungen lehren, zu hochgradigen Veränderungen der 
Magendannschleimhaut bis zu vollständiger Atrophie derselben 
führen. Hier entsteht allerdings die Frage, ob die perniciöse 
Anaemie die Folge dieser Veränderungen des Magendarmkanals 
ist, oder ob umgekehrt diese Veränderungen der Magendarm¬ 
schleimhaut die Folge der tiefen Störung der allgemeinen Er¬ 
nährung durch die Erkrankung des Blutes sind. 

Eine gewisse Beleuchtung hat das Wesen der perniciösen 
Anaemie durch das Studium der einen Form derselben, der so¬ 
genannten anaemie bothriocephalica erfahren. Wie die klinischen 
Beobachtungen von Wiltschur, Schapiro, Schaumann 
und Neubecker ergeben haben, verliefen diejenigen Fälle von 
perniciöser anaemia bothriocephalica am schwersten, in denen 
man den Bothriocephalus tot und in zersetztem Zustande oder 
überhaupt nicht fand, trotzdem die Stühle des Patienten Eier 

*) Aus dem Russiscbcn von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf. 


dieses Parasiten aufwiesen, d. h, der Parasit resorbiert war. 
Dieser Umstand Hess diese Autoren die Vermutung aussprechen, 
dass aus dem Körper des Bothriocephalus in den Organismus 
ein gewisses Gift gelangt, welches schädlich auf das Blut ein¬ 
wirkt. Diese Vermutung fand Bestätigung in den Untersuchungen 
von Schaumann und T a 11 q u i s t; diese Autoren haben 
aus dem Bothriocephalus einen Auszug in physiologischer Koch¬ 
salzlösung gemacht, denselben einem Hund eingespritzt und bei 
dem Tiere nach 14 Tagen eine Abnahme der Zahl der roten 
Blutkörperchen von 7 200000 bis 3400000 und das allgemeine 
Bild von schwerer Anaemie hervorgernfen. Auf diese Weise 
ist der toxische Ursprung der perniciösen anaemia bothrio¬ 
cephalica aufgeklärt worden. 

Weder in klinischer Beziehung, noch im Sinne der be¬ 
stehenden Blutveränderungen unterscheidet sich die perniciöse 
anaemia bothriocephalica von der progressiven perniciösen 
Anaemie ohne bestimmte Aetiologie; diese Tatsache bringt einen 
unwillkürlich auf den Gedanken, ob nicht bei der progressiven 
perniciösen Anaemie irgend eine Intoxication eine dominierende 
Rolle spiele, die zu Zerstörung der Blutkörperchen führt und 
im Resultat so schreckliche Veränderungen gibt. 

Zu den Autoren, welche die Ursache der perniciösen Anaemie 
in einem im Blute zirkulierenden Toxin erblicken, gehören 
Brandburg, Silbermann, Birch-Hirschfeld und 
Taylor; Hunter, Mott und Rüssel beschränken die 
Wirk ungssphäre dieses Toxins auf das Gebiet der Pfortader. 
Pepper, Hayem, Cohnheim, Rindfleisch, Ehrlich, 
H. Müller, Engel, Ricklin und Selvestre erblicken die 
Ursache der perniciösen Anaemie in einer Erkrankung des 
Knochenmarks; Quincke, Eich hörst, Mackenzie, Hoff- 
mann, Ransom, Grawitz und Lazarus glauben, die Ur¬ 
sache der perniciösen Anaemie sowohl im Blute wie im Knochen¬ 
mark suchen zu müssen; Fenwick, Ewald und Hansemann 
betrachten das Verschwinden der Magendrüsen als Ursache der 
in Rede stehenden Erkrankung. Sasaki führt dieselbe auf eine 
Degeneration der Meissnerschen und Auerbachschen 
Plexus zurück. Breadbent und ßanti suchen die Krank¬ 
heitsursache im Nervensystem, Stockmann in der fettigen 
Degeneration der kleinen Gefässe und nachfolgenden zahlreichen 
Blutungen. 

Ich möchte mich auf eine Erörterung aller dieser Theorien 
nicht einlassen, da dies nicht der Zweck meiner Mitteilung ist 
und zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte; ich mochte nur 
darauf hinweisen, dass ein und dieselben Tatsachen von ver¬ 
schiedenen Autoren verschieden gedeutet werden und somit als 
Grundlage für verschiedene Theorien dienen. So erblicken bei¬ 
spielsweise Hunter und L i m b e c k in der Siderosis der Organe, 
in der Urobilinurie, in der Gelbsucht Beweise für eine inner¬ 
halb der Gefässe stattfindende Haemolyse, während Stockmann 
dieselben Erscheinungen als Beweis für eine ausserhalb der 
Gefässe stattfindende Haemolyse betrachtet. Nach Ehrlich 
lässt sich die perniciöse Anaemie durch megaloblastische De- 


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522 


MSDICINISCHE) W OCHS. 


Nr. 48. 


generation des Knochenmarks erklären, welche eine unregel¬ 
mäßige R^eneration des Blutes bewirkt und das Bild emer 
schweren Bluterkrankung entstehen lässt. 

Nach der Ansicht von Silbermann wird die perniciöse 
Anaemie durch das Vorhandensein von gelöstem Haemoglobin 
im Plasma, d. h. durch Haemoglobinaemie,bedingt; nach Hunter 
findet bei dieser Krankheit eine Zerstörung der roten Blut¬ 
körperchen im Gebiete der Pfortader statt. Die perniciöse 
Anaemie kann durch mangelhafte Bildung der roten Blut¬ 
körperchen, durch gesteigerte Zerstörung derselben, oder durch 
diese beiden Ursachen zusammen hervorgenifen werden. 

Zu Gunsten des Zerfalles von roten Blutkörperchen sprechen 
folgende Tatsachen: 1. die dunkle Färbung der Excrete, wie 
des Harns, der Galle, der Stühle; 2. die Veränderung des Harns: 
Steigerung der täglichen Hamstoffmenge, Peptonurie, Uro- 
bilinurie, das Vorhandensein von Blutfarbstoffkömchen; 3.*ge- 
steigerterEiweisszerfall; 4. Veränderung des Blutes: Poikylocy- 
tose und Mikrocytaemie, endoglobuläre Nekrose nach Marag- 
liano, weniger stabiler Zusammenhang zwischen dem Haemo¬ 
globin und dem Gerüst der Blutkörperchen, Herabsetzung der 
Alkalinität des Blutes; 5. Pigmentation und Siderosis der Organe 
und Gelbsucht. 

Die Veränderung des Blutes weist darauf hin, dass die 
roten Blutkörperchen zweifellos stark gelitten haben; der 
Mechanismus dieser Verletzung bleibt aber unaufgeklärt; man 
weiss nicht, ob sich die kranken Blutkörperchen im Knochen¬ 
mark gebildet haben und, nachdem sie in den Blutkreislauf ge¬ 
langt sind, schon unter dem Einflüsse geringfügiger Ursachen 
zu Grunde gehen, oder aber die roten Blutkörperchen ursprüng¬ 
lich gesund und schon innerhalb des Blutkreislaufes durch em 
unbekanntes Agens beschädigt worden sind. 

Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, warum Haemo- 
globinaemie relativ selten beobachtet wird, wenn wir an eine 
Zerstörung der roten Blutkörperchen unter der Einwirkung 
irgend eines Giftes denken. 

Das aus den roten Blutkörperchen ausgetretene und im 
Plasma gelöste Haemoglobin wird von gewissen Organen, be¬ 
sonders von der Leber und der Milz festgehalten und je nach 
der Funktion dieser Organe in Bilirubin, Haemosiderin und Fuscin 
zerlegt. Das Haemosiderin und das Fuscin führen zu Pigmentation 
und Siderosis der Organe, das Bilirubin zur Pleiocbromie der 
Galle: die pleiochrome Galle ist dichter als normale Galle, 
passiert schwer den duct. choledochus, staut sich in den Gallen¬ 
wegen, wird teilweise absorbiert und ruft, indem sie in das 


Feuilleton. 


Valparaiso. 

Aus dem Tagebuche eines Schifi’sarztes. 

Von Dr. Bf. Brenning. 

(Schluss.) 

Das von den erwähnten Strassen gebildete Stadtviertel 
unterscheidet sich eigentlich in nichts von dem Geschäftsviertel 
einer europäischen, speziell einer deutschen Grossstadt. Die 
Strassen sind dort gepflastert, wenn auch nicht besonders gut, 
und verhältnismäßig sauber. Die höchstens dreistöckigen Häuser 
sind alle massiv, jedoch ziemlich einförmig und ohne architek¬ 
tonischen Schmuck. Unter den Passanten fallen höchstens die 
Chileninnen durch ihre schmalen, marmorbleichen Gesichter 
auf. Ganz anders wird jedoch das Bild, wenn man nur einige 
hundert Schritte eine der Querstrassen, welche in die anfangs 
erwähnten Schluchten, die „Quebradas“, auslaufen, hinaufgeht. 
Hier befinden sich die ärmeren Stadtteile mit Häusern aus 
Lehm oder Holz, welche teilweise auf Pfählen erbaut sind und 
im buntesten Durcheinander, kreuz und quer an den Abhängen 
jener Schluchten zerstreut liegen. Nur sehr schmale, schlechte 
und oft sehr steile Woge führen zu ihnen hinauf. Manche 
dieser Häuser, oder vielmehr Hütten, sind hier von kleinen 


Blut gelangt, Bilirubinaemie und sogar Gelbsucht hervor. Trotz 
der partiellen Absorption enthält die in den Darm gelangte 
Galle doch noch mehr Pigmente als in der Norm und verleiht 
den Stühlen eine dunkle Färbung; im Harn wird viel Urobilin 
ausgeschieden. 

Das Vorhandensein einer ziemlich grossen Anzahl von 
klinischen Tatsachen, die sich am leichtesten vom Standpunkte 
der Haemolyse erklären Hessen, veranlasste die Forscher, zum 
Experiment zu greifen und durch haemolytische Gifte bei Tieren 
der Bierm er sehen Krankheit ähnliche Zustände hervorrufen 
zu suchen. Zu diesen Tatsachen gehören der meistenteils 
remittierende, stossförmige Verlauf der Krankheit, das Auftreten 
von Urobilin, bisweilen auch von Bilirubin im Harn, leichte 
Gelbsucht der Haut und der Schleimhäute, das Auftreten von 
Bilirubin nach den Beobachtungen von Syllaba, bisweilen 
auch von Haemoglobin im Blutserum, Pigmentation und Siderosis 
der inneren Organe. Wenn auch Lazarus die Möglichkeit 
des Auftretens von Haemoglobinaemie bei pemieiöser Anaemie 
in Abrede stellt, so sprechen doch die Beobachtungen von 
Fürbringer, Gusserow und Syllaba dafür, dass das Auf¬ 
treten von Haemoglobinaemie bei pemieiöser Anaemie möglich 
ist. Ausserdem gibt es in der Literatur eine ganze Reihe von 
Fällen von pemieiöser Anaemie, die unter Erscheinungen von 
hochgradiger Gelbsucht verlaufen und sogar zur Verwechslung 
der Kränkelt mit katarrhalischer Gelbsucht, Neubildungen der 
Leber, Gallensteinen usw. Anlass gaben. Hierher gehören die 
Beobachtungen von Krieg, Scheby-Buch, Quincke, 
Strümpell, Laache, Georgi, Ewald, Bristowe, Bartels, 
F. Müller, Grawitz, Linbeck, Dieballa, Syllaba u. a. 

Nach den Beobachtungen von Copemann und Schau¬ 
mann war das Semm ihrer Patienten dunkelgelb gefärbt. 

Syllaba hat in fünf Fällen die Beschaffenheit des Serums 
studiert, welches sich in allen Fällen von goldgelber Farbe er¬ 
wiesen und Bilirubin enthalten hat. Nach der Meinung von 
Syllaba ist die Bilirubinaemie ein ständiges Symptom der 
pemieiösen Anaemie und gibt, wenn sie in hohem Grade aus¬ 
gesprochen ist, Gelbsucht. Die Menge von Symptomen, die ver¬ 
muten Hessen, dass bei der pemieiösen Anaemie eine Auflösung 
der roten Blutkörperchen stattfinde, haben einige experimentelle 
Arbeiten gezeigt, welche sehr wertvolle und interessante Be¬ 
funde haben erheben lassen. 

Bignani, Dionisi, Mazzoni, Battistini, Rover, 
Tall<^uist, Kaminer und Syllaba haben sämtlich in ihren 
Experimenten mit toxischer Haemolyse nach der Anwendung von 


Gärten umgeben, häufiger jedoch sieht man ringsum nur wüstet 
mit allerlei Unrat gefüllte Plätze. Man fühlt sich, nach der 
verhältnismäßigen Vornehmheit in der unteren Stadt, hier oben 
plötzlich wie m eine andere Welt versetzt Dazu kommt ein 
unerträglicher Staub, da die nach oben führenden Strassen 
und Wege nur in ihrem Anfangsteile gepflastert sind, und auf 
der Höhe fast stets ein mehr oder weniger heftiger Wind weht 
Alle durch die „Quebradas“ führenden Wege enden schliess¬ 
lich oben an dem „Camino Cintura“, einer breiten, ungepflaster- 
ten Strasse, welche sich, stets in gleicher Höhe und allen 
„Quebradas“ bis zu deren Ende in zahllosen Windungen fol- 

g end, in einer Länge von etwa 2 Vt Stunden längs der ganzen 
[ügelkette, welche den Hintergrund der Stadt darstellt, ent¬ 
lang zieht. Von dort bietet sich dem Auge ein allerdings 
prachtvolles Panorama. Tief unten erblickt man das Häuser¬ 
meer der Stadt, dahinter den Hafen mit den winzig klein 
erscheinenden Schiffen, und auf der anderen Seite in weiter 
Feme die schneebedeckten Gipfel der Cordilleren. Leider 
sind aber die Abhänge zu beiden Seiten jener Strasse fast 
überall völlig kahl, und die steilen Lehmwände, die hier und 
da aufragen und die glühenden Sonnenstrahlen zurückprallen 
lassen, machen die Wanderung auf dem staubigen, schatten¬ 
losen Wege auch nicht gerade angenehm. Mehr nach Süden 
zu gestaltet sich das Bild jedoch etwas freundlicher. Während 
anfangs nur sehr vereinzelt kleine Gärtchen ein kümmerliches 
Dasein fristeten, treten später an dem Camino Cintura mehr 
und mehr schöne Villen und grössere, wohlgepflegte Gärten 


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MtolCINISCHE WOCHE. 


523 


im. 


Pyridin und Pyr^allol Anaemie, bei kleinen Dosen Plethora 
im Sinne einer Steigerung der Haemo^lobinmenge, sowie der 
Anzahl der roten Blutkörperchen konstatiert Tallquist äussert 
sich in seiner Monographie über die Resultate seiner Experimente 
dahin, dass man durch kleine, wiederholte Gaben von haemo- 
Ijtischen Giften — Pyridin, Pyrogallol — bei Hunden progressive 
Anaemie erzeugen kann, die zum Tode des Tieres rührt. Die¬ 
selbe Dosis, welche ursprünglich eine Verringerung der Anzahl 
der roten Blutkörperchen und des Haemoglobin-Gehalts bewirkte, 
wird früher oder später unwirksam, und die Anzahl der roten 
Blutkörperchen verringert sich nach andauernder Anwendung 
derselben Dosis nicht mehr, oder erfährt im Gegenteil eine 
Steigerung. Infolgedessen muss man, wenn man will, dass die 
Anaemie bestehen bleibt und Fortschritte macht, die ursprüng¬ 
liche Dosis immer mehr und mehr vergrössern. — lieber 
Experim. Blutgiftanaemien. Berlin 1900, Seite 191. 

Bignani und Dionisi erklären diese Erscheinung durch 
eine Art Immunität der roten Blutkörperchen, Tallquist durch 
kompensatorische Funktion der blutbildenden Organe. 

Syllaba hat durch Einführung von haemolytischen Giften 
ein Bild erzielt, welches in vieler Beziehung mit der Biermer- 
schen Krankheit Aehnlichkeit hat; schwere Anaemie, Gelbsucht, 
Urobilinurie, Pigmentation und Siderosis der inneren Organe, 
sowie kompensatorische Reaktion der blutbildenden Organe. 
Nach der Ansicht von Syllaba lag der Unterschied zwischen 
der experimentellen Anaemie und der Biermerschen Krankheit 
in den untergeordneten Erscheinungen; was aber die Haupt¬ 
sache ist, so ist es die Tatsache, dass diese Anaemie einen 
megaloblastischen Charakter nicht hat, der nach Ehrlich für 
die pemiciöse Anaemie eigentümlich ist. Bignani und 
Dionisi, Voss und Tallquist sind zu denselben Schlüssen 
gelangt 

Eine besondere Stellung nehmen in Bezug auf die erzielten 
Resultate die experimentellen Arbeiten von Kaminer, Rohn- 
stein und Reckzeh ein. Die ersteren Autoren arbeiteten mit 
Phenyl-Hydrazin, der letztere mit Pyrogallol. Das von Emil 
Fischer im Jahre 1875 entdeckte Phenyl-Hydrazin ist eine ein- 
säurige Base, welche die Formel Cg H 5 NH NH 2 hat und eine 
sehr reaktionsfähige Substanz ist, welche gegenwärtig in der 
Industrie eine grosse Rolle spielt, und zwar dank der so¬ 
genannten Pyrozolon-Reaktion, die von Knorr entdeckt wurde, 
und in deren Resultat das Antipyrin gewonnen wird; desgleichen 
spielt diese Substanz auch in der Chemie eine Rolle, und zwar 
dank ihrer Affinität zu Aldehyden und Ketonen. 


auf. ln dieser Gegend ist auch das deutsche Hospital und 
der Friedhof gelegen. Dieser ist auf drei Seiten von einer 
1Y 2 ni dicken Mauer umgeben, welche, wie man das vielfach 
in romanischen Ländern sehen kann, die Leichen der ärmeren 
Leute beherbergt, während die Wohlhabenderen in der Mitte 
des Friedhofes unter mehr oder weniger prunkvollen Sarko¬ 
phagen, Monumenten und Marmorplatten ruhen. Eine Treppe 
von gegen 100 Stufen führt von hier schnell wieder nach 
der Unterstadt und der Hafengegend hinab. 

So batte ich in wenigen Stunden einen Rundgang durch 
die ganze Stadt gemacht und meine Neugierde zunächst be¬ 
friedigt. Doch jetzt sollte auch die Wissenschaft zu ihrem 
Rechte kommen* Zu diesem Zwecke durchquerte ich noch 
einmal die ganze Unterstadt und sammelte an den Abhäi^en 
der „Quebradas“ und weiter oben an denen des „Camino Cin- 
tura“ alles, was sich an Pflanzen dort vorfand, und das war 
leider nicht allzuviel, um sie später an Bord einznlegen und 
für das Botanische Museum in Berlin mitzunehmen. Mehr 
Glück hatte ich am folgenden Tage, an welchem ich die 
Gegend am südlichsten Ende der Bucht besuchte und auf den 
Bergabhängen in der Nähe des Leuchtturmes, woselbst auch 
ein grosser, schattenloser, mit geschmacklo.sen Figuren ver¬ 
sehener Park angelegt war, eine grosse Menge sehr inter¬ 
essanter, mir bis dahin völlig unbekannter Pflanzenformen fand. 
Es handelte sich aber auch hier fast ausschliesslich um niedrige 
Kräuter; Bäume und Sträucher fehlten vollständig. 

Das nächste Mal führte mich mein Weg nach der eot- 


Bald nach der Arbeit von Fischer ist im Jahre 1875 eine 
Mitteilung von Hoppe-Seyler erschienen, der bei der Ein¬ 
führung von Phenyl-Hydrazin unter die Haut Tiere unter Er¬ 
scheinungen von tiefer Blutzersetzung zu Grunde gehen sah. 
Hoppe-Seyler wies nach, dass das Phenyl-Hydrasin mit den 
Blutpigmenten eine besondere Verbindung gibt, welche scharfe 
Absorptionslinien im Spektrum aufweist und sehr leicht in eine 
andere spektral-inaktive Substanz übergeht. 

Ausser der Arbeit von Hoppe-Seyler gibt es in der 
Literatur nur wenige Mitteilungen über die Wirkung des Phenyl- 
Hydrasin: hierher gehören die Mitteilungen von Tal lens (Ann. 
d. Chem.), von Husemann (Real. Enc. Eulenburg) und in der 
Toxikologie von Lewin, der nach einer zufällig bei ihm statt- 

S ehabten Absorption von Phenyl - Hydrazin durch die Haut an 
'urchfall und allgemeinem Unwohlsein erkrankte, wobei in 
seinem Blut Methaemoglobin gefunden wurde. Der Direktor 
einer chemischen Fabrik teilte Kaminer mit, dass die Arbeiter, 
nachdem sie eine gewisse Zeit mit Phenyl-Hydrasin zu schaffen 
hatten, an irgend emer Intoxikation erkrankten, welche mit dem 
Aufhören der Arbeit verschwand und mit der Wiederaufnahme 
derselben wieder auftrat; ausserdem wurden hartnäckige Aus¬ 
schläge und Symptome, die der Beschreibung von Lewin ähn¬ 
lich sind, bemerkt. (Fortsetzaog folgt.) 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berli/ner fnedici/nische Ges^Zsehaft. 

Sitzung vom 7. November 1906. 

Vor der Tagesordnung: 

Rotschild zeigt einen Patienten, bei dem sich, angeblich 
mich einem Bade, eine sehr schwere Cystitis mit mächtigem Harn- 
dreng, blntigem Urin und den heftigsten Schmerzen eingestellt 
hatte. Trotzdem es durch Blasenspülungen gelang, den Urin zu 
klären und den dauernden Harnabgang aufhören zu lassen, blieben 
die heiligsten Schmerzparoxysmen bei Harnentleerung und Deiae- 
kation bestehen, so dass dauernd Morphium gegeben weiden 
musste. Eine nochmalige Anamnese förderte schliesslich das Ge¬ 
ständnis des Patienten, dass er sich masturbationis causa einen 
mit Wachs armierten Gummischlanch in den After eingeführt 
hatte, von dem sich beim Herausziehen das Wachs abstreifte und 


gegengesetzten Richtung, nämlich nach Norden. Von der un¬ 
mittelbar an Valparaiso sich anschliessenden Vorstadt Baron 
gelangt man mit der Eisenbahn nach dem etwa 4 km ent¬ 
fernten Vina del mar. Saubere, mit schattigen Bäumen be¬ 
pflanzte Strassen, schöne Landhäuser und Villen, sowie im 
üppigsten Blütenschmucke prangende Gärten und Parks ver¬ 
rieten, dass hier die vornehme Welt von Valparaiso ihren 
Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Auch hier machte ich eine 
reiche Ausbeute an interessanten Pflanzen. Den Rückweg trat 
ich, um die Gegend noch besser kennen zu lernen, zu Fuss 
an, doch war me Wanderung auf der staubigen Landstrasse, 
welche bejgauf und bergab in der Nähe des Meeresufers durch 
völlig wald- und buschloses Terrain führte, alles andere eher, 
als ein Vergnügen. 

Nach der Botanik kam die Zoologie an die Reihe. Mir 
war vom Berliner Museum für Naturkunde der Auftrag zu teil 
geworden, mich in Chile nach den dort vorkommenden Vogel¬ 
arten umzusehen. Während nämlich in Chile die Tierwelt im 
allgemeinen auffallend arm an Arten ist, sind ausser den 
Crustaceen nur die Vogelarten ausserordentlich zahlreich. Nun 
hatte ich erfahren, dass in einer höheren Lehranstalt in Val¬ 
paraiso, dem Lyceum, ein gutes Museum für Naturkunde vor¬ 
handen sei. Der Direktor des Lyceums, ein Deutscher, nahm 
mich in liebenswürdigster Weise auf und stellte mir bereit¬ 
willig die Sammlungen des Museums zur Verfügung. Diese 
waren in der Tat so reichhaltig, dass ich zwei Tage brauchte, 
um mir die darin enthaltenen, in Chile gefangenen Vögel auf- 


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524 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 48. 


auch später nicht wieder zu Tage trat. Das Röntgenbild zeigte 
das Vorhandensein eines steinartigen Fremdkörpers, dessen Ent¬ 
fernung mit Naht der Blase leicht gelang. Danach Heilung. 
Der Stein zeigte einen Kern von Wachs mit dicken Concrement- 
schichtungen aus Kotbestandteilen. 

Diskussion: 

Fürbringer hat den Patienten auch gesehen und bestätigt 
die Hochgradigkeit der Schmerzparoxysmen. Psychologisch inter¬ 
essant ist, dass derselbe trotz der bösen Erfalirungen die Mastur¬ 
bation nicht unterlässt. 

Bergmann berichtet kurz über einen Fall von Paraffinstein 
der Blase, dessen Entstehung darauf zurückzuführen war, dass 
der Patient sich zur Heilung einer Harnröhrenstriktnr von einer 
Kurpfuscherin Paraffin in die Urethra hatte einführen lassen, wo¬ 
bei dann Teile in die Blase geraten waren. 

Sch Öler demonstriert eine Patientin mit einer Keratitis 
parenchymatosa, bei der nach langen vergeblichen therapeutischen 
Versuchen eine Heilung mit dem galvanischen Strom erzielt 
worden war; die spitzen Elektroden wurden mit Quecksilber resp. 
Jodtinktur armiert und in die Hornhauttrübung eingeführt, wo¬ 
rauf in 14 Tagen Aufhellung erfolgte. Das Verfahren dürfte für 
circumscripte Trübungen zu empfehlen sein. Aetiologisch kam 
liues nicht in Betracht, vielleicht Tuberkulose. 

Tagesordnung; 

Crzellitzer; üeber eine Massen verle tz ii n g durch 
elektrische Strahlen. 

In einer hiesigen Fabrik wurden elektrische Schwei-wungen 
mit einem Strom von 450 Ampere 65 Volt vorgenommen; etwa 
5 m von der Stelle entfernt führte ein Weg vorbei. Von Ar¬ 
beitern, die hier vorbeigegangen waren während der Schweissungen, 
erkrankten eine grössere Zahl, während die direkt beteiligten in¬ 
takt blieben. Zwölf von den 32 Erkrankten hat C. behandelt. 
Alle hatten zuerst nicht das Geringste gespürt; erst in der Nacht 
bekamen sie heftige Aiigenschmorzen, LiJsohwellungen, Rötung, 
Tränenfluss. Der Befund am nächsten Morgen war überein¬ 
stimmend: Schwellung der Konjunktiven, Rötung, intakte Hornhaut 
und Iris, prompt reagierende Pupille, keine Beeinträchtigung der 
Sehschärfe, ebensowenig dos Gesichtsfeldes. Das Bild ist das 
der Ophthalmia electrica. Der Verlauf war wie gewöhnlicli; 
rasche Heilung in wenigen Tagen. Interessant bei dieser Beob¬ 
achtung ist die Aetiologie; während bisher nur die mit dem 
Bogenlicht Arbeitenden gelegentlich erkrankt waren, wurden dies¬ 
mal in grosser Zahl unbeteiligte Passanten betroifen. Plötzlich 
einsetzeude Augenaffektionen mit entsprechenden Symptomen 


zuschreiben. Dann führte mich der Direktor des Lyceums 
noch nach einer Quebrada, der „Quebrada Jaime“, welche mir 
bis dahin unbekannt geblieben war, und welche sich dadurch 
vorteilhaft von den übrigen derartigen Schluchten auszeichnete, 
dass ihre Abhänge mit reicher Vegetation ausgestattet waren 
und stellenweise eine recht romantische kleine Gebirgsland¬ 
schaft darstellten. So konnte ich liier zum Schlu.sse noch 
eine reiche Ausbeute an Pflanzen machen und einen etwas 
angenehmeren Eindruck von Valparaiso und seiner nächsten 
ümgebung mitnehmen, als es sonst der Fall gewesen wäre. 

Gern hätte ich noch weitere Stroifzüge in das Innere des 
Landes unternommen und besonders auch die Hauptstadt San¬ 
tiago besucht. Doch die Zeit unseres Aufenthaltes in Valpa¬ 
raiso war abgelaufen, und so musste ich mich darauf be¬ 
schränken, wenigstens den Haupthafen des Landes kennen 
gelernt zu haben. 

Nahezu 11 Jahre sind verflossen, seitdem ich Valparaiso 
besuchte. Vieles hat sich sicher in dieser Zeit daselbst ver¬ 
bessert, noch mehr aber ist durch die jüngste Erdbeben-Kata- 
stroplie vernichtet worden. Wie nach den früheren Erdbeben, 
welche die Stadt lb22 und 1851 hoimsucliten, so wird sie 
ohne Zweifel ancli dieses Mal noch schöner, als sie vorher 
war, aus den 'IVürnnieni eniporblühen, ein wirkliches „Tal des 
Paradieses'* wird sie jedoch niemals werden. 


sollten immer daran denken la-sen, das.s die Betroffenen vielleicht 
l)ei elektrischer Fuukeubüdung (z. B. bei Kurzschluss) vorbeige¬ 
kommen sind. Einige grössere Vorsicht bei der Betrachtuug 
solcher V^orkommnisso (so beim elektrischen Strassenbahnverkehr) 
wäre angebracht. Für die Entstehung der Ophthalmia können 
in Betracht kommen die ultraroten Wärme-, die roten-violetten 
Licht-, oder die ultravioletten chemischen Strahlen. Die beob¬ 
achteten Fälle machen es wahrscheinlich, dass die Wärme nicht 
in Frage kommt; das Pehlen einer Netzhautwirkung, wie sie bei 
der Sonnenblendung beobachtet wird, spricht auch gegen eine 
Wirkung der Lichtstrahlen. Bleiben also die ultravioletten 
Strahlen, die wahrscheinlich solche Verletzungen herbeiführen. 
Mit der Ausbildung von Schutzvorrichtungen gegen solche Strahlen 
ist 0. beschäftigt. 

Diskussion: 

Hirschberg hat nicht selten solche Fälle gesehen, dabei 
auch schwerere Hoinhautlaesionen. Er glaubt, dass alle Strahlen 
zur Wirkung kommen können. 

Oppenheim und Krause: Ein operativ geheilter 
Tumor des Occipitallappens mit Krankenvorstellung. 

Der 35jährige Patient, der sonst gesund gewesen, erkrankte 
mit intermittierenden Kopfschmerzen, besonders im Nacken, die 
trotz aller Mittel sich allmählich steigerten; Befund am Nerven¬ 
system negativ. Bald darauf erweckte der Nachweis einer Netz¬ 
hautblutung den Verdacht auf eine Neubildung; nach kurzer Zeit 
Hess sich eine Neuritis optica, Pulsverlangsamung naebweisen, und 
nach wenigen Wochen eine Stauungspapille, viele Netzhaut- 
blutungen; dabei rechtsseitige Hemianopsie, optische Halliicina- 
tionen, Erbrechen, weiter Störungen beim Schreiben und Lesen. 
Danach wurde die Diagnose auf Neubildung im Occipitallappen 
gestellt. Jod- und Quecksilbertherapie blieben ohne Erfolg; und 
da sich weiter Ausfaller.scheiuungen, Hemiataxie, Hemiparese, 
rechts einstellten, wurde die Operation beschlossen mit grosser 
Reserve bezüglich der Lokalisation und Prognose. Die Operation 
wurde in zwei Akten vorgeiiommen. Die Verhältnisse erwiesen 
sich als sehr günstig. Die Neubildung fand sich im Lohns occi- 
pitalis und konnte leicht stumpf herausgeschält werden. Der Er¬ 
folg war bi.s auf vortibergehende Steigerung der optischen Er¬ 
scheinungen ein .sofortiger; Kopfschmerzen schwanden, Sensorium 
wurde frei. Nach 17 Tagen waren die Veränderungen des Augen- 
hiiitergrund.s, die Ausfallserscheinungen geschwunden, die Hemia¬ 
nopsie gebessert, und nach weiteren wenigen Wochen war eine 
restlose Heilung zu konstatieren. Eine so ideale Heilung wird 
nur aiisnahmswei.->o zu erzielen sein; sie muss aber für viele Miss¬ 
erfolge entschädigen. Weitere allmäliliclie Fortschritte auf dem 
scliwierigen Geiiict werden gemacht werden, und die Prognose 
der Tmnoreii des Zciitj-alnerveusysteras verspricht eine bessere zu 
werden. 

Krause l)erichtet. al.sdann an Her Hand von Lichtbildern 
iibf r den Verlauf der intere.ssanten Operation. Der Tumor war 
ein Spiiid'H/.elien.sarkotn, seine Mas.se waren 6 : 5V2 : 3. Sofort 
nach der Operation trat hochgradige Temperaturerhöhung und 
Steigerung der Pulsfrequenz ein, was bei dem Arbeiten in der 
Nähe betreffenden Centren nicht verwunderlich erscheint. 

Sticker: Üebertragung von Tumoren bei Hunden 
durch den Geschlechtsakt. 

Spontane Üebertragung von Tumoren bei Tieren ist bisher 
nicht beobachtet. Von dem ulcerierten Vaginalsarkom einer 
Hündin abge.stricliene Tumormassen übertrug St. auf andere Tiere 
mit Erfolg und konnte damit die Infektionstüchtigkeit der von der 
Ulceratioiisfläche stammenden Tumorzellen beweisen. Er Hess als¬ 
dann diese Hündin decken und l)ei zweien der betreffenden 
Hunde entwickelte sich danach ein Sarkom des Penis. Demonstra¬ 
tion. Danach erscheint aucli die si)ontane Kontaktübertragung 
bei menschlichen malignen Geschwülsten nicht unmöglich. P. 


GeseUaehaft der Aet'iste »a Mamtheim. 

Sitzung vom 5. November 1906. 

M. Kaufmann; Moderne Bestrebungen in der Bc- 
liiindliing der Nephritis. 

Drei Methoden haben lici der Behandlung der Nephritis in 


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1906 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


525 


der letzten Zeit eine grössere Rolle gespielt. Die eine bezieht 
sich auf das chirurgische Gebiet; sie besteht in der Nephrotomie, 
also der Entpannungsschnitt, und iu der Entfernung der Kapsel, 
die Decapsulation, Operationen, die sowohl bei der akuten wie auch 
chronischen Nephritis zur Anwendung kamen. Die Resultate dieser 
chirurgischen Behandlung sind wenig gttnstig ausgefallen. Die 
beiden anderen Methoden sind interner Natur. Es handelt sich 
1. um die Organotherapie der Nephritis, also die Behandlung mit 
Nierenpräparaten und 2. um die Anwendung einer kochsalzarmen 
Diät. 

Der Begründer der Organotherapie ist Brow n-Sequard. 
Er kam zu der Ueberzeugung, dass allen Drüsen, ausser ihrer 
lange bekannten äusseren, noch eine innere Sekretion zukominen 
müsse. Die Symptome der schweren Nephritis, speziell der Uraemie, 
sollten nicht sowohl dem Ausfall der äusseren Sekretion, der 
Abscheidung der Hambestandteile, als vielmehr dem Wegfall einer 
inneren Sekretion zuzuschreiben sein. Brown-Sequard wies 
experimentell nach, da.ss bei nepbrektomierten Tieren diejenigen 
Tiere, denen Nierenextrakt injiziert war, für eine Zeit die uraemi- 
.schen Symptome verloren. Das Resultat der Injektionen mit 
Nierenextrakt, die jetzt vielfach vorgenommen werden, ist dahin 
zusammenzufassen, dass den spezifischen Nephrotoxinen und Nephro- 
lysinen eine spezifische Giltigkeit nicht zukommt, dagegen ist 
sicher die Einverleibung artfremden Eiweisses mit Umgehung der 
Darmschleimhant ein keineswegs gleichgiltiger und unschädlicher 
Eingriff. 

Um das therapeutisch wirksame Prinzip der inneren Sekretion 
der Niere bei der Behandlung der Nephritis nutzbar zu machen, 
hat man versucht, a) die subkutane Injektion eines Glyzerinextraktes 
der Niere (Nephrin), b) die subkutane Injektion von defibriniertem 
Nierenvenenblut, c) die Verabreichung von Nierenpräparaten ver¬ 
schiedener Art und Darstellung per os. 

Die subkutane Injektion des Nephrins ist kein gleichgiltiger 
Eingriff; sie wirkt vielmehr deutlich toxisch, ebenso wenig günstig 
sind die Resultate mit der Injektion von defibriniertem Nieren- 
venenblut ausgefallen. Als vollkommen unschädlich hat sich er¬ 
wiesen die Darreichung von Reuaden (Knoll), eines pulverförmigen 
Nierenpräparates. In Frankreich hat gute Erfolge gezeitigt die 
Verabreichung einer Nieren-Maceration nach Profi Reiiaut in 
Lyon. 

Die Anwendung einer kochsalzarmen Jtiät bei Nephritis stützt 
sich auf die Erfahrung, dass man Nierenkranken neben Alkohol 
und stark gewürzten Speisen auch stark gesalzene Zubereitung der 
Nahrungsmittel verbietet. Es steht heute fest, dass es in zahl¬ 
reichen Fällen von Nephritis zu wesentlichen Chlorretentionen 
kommt und dass letztere enge Beziehungen zu der Oedembildung 
haben. Die erkrankte Niere ist für Kochsalz relativ schlecht durch- 
gängig und zeigt grosso Neigung, das zugeiührte Kochsalz im 
Körper zurückzuhalten. Das retinierte Kochsalz kann sich entweder 
im Blute anhäufen — Seroretention — oder in den Interstitien 
der Organe verbleiben — Histcreteution —; beide Möglichkeiten 
sind nachgewiesen. Die Beziehungen der Kochsalzretention zur 
Oedembildung haben H. Strauss und F. Widal begründet und 
ausgebaut. Sie wiesen in zahlreichen Fällen die Undurchlässigkeit 
der Niere für Chloride und deren Retention in den Körperflüssig¬ 
keiten als Ursache der Oedeme nach. In zahlreichen Arbeiten sind 
die Resultate dieser Forscher nachgeprült worden und alle Autoren 
kamen zu demselben Endresultat; man glaubte, in der Dechloru- 
ration ein Heilmittel in der Behandlung der Nephritis gefunden 
zu haben. v. Noorden hat dann darauf aufmerksam gemacht, 
dass es sehr kritiklos sei, die Retention von Chloriden als einzigen 
oder auch nur wichtigsten aetlologischen Faktor hinznstellen und 
die ganze Ernährung der Nierenkranken nach osmotischen Grund¬ 
sätzen zu regeln. 

Die Diät ist in der Weise zu regeln, dass man den Kranken 
zunächst auf eine von jedem Kochsalzzusatz freie Kost setzt. Unter 
regelmäßiger Wägung verfolgt man nun den Gang der Dechloruration. 
Im Falle des Gelingens darf man die Kur nicht mit dem Verschwinden 
der Oedeme abbrechen, sondern muss sie bis zur Gewiehtskonstanz 
fortsetzen. Ist man soweit, so setzt man alhnaldich etwas CI Na 
zu; man beginnt mit 3 g und steigt [)is 10 g; jedenfalls muss man 
stets unterball) der Tolcranzgrenze bleiben. Als Beispiel einer 
Dechlorurationskost lür einen im Bette liegenden Kranken sei an¬ 


geführt: 200 g salzlreies Brot, 200 g Fleisch, 250 g Gemüse, 
50 g Butter, 40 g Zucker, l^/a 1 Wasser, 0,3 1 Wein, 0,3 1 Kaffee; 
ist der Kranke ausser Bett, so muss man natürlich mehr geben. 

Dr. Max Jacoby. 

Österreich. 

K, K» Gesellscfiaft der Aerzte in Wien» 

Sitzung vom 12. Oktober 1906. 

(Eigener Bericht.) 

In der ersten Sitzung nach den Sommerferien zeigte Hoch¬ 
sin ger ein neun Monate altes Kind mit enormen Hydro- 
cephalus, Spina bifida und wuchernden Condylomen an den Ober¬ 
schenkeln, Labien und Aualfalten. Wahrscheinlich besteht ein 
Zu-sammenhang mit Lues. 

Zappert betont die Seltenheit des Zusammenhanges zwischen 
Lues und Hydrocephalus. Knöpfe 1 macher hat einen analogen 
Fall von W’asserkopf durch zahlreiche (67) Lumbalpunktionen zur 
völligen Ausheilung gebracht. 

Moskovicz demonstriert an zwei Patienten mit inter¬ 
mittierendem Hinken und beginnender Gangraena pedis einen 
Versuch zur toxischen Feststellung des Gefü-ssverschlusses; An 
normalen Extremitäten tritt nach Anlegung und Entfernung der 
Es march-Binde eine reaktive Hautrötung auf, die sich in wenigen 
Sekunden die ganze Peripherie entlang aasbreitet; am erkrankten 
Bein bleibt die reaktive Hyperaemie an einer bestimmten Stelle 
— entsprechend dem Gefässverschlüsse — stehen oder sie breitet 
sich überaus langsam erst in Minuten bis zu den Zehen hin aus. 
Der Ausfall des Versuches kann natürlich für die Wahl der 
Operatioihsstelle von Bedeutung sein. 

Schnitzler empfahl aus prinzipiellen Gründen immer ober¬ 
halb des Knies zu amputieren. 

Schwarz betonte, dass die Gefässe der Kranken mit inter¬ 
mittierendem Hinken oft keinerlei anatomische Veränderungen auf- 
weisen, was die Bedeutung des Moskoviczschen Versuches 
immerhin eiuschränke. 

Clairmont demonstrierte einen 19jährigen Patienten, der 
nach einem Trauma zwei grosse Schädeldefekte erlitten hat, deren 
einen Clairmont mit einem subapoueurotisclien Perioslknochen- 
lappen, den anderen mittels einer Zelluloidplatte gedeckt bat. 
Operativer und funktioneller Effekt sind tadellos. 

L. Teleky stellte zwei Fransenknüpferinnen mit Bleiver¬ 
giftung vor. Die Intoxikation kommt dadurch zu Stande, dass 
mau das Seidenzeug, um das Gewicht derselben zu vergrössern, 
mit Bleizucker beschwerte. Fadenknüpferinnen sind Heimarbeiter¬ 
innen; diese Art der Bleivergiftung ist nun sehr verbreitet, da 
si<’h ganze Familien, auch die Kinder, an der Arbeit beteiligen. 
Ein demnächst in Kraft tretender Ministerialerlass wird das Be¬ 
schweren der Seide durch Blei verbieten. 

Sitzung vom 19. Oktober. 

(Eigener Bericht.) 

Ehrmann stellte einen Mann mit Atherom der Haut- 
arteriolen und einem tuberösen Syphilid, fernerein Kind mit 
Pityriasis lichenoides chronica vor; diese Affektion be¬ 
ruht vielleicht auf einer Stoffwechselstöriing. 

Schnitzler demonstrierte zwei operierte Fälle von per¬ 
foriertem Ulcus ventriculi. Er vertritt infolge seiner Er¬ 
fahrungen über den Vei'lauf des Magengeschwürs nach dessen 
chirurgischer Behandlung den konservativen Standpunkt. 

Riehl führte fünf Fälle von Adenoma sebaceum vor. 
Die Affektion besteht in der Einlagerung von blutreichen, binde¬ 
gewebigen Knötchen unter dem Papillarkörper. 

Urbantschitsch hielt einen Vortrag über „Gedäohtnis- 
bilder“. Er teilt dieselben in Erinnerungs- und anschauliche Ge¬ 
dächtnisbilder ein, welche letztere nur bei geschlossenen Angen ein- 
treten ixnd oft schärfer sowie treuer sind als der ursprüngliche 
Sinnesausdruck. Verschiedene Reize, unter anderem akustische 
Eindrücke, sind imstande, sie zu modifizieren, ebenso können sie 
durch subjektive W'illensarten abgeändert werden, die Schärfe des 
Gedächtnisbildes wird bisweilen durch Konzentration der Aufmerk¬ 
samkeit erhöht. 


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MEDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 48. 


Gesellschaft für i/n/nere Medici/a und Rinderheil- 
künde in Wien* 

Sitzung vom 18. Oktober 1906. 

(Eigener Bericht.) 

A* Fuchs stellt einenFall von idiopathischem chroni¬ 
schem Hydrocephalus der Erwachsenen vor, Die 30 jährige 
Patientin erkrankte vor zwei Jahren an Kopfschmerzen, Erbrechen 
und hatte zeitweise ein besonderes Geräusch im rechten Ohr. Nach 
Vz Jahr begann Pat. am rechten Auge schlecht zu sehen und die 
Menses blieljen auch drei Monate aus. Nach einer Entbindung 
verloren sich alle Beschwerden bis auf das Kopfgeräusch und die 
Augenstörung. 

Flesch demonstrierte das anatomische Präparat eines Falles 
von Tumor der Schädelbasis. 

von Frankl-Hochwart stellt ein 26jähriges Dienstmädchen 
mit M. Basedowii und pseudomenierschen Schwindel vor. 

Baumgarten demonstriert eine Probe auf Lysol im Harn. 
Im Harn tritt nach Lysoleinnahme eine Substanz auf, welche sich 
durch Salzsäure und Schwefelsäure blau und durch Alkalien schön 
rot färbt. Die Reaktion ist durch den Gehalt des Lysols von 
Kresolen bedingt. Man kann selbst geringe Mengen von Lysol 
im Ham nachweisen. 

Weinberger zeigt eine Frau mit Bronohorrhoe, welche 
durch ein Aortenaneurysma hervorgerufen ist. 

Bauer hielt einen Vortrag über Untersuchungen über ali¬ 
mentäre Galaktosurie. Vortr. hat bereits früher nachgewiesen, 
dass bei einzelnen Menschen nach Einnehmen eines geringen Quan¬ 
tums von Galaktose diese Zuckerart im Ham auftritt. Alle diese 
Fälle betrafen Patienten mit Lebercirrhose. Der Gesunde scheidet 
nach 20 g Galaktose noch keinen Zucker aus, bei 30 g nur eine 
Spur von Zucker. Leichte Diabetiker verhalten sich wie Gesunde, 
schwere Diabetiker scheiden Dextrose aus. W. H. 


Kongressbericht. 

7S, Versammlung deutscher Ndturferscher tmd 
Aerzte in St'kdtgart, 

Sektion für Oeburtshilfe und Gynäkologie. 

Sitzung vom 21. September, vormittags 8 Uhr. 

Vorsitzender: Herr Sippel. 

Hr. Lewith-Wien: Ueber Stauungsbehandlung bei 
gynäkologischen Affektionen. 

L. bedient sich eines mit Gummipfropf geschlossenen und mit 
einem Manometer versehenen Glasröhrenspekulums. Angewandt 
wurde das Verfahren bei Erosionen, Decubitus, Cervixkatarrh, 
Endometritis und Metritis, chronischer Parametritis mit Endome¬ 
tritis, Hypoplasia uteri mit dys- und amenorrhoischen Beschwerden. 
Gesaugt wird 5—15 Minuten jeden 2. bis 3, Tag, im ganzen 3 bis 6 
Wochen lang. Resultate: Bei Erosionen und Decubitus kein Er¬ 
folg, bei Cervixkatarrh, Endometritis und Metritis momentan rasche 
Besserung, nach Aufhören der Behandlung Wiedei-Einsetzen der 
Beschwerden, ln Fällen von chronischer Parametritis wirkt die 
Saugbehandlung analog der Massage. In Fällen von Hypoplasie 
endlich verbunden mit Dys- und Amenorrhoe wurden keine günstigen 
Resultate erzielt. 

Sektion 16 für innere Medicin, Pharmakologie, Balneologie und 

Hydrotherapie. 

Sitzung vom 21, September, vormittags 8 Uhr. 

Vorsitzender: Herr Rumpi'-Bonn. 

1. Hr, Wo 1 ff-Elberfeld: Tub erkulin behan dlung, ins¬ 
besondere Perl s ucht th erap ie. 

Redner weist auf die von Spengler nachgewiesene anta¬ 
gonistische W’irkung des menschlichen und Perlsuchttizberkulins 
hin. Gegen menschliches Tuberkulin stark reagierende Personen 


reagieren schwach auf Perlsuohttnberkulin. Hierauf gründet sich 
die Behandlung mit Perlsuchtbazillensnbstanz, Bazillenpräparaten; 
das Verfahren ist der Vaccination bei Pocken analog. Man be¬ 
ginnt vorsichtig mit Perlsuohtbazillenextrakt, erst später werden 
die Bazilleupräparate angewandt. Daneben verwendet er nach 
Spengler auch Jod, das die Tuberkulintherapie nicht nur unter¬ 
stützt, sondern den Erfolg derselben erst vorbereitet, oft aber die 
Anwendung des Tuberkulins überflüssig macht. Die Methode er¬ 
möglicht ambulante Behandlung. Die spezifische Behandlung ist 
der Hochgebirgsbehandlung überlegen. Perlsnchttuberkulin bewirkt 
Heilung, wo das Hochgebirgsklima versagt hat. Blutungen sind 
keine Kontraindikation, vielmehr sistieren sie während der Behand¬ 
lung mit Perlsuchttuberkulin. Der Vorzug dieser Methode liegt 
in der erweiterten Indikationsstellnng, selbst schwere Fälle werden 
mit Erfolg behandelt, Schluck- und Sprechbeschwerden schwinden. 
Bestehende Albuminurie steigt nach der Injektion, daher sind bei 
solchen Fällen längere Pausen zwischen den Injektionen nötig. 
Auch bei Jodmedikation ist tägliche Urinuntersuchung nötig. 

2. Hr. Volland-Davos: Ueber die Verwendung des 
Kamphers bei Lungenkranken. 

Es gelang V o 11 a n d, einen Patienten mit grosser Herz¬ 
schwäche mit subkutanen Kampherinjektionen sehr lange am Leben 
zu erhalten. Nachdem der Kampher bei akuter Phthisis sich wirk¬ 
sam gezeigt hat, war eine günstige Wirkung auch bei chronischer 
Herzschwäche zu erwarten. Pulsus altemans und andere Störungen 
des Herzrhythmus bei Phthise sind häufig die Folge von Atonie 
des Magens und verschwinden daher häufig bei Regelung der Diät. 
Die gewöhnlichen Herzmittel lassen bei anderen Fällen der 
Arhythmie die Phthisischen im Stich, da sie auf die Däner den 
Magen schädigen. Bei einigen Fällen von chronischer Tuberkulose 
erfolgte erst nach Anwendung des Kamphers ein deutlicher Um¬ 
schwung. Auffallend war rasche Aufhellung einer Unterlappen¬ 
infiltration; daher sind auch ständige Anfhellungen der Dämpfung 
auf den Kampher zu beziehen; bei ganz schweren Fällen ver¬ 
längert er das I/eben. HUne giftige Wirkung wurde nie beobachtet. 
Magenblutungen kontraindizieren den Kampher nicht, in 6 Fällen 
von Magenblutnng stand diese auf Kampheranwendung. Die 
günstige Wirkung bei Phthisis liegt in der Beeinflussung der Herz¬ 
tätigkeit, die auch die Verdauungsorgane wieder günstig beein¬ 
flusst, aber auch die erkrankten Organe werden direkt beeinflosst. 
Der objektiven Besserang geht subjektive oft lange voraus. Die 
eingespritzten Mengen betrugen bei einem Patienten bis zu 2000 g 
in 15 Monaten. Anch bei Erbrechen der Schwangeren scheint der 
Kampher günstig zu wirken. 

3. Hr. Weissmann-Lindenfels: Die Hetolbehandlung 
der Tuberkulose. 

Ira Gegensatz zu den Universitätskreisen haben zahlreiche 
praktische Aerzte eine günstige Wirkung des Hetols bei Tuber¬ 
kulose konstatiert; eine Reihe von Krankengeschichten beweist, 
dass das Mittel weiterer Prüfung wert ist. 

4. Hr. Arnsperger-Heidelberg: Zur Frühdiagnose der 
Lungentuberkulose. 

Der Wert der Röntgenbilder bei der Untersuchung fortge¬ 
schrittener Fälle von Lungentuberkulose ist bekannt, sie geben 
genauere Auskunft über die Ausdehnung des Prozesses, als der 
perkutorische Befund. Das Röntgenbild der normalen Lunge ist 
sehr konstant, daher lassen schon geringe Abweichungen vom nor¬ 
malen Röntgenbild das Vorhandensein einer Krankheit leichter er¬ 
kennen, als Abweichungen vom normalen Perkussionsbefund. Das 
Wichtigste für die Technik der Untersuchung ist eine Blende, 
welche die sekundären Strahlen vom Auge des Untersuchenden 
femhält und Veränderungen der Stellung leicht ermöglicht. Die 
Durchleuchtung ist hier wichtiger als die Radiographie. Die von 
manchen Autoren als erstes Symptom der Tuberkulose im Röntgen¬ 
bild gefundene verminderte Exkursionsweite des Zwerchfells auf 
der befallenen Seite infolge von pleuritischen Exsudaten oder von 
Verminderung der Elastizität der Lungen und von Läsionen des 
Nervus phrenicus hat A. nur selten gesehen, obgleich sie wegen 
des t 3 rpischen Befundes nicht gut zu übersehen ist; in vorge¬ 
schrittenen Fällen kommt dieses Symptom meist auf Rechnung der 
Pleuritis. Bei fast allen frühen Fällen werden Verschiedenheiten 
des Spitzenfeldes in bezug auf Grösse und Helligkeit festgestellt. 


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1906. 


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527 


Bei tiefem Atmen sieht man die Trübung siob nur unbedeutend 
einstellen. Bei vorgeschrittenen Fällen kann man Herdbildung 
mit Zusammenfallen mehrerer Herde konstatieren. 

Diskussion zu Vortrag 1 — 4. 

Hr. Rumpf-Bonn wendet sich gegen die Unterscheidung von 
Universität und praktischen Äerzten in wissenschaftlichen Fragen. 
Auf den Universitäten herrschen ebenso grosse Meinungsver¬ 
schiedenheiten. 

Hr. Nolda-St. Moritz hat ebenfalls gute Erfolge von der 
Spenglerschen Methode gesehen. 

Hr. Nonrney-Mettmann: Die Dosierung des Tuberkulins 
muss sehr niedrig sein. 

Hr. Eoch-Freiburg: Der Kampher ist ein gutes Adjuvans 
bei Tuberkalose, besonders in Verbindung mit Prävalidinsalbe. 

Hr. Schichler-Stuttgart verwendet den Kampher bei Pneu¬ 
monie, häufig kombiniert mit Sauerstoff, auch bei Osteomyelitis. 
Bei Kindern empfiehlt er rektale Anwendung <Jes Kamphers. 

Hr. Weinberg-Stuttgart: Langdauemde Kampherbehand- 
Inng bei Sepsis und Woohenbettfieber wurde schon früher em¬ 
pfohlen, er hat damit ebenfalls Erfolge bei diesen Krankheiten ge¬ 
habt. Wenn die Mehrzahl der Aerzte dem Hetol skeptisch gegen¬ 
über steht, so ist dies nach den Stuttgarter Erfahningen durch 
die kritiklose Behandlung aller, selbst der schwersten Fälle- und 
die häufigen Misserfolge, die die Stuttgarter Aerzte bei von Län¬ 
derer selbst behandelten Fällen feststellen konnten, vorläufig be¬ 
rechtigt. 

Hr. Scheerer-Bromberg: Die physikalische Diagnostik ist 
bei der Lunge der Röntgendiagnostik überlegen. Mit Hetol hat 
er ganz negative Ergebnisse gehabt. 

6. Bb*. Gol dsohmidt-Reichenhall: Ueber recidivierende 
PI eu ritis. 

Redner hat 3 Fälle von Pleuritisrecidiven mit kurzer Dauer 
und völligem Verschwinden der subjektiven und objektiven Symp¬ 
tome in mehrwöchentlichen Intervallen beobachtet. Auffallend war 
besonders die tiefe gemütliche Verstimmung der Patienten. 

Diskussion. 

Hr. Rumpf-Bonn: Solche Fälle sind stets auf Tuberkulose 
verdächtig, er hat auch Melancholie darauf folgen sehen. 

Hr. Goldschmidt-ReichenhaU (Schlusswort): Salioylpräparate 
hatten guten Elrfolg. 

6. Hr. Biberfeld-Breslau: Pharmakologisch e Eigen¬ 
schaften eines synethisch dargestellten Suprarenins 
und einige seiner Derivate. 

Der Vortrag wurde unverständlich schnell vom Blatte abge¬ 
lesen, scheint sich auch sonst nicht zu auszugsweiser Wiedergabe 
zu eignen. Das neue Präparat kann in weit stärkeren Lösungen 
angewandt werden, als die bisherigen Präparate, und soll nur ge¬ 
ringe Nebenwirkungen haben. 

7. Hr. Borchar d t-Wiesbaden : Studien über die Be¬ 
ziehungen der Fettsäure zur Aceton- und Zucker¬ 
bildung. 

Aceton und Acetessigsäui'e werden im Körper nach Naunyn 
aus Oxybuttersäure gebildet; daher wäre es richtiger, sie Ozy- 
buttersäurekörper zu nennen statt Acetonkörper; Acetonkörper und 
Traubenzucker kommen häufig aber nicht immer gleichzeitig vor, 
die Verbrennung von Traubenzucker im Körper setzt die Bildung 
der Acetonkörper herab. Die Bildung beider im Organismus ge¬ 
horcht gemeinsamen Gesetzen. Acetonkörper treten nur bei einer 
gewissen Disposition auf, wenn diese besteht, vermehrt Einführung 
von Oxybuttersäure deren Ausscheidung, gleichzeitig treten aber 
auch die anderen Acetonkörper auf. 

Die Derivate der höheren Fettsäuren können an der Stelle 
abgesprengt werden, wo ein H durch irgend ein Radikal ersetzt 
wird. Ist nun bereits ein H einer Fettsäure in der Alphastellung 
substituiert, so verhält sich die Substanz wie die nächst niedere 
Fettsäure, die Aminovaleriansäure wie die Buttersaure, die Amino- 
isovaleriansäure wie Isobnttersäure, Aminoisocopransäure (Leucin) 
wie Isovaleriansäure. Wie aus Butter- und Isovaleriansäure dürfte 
daher auch das Leucin Acetonkörper bilden, dafür spricht, dass 
Embden, Salomon und Schmidt tatsächlich bei Leberdurch¬ 


blutung mit Leucin, Pick und Blum bei Cocainfütterung bei 
Gesunden und Diabetikern Aoetonkörperausscheidung konstatierten. 
Die Vorgänge der Bildung von Oxybuttersäure aus der Fettsäure 
sind also 1. Substituierung von NHa- und GHs-Gruppen durch HO, 
2. Absprengong der Kette aus Getön, wo ein H durch eine andere 
Gruppe ersetzt wurde und 3. Oxydation des /^-C-Atoms. Aceton- 
körper entstehen also aus ^-Oxybuttersäure, ,tf-Aminobuttersäure, 
Buttersäure, Kopransäure, Isovaleriansäure, Leucin, 

Traubenzuckervermehrung entsteht beim diabetischen Hunde 
durch Fütterung mit Milchsäure, Alanin, Asparagin, Glykokoll. 
Die Milchsäure, a-Oxypropionsäure, bildet daher vermutlich durch 
/^-Oxydation Dioxypropionsäure (Glycerinsäure), deren Aldehyd be¬ 
reits den einfachsten Zucker, eine Triose, darstellt; durch Zu¬ 
sammenlegung zweier Triosen könnte der Traubenzucker entstehen. 
Unter Zugrundelegung der für die Oxybuttersäure gefundenen 
Vorgänge (Gesetze) kommt man von einigen Fettsäure-Derivaten 
zur Milchsäure und damit zur Traubenzuckerbildung. Alanin z. B. 
geht in Milchsäure über, ebenso Isobuttersäure, die ebeufalls beim 
Diabetiker den Zucker vermehrt und deren ElinfühmDg Milchsäure 
im Urin auftreten lässt. Derselbe Vorgang darf für die Aminoiso- 
valeriansäure und Isokapronsäure vermerkt werden, bei welcher 
die Zwischenstufe zur Milchsäure die Isobuttersäure darstellt. Serin, 
Isoserin, vielleicht auch Gystin und Dipropionsäure, gehen nicht in 
Milchsäore, sondern gleich in Glycerinsäure über. Nun hat B. bei 
Ernährung mit Protamin Acetonkörpervermehnmg gefimden, das 
Protamin aber enthält 70—80% Argiuin (Guanidin-o-aminoiso- 
valeriansäure). Dieses ist leicht in Ornithin überzuführen, aus dem 
durch Abspaltung der Aminogruppe in d-Stellung Aminoisovalerian- 
säure entstehen könnte, damit ist der Uebergang zu Butter- und 
Oxybuttersäure gegeben. Ebenso enthält das Thymussiston viel 
Ärginin. Die Ableitung des Zuckers und der Acetonkörper aus 
Eiweissderivaten wäre somit hergestellt. Alle Substanzen, welche 
als Zuckerbildner auftreten, setzen nach Hirschberg und Rosen- 
fe 1 d die Acetonkörperbildung herab, ebenso die zur Zuckerbildung 
in Beziehung stehenden Oxysäuren und nach neueren Versuchen 
von Borchardt und Lange auch Alanin, Asparagin, Glutamin¬ 
säure. Eine chemische Verbindung, aus der gleichzeitig Aceton¬ 
körper und Traubenzucker entstehen kann, ist andrerseits nicht 
bekannt, auch bezüglich des Leucins ist dies nicht nachgewieaen. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Gohn (Berlin-Gharlottenbnrg). 

Je ungünstiger sich die Lage der Aerzte gestaltet und je 
mehr ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten bekannt werden, desto 
häufiger kommt es zu gerichtlichen Streitigkeiten zwischen Aerzten 
und Publikum. So werden auch jetzt wieder in den Blättern für 
Rechtspflege (1906, Nr. 11) zwei Entscheidungen veröffentlicht, 
die eine gewisse prinzipielle Bedeutung haben; die eine stellt den 
Grundsatz auf, dass Spezialärzte nicht ohne weiteres berechtigt 
sind, sich nicht an die Gebührenordnung zu halten; die andere 
stellt fest, dass Nichtkassenärzte, die Kassenmitgliedem in dringen¬ 
den Fällen Beistand leisten, von der Kasse direkt ihr Honorar 
verlangen können. Wir lassen den Wortlaut beider Urteile, die 
für weite Kreise der Aerzteschaft von Interesse sein dürften, folgen. 

1. „Mit Recht hat der Vorderrichter ausgeführt, dass die 
Gebührenordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 
15. Mai 1896 nur dann zur Anwendung gelangt, wenn zwischen 
Arzt und Patient keinerlei Vereinbarung über die Höhe des zu 
entrichtenden Honorars getroffen ist. Und ebenso unterliegt es 
keinem Zweifel, dass in diesem Falle auch für die Honorarberech- 
Dung der Spezialärzte, wie es Kläger ist, die Sätze der Gebühren¬ 
ordnung maßgebend sind. Denn die Gebührenordnung spricht 
ganz allgemein von approbierten Aerzten. Zu diesen gehören aber 
auch die Spezialisten. Das Gegenteil ist nirgends angedeutet, 
vielmehr sind bei der Aufstellung der Taxen für bestimmte ärzt¬ 
liche Verrichtungen in hervorragendem Maße solche operative Ein¬ 
griffe in Organe des menschlichen Körpers berücksichtigt, welche 
im allgemeinen nur von Spezialisten vorgenommen werden. Auch 
der ausserordentlich weite Spielraum zwischen der Mindest- und 
der Höchstgrenze ihrer Taxen, welcher dem Spezialisten diese 


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528 


MBDICmiSCHE WOCHE. 


Nr. 48. 


Möglichkeit gewährt, • sein Honorar auch ohne ausdrückliche Ver¬ 
einbarung in einer seinen lieistungen angemessenen Höhe zu be¬ 
rechnen, spricht für die Annahme, dass die Gebührenordnung auch 
für Spezialisten maßgebend ist. 

Es fragt sich nun, ob demnach im vorliegenden Falle die 
Gebührenordnung Anwendung findet oder nicht. Diese Frage ist 
vom Vorderrichter verneint worden, mit der Begründung, dass 
durch eine allerdings stillschweigend getroffene Vereinbarung 
zwischen den Parteien die Anwendung der Gebührenordnung für 
die Berechnung des vom Kläger zu fordernden Honorares ausge¬ 
schlossen worden sei. Dieser Entscheidung ist das Berufungs¬ 
gericht nicht beigetreten. Es ist allerdings festzustellen, dass der 
Beklagte im Laufe seiner Behandlung erfahren hat, dass Kläger 
Spezialarzt für Ohrenkrankheiten ist, sei es, dass Kläger es ihm 
selbst gesagt, oder er es auf andere Weise erfahren hat, und 
bezw. weil er die ihm in der ersten Instanz vom Kläger hierüber 
zugeschobenen Eide verweigert hat und dadurch zu verstehen ge- 
gegeben hat, dass er diese Tatsache gekannt hat. Das Berufungs¬ 
gericht nimmt auch ferner keinen Anstand festzustellen, dass Be¬ 
klagter auch von vornherein gewusst hat, dass er es mit einem 
Spezialarzt zu tun habe, da ihn ja sein Hausarzt gerade um des¬ 
willen an den Kläger venviesen hatte, weil derselbe die schwierige 
Operation nicht selbst vornehmen wollte. Im Anschlüsse hieran 
hat nun der Vorderrichter als allgemein gütige und bekannte 
Tatsache die Regel aufgestellt, dass Spezialärzte in der Regel 
höhere als tarifmäßige Honorare fordern und erhalten, und daraus 
den Schlmss gezogen, dass der Beklagte, wenn er einen Spezial¬ 
arzt aufsuchte, ohne mit ihm ein Honorar ausdrücklich zu verein¬ 
baren, sich stillschweigend der höheren Forderung des Klägers 
unterworfen habe, eine Annahme, welche auch dadurch gerecht¬ 
fertigt erscheine, dass Beklagter trotzdem von dem Anerbieten zu 
unentgeltlicher Behandlung in der Poliklinik des Klägers keinen 
Gebrauch gemacht und sich auch nicht nach dem Preise für seine 
Behandlung erkundigt habe. Wenn es nun auch dahingestellt 
bleiben kann, ob es richtig ist, dass Spezialärzte in der Regel 
höheres Honorar fordern und erhalten, und ob in dem Angehen 
eines Spezialarztes in Kenntnis dieser Tatsache die stillschweigende 
Erklärung zu finden ist, dass der Patient sich der höheren Honorar- 
fordening des Spezialisten unterwerfe, für das Vertragsverhältnis, 
bei der die Gebührenordnung also ausgeschaltet erscheint, so ist 
doch in keiner Weise dargetan, dass der Beklagte es gewusst 
hat, dass Spezialärzte, und im besonderen der Kläger, in ihren 
Honorarforderungen über die Gebührenordnung hinausgehen, und 
cs liegt nichts vor, da.ss diese Annahme rechtfertigen könnte. 

Aus der Tatsache, dass er es vorzog, in der Privatklinik des 
Klägers zu bleiben, und dass er das Anerbieten unentgeltlicher 
Behandlung nicht annahm, kann nicht der Schluss gezogen werden, 
wie es vom Vorderrichter geschieht, dass er damit sein Einver¬ 
ständnis zu erkennen gegeben habe, dass er ein höheres Honorar 
zahlen wolle als es die Gebührenordnung vorschreibt. Berück¬ 
sichtigt man ferner noch den Umstand, dass er für Aufenthalt 
und Verpflegung in der 3. Kla.sse der Privatklinik des Klägers 
3 Mark pro Tag bezahlte, ein Preis, der durchaus nicht hoch 
bemessen ist, so ist jedenfalls für die Annahme nichts erbracht, 
dass der Beklagte es wusste, dass der Kläger höhere Honorare 
als nach Maßgabe der Vorschriften der Gebührenordnung ver¬ 
langen würde. Dieser Schluss kann auch aus der luxuriösen Aus¬ 
stattung der Klinikräume nicht ohne weiteres gezogen werden. 

Ist demnach die Annahme einer zwischen den Parteien ge¬ 
troffenen stillschweigenden Vereinbarung über die Höhe des 
Honorars nicht gerechtfertigt, so kommen für die Berechnung der 
klägeriscben Ansprüche ausschliesslich die Bestimmungen der Ge- 
Inihrenordnung zur Anwendung. Nach § 2 Geb.-O. gelangen aber 
hierbei die niedrigsten Sätze zur Anwendung, wenn nachweislich 
Unbemittelte die Verpflichteten sind. Dass zu diesen Personen 
auch der Beklagte gehört, ist ganz unzweifelhaft. Er ist Bureau¬ 
diener mit einem jährlichen Einkommen von ca. 1200 M., Familien¬ 
vater und daher zweifellos unbemittelt im Sinne der Gebühren¬ 
ordnung. Die in der Gebührenordnung festgesetzten niedrigsten 
'faxen für das Honorar für die dem Beklagten zuteil gewordene 
lleliaiidlung sind also maßgebend. Die.selben sind aber ganz be- 
d*ntend geringer als die vom Kläger in Ansatz gebrachten Be¬ 
träge. Unter Zugrundelegung der Minimalsätze ist Kläger für 


die Ausmeisselung des Ohres gemäß § 65 Geb.-O. nicht 200 M. 
bezw. 100 M., sondern 15 M. und gemäß Nr. 77 das. für die Er¬ 
öffnung der ^hädelhöhle 30 M. zu fordern berechtigt. Für jede 
Beratung des Kranken in seiner, des Klägers Klinik, darf derselbe 
nur je 1 M. und für den ersten Besuch beim Beklagten 2 M. und 
die folgenden je 1 M. liquidieren. Nr. 1, 2, 3 Geb.-O., für die 
Operation der Rachenmandel steht ihm gemäß Nr. 46 das. 2 M., 
und für die Operation im Rachenraum gemäß Nr. 66 das. 10 M. 
zu. Hiernach stellt sich die Forderung des Klägers auf 115 M., 
so dass derselbe, da er bereits 128 M, erhalten hat, nichts mehr 
zu beanspruchen hat. Demnach musste unter Abänderung des 
Vorderurteils die Klage kostenpflichtig — § 91 ZPO. — abge¬ 
wiesen werden.“ (Schluss folgt.) 


Periodische Literatur. 

Münchener medicinische Wochenschrift. Nr. 46. 1006 . 

1. Gau pp, Tübingen: Der Einfluss der dentsohen Unfall- 
gesetzgebung auf den Verlauf der Nerven- und Geisteskrank¬ 
heiten. 

Die wissenscha Etlichen Kämpfe um das Wesen und die klini¬ 
sche Stellung der traumatischen Neurose haben zwei Tatsachen als 
sicher festgestellt: 1. die traumatischen Nervenkrankheiten sind 
keine besonderen Krankheiten von klinischer Selbständigkeit, 
sondern sie gehören den bekannten Neurosen an; eigentümlich ist 
ihnen nur die besondere Entstehung nach einem Unfall. 2. Die 
traumatischen Neurosen kommen nach Unfällen der verschiedenen 
Art vor. Ort der Gewalteinwirkung, Stärke der Schädigung, Um¬ 
fang der objektiv eingetretenen Verletzung sind fast völlig belang¬ 
los. Erst seit dem Inkrafttreten der Uufallversicherungsgesetze 
entstehen die traumatischen Neurosen häufig und dauern lange. 

G. sucht die Gründe für diese verhängnisvolle Wirkxmg der Un¬ 
fallversicherungsgesetzgebung zu erklären. Er verweist auf die psy¬ 
chischen Einwirkungen auf den Arbeiter, welche Rolle für ihn nicht 
die Verletzung als solche, sondern der entschädigungspflichtige 
Unfall spielt. Das Rentenfestsetzungsverfahren dauert zu lange; 
der Unfallkranke kommt nach erstmaliger Festsetzung der Rente 
nicht zur Ruhe; er erfährt den wesentlichen Inhalt der über ihn 
erstatteten Gutachten und vertieft sich immer mehr in seine krank¬ 
haften Stimmungen und Vorstellungen. Die Uneinigkeit der Aerzte 
in ihren Begutachtungen wirkt schädlich ein auf den im Renten¬ 
kampfe stehenden Verletzten. Ein gut Teil der Prophylaxe gegen 
die Zunahme unglücklicher Traumatiker und den schlechten Ver¬ 
lauf der Neurosen liegt bei den Aerzten selbst. Die Aufnahme 
eines genauen Status sofort nach dem Unfall ist erforderlich; alle 
schädlichen Suggestionen gegenüber dem Verletzten sind von An¬ 
fang an zu meiden, vielmehr auf psychische Beruhigung hinzu¬ 
wirken. Man soll nicht auf häufige Kon troll Untersuchungen 
drängen. Das Unfallgesetz selbst sollte nach einigen Richtungen 
modifiziert werden ; schriftliche Fixierung des Befundes nnmittel- 
l)ar nach dem Unfall sollto gefordert werden. Die Behandlung 
und Fürsorge sollte von Anfang an in die Hände der Berufs¬ 
genossenschaften gelegt werden; häufige Nachuntersuchungen sollten 
verboten werden, sobald die unmittelbaren Unfallfolgen abgeteilt 
und nur noch nervöse Symptome vorhanden sind. Vor allem sollte 
in weit grösserem Umfange als bisher von der einmaligen Kapitals¬ 
abfindung Gebrauch gemacht werden; ja für gewisse Fälle gerade¬ 
zu bestimmt werden. 

2. Harrass, Greifswald. Zur Frage der aärobeu Züohtuiig 
sogenannter obligat-anerober Bakterien. 

Tarrozzi und Wrzosek war es gelungen, strenge Anae¬ 
roben in völlig aerober Wei.se zu züchten in Bouillon, in die sie 
bei der Impfung ein steril entnommenes Organ.stück brachten. 

H. hat diese Versuche mit dem Bac. but 5 Ticus, Bac. botulinns, 
den Bazillen des Rausebstrand.s und malignen Oedems nachgeprüft 
und das gleiche Resultat erhalten. Danach ist der Begriff der 
strengen Anaerobiose fallen zu la.ssen, zum mindesten eine grosse 
Zahl der bisher als obligate Anaerobier geltenden Keime aus 
diesem Kreise ausziischeiden. Bei der Kompliziertheit der Zücbt- 
ungsmethüde bemühte sich H., einen Nährboden ausfindig zu 


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1906. 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


529 


machen, der einfach herzustellen ist, dessen Bereitung keine be¬ 
sondere Uebung und Sachkenntnis erfordert und der jederzeit 
gebrauchsfehig vorrätig zu halten ist. Nach längeren Versuchen 
fand er einen solchen in einem Gemisch von frischer Kalbsleber 
oder Kalbshirn mit Leitungswasaer, das in Erlenmeyersche 
Kölbchen verteilt und in diesen in strömendem Dampf sterilisiert 
wird. Stets trat in diesen üppiges Wachstum der Anaerobier in 
Reinkultur ein, ein Versagen wurde bei vielen Versuchen nicht 
beobachtet. Weiter wurde versucht, einen festen Nährboden zu 
finden, auf dem die aerobe Züchtung der Anaerobier in Reinkultur 
sicher nur einfach gelang, in der Hoffnung, so ein praktisch 
brauchbares Verfahren zur Isolierung von Anaerobiern aus Misch¬ 
kulturen zu gewinnen. Eiu endgiltiges Ziel wurde nicht erreicht, 
aber das bemerkenswerte Ergebnis gezeitigt, dass mit einem Brei 
aus Kartoffeln und Leber oder Gehirn zwar kein circumscriptes 
Wachstum in gut begrenzten Kolonien erzielt wurde, aber ein 
diffuses, den Nährboden nach allen Richtungen durchsetzendes. 
Was die Virulenz betrifft, so ging dieselbe für Bazillen des 
Rauschbrand und malignen Oedem bei aerober Züchtung verloren, 
während dem Botulimus die Fähigkeit, sein Gift zu bilden, er¬ 
halten blieb. Das dürfte zu berücksichtigen sein bei Botulismus- 
erkrankungen, in Fällen, wo die Bedingungen für anaerobes Wachs¬ 
tum des Botulimus nicht gegeben waren und bisher zur Erklärung 
des aeroben Wachstums die Symbiose mit anderen Keimen her¬ 
angezogen wurde. 

3. Riehe, München: Makroskopisoke Ästhmaspiralen. 

Nicht abgeschlossen. 

4. Ewald, Heidelberg: Lnngentaberknlose und pheriphere 
XTnfallverletzimg. 

Ein völlig erwerbsfähiger, anscheinend gesunder Mann erlitt 
eine schwere Verletzung an der Hand, die eine melirwöchentliche 
Krankenbehandlung notwendig machte. Gleichzeitig trat eine 
Lungentuberkulose in Erscheinung, die sich von Monat zu Mouat 
verschlimmerte, in etwa 2V2 Jahren zu völliger Erwerbsunfähig¬ 
keit und bald darauf zum Tode führte. Eine Entscheidung des 
Reichsversicherungsamtea in diesem Falle erachtete als hinreichend 
wahrscheinlich, dass das zur Zeit des Unfalls offenbar vorhandene, 
aber noch schlummernde Lungeuleiden durch den Unfall ausgelöst 
und verschlimmert worden ist, mithin mit dem Unfall in ursäch¬ 
lichem Zusammenhang steht, und legte der Berufsgenossenschaft 
Entschädigung für den Verletzten und die Familie nach dem Tode 
auf. E. kritisiert eingehend diese Entscheidung und verweist auf 
die grosse Gefahr einer Verallgemeinerung, die dahin führen 
würde, dass jede Lungentuljerkulose, die nach einer peripheren 
Verletzung, die einen Krankenhausaufenthalt bedingt, in Erschein¬ 
ung tritt oder sich verschlimmert, entschädigungspflichtig wird, 
ja, dass jede mit einem Unfall zeitlich zusammeufallende innere 
Erkrankung hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres Verlaufs mit 
dem Unfall in unmittelbaren Zusammenhang gebracht und der 
Berufsgenossenschaft zur Eutschädigungsleistung au fgebürdet 
werden kann. 

5. Birch-Hirschfeld, Leipzig: Ein neues Instrument zur 
ünterbindnng tiefliegender Gefässe. 

Bei Anlegung von Ligaturen in der Tiefe, namentlich bei 
Operationen in der Orbita, kann das Vorschieben des geschlungenen 
Fadens über die Klemmpinzette und das Zusammenziehen der 
Schlinge zum Knoten oft sehr unliebsame Schwierigkeiten bereiten. 
Um diese zu beseitigen, hat ß. ein Unterbindungsinstrument kon¬ 
struiert, das an der Hand von Abbildungen beschrieben wird. 
Die Handhabung dieses Tiefeuunterbinders erscheint sehr einfach 
und dürfte sich namentlich für Operationen mit mangelhafter 
Assistenz empfehlen. 

6. Roth, Jägerndorf: Ein Fall von eobter Angina erysi- 
pelatosa. 

Von den Halsorgaiien wanderte das Erysipel durch die Nase 
und zog auch da.s Gesicht in Mitleidenschaft. Therapeutisch be¬ 
wahrten sich Kollargolpinselungen sowohl des Gesichtes wie des 
Mundes. 

7. Fraenkel: üeber die MöUer-Barlowsehe Krankheit (In¬ 
fantiler Skorbnt). Schluss aus No. 45. 

Bezüglich der klinischen Diagnose ergibt sich, dass nur eine 


Minderheit der Fälle die klassische Symptomentrias, Blutungen am 
Zahnfleisch, event. der Schleimhäute, Nieren, Schmerzhaftigkeit 
bei Bewegungen, Auftreibung und Deformierung der Röhren¬ 
knochen, besonders der unteren Extremitäten, aufweist. Eine 
nicht geringe Anzahl anderer lässt eins oder das andere dieser 
in ihrer Gesamtheit pathognomischen Merkmale vermissen, und, 
neben der als klinisch wichtig anzusehenden Blässe, sind es mehr 
Störungen allgemeiner Art, Abnahme der Essluat, Abneigung 
gegen aktive und passive Bewegungen, kurzdauernde Temperatur¬ 
steigerungen, die die Vermutung des Ausbruchs der Krankheit 
erwecken. Im Gegensatz zu den nicht geringen Schwierigkeiten 
der klinischen Diagnose in manchen Fällen ist die anatomische 
Diagnose leicht. Die der Krankheit ihren Stempel aufdrückende 
Skeletterkrankung, die namentlich an den Rippen und den Ex¬ 
tremitätenknochen in die Erscheinung tritt, ist im wesentlichen 
auf eine bestimmte, sich vor allem an der Knorpelknocbengrenze 
abspielende Affektion des Knochenmarks zurückzuführen, auf eine 
Umwandlung des Lymphoidmarkes in ein „Gerüstmark“ mit kon¬ 
sekutiver Storung der Knochenbildung, aus der ein mit dünner 
Kortikalis versehenes, abnorm brüchiges und aimh geringfügigen 
Traumen gegenüber haltloses Schäftende resultiert, das leicht die 
schwersten Veränderungen, Infraktionen, Frakturen, Haemorrbagien, 
erleidet. Diese letzteren sind, so gross ihre klinische Bedeutung 
ist, nicht das Wesentliche der Krankheit, sondern nor ein Zeichen 
der für die Krankheit charakteristischen haemorrhagischen Diaetliese. 
Was dasVerbältnis der M oll er-Barlowschen Krankheit zurRhachitis 
betrifft, so zwingt der Nachweis von nicht als rhachitisch aufzu¬ 
fassenden Verändenmgen und gänzlich unabhängig von Rbachitis 
entstandenen Fällen zu einer strikten Trennung beider Erkrank¬ 
ungen. Dagegen schliesst sich F. den Forschern an, die die 
Möller-Barlowsche Krankheit als inaetiologischer, symptomato- 
logischer und pathologisch-anatomischer Beziehung vollkommen 
identisch mit dem klassischen Skorbut betrachten, und befürwortet 
deshalb die Bezeichnung der Krankheit als „infantiler Skorbut“. 

B. Budhof: Zar Grandsteinlegong des Deatschen Maseoms 
von Meisterwerken der Naturwissenschaft nnd Technik. 

9. Hammer; Oswald Vierordt. Nekrolog. 

10. Lenhartz: Für das Eppendorfer Krankenhaas. 

11. Böhm: Die Sekämpfang der Weiterverbreitong von 
Infektionskrankheiten mittels Desinfektion. 

Es wird der Erlass oberpolizeilicher Vollzugsbestimmungen 
von Infektionskrankheiten für die Desinfektion gefordert. 

Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 46. 1906. 

1. Claus und Kalberlah: üeber chronischen Ikterns. 

Die Beobachtung betrifft zwei Brüder, deren Vater öfters au 
Gelbsucht erkrankt ist, und bei deren Verwandten mütterlicher¬ 
seits anscheinend chronische Gelbsucht und Milzerkrankung vor- 
gekomraen ist. Der ältere maclite als Kind eine mit Fieber ver- 
luindenc Erkrankung durch, an die sich ein zunächst mit Milz- 
tiimor, später auch mit beträchtlicher Leberschwellung und Auae- 
mie verbundener Ikterus anschliesst, während bei dem jüngeren 
erst während seiner Militärzeit im anscbluss an eine Verdauungs¬ 
störung ein mäßiger Ikterus sich ausbildete. Der Harn enthielt bei 
dem älteren nur anfangs Bilirubin, später keine Gallenfarbstoffe 
mehr; bei dem jüngeren wurden solche nie im Harn gefunden; 
der Stuhl zeigte immer normale Färbung. Nach diesen Fällen, 
zusammen mit 30 weiteren in der Literatur niedergelegten ist mit 
Sicherheit auzunehmen, dass eine gemeinsame gleiche Grundur¬ 
sache heim cliroiiischen Ikterus nicht vorhanden ist; man gewinnt den 
Eindruck, dass bei den sicher angeborenen Ikterusfällen meist 
eine primäre Veränderung der Milz, eine mangelhafte Funktion 
derselben mit sekundärer Anomalie im Umsätze des Blutfarb¬ 
stoffes, vielleicht auch gelegentlich eine angeborene Kommunikation 
zwischen I^ymph- und , Gallenwegen resp. eine angeborene In.suffi- 
cienz der Leberzellen zu Grunde liege, dass dagegen für die 
später entstandenen Ikterusiälle eine primäre krankhafte Verände¬ 
rung der Leherzellen — vielleicht bisweilen infolge infektiöser 
oder toxischer Schädigung —, eine mangelhafte Tätigkeit der¬ 
selben und eine sekundäre Beteiligung der Milz in Betracht 


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530 


MäDICtKtSCHfi WOCfitt. 


Nr. 48. 


kommen. Ihre klinische Stütze findet diese Annahme in der 
Häufigkeit des Milztumors, dem öfteren Fehlen der Leberschwellung, 
dem geringen Hervortreten subjektiver Störungen beim kongeni¬ 
talen Ikterus, im Gegensatz zu der regeren Beteiligung der Leber 
an dem Krankheitsprozesse, dem stärkeren Intensitätswechsel und 
der damit verbundenen häufigeren Erschütterung des Allgemein¬ 
befindens bei den Fällen von später entstandener chronischer 
Gelbsucht. Danach dürfte eine Trennung der beiden Formen des 
chronischen Ikterus, des angeborenen und später entstandenen an¬ 
gebracht sein. Dabei ist im Auge zu behalten, dass in manchen 
Familien, wie zu Gallensteinen, so auch zur chronischen Gelbsucht 
eine gewisse Disposition besteht, und dass die letztere sich sowohl 
durch ihren familiären Charakter wie durch die mäßige Anaemie, 
durch Gefärbtsein der Stühle, relativ geringe Störung des Allge¬ 
meinbefindens, durch Milz- und Leberschwellung auszeichnet, und 
dass bei Beachtung des stärkeren oder schwächeren Hervortretens 
der letztgenannten Symptome zwischen einem kongenitalen und 
einem später entstandenen unterschieden werden kann. 

2. Wimmer, Kopenhagen. Ein Fall von aosgedelmter 
Thrombosierong der Hixusmas. 

Bei dem 52jährigen Patienten stellte sich ohne vorange¬ 
gangene Krankheitserscheinungen eine in einzelnen Schüben er¬ 
folgende Hemiplegie ein, begleitet von intermittierenden Krampf¬ 
anfällen nach dem Jackson’schen Typus; Exitus nach wenigen 
Tagen. Bei dem Alter des Patienten, der Rigidität seiner 
Arterien wurde eine Embolie mit folgender Thrombosierung im 
Gebiet der Arteria fossae Sylvii angenommen. Die Sektion zeigte 
nun, dass wohl eine Gefässobliteration vorlag, nicht aber eine 
arterielle, sondern eine ausgedehnte Thrombosierung der Hirnsinus. 
Im Gehirn selbst fanden sich im Bereich der Zentralgyri der einen 
Seite grössere Blutungsherde, aus mehreren grösseren, total throm- 
bosierten Venen bestehend, und über das ganze Gehirn zerstreut 
miliare Blutaastritte. Eine direkte Ursache der Venenthrombose 
war nicht zu finden; bei dem Bestehen phthischer Lungenver¬ 
änderungen war sie vielleicht als marantische zu betrachten. Die 
Erörterung der Diagnostik solcher „autochthonen“ Thrombosen 
zeigt, dass derselben unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen- 
stehen. 

3. V. Aldor, Karlsbad, üeber eine auf natürliche Art 
ohne Verwendung des Hsgenschlaaohs vorznnehmende Unter- 
snohnng des Magenohemismos (Sahli’sche Desmoidreaktion). 

Durch Reagensglasversucbe wurde zunächst festgestellt, dass 
für den positiven Ausfall der Desmoidreaktion unerlässliches Er¬ 
fordernis ist, dass sowohl Salzsäure als auch Pepsin in gehöriger 
Menge vorhanden ist. Der Ausfall ist stets negativ, wenn die Unter¬ 
suchung nur mit Salzsäure oder nur mit einer Pepsinlösung ge¬ 
schieht; weitere Versuche zeigten, dass die Desmoidreaktion nicht 
als ein Reagens auf freie Salzsäure zu betrachten ist. Zahlreiche 
Untersuchungen wurden dann an Patienten angestellt unter 
Kontrolle der Ergebnisse durch Untersuchung des ausgeheber¬ 
ten Magensaftes. Dabei ergab sich, dass die Desmoidreaktion 
als ein Index der proteolytischen Kraft des Magens zu betrach¬ 
ten ist, welcher uns bezüglich der proteolytischen Fähigkeit des 
Magensaftes nur im allgemeinen Sinne des Wortes Aufklärung 
gibt. Dei- positive Ausfall der Reaktion sagt nur, dass der Magen 
Salzsäure und Pepsin seceriert, nicht aber, ob auch in ausreichen¬ 
dem Maße; hinsichlich der Hyperchlorhydrie ist keine Aufklärung 
zu erwarten. Bei negativer Reaktion war stets eine wesentliche 
Sekretionsinsufficienz des Magens zu konstatieren; bei negativem 
Ausfall ist an eine funktionelle Störung des Magens zu denken, 
aber nur im allgemeinen, ohne dass es erlaubt wäre, Schlüsse auf 
die nähere Natur dieser Stonmg zu ziehen; der negative Ausfall 
kann eintreten bei der mit Hypermobilität verbundenen Hyper¬ 
chlorhydrie, bei einer nicht allzu ernst zu nehmenden Subacidität, 
wie auch bei der auf karzinomatüsem Boden zustande gekommenen 
Acliylie etc. Mit Hilfe der Desmoidreaktion ist danach auch nicht 
eine Funktionsstörung des Magens bestimmt festzustellen; die 
Methode ist deshalb nur als Notbehelf zu empfehlen, wo der Ein¬ 
führung der Sonde eine Kontraindikation entgegensteht. 

4. Rosenbach, Berlin; Gibt äs jetzt eine Ausnahme von 
der Begel, dass bei intensiver Affektion der Nn. rekurrentes 


vagi die Abduktoren der Stimmb&nder früher Funktionsstörungen 
zeigen als die Adduktoren? 

Diese Frage wird nach Erörterung einiger für den Mechaius- 
mus der Innervation der Stimmbänder wichtigen Punkte und unter 
Kritisierung eines in dieser Hinsicht herangezogenen Falles von 
Saundby und Hewetson verneint, 

5. Neumark, Berlin: Plastische Induration des Penis und 
Dupuytren sehe Kontraktur. 

Kombination dieser beiden Leiden bei einem Patienten, viel¬ 
leicht auf gichtischer Grundlage. 

6. Loewenthal, Braunschweig: üeber die Wirkung der 
Kadiumemanation auf den menschlichen Körper. 

Die radioaktiven Stoffe produzieren neben den Strahlen noch 
eine gasförmige Materie, die sogenannte Emanation, die, im Gegen¬ 
satz zu den Strahlen, durch einen Luftstrom fortgeleitet und, wie 
andere Gase, in einem Glasgefhss aufgefangen und aufbewahrt 
werden kann. Diese Emanation besitzt ebenfalls Radioaktivität, 
indem sie Strahlen aussendet, die im wesentlichen den von fester 
Substanz ausgesandten gleichen; aber diese Aktivität ist eine vor¬ 
übergehende. Die Emanation ist in biologischer Beziehung noch 
wenig gekannt und gewürdigt. Der Nachweis der Radioaktivität 
der Thermalquellen legte den Gedanken nahe, dass in der Emana¬ 
tion das spezifische Agens zu suchen sei, das den natürlichen Heil- 
wässem ihre Wirksamkeit verleiht. Ein Weg zur Prüfung dieser 
Verhältnisse wäre der, zu untersnehen, ob die Emanation für sich, 
unter Ausschluss der übrigen physikalischen und chemischen Heil¬ 
potenzen, ähnliche Heilwirkungen zustande bringe, wie die Ther¬ 
malwässer; dieser Weg schien L. wenig erfolgversprechend. Eh* 
ging deshalb davon aus, die für den Gesunden unschädliche Menge 
der Radiumemanation festzustellen und sodann zu Untersachen, ob 
dieselbe Dosis bei gewissen Kategorien von Kranken regelmäßig 
gewisse Erscheinungen horvomift, wie sie auch von Tbermal- 
wässern hervorgerufen werden. Als Träger der Emanation wurde 
Leitungswasser genommen, und sein Gehalt an Emanation mittels 
des Elster-Ge itelschen Elektroskops bestimmt. Der grösste 
Teil der vom Menschen aufgenommenen Emanation verlässt den 
Körper mit der Atmungsluft, ein Teil wird mit dem Urin ausge¬ 
schieden; vor Ablauf von 24 Stunden ist die Ausscheidung be¬ 
endet. Bei Aufnahme von 10—15000 Einheiten pro Tag traten 
bei gesunden Versuchspersonen weder objektive noch subjektive 
Störungen ein; auch Tierversuche zeigten die Unschädlichkeit der 
Aufnahme bis zu einer gewissen Grenze. Andersartig verliefen 
die Versuche an kranken Menschen. Zwölf Patienten mit chroni¬ 
schem Gelenkrheumatismus, deren Znstand annähernd stationär 
war, erhielten einmal oder fortlaufend täglich Emanationswasser 
mit 10—15000 Einheiten. Bei elf trat am Tage der Einverleibung 
oder am nächsten eine Reaktion auf, die bestand in starker Ver¬ 
mehrung der bisher bestehenden Schmerzen, Auftreten von 
Schmerzen in allen frilber einmal erkrankten Gelenken, öfters be¬ 
gleitet von Anschwellungen der Gelenke und sonstigen Zeichen 
einer Gelenkentzündung. Diese Reaktion erinnert ausserordentlich 
an die sogenannte Badereaktion, die bekanntermaßen bei Bade- 
und Trinkkuren in den Kurorten mit natürlichen Heilquellen auf- 
tritt und als günstiges, der Heilnng voraufgehendes Zeichen ge¬ 
deutet wird. Weitere Versuche zeigten, dass auch der Zusatz 
der Emanation zum Badewassor die gleiche Reaktion auslöste, und 
hier liess sich zeigen, dass die Aufnahme der Emanation vorwiegend 
oder ausschliesslich durch die Lungenatmung, nicht aber durch die 
äussere Haut geschieht. Diese Resultate dürften, falls die spezi¬ 
fische Wirkung der Thermalquellen wirklich an die Emanation ge¬ 
bunden ist, von grosser Bedeutung sein für die Technik der Ther¬ 
malbäder und verwandter Prozeduren (Moor- und Fangoumschläge, 
Gasbäder). Mit weiteren Versuchen zur Beanl^wortung einer Reihe 
von Fragen, die sich auf Grund dieser interessanten Untersuch¬ 
ungen erheben, ist L. beschäftigt. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 45. 

1. Mayen dorf; üeber eine direkte Leitung vom optiBcben 
znm kinaeatbetisohen Bindenzentnun der Wort- und Bnehstaben- 
bilder. 

M. berichtet Uber einen eigenartigen Fall von Aphasie, bei 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


531 


dem das spontane Sprechen, das Nachsprechen, die Fähigkeit des 
Benennens vorgehaltener Gegenstände durch verbale und literale 
Paraphrasie vernichtet schien, während das Vermögen lauten Lesens 
erhalten war, so dass es nur selten durch Verstümmelung oder 
Verwechseln eines Wortes gestört wurde. Eine eingehende Ana¬ 
lyse führte M. zu der Annahme, dass eine direkte physiologisclie, 
wenn auch nicht anatomische Verbindung zwischen dem kortikalen 
Zentrum der optischen und kinaesthetischen Wort- und Buch¬ 
stabenvorstellungen besteht, und dass die Klangbilder für die 
optische Wahrnehmung der Worte und Buchstaben belanglos sind. 

2. Wintersteiner: Cocain und seine Ersatonittel (Tropa* 
ooeain, Holooain, Sneain , Stoyain, Alypin, Novocain) in der 
Augenheilkunde. 

Es wurden zunächst die dem Cocain zum Vorwurf gemachten 
üblen Eigenschaften eingehend erörtert, seine Giftigkeit, und dem¬ 
zufolge die Gefährlichkeit seiner Anwendung, seine Unwirksam¬ 
keit an entzündetem Gewebe, seine Einwirkung auf Pupille und 
Accomodation, bestehend in Mydriasis und Accomodationsparese, 
seine Schädlichkeit gegenüber dem Homhautepithel, die Beein¬ 
flussung des intraokularen Druckes, die Schwierigkeit der Sterili¬ 
sation seiner Lösungen. Bei der Beurteilung neuer, zum Ersatz 
des Cocains bestimmter Mittel sind aber nicht immer nur die ver¬ 
meintlichen und wirklichen Fehler des Cocains zum Vergleiche 
heranzuziehen, sondern in erster Linie seine Vorzüge: seine hohe 
anaesthesierende Kraft, seine beschwerdelose, leichte und bequeme 
Anwendung. Betrachtet man so das Tropacocain, Holocain, Eucain, 
Stovain, so fällt der Vergleich durchaus zu Gunsten des Cocains 
ans; diese Ersatzmittel rufen beim Einträufeln in den Bindehaut¬ 
sack immer mehr oder minder starke Reizerscheinungen hervor, 
und sie wirken erweiternd auf die Blutgefässe, hyperaemisieren, 
während das Cocain verengert, anaemisiert. Einer genaueren Prü¬ 
fung wurden Novocain und Alypin unterzogen. Ersteres zeigt 
eine sehr unsichere anaesthesierende Einwirkung auf die Binde¬ 
haut und ist deshalb nicht geeignet, das Cocain in der Augen¬ 
heilkunde zu verdrängen; das Alypin dagegen erscheint als ein 
sehr schätzenswertes Präparat, welches mit dem Cocain mit Erfolg 
in Wettstreit treten kann, allerdings auf einem begrenzten Gebiet, 
den subkutanen Injektionen, wegen seiner geringeren Giftigkeit 
und leichteren Sterilisierbarkeit. Alles in allem ist trotz aller 
Ersatzmittel das Cocain das souveräne Lokalanaesthetikum in der 
Augenheilkunde geblieben. 

3. Schiffmann, Wien: Zur Histologie der Hühnerpest. 

Der Erreger der Hühnerpest, einer Infektionskrankheit des 
Geflügels, ist bisher nicht bekannt; der Ansteckungsstolf ist aber 
filtrierbares Virus, das nach Untersuchungen bei der Gans im An¬ 
fänge im Blut enthalten ist, nach einiger Zeit aber in das Zentral¬ 
nervensystem einwandert. In Qehirnschnitten von Gänsen, die an 
Hühnerpest verendet sind, hat nun Sch. in der Grossbirnrinde in 
grosser Menge eigenartige Körperchen gefunden, die in vieler Be¬ 
ziehung an die Negrischen Körpereben, die bei Lyssa gesehen 
werden, erinnern. Gesunde Gänse wiesen sie nicht auf, ebenso¬ 
wenig aber auch an Hühnerpest eingegangene Hühner. Die Deu¬ 
tung dieser Körperchen, ob Degenerationsprodukte oder Protozoen, 
lässt sich vorläufig mit Sicherheit nicht geben. 

4. Lapinsky, Krakau: üebor Oipskristalle im menschlichen 
Ham. 

Die Beobachtung betrifft einen an Tumor cerebri erkrankten 
Knaben. Sein Harn zeigte zeitweilig eine sofort nach der Ent¬ 
leerung einsetzende Trübung, die sich nach der mikroskopischen 
Untersuchung durch zahlreiche Prismen und Rosetten von schwefel- 
saurem Kalk bedingt erwies; der Ham war bei der jedesmaligen 
Untersuchung stark sauer. Für die Entstehung des Gipssedimentes 
im Ham ist wahrscheinlich die Verminderung der Alkalibasen 
schuldig zu machen, in der Weise, dass die Menge der letzteren 
nicht ausreicht, um die gesamte Schwefelsäure neben Chlor und 
Phosporsäure zu bindeu; infolgedessen geht der ganze Ueberschuss 
der freien Schwefelsäure mit dem auch in abnorm grosser Menge 
vorhandenen Kalk in Verbindung. Dem Befund von Gipskristallen 
im menschlichen Ham kann bisher eine grössere klinische Bedeu¬ 
tung nicht zugesprochen werden: sie gesellt sich nur manchmal 
zu etwaiger grösserer Ernährungsstörung im Organismus. 


5. Landsteiner und Mucha, Wien: Zur Technik der 
Spirochaetennntersaehimg. 

Für die Untersuchung auf Spirochaete pallida ei'scheint be¬ 
sonders geeignet die Beobachtung bei Dunkelfeldbeleucbtung, wie 
sie von Siedentopf und Zsigmondy zur Darstellung ultra¬ 
mikroskopischer Teilchen angegeben wurde. Verwandt wurde ein 
Kondensor, ein mittelstarkes Trockenobjektiv mit Kompensations¬ 
okular, als Lichtquelle eine 20 Ampere-Bogenlampe; das zu prüfende 
Sekret wird in dünner Schicht zwischen Objektträger und Deck¬ 
glas ausgebreitet und gegen Eintrocknung geschützt. Die Spiro- 
chaeten zeigen sich als helibeleuchtete, nicht zu übersehende Ob¬ 
jekte, so dass auch vereinzelte Exemplare leicht zu finden sind. 
Untersucht wurden Abstriche von Sklerosen, ulcerierten Papeln, 
Punktionssaft von Lymphdrüsen und innere Organe von heredi¬ 
tärer Lues. Die eigenartige Gestalt und Bewegungsart Hessen 
die Spirochaete pallida leicht von anderen Spirochaetenformen 
untei"8cheiden. Für die Untersuchung der biologischen Eigen¬ 
schaften der Spirochaete pallida und ihres Verhaltens gegenüber 
verschiedenen Agenzien dürfte die Methode von beträchtlichem 
Nutzen sein. 

6. Pfeiffer: Die «teierUoke Taberkalose-Heilst&tte. 

An der Hand von Abbildungen und Plänen wird diese dritte 
Heilstätte Oesterreich-Ungarns beschrieben. 

Allgemeine med. Zentral-Zeltung. Nr. 44. 1906. 

Storbeck, Magdeburg-. Ein Beitrag ^ Perityplilitisbe- 
bandlnng. 

St. berichtet über Erfahrungen, die er bei der Behandlung 
von 120 Fällen von Perityphlitis sammeln konnte. Einen Todes¬ 
fall hatte er dabei nicht, so dass er der Behauptung von Krauss 
„die Statistik der inneren Therapie ist schlecht“ nicht beistimmen 
kann. Einen Zusammenhang zwischen Zunahme der Perityphlitis 
und den Influenzaepidemien hat er nicht beobachten können. Für 
die Prophylaxe kommt als Hauptpunkt die Regelung der Darm¬ 
tätigkeit in Betracht. Der akute Anfall kann plötzlich einsetzen; 
doch können ihm auch leichtere Erkrankungen vorangeben. Unter 
günstigen Umständen können auch die schwersten Krankheitsfälle 
ohne unser Zutun zur Heilung kommen; so sah er in zwei Fällen 
grosse Abszesse, intraperitoneal resp. extraperitoneal gelegen, mit 
Durchbruch nach aussen spontan heilen, nachdem eine Operation 
strikte abgelehnt war. Was die Therapie des akuten Anfalls be¬ 
trifft, so befürwortet er neben streng durchgeführter Körperruhe 
und beschränkter, flüssiger Nahrungszufuhr, energische Opium¬ 
therapie, eventuell auch Atropin; die Eisblase verwirft er völlig. 
Rezidive sah er verhältnismäßig selten; treten sie häufiger anf, 
so ist zu operieren. Im ganzen reklamiert er nach seinen Er¬ 
fahrungen möglichst grossen Spielraum für die interne Behand¬ 
lung. 

Nr. 45. 1906. 

Neumann, Bautzen; Ueber einige Erfolge mit fieta- 
Snlfopyrin bei Jodismns und akuten Erkrankungen der Atmungs¬ 
organe. 

Dem vor kurzer Zeit von der Firma Ebert und Meincke 
in Bremen herge-stelltcn Sulfopyrin, dem eine sehr günstige Wirk- 
ung gegen Migräne zugeschrieben wird, folgte alsbald ein modi¬ 
fiziertes Sulfopyrin aus ca. 50% Sulfanilsäure und ca. 50% Pyra- 
zolonum phenyldimethyl bestehend, das Beta-Sulfopyrin, ein Spezi¬ 
fikum gegen Jodismus. Das Mittel kommt in Tablettenform, älg 
in Glasröhren zu 10 Stück verpackt, zum Preis von 1 Mark in den 
Handel, löst sich leicht in lauwarmem Wasser, schmeckt angenehm 
säuerlich, wird gut vertragen, auch von Kindern, rasch assimiliert 
und ruft keinerlei Beschwerden hervor. Verfasser hat dies Mittel 
bei einer Reihe von Patienten versucht und rühmt die günstigen 
Erfolge bei Jodismus, allen Katarrhen der Atmungsorgane, Nasen- 
Rachenkatarrh, beginnender Angina, Influenza. Besonders hervor¬ 
zuheben ist die coupieremde Wirkung beim Beginn der Erkrankung, 
sowie die sekretmindemde, calmierende und fieberherabsetzende, 

Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 42, 

Koch, Freiburg: Kampfer in der Behandlung der Lnngen- 
schwindenoht. 


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532 


MEDICmiSCHB WOCHE. 


Nr. 48. 


K. empfiehlt ernent seine Innunktionskur mit Prsevalidin, 
einer Salbe aus Kampfer mit der Salben^undlage Perkutiian. 
An der Hand einer ^ankengeschiohte legt er den Gang und 
die günstigen Effekte einer solchen Behandlung dar. Die Kampfer- 
resp. Praevalidintberapie soll keine spezifische sein; sie ist ein 
Adjuvans. Sie wirkt in erster Linie diirch die Kräftigung des 
Herzens und Förderung der Expectoration; indirekt kommt damit 
Verminderung der Nachtschweisse, Hebung des Appetits, Besserung 
des Schlafes, Nachlass des Fiebers zustande. Auch bei bronchiti- 
schen Prozessen und bei Emphysem ist die Behandlungsmethode 
mit Erfolg zu verwenden. 

Nr. 43. 

1. Esch, Bendorf. Allopathie, Homöopathie, Isopathie. 

Ein Nachtrag zu dem Referat über Heppes gleichbetitelte 

Arbeit. E. fordert, dass die modern denkenden Anhänger der 
Homöopathie ihre Sonderstellung aufgeben und sich, wie das auch 
bereits mehrere bisherige Anhänger der „Naturheillehre“ getan 
haben, mit denjenigen Schulmedicinem, die nach biologischen 
Grundsätzen vorgeben wollen, unter dem Banner der biologischen 
Heillehre vereinigen. 

2. Krüche, München. Psyehologisches znr Affaire von 
Köpenick. 

K, berichtet von den merkwürdigen Streichen eines an 
periodischer Manie leidenden Mannes, die der Köpenicker Affaire 
würdig an die Seite zu stellen sind, und zeigt, wie gerade der 
Maniakalische, der keinerlei Hemmung.svorstellungen kennt, eine 
ungeheure Macht über „gebildete“ d. h. formell gebildete, dabei 
aber psychologisch unerfahrene Menschen ausüben kann. 


Bücherbesprechung. 

Bömberg, Tübingen. Lehrbuch der Krankheiten 
des Herzens und der Blutgefässe. Ferd. Lutze, Stutt¬ 
gart 1906. 

Das vorliegende Werk ist die erweiterte Sonderausgabe des 
allgemein bekannten, vom Verfasser bearbeiteten Abschnitts in dem 
Ebstein-Sohwalbeschen Handl:)uch. Die Vorzüglichkeit dieser kurz 
behandelten Kapitel ist so anerkannt, dass man so zu sagen auf 
die Ausgestaltung und Sonderausgabe in Gestalt eines Lehrbuches 
wartete. Die Erwartung ist voll erfüllt worden. Das Gebiet ist 
erschöpfend behandelt, neben dem empirischen Dasein hat die 
wissenschaftliche Seite reiche Beachtung gefunden. Die Literatur 
i.st voll berücksichtigt, und dabei jede Nutzbarkeit oder Weit¬ 
läufigkeit vermieden. Sehr gute Abbildungen fördern das Ver¬ 
ständnis. M. 

Frauze, Nauheim. Orthodragraphische Praxis. Otto 
Neumich, Leipzig 1906. 

Dieser kurze Leitfaden befasst sich mit der Methode der 
Orthodragraphie des Herzens. Die Vorteile und Nachteile der 
vertikalen und horizontalen Aufnahmestellung werden durchge¬ 
sprochen und gewisse wichtige Fingerzeige gegeben. Das Büchelchen 
mag für die Kollegen, welche in der glücklichen Lage sind, ein 
Uöntgenlaboratorium ihr Eigen zu nennen, von erheblichem Nutzen 
sein. Der Inhalt gibt die Erfahrung und Anschauungen des Ver- 
fa.ssevs wieder. 

Brühl, Berlin. Ohrenheilkunde. J. F. Lehmann, 
München 1905. Zweite Auflage. 

Dieser XXII. Band der Lehmannscheu Handatlanten liegt 
4 Jahre nach der ersten Ausgabe in neuer Gestalt vor uns. Der 
Verfasser hat vieles neu bearbeitet, vieles hinzugefügt. Der In¬ 
halt ist in erster Linie für den praktischen Arzt bestimmt und 
hat, das hewciisen die in so kurzer Frist sich folgenden Auflagen, 
offen l)ar .seinen Zweck voll erfüllt M. 

Schlampp, München. Die Verhindemng der Milch* 
Verderbnis durch Schmutz und Bacterien. Ferd, 
Lutze, 1906. 

Dieses eigentlich für Landwirte und Tierärzte bestimmte 

V«rantworilicher Rrdaicteur : Dr. P. Meiitoer, Berlin W. U, Kurfüratenatr. 81. - 

Oriicli TOD dar HeTnemaaii'acbeD Bt 


Buch soll deshalb hier erwähnt werden, weil es in kurzer, knapper 
Form eine solche Fülle wichtiger Daten gibt, die auch dem Arzt, 
zumal dem Kreisarzt von grossem Nutzen sein werden. Wir möchten 
das letztere Werk eingehender Beachtung empfehlen. M. 


Patentnachrichten. 

Erte ilungen. 

269572. Bandwickelmascbino. Frau Marie Keck, Manoheim. 

269593. Bandage, welche wollartig-e, als Kissen dienende Stellen ent¬ 
hält. Walter Innes Hadden, Nottingham, Engl. 

269745. Spracbbeilapparat für Stotterer, bestehend aus einem napf¬ 
artigen, mit Ooffnung im Boden versehenen Körper, der zwischen den 
Zähnen liegt und durch eine Gaumenplatte festgebalten wird. Hermann 
Joolsobn, Berlin. 

269H97. Handkurbel, verbunden mit Steuervorrichtung für Invaliden- 
Fahrräder. R. Ässmaiin, Mannheim. 

269620. Scbutzblockhalter für die Kopfstützen von Operationsstflhlen, 
Friseurstlihlen oder dergl. Wilhelm Brandes, Essen a. Ruhr. 

269378. Beim Elektrisieren an Händen und Füssen zu tn^nde Hüllen 
mit biegsamen Metalltuch-Elektroden. Ludwig Hartmann, Ludwigshafen 
a Rhein. 

269396. Aus einem Kasten mit Stablmagneten, Kupferspiralen und 
Kupfergliederketten bestehender Apparat zur Erzeugung von Magnetismus 
für Heilzwecke. Max Bade, Hannover. 

269 59Ö. Aus zwei, die Elektroden filr die Arme tn^nden Ständern 
und auf einer Bodenplatte angeordneten Elektroden für die r Üsse bestehende 
Einrichtung zur Behandlung des Körpers mit Elektrizität. Gebbert&Schall, 
Erlangen. 

269380. Klammer für Saugflaschen, bestehend aus einem eine Feder¬ 
schleife bildenden Draht, dessen Enden Oeson zeigen, deren eine senkrecht 
abgebogen ist Robert Karst, Berlin. 

269420. Quadratische Verpackung einer Pillenscbachtel mit der woissen 
Gebrauchsanweisung mit einem roten Verschlussstreifen. Fritz Augsbergor, 
Strassbuj^ i. E. 

Odda bei magendannkranken Kindern und 
Odda IVI.oR. bei Lungenkranken. 

Uebor Odda bei Ernährung chroni.sch kranker Kinder hatte Hermann 
Schlesinger schon im .Tuni 1905 (Med. Klinik) berichtet; in letzter Zeit 
kam OS ihm darauf an, Odda als Säuglingsnahrung bei Magen-Darmerkrank¬ 
ungen (Kinderarzt 1906, Nr. 6) zu prüfen. Schl, verfügte Uber 7 Fälle von 
akuter Gastritis, 13 Fälle von akuter Enteritis und Gastroenteritis, 6 Fälle 
von subakuter Gastroenteritis und 9 Fälle von chronischer Obstipation. So¬ 
bald die akuten Erscheinungen der Gastritis usw. abgeklungen waren, be¬ 
währte sich Odda ausserordentlich gut zur Regulierung der Ernährung, 
und nach kurzer Zeit konnte man zur Milch-Odda-N(mrang übergehen. 
Namentlich in den subakuten Fällen war es ohne weiteres indiziert, und 
boi der chronischen Obstipation wurde durch Odda mit wechselndem Zusatz 
von Milch die Darmentloerung in verbältnismäflig kurzer Zeit — etwa 
8—14 Tage — geregelt, wobei nur im Anfänge einige Oel- oder Wasser- 
klystiero notwendig waren. 

Dass Odda während dos akuten Stadiums der Magen-Darm-Erkrank- 
ungen kontraindiziert ist, gilt auch für andere Kindermenle. 

W. V. Stoutz und H. Ulrici versuchten in Dr. Weickers Lungen- 
beilanstalt in Qörbersdorf die Leistiingsfllhigkeit der „Odda M.-R.“ als 
loicbtverdaulicho Kraft- und Krankennahrung Irai Lungenkranken. (Deutsche 
medicinische Wochenschrift 1906, Nr. 37). Die Verfesser gingen von dem 
Gesichtspunkte aus, dass auch eine rationell bereitete Krankenkost nicht 
immer die gewünschten Erfolge haben kann, sondern vielmehr der Unter¬ 
stützung technischer Präparate oftmals bedarf. Von den zur Verwendung 
angezeigten künstlichen Nährpräparaten kämen zwei Gruppen in Frage, näm¬ 
lich eiiiboitlich zusammengesetzte Präparate, die in der Hauptsache aus 
Fett oder Eiweiss bestehen, oder Präparate, die für sich eine kom¬ 
plette Nahrung darstellen, also im Sinne des t^lichon Nahrungsbedarfs 
ziisammengesotzt sein müssen. Ein solches Präparat ist „Odda M. R.“ für 
Magonloidonde und Kekonvaleszenten, ein Abkömmling der v. Professor 
Mcringschen „Odda‘‘-Kindemalirung, vor welcher sie sich durch einen höheren 
Gehalt an Eiweiss und Fett auszeichnet, während sie im übrigen der „Odda“- 
Kindernabrung gleicht und darum die Bezeichnung „Odda M. R.** erhielt, 
weil sie in erster Linie für Magenleidende und Rekonvaleszenten bestimmt 
war. 

Bei den Versuchen selbst handelte es sich meist um schwere, fortgfo- 
schrittene Phthisen, teilweise sogar mit Lungenblutungen oder Nephritis 
kompliziert, auch bei Larynxtuberkuloso wurde die fein aurchgeseibto Odda- 
suppo gut vertragen, v. Stoutz und Ulrici schliessen ihr Urteil dahin 
ab. dass wir in Odda M.-R. ein theoretisch allen berechtigten Anforder¬ 
ungen geniigonde.s Präparat be-'^itzen, welches auch praktisch den Erwartungen 
bezüglich leichter Verdaulichkeit und Assirnilierbarkeit, sowie Schmackhaftig¬ 
keit entspricht und uns deshalb in der Phihiseothorapie wegen der hier im 
Vordergrund stehenden Wichtigkeit und Schwierigkeit der Ernährung von 
grossem Nutzen sein kann. Der Preis von Odda M.-R. ist mäßig; 480 g 
kosten 1,80 M. A. R. 

Veiautwgrtlich fOr deu luserktenteU: Der Verlag von Carl Uarhold. Halle a R. 
kdmelterei. (.ebr Wolff, Halle a. S 


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Medicinische Woche 


Deatschmann, A. DAhnsen» A. Hofft, E. Jtcobi, 

Hamburg. Berlio. Berlio. Preiburg 1. Bi. 

H. Senator, R. Sonmer, 

Berlin. Giessen. 

Verlag und Expedition 

Carl JAarhold in Halle a« S», inilandstnuse 6.' 

Tel.-Adr.: Marhold Vertag Hallesaale. Fernsprecher 


Herausgegeben von 



R. Robert M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosln, H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Uarenicht A. Voatlai, 

Magdeburg. Giessen. 


Redaktion: 

Berlin W* 62, Knrfflrstenatrasse 81. 

Dr. P Meißner. 

^ - ^ 


vn. Jahrgang. 3. Dezember 1906. Nr. 49. 


Oie .Med 1 cinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utflglgen Beilage BalnCOlOglSChe CeiTtralzeitUng, Organ des Scbwarzwaldbldertages, 
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
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Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet- 


Originalien. 


Zur Frage der experimentellen Anaemien. 

Vorläufige Mitteilung von Dr. A, A. Wyssotzki, 
ordinierender Arzt an der Therapeutischen Fakaltätsklinik zu Moskau. 

(Schluss.) 

Kamin er machte Experimente an Kaninchen, denen er 
unter die Haut 0,15—0,01 Phenyl-Hydrazin einführte und 
nach der Dosis mehr oder minder stark entwickelte Anaemie 
erzielte. 

Bei akuter Vergiftung (0,15—0,125 Phenyl-Hydrazin) ent¬ 
wickelte sich rasch ein Blutbild, welches mit dem Blutbilde bei 

S emiciÖser Anaemie ungewöhnlich grosse Aehnlichkeit zeigte: 

ligocytaemie, Leukogenie, Auftreten von Makrocyten, Normo- 
und Megaloblasten, Polychromatophilie und Fehlen von Poiki- 
locytose. Bei chronischer Vergiftung stieg zumeist die Anzahl 
der Leucocyten, sank aber später. In den roten Blutkörperchen 
zeigten sich Plehn-Grawitzsche basophile Körnchen, die 
unter dem Einflüsse der verschiedensten schädlichen Faktoren 
auftreten. 

Megaloblasten, dieser wichtigste Befund Kaminers, traten 
bei akuter Vergiftung nach 10 Stunden auf. 

Reckzeh (Zeitschr. f. klin. Medicin, Bd. 64, H. 3—4) 
verwandte beim Studium der experimentellen Anaemien Pyro- 
gallol in 20 % igen Lösungen an Hunden verschiedenen Alters. 
Die Quantität des eingespritzten Pyrogallols betrug 5,1—l,4gr. 
Reckzeh hat gleichfalls die allmähliche Gewöhnung an das 
Gift konstatiert, so dass man einem Hunde, um einen Effekt 
zu erzielen, eine viermal grössere Dosis, als die ursprüngliche, ein- 
spritzen musste. Die Ällgememerscheinungeu sind dieselben 
wie bei schweren Anaemien: die Tiere wurden schlaff, magerten 
ab, verloren den Appetit, zeigten gesteigerten Durst und er¬ 
müdeten sehr leicht. Temperatursteigerungen beobachtete 
Reckzeh nicht Reckzeh konstatierte nach der Einführung 
von 1,4—5,1 Pyrogallol ausser hochgradiger Herabsetzung der 
Haemoglobinmenge und der Anzahl der roten Blutkörperchen 
am 25., 6., und 4. Tage Megaloblasten; im übrigen waren die 
Veränderungen des Blutes denjenigen in den Beobachtungen von 
Tallquist, Syllaba und Kaminer ähnlich. 

Die Ansicht von Ehrlich, dass die Megaloblasten für die 
perniciöse Anaemie spezifische Gebilde sind, kann man somit 
faktisch als haltlos bezeichnen, da das Auftreten derselben im 
Blute auch durch Phenyl-Hydrazin und durch Pyrogallol bei 
Hunden und Kaninchen hervorgerufen werden kann. 

Das gewaltige Interesse, welches die Frage der Ursache 
der pemiciöseu Anaemie, dieser, wie mau sagen kann, rätsel¬ 
haften Erkrankung, bietet, die grosse Aehnlichkeit des Bildes 


der Blutverändenmgen bei der perniciÖsen Anaemie mit dem¬ 
jenigen bei den experimentellen Anaemien der Tiere, die Aehn¬ 
lichkeit der klinischen Symptome der Biermerschen Krankheit 
mit dem klinischen Bilde, welches mit haemol 3 rtischen Giften 
künstlich anaemisierte Tiere darbieten, veranlassten mich, die 
Phenyl-Hydrazin-Anaemie der Kaninchen, bei der man das am 
meisten typische Bild der Blutveränderungen hat, näher zu er¬ 
forschen. 

Ich erachte es für meine angenehme Pflicht, vor allem 
Herren Prof. W. D. Scherwinski und A. I. Taljanzew für 
die liebenswürdige Unterstützung, die sie mir bei meiner Arbeit 
haben zuteil werden lassen, meinen verbindlichsten Dank 
zu sagen. 

Bis mtzt ist die Blutuntersuchung an vier Kaninchen voll¬ 
ständig abgeschlossen. Die Tiere wurden ca. 5—8 Tage laug 
im Institut für allgemeine Pathologie gehalten, bis sie sich so¬ 
zusagen an die neue Umgebung gewöhnt hatten, was sich durch 
Kompensation des Gewichts und der Zusammensetzung des Blutes 
kundgab. Die Haemoglobin-Quantität schwankte bei den ge¬ 
sunden Kaninchen zwischen 75 und 80®^. Die Zahl der roten 
Blutkörperchen betrug 4500000—5000000, die Zahl der weissen 
Blutkörperchen von 8000—20000. 

I. Experiment: Kaninchen von 2000 g Körpe^ewicht. 
Haemoglobinquantität vor dem Versuch 75—80%. Zahl der 
roten Blutkörperchen 4600000—5000000, Temperatur morgens 
37,0, abends 37,5. Am 8. November subcutane Injektion von 
0,15 salzsauren Phenyl-Hydrazin. 9. November. 10 Stunden 
nach der Injektion Haemoglobinquantität 48 %, Anzahl der 
roten Blutkörperchen 3090000, diejenige der weissen 14000. 
Die Untersuchung des frischen Blutes ergab: Makrocyten wenig, 
fast sämtliche roten Blutkörperchen zeigen veränderte Form, 
einige Ponficksche Schatten. 16 Stunden nach der Injektion 
Haemoglobinquantität 40 %; Anzahl der roten Blutkörperchen 
2 770000, der weissen 18000. Temperatur am 9. November, 
morgens 39,5, abends 38,5. Am 10. November, abends, ging 
das Kaninchen zu Grunde. 

H. Experiment: Kaninchen von 1600 g Körpergewicht. 
Haemoglobinquantität 75%. Anzahl der roten Blutkörperchen 
4670000, der weissen 12000. Am 8. November subkutane In¬ 
jektion von 0,125 salzsauren Phenyl-Hydrazin. Am 9. November, 
10 Stunden nach der Injektion, Haemoglobinquantität 50%, 
rote Blutkörperchen 3 250000, weisse 18000; Blut dunkel, im 
frischen Zustande ziemlich viel Megaloblasten, Ponficksche 
Schatten. Nach 16 Stunden Haemoglobinquantität 45%, rote 
Blutkörperchen 2 800000, weisse 18000. 10. November; 34 

Stunden nach der Injektion Haemoglobinquantität 30%, rote 
Blutkörperchen 2670 000, weisse 20000. Megalocyten und 
Ponficksche Schatten in grösserer Quantität. 38 Stunden nach 
der Injektion Haemoglobinquantität 30 %, rote Blutkörperchen 
2 000000, weisse 20000. 11. November, morgens, Haemoglobin- 
quantität 28%. Das zimmtfarbene Blut wurde rot. 


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534 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 49. 


Zahl der roten Blutkörperchen 1710000, Megalocyten 500000 
(ca. 28%), weissen Blutkörperchen 14000. Um 1 Uhr nach¬ 
mittags Haemoglobinmenge 23 %. roter Blutkörperchen 1590000, 
Megalocyten 4600000, weisser Blutkörperchen 30000. 12. No¬ 
vember: Haemoglobin 20%, rote Blutkörperchen 805000, 
Megalocyten 160000, weisse Blutkö^erchen 34000. 13, No¬ 

vember: Haemoglobin 20%, rote Blutkörperchen 1035000, 
Megalocyten 260000, weisser Blutkörperchen 22000. 15. No¬ 
vember: Haemoglobin 32%, rote Blutkörperchen 1060000, 
Megalocyten 400000 (40 %), weisse 10000. 16. November: 

Haemoglobin 35%, rote Blutkörperchen lüOOOOO, Leukocyten 
4000. 17. November: HaemogloW 36%, rote Blutkörperchen 

1985 000, Megalocyten 370000, weisse Blu^öroerchen 6000. 
18. November: Haemoglobin 36%, rote Blutkörperchen 
1815000, Megalocyten 480000, weisse Blutkörperchen 10000. 
Am 19. November ging das Kaninchen zu Grunde. 

in. Experiment: 0,09 salzsauren Phenyl-Hydrazin. Kanin¬ 
chen von 1500 s Körpergewicht. Haemoglobinquantität 80 %, 
rote BlutkÖrper(men 5 000000, die der weissen 8000. 17. No¬ 
vember: Injektion von 0,03 salzsaurem Phenyl-Hydrazin. 18. No¬ 
vember : Haemoglobinquantität 55 %, Anzahl der roten Blut¬ 
körperchen 3770000, weisse lOOOÖ, etwas Makrocyten und 
Ponficksche Schatten. Injektion von 0,03 salzsaurem Phenyl- 
Hydrazin. 19. November: Haemoglobinquantität 30 %, Anzahl 
der roten Blutkörperchen 2500000, Megalocyten 3330000, An¬ 
zahl der weissen Blutkörperchen 3000. Das Blut wurde zimmt- 
farben. Ab und zu sind enorm grosse Megalocyten und zahl¬ 
reiche Ponficksche Schatten zu sehen. Injektion von 0,03 salz¬ 
sauren Phenyl-Hydrazin. 20. November: Haemoglobinquantität 
17%, Anzahl der roten Blutkörperchen 1245000, Megalocyten 
215000, Anzahl der weissen Blutkörperchen 5000. 21. November: 
Haemoglobinquantität 15%, Anzahl der roten Blutkörperchen 
610000, Me^ocyten 220000 (ca, 29%), weisse Blutkörper¬ 
chen 4000. Das Kaninchen ging zu Grunde. 

YI. Experiment: Kaninchen von 1650 g Körpergewicht. 
Injektion von 0,08 salzsauren Phenyl-Hydrazin. Haemoglobin¬ 
quantität 75%, Anzahl der roten Blutkörperchen 4200000, der 
weissen 10000. 0,02 salzsauren Phenyl - Hydrazin subkutan. 
18. November: Haemoglobinquantität 63%, Anzahl der roten 
Blutkörperchen 3590000, der weissen 8000. 0,02 salzsaureo 
Phenyl - Hydrazin subkutan. Ziemlich viel Megalocyten und 
Ponficksche Schatten. 19. November: Haemoglobinquantität 35%, 
Anzahl der roten Blutkörperchen 2 395000, der Makrocyten 
4450 000, der weissen Blutkörperchen 7000. 0,02 salzsauren 
Phenyl-Hydrazin. 20. November: Haemoglobinquantität 26%, 
rote Blutkörperchen 2000000. Makrocyten 290000, weisse 
Blutkörperchen 12000. 0,02 Phenyl-Hydrazin. 21. November: 


Feuilleton. 


Aus feindlichen Lagern. 

Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung. 

Von Oberstabsarzt Dr. Neainailil-Bromberg. 

Der alte Satz: Et ab hoste doceri scheint mir eine der 
wichtigsten praktischen Lebensweisheiten zu enthalten. Gerade 
die moderne Medicin, die im Spiegel gegenwärtiger Kultur¬ 
betrachtung ihren Platz an der Sonnenseite des Öffentlichen 
Interesses behaupten muss, hat Veranlassung, sich von Zeit zu 
Zeit umzuschauen im Lager der Feinde. Diese Feinde der 
Medicin und des Aerztestandes teilen sich in zwei Gruppen; 
zu der einen gehören die Kurpfuscher und die diesen gleich¬ 
stehenden Naturheiler, zur zweiten gehören die medicinischen 
Aussenseiter, die unter Verlassung der wissenschaftlichen 
Wege sich den Kurpfuschern und Naturheilem dienstbar ge¬ 
macht haben. 

Das Buch: Praktische Naturheilkunde von Gerling und 
Köhler, dessen zahlreiche Irrtümer ich s. Z. in der Zeitschrift 
des verdienstvollen österreichischen Kollegen Dr. Kanto r, einem 


Haemoglobinquantität 15%, Anzahl der roten Blutkörperchen 
845000, Makrocyten 285000, weisse Blutkörperchen 14 000. 
Das Kaninchen ging zu Grande. 

Bei der Sektion sämtlicher Kaninchen fand man Vei^össer- 
ung der Nieren, Erscheinungen von akuter Nephritis mit Ab¬ 
lagerung von Blutpigment in der Rindenschicht, bedeutende 
Vergrösserung der Leber und der Milz, sowie lymphadenoide 
Degeneration des Knochenmarks der Röhrenknochen. Der Harn 
war von dunkelbrauner Farbe und enthielt Eiweiss, zahlreiche 
Zylinder und ausgelaugte rote Blutkörperchen; Absorptions¬ 
streifen waren im Spektrum nicht zu sehen. 

Sämtliche Tiere haben an Körpei^jewicht verloren. Das 
Kaninchen Nr. 2, welches elf Tage gelebt hatte, hat 390 g 
an Körpergewicht eingebüsst. 

Eine Temperatur-Reaktion wurde in hohem Grade bei den 
Kaninchen Nr. 1—4 beobachtet, und zwar beim ersteren stieg 
die Temperatur von 37,8 auf 39,5, beim letzteren von 37,3 all¬ 
mählich auf 39,5. Vor dem Tode sank die Temperatur auf 35 
und darunter. 

Die schnellste Verringerung der Haemoglobinquantität und 
der Anzahl der roten Blutkörperchen wurde beim Kaninchen 
Nr. 1 beobachtet, und zwar betrug die Verringerung innerhalb 
zehn Stunden für das Haemoglobin 27 %, während die Anzahl 
der roten Blutkömerchen sich um 1710000 verringert hatte. 
Die niedrigsten Zahlen der Blutzusammensetzung zeigten die 
Kaninchen Nr. 3 und 4, und zwar 15% Haemoglobin und 
610000 rote Blutkörperchen beim ersteren und 15 % Haemoglobin 
und 845000 rote Blutkörperchen beim letzteren. Die Anzahl 
der Megalocyten stieg beim 2. Kaninchen bis 40 %. DerHaemo- 
globin-fndex, oder, wie die Franzosen sagen, richesse globulaire 
stieg beim zweiten Kaninchen bis 1,75. 

Die interessantesten Blutveränderungen zeigt das Kanin¬ 
chen Nr. 2, welches nach der Injektion von 0,125 salzsaurem 
Phenyl-Hydrazin noch 11 Tage gelebt hatte, und bei dem die 
Blutzersetzung in den letzten Tagen zu steigen begonnen hatte. 

Zehn Stunden nach der Injektion treten Megaloblasten in 
grosser Quantität auf. Der normale durchschnittliche Durch¬ 
messer des roten Blutkörperchens beträgt beim Kaninchen 
maximum 4—5 hier aber erlangten viele Makrocyten eine 
Grösse von 9 in grosser Quantität, bisweilen 4—5 Stück im 
Gesichtsfeld, kommen Megaloblasten vor; sowohl die Makro¬ 
cyten, wie ^e Megaloblasten sind nicht selten polychromatophil. 
In ziemlich grosser Anzahl kommen körnige, runde Gebilde, 
Ueberreste von zerfallenen roten Blutkörperchen vor. Viele 
rote Blutkörperchen färben sich mit Eosin und zeigen Erschein¬ 
ungen von Fragmentation. Von seiten der Leukocyten kann 

der Bekämpfung der Kurpfuscherei gewidmeten Blatte „Gesund- 
heitslehrer*^, auf Schritt und Tritt, Zeile für Zeile eingehend nach¬ 
gewiesen habe, führt 108 approbierte Aerzte auf, die in dem Buche 
unter der Rubrik „Naturärzte“ figurieren. Von bekannteren 
Namen finden sich u. a. verzeichnet: Jaerscbky-Berlin, 
ZiegeIroth-Berlin, Koerner-Breslau, Disque-Chemnitz, 
Spohr - Frankfurt a. M., Schweninger - Gr. Lichterfelde, 
Paczo wski-Köln, Klimaczewski-München, Labmann - 
Dresden, Kleinschrodt - Baden-Baden, Appelius - Berlin, 
Kahnt-Berlin, Thure-Brandt-Berlin, Burkhart- Chemnitz, 
Bil f in ge r-Eisenach, Emmel-Gräfenberg, Hinz-Neusalz a. O., 
Winternitz - Wien, Diehl - Stolzenberg, Baumgarten- 
Wörishofen. Ich habe diejenigen Namen der Aerzte genannt, 
die durch ihre Publikationen der Oeffentlichkeit bekannter ge¬ 
worden sind. Ein Teil dieser Aerzte hatte sich unter dem 
Ehrenvorsitz von Schweninger zu einem Verein physikalisch- 
diätetischer Aerzte zusammengeschlossen, wie ich dem April¬ 
heft 1904 der Zeitschrift „Der Naturarzt“ entnehme. Es ist 
damals zu einem Verbände deutscher Aerztevereine für phy¬ 
sikalisch-diätetische Therapie gekommen, der als ein in Klammern 
beigefügter Zusatz die Bezeichnung „Naturheillehre“ trägt. 
Dieser Verband hatte s. Z. im „Naturarzt“ ein mit Emphase 
und Wortschwall verquicktes Programm losgelassen, hatte ,,das 
ominöse Wort Naturheillehre“ als „Ehrentitel“, wie es hiess, 
angenommen und die „Bundesleitung der Naturheilvereine“ batte 


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1906. 


ÄtBDlCmiSCHE WOCHE. 


535 


man das Auftreten von Myelocyten hervorheben. Dann steigt 
die Zahl der Makrocyten, selbst werden sie grösser, so dass 
35 Stunden nach der Injektion Makrocyten und Meg^oblasten 
von 10—12 fl angetroffen werden. Die Polychromatophilie, die 
Präsentation und die Yacuolisation der Erythrocvten werden 
stärker; die Anzahl der Makrocyten ist so gross, dass man im 
Gesichtsfeld bei Obj. Nr. 8 Ocul. N. 2 des Leitzschen Mikro¬ 
skops bis 30 Makrocyten mit einem Durchmesser bis 12 ft sehen 
kann. Megaloblasten gibt es gleichfalls sehr viel. Ihr Durch¬ 
messer erreicht bis 12 fi. Normoblasten sind in geringer An¬ 
zahl zu sehen. 

59 Stunden nach der Injektion erreichen die Makrocyten 
die Grösse von 14 /<; die Zahl derselben ist sehr gross. Die 
Erscheinungen von Zerfall der Erythrocyten sind wenig wahr¬ 
nehmbar. Die Foikolicytose und die Polychromatophilie werden 
schärfer. 76 Stunden nach der Injektion sind von seiten der 
roten Blutkörperchen Veränderungen nicht mehr zu sehen. Von 
seiten der weissen Blutkörperchen kann man das Auftreten von 
Zwergformen^ von polynucieären Zellen von 5— 5,5 fi bei einer 
Durcbschnitt^össe von 8—8,5 fi bemerken. Diese Gebilde 
werden nicht selten bei Leukaemie beobachtet. 

100 Stunden nach der Injektion wird die Zahl der Makro¬ 
cyten so gross, dass man im Gesichtsfeld nicht mehr als 3—4 
normale Körperchen sieht, während alle anderen Makrocyten 
sind. Die Polychromatophilie und die Fragmentation der Eryüiro- 
cyten sind ausserordentlich scharf ausgesprochen. Mikrocyten 
smd fast nicht vorhanden. Die Erythrocyten sind sehr ungleich- 
mäfiig gefärbt, die Minderzahl ist stark violett-rot, die Mehr¬ 
zahl schwach blau-rosa gefärbt 

Am Lebensende der Kaninchen begann die Zahl der 
Megaloblasten sich zu verringern, wenn man sie auch zu 
mehreren Exemplaren in jedem Präparat finden konnte. Die 
Polychromatophilie und die Ungleichmäßigkeit der Färbung 
waren sehr stark ausgesprochen. 

Die Untersuchungen der Biutpraparate in den Experimenten 1, 
3 und 4 ergaben dieselben Resultate. Man muss bemerken, 
dass in dem untersuchten Blute sehr wenig Makrocyten waren, 
und die Poikilocytose schwach ausgesprochen war. 

Von seiten der weissen Blutkörperchen war die Zunahme 
der Anzahl der eosinophilen Zellen, sowie das Auftreten von 
Myolocyten und kleinen polinucleären Zellen im Blut zu sehen. 

Die Untersuchung von Trockenpräparaten des Knochen¬ 
marks der Röhrenknochen ergab das Vorhandensein einer grossen 
Anzahl von Megaloblasten bis 16 d. h. die Ehrlichsche 
megaloblastische Degeneration. 

sich mit dem naturärztlichen Programm als solidarisch erklärt 
Ob der Verband noch besteht, ob und welche Fortschritte er 
emacht, habe ich nicht verfolgt. Es genügt aber festzustellen, 
ass dieser Verband sich in einen bewussten Gegensatz zur 
allgemeinen ärztlichen Anschauung stellen muss, „wenn er ein- 
mm den Namen „Naturheillehre^^ zu seinem Titel setzt, und 
wenn zweitens sich die Bundesleitung der Naturheilvereine, 
deren Zeitschrift der „Naturarzt“ chronisch von den heftigsten 
persönlichen Angriffen gegen die Medicin, die Aerzteschaft 
und einzelne Aerzte strotzt mit dieser Outsiderorganisation 
solidarisch erklärt. 

Die Verbindung dieser medicinischen Aussenseiter, die 
nach dem Muster von Schweninger handeln, dem die poli¬ 
tische Zeitschrift „Die Zukunft“ bekanntlich ihre Spalten für 
seine pseudo-medicinischeu Expektorationen öffnete, die Ver¬ 
bindung dieser Aerzte mit der sogenannten Naturheilkunde geht 
aus einer Reihe von Veröffentlichungen hervor, wie sie teils 
in den naturheilerischen Zeitschriften, teils in Buchform er¬ 
schienen sind. So hat Ziegelroth, einer der Säulen der so¬ 
genannten Naturheilmethode, im Verlag des Bundesvorstandes 
der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise eine kleine 
Schrift erscheinen lassen: Was muss der Arzt von der Natur¬ 
heilmethode (physikalisch-diätetischer Therapie) wissen? 

Wenn Ziegelroth in dieser Broschüre sagt, dass die 
deutsche Naturheilbewegung in einem Maße angewachsen sei, 


Bei der Betrachtung der im Vorstehenden geschilderten 
Blutveränderungen fällt einem unwillkürlich die Aehnlichkeit 
zwischen den Veränderungen des Blutes des Kaninchens bei 
Vergiftung mit grossen und mittleren Phenyl - Hydrazindosen 
mit der perniciösen Anaemie des Menschen auf. 

Die Megaloblasten, die von der Mehrzahl der Haematologen 
als charakteristisch für pemiciÖse Anaemie betrachtet werden, 
sind bei der Vergiftung mit Phenyl - Hydrazin in gewaltiger 
Quantität zu sehen. Diese Tatsache beweist, dass die meg^o- 
blastische Degeneration des Knochenmarks keineswegs, wie 
Ehrlich glaubt, etwas Spezifisches ist, sondern auch bei Ver¬ 
giftung mit Phenyl-Hydrazin und Pyrogallol beobachtet wird; 
sie erscheinen vielleicht als Symptome der überanstrengten und 
kompensatorischen Tätigkeit des Knochenmarks, welkes be¬ 
strebt ist, die in der Blutbahn zur Auflösung gelangten Blut¬ 
körperchen zu ergänzen. Das Phenyl-Hydrazin ist, wie Hoppe- 
Seyler gezeigt^at, vor allem ein Gift für das Haemoglobin, 
mit dem es im Beisein von Sauerstoff eine Verbindung emgeht. 
Es findet dabei eine Zerstörung von zahlreichen Blutkörperchen 
statt, es entwickelt sich Haemoglobinaemie, welche, wie in dem 
zweiten Experiment, verschwinden kann, und das ^ochenmark 
antwortet auf diesen ungeheuren Verlust an roten Blutkörper¬ 
chen, der innerhalb 10 Stunden die Höhe von 1710000 erreicht, 
mit einer gewaltigen Produktion von Makrocyten und Megal- 
oblasten. Der Haemoglobin - Index stieg dabei bis 1,75, die 
Zahl der Makrocyten auf 40 %; der Durchmesser der roten 
Blutkörperchen vergrösserte sich um das Dreifache und auch 
mehr. 

Von seiten der Leukocyten wurde bald Leukocytose, bald 
Leukaemie beobachtet. 

Die von Kaminer und Reckzeh beobachteten und auch 
in meinen Experimenten au^etretenen Blutveränderungen zeigen, 
dass man dem sorgfältigen ^udium der experimentellen Anaemie 
mehr Beachtung entgegenbringen muss, da es auf diese Weise 
vielleicht gelingen wird, in me dunklen Winkel der Haemo- 
Pathologie, deren es leider so viele gibt, Licht zu bringen. 

Die e^erimentellen Anaemien, welche bei Tieren (Kanin¬ 
chen und Hunden) durch Vergiftung mit Phenyl-Hydrazin und 
Pyrogallol erzeugt werden, sind von sehr grossem Interesse, da 
es bei diesen Anaemien gelingt, im Blute Megaloblasten zu 
finden, die für die pemiciöse Anaemie die am meisten typischen 
Gebilde sind. Natürlich muss man die bei der perniciösen 
Anaemie auftretenden klinischen Erscheinungen nur mit grosser 
Vorsicht mit den Erscheinungen von Anaemie bei den künst¬ 
lich anaemisierten Tieren vergleichen; die Erforschung des Ver¬ 
laufs des haemolytischen Prozesses und sämtlicher bei experimen- 

dass sie von seiten der Aerzteschaft die ernsteste Aufmerk¬ 
samkeit verdiene, so stimme ich mit ihm überein. Ich bin der 
Ansicht und habe dieser bereits an verschiedenen Stellen den 
weitgehendsten und ener^chsten Ausdruck verliehen, dass es ab¬ 
solut falsch ist, wenn me Aerzte diese Bewegung ignorieren 
oder gar als quantitö n6gligeable betrachten. Nicht durch vor¬ 
nehmes Ignorieren dieser Aftergebilde, dieser Auswüchse, dieser 
medicinischen Sekten, sondern durch energische Zurückweisung 
und Belehrung werden wir diesen Feinden der Medicin ent¬ 
gegenzutreten haben. 

Die Nichtbeschäftigung der Aerzte mit der in der Tat 
ewaltig gewachsenen Bewegung hat es ja zu Wege gebracht, 
ass öffentlich in der Naturheilpresse aller Arten behauptet 
wird, dass das Einschlagen der modernen therapeutischen 
Richtung, d. h. der sogenannten physikalisch-diätetischen durch 
die Aerzte, lediglich und allein das Verdienst der Natur¬ 
heilbewegung sei. Das spricht Ziegelroth ans, das spricht 
Kühner aus, der die Naturheilmethode unverblümt als „wahre 
neue Heilkunde“ empfiehlt, das spricht Sturm aus, das spricht 
Erhard aus in seinen „ketzerischen Betrachtungen eines 
Arztes“, das spricht Esch aus, alles praktische Aerzte, die 
mehr oder weniger, ganz oder halb auf dem Boden der soge¬ 
nannten Naturheilkunde stehen, deren Worte natürlich lebendiges 
Wasser auf die Naturheilmühle unserer Feinde sind. 

Es ist ganz interessant, wenn man sich näher mit dem 


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536 


MSDICINISCHB WOGHB. 


Nr. 49. 


teller Anaemie auftretenden Verändernngen des Blutes und des 
Knochenmarks sind durchaus der Beachtung wert. 

Jedenfalls ist die Spezifität der megaloblastischen Degene¬ 
ration des Knochenmarks für die perniciöse Anaemie als wider¬ 
legt zu betrachten. 

Ich setze meine Versuche mit der Phenyl-Hydrazin-Anaemie 
fort und werde darüber demnächst in einer besonderen Arbeit 
berichten. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

AenifUicher Verei/n in MaMiburg, 

Sitzung vom 30. Oktober 1906. 

Vorsitzender Herr Kümmell. 

I. Demonstrationen: 1. Herr Andereya zeigt 2 Fälle von 
Fistula auri congenita. 2. Herr Wiesinger demonstriert 
einen Patienten, den er wegen eines grossen Tumors operiert hatte, 
der, unter der Dura mater gelegen, 4 cm breit und 5—6 cm lang war 
und die FrontaUappen platt drückte. Auffallend war, dass nach der 
Operation mehrere Wochen lang nur eine Pulsfrequenz von 40—60 be¬ 
stand, dabei war ein eigentümlicher Dämmerzustand an dem jungen 
Manne wahrzunehmen, als wenn es sich um eine gehemmte Leitung 
der Sinneseindrücke handelte. Jetzt ist die Wunde gut geheilt, 
die Schädelhaut jedoch, da der Knochen in grosser Ausdehnung 
entfernt werden musste, mit dem Gehirn verwachsen; es besteht 
die Absicht, in einiger Zeit den Knochendefekt des Stirnbeins zu 
decken. Es handelt sich um ein Sarcom. 

n. Vortrag des Herrn Sudeck; „Ueber die Muskel- 
atrophie.“ (Reflex theorie und Inaktivitätstheorie.) 
(Autoreferat.) Da die normale Funktion des Muskels von dem 
intaktsein vieler Umstände abhängig ist (Gelenkapparat, Inner¬ 
vation von der Gh’osshimrinde über die grauen Vorferhömer in 
die Endausbreitungen der Nerven, Muskeltonus, Gefässapparat), so 
ist von vorne herein zu erwarten, dass Störungen der Funktion 
und somit des Muskelbestandes von mehreren Seiten kommen 
kann. Die Inaktivitätstheorie braucht also nicht die Reflextheorie 
auszuschliessen und umgekehrt. Die Reflextheorie (Vulpian-Pagel) 
besteht in ihrer Grandmeinung, d. h. wenn man zunächst von Einzel¬ 
heiten absieht, sicher zu Recht aus folgenden Gründen: 

1 . Die als reflektorisch bezeichnete Art der Muskelatrophie 
tritt nicht allmählich auf, sondern sie beginnt wenigstens in den 
prägnantesten Fällen akut mit Atonie der Muskulatur, und 
schon nach 8 Tagen kann eine messbare Atrophie bestehen. Die 


Stadium der antimedicinischen Literatur befasst, wenn man 
die Schriften der sogenannten Naturheiler näher studiert, wie 
jedes, aber auch jedes einzelne gegen die mediciniscbe Wissen¬ 
schaft, gegen die sogenannte Schulmedicin, gegen die Aerzte 
von Aerzten geprägte Diktum sofort von der gegnerischen 
Presse ausgebeutet wird. Wenn es in den Kram paßt, wird 
jeder aus dem Zusammenhang rücksichtslos gerissene Satz zu 
einem Menetekel vor der arzneilichen Therapie gestempelt und 
die arzneilose, d. h. angeblich ohne Gifte heilende sanfte, nie 
schadende, bloss nützende Naturheilmethode wird als das thera¬ 
peutisch einzig Wahre dargestellt! Dass mit dieser tenden¬ 
ziösen gehässigen Darstellung, wie es u. a. der Arzt Klima- 
czeWSki-München in seiner Schrift: Gesundheitspflege und 
neuere Heilmethoden tut, nicht bloss das grosse Publikum, das 
diese Schriften kritiklos verschlingt, direkt verdreht gemacht 
wird, dass das Vertrauen zum Arzte, dieses zarte, pflegebe¬ 
dürftige Imponderabile direkt untergraben wird, das sollte uns 
Aerzte der Schulmedicin, d. h. uns Vertreter wahrhafter Wissen¬ 
schaftlichkeit doch endlich veranlassen, diesen Dingen nach¬ 
zugehen, und aetiologisch zu forschen unde causa! Mieux tard 
que jamais. (Fortsetzung folgt.) 


Funktionsverminderung ist nicht proportional der Verminderung 
des Muskelvolums, sondern viel hochgradiger: sie kann fast bis 
zu einer wirklichen Lähmung gesteigert werden. Auch die Re¬ 
aktion gegen den elektrischen Strom kann fast aufgehoben sein. 

Wir haben es also nicht mit einer einfachen Verminderung 
der kontraktilen Substanz zu ton, sondern mit einer ausge¬ 
sprochenen Innervationsstörung, deren eigentliches Wesen in der 
atonischen Schlaflheit des Muskels beruht, und die wohl erst 
sekundär zur Atrophie führt. 

2. Die Inaktivität ist ein konstanter Faktor, der sich in 
jedem Falle, wo er vorliegt, auch konstant äussern müsste. Die 
akute Muskelatropbie tritt aber nicht konstant auf. Zwar scheint 
sie sich bei endzündlichen Aifektionen der Gelenke einigermaßen 
regelmäßig mehr oder weniger hochgradig einzostellen; nach 
leichten Verletzungen aber sehen wir sie meistens ausbleiben und 
nur in besonderen Fällen eintreten. 

3. Die akute Moskelatrophie tritt mitunter auch in solchen 
Fällen auf, bei denen überhaupt keine irgendwie nennenswerte 
Ausserfunktionssetzung stattgefonden hat; die betroffenen Ex¬ 
tremitäten sind gamicht inaktiv gewesen und können deswegen 
auch nicht infolge der Inaktivität atrophisch sein. 

4. Wenn die Muskelatropbie durch Inaktivität entstanden 
wäre, so müsste sie durch methodische Uebong mit einiger Sicher¬ 
heit gebessert werden können; es gibt aber Fälle, die jeder 
Uebung, Massage, elektrischen Behandlung hartnäckig Trotz bieten, 
die Jahre lang bestehen bleiben, ja sogar auf die zu energische 
Behandlung eine unverkennbare Verschlechterung zeigen. 

5. Es gibt ein vollkommenes Analogon der akuten Muskel¬ 
atrophie an den Knochen, nämlich die sogenannte akute Knochen- 
atrophie. Gleichzeitig pflegen Veränderungen an der Haut (Gyanose, 
Glossy skia, Hypertriohosis, Nagelrissigkeit) aufzntreten. Diese 
Veränderungen an den Muskeln und Knochen und der Haut ge¬ 
hören zusammen: sie sind eine den verschiedenen Organen ent¬ 
sprechende verschiedene Aeusserung auf dieselbe Schädigung. 

Die akute Knocbenatrophie beruht sicherlich nicht auf In¬ 
aktivität, denn diese kann weder so rasch einsetzen, noch so inten¬ 
sive Veränderungen des Knochens hervorrufen, wie wir sie bei der 
akuten Knocbenatrophie Anden. Bereits nach einer Woche sind 
ausgesprochene Resorptionen radiographisch nachweisbar. Auch 
sind die Knochenveränderungen viel hochgradiger, als wie wir sie 
selbst nach vollkommener Ausschaltung der Nerven (Durchschnei- 
dung usw.), geschweige denn bei der Inaktivität sehen. Ferner 
tritt die akute Knodienatrophie auch dort auf, wo keine nennens¬ 
werte Inaktivität stattgefunden hat, und umgekehrt bleibt sie bei 
zweifelloser, jahrelang fortgesetzter Inaktivität aus. I'emer 
werden die angedeuteten Veränderungen der Haut, der Unterbaut, 
der Haare und der Nagel allgemein als vasomotorische Trophoneu- 
rose angesehen, jedenfalls fällt es niemandem ein, sie auf In¬ 
aktivität zu schieben. Wenn nun die obenerwähnte Auffassung 
von der genetischen Gleichwertigkeit dieser Erscheinungen an 
den Muskeln, den Knochen und der Haut richtig ist, so hegt 
hierin ein Argument mehr für die Annahme, dass auch die akute 
Muskelatrophie eine truphoneurotische oder wenigstens nervöse Er¬ 
scheinung ist. 

Die Folgen reiner Inaktivität kann man nnr sehr selten be¬ 
obachten. Es handelt sich bei Fällen, in denen die Inaktivitäts¬ 
atrophie auftritt, fast stets um Immobilisation oder verringerte 
Punktion der Gelenke und der Muskeln (Ankylose der (relenke, 
immobilisation durch Verbände, Bewegungseinschränkung durch 
mechanische Gelenksschäden, Fixation der Gelenke durch Ent¬ 
zündung), wodurch notwendigerweise die Veränderungen ein¬ 
treten müssen, die wir als funktionelle Anpassung bezeichnen. 
Wenn man aber im Hinblick darauf, dass ja in der Tat ein 
Muskelschwund eintritt, die übliche Bezeichnung „Atrophie*^ an¬ 
wenden will, so würde es den Tatsachen vielleicht mehr entsprechen, 
wenn man von Immobilisationsatrophie, und nicht von Inaktivitäts¬ 
atrophie sprechen würde. Diese Art der Atrophie zeigt lange 
nicht so hochgradige Umfangsverminderong, wie die atonische 
Atrophie. Reine, unkomplizierte Inaktivität, d. h. Funktionsausfall 
ohne Immobilisation, sehen wir nur bei hysterischen Lähmungen. 
Bei diesen braucht aber keine Atrophie aufzutreten. Durch ver¬ 
minderte Aktivität (Schonung) kann keine erkennbare Atrophie 


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1906 


M Kl i Tf»ITJTSr» H w wOf TH l^i - 


537 


hervorgerafen werden, also durch Simulation eines Gelenkleidens 
entsteht niemals Hoskelatrophie. 

Für die PraxiB ist es von Bedentong, welche Aoffassnng man 
in diesen Fragen eümimmt, und zwar sowohl bei der Begutach¬ 
tung von Unfallverletzten, als auch bei der Behandlung, ad Be¬ 
gutachtung : Objektiv vorhandene Zeichen der Mnskelatropbie sind 
ein sicheres Zei<^en von vorhandener oder abgelaufener anatomischer 
Erkrankung. Fehlen der Atrophie bei angeblichen Gelenk¬ 
seiunerzen muss die Aufmerksamkeit des Untersuchers in Bezug 
auf Simulation verschärfen, ad Behandlung; Bei der atonisohen 
Mnskelatrophie ist die Uebungstherapie und medico - mechsnisohe 
Behandlung meistens nutzlos und in der Uebertreibung schädlich, 
bei der einfachen Atrophie nützlich. 

m. Diskussion: Herr Hasebrock hat einen 13jährigen 
Knaben mit Skoliosis lumbalis in Behandlung gehabt, bei dem er 
als zufäUigen Befand eine Differenz von 2,5 cm am linken Bein 
gegen das rechte feststellen konnte: trotz eifrigen Turnens ist 
diese Atrophie nur um 0,6 cnn gewichen. Nach seiner Meinung 
ist also die Atrophie nicht immer durch Aktivität zu beseitigen; 
auch bei essentiellen Kinderlähmungen hat er vom Tomen wenig 
Gutes gesehen. Er erinnert sich ferner eines Unfallverletzten, der 
erst jetzt — der Unfall liegt mehrere Jahre zurück — eine 
Atrophie des verletzten Armes von 1,5—2 cm bekommen hat, ob¬ 
wohl der Mann im letzten Jahre den Arm wieder tadellos ge¬ 
brauchen konnte. Herr Deutschländer zieht eine Parallele 
zwiscähen der Abmagemng bei fieberhaften Erkrankungen und der 
Atrophie nach Entzündungen und Verletzungen, die auf dem ge¬ 
steigerten Stoffwechsel beruhten. Herr Preiser weist auf die 
oft schon nach drei Tagen auftretende Deltoidesatrophie bei 
Hnmerusluxation hin, die Herr Kümmell auf Ernährungsstörungen 
zurückfübrt; deshalb mache er bei Scbulteraussetzung sofort Be- 
wegangen. Herr Saenger: Bei halbseitig Gelähmten und Hysteri¬ 
schen tritt meist keine Atrophie ein, und doch sind diese Kranken 
inaktiv. Der dironisclie Reiz der Gelenknerven wirkt derart ein, 
dass trophische Störungen in der Muskulatur auftreten. Es gibt 
nur reflektorische und neuritische Atrophieen, nur ganz selten 
cerebrale. Nach seiner Meinung findet durch Tomen doch eine 
Volomszunahme statt. Herr Böttiger erinnert an die subjektiven 
Beschwerden, die häufig nach Kontusionen mit nachfolgender 
Atrophie auftreten, und glaubt ebenfalls, dass diese Atrophie von 
den verletzten Gelenkkapselnerven ausgehe; guten Erfolg hat er 
mit dem galvanischen Strom gehabt. Herr Sudeck Schlusswort 

Schonewald. 

Oea^lscha^ der Aerxte zu Mtmnhefui, 

Sitzung vom 12. November 1906. 

Preller: Erfahrungen über die Anwendung von 
Morphium-Scopolamin in der Geburtshilfe. 

Das Bestreben, der Frau in ihrer schwersten Stande Linder¬ 
ung zu verschaffen, ist sehr alt. Bei den niederen Völkerschaften 
waren es Zaubertränke, Heilsalben', mystisch-sympathetische Be¬ 
schwörungen, die als geburtsfbrdemd und schmerzlindernd eine 
grosse Bolle spielten. Von Narkotica hat sich zuerst das Chloroform 
Eing an g in die Geburtshilfe verschafft, ohne jedoch die auf dasselbe 
gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Der nicht zu berechnenden 
Dauer der Geburt stand die Giftigkeit des Mittels gegenüber. 
Ebenso ist es den anderen Narkotica ergangen. Steinbüchel 
führte das Scopolamin-Morphium in die Geburtshilfe ein. Die 
Frauenkliniken in Jena, Giessen, Budapest, Klagenfurt und Frei¬ 
burg bemächtigten sich des Mittels, die Resultate fielen sehr günstig 
aus. P. berichtet über 230 Fälle ans dem Wöchnerinnen-Asyl zu 
Mannheim, deren Verlauf er zum grossen Teil selbst beobachten 
konnte. Ethische Bedenken gegen die Einleitung einer Skopolamin- 
Morphium-Halbnarkose bei normalen, wie bei pathologischen Ge¬ 
burten sind nicht berechtigt; es kann auch für den Arzt nur 
human sein, einer Kreissenden ihre Schmerzen zu lindem, voraus¬ 
gesetzt natürlich, dass das angewandte Mittel keinen Schaden an- 
richtet. Es muss also die Scopolamin-Morphium-Anwendung weder 
den mütterlichen noch kindlichen Organismus schädlich beeinflussen, 
noch darf der regelmäßige Fortgang der Geburt in Frage gestellt 
werden. Diese Bedingungen hat das Scopolamin-Morphium bei 
richtiger Anwendung erfüllt. Die Frauen be^t nach Injektion 


des Mittels zuerst eine Müdigkeit, die sehr bald in einen mhigen, 
durch die Wehenpause anhaltenden Schlaf übergeht. Die Wehen 
werden als Schmerz empfanden, derselbe ist aber erheblich herabge¬ 
setzt. Das Bewusstsein ist völlig erhalten, die Pat. erinnert sich jeder 
an ihr vorgenommenen Manipulation. Eine geringe Vertiefung 
dieser Halbnarkose reicht aus, um die Pat. in einen künstlichen 
Dämmerschlaf zu versetzen, bei dem eine völlige, sich über den 
ganzen Geburtsvorgaug erstreckende Amnesie herrscht. P. ist es 
nun in 70% aller Fälle gelangen, bei jedesmaliger individuell ver¬ 
schiedener Dosierang des Mittels, die Kreissenden in einen Dämmer¬ 
schlaf zu bringen; in 18% der Fälle bestand mehr dem ersten 
Stadium, das der Hypalgesie; in 12% war ein Misserfolg zu ver¬ 
zeichnen. Als Anfangs-Dosis wurden in der Regel 0,0003 Scopo- 
lamin und 0,01 Morphium injiciert. Ueber diese Anfangsdosis 
wurde selten hinausgegangen. Die Wirkung trat fast stets nach 
‘/i — 3 Stunden ein. Bei ausbleibendem Erfolge wurde dann eine 
zweite Scopolamin-Iojektion, in der Regel weniger als zuvor, nötig. 
Morphium wurde oft erst bei der dritten Injektion beigefügt. Eine 
Fortsetzung des so eingeleiteten Dämmerschlafes, d. h. alle 2—4 
Stunden eine neue Injektion, ist nach P.’s Elrfabrangen ohne Schaden 
über mehrere Tage Ün ausführbar, zumal bei einiger Sorgfalt und 
Uebung die Gefahr einer Ueberdosierung leicht zu vermeiden ist. 
Die Operations-Frequenz hat sich seit Einführung des Dämmer¬ 
schlafes um 1% vermindert. Wegen der genauen Ueberwachung 
solcher Kreissenden eignet sich die Methode nur für das Kranken¬ 
haus. TodesfUlle bei Müttern oder auch sonst irgend welche be¬ 
sonderen Schädigungen worden nicht beobachtet. Ein Kind kam 
tot zur Welt, ohne dass jedoch die Ursache der Methode zuge¬ 
schoben werden konnte. Oft werden die Kinder leicht asphyktisch 
geboren, stets konnten sie aber selbst ohne Anwendung der 
Sohultzeschen Schwingungen zum Leben gebracht werden. Als 
Kontraindikation gelten primäre Wehenschwäche, Schwächezu¬ 
stände, fieberhafte Erkrankungen, Anaemien, Erkrankungen der 
Zirkulationsorgane. Nierenerkrankungen scheinen nicht schädlich 
beeinflusst zu werden, andererseits werden bei Eklampsie die Anfälle 
nicht beseitigt. Dr. Max Jacoby. 


Kongressbericht. 

78, Versemimhmg deutsedier Natu/rforseher und 
Aerzte in Stuttgart, 

Sektion 16 für innere lledioin, Pharmakologie, Balneologie und 

Hydrotherapie. 

Sitzung vom 21. September 1906, nachmittags 3 Uhr. 

Vorsitzender: Herr Leo-Bonn. 

1. Hr. Reichert-Wien; Ueber einen Spiegelkon¬ 
densor zur Sichtbarmachung ultramikroskopischer 
Teilchen. 

G. Reichert in Wien hat einen neuen Beleuchtungskondonsor 
ausgearbeitet, welcher vor dem von Abbe infolge Wegfalls der 
Blenden einen Vorteil grösserer Lichtintensität hat und der es er¬ 
möglicht, Ultrateilchen sowohl in ungefärbten wie gefärbten Prä¬ 
paraten sichtbar zu machen. Er eignet sich besonders zur Unter¬ 
suchung frischer ungefärbter Präparate. 

2. Hr. Müller-Wien: Ueber Folgeerscheinungen nach 
Entfernung von Muskulatur des Verdauungstraktus. 

M. hat bei einer grossen Reihe von Tieren, namentlich Hunden, 
Muskulatur des Magens oder Darms entfernt; bei grösseren Darm- 
streckeu war dies zirkulär nicht völlig möglich, sondern es wurden 
Längsstreifen entfernt; so gelang es, grosse Darmstrecken zu entr 
muskeln. Der grössere Teil der Tiere überstand die Operation. 
Im ganzen blieb der Stuhl dabei normal und erfolgte innerhalb 
24 Stunden nach der Operation. Die Autopsie ergab Verwachsung 
der operierten Schlingen, und dass mit Ausnahme des mesenteralen 
Ansatzes fast überall die Muskulatur beseitigt war. Die Kraft des 
oberhalb der operierten Darmstrecke liegenden Darms genügte, um 
den Stuhl durchzutreiben. Auf Grund dieses Befundes bedarf die 
Theorie und Klinik des paralytischen Ileus der Revision. Ferner 
wurden sowohl an den vorderen, wie den hinteren Flächen des 


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538 


UBDIGINISCHE WOCHB. 


Nr. 49. 


Magens grössere Partien der Muskulatur abgetragen; nach der 
Operation sank die Motilität und Resorption, es kam zu Atonie 
und schwerster Insufficienz des Magens, dabei bestand mehrfach 
Hypersekretion, noch ehe Rückstände im Magen nachzuweisen 
waren, dabei trat die sonst beim Hunde fehlende freie Salzsäure 
auf. Der Mechanismus der Sekretionsstörung ist no<‘.h nicht klar, 
offenbar sind die Motilitätsstörungen das Primäre. 

3. Hr. Laves-Hannover: Ueber das Erhitzen der 
MilchimHaushaltundeinendazuverwendeten Apparat. 

Der Apparat besteht aus zwei ineinander passenden Koch¬ 
töpfen, von denen der innere niedriger ist. Der Raum zwischen 
beiden wird mit Wasser gefüllt, dessen Dampf über den durch¬ 
lochten Deckel des kleineren mit Milch gefüllten Kessels hinweg¬ 
strömt. Das Wasser darf nur 3—5 Minuten sieden. Die Milch ist 
sehr gut haltbar und von gutem Geschmack. 

4. Hr. Laves-Hannover: Ueber die Vorzüge eines ge¬ 
schmacklosen Liquor ferri albuminati in der Eisen¬ 
therapie. 

Das Eisenpeptonat nimmt unter den organischen Eisenver¬ 
bindungen eine Sonderstellung insofern ein, als es im Magen zu¬ 
nächst zu einer sehr voluminösen 15—25proz. schwammigen Eisen¬ 
albuminmasse wird, die erst langsam zur Resorption gelangt, des¬ 
halb kann es nicht ätzend auf die Schleimhaut des Magens wirken. 
Das von ihm hergestellte neutrale Präparat Lecin hat einen ange¬ 
nehmen Geschmack und muss in grossen Mengen gegeben werden. 
Im Handel wird statt des von dem Gesetz geforderten Hühner- 
eiweisses vielfach Blutserum verwendet, das unappetitlich und nicht 
sterilisierbar ist. 

5. Hr. Schit ten h e Im-Berlin; Theo re tisches über die 
Gicht. 

Das Unbefriedigende der bisherigen Theorien liegt darin, dass 
den theoretischen Ueberlegungen experimentelle Ergebnisse nicht 
sofort gefolgt sind. Das Wesentliche bei ihr ist das Auftreten 
von Harnsäure im Blut, sie ist eben nur eine besondere Form der 
Uricaemie. Es steht fest, dass die Harnsäure nur aus den Purin¬ 
basen entsteht. Zu unterscheiden ist zwischen endogener und exo¬ 
gener Hamsäurebildung. Das Auftreten von Harnsäure im Blut 
(Uricaemie) kann verschiedene Ursachen haben. Obwohl wir bei 
purinfreier Kost die Harnsäure verschwinden sehen, kommt doch 
keine Harnsäure in das Blut, vermutlich, weil sie in kleinen 
Quantitäten schwer nachweisbar ist. 

An Formen der Uricaemie sind zu unterscheiden 1. die ali¬ 
mentäre, durch Verfütterung bedingte; 2. die funktionelle, durch 
gesteigerten Zerfall der Nucleine entstehend, wie sie bei Leukaemie 
vorkommt; 3. die Rententionsuricaemie bei Nierenschrumpfung. 
Von diesen drei Formen ist die Gicht völlig verschieden, sie kann 
sich jedoch mit der Rententionsuricaemie komplizieren. Der Ham- 
säurestoflfwechsel wird durch mindestens vier Fermente eingeleitet, 
durch die Nuolease, das Desamin, das aus Adenin und Guanin 
Oxypurine bildet, ein Ferment, das aus Xanthin und Hypoxanthin 
Hippursäure bildet, und durch das harnsäurezerstörende (urico- 
lytische) Ferment. Zwischen Bildung imd Zerstörung der Harn¬ 
säure bestehen normal bestimmte Proportionen, welche bei nor¬ 
malem Stoffwechsel Harnsäure im Urin nicht auftreten lassen. Bei 
Gicht muss eine Störung namentlich des Gleichgewichts zwischen 
Hamsäurebildung und -Störung bestehen, und zwar handelt es sich 
lediglich um Störung des endogenen Stoffwechsels, denn die meisten 
eingeführten Nucleine werden bei Gicht im selben Verhältnis um¬ 
gesetzt, wie beim normalen Organismua Analogien hat die Gicht 
in der Cystinurie, wo auch nur das aus dem Stoffwechsel hervor¬ 
gehende Cystin im Urin nachgewiesen wird, ebenso vermehrt bei 
Peutosurie Aufnahme von Pentosekörpern die Pentosen im Ham 
nicht. Eine weitere Analogie bildet die Hiauingicht der Schweine, 
bei der es auch zur Ablagerung in die Gelenke kommt, beim nor¬ 
malen Schwein wird aufgenommenes Hianin völlig verbrannt. Die 
von Minkowski aufgeatellte Theorie einer Parung der Harnsäure 
mit Nucleinsaure ist nach seinen und Burians Untersuchungen 
nicht haltbar. Der gichtische Anfall selbst ist durch das Vor¬ 
handensein lokaler Prozesse mit Veränderungen zu erklären, welche 
zur Ablagerung der Harnsäure aus dem Blut führen. 

6. Hr. Ebstein-Eisenach: Die medicinische Bedeutung 
von Eisenach. 


Eisenach, als Luftkurort schon länger bekannt, besitzt drei 
auf dem Gute Wilhelmsglück entspringende Kochsalzquellen. Die 
1902 von Hintz untersuchte Grossherzogin-Karolinen- 
Quelle wurde 12 km weit nach Eisenach geleitet, ohne an Ge¬ 
schmack, Kohlensäure und Wirkung zu verlieren. Sie nimmt eine 
Mittelstellung zwischen Glauber- und Bittersalzquellen ein und hat 
ausserdem einen hohen Kochsalz- und Lithiongehalt. Indiziert ist 
ihr Gebrauch bei akuten und chronischen Katarrhen der oberen 
Luftwege, der Verdauungsorgane, bei Fettsucht, Diabetes und 
Gicht, ferner bei entzündlichen Residuen, Schwartenbildungen, 
Neuritis, Darmkrankheiten, Rhachitis, Skrophulose, Entzündungen 
der Nieren und Harnleiter. Die beiden anderen Quellen sollen 
ebenfalls nach Eisenach geleitet und die nahen Moorfelder thera¬ 
peutisch aasgebeutet werden. 

7. Hr. Sch warz-Stuttgart: Das Karlsbad-Mergentheim. 

Redner berichtet über die Erfolge der Mergentheimer Kur 

bei Diabetes mellitus tmd Gholelithiasis und verweist im übrigen 
auf die der 78. Versammbmg deutscher Naturforscher und Aerzte 
vorgelegte Broschüre. Der Nachweis, dass der Diabetes vom 
Mergentheimer Wasser direkt beeinflusst wird, ist dadurdli er¬ 
bracht, dass bei gemischter Kost in Mergentheim der Zucker zu- 
rückging und längere Zeit in geringen Mengen ausgescbieden 
wurde. Bei der Gholelithiasis werden leichte Anfalle herbeige¬ 
führt und der Katarrh der (Gallenblase günstig beeinflusst. 

8. Hr. Stark-Marienbad: Ein Versuch zur Erklärung 
der mechanischen Moorwirkung. 

Redner wendet sich gegen die Lehre vom hohen Druck als 
Ursache des therapeutischen Effektes der Moorbäder; der Druck 
ist nicht viel grösser als derjenige des reinen Wassers. Wohl 
aber ist der Reibungswiderstand bei Bewegungen im Moorbad 
wesentlich erhöht. Er beträgt im klaren Wasser 0,06 mkg, im 
dünnen Moorbad 0,2, im mitteldicken 4,3, im dicken 21,4 mkg. 
Die Bestimmungen werden mit einem nach dem Prinzip der 
Astmondschen Fallmaschine konstruierten Apparat gemacht Jede 
Bewegung bedarf eines grossen Kraftaufwandes, daher die grosse 
Ermüdung durch das Moorbad bei schwächlichen Personen. Die 
geringe Wärmekapazität führt zur Abkühlung, die zu Bewegungen 
führen muss; diese regen den Stoffwechsel kräftig an. 

Diskussion. 

Hr. Leo-Bonn: Dies mechanische Moment erklärt die Wirkung 
der Moorbäder nicht zur Genüge, daneben kommen thermische und 
chemische Faktoren in Betracht. 

Br. Stark-Marienbad hat die Wirkung des chemischen und 
thermischen Faktors nicht bestritten, er hat aber nur für die 
mechanische Komponente der Wirkung eine andere Erklärung ge¬ 
sucht. 

Hr. Schmincke-Elster weist auf die geringe Wärmekapa¬ 
zität der Moorbäder hin, die primäre Temperaturerhöhung tritt im 
Gegensatz zum Wasserbad im Moorbad nicht ein, weil der Kälte¬ 
reiz bald in Wirkung tritt. 

Hr. Stark -Marienbad: Die Wärmekapazität beträgt die Hälfte 
derjenigen des Wassers, auf das Volum bezogen nur Vi. Das 
spezifische (Gewicht des Moors schwankt zwischen 1040 und 1094. 


Standesfragen. 

Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg). 

(Schloss.) 

Das zweite Urteil lautet; 

„Die Kläger, obschon sie nicht zu den von der Beklagten 
für ihre Mitglieder ausgewählten Aerzten gehören, erachten diese, 
da ein dringlicher Fall vorlag, zur Bezahlung ihrer für 
die J Beklagte der Frau H. geleisteten Dienste verpflichtet und 
halten ihren Anspruch aus dem Gesichtspunkte der Geschäfts¬ 
führung ohne Auftrag und der ungerechtfertigten Be¬ 
reicherung für begründet. 

Mit Rücksicht auf die gegen eine derartige Begründung der 
klägerischen Forderungen der Beklagten gemachten Rechtsaus- 
führungen hat das Berufungsgericht die zur Entscheidung stehende 
Rechtsfrage von neuem eingehend geprüft und dabei keine Ver- 


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1906. 


MEDICD^ISCHS WOCHE. 


539 


anlassung gefandeo, von seiner in zahlreichen anderen ähnlichen 
Streitfällen bereits vertretenen Rechtsansicht abzuweichen. 

Das Landgericht teilt dabei in rechtsgrundsätzlicher Beziehung 
den vom Vorderricbter eingenommenen Standpunkt, dass der An¬ 
spruch des Arztes, der ein der Versioherungspflicht des Kranken- 
kassengesetzes unterliegendes Mitglied behandelt, ohne Arzt der 
Kasse zu sein, obschon diese bestimmte Aerzte für die Behand¬ 
lung ihrer Mitglieder bestellt hat, und ohne einen Auftrag zur 
Behandlung von der Kasse erhalten zu haben, bei dem Vorliegen 
der Voraussetzungen des in§ 26a Abs. 2, Ziff. 2 b geregelten Aus¬ 
nahmefalls an sich nicht aus dem Gesichtspunkte der Geschäfts¬ 
führung ohne Auftrag zu beurteilen ist. Denn Voraussetzung für 
diese bleibt immer, dass ein fremdes Geschäft besorgt wird und 
dass der Geschäftsführer seinen Willen, das von ihm besorgte 
Geschäft zu einem solchen zu machen, in erkennbarer und 
zuverlässiger Weise äusaert. Es liegt daher eine Ge¬ 
schäftsführung ohne Auftrag nicht vor, wenn jemand 
ein fremdes Geschäft als sein eigenes besorgt (vergl. 
§ 687 Abs. 1 B. G. B., Prot. 2, 742). Der Arzt, der ein Kranken¬ 
kassenmitglied behandelt, wird in den seltensten Fällen den Willen 
haben, namens der Kasse ihm seine Hilfe zu gewähren, sondern 
in der Regel ausschliesslic^h aus eigenem Interesse oder aus Rück¬ 
sichten, die in der Person des Kranken liegen, diesem seine Dienste 
leisten. Auch ist zu berücksichtigen, dass er an sich überhaupt 
nicht im Interesse der Kasse tätig wird, sondern nur die Ver¬ 
richtungen des Kassenarztes wahrnimmt, welcher sonst die von 
dem ausserhalb der Kasse stehenden Arzte besorgten Geschäfte 
zu verrichten gehabt hätte. 

Können nach vorstehenden Ausführungen die Grundsätze der 
Geschäftsführung ohne Auftrag an sich nicht ohne weiteres An- 
wendtmg finden, so muss der Anspruch jener aus demRechts- 
grunae der ungerechtfertigten Bereicherung für zu¬ 
lässig angesehen werden. Denn eine Bereicherung liegt auf 
Seiten der Beklagten insofern vor, als die ihrem Kassenmitgliede 
von den Klägern gewährte ärztliche Hilfe einen Vermögensvorteil 
darstellt, welchen ihr, da sie an sich dem Mitgliede die Hilfe zu 
verschaffen hatte, sonst, ohne eine Gegenleistung ihrerseits dafür 
aafzuwenden, znfiiessen würde. Hierbei ist es ohne Belang, dass 
die Bereicherung an sich auf dem Willen der Kläger beruht, in¬ 
dem diese ihre Dienste der Frau H. aus freien Stücken gewidmet 
haben; denn dieser Vorgang steht an sich der Annahme einer auf 
Seiten der Beklagten bei dem Fehlen einer Gegenleistung dennoch 
^undlosen Bereicherung nicht entgegen. Auch wird der Be¬ 
reicherungsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Kassen- 
mitglied, welches den Klägern gegenüber aus dem Dienstvertrage 
verhaftet ist, seinerseits einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte 
hat, von dem es in Hinblick auf § 10 der Statuten Übrigens 
zweifelhaft ist, ob derselbe an die Kläger überhaupt könnte ab¬ 
getreten werden. Denn der Bereicherungsanspruck ist kein subsi¬ 
diärer, der erst dann erhoben werden könnte, wenn auf andereWeise 
Ausgleich des entstandenen Vermögensnachteils nicht zu erlangen 
ist. Vielmehr ist, wie auch das R.-G. 48, 143 annimmt, der Be- 
reichernngsanspruch ein selbständiger, dessen Geltendmachung dann 
statthaft ist, wenn der für ihn vorausgesetzte Tatbestand ge¬ 
geben ist. 

Da Gegenstand der Bereicherung endlich jedes einen Ver¬ 
mögenswert besitzende wirtschaftliche Gut bilden kann, dieses 
Merkmal auf die geleisteten ärztlichen Dienste zutrifft, die dafür 
beanspruchte Vergütung der Höhe nach auch nicht bemängelt ist, 
war in Uebereinstimmung mit dem Vorderrichter aus den von ihm 
ausgeführten Gründen der Anspruch der Kläger für begründet zu 
erklären und die Berufung der Beklagten, wie geschehen, zurück¬ 
zuweisen.“ 


Periodische Literatur. 

Wiener klinische Wochenschrift. 1906. i^o. 46. 

1. Chrobak: Zar Frage der Drainage. 

Es ist zu unterscheiden zwischen der Röhren- und Stoff¬ 
drainage. Die erstere ist immer eine Ableitungs-, also eine wirk¬ 
liche Drainage, während bei der zweiten die Ableitung von Flüssig¬ 


keit zurücktritt und es sich meist um Sickerung vor Blutung, 
Ausfüllung toter Räume handelt, wobei natürlich auch die Ab¬ 
leitung der Sekrete berücksichtifirt werden muss, weshalb nur 
Stoffe zur Verwendung gelangen, die das vermöge ihrer Kapillari¬ 
tät zu tun vermögen. Diese Drainage ist am besten als Tampon¬ 
drainage zu bezeichnen. Das Vertrauen auf die keimtötende und 
resorbierende Tätigkeit des Peritoneums hat veranlasst, dass die 
Drainage des Peritoneums immer mehr eingeschränkt worden ist. 
Man bemüht sich, ins Becken eingeführte Gaze gegen das Peri¬ 
toneum durch Vereinigung der Serosa abzuscbliessen, wodurch 
freilich tote Räume geschaffen werden, die Tampondrainage er¬ 
fordern ; hierfür eignet sich in hervorragender Weise die vaginale 
Drainage. Uebereinstimmend mit der seinerzeit von Olshausen 
ausgesprochenen Meinung hält Ch. die Drainage für überflüssig 
bezw. schädlich, wenn es sich um Zurücklassung von Resten nicht 
eitrigen Gewebes handelt. Ebenso ist die Drainage zu unterlassen 
bei malignen, nicht völlig exstirpierbaren Tumoren, vorausgesetzt, 
dass sich an denselben nicht gerade eitrige Partien finden. Meist 
handelt es sich da nm Blutungen, zu deren Beherrschung die Aus¬ 
stopfung angewandt werden soll; da ist vorübergehende Kom¬ 
pression vorzuzieben, weil die Tamponade nicht wirksam herzn- 
stellen ist, da in dem zerfallenden Gewebe der notwendige Druck 
nicht herzustellen ist, und da die Anwendung der Gaze bei Gar- 
cinomen gefährlich, weil den Zerfall begünstigend, ist. Die eigent¬ 
liche Drainage durch Röhren oder durch Gaze, bezw. Dochte, 
findet Verwendung bei eiterenthaltenden oder -produzierenden 
Höhlen und Geweben; sie dient nicht nur der Portschaffang der 
infektiösen Stoffe, sie gestattet auch die Anwendung von desinfizie¬ 
renden Injektionen. Die Verwendung der Gaze als Material zur 
Ausstopfung (Tampondrainage) mit gleichzeitiger Sicherung der 
Sekretableitung kommt häufiger in Betracht; ihre Domäne ist die 
Ausfüllung toter Räume, Stillung von Blutung aus Parenchymen, 
Höhlenwunden etc. Grosse Vorsicht ist angezeigt bei der Behand¬ 
lung der nach der Röhren- und Stoffdrainage öfter übrigbleibenden 
fistulösen Gänge; oft sind ihre Wandungen sehr dünn, nur von 
Darm oder Blase -gebildet, und bei energischem Eingreifen können 
diese Organe leicht verletzt werden. 

2. Knapp, Prag: TTeber einige pathologuoh-anatomische 
Befände an Longen asphyktisoli Geborener. 

In den Lehrbüchern der pathologischen Anatomie und der 
gerichtlichen Medicin findet sich bezüglich der Befunde an Lungen 
asphyktisch verstorbener Neugeborener überall das makroskopische 
Verhalten in den Vordergrund gestellt; Darstellungen des mikro¬ 
skopischen Verhaltens, welches vor allem, hinsichtlich der Aetio- 
logie des Zustandes der Atelektase, Aufklärung zu verschaffen ge¬ 
eignet ist, werden gänzlich vermisst. K. stellt eine Reihe von 
nach mikroskopischen Bildern gefertigten Zeichnungen solcher 
Befunde zusammen. Sie betreffen: fötal-atelektatische und Juft- 
haltige Lungen Neugeborener, einen Fall intrauteriner Aspiration 
von Pruchtwasserbestandteilen, einen solchen von Blutaspiration, 
einen Pall von Lungenoedem (gleichzeitig mit Emphysem kombiniert), 
einen solchen von Bronchitis mit konsekutiver fiyperaemie und 
interstitiellem Emphysem, endlich je einen Fall von Aspirations¬ 
pneumonie und kongenitaler Pneumonia alba. 

3. Fleisckmann, Wien: Zar Indikatioader Seotio caesarea. 

Bei der geburtshilflichen Indikationsstellung verdient nicht 

nur die Narbenstenose nach unbehandelten oder operierten Blasen¬ 
scheidenfisteln als solche Berücksichtigung, sondern auch die Fistel 
selbst. F. berichtet über einen Fall, bei dem es gelungen war, 
eine fixierte Blasenscheidenfistel durch acht operative Eingriffe 
zum völligen Verschluss zu bringen, und wo dann die nach einigen 
Monaten erfolgende Entbindung durch Sectio caesarea vorgenommen 
wurde, um nicht die junge Narbe einem derartigen Tranraa, wie 
es die Dehnung durch den Kindesschädel darstellt, auszusetzen. 

4. Gioseffi, Polar Zur Halariaepidemiologie im südlichen 
Istrien im Jahre 1906. 

Für die Beurteilung der Schwere, die ein Epidemiejahr er¬ 
reicht, sind drei Momente von epidemiologischem Wert heranzu- 
ziehen, 1. die Perniciosität, d. h. die Zahl der während eines Jahres 
beobachteten pernieiösen MalariafUlle, 2. die Rezidivität, 3. die 
Proportion zwischen dem schweren Tertianafieber (Aestivo-autumnal- 
Fieber) und dem leichten (Frühlingstertiana). Die Beobachtungen 


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540 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 49. 


in Pola ergaben im Jahre 1905 bei 136 akuten Malariafällen 
einen perniciösen Fall. Rezidive an Frühlingstertiana kamen in 
den meisten Monaten vereinzelt vor; für die schwere Tertiana lag 
die intensive Periode von August bis November, für Quartana im 
Oktober und November. Bezüglich der Neuinfektionen (dahin 
wurden gerechnet Fälle bei Neugeborenen und bei Personen, die 
aus malariafreien Gegenden stammten oder bestimmt eine frühere 
Erkrankung verneinten) kamen auf 32 Fälle von Frühlingstertiana 
2, auf 77 der schweren 21. Das Verhältnis der Frühlingstertiana 
zu den Aestivo-autumnalfieber-Fällen stellte sich auf 40 : lOÖ. Das 
männliche Geschlecht überwog bei den Erkrankungen um ein Be¬ 
deutendes. Die relativ hohe Zahl der Neuinfektionen, Hartnäckig¬ 
keit der Rezidive, die ftlr das schwere Tertianafieber hohe Pro¬ 
portion und der Fall von pemiciöser Malaria stempelte das Beob- 
achtungsjahr als das einer schweren Malariaepidemie. Das zeigt, 
dass die in den letzten Jahren in Istrien vorgenommenen As- 
sierungsverauche nur von geringem Erfolg gewesen. Für eine er¬ 
folgversprechende Wiederaufnahme des Bekämpfungswerkes dürfte 
Vorbedingung sein, eine viel strengere sanitäre Ueberwachung aller 
aus Malariagegenden stammenden und zugereisten Personen und 
dann eine viel genauere Kenntnis über die Intensität, die die 
Malariainfektion in den einzelnen Gegenden erreicht, und über die 
geographische Verbreitung der Malariaparasiten, Kenntnisse, die 
nur zu erlangen sind bei Einführung der obligatorischen Anzeige¬ 
pflicht, die jeden auch nur malariaverdächtigen Fall zur Anzeige 
bringt und genaue Untersuchung ermöglicht. 

5. Weisz, Alland: Die Kombination von Hilohsänrebe- 
handlung und Sonnenbeliohttmg bei einem tuberkulösen Geschwüre 
der Unterlippe. 

Es wird über einenjPatienten berichtet, bei dem ein tuber¬ 
kulöses Geschwür im Kehlkopf durch Sonnenbelichtung prompt zur 
Heilung kam, dagegen eine tuberkulöse Ulceration an der Unter¬ 
lippe durch diese Behandlungsmethode gar nicht beeinflusst wurde; 
ebensowenig vermochte eine Behandlung mit Milchsäure diesem 
kontinuierlichen Wachstum Einhalt zu tun. Erst die Kombination 
beider Faktoren, Sonnenlicht und Milchsäure, bnichte auflallend 
rasche Besserung. Eine Erklärung dafür ist wohl darin zu sehen, 
dass die Milchsäure die Reinigung des Geschwürsgrundes von 
seinem eitrigen Belag bewirkt, und nun die Sonnenstrahlen ihre 
Wirkung auf den unmittelbar blossliegenden Grund des Geschwüres 
entfalten können. 

Zypkin, Moskau: üeber psendoohylöse Erg^üsse. 

Entgegnnng auf den Artikel Joachims in No.39 dieser W. 

Aerztliche Rundschau. Nr. 45. 1906. 

Adamkiewicz, Wien: üeber die Umwandlung des Krebses 
in Bindegewebe unter dem Einfluss des Kankroins. 

A. erachtet es als festgestellt und nunmehr allgemeiner aner¬ 
kannt, dass die Krebszelle ein Tier, ein Protozoon ist, dass sie 
durch bestimmte Gifte getötet werden kann, und dass der Krebs 
durch sein Kankroin heilbar ist. Die anatomischen Veränderungen, 
die den Krebstod begleiten, sollen in dem EIrsatz des Krebsgewebes 
durch Bindegewebe bestehen. Diese bisher nur durch mikro¬ 
skopische Untersuchung von während des Lebens gewonnenem 
Material bewiesene These glaubt er jetzt durch einen Sektions¬ 
befund an der Leiche erhärten zu können. Der Fall betrifft eine 
Patientin, die wegen Rezidivs nach Amputation der carcinomatösen 
Mamma angeblich von dem Chirurgen aufgegeben war, und bei 
der dann A. ein carcinomatöses Infiltrat in der oberen Schlüssei- 
beingrube durch Kankroininjektionen zum völligen Schwund brachte 
und damit Heilung der Kranken herbeiführte. Die Patientin starb 
nach V 4 Jahren an allgemeiner Kachexie. Die Autopsie soll nach 
einem Briefe des Mannes der Patientin, der ausführlich wörtlich 
als wissenschaftliches und menschliches Dokument mitgeteilt wird, 
ergeben haben: beginnende Lungenentzündung und Embolie der 
Lungenarterie, Carcinomknoten in einem Halswirbel, der da.s 
Rückenmark komprimierte, und am Schlüsselbein eine Schwiele, 
die aus gewöhnlichem Bindegewebe bestand. Die Heilbarkeit des 


Krebses dorch Kankroin, ohne natürlich die Möglichkeit von Rezi¬ 
diven auszuschliessen, nnd die Verwandlung des geheilten Krebses 
in Bindegewebe sind a. damit bewiesen. 


Patentnachrichten. 

Erteilungen. 

269621. Milchflasche mit flurchBajonettverschlusekappe gebaltenemSaog- 
bütchen. Fa. H. Steinberger, Leipzig. 

269039. Aus Schalldämpfer, DnnkelbriUe und Fesseln für Bände und 
Füsse bestehende Heilvorrichtang für Nervöse. Dr. Fritz Eleiosorgen, 
Elberfeld. 

269392. Saugglocke mit auswechselbarem, elastischem Aufsatzring. 
Dr. Hans Blokusewski, Niederbreisig a. Rh. 

269407. Pumpzerstäuber mit bajonettartig verstellbarem Verschluss. 
Gehr. Seidel, Marburg a. Lahn. 

270374. Binokulares Pupillometer (Apparat zum Vergleichen und 
Messen der Papillen). Dörflel & Faerber, Berlin. 

270373. Arbeitsspindel mit kugelförmigem Ansatz, der in entsprechend 
^taltetem Lager eines zahnärztlichen Hand- oder Winkelstückes ruht. 
Weber & Hampel, Berlin. 

270636. Veranschaulicbungsapnarat zahnärztliche Zw^ke, be¬ 
stehend aus zwei, den Ober- und Unterkiefer darstellenden , die Zähne 
tragenden Platten, welche an einem Stativ gelenkig befestigt sind. Richard 
Bmnzlow, Brüssel. 

270655. Instrumententisch mit in denselben eingebauten, die Tisch¬ 
platte samt Instrumenten erwärmenden Heizkörpern. The Dental Manu- 
lacturing, Companv, Limited, London. 

270662. Zahnstocher mit zum Schaft unter stumpfem Winkel äuge- 
ordneter Spitze. Earl Zuscbneid, Erfurt. 

270792. Vulkanisier-Apparat mit nebeneinander an^ordneten, zur 
Aufnahme der zu vulkanisierenden Gebisse dienenden Küvetten. Carl 
Höppner, Rostock. 

270480. Gestrickte Leibbinde mit in den Rückenteil eingearbeiteten 
Gummifllden. C. A. Roscher Nachf., Markersdorf b. Bnrgstädt i. S. 

270527. Monatsverband mit vom breiter, hinten durob Scbenkelriemen 
gehaltener Gummitascbe. Zittaner Bandagen&brik Max Wilke, Zittau. 

270650. Verscblusspflaster mit Durcblassöffaung für die HamrOhren- 
mUndung. Dr. Hugo L. E. Petersen, Hamburg. 


Ueber Plttylen« ein neues Teerpräparat. Von Dr. Max Joseph. 
(Dermatol. Centralbl. 9. Jahrg. No. 3.) 

Im Pittylen ist der Formaldebyd durch Kondensation mit dem oKzinellen 
Holzteer (Pix liquida) vereinigt. Durch diese Vereinigung ist zunächst der 
Teer-Gerucb aufgehoben worden, die juckstillende und ebenso die kerato- 
plastiscbe Wirku^ aber sind vollkommen erhalten geblieben. Gerade die 
keratoplastische Wirkung setzte oft bei den bisherigen Teerpräparaten aus, 
dieselbe war bisher eigentlich nur bei dem Liquor carbonis detergens anglicus 
gut wahrzunebmen; daher betont J. bei dem Pittylen nicht zum mindesten 
den Vorteil der keratoplastiscben Wirkung. 

Sobald die ersten entzündlichen Erseneinungen g^bwunden sind, tritt 
beim subakuten und in Sonderheit beim chronischen Ekzem das Pittylen in 
Geltung, entweder in einer 2—10 Vollen Paste oder einer lOVoi^o Schüttel¬ 
mixtur. Namentlich kommt hier auch das impetiginöse Ekzem der Kinder in 
Betracht. 

«Eine unbedingte Ueberlegenheit“ nimmt J. für das Pittylen bei den 
80 ausserordentlich hartnäckigen chronischen tylotiformen Ekzemen, und be¬ 
sonders dem Eeratom an Handteller, Fusssohleo, sowie dem Lichen chroni¬ 
cus Simplex in Anspruch. 

Die von Unna eingefiihrten Paraplaste (10—60®/otF) bewährten sich 
bei Nagelekzemen und bei Lieben ruber verrucosus. 

Das S^/gige Pittylen-Aceton empfiehlt J. besonders für das Ekzem se- 
borrhocium corporis und die Pityriasis rosoa, die 8 ®/oige Pittylentinktur bei 
der Pityriasis versicolor, bei den urticariellen Prozessen und bei Strophulus 
infantnm; für den Herpes tonsurans vesicnlosus zeigte sieb die Verwendung 
des 5—10 Pittyleu-Collodiams empfehlenswert. 

Eine bequeme Anwendungsform ergeben die ebenfalls vom Dresdener 
Chemischen Laboratorium Lingner hergestellten Seiten, von denen drei Arten 
im Handel erscheinen: Eine harte Pittylenseife (Pittylen - Natronseife 2, 5 
und 10®/oig), eine Kali-Pittylenseife (sogen. Pittikaseife 2, 5 und IO®/oig), und 
eine flüssige Pittylen-Ealiseife (10®/(4g)- 

Diese drei Arten benutzte J. bei der Akne vulgaris je nach der Haut- 
Reaktion. Die Pittylen-Natronseife genügte bei einfachen Unreinheiten 
und als Toilettesoife; der Schaum der Kaliseife wurde Abends aufgetragen 
und somit die Knötcbonbildung zur Erweichung gebracht; und bei der 
hartnäckigen und indurierten Form wurde die flüssige Kaliseife eingepinselt 
Diese Proceduren liessen bei den zahlreichen Fällen der Akne verschiedenen 
Grades nicht im Stieb. A. R. 


Berlehtigiing. 

In der Arbeit von Dr. L. L. Einis in Nr. 43 des laufenden Jabrga^es 
der Mediciniseben Woche ist die .Todquantität, welche der Autor zur Her¬ 
stellung seiner Salbe verwendet, irrtümlich mit 0,4 angegeben: es soll 4,0 
heissen. 


Veraatwortlicher Redakteur: Dr. P. Meistner, Berlin W, 61, KarfüritenatT. 81. — Veiantwortlich fUr den Inseratenteil: Der Verlag von Carl llarkold, Halle a. S. 

Dmek von Har Hevnemann’schen Buchdmckerel, Gebr Wolff, Halle a. S 


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Medicinische Woche 


f 


Oeatscbmann, A. Dflfansen, A. Hoff«, E. Jacob!« 

Hamburg, Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi. 

H. Senator, R. Sommer, 
Berlin. Qiessen. 


Herausgegeben von 


R. Robert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosio, H. Sehlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. UnTerricht, A. Votiias, 

Magdeburg. Glessen. 


* > 
Verlag und Expedition 


Redaktion: 

Carl Marhold in Halle a« S*« Uhlandstrasse 6. 


Berlin W. 62, Knrfflrstenatraaae 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Dr. P Meißner. 


Vn. Jahrgang. lO. Dezember 1906. Nr. 50. 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der HtSgigen Beilage BalflCOlOgiSChC CCfltralzeitUngy Organ des Schwarzwaldbldertages, 
des Verbandes der Deutschen NordseebBder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jSbrllcb 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a.S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum 
mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren AuftrSgen wird Rabatt gewährt. , 

Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originaiien. 


Uebcr die Wirkung des alten KocLsclien 
Tuberkulins*). 

Von Dr. med. G. Schröder, leit. Arzt, Schömberg. 

Meine Herren! 

Leider ist es mir nicht möglich. Ihnen bei der Kürze 
Ihres Aufenthalts in Schömberg einen umfassenden Bericht 
über irgend eine aktuelle Frage ans dem weiten Gebiete der 
Tuberkuloselehre zu geben. Wir müssen uns beschränken, 
skizzenhaft möglichst nur das Wichtigste vorzutragen. 

Das alte Kochsche Tuberkulin spielt in der Phthiseo- 
therapie wieder eine bedeutende Rolle. Es ist interessant, die 
Wandlungen der Anschauungen über den Wert oder Nichtwert 
dieses Mittels als Heilmittel gegen tuberkulöse Prozesse zu 
verfolgen. 

Im ganzen können wir feststellen, dass man mit der An¬ 
wendung des Tuberkulins beim Menschen — wir wollen hier 
nur von dem sogen, alten Tuberkulin Kochs reden — viel 
vorsichtiger geworden ist 

Früher liebte man kräftige Reaktionen, sowohl allgemeine, 
als auch lokale, jetzt halten die meisten nur die Lokalreaktion 
für nötig, einige, unter ihnen Sahli, behaupten, dass jede 
Reaktion schädlich sei, nur allerkleinste Dosen könnten Nutzen 
stiften. 

Die Begründung der Heilwirkung des Mittels ist in zwei 
wesentlichen Punkten unvollkommen: 1. fehlt die einwand¬ 
freie anatomisch-pathologische Grundlage, welche 
durch Sektionen behandelter Phthisiker und durch 
Versuche an tuberkulösen Tieren hätte gewonnen 
werden können; 2. ist die Theorie der Tuberkulin¬ 
wirkung überhaupt noch durchaus unsicher und 
nicht feststehend. — Die Statistik über Heil- und 
Dauererfolge kann allein nie zu Gunsten des Tuber¬ 
kulins entscheiden. Jede Statistik über Phthisiker 
ist mehr oder weniger subjektiv und nach allen 
Richtungen hin dehnbar. 

Sie erinnern sich jedenfalls der lebhaften Debatten über 
Tuberkulinwirkungen aus den 90er Jahren des vorigen Jahr¬ 
hunderts. Besonders denkwürdig waren sie auf dem Kongress 
für innere Medicin in Wiesbaden im Jahre 1891. — Die patho¬ 
logischen Anatomen standen dem Mittel im ganzen skeptisch 
gegenüber. 

Ich nenne nurVirchow, Ziegler, Ackermann, Orth, 
H ansemann, Israel. Man stimmte darin im allgemeinen 

•) Vortra^f gehalten auf der VI. ärztlichen Studienreise. 


überein, dass das Tuberkulin in der Ümgebnng d,er tuber¬ 
kulösen Herde akutere Entzündungen erregte, die ihrerseits zu 
schnellerer Verflüssigung, Einschmelzungen und Ausstossnng der 
Herde führen konnten. Darin lagen die Tnberkulinschäden 
offen vor Äugen. Die Tuberkelbazillen selbst wurden weder 
getötet, noch in ihrer Virulenz geschwächt, was auch Koch 
nicht behauptet hatte. Er fasste vielmehr die Wirkung als 
eine nekrotisierende auf und sah darin die spezifische Heil¬ 
kraft. 

Eine Immunisierung der Behandelten gegen Tuberkulose 
konnte auch nicht festgestellt werden. Nur Kitasato wollte 
eine beschränkte Immunisierung von Meerschweinchen ermittelt 
haben. 

Unter den Autoren, die günstige Heilerfolge mit dem 
Tuberkulin bei tuberkulösen Tieren erzielten, nehmen die 
Schüler Kochs die erste Stelle ein. Wir erinnern an die 
Versuche C. Spenglers, Kitasatos u. a. — Demgegenüber 
lauteten die Urteile anderer Experimentatoren geradezu ver¬ 
nichtend. Französische Forscher, Baumgarten und seine 
Schüler Roloff, Walz, Czaplewski, erzielten nur negative 
Resultate bei tuberkulösen Meerschweinchen und Kaninchen. 
Baumgarten und Walz drücken sich sarkastisch kurz so 
aus: „Kleine Dosen bringen keinen Vorteil, und je grösser 
man die Dosen nimmt, umso grösser wird der Nachteil.** Man 
fand in der Regel eine stärkere Propagation und einen rapi¬ 
deren Verlauf des tuberkulösen Prozesses. 

Wie stellt man sich nun überhaupt die Wirkungen des 
Tuberkulins auf den menschlichen Körper vor? 

Es sind darüber' die verschiedensten Theorien anfgestellt, 
die wir hier nicht alle vorfuhren können. 

Köhler hat sie in seinem Buche „Tuberkulin und Orga¬ 
nismus“ erst kürzlich eingehend geschildert. — Die Albumosen- 
theorie von Matthes und Krehl hat vieKach Anklang ge¬ 
funden. 

Weder eine Spezifizität der Reaktionskurven nach Tuher- 
kulininjektionen. noch die Theorie von der spezifischen Ueber- 
empfindlichkeit hat der Kritik standgebalten. Köhler glaubt, 
„dass die fiebererregende Wirkung des Tuberkulins bei Tuber¬ 
kulösen im wesentlichen auf der Einverleibung fiebererregender, 
eiweissartiger Substanz (Albumosen) basiert, die sich m Ver¬ 
bindung mit gleichartigen oder verwandten fiebererregenden 
chemischen Substanzen, welche die tuberkulöse Infektion an- 
gebäuft bat oder welche durch die freien Bazillen eliminiert 
werden, kumuliert und allgemeines Fieber erzeugt“. 

Alle diese Theorien treten neuerdings in den Hintergrund 
durch die Versuche von Wassermann und Bruck. 

Sie glauben durch Komplementbindung nachgewiesen zu 
haben, dass in den tuberkulösen Organen Antituberkulin vor¬ 
handen ist. „Die spezifische Reaktion des tuberkulösen Ge¬ 
webes tritt ein. weil das Tuberkelbazillenpräparat durch seinen 
Antikörper in das Gewebe hineingezogen wird und bei diesem 
Vorgänge die gewebseinschmelzenden Kräfte des Organismus 


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U2 


lliiDlClNlSCäE WOCflE. 


l^r. 50. 


an dieser bestimmten Stelle konzentriert werden. Die Ab¬ 
stumpfung tritt ein, weil durch die Vorbehandlung mit Tuberkel¬ 
bazillenpräparaten Äntistoffe gegen diese im freien Blute auf- 
treten, welche durch vorheriges Abfangen jene Präparate 
hindern, in das tuberkulöse Gewebe zu gmangen.‘* 

Für Bandelier*) ist diese Theorie ausserordentlich be¬ 
weisend für die spezifische Heilwirkung des Tuberkulins. 
Lüdke**) hält dagegen das Mittel trotzdem noch nicht für ein 
direktes Heil-, sondern cur für ein Unterstützungsmittel der 
Heilkraft des Organismus. 

Auffallend bleibt es, dass es Wassermann und Bruck 
nio gelang, in irgend einem Stadium der chronischen Tuber¬ 
kulose des Menschen im Blute Antituberkulin nachzuweisen, 
sondern nur in den tuberkulösen Geweben; wohl aber gelang 
es Bruck bei der akuten Miliartuberkulose. 

Tuberkulininjektionen können also das bei tuberkulösen 
Menschen verursachen, was die Natur nur in den schlimmsten, 
akutesten Formen der Tuberkulose hervorzurufen scheint. 
Sollte in der Produktion und Ausschwemmung von Antituber¬ 
kulin überhaupt eine nützliche Einrichtung des Organismus 
erblickt werden müssen? Diese Frage wollen wir offen 
lassen. 

Die Wassermann-Brucksche Theorie ist durch die 
Untersuchungen von Weil und Nakaiama***) erschüttert 
worden. 

Diese Autoren glauben an der Hand von einschlägigen 
Experimenten, dass in den tuberkulösen Herden sich nur 
Extraktivstoffe von Tuberkelbazillen finden, die allein und zu¬ 
sammen mit dem injizierten Tuberkulin komplementbindend 
wirken können. 

Antituberkulin braucht also gamicht in den tuberkulösen 
Geweben vorhanden zu sein. 

Wir wollen zum Schluss noch erwähnen, dass eine durch 
Tuberkulin gesteigerte Agglutininbildung durchaus nicht als 
ein besonderer Heilfaktor angesehen werden darf. Auch wissen 
wir noch zu wenig darüber, ob die nach Tuberkulinein- 
spritzuogen beobachtete Vermehrung der Opsonine Wrights, 
welche die Tuberkelbazillen zur leichteren Verdaulichkeit für 
die Leukozyten vorbereiten sollen, wirklich eintritt und ihre 
angenommene Bedeutung hat. 

Wichtiger erscheinen uns die Blutuntersuchungen Arneths. 
Dieser Autor fand eine deutliche Besserung des Bildes der 

*) Brauers Beitr. z. Klin. d. Tab., Bd. 6, Heft 1 a. 2. 

**) Ebenda. 

•••) MUnch. med. ‘W’ochonschr. Nr. 21, 1906. 


Feuilleton. 


Aus feindlichen Lagern. 

Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung. 

Von Oberstabsarzt Dr. Neuinailll-Bromberg. 

(Fortsetzung.) 

Glücklicherweise fehlt es in den Reihen der unentwegten 
Nalurheiler nicht an Stimmen, welche Wasser, ein den Natur- 
heilern ja sehr adaequates Remedium, in den schäumenden 
Wein der siegesfrohen naturheilerischen Phrase und Jubel¬ 
stimme giessen. So sagt der bekannte politische Publizist 
Carl Jentsch — eine Säule der Naturheilkunde nach den 
Worten Philos von Walde — in der Zukunft folgendes: 
„Die Naturheilvereine haben den grossen Fehler begangen, 
dass sie sich nicht, ihren eigenen Grundsätzen gemäß, auf das 
Amt von Gesundheitsräten beschränkt, sondern selbst auf die 
Heilkunst verlegt haben, was dann natürlich zur Kur¬ 
pfuscherei geführt hat und manchmal in einen mit gross- 
artiger Reklame betriebenen ,Schwindel‘ ausgeartet ist.“ 

Dass die gegenwärtige Kurpfuscherei fast ausschliesslich 
unter dem Bild und im lernen der Naturheilmethode auftritt, 
ist eine Tatsache, deren Existenz die Naturheilzeitschriften gern 


neutrophilen Leukozyten nach Tuberkulinbehandlung. — Diese 
Untersuchungen bedürfen noch einer eingehenden Nachprüfung. 

So ist momentan der Stand der theoretischen und experi¬ 
mentellen Tuberkulinforschung. 

Ich möchte Ihnen nun mit wenigen Worten noch über 
einige eigene Tierversuche Mitteilung machen. Ich beab^i^ 
tigte, zu prüfen, ob wir es bei der Tuberkulinwirkung h^^p 
sächlich mit einer Albumosenwirkung zu tun haben. Tch^iP 
handelte in den letzten zwei Jahren zu dem Zwecke eine Reihe 
von Meerschweinchen und Kaninchen, die mit möglichst 
gleichen Dosen Infektionsstoff infiziert waren, z. T. mit dem 
alten Kochschen Tuberkulin, z. T. mit einer reinen Deutero- 
albumose nicht bakteriellen Ursprungs. 

Die Dosierung der beiden Mittel war stets gleich. 

Im allgemeinen wurde mit den Dosen langsam ange¬ 
stiegen, in einzelnen Fällen kamen grössere Dosen nach dem 
Vorgänge Spenglers zur Verwendung. 

Die Ergebnisse waren folgende: 

Vor allem bei den behandelten Kaninchen, sowohl bei 
den mit Tuberkulin, als auch bei denjenigen, die mit Deutero- 
albumose behandelt waren, zeigte sich der tuberkulöse Prozess 
in einem vorgeschrittenen Stadium. Die Verkäsung, die pneu¬ 
monische Verdichtung, die Neigung zur Einschme^ung, kalk- 
einlagernngen traten mehr in den Vordergrund. 

Die Lebensdauer der behandelten Tiere war nicht wesent¬ 
lich grösser als diejenige der Kontrolltiere. Von einer Heil¬ 
wirkung konnte keine Rede sein. 

Das Bild der allgemeinen schweren Tuberkulose war im 
Gegenteil bei den behandelten Tieren noch ausgesprochener, 
die Krankheit machte bei ihnen einen noch bösartigeren Ein¬ 
druck als bei den Kontrolltieren. Besonders bemerkenswert 
ist, das.s die gesunden Teile der Lunge oftmals Anzeichen von 
Entzündung zeigten. 

Die Organe der Versuchstiere und eine Reihe histologi- 
sclier Präparate habe ich zur Einsichtnahme in dem Labora¬ 
torium meiner Anstalt aufgestellt und werde sie dort demon¬ 
strieren lassen. — Interessant ist die Tatsache, dass die Deutero- 
albumose auch ähnliche deletäre Wirkungen auf die Versuchs¬ 
tiere gehabt hat, als das alte Tuberkulin. Wir können also 
hier von einer schädigenden Einwirkung fremdartiger Eiweiss¬ 
stoffe auf die tuberkulösen Tiere sprechen. 

Ein Unterschied war aber in der Tuberkulin- und Albn- 
mosenwirkung zu ermitteln. Spritzten wir den Tieren, die 
mit Tuberkulin behandelt waren, die jeweilig erreichte 
höchste Dosis Deuteroalbumose ein und den mit Albumose 


ableugnen möchten. Gerade die Bücher, für welche nach der 
bekannten Keissigschen Statistik das deutsche Volk in 
wenigen Jahren 14 Millionen ausgegeben hat, wie die Werke 
vonBilz, Platen, Fischer-Dünkelmann usw., segeln alle 
unter dem vielverheissenden Motto: Neue Heilmethode, die 
Schulmedicin, so heisst es frech und kühn, hat abgewirtschaftet, 
eine neue Heilaera ist angebrochen usw. nsw. und wenn man 
Gelegenheit gehabt hat, als stiller Beobachter Versammlungen 
der Naturheiler beizuwohnen, so erfahrt man als Fachmann za 
seinem grössten Erstaunen, dass alle die neuen Errungen¬ 
schaften der Medicin, die moderne Hygiene, die Prophylaxe, 
der Kampf gegen den Alkoholismus, gegen die Säuglingssterb¬ 
lichkeit, die Hygiene der Wohnung usw. lediglich, aber nur 
lediglich, der Naturheilkunde zu verdanken seien 1! Die Aerzte, 
so wurde z. B. in Breslau auf einer Naturheilerversammlong 
behauptet, verschreiben lediglich Rezepte; Hygiene ist ihnen 
unbekannt usw. 

Es ist das Verdienst des Deutschen Vereins für Volks¬ 
hygiene und der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des 
Kurpfuschertums gewesen, dass sie darangegangen sind, durch 
Aerzte, die auf dem Standpunkt der „sogenannten Schulmedicin“ 
stehen, eine Aufklärung des Volkes zu schaffen. 

Die Mehrzahl der Aerzte hat diesem danaidenhaften Be¬ 
ginnen und dieser Sisyphusarbeit teils teilnahmslos, teils 
achselzuckend zugesehen, teils hat sie ihr feindlich gegenüber¬ 
gestanden. Indes tempora mutanturl Man hat aOmählich 


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1906. 


MEDICmiSCHE WOCHE. 


549 


behandelten Tieren die entsprechende Tnberkulindosis. so 
zeigten die Albumosentiere keine wesentliche Aügewöhnnng 
an Tuberkulin, umgekehrt die Tuberkulintiere fast keine 
^aktion auf Denteroalbumose. Die Kontrolltiere reagierten 
jedesmal stark auf die betreffende Tuberkulindosis. 

Die Allgemeinwirkung der beiden Stoffe ist also nicht 
gleich. Die lokale Beeinflussung des tuberkulösen Prozesses 
dagegen zeigt Aehnlichkeiten. 

Genaueres über unsere Versuche werden wir in Brauers 
Beiträgen zur Klinik der Tuberkulose mitteilen. Heute bitte 
ich Sie, mit diesen kurzen Andeutungen vorlieb zu nehmen. 

Bei der noch durchaus unsicheren theoretischen Begrün¬ 
dung d^r Heilwirkung des Tuberkulins und der völlig fehlen¬ 
den Heilwirkung bei tuberkulösen Tieren ist der skeptische 
Standpupkt diesem Mittel gegenüber jedenfalls berechtigt. Wir 
haben ihn stets geteilt. Schädigungen des Kranken sind bei 
der 80 ausserordentlich verschiedenen individuellen Empfind¬ 
lichkeit dem Mittel gegenüber nie auszuschliessen, auch nicht 
bei Torsichtigster Dosierung, Ob es einen Sinn hat, einen 
Phthisiker durch Anwendung kleinster Dosen nach Sahli gift¬ 
fest zu machen, ist deshalb fraglich, weil diese Giftgewölinung 
nur kurze Zeit dauert, und wir durchaus nicht wissen, ob mit 
ihr irgend ein Heileffekt verbunden ist. Nach den Untersuch¬ 
ungen und Beobachtungen Lüdkes bleibt es ungewiss. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medidnische Gesdlachofl, 

Sitzung vom 14. November 1906. 

Vor der Tagesordnung demonstriert Pick Präparate von 
intestinalem Milzbrand. Der betreffende Patient war unter dem 
Bilde einer schweren Intoxikation, das am meisten dem einer 
Embolie der Mesenterialgefässe glich, verstorben. Die Autopsie 
ergab starke blutige Infarcierung des Mesenteriums; nach einer 
Embolie der Arterien wurde aber vergeblich gesucht. Aufklärung 
gab dann die Sektion des Darmes; im Jejunum und Ileum wurden 
zahlreiche auf der Höhe der Schleimhautfalten sitzende Anthraxkar- 
buukel gefunden. Der seltene Befund ausgedehnterer Nieren- 
blutungen und einer nur wenig vergrosserten Milz mit einer knoten¬ 
förmigen haemorrhagischen Nekrose wurde weiter erhoben. Nach¬ 


doch in Aerztekreisen, bei den ärztlichen Behörden, bei den 
maßgebenden ärztlichen Persönlichkeiten, die an der Spitze 
angesehener ärztlicher Korporationen stehen, eingesehen, dass 
das kleine Samenkorn, das einige beherzte ärztliche Männer 
— ich nenne Reissig-Hamburg, Alexander-Breslau, Beer¬ 
wald-Berlin, Kantor-Warnsdorf streuten, doch der Pflege 
wert sei. Sehr angesehene Aerzte, wie Leyden, Bergmann, 
Hübner, Ewald, Waldeyer, Ortli, Kurscbmann, 
Schottelius, Schrötter, Grawitz, Hausemann, Gruber, 
Eichhorst u A verschmähten es nicht, in Buch und Zeit¬ 
schrift „populär'‘ zu schreiben: es entstanden die ,.Blätter für 
Volksgesundheitspflege“, das Organ des Deutschen Vereins für 
Volkshygiene, die Bibliothek der Gesundheitspflege im Ver¬ 
lag von Ernst Heinrich Moritz in Stuttgart, die Witt- 
hauersche Sammlung, es erschien das Reissigsche ärztliche 
Hausbuch, von mir der Autibilz, s. Z. genannt, weil es im 
Gegensatz zu den Bilzbüchern wahre Aufklärung verbreitete, 
es erschienen die Bücher von Kersten {die beiden Geschichten 
der Medicin), von Vorberg (Kurpfuscher, eine zeitgemäße 
Betrachtung), von Rubner (Üeber Volksgesundheitspflege und 
medicinlose Heilkunde), von Tschlenoff (Naturheilkunde und 
wissenschaftliche Medicin), ferner von Lobedank (Ist die 
wissenschaftliche Medicin zünftig? eine Antwort an das 
Phrasentum), die Bücher von Ebstein (Charlanterie und Kur- 
fuscher im Deutschen Reich) usw. Henry Graack gab eine 
ammluDg von deutschen und ausländischen Gesetzen und Ver¬ 


träglich fand sich noch ein abgebeilter Karbunkel am Hals. Ob 
hier die Eingangspforte filr die Infektion war, oder Haut- und 
Darmanthrax gleichzeitig entstanden waren, liess sich nicht sicher 
feststellen. 

Neumann gibt einige Erläuterungen bezüglich der klinischen 
Diagnose des Falles und hinsichtlich seiner Nachforschungen über 
die Aetiologie, die volle Klarheit schaffen. 

Rothschild und Rumpel demonstrieren Querschnitte von 
Wachs- resp. Paraffinstemen der Blase, über die in der vorigen 
Sitzung berichtet wurde. 

Tagesordnung: 

Landau: Ueber den primären Krebs der Appendix. 

Bei einer Myomoperation entfernte L. die krank erschei¬ 
nende Appendix mit und fand in derselben ein erbsgrosses Carcinom. 
Solcher Fälle sind bisher 58 beobachtet, fast immer als zufälliger 
Befand bei Autopsien oder als Ueberraschung bei Operationen. 
Viele waren sehr klein, von knotiger oder ringförmiger Gestalt; 
sie sitzen meist an der Spitze. Metastasen sind selten beobachtet. 
Histologisch bieten sie die gewohnten Typen, am häufigsten das 
Carcinoma Simplex. Eine Periappendicitis wurde meistens dabei 
beobachtet. Eine eigene Symptomatologie hat das primäre Appen- 
dixcarcinom nicht; das klinische Bild ist identisch mit dem der 
Appendicitis. Recidive sind bisher nicht beobachtet. L. plaidiert 
dafür, bei jeder das Abdomen eröffnenden Operation die Appendix 
zu revidieren und sie, wenn sie irgendwelche Veränderungen zeigt, 
zu entfernen. 

Lewin: Ueber Acokanthera Schimperi als Mittel 
bei Herzkrankheiten. 

Der grösste Teil der Pfeilgifte sind Herzgifte. Ein in Ost¬ 
afrika weit verbreiteter Baum ist die Acokanthera. Daraus wird 
ein Gift gewonnen, das von enormer Wirksamkeit ist und schon 
in kleiner Menge die grössten Urwaldtiere durch jähe Herzlähmurg 
tötet. Ein französischer Forscher hat daraus ein Glycosid, Ouabain 
in krystallinischer Form hergestellt. L. selbst hat aus ostairika- 
nischem Pfeilgift und der Acokanthera Schimperi das Ouabain in 
amorpher Form gewonnen, in der es noch wirksamer als in kry¬ 
stallinischer ist. Es ist chemisch verwandt dem Strophantin. Sein 
Wirkungswert ist aber bedeutend höher als der des Strophantin 
und der Digitalisprodukte. Es verlangsamt die Pulszahl, erhöht 
den systolischen Austrieb und bewirkt eine kräftigere Füllung der 
Gefässe. Bei Herzkrankheiten, wo Digitalis und Strophantus ver¬ 
sagen, dürfte es als Ersatzmittel zu verwenden sein. P. 


Ordnungen, die Bekämpfung der Kurpfuscherei und die Aus¬ 
übung der Heilkunde betreffend, heraus, die er durch die 
eingehende Schrift: Kurpfuscherei und Kurpfuschereiverbot 
(Gustav Fischer, Jena, 1906)neuerdings wesentlich ergänzte. 
Dieses Buch fasst eigentlich alles über Kurpfuscherei Wissens¬ 
werte zusammen. Der Ortsgesundheitsrat Karlsruhe liess 
eine amtliche Sammlung seiner öffentlichen Warnungen gegen 
die Kurpfuscherei und den Heilmittelschwindel erscheinen, die 
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums 
gab sieben Vorträge heraus (Verlag von W. Back, Strass¬ 
burg i. E.), die in trefflicher Weise das Kurpfuschertum und 
die mit diesem identische Naturheilmethode bekämpften, die 
Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Volkshygiene 
(Oldenbourg, München) widmeten sich in eingehender Weise 
der Bekämpfung der Kurpfuscherei, des Aberglaubens und 
suchten Aufklärung auf dem medicinischen Gebiete zu ver¬ 
breiten. Die Zeitschrift: „Die Gesundheit in Wort und Bild“, 
herausgegeben von Dr. med. Weissbein und Dr. med. Lip- 
liawsky in Berlin (Verlag von Ad. Haussmann, Berlin, 
Kochstr. 67) schuf eine Belehrungsquelle, zu welcher die ersten 
ärztlichen Autoritäten Beiträge stifteten. So hat der bekannte 
medicinische Publizist, Sanitätsrat Dr. L. Fürst, Berlin, in der 
letzten Monatsnummer in einem Artikel: „Volksgesundheitslehre, 
praktische Hygiene und Staatswohl“, sehr interessante Studien 
angestellt. (Fortsetzang folgt.) 


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544 


MfiDICiNiSCHÄ WOCHB. 


Nr. 60t 


ÄenttliA^r Verein i/n Sa/n^mvrg* 

(Biologische Abteilung.) 

Sitzung vom 6. November 1906. 

Vorsitzender: Herr Nonne. 

1. Herr Friedrich: „Ueber Aortenrupturen und eine 
Ruptur der Arteria ooronaria.“ An der Hand dreier Falle 
auf traumatischer Basis — ein Fall war mit doppelseitiger Coronar- 
zerreissung kombiniert — bespricht der Vortragende das Zustande¬ 
kommen dieser Verletzung und demonstriert Präparate. Herr 
Fraenkel weist auf die Spontanrupturen hin und erinnert an 
die Aortenspontanruplur durch Erhöhung des Blutdrucks, infolge 
psychischer Erregung: ein junger, kräftiger Arbeiter, der wegen 
einer leichten äusseren Verletzung im Eppendorfer Krankenhaus war, 
wollte gern entlassen werden; als ihm seine Entlassung nicht so¬ 
fort gewährt wurde, ging er auf das Bureau und fiel dort plötz¬ 
lich während des Wortwechsels tot um. Die Section ergab eine 
Sp-jutanruptur der sonst gesunden Aorta. Ferner sah er vor 
kurzer Zeit bei einer Section multiple Spontanrupturen, die teil¬ 
weise geheilt waren. 

2. Herr Fraenkel; „Ueber Gascysten im Hirn.“ Die 
Cysten im Hirn sind meist apoplectische; eine andere Art entsteht 
durch cystische Tumorbildung, primär sowohl als metastatisch. 
Diese Hohlraumcysteu, in deren Umgebung massenhaft Bakterien 
gelunden werden, wurden 1870 von Clark zuerst beschrieben 
(Schweizerkäsehirn). Experimentell hat F. nachgewiesen, dass sich 
diese Hohlräume auch postmortal entwickeln können. Herr Nonne 
weist auf die Analogie im Rückenmark hin, bei der sogenannten 
Caissonkrankheit, die auftritt, wenn die Caissonarbeitor zu schnell 
au die Oberfläche kommen. Es handelt sich dabei um multiple 
Nec.robiosen; die Gefäße thrombosieren, um sie herum bilden sich 
Necrosen. Die Thromben entstehen stets nur in der weissen 
Substanz und da nur in den Seitensträngen; es ist also eine Myelitis 
dorsalis transversa. 

3. Herr Hirschstein berichtet über eine im Laboratorium 
der inneren Abteilung des Altonaer Krankenhauses (Prof. Umber) 
durchgeführte Untersuchungsreihe, betreffend die „Beziehungen 
des Gly kokolls zur Harnsäure mit besonderer Berück¬ 
sichtigung der Gicht.“ Nachdem Vortragender kurz den 
Stand der Aminosäurenforschung zu Beginn der Versuche skizziert, 
die es wahrscheinlich gemacht hatte, dass das bei der Gicht, der 
Leukaemie und der Pneumonie in der Krise gefundene Glykokoll 
nicht einemi Eiweisskörper, sondern der Harnsäure entstamme, geht 
er auf die eigenen Versuche ein, die auf experimentell-pathologi¬ 
schem Wege den Zusammenhang zwischen Harnsäure und Glyko¬ 
koll aufklären sollten. Es wurde in drei Reihen an gesunde, bei 
purinfreier Kost gehaltene Personen, mehrere Tage lang bis zu 
18 g Harnsäure per os verfüttert; als Folge davon erschienen regel¬ 
mäßig am zweiten bis vierten Tage nach Beginn der Harnsäure¬ 
fütterung grössere oder geringere Glykokollmengen im Harn, um 
allerdings, trotz fortgesetzter Harnsänrezufuhr, später wieder zu 
ver.schwinden. Auch die Fütterung mit in Form von Kalbsthymus 
zugeführten Nukleinsubstanzen ergab einen positiven Ausschlag. 
Ein in gleicher Weise durchgeführter Versuch bei einem Gichtiker 
Hess die eigentümlichen Beziehungen des Glykokolls zur Harnsäure 
bei dieser Erkrankung klar erkennen. Hier sowohl wie in späteren 
längere Zeit durchgeführten Beobachtungsreihen von Gichtikem 
zeigte sich die auffallende Erscheinung, dass bei purinfreier Er¬ 
nährung Glykokoll- und Harnsäureausscheidung in den meisten 
Fällen von Gicht entgegengesetzt verlaufen, dass der Hamsäure- 
retentionsperiode eine Glykokollausscheidung enUprioht, während 
bei der reichlichen Harnsäureausschwemmung im Anfall das Glyko¬ 
koll aus dem Ham verschwindet. Bei der Leukaemie und Pneu¬ 
monie ging die Ausscheidung beider Körper dagegen im wesent¬ 
lichen parallel. 

Auch auf rein chemischem Wege konnte der Zusammenhang 
von Harnsäure und Glykokoll erbracht werden und zwar dadurch, 
(lass es durch Alkalieinwirkung schon in der Kälte gelang, aus 
reiner Harnsäure nicht unerhelfiiche Mengen von Glykokoll abzu¬ 
spalten. 

Damit ist der Beweis erbracht, dass das im Harn bei patho¬ 
logischen Zuständen erscheinende Glykokoll ein Spaltprodukt der 


Harnsäure and als Ausdruck der HarnsäureUberladung des Organis¬ 
mus anfzufassen ist, eine Tatsache, die eventuell für die Gicht¬ 
diagnose von Bedeutung sein kann. 

Die näheren Einzelheiten sind in der in der „Zeitschrift ftir 
experimentelle Pathologie und Therapie“ erscheinenden Original¬ 
arbeit nachzulesen (Autoreferat). 

In der Diskussion bemerkt Herr Umb er, dass, da wir heute 
über die Gesetze des HarnsäurestofFwechsels bei der Gicht genügend 
orientiert sind, wir auch die Aufgabe haben, auf dieser Grundlage 
in konsequenter Therapie der bei dieser Erkrankung bestehenden 
Harnsäureüberladung entgegen zu wirken. Eine Uber längere oder 
kürzere Zeiträume sich erstreckende individuell angepasste parinfreie 
Ernährung ist zweifellos imstande, die gichtischen Erscheinungen 
in günstiger Weise zu beeinfiussen. Schönewald. 

Gesetlschaft der Aerzte zu Mannheim, 

Sitzung vom 19. November 1906. 

Adolph: Neues zur Lehre vom Glaukom. 

Das Wesen dieses verderblichen Augenleidens ist bisher noch 
sehr wenig bekannt. Küsel in Königsberg hat eine neue Theorie 
aufgestellt, nach der sich die Erscheinungen des Glaukoms in un¬ 
gezwungener Weise erklären und sich insbesondere seine verschie¬ 
denen Formen zueinem einheitlichen Krankheitsbilde vereinigen lassen. 
Nach V. Graefe lassen sich die Symptome des entzündlichen und 
des nichteiitzündüchen Glaukoms auf die Drucksteigerung zurück¬ 
führen, deren Ursache eine Vermehrung des Zuflusses sein sollte. 
Eine andere Theorie führt als Ursache eine Behinderung des Ab¬ 
flusses an. Die KUselsche Theorie geht davon aus, dass die 
Ursache der Drucksteigerung in einer nicht ausreichenden Filtration 
durch das Lig, pectonatum liegt Eine Erleichterung der Filtration 
bewirkt in der Hauptsache der zirkuläre Teil des Ciliarmuskels. 
Wenn er stark genug ist, so kann er mehr oder weniger lange 
den Abfluss regulieren. Versagt er dann aber aus irgend einem 
Grunde, so erscheint das Bild des plötzlich einsetzenden entzünd¬ 
lichen Glaukoms. Ist der Müllersche Muskel nicht fähig, eine 
genügende Filtration zu unterhalten — entweder weil er, wie im 
myopischen Auge, überhaupt zu schwach ist oder dadurch, dass 
der Krankheitsprozess von vornherein eine in anderen Fällen mög¬ 
liche Erleichterung des Abströmens ausschliesst —, so erscheint 
der grüne Star unter dem Bilde des schleichenden Glaucoma 
Simplex gemäß des langsamen Wirkens der Krankheitsursache. 
Welcher Art diese eigentliche Krankheitsursache ist, bleibt zur 
Zeit noch ungewiss. Unwahrscheinlich ist es, dass ein zu starker 
Zufluss die Flüssigkeitsüberfüllnng verursacht, wahrscheinlich ist 
es eine Wirkung auf das Lig. pectinatum, die den erforderlichen 
Abfluss verhindert. Für beide Möglichkeiten erklärt die Theorie 
von Küsel die beobachteten Erscheinungen. Unerklärt bleiben 
nur jene Fälle von Glaucoma Simplex, welche trotz typischer Ex- 
cavation der Papille doch niemals eine Erhöhung das intraokuläreu 
Druckes erkennen lassen. Es sei dahingestellt, ob in solchen Fällen 
nicht doch eine Spannungsvermehrung besteht, die genügt, die 
Excavatiou auszubilden. Die Küsel sehe Theorie hält A. für 
besonders wertvoll, weil sie die Ophthalmologen in den Stand setzt, 
das Glaucoma Simplex und inflammatorium nicht für zwei dem 
Wesen nach verschiedene Krankheiten, sondern nur für zwei Er¬ 
scheinungsformen der gleichen Krankheit aufzufasaen, 

Dr. Max Jacoby. 


Verein für innere Medicin, 

Sitzung vom 19. September 1906. 

I. Diskussion zum Vortrage des Herrn Katzenstein. 

Herr Bickel: Die Aciditätschwankungen des Magensafts 
beruhen auf der Verschiedenheit der abgesonderten Saftmengen. 
Der Einfluss von Alkali beschränkt die Sekretion, ebenso hat die 
Diätform grossen Einfluss. Dabei ist theoretisch die Forderung 
Katzensteius, bei Carcinom und Ulcus häufiger die Qastro- 
Entero-stomie zu machen, berechtigt, 

Herr Elsner: Es gibt Fälle von Ulcus/ die jeder internen 
Therapie trotzen. Hier könnte die Gastro-Enterostomie helfen. 
Das sind aber sehr seltene Fälle. 


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im 


\i ^ Si 1 sn H WOClib. 


645 


Herr Faid: Durch die von Katzensteiu geforderte Diät 
konnten wir vielleicht ebensoviel erreichen wie durch die Operation. 

Herr Fedor Krause tritt auf Grund seiner chirurgischen 
Erfahrungen bei der Gastro-Enterostomie bei einer möglichst 
grossen Zahl von Carcinom oder Ulcuskrahken für die Opera¬ 
tion ein. 

Herr Litten: Grosse Magenblutangen kommen auch ohne 
Ulcus, 2 . B. bei Leberciirbose vor. 

Herr Ewald bemerkt allerdings gegenüber Herrn Bickel, 
dass der Prozentsatz an H Gl unabhängig ist von der Saftmenge. 

Herr Lewin tritt ebenfalls für häufigere Operationen ein auf 
Grund seiner Erfahrungen an der Krebsabteilung. 

Herr Bickel hält Herrn Ewald gegenüber seine Anschauung 
aufrecht. 

Schlusswort: Herr Katzenstein. 

IL Herr "Wolff-Eisner; Erfahrungen über Heu¬ 
fieber im Jahre 1906. 

Da die Vegetation früher sich einstellte, trat auch das Heu¬ 
fieber früher als gewöhnlich auf. In leichten und mittelschweren 
Fällen bewährt sich die Serumtherapie, in schweren versagt sie. 
Bei hartnäckigem Schnupfen im Frühjahr soll man auf Pollen¬ 
empfindlichkeit prüfen, da es sich dann häufig um Heufieber han¬ 
delt, doch muss man verschiedenartige Pollen nehmen und nicht 
nur die Nase, sondern auch die Konjunctiven prüfen, 

Diskussion: 

Herr Hey mann hat von der Darreichung von Thyreoidea¬ 
tabletten erhebliche Erfolge erzielt Schlüsse zu ziehen wäre noch 
verfrüht. Carl LewIn. 

BcMesiache OeseUschaft für vaterländische Kidtur, 

Med icinische Sektion. 

Sitzung vom 11. Mai 1906. 

Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenkt der Vorsitzende 
Herr Geh,-Rat Uhthoff der verstorbenen Mitglieder Jänicke 
und Lewald und erteilt Herrn Anschütz das Wort zur Demon¬ 
stration eines Falles von palliativer Operation bei einem Hirntumor. 
Pat. hat schon seit 5 Jahren Symptome von Himdruck, aber eine 
Lokalisation war durch die Untersuchung nicht möglich. Da nun 
die Krankheitserscheinungen immer bedrohlicher wurden, mußte 
zur palliativen Operation geschritten werden. Hierbei wird ein 
kleineres oder grösseres Loch im Sdiädel gemacht, um den Tumor 
zu suchen; findet man ihn nicht, so wird eine Punktion in einen 
Ventrikel vorgenommen, um durch Ablassung von Flüssigkeit eine 
Dmckentlastung herbeizuführen. Da sich nach Öffnung der 
Schädelhöhle ein Teil des Gehirns vorwölbt, macht man die Ope¬ 
ration gewöhnlich am Parietallappen, wo keine wichtigen Zentren 
liegen. 

Beim vorgestellten Palle hatte sich eine etwa doppelfaust¬ 
grosse Beule vorgewölbt, die aus Hirn und Flüssigkeit bestand; 
da nun sofort alle Hirndrucksymptome, wie Kopfschmerz, Erbre¬ 
chen, Pulsverlangsamung nachliessen, wurde von einer Punktion 
Abstand genommen. Dagegen war es nicht mehr möglich, dem 
Pat. das Augenlicht zu erhalten; es besteht nach wie vor Amau» 
rose infolge Atrophie des nerv. opt. Wäre die Operation zeitiger 
gemacht worden, so wäre sie auch bezügl. des Sehvermögens von 
Elrfolg gewesen. 

Herr Bosenfeld: Fett- und Kohlehydrate: Der 
Vortragende berichtet über seine Versuche, die Kohlehydrate der 
Nahrung durch Fette zu ersetzen, und zwar wurde der Ersatz 
nur teilweise vorgenommen, indem für 330 g Kohlehydrat 180 g 
Butter gegeben wurden. Hierbei entsteht zunächst ein Defizit, 
welches immer geringer wird, bis am 9. Tage Gleichgewicht in 
der N.-Ausscheidung eintritt. Dies ist ebenso beim Alkohol, der, 
als Zulage gegeben, eiweissersparend wirkt, als Ersatz dagegen 
zuerst zu einem Eiweiss-Defizit führt und erst allmählich zu einem 
Eiweisssparer wird. — Das Fett ist also ein viel schlechteres 
Sparmittel als Kohlehydrat. Sonst vertreten sich die Mittel im 
Verhältnis ihrer Kalorien; hier ist dies aber nicht der Fall. Man 
nahm an, dass daran die Talkausscheidungen der Haut Schuld 
haben; es ist aber durch Versuche widerlegt. Wenn man einen 
Hand mit Fett überfüttert, wird in der Leber sehr viel Fett de¬ 


poniert; dies muss auch beim Menschen angenommen werden. 
Es tritt aber nur ein bei Abwesenheit von Zucker. Schon ge¬ 
ringe Mengen Kohlehydrat genügen, um das ganze Fett auszu¬ 
treiben ; and zwar wird es nicht einfach mechanisch herausgedrängt, 
sondern es verbrennt. Der gesunde Mensch bekommt, wenn Fett 
unvollständig verbrennt, Aoetoniuüe; bei Anwesenheit von Kohle¬ 
hydrat verschwindet das Aceton. Der Zucker ist der Katalysator 
oder die Entfiammungssubstanz der Fette. Daher auch Lipaemie 
beim Koma diabeticum. Auch der toxische EiweisszerfaU ist andera 
als man dachte, bes. bei Phloridzin, Phosphor, Arsen, Chloro¬ 
form etc. Die Gifte bewirken Schwund der Kohlehydrate, dadurch 
weniger Fettverbronnung; darum muss Eiweiss zerfallen, um die 
Fettverbrennung zu ermöglichen. Peritz. 


Kongressbericht. 

Versammlung deutscher Naturforscher und 
Aenste in Stuttgart, 

Sektion für innere Medicin, Chirurgie and Henrologie. 

Gemeinschaftliche Sitzung vom 19. September 1906. 

Ueber Hirn- und Rückenmarkschirurgie*) . 

Vorsitzender: Herr Bruns-Hannover. 

Hr. Saenger-Hamburg: Ueber Palliativtrepanation 
bei inoperablen Hirntumoren. 

Trotz der grossen Fortschritte in der Chirurgie und Neurologie 
ist doch noch bei weitem der grössere Teil aller diagnostizierten 
Himgeschwülste operativ unzugänglich. Andererseits gibt es auch 
eine recht grosse Zahl von Hirntumoren, die nach unseren gegen¬ 
wärtigen Kenntnissen nicht lokalisiert weiden können. Wie sollen 
wir uns nun solchen Tumorkranken gegenüber verhalten? Schon 
1902 hat Vortr. diese Frage auf dem Chirurgenkongress zn 
Berlin behandelt. Da ersterer gegenwärtig über eine grössere 
Erfahrung verfügt, und da die Ansichten über die Behandlung 
der inoperablen Tumorkranken noch nicht übereinstimmen, so 
kommt er auf diesen wichtigen Gegenstand zurück. Vortr. teilte 
nun im einzelnen seine klinischen Erfahmngen mit, die anderen 
Ortes veröffentlicht werden sollen. Vortr. verfügt jetzt im ganzen 
über 19 Fälle, bei denen die Palliativtrepanation des Schädels 
ausgeführt worden ist. In zwei Fällen trat erst ein Erfolg ein, 
als die Trepanationsöffhung erweitert worden war und mehr Ijiquor 
cerebrospinalis abfiiessen konnte. In zwei anderen Fällen hatte 
die Trepanation keinen Erfolg. In einem Falle von Basistumor 
trat unmittelbar nach der Trepanation Sopor ein, in dem der 
Exitus erfolgte. In allen anderen Fällen war die wohltätige 
Wirkung der Trepanation evident: Kopfschmerz, Erbrechen, 
Krämpfe und andere Symptome, die durch den erhöhten Druck 
im Schädelinnern hervorgerufen waren, so die Stauungspapille, 
Hessen nach und verschwanden völlig in einem Teil der Fälle. 
Harvey Cushing empfiehlt, den Schädeldefekt in der Temporal¬ 
und Occipitalgegend mittelst Muskulatur zu decken. Diese Methode 
wurde von Herrn Dr. Wiesinger bei der Trepanation über dem 
Kleinhirn schon seit vielen Jahren mit Erfolg angewendet. Als 
Zeitpunkt des operativen Einschreitens ist der Beginn der Herab¬ 
setzung des Sehvermögens zn empfehlen. Trepaniert man später, 
so bleibt sehr leicht eine Opticusatrophie zurück. Was den Ort 
der Trepanation betrifft, so ist in erster Linie diejenige Stelle der 
Hirnschale ins Auge zu fassen, unter welcher man den Tumor 
vermutet. Ist eine Lokaldiagnose gar nicht zu stellen, so dürfte 
sich empfehlen, über dem rechten Parietallappen zu trepanieren, 
da von dieser Gegend am wenigsten Ausfallsymptome zu befürchten 
sind. Die Trepanation über den Kleinhirnhemisphären ist nach 
den Erfahrungen des Vortr. nicht so gefährlich, wie man früher 
angenommen hat. Man muss nur sehr vorsichtig zu Werke gehen 
und nach Freilegung der Dura eine zeitlang warten, bevor man 
dieselbe eröffnet. Die Lumbalpunktion und die Punktion der 
Seitenventrikel können sich in bezug auf Wirksamkeit nicht mit 

*) Unter freandlichst gestatteter teilweiser Benutzung des Referats 
in Nr. 20 des Neurologischen Centralblattes. 


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54B 


BIEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 50. 


der Trepanation des Schädels messen, Vortr. resümiert auf Grund 
seiner erweiterten Erfahrungen seine Ansicht dahin: die Palliativ' 
trepanation des Schädels ist bei dem heutigen Stande der Chirurgie 
in den Händen eines geübten Operateurs eine nahezu ungefähr¬ 
liche, ungemein segensreiche Operation, die bei jedem inoperablen 
Hirntumor zu empfehlen ist, um die Qualen des Patienten zu er¬ 
leichtern und um denselben namentlich vor der drohenden Er¬ 
blindung zu bewahren. (Autoreferat.) 

Hr. Pedor Krause-Berlin: Ueber die operative Be¬ 
handlung der Hirn- und Rückenmarkstumoren. 

Um das sehr umfangreiche Gebiet in möglichster Kürze voll¬ 
ständig zu behandeln, beschränkt sich K. in seiner Darstellung 
nur auf eigene Erfahrungen und führt Beispiele aller in Betracht 
kommenden Operationen in Projektionsbildem vor. An der Hand 
dieser bespricht er zunächst die Geschwülste der sensomotorischen 
Region, des klassischen Ortes für die Chirurgie der Hirntumoren. 
Nach Aufzeichnung der Rolandoschen und Sylvischen Furche 
auf dem rasierten Schädel werden mit Hilfe der osteoplastischen 
Lappenbildung grosse Trepanationsöffnungen mit der Dahlgreen- 
schen Zange angelegt. Die Blutung aus den Weichteileu wird 
durch die Heidenhainsche Umstechungsnaht wesentlich ge¬ 
mindert oder aufgehoben. Kortikal sitzende Geschwülste sind nach 
lappenfbrmiger Duraleröffnung meist leicht zu erkennen, bei sub¬ 
kortikalen leistet die faradische einpolige Reizung mit sehr schwachem 
Strome ausgezeichnete Dienste, wie überhaupt diese Methode auch 
im Operationssaal für den Chirurgen unentbehrlich ist. Ebenso 
wie Tumoren müssen Gumata, Solitärtuberkeln und Cystenbildungen 
behandelt werden. Von letzteren gibt K. ein Beispiel an einer 
grossen Cysticerkusblase der vorderen Zentralwindung. Zunächst 
gelang die operative Heilung, später ging der Kranke an multiplen 
Cysticerken der Himbasis zugrunde. 

Doch die Chirurgie der Zentralwindungen stellt heute nur 
ein recht kleines Gebiet der Hirnchirurgie dar. Als Beispiel für 
einen Tumor der Parietalregion zeigt K. die Operationsbilder eines 
von H. Oppenheim diagnostizierten pflaumengrossen, an zwei 
Stellen eitrig geschmolzenen Solitärtuberkels, der in toto exstirpiert 
wurde. Wegen der Eiterung musste die Wunde zwölf Tage tam¬ 
poniert und offengehalten werden; der eintretende grosse Hirn¬ 
prolaps liess sich durch Zurückkappen des Dural- und Haut- 
knocbenlappens sowie durch exakte Vernähung der weithin ab¬ 
gelösten umgebenden Haut beseitigen, so dass Heilung eintrat. 
Der Kranke ging später an Lungenphthise zugrunde; die Autopsie 
zeigte im Gehirn vollkommene Heilung und hier auch an keiner 
anderen Stelle einen Tuberkelherd. 

Weiter wird eine gleichfalls von Oppenheim diagnostizierte 
Geschwulst des Occipitallappens bei einem 35jährigen Manne als 
Beispiel vorgefUhrt. Die Exstirpation erfolgte in zwei Zeiten und 
führte zu vollständiger Heilung, so dass selbst die Hemianopsie 
verschwunden ist. 

Dann ging K, auf die Operationen am Stirnlappen und in 
der vorderen Schädelgrube über und im Anschluss daran besprach 
er die Freilegung der Hypophyse von vorn her nach Bildung 
eines Stirnlappens. Dieser Operation wesentlichen Teil hat er mit 
vollständigem Erfolge vor sechs Jahren ausgeführt, um eine schwere 
Symptome verursachende Revolverkugel aus der Gegend des 
Chiasma zu entfernen. Der Operierte ist vollkommen gesund ge¬ 
blieben. 

Die Geschwülste der mittleren Schädelgrube werden in ana¬ 
loger Weise entfernt, wie K. bei der Exstirpation des Ganglion 
Gasseri vorgeht. Die letztere Operation hat er 51 mal mit sieben 
Todesfällen ausgeführt und niemals innerhalb eines Zeitraumes von 
14 Jahren ein Rezidiv der Trigeminusneuralgie beobachtet. Diese 
radikale Methode wendet er aber nur in den schwersten Fällen 
an, wenn die ungefährlichen Resektionen der peripheren Trigemi- 
nusäete erfolglos geblieben sind; dann aber ist die Exstirpation 
des Ganglion Gasseri durchaus zu empfehlen. 

Bei den Eingriffen in der hinteren Schädelgrube und am 
Kleinhirn bildet es einen Unterschied in der Technik, ob beide 
Seiten oder nur eine froigelegt werden sollen. Letzteres Verfahren 
kommt vor allem bei den sogenannten Akustikustumoren, den Ge¬ 
schwülsten des Kleinhirnbrückenwinkels in Betracht. Durch 
Freilegen und vorsichtiges Verschieben der betreffenden Klein¬ 


hirnhemisphäre medianwärts oder nach innen und oben kann man 
die hintere Felsenbeinfläche und den hinteren Abschnitt der 
Schädelbasis sowie die hier liegenden Himnerven (Acosticus, 
Facialis, Glossopharyngeus, Vagus, Accessorius) zu Gesicht bringen 
und die in dieser Tiefe liegenden Tumoren, zumal sie meist ab¬ 
gekapselt und ausschälbar sind, entfernen. Eine derartige operativ 
geheilte Kranke ist in der neurologischen Gesellschaft zu Berlin 
vorgestellt worden. Im ganzen hat K. zehn solche Operationen 
ausgeführt; einen genauen Bericht Uber neun Fälle hat er auf 
dem diesjährigen Chirurgenkongress geliefert. 

Im Anschluss an die Technik für die Freilegung beider 
Kleinhirnhemisphären bespricht K. die Punktion des vierten Ven¬ 
trikels als einen unter Umständen unmittelbar lebeosrettenden 
Eingriff. Weiter erörterb er die Prognose aller erwähnten Hirn¬ 
operationen. Die wirkliche Heilung einer Hirngeschwulst durch 
den Chirurgen gehört immer noch zu deu Seltenheiten. Bedenkt 
man aber, dass jeder Kranke sonst verloren ist und zumeist unter 
den allergrössten Qualen, so findet die Operation doch ihre Be¬ 
rechtigung. Gelingt die radikale Entfernung nicht, so bedeutet 
die Trepanation mit Duraleröffnung als druckentlastende Operation 
eine grosse Erleichterung für den Kranken und häufig eine Ver¬ 
längerung seines Lebens. Einen solchen palliativen Eingriff darf 
man mit demselben Recht vornehmen, wie z. B. die Gastrostomie 
beim Speiseröhrenkrebs und dergleichen mehr. Die Hauptgefahren 
der Operation sind Blutung und Shook, während die Infektion mit 
einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit aaszuschalten ist. 
Wenigstens hat K. unter allen Operationen wegen Hirngeschwulst 
und Epilepsie, sowie bei den 51 Exstirpationen des Ganglion 
Gasseri keinen Kranken an Meaingitis verloren. Man muss immer 
auf die einzeitige Vollendung der Operation gefasst sein, da die 
Verhältnisse dazu zwingen können. Wenn aber die Wahl offen 
bleibt, so ist das zweizeitige Verfahren am Gehirn vorzuziehen. 
Man verteilt damit die Gefahr und vermindert sie für jeden der 
beiden Eingriffe. 

Ganz anders bei der Entfernung der Tumoren der Rücken- 
markshäute ; hier ist das einzeitige Verfahren das richtige, ausser¬ 
dem sollen die Wirbelhögen nicht erhalten, sondern geopfert 
werden. Die Wundverhältnisse werden dadurch vereinfacht, zu¬ 
dem haben die Bögen für die Stützfähigkeit der Wirbelsäule keine 
Bedeutung. K. hat 19 derartige Operationen mit fünf Todesfällen 
ausgeführt. Die älteste Patientin ist vor 6 Jahren operiert und 
lebt — 72 Jahre — noch jetzt; es handelte sich um ein Psammon 
in der Höhe des 7. Brustwirbels, das von Dr, Böttiger diag¬ 
nostiziert worden war. Am gefährlichsten sind die Eingriffe am 
oberen Halsmark; von drei derartig Operierten sind zwei im 
Kollaps gestorben; bei einem dritten musste der Bogen des Epi- 
stropheus, des dritten und vierten Halswirbels entfernt und nach 
Spaltung der Dura der untere Teil der Medulla oblongata freige¬ 
legt werden, die Kranke ist geheilt und hat sich 2 Jahre nach 
der Operation in guter Gesundheit vorgestellt. 

Von besonderen Schwierigkeiten, die sich bei Rückenmarks- 
Operationen heraussteilen, sind zu erwähnen: inoperable Geschwülste; 
dann Verwachsungen im Aracbnoidalraum, die Tumorsymptome 
Vortäuschen oder oberhalb der wirklich vorhandenen Ges -hwulst 
weit hinaufreichend zu einer falschen Segmeutdiagnose Veran¬ 
lassung geben; endlich die sogenannte Meningitis ex Aracbnitide 
chronica,' die, bereits von Oppenheim betont, von K. in mehreren 
Fällen bei der Operation gefunden wurde. Für alle diese Vor¬ 
kommnisse werden operative Erfahrungen an Diapositiven vorge¬ 
führt. 

Selbst bei Rückenmarksgeschwülsten können also noch dia¬ 
gnostische Schwierigkeiten mancherlei Art erwachsen; und doch ist 
hier die Diagnostik dank der Segmentierung des Organs so viel 
leichter und so viel weiter ausgebildet als beim Gehirn. Schon 
aus diesem Grunde sind die operativen Erfolge bei Rückenmarks¬ 
tumoren viel besser als bei Hirngeschwülsten; dazu kommt noch 
die geringere Gefahr des Eingriffs. Wenn es aber dermaleinst 
gelingen sollte, die von vornherein inoperablen Hirntumoren als 
solche zu erkennen und dann höchstens der druckentlastenden 
Trepanation zu unterziehen, so werden die operativen Ergebnisse 
auf diesem Gebiete bessere werden. Die grossen Fortschritte der 
neurologischen Diagnostik io den letzten Jahren, namentlich auf 
dem Gebiete der Tumoren in der hinteren Schädelgrube, berechtigen 


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1906. 


MBDICINISCHE WOCHE. 


547 


zu den begründeten Hoffnungen auch für die Chirurgie des Gross« 
hima. Die Fortschritte der Neurologen sind es, welche auch die 
Chirurgen vorwärts bringen; denn diese sind ihre ausfahrende 
Hand. (Selbstbericht.) 

_ (Fortsetzung folgt.) 


Qynaekologische Monatsschau. 

Winter hat es verstanden, der Pathologie der Myome 
manniglache neue, interessante und anregende Gesichtspunkte ab- 
KUgewinnen. Als Fortsetzung seiner in der Festschrift für 01s- 
hausen publizierten Arbeit, die sich die verdienstvolle Aufgabe 
stellt, streng wissenschaftlich begründete Indikationen für die 
Myomoperationen zu schaffen, veröffentlicht er jetzt eine fesselnd 
geschriebene Studie über die malignen und benignen Degene¬ 
rationen der Myome, die wiederum manches Neue und Interessante 
bringt und im wesentlichen vier grosse Themen behandelt: 

I. Myom und C arc i n o m: Die relativ häufige Kombination von 
Myom mit Carcinom (Corpuskrebse in 1,2 Vo, Collumkrebse in 
ca. 2 ^/o aller MyomihUe) deutet mit Sicherheit auf einen inneren 
Zusammenhang im Sinne einer gesteigerten Carcinomdisposition 
des myomatösen Uterus hin. Die Diagnose des Collumkrebses 
wird selten Schwierigkeiten machen, für die Diagnose der Kombi¬ 
nation eines Corpuscarcinoms mit Myom müssen sorgfältig alle 
die Symptome verwertet werden, die bei einem Myom selten, bei 
Carcinom aber häufig sind, wie Kohabitationablutungen, Blutungen 
in der Menopause, sanguinolenter Ausfluss, starke von der 
Menstruation unabhängige Schmerzen etc. Wird ein Carcinom 
nacbgewiesen, so hängen Indikationsstellung und Operationsmethode 
selbstverständlich von diesem ab. Die supravaginale Amputation bei 
Myom braucht aus Furcht vor Stumpfcarcinom nicht aufgegeben 
zu werden. 

H. Myom und Sarkom: Die sarkomatose Degeneration der 
Myome tritt io ca. 4 % aller Myomfälle auf und zwar bei den 
einzelnen Entwicklnngsformen der Myome in verschiedener Häufig¬ 
keit : 

Bei den subserösen und subperitonealen in 2 den inter¬ 
stitiellen in 4,4% und den submucösen in fa.st 9%. 

Die klinische Diagnose ist sehr schwierig und nur bei den 
weit vorgeschrittenen Fällen mit einiger Sicherheit zu stellen. 

Den sichersten Anhaltspunkt gewähren noch die anamnestischen 
Angaben — schnelles Wachstum des Tumors, rasche Abmagerung — 
und die Störungen des Allgemeinbefindens — Kachexie, 

Von lokalen Befunden und Symptomen kommen als diagnostisch 
verwertbar in Betracht; Bei den submucösen direkt palpablen 
Tumoren die gelappte, knollige Beschaffenheit der Oberfläche, die 
bröcklige Konsistenz und besonders ev. die Möglichkeit einer 
mikroskopischen Untersuchung, bei den interstitiellen: abnorme 
Blutungen, Schmerzen in der Geschwulst, serös - sanguinolenter 
Ausfluss und ev. die Weichheit des Tumors (unsicher); endlich 
bei den subserösen und subperitonealen ev. Ascites und Netzadhae- 
sionen. 

Die operative Entfernung aller Myome ist durch die Furcht 
•vor sarkomatöser Entartung nicht zu begründen. 

Von den benignen Degenerationen sind die atrophischen 
Zustände ohne erhebliche Bedeutung, die infectiösen (Abscessbildung, 
Jaucbung) hinlänglich bekannt und erforscht. Lückenhaft sind 
dagegen unsere Kenntnisse über die Totalnekrose und die cystische 
Erweichung. 

III. Totalnekrose; .Die Totalnekrose der submucösen 
Myome ist bekannt und leicht zu diagnostizieren, die der subse¬ 
rösen gleicht in Symptomatologie und Behandlung völlig der 
Stieltorsion der Ovarialtumoren. Für die bisher klinisch fast noch 
völlig unerforschte Totalnekrose der interstitiellen Myome 
fixiert Winter an der Hand von 17 eigenen Fällen folgendes 
Krankheitsbild. 

Häufigkeit; ca. 6—8 % aller interstitiellen Myome. 

Aetiologisch wichtig sind vor allem vorhergegangene Ge¬ 
burten oder Aborte: Entblössung des Myoms von der Schleim- 
bautdecke (namentlich bei manueller Flaceutalösung), mangelhafte 
Ernährung infolge der starken Kontraktionen in Geburt und 
Wochenbett. 


Ferner; Torsion des Uterus, Sklerose der Uterusgefässe, 
langdauemde Ergotinbehandlung. 

Symptome: Abnorm starke und unregelmäßige Blutungen 
(Metrorrhagieeu), anfallsweise anftretende reissende, kneifende 
Schmerzen in der Geschwulst. Besonders wichtig sind die All¬ 
gemeinsymptome als Zeichen einer von dem nekrotischen Myom 
ausgehenden Autointoxikation wie: Kopfschmerz, Uebelkeit, Brech¬ 
reiz, Frösteln, Anorexie, Schwindel, Schlaflosigkeit etc. Bei lang¬ 
dauernden Fällen Abmagerung, rapider Verfall. 

Prognose: Bei fehlender Behandlung treten nacheinander 
Einschmelzung, Sequestration, Durchbruch und Vereiterung mit 
schweren septischen und den oben erwähnten Intoxikationser- 
scheinungen auf, daher bedeutet die Totalnekrose fraglos eine 
ernste Komplikation, die unbedingt zur Entfernung des myomatösen 
Uterus durch supravaginale Amputation oder Totalexstirpation 
auffordert. 

IV. Primäre cystische Erweichung; stellt anatomisch 
einen Degenerationsprozess dar, der entweder in der Muskelzelle 
oder im intermu-skuläreu Gewebe seinen Anfang nimmt. 

Häufigkeit ca. 15%. 

Aetiologie: Alle schlecht ernährten Myome (dünngestielte, 
subseröse, intraligamentäre) können leicht cystisch degenerieren. 
Das Alter der Gesohwulatträgerin und der Geschwulst steigert 
die Neigung zur Degeneration. Der Generationsvorgang hat keine 
aetlologische Bedeutung. Stauungen im Venensystem können 
Oedeme der Myome erzeugen. 

Symptome: Fast regelmäßig starke Blutungen, ausserdem 
aber weder besondere lokale noch allgemeine Erscheinungen noch 
auch Störungen in der Ernährung des Gesamtorganismus. Daher 
ein rein lokaler Prozess ohne erhebliche Bedeutung. 

Die Diagnose ist schwierig, da der objektive Befund meist 
im Stiche lässt und nur in den hochgradigen Fällen durch die 
palpable Erweichung und das ev. schnelle Wachstum des Tumors 
einigermaßen charakteristisch wird. 

Für die Indikationsstellung zur Operation ist die cystische 
Erweichung ohne Bedeutung, d. h. dieselbe wird sich wie die der 
Myome überhaupt nach den jeweiligen Symptomen richten; die 
starken Blutungen können ev, zu einem aktiven Eingreifen 
drängen. 

In einer Arbeit: „Ueb'er Nieren- und Blasentuberku¬ 
lose bei Frauen“ kommt Mirabeau zu folgenden Ergeb¬ 
nissen : 

Die Blasentuberk'ilose bei der Frau ist ausnahmslos ein 
sekundärer, von der Niere deszendierender Prozess und steht mit 
der Genitaltuberknlose in keinerlei direktem Zusammenhang. 

Die Nierentuberkulose ist in mindestens 50% aller Fälle ein¬ 
seitig. 

Die Diagnose kann mit Hilfe der Cystoskopie und des 
üreterenkatheterismus mit absoluter Sicherheit gestellt werden. 
Für den Praktiker erscheint die Palpation des verdickten Ureters 
vom Scheidengewölbe aus als wertvollstes diagnostisches Symptom. 
Bei einseitiger Erkrankung ergibt sich die Funktionsfäbigkeit der 
nicht erkrankten Niere mit genügender Sicherheit aus der 
klinischen Beobachtung und der chemischen und mikroskopischen 
Untersuchung des isoliert aufgefangenen Urins; doch soll nicht 
geleugnet werden, dass in einzelnen zweifelhaften Fällen die 
funktionelle Nierendiagnostik wertvolle Aufschlüsse geben kann. 

Als Therapie bei einseitiger Erkrankung kommt einzig die 
frühzeitige Exstirpation (Nephrektomie) in Betracht, wobei auch 
bestehende Schwangerschaft keine Kontraindikation abgibt. 

Als einen neuen Beweis dafür, dass die Tuberkulose schon 
im utero von der Mutter auf das Kind übergehen kann, mithin 
eine im strengsten Sinne hereditäre kindliche Tuberkulose anerkannt 
werden muss, beschreibt Jung einen neuen Fall von Tuberkulose 
des schwangeren Uterus und der Placenta (den 20. bisher 
veröffentlichten), in dem die Placentartuberkulose in Form einer 
rasch verkäsenden Rundzelleninfiltration der Decidua basalis mit 
Durchbruch in die Placenta foetalis und den intervillösen Raum 
auftrat, (Schluss folgt.) 


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MEDICn^ISCHB wOCHS. 


Nr. 50. 


Periodische Literatur. 

Deutsche med. Wochenschrift. No. 46. i906. 

1. Kutscher, Berlin. Ein Beitrag zur Agglutination der 
Heningooocoen. 

Verfasser beschreibt einen Fall von Cerebrospinalmeningitis, 
der durch seinen klinischen Verlauf sowohl wie durch Sektions¬ 
befund sichergestellt ist. Die aus der Lumbalfiüssigkeit in Rein¬ 
kultur gewonnenen Diplococcen verhielten sich morphologisch und 
kulturell wie echte Weichselbaumsche Meningococcen, die Differen¬ 
zierung von ihnen nahestehenden Bakterien aber mittels der Agglu- 
tinationsprobe bot Schwierigkeiten, da eine Zusammenklumpung 
einem spezifischen Meningococcenpferdeserum gegenüber bei 37® 
und vienindzwanzigstündiger Dauer nicht erfolgte. Erst bei 55® 
und vierundzwanzigstündiger Dauer erfolgte die Agglutination in 
einem spezifischen Meningococcenserum von 1 : 500 deutlich, bei 
1: 1000 noch andeutungsweise. Für die Praxis ist es daher nach 
Ansicht des Verfassers notwendig, aus Genickstarre-verdächtigen 
Fällen gewonnene Kulturen, welche alle kulturellen Merkmale 
der echten Weichselbaumschen Diplococcen zeigen, ohne bei 37® 
von einem hochwertigen spezifischen Serum agglutiniert zu werden, 
durch die Agglutinationsprobe bei 55® weiter zu prüfen. 

2. Uffenheimer, München. Weitere Stadien über, die 
Dorchlässigkeit des Magendarmkanales für Bakterien. 

Durch eine Reihe sinnreicher und sorgfältig ausgeführter Ver¬ 
suche wird die Richtigkeit des Fickerschen Satzes erwiesen: Die 
Verdauungs- und Atmungswege kreuzen sich, sie anastomosieren, 
am Ende des Weges können wir gar nicht mehr sagen, aus welcher 
Richtung vor der Kreuzungstelle der Keim gekommen ist. Prodi- 
giosuskeime, die unter den grössten Vorsichtsmaßregeln mit mög¬ 
lichster Vermeidung aller irgendwie später in Betracht kommenden 
Fehlerquellen bei Kaniuchen in das Rectum eingefübrt wurden, 
waren nach kurzer Zeit in beiden Lungen, im Herzblut und anderen 
Orten nachweisbar. Eis handelt sich also hier um ein echtes ak- 
tive.s Emporwandern des Bacillus entgegen der Peristaltik. Nach 
doppelter Unterbindung de.s Oe.sophagus und Durchtrennung des 
dazwischenliegeoden Stückes selbst fand sich bei zwei Experimenten 
in Herzblut, Mesenteraldrüsen, Leber, Milz und beiden Lungen, 
allerdings nicht überall sondern nur in einzelnen Stücken, Prodi- 
giosus vor, bei drei anderen Versuchen blieb Lunge und Trachea 
frei, in den übrigen Organen aber waren die Keime gut nach¬ 
weisbar. Aus der Ewaldschen Klinik ist für Lycopodiumjwllen 
der ähnliche Beweis am Menschen erbracht. 

Bei neugeborenen Meerschweinchen kann der Micrococcus 
tetragenas, ^er Milzbrandbacillus und der Bacillus prodigiosus 
die Magendarmwand nicht passieren, nur die Tuberkelbacillen bei 
alten wie bei neugeborenen, 

3. Weichardt und Pil tz,Erlangen. Experimentelle Stadien 
über die Eklampsie. 

Die Autoren gelangen zu dem Schluss, dass die Eklampsie 
durch toxische Substanzen veranlasst wird, welche durch Cytolyse 
in die Blutbahn gelangender Placentarbestandtcile gebildet wurden, 
und zwar bei Frauen, in deren Blute antiendotoxische oder hem¬ 
mende Bestandteile ia genügender Menge nicht vorhanden sind. 
Es gelang ihnen, ein fast aseptisches Placentargift herzustellen, 
nach dessen Injektion bei Kaninchen zwei differente Teilgifte der 
PlacentarondotoxinedurchihreWirkungen in die Erscheinung treten: 
erstens eine Hytogel bildende Komponente, also ein Blutgerinnung 
hervorrufendes Gift — Thrombosierungen und deren Folgezustände 
wurden stet.s bei der Sektion Eklamptischer gefunden — und 
zweitens ein das Atemzentrum afficierendes, die eigentliche Todes¬ 
ursache. Durch Injizierung kleiner Mengen eines Testtoxins in 
die Mesenterialvene wurde es allmählicb möglich, das deletär 
wirkende Gift zu hemmen, und eine protahierte Sommolenz 
trat ein; mau hatte es hier mit der Wirkung eines Hemmungs- 
kürpers zu tun, mit dem — künstlich hergestellt — Kaninchen 
])as'!iv immunisiert worden konnten Die bisherigen Versuche am 
Menschen haben seine Unschädlichkeit erwiesen, es wäre ein 
leichtes, ihn versuchsweise anzuwenden, wenn man eine Eklampsie 
vor Ausbruch bestimmt erkennen könnte. 


4. Wiehern, Leipzig. Ueber einen Fall von BronohioliÜe 
diffnsa aonta bei einem Erwachsenen. 

Verf. beschreibt einen typischen Fall von Bronchiolitis diffusa 
auf Grund einer Infektion durch Pneamocoocen, der anfangs ein 
der Miliartuberkulose sehr ähnliches Krankheitsbild bot. Besonders 
hervorgehoben zu werden verdient die exspiratorisohe Dyspnoe, 
alle Hilfsmuskeln waren aufs äusserste angestreugt. In der Nacht 
vom 5. zum 6. Tage erfolgte kritische Entfieberung und dann 
allmähliche Heilung. 

5. Riebold, Dresden. Heber seröse Meningitis. 

Als Ursache der akuten serösen Meningitis können alle ent¬ 
zündungserregenden Momente eine Rolle spielen. Sie tritt häufig 
bei Masern, Typhus, Pneumonie, Lungentuberkulose, Influenza, 
Otitis media auf, nach Fiedler kann sie durch rheumatische In¬ 
fektion bedingt sein, auch toxische Einflüsse, Fänlnistoxine bei 
Obstipation, Menstruation und Traumen können dabei eine Rolle 
spielen. Das Exsudat, das selber blutig sein kann, ist dabei steril 
und als eine Toxinwirkung von den primär erkrankten Organen 
aus aufzufassen. Die Prognose ist fast immer günstig, therapeu¬ 
tisch kommt vor allem die möglichst frühzeitig vorgenommone und 
öfters ev. wiederholte Spinalpunktion in Frage, die auch über die 
Diagnose in zweifelhaften Fällen die besten Aufschlüsse gibt. 
Wahi^oheinlich sind seröse Meningitiden als Komplikationen bei 
anderen das Krankheitsbild beherrschenden Erkrankungen, wie 
Typhus, Angina, hartnäckige Obstipation etc. nicht selten. 

Die chronische seröse Meningitis führt oft zu Entstehung 
eiires chronischen Hydrocephalus internus, in leichten Fällen mit 
unbestimmten und wechselnden Symptomen, in schweren das Bild 
eines Hirntumors vortäxischend, und so ist in manchen Fällen von 
hartnäckigem Kopfschmerz und verwandter Zustände vielleicht eine 
chronische seröse Meningitis schuld und nicht Neurasthenie. 

6. Schwerin, Höchst a. M. Vorläofige Mitteilung über 
Erfolge bei der Behandlong der septiBohen Ferityphlitu mit 
StreptoooocenBerom (Höchst). 

Nach Darreichung dieses Serums sah Verfasser eine sehr 
günstige Wirkung auf das Herz selbst in anscheinend hoffnungs¬ 
losen Fällen, Herabgehen der Temperatur, Schwinden der Schmerzen 
und des Meteorismus, Beginn normaler Darmfunktion, Besserung 
des Allgemeinbefindens, Wiederkehr ruhigen, tiefen Schlafes und 
Erwachen des Bewusstseins. Selbst bei foudroyant septischen 
Fällen war das Hineingiessen von 50 ccm Streptococcenserum in 
die eröffnete Bauchhöhle und event. spätere subkutane Injektionen 
ebenso wie bei postoperativer Darmlähmung von lebensrettender 
Wirkung. 

7. Barth, Berlin. Zar Diplacoflis duharmonioa. 

Barth teilt einen Fall mit, der geeignet ist, den ausschliess¬ 
lichen Standpunkt, welcher nur eine Diplacusis und zwar immer 
eine harmonica, infolge von Mittelohrerkrankungen annimmt, zu 
widerlegen und das Bestehen einer wirklichen labyrinthären 
Diplacusis disbarmonica zu beweisen. 

8. Agata, Tokio. Vorläofige Mitteilong über die Aetiologle 
der Tsatsagamashi- (Kedani-) Krankheit, (TTeberflohwemmangs- 
fieber nach Baelz.) Schluss aus Nr. 45. 

Verfasser zieht aus seinen mikroskopischen, kulturellen und 
tierexperimentellen Befunden bei Tsutsugamushi- oder Kedani- 
krankheit folgende Schlüsse: 

1. In pathologisch vei’änderten Stellen und Organen, sowie im 
Blut der Tsutsugamushikranken findet man eine Art amoeboider 
Protozoen, resp. Sporozoen von verschiedener Form und Grösse 
sowie deren Sporozoiten und Cysten. 

2. Die amoeboiden Protozoen resp. Sporozoen vermehren sich im 
Blute, in Geschwüren, Lymphdrüsen und anderen Organen 
und zeigen verschiedene Entwicklungsformen. 

3. Wir konnten durch die Geschwürmasse und das Blut der 
Tsutsugamushikranken auf Versuchstiere dieselbe Krankheit 
übertragen und in diesen wieder die gleichen amoeboiden 
Protozoen erkennen und rein kultivieren. 

4. Die Reinkultur jener amoeboiden Protozoen, sowie die durch 
Reinkultur entstandenen käsigen Massen sind höchst pathogen 
für Kaninchen, ferner übertragbar auf Affen und Mäuse, schwer 


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MEDICINISCHB wocöe. 


549 


xm- 


dagegen auf MeerschweincbeD, wobei sich eine aus der Tsutsu- 
gamushikrankbeit identische Erkrankung entwickelt. 

5. Ich nenne die von mir bei der Tsutsugamushikrankheit ent* 
deckten amoeboiden Protozoen Tsutsugamushisporozon (Kedani- 
eporozou). 

6. Tsutsugamushikrankheit ist eine durch die Sporozon verur¬ 
sachte Infektionskrankheit. 

7. Die Vermittelung der Uebertragung der Tsutsugamushisporozon 
auf Menschen scheint nur durch junge Milben zu geschehen, 
welche auf Pflanzen des Infektionsortes verkommen. 

8. Im Körpersaft der achtbeinigen Milbe, welche ich auf 
Artemisia in der Nähe des Intektionsherdes gefunden habe, 
habe ich koiilenfbrmige, bewegliche, sporozoitenähnliche Gebilde 
sowie amoeboide Zellen und Cysten gefunden. 

9. Die von uns bei Tsutsugamushikranken gefundenen Bakterien 
scheinen keine nähere aetiologlache Beziehung zur Tsutsu- 
gamushikrankheit zu haben. 

10. Die Sporozon sind bei Tsutsugamushikrankheit und Kedani- 
krankheit identisch. 

Berliner klinische Wochenschrift No. 47. (ß. Fränkel zu 
seinem 70. Geburtstage gewidmet.) 

1. Semon, London. Über den therapentisohen Wert voll¬ 
ständiger Stimmmhe bei der Anstaltsbehandinng der Kehlkopf- 
tuberkulöse. 

Während die nRuhigstellung des Kehlkopfs“ durch Tracheo¬ 
tomie oft mit Erfolg für die Behandlung der Kehlkopftuberkulose 
herangezogen wurde, sahen die meisten von der ^Stimmruhe“ 
durch Befolgung langen, vollständigen Schweigens wenig Erfolg. 
Das kam wohl daher, dass unter den Verhältnissen des täglichen 
Thebens eine strikte Befolgung nur in den seltensten Fällen durch- 
gefohrt wurde und mehr eine unzureichende Stimmschonung er¬ 
reichbar war. In der Verallgemeinernng der Anstaltsbehandlung 
der Lungentuberkulose ist jetzt der Methode der Stimmriihe ein 
wichtiger Bundesgenosse erstanden. Jetzt finden sich genug 
Kranke, die in den Frühstadion schon sich entschliessen, einige 
Monate alle andern Rücksichten beiseite zu lassen und nur der 
Qesundheit zu leben; mit dem Eintritt in eine Anstalt fhllt die 
' Notwendigkeit und meist auch die Versuchung, das schonungs¬ 
bedürftige Organ unnötig zu gebrauchen; Schädlichkeiten, wie 
Reizung der Luftwege durch Staub, Tabak, unzweckmäßige 
Speisen und Getränke werden hier gänzlich vermieden. Die 
Stimmmhe soll nnn die lokale Behandlung keineswegs verdrängen, 
sie soll mit dieser kombiniert werden und vermag sie dann treff- 
licli zu imterstützen. Auch erscheint sie nicht ausnahmslos in 
allen Fällen von Kehlkopftuberkulose angezeigt, speziell indiziert 
erscheint sie in Fällen entzündlicher Reizung des Kehlkopfs bei 
der Lungentuberkulose, bei hartnäckigen Katarrhen des Kehlkopfs, 
Kongestion der Stimmbänder, Relaxation der Taschenbänder und 
— in weiter vorgeschrittenen Fällen — bei umschriebener Ulce- 
ration der Stimmbänder, Geschwüren in der Interarytaenoidfalte, 
allgemeine Infiltration und Bewegungsstörungen des Crico-Arytae- 
noidgelenks. In solchen Fällen hat S. mit der „Stimmruhe“ allein 
oder mit Lokalbehandlung kombiniert Resultate gesehen, wie sie 
ihm früher kaum je zu Gesicht gekommen sind, und die Besser¬ 
ungen und Heilungen erwiesen sich in einer Reihe dieser Fälle 
auch als dauernde. 

2. V. Schrötter, Wien. Eine neue Belenohtniigsart von 
Kanälen und Höhlen. 

Das Verfahren beruht auf dem Prinzip der Fortleitung des 
Lichtes durch einen Glaastab; bringt man an dem konisch ge¬ 
stalteten Ende einer Glasröhre Glühlämpchen an, so erscheint das 
andere Ende, selbst bei 40 cm Länge der Röhre, schön leuchtend; 
das Licht des Lämpchens muss für das in die Röhre blickende 
Auge abgeblendet werden, weiter ist es zweckmäßig zur Kon¬ 
zentrierung des Lichtes, in der Röhre die Innenfläche derselben 
nach aussen zu versilbern, nach innen zu schwärzen, dadurch wird 
auch erreicht, dass das Auge durch ein dunkles Rohr blickt und 
nur am distalen Ende desselben Licht erscheint. Bei Einfübmng 
irgend eines Instrumentes durch das Rohr arbeitet der Unter¬ 
suchende immer im vollen Lichte. Da das Instrument in seinem 
untern Teile nicht warm wird, entfällt die diesbezügliche Be¬ 


lästigung des Patienten. Die Technik des Einführens von Instru¬ 
menten, im Besonderen des Operierens wird durch diese einfachere 
Befeuchtungsweiso wesentlich erleichtert, und dadurch dürfte das 
endoskopische Verfahren einer grösseren Anzahl von Aerzten er¬ 
möglicht werden. Im Vergleich mit den nach Art eines Schein¬ 
werfers wirkenden Panelektroskopen ist zu bemerken, dass diese 
grössere Strecken auf einmal bestrahlen, deshalb eine allgemeinere 
Uebersicht ermöglichen und so für klinisch-diagnostische Zwecke 
vorzuziehen sind, während die neue Beleuchtuogsweise beschränk¬ 
tere Strecken intensiver belichtet und deshalb für operative Ein- 
grifie, Extraktionsarbeit u. dgl. wesentlich im Vorteil ist. Natur¬ 
gemäß sollen sich die beiden Verfahren ergänzen. Das neue Be¬ 
leuchtungsverfahren wurde von S. bisher für Trachealinstrumente 
herangezogen; selbstverständlich ist es aber auch verwendbar für 
Ohr, Nase, Rachen, Harnröhre, Blase etc. 

3. Killian, Freiburg. Die Gnmdlage der modernen Rhino- 
Laryngologie. 

Zu den allgemeinen Grundlagen der modernen Rhino-Laryngo- 
logie sind in erster Linie die endoskopischen Untersnebungs- 
methoden zu rechnen; sie haben die historische Entwicklung und 
Abgrenzung der Rhino-Laryngologie ermöglicht und mit den ana¬ 
tomisch-physiologischen und klinischen Grundlagen die moderne 
Lehre von den Erkrankungen der Luft- und oberen Speisewege 
zu einer fest fundierten und einheitlichen gemacht. Bezüglich der 
speziellen Grundlagen wird ausgeführt, wie jeder Teil seine eigen¬ 
artigen Erkrankungen aufweist, anch Erkrankungen gleicher Art 
sich bei jedem Abschnitt verschieden verhalten und so eine ausser¬ 
ordentliche Mannigfaltigkeit in diagnostischer und prognostischer 
Hinsicht sich, geltend macht und die Behandlungswelse eine sehr 
vielgestaltige, feinspezialisierte und die mannigfachsten Fähigkeiten 
voraussetzende wird. Was die Grenzgebiete der modernen Rhino- 
Laryngologie betrifft, so wird gezeigt, wie die topographischen 
Verhältnisse und die Ausbreitungsmöglichkeiten durch mechanische 
Momente, durch Fortpflanzung in zentrifugaler oder zentripetaler 
Richtung, durch Nah- und Pernbeziehungen ausserordentlich zahl¬ 
reiche und mannigfaltige Krankbeitsbilder bedingen, die in eng¬ 
ster Beziehung zur Otologie, Ophthalmologie, Dermatologie, Zahn¬ 
heilkunde, Neurologie, Paediatrie, Gynaekologie, am häufigsten zur 
Chirurgie und inneren Medicin stehen. 

4. Chiari, Wien. Zur Kasuistik der direkten oberen 
Bronchoskopie nach Killian behufs Extraktion von Fremd¬ 
körpern aus den Bronchien. 

Bei dem ersten Fall wurde ein dreieckiges Stück eines 
Röhrenknochens vom Rind, 28 mm breit, 8 mm dick, aus dem 
rechten Hauptbronchus extrahiert. Der Fremdkörper hatte trotz 
zwölftägigen Verweilens in den Bronchial wegen nur geringe 
katarrhalische Erscheinungen verursacht. Im zweiten Falle 
handelte es sich um aspirierte Stücke eines Kokosnusskernes. 
Trotz frühzeitiger Extraktion entwickelte sich ein schweres Krank¬ 
heitsbild, Pleuritis und SpitzenaSektion; die erstere dürfte wohl 
auf den aspirierten Fremdkörper zurückzuführen sein; und zwar 
ist anzunebmen bei dem kurzen Verweilen derselben im Bronchial¬ 
baum, dass mit den KokosnusstUckchen aus der Mundhöhle 
pathogene Keime eingeschleppt wurden; daraus ergibt sich die 
Notwendigkeit, auch noch so kleine Fremdkörper so bald als mög¬ 
lich aus dem Bronchialbaum zu entfernen. 

5. Lermoyez, Paris. La eontagion de l’ozöue. 

Die Fraenkelsche Definition der Ozaena als selbständige 
Krankheit der Nase, charakterisiert durch eine loetide Sekretion 
mit trockener Membranbildnng und durch eine Atrophie der 
Schleimhaut, die sich auf die darunter gelegenen Knochen er¬ 
streckt, wird acceptiert. Sechs Beispiele von Uebertragung der 
Ozaena bei Ehegatten, von Mutter auf Kind und unter Ge¬ 
schwistern werden angeführt, um die Kontagiosität der Krankheit 
zu beweisen. Des weiteren wird ausgeführt, dass keine der nicht- 
kontagionistischen Theorieen des Ozaena, weder die der Erweite¬ 
rung des Nasenlumens, noch die der epithelialen Metaplasie, noch 
die der Trophoneurose, noch die osteomalacische die klinischen 
Fakten zu erklären vermag, dass dies allein die infektiöse Theorie 
kann. Als wahrscheinlicher Elrreger wird der Cocco-Bacillus von 
Perez angesprochen. Der Gang der Infektion wird in Parallele 


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550 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 50. 


gesetzt zur urethralen Gonorrhoe und die Forderung erhoben, dass 
Ozaen^kranke zur grössten Vorsicht in ihrer Familie, namentlich 
den Xindem gegenüber, anzuhalten sind, 

6. Massei, Neapel. Üeber die Bedeutung der „Änaesthe* 
sie des Kehlkopfeingangs'^ bei der Hecurrenslähmung. 

Die Anaesthesie des Kehlkopfeingangs ist ein fast konstantes 
Begleitsymptom der Recurrenslähmung. Die Anaesthesie kann als 
frühzeitiges, prämonitorisches Symptom der Recurrenslähmung Vor¬ 
kommen und bleibt auf den Kehlkopfeingang beschränkt. Die 
Anaesthesie ist immer allgemein, nie halbseitig, wie die motorische 
Lähmung. Es kann einfache Hypanaesthesie oder allgemeine 
Anaesthesie vorhanden sein. Die Sensibilitätsstörungen sind 
stärker, wenn der linke Recurrens befallen ist, was darauf hin- 
deutet, das er wirklich sensible Fasern führt, und da er grösser 
und länger ist als der rechte, dürfte er auch zahlreichere sensible 
Fasern enthalten. Dass die Anaesthesie auf den Larynxexngang 
beschränkt bleibt und dass bei Berührung der Stimmbänder 
Husten ausgelöst wird, legt die Vermutung nahe, dass vom sub¬ 
glottischen Raum, vielleicht von den Stimmbändern ab, nur der 
Laryngens inferior die Sensibilität versorgt. 

7. Onodi, Budapest. Beiträge zur Lehre der durch Er¬ 
krankung der hintersten Siebbeinzelle und der Keilbeinhöhle 
bedingten Sehstörung und Erblindung. 

Die anatomische Grundlage in der Aetiologie der canaliculären 
retrobulbären Neuritis und Atrophia optica nasalen Ursprungs 
bildet das innige Verhältnis des Sehnerven und des Chiasma zu 
den hintersten Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhle, die papier- 
dünne Kiiochenscheidewand zwischen Sehnerven und Nebenhöhlen, 
der eventuelle lange Verlauf des Canalis opticus in diesen Hohlen. 
An der Hand von lehrreichen Abbildungen in natürlicher Grösse 
nach photographischen Auinahmen werden die wichtigsten Form- 
verhältnisse erörtert und in elf Gruppen 35 verschiedene Form¬ 
verhältnisse zusammengefasst. 

Nr. 48. 1906. 

1. Krause, Berlin: Ersatz des Daumens aus der grossen 
Zehe. 

Dem Patienten war in der Kindheit durch eine Häcksel¬ 
maschine der Daumen in der Mitte der Grundphalanx abgeschnitten 
worden; durch den Defekt war er in seinem Erwerb wesentlich 
beeinträchtigt. K. ging zum Ersatz desselben so vor, dass er 
den angefrischten Daumenstumpf in einer am Dorsnm der grossen 
Zehe angelegten Weichteil- und Knochenmulde annähte und in 
dieser Stellung durch einen grossen Gipsverband obere und untere 
Extremität unverrückbar fixierte; nach 17 Tagen waren die dorsalen 
Teile von Daumen und grosser Zehe so weit aneinander geheilt, dass 
nun die plantaren Verbindungen der grossen Zehe durchtrennt und 
mit den entsprechenden Weichteilen des Daumens vernäht werden 
konnten. Der Patient hat einen von der normalen Form sehr 
w^enig abweichenden Daumen bekommen; durch eine beschränkte 
Nekrotisierung der Haut ist eine ursprünglich geplant gewesene 
Verkleinerungsoperation überflüssig geworden. Passiv beweglich 
ist der Daumen sowohl im Basal- als Interphalangealgelenk; bei 
geeigneten Hebungen, die der Patient bisher versäumt hat, dürfte 
auch gute aktive Beweglichkeit erzielt werden. 

2. Zupnik. Fleischvergiftang und Paratyphus. 

Polemische Bemerkungen gegenüber Arbeiten von Traut- 
mann zu dieser Frage. 

3. Gengou, Brüssel: Zur Kenntnis der antituberkulösen 
Sensibilisatoren, 

Die Experimente waren darauf gerichtet, mit Hülfe des Nach¬ 
weises der Sensibilisatoren die Beziehungen zu studieren, die 
zwischen den verschiedenen säurefesten Bazillen, Saprophyten und 
den für die kaltblütigen bezw. warmblütigen Tiere pathogenen 
Arten, existieren. Sie ergehen, dass im allgemeinen die am Meer¬ 
schweinchen gemachte Injektion säurefesterBazillen. sei es saprophyti- 
seher, sei esderTuherkulo.se kaltblütiger Tiereoder auch noch homogener 
Tuberkulose Arloing, die Bildung von Sensibilisatoren veranlasst, die 
nicht allein gegen die homologen Mikroben aktiv sind, sondern auch 
noch andere säurefeste Bazillen, die saprophyt oder für kaltblütige 


bezw. für warmblütige Tiere pathogen sein können, und im be¬ 
sonderen gegen die Menschen-, Rinder- und Hühnertuberkulose. 
Die Regel hat nur wenige Ausnahmen und steht in vollkommener 
Uebereinstimmung mit einer gewissen Immunität gegen Tnberkel- 
bazillen, die von Klemperer schon früher beim Meerschweinchen 
durch im Voraus gemachte Injektionen von säurefesten 8 aproph 5 ^en 
Bazillen erzeugt wurde. Bevor irgendwelche Schlussfolgerungen 
in Betreff der Verwandtschaft der verschiedenen säurefesten 
Bazillen gezogen werden können, erscheint es notwendig, die Ex¬ 
perimente zu erweitern und besonders die Erscheinung der Anti¬ 
körper bei den injizierten Tieren näher zu verfolgen. 

4. Fein, Wien: Beitrag zur Lehre Ton der primären Tuber¬ 
kulose (Lupus) der Kasenschleimhaut. 

Bei einer Patientin, Krankenpflegerin, die wegen seit Jahren 
bestehender Lymphome unter dem Unterkiefer zur Untersuchung 
kam, fand sich als einzig nachweisbares Krankhafte eine eigen¬ 
artige Veränderung an der Schleimhaut der einen unteren Muschel 
mit kleinen Knötchenbildungen. Der Verdacht einer tuberkulösen 
Erkrankung wurde durch die mikroskopische Untersuchung exzi- 
dierter Partikel und durch das Tierexperiment bestätigt. Eine 
Aenderung des Krankbeitsbildes wesentlicher Art ist in 2Vs- 
jähriger Beobachtung trotz geeigneter Behandlung nicht zu be¬ 
obachten gewesen. Die Monolokalisatiou der Tuberkulose in der 
Nasenschleimbaut ist selten, die ausschliessliche Affektion einer 
Nasenmuschel kaum beobachtet. Interessant ist auch das Auf¬ 
treten dieser anscheinend primären Krankheit bei einer Person, 
deren Beschäftigung alle günstigen Bedingungen für die direkte 
Aufnahme des Krankheitserregers an einer besonders exponierten 
Stelle liefert. 

5. Apfelstedt, Berlin-Friedenau: Dammschntz und Damin- 
naht. 

Nach eingehender Erörterung der anatomischen Verbältnisae 
des Beckenbodens, dessen physiologischer Funktion, des Geburts¬ 
mechanismus der Austreibungsperiode, speziell des durchtretendon. 
Kopfes beschreibt A. eine rationelle, diesen Faktoren Rechnung: 
tragende Dammschutzmethode, die eine Kombination der Fritsch- 
schen und Ri tgenschen Verfahren darstellt. Des Weiteren gibt 
er eine Nahtmethode an, die einer von Fritsch vorgeschlagenen 
ähnlich ist, die die Mängel, welche der dreiseitigen Knopf-, der 
fortlaufenden Catgatuaht oder einer Vereinigung beider anhaften, 
vermeidet und ganz besonders für den Praktiker, dem geeignete 
Assistenz fehlt, zu empfehlen ist. Die genau ausgeiührten tech¬ 
nischen Details des Dammschutzes sowie der Dammnaht entziehen 
sich kürzerer Mitteilung. 

6. Munter, Berlin: üeber Hydrotherapie bei fieberhaften 
Infektionskrankheiten. 

Die Aufgaben, die die Hydrotherapie bei der Behandlung der 
fieberhaften Infektionskrankheiten erfüllen kann, werden folgender¬ 
maßen zusammengefasst: 1. Ein nicht zu hohes Fieber mit mäßiger 
Rückwirkung auf Gehirn und Herz erfordert in der Regel ein 
antipyretisches Eingreifen nicht; hier genügen Teüwaschungen mit 
Wasser von 15—24® C, früh und abends. 2. Excessiv hohe und 
andauernde Temperaturen von 40—41 ", die Herz und Gehirn 
adynamisch machen, sind künstlich zu erniedrigen; aber auch eine 
Continua continuens mittlerer Höhe, 39—40® ist zu unterbrechen; 
die beste Zeit hierfür ist nach der abendlichen Exacerbation. 
Dies geschieht bei robusten, jungen Leuten mit gutem Herz- und 
Gefässsystem nach Brand und Liebermeister durch das kalte 
Vollbad von 20—25 ® C, 10—20 Minuten Dauer; diese Bäder ver¬ 
binden mit der temperaturherabsetzenden Wirkung, mit dem ther¬ 
mischen Nervenreiz zugleich eine stoffwechselerhöhende Wirkung 
behufs Bekämpfung der Infektion. Soll schonender verfahren 
werden, wo man es mit weniger kräftigen Individuen zu tun hat, 
so ist das allmählich abgekühlte Voll- resp. Halbbad von 30 ® C 
auf 20® mit mechanischer Reizung durch Waschen und Reiben 
von 15—30 Minuten Dauer zu verwenden; der hierbei fortfallende 
Nervenreiz muss durch intercurrente Begiessungen mit kälterem 
Wasser 15 — 20® er.setzt werden. 3. Dauer und Temperatur der 
Bäder sind zu variieren je nach Höhe der Körperwärme, ihrer 
Hartnäckigkeit und der Konstitution des Kranken. Einwirkung 
auf Herz, Gefässe, Nerven findet durch dieselben Maßnahmen statt; 

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MEDICINISCHE WOCÖE. 


551 


id 06 . 


der kurze Kältereiz ist eia Nervenreiz; auf Atmung und Herz 
wirken sowohl der kurze Kältoreiz als auch die Herabsetzung der 
Eigenwärme ein. 5. öfters gewechselte Einpackungen wirken mild 
temperaturherabsetzend und besonders nervenberuhigend; letztere 
Wirkung hat auch das indifferent laue Vollbad; bei sehr aufge¬ 
regten Kranken empfiehlt es sich, ein solches morgens und abends 
zwischen die antipyretischen Bäder als Beruhigungsmittel einzu* 
schieben. 6. Temperaturherabsetzend, nervenanregend, herzstärkend, 
doch schonender wirken auch kohlensaure Soolbäder von 28^ und 
20 Minuten; besonders geeignet sind sie für Kranke, die leicht im 
Bade frieren. 7. Durch lokale Kälteapplikation auf Kopf, Herz, 
Nacken, Bauch kann die hjdriatische Antipyrese unterstützt werden. 
8 . Zu ^ufige Kältereize können nervöse Reizerscheinungen ver- 
ursaohen. 9. Die Anzahl der Bäder hat sich nach der Schwere 
des Falles zu richten, 2—3 dürften meist für 24 Stunden aus¬ 
reichen; kalte Begiessungen dabei sind indiziert bei schweren 
Nervenaffektioneu, bei comatösen und soporösen Zuständen. 10. 
Bei ungleicher Wärmeverteilung ist es oft indiziert, an einer 
Stelle Wärme zn entziehen, an andrer, besonders Extremitäten, 
solche znzuführen. 11. Strikte Kontraindikationen für Anwendung 
der Hydrotherapie in der Behandlung akuter Infektionskrankheiten 
gibt es nicht, da der thermische Reiz individuell angepasst 
werden kann. Nur wo absolute Ruhe geboten, ist allgemeine 
Eälteanwendnng zn vermeiden, z. B. bei Peritonitis, Embolien, 
Thrombosen, Neigung zn CoUaps, Fettherz, Arteriosklerose etc. 
Hier kann lokale Kälteapplikation noch manche Indikation erfüllen. 
12. Die Medikamente können häufig den thermischen Reiz unter¬ 
stützen, also oft mit ihm kombiniert werden. 

7. Rosenthal, Wien: Erfalinmgen mit dem neuen Nähr¬ 
präparat Visvit. 

Das Präparat wurde verwandt bei verschiedenen Fällen von 
Auaemie, Arteriosklerose, Hysterie, Phthisis pulmonum, weiter bei 
Rekonvaleszenten nach Pneumonie, Influenza und andern Infektions¬ 
krankheiten, zum Teil in Kombination mit einer Eisenkur. Ausser 
rascher Körpergewichtszonahmo zeigte sich regelmäßig eine Ver¬ 
mehrung der roten Blutkörperchen and auffallende Steigerung des 
Haemoglobingekaltes. Danach erweist sich Visvit als beachtens¬ 
werter Zuwachs des ärztlichen Dispensats und wird dem Prak¬ 
tiker weitgehendste Anwendung empfohlen. 

8 . Br ahn s, Berlin. Fraktisoke Ergebnisse aus dem Oe- 
biete der Sypbilidologie. 

Die bisherigen Resultate der experimentellen Syphilisimpfung. 
Nicht abgeschlossen. 

Allgemeine med. Zentrai-Zeitung. Nr. 43. 1906. 

1. Ströll, München: Aus der Praxis fttr die Praxis. 

St. gibt für einige Krankheiten eine Reihe von Rezepten und 
Behandlnngsarten, die sich ihm in langjähriger Praxis vollständig 
bewährt haben. 

2. Brenning, Berlin: üeber Fheuyloform. 

Das Präparat ist eine geruchlose, ungiftige Verbindung der 
Carbolsäure und des Formaldehyds in Pulverform. Es wurde ge¬ 
prüft bei Bubonen nach der Inzision oder Exstirpation und be¬ 
wirkte hier schnelles Nachlassen der Eiterung, gute Desodorierung 
der Wunde and meist eine auffallend rapide gute Granulations- 
bildnng; bei längerem Gebrauch stellte sich bisweilen eine die 
Wnndheilong störende Aetzwirkung ein, weshalb es sich empfehlen 
dürfte, das Phenyloform in Wechsel mit andern antiseptischen 
Strenpulvem zu verwenden. Uneingeschränktes Lob verdient das 
Phenyloform bei der Behandlung der Ulcera mollia; dieselben 
reinigten sich in wenigen Tagen und verheilten in verhältnismäßig 
sehr kurzer Zeit, ira Durchschnitt innerhalb von 9 Tagen. Viel¬ 
leicht übt das Präparat auf die Erreger des Ulcus molle eine 
spezifische Wirkung aus. Phenyloform kann als brauchbares Er¬ 
satzmittel für Jodoform empfohlen werden. 

Nr. 46. 

Stadelmann, Dresden: üeber Hamsäurebefnude bei genui¬ 
ner Epilepsie. 

St. hat bei 30 genuin-epileptischen Kindern systematische, 
durch Monate und Jahre fortgesetzte Harnanalysen betr, der 
Hamsänreausscheidong angestellt. Das Ergebnis war, dass Stunden 


und Tage vor dem epileptischen Symptom die Harnsäure im Ham 
geringer war, als es der individuellen Normalität entsprach; dass 
sie nach dem Symptom in ebenso vermehrter Weise sich fand. 
Nach dem Quantum der fehlenden Harnsäure und der Zeitdauer 
des Fehlens konnte ein Schluss gezogen werden auf die Stärke 
des epileptischen Symptoms. Blieb die Harnsäure zwei bis drei bis 
vier Tage lang und länger aus, so traten eine Reihe von epilepti¬ 
schen Anfällen während der folgenden Tage auf; sofort nachdem 
ersten Anfall erschien die Harnsäure meist wieder vermehrt; wenn 
sie nur wenig vermehrt in bezug auf die vorausgegangene Ab¬ 
nahme auftrat, konnte mit Sicherheit auf einen zweiten, dritten 
Anfall geschlossen werden. Während der Tage, an denen die 
Harnsäure im Harn nur in sehr geringem Maße oder überhaupt 
nicht nachzuweisen war, stellten sich vielmals epileptische Früh¬ 
symptome ein; soweit diese Zeichen psychischerseits auftraten, 
waren es die Erscheinungen, die man bei ermüdeten Kindern an- 
trifft. Die Abnahme der Harnsäure hat nicht stets einen Anfall 
im Gefolge; mitunter bleibt es bei Früh- und Vorsymptomen des 
epileptischen Anfalls, verschieden nach dem individuellen Krank¬ 
heitsfälle, die im allgemeinen den Ausdruck einer gesteigerten 
Reizbarkeit aufweisen. Die Zeichen der Epilepsie bei Kindern 
werden in Analogie gebracht zu denen der Ermüdung, und der 
Gedanke ventiliert, da^s gewisse Beziehungen bestehen, in den 
inneren physioo - chemischen Vorgängen bei der Ermüdung und den¬ 
jenigen der genuinen Epilepsie und in weiterem Verfolg die 
Frage erörtert, ob und inwieweit die physico-chemischen Vorgänge 
in der Muskulatur als anslösendes Moment für den Krampfanfall 
in Betracht zu ziehen sind. 

Aerztliche Rundschau. Nr. 46. 1906. 

1. Weissmann, Lindenfels. Randglossen zur sechsten 
ärztlichen Studienreise. 

Bei voller Anerkennung des Geleisteten macht W. auf einige 
Punkte aufmerksam, für die eine Verbesserung wünschenswert er¬ 
scheint. 

2. Gedanken eines Laien über Heilkunde. 

Ein Auszug aus H. Lhotzkys ,,Geheimnis der Genesung“, 
zusammengestellt von Esch. 


Bücherbesprechung. 

Dr. Ferdinand Karewski-Berlin. Moderne ärztliche 
Bibliothek. Verlag von Leonhard Simion Nf., Berlin. 

Die medicinische Literatur dürfte heutzutage in bezug auf 
Qualität, ganz besonders aber in bezug auf die Quantität kaum 
etwas zu wünschen übrig lassen. An erster Stelle sehen wir 
eine gewaltige Anzahl von Wochen-, Monats-, Vierteljahrsschriften, 
Archiven, Beiträgen, Mitteilungen, Centralblättem usw. allgemein 
raedicinischcr, bezw. begrenzt specialistischer Richtung. Diese in 
bestimmten oder unbestimmten Fristen periodisch erscheinenden 
Organe bringen in zwanglosem Durcheinander Abhandlungen, Be¬ 
richte über die verschiedensten Themata aus allen Gebieten der 
heutzutage schier unermesslichen medicinischen Wissenschaft oder 
richtiger der medicinischen Wissenschaften, bezw. sofern es sich 
um ein Specialorgau handelt, aus dem Gebiete des betreffenden 
Specialfaches. Es soll hier, indem vorausgesetzt wird, dass die 
Leser mehr oder minder au courant des augenblicklichen Standes 
der medicinischen Wissenschaft sind, eben nur das Neue featge- 
halten, bezw. das Actuelle diskutiert werden — mag es sich um 
theoretische oder praktische Fragen handeln. Es sollen hier die 
verschiedenen Ansichten, Erfahrungen einander gegenübergestellt 
werden, damit sich jeder ein eigenes Urteil bilden kann. Kurz, 
die Zeitschriften - Literatur ist berufen, einerseits das Wissen und 
Können des Mediciners, welches, wie gesagt, vorausgesetzt wird, 
durch Hinzufügung neuer interessanter Momente zu bereichern, 
andererseits dem späteren Forscher, der sich die Erforschung einer 
bestimmten Frage vorgenommen hat und objektiv genug ist, um 
nicht seine eigene Ansicht, bezw. Erfahrung als die maßgebende 
zu betrachten, das nötige Material zu liefern. 

An zweiter Stelle sehen wir eine fast nicht minder grosse 
Anzahl von Lehrbüchern. Wenn in bezug auf die Quantität 


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552 


MfiDICmiSGHB WOGäfi. 


80 . 


(keineswegs aber Qualität) der medicinischen Zeitschriften Deutsch¬ 
land vielleicht nicht an der Spitze marschiert und die erste Stelle 
Frankreich und besonders Amerika mit seinen zahllosen „Blättern“ 
einräumen muss, so reicht, was Lehrbücher anbetrifift, kein Land 
der Welt auch annähernd an Deutschland heran. Die Ijehrbücher, 
die zum grössten Teil für Aerzte und Studierende bestimmt sind, 
verfolgen, wie schon der Name zeigt, didaktische Ziele und führen 
den Leser, bei dem nur eine gewisse Elementarvorbildung voraus¬ 
gesetzt wird, succesive durch ein bestimmtes Gebiet oder durch 
ein bestimmtes Specialfach der Medicin. Ein Lehrbuch, an dem 
der Autor Jahre, ja bisweilen Jahrzehnte lang arbeitet, und in dem 
der Autor seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, sowie 
die Beobachtungen und Erfahrungen aller anderen Forscher, die 
auf diesem Gebiete gearbeitet haben, und deren Beiträge in der 
periodischen Literatur zerstreut sind, niedergelegt hat, ist nicht 
zum Lesen, wie ein Zeitschriftenaufsatz, sondern zum Studieren, 
bezw. zum Wiederholen der einstigen Studien bestimmt. 

In dritter Linie kommen die Monographien. Diese Publi- 
katiousform ist seit jeher eine zieralicli beliebte und verbreitete 
gewesen. Sie wird von Autoreu gewählt, die sich zu eingehend 
mit einem bestimmten Kapitel oder mit einer bestimmten Frage 
beschäftigt haben, um ihre langjährigen Studien in den engen 
Rahmen eines Zeitschriftenaufsatzes hinein zu zwängen, und von 
Lesern bevorzugt, die sich über ein bestimmtes Kapitel oder über 
eine bestimmte Frage scbnellerliand orientieren wollen. Kurz, 
die Monographie nimmt gleichsam eine Mittelstellung zwischen 
der medioinischen Zeitschrift und dem medicinischen Lehrbuch ein 
und ist namentlich für den vielbeschäftigten praktischen Arzt, dem 
es nicht möglich ist, sich in die umfangreichen Lehrbücher zu 
vertiefen, dem aber anderseits in gewissen Fällen ein kurzer Zeit¬ 
schriftenaufsatz nicht genügt, ein wahres Bedürfnis. Diesem Be¬ 
dürfnisse Rechnung tragend, sind verschiedejie Vertreter der ärzt¬ 
lichen Wissenschaft seit jeher bestrebt, diese Form der medici¬ 
nischen Literatur zu fördern und vor allem zu systematisieren. 
Zu den älteren Erscheinungen auf diesem Gebiete gehören: Volk* 
mann’s Sammlung klinischer Vorträge, Berliner Klinik, Wiener 
Klinik, von denen bereits zahlreiche Serien erschienen sind. Mit 
grossem Erfolg hat sich vor einiger Zeit die von v. Leyden und 
F. Klemperer begründete „Deutsche KUuik“ eingeführt; diese 
teilt aber auch mit den vorerwähnten Editionen den Nachteil, eine 
ausgesprochen klinische Tendenz zu verfolgen. Infolgedessen 
ist es mit Freuden zu begrüssen, dass die neue Gründung auf 
diesem Gebiete, nämlich die von Ferdinand Karewski ins 
Leben gerufene „Moderne ärztliche Bibliothek* sich irgend 
eine Schranke überhaupt nicht gezogen hat und sämtliche Gebiete 
der medicinischen Wissenschaft in gleichem Maße berücksichtigt. 
War schon unter diesen Umständen der Erfolg dem neuen Unter¬ 
nehmen, welches einem wahren Bedüi*fnis entsprach, a priori sicher, 
so kann man es jetzt, nachdem bereits eine Anzahl von Heften 
erschienen ist, erst recht behaupten. Der Herausgeber versteht 
es einerseits, gerade diejenigen Themata herauszugreifen, die die 
ärztliche Welt jeweilig interessieren; und weiss andererseits für 
die Bearbeitung dieser Themata die geeignetsten und maßgebeusten 
Autoren zu gewinnen. Es genügt, wenn ich als Beispiel an¬ 
führe, dass das Heft 9 (Erkrankungen der Gallenblase und Gallen¬ 
gänge mit besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zu den 
Erkrankungen des Magens und des Darmes) keinen geringeren als 
C. Ä. Ewald, das Heit 4—5 (Bedeutung der Kryoskopie für die 
Diagnose und Therapie von Nierenerkrankungenj H. Strauss, 
Heft 7 (Ueber Becquerelstrahlen und radioaktive Substanzen) W. 
Marckwald, Heft 13—14 (Moderne Hydrotherapie) L. Brieger, 
Heft 8 (Die Erzeugung und die physikalischen Eigenschaften der 
Rüutgenstrahlen) P. Spies zu Verfassern haben. 

Ich w'orde es mir angelegen sein lassen, im referierenden Teil 
dieser Zeitung über die einzelnen Hefte, die ausnahmslos von be¬ 
rufener Feder herrühren, mehr oder minder ausführliche Referate 
zu briugen. Jetzt möchte ich noch mit dem Bemerken schliessen, 
dass die ,Moderne ärztliche Bibliothek“ auch in technischer Be¬ 
ziehung wegen des überaus schönen Druckes alles Lob verdient. 

M. Lubowski. 


Vermischtes. 

Herr Prof. Giov. Galli hat dieser Tage.in Rom, Viole Poli- 
clinico 139, eine Privatklinik für innere Krankheiten eröffnet. 
Die Klinik befindet sich in einer Villa mit grossen sonnigen Räumen, 
schönem Garten, in bester, gesündester Lage Roms und ist allen 
Anforderungen der modernen Therapie entsprechend eingerichtet. 

von BerQinann-Foiar. Das Komitee, welches am siebenzigsten 
Geburtstage Prof, von Bergmanns ein Festbankett veran¬ 
stalten will, ersucht uns um Aufnahme nachstehender Mitteilung: 
Das Festessen (nur Herren) findet am Sonntag, den 16. Dezember 
d. J., abends 7 Uhr, im Mozartsaal des Neuen Schauspielhauses 
am Nollendorfplatz statt. Der Preis des Gedecks, einschliesslich 
sämtlicher Kosten, ist auf Mk. 12,— (ohne W’ein) festgesetzt 
worden. Besondere Einladungen werden seitens des Komitees 
nicht ergehen, vielmehr sind Teilnehmerkarten an folgenden Stellen 
zu eutnebmeu: 

1. Kai.ser Wilhelms-Akademie, Friedrichstrasse 140, 

2. Kaiserin Friedrich-Haus, Luisenplatz 2/4, 

3. Laagenbeckhaus, Ziegelstrasse 11/12, 

4. Zentral-Ausschuss der industriellen Vereine, Jägerstr. 22. 
Etwaige Wünsche hinsichtlich der Plätze (Tischordnung) sind bei 
der Entnahme der Karten anzugeben. 

Der 28. Balneologen-Kongress wird unter Vorsitz des 
Geheimrats Liebreich anfangs März 1907 in Berlin statt- 
fiuden. Anmeldungen von Vorträgen und Demonstrationen sind 
spätestens bis zum 15. Januar 1907 zu richten an den General¬ 
sekretär, Geheimrat Dr. Brock, Berlin NW., Thomasius-Strasse 
24, oder an den Sekretär der Baineologischen Gesellschaft, Privat- 
dozeuten Dr. Rüge, Berlin W., Magdeburger Strasse 31. 

Die Formalin-Zimmerdeslnfektion war die Quintessenz 
der Vorschläge, wol> be Auge re r-Woilheim (Zeitschr. f. Medicinalbeamte, 
19. .fahrg. Nr. 19, Beilage) im Anschluss an das Referat Vanselows 
.Zur Verhütung der Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten“ machte. 
Ein Formalin-Apparat kann leicht angc.schaft't und leicht bedient werden. 
Um aber einen Üel)erblick in der inimorhin noch neuen und wenig bekannten 
Frage zu bieten, hat sich Ange ro r selbst ao den einzelnen Apparaten in¬ 
struiert, und er zeigt dieselben im Modell; es sind dies folgende Apparate: 
Breslauer Apparat, 

Apparat nach Roepke, 

Berolina, 

Rapid-Desinfektor von Schneider, 

Kombinierter Aeskulap, 

Karboformal-G lUbblocks, 

Festoform-Raumdesinfektor und 
Lingners Desinfektiunsapparat. 

Die Apparate sind verschieden in ihrer Wirkung, Aus-lehnnng, ver¬ 
schieden im Preis, verschieden in der Zuverlässigkeit. Der Breslauer Apparat 
z. B. wurde von Flügge angegeben, doch ist dieser Apparat nicht gerade 
billig und dennoch wenig sauber montiert. 

Der Roepke sehe Apparat braucht viel Brennspiritus, ist nicht explo¬ 
sionssicher, sogar feuergefährlich und verlangt 7 Standen der Desinfektion. 

Berolina ist schwer tiansportierbar. 

Der Schneiderscho Apparat beachtet das Verhältnis der Formalinmenge 
zum Rauminhalt des Zimmers zu wenig. 

Colonia ist schlecht transportierbar, und es liegt bei ihm die Gefahr 
vor, dass die Düsen sich verstopfen. 

Bei dem kombinierten Aeskulap ist die Gefahr der Polymerisation des 
Formaldebyds nicht ausgeschlossen. 

Die Verwendung der Karboformal-Glühblocks ist mit Feuersgefahr 
verbunden. 

Das Festoform dient nicht mehr zum Versprayon. 

Das günstigste PrUtungKcrgcbnis bot der Lingner'sche Desinfektions¬ 
apparat; derselbe ist nicht wesentlich teurer, enthält alle nur nötigen Bei¬ 
gaben, er ist sehr subtil gearbeitet, Feuorsgefabr und Explosion sind aus¬ 
geschlossen, ebenso eine Polymerisation des Formaldebyds; der Apparat ist 
leicht, handlich und in einem festen Kasten bequem transportierbar. 

Die Kosten der Desinfektion eiues Raumes von lOOebra bei St/fStUn- 
diger Einwirkungsdauer betragen bei Lingner's Desinfektions-Apparat: 
für 2,0 1 Formaldehyd 2,00 M. 

. 0,5 1 Brennsi'iritus 0,20 M. 

Zu jedem Apparate gehört noch ein kleiner Ämmoniakvergaser. 

Angorer scbliesst seinen Demonstrations-Vortrag mit folgenden 
Worten; 

.Ich inüchte zum Schluss nur nochmals kurz betonen, dass nach meinen 
Erfahrungen der Liiignerscho Apparat nach allen Richtungen hin die grössten 
und meisten Vorzüge autweist, so dass die Ansebatfung dieses Apparates 
wohl vor alloD anderen zu empfehlen ist, dies umsomehr, als Uber die des- 
iiifektoriscbe Wirkung des Apparates nur das beste bekannt ist.“ Der 
Lingnerscho Desinfektiensapparat wird borgostellt vom Dresdouor Chemischen 
Laburutoriutn Liiigner. A. R. 


V«raniwordick«r Redakteur: Dr. P. Meittner, Berlin W. 91, Kurfürilenitr. 91. — Veiantwortlicli lUr den loBerateDtell: Der Verlag eon Carl Marhold, Halle «. S. 

Druck voa der HevBeaana'tebM Bnchdruckerel, Gebr Welff, Halle a. S. 


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Medicinische Woche 


Ocatocbmaaii, A. Dfihnieo, A. Hofft, E. Jacobi, 

HAmburs. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bt. 

H. Senator, R. Sommer, 

Berlin. Qietsen. 


Herausgegebeo von 


R. Kobert. M. Koeppen, K. Partich. H. Roiin, H. Scblan«. 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover 

H. Unverrlcht, A. Voiiias, 

Magdeburg, Glessen. 



Verleg und Expedition 

Carl Marhold ln Halle a. S.« Uhlandsfnuse 6. 

lel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 

^ ■ ■ ,1 - - .1 


Redaktion: 

Berlin W. 62* KorMrstenstmese 81. 

Dr. P Meißner. 

-::::::- j 


Vn. Jahrgang. 

17. Dezember 1906. 

Nr. 51. 


...---- ... m.. ....asiKcu uaiiicviv{(isviic vciiiraixciiuilgy urgsn des schwartwaldbsdertages, 

des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrite der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 PI. Bestellungen nehmen iede 
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold ln Hall e a. S. entgegen. Inserate werden für die 4gespaltene Petitzelle oder deren Raum 
mit SO Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröBeren Aufträgen wird Rabatt gewährt 
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet 


Originalien. 


Ernst von Bergmann. 

Zu des Meisters siebzigsten Geburtstage 
am 16. Dezember 1900. 

Von Dr. med. Hermann Engel, Berlin. 

Ein heller Wintertag war es, der 16. Dezember 1836, als 
die Kirchenglocken Rigas es in die Welt hinausklangen, dass 
dem V. Bergmannschen Hause ein 
Sohn, Ernst, geboren sei, dessen 
Leben und Wirken der Mitwelt ein 
reicher Segen werden sollte. Erst 
achtzehnjährig, bezog der frische, 
fröhlich dreinblickende Student die 
Hochschule Dorpat, deren Lehrstuhl 
er selbst dereinst zu zieren berufen 
war. Am 13. November 1860 promo¬ 
vierte er mit einer Dissertation: „De 
balsamo copaivae cubebarumque in 
nrinam transitu“ znm Doctor der 
Medicio und wurde bald darauf, 
seinen Neigungen und seiner glän¬ 
zenden Veranlagung folgend, Assis¬ 
tent an der dortigen chirurgischen 
Universitätsklinik, die sich abwech¬ 
selnd der Leitung eines v. A dclmann 
und eines v. Oettingen erfreute. 

Im Jahre 1864 durfte sich der junge 
Gelehrte auf Grund einer Arbeit 
„UeberFettembolie“ als Privatdozent 
habilitieren. Seinem ungostümen 
Wissensdrange konnte das Unter¬ 
richtsmaterial der heimatlichen Hoch¬ 
schule nicht genügen, und so begab 
er sieb auf Reisen zu weiteren Studien 
nach Berlin und Wien, das damals 
die Hochburg der medicinischen 
Wissenschaften bedeutete. Da ent¬ 
zündete das Jahr 1866 die Kriegs¬ 
fackel zwischen Preussen und Oester¬ 
reich; stracks eilte der junge Chirurg 
auf den Kriegsschauplatz, wo er unter Leitung des Königsberger 
Professors und Generalarztes Wagner zu Königinhof an den 
zahlreichen Verwundeten erwünschte Gelegenheit fand, den im 
chirurgischen Sehen bereits geübten Blick zu weiten. Hier 
schaffte er das Fundament zu dem stolzen Gebäude seiner 
Kriegschimrgie, deren unbegrenzte Vorzüge sich erst jüngst 
im südafrikanischen Kriege, im russisch-japanischen Kriege 


und bei unseren Kämpfen in China und Südwestafrika in 
deutlichster Weise bewährt haben. Der deutsch-französische 
Krieg fand unseren v. Bergmann auf den Schlachtfeldern 
von Weissenburg und Wörth, sowie in den Kriegslazaretten 
in Mannheim und Karlsruhe, wo er zu Volkmann und Bill- 
roth in nahe Beziehungen trat. 

Der Ruf seines unvergleichlichen Könnens war ihm nach 
Dorpat voraufgeeilt, und so war es nur natürlich, dass ihm 
die Nachfolge v. Adelmanns im chirurgischen Ordinariat zu 
Dorpat übertragen wurde. Das freundschaftliche Band zu dem 
eliebten Lehrer wurde noch inniger gestaltet durch die Ehe mit 
essen Tochter, der es ein früher Tod missgönnte, die unauf¬ 
haltsam aufsteigende Ruhmesbahn des Gatten zn verfolgen. 

Derrussisch-türkisebe Krieg im Jahre 
1877 entführte ihn wieder seiner 
Lehrtätigkeit und bannte ihn als kon¬ 
sultierenden Chirurgen der Donaii- 
armee an das Hauptquartier des 
Grossfürsten Nikolai Nikolajewitsch. 
Mit seiner fast Wunder wirkenden 
ärztlichen Tätigkeit, der auch hier 
manches schon verloren gegebene 
Menschenleben seine Wiederher¬ 
stellung verdankte, verband er die 
wissenschaftliche der streng objek¬ 
tiven Beurteilung des Wund Verlaufes, 
und es ist allgemein bekannt, dass 
wir in der angestrengten Arbeit dieser 
Zeit den Keim der aseptischen Wund¬ 
behandlung zu begrüssen haben. 
In der pathologisch-anatomischen 
Sammlung der chirurgischen Uni¬ 
versitätsklinik zu Berlin befinden sich 
Geschosse, die v. Bergmann wäh¬ 
rend dieses Krieges ans den Körpern 
Verwundeter mit glänzendem Erfolge 
entfernt hat, und wer diese mnssigen, 
scharfkantig und unregelmäßig ge¬ 
formten Bleiklumpen sieht, kann sich 
eine Vorstellung machen von der 
verheerenden Wirkung, die diese 
mörderischen Geschosse auf den 
menschlichen Körper ausüben muss¬ 
ten; er gedenkt aber auch voller 
Bewunderung der gesegneten helfen¬ 
den Hand, die diese Schäden mit 
den Mitteln der damaligen Zeit zu heilen vermochte. 

Wieder verbreitete sich der Ruhm seiner grossen Kunst, 
und Petersburg, Kiew und Würzburg bestrebten sich, den 
Chirurgen v. Bergmann in ihre Mauern zu ziehen. Er ent¬ 
schied sich für Würzburg, wohin er am 15. April 1878 als 
Nachfolger Linhardts zog. Nur vier Jahre sollte er hier 
weilen. Als im Jahre 1882 v. Langenbeck die Leitung der 



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554 


WOCfifi. 


Nr. 51. 


chirur^ischeD Universitätsklinik zu Berlin niederlegte, da war 
es V. Bergmann, der allein würdig schien, den von dem Alt¬ 
meister der Chirurgie verlassenen Platz auszufüllen. 

Zu zahlreichen Ordensauszeichnungen trat im Jahre 1877 
die Ernennung zum k. russ. wirklichen Staatsrat. In Würzburg 
wurde er Bayerischer Generalarzt, um 1882 als Generalarzt 
ä la suite der Armee mit dem Range eines Generalmajors in 
das Königlich preussische Sanitätskorps übernommen zu werden. 
Gleichzeitig wurde er Geh. Medicinalrat. Im Jahre 1901 wurde 
er Wirkl. Geh. Medicinalrat mit dem Titel Exzellenz. 1905 
wurde v. Bergmann durch den König in das preussische 
Herrenhaus berufen. Er ist Ehrenmitglied der Kaiserlich 
russischen medico-chirurgischen Akademie, Ehrenpräsident der 
Berliner medicinischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der chirur¬ 
gischen Gesellschaft Nord-Amerikas, der Londoner klinischen 
Gesellschaft, der schwedischen Akademie in Gothenburg und 
zahlreicher anderer gelehrter Körperschaften der verschieden¬ 
sten Nationen. 

Was V. Bergmann in der Gehirnchirurgie und als Vater 
der Asepsis geleistet hat gehört der Geschichte an. Von seinen 
zahlreichen wissenschaftli^en Arbeiten sei hier nur eine An¬ 
zahl wiedergegeben: Die Lepra in Livland (Petersburg 1867). 

— Das putride Gift (Dorpat 1868). — Die Fieber und Ent¬ 
zündung erregenden Wirkungen der Produkte des fauligen und 
entzündlichen Gewebszerfalls (Petersburger medicin. Wochen¬ 
schrift). — Das Sepsin (Zentralblatt für die medicin. Wissen¬ 
schaften, 1868). — Zur Lehre von der putriden Intoxikation 
(Zeitschrift für Chirurgie, 1872). — Die gegenwärtigen Forsch¬ 
ungen in der Krebslehre (Rede zum Stiftungsfest der Dorpater 
Universität, 1876). — Die Lehre von den Kopfverletzungen 
(Deutsche Chirurgie, 1881). — Ueber die Endresultate der 
Gelenkresektionen im Kriege. — Die Behandlung der Schoss 
wunden des Kniegelenks im Kriege. — Die Fermentintoxikation 
(gemeinsam mit v. Angerer, Festschrift zum 300jährigen 
Jubiläum der Universität Würzburg. 1882). — Die Unterbin¬ 
dung der Vena femoralis. — Die Krankheiten der Lymph- 
driison. — Die Schicksale der Transfusion im letzten Dezen¬ 
nium (Berlin 1883). — Ein Vorschlag zur Behandlung ver¬ 
alteter Querbrüche der patella (Berlin 1887). — Ueber einige 
Fortschritte in der Hirnchirurgie (Berlin 1895). — Die anti¬ 
septische Wundbehandlung in der Königl. chirurg. Universitäts- 
Klinik zu Berlin (Klinisches Jahrbuch, I). — Ueber den Him- 
druck. — Statistik der Krebse und Krebsheilungen. — Die 
Operation des widernatürlichen Afters. — Ueber Nierenexstir¬ 
pationen. — Ueber Echinococcen der langen Röhrenknochen. 

— Die chirurgische Behandlung von Hirnkrankheiten. — Ueber 
den Oesophagusdivortikel und seine Behandlung. — Reposition 


Feuilleton. 


Aus feindlichen Lagern. 

Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung. 

Von Oberstabsarzt Dr. Neutnailll-Bromberg. 

(Fortsetzung.) 

Wenn er in diesem Artikel z. B. einen Satz aus dem Pro¬ 
gramm des Deutschen Vereins für Volkshygiene, an dessen Spitze 
jetzt der GeheimeObermedicinalrat Dr. Schmidtmann-Berlin 
steht, zitiert: „Schon längst hätten wir, die berufenen Vertreter 
der praktischen Medicin in enge Fühlung mit dem Laientum 
treten müssen, um Aufklärung und Belehrung in sanitärer Be¬ 
ziehung zu bringen“, so de(^t sich dieses Bekenntnis, das 
nostra culpa etwas verabsäumt worden ist, durchaus mit den 
Wünschen unserer Feinde, der Naturheiler. Aber si duo faci- 
unt idem, non est idem; es ist nicht gleichgültig, von wem 
das Volk aufgeklärt wird. 

Ist eine hygienische Belehrung des Volkes überhaupt not- 
w’endig, so soll nicht der Laie in Gestalt des ärztefeindlichen 
Naturheilers, der gegen die staatlichen Gesundheitsgesetze, 


des Inxierten Talus von einem Schnitte aus. — Zur Kasuistik 
der arthrogenen Kieferklemme. — Zur Kasuistik der Leber- 
chirurgie. — Anleitende Vorlesungen zum Operationskurs. — 
Die Diagnose der Meningitis. — Himverletznogen mit lokalen 
und allgemeinen Symptomen. — Die tuberkulöse Entzündung 
der oberen Halswirbel. — Die Behandlung des Lupus mit 
Tuberculin. 

Zahlreich sind seine kasuistischen Mitteilungen in den ver¬ 
schiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften, so über blaue 
Schweisse, akute Osteomyelitis, cartilaginöse Exostosen, infek¬ 
tiöse Pneumonie, Anheilung völlig gelöster Knochensplitter, 
Kehlkopfexstirpationen, erste Anwendung der Sublimatlösungen 
und Sublimatverbände in der Chirurgie, Durchstichfrakturen, 
Trepanationen. Auch seine Diskussionsreden auf wissenschaft¬ 
lichen Kongressen bilden eine schier unerschöpfliche Fund¬ 
grube ärztlichen Wissens. Ein Teil seiner und seiner Schüler 
Arbeiten ist in dem umfangreichen Werke: „Arbeiten aus der 
chirurgischen Klinik der Königlichen Universitäten Berlin“ 
niedergelegt. Mit v. Bruns und v. Mikulicz-Radecki gab 
er das klassische „Handbuch der praktischen Chirurgie“ 
heraus, das heute in III. Auflage erscheint v. Bergmann 
redigiert die „Volkmannsehen Vorträge“ mit Erb nnd 
V. Winckel, das „Zentralblatt für Chirurgie“ mitKoenig und 
Richter, mit Körte das „Archiv für klinische Chirurgie“, 
mit V. ßrnns die „Deutsche Chirurgie“. 

Was alle seine Arbeiten in höchstem Grade schmückt, 
das ist die erschöpfende Gründlichkeit und helllenchtende Klar¬ 
heit, mit der jeder Stoff behandelt ist. Hierzu gesellt sich 
eine seltene und ungewöhnliche Schönheit der Sprache, die 
das Stadium seiner Arbeiten zu einem ebenso belehrenden 
wie genussreichen stempelt. Geradezu klassisch sind seine 
Reden, sei es eine Gedäentoisrede auf einen Dahingeschiedenen, 
sei es ein launiger Toast bei frohen Festen, Reden, die den 
Zuhörer schon durch den Klang seiner Stimme gefangen, 
nehmen und ihn durch den begeistert vorgetragenen und oe- 
geistemden Inhalt unwiderstehlich mit sich fortreissen. 

Schon das Maß der oben z. T. angegebenen Arbeiten ist 
geeignet, das Leben eines arbeitsamen Mannes vollständig aus> 
zufüilen. Welche ungemessenen nnd vielseitigen Obll^en- 
heiten hat unser Jubilar, dessen 70. Geburtstag jetzt die Welt, 
nicht nur die wissenschaftliche, feiert, von jeher zu erfüllen 
gehabt. 

Da ist zunächst die Leitung der chirurgischen Universi¬ 
tätsklinik und Poliklinik. Erstaunlich ist das Gedächtnis des 
Meisters für jeden Fall, der auf der Abteilung liegt, erstaun¬ 
lich die Sicherheit, mit der er sich erinnert, was in denn 
betreffenden Semester den Studierenden bereits vorgestellt wurde 

gegen die Impfung, gegen die Sernmtherapie, gegen die bakte¬ 
riologischen Grundsätze bewusst und agitatorisch hetzt, diese 
geben, sondern der berufene Fachmann, der Arzt, als hygie¬ 
nischer Lehrer and Erzieher seines Volkes I Das ist seine 
Aufgabe. 

Die hygienische Aufklärn^ und das Verlangen nach: ihr 
liegt im kulturellen Zuge der ^it; das hygienis^e Interesse 
in die richtigen, natürlichen Bahnen lenken, ist unsere, der 
Aerzte Aufgabe: ist unsere Kultaraufgabe! 

Ich stelle fest, zu behaupten, dass die Ziele, die der 
Deutsche Verein für Volkshygiene, als der berufene Vertreter 
anf diesem Gebiete, die richtigen sind: Aufklärung, lediglich 
durch approbierte Aerzte, H^ten von Lehrvorträgen, ohne 
Laiendebatte, Vermeidung des Besprechens der Therapie, An¬ 
schluss der örtlichen Aerztevereine als korporative Mitglieder 
des Deutschen Vereins für Volkshj^giene, weil dadurch das 
Odium wegfällt, als halte der einzelne Arzt lediglich der 
Reklame halber ärztlich-populäre Vorträge. 

ln solchem Geiste geleitete Zweigvereine des Deutschen 
Vereins für Volkshygiene sind ein Bollwerk gegen die soge¬ 
nannten Naturheilvereine. 

Wenn man mit kritischem Auge die Naturheilliteratur be¬ 
trachtet, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass sie ihre Spalten 
zum Teil mit persönlichem Gezänk füllt. Von Interesse ist es, 
dass keineswegs Einigkeit im Natnrheillager herrscht So'b«- 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


555 


QDd was noch demonstriert werden muss, um den Lernenden 
einen möglichst abgeschlossenen Ueberblick über den jeweiligen 
Stand der Chirurgie und ihre Leistungsfähigkeit in dem engen 
fiahmen eines klinischen Semesters zu verschaffen. Wie ne- 
fruchtend wirkt sein Wissen und Können auf seine nähere 
Umgebung, auf den Stab seiner Assistenten! Bald hilft er 
dem über das Mikroskop Gebeugten in der Deutung schwieriger 
Präparate, dem teilt er eine neue originelle Idee für eine ex- 
penmentelle Arbeit mit, jenem hilft er in der Ergründung 
eines seltenen und schwer zu deutenden Krankheitsbildcs; dem 
jungen Arzte, der seine erste grössere klinische Operation 
amXebenden unternimmt, leistet er selbst geduldig und be¬ 
ratend Assistenz. Für jeden Patienten hat er ein sorgsames 
und treu wachendes Auge, für den Schwerkranken ein liebe¬ 
volles aufrichtendes Wort des Trostes. Täglich von 2—4 Uhr 
hält er in dem dicht gefüllten Auditorium die Klinik ab, und 
für jeden, der zu seinen Füssen als Lernender gesessen hat, 
bedeutet noch im späteren Leben die Erinnerung an jene 
Stunden eine Quelle reinster Freude. Hierzu tritt eine um¬ 
fangreiche Privatpraxis, die ebenfalls einen grossen Teil des 
Tages durch Operationen, Besuche und Konsultationen in An¬ 
spruch nimmt. Eine Praxis, wie sie ein zweites Mal in der 
Welt nickt zu finden ist. Zu seiner Klientel gehören Kaiser 
und Könige wie die einfache Frau aus dem Volke, die von 
dem Rnhm des Meisters hörte und durch seine stets hilfs¬ 
bereite Hand Behebung ihrer Leiden erhofft. 

Unvergessen ist die Zeit, da Ernst v. Bergmann dem 
unglücklichen Kaiser Friedrich seine Kunst lieh, wie er als 
erster die richtige Diagnose auf Carcinoma laryngis stellte, zu 
einer Zeit, da die von ihm geplante Operation noch Rettung 
versprach. Wir begrüssten im Jahre 1896 einen Fabrikbesitzer 
aus St Petersburg, dem der Meister durch eine im Jahre 1886, 
also 10 Jahre vorher, vorgenommene Totalexstirpation des 
carcinomatös erkrankten Kehlkopfes das Leben bewahrt hatte. 
Und dieser Fall war so weit vorgeschritten, dass dem Patienten 
bei seiner Abreise ans Petersburg wegen Erstickungsgefahr die 
Tracheotomie gemacht werden musste. Leider vermochte der 
Einfluss einer englischen Autorität — Mackenzie — die von 
V. Bergmann bei dem kaiserlichen Dulder für dringend er¬ 
achtete Operation hinauszuschieben, bis es zu spät war. Es 

S ehört die gigantische Natur und der unbeugsame Geist unseres 
leisters dazu, um alle die gehässigen und hämischen Eifer¬ 
süchteleien zu vertr^en, die der in der Wahl seiner Mittel 
völlig bedenkenfreie Engländer in Szene setzte, um unbe¬ 
kümmert durch all den Schmutz zu waten, mit dem ihn, den 
hervorragenden deutschen Arzt, ein Teil der sogenannten deut¬ 
schen Tagesblätter bewarf. Der Fackelzug, den ihm s. Z. 


kämpfen z. B. die von Max König-Hannover redigierten Reform¬ 
blätter, ein illustriertes Monatsblatt für alle hygienischen Re¬ 
formen, sehr energisch den „Naturarzt“, vor allem den be¬ 
rühmten Herrn Gerling. 

Die letzte Hauptversammlung des Vereins der Naturbeil¬ 
kundigen, die Anfang September in Leipzig tagte, stellte den 
„Reformblättem“ zufolge u. a. folgende Leitsätze auf: 

Die Gleichberechtigung der Mitglieder des Deutschen 
Vereins der Naturheilkundigen mit allen Mitgliedern und 
Aerzten im Vereins wesen des Deutschen Bundes ist fest- 
znstellen. 

Ferner: 

Die Natnrheilkundigen sind die Vertreter der fortschritt¬ 
lichen Heilkunde und alleinigen Verfechter der Knrierfrei- 
heit. 

Den Naturheilvogel in der Literatur schiesst aber Herr 
Spohr, Oberst a. D., ab. Im „Naturarzt“ schreibt er im Jahre 
1904 Heft 9 u. ff. am Schluss wörtlich folgendes: 

„Die heutige Medicin stellt eine Wissenschaft und 
Kunst der verwegensten und heillosesten Flickschneiderei 
dar, ein System, dem, wenn es nicht schon in allen Jahr¬ 
hunderten, namentlich aber in neuester Zeit, auf den 
energischsten aktiven und passiven Widerstand der noch 
nicht ganz verdummten Laienwelt gestossen wäre, die 


die Berliner Studentenschaft darbrachte, hat dem zu Unrecht 
in erbärmlicher Weise Geschmähten einen Beweis des uner¬ 
schütterten Vertrauens seitens der deutschen Intelligenz gegeben. 

Diese ausgedehnte Klientel zwingt den gesuchten Retter heute 
zu einer Konsultation nach Moskau zu reisen, um in kurzer 
Zeit in Madrid zu operieren, oder der erkrankten Tochter des 
Sultans am Bosporus seine Hülfe angedeihen zu lassen. Zu 
den Reisen selbst wird hauptsächlich die Nacht verwandt, da 
die Tageszeit, die dem wirklichen Schaffen gehört, hierfür zu 
kostbar ist. Auf die Frage, ob denn diese ausgedehnten Reisen 
nicht zu strapaziös seien, erklärte er einst, dass dies die ein¬ 
zige Gelegenheit sei, ungestört zu denken und zu arbeiten, da 
ihn im Eisenbahnwagen niemand abrnfen und stören könne. 
Für ihn bedeutet Arbeit Erholung, und so sahen wir ihn seine 
Besuche bei seinen Patienten morgens um 6 Uhr beginnen, 
wenn die Zahl der Kranken in der Stadt Qine gar zu hohe 
geworden ist, oder die Sitzungen der wissenschaftlichen Depu¬ 
tation für das Medicinalwesen, oder andere dringende Kome- 
renzen einige Tagesstunden in Anspruch nahmen. Zu seiner, 
den Kranken und dem Lehren gewidmeten Tätigkeit tritt noch 
die Vorbereitung der Sitzungen der Berliner medicinischen 
Gesellschaft, die er nach Virchows Tode leitet, und die um¬ 
fangreiche literarische Betätigung, die wir oben skizzierten. 

Der Grundzug seines Wesens ist Vornehmheit, mit der 
sich eine natürliche bestrickende Liebenswürdigkeit und reich¬ 
licher Sinn für Humor verbindet. Seine imponierende Er¬ 
scheinung, sein Fühlen und Handeln prägt sich in geradezu 
bezaubernder Weise allen denen ein, die das grosse Glück 
hatten, ihm in der Arbeit oder im täglichen Leben näher zu 
treten. Ihn trägt das Vertrauen seines Königs, der unausge¬ 
setzt darauf sinnt, dem von ihm dankbar verehrten Manne 
Aufmerksamkeiten zu erweisen und ihn auszuzeichnen. Zahl¬ 
reiche Bilder mit persönlichen Widmungen des Monarchen 
schmücken v. Bergmanns Arbeitszimmer; eine hohe Lieb¬ 
lingspalme, die im Sommer seinen Garten ziert, wird auf Be¬ 
fehl des Kaisers den Winter über in den kaiserlichen Gewächs¬ 
häusern gepfle gt. Als der Kaiser sich vor lauerer Zeit eine 
Cyste an der Wange von der kunstgetibten Hand v. Berg¬ 
manns exstirpieren Hess, brachten die Tagesblätter Betracm- 
tungen über die Gefahr unbeabsichtigter Facialisdurchtrennung 
bei diesem Eingriff, die dem Herrscher natürlich zu Gesicht 
kamen. Er fragte daher seinen Helfer, welche Bedeutung der 
Facialis habe und welche Wirkung seine Durchschneidung 
hervorbringe. Als die Antwort lautete, dass die Verletzung 
eine entst^lende Lähmung des Gesichtes bewirke, sagte der 
Kaiser lächelnd: Dann wäre ich Ihnen aber höchst böse geworden, 
mein lieber Geheimrai Ja, das habe ich eben befürchtet, 

zivilisierten Völker der Erde schon längst zum Opfer ge¬ 
fallen sein würden.“ 

So sagt Spohr, der vielgewandte Apostel der Aufklärung! 

In seiner Schrift „Die Naturheilkunde und ihre Gegner“, 
Betrachtungen über Wesen und Ursachen der Krankheiten, 
über Bakteriologie und Biologie, kommt dieser fruchtbarste 
aller Naturheilapostel, der seine Expektorationen vor allem in 
der Zeitschrift: „Deutsche Warte“ niederl^, zu folgendem, 
für uns Aerzte total niederschmetterndem Ergebnis: Er sagt, 
nachdem er sich in laienhaftem Gewände ohne jede wissen¬ 
schaftliche Unterlage Über die Wertlosigkeit der Diagnose, 
der Bakteriologie, des Serums, der Impfung sattsam ausge¬ 
sprochen, dass es der Aufklärungsarbeit der Reform, der Natur¬ 
heilkunde gelingen werde, dem Giftbeilmittelaberglauben ein 
völliges Ende zu bereiten. 

Meine Schrift, sagt er am Schlüsse des Buches (Leipzig 
1905, Verlag Karl Lentze), wird einen Erfolg sicher haben, sie 
wird dem Verfasser „die grimmigste Feindschaft zahlreicher 
bazillenfürchtiger Laien und bazillensüchtiger Charlatane zu¬ 
ziehen“. (Schloss folgt.) 


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556 


MEDICINISCHB WOCHE. 


Nr. 51. 


antwortete dieser heiter, und deswegen habe ich ihn so sorgfältig 
geschont. 

Einen Mann, dessen kostbare Zeit so gemessen ist, kann 
nichts so in den Harnisch bringen, als wenn er mit mtissigen 
Fragen belästigt wird. So war er wegen einer Bagatelle als 
Sachverständiger vor Gericht geladen und der Vorsitzende 
war unerschöpflich im Stellen von zwecklosen Fragen, die der 
Sache in keiner Weise dienten. „Ein Vorsitzender kann mehr 
fragen, als zehn Sachverständige beantworten“, schloss von B. 
seine Aussagen, worauf der Fragesteller verstummte. Als ihn 
eine Behörde unter Hinweis auf bureaukratische Vorschriften 
und Gesetzesregeln mit allen möglichen Anfragen bestürmte, 
schrieb er unter eine Antwort: „Vernunft wird Unsinn, Wohl¬ 
tat Plage“ und weitere Anfragen unterblieben. 

Unvergessen ist die ritterliche Art, mit der v. Bergmann 
im Jahre 1806 vor dem Gericht zu Braunschweig als Sachver¬ 
ständiger für den unglücklichen Chirurgen Seidel seine Lanze ein¬ 
legte, und allbekannt ist es, wie er durch den Vorwurf an¬ 
geblich gemachter Kunstfehler bedrängte Aerzte mit der Wucht 
seiner Autorität zu schützen weiss, Dass ihm, dem auf der 
Höhe ärztlichen Ansehens stehenden, ein unvergleichlich kolle¬ 
gialer Sinn innewohnt, das erkennt man aus seiner Zugehörig¬ 
keit zur Berliner Aerztekammer, an deren Sitzungen der Viel¬ 
beschäftigte teilnimnit, um seinen Kollegen auch auf anderem, 
als nur wissenschaftlichem Gebiete, ein liebevoller Förderer zu 
sein. Der Drang, der Aerzteschaft zu helfen und sie vor 
materiellen Schäden zu bewahren, veranlasste ihn im Jahre 
1897 zur Gründung der Berliner Rettungsgesellschaft, die sein 
Organisationstalent zur höchsten Blüte und allseitiger An¬ 
erkennung brachte. Dass er seinen Assistenten ein fürsorg¬ 
licher väterlicher Freund auch in Fragen des täglichen Lebens 
ist, erscheint hiernach selbstverständlich. 

Neben dieser umfangreichen Tätigkeit findet er aber doch 
noch Zeit, sich in seinem Hause, das die fein- und kunstsinnige 
Gattin, geborene v. Porbeck, für ihn zu einem Erquickung 
spendenden Born zu gestalten wei.ss, seiner Familie und seinen 
Freunden in fröhlicher Geselligkeit zu widmen. Zwei blühende 
Töchter führten ihm Offiziere als Schwiegersöhne ins Haus, 
und sein Sohn, der sich auf dem Gebiete der inneren Medicin 
Lorbeem zu holen anschickt, brachte eine liebliche Rheinlands- 
tochter als Gattin zu den Eltern. 

Alle Welt wetteifert heute, dem allverehrten Meister ihren 
Dank abzustatten, und schier unmöglich erscheint es, für ihn 
noch neue äussere Ehren zu ersinnen. Auf ihn erfleht die 
zitternde Hand der Greisin, der er den Sohn errettete, des 
Himmels Segen herab, für ihn steigen aus dem Herzen des 
Kindes, dem er den Vater wiedergab, dankerfüllte Gebete zu 
Gott. Er selbst — aliis inserviendo cunsiiinitur — sieht seinen 
Lohn in der Mühe und Arbeit, die nach seiner Auffassung es 
allein sein muss, wenn das Leben köstlich sein soll. 

Heil, Ernst v. Bergmann! 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medicinUclie Gesellschaft. 

Sitzung vom 28. November 1906. 

Vor der Tagesordnung; 

Ilosenstein demonstriert eine Patientin, bei der nach Ent¬ 
fernung der einen Niere Steinbildung in der gebliebenen zu Uraemie 
führte. Die Steine — 32 an der Zahl, aus Cystin bestehend — 
wurden durch Nephrotomie entfernt, nur so gelang es, das noch 
voihaudene Nierenparenchym zu retten. 

von Bergmann zeigt einen Fall von Zwergbildung. 

Joseph stellt einige Fülle von Nasenplastiken vor. Eine 
starke Höckerbildung durch Hypertrophie des viereckigen Knorpels 
hat er beseitigt durch endonasale Resektion des Knorpels, eine 
angeborene Sattelnase durch endonasale Transplantation eines 


Tibiastückea und eine erworbene Sattelnase durch Verpflanzung 
eines resezierten Knorpelstücks. 

Cohn zeigt eine Patientin mit einem Primäraffekt der 
Mamma und einem zweiten, später entstandenen, anf dieselbe In¬ 
fektionsquelle zurückzuführenden Primäraffekt an der Lippe. 

Tagesordnung: 

Stadelmann: lieber Acocanthera Schimperi als 
Mittel bei Herzkrankheiten. 

Auf den Vorschlag Lewin s bat St. das Mittel in Anwendung 
gezogen. Von dem Holz wurde ein Infus hergestellt 1,0—1,5:160,0 
Aqua, 30,0 Sirup, 10 aq. Menth, piperit. Davon wurden 4—5 
Flaschen verbraucht. Der bittere Geschmack wurde öfters unan¬ 
genehm empfunden, vereinzelt zwang Erbrechen zum Aussetzen. 
29 Fälle, die sich bezogen auf Nephritis mit Herzschwäche, Arterio¬ 
sklerose, Aorten- und Mitralinsuffizienzen, Myocarditis, Vitium 
complicatura wurden so behandelt. Die Erfolge waren nicht gleich¬ 
mäßig; keine, mäßige, ausgezeichnete Wirkung wechselten in den 
verschiedenen Fällen. Bei Aorteninsuffizienz zeigte sich keine 
Bessernng des Pulses, bei Mitralfehlern wurde derselbe günstig 
beeinflusst, aber nicht regelmäßig. Auch der Blutdruck blieb oft unbe¬ 
einflusst, gelegentlich setzte eine Steigerung ein, bisweilen wurde 
aber auch eine Senkung beobachtet Eine Einwirkung auf den Puls 
wurde nach sehr verschiedenen Quantitäten des Mittels beobachtet. 
Eine Vermehrung der Urinmenge blieb öfters aus; häufig war sie 
eine sehr reichliche, manchmal überraschend schneU, schon bei der 
ersten Flasche einsetzend. Damit einhergehend war die vorzüg¬ 
liche Besserung des Allgemeinbefindens, Schwinden der Oedeme, 
Cyanose, Dyspnoe; und zwar trat diese gelegentlich auch in 
Fällen ein, wo eine Regulierung des Pulses nicht erfolgt war. 
Auszüge aus einzelnen Krankengeschichten illustrieren den Verlauf 
der Behandlung. Im ganzen ist die Wirkung der Acocanthera 
der der Digitalis, auch in ihrer Unregelmäßigkeit, an die Seite 
zu setzen; manchmal wirkt die eine, manchmal die andere besser. 
Auf jeden Fall ist die Acocanthera ein schätzenswertes Herzmittel, 
das weitere Anwendung verdient. Das Holz behält lange seine 
Wirksamkeit, das für die Versuche benutzte hatte jahrelang ge¬ 
lagert ; es eignet sich deshalb für den Import. In der langen 
Haltbarkeit liegt ein wesentlicher Vorzug gegenüber der Digitalis. 
St. hat dann weiter Versuche mit der wirksamen Substanz der 
Acocanthera, dem Ouabain, angestellt, das sehr leicht löslich ist. 
Es wurden von einer Lösung 0,003:10,0 subkutane Injektionen ge¬ 
macht und schon nach 3—4 Injektionen bemerkenswerte Erfolge 
erzielt. Wegen Mangels an Material konnten die Versuche nicht 
fortgesetzt werden; sie verdienen aber umsomehr eine Erweiterung, 
als keinerlei lokale Reizwirkung der Injektionen sich einstellte. 

Diskussion: 

Brieger verweist darauf, dass es verschiedene Acocanthera- 
arten gibt und ebenso verschiedene Ouabaine. Er bezweifelt die 
Reinheit des Lewinschen Präparats and hält es für bedenklich, 
mit amorphen Substanzen, die nicht wie die kristallinischen genau 
charakterisiert und dosierbar sind, klinische Versuche anznstellen. 

Bickel berichtet über Tierversuche mit Ouabain. 

Lewin: Schlusswort: Er weist energisch die von Brieger 
geäusserten Bedenken zurück. P. 


Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur. 

Sitzung vom 12. Oktober 1906. 

Vorsitzender: Uhthoff, Schriftführer: Strümpell. 

Rosenfeld: Hauttalg und Diät: 

Die bisherigen Versuche von Krukenberg und Leubnscher 
Uber die Menge des täglich aasgeschiedenen Hauttalges konnten 
nickt befriedigen, da von dem untersuchten Flächenranm von 
4 qcm auf die 16000 qcm betragende Gesamtoberfläche geschlossen 
werden musste. Es kamen dabei auch unwahrscheinliche Zahlen 
von über 40 g p. d. heraus. R. ging nun so vor, dass er den 
Versuchsmenschen WoUwäsche tragen Hess, die während einer 
ganzen Beobachtungsreihe nicht gewechselt wurde. Dann wurde 
durch Extrahieren die Menge des aufgesogenen Hauttalges fest¬ 
gestellt. Es wurde dabei auch untersucht, in welcher Weise die 
Qualität der Nahrung auf die Talgmenge von Einfluss ist. Das 
Ergebnis war folgendes: Bei viel Fett und wenig Kohlehydrat 


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1906. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


657 


betrag die tägliche Menge 0,9i g, bei wenig Fett und viel 
Koiüehjdrat 2,3 g. Daraufhin wurden auch bei 2 Diabetikern 
Versuchsreihen angestellt und fast identische Zahlen (0,95 und 
1,1 p. d.) gefunden. R. nimmt an, dass die Kohlehydrate direkt 
in Hauttalg nmgewandelt werden. Personen, die wenig Kohle¬ 
hydrat oxydieren (Diabetiker) haben daher wenig Hauttalg, und 
da dieser als Schutzvorrichtung der Haut anzusprechen ist, wird 
die Neigung zu Fnrunkelbildung verständlich. Auch bei Brom- 
gebrauch sinkt die Talgausscheidung, und es entsteht Acne. Bei 
Entfettungskuren mit vermehrter Koblehydrat-Zuiuhr verschwindet 
die vorher bestehende Acne und Furunculosis. Bei Fettmast ent¬ 
steht Furunculose; ebenso bei Kindern mit fettreicher Nahrung, 
and zwar nach Annahme des Vortragenden durch Verminderung 
des Hauttalges. 

An der Diskussion beteiligten sich ROhmann und 
Neisser. 

U h t h o f f demonstriert Abbildungen von doppelseitig in mul¬ 
tiplen Herden auftretenden Metastasen von Cardnom der Aderhaut. 

Pe ritz. 


Kongressbericht. 

79« Versammlung dewtseher Naturftyrscher und 
Aerxte in Bhdtgart* 

Sektioa fhi innere Medioin, Chirurgie und Neurologie. 

Hr. Steinthal-Stuttgart stellt einen Patienten vor, bei dem 
die Palliativtrepanation gemacht worden ist. 37jähriger Mann, 
bei dem ohne vorausgegangene anderweitige Erkrankung am 
1. Mai d. J. eine Jacksonsche Epilepsie der linken Körperseite 
auftrat. Nach mehreren Anfällen blieb zunächst nur eine Läh¬ 
mung der linken Oberextremität und nach weiteren Anfällen eine 
Lähmung der linken unteren Elxtremität zurück. Keine Allgemein¬ 
symptome von Himdruck, speziell keine Stauungspapille. Zwei Tage 
nach letztem Anfall zunehmende Somnolenz, Sinken der Pulszahl, 
aach jetzt keine Stauungspapille. Wegen steter Verschlechterung 
des Allgemeinzustandes Trepanation über der rechten motorischen 
Region. Weder kortikal noch subkortikal Tumor gefunden, deshalb 
Schluss der Lücke unter Wegnahme des Knochenstückes. Am 
Abend des Operationstages kehrt das Bewusstsein wieder. Im 
Laufe der nächsten Wochen stete Besserung. Jetziger Zustand: 
darchaus normales psychisches Verhalten, von Hirnnerven nur noch 
im linken Facialis leichte Parese in sämtlichen Zweigen. Links¬ 
seitige zerebrale spastische Paralyse der oberen Extremität, an 
der unteren Extremität keine motorische oder sensible Störung, 
nur leichte Erhöhung der Sehnenreflexe, Babinski positiv. Opera¬ 
tion war indiziert durch die zunehmende Somnolenz und die vor- 
ansgegangene typische Jacksonsche Epilepsie. Ob der Tumor 
nur nicht gefunden wurde oder, ähnlich wie in den bekannten 
Fällen von Nonne, überhaupt nicht existiert, ist eine Frage der 
Zukunft. (Autoreferat.) 

Hr. Oppenheim-Berlin verliest zunächst Tür den durch 
Krankheit am Erstatten seines Referats verhinderten Geh. Rat 
Schultze-Bonn folgendes*von demselben eingesandte Resümee: 

„1. Von 97 Gehirntumoren wurden im ganzen 19 operiert: 

a) nur einmal wurde eine Heilung konstatiert, die ein 
paar Jahre nach der Operation noch festgestellt wurde, 
und zwar bei einem Kleinhimtumor; 

b) einmal wurde durch Ventrikelpunktion nach dem 
Neisserschen Verfahren eine sehr erhebliche Besser¬ 
ung erzielt, so dass Stauungspapille und starke Ambly¬ 
opie nebst Kopfschmerz schwanden. Diese Besserung 
dauerte etwa */4 Jahre, dann trat rasch der Exitus 
letalis ein; 

c) nur in wenigen Fällen wurde durch Palliativtrepanation 
eine monatelange Besserung erzielt. 

Das Ergebnis ist also leider trübe. 

2. Dagegen t wurden bei insgesamt elf Geschwülsten der 
Rückenmarkshaut vier völlige Heilungen und eine dauernde wesent¬ 
liche Besserung konstatiert. 


In den letzten vier noch nicht publizierten Fällen vmrde 
jedesmal der Tumor an der richtigen Stelle lokalisiert, war aber 
zweimal entgegen der Wahrscheinlichkeitsdiagnose maligner 
Natur, und lag ein drittes Mal so hoch am oberen Halsteil, dass 
der Operateur ihn nicht zu operieren wagte. Im vierten Falle 
folgte vollständige Heilung. In den beiden ersten Fällen wurde 
die Operation selbst gut Überstanden.“ (Fortsetzung folgt.) 

Gemeinsame Sitzung der Gruppe 16, Innere Hedioin etc., mit 
den Gruppen 17, 18, 19, 21, 24, 25, 27, 29, 31. 

Dienstag, den 18. September 1906. 

Vorsitzender: Herr Blaschko-Berlin. 

Hr. Neisser-Breslau: Ueber die Errungenschaften 
der modernen Syphilisforschung. 

Die Syphilisforschung war seit längerer Zeit insofern an einem 
toten Punkt angelangt, als man den Syphiliserreger nicht kannte 
und den Krankheitsverlauf nicht experimentell feststellen konnte. 
Metschnikoff und Roux stellten die Verwendbarkeit des Affen 
als Versuchstier fest. Die von Schaudinn gefundeneSpirochaete 
hält er mit Bestimmtheit für den Erreger der Syphilis. Wenn 
auch bei anderen Tieren, z. B. Kaninchen, die schon früher zu 
Versuchen verwandt wurden, Spirochaeten gefunden wurden, so 
sind doch die Affen das gegebene Versuchsobjekt. Han kann bei 
ihnen nicht nur mit dem syphilitischen Produkt Affensyphüis er¬ 
zeugen, sondern auch hereditäre S 3 ^hilis. Ein Unterschied zwischen 
der Virulenz primärer und sekundärer Produkte besteht nicht. Die 
höheren Affen sind empfänglicher für das Syphiliskontagium; sie 
können an jedem Teil des Körpers geimpft werden. Die niederen 
Affen nur an Lippen und wenigen anderen Körperteilen. Sub¬ 
kutane Impfung ist nicht möglich, auch intravenöse nicht, trotzdem 
die hereditäre Syphilis für ihre Möglichkeit spricht. Das Ergebnis 
ist wertvoll für die wissenschaftliche Diagnostik, weniger für die 
praktische. Wichtig ist es aber, wenn es sich um die Differential¬ 
diagnose zwischen frischer Infektion und tertiärer Form handelt, 
auch das Vorhandensein des Giftes im Körper na<;hzuweisen ist 
wichtig. Die Frage, wann Syphilis geheilt ist, wird erst nach 
Kenntnis der Schutzimpfung zu lösen sein. Nur die höheren 
Affen bekommen sekundäre allgemeine Syphilis, bei den niederen 
Affen, die anscheinend konstitutionell gesund sind, findet man das 
Gift in Nieren, Rücken- und ELiochenmark. Die Frage, wie schnell 
die Verseuchung eintrat, wurde damit beantwortet, dass innerhalb 
6 Stunden nach der Impfung vorgenoramene Entfernung des 
Primäraffekts allgemeine Infektion verhindert, bei nach 8 Stunden 
vorgenommener Excision trat Syphilis auf. Auf chemischem Wege, 
wie dies zuerst Metschnikoff versuchte, kann der Primäraffekt 
verhindert werden, aber nicht sicher. Bei scheinbar erfolgreicher 
Elxcision des Primäraffekts schliesse man daher nicht auf Heilung. 
Die lebenslängliche Immunität nach einmaliger Durchseuchung be¬ 
steht nicht; Personen, die nicht zum zweiten Mal infiziert werden, 
können Giftherde im Körper haben, die letzteren konstitutionell 
beeinflussen. Die Versuche, ein Serum zu gewinnen, haben noch 
kein Resultat gezeitigt. Das Quecksilber ist nicht entbehrlich, 
ebensowenig die Prophylaxe durch Aufklärung. 

Hr. Hoffmann-Berlin: Aetiologie der Syphilis. 

Redner schildert die mit Schaudinn nach einem gemein¬ 
samen Plan angestellten Versuche, welche zur Entdeckung der 
Spirochaete pallida durch Schaudinn führten, demonstriert die¬ 
selbe an zahlreichen Lichtbildern. Sie ist in allen Stadien der 
Sj'philis, auch bei hereditärer Syphilis zu finden, ihre Entwicklungs¬ 
geschichte ist aber noch iinbekannt. 


Qynaekologische Monatsschau. 

(Schloss.) 

Am Schlüsse einer das Thema „Tuberkulose und 
Schwangerschaft“ erörternden Ahandlung bespricht von 
Rosthorn die praktisch bedeutsame Frage der künstlichen Unter¬ 
brechung der Gravidität. Unter allen Umständen gibt er dem 
künstlichen Abort als dem weniger eingreifenden Verfahren den 


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558 


BQiDIClNISGHE WOCHS. 


Nr. 51. 


Vorzug vor der künstlichen Frühgeburt. Für diskutabel und be¬ 
rechtigt hält er den künstlichen Abort in folgenden Fällen: 

a) bei allen floriden, destruktiven, fieberhaften Prozessen, 
gleichzeitig ob frischeren oder älteren Datums, 

b) bei leichteren und selbst ganz leichten Prozessen, wenn 
Komplikationen vorliegen wie: Erkrankungen des Herzens, Er¬ 
krankungen des Urogenitalsjstems, Erkrankungen des Darmtraktus 
und namentlich Larynxtuberkulose, 

c) bei relativ geheilten Fällen dann, wenn trotz geeigneten, 
hygienisch-diätetischen Verhaltens ausgesprochene und fortschreitende 
Abmagerung eingetreten ist. 

Die Entscheidung über Berechtigung und Zeitpunkt des Ein¬ 
griffes soll im Einzelfalle, wenn möglich, von dem Gynaekologen 
im Verein mit einem auf dem Gebiet der Lungenkrankheiten er¬ 
fahrenen Internisten getrofien werden. 

Von praktischem Interesse sind auch zwei Arbeiten aus der 
Pathologie der Schwangerschaft, die eine von Gramer, der, 
fussend auf den neuen Forschungen über die Pathologie der 
Nephritis und eigenen sehr günstigen Erfahrungen für die Be¬ 
handlung des Hydrops graviditatis, vollkommene Entziehung 
des Kochsalzes in der Nahrung empfiehlt und die andere von 
Zickel, der auf die ev. Schwierigkeit der Diagnose der 
Pyelonephritis gravidarum hinweist. In dem von ihm 
beschriebenen Fall kam die Erkrankung unmittelbar vor dem 
Partus ohne Prodromalsymptome zum Ausbruch und verlief völlig 
unter dem Bilde einer puerperalen Sepsis ohne jegliche Symptome 
von seiten der Niere und Blase. Er rät deshalb, in schwer er¬ 
klärbaren Wochenbettsfieberfällen der Palpation der Nieren und 
der mikroskopischen Untersuchung des Urins erhöhte Aufmerk¬ 
samkeit zuzuwenden. 

In einem Aufsatz über „schmerzlose Geburtswehen“ 
beschreibt Bruno Wolff-Berlin einen interessanten Fall, dessen 
Eigenart darin bestand, dass die vollkommen gesunde — im 
speziellen keinerlei Nierenleiden aufweisende — Kreissende 
während einer ziemlich schweren, sich über zwei Tage hinzieben- 
den Entbindung überhaupt keinen Wehenschmerz empfand, ja dass 
sie die deutlich nachweisbaren, zweifellosen und dem Fortschritt 
der Geburt förderlichen Uteruskontraktionen überhaupt nicht in 
irgend einer Weise wahmahm. Auffallend war das gleichzeitige 
völlige Fehlen der reflektorischen Aktion der Bauchpresse. Die 
Ursache für diese letzte Erscheinung sieht Wolff eben in dem 
Ausbleiben des Wehenschmerzes, dessen physiologische Aufgabe 
in einem die Bauchpresse reflektorisch anregenden Beiz zu suchen 
ist, während die Frage nach der Ursache der Schmerzlosigkeit 
der Wehen zur Zeit nicht mit Sicherheit zu beantworten ist. Ein 
besonderes Interesse bieten derartige Fälle auch insofern, als in 
ihnen vielleicht eine der Ursachen für die sogen. Starzgeburten 
zu erblicken ist. 

Ueber die vielumstrittenen Beziehungen zwischen Laktation 
and Menstruation hat Heil an 200 Stillenden systematische 
Untersuchungen angestellt, die zu folgenden Resultaten führten: 

Unge^hr die Hälfte aller stillenden Frauen sind menstruiert; 
das Auftreten der Menstruation während der Laktation gibt an¬ 
sich keinen Grund zum Absetzen des Kindes ab, die menstruierenden 
Stillenden sind im Gegenteil nicht den Gefahren der Folgen einer 
Laktationsatrophie ausgesetzt. Bei Verlängerung des Stillgeschäftes 
über den vierten Monat hinaus nimmt die Zahl der Menstruierten 
zu. Eine Stillende kann während der einen Laktation menstruiert 
sein und während der andern nicht. Eine ursächliche Erklärung 
für das Auftreten oder Ausbleiben der Menstruation während der 
Laktation im Einzelfalle kann nicht gegeben werden. Es liegt 
der Gedanke nahe, dass nicht die amenorrhoischen, sondern die 
menstruierten Stillenden die gesunde Norm repräsentieren. 

Um anatomische Grundlagen für die Leistungsfähigkeit der 
weiblichen Brustdrüse zu gewinnen, hat Engel die Brustdrüsen 
von post partum gestorbenen Frauen mikroskopisch untersucht und 
folgende Befunde erheben können: für die geringere Stillfähigkeit 
mancher Frauen findet sich ein anatomisches Substrat in der 
mangelhaften Elntwicklung des spezifischen Drüsenparenchyms bei 
gleichzeitiger voller Ausbildung des fibrösen corpus mammae. 
Aeussere Gestalt und Tastbefund gestatten keinen zuverlässigen 
Schluss auf die Punktionsfähigkeit einer Brustdrüse. Alle 
Mammae, auch schlecht entwickelte, enthalten secemierendes 


Parenchym, das auf jeden Fall der Säuglingsemährung nutzbar 
gemacht werden muss. 

Einen Beitrag zu dem Thema „Gonorrhoe und Wochen¬ 
bett liefern die Untersuchungen Mayers aus der Heidelberger 
Frauenklinik, die ihn zu der Anschauung führon, dass die puer¬ 
perale Gonorrhoe durchaus nicht immer die ungefährliche Er¬ 
krankung ist, als die sie allgemein gilt. Sie kann hohes Fieber 
(bisüber40°)undschwereAllgemeimnfektionmit Schüttelfrösten ver¬ 
ursachen und das Allgemeinbefinden derart beeinträchtigen, dass 
das klinische Bild dem einer septischen Erkrankung gleicht und 
das Leben ernstlich bedroht erscheint. Grosse Remissionen, resp. 
Intermissioneo in der Temperaturkurve und der Wechsel zwischen 
hohem Fieber und mehrtägigen fieberfreien Perioden sind vielleiobt 
ein auf Gonorrhoe hinweisendes, aber kein für sie beweisendes 
Zeichen, ebenso wie die Annahme, dass für die Gonorrhoe das 
Spätfleber charakteristisch sei, durchaus nicht rückhaltlos anzuer- 
kennen ist. Inwieweit an der Allgemeininfektion eine Tozinwir- 
kung oder Gonococceninvasion ins Blut schuld ist, lässt sich noch 
nicht feststellen. Dr. G. Z. 


Periodische Literatur. 


Therapeutische Monatshefte. November 1906. 

1. Morin, Tuberkulose-Behandlung im Höhenklima: Erfolg 

der Sanatorien vom Leysin im Jakre 1906. 

Die vor 15 Jahren gegründete klimatische Station von Le 3 rsin 
ist auf Grund stetig fortschreitender Elrfolge auf sieben Sanatorien 
mit elf Aerzten angewachsen. Vier dieser Anstalten sind Eigentum 
der klimatischen Gesellschaft von Leysin, eine ist im Bau, während 
zwei derselben, die Volksbeilstätte und ein Kindersanatorinm unter 
Leitung von Dr. Robier zur chirurgischen Behandlung der Tuber¬ 
kulose, Wohltätigkeitsanstalten sind. 

Die Angaben beziehen sich nur auf Kranke der vier ersten 
Anstalten, aus wohlhabenden Kreisen, ohne strenge Vorschrift ftir 
die Aufnahme der schwer Erkrankten. Nach der Einteilung von 
Turban befanden sich 126 Kranke » 33% im I., 162 = 42% 
im II. und 97 = 25% im III. Stadium. Was die Behandlung 
anbetrifft, so spielte das regelmäßige und ärztlich geleitete Leben 
in geschlossener Anstalt und die Höhen-Luftkur die Hauptrolle. 
Die kräftigende und die Widerstandskraft stärkende Wirkung des 
Höhenklimas ergibt sich schon aus der Seltonheit der Tuberkulose 
und der allgemeinen guten Gesundheit der Bewohner in hohen 
Alpengegenden. Die Reinheit, Verdünnung, Trockenheit der Luft, 
besonders die Sonnenbestrahlung — ultraviolette Strahlen — sind 
von hervorragender Bedeutung für die Behandlung. Arthritiden, 
Adenitiden, tuberkulöse Peritonitiden wurden in so wunderbarer 
Weise beeinflusst durch direkte Sonnenbestrahlung, dass die Be¬ 
handlung der Lungen- und Kehlkopftuberkulose auf dieselbe Weise 
ausgeführt wurde. Daneben wurden alle gebrä.achlichen Medi¬ 
kationen angewandt, es wurden öfters vorsichtige Versuche mit 
Tuberkulinen angestellt, die aus verschiedenen Quellen herstammten, 
so von Koch, Klebs, Denys, Spengler, Beraneck. Letzteres scheint 
beachtenswerte Vorteile zu haben, da es die Gesamtmenge der 
tuberkulösen Texine, aus den Kulturbazillen und den Bazillenkörpem 
enthält mit Aossch'uss der schädlichen Toxine, die sich ausserhalb 
der Bazillen entwickeln (Peptone). Ausserdem erlauben seine 


Stadinni 
b. Eintritt 

Geheilt 

Prozent 

Gebessert 

Prozent 

Stationär 

1 

Prozent 

9 

S 1 § 

>3 S 

O 

Prozent 

Gestorben 

Prozent | 

3 

e 

I. 

82 

65,1 

41 

23,5 

3 

2,4 

_ 

. . 



126 

n. 

43, 

26,5 

103 

63,6 

5 

3,1 

7 

4,3 

4 

2,5 

162 

HI. 

1 

1,0 

39 

40,2 

25 

25,8 

16 

16,5 

16 

16,5 

97 


126 i 

; 32,8! 

00 

47,5 

33 

8,5 

23 


20 

5,2 

385 


verschiedenen Verdünnungen ein langsameres Fortachreiten als 
mit gleichartigen Produkten, Auf eine vor kurzem von Prof. Sahli 
in Bern über dieses Tuberkulin verfasste Arbeit sei hiermit hin¬ 
gewiesen. Es geht daraus hervor, dass Tuberkulinbehandlung 
zweckmäßig nur Anstaltsbebandlung sein darf, 


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MBTi Tfjll ^^ i » H Hi WOfi lH rt . 


559 


1906 


lieber die in Leysin erzielten Resultate gibt eine Tabelle 
Anfechlnss; je f^her die systematieche Behandlung der Tuberkulose 
im Sanatorium beginnt, um so aussichtsreicher ist sie, bei 92% 
der Kranken hat sich die Heilung noch nach 5 Jahren bewährt. 

2. Martin, Togo: Der Iitülnshmnnen bei Tropenkrankheiten. 

Dauernder Aufenthalt in den Tropen führt eine Vermin¬ 
derung der Hammenge unter Erhöhung des spezifischen Ge¬ 
wichte herbei. Den Nieren erwächst daraus kein Vorteil, 
sie verfallen dadurch der Inaktivitätsatrophie. Bekannt sind die 
furchtbaren Zustände der Anurie bei Schwarzwasser- und Gelb¬ 
fieber. Der Darmtractus wird ähnlich beeinflusst, eine Neigung 
zur Koprostase besteht selbst beim, gesunden Europäer. Sehr 
häufig sind die Störungen des galleproduzierenden Apparates und 
der Pankreas. Allen diesen Erkrankungen ist eigentümlich, dass 
sie nach Ablauf des akuten Stadiums ihren schädigenden Einfluss 
noch lange geltend machen; hauptsächlich sind es die grossen 
Drüsen des Unterleibes, die betroffen werden. Bei Malaria ist es 
die Milz, die bei nicht gründlicher und rationeller Behandlung 
geschwollen bleibt, oft auch die Leber, in schwereren Fällen tritt 
Albuminurie und Ascites auf. Mattigkeit, Schlafsucht, Reizbarkeit, 
erhöhte Schweissabsonderung, Blutarmut und ihre Folgen sind 
häufige Begleiterscheinungen. Chinin bringt in solchem Falle keine 
Hilfe, je nach den Erscheinungen, die im Vordergründe stehen, 
ist eine Stahl- oder Bitterwasserquelle am Platze. Für die Folge- 
zustände nach überstandenem Schwarzwasser- oder Gelbfieber ist 
eine ädinliche Medikation angezeigt. Die tropische Dysenterie hat 
die Neigung chronisch zu werden, die eben ausgeheilten Geschwür- 
steilen vertragen nicht den Reiz stagnierender Massen, sie zerfallen 
leicht wieder und bluten von neuem. Auch hierbei sind neben 
der üblichen Behandlung leicht abführende Mineralwässer angezeigt, 
ebenso bei den Folgeznständen der Dysenterie, sei es Obstipation, 
latenter oder geheilter Leberabscess oder Leberschwellung. 

Zur Ausheilung der Tropenkrankheiten sind Kuren in Karls¬ 
bad und Marienbad üblich und in der Regel erfolgreich. Verfasser 
hat in diesen Fällen den jetzt wieder erschlossenen und zu ratio¬ 
neller Verwendung hergerichteten Lullusbrunnen angewandt und 
zwar mit sehr gutem Elrfolg. Zwei verschiedenartige Wässer 
sind dabei zu unterscheiden, der alkalisch-salinisohe Brunnen, dem 
Karlsbader Wasser in seiner Zusammensetzung sehr nahestehend, 
und die Stahlquelle, die zu Trink- und Badekuren verwandt wird. 
Nor die Trinkkuren kommen bei Verfassers Versuchen in Betracht. 

3. Bökelmann, lieber die Behandlung des Status epi- 
leptieus und von Zuständen verwandter Art. 

Zwei verschiedene Abschnitte des Status epilepticus, dieser 
schweren Aenssernngsform der Epilepsie, sind nach Bonrneville, 
Browne, Levy, Ferö und Obersteiner zu unterscheiden. Auf die 
konvulsivische Phase, die plötzlich einsetzt oder einige Zufälle mit 
Unterbrechungen als Vorläufer Imt, die bald durch eine fortdauernde 
Reihe von Anfällen (attaques imbriquöes, dachziegelförmige Anfälle, 
Daneranfall), bald durch Anfälle von wechselndem Abstand mit 
völliger Bewusstseins-Ausschaltung und Temperatursteigerung bis 
40^ und darüber ausgezeichnet ist, tritt, falls nicht schon die 
Katastrophe erfolgt ist, eine schnelle physische und psychische 
Erholung ein. Meistens aber besonders nach tagelangen Krämpfen 
folgt der zweite Abschnitt, „das Erschöpfungsstadinm“ mit tief¬ 
gehender Prostration der körperlichen und seelischen Kräfte und 
ge^hrlich durch die Schwierigkeit der Nahrungsaufnahme. Mono-, 
Hemi-, Paraparesen, Aphaaien etc. können als Folgen noch lange 
Zeit fortbestehen. Neben diesen ausgesprochenen Bildern des 
Status epilepticus sind nidit selten fast ununterbrochen aufein¬ 
ander folgende Streckkrämpfe, die den Körper in dauernd tetani- 
former Eretarrung erscheinen lassen, beobachtet worden; sie sind 
ebenso geflthrlich wie die Vollattaqnen und erfordern dieselbe 
Therapie. Der Status epilepticus vertiginosus (Fere) ist eine 
leichtere Form, gefährlich aber durch Uebergang in Dämmer¬ 
zustand nnd Coma. Weber bezeichnet als Status psychicus Zu¬ 
stände von hallnzinatorischer Verwirrtheit und Erregung mit hohem 
Fieber bei konvulsivischen Anfällen. Die schwereren und leichteren 
Formen unterscheiden sich durch die Abstände und die Dauer der 
Bewusstseinsaufhellnngen. Die Hysterie bietet nicht selten die 
gleichen Bilder. Binswanger stellt zwar in der exzessiven Temperatur¬ 
steigerang ein Kriterium der epileptischen Natur, allein Basie hat 


bei hysterischen Anfallsserien Temperatursteigerungen bis 40—410 
C. beobachtet. 

Was die Aetiologie des Status anbetrifft, so sind unmittelbare 
Ursachen bei der Mehrzahl der Fälle nicht nachweisbar, als „Agents 
provocateurs“ sind körperliche oder seelische Reize anzusehen, Ueber- 
ladung des Magens, Verstopfung, sexuelle oder alkoholische Ex¬ 
zesse, Schreck etc., plötzliche oder rasch erfolgte Entziehung der 
gewohnten grösseren Bromdosis. 

Für die Behandlung empfehlen sich die Brompräparate. Brom 
(in grossen Dosen per rectum) soll bei schwereren F^len versagen 
(G 0 w u s). Zweckmäßig sind Chloroforminhalationen mit nach¬ 
folgenden Klystieren. Eine Kombination von Brom mit Chloralhydrat 
(3,0 bis 4,0; 1,5 bis 2,0) tut oft gute Dienste, and als wertvolles 
Mittel gilt die subkutane Injektion von Hyoscinum hydrobromicum 
(0,0004—0,0006 — 0,001 event. in 4—6 Stunden wiederholt). Von 
Wildermnth wird Amylenhydrat (5,0—8,0 pro die) angewandt. 
Binswanger bevorzugt Chloralhydrat und rät zu grossen Dosen. 
Alt empfiehlt hohe Einläufe in den Darm neben rektaler Appli¬ 
kation von 3—6 g Amylenhydrat in 100 ccm Wasser; bei beson¬ 
ders schweren Fallen Chloroformnarkose mit Sauerstoffeinatmnng. 
Von Hoppe ist auf die günstigen Resultate mit Dormiol (1,5 bis 
3,0 p. rectum) bingewieseo. Bei Fieber leisten kühle Bäder gute 
Dienste, Femhalten aller Gelegenheitsursachen ist notwendig, z. B. 
Obstipation, Diätfebler, psychische Reize etc. Schuelles, resolutes 
Eingreifeu ist vor allem erforderlich, Senfpapier, Reinigung des 
.Darmes zur Aufnahme des medikamentösen Clysmas, event. Cbloro- 
formnarkose, sind zunächst notwendig. Je energischer das Vor¬ 
gehen, desto grössere Aussichten auf Erfolg; vor 30 g Dormiol 
soL oder 9 g Chloral innerhalb 24 Stunden darf man nicht zurück- 
schrecken. Bei Herz- oder Atemschwäche gebe mau Kampfer 
subkutan, Digitalis oder Stropbantus im Clysma und wende Sauer- 
stofi^halationen an. Mit dem Beginn der Erschöpfungsphase tritt 
die Ernährung und Kräftigung in den Vordergrund. Mehrere 
Liter Milch und Ei und etwas Wein werden gut vertragen. Bei 
Coma und Sopor muss die Schlnndsonde angewandt werden. De¬ 
kubitusgefahr ist stets zu berücksichtigen. Herzkranken, Ärterio- 
sklerotikem und Fettleibigen ist Dormiol statt Chloral zu geben. 
Von 29 mal beobachteten Status und Anfallsserien schwerster Art 
an 23 Patienten in 7 Jahren gingen 21 in Genesung über, nur acht 
verliefen letal. Die Aetiologie war bei einem kleinen Bruchteil 
Bromentziehung, bei dem anderen nicht festzusetzen. In zwei Fällen 
war die Störung iondroyant, dass es nicht mehr zu einem Eingriff 
kommen konnte, zwei gingen in der Erschöpfungsphase an Schlnck- 
pneumonie, die übrigen an Herz- bezw. Atemlähmung zu Grunde. 
Frozentnal also etwa 72% Genesung und über 27% letale Aus¬ 
gänge. Morphium ist stets kontraindiziert. 

Bei manchen Fällen von puerperaler Eklampsie, die dem Status 
epileptious symptomatisch und vielleicht auch aetiologiscb nahe¬ 
stehen, dürfte sich ebenfalls diese Behandlung empfehlen, wie sie 
auch von Winkel bereits angewandt worden ist, während Veit 
Morphiominjektionen benutzt. Dasselbe gilt von der Eklampsie 
der Kinder; Alt schlägt warme Clysmata mit 15 g Oplumtinktur 
vor, eine Behandlung, mit der er überraschende Erfolge erzielt hat. 

4. Mende, aus dem Kinderkrankenhause „Kinderheim-Frauen- 
hilfe“ zu Gottesberg: Die Bülausche Heberdrainage bei Behand¬ 
lung einer schweren Spondylitis tuberkulosa. 

Die Heberdrainage wurde angewandt bei einem sehr schweren 
Fall von Spondylitis tuberkulosa bei einem jungen Mann mit ge¬ 
sunden Eltern und lebenden gesunden Geschwistern, der aber be¬ 
reits zweimal eine Lungenentzündung durchgemacht hat. Es be¬ 
stand eine vermehrte Dorsal-Kyphose und eine Totalskoliose ge¬ 
ringen Grades nach rechts. Zwischen den Schulterblättern eine 
bandtellergrosse Vorwölbung, in Höhe des 6. und 7. Proo. spinosus 
je eine pfenniggrosse Fistel Die Operation wird vorgenommen 
und dabei eine grosse Granulationsfläche freigelegt, die von einem 
früheren Abscess herrübrte, der fast die ganze Rückenfläche ein- 
nabm. Beim Verbandswechsel am nächsten Tage wurden zwei 
kleine Fistelgänge entdeckt, die auf einen praevertebralen Herd 
deuten, einer links, der andere rechts von der Wirbelsäule, letzterer 
endigt blind. Durch Kathetereinfähren wird festgestellt, dass 
der Fistelgang im oberen Niveau eines abwärtsführenden Abscesses 
einmündet, eine Entleerung ist also nur durch Ansaugen möglich, 


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560 


MBTiTfilWTSi’Hic wOCHB« 


Nr. 61. 


wozu die Bü lausche Heberdrainage geeignet ist. Ein Nelaton- 
katheter wird luftdicht abschliessend in den Fisteigang eingeführt, 
fixiert, ein Glasrohr mit Gummirohr wird angeschlossen, der ganze 
Apparat ist mit Borsfture gefüllt und abgeklemmt und mündet in 
ein Glasgefäss. Mit der Entfernung der Klemmen beginnt die 
saugende Wirkung. Die Besserung geht sehr schnell vor sich, 
Fieber verschwindet, Allgemeinbefinden vorzüglich, der Patient 
kann bald das Gipsreklinationsbett verlassen und ohne Schmerzen 
längere Zeit aufrecht sitzen. Er erhält jetzt ein Stoffkorsett, der 
Drainageapparat wird unter geeigneten ledernen Schutz am Kürper 
entlang geführt, eine Flasche mit 200 g Inhalt f^gt am linken 
Fuss in einer Lederhülse den Eiter auf, Patient kann sich damit 
frei bewegen. Unter dieser Behandlung ist der Patient schnell 
geheilt und sein Gewicht gestiegen. Leider zeigten sich später 
über der rechten Lungenspitze tuberkulöse Erscheinungen. 

Auf einen Pnnkt weist Verf, besonders hin. Eine Heilung 
war kaum denkbar, da der Elter unter hohem Sekretionsdruck 
stand — vergrössert durch sein Eigengewicht — ohne Abfloss- 
möglichkeit. Gelenk- und Knochentuberkulosen aber bieten nur 
dann günstige Heilnngsaussichten, wenn sie vor jedem Druck mög¬ 
lichst geschützt sind. Hier aber bestand die Gefahr der Ver- 
grösserung des Abszesses und damit der Knochenkaries, dadurch 
aber wieder des Eiterdruckes u. s. f. Während vor der Einleitung 
der Heberdrainage das den Abszess umgebende Gewebe unter 
zentrifugalem Druck stand und dadurch anaemisch wurde, so wurde 
nach ihrer Einführung der Druck zentripetal und eine Hyperaemie 
ähnlich der Bierschen entstand, regnlierbar durch die Flüssig¬ 
keitssäule in den Heberarmen. Bereits vor der Stauung bestand 
infolge chronischer Entzündung erhöhter Druck. Hach Einleitung 
der Bierschen Stauung wird der Druck erhöht, aber nicht die 
Richtung desselben; er bliebe hier zentrifugal. Erst die B ülau- 
scbe Heberdrainage hat die zentrifugale Druckwirkung in die zentri¬ 
petale umgewandelt; ohne Pressung durch Gummibinden ist eine 
natürliche dauernde Hyperaemie entstanden, die nicht erst den 
durch die Entzündung entstandenen Druck in den Geweben zu 
überwinden braucht. 

5. Saworski, Krakau: Bemerkung über die ÄnsBohaltung 
des Hägens vom direkten Einflüsse der Arzneimittel durch An¬ 
wendung von Sebum ovüe. 

Einerseits um den Magen zu schonen, andererseits um Arznei¬ 
mittel in unverändertem Zustande auf den Darm wirken zu lassen, 
hatte man Pillen mit Keratinüberzug hergestellt. Die Wirkung 
indessen ist unsicher, die Pillen verlassen den Darm oft ungelöst. 
Verf. benutzt Hammeltalg, der bei 45®—50® C schmilzt, als Pillen¬ 
masse oder Ueberzug mit sehr gutem Erfolge. Sie bleiben un¬ 
verändert im Magen, schwimmen auf dem Mageninhalt imd kommen 
so leicht und schnell in den Darm, wo sie sich leicht lösen. Die 
purgative Wirkung von Substanzen in Talgpillen ist etwas lang¬ 
samer, als der reinen Substanzen, die Dosis ist daher um Vs zu 
erhöhen. 

Für diese neue Form der Medikation eignen sich besonders 
Arsenpräparate, alle Quecksilber-, Jod- und Aluminiumpräparate, 
Acid. benzoicum, carbolicum, salicylicum, tannicum, Kreosotum, 
Guajacolum, Baisamum Copaivae u. a,, vor allem alle Präparate, 
die erst im Darm wirken sollen. 

In jeder Pille darf nur 0,1 Sebum ovüe und höchstens eben¬ 
soviel von der zu verordnenden Substanz enthalten sein, bei ge¬ 
ringeren Quanten wirksamer Substanz muss ein indifferentes Pulver, 
z.B. Pulv. Liquiritiae, Magnesia ustanoch zugesetzt werden. Um ein 
Zusammenklebeu zu vermeiden, muss ein Streupulver angewendet 
werden, z. B. Pulvis Lycopodi, Magnesia usta etc. 

6. Loew, Abbazia-Ischl; Zur Allgemeinbehandlung der 
Syphilis. 

Der früher allgemein üblichen Schmierkur haften viele Nach¬ 
teile an. Eine sorgfältige sachkundige Einreibung ist fast nur in 
geräumigen und gut ventilierbaren Räumen eines Spitals möglich. 
Oft bieten starke Behaarung, ein stark entwickelter Panniculus 
adiposus, schlaffe welke Haut oder ein Hautleiden schwer über¬ 
windbare Hindernisse, Zuweilen war das Quecksilber überhaupt 
nicht re.sorbiert, oder es entsteht ein schweres Exanthem, das ein 


Äussetzen der Kur erfordert. Bei der Injektionskur fehlen dieee 
Erscheinungen. Schwere Stomatitiden sind äusserst selten, ebenso 
Blässe des Gesichts, Abmagenmg und Nierenaffektionen. Hinder¬ 
lich für die weitere Verbreitung der Injektion der löslichen Queck¬ 
silberpräparate waren bisher die öfters auftretenden Reizerschein- 
nngen, Schmerzen an der Injektionsstelle, Infiltrat- und Abscess- 
bildung; selbst ein Zusatz von Kokain konnte sie nicht verhindern. 
Dem Enösol, einer organischen Qaecksilber-Arsenverbindung, haften 
diese Nachteile in nur geringem Grade an. Ein neues Präparat 
„Injektion Hirsch“, reine lösliche Verbindung von Hydrargyrum 
Oxcyanatnm und Akoin, ein Ersatzpräparat des Kokain, wird vom 
Verfasser wegen seiner völligen Reizlosigkeit und üugefährlich- 
keit gerühmt. Spritze und Kanüle sind mit Paraffinnm liquidiom 
zu reinigen und darin am besten aufzubewahren. Karbol und 
Sttblimat geben eine Trübung des Akoins. 

7. Stephan, Mühlhausen i. Th.: üeber Phenyform. 

Phenyform, ein sehr leichtes, weisses, geruchloses Pulver, löst 
sich nur in Alkalien und Ammoniak, ist eine Verbindung der 
Karbolsäure mit dem Formaldehyd. Das ungiftige Präparat be¬ 
sitzt austrocknende, granulationsbefördemde, antibakterielle Eigen¬ 
schaften, ähnlich dem Jodoform. Seine desodorisierende Kraft und 
seine Billigkeit sind ein besonderer Vorzug. 

8 . W. Koch, Freiburg i. Br.: TTeber die Verwendang des 
Kampfers bei Langenkranken. (Bemerkungen zu dem Artikel 
von Herrn Hofrat Dr. R ol la nd - Devos in Nr. 2 der Therapeutischen 
Monatshefte und zu seinem Vortrag auf dem Kongress in Stutt¬ 
gart.) 

Koch hält Kampfer für ein schätzbares Adjuvans, aber nicht 
bei geschlossener Tuberkulose, das Fieber wirkt nicht, es stellt 
sich kein Auswurf ein, aber der Husten wird quälender, so daas 
oft za den sonst gemiedenen Narkotids gegriffen werden muss. 
In solchen Fällen beschleunigt Kampfer eher den Tod. Gegen 
die Art der Anwendungen erhebt er ebenfiiUs Einspruch. Zwei- 
bis viermalige tägliche Einspritzungen seien belästigend und ge¬ 
fährlich, zumal wenn der Patient ohne die nötige Antisepsis sie 
selbst vernimmt, ausserdem seien sie für die Kassenpraxis zu teuer; 
er empfiehlt Einreibungen mit Prävalidin. 

9. Volland, Devos-Dorf: Erwidernng auf Vorstehendes. 

Es sei ein Unterschied in der Behandlnng, ob sie im Tief¬ 
oder Hochland geschehe, wo Narkotica nicht zu fürchten seien. 
Quälender Husten in schlaflosen Nächten müsse gehoben werden. 
Kampfer schade niemals, aber vielfach die Taberkulinbehandlang. 
Er habe nur mit reinlichen Patienten zu tun, die ohne Schaden 
bisher die Spritze in die Hand bekommen haben, Prävalidin be¬ 
lästige die Kranken oft, was anch Philipp! zugibt. 

10. Weissmann, Lindenfels: Ueber die Wirkung der 
Zimmtsänre. 

W. wendet sich gegen die schiefe Darstellung Winterbergs 
(Augustnummef der Therapeutischen Monatshefte) Uber die Auf¬ 
fassung Länderers bezüglich der Wirkung der Zimmtsänre bei 
Tuberkulose; er habe keineswegs diese durch die sich abspielen- 
den histologischen Vorgänge zu erklären versucht. Möglich sei 
bei der Darreichung von zlmmtsaurem Natrium, dem Hetol, einem 
übrigens sehr zu empfehlenden Präparate, die Bildung und Wirk¬ 
ung eines Alexin, hervorgerufen durch die neu entstandenen mehr- 
kernigen Leukocyten. 

11. Brügelmann: TTeber die Behandlimg von Asthma und 
asthmaähnlicher Zustände. 

(Erwiderung auf den gleichlautenden Aufsatz von Dr. W. 
Siegel in Reichenbach.) 

12. Siegel, Reichenbach: Erwiderung an Herrn Sanitätsrat 
Br. Brügelmann. 

Bieten nichts besonders wissenschaftlich Interessantes. 


Verantwortlich«! Redakteur : Dr. P, Meieioer, Berlin W. a. Korfürttenitr. Sl. — Veiantwortlicb fHi den lueratenteU: De* Verla« tob Carl Marhold, HaU« a. S. 

Dnek tm dar HayB«»aBB'tcheB Bnchdrvcfcarai, Oobr- Welff, Ball« a. S. 


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Medicinische Woche 


Deatfchnaon. A. Dfihnsen, A. Hofft, E. Jtcobi, 

Hafflbnrg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi. 

H. Seoator, R. Sonmer, 

Berlin. Qietten. 

Verlag uod Expedition 

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TeL-Adr.: Marhoid Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823. 


Herautgegeben von 



R. Robert, M, Koeppen, K. Partseh, H. Rosia. H. Schlange, 

Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover. 

H. Uovenicht, A. Voisios, 

Magdeburg. Qiessen. 


Redaktion: 

Berlin W, 62, Kurfuratenstrasse 81* 

Dr. P Meißner 


vn. Jahl^ang. 24. Dezember 1906. Nr. 52. 


Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utfiglgen Beilage BalnCOlogiSChe Ceiltralzeltung, Organ des Schwarzwaldbädertages, 
dea Verbandes der Deutschen Nordseebider, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede 
Bnchhaodlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhoid in Hall e a. S. entgegen. Inserate werden fOr die dgespaltene Petitzeile oder deren Raum 
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei grÖSeren Aufträgen wird Rabatt gewährt. 

Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet. 


Originallen. 


Die Behinderang der Nasenatmung und 
ihre Bedeutung für die Militärdieustfähigkeit. 

Vortrag aaf der 78. Vorsaiumlang deutscher Naturtorscher und Aerzte 

in Stuttgart 

in der gemeinsameD Sitzung von den Abteilungen fUr Militärsanitätswesen 
und fUr Obrenbeilkunde. 

Von Stabsarzt Dr. Hölscher in Ulm*). 

Dm den grossen Anforderungen zu genügen, .welche heute 
beim Militär an die Leislungs^higkeit des Mannes gestellt 
werden müssen, braucht der Soldat vor allem gesunde Atmungs- 
Organe und ein kräftiges Herz. Wie sehr gerade diese Organe 
unter den Anstrengungen und unvernie dlichen Schädigungen 
des Dienstes zu leiden haben, zeigt die grosse Zahl der Er¬ 
krankungen. Im Berichtsjahr 1902 03 erkrankten z. B. 43 361 
Mann = 82,3®/oo der Kopf.'tärke an Erkrankungen der Atmungs¬ 
organe und 1522 Mann an Erkrankungen ries Herzens. Als 
invalide und dienstunbrauchbar, einschliesslich der unmittelbar 
nach der Einstellung wieder Entla<>enen, schieden in dem 
gleichen Zeitraum 3989 bezw. 220u Mann wegen der genannten 
Erkrankungen aus dem Heere aus. 

Ausser der hierdurch bedingten Schwächung der Wehr¬ 
kraft sind es Unsummen, die der Staat alljährlich für Behand¬ 
lungskosten und Invalitienrenten aufwen<len muss. 

Dasf die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des 
Mannes beim Militär geringer werden, ist ausgeschlossen, im 
Gegenteil ist wohl eher noch eine Steigerung zu erwarten und 
hieraus ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, dass die ein¬ 
zustellenden Leute gesunde Atmungsorgane und ein genügend 
kräftiges Herz haben müssen, um nicht den Anstrengungen 
des Dienstes zu erliegen. Um dies zu erreichen, ist neben 
einer rationellen körperlichen Ausbildung, die leider auf unseren 
Schulen immer noch viel zu wünschen übrig lässt, die Fern- 
haltung und Beseitigung von Schädigungen notwendig, welche 
einen ungünstigen Einnuss auf die Entwicklung der genannten 
Organe ausüben, bezw. eine Disposition zu Erkrankungen der¬ 
selben schaffen können. 

Mit zu den häufigsten und gefährlichsten dieser Schädi¬ 
gungen gehören die Dauerstörungen der Nasenatmong. 


Die Nasenatmun^ allein ist die normale physiologische 
Form der Atmung, bei welcher Luft in genügender Menge und 
zuträglicher Form bei geringster Anstrengung der beteiligten 

*) ÜDser verehrter Mitarbeiter Herr Br. Bblscher stellt uns dieses 
loteres^te Autoreferat zur Verfügung. 


Muskulatur in die Lungen gelangt. Die Aufgabe der Nase ist 
die Atmungsluft vorzuwännen, ihr den nötigen Feuchtigkeits¬ 
gehalt zu geben und sie von mechanischen Verunreinigungen 
möglichst zu befreien. Ausserdem hat die freie Nasenatmung 
eine nicht geringe Bedeutung für den Blutabfiuss aus dem Ge¬ 
hirn, der z. T. durch die Venen der Nasenhöhle erfolgt. 

Die meisten dauernden krankhaften Veränderungen in der 
Nase und in dem zugebörig^n Nasenrachenraum sind vorwiegend 
nach dem Grade der durch sie hervorgerufenen Störung der 
Nasenatmung zu bewerten. Die wichtigsten die Atmung be¬ 
hindernden Erkrankungen sind: die Vergrösserung der Rachen- 
maniel, Verknickungen und Auswüchse der Nasenscheidewand, 
Daueranschwellungen der Schleimhäute und Polypenbildungen. 
Je früher im Kindesalter die Erkrankung beginnt, umso schwerer 
sind die Entwicklungsschädigungen. Bei einer Verengerung 
der Nase und in noch höherem Grade bei der durch Verlegung 
des Nasenluftwegs erzwungenen Mundatmung ist die Atmung 
kürzer, oberflächlicher und beschleunigter als die normale 
Nasenatmung. Die Lunge wird hierdurch weniger durchlüftet, 
der gründliche Gasaustausch, insbesondere die genügende Sätti¬ 
gung des Blutes mit Sauerstoff wird erschwert, wodurch alle 
Organe, denen infolgedessen die nötige Sauerstoffzufuhr fehlt, 
in ihrer Entwicklung auf das Schwerste geschädigt werden. 
Die Lunge selbst kann sich infolge der flachen Atmung nicht 
genügend in ihrem oberen Teil entwickeln, der Brustkorb er¬ 
hält dadurch nicht die nötige Wölbung, sondern bleibt platt, 
wodurch eine grosse Aehnlichkeit mit dem Brustkorb von 
Schwindsüchtigen entstehen kann. Auch das Herz leidet unter 
der ungenügenden Sauerstoffzufuhr und durch die seine Tätig¬ 
keit ungünstig beeinflussenden, häufigen raschen Druckschwan* 
kuDgen im Brustkorb, sowie durch die Mehrarbeit, welche es 
auch infolge der vermehrten Anstrengung der gesamten At- 
mungsmuskulatur leisten muss. 

Die empfindlichen Auskleidungen von Rachen, Kehlkopf 
und LuftiÖhre werden durch die kalte, trockene und staub- 
haltige Mundatmung.sluft andauernd gereizt, wodurch schliess¬ 
lich hartnäckige chronische Katarrhe entstehen. Durch den 
Abschluss des Nasenrachenraums werden auch Sprachstörungen 
verscliiedenster Art bedingt. Besonders wird auch das Ohr 
in Mitleidenschaft gezogen, indem Eiterungen oder Katarrhe 
hervorgerufen werden können. Ebenso leidet auch das Auge, 
Flimmern, rasche Ermüdung usw. treten auf. Durch das Ver¬ 
schlucken des oft massenhaft abgesonderten Schleims und Eiters 
treten auch Erkrankungen des Magens auf, und bekanntlich 
wird durch die Rachenmandelvergrösserung nicht selten auch 
das ekelhafte Bettnässen hervorgerufen. 

Neben physischen tritt auch eine psychische Schädigung 
durch die andauernde Behinderung der Nasenatmung ein, Kopf¬ 
druck, nervöse Kopfschmerzen, leichte Ermüdung der Denk¬ 
tätigkeit. Unfähigkeit der Gedankenkonzentration usw. sind da¬ 
bei häufige Erscheinungen, die schon im Kindesalter auftreten 


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562 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 52. 


können. Bekannt ist, dass solche Kinder oft kaum imstande 
sind, den Anforderungen der Schule zu genügen. 

Die Erkrankungen des Nasenrachenraums bilden auch häufig 
den Ausgangspunkt von Infektionskrankheiten, z. B. die Rachen¬ 
mandel für die epidemische Genickstarre und Tuberkulose. 

Die durch die dauernde Behinderung der Nasenatmung 
hervorgerufenen Schädigungen sind so gross, dass dadurch eine 
körperliche und geistige Minderwertigkeit des Individuums be¬ 
dingt wird. _ 


In zahlreichen Fällen von unbeachtet gebliebenen schweren 
Früherkrankungen leidet die ganze Entwicklung des Mannes so, 
dass er dadurch schon wegen allzugrosser Schwächlichkeit für 
den Heeresdienst untauglich ist, oder es haben sich bis zum 
Eintritt des wehrpflichtigen Alters schon Folgeerkrankungen 
von Lungen, Herz und Ohren eingestellt, die ebenfalls seine 
Einstellung ausschliessen. 

Eine grosse Anzahl von Rekruten aber wird alljährlich 
eingestellt, die an Behinderung der Nasenatmung leiden. So¬ 
bald die Anstrengungen grösser werden, beginnen die Störungen, 
die Sauerstofizuiuhr reicht bei der behinderten Atmung nicht 
aus, die Atmung wird beschleunigt und angestrengt, der Mann 
bekommt Herzklopfen und Seitenstechen. Bei Andauern der 
Anstrengungen, oft auch schon bei einmaliger Ueberanstreng- 
ung, kommt es zu einer Schwächung des Herzens, die schliess¬ 
lich zur Entlassung als invalide führt. Auch die Entstehung 
von Hitzschlägen wird zweifellos durch Behinderung der Nasen¬ 
atmung begünstigt. Die Atmungsorgane müssen ebenfalls unter 
den vielen Schädigungen, denen der Mundatmer während seiner 
Dienstzeit in erhöhtem Grade ausgesetzt ist, leiden. Durch den 
Nasen-Rachenkatarrh werden Mittelohrerkrankungen hervorge¬ 
rufen. 

Dass ferner die meistens vorhandene wechselnde Schwer¬ 
hörigkeit und die schon erwähnten psychischen Störungen die 
Brauchbarkeit des Mannes herabsetzen und seine Ausbildung 
erschweren, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. 

Zur Verhütung von Schädigungen während der Dienstzeit 
wird empfohlen, bei jedem eintretenden Rekruten die Nase 
enau zu untersuchen und alle Leute mit behinderter Atmung 
en Korpsohrenstationen zur spezialärztlichen Behandlung zu¬ 
zuweisen. Die Leute unterziehen sich gerne auch grösseren 
Operationen, um von ihren Beschwerden befreit zu werden, 
und die Zeit, die sie dadurch dem Dienst entzogen werden, 
ist meist nur kurz. 


Feuilleton. 


Aus feindlichen Lagern. 

Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung. 

Von Oberstabsarzt Dr. NounXftlin-Bromberg. 

(Schluss.) 

Mein reger Briefwechsel mit diesem Vertreter der Natur- 
heilmothode hat weder ihn noch mich von der Richtigkeit der 
gegenteiligen Ansichten überzeugen können; auch ein persön¬ 
licher Meinungsaustausch in Meran, als Herr Oberst a. D. Spohr 
die von der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kur¬ 
pfuschertums hergestellte Ausstellung besuchte, und ich ihm 
diese demonstrieren durfte, hat nicht dazu geführt, ihn zu be¬ 
lehren, noch mich dazu veranlasst, ein Titelchen aufzugeben 
oder Konzessionen zu machen. 

Ich führe dies nur an, weil ich es als nutzlos und zweck¬ 
los, ja als verkehrt und völlig verfehlt erachten muss, wenn 
approbierte, auf dem Standpunkt der Schulmedicin stehende 
Aerzte sich etwa iu Naturheilvereinen, oder an öffentlichen 
Versammlungsorten mit den Naturheilern in Debatten einlassen. 

Alle diese \’ersuche, wie sie ja gemacht worden sind, um 
durch die .Macht des Wortes, der Persönlichkeit, der ärztlichen 
Autorität Bekehrung zu schaffen, sind gescheitert: hier zu 


Die Hauptsache ist aber auch hier, wie überall, die Prophy¬ 
laxe. Die Eltern müssen über die Bedeutung der genannten 
Krankheiten aufgeklärt und zur Behandlung ihrer Kinder ver¬ 
anlasst werden. Zur Ergänzung der oft ungenügenden elter¬ 
lichen Fürsorge hat in der Schule eine andauernde Ueberwach- 
ung durch entsprechend ausgebildete Schulärzte zu erfolgen. 
Es wird sich aann zweifellos ein grosser Teil der jetzt so 
häufigen Schädigungen verhüten lassen. 


Sitzungsberichte. 

Deutschland. 

Berliner medicinische Gesellschaft, 

Sitzung vom 5. 12. 06. 

Tagesordnung: 

Hildebrand: Erfahrungen über den Kropf und 

seine Behandlung. 

Die Beschwerden, die ein Kropf verursacht, hangen nicht 
immer von seiner Grösse ab; während seiner Tätigkeit in der 
Schweiz sah H. viele Patienten mit excessiv grossen Kröpfen, die 
nur aus kosmetischen Gründen die Entfernung derselben wünschten. 
Die Beziehungen zu den benachbarten Organen sind es, die die 
Beschwerden bedingen. Am meisten bekannt sind die Beein¬ 
trächtigungen der Trachea und die dadurch verursachten Atem¬ 
beschwerden; nicht selten sind aber auch beträchuliche Ver¬ 
schiebungen des Oesophagus und starke Dislokationen der Qefässe, 
besonders der Karotis. Von besonderer Wichtigkeit ist der unter 
das Sternum wachsende Kropf, der bis zum Aortenbogen reichen 
und die Lungenspitzen verdrängen kann; die Deutung der bei 
diesem Wachstum entstehenden Beschwerden begegnet olt grossen 
Schwierigkeiten, da nicht selten der Kropf äusserlich nicht zu 
konstatieren ist. Die Atembescbwerden können hierbei die größten 
Grade erreichen; nicht selten besteht gleichzeitig eine hochgradige 
Bronchitis. Von sonstigen durch den Kropf verursachten Er¬ 
scheinungen kommen in Betracht die Schluckbeschwerden, Venec- 
tasien am Kopf, Herzstörungen, Irregularität und Frequenz 
des Pulses; von seiten der verdrängten Nerven werden seltener 
Erscheinungen ausgelöst; Lähmungen des Kehlkopfs werden nicht 
häufig beobachtet; dagegen findet sich oft eine eigentümliche 
Sprache, die allein schon die Diagnose Kropf erlaubt. Die ver¬ 


wirken ist verlorene Liebesmühe, Diskussionen der Laien sind 
nur schädlich und schaden dem Ansehen der Aerzte selbst. 

Es ist vorgeschlagen worden, dass Meister des lapidaren 
Wortes, etwa wie ein Exzellenz Bergmann, öffentlirh auf- 
treten sollten! Vergebene Mühe! Das Publikum solcher Natur- 
heilversammlungen ist praokkupiert, das Ende des Iftedes ist 
Radau und Skandal! 

Sollte es zu einem Gesetz gegen die Kurpfuscherei kommen 
— so muss die sogenannte Naturheilmethode, die nichts ist 
als Kurpfuscherei, so sehr sie sich auch Mühe gibt, Leute 
wie Ast, Gössel, Felke von ihren Schössen abzuschütieln, mit 
inbegriffen sein. 

Unsere, der Aerzte Sache ist es, die von der Bevölkerung 
gewünschte sanitäre Aufklärung in die Hand zu nehmen. Diese 
Aufklärung ist nur zu geben auf hygienischem, auf prophylak¬ 
tischem Gebiet, nicht auf dem der Therapie. Kranke heilen, 
ist Sache lediglich des Arztes; das rechtzeitige Aufsuchen des 
Arztes muss immer wieder als Leitmotiv in den Vordergnind 
gestellt werden I 

Unsere Sache ist es, sich anf dem uns feindlich gesinnten 
Gebiet auf dem Laufenden zu erhalten; durch vornehmes Igno¬ 
rieren, lassen wir den Feind nur wachsen; ihn tapfer bekämpfen, 
sei es in Zweigvereinen für Volkshygiene, sei es in den Tages- 
zeitschriften, deren Spalten uns zum Zweck der Belehrung ge- 
öffuet sein müssen, das ist unsere Aufgabe. 

Der Zug der Zeit, die soziale Seite der Medicin, stellt 
den Arzt heut in die Oeffentlichkeit; wir kämpfen für unsere 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


563 


BciiiedeneQ BeBchwerden werden dorch meohanische Momente aus* 
gek>st; aut' die anatomische Form- des Kropfes erlauben die Klagen 
des Patienten keinen Rückschluss. Bei jugendlichen Individuen 
handelt es sich gewöhnlich um die tolliculftre Form, bei älteren 
um Kolloiddegeneration, Bindegewebshypertrophie, nicht selten 
starke Gethssvermehmng. Die Therapie kann zwei Wege gehen. 
Jodbebandlnng oder Operation. Äeusserlicbe Jodapplikation ist 
wirknngslos; Jod innerlich kann einen günstigen Effekt, Zniück- 
geben des Kropfes, herbeiführen; doch ist dies wesentlich nur bei 
jugendlichen Individuen zu erwarten. Dasselbe gilt für die 
Sohilddrüsenpraparate. Jodoforminjektionen sind nichtzu empfehlen, 
da sie nicht ungefährlich sind und einen sicheren Erfolg nicht 
erwarten lassen. Wenn danach bei juge tdlichen Individuen ein 
Versuch mit der Jodmedikation für einige Zeit angebracht er¬ 
scheint, so bleibt für ältere Personen mit kolloiden, cystischen 
Kröpfen nur die Operation, die entweder in einer Enucleation 
oder Exstirpation besteht. Erstere dürfte nur in Frage kommen 
bei gut abgesetztem Kropfknoten; die Erkennung der Grenzen der 
degenerierten Partieen ist oft nicht leicht; deshalb sind Recidive 
nach der Enucleation nicht selten; auch kann die Operation sehr 
blutig sein. Die Normaloperation ist die Exstirpation, und bei 
guter Technik ist sie eine sehr sichere Operation. Bei cbema- 
tiscbem Änisuchen der Gefksse kann sie ziemlich blntlos verlaufen, 
ein wichtiger Faktor ist die Schonung des Nervus laryngeus; um 
sie zu sichern, empfiehlt sich die Operation ohne Narkose, die 
auch den Vorteil bietet, dass dann das Erbrechen sicher vermieden 
wird, und umso leichter vorgenominen werden kann, als dabei 
keine eigentlichen Schmerzen entstehen, sondern mehr nur unan¬ 
genehme Empfindungen ausgelöst werden. Nicht selten sind 
postoporative Temperatursteigerungen, wohl als Au.sdriick leichter 
Infektionen. Die Resultate der Operationen sind ausgezeichnete; 
nach mehreren Statistiken beträgt die Mortalität nur 0,3—0,5 %; 
für ungünstigen Ausgang kommt meist eine Pneumonie (die nicht 
selten als Steigerung der vorhandenen Bronchitis entsteht) oder 
eine Nachblutung in Betracht. Wenn daher bei einem Erwachsenen 
ein vorhandener Kropf Beschwerden macht, so soll man den Rat 
geben, denselben operieren zu lassen; kosmetische Rücksichten 
sollen nicht als Indikation zur Operation gelten. Was die malignen 
Strnmen (Carcinome oder Sarkome) betrifft, so wachsen sie meist 
rasch, bilden sehr feste Tumoren; man findet sie nicht selten 
auch bei jugendlichen Individuen, die oft noch blühend gesund 
erscheinen, trotzdem die Geschwulst schon weit vorgeschritten. 
Die maligne Struma gebt sehr früh auf die Umgebung über, be¬ 
sonders macht sie auffallend früh Gefässchrombosen. Ihre Prognose 
ist deshalb sehr ungünstig; die Fälle kommen in den seltensten 


Sache und wir dienen der Volksgesundheit, wenn wir als die 
allein Berufenen dem Volke Wegweiser sind und Führer auf 
dem hygienischen Gebiet; wenn w'ir seine gesundheitlichen 
Erzieher sind. Tun wir Aerzte das, dann entwinden wir 
unseren Gegnern, den Naturheilern und Kurpfuschern ihre 
wichtigste Waffe; wir pflügen den Boden und wir brauchen 
diese wichtige, für die Volksgesundheit so segensreiche und so 
notwendige Beackerung nicht fremden Pflügern zu überlassen. 

Dass diese von den Aerzten gegebene Aufklärung nicht 
sofort wirken, dass diese Saat nicht sofort axifgehen und Früchte 
zeitigen kann, ist selbstverständlich. Aufklärung ist eine lang¬ 
sam reifende Frucht, die grosser Pflege und vieler Mühe bedarf. 

Der Anfang ist aber gemacht, ja wir können sogar von 
einer literarischen Ueberproduktion auf dem Gebiete sprechen, 
so dass die Spreu vom Weizen noch zu sondern ist. 

Dass im Lager unserer Feinde dieser Wettbewerb um 
Aufklärung einen empfindlichen Schmerz verursacht hat, davon 
gibt die natnrheilerische Presse Zeugnis. 

Sie warnt vor dem Sirenengesang der Volkshygieniker, 
deren Ä und 0 sei: geht bei jedem Unwohlsein zum Arzt! Sie sieht 
ein, dass das Volk sich bei den echten Propheten Kat erholen will! 

Unsere, der Aerzte Sache ist es, die Naturheilbewegung 
nicht zu unterschätzen; unsere Sache ist es, nicht nur durch 
unsere Heilerfolge, sondern auch durch Wort und Schrift uns 
das Vertrauen zu erhalten, was wir haben müssen, wollen wir 
den stolzen Namen: Hüter der Gesundheit, verdienen. „Drum 
werde Schulmeister deinem Volk“, sagte Sonderegger, Vor¬ 


Pällen früh genug zur Operation. Von 20 malignen Strumen, die 
H. operiert hat, ist nur eine über 1 Jahr recidivfrei geblieben. 
Die.se sehr ungünstige Prognose bei malignen Kröpfen sollte um¬ 
somehr dazu treiben, frühzeitig einen Kropf zn operieren. 

Diskussion: 

Levy-Dohrn: macht auf die Behandlung des Kropfes mit 
Röntgenstrahlen aufmerksam. 

Ewald: hat die Thyreoideatherapie bei jugendlichen Indivi¬ 
duen bis zu einem gewissen Grade wirksam gesehen, nie eine 
völlige Heilung; bei älteren Individuen ist kein Effekt zu erzielen. 

Unger; hat in der Bergmannschen Klinik 30 Kropffklle mit 
Röntgenstrahlen behandelt und dabei bei jüngeren Patienten 
mäßige Erfolge, bei älteren und malignen Kröpfen gar keine 
Effekte erzielt. 

Hansemaun glaubt, dass für die interne Therapie wohl die 
anatomische Struktur des Kropfes Berücksichtigung verdient. 
Eine Resorption durch Jod dürfte w'ohl nur bei colloidalen Kröpfen 
zu erwarten sein, dagegen nicht bei fibrösen und parenchymatösen 
(Basedowsche Krankheit). 

Mendel: warnt vor der Thyreoideatherapie bei Basedow. 

Ewald, Cohn, Hildebrand Schlusswort. 

Wessely: Experimentelle Untersuchungen über 
die Wirkung der Bierschen Stauung auf das Auge. 

Therapeutische Versuche am Menschen mit der Bierschen 
Stauung sind noch nicht zahlreich gemacht; die Zurückhaltung er¬ 
scheint bei dem Bau des Auges auch angebracht. W. hat non 
Experimente an Tieren (Kaninchen, Katzen, Hunden) mit der 
Binden- ond Saugstauung angestellt, um festzustellen, ob die 
Stauung dem Auge schaden kann und ob überhaupt eine Hyperaemie 
des inneren Auges zu erzielen ist. Sowohl die Bindenkopfstauung 
als auch die Saugung bringen eine hochgradige Hyperämie der 
äusseren Augenteile hervor (Schwellung der Lider, Chemosis, 
Exophthalmus), dagegen bleibt das innere Auge ohne merkliche 
Einwirkung. Genaue manometrische Messungen des Augendrucks 
ergaben kaum eine Erhöhung bei der Kopfstauung, eine beträcht¬ 
liche Steigerung beim Saugen, aber nur im Beginn, besonders 
beim Kaninchen; immerhin dürfte danach mit der Saugbebandlung 
beim Menschen vorsichtig zu verfahren sein. Es ergibt sich die 
praktische Schlussfolgerung, dass eine Hyperaemisierung des inneren 
Auges mit der Stauung nicht zu erreichen ist, dass dies nur für 
die äusseren Teile möglich ist. Es liegt aber kein Anlass vor, bei 
Erkrankungen dieser von den alten bewährten Methoden ab- 
zuweichen. 


posten der Gesundheitspflege, „und sei nie müde, dir selbst 
und anderen die Augen aufzutun für das, w^as vor uns und 
um uns liegt und uns erfüllt.“ Wir Aerzte sind als Lehrer be¬ 
rufen, und dieser Beruf gehört mit zu unserer sozialen ärzt¬ 
lichen Aufgabe. 

In seiner, für die Aerzte so hochinteressanten Schrift: 
Grundriss eines Systems der medicinischen Kulturgeschichte, 
sagt Pagel, dass eine hygienische Aufklärung der Völker 
nicht durch staatliche Bevormundung, sondern von unten her 
zu beginnen habe. 

Wenn das Volk lernen soll, sich ohne Staatskommando, 
sagt Pagel, auf eigene Füsse zu stellen, so muss es Führer 
und Lehrer haben auf diesem Gebiete, das sind die Aerzte. 
Sehen wir uns in dem uns feindlichen Lager um, so finden wir 
einmal eine Minimalzahl von sogenannten Aerzten, die sich 
mit Haut und Haar der Naturheilmethode verschrieben haben, 
zweitens eine durch Fanatismus, Beschränktheit, Anmaßung 
irregeleitete Naturheilherde von, dem Bericht nach, 2501)00 
Anhängern, die 6t* Zeitungen mit sanitärem Futter versorgen!! 

Lernen wir von unseren Feinden; organisieren wir uns in 
Zweigvereinen des Deutschen Vereins für Volkshygiene gegen 
unsere Feinde; ich bin der festen Ueberzeugung, dass dies ein 
gangbarer Weg ist. unsere Kulturmission als Führer und Lehrer 
des Volkes zu erfüllen, unser Ansehen zu heben und der Volks- 
gesnndheit in Wahrheit zu dienen. Dort, in solchen Zweig¬ 
vereinen , ist der Ort, mit unseren Gegnern abzurechnen und 
unsere Feinde kennen za lernen. 


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MEDICINISGHB WOCHB. 


Kr. 62. 


Diskussion: 

Hamburger empfieblt bei äusseren Äugenaffektionen die 
Verwendung der Saugbehandlung, während Outmann davor 
warnt. P. 

Schlesische Ges^lschaft für vcUerländische Kultur, 

Sitzung vom 19. Oktober 1906. 

H.Härthle: Über die Struktur des quergestreiften 
Muskels im ruhenden und tätigen Zustand, über sei¬ 
nen Aggregatzustand und über die Hypothesen zur 
Erklärung der Muskelkontraktion, mit Demonstra¬ 
tionen.* 

In allen Fragen über Beschaffenheit und Tätigkeit des Mus¬ 
kels besteht Meinungsverschiedenheit, so z. B. ob der Muskel eine 
chemodynamische oder thermodynamische Maschine ist. Ebenso 
ist auch die morphologische Struktur noch unklar. Der Vortragende 
hat eine eigene Methode zu ihrer Erforschung angewandt, u. zw. 
die Momentphotographie im Sonnenlicht bei 200 facher Vergrbsse- 
rung und 0,01 Sek. Beleuchtung mit Heliostat. im einfachen und 
polarisierten Licht. Während man bisher nur den fixierten toten 
Muskel untersucht hat, zeigte H. Bilder des lebenden Organs und 
konnte auch durch kinematographische Aufnahmen die Wellen¬ 
bewegung des kontrahierten Muskels demonstrieren. Im Kon- 
traktionszustand sieht man Längs- und Querstreifung wie im 
Schema. Beim Absterbungsprozess wird das normale Bild ver¬ 
ändert; in der dunkeln Schicht tritt ein heller Streifen auf. 
Bei der Kontraktion wird Querstreifung deutlicher und ganz 
parallel; die doppelbrechenden Teile werden schmäler, die einfach 
brechenden bleiben gleich oder werden etwas breiter; daher die 
Querstreilüng deutlicher. Ob das Sarkoplasma aktiv oder passiv 
bei der Kontraktion bleibt, muss am fixierten Muskel untersucht 
werden. Es zeigt sich, dass durch Vereinigung vieler Fibrillen 
mit einander zu Inseln das Sarkoplasma verdrängt wird. 

Der Aggregatzustand des Muskels ist ebenfalls strittig. H. 
untersuchte den Muskel in der Zentrifuge und fand, dass auch bei 
größter Geschwindigkeit der Inhalt an beiden Binden gleich blieb. 
Er glaubt daher, dass der Inhalt nicht fiüssig sein kann. — Was 
die Erklärung der Muskel-Kontraktion anlangt, so wendet H. sich 
gegen die Engelmannsche Qnellungstheorie, wonach die doppel¬ 
brechende Substanz auf Kosten der einfach brechenden zunehme. 
Das stimmt nicht mit den Belunden am lebenden Muskel überein, 
da die doppelbrechende Substanz schmäler wird. Auch die Theorie 
der Oberflächenspannung nach Jensen und Bernstein erscheint 
ihm unhaltbar, da die Zahl der Fibrillen 26 mal so gross sein 
müsste, als er beim lebenden Muskel konstatieren konnte (nämlich 
auf 1 qmm V«—1 Million). Peritz. 


Kongressbericht. 

18, VersamnUung deutscher Naturforscher und 
Aerzte in SUdtgart, 

Sektion fkr innere Medicin, Chirurgie und Neurologie. 

(Fortsetzung und Schluss.) 

Hr. Oppenheim-Berlin- Ueber die operative Behand¬ 
lung der Hirn-Rückenmarkstumoren. (Referat mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung der gemeiuscbaftlich mit F. Krause 
angestellten Beobachtungen.) 

Der Vortragende beschränkt sich auf die Mitteilung persön¬ 
licher Erfahrungen, die dank seiner Beziehungen zu der v. Berg- 
mannsclien Klinik utid einer Reihe anderer Chirurgen auf diesem 
Gebiete unverhältnismäßig grosse sind. Zunächst ergänzt er die 
Krausesche Kasuistik, soweit sie sich mit der seiiiigen deckt, 
durch die Schilderung der klinischen Verliälttn.s.se und die Motivier¬ 
ung der Diagnose in einzelnen, besonders dringenden Fällen von 
Tumor cerebri. Dahin gehört einer, in dem es gelungen ist, durch 
die Entfernung einer Ge.-»chwulst aus dem linken Lobus occipitalis 
vollkommene Heilung herheizufuliren, ein geradezu ideales Resultat, 
wie es nur ausnidmiswei.-ie erzielt wird. 


Ein zweiter gibt Anlass, die Diagnose der Tumoren der 
hinteren Zentralwindongen des Scheitellappens auf Grund von üinf 
eigenen Operationsfällen dieser Art mit jedesmal zutreffender 
Diagnose zn besprechen. Von einem erfolgreich Operierten (Prof. 
Boohardt) dieser Kategorie zeigt 0. das stereoskopische Bild 
des Operationsbefondes und den herausgenommenen Tumor. Dean 
bespricht er eingehender die Geschwülste der hinteren Sohädel- 
grube und des Kleinhimbrückenwinkels unter Demonstration der 
Präparate von mehreren, teils mit Krause, teils mitBorohardt 
behandelten Fällen. Er hat in den letzten Jahren acht dieser 
Patienten dem Chirurgen überwiesen. Davon ist nnr einer geheilt, 
ein zweiter vorübergehend gebessert worden, während bei sechs 
die Operation mittelbar oder unmittelbar den Exitus veranlasst 
hat. Aber es handelt sich immer um Gewächse von enormen 
Umfang. 

Der Vortragende gibt dann eine Bilanz seiner seit Anfang 
1903 operierten Fälle von Tumor cerebri. Ela sind 27. Davon 
sind drei (ll*yo) geheilt, sechs vorübergehend gebessert (22,2%), 
16 gestorben (55,5%), wobei allerdings zn berücksichtigen, dass 
es sich zwölfmal um Gewächse der hinteren Schädelgrube handelte. 
Drei Palliativoperationen mit zum Teil unsicherem Ergebnis. In 
23 von den 27 Fällen war sowohl die allgemeine wie die lokale 
Diagnose eine zutreffende. Einmal wurde statt des erwarteten 
Kleinhirntumoren ein Hydrocephalus gefunden, bei einem anderen, 
bei welchem Hydrocephalus für wahrscheinlich gehalten wurde, 
fand sich ausser diesem ein Tumor des Lobus temporalis. Einmal 
schwankte di» Diagnose zwischen Tumor lobi frontalis und corporis 
striati; im Bereich des ersteren wurde er bei der Operation nicht 
gefunden, der Kranke ging in andere Behandlnng über, ln dem 
vierten Fall, in welchem 0. eine Neubildung im Bereich der 
motorischen Region diagnostizierte, war der dort bei der Operation 
erhobene pathologische Befund nicht sicher als Tumor zu deuten. 
Diesen Patienten hat 0. aus den Augen verloren. Im ganzen 
hat nach seiner Erfahrung von zehn oder neun für die chirurgische 
Behandlung sorgfältig ausgesuchten und fast durchweg richtig 
diagnostizierten Fällen nur einer Aussicht auf volles Heilresultat. 
Die chirurgische Behandlung der Hirntumoren bildet also trotz 
einzelner blendender Erfolge immer noch eine der schwierigsten 
und undankbarsten Aufgaben ärztlicher Tätigkeit. Wenn es sich 
auch meist um ein ohne diese Therapie tötliches Leiden handelt, 
verlangen doch die Erfahrungen mit der Meningitis serosa, der akuten 
Himscbwellung und dem sogenannten Pseudotumor cerebri volle 
Berück>icbtigung. Die Lehre v. Bergmanns, dass die Hirn- 
Chirurgie eine Chirurgie der Zentralwindungen sei, hat nach den 
neueren Ertahrungen ihre Gültigkeit verloren. Von O.s Geheilten 
gehört kein einziger diesem Gebiete (im Bergm annsehen Sinne) an. 

Weit günstiger sind die Ergebnisse der chirurgischen Therapie 
der Rückenmarkshautgeschwülste. Der Vortragende gibt 
hier zunächst eine Statistik der eigenen Beobachtungen, wobei er 
die Wirbelgeschwülste ausscbaltet. In acht von elf seiner Fälle 
war sowohl die allgemeine, wie die lokale Diagnose eine zutreffende, 
so dass der Tumor an der erwarteten Stelle gefunden wurde. 
(Demonstration der Präparate.) In zweien lag eine lokalisierte 
Meningitis, bezw. Meningitis serosa spinalis vor, in dem letzten die 
Kombination eines intramedullären Prozeases mit lokalisierter 
Meningitis am Orte des Eingriffs, Was die therapeutischen Be- 
sultate aulangt, so ist die Operation in den fünf von den elf 
Fällen eine glückliche, erfolgreiche g'wesen. In sechs bat sie 
mittelbar oder unmittelbar den tötlichen Ausgang herbeigeführt. 
Dazu kommen noch vier weitere Fälle, in denen die Operation 
von vornherein als explorative ausgeführt war und gerade diese 
Frage, die Berechtigung der explorativen Laminektomie be¬ 
darf der eingebends'en Erörterung. Nur in einem dieser Fälle 
ist der Exitus der Operation zur Last zu legen, in einem zweiten 
hat sie Nutzen gebracht, in den beiden anderen ist sie fUr den 
Verlaut irrelevant gewesen. 

0. gibt eine Schilderung der klinischen und diagnostischen 
Verhältnisse, wie sie in den vier Beobachtungen Vorlagen und fasst 
seine Anschauungen über die chirurgische Behandlung der Rücken- 
markshantgeschwülste zu folgenden The.sen zusammen: 1. Es unter¬ 
liegt keinem Zweifel mehr, dass bei den Krankheitszuständen, dis 
die typische Symptomatologie der Rückenmarkstixmoren bieten, 
die cbimrg’.sche Behandlung dringend indiziert ist. Beschränkt 


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\m 


MEDICINISCHE WOCHE. 




man sich auf diese Fälle, so ist schon nach den jetzigen Er- 
iahrnogen in oa. 50% auf einen Heilerfolg zu rechnen, der nm 
BO Tollkommener sein wird, je frhher der Eingriff yorgenommen 
wird. 2. Aach bei typischer Symptomatologie sind diagnostische 
Fehler möglich, indem das Bild des extramedullären Tumors ein> 
mal durch WirbelgeschwOlste vorgespiegelt, als auch ausnahmsweise 
doroh einen lokalisierten meningitischen Prozess oder durch die 
intramedolläre Nenbildung vorgetäuscht werden kann. Dass die 
Differentialdiagnose zwischen dem extramedullären Tumor einerseits, 
dem intramedullären and den Wirbelgewächsen andererseits noch 
keine ganz sichere ist, wird besonders durch die Kasuistik Nonnes 
(Sterts) bewiesen. 3. Unter den Formen der lokalisierten Menin¬ 
gitis, die das Krankheitsbild des extramedullären Tumors täuschend 
nachahmen können, verdient die von Oppenheim und Krause 
beschriebene Meningitis serosa spinalis ein besonderes Interesse. 
Es muss aber hervorgehoben werden, dass es sich um einen noch 
nicht genügend fundierten Begriff handelt, dass es noch an ab¬ 
geschlossenen Beobachtungen fehlte, die die Existenz und die 
Pathogenese dieses Leidens dartun und seine Beziehungen zur 
Symptomatologie in durchsichtiger Weise erläutern. 4. Die Symp¬ 
tomatologie der extramedullären RückenmarksgeschwfUste ist sehr 
häufig eine atypische. Eine grosse Zahl der chirurgisch heil¬ 
baren Nenbildungen würde also dieser Behandlung entzogen werden, 
wenn die Grenzen der Indikationen nicht weiter gesteckt würden. 
Es muss somit die Berechtigung der explorativen Laminektomie 
xmbedingt anerkannt werden. Gewiss soll sie nur ausnahmsweise 
auf Grund sorgiältigster Erwägungen bei deutlicher Progredienz 
des Leidens in differentialdiagnostisch schwierigen Fällen, und 
zwar dann vorgenommen werden, wenn unter den verschiedenen 
Mögliclikeiten die Annahme einer extramedullären Geschwulst ein 
gewisses Mall von Wahrscheinlichkeit besitzt. Es muss aber dann 
verlangt werden, dass bei unsicherer Allgemeindiagnose die Niveau¬ 
diagnose eine möglichst bestimmte ist, damit der probatorische 
EUngriff ein möglichst beschränkter bleibt und kein 'wesentliches 
periculum vitae mit sich bringt. 5. Die explorative Laminektomie 
soll nicht an der Dura mater Halt machen 6. Die Annahme 
eines sogenannten Psendotumor des Rückenmarks schwebt noch in 
der Luft, desgleichen die der spontanen Rückbildung. 7. Es ist 
sehr wünschenswert, dass von dieser Versammlung die Anregung 
zu einer Sammelforschung auf dem Gebiet der Hirn- und Rücken- 
markschimrgie aosgeht. 

Hr. Bruns-Hannover hat bisher noch keinen vollen Erfolg 
bei Himtnmoren gehabt, ist trotzdem auf dem Standpunkt, dass 
wir weiter operieren mu^en and auch dass wir das Gebiet, in 
dem wir operieren, möglichst weit ausdehnen. Lokal zu dia¬ 
gnostizieren und operabel sind auch Geschwülste im linken Scbläfen- 
Uppen, wie ein von ihm schon 1898 beobachteter Fall bewies. 
Er hat in den letzten Jahren zwei Tumoren der einen Kleinhtrn- 
hemispbäre und zwei des Eleiuhirnbrückenwinkels nach richtiger 
Diagnose zum Opfer gebracht. Sie sind aber alle bald nach der 
Operation gestorben. Im letzten Fall war Oppenheims Areflexie 
der Cornea sehr deutlich, dazu noch Areflexie von Nasenloch und 
Gaumen auf der Tumorseite. Den palliativen Operatiouen steht 
er sehr güustig gegenüber, hat sie auch schon früher wiederholt, 
ebenso wie jetzt Saenger empfohlen (Versammlung niedersächsi¬ 
scher und westfälischer Irrenärzte 1903 und Eulenburgs Eeal- 
encyclopädie 1906). In den letzten Tagen hat er einen Fall zur 
Operation gebracht unter der Diagnose Tumor der Häute am 
oberen Cervicalmark, bei dem zunächst nur eine lokale mit Serum 
gefüllte Ausdehnung der Meningen gefunden wurde. Differential- 
diagnostisch kommt hier auch manchmal die multiple Sklerose in 
Betracht. Schliesslich erwähnte B. zwei Fälle, deren Symptome 
alle für Tumoren im Rückenmark sprachen, aber alle oder teil¬ 
weise wieder znrückgingen: Psendotumor medullae spinalis. 

Hr. Nonne-Hamburg tritt auch für die PalUativtrepanatiou 
bei inoperablen and nicht genau zu lokalisierenden Hirntumoren ein. 
Fünfmal hat N. die Operation ausführen lassen, viermal mit er¬ 
heblichem Rückgang der quälendsten subjektiven Symptome. N. 
berichtet über zwei neue Fälle von „Pseudotumor cerebri“, von 
denen einer unter Cerebellum-, der andere unter Halbseitensymp¬ 
tomen verlief; bei beiden nicht der geringste Anhalt für Syphilis, 
keine sonstige Aetiologie; zunächst unter QaecksUberbehandlung 
progressiver Verlauf, dann Rückbildung der Symptome bis zu rest¬ 


loser Heilung. N. betont für sein Hirntumorenmaterial die grosse 
Seltenheit der Pulsverlangsamung; er warnt an der Hand 
eines neuen vierten Falles aus seinem Material aufs neue vor Lumbal¬ 
punktion bei Tumor cerebri. Dass bei extraduralem, kompri¬ 
mierendem Rückenmarkstumor jeder wesentliche Schmerz fehlen 
kann, erläutert N. an der Hand eines eigenen Falles, in dem 
wegen Fehlens der Schmerzsymptome die Gelegenheit zur Ent¬ 
fernung eines gutartigen extraduralen Cystofibroms versänmt wurde. 
Er tritt für die häufigere Ausführung der Probelaminektomie ein. 
Auch bei multipler Sklerose können heftige Schmerzparoxysmen 
auftreten, wie N. dies exquisit in einem Fall sah, in dem die 
Obduktion multiple kleine Gliawucherungen an den hinteren 
Wurzeln zeigte. (S. einen Fall von Dinkler.) 

Weiter beteiligten sich an der Diskussion die Herren De* 
franceschi-Rudolfswert, Schüller-Wien, Saenger-Hamburg, 
V. Monakow-Zürich, Schwarz-Leipzig, Bayerthal-Worms, 
Frankl - Hochwart-Wien, Wildermuth-Stuttgart und Til- 
mann-Leipzig. 


Periodische Literatur. 

Münchener med. Wochenschrift. Nr. 48. 1906. 

1. Erb; Heidelberg: Zur Statistik des Trippers beim Mann# 
und seiner Folgen für die Ehefrauen. 

E. hat bei dem Material seiner Privatklientel, die wesentlich 
die höheren und höchsten Stände aus alleu zivilen und militärU 
scheu Berufskreisen und vielen Nationen, bis zu Subaltembeamten, 
Lehrern, vor allen Dingen aber zahlreichen Kaufleuten in den ver¬ 
schiedensten Stellungen umfasst, genaue Aufzeichnungen über die 
Häufigkeit des Trippers gemacht und findet, dass bei 2000 Männern 
noch nicht in 50% ein Tripper vorhanden gewesen ist, eine Zahl, 
die in überraschendster Weise absticht von den ungeheuerlichen 
Zahlen anderer Beobachter (80—100%) Was die Altersperiode, 
in welcher der Tripper zumeist erworben wird, betrifft, so ergab 
sich, dass fast 85% aller Tripperkranken ihr Leiden bis zum 
25. Lebensjahr erwerben, fast 11,5% in dem folgenden Lustrum 
(26—30 Jahren) und kaum 4% jenseits dieser Altersgrenze. 
W^eitere Untersuchungen galten den Folgen des Trippers der 
Männer für die Frauen, die Ehe, die Kinderzahl. In 400 Fällen, 
über die entsprechende Notizen vorliegen, blieben über 93% der 
Frauen gesund, nur 6V4% erkrankten an Unterleiheaffektionen, 
von denen 4^/4% als sicher gonorrhoisch anzusprechen waren. 
Unter 370 Ehen früher tripperkranker Männer, in welchen die 
Frauen anscheinend gesund blieben, sind nahezu 68% mit zwei 
und mehr Kindern, darunter sogar 25% mit vier und mehr. Bei 
den 74 Einkinderehen dieser Gruppe siud 17. die wegen zu kurzer 
Dauer der Ehe die Einzahl noch nicht überschreiten konnten, bei 
13 wurde mit Absicht weiterer Kindersegen vermieden, bei 44 
blieben die Gründe unbekannt. Kinderlose Ehen weist die Gruppe 
44, also nur 13% auf, davon vier absichtlich hei beigeführt, vierzig 
aus anderen oder unbekannten Gründen. Der Zeitabstand zwischen 
dem Tripper des Mannes und der Heirat schwankt zwischen 1 
und 22 Jahren; dass die Ehen mit geringem Zeitabstand beson¬ 
ders gefährdet seien, Hess sich nicht erweisen. Was die Kinder¬ 
zahlen der erkrankten Frauen betrifft, so waren von 25 elf kinder¬ 
los, zehn hatten ein, zwei hatten zwei, eine Frau drei Kinder. 
Die Statistik ergibt also das überraschende Ergebnis — wenigstens 
für bestimmte Bevölkerungsschichten ~ dass der Tripper auch 
nicht entfernt die grosse, die Gesundheit der Ehefranen, das Glück 
der Ehen und die Vulksvermehrung aufs schwerste beeinträchtigende 
Bedeutung hat, die man ihm von manchen Seiten zoschreibt und 
zu agitatorischen Zwecken proklamiert 

2. Krehl: TTeber nervöse Eerserkrankangen und den Be* 
griff der „Herzschwäche**. 

Die Pathologie versteht unter „Herzschwäche** die mangel¬ 
hafte Fähigkeit des Organs, den an seine Leistungsfähigkeit ge¬ 
stellten Anforderungen naohzukommen, also eine Funktionsinsuffi¬ 
zienz Als Grundlage davon sind bekannt verschiedene Erkrank¬ 
ungsformen der Herzarterien und des Herzmuskels; weiter kommt 


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566 


MEDlcmiSCHfi WOCHK. 


Nt. 62. 


sie vor bei emigen aetiologisch umschriebenen Krankheitszoständen; 
die pathogenen Momente liegen dabei auf der einen Seite in 
mechanischen Einwirkungen (Ueberdehnung, Aufnahme grosser 
Flussigkeitsmengen, Ueberanstrengung, Ermüdung), auf der andern 
in Vergiftungen (Bier, Wein, Gifte von Infektionskrankheiten) 
oder Infektionen ; hier bestehen Beziehungen zur Myocarditis, indem 
in manchen dieser Fälle entzündliche Prozesse im Herzmuskel als 
Grundlage der Herzinsuffizienz angesehen werden können. Weiter 
aber kann die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit entweder 
auf chemischen, bezw. molekular-chemischen Veränderungen der 
Herzmuskelfasern zurückgeführt werden (das, was man gewöhnlich 
funktionell nennt), oder es handelt sich um Störungen anderer 
Gewebe (Nervensystem). Zu den ^nervösen Herzkrankheiten** ge¬ 
hören allgemein diejenigen Störungen der Herztätigkeit, die nicht 
auf Veränderungen der Funktion des Myocards zu beziehen sind. 
In dies Gebiet gehören vor allem psychogene Zustände, sie machen 
die Hauptmasse aus; sie können in Analogie gesetzt werden patho¬ 
genetisch mit hysterischen Störungen; oft geschieht ihr Auftreten 
in offenbarer Verbindung mit psychischen Störungen, während man 
nicht selten diese erst mühsam ergründen muss; nicht selten ver¬ 
binden sie sich mit Störungen myopathischen Ursprungs, speziell 
bei der Eorouarsklerose. Das Charakteristische bei diesen psy¬ 
chischen Herzstörungen liegt in den subjektiven Beschwerden und 
in den Störungen der Herzaktion. Aber neben den myokardialen 
und den psychisch vermittelten Erscheinungen auf dem Gebiete 
der Herzkrankheiten bleiben noch eine Reihe von Symptomenkom- 
plezen übrig, die sich nicht ohne weiteres in das gegebene Schema 
einrechnen lassen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie aetio¬ 
logisch keine einheitliche Grundlage haben; die Symptome erinnern 
teils an die myokardialen, teils an die psychogenen Krankheiten j 
eigentliche Insuffizienz fehlt in der Mehrzahl der Fälle. Vielleicht 
spielen hier Veränderungen an den Nervenzellen und Nervenfasern 
des Herzens eine Bolle. Sie sind von den psychogenen zu trennen, 
wie man sich auch bei den Krankheiten des Nervensystems be¬ 
müht, die psychogenen, funktionellen von den eigentlich cerebralen, 
spinalen, bezw. neuralen Erkrankungen zu untei*scheiden. Gewisse 
Intoxikationen, so die Körper der Puringruppe, können solche 
Symptomenkomplexe. erzeugen; weiter dürften hierhin zu rechnen 
sein die zahlreichen, von den Genitalien abhängigen imd besonders 
in der Menopause auftreteuden Herzatömugen, ferner die reflektorisch 
vom Magendarmkanal aus erzeugten. An eine isolierte Erkrankung 
der Herzganglien und -Nerven lassen schliesslich Fälle denken, wo 
die Kranken häufig durch plötzlich eintretende Herzempfindungen, 
die zuweilen ganz das Bild der Angina pectoris erreichen, ohne 
dass sonst Zeichen geringerer Leistungsfähigkeit des Herzens, Elr- 
müdung bei der Arbeit, Kurzatmigkeit, Schwächegefühl auftreten. 

3. Baumgarten, Tübingen; Experimente Über die Wirkung 
der Bier sehen Stauung auf infektiöse Prozesse. 

Die Experimente wurden hauptsächlich an Kaninchen ange¬ 
stellt, bei denen genau nach den Bierschen Vorschriften heisse 
Stauung erzeugt wurde; als Infektionserreger wurden Tuberkel¬ 
bazillen, Staphylococcen und Milzbrandbazillen verwendet; die In¬ 
fektion geschah teils subkutan, teils intraarticulär, und zwar ge¬ 
lang es bei der letzteren, einen der menschlichen Gelenktuberkulose 
völlig entsprechenden Prozess beim Versuchstier hervorzurufen. 
Am günstigsten waren die Resultate bei den Milzbrandversuchen, 
hier gelang es, die Infektion durch die Stauung vollständig zu 
unterdrücken, wenn die verimpfte Bazillenmenge ein gewisses 
Quantum nicht überschritt und sofort nach der Impfung mit der 
Stauung eingesetzt wurde. Weniger günstig waren die Ergebnisse 
der Stapbylococcenversucbe; eine Heilung kam mit Hilfe der 
Stauung rascher zustande, als ohne dieselbe; aber nur in Fällen 
kleinerer Haut- oder Gelenkeiterungen, die keine Neigung zu 
schnellerer Ausbreitnng zeigten; ansgedehntere Abscedierungen er¬ 
fuhren eher eine Verschlimmerung unter der Stauung, und bei 
einigen der Fälle trat nach Lösen der erstmalig gelegten Binde 
rascher Tod der Versuchstiere ein; von Bedeutung ist weiter der 
Befand von virulenten Coccen in den Geleakmembranen der an¬ 
scheinend unter Stauungsbehandlung geheilten Gelenke. Fast 
wirkungslos blieb die Stauungsbebandlung in den Tnberkulosever- 
sueben; zwar kam es vor, dass der Gelenktumor der behandelten 
Seite gegen den der unbehandelten an Grösse zurückblieb; aber 


ähnliche Grössendifferenzen der Geleoktumoren beider Seit^ 
zeigten sich auch an nicht behandelten Tieren; histologisch war 
nichts von irgendwelchen Heilungsersebeinungen in unter der 
Stauung kleiner gebliebenen tuberkulösen Gelenktomoren zü kon 
statieren. Eine von der tuberkulösen Lokalinfektion ausgöhetide 
Allgemeintuberkulose durch frühzeitige Stauungsbehaudlung zu 
unterdrücken, gelang nicht, weder bei Impfung mit Porlsucht- 
bazUlen, noch mit Menscbentuberkelbazillen. Für die bedingt 
günstige Wirkung der Stauungsbebandlung bei den akuten lu- 
fektionsprozessen dürften mehrere Faktoren in Betincht kommmi. 
Das baktericide Vermögen des Stauongstranssudates dürfte weniger 
im Sinne einer stärkeren baktericiden Kraft gegenüber dem Blut¬ 
serum, als vielmehr durch die reichlichere Ansammlung einer 
bakterioid wirkenden Flüssigkeit im Gewebe zur Geltung kommeü; 
bei kleineren Bakterienmengen, also bei beginnenden and leichteren 
Infektionsprozessen, dürfte der Vorteil der durch das Stauunge- 
transsudat bewirkten verstärkten Bakterientötung den Nachteil der 
vermehrten Giftentladung durch Freiwerden der Endotoxine beim 
Absterben der Bazillen weit überwiegen, und somit in solobma 
Fällen die Stauungsbebandlung den Heilungsvorgang anbahnen und 
iördem; doch ergibt sich auch hieraus, dass die Leistong^ähig- 
keit der vis medicatrix naturae, die das Biersche Heilverfahrmi 
unterstützen will, nicht überschätzt werden darf. Eine Rolle 
dürfte weiter spielen die Hemmung der Resorption durch die 
Binde und weiter die Verdünnung der Toxine, und zwar der von 
den lebenden Mikroben abgesonderten; nicht ohne Bedeutung er¬ 
scheint weiter die durch die Zirkuiationsverlangsamong und ver¬ 
minderte Blutzufuhr bedingte Herabsetzung des Sauerstoffqnantums, 
was namentlich für aörobe Mikroorganismen von Belang sein muss. 
Schliesslich ist zu verweisen auf die pathologische Veränderung 
des Gewebsstoffwechsels, die auf die Bakterien in viel höherem 
Grade schädigend einwirkt, als die Gewebszellen. 

4. Spielmeyer, Freiburg: Experimentelle Tabee bn 
Hunden (Trypanosomentabee). 

Von der. Tatsache ausgehend, dass ach die histopathologiflehmi 
Bilder bei der sogen. Schlafkrankheit und bei der progressiven 
Paralyse in manchen Funkten berühren, hat S. expedment^ 
Uebertragungsversuche mit einem Stamm von Trypanosoma Bruoei 
bei Tieren, besonders bei Hunden vorgenommen, und bei letzteren, 
wenn es gelang, sie 9—10 Wochen nach der Impfung am Leben 
zu erhalten, bemerkenswerte Befunde erzielt. Bei sollen Hunden 
gelang es, mit Hilfe der Marchischen Chromosmiummethode 
frische Degenerationen im Gebiete der hinteren Rückenmarks- 
worzeln, der sensiblen Trigeminuswnrzel Tind im Opticus nachzu¬ 
weisen. Mit Rücksicht auf die Lokidisation der degenecativen 
Vorgänge — die Erkrankung der Hinterwurzelsysteme und die 
Beteiligung des Opticus — und mit Rücksicht auf die Eigenart 
der degenerativen Prozesse — die primäre Fasereckrankung 
— erscheint es gerechtfertigt, von einer tabischen Erkrankung bei 
den Hunden zu sprecheu: die „Trypanosomentabes** der Hunde 
stimmt in ihrem histologischen Verhalten prinzipiell mit der post- 
syphilitischen Tabes des Menschen überein, ein Befund, der bei dM* 
nahen Verwandtschaft der Trypanosomen mit den Spiroohaeten ein 
ganz besonderes Interesse gewinnt. 

5. Fehling, Strassburg; Zur Beraehtigiuigder konservativen 
Myomoperationen. 

Da das Myom eine gutartige Geschwulst ist, so ist ein mög¬ 
lichst konservatives operatives Vorgehen zu erstreben, womöglioh 
nur die Neubildung zu entfernen, Uterus und Adnexe zu belassen, 
wenn sie nicht krankhaft entartet sind. Eine konservative Ope¬ 
ration ist dann am Platze, wenn es möglich ist, die durah das 
Myom verursachten Symptome, Druckschmerz, Ranmbeengnng, 
Blutungen und infolge dieser entstandene Anaemie mit ihren Ge¬ 
fahren für das Herz, durch die Operation dauernd zu beseitigan. 
Konservativ kann man verfahren bei den subserösen Myomen^ und 
hier kann man auch den abdominalMi Weg wählen. SchmifiEiger 
wird die Entscheidnng bei den interstitiellen Myomen; von ainm* 
abdominellen Enukleation dürfte in den meiatea Fällen, abausehsn 
sein und in den Rahmen der konservativen Myomopezatmn nur die 
Fälle zu rechnen sein, in denen es möglich erscheint, das inter¬ 
stitiell sitzende Korpusmyom auf vaginalem Wege mitt^ Hysttfo. 


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ÜM. 


MBDICINISCHB WOCHE. 


567 


fiVBMMite mb besten te Narkose, ist 

w Benrts*i«ng «^MderBdi. 

6. OöDitz, Bonn: Die H ihsaa s s flnb iB g der fl^tMtlewU- 
«Nie. 

Bei tec^niedi riohtig aosgefOhrter Spinalponktlon sind eine 
Anssftl TOn Faktoren von Einfluss anf die HObenausdehnung der 
Anaesthesie; 1. die Lageftnderung, 2. die Blutdruokrerbftltnisse im 
Sf^tAdelinnem, 3. die Menge dt'S Lösungsmittels für das Anaesthe- 
ticom. Ad 1: Es kommen in Betracht Injektionen im Liegen mit 
Ueibender Horizontallagerung, die Anaestbesie wird auf die Gegend 
des Oennes bescbrftnkt bleiben; Injektionen im Sitzen, darauf 
horizontale Lagerung, die Anaestbesie steigt fast stets über das 
Leistenband; Injektion im Sitzen, daran! starke Beckenbocblagerung, 
die Anaestbesie wird mindestens bis NabelhObe geben. Ad 2: 
Von OTOSser Bedeutung erscheint die Wechselbeziehung zwischen 
Venenrülhing im Scbadel und Liquordruck. Venöse Blutstauung 
im Sob&del, z. fi bei Herzkranken, hindert ein Emporsteigen des 
Liquor, Verminderung des Blutdrucks in der Schädelhöhle lässt 
den L«i<iaer in erhöhtem Mafle cerebralwärts fliessen; tritt die Him- 
anaemie erst nach der Injektion ein, so nimmt der aufsteigende 
L!qaorstr(W das Anaestheticnm mit, die Folge muss eine höhere 
Anaestbesie sein. Um kdnstlicb eine Blutabsaugung aus dem 
Schädel zu erzeugen, bieten sich zwei Möglichkeiten: Man führt 
vor der Injektion eine venöse Stauung durch Umlegen einer Hals- 
staubinde herbei; oder man benutzt den Einfluss der Atmung, in¬ 
dem man gewaltsam inspirieren lässt und dabei den Eintritt der 
Luft d«r^ teilweises Zuklemmen der Nasenflügel erschwert. Ad 3; 
Je grösser die Liquormenge ist, in der das Anaestheticnm gelöst 
wird, desto höher die Anaestbesie; man kann Liquormengen bis 
«a 10 ccm verwenden. Die unter Einfluss dieser Faktoren er- 
«MgäsB hohen Anaesthesien haben erkennen lassen, dass die Ur¬ 
sache numcher aiiangraehmen Begleiterscheinungen, Erbrechen, 
Sehsoiahe, SehweissaaslMrach etc., nicht eine direkte Vergiftung des 
Gehirns und verlängerten Marks ist, sondern die Aufnahme des 
GiftM in die Blutbahn, also eine Allgemeinvergiftung. Die £r- 
tahraog, dass alte Leute die spinale Analgesierung besser ver- 
tsagea als junge Leute, ist nur im allgemeinen zutreffend, was 
die akuten Get^ren anlangt, so ist bei alten Leuten die untere 
Hälfte des Lumbalsackes, bei jüngeren Menschen die obere für 
die liombalaaaestbesie geeigneter; Nacherscheinungen sind in beiden 
FüIImi bei allen Leuten durohsobnittUch geringer. Die jetzt an 
der Biers(^en Klinik übliche Technik ist kurz folgende: Für 
Oper at i o aep am Damme wird nicht mit Liqnor verdünnt, es genügt 
die B^kord^ritse von 2 ccm, soll ein höheres Hinaufsteigen der 
Anaasthesie vermiedmi werden, wird im Liegen injiziert. Für 
OpenUkmen am Bein werden 3—6 ccm Liquor angesaugt, für 
Hsrniotosaie, Appendioitis-, Nierenoperationeu 6—10 ccm und dann 
Bschsnhoohlagenmg vorgenoamen. Für höchste Anaesthesien wird 
eme Halastanbinde angelegt, dann 5—6 cg Tropacocain in 10 ccm 
LiquOT' injiziert, darauf die Binde abgenommen, stärkste E ad e rsche 
Lagerung vor genommen und ersehwerte, gewaltsame Inspiration. Das 
Tropaoccain, das jetzt an Stelle des Stovain verwandt wird, hat 
vor dicaem den Vorzug, dass es einen bedeutend geringeren Ein¬ 
fluss anf die Atmuugtnnaskulatar hat, dass es nicht zu Augen- 
iBoskellähmungen führt, dass die Begleit- und Nacherscheinungen 
mildere and seltenere sind; für die Geburtshilfe dürfte es sich 
b eson ders empfehlen, weil es wegen seines geringeren Einflusses 
anf die Muskelkraft die Wirkung der PrMswehen weniger beein- 
trttehtigt. 

7. Hammer, Heidelberg: Die XaberknUnbehaadlnng der 
Lungentnberkolose. 

Bei dem exquisit chronischen Verlauf der Tuberkulose, bei 
den polymOTpben anatomiaohen Formen, bei der Unsicherheit in 
der Beurteilung der anatomischen Ausbreitung des Krankheits¬ 
prozesses, bei dem oft jähen Wechsel im klinischen Verlauf, dür en 
an ein Heilmittel vcm vornherein nur bescheidene Ansprüche ge¬ 
stellt werden, ^n Ekfolg wird im wesentlichen nur in den An- 
ämgsstadien zu erwarten sein. Die H’schen Erfahrungen über die 
BahiMMllaag der Lungentuberkulose mit Tuberkulin erstrecken sich 
über 6 Jahre; zur Anwendung kam meist das alte Koch sehe 
Tuberkulin, vereinzelt auch das T. R. and Neutuberkulin; die In¬ 


jektionen wurden ausschliesdich im Supra- oder IntersoapuUar- 
raum gemacht, abwechselnd rechts und links. Irgendwelche in 
Betracht kommenden Schädigungen wurden nie beobacktet. Der 
wichtigste und schwierigste Punkt ist die Frage der Dosierung 
des Tubsrkniias, mehr wie bei jedem andern Mittel ist s^ngste 
Individualisierung erforderlich. Das Prinzip bei der B^aadlui^ 
ist die Bestimmung der Beaktkmsgrenze, die ^mittlong der Dosis, 
bei der eine Reaktion eben noch vermieden wird. An dieser Re- 
aktionsgrenze, die, entbrechend der Gewöhnung des Organismus 
an das Mittel, stetig eine andere wird, muss num sich während 
der Kor halten; dauernde genaue Kontrolle des subjektiven Be¬ 
findens des Patienten und der Temperatur — vier Messungen am 
Tage genügen meist — ist dazu erforderli(flt und wird erheblichere 
Reaktionen, die mit Sebädignngen verbunden sein können, ver¬ 
meiden lassen. Zn berücksichtigen ist auch, dass eine Kumulation 
des Mittels eintreten kann. Bei günstig gelegenen Fällen wird 
man gewöhnlich mit Vioo mg beginnen können, bei weniger günstig 
erscheinenden mit ^/looo mg; die Steigerung der Dosen soll eine 
gauz allmähliche, am besten nnr einen Teilstrich der Pravazspritze 
bei jeder Injektion sein; am Anfang kann man event. etwas s<^neller 
steigen, bei den böbem Dosen dafür etwas langsamer. Die Kur 
soll frühestens beendet werden, wenn 1 g reinen Tuberkulins 
erreioht ist, erstreckt sich also Uber mehrere Monate, je nach 
der Häufigkeit der Injektionen. Am geeignetsten für die 
TubeHcnlinkur sind die unkomplizierten Fälle von Lungentuber¬ 
kulose, die ungefähr dem Turban scheu ersten, höchstens zweiten 
Stadium entsprechen, eine Kontraindikation bietet kein Fall. Das 
H’eche Material umfasst 100 Fälle, von denen bei 60 die Kur zu 
einem Abschluss gebracht werden konnte; es handelte sich dabei 
um leichte, mittelschwere und auch ganz schwere Fälle; die Diagnose 
war durch Bazillenbefnnd oder Tuberknlinreaktion möglichst ge¬ 
sichert. Sämtliche Fälle worden ambulatorisch behandelt, blieben 
also in ihren mehr weniger schlechten häuslichen Veihältnissen, 
zum Teil sogar bei ihrer gewohnten Beschäftigung. Ein Eirfolg 
wurde in allen Fällen erzielt, ohne dass derselbe immer in voller 
Heilung zum Ausdruck gekommen wäre. Die günstigsten Resultate 
gaben die geschlossenen Tuberkulosen, und zwar waren die Er¬ 
folge, wie Nachuntersuchungen ergaben, auch dauernde. Noch 
bessere Resultate werden sich erzielen lassen bei einer Kombioation 
der Tuberkulintherapie mit der hygienisch-diätetisebeB Behandlung. 

8. Kellner, Hamburg: Die Erfolge der Opiam-Brom-KuT 
bei der Epilepsie. 

Verf. hat seit 10 Jahren die Opium-Brom-Badekur in folgen¬ 
der 'Weise angewandt: Der Kranke bekommt während ÖO Tagen 
täglich eine dreimalige Dosis Extractum Opii, die, beginnend mit 
0,05, an jedem zweiten Tage nm 0,01 steigt: am 51. Tage ist die 
Dosis 0,3 erreicht, die nur einmal gegeben wird. Daran schliesst 
sich die Brombehandlung in der Weise, dass mit 2 g beginnend in 
acht Tagen auf 9 g gestiegen wird und dann diese Menge einer 
Mischung von Bromnatrium, -Kalinm und -Ammonium im Verhält¬ 
nis 1 : 1 : lange Zeit täglich genommen wird. Während der 

Opiumkur muss der Patient seinen Beruf aufgeben, sich viel in 
frischer Luft aufhalten, eine leichte, vorwiegend vegetabilische 
Diät einhatten, er erhält etwas Salzsäure, bei, übrigens selten ein- 
tretender, Verstopfung Karlsbader Salz. Weiter werden während 
dieser Zeit täglich Bäder appliziert von allmählich gesteigerter 
Kühle (24®—17® 0) und entsprechend regulierter Dauer (zehn bis 
drei Minuten). Die angegebene Opiumdosis bezieht sich auf einen 
erwachsenen, sonst gesunden Menschen; nach dem Alter der 
Patienten ist sie event. zu variieren. Das Material, das K. dieser 
Behandlung unterzogen hat, umfasst Patienten der Privatpraxis 
nnd Pfleglinge der Alsterdorfer Epileptikeranstalt, leichte und 
schwerste Fälle, im Ganzen 80. Bei 16 musste die Kur unter¬ 
brochen werden, weil Opium nicht vertragen wurde; ohne jeden 
Erfolg blieb sie bei 7,5®^: eine Verminderung der Krampfanfälle, 
wie sie auch nach einfacher Brombehandlung einzutreten pflegt, 
zeigte sich bei 29 ^; eine wesentliche Besserung in der Art, dass 
die Krampfanfälle nur in Pausen von vielen Monaten auftraten 
oder statt ihrer sich nur epileptische Schwihdelanfälle einstellten, 
trat ein bei 16%; in 27,5% sind die Kranken seit der Km von 
Krampfan^Uea frei geblieben, und zwar handelt es sich hier um 
Zeiträume bis zu 6 Jahren. 


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598 


MXDICINISGHB WOCHE. 


Nr. 62. 


9. Oeigel, Würzborg: Bttekttamuig des XTrins nach dem 
Hierenbecken. 

Mitteilung eines Falles, bei dem mit Wahrscheinlichkeit dieser 
Vorgang anzunehmen ist. 

10. Boseok, Stolp: Myositis ossifioans progressiva, gekeilt 
durch Thiosinamin. 

Bei der Patientin entwickelte sich im Anschluss an eine In¬ 
fluenza ein Krankheitsbild, das wohl als Myositis ossifioans anzu¬ 
sprechen war, und das sich trotz Massage, Röntgenbestrahlung und An¬ 
wendung von Hitze fortschreitend verschlimmerte. Nach sechs 
Injektionen von Thiosinamin 1, Glyzerin 2, Aq. dest. ad 10,0, täg¬ 
lich eine Pravazspritze, trat eine wesentliche Besserung ein, nach 
weiteren 10 Injektionen völlige Heilung. 

11. Hackländer, Giessen: Vorschläge >u einer den Eeil- 
nngsprozeso nicht retardierenden Unterstützung der Unfallver¬ 
letzten. 

Um gewissen Schäden der Unfallversicherung — psychogene 
Faktoren der Arbeitsunfähigkeit der rentenberechtigten Unfallver¬ 
letzten — entgegenzuwirken, sind verschiedene Vorschläge gemacht 
worden: gesetzliche Erweiterung der Möglichkeit einer einmaligen 
Abfindungssumme, langsame Minderung der Rente, Psychotherapie, 
Unfallkrankenhäuser; am besten erscheint der von Bruns, anzu¬ 
streben, dass das Produkt der wiedergeleisteten Arbeit für den ' 
Arbeiter direkt Geldeswert bekommt, um ihn anzufeuem, seine 
Arbeitskraft wieder zu entwickeln. Bei quantitativ herabgesetzter 
Arbeitsleistung beispielsweise um die Hälfte, soll der Arbeitgeber 
die Einzelleistung doppelt bezahlen. die andere Hälfte lässt er 
sich von der Bernfsgenossenschaft zahlen; bei qualitativ herabge¬ 
setzter Arbeitsfähigkeit gibt der Arbeitgeber leichtere, weniger 
Geschicklichkeit erfordernde Arbeit bei einem Lohn, der dem Ver¬ 
dienst der gesunden Tage gleich kommt; die Bernfsgenossenschaft 
ersetzt ihm den Ueberlohn. Der Arzt soll den Verletzten der 
Berufsgenossenschaft gegenüber begutachten, aber in erster Linie 
mit dem Arbeitgeber zusammen die „Arbeitsbehandlung“ bestim¬ 
men. Der Arbeitgeber wird die nächstliegende psychische und 
finanzielle Stütze des Unfallkranken. 

12. Diendonnö: Faohausdiücke aus der neueren Lumuni- 
tätslehre. 

Es wird eine Zusammenstellung der kurz erläuterten häufigsten 
und wichtigsten Ausdrücke aus dem Gebiete der Immunitätslehre 
gegeben, die dem Femerstehenden eine rasche Orientierung er¬ 
möglichen soll. 

Deutsche med. Wochenschrift. Nr. 47. 1906. 

1. E. Kraus, Berlin: Ueber Kropfherz. 

Seit Bose und Schrunz unterscheidet man Schilddrüsenaflek- 
tionen abhängig von Zirkulationsstörungen und Cardiopathien durch 
Strumen verursacht. Zur ersten Gruppe gehören Bevilliod’s ,,Goitre 
cadiaque“, eine perivenöse interstitielle Tbyreoditis mit langsamem 
Schwund des sezerniereiiden Drüseoparenchyms infolge eines 
Tricu-spidalfehlers mit p. sitivem Venenpuls, und der Stauungskropf, 
d. h. die Modifikation, welche eine gewöhnliche Struma intolge 
Abklemmung der V. cava sup. durch einen Schilddrüsentumor erfährt, 
so dass zuweilen eine Struma vascularis mit Venenpuls zu Tage 
tritt. Dadurch scheint die Annahme gerechtfertigt, dass derartig 
starke venöse Kreislaufstörungen in Strumen ein weiteres cardio- 
pathieerzeugendes Moment bilden, um so mehr, als sich gewisse 
klinische Symptome des Kropfthyreoidismus iTumor, Tachycardie) 
hinzugesellen. Bezüglich der Arteriosklerose lässt sich nicht sagen, 
ob sie in der Glandula thyreoidea eine Parenchymschädigung 
verursacht, und wie weit sie als thyreogenes (thyreoprives) Aequi- 
valent anzusehen ist. 

In die zweite Gruppe gehört das Bosesche Kropfberz, eine 
Schädigung der Herztätigkeit durch gewöhnliche Kröpfe aut rein 
mechanischem Wege, und das .jdyspnoische“ „pneumische“ Kropf¬ 
herz mit Behinderung der Atmung, durch Bronchiektasie und 
Emphysem das Herz beeinflussend und dadurch eine Vergrösserung 
der rechten Kammer verursachend bis zu schwerer Insuffizienz 
und Myodegeneration. Selten nur dürfte mechanische Einwirkung 
auf die herzregulierendeu Nerven allein funktionelle Abweichungen 
der Herztätigkeit hervorrufen. 


K. will unter Kropfherz speziell die thyreogenen (thyreo-toxisohen) 
Cardiopathien verstanden wissen, d. h. das cardiovesiculäre Syndrom, 
welches dnrch abweichende Funktion der Glandula thyreoidea viel¬ 
fach unter Mitwirkung der herzregulatoriseben Nerven entsteht. 
Nach seiner Ansicht bilden die cardialen Störungen bei allen 
Hypothyreosen nicht nur nicht das Hauptsymptom, sondern 
sie treten auoh nicht progressiv hervor. Unter die Gruppe der 
cardio-vasculären Störungen durch Hyperthyreose wahr.>chein- 
lich bedingt gehören die Struma basedowiana, basedowificata, das 
thyreotoxische Eropfherz, der arteficielle Thyreoidtsmus. 

Bei der Struma basedowificata bietet der Stauungskropf oft 
das Aussehen einer Struma vascularis venosa (Kocher). Der nach 
der Operation nicht selten auftretende Thyreoidismus wäre viel¬ 
leicht auf ein Uebertreten reichlichen Schilddrüsensekretes in die 
Säitemnsse zu erklären. Beim thyreotoxischen Kropfherzen lassen 
sich zwei Intensitätsstofen des cardiovascnlären Syndroms fest- 
steilen, bei der ersten sind die bervorspringenden Symptome ver¬ 
stärkte Herztätigkeit, vermehrte Pulsfrequenz, Glanzangen, weite 
Pupillen, beiderseitiger Exophthalmus fehlt meistens, einseitiger ist 
als mechanische Schädigung eines der Halssympatid aufzufassen, 
bei der zweiten sind die Symptome stärker ausgesprochen, Exacer¬ 
bationen mit längerer Dauer folgen, die Verbreiterang der Herz¬ 
dämpfung wechselt dann, Schwierigkeiten kann die Differential- 
diagnose machen, ob Atemnot das Primäre ist und ob es sich um 
„ sekundärenBasedow handelt oder nicht. Typischer Basedow ist 
in Kropfländem selten. Der Tremor des Thyreoidismus bei ein¬ 
fachem Kropf ist meist auf Finger and Zunge beschränkt und 
nicht so intensiv wie bei leichten Fällen von Basedow, ebenso 
fehlt die Beteiligung der Augen und schwere trophische Störungen; 
aber die Cardiopathie tritt bei Thyreoidismus stark hervor. 

Warum verursacht ein an gewöhnliche Kröpfe sich an¬ 
schliessender Thyreoidismus verhältnismäÜig oft ein einseitiges 
mitigiertes Krankheitshild gegenüber dem im ganzen progressiven 
und schweren Basedowsyndrom ? Die Ursachen können innerhalb 
und ausserhalb der Glandula tb 3 a'eoidea liegen. 

Für eine Ueberfunktion .*<precbeu 1. dör Gegensatz zwischen 
Basedow-Syndrom und Myxoedem, 2. die Wirkung der operativen 
Behandlung, 3. die Analogie zwischen dem spontanen pathologischen 
Zustand, welcher dem Basedow-Syndrom, der Struma basedowificata 
und dem „thyreotoxischen“ Kroptherzen zu Gmnde liegt, und dem 
artificiellen Thyreoidismus, 4. die vermeintlich direkt durch das 
Kreislaufexperiment nachweisbare, physiologische Aktivität der 
SchilddrUsenstoffe, ihre Wirkung speziell auf das Herz und die 
regulatorischen Herznerven, 5. die pathologisch • anatomische Kon¬ 
stanz, der speziBsche Charakter der Struma bssedowiana, 6. der 
Nutzen und Schaden der Substitutionstherapie. Ueber die Quanti¬ 
tät der Sekretion bei normaler Glandula thyreoidea lässt sich 
nichts Bestimmtes aussagen. Ebenfalls ist die Frage noch unent¬ 
schieden, ob die Jodarmut der adenoid-hyperplastischen Strumen 
auf eine herabgesetzte Speicherungsfähigkeit für Jod oder eine 
Unterwertigkeit der Glandula thyreoidea zurückzu führen ist; über 
den Jodstoflwecbsel beim artefiniellen Thyreoidismus ist auch noch 
keine Klarheit vorhanden. Der „akute“ Kreislaufversuch ergibt 
nur die Tatsache, dass unter bestimmten Bedingungen die Glan¬ 
dula thyreoidea nur Etwas liefert, das den vernichteten Vagus- 
tonus wiederherstellt, den das Fehlen bezw. die Unterwertigkeit 
der Schilddrüse nicht vernichten kann. Es muss also beim 
Thyreoidismus eine Alteration des Nervensystems vorliegen derart, 
i dass die Herzregulatoren zurücktreten und der Sympathikus stärker 
erregt wird. Was den spezifischen Charakter der Struma base¬ 
dowiana anbetrifft, so handelt es sich in frischen Fällen um eine 
diffuse Struma „pulsans acuta“, vascularis, telangiectodes (mit 
leicht zerreisslichen Getässen). 

Der Grund, warum der Thyreoidismus bei älteren gewöhn¬ 
lichen Kröplen mitigiert bleibt, liegt vielleicht darin, dass Hyper¬ 
plasie und Degeneration innerhalb des funktionsfähigen Teiles der 
Glandula thyreoidea neben- oder durcheinauderliegen. 

Manches spricht aber dafür, dass die Gründe für das Rudimen¬ 
tärbleiben des Kropfthyreoidismus auch ausserhalb der Glandula 
thyreoidea liegen. So hat B. Ewald bereits nachgewiesen, dass 
saugende Hündchen an den Folgen der Schilddrüsenexstirpatlon zu 
Grunde gehen. Das Jod tritt aber erst im extrautetinen Leben 
und zwar langsam in den infantilen Organismus Uber, Erkrankte 


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1906. 


WETlTflTNTflfiH K ^rOCHBt 


669 


Schilddrüsen sind oft viel jodArmer, msnobmal jodfrei, adenoid- 
ityperplastisohe Strumen enthalten kleine Jodmengen, die carcino- 
matöee Schilddrüse aber wird jodfrei. Trotzdem treten nicht 
immer StOningen im Sinne eines Myxoedems auf, and die Reaktion 
aaf Schilddrflsenstoffe ist nngleich. 

2 . Erb, Heidelberg: Klinische Kasniitik ans der Praxis. 

L Poliomyelitis anterior acuta superior. 

Die Diagnose macht oft Schwierigkeiten, Verwechslungen mit 
Meningitis, akuter Bulbärparalyse, Landrysche Paralyse, Polyneuri- 
tis, auch oervikale Poliomyelitis kommen vor, besonders bei Kindern, 
bei denen die Schmerzen in den Vordergrand treten, Blasen- 
stürongen und leichte Sensibilitfitsstörungen nidit selten sind, ist 
der Verdacht einer Polyneuritis gerechtfertigt. Nach Oppenheim 
werden die unteren Eiztremit&ten öfter betroffen als die oberen, 
ganz ausnahmsweise aber einer der motorischen Himnerven. 
Cowers und andere sind derselben Meinung. Diplopie ist selten, 
ebenso Schwache der Kackenmuskel und Beschwerung des 
Schluckens. Verf. berichtet über mehrere Fälle mit Beteiligung 
der Hirnuerven. Im ersten Falle waren Erscheinungen von seiten 
des Herzens und der Respiration, die auf Beteiligung der bol- 
bären Zentren deuteten, und eine partielle Zerstörung des linken 
Accessorinsgebietes nachweisbar. Im zweiten eine Läsion beider 
Äccessorii, ausserdem eine Lähmung des Diaphragma, Nystagmus 
und eine Paresis eines Abducens, und im ditten Fall ergab die 
Sektion ebenfalls den Nachweis der Poliomyelitis acuta in den 
oberen Partien des Cervicalmarks. 

II. Zum Kapitel der angiosklerotischen Störungen der unteren 
Extremitäten (intermittierendes Hinken etc.). 

Die Untersuchung der Fusipulse ist äusserst wichtig, um vor 
falschen Diagnosen zu schützen, wie Neuralgie, Is;:hias, Spinal* 
leiden, Piattfussbeschwerden etc. Aus dem Fehlen oder der 
Schwäche der Fusspulse ergibt sich leicht das Vorhandensein 
zirkulatoriscber Störungen. Es kommen aber auch Fälle vor, in 
denen die Fusspulse unverändert erscheinen. Französische Forscher 
(Dezerine, Gounet) haben neuerdings den Versuch gemacht, diese 
Fälle auf analoge Störungen der Zirkulation im zentralen Nerven¬ 
system Zurückzufuhren, wie sie beim typischen intermittierenden 
Hinken in den Muskeln und Nerven der Unterschenkel gefunden 
wurden. Sie sprechen von intermittierendem Hinken des Rücken¬ 
marks, des Mittelhims und der Obloogata, des Grosshirns etc., 
wie Angina pectoris als intermittierendes Hinken des Herzens dar- 
gestellt. wird. Für die Behandlung kommen Jodpräparate in 
Frage, Sajodin innerlich und Jodthionsalben äusserlich. 

3. Stadelmann, Berlin: Die Behandinng dei Typhus ah- 
dominalu. 

SpeziBsche Therapie ist erstrebenswert, doch sind die Ver¬ 
suche bis beute wenig erfolgreich gewesen. Bessere Resultate 
haben die prophylaktischen Impfungen ergeben, allein es empfiehlt 
sich noch nicht, Angehörige von Typhnskranken präventiv mit 
Typhusserum zu behandeln, wie etwa bei Diphtheritia Nach 
Liebermeister kommt für die sogenannte Abortivbehandlung 
Jod und Jodkalium in Frage, auch eine Kalomelkur ist bei frischen 
Fällen angezeigt, und es ist wohl denkbar, dass infolge reichlicher 
Stuhlgänge viel infektiöses Material aus dem Darme entfernt und 
eine gewisse Desinfektion erzielt wird. Naphthalin, Naphthol, 
Bismuth. salicyl. sind wirkungslos. Die Hauptsache beim Typhus 
bleibt regelrechte Pflege und eine richtige Diät. Letztere muss 
flüssig, leicht verdaulich und leicht resorlnerbar sein, da Fieber 
und die resorbierten Toxine schwere Stoffweohselstörungen, mangel¬ 
hafte Absonderung wenig wirksamer Verdauungssäfte zur Folge 
haben. Vor Fleisch, auch in leichtester Form, ist zu warnen, 
Kohlehydrate und Fette sind geeignet, den Zerfall der Körper- 
suhstanz einzuschränken. Milch, event. mit Zusätzen, Fleischbrühe, 
Haferschleim etc., vor allem aber die Leimsubstanzen (Gelees), 
Butter in der Suppe, Zucker und Sahne, Malzpräparate geben ge¬ 
nügende Abwechslung und werden gern genommen. Kleinere aber 
öftere Mahlzeiten (idle 2 Stunden) sind angezeigt. Als Getränke 
kommt Wasser zuerst in Frage, event. Zusätze von Frachtsäften 
und kalter, dünner, süsser Tee. Mineralwässer sind schädlich wegen 
ihrer meist abführenden und auftreibenden Wirkung. Alkohol in 
nur ganz kleinen Dosen mag zulässig sein, am besten meidet man 
ihn ganz, da andere gute Medikamente genügend bekannt sind. 


I. Die antipyredsohen Behandlungsmethoden. 

a) Die Hydrotherapie. 

Nicht die Höhe des Fiebers ist entscheidend, sondern der 
Allgemeinznstand, das Sensorium, die Nahrungsaufnahme, das Herz 
und die Lungen. Kalte Bäder von 16—10^ Rund in 2—Sstttnd- 
licher Folge, wie sie Liebermeister, Brand und Vogel u. a. 
angewandt haben, wirken zwar günstig im allgemeinen, sind aber 
heute nicht mehr gebräuchlich. 2 — 3 laue Bäder von 30—32^C 
und 10—20 Minuten Dauer leisten dasselbe find werden als Wohl¬ 
tat von den Kranken empfunden. Dabei bleibt das Fieber nicht 
mehr konstant hoch, sondern zeigt remittierenden Charakter, Bis 
zur völligen Entfieberung werden die Bäder fortgesetzt. 

Von kalten Uebergiessungen ist abzusehen, nasse Einpackungen 
haben geringen Effekt. Wo Bäder aus irgend einem Grunde nicht 
anwendbar sind, empfehlen sich Abwaschungen mit kaltem Wasser 
oder Essigwasser (1:4) von 12 ^R alle 2—3 Stunden. Bei Säufern 
und aufgeregten Kranken führen protrahierte warme Bäder von 
25—27^R oft zum Ziel. Die von Krönig empfohlenen Bettbäder 
sind kaum geeignet zur Anwendung. 

Die Bäderbebandluug ist ausgeschlossen bei Darmblutungen, 
Blutungen ans der Lunge, Tuberkulose, Bronchieotasien, Lungen- 
empbysem, liei fetten Leuten, Blutarmut, Peritonitis und allen 
Herzaffektionen. Dagegen bilden Puerperium, Laktation, Menses 
keine absolute Gegenindikation. Vor Wasserkissen mit kaltem 
Wasser oder Eis oder Kältemischnng ist zu warnen; Friessnitz- 
sche Einpackungen aber sind recht empfehlenswert. 

4. Schmidt, Dresden: Heber die Behandlung des Magen- 
gesohwürs. 

Leube empfiehltdie ^diätetische Ruhekur" bestehend in strenger 
Bettruhe auf 14 Tage bis 3 Wochen, heissen Umschlägen auf den 
Magen, strenger Diät, in vier Formen eingeteilt, und den Ge¬ 
brauch kleiner Mengen Karlsbader Mineralwasser. Nur bei Blut¬ 
ungen ist der Eisbeutel augezeigt, Eispillen oder eisgekühlte Milch 
und Nährklystiere. Lenhartz bekämpft diese Unterernährung, 
zumal Blutarmut und Hyperacidität beim Ulcus ventriculi eine 
Rolle za spielen pflegen; er gibt sehr schwach steigend konzen¬ 
trierte eiweissreiche Kost, event. unmittelbar nach der Blutung. 
Senator will die Vorteile dieser beiden Methoden vereinen und 
ihre Nachteile beseitigen durch eine Kombination von Glutin, Fette 
und Zucker mit geringen Mengen Eiweiss, wie Kalbsiuss und 
Huhngelee, Sahne, Mandelmilch, gefrorene Butterküchelchen. Der 
Vorzug der Lenhartzschen und S enatorsehen Vorschläge liegt in 
dem Verlassen des Schemas des Lenbeschen Speisezettels. Das 
Schonungsprinzip bleibt bestehen, wo der Kräftezustand es er¬ 
fordert, sind die Zulagen angebracht. Mit Fleischkost sei man 
aber vorsichtig; denn das rohe Bindegewebe stellt an die Ver- 
dauungskraft des Magens die grössten Ansprüche. Ausser dem 
Karlsbader Mühlbrunnen kommt die Kussmaulsche Wismutbe- 
haudlung und das Argentum nitricum von arzneilichen Mitteln in 
Betracht; Belladonna, Oodein, Opium sind bei heftigen Schmerzen 
kaum zu entbehren. Bei schweren, resp. wiederholten Blutungen 
ist Ernährung per rectum angezeigt, arzneiliche Mittel versagen 
in der Regel, Plumbum acetioum oder Adrenalin, besser aber Er- 
gotininjektionen sind zu versuchen, Kochsalzinfusion oder Auto¬ 
transfusion bilden die ultima ratio. Beim Versagen dieser Be¬ 
handlungsmethode, bei häufigen Rückfällen und drohender Per¬ 
foration bietet die Operation einige Aussicht auf Erfolg, ebenso 
bei Fassagebehinderung als Folgezustand des Geschwürs. Schwierig¬ 
keiten in der Diagnose bieten die sogenannten perigastrischen Ad- 
baesiouen, die ebenfalls operativ zu behandeln sind, da die Ver¬ 
suche mit Thiosinamineinspritzungen völlig versaget haben. 

5. König, Berlin-Gmnewald: Welchen EinflxuM hat das 
Böntgenverfahren auf das Handeln des Arztes bei Knochen- 
brüchen ausgeübtt 

K. kommt zn dem Schluss, dass in vielen Fällen bei ein¬ 
fachen Brüchen die alten Versuchungsmethoden völlig ausretchen, 
die Röntgenaufnahme ist entbehrlich dabei, in anderen Fällen bat 
das Röntgenverfahren unsere Kenntnisse über die pathologische 
Anatomie und Mechanik der Knochenbrüche vertieft und unser 
diagnostisches Können erweitert, das Auge ist geschärft für die 
Formveränderung am Körper, die zu einer bestimmten Fraktur 


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670 








Nr. 5ß. 


gehört. In vi^en koffiplixierten F&Uen wt das Ver&hran das 
einzig sichere Mittel für die Stellung der Diagnose and die Be> 
handlang; daher müsste es obligatorisch gemaoht werden, wo nicht 
unUbersteigliche Hindernisse vorliegen. Eine weitere Anzahl von 
Frakturen sind uns durch das Verfahren aufgedeokt worden, und 
oft ist es das Mittel, das die Direktive für eine, nonaale Ver¬ 
hältnisse herstellende Operation ergibt. 

6. Hegar, Freiburg i. B.: Diätetik der Wdohaerin. 

Die Disposition* zu Erkrankungen ist im Wochenbett, das im 
weiteren Sinne bis zur völligen Rückbildnng 42 Tage dauert, 
gross. Deshalb sollten die hygienischen Vorschriften streng be¬ 
folgt werden, soweit es die Vermögenslage gestattet. Eine tüchtige 
Pflegerin ist notwendig. Das Wochenzimmer soll bell, geräumig, 
leicht zu reinigen, vor Staub und Lärm geschützt, lekht ventilier¬ 
bar, nicht zu warm und nicht zu kalt (17—18^0) sein. Die 
Ausstattung sei möglichst einfach, Bett (mit Rosshaarmatratze mod 
Decke) und Nachttisch aus Eisen. Hemd und Jacke bildet die 
Bekleidung, als Unterlage ist ein wasserdichter Stoff zu empfehlen, 
zusammengelegte Leintücher werden darüber gebreitet, als Vorlage 
vor den Genitalien, die morgens und abends sowie nach Stuhl- 
und Urinentleerung vorzunebmen ist, dient sterilisierte Watte. 
Nur im Notfall ist ein Katheter zu gebrauchen. Die früher üb¬ 
liche spärliche Kost ist unzweckmäßig; nur Fleisch in grosser 
Menge, schwere Speisen, Wein und Bier sind wegen den Folgen 
unangebracht. Zwischen dem zehnten und zwölften Tage darf 
die Wöchnerin, falls keine Komplikationen vorliegen, aufstehen; 
eine gewisse Freiheit der Bewegungen im Wochenbett ist er¬ 
wünscht. Körpertemperatur, Uterus und Lochien sind zu über¬ 
wachen. Thrombosen in den Beckenvenen und der Vena saphena 
nnd cruralis sind nicht selten, teils sind mechanische Momente, 
Regelwidrigkeiten des Blutumlaufs, z. B. bei Chlorose und starkem 
Blutverlust, teils Infektionen die Ursache. Durch Lageweohsel, 
leichte Massage, Streichungen kann man dem ersteren Uebel Vor¬ 
beugen. Die Muskeln der Bauchdecken und des Beckenbodens 
sind durch gymnastische Uebungen zur normalen Funktion zu 
bringen. Die Einleitung und Regulierung des Stillens ist von 
grösster Bedeutung, da Brustkinder widerstandsfähiger sind als 
Flaschenkinder. Viele Frauen können nicht stillen, da Brust oder 
Warze verkümmert ist, ein Erbfehler, der in mehreren Generationen 
beobachtet werden kann. Eine passende Zuchtwahl wäre geeignete 
Hilfe. Andere haben die VerkUmmernng erworben durch Ent¬ 
wicklungsstörungen infolge künstlicher Auffütterung, Krankheiten, 
beengende Kleidung etc. Bei manchen Wöchnerinnen muss der 
Versuch gemacht werden, das Kind zu stillen, wenn auch nur auf 
wenige Monate. Schon während der Schwangerschaft muss Brost 
und Warze abgehärtet und zum Saugen tauglich gemacht werden, 
kalte Waschungen, Spirituspinselnngen sind gute Mittel, durch 
Saugglas ist die eingezogene Warze emporzuheben usw. Nach 
etwa 2 Stunden ist das neugeborene Kind zum ersten Mal anzu- 
legen, in der Nacht sind längere Pausen notwendig. Rasch soll 
eine Brust ausgetrunken werden, bei der zweiten Mahlzeit die 
andere, besonders wenn Schmerzen vorhanden sind, wo Warzen* 
hüteben oder Borsäure notwendig werden. Wenn beim Anlegen 
Blut kommt, ist mit dem Stillen aufzuhören. Beim plötzlichen 
Versiegen bringt zuweilen ein anderes kräftig saugendes Kind die 
Sekretion wieder in Gang. Das Stillen wirkt günstig auf die 
Rückbildung des Sexualapparatea; bei einer Verzögerung und lang- 
hestehendem Lo.-hialfluss ist oft Utemsmassage, Ausspülungen, selbst 
das Kurettement angezeigt, wodurch die Sekretion besser wird. 
Selten^ verträgt ein Säugling die Muttermilch nicht; die Ursachen 
sind völlig unbekannt. 

7. Schinidt-Rimpler, Halle: Bemerkungen zur ärztlichen 
Begntachtong des Einflnsses der Sehschärfenverringenmg anf 
die Erwerbsfähigkeit. 

Der Maßstab für die Beurteilung der Verringerung der Er¬ 
werbsfähigkeit durch körperliche Leiden infolge Krankheit oder 
Alter ist unzulässigerweise meist derselbe, wie er bei der Ab¬ 
schätzung von Unfallrenten angewandt whd. Bei Unfällen kommt, 
ausser den reellen Folgen, die Plötzlichkeit der Schädigung und 
die Verringerung der Konkurrenzfähigkeit in Betracht, während 
bei der vorzeitigen Invalidenrente diese Schäden keine Rolle 
spielen, langsam und allmählich tritt meist die Versohiechterung 


ein, oft wird sie erst nfäUig eetdeokt, was Ve rfasse r es 'Bsi- 
eptdea kUu' macht, an maem Altersstu* and dem plötsliehen'Ver¬ 
last des Sebeas auf einem Auge. Bezüglich der Ertiöhang 4er 
Rente für Verringerung der Konkurrenzfähigkeit, die vcm vieleii 
Faktoren abhängig ist, sind verschiedene Anmchten ausgesprodiMi. 
So nach den optischen Aaspr&<flien, die an die Arbeiter gestellt 
werden, schwankt die Rente zwischen 25—33V*%, ja50%. Der 
Schaden, der bei Verlast eines Auges zugefttgt wird, besteht vor¬ 
zugsweise in dem Aufhören des schnellen und exakten Körperlich- 
Sehens, wozu eine Einengung des Gesichtsfeldes kommt, die aber 
beim Sehen in der Nähe von keiner grossen Bedeutung ist. Dann 
ist es von höchster Bedeutung auch in solchen Fällen, wo nicht die 
volle Sehkraft verloren gegangen ist, sondern nur eine Herabsetz¬ 
ung der Sehschärfe stattgefunden hat, oder ein Auge aphakisch 
geworden ist, auf das Vorhandensein des Körperiiehsehens zu 
untersuchen, z. B. durch Distanzabschätznngen. Dass die grössere 
Gefahr voller Erblindung für den Verletzten in der bewilligten 
Rente gleichzeitig eine gewisse Berücksichtigung Anden müsste, 
ist unzutreffend. Die Rente soll sofort und dauernd festgesetzt 
werden, wenn auch durch Uebung und Gewöhnung eine Besserang 
eintritt. Eis sei auf Schielende und Einäugige aufmerksam ge¬ 
macht, die den vollen Verdienst haben; Uhrmacher arbeiten auch 
nur mit einem Auge und der Lupe die feinsten Dinge, und Opena- 
tionen im Kehlkopf werden mit Benutzung des SpiegelÜldes 
ausgeführt. Wenu ein Auge durch Unfall bei normalem Sehen 
des anderen und erhaltenem binocularen Sebakt eine Sehsohärfsn- 
herabsetzung erleidet, die aber noch höher oder gleich der normalen 
ist — ohne andersartige Funktionsstörungen — so wird keine 
Herabsetzung der Erwerbsfähigkeit angenommen. Sie entsteht 
erst nach Schleich bei S. 0,4; nach anderen beim Sinken unter 
0,1. Nach Magnus betrüge die Verringerung der Erwerbsfähig¬ 
keit bei qualifizierten Arbeitern etwa 3 %, bei gewöhnlichen 1 %. 

Die Erfahrung hat gelehrt, dass die prozentuale Abschätzung 
der Erwerbsfähigkeit durch den Arzt das beste Verfahren ist; die 
Invalidenrente wird erst znerkannt bei einem Sinken der Erwerbs- 
fäbigkeit unter S3Vs%, was mit einem Sinken der Sehschärfe 
nach Goernouws Ansicht unter'/lo erreicht wird. Auch hierbei ist 
der Unterschied der Schätzung gegenüber dem bei Unfallen ein¬ 
gehaltenen beträchtlich. Für den Arzt ist in seinem Gutachten 
über die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nur der objektive 
Befand maßgebend; Erwägungen, die dem Mitleid entspringen, sind 
unangebracht und können leicht Unannehmlichkeiten verursachen, 
da der Gutachter bezüglich gezahlter Renten event. regresspflichtig 
gemacht werden kann. 

8. Denker, Elrlangen: Die Behandlung der Erkrankungen 
des äusseren Ohres. 

Hemmungsbildungen, wie Fehlen der Ohrmuschel oder Rudi¬ 
mentärbleiben ist selten; Ezcessbildungen, Polyotie, abstehende 
oder sehr grosse Ohrmusobeln sind chirurgieoh zu behandeln, eben¬ 
so die Fistnla anris oongenita, die meisten mechanischMi Verletz¬ 
ungen, das Othaematom, die Perichondritis und Phlegmone. Er¬ 
frieren wird durch Ohrklappen verhütet, sonst sind Tinot jodi und 
Salbenverbäade angezeigt. Erysipel, Herpes, Lupus, LichM rubor, 
Pityriasis, Psoriasis, Syphilis erfordern die übliche Behandlung. 
Höchst selten ist die Noma, die s^ir bald zum Tode fahrt, WMin 
nicht frühzeitig eine totale EIxstirpation des Herdes vorgenonaaMn 
wird. Häoflg sind Elczeme, im kindlichen Alter E. mbmm et kn- 
petiginoeom, beim Elrwachsenen das £1 squamosum am Meatosein- 
gang und in der Oonoha. Wichtig für die Behandlung ist eine 
etwaige Trommelfellperforation und Mittelolu^tterung, mit dMon 
Schwinden auch das Eozem gewöhnlich ver8<^windet. Die Be¬ 
handlung ist die übliche auch hier; erinnert eei an die Sezeae, 
die durch Medikamente bervorgerufen werden können, z. B. Jodo¬ 
form, Orthoform, Sublimat, selbst Borsäure. Na^ NeurosMi 
kommen Anaesthesie, Hyperaestbesie, Pruritus und Neuralgie vor, 
die mit Beseitigung der Ursachen meist schwinden. V<m den 
entzündlichen Erkrankungen ist der Furunkel zu nennen, der 
wohl zu nntersoheiden ist von einer Erkrankung des Warzenf<^ 
Satzes. Frühzeitig sind Alkoholverbände, auch lO^ige Löeungen 
von essigsaurer Tooerde genügen dazu, sehr angebracht, bei Eiter¬ 
bildung muss mögliobst tief incidiert worden. Otitis externa dHfass 
entsteht infolge mechaniscbM', tbormisober und ohomisoher Rebe, 
durch Hineingelangen von Wasser, das die Haut maeeria^ und eo 


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1906. 


MEDICDnSCHB WOCHE. 


571 


fOr die GrkraDknng gOoatigea Boden aohafffe. Die Behandlung ist 
wieder die gewöhnliche, ebenso bei Otitis externa bullosa nach Eröff¬ 
nung der Blasen und der cronpoaa nach Entfernung der Membranen 
und des Sekretes. Bei der Otomykosis, hauptsächlich durch pflanz¬ 
liche Parasiten hervorgemfen nach Einträuflung von Oelen etc., 
einpfehlea sieh warme Borsäurelösungen oder Salicylspiritus (2%), 
Ceraminalpfrö( fe, die Schwerhörigkeit verursachen, entfernt man 
nach Erweichen durch eine Lösung von Kal. carbonic; Choles¬ 
teatome jedoch nach Äufweicbeu durch Spiritus, da durch Wasser 
das ^itbel quellen würde. (Schloss folgt) 

9. Ganghofer, Prag nnd Langer, Graz: üeher die 
Verwertbarkeit dei PbänomeBs der Komplementablenkung'nun 
Haehweua von artfremdem EiweiM im Blute. 

Auf Grund eingehender Versuche kommen die Verf. zu dem¬ 
selben Besaitet wie Uhlenbuth, näoilioh, dass man der Ab- 
lenkongsmethode eine för experimentelle Arbeiten und insbesondere 
für klinieohe Untersuobnngen weeentlioh ins Gewicht fallende 
Ueberlegenheit über die Praezipitierongsmetbode nicht zuerkennen 
kann. Von der Menge des Praezipitats ist das Elintreten und Aus¬ 
bleiben dar Haemolyse abhängig; dieZeitdaum* aber der Praezipitat- 
bildung ist bestimmend für den Ausfall der Reaktion. Sehr sinnfäUigist 
das Phänomen der Komplementablenkung, es ist leicht und sicher 
zu beurteilen, ob Haemolyse eingetreten ist; aber äussere Schwierig¬ 
keiten and mne Anzahl von Fehlerquellen machen die Anordnung 
dieser Methode schwierig, z. B. die Anschaffung von Sera nnd 
Blutkörperaafschwemmung in stets frischem Zustand, der notwendig 
ist. Zn den komplementablenkenden Stoffen gehört, nach Uhlen- 
huth, da» Tuberkulin. 

Asrztllelie Rundschau. Nr. 47. 1906. 

1. Viett, Horneburg: Omorel bei Angina. 

Omorol ist ein völlig ungiftiges, dabei hochgradig baktericides 
Silberpräparat, das eioh leicht in den Körpersäften löst. Seine 
Verwendung bei Anginen erfolgt durch Aufpinselnng auf die 
Tonsillen und Einblasung in den Bachen and event. durch die 
Nase. Einige Krankmigeachichten lassen gute Erfolge dieser Be¬ 
handlung erkennen. 

2. Rahn, Dresden: BoniUta nad Fleisohtaft. 

R. betont die Bedeutung der Booillon für die Diätetik; ihre 
Wirkang wird wesentlich ergänzt durch Zusatz von Fleiscbaäften. 
E. empfiehlt in dieser Hinsicht dasRobur (Chamnitzer, MUndien), 
das reich an Extraktivstoffen und Näfarsalzen ist und sich durch 
hohen Eiweissgehalt auszeichnet. Bouillon mit Robur bis 1 
Teelöffel pro Tasse) ist ein anregendes Tischgeträuk, geeignet bei 
Appetitlosigkeit, Ersohi^fung, bei grossen Anstrengungen, als 
Diätehonm und Boberans bei Chlorose, Tuberkulose, Magen- nnd 
Darmkatarrben, io der Beconvalescenz nach Infektionskrankheiten. 

No. 48. 1906. 

1. Malert, Waren: Xine Bemerkong snr Begntachtug 
UafiiUsaclatstec. 

M. weist auf die Schwierigkeiten hin, die sich für die Beur¬ 
teilung mancher Krankheiten Uufallfolgen, besonders bei Tu- 
msran. Diabetes und traomatiecber Neurose, daraus ergeben, dass 
keios genaoen Angaben über den früheren Gesondheihaustand au er- 
haheo mnd, und macht den Vorschlag dass für jeden in einem ver- 
aicbsrang£q>flichtigen Betriebe Beschäftigten bei seiner Annahme 
ein Fonnalac ausgefüllt wird, das kurz den Befund der einzelnen 
Ocgaae enthält, oad das dann durch etwa jidirliohe Nachunter- 
saehaagen za einem brauchbaren ärztlichen Curricolnm vitae aus¬ 
gestaltet werden könnte. 

2. Zu dem in No.85 dieses Blattes von Adamkiewiczch 
vert^entlichten Artikel: Ueber die Hmwandlnng des Krebset, in 
B Udtg i w e bn nntec dam Buiflut des Kaakroina. gibt Weinert, 
Jsiia> eine ffh* Adamkiewiozoh veraiobtende Riohfdgstellnng. 

3. Soböpler, Münohen: Bk AMSta dmr freien Reiebstiadt 
Vttnbexg nnd; Rtr Kasnpf gegen daa Knrpf as d x ertnm. Historische 
Studie. 


Bücherbesprechung. 

Die Gesundheit, ihre Erhaltung, ihre Störungen, ihre 
Wiedertiereteliung. Ein Hand- und Nuchschlagebuch für jeder¬ 
mann. Unter Mitwirkung von 52 ersten ärztlichen Autoritäten 
(Professoren und Privatdozenten der Universitäten des Deutschen 
Reichs, Oesterreich-Ungams, der Schweiz etc.) herausgegeben 
von Prof. Dr. R. Kossmann in Berlin und Privatdozent Dr, 
Jul. Weias in Wien. 1044 Seiten Text mit 293 Abbildungen, 
12 mehr- und 6 einfarbigen Tafeln. 2 Bände in Leinwand ge¬ 
bunden 24 Mark, in Halbfranzband 26 Mark. Union Deutsche 
VerlagsgeseUschaft in Stuttgart. 

In allen Sdiichten der Gebildeten besteht der Drang nach 
Aufklärung über die Vorgänge am eigenen Leibe in gesunden und 
kranken Tagen. Leider wird dieser Wissensdurst oft aus recht 
trüben Quellen gestillt. Ein Werk, welches diesem nun einmal 
vorhandenen Bestreben nach Selbetbelehruog auf hygienischem 
Gebiete, mit dem der moderne Arzt nun einmal rechnen muH, in 
wirklich einwandfreier und auch vom Standpunkte des Arztes und 
der medicinischen Wissenschaft zu billigender Weise entgegen- 
koaunt, darf also von vornherein auf den Beifall der Aerzte 
rechnen. Dae oben angezeigte, in einem der renommiertesten 
Verlage erscheinende Werk stellt sich als ein Hand- und Nach- 
sohlagbuch für die Familie im besten Sinne des Wortes dar. 54 
der hervorragendsten Aerzte der Gegenwart — Professoren und 
Dozenten der Universitäten Deutschlands, Oesterreich-Üngaras und 
der Schweiz — haben sich vereinigt, um ein Werk za schaffen, 
das, auf gründlichstem Wissen aufgebaut, der strengsten, wissen¬ 
schaftlichsten Kritik standbält, and gleichzeitig in leicht verständ¬ 
lichem, fliessenden Stil geschrieben, die Laien davor bewahrt, vor¬ 
witzig den Arzt ersetzen zn wollen, wo dessen Elingreifea er¬ 
forderlich ist. Nicht die Ansichten und Erfahrungen eines einzelnen 
bietet dieses neue hygienische Buch, vielmehr haben die Heraus¬ 
geber im Hinblick auf die ungeheuere Ausdehnung des Gesamt¬ 
gebietes der medicinischen Wissenschaft, für jeden besonderen 
Zweig einen anderen auf seinem Gebiet als Autorität bekannten 
Mitarbeiter gewonnen, und auf diese Weise ein Werk geschaffen, 
welches auch für denjenigen wertvoll ist, der bereits ähnliche 
Werke besitzt. Jeder Arzt sollte es als solches in den Familien 
seiner Praxis empfehlen. 

Der illustrative Teil des Buches ist ebenso gelungen wie der 
ärztliche. 


Todesanzeige. 

Am 16. Dezember starb unser langjähriger verehrter Mitar¬ 
beiter und lieber Kollege Dr. A. Rahn in Dresden, nach welcher 
Stadt er erst seit kurzer Zeit tibergesiedelt war. Wir verlieren 
in ihm einen stets arbeitsfrohen, von hohem Streben nach Wissen¬ 
schaft und Hebung des ärztlichen Standes beseelten Mitarbeiter. 
Zahlreiche selbständige Arbeiten, eine ausgedehnte referierende 
Tätigkeit haben ihn in weiten ärztlichen Kreisen auf das vorteil¬ 
hafteste bekannt gemacht. Jetzt bat die unerbittliche Hand des 
Todes den noch in jungen Jahren stehenden Arzt hinweggerafft. 
Seit längerer Zeit leidend, mag ihm der Tod wohl als Erlöser ge¬ 
kommen sein. Wir verlieren viel an ihm und werden stets seiner 
in treuer Anhänglichkeit gedenken. 

requieacat in pace. 

Die Redaktion. 


Vermischtes. 

B6rlin. Die Angenheilanstalt für Arme der Provinz Branden¬ 
burg, konnte auf ein 25 jähriges Bestehen zurückblicken. Gründer 
der Anstalt ist der verstorbene Albert v. Levetzow. Ihm and 


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572 


MEDICnnSCHE WOCHE. 


Nr. 52. 


seiner Oattin zu Ehren soll die Anstalt hinfort den Namen 
Albert-Gharlotte'Heim führen. 

Harburg. Der Charakter als Sanitätsrat ist dem Augenarzt 
Dr. med. Rischmüller verliehen worden. 


Therapeutische Neuheiten. 

Das Golsnklichtbad. Von vielen Autoren sind schon die 
günstigen Eigenschaiten des Olühlichtbades betont worden. Genaue 
Untersuchungen haben ergeben, dass die Wirkung eine viel inten* 
sivere ist, als bei jeder anderen Schwitz- oder Heissluftprozedur, 
dass die strahlende Wärme merkwürdige Eigentümlichkeiten be¬ 
sitzt. Diese Einwirkungen überragen in aller Hinsicht diejenigen 
der trockenen Hitze, welche bekanntlich SchmerzstUlung, Anbahnung 
zum Verschwinden der Entzündungsprodukte, hervorruft. 

Deshalb haben auch diese Methoden als Nachbehandlung aller 
Gelenkerkrankungen eine grosse Beliebtheit erworben. 

Wenn es sich um lokalisierte Krankheitsprozesse handelt, 
kann die Umständlichkeit des Glühlichtvollbades umgangen werden, 
indem ein Gelenklichtbad als Ersatz dafür gewählt wird. Die 
Folgeerscheinung ist dann dieselbe, wie in einem Volllichtbad; es 
tritt, neben der Wärme, eine bedeutende Sohweissabsonderung auf. 
Wie schon erwähnt, ist diese Wirkung der strahlenden Wärme zu 
verdanken, welche, gemessen an einem Thermometer mit berusster 
Quecksilberkugel, sehr hohe Werte erreichen kann, während die 
Lufttemperatur, gemessen durch ein einfaches, blankes Quecksilber¬ 
thermometer, viel niedriger bleibt. 

Aber nicht nur bei Gelenkentzündungen, sondern auch bei 
vielen Hauterkrankungen, wurde die heilende Wirkung der Licht¬ 
wärme beobachtet. 

Erfolge bei Acne, Furunkulosis, Ekzem, Ulcus cruris wurden 
in kurzer Frist erzielt 



Das hier abgebildete Gelenkbad ist nun speziell zur Behand¬ 
lung von Gliedmaßen bestimmt. Es besteht aus einem hölzernen, 
cylindrischen Aufbau, in dessen Inneren acht Glühlampen kreis¬ 
förmig angeordnet sind. Sie genügen vollständig, um die nötige 
Wärme zu erzeugen. Beide seitlichen Oeffnungen müssen dann 
zugedeckt werden. Das Gelenklichtbad lässt sich in der Mitte 
auiklappen. Bein oder Arm werden bequem in der runden 
OelTnung gelagert. 

Das Gelenklichtbad von der Firma Reiniger, Gebbert & 
Schall in eleganter Ausführung hergestellt, entspricht einem Be¬ 
dürfnis in allen Fällen, wo bettlägerige Patienten sich einer allge¬ 
meinen Schwitzprozedur nicht unterziehen können, wo wegen 
heftiger Schmerzen eine sitzende Stellung auf die Dauer uner¬ 
träglich wäre. Das Gelenklichtbad ist auch entsprechend billiger, 
als ein VollglUblichtbad. Diese Vorzüge werden ihm ohne Zweifel 
eine grosse Beliebtheit verschaffen. 


Patentnachrichten. 

Erteilungen. 

160863. Sargverscblass mit mehrfach gezahntem Haken und einer 
Oese. Mathias Jacobs, Goch. 

160733 Verfahren zur Herstellung künstlicher kohlensaurer Bäder. 
Dr. Wilhelm Maiort, Berlin. 

169864. Verfabren zar Herstellung fast eescbmackloser und reizlos 
wirkender Arzneimittel Chemische Fabrik Heffenberg, Akt.-Ge8., vorm. 
Eugen Dieterich, Hclfenberg bei Dresden. 

169865. Apparat zum keimfreien Abziehen von sterilisierten Flilssig’- 
keiten auf sterilisierte evakuierte Eugelröbrcben oder GlaskOlbchen. Edwin 
Maynard, London. 

Anmeldungen. 

L. 20813. Eisboutelverscblnss. Leonhardt & Dietz, Frankfurt a. M. 

B 37:383. Hassiervorricbtung mit einem in Richtung der Antriebe¬ 
welle angeordneten, einen Kegelmantel beschreibenden Massierorganträger. 
James Barker, Philadelphia 

F. 10436. Fahrbarer Laufstubl für Kranke zum Wiedererlemen oder 
Erleichtern des Gehens. Richard Fiedler. Berlin. 

0. 4556. Vorrichtung zur Behandlung begrenzter Eörporstellen mit 
Heissluft Dr. Franz Osswalt. Paris. 

Sch. 23678. Verfahren und Vorrichtung zum Desinfizieren von Büchern. 
August Scherl, Berlin. 

Gebrauchsmuster. 

270 783. Monatsbinde aus oinem Stück rbombenfOrmigzugescbnittenem, 
mehrfach dnrc-bnäbtem und zusammenfaitbarem Hnllgewebe mit zur Be¬ 
festigung dienenden Gummibändern. Frau Clara Conr^. Cöln a. Rh. 

270640. Für ()pc>rationsinstrnmente bestimmtes Tischchen mit trapez¬ 
förmiger Platte. Georg Haertvl, Breslau. 

270379. Mit einer vom Handgriff aus ihrem Hub verstellbaren Kurbel 
versehenes Handstück für Vibrationsmassageapparate. W. Otto, Berlin. 

270515. Als Bidet zu benutzender Toilotteneimer. Gnstav Ihle, Wil¬ 
mersdorf bei Berlin. 

270567. Percolator mit einem das Abnebmen beim Anfüllen ver¬ 
meidenden FlUssiekeitsbebälter. Dr. Hermann Morstatt, Cannstatt-Stuttgart. 

270061. Ventilschaltstück für uiodizmische Spritzen zur Umwandlung 
derselben in LuftsaugpamTOU. Karl A. Müller, Harbarg a. E. 

270375. Aus dem Etui herausnehmbare^ wellenförmige Lagenmge- 
vorrichtung für ärztliche Spritzen. Evens & Plstor. Cassel. 


H. Leorand. Ueber die galaktogeRen ElgeMchaftei de« Baaiiwoll- 
«•■enextrakte. (Deatsche Medizlaai-Ztg., 1906, Ne. 15) 

Verf. bat den Baumwollsaraeneztrakt, und zwar dasjenige Präparat, 
welches in Frankreich sowohl wie in Dentschland (hier von der Vasogen- 
Fabrik Pearson & Co. unter dem Namen Laktagol dargestollt wird, 
nnd ein feines, leichtes, gelbliches, gernch- und gescbmacklosea. in Wasser 
nnlöslicbes, ab^r leicht amzusebwemmendes Pulver darstellt, in Dosen von 
3—4 Kaffeelöffeln täglich, angernhrt in einer Tasse Milch, verordnet. Die 
Darreichung des Laktagols batte eine fast konstante bedeutende Zn- 
nabme der Milchsekretion zur Folge, die sich im allgemeinen nach einer 
Bebandlungsdauer von 3—4 Tagen, seltener am zweiten Tage and nor 
einige Male nach 5—6 Tt^en einstellte. Die stillende fflnlt das Bin- 
sebiessen der MiU-b, die Brüste beginnen zn schwellen, werden immer praller 
and können schliesslich sogar überlaufen. Dnrcb direktes Abwiegen der 
vom Sängling beim Saugen aufgenommenen Milebportion, sowie indirekt 
durch die Tatsache der Körpergewicbtsznnabme des Säuglings kann man 
sich ebenfalls leicht Überzeugen, dass die Milch in weit grteserer Menge ab¬ 
gesondert wird. Ana den fünf Boobaebtnngen, die Verf in seinem Artikel 
beschreibt, gebt hervor, dass die Milcbsekretion unter der Wirkung des 
Baumwollsamenextrakts eine Steigerung erftbrt, dann aber, sobald man das 
Mittel aussetzt, sieb entweder sofort oder nach 2 Tagen wieder verringert. 
Um eine reguläre und pormanente Milchsekretion zn erzielen, muss man, selbst 
nachdem die Wirkung des Mittels bereits eingetreten ist, die Anwendung 
desselben einige Tage lang in Dosen von zwei oder sogar einem TeelOffm 
täglich fortsetzen, welche Dosis die Milcbsekretion erhält, ohne sie flber- 
m^ig in die Höbe zn treiben. Die Veränderungen der Milcbsekretion, 
welche unter dem Einflüsse des Gebranebs des Baumwollsamenextrakts ein- 
tritt, erstreckt sich nicht nnr auf die Quantität, sondern aoeh auf die Qualität 
der Milch, welche letztere weisser wird nnd dichter erscheint. Als eine 
weitere interessante Erscheinung mnss noch das Verschwinden des Hfldtg- 
keitsgefübls and der Rückensebmerzen, sowie die Besserung des Allgemein- 
Zustands bei den durch das andauernde Stillen erschuften Frauen bervuige- 
hoben werden. Bezüglich der Wirkungsweise des Baamwollsameoextrakts 
stimmt Verf. mit Beckmann darin Uberein, dass es eich hierbei um eine 
durch das im Banmwollsamenextrakt enthaltene Edestln (albuminoider Körper) 
bewirkte Hebnng des allgemeinen Ernährungszustandes der stillenden Frau 
bandelt, durch welche eine Erhöhung der Milcbsekretion herbeigetUhrt wird. 
Ausserdem glaubt Verf in Anbetracht des Umstandes ^ dass io manchen 
Fällen eine so beträchtliche Steigerung der Milchsekretion schon nach dem 
Konsum von verhältnismäßig kleinen Mengen des Mparats bMbachtet ^rd, 
annehmen zu dürfen, dass der Banrawollsamenextrakt neben seiner nutritiven 
sicher auch eine blondere spezifische Wirkung auf die Brustdrüsen aus¬ 
übt. M. Lnbowskt 


V «raaiwortlielMr RedakMor: Dr. P. Meütoer, Bariia W. «1, KnrfOrtwattr. Sl. — VMa&twortlich (Oj dan InaeraianUil: Der Verlag vea Carl Halle a. i. 

Dtock vaa dar Bayaaaaaa'aehaa BackdraAerel, Oebr. WoUIi Halle a, 8. 


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Sach-Rejister 


Ofiginalartlkel. 

Aerzte, contra Apotheker. 188 

Aerztetaf?, Bie Aufgaben des — 1906. 277 
Alkohol und Kaffee, die grössten Feinde 
sozialer Kultur. Rahn 285 

Alter, Der Einfluss des Alters auf ortho- 
paedische Maßnahmen. Hoffa 28 

Anaemien, Zur Frage der experimentellen 
—. W^ssotzki 521, 533 

Anaesthetica, Die neueren lokalen — in 
der Augeisheilkunde. Best 107 

Astbmacarbon, lieber Zehden —. 361 

Atropin, lieber den Gebrauch und Miss* 
braa<^ von — in der Augenheilkunde. 
Deutschmann 62, 47 

Augeukranker, Die Behandlung — durch 
^n prakt. Stadt- und Landarzt Frey¬ 
tag 307, 313 

Benzosalin, ein neues Antirheumaticnm, 
lieber —. Ganz 509 

Bergmann, Emst von, Engel 553 

Blut, Die Heilwirkung des —. Lungwitz 

428, 401, 412 

Carcinome, Zur Diagnose der —. 24 

Cellotropin (Monobenzoylarbutin) als 
Tuberkulosenheilmittel. Meitner 255, 

261, 272 

Centrifuge, Eine neue — mit hoher 
Tourenzahl und zuverlässigem Touren¬ 
zähler und ihre Anwendung. Thile- 
nius 165 

Gytorrhyctes oder Spirochaete pallida? 37, 

48 

]>iät und deren Behandlung zur Ver¬ 
hütung von Krankheiten, Die —. 
Müller 211, 221 

Degitalisbehandlung, Die — der Herz¬ 
schwäche bei Infektionskrankheiten. 
Freund 187 

Favus des behaarten Kopfteils, zur Thera¬ 
pie des — Einis 453 

Fermentwirkung, Die Entwicklung der 
Fettsucht in ihrer Beziehung zur —. 
Scherk 291, 297 

Fettsucht Die Entwicklung der — in 
ihrer Beziehung zur Fermentwirkung. 
Scherk 291, 297 

Fussabdriicke. Die verschiedenen Methoden 
— herzustellen. Maskat. 151 

SetolbehandluQg, Die Indikation und die 
Technik der — für den praktischen 
Arzt. Franck. 35 

Kaffee und Alkohol, die grössten Feinde 
sozialer Kultur. Rahn 235 

Kaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche 
Fortbildungswesen. Meissner 117 
Keratitis lagophthalmo, lieber —. Halben 

381 


Kliniken für p^chische' und nervöse 
Krankheiten. Sommer 4 

Knorpel und Nierengicht, Zur Aetiologie 
der —. Scherk 87, 97 

Meninntis cerebrospinalis. Zur Frage d. 

epidemischen —. Mag^jan 410, 425 
Methylen-Blau-Reaction, Ueber die —. 

Dmitreuter 481 

Milch, Gekochte oder rohe Milch. 

Glomm 173 

Karkose, lieber die Technik der medullären 
Graff — für den taktischen Arzt 349 
Nasenatmung, Die Behinderung der — 
und ihre Bedeutung für die Mihtärdienst- 
fähigkeit Hölscher 561 

Nervensystem, Patologiedessympathischen 
—. Scherk 475 

Neurosen, Die Frage der Simulation bei 
d. traumatischen Neurosen —. Flatau 75 
Nierengicht, Zur Aetiologie der Knorpel- 
und —. Scherk 87, 97 

Paracentese, Die Indicationen und die 
Technik der — in der Praxis. Hage¬ 
dorn 309 

Principiis obeta. 17 

Pseudorheumatismus, Nicht chronischer 
— sondern primärer, progressiver chron. 
Gelenkrheumatismus nach einer langen 
Entzündung entstanden. Beisheim 437 
Pupillenuntersuchung, Die Bedeutung der 
für die Diagnostik einseitiger Erblindung 
durch Sehnervenläsion. Yossius 2 
Schädelverletzungen, Ueber einige —. 

Minin 197, 212 

Serodiagnostik der Syphilis. 329, 341 
Skoliosenbehandlung, Zur modernen — 
nach Klapp. Stehr 245 

Spermathanaton-Pastillen, Ueber einige 
mit den — gemachten Erfahrungen. 
Braun 141 

Studienreise, VT. ärztliche —. Singer 430 
Syphilis, Die Serodiagnostik der —. von 
Niessen 329 

Tetanus. Ein Fall von — behandelt und 
geheilt nach der Bacellischen Methode. 
Bacelli 271, 292 

Tierexperiment, Zur Frage der Berech- 
tigang und die Grenzen des wissen- 
sdiaftlicben —. 369 

Tuberkulin, Die diagnostische Bedeutung 
des — nach den neuesten Erfahrungen 
Mohr 153, 127, 143 

Tuberkulm, Ueber die therapeutische 
Verwendung von —. Koch 493 
Tuberkulin, lieber die Wirkung des alten 
Koch’schen —. Schröder 541 

Ulcus serpens corneae, Zur Behandlung 
des — mit Berücksichtigung des Pneu¬ 
mokokkenserum (Römer). Vossius 61 


Urotropins, Ueber die Wirkung des —. 

Eds^akowski 323 

Uteruscarcinom, Der praktische Arzt und 
das Dünsen 13 

Feuilleton. 

Aderlass, Archimontanus. 188, 198 

Aerztetag in Halle, Allerlei vom —. 

Cohn 298 

Aerztliche Standesfragen. Höniger 24 
Aus feindlichen Lagern. Neumann 534 

542, 554, 562. 
Cholera, Wie kam die — im Jahre 1892 
nach Hamburg—. 3, 14 

Etymolonsches zu den Krankbeitsnamen 
„Heus" rmd „Miserere“. Elbstein 454 
Ckburtshülfe, Geschichte der —. Roth 

466, 484, 496 

Gesetz, betr. die Bekämpfung übertr^- 
barer Krankheiten. Krantweg 342, 
350, 362, 370, 382, 390, 402, 411 
Goethe, Medicinisches von und über —. 

222, 236, 246 

Hnfeland und Kant Schenk 292, 278 
Kant und Hnfeland. Schenk 278 

Kurorte an der Riviea Levante. Cohn 

174 

liadislaus von Neapel, Die Krankheit des 
Königs —. Ebstein 88 

Medicinisches ans der schönen Literatur 
Hirschberg 426, 441 

Veumeister, Richard. Klemm 152 

Nordseebäder, Zur Geschichte d. deutschen 
—. Ebstein 308, 314, 324, 330 

Pariser Brief 166 

Pariser Brief 272 

Placentophagie, Ueber—. Gross 212 
Russische Arzt und dessen Bedeutung 
für die kulturelle Entwicklung Russ¬ 
lands, Der —. 48, 62 

Sanctorius über das Luftbad vor 300 
Jahren. Pudor 438 

Schutzpockenimpfung, Empfehlung der 
— durch einen Aixt im Jahre 1762. 
Gätjen 482, 484 

Standesehre 'der Aerzte vor 100 J^ren 
Roth 256, 262- 

Tuberkulose, Ueber Verhütung der — 
(Schwindsucht). Kraus 98, 108, 118, 

128, 142 

Valparaiso. Brenning 510, 522 

Volksmedicin und Kultur. Roth 36 

Nekrolo£:e. 

Czermak, Wilhelm 421, 513 

Gilbert, Dr. W. H., Baden-Baden 89 
Nitze, Max 108 

Schaudinn, F. 306 


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574 


MBDICTTJTSu dK ^VOCHB. 


Nr. 53. 


Bficherbesprechungen, 

Jklkoholfraee vom physiol. sozialen und 
wirtschaftlichen Standpunkte. Cluss 

436 

’Cjstenniere, Ein Beitrag zur Kenntnis der 
angeborenen —. Preitz 436 

JFractures des membres, Etudes sur le 
traitement des —. Quermonprez 407 
‘Oesundbeit, Die, ihre Erhaltung, ihre 
Störung, ihre Wiederherstellung. Koss- 
mann 571 

Gvnaecologia Helvetica. Beuthner 85 
Herzleiden, ihre Ursachen und Bekämpf¬ 
ung, Die —. Burwinkel 480 

Herzschwäche und Nasenleiden. Cholewa 

413 

Hysterie im Kindesalter, Die, Bruns 428 
Hyperaemie als Heilmittel. Bier 95 
Hygiene in den Bergen. Kleintjes 480 
•Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 491 
Hadavervemichtungsanlagen, Die. Heepke 

210 

Klinik für psychische und nervöse Krank¬ 
heiten. Sommer 234 

Krankheiten der ersten Lebenstage, Die 
—. Bunge. 480 

^Lehrbuch der Krankheiten des Herzens 
und der Blutgefässe. Romberg. 532 
Lehrbuch der Physiologie des Menschen, 
V. Bunge 254 

Leicht abnorme Kinder. Weygandt 230 
Milch Verderbnis, Die Verhinderung der 
— durch Schmutz und Bakterien. 
Schlampp 532 

Moderne ärztl. Bibliothek. Karewski 551 
Repetitorium der Augenheilkunde. Asher 

269. 

Ohrenheilkunde. Brühl 532 

Organisierung der Geistesschwachen-Für- 
sorge, Zur —. Gundel 137 

Orthodragraphische Praxis. Franze 552 
Orthopaedische Chirurgie, Grundriss der 
—. Haudek 464 

Orthopaedische Chirurgie, Lehrbuch der 
—. Hoffa 407 

Orthopaedische Lite ratur. Hoffa-BIenke 

464 

Perityphlitis, Ueber — und ihre Behand¬ 
lung. V. Hippel 464 

Rechtshändigkeit, Ursachen und Folgen 
der —. Weber. 234 

Rectumcarcinome, Beiträge zur Kenntnis 
der — nebst Bemerkungen zur Früh¬ 
diagnose. Boas 436 

Schlottergelenke, Ueber. Riedingen 436 
Sprache des Kindes, Entwicklung der — 
und ihre Störungen. Maas 220 

Taschenbuch für Augenärzte. Jankan 276 
Trachombehandlung, Ein Vorschlag zur, 
Hirsch 234 

Trappisten, Der Orden der — und ihre 
vegetarische Lebensweise. Suchier 464 
Ueber Vioform Wehrle 185 

l^iesbaden bei Erkrankungen der Atera- 
wege auch während der Wintermonate, 
Die Kurmittel —. Bresgen 407 

Congresse und Ausstellungen. 

AafftoUnag. 

Ausstellung für Säuglingspflege in Berlin. 
Cohn 171 


Gongretie. 

36. Congress der deutschen Gesellschaft 
für Chirurgie. 4.-7. IV. 1906. 191, 
215, 227, 251, 259. 268,275,279. 294, 
300, 310, 315, 326, 333, 345, 354, 364, 
377, 385, 406, 418, 442. 

23. Congress iUr innere Medicin. 23. bis 
26. IV. 06. 240, 249, 258, 265, 274, 
281, 294, 300, 310. 316. 327, 332, 344, 
352, 363, 376, 385. 397. 

Deutsche Gesellcbaft zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankhoiten 507 

XIV. internationaler Congress für Hygiene 

und Demographie 322 

XV. internationaler Congress zu Lissabon 

33 

II. Congress der Deutschen Röntgengesell- 
schaR Berlin 73 

n. Congress der Deutschen Röntgengesell- 
schaft zu Berlin 178 

78. Versammlu^ Deutscher Naturforscher 
und Aerzte ^uttgurt. 434, 443, 456, 
469, 385, 498, 512, 537, 545, 557, 564. 


Sitzungsberichte. 

Berlin. 

Berliner medicinischo Gesellschaft. 10. 1. 
06 S. 41. 17. I. 06 S. 51. 24. I. 06 
S. 67. 31. I. 06 S. 80. 7. IL 06 S. 
89. 14. II. 06 S. 99. 21. H. 06 S. 
109. 28. II. 06 S. 130. 7. Hl. 06 S. 

145. 14. III. 0 i S. 156. 21. HI. 06 S. 
175. 2. V. 06 S. 238. 9. V. 06 S. 257. 
16. V. 06 S. 257. 23. V. 06 S. 391. 

30. V. 06 S. 392. 13. VI. 06 S. 393. 
27. VI. 06 S. 393. 4. VII. 06 S. 394. 

II . VII. 06 S. 403. 18 . Vir. 06 S. 438. 
25. VII. 06 S. 439. 1. VIII. 06 S. 441. 

31. X, 06 S. 511. 7. XI. 06 S. 523. 

14. XL 06 S. 543. 28. XI. 06 S. 556. 
5. XII. 06 S. 562. 

Berliner opthalmol. Gesellschaft. 16. XI. 
05 S. 26. 21. XH. 06 S. 68. 18. I. 06 
S. 118. 15. II. 06 S. 176. 18. V. 06 

S. 373. 

GesellschaftfürGeburtshilfe undGynaekolie 
zu Berlin. 12. I. 06 S. 51. 26. I. 06 
S. 79. 9. III. 06 S. 157. 9. III. 06 

und 23. III. 06 S. 224. 27. IV. 06 S. 
239. 11. V. 06 S. 263. 25. V. 06 S. 

383. 15. VI. 06 S. 414. 29. VI. 06 S. 

414. 13. VII. 06 S. 431. 

Gesellschaft für Psychiatrie und Nerven¬ 
krankheiten. 8. I. 06 S. 40. 5. HI. 06 
S. 157. 11. VI. 06 S. 384. 
Gynaekologische Gesellschaft Berlin. 9. H. 
06 S. 101. 

Otologische Gesellschaft. Bericht über 
die XV. Versammlung der Deutschen. 
405, 416, 432. 

Physiologische Gesellschaft zu Berlin. 19. 
1 06 S. 79. 

Verein für innere Medicin- 7. I. 06 S. 
40. 15. I. 06 S, 41. 22. I. 06 S. 68. 

5. n. 06 S. 90. 19. II. 06 S. 118. 5. 

III. 06 S 146. 19. III. 06. S. 156. 

2. IV. 06 S. 189. 30. IV. 06 S. 264, 

7. V. 06 S. 264. 21. V. 06 S. 363. 

11. VI. 06 S. 363. 25. VI. 06 S. 394. 

2. VII. 06 S. 395. 16. VII. 06 S. 395. 

15. IX. 06. S. 544. 15. X. 06 S. 469. 


Breflan. 

Schlesische Gesellschaft für vaterländische 
Kultur. 12. I. 06 S. 66. 19. 1. 06 S. 
67. 2. I. 06 S. 132. 9. IL 06 S. 225. 

23. U. 06 S. 414. 16. IH. 06 S. 431. 

11. V. 06 S. 545. 25. V. 06 S. 374. 

22. VI. 06 S. 374. 12. X. 06 S. 554. 

19. XI. 06 S. 564. 

Frdibnrg. 

Naturforschende Versammlung in Freiburg. 
j^7. II. 06 S. 101. 

Oletten. 

Medicinische Gesellschaft za Giessen. 
Dezember S. 6. 28. XL 05 S. 52. 12. 
Xtl. 05 S. 100. 9. L 06 S. 100. 30. 
1. 06 S. 201. 6.11. 06 S. 203. 13. IH. 
06 S. 315. 

Hamburg. 

Aerztlicher Verein Hamburg. 16. 1. 06 

5. 65. 23. I. 06 S. 65. 30. I. 06 S. 

90 6. II. 06 S. 99. 13. II. 06 S. 109, 

20. II. 06 S. 119. 27. 11.06 S. 130. 

6. m. 06 S. 145. 13. Hl 06 S. 157. 

20. HI. 06 S. 177. 27. HL 06 S. 190. 

10. IV. 06 S. 200. 17. IV. 06 S. 214. 

24. IV. 06 S. 225. l. V. 06 S. 239. 

8. V. 06 S. 248. 15. V. 06 S. 265. 

22. V. 06 S. 273. 29. V. 06 S. 325. 

12. VI. 06 S. 331. 19. VI. 06 S. 344. 

26. VI. 06 S. 350. 2. X. 06 S. 455. 

9. X. 06 S. 455. 16. X. 06 S. 485. 

23. X 06 S. 385. 30. X. 06 S. 536. 

6. XI. 06. S. 544. 

Mannheim. 

Gesellschaft der Aerzte zu Mannheim. 22. 

X. 06 S. 511. 5. XI. 06 S. 5i4. 12. 

XI. 06 S. 537. 19. XI. 06. S. 544. 
Mannheimer Aerzteverein. 29. I. 06 S. 

91. 19. II. 06 S. 132. 26. III. 06 S. 
226. 30. IV. 06 S. 374. 

München. 

Aerztlicher Verein München. 7. IL 06 S. 
131. 24. n. 06 S. 158. 7. III. 06 S. 
177. 31. III. 06 S. 215. 9. V. 06 S. 

373. 13. VI. 06 S. 395. 4. VH. 06 

S. 396. 10. X. 06 S. 468. 

Oeeterreiob. 

Gesellschaft für innere Medicin und Kinder¬ 
heilkunde. 16. XI. 05 S. 7. 14. Xn. 
05 S. 53. 21. xn. 05 S. 53. 11. I. 
06 S. 133. 19. I. 06 S. 158. 18. X. 
06 S. 526. 

K. K. Gesellschaft der Aerzte in Wien. 
15. XII. 05 S. 6. 12. 1. 06 S. 133. 

9. II. 06 S 159. 16. II. 06 S. 159. 

2 HL 06 S. 278. 16. III. 06 S. 296. 
12. X. 06 S. 525. 19. X. 06 S. 525. 
Verein Deutscher Aerzte in Prag. 2. XH. 
05 S. 80. 12. I. 06 S. 178. 19. I. 06 
S. 294. 26. I. 06 S. 404. 9. H. 06 S. 
404. 


Literarische Monatsschau. 

Augenheilkunde. 18, 28, 159, 457, 474 
Oynaekologie. 112,119,489, ö'jo, 547,557 
Hygiene, Bakteriologie. 42 


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1^. 


MEDICINISGHE WOCHE. 


575 


Aerztliches Portbildungswesen. 

Akademien für praktische Medicin. 11 
Aerztliches Fortbildnngswesen. 10 

ünentgeltliche Forbildun^skurse. 149, 398 
Vorträge über Grenzgebiete der Medicin. 

56 


Standesfragen 

Aerztekammer Berlin-Brandenbnrg. Cohn 

69, 81 

Aerztetag, XXXIV. Bentscber — zn 
Halle a. S. Cohn 801, 311, 317 
Aerzte nnd Sozialpolitik, Die —. Cohn 91 
Organisation der schnlärztlichen Tätig- 
keit in Berlin. Cohn 27 

Prenssische Ehrengerichtshof Der —. 
Cohn 102, 110 


Physiologie des Menschen, Lehrbuch der 
—. V. Bunge 254 

Sitzung der Berlin-Brandenbui^er Aerzte¬ 
kammer 27. X. 1906. Cohn 499, 515 
Standesfri^en. Cohn 7, 18, 42, 167, 192, 
203, 252, 269, 448, 527, 538 
Verband Deutscher Aerzte, VI. ordentl. 
Hauptversammlung des —. Cohn 295 

Diverses. 

Berichtigung, Zur —. Weichardt 423 
Besuch der französischen Aerzte in Berlin, 
Der —. Sinpr 364 

Deutsche GeseJlschnft zur Bekämpfung 
der Geschlechtskrankheiten. 492, 57u 
Ersuchen an die Deutschen Aerzte. 269 
Volkshygiene, Aus dem Gebiet der —. 
Cohn 229 


Verband der Aerzte Deutschlands zur 
Wahrung ihrer wirtschaftl. Interessen.. 

352,492: 


Technische Neuheiten. 

Anschlussapparat, Neuer —. 139 

Gelenklichtoad 572 

Instrumententisch mit elektr. Anschluss¬ 
apparat. 139 

Leitzonde für Cystoskope 149 

Motortransformer, Neuer Universal - An- 
Bcblussapparat mit —. 139 

Böntgen-ScbutZ'Haus, Neues 422 

Schlingeniübrer, Ein neuer —. 140 

Taschen- Injektions -Besteck, Asept. —. 

139 


Periodische 


A. 

AbdazenzläbmuDg, Ein Fall von doppelseitiger - mit ausser- 
gew. heftigen und lange anbalt. NackenBchmerzen nach Rücken- 
marksanaesthesie. I/andow 367. — Abduzenzlähmnng, Ein Fall 
von - Dach Lumbalanaestbesiemng. Adam 114. — Abduzenzläh- 
mung nach BUckenmarksanaestbesie. Boeder 304. — Abküblnngs- 
Olykoenrie, Ueber. Glässner 878. — Abort, Znr Kenntnis und 
Beurteilung des kriminellen. Schickele 281. — Ahoncbement, Un 
cas d* - anormal de Tanus. v. Baelst 209. — Abtenan, Ueber 
die St. Bupertus-Quelle in Bad Abtenau. Ludwig, Panzer, Zarek 
520. — Acetessigsäure, Neuere Reaktionen auf. Biegler 184. 

— Aceton, Ein Beitrag zur Autointozikation durch, Palma 398. 

— Acetonbestimmung, Eine neue Bdethode der quantitativen. 
Blnth 71. — Achillesferse, Ueber Analgesie der - bei Tabes. 
Racine 275. — Achillessehne, Eine typische Erkrankung der. 
Drebmann 219. — Acbillessebnenerkrankung, Tendovaginitis acbillea 
artherica, als eine besondere Form der -. v. Bavach 219. — 
Achylie des Magens, Zur Kenntnis der -. Leo 385. — Acne 
cacbecticorum (Hebra), Zur Kenntnis der -. Kren 106. — Aero- 
vaporo-thermotherapie en gdneral le traitement de l’ozene essentielle 
vrai. Simionescu 209. — Aerzte der freien Reichsstadt Nürnberg 
und ihr Kampf gegen das Kurpfuschertum. - Schöpler 571. — 
Aerztetag und die Arbeiterversicherungsform, Der -. Bergeat 
321. — Aetherrausches, Zur Technik des -. Sudeck 459. — Ag- 
glutinine, Ueber das Verhalten der • im passiv immunisierten 
Organismus. Manteuffel 458. — Agglutination, Die - in den 
Händen des praktischen Arztes. - Loele 71. — Agglutination und 
Komplemeutschwund. Browning 195. — AgglutinatioDste<dmik, Bei¬ 
trag zur Gaehtgens 346. — Agglutination von Bakterien der 
Typhusgruppe durch Galle, Die Veuema 358, — Aggressine, 
Ueber. Doerr 312. — Aggressine, Ueber. Salus 359. — Aktino- 
mykose, Ueber atypische. Litten u. Levy 504. — Aktinomykcse, 
Ueber - des Kehlkopfes und des Kopfnickers. Hoffmann 134. — 
Albuminurie, Ein Fall von orthostatischer. Zirkelbach 491. — 
Alexander-Adamsche Operation, insbesondere über ihr Verhältnis 
zu den Leistenbrttchen, Bemerk, zur. Schickell 148. — Alkaloid¬ 
basen in der Therapie, Die quaternären. Schütze 148. — Alkohol- 
anwendung, Beitrag zur - bei der Pneumonie. Fock 515. — Alko¬ 
holfrage , Zur. Sofer 288. — Alkoholgenuss, Ueber Verbreitung 
und Wirkung des - bei Volks- und Mittelschülern. Hecker 160. 

— Alkobolismus in München, Der. Kraepelin 204. — Alkohol- 
Cocain- oder Alkohol-Stovain-Injectionen bei Trigeminus u. anderen 
Neuralgien. Ostwald 19. — Alkobolsilbersalbe, Ueber den thera¬ 
peutischen Wert der. Ganz 184. — Allergie, v. Pirquet 3>‘6. — 
Allerlei Erfahrungen über d. praktische Jahr. Jacobsohn 336. — 
Allopathie, Homöopathie, Isopathie. Esch 532. — AJtersstar. 
Pineles 304. — Alveolarechinococcus, Die Stellung des. Posselt 
160, 169. — Al 3 rpin, Ueber - in d. rhino-laryngologischen Praxis. 
Finder 72. — Alypin in der urologischen Praxis, Ueber. Lohen¬ 
stein 170. — Amaurose, Transitorische doppelseitige - mit erhaltener 
Pupillenreaktion. Schmidt 195. — Ambulatorium, Jahresber. d. - d. 
chir. Kl. München. Gebele 303. — Aminosäurenbestimmung i. Ham, 


Literatur 


Ueber. Hirscbstein 253. —Anaemien, Kl. Erfahrungenü. RoUio 72. 
Anaemien, Ueber schwere - ohne Regeneration des Knochenmarkes. 
Hirschield 231. — Anaerobenzüchtung, Die einfachste Methode 
der - in flüssigem Nährboden. Beuschel 320. — Anaesthesiereode 
Mittel, Warum und in welchen Grenzen sind - bei entzündlichen 
Prozessen wirksam. Rosenbach 230. — Anaesthesie des Kehlkopf- 
eingaoges, bei der Recnrrenzläbmung, Ueber die Bedeutung der. 
Massei 550. — Anaesthesie, Die lokale. 387. — Anaesthesie in 
der kleinen Chirurgie, Die. Zur Verth 253. — Anaesthesie, Die 
Bedeutung der - in der Entzündungstherapie. Spiess 113. — 
Aneurysma der hinteren Ventrikelwand des linken Herzens. Riehl 
516. — Angina erysipelatosa, Ein Fall von echter. Roth 529. — 
Ankylosen, Beitrag zu den angeborenen - der Fingergelenke. 
HoflFmeyer 319. — Antefixatio Uteri, Uebertragung. Ahlfeld 104. 

— Antiamboceptoren, Ueber. Browning a Sachs 287. — Anti- 
haemolysiue. Zur Kenntnis eiweisshaltiger und lipoider - im Serum. 
V. Eisler 305. — Antisepsis, Prophylaktische. Crede 319. — Anti- 
streptococcenserum, Ueber prophylaktische und therapeutische An¬ 
wendung des. Fromme 30. — Antistreptococcensemm, Die Wir¬ 
kung des. Zaugemeister 337. — Antituberkulin, Ueber den Nach¬ 
weis von - im tuberkulösen Gewebe. Weil u. Nakajama 281. — 
Antituberkuloaeserum Marmorek, Das. BofTa 105. — Antituber- 
kuloseserum Marmorek, Behandlung der Tuberkulose mit dem. 
Levin 55. — Antituberkuloseserum, Ueber meine Erfolge mit 
Marmoreks. Ullmann 290. —^ Aortenaneurysma, Das - auf syphü. 
Grundlage und seine Frühdiagnose. Saatboff 475. — Aorten¬ 
erkrankung bei congenitaler Syphilis, Ueber. Bruhns 105, 115. — 
Appendicitis, Gibt es eine chronische. Oberndorf 461. — Appen- 
dikostonne. Lanz 70. — Appendicitis, Beitrag zur Prophylaxe und 
Therapie der. Welsch 161. — Appendicitisfklle, Können wir die 
schweren, die sofortige Operation erfordernden - erkennen. Krecke 
193. — Appetitlosigkeit und appetitanregende Mittel bei Lungen¬ 
tuberkulose, Ueber. Haedicke 183. — Arrhovin, Ueber. Frank 422. 

— Arsenic neuritis, Ueber. Coenen 72, — Arteriitis typhosa, 
Ueber einen Fall von geheilter. Blum 516. — Arterionekrose, 
Ueber die Wirkung des Jods auf die durch Adrenalin erzeugte. 
Koramyi 282. — Artieriosklerose, Die Steigemng des arteriellen 
Druckes bei der • und deren Behandlung. Erlenmeyer 104. — 
Arteriosklerose, Die - in der Chirurgie. Siegel 168. — Arterio¬ 
sklerose, Kritische Betrachtungen Uber Wesen und Therapie der. 
Hotys 184. — Arteriosklerose, Einige Beiträge zu den klinischen 
Erscheinungsformen der abdominalen. Rosengart 276. — Art¬ 
fremdem Eiweiss, Ueber das Verhalten neugeborener Tiere bei 
parenteraler Zufuhr von. Gessner 518. — Arthritis gonorrhoica, 
üeb. d. Nachweis von Antikörpern im Serum eines an - Erkrank¬ 
ten mittels Komplemeutablenkung. Müller 378. — Arzneimittel, 
Spezialitäten, Geheinunittel, Neue. Zemik 503. — Asthma, Ueber 
die Behandlung von - und asthmaähnlicber Zustände. Siegel 386. 
Asthma und astbmaähnliche Zustände, Ueber die Behandlung von. 
Brügelmann 560. — Asthmaanialles, Das Verhalten der weissen 
Blutzellen während des. Heinecke und Deutscbmann 217. — 
Asthmaspiralen, Mikroskopische. Riehl 529. — Atmungsbeweguugen, 


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576 




Nr. 26. 


zur Physiologie and Pathologie der > (Pneomographie), Gatzman 
32. — Aafbrauch, Beitrag zur Lehre vom - durch Hyperfunktion. 
Lilienstein 205. — Augenärztl. Frage, Beitrag zu einer wichtigen. 
Goldbaum 231. — Aageneatzünduag der Neugeborenen und 6iu> 
prozentige Höllensteiniösang. Leopold 230. — Auskultation der 
Wirbelsäule, des Kreuzbeins and des Beckens, Die. Ludloff 319. 

— Auslösende Kräfte, Art u. Wirkung der - in der Natur. Bene¬ 
dikt 339. — Autointozication bei Pylorusstenose. Michaelis 231. 

— Autointozication durch Aceton, Ein Beitrag zur. Palma 398. 

— Autolyse, lieber - leukaemischen und leukozytischen Blutes, 
Pfeiffer 491. — Autolyse, Ueb, d. Verhalten von Organrezeptoren 
b. d. - spez. d. tetanusbindenden Substanz des Gehirns. Wolff- 
Eissner u. Rosenbaum 356. — Automobil u. Fahrrad als Fahrzeuge 
des praktischen Arztes. Weitzel 283. — Äzetessigsäure, Zum Nach¬ 
weis der - im Harn. Lindemann 282. — Azeton, lieber den Nach 
weis von - bei Eztrauteringravidität. Wechsberg 379. — Azeton- 
fizierung von Blutpräparaten, lieber. Jagie 288. — Azetonkörper, 
lieber Ausscheidung von - bei Erkrankungen des weiblichen Geni¬ 
tales. Baumgarten u. Popper 163. — Azetonkörper, Heber die Wir¬ 
kung des Alkohol auf die Ausscheidung der. Neubauer 217. 

B. 

Bakt. coli u. typhi, Die biol. Aequivalenz von. Salles 463. 

— Bacterien, Experiment. Unt. Üb. d. biol. Verhalten der - im 
Dickdarm. Rolly 503. — Bac. fusiformis und Spirillum dentium, 
Beiträge zu den durch - hervorgerufenen Infectionen. Felcimann 
305. — Bakterien, Morpholog. Veränderungen der - im Tierkörper. 
Bail 506. — Bacterien, lieber den Nachweis von - im Blute und 
seine Bedeutung. Beitzke 47. — Bakterien, Weitere Studien für 
die Durchlässigkeit des Magendarmkanales für. Uffenheimer 548. 

— Bakterien, Zur Frage der aeroben Züchtung sogen, obligat- 
anerober. Harrass 528. — Bacteriologie, Prakt. Ergehn, aus dem 
Gebiet der. Kutscher 463. — Baden-Badener Thermen, Die Wir¬ 
kung der - vom Standpunkte der Radioaktivität. Stegmann und 
Just 312. — Balanitis erosiva u. Balanatis gangraenosa, Weitere 
Mitteilungen über A.etiologie und Klinik der. Müller u. Scherber 
289. — Balneotherapie, Das Experiment in der. Heinsheimer 287. 

— Balneotherapie bei Cor adiposum (Fettherz). Fisch 242. — 
Balsamica, Untersuchungen und Beobachtungen über ältere und 
neuere. Wieth, Ehrmann 47. — Balsamtherapie der Gonorrhoe 
mit besonderer Berücksichtigung des Gonosans und Santyls, Die. 
Boss 232. — Bauchhöhle, Ueber die Heilung postoperat. Fisteln 
der - durch Vacciuebehandl. nach dem Wrightschen Prinzip. 
Weinstein 422. — Bauohoperation, Ueber die Anlegung der 
Schnitte bei der. Heusner 193. — Barberios-Reaktiou auf Sperma. 
Lewinson 462. — Bardenheuerscher Extension, Ueber die Behand¬ 
lung der Buprakondylären Fraktur des Humerus und Femur mit. 
Schreiber 53. — Barlowscher Krankheit, Operation bei. Riese 286. 

— Basedowschen Krankheit, Zur Pathologie der. Bernhardt 338. 

— Basedowsche Krankheit, Ernährungstherapie der. Alt 318. 

— Bauchcontusion, Zur weiteren Casuistik der. Riedel 124. — 
Bauchhöhle, D. Theilhaberschen Verf. z. Verm. d. Infektionsgef. b. 
Operat. i. d. - v. Stubenrauch 321. —Bauchmassage-Apparat, Ueb. ein. 
neuen. Johansen 322. — Bauchdecken, Z. Pflege d. - n. d. Entbindung. 
Brose 462. — Bauchhöhle, Ein Verfahren z. Verminder d. Infektions¬ 
möglichkeit bei Operationen in der. Theilhaber 304. — Bauch- 
quetschungen, Beitr. zur Diagnostik d, schweren ihre Indication 
zur Laparotomie. Schmidt 504. — Beckenenge, Die Indications- 
stellung z. Behandl. d. Geburt bei. Pfanneustiel 460. — Beitzke, 
Berlin 47. — Beleuchtnngsart von Kanälen und Höhlen, Eine 
neue. v. Schrötter 549. — Benzinvergiftung, Ueber tötliche innere 

— und insbesondere über den Sektionsbefund. Burgl 124. — Be¬ 
ratungsstellen, Ueber die Errichtung von - für Mütter von Säug¬ 
lingen in München. Oppenheimer 135. — Bienengift, Ueber das 
Toxolecithid des, Morgenroth, Carpi 506. — Biersche Hyperaemie, 
Zur Technik der - f. d. Behandl. des Mastitis nebst vorläuflgen 
Bemerkungen über die Anwendung ders. z. Anregung der Milch- 
sekretion. Moll 219. — Biersche Stauung, Technisches zur. Kuhn 
282. — Biersche Stauungstherapie, Ueber den Blutbefund bei der. 
Stahr 126. — Biersche Stauung mit bes. Berücksichtigung der 
postoperativen Behandlung u. d. Altersgangrän. Frommer 115.— 
Biersche Stauung bei akuten Ohreiterungen. Stenger 93. — Bier¬ 
sche Stauungshyperaemie, Beobachtungen nnd Betrachtungen über 
die Behandlung acut eitriger Prozesse mit. Colley 92. — Biersche 
Stauung, Beitrag zur. Riehl 356. — Biersche Stauung, Experi¬ 


mente über die Wirkung der - auf infektiöse Prozesse. Baum- 
garten 566. Bimanaelle gynäkologische Untersuchuag, Vor¬ 
läufige Mitteilung über eine neue Methode. Profanter 94. —^ 
Bioferriu, Therap. Versuche mit - bei Anaemien im Kindesalter, 
Herzog 347. — Blasenspalte, Zur Therapie der angeborenen, 
Hinterstoisser 33. — Btasentumoren, Uebsr die Resultate der 
chirurgischen Behandlung der. Treplin 284. — Blausäurevergiftung, 
Zur Kasuistik der. Tiutemanu 478. — Blinddarmerkrankungen, 
Einige Bemerkungen über. Krehl 282. — Biitzkatarakt, Zwei 
Fälle von. Guzmann 208. — Blutes, Ueb. unsere Kenntnis von den 
Erkrankungen des. Mosse 478. — Blutan, Erfahrungen über - 
einen alkoholfreien Liquor Ferro-Mangani peptonati. Kaiser 209. 

— Blutdifferenzierung, Die forensische - durch antihaemolytiscbe 
Wirkung, Neisser, Sachs 47. — Blntdruckapparate und Blutdruck¬ 
messungen. Seelig 398. — Blutdruckmessungen, Ueber. Schilling, 
Fellner jr. 367. — Blutdruck, Ueb. die Messungen des diastoli¬ 
schen - beim Menschen. Bingel 333. — Blutdruckmessungen, 
Ueber. Schilling 304. — Blutkörperchen, Ueb. den Farbenindex 
der roten. Meyer u. Heinecke 217. — Blutmengen, Ein Apparat 
zur Entnahme kleiner. Wieck 450, — Blutpräparat, Das native 

— in seiner Bedeutung f. d. praktischen Arzt. Krönig 207. — 
Blutstilluagsmittel, Ein neues externes - (Styptogan). Sobaedel71. 

— Blut, Studien über die farblosen Zellen des menschlichen. 
Schridde 70. — Blutbilde«^ Ueb. d. Verh. d. neutroph. — b. ges. u. kr. 
Säugl. Zelenski 465. — Bluttupferröhrch. z. Erleichterung d. Gruber- 
Widalschen Reaktion. Gzaplewski 147. — Blut- und Blutungen 
bei Verdauungskrankheiten» Ewald 125. — Bougies filiformes, 
Eine neue Befestigungsart anschraubbarer. Oesterreicher 399. — 
Bornyval, Die Behandlung nervöser Leiden mit. Peters 123. — 
Bornyval und dessen therapeutische Bedeutung. Subowsky 463. — 
Bornyvals, Ther. Erfahrungen üb, d. Verwendbarkeit des - bei 
funktionellen Beschwerden unterleibskraoker Frauen. Rastner 461. 

— Bomyval, Ueber weitere therapeutische Erfahrungen mit. 
Merzbaoh 55. — Bottinisohe Operation, Zur Würdigung der, Cohn 
195. — Bouillon und Pleischsaft. Rahn 571. — Brom-Exanthem 
bei Morbus Basedowii, Ueber einen Fall von echtem, üblich 182, 

— Bronchoscopie, Zur Kasuistik der directen oberen - nach 
Killian behufs Extraktion von Fremdkörpern aus den Bronchien. 
Chiari 549. — Bronchiolitis diffusa acuta, Ueber einen Fall von - 
bei einem Erwachsenen. Wiehern 548. — Bronchialbaum im Rönt¬ 
genbilde, D. menschliche. Ekksteln 398. — Brustorgane, Erkrankun¬ 
gen der. Wiehern und Loeniug 475. 

iO. 

Caput obstipum, Die Behandlung des. Doering 337. — 
Carcinom der Prostata, Die operative Behandlung der Hypertrophie 
und des. Kümmel 182. — Caruncula sublingualis, Ueber Syphilis 
der. Heller 358. — Catgut, Ueber gebrauchsfertiges, dauernd 
steriles aseptisches. Blarewaki 286. — Catgutsterilisation, Z. Frage d., 
V. Herff 335. — Catgut v. ges. Schlachttier. Kuhn 460. — Cerebro¬ 
spinale Flüssigkeit, Ei n Fall v. ausserordentl. profusem Abgang von - 
ans d, äusseren Gehörgang bei unverletztem Trommelfell. Lewin 479. 

— Cerebrospinalflttssigkeit, Ueber das Vorhandensein syphil. Anti- 
Stoffe in der - von Paralytikern. Wassermann, Plaut 504. — Cere- 
brospinalmeningitis, Das jodsaure Natrium und die. Eldlefsen 72. 

— Cervicodörsalskoliose und Halsrippe, Ueber. Drehmann 137. — 
Chauffeure, Ueber eine typische Verletzung der. Mühsam 347. — 
Chlorose, Parallellaufende Magensaft- und Blutuntersuchungen bei 
der, Arneth 282. — Cholecystis typhosa, Ueber. Klautz 520. — 
Choledochussteine. Zur Diagnostik der. Ehret 53. — Cholerafölle, 
Ueber die diagnostische Sonderung echter - von choleraähnlichen 
Erkrankungen. Berger 168. — Choleraüberwachungsstelle, Die 
Tätigkeit der - Küstrin in den Monaten September bis November 
1905. Peters 516. — Choleravibrio, Ueber Gifte des * und 
verwandter Vibrionen. Kraus 289. — Cholera- und Typhusendo¬ 
toxine, Ueber. Hahn 304, — Chondrosarkome, Zur Hystologie der. 
Mayer 459. — Chorea, Ueber chronische progressive - (Hunting¬ 
ton) im jugendl. Alter. Lange 84. — Chrnmosaccharometer, eia 
neuer Apparat zur quantitativen Zuckerbestimmung im Urin. 
Benediz u. Schittenhelm. — Chronische Erkrankungen, Mein System 
der Behandlung interner. Kühner 388. — Clarin, Ueber. Labhardfc 
53. — Cocain und seine Ersatzmittel in der Augenheilkunde. 
Wintersteiner 531. — Cökumüberdehnung bei Dickdarmatenosen, 
Der Mechanismus der. Silbermark 195. — CoUargolbehandlung, 
Oasuistisohe Mitteilungen über. Rau 9. — Colonoaroinome, Zur 




1906. 


MEDICINISCHE WOCHE, 


577 


Badicalbehandlang der. Neumann 182. — Cyanose parozystiqoe 
chez nn dpüeptiqne. Ferä 209. — Cystitis, Die Behandlung der 
• mit Alkohol. Sellei 619. — Czermak, Wilhelm. Horatmann 478. 

D. 

Dammschatz und Dammnaht Äpfelstedt 560. — Dämpfongs- 
grenze, Ueber das Verhalten des medialen Abschnittes der hinteren 
oberen - bei pleuralen Flttssigkeitsansammlangen. Krönig 162. — 
Dampfdouche als Ezpektorans. Lissauer 104. — Darmdesinfektion, 
Natürliche. Moro 458. — Darmkatarrhe, Die Behandlung der 
chronischen. Rosenheim 296. — Darmrupturen, Zur Kasuistik 

und Therapie der - durch stumpfe Gewalt Hoerschmidt 161. — 
Darmschleimhaut, Zur Atrophie der. Bcjas 490. — Danntuber¬ 
kulose, Ueber akute • unter dem Bilde einer schweren allgemeinen 
Infektionskrankheit. Paessler 601. — Darmzerreissung, Fall von 
subkutaner > mit operativer Heilung. Hoepfl 70. — Dauerin¬ 
halationen, Ueber - von aetherischen Oelen bei Katarrhen der 
Atmungswege, Althen 388. — Daumen, Ersatz des * aus der 
grossen Zehe. Krause 560. — Decanulement, Ueber das erschwerte. 
Schmieden 46. — Desmoidreaktion, Bemerk, zu Sahlis - des 
Magens. Einhorn 286, — Desmoidreakticn, Experimentell-kritische 
Untersuchung über die Sahlisscbe. Saito 460. — Deutschen Museums, 
Zur Grundsteinlegung des. Sudhof 629. — Diabetes und Adipo¬ 
sitas, Kartoffelspeisen bei. Stemberg 337. — Diabetes und Pneu¬ 
monie. Glaessner 378. — Diabetis insipidus, Ein Beitrag zur Auf¬ 
fassung des - und zu seiner Behandlung mit Strychnin. Spaether 
368. — Diabetes und Pankreas. Herxheiner 285. — Diaphragma 
der Trachea in Anschluss an Diphtherie und erschwertes, bezw. un¬ 
mögliches Decanulement. Strohl 194. — Digalen, Einige Erfahrungen 
über. Grassmann 63. — Digalens, Ueber das therap. Werk des. 
V. Kötly 368. — Digalen, Ueber. Veiel 514. — Digitalis-Frosch- 
versuche. Welchen Wert haben die - für die Praxis. Pocke 286. 

— Digi^isinfuses, Ueber die Bedeutung der Reaktion des - für 
seine Wirksamkeit. Louvy 461. — Digitalisprftparate, Ueber 
moderne. Freund 9. — Digitalistherapie, Intravenöse - mit Stro¬ 
phantin. V. d. Velden 614. — Diphtherie, Znr Ehitstehung und 
Verhütung chronischer. Grünwald 346. — Diphtherie, Zur Kenntnis 
der. Salus 866. — Diphtherie, Epidemie de - ä Corbelin. Bemard 
203. — Diphtherie in meiner Praxis vom 1. Januar 1898 bis 
31. Dezember 1903, Die. Neumann 880. — Diphtherie, Ueber- 
tragung von - durch dritte Personen. Sittler 231. — Diphtheriebe¬ 
handlung, Ueber die gegenwärtige, ßourget 65. — Diphtherie- 
Serumtherapie und ihre Statistik, Die. Rahn 96. — Diphtherie- 
aerum, Behrings - und Homöopathie. Stüve 124. — Diphtherie, Die 
Bekämpfung der - mit Berücksichtigung der bei einer Epidemie 
in einem Automatenrestaurant gemachten Erfahrungen. Fischer 
104. 92. — Diplacusis disharmonica, Zur. Barth 548. — Domesti¬ 
kation, Ueber den Einfluss der - auf die Entstehung der Krank¬ 
heiten. V. Hansemann 286. 287. — Doppelbildung des weiblichen 
Genitales, Ein Pall von. Knotz 126. — Doppelbildung des weibl. 
Genitale. Heil 290. — Douglaseiterung, Ueber die. Moriau 53. 

— Drahtnetze an Türen und Fenstern vom Standpunkt der Hygiene 
und Prophylaxe, Die. Galli-Valerio 55. — Drainage, Zur Frage der. 
Chrobak 539. — Dulcinol-Schokolade, Ueber. Stemberg 478, — 
Dünndarmatresie, Zur Diagnose der kongenitalen - unter besonderer 
Berücksichtigung der Untersuchung des Mekoniums. Walz 289. — 
D 3 rsenterieepidemie, Ueber eine. Lnoksch 358. — Dysenteriesemm, 
Das. Kraus, Dörr 379. — Dyseuterietoxin, Das. Doerr 473. 

E. 

Echinococcus, Vereiterter - der Bauchhöhle. Reinecke 283. — 
Echinococcus der Leber, Ein Fall von - perforiert in der Lunge, 
aasgeheilt durch Rippenresektion, Stein 161. — Einklemmung, 
Eine seltene Ursache innerer. Huber 114. — Einftldeln, Finger- 
freies. Hertzka 124. — Eisentropon. Sonnemann 380. — Eisen- 
Verordnung, Ueber eine neue Form der. Ehrmann 9. — Eiterungen, 
Ueber die Behandlung akuter - mit Stanungsbyperaemie. Ranzi 
72. — Eiweissgehalt, Eine Methode, den - eines Harns mit hin¬ 
reichender Genauigkeit für klinische Zwecke in einer Stunde zu 
bestimmen. Büchner 319. — EHweissdifFerenziernng, Zur forensi¬ 
schen - auf Grund der haemolit. Methode mittels Komplementab- 
lenknng nebst Bemerkung über die Bedeutung des Präzipitatis für 
dieses Phänomen. Friedberger 205. — Eklampsie, Das Gift der 

— und die Konsequenzen f. o. Behandlung. Zweifel 103. — Eklamp¬ 


sie, Experimentelle Studien über die. Weichardt und Piltz 548. 

— Eklampsie, Zur geburtshilflichen Therapie der. Esch 193. — 
Elektromagnetische Therapie, Ueber - System Ti-üb. Krefift 183. 

— Elektrische Hauseinrichtungen, Zur Hygiene der. Jellinek 479. 

— Elektromedikamentöse Therapie. Heiiman 604. — Elektrothe¬ 
rapie der Kreislauferkrankungen, Die. Raab 356, 367. — /J-Eucain, 
Ein Pall von Vergiftung mit. Kraus 46. — Endocarditis bei Tuber¬ 
kulose, Ueber. Sargo Suess, Alland 106. — Endometritis, Ein 
Beitrag zur Aetiologie der. Müller 231. — Endocarditis, Ueber 
zeitweise gehäuftes Vorkommen von - bei Mnskelrheumatismus. 
Bechtold 516. — Endoskopie der Harnröhre, Die. Goldschmidt 
84. — Entferuung des im Uterus zurüokgebaltenen Kopfes nach 
Abreissen des Rumpfes. Borgnis 478, — Entzündungstherapie, Die 
Bedeutung der Anaesthesie in der. Spiess 113. — Epididymite, 
blennon'hagique Pathogenie und traitement de. Lefur 84. — Epi¬ 
lepsie, Ueber Harnsäurebefunde bei genuiner. Stadelmann 551. — 
Epiphora, Zur nasalen Behandlung der. Meyer 306. — Epithel- 
wucherungen. Die exper. Erzeugung atypisdier - und die Ent¬ 
stehung bösartiger Geschwülste. Fischer 475. — Epityphlitis, Zur 
Frühoperation bei. Gunkel 71. — Eppendorfer Krankenhaus, Für 
das. Lenhartz 529, — Erbliche Belastung, Einiges über. W’aguer 
V. Jauregg 33. — Erfindung aus dem Gebiet der Medicin und der 
öffentlichen Gesundheitspflege. Jnsti 347. — Ergüsse, Ueber 
pseudochylöse. Zypkin 540. — Ermüdungstoxin und dessen Anti¬ 
toxin, Ueber. Weichardt 30. — Ernährung, Ueber den Einfluss 
der - auf die Erregbarkeit des Nervensystems im Säuglingsalter. 
Quest 339. — Ernährung, Beitrag zur künstl. Ernährung der. 
Klautsch 387. — Erste Hilfe und künstliche Atmung. Kuhn 95. 

— Erwiderung an Herrn San.-Rat Brügelmann. Siegel 660. — 

Erwiderung auf den Artikel des Herrn Dr. Bashford: Einige 
Bemerkungen zur Methodik der exper. Krebsforschung. Ehrlich, 
Apblant 287. — Erwiderung auf; Ueber die Verwendung des 
Kampfers bei Lungenkranken. Vollend 560. — Erysipel, Ueber 
Beeinflussung von Blutkrankheiten durch. Stadler 46. — Erythema 
exsudativum multiforme und nodosum der Schleimhaut in ihren 
Beziehungen zur Syphilis. Trautmann 502. — Erythrocyten, Ueber 
punktierte. Meyer und Speroni 217. — Euchinin und Aristochin 
gegen Keuchhusten, Ueber. Binz 182. — Expektrantien, Ueber. 
Eichhorst 282. — Extensionsverbände, Umsetzung der Längs¬ 
richtung bei - in queren Zug. Hofmann 93. — Extensionsver¬ 
fahren, Vereinfachtes. Hofmann 356, — Extrauteringravidität 

durch Röntgenstrahlen, Zur Diagnose der. Lichtenstein 146. — 
Extrauteringravidität, Zur Diagnose und Therapie der. Schliep 
209. — Exzitation, Gegen die Elxzitation in der Narkose. Gersung 55. 

F. 

Facialislähmiing, Ein Beitrag zur operativen Behandlung der 
otogenen, Alt 506, — Fachausdrücke aus der neueren Immunitäts¬ 
lehre. Dieudonnö 568. Fahrrad und Automobil als Fahrzeuge 
des praktischen Arztes. Weitzel 283. — Formentwicklungen, Ueber 
eine einfache Methode zum Nachweis proteolytischer. Müller, 
Jocbmann 365. — Fermente, Ueber proteolytische Wirkungen 
intracellurärer. Baer 515. — Fermente, Ueber die Wirkung des 
Lichtes auf - (Invertin) bei Sauerstoffabwesenheit. Jodlbauer, 
V. Tappeiner 181. — Fennentwirkung. Weitere Ergebnisse unserer 
Methode zum Nachweis proteolytischer. Jochmann, Müller 459. — 
Fett und Kohlenhydrate. Rosenfeld 357. — Fett, Zur Pathologie 
des periartikulären - am Knie. Zesas 282. — Fett, Art und Menge 
des - in der Nahrung stillender Frauen und die Wirkung seiner 
Entziehung auf die Milchdiät. Engel und Flaut 3l9. — Fett¬ 
probe, Eiue klinische - für die Faeces. Hecht 103. — Fettsucht, 
Die individualisierende Therapie der - und des Fettherzens. Eschle 
208. — Fettsucht, Die Pathogenese der. Eschle 56. — Fettsucht- 
behandluDg mit Schilddrüse, Zur. Rheiubold 321. — Fettver¬ 
dauung. Aldor 379. — Fieberhafte Erkrankung, Ueber eine un¬ 
aufgeklärte - mit den höchsten bisher gemessenen Temperaturen. 
Heller 304, 321. — Fievre typhoide, Cousidbrations cliniques sur 
la - chez Tenfant. Pater et Hsdbron 233. — Finger- und Hand¬ 
gelenksversteifungen, Portativer Apparat für Behandlung von. 
Bethmann 502, — Fingerkontraktur, Zwei durch Thiosinamin 
bezw. Fibrolysioinjektionen erfolgreich behandelte Fälle von 
Dupuytrenseber - bei Diabetikern. Teschenmacher 56. — Finsen¬ 
behandlung, Ueber Wännewirkung bei. Jansen 490. — Fisuren, 
Ueber isolierte, snbeutane - der langen Röhrenknochen. Giese 124. 


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578 


M RPTCTNISCHB WOCHB. 


Nr. 53. 


Flasche für Säuglinge, Eine neue. Aufrecht 9. — Fleischmilch¬ 
säure und Blut, Urin und CerebröspinalflUssigkelt eklamptischer 
Frauen, üeber den Nachweis von. Lockemann 103. — Fieischver- 
gifcung und Faratyphus. Zupnik 550. — Fliegenkrankbeit und 
ihre Behandlung, Die. Smit 284. — Fliegenlarven, Die Zerstörung 
beider Augen eines Menschen durch. Schultz-Zehden 125. — 
Formalin, Ueber die Anwendung von - bei dem Uhlenhuth’schen 
Verlähren. Loele 303. — Formamints, Üeber den Desinfektionswert 
des. Rbeinbold 206. — Formysol, ein neues Händedesinfektions- 
mittel. Dietrich und Amheim 518. — Framboesia tropica an 
Affen, Exper. Versuche über - Neiser, Baermann, Halberstädter 
345. — Framboesia tropica (Yaws) Untersuchungen über. Castel- 
lani 71. — Frauenkleidung, Praktische Vorschläge zur Hygiene 
der. Grisson 502. — Fremdkörper, Zur Extraktion von - aus den 
Bronchilen. Hinsberg 253. — Fremdkörper im Magen- und Darm- 
katial. Weiasbart 194. — Fremdkörper und Röntgenstrahlen. 
Grashey 333. — Freund’sche Operation, Erfahrungen mit der er¬ 
weiterten. Veit 105. — Fürstner, Blarl. Laquer 282. — Furunkel, 
Karbunkel und der Phlegmone, Behandlung des. Enderlein 477. — 
Fiisshalter zur Fixierung des Fusses bei Verbandanlegung. Burk 
450. — 

o. 

Gallenfarbstoffe, Eine sehr empfindliche Reaktion auf. 
Prjkiewicz 146, — Galleuröhre, Ueber die einfache - als An¬ 
reicherungsmittel und die Bakteriologie des Blutes bei Typhus 
sowie Paratyphus. Kayser 218. — Gallensteinkranke, Liegehallen 
für. Fink 303. — Gallensteinkrankheit, Zur Therapie an Gallen¬ 
steinkrankheit mit Probilinpllleu. Bauermeister 184. — Gallen- 
steinileus, Zum. Fink 219. —Galopprythmus des Herzens, Ueber, 
Müller 217. — Ganglienzelle und Nervenfaser. Kolm 336. — 
Ganglion am Kniegelenksmenismus, Schmidt 356. — Gangrän, 
Symmetrische - beider Lider nach Verletzung an der Stitne. 
Apetz 253. — Gärungs-Saocharometer mit Glycerin-Indicator, Der. 
Lohnstein 463. — Gasmischuarkose, Die - mittels des Roth- 
Drägerschen Sauerstoffapparates. Hagen 276. —• Gasphlegmone 
nach Perforation einesMei-kelschen Divertikels, v. Kaatzjnn. 195. — 
Gasphleginone, Ueber. Rothfuehs 476. — Gastritis, Zur Frage der 
Heilbarkeit der chronischen. Rodari 357. — Gastroenteroanastomia 
spontanea, Ein Fall von. Kern 288. — Gastrophose, Klinisches 
uni Experimentelles über. Ho.senberg 422. — Gebärmutterkrebs, 
Ueberblick über die Leistungen der erweiterten abdominalen Ope¬ 
ration beim. Wertheim 338. — Geburtsverletzungen, Zur Kennt¬ 
nis der - des Neugeborenen. Dorf 125. — Gefrierschnitte, Ueber 
gleichzeitige Darstellung von Fettkörnern, eisenhaltigen Pigment 
und Zellkernen in. Waliart 517. — Geisteskranke, Ueber einige 
Fortschritte in der Behandlung d. - nebst einem Rückblick üljer 
die Entwicklung der Irrenbehandlung im 19. Jabrhu;* lert. Hoppe 
368, 378. — Gehirnchirurgie, Zwei bemerkenswerte Fälle von, 
Amberger 182. — Gehirnhautentzündung, Aetiologie und Epidem- 
ologie der übertragbaren - (Genickstarre). Kutscher 463 — Ge¬ 
lenkrheumatismus, Ueber akuten - Currea, und Endokarditis bei 
Kindern, Ueber. Kephalliuds 2S^. — Gelenkrheumatismus, Die 
Anwendung der physikalischen Heilmethoden in der Therapie des 
akuten. Laqueur 136. — Gelenksehüsse, Erfahrungen über - aus 
dem russisch-japanischen Krieg, Brentano 180. — Gelenktuberku- 
lü.se, Ueber die Behandlung von - Lebele, Ebermayer 169. — 
Gelbfieberkranker, Ueber Parasitonbefunde in Blutpräparaten eines. 
Schüller 94. — Genfer Konvention, Die Revision der. Werner 
282. — Genickstarre, Versuche zur Serodiagnostik u. Serotherapie 
des epidemi.schen. Jochmann 285. — Geniokstarreepidemie, Ueber 
das Entstehen der, Jehle 311. — Genickstarreepidemien, Die 
Rolle der Grubeninfektion bei der Entstehung der. Jehle 355. — 
Genickstarre, Ueber d. gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse v. 
der übertragbaren. Westenhoeffer 451. — Genickstarre, Sind die 
Steinkohlengmben die Verbreiter der. 516. — Genickstarre, Ueber 
zwei Fälle von epidemischer. Broer 367. — Genickstarre, Ueber 
perlhypophyseale Eiterung und einige andere bemerkenswerte Be¬ 
funde hei. Westenhoeffer 83. — Genitalödem, Das chronische idio- 
pathusche - junger Säuglinge. Priedjung 306. — Geschlechtskrank¬ 
heiten, Schutzmittel gegen. Grosse 517. — Gesichtsfurunkel - 
meta-statische Eiterungen. Manasse 254, — Gesichtsreflexe bei 
Säuglingen, Ueber. Moro 289, — Ge-sichts-schutzmaske nach An¬ 
gabe des Zahnarztes Eichentopf. Breitung 450. — Gicht, Zur 


Pathogenese der. Kionka. — Giftarbeiter, Die HÜfe der. Lewin 
504. — Gipskristalle, Ueber - im menschlichen Ham. Lapinsky 
531. — Gonorrhoe, Bemerkungen zur internen Behandlung 
der. Deutsch 65. — Gonorrhoischer Eiter, Zur Histologie des. 
Posner 490. — Geissein bei Hühner- und Recurrensspirochaeteo. 
Zettnow 138. — Gonocoocus, Wachstum des • auf seinen 
freien Nährböden. Wert des Gramschen. Verfahrens in der 
differentiellen Therapie des Gonococcua. Picker 506. — Gonor¬ 
rhoische Lymphangitis und Gonokokkenmetastasien ohne nach¬ 
weisbare Schleimhaut-Gonorrhoe. Schulz 32. — Gonosan- und 
Gonorrhoetherapie, Ueber. Schindler, Siebert 337. — Gonor¬ 
rhoe, Verhaltungsmaßregeln bei akuter. Schaedel 135. 

H. 

Haarfärbemittel, Ueber ein neues. Tomasezewski, Erdmann 
114, — Halsverletzungen, Zum Kapitel der. Bradt 503. - Hand- 
rückenlipome, Symmetrische - bei Togo-Negern. Martin 276. — 
Harnblase, Ueber Perforation der - bei Ausschabung derselben. 
Stern 205. — Harnsäure, Eine vereinfachte Methode zur quantita¬ 
tiven Bestimmungen der - im Harn. Kowewski 327. — Harnsäure, 
Eine vereinfachte Methode zur quant, Bestimmung der - im Harn. 
Ruhemann 347. — Harnsäure und Harnstoff, Ueber das Verhalten 
der - bei Gicht. Falkenstein 106. — Harnsäure- und Xanthin- 
basenausscheidung, Ueber - während der Behandlung zweier Leu- 
kämiker und eines Falles von Pseudoleukäemie m. Röntgenstrablen. 
Rosenberger 82. — Harnwege, Zur Behandlung der entzündlichen 
Erkrankungen der oberen. Meyer 184. — Hautkranke, Zur externen 
Behandlung von. Steuer 136. — Hautsarcom, Ein. Albers-Schön- 
berg 219. — Hauttuberkulose, Experimentelle - bei Affen. Baer¬ 
mann, Halberstädter. — Hauttransplantationen, Sind - ein Heil¬ 
mittel? Landgraf 181. — Hauttransplantation, Zur Technik der - 
nach Thiersch. Waljasoliko 476. — Haut, über die Behandlung 
entzündlicher Prozesse der - mit heissen Bädern. Richter 194. — 
Heberdrainage, Die Bülausebe - bei Behandlung einer schweren 
Spondylitis tuberkulöse. Mende 559. — Hebotomie, zur Frage 
der. Blumenreich 114. — Hebotomie, Zur. Seligmann 231. — 
Hebotomie, Zur Frage der, Seitz 477, 458. — Heilkunde, Ge¬ 
danken eines Laien über. 551. — Heisslufttherapie bei Becken¬ 
entzündungen, Beiträge zur. Jung 8, — Heisslufttherapie, Ueber- 
bei Emphysem, chronischen Bronchitis und Asthma bronchiale. 
Colm-Kiiidborg 462. — Heisswasseralkoholdesinfektion, Ueber 

den Wert der - für die Geburtshilfe, sowie für den Wundschutz 
von Bauchwunden, v. Herff 366. — Heisswasser-Alkohol-Hände- 
desiiifektion, Weitere Beweise für die dauernde Tiefenwirkung 
der. Ahlfeld 478. — Hemiplegie bei intakter Pyramidenbahn. 
Spielmeyer 355. — Hemmungsstoffe, Die bakteriellen - Conradis 
und ihr Einfluss auf da.s Wachstum der Anaerobier des Darmes. 
Passini 289. — Hemmungsstoffe, üeber bakterielle - des Säug- 
lingsblutos. Moro und Murath 171. — Hernia diaphragma spuria. 
Weckerle 460, — Hernia uteri inguinalis, Zur Kenntnis der. 
Hilgenreiuer 136, — Hernien, Zur Kasuistik der angeborenen - 
der linea alba. Klausner 477. —• Herz, üeber die direkte Ablei¬ 
tung der Aktioiisströme des men.schlichen Herzens vom Oesophagus 
und über das Elektrodiagramm de.s Foetus. Cremer 218. — Herz, 
üeber das Zusammenfällen von Volumveränderungen des - mit 
Veränderungen des Pulses. Heitler 125. — Herzens, Unters, d. • 
in linker Seitenlage. Goldacheider 460. — Herzerkrankungen, Ueb. 
nervöse - und den Begriff der Herzschwäche. Krehl 565. — Herz 
und Magen-Darmleiden, Ueber die Wechselbeziehungen zwischen. 
Schmidt 170. — Herzkrankheiten, Ueber die moderne Therapie d. 
chronischen. Hoffmann 170, — Herzmuskel, FunktioneUe Bestim¬ 
mung der Leistungsfähigkeit des - und deren Bedeutung für die 
Diagnostik der Herzkrankheiten. Gräupner 336. — Herzmuskel- 
sohwäche, Beitrag zur Behandlung der - mit elektrischen Strömen. 
Tilliss 461. — Herzneuroseu, Die Behandlung von. Rumpf 20. — 
Herzneurose und Arteriosklerose nach Trauma, Pall von. Gold¬ 
scheider 207. — Herzschlag. Mangold 147. — Herzschlag, Die 
neurogene und myogene Tlieorie des. Mangold 134. — Herzstör¬ 
ungen, Ueber die Beziehungen von seelischen Empfindungen zu. 
Müller 30. — Herzstörungen, Ueber die Beziehungen von seeli¬ 
schen Empfindungen zu. Veiel 103. — Herzton, Der erste. Gligel 
218. — Herzton, Zur praktischen Verwendung der Schallstärke 
des ersten, Kurt 463. — Herztuberkulose, Ein eigenartiger Ver- 


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- iyo6. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


579 


laaf and Obduktionsbefond t. chronischer. Knaath 205. — Hetol, 
Ueber die Behandlung mit - bei Keratitis parenchymatöse. Cohn 
320. — Hetolbehandlung der Tuberkulose nach Länderer, Neues 
über. Weissmann 387. — Hetralins, Die Verwendbarkeit des - 
gegen sexuelle Neurasthenie. Birnbaum 254, — Heuasthma, Zur 
Diiferentialdiagnose des - gegen die anderen Asthmaformen. Wolff- 
Eisner 71. — Heufieber, Das Helmholtzsche Verfahren gegen - 
modifiziert. Bresser 503. — Heufieber, Zur Behandlung des. Ber¬ 
liner 170. — Heufieber und seine Serumbehandlung. Kammann 
837. — Himaneurysma. Ohm 477. — Himdiagnostik, Ueber die 
Bedeutung der Jacksonschen Epilepsie iUr die topische. BonhoefPer 
356. — Hirn- und RUckenmarksbäute, Ein Fall von akuter Ent¬ 
zündung der. Palmer 460. — Himsinus, Ein Fall von ausgedehn¬ 
ter Thrombose des. Wimmer 530. — Hirschsprungsche Krankheit, 
Die. Zesas 219. — Hirschsprungsche Krankheit, Ueber Volvulus 
der fiexura sigmoidea bei. Delkeskamp 70. - Höhenschielen. Miller 
53. — Hornhautentartung, Ueber die familiäre. Velhagen 518. — 
Hornhauttrübung, Die gittrige. Freund 83. — Hospitfller, Ge¬ 
schichte der - im Altertum und Mittelalter. Roth 76. — Hühner¬ 
pest, Zur Hystologie der. Schiffmaun 531. — Hydramnios, Ueber 
einen günstig verlaufenen Fall von - und Lungenembolie am 24. 
Tage post partum. Bram 507. — Hydrops toxicus, Ueber. Quincke 
450. — Hydrotherapie bei fieberhaften Infektionskrankheiten. 
Munter 550. — Hygiene auf der Wiener hyg. Ausstellung, Die. 
Sofer 290. — Hyperacidität, Ueber die Behandlung der. Boas 379. 

— Hyperaemiebehandlung der Lungentuberkulose, Ueber. Leo 338. 

— Hyperaeinie, Die Anw. der - nach Bier bei einigen Erkrank, 
der Diabetiker. Grube 356. — Hyperfunktion, Beitrag zur Lehre 
vom Autbrauch durch. Lilienstein 205. — Hyperhidrose desextre- 
mites dite essentielle, De. Bonygues 163. — Hypertrophie, Die 
operative Behandlung der - und des Carcinoms der Prostata. 
Kümmel 182. — Hysterie, Ist - eine Nervenkrankheit? Krontbal 287, 

1 . 

Ictere infectieux aigue par angiocbolite, seule manifestation 
d’un caucer du pancreas. Etienne 254. — Ictus laryngis, Ueber. 
Fleischl 233. — Idiotie, Ein Fall von Tay - Sachsscher familiärer 
amaurotischer. Huismans 503. — Ikteriw im Verlauf von Schar¬ 
lach. Kaupe 104. — Ikterus, Ueber chronischen. Claus und Kalber¬ 
bach 529. — Ileocoekalschmerz, Ueber die Indikation zur Appen¬ 
dektomie beim. Hochenegg 8. — Ileus, Die beim postoperativen 
Leus wirkenden mechanischen Momente. Wilms 70. — Ileus dureh 
Obturation der Fiexura coli sinistra. Mancesse 461. — Imraunitäts- 
lehre in der Augenheilkunde, Die. Reis 378. — Immunitätslehre, 
Weiteres aus der modernen. Weichardt 205. — Impotenz, Zur Be¬ 
handlung der - beim Manne. Popper 290. — Induratio penis plastica, 
Ueber die. Waelsch 459. — Infantilismus, Ueber Formen und 
Ursachen des. Aiiton 3G7. — Infektion, Die Bedeutung 
der - für die Neugeborenen und Säuglinge. Salge 125. — 
Infektionskrankheiten, Aktive Immunisierung gegen. Dieudonne 
303. — Infektionskrankheiten, Die Bekiimptung der Weiterver¬ 
breitung von - mittels De.sinfektioD, Böhm 529. — Infektions¬ 
krankheiten, Zur biologischen Diagnose von. Bruck 321. — Infas- 
sionsbomben. Marcus 283. — Inhalationsmethode. Heryng. 148. — 
Inbalationsvorrichtung, Eine neue. Gernsheimer 124. — Inhalations- 
methoden und neue Inhalationsapparate, Ueber. Heryng 136. — 
Injektionen, Eine neue Sicherheitsvorrichtung für subkutane und 
intravenöse. Weinberg 181. — Innere Medicin, Prakt. Erf. aus 
dem Gebiete der. Mohr 288. — Instrument zur Unterbindung 
tiefliegender GefÜsse, Ein neues. Birch-Hirschfeld 529. — lustni- 
mententisch m. elektr. Ansohlussapparat für Hals-, Nasen- und 
Ohrenärzte. Helbing 103. — Internationalen medicinischen Kongress, 
Rückblick auf den XIII. Ostwalt 304. — Irrigationen und Kly- 
stiere, Ueber. Sternberg 105. — Ischias, Die Behandlung der - 
mit peiineuralen Kochsalzinfiltrationen. Grossmaun 491. — 

Ischias, Ueber chirurgisclie Behandlung der. Pers 205. — 
Isoform, Das - in der oto rlnnologischen Praxis. Remieii 269. — 
Isopral, Ueber ein neues Schlafmittel. Mobilia 20. — Jod, Ueber 
die Einwirkung von freiem - auf Azteessig und deren Nachweis 
im Ham. Bondi, Schwarz 47. — Jodismns acutus und Thyreoditis 
acuta. Luhlinski 114. — Jodoformbehandlung, Neue Beobachtungen 
bei deu - der Lepra. Diesing 296. — Jubiläumsausstellung in 
Nürnberg, Medicinisches und Sozial-Hygienisches von der. Perutz 
334. — 


K. 

Kaffee iind Kakao, Die Wirkung des - auf die Magensaft- 
sekretioD. Fincussohn 334. — Kahlheit, Die Verhütung und Be¬ 
kämpfung der. Lassar 337. — Kaiser Sigmund, Die Krankheit 
des. Ebstein 321. ~ Kaiserschnitt, Der „vaginale“ - und die 
chirurgische Aera in der Geburtshilfe. Hofmeier 83. — Kaiser¬ 
schnitt, Ein Fall von - bei Ädhäsionsileus. Martin 303. — Kaiser¬ 
schnitt, Ueber den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt nach 
vorausgegangenem vaginalem. PrUhl 147. — Kammervenenpuls, 
Ueber die häufige Kombination von - mit Pnlsusirregularis per- 
petuus. Hering 94. — Kampher bei Lungenkranken, Ueber die 
Verwendung des. Koch 560. — Kampher, Ueber die Verwendung 
des - bei Lungenkranken. VoUand 95. — Kaninchenleukozyt« n, 
Ueb. die Beziehungen von - zum Staphylococcengift. Beil, Weil 339. 
Kankroin, Ueber die Umwandlung des Krebses im Bindegewebe 
unter dem Einfluss des. Adamkiewicz 540. —~ Kankroin. Ueber 
die Umwandlung des Krebses im Bindegewebe unter dem Einfluss 
des Kankroin 571. — Karbolsäure, Ueber eine neue Anwendungs- 
weise der konzentrierten - in der externen Therapie, vor allem 
bei Bubonen und Furunkulose. Wolff 518. — Karbunkel, Be¬ 
handlung des. Enderlen 477. — Kartoffelspeisen bei Diabetes und 
Adipositas. Sternberg 337. — Karzinomprobe, Zur Kenntnis der 
Salomonschen. Beicher 305. — Katalysatoren, Sind die baemolyti- 
scben Innenkörper oder die Komplemente - also Fermente, v. 
Liebermann 104. — Katgut vom gesunden Schlachttier. Kuhn 
460. — Katgusterilisation, Zur Frage der. v. Herff 335. 

— Kefyrzysteu, Ueber. Kronheimer 105. — Kehlkopf, Ueber 
Verlagerung des - und der Luftröhre bei verschiedeueu Erkrank¬ 
ungen der Brustorgane. Withern und Loming 475. — Kehlkopf¬ 
krebs, Z'ir Frühdiagnose und Behandlung des. Bagincsky 147 und 
161. — Kehlkopfkrebs mittels Kehlkopfspaltung, Ueber die Radi¬ 
kaloperation des. V. Bruns 421. — Kehlkopftuberkulose, Ueber 
dou therapeutischeu Wert vollständiger Stimmruhe bei der Anstalts- 
behandluQg der. Semon 549. — Kehlkopftuberkulose, Zur Sonnen¬ 
lichtbehandlung der. Baer 149. — Kehlkopfuntersuchung uud 
einige hauptsächliche Kehlkopfkrankheiten bei Kindern. Finder 519. 
Klystiere und Irregatoreu, Ueber. Sternberg 94. — Kenititis pa- 
renchymatosa, Durch Syphilisimpfung erzeugte - beim Kaninchen. 
Scherber 305. — Keuchhusten, Ein Fall von - mit schweren 
Symptomen bei einem Erwachsenen. Clajjsen 207. —Kieferhühleii- 
erapyem, Die Erfolge der DesaultscLen Operation des. Kalkreut ttr 
123. — Kieferhöhlenempyem, Ueber die Therapie der chronischen. 
Cohn 95. — Kinderklinik und Hamersches Kinderhospital, Die 
Entwicklung der k. Uuiversitäts. v. Rauke 3ü4. — Kinderlähmung, 
Erf. i. d. Beh. d. spinalen. Vulpius 366. — Kinderpneumonie, 
Zur Kasuistik der zerebralen. Bittorf 231. — Kinderspitalbett 
Ein neue.*». Hutzier 161. — Klappenfehlern, Seltene Verlaufsweisen 
von. Grossmann 517. — Kleinhinibrückenwinkelgeschwulst, Fall 
von. Puschmann 286. - Klinische Kasuistik aus der Praxis. Erb 
569. — Klystiere und Irregationen, Ueber. Sternberg 105. — Knie, 
Eine seltene Erkrankung am. v. Lcsser 162. — Knie-Phänomen, 
Ein einfacher Kunstgriff zur Erzeugung des. Krönig 505. — Knie- 
scheibeniiabt, Beitrag zur Technik der. Schaefer 113. —Kuoclien- 
brüche, Die funktionelle Behandlung der. Deutschläuder 286, 287. 
Knochencarcinose, Ueber einen Pall von — der unter den Er- 
.scheinungen der perniziösen Anaemie verlief. Rotky, v. Sacksch 
397, — Kochsalzarme Ernährung, Ueber die praktische Ausführung 
der. Fischler 2U8. — Kohlenhydrate. Rosenfeld 357. — Koltns- 
verletzungen, Ein weiterer Beitrag zur Kasuistik der. Zikinund 72. 

— Kollargolbehandlung, Ueber - bei Puerperalfieber. Buberl 149. 

— Kollision von Zwillingen bei der Geburt. Frankenstein 135 — 
Kongress für innere Medicin. Ueber den künftigen. Schwalbe 285. 

— Koronararterien, Ueber Erkr. der - im Verlaufe akuter Infek¬ 
tionskrankheiten. Wiesel 305. — Koronargefässe, Ueber Verän¬ 
derungen bei [nfektioiiskrankheiteu. Wiesner 305. — Kürjier- 
messungen, Ueber - uud einen neuen Korpermessapparat. Stephan 
505. — Koreett und Schule. Lange 168. — Kosmetik, Die ärztl. 
Kunst auf dem Gebiete der. Strebei 452. — Krampfzustände, 
Ueber vasomotorische - bei echter Angina pectoris. Curscbmann 
421. — Krankenversicherung im Jahre 1903, Die, Landsberger 
282. — Krebsgeschwülste, Therapeutische Versuche zur Heilung 
von - durch die Methode der Anaesthesierung. Spiess 449. — 
Krebs und Tuberkulose, Die Beziehungen zwischen. Weinberg 367. 


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580 


MEülClNISCHE WOCHB. 


Nr. 53. 


Erebsfordchang, Einige Bemerkungen zur Methodik der experimen¬ 
tellen. Bashford 194. — Kreosot - Formaldehydverbindung, Ueber 
den - einer - auf den Stoffwechsel. Bickel, Pincessohn 207. — 
Kretinismus, Ueber einen Fall von. Göllner 20. — Kretinismus, 
Ueber marinen. Jauregg 506. — Elriegschimrgischen Bedeutung 
der neuen deutschen Infanterie - Munition, Zur. Kranzfelder, 
Oertel 169. — Kriegschirurgisches aus Japan. Treutlein 320. — 
Kropfherz, Ueber. Krems 568. — Kuhmilchpräzipitin im Blute 
eines 4 V 2 Monate alten Atrophikers. Moro 82. — Kystoskop, 
Eine Leitvorriohtung zu Nitzes. Posner 125. — Kystoskop nach 
Maisonneuveschem Prinzip. Ringleb 114. — Kystoskop nach Mai- 
sonneuveschem Prinzip. Ringleb 283. 

L. 

Labyrinthtrepanation und Auskratzung des Vorhofes wegen 
qualvoller Geräusche bei sogen. „Mittelohrsklerose“ - Otospongiose. 
Matte 286. — Lacto, Klinische Erfahrungen über. Delavilla 305. 

- Lähmungen, Behandlung der. Stintzing 31. — Lähmungen, 
Die spastischen - der Kinder und ihre Behandlung. Hoffa 283, 
284, 285. — Lähmungen, Eine Operation bei motorischen. Gersung 
149. — Lamscheider Stahlbrunnen, Ueber den. Liebreich 208. — 
Larynxsteuose, Zur Opiumbehandlung der - im Kindesalter. Hecht 
334. — Larynxtuberkulose, Zur Heilung der. Alexander 115. — 
Leberruptur mit tötlicher Blutung infolge Berstens eines ober¬ 
flächlichen Aneurysmas. Wätzold 502. — Lecithins, Ueber eine 
neue Verordnungsform des. Silberstein 479. — Lenicet, Weitere 
Erfahrungen mit - insbesondere dem 10% igen Lenicet - Vaselin. 
Amente 206. — Lepra maculo - tuberosa, Ein geheilter Fall 
von. V. Neumann 72. — Leukämie ohne leukämisches Blut. Ewald 
337. — Leukämie, Untersuchungen über den Sauerstoflfwechsel bei 

- während der Röntgenbehandlung. Rosenstem 281. — Leukämie, 
Untersuchung über den Stoffwechsel bei - während der Röntgen¬ 
behandlung. Rosenstern 303. — Leukämie, Zum Verständnis der 
Besserung der - durch intercurrente Infektion. Funok 450. — 
Leuhocyten, Ueber das proteolytische Ferment der. Eppenstein 
516. — Leukocytenferment, Ueber das - in Milz, Lymphdrüsen u. 
Knochenmark bei Leukämie und Pseudoleukämie. Jochmann und 
Ziegler 501. — Leukoderma bei Lues, bei Psoriasis und bei Ek¬ 
zema Seborrhoicum, Ueber. Jesionek 319. — Leukotoxine, Beiträge 
zur Frage der Bildung spezifischer - ein Blutserum als Folge der 
Röntgenstrahlen, der Leukomie und des Lymphosarkoms. Kliene- 
berger, Zoeppritz 230 und 253. — Leukotoxinbildung, Bern, zur 
Frage der - durch Röntgenstrahlen. Milchner, Wolff 306. — 
Ligamentverkürzung, Intraperitoneale - nach Menge. Steinbüchel 
82. — Licht-Luftstrombehandlung bei chronischen Herzkrankheiten, 
Die. Herz 502. — Liebt, Ueber die Wirkung des - auf Formente 
(Invertin) bei Sauerstoffabwesenheit. Jodlbauer, v. Tappeiner 181. 

- Linea alba, Zur Kasuistik der angeb. Hernien de* . Klaussner 

477. — Lippen- resp. Mund-Ekzeme, Ueber. Galewsky 346. — 
Liquorcerebrospinalis, Einiges über die diagnostische Bedeutung d. 
Blutgehaltes und der Lymphocytose im. Ohm 477. — Lissaboner 
Kongress, Von der Aerztetahrt zum. Vulpius 304. — Lokalanaes- 
tbesie, Die Leistungen der. Braun 31. — Lokalanaesthesie in 
der Ohrenheilkunde, Zur, Hechinger 170. — Lombroso, Cesare. 
Rühl 319. — Lues congenita im Bilde lymphatischer Leu- 
kaemie bei einem Neugeborenen. Stuhl 207. — Lues ner¬ 

vosa, Zur Lehre von der. Hübner 519. — Lullusbrunnen bei 
Tropenkrankheiten, Der. Martin 559. — Lnmbalanaesthesie, Die 

- in der Gynaekologie und Geburtshilfe. Baisch 421. — Lumbal- 
anaesthesie, Wie vermeidet man Misserfolge hei der. Dönitz 345. 
Lumbalanaesthesie, Erfahrungen mit der. Lindenstein 518. — 
Lumbalanaesthesien, Erfahrungen an 360 - mit Stovain-Adrenalin. 
Deetz 345. — Lumbalanaesthesie, Ueber - mit Novokain bei gy¬ 
näkologischen Operationen. Opitz 230. — Lumbalanaesthesie im 
Morphium Skopolamin - Dämmerschlaf. Peukert 180. — Lumbal¬ 
punktion, Der therap. und symp. Wert der - bei der tuberk. 
Meningitis der Kinder. Schlesinger 290. — Lumballähmung, Hei¬ 
lung hysterischer Kontrakturen durch. Wilms 321, —- Lungen- 
Abscesse, Ein Beitrag zur kUnischen Diagnose der. Rieder 218. 
Lungenanthrakose und ihre Entstehung vom Darm aus, Die. Oolm 
506, 519. — Lungen asphyktisch Geborener, Ueber einige pathol. 

- anat. Befunde an. Knapp 539. — Lungenbefunden, Die bildliche 
Darstellung von. Besold 517. — Lungenentzündung, Zum Verhalten 
des Pektoralfremitus bei der kroupösen - einige Bemerkungen 


über das Knistern bei derselben. Ameth 218, 231. — Lungen¬ 
entzündung, Zur Serumbebandlung der croupösen. Tauber 149. — 
Lungenkranke, Ueber die Verwendung des Kampfers bei. Koch 
560. — Lungenphthise, Zur Behandlung der • in künstlichem 
Pneumothorax. Schmidt 169. — Lungenschwindsucht, Kampfer in 
der Behandlung der. Koch 531. — Lnngensteine, Ueber. Bürgi 
285. — Langentuberkulose, Beobachtungen Uber die Ehrlichsche 
Diazoreaktion bei. Weiss 520. — Lungentuberkulose, Das Serum 
Marmorek bei. Mann 491. — Lungentuberknlose und periphere 
Unfallverletzung. Ewald 529. — Lungentuberkulose, Zur Frage 
der Entstehung der. Schlossmann, Engel 337. — Lungentuberkulose, 
Zur Prognose der. Rumpf 355. — Lungentuberkulose, Zur bakto- 
rioskop. Frühdiagnose d. Blume 357, — Lungentuberkulose, Ueber 
den Nachweis von Tuberkelbacillen im Blut bei der. Lüdke 379. 
Lungentuberkulose, Ueber die Verbreitungswege der - vom klini¬ 
schen Standpunkte. Fraenkel 124. — Lungentuberkulose, Zur 
medicamentösen Behandlung des Fiebers bei. KUhnel 47. — Lungen¬ 
tuberkulose, Zur Pathogenese der. Hofbauer94. — Lungentuberkulose, 
Die - im schulpflichtigen Alter. Reeder 162. — Lupusbehandlnng, 
Techn. therap. Mitteil, zur - spez. zum Finsenbetrieb. Jungmann 
369. — Lupus, Ueber Schleimhaut - der oberen Luftwege. Senator 
287. — Luxation metacarpo-phalangienne du cinqui^me doigt, 
Quelques remarques ä propos d’une Observation de. Pichon 163. — 
Lymphangiektomia auriculi, Ueber - (Othaematoma spurium). Vörner 
123. — Lympbdrttsentoberkulose, Elxp. Uber haematogene. Baum¬ 
garten 462. — Lymphocytenleukämie, Ein Fall von ebron, - bei 
einem elfmonatl. Kinde. Mennacher 502. — Lymphosarkom, Ein 
Beitrag zur Operabilität des. Kraft 231. — Lymphosarkom, Rück¬ 
bildung des - auf nicht operativem Wege. Ruff 232. — Lysoform, 
Der Desinfektionswert von - bei mässig erhöhter Temperatur. 
Schneider 94. — Lysolvergiftnng, Zur Kenntnis der. Wohlgemuth 
307. — Lysolvergiftung, Ueber. Puppe 148. 

u. 

Magenaffektionen, Indikation zur Operation gutartiger - und ihrer 
Folgezustände. Garrö 254. — Magenchemismus, Ueber eine auf 
natürliche Art ohne Verwendung des Magenschlauchs vorzunehmende 
Untersuchung, v, Aldor 530. — Magenchemismus, Ueber eine 
neue Funktionsprüfung des • während der Verdauungstätigkeit 
ohne Schlundsonde. Kalisky 269, — Magen darmkanales. Weitere 
Studien über die Durchlässigkeit des - für Bakterien. Uffenheimer 
548. — Magengeschwür, Ueber die Behaodlung des. Schmidt 569. 
— Magen, Ueber Antiperistaltik d©s. Jonas 296. — Magen, Ueber 
den Einfluss der Amara auf die Magenverdauung bei verschiedenen 
Erkrankungen des. Liefschütz 137. — Magen- und Darmkanal, 
Zur Kasuistik des Fremdkörpers im. Weissbadt 194. — Magen, 
Ueber die Pettverdauung im. v. Aldor 379. — Magengeschwür, 
Ueber die diätetische Behandlung des. Senator 54. — Magen- 
Lungen-Fistel, Ein Fall von. Loeb 82. — Magen, Ueber die 
Temperaturempfindlichkeit des. Neumann 379. — Magenblutungen, 
Ueber die Prophylaxe der. Boas 283. — Magencaroinome, Ueber 
radiologische Befunde bei. Schütz 182. — Magenchemismua, Ueber 
eine neue Traktionsprüfung des während der Verdanungstätigkeit 
ohne Anwendung der Schlundsonde (Sahlische Desmoidreaktion). 
Kaliski 82. — Magen u. Pankreas, Bemerkungen üb. Operationen am. 
Koerte 71. — Magenperforation, Ein Pall von geheilter, v. Zezsch- 
witz 146. — Magensekretion, Experimenteller Beitrag znm Mechanis¬ 
mus der - nach Probefrühstück. Kash 287. — Magnesiumsalze, 
Die hemmenden und anaesthesierenden Eigenschaften der. Melker 
47 . — Main de Prädikateur bei multipler Sklerose. Selling 219 
Malariaepidemiologie im südl. Istrien im Jahre 1905, Zur. Gioseffi 
539. — Malariafiebers, Zur Kenntnis des pemiciosen - im südl. 
Istrien. Gioseffi 378. — Malariafieber, Ueber den Einfluss des - 
auf die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett. Lowros 
46. — Malariafieber, Bekämpfung des. Friedmann 106. — Malz¬ 
präparat, Emährungsversuche an atrophischen Kindern mit einem 
neuen. Lesser 368. — Maretin, Erfahrungen mit. Elsaesser 93. — 
Maretin, Ueber. Sommer 183. — Markfasernschwund, Ueber einen 
eigenartigen - in der Hirnrinde bei Paralyse. Fischer 290. — 
Marmoreks Semm, Erfahrungen über die Behandlung der Lungen¬ 
tuberkulose mit. Stadelmann, Benfey 55. — Marmoreks Sernm, 
Erfahrungen mit - bei Lungenphthise. Prokiawicz 149. — Mar- 
morek-Serum, Ueber das - in der Therapie der Chirurg. Tuberku¬ 
lose. Hoffa 505. — Masturbation, Ein Beitrag znm Raffinement 


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1906. 


MEDICINISCHE WOCHE. 


581 


der. Wild 147. — Medianusverletzung, Ueber einen Fall von - 
mit seltenen trophischen Störungen. Hirsch 285, 286. — Mediasti* 
naltumor, Ueber einen Fall von malignem - mit aussergewöhnlich 
schnellem Verlauf. Voltolini 125. ~ Melaena vera neonatorum, 
Ueber. Karrer 452. — Melioform, Versuchsergebnisse mit - als 
Desiniektionsmittel für Hände und Instrumente. Lindemann 114. 
— Melioform, Ueber die desinficierende Wirkung von. Ghdli-Vale- 
rio 368. — Melioform, Ueber die bactericide Wirkung des. Meyer 
286. — Meningitis (cerebrospinalis, Beitrag zur Frage des spora¬ 
dischen Auftretens der - (Weichselbaum). Küster 275. — Menin¬ 
gitis, Prognose der otogenen. Heine 55. — Meningitis, Ueber 
seröse. Riebold 548. — Meningitis serosa spinalis, Zur Kenntnis 
der. Krause 290. — Meningococcen, Ein Beitrag zur Agglutination 
der. Kutscher 548. — Meningococcen im kreisenden Blut. Marco* 
vich 520. — Meningococcenserura, Versuche zur Gewinnung und 
Wertbestimmung eines. Kolle, Wassermann 206. — Mesaortitis 
productiva, Ueber die diagnostische Bedeutung der, Muari 398. — 
Metatarsopbalangealgelenke, Ueber die Sesambeine der. Stieda 449. 
Methodik, Einige Bemerkungen über wissenschaftliche. Bosenbach 
463. — Methaemoglobinvergiftung durch Sesamöl. Rautenberg 490. 
Methylatropinum bromat., Die Verwendbarkeit des - bei Erkr. d. 
Nervensystems. Hudovernig 478. — Methylenblau, Ueber eine 
neue Methode der Blut- und Gewebsfkrbung mit dem eosinsauren. 
Assmaon 346. — Meningococccen, Ueber Unters, der Nasenrachen¬ 
höhle gesunder Menschen auf. Kutscher 337. — Meningococcen- 
pharyngitis, Die - als Grundlage der epidemischen Genickstarre. 
Ostermaon 147. — Menstruationsfieber, menstruelle Sepsis und 
andere während der Menstruation auftretende Krankh. infektiöser 
resp. toxischer Natur. Riebold 347. — Messung, Eine einfache. 
Gauss 335. — Mettsche Verfahren, Ueber eine Verbesserung des - 
znr Bestimmung der verdauenden Kraft der Flüssigkeiten. Meier 
148. — Migräne, Die. Mendel 284. — Mikrographie, Ueber mo¬ 
torische bedingte. Pick 312. — Mikrosedimentator, Ein - für kli¬ 
nische Blutuntersuchungen. Biernacki 232. — Mikroskopische Prä¬ 
parate, Ein einfacher Apparat zur Wiederaufhndung bestimmter 
Stellen in. Sachs-Müke 334. — Miliartuberkulose Ueber Erschein¬ 
ungen von Kteislau(Störungen bei. Herz 379. — Miliartuberkulose, 
Ueber die. Ribbert 31. — Milchfett stillender Frauen bei der Er¬ 
nährung mit specif Fetten, Ueb, das. Engel, Plaut 378. — Milch, 
Statistische Erhebungen über die Bedeutung der sterilisierten - f. 
d. Bekämpfung der Säugliugssterblichk. ManteufiPel 103. — Milch, 
Ueber die Gewinnung einwandfreier - für Säuglinge, Kinder und 
Kranke. Hempel 103. — Milchleukocytenprobe, Die. Trommsdorff 
160. — Milchsäurebehandlung und Sonnenbelichtung bei einem 
tuberkulösen Geschwür der Unterlippe. Wein 540. — Milzbrand 
des Kehlkopfes. Glas 146. — Milzruptur, Zwei Fälle von. Georgi 
194. — MUzruptur, Subcutane. Friedheim 46. — Mineralwässer, 
Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der - auf die 
sekretorische Magenfunktion. Bickel 32. — Mineralwassertrink- 
kuren, Ueber erfolglose - bei Magenkrankheiten. Ageron 450. — 
Mitralis, Relative Stenose bei. Dmitrenko 520. — Mittelfuss- 
knochenbruch. Welches ist der gefährliche Moment für die Ent¬ 
stehung eines - beim Gehen? Kirchner 347, — Mittelohreiterung, 
Die Diagnose und Prophylaxe der Labyrinthentzündung bei der 
acuten. Ostmanu 193. — Mittelohrentzündung, Ueber die acute 
exsudative - und ihre Behandlung. Klan 56. — Mittelohrentzünd¬ 
ungen, Ueber das therapeutische Verhalten der acuten - mit Be¬ 
rücksichtigung ihrer verschiedenen Aetiologie. Scheibe 281. — 
Möller-Barlowsche Krankheit, Ueber die - (Infantiler Skorbut). 
Fraenkel 516, 529. — Mohnkapseln, Ueber. Tischler 367. — 
Morbus Basedowü, Pathologie und Therapie des. Jacob 386. — 
Morbus Basedowü, Bemerkung zur Behandlung des - mit Röntgen¬ 
strahlen. Stegmanu 54, 208. — Morbus Basedowü, Bemerkung zur 
Behandlung des. Hirschl 149. — Morbus Basedowü, Beitrag zur 
Behandlung des - mit Antithyreoidin Möbius. Heinze 284. — 
Morbus Brightii, Ueber traumatischen. Posner 161. — Morphium- 
entziehung, Ueber - bei schweren chronischen Leiden. Scheimpflug 
20. — Mundatmung, Ueber die Behandlung der - und des chro¬ 
nischen Mundverschlusses mit der Gaumendehnung nach Schröder 
Löhnberg 283. — Murphyknopf, Darmokklusion durch - nach Py- 
lomsresektion. Doerfler 477. — Myeloma und Leucaemia lympha- 
tica plasmO'Cellularis. Gluzinski, Beichenstein 163. — Myocarditis 
syphilitica. Ein Fall von - bei hereditärer Lues mit Spirochaeten- 


befund. Buschke, Fischer 284. — Myomoperationen, Zur Berech¬ 
tigung der conservativen. Fehling 466. — Myomoperationen, Zur 
Frage der conservativen. Hengge 205. — Myositis ossificans pro¬ 
gressiva, geheilt durch Thyosinamin. Boseck 568. 

N. 

Nabelschnurbruches, Ein Beitrag zur Kasuistik und Therapie 
des. Finsterer 338. — Namedy-Inseisprudel, Ueber den. Liebreich 
367. — Narkosenapparat, Ein mit Dosierungsvorrichtung, Schubert 
450. —Nasenbluten. Naegeli-Aokerblom 387. —Nasenerkrankungen, 
Zur Saugtherapie bei, Sondermann 517. — Nasennebenhöhlen- 
eiterungeu. Zur konservativen Behandlung der. Heermann 319. — 
Nasennebenhöhlen, Kritische Bern, über die Sondermannsche Saug¬ 
methode bei Erkrankungen der. Uffenrode 319. — Nasensauger, 
Ein neuer. Leuwer 135. — Nasentumoren, Rin neuer Weg für 
die Operationen der malignen. Deuker 275, — Nebenhöhleneite¬ 
rungen, Ekteme oder interne Operation der, Halle 490. — Neben¬ 
höhleneiterungen. Halle 479. — Nebennierenextrakt, Adrenalin, 
Kritisch experimentelle Beiträge zur Wirkung des. Möller 95, — 
Nebennierenkystom, Operativ geheiltes. Schilling 93. — Nephrek¬ 
tomie, Ueber Funktionsprüfungen der nach. Testierenden Nieren. 
Lichtenstern 520. — Nephritis, Zur Therapie der. Strasser, Blumen¬ 
kranz 170. — Nephritis, Ein Fall von artefizieller, acuter - nach 
Gebrauch von Perubalsam. Richard 253. — Nerven- und Geistes¬ 
krankheiten, Der Einfluss der deutschen Unfallgesetzgebung auf 
den Verlauf der. Gaupp 528. — Nervensystem, Studien über den 
Einfluss des - auf den Puls, Velich 288, 290, — Nervöser Schmerzen, 
Zur Therapie. Lots 183. — Nervosität, Ueber - im Anschluss an 
gynäkologische Operationen. Kaiserling 171. — Nervus laryngues 
inferior, Zur Aetiologie des. Dege 519. — Nevus peroneus, Warum 
sind die Lähmungen des - häufiger als die des Nervus tibialis? 
Hartimg 275. — Netz, Ueber einen Fall von rudimentärem grossen 
beim Menschen und über die Bedeutung des Netzes. Schiefler- 
deoker 327. — Netzhaut, Ueber Entzündungen der - und der 
Sehnerven infolge angeborener Lues, Hirschberg 283. — Netzhaut¬ 
ablösung, Ueber eine durch Operation geheilte 23 Jahre lang geheilt 
gebliebene. Cohn 8, — Netztorsion, Ueber abdominale - und retro¬ 
grade Incarcseration bei vorhandenem Leistenbruch, Litthauer 182. — 
Neuralgien, Die Hydriatik der - peripherischen Lähmung, Neuritis 
und Polineuritis, Sadger 56. — Neuralgien, Zur Behandlung der - 
durch Alkoholeinspritzungen. Schloesser 47. — Neurasthenie, Bemer¬ 
kungen über - und ihre klimatische und baineotherapeutische Be¬ 
handlung, Romberg 421.— Neurasthenie, Neuralgie Tabes dorsalis, 
Trauma und chronischem Rheumatismus, Verwechslung zwischen - 
Schreiber 232. — Neurasthenie, La eure definitive de la - pour 
la reeducation psychyehique. Levy 233. — Neurasthenie, 

Ueber den Begriff der - Dumin 422, — Neurasthenie, Ueber das 
psychische Moment bei der - Wollenberg 282. — Neuritis alco- 
halico, Ueber - Kom 254. — Neurofibromatosis Recklinghausen, 
Ein Beitrag zur - Kren 479. — Neuromyelitis optica, Ueber 
Kerschensteiner 218. — Neuronal, Erfahrungen über - bei Psy¬ 
chosen. Dreyfuss 380, —- Neuronal, Versuche mit - bei Geistes¬ 
kranken. Gerlach 282. — Neuritis, Ueber uraemische Dünger 
205. — Neutuberkulin, Ueber Tonsillartuberkulose, ein weiterer 
Beitrag zur Behandlung mit. Rennert 54. — Niere, die Thätigkeit 
der. Magnns 346, 356. — Nierenblntung, Ein Fall von essentieller. 
Rlges 135. — Nierenblutungen, Ueber gewöhnliche. Casper 422. — 
Nierenchirurgie, Was ergiebt sich für den praktischen Arzt aus 
den Fortschritten der. Kümmell 46. — Nierenchirurgie, Was ergibt 
sich für den praktischen Arzt aus den Fortschritten der. Kümmell 
54. — Nierenchirurgie. Kümmell 357. — Nierenohirurgie, Ueber 
moderne - ihre Diagnose and Resultate. Kümmell 338. — Nieren¬ 
erkrankung nnd Perityphlitis, Zur Differentialdiagnose zwischen. 
Schlesinger 504. — Nierenerkraukungen, Schwere - nach äusser- 
licber Chrysarobinapplication. Volk 463. — Nierenerkrankungen, 
zur physik. Therapie der chronischen, Herz 518, — Nierenreduktion, 
Experimentelle Untersuchung über - und Funktion des Testierenden 
Parenchyms. Haberer 339. — Nierentuberknlose, Ueber die Behand¬ 
lung der. Zuckerkandl 346. — Nikotineinspritzongen, Ueber intra¬ 
venöse - nnd deren Einwirkung auf die Kaninchenaorta. Adler 
und Hensel 518. — Normalflasche für die Säugüngsernäbrung, 
Eine. Gramer 253. — Novokain-Supreranin, Ueber Lokalanästhesie, 
mit. Liebe 82. — Nystagmus, zur Kenntnis des associerten, Strans- 
ky 72. —. 


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582 


MEDICINISCHB WOCIIK. 


Nr. 53. 


0 . 

Ober Schenkel varizen, Ueber zwei Fälle pulsierender. Fridezko 
183. — Obstipation, Die physikalische Behandlung der habituellen. 
Tobias 84. — Obstipation, Die Therapie der habituellen Opstipation. 
de la Camp 19. — Ochronose, Zum Chemisums der. Längstem 
265. — Ochronose, Ueber die. Pick 266. — Ochronese, lieber. 
Pick 208. — Ochronose, Ueber die. Pick 195. — Oculomotorius¬ 
lähmung, Rezidivierende - als Komplikation bei Typhus abdominalis. 
Jochmann 206. — Oedem, Ein Fall von traumatischem Oedem. 
Koehler 320. — Oelklystiere, Ueb. d. Anweud. von — bei der 
chronischen Obstipation der Brustkinder. Wunsch 148. — Oeso¬ 
phagus, Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen Erkrankungen des. 
Kümmel 134. — Oesophagusstenosen, Zur Therapie der. Gerhardt 
335. — Ohr, Behandl. der Erkranhg. des äusseren Ohres. Denker 
570. — Omorol bei Angina. Viett 571. — Operationsräume, Ueber 
den Bau und die Einrichtung mod. Markus 479. — Operations¬ 
wunden, Die Ausschaltung von Hohlräumen in. Mosetig 519. — 
Operationswunden, Ein neuer Vorschlag zur Erzielung keimfreier. 
Doederlein 205. — Ophthalmoblenorrhoe, Zur Verhütung der gonor¬ 
rhoischen - mit Sophol. V. Herff 275. — Opiuin-Brom-Kur bei der 
Epilepsie, Die Erfolge der. Kellner 567. — Opportunistischen 
Princips, Einige Bern, über wissenschaftl. Methodik und die Berech¬ 
tigung des - in der Wissenschaft. Rosenbach 463. — Opsonin¬ 
theorie, Ueber die Grundlage und Anwendung der Wrightschen. 
Weinstein 558. — Orb, Einiges über Bad. Scherf 387. — Organo¬ 
therapie, Die Vorzüge der Kombination der - mit den physikalisch- 
diätetischen und baineotherapeutischen Mitteln und einige Beweis¬ 
methoden dafür. V Poehl 231, 253. — Organotherapie, Das neueste 
über. Hager 194. — Orthodiagraphie, Zur Ausgestaltung der. 
Groedel 218. — Orthopädie des Bauches. Bracco 114. — Otitis 
externa circumscripta, Zur Therapie - u. der verwandter Afiektion. 
Schoengut 503. — Otochirurgie, Ueber Lokalanaesthesie in der. 
Neumann 205. — Otosklerose, Ueber Phosphorbehandlung der. 
Sugär 195. — Ovarialtumoren, Ist die Verkleinerung der - zwecks 
operativer Entfernung zulässig, Sarwey 421. — Ozaena und die 
Stauungshyperaemie. Rethi 452. —Ozaena und die Stauungstherapie 
nach Bier, Die. Fein 379. — Ozöne, La contagion de 1’. Lermoyez 
549. — 

P. 

Pancreas und Diabetes. Herxheimer 285. — Pankreaser¬ 

scheinungen während des Diabetes, Ueber. Hirschfeld 9. — Para¬ 
lyse, Akute aufsteigende - nach Typhus abdominalis mit Ausgang 
in Heilung. Schütze 95. — Paralyse, Progressive. Knauer 114. 

— Paralysis agitans zur Symptomatologie der. Messe 126. — Para¬ 
sternale Dämpfung und Aufhellung bei Pleurit.i.s. Hamburger 339. 
Patellar - und Achillessehnenreflexes, Ueber ein neues Verfahren zur 
Untersuchung des. Felix 480. — Penis, Plastische Induration des 

— und Dupuytren’schen Kontraktur. Neumark 530. — Pellagra in 
frühester Kin dheit, Merk 208. — Pemphiques traites par la de- 
chloruration, Sur deux cas de. Cassaet und Micheleau 209. — 
Percussionsschalles, Graphische Darstellung des. May und Linde- 
maun 218. — Perhydrasemilch, Die belichtete. Much, Roemer 358. 

— Perhydrasemilch, Ernährungsversnehe mit. Böhme 503._ — Peri- 
artikulären Fettes, zur Pathologie des - am Knie. Zo.sas 282, — 
Peritonitis, Ueber diftuse eitrige. Bosse 32. — Peritonitis, Die 
Prophylaxe der eitrigen. Bosse 148. — Perityphlitis, Ueber die 
hohe Mortalität der - während der Schwangerschaft, Füth 123. 

— Perityphlitisbehandlung, Ein Beitrag zur. Storbeck 531. — 

Peritj'phlitis, Ueber das Auftreten isolierter Ab.szesso in den Spät¬ 
stadien der. Jaffe 231. — Perithyphlitis zur Frage der Frühope¬ 
ration der, Bail 73, — Perityphlitis, Bemerkungen zur Tlierapie 
der akuten. Graser 70. — Pessarien, Uel>er, Ziegenspeck 452. — 
Peritj’phlitis, Weitere Mitteil. über Erfahrungen b. d. ßeliandlung 
d. se|)tiselieu - m. Strcptococcenserum. Schwerin 548, — Perkus¬ 
sion, Uei)er die topogr, - des kindl. Herzeus. Meyer und Milchner 
450, 46:i. — Pc.stbazillen, Uel)er die passive AggressinImmunität 
gegen. Kikuclii 379. — Pe.stvaccination. Kölle 147. — Pflege- 
kin<ierwesen und natürliche Eruälirutig. Ro.senhaupt 478, — 
Pliiignzytüse, Die - und d, Degenerationsfurmen d. Spirochaete 
pallida im Primäraffekt und Lymphstrang. Ehnnann 339. — 
Phenolkampfer, Beitrag zur Behandlung akuter Eiterungen und 
Verletzungen mit. Nespor 312. - Phenolkampfer, Die Behandlung 

akuter und chronischer Eiterungen mit. Ehrlich 146, — Phenyl¬ 


hydroxylamin, Ueber eine örtliche Giftwirkong des. Lewin 283. 
Phenyfonn, Ueber. Stephan 560. — Phenyloform, Ueber. Brenning 
551. — Phlegmone, Behandlung d. Enderlen 477. — Phlegmon 
souBihyroldien m4dian cons4cutif ä la discision amygdalienne. 
Dubar 242. — Phosphorvergiftung, Ein Fall von - mit tötlichem 
Ausgang. Federschmidt 477. — Photoaktivität, die biologische 
Bedeutung der - des Blutes und ihre Bez. zur vitalen Licht- und 
Wärmewirkung. Schlüpfer 515. — Phrenieus, Mitbeteiligung des - 
bei Duohenne-Erbscher Lähmung. — Moritz 296. — Phthise- 
enstehung, Die Erbdispoaition in der - , ihre Diagnose und Be¬ 
handlung. Spengler 206. — Phthisis bulbi. Experimentelle und 
klinische Unters, über die Entstehung der. Schirmer 285. — 
Phyreoidbehandlung, Zur - d. Morbus Basedowii und insbesondere 
seiner Kombination m. Myxödem. Holup 288. — Placenta praevia, 
Ueber die Wendung der. Jolly 320. — Plattfussbehandlung, Fort- 
sshritte in der. Hohmann 275. — Plattfussdiagnose, Zur Methodik 
der. Schümann 45. — Plattfusses, Diagnose nnd Behandlung des. 
Ledderhose 285. — Pleuraempyems, Die Behandlung des. Braun 
187 — Pleuritis, Ueber paravertebrale Dämpfung und Auf¬ 
hellung bei. Hamburger 183. — Plötzlichen Tod der Tabischen, 
Ueber. Hirschberg 72. — Pneumatische Kammer, Bericht über die 
ersten in der - der Breslauer Klinik ausgeführten Operationen. 
Sauerbruch 30. — Pneumokokken oder Stauungsgangrän. Robbers 
207. — Pneumokokken-Peritonitis, Ein Fall von - mit Heilung. 
Daxenberger 81. — Pueumokokkenperitonitis, Ueber. Robbers 296. 

— Pneumonie, Die Behandlung der fibrösen - mit Römers Pneu¬ 
mokokkenserum, Winkelmann 31, — Pneumonie, Ueber das West¬ 
falische Phänomen bei kruppöser Pneumonie der Kinder. Kep- 
halUnd 367, — Pneumonien, Ueber eintägige. Loeb 231. — Pneu¬ 
monie, Ueber den Wert der Thorax-Durchleuchtung, bei der. 460. 

— Pneumonie, Ueber paravertebrale und parasternale Perkus¬ 

sionsbefunde bei. Pollak 463. — Pneumothorax, der therapeu¬ 
tische. Brauer 282. — Pneumothorax, Ein Apparat zur Nachbe¬ 
handlung des offenen. Seidel 114. — Pockenverdächtige Formen 
der Varizellen, Ueber. Ebstein 253. — Poliomyelitis acuta und 
Meningitis cerebrospinalis. Tiedemann 501. — Poliomyelitis 

anterios acuta adultorum, Zur Kasuistik der. Bruns 334. — 
Polypeptiden, Die Untersuchungen von Prof. Emil Fischer und 
seiner Schüler über die Synthese der. Sieber 194. — Polyzy- 
thaeroie, Zur Kasuistik der. Köster 303. — Polyzythaemie, Zur 
Kasuistik der, zugleich ein Beitrag zur Aetiologie der Migraine 
ophtalmique. Kösten 304. — Praxis, Aus der - für die Praxis. 
Ströll, 551. — Prävalidin, Ueber die Wirkung des Koch’schen. 
Juhl 242, — Präzipitabli Substanz, Ueber den Nachweis der - 
der Kuhmilch im Blute atrnphisn'her Säuglinge. Bauer 287. — 
Praezipitierende Sera, Ueber die Konservierung Ottolenghi 378. — 
Probefrühstüok oder Probemittagessen. Doerner 135, — Pi*oponal, 
Bericht über die Versuche mit. Mörchen 204, — Proponal, Ueber 
ein neues Schlafmittel. Lilienfeld 125. — Prostatis, Beitrag zur 
Kenntnis nnd Therapie der unkomplizierten chronisch-gonorr¬ 
hoischen, Steukzel 232. — Prostatahypertrophie, Zur Behandlung 
der. Röhrig 304. — Protozoeublutkrankheiten, Ueber - bei 

Mensch und Tier in Indien und Deutsch-Ost-Afrika. Treutlein 
230. — Prurigohämorrhagica, Ueber. Voerner 161. — Probe¬ 
bohrung als diagnostisches Hilfsmittel. Plesch 283. — Probi- 
Hnpillen, Zur Therapie der Gallensteinkrankheit mit. Bauermeistcr 
184. — Pruritus als Initialerscbeinung des Herpes zoster. Bett¬ 
mann 284. — Psendarthrosenheilung und kunstl. Pseudarthrosen- 
bildung, Ueber. Fränkel 502. — Pseudobulbärparalyse; Beitrag 
zur Kenntnis der. v. Hoestlin und Jelling 218. — Pseudo-Osteo- 
malacie, Syphilitische nnd hysterische. Schlesinger 31. — Psychi¬ 
atrie, Zur Geschichte des Deutschen Vereins für. Pelman 205. — 
PsychologLsches zur Affaire von Köpenick. Krüche 532. — 

Psychopathie.s. Les - chez le paysan. Terrien 243. — 

Pubeotomie, Ein Fall von - aus der Praxis. Brenner 450. 

— Pubeotomie und künstliche Frühgeburt. Fehling 501. — 
Pubeotomie, Ein weiterer Fall von. Doerfler 134. — Pubeotomie, 
Die - eine neue Methode zur Erweiterung des verengten Beckens. 
Stöckel 72. — Puerperalfiebers, zur Aetiologie des. Beer 83. — 
Puerperalfieber. Die Behandl. d. - mit Antistreptococcenserum. 
Martin 357. — Pulsphänomen, Ueber ein seltenes - bei innerer 
Blutung infolge von Tubenschwangerschaft. Busalta 286. — Pulsus 
alteruans mit partiell alteraierender Herztätigkeit. Galli 449. — 


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MED1CIN18CHK WOCHE. 


583 


Fulsns alternans, Beitrag zur Lehre vom Hornung 449. — Funk¬ 
tion , Die diagnostische - des Bauches. Salomon 32. — Pupille, 
Ueber willkürliche Erweiterung der. Bloch 504. — Pupillenatarre, 
Ueber traumatische reflektorische. Axenl'eld 282. — Pupillenstarre, 
Ueber traumatische. Dreyfus 113, — Pupillenstarre im hysteri- ■ 

sehen Anfall, Ueber. Brunkel 204. — Pyelographie (Röntgeno- 
graphie des Nierenbeckens nach Kollai'golfÜllung. Voelker, Lichten¬ 
berg 53. — Pyelonephritis, Ueber - in der Schwangerschaft. 
Ruppanner 92. — Pylurus, Scheinbare Stenosierung des - durch 
ein chronisches suprapapilläres Duodenalgeschwür, postoperative 
Parotitis. Eckersdorff 515. — Pyozyanase, Die Verwendung der - 
bei d. Beh. d. epidem. Säuglingsgrippe u, d. Meningitis cerebro¬ 
spinalis. Escherich 311. — Pyozyaoeussepsis bei Erwachsenen. 
Rülly 355. — Pyurie durch Leucocystose. Talma 287. 

Q- 

Quantimetrische Verfahren, Das. Kienboek 183. — Quecksilber¬ 
behandlung bei Augenkrankheiten, Die. Schmidt-Rimpler 32. — 
Quecksilberdamptlampen, Zur Frage der Wirkung von. Schieler 
282. — Queoksilberlicht, Ueber Behandlung mit. Assfalg 459. — 
Qiiecksilbersalze, Ueber schmerzlose Injektion löslicher. Mayer 462. 
Quecksilberwasserlampen zur Behandlung von Haut und Schleim¬ 
haut. Kromayer 135. 

B. 

Rachenreflex, Ueber den. Baumann 168. — Rachitis, Ueber - als 
Volkskrankheit, v. Hanseinann 115. — Radikaloperation des 
Schenkelbruchs, Zur. Berndt 113. — Radiumbehandlung, Erfahr¬ 
ungen mit. Blaschko 105. — Radiumbehandlung, Zur - des Tra¬ 
choms. Jacoby 46. — Radiumemanation, Ueber die Wirkung der 
- auf den menschlichen Körper. Loewenthal 530. — Radium¬ 
strahlung, Wirkungsweise und Anwendbarkeit der - tind Radio¬ 
aktivität auf die Haut mit besonderer Berücksichtigung des Lupus. 
Wichmann 170. — Rauschzustände, Ueber die forensische Beur¬ 
teilung akuter - vom Standpunkt des Militärstrafgesetzbuches. 
Mattauschek 219. — Reflexe, Einige Studien über - bes. an 
Hemiplegikern. üraeffiier 146. — Reflexepilepsie, Ueber. Urban- 
tschitsch 451. — Regulin, Erfahrungen über. Mollweide 183. — 
Regulin-Behandlung, A. Schmitz - der chrou. habituellen Verstopf¬ 
ung. Voit 366. — Reizmittel, Bedarf der menschliche Organismus 
künstlicher? Zunker 8.3. — Rekto-Romanoskopie, Ueber. Meller 
288, 305. — Rekto-Romanoskopie, Ueber. Foges 289. — Rekur- 
renz, Ueber afrikanischen. Koch 94. — RctrecLs.semeiit tricuspidien 
et cyanose, Hirtz, Lemaire 163. — Return cases, Ueber sogenannte 
d. h. durch entlassene Geschwister angesteckte, dem Spital zu¬ 
rückgeschickte Fälle, bei Scharlach. Sürensen 183, — Rbino- 
liaryngologie, Die Grundlagen der modernen. Killian 549, — Rhino- 
Laryngologie, Praktische Ergebnisse aus dem Gebiete der. Finder 
115. — Rindenzentrum, Ueber eine direkte Leituug vom optischen 
zum kinaesthetischen der Wort- und Buchstabenbilder. Mayendorf 
530. — Romanowskyfärhung, Die - nach May. Viereck 356. — 
Romanowskyfärbung, Eine neue Methode der. May 113. — Rosenthal, 
Zum 70. Geburtstag. J. Rosenthal 346. — Röntgenaufnahmeu, Das 
Wasser als Feind der. Lichtenstein 134. — Röntgenbehandlung, Die 
Indicationen der - bei Hauterkrankungen. Bruhns 84. — Röntgenbe- 
bandhing bei Leukämie, Zur Frage der. Flesch 206. — Röntgen¬ 
bestrahlung der Leukämie, Einige weitere Bern, zur - im Anschluss 
an die Arbeit von Kliencberger u. Zoepprik. Arneth 303. — Rönt¬ 
genbilder nach Sauerstoffeinblasnng in das Kniegelenk, Ueber. 
Hoffa 356. — Röntgenbilder, Ueber den Wert plastischer. Cohn 
347. — Rbntgenphotographien, Mitteilung über die Herstellung 
plastisch wirkender. Schellenberg 284. — Röntgenstrahlen, Bei¬ 
träge zur Einwirkung - der auf das Blut. Benjamin v. Reuss, 
Sluka, Schwade 338. — Röntgenstrahlen. Ueber Versuche von 
Einwirkung von - auf Ovarien und den schwangeren Uterus von 
Meerschweinchen. Lengfelluer 515. — Röntgenstrahlen, Die Be¬ 
deutung der - für die Behandlung der lymphatischen Sarkome. 
Cohn 19. — Röntgenstralileti und Radium bei Epitheliom. Schiff 
93. — Röntgentherapie-Schutzapparate, Zur Technik der. Wiesner 
502. — Röntgenuntersuchungen des Magens und Darms. Rider 53. 
Röntgenuntersuchung, Ueber die • der Trachea bei Tumoren und 
Exsudat im Thorax. Pfeifer 113. — Röntgen verfahren, Welchen 
Einfluss hat das - auf das Handeln des Arztes bei KnochenbrUchen 
Äusgeübt. König 569, — Röntgenverfahren, Die kriegschirurgische 


Bedeutung des - and die Art seiner Verwendung im Kriege. 
Colmers 180. — Rückenmarksanaesthesien, Operation mit. Becker 
346. — Rückenmarksanaesthesie, Neurologische Beobachtungen 
und Untersuchungen bei der - mittels Kokain and Stovain. 
Finkelnburg 123. — Rückenmarksanaesthesie, Zur Geschichte der. 
Bier 303. — Rückenmarka-Hautgeschwulst, Ueber zwei Fälle von 
erfolgreich operierter. Oppenheim, Borchardt 338. — Rückenmarks- 
lähraung nach Lumbal-Anaesthesie, Bleibende. König 304. — 
Rückenmarksnarkose, Weitere Erfahrungen mit der. Freund 347. 
Ruhr bei Irren, Ueber. Siefmann, Nieter 501. 

s. 

Sach Verständigkeit, Ueber den Einfluss naturwisseuschaftl. 
Erkeuntnisse auf die ärztliche. Pfeiffer 219. — Sajodin, Ueber. 
Lublinski 368. — Salimeathol. Reicher 368. — Saht. Schmidt 54. 

— Salzsäure, Eine neue Reaction auf freie - im Mageninhalt. 
Simon 506. — Sanatogen, Beitrag zur Verwendung des - bei 
sexueller Neurasthenie. Meissner 380. — Sanatorien, Erfolge der 

— von Leysin im Jahre 1905. Morin 558. — Santil im Vergleich 

mit and. Sandelpräparaten. Sachs 368. — Sarkomatose, Ueber - 
des Epikards. Schöppler 517. — Saughyperaemie, Ueber den Ein¬ 
fluss der - auf das gesunde Auge und den Verlauf gewisser Augen¬ 
krankheiten. Hoppe 450. — Säuglingsernährung, Arzt und Mutter 
in der. Rahn 184. — Säugliugsernährung in Arbeiterkreisen, Ein 
Beitrag zur. Spaether 320. — Säuglingsblut, Ueber bacterielle 
Hemraungsstoffe des. Moro u. Murath 171. — Säuglingssterblich¬ 
keit, Die Bekämpfung der. Sofer 289. — Säuglingsschutz, Der 
Verein - auf d. hyg. Ausstellung. Escherich 358. — Scbädelver- 
letzungen, Die Prognose und Therapie der • durch die modernen 
Kriegsfeuerwaffeu. Hildebrandt 162. — Schalldämpfer, Küppers 
205. — Schambeinschnitt, Ueber die Heilung der W’^unden nach 
Giglischem. Scheib 503, 505. — Scharlachtherapie und Scharlach¬ 
prophylaxe. Cumpe 9. — Schiffsärztl. Verträge mit Rhedereien. 
Stölzel 304. — Schleimhauttuberkulose, Zur Behandlung der. 
Holländer 306. — Schnellentbindung bei der Eklampsie, Der 

Wert der Statistik für die Frage der. Liepmann 321. — Schul- 
anaemie, Die sogeu. Unmut 461. — Schule und Korsett. Lange 
168, 181. — Schulhygiene, Die wesentlichen Fortschritte auf dem 
(irebicte der - in den letzten Jahren. Selter 504. — Schussver¬ 
letzung d. Kieferhöhle. Eine eigenartige, v. Behm 169. — Schutz¬ 
pockenimpfung, Die frühzeitige Reaction b, d. v. Pirquet 358. — 
Schwachsinnige, Die med. Psychologie mit Bezug auf Behandlung 
und Erziehung der angeboren. Uffenheimer 282. — Schwanger¬ 
schaft und Kehlkopftuberkulose. Levinger 304. — Schwangerschaft, 
Ueber seltenere Indicationen zur Untersuchung der - infolge innerer 
Krankheiten. Hofmeyer 282. — Schwangerschaftssymptom, Ueber 
ein bisher nicht beachtetes - (Hypertrichosis graviditatis). Haibau 
33. — Schwangerschaftssymptom, Ueber das Haibausche - (Hyper¬ 
trichosis graviditatis). Herzei 105. — Schwangerschaft u. Tuber¬ 
kulose. Rosthorn u. Fraenkel 282. — Schwarzwasserfieber, Beitrag 
zur Behandl. des. Dammermann 296. — Sebum ovile, Bern, über 
d. Ausschaltung des Magens vom direkten Einfluss der Arznei¬ 
mittel durch Anwendung von. Saworski 560. — Sectio caesarea. 
Zur Indication der. Fleischmann 539. — Sectionen, Wie schützen 
wir uns und unsere Diener bei. Thorei 356. — Seelenstörungen, 
Klinische Besonderheiten der - uns. Grossstadtbevölkerung. Gaupp 
334. — Seelenstörungen. Gaupp 336. — Sehnenüberpflanzung, 
Misserfolge d. Vulpius 478. — Sehprüfungen, Ein neuer Apparat z. 
Vornahme von. Beck 320. — Sehschärfenverringerung, Bern, zur 
ärztl. Begutachtung des Einflusses der - auf die Erwerbsfähig¬ 
keit. Schmidt-Rimpler 570. — Sehschärfenprüfung, Zwei Apparate 
zur. Hoppe 194, — Sehstörung, Beiträge zur Lehre der durch 
Erkrankung der hinteren Siebbeinzelle und der Keilbeinhöhle be¬ 
dingten - und Erblindung. Onodi 550. — Selbstmordversuche, 
Ueber. Rothfuchs 355. — Semmelweis’ Vorläufer. Fischer 451, 

— Sensibilisatoren, Zur Kenntnis der antituberkulösen. Gengon 
550. — Sera, Ueb. d. Konservirung präcipitierender - auf Papier. 
V. Eisner 219. — Serumbehandlung, Ueber die weiteren Erfolge 
der - des Scharlach. Schick 20, — Serumlipoide, Sind die nor¬ 
malen - Träger oder bloss Vermittler von Antiwirkungen. Detrc, 
Seilei 339. — Serviettenhüllen aus Celluloid. Edel 286. — Seuohen- 
gesetz, Das preussische - vom 28. Aug. 1905. Kirchner 124. — 
Silberspirochaete, Bern, zu dem Aufsatz, Die. Levaditi 479. — 
Sklerodermie, Unters, üb. d. Stoffwechsel bei. Bloch, Reitmann 289, 


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584 


MEDICINISCHE WOCHR 


Nr. 53. 


— SkorbatBf Zur Kenntnis des. Senator 207. — Sonde, Eine 
für Röntgenstrahlen nndnrchlässige. Erennd 31. — Sonde, Die 
galvanokanstische - für den Tränenkanal. Peschei 162. — Sonde 
de tronsse, M^faits de la. Minet 84. — Sonnenlichtbehandlnng der 
Kehlkopftuberknlose, Zur. Baer 149. — Sophol, Zur Verhütung 
der gonorrhoischen Ophthalmoblenorrhoe mit. y. Her£F 275. — 
Specialitäten, Ueber ärztl. - und Specialärzte. Quinke 321, 334. 

— Speiseröhren < Divertikels, Zur Behandlung des. Lotheissen 45. 

— Speiseröhre, Elin zweiter Fall von Äbknickung der - durch 
vertebrale Eckchondrose. Zahn 253. — Speiseröhrenerkrankungen, 
Ueber die diagnostische Verwertung der Röntgenstrahlen und den 
Gebrauch der Quecksilbersonde bei. Cahn 44. — Speiseröhren¬ 
schnitt, Ein. Burmeister 205. — Spinalanalgesie, Zur Technik u. 
Indikationsstellung der. Fochhammer 321. — Spinalanalgesie, Die 
Höhenausdehnnng der. Dönitz 567. — Spirochaetennachweis, Ueb. 
d. diagnostischen Wert des - bei Lues congenita. Simmonds 335. 

— Spirochaetenbefunde in d. Organen syphilitischer Neugeborener. 

Schlimpert 337. — Spirochaeten, Beitrag zur Kenntnis der. 

Loewenthal 125. — Spirochaeten, Das Verhältnis zwischen - und 
den Organen kongenital syphilitischer Kinder. Gieike 123. — 
Spirochaete dentium, Ueber eine scheinbär pathogene Wirkung 
der. Milter 124. — Spirochaete pallida, Ueber den Nachweis der 

— im 83 rphilitiechen Gewebe. Mucha, Scherber 94. — Spirochaete 

pallida, Ueb. die diagnostische Bedeutung der. Hofi5nann 505. — 
Spirochaete pallida, Beiträge zum Nachweis der in - sypbil. Pro¬ 
dukten. Ritter 459. — Spirochaete pallida (Treponema Scbaudinn), 
Weitere Mitteilungen über die. Herxheimer, Äpificius 103. — 
Spirochaeta pallida (Scbaudinn) und Cystorrhyctes (Siegel), Mit¬ 
teilungen über. Schätz 160. — Spirochaete pallida, Zur Färbung 
der. Berger 230. — Spirochaete pallida, Weitere Beobachtungen 
über. Buschke, Fischer 162. — Spirochaete pallida bei angeborener 
Syphilis, Ueber. Beitzke 321. — Spirochaete pallida und Organ¬ 
erkrankungen bei Syphilis congenita. Euebschmann 322. — Spiro¬ 
chaete pallida, Zur Färbung der. Berger 320. — Spirochaete pal¬ 
lida, Ueb. den Nachweis von - in tertiär-syphilitischen Produkten. 
Dutrelepont, Grouven 296. — Spirochaete pallida, Ueb. d, Nach¬ 
weis d. - bei tertiärer Syphilis. Tomasczewski 335. — Spirochaete 
pallida, Ueber Befunde von - in den Nerven des Präputiums bei 
syph. Initialsklerose. Ehrroann 347. — Sprachstörungen, Grund¬ 
züge der Behandlung nervöser. Gutzman 206. — Stangenlager, 
Das. Hahn 169. — Staphylocoocentoxin u. dessen Antitoxin, Ueber. 
Kraus, Pribraun 219. — Stan'krampfserumbehandlung, Zur. Riedl 
126. — Status epilepticus, Ueb. d. Beh. des - und von Zuständen 
verwandter Art. Bökelmann 559. — Status hemiepilepticus, Bei¬ 
trag zur Lehre von. Bernhard 518. — Staubbeseitigung, Ueber. 
Friedemann 357. — Stauungshyperaemie, Ueber Biersche - bei 
Äugenkrankheiten. Renner 45. — Stauungshyperaemie, Zur Be¬ 
handlung acuter Entzündungen mittels. Lexer 179. — Stauung, 
Ueber partielle - und Druckbehandlung bei Entzündungen. Heer- 
mann 283. — Stauungshyperaemie, Anwendung der - bei acut 
eitrigen Prozessen im Gamisonslazarett Altona. Herhold 92. — 
Stauungshyperaemie, Zur Technik des Bierschen Verfahrens mit. 
Mindes 92. — Stauungshyperaemie, Die Biersche - vom Stand¬ 
punkte der Endotoxinlehre. WolfF-Eissner 304. — Stauungshyper¬ 
aemie, Erfahrungen über die Behandlung acut entzündlicher Pro¬ 
zesse mit - nach Bier. Bestelmeyer 180. — Stauungsverfahren, 
Das Biersche eine allg. Betrachtung m. bes. Würdigung der 
gegnerischen Kritik. Rattner 520. — Sterilisation der Laminaria 
und ihre praktische Bedeutung, Zur. Fürth 289. — Sterilisation, 
La - du material de suture, Ugature, sondage, drainage. Longuet 
85. — „Stiele“, Die Behandlung der - bei g 3 mäkoiog. Operationen. 
Theilhaber 336. — Stimmbänder, Gibt es jetzt eine Ausnahme von 
der Reg«l, dass bei intensiver AfFection der Nn. rekurrentes vagi 
die Abduktoren der - früher Funktionsstörungen zeigen als die 
Adduktoren. Rosenbach 530. — Stimhimerkrankung, Symptome 
der. Anton 335. — Stovain, Das - in der Infiltrationsanaesthesie. 
Lohmann 9. — Stovainvergiftung, Ein Fall von schwerer 

— nach Lumbalanaesthesie nebst Bemerkungen über halbseitige 
Anaesthesieen. Trautenroth 104. — Streckaponeurose der Finger 
(Distalen Phalanx), Ueber den Abriss der. Selberg 181. — 
Streckaponeurose der Finger, Ueber d. Abriß der. Läufer 334. — 
Streckaponeurose der Finger, Ueber den Abriß der. Frank 304. 

— Streptokokken, Beiträge z. Unterscheidung der. Baumann 319. 


— Struma, Akute - als Folge von Seekrankheit. Bosenfeld 82. 

— Studienreise, Randglossen zur VI. ärztlichen. Weissmann 
551. — Stuhlverstopfung, Zur Pathogenese der angeborenen - 
(Hirschsprungsche Kitmkheit). Bittorf 93. — StUve, Osnabrück 
124, — Styrakol, Ueber die therapeutische Wirkung des. Ulrici 9. 
Syphilidologie, Prakt. Ergebnisse auf dem Gebiete der. Bruhns 
551. — S 3 rphilisantisubstanzen, Ueber den Nachweis von spec. - und 
deren Antigenen bei Luetikern. Dehre 289. — Syphilis, Du prurit 
dansla. Thorei 163. — Syphilitische Aetiologie und Therapie der 
Tabes dorsalis, Ueber die. Goebel 452. — Syphilitischen Blotes, 
ExperimenteUe Untersuchungen über die Infektiosität des. Hoff- 
mann 169. — Syphilis, Ein Beitrag zur Semmbehandlung der. 
Engel 479. — Syphilitischer Primäraffekt, Zur Frühdiagnose des. 
Danziger 479. — Syphilis, Eine serodiagnostische Reaktion bei. 
Wassermann, Neisser, Bruck, 283. — S 3 rphili 8 hereditaria tarda, 
Ein Fall von - bei der Ohrlabyrinthe, v. Behm 196. — Syphilis 
tertiaire, Localisations regionaires inv4t4rees de 1a. Dieulafoy 233. 
Syphilisübertragungsversuche, Experimenteller Beitrag zur Kritik 
der Siegelschen. Wechselmann 93. — Syphilis, Ueber - der Caruu- 
kula snblingualis. Helbi 358, — Sjrphüis und Unfallversicherung 
der praktischen Aerzte. Jesionek 346. — Syphilis, Versuche zur 
Uebertragung der - auf Affen. Neisser 169. — Syphilis, Weitere 
Studien über Immunität bei - and b. der Vakzination geg. Variola. 
Kraus und Volk 289. — Syphilis, Weitere Untersuchungen über 
die Ätiologie der. Siegel 45, — Syphilis, Zur Allgemeinbehandlung 
der. Loew 560. — Syphilis, Zur Aetiologie der - (Kraus-Spitzer) 
Spirochaetenbefunde. Kreibich 115. 

T. 

Tabes dorsalis, Zur hydrotherap. Behandlung der. Laqueur 
506. — Tabakvergiftung, Zur Frage der chronischen. Tavarzer 
289. — Tabes bei Hunden, Experimentelle. Spielmayer 566. — 
Tamponade, Hintere - bei Nasenbluten. Naegeli-Ackerblom 387. — 
Taubenpocke, Unters, über die sogen. Loewenthal. — Taubheit, 
Ein Pall von hysterischer. Thomisch 195. — Tabischer, Ueber 
den plötzlichen Tod der, Hirscbberg 72. — Teleangiektamen, Zur 
Behandl. der flachen - m. Radium. Exner 305. — Temperatur¬ 
messung in elektrischen Lichtbädern. Üblich 148. — Temperatur¬ 
steigerang, Einseitige - in der gelähmten Körperhälfte bei cere¬ 
braler Herderkrankung. Motzen 336. — Temperatorsteigerungen, 
Ueber praemenstrielle. Riebold 148. •— Temperatursteigerungen, 
Ueber praemenstrielie. Riebold 161.—Tetanusantitoxin, Ueber pro- 
phil. Injectionen von. Lothemsen 305. — Tetanie, Zur Kenntnis des 
intestinalen Ursprungs. Quosig 136. — Tetaniestar, Zuckerstar, 
Alterstar. Pineies 304. — Tetanustoxin, Ueber Komponenten des 

— hei Anwendung von wasserfreiem Salzsäuregas bei der Tempe¬ 
ratur der flüssigen Luft. Wolff-Exner 515. — Tetanus traumaticus, 
Heilung eines Falles von. 265. — Thephorin, Pharmakolog. Unters, 
über ein neues Diureticum. Maass 209. — Teophyllin, Die neueren 
Erfahrungen über. Thienger 161. — Therapie, Ueber naturgemäße. 
Goldsoheider 135. — Thiosinamin. Boseck 568. — Thiosinamin- 
behandl., Zur kausal. - des Malum Dupuytren. Jellinek 359. — 
Thiosinaminbehandlung bei traumatischen Strikturen. Mohr 56. — 
Thiosinamingebrauch, Temperatursteigemng nach. Briniker 55. — 
Thoracoplastik, Ueber. Goebel 518. — Thorakalgeräusche. Ueber 
autochthone. Fleischer 9. — Thorax-Durchleuchtung. 460. - Thorax- 
Durchleuchtung, Ueber den Wert der - bei der Pneumonie. Rieder 
449. — Thoraxhälfte, Missbildung einer - und. d. entspr. oberen 
Gliedmaße. Flinker 149. — Thyreoiditis, Ein Fall von acuter, 
nicht eitriger. Stadler 70. — Thyreoiditis acuta und Jodismus 
acutus. Lublinski 114. — Tonsillenabszess, Kritisches und Neues 
zur Therapie des. Sommer 147. — Torfmull, Lagerung von unreinen 
Kranken auf. Zippel 93. — Totenstarre, Zur Kenntnis der intrau¬ 
terinen. Sommer 93. — Trachoms mit Radium, Beitrag zur Behänd- 
lang des. Dinger 451. — Traumatische Entzündungen des Knie¬ 
gelenks, Ueber. Hoffa 19. — Trigeminus. II. Teil. 171. — Tricu- 
spidalklappe, Ueb. die Wege der Kompensation bei Fehlem der. 
Franke 379. — Tripper, Zur Statistik des Trippers beim Manne 
und seine Folgen für die Ehefrauen. Erb 565. — Trommelfelle aus 
Paraffin, Künstliche. Hamm 115. —Trommelsohlägerfinger, Links¬ 
seitiger - bei Aneurysma arcus aortae. Groedel 93. — Trommel¬ 
schlägerfinger, Ueber Vorkommen und Aetiologie einseitiger. 
Bernhard 148. — Tropakokain-Analgesien. 1000 meduUarl. Schwärs 
378. — Tsutsugaraushi-Krankheit, Vorl. Mitteilung über die Aetio- 


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1906. 


MEDIGINISCEB WOCHE. 


585 


logie der. Ogata 518, 548. — Taberkelbasillen, Beitrag zur 
Kenntnis der Virulenz der. Marmorek 136. — Tuberkelbaoülen, 
Das Verhalten der - in den verschiedenen Organen nach intravenöser 
Injektion. Neumann Wittgenstein 358. — Tuberkelbaoillen, Experi¬ 
mentelle Beitrftge zur Frage des Vorkommens von - in Kolostrum 
und Muttermilch. Finster 288. — Tuberkelbazillen • Präparate, 
Experimentelle Studien Über die Wirkung von • auf den tuber¬ 
kulös erkrankten Organismus. Wassermann, Bruch 161. — Tuberku¬ 
lin, Die Anwendung d. - bei der Behandlung von Lungenschwindsucht. 
Elrüger 334. — Tuberkulinbehandlnng, Zur. Jassler 398. — Tuber- 
kulinbehandlong der Lungentuberkulose. Hammer 567. — Tuber¬ 
kulintherapie in der ambulanten Behandlung und bei Fiebernden. 
Die. Krause 8. — Tuberknlose-Behandlnng im Höhenklima. Morin 
558. — Tuberkulose-Beitrag zur Lehre der primaren-(Lupu8) 
der Nasenschleimbaut. Fein 550. — Tuberkulosebekämpfung, Ueber 
den derzeitigen Stand der. Koch 54. — Tuberkulosebehandlung, 
Einiges zur Frage der - in Volksheilstätten. Fenzoldt 218. — 
Tuberkulose, Die Beziehungen der - zu der Ferlsucht der Rinder. 
Rabinowitsch 321. — Tuberkulose-Frage, Beitrag zur - auf Grund 
experimenteller Untersuchungen an anthropoiden Affen. Düngern 
80. — Tuberkulose, Ueber einige Enttäuschungen und Hoffnungen 
bei der Behandlung der - de Renzi 253. — Tuberkulose-Heilstätte, 
Die steierische. Pfeiffer 531. — Tuberkulose, Die medikamentöse 
Behandlung der. Bielharz 183. — Tuberkulose inflection, Ueber 
die Beziehungen zwischen Organzelle und. Bartel 490. — Tuber¬ 
kulose, Neuere experimentelle Unters, über. Rabinowitsch 517. — 
Tuberkulose der Mamma, Ueber. Geissler 504 — Tuberkulose 
der Milz, Ueber primäre - der Milz. Franke 461. — 

Tuberkulose imd Schwangerschaft. Rosthorn n. Fraenkel 282. — 
Tuberkulose, Die Sterblichkeit an - in Oesterreich. Teleky 452. 

— Tuberkelbazillen, Ueber das Verhalten der - an der Eingangs¬ 
pforte. Uffenheimer 171. — Tuberkulose, Unters, über primäre - 
im Verdauungskanal. Ipsen 322. — Tuberkulosefrage, Zur -. Bartel 
208. — Tumoren, zur Beurteilung der nach 0. Schmidt in ma¬ 
lignen Tumoren auftretenden protozoenähnl. Mikroorganismus -. 
Schulberg 516. — Tuberkulose, Die spec. Therapie der -. Mara- 
gliano r>19, 506. — Tumor der linken Gesichtshälfte, ausgehend 
vom Bachendache, - Ein. Jäger 270. — Typhus, Zur - Diagnose. 
Meyerstem 515. — Typhus abdominalis, Die Behandlung des -. 
Stadelmann 569. — Typhusagglutinine, Ueber das Verhalten der - 
im mütterlichen und foetalen Organismus. Staubli 219. — Typhus 
und Ämoebendyseuterie, Ueber einen Fall von gleichseitigem Be¬ 
stehen von kompl. durch Milz- und Leberabszesse. Martin 286. 
Typhusbazillen, Der kulturelle Nachweis der - in Faeces, Erde 
und Wasser mit Hilfe des Malachitgrüns. Löffler 114. — Typhus¬ 
bacillen, Ueber das Verhalten des im Blute der Typhuskranken 
nachweisbaren. Conradi 346. — Typhusbacillen, Ein Beitrag zur 
Züchtung von - aus dem Blute. Porot 303. — Typhus^acillen, 
Ueber das Verhalten der im Blute der Typhuskranken nachweis¬ 
baren - gegenüber der bakteriziden Wirkung des Blutes. Eppen- 
stein Körte 318. — Typhusbakterien, Nachweis von - in ein¬ 
gesandten Blutproben. MüUer-Graef 45. — Typhusbacteriurie und 
deren Verhältnis zu den Nieren, Ueber. Vas 171. — Typhus, 
Biliöser. Ehrlich 478. — Typhusdiagnose, Zur - mittels des 
Typhusdiagnostikums von Picker. Meyerhoff 83. — Typhusdiagnostik, 
Beitrag zur. Foeppelmann 321. — Typhuserreger im Blut, Ver¬ 
fahren zum Nachweis von. Conradi 46. — Typhusgalleröhre, 
Weiteres über die Verwendung der - zur Blutkultur. Eayser 449. 

u. 

Ueberdruckverfahren, Praxis und Theorie des. Brauer 181. 

— Ulcus corneae serpens. Die Behandlung des. Heilbron 287. — 
Unfallverletzter, Vorschläge zu einer den Heilungsprozess nicht 
retardierenden Unterstützung der. Hackländer 568. — Unfallver¬ 
letzter, Eine Bemerkung zur Begutachtung. Mulert 571. — Uni¬ 
versalblende, Eine. Stein 491. Unternährung, Die - und deren 
rasche Heilung. Fürst 436. — Unterricht, Die Aufgaben des 

— in der med. Klinik, v. Noorden 490. — Untersuohungsobjekte, 
Wie sollen - eingesandt werden? Dürck 367. — Unterschenkel- 


gesdiwüre, Zur Behandlung der, Bringe 232. — Urin, Rück- 
Stauung des - nach dem Nierenbecken. Geigel 568. — Urinfänger 
für Kinder, Ein. Finkeistein 45. — Uterusblutungen. Bunge 253. 
Uterusoarcinom, Ueber den Kampf wider das. Döederlein 421. — 
Utemshaltezange. Früsmann 450. — Uterustuberkulose, Ein seltener 
Fall von. v. Braun 33. — Uviolbad, Axmann 206. — Uviolbe- 
handlung. Weitere Erfahrungen über die -, sowie einen neuen 
Apparat zur Bestrahlung des ganzen Körpers mittels ultravioletten 
Lichtes. Axmann 206. 

V. 

Vakzineerkrankung des Auges, Ueber. Alexander 147, — Vak- 
zineimmonität, Beitrag zur. Nobl 290. — Valyl gegen Ohrensansen. 
Knopf 95. — VentUschallstUck, welches jede grössere Spritze zu 
einer Rir Stauung und Funktion tauglichen Luftpumpe macht, Elin. 
Gross 148. — Verblutung, Ein seltener Fall von - der Mutter 
bei der Geburt. Emmerich Kossow-Gerrosey 73. — Verpflegung, 
Vorschläge zur prakt. Durchführung einer individuellen - In Bade¬ 
orten. Silbergleit 450. — Veronal, Selbstmord durch. Ehrlich 161. 
Vestosol, Die Beh. der Hyperidrosis mit. Saalfeld 368. — Videaut 
oonsules. Alt 136. — Vierordt, Oswald, Nekrolog, Hannover 529. 
Vierzellenbades, Die Einwirkung des - auf den Blutdruck 357. 
ViskositätsbestimmuDg, Zur Methodik der - des menschlichen 
Blutes. Determann 253. —- Visvit, Elrfahrungen mit dem neuen 
Nährpräparat. Rosenthal 551. — Visvit, Ueber ein neues Nähr¬ 
mittel. Bergner 435. — Vitaquelle, Chemisch-physikalische Unter¬ 
suchung des alkat.-muriatischen Säuerlings zu Sulz. Ludwig, 
Panzer, Zdarek 208. — Vomissements incoercibles chez nn jeune 
homme de seize ans. Broeckaert 242. — Vöslauer Therme, Ueber 
die. Ludwig, Panzer, Zdarek 83, — Vulvacarciuom, Die Prognose 
bei Operation des. Grünbaum 104. 

w. 

Wachsuggestiou, Ist - erlaubt? Spaeth 282. — Wallerache 
Gesetz, Ueber das. Zander 336. — Wanderniere bei Frauen. 
Heidenhain 95. — Wäscheschutz bei Gonorrhoe, Ein neuer. Philip 
169. — Wasser als Feind der Röntgenaufnahmen, Das. Lichten¬ 
stein 134. — Weihnachtszeit nach Florida, Um die. Beck 282. 
— Wehen und Wehenschmerz und deren Beziehungen zur Nase, 
Ueber. Jerusalem, Falkner 195. — Wöchnerin, Diätetik der. Heger 
570. — Wolfrachen und perorale Tubage. Kuhn 181. — Wunden, 
Die Beh. frischer - m. d. Wärme zum Austrookenen gebr. Ver¬ 
bänden. Asbek 476. — Wurmfortsatz, Ist eine chronische Ent¬ 
zündung des - die Vorbedingung für den akuten Anfall Aschoff 
327. 

z. 

Zahnspirochaeten, Ueber die Züchtung von - und fusiformen 
Bacillen auf küustl. Nährböden. Mühlens 285. — Zahnverlust, 
Ueber die Ursachen des frühzeitigen. Wamekros 290. — Zentri¬ 
fuge, Eine neue - mit hoher Tourenzahl und zuverlässigem Touren¬ 
zähler. Thilenius 8. — Zimmtsäure, Ueber die Wirkung der. 
Weissmann 560. — Zirkulationskühlung, Eine neue - für die Finsen- 
lampe. Axmann 115. — Zitronalkur, Die - in propbylaki und therap. 
Beziehung. Kühner 387. — Zuckerarten, Ueber die Ausnutzung 
der verschiedenen - bei Diabetikern. Petitti 83. — Zuckeraus- 
scheidung im Urin bei krupöser Pneumonie, Ueber. Bosenberger 
327. — Zuckerausscheidung, Ueber den Einfluss der Temperatur 
auf die. Brasch 218. — Zuckerbestimmuug im Ham, Quantitative. 
Levy 82. — Zuckerbestimmung im Harn mittelst einer Modifikation 
der Trommerachen Probe. Simrock 231. — Zuckerbildung, Zur 
Frage der - aus Fett Kolisch 288. — Zuckerstar, Pineies 304. 
Zunge, Rückläufige Strömung in die Speiseröhre als Erklärung der 
belegten. Kasch 356. — Zunge, Ursachen der belegten. Rollin 231. 
Zweifadennaht und Bauchschnittschluss. Torggler 338. — Zwerch- 
fellthermie mit Magenruptur, Ein Pall von. Daxenberger 104. -- 
Zyklodialyae, Weitere Erfahrungen mit der - auf Grund von 50 
Operationen. Heine 45. 


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Adam, Berlin 114. 
AdamÜewicz, Wien 540. 

Adler, New York 518. 

Ag6ron, Hamburg 450. 

Amfeld, Marburg 104, 478. 
Albers < Schönberg, Hamburg 
219. 

V. Aldor, Karlsbad 379, 530. 
Alexander, Berlin 115. 
Alexander, Nürnberg 147. 
Alland 105. 

Alt, Konrad 136. 

Alt, Uchtspringe 318. 

Alt 506. 

Althen, Wiesbaden 388. 
Amberger, Frankfurt a. M. 182. 
Amende, Berlin 206. 

Anton, Halle a. S- 335, 867. 
Apolant, Frankfurt a. M. 287. 
Apetz, Würzburg 253. 
Archimontanus, Dr. 188, 198. 
Ameth, Wtirzburg 218, 231, 
282, 303. 

Arnheim, Rixdorf 518. 

Asbeck, Harburg 476. 

Aschoff, Marburg 327. 

Asher, Dr. W., Leipzig 269. 
Assfalg, Frankfurt a. M. 459. 
Assmann, Leipzig 346. 
Aufrecht, Magdeburg 9. 
Axenfeld, Freiburg i. Br. 282. 
Axmann, Erfurt 115, 206. 

Bacelli, Prof. Dr., Bonn 271, 
292, 297. 

Baer, Wienerwald 149. 

Baer, Strassburg 515. 
Baermann 345. 

Baginsky, Berlin 147, 161. 
BaS 73, 339, 506. 

Baisch, Tübingen 421. 

Bartel, Wien 490. 

Bauer, Berlin 287. 
Bauermeister, Braunschweig 

184. 

Baumann, Breslau 168. 
Baumann, Metz 319. 
Baumgarten, Tübingen 462. 
Baumgarten Tübingen 566. 
Baumgarten, Wien 163. 
Bashford, London 194. 

V. Bavach, R., Lemberg 219. 
Bechtold, Würzburg 516. 

Beck 282. 

Beck, Wtirzburg 320. 

Becker, Hildeshoim 346. 

Beer, "Wien 83. 

Beetmano, Batavia 94. 

V. Belim, Erfurt 169, 196. 


[lamen-Rejisfer. 


Beichenstein, Lemberg 163. 
Beisheim, Dr. A., Salzschlirf 
437. 

Beitzke, Berlin 321. 

Benedikt 336, 339. 

Benjamin, Wien 338. 

Benfey, Berlin 55. 

Bergeat, München 321. 

Berger, Köln 320, 230. 

Berger, Hamburg 168. 

Bergner, Dr. Hans 435. 
Berliner, Breslau 170. 

Bemdt, Stralsund 113. 
Bernhard, Berlin 148, 338, 518. 
Bemard 209. 

Best, Prof. Dr., Giessen 107. 
Bestelmeyer, München 180. 
Besold, Falkenstein 517. 
Bettmann, Heidelberg 284. 
Bettmann, Leipzig 502. 
Benthner, Priv.-Doz. Dr., Genf 
85. 

Bickel, Berlin 32, 207. 

Bier, Prof. Dr. Bonn 303, 95. 
Biemacki. Lemberg 232. 
Bilharz, Sigmaringen 183. 
Bingel, Tübingen 383. 

Binz, Bonn 182. 
Birch-Hirschfeld, Leipzig 528. 
Birnbaum 254. 

Bittorf, Breslau 231. 

Bittorf, Leipzig 93. 

Blaschko, Berlin 105. 

Blenke 464. 

Bloch, Kattowitz 504. 

Bloch, Wien 289. 

Blum, Strassburg 516. 

Blume, Kopenhagen 357. 
Blumenkranz, Wien 171. 
Blumenreich, Berlin 114. 
Bluth, Neuenahr 71. 

Boas, Dr. J., Berlin 283, 379, 
436. 

Böhm 528. 

Böhme, Marburg 503. 

Boesser. Chemnitz 503. 

Bondi, Wien 47. 

Bonboeffer, Breslau 356. 
Bonygues 163. 

Boochardt, Berlin 338. 
Borgnis, Mannheim 478. 
Boseck, Stettin 568. 

Boss 232. 

Bosse, Berlin 32. 

Bosse, Berlin 148. 

Bourget, Lausanne 55. 

Bracco, Turin 114. 

Bradt, Berlin 503. 

Brauer, Marburg 181, 282. 


von Braun, Temwald 33, 507. 
Braun, Göttingen 181. 

Brann, Leipzig 31. 

Braun, Dr. R., Wien 141. 
Brasch, München 218. 
Breitung, Zahnarzt 450. 
Brenner, Heidelberg 450. 
brennmg, Dr. M., Berlin 510, 
522. 

Bresgen, Dr. Maximilian, Wies¬ 
baden 407. 

Brings, Wien 232. 

Brinitzer, Bern 55. 

Broer, Witten 367. 

Broeckaert 243. 

Bröse, Berlin 462. 

Browning, Frankfurt a. M. 286, 
287. 

Brownii^, Glasgow 195. 
Bruck, Berlin 101, 321. 

Bruck, Breslau 283. 

Brühl, Berlin 532. 

Bruhns, Berlin 84, 105. 

Bruns, Prof. Dr. L. 184. 
Bruns, Berlin 115. 

Bruns, Leipzig 334. 

V. Bruns, Tübingen 421. 
Buberl, Wien 149. 

Büchner, München 315. 
Bumke, Freiburgi. Br. 204. 

V. Bunge, G. 254. 

Bürgi, Bern 285. 

Burgl, Nürnberg 124. 

Burk,»Frankfurt a. M. 450. 
Burmeister, Concepcion (^Chile) 
205. 

Burwinkel, Dr.C., Nauheim480. 
Busalla, Hannover 286. 
Buschke, Berlin 162, 284. 


Cahn, Strassburg 44. 

De la Camp, Berlin 19. 

Carpi 506. 

Casper, Berlin 422. 

Castellani, Colombo 71. 
Cassaet 209. 

Chiari, Prof. Dr., Prag 398. 
Cholewa, San.-Rat, Nauheim 
243. 

Cbotzen, Breslau 335. 

Chrobak 539. 

Classen, Grube (Holstein) 207. 
Claus 528. 

Clemm 163, 173. 

Cluss, Prof. Dr. A. 436. 
Coenen, Dr. Franz 72. 

Colley, Insterburg 92. 

Colmers, Leipzig 180. 


Digitlzed 


Connstein, Dr. W., Berlin 254. 
Conradi Neunkirchen 46. 
Gonradi 346. 

Cohn, Dr. M., Berlin- Gharlotten- 
bnrg 7, 19, i.7, 42, 69, 81, 
91,102, 110, 167, 171, 174, 
192, 203, 229, 262, 259, 
295, 298, 301, 311, 317, 347, 
448, 499, 506. 519, 515, 527, 
538. 

Cohn, Breslau 8. 

Gohn, Königsberg 95. 

Gohn, Mannheim 820. 
Cohn-Ejndborg, Bonn 462. 
Gohn, Berlin 195. 

Gramer, Bonn 253. 

Cred6, Dresden 319. 

Cremer, München 218. 

Gumpe, Schnarsleben 9. 
Gurschmann, Tübingen 421, 
Czaplewzki, Köln 147. 

Dammermann, Berlin 296. 
Danziger, Frankfurt a. M. 479. 
Daxenberger, Regensburg 81, 
104. 

Deetz, Rostock 345. 

Dege, Berlin 519. 

Delavilla, Wien 305. 
Delkeskamp, Königsberg i. Pr. 
70. 

Denker, Erlangen 275. 

Denker, Erlangen 570. 
Detennann, Freiburg i. B. 253, 
Detre, Budapest 289, 339. 
Deutsch, Wien 55. 
Deutschiänder, Hamburg 286, 
287. 

Deutschmann, Prof. Dr. R., 
Hamburg 47, 62. 
Deutschmann, München 217. 
Dietrich, Rixdorf 518. 

Dinger, Amsterdam 451. 
Diesing, Kamerun 296. 
Dieudonnö, München 303. 
Dienlafoy 233. 

Düudonnö 568. 

Dmitrenko, Dr. L. F., Odessa 
481, 520. 

Doederlein, Tübingen 205, 421. 
Dönitz, Bonn 345. 

Dönitz. Bonn 567. 

Doerffeler, Weissenbg.134,477. 
Doering, Göttingen 337. 
Doerner. Wiesbaden 135. 
Doerr, Wien 312, 379, 479. 
Dorf, Klein Mohrau 125. 
Doutrelepont, Bonn 296. 

Google 



190« 


MEDICINISCHB WOCHE. 


587 


Drehmaim, G., Bre8laol37,219. 
DreyfasS} Heidelberg 113, 346, 
380. 

Dabar 243. 

Diihrssen, Prof. Dr., Berlin 13. 
Diirck, Mlincben 367. 

Daager, Dresden-J. 205. 

▼. Düngern, Freibui^ 30. 
Dänin, Warschau 4'J2. 


Ebermayer, München 169. 
Ebstein, Dr. E., Göttingen 88, 
253, 308,314, 321, 324, 330, 
454. 

Eckersdorff, München 515. 
Eckstein, Dr. G., 398. 

Edel, Wyk a Föbr 286. 
Edlefsen, Hamburg 72. 

Ehret, Strassbarg 53. 

Ehrlich, Stettin 161, 478. 
Ehrlich, Frankfurt a. M. 287. 
Ehrlich, Wesel 146. 

Ehrmann, Berlin 9. 

Ehrmann, Ludvrigshafen 47. 
Ehrmann, Wieden-Wien 339, 
347, 

Eichhorst, Zürich 282. 

Einhorn, New York 285, 

Einis, Dr. L. L., Ekaterinodar 
453- 

V. Eisler, Wien 219, 305. 
Elsaesser, Hannover 93. 
Emmerich, Koszow-Gerronay 
72. 

Enderlen, Basel 477. 

Engel, Dr. H., Berlin 479, 553. 
Engel, Dresden 319, 337, 378. 
Eppenstein, Breslau 318, 516. 
Erb Heidelberg 565, 569. 
Erdmann, Halle a. S. 114. 
Elenm^er, Bendorf a. Rh. 104. 
Esch, Berlin 193. 

Esch, Bendorf 532. 

Escherich, Wien 311, 358. 
Eschle, Sinsheim 56, 208. 
Etienne 234. 

Ewald, Heidelberg 528. 

Ewald, Berlin 125, 337. 

Exner, Wien 305. [ 


Falkenstein, Gr. Lichterfelde 
106. 

Falkner, Wien 195. 

Favarger, Wien 289. 
Federschmidt, Dinkelsbühl 161, 
477. 

Fehling, Strassbarg i. E. 501. 
Fehling, Strassbarg a. E. 566. 
Fein 379. ! 

Feldmaon, Budapest 305.- ' 

Fellner jr., Franzensbad 367. , 
Felix, Baden 480. 

Fer6 209. 

Finder, Berlin 72. 115, 519. ! 

Fink, Franz, Karlsbad 303, 219. \ 
Finkelnburg, Bonn 123, 
Finkeistein, Berlin 45. 
Finsterer, Wien 338. 

Fisch, Dr. Maurus, Karlsbad 
242. 

Fischer, Berlin 284. 


Fischer 451. 

Fischer, Berlin 162. 

Fischer, Bonn 475. 

Fischer, Kiel 92, 104. 

Fischer, Prag 290. 

Flatau, Dr. S., Berlin 72, 75, 
492. 

Fleischer 9. 

Fleischmann, Wien 539. 
Fleischl, Dr. E. 233. 

Fiesch, Budapest 206. 

Flinker, Wiznitz a..Ez. 149. 
Fock, Hamburg 515. 

Focke, Düsseldorf 286. 

Foges 289. 

Fomet, (Juter Eisass 303. 

Frank, Dr. Erwin, Berlin 85. 
Frank, E. R. W., Berlin 422. 
Frank, Flensburg 304. 

Franke, Lemberg 379. 

Franke, Braunschweig 461. 
Frankenstein, Kiel 135. 

Franze, Nauheim 552. 

Fraeukel, Berlin 124. 

Fraenkel, Badenweiler 282. 
Fraenkel 528. 

Fraenkel 516. 

Frankel, Berlin 502, 

Freund, Danzig 9, 31, 199, 187. 
Freund, Halle a. S. 347. 

Freund, Reichenberg 83. 
Freytag, Dr. Gustav, München 
307, 313. 

Fried heim, Hamburg - Eppen¬ 
dorf 46. 

Friedmann, Berlin 106. 
Friedmann, Berlin 357. 
Friedberger, Königsberg 205. | 
Friedjnog, Wien 306. 

Fridezko, Wien 183. 

Fromme, Halle 30. 

Frommer, Wien 115. 

Funck, Köln 450. 

Fürst, San.-Rat Dr. R., Berlin 
4.16. 

Fürth, Dervent 28. 

Füster, Wien 288. 

Füth, Leipzig 123. 

Oaethgens, Strassburg i. E. 346. | 

Galew'iky, Dresden 346. ! 

Galli, Giovanni, Prof. Dr., Rom 
499. i 

Galli-Valerio, Lausanne 55,368. 
Ganz, Brünn 184. i 

Ganz, Dr. Carl 509. 

Garr6 254. 

Gärtner, Prof. Dr., Jena 210. 
Gätgen, Dr., Bockau i. Erzgeb. 
482, 494. 

Gaupp, Tübingen 528. 

Gaupp, München 334, 336. 
Gaiiss, Freiburg i. Br. 335. 
Gebele, München 169, 303. 
Geigel, Würzburg 568. 

Gfiigel, Würzburg 218. 

Geissler, Schöneberg 504. 
Georgi, Dresden 194. 

Gerhardt, Jena 335. 

Gerlach, Göttingen 282. 
Gernsheimer, Mannheim 124. 
Gersuny, Wien-Döbliug55,149. 
Gessner, Oldenstedt 518. 


Gioseffi, Pola 378, 539. 

Giese, Jena 124. 

Gierke, Freiburg 123. 
Glaessner, Wien 378. 

Gluzinski, Lemberg 163. 
Goebel. Bielefeld 452. 

Goebel, Breslau 518. 

Goldbaum, Hamburg 241. 
Goldscheider, Prof., Berlin 135, 
207, 460. 

Goldschmidt, Berlin 84. 
Göllner, Hermannstadt 20. 
Graff, Prof. Dr. H., Bonn 349. 
Graef, Kiel 45. 

Graeffner, Berlin 146. 

Graser, Erlangen 70. 
Grassmann, München 53, 240, 
517 

Grashey, München 333. 
Gränpner, Nauheim 336. 
Grissou, Hamburg 502. 

Oroedel. Nauheim 93, 218. 
Gross, Harburg 148. 

Gross, Dr Ludwig, Liegnitz 212. 
Grosse, München 517. 
Grossmann, Wien 491. 
Grouven, Bonn 296. 

Grube, Bad Neuenahr 356. 
Grüubaum, Berlin 104. 
Grünwald, Reichenhall 346. 
Gundel, Dr. phil. Direktor, 
Rastenburg 137. 

Gunkel, Fulda 71. 

Gutzman, Berlin 32, 206. 
Guzmann, Wien 208. 

V. Haberer, Wien 339. 
Hackländer, Giessen 568. 
Haedicke, Falkenstein 183. 
Hagedorn, Dr. M., Hamburg 
389. 

Hagen, Nürnberg 276. 

Hager, Magdeburg 194. 

Bahn, Mainz 169. 

Hahn, München 304. 

Halban, Wien 33. 

Halben, Priv.-Dozent Dr. R., 
Greifswald 381. 
Halberstädter, Batavia 91. 
Halberstädter 345. 

Halbron 233. 

Halbe, Berlin 479. 

Halbe, Berlin 490. 

V. Haelst 209. 

V. Hansemann, Berlin 115, 286, 
287. 

Hamburger, Wien 182, 339. 
Hamm, Braunschweig 115. 
Hammer, Prof. Dr. Heidelberg 
528, 567. 

H^rrass, Greifswald 528. 
Hartung 275. 

Haudek, Max 461. 

Hecht, Beiithen .334. 

Hecht, Wien 103. 

H-ichinger, Freiburg i. Br. 170. 
Hecker, München 160. 

Hegar, Freiburg i. Pr 570. 
Heepke, W. 210. 

Heermann, Posen 283. 
Heermann, Essen 319. 
Heidenhain, Marienwerder 95. 
Heil, Darmstadt 290. 


Heilbronn, Berlin 287. 

Heiiman, Göteborg 504. 

Heine, Breslau 45. 

Heine, Berlin 55. 

Heinecke, München 217. 
Heinsheimer, Baden-Baden 287» 
Heinze, Beelitz-Berlin 284. 
Heitler, Wien 125. 

Hempel, Dresden 103. 

Helbing, Nürnberg 103, 

Heller, Salzburg 304, 321. 
Heller, Charlottenburg 358. 
Hengge, München 205. 

Hensel, New York 518. 

V. Herff, Basel 275, 355, 366, 
Herhold, Altona 92. 

Hering, Prag 94. 

Herscheimer, Frankfurt a. M. 
103. 

Herscheimer, Wiesbaden 285. 
Herschensteiner, München 218. 
Hertzka, St. Beucschau 124. 
Heryng, Wersau 136, 148. 
Herz, Meran 502, 518. 

Herzl, Wien 105, 379. 

Herzog, Heidelberg 347. 
Heusner, Barmen 193. 

Hinsberg 253. . 

Hinterstoisser, Teschen 33. 
Hildebrandt, Berlin 162. 
Hilgenreiner, Prag 136. 

V. Hippel, Richard, Kassel 464. 
Hirsch 234. 

Hirsch, Berlin 285, 286. 

Hirsch, Kudowe 357. 
Hirschberg 283. 

Hirschfeld, Dr. Magnus, Char- 
lottenburg 491. 

Hirachberg, Dr. L., Berlin 441, 
426. 

Hirschberg, R., Paris 72. 
Hirschfeld, Berlin 231. 

Hirschl, Wien 149. 

Hirschstein, Hamburg 253. 
Hirtz 163. 

Hochenegg, Wien 8. 

Hoeniger, Dr. F., Rechtsanwalt, 
Berfin 24. 

Hoepfl, Haushain 70. 

V. Hoesslin, München 218. 
Hoffa, Prof. Dr. A., Berlin 19, 
20, 105, 283, 284, 285, 356, 
464, 407 , 505. 

Hoffmann, Berlin 505. 
Hoffmann, München 134. 
Hoffmann, Leipzig 170. 
Hofbauer, Wien 94. 

Hofmann, Karlsruhe 93, 356. 
Hofmeier, Würzburg 83, 282. 
Hoffmeier, Rethem a. Aller 319. 

' Hohmann, München 275. 

; Holländer, Berlin 306. 

Hoppe, Köln a. Rh. 194, 450, 
Hoppe, Königsberg 368, 379. 
Hornung, Marbach am Boden- 
' see 499. 

Horstmann, Berlin 478. 

Holup, Karlsbad 288. 

1 Hotys 184. 

Hölscher, Dr. Ulm 561. 
Huber, Salzburg 114. 

Huberti d’ Dalberg, Dr. G. K. 
L. 248. 


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588 


MEDIGINISGHE WOCHE. 


Nr 53. 


HudoTemig, Badapest 478. 
Hübner 519. 

Hnebschmann, Genf 822. 
HnismannSf Edln 508. 

Hutzier, München 161. 

Illyes, Budapest 135. 

^sen, Kopenhagen 822. 

Jacob, Eudowe 386. 

Jacoby, Berlin 337. 

Jacol^, Breslau 46. 

Jaff6, Posen 231. 

Jagi5, Wien 288. 

Jäger, Hof 276. 

Jankau, Dr. L. 276. 

Jansen, Eopenh^en 490. 
Jassler, Dr. G., Frag 398. 
Jauregg, Wagner von 506. 
Jehle, Wien 311, 855. 
Jellinek, Wien 358, 479. 
Jerusalem, Wien 196. 
Jesionek, Giessen 319, 346. 
Jockmann, Breslau 206, 285, 
355, 459, 591. 

Jodlbauer, München 181. 
Johansen, Br. J. C., Kopen¬ 
hagen 822. 

Jolly, Berlin 320. 

Jonas, Wien 298. 

Juki, Leth 243. 

Julinsbuiver, Dr. Otto Steg- 
litz-BeHin 436. 

Jung, Greifswald 8. 

Jungmann, Wien 358. 

Jus^ Karlsruhe i. B. 312. 
Jiisti, SteglitZ'Berlin 847. 

Kaiser, Dresden 209. 

Kaiser, Strassburg 218. 
Kaiserling, Berlin 171. 
Ealberlah 528. 

Ealisky, Breslau 82, 269. 
Kamman, Hamburg 337. 
Karewski, Berlin 286. 

Käst, Berlin 287. 356. 

V. Kautz, jun., Wien 195. 
Kavser, Strassbnrg i E. 449. 
Kellner, Hamburg 567. 
Kompner, Berlin 171. 
Kephallinos, Korfu-Graz 288, 
367. 

Kern, Wien 288. 

V. K4tly, Budapest 868. 
Kikuchi, Osaka 879. 
Kienboeck, Wien 183. 

Kionka, Prof. Dr, Jena 422. 
Kirchner, Berlin 124. 

Kirchner, Güttingen 347. 
Kistjakowski, Dr. E. W. 323. 
Klan, Berlin 56. 

Klaussner, München 476. 
Klautsch, Halle a. S. 387. 
Klautz, Wien 520. 

Kleintjes, Dr. 480. 
Klieneberger, Königsberg 230, 
258. 

Knapp, Prag 539. 

Knauer, Wiesbaden 114. 
Knauth, Würzbiirg 205, 

Knopf, Frankfurt a. M. 95. 
Knotz, Wien 126, 

Koch, Berlin 54, 94. 


Eodi, Dr., Marine-Oberstabsarzt 
a. D., Schömberg 493. 
Koch, Freiburg 531. 

Köhler, Hosteraausen 820. 
Kohn, Prt^ 336. 

Eoliscb, Wien-Karlsbad 288. 
Kolle, Berlin 147, 206. 
Koellrentter, Rostock 123. 
König, Altona a. E. 804. 
König, Grunewald, Berlin 565. 
Koerte, Berlin 71. 

Koranyi, Budapest 282. 

Eom 254. 

Körte, Breslau 318. 

Köster, Leipzig 803, 804. 
Kowarski, Berlin 327. 
Kraepelin, München 204. 
Kraft, Wien 231. 

Kran^elder, Berlin 169. 

Kraus, Wien 219, 289, 379. 
Krause, Berlin 29^. 

Krause, Gorbersdorf 8. 

Kraus, Prof. Dr., Berlin 42,566. 

46, 98, 108, 118, 128. 
Krautwig, Dr. P., Köln a. Rh. 
342, 360, 362, 370, 382, 390, 
402, 411. 

Krecke, München 198. 

Krefft, Berlin 188. 

V. Krehl, Strassburg i. E. 282. 
565. 

Kreibich, Wien 116. 

Kren, Wien 479. 

Kromayer, Berlin 135. 

Krönig, Berlin 162, 207, 606. 
Kronheimer, Nürnberg 105. 
Kronthal 287. 

KrÜche, München 532. 

Krüger, Vetschau 334. 

Kuhn, Kassel 95, 181, 282, 460. 
Kühnei, Wien 47. 

Kühner, Koburg 387, 388. 
Kümmel, Hamburg 134, 182, 
838, 357. 

Küppers, Düsseldorf 205. 
Kurrer, Horb 452. 

Kurt, Wien 463. 

Küster, Freiburg i. Br. 275. 
Kutscher, Berlin 337, 463. 
Küttner, Marburg 46, 54. 


Labhardt, Basel 53. 

Landgraf, Bayreuth 181 
Landsberger, Gharlottenburg 
282. 

Landen, Wiesbaden 367. 
Landsteiner, Wien 531. 

Lange, München 168. 

Lange, Tübingen 84. 

Langstein 253. 

Lanz, Amsterdam 70. 

Laquer, Frankfurt a. M. 136, 
282. 

Laqueur, Berlin 506. 

Lapinsky, Krakau 531. 

Lassar, Berlin .837. 

Läufer, Luxor 334. 
Ledderhose, Berlin 285. 

Lefur 84. 

Lemaire 163. 

Lengfellner, Berlin 515. 
Lenhartz, 528. 


Leopold, Dresden 230. 

Leo, Bonn 485, 338. 

Lesser, Berlin 368. 
y. Lesser, Leipzig 162. 

Leu wer, Bonn 195. 

Levaditi, Paris 479. 

Levin, Stockholm 55. 
Levinger, München 804. 

Levy Dr. Fritz, Berlin 41,146, 
233, 504. 

Lev^, Heidelberg 82. 

Lewin, Dr. Carl Berlin, 286, 
863, 480, 504. 

Lewinson, Moskau 462. 

Lezer, Eöni^berg i. Pr. 179. 
Lichtenberg, Heidelberg 58. 
Lichtenstein, Dresden 184,146. 
Lichtenstem, Wien 520. 
Liebe, Heidelberg $2. 
y. Liebermann, Budapest 104. 
Liebreich, Berlin 208, 867. 
Liefmann, Balle a. S-, 501. 
Liefschütz 137. 

Lilienfeld. Gr. Lichterfelde 125. 
Lilienstein, Nauheim 205. 
Lindemann, Berlin. 
Lindemann, München 218,282. 
Lindemann, Bochum 516. 
Lindenstein, Nürnberg 518. 
Liepmann, Berlin 321. 
Lissauer, Werden a. R. 104. 
Litten, Berlin 504. 

Litthauer, Dr. M. Berlin 182, 
191. 

Lockemann, Leipzig 108. 
Loeb, Strassburg 82. 

Loebe, Leipzig 71. 

Loelb, Erankmrt a. M. 281. 
lioele, Leipzig 303. 

Loening, Leipzig 476. 
Loewenthal, Berlin 125. 
Loewenthal, Berlin 282. 
Loewenthal, Braunschweig530. 
Lobmann, Berlin 9. 

Lohnstein, Theodor, Berlin 463. 
Lohnstein, Rudolf, Berlin 468. 
Lohnstein, Berlin 170. 
Longuch 85. 

Lothemsen, Wien 305. 

Lots, Friedrichroda 183. 
Louros, Athen 46. 

LöflFler, Greifswald 114. 
Löbnberg, Hamm i. W. 283. 
Löwy, Prag 451. 

Lublinski, Berlin 114, 368. 
Lucksch, Gzemowitz 358. 
Lüdke, Würzburg 379. 
Ludlon, Breslau 319. 

Ludwig 83, 208, 620. 
Lungwitz Dr. Hans, Halle a. S. 
401, 412, 428. 

Maas Dr. P., Aachen 220. 
Maas, Berlin 209, 387. 

Maas, Heidelberg 450. 
Magakjan, Dr. G. N. 410, 425. 
Magnus 346, 356. 

Mannase 254. 

Mancesze, Berlin 461. 
Mangold, Jena 134, 147. 
Manteuffel, Halle a. S. 1U3,458. 
Mann, Triest 491. 

Maragliano, Genua 490,506,519. 


Marcovich, Triest 520. 

Marcus, Wien 288. 

Marmorel^ Paris 136. 

Martens, Berlin 479. 

Martin, Frankfurt a. M. 808. 
Martin, Togo 276, 285. 

Martin, Greifswald 357. 
Mattanschek, Wien 219. 

Mattö, Köln a. Rhein 286. 
May, München 113, 218. 
Mayendorf 530. 

Mayer, Berlin 462, 463. 

Mayer, München 459. 

Ma^er 450. 

Meissner, Dr. Paul Berlin 117, 
380. 

Meittner, Dr. W. Wostritz 256, 
261, 272. 

Meller, Wien 288, 305, 
Meitzer, New York 47. 
Mendel, Berlin 284. 
Mennacher, München 502, 
Merk, Innsbruck 208. 
Merzbach, Berlin 55. 

Meyer, Berlin 148, 286, 306. 
Meyer, Bemstadt i. Sa. 184. 
Meyer, München 217. 
Meyerhoff, Berlin 83. 
Meyerstein, Köln 515. 
Michaelis, Leipzig 231. 
Micheleau 209. 

Milchner, Berlin 306, 450, 463. 
Miller, Berlin 124, 

Miller, Bayreuth 53. 

Mindes, Drohobyez 92. 

Minet 84. 

Minin, Dr. A. W. St Peters¬ 
burg 197, 212. 

Mohilfa, Dr. Karl 20. 

Mohr, Berlin 56,127,143, 158, 
288 

Moll, Prag 219. 

Möller, Altona 95. 

Mollweide, Freibnrg i. B. 188. 
Mörchen, Hohe Mark 204. 
Morgenroth, 506. 

Monan, Essen 53. 

Moritz, Chemnitz 296. 

Moro, Graz 82. 171, 289, 458. 
Mosetig, Moorhof 519. 

Mosse, Berlin 478. 

Much, Marbuiw 358. 

Mucha, Wien 94, 531. 

Mulert, Waren 671. 

Mühlens, Berlin 285. 

Mühsam, Berlin 347. 

Müller, Augsburg 30. 

Müller, Breslau 355, 459. 
Müller, Dr. Hamburg 1211, 221, 
231. 

Müller, Kiel 45. 

Müller, München 217. 

Müller, Wien 289, 378. 

Murath, Graz 171. 

Muskat, Dr. Gustav Berlin 151. 

Naegeli, Genf 387. 

Nakajama, Prag 281. 

Neisser. Prof. Dr. Breslau 169, 
283, 345. 

Neisser, Frankfurt a. M. 47. 
Nespor, Fiselia i. Polen 312. 
Neubauer, München 217. 


Digitlzed by 


Google 




«06 


MEDICINISCHE WOCHE. 


589 


Neumanfr^ Berlin 182. 
Neumann, Bautzen 581. 
Neumann, Potsdam 880. 
y. NeuflCwann, Wien 72. 
Neumann, Oberstabshrzt Dr. 

Brombere 534, 542,454'562. 
Neumann, wieu-Gteiehenbeiv 
205, 358, 379. 

Neumark, Berlin 530. 

Niessen yon^ Dr. Wiesbaden 
329, 341. I 

Nieter, Halle a. S. 501. 

Nobl, Wien 290. 

y. Noorden, Wien 490. i 

I 

Oberndorfv Münehen -4C1. 
Ogata, Tokio 518. 

(^m, Berlin 477. 

Opitz 230. 

Oppenheim, Berlin 838. 
Oppenheimer, München 135. 
Opißeius, Frankfurt a. M 103. 
Oertel, Berlin 169. I 

Ostermann, Breslau 147. 
Oeeterreicher 339. 

Ostmann, Marburg 193. 
Ostwatd, Paris 19, 804. 
Ottolenghi, Siena 378. 

I 

Palma, Dr. P., Reichenberg398. I 
Palmer, Biberach 460. j 

Panzer 83, 208, 520. j 

Passini, Wien 289. ! 

Pfiasler, Dresden 501. 

Pater 233. 

Pelman 205. 

Penzoldt, Erlangen 218. 

Pers, Kopenhagen 205. 

Pemtz, München 834. ; 

Peschei, Frankfurt a. M. 162. ^ 
Peters, Magdeburg 516. 

Peters, Petersthal 123. i 

Petitti, Neapel 83. 

Peukert, Freiburg i. B. 180. 
Pfannenstiel, Giessen 460. 
Pfeifer, Tübingen 118. 

Pfeiffer 531. | 

Pfeiffer, Graz 219, 491. | 

Philip, Hamburg 169 i 

Pick, Berlin 195, 208, 281, | 
253, 312. j 

Picker, Budapest 506. [ 

Pichon 163. : 

PincQssohn, Berlin 207, 334. | 
Pineies, Wien 804. 
y. Pirquet, Wien 358, 366. 
Plaut, Dresden 319, 378, 504. , 
Plescb, Budapest 283. 
Pochhammer, Greifswald 821. i 
Pollak, Prag, Weinberge 387. 
Pollak, Wien 463. j 

y. Poehl, St. Petersburg 231, 
253. I 

Popper, ^Is 290. 

Popper, Wien 163. | 

Poeppelmann. Coesfeld 321. 
Posner, Prof. Dr., Berlin 125, 
161, 490. 

Posselt, Innsbruck 160, 165. 
Preitz, Dr. H. 436. 

PrilM'am, Wien 219. 
y. Preuss, 480. 

Profanter, Franzensbad 94. 


Prokiewica, Krackaa 146,-149. 
Prüsmann, Dresden 450. 
Pudor, Dr. H., Steglitz 438. 
Puppe, Küni^berg 148. 
Püschmann-, Britz b. Berlin 286. 

Quermonprez, Dr. Fr., Paris 
407. 

Quest, Leinberg 339. 

Qninke, Kiel 321, 334, 450. 
Quosig, Wiesbaden 135. 

Raab, München 356, 867. 
Rabinowitsch, Berlin 821, 517, 
Racine, Essen 275. 

Rahn, Dr. A., Dresden 95, 184, 
188, 235, 571. 

V. Ranke, München 304. 
Ranzi, Wien 71. 

Rastner, Berlin 461. 

Rattner, Berlin 520. 

Rau, Wreschen 9. 

Rantenbem, Königsberg 490. 
Reicher, Berlin 368. 

Reimer, P. L., München 
Rennert, Hamburg 54. 
Keinecke, Hameln 283. 
Reinhard, Wildungen 304. 
Reis, 378. 

Reitmann, Wilh. 289. 

Remien 269, 

Renzi de, Neapel 253. 

R6thi, Wien 452. 

Reuschel, Graz 320. 
y. Reuss, Wien 338. 
Rheinboldt, Kissingen 206,286, 
321. 

Rhese, Paderborn 207. 

Ribbert, Bonn 477. 

Richarz. Barmen 253. 

Richter, Waldenburg 194. 
Riebold, Dresden 148, 161, 
847. 

Riedel, Rothenburg 124. 
Rieder, München 53, 218, 449. 
Riedingen, Dr., Würzburg 436. 
Riedl, Bad Ullersdorf 126. 
Riegler, Jassy, 134. 

Riehl, München 356, 460, 516, 
528. 

Riese, Britz b. Berlin 286. 
Ringleb, Berlin 114, 283. 
Ritter, Gharlottenburg 459. 
Robbers, Gelsenkirchen 207, 
296. 

Rodari, Zürich 357. 

Boeder, Berlin 304. 

Boeder, Berlin 162. 

Roemer, Marburg 357. 

Röhrig, Wildungen 304. 

Rojas, Berlin 490. 

RoUin, Stettin 72, 231. 

Rolly. Leipzig 355, 503. 
Romberg, Prof. Dr., Tübingen 
421. 532. 

Rosenbach, Berlin 230, 463, 
530. 

Rosenbaum 356. 

Roaenberg, Neuenahr 422. 
Rosenberger, Heidelberg 828. 
Rosenfeld, Breslau 82, 387. 
Rosengart, Frankfurt a. M. 276. 


Rosenhaupt, Frankfurt a. M. 
478. 

Rosenheim, Berlin 296. 
Rosenstem, München 281, 303. 
Rosentbal, Berlin 346. 
Rosthom, Badenweiler 282. 
Roth, Df. E.,' Halle 86, 76, 
256, 262, 466, 484, 496. 
Roth, Jägerndorf 528. 
Rothfuchs, Hamburg 855, 476. 
Rotky, Dr. H., Prag 897. 
Rudinger, Wien 367. 

Ruff, Wien 232. 

Ruhemann 347. 

Rühl, DÜIenburg 147. 

Hühl, Turin 319. 

Rumpf, Bodd 20. 

Rumpf, Ebersteinburg, Baden- 
Baden 355. 

Runge, Prof. Dr., Göttingen 480. 
Runge, Berlin 253. 

Ruppanner, Basel 92. 

Saalfeld, Berlin 368. 

Saathoff, Augsburg 476. 

Sachs, Frankfurt a. M. 47, 286, 
287, 368. 

Sachs-Muke, Magdeburg 334. 
Sadger, Wien-Gräfenberg 56. 
Saito 450. 

Salge, Berlin 125. 

Salles, Pr^ 463. 

Salomon, Irankfurt a. M. 32. 
Salus, Prag 358, 366. 

Sargo 105. 

Sarwey, Tübingen 421. 
Sauerbrueb, Breslau 30. 
Schaedel, Leipzig 71, 135. 
Schaefer, Bonn 113. 

Scheib, Prag 5ü3, 505. 

Scheibe, München 281. 
Scheinpflug, Vorderbruhl 20. 
Schellenberg, Beelitz i. M. 284. 
Schenk, Dr. P., Berlin 278, 
292. 

Scherber, Wien 94, 289, 305. 
Scherf, Bad Orb 387. 

Scherk, Hamburg 87, 97, 465. 
Schick, Wien 

Schickele, Strassburg i. E. 281. 
Schickeil, Strassburg 148. 
Schiefferdecker, Bonn .327. 
Schiff, Wien 93. 

Schiffmann, Wien 531. 
Schilling, Nürnberg 93, 804. 
Schilling, IVanzensbad 367. 
Schindler, Breslau 337. 
Schirmer, Greifswald 285. 
Schittenhelm 336. 

Schlamp, München 532. 
Schlesinger, Strassburg i. E. 
290. 

Schlesinger, Berlin 504. 
Schlesinger, Wien 31. 

Schliep, Stettin 209. 
Schlimpert, Dresden 337. 
Schlösser, München 47. 
Schlossmann, Dresden 337. 
Schlüpfer, Bern 515. 
Schmieden, Bonn 45. 
Schmidt-Rimpler 32, 570. 
Schmidt, Berlin, Wuhlgarten 
195. 

Digitized by C 


Schmidt, Dresden 54, 160, 170’ 
356 569. 

Schmidt, Leipzig 504. 
Schneider, Berlin 94. 

Schober, Dr. P, Paris 274. 
Schönewald 110, 119, 249, 265, 
332, 334. 

Schoengut, Krakau 503. 
Schöppler, München 517, 571. 
Schrecker, Köln a. Rh. 53. 
Schreiber, Meran 232. 
Schridde, Marburg 70. 
Schuberg, Heidelberg 516. 
Schubert, Breslau 450. 
Schüler, Charlottenburg 282. 
Schüller, Berlin 94. 

Schümann, Leipzig 45. 

Schultz, Berlin 32. 
Schultz-Zehden, Berlin 125. 
Schütz, Frankfurt a. M. 160. 
Schütz, Wien 182. 

Schütze, Charbin 95, 148. 
Schwalbe, Berlin 285. 

Schwarz, Wien 47, 838. 
Schwarz, Agram 378. 

Seelig, Dr. A, Frauzensbad, 
398. 

Seeligmann, Hamburg 231. 
Seid^, Berlin 114. 

Seitz, München 458, 477. 
Selberg, Berlin 181. 

Seilei, Budapest 339, 519. 
Selling. München 218. 

Selter, Bonn 504. 

Senator, Geh Rat Prof. Dr., 
54, 207, 287. 

Senka,Wien 338. 

Sieber, St. Petersburg 194. 
Siebert, Breslau 337. 

Siegel, Berlin 45. 

Siegel, Frankfurt a. M. 168. 
Siegel, Reichenball 386. 
Silbergleit, Kissingen 450. 
Silbermark, Wien 195. 
Silberstein 480. 

Simionescu 209. 

Simon 506. 

Simnonds, Hamburg 335. 
Simrock, Frankfurt a. M. 231. 
Sittler, Strassburg 231. 

Singer, Dr., Berlin. 364,^430. 
Smit, Rotterdam 284. 

Sofer, Wien 288, 289, 290. 
Sommer, Dresden 183. 

Sommer, Prof. Dr., Giessen 4, 
234. 

Sommer, Niedermendig 93, 147. 
Sondermann, Dieringhausen 517. 
Sonnemann, Berlin 380. 
Sörensen, Kopenhagen 188. 
Spaet, Fürth 282. 

Spaether, Duisburg 358. 
Spaether, München 320. 
Spengler, Davos 206. 

Speroni, München 217. 
Spiebneyer, Freiburg i. B. 355 
566. 

Spiess, Frankfurt a. M. 113. 
Suchier, Hofrat Dr., Freiburg 
i. B. 464. 

Sudeck, Hamburg 459. 

Sudhof, 528. 

Suess i05. 

oogle 







590 


MEDICINISCHE WOCHE. 


Nr. 63. 


Sng&r 195. 

Stadelmann, Berlin 55, 569. 
Stadler Leipzig 46, 70. 

Stahr, Krakau 126. 

Stäubli, München 218. 
Stegmann, Karlsruhe i. B. 103, 
312. 

Stegmann, Wien-Döbling 54, 
208. 

Stehr, Dr., Wiesbaden 245. 
Stein, Budapest 491. 

Stein, Hildesheim 161. 
Steinbüchel, Graz 82. 

Steindorff, Dr. K., Berlin 27, 
30, 51, 160, 176, 269, 276, 
475. 

Steiner, Altenburg S.-A. 136. j 

Stenczel, Wien 231. ' 

Stenger, Königsberg 93. 
Stephani, Mannheim 50 >- 
Stern, Düsseldorf 205. 
Sternberg, Berlin 337, 478. | 

Stemberg, Wien 94, 100. i 

Stiede, Königsberg i. Pr. 499. i 

Stintzin, Jena 31. j 

Stöckel, Berlin 72. i 

Stölzel, München 304. ' 

Storbeck, Magdeburg 531. i 

Strasser, Wien 170. 1 

Stransky, Dr. E. 72. i 

Strebei, München 452. 

Strohe, Köln a. Rh. 194. 

V. Stubenrauch 321. 

Stuhl, Giessen 207. 


Talma, Utrecht 287. 
Tamasczewski, Halle 114, 335. 
V. Tappeiner, München 181. 
Tauber, Wien 149. 

Teleky 452. 

Terrien 243. 

Teschenmacher, Neuenahr 56. 
Theilhaber 304, 336. 


VarknivortUcher R«<l>kteur : Dr. F. 


Thesing, Dr. E-, Magdebui^ 
373 

Thorei,^Nürnberg 163, 356. 
Thienger, Nürnberg 161. 
Thilenius, San.-Rat Dr., Soden 
6, 8, 156. 

Tiedemann, Strassburg 501. 
Tilliss, Berlin 461. 

Tintemann, Göttingen 478. 
Tischler, Berlin 208. 

Tischler, Deggendorff 367. 
Tobias, Berlin 84. 

Torggler, Klagenfurt 838. 
Trautmann. München 502. 
Treplin, Hamburg - Eppendorf 
284. 

Treutlein, Würzburg 230, 320. 
Trommsdorff, München 160. 

Uffenheimer, Dr. A., München 
158, 171, 282, 374. 

Uffenordt, Göttingen 313. 
Üblich, Berlin 148, 182. 

Uhmt, Dresden 461. 

Ullmann, Znaim 290. 
ürbantschitsch 451. 

Vandeweyer, Brüssel 318. 

Vas, Budapest 171. 
von den Velden, Magdeburg 
514. 

Velhagen, Chemnitz 518. 

Veiel, Cannstatt 103. 

Veiel, Nürnberg 514. 

Veit, Halle a- S. 105. 

Velich, Prag 288, 290. 

Veuema, Strassburg 358. 
zur Verth, Kiel 253. 

Viereck, Hamburg 356. 

Vieth, Horneburg 571. 

Voit, Nürnberg 366. 

Volk, Wien 289, 463. 

Voelker, Heidelberg 53. 
Volland, Davos 95. 


Voltolini, Naumburg a. S. 125. 
Vömer, Leipzig 123, 161. 
Vossius, Prof. Dr., Giessen 6, 
61. 

Vulpius 282, 304, 366, 478. 
Wagner v. Janregg 33. 
Waiiaschko, Markow 476. 
Wallart, St. Ludwig 517. 
Waelsch, Prag 459. 

Walz. Stuttgart 281. 

Warnekros, Berlin 290. 
W'assermann, Berlin 161, 206, 
283, 504. 

Wätzold, Freiburg 502. 

Weber, Dr. 234. 

Wechselmann, Berlin 03. 
Wechsberg 379. 
Weckerle,»Frei8mg 460. 

Wehrle, Basel 184. 

Weichardt, Priv.-Doz. Dr., Er¬ 
langen 30, 305, 428. 

Weil, Prag 281, 339. 

Weinberg, Dortmund 181. 
Weinberg, Stuttgart 367. 
Weinstein, Odessa 358, 422. 
Weiss, AUand 520, 540. 
Weissbart, München 194. 
Weissmann, Lindenfels 387. 
Weitzel, Weichenbnchen 283. 
Welsch, Kissingen 161. 

I Werner, Berlin 282. 

Wertheim 338. 

Westenhoeffer 83, 451. 
Weygandt, Dr. R , Wtirzbnrg 

I 220. 

I Wichmann, Blamburg 170. 
Wiehern, Leipzig 476. 

' Wieck, Halensee b. Berlin 450. 
Wiesel, Wien 305. 

' Wiesner, Aschafifenburg 502. 
j Wiesner. Wien 305. 

I Wieth, Ludwigshafen 47. 

] Wild, Schwarzenbach a. S. 147. I 
1 Wilms, Leipzig 70, 321. 1 


Wimmer, Kopenhagen 530< 
Winkelmann, Polte 31. 
Wintersteiner 531. 

Wittgenstein, Wien 358. 
Wohlgemut, Berlin 207. - 
Wolff, Berlin 306. 

Wolflf-Bisner, Berlin 71, 304, 
356, 515. 

Wolff, Leipzig 518 
Wolflfberg, Breslan 477. 
Woltenberg, Tübingen 282. - 

Wunsch, Berlin 148. 

Wybamo, Brüssel 318. • 
Wyssotzki, Dr. A. A., Moskau. 
521, 533. 

Zahn, Halle a. H. 253. 

Zander, Königsberg i. Pr. 336. 
Zangenmeister, Königsberg i Pr. 
337. 

Zarek, 520. 

Zdarek 83, 208. 

Zehdeo, Dr. G., Berlin 361. 
Zelensld, Krakau 463. 

Zernik, Steglitz 503. 

Zesas, Denis G, Lausanne 219. 
282. 

V. Zetschwitz, München 146. 
Zettnow, Berlin 135. 
Ziegenspeck, München 452. 
Ziegler, Breslau 501. 

Zikmund, Oderberg 72. 

Zippel, Hamburg 03. 

Zirkelbach, Budapest 491. 
Zoepperitz, Königsberg 230, 
253. 

Znckerkandl, Wien 346. 

Zunker, Berlin 83. 

Znpnik, Pr^ 463. 

Zweifel, Leipzig 103. 

Zypkin, Mosaau 540. 


Meiisner, B«rlm W. tt, Knrfar»t«n»tr. St. — Vnaütworttieb Utr des Inier»t«nt«il: Der Verlef vom Cerl Merhold. Helle e. S. 
Dreck voa der HeTnemeae'echea Baehdruckeiei, Gebr. Wolff. Hella e. S. 


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Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes 
__ Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee 


Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*: 

Dr. Siebelt, Plinsberg i. Schl. 

Verlag; Gart Marfaold in Halle a. S„ UUandstrafie 6. 

Tel.-Adr.. Marhold Verlag HallesaaJe. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Alle Zuschritten an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hofrat Dr. W. H. Qilbwt, Badea-Badeo. 

Hofrat Dr. W H. QUbert, Baden-Baden. 

Oer Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 

Inh 

Original: Einiges Uber Klima. Von Professor Dr. Adolf Ott. 

Feallleton: Auszug aus einem Voitragc, golialten anlässlich der V. 

halneolog. Kurse in Baden-Baden von Hofapotheker Dr. C. Holfnianii. 
Sitzan^bencht: Pretukull der XIV, Jahresvcrsanuuluiig des Allge¬ 
meinen Doutsehon Bäder-Verhandos zu Ems. 

alt. 

Ans den B&deru nad Kurorten. 

Literatur. 

Vermlsehtes. 

Meteorologische Statistik. 


Einiges über Klim a. 

Von Professor Dr. Adolf Ott.*) 

Heutzutage, wo man bestrebt ist, immer melir von der 
medikamentösen Behandlung chronischer Leiden abzusehen und 
von der Natur gebotene Hilfsmittel in Anwendung zu ziehen, 
wird man sich immer häufiger vor die Frage gestellt sehen; 
ob eine Veränderung des Klima, beziehungsweise welches Klima 
im gegebenen Falle am besten geeignet wäre, um eine Bes¬ 
serung oder Heilung der Gesundheitsstörung herbeizuführen. 
Um hierin ein richtiges Urteil fällen zu können, muss man, 
wie bei jeder therapeutischen Verordnung, mit den Eigentüm¬ 
lichkeiten der verschiedenen Klimato bekannt und sich darüber 
klar sein, was man von der Einwirkung derselben für den 
speziellen Krankheitsfall zu eru’arten habe. Die Kenntnis der 
Bedeutung und physiologischen Wirkung der einzelnen, ein 
Klima charakterisierenden Faktoren, sind die Vorbedingung 
dafür. Die Faktoren, welche den Klimaeharakter bilden, sind: 
die Luft, der Boden und das Wasser, beziehungsweise die 
diesen entstammende Feuchtigkeit. 

Bezüglich der Luft kommt es vor allem auf ihre Reinheit, 
insbesondere auf Staub- und Miasmenfreiheit an. Der Gas¬ 
gehalt ist weniger von Bedeutung, da der Sauerstoff- und 

*) Vorfrag gehalten auf der V. ärztlichen Studienreise. 


Stickstoffgehalt nur wenige Schwankungen aufweison, und nur 
der Kohlensäurcgehalt stellenweise bedeutender ist, jedoch 
kaum an einer klimatischen Station eine solche Höhe erreichen 
dürfte, um in die Wagschale zu fallen. Über den Ozongehalt 
lässt sich nichts bestimmtes sagen, da wie auch Glax bemerkt, 
alle gebräuchlichen Methoden, Ozon in der Luft nachzuweisen, 
.so unsichere Resultate geben, dass daraus zu ziehende Schluss¬ 
folgerungen kaum zu begründen sind. So viel lässt sich aber 
als feststehend annehmen, dass im allgemeinen der Ozongehalt 
am Meere bedeutender ist, als im Binnenlande, und ebenso auf 
Höhen in der Nähe von Waldungen grösser, als in der Ebene 
und im baumlosen Terrain. 

Wichtig ist die Temperatur der Luft Sie ist je nach 
Erhebung des Ortes über der Meoresfläche, je nach der Lago 
und nacli Dauer der Belichtung verschieden. In klimatolo- 
gischer Beziehung wird nur die mittlere Temperatur in Be¬ 
tracht kommen. Die Wärme eines Ortes hängt hauptsächlich 
von der Dauer und Intensität der Sonnenstrahlung ab, des¬ 
gleichen auch dossen Belichtung. Um die Temperatur eines 
Ortes beurteilen zu können, wird man daher ausser anderen 
Momenten vorzugsweise die Zahl der sonnigen Tage in den 
einzelnen Jahreszeiten, die Dauer der Besonnung an den ein¬ 
zelnen Tagen keimen müssen. Sie hängt wesentlich von der 
Wolken- und Nebelbildung, *d. h. von der in der Luft befind¬ 
lichen F euchti gke it ab, welche gleichfalls einen wichtigen 
Faktor der Luftbeschaffenheit ausmacht, und den wir aus der 


Feuilleton. 

Auszug aus einem Vortrage, 
gehalten anlässlich der V. halneolog. Kurse 
in Baden-Baden 

von Hofapotheker Dr. C. Ho£^ann 

Vorstand des Amtlichen Unter-iucb.-Laboratoriunis Baden-Baden 
Oktober 1905. 

Sie stehen auf historischem Boden. Bis zur Römerzeit 
reicht die Geschichte Baden-Badens zurück. Nicht nur der 
Ort als solcher, sondern auch das Bad Baden-Baden kann 
bis in die Tage der römischen Kaiser Hadrian und Caracalla 
seinen Stammbaum zurückführen. Verdankt es doch auch 
diesem Caracalla, dessen eigentlicher Name bekanntlich Marcus 
Aurelius Antoninus war, seinen römischen Namen 
„Aurelia aquensis.“ 

Noch heute erzählen die vorzüglich erhaltenen (zwischen 
dem Grossherzogi. Friedrichsbade und dem „Kloster zum Heiligen 
Grabe“ gelegenen) Römerbäder mit ihren bewundernswerten 
Einrichtungen von der Bedeutung des Kurortes zu Römerzeiten. 
Unzählige Funde, gelegentlich der hier schon seit vielen Jahren 
glänzend durchgeführten Kanalisation ausgegraben, bestätigen 
ferner die römische Ansiedlung, die nach den Fundorten dieser 
ausgegrabenen Gegenstände zu schliessen, eine recht bedeutende 
gewesen sein muss. 


Es soll heute nicht meine Aufgabe sein, Ihnen, hoch¬ 
geehrte Herren, die Geschichte Baden-Badens vorzutragen. 
Ich erwähne daher nur kurz, dass die römische Herrschaft 
von derjenigen der Alemannen und später jener der Franken 
abgelöst wurde. Die Historie erzählt dann voniBaden-Baden 
als dem Besitze der Mönche des elsässischen Klosters Weissen- 
burg; dann berichtet sie von dem neuen Herrn, dem Grafen 
von Calw, bis schliesslich der Ort in den Besitz des edlen Ge¬ 
schlechts der Zähringer, dem bekanntlich auch unser geliebter 
Grossherzog angehört, überging. 

Manch heftiger Sturm, namentlich zur Zeit des dreissig- 
jährigen Krieges und der Franzosenkriege ist über dieses schöne 
Fleckchen Erde dahingebraust (1689 wurde es vollständig 
zerstört), aber wenn auch Kriege uqd Unglück so manche 
Wunden schlugen, — wie ein Phönix aus der Asche stieg es 
immer wieder empor und ist zur Zeit als Kur- und Badeort 
zu herrlicher Blüte gediehen. Das hat Baden-Baden seiner 
schönen, geschützten Lage, im Schosse prächtiger Berge und 
Wälder, seinen in hygienischer Beziehung hervorragenden 
staatlichen und städtischen KinrichtuDgen, das hat es aber 
auch seinen natürlichen Kurmitteln, in erster Linie den Thermen, 
zu danken. 

In der märchenhaften Tiefe von ca 2000 m unter der Erde 
wirken die wunderbaren Quellengeister, die uns das heilsame 
Thermalwasser brauen und unterhalb des Schlossberges in einer 
ganzen Anzahl von Quellen, die der Volksmund mit den wenig¬ 
schönen Namen: Brüh-Höllen-Ungemach-Quelle etc. belegte, 
zu Tage treten lassen. Nahezu eine Million Liter Wasser, — 


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BALNEOLO GISCHE CENTRALZEITUNG 


1906. 


Zahl der Regent^e, beziehungsweise Regenimen^ entnehmen 
können. Je weniger ein Klima von wechselnden Feuchtigkeits¬ 
mengen beeinflusst wird, um so gleichmässiger wird es sich 
gestalten. Der Luftdruok ist nicht nur nach den Breitegraden 
und je nach der Erhebung über dem Meere verschieden, sondern 
auch periodischen Schwankungen unterworfen, welche von der 
Temperatur und dem Feuchtigkeitsgrad der Luft abhängen. 
Die trockene Luft ist leichter, die feuchtere schwerer. 

Rascher Wechsel des Luftdnicks und der Temperatur 
führen zu beschleunigter, stärkerer Luftbew'eguug, in-höherem 
Grade zur Entstehung von Wind. Je nach der Häufigkeit und 
Intensität derselben und der sich damit einstellenden Verände¬ 
rungen der Temperatur- und Feuchtigkeitsgrösse werden die 
klimatischen Vernältnisse eines Ortes wesentliche Änderungen 
erfahren. 

Der Boden ist durch seine Einwirkung auf die Tempe¬ 
ratur und Feuchtigkeit der Luft von wesentlichem Einfluss auf 
das Klima. Grosse Wa.sserflächen, wie die Nähe des Meeres 
oder von Binnenseen, werden durch beständige Verdunstung 
die Temperatur herabsetzen, den Feuchtigkeitsgehalt der Luft 
steigern. Desgleichen auch au^edehntere W^dbestände und 
Wiesenflächen, indem sie die Erwärmung und Austrocknung 
des Bodens verlangsamen. Je vegetationsärmer, steiniger der 
Boden ist, umsomehr Wärme w'ird er absorbieren und aus¬ 
strahlen, umsow’eniger Feuchtigkeit entwickeln. 

Wie diese, den Charakter eines Klimas bestimmenden 
Faktoren auf den menschlichen Organismus einwirken, lehren 
uns die Erfahning, sowie diesbezüglich angestellte Unter¬ 
suchungen. 

Geringe Schwankungen des Gasgehaltes der Luft wei*den 
keinen wesentlichen Einfluss haben. Hauptsache wird immer 
die Reinheit und der Sauerstoffgehalt derselben bleiben. Die 
günstige Einwirkung der mäßigen Wärme auf den Gang der 
Lebonsfunktionen ist bekannt. Ein Gleiches ist von der Be¬ 
lichtung zu sagen. Beide wirken günstig auf das Gefäss- und 
Nervensystem und steigern damit den gesamten Stoffumaatz im 
Körper. Wie Pflanzen und Tiere bei Licht und Wärme ge¬ 
deihen, so ist dies auch bei Menschen der Fall. Durch die 
Sonnenstrahlung wird die Wasserdampfabgabe durch Haut und 
Lungen befördert. Ausser der Wärme ist aber noch der 
Feuchtigkeitsgehalt der Luft bestimmend für die Wasserabgabe 
des Körpers, und zwar: je geringer der Feuchtigkeitsgehalt, 
um so grösser die Wasserabgabe, und umgekehrt. Im allge¬ 
meinen ist feuchte Luft dem Menschen w-eniger zuträglich. 


bei einer Temperatur von ca. 60® C — entströmt täglich — zum 
Wohle der leidenden Menschheit — dem Schosse der Erde. All’ 
die erwähnten Quellen wurden io den Jahren 1871—77 anlässlich 
der Erbauung des Gr. Friedrichsbades in einen gemeinschaftlichen 
Stollen vereinigt und erhielten den Namen „ Hauptstollen-Qnelle“, 
den man später, in begründeter Dankbarkeit gegen den Landes- 
fürsten, unsem allgeliebten Grossherzog, der so oft mit 
energischer Hand die Geschicke Baden-Badens zum Guten führte, 
in „Friedrichs-Quelle“ umänderte. 

War es schon in den 50er Jahren die Trinkhalle, in 
der Sie stehen, welche für den Kurort einen wesentlichen An- 
ziehungsmmkt bildete, so sollte ihm die Errichtung des „Gross- 
herzogl. Friedrichsbades“ mit seinen noch heute an Voll¬ 
kommenheit und Komfort von keinem Bade erreichten Ein¬ 
richtungen einen kaum geahnten Aufschwung bringen. Die , 
zaghaften Gemüter, welche mit Schluss des Hazard-Spieles im . 
Jahre 1872 auch glaubten den Ruin Baden-Badens zu sehen, , 
wurden gar bald eines Besseren belehrt. Die Fremdenzahl, | 
die im Jahre 1872 ca 30000 betrug, wird in diesem Jahre I 
auf nahezu 80000 steigen, wohl der oeste Beweis dafür, dass 
Baden-Baden nicht von dem Spiele abhängig war, sondern im i 
Kurort seine wesentlichste Bedeutung zu suchen hat 

Was die neuesten Forschungen und Erfahrungen auf dem 
Gebiete der Balneologie gebracht hatten, das wurde in diesem 
Musterbade, dem erwähnten Friedrichsbade, verwertet Thermal- 
Wannenbäder und Schwimmbäder, Wildbäder, Dampfbäder, 
Bäder in heisser Luft, alle Arten Douchen, Fango, Elektrische 
Bäder, Tallermaon etc. etc., alles werden sie dnreh eigene 


Ist feuchte Luft zu^eich warm, so wirkt sie anfai^ beruhi- 
hend, später erschljÄend, besonders auf Nerven und Verdauung, 
die Verdunstung durch Haut und Lungen hemmend. Kalte 
feuchte Luft wirkt w'ärmeentziehend, d^er leicht erkältend, 
welche Wirkung sich namentlich an Schleimhäuten und Ge¬ 
lenken bemerkbar macht Die IBehinderung der Wasserabgabe 
durch Haut und Lunge führt zu Steigerung derselben durch 
die Nieren. Bezüglich des Luftdrucks haben wir hauptsächlich 
nur die Verminderung desselben in Betracht zu zieh^, da die 
Zunahme des Luftdrucks niemals, selbst am Meere, einen so 
hohen Grad erreicht, dass dadurch auffälligere Erscheinungen 
au^elöst würden. 

Über die Einwirkung des verminderten Luftdruckes be¬ 
ziehungsweise verdünnter Luft, wie solche im Hochgebirge ^ch 
findet, gehen die Ansichten weit auseinander. Soviel steht je¬ 
doch fest, dass wie William*) gefunden hat, die Thoraxer¬ 
weiterung infolge der bei LuftverdÜnnung sich einstellenden 
tieferen Inspirationen zunehmen und damit die Lungenventilation, 
der Saiierstoffsverbrauch, wie die Kohlensäureausscheidui^ 
wesentlich gesteigwt werden. Der Puls wird frequenter, die 
Gefässspannung geringer. Über dasVerhalten derBlu^örperchen- 
zahl und der Hoem^obinmengen in verdünnter Luft ist die 
Frage heute auch noch nicht entschieden. Während Jacquet*), 
Löwy*) und A. für eine Zunahme eintreten, ist Abdertalden®) 
der Ansicht, dass diese nur scheinbar sei und nur auf Verände¬ 
rungen der Weite der Blutgefässe beruhe. So hat sich denn 
auch Grawitz auf der diesjährig«! Balneologenversammlung 
in Berlin dahin ausgesprochen, dass. die Blutveränderungen 
nicht auf die verdünnte Luft im Hochgebirge zu beziehen 
seien, sondern vielmehr auf den Einfluss der allgemein günstigen, 
durch Veränderung der Luft- und Lebensverhältnisse herhei- 
geführten Umstände. 

Von Bedeutung ist die Einwirkung der Luftbewegung, 
besonders jene des Windes. Abgesehen von dem hierdur^ 
bedingten Wechsel und Reinigung der Luft würd ihre Ein- 
w'irkung verschieden sein, je nach der Wärme und Feuchtig¬ 
keit der Luft, ferner der Stärke'ihrer Bewegung. Warme und 
feuchte Winde wirken erschlaffend, trockenwarme erregend, 
feuchtkalte w-ärmeentziehend. Je rascher die Luft bewegt 
W'ird, desto grösser ist ihre Einwirkung. Bei rascher Luftbe¬ 
wegung — starkem Wind, ist überdies der derselben von 
Seiten des Körpers entgegenzustellende Widerstand zu berück¬ 
sichtigen, welcher die Muskulatur zu stärkerer Aktion anregt. 

_ (SchliwB folgt.) 


Anschauung dort vereinigt finden und ich bin — ohne pro 
domo zu reden — im Voraus überzeugt, dass Sie von aen 
mustergiltigen Anlagen befriedigt sein werden. 

Der Besuch dieses Bades war denn auch ein so lebhafter, 
dass schon wenige Jahre nach der Erbauung des Friedrichs¬ 
bades das lebhafte Verlangen nach Erweiterung der Bfider- 
aulage laut wrurde und die Regierang unter dem Szepter eines 
weitschauenden Fürsten zum Ban eines besonderen Franenbades, 
des jetzigen Kaiserin-Augusta-Bades, sich entschloss. 
Auch dieser Millionenbau dürfte wohl unter den Bädern 
Europas seinesgleichen suchen. Die spätere Besichtigung wird 
Ihnen am besten meine Behauptung bestätigen und beschränke 
ich mich nur noch darauf, hinzuzufügen, dass beide Bäd«*; 
Friedrichsbad und Augustabad neben den erwähnten vielseitigen 
Badeeinrichtungen anch die denkbar vollkommenste Einrichtung 
für „Schwedische Heilgymnastik“ enthalt«!. 

Als weitere sehr erwünschte Vervollkommnung unserer 
Kurfaktoren ist noch das Grossherzogi. Inhalatorium 
zu erwähnen, das im Jahre 1899 dem Verkehr übergeben 
wurde und wohl zur Zeit das besteingerichtete derartige In¬ 
stitut auf dem Kontinent sein dürfte. Schliesslich möchte 
ich auch uoch des Landesbades gedenken, dessen wohltätige 
Einrichtung besonders den weniger Bemittelton zu Gute kommt 
und das unter der bewährten Führung des Gr. Mediziaalrats 
Dr. Neumann, den Sie in den Kursen auch als Dozenten 
schätzen lernen werden, sich eines grossen Rufes erfreut Alle 
erwähnten Anstalten sind der Leitung der „Badeanstalten- 
Kommission“ unterstellt, an deren Spitze der Ihnen heute 


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xm. 


BALITBOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


8 


Sltzuns^sbericht* 

Protek4jU der XIV, Jethreeverttammlung des 
Allgemeinen Hentechen Bäder~Verbande» xu Ems, 

Der Vontond batte unter Bekanntgabe nacbatehender Tages¬ 
ordnung re^taeitig etngehtdea: 

Mittwoch» den 4. Oktober. Vormittags 8^/, Uhr: Erste 
allgemeine Sitaung. 1. Ühöffiiiingsanspracba des VorsHz^den. 2 . 
GescbAfcliche Mitteilongem 3. Vorträge: a) Dr. Stemmler- 
Bad Ems: Historische Entwickelung von Ems. b) Dr. Ernst- 
Bad Ems: über die hygienischen und sanitären Verhältnisse in 
Ems. c) Prof. Dr. Fresenias-Wiesbadeii: Über die chemische 
Zosanunensetaung der Mmeralqnellen. d) Dr. Wagner- 

Bad E&sen: Der Spcwt in Knrorten. e) Eairdirektwr Hey’l- 
Aaohen: Straaseareinigsag und Staabeatwi^^lnag in Kurorten, 
f) Ingenieur Seherrer jun. Bad Ems: Mineralquellen- 
faasuagen mittet Bohren und Schärfen, g) Sanitäts - Rat Dr. 
Winkler-Bad Nenadorf: Über die Behüidlung der gemeinen 
Schi^ipenfleehte mit Nenndorfer Scbwefelwasser. 

Donnerstag» den 5. Oktober. 1. Mitteilungen. 2. Vor¬ 
träge: h) Bürgermeister Bleymüller-Ilmenau: Über die 
Persenentarifrelbnnen in Beziehung zu der Frequenz der Bäder 
und Somraerfrisoben. i)Dr. 8ohtttze-Bad Kösen: Das Kranken¬ 
haus in kleinen Kurorten, k) Dr. Eddy Schacht-Todtmoos: 
Seereisen als Heilmittel. 1) Dr. Delkeskamp-Giessen: Zur 
Büdungsweise der Mineralwässer, mit besonderer Berücksichtigung 
der Emoo r Mineralquellen, m) Sanitätsrat Dr. Nicolas-Wester¬ 
land: Die Eonfessionsfrage in den Bädern und Kurorten. 

Dritte — uichtbffentUche Sitzung. 

Abstimmongathhige Anträge sind nieht eingegangen. 1. Q«- 
sohäftlicbe Mitteilungen. 2. IXe Kurortkomniiäsion der Berliner 
äntUeben Staadesrerehie. 3. Re^ungjriegung. 4. Vorstands- 
w'ahL 5. Wahl des Versammlungsortes für 1906. 

Der Einladung waren nachgekommen von hohen Behörden das 
Ea»erli(^e Gesundheitsamt, vertreten durch Herrn kaiserl. Re- 
gienmgsrat Dr. Rost, Berlin; die Eönigl. Regierung zu Wiesbaden, 
vertretendur^Herrn Regienuig8ratDr.v.Lucke,Wie^aden. Sonst 
warmi erschienen, zum Teil in Begleitung ihrer Damen, die Herren: 
Dr. Rud. Michaelis-Rehbnrg, Geheimer Sanitätsrat. Dr. Axel 
Winkler - Nenndorf, Sanitätsrat. Professor Dr. phil. E. Hintz- 
Wiesbaden. Kurdirektor F. Rütten-Neuenahr. Dr, J. G. Siebelt¬ 


morgen durch seine Begrüssongsrede sehoe bekannt gewordene 
geniale Geheime Regierui^srat Haape steht Als Grossherzogi. 
Badearzt ist neben den anderen Ärzten Baden-Badens, die alle auch 
als Badeärzte fungieren, Hofrat Dr. Obkircher erfolgreich tätig. 

AU die oben erwähnten Kurmittel, von Menschenhand ge¬ 
schaffen, soUeii aber nur den Zweck verfolgen, unsere natür¬ 
lichen Mittel, vor Allem die Thermen, in ihrer Wirkung zu 
unterstützen. Die Baden-Badener heissen Quellen gehören zu 
den „alkalischen Kochsalztbermen^ und sind, neben dem hohen 
Gehalt an Chlomatrinm, besonders durch ihren wesentlichen 
Gehalt an „Lithium‘^ und „Ai-sen“ von nicht zu-unterschätzender 
Bedeutung. Die Erfolge, die bei den Kuren namentlich von 
bamsanrer Diäthese, bei Gicht und Rheumatismus, (für welche 
die hiesigen Qn^en besonders indiziert sind) erzielt wurden, 
sind ganz hervorragende, aber auch die Behandlung von Folge- 
zust^den nach Verwundungen wio sie z. B. in letzter Zeit viel¬ 
fach bei Pflege von Südwestafrika-Kriegem angewendet wurde, 
bei EnochenDrü(^en etc., dann andererseits auch hei Malaria, 
Katarrhen der Schleimhäute. Krankheiten des Nervensystems, 
Frauenkrankheiten etc. erzielte vorzügliche Resultate. 

Wenn ich vorhin die heilsame Wirkung unserer Thermen 
hauptsächlich auf ihren Gehalt an Lithium und Arsen znrück- 
fübrte, so könnte man zu der Ansicht kommen, dass man durch 
eine Lösu^ dieser Körper im gleichen Verhältnisse dieselben 
günstigen R^ltate erreichen konnte. Mögen aber die Chemiker 
der Natur schon so oft in’s Handwerk gepfuscht haben, mögen 
m mit emsigem F l e iss e ihren Spuren folgen, hier stehen sie 
vor einem Rätsel. Die natürlichen Heilqumlen nnd namentlich 


Flinsberg (Sohleuieii), ReiQhsgrfhäoher Badsarst. Oberst z. D. 
V. Dresky-Ems, K^. Kurkoaunisaar. Prof. Dr. H. Freaenius- 
Wiesbaden, Geheimer Regierungsrat. Dr. iur. Schubertrt^is, 
Bürgermeister. Dr. phil. B. Büttner-Bad Salzbrunn, Kurdirektor. 
Bürgermeister Bleymilller-llmeiiaa. Dr. Stem-Langenachwalbacb. 
Stadtrat Tecb-Eolberg. Bürgermeister v. Graetzel-Swinemünde. 
Sanitätsrat Dr. Varenhorst-Nenndorf. Sanitätsrat Dr. v. Hoffmann- 
Bentheim. Bergrat Menzel-Diez a. Lahn. Bürgermeister Bnaz- 
Soden a. T. Knrdirektor v. KöUer-Soden a. T. Dr. Pohl-Wann¬ 
brunn, Reichsgräflicher Badeeh'zt. Dr. Krone-Teinadi, Dir. Bade¬ 
arzt. Kammerherr v. Preen - Badenweiler, Oberamtmann. Re- 
gierungsrat v. Alberti-Bad Elster. Rittmeister a. D. Dommes- 
Bad Harzburg, Herzogi. Kurkommissar. Sanitätsrat Dr. Schenk- 
Bad Sulza. Karl Gründling-Bad Sulza, Mitglied der Badedirektion. 
Frhr. v. Hundelshausen-Pyrmont, Fücstl. Brunnendirektor. Dr. 
med. Reuter-Ems. Dr. med. K. Reckmann-Oeynhaueen. Bergrat 
Morsbaoh-Oeynhausen. Dr. med. Wagner-Kösen. Dr. med, Apt- 
Ems. Direktor Richard Riess-Ems. Rücker, Besitzer der ROmer- 
qnelle in Ems. Direktor Ort'mann-Franzensbad. Dr. mfed. Schantz- 
Ems. Dr. med. Baur-Ems. Dr. med. Koch-Ems. Dr. med. 
Missmahl-Assmannshausen. Hofrat Dr. med. Röcdiling-Misdroy, 
Badearzt Bürgermeister Kindler-Westerland (Sylt). Rudolf 
Trommsdorf-Ilmenan. 0. Kaempf-Friedriohroda. Dr. med. Julius 
Mü]lei>Eais. H. Schaedel-Friedrichroda. W. Liebold • Friedrich¬ 
roda. Leopold Schuchardt, Friedrichroda. Hauptmann a. D. Ge¬ 
orgesohn-Bad Godesberg a. Rh. Salinendirektor ^ttgast-Salzongen. 
Bürgermeister v. Statterheim - Bad Harzburg. Kaiser-Koblenz. 
G. Pappenheim-Koblenz. Sanitätsrat Dr. Hufnagel-Bad Orb. Dr. 
med. Scherf-Bad Orb. Major a. D. Adolf-Kreuznach. Redakteur 
Grötsch-Ems. Bürgermeister Dr. iur, Beyendorf-Kösen. Dr. med. 
Stemmler-Ems. Dr. med. Emst-Eras. Dr. iur. Frhr. v. Gagem- 
Kissingen, Kgl. Kammeijunker, stellv. Badekommissar. Oberstabs¬ 
arzt Dr. Bassmann-Montigny. Direktor Georg Bmder-Kiasingen. 
Dr. med. Prorok-Soden a. Taun. Bürgermeister v. Beckerath- 
Langewiesen i. Th. Bergreferendar H. Hocbstrate-Diez a. Lahn. 
Ingenieur Seherrer jtm.-Fachingen. Geh. Sanitätsrat Dr. Elngel- 
mann-Kreuznach. Oberleutnant a. D. Haeseler-Bad Salzschlirf, 
Kurdirektor. Dr. med. Schütze-Kösen. 

Einer am Nachmittag des 3. Oktober abgehaltenen Vorsttmds- 
sitzong folgte ein Begi’Ussungsabend für die bereits eingetrofienen 
Teilnehmer der Versammlung in den Räumen des Königl. Kur¬ 
hauses. (Schluss folgt) 


die Thermen sind auf künstlichem Wege nicht nachzuahmen; 
immer wird dem Kunstprodukt ein Etwas fehlen, das die 
Wirkung beeinträchtigt. Ob die molekulare Zusammensetzung 
eine andere ist, ob durch den Gehalt an Radium, jenem noch 
so geheimnisvolien Stoffe, der mit seinen Eigenschaften alle 
unsere bisherigen Tbe(men über den Haufen zu werfen scheint 
und der in unseren Baden-Badener Thermen durch bervor- 
ra^nde Forscher wie Engler, Himstedt, Geitel u. A. besonders 
geTialtrekh angetroffen wurde, eine Erklärung gefunden wird, das 
wird uns in den nächsten Tagen Herr Geheimrat Engier in 
seinem Vortrage über Radium besser und ausführlicher sagen. 

Ich will heute nicht lange darüber philosophieren und 
Hypothesen stellen, sondern will mich mit den Kranken, die 
unsere schöne Bäderstadt besuchen, der wunderbaren Einrichtung 
{reuen, die uns die Natur geschaffen hat. 

Auf dem Oiebelfelde dieser Trinkballen-Fassade, werden 
Sie eine Quellnymphe dargestellt sehen, welche mif einer 
Seite die Kranken sich nahen, während auf der andern Seite 
die Geheilten beglückt davonziehen. Mit diesen lassen Sie 
mich sagen: 

Deine Quelle lässt gesunden. 

Schenkt dem Kranken Lebenslust, 

Heilt des Armen Schmerz und Wunden, 

Macht das Herz frei in der Brust, 

Lässt an sonnig-heit’ren Festen 
Den Gesunden sich erfreuen, 

Schenkt den Becher ihm von^ besten 
^ Golden-klaren I^iebenswein. 


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4 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


1«O0. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

BadW-Baden. Nach den vergleichenden Übersichten ge¬ 
staltet sich die Frequenz der hiesigen Grosslierzoglichen Bad- 
Anstalten im Monat November d. Js. in folgender Weise: 

Im Grossherzoglichen Friedrichsbad wurden 597 
Bader abgegeben, Abonnenten der Heilgymnastik waren es 2, die 
Anzahl der Massierungen betrug 6. Die Einnahmen hierfür stellen 
sich auf 935 M. 50 Pf. Die Gesamteinnahme für die 11 Monate 
Januar-November d. Js. beliefen sich im Friedrichsbad auf 124592 
M. — Pf. gegen 123 087 M. 20 Pf. im gleichen Zeitraum des 
Vorjahres. 

Im Kaiserin Augusta-Bad wurden im Monat Oktober 
d. J. 1765 Bäder abgegeben, Abonnenten der Heilgymnastik 
waren es 38, die Anzahl der Massierungen betrug 24. Hierfür 
wurde eine Einnahme von 3098 M. 70 Pf. erzielt, während sich 
die Gesamteinnahme im Kaiserin Augustabad für die Monate März- 
November d. J. auf 70563 M. 50 Pf. stellt, gegen 57 698 M. 
60 Pf. im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 

An Fango-Behandlungen wimden im Monat November 
d. J. im Grossherzoglichen Friedriohsbad abgegeben: grosse Be¬ 
handlungen zu 4M. 50 Pf. 16, kleine Behandlungen zu 3 M. 86, 
Abonnements zu 27 M. 1. Die Einnahmen hierfür betrugen 357 
M. — Pf., während sich die Gesamteinnahme für die 11 Monate 
Januar-November auf 17 567 M. — Pf. stellt, gegen 15452 M. 
50 Pf. im gleichen Zeitraum des Vorjahres. 

Die Gesamtfrequenz war insofern eine sehr günstige, als sie 
diejenige der'Vorjahre um ein bedeutendes übertrifft, trotz der un¬ 
günstigen Witterung während der Monate September und Oktober. 


Literatur. 

C. Engler. Über die Radioaktivität der Thermal¬ 
quellen von Baden-Baden. (Zeitschr. f. Elektrochemie.) 
Verf. hat die Quellen der berühmten badischen Bäderstadt 
einer genauen Prüfung auf Radioaktivität unterzogen. Er be¬ 
schreibt zunächst einen von ihm neukonstruierten Apparat zur Be¬ 
stimmung der R. Der Apparat ist leicht transportabel und bietet 
deshalb den Vorteil, dass von jetzt ab solche Untersuchungen an 
Ort und Stelle der Quellen vorgenommen werden können. Das 
rasche Abklingen und Verschwinden der Aktivität verbietet den 
Versand per Post und Bahn. 

Die älteste Quelle in Baden-Baden, die sog. Büttquelle zeigt 


die stärkste Aktivität (6900 Voltabfall pro 1 Lit. und 1 Std.). 
An zweiter Stelle steht die Murquelle (2020 Voltabfall). Die 
anderen sind wesentlich schwächer, — Auch der Schlamm der 
Badener Quellen enthält Radium, wie der Verlauf der Abklingungs- 
kurve im Elektroskop ergibt, welche derjenigen von Curie für 
Radium entspricht. Die Menge der mit dem Radium vergesell¬ 
schafteten Elemente (Tor, Mangan, Baryum, Titan) steht nicht mit 
der Radioaktivität im Einklang. Es lässt sich deshalb schwer 
aufklären, aus welchem Gestein, ob aus tiefen oder oberflächlichen 
Schichten die Radioaktivität der Quellen von Baden-Baden stammt. 
Letzteres ist nach Verf. da.s wahrscheinlichere. Engel. 


Vermischtes. 

— Dem Ingenieur Georges Claude in Paiis ist es ge¬ 
lungen die Scheidung des Sauerstoffs und Stickstoffs der flüssig 
gemachten atmosphärischen Luft im grossen und auf billige Weise 
zu bewerkstelligen; seine Methode entwickelte er in der letzten 
Sitzimg der Pariser Gesellschaft der Zivilingenieure, Olaudes Ver¬ 
fahren beruht darauf, dass bei Verflüchtigung der flüssigen Luft 
zuerst der Stickstoff frei wird, während der Sauerstoff sich länger 
im Gefässe hält. Anderseits ist zu beobachten, dass bei Erzeugung 
von flüssiger Luft die ersten gewonnenen Teile sehr reich an 
Sauerstoff, die letzteren sehr reich an Stickstoff sind. Diese 
Wahrnehmungen führten zu einem der Rektifikation des Alkohols 
ähnlichen Prozesse, über den nähere Mitteilungen zu machen Claude 
sich noch vorbehält. 

Wie bekannt, sind sowohl reiner Sauerstoff als auch reiner 
Stickstoff für die Technik ausserordentlich wichtig und imstande 
ganz neue Industrien ins Leben zu rufen, sobald ihr Preis unter 
eine gewisse Grenze sinkt. So kostete das Kubikmeter Sauerstoff 
noch vor wenigen Jahren 5 M. und wurde erst durch das ver¬ 
besserte Lindesche Verfahren, bei welchem die Luft verflüssigt 
wird, auf 5 Pf. pro Kubikmeter herabgesetzt. Bei diesem Preis 
konnte man bereits an die Gassauerstofi'beleuchtung ganzer Städte 
denken, während die Anwendung in der Hüttentechnik noch be¬ 
schränkt blieb. Sollte jedoch jetzt der Preis, nach den Erklärungen 
des Ingenieurs Georges Claude, wirklich auf ca. 1,6 Pf. herunter- 
gegangen sein, so würde der Sauerstoff damit seinen Einzug in 
die Hüttentechnik halten können, und wahrscheinlich würde anch 
der Stickstoff in der Stahlbereitung sowie in der Darstellung des 
Kalistickstoffes eine wesentliche Rolle spielen. 


Meteorologische Statistik. 

Veranstaltet von der Redaktion der Balneolegisotien Zentralzeitung.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

miuimum 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

. ''d ■ 

5 , 

l:s| 

8 — S 
ii o 

a u 

Q 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

schein- 

tage 

Wiviel 
Tage i 
bewölkt 

Wind¬ 
stärke j 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

15.-22.12, 

3,6 C. 

8,6 C. 

769,7 

_ 

5 

2 

_ 



Badenweiler. 


— 

— 


— 

— 

— 

_ 

__ 


Driburg. 

n 

— . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Ems.. 


0,3 C. ' 

4,2 C. 

766,2 

4 

2 

5 

2—8 



Giesshübl-Sauerbrunn . . 


— 3,3 C. 

1,3 C. 

.—. 

2 

2 

3 

_ 

_ 


Franzensbad. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 


Herrenalb. 


IV, C. 

4V,C. 

733 

1 

27, 


3 

— 

1 Tag Schnee 

Kreuznach. 




_ ' 

— 



_ 



Langenschwalbach . . . 


— 

— 

— • 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 


— 

5 C. i 

763 

2 

2 

3 

1 

— 


Nauheim . .. 


— 1,2 C. 

2,7 C. 

738,7 

1 

1 

6 

1—3 

_ 

2 Tage Schnee 

Nenndorf. 


— 

— 

_ 

— 

— 

— 

_ 

_ 


Norderney. 


— 

— 

— 

_ 


— 

— 

— 


Orb. 


— 

_ 

_ 



_ 

_ 

_ 


Reichenhall . . . . • . 


— 

_ 

-■ 


_ 

_ 




Reinerz. 


— 5 C. 

2,0 C. 

721 


1 

6 

4 

1 

1 Tag Schnee 

Salzbrunn. 

n 


— 

— 

—- 

— 

— 

— 

1 __ 



Verantwortlicher Redakteur: Hofrat Dr. W. H. Gilbert. Uaden-Baden. — Verantwurilich für den Anieigrnteil: E. Abel, Kixdorf. 
Verlag von Carl Marhold. Halle a. S. — Druck von Heyncmann'sche Huchdruckerei, Gebr. Wolff, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgang. 1906. Nr. 2. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Biderverbandes, des SchwarzwaldbiUertages, des Verbandes 
Deutscher Nordseebider und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des ,Allg. D. B.-V.*: 

Verlag: Carl Marbold ln Halle a. S.» Uhlandstrafte 6. 

TeL-Adr.: Maiiiold Verlag HaDesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. Sebelty Plinsberg i. Schl. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hotrat Dr. W. H. OUbert, Baden-Baden. 

Hofrat Dr. W. H. Qflbert, Baden-Baden. 

Der Nachdmck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt 


Origlsal: Eini^ Uber Klima. Von Professor Dr. Adolf Ott. (Schluss.) 
Feallletoa: ÜW die Anwendunff von Einreibungen mit Kaliseifo und 
nachfolgenden Bfidem nach der Kappesser'scbcii Methode bei Lues. 

Von Oberstarbrarzt a. D. Dr. Gielen-Halensee. 

Httsun^berteht: Protokoll der XIV. Jabreeversammlung des Allge¬ 
meinen Deutschen Bäder-Verbandes zu Ems. (Fortsetzung.) 

Aus den Bädern nnd Knrorteu. 

Literatur. 

Tennlsclites. 

Personalien. 

Meteorologtsehe Statistik. 

Einiges über Klima. 

Von Professor Dr, Adolf Ott.*) 

(Schluss.) 

Mit den einzelnen, das Klima charakterisierenden Faktoren 
und deren Wirkung vertraut, wird es nicht unschwer sein, das 
Nichtige zu wählen. Dass dabei die Konstitution, das Alter, 
die Wderstandakraft, sowie die besonderen Erscheinungen der 
Erkrankung berücksichtigt, mit einem Worte individualisiert 
werden müsse, ist wohl selbstverständlich. Diese Umstände 
werden dann bestimmend sein für die Wahl des Ortes, welcher 
aus der sonst allgemein indizierten Klimagnippe sich da am 
besten eignet. Aber selbst nach richtig getroffener Wahl, 
wird man noch die topischen Verhältnisse zu berücksichtigen 
haben, z. B. wie in dem speziellen Falle die Wohnung zu 
wählen sei: hinsichtlich der Lage nach Süden oder Norden, 
der Windrichtung, der allgemeinen hygienischen Anforderungen 
n. a. m. 

Durch eigene Anschauung gewonnene Lokalkenntnis der 
einzelnen klimatischen Stationen wird am besten ermöglichen, 
dem Patienten diesbezüglich geeignete Vorschläge zu geben. 
Da dieses aber nur in der Minderzahl erreichbar ist, so werden 
genaue Berichte über alle Verhältnisse einer klimatischen 
Station dafür eintreten müssen. Es wäre deshalb zu wünschen, 
dass solche in möglichster Vollständigkeit den Ärzten zur Ver¬ 
fügung gestellt würden. 

Der allgemein angenommenen Einteilung Herman Webers 
folgend, werden die Klimate in See-, Insel- und Küstenklimate 
und in Binnenklimate unterschieden, wobei die Ersteren hier 
als Seeklima zusammengefasst werden sollen. Inwiefern die 

Elinteilung von Michaelis®) in hyper- und hypokinetisches 
Klima zweckmäßig wäre, mag dahingestellt bleiben. 

Das Seeklima ist durch eine gewisse Gleichmässigkeit 
der Temperatur, welche sich auch über die Grenzen der ein¬ 
zelnen Jahreszeiten hinaus erstreckt, durch vermehrten Feuch¬ 
tigkeitsgehalt, grosse Reinheit der Luft unter Beimengung von 
Kochsalz, Brom und Jod in feinster Verteilung, erhöhten Luft¬ 
druck, vermehrte Luftbewegung und stärkere Belichtung charak¬ 
terisiert. 

Aus diesen Potenzen ist die Gesamtwirkung derselben ab¬ 
zuleiten, welche einmal eine allgemein stärkende, andererseits 
eine abhärtende ist. Alle Forpcher stimmen darin überein, 
dass das Seeklima den Stoffwechsel mächtig anrege. Nach 
Robin*) wird vorzugsweise der Stickstoffaustausch vermehrt, 
die Ausnützung der zugeführten Nährstoffe intensiver, der 
Eiweissgebrauch gesteigert, die Löslichkeit der Harnsäure er¬ 
leichtert. Es kommt tuso, mit einem Worte, zu besserer Assi¬ 
milation dieser Grundstoffe. 

Die Einwirkung des Seeklimas wird hinsichtlich ihrer Inten¬ 
sität verschieden sein, je nach der Lage des Ortes: auf einer 
Insel oder am Strande, ob diese Stationen vom Binnenland© 
kommenden Luftströmungen, Winden ausgesetzt oder durch 
gegen die See abfallende, namentlich Nordwinde abhaltende 
Gebirgszüge geschützt sind. Am meisten wird sich der Ein¬ 
fluss des Seelaimas auf offener See während einer Seereise oder 
auf einer freien, vom Binnenland© im Meere liegenden Insel 
geltend machen. 

Therapeutisch werden wir das Seeklima in allen jenen 
krankhaften Zuständen anwenden, wo allgemein© Stärkung und 
Kräftigung bei weniger widerstandsfähigen Naturen anzustreben 

Feuilleton. 

Über die Anwendung von Einreibungen mit 
Kaliseife und nachfolgenden Bädern 
nach der Kappesser’schen Methode hei Lues. 

Von Oberstabsarzt a. D. Dr. Gielen-Halensee. 

Zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens rechne ich 
die in Bad Tölz verlebten Tage. Wenn ich einen Kranken 
weiss, dessen Leiden den Gebrauch einer Eur in Tölz wünschens¬ 
wert erscheinen lassen und Zeit und Mittel ihm das erlauben, 
so kann ich nur dringend dazu raten. Auch Syphilitische können 
dort, wie bekannt, behandelt werden und neben anderen son¬ 
stigen Heilmitteln die Seifenabreibungen nach M. Höfler mit 
hervorragendem Erfolg gebrauchen. 

Für diejenigen Syphilitischen, welche speziffsche Euren 
'bereits gebraucht haben und sich im Stadium der Latenz be- 
ffndeu also meist* nur noch eine leichte Schwellung der Lymph- 
drttsen und demnach eine Beeinträchtigung des Lymphgefäss- 

^Sterns erkennen lassen, habe ich neuerdings, wie in dieser 
Zeitschrift (No. 51 vom 18. 12. 05) erwähnt wurde, die Seifen¬ 
einreibungen nach Eappesser empfohlen. Das sind aber doch 
andere als die Höfler'scben Seifenabreibungen. Die Kranken¬ 
heiler Seife ist eine Jodsodaseife. Kappesser aber empßehlt 
bekanntlich Schmierseife, also eine nicht jodh^tige 
Ealiseife. M. Höfler und die anderen Erankenheiler Ärzte 
rechnen, glaube ich recht,^stark mit dem Jodgehalt-ihrer Seife 
und der Aufnahme des Jods als eines spezifiscmen Mittels gegen 
Lues in den Körper. 

Ich aber habe nur das Lymphgefass^stem beeinflussen und 
kräftigen wollen mit den methodischen Seifeneinreibungen und 
den nachfolgendenjwarmen Bädern, etwa drei Mal^wöchentlich, 
und dies zu einer Zeit, wo die Anwendung von Vorkur und Jod 
bereits erfolgt© und di© weitere Anwendung solcher unnötig 
oder aus irgend welchen Gründen bedenklich eracheint. 

Mir scheint, dass auch die Krankenheiler Ärzte nach Be¬ 
endigung der von ihnen vorgenommenen Kur namentlich bei 
minder Bemittelten die Kappesser’sche Kur empfehlen können. 
Bei vermögenden Kranken kann die Kaliseife geruchverbessernde 
Zusätze erhalten. 


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6 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 2. 


ist, daher bei den niederen Graden yon Anämie, insbesondere 
bei schwächlichen oder zu Skrophulose neigenden Kindern, 
wo eine gewisse Torj)idität des gesamten Vegitationsprozesses 
vorliegt, bei allgemeiner Erschlidfung der Nerven, sowie bei 
gewissen Reizzuständen des Nervensystems, welche nicht auf 
tieferer organischer Störung beruhen. Ganz vorzüglich eignet 
sich der Aufenthalt an der See für alle jene Erkrankungen, die 
einen gewissen Feuchtigkeitsgrad der Luft, möglichste Gleich- 
mässigkeit der Temperatur verlangen und deren Disposition 
durch Gewöhnung an die Luft und Abhärtung herabgesetzt 
werden soll. Dies sind vor allem die katarrhalischen Erkrank¬ 
ungen, sowie die Disposition zu leichteren rheumatischen Affek¬ 
tionen. Auch für bronchiales und nervöses Asthma wird der 
Aufenthalt an der See gerühmt. Doch würde ich dies nur für 
die Mehrzahl der Fälle gelten lassen. Für alle Fälle passt es 
nicht. Hier wird oft die Erfahrung entscheiden, welches Klima 
ja selbst welcher Ort einer Klimagruppe dem speziellen Fall 
am besten zusagt. Von Erkrankungen des Zirkulationsapparates 
werden nur die leichteren Fälle, namentlich jene auf f^ktio- 
neller Basis beruhenden, aus gestörter Innervation hervorge¬ 
gangenen, nach lang dauernden erschöpfenden Erkrankungen, nach 
übermäßiger psychischer Erregung und Anstrengung entstandenen, 
für Seeklima geeignet sein. Die Einwirkung des Seeklima auf 
die Nerven ist anfangs meist eine erregende, besonders bei 
trübem, stürmischem Wetter. Es hängt dies zum nicht geringen 
Teil von der Luftbewegung und wechselnden Belichtung ab. 
Sie wird sich vorzüglich an aus dem Binnenlande Kommenden 
durch stärkere Aufregung bemerkbar machen. Man wird dem¬ 
nach gut tun, reizbare Individuen darauf hinzuweisen und 
ihnen zu raten, sich erst allmählich an die geänderten Luft¬ 
verhältnisse zu gewöhnen, den Aufenthalt im Freien anfangs 
nur auf kurze Zeit mit abwechselndem längerem Verweilen 
im geschlossenen Raume einzuschränken. 

Die Binnenklimate scheiden sich: in Höhen- und 
Niederungsklimate. In therapeutischer Beziehung kommt 
hauptsächlich das Erstere — auch Gebirgsklima genannt — in 
Betracht. Das Gebirgsklima findet sich in verschiedenen 
Höhen, je nach der Lage des Ortes in den verschiedenen 
Breitengraden. Während in Deutschland sich die Höhe auf 
600—800 m bezifiert, so gleicht dies in den Alpen einer Höhe 
von 1000—1200 m. Der Charakter des Gebirgsklimas hängt 
ab: von der Sonnenstrahlung, der Reinheit, Verdünnung, Tem¬ 
peratur, Feuchtigkeit und Bewegung der Luft, von der Be¬ 
wölkung und Nebelbildung, von den Vegetationsverhältnissen, 
Gestaltung und Beschaffenheit des Bodens. Je nach der Lage 
des Ortes wird die Temperatur verschieden sein. Gegen Süden 
oder Südosten gelegene Höhenstationen werden der stärksten 
Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt sein, daher auch 
meist höhere Temperaturen aufweisen. Mit Zunahme der Er¬ 
hebung wird die Tei^eratur und Luftfeuchtigkeit geringer, 
desgleichen auch der Luftdruck, dagegen die Bewegung der 
Luft lebhafter, namentlich im^Sommer, weniger im Winter. 
Breite Hochtäler gestatten der Sonne grösseren und längeren 
Zutritt und werden dementsprechend höher temperiert sein, 
als schmale, von hohen Bergen eingefasste Täler. Schmale 
Gebirgsrücken oder einzelne hervorragende Gipfel werden dem 
Wechsel der Luftverhältnisse vielmehr unterworfen sein, als 
massige, ein grösseres Plateau einnehmende Höhen. Während 
bewachsener Boden, Wälder, die Feuchtigkeit mehr festhalten, 
werden felsige Terrainverhältnisse sich durch vorwaltente 
Trockenheit dos Bodens auszeichnen. 

Alle diese Verhältnisse sind bei der Auswahl eines Höhen- 
ortos eingehendst zu berücksichtigen. Empfindliche, leicht zu 
Erkältungen neigende Naturen worden jene Orte, wo geringe 
Belichtung, rascher Temperaturwechsel, geringer Windschutz 
und grössere Feuchtigkeit obwalten, zu meiden haben. 

Die Wirkung des Höhenklimas wird sich darin äussern, 
dass die Tätigkeit der Haut durch stärkere Verdunstung und 
B(dichtung erhöht wird, die Transpiration vermehrt, die Lungen- j 
vtmtilatiun durch die bei längerem Aufenthalt sich einstellende .■ 
Thoraxerweiterung begünstigt in der Sauerstoffeinnahme und j 
Kohlensäureabgabe gesteigert, die Aktion des Herzmuskels ge- , 
kräftigt werden, die roten Blutzellen und der Hämoglobingehalt , 


des Blutes zunehmen. Wesentlich ist der günstige Einfluss 
auf die Entwicklung der Muskel- und Nervenkrait Indem 
das Nahrungsbedürfnis in erhöhtem Maße sich einstellt, wird 
zugleich die Assimilation und Anbildung gefördert, allgemeine 
Kräftigung erzielt. 

Daraus lässt sich also erkennen, dass das Höhenklima 
überall da angezeigt sein wird, wo es sich um eine Kräftigung 
und Tonisierung des Gesamtorganismus handelt Dabei dan 
aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass für höhere, 1000 m 
übersteigende Gebirgslagen, ein gewisser Kräftebestand bereits 
vorhanden sein müsse, um den Einfluss dieser Höhenluft un¬ 
beschadet zu ertragen. Namentlich bei reizbaren, schwäch¬ 
lichen Individuen wird darauf Rücksicht zu nehmen sein. Für 
diese wird es sich auch empfehlen, einen allmählichen Über¬ 
gang aus niederen in höhere Stationen vorzunehmen, und zwar 
erst dann, wenn in den niedriger gelegenen eine gewisse 
Widerstandskraft gewonnen wurde. Dies gilt besonders für 
hochgradig Nervöse, sowie für Patienten mit Herz- und Gefäss» 
affektionen, welch letztere überhaupt den Aufenthalt in höheren 
Lagen kaum ertragen. 

Die grosse Zahl der klimatischen Stationen in allen Höhen 
und Lagen ermöglicht es, alle Verhältnisse der Station im 
Zusammenhalt mit den zu erfüllenden Indikationen zu erwägen 
und so den für den speziellen Fall am besten passenden Urt 
herauszufinden. Aber selbst bei richtiger Auswahl wird zu¬ 
weilen das rasche Versetzen in grössere Höhe mit nicht unbe¬ 
deutenden Reaktionserscheinungen, Herzklopfen, Atemnot, Schlaf¬ 
losigkeit, Eingenommenheit des Kopfes, Verminderung des 
Appetits und allgemeinem Schwächegefühl beantwortet werden. 
In solchem Falle muss, wie bei jedem schroffen Klimawechsel 
überhaupt, die Gewöhnung an die veränderten Luftverhältnisse 
allmählich erfolgen; daher wird die Bewegung, der Aufenthalt 
im Freien eingeschränkt, mit Ruhepausen, in der^ Stube unter¬ 
brochen , jede stärkere Erregung vermieden werden müssen. 
Bei grösserer Differenz oder Höhenlage mit jener des Heimats¬ 
ortes wird es immer geraten sein, in dieser Hinsicht Vorsicht 
zu empfehlen. ' 

Das Gebirgsklima ist angezeigt: bei allgemeiner Schwäche 
des Organismus, sei dieselbe folge vorausgegangener fieber¬ 
hafter Erkrankungen, wie Typhus, Malaria oder mangelhafter 
Blutbildung oder geschwächter Nervenenergie, wie solche durch 
anhaltende geistige Anstrengung, besonders in Stubeuluft sich 
entwickeln und nicht selten mit psychischer Depression einher- 

f ehen. Auch bei schwächlicher Anlage, zurückgebliebener 
[uskelentwicklung, bei Anlage oder nicht weit vorgeschrittener 
Phtise, bei nach überstandener Pneumonie^ oder Pleuritis zu¬ 
rückgebliebenen Exudatresten, wo durch die im Hochgebirge 
sich einstellende tiefere Inspirationsbewegung der Thorax er¬ 
weitert, bessere Entfaltung der Lunge herbeigeführt wird. All¬ 
mähliche Trainierung wird wesentlich zur Erreichung günstiger 
Resultate beitragen, und man kann Mosso^ nur beistimmen, 
wenn er in der hierdurch gegebenen Anregung für Körper, 
Geist und Gemüt ein Hauptmoment der Heilwirkung des Hoch¬ 
gebirges erblickt. 

Endlich wären noch die Niederungsklimate zu erwähnen. 
Sie werden in trockene und feuchte geschieden. Die ersteren 
üben einen mehr anregenden, die letzteren mehr beruhigenden 
Einfluss aus. Von den trockenen finden hauptsächlich nur die 
trockenwannen Verwendung, und zwar in all denjenigen Zu¬ 
ständen, wo stärkere Anregung der Hauttätigkeit, Hintanhaltung 
von Kälte und Feuchtigkeit, Vermeidung stärkerer Luftbe¬ 
wegung angezeigt sind. Am besten ist dieses Klima durch das 
Wüstenklima repräsentiert. 

Chronische Nierenerkrankungen, Neigung zu Rheumatismus 
und mit Erschlaffung einhergeheiide Schleii^iautkatarrhe, zum 
Stillstand gebrachte rlitisen, Anämien leichten Grades drohender 
vorzeitiger Marasmus sind, namentlich im Winter, die Indi¬ 
kationen dafür. 

Von den Niederungsklimaten wird hauptsächlich dasjenige, 
welches sich durch mäßige feuchte Wärme, Windstille und 
möglichste Gleichmäßigkeit auszeichnet, therapeutische Ver¬ 
wendung finden. Es eignet sich besonders zum Aufenthalt für 
Leute mit Schleimhautkatarrhen, welche durch spärliche Ab- 


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1906. 


BALNBOLOGISCHB CBNTR.^LZEITUNG 


7 


Sonderung und grosse Reizbarkeit charakterisiert sind, für 
Emphysematiker, Neurastheniker, auch für Ruhebedürftige, leicht 
erregbare Individuen. 

Aus dem Mitoeteilten lässt sich also entnehmen, wie sich 
im Grossen und Ganzen die Charaktere der einzelnen Klimate 
gestalten, wie dieselben auf den menschlichen Organismus ein¬ 
zuwirken und welchen Indikationen sie gerecht zu werden 
vermögen. 

Eingehender mich darüber zu verbreiten, gestattet die mir 
zugemessene Zeit nicht. Auch sollte mein Vortrag nur eine 
Anregung geben, Ihre Aufmerksamkeit auf die einzelnen Fak¬ 
toren der Klimas, sowie auf die therapeutische Verwendung 
der verschiedenen Klimate zu lenken — und damit schliesse ich. 

Littoratur: 

1. Brit. med. Journal. Julr. 27. 1001. 

2. Arch. f. exper. Pathologie. Bd. 45. 1. Heft. 

3. Pflügers Archir d. ges. Pbyeiol. Bd. 66. 1897. 

4. ZtacEft. f. Biologie. Bd. Heft 3, 4. 

5. Michaelis, Balneol. Zeitung, Nr. 32. 

6. Robin, Kongress f.«Tha1as8othpie Biarritz. 1903. 

7. Der Mensch auf den Hochalpen. Leipzig 1898. 


Sitzungsbericht. 

JVofofeott der XIV» JfxhresversamnUung des 
AUgemei/nen Deutschen Bäder-Verbandes »u Ems. 

(Schluss.) 

Die eigentlichen Verhandlungen erö£hiete der Verbandsvor- 
sitzende (^heimrat Dr. R. Michaelis-Rehbarg am 4. Oktober, 
9 Uhr morgens mit einer Begrüssungsansprache an die erschienenen 
\'ertreter von Staats- und Kommanalbehörden und Mitglieder. 
Es folgten Erwiderungen der Herren Regierungsrate Dr. Rost und 
Dr. V. Lucke, in weldien das Interesse betont wird, welches die 
hohen Reichs- und Staatsbehörden an dem Verbände und seinen 
Bestrebungen nehmen. Der Vorsitzende gibt ferner eine Über¬ 
sicht über die Tätigkeit des Verbandes im abgelaufenen Geschäfts¬ 
jahre und berichtet über den Stand der Arbeiten der Quellenschutz- 
kommission, sowie der Gesundheitskommission für die deutschen 
Kurorte. 

Der Mitgliederstand war folgender: Dem Verbände gehörten 
an Kurverwaltungen und Korporationen 61, Ejinzelmitglieder 134. 
Dazu kommen ein Ehrenvorsitzender und 3 Ehrenmitglieder. Durch 
den Tod verlor der Verband die Herren Geh. Regierungsrat Dr. 
iur. Ritter, Generalbevollmächtigten der Fürstlich Flessischen Be¬ 
sitzungen zu Waldenburg in Schlesien, sowie Dr. med. Vopelius, 
Besitzer des Bades Imnau in Hohenzollem. Wenn der erstere 
au(di infolge einer chronischen Krankheit und Überbürdung mit 
anderweitigen Beru&geschäften nicht in der Lage war, persönlich 
an den Verhandlnngen der letzten Jahre teüzunehmen, so hegte 
er doch grosses Interesse für dieselben, zumal er auf mEmchem 
Gebiete des Bäderwesens, vor allem des Quellenschutzes als 
Autorität galt. Den zu seinem Verwaltungsgebiet gehörenden Bade 
Salzbrunnen in Scdilesien war er ein eifriger Förderer. Das An¬ 
denken der beiden Verstorbenen wird in üblicher Weise geehrt. 

Hierauf wurde in die Tagesordnung eingetreten. Aus der 
Reihe der Vorträge schieden infolge plötzlicher Behinderung aus: 
Kurdirektor Heyi-Äachen, Strassenreinigung und Staub in Kur¬ 
orten, Dr. Schütze-Kösen, Das Krankenhaus in kleinen Kurorten, 
Dr. Delkeskamp-Giessen, Zur Büdungsweise der Mineralwässer 
pp., Sanitätarat Dr. Nicolas-Westerland, Die Konfessionsfrage in 
den Bädern und Kurorten. Dagegen wurde nachträglich auf die 
Tagesordnung gesetzt: 0. Kaempf-Friedrichroda, Die allgemeinen 
Mietbedingungen in den Thüringer Kurorten. Bezüglich Inhalts¬ 
angabe der Vorträge wird auf den vorläufigen Bericht Nr. 44/45 
1905 der Verbandszeitschrift verwiesen. Zu Beginn der zweiten 
Sitzung am 5. Oktober konnte der Vorsitzende die erfreuliche 
Mitteilung machen, dass nunmehr auch die Kgl. Bayerische Re¬ 
gierung ihr Interesse am Allgemeinen Deutschen Bäderverbande 
dadurch kimdgegebeu habe, dass die Kgl. Kurkommission des 
Bades Kissingen ihrerseits zum Anschlüsse an den Verband ver¬ 
anlasst wurde. 

Die geschäftlichen Angelegenheiten wurden folgendermaßen 
erledigt Für die Rechnungslegung wählte die Versammlung zu 


Rechnungsprüfern die Heri'eu Bürgermeister v. Graetzel, Bürger¬ 
meister Dr. Beyendorf und Geheimen Sanitätsrat Dr. En gfllmnTiTi , 
In Einnahme für 1904/05 ergab sich der Betrag von 2336,18 M., 
in Ausgabe 2787,96 M. Der Bestand am 1. Oktober 1905 betrug 
3043,17'?M. Die^ Reohnungj wurde für richtig befunden, dem 
Kassenführer Herrn Rütter unter Ausdruck des Dankes Entlastung 
erteilt. Die Mehrausgabe des laufenden Jahres ündet dadurch Hlr- 
klärung, dass die zahlreichen Kommissionssitzungen des laufenden 
Jahres erhebliche Kosten verursachten. Es soll versucht werden, 
dieselben in möglichst engen Grenzen zu halten. 

Demnächst wurde die Vorstandswahl mit Hilfe von Stimm¬ 
zetteln in geheimer Wahl vorgenommen. Bürgermeister Kummert- 
Kolberg hatte sein Amt wegen vorgerückten Alters niedergelegt, 
an seine Stelle trat Bergrat Morsbach-Oeynhausen. An Stelle des 
bisherigen Generalsekretärs Dr. Schütze-Kösen ging Hofrat Dr, 
Röchling-Misdroy aus der Wahl hervor. Der Vorst^d wird von 
der Versammlung beauftragt, in Anbetracht der hohen langjährigen 
Verdienste der beiden ausgeschiedenen Mitglieder um den Ver¬ 
band, die nötigen Schritte behufs deren Ernennung zu Ehrenmit¬ 
gliedern zu tun. Der neue Vorstand besteht nunmehr aus den 
Herren; Geheimer Sanitätsrat Dr. Michaelis-Rehburg, Sauitäts- 
rat Dr. Winokler-Nenndorf, als Vorsitzende; Prof. Dr. E. 
Hintz-Wiesbaden, Bergrath Morsbaoh-Oeynhauaen als Beisitzer; 
Kordirektor Rütten-Neuenahr, Schatzmeister; Dr. Siebelt- 
PUnsberg, Verbandsredakteur; Hofrat Dr. Röchling-Misdroy, 
Generalsekretär. 

Ferner kam die Kurort-Kommission der Berliner ärztlichen 
Standesvereine zur Sprache. Die Art und Weise, wie dieselbe 
sich das einschlägige Material beschaffen will, wird für nicht ganz 
richtig erklärt, da dieselbe leicht von persönlichen Verstimmungen 
usw. beeinflussbar sei. Ein offenes Vorgehen werde es ermöglichen, 
berechtigten Anforderungen Rechnung zu tragen, während die 
Führung der sogenannten schwarzen Liste kein einwandfreies 
Kampfmittel darstelle. 

Weiter kam man auf einen Gegenstand der voijährigen 
Tagung zurück, nämlich die Gewährung von Vergünstigungen an 
bestimmte Interessengruppen, Krankenkassen und Vereine irgend 
welcher Art. Eine vorliegende Statistik ergibt, dass diese 
Vergünstigungen stellenweise eine ganz ausserordentliche Höhe, 
bis zu 39% der verabreichteu Bäder pp. angenommen haben. Es 
werden Schritte eingeleitet werden, eine grössere Gleichmäßigkeit 
herbeizuführen. 

Bezüglich der Verbands-Zeitschrift wird der Antrag des Ver¬ 
lages, den Vertrag auf drei Jahre, statt wie bisher auf ein Jahr 
zu verlängern von der Versammlung auf Empfehlung des. Vor¬ 
standes genehmigt. 

Nachdem noch Kissingen als Ort der nächsten Tagung ge¬ 
wählt war, da die vorliegende Einladung nach Westerland-Sylt in 
Anbetracht der weiten Entfernung und vorgerückten Jahreszeit, 
in welcher man tagen müsse, dankend abgelebnt wurde, fand die 
Versammlung unter den üblichen Dankredeu ihren Abschluss. 

Siebelt - Flinsberg. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

X ElstOP tritt in die Reihe der Winterkurorto ein. Auf An¬ 
ordnung der kgl. Badedirektiou wird während des Winterhalb¬ 
jahres für eine grössere Anzahl von Badezellen der Betrieb auf¬ 
recht erhalten; ebenso bleibt das von Sanitätsrat Dr. Köhler ge¬ 
leitete Sanatorium nebst mediko-mechanischer Anstalt für schwedi¬ 
sche Heilgymnastik ständig offen. An den klimatischen Winter- 
kurort stellt die moderne Wissenschaft nicht mehr die Forderung 
möglichst südlicher Lage und hoher Wärme, sondern sie verlangt 
von ihm eine gleichmäßige Temperatur, eine reine, ozonreiche Luft, 
eine gegen heftige Windströmungen geschützte Lage, endlich ge¬ 
eignete Wohnungen und Kurhäuser. In vollem Maße findet man 
das alles in Bad Elster. Die Lage ist sehr günstig. Die Häuser 
sind von ziemlich hohen, aber sanft ansteigenden Bergen um¬ 
schlossen. östliche Luftströmungen hält der Brunnerberg mit 
seinem Birken-, Fichten- und Kieferwald ab. Das eigentliche 
Elstertal und dessen Nebentäler sind ziemlich bre ’t und gestattet 
den Sonnenstrahlen &eien Eintritt. Neben dem Kurhaus bieten 


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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Ni . 2. 


- 8 


zahlreiche Villen und Logierh&user schmucke Wohnungen mit 
häuslicher Behaglichkeit Im verflossenen Sommer haben 10 522 
Personen gegen 9248 im Vorjahre, also 1274 Personen mehr, die 
Kur in Elster gebraucht, die namentlich bei Blutarmut, Bleich¬ 
sucht, Frauen-, Nerven-, Herzkrankheit, Fettsucht, Gicht und 
Rheumatismus, - chronischen Magen- und Darmkrankheiten die 
besten Erfolge zeitigt. Es ist zu erwarten, dass auch zur Winter¬ 
kur die Zahl der Gäste sich von Jahr zu Jahr steigern wird. 

X Reichenhall. Die langangestrebte Einverleibung der Nach¬ 
bargemeinde St. Zeno ist nunmehr perfekt geworden. 

X Wlldbad. Schon seit mehreren Jahren haben sich die beiden 
sonst so geschmackvoll xmd praktisch eingerichteten Lesezimmer 
im König-Karlsbad während der Hauptmonate der Kurzeit als 
durchaus unzulänglich erwiesen. Dem wird nun bis zur nächsten 
Kurzeit abgeholfen sein. Die Zimmer, die der schwedischen Heil¬ 
gymnastik dienten, werden während des Winters in Lesezimmer 
umgewandelt. Die schwedische Heilgymnastik wird dann in einem 
neuen Gebäude untergebracht, das die KOnigl. Domänendirektion 
an der Olgahstrasse zwischen den Villen Eanselmann und Johanna 
herstellen lässt, wozu die Grabarbeiten schon seit einiger Zeit be¬ 
gonnen werden, ln diesem Gebäude wird auch ein Schwimmbad 
eingerichtet werden, wodurch die Domänendirektion schon länger 
geäusserten Wünschen gerecht wird. Am König-Karlsbad werden 
auch sonstige Veränderungen vorgenommen. Es soll eine geräumige 
WartehaUe an dasselbe an-, bezw. in dasselbe eingebaut und die 
Einzelkabinette sowohl der Männer- als der Frauenabteilung sollen 
durch Aufbau eines zweiten Stocks vermehrt werden. Sodann hat 
die Domänendirektion den Klumpp’schen Gemüsegarten um 9000 
M. angekauft, der als Ergänzung in die neuen Anlagen einbe¬ 
zogen werden soll. Die Badeverwaltung ist nun mit Ausnahme 
einiger kleinerer Parzellen im Besitz des ganzen Geländes am 
Fuss des Sommerbergs vom neuen Weg an bis zur Rosenau und 
darüber hinaus. — 

A. Castollainaro. in Neapel hat sich mit einem Kapital von 
3 Millionen Lire eine AktiengeseUschaft gebildet, die sich der 
Verwandlung von Castellamare di Stabia in einen modernen Kurort 
widmen will. Es sollen dort ein grossartiges Badeetablissement 
und einige Hotels ersten Ranges errichtet und die Konzession der 
Mineralquellen (Elisen- und Schwefelwasser) erworben werden. 

X Llppsprlnps. Die Gesamtfrequenz betrug am 23. Dez. 5848, 


Literatur. 

A. Rahn. Zur Kritik der Jodbäder. (Ther. Monatsh. 

1904 Nov.) 

Man hat in letzter Zeit die spezifische Wirkung der Jod¬ 
bäder in Frage gestellt. Verf. betont nun im Gegensatz dazu, 
dass das Jod gerade in dieser Form vom Ejanken am besten ver¬ 
tragen werde, dass selbst bei starkem Gebrauch der Jodbäder 
selten Erscheinungen von Jodismus vorkämen. Der Behauptung, 
dass die Menge des bei Jodbädem resorbierten Jods viel zu ge¬ 
ring sei« um wirksam sein zu können, stellt Verf. die Tatsaäe 
positiver Erfolge in den betr. Bädern (Hall, Tölz-Krankenteil, 
HeUbrun, Kreuznach etc.) entgegen, z. B. ^e des Haller Jodwassers 
bei Struma. Nach Verf. Ansicht greifen wir überhaupt bei der 
Jod-Medikation in der Dosis viel zu hoch. Bei gleichzeitiger ent¬ 
sprechender Diät und Hautpflege, und besonders bei Darreicdiung 
des Jods in Form von Bädern tritt die Wirkung auch schon bei 
kleineren Dosen ein, als sie per os üblich sind. Engel. 


Vermischtes. 

— Ein Sprudelausbruch in derTepl. Ein starker Aus¬ 
bruch von Sprudelwasser kann nach dem „Karlsb. Tagbl.“ derzeit 
oberhalb des Sprudelsteges in der Tepl beobachtet werden. Das 
Wasser dringt mit Gei^t und wallend, was auf starke Adern 
schUessen lässt, empor, und scheint auch unter dem Fundamente 
der Kolonnade sich dieser Ausbruch fortzusetzen. Wie man uns 
mitteilte, beträgt die an den Ausbrachstellen ausfliessende Wasser- 
menge ungeföhr 500 Liter pro Minute. Die Eindämmung, die in 
der Tepl bereits eingebaut ist, ist schon znm Zwecke der Ver- 
machung dieser Äusbruchstellen errichtet worden. Doch dürfte es 
sich empfehlen, mit diesen Arbeiten nicht bis zum Einbruch 
strenger Kälte zu warten, da die gewaltigen Natamnterschiede 
zwischen dem kochend heissen Wasser und der Luft dann die 
Verbauung nur erschweren können. 


Personalien. 

— Dem Badekommissar Hans Freiherm von Welser m Bad 
Reichenhall wurde das fürstl. Schwarzburgische Elhrenkrenz 3. Klasse 
verliehen. 

— Dr. Adolf Ritter in Karlsbad erhielt den Titel eines 
Grossh. Oldenburgischen Medicinalrates. 


Meteorologische Statistik. 

Veranstaltet voa der Redaktloa der Balneologisohen Zeatralzeltang.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

minimnm 

Mittleres 

Temperatur- 

mazimum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

schein- 

tage 

Wiviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

24.-30.12. 

5,1 

C. 

9,4 C. 

762,43 

2 

2 

3 


_ 


Badenweiier.. 




— 

_ 

_ 




— 


Driburg. 

n 

— 


— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 


Ems. 


— 1,7 

C. 

+ 3,5 C. 

756 

2 

3 

_ 

2,8 

_ 


Giesshübl-Sauerbrunn . . 


— 0,9 

c. 

H- 0,6 C. 

— 

2 

_ 

5 

2 

- 

2 Tage Schnee 

Franzeusbad. 


— 


— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

— 


Herrenalb. 

n 

-1'/, 

c. 

+ 5 C. 

724 

2 

3*/* 

3^/4 

4 

_ 

1 Tag Schnee 

Kreuznach. 




— 

_ 




_ 

- 


Langenschwalbach , . . 

n 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 


Lippspringe. 

n 

0,6 

c. 

4,3 C. 

754 

2 

1 

3 

2 

— 

1 Tag Schnee 

Nauheim . 


— 3,5 

c. 

1,2 C. 

719 

_ 

1 

6 

1—5 



Neundorf . 


— 


_ 

_ 

_ 

_ 


_ 



Norderney . 

n 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reichenhall . . . , • , 

n 

- 


z 








Reinerz . 


— 3 

c. 

1 c. 

708 


__ 

7 

3 



Salzbrunn . 

n 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 



V«r»n(wor(Hc>ier Redakteur: Hofrat Dr. W. H. Gilbert, Badeo.Baden. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von Heynemann'iche BnchOruckerei, Gebr. Wolff, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgang. 1906. Nr. 3. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bftderverbandes, des Schwarzwaldbidertages» des Verbandes 
Deutscher Nordseebftder und des Vereins der Badeftrzte der Ostsee. 


VerbandsreeUkteur des „AUg. D. B.-V.*: 

Verlag: Cari JMarhold ln HaOe a. S., Uhlandstrafie 6. 

TeL-Adr.: Mtrti(rid Verlag Hallesaale. Penisprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. Sieben, PUnsbeig i. Schl. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hofrat Dr. W. B. Qllbert, Beden-BeÄn. 

Hofrat Dr. W. H. Qflber^ Baden-Baden. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt. 


Amtlleber Teil : Yeroin der Badeärzte an der Ostsee. 

PenllletoD: Die Leproserion speziell Lothringens. Von Dr. £. Roth. 
Geschichte der F.ntwicklung des Bades Ems. Vortrag fUr die XJV. Jahres¬ 
versammlung dos Allgumeinen Deutschen Bäder-Verbandes zu Ems. 
Sitzung am 4. Oktober 1905. Von Dr. Stemniicr, Ems. 


Ans den Bädern und Kurorten. 
Literatur. 

Vermisohtes. 

Personalien. 

Meteorologische Statistik. 


Amtlicher Teil. 


Verein der Bcideärxte an der Ostsee, 

VI. Jahresversammlung am 3. Dezember 1905 zu Berlin im 
„Motivhaus“. Vorsitzender: Hofrat Dr. Röchlin g. Schriftführer: 
Sanitätsrat Dr. Rhode. I 

Der Vorsitzende eröffnet um 12'/* Uhr Mittags die Sitzung 
tmd^begrüsat herzlichst die zahlreich erschienenen Mitglieder. 

Derselbe begründet eingehend das Fehlen einer bestimmten i 
Tagesordnung und tritt besonders der von einer Seite geäusserten 
Auffassung entgegen, dass nur ein sogenanntes Vergnügungs- 
Programm (Mittagsessen etc.) aufgestellt worden wäre. Dass solches 
nicht der Fall wäre, würde am Schlagendsten durch die am Vor¬ 
mittag stattgehabte Besichtigung des Müller’scheu orthopädischen 
Instituts und der hydrotherapeutischen Anstalt der Universität, 
woselbst jeder Teilnehmer in wissenschaftlicher Beziehung auf seine 
Kosten kommen konnte, bewiesen. SanitAtsrat Dr. Rhode er¬ 
stattet den Bericht über das verflossene Vereinsjahr. Eingetreten 
sind die Herren Drs. Sachse-Heiligenbafen, Kochs-Zinnowitz, 
Wulff-Berg Dievenon, Sanitätsrat Dönselt-Devin, Drost- 
Brunshaupten, Anger-SwinemUnde, Hirsch-Lohne a. K., 
Schl üter-Warnemünde, Med.-Rat Behrend, Fabian, Ahl- 
mann, Baggord, Hille, Kluck sämtlich in Kolberg und 
G1 a so w - Ahlbeck. 

Des Weiteren teilt der Berichterstatter mit, dass die Ein¬ 


ladungen zur diesjährigen Jahresversammlung, besonders in Rück¬ 
sicht auf die Besichtigung der Erieger’schen Anstalt und des 
Müller’schen orthopädischen Instituts, an sämtliche Direktionen der 
Ostseebäder verschickt worden seien. Leider war keiner der 
Herren Badedirektoren erschienen, obgleich Jeder für das eigene 
Seebad Erspriessliches und Änschaffenswertes in Folge der Be- 
sichtigimg genannter Institute hätte nach Hause mitnehmen können. 
Wohl aber hatten verschiedene Arzte aus Berlin, u. A. auch der 
Geheime Regierungsrat Dr. Rahts aus dem Reichs-Gesundheits¬ 
amte der Besichtigung mit regstem Interesse beigewobnt. 


Aus der Versammlung heraus wird gerügt, dass den Bade¬ 
ärzten keine Einladungen zum „Bädertag“ geschickt wurden. 
Der Vorsitzende wird dieses am 4. Dezember er. beim Vorstande 



Sanitätsrat Dr. Rhode beauftragt, als besonderer Delegierter an 
den Verhandlungen des Bädertages teilzunehmen, eventl. auch ab- 
zustimmen. 


Herr Hofrat Dr. Röchling teilt mit, dass sich auch ein 
„Verein der Badeärzte an der Nordsee“ gebildet habe, und nennt 
als Mitglieder derselben die Namen einiger bekannterer Kollegen. 
Kurz berührt wird die Hygiene in' den Ostseebädem, auch die 
Auzeigepflicht der Badeärzte, wobei erwähnt wird, die Verurteil¬ 
ung eines Kollegen zu einer empfindlichen Strafe, der einen Typhus 
nicht angezeigt hatte. 

Es zirkuliert der Konzept einer Anfrage über die sanitären 
Verhältnis.se in den einzelnen Badeorten, desgleichen eine Anfrage 


Feuilleton. 

Die Leproserien speziell Lothringens.*) 

Von Dr. E. Roth. 

Leider w^erden jahrein jahraus in den historischen Zeit¬ 
schriften geschichtlich - meaicinische Beiträge veröffentlicht, 
welche den Jüngern Äskulaps in der Regel vollständig unbe¬ 
kannt bleiben, ja vielfach auch dem Bimiographen beim Er¬ 
scheinen entgehen, trotzdem sie des Wissensw’erten und Inter¬ 
essanten genug enthalten. 

So steht es auch mit der jetzt zu referierenden Arbeit, 
welche über die engsten historischen Kreise kaum gekannt 
sein dürfte, und die doch verdient w'enigstens in ihren Um¬ 
rissen die Bekanntschaft mit diesem Kapitel zu erneuern. 

Heute vermag man sich gar keine Vorstellung mehr davon 
zu machen, mit welclier Heftigkeit die Lepra oder der Aussatz 
im Mittelalter Eurima verheerte; keine andere Krankheit hat 
annähernd so viele Opfer gefordert als sie; sie hiess die schreck¬ 
lichste der schrecklichen Krankheiten, oder schlechthin die 
Krankheit. 


•) J. P. Kireh, Die Leproserien Lothringens, insbesondere dic'Metzer 
Leproscrie S. Ladse bei Montigny. Jahrbuch der Ges. f. lothr. Gesch. u. 
Altertumskunde. 15. Jg. 1903, S. 46-109; 16. Jg. 1904, S. 56—141. 


Nur ■ rohe und ungebildete Völker haben von jeher die 
Kranken, die sie für ansteckend hielten, hilflos ausgesetzt, 
woher die Bezeichnung Aussatz herrührt, während kultivierte 
vielfach in rührender Weise für die von der Lepra Befallenen 
sorgten. Der weiten Verbreitung der Krankheit gemäß, kennt 
man eine grosse Reihe der von ihr Heimgesuchten. Neben 
Aussätzigen finden wir Malzige, neben Siechen gehen Sonder¬ 
sieche emher, Gutleute entspricht der Sitte, dass die christ¬ 
liche Charitas sich ilinen vorzugsweise im Mittelalter zuwandte. 
Die Franzosen warten auf mit muzels m^zias, maizelles, 
bons mallaides, poures oder pauoras mallaides. Der Italiener 
kommt zu Lazarett», woher unsere Bezeichnung Lazarett stammt; 
lateinisch wurde die Krankheit zu morbus eiephantinus, grie¬ 
chisch üzur tXtfpuvTlantg. 

Äg}’pten !kann im allgemeinen als die Wiege der Lepra 
angesehen werden. Der 'Boden Ägyptens mit seinen schäd¬ 
lichen, feuchtwannen Ausdünstungen, besonders an den Mün¬ 
dungen des Nil, scheint für immer den Leprabazillus in seinem 
Schosse zu bergen. Ja auch Moses nennt die Lepra schlecht¬ 
weg die ä^T)tische Krankheit. Bereits im 14. Jahrhundert 
vor Christi Geburt wird in einem alten Papyrus das Auftreten 
der Lepra in dem Pharaonenlande erwähnt; nach den Unter¬ 
suchungen von Brugsch deuten sogar Anzeichen darauf hin, 
dass man um das Jtinr 4266 vor Christi Geburt genaue Kennt¬ 
nis dieser Plage hatte. 

Moses unterscheidet in seiner Gesetzgebung eine dreifache 
I Lepra: Körperlepra, Kleiderlepra und Häuserlepra. Die erstere 


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10 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 3. 


der Berliner ärztlichen Standesvereine, dieselben Verhältnisse be¬ 
treffend, Ebenso werden die im „Tag“ erschienenen treffenden 
Entgegnungen gegen die Meissner’schen Forderungen verlesen. 

Sodann berichtete der Vorsitzende über die bezüglich des 
Keuchhustens gefassten Beschlüsse der Kommission. 

Bezüglich des Hauptpunktes der Tagesordnung, die ärztliche 
Schrift über die Ostseebäder, berichtet der Vorsitzende, dass bis¬ 
her einige Beiträge eingelaufen seien, und knüpft daran die 
dringende Mahnung um weitere Beiträge, auch aus der spezieli- 
badeärztlichen Praxis. Was zunächst die Form dieser Broschüre 
angeht, so soll dieselbe kein „Führer“ sein. Margulies und 
Rhode schlugen eine bestimmte Fassung vor. Letzterer will 
auch schon den Titel so gefasst sehen, dass es absolut nicht den 
Eindruck „bestellter Arbeit“ macht. Demgemäß wird beschlossen; 
es werden also nur die Namen der Verfasser von Beiträgen, so¬ 
wie die Redaktions-Kommission genannt werden. Den Inhalt dieses 
„Bäderbuches“ angehend, wird zunächst von Herrn Hofrat Dr. 
Röchling ein Manuskript über das Gerippe verlesen. Sehr er¬ 
wünscht sind auf Bitten des Verlesenden Beiträge über Beobach¬ 
tungen von Herz-’und Lungenaffektionen, Morb. Bas., Gicht etc. 
von der Ostsee, Mitteilungen in der allerkürzesten Form würden 
genügen. 

Der Beitrag für das Vereinsjahr 1906 wird auf M. 1,50 
festgesetzt. Bei diesem Punkte beantragt Rhode dem Kollegen 
Meissner*) einen Betrag auszusetzen für die Gratislieferung der 
„Medizinischen Woche“ au die Mitglieder, Dieser Antrag wird 
mit Rücksicht auf die schlechten Kassenverhältnisse nicht ange¬ 
nommen. Der Kassenbericht des Kassenführers kann nicht ent- 
gegengenommeu werden, da Herr Dr. P au Isen nicht zugegen 
ist. 

Der bisherige Vorstand wird durch Zuruf für das Jahr 1906 
wiedergewählt. 

Schluss der Sitzung 3 Uhr. 

Sanitätsrat Dr, Rhode. 

Verein det' 1iadeiu'%te an der Oatnee, 

Als Mitglieder neu aufgenommen; Herr Dr. Glasow-Seebad 
Ahlbeck, Herr Dr. Guthmann-Charlottenburg, Wilmersdorfer- 
Strasse 137. 

Hofrat Dr. Röchling, Sanitätsrat Dr. Rhode, 

Vorsitzender. Schriftführer. 

*) Dem Verlage der „Med. Woche“. D. Red. 


zerfiel nach medicinischem Urteil wiederum in eine fleckige, 
gefühllose und knollige Abart, Lepra maculosa, anaestetica 
und tuberculosa, welch letztere am häufigsten auftritt. 

Keine dieser Formen hat ausschliessliche Symptome; die¬ 
selben greifen vielmehr ineinander und nur aus äen am meisten 
hei-yortretenden Symptomen wird der Charakter der Krankheit 
bestimmt. 

Jedenfalls galt die Lepra für eine ansteckende Krankheit; 
ihr wird aber vorgebeugt durch grösste Reinlichkeit, woraus 
die vielen, vom Gesetze der Juden vorge.schriebenen Waschungen 
resultieren, andererseits durch Absonderung der Kranken, so¬ 
wie durch gelegentliche Vernichtung der mit dem Ansteckungs¬ 
stoff infizierten Gegenstände. 

^Vie und wann sich der Aussatz weiter verbreitet hat, 
dürfte schwer festzustellen sein, jedenfalls wuirde er durch den 
Vorkehr verschleppt Auch düi-fte es wohl unmöglich sein, 
jemals anzngeben, wann und wo sich das erste Leprosenheim 
eihoben habe. Jedenfalls steht fest, dass bereits ini Jahre 1160 
ein Aussatzhaus in Saint Oyan, jetzt St. Claude bestand, Ende 
des sechsten Jahrhunderts Hess Bischof Agricola von Chalon 
eine Leproserie an den Toren seiner Bischofsstidt errichten, 
und von 636 liegen beglaubigte Nachrichten über Aussatzhäuser 
in Verdun und Maostrieht vor usw. Im siebenten Säkulum 
hat die Geissei bereits den Eisass heimgesucht, denn Odilia, 
Gräfin von Hohenburg, pflegte an den Toren des väterlichen 
Schlosses zulilreiche Leprosen und wahrscheinlich bestand um 


Geschichte der Entwicklung des Bades Ems. 

Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des Allgem. Deutschen 

Bäder-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1906. 

Von Dr. Stemmler, Ems. 

Wenn ich Ihnen heute als Arzt einen Vortrag über die ge¬ 
schichtliche Entwicklung des Bades Ems halte, so muss ich wohl 
für diesen Übergriff auf fremdes Gebiet zunächst einen Berechtigungs¬ 
nachweis erbringen. Dieser ergibt sich aus den GeschichtsqneUen 
der letzten vier Jahrhunderte über Ems, die durchweg in Schriften 
von Emser Ärzten bestehen, die uns Kunde geben über den Ur¬ 
sprung des eigentlichen Bades, über seine Quellen, deren Beschaffen¬ 
heit und Gebrauch, über die fortwährende Erweiterung der Kur¬ 
gebäude und den stetig wachsenden Zufluss der Kurgäste. 

Die Geschichtsschreibung des Bades Ems in den letzten vier 
Jahrhunderten ist somit eigentlich eine Balneographie, und in 
dieser Form ein Werk der Emser Ärzte, als deren Vertreter ich 
Ihnen heute einige historisch - balneologische Bruchstücke vor¬ 
tragen soll. — 

Wenn auch die erwähnten Schriften uns erst genauen Auf¬ 
schluss in historischer Beziehung geben, so unterliegt es doch 
keinem Zweifel, dass Sie hier auf althistorischem Boden tagen. 

In seinen Buche: „Neue Beschreibung der warmen Brunnen 
imd Bäder zu Ems“ vom Jahre 1716 schreibt der Giessener 
Professor Dr, Peter Wolfart, „dass er, nicht allzuweit von dem 
Ziel vorbey zu schiessen glaube, wenn er behaubte, dass diese 
warmen Quellen,- mit von den ältesten in Teutschland seyen 
massen nicht allein Plinius diese warme Wasser, ja alle so wohl 
kalte als warme in dieser Gegend und in der Nähe springende 
Brunnen Mattiacos fontes insgemein benähmet.“ 

Diese zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgestellten Mut¬ 
maßungen haben erst im 19. Jahrhundert eine greifbare Unterlage 
erhalten durch die Funde alter Denkmäler und Überreste aus 
früheren Zeiten, welche vom Zahne der Zeit wohl angegriffen, aber 
nicht zerstört, von Mutter Erde aufbewahrt, der Nachwelt gleich¬ 
sam ein neues Urkundenbuch eröffneten, das, wie die der scharf¬ 
sinnige Deuter desselben, unser verstorbener Mitbürger, Heinrich 
Hess, richtig sagt „uns in Bild und Muster Einblick gibt in das 
Leben, in die örtlichen Verhältnisse, in die Technik einer fernen 
Zeit“. Mit Recht folgert er aus den Funden in Ems, besonders 
den dort aufgedeckten Gräbern und deren Inhalt, dass auf diesem 
Boden eine kleine germanische Ansiedlung bestanden hat. Wohl 


982 herum auch in Strassburg eine Zufluchtsstätte für Aus¬ 
sätzige. 

Jedenfalls tritt Kirch der Ansicht entgegen, dass Kreuz¬ 
fahrer die Lepra vom Orient mitgebracht hätten; der Aussatz 
war längst im Abendlande verbreitet zu einer Zeit, als man 
noch gar nicht an die Kreuzzüge dachte. 

Nach diesen einleitenden Abschnitten wollen wir uns auf 
Lothringen beschränken, wo man ebenfalls in der ersten Hälfte 
des 7. Jahrhunderts von einem Leprosenheim in Metz Kunde hat, 
dem sich bald mehrere im Lande anschliessen. Ja selbst in 
und um dieselbe Stadt wurden mannigfach verschiedene Lepro- 
sorien gegründet, deren eine die Bemittelten aufnahm, welche 
ihren Unterhalt selbst bestritten, wahrend die grössere Mehr¬ 
zahl den Armen Vorbehalten war, welche nichts ihr Eigen 
nannten oder nur über geringes Hab und Gut verfügten und 
hauptsächlich auf die Wohltätigkeit ihrer Mitmenschen ange¬ 
wiesen waren. 

Wie zahlreich diese Zufluchtsstätten, welche die Insassen 
freilich nur gezwungen aufsuchten, in den damaligen Zeiten 
gewesen sein müssen, erhellt aus dem Umstande, dass gar 
nicht selten Benennungen von Feldern, Brücken, Wegen usw. 
an die Leprosen erinnern und das Andenken ihrer einstigen 
Existenz auf diese Weise der Nachwelt erhalten haben. Denn 
man muss sich dabei erinnern, dass die Bewegungsfreiheit 
dieser Kranken von obrigkeitswegen eingeschränkt war. Es 
waren ihnen nur bestimmte Wege zu gehen gestattet, ihr Be- 
I wegungsraum wurde vielfach durch ein Kreuz auf den Strassen, 


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1906. 


BALNBOLOGISCHE CENTRALZBITÜNG 


11 


mag bei der Wanderlust der germamschen Völkerscbaftpen, bei 
dem steten Vordringen derselben nach Westen, diese idyllische 
Niederlassung in dem von den bewaldeten Bergen dichtnmschlossenen 
Lahntal ihren Besitzer mehrmals gewechselt haben. Eines steht 
aber fest und wird durch die Altertumsfunde bis in die neueste 
Zeit zur Evidenz bewiesen, dass die Römer hier durch Jahrhunderte 
Standquartier genommen haben. Dafür zeugen die massenhaften 
Überbleibsel ihres Aufenthaltes, die aufgedeckten Grundmauern 
ihrer beiden Kastelle in Dorf Ems und Spiess^Ems (linke Lahn- 
seite), die Grabstätte an der alten katholischen Kirche, die an 
verschiedenen Stellen aufgefundenen Ziegel mit Stempel der XXll. 
X.egion und der 4. Vindelicischen Kohorte, die grosse Zahl von Urnen, 
Waffen, Münzen, Votivtafeln, Lämpchen etc. Dicht an den Quellen 
und dem Kastell am Spiess vorbei führt von dem Signalturm auf 
dem Wintersberg, dessen römische Grundmauern 1857 aufgedeckt 
wurden, zur Ba^ absteigend und dieselbe an der jetzigen Bahn¬ 
hofsbrücke kreuzend, der römi.sche Schutzwall, limes imperii Romani, 
welcher sich deutlich im Verlauf des Pfahlgrabens bis zur 
Kemmenauer Höhe, wo ein zweiter römischer Wartturm stand, 
verfolgen lässt. 

(Fortsetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

# Davos. 


Vom 9. bis 15. Dezember waren 
in Davos anwesend 

Seit 

1. Jan, 
1905 

Im gleichen Zeit¬ 
raum 1904 

Deutsche . .. 

1207 

6618 

1003 

6107 

Kiigländer. 

416 

2108 

491 

2382 

Schweizer. 

385 

5309 

275 

5139 

Franzosen . 

220 

1012 

151 

769 

Holländer. 

96 

484 

98 

490 

Belgier. 

61 

258 

24 

497 

Russen und Polen .... 

355 

1191 

239 

901 

Österreicher und Ungarn . . 

95 

677 

138 

650 

Portugiesen, Spanier, Ita¬ 
liener, Griechen 

155 

639 

135 

651 

Dänen, Schweden, Norweger 

33 

128 

25 

145 

Amerikaner. 

76 

375 

44 

314 

Aogeh. and. Nationalitäten . 

43 

222 

27 

197 

Total 

3142 

19021 

2648 

17942 


’VV’^egen und Feldern abgegrenzt, ein Überschreiten dieses Areals 
wurde unnachsichtlich streng geahndet. 

Stand eine Strasse oder eine Brücke dom allgemeinen 
Verkehr offen, so mussten sie derartig breit sein, dass die 
Kranken den Gesunden genügend ausweiclien konnten, wozu 
erstere verpflichtet w'aren. 

Dass die Reichen bemüht waren, durch Errichtung von 
Leproserien dem Übel zu steuern, selbstverständlich in der 
Regel nur, um eine Anwartschaft zu haben , der Hölle ent- 
ehen zu können, dürfte allgemein bekannt sein. So kam es, 
ass kaum eine Ortschaft ohne Leproserie war. Wies doch 
beispielsweise Ludwig IX. von Frankreich in seinem Testament 
die Mittel an zur Errichtung von 2000 dieser Zufluchtsstätten. 

Wer in den Verdacht geriet, am Aussatz erkrankt zu sein, 
wer nur einige verdächtige Flecken zeigte, wurde entweder 
sofort gezwungen Haus und Hof zu verlassen und in eine 
Leproserie überzusiedeln, oder doch wenigstens als der Lepra 
verdächtig unter Aufsicht gestellt. Selbstverständlich kamen 
vielfach Verwechslungen mit lepraähnliclien Hautkrankheiten 
vor, und namentlich die S^hilis mit ihren mannigfaltigen Er¬ 
scheinungen dürfte oftmals den Aussatz vorgetäuscht haben. 
Auch durch Böswilligkeit wurde mancher für aussätzig erklärt, 
ohne es zu sein, während umgekehrt Aussätzige dank ihrem 
Einflüsse und Gelde für rein hingestellt wurden und frei umher 
gehen durften. (Schlusb folgt.) 


A Podobrftd. Fürst Hohenlohe-Schiüiugfürst wird auf seiner 
Herrschaft Podebrad eine Kuranlage errichten, nachdem dortselbat 
eine mächtige Mineralwasserquelle entdeckt worden ist. An dem 
Projekt wird bereits gearbeitet und zwar ist eine villenartige An- 
lage geplant. 

X Aus dem Rlesengeblrge. Nachdem das Jahr 1904 dem 
Riesengebirge eine geradezu glänzende Saison gebracht hatte, 
machte sich im letzten Sommer ein merklicher Rückzug des Fremden¬ 
verkehrs geltend. So berechnet der „Bote“, dass 1904 die Zahl 
der Sommerfrischler im Riesengebirge 38435 betrug, 1905 da¬ 
gegen nur 33767, also 4668 weniger. Die Frequenz in den 
grösseren Sommerfrischen betrug 1905 in Schreiberhau 9806 
(1904 11321), Krumenhübel 4543 (4783), Agentendorf 2249 
(3000), Hain 2680 (3540), Hennsdorf a. K. 1460 (2 180), Seidorf 
665 (1222), Jannowitz 988 (1065), Petersdorf 649 (1500) ngw. 
Allerdings haben ja auch einige Orte, so z. B. Brückenberg und 
Saalberg, sowie mehrere kleinere Sommerfrischen eine kleine Er¬ 
höhung der Frequenzziffer zu verzeichnen. Ganz besonders litt 
aber im letzten Sommer der Touristenverkehr, Schreiberhau, 
Krumhübel und Hermsdorf a. K zählen auch die Touristen, imd 
diese drei Orte hatten zusammen 1904 20545, 1905 aber nur 
15*753 Touristen zu verzeichnen, also 4792 weniger. Von den 
Bädern hatte Warmbrunn 1904 13806, 1905 aber nur 9498 Ge¬ 
samtfrequenz, mithin 4 358 weniger, Flinsberg 1904 10311, 1905 
aber nur 9010. Gesamtfrequenz mithin 1301 weniger. Dieser 
verhältnismäßig erhebliche Rückgang ist auf verschiedene Ursachen 
zurUckzuführen. Vor allem dürfte das gänzlich unbegründete Ge¬ 
rücht von der Genickstarre schädigend gewirkt haben, dann aber 
auch die in Öffentlichkeit vielfach hervorgetretenen Klagen über 
die angebliche „Beateischneiderei im Riesengebirge“, die ungünstige 
Verbindung des Gebirges und wohl auch die Mode, die für dieses 
Jahr die Seebäder wieder bevorzugte. Jedenfalls beschäftigt man 
sich im Riesengebirge sehr ernstlich mit der Frage, wie man den 
Zuzug wieder heben könne. Die Gründung des „Verbandes der 
Sommerfrischen xmd Kurorte im Riesengebirge“ ist mit die erste 
Folge dieser Bestrebungen. 

X Schi6rk6. Unser Höhenluftkurort richtet sich nun auch auf 
Winterbetrieb ein. Das hiesige Kurhaus hat eine besondere Ein¬ 
richtung für den Winter erhalten. 

X WiüSbadon. Dr. Friedländer ist in den Mitbesitz des Dr. 
Gierlich’schen Sanatoriums eingetreten. Die Anstalt wird nimmehr 
von Dr. Friedländer und dem seitherigen Besitzer Dr. Schmielau 
unter dem Namen „Sanatorium Friedrichshöhe“ gemeinschaftlich 
geleitet. 

X Badsn-Badan. Die Gesamtfrequenz im Jahre 1905 be¬ 
trug 77 555, d. h. nahe an 5900 Personen mehr als im Jahre 
1904. 

O Franzensbad. Sanitätrat Dr. Josef Diessl hat dem 
Bürgermeister Kaiserl. Rat Wiedermann den Betrag von 1000 
Kronen zur Verschönerung des Kurortes übergeben. 

X Kudowa. Das Richtfest des neuen Badehauses fand am 
16. Dezember statt. Dasselbe entspricht allen modernen An¬ 
forderungen. An die Feier schloss sich ein Festbankett im Kui‘- 
hotel an. 


Literatur. 

Kromayer, Berlin. Die kosmetische Therapie in der 
ärztlichen Praxis. (Die Heilkunde, 1905, No. 9.) 

Die Kosmetik besteht heute nicht darin, dass man irgend¬ 
welche wundersam wirkende Salben oder Schönheitawässer ver¬ 
schreibt, sondern dass man alle technischen und instrumentellen 
Fortschritte zur Hilfe nimmt. 

Daher gibt Kromayer- für die Unreinigkeiten der Haut ver¬ 
schiedene zierliche Instrumente an, mit denen man den Pigment- 
anomaÜen, Sommersprossen, Geschwülsten (pigmentierte und un- 
pigmentierte Naevi, Linsenfiecke, Warzen) und den Anomalien der 
Talgdrüsen (Acue, Mitesser und Milien) schonend und mit nach¬ 
haltigem Erfolge beikommen kann. Mit diesen Methoden, über 
die Kromayer schon mehrfach a. a. 0. berichtet hat, vermeidet 
man die störenden Narben. 


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12 


BALNE0L0GI8CHB CENTRALZBITÜNG 


Nr. 8. 


Die kleinen Geschwülste stanzt er an mit einem Zylinder¬ 
messerchen, das er um die Geschwulst — je nach der Größe mit 
verschiedenem Ausschnitt —- rotieren lässt; damit wird die Haut 
in unmittelbarer Nähe der Geschwulst so oberflächlich durch¬ 
schnitten, dass der Schnitt nur die Epidermis und die cutis vascu- 
losa durchtrennt, nicht aber in die Lederhaut, die cutis propria, 
eindringt; der runde Ausschnitt wird alsdann in das Loch eines 
Schutzbleches gefasst, welches eine kleine runde Mulde besitzt, als 
ob dorthin ein Schraubenkopf gepasst wäre, und mit einem kleinen 
Kreismesser wird das also eingerabmte Geschwulstrelief abge- 
schnitten. Die Wunde liegt dann in den oberflächlichsten Cutis¬ 
schichten, die mit der Epidermis narbenlos regenerieren. 

Auch die Sommersprossen lassen sich mit dieser Operations¬ 
methode narbenlos und deflnitiv entiernen, wenigstens sobald sie 
sich nicht überhäufen. 

Zum Ausstanzen der Acneknoten werden ganz kleine Zylinder¬ 
messer mit winzigem (weniger als ein mm; Durchmesser benutzt 
und die herausgestanzten feinsten kleinen Häutsäulen werden mit 
einer besonderen schalenförmigen Pinzette aus ihrer losen Ver¬ 
bindung mit dem subcutanen Gewebe herausgehoben. Die Milien 
werden angeritzt und die herausspringenden Homperlen werden 
weggestrichen. 

Für den abnormen Haarwuchs benutzt Kromayer ein Kleiu- 
zylinder- oder Epilationsmesser derart, dass er gewissermaßen 
durch die Haarwurzel den kleinen Zylinder durchstülpt und es in 
der Richtung des Haares durch die cutis derart stösst, dass die 
getroffene Hautsäule mitsamt der tief im subkutanen Bindegewebe 
liegenden Haarpapille herausgezogen wird, damit wird auch das 
Haar definitiv entfernt. 

Aber nicht blos die Unreinigkeiten der Haut beschäftigen die 
Kosmetik, sondern auch der Mangel an Glätte^ Weichheit, Ge¬ 
schmeidigkeit und Mattglanz der Haut. So gern man allerdings 
durch Femhaltung jeglichen Reizes die Homschicht weich und 
zart machen möchte, so darf nicht vergessen werden, dass die 
Haut auch dem Einflüsse von Wind, Wetter, Licht, Wärme und 
Kälte standhalten soll. So hält z. B. der Fuder die Erfrischung 
der Luft und die Belebung ab. 

Wohl aber nimmt die spröde, rauhe und trockene Haut imd 
die Verfärbung der Haut (capillare Hyperämie und Venectasie) die 
altbewährte Salbenbehandlung in Anspruch; der Spitzbrenner jedoch 
und die Lassar’sche Methode der multiplen Stichelung muss bei 


grösseren sichtbaren Venen zu deren Obliteration in Tätigkeit 
treten. A. R. 


Vermischtes. 

— Wüstenhotels. Um die vom Arzte verordnete Ruhe 
und Erholung in der Einsamkeit der Wüste gemessen zu können, 
hat eine englische Lady das Unternehmen eines Wttstenhotels in 
der Nähe der Pyramiden von Gizeh geplant. Jeder Gast erhält 
als Schlafstätte sein eigenes Zelt, das zwecks besseren Schutzes 
ein doppeltes Zeltdach trägt imd innen mit orientalischen Schlaf¬ 
teppichen ausgestattet ist. Zwei grosse Zelte dienen als gemein¬ 
schaftliche Speise- und Unterhaltungsräume. Die Verbindung mit 
der Aussenwelt wird durch eine Pferdebahn nach Kairo unterhalten. 
Das Fensionsgeld beträgt pro Woche 170 Franken, während sich 
sonst die gewöhnlichen Unterhaltungskosten in Begleitung des 
Dragomans auf 50 Franken pro Tag belaufen. Doktoren in Kairo 
versprechen sich von dem Einflüsse der Wüstenluft und Ruhe 
grosse Heilkräftigkeit für ihre Patienten und wollen das Unter¬ 
nehmen in jeder Weise unterstützen. 

— Dr. Pierson hat die ärztliche Leitimg seines Sanatoriums 
Lindenhof an Dr. F. Lehmann abgegeben. — Dr. Pierson, welcher 
der Anstalt 21 Jahre verstand, wird sich nunmehr auf eine ärzt¬ 
lich beratende Tätigkeit beschränken. 

— Das medico-mechauische Institut und Zander- 
Institut im Karlsbader Kaiserbade gelangt zur W’ieder- 
Verpachtung, da nach dem Ableben des Dr. Kumpi der Vertrag 
des Dr. Grünfeld mit der Stadt gelöst wurde. Das Höchstoffert 
ist jenes des Dr. Ty.rnauer, welcher 35 000 K. bietet und welcher 
voraussichtlich den Pacht auch erhalten wird. Die bisherigen 
Pächter zahlten einen ähnlichen Betrag, sind aber nicht auf die 
Kosten gekommen. 


Personalien. 

— Dem Vorsitzenden der Badanstalten-Kommrssion in Baden- 
Baden Geheimrat Haape, dem Oberbürgermeister von Baden- 
Baden Dr. Gönner wurde das Kommandenrkreuz, dem Kurdirektor 
von Baden-Baden Grafen Vitzthum von Eckstädt das Offiziers- 
kreuz des Niederländischen Hausordens von Oranien verliehen. 
Der Karlsbader Badearzt Dr. Edgar Gans wurde zum Ritter der 
französischen Ehrenlegion ernannt. 


Meteorologische Statistik. 


VertMteltet vm der Redaktioa der BalaeelejgUcImi Zedtralzeitmy.. 


Name 

1 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

minimnm 

m 9 g 

S-S 1 
©Sa 

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Eh 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

schein- 

tage 

Wivi^l 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

31.12.-6.1.06. 

i 

1 

__ 

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_ 


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Badenweiler. 


— 

— 

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— 

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Driburg. 


2,1 C. 

3,4 C. 

— 

4 

3 

1 

1 

— 


Ems. 


— 0,8 C. 

2,3 C. 

758 

3 

3 

4 

4—4 

— 


Giesshübl-Sauerbrunn . , 


— 6,7 C. 

— 2,5 C. 

— 

2 

2 

3 ! 

4 

— 


Franzensbad. 


— 

— 

— 

— 

_ 

_ 

— 

— 


Herrenalb. 


-5'/, C. 

9 C. 

724 

3 

3‘/2 

31/2 

5 

— 


Kreuznach ..... 



— 

— 

— 


_ 

_ 

_ 


Laugenscbwalbach . . . 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe ..... 


3'/2 C. 

2V.C. 

755 >/, 

3 

3 

— 

4 

— 


Nauheim. 


— 2,5 C. 

2,9 C. 

748,8 

3 

2 

5 

1—5 

_ 


Nenndorf . 


— 7 C. 

-V* c. 

762 

2 

4 

1 

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Norderney. 

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Reichenhall . . . . • . 

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Reinerz. 


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719 

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5 

3 

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Salzbrunn. 

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— 



Verantwortlicher Redakteur; Ho<rat Dr. W. H. Gilbert, Baden-Baden. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S, 
Druck von Heynemann'tcbe Buchdruckerei, Gebr. WolfT, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgans^. Nr. 4. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des ScbwarzwaldbäÜertages, des Verbandes 
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*: 

Verlag: Carl Marhold ln Halle a. UhlandstraSe 6. 

Tel.-Adr.: Marbold Veriag Hailesaale. Pemspreefaer 2834. 

Redakteur: 

Dr. Nebelt, Plinsberg i. Schl. 

Alle Znschrifteii an die Redaktion erbitten wir au Herrn 

Hoirat Dr. W. H. Qilb«t, Baden-Badee. 

Hofrat Dr. W. H. IBlbert Baden-Baden. 


Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quelleaangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt. 


Feuilleton: Die Leproserien speziell Lothringens. VonDr. £. Rotb.(^blass.) 
Geschichte der Entwicklung des Badm Ems. Vortrag für die XIV. Jahres* 
rersammlnng des Allgemeinen Deutschen bäder*Vorbsndes zu Ems. 
Sitzung am 4 . Oktober 1905. Von Ür. Stemroler, Ems. (Forts.) 


Ans den Bftdem und Kurorten. 
Literatur. 

Meteorologische Statistik. 


Geschichte der Entwicklung des Bades Ems. 

Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des Allgem. Deutschen 
Bader-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1905. 

Von Dr. Stommler, Ems. 

(Fortsetzung.) 

£is unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Römer 
auch von den warmen Quellen, die ihrer Lebensbequem- 
Jichkeit so sehr zu statteu kamen, Gebrauch gemacht haben. Dies 
wird besonders bestätigt durch die Tatsache, dass bei dem Bau 
des Römerbades im Jahre 1842 neben vielen andren Denkzeichen 
aus römischer Zeit ein gemauertes Bad mit Röhren aus Stein und 
kupferner Rinne gefunden wurde. So gewinnt die Vermutung 
an Wahrscheinlichkeit, dass das Kastell auf der linken Lahnseite 
nicht nur dem Schutze des LahnUberganges, sondern auch der 
warmen Qnellen diente. Auf jeden Fall wird der Römer gern 
in diesem herrlichen Erdenwinkel geweilt haben, der ihm wenigstens 
einen kargen Ersatz bot für die üppigen Bäder seiner sonnigen 
Heimat. Und so hat sich auch, als nach einer langen Reihe von 
Jahrhunderten die Bubenquelle eine gewisse Berühmtheit erlangte, 
die Legende ein Vorbild aus der f^merzeit gewählt, indem sie 
hierhin die Wiege des Kaisers Callgula versetzte, den Agrippina 
nach erfolgreichem Gebrauche der Emser Bäder dem edlen Germa* 
nicus gebar: — (In vico ambiatino supra confluentes — Plinius 
jun.) Ais die Macht der Römer dahinsank, und die in Germanien 


stehenden Legionen von den deutschen Stämmen hart bedrängt 
ziu* Verteidigung des heimatlichen Bodens zurückgingen, scheint 
der Sturm der Völkerwanderung über Ems hinweggefegt zu sein, 
alles niederreissend, was von fremdländische: Kultiir ins Auge stach. 
Wenn auch erst der Pflug späterer Zeiten ganz der Erde anver¬ 
traute, was wir jetzt als wertvolle Urkunden aus ferner Zeit 
sammeln, so senkt sich doch mit diesem Zeitpunkt ein undurch¬ 
dringlicher Schleier über die Geschichte der menschlichen Nieder- 
lasstmgen an den Emser Thermen. Wohl deuten Gräberfunde 
darauf hin, dass im Anfang des fünften Jahrhunderts die Franken 
Herren dieses Tales waren. Eine bestimmte Nachricht von Ems 
bringt erst wieder das 10. Jahrhundert. In der Stiftungsurkunde 
der Kirche zu Humbach (Montabaur) wird eine kleine Grundherr- 
Uchkeit erwähnt, deren Grenze der Bach Omunza (Emsbach) bildete, 
deren Besitzer, der Franke Omincus (Oming) mit seinen Gütern 
an die Besitzungen des Herzogs Herrmann von Älemanien ati- 
grenzte. Unzweifelhaft erkennen wir in dieser Grundherrlichkeit 
den Ursprung des heutigen Ems, das sich aus der Benamung 
Omtze, Uvemetze (1158) Omize, Oumete (1200), Bad zu Eimtz 
(1361), Embtze (1474), Embtz (1438), Eimetz, Eyms, Embesse, 
Hembesse, Emps, Embs, und anderen Namensänderungen ent¬ 
wickelt hat. Dieses Gut sehen wir später lange Zeit im Besitze 
der Trierischen Kirche, speziell des Kastorstiftes in Koblenz, 
Schirm Vögte waren die Grafen von Amstein, und im 12. Jahr¬ 
hundert die Grafen von Nassau (Laurenburg). Diese fühlten sich 
so sehr als Herren des Landes, dass eine langjährige Fehde ent¬ 
stand, als Kaiser Friedrich Barbarossa in seinem Hoflager zu 


Feuilleton. 

Die Leproserien speziell Lothringens. 

Von Dr. E. Roth. 

(Schluss.); 

Nach lothringischem Recht waren zwanzig aussatzver- 
dächtige Zeichen vorgeschrieben, um jemand als ladre zu er¬ 
klären, und zwar zehn am Kopfe und zehn am übrigen Körper, 
während in der Christenheit sonst 20 bis zu 30 selbst zur 
Überführung eines Leprakranken vorgeschrieben waren. Der 
im 13. Jahrhundert sehr beliebte Lehrer Gilbertus anglicus 
hat in seinem Compendium medicinae den Aussatz in aieser 
Beziehung wohl am besten beschrieben; bei ihm finden sich 
27 Kennzeichen, welche zu seiner Zeit maßgebend waren und 
die Kirch für wichtig genug hält, um sie ausführlich abzu¬ 
drucken. 

War aber einer für ladre erklärt, so schritt man zur Se¬ 
questration; und das Zeremoniell bei der Absonderung der 
Leprosen war einer der rührendsten Teile der kirchlichen 
Liturgie. Dabei waren diese Gepflogenheiten bis auf einige 
Einzelheiten in der ganzen Christenheit die gleichen: Man stiess 
eben die (Unglücklichen aus der menschlichen Gemeinschaft 
aus, der Aussätzige wurde behandelt wie ein Toter, wenigstens 


im bürgerlichen Sinne; er musste sich zeitlebens „der gemeinen 
Bürgerschaft enthalten und weltlich Hantierung entäussern“; 
er konnte weder erben noch vererben. Wurde ein Lepröser 
entlassen als geheilt, was freilich selten genug vorkam, so fand 
er vielleicht seine Frau wieder verheiratet; eine Rechnungs¬ 
ablage über das Vermögen konnte nicht gefordert werden. 

Selbstverständlich konnten Aussätzige keine Ämter be¬ 
kleiden, auch nicht in der Kirche. Von Kommunion und 
Beichte waren sie aber nicht ausgeschlossen, wenn ihnen auch 
im Gotteshause ein besonderer abgeschlossener Raum ange¬ 
wiesen wurde, falls sie nicht, wie die Regel erheischte, eine 
eigene Kapelle besassen. Der Friedhof befand sich gewölm- 
lieh in unmittelbarer Nähe der Leproserie und wurde streng 
gegen die Leichen anderer Verstorbenen abgeschlossen. 

Im Leprosenhaus selbst bildeten alle Mitglieder mit^ ein¬ 
ander eine Familie, mochten sie verwandt sein oder nicht; 
Hoch und Niedrig zählte nicht, alle waren Bruder und 
Schwester. 

Eine wie g^rosse Rolle die Lepra im Volksglauben y)ielte, 
beweisen die zahlreichen diesbezüglichen Legenden und Schrif¬ 
ten, Gemälde und anderes. 

Noch findet man vielfach St. Georgenkapellen, die dem 
Schutzherm der Aussätzigen geweiht waren. 

Die Kirche war durchgehends die Verwalterin der Ans- 
sätzigenheime, doch findet sich auch städtische Verwaltung er¬ 
wähnt 


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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


U 


Nr. 4, 


Sinzig am 26. April 1158 den Erzbiachof Hillin von Trier filr 
seine ihm auf der Expedition nach Italien geleisteten Dienste feier* 
lieh das Recht znsprach, um Ems Bergbau auf Silber zu betreiben; 
Omnem iusticlam quam in argentaria in Uvemetze (bei Hontheim 
XJlmetze) et in toto monte adiacente. 

Nachdem in langjährigen Kämpfen die Schirmvögte aus dem 
Hause Nassau sich zu Ijandesherren aufgeschwungen, scheint Ems 
schnell emporgebldht zu sein. Urkunden des 14. Jahrhunderts 
erwähnen den reichen Weinbau um Ems und am 19. Februar 
1324 erhält es sogar vom König Ludwig dem Bayern das Privi¬ 
legium sich mit Mauer und Graben zu umgeben xmd sich Stadt 
zu nennen, von welchem Rechte jedoch nicht Gebrauch gemacht 
wurde. Während sich die ehemalige Besitzong des Franken 
Oming zu einem grossen Flecken (Dorf Ems) entwickelte, geschieht 
der Thermen nur nebenbei Erwähnung, um die Lage des Silber¬ 
bergwerks (argenti fudina ad Thermas Emptzianaa) genauer zu be¬ 
zeichnen. Immerhin deutet dies daraufhin, dass sie als allgemein 
bekannt vorausgesetzt wurden. 

Eine Urkunde vom 23. Dezember 1352 erwähnt die „Mühle 
und das warm bayt by Eumetze“. Genaueren Bericht liefert uns 
die Belehnungsurkonde des Erzbischofs Wilhelm von Cölln, welcher 
1355 den Grafen Johann zu Nassau, Herrn zu Hadamar mit dem 
Dorfe Embs, mit den Gerichten, Leuten, Weingarten und „vort- 
mehr der Mühlen, warmen Baad bei Eymetz‘* gelegen, Holz und 
Feld, Wasser und Weyde belehnt. Weitere Urkunden aus den 
Jahren 1361, 81, 83 berichten über den Turm auf dem Bade und 
das Bad selbst. Im Jahre 1443 tritt eine Teilung der Vogtei 
und des Bades Ems ein, indem Katzenellenbogen, gestützt auf 
Erb- und Kaufverträge, die Hälfte davon in Besitz nimmt. Mit 
dem Erlöschen des Manuesstammes der Grafen von Katzenellen¬ 
bogen im Jahre 1479 fällt dieser Anteil an Hessen, welches wir 
nunmehr bis 1803 gemeinsam mit dem Hause Nassau im Besitze des 
Bades Ems sehen. In die Zeit der Gemeinherrschaft des Hauses 
Nassau und Katzenellenbogen fällt auch die Erbauung eines neuen 
Bad- und Kurhaxises. Aus den älteren Urkunden können wir nur 
annehmen, dass der Turm über dem Bade das einzige Badehaus 
war, und wir erfahren, dass sich in demselben zwei Bäder be- 
landen. Wir lassen dahin gestellt, ob die Unzulänglichkeit dieser 
primitiven Einrichtung oder vermehrter Zuäuss von Genesung- 
suchenden die beiden Besitzherren veranlassten Wandel zu schaffen. 
Jedenfalls gibt uns eine Urkunde aus dieser Zeit genauen Auf¬ 
schluss Uber den Bau eines neuen Badehauses. Diese Fürsorge 
für das Wohl der Badegäste scheint einen starken Aufschwung 
der Bäder bewirkt zu haben; denn eine Reihe von Badeschriften 
hervorragender Arzte erwähnen die Heilkraft des Bades und 
widmen demselben besondere Abhandlungen. Hervorzuheben ist 


Die wichtigste Stelle in der weltlichen Verwaltung nahm 
der Leprosenmeister ein, er vertrat das Haus nach aussen, er 
Unterzeichnete alle Käufe und Verkäufe, er nahm Stiftungen 
an, kurz, war der Vermittler der Welt gegenüber. Sonst 
wurde das Personal nach Möglichkeit beschränkt, die Aus¬ 
sätzigen waren durchgohends auf sich angewiesen und mussten 
sehen, wie sie sich mit allerlei Handreichungen halfen. 

In den geordneten Leproserien, in den grösseren wenig¬ 
stens, waren die Gesunden von den Kranken durch besondere 
Abteilungen getrennt; das Claustrum war der Ort, wo die 
pflogonden Laienbrüder und Laienschwestem sich aufhielten, 
wenn sie nicht Dienste verrichteten oder die Leprosen pflegten. 

Und wenn je eine Aufgabe notwendig und schwierig war, 
so waren es wohl die Berufspflichten dieser Brüder und 
Schwestern; es gehörte viel Selbstüberwindung und eine 
eiserne Ausdauer dazu, in Leproserien auszuhalten, zu sehen, 
wie die Unglücklichen unter den schrecklichen Sclimerzen 
langsam zu Tode gefressen wurden, ohne neimenswert helfen 
zu können. 

Daneben müssen die Arbeiter erwälint werden, welclie mit 
der Bearbeitung des den Leprahäusern vielfach gehörenden 
Landes betraut waren, sie wohnten aber nicht mit in den 
Leproserien. 

Anders stand es mit den sogenannten Praebendoninhabern. 
Mau kann aber vielfach darunter eine Art Aristokrateiilepra- 
kranke verstehen. Diese Praebenden standen hoch im Preise. 


die Schrift des Marbui'ger Professors Dr. Johannes Dryander, ge¬ 
nannt Eichmann: „Vom Eymbser Bade“ 1535, damals wie der 
Titel angibt „Docktor zu Coblentz“ in welcher er die Wirkungen der 
„Embser Thermen“ verherrlicht. Und dieses Zeugnis ist umso 
wertvoller, als es sich gründet auf eine für die danuüige Zeit 
eingehende Quellenanalyse, die er selbst angestellt hat. Die 
Kenntniss von der Komposition des Wassers hält er für die Be¬ 
urteilung der Wirkung unbedingt für nötig. „Den niemandt wol 
erkennen kan/ ein Compositum/ das ist ein dingk vo vielerley zu¬ 
sammen gefügt/ er wisse dann zuvor/ eines jeglichen Dinges/ so 
in die Composition kompt/ eigenschafft". Seine Untersuchung er¬ 
gab , dass dies Badt vö schweflel/ alun xmd saltz zusammen ge¬ 
setzt sey/ woU auch andere ertz in sich haben mag; xmd zwar 
von den drei Hauptbestandteilen, des aluns, am allermeisten/ des 
8 altzes| halb so viel/ des schweffels aber am allerwenigsten. 
FxLssend auf eigene Erfahrung xmd gestützt auf das Untersuebungs- 
resultat stellt Dryander in kurzen Worten die Indikationen für 
das Eymser Bad auf. Die viel Feuchtigkeit in den Lxmgen 
haben, sollen dies Bad gebrauchen. Er empfiehlt es 
lerne vnd das Podagra, den Spasmum und die entschlaffene Gelider. 
So einer im leib der Colica oder Dermgicbe halber mangel hat 
oder zu sehr flüssig im Bauch wäre, denen hilft es: Es zerteilt 
die sandichten Körnlein in den Nieren und macht die hineghamen, 
den Frawen, die unfruchtbar seyn, hilft es wieder zurecht. 

Sie sehen meine Damen xmd Herren! Die Indikationen für 
Ems sind so alt wie die Balneographie des Bades, — sie sind 
xmwandelbar geblieben im Wechsel der Zeiten, konstant wie der 
Gehalt der Quellen, zugkräftig wie der Ruf der hervorragenden 
Arzte, die in den folgenden Jahrhunderten als Elronzeugen über 
die Wirkung der Emser Thermen geschrieben haben. — Ich er¬ 
wähne zimächst, Gxiinter von Andernach 1565, der das Emser 
Wasser besonders für die Engbrüstigen innerlich zu gebrauchen 
rühmt, xmd Joh. Göbeliua, 1566, der es den Keuchenden und 
Kurzatmigen empfiehlt; ferner Joh. Jac. Wecker, Professor in 
Basel 1568, Gallxis Etschenreutter, Dr. in Strassburg 1571, 
Thurnneisser 1572, Martinus Rulandus 1578, Jakobus Theo- 
dorus Tabernaemontanus 1684, Gravins 1594. — Kein 
Wunder, dass der Ruhm des Emser Bades, gestützt auf die Heil¬ 
kraft seiner Quellen, verherrlicht durch die Veröffentlichung be¬ 
rühmter Ärzte axis allen Gauen Westdeutschlands weiter ins Volk 
drang xmd immer mehr Badegäste anzog. Und die Badenden 
kamen in solcher Zahl, dass die Gebäude sie nicht alle fassen 
konnten. — Dieser Umstand veranlasste den Landgrafen Wilhelm 
za Hessen, Grafen zu Katzenellenbogen, mit seinem Vetter Johann 
Grafen zu Nassan wegen eines Neubaues in Verhandlxmgen zu 
treten, die zu dem Ergebnis führten, dass eine Trennung xmd 


Beispielsweise kam eine in der Leproserie des Grands Malades 
zu Verdun auf 9000 Franken zu stehen. 

Diese Praebendeiiinhaber nahmen demnach eine ganz privi- 
lemerte Stellung ein, durften sich teilweise sogar eigene Diener¬ 
schaft halten, aber sie waren und blieben Aussätzige, die man 
von der Welt abgesondert hatte. Nur sehr selten gelang es 
Gesunden eine solche Praebendenstelle zu erhaschen xmJ so 
für das Leben versorgt zu sein. 

Alle Leproserien fingen arm an, aber die gesamte Bevöl¬ 
kerung wetteiferte im allgemeinen, den Unglücklichen ihr Los 
zu erleichtem und sich durch Schenkungen in guten Geruch 
bei der Geistlichkeit zu bringen, wobei letztere vielfach an 
Spenden die Weltlichkeit überbot Stiftungen und Almosen, 
diese beiden Bestandteile ermöglichten den Leprösen die Exi¬ 
stenz , wobei sie vom Zehnten befreit waren und selbst teil¬ 
weise das Recht hatten, Steuern einzutreiben. Hervorzuheben 
ist, dass die Leprösenhäuser das Asylrecht genossen und Ver¬ 
letzungen desselben wie Majestätsverbrechen bestraft wurden. 

Dabei mussten die Aussätzigen ein besonderes Kleid an- 
legeii, das sie bereits in einiger Entfernung kenntlich machte. 
So ist eine gewisse Älinliclikeit mit dem Klösterlichen Leben 
unverkennbar, wenn auch meistens nur in Äusserlichkeiten. 
Gemeinsam war beiden, dass sie das dreifache Gelübde der 
Armut, der Entlialtsarakeit und des Gehorsams ablegten. 

Merkwürdig ist, dass wir in den Urkunden, so der Metzer 
Leprosen, nirgends einen Arzt für die Aussätzigen erwähnt 


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BALNBOLOGTSOHB CBNTRALZBITUNG 


15 


\<m. 


TtÜong d«r Bttdftr und OofiUra unter den beiden grBfiiohen Hftusem 
Ten Heesen und Naeeau, die seither dieselben in gemeinsamen Be- 
rite hattan, stattfand und von beiden Seiten Neubauten aufgeftlhrt 
wurden. — Über die Einser Badeanstalten, über Trink- und Bade¬ 
kur und Verpflegong der Gftste zu Anfang des 17. Jahrhunderts 
beriohtet in ans^rlioher Weise Dr. Marsilius Weigel, „bestellter 
Kedicns Ordinarius der Freistatt Wormbs,** der selbst lange Jahre 
mit Patienten und der eigenen Gesundheit wegen in Ems geweilt 
hat. Seine „Ausführliche Beschreibung des vortrefflichen und 
warmen Bads Embtz 1627," gleicht mehr einem Lobeshymnus auf 
die Heilkraft des Elmser Bades, „welches seiner wundersamen 
Kräfte und Güte halber dem Wissbade weit fürgezogen wird. 
(Merian: Topographia Hassiae 1654). Aus Weigels Beschreibung 
erfahren wir, „dass zween Vögte oder Pfleger, einer im Hessischen, 
einer im Nassauischen, gesetzt und bestellt sind, welche den zu¬ 
kommenden Badtgästen alle mögliche und notdürftige Freundschaft, 
Dienst und Handreichung mit Bettwerk, Leinenzeng, Eüchen- 
geschirr nnnd anderen Bedürfftigkeiten thnn vnnd leisten." Weigel 
erwähnt in dem HessiBchen Bau, zwey schöne^ ziemlich grosse 
Bäder, so noch gebraucht werden, sindt oben zugewölbet, jedoch 
mit Luftlöchern vnnd Fenstern, dass der Dampff aufgehen können, 
genngsamb versehen." Ober den Reichtum der Quellen an Wasser 
und die Reinigung der Bäder berichtet er: „Es wallet oder springet 
das warme Wasser in diesen Bädern (wieauch in denenNassawiscben) 
aneinander und unaufhörlich, wie man es erleyden kan, nicht zu 
heyss oder zu kalt, vnder den badendten, aus der Erden herfür: 
lustig anzusehen, also dass man vnnachlässig frisch vnd sauber 
Wasser hat, welches dann, wann die Bäder zu voll sind, oben 
abläuflft: sonsten aber, werden solche Bäder, alle abendt wie ein 
Fichweyer abgezogen oder gelassen, mit Besemen gekehrt vnnd 
j^esäubert, dass guitz keine Unsauberkeit, oder alt Wasser, darinn 
man zuvor gebadet hette, darinnen bleiben kan." Zur Trinkkur 
wurden zu Weigels Zeit Imuptsächlich gebraucht ein „Hilchwarmes, 
laulechtes brünnlein" (Kränchen) im Hessischen, und ein Brunnen 
im ^wendigen Hof des nassauischen Gebäudes. — 

(Fortsetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

□ Mftridnbftd. Das Eisenbahnministerium hat an den Be¬ 
sitzer des Hotel-Etablissements „Rübezahl" in Marienbad, Georg 
Zischka, die Bewilligung zur Vornahme technischer Vorarbeiten 
für eine schmalspurige elektrische Strassenbahn oder eine elek¬ 
trische Seilbahn von einem geeigneten Punkte der von Marienbad 


finden, wenn auch eine Apotheke für diese Anstalten hin und 
wieder anftaucht Man ^nn sich diesen Umstand nur da¬ 
durch erklären, dass die Unglücklichen eben für tot galten; es 
war ihnen also doch nicht mehr zu helfen. 

Die Einzelheiten über die speziell die Metzer Verhältnisse 
berühi enden Tatsachen wolle man an Ort und Stelle nachlesen. 

Als Schlusswort mögen Eireh’s Schlusssätze folgen: 

Diese Einrichtungen sind ein Ausfluss der Chf^tas der 
Metzer Bevölkerung im Mittelalter für ihre Ärmsten der Armen, 
für ihre Republik der Toten, die unglücklichen Aussätzigen in 
ihren Leproserien gewesen. Durch die Mildtätigkeit der ißinige, 
durch die Freigebigkeit der Päpste, durch den Opfersinn aer 
Gläub^en and nicht zum.geringsten durch die Hochherzigkeit der 
Stadt Metz, ist uns daselbst eine Armenpflege geschaffen worden, 
welche die zahlreichen Metzer und Lothringer Kriege nicht zu 
stürzen, das Leproseriensäkularisationsedikt Ludwigs XIV. vom 
Jahre 1672 nicht zu sprengen, selbst die grosse französische 
Revolution nicht über den Haufen zu werfen vermochte, eine 
Armenpflege, deren Wohltat seit mehr als 700 Jahren bis auf 
den heutigen Tag im städtischen Hospital Sankt Nikolaus die 
Armen von Metz gemessen. 


nach Abasohin Mirenden Strasse zum Holel ^Rübezahl" in 
Marienbad erteilt. 

□ MmtIUI. Der Bau eines Enrmittelhauses nach den von 
Architekt Langheinrich abgeänderten Plänen, ist in der Gemeinde- 
ausschosssitzung vom 16. Dezember mit einem Gesamtkostenauf- 
wande von 650 000 Kronen endgUtig beschlossen worden und soll der 
Bau und die Einrichtung bis Herbst 1907 durohgefllhrt sein. 
Das Kurmittelhaus, das jeden Eonfort aufweisen soll, wird im 
Souterrain ein Schwimmbad, Dampfbad und Wannenbäder für das 
allgemeine Publikum, im Paterre und ersten Stock elegante Dampf- 
und Wannenbäder, Zanderzahl, Inhalationsräume usw, für das 
Kurpublikom enthalten. 

^ Nauhüiin. in der Thronrede zur Eröffnung des hessischen 
Landt^es, wurde eine neue Verbesserung des Bades Nauheim 
angekündigt; es heisst darüber in der Thronrede; „Die fortge- 
setote starke Zunahme des Besuches des Bades Nauheim macht 
es nötig, neben der Durchführung des bekannten Gesetzplanes für 
die Umgestaltung der Badeanlagen auch eine besondere Wasser¬ 
versorgung für die dortigen staatlichen Betriebe anzolegen. Die 
Ergiebigkeit der Quellen des Flusses Lauter ist so gross, dass zu 
gleicher Zeit eine grössere Zahl von Gemeinden wie Giessen, 
Büdingen, Friedberg mit billigem Wasser versorgt werdra können. 
Eine Vorlage hierüber soll dem Landtage zogehen. 

X Nonndorf. Die beiden Schwefelquellen, die auf dem 
fiskalischen friiheren Schlammlagerplatz in der Gemarkung Alge^ 
dorf gefunden und im letzten Sommer ausgescbachtet wurden, 
haben sich nach der Untersuchung durch einen Chemiker aus 
Wiesbaden als stärker denn die Nenndorfer Badequelle erwiesen. 
Es soll bis zum Frühjahr 1906 eine Holzrohrleitung von der 
Quelle zum Bade Nenndorf hergestellt werden. 

X SalzhaU86n. Dem hessischen Landtage wird eine Vorlage 
der ^gierung zugehen, welche für eine neue Tiefbohrung zur Er¬ 
schliessung der naturwarmen Sole, für Errichtung eines neuen 
Badehauses und für Einführung der elektrischen Beleuchtung die 
nötigen Mittel fordern wird. Die Übertragung dieses seither zum 
Domänenbetrieb des GrossherzogUohen Hauses gehörigen Bades 
auf den Staat soll eine neue finanzielle Organisierung des Bades 
Salzhansen (wie auch Nauheims) ermöglichen und die Aufwendung 
verhältnissmäßig hoher Blittte) für das erste zur vollen Entwicke¬ 
lung zu führende Salzhausen erleichtern. 

X TOIZ. Es wurde beschlossen, an Allerhöchster Stelle ein 
Gesuch einzubringen, dass das Bad su einer Stadt erhoben werde. 

# Arosa. Am 2 . Jan, betrug die Frequenz 621, in Na¬ 
tionalitäten verteilt wie folgt: Deutschland 307, England 97, 
Schweiz 80, Russland 56, Holland 22, Italien 5, Frankreich 14, 
Österreich 18, Belgien 1, Dänemark und Skandinavien 7, Amerika 
7, Andere Staaten 7, 

X BarChteSfaden. Mehr und mehr bürgert sich audi im 
bayerischen Hochlwd der Wintersport ein, und Berchtesgaden ist 
eine der vornehmsten Stätten hierfür. Denn zu sportlichen Be- 
strebimgen sind die Vorbedingungen in und um Berchtesgaden in 
geradezu einzigartiger Weise gegeben. Die durch Monate hindurch 
solide Schneedecke garantiert vortreffliche Rodel- «ad Schlitten¬ 
bahnen. Nach vier Richtungen gestatten breite gatgehaltene 
Chausseen ausgedehnte Schlittenpartien, berühmte Rodelbahnen 
fuhren von den Höhen des Salzberges und von Vorderbrand zu Tal. 
Das Spiegeleis des Eönigsees lockt zu Schlittschuhlauf, Staohel- 
schlitten and Bennwolf, und überall ringsum ist gntes Gelände 
für Skilauf. Aber die Sportfreuden erschöpfen keineswegs die 
Motive zu einem Winteraufenthalt in Berchtesgaden, denn dieser 
Ort eignet sich infolge seiner bevorzugten Lage auch in hervor¬ 
ragender Weise zu einem ständigen Kuraufenthalt wälu^d des 
Winters. 


Literatur. 

H. Kionka-Jena. Glykokoll und Harnstoff in ihren 
Besiehnngen snr Hamaänre. Eine Theorie der 
Gicht. (Zeitschr. f. exp. Pathol u. Therap., 2. Bd.) 

Wie die vorhergehenden Untersuchungen zeigen, „spricht 
vieles dafür, dass es sich bei der (Hebt um Funktionsstörungen 


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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 4. 


16 


handelt, welche ihren Sitz vornehmlich in der Leber and wohl 
auch in den Nieren haben. Ee ist ferner wahrscheinlich, dass 
eine derartige angenommene Funktionsstörung Beziehungen haben 
müsste zur Harnsäure. Zeigt diese doch gerade beim Oichtiker 
ein bedeutend anderes Verhalten als in der Norm.** 

E. suchte anlehnend an seine früheren Untersuchungen nach 
Stoffen, welche normaler Weise in der Leber Vorkommen und die 
möglicher Weise mit Harnsäure in Verbindung treten könnten. 

Versetzt man eine Lösung von neutralem harnsaurem Alkali 
(Dialkaliurat) mit Sodalösung, so bildete sich bekanntlich das 
schwerer lösliche saure Salz (Monoalkalurat) und fällt aus. K. 
fand, dass dieser Vorgang erheblich schneller bei der Anwesenheit 
von GlykokoU verläuft. 

Gerade im entgegengesetzten Sinne ist der Harnstoff wiiksam. 

Es Würde also der Harnstoff im Organismus die Rolle eines 
solchen problematischen „Schutzstoffes“ der Harnsäure gegenüber 
spielen, der, wenn er auch keine direkten Verbindungen mit der 
Harnsäure eingeht, doch derartige, wie eingangs besprochene 
Eigenschaften besitzt, durch die er das Eintreten von Schädlich¬ 
keiten von seiten der Harnsäure verzögert. Da jedoch nach Ig- 
natowski der GKchtiker (und ebenso der Leukämiker) beträcht¬ 
liche Mengen von Glykokoll im Ham ausscheidet, während der 
normale menschliche Ham höchstens Spuren von Aminosäuren 
enthält, so ist anzunehmen, dass der Gichtiker auch unzersetztes 
Glykokoll in seinen Eörperflüssigkeiten, in seinem Blute besitzt. 
Hierdurch werden aber, wie oben auseiuandergesezt, die Löslich¬ 
keitsverhältnisse für die Harnsäure verschlechtert, und es muss 
leichter zum Ausfallen derselben, zum Entstehen von Uratab- 
lagerungen in den Geweben kommen können. Der normale Orga¬ 
nismus besitzt in hohem Maile die Fähigkeit, Aminosäuren zu zer¬ 
stören, Bodass soldie auch bei einer direkten Überschwemmung 
des Körpers mit denselben niemals unzersetzt ausgescbieden 
werden. Diese Zersetzung des Glykokolls (und anderer Amino- 
j^uren) findet, wie 0. Loewi gezeigt hat, in der Leber statt und 
ist die Funktion eines Fermentes — von anderen als „harnstoff- 
bildendes“ Ferment bezeichnet, das von Loewi sogar einiger¬ 
maßen isoliert wurde. Das durch die Tätigkeit dieses Fermentes 
entstehende Zersetzungsprodukt ist nach Loewi eine äther-alkohol- 
lösliche Stiokstoffverbindung, die er jedoch nicht als Harnstoff 


ansprechen wUl. Indessen müssen wir annehmen, dass dieses 
Produkt doch schliesslich weiterhin zu Harnstoff umgebildet und 
als solcher ausgeschieden wird. Durch die Tätigkeit dieses Fer¬ 
ments —- es wird also einmal im Blute vorhcmdenes Glykokoll zer¬ 
stört und andererseits Harnstoff bezw. eine Vorstufe desselben 
gebildet. 

Beim Gichtiker muss, wie wir aus den Befunden Ignatows- 
ki’s ersehen, die Tätigkeit dieses Fermentes ganz oder teilweise 
aufgehoben sein. Fällt aber diese Fermentwirkung fort, so wird 
weniger Harnstoff und dafür mehr Glykokoll im Blute und in den 
Körperflüssigkeiten auftreten. Durch beides werden aber, wie 
wir oben gesehen haben, die Löslichkeitsverhältuisse für Harnsäure 
bedeutend verschlechtert. Und da der Gichtiker bekanntlich er¬ 
heblich mehr Harnsäure im Blute erhält, als der Normale, so 
muss sich eine derartige Schädigung bei ihm besonders geltend 
naschen: „Es kann zum Ausfallen der Harnsäure Und zur Ent¬ 
stehung von Uratablagcrungen in den Geweben kommen.“ A. R. 

Stephan. Beiträge zur Psychologie der Bewohner 

von Nenpommem. (Illustr. Zeitschr. f. Länder- und 

Völkerkunde. Bd. 78, Nr, 13.) 

Der erste Teil des interessanten Aufsatzes behandelt in amü¬ 
santer Weise die Beobachtungen Verf. über das seelische Empflnden, 
die Anschauungen und Auff'assungsfähigkeiten der Barriai, eines 
wilden Stammes in unserer Bismarck-Archipelkolonie. Zwei in ihrer 
Psychologie genauer geschilderte Angehörige des Stammes er¬ 
scheinen unserem von der Kultur beleckten Urteil als kleinste 
Kinder mit primitivsten Regungen. Und doch schlummern und 
zeigen sich auch in ihnen alle edle Triebe, welche wir gewöhnlich 
als das Produkt der Kultur ansehen, wie Ehrgefühl, Scham, Dank¬ 
barkeit die Individualität ist, was Charakter und Begabung be¬ 
trifft, auch bei ihnen wie bei uns deutlich, ausgesprochen. Ein 
anderer Stamm (von der Insel Hunt aus dem Bismarck-Archipel) 
steht in jeder Hinsicht weit hinter den Barriai zurück. 

Den zweiten Teil bildet eine Beschreibung der jetzt im 
Berliner Museum für Völkerkunde untergebraohten Sammlung 
von Gebrauchs- und Kunstgegeuständen der Barriai. Bezeichnend 
für ihre sittlichen Ansichten und Natürlichkeit ist es, dass bei 
ihnen die Spazierstöcke einen Knopf zu tragen pflegen, der einem 
Penis nachgebildet ist. EngeL 


Meteorologische Statistik. 


VenuMtaltat voe der Redtktloi der Balneelogleehea Zentralzeltmg.. 


Name 

Woche 

uiauituim 

-juiiBj^taex 

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Durchschnitt¬ 

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3 

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Regen¬ 

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Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 


Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Äbbazia. 

7.-13. 1. 06. 

4,3 C. 1 

9.4 C. 


1 

3 

3 

1 ! 



Badenweiler.. 


_ 

_ 

-- 

_ 


_ 

_ 

_ 


Driburg. 


— 

— 

— 

— 

— 

.— 

— 

— 


Ftnii 


3,3 C. 

7,6 C. 

751,4 

6 

5 

5 

3,3 

— 


Giesshübl-Sauerbrunn . . 



2,7 C. 

_ 

6 

_ 

1 

2 

_ 

2 Tage Schnee 

Franzensbsd. 


_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 


Herrenalb .. 


3,5 C. 

7,5 C. 

719 

5 



3 

— 

1 Tag Schnee 

Kreuznach. 


_ 

_ 

_ 

_ 



_ 

_ 


Langenschwalbach . . . 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 


2 C. 

7 C. 

747,6 

6 

— 

1 

4 

— 


Nauheim. 


4 C. 

6,3 C. 

746,1 

6 

1 

6 

1—6 

_ 


Nenndorf. 


5 C. 

8 C. 

751 


_ 

7 

_ 

... 


Norderney. 


— i 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 


Orb . 


_ 


_ 

_ 

... 





Reiohenhall . . . . • . 


_ 

_ 

_ 

_ 


_ 


_ 


Reinerz. 


— 0,8 C. 

3 C. 


_ 

_ 

7 

6 

_ 

1 Tag Schnee 

Stehen. 

n 

0-4 C. 

2,4 C. 

1 

718,6 1 

’ 1 

1 

3 

3 

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4 

4,2 

— 



Verantwortlicher Kedakteur: Hofnt Dr. W. H. GHbert, Baden-Baden. — Verlag von Carl Marhold, Kalte a. S. 
Druck von Ueynenann'scbe Buchdruckerei, Gebr. WolS, UnU« a. S. 


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Vn. Jahf^ang. Nr. 5. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bädeirerbandes, des SchwarzwaldbäÜertages, des Verbandes 
Deutscher Nordseebider und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des „Allg. D. B.-V.*: 

Verlag: Cari Marhold ln Halle a. S„ Uhiandstraße 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 


Redakteur: 

Dr Siebett, Plinsberg i. Schl. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hofrat Dr W. H. Gilbert. EMen-Baden. 


Hofrat Dr W. H. Gilbert, Baden-Baden. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage 

be. dei Redaktion gestattet. 


Inhalt. 


Aatllcher Teil: Allgemeiner deutscher BSderverbaiid. 

Feuilleton ; Ein wichtiger Versuch in Betreff des Versandes von Wasser 
zu Badezweckon Von Prof. Giovanni GallURotu. 

Geschichte der Entwicklung des Bados Ems. Vortrag tUr die XIV. Jahres¬ 
versammlung des Allgemeinen Deutschen Bäder-Verbandes zn Eros. 
Sitzung am 4. Oktober 1905. Von Dr. Stemiolcr, Ems. (Forts.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 
Literatur. 

Vermischtes. 

Personalien. 

Meteorologische Statistik. 


Amtlicher Teil. 


Geschichte der Entwicklung des Bades Eins. 

Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des Allgem. Deutschen 
Bäder-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1905. 


Allgem, Deutscher Büderverband, 

Um anderweitiger Auffassung entgegenzutreten, teile ich mit, 
daß meine redaktionelle Tätigkeit an der Balneologischen Central- 
Zeitung sich ausschliesslich auf die Angelegenheiten des All- i 
gemeinen Deutschen Bäderverbandes erstreckt und daß meine 
Verantwortung sich lediglich auf die Artikel beschränkt, welche 
meine Namensuoterschrift tragen. 

Die dem Verbände angehörendeii Kurverwaltungen erinnere 
ich hiermit an die Beantwortung des Rundschreibens vom 
Oktober 1906 betreff. Vergünstigungen pp. soweit eine solche 
noch aussteht. 

Neu aufgenommen wurden als Mitglieder: Magistrat zu Orb; 
Kg]. Badkommissariat Reichenhall. 

Der Verbandsredakteur. 

Dr. öiebelt. 


Feuilleton. 

Ein wichtiger Versuch in Betreff des Versandes 
von Wasser zn Badezwecken. 

Von Professor GioVAUHi Galli-Rom. 

Einer der wichtigsten italienischen Badeorte, dessen ausser¬ 
ordentlicher Aufschwung im letzten Dezenium ihm auch einen 
hervorragenden Platz unter den internationalen Bädern sichert, 
ist Salsoma^giore, ein freundlicher Ort, ungefähr halbwegs auf 
der Hauptlinie Mailand-Bologna. Seit mehr als einem Jahr¬ 
hundert sind die Wasser Salsomaggiores bekannt und besonders 

f egen Geschlechtskrankheiten, haimtsächlich Frauenleiden, 
.rankheiten des Lymphsystems, StofFwechselstörungeii etc., in 
Gebrauch. Vorzugsweise kommt das Wasser in Form von 
Bädern und Inhalationen zur Anwendung. Die gute Wirkung 
des Wassers am Platze wird, ausser durch zahlreiche ärztliche 
Forschungen, am besten durch die stets wachsende Zahl der 
Badegäste jeder Nation bewiesen, durch einen Versuch im 
grossen soll jetzt auch die Heilkraft des auf w'eitere Entfern¬ 
ungen versandten Wassers bewiesen werden, Diese wichtige 
Frage hatte auch den letzten internationalen Kongress für Hy¬ 
drologie in Venedig beschäftigt und in der Geschichte der 
italienischen Balneologie verdient sie jedenfalls besondere Er- 


Vou Dr. Stemmler, Ems. 

(Fortsetzung.) 

Mannigfach sind die Indikationen, die Weigel für den Kurge¬ 
brauch zu Ems aufstellt: besonders erwähnt er „Schnuppen, Husten 
au88 Kälte, kurtzen Athem, Engbrüstigkeit, alle Erkältung mit und 
ohne Feuchtigkeit, Zipperlein vund Mutterweb. — Mit Grausen wird 
der heutige Kurgast dem Büchlein Weigels entnehmen, dass mau 
zu ßeginu des 17. Jahrhunderts zweimal zwei Stunden des Tages 
im Bade lag und dabei noch sechs Maß Mineralwasser gleich 
zwölf Litern trank, wie es Weigel von sich selbst berichtet. — 
Gleich Weigel erwähnt auch Dr. Joh. Daniel Horst, Arzt zu 
Frankfurt, in seinem Büchlein „Kurtzer Bericht vom Embser Bad 
1683,“ „dass in der Löhn selbsten viele wanne Quellen entspringen.“ 
Sein Rat zum Gebrauch der Brunnen und Badekur besteht darin, 
dass mun „in wehrendem Baden das Brünulein trinke; — das 
Brünnlein soll man aber fein langsam trinken, vnnd das Wasser 
nicht auf einmal in den Leib schlitten.“ — Horst berichtet, dass 
„dahero dann auch dieses Bad von vielen aus-sländischen Potentaten 
und vornehmen Ministris, besonders auch von den Schwedischen, 


I wähnung. Die Ausfuhr der Mineralwässer für Trinkkuren 
[ hatte und hat noch ihre Widersacher, die behaupten, dass die 
j Wirkung des versandten Wassers geringer sei, als wenn die 
Kur am Platze gemacht wird. Nicht nur der chemische und 
physikalische Zustand des Wassers erleidet Veränderungen, 
sondern einzelne Wässer müssen auch künstlich mit Kohlensäure 
versetzt werden, um sie zu konservieren. Ausserdem kommen bei 
der am Platze gemachten Kur auch noch andere Heilfaktoren 
in Betracht, wie zum Beispiel reine Luft, veränderte Lebens¬ 
weise etc., Dinge, die zwar für die Frage, ob versandtes Wasser 
noch wirksam ist oder nicht, belanglos sind, aber anderseits 
doch in Erwägung gezogen werden müssen. Was die Trink¬ 
wässer anbelangt, hat die Erfahrung gelehrt und die meisten 
sind der Ueberzeugung, dass der weitaus ^össte Teil der 
Mineralwässer, wenn auch nicht seine volle Wirksamkeit be¬ 
hält, so doch auch keine bedeutende Einbusse erleidet, auch 
wenn sie auf grosse Entfernungen verschickt werden. Ich weiss 
nicht, dass ähnliche Versuche im Grossen und auf wissenschaft¬ 
licher Grundlage auch für Badewässer gemacht wurden und 
glaube daher, dass ein näheres Eingehen auf diesen Versuch, 
der hier das allgemeine Interesse erregt, auch den Lesern der 
„Baln. Centralzeitung“ nicht unerwünscht sein dürfte. 

In der Geschichte 'der Ausfuhr des Salsomaggiorewassers 
gibt es verschiedene Pliasen. Das Wasser Salsomaggiores kommt 
durch Rohrbrunnen spontan aus dem Boden und durcli An¬ 
wendung von Pumpen kann der Ertrag der genannten Brunnen 
erheblich gesteigert werden. Ausser dem heilkräftigen Wasser 


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18 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 5. 


fleidsig besucht und mit grossem Nutzen gebraucht worden.“ — 
Die Abhandlungen von Weigel und Horst waren bald vergriffen 
und erlebten mehrere Auhagen. Ihr werbender Erfolg zeigte 
bald, dass die Gebäulichkeiten auf dem Emser Bade bei weitem 
nicht aubreichten, die zahlreich herbeikommenden Kranken, besonders 
die vornehmen Standes, zu beherbergen. Da das Hessische und 
Nassauische Kurhaus fast ganz von fürstlichen Personen besetzt 
wurde, so pflegte sich, wie Christian von Stramberg in seinem 
Rheinischen Antiquarius erzählt, der zwischen der Felsenwand 
und der Lahn befindliche schmale Ufersaum dfoht und regelmässig 
mit Zelten zu bedecken, ln diesen Zelten mussten sich die Bade¬ 
gäste behelfen und taten das um so lieber, je eigentümlicher, 
bunter und ergötzlicher das Itebeu unter dem Linnendach sich ge¬ 
staltete. Selbst berühmte Gäste, wie der kühne Haudegen Hans 
Karl Freyherr von Thüngen, mussten mit dieser kärglichen Unter¬ 
kunft fbrlieb nehmen. Reich an Ehren als Kaiserlicher Feldmar- 
schall kehrte er 14 Jahre später nach Ems zurück, um dem gerade 
dort weilenden Kurfürsten Johann von Trier seinen Besuch abzu¬ 
statten. Die eignen traurigen Erfahren unter dem leichten Linnen¬ 
dach, und wohl noch mehr das Mitgefflhl mit den notleidenden 
Kurgästen, mögen ihn bewogen haben, bei des Kurfürsten reicher 
Tafä bittere Klage zu führen über die Vernachlässigung der 
Quellen und den Mangel namentlich an Gebäuden für die Aufnahme 
der Kurgäste. Gern nahm der Kurfürst die Gelegenheit wahr, 
sich den hervorragenden Kriegshelden zu verpflichten, und verlieh 
ihm ein grosses Grundstück, damit er andern das Beispiel gebe 
und darauf ein stattliches Haus aufführe, welches heute unter dem 
Namen der „Vier-Türme“ meistens das Absteigequartier gekrönter 
Häupter ist. Zur selbigen Zeit, als Thüngen seinen Bau begann, 
etwa im Jahre 1694, und in der Absicht, ungestört die Kur ge¬ 
brauchen zu können, erbaute Freiherr Franziskus Anselmus von 
Ingelheim, Erzbischof und Kurfürst von Mainz, auf seinem Besitz 
auf dem linken Labnufer gegenüber dem Bad das „Mainzerhaus“ 
unweit der katholischen Kii'che, welche im Jahre 1661 von dem 
Landgrafen Elmst von Hessen-Rheinfcls erbaut und dem hl. Goar 
gewidmet war. 

Historische Bedeutung erhielt das Mainzerhaus durch den 
Emser Kongress im Jahre 1786, die Zusammenkunft der Vertreter 
der Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier und Salzburg (Weihbischof 
von Heines für Mainz, Qeistl. ^t Tautphaeus für Köln, Offizial 
Beck für Trier und Konsistorialrat Bönike für Salzburg). In den 
Emser Funktationen legten dieselben ihre gravamina gegen die 
römische Kurie nieder, die aber selbst der freisinnige Kaiser Joseph II. 
nicht ohne Zustimmung der Sufffagan - Bischöfe vertreten wollte. 
Nach deren Absage verlief die ganze Bewegung im Sande. — 


entspringt dem Boden, der Ei^ntum des Staates ist, auch Gas 
zu Beleuchtuneszwecken und Petroleum, zwei Nebenprodukte, 
die, wie das W^ser, gleich an Qrt und Stelle ihre Verwendung 
finden. Als ich Salsomaggiore zum ersten Mal besuchte, rief 
ich beim Anblick dieses natürlichen Reichtums unwillkürlich 
aus: „Gesemeter Boden 1“ Aber dieser Segen des Bodens brachte 
nicht nur Reichtum und blühendes Leben nach Salsomaggiore, 
sondern er wurde gewissermaßen auch zum Apfel der Zwie¬ 
tracht. Vor zirka 10 Jahren erhielt ausser der bisherigen alten 
Gesell^haft auch eine neue Gesellschaft die Erlaubnis von der 
Regierung, Brunnen zu bohren, und damit kam auch neuer 
Aufschwung in das Leben Salsomaggiores. Infolge der Kon¬ 
kurrenz entstanden luxuriöse Hotels, hochelegante Bäder und 
Thermen, und die vornehmen, auswärtigen Besucher des Bade¬ 
ortes, die in den neuen Bauten jeden erdenklichen Komfort 
fanden, kamen immer zahlreicher und lieber nach Salsomaggiore. 
Auch die alte Gesellschaft und die alten Hotels mussten natür¬ 
lich, um der Konkurrenz Stand halten zu können, ihre Ein¬ 
richtungen verbessern und besonders auch die Bäder mit allen 
modernen Apparaten versehen, sehr zum Nutzen des Kurortes 
und seiner Gäste. Trotz der zahlreichen Neubauten reichten 
aber die verfügbaren Lokalitäten bei der steigenden Frequenz 
bald nicht mehr aus und dies, sowie vor allem der Gedanke, 
dass zahlreiche Leidende aus irgend einem Grund den Badeort 
nicht anfsuchen können, Hess die Idee entstehen, es mit einer 
Ausfuhr des Wassers zu versuchen. Dazu war natürlich eine 
besondere Erlaubnis der Regierung nötig und diese wurde auch 


Während die Besitzer des Bades andauernd durch Erweiterung 
ihrer Gebäulichkeiten und Verbesserung ihrer Badeanstalten den 
gesteigerten Bedürfnissen der Zeit Rechnung trugen, sogar den 
vergeblichen Versnob machen die Quellen in der Lahn, das soge¬ 
nannte Pferdebad zu fassen (1698), fhllt ums Jahr 1712 das Dorf 
Ems bis auf drei Wohnstätten einer verheerenden Feuersbrunst 
zum Opfer. Im Jahre 1715 wird das alte nassauische Haus durch 
einen Prachtbau ersetzt, das jetzige obere Kurhaus, bei dessen |)r- 
bauung ,eine ganze Menge krystallicher Bächlein und Quellen“ 
entdeckt wird. In seiner „Thermarum Embsenium nova Deli- 
neatio“ schreibt der Giessener Professor Dr. Peter Wolfart 1716, 
dass nicht allein alles dasjenige, was zur Zierde und Vollkommen¬ 
heit der Nassauischen Brunnen und Bäder, sondern auch denen 
Bad-Gästen zu erlaubter Gemüthsbelustigung dienen mag, hier- 
selbsten anzutreffen sey. Zu welchem Ende denn auch in dem 
untersten ötookwerke die Bäder vor Männer, Weiber und die Armen 
jede besonders, in den übrigen aber sehr bequemliche Gtemädier 
Stuben und Kammern. Im Beginn des 18. Jahrhunderts nehmen somit 
die gemeinsamen Bäder in Ems ihr Ende. Bei Wolfart finden wir 
zuerst den Namen „Kraengen“ für das ,,)aalechte, Milch warme 
Brünnlein“ des Marsilius Weigel. Zusammen mit dem Diezer Aerzte 
Mögen veröffentlicht Wolfart in seiner Abhandlung die im Aufträge 
des gräflich Nassauischen Hauses angestellte Analyse der im 
Nassauischen Anteil entspringenden Quellen, während die des 
Hessischen Hauses bereits 1700 von Helffrich Jungkeu analysiert 
worden waren. Jongken war übrigens der erste, welcher die Heil¬ 
wirkung der Emser Quellen dem Gehalt an alkalischen Salzen zu- 
scbreibt. Der Frankfurter Arzt Dr. Job. Jac. Grambs, berichtet 
im Jahre 1732 über die Bubenquelle und deren segensreiche Wirk¬ 
samkeit, die im Jahre 1735 sogar die geistreiche Markgräfin von 
Bayreuth, Schwester Friedrich des Grossen, zu dem Emser Thermen 
hinzog. — In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sah Ems 
an seinen Quellen einen berühmten Gast, den deutschen Dichter¬ 
fürsten Goethe. Auf einer Reise nach Düsseldorf begrififen, traf 
er in Ems mit dem geistreichen Lavater aus Zürich und dem be¬ 
kannten Professor Basedow aus Leipzig zusammen, und zwar ver¬ 
zeichnen die „Dillenburger Intelligenznachrichten“ (in welchem sich 
von 1773—1809 die Namen derjenigen Emser Kurgäste befinden, 
welche in dem oraniscb-nassauischen Badehanse logiert haben) die 
Ankunft des Dr. Goeddee aus Frankfurt am 15. VTI, 1774. Schalk¬ 
haft erwähnt er später seine Gesellschafter in den Versen: „Prophete 
rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitte“. Am Ende 
des 18. und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wirkte in Ems 
und für Ems als oranien-nassauischer Brunnen- und Badearzt der 
„alte Geheimbde Rath“ Dr. Pr. August Diel. 1756 geboren. 


im Jahre 1895 erteilt und das Wasser zu den Bädern nun vor 
allem in das nahe Mailand gesandt. Von Seiten der Mailänder 
Aerzte, die Versuche damit gemacht hatten, wurden nach einem 
Prob^ahr günstige Berichte veröffentlicht und behauptet, dass 
das Wasser durch den Transport keine Einbusse an seiner 
Wirksamkeit erleide. Andere Aerzte Salsomaggiores wider- 
.sprachen diesen Ausführungen, auch die Gemeinde Salso- 
maggiore selbst glaubte sich durch die Ausfuhr geschädigt und 
erhob Protest, selbst die politische Presse mischte sich m den 
Streit und das Ende vom Liede war, dass die Regierung die 
Erlaubnis wieder zurückzog. Die tatkräftige Gesellschaft gab 
aber den Kampf nicht auf und jetzt, nach zehn Jahren, nat 
sie den Sieg errungen und neuerdings die Konzession zur Aus¬ 
fuhr des Wassers erhalten. Die Regierung mag dabei vor allem 
von dem Gedanken ausgegangen sein, dass es ihre Pflicht ist, 
die Schätze des Bodens nach Möglichkeit zu verwerten, und 
da zweifelsohne sehr viele Leidende aus finanziellen oder ge¬ 
schäftlichen oder familiären Ursachen ihren Wohnort nicht ver¬ 
lassen können, erfüllt sie zugleich eine humanitäre Pflicht, wenn 
sie auch jenen Kranken die heilkräftigen Wässer zukommen lässt 
' Zudem sind die Bäder in Salsomaggiore fast ein halbes Jahr lang 
j geschlossen und das Wasser geht während dieser Zeit völlig 
; ungenützt verloren. 

I Am wichtigsten ist es nun jedenfalls zu erproben, ob das 
I auf weitere Entfernungen versandte Wasser seine heilkräftigen 
I Eigenschaften nicht ganz oder teilweise einbüsst. Hervorra- 
I gende Kliniker, so dieProfessoren Baccelli(Rom), deGiovanni 


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IM«. 


OAIjNKOIiO€llSOdJfi 


1» 


praktiziert er 45 Jahre an den Eraaer Quellen und seine Schriften: 
„lieber den Gebrauch der Thermalbäder zu Ems 1825“, und „Uel>er 
den innerlichen Gebranch der Thermalquellen zu Ems 1832“, 
brachten ihm viele Ehren und viele Verelü^r in mediclnisoben und 
Laienkreieen. Als Motto flir jede Badeschrift passte sein klassischer 
Aitsspmcb: Anzeigen und Gegenanzeigen' i'über die Zu¬ 

lässigkeit des Gebrauchs einer Heilquelle und ihre richtige Aus¬ 
wahl, rnhssen ebenso durchdncht seyn, als die Recipe von jedem 
anderen Arzneimittel.“ Das dankbare Ems hat seinen grössten 
Arzt in ehernem Bilde in der Ecke des Knrgartens anfgestellt 
(12. IX. 1860), wo er so vielen Ijeidenden während der Bnmnen- 
stunden seinen Rat zu erteilen pflegte. (Gestorben 1835.) Während 
Diel in Ekns praktizierte, traten im Besitz der Quellen bedeutungs- 
rolle Aendemngen ein. (Schluss folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

A Abbazia. Meteorologischer Monatsbericht aus Abbazia, vom 
Htationsbeobachter: Med. Dr. F. Tripold. Jahr 1905, Monat 
Dezember: Durchschnitts-Luftdruck (auf 0" reduc. Barometerstand 
in Milliinet.) 767,1, Luftdruck - Maximum 777,1, Luftdruck- 
Minimum 752,0, Durchschnitts-Maximum der Lufttemperatur in 
®C 9,7, absolutes Maximum der Lufttemperatur in 12,6, 
Durchschnitts-Minimum der Lufttemperatur in “C 4,7, absolutes 
Minimum der Lufttemperatur in '*C — 0,4, Durchschnitts-Tages- 
initt. der Lufttemperatur in «C 6,6, grösstes Tagesmitt. der 
liufttemperatur in ®C 10,2, kleinstes Tagesmitt. der Lufttempe- 
ratnr in ®C 2,9, dirrchschnittl. relative Luftfeuchtigkeit in Pro- 
centen 80, absolutes Maximum der Luftfeuchtigkeit in Procenten 
100, ahsolute.s Minimum der Luftfeuchtigkeit in Procenten 50, 
ilurchsclmittl. Bewölkung (geschätzt nach Zehnteilen der sicht¬ 
baren Uimmelsfläche) 3,9, Zahl der vollkomm, bewölkten Tage 6, 
Zahl der wolkenlosen Tage 13, Zahl der windstillen Tage 22, 
Vorherrschende Windrichtung NE, Monats-Regenmenge in Milli¬ 
metern 26,5, Zahl der Regentage (Zahl der Tage mit Gewitter) 3, 
Zahl der Tage mit bewegter See 10. 

A Franzonsbftd. Seit dem Bestände des Kurortes Franzensbad 
muß die Saison 1905 als die glänzendste bezeichnet werden. Die 
vielen Parke unseres Kurortes werden alljährlich modern aus¬ 
gestaltet und ziehen sich im Westen bis zu den alten Lieben¬ 
steiner Forsten hin. Auch die Kuranstalten stehen auf der Höhe 
der Zeit, und die Stadtvertretung mit ihrem verdienstvollen 
Bürgermeister kaiserl. Rat Gustav Wiedermann an der Spitze, 
scheut weder Mühe noch Geldopfer. Mit gros.ser Befriedigung 


darf die Kurverwaltung auf die Saison 1905 zurUokblicken, in der 
der Besuch sich auf 7 566 Parteien mit 11173 Personen bezifferte. 
Von diesem Besuob waren aus Afrika 63 Personen, Asien 24 
(asiatisches Russland hinzu 137), Amerika 320, Europa und zwar 
Belgien 29, Bulgarien 35, Dänemark 3, Deutschland 1703, (bter- 
von ans Preussen 952, Sachsen 395), Frankreich 63, Grie^en- 
land 8, Groübritannien 81, Italien 6, Luxemburg 3, Niederlande 19, 
Norwegen und Schweden 9, Österreich-Ungarn 6576, Rumänien 148, 
Russland 1983, die Schwe» 22, Serbien 8 und die Türkei 
22 Personen. 

X Kissingen. Die Direktion des Kurhauses sowie der 
Restaurationsbetrieb im Kursaal und Kasino sind Herrn Fritz Wirt 
aus Luzern übertragen worden. 

A KlaUSOn. Nach jahrelangen Bemühungen wird das 
malerische Städtchen Klausen eine Art Wassermauer-Promenade 
wie Bozen bekommen. Der Gemeinderat bat nämlich boscblossen, 
mit einem Kostenaufwand von 11000 Kronen die Gartenstrasse 
nach den Plänen des Landesbauamtes auszuftthren. 

Bad Nauheim. Die Gesamtfrequenz des Bades im Jahre 1905 
betrug 26197 Kurgäste, wovon 18 065 Deutsche und 8132 Aus¬ 
länder waren. Von den letzteren entfallen auf: Afrika 131, 
Amerika 1479, Asien 43, Anstralien 24, Belgien 154, Bulgarien 2, 
Dänemark 65, Frankreich 161, Griechenland 7, Grossbritannien 
1113, Holland 397, Italien 55, Luxemburg 29, Monako 1, Monte¬ 
negro 1, Norwegen 23, Österreich - Ungarn 1040, Portugal 9, 
Rumänien 37, Russland 2972, Schweden 163, Schweiz 193, 
Serbien 8, Spanien 16, Türkei 9. 

Bäder wurden insgesamt 383 748 abgegeben, und zwar 
wurden gefertigt: 353 137 in den staatlichen .^dehäu^m, 19 325 
im Badehanse des Konitzkyatiftes und 11 286 im Elisabefhhmis. 

Nach Bäderarten verteilt sicA diese Summe folgendermassen: 
30 442 Solbäder, 138913 Thermalbäder, 75 206 Thennalspmdel- 
bäder, 132 875 Sprudelbäder, 2386 Sprndelstrombäder, 311 Dusch¬ 
bäder, 3488 Süsswasserbäder, 128 Morbäder. 

Die höchste Tagesbäderzahl (22. Juli) betrug 3480 und zwar: 
382 Solbäder, 1116 Thermalbäder, 746 Thermalsprudelbäder, 
1128 Sprudel- und Sprndelstrombäder, 53 Sttaswasserbäder, 
4 Duschbäder und ein Morbad. 


Aus dem Verbände deutscher Nordseebäder. 

Wyk auf Föhr. Die Vertretung unseres Badeortes hat ein 
Projekt ausarbeiten lassen, nach welAem der hiesige Hafen um 
1 m vertieft, die dort befindliche Landungsbrticke wesentlich ver¬ 


(Padua), Mar^liano (Genua), sowie der oberste Gesundheitsrat 
sind der Ansicht, dass das Wasser durch den Versandt keine 
Veränderungen erleidet, schon deshalb, weil es keine Gase ent¬ 
hält, einen sehr hohen (16 Beaum6) Salzgehalt hat und auch 
durch Temperatur etc. nicht beeinflusst wird. Dieses Gut¬ 
achten der ersten Kliniker und Aerzte Italiens hat wohl auch 
vor allem die Regierung beeinflusst, ihr Verbot wieder aufzu¬ 
heben und die Ausfuhr neuerdings zu gestatten. Damit kann 
nun das Experiment im Grossen b^innen und kann man nur 
im allgemeinen Interesse die Hoffnung ausdrücken, dass die 
Resultate so günstig sein möchten, wie bei den an Ort und 
Stelle unternommenen Kuren, so dass die heilkräftigen Wässer 
auch den fernen, an ihren Wohnort gefesselten Kranken Ge¬ 
sundheit bringen können. Später, wenn Berichte über diesen 
Versuch vorliegen, werde ich wieder auf die Frage zurück- 
kommen. 


Kleine Mitteilungen. 

Die Kaffeebohne als Heilmittel. Durch Vermittlung der 
englischen Gesellschaft in Columbien hat das British Medical 
Journal von interessanten Beobachtungen erfahren, die ein 
spanischer Arzt, Dr. Restrepo, in diesem Lande mit der An¬ 
wendung von Kaffeebohnen gegen Malaria und andere Arten 
von Fieber gemacht bat Es ist nicht eigentlich die Kaffee¬ 
bohne, sondern nnr deren Hülse, die den gegen die Fieber an¬ 


geblich wirksamen Stoff enthält Dr. Restrepo wurde dadurch 
aufmerksam, dass er zufällig eine Abnahme des Fiebers beim 
Genuss von Kaffee wahrnahm, der mit den Hülsen zerstossen 
worden war. Seitdem verschreibt er Rezepte gegen Malaria, 
die aus 30 g Kaffeeschoten auf 400 g Wasser bestehen. Daraus 
ergibt sich ein Trank, der seine starke Wirksamkeit nach fünf 
Minuten langem Kochen erhält und den Kranken sechsmal 
täglich in einer Tasse verabreicht wird. Ansser Malaria und 
anderen Fiebern werden noch Fälle von Influenza und chro¬ 
nischer Dvsenterie erwähnt, die durch Anwendung dieses eigen¬ 
artigen Mittels ^bessert werden konnten. Die Malaria wurde 
sogar in vielen Fällen ohne weitere Zufälle und Rückfälle ge¬ 
heilt. Dr. Restrepo macht nun den jedenfalls beachtenswerten 
Vorschlag, die chemische Zusammensetzung der Kaffeeschoten 
genau zu untersuchen, damit der Stoff, dem jene medicinische 
Wirkung zuzuschreiben ist, daraus abgeschieden werde. Uebrigens 
sind Zubereitungen von ungerösteten Kaffeebohnen schon früher 
gegen Malaria angewandt worden, namentlich von den Holländern 
auf dem ihnen gehörigen westindischen Inseln. Auch andere 
Teile der Kaffeepflanze sind als Arznei benutzt worden, niemals 
jedoch die Schoten selbst. Wenn sich in diesen tatsächlich ein 
zur Heilung von Fiebern so wertvoller Stoff findet, so würde 
die Entdeckung eine erhebliche Tragweite besitzen, da sie auf 
einmal einem Teil der Kaffeepflanze, der bisher für ganz nutzlos 
gegolten hat, einen Wert verleihen würde. 


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20 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZETTÜNG 


Nr. 5; 


breitet und das HasenboUwerk durch eine Betonmauer ersetzt 
werden soll. Die Gesamtkosten dieser Anlage sind auf reichlich 
300000 Mk. veranschlagt. Durch diesen Bau wird Wyk den 
besten Hafen an der Westküste Schleswig-Holsteins erhalten und 
vor allem erreichen, dass der Verkehr zwischen Wyk und der 
Bahnstation DagebüU unabhängig von Ebbe und Flut vermittelt 
werden kann, was namentlich mit Bezug auf die Badesaison von 
der grössten Wichtigkeit ist. Braucht man sich um die bald 
früher, bald später eintretende Flut nicht zu kümmern, können 
die BadezUge viel bequemer für das reisende Publikum ge¬ 
legt werden. 


Literatur. 

Ernst Frey-Jena. Das Erankheitsbild nach 

Eionka’S Theorie. (Zeitschr. f. exp. Pathol. und Therap. 
2. Bd.) 

„Das Glykokoll ist ein Zersetzungsprodokt des Knorpels 
ausserhalb des Körpers, es ist daher wohl denkbar, dass auch im 
Organismus der Knorpel in Glykokoll zerfällt.“ 

Findet bei einem krankhaften Prozess ein vermehrtes Zu¬ 
grundegehen von Knorpelsubstanz statt, so muss auch das vor¬ 
handene Glykokoll anwachsen. Und man kann sich sehr wohl 
denken, dass gerade an dem Orte der Entstehung das Gewebe 
mehr von dem Zerfallprodukt enthält, als anderswo. F. unter¬ 
suchte einerseits normalen Knorpel, anderseits Knorpel, welchen 
er einem Trauma aussetzte, auf Glykokoll. Er entnahm den 
Knorpel imd setzte ihn mit Wasser 24 Stunden in der Kälte an, 
darauf entfernte er etwa gelösten Leim durch Fällung mit HgCl2 
in Gegenwart von Salzsäure und Kochsalz, um ein nachträgliches 
Zersetzen des Leims zu Glykokoll (etwa durch das Ansäuren der 
Flüssigkeit) zu verhindern. Darauf bestimmte F. das Glykokoll 
nach der Methode von Fischer vind Bergell, das er aus gequetsch¬ 
ten Knorpel erhielt, während der normale Knorpel bei mehrfachen 
Kontrolluntersuchungen keinen Niederschlag ergab. Betreffs der 
üratanhäufung spielt die Blutversorgiing eine Hauptrolle, welche 
an den betreffenden Lokalisationsstellen verschieden ist. Es findet 
sowohl die Beobachtung ihre Erklärung, dass im Ohrknorpel, dem 
Hauptsitz der Tophi, die Uratablagerungen nur langsam wachsen, 
wegen der gleichmässigen Blutdurchströmung, die nicht solchen 
Schwankungen unterliegt, wie das Zehengelenk, einer Stelle, an 


welcher Stauungen im Blutstrom häufig und bedingt sind durch 
Veränderungen der Blutverteilung in Folge von Anstrengungen, 
Laufen oder auch von andern Einflüssen, wie z. B. die Verdauung 
mit ihrer Hyperämie der ßauchorgaue ist. Eine reichliche Blut¬ 
durchströmung wird die Umsetzung der Harnsäure steigern, also 
auch die Menge des Umsetzangsproduktes Glykokoll vermehren 
und so die Vorgänge der Ablagerung schneller in Gang bringen. 

Die Bedingungen, unter denen es einmal zum akuten Anfalle, 
das andere Mal zum Tophus kommt, liegen in der Schnelligkeit 
des Umsatzes der Harnsäure zu Glykokoll und in der wechselnden 
Menge der vorhandenen Harnsäure. Wo Hamsäurevermehrung 
auftritt, ist auch Glykokoll vorhanden; daher findet man bei dem. 
Gichtiker diesen für ihn schädlichen Stoff. Dass Glykokoll in der 
Norm nicht aufbritt, wo doch auch Harnsäure in Ham, also in 
Spuren wohl auch im Blute vorhanden ist, liegt an der normalen 
Fähigkeit der Leber, das Glykokoll zu zerstören. A. R. 


Vermischtes. 

— Die 14. Versammlung der deutschen Otologischen 
Gesellschaft wird am 9. und 10. Juni in Homburg unter dem 
Vorsitz von Dr. F. Kretschmann-Magdeburg stattfinden. Über die 
Schwerhörigkeit in der Schule werden Hartmann - Berlin und 
Passow-Berlin sprechen. 

— Der 10. internationale Kongress gegen den Alko¬ 
holismus in Budapest ist auf den 12.—16. Septbr. angesetzt. 

— Die diesjährige WanderVersammlung der südwest- 
deutschen Neurologen und Irrenärzte wird am 27. und 
28. Mai in Baden-Baden stattfinden. 


Personalien. 

— Dem Badekommissar Hans Freiherrn v. Welser in Bad 
Reicbenhall wurde das Ritterkreuz 1. Kl. des Sächsischen Albrechts- 
orden.s und die preussische Rote Kreuz-Medaille 2. Kl. verliehen. 

— Zu königl. bayerischen Hofräten wurden ernannt: die 
Badeärzte in Kissingen Dr, Josef Leusser imd Dr. Franz Karl 
Dappert, sowie Dr. Anton Gschwändler in Aibling. 

— Znin Kurdirektor von Bad Kreuznach ist nunmehr Leut¬ 
nant z. See a. D. Kendrick gewählt worden. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Baineoiogisohen Zentralzeltung.. 


N Ji in 0 


Mittleres 

Tempenitur- 

minimum 

Mittleres 
Temperatur- i 
maximum j 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

f 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wiviel 

Tage 

bewölkt 


Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungea 

Abhazia. 

14.-20. 1. 06. 

3,9 

0. 1 

9 C. 

767,10 

3 

3 

2 

4 

_ 

See2T.8tark bewegt 

Badeiiweiler. 


— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 


1,2 

c. 

6,8 C. 

— 

— 

2 

5 

2 

— 

5 Tage Schnee 

Ems. 


1,1 

c. 

8,3 C. 

758,7 

5 

4 

1 ' 

2,5 

— 


Gie.sshübl-Sanerbrunn . . 


— 1,2 

c. 

2,2 C. 

— 

— 

1 

2 

6 

— 

4 Tage Schnee 

Franzeiisbad. 


— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Herrenalb. 


2,5 

c. 

7 C. 

725 

3 

2 

5 

4—5 

' — 


Kreuznach ..... 




— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 



Langenschwalbach . . . 


— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 


3 

c. 

8 C. 

755 

3 

1 

2 

4-5 

— 

1 Tag Schnee 

Nauheim. 


0,3 

c. 

G,6 C. 

751,6 

2 

2 

6 

1—8 



Neniidorf ....... 


G 

c. 

7 C. 

766 

4 

1 

6 

_ 



Norderney. 


— 


— 

— 

— 

— 

— 

_ 

_ 


Orb . 


— 


_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



Reichenlinll . . . . • . 


— 


_ 


_ 

_ 

_ 

— 

_ 


Reinerz 


— 1 

c. 

4 C. 

717 

_ 

_ 

7 

6 

_ 


Stehen .. 

1 ** 

0,5 

c. 

4 0. 

717,2 

2 V. 

3 

4 

5—6 

— 

3 Tage Schnee 


Veraotwonlicher Redtkteur : Hofrftt Dr. W. H. Gilbert, Oaden-Baden. — Vertag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dreck von Heynemann'tche Bacbdruckerei, Gebr. WolfT, Halle a. S. 


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Vn. Jahf^ang. Nr. 6. 1906. 

Balneolosische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes 
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*: 

Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marhold ln Halle a. S., UhlandstraBe 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Hofrat Dr. W. H. Qllbert, Baden-Baden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hofrat Dr. W. H. (HlhOTt. Baden-Badn. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenansabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt. 


Fenületon: Ärztliche Stimmungsbilder aus Egypten. Von Dr. H. Engel. 
(Heluan bei Oairo.l 

Qeschichto der Entvicklung des Bades Ems. Vortrag für die XIV. Jahres* 
Versammlung dos Allgemeinen Deutschen Bäder-Vorbandes zu Ems. 
Sitzung am 4. Oktober 1905. Von Dr. Steroraler, Ems. (&hlu8S.) 
Über die Behandlung der gemeinen tSchuppontlechte mit Nenndorfer 


SchwefoUvasser. Vortrag für die XIV. .Tahrosvorsamralung des all¬ 
emeinen Deutschen Bäderverbandes zu Ems den 4. Oktbr. 1905. Von 
an.-Rat Dr. Axel Winckler. 

Ans den Bädern ond Snrorten. 

Venaischtes. 

Meteorologische Statistik. 


Geschichte der Entwicklung des Bades Ems. 

Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des AUgem. Deutschen 
Bäder-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1905. 

Von Dr. Stemmler, Ems. 

(Schluss.) 

Durch den Regensburger Reichsdeputations-Recess 1803 kam 
der hessische Anteil an Oranien-Nassau und im Jahre 1806 
kamen die Besitzungen des fürstlichen Hauses Oranien unter die 
Herschaft des Herzogs von Nassau. Unter der neuen Regierung 
wurden die Quellen des unteren Kurhauses im Jahre 1811, des 
oberen im Jahre 1819'neu gefasst. 1841 wird der neue statt¬ 
liche Kursaal vollendet, an ihn anschliessend die Kolonade. 
1845 entsteht an dem Haus , Vier Türme“, welche kurz vorher in 
den Besitz der Domäne übergegangen war. em neues Badehaus 
mit dreissig Bädern. Da die Leistungsfähigkeit der Quellen des 
Kurhauses zur Füllung der stark vermehrten Bäder auf ihrem 
Höhepunkt angelangt war, hatte bereits im Jahre 1827 eine Privat¬ 
gesellschaft (Gebrüder Grysar) mit Genehmigung der Regierung 
den im Jahre 1698 misslungenen Versuch, die Quellen des Pferde¬ 
bades in der Lahn zu fassen, wieder aufgenommen. Es gelang 
sogar Quellen von der Mächtigkeit des Karlsbader Sprudels und 
einer Wärme von 44—47® R. zu isoli. .‘en. Doch machte die tiefe 


Lage der Quellen in der Lahn deren Fassung und Gebrauch wieder¬ 
um unmöglich. Eine glücklichere Hand hatte die herzogliche Re¬ 
gierung auf dem Unken Lahnufer, wo im Jahre 1852 die Neue 
Quelle gefasst wurde. Unweit derselben entstand bald das durch 
die Gitterbrücke mit der rechten Lahnseite verbundene neue Bade¬ 
haus. Der Reichtum der Neuen Quelle war so gross, dass sie 
nicht nur die Bäder dieses Hauses, sondern auch alle fiskalischen 
Bäder mit Mineralwasser versehen konnte. — Im Jahre 1853 er¬ 
richtete Hofrat Dr. Spengler mit Genehmigung der Regierung den 
ersten Inhalations-Apparat (zur Einatmung der Thermalgase) über 
der Augenquelle, welcher im Jahre 1858 durch einen eleganten 
InhalatioDspavillon im neuen Badehaus ersetzt wurde. Diese Art 
der Inhalation fand keine Gegenliebe bei den Emser Aerzten. 
Doch sehen wir später die Inhalationstherapie immer mehr und 
mehr an Terrain gewinnen, und heute wetteifern fast alle vor¬ 
handenen Systeme in dem edlen Bestreben, die Leiden des Emser 
Kurgastes zu lindern. 

Doch eilen wir in der Entwicklung des Bades Ems nicht vor¬ 
aus ohne einiger wichtiger Momente zu gedenken, welche besonders 
geeignet waren, den sich stetig steigenden Ansprüchen an das Bad 
zu genügen und den Kreis der vorhandenen Heilmittel zu erweitern. 
In erster Linie ist zu nenneu die Entdeckung der Felsenquelle I 
(Wilhelmsquelle) bei dem Bau eines Felsenkellers hinter dem 
Nassauer-Hof 1852. Der Einspruch der nassauischen Regierung 
verwehrte es allerdings dem Besitzer bis 1861 von dieser Quelle 


Feuilleton. 


Aerztliche Stimmungsbilder aus Egypten. 

Von Dr. H. Eng6l (Heluan bei Cairo). 

Die Sprechstunde ist zu Ende. Ich öffne weit das Fenster, 
um durch den reinen Atem der Wüste, welche ich von meinem 
Hause aus überblicke, die von Kranken verdorbene Zimmer¬ 
luft zu vertreiben. — Im Geiste lasse ich sie alle nochmals 
an mir vorübergehen, die mühseligen und beladenen aus dem 
arabischen Volk^, die mich heute besucht. Weil sie wissen, 
dass es keinen Heller kostet bei dem „Hakim nerusawi“ 
(deutscher Arzt), wenn man von drei bis vier Uhr bei ihm 
vorspricht, so kommen sie in grosser Zahl, Arme nicht blos, 
auch Reiche mit seidenen RöÄen. eingebildete Kranke aus 
den zahlreichen Harems des Orts, in denen Beschäftigungs¬ 
losigkeit, Koketterie und Laune die bekannten Bilder der 
Neurasthenie 'und Hysterie hervorzaubert, dann aber auch 
alle die schweren Opfer der einheimischen, aus Schmutz und 
schlechten Lebensgewohnheiten entstandenen Krankheiten. 
Der Lepröse mit den verstümmelten Gliedern, der vorliin hilfe¬ 
suchend hereinhinkte, quält noch jetzt meine Erinnerung. 
Drüben auf dem Untersuchungstiscliehen steht der Ham des 
Bilharzia-Kranken, der mich täglich um neue Mittel bettelt, 
die ihn von seinen Leiden befreien sollen. Auch die Tuber¬ 


kulose hält unter der armen egyptischen Bevölkerung reiche 
Ernte. Die luft- und lichtarmg^auten Dörfer des engen Nil¬ 
tals, bestehend aus niedrigen, für Mensch und Tier gleich- 
massig bestimmten Lehmhütten, die entsetzlich schmutzigen 
und verpesteten arabischen Teile der egyptischen Städte mit 
engen Strassen und unbeschreiblichem Menschengewimrael 
— das alles sind wahre Brutstätten von Krankheiten, gegen 
welche die schwache Macht eines gesunden Klimas nicht auf- 
kommen kann. Klar und deutlich tritt dem Arzt der gesund¬ 
heitliche Wert des Naturlebens im Gegensatz zu dem der 
Kultur hier in Egypten vor Augen: der Nomade der Wüste, 
der Beduine, kennt die Tuberkulose nicht, während das sess¬ 
hafte ägyptische Volk nicht weniger davon heimgesucht wird 
als europäische Nationen. Eigentümlich aber sind die Lungen¬ 
befunde bei den von Tuberkulose befallenen Eingeborenen. 
Die Formen rascher Erweichung kommen in dem trockenen 
warmen Klima nicht zu stände. Meist sind auf den Lungen 
nur langsam fortschreitende, indurative Vorgänge nachzu¬ 
weisen. Das erschwert die Diagnose. Ueberhaupt steht der 
europäische Arzt den Körpern des eingeborenen Kranken oft 
mit grossen Rätseln gegenüber: das sind ganz anders gebaute 
Organismen, als man sie auf den heimatlichen Universitäten 
studiert und kennengelernt hat. Zu richtigen ärztlichem Vor¬ 
teil gehört da ein langiähriges Sich-Einleben in die anders ge¬ 
artete Natur der egyptischen Race. Der alt-egyptische Staiiun 
ist fast ganz verschwunden und die Mischung mit den ver¬ 
schiedensten Nationen ist kein Vorteil für die Gesundheit des 


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22 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


Nr. 6. 


Gebrauch zu machen, doch gelang es demselben iin Jahre 1863 
die Konzession zur Erbauung eines Badehauses zu erhalten. Bei 
der Fundamentierung dieses Baues und der hohen Absohlussmauer 
gegen den Berg wurde die Augustaquelle erschlossen und später 
die Viktoria- und Eisenquelle 1869. Wie sehr diese Quellen den 
therapeutischen Apparat des Bades erweiterten und vervollkomm- 
neten, geht schon aus der Tatsache hervor, dass der Königl. preussi- 
sche Domänenfiskos dieselben im Jahre 1902 durch Kauf erwarb 
und nunmehr in seinen grossen Renovationsplan der Quellen und 
Bäder einschloss. — Zu Beginn des Vortrags wurde bereits er¬ 
wähnt, dass an der Stelle des heutigen Römerbades im Jahre 1842 
ein antikes Bad gefunden wurde. Nicht weit davon wurde in Form 
einer zum Teil verschütteten und verfallenen Zisterne eine warme 
Mineralquelle entdeckt, welche der Besitzer in Anbetracht der 
römischen Funde .Römerquelle“ nannte und im Jahre 1858 mit 
einer neuen Fassung versah. Heute erhebt sich über derselben 
das grosse „Kuretablissement Römerbad“. — Die „Röraerquelle“ 
ist die einzige, noch im Privatbesitz befindliche Therme zu Ems. 
— Im Jahre 1858 machte die Eröffnung des Bahnbetriebes in 
Ems auch den Mühsalen ein Ende, welche die Reise der Patienten 
nach Ems erschwerte, und brachte das Bad mit der uralten Ver¬ 
kehrsstrasse des Rheines in direkte Verbindung. — Im Jahre 1866 
kam das Herzogtum Nassau und mit ihm das Bad Ems in den 
Besitz der preussischen Krone. Nichts war mehr geeignet, den 
Schmerz über den Uebergang von einem seit Jahrhunderten ange¬ 
stammten Herscherhause an einen neuen Herrn in den Herzen der 
Einwohner so schnell zu verwischen, als der Umstand, dass seit 
diesem Jahre der siegreiche Preussenkönig alljährlich bis zu seinem 
Tode gern bei seinen neuen Untertanen weilte. Wenn auch die 
Diplomatie und Kriegskunst bei der Gründung des Deutschen Reichs 
eine Hauptrolle spielten, und aktuelle Momente von beiden gern 
in den Hintergrund gedrängt werden, so kann doch nicht bezweifelt 
werden, dass das Deutsche Reich direkt aus den Siegen des Jahres 
1870/71 hervorgegangen ist, und ebensowenig, dass hier in Ems, 
wo auf der Kurpromenade die diplomatischen Beziehungen zu Frank¬ 
reich abgebrochen wurden, die Wiege des Deutschen Viehes stand. 
Als der HohenzoUemar mit der Kaiserkrone aus Welschland zurück¬ 
kehrte, begann in Ems die „Kaiserzeit“. Hier l)ewegte sich der 
greise Herrscher ungeniert unter seinem Volke, beständig wechselten 
ab die Besuche auswärtiger Souveräne. Aus dem stillen t-ms wurde 
ein Weltbad, dem Kaiser, Könige und Fürsten als Kurgäste nie 
mangelten (Alexander II von Russland; Oskar von Schweden; 
All)ert und Georg von Sachsen; Milan und Alexander von Serbien 
etc.). So sollte es auch Zeuge werden des I. Aktes des Trauer¬ 
spiels im deutschen Kaiserhause, indem Kronprinz Friedrich Wil¬ 


helm, der spätere Kaiser Friedrich, zuerst an den Enoser Quellen 
1887 Heilung für sein leider unheilbares Leiden suchte. Wir 
können diese historisch-balneologische Skizze vom Bade Kms nicht 
schliessen. ohne der Fürsorge zu gedenken, welche die Königlich 
preussisclie Regieinmg neuerdings wieder dem Bade, seinen Quellen 
und Anstalten widmet. In seinem 1816 erschienenen Buche „Ems 
und seine Heilquellen“ rühmt Dr. H. C. Thilenius die früheren 
Besitzer des Bades mit den Worten; „Nur im Wohlthun fanden 
von je die Fürsten ihre Grösse; — am grössten zeigte es sich in 
Anlegung von Heilanstalten für die leidende Menschheit; Badean¬ 
stalten waren unter jenen vorzüglich geeignet, dieser zu Hilfe za 
kommen, sich gross zu zeigen; gross und edel ist der Zweck, gross 
und bewährt ist das Mittel“. Diese Tradition der ehemaligen 
Herren aus dem nassauischen resp. hessischen Hause, hat die 
preussische Regierung voll und ganz aufgenommen, wie sie durch 
die ideale Neufassung der Quellen, die herrliche Neugestaltung der 
Brunnenballen und des Kurhauses, den Ankauf der König-Wilhelms- 
Felsenquellen und den Neubau einer Reihe von Kuranstalten be¬ 
weist. Auch hier bewährt sich das Hohenzollernwort: 

„Mit Volldampf voraus “ 


lieber die 

Behandlung der gemeinen Schuppenflechte 
mit Nenndorfer Schwefelwasser. 

Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des allgemeinen 
Deutschen Bäderverbandes zu Ems den 4. Okt. 1905. 

Von San.-Rat Dr. Axel Winckler, 

Kgl. dirig. Brunnenarzt am Bade Nenndorf. 

fNachdruck gestattet.) 

Die gemeine Schuppenflechte, Psoriasis vulgaris, kann man 
kurz so definieren: eine, rote Flecken verschiedener Form und 
Grösse, die mit weissen, glänzenden, leicht ablösbaren Schuppen 
bedeckt sind, erzeugende langwierige, fioberlose Hautkrankheit, 
Obgleich leichte Formen dieser Krankheit nicht tragisch 
genommen zu werden pflegen, kann das Uebel doch, wenn 
es bei grosser Ausdehnung als Psoriasis universalis das 
Schreckensbild einer exfoliativen Dermatitis darbietet oder 
wenn es als Psoriasis ostracea oder rupioides massenhaft 
Schuppen produziert, den Kranken das Leben zur Hölle 
machen. Es ist sehr bezeichnend, dass Dante die Schuppen- 


Volks. Ein Anthripologe könnte hier den interessantesten 
Studien obliegen. Nirgends fällt der Begriff „Mensch“ so 
schwer als ira völkerreichen Egypten Der Mangel nationaler 
Einheit wird zum Nährboden schlechter Triebe und die Kehr¬ 
seite dei’ Münze „Mensch“, auf welcher die bösen Worte: 
Lüge, Beti-ng, Morallosigkeit stehen, wendet sich im egyptischen 
Leben nur zu oft nach vorne. — Mit grosser Freude aber er¬ 
kennt der in Egypten lebende Arzt Eines: All die grossen 
Verheerungen, mit denen der Alkohol, der grosse Feind, an 
den Leibern der europäischen Völker wie ein ewiges Krebs¬ 
geschwür, wie der immer wiederkehrende gefrässige Adler des 
Prometheus nagt, all das daraus entstehende geistige, seelische 
und körperliche Elend findet er nicht unter dem gläubigen 
moharnedanischen Volk, dem die islamische Religion das 
Alkoholtrinken streng verbietet. Der schädigende Einfluss 
anderer giftiger Genussmittel (Opium, Haschich, Nicotin) 
spielt eine ausserordentlich viel kleinere Rolle als der Alkohol- 
teufol in unseren Ländern. In wunscliloser Bedürfnislosigkeit 
lebt das niedere egyptisclie Volk ein karges, aber doch zu¬ 
friedenes Dasein. Der Vorzug eines gesunden Klimas drückt 
sich in der Seltenheit rheumatischer Erkrankungen aus. 
Polyartheritis asuta, Arthiritis doformanus, Vitia cordis auf 
artheritischer Basis, Nephritiden etc. — das sind hier seltene 
Dinge. 

Meine Gedanken werden durch das Vorfahren eines 
Wagons unterbrochen. Gedämpfte Stimmen werden immer 
lauter. Endlich tritt eine hohe, weisse Gestalt in mein 


Zimmer. Ein stolzes, scharf geschnittenes Gesicht von eherner 
Bräune, ini Rahmen eines kunstvoll gewundenen Burnus, be¬ 
trachtet mich forschend. „Dein Tag sei glücklich, Neharak 
said!“ Mein arabischer Diener teilt mir mit dem Ausdruck 
tiefsten Respekts flüsternd mit, dass dieser stolze Mann, vom 
Scheitel bis zur Zehe ein Fürst, der einflussreiche Scheich 
eines grossen auf der anderen Seite des Nils gelegenen 
Wüstendorfes sei. Sein Vater sei schwerkrank und verlange 
ärztliche Hülfe. — Wir brechen sofort auf. Die Sonne brütet 
noch heiss auf der weiten Sandfläche, die wir durchqueren 
müssen, um zum grün umrahmten Nil zu gelangen. Der 
schwefelrüchige Dunst der Heilquellen von Heluan folgt uns, 
nachdem wir schon längst die im maurischen Stil gebauten 
Badehäuser hinter uns haben. Endlich Hegt die weite glatte 
Fläche des Nils vor uns. Ein Boot wird auf den befehlerischen 
Ruf des Scheich dicht ans Ufer gezogen. Wir steigen ein. 
Ehrerbietige Grüsse empfangen den Dorffürsten. Dann stossen 
wir ab. Tief bohren die Kiiderknechte lange Stangen in den 
schlammigen Ufer.sand. Arabischer, eintöniger, auTschwungs- 
loser Gesang in gedehntem Kythmus und mit ständiger 
Wiederkehr derselben Melodie begleitet ihre Arbeit Eine 
andere breite Fähre, die viel Volk und Vieh vom entgegen¬ 
gesetzten Ufer bringt, legt gerade an, als wir abfahren. Ein 
Kamel wird unter grossem Geschrei ausgeladen und tappt, 
boshaft gurgelnd, mit seinen unförmigen Füssen ins Uferwasser, 
dass es hoch aufsprit/.t Viel Heiterkeit und Lust entsteht 
daraus unter dem landenden Volk. Emst bleibt nur eine breite, 


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loor.. 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


28 


flechte onter den Höllenslrafen mit aufgezählt hat. Seine 
Darstellung ist so meisterhaft, dass ich es mir nicht versagen 
kann, sie (nach der Streckfuss’schen Uebersetzung) hier mit- 
zateilen. Die Stelle findet sich im Inferno, im XXIX. Gesang, 
Vers 73 — 93. Dante ist mit seinem Führer Virgil auf die 
Felsenbrücke gekommen, von der sie die letzte, zehnte Abtei¬ 
lung des achten Kreises der Hölle überschauen, worin Ver- 
danunte von widerwärtigen und qualvollen Krankheiten ge¬ 
peinigt werden. Auf den Rand der Kluft niedergestiegen, ver¬ 
nehmen sie Jammertöne: 

nSich gegenseitig stützend sassen Zween, 

Wie in der Küche Pfann’ an Pfanne lehnt. 

Mit Grind gefleckt vom Kopf bis zu den Zeh’n. 

Gleich wie ein Stallknecht, der nach Schlaf sich sehnt 
Und bald sein Tagwerk hofft vollbracht zu haben, 

Die Striegel eiligst führt und öfters gähnt, 

So sah i<m sie sich mit den Nägeln schaben 
Und hier und dort sich kratzen und geschwind, 

So gut es ging, ihr wütend Jucken laben. 

Und schnell war unter ihren Klau’n der Grind 
Wie Schuppen von den Barschen abgegangen. 

Die nnterm Messer schneller Köche sind. 

„Du, vor dess’ Fingern jetzt die Schuppen sprangen“, 
Begann Virgil zu Einem von den Zwee’n, 

„Und der du sie auch oft gebrauchst wie Zangen, 
„Sprich, fanden sich auch hier Lateiner ein? 

„Und mögen, dich zu kratzen und zu krauen, 

„Dafür dir ewig scharf die Nägel sein!“ 

«„Lateiner kannst du in uns Beiden schauen““, 

Erwidert’ jener drauf, von Qual durchbebt, 

„„Doch wer du bist, magst du mir erst vertrauen““ . . . 
Der Dichter wünscht also dem einen Unglücklichen, seine 
Fingernägel möchten allezeit scharf und tüchtig genug bleiben, 
um die Schuppen beständig abkratzen zu können. Ein pso- 
riasiskranker Arzt, mit dem ich über diese Verse sprach, 
meinte daraus schliessen zu dürfen, Dante habe gewusst, dass 
infolge von Schuppenflechte manchmal auch die Nägel er¬ 
kranken, zerklüftet werden und an ihren Rändern zerbrechen. 
Ich glaube, dass diese Konjektur zu weit geht 

Soviel geht aber aus dem Zitat hervor, dass der aus¬ 
schweifenden Phantasie des grossen Dichters die Schuppen¬ 
flechte als etwas überaus Schreckliches erschienen ist In 
der Tat ist sie eine infernalische Krankheit, die den damit 
Behafteten zur grössten Verzweiflung bringen kann. 

Zum Glück gibt es Heilmittel gegen dieses teuflische Uebel. 


Obenan unter diesen stehen die starken Schwefelquellen; inner* 
lieh und äusserlich konsequent gebraucht, bringen sie den Pso- 
riatikern gewöhnlich Bossening, häufig sogar dauernde Heilung. 
Die Behauptung der Dermatologen, dass die Psoriasis vulgaris 
unheilbar sei, ist irrig; mir sind Fälle bekannt, wo sieben, 
zwölf und fünfzehn Jahre lang nach einer Nenndorfer Kur 
kein Rückfall erfolgt ist und die Haut andauernd tadellos 
blieb. Wenn das keine Heilungen sein sollen, so fehlt eben 
im Sprachschatz eine treffende Bezeichnung solcher Resultate. 

Ich will nun angeben, wodurch und wie wir in Nenndorf 
solche Erfolge bei der besagten Krankheit erzielen und will 
sodann ausemandereetzen, wie man sich den Heilungsprozess 
erklären kann. 

Die Hauptsache ist, dass der Patient sechs Wochen lang 
grosse Quantitäten eines starken, frisch aus der Quelle ge¬ 
schöpften Schwefelwassers trinke. Wir verordnen zu diesem 
Zweck die Nenndorfer Trinkquelle, die nach der diesjährigen, 
von Professor Dr. E. Hintz vom Laboratorium Fresenius, 
Wiesbaden, ausgeführten Analyse 0,0007 g Schwefelwasser¬ 
stoff, entsprechend 41,61 ccm, im Liter enthält, bei 11® C 
Quellentemperatur. Wir lassen jeden Psoratiker von diesem 
Wasser anfangs zweimal täglich ein Glas zu 200 g trinken 
und steigern die Tagesdosis möglichst bald bis auf fünf Gläser, 
also bis zu einem Liter. Dies ist nur möglich, wenn man das 
Schwefelwasser über den ganzen Tag verteilt trinken lässt, 
eine Triukmethode, die von allen Hautkranken in Nenndorf 
befolgt wird; die Trinkquelle ist deshalb bis 6 Uhr abends 
geöffnet. Ein Liter Schwefelwasser morgens nüchtern zu 
trinken, wäre den meisten Kranken unmöglich. Uobrigens ist 
es ratsam, das Wasser nicht kurz nach oder kurz vor einer 
Mahlzeit zu trinken, sondern dazwischen eine Pause von einer 
halben Stunde zu machen. In der Regel lassen wir den 
Brunnen kalt trinken, ungern erwärmt oder mit Zusatz von 
heisser Milch. Man muss sehr langsam trinken und dabei 
etwas promenieren. An den Geschmack und den Geruch des 
Schwefelwassors gewöhnt man sich bald. (Schlus.s folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

X B&don-Bddon. Ueber die Frequenz der Grossherzoglichen 
Badeanstalten im Monat Dezember v. J. entnehmen wir einer 
statistischen Uebersicht folgende Zahlen; 

Im Grossh. Friedrichsbad wurden im Dezember 2039 Bäder 
abgegeben, Abonnenten der Heilgymnastik waren es 20, die Zahl 


stolze Gestalt, ähnlich der meines Scheichs. Beide grüssen sich 
auch mit würdevoller Handbewegung. Daun bestingt der Ge¬ 
landet© ein feuriges Pferd mit langem Schweif und geflochtener 
Mähne, welche tiefschwarz vom weisson Hals absticht. Ein 
Tigerfell mit. goldroter Verbrämung dient als Sattel. Stolz 
stürmt der arabische Renner von dannen und trägt seinen 
Herrn, einen Propheten und Abkömmling Muhameds, seinem 
Herde zu. 

Ich stehe am Bug des langsam gleitenden Bootes. Heimat¬ 
lich winken zum Abschied die bunten Häuser von Heluan. 
Die leblose, graubraune Kette des Wüstengebirges von Heluan, 
auf dessen Ausläufern die akropolisartige Säulenhalle des neu 
erbauten Sanatoriums steht, dehnt sich nach Norden im gleichen 
Lauf wie der Nil. Aus den Felsen dieses Gebirges h^en die 
alten Eg 3 mter die mächtigen Blöcke für ihre Pyramiden ge¬ 
hauen. Noch heute erkennt man deutlich die in die Bergmassen 
gehöhlten Steinbruchstellen. Denselben Weg, den ich heute 
fahre, benutzten sie — damals vor abertausend Jahren — zum 
Transport der Blöcke. Stolz grüssen die Pyramiden von drüben 
herüber, die im vergänglichen Reste alter Kultur, mit ihren 
latten Flächen sich in der Sonne spiegelnd, mit eckigen 
pitzen sich in den Himmel bohrend.- 

Arabische Lieder begleiten den gleichmässigen Rudorschlag 
der Bootsmänner — der Nil rauscht leise! Auch er singt, 
singt ein uraltes, erhabenes, königliches Lied. Es klingt wie 
Totensage und Lebenshymne zugleich. Was hat er schon alles 
in seine tiefbraunen, unergründlichen Anne geschlossen! Hier 


an dieser Stelle vielleicht brachte Rarases ihm goldene und 
blutige Opfer. Kostbare Becher, Schalen und Münzen liegen 
auf seinem Boden zw’ischen Tiergeripp und Totenbein. Gnädig 
überflutet er all dies vergängliche — aber auch unvergäng¬ 
liches! Er selbst ist unvergänglich. Unvergänglich ist die 
Natur, die von ihm lebt Mächtig ist er, alles ist in seinem 
Willen unterworfen. Denn olme ihn kein Leben hier, nur Tod 
und Wüste. Ich schaue in die Ferne. Weites Fruchtland 
dehnt sich zu beiden Ufern. Grüuwogcnde Saaten überall! 
Dazwischen frisch aufgepflügte schwarze moorige Erde. Ueber- 
all unerschöpfliche G^en der Fnichtbarkoit: Zucker und Korn, 
Reis, Mais, Baumwolle. Auf weiten Wiesen weidet kräftiges 
Rindvieh. Kamele in langer Kette ziehen mit frisch gemähtem 
Gras beladen zum nächsten Dorf. In ununterbrochener Reihe 
stehen am Ufer sinnreich erdaclite Wasserschöpfwerke. Sie 
arbeiten unablässig, von Tier oder Mensch getrieben. Denn 
der Mensch ist unersättlich in seiner Gier nach Gewinn. Dass 
der Nil alljährlich einmal Segen und Nahrung spendet, das 
genügt niclit Man saugt an seiner Kraft, auch wenn sie er¬ 
schöpft ist. Man sperrt seine Wege, macht ihn dienstbar, 
knechtet ihn. Heute ist der Nil nicht mehr heilig, er ist nur 
Flusswasser, nährender Schlamm. Vor wenigen Wochen noch 
war all das, was jetzt grünt und prangt, von seinen segnenden 
Wassern bedeckt. Dann löste der Nil langsam seine Um¬ 
armung. Deutlich zeigt sieh an den Stufen der Uferhäiige, 
wie Schicht um Schicht der Mutter Erde aus der befruchtenden 
Liebkosung zu frischem Leben erwachte. cFortsetzung folgt.) 


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24 


BALNEOLOGISCHE CENTnAI.ZEITimG 


Nr. 6. 


der Massierungen betrug 54. Die Einnahme hierfür stellt sich 
auf 2742 Mark 30 Pf. Die Gesamtfrequenz des Jahres 1905 
stellt sich im Grossh. Friedrichsbad wie folgt: Bäderabgabe 67110 
(1904; 66656), Abonnenten der Heilgymnastik 900 (861), Anzahl 
der Massierungen 1402 (1583). Die Gesamteinnahmen betrugen 
im Jahre 1906 ; 127 334 Mark 30 Pf., im Jahre 1904: 124665 Mark 
80 Pf. Die Frequenz war also im Jahre 1905 eine bedeutend 
stärkere als im Jahre 1904 und dementsprechend sind auch die 
Einnahmen in die Höhe gegangen. 

Ueber die Abgabe von Fango-Behandlungen im Jahre 1905 
liegen folgende Z^len vor: Es wurden abgegeben grosse Be¬ 
handlungen zu 4 Mark 50 Pf. 333, Abonnements zu 40 Mark 
35 Pf., kleine Behandlungen zu 3 Mark 3706 und Abonnements 
zu 27 Mark 136. Die Einnahmen hierfür betrugen 17 688 Mark 
50 Pf., gegen 15 515 Mark 50 Pfg. im Jahre 1904. Die Ab¬ 
gabe von Fango-Behandlungen ist eine mit jedem Jahre grössere 
geworden, was als ein Beweis dafür angesehen werden darf, dass 
sich dieser Heilmethode ein immer grösser werdendes Interesse 
zuwendet. 

X LanQOnSChwalbach. Der Bau einer elektrischen Strassen- 
bahn von der Eisenbahnstation bis zum Moorbadehaus wird beab¬ 
sichtigt. 

X Oborstdorf. Die steigende Fremdenfrequenz in den 
letzten Jahren erregt hier grosse Baulust. Trotz Vergrösserung 
von drei Hotels durch Anbauten und Dependancen und des Hotel- 
Neubaues „Wittelsbacher Hof“ konnte die Hochflut der anrückenden 
Gäste im verflossenen Juli und August nicht in dem gewünschten 
Maße bewältigt werden. Es hat sich nun auch die Gemeinde¬ 
verwaltung entschlossen, ein den wachsenden Ansprüchen und Be¬ 
dürfnissen entsprechendes Kurhaus mit ausgedehnten Parkanlagen 
zu errichten. Die Versicherungsanstalt Schwaben und Neuburg 
bat in ziemlicher Entfernung von Oberstdorf ein grosseres Areal 
erworben, um im Frühjahr mit dem Bau eines Sanatoriums für 
Lungenkranke zu beginnen. 

# RIgi-Kaltbad. Die Festtage brachten reges Leben auf 
die sonnigen Höben der Rigi. Von Arth-Goldau nach Klösterli 
verkehrten an den Hauptfeiertagen regelmäßig Züge. Von Weggis 
aus aber wird, wie vor hundert Jahren, als die Rigi als Aus¬ 
sichtsberg und Alpydill „entdeckt“ wurde, der Verkehr mit 
Sattelpferd und Saumtier bewältigt. Beim Felsentor, unterhalb 


Ealtbad, taucht der Reiter und die Reiterin aus dem Nebelmeer 
auf und übersehen es staunend, Beleuchtungseffekte von ungeahnter 
Schönheit spielen in den brandenden Nebelmassen und die Alpen 
stehen klar im Aetber. Die Temperatur steigt mittags sehr hoch 
und erlaubt stundenlange Sonnenbäder. Interessant ist der Um¬ 
stand, dass trotz der intensiven Wärmewirkung der Sonne die 
Skifelder am Nordabhang des Rotstock imd Schilt stets unver¬ 
änderliche gute Skibahn im trockenen Pulverschnee bewahren. 

X Aus Wiosbadon wird mitgeteilt, dass daselbst in dem 
Städtischen Armenbad eine mit Zentralheizung versehene und 
während des ganzen Winters geöffnete Anstalt geschaffen worden 
ist, in der Kranke aus den Versicherungskreisen auf eigene Kosten 
(3 Mk.) oder auf Kosten ihrer Krankenkasse oder der Landes- 
versicbeningsanstalt Thermalbade- und Trinkkuren gebrauchen 
können. Die Anstalt, die 55 Betten umfasst und während des 
Sommers überfüllt war, beherbergt zurzeit nur ca. 20 Kranke, 
so dass die Aufnahme weiterer Kranker beiderlei Geschlechts 
jederzeit erfolgen kann. Anfragen sind an die Verwaltung des 
Städtischen Krankenhauses zu richten, dessen ärztlicbei Leitung 
das Armenbad ebenfalls untersteht. 


Vermischtes. 

— Der Dampfer ,,Oceana“ der Hamburg-Amerika-Linie, 
welcher die deutschen Mitglieder des 15. internationalen medi- 
cinischen Kongresses nach Lissabon im April bringen und zugleich 
als Wohnung der Kongressisten dienen wird, soll auch die Kana¬ 
rischen Inseln, Gibraltar und Tanger anlaufen. Die Kosten der 
Fahrt belaufen sich je nach der Lage der Kabine inkl. Ver¬ 
pflegung auf etwa 700—1300 Mk. Der Dampfer geht am 
7. April von Hamburg ab und trifft am 30. April abends dort 
wieder ein. 

— In London versucht man alle bestehenden medicinischen 
Gesellschaften zu einer Körperschaft (Royal Society of Mede- 
cine) zu vereinigen, ohne dass die einzelnen Sektionen ihre Selbst¬ 
ständigkeit verlieren. Die Royal Medical and Cbirurgical Society 
und Clinical Society haben die grosse Aufgabe in die Hand ge¬ 
nommen, die in der Residenz wohnenden 5000 Aerzte zu einer 
grossen, leistungsfähigen Vereinigung zusammenzuschliessen. Die 
Ziele der Vereinigung sind noch nicht genauer bekannt. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Rodnktion der Balneologieoben Zentralzeltung.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur¬ 

minimum 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkongen 

Abbazia. 

21-27. 1. 06. 

1 C. 

4 C. 

763,9 


4 

3 

5 




Badenweiler. 


— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



Driburg . 

n 

— 3,5 C. 

1,3 0. 

— 

2 

4 

— 

2 

— 

1 

Tag Schnee 

Ems. 


— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



Giesshübl-Sauerbrunn . . 


— 4,9 C. 

- 1,4 C. 

_ 

_ 

3 

2 

4 

_ 

2 

Tage Schnee 

Franzensbad . 


— 

— 

_ 

_ 


_ 

_ 

_ 



Herrenalb. 


— 8 C. 

+ 5,5 C. 

729 

— 

2'/4 

43 /, 

4 

— 

2 

Tage Schnee 

Kreuznach ...... 


— 

_ 

_ 





_ 

2 


Langenschwalbach . . . 


— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



Lippspringe. 


- 4 0. 

-f 2 C. 

760 

1 

2 

2 

1-5 

— 

2 

Tage Schnee 

Nauheim. 


- 4,4 0. 

0,2 C. 

756 5 

_ 

3 

4 

1—5 

_ 

2 


Nenndorf. 


V 2 c. 

2 C. 

767 

_ 

2 

5 

_ 

_ 

1 

Tag „ 

Norderney. 


— 

— 

— 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



Orb. 


— 





_ 

_ 

- 



Reichenhall . . . . • . 



_ 

- 


_ 

_ 


_ 



Koinerz. 

w 

— 8 C. 

— 3 C. 

718 

— 

_ 

7 

4 

_ 

2 

Tage Schnee 

Stehen. 

/' 

- - 7,4 0. 

+ 0,4 G. 

719 



1 

5-6 

— 

3 

H « 


Vpraiiiwortllchrr Keilakt«ur : Hofrftt Dr. W. H (7ilb«rt, Haden-Badeo. — Verlaj; von Carl Marhold. Halle a. S. 
Druck von HeynemanD’sche Buchdruckerei. Gebr. Wolff. Hall« a. S. 


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I 

























Vn. Jahrgang. Nr, 7. 1906. 

Balneologische Centralzeituns 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des SchwarzwaldbäUertages, des Verbandes 
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Vtriwndsredakteur des „Allg. D. B.-V."; 

Verlag: Carl Marbold in HaHe a. UhlandstraBe 6. 

TeL-Adr.: Martioid Veriag Hallesaale. Femspreeber 3834. 

Redakteur: 

Dr ^beU, Plinsberg i. Schl. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hofrat Dr W. H. OiOert, Bide»-Badea. 

Hofrat Dr. W. H. QUbeii, Baden-Baden. 


Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei dei Redaktion gestattet. 


Inhalt. 


Aaitlieher Teil: Allgemeiner Dentscber Bäderrerband. 

Fenilleton; Ärztliche Stimranngsbilder ans Egypten. Von Dr. H. Engel, 
(Heloan bei Cairo.) 

Über die Bebandlnng der gemeinen Scbnpmnflecbte mit Nenndorfor 
Schwefel Wasser. Vortn^ fQr die XIV. Jabresreraammlong des all« 


gemeinen Deutschen Bäd.orverbandos zu Ems den 4. Oktbr. 1005. Von 
San.'Rat Dr. Axel Winkler. 

Abs den BEdem und Kurorten. 

Vermischtes. - 
Heteorologrisehe Statistik. 


Amtlicher Teil. 


AUgem, J>eutaeher Bdderverband, 

Bericht über die Vorstandcpdtzung vom 8 . Januar 1906. 

Ana 8 . Januar fand auf Einladung des Vorsitzenden Herrn 
Geheimrat Dr. Michaelis eine Zusammenkunft des Vorstandes des 
Allgemeinen deutschen Bäderverbandes zu Hamburg statt, zu 
welcher die Vorstandsmitglieder vollzählig erschienen waren. Um 
9^/4 Uhr wurde in die Verhandlungen eingetreten und zunächst 
der Vortrag Bleymüller über die Eisenbahn-Tarifreform und 
deren Sinfluss auf den Verkehr der Kurorte (1. Jahresversamm¬ 
lung 1905) nochmals erörtert. Der Beschluss der Emser Ver¬ 
sammlung, den Vortrag dem zuständigen Ministerium als Material 
zu überreichen, wird zur Ausführung gebracht. Herr Sanitätsrat 
Dr. Winkler berichtet sodann über eine von ihm und Herrn 
Rütt en ausgearbeitete Mietordnung für die deutschen Kur¬ 
orte. Dem Entwürfe diente als Grundlage die von Herrn 
0. Kaempf in Em« vorgelegte Mietordnong für die Thüringer 
Kurorte, sowie die von Herrn Bürgermeister Dengler-Reinerz im 
Jahre 1899 dem Schlesischen Bädertage vorgelegte Mietordnung. 
Auch einige bezüglidie Verordnungen, welche in einzelnen Kur¬ 
orten, z. B. Elms, Gültigkeit haben, fanden Berücksichtigung. Es 


wurde in Anregung gebracht, den mit einigen Aenderungen ver¬ 
sehenen Entwurf gelegentlich der nächsten Tagung in Kissingen 
zur Beratung zu stellen und zur Annahme zu empfehlen. Aus 
einem Berichte des Herrn Prof. Dr. E. Hintz über den Stand 
der Arbeiten zur Herausgabe des im Kaiserlichen Gesundheits¬ 
amte bearbeiteten Buches „Deutschlands Heilquellen und Bäder“ 
interessiert besonders die Mitteilung, dass begründete Hoffnung 
vorhanden ist. das Werk noch im Laufe dieses Jahres der 
Oeffentlichkeit übergeben zu können. Herr Hofrat Röchling 
unterzog demnächst die Kurortekommission der Berliner Standes¬ 
vereine einer kritischen Beleuchtung. So erwünscht ja die Mit¬ 
arbeit eines jeden Arztes am Gedeihen der Kurorte an sich ist, 
sc ist doch wohl die Art und Weise, wie jene Kommission sich 
durch Versendung ihrer Fragebogen u a. sich betätigt, nicht ganz 
einwandsfrei, namentlich im Hinblick darauf, da.ss z. Zt. die hy¬ 
gienischen Mindestforderungen an Kurorte im Kaiserlichen Ge¬ 
sundheitsamte eingehend erörtert werden. Hier arbeiten die Ver¬ 
treter der zuständigen Behörden in bestem Einvernehmen mit 
bewährten Fachleuten aus Kurorten aller Art zusammen und es 
Steht ein erspriessliches Elrgebnis in Aussicht. Die Frage, ob das 
Vorgehen der genannten Kommission, welches nur aus einer ge¬ 
wissen Universität hervorgegangen zu sein scheint, zunächst Beob¬ 
achtung finden soll, wird dahin beantwortet, dass weitere Schritte 
derselben abznwarten sind. Auch diese Angelegenheit wird auf 
die Tage.sordnuDg der nächsten Jahresversammlung gesetzt. 


Feuilleton. 


Aerztliche Stimmungsbilder aus Egypten. 

Von Dr. H. Engel (Heluan bei Cairo). 

(Fortsotzung.) 

Drüben badet eine Gruppe braunnackter Gestalten, Mädchen 
und Buben. Frauen kommen mit grossen Tonkrü^en auf den 
Köpfen an die Badestelle und schöpfen am gleichen Platz 
Wasser zum Trinken, schlürfen selbst das schmutzige Nass aus 
hohlen Händen. Die ganze Erklärung der Cholera- und 
Typhusepidemien Egyptens ist in diesem Bild enthalten. Wenige 
Schritte vom Badeplatz entfernt liegt auf einer Sandbank em 
ve^esteter Tierkadaver. Der Nil umspült ihn. Möven und 
Geier umflattern ihn. Man braucht nicht mehr zu fragen, 
warum die Rinderpest in Egypten eine nationalökonomische 
Kalamität geworden ist. 

In nördlicher Feme tauchen am anderen Ufer des Nils 
die Umrisse einer grossen Zuckerfabrik auf. Neben Palmen 
stehen Schornsteine und grosse unschöne Magazingebäude. 
Das Pfeilen einer Lokomobile unterbricht die Stifie. Von den 
Mauern fliegen dichte Schaaren von Tauben. — An die Fabrik 
schliesst sich ein Palmenhain. Deutlich, ernst und wuchtig, 
heben sich aus ihm die Trümmer eines alte^ptischen Heilig¬ 
tums heraus. Liebkosend umspielen die Wellen einen halb¬ 
zerstörten Götterkolosa. Sie erzählen dem Träumenden von 


schönen, machtvollen Zeiten. Dicht am Tempel, zum Teil an 
ihn hinaufgebaut — denn er ist erst vor kurzem aus dem 
Staub der Jahrtausende herausgegraben — stehen die grau 
braunen jämmerlichen Lehmhütten eines arabischen Dorfes. 
Vergangenheit und Gegenwart in einem einzigen kleinen Ge¬ 
sichtsfeld, unharmonisch aneinander gereiht und doch tief er¬ 
greifend für das denkende Auge.- 

Ein bescheidenes „Imil namf hawage“, („Verzeihung, Herr“) 
unterbricht meine träumerische Betrachtung. Mit bittender 
Miene steht ein arabischer Ruderknecht vor mir und deutet 
auf sein erblindetes Auge — eines der alltäglichen Opfer des 
egyptischen Trachoms. Andere kommen dazu mit demselben 
mehr oder weniger eingerosteten Leiden, über die sie mit be¬ 
redten Worten flagen. Ich kann nur wenig helfen. Aber der 
Dank ist gross und im Triumph werde ich auf den Schultern 
meiner Patienten vom Boot durch das Uferwasser getragen. 

Auf bereit gehaltenen Eseln geht es nun in strengem 
Galopp durch die grüne Ebene. Ein am Nil gelegenes Dorf 
nimmt uns zunächst auf. Es ist „Beiram“ heute, ein grosses 
arabisches Fest nach langem religiösen Fasten. UeberalT Lust¬ 
barkeit, Musik und Tanz! In unglaublich grellem Festputz, 
bei welchem helles Gelb, Scharlachrot und Lila die grösste 
Rolle spielt, drängt sich die lebhafte Menge am Schlangen¬ 
bändiger und Märchenerzähler, an Bazaren und Verkaufs¬ 
ständen. Diese sind hoch beladen mit Orangen, Datteln, Feigen 
und eigentümlichem Backwerk, dessen Anblick europäische 
Gaumen nicht reizen kann. Dichte Schwärme von Fliegen 
lagern auf allem. Malesch (Tut nichts!). Unrat und Geziefer 


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26 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 7. 


Nach einer Mitteilung von Dr. Siebelt hat daa Rundschreiben 
in Sachsen die in Kurorten an Vereine und Korporationen irgend¬ 
welcher Art zu gewährenden Vergünstigungen einen guten Erfolg, 
gehabt. Eine sehr grosse Anzahl von Kurverwaltungen hat sich 
zur Annahme der Leitsätze entschlossen, so dass dieselben nach 
und nach wohl allgemeine Anerkennung finden dürften. 

Die Frage der Kurortelaboratorien wird wiederum im An¬ 
schlüsse an einen bezüglichen Bericht des Herrn Prof. Dr. Hintz 
erörtert. Die Angelegenheit ist noch nicht spruchreif und es 
wird beschlossen, in Rücksicht auf die früheren Verhandlungen 
des Verbandes einer von anderer Seite ergangenen Anregung 
keine Folge zu geben. 

Weiter wurden Erörterungen gepflogen, ob es sich empfehle, 
in der Jahresversammlung eine Verlängerung der Wahlperiode 
des Vorstandes von ein auf drei Jahre zu beantragen. Aus 
Zweckmäßigkeitsgründen wird hiervon abgesehen, zumal eine 
Aenderung der^ Satzungen im Falle der Annahme eines solchen 
Antrages notwendig werden würde. 

Endlich kamen noch einige Angelegenheiten zur Sprache, 
welche für öffentliche Behandlung nicht geeignet sind, worauf die 
sehr umfangreiche Sitzung um 4^/4 Uhr geschlossen wurde. 

Am 9. Januar tagte die Kommission für die Quellenscbutz- 
angelegenheit ebenfalls in Hamburg. Die Arbeiten derselben 
Sind soweit gefördert, dass sie voraussichtlich noch in diesem 
Frühjahr mit bestimmten Vorschlägen wird an die zuständigen 
Stellen heran treten können. Siebelt-Flinsberg. 


lieber die 

Behandlung der gemeinen Schuppenflechte 
mit Nenndorf er Schwefelwasser. 

Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des allgemeinen 
Deutschen Bäderverbandes zu Ems den 4. Okt. 1905. 

Von San.-Rat Dr. Axel Winckler, 

Egl. dirig. Brunnonarzt am Bade Nenndorf. 

(Schluss.) 

Solche Psoriasiskranke, deren Magen nicht einmal drei 
Gläser Schwefelwasser pro die verträgt, werden nicht geheilt. 
Andererseits darf die Tagesdosis von einem Liter nicht über¬ 


gehören ja zum Leben des Orientalen. Nicht einmal aus den 
von Schmutz starrenden Gesichtern wird das freche Geschmeiss 
der Fliegen vertrieben. Zu Hunderten hocken Kinder, Weiber 
und Greise vor den Türen der Hütten — ein förmliches 
Opfer des Ungeziefers, die triefenden Augen, die verspeicheJten 
Mundwinkel von Fliegen dicht untränderl. Diese spielen in der 
Verbreitung von Krankheiten hier in Egypten entschieden eine 
selir grosse Rolle. Es existieren im Lande, namentlich in der 
Nilniederung Fieber, deren Natur noch nicht aufgeklärt ist 
Es handelt sich dabei nicht um Malaria, nicht um Maltafieber, 
Denguefieber oder dergleichen, sondern um ganz akute hohe 
einmalige Temperatursteigerungen mit raschem Abfall, manch¬ 
mal aber auch kontinuirlich andauernd bis zur Erechöpfung 
des Indiviiluums. Wahrscheinlich sind Mücken und Fliegen 1 
die Ueberträger des Krankheitsstoffes. Im Blut konnte ich 
bis jetzt allerdings keine Mikroorganismen, Tiypauosoraen oder 
sonstige Plesmodien in solchen Fällen nachweisen. Die Tsese- 
fliege hat ihren Flug noch nicht bis Egypten ausgedehnt, droht 
aber von Siidara heraufzukommen. Der Anopsheles wird nur 
in wenigen Teilen Egyptens konstant gefunden. 

Auf unserem Weg durch das Dorf werden mir von allen 
Seiten, von Krüppeln, Blinden und Aussätzigen bettelnde Hilnde 
entgegengostreckt — ein jammervoller Ausdruck mouschliclien 
Elends. Nun reiten wir an einer lärmenden Schänke vorüber. 
Musik und der stickige Brodom einer arabischen Volksmenge 
dringt uns entgegen. In der Türe, umringt von Gaffenden, 
steht ein hohes, schlank gebautes Weib, nackt bis zu den 


schritten werden. Das Nenndorfer Schwefelwasser ist nämlich 
ein starkes Diureticum; es reizt die Nieren, muss daher mit 
Vorsicht gebraucht werden; die angegebene, durch meine 
eigenen Erfahrungen, durch die Erfahrungen meiner Kollegen 
und die unserer Vorgänger festgestellte Maximaldosis muss 
unter allen Umständen respektiert werden. Ein Psoriatiker, 
der hinter dem Rücken seines Arztes nach dem laienhaften 
Grundsätze „viel hilft viel!“ täglich sieben Gläser (gleich 1400 g) 
Nenndorfer Schwefelwasser trank, verlor zwar sem Hautleiden, 
erkrankte aber an chronischer Nephritis. 

Während der ganzen Dauer [der Trinkkur sind dem Pso¬ 
riasiskranken Eier, Bouillon, Würste, Wildpret, Käse, starker 
Kaffee, starker Tee, Wein und starke Spirituosen untersagt. 
Am wichtigsten ist es, den Salzgenuss und den Alkoholgenuss 
zu beschränken. 

Ergänzt wird die Trinkkur durch die Badekur, wozu wir 
in Anbetracht der Hartnäckigkeit der Psoriasis das Wasser 
unserer stärksten Schwefelquelle, der Gewölbequelle, benutzen. 
Diese ist weitaus die stärkste Schwefelquelle Eui'opas; nach 
der letzten, im Juli 1905 an Ort und Stelle von Professor 
Hintz vorgenommenen Titration enthält sie 0,0664 g, ent¬ 
sprechend 45,51 ccm, Schwefelwasserstoff im Liter. Der Kranke 
muss innerhalb 6 Wochen 28 Bäder von diesem enorm starken 
Schwefelwasser nehmen; als Temperatur dieser „Gewölbe¬ 
quellenbäder“ schreiben wir 34 bis 35" C, als Dauer 20 bis 
30 Minuten vor. Robuste Personen können bis 40 Idinuten 
in einem solchen Bade verweilen. Bei den meisten Bade¬ 
ästen erscheint die Haut unmittelbar nach dem Bade gerötet; 
ie Röte verschwindet .jedoch binnen 10 Minuten. Auf jedes 
Bad muss einstündige Bettruhe folgen. 

Nach den ersten fünf oder sechs Schwefelbädern beginnen 
die Schuppen erheblich lockerer zu werden; jetzt unterbrechen 
wir die Badekur einige Tage und wenden während dieser Zeit 
irgend ein Schälmittel an. Ich bediene mich zu diesem Zweck 
entweder einiger Einreibungen mit Kaliseife, oder ich lasse 
eine starke (jnrysarobinsalbe — 10 g Chrysarobin auf 30 g 
Vaselinum flavum — zweimal täglich mittelst eines Borsten¬ 
pinsels auf die kranken Hautstellen, Notabene nicht am Kopfe 
und nicht an den Händen, aufstreichen, bis die schälende Ent¬ 
zündung beginnt. Wenn die Schuppenbildung nicht sehr aus¬ 
gedehnt ist. genügen Einreibungen mit Schaum der starken 
Nenndorfer Schwefelseife, die 35% Quellensediment aus unserer 
Badequelle enthält. Allemal kommt es nur darauf an, die 


Schenkeln. Von der braunen Haut hebfsich der aus kupfernen, 
silbenien, goldenen Ketten und aus Perlen bestehende Brust¬ 
schmuck gleissend und glitzernd ab. Breite Armbänder und 
die über den nackten Knöcheln sitzenden Fussspangen voll¬ 
enden das sinnenreizende Bild. Mit den erhobenen Händen 
beschreibt sie eigentümliche Linien,*^ während ihr Körper im 
Rythmus der Musik vom Hals bis zur Scham wellenförmig 
bebt, sich hebt, zittert und stösst. Der Kopf mit den dunkel 
umränderten Augen und dem halb geöffneten Mund, aus dem 
glänzende weisse Zähne hervorblinken, ist in Verzückung nach 
hinten gesunken. Immer stärkere /Schauer erschüttern den 
Leib und leise klirren Fiissringe und Armspangen. Andächtig 
lauscht die Menge dem Bauchtanz. Der Ajobhek ist trotz der 
1 eigentümlichen Bewegung nicht unästhetisch, das Weib selbst 
ein stolzes Beispiel egyjitischer Schönheit und herrlichen Eben- 
masses, wie man solches unter dem arabischen Volke so oft 
findet. 

Endlich kommen wir ins Freie und atmen den erquicken¬ 
den Duft gepflügten Ackerlandes, grüner Wiesen und Felder. 
Am Wegrand knien, nach Osten gewendet, auf Teppichen 
betende Muselmänner in demütiger Verneigung vor ihrem Gott. 
Grosse Züge von Stein-und Fruchtbeladenen Kamelen, Truppen 
von eselreitenden. eifrig schwatzenden Arabern kommen uns 
entgegen. Unser Zug, dem sich Freunde und Bekannte des 
Scheichs angeschlossen, wird mit Ehrerbietung gegrüsst. 

! Nach Durchkreuzung eines stillen hohen Palmenwaldes 
! erblicken wir endlich das Dorf des Scheich. Trotzdem die 


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1906. 


BALNBOLOGISCHE CßfTTRALZB[TJ.'^Q 


27 


Schuppen möglichst abzulösen, damit das Schwefelwasser fortan 
auf die kranke Haut vollstündig und gründlich ein wirken könne. 
Sobald die Schälung im Gange ist, verordnen wir sofort wieder 
die Schwefelbäder. 

Ausdrücklich bemerke ich, dass das Schälmittel die Kur 
zwar unterstützt und verkürzt, aber keineswegs als Heilmittel 
anzusehen ist; es wirkt lediglich als Adjuvans. Mit der Schwefel¬ 
kur allein kann man die Psoriasis heilen, wie mehrere in Nenn¬ 
dorf behandelte Fälle beweisen, aber dazu ist natürlich eine 
längere Zeit erforderlich, weil dick auflagernde Schuppen 
während der ersten Wochen die Einwirkung des Schweiel- 
wassers auf die kranken Hautpartien hindern. Es erscheint 
daher durchaus rationell, mit Schälmitteln der Abschuppung 
nachzuhelfen. 

Binnen sechs Wochen pflegt die Haut völlig geheilt, tadel¬ 
los rein und glatt zu sein. 

Diese eminente Wirkung der Schwefelkur auf die psoria¬ 
tische Haut erkläre ich folgendermaßen. Ich halte mit Polo- 
tebnoff die Psoriasis vulgaris für eine vasomotorische Neurose, 
die auf Veränderungen des Nervensystems beruht und mit 
subjektiven und objektiven Nervensymptomen einhergeht Man 
muss bedenken, dass Haut- und Nervensystem aus einem und 
demselben Keimblatt entstanden, also genetisch nahe verwandt 
sind. Oft konnte ich feststollen. dass psychische Affekte den 
Wiederausbruoh, ja die erste Entstehung der Hautkrankheit 
verschuldet haben; hiernach wäre sogar eine psychische, sug¬ 
gestive Behandlung der Psoriasis neben den übrigen Ma߬ 
nahmen wohl gerechtfertigt. Der Mangel an Schlaf wirkt ver¬ 
hängnisvoll. weil er das Nervensystem schädigt: eine einzige 
scblaflo'O Nacht kann bekanntlich einen Rückfall der Psoriasis 
unmittelbar zur Folge haben. Kopfverletzungen und Alkohol¬ 
genuss wirken ebenso, weil sie gleichfalls die Nervonfunktioiien 
alterieren. Kurz, diese Hautkrankheit wurzelt augenscheinlich 
in Störungen des Nervensystems. Nun wirkt aber die Schwefel¬ 
kur sodierend, bis zu dem Grade, da.ss — wie die an starken 
Schwefelbädern praktizierenden Herren Kollegen wolil wissen 
— der nervenberuhigende, niederschlagonde Effekt der Trink- 
und Badekur oft bis zur tiefsteu Depression des Nf'rvenlebens 
führt. Und nach meinen Beobachtungen tritt die Heilwirkung 
der Schwefelkur bei der Psoriasis stets in jenem Zeitpunkt 
ein, wo die sedierende Wirkung der Kur deutlich erscheint. 
Sobald der Patient matt, unlustig, schläfrig, total schlaff w’ird, 
ist sein Hautleiden geheilt. Die Heilung beruht also im 
Grunde wohl auf der Beeinflussung des Zentralnervensystems. 
Nebenbei mag ein lokaler Einfluss der Schwefelbäder auf die 
Hautnerven in Betracht kommen, deshalb suchen wir, wie ge¬ 


sagt, die Haut bald von Schuppen zu befreien, um sie für die 
sedierende Wirituug des Bademediums zu präparieren. Dabei 
denken wir aber keineswegs an eine pilzwidrige Wirkung des 
Badewassers. Die Devise der modernen Dermatologie: „Lo¬ 
kale Krankheit, materielle Erklärung und arzneiliche Behand¬ 
lung“ ist wenigstens bei der Psoriasis zu verwerfen. Bei diesem 
Hautleiden wollen wir durch unsere baineotherapeutischen Ein- 

f rifie und diätetischen Vorschriften das Nervenleben und da- 
urch mittelbar das Hantleiden heilsam beeinflussen. Das 
Svhwefelwasser wirkt nicht antiseptisch und nicht antiparasitär, 
das haben Dr. Amsler in Schinznach und Professor Dr. Klebs 
in Nenndorf bakteriologisch exakt nachgewiesen; andererseits 
ist die Psoriasis vulgans nicht parasitär und nicht kontagiös. 
Sie ist eigentlich eine Nervenkrankheit und wird durch die 
Schwefelkur deshalb geheilt, weil diese die Hautnerven, die 
Gefässnerven und überhaupt das gesamte Nervensystem be¬ 
ruhigt. Das ist meine Theorie. 

Bazin, der verschiedene Dyskrasien als Ursachen der 
Schuppenflechte anschuldigte, statuierte u. a. eine gichtische 
Psoriasis. Sofern Gicht auf neuropathischer Grundlage beruht, 
kann sie allerdings einen günstigen Boden für die Entwicklung 
der Schuppenfleimte abg^en. Wir sehen in jeder Saison 
mehrere derartige Fälle; diese scheinbaren Ausnahmen be¬ 
stätigen nur unsere Ansicht vom Wesen der Psoriasis. In 
solchen Fällen sind die Schwefelbäder, die ja auch gichtwidrig 
wirken, doppelt indiziert und bringen sicheren Nutzen. Auch 
weim rheumatische Gelenkaffektionen die Psoriasis komplizieren, 
wirken die wannen Schwefelbäder höchst wohltätig. 

Ich hoffe, dass dieser kleine Beitrag zur Pathologie und 
Therapie der Psoriasis trotz mancher Abweichungen von der 
üblichen Anschauungsweise die wohlwollende Beachtung der 
Kenner finden und Veranlassung dazu geben möge, dass die 
unglücklichen Psoriatiker, denen mit den gebräuchlichen, zum 
Teil höchst giftigen Mitteln wie Arsenik, Atoxyl, Jodkalium, 
weisser Präzipitatsalbe u. dgl. so wenig genützt wird, dass die 
Krankheit jetzt allgemein als unheilbar verschrieen wird, mehr 
und mehr den Schwefel(juellen zugeführt werden, wo sie tat¬ 
sächlich die ersehnte Heilung finden können. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

X Stobon. Dr. Fritz Hammer, langjähriger Assistent an 
der königl. Universität zu Würzburg hat sich als Badearzt und 
Spezialarzt für Fiaueukrankheiten iu Bad Stehen niedergelassen. 


Sonne schon tief steht, wird es heiss und staubig. Die Wüste 
beginnt wieder. Angehörige des Dorfs eilen uns entgegen. 
Der Scheich, an der Spitze reitend, streckt mit majestätischer 
und doch zugleich gütiger Geberde seine Hände aus und reicht 
sie seinem Volk zum Kuss. Unendliche Verehrung spricht aus 
jedem Gruss. Bald umfangen uns die dunstigen engen Gassen 
des Dorfes. An einem niedrigen Thor machen wir Halt. Eine 
lichtlose Treppe führt in ein völlig dunkles übelriechendes Ge¬ 
mach. Ich weiss nicht, wo ich bin, bis endlich ein Licht auf¬ 
flammt und etwas Helle verbreitet Da liegt in einer Ecke, 
auf alten schmutzigen Perserteppichen, in seidene Lumpen ge¬ 
hüllt, eine magere weissbärtige Gestalt, der älteste Häuptling 
des Dorfes — ein reicher, reicher Mann! Modergeruch und 
Spinnengewebe umgeben ihn. Kahl sind die Wände. Altes 
wertloses Gerät dient zum täglichen Gebrauch. Aber in ver¬ 
steckter Truhe gleist das Gold. — (Schluss folgt.) 


Kleine Mitteilungen. 

Die Abhärtung kleiner Kinder soll, so wird gegenwärtig 
von der Mehrzahl der Aerzte verlangt, möglichst frühzeitig be¬ 
ginnen. Recht beherzigenswerte Vorschriften gibt Geheimrat 
Prof. Brieger, der Leiter der Universitätsanstalt für Wasser- 
heilkonde zu Berlin, in einem Vortrage, der in dem ersten Heft 


der Hygienischen Volksschriften veröffentlicht ist. Nach Ablauf 
der ersten Woche nimmt man zu dem üblichen täglichen Reinigungs¬ 
bad kühleres Wasser, allmählich bis zu 24 Grad Reamur oder 
30 Grad Celsius. Nach Beendigung des Bades übergiesse man 
den Rumpf des Kindes mit kälterem Wasser von ungefähr 18 Re¬ 
amur oder 22 Vj Celsius. Hierauf folgt eine kräftige Abreibung 
mit dem trockenen Tuche. Das Bad soll während des ersten 
Jahres nicht kälter sein, wohl aber muss die Temperatur des für 
die Uebergiessung verwendeten Wassers allmählich verringert 
werden. Man kann bis gegen das Ende des Säuglingsalters auf 
16 Reamur oder 20 Celsius herabgehen. Vom zweiten Jahre an 
genügt die Uebergiessung allein; sie ist täglich vorzunehmen. Man 
braucht dann die Wasaerwänne nicht sorgfältig zu bestimmen; 
auch im Winter reicht man mit dem Wasser aus, welches mehrere 
Stunden im geschlossenen Zimmer gestanden hat. Später muss 
man noch kälteres nehmen. Zu beachten ist hierbei, was nie ge¬ 
nug betont werden kann, dass es sich nicht darum handelt, dem 
kindlichen Körper die Wärme zu entziehen. Das Bad oder die 
kalte Uebergiessung muss aus der Bettwärme nach vorheriger 
Erwärmung des Körpers vorgenommen werden und darf niemals 
zu lange dauern. Selbstverständlich braucht man nicht schematisch 
eine derartige Vorschrift zu befolgen, sondern kann sie — den 
jeweiligen Verhältnissen entsprechend — umändem. 


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26 


BALNE0L0GI8CHB CBNTRALZBITÜNG 


Nr. 7. 


X Ans Badenweller im Schwarzwald schreibt man uns: Die 
Entwicklung des Luftkurortes Badenweller, der in seiner Thermal¬ 
quelle einen zweiten schätzenswerten Heilfaktor besitzt, hat sich 
in den letzten Jahren in beschleunigtem Tempo vollzogen und 
wenn nicht alles täuscht, wird der Aufschwung des reizenden, 
von der Natur so ungemein begünstigten und durch Eultur noch 
weiter gepflegten Badeortes nunmehr noch deutlicher in die Er¬ 
scheinung treten. Dem badischen Landtage liegt jetzt im Budget 
eine Forderung von einer halben Million Mark vor, bestimmt zur 
Ausführung neuer grosser Badeanlagen in Badenweiler. Allgemein 
bekannt ist das prächtige, 1875 nach römischem Vorbild erbaute 
Marmoibad, das aber den Bedürfnissen nur noch in beschränktem 
Maße genügt, da es lediglich ein Schwimmbassin und Douche- 
einriehtungen enthält, abgesehen von den Ankleidekabinen. Es 
soll nun anschliessend an das Marmorbad eine mit modernen Ein¬ 
richtungen versehene Anstalt errichtet werden, in der heisse, 
elektrische und Lichtbäder verabreicht werden, ferner die gesamte 
Kaltwasserbehandlung durchgeßlhrt wird. Dass dadurch die An¬ 
ziehungskraft Badenweilers noch bedeutend verstärkt werden wird, 
liegt auf der Hand. Das Etablissement, ein architektonisch wohl¬ 
gestaltetes Gebäude, soll im Anschluss an das Marmorbad im Kur¬ 
park, etwa gegenüber dem Hotel Sommer, errichtet werden. Die 
grosse Villa Siegel, welche seit Jahren als Postgebäude dient, 
wird voraussichtlich fallen, da sie dem Neubau vorgelagert wäre 
und nicht nur bei dem Aushub dar Fundamente mit grossen 
Rosten unterfangen und gestützt werden müsste, sondern auch 
später den Neubau vollständig verdecken würde. Die Reichspost 
wird, wenn der Landtag sich für die Niederlegung des Siegel- 
scheu Hauses entscheidet, in dem früheren Reinhardt’schen Hause 
untergebracht, das vor einiger Zeit vom Staate angekauft wurde 
und in dem auch die Badeverwaltung ihre Bureaus hat. Dieser 
Ausbau der Bäder wird gewissermaßen Epoche machen in der Ge¬ 
schichte des Kurorts, dessen heilkräftige Luft, warme Quelle und 
meilenweite Tannenwaldungen mit ihren immer neu anmutenden 
Reizen weit und nahe so hoch geschätzt werden. Die Saison 
währt in Badenweiler bekanntlich vom frühesten Frühling an, wenn 
die Baumblüte beginnt und das Weilertal in bräutlichen Glanz 
hüllt, bis in den späten Herbst, bis in die Oktobertage, die Zeit, 
da die Rebenhügel sich leeren und die Laubbäume, die den 
dunklen Tannenwald säumen, in bunten Farben prangen. 


# Davos. 


Vom 13. bis 19. Januar 1906 waren 
in Davos anwesend 


Deutsche. 

1396 

Engländer. 

716 

Schweizer. 

460 

Franzosen . 

243 

Holländer. 

118 

Belgier. 

105 

Rrussen und Polen .... 

362 

Österreicher und Ungarn . . 

103 

Portugiesen, Spanier, Ita¬ 
liener, Griechen 

149 

Dänen, Schweden, Norweger 

26 

Amerikaner. 

62 

Angeh. and. Nationalitäten . 

46 

Total 

3786 


Vermischtes. 

X Scbworto a. Ruhr, in das Handelsregister des Königl. 
Amtsgerichtes hierselbst wurde dieser Tage die Sanatorium- 
Hohensybui g-Gesellscbaft mit beschränkter Haftung mit 
einem Kapital von M. 20000 eingetragen, deren Zweck es ist, als 
VorgeseUscbaft für eine zu gründende grössere Gesellschaft zwecks 
Baues und Betriebes einer Heilanstalt für leichte Lungen-, Hals- 
ond Brustkranke des Mittelstandes zu Westhofen a. d. Ruhr zu 
dienen. 

Dem geplanten Unternehmen wird allseitig, auch seitens der 
Behörden, das regste Interesse entgegengebracht, zumal da die 
ärztliche Oberleitung in den bewährten Händen des Professors Dr. 
A, Moeller, des langjährigen früheren Chefarztes von Belzi^^ 
liegt. Die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens ist dem 
Kurhausdirektor Gustav Kreienbrink zu Südende-Berlin übertragen 
worden. 


Meteorologische Statistik. 


VeraDstaltet vop der Redaktioi der Balneologlsoben Zeptralzeltung.. 


N :i in c 

Woche 

Mittleres 

Temperatnr- 

miuimum 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

. n3 

ls| 

1- i 

1 1 
m 

Regen¬ 

tage 

Sonnen* 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

. 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

28./1.—3./2 

1,6 

C. 

8,3 0. 

763,1 


6 

1 

— 

— 

See ruhig 

Badenweiler. 


— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 

n 

1,3 

c. 

3,2 0. 

— 

4 

2 

— 

2 

— 

2 T^e Schnee 

Ems. 


1,4 

c. 

5,4 C. 

769,2 

6 

3 

— 

3,3 



Gie.sshUbl-Sauerbrunn . . 


-0,2 

c. 

1,8 C. 

— 

— 

— 

2 

2 

— 

5 Tage Schnee 

Franzensbad. 


— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Herrenalb. 


-2V, 

c. 

4 C. 

730 

— 

IV 2 

5 Vs 

3—4 

— 

2 Tage Schnee 

Kreuznach. 




— 

— 

— 

— 


— 

_ 


Langenschwalbach . . . 


— 


— 

— 

— 


— 

— 

— 


Lippspringe. 


1,4 

c. 

6 C. 

758 

3 

— 

3 

2 

— 

1 Tag Schnee 

Nauheim . 


-0,4 

c. 

4,5 C. 

749,7 

1 

— 

7 

1—7 


2 Tage Schnee 

Nenudorf . 


4 

c. 

5 0. 

763 Vi 

1 

1 

6 


_ 


Norderney . 


— 


— 

— 

— 

— 

— 


— 


Orb. 


— 


— 



_ 

_ 

.... 



Reichenhall . . . . • , 


— 


_ 


_ 

_ 

_ 




Reinerz . 


— 2 

c. 

1,5 C. 

714 

— 

_ 

7 

8 

.... 

3 Tage Schnee 

Steben . 

n 

-0,7 

c. 

0,2 C. 

706 

— 

3 

4 

5—6 

— 

4 n 


verantwortlicher Redakteur: Hofret Dr. W. H. Gilbert, Baden-Baden. — Verlnf von Carl Marhold, Halle a. S, 
Draok von HeTnamaaa'acbe Bndhdrnekerei, Cabr. Wolff, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 8. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Or^an des Alls^emeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes 
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


«r t. j j j A» n xt Verlag: Carl Mariiold io Halle a.S., Ublandstraße 6. 

Verbandsredakteur des „Allg. D. B.-V.“: Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Dr Slebelt» Plinsberg i. Schl. Alle Ziiscbrlften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Hofrat Dr W. R. OUbart, Bndeii-BadM. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei dei Redaktion gestattet. 


Inhalt 

BeeiDflossung des Geftsstonos und der Blutstromgescbwiodigkeit durch Ans den Bädern and Kurorten. 

tbenniscne und met^aniscbe Reize. Yun Dr. von Niesscn^Wiesbaden. Ans dem Verbände deutscher Nordseebäder. 
Feuilleton : Aerztliche Stimmungsbilder aus Bgypton. Von Dr. H. Engel Vermischtes. 

(Heluan bei Cairo) (Schluss). Meteorologische Statistik. 


Redakteur: 

Dr. P. Meissner, Berlin. 


Am 7. Februar 1906 starb nach kurzer schwerer Krankheit unser langjähriger treuer Mit¬ 
arbeiter, Freund und Kollege 

Hofrat Dr. W. H. Gilbert. 

Tieferschüttert stehen wir an der Bahre des zu früh Dahingegangenen. Wir verlieren an ihm einen 
hervorragenden Arzt und wahren Menschen. 

Friede seiner Asche! 

Dr. P. Meissner. 

Nccrolog siehe .Med. Woche pag. 89. 


Beeinflussung des 

Geßlsstonus und der Blutstromgescliwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von Niessen-Wiesbaden. 

Mutando perseverut natura. 

Wenngleich sich vorstehendes Thema vornehmlich an den 
Physiologen zu wenden scheint, so hat die Bearbeitung des¬ 
selben infolge seines grossen praktischen Wertes für den Arzt 
and speziell für den Balneologen ein so hervorragendes 
allgemeines Interesse, dass es nicht unberechtigt ist, wenn 
ein Praktiker sich an seine nähere Betrachtung macht und 
seine Reflexionen darüber den Herren Kollegen, u. zw. nicht 
nur den „Badeärzten“, vorlegt. 


So vielseitig die Aufgabe ist, so scheint mir unter den 
mannigfaltigen Gesichtspunkten, von denen aus sie gelöst werden 
kann, der des physikalisch gebildeten Therapeuten der 
zweckmäßigste, d. h. der am meisten übersehende, d. h. um¬ 
sichtige zu sein. Nicht unvorteilhaft scheint mir daher der 
Gegenstand so angefasst zu werden, dass an der Hand einiger 
konkreter Fälle, wie sie das tägliche Leben und die ärztliche 
Tätigkeit mit sich bringen, die theoretischen Schlussfolgerungen 
deduktiv gezogea und womöglich als Richtschnur aufgestellt 
werden. Der allseitig gründlich vorgebildete Arzt befindet 
sich, sobald er allen Ansprüchen seiner Zeit und Klientel ge¬ 
wissenhaft gerecht zu werden sich bemüht, oft genug vor der 
Alternative, welches Register der auswahlreichen Materia medica 
er ziehen soll. Viele Wege führen nach Rom, die einfachste 
und am meisten naturgemäße Methode bleibt aber in der Regel 
die zuverlässigste, und darin besteht die Hauptkunst des routi- 


Feuilleton. 


Aerztliche Stünmungsbilder aus Egypten. 

Von Dr. H. Engel (Heluan bei Cairo). 

(Schluss.) 

Während ich mich mit eingeschlagenen Beinen auf den 
feuchten Boden niedcrlasse, betrachten mich zwei stahlharto 
Fuchsaugen mit bohrendem Blick. „Sa ad, hakim, sa ad“ (Hilf, 
Doktor, hilf). Und nun ergiesst sich ein Strom des Jammers 
über mich. Kein Plätzchen am ganzen Körper, das nicht der 
Sitz von Schmerzen! Auf jede ärztliche Frage wird mit orien¬ 
talischer Ausführlichkeit in seufzender Klage geantwortet. Es 
ist unmöglich, auf diese Weise zu einer Diagnose zu kommen. 
Eine gründliche Untersuchung wird nicht gestattet, da die 


Kleider aus Angst vor Erkältung nicht abgenommen w'erden. 
Was dem Manne vor allem not täte, das wäre frische Luft und 
^te Nahrung. Aber letzteres verbietet der Geiz, und die Luft 
Fürchtet der Alte wie das Wasser. Wie ein kranker Hund hat 
er sich in eine dunkle Ecke verkrochen und lässt nun die 
Krankheit über sich ergehen. Ob sie zum Tode oder zur Ge¬ 
nesung führt, das liegt in Gottes Hand. Imsch Allah! 

Ich tue mein möglichstes als Arzt. Wahrscheinlich handelt 
es sich um eine tuenylost ommen anaemie — eine im Niltal 
sehr häufige Erkrankung. Das tuchylostoma laren wandert 
durch die unverletzte Haut in den menschlichen Darm. Das 
Baden oder Stehen im Nilwasser, welches von Dejektionen 
solcher Kranken verunreinigt ist, genügt schon allein zur Auf¬ 
nahme des Krankheitsstoffes. — Zum Abschied wird mir ein 
Schälchen arabischen Kaffees feierlich kredenzt. Der Scheich 
und sein Volk begleitet mich noch ein Stück Weges, üunn 
reite ich allein weiter. — 

Ein Tag der Arbeit liegt hinter mir. Dass der reiche 


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80 


BALNEOLOGISCHB CBNTRALZBITUNG 


Nr. 8. 


nierten Arztes, unter den vielen Wegen den jeweilig richtigen, 
erprobten zu wählen. 

Die physikalische Therapie, die wahre „Naturheil¬ 
kunde ist daher ihrem g^zen Wesen nach am meisten ge¬ 
eignet, den Postulaten des Fernas zu genügen und fast schemt 
es, dass dasselbe auch eine pädagonsche Seite „moderner 
Richtung^^ habe, nämlich die nicht m^r neue Mahnung, das 
Heil der Medicin nicht einseitig nur in der Pharmako¬ 
therapie zu suchen. Das Thema appelliert geradezu an die 
physiaalischen Mittel der ärztlichen Heilkunde. 

Seitens des Oiganismus, der den g^ebenen Reizen aus¬ 
gesetzt ist, sind 3 ^uptfaktoren für den Tonus und die Blut¬ 
stromgeschwindigkeit maßgebend: 

1. die Blutmenge und ihre aggregate und sonstige 
Beschaffenheit, 

2. die Anlage, der Bau des Eanalsystems, des 
Gefässapparates und 

3. die treibende Muskelkraft und Nervenenei^ie, 
worunter das ganze System der Gefäss- und nerz- 
muskulatur mit den zugehörigen nervösen Elementen 
subsummiert ist, mit einem Wort; die Vis a tergo. 

Wie diese komplizierte Maschine physiologisch unter 
'dem Einfluss der gegebenen Reize in imen Einzelheiten und 
in toto funktioniert, wie sie unter abnormen Bedingungen 
pathologischer Betriebsstörung durch jene Reize korrigiert 
und kompensiert werden kann, das sollen folgende Beispiele 
erläutern helfen. 

1. Ein gesunder Mann erwacht nach ruhig durchschlafener 
Nacht, er dehnt sich und reckt seine Glieder nach allen Rich¬ 
tungen, nimmt die gewohnte kalte Abwaschung, erwärmt sich 
nach einem warmen Frühstück und tritt auf die winterlich 
kalte Strasse. Die Menschen haben es alle viel eiliger als 
sonst, die Kutscher schlagen die Arme abwechselnd kräftig 
unter den Achseln zusammen und reiben sich die Ohren. Auch 
jenen Mann zwickt es in Ohren- und Fingerspitzen. Beim 
Betreten seines Dienstzimmers bemerkt er nach dem Ab¬ 
streifen der Handschuhe, dass die beiden letzten Finger der 
rechten Hand wie abgestorben, leichenhaft aussehen, gefühllos 
sind. Bald darauf bekommen sie wieder Farbe, werden rot 
und er fühlt in ihnen wie in den Ohren ein Prickeln und leb¬ 
haftes Brennen. Infolge seiner sitzenden Lebensweise hart¬ 
leibig, muss er darauf beim Stuhlgang mit grösster Anstrengung 
die Bauchpresse zu Hilfe nehmen und fühlt dabei eine lebhafte 
Kongestion nach dem Kopf. 


Mann mich wohl um meine ärztlichen Forderungen betrügen 
wird, daran denke ich einstweilen nicht. Der tiefe erhabene 
Frieden einer egyptischen Abendstimmung scheucht alle klein¬ 
lichen Gedanken. Himm el und Erde leuchten in den warmen 
Farben der zum Untergang neigenden Sonne. Rot und feurig 
brachen ihre Strahlen durch die schlanken schwarzen Stämme 
des Palmenwaldes, den ich wieder durchreite. Auf dem Nil 
und seinen lan^am gleitenden Wassern ist es dunkel geworden. 
Breite violette Streifen und tiefe Schatten huschen über seine 
Wellen. Jetzt flammt der ganze Horizont blutigrot auf. Ich 
wende mich dem Westen zu. Ueber dem purpurnen Sonnen¬ 
ball liegt eine pechschwarze Wolke mit schwefelgelben Rändern. 
Wie Federstriche heben sich nickende Palmen am westlichen 
Ufer vom farbigeu Hintergrund ab. — Tiefe heilige Stille 
ringsum! — 

Auf dem Weg vom Nil nach Heluan schlage ich die 
Richtung zu einem nahen Wüstenhügel ein. Dort hat ein 
lungenkranker Patient Zelte aufgesctuagen, in denen er Tag 
und Nacht verbringt, um auf solche Weise die Vorteile des 
reinen, trocknen Wüstenklimas voll und ganz auszunutzen. 
Hotelleben in Egypten ist nur ein unvollkommener Ersatz für 
die Wirkung einer in der offenen Wüste durchgeführten Frei¬ 
luftkur. Wessen Mittel es gestatten, sich als Lungenkranker 
in der Wüste für einige Monate häuslich niederzulassen mit 
Küche, Bedienung und mehreren Zelten, welche zimmerartig 
verwendet werden können, ohne wirkliche Zimmer mit allen 
ihren hygienischen Nachteilen zu sein, der komme im Winter 
nach Egypten und ziehe wie der Beduine mit seinem Haus in 


Hier haben wir einige physiologische mechanische 
und thermische Reize, wie sie das t^liche Leben mit sich 
bringt: Das Dehnen, eine unwiDkürliche, die Bauchpresse 
eine willkürliche Muskelarbeit, wie auch das Zusammens^lagen 
der Hände unter den Achseln. Diese bezwecken, hier als 
Reflex, dort als Nebenwirkung bei erschwerter Defäkation, 
ähnlich wie beim Erbrechen und bei Geburtewehen, und im 
letzten Fall schliesslich als halbbewusster Erfahrungsvoi^ang 
eine Blutdrucksteigerung, Ausdehnung der peripheren resp. 
intestinalen GefUsse und CapiUaren, sowie eine, wenn auch nur 
vorübergehend erhöhte Bl uts tro m geschwindigkeit mit 
passiver Hyperaemie, ein Hin und Her bei z. T. wechselnder 
Blutstromnchtung und erhöhtem Reibungskoefflzienten und den 
übrigen z. T. thermischen und sekretorischen Effekten einer, 
wenn auch nur kurzen Stase und der diese ausgleichenden 
Blutmotion. Bewirkt wird diese, teils aktive, teils reflektorische 
Blutmotion durch die Tonusschwankungen, denen die peri¬ 
pheren Gefasse auf die erwähnten thermischen Reize der 
kalten Waschung, der winterlichen Lufttemperatur, des ge¬ 
heizten Zimmers und eines heissen Getränkes hin unterliegen, 
während die Blutbewegungen und dadurch sekundär erzielten 
Tonus-Schwankungen der peripheren und intestinalen Gefasse 
bei der Bauchpresse mit extremer Anspannung einer 
z. T. unnötigen Nebenerscheinung entsprechen, da zum 
Ausgleich der beim Akt der Defäkation eintretenden Wärme¬ 
verluste und mechanischen Einflüsse auf die Zirkulation nor¬ 
maler Weise solche Hilfsapparate nicht erforderlich sind. 

Im allgemeinen prävaliert als causa agens für den Tonus 
unter den äusseren Reizen der thermische und zieht den Blut¬ 
druck erst indirekt, vorwiegend reflektorisch in Mitleidenschaft, 
die.ser wirkt dann vornehmlich wieder mechanisch auf den Tonus, 
während der mechanischeReiz*) auf den Tonus von aussen 
eine relativ untergeordnete Rolle spielt. Die von innen 
spontan in erster Linie für den Tonus und Blutdruck in bV^e 
kommen. Denn Reizmoraente sind die Inanition und In¬ 
fektion, andererseits die Plethora und der Turgor, also 
teils mechanische, teils chemische Faktoren. Bei der In¬ 
fektion, so z. B. bei der Syphilis, bekanntlich einer mit 
Vorliebe das Gefässsystem befallender Krankheit wird 
viel zu wenig der oft schon in frühesten Stadien den Tonus 

*) Von der Elektro- und Lichttberapie wird hier als nicht ins Bereich 
des Themas gehörig abgesehen. Es bleibt also ausser dem Luft- und 
Wasserdruck hierfür nur die Gymnastik, die passive Bewegung und Massage 
in ihren verschiedenen Anwendungsformen. 


die freie Wüste, zur kältesten Jahreszeit (Dezember, Januar) 
etwa in die Nähe von Assuan oder noch höher hinauf, später 
und vorher (November, Februar, März, April) in die Wüste von 
Heluan. Es ist das vollkommenste, was bei Lungentuberkulose 
auf klimatitschem und hygienischem Wege versucht werden 
kann. Solch eine grössere, ärztlich und wirtschaftlich gut ge¬ 
leitete Zeltkolonie für Lungenkranke in der freien W üste würde 
sicher treffliches erreichen. 

Wälirend ich den Hügel emporsteige, geht die Sonne 
vollends unter. Im Osten erscheint gleichzeitig die bleiche 
Scheibe des Vollmonds. Es wird dunkler und doch heller um 
mich: Zwei verschiedene Himmelslichter kämpfen mit ihren 
Farben. Rechts ira Westen liegt noch Sonnenglut, heiss, voll 
Leben, im Abschied noch Leben spendend. Nichts ist so 
lebendig wie das Dämmerlicht der egyptischen Sonne. Es 
spielt in warmen, wunderbaren, zu Herzen gebenden Farben, 
die sich schmeichelnd mischen — rot, gelb, violet, grün, in 
fortwährendem Wechsel bis zum Uebergang in das tiefe ruhige 
Blau des egyptischen Himmels, an dem die Sterne zu leuchten 
beginnen. Siegreich greift das harte weisse Licht des Mondes 
um sich. Mit kalten Fingern streift es über die Nilebene, 
welche oben noch in der Sonne warm geatmet hat. Jetzt liegt 
sie tot da. Ihr lebhaftes Grün, ihre bunte Fruchtbarkeit wird 
weiss vom Mondenlicht. Die Wüste aber wird grösser. Sie 
leuchtet und lebt. Die hellen Vollmondnächte sind die Tage 
ihres Lebens. — Leise Töne einer arabischen Violine klingen 
mir von den Zelten entgegen. Ich finde den Kranken in Ge¬ 
sellschaft musikalischer Beduinen, die ihm ihre eigenartigen 


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1906. 


BALNEOLOGISCHirOBNTRALZBITÜNG 


81 


wesentlich beeinflussende mechanische Faktor der Inter- 
position mikrophytärer Elemente und ihrer reaktiven Gewebs¬ 
veränderungen berücksichtigt Die thermischen Einflüsse des 
Fiebers auf den Tonus und Blutdruck sind mehr indirekter, 
endogener Art und sollen, da sie grundsätzlich von den 
übrigen nicht verschieden sind und den Umfang dieser Be¬ 
trachtung unnütz vergrössern würden, hier nicht näher berück¬ 
sichtig werden. 

Um indess die im ersten Fall vermerkten Erscheinungen 
etwas eingehender zu verfolgen, so ist das erste Beispiel 
eines mechanischen Reizes durch die Körperdehnung nach 
und bis zu einem gewissen Grade auch vor dem Schlaf doch 
als kein ganz einfach mechanischer Vorgang aufzufassen. Die 
namentlich bei Kindern leicht zur Schlafengehenszeit sich 
bemerkbar machenden Vorboten der Müdigkeit, das Kälte¬ 
gefühl, Augenjucken und Gähnen sind hierher gehörige Aeusse- 
rungen der Tätigkeit des vasomotorischen Zentrums, dem un¬ 
mittelbar vor und nach dem Schlaf grössere Arbeitsaufgaben 
zufallen, u. zw. teils vorsorglich prophylaktischer Art, nach 
den Gesetzen der Erfahrungs- und Gewohnheitsreize, teils 
reflektorisch-curativer Art als Antwort auf die Bedürfnisreize 
der Inanition resp. bevorstehender Ansprüche an die Leistungs¬ 
fähigkeit. Da es sich jedoch dabei um einen unw illkürlichen, 
wenigstens von innen, reflektorisch eingeleiteten 
Muskelinnervationsakt handelt, so habe ich ihn wegen der 
vielseitig und vielfältig dabei in Frage kommenden Gesichts¬ 
punkte vorangestellt. 

Die mechanische Reizwirkung der Muskelarbeit 
auf die Gefässspannung ist hier, abgesehen von dem konkomi- 
tierenden Gefässinnervationsimpuls, wie überall, bei jeder Inner¬ 
vation, erst eine sekundäre, die Begleiterscheinung jener 
Antwort auf die BedürfnLsfrage der Gew’ebe, und sie erfolgt, 
was eigentlich selbstverständhch ist, durch Abklemmung und 
Rückstauung der venösen Abfuhr. Dem so enstandenen Blut¬ 
überdruck wirkt dann erst die arterielle Tonus-Spannung in 
reflektorisch gesteigertem Maße entgegen, hemmt die Regur¬ 
gitation und führt so zur funktionellen Hyperaemie. 
Die Tonusinnervation, sow^eit sie sich zu dem ununterbrochen 
fortbestehenden Gefässspannungszustand der Norm addiert, ist 
hier eine vorwiegend durch den Gefässwandüberdruck reflek¬ 
torisch wachgerufene, indirekte, wenngleich stets auch isochron 
mit Jeder Muskelanspannung, z. B. des Biceps, je nach deren 
GraoL reguliert eine direkte Tonuainnervation der die 
betroffene Muskulatur versorgenden Gefässe angenommen 


Weisen unter freiem Himmel vortragen, während er liegend 
zuhört Meine objektiven ärztlichen Fragen passen wenig zu 
der schwärmerischen Stimmung der Umgebung. Da ich den 
Kranken wohl finde, so schlage ich bald den Heimweg ein. 

Rasch umfangt mich wieder die tiefe Stille der Wüste. 
Ich gehe langsam weiter. Kein Weg führt zu bestimmten 
Zielen. Hier ist alles endlos weit, Himmel und Wüste! Die 
Fussspur, kaum entstanden, verschwindet sofort im bodenlosen, 
weichen Sand. Lautlos sind meine Tritte. Ein plötzliches 
Verlangen fasst mich, zu rufen. Ich spreche einige leise Worte 
vor mich hin. Die Töne verlieren sich rasch in der des Lärms 
ungewohnten Luft, werden gierig von ihr aufgesogen, wie der 
Sand — noch heiss von der Sonne, die am warmen Tag auf 
ihm gelegen — gierig Regen und Tau verschlingen würde. — 
Ein trockener, reiner Wind weht mir unaufhaltsam ins Gesicht. 
Ich fühle ihn mehr, als ich ihn höre. Auch der Wind ist 
schweigsam in der Wüste. Keine Blätter plaudern mit ihm ; 
keine Felsen, keine Berge gebieten ihm Halt mit donnernder 
Stimme. Hier thront aUein die Majestät des Schweigens 1 — 
Eine Art Rausch der Einsamkeit überfällt mich, ein unwider¬ 
stehliches Verlangen, ein physischer Drang, mich jetzt für 
immer in diese grosse Leere zu versenken, spurlos zu ver¬ 
schwinden in diesem endlosen, erhabenen Schweigen, dieser ge¬ 
heimnisvollen Unendlichkeit. Meine Gedanken erheben sich 
über die Flachheit und ablenkende Aeusserlichkeit des AU- 
taglebens. Im kleinlichen Daseinskampf kränkelt ^enes un¬ 
beeinflusstes Fühlen, freies unabhängiges Denken. Hier, in er¬ 
habener Einsamkeit, regt sich das Wahre, Schöne, Gute, das 


werden kann, mit der sich allerdings sehr lebhafte, reflek¬ 
torisch meldende Reize summieren und interferieren, wie über¬ 
haupt das zentrifugal als Begleiterscheinung jedes Willensim¬ 
pulses ausgelöste und das durch periphere Reize zentripetal 
angesprochene Tonuswechselspiel des vasomotorischen 
Zentrums, in den Phasen seiner A&tion sowohl, als auch den 
Nachschwiugungen mit zu den kompliziertesten und meist- 
seitig in Anspruch genommenen Körperfunktionen gehört, so- 
dass es oft kaum möglich erscheint, zu entscheiden, wo die 
treibende Kraft der Aktion zu suchen ist, zentral oder peripher, 
ob die prima causa der Tonusinnervation endogen und zentri¬ 
fugal erfolgt oder ektogen-reflektorisch. —Nur neben¬ 
her sei darauf hingewiesen, dass diese, unter normalen Ver¬ 
hältnissen völlig geregelt und geordnet ablaufenden Vorgänge 
bei Betriebsstörungen irgend welcher Art zu den grössten 
Konfusionen führen können. Das Ueberszielschiessen, die un¬ 
genügende resp.' überreizte Anspruchsfähigkeit, die Atonie, 
Labilität und Hyperaesthesie des Gefässzentrums sind nament¬ 
lich in der Psy^atrie und 'Neurologie, bei manchen Haut¬ 
krankheiten und therapeutischen Hautreizen tägliche Erfah¬ 
rungen. Vasomotorische Neurosen heisst ihr Sammel¬ 
begriff. Die Frage, ob die funktionelle Hyperaemie eine aktive 
oder passive ist, muss dahin beantwortet werden, dass es sich 
während der Muskelspannung um passive Hyperaemie handelt, 
unmittelbar darauf um aktive. Ein Typus künstlicher p^siver 
Hyperaemie ist die Bier’sche Stauungstherapie, ein Beispiel 
der aktiven die Hautröte nach Priessnitz-Heissluft- und Heiss- 
wasserbehandluDg, resp. die Reaktion nach Kaltwasserbehand¬ 
lung. Auf die nebenher sich dabei abspielenden Druckeffekte 
an den Blutzellen selbst wird weiter unten eingegangen werden. 
Allmählich kehrt dann der Tonus wieder zur Norm zurück. 
Die Verhältnisse finden ihr Analogon in der Pathologie bei 
den Herzfehlern mit Kompensationsstörungen. Zur aktiven 
Hyperaemie ist auch die „Schamröte“ und deren patho¬ 
logische Analoga bei vasomotorischen Neurosen zu rechnen. 

(Fortsetzung folgt,) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

X BHden b. Wien. Die Frequenz betrug im Jahre 1905 
29349 Personen, um ungefähr 1306 mehr als in 1904 und die 
Einnahmen aus der Kurtaxe sind um rund 7000 Kronen gegen 
das Vorjahr gestiegen. Erwähnenswert ist, dass bei der Steigerung 
der Frequenz die Frauen den Ausschlag gegeben haben. Tausend 


in jedes Menschen Seele lebt Hier sollte die Philosophie ihre 
Lehren schreiben, hier dürften der Gerechtigkeit die Augen 
entbunden sein. 

Träumend nähere ich mich Heluan. Bald grüssen mich 
die ersten Häuser. Vom Turm der Moschee tönt hart und 
streng der Gesang des muhamedanischen Gebetrufes „Allah 
ist gross.“ — _ 

Kleine Mitteilungen. 

MflSSaQO durch Blinde. Die bekannte Tatsache, dass bei 
Blinden der Tastsinn am stärksten ausgebildet ist, hat seit langer 
Zeit schon die Japaner veranlasst, Blinde als Masseure zu ver¬ 
wenden. Solche Leute sollen — bei richtiger Ausbildung — ganz 
Vorzügliches leisten, weil ihr Griff viel zarter ist als der von 
Personen mit gröberem Tastgefühl. Ausserdem ist diese Be¬ 
schäftigung, die ihnen naturgemäß Interesse an der sie um¬ 
gehenden Welt einflösst, in körperlicher und geistiger Hinsicht 
sehr gesund für sie. 

ln einigen Ländern des Kontinents hat man diesen japanischen 
Brauch auch angenommen, so z. B. in St. Petersburg. Dort müssen 
die Blinden, diesich zu Masseuren ausbilden wollen, einen zweijährigen 
Kurs in Anatomie und Physiologie durchmachen. Es gibt dort 
schon eine ganze Anzahl blinder Masseure. Weitere Schulen zur 
Ausbildung von Blinden in der Massage sind in Brüssel, Leipzig 
und Brünn. Amerika besitzt in Philadelphia eine Anstalt zu 
gleichem Zwecke, die schon sehr hübsche Resultate aufzuweisen 
hat. Nnr England hat in dieser Beziehung noch nichts imter- 
nommen. 


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32 


BALNEOLOGISCHE CBNTRALZEITUNG 


Nr. 8. 


Fraoen haben in dieser Saison die Schwefelstadt mehr besueht 
als ün vorigen Jahre. 

Schwsrt&U. Die Erbauung eines Kurhauses für 300000 Mk. 
wu^e beschlossen. 

X TopiitZ-SchdnfiU. Da in letzter Zeit Differenzen aui- 
getaucht sind bezüglich des gegenseitigen Wirkungskreises zwischen 
der Kursektion und der städtischen Bäderkontroll-Kommission, be¬ 
schloss der Stadtrat die Auflösung der BäderkontroU-Kommission 
und die Zuweisung ihrer Agenten an einen Unterausschuss der 
Kursektion. 


Aus dem Verbände deutscher Nordseebäder. 

X WdStorland a. Sylt. Die Nordseebäder Westerland und 
Wennigstedt auf Sylt haben in der letzten Saison abermals eine 
wesentliche Frequenzsteigerung erzielt, und zwar einen Gesamt¬ 
besuch von 22152 Personen, gegen 18812 Personen im Vorjahre. 
Die Zunahme beträgt demnach 3340 Personen. Westerland wurde 
von 20 577, Wennigstedt von 1575 Personen besucht. Von den 
Kurgästen stammten ihrer Nationalität nach aus: Deutschland 
21044, Oesterreich-Ungarn 828, Russland 98, Grossbritannien 86, 
Dänemark 26, Schweden und Norwegen 23. Schweiz 23, Nieder¬ 
landen 18, Türkei 8, Italien 6, Frankreich 3, Portugal 2, Spanien 
und Rumänien je 1 Person; aus aussereuropäischen Ländern: Amerika 
26, Asien 5, Afrika 4 Personen. Die höchste Zahl der an einem 
Xage — 25. Juli — in Westerland anwesenden Kiirgäste betrug 
6030 Personen. An Bädern wurden entnommen: Strandbäder 
(Westerland) 1. im Familienbad 29,827, 2. im Herrenbad 38,822, 
3. im Damenbad 21 284, zusammen 89 833; Strandbäder Wennig¬ 
stedt 8832, warme Seebäder 11 762, Luft- und Sonnenbäder 748. 
Die höchste Zahl der an einem Tage genommenen Bäder betrug: 
Strandbäder: 1. im Familienbad 808, 2. im Herrenbad 794, 3. im 
Damenbad 577, im Warmbadehause 203, Luft- und Sonnenbäder 
35. 


Vermischtes. 

— Das medicinische Studium in Japan. Einem kürzlich 
erschienenen Bericht der Mediciniscben Schule des Tokioer Armen¬ 
spitals (Tokio Charity Hospital Medical school) entnehmen wir die 
folgenden Notizen über die Ausbildung der japanischen Medicin- 


stndierenden. Das Studium dauert vier Jahre. Der Lehrplan ist 
recht vielseitig, von wichtigen Fächern fehlt nur Biologie. Um 
in der Anstalt aufgenommen zu werden, muss der Schüler vor¬ 
weisen: das Abiturientenzeugnis einer Mittelschule, ein Zeugnis 
Uber Charakter, Gesundheit und geistige Fähigkeiten und einen 
selbstverfassten Lebenslauf. Auf den regelmäßigen Besuch der 
Vorlesungen wird grosses Gewicht gelegt, denn kein Student, der 
nicht mindestens zwei Drittel der Vorlesungen gehört hat, kann 
zu der Prüfung zugelassen werden, die am Ende eines jeden 
Studienjahres abgelegt werden muss. Erst, wenn man diese be¬ 
standen hat, kann man in den nächsthöheren Kurs aufrücken. Zu 
diesen JahresprUfongen kommen noch zwei Examina, das erste am 
Schluss des zweiten, das andere am Schluss des vierten Jahres. 
Das erste entepricht dem englischen M. B.-Examen nebst Chemie 
und Physik, das zweite umfasst Arzneikunde, Chirurgie, Ophthal¬ 
mologie, Gebortshülfe, Gynäkologie, Pathologie, praktische Patho¬ 
logie und Hygiene. Viel Wert wird auf praktisches Arbeiten 
gelegt. Während des ganzen Studiums muss der Student Englisch 
lernen. Dies geschieht wohl weniger um Englands, als um 
Amerikas willen, weil Amerika die japanische Heilkunde sehr stark 
beeinflusst. 

— Lichtbehandlung für Herzleid ende. Die Oberleitung 
des Finsen’schen Lichtheilinstitutes in Kopenhagen beabsichtigt 
die Errichtung einer Lichtheilanstalt für Herz- und Nervenkrank¬ 
heiten. Zur Errichtung dieser Anstalt, die ebenso wie das Licht¬ 
heilinstitut für Lupuskrankheiten privaten Charakter haben soll, 
wird um Staatsbeihilfe nachgesucht. Ausserdem wird das Komitee 
für ein Finsen-Denkmal aufgefordert, eine grössere Summe von 
den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für die neue Licht¬ 
heilanstalt aufzuwenden. Ueber die Versuche, die Dr. Hassel¬ 
bach im Finsen-Institut vorgenommen hat, wird berichtet, sie 
hätten schon die im Jahre 1900 von Finsen ausgesprochene Ueber- 
zeugung bekräftigt, dass durch Lichtbehandlung vielen Herz¬ 
leidenden, möglicherweise auch gewissen Nervenleidenden, geholfen 
werden kann. 

— Die Berliner Balneologische Gesellschaft wird 
bekanntlich vom 2.-6. März d. Js in Gemeinschaft mit dem 
Zentralverbande der Balneologen Oesterreichs in Dresden tagen. 
Das Entgegenkommen der Behörden und der Aerzte Dresdens 
verspricht eine besonders rege Teilnahme am Kongress. Vorträge 
werden u. a. halten die Professoren Curschmann, Hoffmann, 
Ad. Schmidt, Winternitz imd Kisch. 


Meteorologische Statistik. 


Veraastaitet von der Redaktion der Balneologlaehen Zentralzeitnng.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

miuimum 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand' 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 
Tage ' 
bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

4./2.—10./2 

2,9 C. 

7,3 C. 

952,6 

— 

3 

4 

3 

— 


Badenweiler. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 

n 

1,9 C. 

1 0,7 C. 

— 

— 

2 

3 

3 

— 

2 Tage Schnee 

Ems. 


— 0,2 C. 

2,6 C. 

753,4 

— 

6 

— 

— 

— 


Giesshübl-Sauerbrunn . . 


— 4 C. 

— 0,6 C. 

— 

— 

2 

4 

— 

— 

1 Tag Schnee 

Franzeusbad. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Herrenalb. 


- 2,5 

0 c. 

722 

— 



3 

— 

3 Tage Schnee 

Kreuznach ...... 


— 

— 

— 

— 


— 

— 

— 


Langenschwalbach . . . 


— 

— 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 


1,6 C. 

3,4 C. 

752 

_ 

1 

2 

i 

— 

4 Tage Schnee 

Nauheim.. . 


, —1,8 C. 

2,1 C. 

745,3 

1 

— 

7 

— 

— 

5 „ 

Nerfndorf. 


: — 0 C. 

-f 3 C. 

753 



7 

— 

— 

3 n 

Norderney. 


— 

— 

— 


— 

— 

— 

— 


Orb.. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reichenhall , . . . • . 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reinerz. 


— 6 C. 

— 1 C. 

709 

— 

1 

6 

3 

— 

1 Tag Schnee 

Hteben. 

n 

—. 6 C. 

— 2 C. 

698 

— 

4 

3 

j 

4—5 

— 

2 Tage Schnee 


VcTantwordicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von HeynenuLnn'tche Bachdruckerei. Gebr. Wolff. Halle a. S. 


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VD. Jahrgang. Nr. 9. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.“: 
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Verlag; Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834 

Redakteur: 

Dr. P. Meissner. Berlin. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Dr. P. MeUsoer, Berlin W. 62, KurfUrstenstrasse 81. 

Der Nachdrnek aas dieser Zeitschrift ist nar mit Qaellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Beeinflussung des QeAietonus und der Blutstromgeschwindigkeit durch | Ans den Bftderu nnd Knrorten. 
thermische und mcchanisGhe Reize. Von Dr. von Niessen^Wiesbaden. | Vermischtes. 

(Fortsetzung). Personalien. 

Fenllleton: Der 34. Schlesische Bftdortag (1905). Von Dr. Siebelt'FIinsberg. j Meteorologische Statistik. 


Beeinflussung des 

Uefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von NiOSSen-Wiesbaden. 

(Fortsetzung.) 

Im allgemeinen ist das Primäre, der auslösende Heiz, 
der Zellhunger oder der Betätigungstrieb, in letzter 
Instanz also für endogene Tonustätigkeit stets der Inanitions- 
z US tan d, der sich in den regulierenden Nervenzentren meldet. 

Natürlich wird sich dieser Zellhunger, den die Tätigkeit 
lies Tonuszentrums zwar eine Zeit lang spontan resp. mit Hilfe 
äusserer Reize in Schach zu halten, ohne Nahrungszufuhr je¬ 
doch nicht dauernd zu befriedigen vermag, da jenes Zentrum 
schliesslich selbst der Inanition verfällt und sich selbst zu er¬ 
nähren, ja wie anzunehmen ist, selbst in einem gewissen Tonus- 
Zustand zu erhalten hat, am ehesten nach längerem Fasten, 
also am Ende der Nachtruhe in erster Linie bemerkbar machen, 
u. zw. bei der Zentrale, die für die Zufuhr neuen Brennmaterials 
rechtzeitig zu sorgen hat, nachdem während der geringeren 
Ansprüche der Nachtruhe mit dem vorhandenen Reservefond 
ausgekommen wurde. Diese Zentrale ist wiederum das Gefä.ss- 
zentrum und der Zellhu^er stellt so eine Art Tonusminus der 
Zelle selbst resp. ihrer (jesaintheit dar. — Während die Ina¬ 
nition also das treibende Element ftir die Tonustätigkeit 
bildet, entspricht der Turgor der gemästeten Zelle dem Gefühl 


des Behagens, der Fülle, Ruhe, allerdings auch, wenn nicht 
genügend vom Inanitionszustand unterbrochen, der Trägheit 
und Untätigkeit und ist so imstande, zu krankhaften Anomaüeen 
zu disponieren. Hieraus erhellt, dass man sowohl von einem 
Tonus der Gefässe und ihres Zentrums, als auch von 
einem Tonus der einzelnen Zelle selbst sprechen kann 
und dass das Bedürfnisgefühl nicht ungestraft auf die Dauer 
unterdrückt werden darf noch kann, denn im Wechsel von 
Tätigkeit und Ruhe, Reiz und Antwort, Leere und Fülle, mit 
einem Wort im Tonus-Wechsel für uns speziell liegt das 
Lebensprinzip und der Schlüssel für die Gesundheit, die zweck¬ 
mäßig mit dem Pendelspiel der Zunge an der Wage ver¬ 
liehen worden ist. Dieses leitet zur Uiätetikherüber, doch 
ann dieselbe hier nicht in das Bereich der näheren Betrach¬ 
tunggezogen werden. —Die Antwort auf die Inanitionsreize erfolgt 
von den motorischen Zentren u. a. in'Fonn jener erwähnten Blut¬ 
drucksteigerung durch das Dehnen oder durch neue Nahrungsauf¬ 
nahme und -Zufuhr, wobei darüber nicht entschieden werden 
soll, in welchem Abhängigkeitsverhältnis Hirnrinde, Gefäss- 
zentrum und Muskulatur zu einander stehen. Um sich den 
Hergang vorzustellen, kann man indess annehmen, dass die 
Hirnrinde zuerst erwacht, die noch schlafende Muskulatur weckt 
und dass diese, um bildlich zu sprechen, beim vasomotorischen 
Zentrum um Brod bittet. Hiervon erstattet das Tonuszentrum 
seinerseits bei der Hirnrinde Bericht, damit diese, die auch 
ihre Ansprüche an das Versorgungsajnt des Gefasszentrums hat, 
wenn dessen Vorrat erschöpft ist, ihrerseits weitere, nachdrück¬ 
lichere Vorkehrungen zur Ernährung ihrer Untergebenen treffen 


Feuilleton. 

Der 34. Schlesische Bädertag (1905).*) 

Von Dr. Siebelt-Flinsberg. 

Am 11. Dezember 1905 fand in Breslau unter dem alt¬ 
bewährten Vorsitz von Bürgermeister Dengler-Reinerz der 
34. Schlesische Bädertag statt. An den Beratungen nahm auch 
in dankeswerter Weise der Regierungs- und Medicinalrat Dr. 
Telke aus Breslau teil. Die dem Verbände angehörigen Kur¬ 
orte waren vollzählig vertreten, neu aufgenommen wurde die 
Stadt Ziegenhals, welche sich, wenn ihr auch natürliche Heil- 
uellen fehlen, immer mehr zu einer Kurstadt herausbildet, da 
ort die Anwendung des Wasserheilverfahrens in mehreren 
Anstalten zu beachtenswerter Entwicklung gelangt ist In 
seiner Begrüssungsansprache gab der Vorsitzende u. a. der 
Trauer der Tagung über das Hinscheiden zweier verdienter 
Mitarbeiter Ausdruck, der Herren Geheimer Regierungsrat 
Dr. iur. Ritter zu Waldenburg und des Geheimen Sanitäts¬ 
rat Dr. S cholz zu Görlitz. Ersterer hat als Generalbevoll¬ 
mächtiger der Fürstlich Ploss’schen Verwaltung, zu welcher 
auch das Bad Salzbrunn gehört, regen Anteil an der Entwick¬ 
lung der schlesischen Bäder genommen und mit seinem weit- 
reitenden Einfluss und einem sicheren praktischen Blick diese 
*) Bai. Zeitung, 20. Januar 1906. 


f efördert. Scholz war ursprünglich in Altwasser, später in 
^udowa tätig und wurde von den schlesischen Badeärzten als 
liebenswürdiger Senior verehrt, bis das Alter ihn zwang, seine 
Arbeit eiuzustellen. Mit zahlreichen wissenschaftlichen Ver¬ 
öffentlichungen bat er die allgemeine Balneologie bereichert, 
ganz besonders aber seinem heimatlichen Kurort genützt. Das 
Andenken beider Männer dürfte noch lange vorbildlich wirken. 

Die Tagesordnung war wie gewöhnlich eine ausserordent¬ 
lich reiche. Die Reihe der Vorträge eröffnete Dr. Winckler- 
Charlottenbrunn mit dem Thema: Die Tuberkulosefurcht. 
Es handelt sich hierbei natürlich im wesentlichen um Lungen¬ 
tuberkulose. In sehr eingehenden Untersuchungen legt der 
Verfasser dar, dass dieselbe stark übertrieben ist. Vor allem 
müsste man doch annehmen, dass Aerzte und Personal der 
Lungenheilansialten ganz besonders gefährdet seien. Das 
ist, wie die bekannten Beobachtungen Bremer’s, Römp- 
1er’s u. V. a. beweisen, nicht der Fall. Redner erörtert weiter 
die Schutzmaßregeln gegen die Tuberkuloseinfektion und teilt 
das Ergebnis einer Umfrage in den schlesischen Kurorten mit. 
Aus derselben geht hervor, dass gerade in den dabei am 
meisten in Betracht kommenden Orten mehr geschehen ist, als 
notwendig wäre. Schliesslich wurden noch die neueren Unter¬ 
suchungen aus dem Reichsgesundheitsamt mitgeteilt, aus denen 
man wichtige Winke erhält, wie man sich gegen Tuberkulose¬ 
infektion durch Fleischnahrung schützen kann. Eine an¬ 
schliessende, ziemlich umfangreiche Diskussion förderte in- 


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84 


BAIiNEOLOGISCHB CBNTRALZBITUNG 


Nr. 9. 


kann, die natürlich von neuem in Muskelarbeit. Blutzufuhr, 
Ernährung bestehen. 

Durch den Muskeldruck wird nun, so muss man sich 
weiter vorstellen, ehe neue Nahningszufuhr von aussen erfolgt, 
eine Unzahl von Blutkörperchen zerdrückt und mr 
halböüssigei', freiwerdender Inhalt als Reseiwenährmaterial mit 
dem über Nacht z. T. verbrauchten Serum in die Zellinter- 
Btition gepresst, resp. den hungernden Zellen zugeführt und so 
folgt dem Zelltonusminus ein ^lltonusplus neben den gleichen 
Schwankungen des Gefässtonus, um im weiteren Wechselspiel 
der fortwährend auch unter normalen Bedingungen schwanken¬ 
den Bilanz von Einnahmen und Ausgaben die treibende Kraft 
für die Arbeit des Gesamtzellenkomplexes des Organismus und 
seine Ernährung zu werden. — Wem die Anschauung vom 
Hineinpressen nicht plausibel oder annehmbar erscheint, dem 
bleibt es nicht benommen, die Aufnahme der ernährenden 
Flüssigkeiten nur auf dem Wege der Quellung und Aspiration, 
also aativ sich vorzustellen, wie sie ja als sicher anzunehmen 
ist. Jedenfalls kommen sehr lebhafte und wechselnde Strö- 
mungMUSgleiche zwischen Gapillar-Innerm und den Interstitieu 
und Zellen der Umgebung zu stände, deren Richtung, Art und 
Intensität vom jeweiligen Tonuszustand und Druckunterschied 
abhängig sind. Quellungs- und Kontraktionsvermögen der 
einzelnen Zellen resp. ihres Plasmas bilden hier gleich zahl¬ 
losen kleinen Pumpstationen eine der Haupttriebkräfte. 

Nirgends ist der schroffe Wechsel in der Bilanz des Ge- 
webstonus auffälliger, als in vielen Fällen von Syphilis, wo 
mit der Farbe und dem Aussehen die Fülle, ich möchte sagen 
das Gewebsvolumen, oft so beträchtlichen Schwankungen aus¬ 
gesetzt ist, dass solche Patienten manchmal von einem zum 
anderen Tage völlig verändert erscheinen, vom Plus zum Minus 
und umgekehrt Konsum und Ansatz und namentlich die 
Tonusfunktion der organisch veränderten Gefasse gehen hier 
eben unter den ungünstigen parasitäten Bedingungen vor sich, 
die als solche wieder sehr erheblichen Schwankungen der 
Evolution und Involution aasgesetzt sind, was zu den ent¬ 
sprechenden, oben erwähnten Folgezuständen des Turgors und 
der Inanition im meist reciproken Verhältnis steht. Man muss 
hierbei berücksichtigen, dass eine Unsumme mechimischer Keiz- 
momente unablässig direkt auf die Gefässwandungen iu Gestüt 
der in diesen lokalisierten Krankheitserreger wirkt, was natür¬ 
lich, abgesehen von den Einflüssen des Infektionschemismus 
indirekt seinen Ausdruck in den Reflexen des Tonuszentrums 
finden wird, die hier und da durch Unterbrechungen in der 
normalen Gefässwandstruktur und damit durch mehr oder 
weniger ausgebreitete Elastizitätsverluste Störungen im nor¬ 


dessen nichts wesentlich Neues zu Tage. Im Zusammenhänge 
mit dieser Frage steht der folgende Vortrag: Wäschereini- 
gnng bei ansteckenden Krankheiten von Dr. Klose- 
Altbeide. Von dem Verfahren, infizierte Wäsche durch trockene 
Hitze oder im Dampfsterilisationsapparate zu sterilisieren, musste 
man bald abkommen, weil bei der mit Eiter, Schleim, Blut 
und ähnlichem beschmutzten Wäsche untilgbare Flecken ein¬ 
gebrannt wurden. Das gleiche gilt vom Auskochen der Kranken¬ 
wäsche. Man hat deshalb in neuerer Zeit in den Grossbe¬ 
trieben besondere Apparate im Gebrauch, welche das Ein¬ 
brennen der Schmutzflecke vermeiden, trotzdem aber die Wäsche 
reinigen und entgiften. Im allgemeinen aber empfiehlt es sich, 
die Wäsche bei ansteckenden Krankheiten durch chemische 
Mittel ungefährlich zu machen. Von letzteren genügt am besten 
allen Anforderungen die zehnprozentige Kroosolseifenlösung. 

(Fortsetzung folgt.) 

Kleine IVlitteilungen. 

Bergfteigekuren für Nervenkranke. Immer mehr bricht 
sich der Gedanke Bahn, dass für Nervenkranke der Aufenthalt im 
Gebirge ausnerordentUch heilkräftig und wirksam ist. Bis jetzt 
hat man immer die VorzUge betont, welche das Hochgebirgsklima 
seihst in sich birgt. Die Stärkung und Kräftigung der Nerven 
ist eine ausserordentlich grosse, die nervösen Nervenverstimmnngen 
verschwlndeD sehr schnell, vorausgesetzt natürlich, dass die Küche 
eine gute ist. Dr. Keller macht darauf auffnerksam, dass das 


malen Betriebe und Verbiauch dos Gefäs.smuskoltonns finden 
müssen. Auch die eigentümlichen, urticariaartigen Turges- 
cenzen der Haut mancher Syphilitiker, auf geringfügige Rei- 
buugsreize bin erscheinend, wie auch das häufig blühende Aus¬ 
sehen jener Kranken im Anfangsstadium dieser Gefasserregungen 
gehört in dieses Kapitel mechanisch bedingter Gefäss- 
tonusanomalieen. Auf die so interessanten Zelltonusano¬ 
malien bei infektiösen Diathesen kann hier nicht näher ein- 
gegangen werden. — (Fortaetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

X Brunnon. Der Bau eines Kursaales ist in Aussicht ge¬ 
nommen. Er .soll in der Nähe des Waldstatterhofs zu stehen 
kommen. 

X Blrslgtal. Im Verkehrsverein des Birsigtals wurde die 
Gründung einer Gesellschaft zur Erstehang von Höheiigasthöfen 
angeregt, da es an solchen im Tale noch fehle. Dieselben wären 
auch für den Winterbetrieb und zui' Beherbergung von Kur¬ 
gästen einzuriohten. 

A. Bozon. Die Bozener Fremdenstatistik für den Monat 
Dezember 1905 verzeichnet als Gesamtsumme 1859 Personen. 
Hiervon aus Deutschland 730, Oesterreich-Ungarn 894, aus anderen 
Ländern 235 Personen. Im Dezember 1904 wurden 2146 Per¬ 
sonen verzeichnet, somit jetzt um 287 weniger. 

X Dirsdorf. Das durch seine Schwefelquellen bekannte 
Bad Dirsdorf in Schlesien ist plötzlich herrenlos geworden, nach¬ 
dem seine bisherige Besitzerin mit ihrer Familie unter Mitnahme 
des beweglichen Inventars vor einigen Tagen von dort abgereist 
ist. Das Bad wird voraussichtlich schon in nächster Zeit unter 
den Hammer kommen. 

X Langonschwatbach. Der diesjährige Kuretat, welcher 
in Einnahme und Ausgabe auf 64065 M. festgesetzt ist, wurde 
in der StadtverorJneten-Versammlnng genehmigt. 

# Lank. Auf Veranlassung des Badbesitzers Herrn P. Ver- 
mier hin wird die Korrektion des grossen Qnellgebietes hinter 
dem Dorfe am Fass der Wehfluh geplant. Die AusführuDg dieses 
Werkes würde für die Talschaft einen grossen Fortschritt be¬ 
deuten und jedenfalls auch dem Fremdenverkehr zu gute kommen. 

X Settera-Haaaan. in der in Giessen abgehaltenen Ge¬ 
werkenversammlung der Gewerkschaft Selters-Hossen wurde be¬ 
richtet, dass die Quellenfassungs- uud Fülleinrichtungen am Bene- 
dictus-Sprudel, der vorzugsweise ein medicinisches Heilwasser 


Bergsteigen ebenfalls beim Aufenthalt in den Bergen einen nicht 
zu unterschätzenden Heilfaktor darstellt. Der Wert der Arbeit 
für den Nervenkranken wird von allen Seiten anerkannt. Durch 
dieselbe werden nicht nur die Muskeln, sondern audi das Gehirn 
in genügender Weise beschäftigt, die Kranken haben keine Ge¬ 
legenheit, hypochondrische und selbstquälerische Gedanken in sich 
aufkommen zu lassen. Es ist aber sehr schwierig, eine Arbeit zn 
finden, welche dem Kranken Interesse einflösst. Dagegen ent¬ 
spricht gerade die Arbeit, welche mau beim Bergsteigen leistet, 
all diesen Anforderungen. Wer viel im Gebirge gewandert ist, 
wird an sich selbst die Erfahrung gemacht haben, dass beim 
Steigen jedes Gespräch verstummt, alle Gedanken konzentrieren 
sich aut die Schwierigkeiten, welche zu überwinden sind, die 
Muskelarbeit seilest lässt das Denken nicht zn, und die Sorgen, 
das aufregende Moment, welches uns nervös gemacht hat, ver¬ 
schwindet selbst auf Stunden, und später, wenn das Gehirn sich 
von seiner früheren wertlosen Gedankenarbeit immer mehr erholt 
und beruhigt hat, versinken die uns quälenden Gedanken voUr 
kommen. Noch ein anderes Moment wirkt dabei mit, die Ner¬ 
vosität des Kranken zu beheben. Bei einer richtig geleiteten 
ßergsteigekur, bei dem Training, welches auch jeder Bergsteiger 
im Anfang seiner Reise durchzumacben hat, wird mit kleinen 
Leistungen begonnen, um immer Grösseres zu bewältigen. Sieht 
nun der Nervöse, wie er immer mehr zu leisten vermag, nachdem 
er schon an seinem Können verzweifelt war, so hebt sich sein 
Lebensmut wieder und damit auch seine Arbeitskraft. 


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190C. 


BALNKOLOGISCHE CENTRALZEITDNG 


35 


liafert, im woientUchen beendet aisd, die Fasaung imd Verrohnuig 
des Elosterbrunnens mit seiner stärkeren kohlensänrehaltigen Sole 
gegenwärtig in Arbeit ist und die Fertigstellung beider Quellen 
im Frühjahr su erwarten steht, Ueber die geplante Anlage einer 
Badeanstalt und die von der Geschäftsleitung projektierte Anlage 
einer Tafelwasser-Gewinnung soll die demnäcbstige Gewerkenver¬ 
sammlung beschliessen. 

X Soodün a. Werra. Ein weit über Hessens Grenzen hinaus 
woklbekanntes Werk, die Saline des Solbades Sooden a. Werra 
wird aufhören zu bestehen. Durch die Abfindung der Eigen¬ 
tümer der Salzquellen, der uralten Pfännerschaft, hat auch die 
unter Landgraf Philipp dem Grossmütigen geschlossene sogenannte 
„ewige Lokation“ ihr Ende gefunden. Am 2. Januar wurde die 
vom prensaisohen Staate bewilligte Abfindungssumme im Betrage 
von 1037 563 M. an die Pfännerschaft ausgezahlt. Dieser Tage 
wurde nun den hiesigen königl. Salinenbeamten und Arbeitern 
mitgeteilt, dass der Salinenbetrieb eingestellt sei und sie zu 
anderen staatlichen Werken versetzt würden. Die Saline war 
mit dem Badeorte Sooden jahrhundertelang eng verbunden und 
alle Lebens- und Erwerbsverhältnisse hingen ab von dem Blühen 
and Gedeihen des Werkes. Im Interesse des Bades wurde das 
Gradierwerk mit der vom Soolgraben gespeisten Wasserkraft von 
der Gemeinde- und Badeverwaltung erworben. 

A. Tepiitz. Laut Kurliste bis 31. Dezember 1906 waren 
angemeldet 3600 Parteien mit 4621 Personen. Hierzu kommen 
noch die in den Militärbadehäusem untergebrschten 1036 Fremden, 
80 dass die Gesamtzahl der Kurgäste 6667 beträgt gegen 6639 
im Jahre 1904. Die Zahl der Touristen imd Passanten bis Ende 
1904 mit 28, 266 (gegen 28, 872 im Vorjahre) hinzugerechnet, 
beziffert sich die Gesamtfrequenz in Teplitz-Schönau im abgelaufenen 
Jahre auf 33923 Fremde. 

X Thale a. H. Gegen den anfänglich geplanten Bau^des 
neuen Kurhauses auf dem Lindenberge ist von dem Kammerherm 
von dem Busche-Streithorst hier, dem Besitzer des angrenzenden 
Waldes, Einspruch erhoben worden, der als berechtigt erkannt 
wurde. Das Gebäude wird nunmehr am Fusse des Lindenberges, 
gegenüber der Försterei, errichtet werden. 

O Schlftnyftnbftd. Heute wurde hier der Geh. Sanitätsrat 
Dr. Banmann unter reger Beteiligung einheimischer und aus¬ 
wärtiger Kreise zur letzten Ruhestätte gebracht. Es waren ver¬ 
treten der Herr Landrat von Schwalbach, die Schlangenbader und 
Eltviller Aerzte, der Kriegerverein und Gemeindevertreter. Ge- 
heimrat Dr, Baumann war 46 Jahre in Schlangenbad äiztlich 
tätig, fast ein halbes Jahrhundert. Was das bedeutet, vermag 
nur ein Arzt gebührend zu würdigen, kfit dem Verstorbenen ist 
ein Stück Schlangenbader Geschichte hingegangen und manches 
gekrönte Haupt ist während des Kuraufenthalt^ von ihm ärzt¬ 
lich beraten worden. So mancher treuer Kurgast Schlangenbads 
wird den Verlust lebhaft empfinden und bei allen Klienten und 
Kollegen wird dem allgemein geschätzten Arzt ein bleibendes und 
ehrenvolles Andenken gesichert sein. — Wie wir hören, werden 
sich in Zukunft in die Funktionen der Badeärzte die Herren Dr. 
Hannappel, Dr. Müller de laFuente und Dr. von Niessen 
teilen, welch letzterer, seit 1892 bereits während der Sommer¬ 
monate dort tätig, seinen Wohnsitz mit der Saison nach Schlangen¬ 
bad verlegt. 


Vermischtes. 

— Programm der 27. öffentlichen Versammlung der 
Balneologischen Gesellschaft in Gemeinschaft mit dem 
Zentralverbande der Balneologen Oesterreichs in Dresden vom 2. 
bis 6. März 1906. 

Tagesordnung. Freitag, den 2. März, vormittags 10 Uhr: 
Besichtigung des netien städtischen Güntz - Bades unter Führung 
des Herrn Stadtrat Dr. May, — Um 11 Uhr Besichtigung der 
Königlichen Frauenklinik unter Führung des Herrn Geh. Rat Prof. 
Dr. Leopold. Gesellige Vereinigung von abends 8 Uhr an im 
Hotel Bristol am Bismarckplatz, mit Damen. Sonnabend, den 


3. März, vormittags 9^/| Uhr: Eröffnung des Kongresses."') 
Ansprachen. Nachher: Sitzung. Vorträge.**) Nachmittags 3 Uhr: 
Sitzung. Vorträge. Abends: Ev«atuell Oper im Hoftheater. 
Sonntag, den 4. März, vormittags 10 Uhr: Sitztmg. Vorträge. 
Nachmittags: Besichtigung des König-Friedrich-August- 
Bades in Klotzsche. Ab&hrt Dresden (Hauptbaknhof), 2^ Uhr: 
Klotzsche an: 3,'* Uhr. Rückfahrt: ab Klotzsche 4,^^ Uhr. — 
An: Dresden 4,^^ Uhr. Abends 7 Uhr: Diner mit Damen im 
Königlichen Belvedere, das Kuvert zu 6 Maik;. Montag, den 
6. März, vormittags 9 Uhr und nachmittags 3 Uhr: Sitzungen. 
Vorträge. Dienstag, den 6. März, vormittags 9 Uhr und nach¬ 
mittags 3 Uhr: Sitzungen. Vorträge. Nachmittags: Ausflug nac^ 
dem Luftkurort Neuschandau. E^ladung durch den Gründer 
der Villez^olonie und des Sanatoriums, Herrn Sendig. Abfahrt 
von Dresden [Hauptbahnhof) nat^ Schandau 2,'^ Uhr nachmittags. 
Ankunft in Schandau 3,^^ Uhr. Abfahrt von Schandau 5,^’’ Uhr, 
Ankunft in Dresden 6,^* Uhr (oder 6,‘* — 6,®*). 

Das Fest-Komitee. 

1. Herr Professor Dr. Adolf Schmidt, Oberarzt am Stadtkranken- 
banse in Dresden. 2. Stadtrat Dr. May. 3. Hoftat Dr. Fr. 
Hänel, Vorsitzender der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 

4. Dr. 0. Kretzschmar, Vorsitzender des ärztlichen Bezirksvereins 
Dresdeu-Stadt. 5. Dr. H. Meyer. 

Das Damen-Komitee. 

1. Frau Oberbürgermeister Beutler, Reichenbachstrasse 77. 

2. Frau Professor Schmidt, Sidonienstr. 22. 3. Frau Dr. Bally, 

Sidonienstr. 20. 4. Frau Hofrat Dr. Ganser, Lüttichaustrasse 26. 

5. Frau Professor Dr. Pässler, Sidonienstr. 27. 6, Frau Professor 

Dr. Schlossmann, Franklinstr. 11. 

Vorträge:***) 1. Herr Liebreich (Berlin): Eröffiaungsrede. 
2. Ansprachen. 3. Herr Brock (Berlin;: Bericht über das ver¬ 
flossene Vereinsjahr. 4. Wahl des Vorstandes. 5. Herr Cursch- 
mann (Ijeipzig): Der heutige Stand der Diagnostik der Aorten¬ 
sklerose. 6. Herr F. A. Hoffmann (Leipzig): Ueber die moderne 
Therapie der Herzkrankheiten. 7. Herr Ad. Schmidt (Dresden): 
Die Wechselbeziehungen zwischen Störungen der Herztätigkeit und 
der Verdauungsorgane. 8. Herr Burwinkel (Nauheim): Ueber 
Angina pectoris. 9. Herr Jacob (Kudowa': Pathologie und Therapie 
des Morbus Basedowii. 10. Herr Siegfried (Nauheim): Die Ver¬ 
änderung des physiologischen Verhältnisses zwischen Puls- und 
Atmungsfrequenz bei Herzkrankheiten. 11. Herr Achert (Nau¬ 
heim): Ueber die Prognose der Herzleiden. 12. Herr Bach 
(Elster): Beiträge zur Chlorose und ihrer Behandlung. 13. Herr 
Galewsky (Dresden): Das Säuglingseczem und seine Behandlung 
(mit Demonstrationen). 14, Herr Ullmann (Wien): Elrfahrungen 
über StauuQgs- und Saugtherapie bei einigen Haut- und Geschlechts¬ 
krankheiten. 16. Herr Weiß (Pöstyen): Beitrag zur Messung der 
Hauttemperatur. 16. Herr Guhr (Tatra Szeplak): Heliotherapie 
der Psoriasis vulgaris. 17. Herr ^ein (Baden bei Wien): Ueber 
das lokale Finwirken der Sdiwefelthermen auf das Auge. 18. Herr 
Kolisch (Karlsbad): Ueber Diabetes-Behandlung. 19. Herr Lenne 
(Neuenahr): Zur Behandlung des Diabetes mellitus. 20. Herr 
Grimm (Sauerbmun b. Neustadt): Therapie der hamsauren Dia- 
these, 21. Herr Bum (Wien): Die passive Hyperämie in der 
Therapie der Bewegungsstörungen. 22. Herr Sieveking (Karls¬ 
ruhe) : Die Radioaktivität der Mineralquellen (mit Demonstrationen). 
23. Herr Wiek (Gastein): Die Beziehungen der Radioaktivität zur 
Heilwirkung der Gasteiner Therme. 24. Herr Wintemitz (Wien): 


*) Die Sitzungen finden statt in der Auls der technischen Hoch¬ 
schule am Bismarckplatz. Daselbet befindet sich anch das Bnrean der 
Balneolo^chen Gesellschaft. 

**) Die Herren Vortragenden, welche zn ihrem Vortrage einen Pro¬ 
jektionsapparat oder andere Demonstrationsmittel branchen, werden gebeten, 
dies baldigst nnserem Mitgliede, Herrn Dr. Josionek, Arzt in Idildenan- 
Wiesenbad, Kgr. Sachsen (vom 1 März ab: Dresden, Hotel „Kaiser Wilhelm“ 
am Wiener Hatz), mitznteilen. Auf jedem Manuskript muss die genaue 
Adresse des Vortragenden und die Anzahl der gewünschten Separate ange- 
eben sein. Auskunft wegen Wohnnngen ert^lt bereitwilligst Herr Dr. 
osionek. Er bittet, ihm den ungefähren Preis pro Tag, Bcttenzahl, Tag 
der Ankunft nnd Aufenthaltsdauer bis zum 20. Februar mitzuteilen. Der 
Besitzer dee Augnstabades, Herr Wischko, Prager Strasse 46, ladet die 
Kongressteilnehmer zur Besichtigung dieses Bades ein, täglich l'/*—4 Uhr. 

*♦*) Die Ordnung der Vorträge wird durch eine Tagesordnung bestimmt. 


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36 


BALNBOLOGISCHE CENTRALZETTÜNG 


Nr. 9. 


Altes und Neues über hydriatiscbe Technik. 25. Herr Kisch 
(Marienbad): Ueber rhythmisch auftretende pathologische Symp¬ 
tome im Geschlechtsleben des Weibes und deren Balneotherapie. 

26. Herr Strasser (Kaltenleutgeben): Ueber Therapie bei Nephritis. 

27. Herr Brodzki (Kudowa): Experimentelle Untersuchungen über 
den Einfluss der Nahrung auf den Blutdruck bei Nephritis. 28. Herr 
Heinsheimer (Baden-Baden): Experimentelle Untersuchungen über 
den Einfluss von künstlichen und natürlichen Salzlösungen auf die 
Magensaft-Sekretion. 29. Herr Pariser (Homburg): Ein Beitrag 
zur Frage kurgemäßer Diät in Badeorten. — Referat erstattet 
im Aufträge der Homburger medicinischen Gesellschaft. 30. Herr 
FoUatschek (Karlsbad): a) Ueber Bleibeklystiere, b) Zur Palpation 
des Abdomens. 31. Herr Tausz (Lipik): Können wir den Einfluss 
der Mineralwässer auf die Magenfunktion auf Grund physikalischer 
Gesetze erklären? 32. Herr von Pöhl (St. Petersburg): Die 
Kombination der Balneotherapie mit der Organotherapie in ihrer 
Bedeutung zur Beeinflussung von Stoffwechselanomalien. 33. Herr 
Kugler (Marienbad): Balneologiscber Bericht aus Marienbad. 
34. Anträge aus der Versammlung. 35. Herr Stemmler (Ems): 
Ueber den Wert der Inhalation frei zerstäubter Flüssigkeit bei 
der Behandlung des chronischen Bronchialkatarrhs. 36. Herr 
Münz (Kissingen): Das Kinderheilstättenwesen in Deutschland. 
37. Herr Fischl (Prag): Höhenklima und Seeluft als Heilpotenzen 
bei fLinderkrankheiten. 38. Herr Epstein (Wien): Die Höhen¬ 
stationen der deutschen Alpen Oesterreichs. 39. Herr Fr. Kisch 
(Marienbad): Wie reagiert der normale Zirkulationsapparat auf 
natürliche Kohlensäure-Bäder? 40. Herr Hirsch (Kudowa): Die 
Einwirkung des Vierzellenbades auf den Blutdruck. 41. Herr 
Löbel (Dorna): Trink- und Badekuren bei Erkrankungen des Wurm¬ 
fortsatzes. 42. Herr Klimek (Wien): Skropbulose und deren Be¬ 
handlung in Jodbädem. 43. Herr Marcuse (Ebenbausen): Die 
diätetische und therapeutische Bedeutung der Luft- und Sonnen¬ 
bäder. 44. Herr von Szaboky (Gleichenberg): a) Ueber den Ein¬ 
fluss verschiedener Mineralwässer auf die Viskosität des Blutes, 
b) Ueber Konzentrationsveränderungen des Harns und des Blutes 
bei Darreichung verschiedener Mineralwässer. 45. H6rr Siebelt 
(Flinsburg): Aufgaben der Baupolizei in Kurorten. 46. Herr 
Schüi-mayer (Berlin): Die Bedeutung der physikalischen Therapie 
nach operativen Eingriffen bei Cbolelithiasis. 47. Herr Reinboldt 
(Kissingen) : Zur bakteriziden Wirkung der Mineralquellen. 48. Herr 
Steinsberg (Franzenabad): Thema Vorbehalten. 49. Herr Nena- 


dovicz (Franzensbad): Gynäkologische Fragen aus der kurärztlicben 
Praxis. 50. Herr Köhler (Elster): Demonstration von Apparaten 
für Teilmoorbäder. 51. Herr Ullmann: Bericht über das Jahr 1905 
im Zentralverbande. — Ueber Wünsche des Präsidiums. 52. Herr 
Tuczkei: StoffWechseluntersuchungen im Moorbade (Tierexperiment). 

Im Februar 1906. 


Der Vorstand 

der Deutschen Balneologischen 
Gesellschaft. 

Liebreich. 

Wintemitz. Schliep. Thilenins. 
Brock, Rüge, 

General-Se^etär. Sekretär. 


Der Vorstand des Zentral- 
Verbandes der Balneologen 
Oesterreichs. 
Wintemitz. 

Klein. Kisch. 

Ullmann, General-Sekretär. 
Hatschek und Podzabradsky, 
Sekretäre. 


— Im Juni findet in Mailand ein internationaler Kon 
gress für Gewerbekrankheiten statt. 


— Der III. internationale Kongress für Elektro¬ 
biologie und medicinische Radiologie, welcher infolge be¬ 
sonderer Umstände im Jahre 1905 nicht abgehalten werden konnte, 
wird vom 5. bis 9. September d. J. in Mailand stattfinden. 


Personalien. 

— Sanitätsrat Dr. Vossen-Aachen ist gestorben. 

— Mehrere Mitglieder des Vorstandes der deutschen Heil¬ 
stätte in Davos wurden durch den Deutschen ELaiser ausgezeichnet. 
Es erhielten: Geh. Reg.-Rat Dr. jur. Hempel den Roten Adler¬ 
orden III. Kl., San.-Rat Dr. Oswald Peters denselben Orden 
IV. Kl., Konsul Hermann Burchhard und Hofrat Heinrich 
Mühlhäuser den Kronenorden III. Kl. 


Berichtigung. 

In Nr. 7 ist in Zeile 4 von unten zu lesen „Animosität** 
statt „Universität.“ 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Balneologieehen Zentralzeltang.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

minimnm 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

i 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazi a. 

11./2.-17./2 

3,3 C. 

8,6 C. 

754,8 

2 

2 

2 


-- 


Badenweiler. 


_ 

_ 


_ 


- 


- 

_ 


Driburg. 


- 2,5 C. 

3,2 1 

0 . 

— 

2 

4 

1 

1 

— 


Ems . 


— 0,1 c. 

+ 5 0. 

748,5 

1 

4 

_ 

_ 

_ 


Giesshübl-Sauerbrunn . , 


— 7 C. 

1,3 er 

_ 

— - 

3 

2 

3 


2 Tage Schnee 

Franzenabad. 


— 

— 





_ 

_ 

_ 


Herrenalb. 


- 3V, C. 

+ 2 

c. 

777 


l®/i 


2—3 

— 

2 Tage Schnee 

Kreuznach. 



_ 


_ 





- 


Langenschwalbach . . . 


— 

— 


_ 

_ 

_ 


_ 



Lippspringe. 


— 1 c. 

5 

c. 

747,5 

1 

2 

4 

3 

_ 


Nauheim . 


— 1,8 C. 

3,6 C. 

744,4 

3 

_ 

7 

1—4 



Nenndorf . 


_ 

_ 


.W-W- 

1 __ 




_ 


Norderney . 


_ 

_ 



. 

_ 





Orb ...... 


_ 

_ 





r 


— 


Reichenhali . . . . • . 


_ 



_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



Reinerz . 


— 4 C. 

— 3 

c. 

i 709 


1 

6 

5 



Stehen. 

t1 

— 3,5 C. 

— 0,7 

c. 

704 

— 

7 

1 

3—4 

— 



Verantwortlicher Redakteur: Dr. H. Meissner, Beilin — Verl»* von C«tI Marhold, Halle a. S, 
Druck von nejrnenano'ache Uuchdruokeiei. Gi-br. WollT, Halle j ■' 


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Vn. Jahin^ang. Nr. 10. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bdderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.': 

Verlag: Carl Markold in Halle a. S., Ublandstrasse 

Tel.-Adr.: MarhokI Vertag Hallesaale. Fernsprecfaer 2834. 

Redakteur: 

Dr. Siebclt, Ftinsberg i. Schl. 

Alle ZutcliriiteD aa die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Dr. Stebr, Godesberg. 

Dr. Stehr, Godesberg. 

Der Nackdmck aut dieser Zeitsehrift ist nar^nit Qoellenanfabe and aaek Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Beeinflassane des Geftsstonus und der Blut8tron)g:e8cbwiDdtgkeit durch 
tbennische und mechanisebe Reize. Vuo Dr. von Niessen*Wiesbaden. 
(Fortsetzung). 

FeaUletoa: Der 34. Scbiesisobe Bädertag (1905). Von Dr. SiebeIt>Flinsberg. 


Xns den Bftderu and Kurorten. 
Literntnr. 

Meteorologlgche Statistik. 


Beeinflussung des 

Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von Niesssn-Wiesbaden. 

(Fortsotznng.) 

Es sei mir gestattet, hier, wo es sich um den ganzen 
Kernpunkt der Dinge bandelt, denen Tonus und Blutzufnhr 
zu dienen haben, n&nlich um Ernährung nnd Stoffwechsel, 
eine eigene Beobachtung einzuschalten, welcke gewiss geeignet 
ist, die komplizierten Verhältnisse dem Verst^dnis näher zn 
bringen. Der Tonus-Wechsel, die Ebbe und Flnt, ist die 
Grundbedingung der Blutdruckschwanktingen und damit der 
Ernährung nicht nur, sondern überhaupt von Leben und Ge¬ 
sundheit, sowohl für die vita propria der einzelnen Zelle, 
der ernährenden, wie der zu ernährenden, als auch für ihre 
Gesamtheit — Die Vita propria der Einzelzelle ist zur 
Genüge dadurch bewiesen, dass Leucocyten extravasal Nahrang 
aufnehmen und dass Erythrocyten wochenlang im hohlen 
Objektträger, in Gelatine und Bouillon nicht nur fortleben, 
sondern in ihren plasmatischen Komponenten sich fortpflanzen, 
um erst sebr allmählich der Involution und dem molekularen 
Zerfall zu verfallen. Nicht nur einzelne Zellen eines Orga¬ 
nismus, sondern selbst eiozeloe Zellteile sind imstande, 
selbständig fortzuleben und sich zu reorganisieren, wie zahl¬ 


reiche Beispiele im Tier- und Pflanzenreich lehren. — Das mobile 
Emährungskapital der Blutkörper ist nun bekanntlich einem 
ewigen Werden und Vergehen unterworfen, andererseits muss 
die Nahrung für die fixen Zellen, um resorptionsläbig zu sein, 
verflüssigt werden. Von der auch für die fixen Zellen bis 
zu einem gewissen Grade anzunehmenden Phagozytose soll 
hier abgesehen werden. Wie wird das nun vom Organismus 
bewerkstelligt?. Das geschieht, wie ich in einem Aufsatz in 
Virchow’s Archiv, Bd. Ul (1896), ausgeführt habe, folgender¬ 
maßen. Die Erythrocyten sind sehr leicht durch thennisclie 
und mechanische Reize zu zerdrücken und danut ist ihr Inhalt 
zum Conflux zu bringen, zu verflüssigen. Man kann das sehr 
leicht einmal im hohlen Objektträger auf geheiztem Objekt- 
tisch, den man schroffen Temperaturschwankungen innerhalb 
physiologische r Grenzen aussetzt, andererseits durch Schütteln 
und Pressen von frischem Blut und Zahlungen resp. Färbungen 
vor und nack dieser Prozedur nach weisen. Unter dem Mikro¬ 
skop sieht man bisweilen direkt die roten Blutkörper bersten und 
mit dem Serum confluieren resp. sich mit diesem vermengen. 
Dieses gleichsam verflüssigte Zellmaterial besitzt nun die merk¬ 
würdige Fähigkeit, in Ruhe gelassen, sich wieder conglobu- 
lativ zu regenerieren und zellig sichtbar zu rekonstruieren, 
was ich als „regenerative Vermehrung‘‘ bezeichnet habe. 
Auch hier vollzieht sich also ein beständiges Werden und 
Vergehen unter den Milliarden der Blutzellen. 

Im Gesichtswinkel unseres! Themas gewinnt die mitgeteilte 
Beobachtung nun folgende praktische Bedeutung: 


Feuilleton. 


Der 34. Schlesische Bädertag (1905). 

Von Dr. Siebelt-Flinsberg. 

(Fortsetzung.) 

„Ueber die Entwicklungsfähigkeit der schlesischen 
Kurorte“ sprach Geheimrat Dr. Jacob-Kudowa. Er geht 
davon aus, dass die Ergebnisse der Untersuchungen über die 
Wirkungsweise der Mineralquellen durchaus nicht eindeutig 
sind, dass vielmehr hier und da recht erhebliche Beweislücken 
klaffen. Demgegenüber zeigt er, dass der Kunst der an den 
fraglichen Orten tätigen Aerzte, dem grossen Komfort, der 
Ausgestaltung der hygienischen Einrichtungen, der Sorge für 
Unterhaltung ein guter Teil der gelegentlich erreichten, in 
hoher Frequenz sich erweisenden Ertolge gebührt. So kommt 
Redner dazu darzulegen, inwiefern die Heilanzeigen der schle¬ 
sischen Kurorte noch nicht erschöpft sind und in welcher Weise 
sie der Vervollkommnung ihres Heilapparates nachzuhelfen 
haben. In derselben Richtung bewegte sich Dr. Witte- 
Kudowä mit seinen Ausführungen, indem er die wissenschaft¬ 
lichen und praktischen Maßnahmen erörterte, welche die Indi¬ 
kationen der schlesischen Bäder erweitern und verbessern 
können. Es müssen die baineotechnischen und hygienischen 
Einrichtungen immer mehr ausgebildet werden. Guten Ver¬ 


kehrsverhältnissen ist Rechnung zu tragen, auch das Eisen¬ 
bahnwesen muss uns das bieten, was wir zu verlangen be¬ 
rechtigt sind. Der Berichterstatter schlägt schliesshch die 
Bildung eines verwaltungstechnischen und emes ärztlichen Aus¬ 
schusses vor, welche sich eingehend mit den fraglichen Ange¬ 
legenheiten zu beschäftigen hätten. Beide Vorträge führten 
zu eingehendem Meinungsaustausch, dessen Ergebnis war, 
manche Forderungen der Redner als zu weitgehend und ein¬ 
zelne Anschauungen als unübertragbar in die Praxis anzuseben 
seien. Letzteres galt besonders von der These Witte’s, die 
Spezialisierung der Indikationen müsse soweit reichen, dass 
der eine Kurort nur Herzkranke oder Lungenkranke, der andere 
nur Kinder aufnehmen solle usw. „Die Bedeutung des 
Höhenklimas für dieBehandlungNervöser“ erörterte 
Dr. Stern-Reinerz und betont, dass auch im schlesischen 
Mittelgebirge die Bedingungen erfüllt sind, welche eine gün¬ 
stige Wirkung des Klimas bei diesen Kranken verbürgen. 
Derselbe Redner kam auch auf die Winterkuren zurück, 
und beschäftigte sich mit den Bedingungen, unter welchen 
dieselben möglich sind. Dass dieselben sich durchführen lassen, 
beweisen die im Winter geöffneten Heilstätten. Für die be¬ 
züglichen Einrichtungen könne man viel von den Schweizer 
Kurorten lernen. Die Diskussion erkannte an, dass eine Aus¬ 
dehnung des Verkehrs auf die Wintermonate recht wünschens¬ 
wert sei, die Schwierigkeiten, die einer Verwirklichung dieses 
Gedankens entgegenstehen, sind aber unverkennbar sehr gross, 


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38 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 10. 


Unter dem Einfluss thermischer Reize, Hitze oder Kälte, 
analog dem Versuch auf dem heizbaren Objekttisch, ist der 
gesteigerte Blutdruck beim Tonusplus der Vasokonstriktion und ' 
der eigenen Zellkontraktion, zumal nach Nahrungsaufnahme zur 
Zeit des Blutzellturgors und ebenso bei angestre^ter Muskel¬ 
tätigkeit, wiederum besonders beim Zusammentreffen mit jenen 
Umständen in hohem Grade geeignet: Erstens grosse 
Mengen von Blutkörperchen zur Ruptur und ihren 
Inhalt zum Conflux zu bringen, zu verflüssigen 
und der Resorption zugänglicher zu machen, zwei-, 
tens durch Erhöhung desReibungscoeffizienten resp. 
durch Verminderung desselben eine wesentliche 
Vorrichtung zur Regulieruüg der Wärmeökonomie 
zu bilden. Welcher Wert diesen Faktoren der Ernährung 
und des Stoffwechsels, des Ansatzes und der Verbrennung im 
Körperhaushalt physiologisch und pathologisch zukommt, das 
braucht hier nicht weiter expliziert zu werden. Das Rechen¬ 
exempel mit den eingang^s auf^ezählten, gegebenen Grössen, 
muss in jedem einzelnen Fall stimmen, wenn nicht Störungen 
eintreten sollen, wobei dann gesteigerte Arbeitsleistungen er¬ 
forderlich werden. 

Um‘2 Beispiele zu wählen, so würde der grösste Ver- I 
brauch an Blutzellen etwa dann stattflnden, wenn jemand I 
nach einer reichlichen Mahlzeit im Winter, dürftig bekleidet einen 
Berg hinaneilt, die lebhafteste Regeneration dagegen, wenn 
jemand nach bescheidener Nährungszufuhr im Höhenklima 
zur Sommerszeit warm zugedeckt, auf einem Lager eine kurze 
Rast halten würde. — Hier handelt es sich nicht um einfache 
Verschiebungen des Verhältnisses der Blutkörperzahlen der 
Körperperipherie zum Intestinum, sondern um absolute Unter¬ 
schiede der Gesamtzahl an Blutkörpern, die bekanntlich im 
Höhenklima * eine gesteigerte ist. Dauernde Bilanzstörungen - 
werden dadurch infolge der Akkomodationsfähigkeit und regu¬ 
latorischer Vorgänge im Organismus auch für den Tonus nor- ' 
maler Weise nicht bedingt. — 

Doch um zu unserem ersten Fall zurückzukehren: die . 
Nüchternheit nach der Nachtruhe, während der zwar viel 
Nährmaterial bei entspanntem resp. normal gespanntem Tomis 
verbraucht worden vrar, ein gut Teil jedoch Zeit hatte, sich regene¬ 
rativ zellulär neu zu formieren, zu konzentrieren, greift zunächst 
zum bequemsten Mittel, sie führt den sich zentral meldenden, 
hungernden Muskelzellen das in den reorganisierten resp. über 
Nacht neugeborenen und neufoimiertenBlutzellen aufgespeicherte 
Reservenährmaterial dadurch zu, dass die Gesamtmuskulatur • 
eben durch jenes Dehnen resp sonst in Aktion tritt, dass dabei 
als Begleiterscheinung jeder Muskelinnervation der Gefässtonus 


namentlich deswegen, weil die Betriebsaufwehdungen in gar 
keinem Verhältnisse zu den Einnahmen stehen. Ein schlesi¬ 
scher Kurort, welcher den Winterbetrieb drei Jahre lang in 
beschränktem Maße aufrecht zu erhalten versuchte, setzte da¬ 
bei durchschnittlich 6—8000 M. in jedem Jahre zu! 

Eine für die schlesischen Kurorte aiissorst belangreiche 
Angelegenheit behandelte Dr. Determ eyer-Salzbrunn, näm¬ 
lich den Einfluss der diesjährigen Genickstarre-Epi¬ 
demie in Oberschlesien auf die Frequenz der schle¬ 
sischen Bäder. Durch Umfrage bei den Verwaltungen der 
im Bädertage vertretenen Bäder hat Referent festgestellt, dass 
die meisten derselben unter der Furcht des Publikums vor 
der in Oberschlesien zu einer Epidemie ausgoarteten Genick¬ 
starre mehr oder weniger schwer gelitten haben. Hervor- 
gerufen und unterhalten wurde diese Furcht durch die ständigen 
Berichte in den Zeilungen über wirkliche und vorgol)liche 
Genickstarre-Erkrankungen, besonders auch dadurch, da.ss bei 
diesen Berichten kein Unterschied gemacht wurde zwischen 
don weniger infizierten Kreisen Oberschlesiens und der ganzen 
Provinz, währenil. andorei*seits nichts zur Aufklärung des Publi¬ 
kums über die Gefahrlosigkeit des Besuches der schlesischen 
Bäder, in welchen auch tetsächlich nicht eine Spur der Genick¬ 
starre beobachtet worden ist, geschah, abgesehen von einem 
leider erst zu Ende Juli erschienenen Artikel der „Schlesischen 
Bäder-Zoitung“. ^lit Schuld war ohne Zweifel auch der Um¬ 
stand, dass im Publikum Oberschlesien vielfach im gebirgigen 


angespannt, mit einem Wort, dass der Blutdruck gesteigert 
wird und zahllose Blutkörper zermalmt, der Assimilation zu¬ 
gänglich gemacht werden. Es folgt beim Nachlass der Muskel¬ 
spannung, die das Blut in den Venen sogar in entgegengesetster 
Stromriebtung, soweit es die Klappen gestatten, durchgedrlickt 
und durchgearührt hatte, eine um so lebhaftere Regurgitation 
und Beschleunigung des Stromes, die wenn auch nur kurze 
Stockung mit reaktiv verstärktem Anprall nach dem Heizen 
bewirkt eine reflektorisch kräftigere, kompensatorische Kon¬ 
traktion des letzteren, es kommt Mischung, Aktion, Leben 
und Fluss in das neuangeregte System. Allein der Gefäss- 
apparat ist beim Kulturmenschen unserer Zeit meist recht ab¬ 
genutzt, der Tonus ist zu labil und unbeständig, es gibt|a 
auch „Atonieen“, — also „tonisierende Lebensweise“ ist die 
Parole. Aus dem Bett geht es erst ans kalte Wasser, das 
macht nicht nur rein, es härtet ja aucii ab, belebt. — Diese 
Abhärtung beruht vornehmlich auf Belebung des Tonus- 
Wechsels durch Schaffung einer Art Kampfbereitschaft den 
Infekiionserregern gegenüber. In letzteren ist die vorwiegende 
Ursache der „ Erkältungen“ zu sehen und in einem regen, nicht 
zu , extremen Tonuswechsel ein Ausdruck der Gesundheit und 
Widerstandskraft Es kommt noch dazu,'dass die durch das 
kalte Wasser hervorgebrachten Bl utdmckschwankungen den Stoff¬ 
wechsel beleben und dass durch Steigerung der Zellappetenz die 
normalen bactericiden Stoffe im Blut bei- der Rpptur der Blut¬ 
zellen im gesteigerten Maße frei werden. Auchdie Akkomodations¬ 
theorie des„Similiasimilibus“ hatfürdieErklärupgder Abhärtung, 
die stets eine Art Immunität ist, manches für sich, nur muss 
man berücksichtigen, dass eine ununterbrochen fortge¬ 
pflegte, selbst an sich zweckmäßige Gewohnheit und Lebens¬ 
weise durch Verwöhnung nachteilig werden kann und der 
Satz, dass man der Natur ab und zu einen Stöss versetzen 
müsse, hat seine gute Berechtigung. Wo Erkältungen durch 
Vasospasmus, resp. Vasoparese und Paralyse bedingt sind, da 
liilft oft die beste Abhärtung nichts. Hier spielen Anomalieen 
der Anlage, organische und funktionelle Nerven- und Gefäss- 
leiden, unzweckmäßige Berufswahl und Lebensweise als oft 
unvermeidliche Schädigungen neben der Witterungsünbill eine 
zu einschneidende Rolle. Bisweilen hilft es dagegen palliativ 
therapeutisch, den krankmachenden Reiz zu üueireizen, wo 
die causalen Anlässe nicht zu vermeiden sind. So werden 
erfrorene Körperteile mit Schnee gerieben und manche Vas- 
atonieen durch heisse Waschungen kuriert. Der Üeberreiz be¬ 
wirkt eine zentrale Regulierung des darauf wieder normal 
reagierenden und funktionierenden Gefässtonus, oder es bleibt 
eine bei bestimmten Gelegenheiteursachen sich wieder meldende 


Teil der Provinz vermutet wird. Um bei einer später etwa 
auftretenden Epidemie selbst Nachteile zu vorhüten, schlägt 
Referent vor: rechtzeitig sowohl bei den Behörden, deren Ver¬ 
öffentlichungen, weil am objektivstengehalten, dengrösstenEin¬ 
druck auf das Publikum machen, vorstellig zu werden, dass 
von Zeit zu Zeit amtliche Berichte veröffentlicht werden, in 
welchen der tatsächliche Stand der Epidemie mitgeteilt, vor 
allem aber genau angegeben wird, welche Gegenden bezw. 
Ortschaften infiziert und welche seuchefrei und ungefährlich 
sind, als auch auf die Presse in diesem Sinne. einzuwiiken. 
Endlich muss seitens der Badeverwaltungen das Publikum über 
die in den Bädern getroffenen Maßnahmen aufgeklärt werden, 
welche den Zweck haben, für den Fall der Einschl^pung der 
Krankheit die Verbreitung derselben unter allen Umstanden 
unmöglich zu machen. Referent weist noch darauf hin, dass 
bei den heutigen Verkehrsvorhältnissen die Uebertragung einer 
Infektionskrankheit in weit entlegene Orte ebensogut möglich 
ist, als in näher gelegene, dass z. -B, von Oberschlesien aus 
ebensogut Karlsbad oder Ems, Thüringen oder die Ostseebäder 
infiziert werden können, wie die schlesischen Kurorte. Die 
anschliessende Besprechung förderte einige klassische Beispiele 
dafür zu Tage, wie Badeidatsch weitergetragen und von sensa- 
tionssüchtigen Zeitungen breitgetreten wird zum Schaden der 
betreffenden Kurorte. (Schluss folgt) 


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BALNBOLOGISGHE CEOTRALZBITUNG'' 


3d' 


VaSüpai'esß. zurück, die auch als Vasoparalyse erscheinen kann, 
z. B. im WntW recidivierende Frostbeulen, die Zustande so¬ 
genannter fliegender -Hitze, die roten Nasen, Teleangiektasieen 
u. d^l. mehr. Als ferner noch hierhergehörig sei die ausser¬ 
ordentliche Binpfindlichkeit mancher Menschen für Witterungs- 
umsbhläge, Windwechsel und Barometerschwankungen genannt, 
die aus diesen oder jenen Zeichen hyperaesthetisch reagieren¬ 
der Tonusschwanknngen die betreffenden Aenderungen gleich 
Wetterpropheten Voraussagen. — Doch kehren wir zur kalten 
Waschung in unserem Fall zurück. Diesmal kommt der Reiz 
für die Vasoconstriction — die erste war nur vorübergehend 
und hatte sich bald wieder gelöst — von aussen. Nicht 
nur die Hauptgefässe ziehen sich direkt vom thermischen Reiz 
betroffen' zusammen, der Kältereflex verengt stets, je nach 
Dauer und Grösse auch die tieferen Gefässärkaden, die Lunge 
aspiriert bei der auf den Kältereiz erfolgenden, starken Zwerch¬ 
fellskontraktion grosse Mengen Blut zum Herzen und mit kräf¬ 
tigen, weit und tief ausholenden Schlägen treibt dieses das 
Kjit, um die feindlichen Widerstände in seinem Strombett zu 
überwinden, in die entlegensten Winkel, die Arbeit, ein Vor¬ 
spiel der Tagesleistung, beginnt. — Stark ist der Druck auf 
die periphere, zusammengezogene Arterien wand, Millionen 
von Krythrocyten bersten, die Reibung der standfesten Zellen 
ist eine maximale, neuer Brennstoff wird frei. In der reflek¬ 
torischen Inspiration bei Kälteprozeduren liegt auch ein 
reflektorischer Wärmeregulierungsvorgang oxydativer Natur. 
Wie anzunehmen ist, bewirkt auch das Exspirium eine Kom¬ 
pression des Lungenblutes und damit besonders bei der Bauch¬ 
presse au<'h Blutzellrupturen, was vielleicht infolge der Ober- 
flächenvermehrung für die Oxydationsprozesse nicht belanglos 
ist Auch das „Luftbad“, diese moderne, uns zur Natur zurück- 
führende Art der Hautpflege hat vornehmlich oxydativ-venti- 
lalorische Wirkung nehen resp. durch die Ionisierende auf 
Haut-, Haar- und Gefässmuskulatur. — 

Die über seine Untergebenen verfügende Instanz, in un¬ 
serem Fall jener Beamte, kommt den regulatorischen Ma߬ 
nahmen seiner aufgerüttelten Zellen durch tüchtiges Frottieren 
der Haut, durch rasches Anziehen und warme Bekleidung zu 
Hilfe. Dem Kältegefühl der Revolution folgt Wärme der Haut 
und damit grössere Blutfülle in den sich weitenden, dem Blut¬ 
druck nachgebenden Kanälen, der Ebbe folgt die Flut. 

Da nun aber, was in der Peripherie Flut, zentral wieder 
der Ebbe entspricht, da das Zellmaterial mehr und mehr redu¬ 
ziert ist, machen sich neue Regungen und Bedürfnisse in Ge¬ 
stalt einer Unsumme milliarer mechanischer Inanitions-Reize 
auf das die Versorgung regulierende vasomotorische Zentrum 
bemerkbar, das seinerseits, meist ohne auf diese zu warten 
und gewohnheitsmäßig, da es auch nur eine Behörde ist und 
nicht den Nährstand im Staatsorganismus darstellt, nunmehr 
eine Anleihe bei der grossen Speisekammer, dem Darmtraktus, 
macht. - Der. „Sympathicus“ tritt in seine so vielseitige 
Funktion. — Natürlich gilt der Satz von der Ebbe und Flut 
auch umgekehrt.— Wie erhebliche Blutdrucksteigerungen innerer 
Organe bei peripherer Gefässkontraktion eintreten können, das 
beweist u. a. die Erfahrung oft wesentlich gesteigerter Urin- 
sekretioD bei winterlicher jKälte undi Kaltwasserprozeduren. — 
Die übrigen Beobachtungen des Falles 1 sind nur als be¬ 
lebende Schlaglichter des Bildes gedacht, die zur pathologischen 
Seite der Frage binüberleiten sollen. Der durch anhaltende 
Frostwirkung erzeugte Vasospasmus kann zur Congelidatio, 
zum Erfrieren führen, andererseits die forcierte Bautmpresse mit 
den plötzlichen Gefässkaliber und Dnickschwankungen bei 
kranken Gefässen zu Schwindelanfällen, Gefässrupturen, plötz¬ 
lichem Tod, — das ist allbekannt. — Die längeren Unterbrech¬ 
ungen des normalen Atmungsablaufs, z. B. bei Tauchern, Bläsern, 
Hobisten und Sängern, sowie beim starken Schnauben haben 
einen ganz evidenten, oft genug nachteiligen Einfluss auf Vaso- 
tonus und Blutstromgeschwindigkeit. Schon beim herzhaften 
Lachen, in gleicher Weise wie beim Schreien der Kinder, beim 
Schluchzen kennt jeder Laie die teils kongestiven, teils ab¬ 
strahierenden, resp. mobilisierenden Elffekte dieser nahe ver¬ 
wandten Affektäusseningen auf Tonus und Blutzirkulation. 
Nur gestreift sei bei dieser Gelegenheit der mächtige Einfluss 


der Affekte iii.sgemein auf die Gefässinnervatioo, so namentlich 
beim Schreck, der Angst, Freude und Trauer und’ schliess- 
1 ich ihr verschiedenes Verhalten bei den einzelnen Temperamenten. 


2 . Eine junge Frau liegt spät Vormittags im Bett, ihre 
Mutter war Nierön-leidend, der Vater ein Xrihker', sie selbst 
in den Entwicklungsiahren sehr bleichsüchtig. Schon einige 
Tage wartet sie auf ihre menses*), die immer, unregelmäßig ein¬ 
treten und langwierig, unter Schmerzen verlaufen. — 

Um ihren Eintritt zu befördern nimmt sie ein recht heisses 
Fussbad. Die Periode tritt ein, zugleich aber au’ch einö hef¬ 
tige, mit Erbrechen einhergehende Migräne. Der Hausarzt 
findet die Kranke leichenblass mit mattem, schwachem Puls. 
Sie verlangt Coffein oder Antipyrin, weil das ihrer Meinung 
nach besser hilft, als Eisen und warme Bäder. Sie klagt 
ferner, dass sie, sobald sie nur den Fuss aus dem Bett heraus¬ 
steckt, niesen muss und dass.es sie, wenn sie Urin gelassen 
habe, ordentlich schüttelt, dass sie überhaupt gar nicht mehr 
recht warm werde. Der Arzt bestätigt die befürchtete „Blut¬ 
armut“ und widerrät bei der dabei vorhandenen vasomotorischen 
Neurose Coffein und Antipyrin. Er verlangt vielmehr, dass 
die Lebensweise total geändert und vor allem genau befolgt 
werde, was verordnet wird. Nicht „warme“ Bäder hat er vor¬ 
geschrieben, sondern heisse, aber keine heissen Fussbäder. 

*) Die bei dem physiologischen Vorgang der menses sich ab¬ 
spielenden Gefässtonusfunktionen gehören mit zu den am wenig¬ 
sten erforschten. Bekannt ist, dass dieselben ihren Schatten in 
allerhand mehr weniger greifbaren Anzeichen vorauswerfen, von 
Nachschwingungen gefolgt sind und durchaus nicht nur auf die 
Sphäre der Generationsorgane beschränkt sind, was namentlich 
bei Anomalieen und universellen Vasoneurosen zu Tage tritt. 
Die endogenen Störungen und Anomalieen im Eintritt und 
Verlauf, wie die besonders gefürchteten ektogenen durch un¬ 
zweckmäßige thermische und mechanische Reize um diese Zeit 
sind geeignet, die bei den menses normal sich abspielenden 
Tonusmnervations-Verhältnisse mit ihren derivatorisch-resorp- 
tiven und exbretorischen Effekten, die der Volksmund mit dem 
zutreffenden Ausdruck der „monatlichen Reinigung“ bezeichnet 
hat, aufzuklären. — Wenn auch nicht sicher stehend, so ist die 
Abhängigkeit von metereologiachen Einflüssen für den 
Tonus keineswegs von der Hand zu weisen, sind doch ins¬ 
gemein die Tages- und Jahreszeiten und Mondphasen für das 
Gefässleben und damit für das Leben überhaupt von unabweis¬ 
barer Bedeutung. Auf die gewaltigen revolutionären Vorgänge 
der Gefässspannung und des Blutumlaufes in der Gravidität 
und besonders während des Partus, sowie nach demselben für 
Mutter und Kind hier näher einzugehen, würde zu weit führen. 
Eine jede Wehe, der Schüttelfrost nach erfolgter Geburt, der 
Blutverlust, das erste Schreien des Neugeborenen gibt des An¬ 
regenden eine solche Fülle, dass der Partus als aUeiniges Bei¬ 
spiel zur Veranschaulichung des Mechanismus der zahllosen 
mechanischen und thermischen Reizmomente im Sinne der ge¬ 
stellten Aufgabe des Themas sehr wohl geeignet erscheinen 
muss. — . .(Fortsetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

A. Karlsbfld. ln der Sektion Karlsbad des Zentralvereins 
deutscher Aerzte in Böhmen wurde im abgelaufenen Vereinsjahre, 
nachdem der Stadtrat den ärztlichen Vereinen Karlsbads gegen¬ 
über sich Uber mangelnde wissenschaftliche Reklame seitens der 
Karlsbader Aerzte beklagt hatte, behufs Erzielung einer wirkungs¬ 
vollen und auf streng wissenschaftlicher Grundlage beruhenden. 
Reklame die Anregung zur Errichtung eines chemisch-physiolo¬ 
gischen Institutes gegeben, eine Anregung, die, wie es scheint, 
bei der Mehrheit der Gemeindevertretung sympathisch aufgenom¬ 
men wurde. 


X Lobenstdin. Ein Kurverein hat sich hier gebildet. 

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40 


BALNEOLOGISGHB CENTRALZETTÜNG 


Nr. 10. 


X Salzungen. Die hiesige Salinenverwaltong beabsichtigt 
die Errichtung einer Trinkkur, zu welchem Zweck der Bau einer 
Brunnenballe in der Grösse von 120 qm zwischen den Gradier- 
häusem geplant ist. Eine vor zwei Jahren wieder aufgefundene 
schwache Soolequelle kommt zor Verwendung. Auch wird ein 
Versand der Kurmittel nach auswärts zum Hausgebrauche beab¬ 
sichtigt, 

# Schinzach. Der Betrieb des Bades wird in bisheriger 
'Weise fortgeführt. Zu diesem Zwecke sind sowohl der bisherige 
Direktor H. Moser, als auch der langjährige Eurarzt Dr. Äms- 
1er gewonnen worden. Alle MaHnahmen sind getroffen, dass die 
Saison wie üblich am 15. Mai ihren Anfang nimmt. 

A. Stein. ln Bad Stein hat sich soeben ein Verein zur 
Hebung des Eremdenverkehrs gebildet, welcher es sich zur Auf¬ 
gabe gemacht hat, auch die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf 
die landschaftlichen Schönheiten dieses aufstrebenden Kurortes und 
seine Umgebung zu lenken. 

Literatur. 

A. De Giovanni, Padua. Ein Yierteljahrhnndert Er¬ 
fahrung über Roneegno I nebst einem Anhang: An¬ 
weisung für Aerzte über den therapeutischen Wert beim inner¬ 
lichen Gebrauch des Mineralwassers von Roneegno von Professor 
Dr. G, Viola. Padua 1905. 

Zu innerem Gebrauch ist Boneegnowasser vor allem zu em¬ 
pfehlen, wenn es sich darum handelt, eine Verbesserung der Blut- 
mischung zu erzielen, einerlei, in welchem Stadium sich irgend 
eine Krankheit befindet, sei es nun, dass die schlechte Beschaffen¬ 
heit des Blutes die Folge einer weit vorgeschrittenen Krankheit 
ist, sei es, dass sie den Ausdruck einer von Geburt an schwäch¬ 
lichen Konstitution darstellt. 

Bei allen Krankheitsformen also, bei denen von der Ver- 
besseriing der Blutmischung und des Nervensystems Vorteile zu 
erwarten sind, ist ein therapeutischer Erfolg durch die Boneegno- 
kur sicher. Die Kur von Roneegno findet ihre hauptsächliche 
Verwendung bei den Krankheiten des Gesamtnervensystems. Die 
Quellen und das Klima von Boneegno haben als die besten Mo¬ 
difikatoren und Regeneratoren des Organismus zu gelten. 

Die interne Behandlung mit Boneegno muss eine ganz und 
gar individuelle sein. Von diesem arsenik- und eisenhaltigen 
Mineralwasser können in nicht seltenen Fällen ungeheure Tages¬ 


dosen mit grösstem Vorteil angewandt werden, ungeheuer im Ver¬ 
hältnis zur durchschnittlichen Tagesdosis, ^so bis zu drei Flas<^SD, 
äquivalent etwa ein Liter. Ebenso aber gibt es auch, wenn auch 
nur seltene Fälle von Intolerabilitftt, so dass es sich den Arzt 
empfiehlt, anfangs nur geringe Dosen des Getränks zu verordnen 
und diese von Tag zu Tag zu steigern, bis zu der maximalen von 
dem betreffenden Kranken vertragenen Dosis. 

Wenn man auch jetzt nicht mehr so ängstlich ist in der 
Darreichung des Boneegno-Wassers wie früher, so söU jeder er¬ 
wachsene Patient die Kur in der Weise beginnen, dass er am 
ersten Tage nicht mehr als einen halben Esslöffel Boneegnowasser 
(verdünnt mit einem halben Becher Wasser) dreimal täglich nehme, 
und zwar morgens nüchtern und eiue halbe Stunde vor den Haupt¬ 
mahlzeiten. Die grösseren Dosen werden schnell erreicht, indem 
man die Anfangsdosis von Tag zu Tag um einen halben Xiöffel 
steigert, bis man die Dose von drei Elsslöffeln pro Tag erreicht hat. 

Je grösser die zur Anwendung gelangende Tagesdosis ist, um 
so geringer kann im Verhältnis die Verdünnung sein, damit nicht 
durch die exzessive Flüssigkeitsmenge der Magen überlastet wird. 
Es gibt schliesslich auch Patienten, welche 2—3 Flaschen Mineral¬ 
wasser pro Tag konsumieren, diese dürfen die Quelle nur auf die 
Hälfte verdünnt oder können sie auch ganz nnverdünnt nehmen. 

Jede Behandlung mit Boneegnowasser darf nicht weniger als 
zwei Monate dauern; gegen das Ende der Kur ist es gut, von 
Tag zu Tag die Dosis zu vermindern. Eine vollkommene Tätig¬ 
keit des Darmes ist während der Behandlung unumgänglich nötig. 

Bei Malaria muss man grosse Dosen versclu^iben, sowohl 
während des Verlaufes der Krankheit selbst, als bei der Anämie 
und Kachexie, welche ihr zu folgen pflegt, und die Behandlung 
muss eine langdauernde sein. 

Bei Basedow’scher Krankheit lassen sich die höchsten 
Grade von Tolerabilität für BoneegnoTasser erreichen. 

Bei den chronischen Magendarmkatarrhen, auch bei 
akuten Magendarmkatarrhen und beim Abdominaltyphus 
gibt man die Boncegnoquelle möglichst verdünnt. 

Bei den katarrhalischen Äffektionen der Respi¬ 
rationsorgane, besonders den akuten, helfen kalte und lau¬ 
warme Inhalationen mit Boneegnowasser. A. B. 

Die Bedaktion der Balneologiscben Centralzeitung hat in 
liebenswürdiger Weise Herr Dr. Stohr in Ood.68l>6rg^ über¬ 
nommen. Wir bitten in allen redaktionellen Angelegenheiten sich 
an diesen zu wenden. 


Meteorologische Stätiotik. 

Veranstaltet von der Redaktion der Balneologieohen Zentraizeltang.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur¬ 

minimum 

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” 2 *3 

^§1 

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Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

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tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Abbazia. 

18./2.-24-/2 

3,7 C. 

8 C. 

759,1 

2 

4 

1 

2 


Badenweiler. 


— 

— 


_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Driburg. 


-0,8 C. 

2,9 0. 

— 

2 

2 

1 

1 

— 

Ems. 


0,6 C. 

5,8 C. 

754,6 

7 

4 

_ 

2 


Giesshübl-Sauerbrunn . . 


— 1,6 C. 

1,7 C. 

_ 

— 

1 

2 

0,2 

_ 

Franzensbad. 


— 

— 

_ 

_ 

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Herrenalb. 


— 1,5 C. 

4 0. 

721 

— 



2 

_ 

Kreuznach ..... 


— 

— 

_ 

_ 




_ 

Langenschwalbach , . . 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Lippspringe. 


— 3 0. 

7,3 C. 

753 

2 

— 

4 

2 

— 

Nauheim ..... . . 


— 0,6 C. 

4,8 C. 

747 

1 

_ 

7 

1—5 


Nemidorf . 


3 C. 

6 C. 

759,5 

1 


7 



Norderney ...... 


— 

— 

— 

— 

— 


_ 

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Orb . 


— 

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_ 



Reicbenhall . . . . • . 


_ 

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Reinerz . 


— 2 C. 

— 2 0. 

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_ 

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— 1 C. 

— 1,5 C. 

704 

— 

4 

3 

3—4 

— 


VanntwprtUcber Redakteur: Dr. P. MeiMner, Berlin. — Verlaf von Carl Marhold, Halle a. S. 

Druck TCu HaTuamana’eche Bnchdruckerei. Gebr. Wolfi^ Halle a. ^ 

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Besondere 

Bemerkungen 


3 Tage Schnee 
— 2® C. minim. 

4 Tage Schnee 


— 2 Tage Schnee 


1 Tag Schnee 
3 Tage Schnee 


— I 2 Tage Tanwett. 




























vn. Jahrgang. Nr. 11. 1906. 

Balneologlsche Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.*: 
Or. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

! Verlag: Carl Marbold ln Halle a.S., Ublandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hatlesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. Stehr, Godesberg. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Dr. Stetar, Godesberg. 

Der Nachdmck ans dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Beeiofiaseanff des Gefässtonns und der Blatstromgescbwindigkeit durch 
tbermiscoe und inecbanische Reize. Yen Dr. von Niessen-Wiesbaden. 
(Forteetzung). 

Fenilletoii: Der 34. SchlesUcbe Bädertag (1905). Yen Dr. Siebelt-FHnsberg. 


Ans den Bftderu and Kurorten. 
Literatur. 

Meteorologische Statistik. 


Beemflussung des 

Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von Niessen-Wiesbaden. 

(Fortsetzung.) 

Im Frühjahr soll ein Luftkurort im Gebirgswald besucht, eine 
gelinde vegetarische Diätkur mit Milch, Hydrotherapie, leichter 
Massage, eventuell mit sachgemäßer elektrischer Behandlung*) 
kombiniext mit Luftbädern und Terrainkur systematisch dur^- 
gefÜhrt -werden. — 


*) Die Physiologie sondert von thermischen und mecha¬ 
nischen die chemischen und elektrischen Reize. Nur mit 
den beiden ersten hat es unser Thema zu tun, dennoch 
kann die Elektrotherapie nicht ganz übergangen werden, da 
ein Teil ihrer Wirkungsart, die Kataphorese, auf vor¬ 
wiegend mechanischen Vorgängen beruht. Ein jeder kann 
leicht folgenden Versuch anst^len: Ein hängender Tropfen 
frisches Blut wird in der Weise mit Paraffin abgediclitet, dass 
unter 2 gegenüberliegenden Seiten des Deckglases je einige 
Pinselhaare mit eingebettet werden, die auf der einen Seite 
in das Blut tauchen, auf der anderen an die Drahtenden eines 
konstanten Stromes befestigt sind. Beim Stromschiuss und 
-Wechsel sieht man unter dem Mikroskop die Erj'throcyten in 
lebhaftem Tempo von der Anode zur Kathode fortgerisseu 
werden, sie fiiessen wie intravasal hin und her und bleiben 


Feuilleton. 


Der 34. Schlesische Bädertag (1905). 

Von Dr. Siobelt-Flinsberg. 

(Schluss.) 

Dereelbe Redner berichtete auch über den Nutzen der 
Gesundheitskommissionen. Sie haben im grossen ganzen 
segensreich gewirkt, namentlich da, wo die Polizeibehörden 
den Anregungen Folge gegeben haben. Dr. Hoffmann- 
Warmbrunn trat für eine verschärfte Marktpolizei in 
den Kurorten ein. Der Verkehr mit Nahnings- und Genuss¬ 
mitteln erfordert namentlich in der warmen Jahreszeit beson¬ 
dere Vorsicht. Das plötzliche Anschwellon des Bedarfs zur 
Hochsaison der Kurorte "macht die Kontrolle schwierig, aber 
gerade deshalb ist sie um so notwendiger, damit minderwertige 
Ware ausgeschlossen werde. Sie wird erleichtert durch Ein¬ 
richtungen, welche einem zentralen Verkauf der dem Verderben 
ausgesetzten Nahrungsmittel, wie Milch, Fleisch, Fische, Obst 
usw. dienen. Redner fordert die Errichtung von Markthallen 
und Schlachthäusern, denen Kühlräume nicht fehlen dürfen. 

Einen für die Hygiene der Kurorte ausserordentlich wich- 


Die verwöhnte Patientin will aber gleich von ihrer Mi¬ 
gräne befreit sein. Der Arzt nimmt zunächst die kalte Kom¬ 
presse von der Stirn, rät, wenn schon, dann lieber zu heissen 
und empfiehlt statt des Berges von Kopfkissen flache Lagerung, 
statt der überhitzten, verbrauchten Zimmerluft Freiluftatmung, 
auch des Nachts womöglich, Milch, Malzpräparate, Obst, überhaupt 
möglichst vegetabile Ivost. Die Energielosigkeit soll die Kranke 
mit einer kurzen kalten Waschung, leichter Motion, Tätigkeit, 
Spaziergängen, die gefürchteten Ohnmächten mit Tieflagerung 


regungslos, sobald der Strom geschlossen wird. Die praktische 
Nutzanwendung für die Appbkationswahl der Elek^oden bei 
Stasen z. B. ergibt sich hieraus von selbst. Nur nebenher sei 
ferner auf die evidente Wirkung des konstanten Stromes auf 
den Gefässtonus bingewiesen. Ich habe z. B. oft gesehen, 
dass Applikation der Anode auf die Gegend des vasomoto¬ 
rischen Zentrums bei einer Stromstärke von 3 MA auf einen 
Querschnitt von 70 qcm, also bei einem schwachen Strom 
nach einer Minute Dauer, trotz vorsichtigen Ein- und 
Ausschleichens mit dem Rheostat, Ohnmachtsanwandlungen ein- 
treten machte. Die roten Flecke der Haut unter den Elek¬ 
troden, namentlich der Katliode, die nach selbst so kurzen und 
schwachen Stromwirkungen bisweilen längere Zeit persistieren, 
sind als Belege der Tonusbeeinflussung allbekannt. Sie, wie 
die Ueberlegung, dass jede Muskelzusammenziehung, also auch 
die des konstanten und faradischen Stromes auf Tonus oder 
Zirkulation einwirken, ist das beste Antidot gegen die den 
Wert der Elektrotherapie in ebenso einseitiger, wie falscher 
Weise diskreditierende Suggestionstheorie. — 


tigen Gegenstand behandelte Dr. Sieb eit - Flinsberg. Der 
Berichterstatter, welcher schon früher eine Reihe von Arbeiten 
über die Beseitigung der Abwässer in Kurorten veröfi'entlicht 
hat, sprach „lieber neuere Systeme der biologischen 
Kläranlagen“. Nach einem historischen Ueberblick be¬ 
schäftigte er sich mit den automatischen Kläranlagen und 
schilderte besonders das Sprinklerverfahren, welches neuerdings 
im Vordergründe des Interesses steht. Dasselbe hat manchen 
Vorzug, ater auch viele Mängel. Einen wesentlichen Fort¬ 
schritt scheint ihm das neueste, vom Königl. Baurat H. Schmidt- 
Liegnitz angegebene Verfahren zu bedeuten. Derselbe hat die 
Beschickung des Oxydationskörpers von oben her aufgegeben, 
er führt vielmehr die Abwässer von der Seite zu, staut sie 
nicht an, sondern lässt sie mit sehr geringer Stromgeschwindig¬ 
keit durchfliessen. Der Beachtung wert erscheint auch eine 
Klärkesselanlage von Erich Merten-Berlin. Dieselbe ist nach 
Art eines mehrfachen Hebers ausgebildet, arbeitet ebenfalls 
selbsttätig und erfordert wenig Aufsicht. Sie wirkt allerdings 
mehr als Entschlammungsanlage und bringt die Schwimmstoffe 
mechanisch zur Ablagerung. Ein Hauptvorzug ist, dass sich 
üble Gerüche nicht entwickeln können, der Kessel also überall 
aufgestellt werden kann. Um eine einwandfreie Arbeit der 
biologischen und sonstigen Kläranlagen herbeizuführen, fordert 
Redner die Ueberwachung derselben, ähnlich wie Dampfkessel 


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42 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


Nr. U. 


des Kopfes bekämpfen. Die Frage, ob sie nicht lieber an die 
See gehen soll, venieint der Arzt entschieden und besteht auf 
einem Wildbad oder milden mittleren Höhenklima. Ehe er 
geht, ermahnter seine Klientin, weniger mitzumachen,— statt 
seichter Romane lieber erbauliche Werke*) zu lesen und Sprachen 
zu treiben, sich in irgend einer gemeinnützigen Richtung zu 
betätigen, nicht nur immer an sich zu denken. — 

Zum Abschied komprimiert er ihr herzhaft und anhaltend 
den Magen, indem er sie von hinten her umfasst. Ihr blasses 
Gesicht liat danach um einige Nüanzen mehr Farbe, die Stim¬ 
mung ist wieder gehoben. — 

Was lehrt uns dieses Beispiel ärztlicher Praxis im Ge¬ 
sichtswinkel unseres Themas? Unter anderem das: Deriva- 
torische Maßnahmen sind nur mit der grössten Vorsicht 
zu verwenden, ein Gebiet, auf dem namentlich die Laienpraxis, 
die Naturpfuscherei recht erheblich sündigt. Man denke sich 
ein blutarmes Geschöpf bei einer ausgesprochenen Disposition zur 
funktionellen Vasoneurose einer spastischen Migräne zur Zeit 
der Periode ihr bischen Blut nach den Füssen ableiten. Dass 
dabei nicht mehr dauernde und schwere Schädigungen des 
Zentralnervensystems eintreten, ist nur der wunderbaren kom- 
ensatorischen Tätigkeit des vasomotorischen Zentrums zu 
anken. — Wie sollen wir uns diese Tätigkeit z. B. im vor¬ 
stehenden Fall erklären? Wir wissen, dass jede, sei es un¬ 
willkürlich ablaufendo Organfunktion, sei es willkürliche Muskel- 
innervation, in gleicher Weise wie der thermische und mecha¬ 
nische Aussenreiz ihre vasomotorische Mitwirkung resp. 
Widerspiegelung und Reaktion findet, u. zw. im Rücken¬ 
markszentrum dieser Tätigkeit. Die Mittel, die dieser Zentrale 

*) Es ist zweifellos, dass, wie im Affekt die Erregung die 
Pulse schneller schlagen macht, Vasospasmen, Kälte^fühl, Muskel¬ 
zittern bedingen kann, andererseits kalm ieren de Eindrücke, die 
religiöse Andacht, der Waldfrieden, Selbstverleugnung und ähn¬ 
liches manchen Spannungszustand zu lösen und damit be¬ 
ruhigend, erwärmend zu wirken geeignet sind. Solches gehört 
• nicht nur in die Psychiatrie und ^elsorge, sollte vielmehr 
auch von der somatischen Therapie weit mehr gewürdigt 
werden. Das alte biblische Handauflegen bat neben dem psy¬ 
chischen einen direkt physikalischen Erklärungsgrund in der 
Entspannungswirkung auf den Gefässtonus, der bei psychischen 
Affekten nicht minder in Mitleidenschaft gezogen wird, als bei 
somatischen Funktionsstörungen. Hierher gehören auch die 
mächtigen Revolutionen, denen die Gefässmnervation durch 
die Experimente der Suggestion und Hypnose ausgesetzt 
ist und die geeignet erscheinen, ihren therapeutischen Wert 
wegen der vielfach schwer sich ausgleichenden Alterationen 
des Tonus in Frage zu stellen. — 


zu dem Zweck zur Verfügung stehen, sind die Vasokonstrik¬ 
toren, und wie man annimmt, deren Antagonisten, die Vaso¬ 
dilatatoren des Syrapathicus und anderer Gefässnervenäste. Da 
jeder Akt der Tätigkeit, beispielsweise ein Gedanke, die Funk¬ 
tion und Arbeit irgendwelcher Gebinirindenpartie, einer Sub¬ 
stratabnutzung und Ermüdung, dem Erholun^bedürfnis unter¬ 
liegt, muss eine momentan gesteigerte Blutzuiuhr in das gerade 
in Anspruch genommene Gebiet erfolgen. Das geschieht durch 
die neben der Innervation von den gerade betätigun^bedUrftigen, 
angeregten Zellkomplexen aus als eine Art Nebeideitung funk¬ 
tionierende Gefässinnervation, u. zw. behufs gesteigerter Blut- 
znfuhr in Form einer Anspannung und eines gesteigerten Blut¬ 
drucks, der unmittelbar von einer Entspannung, dem Zustand 
der funktioneilen Hyperaemie gefolgt ist, einem Zustand, 
der sich unter normalen Verhältnissen durch die feinen regu¬ 
latorischen Vorgänge eines feinstfühligen Vermittlungsver¬ 
fahrens allmählich von selbst zum gewöhnlichen Blntzufuhrs- 
modus resp. Gefassspannungsdurchschnitt rückbildet, oder bei 
Ueberanstrengungen und unter pathologischen Verhältnissen 
auch nicht, resp. nur unvollkommen rückbildeL Man muss 
dabei annehmen, dass das vasomotorische Zentrum eine Reihe 
ganz besonders komplizierter Vorkehrungen zur Selbststeue¬ 
rung der eigenen, so intensiven Tätigkeit, sowie der eigenen 
funktionellen Blutversorgung und Tonusregulierung besitzt. Es 
müssen hier ganz exceptionelle Verhältnisse obwalten, deren 
anatomische und biologische Enträtselung die geheimnisvollsten 
Dinge ans Licht zu bringen geeignet ist. Die Vielseitigkeit 
der Richtung, Reihenfolge und Ordnung dieser Angaben, 
welchen das vasomotorische Zentrum unablässig und oft neben¬ 
einander gleichzeitig zu dienen hat, erhellt aus der Mannig¬ 
faltigkeit der Ansprüche, die daran gestellt werden, und soll 
hier nur angedeutet sein, ebenso wie die Frage, ob das vaso- 
moterische Zentrum nur reflektorisch zu funktionieren im 
stände ist, ob es also nur eine Versorgungsanstalt für die zahl¬ 
losen Bedürfnisse des Organismus, eine Art Proviantverteilungs¬ 
amt darstellt. Mir scheint, dass es ausserdem in einem direkten, 
synergetischen Abhängigkeitsverhältn is der moto¬ 
rischen Zentren steht. 

Eine der bekanntesten funktionellen Hyperaemien ist die 
der Verdauung. Gewaltige Blutmassen füllen zu dieser Zeit 
strotzend das intestinale Gefässsystem. Dieser Plethora sucht 
man bekanntlich bei besonders dafür Disponierten dadurch 
entgegenzuwirken, dass man sich nach den Mahlzeiten Be¬ 
wegung macht. So wird für eine Art Derivation gesorgt, 
welche die Verdauung zwar nicht beschleunigt, aber der Blut¬ 
überfülle im Abdomen vorbeugt. Naturgemäß tritt dabei in 
der Peripherie, also der Haut und im Gehirn eine reciproke 
relative Blutleere ein, das Verdauungsfieber ist ebenso 


und sonstige Maschinenanlagen überwacht und von Zeit zu 
Zeit auf ihre Zuverlässigkeit geprüft werden. 

Endlich wurde noch die Frage der Kurortelaboratorien 
gestreift, indem Dr. phil. Wagner-Salzbrunn das chemische 
und bakteriologische Laboratorium seines Kurortes, dessen 
Vorsteher er ist, beschrieb. Der Vortrag schildert zunächst 
die aus Bureau, einem chemischen Laboratium und einem als 
bakteriologisches und Wägezimmer eingerichteten Raume be¬ 
stehenden Lokalitäten. Sodann gibt derselbe ein übersicht¬ 
liches Bild über das Arbeitsgebiet der Anstalt. Dazu gehören 
die Beaufsichtigung der Molkenanstalt und die tägliche Prüfung 
der gelieferten Milch, die Beobachtung der Mineralquellen und 
ihre analytische Kontrolle, die Beaufsichtigui^ der meteoro¬ 
logischen Station, die ständige, alle 14 Tage erfolgende 
Untersuchung des Leitungswassers. Ferner untersteht der An¬ 
stalt das Desinfektionswesen, die Zubereitung der Medikamente 
für das Inhalatorium und pneumatische Kabinet. Auch die 
Nahrungsmittelkontrolle, welche z. T. den ganzen Kreis Walden¬ 
burg (Milch) und einige benachbarte Kreise (Wein) umfasst, 
wird hier ausgeübt. Hierzu gesellt sich Untersuchung und 
Begutachtung von Brunnenanlagen, von Trink- und Abwasser, 
ebenso von Kesselspeisewasser. Schliesslich fällt dem Labora¬ 
torium die grosse Zahl der Harn- und Sputumuntersuchungen zu, 
die sich meist weit über die üblichen Daten hinaus erstrecken. 


Rechnungslegung und Vorstandswahl, aus welcher Bürger¬ 
meister Dengler-Reinerz und Sanitätsrat Adam-Flinsberg 
wiederum wie seit Jahren hervorgingen, bildeten den Beschluss 
der arbeitsreichen Tagung, welche seitens des Vorsitzenden 
mit den üblichen Dankesworten an die Teilnehmer geschlossen 
wurde. 


Kleine Mitteilungen. 

Lieber die Heilwirkungen einer neuen Schlammart. Von 

Dr. Hans Karfunkel in Niederfinow. („Medic. Klinik“ Nr, 53, 
1905). Es handelt sich um die therapeutische Verwendung eines 
Seeschlick, der den Grund des ehemaligen Sees von Ludwigs¬ 
hof i, P. bedeckt. Der Seeschlick (Handelsname „Panzerschlamm“) 
besteht aus 80—90% Wasser und über 3% Stickstoff in der 
Trockensubstanz und enthält vorwiegend Kieselpanzer von abge¬ 
storbenen Bazillariaceenformen und Bruchstücken von solchen. 
Verfasser hat diesen Seeschlick seit ca. drei Jahren bei etwa 
1500 Patienten angewandt und folgende Leiden mit Erfolg da¬ 
mit behandelt: Akute und chronische Neuralgieen, Lumbago, 
Ischias, akute und chronische Gelenkleiden, auch ganz veraltete 
Fälle, frische Wunden (mit Sublimatschlick, 1 gr auf ein Liter 
Schlick), Panaritien, Frostbeulen, Tendovaginitis, Ulcus cruris, 
Erysipel, Bi*andwunden, Hautkrankheiten wie akute und chronische 


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1906. 


BALNEOLOGISOHE CENTRÄLZEITÜN G 


iS 


bekannt, wie das alte: Plenas VMiter non stndet libenter. 
Hiermit hängt auch die alte Erfahrungsregel zusamm^, nach 
der Mahlzeit nicht zu baden, also keine weiteren Tonusschwan- 
kungen und BlutdRickvermindeningen der Peripherie und des 
Gehirns zu verursachen. 

Kehren wir nach diesem kleinen Excurs zu unserem zweiten 
Fall zurück, so sehen wir daran, wohin die künstliche Steige¬ 
rung der physiologischen Derivationsvorgänge fuhren kann. 
Ein an sich erblich labil veranlagtes Gefässnervensystem wird 
durch unzweckmäßige Maßnahmen in seinen Schwankungs¬ 
dimensionen weiter überreizt, in seinen erschwerten Ausgleichs¬ 
bestrebungen der Blutverteilung noch mehr gestört. So kann 
es zu dauernden Ernährungsstörungen kommen, aus dem funk¬ 
tioneilen wird ein organisches Nervenleiden, das Gehirn 
wird zu nachdrücklicheren Revulsivmaßregeln getrieben und 
sucht durch die Würgebewegungen des E^rechens den' nega¬ 
tiven Blutdruck zu reparieren, um vorübergehend durch diese 
Selbsthilfe zu erreichen, was die Inversion b^ei der Synkope an¬ 
strebt, — mechanisch wird beim Ohnmächtigen durch das Auf- 
den-Kopf-steilen*) das Blut den leeren Rindengefassen mittels der 
Schwerkraft zugeführt, der Blutdruck im Gehirn gesteigert. — 

Würden die törichten jungen Mädchen, die, um interessant 
blass zu erscheinen, da rote Backen „ordinär“ sind und gar 
Erröten sich nicht schickt, hungern, den Zimmerpflanzen gleich 
vegitieren und sonstige unmoralische, ja selbst unzüchtige Mittel 
anwenden, bei denen ihnen besser wäre, wenn sie die Scham¬ 
röte heiss aufwallen fühlen möchten, — die traurigen Folge- 
zustände ihrer Gesundheitsuntergrabung und Schädigung ihres 
Nachw'uchses an solchen Konsequenzen, wie sie Fall 2 schildert, 
bei Zeiten sehen können, oder wollen, sie brauchten keinen 
Arzt für ihr frühzeitiges Siechtum, keine Massage und Hydro¬ 
therapie, um ihr maltraitiertes, faules Blut in Bewegung zu 
bringen, keine Sommerfrische und Mastkur, um die vergeudeten 
Elemente und Lebenskräfte des Blutes zu erneuern, überhaupt 
keine künstlichen Ersatzmittel für das meist unwiederbringlich 
Verlorene. — Die oft irreparablen vasomotorischen Neurosen, 
an denen viele Onanisten leiden, sprechen vernehmlich genug 
für die hervorragende Beteiligung des Gefässnervensystems an 
den Funktionen des Geschlechtslebens, dessen Schädigungen 
zumal zur Zeit der Pubertätsentwicklung die Blutbildung und 
die um diese Zeit sehr regen evolutiven Vorgänge im Gefäss- 

•) Es wäre interessant zu erfahren, wie sich die Tonusver¬ 
hältnisse bei Kopfequilibristen und Tauchern z. B. verhalten. 
Dass die Leute gerade geistreicher werden, ist nicht anzunehmen. 
Jedenfalls muss man sicn wundem, dass hier nicht häufiger Gefäss- 
rupturen und ernste Zirkulationsstörungen mit deren Folgezu- 
stäoden eintreten. 


Ekzeme, Psoriasis, Herpes zoster, ClavL Ferner Gichtknoten, 
skrophuloae Geschwüre, Exsudate der weiblichen Genitaladnexe, 
Oedeme und andere Schwellungszustände. Die Indikationen decken 
sich zum Teil mit denen anderer Schlamme und der Moore, sind 
aber weitgehender. Als grundlegenden Unterschied nennt Verf. 
die besondere Eigenschaft des Panzerschlamms, in beliebiger selbst 
kalter Temperatur volle Wirksamkeit zu entfalten, doch will er 
für chronische Leiden die wärmere Anwendung vorgezogen wissen. 
Als Ureaohen für die Heilwirkungen werden angeführt das geringe 
Wänneleitungsvermögen, wodurch die Körperteile unter gleich¬ 
mäßiger Temperatur gehalten werden, der intensive, von den 
Kieselpanzern der Diatomeen ausgehende Hautreiz (Beeinflussung 
der Hautzirkulation), das Fehlen von Nebenwirkungen. Die Be¬ 
handlung besteht in lokalen Packungen. Dem Schlick können 
nach Belieben Medikamente hinzugefUgt werden, wie Jodtinktur, 
Salizylsäure, Sublimat, essigsaure Tonerde, doch wird er vorzugs¬ 
weise im Rohzustände verwendet, ist unbegrenzt haltbar und 
geruchlos. Speziflsche Wirkung schreibt. K. dem Panzerschlamm 
zu bei Erysipel und Brandwunden, sowie bezüglich der Auf¬ 
saugung von Elzsndaten in Gelenken. Einige Krankengeschichten 
sind der Abhandlung beigefugt. Verfasser hat für die Behand¬ 
lung mit diesen Schlamm in Berlin ein Institut begründet (Intern. 
Mineralquellen Ztg.) 


System und deren Zentrale dauernd in Mitleidenschaft zu ziehen 
geeignet sind. — Viele Hysterieen, puerperale Psychosen, 
Unterleibsleiden mancher Art, sie alle gehören in das Kapitel 
der leichtfertig überreizten Funktionen der wichtigsten Organe 
und Lebenszentren, die niemand ungestraft missbraucht und 
die von der sachgemässesten tonisierenden Therapie meist 
auch keine völlige restitutio ad integrum zu erwarten haben. — 

Auch das Bild des Falles 2 enthält einige belebende Neben¬ 
figuren. — Es gehört zu den alltäglichen Erfahrungen, dass man 
öuers beim Barfussgehen auf kaltem Boden niesen muss, dass 
einen nach dem Urinlasaen ein kurzer Schauer oder Schüttelfrost 
überläuft, dass man ferner auf dem Wasser und auch beim 
Schaukeln an Land seekrank wird. All diese Erscheinungen ge¬ 
hören in das Kapitel der gestörten Blutverteüung und der ab- 
nonnen Tonusschwankungen, welche die Natur durch ihre 
Blutdruckregulierungshilfsmittel: Niesen, Schüttelfrost und Er¬ 
brechen auszugleichen bemüht ist, — Ursache und Wirkung 
liegen dabei kbu- auf der Hand. Was indess bei diesem Fall 
nocheinigerWorte der näheren Betrachtung wert ist, sind nament¬ 
lich 2 Punkte: 

Einmal fragt man sich mit Recht: Warum greift der Orga¬ 
nismus das eine Mal zum Niesen, das andere Msd zum Schüttel¬ 
frost und dann wieder zum Erbrechen? 

Zweitens: Was hat das Höhenklima mit dem Tonus zu 
tun und wie ist sein therapeutischer Effekt, sein oft so wohl¬ 
tätiger Einfluss zu erklären? 

Die erste Frage ist leicht zu beantworten: Wo geringe 
Wärmeverluste stattfinden, braucht der Körper keine Gewalt- 
maßregelii. Blin paar kräftigere, reflektorisch durchs Niesen und 
einen kurzen Schauer provozierter Blutwellen ersetzen den ge¬ 
ringen Verlust und expandieren die territorial minimal und 
vorübergehend kontrahierten peripheren Gefässe, die zudem für 
längere Blutstockungen nicht sonderlich empfindlich, ja daran 
ewöhnt sind. Anders steht es um die Tonusverhältnisse und 
as Bedürfnis eines mehr stabilen Blutdruckes im Gehirn. 
Periphere Vasokonstriktion macht hier gesteigerten Aiflux, ein 
Wärmeverlust der Hautdecke wird also für das Zentralnerven¬ 
system selbst weniger direkter Ausgleichsmaßnabmen bedürfen. 

(Fortsotzuog folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

A. Mari6nbad. Zur Ehrung der Manen des Historiker und 
Balneologen Dr. Adalbert Danzer, welcher sich um die Geschichte 
unserer Kurstadt unvergängliche Verdienste erworben hat, haben 
Freunde und Verehrer des Verewigten eine Aktion eingeleitet, 
damit ihm in seinem Sterbehause im „König von Bayern“ eine 
Gedenktafel errichtet werde. 

X Chariottanbrunn. Der Besuch des Kurortes Charlotten- 
brunn war im Jahre 1905 ein ganz besonders erfreulicher. Die 
Zahl der Kurgäste betrug 1063 (806) Familien mit 2076 (1581) 
Personen, diejenige der Vergnügungsreisenden 1181 (994) Fami¬ 
lien mit 1517 (1489) Personen, die GesamtbesudierztJd denmach 
2244 (1800) Familien mit 3593 (3070) Personen. (Gegen das 
Vorjahr mehr 444 Familien mit 523 Personen.) Der Brunnen¬ 
verbrauch war bedeutend und betrag allein aus 384 Brunnen- 
scheinen ca. 47 000 Flaschen. Der Versand umfasste 8645 Fla¬ 
schen, oder 869 Flaschen mehr als im Voijahre. An Bädern 
wurden 6563 verabreicht, 736 mehr als im Vorjahre und 2270 
mehr als 1903. Dieselben verteilen sich auf 224 Mineralbäder, 
178 Fangobehandlungen und Moorbäder, 1866 Süsswasserbäder, 
89 Solebäder, 58 Dampfkastenbäder, 2355 Fichtennadelbäder, 
1365 Kohlensäurebäder, 102 Duschen- imd Wasserbehandlungen, 
259 elektrische Vierzellenbäder, 57 elektrische Lichtbäder und 
Bestrahlungen. Die Bäderanlagen wurden durch AufsteUong eines 
zweiten elektrischen Vierzellenbades und eines elektrischen Be¬ 
strahlungsapparates erweitert. Das Inhalatorium wurde durch 
einen Anbau erweitert und die Zahl der Stände auf 7 erhöht, 
ebenso ein «besonderes Wartezimmer geschaffen und zeitgemäß 
ausgestattet. — Für den Verkehr mit Bahnhof Charlottenbrunn 
wurde seitens des Bades ein neuer Omnibus beschafft und der 


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44 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 11. 


bisber mangelhafte Zufahrtsweg neu chaussiert. Pür den Bahn- 
hof Tannhausen-Charlottenbnmn wurde noch ün Spätherbst ein 
bequemer Fussgängerweg geschaffen, der die Entfernung ganz be¬ 
deutend abkürzt. 

# Davos. Die Besuchsziffer in der ersten Februarwoche 
dürfte wohl die kühnsten Erwartungen, die je in Davos gehegt 
worden sind, weit übersteigen. 4041 gleichzeitig anwesende Gäste 
hatte die Woche zu verzeichnen, etwa 750 Besucher mehr als im 
Vorjahre, wobei fast sämtliche hier vertretene Nationalitäten einen 
Zuwachs aufweisen. In erster Linie die. deutsche Frequenz, die 
mit der imposanten Zahl von 1515 Besuchern um mehr als 300 
Gäste die des Vorjahres übersteigt, sodann aber sind auch die 
Schweiz, Frankreich, Russland, Belgien mit einem starken Plus 
vertreten; selbst die englische Besuchszififer, die zu Beginn der 
Saison einen kleinen Rückgang verzeichnete, ist gegenüber dem 
vorigen Winter zur Zeit wesentlich im Vorsprung. 

X EiSOnach. Das „Eurbad Eisenach“, das jüngste deutsche 
Kurbad, soll im Juni dieses Jahres eröffnet werden. Der vier¬ 
zehntägige Fumpversnch aus der Grossherzogin Karoline-Quelle in 
Wilhelmglücksbrunn zeitigte eine tägliche Minimalfbrderung von 
500 Kubikmeter Wasser. 

X KiOSinQOn. Die diesjährige Badesaison wird bereits am 
Ostermontag, 15. April, offiziell eröffnet. Von da bis 1. Mai ist 
die Kurmusik, d. h. das Morgen- und Abendkonzert, der Kapelle 
des 9. Infanterieregiments in Würzburg übertragen. Vom 1. Mai 
ab konzertiert die Kapelle des Wiener Orchester-Vereins. Vom 
15. April ab können Trink- und Badekur begonnen werden. Die 
Leses^e sind geöffnet. Das Theater begiimt am 1. Mai. Das 
Kurhaus und einige Hotels öffnen am 15. April. 

X Lauchstädt. Wie im Landtage der Provinz Sachsen der 
Oberpräsident mitteilte, schweben Verhandlungen zwischen der 
Königl. Staatsregierung und der Provinzial-Verwaltung wegen un¬ 
entgeltlicher Ueberlassung des Bades Lauchstädt an den.Provin- 
zial-Verband zu Eigentumsrechten. Der Provinzial-Ausschuss hat 
die zur Wiederherstellung der Gebäude erforderlichen Kosten in 
den Etat aufgenommen. 

X Oeynhausen. Da das bisherige Kurhaus den Anforde¬ 
rungen an ein modernes und so stark besuchtes Bad wie Oeyn¬ 
hausen nicht mehr genügte, wurde im vorigen Herbste mit dem 
Bau eines neuen Kurhauses begonnen. Dasselbe wird in den 


südlichen, hochgelegenen Teil des Kurparkes mit einem Kosten¬ 
aufwands von 1 200 000 M. erbaut. Es wird einen grossen Kur¬ 
saal, Wintergarten, Lesesaal, Rauchsalon, Spielsaal, Speisesaal usw. 
enthalten. An die nördliche Front wird sich eine grosse verdeckte 
Halle mit zwei Seitenflügeln anschliessen, mit einem 2^/| Morgen 
grossen Konzertplatz davor. Um von diesem und den Hallen aus 
einen freien Blick zu gewinnen, ist durch Entfernung der An¬ 
pflanzungen ein freier Raum von ca. 80 m Breite tmd 350 m 
Länge geschaffen worden, der mit gärtnerischen Anlagen und 
einem 1200 qm grossen Teich versehen wird. In dem Terrain 
zwischen Sielkanal und Werre, 200 Morgen umfassend, ist mit 
der Anlage eines neuen Parks begonnen worden, der sich von 
dem Turbinenhaus bis zum Nadelwehr bei dem benachbarten 
Werste erstrecken wird. Auch dieser Park erhält einen 4^/i Morgen 
grossen Teich, der im Winter als Schlittschuhbahn dienen soll. 


Literatur. 

F. Diebold, Baden (Aargau). Das Thermalwassor an 
Baden (Aargan). Aargau 1905. 

Auf der Fahrt von Zürich nach Genf führt der Zug den 
südlich sich wendenden Reisenden auch an dem niedlichen und 
sauberen Baden bei Zürich vorbei; man braucht diesen schmucken 
Ort bloss einmal gesehen zu haben, um sich ihn ein für alle Mal 
einzuprägen. Schliesslich sollte man nicht an ihm vorbeifahren, 
denn so manche Reisende, die nach dem Süden sich sehnen, vor 
allem die chronischen Bronchitiker und Laryngitiker, sind in Baden 
wohl aufgehoben und in strenger, bedachtsamer Kur; dazu kommt 
der Vorteil, dass Baden das ganze Jahr hindurch offen ist. 

Das Badener Thermalwasser (46,9 Grad) zeichnet sich nicht 
bloss durch seine hohen Wärmegrade, sondern auch durch seine 
vielseitigen hervortretenden Bestandteile aus. 

Hinsichtlich seines Lithium- und Brom-Gehaltes nimmt Baden 
den ersten Rang ein. 

Hinsichtlioh des Natrium-Gehaltes nimmt Baden eine mittlere 
Stelle ein. Daneben enthält Baden auch viel Calcium, Brom und 
Schwefel. Das Wasser kann somit ebenso gut zu den Kochsalz¬ 
wassern gerechnet werden, wie zu den erdigen Quellen oder zu 
den Schwefelwassern. 

Neuerdings ist auch nachgewiesen worden, dass das Badener 
Wasser verhältnismäßig viel Radium enthält. Dr. A. Rahn. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Balneologleohen Zentralzeitung.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

miuimnm 

Mittleres 

Temperatur- 

mazimum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

schein¬ 

tage 

1 Wieviel 
Tage 
bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

25./2.-3./3 

6 C. 

9,7 0. 

1 759 

4 

3 

_ 

4 

_ 


Badenweiler. 



— 

' _ 


— 

— 

— 



Driburg. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Ems. 


1,6 C. 

7,6 C. 

750,3 

7 

3 

4 

3,2 

— 


Giesshübl-Sauerbrunn . , 


— 0,2 C. 

3,6 C. 

_ 

6 

1 

— 

5 

— 


Franzensbad. 


— 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 

— 


Herrenalb. 


— 1 C. 

5 C. 

721 

6 

IV» ' 

5V, 

3—4 

— 

2 Tage Schnee 

Kreuznach ..... 


— 

— 

- : 

— 



— 

— 


Langenschwalbach , . . 


— 

— 

- ' 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 


— 0,2 C. 

6 C. 

747,6 

5 

— 

— 

2,5 

— 

2 Tage Schnee 

Nauheim. 


— 0,8 C. 

6,9 C. 

745,4 

4 

1 

6 

1—5 

— 


Nenndorf. 


2V, C. 

41/, C. 

751,5 

6 


7 

— 

— 

1 Nacht Sturm 

Norderney. 




— 

— 

— 

— 

— 

— 

und Siffmee 

Orb.. 


— 

— 

_ 

— 

_ 

— 

_ 

_ 


Reichenhall . , , . • . 


— 


_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ ' 


Reinerz. 


— 

_ 

_ 

_ 

_ 

— 

_ 

_ 


Stehen. 

n 

— 1,8 C. 

-h 2,0 C. 

710,5 

1 

3 

4 

3—4 

— 

3 Tage Schnee 


Venmtwortlieher R«dAkteur: Dr. P. MeUiocr, Berlia. — V«rl«( von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dniok vos HopBoaaaa'oelio Bncbdniekaroi, Gobr. WolU; Hallo a. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 12. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V."; 

Verlag: Carl Marhold in Halte a. $., Ubiandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 2834 

1 Redakteur: 

Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

Dr. Stehr, Godesberg. 

Dr. Stehr. Godesberg. 



Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Beeioflussong des GefKsstonns und der Blutstromgescbwindigkoit durch 
thermUcoe und inecbanische Reize. Von Dr. von Niosson-Wiesbaden. 
(Fortsetzung). 

Fenuletott : Haben Scbiffssanatorien eine Zukunft? Von Dr. Eddy Schacht« 
Todtmoos. 

Beeinflassung des 

Gefässtonus und der Blutstromgescliwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von Niessen-Wiesbaden. 

(Fortsetzung) 

Um so mehr werden dagegen ableitende Vorgänge intensiverer 
Art, unter Umständen sogar partielle periphere Wärmesteige¬ 
rungen zentral empfunden. Erreicht der cerebrale Gefässtonus 
dann ein gewisses Minimum und sinkt der Blutdruck der Hirn¬ 
rinde unter bestimmte Werte, die im Vergleich zu den übrigen 
Organen naturgemäß weit weniger extreme Schwankungen ver¬ 
tragen, so hilft sich das vasomotorische Zentrum, wie erwähnt, 
indirekt durch drucksteigemde Momente: Würgen, Bewegungs- 
drai^ und Krämpfe, die ärztliche Kunst durch tonisierende und 
die Zirkulation excitierende Mittel, wie physikalische Prozedureu, 
Alkohol,*) Kaffee u. dgl. — 

•) Nichts vermag ausser dem Fieber mehr den Blutstrom zu 
beschleunigen, als der Alkohol im excitierenden Anfangsstadium 
seiner Wirkung, nichts allerdings auch mehr die Elastizität 
des Gefässtonus zu beeinträchtigen, zu schädigen und zu 
lähmen, als dasselbe Gift in seinem paralysierenden Einfluss 


Aus <lcu Kiidoru und Kurorten. 
Literatur. 

Porsoiialieii. 

.tleteorologisrhe Statistik. 


Das Erbrechen der Graviden und beim Hirndruck (Tumoren, 
Chloroformnarkose, Alkoholvergiftung etc.) ist auf die gleiche 
Ursache zurückzuführen, ira ersten Fall direkt auf ein Tonus¬ 
minus durch derivatorische Inanition, beim Hirndruck teils 
direkt als Blutdruckausgleichsmittel für die von der Kompres¬ 
sion genügender Blutzufuhr entzogeuen Gebiete, teils indirekt 
auf die infolge der collateralen Stase einer ungenügenden Blut- 
emeuerung ausgesetzten Bezirke. In beiden Fällen bringt die 
Würgebewegung einen, wenn auch mir passager erhöhten Blut- 
bewegiingsimpuls und Blutverteilungsausgleich in die stockende 
Zirkulation, ähnlich wie bei den cerebralen Blutdruckschwank¬ 
auf die Vasomotoren, und darin liegt die cumulative Gefahr 
des Alkohols für den Trinker. Tüchtige Excesse im Alkohol- 

f enuss brauchen meist 24 Stunden für die Herstellung des 
onusgleichgewichts bei Nichtalkoholikem. Beim Gewohn¬ 
heitstrinker liegen die Verhältnisse komplizierter. Der Alkohol 

f ehürt als thermisches Reizmoraent gewiss in das Bereich des 
hemas, kann hier aber unmöglich auch nur annähernd im 
vollen Umfang seiner Wirkungssphäre auf Tonus und Blut¬ 
druck besprochen werden. Als physiologisches Produkt des 
Kohlehydratstoffw’echsels hat er sicher seine Bedeutung, als 
gelegentlicher „Sorgenbrecher“ für den Kulturmenschen sogar 
einen gewissen kurativen Wert, es erscheint daher ebenso un¬ 
möglich wie unberechtigt, ihn dem Organismus völlig entziehen 
resp. versagen zu wollen. — 


Feuilleton. 


Haben Schiffssanatorien eine ZnknnftV 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. Deutschen 
Bäderverbandes zu Ems am 5. Oktober 1905. 

Von Dr. Bddy Schacht-Todtmoos. 

Die medicinische Wissenschaft bat ira Verein mit der 
Chemie und Industrie in den letzten Jahrzehnten die leidende 
Menschheit mit einer solchen Fülle von neuen Heilmitteln, 
Heilapparaten und Heilinstituten beschenkt, dass oft genug der 
Arzt m Verlegenheit kommen mag, wo er seine therapeutischen 
Hebel ansetzen soll, namentlich, wenn es sich um solche seiner 
Kranken handelt, deuen nun einmal mit den besten Drogen 
und Patentmedicinen nicht beizukommen ist. Willkommen ist 
so gewiss manchem in der Not der reaktionäre Ruf: Zurück 
zu den natürlichen Heilmitteln, zurück zur Natur, zur Sonne, 
zum Wasser, zur Luft und zum Licht. — Die Periode der 
klimatischen und physikalischen Kuren setzt ein. Der Haupt¬ 
sache nach für ochwindsüchtige und Nervenkranke. Aber 
neue Schwierigkeiten erheben sich. Der eine will den Lungen¬ 
kranken aufs Meer, der^ andere ins Hochtal schicken. * Dieser 
sieht das Heil für den Neurastheniker im Höhenklima, und 
jener beweist uns, dass nur die Seeluft ihn retten könne. Das 
Merkwürdige ist nun, dass beide Recht haben, beide Erfolge 


aufweisen können. Und das ist nicht widersinnig, denn wir 
wissen, dass bei der günstigen oder ungünstigen Wirkung eines 
Klimas nicht nur die bestimmte Erkrankungsart, sondern vor¬ 
nehmlich die individuelle Veranlagung des Trägers dieser Er¬ 
krankung in Betracht kommt. Ich darf Sie an die vortrefflichen 
Ausführungen von Michaelis erinnern, die wir auf der vor¬ 
jährigen Versammlung gehört haben. 

Zu erforschen, wie ein Klima und seine Komponenten auf 
das Individuum in seinen gesunden und kranken Tagen ein- 
wiikt, nicht wie es die einzelnen Krankheitsgruppen beeinflusst, 
wird die wichtigere Aufgabe der Klimatotherapie sein. 

Bisher sind in dieser Hinsicht trotz eifriger und fleissiger 
Versuche die Ergebnisse recht geringe. Denken Sie an die 
Untersuchungen über die Vermehrung der roten Blutkörperchen 
und des Hämoglobingehalls, die Kontrolle des Gaswechsels 
in den Bergen und die Stoffwechselversuche an der See und 
in der Höhe. Immer ist das Resultat individuell verschieden. 
Da heisst es sich vorläufig mit den empirischen Ergebnissen 
begnügen — und die sind ja ermunternd genug. — 

Wenn wir von dem Wüsten- und Polarklima absehen, so 
sind die beiden Klimaarten, die wir vornehmlich therapeutisch 
verwerten, das Höhen- und das Seeklima mit ihren Modi¬ 
fikationen. 

Hat man nun schon seit geraumer Zeit in den Gebirgen 
Plätze geschaffen oder vorhandene ausgebaut, wo Kranke nicht 
nur eine Klimakur durchmachen können —, sondern wo ihnen 
I auch alle jene therapeutischen Hilfsmittel zu Gebote stehen, 
I die nach dem Stand der modernen wissenschaftlichen Anschau- 


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46 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


Nr. 12. 


ungen bei der Seekrankheit, der auch mechanisch bedingte 
Blntverteilungsstörungen zu gründe liegen. — Manche Formen 
von Zwangsbewegungen, als Potenzierungen des Sichschüttelns 
und Heriimspringeus, der schnellere Gangart beim Frieren, 
ferner das stets unbefriedigte, rastlose Haschen nach neuen 
Eindrücken und Reizmomenten der „hungernden Seelen“ 
gehört mit in dies Kapitel, ebenso manches psychopathische 
S^Tnptom bei anämischen Zuständen, bei Onanie, puerperalen 
Psychosen etc. — Es kann schliesslich nur vorübergehend 
auf die durch corticale Vasospasmen reflektorisch ausgo- 
lösten Krämpfe, Epilepsieen, hysterischen Kontrakturen und 
Konvulsionen hingewiesen werden, die eine in Unordnung 
geratene Blutzufuhr in expansiver, aber oft unzweckmäßiger 
resp. ungenügender Weise korrigieren sollen, denn natur¬ 
gemäß fmgt der hochgradig angespannten Muskelarbeit eine 
periphere funktionelle Hyperaemie, die unter Umständen — 
ein Circulus vitiosus des hier dann verhängnisvollen Tonus- 
wechsels — erneuten Anlass für zentrale V^ospasmen geben 
kann. 

Das Frösteln und Ueberrieseln beim Urinlassen und beim 
Frieren ist das physiologische Pendant zum Fieberschüttelfrost. 
In jedem Falle liegt ein Vasospasmus zu Grande, der in jenen 
ersten Beispielen durch den Wärmeverlust direkt bedingt ist, 
im letzteren als ein diesem adaequater, ich möchte sagen em- 
irischer Reiz des vasomotorischen Zentrums aufzufassen ist, 
enn hier wie dort folgt dem Schüttelfrost des Tonusplus 
kräftigere Herzaktion, erhöhter Roibungscoefficient, Wärmeauf- 
^eicherung. begleitet von hier mehr, dort weniger empfundener 
Entspannung des Tonus und peripherer, dort regionärer, hier 
universaler Hyperaemie, erhöhter Pulsfrequenz und unter Um¬ 
ständen Sch Weisssekretion, Temperaturausgleich, Fieberabfall. 
Unfraglich gehen mit V 2 Liter blntwarmem Urin dem Körper 
eine grosse Anzahl Calorieen verloren, ebenso bei der Defä- 
cation. Das gleiche tritt in noch erhöhterem Maße beim Ab¬ 
lass grosser Mengen von Punktionsflüssigkelten ein und der 
reflektorische Einfluss auf die Vasomotoren und ihr Zentrum 
scheint mir für die hierbei leicht vorkommenden Collapse nicht 
unterschätzt werden zu dürfen, was einem jeden erfahrenen 
Kliniker geläufig ist. — 

Im Grunde genommen suchen ja auch die Antifebrilia 
nichts anderes zu erreichen, als den Vasospasmus zu lösen, 
resp. die Vasoparese zu überreizen, den erschlafften Tonus zur 
Norm zurUckzuführen und der durch Reibung resp. Stase ver- 
ursacliten Wärmehäufung resp. dem Wärmeverlust, entgegen 

ung die Hauptkur in loco weseotlich unterstützen sollen, so 
sucht man jetzt den Gedanken zu verwirklichen, in gleicher 
und ebenso vollkommener Weise die Heilagentien des See¬ 
klimas Kranken zugänglich zu machen und zwar durch Er¬ 
bauung von schwimmenden Sanatorien — Schiffssanatorien — 
Sanatorien auf See. Da diese Angelegenheit eine actuelle ist, 
möge es mir vergönnt sein, vor Ihnen kurz die Frage zu er¬ 
örtern: „Haben Schiffssanatorien eine Zukunft?“ 

Der Gedanke, sich die Heilkraft des Meeres, losgelöst von 
allen tellurischen Einflüssen, auf einem besonders eingerichteten 
Fahrzeuge oder einem solchen der grösseren Schiffslinien zu 
Nutze zu machen, ist bereits älteren Datums. 

Schon 1872 finden wir ihn angeregt durch Biermann in 
seiner Schrift: Ueber sanatorische Seereisen. 1873 schreibt 
Thomas Peacock „Ueber den günstigen Einfluss von Seereisen 
auf einige Krankheiten.“ 1875 empfiehlt Faber in Stuttgart 
längere Schiffsreisen. 

Valentinor und Ruidsay-Belfast (1890 und 91) preisen 
den Nutzen der Seereisen aus Gesundheitsrücksichten. 1892 
regt Baiser, wohl als erster, den Gedanken an, ein „Sana¬ 
torium auf See“ zu erbauen. x\uch Sir Hermann Weber 
wünscht besondere „therapeutische Schiffe“, E. Sobotta 
„schwimmende Sanatorien.“ In fester Gestalt legen 1903 
Michael und Maurer ihre detaillierten Pläne für ein Kur- 
schiff für Lungenkranke (ein Sanatorium auf hoher See) niede?*, 
und im Beginn dieses Jahres hat die Hamburg-Amerika Linie 
ihren Prospekt über die Kurfahrten auf dem üceansauatorium 


zu wirken. Des Fiebers Zweck ist ja, wenn man so sagen 
darf, W’ärmehäufung- und Stoffwechselsteigerung. Nun, wie 
diese Vorgänge durch den Tonuswechsel belebt und ge¬ 
hemmt werden, haben wir vorhin ausgeführt und möchte ich 
nicht unterlassen, auf die gerade beim Fieber so hoch poten¬ 
zierten Vorgänge des Blutzellenverbrauchs und -Ersatzes auf¬ 
merksam zu machen, der unter dem Gesichtswinkel meiner 
Beobachtungen der diglobulativ und conglobulativ-plasmatischen, 
regenerativen Vermehrung der Blutzellen für die Wärmeöko¬ 
nomie und den Stoffumsatz nicht nur, sondern auch für die 
Imraunitätslehre manche aufklärenden Momente enthält. 
Ein grosser Teil der Fieberwärme ist ja natürlich auf den 
durch die Toxine und Ptomaine gestörten Chemismus, die 
erhöhte Oxydation des gesteigerten Zellzerfalls der ßacterien- 
und Blutkörper zuriickzufüliren und diese Vo^äiige sind es 
vornehmlich sogar, die bei länger anhaltenden Fieberprozessen 
den Tonus lähmen und den für den Stoffwechsel so unerläss¬ 
lichen regulären Tonuswechsel ausser Kurs setzen. In 
diesen Fällen, z. B bei • dem Typhus, tritt die wunderbare, den 
Tonus neu belebende Kraft des kalten Wassers in seine Rechte 
und hilft dem infizierten Organismus die Spannkraft seiner 
Gefässe und ihr Elastizitäts.spiel neu in Aktion treten zu lassen, 
wie er sie beim ersten Angriff selbst angewendet hatte, bevor 
ihre übermüdete Funktion versagte. 

Eine jede Infektionskrankheit verdiente von dem Gesichts¬ 
punkte der thermischen Reize, wie sie aus ihr selbst ge¬ 
boren werden und therapeutisch zu den physiologisch und 
meteorologisch gegebenen in Corrolation treten, eingehend stu¬ 
diert zu werden. Dazu gehören indess klinische Spezialstudien 
an umfangreichem Material. — 

Die zweite Frage: Was hat das Höhenklima mit dem 
Tonus zu tun und wie ist sein wohltätiger resp. nachteiliger 
Einfluss darauf zu erklären, gehört vorwiegend in das 
Kapitel der mechanischen Reize, wmhrend die erste Frage 
sich vorwiegend mit den thermischen befasste. 

Die Wirkung des Höhenklimas, wie des Klimas an sich, 
ist insofern zu einem grossen Teil eine mechanische, als 
der Luft- resp. Barometerdruck und die Luftströmung 
direkt mehr weniger belastend auf die Körperoberfläche und 
auf ihre besonders fein reagierenden Gefässwandungen ein¬ 
wirken. 

Der Gefässtonus eines stürmischen maritimen Klimas der 
Ebene ist ein gänzlich anderer, als der eines geschützten 
Höhenklimas im Gebirgswalde. Hier ist der Luftdruck ein jäli 

hinausgeschickt, dessen ärztliche Leitung Prof. Schweninger 
übernehmen sollte. 

Wenn es bisher bei dem Prospekt geblieben, so hegt der 
Grund dafür nicht darin, dass dem schwimmenden Sanatorium 
eine innere Existenzberechtigung abzusprechen wäre, sondern 
dass die materielle Basis für die glückliche Durchführung eines 
solchen grossen Unternehmens zur Zeit nicht gesichert scheint, 
d. h. die Rentabilität in Frage gestellt ist. Ich darf vielleicht 
diesen Gesichtspunkt, wenn ich auch ein wenig abschweife, 
einmal verallgemeinern. Sehr häufig hört man Klagen, dass die¬ 
ses oder jenes Heilmittel zu wenig geschätzt sei, dass dieser 
oder jener Kurort mit seinen hochwertigen Quellen noch g^- 
nicht gouügend bekannt sei, diese und jene klimatische Station 
trotz ihrer wunderbaren Erfolge nicht hinlänglich gewürdigt 
würde. Angebot und Nachfrage stehen in klaffendem Gegensatz. 

Aber ni. H. vergessen wir nicht, dass auch die Gesundheit 
so oft ein materielles Aequivalent hat, dass sie in Geldeswert 
umzusetzen ist. Zum Glück ist sie ja in unseren Tagen billiger 
geworden. 

Wenn jetzt z. B. alljährlich hunderttausende sich neue 
Spannkraft, neuen Lebensmut, ja die Gesundheit aus unseren 
Seebädern holen, «o ist das die Folge des gehobenen Volks¬ 
wohlstandes, der verbesserten Verkehrsmittel, der Verbillignpg 
des Lebensunterhaltes und der Herabsetzung der Werte mi 
allgemeinen, nicht aber der besser erkannten und durch die 
Wissenschaft begründeten Vorteile <‘ines Seeaufenthaltes. 

Wenn wir in Lindemann’s Buche über Helgoland hinten 
die geschichtliche Tabelle durchmustem, so sehen wir, wie der 


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im. 


BALNEOLOGISCHE CBNTRALZBITUNG 


47 


wechselnder, relativ hoher, dort ein beständigerer, relativ 
niedriger. 

Gastein hat z. B. einen mittleren Barometerstand von 
678, demgemäß ist hier der mittlere Caliberstand der Blutge¬ 
fässe natürlich ein verhältnismäßig weiter entlasteter. Ein 
Gegenstück dazu wäre Helgoland. — 

Von diesen Gesichtspunkten geleitet wird es dem Arzt 
leichter sein, die oft nicht so einfache Frage zu entscheiden, 
ob einem Kranken ein Aufenthalt im Wildbad, z. B. in dem 
herrlichen Schlangenbad, oder an und auf der See dien¬ 
licher ist. Unter Umständen wirkt sogar eins das andere er¬ 
gänzend. So wäre Helgoland nach Schlangenbad eine Stei¬ 
gerung und io vielen Fällen sehr vorteilhalt. Nach systema¬ 
tisch im Wildbad mittels gelinder Reize gokräftigtem Vasotonus 
gäbe das Seebad eine energischere Uebung desselben, eine Vaso- 
motion, denn auch im Seebad entspricht die Reaktion auf 
den starken Tonusreiz dem resütutiven Stadium, das im Wild¬ 
bad prävaliert. Freilich ist es ein entsprechend kürzeres, allein 
die Ansprüche des heutigen Kulturlebens an den Tonus- 
vgechsel sind oft grellere als im Seebad und in einer Kalt¬ 
wasserheilanstalt. Auf die Ausspannung folgt wieder Anspan¬ 
nung und die Aufgabe dieser künstlich regulierten Uebung ist 
die Gewöhnung an gesteigerte Ansprüche, nach dem Ausgleich 
der Bilanzstörung die Ansammlung eines Reservefonds an Spann¬ 
kraft. Dann ist der endogene, reaktive Tonuswechsel 
dem ektogenen, irritativen wieder gewachsen, bis er 
früher oder später erneut versagt, anfangs zeitweilig und repa¬ 
rabel, schliesslich dauernd, erlöschend, falls nicht entsprechend 
vorgebeugt wird. — 

Bekannt ist, dass die Zahl der roten Blutkörperchen im 
Gebirge zunimmt. Wie ist das zu erklären? 

Ich habe vorhin wiederholt meine Beobachtungen über 
regenerative Vermehrung der Eiythrocyten, ihren Konsum und 
ihre Restitution angeführt und dabei ausgeführt, dass Tonns¬ 
plus und hoher Blutdruck die Erythrocyten in gleicherweise 
wie Temperatur-Schwankungen, die ihre Kontraktion bedingen, 
zur Ruptur bringen, zerquetschen können und dass ihre con- 
globulativ-zellige Regeneration zur Zeit des Tonusminus 
und des geringeren Blutdrucks vor sich geht. 

Beispiele lehren am besten. Um zu den vorhin genannten 
2 weitere hierher gehörige anzuführen, resp. dieselben mehr 
von der klimatischen Seite zu beleuchten, so würde ein 
Mensch während eines Seebades an einem rauhen, stürmischen 
Tage bei hohem Wellenschlag dem Fall entsprechen, wo bei 


maximal gesteigertem peripherem Tonus und Blutdruck durch 
Kälte, Wasserbewegnng, Wind und Motion die relativ grösste 
Menge von Erythrocyten zermalmt wird. 

Das Gegenstück wäre jemand, der nach einem warmen 
Wildbad in der Mittagssonne*) bei völliger Windstille auf seiner 
Terrasse liegend, im behaglichen Gefühl der Wärme, Entspan¬ 
nung und Leichtigkeit den numerischen Bestand seiner Ery¬ 
throcyten, ohne viel eigenes Zutun und ohne die kräftigen 
Revulsiva jenes Seebades zu nehmen, macht. — 

*) Dass Licht- und Sonnenbäder in natura und in Form ihrer 
modernen Surrogate neben dem thermischen auch einen mecha¬ 
nischen , wenn auch noch nicht zu bestimmenden Reiz auf 
Integument und Gefässtonus ausüben, kann wohl nicht be¬ 
stritten werden. (Fortsetznng folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

X Eisonach. Ein Juwel in unserer mit landschaftlichen 
Reizen überaus reich ausgestatteten nächsten Umgebung, das herr¬ 
liche Johannistal, droht der Bauspekulation zum Opfer zu fallen. 
Diese aus Weimar gekommene Kunde hat hier wie eine Bombe 
eingeschlagen und eine tiefgehende Beunruhigung innerhalb der 
gesamten Bürgerschaft hervorgerufen. Das in Frage kommende 
Tal ist ein etwa 1 km langer Wiesengrund, der am südlichen 
Stadtende in der der Wartburg gegenüberliegenden Richtung 
vom Mariental abzweigt und sich in sanftester Steigung zwischen 
bewaldeten Bergen hinzieht. Gegen rauhe Winde geschützt, hat es 
zudem eine bevorzugte klimatische Lage, und rauscht auch der 
Fremdenstrom zumeist an ihm vorbei, so wird es um so mehr und 
lieber von der Eisenacher Bevölkerung aufgesneht. Nun ist 
zwischen dem Staatsministerium und einem Baumeister ein Vertrag 
zu Stande gekommen, wonach das Johannistal und die angrenzen¬ 
den W'aldpartien in den Privatbesitz des Baumeisters übergehen 
sollen, um von diesem mit Villen bebaut zu werden. Dieser Vertrag 
bedarf noch der Zustimmung des Landtags, und wenn auch seitens 
des Ministeriums ausdrücklich in den Verkaufsbedingungen fest¬ 
gelegt worden ist, dass das Johannistal weder von seiner land¬ 
schaftlichen Schönheit etwas einbüssen darf, noch dass unsere Be¬ 
wohnerschaft das Tal und die anbegenden Höhen als öffentliche 
Promenaden verloren gehen, eo ist gleichwohl die öffentliche Meinung 
hier ausgesprochen und mit aller Entschiedenheit gegen die Verwirk- 


gesundbeitliche Wert des Seeklimas und der Seebäder schon 
in den ältesten Zeiten erkannt war, aber erst seit 30 Jahren 
kann man z. B. von einem Massenbesuch unserer Seebäder 
sprechen. 

Ist nun auch aus ökonomischen Gründen die Idee des 
Sanatoriums auf hoher See noch nicht verwirklicht worden, 
so dürfen wir uns doch die Frage vorlegen, ob seine Existenz 
in therapeutischer Hinsicht als Fortschritt zu begrüssen wäre. 
Es müsste also zu dem bestehenden etwas neues, vorteilhafteres 
bringen, ohne vorhandenes aufzugeben. 

l)ie Vorzüge des Seeklimas, dessen Haupteigenschaften, 
Reinheit- und Keimfreiheit der Luft, vermehrter Sauerstoff, 
Kochsalz- und Ozon- verminderter Kohlensäuregehalt, geringe 
Temperatnrschwankung, stärkere Luftströmung, erhöhter Luft¬ 
druck, hohe, aber ziemlich konstante Feuchtigkeit, starke 
Insolation und ihr wohltätiger und gesundheitbringender Ein¬ 
fluss auf ilen menschlichen Organismus Ihnen allen bekannt 
sind, gewähren mehr oder weniger in verschiedenen Modi¬ 
fikationen alle Seestationen an den Küsten und auf den Inseln. 
Ja auch jene Kurhäuser, in denen bestimmte Heilapparate und 
therapeutische Anlagen vereinigt sind, um die Seeklimakur zu 
vervollständigen, sind vorhanden io Gestalt der Strandsanatorien, 
sowohl auf der Festlandsküsto, wie auch auf einer Reihe von 
Inseln verschiedener Breiten. 

Was könnte ein schwimmendes Sanatorium mehr bieten? 

Vor der Beantwortung dieser Frage müssen wir vorerst 
zwei Punkte festlegen. Einmal, wie soll das Kurschiff beschaffen 
und für welche Art von Kranken soll es bestimmt sein? Wir 


denken uns einen genügend grossen Doppelschraubendampfer 
mit ausbalanzierten Maschinen und Schlingerkielen, um den 
ruhigen Gang zu sichern und so die Gefahren der Seekrank¬ 
heit nach Möglichkeit zu beseitigen. Die Wohn- und Gesell¬ 
schaftsräume, wie überhaupt der ganze innere Ausbau müssten 
den geltenden hygienischen Prinzipien adaptiert werden. Die 
Möglichkeit der Ajiwendung physikalisch-diätischer Heilmethoden 
unter der Kontrolle eines tüchtigen, erfahrenen Arztes müsste 
gewährleistet werden. Vollständig ausgerüstete Apotheke und 
Laboratorium mü.ssten an Bord sein. Kurzum, die Ansprüche, 
die wir an ein erstklassiges Sanatorium stellen, müssten er¬ 
fülltsein. Und das wäre vollauf möglich. Die angewandte Hygiene 
auf unseren grossen Pass^erdampfem ist heute einwands¬ 
frei. Zwei schwerwiegende Punkte, die Kanalisation und die Be¬ 
seitigung von Abfallstoffen, sind auf dem Meer ja so leicht zu 
erledigen. Auf unserem Kurschiff, das ja einem eigenen Zwecke 
dienen soll, würde ausserdem in jeder Beziehung besondere 
Rücksicht genommen werden können. So würden sich die 
Übelstände, die den grossen bestehenden Verkehrsdampfern 
noch anhaften, wie die Entwicklung von Rauch und Kohlen¬ 
staub, der Fettgeruch von der Masimine her, die Ansammlung 
und Verunreinigung des Bilgenwassers, die mangelhafte Lüftung 
der Innenräume, der Lärm der arbeitenden Maschinen u. s. w. 
wohl, wenn auch nicht gänzlich beseitigen, so doch wesentlich 
einschränken lassen. (Schloss folgt.) 


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48 


BALNT50L0GISCHB CENTRALZETTUNG 


Nr. 12. 


lichung dieses Projektes gerichtet. Da die Entscheidung beim Land¬ 
tage liegt, so hofft man, das Johannistal doch noch in seiner jetzigen 
Gestalt erhalten zu können. 

X H6lQ0land. Der anfangs von den Helgoländer Fischern 
abgelehnte Antrag der Hamburg-Amerika-Linie, die Landungs¬ 
brücke zu verlängern, um durch direktes Anlegen der Dampfer die 
bisherigen schwierigen Landungsverhältnisse zu beseitigen, ist nun¬ 
mehr einstimmig von der Gemeinde angenommen worden. Das 
malerische Ausschiffen der Passagiere fällt somit künftig fort. 

X Karlsbad- Wahrend im Jahre 1904 54960 Personen 
Karlsbad besuchten, waren im Jahre 1905 in der Kurstadt an der 
Tepl 59736 Badegäste zu verzeichnen. Die Besucher verteilten 
sich auf die österreichischen Staaten mit 26139 Personen, auf 
Deutschland mit 18 044 (Sachsen 2140) Personen, Asien 269, 
Afrika 258, Amerika 3074 und Australien mit 13 Personen. Aus 
anderen europäischen Staaten waren 11969 Kurgäste anwesend, 
ln diesen Zahlen sind die zahlreichen Passanten, die Karlsbad all¬ 
jährlich besuchen und sich nicht länger wie sechs Tage daselbst 
aufhalten, nicht mit enthalten. 

X Soolbad SsizunQSn hat der Kurpark nunmehr durch 
Ankauf zweier Gärten eine wesentliche Vergrösserung und Ab¬ 
rundung erfahren, und so steht dieser Kurpark in seiner ganzen 
Ausdehnung mit den umschliessenden ausgedehnten städtischen 
Parkanlagen in Verbindung. 

X Von dor Ostsooküste. Im Sommsr 1906 werden regel¬ 
mässig zwei Dampfer den Verkehr zwischen Lübeck, Travemünde, 
den oldenburgischen Ostseebädern Niendorf, Timmendorfer Strand, 
Scharbeutz nnd Haffkrug, bis nach Neustadt unterhalten im An¬ 
schluss an die ans- und einlanfenden Züge in Lübeck und Neu¬ 
stadt. Ausser der schon bekannten „Ilse** wird ein neuer, grösserer 
Dampfer eingestellt werden für die Linie und für Extratouren in 
die holsteinischen und mecklenburgischen Bäder und Küstenstädte. 
In Timmendorfer Strand arbeitet man eifrig mit dem Plan, gegen¬ 
über dem Seepavillon bei B. Schramm» Hotel mit Hilfe von Staats¬ 
mitteln eine feste Anlegebrücke herzustellen. 

X Wiesbaden hat der Magistrat das Projekt für das 
städtische Thermalbad auf dem Adlerterrain nach den Plänen der 
Architekten Werz und Huber genehmigt. Die Kosten wurden 
von 2535000 Mk. auf 2006 000 Mk. reduziert. 


Literatur. 

Klonka - Jena. Die gallentreibende Wirkung der „Gicht- 
mitteP*. (Zeitschr. f. exp. Pathol. und Therap. 2. Bd.) 

Unter den Arzneimitteln, welche gegen die Gicht zur An¬ 
wendung kommen, kann man drei Gruppen unterscheiden. Die 
eine umfasst diejenigen Mittel, welche symptomatisch gereicht 
werden, wie die schmerzstillenden, antinenralgisch wirkenden and die 
Abführmittel. Mit der EinfUhrnng der Mittel der zweiten Groppe 
versuchte man die Lösungs- nnd Ausscheidungsbedlngungen für 
die Harnsäure zu verbessern, so durch Darreichung von Alkalien 
oder organische, harnsäurelösende Basen: Piperazin, Lycetol, Ly- 
sidin U8W. Hierher sind auch das Urotropin nud — wenigstens 
lag seiner theiapeutischen Einführung ein derartiger Gedanke za 
Grunde I — der Harnstoff zu rechnen. Die dritte Gruppe schliess¬ 
lich umfasst eine Anzahl von Mitteln, denen man bestimmte spezi¬ 
fische Einwirkungen auf den Verlauf der Gicht oder wenigstens 
auf den Hamsäurestoffwechsel zuschrieb. Diese Mittel sind das 
Colchicin, die Chinasäure und ihre Verbindungen bezw. Benzoe¬ 
säure und die Salicylpräparate. 

Für die Mittel der letztgenannten Gruppe suchte K. nach 
gemeinsamen Wirkungen. K. konnte an Gallenfistelhunden nach- 
weisen, dass den als spezifischen Gichtmittel verwendeten Sab- 
stanzen der Benzoesäure, bezw. Chinasäure, der Salicylsäure und 
dem Colchicin übereinstimmende cholagoge Wirkungen znkonunen. 
Es ist dazu geeignet, die Befunde in Beziehung zusetzen za der 
klinisch erprobten, heilkräftigen Wirkung dieser Präparate bei der 
Gicht, und er sieht darin seine Vermubang bestätigt, dass die Er¬ 
scheinung der Gicht vor allem ihre Ursache in den Vorgängen der 
Leber haben. A. B. 


Personalien. 

— Der Schriftführer des Thüringer Bäder-Verbandes, Dr. 
Wiedeburg hat sein Amt niedergelegt. An seine Stelle ist 
Dr. F. W. Müller, Grosstabarz, gewählt wurden. 

— Dr. Ernst von Düring, Professor der Dermatologie an 
der Universität Kiel, ist als leitender Arzt an Dr. Lahmanns Heil¬ 
anstalten „Weisser Hirsch“ berufen worden. 


Meteorologische Statistik. 


VeraMtaltet vor der Redaktion der Balneologleohen Zentralzeltnng.. 


Name 


Mittleres 

Temperatnr- 

minimiim 

Mittleres 

Temperatur- 

1 - 

Durchschnitt- 

lichec 

Barometerstand | 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

scbein- 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazi a. 

11./3.-17./3 

4,6 C. 

10,3 

C. 

761 

3 

1 

3 

— 

— 


Dadenweiler. 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 

n 

'Sk. 

p 

7,2 

c. 

— 

4 

4 

— 

2 

— 

2 Tage Schnee 

Ems .. 


— 1 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Giesshübl-Sauerbninn . . 


— 1 C. 

3,4 

c. 

~ 

6 

1 

— 

5 

— 


Franzensbad. 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Herrenalb. 


2,0 C. 

8,5 

c. 

724 

1 



4-5 

— 

3 Tage Schnee 

Kreuznach ...... 


— 

— 


— 

— 



— 

' — 


Langenschwalbach . . . 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 


— 2,2 C. 

7 ' 

c. 

750 

3 

— 

2 

— 

— 

2 Tage Schnee 

Nauheim. 


— 0,1 C. 

8,8 ' 

c. 

747,2 

3 

2 

5 

1—7 

— 


Nenudorf . 


3 C. 

7 

c. 

754,5 

5 

— 

7 

5 

— 

2 Tage Sturm 

Norderney . 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Orb . 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reichenhall . . , , • . 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reinerz. 


— 4 C. 

3 

c. 

709 

— 

— 

7 

5 

— 

3 Tage Schnee 

Steben. 

n 

2 C. 

6 

c. 

706 

2 

5 


3—4 

. 



VertintwOTtlicher R«dakt«ur: Dr. P. MeiHner, Berlin. — Verlag von Carl MarhoM, Halle a. S. 
Dmck von Heynetanno'sclie Bnchdru^erei. Oebr. WolfT, Halls •. 


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Vn. Jahrgang;. Nr. 13. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des „Allg. D. B.-V.*: 
Dr. Siebelt, Flinsberg 1. Schl. 

Verlag: Carl Marbold in Halle a. $., Uhlandstrasse 6, 

Tel.-Adr.: Marhotd Verlag Hailesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

j Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilbelmstrasse 52. 

Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt 


Beeinflimune des OeftsstoDos uod der Blutstromgescbwiedigkeit darcb 
thermiscbe and mecbaniscbe Reize. Von Dr. von NiesseO'Wiesbaden. 
(Portsetznng). 

FeaUleton: Haben Scbiffssanatorien eine Zukunft? Von Dr. Eddy Schacht* 
Todtmoos. 


Sltimgsberiehte. 

Ans den BSderu and Kurorten. 
Personellen. 


Beeinflnssang des 

Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von Niessen-Wiesbaden. 

(Fortsetzung.) 

Hier Laben wir wohl das beste Beispiel für Tonusminus 
und günstige Zirkulations-Bedingungen. Vielleicht dass diesen 
die Verhältnisse, unter denen sich das Kind im Mutterleibe 
befindet, noch überlegen sind, wo der im Vergleich zum kind¬ 
lichen relativ sehr hohe Blutüberdruck für annähernd gleiche 
und konstante Tonus- und Zirkulationsverhältnisse im Kindes¬ 
körper sorgt. Freilich ist selbst intrauterin der Mensch vor 
den Tonnsschwingungen der Aussenwelt nicht sicher. 

Die vielen hier in Frage kommenden, sehr interessanten 
Gesichtspunkte können nicht gut kursorisch berührt werden. 
Die estremsten Grade von Tonusentspannung und Blutstrom¬ 
beschleunigung infolge verminderter peripherer Widerstände 
konnten z. B. dadurch erzielt werden, dass jemand in einer 
hydropathischen Packung ruhend, HerzstimuJantien bekäme. 
Das "Wäre indess ein Experiment, welches unter Umständen 
verhängnisvoll ablaufen könnte, etwa wie Viel-Sekt-trinken in 
den Tropen, oder umgekehrt, ein kaltes Flussbad unmittelbar 
nach einer reichlichen Mahlzeit. Was die Packung für das 


Feuilleton. 

Haben Schiffssanatorien eine Znknnft? 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. Deutschen 
Bäderverbandes zu Ems am 5. Oktober 1905. 

Von Dr. Eddy Schacht-Todtmoos. 

(Scbloss.) 

Die Trinkwasserversorgung und die Verpflegung, auch die 
diätetische, bieten heutzutage keine Schwierigkeit mehr. Die 
Fabel .von der Eintönigkeit der Schiffskost scheint nun über¬ 
trieben. Bekanntlich ist das Essen auf den Schiflen unserer 
beiden grossen Linien ausgezeichnet. Sanatorien-, Schiffs- oder 
Hausmannskost, alle Beköstigungsarten leiden unter einem ge¬ 
wissen Schematismus, Nur der Wechsel von der einen zur 
anderen lässt uns die frühere Verpflegungsart minderwertiger 
und eintöniger erscheinen. Eine besondere Einrichtung, die 
Anbringung einer oder mehrerer grösseren Schwebekabinen 
würde auch bei Seegang eine ungestörte Untersuchung und die 
Vornahme etwa nötig werdenden Operationen ermöglichen. 
Zeitweilig könnte man sie auch den schwer Seekranken zur 
Verfi^ng stellen. 

Wamm wählen wir nun den Dampfer und nicht das Segel¬ 
schiff, das die vorhin erwähnten, jenem anhaftenden Uebel- 


Integument in toto, das bedeutet der Priessnitz'sche Um¬ 
schlag regionär. Territoriale Gefässentspannung und Blutstrom- 
beschleunigung, aktive Hyperaemie, sowie collaterale relative 
.Anaemie bei Tonusplus, nach Art der Derivation überhaupt. 

Was ferner auch nur cursorisch gestreift werden kann, das ist 
die resorptive Wirkung, die bei nicht zu lange anhalten¬ 
dem Tonusminus für die von diesem Zustand betroffenen Ge- 
websgebiete eintritt, und zumal bei trockenen Hitzeapplikationen 
eine sehr erhebliche werden kann, beruhend auf dem Dmck- 
uoterschied, der extravasal im Vergleich zu dem innerhalb des 
Gefässrohres entsteht. 

Die Blutstromgeschwindigkeit der Peripherie ist um so 
grösser, je weiter das GefiissTumen und je kräftiger die Herz¬ 
tätigkeit ist. Letztere ist dabei direkt von den Widerständen 
abhängig und wird durch sehr feine, teils im Herzen selbst, 
teils im Zentralnervensystem gelegene Regulatiousapparate aequi- 
libriert. Das Gegenstück zur Resorption ist das Oed em: Blut- 
druckplus bei relativem Tonusminus. Hier spielen indess auch 
noch andere Faktoren mit und ist das Studium der verschie- 
deuen Kombinationsmöglichkeiten zwischen Blutquantnm und 
Qualität, Gefässkaliber und Durchlässigkeit (Tonus) sowie vis 
a tergo-ein ebenso vielseitiges als lehrreiches. — 

Es ist indess dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den 
Himmel wachsen. Ueberspannung nnd Stagnation sind an¬ 
haltend in gleicher Weise vom Uebel und weder dnrchzuführen 
noch auszuhalten, sie dürfen gewisse Werte nicht übersteigen, 


stände nicht besitzt, dagegen von anderer Seite warm befür¬ 
wortet wird? Hier entscheidet bereits die Bewegungsfreiheit 
und die bessere Manöverierfähigkeit des Dampfers. Den Di¬ 
mensionen eines Segelschiffes werden infolge seiner Eigenart 
bald Grenzen gesetzt, und ein kleines Schiff, wie es z. B. 
Michael und Maurer skizziert haben, würde im inneren Aus¬ 
bau arg beschränkt sein, kaum den gewünschten Ansprüchen 
genügen können und bei seinen Bewohnern leicht das Gefühl 
wachmfen, doch sehr an die „Planke^ gebunden zu sein. 
Durch die Anordnung der Segel nnd die Rücksichtnahme auf 
den Schwerpunkt ist auch der Hochbau über den Wasserspiegel 
beim Segelschiffe wesentlich erschwert Ausserdem ist es bei 
Kreuzsee und stärkerem Wind mit dem so sehr gerühmten, 
ruhigen, sanften Gang des Segelschiffes bald vorbei. Es kann 
dann äusserst ungemütlich werden. — Und eine Hilfsmaschine 
sollte das Kursegelschiff von Michaöl und Maurer auch 
haben. 

Allerdings würden die Kosten für die Erstellung eines 
Dampfers sich erheblich höher stellen als für die Eroauung 
eines adäquaten Segelschiffes. Das würde bedingen, dass der 
Aufenthalt auf demselben ein recht kostspieliger wäre — und 
am Ende doch nicht teurer, als in manchen von imseren ersten 
Landsanatorien. Somit könnten sich nur reiche Leute diese 
Spezialkur leisten. Aber trotzdem würde mit der Zeit die 
Nachfr^e dem Angebot entsprechen. 

Wer soll nun unser schwimmendes Sanatorium bevölkern? 

„Es soll eigentlich mehr sein, als eine blosse Heilstätte 


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60 


BALNEOLOGI8CHE OBNTRALZEIT(TNG 


Nr. 18. 


• ~ mntando perseverat natura. Neben dem Tonii.sminug, 
das so wohltätig auf die im Kampf ums Dasein, zumal d^r 
Städter überspannten Vasomotoren wirkt, ist dem Gebirgsklima 
noch ein wesentlicher^ diesen Ruhezustand der-Gefässe, der 
auf die Dauer auch nicht heilsam wäre, korrigierender Faktor 
eigen, das ist die recht erhebliche Schwankungsgrösse der 
Tagestemperatur und Luftfeuchtigkeit, der Unterschied 
zwischen Mittagswänue und Morgen- resp. Abendkühle. Der 
erquickende Morgentau und der belebende abendliche Berg¬ 
wind, der gleichsam die spontane Ventilation der Gebirgstäler 
darstellt, geben diesem Klima das Gegengewicht für etwaige 
Atonieen und Monotonieen. — 

Der „tonisierende“ Einfluss braucht nicht immer in einer 
Tonuszunahme zu bestehen. In einer Regulierung der ab¬ 
normen Gefässspannnngsverhältnisse, hier in einem Plus, dort 
in einem Minus, und überall in einem geordneten Wechsel der 
physiologischen Schwankungen beruht seine belebende Kraft 
und Heilwirkung. Sowohl Kälte und Pression, als auch Hitze 
und Expansion Kann zur Ruptur der Erytrocyten führen und 
so einen sehr wertvollen nutritiven Faktor bilden. Es ist also 
dafür gesorgt, dass im hohen Norden wie in den Tropen diese 
Vorkehrungen funktionieren. Nicht jeder freilich vermag sich 
ihrem Wechsel anzupassen, zu akklimatisieren. — 

Man sieht also: Neben der mehr mechanischen Reiz- 
wirkuog des Luftdruckes und der Luftbewegung mit 
ihren Schwankungen ist für die physiologische Funktion der 
Gefässwandungen der thermische Reiz, also der Tempe¬ 
raturunterschied unerlässlich und im so durch Luft¬ 
druckschwankungen und Temperaturunterschiede 
geübten, wo nötig therapeutisch geregelten Tonns- 
weehsel liegt das Geheimnis der Gesundheit und des Wohl¬ 
befindens u. zw. sowohl unter physiologischen, wie auch 
bis zu einem gewissen Grade unter funktionell gestörten 
Bedingungen. — 

Als Tonusgleichgewicht, oder Eutonie resp. Eu- 
cardie, könnte man den Zustand des Wohlbefindens im Wild¬ 
bade resp. nach dem Aufenthalt dort bezeichnen, wo das Mittel 
zwischen Reizansprüchen und reaktiver motorischer Leistungs¬ 
fähigkeit für Herz und Gefässe erreicht ist. Also um Aus¬ 
gleich der Ueberreizungen in der einen oder anderen 
Richtung handelt es sich, u. zw. dadurch, dass man den Pendel¬ 
schwingungen Zeit lässt, sich dem Nullpunkt zu nähern, und 
alle den Ausgleich störende Magnete entfernt. 

Eher ist ein gewisses üebergewicht der Spannkraft 


gegenüber den vou neuem wartenden Reizen anzustreben, wie 
ja ein solcher Tonus dem physiologischen Zustand entspricht 
und auch meist im Wildbade erreicht wird. 

Die sogenannte „günstige Nachwirkung“ solcher 
Kurven, natürlich nicht nur solcher, beruht zu einem guten 
Teil in diesem Wohlgefühl des Kraftzuwachses und der wieder¬ 
gewonnenen Spannkraft der Gesamtmuskulatur, vornehmlich in- 
dess der vasomotorischen den gewohnten Ansprüchen des 
Berufslebens gegenüber. So erklärt sich das Gefühl jugend¬ 
licher Frische und Elastizität, wie es gerade die Wild¬ 
bäder zumal abgenutzten Gefässnerven verleihen, und mit 
Recht spricht man daher hier von der „verjüngenden Wirkung 
dieser Art noch lange nicht genügend gewürdigter Kurorte. — 

Die Regelmäßigkeit der unter dem Einfluss der Natur- 
heilfaktoren spontan sich vollziehenden An- und Entspan¬ 
nung der Gefässe bei praevalierender Entlastung, 
also relativ gesteigertem Tonusminus, die Ruhe, die 
der im Berufsleben stets durch Ab- und Ueberspannung ge¬ 
störten , aufgehaltenen Restitution der ernährenden Blutzml- 
elemente und der Gefässinnervation zu gute kommt; das ist 
der Mechanismus dieser Art klimatischer*) Heil¬ 
potenzen, und auf ihm beruht der wohltätige, neu belebende 
und Ionisierende Einfluss des Wildbades, den man mit 
Recht mit einem Jungbrunnen verglichen hat. — 

Nimmt man motorische Vasodilatatoren an, so würde 
es sich hier auch um keinen rein passiven Vorgang handeln 
und die wohltätige Wirkung mehr in einer Stärkung dieser 
schlecht behandelten und geschwächten Antagonisten beruhen. 
Mir scheint indess, dass man von motorischen Dilatatoren der 
Gefäße oft absehen kann, wenn man annimmt, dass unter ihnen 
sensible Nervenelemente zu verstehen sind, die über den je¬ 
weiligen Spannungsgrad beim vasomotorischen Zentrum Bericht 
zu erstatten haben, damit von dort aus rechtzeitig der ße- 
fugnisUberschreitung extremer Tonuszustände durch die Vaso¬ 
motoren vorgebeugt wird. Hier läge also eine Art Gefäss- 
nervenrefle'xbogen vör. Gibt es Vasodilatatoren, so wäre 
das Wort Gefässlähmung stets genau zu präzisieren. — Mir 
scheinen dio eigentlichen Vasodilatatoren, also die Längsmusku¬ 
latur, hauptsächlich einer übermäßigen longitudinalen Gefass- 
ausdehüung (Arterienschlängelung) entgegenzuwirken, während 
der Ringmuskulatur neben der Widerstandskraft der Gefäss- 
wand vielleicht auch eine gewisse Peristaltik der Blutbeförde- 

*) cf. hierzu: Winterkiiren im'Gebirge. Wilhelm Erb. (SaTOitilnng 
klinischer Vorträge Nr. 1^71, bei Breitkopf & Härtel-Leipzig.) _ 


ein problematischer Gesnndungsort, in welchem sanguinische 
Hoffnungen sich mit einer vierwöchentlichen Karenz von den 
Sünden eines Jahres loskaufen zu können wähnen“, heisst es 
in dem Prospekt über das Ozeansanatorium der Hamburg- 
Amerika Linie. Ganz recht! Es sollte eine Zufluchtstätte sein 
für die, die nach jahrelanger, aufregender and anstrengender 
Tätigkeit einen Zusammenbruch ihrer Nerven erlitten haben, 
die abgewirtschaftet haben, für alle schweren Neurastheniker, 
die mit einer sommerlichen Ferienkur nichts erreichen können, 
dann für solche mit Dispositionen für eine Erkrankung oder 
mit einer chronischen Infektion, so vor allem für Schwind¬ 
süchtige im ersten Stadium und die, welche zur Tuberkulose 
neigen. Manches andere würde sich nach gesammelten Er¬ 
fahrungen anreihen lassen. Die überraschend guten Resultate 
in den Kinder-Hospizen und Kuranstalten an der Seeküste 
weisen namentlich auf Disponierte in den Entwicklungsjahren 
hin. Wie in den Schulsanatorien zu Davos könnte anf dem 
Schiffssanatorium Gelegenheit zur rationellen geistigen und 
köi-])erlichen Entwicklung geboten werden, ein Schulschiff, aber 
im anderen Sinne. 

Sollte man in dem Zusammenleben von Tuberkulösen mit 
anderen Kranken eine Gefahr erblicken, so müste man erstere 
ausschliessen, wie es die Hamburg-Amerika-Linie auf ihren 
Kurfahrten will, oder für sie ein eigenes Schiff bauen, wie es 
Friedrich, Sobotta und Michael vorgeschlagen haben. 

Worin würde nun der eigentliche Vorteil eines solchen 


Sanatoriums auf See gegenüber einem Strandsanatorinm be¬ 
stehen? 


Seine Ueberlegenheit würde ich in seiner Freizügigkeit 
sehen. In idealer Weise würde es die klimatischen Einflüsse 
dosieren können. Je nach den Jahreszeiten können wärmere 
oder kühlere Breiten aufgesucht werden. Graduell kööüten 
die hypo-, die meso- und nyperkinetischen Zonen durchlaufen 
werden, wenn ich diese Bezeichnung auf eine Klimaspezies 
anwenden darf. Wo eine hypokinetische Zone für ein Indi¬ 
viduum nicht im gewünschten Rahmen liegt, können wir 
korrigierend und paralysierend durch hydrotherapeutische 
Maaßnahmen, durch Gymnastik, durch sportliche Betätigung, 
durch Anwendung von Luftbädern eingreifen. Auch der Ge¬ 
brauch der Seebäder würde nicht fortfallen. An Bord sowohl 
wie im Meer könnten sie genommen werden. Eine Schutz¬ 
vorrichtung gegen Raubfische wäre leicht geschaffen. Bas 
ganze Leben an Bord würde natürlich vom Arzte nach pröpio'- 
lactischen und therapeutischen Gesichtspunkten zu regeln sein. 
Eine wohltuende Abwechslung zwischen Kur, ^istiger Be¬ 
schäftigung und Ruhe wäre Bedingung. Hier würde dem Ante 
als Erzieher eine wichtige Aufg^e zufallen. Da das Schiff, 
das nicht immer unter Dampf zu sein braucht, keine bestimmte 
Route, kein bestimmtes Ziel hat, nur das Einnehmen von Kohlen 
und frischen Nahrungsmitteln, sowie die alljährliche Dockung 
legen ihm einen gewissen Zwang auf, so ist auch mehr Ge¬ 
legenheit gegeben, sich mit dem Meer und seinen Bewohnern 
eingehender zu beschäftigen, ich möchte nur die Tiefsee- ond 


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lOOC. 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


61 


ruDg mit obliegt. Jeder Muskel bat seinen physiologischen 
Tonus, ein solcher ist auch für die Gefässmuskulatur anzu- 
nehmen. Derselbe tritt zumal bei Gefässverletzungen als die 
bekannte spontane Blutstillung in Kraft. — 

Damit sollen die anderen Heilfaktoren balneo-klimato-thera- 
peutischer Art nicht herabgemindert werden, denn im Grunde 
genommen muss jede sachgemäße Kur und Therapie auf die 
richtige Abwägung von Plus und Minus bei der mechanischen 
und thermischen Heizwirkung auf das Gefösssystem, mit einem 
Wort, auf eine Aequilibrierung des Tonus-Wechsels 
bedacht sein u. zw. in jedem einzelnen Falle in durchaus ver¬ 
schiedener Weise: dem einen sind die revulsiven Reize des 
Wellenschlages und der niederen Temperaturen dienlich, dem 
anderen schädlich, dem letzteren frommt dagegen eiu kalmie- 
rendes Wildbad, während solches für ersteren zu schwacher 
Tabak wäre. Suum cuique. Die ärztliche Kunst besteht darin, 
für jeden das Richtige herauszufinden, das eine durch das 
andere zu ergänzen. Hierfür soll als drittes und letztes Bei¬ 
spiel die Kasuistik folgender 2 Fälle einige Fingerzeige enthalten: 

1. Major X., Infanterist, 45 Jahre alt. ln der Aszendenz 
Nervenkrankheiten. Selbst früher nie ernstlich krank gewesen. 
Leidet seit dem Feldzuge an Krampfadern und Rheuma¬ 
tismus. Hae morrhoidarier. Letzthin Ischias und 
Schlaflosigkeit. — Verschiedene Badekuren, Vibrations¬ 
massage , interne Medicamente und Diät halfen nur vornber- 

ehend. Am besten tat gelinde Massage, faradische Bäder, 
üble Strahl- und Regendouchen, systematische Atemgymnastik, 
mäßiges Radfahren und leichte Terrainkuren in mitUerem Ge¬ 
birgsklima bei nüchterner Lebensweise und geringer Flüssig¬ 
keitszufuhr. 

2. Marineoffizier Y., 50 Jahre alt. Vater starb an Schlag- 
anfall. Sonst stets gesund, hatte er nur infolge von Witte¬ 
rungsunbill und schroffem klimatischem Wechsel 
mehrmals Gelenkrheumatismus. Spezifisch infiziert und starker 
Trinker. Seit mehreren Jahren gelegentliche Gichtanfälle, 
Atheromatose und heftige Kongestionen nach dem 
Kopf, die von Schwindelanfällen und Kopfschmerz 
gefolgt sind. Dieselben werden dnrch heisse Kompressen, 
Fussbäder und Jodkalium kupiert, durch Mäßigkeit zeitweilig 
vermieden. Heisse Thermalbäder in Teplitz und Wiesbaden, 
Dampfbäder und hydropathische Packungen haben stets gut 
getan, wenn auch nicht dauernden Erfolg erzielt. Der robuste, 
vollblütige Mann hat letzthin etwas Eiweiss im Urin und lässt 
sich gelegentlich „vorbeugend*^ einen Aderlass machen oder 


wenigstens schröpfen. Er behauptet, sich dadurch leichter zu 
fühlen, besser zu schlafen und weniger an Schwindel zu leiden. 

Absichtlich wählte ich zwei nicht gerade seltene Vor¬ 
kommnisse der ärztlichen Praxis zumal in Bädern und Heil¬ 
anstalten. Beide sollen zugleich den hereditären Einfluss 
des Tonusverlustes bei gewissen Gefässanomalien mit dem 
Resultat teils schlaffer, teils rigider Wandungen andeuten, 
wie sie Venen und Arterien betreffen können: Hier also die 
Varikosität, dort das Atherom oder die Arteriosklerose. 

Der 2. Fall zeigt ferner die deletären Folgezustände orga¬ 
nischer Störungen auf disponierter Basis, wie sie die 
Syphilis an den Gefässwandungen in Form der endarteri- 
tiscn - obliterierenden und periarteritisch • hypertrophierenden 
Zustände erzeugt, auf solche Weise selbstverständlich wie kaum 
ein anderer Prozess die Gefässelastizität und Tonusexkursionen*) 
direkt schädigend, ihre zentrale Regulierung indirekt 
erschwerend und hemmend. — 

Dass die in diesem Fall des weiteren hinzukommenden 
Momente hochgradiger thermischer Heize extrem schroffer 
Witterungsumschläge, des häufigen Klimawechsels und nament¬ 
lich des Alkoholmissbrauchs kaum dazu angetan waren, die 
Gefässveränderungen rückzubilden und die geschwächte Elasti¬ 
zität dauernd zu ersetzen, die Innervation zur Norm zurück¬ 
zuführen, daran ist weniger die Anlage als vornehmlich der 
genannte Infektionsprozess schuld, denn das Gefässsystem einer 
ge 8 u n d en Seemannsnatur kann schon „einen Puff vertragen“, 
und gerade in diesem Beruf wird ja seine Gesundheit auf die 
abgehärtete, wetterfeste, anstrengende Lebensweise mit ihren 
ermanent wechselnden Einflüssen auf den Tonus zurückgeführt, 
ie geeignet ist, auch manche schwächliche Konstitutionen zu 
festigen, zu tonisieren. — 

Ununterbrochene körperliche Anstrengungen und Strapazen 
können sicher zu Schädigungen nicht nur funktioneller Art 
führen, sondern auch organische Veränderungen herbeiführen, 
an denen in allererster Linie der Gefäesapparat und das vaso¬ 
motorische Zentrum mit ihren trophiscnen Au^aben be¬ 
ledigt sind. Wie ein Zuviel, so kann aber auch ein Zuwenig 
vom Uebel sein. Um ein Beispiel anzuführen, so würde der 

*) Auf die gestörte Tonusfunktion und Innervation mit den 
aus diesen resultierenden Ernährungsstörungen der Hirnrinde 
und Mednlla ist die progressive Parjuyse und Tabes der Syphi¬ 
litiker in allererster Lime zurückzuführen, auf die Tuberkulose 
in der Aszendenz die auffallende Labilität des Gefässsystems, 
so z. B. bei Hysterischen. — 


Planktonforschung erwähnen. Das Anlaufen der verschiedenen 
Inseln, das ganz nach Gefallen und ohne Programm geschehen 
kann, wird viel Abwechslung bringen. Bei geschicktem Vor¬ 
gehen dürfte das Gefühl der Eintönigkeit und der Einsamkeit 
nie aufkommen. Wie wohltuend muss es z. B. für einen 
Börsennenrastheniker sein, einmal von Zeitung, Tel^hon und 
Telegraph (auch eine Funkenstation dürfte nicht an Bord sein) 
verschont zu sein. 

Die Möglichkeit des lan^amen Klimawechsels würde auch 
verhüten, dass ein Verlust der Reaktionskraft gegen meso- und 
hyperkinetisches Klima bei längerem Aufenthalt m einer hypo¬ 
kinetischen Zone eintritt. Ich darf Sie an die Tatsache er¬ 
innern, dass eine Reihe von Menschen, besonders aber kranken 
Menschen, die von einem meso- oder hyperkinetischen Klima 
in ein hypokinetisches übersiedeln, daselost bei längerem Ver¬ 
weilen die Widerstandskraft gegen das heimatliche Klima ein- 
büssen, es späterhin nicht mehr ertragen können. 

Wenn der alte Hippokrates schon sagte: Bei langwierigen 
Krankheiten ist es gut, den Ort zu verändern, so müssen wir 
hinzufügen, aber nicht zu lange am neuen Ort zu bleiben, falls 
man Gefahr läuft, seiner Reaktionskraft gegen die heimatlichen 
metereologischen Einflüsse verlustig zu gehen. — 

Alles in allem möchte ich wohl glauben, dass das Schiffs¬ 
sanatorium eine nicht zu unterschätzende Bereicherung unserer 
therapeutischen Mittel für eine gewisse Klasse von Kranken 
bilden würde, und da die zu überwindenden technischen und 


ökonomischen Schwierigkeiten keine zu grossen sind, wird uns 
die nächste Zeit wohl diese Bereicherung de facto bringen. 
Und was in schwankender Erscheinung schwebt. 
Befestiget mit dauerhaften Planken 1 


Kleine Mitteilungen. 

Oer „Apollinarie“-Steinkopfr. Man hiese ihn allgemein so, 
weil er seinen MiUionen-Reichtum der Einführung des „Apollinaris“ 
in England zu danken hatte und sich für diese gute Idee durch 
eine Million Pfund Sterling belohnt sah. Ein geborener Mecklen¬ 
burger, war er anfangs der Siebziger Jahre nach Glasgow gekommen, 
wo er aber wenig Glück hatte. Das Blatt wandte sich, als er 
1874 mit einem Engländer zusammen das Äpollinarisgescbäft grün¬ 
dete. Unter SteinkopfPs zugleich kluger und unternehmender 
Leitung wuchs es so, dass es 1897 für beinahe zwei Millionen 
Pfund Sterling verkauft werden konnte. Steinkopff liess sich seinen 
Anteil, etwa eine Million in barem Gelde, auszahlen. Er war 
mehrere Jahre Besitzer der „St. James Gazette“, bis er sie 1903 
mit schönem Gewinn verkaufte. Er spielte sich als Stockengländer 
auf. Sein Blatt schimpfte schlimmer als jedes andere auf Deutsch¬ 
land, wodurch er sich wohl bei seinen vornehmen englischen Freunden 
ini Carlton-Club populär machen wollte. Seine Frau war eine 
Frankfurterin und sein einziges Kind hat er an einen schottischen 
Aristokraten, den Oberst Stevard Mackenzier, verheiratet. 


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52 


BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITÜNG 


Nr. 13. 


best funktionierende periphere GefSsstonus an sich allein 
nicht imstande sein, die durch Erkrankung der trophischen 
Zentren der Rtickenmarksvorderhörner bedingte Muskelatrophie 
aufzuhalten; wo keine Betätigung existiert, da be¬ 
steht auch kein Bedürfnis. Man muss indess annehmen, 
dass jene trophischen Ganglienzellen in einem be¬ 
stimmten Vertragsverhältnis zum Gefässtonus und 
seiner Innervation in den abhängigen Muskelbe¬ 
zirken stehen. (Fortsetzung folgt.) 


Sitzungsbericht. 

Acad^mAe de mededne, 

Januar-Sitzung. 

Robin berichtete über die Tuberkulosemortalität in 
Frankreich und Deutschland. Dabei wendet er sich gegen die 
Annahme, dass die Mortalität in Frankreich grösser sei als in 
Deutschland (39 gegenüber 22 : 10000'. In vielen Fällen sei 
chronische Bronchitis mitgezählt, besonders sei die Statistik in 
kleinen Landgemeinden nicht verlässlich, andererseits hätten die 
angewandten Mittel (Sanatorien), die eine Abnahme der Tuberkulose¬ 
mortalität zur Folge gehabt haben sollen, in Wirklichkeit gar keinen 
Wert gehabt. 

Auf Grund französischer Zahlen weist er das bemerkens¬ 
werte Gesetz nach, dass die Tuberkulosemortalität mit der Dichte 
der Bevölkerung abnimmt. Im Jahre 1903 betrug sie in Paria 
45,2 auf 10000. In französischen 

Städten von 100—492i)00 Einwohner 34,4 


n 

„ 30—100000 

n 

32,8 

5 » 

„ 20— 30000 


30,8 

n 

„ 10— 20000 


26 6 


„ 5— 10000 


23.4 

Vf 

„ 1— 5000 


20,4 

Danach wäre also die Durchschuittsmortalität 24,4, was den 
22 der deutschen Statistik nahe käme. Dr, St. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

BraunlagB. Die Aufsichtsbehörde hat die Erbaiiung eines 
Kurhauses genehmigt. Die Kosten des Baues sind auf 150 000 M. 
veranschlagt, die Anlage verzinst sich aus den Einnahmen des 
Kurtaxstatus. Der Bau wird im Frühjahr in Angriff genommen 
und soll möglichst noch in diesem Sommer im Rohbau fertiggestellt 
werden. 

Davos. Der Verband Deutscher Post- und Telegraphen- 
Assistenten hat anlässlich der Silberhochzeit unseres Kaiserpaares 
der hiesigen deutschen Heilstätte für minderbemittelte Lungen¬ 
kranke als Zuschuss zu den Kosten des am 13. Dezember 1905 
eröffneten „Kaiser Wilhelm II, Hauses“ den Betrag von 3000 M. 
aus Verbandsmitteln überwiesen. 

GÖrbersdorf. Der Chefarzt der Brehmerseben Heilanstalt 
bat zehn Betten in dieser Anstalt für lungenkranke Lehrer und 
Seminaristen gegen ein Entgelt von vier Mark für die Person 
nnd den Tag dem preussischen Kultusminister zur Verfügung ge¬ 
stellt. Dieser ist nach einem soeben ergangenen Erlasse bereit, 
für die in die Anstalt aufzunehmenden Personen das Entgelt von 
vier Mark täglich in Form von Unterstützungen zu übernehmen; 
von den zehn Plätzen hat Dr. Studt zunächst drei für Seminaristen 
und sieben für Volksschullehrer bestimmt. 

HerIngodorf. Die Berliner Hotel-Gesellschaft hat den Um¬ 
bau des ihr geliörenden Kurhauses beschlossen, um mit Rücksicht 
auf den bedeutenden Aufschwung, den das Seebad nimmt, das 
Kurhaus für einen möglichst langen Aufenthalt von Gästen ge¬ 
eignet zu machen, d. h. durch Heizvorrichtungen den Aufenthalt 
im April — Mai und September — Oktober zu ermöglichen. 

Kairo, 28. Februar. Das Hotel du Nil (bisheriger Besitzer 
Bäck) wurde für den Preis von 58000 Pfund Sterling an eine 
Gesellschaft verkauft. Diese will eine neue Zugangsstrasse zu dem 
Hotel herstellen und es baulich renovieren lassen. 


Kolborg, 3. März. In unserem Ostseebado \vird Mitte April 
ein neugegründetes Schulsanatorium eröffnet werden, in dem 
Kindern, für die aus irgendwelchen Gründen längerer Aufenthalt 
au der See ärztlicherseits erwünscht ist, Abhärtung, ärztliche Be¬ 
handlung und gleichzeitig individuell angepasster Schulunterricht 
geboten wird. Dieses Schulsanatorium „Kinderheil“ ist das ganze 
Jahr geöffnet. An der Spitze des Unternehmens steht der Berliner 
Orthopäde Dr. Georg Müller, 

Die Bohrungen im Kurpark zu Salzuflen führten zur Er¬ 
schliessung eines kohlensäurereichen Thermaisprudels. Die Tem¬ 
peratur am Ausfluss beträgt 25 Grad Celsius, im Bohrloch 34 Grad 
Celsius, Chlomatriumgehalt 4 bis 5 Prozent; Ergiebigkeit der 
Quelle gegen 200 Liter per Minute, Tiefe des Bohrloches 534 Meter. 

Schiorko (Oberharz). Wie schon früher erwähnt, wird in 
diesem Jahre hier eine Kurtaxe eingeführt für die Zeit vom 16. 
Mai bis 30. September. Sie beträgt bei einem Aufenthalt von 
fünf bis sieben Tagen 2 M. für die Person, bei legerem Aufent¬ 
halt 5 M., für eine Familie von 2 Personen 8 M., für Familien 
von mehr als zwei Personen 10 M. für die Saison. Dagegen ist 
die Einrichtung in Wegfall gekommen, dass den Gästen Listen 
zum Einzeichnen freiwilliger Beiträge für den Harzklub vorgelegt 
werden. Es sollen in diesem Jahre nun auch in regelmäßigen 
Zeitabständen sowohl in den Anlagen als auch in den einzelnen 
Hotels Konzerte stattfinden, an die sich Abends Rennions an- 
schliessen. 

ln Schwartau (Ostholstein) hat der Besitzer und Gründer 
des dortigen Solbades „Elisabethbad“ eine neue Solquelle erbohrt. 
Man stiess auf die Solschicht in einer Tiefe von 295 Meter. 

Wieshadan. Die Frequenz betrug im letzten Jahre nach 
den amtlich geführtan Listen 156515 Personen, die grösste Zahl, 
die seither jemals erreicht worden ist. Ausserordentlich sind dem¬ 
entsprechend anch die Aufwendungen, die für die Interessen des 
Kurlebens alljährlich gemacht werden. Kaum geht der Kurhaas- 
neubau seiner Vollendung entgegen, so ist bereits ein neues Projekt, 
ein mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehenes städtisches 
Badeetablissement, in der Ausführung begriffen. 

Gleashühl Sauerhrunn. Für die diesjährige, vom 15. Mai 
bis 15. September währende Saison wurde — neben dem ersten 
Kurarzt und Leiter der Kur- und Wasserheilanstalt, Dr. Gnstav 
Wawor — Dr. M. Alois Ehrenberger, als zweiter Kurarzt 
berufen. 


Vermischtes. 

— Ein Verband der Kurorte und Sommerfrischen 
im Riesen- und Isergebirge ist in Hirschberg begründet worden. 
Auf die Aufforderung eines Ausschusses hatten sich bereits 48 
Mitglieder gemeldet. Mitglieder sind der Hauptvorstand und einige 
Ortsgruppen des Riesengebirgsvereins, Stadt- und Landgemeinden, 
Badeverwaltungen, Orts- und Gastwirtsvereine sowie mehrere ein¬ 
zelne Personen. 

Bei der Vorstandswahl wurden gewählt: Arzt Dr. Kleidt 
(Schreiberhau) als Vorsitzender, Oberst a. D. Freiherr von Reissniti 
(Warmbrunn) als dessen Stellvertreter, Pastor Gebhardt (Brücken- 
bergl als Schriftführer, Badearzt Dr. Siebell (Flinsberg) als dessen 
Stellvertreter, Bürgermeister Kleinert (Schmiedeberg) als Kassierer, 
Rentier Beyer (Agnetendorf) und Schneegrubenbaudenpächtsr 
Greulich als Beisitzer. Als erstes Zeichen seiner Wirksamkeit 
will der Verband eine vornehm gehaltene Empfehlungsschrift über 
das Riesengebirge herausgeben und verbreiten lassen. 


Personalien. 

— Neuenahr. Dem hiesigen Arzte Dr, Niessen und dem 
Kurdirektor Rütten wurde seitens des Pürsten von Hohenzollern 
das Ehrenkreuz 3. Klasse des Fürstlich Hohenzollem’schen Haus¬ 
ordens verliehen. 


Verantwortlicher Redakteor: Dr. P, Meissner, Berlin, — Verlac von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dmek von HojseaaBa'sehe Bachdrackerei, Gebr. Wolff, Halle a. 


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Vn. Jahf^ang. Nr. 14. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des ,AUg. D. B.-V.“; 
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834 

Redakteur: 

Dr. med. et. polit Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Die hygienischen nnd sanitiren Einrichtungen in Ems. Von Dr. Ernst-Ems. 
Beeinflussung des GcAsstonus und der Blutstromgeschwindigkeit durch 
thermische und mechanische Reize. Von Dr. von Niessen-Wiesbadon. 
(Fortsetzung). 


Feuilleton; Die 27. öffentliche Versammlung der ßalneologischen Gesell¬ 
schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. Neuos über Eladium. 
Aus den Bäderu uud Kurorten. 

Fersonallen. 

Heteorologiscbe Statistik. 


Die hygienischen nnd sanitären 
Einrichtungen in Ems. 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allgemeinen 
deutschen Bäder-Verbandes zu Ems am 4. Oktober 1905. 

Von Dr. Emst-Ems. 

Bei der Wahl des Themas für den Vortrag, den ich als 
Vertreter des hiesigen Aerztekollegiums heute zu halten die 
Ehre habe, habe ich lange geschwankt Da Sie zum ersten- 
male Ihre Jahresversammlung in unserer Stadt halten, hätte 
es nahe gelegen, Sie mit den mannigfaltigen Kurmitteln be¬ 
kannt zu machen, welche in seltener Reichhaltigkeit und mo¬ 
dernster Ausführung den hiesigen Kurfremden zur Verfügung 
stehen. Aber besser als der theoretische Vortrag an diesem 
Platze, wird Sie die persönliche Besichtigung der Quellen, der 
Gewinnung der Quellenprodnkte, der Inhalatorien und Bade- 
einrichtungen orientieren, da an Ort und Stelle Ihnen alsdann 
von sachkundiger Seite die nötigen Erläuterungen gegeben 
werden. 

Von einer Besprechung der Indikationen für Ems nehme 
ich Abstand, da der grössere Teil der Teilnehmer an den Ver¬ 
sammlungen des Allgemeinen deutschen Bäderverbandes Nicht- 
Aerzte sind, und daher für dieselben derartig rein medicinische 
Auseinandersetzungen kein Interesse bieten würden. Nur einen 
Augenblick möchte ich hier verweilen und auf einen Fehler 


hinweisen, auf welchen fast alle Kurorte und Heilanstalten bei 
der Aufstellung ihrer Indikationen verfallen. 

In den baineotherapeutischen Lehrbüchern, den Bäder- 
Almanachs und den Zeitungsannoncen finden wir die Indi¬ 
kationen auf eine zu grosse Anzahl von Krankheiten ausgedehnt 
und nicht immer den natürlichen Heilmitteln der betreffenden 
Kurorte entsprechend aufgestellt. Dieser Fehler wird begangen 
durch das Bestreben möglichst viele Patienten anzuziehen. 
Aber ich glaube, dass wir dem Ansehen und der Freijuenz 
unserer Badeorte besser dienen, wenn wir die Indikationen 
entsprechend der Zusammensetzung der Quellen und der Ein¬ 
richtungen der Kurmittel mehr einschränken, wenigstens genau 
unterscheiden zwischen Hanpt- und Nebenindikationen. Da¬ 
durch würde auch eine Erleichterung für die in der Praxis 
stehenden Aerzte bei der Wahl eines Badeortes für ihre Patienten 
eintreten. Der Patient soll von seinem Arzte an den Ort ge¬ 
sandt werden, an welchem die grösste Garantie geboten wird, 
jenen von seinen Beschwerden zu heilen. Je besser der Heil¬ 
erfolg ist, um so grösser ist das Vertrauen des Patienten zu 
dem Kurort iu welchem er genesen ist. Das ist die beste Re¬ 
klame, die wir für unsere Kurorte machen können. Und wir 
erreichen sie durch eine richtige Indikationsstellung. 

Die starke Konkurrenz unter den einzelnen l^rorten und 
die mannigfachen Faktoren, denen Rechnung zu tragen ist, er¬ 
schweren eine Einigung auf diesem Gebiete. Aber ich glaube, 
dass von Seiten der Leiter der Kurorte und Heilanstalten der 
ersuch gemacht werden könnte, in gemeinsamer Beratung 


Feuilleton. 

Die 27. öffentliche Versammlung der 
Baineologischen Gesellschaft 

in Gemeinschaft mit dem Zentral verbände der 
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2.-6. März 1900. 

Referent: Dr. Bnrwinkel - Bad Nauheim. 

Unter der bewährten Leitung von Liebreich und Winter¬ 
nitz nahm der diesjährige Kongress der Badeärzte einen überaus 
angenehmen und anregenden Verlauf. Zu seiner Begrüssung 
batten staatliche und städtische Behörden, sowie die Aerzte- 
schaft Dresden’s ihre Vertreter entsandt. Leider hat die Ge¬ 
sellschaft durch den Tod vier ihrer hervonagendsten Mitglieder 
verloren: den Geheimen Sanitätsrat Meyer, den Senior der 
Aerzte Aachens, Dr. Schuster in Aachen, Geheimrat Bau¬ 
mann in Schlangenbad und deu allen Lesern dieser Wochen¬ 
schrift wohlbekannten Kollegen Gilbert in Baden. In pietät¬ 
vollen Worten wurde der Verstorbenen gedacht. Unter allge¬ 
meiner Zustimmung wurden dann die H. H. Fiedler, Exzellenz 
und Leibarzt des Königs von Sachsen, der bekannte Kinderarzt 
Ptof. Henoch und Prof. A. Schmidt in Dresden zu Ehren¬ 
mitgliedern der Balneologischen Gesellschaft ernannt. Es ist 
wohl in erster Linie den Bemühungen von Piof. Schmidt das 
Zustandekommen und glänzende Gelingen des Dresdener Kon¬ 


gresses zu danken. Auch hat Schmidt während seiner Lehr¬ 
tätigkeit in Bonn seine Schüler stets veranlasst, möglichst viele 
Badeplätze aus eigener Anschauung kennen zu lernen. 

Die in CTosser Zahl angemeldeten Vorträge berührten fast 
alle Gebiete der praktischen Medicin und haben auch für weitere 
ärztliche Kreise besonderes Interesse. Wie fast auf allen Bal¬ 
neologischen Kongressen nahm die Besprechui^ der Herzleiden 
auch diesmal wieder einen Hauptplatz ein. Prof. F.A. Hoffmann- 
Leipzig gab in der an ihm gewohnten kritischen und präzisen 
Weise eme Uebersicht über die moderne Therapie der 
Herzkrankheiten. Grade ihre Lehre hat in den letzten 
Dezennien durch die genauere Kenntnis der Arteriosklerose, 
Myocaniitis, der Bedeutung der Vasomotoren, durch die Be¬ 
stimmung des Blutdrucks und der Herzkraft unerwartete Fort¬ 
schritte gemacht. Jtadurch ist auch die Therapie entschieden 
sicherer geworden, aber sie verlangt auch weit mehr Kenntnis 
und Nachdenken, als früher. Zudem ist der therapeutische 
Apparat in einer so bedenklichen Weise kompliziert worden, 
dass gerade durch das Zuviel eine bedenkliche Unsicherheit und 
\ ielgeschäftigkeit begünstigt werden. In diesem Gedränge muss 
man eine Reihe grundlegender Indikationen festhalten. Zunächst 
hat man die ätiologischen Momente zu berücksichtigen und 
g(igebenen Falles zu eliminieren. (Missbrauch von Tabak, 
Alkohol, Kaffee, Tee, Fettleibigkeit). Sodann kommen 3 Mittel 
in Frage, für deren Anwemlung verhältnismässig recht bestimmte 
Anhaltspunkte gegeben sind. 1. Die Digit^is, welches am 


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54 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 14. 


unter Hinzuziehung der Aerztevereine der betreffenden Bade¬ 
orte, die Indikationen einer genauen Prüfung zu unterziehen 
und dieselben nach Haupt- und Nebenindikationen je nach der 
Zusammensetzung der natürlichen Heilmittel nnd sonst ge- 
scliaffenen Kureinrichtnngen neu aufzustellen. 

Wieweit dieser Anregung h'olge gegeben werden kann, 
überlasse ich dem Vorstande des Bädenrerbandes und komme 
nun zu meinem eigentlichen Thema: 

„Den hygienischen und sanitären Einrichtungen 
unserer Stad Ems“. 

Wir begeben uns auf ein Gebiet, auf welchem von einer 
Konkurrenz unter den einzelnen Kurorten nicht die Rede sein 
kann, auf welchem jeder Badeort nach seiner Frequenz und 
nach seinen Mitteln bestrebt sein muss das vollkommenste zu 
leisten. Mit grosser Genugtuung werden wir es alle begrüsst 
haben, dass in den letzten Jahrzehnten wesentliche Verbesse¬ 
rungen in hygienischer und sanitärer Beziehung in fast allen 
Kurorten und Heilanstalten gemacht worden sind, dass das 
Publikum selbst in dieser Hinsicht hohe Anforderungen stellt 
nnd auch von Seiten der Regierung bezüglich der sanitären 
Einrichtungen eine Reihe von Anforderungen an die Badeorte 
gestellt werden. Hand in Hand mit dieser Verbesserung der 
Gesundheitsverhältnisse zum Schutze der Heilung suchenden 
Fremden geht allerdings auf der anderen Seite eine schwere 
pekuniäre Belastung der einzelnen Gemeinden, die es oft nicht 
möglich macht in dem Maße, wie es wünschenswert wäre, in 
der Verbesserung der hygienischen Einrichtungen vorwärts zu 
schreiten. Aus diesem (jrunde ist z. B. bei uns in Ems die 
Anlage einer allgemeinen Kanalisation noch nicht fertiggestellt. 
Verzögert wurde dieselbe allerdings auch durch die Quellfas.sungen 
der letzten Jahre, welche erst fertiggestellt werden mussten, um 
durch Legung der Rohre durch das Quellgebiet, diesem keinen 
Schaden zuzufügen. 

Welche Anforderungen die Regierung bezüglich der gesund¬ 
heitspolizeilichen Einrichtungen in Badeorten und Sommerfrischen 
stellt, zeigt z. B. ein Erlass des König], sächsischen Mioisteriums 
vom 4. April 1905. In demselben handelt es sich nur um all¬ 
gemeine Anordnungen; es ist den Aufsichtsbehörden überlassen, 
entsprechende Vorschriften zn geben unter folgenden Gesichts¬ 
punkten und Anforderungen: 

1. Chemisch- und bakteriologisch einwandfreies Trink- 
und Nutzwasser. 

2. Reguläre Abfuhr und Beseitigung der Abfallstoffe. Für 
die nötige Klärung der Abwässer wird das biologische Klär¬ 
verfahren empfohlen. 


sichersten bei Herzmuskelschwäche wirkt. Doch nicht nur bei 
herabgesetztem, sondern auch bei erhöhtem Blutdruck zeigt 
sich Digitalis wirksam, es beeinflusst neben den Herzmuskel 
selbst auch noch die Gefässwände. Seine Hauptindikationen 
sind Stauungsklappenfehler und Erkrankungen des Herzmuskels, 
viel weniger Erkrankungen der Aortaklappen und arteriellen 
Gefässe. Ist der II. Ton an der Herzspitze kaum hörbar oder 
an der Basis schwächer als die ersten Töne, dann ist wenig 
mehr von der Digitalis zu erhoffen. 2. Das Jod ist vor allem 
bei anämischen Leuten mit hoher Spannung im Gefässsystem, 
wenn der II. Ton viel zu stark ist, anzuwenden. Doch müssen 
die Nieren gesund und keine Basedowsymptome oder Neigung 
zu Hämoptoe vorhanden sein. Es kommen also in Betracht: 
Aortenlehler. Aneurysmen, Sklerose der Aorta, Coronarien und 
poripheren Arterien, hin und wieder auch das Asthma cardiale. 
Man soll nicht auf Jahre hinaus Jod geben, sondern nach 
4—6 Wochen pausieren nnd, wenn es gut getan hat, erst nach 
längerer Zeit von Neuem beginnen. Im allgemeinen eignen sich 
Leute mit gewöhnlichem und niedrigem Blutdruck nicht für die 
Jodbehandlung. 3. Das kalte Wasser in Form von Kühlapparaten, 
Eisbeutel etc. ist das Hauptmittel für die Basedow-Gruppe; 
nebenher ist lacto-vegetabile Ernährung am Platz. 

Sodann gibt es weitere 3 Mittel, die allen Herzkranken in 
gewissem Grade nützlich und zu mehr oder weniger dauernden 
Gebrauch zu empfehlen sind. Ihre Anwendung ist daher 
auch nicht au so strikte Indikationen geknüpft, nur ist eine 


3. Aeusserste Reinlichkeit «nd Sauberkeit der Wohnungen, 
Höfe und Strassen. 

4. Gut eingerichtete Krankenhänser mit Isolierräumen {Qr 
ansteckende Krankheiten. 

5. Geeignete Leichenräume für Verstorbene, speziell für 
solche, welche an ansteckenden Krankheiten gelitten haben. 

6. Geordnetes Desinfektionswesen. 

7. Besondere Schutzmaßregeln zur Verhütung der Ver¬ 
breitung der Tuberkulose. 

8. Zweckentsprechende Einrichtungen zur ersten Hilfe¬ 
leistung bei plötzhchen Uoglücksfällen. (Fortsetzoog folgt.) 


BeeinfluBsnng des 

Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit 
durch thermische und mechanische Beize. 

Von Dr. von Niessen -Wiesbaden. 

(Fortsetzung.) 

Am Ende sind diese „trophischen“ Ganglien nichts anderes 
als Tonusregulatoren und die Mnskelatrophie eine Folge einer 
Erkrankung der Gefässe und ihrer Nerven. Neben der Selbst¬ 
steuerung des Tonus eigener Gefäßgebiete käme ihnen eine solche 
Funktion für ihre abhängigen Muskelpartieen zu, unbeschadet 
der Abhängigkeit dieser Funktionen vom vasomotorischen Zen¬ 
trum.— Mechanische Ueberreizung kann also ernste Folge¬ 
zustände nach sich ziehen, die zumal auch dem Gefössnerven- 
system drohen. Ich erinnere nur neben den Strapazen der 
Kriegssoldaten an die zahlreichen Ueberanstrengungen der Be¬ 
schäftig iings neu rosen. 

Als Kierhergehörig sei noch eine extreme mechanische 
Keizwirkung angeführt, wie sie bei Unfällen, Erschütterungen, 
beim Shock zum bekannten Syinptomenkomplex der trauma- 
tiscTien Neurose mit ihren Tachykardi-een und son¬ 
stigen vasomotorischen Störungen führen kann. — 

Es lässt sich sogar eher zugeben, dass die gesunde, den 
Vasotonus und damit den Stoffwechsel so energisch and 
wechselvoll anregende Lebensweise des Seemannes auf die 
Syphilis und manche andere Infektionskrankheit bis zu einem 
gewissen Grade einen relativ konsumierenden, resorptiven, 
eliminierenden Einfluss ausübt und den Antagonismus g^n 
die Diathese unterstützt Dies gilt natürlich nur bedingt and 
temporär, in erster Linie für besonders widerstandsfähige ond 
wetterfeste Naturen. 


richtige Dosierung notwendig: a) die Bedeutung und Wirkung 
der Balneotherapie sind am meisten umstritten. Nichts ist ver¬ 
kehrter als beispielsweise die Nauheimer Bäder in ihrer Wirkung 
mit der Digitalis vergleichen zu wollen. Richtig ist wohl der 
Standpunkt von Gumprecht, der auf Grund eingehenden Stu¬ 
diums zu folgendem Resultat kommt: die thermische Wirkung 
von Nauheim und ähnlichen Bädern auf die Zirkulation ist im 
Beginn der Kur eine Herzentlastung, nämlich so lange die 
COj ärmeren Bäder dauern, eine Her/gymnastik und Blutdruck- 
Steigerung, sobald CO. reiche kühlere Bäder in Anwendung 
kommen. H. möchte den spezifischen Einfluss aufs Herz weniger 
betonen, als den allgemein tonisierenden Einfluss auf Darm, 
Leber, Herz, Lunge, Nervensystem durch Änre^ng der Haut¬ 
zirkulation, dadurch bedingter Ableitung des Blutes aus den 
inneren Organen und deren besserer Durchblutung. Nach 
Nauheim gehören also Leute mit asthmatischen und stenocar- 
dischen Anfällen, mit Herzschwäche und Herzdilatation, selbst 
wenn mässige Ödeme bestehen, mit beginnender Arteriosklero^, 
einerlei ob der Blutdruck normal oder nicht besonders erhöht 
ist. Ob die COj Bäder durch die elektrischen Bäder zu ersetzen 
sind, hält H. für wahrscheinlich. Die persönlichen Verhältnisse 
und der individuelle Eindruck müssen entscheiden, in welc^ 
Bad oder Sanatorium der Patient am besten geschickt wim. 
b) Üeber die Bedeutung der Hygiene speziell der Diät berre^t 
ziemliches Einverständnis unter den Aerzten und Missgriffe 
kommen hier kaum vor. Das reklamehait aagepriesene Antiskle- 


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1906. 


BALNEtÄ^OCaseHB CKNTRALZBITUNG 


55 


Bedenkt maa nämlicli, daas die tlierapeutisch von jenem 
Seobfiren ^brauchten kontrastreichen thermischen Reize Her 
russischen Bäder eigentlich im kleinen und in gedrängter Form 
künstlich imitieren, was die Natur die Seeleute im Beruf 
durchzumacheu nötigt, so kann die Methode als eine dorchaiis 
zweckmäßige und naturgemäße gebilligt werden, ge^en welche 
sogar die Uefässveränderungen Keine Kontraindikation bilden, 
so lange sie nicht yorgesohnttener Art sind. Immerhin muss 
man diesbezüglich vorsichtig bei der Verordnung der modernen 
Seefahrtkuren auf „schwimmenden Sanatorien^ sein. — 

Uns^ Marinier batte also keinen Anlass, mit der Vorsehung 
wegen der Widerwärtigkeiten seines Berufes besonders zu 
rechten. In den vermeintlichen Widerwärtigkeiten li?gt oft 
gerade das kurzsichtig verkannte Heil und die Schuld, wenn 
die Rechnung nicht stimmt, wird nur zu gern ausserhalb ge¬ 
sucht, wülirend sie, wie namentlich bei Syphilitikern, inner¬ 
lich begründet ist. — 

Das Dampfbad, die Wärme bewirkt eine maximale Dila¬ 
tation der oiganisch uud mechanisch durch die Wucherungs- 

f irozesse verlegten, eingeengten und funktionell schwerer regu* 
ierbaren Gefässlumina, der folgende Ueizeffekt des kalten 
Wasaers einer Dusche, oder eines Halbbades, zwar nicht im¬ 
stande die durch die Hitze vorübergehend gleichsam paraly¬ 
sierte Gefässwand des Integuments zn nachhaltiger Kon¬ 
traktion zu bringen, regt renektorisch eine kräftige Piimparboit 
des Herzens an, die noch durch Frottieren, Schlagen mit 
Besen u. dgl. unterstützt wird. So ist die Blutstromgeschwin- 
digkeit eine den Umständen gemäß sehr lebhafte, und den 
eapillareii Stasen wird nicht nur vorgebeugt, sondern manches 
Hindernis der Blutpassage wird weggeräumt, bis sich die über¬ 
spannten Gefässwandungen allmühli^ zum gewohnten Kaliber 
wieder kontrahieren. — 


Wer die Art aus Augenschein und eigener Probe kennt, 
wie die Russen ihre Dampfbäder mit obligaten Birkenbesen- 
prügeln der Haut nehmen, der wird sich bei genügender Ueber- 
legung nicht darüber wundem, dass sich diejenigen unter ihnen, 
die sich gelegentlich im Uebermut den Spass machen, sich mit 
dem Uliemitzten nackten Körper in den Schnee zu legen, nicht den 
geringsten Schaden tun. — Hierher gehören auch die bekannt¬ 
lich in Japan vielfach gebräuchlichen Bäder bei extrem hohen 
Temperaturen, wie sie gegen Syphilis und andere Leiden nach 
Prof. Bälz-Tokio dort gebraucht werden, ohne dass dadurch 
Schädigungen, Erkältungen und Verweichlichungen erzielt 
würden. — Extrem hohe Kälte- und Wärmegrade haben ja 
bekanntlich die Eigenschaft gemein, dass sie nach kurz vor¬ 


übergehendem vasomotorischem Reiz beide vasodilutierend 
und gefässlähmend wirken. Je länger die Einwirkung, um 
so langwieriger die spontane und bis zu einem gew'issen Grade 
auch me künstlich exzitierte Restitution zum normalen Tonus- 
aequiliber. — Es sei noch erwähnt, dass die das Gefühl herab¬ 
setzende Wirkung langanhaltender hoher Wärmegrade ihr Ana¬ 
logon in der durch mechaiiis(^n Vorguig bedingten Infiltra- 
tionsanaesthesie findet — 

Der durch die gesteigerte Transpiration solcher Prozeduren 
bedingte Wasserveniist wird bald durch Trinken rasch ersetzt 
und. ist jedenfalls nicht imstande eine erhebliche Blutdmck- 
verminderung zu veranlassen. Im übrigen liegt auch hierin 
ein die Tonusschwankungen nicht unwesentlich in Mitleiden¬ 
schaft ziehendes resp. aus ihnen resultierendes Moment, das 
sicherlich auch den Aderlässen*) zu ihrer früheren, z. T. nicht 
unberechtigten Beliebtheit verholfen hat. Das» dem Aderlass 
ein Tonusplus folgt, ist klar, dass dieses derivatorisch, ent¬ 
lastend, . ansaugena wirkt und reflektorisch das vasomotorische 
Zentrum, die Blutneubildung, den Stoffwechsel anr^end belebt, 
ist nicht zu bezweifeln, und diese Ueberlegungen mögen es 
sein, die vor einiger Zeit zu der fast para^x erscheinenden 
Empfehlung des Aderlasses bei Chlorose und Anaemie geführt 
haben. — 

Um schliesslich noch mit ein paar Worten auf die allge¬ 
mein wichtigen Gesichtspunkte einzugehen, die sich auch dem 
ersten unserer zwei Fälle für die Praxis abgewinnen lassen, 
so Enden wir hier den Typus einer passiv-hyperämischen 
Anomalie als Folgezustand einer auf Grund erblicher Dispo¬ 
sition zur Vasatome mechanisch bedingten venösen Stase, der 
bekannten varikösen Gefasserschlaffung. **) — 

Ob der Mann, wenn er einen anderen Beruf erwählt 
hätte, als den des Infanterieoffiziers, dieser Anlage hätte ent¬ 
gegenarbeiten können, etwa dadurch, dass er zur See gegangen 
wäre, das kann allerdings nur vermutet werden. 

Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, wie diese Zu¬ 
stände sich entwickeln und wie schwer sie, sind sie einmal 
entwickelt, sich von selbst rückbilden resp. zu beseitigen sind. 

*) cf. J. Bauer. Goscliicbto der Aderlässe. Gekrönte Proissebrift. 
1870, bei P. Haiistein-Bonn. 

**) Das künstliche venöse Stasen neuerdings curativ bei in¬ 
fektiösen Prozessen Verwendung finden, ist gewiss genügend be¬ 
kannt. Die Gefässerweiterung, Blutstromverlangsamung und 
der intravenöse Ueberdruck wim hier überernährend, bakterizid 
und digestiv auf die überschwemmten Gebiete, die darauf 
folgende Entlastung resorptiv. 


rosia wird vollständig ersetzt durch Vermehrung der organischen 
Säuren in unserer Nahrung, c) Viel zu wenig beachtet ist 
bisher das 3. Mittel, eine ordentliche Respiration, und doch 
bendMU Oertel’s Erfolge in erster Linie auf ihrer richtigen 
Anwendung. Dircb kräftige Inspiration wird das Blut nicht 
nur in den Thorax angesogen, es werden auch die Lungen- 
oad Herzgefässe erweitert, i^eo deren Durchströmung direkt 
gefördert, oer Abfluss des Blutes in den 1. Ventrikel begünstigt. 
Auf keine Weise kann man dem Herzen so sicher eine krmtigende 
Blutwelle zuführen und seine Ernährung heben. Darum sind 
Atemübungen nicht nur in Frühstadien, sondern auch bei vor- 
geschrittenen Störungen besonders bei Arteriesklerose zu em¬ 
pfehlen. —- {Fortsetzung folgt.) 

Kleine Mitteilungen, 

Neues Ober Radium. Prof. Preebt von der Technischen 
Hochschule za Hannover ist es gelungen, bei im Vakuum ge¬ 
trocknetem Radinmbromid die dauernde Entwicklung eines Gases 
von bequem messbarem Druck nachzuweisen. Interessant ist der 
Weg, der ihn zu diesem Resultat führte. Er hatte Ende 1904 
in ein 2 mm weites Glasröhrcben von '/s mm Wandstärke 25 mgr 
Radinmbromid eingeschmolzen, vorher letzteres aber fein pulve¬ 
risiert und durch längeres Erhitzen von einem Teile seines Kri¬ 
stallwassers befreit. Anfangs wnrde es zu zahlreichen Messungen 
im Eiskalorimeter verwendet. Dana im November v. J. wurde es 
mehrere Male in flüssige Luft gebracht und nachher jedes mal 


wieder auf Zimmertemperatur erwärmt. Das Röhrchen mit dem 
eingeschmolzenen Radinmbromid batte also hierbei Temperatur¬ 
schwankungen von reichlich 160 Grad durchznmachen. Nachdem 
es etwa sieben mal diese Behandlung ertragen batte, explodierte 
es plötzlich mit schanfem Knall, während es unberührt auf einem 
Holztiscbe lag, 3 Minuten nach dem Herausnehmen aus der 
flüseigen Lufr, Die- Kxplosion war so heftig, dass die Glasmasse 
in nahezu mikroskopische Teilchen zerstäubt wurde, während das 
Eadtumbromid in staubförmiger Verteilung im Dunkeln als leuch¬ 
tender Sternenhimmel auf dem Fnssboden des Zimmers wieder- 
zaiinden war. Die Hauptmasse lag in mehr als 1 m Entfernung, 
der Tisch’ war fast frei von Radium. Die Temperaturändernng 
i konnte nicht die Ursache der Explosion sein, weil das Glas dann 
nnr gesprungen, nicht zerstäubt worden wäre, was unbedingt 
auf das Vorhandensein eines bedentenden Ueberdnicks im Innern 
des Röhrchens hinwiea. Preebt schätzt ihn auf 20 .Atmosphären. 
Demnach hätte also das Radium ein Gas, sei es nun Emanation 
oder Helinm von etwa 20 Atmosphären Druck im Laufe von elf 
Monaten in dem Röhrchen entwickelt. — 

Die österreichische Regierung demonstriert auf der nächsten 
Londoner Ausstellung in einem mntoakapähnlichem Apparate 
radiumhaltigen Badeschlamm der Schwefelquellen von Baden bei 
Wien, der ebenso leuchten soll, wie ein in einem ähnlichen Röhrchen 
befindliches Körnchen Radium. Die Emanation soll in Form von 
kleinen leuchtenden, nach allen Richtungen aasgeschlenderten Pu*- 
tikelchen sichtbar sein. Dr. St. 


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56 


BALNEOLOöISCHE CENTRALZEITÜNG 


Nr. XL 


Hier sei uur darauf hingewiesen, wie leicht die interuen 
Varicositäten. z. B. der innerhalb des IschiadiciH verlanfenden 
Venen, dort mechanische Druckwirkungen verursachen können, 
und welche Last gravide Frauen, Haemorrhoidarier und manche 
Herzkranke von diesen venösen Atonieen haben.*) — 


*) Man muss nicht glauben, dass es ohne Muskel keinen 
Tonus gibt, die Kontraktilität des Zellprotoplasmas ist auch eine 
Art Tonus. Freilich könnte man einwenden: wer weiss, ob 
diese Zelltätigkeit, die wir nicht weiter zu zergliedern vei- 
mögen, nicht auch ihrerseits in der Muskelaktion analogen Vor¬ 
gängen beruht. Auf dem Wechsel von Kontraktion und Expan¬ 
sion der Zelle beruht z. B. ihre bakterivore Fähigkeit. Die den 
Tonus-Wechsel treffenden Reize stellen somit einen wesent¬ 
lichen Faktor im Antagonismus gegen die Infektionskrank¬ 
heiten dar, mechanisch-resorptiv, wie chemisch-digestiv. — Viel 
zu wenig wird noch die Tatsache berücksichtigt, dass die 
Syphilis eine exquisite Gefässkrankheit ist, dass sie auch 
die Venen, ja die Capillaren bereits zu einer Zeit in 
Mitleidenschaft zieht, wo man von einem Exanthem, also 
einer Ausbreitung der Infektionskeime noch nichts wabmimmr. 
(Siehe hierzu Meissner, Verhdlg. der Aachener Naturforscher- 
versamml. 1900.) — (Schluss folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Ostseobad Bansin. Die Beliebtheit dieses jüngsten unweit 
Heringsdorf gelegenen Ostseebades nimmt von Jahr zu Jahr zu. 
Während 1897 nur 380 Badegäste gezählt wurden, erreichte ihre 
Zahl in der kurzen Zeit von 8 Jahren die stattliche Summe von 
5000 Badegästen. Ausser der schönen Lage und Billigkeit hat 
Bansin den Vorzug, die erholungsbedürftigen Grossstädter mit so¬ 
genannter Kurmusik zu verschonen. 

Elster. ln das Elsterhad will der sächsische Staat ganz be¬ 
deutende Mittel stecken. Während es im letzten Etat mit einem 
UeberschuAs von 67800 M. erschien, ist fiir die beiden Jahre 190G 
und 1907 ein Zuschuss von 1028000 M. vorgesehen, weil allein 
eine Summe von 1147 000 M. für erforderlich erachtet wird, um 
eine ganze Reihe Neu- und Erweiterungsbauten vorzuneliinen. 

Madsira. Die Madeira-Streitfrage ist nunmehr zum Abschlu-ss 
gekommen. Die Sanatorien-Gesellschaft hat auf die Erwerbung 


des streitigen Grundstücks vernichtet und ei'hält von der Begie- 
niug ein anderes, gleichwertiges Gi-undstück in der Nähe von 
Funciml, das sich zur Anlage eine.s Sanatoriums gleichfalls treff¬ 
lich eignet. Es verlautet, dass die Gesellschaft eine eigene 
Schiffsverbindung zwischen Lissabon und Funchal elnrichten und 
zu diesem Zwecke mehrere Prachtdampfer erwerben wird, die die 
Fahrt von Lissabon nach Madeira in 26 Stunden zurücklegen 
sollen; dabei sollen die Fahrpreise niedriger sein, als auf den an¬ 
deren Dampfern dieser Strecke. 

Nauheim. Den Klagen über die Leistungen der Eurkapelle 
ist durcli Berufung des Kapellmeisters Winderstein vom Philhar¬ 
monischen Orchester in Leipzig abgeholfen worden. Dem Gesuch 
um Vej'längeiuiig der Kurzeit wurde von der he-sslschen Regierung 
nicht stattgegeben. 

Schlachtenseo bei Berlin soll Kurort werden. Der Ortsans- 
.schuss zur Beratung der Mittel für Hebung x\nd Verschönerung 
des Ortes empfahl die Errichtung einer Badeanstalt und eines 
Kurhauses am Dubrow-Platz, zu dessen Ausschmückung (eine 
Rosenanlage geschaffen werden soll. Das erforderliche Geld soll 
durch Einführung einer Kurtaxe gewonnen werden, deren Ülrtrag 
zunächst auf 6000 M. jährlich berechnet wird. Die Vorschläge 
fanden allgemeine Zustimmung und werden wahrscbeinlluh auch 
zur Ausführung gelangen, da der von der Gemeindeverwaltung 
geforderte Garantiefonds zum grossen Teil bereits aufgebracht ist. 

Wyk auf Föhr. Das Programm für das geplante Stadtjubilänm 
unseres Badeortes steht nun endgültig fest. Für den historischen 
Festzug sind drei Hauptabteilungen vergessen, von denen die 
erste auf vormalige und gegenwärtige Sitten der Inselbewohner 
(etwa 20 Gruppen), die zweite auf die Entwicklung des Bade- 
lebens (10 Gruppen) und die dritte auf die Lage am Meer be¬ 
dingten Erwerbsquellen, Schiffahrt und Fischerei (10 Gruppen), 
sich beziehen wird. Eine Tribüne soll an passender Stelle errichtet 
werden, um in erster Linie den Ehrengästen einen freien Ueber- 
blick über den Festzug zu ermöglichen. 


Personalien. 

— Herr v. Pander, kgl. jjreuss. Leutnant a. D., früher 
Kurdirektor in Bad Wildstein ist zum Kurdirektor des Kar- und 
Mineralbades Eisenach gewählt worden. 


Meteorologische Statistik. 


Verasstaltet von der Redaktion der Balneologioohen ZontralzoltHog.. 


Name 

Woche 

Mittleres 
Temperatur- 
minim um 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

Durch.schnitt- 

lieber 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

1 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

ö.-14,/4. 

1 11,6 c.: 

17,7 C. 

766,3 

— 

4 

3 

— 

— 


Badenweiler. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 

n 

— 

— 

— 

— 

— ■ 

— 

— 

— 


Ems. 


3,5 C. 

19.2 C. 

762,7 

2 

7 

— 

2,9 

1 


Giesshübl-Sauerbininn . . 


1,9 C. 

19 C. 

— 

— 

6 

1 

0,2 

— 


Franzensbad. 


— 

— 

— 

1 

— 

, — 

— 

— 


Herrenalb. 


— 

— 

— 

— 

— 

■ — 

— 

— 


Kreuznach. 


— 

— 

— 

— 1 

— 

i — 

— 

— 


Laugeuschwalbach . . . 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippspringe. 

n 

5,4 C. 

25 C. 

7G2 

1 

6 

i — 

2,6 

— 


Nauheim . 

2 -8./4. 

— 0.1 C. 

12,6 C. 

757,7 

1 

4 

j 1 

1—6 

— 


Nonndorf . 


13 G. 

22 C. 

771 

— 

6 

1 

— 

— 


Norderney . 


1 — 

— 

— 

— 

— 

j — 

— 

— 


Orb . 


— 

— 

— 

— 

— 

T— 

— 

— 


Reiuhenhall . , . . • . 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reinerz . 


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Stehen . 

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V«ru>(wortlicber Re<Ukt«ar : Dr. P. MeiMner, Berlin. — Verlag von Carl Marbold, Halle k S. 
Dmck von Heynetnann'tche Bucbdnickerei. Gebr. Wolff, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 15. 1906. 

Balneolosische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. : 

Dr. Sicbelt. Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Maibold In Halle a. S., Uhlandstrasse 6 . 

Tei.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Pernaprecber 2834 

. Redakteur: 

Dr. med. et. pollt. Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuscbriften an die Redaktion erbitten wir aa Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilbelmstrasse S3. 

Der Nachdruck aut dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Die b^eniscben ond sanitären Einricbtungon in Ems. Von Dr. Emst-Ems. 
Beeinfluseting des GeRtsstoous and der Blatstroms^bwindigkeit darcb iber- 
miscbeund mccbanische Reize Von Dr. von Niessen-Wiesbaden. Schluss. 
FeuiUeton : Die 27. OffentHcbe Versammlung der Balneologischen Gesell¬ 
schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. Fortsetzung. 

Aus den GroAsberzogUeben Anstalten in Baden-Baden. Eleine Uitteilnngen. 
Ans den Bidera nnd Kvrorten. 

Versaninilnngen nnd Kongresse. 

Personalien. 

Meteorologische Statistik. 

Die hygienisclien und sanitären 
Einrichtungen in Ems. 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allgemeinen 
deutschen Bäder-Verbandes zu Kms am 4. Oktober 1905. 

Von Dr. Emst- Ems. 

(Fortsetzung) 

Inwieweit wir diesen Forderungen in unserer Stadt bereits 
gerecht geworden sind, lassen Sie mich jetzt näher ausführen 
und Ihnen zuerst mitteilen, welche hygienische Maßnahmen bei 
der Quelifassung, der Einrichtung der Gurgelkabinette, der 
Füllräume und Pastillenfabrikation, sowie in den Inhalatorien 
und Badehäusern getroffen worden sind, um diese Kurmittel 
unseren Bad^ästen so zur Verfügung zu stellen, dass für die¬ 
selben jede Gefahr einer üebertragung von Krankheitskeimen 
ausgescolossen ist. 

Bei der Fassung der Quellen durch Heirn Ingenieur 
Scherrer wurde mit l>e8onderer Sorgfalt darauf Bedacht ge- 
nommeD, den Zutritt von Schmutz- und Tagwasser in das Qiiell- 
gebiet durch Aufführung von mächtigen Isolierschichten von 
Zement und Lette zu verhindern. Die Fassungsgefässe der 
Trinkquellan sind mit Glas überdeckt, sodass mde Verunreinigung 
durch Staub und durch Hineinfassen mit ^höpfgefässen oder 
durch das Hineiogelangen sonstiger Unsauberkeiten unmöglich 
ist. Auch das Füllen der Trinkgläser ist so geregelt, dass diu 

Bedienung mit den Fingern nicht mit dem Wasser in Berüh¬ 
rung kommt. 

Die Buffets, in welchen die Brunnengläser gereinigt und 
aufgehoben werden, sind in zwei Abteilungen geteilt. In der 
ersten werden die Gläser in sanberem Zustande an die Kur¬ 
gäste ausgegeben, in der zweiten werden sie nach dem Ge¬ 
brauch abgegeben und mit einer Sahsänrelösung und dann in 
ffiessendem Wasser gereinigt und alsdann getrocknet Vor 
Verwechslungen schützen Nummern, welche an den Gläsern 
angebracht sein müssen. 

Da in unserem, Kurort hauptsächlich Erkrankungen der 
Atmnngsorgane zur Behandlung kommen, müssen wir beson¬ 
dere Sorgf^t auf eine schnelle Beseitigung des Aaswurfs ver¬ 
wenden. Diese Forderung richtig zu eiiüllen, ist sehr schwierig 
gewesen, aber jetzt einwandfrei gelungen. Nicht nur in den 
Gurgelräumen, deren elegante und saubere Ausstattung ich 
Ihrer besonderen Berücksichtigung bei der Besichtignng em¬ 
pfehle, haben die Speigefässe fliessende Wasserspülung., die¬ 
selbe ist auch bei sämtlichen Spuckeimem, die in aen Brucnen- 
hallen und auf dem Kurhof aufgestellt sind, eingerichtet, so 
dass der Auswurf sofort den ^flusskanälen zugeführt wird. 
Später sollen auch die in der Wandelbahn beßndlichen Spuck¬ 
eimer ebenso eingerichtet werden. Einstweilen enthalten sie 
eine Scbmierseifenlösung und der Inhalt wird täglich mehrere 
male in die Lahn entleert. Auf Veranlassung des Aerzte- 
kollegiums ist das Ausspeien auf den Fussboden in sämtlichen 
Inhalatorien durch Anschlag verboten und dafür Sorge ge- 

Feuilleton. 

Die 27. öffentliche Versammlung der 
Balneologischen Gesellschaft 

in Gemeinschaft mit dem Zentraiverbande der 
Baineologen Oesterreichs in Dresden 2.-6. März 1900. 

Referent: Dr. Bnrwinkel-Bad Nauheim. 

(Fortsetzung.) 

Mit der richtigen Anwendung der genannten Mittel ist 
eigentlich alles erschöpft. Coffeinpräparate, Calomel. Aether, 
Campber, Alkohol, Morphium, Dionin, Chloral. Brom, Nitro¬ 
glycerin, Punktion der Transsudate sind als Syraptomatika 
schätzenswert, kommen aber für die eigentliche Dauerbeband- 
lung nicht in Betracht. Besonders weist der Vortragende 
darauf hin, dass man eingebildeten Herzkranken öfters be¬ 
gegnet Bei Hochdrängung des Zwerchfells durch die chro¬ 
nische Magenblase wird das Herz verlagert und in seiner 
Funktion gestört. Einfache Diät und Beseitigung der Obsti¬ 
pation befreien die Patienten meist schnell von ihren Beklem- 
mun^gefühlen und von dem Herzklopfen. 

ln der sehr lebhaften Diskussion lobt Winternitz der 
Anwendung von zuweilen recht kalten Wasserprozeduren bei 
der Arteriosklerose gute Erfolge nach. Gleichzeitig wird Jod- j 

kali nur in einmaliger Tagesdosis kurz vorm Zubettgehen ge¬ 
geben. Oeder hat vom Calomel ganz überraschenden Nutzen 
bei cardialem Hydrops gesehen. Strasser warnt vor Calomel, 
das zwar eine hervorragende diuretische Bedeutung hat; doch 
ist namentlich bei älteren Leuten ein plötzlicher f&tus hinter¬ 
her nicht selten, wohl infolge abnehmender Gewebsspannung. 

Die Wechselbeziehungen zwischen Störungen 
der Herztätigkeit und der Verdauungsorgane be¬ 
spricht Prof. A Schmidt-Dresden. Unter der allgemeinen 
Blutstauung infolge von Herzinsuffizienz leiden Mt^^en und 
Darm verhältnismäßig wenig, weil das vorgeschaltete Pfort- 
aderc^illarsystem den venösen Druck abschwächt. Das ein¬ 
zige Zreichen schlechter Zirkulation bildet häufig die Gasan- 
sammlung im Verdauungsschlauch, welche auf verminderter 
Resorption, nicht aber auf vermehrter Zersetzung beruht 
Diese Gasauftreibung beeinträchtigt die Herztätigkeit und 
schafft so einen Circulus vitiosus. Subjektiv können die von 
der Gasansammlung ausgehenden Beschwerden das Krankheits¬ 
bild völlig beherrschen. 

Primäre Erkrankungen des Magens und Darmes, wie Ulcus 
und Carcinom, führen nur ausnahmsweise zu Herzstörungen. 
Diese seltenen Fälle zeigen dann allerdings oft alarmierende 
Symptome. Funktionelle Herzstörungen stellen sich meist im 
Anschluss an länger bestehende Magendarmbeschwerden ein 
(Colitis niembranacea, Iniliituelle Obstipation etc ). Diese gastro- 
genen rc«>p. enterogenen Störungen teilt man zweckm^ig in 


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68 


BALNEOLOGISCHB CENTRALZETTÜNG 


Nr, 16. 


tragen, dass mit Wasser gefüllte Spucknäpfe in ausreichender 
Zam zur Verfügung stehen, die täglich mit 2% heisser Soda¬ 
lösung gereinigt werden. (Fortsetzacg folgt.) 


Beeiuflnssung des 

Gefässtonus und der Blutstromgescliwmdigkeit 
durch thermische und mechanische Reize. 

Von Dr. von Niesson-Wiesbaden. 

(Schiaas.) 

Die Ther^ie ist hier in der Tat recht machtlos und wie 
so mancher Praktiker aus eigener Erfahrung weiss, unbe¬ 
friedigend. 

m solchen Fällen sind die entlastenden, tonisierenden, 
mittleren klimatischen Höbenluftkurorte und eine systematische, 
gelinde mannelle Massage, eventuell mit Faradisation kombi¬ 
nier^ noch die besten Mittel, neben den Vorkehrungen der 
passiven Abflusserleichterung, die bisweilen dauernd Uinisch 
verwendet, den Gefässtonus vorübergehend kräftigen kann. — 

Im allgemeinen haben die mechanischen ^ize auf den 
Gefässtonus und die Blutstromgeschwindigkeit im Vergleich 
zu den thermischen und klimatischen, bei welch letzteren 
ja auch die thermischen nicht zu eliminieren sind, nur 
untergeordneten therapeutischen Wert, wobei ich aktive und 
passive Gymnastik ausnehme, da hier die Tonusinnervation 
mit den Impulsen der Muskeitätigkeit collateral verlaufend 
auch auf den resultierenden Tonus - Zustand unzweifelhaft 
energischer anregend und kräftigend einwirkt und so seine 
Spannkraft durch den Willen indirekt zu beleben 
und zu disziplinieren imstande ist. 

Solches tritt bei der Massage mehr reflektorisch, 
erst reaktiv und meist ohne jede Einschaltung der Willens¬ 
tätigkeit ein, ist daher oft nicht von Bestand, weil nicht 
durch eigene Kraft erworben, daher zentral nicht ordent¬ 
lich vertreten und angelegt. 

Das kräftigste Durchwalken bleibt ein passiver Vorgang, 
der eine aktive Körperarbeit nie ganz zu ersetzen vermag. 
Deswegen ist freilich die Massage gerade beliebt, vielleicht 
auch w’egen ihrer Nebenwirkung aut die Sinnlichkeitssphäre. 
Ihr touisierender Einfluss soll nicht in Abrede gestellt werden, 
denn es ist dabei eine Kräftigung der Gefässmuskulatur, direkt 
und indirekt, durch die Druckwirkung und wenn auch nur 
flüchtige Gefässentlastung anzunehmen. 


Ein wirklicher Spannkraftzuwachs ist hier gewöhnlich nur 
eine kurze Unterbrechung des durch Ruhe, Atonie und Ueber- 
lastung mechanisch angestauten Gefässgebietes, die vorüber¬ 
gehende Belebtmg eines Trägheitszustandes, den bei 
manchen überreizten, sensiblen Naturen möglichst zu erhalten, 
allerdings der Zweck der Therapie ist 

Ohne die weit kräftigeren und natürlicheren thermischen 
Reize der Tagestemperatur-Schwankung, des Witterungsum¬ 
schlages, der Jahreszeiten und ohne eine willkürliche 
Muskelinnervation ist der künstliche mechanische Reiz der 
Massage nur ein verhältnismäßig schwaches Hil&mittel, den 
Tonus und Blutdruck von der erlahmten Energie zur verloren 
gegangenen Selbsttätigkeit wieder anzuregen, zu heben*). 
Diese wirkt sonst vielfach nur so lange, resp. so kurz der Reiz 
eben anhält, aber nicht lange darüber hinaus. Jedenfalls 
ist ihr die Hydrotherapie weit überlegen. 

Zudem hat die Massage in ihren Erscnütterungsformen, zu¬ 
mal die Konkussions- und Vibrationsmassage, wie überhaupt 
jede anhaltende, sei es partielle, sei es totale, rythmisch 
wiederkehrende Erschütterung des Körpers, nicht nur bei sen¬ 
siblen Naturen, sehr leicht sogar nachteilige Nebenwirkungen 
und KoordinationsstÖrungen der Gefässinnervation im Gefoge. 

So können z. B. bisweilen nicht unbedenkliche nervöse 
Herzarrythmieen eintreten, die sich einmal als Organgefühl 
unliebsam bemerklich machen, andererseits nicht selten länger 
anhaltende Hyperaesthesie und nachklin^nde leichte Erregbar¬ 
keit lind Schwäche, ähnlich der nach Dimtalis, hinterlassen, 
wie ja solche Znstände „nervöser Herzen“ nach den 
Stössen lange anhaltender Eisenbahn- und Zweiradfahrten ge¬ 
nugsam bekannt sind. — 

Die Schädlichkeiten des Radfahrens beruhen nicht nur in 
den Herzdilatationen, sondern auch gerade in diesen nnuuter- 
brochen und unberechenbar fortwirkenden Erschütterungen des 
Herzmuskels und schliesslich in der durch psychische pMtoren 
vielfach interpellierten, an sich reflektorisch schon äusserst 
vielseitig in allen Richtungen in Anspruch genommenen Tonus¬ 
innervarion. Auch die Interferenzen der aktiven Pulswellen 
mit den durch das mechanische Auf- und Abschleudem des 
Körpers bedingten passiven Blutströmungen sind hierbei, ähn¬ 
lich wie beim Reiten, zu berücksichtigen, in gleicher Weise 
wie die sehr unregelmäßig arbeitende, durch Anekte mancher 

*) Durch die Massage bei Mastkuren z. B. kann das Herz 
während der Bettruhe derart träge und verwöhnt werden, dass 
es bei späteren Ansprüchen den inzwischen gewachsenen Wider¬ 
ständen gegenüber sich als insufficient erweist. — 


3 Gruppen, a) tachykardische und allorhythmische, b) Angina 
pectons ähnliche Zustände und c) das sog. Asthma dyspepticum. 
An der Hand von Beispielen werden diese verschiedenen Typen 
besprochen und betont, dass eine strenge Trennung nicht durch¬ 
führbar ist und dass insbesondere das Asthma dyspepticum 
(eigentlich Tachypnose!) seinen Namen mit Unrecht führt. 
Zur Erklärung muss man auf Vagusreflexe und Hochdrängung 
des Zwerchfells durch Gasauftreibung im Magen und Darm 
zurückgreifen, wie dies Hoffmann durch Röntgenbilder treff¬ 
lich illustriert hat. 

Auf Grund kritischer Sichtung des Materiales nnd seiner 
Erfahrungen gelangte Vortragender zu der Ansicht, dass wohl 
schon immer eine Schädigung des Herzens re^. seiner Inner¬ 
vation vorher bestanden und durch die Magenaffektion manifest 
geworden ist. Auch für diesen Causalnexus führt er Beispiele 
an. Endlich bespricht S. die Diagnose, Prognose und Therapie; 
letztere liefert hier die paradoxe Erscheinung, dass ein Herz¬ 
leiden vom Magen aus und ein Magenleiden vom Herzen aus 
kuriert werden muss. (Fortsetzung folgt.) 

Aus den Grossherzoglichen Anstalten 
in Baden-Baden. 

Man kann aus folgenden Zahlen ein hocherfreuliches Fort¬ 
schreiten in allen Zweigen der Grossh. Badeanstalten in Baden- 
Baden erkennen: 


Die Gesamtbäder-Frequenz in Baden betrug: 

im Jahre 1904 . 186454 

im Jahre 1905 . 201816 oder 8,2% mehr. 

Die Bäder-Frequenz der Grossh. Badeanstalten betrug: 

im Jahre 1904 . 132251 

im Jahre 1905 .140717 oder 6% mehr. 

Die Heilgymnastischen Anstalten waren besucht: 
im Jahre 1904 . . . von 2007 Patienten, 
im Jahre 1905 . . . von 2257 oder 12,4% mehr. 

Die Anzahl der Inhalationen betrug: 

im Jahre 1904 . 12829 

im Jahre 1905 . 14205 oder 11,5% mehr. 

Während im Jahre 1897 auf einen Fremden 1,89 Bäder 
kamen, und sich dieses Verhältnis von Jahr zu Jahr steigerte, 
entfielen im Jahre 1905 auf einen Kurgast 2,6 Bäder. 

Die Zusammenstellung der Bäderabgabe des Friedrichs- 
Bades und Kaiserin Augusta-Bades zusammen ergibt für die 
letzten 5 Jahre folgendes Bild: Von insgeraiati. Baden-B. 

1901 = 92 343 163842 

1902 = 97105 178826 

1903 = 98814 187111 

1904 = 95528 186454 

1905 = 103832 201816. 

Es wurden also in ersteren im Jahre 1905 8304 bezw. 8,6% 
Bäder mehr abgegeben als im Jahre 1904. und 11489 oder 
12,4% mehr als im Jahre 1901. Dabei sind die Fangobäder 


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1906. 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


59 


Art ^störte Atmung bei vielfach unzweckmäßiger Haltung. 
Das Uegenstück hierzu ist die Atem- und Widerstands- 
ymnastik mit ihren wohltätigen Einwirkungen auf den 
lutumlauf und die Herzstärkung, z. B. bei Dilatationen und 
Tachykardieen. Auch hier sind es kräftige Blutwellen, die 
dem Herzen zugefUhrt werden, um seine Tätigkeit zu regu¬ 
lieren, aber unter geordneten, gleichmäßigen und günstigen Be* 
dingungen mit aktiv in Bereitschaft gehaltener Tonusinner- 
vation und Tonuskontrolle durch das vasomotorische Zentrum 
für Herz und Gefasse. — 

Die Klopf- und Vibrationsmassage’^) scheint mir daher als 
mechanischer Tonus-Reiz und als Blutstromgeschwindigkeit be¬ 
förderndes Mittel relativ nur bedingt in Frage zu kommen. 

Ich halte sie fUr nicht unersetzlich und mr einen durchaus 
nicht harmlosen Zweig der Mechanotherapie, den jeder Masseur 
und Heilkünstler als neueste Mode in der Medicin planlos an¬ 
wenden durfte, ohne befürchten zu müssen, dass er damit 
schaden könnte. — 


Soviel wollte ich, wenn auch nicht mit Statik und Dyna¬ 
mik, nach Maß und Gewicht, an komplizierten Apparaten uo<i 
umständlichen Tierexperimenten, so doch in praktisch, wie ich 
hoffe, anschaulicher Weise zur Beleuchtung des überaus viel¬ 
seitigen Themas beitragen, um zu zeigen, wie der Gefäss- 
tonus und die Blutstromgeschwindigkeit durch ther- 

*) Auch Peitschenhiebe und Backenstreiche, diese z. B. in 
der Chloroformnarkose, wirken unzweifelhaft als Revulsiva auf 
den Tonus und Blutdruck, erstere sogar unter sehr lebhafter 
Mitbeteiligung höherer Reflexbögen der Psyche und ihrer vaso¬ 
motorischen Begleiterscheinungen, von der Strieme bis zur 
höchsten Affektwirkung. 

Ferner sollen Rutenschläge der Glutaeen auf die lenden¬ 
lahmen Nervi erigentes mit ihrem Concomitat vasomotorischer 
Ereignisse, dem Prototjrp physiologischer functio- 
neller Hyperaemie, eine reflektorisch-mechanische Reiz 
wirkang entfalten können, die übereifrige Pädagogen zu dem 
Entschluss geführt haben, von den für die Prügelstrafe prae- 
destillierten, edleren Körperteilen abzusehen, aus Furcht vor 
verkehrten und nicht gewollten Erziehungsresultaten. Das alte: 
„vott hinten aufs Herz wirken“ ist zwar sonach physiologisch 
richtig, aber pädagogisch angeblich nicht enmfehlenswert. — 
Sicher ist die Erection eins der vielseiti^ten Beispiele, welche 
Energie und Kraft der Tonuswechsel und die Blutdruck¬ 
schwankung zu entfalten vermögem__ 


mische und mechanische Reize so manuigfach und wunder¬ 
bar nicht nur physiologisch, sondern auch therapeutisch beein¬ 
flusst werden können, um den Menschen leistungsfähig an 
Muskelkraft und widerstandsfähig gegen Witterungsunbill, fein¬ 
fühlig gegen die Eindrücke der Aussenwelt und reaktionsstark 
gegen ihre Schädlichkeiten zu machen, damit er ihrem un¬ 
berechenbar bunten Wechselspiel in einem zur Energie er¬ 
zogenen Körper einen prompt und elastisch funktionie¬ 
renden, anpassungsfähigen Tonuswechsel gegeu- 
überstcllen kann, sei es unbewusst, sei es mit der Erfahrung 
und dem Sicherheitsgefühl der Lebensweisheit des: 

Mutando perseverat natura. 

Llteratiira&snig. 

1. Abderhalden: blinüass des HobenkUmas aof die Zasaniniensetzung des 
Blutes. Hed. Klinik 9, 05. 

2. Baner; Geschichte der Aderlässe. P. Hanstein-Bonn. 1870. 

8. Beoce: Klinische Untersnehongen (Iber die Viscosität des Blntes. 
Zeitsebr. f. klin. Med. Bd. 58, H. 3 n. 4. cf. aach d. Ref. in d. 
Manch Med. 'W'. 7, 06. 

4. Bie: Pie Anwendnngdes Lichtes in der Medicin. Bei^ann-Wiesbaden. 

5. Bier: Hyperämie als Heilmittel. F. C. V. Vogel-Leipzig. 

6. Brieger and Meyer: Licht als Heilmittel. Moderne ärztl. Bibliothek. 
Heft 10. Verlag L. Simon Nfg.-Berlin. 

7. Bnxbaum: Kompendinm der ^ysikaliscben Therapie. G.Thieme-Leip- 
zig. 

8. Canon: Die Bakteriologie des Blutes bei Infektionskrankheiten. G. 
Fischer* Jena. 

9. Determann and Schröder: Die Wirkangen des Höhenklimas anfden 
Menschen. 

10. Brb: Winterkuren im Gebirge. Samml. ktin. Vorträge No. 271. Breit¬ 
kopf & Uärtel-Lcipzig. 

11. Erloumeyer: Die Steigerung des arter. Blntdrnckes bei der Arterio¬ 
sklerose n. deren Behandlung. Deutsche med. W. 7, 06. 

12. Goldschneider und Jacob: Handbuch der physikalischen Therapie. 

13. Haig: Über den Kapillarkreislanf n. den Blomruck. Royal med. and 
Chrirurgical society 9. I. 06. (ref. Manch, med. W. 7, 06.) 

14. Uobenkliraa und Bergwanderungen in ihren Wirkungen auf den 
Menschen bei Oskar Betendes. Berlin W. Baiowstr. 49— 

1.5. Holobut: Üb. die Beziehungen zwischen Blutdruck und Zusammen¬ 
setzung des Blutes. Wien. kltn. W. 49, 05. 

16. Krehl; Üb. d. krankhafte Erhöhung d. artor. Druckes. Deutsche med. 
W. 47, 05. 

17. Lexikon der physikalischen Therapie. Urban & Schwarzen¬ 
berg-Berlin. 

18. Matthes: Handbuch der Hydrotberapie. 

19. von Niosson: Regenerative Vermehrung menschlicher Blutzellen. 
Virch. Arch. 141. 

20. — Die Erklärung und die Ursachen des Schwankens der Erytbrozyten- 
zahl. Med. Klinik 29, 05. 

21. I'appenbeim: Atlas d. nienscblicben Blutzellen. G. Fischer-Jena. 

22. Pick: Kurzgefassto praktische Hydrotherapie. 

23. Regenbadkur. Von der Stadt Austin in Texas oingefUbrt. 


nicht mit eingerechnet Es ist dies die höchste bisher erreichte 
Leistnng unserer Anstalten. Die ausserordentlichen Fortschritte, 
die der Badeknrort gemacht hat, springen um so mehr in die 
Augen, wenn man erfährt, dass im Jahre 1894 in Baden 
109776, im Jahre 1904 dagegen 201816, also nahezu doppelt 
so viele oder genau 82 % mehr Bäder abgegeben worden sind. 

(Schluss folgt.) 


Kleine Mitteilun£:en, 

Radioaktivität der Quellen von Baden (Schweiz). Nach 

Untersuchungen, die stud. von Susy im Laboratorium von Professor 
Gockel in Freiburg (Schweiz) auageführt hat, sind die Quellgose 
von Baden (Schweiz) stark Argon haltig. Die Radioaktivität, ge¬ 
messen in dem von Rache angegebenen Maße (iXlO*), ist gleich 
26,ö. Das ist also gleich der Rf^ioaktivität der Gase der Teplitzer 
Quelle. Der Emanationsgehalt des Wassers selbst ist unbedeu¬ 
tend, wie man das bei allen gashaltigen Quellen beobachtet, weil 
die Emanation durch das emporstehende Gas mitgerissen wird, er 
beträgt in dem oben angegebenen Maße, unmittelbar an der Quelle 
gemessen 0,24 bis 0,48, je nach der Quelle. Der Emanations¬ 
gehalt von Badewasser, das 12 Stunden lang in offenem Becken 
gestanden, war auf 0,03 gesunken. 

lieber die Mineralquellen des mittelrheinischen Schiefer- 

Qebiryee schreibt man der „Frkf. Ztg.“ aus Wiesbaden: ln einem 


Vortrag über die Entstehung der Mineralquellen des mittelrhei¬ 
nischen Schiefergebirges setzt Dr. phil. Grünhut-Wiesbaden der 
Lepsiua’schen Theorie eiue neue entgegegen. Nach seiner Auf¬ 
fassung ergiesst sich ein kochsalzhaltiger Grundwasserstrom aus 
den in die Tiefe der oberrheinischen Ebene gesunkenen Gebirgs- 
formationen — also zwischen Jura und Vogesen auf der einen, 
dem Schwarzwald und Odenwald auf der anderen Seite — wie 
zwischen gewaltigen Manem im Erdinnem nordwärts. Die quervor¬ 
gelagerten, undurchlässigen Formationen des mittelrheinischen 
Schiefergebirges hemmen dann den Weiterlauf dieses onterirdisohen 
Salzstromes, sodass er in Form der Mineralquellen einen Ausweg 
nach der Erdoberfläche Sachen muss; also rechtsrheinisch im Taunus- 
gebiet, linksrheinisch in den Gebirgszügen von Hunsrück bis zur 
hohen Venn. Den Hauptbestandteil aller Mineralqnellen dieses 
grossen Gebietes, denen sich unter mehr lokalen Bedingungen da 
und dort noch andere Bestandteile zumischen, bfldet einheitlich 
Kochsalz. Die Wärmeunterschiode rühren von der grösseren eder 
geringeren Tiefe her, die z. B. beim Wiesbadener Kochbrunnen 
mit 64 Grad Celsius auf etwa 2000 Meter geschätzt wird. Den 
Häuptunterschied, dass die ganze rechtsrheinische Quellengruppe 
kohlensäurehaltig, die linksrheinische dagegen alkalisch ist, erklärt 
GrUnhut damit, dass jene eine Kohlensäurezufuhr aus dem Vogels¬ 
berg erhalte, diesem gewaltigen vorgeschichtlichen Vulkangebiet, ^ 
das an Grösse dasjenige des Aetna um das Vierfache übertraf. 


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60 


BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITÜNG 


Nr. 16. 


24. Rossbach: Lehrbuch der ^ysikaliscbeo Hoilmetboden. Berlin 1882. 

25. Rzetko'w^ski: über den Einfluss des Scbwitzens auf die Bintzu* 
samoiensetzung. Zeitscbr. f. Di&t u. physikal. Therapie. 

26- Schillings: Hydrotherapie. 2. Aufl. 

27. P. Schmidt: Beitrag zur Blutregeneration. Mflucbn. med. Woche 13, 03. 

28. Singer: Einfluss der Sonnen- und LicbtlAder. Siehe Deutsche med. 
Woche 24, 03. 

29. Stru b eil - Wien: Über Vasomotoren in den Lungengefässen (Pneumo- 
rasomotoren). 

30. TUrk: Vortrag Uber Etinische Hämatologie. BraumUllor*Wien. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Artorn. Die für skropbulöse Kinder Mer errichtete Heil¬ 
stätte, am Parke des Königlichen Soolbades gelegen, wird am 
1. Mai eröffinet. Die Knrzeit dauert bis Ende Septem^r. 

Bad Harzburg, Solbad und Gebirgsluftkurort. Unter diesem 
Titel ist soeben der diesjährige illustrierte Prospekt von Bad 
Harzburg in ganz hervorragend schmuckem Gewände und gediegener 
Ausstattung erschienen. Er wird an unsere Leser, die zum Kur¬ 
gebrauch nach Harzbnrg zu gehen gedenken, auf Wunsch mit 
einem ausführlichen Wohnungsverzeichnis, welches sämtliche Preise 
enthält, kostenfrei versandt. 

Bad Landack. Dem Badearzt'Dr. Herrmann ist für sein 
Haus, welches bisher schon der Aufnahme von Kurgästen diente, 
die laodesbehördliche Genehmigung als Privatkrankenanstalt er¬ 
teilt worden. Neben dem in gleicher Weise bereits ^her kon¬ 
zessionierten medico-mechanischen Institut des Besitzers wird die 
Anstalt fortab als Sanatorium für Bewegangsstörimgen, Frauen¬ 
leiden und Nervenkranke geführt. 

Borkum. Unsere seit etwa 50 Jahren bestehende Seebade¬ 
anstalt hat sich zu einer der besuchtesten deutschen Seebade¬ 
anstalten emporgeschwungen. Vor einigen Jahren wurde auf 
Borkum der Familienbadestrand mit Beibehaltung der bisherigen 
Badeplätze eingelührt, so dass auch diesen Wünschen entsprochen 
worden ist. Es ist nicht nötig, die Saison abzuwarten, wenn man 
nicht kalte Seebäder nehmen will, denn die Einrichtungen für den 
Aufenthalt der Fremden bestehen auf Borkum während des ganzen 
Jahres. 

Driburg. Eis ist im Mai und im September sehr blutarmen 
und schwächlichen Personen immer von Wert gewesen, in einer 
behaglich durchwärmten Zelle zu baden, und dementsprechend 


wurden in diesem Jahre sämtliche Zellen des grossen und kleinen 
Badehauses, sowie des Moorbadehauses mit einer Heizanlage ver¬ 
sehen. 

Wioob&don. Das Sanatorium Siegfried in Wiesbaden für 
Herz-, Nerven- und Stoffwechselkranke, dessen Leitung Dr. Stehr 
in Wiesbaden übernommen hat, hat seine Luft- und Sonnenbäder 
des guten Zuspruchs im ersten Jahre ihres Bestehens halber er¬ 
heblich erweitert. Ausserdem ist eine heizbare Halle zor Durch¬ 
führung der modernen Skoliosenbebandlung — aktive funktionelle 
Gymnastik nach Klapp — errichtet worden. Näheres über diese 
Behandlungsmethode und ihre Bedeutung für Sanatorien bleibt 
einem Aufsatz, der demnächst in der „Medicinischen Woche** er¬ 
scheinen wird, Vorbehalten. Das Sanatorium, welches abseits von 
dem grossen Betriebe der Badestadt liegt, eignet sich seiner 
Höhenlage wegen (216 m) besonders für den Aufenthalt von Neu¬ 
rasthenikern und kann sich ebenfalls dieser Lage wegen mit, gegen¬ 
über den Wiesbadener Preisen, sehr mäßigen Sätzen begnü^n. 


Versammlungen und Kongresse. 

Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder wird 
ihre Hauptversammlung am 23. Mai in Worms abhalten. 

Die 31. Jahresversammlung des Deutschen Vereins 
für öffentliche Gesundheitspflege tagt vom 11. bis 15. 
September in Augsburg. 


Personalien. 

Dem Grossh. Badearzt in Badeuweiler Dr. Schwoerer 
wurde seitens des GroMherzogs von Baden der Titel Hofrat ver¬ 
liehen. 

Dr. Karl Dapper in Bad Kissingen ist der Titel Pofessor 
beigelegt worden. 

Der Chefarzt der badischen Lungenheilstätten Friedrichs- 
heitn und Luisenheim in der Nähe des Hochblauen, Dr. Rumpf, 
legt diese seine Funktionen nieder, um im Mai d. J. sein eigenes, 
auf der Höhe von Ebersteinburg bei Baden-Baden erbautes Sana¬ 
torium zu übernehmen. Das neue Sanatorium ist nur für leicht- 
lungenkranke Damen bestimmt. Die Leitung von Friedricbsheim 
und Luiaenheim wird Herr Dr. Curschmann aus Giessen über¬ 
nehmen. 


Meteorologische Statistik. 


Veranttaltet von der Redaktion der Balneologleohea Zentralzeltang.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

miuimum 

Mittleres 

Temperatur- 

mazimum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

22.-28./4 

9,9 

C. 

13,7® C. 

754,1 

6 

■PBI 


_ 

_ 


BadenweQer. 


— 


— 

— 




_ 



Driburg. 

16.—22. 

3,3 

C. 

14,4 

— 



3 

1 



Ems. 

22.-28. 

3,3 

c. 

11,8 C. 

751,1 



1 

2,5 

_ 


Giesshübl-Sauerbrunn . . 


3,5 

c. 

11,2 C. 

_ 



2 

■ 0,2 

. 


Franzensbad. 


_ 


_ 

_ 







Herrenalb. 


3 


6,5 C. 

719 


3 

^B^B 

3 



Kreuznach. 


— 


_ 

_ 


_ 





Langeuschwalbach . . . 


— 


— 

— 


— 

HMH 

__ 

_ 


Lippspringe ..... 


3 

c. 

14,5 C. 

749 


— 


4 

_ 

Frequenz 363 

Nauheim. 


2,8 

c. 

12,3 C. 

741,9 


3 

6 

1—7 


, 1085 

Nenndorf. 


7,5 

c. 

13,5 C. 

755 


6 

7 

_ 



Orb. 


3,8 


15,1 C. 

757,4 

2 

5 

_ 

_ 

, __ 


Norderney. 


— 


— 

— 

— 

_ 

_ 

. 



Reichenh^ . . . . • 





_ 

_ 

_ 

. 

_ 

_ 


Reinerz ....... 


_ 


■ 


, 



_ 

_ 


Steben. 


— 


— 


— 

— 

— 

— 

— 



Verutwortlicher Redakteur: Dr. P. MeiMner, Berlia. — Verlag voa Carl Marhotd, Halle a. S. 
Druck eaa HiywiMaaa’ache Bnchdrackcrei. Cebr, WolB, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 16. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des ,AUg. D. B.-V.*; 
Dr. Siebelt. Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Martiold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834 

Redakteur: 

Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wlihelmstrasse 52. 

Der Nachdruck aas dieser Zeitschrift ist nur mit Qnellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt 


rHe bjgieniflcben and sanitftren Binricbtuogon in Ems. Von Dr. Ernst-Ems. 
(Fortsetzung). 

Fcnllleton : Dio 27. Oifentlicbe Vorsaromlung dor Balneologiscbcn Gesell¬ 
schaft. Referent: Dr. Burwinkei-Bad Nauheim. Fortsetzung. 

Aus den Gro-ssherzogHchen Anstalten in Baden-Baden. Kleine Uittoilungen. 


Ana den Bäderu und Knrorten. 
Llteratar. 

Personalien. 

Meteorologische Statistik. 


Die hygienischen und sanitären 
Einrichtungen in Ems. 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammluog des Allgemeinen 
deutschen Bäder-Verbandes zu Ems am 4. Oktober 1905. 

Von Dr. Emst-Ems. 

(Fortsetzung.) 

Auch ist in allen Inhalatorien auf gute Ventilationsein¬ 
richtung, zweckmäßige Beschafifenheit der Wände und Fuss- 
böden, peinliche Reinhaltung der Räume, sowie der Apparate 
und der mit permanenter Wasserspülung versehenen marmornen 
Tischplatten sorgfältig Bedacht genommen. Die zum Betriebe 
verwandte komprimierte Luft wird aus den Berg- und Garten¬ 
anlagen entnommen und vor ihrer Verwendung noch durch 
mehrfach in die Leitung eingeschaltete Wattefiltcr geleitet. 

Bei der Besichtigung der Füllräume und der Pastillen¬ 
fabrikation wird Ihnen nicht nur die äusserst praktische maschi¬ 
nelle Einrichtung auffallen, sondern vor allem das Prinzip, die 
strengste Reinlichkeit zu beobachten und zu erreichen, dass 
Menschenhände mit den Quellprodukten so wenig wie möglich 
in Berührung kommen. 

In unseren Badehäusern finden Sie hohe, luftige Bade¬ 
zeilen. Die Wannen sind mit weissen Porzellankacheln aus¬ 
gekleidet und können daher sehr leicht gereinigt werden. Die 

wasserreiche Badequelle erlaubt uns Bäder in unbeschränkter 
Zahl zu geben. 

Wenn Sie in diesen Tagen unsere Quellen und Kurein¬ 
richtungen besichtigen, hoffe ich, dass Sie den Eindruck ge¬ 
winnen, dass die ernsten Bemühungen der Königlichen Staats¬ 
regierung und unserer Stadt, hinsichtlich ihrer hygienischen 
Fürsorge für unsere Heilquellen und sonstige Heilmittel nicht 
fruchtlos gewesen sind. 

Ich wende mich nun einer weiteren Pflicht der Kurorte 
zu, für einwandfreies Trinkwasser zu sorgen und eine strenge 
Kontrolle der Nahrungsmittel zu handhaben. 

Mögen die Einrichtungen eines Kurortes auch noch so 
vollkommen sein, ohne eine Wasserleitung mit chemisch und 
bakteriologisch reinem Trinkwasser wird derselbe nie zu einer 
dauernden Blüte kommen. Ist doch eine der ersten Fragen 
eines Fremden beim Betreten des Hotels oder des ärztlichen 
Sprechzimmers: „Darf ich das Wasser der Leitung ohne Ge¬ 
fahr für meine Gesundheit trinken?“ Und sehen wir nicht 
bei den Typhusepidemieen immer wieder, dass verunreinigte 
Wasserleitungen oder die Benutzung der Brunnen in Ermange¬ 
lung eines geeigneten Trinkwassers unzählige Bewohner des 
betreffenden Ortes an Leben und Gesundheit schädigen. Ob 
Quellwasser oder filtriertes Fluss- oder Grundwasser zur Wasser¬ 
versorgung verwandt wird, hängt von den betreffenden Orts- 
j und Gebirgsverhältnissen ab. 

Feuilleton. 

Die 27. öffentliche Versammlung der 
Baineologischen Gesellschaft 

in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der 
Baineologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6. März 1900. 

Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. 

(Fortsetzung.) 

Die Angina pectoris ist nach Burwinkel-Nauheim 
keine eigentliche Krankheit, sondern nur ein Symptom. Man 
unterscheidet eine A. pectoris vera und spuria, auch nervosa 
oder vasomotoria genannt. Diese sog. Pseudo-Angina ist teils 
toxischen, teils (seltener) reiu neurotischen Ursprunges (Tabak-, 
Alkohol-, dyspeptische Angina). Bei der Angina vera handelt 
es sich um organisch bedingte Veränderungen an den Coronar- 
Arterien, wie dies zahlreiche Sektionen ergeben haben. Diese 
Coronar-Angina ist ein keineswegs seltenes Leiden. Vortragender 
hat 117 Fälle beobachtet, die sämtlich aus den wohlhabenden 
Bevölkerungsklassen stammten. Auffallend war der hohe Pro¬ 
zentsatz von Juden. Frauen erkranken bedeutend seltener 
(16:101 Männer). Klinisch äusserte sich das Leiden meist 
erst im mittleren und höheren Alter, aber nicht ganz selten 
schon in der 2. Hälfte der 30er Jahre, hin und wieder selbst 
früher. Als aetiologische Momente wurden konstatiert: 

1. die Lues, bei über 20% der Fälle sicher vorausgegangen; 
sie begünstigt anscheinend die Entwicklung der Krankheit in 
relativ jugendlichem Alter. 

2. Fettsucht, Diabetes und Gicht. Wiederholt stellten sich 
stenocardische Beschwerden direkt im Anschluss an forzierte 
Entfettungskuren ein. Nicht selten äusserten sich Diabetes und 
Nephritis zunächst unter dem Bilde einer Angina (also stets 
Urin untersuchen!). 

3. Klappenfehler an den Seminularklappen der Aorta 
komplizierten sich 16 mal mit Coronarangina, und zwar han¬ 
delte es sich auch hier um meist jüngere Leute. 

4. Die Influenza (nach französischen Autoren auch die Malaria). 

5. Die Heredität. Der Alkohol hat anscheinend keine 
Bedeutung. 

Differentialdiagnostisch ist hervorzuheben, dass die retro¬ 
sternalen Schmerzen meist bei vorher ganz herzgesunden Per¬ 
sonen und zunächst nur nach Anstrengungen auftreten, sowie 
durch Nahrungsaufnahme verschlimmert werden. Im steno- 
cardischen Anfall war die Herztätigkeit regelmäßig gestört. 
Muskelrheumatismus und Gallensteinkoliken können mit Angina 
pectoris verwechselt werden, Mediastinaltumoren, Wirbelpro¬ 
zesse und Aortenaneurysmen täuschen gelegentlich Angina vor. 

Die Prognose ist nicht absolut schlecht. Ganz vereinzelte 
Male erfolgte völliger Ausgleich, relativ häufig Stillstand des 
Leidens. Doch ist stets Resen'e am Platz. Der Anfall kann 
stets wiederkehren und bei jedem Anfall kann der Tod ein- 


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62 


BALNBOLOGISCHB CENTRALZEITUNG 


Nr. 16. 


In unserer Stadt besitzen wir als Trink- und Nutzwasser 
filtriertes Grundwasser. 

Etwa 10 Minuten oberhalb der Stadt, auf dem linken Lahn¬ 
ufer, in einem unbewohnten Wiesenterrain, ist ein ca. 300 m 
langes Filterrohr eingebaut. Es hat einen Durchmesser von 
40 cm und läuft in einer Tiefe von 4 V 2 ^ unter der Boden- 
fläche, der Lahn in einer Entfernung von 25 m parallel. Dieses 
Filterrohr ist von einem breiten Bing von Steinschlag und 
Kiesel in wechselnder Reihenfolge eingeschlossen und ausser¬ 
dem durch mächtige Schichten von Lehm und Füllmaterial 
von der Terrainoberfiäche abgeschlossen. Von diesem Rohre 
gelangt das Wasser in einen grossen zementierten Sammel¬ 
schacht, von welchem es durch eine in der Nähe befindliche 
Dampfmaschine in zwei 45 m hoch gelegene Wasserreservoirs 
epumpt wird, die zusammen 900 cbm Inhalt haben. Von 
iesen Reservoirs werden sämtliche Wasserleitungen unserer 
Stadt mit Trink- und Nutzwasser versehen. 

Das unser Trinkwasser von tadelloser Beschaffenheit ist, 
beweisen die chemischen und bakteriologischen Untersuchungen 
die 4 mal im Jahre in der hiesigen NahrungsroitteluntersuchungS' 
anstalt durch einen staatlich geprüften und vereidigten Chemiker 
durchgeführt werden und bis jetzt stets ein einwandfreies Re¬ 
sultat ergeben haben. Dasselbe wird regelmäßig in der Emser 
Zeitung veröffentlicht. 

Hieran anschliessend möchte ich bemerken, dass die grosse 
Ergiebigkeit unserer Wasserleitung es uns gestattet, durch 
häufiges Besprengen der Strassen und Anisen unsere Kur¬ 
gäste vor Staubbelästigungen zu schützen. Gegen die Unsitte 
vieler Damen ihre Kleider im Eurhofe und den anstossenden 
Promenaden schleppen zu lassen, sind wir mit Erfolg dadurch 
vorgegangen, dass wir auf Plakaten, die in den Promenaden 
angebracht sind, die Damen gebeten haben, im Interesse der 
Patienten ihre Kleider nicht schleppen zu lassen. 

Die vorhin schon erwähnte Nahrungsmitteluntersuchungs¬ 
anstalt, die unter Leitung des Herrn Dr. Trost steht, hat 
ausser der Untersuchung der Wasserleitung, auch die Kon¬ 
trolle der noch vorhandenen Pump- und Laufbrunneo. Ferner 
werden auf Veranlassung der hiesigen Polizeiverwaltung von 
derselben verschiedene Nahrungsmittel, wie Fleisch, Wurst, 
Brot, Mehl, Zucker und Spezereien in bestimmten Zwischen¬ 
räumen untersucht. 

Einer besonders scharfen Kontrolle unterliegt der Milch¬ 
handel in unserer Stadt 

Eine ausführliche Polizeiverordnung reguliert den Verkehr 
der Milch bezüglich der Beschaffenheit derselben als Voll¬ 


milch und Magermilch, der Milchgefässe und Milchtransport- 
mittel. 

Das Einbringen von Milch aus Häusern und Ortschaften, 
in welchen ansteckende Krankheiten herrschen, ist solange ver¬ 
boten, bis der zuständige Kreisarzt bescheinigt hat, dass die 
Epidemie erloschen und die notwendige Desmfektion durch¬ 
gerührt ist In den letzten 3 Jahren sind über 200 Milch¬ 
untersuchungen in der hiesigen Nahrungsmitteluntersuchungs- 
anstait vorgenommen worden. Die beiden hiesigen Milchkur¬ 
anstalten werden zweimal monatlich durch die ärztlichen 
Mitglieder der städtischen Gesundheitskommission besichtigt. 

Eine wichtige Neuerung auf sanitärem Gebiete bedeutet 
der im vergangenen Jahre dem Betrieb übergebene städtische 
Schlachthof, dessen schmucker Gebaudekomplex eine Zierde 
unserer Stadt bildet und in seinen Einrichtungen allen An¬ 
forderungen vollkommen entspricht. Er steht unter Leitung 
eines beamteten Tierarztes, des Herrn Dr. Reil, welchem die 
Kontrolle nicht nur des dort geschlachteten Viehes, sondern 
dos auch von aussen eingebrachten Fleisches, untersteht, so¬ 
weit es nicht vorher schon tierärztlich untersucht ist. 

Die mit dem Schlachthaus verbundene Eisfabrik ermög¬ 
licht uns, unseren Kurgästen stets keimfreies Eis zum inneren 
Gebrauch zur Vei-fügung zu stellen. Sie finden die Pläne des 
Schlachthauses hier aufgehängt und nehmen vielleicht später 
Gelegenheit dieselben zu besichtigen. 

Ich komme nun zu einer weiteren wichtigen sanitären 
Fürsorge, der Beseitigung der Abfallstoffe. Ueber die Ent¬ 
fernung und das Unsch^lichmachen des Sputums habe ich 
schon früher eingehend gesprochen. Unsere Hauswasser nnd 
atmo^härischen Niederschläge werden durch zementierte Kanäle 
und Tonröhren dem Flusse zugeführt. Die Fäkalien gelangen 
in zementierte Gruben, die unter polizeilicher Aufsicht regel- 
mäßig geleert und auf ihre Dichtigkeit geprüft werden. Die 
Hotels und alle dem Kurbetriebe dienenden Logierhäuser sind 
mit Spülklosets versehen. Die fiskalischen Gebäude sind an 
eine eigene Schwemmkanalisation mit Kläranlage angeschlossen. 

Eine allgemeine städtische Kanalisation mit einem Ab¬ 
wasserreinigungsverfahren (biologisches Klärverfahren), welches 
neben der Entfaulung gleichzeitig eine fast völlige Entkeimung 
der Schmutzwässer herbeiführt, wird, wie schon erwähnt, diesen 
Winter in Angriff genommen. Abgesehen von den hohen 
Kosten, die unserer Stadt durch die Anlage einer allgemeinen 
Kanalisation erwachsen, war es besonders der Mangel eines 
für Emser Verhältnisse geeigneten Abwasserreinigungsverfahrens, 
welcher die Lösung dieser Frage lange hinausgescboben hat 
Erst das Studium des Oxydationsverfahrens durch eine von 


treten. Der Exitus erfolgt bei reiner Coronarsclerose gewöhn¬ 
lich plötzlich, bei Kombination mit Aortenfehlern allmählich 
unter zunehmender Herzinsufficienz. Beim Anfall ist die 
übrigens ganz ungefährliche Morphiuminjection das einzig zu¬ 
verlässige Mittel. Hautreize wirken abkürzend. Durch In¬ 
halieren von Amylnitrit und dreistere Dosen von Nitroglycerin 
werden leichtere Anfalle gelegentlich koupiert In der Zwischen¬ 
zeit ist Ruhe, äusserst mäßige mehr vegetarische Ernährung, 
Verbot des Coitus am Platz. Für reichliche und regelmäßige 
Deiäcation, für ordentlichen Fortgang der Blähungen ist zu 
sorgen. Jod und Diuretin leisten hervorragende Dienste, 
ebenso der periodisch wiederholte Aderlass. Nauheim und 
ähnliche Bäder nützen, wenn sie richtig und vorsichtig ge¬ 
braucht werden. Auch der Aufenthalt an der See ist gänz¬ 
lich ungefährlich. Im Winter passt ein wärmeres Klima. 

Die Einwirkung des Vierzellenbades auf den 
Blutdruck, Puls und Temperatur prüfte Hirsch-Cudowa 
auf der II. med. Klinik zu Berlin. Unter sorgfältiger Aus¬ 
schaltung aller blutdruckerhöhenden Faktoren wurde in einer 
Serie von Fällen der galvanische, faradische und sinusoidale 
M'^echselstrom angewandt. Der von Schnöe behauptete gün¬ 
stige Einfluss auf den Blutdruck konnte niemals bestätigt 
worden. Damit fällt eine ganze Reihe der von Schnee auf¬ 
gestellten Indikationen weg. doch soll der Wort des Vierzollen- 
bades bei anderen therapeutischen Maßnahmen nicht bestritten 
werden. _^^Fo^tsetzullg folgt.; 


Aus den Grossherzoglichen Anstalten 
in Baden-Baden. 

(Schiass.) 

Der Gebrauch der kohlensauren Bäder hat seit ihrer Ein¬ 
führung im Jahre 1897 von Jahr zu Jahr ausserordentlich 
zugenommen. Im Jahre 1905 erreichte er die Zahl 5414, 
im Jahre 1904 4020. Das bedeutet eine Zunahme um 1394 
oder 25,7%. Die Erfahrung der Aerzte spricht dafür, dass 
sie unserem Kurort Herzkranke zuführen. Die Steigerung des 
Gebrauchs kohlensaurer Bäder im Kaiserin Augustabad gegen¬ 
über dem Vorjahr betrug sogar 50%. Wir erkennen daraus 
den Einfluss der im Augustabad im vorigen Jahr in besonders 
schöner Ausstattung neuerrichteten kohlensauren Bäder. 

Die Bedeutung der mit grossem Kostenaufwand neu her¬ 
gestellten Kaltwasserabteilungen in beiden Anstalten zeigt sich 
an folgenden Zahlen: Im Jahre 1904 betrug die Zahl der 
Anwendungen 11131 und im Jahre 1905 12882 oder 1751 
bezw. 15% mehr, während es im Jahre 1900 noch 9952 ge¬ 
wesen sind, was zugunsten dos Jahres 1905 einen Unterschied 
von 29,4% ausmacht. 

Der Aufschwung der Fangobebandliing ist ein ganz ausser¬ 
ordentlicher. Im Jahre 1905 wurden 5859 und im Jahre 
1904 4031 Fangobäder genommen. Das ist eine Steigerung 


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1906. 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZETTüNG 


63 


der Stadt nach England entsandte Kommission vermittelte end- 
lieh die Kenntnis eines geeigneten Yerfahrens. 

Vor allem sollte die Kommission entscheiden, ob von den 
beiden Gruppen der bakteriologischen Reinigungsverfahren: 

die aeroben Oyvdationsbetten ^ei denen das Aus¬ 
lassventil stets offen ist, das Schmutzwasser also conti- 
nuierlich durch das Bett hindurchsickert) 

oder 

die Eontaktbetten (die durch Schliessen und Oeffnen 
des Auslassventils abwechselnd mit Abwasser beschickt 
und wieder entleert werden) 

für unsere Stadt das geeignete Klärverfahren darstellen. Die 
Entscheidung fiel für die aeroben Oxydationsbetten aus. Auf 
die nähere Begründung kann ich aus Mangel an Zeit nicht 
eingeben. (Schluss folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Ei86nach. Da» Km- und Mineralbad Eisenach, das jüngste 
deutsche Kurbad, erbaut jetzt gegenüber der Wartburg seine neuen 
Kurgebäude (Brunnen und Wandelhalle). Der Wunsch des ver¬ 
storbenen Groesherzogs von Sachsen-Weimar, dass JBlisenach mit 
seiner Wartburg die Metropole Thüringens würde, dürfte nunmehr 
in Erfüllung geben. Im vorigen J ahre waren schon nahezu 
100000 Fremde in Eisenach. Am 1. Juni wird nun das neue 
Kur- und Mineralbad eröffnet. Für diesen Tag sind grössere 
Feierhchkeiten geplant. 

Garda866. Es gibt jetzt öfter halbtägige Rundfahrten von 
Qardone, Salo etc. aus. Viel angenehmer, nämlich unabhängig 
und ungestört, ist das billige Abonnement, genannt Äbonnameoto 
Feriale, wobei man für 21 T^ire an beliebigen Tagen des Jahres 
erster Klasse mit jedem beliebigen Dampfschiffe fahren kann. 
Dieses Abonnement kann Tonristen und Gardaseebesnehem nicht 
genug ennpfohlen werden. Der vom Norden Kommende möge sich 
die Abonnementskarte schon in Riva bei der Schiffsagentur (Hafen- 
platz) kaufen. 

Hoinburg. Die Bohrungen nach neuen hlineralqueUen haben 
ein erfreuliches Resultat gehabt. Eine bei 70 Meter Tiefe erbohrte 
Quelle bat eine Ergiebigkeit von 15 Kubikmeter pro Tag. 

KiSäinyen. Die Saison beginnt offiziell am 15. April. Nach 
dem soeben zum Abschluss gebrachten Erweiterungsbau des Kgl. 
Kasinobades zu einem monumentalen Prachtbau ergibt sidi, dass 
nunmehr in den drei Badeanstalten 400 Badekabinen für Sol- und 
Pandorbäder, Wellen- und Moorbäder, sowie grosse Abteilungen 


um 45%. Die Zunahme ist bisher von 1512 im Jahre 1900 
eine mit jedem Jahr erheblich steigende gewesen. 

Dieses glänzende Bild der Entwickelung in den Grossh. 
Badeanstalten mit den vorstehenden überzeugenden Zahlen ist 
ein unantastbares Zeugnis, dass die Grossh. Regierung in 
ihren unablässigen Bemühungen, den Erfordernissen der Zeit 
Rechnung zu tragen und in rascher Folge entsprechende Neu¬ 
einrichtungen zu treffen, das Richtige tut. Die Einführung 
kohlensaurer Bäder, des elektrischen Lichtbades, die beiden 
neuen Kaltwasserabteilnngeu, welche die Bewunderung der 
Fachmänner erregen, das unübertroffene Inhalatorium und 
die technisch und hygienisch mustermltigen Gurgelkabinette, 
die Aufnahme der Tallerman’schen Behandlung, der Fango¬ 
bäder, welche in diesem Jahre ebenso schöne wie zweckmäßige 
Räumlichkeiten durch Umgestaltung des ganzen 3. Stockwerks 
des Friedrichsbades erhalten werden, sind Errungenschaften 
der letzten 10 Jahre. Zudem w’erden noch in diesem Früh¬ 
jahr in der freigewordenen Kaltwasserabteilung des Friedrichs¬ 
bades 8 Einzelbäder neu eingerichtet Eines ist für ein elek¬ 
trisches Yierzellenbad nach Dr. Schn6e, zwei sind für Wechsel¬ 
strombäder bestimmt. Diese letzteren sollen mit den übrigen 
5 aach für die Abgabe von kohlensauern Bädern eingerichtet 
werden. Die sieben neuen Wannen können dann überdies 
je nach Bedarf auch als einfache Thermalbäder Verwendung 
finden. 

Ein überzeugenderer Beweis des warmen Interesses der 


für Fangobehandlung zur Verfügung stehen. Zu den Badeanlageu 
tritt das Gradierwerk, das bei reichster Soleverdunstung eine 
Doppelbahn von mehr als 300 Meter Gesamtlänge besitzt. Die 
Ausdehnung der Kissinger Badeanstalten ist bedingt worden durch 
den steigenden Andrang von Kurgästen, der in der Saison 1905 
die Frequenz von 36000 Personen erreichte. An Rokoczy worden 
in der letzten Saison etwa 3*/8 Mill. Becher zu je 300 gr ge¬ 
trunken ; drei bis viermal grösser mag die als Tafelwasser getrunkene 
Menge Maxwasser sein. 

L&nQ6n8ChW8lb&Ch. In der Kurtaxe sind für 1906 ver¬ 
schiedene Vergünstigungen eingeführt worden; Personen, die in 
den naheliegenden Luftkurorten wohnen und unsere Badeeinricht¬ 
ungen benutzen, sollen eine ermäßigte Kurtaxe entrichten. 

In Bad Orb wurde unter anderen Neuernngen eine elektrische 
Licht- und Kraftanlage geschaffen. Mit dem Elektrizitätswerk ist 
die neue Schlacbthausanlage verbunden. Zur Erwärmung der Sole 
wurden in den neuen Hallen die neuen patentierten Hessingschen 
Apparate aufgestellt. 

Oät-Dlovsnow. Die Direktion des Seebades Ost-Dievenow 
bat, um auch den minder Bemittelten Gelegenheit zu geben, die 
Vorzüge und Heilkraft Ost-Dievenows kennen za lernen, in diesem 
Jahre eine Wohlfahrteeinrichtung getroffen, indem ade für die 
Monate Juni und September den Preis für die Solbäder von 1,25 M. 
auf 50 Pf. ermäßigt hat; ausserdem ist für die gleiche Zeit ün 
Kurhause und Strandhotel Pension (Wohnung und Verpflegung) 
schon von 4,50 M. an den Tag erhältlich. Der Spezialwoblfährtspro- 
spekt wird von der Direktion anf Verlangen kostenfrei zngesandt. 

Pyrmont. Im Juni soll hier eine Hundertjahrfeier des Pyr- 
monter Aufenthalts der Königin fjuise von Preussen stattfinden. 
Von der fürstlichen Verwaltung wird eine . grössere Feier mit 
Konzert, Festaufführung im Theater usw, geplant. 

S&lzbrunn i. Schi.^ Ebne bedeutende Erweiterung Bad Salz- 
bronns wird in diesem Jahre ihren Anfang nehmen. Das über 
200 Morgen grosse Terrain zwischen Bahnhof und Bad, das in 
den Besitz des Herzogs von Pless übergegangen ist, wird in Park¬ 
anlagen amgewandelt und zwei breite Strassen mit einem grossen 
Randplatz sollen darin Bauplätze zum Verkauf erschliessen, auf 
denen zeitgemäße Villen erstehen werden, — Ein Rückblick anf 
die verflossene Saison zeigt einen G^samtbesuch von 13866 Per¬ 
sonen, darunter 7613 Kurgäste. Es wurden 31469 Bäder verab¬ 
reicht und 49 586 Vz 1 Kuhmilch, 5461 Ziegen-, 143*/41 Schaf- und 
385*/s 1 EselinmUoh verbraucht. Man verzeichnete im Gesellschafts- 
inhalatorium (System Heyer) 2750 Sitzungen, im Einzelinhala¬ 
torium 1250, im Zander-Institut 1365 und im pneumatischen 
Kabinett 2834 Sitzungen. 


Grossh. Staatsregierung für den schönen Kurort Baden-Baden 
ist wohl kaum zu erbringen. 

Kleine Mitteilungen. 

Baln80logi8Che8 au8 dem Altartum. Vor einer Reihe von 
Jahren wurden in Epidaurus Inschriften gefunden, die besagten, 
dass die Mineralquellen in Epidaurus, die kohlensaure Salze ent¬ 
hielten, öfters die Heilung von Steinleiden und von Erkrankungen 
der Verdauungsorgane bewirkt hätten. Die chemische Unter¬ 
suchung, der man nun neuerdings, wie die „Gazette des Elaux“ 
berichtet, das Wasser der Brunnen des Aeskulap-Heiligtums in 
Epidaurus unterzogen hat, bestätigt die Mitteilung der Inschriften. 
Das Wasser enthielt einen starken Zusatz kohlensaurer Salze. 
Dasselbe Resultat hatte die Untersuchung des Wa-ssers von An- 
phiarüa und von Frikki, den Heiligtümern des Aeskulap in Thes¬ 
salien. Die Quellen in Frikki, die jetzt längst versiegt sind, 
wurden sicher zu therapeutischen Kuren benutzt, da man dicht da¬ 
bei Badeeinrichtungen entdeckte. Die chemische Untersuchung 
der Quellen des Aeskulap-Heiligtums in Epidaunis stellt sie etwa 
auf die gleiche Stufe mit den Heilquellen von Ändros in Griechen¬ 
land und von Evian-les-Bains am Genfer See. 

rre<|Uenz dor Kurorto. Aachen (14. April) 17963; Abbazia 
(23. April) 17 768; Arco (21. April) 3010; Baden-Baden (26. April) 
9581; Davos (13. April) 7408, hievon anwesend 2499; Gries 
(18, April) 2947; Kwlsbad (20. April) 1758; Meran (22. April) 
17976, hievon anwesend 4636; Nauheim (21. April) 1829. 


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64 


BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITÜNG 


Nr. 16. 


SiebsntaUrgen. Darcb die Tätigkeit des siebenbürgisclien 
Karpathen-Vereins wird Siebenbürgen, dieses wegen seiner Natur- 
Hchönbeiten und interessanten Völkerstämme höchst anziehende 
Bergland, im westlichen Europa immer bekannter und namentlich 
von deutschen Touristen immer mehr besucht. Wegen aller Aus¬ 
künfte über Land tind Leute, Reiserouten, Gebirgstouren, Bade¬ 
orte nsw. wolle man sich an die Fremdenverkebrskanzlei in Her- 
mannstadt wenden, welche bestrebt ist, den Besuchern des Landes 
mit Rat und Tat an die Hand zu gehen. 

Westerland-Sylt. Da die Nordsee an der Schleswig-Hol- 
steinschen Küste von Mitte April bis Ende Juni eine höhere Luft- 
basonders aber eine 3®—4° höhere Wassertemperatur hat, als an 
der ostfriesischen und oldenburgischen Küste z. B. Norderney und 
Borkum, so werden auf Sylt dementsprechend die Hotels und 
Pensionate früher eröffnet, namentlich aber die Kinderheilstätten. 
Die neu erstandenen Logierhäuser las.sen hoffen, dass der in vor¬ 
jähriger Saison beobachteten Wohnungsnot vorgebeugt ist. 


Literatur. 

Antltuberkulose-Serum-Marmorek. Seit einem Jahre ist 
nach E. Mannheim die wissenschaftliche Literatur um 14 Ver¬ 
öffentlichungen, betreffend die Anwendung desselben, reicher ge- 
w’orden. Uebereinstimtpend wird von den Autoren — deutschen, 
schwedischen, französischen, englischen und amerikanischen etc. — 
seine Unschädlichkeit anerkannt, dessen allgemeinster Prüfung und 
Einführung in die Therapie der Tuberkulose nunmehr kein Hindernis 
mehr im Wege steht. Leider machte die Technik in der Serum¬ 
anwendung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Ein Fortschritt 
be.steht nunmehr in der Einführung der Serumklysmen. In dieser 
Zeit wurde keine Veröffentlichung bekannt, wo das Serum sich 
nach eingehender Prüfung als schädlich oder unwirksam erwiesen 
hätte. Bemerkenswert ist, dass meist auffallend schlechte und 
fortgeschrittene Fälle behandelt wurden, und auch von diesen 
günstige Resultate berichtet werden. 

Schwarz-Gleiwitz berichtet z. B. von 2 tuberkulösen Ulcera 
von Hirsekomgrösse auf den rechten Aryknorpeln, die schon nach 
4 Tagen ulcerativ abgestossen wurden. Nach 8 Tagen war Heilung 
eingetreten. Frey-Davos ist auf Grund 2Vs jähriger Erfahrung 
begeisterter Anhänger des S.-M. geworden. Er schreibt ihm eine 


deutlich spezifische Wirkung zu, die zunädist antitoxischer Natur 
sei und sich vor allem in sichtbarem Einfluss auf das Fieber in 
den Fällen kund gab, die sonst allen Fiebermitteln trotzen. Prof. 
Dübard-Dijon, der 36 Fälle zumeist mit günstigem Erfolg be¬ 
handelte, betont, dass frische Fälle sich besonders günstig durch 
das Serum beeinflussen lassen. Vei 11 ard-Genf berichtet über 
22 Patienten, deren Lungenerkrankung z. T. einer anderen Therapie 
nicht mehr zugänglich war. £.n den meisten hatte das Serum 
günstige Wirkung. — 

Angesichts solcher ermutigenden Berichte wäre es an der Zeit, 
dass nunmehr auch die klinische Prüfung und Feststellung der 
Anwendungsweise nicht mehr länger auf sich warten Hesse. Der 
Kampf gegen diesen schlimmen Feind unserer Zone, der uns zwingt, 
enorme Geldmittel in unserer Heilstättenbewegung festzulegen, die 
in ihrem Umfange noch lange nicht genügt und in ihren Erfolgen 
so wenig befriedigt, macht es uns zur Pflicht, auch die anderen 
Wege, auf die uns verdiente und zuverlässige Forscher weisen, zu 
prüfen. Marmorek stellt sein Serum für jede Nachprüfung be¬ 
reitwilligst zur Verfügung. Dr. St. 


Personalien. 

— Prof. Dr. R. Kobert, Rostock, ist aus dem Aufsichts¬ 
rate der Dr. Bremer'schen Heilanstalten, G. m. b. H., ausge- 
schioden und an dessen Stelle Prof. Dr. Gutzeit, Dahlen, ge¬ 
treten. 

— Professor Dr. Th. Schott in Bad Nauheim hat von der 
Bostoner Universität eine Einladung erhalten, dort im nächsten 
Winter Vorträge über Herzkrankheiten und deren Behandlung zu 
halten. 

— In die Lungenheilanstalt Reiboldsgrün (Vogtland) ist Dr. 
Sobotta, bisher Chefarzt der Johanniter-Heilanstalt Sorge im 
Harz, eingetreten, um sich mit dem bisherigen alleinigen Leiter, 
Hofriit Dr. Wolff, in die Leitung der Anstalt zu teilen. 

— Im März d. J. hat Regierungsrat Professor Dr. Glax in 
Abbazia, der geniale Organisator, Ausgestalter und Apologet dieses 
Kurortes, seinen 60. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlasse 
hat die Kurkommission eine Festschrift „Abbazia als Kurort“ 
herausgegeben. Sie enthält eine Biographie des Jubilars von Br. 
T ripol d. 


Meteorologische Statistik. 

Veranstaltet von der Redaktion der Balneologischen Zontralzeltnng.. 


Name 

Woclio 

Mittleres 

Temperatur- 

B 

9 

s 

p 

B 

Mittleres 

Temperatur- 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen- 1 
tage 

Sonnen- 

.scliein- 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

1 

i 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

6-12/5 

14 

C. 

19,3 

C. 

758,9 


3 

4 

_ 

_ 


Badenweiler. 


— 


— 


_ 

_ 



_ 



Driburg.. 


8,8 

c. 

21,6 

C. 

_ 

1 

6 

1 

1 

2 


Ems. 

6.—12./5. 

9,3 

c. 

21,9 

C., 

753,8 ' 

4 

7 


2,1 

3 


Gies-shübl-Sauerbrunn . . 


11,9 

c. 

21,2 

c. 

! 

_ 

6 

1 

2 

5 


Franzensbad . 


8,7 

c. 

25 

c. 

715 

1 

GVz 

Va 

_ 

2 


Herrenalb ...... 


10 

c. 

19 

c. 

724 

5 

3V4 

3V4 

3 

5 


Kreuznach. 


— 


_ 

c. 

_ 

_ 



-- 



[..angensoliwalbnoh . . . 

n 

5,9 

c. 

20,7 

c. 

734,4 

3 

7 

7 

2 

4 

am 10. Mai Hagel 

Lippspringe. 

29./4.-r}./5. 

5 

c. 

17 

c. 

750,5 

2 

2 

3 

4 

1 1 

Frequenz 531 

Naulieim. 

C._12./5. 

10,2 

c. 

23,3 

c. 

746,3 

■ 2 

5 

2 

1—7 

1 7 


Noniidorf. 


12 

c. 

22 

c. 

763 

_ 

7 




am 8. u. 9. Mai 

Orb. 


8,4 

c. 

20,1 

c. 

741 

1 

6 

_ 

_ 

3 

Wetterleuchten 

Norderney. 


13 

c. 

25 

c. 

750 

— 

2 

5 

3 

- 


Reiclienhall . . . . • . 


7,93 

c. 

20,6 

c. 

718,8 

4 

7 

3 

- . 

l 


Reinerz. 


— 


- 



_ 



- 



Stehen . 


6,7 

c. 

22 

c. 

711,5 

1 

G 

— 

3—4 

i 1 



Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner. Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von Hejmeaunn'acbe Buchdruckorei, Gcbr. Wolff, Hallo a. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 17. 1906. 

Balneologtsche Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.“: , 

Verlag: Carl Marhold In Halle a. S., Ufalandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 2834 

Redakteur: 

Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DOr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Die bygionischen und sanitftreo Einriebtuugon in Ems. Von Dr. Ernst-Ems. | Schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauhoiin. Fortsetzung. 

(.Schluss). I Die neuen Badeanlagen und die staatlichen Neubauten in Bad Nauhoiin. 

lieber private und öffentliche Badeoinrichtungon in den Vereinigten Staaten. ; Von Dr. med. Hirsch, Bad Nauheim. Kleine Mitteilungen. 

Voii Dr. B. [.aquer. Wiesbaden. Aus den Bädern und Kurorten. 

Fenflletoii : Die 27. Utfontliche Versammlung der Balneologischon Qesoll- j Stetcorologische Statistik. 


Die hygienischen und sanitären 
Einrichtungen in Ems. 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allgemeinen 
deutschen Bädor-Verbandes zu Ems am 4. Oktober 1905. 

Von Dr. Ernst- Ems. 

(Schluss.) 

Maßgebend für die Wahl war. dass die aeroben Organismen 
unter dem Einfluss des Sauerstoffs die im Schmutzwasser ent¬ 
haltenen gelösten organischen Stoffe zerstören, ohne dass es 
zu fauligen Zersetzungen kommt, und dann vor allem, dass 
die aeroben Betten nicht nur eine chemische, sondern eine 
bakteriologische Reinigung der Schmutzwasser bewirkeu, wäh¬ 
rend der Ablauf von den Kontaktbetten alle Keime des rohen 
Schmutz Wassers in fast unverminderter Zahl enthält. 

Für Ems als Badeort ist es von der grössten Bedeutung, 
dass unser Abwasser in der denkbar vollkommensten Wci.se 
gereinigt wird, zumal dadurch auch eventuellen Beschwerden 
seitens der Bewohner der flussabwärts liegenden Ortschaften 
am besten vorgebeugt wird. 

Von allen aeroben Betten hat sich in England das von 
Candy eingeführte Sprinklerpolaritverfahren am besten bewährt, 
für dessen Ausführung in Deutschland unser Landsmann, Herr 
Ingenieur Werner aus London das alleinige Recht hat Ems 

Feuilleton. 

Die 27. öffentliche Versammlung der 
Balneologischen Gesellschaft 

in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der 
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6. März 1900. 

Referent: Dr. Burwinkel ■ Bad Nauheim. 

(Fortsetzung-.) 

lieber Therapie bei Nephritis teilt Strasser-Wien 
einige bemerkenswerte Beobachtungen mit. Die Niere ist ausser- 
ordentlicli empfindlich gegen Hautreize. Ischaemie und St<ase 
führen unfehlbar zu Störungen, während arterielle Hyperaemie 
Insufficienzserscheinungen bezüglich Wasser-, Stickstoff- und 
Kochsalzbilanz auszngleiclien vermag. Diesen günstigen Effekt 
liaben 1 — iVjStündige Bäder von 34" C, 1—2m^ am Tag 
verabreicht, sowohl bei orthotischer Albuminurie als auch bei 
parenchymatöser und acut haemorrhagischer Nephritis (scar- 
latinosa). Es handelt sich nicht einfach um eine Steigerung 
der Hauttätigkeit. Auch stellte sich bei Kontrolle der Wir¬ 
kung von Schwitzprozeduren die theoretisch überaus inter- 
'essante Tatsache heraus, dass entgegen der neueren Ansicht 
über Entstehung des Oedems bei Nephritikei-n allein durch 


ist die erste deutsche Stadt, die dieses neue Klärverfahren in 
Kürze hier ausführen lässt. 

Das Projekt ist unter der Annahme aufgestellt, dass das 
Regenwasser nicht in das städtische Kanalnetz eingeführt, 
sondern wie bisher durch besondere Leitungen der Lahn direkt 
zugeführt wird. Mit Rücksicht darauf, dass in Ems als Kurort 
die Bevölkerungsziffer im Sommer viel höher ist als im Winter 
und mithin eine verschiedene Inanspruchnahme stattfindet, ist 
die Kläranlage in zwei vollständig symmetrische Teile zerlegt. 
Die Pläne finden Sie ebenfalls hier aufgehängt. 

In Kürze ist das Verfahren folgendes: 

Die Kanalflüssigkeit gelangt zunächst in einen Behälter, 
in welchem durch ein Gitter die groben Schwimmstoffe (Korke, 
Holz, Papier etc.) abgefangen werden. Darnach werden die 
Abwässer durch ein Pumpwerk in die Einlaufkaramer und von 
da in die Schlammkammer geführt. Erstere soll Druckschwan¬ 
kungen des Pumpwerks von der Schlammkammer femhalten, 
in letztere setzen sich mineralische und anorganische Stoffe 
ab. Aus der Schlammkammer fliesst das Abwasser in die 
Aufbereiter, kreisrunde Bassins, in welchen während einer 
dreistündigen Dauer der Rest des mineralischen anorganischen 
Schmutzes abgesetzt wird. Die organischen Stoffe werden in 
diesen Bassins durch die zahllosen Bakterien zersetzt und ver¬ 
flüssigt und für den weiteren Oxydationsprozess vorbereitet. 
Von den Aufbereitem aus werden die beiden Oxydationsbetten 
durch besondere Beriesler (Sprinkler) beschickt. 


Kochsalzretention die Lehre von primärer toxischer Schädigung 
der Gefässwände im Sinne der alten Auffassung Cohnheim’s 
für viele Fälle und Stadien der Nephritis gewiss noch Geltung 
hat und die gefassschädigende Substanz in der Richtung der 
uraemischen Intoxication zu suchen ist. 

Zur Behandlung des Diabetes mellitus verlangt 
Lenn6-Neuenahr strikte Diätvorschriften. Der Diabetiker be¬ 
darf nicht mehr Kalorien als ein Gesunder, er bedarf derselben 
Nährstoffe, nur ist deren Zusammensetzung zu ändern. Die 
Eiweisskost ist zu beschränken, wie dies neuerdings auch 
Naunyn und v. Noorden für die mittel- und schweren 
Fälle verlangen. Man muss trachten bei minimaler Eiweiss¬ 
menge das Stickstoffgleichgewicht zu erhalten. Auch Strasser 
wendet sich gegen die Üeberfütterung der Diabetiker. Diese 
können nicht nur, sondern müssen Kohlehydrate je nach Tole¬ 
ranz in verschiedener Form geuiessen. Der Alkohol ist als 
Reizmittel zur Belebung schwer zu entbehren. 

Die Arthritis deformans ist nach Prof. Cursch- 
mann-Leipzig sicherlich keine Alterskranklieit. Man findest 
sie zwar vorzugsweise bei den Insassen der Sieclienhäuser. 
Das rührt aber nur daher, dass die Leute mit ihrem Leiden 
recht alt werden. Von C.’s 167 Fällen trat in der Hälfte die 
Krankheit zwischen dem 12.—35. Lebensjahr auf, ein Fünftoil 
stand sogar vor dem 20. Jahr. Männer erkranken seltener, 
60 Männer: 107 Frauen. Bei jugendlichen Individuen beginnt 
die Arthritis meist acut mit Schwellung und Fieber; im Alter 


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66 


BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITUNG 


Nr. 17. 


In den priuiüren oder Vorbetten-ßasains, die mit einem 
Gemisch von Ziegelbrocken und Kleinschlag in Lager Ton 
verschiedener Eomgrösse gefüllt sind, geht der bereits in den 
Aufbereitem eingeleitete Prozess der Lösung und Verflüssigung 
der festen organischen Stoffe unter Bakterieneinfluss in ver¬ 
stärktem Maße weiter. 

In den zweiten, den sogenannten Carboferritbetten, welche 
als Füllungsmaterial ein Gemisch von Sand und Carboferrit, 
einem stark sauerstoffhaltigen Eisenerz, enthalten, werden bei 
den Durchsickern die organischen Verbindungen höher oxydiert 
und die Bakterien zum grössten Teil vernichtet. 

Das 80 gereinigte Abwasser unterliegt nicht mehr der 
fauligen Zersetzung und kann ohne Bedenken dem Flusse zu¬ 
geführt werden. 

Es erhält Ems auf diese Weise ein Reinigungsverfahren, 
das in seiner Wirkung auch über das von den deutschen Auf¬ 
sichtsbehörden geforderte Maß hinausgeht. 

Um unser Quellgebiet vor ungünstigen Einwirkungen durch 
die Kanalrohre zu schützen, sollen, sämtliche Rohre der Kanali¬ 
sation, der Wasser- und Gasleitung, der Ableitung der Tag¬ 
wässer, jedes für sich isoliert, in grosse Sammelrohre einge¬ 
bettet werden, die durch äussere Isolierschichten von Cement 
und Lette vom Quellgebiet abgetrennt sind. 

Die Beseitigung des Kehrichts und der Küchenabiälle ist 
in der Weise geregelt, dass morgens in der Frühe die von 
den Hausbesitzern am Abend vorher vor die Haustüren auf¬ 
gestellten Müllkasten durch einen damit beauftragten Fuhr¬ 
unternehmer geleert werden. Die Beschaffenheit der Müll¬ 
kasten und die hygienische Beseitigung des Abfalles bedarf 
noch einer Verbesserung. Aber ich kann schon jetzt ver¬ 
sichern, dass die städtischen Behörden in allernächster Zeit 
diese Fr^e der richtigen Lösung zuführen. 

Der vierte und letzte Abschnitt meines Vortrages soll 
sich mit den sanitären Einrichtun^n beschäftigen, die zur 
Verhütung und Bekämpfung von Epidemien getroffen sind. 
Denn ein jeder Kurtort hat die Verpflichtung, nicht nur die 
ansässigen Einwohner, sondern besonders die von auswärts 
kommenden Kurfremden vor ansteckenden Krankheiten zu 
schützen. In Betracht kommen für unsere Gegend: Typhus, 
Ruhr, Scharlach, Diphtherie und Tuberkulose. Has Ein¬ 
schleppen dieser Krankheiten an Badeorte, wohin zahlreiche 
Menschen aus den verschiedensten Orten zusammenströmen, 
ist natürlich leicht möglich. Da gilt es, den vereinzelt auf¬ 
tretenden Krankheitsherd im Keime zu ersticken. Solche ein¬ 
geschleppte, oder auch am Orte selbst entstandenen Krank¬ 


heitsfälle sind für die Allgemeinheit ungefährlich, wenn eine 
sofortige Absonderung und Desinfektion stattfindet 

In unserer Stadt wird nach folgenden Grundsätzen ver¬ 
fahren : 

1. Der Anzeigepflicht wird bei jedem einzelnen Fall einer 
ansteckenden Krankheit unbedingt nachgekommen. Bei 
zweifelhaften Fällen wird durch das hygienische Institut 
in Marburg, mit welchem ein Vertrag abgeschlossen ist, 
zur Herbeiführung einer schnelleren und sicheren Diagnose 
eine bakteriologische Untersuchung, z. B. des Belags bei 
Diphtherie, des Blutes bei Tjrphua vorgenommen. 

2. Ansteckende Kranke werden sofort isoliert, ln den 
meisten Fällen werden dieselben in eines der beiden 
Krankenhäuser aufgenommen, besonders wenn derartige 
Fälle in Hotels oder Kurlogierhäusern auftreten. 

3. Der Transport in die Krankenhäuser erfolgt durch einen 
vom hiesigen vaterländischen Frauenverein beschafften 
Krankentransportwagen (Modell der Berliner Unfallstatio¬ 
nen), der nach jedem Transport desinfiziert wird. 

4. Die betreffenden Krankenzimmer werden nach Genesung 
der Kranken oder nach Unterbringung derselben in ein 
Krankenbaus sofort desinfiziert. 

Die Desinfektionen werden auf Grund einer schriftlichen 
ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes oder des zu¬ 
ständigen Kreisarztes durch die Ortspolizeibehörde ausgeführt 
und zwar durch zwei staatlich geprüfte Desinfektoren, die 
ihre Arbeit unter Aufsicht eines Desinfektions-Aufsehers 
(Polizeisergeanten) ausführen. Im Sommer werden die Des¬ 
infektionen in den Hotels meistens nachts vorgenommen, um 
den Betrieb nicht zu stören. 

Wir wenden zwei Arten von Desinfektionen an: 

a) die einfache, d. h. mechanische Reinigung mit Schmier¬ 
seifen- und heisser Sodalösung und Form^nzerstäubung. 

Die Räume werden 7 Stunden unter der Einwirkung 
des Formalins belassen und dann Ammoniak zur Besei¬ 
tigung des stechend riechenden Formalins eingeleitet, 
welches eine Stunde lang in dem betreffenden Zimmer 
verbleibt. 

Sie findet Anwendung bei Diphtherie, Scharlach, Masern 
und Tuberkulose. 

b) Die gemischte Desinfektion, d. h. mechanische Reinigung 
und Formalinzerstäubung in den Krankenzünmem und 
die Desinfektion der Leibwäsche, Kleider, Betten usw. im 
städtischen Dampfdesinfektionsapparate. Sie findet haupt¬ 
sächlich bei Typhus, Ruhr, Geniclcstarre und bei schweren 
Fällen von Scharlach und Diphtherie Verwendung. Für 


fehlt diese Reaktion meistens. Charakteristisch ist die früh¬ 
zeitige Degeneration der Muskeln, besonders an der Hand. 
Diese Dystrophie ist weder zentralen Ursprunges noch Folge 
von Inaktivität Die Erklärung des Wesens dieser Krankheit 
steht noch aus. (Fortsetzung folgt.) 


Die neuen Badeanlagen 

und die 

staatliclien Neubauten in Bad Nauheim. 

Von Dr. med. Hirsch, Bad Nauheim. 

Seitdem die Bad Nauheimer Thermen in ihrer Bedeutung 
für die Behandlung der H erzkrankheiten erkannt und ge¬ 
schätzt sind, hat sich die Besuchsziffer des Badeortes alljähr¬ 
lich wesentlich vergrössert, und zwar uro so mehr, als auch 
die alten hervorragenden Indikationen der kohlensäurehaltigen 
Solthermen für Rheumatismus, Gicht, Nervenleiden, Franen- 
leiden, Scrophulose und noch a. m. nach wie vor ihre An- 
ziehungskrjut ausüben. 

Um der grossen Zahl der Heilung Suchenden die Bäder 
zugänglich zu machen, sind in rascher Aufeinanderfolge in 
den letzten 13 Jahren mustergültige Badehäuser entstanden, 
so die Badehäuser V, VI und VII. 


Da die Nachfrage nach den Bädern sich immer noch ver¬ 
mehrte, trat die Frage der Neubauten von Badehäusern auls 
Neue an die Regierung heran. Gleichzeitig wurde aber be¬ 
schlossen, die alten, den Anforderungen der Neuzeit nicht 
mehr genügenden Badehäuser I, H, Ul abzureissen und an 
deren Stelle Ersatzbauten zu schaffen. So entstand jener 
imposante „7 Millionen-Plan“, der in seiner Grossartig¬ 
keit bis jetzt an keinem Badeort seinesgleichen gefunden hat 
Man beschloss, ein gewaltiges Oarrö von Badehäusern um die 
Sprudel herum zu bauen, die alle miteinander durch Wandel- 

§ änge verbunden sein sollten. Da aber für Beheizung and 
eleuchtung dieses Häuserkomplexes noch weitere Anlagen 
und ausserdem noch eine Anzahl anderer Neubauten für ge¬ 
sellige Zwecke usw. sich als notwendig erwiesen hatten, so 
teilte man den ganzen grossen Plan in verschiedene Abtei¬ 
lungen ein. 

Die erste Gruppe umfasst den Bau von sechs neaen 
Badehäusern mit ca. 300 Badezellen — vier an Stelle 
der abzureissenden Häuser I, II, IH und VII und zwei weitere 
neue; ferner neue, architektonisch prunkvoll anzulegende 
Sprudelbassins. 

Seit einigen Jahren — seit der Neuverrohrung des Spru¬ 
dels 7 und der Anlage der unterirdischen Bassins für die 
Thermalsprudelbäder — bestehen die Bassins um die Sprudel 
herum für die Thermalsole provisorisch aus grossen Holz- 
hottichen. Allen Besuchern .Nauheims sind die schönen Sprudel- 


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1906. 


BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITUNG 


67 


Cholera, Pocken, Pest etc. bestehen reichsgesetztliche 
Bestimmungen. 

Dass wir sowohl auf den Friedhöfen als auch in den 
Kraukenhäusern geeignete Leichenhallen besitzen, will 
ich nur beÜäutig bemerken. 

Eine wesentliche Unterstützung bei Bekämpfung anstecken* 
der Krankheiten leistet die städtische Oesundheitskommission, 
von der man in Ems sagen kann, dass sie nicht nur auf dem 
Papier besteht, sondern auch arbeitet, ln regelmäßigen viertel¬ 
jährlichen Sitzungen werden etwaige hygienische Missstände 
unserer Stadt besprochen und zur Abänderung Vorschläge 
ao die städtischen Behörden gemacht. Es Rüden jährlich ver¬ 
schiedene Besichtigungen aller gewerblichen Betriebe statt und 
beim Auftreten von ansteckenden Krankheiten werden die 
Mittel und Wege erwogen, wie eine Verbreitung mit mög¬ 
lichster Sicherheit verhindert werden kann. 

Es hat ferner auch die Stadt durch Anstellung eines 
Schularztes Fürsorge getroffen, die gesundheitliche Entwicke¬ 
lung der Schuljugend zu überwachen und zu fördern und 
das Umsichgreifen von ansteckenden Krankheiten zu verhin¬ 
dern. Ein jeder weiss, wie sehr die Schule dazu beiträgt, 
Diphtherie,. Scharlach, Masern, Keuchhusten weiterzutragen. 
Deshalb ist eine der wichtigsten Aufgaben des Schularztes bei 
auftretenden Epidemieen durch regelmäßige Schulbesuche fest¬ 
zustellen, wie viele Schulkinder erkrankt sind, wo dieselben 
wohnen und ob Geschwister von solchen Kindern, die an einer 
ansteckenden Krankheit leiden, in der Schule anwesend sind. 

j^Aus allen diesen verschiedenartigen Einrichtungen zur 
Verhütung von Epidemieen mögen Sie ersehen, dass alles ge¬ 
schehen ist, was zur Bekämpfung derselben geschehen kann. 

Wir haben, wie auch jede andere Staat, ab und zu in 
Ems ansteckende Krankheiten, aber wir können diesem Feinde 
ins Auge sebanen, da wir die Mittel besitzen ihn unschädlich 
zu ma«meD. 

Besonders günstig für unseren Badeort sind die Kranken- 
hansverhältnisse. 

Wir besitzen zwei stattliche Krankenhäuser, die allen 
sanitären und hygienischen Anforderungen entsprechen. Das 
eine ist im Besitze des Diakonissenmutterhauses in Bern und 
bat evangelische Diakonissen. Es ist mit Köntgenkabinett und 
medico-mechao. Apparaten ausgestattet und umfasst mit dem 
Isolierhause 55 Betten. Das andere mit 40 Betten gehört 
dom Kloster zu Heiligenstadt bei Cassel und hat katholische 
Schwestern. Beide Häuser nehmen Kranke jeder Konfession 
auf und senden auch Schwestern zur Privatkrankenpflege aus. 
Auf diese Weise ist für die Pflege kranker Kurgäste m den 


ummaueruiigen von früher in Erinnerung, oder vom Bilde her 
bekannt. In ähnlicher Weise sollen die neuen im Massivbau 
wieder hergestellt werden. 

Die zweite Gruppe der Neubauten betrifl't die Vergrösse- 
rung und Erweiterung der Anlagen, die dem geselligen Ver¬ 
kehr und den Vergnügungen dienen, also Verbreiterung 
der Kurhauster rasse, Erbauung eines neuen grossen 
Musiktempels und eines grossen Konzertsaales, worin 
bei schlechtem Wetter die Konzerte abgehalten werden, ferner 
daran anschliessend die Anlage eines Koozertgartens, der durch 
gedeckte Wandelhalle abgeschlossen wird. 

Die dritte Gruppe enthält die Bauten im Gebiete der 
Trinkkur-Anlagen, also Neubau der Wandelhalle am 
Kurbrunnen, Anlage einer neuen erweiterten Kolonnade mit 
Kaffeehaus. 

Die vierte Abteilung betrifft die neuen Gewächshäuser 
mit Gärtnerei-Anlagen, (Schluss folgt.) 


Kleine Mitteilungen. 

Bekämpfung der Mückenplage. Gegen die MUcken, die zur 
Sommerszeit zu einer grossen Plage werden können, ist in der 
Stadt Breslau eine systematische Bekämpfung mit so gutem Er¬ 
folge durebgeführt worden, dass sich für solche Bade- und Kur¬ 
orte ihre Nachahmung empfiehlt, die gleichfalls unter dieser Plage 


Hotels oder in den Krankenhäusern aufs beste gesorgt, da im 
Sommer an 30—40 Schwestern hier tätig sind. 

Für plötzliche Unglücksfälle steht im Badehause dos 
Nassauer Hofes ein Zimmer zur Aufnahme zur Verfügung, in 
welchem die nötigen Einrichtungen für die erste Hilfe ge¬ 
troffen sind. 

Hiermit möchte ich meine Ausführungen schliessen. Ich 
glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass nach 
Vollendung der Kanalisation und Vervollkommnung der Müll¬ 
abfuhr in hygienischer Beziehung alles von seiten des Staates 
und der Stadt geschehen ist, was an sanitären Einrichtungen 
in einem Kurort von der Bedeutung von Ems geschaffen 
werden kann. Und wenn Sie bedenken, dass Quellfassung, 
Schlachthaus und Kanalisation eine Errungenschaft der letzten 
5 Jahre ist, so werden Sie mir zugeben, dass die pekuniären 
Opfer, die Staat und Stadt zur Verbesserung unseres Badeortes 
gebracht hat, sehr bedeutende gewesen sind. Dass wir gerade 
auf dem sanitären Gebiete solche Fortschritte gemacht haben, 
verdanken wir auch dem Umstande, dass Regierung, Kur¬ 
kommission , Stadt und Aerztekollegium nicht nebeneinander 
sondern miteinander an dem Gedeflien unserer Stadt weiter 
gearbeitet haben. 

Dieses Hand in Hand Gehen der verschiedenen maßgeben¬ 
den Faktoren gibt uns auch die Gewähr, dass wir je nach 
den wissenschaftlichen und technischen Fortschritten das ein¬ 
mal Geschaffene noch weiter ausbauen und verbessern. 

So werden wir unserer Verpflichtung am besten gerecht, 
unseren hier Heilung suchenden Kranken nicht nur ihre Ge¬ 
sundheit wiederzugeben, sondern sie vor Erkrankungen jeg¬ 
licher Art in unserer Stadt nach Möglichkeit zu bewahren. 

Ueber 

private und öffentliclie Badeeinriclitungen 
in den Vereinigten Staaten. 

Nach einem Referat der Jahresversammlung des Deutschen Ver¬ 
eins für Volksbäder zu Worms am 23. Mai 1906. 

Von Dr. B. Laqtier, Wiesbaden. 

Ein aus Amerika zurückgokobrter Volkswirtschaftlor be¬ 
gann seinen Reisebericht mit dem Hinweis, dass eine Flut von 
Amerika-Schriften in Sicht wäre; vierzig Deutsche Gelehrte 
hätten gelegentlich des intematiunalen|Kongresses für Kunst und 


zu leiden haben. Der Kampf gegen die Mücken ist von dem 
Leiter des Breslauer hygienischen Instituts, Geheimrat Flügge, 
aufgenommen worden. Er ging zuerst den namentlich in Kellcr- 
räumen überwinternden eiertragenden Weibchen zu Leibe, die er 
vernichten und sich dann die Vernichtung der in Tümpeln usw. 
sich entwickelnden Mückenlarven und -Pappen angelegen sein 
liess. Die Vernichtung der Larven geschah mittels eines von 
Celli angegebenen, aus GaUol bestehenden „Larvicid“ genannten 
Pulvers, welches, mit wenig Wasser zu einem Brei verrührt, in 
einer Menge von 3 g pro cbm Wasser in die Tümpel eingegossen 
wurde. Dieser Brei tötet die Müokenlarven binnen einer halben 
Stunde sicher ab, ist auch für einzelne andere Insekten bei läaigerer 
Einwirkung nicht unschädlich, wohl aber für grössere Tiere, 
Frösche, Fische und dergleichen. Weit schwieriger als gegen die 
Larven Ist ein erfolgreiches Vorgehen gegen die Puppen. Diese 
sind gegen das Larvicid unempfindlich. Die Auffindung eines 
auch gegen die Puppen praktisch brauchbaren und wirksamen 
Mittels wird eine der nächten Aufgaben im kommenden Sommer 
sein. Die Breslauer Versuche zur Beseitigung der Muckenplage 
haben in hohem Maße das Interesse anderer, von der Plage stark 
heimgesuchter Orte erregt; Anfragen über die Art des Vorgehens 
sind von vielen Seiten nach Breslau gerichtet (z. B. von Düssel¬ 
dorf, Karlsruhe i. B., Dessau, Dornbirn (Voralberg), Wiedenbrück, 
Scheveningen, Kreuznach, Kis.singen, Bad Münster u. a.). 


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68 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 17. 


Wissenschaft, der vom 19.—26. Sept. 1904 in St. Louis stAtt- 
fand, die Vereinigten Staaten mit und ohne vorgefasste An¬ 
sichten bereist und dabei das schon einmal 1496 von Columbus 
entdeckte Land vierzigmal von Neuem entdeckt. Dieser 
Warnung können die heimgekehrten Dolmetscher des Neu¬ 
landes leicht begegnen; sie sollten nur hinsichtlich allgemeiner 
politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse auf ihre Vorgänger 
Bryce, Mün ster b erg, vo n Pol enz, Lamprecht, Kolb, 
Hintrages, Goldberger, v. Unruh usw. hinweisen, im 
übrigen aber ihr Entdeckerrecht einschränken auf das, was 
sie im Umkreis ihrer eigenen Forschung und im Austausch 
mit amerikanischen Fachgenossen sowie auf Grund hier unbe¬ 
kannter, drüben zugänglich gewordener Landesschriften neu 
hinzu gelernt. — Auf diesem Wege ist auch obige Fragestel¬ 
lung entstanden; zu Hilfe kam das Reiseziel: das Studium der 
amerikanischen Temperenz-Bewegung im Aufträge der von der 
Berliner Fakultät verwalteten Gräfin Bose-Stiftung, sowie die 
Reisekameradschaft mit Volkswirtschaftern, wie W. Sombart 
und Johannes Conrad.*) (Fortsetzung folgt.) 


*) Das Studium der Tetuperenzfrage sowie das dos September-Berichtes 
1904 aee Arbeitsamtes zu Washington, (etwa unserem «lleicbsarat des 
Innern* zu vergleichen) welcher neben einer weitzUgigon Abhandlung Uber 
Arboitorhaushaltuiigoo, Arbeiterwohnungeu, auch eino solche Uber „OofTont- 
licbe Bäder in den Voreinigton Staaten* enthält, brachte nebon den in¬ 
zwischen ersebionenon h{k:h3t anregenden Sombart'schen Studien (Archiv 
ilir Sozial-Politik Bd. 21. 1905.) obigen Thema entgegen. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Borkum. Die Bedeutung des Bades geht aus der hohen 
Besucherzahl — 20 439 — im Sommer 1905 hervor. Es ist die 
höchste Zahl, die während des mehr als 50jährigen Bestehens 
des Bades bisher erreicht wurde. Der neuerschienene illustrierte 
Füljrer mit Ortsplan wird von der Badedirektion gratis verabfolgt. 

Binz a. Rügon. Am l. Mai ist das Kurhaus hierselbst 
niodergebrannt. Der Brand entstend um 5 Uhr morgens in den 
Souterrain-Räumen, wo Zimmerleute, die an der Vex-grösserung 
des Baues arbeiteten, ihre Werkzeuge aufbewahrten. Es ist 
möglich, dass infolge von Unvorsichtigkeit der Brand entstanden 
ist, doch liegt nach der Sachlage die Wahrscheinlichkeit der 


Brandstiftung näher. Nach vier Stunden war das Kurhaus trotz 
der grössten Anstrengungen der Feuerwehr völlig niedergebrannt. 
Während der Bau mit 400000 M. vei-sichert ist, ist das Mobiliar, 
das grösstenteils neu angeschafft w’urde, noch nicht versichert, so 
dass dem Besitzer ein bedeutender Schaden entstanden ist. 

Emo. Dank der günstigen Witterung ist der Fremdenzufiuss 
andauernd äusserst lebhaft. Zu den vielseitigen IleUfaktorea 
unseres altbewährten Bades treten noch als schätzenswerte Vor¬ 
züge hinzu die erquickende, staubfreie Luft der prächtigen An¬ 
lagen und bewaldeten Berge, mannigfache Unterhaltungen ge¬ 
selliger oder künstlerischer Art, abwechslungsreiche Spaziergänge 
und genussreiche Fahrten zu Berg mit Drahteeilba!^ und zu 
Wasser mit Motorbooten. 

Homburg. Die zur Zeit hier weilende Deutsche Kaiserin 
nimmt täglich kohlensaure Bäder, w’elche schon in früheren Jahren 
mit gutem Erfolge gebraucht wurden. Zur Trinkkur wii’d der 
neu erschlossene Landgrafen-Bninnen benutzt. Auch die Prin¬ 
zessin Viktoria Luise nimmt täglich Mineral-Bäder. Die Damen 
und Herren des Gefolges, sowie der Leibarzt, Generala^t Dr. 
Zunker, gebrauchen gleichfalls die Trink- und Badekur. 

Johannisbad. Der 900. Jahrestag der Quellenaufündung soll 
am 24. Juni festlich begangen werden. 

Lünoburg; Eine Enveitenmg des Solbades ist in Ausiucht 
genommen. Mit dieser Erweiterung soll eventuell die Schaffung 
eines Kurparkes in dem Gelände zwischen der Saline und Neu- 
Lindenau verbunden werden. In ihm soll ein Badehaus errichtet 
werden. Ferner sollen dort ein Solegradierwerk, eine Trinkhalle, 
ein Kurhaus und ein Musikpavillon für die Kurkapelle geschaffen 
werden. 

Neuenahr. Der neuerbohrte Wülibrordus-Sprudel in Bad 
Neuenahr wird am 1. Juni a. c. durch den Oberpräsidenteu 
der Rheinprovinz, Freiherrn von Schorlemor-Lieser, feierlich ein- 
geweilit werden. Diese neue Heilquelle, welche eine wertvolle 
Bereicherung des Heilseliatzes des Bades Neuenahr darstellt, wird 
alsdann unmittelbar in Gebrauch genommen werden. 

Oranionbaum. Eine Heilstätte für tuberkulöse Kinder der 
Provinz Sachsen und Anhalts ist hier feierlich eröffnet worden. 
Durch die neue Anstalt wird zum orsteu Male das Prinzip der 
Bekämpfung der Schwindsucht durch Licht- uud Luftbehandlung 
verwirklicht. 


Meteorologische Statistik. 


VeraRstaltet von der Redaktion der Balneologiechen Zentralzeitung.. 


Name 

Woebü 

Mittlere.s 
Temperatur- 
roiüimum ' 

Mittleres 
Temperatur- 
masimum t 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand ; 

Regen¬ 

tage 

Sonnen- 

schein- 

tago 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemorkungen 

Abbazia. 



20..20,/5. 

12,7 C. 

19,4 C. 

757,3 

2 

2 

3 

— 

— 


Badenweiler .... 




— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 



14.—20./5. 

7,8 C. 

14,2 C. 

— 

3 

— 

4 

— 

1 


Ems. 



20.—26./5. 

9,1 C. 

18 C. 

752,0 

5 

7 

2 

1,9 

— 


(t iessbübl-Sauorl irunn 




9,9 C. 

16,7 C. 

— 

3 

4 

— 

3 

3 


Franzensbad . . . 



20.—26./5. 

9 C. 

19 C. 

710 

1 

4 

2 

— 

1 


Ilerrenalb .... 

« 



9,5 0. 

17 C. 

722 

5 

3 

4 

2—3 

— 


Kreuziiacli . . . 

• 



— 

— C. 


— 

— 

— 


— 


Liingenschwalbacli . 

• 



6,5 C. 

16 C. 

733,7 

6 

4 

7 

2 

1 


Lippspringe .... 




10 C. 

20 C. 

751 

1 

5 

1 

1,5 

— 


Nauheim. 




7,8 C. 

18,2 C. 

748,8 

4 

1 

G 

1—5 

1 


Nonudorf. 




13,5 C. 

19,5 C. 

759 

2 

6 

6 

— 

— 


Orb. 




10 C. 

18,6 C. 

750,5 

2 

5 

— 

— 

1 


Norderney .... 




— C. 

- C. 

— 


— 

— 

— 

— 


Reichenball .... 




8,4 C. 

17,2 C. 

718,5 

G 

6 

5 

— 

6 


Hoinerz. 



13.-19./5. 

9 

20 

708 

— 

5 

2 

3 

4 


Sielien. 



p 

p 

6,2 C. 

16,6 C. 

711,3 

4 

2 

1 

3—4 

— 



Verantwortlicher Redakteur : Dt. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von Hevnentann'sche Buchdrpckeiei, Gebr. Wolff, Halle e. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 18. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


1 

Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.‘: 
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Verlag; Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6 . 
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834 

Redakteur: 

Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stebr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der Nacbdnick aas dieser Zeitschrift ist nar mit Qoellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt. 


Uober prirato and Öffentliche Badceinricbtangcn in den Vereinigten Staaten. 

Von Dr. 6. Laqnor. Wieebadon. (B'urtsetzung). 

FeDilleton : Die 27. Öffentliche Versanrnlung der Balneologischon Gesell¬ 
schaft. Referent: Dr. Burwinkol-Bad Nauheim. Fortsetzung. 

Die neuen Badeanlagen und die staatlichen Neubauten in Bad Nauheim. 


Von Dr. med. Hirsch, Bad Nauheim. 

Literatur. 

Aentlicbe Studleureisen. 

Ans den Bäderu und Karorteo. 
Meteorologische Statistik. 


üeber 


„Slums“ (die Zahlen der Proben s. unten), also in den 
schlimmsten dichtbewohntesten Vierteln von 


private und öffentliche Badeeinrichtnngen 
in den Vereinigten Staaten. 

Nach einem Referat der Jahresversammlung des Deutschen Ver¬ 
eins für Volksbäder zu Worms am 23. Mai 1906. 

Von Dr. B. Laquer, Wiesbaden. 

(Fortsetzung.) 

Bis ist ja auch klar, dass die Frage, ob die amerikanischen 
Lohnarbeiter in toto weniger Alkoholica pro Kopf geniessen, 
weiter zu der Erörterung der Ursachen (allgemeine und spezielle 
Lebensführung, seelische Einflüsse, Sport), kurz zu dem, was 
man Standard of life nennt, führen musste, sowie zu denjenigen 
werktätigen Einrichtungen sozialhygienischer Art, denen die 
heutige Tagung gilt 

Es sind zuerst au der Hand des amerikanischen Berichtes 
die privaten Badeeinrichtungen in den Lohnarbeiterschichten 
Nordamerikas zu erörtern; sie zeigen, dass die Badekalamität 
drüben“ von vomeherein nicht so schlimm lag, wie bei uns. 

AufGrund der Statistik des oben erwähnten Arbeitsamts hatten 
1887 in 18 Städten von U. St 1/4 der bewohnten Mietshäuser 
Wannenbäder, ebenso '/i <^ 6 ^ Bostoner Mietshäuser 1892. Es 
hatten ferner von den natürlich nur in Stichproben untersuchten 


Feuilleton. 


Die 27. öffentliche Versammlung der 
Baineologischen Gesellschaft 

in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der 
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6 . März 1906. 

Referent: Dr. Burwinkel * Bad Nauheim. 

(Fortsetzung.) 

Die passive Hyperaemie in der Therapie der 
Bewegungsstörungen verwendet Bum -Wien seit 4 Jahren. 
Die schmerzstillende Wirkung der Bier’schen Stauung bewährt 
sich besonders bei gonorrhoischen Arthritiden, wo sie eine 
frühzeitige Mobilisierung der befallenen Gelenke gestattet und 
einer späteren Ankylosierung vorgebeugt. Dasselbe gilt vom 
acuten Gichtanfall, vom acuten und subacuten Gelenkrheuma¬ 
tismus mit Ausschluss der deformierenden Gelenkentzündung. 

Die bactericide Wirkung ist in erster Linie bei Tuberku¬ 
lose d^r Gelenke, Sehnenscheiden und Schleimbeutel von 
Nutzen, der lokal-emährungsförderndo Effekt bei der Therapie 
und Prophylaxe der Pseudarthrose. 

Die Einfachheit ihrer Technik prädestiniert die für den 


New-York, wo ca. 360000 Personen in Slums hausen, 
Chicago, „„ 162000 „ „ „ „ 

Philadelphia, „ „ 35000 „ « » » 

Baltimore, „„ 25000 „ n . n n 

3 ^/ 4 % in Chicago (untersucht wurden nur je 2()000 Personen 
umfassende Slums) 

6 iii New-York (untersucht wurden nur je 29000 Personen 
umfassende Slums) 

9 ’/ 5 % in Baltimore (untersucht wurden riur je 18000 Personen 
umfassende Slums) 

18% in Philadelphia (untersucht wurden nur je 17000 Personen 
umfassende Slums) 
private Badegelegenheiten. 

Von 387 in Philadelphia untersuchten nicht slumartigen, 
also besseren Häusern hatten 20% Baderäume. In Deutsch¬ 
land hatten von 1 Vg Millionen Wohnungen ca. 120000 gleich 
10% Badegelegenheit.*) 

Man darf ferner mit Sombart annehmen, dass die Woh¬ 
nung des amerikanischen Arbeiters im Durchschnitt dort 4 
Räume hat, wo die des deutschen noch nicht 2 hat. Entfiel 
doch auf die 908 Berliner Haushaltungen**), die doch gewiss 

*) Statistisches Jahrbuch der Deutschen Städte Bd. XI. S. 82. 

**) Berliner Statistik von E. Hirsebberg H. 3 Berlin 04. 


Kranken wenig lästig Methode für den praktischen Arzt, be¬ 
sonders auch für den Badearzt, der sie mit balneotherapeutischcn 
Agentien verbinden kann. 

Ullmann-Wien rühmt die guten Erfahrungen über 
Stauungs- und Saugtherapie bei einigen Haut- und 
Geschlechtskrankheiten, wie Hodentuberkulose, Furun- 
kulose, Acne, Folliculiti.s, Alopecia areata, Bubo, Perinealabs- 
cesse, während Lupus und acute Gonorrhoe mit und ohne Epi- 
didymitis ungeeignet für die Behandlung sind. 

Fischl-Prag lobt Höhenklima und Seeluft als 
Heilpotenzen bei Kinderkrankheiten. Anaemisch- 
rachitische Kinder mit Atonie der Digestionsapparate und 
nervöser UebereiTegbarkeit finden während der ersten Lebens¬ 
jahre den meisten Nutzen von einem mehrmonatliclion Aufent¬ 
halt an der Ostsee oder je nach der Jahreszeit am Mittelmeer. 

Eine notwendige Voraussetzung des Erfolges ist häusliche 
Menage, welche allein die Darreichung einer tadellosen und 
jeweilig notwendigen Kost garantiert. Mittelgebi^sgegonden 
kommen erst vom 6 . Jahre an in Frage, da ältere ßnder ohne 
Ermüdung weitere Wege machen können und gegen den im 
Gebirge unvermeidlichen Temperatun^'echsel widerstandsfähiger 
sind. Der Keuchhusten verläuft leichter in milden Gobirgs- 
klimaten, während sein katarrhalisches Ausgangsstadium auoli 
an der See abgekürzt wird. Katarrhe der oberen Luftwege, 
recidivierende exsudative Angina und chronische Hj^pertrophien 
des lymphatischen Rachenringes werden durch protahierten 


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70 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZBITmö 


Nr. 18. 


oIiiM' einen iihernorniiilon Typ repräsentieren, im DiirciiscliDitl 
eine Wohnung von rund 1,4 Zimmern, während die Zahl der 
Räume, welche die 25440 vom „Arbeitsamt“ untersuchten 
amerikanischen Arbeiterfamilien*) bewohnten, soweit sie in 
Miethäusern lebten, 4,67, soweit sie eigene Häuser hatten, so¬ 
gar 5,12 im Durchschnitt betrug. Aber auch die innere Aus¬ 
stattung der Wohnung ist in, Amerika unvergleichlich viel 
komfortabler als bei uns. Die be.sseren Arbeiterwohnungen 
drüben machen den Eindruck der Wohnung eines deutschen 
MittelbUrgers. „Der amerikanische Arbeiter kennt also im 
grossen und ganzen, New-York**) ausgenommen, wo täglich 
3000 Einwanderer meist niederer Kulturstufe landen, nicht 
drückendes Wohnungselend, er wird aus seinem Heim nicht, 
weil es kein Heim ist wie die „Stube“ des grossstädtischen 
Arbeiters im kontinentalen Europa, hinaus in die Wirtschaft 
getrieben, er kann vielmehr in reichlichem Maße den Empfin¬ 
dungen des feinsten Egoismus, wie ihn die behagliche Häus¬ 
lichkeit entwickelt hat, Raum geben“. 

Auch unter den in dem oben zitierten Berichte dos Arbeits- 


*) Bass es sieb um eine Eliteschiebt der Arbeiter bandelt, bemerkt 
Sombart 1. c. Bd. XX. S. 644, vorgl. die Aiim. beer. N. Y. 

•*) Ueber Cbicago vorgl. A. Kolbs Pracht-Essay; Als Arbeiter in 
Nordamerika. 4. Äutl. 05. Berlin. So berichtet auch Sombart aus 
Robert Hunter, „Poverty“, 1901, das „hineinleuchtot in die Tiefen des 
amerikanischen Grosestadtelends“ folg'endos: 

„Der Verfa.sser veranschlagt die Zahl der unterhalb der Grenze der 
Armut lebenden Personen, also derjenigen, die in Nahrung, Kleidung und 
Wohnung nicht das Nötigste haben, in den Vereinigten Staaten auf insge¬ 
samt 10 Millionen in Zeiten durcbscbnittlichcr Prosperität, wovon 4 Milli¬ 
onen üffenlUche Arme*) sind. Im Jahre 1897 empfingen in New-York 
ArinonuntorstÜtzung Ober 2 Millionen Menschen*), 14 Prozent der Bevölke¬ 
rung derselben Stadt leben -^in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs (1903) — 
20 Prozent — in schlechten Zeiten (1897) — im grössten Elend, das heisst 
von ihnen weiss man es; zählt man die verschämten Armen hinzu, meint 
Hunter so wird die Zahl der in New-York und anderen Gressstädten 
in Armut Lebenden selten unter 25 Prozent sinken. In Manhattan, dom Haupt¬ 
stadtteil New-Yorks, wurden 1903, also in einem guten Jahre, 60463 
Familien, das sind 14 Prozent aller Paniilien, aus ihren Wohnungen ex¬ 
mittiert. Jeder zehnte Toto wird in New-York als Stadtarmer aufPotters 
Field beerdigt“ vergl. auch H. Albrecht’s Schilderungen über englische 
Gro.ssstädte „Concordia" 1904. Nr. 1 — 55 u. 1905 Nr. 8. 

*) Der sämtlichen Eiiiw. ‘= 5®/o 
in Deutschland (1885) *= 3,4® (, 
in Berlin — 6,6 

Ln Hamburg =• 

■j Darunter wohl vielfache Doppelzählungen, bemerkt Sombart dazu. 
E.S sind vrobl die Fälle von bereits oingetrotoner Armonunterstütznng gemeint, 
(iiinz New-York zählte ja 1897 erst 3'/* Millionen Einwohner. — Nach 
Peabody betrug die Gesamt-Arnien-Äusgabc (private und öfFentliche) 
4 —ü Doll, pro Aopf 1895, i. G, 19 Mill. Dollars. Das alles sind nach 
unten hin „unbegrenzte Möglichkeiten!“ 


Aufenthalt in Binnenmeerbädern entschieden gebessert, auch 
wohl geheilt. Bei chronischen Reizzuständen der tieferen Luft¬ 
wege entscheidet das Älter: jüngere Kinder passen für die 
üst.s (‘0 und das Mittelmoer, ältere fürs Mittelgebirge. 

Nordseebäder sind ungeeignet für blutarme in der Ent¬ 
wicklung zurückgebliebene Kinder aus dem Binnenlande, wenig¬ 
stens im Laufe der ersten 7—8 Jalire, dasselbe gilt für grossere 
Höhenlagen. 

Heinsheimer-Baden-Baden berichtet von oxperimen- 
tellen Untersuchungen über den Einfluss von natür¬ 
lichen und künstli ch 0 n Salz 1 ö sun«ren au f die Mairen- 
saftsekretion.*) (.Schluss folgt.) 

*) lieber diesen Vortrag erscheint demnächst an dieser .Stelle ein 
Autorn'fetat. 


Die neuen Badeanlagen 

und die 

stautliclien Noubauten in Bad Xaulieim. 

V'i>n I)r. med. HirSCh. Bad Nauheim. 

(S<-liltiss.) 

Die fünfte Abfoilnng schüesst das niMio E lok tr i z itä ts- 
Werk, die Mas<'hinen- und Hoizzentrale mit Fernheiz¬ 


amtes aufgefiihrton, von 16 grossen amerikanischen Betrieben 
erbauten Arbeiterwohnhäusem finden wir Baderäume vielfach 
angegeben, wie ja auch solche bei uns in dem Albrecht- 
Postschen Handbuch der Arbeiterfnrsorge unter gleichen Um¬ 
ständen geschildert werden. 

Es ist hierbei eine Bemerkung einzufügen, aus dem 
amtlichen Berichte der Preussischen Reg.- und Gew.-Räte von 
1895: Im Regierungsbezirk Magdeburg stehen in Betriebs¬ 
werkstätten mit 48000 Arbeitern für 34% derselben Bade- 
eiurichtungeo zur Verfügung. Der Hannoversche Fabrikinspek¬ 
tor*) macht jedoch darauf aufmerksam, dass eine erfolgreiche 
Benutzung der Badeeinrichtungen seitens der Arbeiter nur 
dann möglich ist, wenn letztere nach einem bestimmten Plane 
während der Arbeit baden dürfen ohne Lohneinbusse. 

Nun zur Entwickelung der öffentlichen Bäder Amerikas. 
Zuerst einige geschiclitlicTie Daten: Wenngleich Boston schon 
im Jahre 1866 eine kleine öffentliche Strandbadeanstalt aus 
Holz für den Sommergebrauch hatte, so ist doch die Entwicke¬ 
lung erst ein Erzeugnis der letztoo 15 Jalire. Der bekannte 
amerikanische Nervenarzt Dr. S. Baruch hatte die Ausstellung 
des Lassar-Groveschen Brausebades in Berlin auf der Hygiene- 
Ausstellung 1887 besichtigt. Begeistert von der Idee und ihrer 
musterhaften Ausführung hielt er 1889 den ersten Vortrag 
darüber in der New-Yorker Gesellschaft für Sozialpolitik und 
kurz nachher wurde nach einer Beratung mit der Gesellschaft 
for improviug the condition of the poor das erste sogenannte 
Volksbad mit 76 Douchen in New-Vork in der Rivingtonstreet 
eröffnet; es kostete 410000 M. 1895 folgte ein Gesetz, welches 
für alle über 50000 Einwohner zählenden Gemeinden des 
Staates New-York die Errichtung öffentlicher Bäder als gesetz¬ 
liche Auflage bestimmte, und nunmehr ging die Entwickelung 
rapid voran. Die öffentlichen Bäder der Nordamerikanischen 
Gemeinwesen können im allgemeinen in 5 Typen oingeteilt 
werden: 

1. Strandbäder, 

2. scliwimmende Bassin- oder Flussbäder, 

3. Bassinbäder in stehendem Wasser, 

4. Brausebäder, 

5. Die Verbindung von Bassin- und Brausebad. 

(Schluss folgt.) 


*) V’gl. ferner die intercs.santo Statistik (S. 172 eod. 1.) über Benut¬ 
zung der neuen Hohenlohe Zinkhütte mit 83,7®/, Beteiligung sämtlicher 
Arbeiter (46742 Badetage 55799 Schichttago). 


kanal und eigene Dampf-Waschanstalt in sich; ausser¬ 
dem eine neue Eisfabrik und verscliiedene Verwaltungs¬ 
gebäude und Wohnhäuser für die Beamten der Saline. 

Von diesen geplanten Bauten sind bereits fertiggestellt 
und zwar schon im Vorjahr: 1. Die Erweiterung der Terasse 
des Kurhauses mit neuen Umfassungsmauern. Letztere mit 
schöner Gallerie versehen, sind doppelt und durch einen breiten 
Wandelgang getrennt. Die untere Mauer hat eine hübsche 
ornamentale Brunnenanlage. 

Ferner ist der Konzertgarten fast um die Hälfte vergrössert 
und. ein neuer grosser massiver Musiktempel errichtet worden. 
Die abschiiessendeu Wandelhallen sind mit modernen bnnton 
Glasfenstern und schöner stilgerechter Deckenmalerei ausge¬ 
stattet. 

Für die Saison 1906 sind folgende Bauten vollendet 
und in 13(;trieb genommen: 

die Maschinen- und Hoizzentrale, 

die Waschanstalt, 

der Fernheizkanal, 

die Verwaltungsgebäude, 

da.s neue Badehaus Nr. 8. 

Wir wollen bei der Beschreibung der einzelnen Bauten 
von Osten nach Westen geh<‘n und beginnen daher mit der 
Maschinen- und Heizzentrale. Es sind dies mehrere wuchtige 
Massivbauten, in denen sich vier riesige Dampfkessel befinden, 


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1906. 


BALNEOLOGISCHE CBNTRALZBITUNG 


71 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Baden-Baden. Das neue Sanatorium DDr, Frey-Gilbert 
stellt eine Masteranlage dar. Es vermag ungefähr 70 Gäste zu 
beherbergen, denen alle modernen Heilmittel im Hause selbst ge¬ 
boten werden. Im Erdgeschoss befinden sich praktisch und vor¬ 
nehm eingerichtete ßadezellen für Damen und Herren, worin alle 
Arten von Bäder verabfolgt werden können, und ein Massage- 
raum. Im Hochparterre liegen die ärztlichen Eonsultationsräume, 
ein Inhalationsraum und ein schöner Saal für Heilgymnastik. Der 
nördliche Flügel enthält die geschmackvoll ausgestatteten Gesell- 
schaftsränme, den grossen Speisesaal und eine breite, offene Ter¬ 
rasse. Die Wohnräume befinden sich in den drei Obergeschossen, 
welche breite, luftige Korridore durchziehen, die bei schlechter 
Witterung als Wandelhallen dienen können. Alle Korridore sind 
in der Mitte zu Hallen ausgebildet, von welchen eine Tür zu dem 
jedem Stpckwerk eigenen, gedeckten Balkouo führt. Je zwei 
Fremdenzimmer haben einen gemeinsamen Vorraum, so dass völlige 
Ruhe gesichert ist. Jedes Zimmer hat einen Balkon, Ventilation, 
Zentralheizung und Telephon. Von den Heilapparaten seien noch 
erwähnt: In jedem der Aerztezimmer aufgestellte Apparate für 
faradische, galvanische und Infinenz- (Fran^nisation) Elektrizität 
für pulsierenden Gleich- und Wechselstrom (Sinusoidalisation) und 
für Vibrationmassage; komplette Einrichtung für Röntgen-The¬ 
rapie und Diagnostik (Orthodiagraphie). Apparate für Hoch- 
freqnenzströme nach Arsonval. Elektromagnetisches Feld. Sämt¬ 
liche hydro- und balneo-therapeutiachen Heilfaktoren. Heissluft¬ 
dusche nach Dr. Frey. Apparate für mechanische Heilgymnastik 
und Prenkel-Leydensche Uebungstherapie, Sonnen- und Luft- 
Bäder. Der kürzlich so plötzlich verstorlwne Mitbegründer der 
Anstalt, Hoirat Dr. Gilbert, hatte an den Vorarbeiten für das 
neue Sanatorium reichen Anteil, doch war es ihm nicht vergönnt, 
die Eröffnung zu erleben. 


Die stark alkalisch und kohlensäurebaltige Quelle schüttet 10 
Sekundeniiter Mineralwasser aus. 

EisonflCh. Der Gemeinderat hat den Ankauf des idyllischen 
Johannistales zu dem vom weimarischen Landtag festgesetzten Preis 
von 400000 M. beschlossen. 

Ems. Die Fremdenfrequenz ist auf über 2600 Personen; ge¬ 
stiegen. Ausser dem Erbprinzen Adolf von. Scbaumburg-Lippe 
weilt auch S. H. Herzog Emst von S.-Altenburg wieder hier. — 
Mit dem Monat Juni beginnen die glanzvollen Saisonfestlichkeiten 
und die Vorstellungen im Kurtheater. 

Lüneburg soll infolge eines Vertrages der Saline mit der 
Stadt eine grosszügige Ausgestaltung seines Soolbades erfahren. 
Danach stellt die Stadt der Saline behufs Errichtung eines Sol¬ 
bades und Anlage eines Kurparkes ein Gelände im Rotenfelde von 
etwa 60 Morgen zur Verfügung. Die Saline errichtet auf diesem 
Gelände ein Badehaus, ein Kurhaus, Trinkhalle, Musikpavillon, 
Kurpark, Gartenanlagen und ein Gradierwerk. 

Rauschen. Duroh die Samland-Bahn ist Ostseebad Rauschen 
jetzt dem Verkehr erschlossen und von Königsberg stündlich zu 
erreichen. Letzten Sommer war Rauschen von etwa 5000 Kur¬ 
gästen besucht. Rauschen hat den Vorzug, von jeder Insekten¬ 
plage verschont zu bleiben. 

Soden i. T. Das neu errichtete medico-mechanische Institut 
befindet sich im mittleren Teile des Badebauses und ist von allen 
Badezellen ans leicht zugänglich. Ee enthält ein vollständiges 
System von gymnastischen Apparaten für aktive und passive Be¬ 
wegungen und Massage, welche nach den Angaben von Zander 
und Herz konstruiert sind. Das Institut ist eine Gründung des 
Sodeuer Aerztevereins und steht unter der Leitung eines erfahre¬ 
nen Arztes, welcher die Verordnung der hier praktizierenden 
Aerzte den Kuigästen erläutert und die richtige Befolgung über¬ 
wacht. 


Bad Landeck. Das jetzt in die 16. Saison tretende Wald- 
sanatorinm Germanenbad in Bad Landeck hat den letzten 
Winter zu einer erheblichen Vergrösserung benutzt. Durch einen 
Neubau des Kurhauses sind ein neuer geräumiger Speisesaal und 
mehrere Gesellschaftsräume geschaffen worden und eine grössere 
Zahl neuer Zimmer mit und ohne Balkon hinzugekommen. Auch 
die Gartenanlagen sind um 40 000 qm vergrösserfc worden, sodass 
zu erwarten steht, dass nunmehr die Anstalt dem von Jahr zu 
Jahr steigenden Zuspruch vollauf wird gerecht werden können. 
Die unvergleichlich idyllische Lage trägt nicht zum geringsten 
Teil zur wachsenden Beliebtheit dieses Waldsanatoriums bei. 

BrüCkenftU (Rhein). Dieser Tage ist in einer Tiefe von 
216 m ein neuer, 10 m übertag treibender Sprudel erhohrt worden. 


Literatur. 

Morin -Leysin. Die Behandlung der Tuberkulose in 
Leysin. (Therap. Mtshefte 1905. No. 10.) 

Frühe Diagnose und rascher Entschluss für die Behandlung 
in einem Höhensanatorium sind von grösster Wichtigkeit für die 
Prognose der Tuberkulose; aber leider wird meist erst der Aus¬ 
wurf und der Koch’sche Bazillus und damit der eigentliche An¬ 
lauf der Tuberkulose selbst abgewartet, ja nicht einmal das, erst 
im zweiten oder gar erst im dritten Stadium der ausgebrochenen 
Tuberkulose denkt man an die Forderungen der Behandlung: Luft- 
und Ruhekiir mit passender Ernährung. Man ergreift erst halbe 
Maßregeln, die gar zu oft ungenügend sind, und dann erwartet 


die fast 30 cbm Wasser fassen, mit üeberhitzungsvorrichtung 
versehen. Von hier aus wird der Dampf durch den 1,80 m 
breiten Fernheizkanal 430 m weit in die Badehäuser ge¬ 
leitet und zwar in einer Temperatur von ca. 200—250" mit 
10 Atmosphären Druck. Es sind meines Wissens nur wenige 
Anlagen m Deutschland, bei welchen das Problem der Fern¬ 
heizung verwirklicht ist. 

In dem Maschinengebäude sind ferner die grossen Dampf- 
und Dynamo-Maschinen, sowie die Akkumulatoren uiitergebraciit. 
In der sehr geräumigen Dampfwäscherei sind die Wasch- und 
Trocknungsapparate und die Mangeln aufgestellt, ausserdem noch 
ein grosses Vorratslagor von Wäschestücken. 

Der Fernheiakanal läuft unter dem Bahnkörper durch, 
die Bahnhofsallee entlang und führt in gerader Linie nach den 
Verwaltungsgebäuden und ins Badegebiet. 

Die Verwaltungsgebäude schliessen die Bahnhofs¬ 
allee ab und lassen in der Mitte den Ausblick nach dem 
Sprudelhof frei. 

Sämtliche Gebäude sind im Barock-Stil aufgeführt und 
alle Ausführungen bis ins allerkleinsto Detail stilgerecht ge¬ 
halten. Wenn man auch über diesen schweren, massiven Stil 
für Badeanlagen anderer Ansicht sein kann, das Eine 
muss jeder Besucher unumwunden zugeben, dass die Innen- 
Einrichtung der neuen Gebäude an Solidität, Pracht, 
Eleganz und komfortabelem Luxus ihresgleichen sucht. 


Das Innere ist tadellos, prachtvoll ausgestattet und technisch 
vollendet. 

In den Verwaltungsgebäuden sind sämtliche Bureaus des 
Bades, der Saline und des Tiefbauamts untergebracht. 
Im ersten Stock sind die eleganten Räume für die Dienst¬ 
wohnungen des Bado- und Kurdirektors. 

Von den Verwaltungsgebäuden gelangt man über eine 
grosse Freitreppe ins eigentliche Badegebiet, in den Sprudel¬ 
hof, dessen Ostseite von dem fertiggestellten Badehaus 8 be¬ 
grenzt wird und das das oben erwähnte Häuser-Carrö mit 2 
symmetrischen Flügeln beginnt. Die beiderseitigen Warte¬ 
räume sind mit Marmor getäfelt und mit herrlichen elektrischen 
Beleuchtungskörpern versehen. 

Die einzelnen Badezellen sind geräumiger, als die seit¬ 
herigen, mit allem denkbaren Komfort und vornehm und elegant 
ausgstattet. 

Im nächsten Herbst wird wiederum ein weiterer Teil der 
Neubauten begonnen, so dass in einigen Jabren der ganze 
grosse Plan vollendet sein wird. 


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72 


BALNBOLOGISCHB CENTRALZBITUNG 


Nr. 18. 


man von wenigen Monaten schon Heilung. Die Behandlung der 
355 in den Sanatorien von Leysin (1. Mai 1904 bis 30. April 1905) 
teils gebesserten teils gehellten Tuberkulösen bat wieder den 
wichtigen Einfluss des Höhenklimas gezeigt, und interessant ist 
die Erläuterung der Elemente des Höhenklimas, wie sie M. uns 
gibt: Seit den EorschuDgen von Finsen und den Arbeiten von 
Bernhardt (Samaden) kennt man den aussergewöbnlichen Heil- 
einflnss der ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes. Während 
die Wäi'mestrahlcn das Maximum ihrer Intensität in dem roten 
Telle des Liohtspektrums haben, und die leuchtenden Strahlen be¬ 
sonders in dem gelben mächtig sind, ist es anerkannt, dass die 
chemische oder therapeutische Wirkung besonders kräftig ist in 
dem violetten und ultravioletten Teil des Lichtspektrums. Gerade 
diese ultravioletten Strahlen von so hohem therapeutischem Werte 
wurden von Finsen und Bernhardt benutzt. Diese ultravio¬ 
letten Strahlen werden aber sehr staric von der Atmosphäre ab¬ 
sorbiert, und zwar so, dass sie eine enorme Abnahme erleiden, 
wenn man vom Berg ins Tal henmtersteigt. Die in grosser 
Quantität existierenden ultravioletten Strahlen in dem Licht des 
hohen Bei^s wurden in Samaden (Graubünden) und in Leysin zur 
Behandlung von chirurgischen Tuberkulosen angewendet, und die 
Erfolge von Bernhardt und Bollier sind in dieser Hinsicht 
sehr überzeugend. 

Ausserdem hatte das Tuberkulin, mit Vorsicht bei nicht fie¬ 
bernden Fällen angewewendet, gute Resultate gegeben. Das Mar- 
moreck’sche Serum wurde noch versucht und schien in gewissen 
Fieberperioden der Tuberkulose günstig zu wirken. Endlich wurden 
je nach den symptomatischen Indikationen der verschiedenen Kranken 
die intratrachealen Einspritzungen nach Mendel, Thiocol, Jod, 
Arsen, Natrium cacodylicum, Kampferöl und die verschiedenen 
Derivate des Opiums in Anwendung gezogen A. R. 


Aerztliche StiKtlenreisen. 

Die diesjährige Studienreise bat den Besuch der badischen 
und württembergischen Kurorte und Lungenheilstätten etc. in 
Anssicht genommen. Die Reise soll am 4. September in Heidel¬ 
berg beginnen und am 15. 9. in Stuttgart, dem Sitze der dies¬ 
jährigen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, einen 
Tag vor Beginn derselben enden. 

Besucht werden voraussichtlich folgende Kurorte: Wildbad, 


Teinacb, Schömberg, Liebenzell, Frendenstadt, Rippoldsau, Gries¬ 
bach, Peterstal, Badenweiler, Wehrawald, Todtmoos, St. Blasien, 
Konstanz, Triberg, Baden-Baden. 

Die durch den im Februar d. J. erfolgten Tod des Herrn 
Hofrat Gilbert erledigte Stelle eines Generalsekretärs ist bis 
zur definitiven Wahl von Herrn Dr. Oliven, Berlin, Lützow- 
strasse 89/90, und die Stelle des Schriftführers von Herrn Ober¬ 
stabsarzt z. D. Dr. Bassenge, Berlin-Gnmewald, übemommeD 
worden. 

Das Bureau des Komitees zur Veranstaltung ärztlicher Studien- 
i'eisen befindet sich von jetzt ab im Kaiserin Friedrich-Haus für 
das ärztliche Fortbildungswesen. Berlin N.W. 6, Lnisenplatz 
2—4, wohin alle Zuschriften unter Adresse „Komitee für ärzt¬ 
liche Studienreisen“ zu richten sind. 

Die Zahl der Teilnehmer an der diesjährigen Studienreise 
soll die Zahl 200 nicht überschreiten, and i^ aus diesem Grunde 
eine möglichst baldige Anmeldung geboten. Das definitive Pro¬ 
gramm sowie Näheres über Kostenpunkt etc. kann erst Mitte 
Juni bekannt gegeben werden. 


Verschiedenes, 

Das „Sylter Intelligenzblatt“ vom 1. Mai 1906 schreibt: 

,Jugendpensionat. Einen guten Erfolg bat Herr Dr Koch 
mit seinen Bemühungen um den ersten Zögling aufzuweisen, der 
während des Winterhalbjahres im Jugendpensionat seine geistige 
Ausbildung genossen hat. Genannter Zögling, der im Oktober 

1905 die Reife eines Obersekundaners nach Vijäbrigem Besuch 
der Obersekunda eines Gymnasiums hatte, ist bis zum 1. April 

1906 im Jugendpensionat durch die Obersekunda und Unterprima 
geführt worden und hat vor einigen Tagen die Aufnahmeprüfung 
für die Oberprima des städtischen Gymnasiums zu Danzig be¬ 
standen, — bat also in ca. 5 Monaten ein l'/4jährige8 Klassenpensum 
bewältigt. Wir wünschen Herrn Dr. Koch, dass sich diesem 
schönen Erfolge weitere in grosser Zahl anreihen mögen. Unser 
Bad kann jedenfalls bei derartigen gnten Leistungen der Zöglinge 
des Jugendpensionates nur gewinnen, sofern u. E. hier einer der 
Angelpunkte für eine Propaganda für Winterkuren von Schülern 
schwebt, die in der körperlichen Elntwicklong zurückgeblieben 
sind.“ 


Meteorologische Statistik. 


Verustaltet voa der Redtktiei der Balneelegleebe« Zeetralzeltang.. 


Name 

Woolte 

Mittleres 

Temperatnr- 

miuimum 

Mittleres 

Temperatur- 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonteu- 

schein- 

tage 

1 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazi a. 

3.—9./6 

14,1 C. 


759,9 

1 

4 

2 

— 

— 


Badeuweiler. 


—- 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg . 


6,2 0. 

17,6 C. 

•— 

2 

3 

2 

1 

1 


Ems. 


8,3 C. 

17,6 C. 

759,5 

4 

6 

1 

3 

1 


Giesshübl-Sauerbrunii . . 


9,9 C. 

15,5 C. 

— 

1 — 

4 

3 

3 

— 


Franzensbad . 


10 C. 

23 C. 

718 

Vz 

4V2 

2 

— 

— 


Herrenalb. 


10 C. 

18 C. 

726 

3 

3«/4 

3V4 

3—4 

1 


Kreuznach . 


— 

— C. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Langenschwalbach . . . 


4,2 C. 

16,2 C. 

739,6 

3 

6 

7 

2,6 

1 

Reif am 6. Juni. 

Lipp8i)riiige. 


8 C. 

19 C. 

752,5 

2 

3 

2 

2 

— 

Frequenz 2Ubl). 

Nauheim .. 


, 8 C. 

18,9 C. 

753,5 

3 

3 

4 

1—5 

1 

, 8928. 

Nenndorf. 


1 11 C. 

18 C. 

768 

2 

4 

7 

— 



Orb. 


1 9 C. 

17,1 C. 

755 

— 

7 

— 

— 



Norderney. 


8,6 C. 

13,1 C. 

763,1 

2 

6 

9 

4 

— 


Reichenhall . . . . • 


7,7 C. 

15,3 C. 

723,6 

3 

5 

6 

— 

— 


Rcinerz. 


— 

_ 

_ 

— 

— 

— 

— 

— 1 


Stehen. 

n 

7,14 C. 

16 C. 

715,7 

3 

3 

1 

3—4 

— 



Verantwortlicher Redakteur: Or. V. Meissner, Berlin — Verlag von Carl Marbold, Halle 
Dniek von IleynemaaD'kche Ilucbdrucketei. Gel>r. Wolff, Halle a. ^ 


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Vn. Jahrgang. Nr. 19. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Or£:an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des ,Allg. D. B.-V.“: 
Dr. Siebelt Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marhold ln Halle a. $., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. roed. et polit Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


lieber private und Öffentliche Badeeinrichtungen in den Vereinigten Staaten. 1 Ans den Bftderii and Kurorten. 

Von Dr. B. Laquer, Wiesbaden. (Schluss). 1 MeteorolofflBChe Statistik. 

FeoUleton : Die 27. Öffentliche Versaromlnng der Balneologischen Gesell- | 

Schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. (Schluss.) I 


lieber 

private und öffentliche Badeeinrichtnngen 
in den Vereinigten JStaaten. 

Nach einem Referat der Jahresversammlung des Deutschen Ver¬ 
eins für Volksbäder zu Worms am 23. Mai 1906. 

Von Dr. B. Laquer, Wiesbaden. 

(Schluss.) 

Boston z. B. besitzt 10 Strandbäder, Milwaukee 4, Chicago, 
Baltimore je 3, etc. Sie sind die billigsten Formen, da sie 
nur Ankleidezeilen zur Voraussetzung haben. Flussschwimm¬ 
bäder besitzt Boston 12, New-York 15, Brooklm 5. Die Kon¬ 
struktion besteht aus einer Diele, die auf Flössen liegt In 
der Mitte der Diele ist das Bassin, während die Ankleidezimmer 
um das Bassin herumliegen. Das Bassin ist derartig gebaut, 
dass es freies Durchströmen des Wassers erlaubt Diese ßade- 
form ißt nur im Sommer möglich und nur in Städten, welche 
eine Wasserseite haben; sie ist besonders für kleine Städte 
geeignet, welche einen Fluss oder See besitzen, die frei von 
Verunreinigungen sind. Diese Badeform verschwindet aber 
aus den grossen Städten Amerikas entsprechend der wachsen¬ 
den Schwierigkeit, das Flusswasser rein zu halten, und macht 
Bassin-Bädern in Hallen mit stehendem Wasser, vor allem aber 


Brausen verschiedener Art Platz. Das erste wurde 1885 in 
Philadelphia konstruiert, weil das Wasser des Flusses unsauber 
wurde. Diese Stadt hat nunmehr 15 derartige Einrichtungen. 
Die einfachste Form besteht aus einem sogenannten pool, 
umgeben von Ankleidezimmern, teils bedeckt, teils frei. Die 
oben erwähnten Strand-Flussbäder sind nur im Sommer, etwa 
4 Monate, zu benutzen, sie erfrischen den Körper, üben die 
Muskeln, aber ihre Wirksamkeit ist in der kühlen Jahreszeit, 
io der Bäder am notwendigsten sind, gehemmt, und da auch 
die Wannenbäder in öffentlichen Bädern Amerikas nicht mehr 
üblich sind, so ist nunmehr die Brause oder das Regenbad 
an ihre Stelle getreten. In Boston wurden die ersten Brausen 
1889 errichtet, Milwaukee, Chicago folgten. Es gibt nun¬ 
mehr 39 Einrichtungen mit im ganzen 1500 Einzelbrausen 
in den Städten der Vereinigten Staaten. In Baltimore sind 
öffentliche Turnhallen und öffentliche Waschanstalten mit 
ihnen verbunden. Man hat im grossen ganzen für die Orts¬ 
frage des Bades die Dezentralisation in den Arbeitervierteln 
zum Grundsatz erhoben — das Volksbad muss „wie ein Ver¬ 
sucher auf dem Wege von der Arbeitsstätte zur Wohnung“ 
liegen —, ferner postuliert man drüben bei Vorhandensein 
von Licht, Wärme, Sauberkeit den Fortfall von äusserem 
Prunk. Die Kosten für Grundstück und Bauten schwanken 
von 500 Dollar gleich 2000 M. bis zu 461000 Doller gleich 
fast 2 Millionen M. (wobei allerdings Spielplätze, Turnhallen 
etc. inbegriffen sind). Die Eintrittsgelder für die Besuche sind 


Feuilleton. 

Die 27. öffentliche Versammlung der 
Balneologischen Gesellschaft 

in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der 
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6. März 1906. 

Referent: Dr. Burwinkel • Bad Nauheim. 

(Schluss.) 

Guhr-T4bra-Sz6plak berichtet über die günstigen Erfolge 
der Heliotherapie bei Psoriasis vulgaris. 3Wochen 
lang wurden Sonnenbäder in der täglichen Dauer von 20 bis 
25 Minuten gegeben. Wichtig ist, dass die Sonne unmittelbar 
auf das entschuppte Corium einwirkt. 

V. Pöhl-St. Petersburg weist hin auf die Kombination 
der Balneotherapie mit der Organotherapie in ihrer 
Bedeutung zur Beeinflussung von Stoffwechselano¬ 
malien. Mit dem Sperminum-Poehl und dem Haemoglobin 
lassen sich die herabgesetzten Oxvdationsprozesse erhöhen. 
Für die Fortschaffung der Stoffwecnselprodukte speziell aus 
den Nervengeweben kommt das Cerebrinum-Poehl in Betracht. 
Die kombinierte Behandlung mit Spermin und alkalischen 
Wässern und physikalisch-diätetischen Mitteln hat bei Neu¬ 
rasthenie, Hysterie, Arteriosclerose etc. sehr gute Resultate. 
Schwefelbäder in Kombination mit Spermin liefern bei Syphilis, 


Tabes, Scrophulose überraschende Resultate. Für die Nieren- 
insufficienz kommt das Reninum-Poehl zur Anwendung. Ratio¬ 
nell hergestellte Organpräparate sind mit Ausnahme von Adrenal 
und Suprarenalin gänzlich unschädlich. Selbst das Thyreoi- 
dinum-Poehl kann bei Myxoedem jahrelang unausgesetzt ge¬ 
nommen werden, ohne dem Organismus Schaden zuzufügen. 

N en ado vics-Franzensbad streift einige Gynaeco- 
logische Fragen aus der kurärztlichen Praxis. Bei 
Behandlung der Uterusmyome gibt man allgemein noch den 
Soolbädem den Vorzug. Doch sind die Moorbäder mehr in 
den Vordergrund zu stellen, da sie das Blut von den inneren 
Organen ableiten, den Blutdruck herabsetzen, die Blutbüdung 
begünstigen. Vor allem verdienen sie den Vorzug bei Myom¬ 
kranken jugendlichen Alters und zarter Konstitution, bei denen 
die Blutungen zu Anaemie und sekundären Herzbeschwerden 
geführt haben, ferner wenn Chlorose und Arteriosclerose be¬ 
stehen. Eine weitere Frage ist, wann die Badebehandlung 
bei exsudativen Prozessen einzusetzen hat Man soll die 
Kranken ins Bad schicken, sobald das Fieber aufgehört hat 
und die Patientin reisefähig ist, wenn auch noch Schmerz¬ 
haftigkeit besteht. 

Hiermit dürfte das Wissenswerte aus den Verhandlungen 
gegeben sein. Natürlich brachte der Kongress noch eine ganze 
Reihe geselliger Unterhaltungen. Der Munificens der Stadt 
verdankten die Teilnehmer eine Einladung zur Vorstellung im 
Opernhaus. Die Aufführung von Hoffmanns Erzählungen war 
künstlerisch vollendet Auch das Festmahl im Königlichen 


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n 


BALNBOLOGlSCJflE CENTOALZEITUiTG 


Nr. 19. 


entweder sehr niedrig oder ganz frei, letzteres überwiegt in 
mehr als der Hälfte auch für Seife und Handtücher etc. Die 
Kosten für die Aufrechterhaltung des Bades rangieren von 
l Pfg. in den städtischen Bassinbädern Philadelphias bis zu 
12 oder 16 Pfg. in grossen Städten wie Buffalo, Milwaukee 
etc. Nur wenige kleine Städte mit schlechtem Besuche gehen 
darüber hinaus. In 9 Städten sind die Flussbäder ganz frei, 
in 3 Städten werden kleine Eintrittsgelder erhoben. Strand¬ 
bäder sind in 3 Städten gratis, in 8 Städten werden kleine 
Beträge für Benützung der Wäsche erhoben. Brausebäder 
sind in 9 Städten gratis, in 4 Städten gegen Bezahlung zu¬ 
gänglich. Aber in fast allen öffentl. B^ern, in denen Ein¬ 
trittsgelder erhoben werden, gibt es Ausnahmestnnden und 
Ausnahmetage, an denen die Bäder ganz frei sind. 

Eine weitere wichtige im Anschluss an deutsche Vorbilder 
erfolgte Neuerung ist die Einführung von Brausebädern in 
öffentlichen Schulen. Der in Amerika gemachte Versuch, 
eine untere Grenze der Reinlichkeit in Aussehen und Kleidung 
für die Schulkinder festzul^en, ist gescheitert Man hat mit 
den Schulbädern be.ssere Erfolge erreicht; eine grosse Zahl 
von Kindern konnte in kurzer Zeit mit sehr geringen Aus¬ 
gaben gebadet werden, in Boston z. B. in 2 Schulen Mädchen in 
einzelnen Zellen, Jungens unter einer Gruppendouche. 1904 
hatten 30000 Schulkinder New-Yorks diese Einrichtungen; der 
Neubau einer jeden Schule erhält sie eo ipso. Originell-ameri¬ 
kanisch ist die Bemerkung , dass die Abnahme der Zahl von 
jugendlichen Verbrechern in Boston auf die Einrichtung der 
Volksbäder zurückgeführt worden ist. 

In einigen Städten, so in Brooklin, hat man Badeanstalt 
und Schule örtlich verbunden, ja sogar Gratis-Schwimmunter- 
richt wird während der Ferien in einigen Städten erteilt. 

Oeffentliche Wasch- und Bügeianstalten gibt es in Chicago, 
Baltimore, Cleveland und Troy. Hierbei stehen kaltes und 
warmes Wasser zur Verfügung, ebenso maschinelle Anlagen 
zum Ausringen, Trocknen und Bügeln der Wäsche. Trocken¬ 
legung und Ventilation der betr. Räume sind ebenfalls vor¬ 
gesehen. 

Aus der Statistik des Dr. Hanger vom Bundesarbeitsamt 
führe ich folgende Zahlen an: Die sämtlichen Öffentlichen 
Bäder in den 34 Städten Nordamerikas kosteten 3Vj Millionen 
Dollar gleich 15 Millionen M., also im Durchschnitt hat jede 
Stadt 441000 M. dafür ausgegeben. Sie wurden besucht von 
über 20 Millionen Menschen im Jahre (in 18 deutschen Städten 
mit viel kleinerer Einwohnerzahl von 8 Millionen Menschen). 
In deutschen Städten wurden 20 Millionen M. für den gleichen 


Belvedere verlief zur allgemeinen Zufriedenheit. Unter der 
liebenswürdigen Führung von Herrn Sanitätsrat Re ich ar dt 
fand eine Besichtigung des König Friedrich August-Bades in 
dem reizend gelegenen Klotzsche statt. Am Schlusstage des 
Kongresses unternahm noch eine grössere Zahl von Teilnehmern 
einen Ausflug nach dem unvergleichlich schön gelegenen Luft¬ 
kurort Neuschandau in der Sächsischen Schweiz, aus dem der 
tatkräftige Leiter und Begründer Hen” Sendig einen auf¬ 
strebenden Villenort geschaffen hat. Das herrliche Märzwetter 
und die freundlicl o Bewirtung versetzte alle Besucher in die 
gehobenste und beste Stimmung, so dass man nur ungern von 
dem so idillischen Platz Abschied nahm. 

Und so waren die Kongresstage allzuschnell vorbei; sicher¬ 
lich haben sie bei allen Teilnehmern eine Reihe angenehmster 
Erinnerungen hinterlassen. 


Kleine fVlitteilungen. 

Lungentuberkulose und das Bad Lippspringe. Das Bad 

Lippspringe bat mit jedem Jahre steigende Aufnahmeziffern von 
Lungenkranken, die an der A r min in squel le Heilung suchen, 
n i nsch - Lippspringe stellte eine Statistik auf über die Dauer¬ 
heilerfolge der vom Rekonvaleszentenverein Elberfeld nach Lipp¬ 
springe entsandten Lungenkranken. In den Jahren 1898 — 1902 
liess der genannte Verein 1237 Lungenkranken, meistens Fabrik¬ 
arbeitern, Handwerkern, (.Schlossern, Schreinern, Webern), Nähe¬ 
rinnen, Fabrikmädchen etc. die Wohltat einer Lippspringer Kur 


Zweck ausgegeben. Interessant ist die Spende des Bostoners 
Mr. Walter nur für Bäder für cploured people, für Farbigei! 

Baltimore gab für 30 Brausen 100000 M., für 45 Brausen 
160000 M. aus, wobei die sehr hohen Arbeitslöhne (s. o.) zu 
beachten sind Das Milbank - Bad in New-York kostete 
600000 M. für 93 Douchen, wobei für diese Stadt der teure 
Baugrund eine Rolle spielt. Den Rekord hat New-York mit 
seinen 6 Millionen Einwohnern erreicht; hier sind nunmehr 
bis 1906 18 öffentliche Bäder im Werte von 8 Millionen Mark 
im Bau, die dann soviel Badegelegenheit gewähren, dass jeder 
New-Yorker zweimal in der Woche auf städtische Kosten frei 
baden kann. Die europäischen Einrichtungen sind wohl gross¬ 
artiger und zahlreicher*) als die amerikanischen, aber dass man 
in den Vereinigten Staaten in öffentliche Bäder so hineingelit 
wie in öffentliche Parks oder in Lesehallen, das unterscheidet 
Amerika von Europa nicht zum Vorteil des Letzteren. 

Hinzufügen wollte ich noch, dass auch in den Werkstätten 
und Fabriken drüben zwar die einfachsten Schutzvorrichtungen 
fehlen, dass aber der hygienische Komfort — Badewannen, 
Douchen, temperierte Räume — reichlich vorhanden ist. Zu 
den öffentlichen Bädern gehören auch die in Gefängnissen. 
In den sogenannten Besserungsanstalten (Reformatories) werden 
die Strafgefangenen anders gehalten als bei uns. Täglich 
Fleisch, jede Woche ein Bad, elektrisches Licht, etwa im 
Stil des Hotels 2. Ranges; der Kultus und die Ueberschätzung 
der Erziehung kommt in diesen Dingen drüben zum Ausdruck. 
Es ist, so fügt Hintrager**) hinzu, eine Lust, Gefangener 
in den Vereinigten Staaten zu sein. 

Ich komme zum Schluss; Folgende Dominanten sind von 
Wichtigkeit: 

I. Dass der amerikanische Optimismus, die Energie der 
Besiedler der neuen Welt auch in der Errichtung Öffent¬ 
licher Bäder zum Ausdruck kommt. Die Wertung des 
ziffernmäßig Grossen, entstanden durch die grossen Dimen¬ 
sionen des Landes, die Hochstellung des Erfolges, des 
Wettkampfes auch in idealen Dingen, das 'aQtartifiy ist 
eben drüben von zentraler Bedeutung; es ist ein Teil des 
amerikanischen Geistes; es bestimmt die Richtung des 
Wollens auch io öffentlichen Dingen. 

II. Dass wir Deutsche, im Speziellen die Gesellschaft zur Er¬ 
richtung von Volksbädern vorbildlich gewesen sind für 
die oben geschilderte soziale Hygiene und dass auch 

*) Dio neueste Statistik ^ibt 15000 üfTentliche Brausen in Deutschland an. 

Wie lebt und arbeitet man in den Vereinigten Staaten. Berlin. 
11. Aull. 1904. 


zuteil werden, dieselben hatten freie Behandlung im offenen Bade 
Lippspringe. 

Die Kontrolluntersuchung zwei Jahre nach der Kur, 
die nach den Bestimmungen der Landesversicherungsanstalfc Rhein- 
Provinz bei 395 vorgenommen wurde, ergab folgendes durch die 
Kur gewonnenes Dauerresultat: 

Es hatten eine ununterbrochene Erwerbsfhhigkeit in den 
beiden Jahren 334 Personen = 84,56%, durch Krankheit hin 
und wieder unterbrochene Erwerbsfähigkeit 26 Personen = 6,58%, 
es waren nicht mehr erwerbsfähig 30 Personen = 7,59%, es 
waren verstorben 5 Personen = 1,27%. 

Diese Statistik nahm auch Cornet auf, und er gibt sie 
wieder in der Gedenkschrift, welche das deutsche Zentralkomitee 
zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke für den im 
Oktober 1905 zu Paris atattgehabten internationalen Tuberkulose- 
Kongress verfasst bat, und er knüpft daran die Schlussfolgerung: 

„Wir sehen also hier in einem offenen klimatischen Kurorte und 
unter dem Einflüsse einer Heilquelle bei einer kurz e n Behandlimgs- 
dauer bemerkenswert günstige Resultate, die uns neben sonstigen 
Erwägungen veranhi.ssen dürften, künftig auch dem klimatischen 
Faktor und den Heilquellen eine grössere Beachtung zu schenken, 
als die.s bisher geschah.“ A. R 

Zur Tuberkulosetherapie in Lippspringe entnehmen wir 

dem Verwaltungsbericht dei’ Landes-Versichorungs-Anstalt West¬ 
falen noch folgende Angaben: 

„Den Hauptanteil unserer Kranken stellten auch diesmal 
wieder die Lungenleidenden. Ueber */ö der Behandelten wurde 


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1906. 


BALNBOLOGISCHE CBNTRALZBITUNG 


75 


drüben durch diese so einfachen und wirksame Einrichtungen 
mehr Menschenleben vor Krankheit bewahrt werden als 
wir Aerzte zu heilen imstande sind. Immer sichtbarer 
wird der Tod zurückgeworfen; die Sterbeziffer ist von 
29,4 ®/uo im Jahre 1855 auf 21,1'7,,o imJahre 1903 ge¬ 
fallen ; es lebe das Leben! 


Aus den Bädern und Kurorten. 

CharlottBnbrunn. Der Kurort erfreut sich in diesem Jahre 
ganz besonderer Beachtung. Bis Anfang Juni war derselbe schon 
von 220 Familien mit 354 Personen, (gegen das Vorjahr mehr 89 
Familien mit 151 Personen) als Kurgäste besucht, während die 
Zahl der Vergntlgungsreisenden 355 Familien mit 415 Personen 
betrug. Ein neuer illustrierter Prospekt und Wegekarte gibt über 
den Ort weitgehende Auskunft. 

Davos. Die Deutsche Heilstätte für minderbemittelte Lungen¬ 
kranke in Davos veröffentlicht soeben ihren Jahresbericht für 
1905. Die Zahl der Verpflegungstage hat abermals eine Steige¬ 
rung erfahren. Die Anstalt war im Winter sowohl wie im Som¬ 
mer voll besetzt; der durchschnittliche tägliche Krankenbestand 
betrug 1089 Personen. Der Erweiterungsbau der Heilstätte wurde 
am 13. Dezember 1905 dem Betrieb übelgeben. In der Anstalt 
können nunmehr 125 Kranke untergebracht werden. 

ln Bad Elmon sollen neue Anlagen dadurch geschaffen werden, 
dass ein Teil des Gradierwerkes zum Abbruch gelangt. 

Ischl. Ausser den Soolbädem, Schwefelschlammbädern und 
Inhalationseinrichtnngen sind es besonders die seit 2 Jahren bestehen¬ 
den pnenmatischen Kammern, welche die Kurfremden anziehen. 
Die Leitung der Kuranstalten ist dem Kais. Rat Dr. Mayer über¬ 
tragen worden. 

Von der Gemeinde wurden im Laufe des Wintere vielfach 
Verbesserungen durch Weganlagen und Anpflanzungen ausgeführt. 
Erwähnt seinen auch der Ankauf eines Terrains zur Vergrösserung 
des Kurgartens, sowie eines solchen am Ischlflusse gegenüber dem 
Kaiserpark zur Errichtung von Parkanlagen zu Promenadezwecken. 

K&rlsb&d. Die Vereinigung Karlsbader Aerzte hat eine Ein¬ 
gabe an den Stadtrat von Karlsbad gerichtet zwecks Begründung 
eines ictemationalen Kurhauses für unbemittelte Aerzte. Die¬ 
selbe ist damit begründet, dass der Kurort unzweifelhaft 
in erster Linie seinen Aufschwung der Wertschätzung seiner Heil¬ 
quellen von seiten der internationalen Äerzteschaft verdankt. Bei 
der Kursaison vom 1. April bis I. Oktober könnte bei einer Kur- 
daner von 4 Wochen jährlich 140 Aerzten Gastfreundschaft ge- 


als arbeitsunfähig aus der Kur entla.ssen. Besonders tritt hervor 
der Unterschied der Kurdauer die den Lungenheilstätten gegenüben 
jener im Bade Lippspringe. In den Heilstätten haben die Kranken 
dnrchschnittlich 73 - 90 Tage zu Ihrer Wiederherstellung gebraucht, 
während die in Lippspringe in Privathäuser zur Kur untergebrachten 
Kranken dort durchschnittlich nur 44—46 Tage verblieben und 
zwar mit nicht schlechterem Erfolge, denn auch diesmal haben die 
in Lippspringe untergebrachten Kranken wieder die gleichen Dauer¬ 
erfolge gezeitigt. Es scheint fast, als ob die günstigeren Kuren 
Lippspringes auf die grössere Bewegungsfreiheit der Pfleglinge, 
ihre abwechselungsreichere Beköstigung, die Erfahrungen der Lipp- 
springer Quartiergeber in der Pflege von Lungenkranken und nicht 
zum wenigsten auch der Aufenthalt der Kranken in Familien zu¬ 
rückzuführen seien. Eine Auswahl der Kranken erfolgt nicht, 
Lippspringe erhält diejenigen Kranken, welche wegen Platzmangels 
in den Heilstätten keine Aufnahme Anden können. Die auffallen¬ 
den Erfahrungen, welche wir in dieser Beziehung machten, haben 
uns schon seit einiger Zeit veranlasst, vom Bau weiterer Heilan¬ 
stalten in Westfalen zunächst abzuraten.“ 

In Lippspringe ist jetzt eine neue Heilquelle erschlossen worden. 
Nachdem mehrere Chemiker, wie Dr. Wackemoder, Kassel und 
Dr. Au gen hot, Berlin die Gleichwertigkeit dieser Quelle mit dem 
Arminiusbi’unnen festgestellt hatten, wurde der neue Lippspringer 
Kurbrunnen auch von den Wiesbader Chemikern Prof. Dr. Hintz 
und Prof. Dr. Fresenius analysiert und die volle Uebereinstim- 
mung bei den Brunnen bestätigt. Der Lippspringer Kurbrunnen 
wird jetzt nach den Anlagen des neuerbauten Kurbades geleitet. 


währt werden, wenn das Kurhaus auf 20 Wohnräume eingerichtet 
würde. 

In Bad LangonSChwalbacb wollen einige Bürger einen Golf¬ 
spielplatz ersten Ranges, wie ihn Homburg und Baden-Baden be¬ 
sitzen, schaffen. Das Weinbrunnental, von einige» bekannten Golf- 
sachverständigen als ein geradezu idealer Spielplatz befanden, dürfte 
schon im Laufe dieser Saison internationale Toumiere sehen. 

Marianbad. Bis 31. Mai sind 3089 Parteien mit 4304 Per¬ 
sonen angekommen, gegen die gleiche Zeit des Vorjahres ein Plus 
von 337 Parteien mit 451 Personen. 


In Msran betrug die Gesamtfrequenz in der Saison 1905/06 
(l. September bis 31. Mai) 11749 (-j-823 gegen das Vorjahr) 
Parteien mit 19014 (-|-1593) Personen. 

Nach der Staatsangehörigkeit: Deutsches Reich 9544 Per¬ 
sonen (-}-1606 gegen das Vorjahr), Oesterreich 4689 (—890), 
Ungarn 857 (+145), Russland 2306 (-1-678), England 444 (—11), 
Amerika 320 (+52), Holland 206 (+51), Schweiz 125(4-7) usw, 

Bad Rainsrz liegt in der südwestlichen Ecke der Grafschaft 
Glatz, umgeben von den romantischen Heuschener-Felsen und dem 
Mensegebirge, ist Bahnstation der Linie Glatz—Landesgrenze, hat 
direkte Verbindung mit sämtlichen Zügen und seit diesem Jahre 
mit dem neuen Bäderschnellzuge Berlin—Glatz. Das 568 - 600 m 
hochgelegene Bad, in einem muldenartigen Tale gelegen, ist um¬ 
kränzt von bewaldeten Höben und bietet ein entzückendes, male¬ 
risches BUd dem Auge dar. 

Die köstliche Bergluft, das subalpine Klima und die mittlere 
Temperatur desselben sind allbekannt und werden ärztlicherseits 
ganz besonders gewürdigt und kurgemäfl angewendet. Dazu ge¬ 
sellen sich 9 Mineralquellen, von denen 4 zum Trinken, die 
anderen znm Baden benutzt werden. Sie sind alkalisch erdige 
Eisensäuerlinge mit reichem Kohlensäuregehalt und haben eine 
Wärme von 10® aufwärts bis 18,4®. Ältberühmt ist die laue 
Quelle, welche bei Katarrhen aller Art, Asthma, Krankheiten der 
Verdauungs- und Hamorgane ganz ausgezeichnete Dienste leistet. 
Die Mineralbäder werden bei dem reichen Koblensäuregehalt be¬ 
sonders für Herzkrankheiten und die sehr jodhaltigen Moorbäder 
gegen Rhenmatismos, chronische Knochen- und Gelenkskrankheiten 
mit Erfolg angewendet. Hervorragend sind die Duschen, die in 
einem eigenen grossen Gebände 4 grosse Säle einnehmen und mit 
den reichhaltigsten Apparaten aller Art ausgestattet sind. Sie 
gelten in ihrer Vollkommenheit als eine ganz besondere Spezialität 
des Kurortes. Ebenso steht ein vorzügliches Inhalatorium zur 
Verfügung. Die vorhandene Milch- und Molken-Kuranstalt, ge- , 
gründet im Jahre 1800, ist eine der grössten unter den Kurorten 
und bat Knb-, Ziegen-, Schaf-, Eselinnenmilch, sowie Kuh-, Ziegen- 
und Schafmolken für den Kurgebrauch. 

Kurz gesagt, Reinerz bietet eine reiche Auswahl von Kur¬ 
mitteln, ist darum vielseitig angezeigt und gegen mannigfache 
Leiden wirksam. Es steht mit seinen Einrichtungen auf der Höhe 
der Zeit und wächst die Besucherziffer von Jahr zu Jahr. 


Salzbrunn hat infolge der günstigen Maiwitterung eine sehr 
stark besuchte Vorsaison. Allgemeinen Anklang findet die „Neue 
Gurgelhalle^*, ein eleganter Bau aus Holzfachwerk mit weisseu 
Verblendziegeln und schön gegliedertem Dach mit Türmchen. 
Zum überhaupt erstenmal ist dabei das Prinzip des Einzel¬ 
kabinensystems für die Prozeduren der Hals-, Nasen- und 
Kehlkopfspülungen, praktisch durchgeführt und in hygienischer Be¬ 
ziehung Mustergültiges geboten. Auch in diesem Jahre, und zwar 
vom 12. bis 15. Juli findet ein grosses Tennisturnier unter Loitnng 
des Schlesischen Lawn-Tennis-Verbandes statt. Im vorigen Jahre 
waren über 150 Nennungen eingegangen. Eine Beleuchtung der 
Kuranlagen, bei welcher über 30000 Flammen zur Verwendung 
kommen, wird gelegentlich dieses Turniers veranstaltet werden. 
Kurgäste waren bis zum 15. Juni 2080 anwesend. 


Westerland auf Sylt. Der Insel steht in den nächsten 
Tagen und Wochen starker Besuch bevor. Es kommen mit der 
Hamburg-Amerika-Linie eine Anzahl grosser, öffentlicher and 
privater Vereine, um unsere schöne Landschaft, unser Meer und 
die Dünen kennen zu lernen, insbesondere hat auch der 
„Verband deutscher Schriftsteller und Journalisten^ seinen Be¬ 
such anlässlich seiner Tagong in Hamburg für den 14. und 15. Juli 
1906 zugesagt. 


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76 


BALNEOLOGISCHE OENTRALZEITDNG 


Nr. 19. 


Es wird auf Sylt fieberhaft gearbeitet, um die Gäste würdig 
aufzunehmen und ihnen unsere schöne Gottesnatur im besten Ge¬ 
wände zu zeigen. Auch auf unserer Heide, auf unseren Fluren 
hat der Frühling seine grosse Kunst entfaltet. Es ist jetzt das 
herrlichste Wetter, die beste Lufttemperatur; auch die Wasser¬ 
wärme der Nordsee betrug am 13. Mai bereits 15*^, also schon 
mehr als genügende Badetemperatur. Bekanntlich kann man in der 
Nordsee schon bei 12^ unbeschadet baden, in der Ostsee dagegen 
erst bei 15—16*^, im Flusse kaum unter 18^; so verschieden ist 
die innere Kraft der Nordsee im Vergleich der übrigen Bäder im 
Freien, so ungleich wirken die verschiedenen Bademedien als 
wänneerzeugende Kraft. Der hohe Salzgehalt, die Strömung, viel¬ 
leicht auch die Schwere durch den Salzgehalt, erklären diese 
höchstintei^essante Tatsache. 

Wiesbadon nimmt hauptsächlich für den eleganten Teil des 
Publikums an Bedeutung zu, da, wie die günstige Rentabilität 
der grossen und luxuriösen Hotel-Neubauten zeigt, auch der Zu¬ 
wachs an Badegästen, die von 146 044 1904 auf 156615 Personen 
im Jahre 1905 stiegen, meist durch die elegante Welt repräsen¬ 
tiert wird. — Der Neubau der alten am Eingang des Nerotals 
liegenden Dr. Lehrschen Kuranstalt Bad Nerotal, jetzt 
unter dem Namen „Kurhaus Bad Nerotal" im Besitze einer Ge¬ 
sellschaft mit beschränkter Haftung befindlich, schreitet nach 
glücklicher Vollendung' der äiisserst schwierigen Grundarbeiten 
rüstig vorwärts. Bei der herrlichen Lage des Terrains dürfte der 
von Herrn Architekten Albert Wolff zu Wiesbaden in einfach 
vornehmen Stil gehaltene Neubau eine Zierde des Nerotales werden 
und sich nach Vollendung, die zeitlich mit der Eröffnung des 
neuen Kurhauses, der neuen Post und des neuen Bahnhofes Zu¬ 
sammentreffen dürfte, diesen genannten Prachtbauten in würdigster 
Weise anschliessen. Während des Neubaues wird die Anstalt in 
den gegenüberliegenden Villen „Beaulieu" und „Nadine“ als Pro¬ 
visorium unter Leitung der Herren Dr. med. Schubert und Dr. 
von Pruss-Mierzwinski in gewohnter Weise weiter betrieben. 

Wndbad. Im König Karl-Bad wurden, der stets wachsenden 
Zahl der Fremden entsprechend, weitere Lesesäle, sowie ein Billard¬ 
saal eingerichtet. Ausserdem wmrde die Zahl der Badekabinen 
vermehrt. Am Eingang der Olgastrasse wird zur Zeit für die 
schwedische Heilgymnastik und für ein Schwimmbad ein schöner 
Neubau errichtet. Auch die ausgedehnten Kg). Kuranlagen er¬ 
fuhren durch die Erwerbung des „Klumppschen Gartens“ eine 


Erweiterung. Der in diesem Teil gescdiaffene „Alpengarten" wird 
ein neuer Schmuck der so überaus schönen Anlagen sein. Auch 
von seiten der Stadtverwaltung ist etwas geschehen, was zur 
Verschönerung unseres Badeortes beiträgt: die städtische Säg¬ 
mühle, der „Hermhilfe“ gegenüber, ist abgetragen worden. An 
ihrer Stelle wird ein zweites Elektrizitätswerk errichtet, und den 
freien Platz werden gärtnerische Anlagen schmücken. ^ wird in 
Zukunft den Fremden, der diese Stadt betritt, ein freundlicheres 
Bild empfangen. 

Wildlingen. TJeber 2000 Kurgäste, ein Plus von 300 gegen 
dieselbe Zeit im vergangenen Jahre, haben bereits bis jetzt diese 
Quellen aufgesucht. Das neue Badehotel mit den Mineral- und 
Sprudelbädem ist in diesem Jahre noch mit Dampf-, Heissluft-, 
Elektrischen Licht- und Wasser-Bädern, sowie Fango ausgestattet, 
sodass nun allem Rechnung getragen ist. Doch ist dieses noch 
nicht alles; so ist man auch jetzt damit beschäftigt, die herrlichen 
Waldwege, welche zu Terrainkuren wie geschaffen sind, für jeden 
Besucher leicht kenntlich zu machen. Es werden alle Spazier^nge 
von einer viertel Stunde an bis zu fünf Stunden auf einer Karte 
vereinigt, welche mit ihrer Farbenbezeichnung genau mit den Be¬ 
zeichnungen der Wege übereinstimmt. Das Saisonprogramm bietet 
an Veranstaltungen reiche Abwechslung. Besonders viel versprechen 
die 3 Komponisten- und Schriftstellertage. 

WiHdün a. Amrum. Im Verlage der Nord friesischen Bach¬ 
druckerei und Verlagsanstalt in Wittdün ist der diesjährige Bade¬ 
prospekt der Nordseebäder Wittdün und Satteldüne auf Amrum 
in einer Auflage von 10 000 Elxemplaren erschienen. Das gut ge¬ 
schriebene Büchlein gibt in seinem ersten Abschnitt eingehende 
Auskunft über die Vorzüge der Nordseebäder Wittdün und Sattel¬ 
düne im allgemeinen. Im zweiten Abschnitt werden, vom ärztlichen 
Standpunkte aus, die Wirkungen der Seebäder, sowohl der warmen 
wie der kalten, und der Einfluss der Seeluft auf den Organismus 
erörtert. Der dritte Abschnitt bringt eine Beschreibung der Insel 
Amrum, der Halligen und des Wattenmeeres. Hin ausführlicher 
Wohuungsnachweis, genaue Beschreibung der Reisewege und der 
Fahrzeiten der vier verschiedenen Dampferlinien, die nach Wittdttn 
fuhren, genaue Preisangabe der direkten Fahrkarten von allen 
grösseren Städten Deutschlands nach Wittdün, sowie eine Flut¬ 
tabelle für die Monate Juni, Juli, August und September machen 
diesen „Führer für die Badegäste“ besonders wertvoll. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet voa der Redaktion der Balneolefliaeben Zentralzeltang.. 


Name] 

Woche 

Mittleres 
Tempera tur- 

mlTiirnnm 

Mittleres 

Temperatur- 

mftTiTnnm 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerknogen 

Abbazi a . 

17.—23./6 

19,7 C. 

25,6 C. 

760,1 


5 

2 

_ 

1 


Badenweiler. 


— 

— 

— 

_ 

— 

— 

— 

— 


Driburg. 


11,9 C. 

22,8 C. 

— 

2 

3 

2 

1 

1 


Ems. 


13,5 C. 

24,3 C. 

758,7 

6 

7 

1 

2,6 

3 


GiesshUbl-Sauerbrunn . , 


10,9 C. 

22,4 C. 

— 

4 

2 

1 

2 

3 


Franzensbad . 


12,5 C. 

25,5 C. 

720 

1 

4V8 

IV2 

— 



Herrenalb . 


15 C. 

21,5 C. 

726 

5 

2V4 

4V* 

2—3 

5 


Kreuznach . 


— 

— C. 

_ 

_ 

_ 

_ 


_ 


Langenschwalbach , , , 


9,3 C. 

23,1 C. 

— 

5 

7 

7 

1.1 

4 


Lippspriuge . 

n 

13,5 C. 

25 C. 

757 

2 

3 

2 

1 

— 

Frequenz 2900. 

Nauheim . 


13,8 C. 

24,1 C. 

752,3 

3 

3 

5 

1—6 

6 

, - 11970. 

Nenndorf . 

10.—16./6. 

13,5 C. 

22 C. 

762,5 

2 

6 

6 

— 

— 


Orb , . . 

17.—23./6. 

13,4 C. 

21,3 C. 

755 

2 

6 

2 

_ 

2 


Norderney . 


12,6 C. 

18,8 C. 

765,9 

1 

7 

7 

3 

— 


Reichenhall , . , . - . 


12,91 C. 

22,77 C. 

723,5 

4 

7 

4 

_ 

1 


Reinerz . 


— 

_ 

_ 


_ 

_ 

_ 

_ 


Stehen . 

11.—17./6. 

7 C. 

17 C. 

711,2 

4 

2 

1 

4—5 

— 



Verantworilicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin. — Vertag von Carl Marhold, Halle a. S. 


Dmck von Ueynemann'sche Bucbdrackerei, Gebr. Wolff, Halle a. S. 

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Vn. Jahrgang. Nr. 20. 1006. 

Baineologische Centralzeitung 

Org^an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des ,AlIg. D. B.-V.*: 
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marbold In Halle a. $.. Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stelir, Wiesbaden, Wiihelmstrasse 52. 

Der Naclidrnck aas dieser Zeitsebrift ist nar mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 

D«r Sport in Kurorten. Von Dr. Philipp Wagnor, Bad Roson. (Fort- | Ans den Bädern and Kurorten. 

Setzung folgt.) | Literatur. 

Feuilleton: Höhenklima und Bergwanderungen. Von Dr. E. Roth. | Meteorologische Statistik. 
(Fortsetzung folgt.) Kleine Mitteilungen. { 


Der Sport in Kurorten. 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. deutschen 
Bäder-Verbandes zu Ems, den 4. Okt. 1905. 

Von Dr. Philipp Wagner, Bad Kosen. 

Hui, wie die Motore fliegen! 

Tuff, tuff, tuff, tuflf, rast’s im Takt, 

Wie die Steher nach den Siegen 
Gieriges Verlangen packt! 

Denn als Preis winkt höchster Kraft 
Ganz Europas Meisterschaft. 

Man fragt sich unwilkürlich, ist er Ernst oder Satyre der Inhalt 
dieser Verse? Nun, sie sind ernst gemeint, sie leiteten kürz¬ 
lich einen Nekrolog für einen verunglückten Rennfahrer ein. 
TiigUcli bringen uns die Zeitungen Nachrichten über UnglUcks- 
fälle, die der moderne Sport fordert Männer im Vollbesitze 
ihrer Kraft blühende Jünglinge werden dem Leben, dem Staate 
entzogen! Da drängt sich uns wohl der Gedanke auf, verdient 
dieser Wettstreit der Kräfte den Namen Sport? Sport ist ein 
ntes urgermanisches Wort, das schon in der Bibelübersetzung 
es Bischofs Wulfila vorkommt; es bedeutet ursprünglich so 
viel wie Spiel, Belustigung, und ist dann im weiteren Sinne 
auf das ehrgeizige Bestreben eines Mannes nach hervorragender 
körperlicher Leistung ausgedehnt. 

Dieser Begriflf des Sports war schon dom Altertum und 


dem Mittelalter bekannt. In neuerer und neuester Zeit ist nun 
der Sport nach allen Seiten ausgebildet und zwar vornehmlich 
in England. Daher ist man auch heute noch gewohnt, seine 
Sportspiele von England zu importieren, und soll ein solches 
Spiel Ansehen gemessen, Beliebtheit gewinnen, so muss es einen 
englischen Namen führen, wenn es auch in Frankreich, Deutsch¬ 
land oder in einem anderen Lande erdacht ist. Immerhin 
aber muss man anerkennen, dass die aus England verbreiteten 
Sportspiele — vorausgesetzt, dass sie in vernünftiger Weise 
getrieben werden — keinem Volke geschadet haben ; und der 
Engländer seinerseits hat ebenfalls Sportarten, wie Wettschlitteln, 
Skilaufen, Ringen, Turnen, von anderen Ländern gern über¬ 
nommen, um sich an ihnen auch in seiner Heimat erfreuen 
zu können. 

Man unterscheidet mehrere Arten von Sport und zwar 
ersteoR solchen der gesundheitlichen Zwecken dient und Kraft 
fordert resp. Kraft fördert; zweitens solche Sportarten, die 
Kraft und Geschicklichkeit erfordern, drittens solche, die Kraft 
und Geschick’ erfordern und mit einer gewissen Gefahr ver¬ 
bunden sind, welch letztere durch das Geschick überwunden 
werden muss. 

Hier ist es interessant, einen Blick in das Altertum zu 
werfen und zu sehen, wie sich die Alten den Sport oder besser 
die Gymnastik ansgobildet haben. Der Ruhm, die Gymnastik 
zuerst als Kunst aufgefasst zu haben, welche nach bestimmten 
Regeln den ganzen Körper zur höchsten Vollkommenheit bilden 
will, gebührt den Griechen. Sie sahen in der Kalokagathie, d. h. 


Feuilleton. 


Höhenklima und Bergwanderungen.*) 

Von Dr. E. Roth. 

Das Werk ist dem Altmeister der Physiologie Eduard 
Pflüger zu seinem fünfzigjährigen Doktorjubiläum gewidmet 
und wert, in den weitesten Kreisen gewürdigt zu werden. 

Selbstvei*8tändlich vermögen wir in unserer Skizze nicht 
den ganzen Inhalt dieser gehaltreichen Untersuchungen gerecht 
zu werden, wir wollen vielmehr nur versuclien, den Leser 
einen kleinen Begriff davon zu geben, was er von der Arbeit 
dieser vier Forscher erwarten kann und ihn dazu anregen 
sich in die Lektüre des Buches selbst zu vertiefen, dessen 
prachtvolle Abbildungen und Hochgebirgswiedergaben geeignet 
erscheinen, Begeisterung für die Alpenwelt auszulösen. 

Dass sich ein derartiges Werk, wie das vorliegende, nicht 
aus der Erde stampfen lässt, dürfte erklärlich erscheinen. So 
erfahren wir denn auch, dass die Anfänge der mitgeteilten 
Untersuchungen bereits zwei Jahrzehnte zurückliegen. 1895 


*) Höhenklima tind Bergwanderungen in ihrer Wirkung auf den 
Menschen, Ergebnisse experimenteller Forschungen im llochgebiige und 
Laboratorium von N. Zuntz, A. Loewy, Franz Möller und W. Caspari. 
Berlin, Deutsches Verlagsbaus Bong u. Co. 40 XIY. 494 S. 


erfolgte die erste Expedition ins Hochgebirge, welcher sich bis 
1903 noch drei weitere anschlossen. Sie haben ein reiches 
Material zur Erkenntnis des Einflusses des Hochgebirges und 
des Bergsteigens auf den menschlichen Organismus geliefert, 
das im vorliegenden Bilde mit den Resultaten anderer Forscher 
zu einem möglichst abgerundeten Bilde verarbeitet ist 

Unvermeidlich ist es, wie unsere Verfasser im Vorwort 
hervorheben, bei der Mannigfaltigkeit der behandelten Fragen, 
dass nicht allen Lesern jedes Kapitel gleich leicht verständlich 
sein wird. Aber den Ruhm muss man dem vierblätterigen Klee¬ 
blatt lassen, dass sie mit Erfolg bemüht gewesen sind auch in 
den Fällen die Darstellung so fasslich als möglich gestaltet zu 
haben, wenn es galt rein wissenschaftliche Sachen zu diskutieren. 

Wenn auch das Reisen im Allgemeinen in hobeni Grade 
mehr und mehr zugenommen hat und scheinbar fortgesetzt zu¬ 
nimmt, so sind doch die Gebirgs- und vornehmlich die Hoch- 
gebirgstouren in weit bedeutenderem Maße erst in der Jetztzeit 
in den Vordergrund getreten. Aber nicht nur der Gesunde sucht 
die Alpen zur Erholüng auf, auch als Heilfaktor ist das Ge¬ 
birge besonders in den letzten Jahrzehnten sehr in Aufnahme 

f ekommen. Bis in die Hochgebirgsregionen hinauf finden sich 
anatorien und Heilstätten, Gebirgsaufenthalt wie Bergsteigen 
haben im modernen Kulturleben eine hohe Bedeutung erlangt. 

Dadurch ergab sich naturgemäß die zwingende Notwendig¬ 
keit, die Einwirkung des Hochgebirgsklimas und des Berg¬ 
steigens auf den menschlichen Organismus einer eingehenden 


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BALNEOLOGISCHB CENTRALZETTÜNG 


Nr. 20. 


• 78 


in der V^ereinigung einer edlen Seele mit einem schönen Körper 
das Ideal des Menschen. Zu Schutzgöttern der Gymnastik 
ernannten sie Herakles und Hermes und regelten ihren Betrieb 
durch Gesetze. Nur der freie Bürger durfte sie betreiben, dem 
Sklaven war sie verboten. In Sparta mussten auch die Mädchen 
Gymnastik treiben. In keinem Volke des Altertums war der 
Sinn für das Schöne so ausgesprochen, wie bei den Griechen. 
Zeugen doch davon noch heute die herrlichsten Bildwerke, die 
in unsere Zeit hinübergerettet sind. Fast alle diese Werke 
zeigen die Figuren in göttlicher Nacktheit. Die Alten freuten 
sich eben an der lebenden Schönheit ohne alle Nebengedanken. 
Albrecht Dürer sagt in seiner Proportionslehre 1523: „Darum 
sieb die Natur fieissig an, richte dich danach und geh’ nicht 
von ihr ab in deinem Gutdünken, dass du meinst, du wollest 
das Bessere von dir selbst finden, denn du würdest verführt. 
Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus 
kann reissen, der hat sie. Ueberkommst du sie, so wird sie 
dir viel Fehls nehmen in deinem Werk. Aber ie genauer dein 
Werk dem Leben gemäß ist in seiner Gestalt, desto besser 
erscheint dein Werk. Und dies ist wahr, darum nimm dir 
nimmermehr vor, dass du etwas Besseres mögest oder wollest 
machen, als Gott es seiner erschaffenen Kreatur zu wirken 
Kraft gegeben, denn dein Vermögen ist kraftlos gegen Gottes 
Schaffen . Das sind wohl dieselben Gedanken, die auch die 
Griechen bewegten in ihrem ganzen Leben. Man vergleiche 
doch nur Menschenbildnisse aus jener Zeit und von Keutel 
Welch Unterschied namentlich beim weiblichen Geschlechtl 
Man sehe die edlen Formen einer Venus an und daneben den 
durch das Schnürleibchen verunstalteten Körper der heutigen 
Frau! Aus diesem Schönbeitsgefühle heraus wurde denn auch 
bei den Griechen der Gedanke geboren, die Wettspiele in völlig 
nacktem Zustande ausführen zu lassen. In den Ringschulen 
und Gymnasien boten sich so, durch keine Kleidung verhüllt, 
die schönsten Körper in den verschiedensten Stellungen den 
Künstlern zum Studium dar; jedes Glied, jeder Muskel konnte 
da in seiner Kraftäusserung studiert werden. So übte die 
Gymnastik einen äusserst bmebenden Einfinß auf die plastische 
Kunst der Griechen aus. Den klarsten Begriff von den gym¬ 
nastischen Uebungen der Alten geben die Festkampfspiele der 
Griechen, von denen die olympischen Spiele die berühmtesten 
sind. Sie wurden in dem Tale Olympia in Elis alle vier Jahre 
Zeus zu Ehren abgehalten. Schon früh gelangten die Olym¬ 
pien zu so allgemeiner Bedeutung, dass sie wirkliche National¬ 
feste wurden. Auf das hohe Alter dieser Festspiele deuten die 
mit ihnen verknüpften Mythen und elischen Priestersagen hin. 
Dieselben reichen bis in die idyllische Zeit des goldenen Kronos¬ 


wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen, zumal sich bald 
herausstellte, dass nicht für Jedermann der Aufenthalt in 
grösseren Höhen vorteilhaft und nützlich sich erwies. 

Verf. sind denn auch der Meinung, dass die wohltuende 
Wirkung des Höhenklimas sicher von jeher wenigstens einzelnen 
bevorzugten Leuten wohl bewusst gewesen sei; sie gehen bei¬ 
spielsweise so weit zu erklären, dass die Worte des alten 
Testamentes: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von 
denen mir Hilfe kommt“, viel weniger symbolisch seien, als wir 
gemeinlich annehmen. Aehnlicherweise hebt freilich auch 
Schwarz (Erschliessung der Gebirge 1888) hervor: „So mögen 
wohl auch im wirklichen Leben bereits damals manche Hellenen 
zu gleichem Zwecke die Gebirge aufgesucht haben, so dass 
wir alvSo das heutzutage so florierende Institut der Sommer¬ 
frische kaum als ein rein modernes anzusehen berechtigt sind. 
Freilicli lag den Grieclicn auch das Wasser mehr am Herzen 
untl aucli vorteilliafter. (Fortsetzung folgt.) 

Kleine Mitteilungen. 

Künstlicher Salzbrunner Oberbrunnen. Die Herzoglich 
Ples.s’scho Brunnen-Verwaltung hat sich, wie wir der Balneologi- 
sclien Zeitung entnehmen, der danken.s\verten Aufgabe unterzogen, 
einmal künstlichen Salzbrunnen Oherbrunnen von dem Chemiker 
Herrn Dr. Wagner in Bad Salzbrunn untersuchen zu Ia.s,sen, um 
festzustellcn, wie sich denn künstlicher Oberbrunnen zu dem Natur¬ 


regiments zurück und Pelops der Stammvater der vorhellenischen 
H^binseldynastie, Pisos, aör fabelhafte Gründer von Pisa, uad 
Herakles, der A^herr der Dorischen Fürstenfamilien, werden 
als Stifter und Festordner bezeichnet. Im Zeustempel stand 
die Statue der Schutzgöttin des Gottesfriedens, den Ipnitos be¬ 
kränzend. Die Landschaft Elis war für alle Zeiten vor allen 
feindlichen Angriffen geschützt. Alle an den Spielen sich Be¬ 
teiligenden mussten vor der Bildsäule des Zeus schwören, dass 
sie noch keine frevelhafte oder ehrlose Tat begangen hätten, 
dass sie nicht gegen die Gesetze derWettkämpfeveratossen wollten, 
dass sie sich mindestens 10 Monate lang auf die abznlegenden 
Proben ihrer Geschicklichkeit vorbereitet hätten, und dass sie 
freie Hellenen, keine Barbaren oder Sclaven wären. Jedoch 
würde es zu weit führen, alle Vorbereitungen und voi^e- 
schriebenen Ceremonien zu beschreiben. Ich wende mich non 
gleichzu den vorkommenden Kämpfen: Die Wettläuferwaren 
vollkommen nackt, der ganze Körper wurde mit Oel gesalbt 
Lukian schreibt hierüber: „Der gute Läufer strebt, wenn das 
Seil gefallen ist, nur vorwärts, richtet seinen Sinn nach dem 
Ziele, auch wenn er in seinen Füssen die Hoffnung auf den 
Sieg birgt, und übt keinen Betrug an seinem Nebenbuhler noch 
braucht er nach Art anderer Agonisten allerhand Kunstgriffe.“ 
Der Sieger erhielt einen Palmenzweig. Die Ringkunst war 
die ausgebüdetste und kunstvollste Art der hellenischen Gym¬ 
nastik. Hierbei kam es darauf an, mit festem Auge vorsichtiger 
Deckung, schulgerechten Griffen und Finten, durch raschen 
Ruck oder Stoss, durch Aufheben in der Umschlingung, Bein¬ 
stellen, Drosseln und Pressen den Gegner zu Falle zu bringen 
und ihn zu zwingen, sich für besi^ zu erklären. Charakte¬ 
ristisch ist Homers Schilderung des Kampfes zwischen Odysseus 
und Ajax: „Als sie beide gegürtet, da traten sie vor in den 
Kampfkreis, fassten sich dann einander, umschmiegt mit ge¬ 
waltigen Armen, wie die vom Baumeister verschränkten Balken 
eines hohen Hauses. Beiden knirschte der Rücken, von stark 
umspannenden Armen angestrengt und zuckend, und nieder 
strömte der Schweiss rings. Aber häufige Striemen an Seiten 
und Schultern, rot von schwellendem Blut, erhoben sich, und 
mit Begier rangen sie Beide nach Sieg nm den schön gegossenen 
Dreifuss. Weder vermochte Odysseus im Ruck auf den Boden 
zu schmettern, noch auch Ajax war es im Stande. — Doch 
der List nicht sparte Odysseus, schlug ihm von hinten die 
Beugung des Knies und löste die Glieder; rücklinM warf er 
ihn hin und es sank von oben Odysseus ihm auf ^e Brust“ 
Die schwerste und gefährlichste Kampfart war der Faust¬ 
kampf, dieser artete durchaus ins Rohe aus. Treffend charak¬ 
terisiert ilin der Epigrammendichter Lukilios: 

Produkt verhält. Das Fabrikat stammte ans der Fabrik von A. 
Braun, Breslau, und wir geben im nachstehenden die Analyse 
dieses Knnstproduktos und die Znsammenstellung dieser mit der 
der Natur-Quelle an: 

In 1000 g: sind entbalcon 

beim kflnstlichen beim natürlichen 
Oberbrunnen: Oberbninnen 

(17. XII. 05): 

Natron (NsjO) . . . 0,4932 g 1,3610 g 

Kalk (CaO) .... 0,0661 „ 0,1660 „ 

Magnesia (MgO) . . 0,0698 „ 0,1380 „ 

Chlor (CI). 0,0946 „ 0,1144 „ 

Schwefelsäure (SOg) . 0,1906 „ 0,2791 , 

Kieselsäure (SiO.J . . 0,0576 „ 0,0S07 „ 

Kohlensäure (COg) . . 4,0855 „ 3,8023 „ 

Abdampfrückstaud . . 1,2733 „ 3,1430 „ 

Analyse des künstliclien Salzbruuner Oberbrunnens aus der 
Fabrik von A. Braun-Breslau: 

1. Bestimmung de.s Chlors: 

a) 160,02 g Wasser lieferten 0,0617 g 

Chlorsilber, entsprechend Chlor . . 0,09535 g. p. “• 

b) 318,9 g Was.ser lieferten 0,1210 g 
Chlorsilber, entsprechend Chlor . . 0,093 82 „ « n 

Mittel 0,0945 g. p- 

2. Bestimmung der Kohlensäure: 

a) 201,0 g Wasser lieferten 0,8172 g 

Kohlensäure, entsprechend . i . . 4,1610 g. p. 

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1906. 


BALNEOLOGISCHB CBNTRALZBITÜNG 


79 


„Vormals, Freunde, besass hier dieser Olympikos alles: 

Augen und Ohren und Kinn, Braunen und Käse wie wir. 

Air das fehlt ihm jetzt, als rüstigem Streiter im Faustkampf; 

Und nun wird er so^ar auch noch des Erbes beraubt. 

Denn jetzt kommt sem Bild vor Gericht in den Händen des 

[Bruders, 

Und er verliert den Prozess, weil er dem Bilde nicht gleicht.“ 
Dem Faustkampf fol^ das Pankration, eine Yei^indung 
des Ring- und FaustJLampies. Das Pentathlon endlich war un¬ 
streitig denenige Teil der olympischen Wettstreite, in welchem 
die Trefflichkeit eines nach allen Seiten hin harmonisch aus- 
ebildeten Körpers sich am vollkommensten bewähren konnte, 
eon er bestand im Sprunge, Lauf, Diskoswerfen, Wurfspiess- 
schleudem und Ringen. Den Diskos schildert Solon als einen 
ehernen, runden, kleinen Schild ohne Handhabe und Riemen, 
schwer und wegen seiner Glätte nicht leicht zu fassen. Die 
Haltung des Diskoswerfers erkennt man am besten aus der 
Statue des berühmten Myron. Ueber diesen sagt Hettmer: 
„Gerade in dem Augenblicke erfasst wo er den Diskos abschleu¬ 
dert, ist sein Oberkörper vorwärts übergebeugt; der Blick 
wendet sich prüfend nach dem Diskos, den er in der rechten 
Hand hält. Er hat diese rückwärts in die Höhe gestreckt, um 
weit ausholend dem Wurfe nachhaltigen Schwung zu geben: 
das eine Knie ist ein wenig eingebogen, das andere (rechte) 
hält er mit der linken Hand, damit er im Wurfe nicht ausgleite. 
Ein Augenblick — der Diskos ist abgeschleudert, und der Körper 
richtet sich, wie Lukian in seiner Beschreibung ausdrücklich 
hervorhobt, zugleich mit dem Wurfe in die Hohe.“ 

(Fortsetzung folgt.) 

Aus den Bädern und Kurorten. 

BÜSUin. Die üskalischen Arbeiten am hiesigen Hafen sind 
nahezu beendet, sodass der Badebetrieb am 1. Juni in vollem Um¬ 
fange ungestört aufgenommen werden konnte. Die gewaltigen 
Ekd- und Kammarbeiten haben allerdings die Strömung im neuen 
Hafen derart beschleunigt, dass infolgedessen das Damenbad hat 
verlegt werden mUssen; das Herrenbad, sowie das gemeinsame 
Bad haben ebenfalls der veränderten Wasserverhältnisse wegen 
einen anderen Standort erhalten. 

Föhr, Kolonio Südstrand Das Jugendpensionat auf Föhr, 
eine Zweiganstalt von Dr. Gmelins Nordseesanatorium, bat im Be¬ 
triebsjahr 1905/06 8000 Pflegetage erreicht. Diejenigen Pfleg¬ 
linge, welche nicht nur allgemeine Erholungsbedürftigkeit in den 
Ferien herfübrte, sondern durch konstitutionelle Leiden zu monate¬ 
langem Aufenthalt, teilweise auch zur Ueberwinterung genötigt 


waren, setzten sich zusammen aus jugendlichen Neurasthenikern, 
Blutarmen, Broncbitikem, Prophylaktikern, Asthmatikern und 
Skropholösen. Es ist schwer zu sagen, in welchen Fällen die er¬ 
freulichsten Erfolge erzielt werden. 

Am meisten in die Augen springt jedoch die Sorglosigkeit, 
mit welcher man die zu Haus so ängstlich behüteten Patienten 
mit chronischem Broiichialkatarrh und Asthma draussen tummeln 
lassen kann. Sie bewegen sich wie Gesunde. Der bei längerem 
Aufenthalt von den Angehörigen stets gewünschte Unterricht stellt 
nicht nur keine Hemmung, sondern in richtigem Maß und richtiger 
Art erteilt, geradezu eine Fördenmg der Kur dar, weil dadurch 
in den Tageslauf Regelmäßigkeit kommt und die pädagogische Be¬ 
einflussung einen günstigen Einfluss auch auf den Körper äussert. 
Es gelingt in der Regel, die Zöglinge so zu fördern, dass sie mit 
der Schule der Heimat Schritt halten und auch etwa beabsichtigte 
Examina ablegen können. 

In Loichlinyon (Rheinprovinz) wurde die daselbst erbaute erste 
VolksheUstätte für weibliche Nervenkranke am 28. v. Mts. eingeweiht. 

Kahlbcrg. Als ständiger Badearzt für Kablberg ist laut 
Altpr. Ztg. der Arzt Dr. Jacobi in Lautenburg gewonnen 
worden. Damit ist auch einem mehrfach gehegten Wunsche der 
Kaiserin nach einem ständigen Badearzt in Kahlberg Rech¬ 
nung getragen worden. Dr. Jacobi, der als Badearzt von der 
Regierung und der Akt.-Ges. Seebad Kahlberg gemeinsam ein 
Einkommen von 2000 Mk. bezieht, wird, da die behördliche Ge¬ 
nehmigung als sicher zu erwarten ist, voraussichtlich schon im 
Laufe der nächsten Woche seine Tätigkeit in Kahlberg autreten 
und dort ständig, auch im Winter, Wohnung nehmen. 

Neusnahr. Am 2. Juni wurde in Bad Neuenahr die von 
dem Geologen Prof. Dr. Kaiser (Giessen) erforschte, neue 376 m 
tiefe Heilquelle, die WilHbrordusquelle durch den Oberpräsidenten 
der Rheinprovinz, Freiherrn von Schorlemer feierlichst eingeweiht. 
Zeugen waren Vertreter der mediciniscben Fakultät Bonn, die 
Professoren Bier, Binz und Schultze. Ein Festmahl vereinigte 
nachher die Gäste in dem Festsaale des neuen Kurhauses. Deu 
Kaisertoast brachte der Oberpräsident aus, namens der Univer¬ 
sität Bonn sprach der Rektor Magnificus Geheimrat Jacobi, 
namens' der Aerzte in Neuenahr Dr. Niessen und Sanitätsrat Dr. 
Unschuld, 

Salzbrunn i. Schl. Eine für Eltern, die ihre Kinder 
auf ihrer Badereise mitnehmen wollen, gewiss sehr wiUkommene 
Neuerung hat Bad Salzbrunn in diesem Jahre getroffen. Für die 
Ferienzeit ist ein mit der Leitung von Jugendspielen vertrauter 
Lehrer gewonnen worden, der täglich Vor- und Nachmittag mit 
den Kindern der Kurgäste Bewegungsspiele und Spaziergänge in 
die berg- und waldreiche Umgebung Salzbrunns ausführen und 


3. 


4. 


5. 


6 . 


b) 192,1 g Wasser lieferten 0,7711 g 

Kohlensäure, entsprechend .... 4,0100 


Mittel 4,0855 

Bestimmung der Schwefelsäure: 

a) 153,7 g Wasser lieferten 0,0861 gBary- 
umsnlfat, entsprechend Schwefelsäure 0,1920 

b) 315,0 g Wasser lieferten 0,1738g Bary- 
umsulfat, entsprechend Schwefelsäure 0,1892 

MittelO^läOe 

Bestimmung der Kieselsäure: 

a) 304,7 g Wasser lieferten 0,0181 g 

Kiesel^ore, entsprechend .... 0,0594 

b) 247,2 g Wasser lieferten 0,0138 g 

Kieselsäure, entsprechend .... 0,0558 

Mittel 0,0576 


Bestimmung des Kalks: 

a) 304,7 g Wasser lieferten 0,0202 g 

Kalk, entq)reohend. 0,0662 

b) 247,2 g Wasser lieferten 0,0163 g 

Kalk, entsprechend. 0,0659 

Mittel 0,0661 


Bestimmung der Magnesia: 
a) 304,7 g Wasser lieferten 0,0619 g 
Magnesiumpyrophosphat, entsprechend 
Magnesia. 0,0736 


g- P- 

g. p. m. 

g. p. m. 

nun 

g. P- m. 

g. p. m. 

H n H 
g. p. m. 

g. p. m. 

w n w 

g. p. m. 

g. p. m. 


b) 247,2 g Wasser lieferten 0,0450 g 
Magnesiumpyrophosphat, entsprechend 
Magnesia. 0,0660 g. p. m. 

Mittel 0,0698 g. p. m. 

7. Bestimmung des Natrons (Alkalimetalle): 

a) 319,6 g Wasser lieferten 0,2941 g 

Alkaliohlorid, entsprechend Natron . 0,4884 g. p. m. 

b) 273,3 g Wasser lieferten 0,2565 g 

Alkalichlorid entsprechend Natron . 0,4981 „ „ „ 

Mittel 0,4932 g. p. m. 

8. Bestimmung des Abdamp6rückstandes: 

a) 304,7 g Wasser lieferten 0,3954 g bei 

150® getrockneten RüokstMid, ent¬ 
sprechend . 1,2976 g. p. m. 

b) 247,2 g Wasser lieferten 0,3159 g bei 

150® getrockneten Rückstand, ent¬ 
sprechend . 1,2490 n „ n 

Mittel 1,2733 g. p. m. 

Anmerkung. Der Kohlensäuregehalt ist um ein geringes zu 
niedrig gefunden worden, weil geringe Verluste beim Umfüllen 
schwer zu vermeiden sind. ^ Die Differenz wird kaum mehr wie 
0,1 g betragen. 

Der^Geschmack des Wassers ist scharf prickelnd^ 
hinterher etwas erdig-bitter und zeigt mit dem des 
Oberbrunnens gar keine Aehnlichkeit Dr. Wagner. 

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80 


BALNEOLOaiSCflE CBNTRALZEITÜNG 


Kr. 20. 


so den £ltern die Aufsicht über ihre Kinder erleichtern wird. 
Die vom Bade etwa 30 Minuten entfernten ausgedehnten Wal> 
düngen am Hochwald sind dem Kurpublikum durch einen neu an* 
gelegten bequemen Fussweg erschlossen worden. 

St. Moritz. Der Gemeinderat hat eine Bekanntmachung er- • 
lassen, wonach alle auf Gemeindeboden sich behndlichen Afßchen, 
Reklametafeln usw. bis 15. Juni entfernt sein müssen. 

Soodon 8. Worrs. Am 8. Juni wurde das 25jährige Bestehen 
des Solbades Sooden unter Anteilnahme der gesamten Bevölkerung 
von Sooden und Aliendorf und zahlreicher auswärtiger Gäste fest¬ 
lich begangen. Aus kleinsten Anfängen heraus ist das Solbad 
Sooden dank der umsichtigen Verwaltung seines Begründers, des 
verstorbenen Bürgermeisters Lange und infolge seiner herrlichen 
Lage eines der am meisten besuchten deutschen Bäder geworden. 
Noch vor etwa 20 Jahren waren es alljährlich nur einige Hundert 
Personen, die hier Heilung und Erholung suchten, heute beträgt 
die Zahl der Kurgäste aus allen Ländern, darunter sogar solche 
aus fremden Erdteilen, etwa 4000. Aus dem kleinen Sooden, 
das durch da.s beständige Zurückgehen seiner Salzsaline vor dem 
Ruin stand, ist ein moderner Badeort geworden mit vorzüglichen 
balneologischen Einrichtungen. 

In Bad Wildungon wurde heuer das neue Fürstliche Bade¬ 
hotel mit den Mineral- und Sprudeibädern, mit Dampf-, Heissluft-, 
elektr. Licht- und Wasserbädein, sowie Fango ausgestattet. 


Literatur. 

Bieling-$anatorium Tannenhof in Friedrichroda (Thür.) Ueber 
die Notwendigkeit, den Alkohol in ärztlich ge¬ 
leiteten Heilanstalten in die Apotheke za ver¬ 
bannen and aber die Darchfahrbarkeit dieser 
Massregel. (Zeitscbr. f. Krankenpflege, 1905, No. 10.) 

Will der Arzt das Volk mit erziehen helfen zur Gesundheit 
und zu einer halbwegs erreichbaren Lebensharmonie, so muss er 
vor allen Dingen den Alkohol, den grössten Feind unserer Kultur 
bekämpfen heUen und denselben für seine Person auch selbst mit 
bekämpfen; ganz besonders aber muss man dies Prinzip von dem 
Leiter einer Alkohol-Entziehungsanstalt verlangen. Wenn es vor¬ 
gekommen ist, dass in ärztlichen Anstalten der Alkoholgenuss so¬ 
gar von den leitenden Aerzten selbst noch sanktioniert worden ist. 


wenn ganz offiziell die Aerzte an Abschieds-Gelagen von ab¬ 
gehenden Alkohol-Kranken teilgenommen haben, so ist damit dem 
Zwecke solcher ärztlichen Anstalten und Einrichtungen Hohn ge¬ 
sprochen worden. Wenn so wenig Konsequenz selbst an führender 
Stelle innegehalten wird, dann muss schlechterdings der Einfluss 
solcher Anstalten und deren prinzipielle Bedeutung versagen. Wo 
es so hergeht, kann man nicht mehr von einer Heilanstalt sprechen, 
sondern nur von einem „Hotel ersten Ranges mit ärztlii^er Be- 
dienung**. 

In welcher Eigenschaft präsentiert sich noch immer der Alko¬ 
hol der heutigen Welt? Erstens als diätetisches Mittel, zweitens 
als Büttel zur Stillung des Durstes und drittens als Büttel zur 
Hebung der Geselligkeit. 

Der im Wein und Bier enthaltene Alkohol ist zum mindesten 
für die Ernährung wertlos und wenn irgend welcher Einfluss von 
Biergenuss auf die Hebung des Körpergewichtes feststellbar ist, 
dann sind andere Stoffe daran beteiligt als der AlkohoL 

Zum Durststillen sind alkoholarüge Flüssigkeiten schlecht ge¬ 
eignet. Der Genuss von alkoholhaltigen Getränken verführt höch¬ 
stens zu einem stärkeren Konsum, als dem eigentlichen Durst, 
d. h. dem Wasserbedürfnis des Körpers entspricht, und anderer¬ 
seits verführt derselbe zum Genuss von stark gewürzten Speisen, 
die ihrerseits wieder das Wasserbedürfnis des Körpers steigern. 

Dass gegen „Ersatzgetränke** ein unüberwindlicher 
horror bestände, kann man durchaus nicht sagen; man beobachte 
nur die Kinder bei ihren ersten Biertrink-Versuchen. Oder wie 
manches junge Mädchen empflndet geradezu erst Widerwillen gegen 
das Bittere und Herbe des Bieres, und nur die burschikose An¬ 
regung der Umgebung veranlasst sie, hie und da sich mit dem 
Biere allmählich zu befreundeu; also kann man getrost auch an 
ein Gewöhnen der bisher etwas fremdartigen „Ersatzgetränke^ 
denken. 

Dass man schliesslich auch ohne Alkohol die Geselligkeit ge¬ 
hoben halten kann, wird wohl niemand bezweifeln, der die Gut- 
templer-F^ste beobachtet und verfolgt «nd dar nameptlich selbst 
den guten Willen hat, mit einigen glücklichen und sozusagen den 
Wein und die Bowlen cachierenden Arrangements „alkoholfreie“ 
Feste zu geben und zu feiern. 

„Wir können es nach unseren heutigen Anschauungen ent¬ 
schieden als einen ärztlichen Kunstfehler schwerster Art betrachten, 
wenn Alkoholiker Anstalten überwiesen werden, in denen der Al¬ 
kohol als Genussmittel verabfolgt wird“. A. E. 


Meteorologische Statistik. 


VertMtaltet von der Redaktion der Balneolofllaoben Zentralzeltaag.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

miuimum 

Blittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 


Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazi a ... 

1.—7./7 

17,1 C. 

22,3 

c. 

760,8 

3 

5 

_ 

— 

2 


Badenweiler. 

— 

— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Driburg ....... 

1.—7./7. 

11,2 C. 

21,1 

C. 

— 

3 

4 

— 

1 

1 


Ems. 

24.—30./6. 

11,5 C. 

23,5 

C. 

756,5 

3 

7 

— 

3 

2 


Giesshübl-Sauerbrunn . . 

1.—7./7. 

11,4 C. 

20,9 

c. 

— 

1 

3 

3 

3 

1 


Franzensbad ..... 


11 C. 

28,8 

c. 

721 

1 

4 

2 

— 

3 


Herrenalb. 


16 C. 

22 

c. 

724 

3 

3V8 

3V2 

2—3 

4 


Kreuznach. 


— 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

— 


Langeuschwalbach . . , 

24.—30./6. 

10,8 C. 

23 

c. 

737,8 

2 

7 

6 

3,3 

2 


Lippspringe. 


13 C. 

28,5 

c. 

754 

— 

4 

3 

2 

2 

Frequenz 31&0* 

Nauheim .... . . 


— 

_ 




— 

— 

— 

— 


Nenudorf . 

24.—30./6. 

18 C. 

23 

c. 

762 

3 

7 

3 

— 

1 


Orb. 


13,3 C. 

25 

c. 

752,8 

2 

7 

— 

— 

1 


Norderney. 

1.—7./7. 

11,5 C. 

17,7 

c. 

763,1 

1 

5 

7 

2—4 

— 


Reichenhall . . . . • 

_ 

— 



_ 

_ 

— 

— 

— 

— 


Salzbrunn ...... 

17.—23./6. 

12 

23,4 

c. 

_ 

2 

6 

1 

1 

— 


Stehen. 

n 

10,2 C. 

16,5 

c. 

717,1 

2 

3 

2 

3 

2 



Verantwortlicher Redakteur 


:ner Kedaktenr: Dr. P. MeiMoer, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. * 

l>nidi von lla]maMau'iche Bnclfdrackarei, Gebr. Wollt; ^ ^ ^ 
























Vn. Jahrgang. Nr. 21. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*: 
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. ! 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. med. et. polit. Stebr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DOr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Der Sport in Kurorten. Von Dr. Philipp Wagnor, Bad Kösen. (Fort¬ 
setzung.) 

Feailletüu; nohcnklima und Bergwanderungen. Von I^r. E, Roth. 
(Fortsctzuiig.) Kleine Mitteilungen. 


Der Sport in Kurorten. 

Vortrng auf der XIV. Jaliresvorsammlung dos Allg. deutsclien 
Bäder-Verbandes zn Knis. den 4. Ükt. 1905. 

Von Dr. Philipp Wagner, Bad Kösen. 

(Fortsetzung.) 

Das Speerwerfen war eine sehr, beliebte Uebung und wurde 
mit stumpfen Stäben ausgeRihrt, die ganz unsern Geeren glichen. 
Wer im Pentathlon als Sieger gekränzt sein wollte, musste in 
allen fünf Kampfarten allen andern ülterlegen sein. 

Don Vorrang in den Festspielen behau])teten jedoch die 
Wagen- und Rosserennen. Die Beteiligung an ihnen war 
immer etwas Aristokratisches, eine nobele Passion der Reichen 
und Fürsten. Ihr Schauplatz war das Hippodrom. Die Wagen 
waren zweirädrig, mit ovalen, hinten offenen Kästen, in denen die 
Wagenlenkor standen. Im Anfänge w'urden nur Viergespanne 
zngelasseu, später auch Zweigespanne, hin meisterhaftes Bild 
des Wettrennens gibt uns Sophokles in seiner Elektra: 

„Und als sie standen, wie des Kampfes Richter dort 
Die Lose warfen und die Wagon ordneten: 

Da schmettert Erzdrometenschall fort stürzten sie, 
Befeuerten ihre Ross’ im Flug, und schüttelten 
Die Zügel; nun mit einmal war die Bahn erfüllt 
Von lautem Wagenrasseln: hoch auf wöiikte sich 
Der Staub, es rannten alle durcheinander hin 
Und schonten nicht der Geissein, um vorbei zu fliehn 


Feuilleton. 

Höhenklima und Bergwanderungen.*) 

Von Dr. E. Roth. 

(Fortsetzung.) 

Die Römer kamen erst später etwas weiter in der Schätzung 
der Gebirge, aber desto mehr leisteten sie für die Wald¬ 
lichtung und Wegbarmachung der Alpen, wenn auch ursprüng¬ 
lich diesem V^orgehen nur ein strategischer Zweck zu Grunde 
lag. Dafür trat aber in der späteren Kaiserzeit die hygienische 
Bedeutung der Berge mehr und mehr in den Vordergrund, 
wobei die Quellen mancherlei Art den Anziehungspunkt aus¬ 
machten. Baden-Baden, Wiesbaden, Badenwoiler, Ems, Wild¬ 
bad usw. waren damals bereits bekannte und vielbesuchte wie 
gerühmte Erholungsstätten. 

Schon ein Galen äusserte: Es ist offenbar, dass die hoch¬ 
gelegenen Orte, welche von allen Seiten durchweht und für 
die Winde kein Hindernis sind, auch die besser ventilierten 
darstellen, und dass deshalb ilire Bewohner fast ganz gesund 
ihr Leben hinbringen. 

Wer da glaubt, dass die prächtigen Seen am Südabhange 


Ans den Bädern nnd Kurorten. 
Aerztlichc StudiciirelMeu. 
liitcratur. 

Personalien. 

Meteorologische Statistik. 


Die Räder und das schnaubend wilde Ross’gespann. 

Denn alle Rücken und zugleich der Räder Spur 
Benetzte dampfend Schaum und Hauch der Rosse rings 
Schon lenkt ()r68tes um die letzte Säul’ herum 
Die Nabe stets bindrängend und dem rechten Ross 
Den Zügel lassend, zog er mehr sein linkes an. 
Anfänglich gingen allzumal die Wagen ^t. 

Bis eines Arniers Ross’ mit hartem Maul 
In Sturmeseil ausrissen, und rechtshin gewandt 
Den sechsten oder siebenten Lauf vollendend schon, 

Die Stirne rannten auf die Wagen Libyas, 

Und nun zerschmettert einer durch den Einen Fehl 
Den andern, stürzte nieder, nnd zerbrochener 
Rennwagen Trümmer deckten rings das Phokerfeld. 

Dies sah der kluge Zügellenker aus Athen; 

Drum lenkt er auswärts, hemmt der Rosse Lauf und Hess 
Vorbei der Wagen Strudel, der die Bahn durchwogt. 

Auf diesen folgend, trieb Orestes sein Gespann 
Als allerletztes, bauend auf des Kampfes Ziel. 

Wie jener sah den Einen der noch übrig war. 

Da jagt er, hell aufdröhnend traf sein Ruf das Ohr 
Der schnellen Renner, und in gleichem Laufe flohn 
Die Beiden hin, nun dieser, nun der andere 
Das Haupt von seinem Wagensitze vorgestreckt. 

Und all’ die andern Bahnen wohl vollendete 
Der Arme sonder Fährde, fest auf festem Stand; 

Da Hess er nach den Zügel, als das linke Ross 
Sich wendend umbog und den Rand der Säule traf 


der Alpen erst in neuerer Zeit entdeckt und begehrt sind, be¬ 
findet sich in einem hohen Irrtum. Die römischen Grossen 
der Kaiserzeit wussten diese Lage wohl zu schätzen und pracht¬ 
volle Paläste säumten die Gestade aller dieser Wasserbecken. 

Aber im Grossen und Ganzen ergibt sich doch als Facit 
aller Betrachtungen, dass es in Asien die göttliche Verehrung 
war, welche die Menschen bewog, die Höhe der Berge zu er¬ 
klimmen, um den gütigen Gottheiten nahe zu sein, während 
in Europa die Vergöttlichung der Berge die Menschen davor 
zurückschreckte, dieselben zu besteigen und kennen zu lernen. 

In dieser Furcht vor dem Hochgebirge kann man sogar 
einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Empfinden der 
Menschen des Altertums und der neuern Zeit erblicken und 
konstruieren. In dem Hochgebirge teilt sich eben nach Sven 
Hedin die Ruhe des Todes mit der Kälte in die Herrschaft. 

Im Mittelalter waren es dann namentlich Mönche und 
Einsiedler, welche dazu beitrugen, das Gebirge den Menschen 
zu eröffnen. Was braucht man beispielsweise an die Zuflucht¬ 
stätten an den Pässen der Alpen zu erinnern, ein jeder kennt 
diese Ho.spizien oder las wenigstens davon. 

Einzelnen Begeisterten — man muss aber doch von Aus¬ 
nahmen reden — kannten freilich auch in jenen entlegenen 
Zeiten die Schönheit dos Hochgebirges, ja es wird uns sogar 
von eigentlichen Bergtouren berichtet. Um einen bekannten 
Namen damit zu verbinden, wollten wir an die Besteigung des 


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82 


BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITÜNG 


Nr. 21. 


Er unversehens; mitten brach die Nabe durch: 

Vom Kranz des Wagens glitt er und verwirrte sich 
Im langen Riemenzeug; und als er niederfiel, 

Flohn seine Rosse durch die Bahn in wilder Flucht! 

Das Wettreiten wurde bereits in der 33. Olympiade oingefübrt. 
Mehrere berühmte Renner haben unsterblichen Ruhm erworben. 
So singt Pindar: „Wohlan, die Dorische Harfe nimm von der 
Wand ob des Ruhmes des Pherenikos, des edelsten Renners, 
den Geist in wonniges Sinnen versenkt. Wie er dahin braust 
dort am Alpheios, mine stachelnden Sporn, die schone Gestalt, 
seinen Herrn zum Siege tragend.“ 

Die Zwischenzeit zwischen den einzelnen Spielen füllton 
Sänger und Dichter aus, die ihre Werke vortrugen. 

Wenn so die olympischen Spiele im allgemeinen ein 
äusserst anziehendes Bild edlen Sportes darbieten, so fehlte es 
aber auch nicht an Ausartungen, wie wir es bei der Schilderung 
des Faustkampfes gesehen haben; jedoch auch beim AVettlauf 
kam derartiges vor, wie das Beispiel des berühmten spartanischen 
Läufers Ladas zeigt, der nach errungenem Siege tot niedersank. 
Den Griechen selbst ist diese Ausartung der Agonistik nicht 
entgangen. Weder Alcibiades noch Alexander der Grosse 
hielten etwas von der Athletik, und Sokrates behauptete* sogar, 
dass sie zum Kriege untüchtig machte, indem bei den Läufern 
die Beine auf Kosten der Schultern, bei Faustkämpfern die 
Schultern auf Kosten der Beine ausgebildet und gekräftigt 
würden. 

Die Pythien, Nemeen und Jsthmien boten dasselbe Bild 
wie die Olympien, nur dass bei den pythischen Spielen noch 
djis Theater hinzukam. 

Nach Rom kam die Gymnastik nach Unterwerfung der 
Griechen. Jedoch fand sie nicht viel Anklang, namentlich 
nicht bei den Männern, welche die Feldarbeit, Reiten und 
Schwimmen für bessere Hebungen hielten. An die Stelle der 
gymnastischen Uebungen traten bei ihnen die Gladiatoren¬ 
kämpfe und zirzensischen Spiele, die ich wohl übergehen darf. 

Auch den altgermanischeu Völkern war die Gymnastik 
nicht fremd, Jedoch übten sie dieselbe in mehr kunstloser 
Weise, indem sie sich namentlich im Springen und Laufen übten. 
Zu erwähnen ist noch der Waffentanz der Jünglinge, w’elcher 
nackt zwischen den scharfen Spitzen der Speere und Schwerter 
ausgeführt wurde. A^on berühmten Wettkäm})fen aus späterer 
Zeit wäre an den Wettkampf Günthers mit Brünhilde zu er¬ 
innern, wo Speerwurf, Steinstossen und W^ettiauf zur Geltung 
kamen, und an den Wettlauf zwischen Hagen und Siegfriea 
In der christlich-germanischen Zeit stiegen die Wettkämpfe 
zu glänzender Hohe empor. Kaiser Heinrich I. war der Stifter 

Mont Vontoux, eines Vorborges der Westalpen, durch Petrarca 
in Gemeinschaft seines Bruders erinnern. Eine genaue Be¬ 
schreibung seiner Empfindungen hat uns der Gelehrte hinter- 
lassen, aus welcher hervorgellt, dass das Gefühl des Alleinseins 
dem Bergsteiger Lust und Mut zum Aufstieg verlieh und dass 
die Sehnsucht nach der Einsamkeit als Triebkraft wesentlich 
mit in Betracht kam. 

Die Freude an den Bergen selbst aber beginnt erst recht 
eigentlich iu den A’^ordorgrund zu treten, als in Italien die 
Sonne der Renaissance auigeht, mit ihren Strahlen die hohen 
Gipfel der Schneebergo trifft und die verborgenen Gründe der 
Gebirgswelt beleuchtet. Alit dem weiteren Empfinden für die 
Schünlioit im Allgemeinen lebt auch das Verständnis für die 
unvergleichliche Herrlichkeit der Borge auf. Da konnte denn 
auch zuerst von Hochgebirgstoiiren die Rede sein, da konnten 
sich erst Männer finden, welche ans Freude am Bergsteigen 
selb.st bis zu den Hölnm der Gletscher vordrangen, ja Gipfel¬ 
bosteigungen ausfiilirten, welche wir noch heute als alpine 
I.ieistungon betracht<‘n müssen. Leonardo da Vinci leuchtet 
auch hier, wie in fast allen W’issenscliaften, glänzend hervor, 
und dürfte er wohl als erster den Monte Rosa bezwungen 
haben, für die damalige Zeit eine wahre Heldentat 

Um bei bekannten Grössen zu bleiben, so muss die Be¬ 
steigung dos Pilatus von Conrad Gessntsr hier erwähnt 
worden. Heute ist solches Beginnen nicht der Rede wert, ab- 


der ritterlichen Kampfspiele, der Toumiere, die im christlichen 
Mittelalter eine älinliche Stelle einnahmen wie die gymnastischen 
Spiele des hellenischen Altertums. In ihrer Schilderung folge 
ich den Ausführungen Freitags in seinen „Bildern aus Deutsch¬ 
lands Vergangenheit“. Zu dem Reiterhandwerk des Mittel¬ 
alters gehörten ausser den alten Turnübungen; Steinstoss, Wurf, 
Sprung, vor allem der Gebrauch der AVaffen, dann die vor¬ 
nehme Jagd mit Falken und Winden, höfischer Tanz und 
ritterlicher Dienst bei Frauen durch Liederdichtung und Ge¬ 
sang. Grösste Bedeutung erhielten dem Ritter seit dem Ende 
des 12. Jahrhunderts die Waffenübungen, welche ein Vorrecht 
seines Standes geworden waren. Von diesen Uebungen war 
die häufigste die Tjost, der Speerstich zweier gerüsteter 
Ritter gegeneinander. Zweck dieses Kampfes war, den Gegner 
im scharfen Anritt mit dem Speer so zu treffen, dass entweder 
der Gegner vom Pferde geworfen wurde, oder der Speer in 
die Rüstung des Reiters drang und von dem Stosa zersplitterte. 
Zu diesem Einzelkampf wurde durch Boten und Briefe von 
Kampflustigen aufgefordert, er fehlte bei keinem Hoffest. 

(Fortsetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Baden-Baden. Wie das „Badeblatt“ erfährt, werden die Mit¬ 
glieder der Gesellschaft „Les Excursions Medicales Internationales“ 
in Paris Baden-Baden am 21.—23. August zur Besichtigung unserer 
sanitären Einrichtungen einen Besuch abstatten. Der Stadtrat hat 
beschlossen, anlässlich der Anwesenheit der Gäste auf der Prome¬ 
nade eine Festlichkeit zu veranstalten. Die Gäste besuchen vor¬ 
her die Städte Aachen, Köln, Bonn, Wiesbaden, Frankfurt a. M., 
Marburg, Leipzig, Berlin, Dresden und Heidelberg. 

In Bad Dürrheitn, badischer Schwarzwald, wurde dieser Tage 
das neuerbaute, dem badischen Frauenverein gehörige Kindersol¬ 
bad dem Betrieb übergeben, 

EiSBnach hat in seiner neugefassteu „Grossberzogin Karolinen¬ 
quelle“ ein Heilwasser, welches nach der Analyse des Professor 
F resen ius’schen Laboratoriums in Wiesbaden als sulfatiscbe 
Kocbsalzquelle einen nicht zu unterschätzenden Gehalt an Glauber- 
und Bittersalz aufzuweisen hat. — 

Aus Bad Elster: Das Luft-, Sonnen- und Schwimmbad ist 
vor einigen Tagen der Benutzung Übergeben worden. Die Anlage 
zeigt einen grossen, geräumigen Schwimmteich mit Duschen und 
Fontaine, sowie ein zweites weniger tiefes Bassin. Ferner sieht 
man Rasenplätze inmitten herrlicher Parkanlagen, schöne Lauben¬ 
gänge lind alle die nötigen Räumlichkeiten zum An- und Aaskleiden, 
Ruhen etc. Jeder Besucher wird gestehen müssen, dass man sich 


gesellen davon, dass die Mehrzahl der Besucher dieses Aus¬ 
sichtsberges — man wäre geneigt in Analogie mit Salontiroler 
den Ausdruck Salonberg zu prägen — die beijueme Eisenbahn- 
fahrt dem kletterreichen Aufstieg vorzieht. Hinzu kommt, dass 
gerade der Pilatus damals für einen Haupttummelpiatz der 
Spuckgeister galt. Gessner ist wohl auch der erste, welcher 
der Körperbewegung selbst als eines günstigen Faktors Er¬ 
wähnung tut. Aber auch auf alle sonstigen Erscheinungen 
achtet der aufmerksame Wandersmann, Er spricht von den 
Freuden des Gefühlssinnes (heute redet man von Hautsinn), er 
stellt Betrachtungen über die Einwirkung des Hochgebirges 
auf Auge, Ohr und Geruchssinn an und vergisst selbstver¬ 
ständlich nicht den Geschmack, welcher in den materiellen 
Zeiten des Mittelalters eine so grosse Rolle gespielt zu haben 
scheint. 

Als Quinterenz seiner AA^ortc, sagt unser Gelehrter: AVir 
wollen also endlich schliessen, dass an den Bergtouren, welche 
mit Freuden unternommen werden, überhaupt die grössten 
A^ergnügnngen und die angenehmste Ergötzung aller Sinne ge¬ 
wonnen werden; . . . welche Art der Ergötzung kannst du, 
wenigstens innerhalb der Grenzen der Natur finden, die an¬ 
ständiger und in jeder Hinsicht vollständiger wäre? .... Es 
werden alle Teile des Körpers geübt, wenn man marschiert, 
und bi.swiülen auch spiingt, alle Nerven und Muskel werden 
ange.spannt und sind tätig, aber andere beim Aufstieg, andere 


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BALNEOLOGISOHE CENTRALZETTÜNG 


83 


Vauta etwas Reizvolleres als die herrlichen Parkpartien mit den 
Teichen denken kann, mit dem Blick auf die bewaldeten Berge. 

Goczaikowltz. Eine neue Solquelle wurde im letzten Herbste 
in einer Tiefe von 143 Metern erbohrt. Diese Bohrungen sind 
mit Beginn des Frühjahrs fortgesetzt worden, und gegenwärtig ist 
man bis zu einer Tiefe von 204 Metern gedrungen. Es besteht 
die Absicht, die Bohrungen bis zur völligen Erschliessung der 
überaus reichhaltigen Quelle weiterzuführen. 

Karlsbad. Am Sonntag, den 17. Juni, ist hier das neue 
städtische Elisabeth-Badehaus im Franz Josefspark eröffnet worden. 
Es enthält 42 Moorbäder, drei Moorteilbäder, 29 Sprudelbäder, 
15 Kohlensänrebäder, zwei Säle mit 24 Zellen für Moorumschläge, 
eine Gesamtkaltwasserkur für Herren mit 20 Auskleidezellen, eine 
ebensolche mit 12 Zellen für Damen und drei Einzelkaltwasser- 
kuren. Alles ist streng hygienisch angelegt. 

KudOWa. Kürzlich wurde das neue Badehaus in Kudowa 
eröfihet, das neben 30 Mineralbadezellen zwei Duscheräume, ein 
Heissluft- bezw. Dampfbad - sowie elektrische Bäder und eine me- 
diko-mechanische Abteilung enthält und mit Zentralheizung und 
Personenaufzug versehen ist. Ferner ist in diesem Winter eine 
elektrische Zentrale erbaut worden, die schon seit Anfang der 
Saison das Bad, die öffentlichen Wege sowie die meisten Logier- 
bäuser mit Licht versorgt. 

Nonndorf. in Gegenwart des Herrn Ministers von Podbielski, 
des Oberpräsidenten von Windheim, des Unterstaatssekretärs von 
Conrad, des Regierungspräsidenten von Bernstorff und vieler anderer 
Persönlichkeiten wurde am 22. Juni das neu erbaute Schwefel- und 
Solbad im Kgl. Bad Nenndorf eröffnet. 

06ynhaU86n- Die heilkräftigen kohlensäurehaltigen Thermal- 
Bolbäder des Königlichen Bades Oeynhausen erfreuen sich in diesem 
Jahre wieder eines besonders starken Zuspruchs. Mit grossem 
Interesse verfolgen die Kurgäste die grossartigen Neuanlageu, 
welche teils in der Ausführung begriffen sind, teils ihrer Voll¬ 
endung entgegengehen. Das neue Kurhaus, welches eine Facade 
in schlesischem weissen Sandstein von 90 m Länge erhält, ist be- 
. reits soweit vorgeschritten, dass mau die imposanten Formen dieses 
Prachtbaues erkennen kann. Die neuen Anlagen vor dem Kur¬ 
hause sind bereits fertiggestellt und finden den ungeteilten Bei¬ 
fall der Kurgäste. 

Der Kurgarten ist in den letzten Jahren unausgesetzt er¬ 
weitert worden, im vergangenen Winter sind auf einem 200 Morgen 
grossen Terrain, welches von dem Werrafluss und dem grossen 
Sielkanal umflossen wird, über 150000 Bäume der verschiedensten 
Art gepflanzt worden. An allen Enden wird an der Entwicklung 
des Bades unausgesetzt gearbeitet. Der Erfolg ist auch nicht aus¬ 
geblieben. Die Zähl der zu längerem Kurgebrauch eingeschriebenen 


beim Abstieg und anders bei jedem derselben, wenn er bald 
gerade, bald schräg vor sich geht, wie dieses in den Bergen 
der Fall ist. 

Alle diese goldenen Worte sind bereits 1540 niederge¬ 
schrieben ! (Fortsetzung folgt.) 


Kleine Mitteilungen, 

Aufforstungon auf Fdhr. Was Föhr unter den Nordsee¬ 
bädern fraglos eine landschaftlich und hygienisch eigenartige 
Stellung gibt, ist seine Vegetation. Statt gelbe Dünen und brauner 
Heide bunte Wiesen, lauschige Gärten, Alleen und die Krone 
dieser Anlagen, der Lembckehain am SUdstrand. Hier atmet die 
Lnnge ein würziges Gemisch von Tannenduft und Seeluft. Die 
Macht des Windes ist hier gebrochen, hier dicht hinter dem 
Strand. Im Kampf mit dem Nordwest sind die Kiefern und 
Fichten langsam und gedrungen gewachsen, zu einem undurch¬ 
dringlichen Dickicht. Hier, wo die Wärmeentziehung durch die 
Luftströmung wegfällt, kommt die relativ hohe Temperierung und 
die Weichheit der Seeluft erst zum Bewusstsein. Dieser letztere 
Faktor im Seeklima für sich allein hat nur eine beruhigende, 
schonende Wirkung. Wir haben es also in der Hand, mittelst 
Aufforstungen, denen sich Wandelbahnen' und Liegehallen an- 
schliessen mögen, in geeigneten Fällen nur diese letzteren ein- 


Kurgäste, welche 1894 7000 Personen nicht erreichte, hat von 
Jahr zu Jahr zugenommen und im vergangenen Jahre die Zahl 
15000 Überschritten. 

Zu den 4 Thermalsprudeln, welche die Badehäuser mit natur¬ 
warmer, koblensäurehaltiger Thermalsole versorgen, ist im ver¬ 
gangenen Winter ein neuer Sprudel hinzugekommen, welcher in 
der Minute über 2Q00 Liter auswirft. Das Bad Oeynhausen 
verfügt jetzt in der Minute über mehr als 3000 Liter der edelsten 
Thermalsole, damit ist die Zukunft des Bades auf lange Zeit ge¬ 
sichert. Die beiden Solquellen von 9 und 4% Kochsalzgebalt 
dienen zur Bereitung gewöhnlicher Solbäder, wie sie in Kreuznach, 
Königsborn, Eimen usw. gegeben werden. 


Aerztliche Studienreisen. 

Sechste ärztliche Studienreise vom 2.—15. September 1906. 

Das „Komitee zur Veranstaltung ärztlicher Studienreisen“ (Vor¬ 
sitzende: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Leyden; Geh. Rat Prof. Dr. 
A. Ott; Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Stümpell; Prof. Dr. Kutner) 
hat das „Vorläufige Programm für die sechste ärztliche Studien¬ 
reise“ aufgestellt. Ausgangspunkt ist Heidelberg, wo am 2. Sep¬ 
tember, vormittags 9 Uhr, in der Universität Begrüssung durch 
die Behörden der Stadt und der Universität und Vortrag des Geh. 
Hofrat Prof. Dr. Vierordt stattfindet. Hieran schliessen sich Be¬ 
sichtigung des Krebsinstituts, der gynäkologischen und chirurgischen 
Klinik und des neuen Bades. Für den Nachmittag sind nach 
einem gemeinschaftlichen Mittagessen in der Stadthalle Ausflüge 
nach der Molkenkur, dem Schloss, Neckargemünd usw. vorgesehen. 

Am 3. September Fahrt über Pforzheim und Höfen nach 
Schömberg. Besichtigung der dortigen Anstalten, Vorträge der 
Herren Dr. Schröder, Dr. Koch, Dr. Dünges. Abends Weiter¬ 
fahrt nach Wüdbad, wo um 9 Uhr abends geselliges Beisammensein. 

Am 4. September findet eine wissenschaftliche Sitzung mit 
daran sich anschliessender Besichtigung der Bäder und Kuran¬ 
lagen statt. 

5. September: Fahrt nach Teinacb. Besichtigung des Bades, 
Vortrag des Herrn Dr. Krone. Nachmittags über Freudenstadt 
und Hotel Waldeck nach Rippoldsau. Nach dem Abendessen Vor¬ 
trag des Herrn Dr. Oechsler. 

6. September: Fahrt über den Kniebis und Oppenau nach 
Badenweiler. 

7. September: Besichtigung des Kurortes und der Kurein¬ 
richtungen in Badenweiler, des Sanatoriums von Dr. Fraenkel, des 
Kurbades von Dr. Forstmeyer u. a., Vorträge der genannten Herren 
und des Hofrats Dr. Schwoerer, 


treten zu lassen. Ein bescheidener Versuch ist von Dr. Nicolas 
in Westerland-Sylt an Lungenkranken und Blutarmen gemacht 
worden, in dem Erholungsheim der hanseatischen Versicherungs¬ 
anstalt, nach seinen Berichten mit sehr befriedigendem Erfolg. 
Dass viele Nervöse Föhr schon bisher besser ertrugen, als die 
vorliegenden Inseln, wenn sie nicht, wie von Dr. Ide auf Amrum 
mit peinlicher Sorgfalt geschont und vor dem Wind gehütet 
werden, ist häufig zu beobachten. Ich kann mich des Gedankens 
nicht entschlagen, dass Pöhr-Südstrand als Kurort für Leicht- 
lungenkranke, Astmatiker, Nervöse, Blutarme noch eine grosse 
Zukunft hat. Ausser dem Lembckehain, der vor 14 Jahren ange- 
gelegt, jetzt schon beim heftigsten Wind eine stille Oase dar¬ 
stellt, und von vielen Häusern in wenigen Schritten zu erreichen 
ist, finden sich in mehreren Gärten geschützt© Spaziergänge. Der 
ca. 30 Morgen grosse Park bei Dr. Gmelins Sanatorium besitzt 
ausser solchen eine ca. 100 Meter lange Wandelbahn und mehrere 
Liegehallen. Noch Zukunftsmusik ist eine 20 Morgen grosse Auf¬ 
forstung 10 Minuten westlich vom Sanatorium. Aber es ist der 
Mühe wert, au die Zukunft zu denken. Ein systematisches Vor¬ 
gehen in dieser Richtung, das auch die Regierung in dankens¬ 
werter Weise fördert, wird hier in absehbarer Zeit neue wirk¬ 
same Heilfaktoren für die Behandlung von Schwächezuständen 
mancherlei Art zur Verfügung stellen. 


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84 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


Nr. 21. 


8. September: Abfahrt über Wehr nach Todtmoos und Wehra- 
wald. Besichtigung der dortigen Anstalten, Vorträge von Dr. Eddy 
Schacht und Dr. Lips. Nachmittags Fahrt nach Sankt Blasien. 

9. September: Wissenschaftliche Sitzung. Vorträge der Herren 
Privatdozenten Dr. Determann, Dr. van Oordt, Dr. Sander, später 
Besichtigung der Institute, Kurhaus, Sanatorium St. Blasien, Sana¬ 
torium Luisenheim, Besii^krankenhaus, Erholungsheim Friedrichs¬ 
haus in Gruppen. 

10. September: Fahrt über Altbruck und Schaffhausen (Rhein- 
fallbesichtignog) na(^ Konstanz. 

11. September; Wissenschaftliche Sitzung im Stadthaus, Be¬ 
sichtigung der Stadt, des Krankenhauses etc. Mittags: Rundfahrt 
auf dem Bodensee, Besuch des Insel Mainau; Abendessen im Insel¬ 
hotel in Konstanz. 

12. September: Fahrt nach Triberg. Besichtigung und Aus¬ 
flüge. 

13. September: Fahrt von Triberg nach Baden-Baden. Wissen¬ 
schaftliche Sitzung im Kurhause. Besichtigungen: Friedrichsbad, 
Augustabad, Landesbad, Inhalatorium; abends Fest im Knrhause. 

14. September; Erinnerungsfeier für den verstorbenen Hofrat 
Dr. Gilbert im Kursaal. Besuch der Sanatorien Dr. Frey-Gilbert, 
Quisisana ^Dr. Lippert), Dr. Ebers und Heinsheimer. Nachmittags 
gemeinsamer Ausflug nach dem alten Schloss. 

15. September, mittags 1 Uhr: Ankunft in Stuttgart. 

Der Gesamtpreis für die ca. 14 tägige Reise (freie Fahrt per 
Eisenbahn und Wagen, freies Quartier und volle Verpflegung ex¬ 
klusiv Getränke) beträgt 225 M. Die Anmeldungen für die ^ise 
werden zugleich mit einer Fosteinzahlung von 25 M. als Einschreibe¬ 
gebühr bis spätestens 20. August d. J. an die Adi’esse des General¬ 
sekretärs Dr. Oliven, Berlin NW., Kaiserin Friedrich-Haus, Luisen¬ 
platz 2—4 erbeten. Vorträge haben u. a. zugesagt: Prof. Kionka, 
Prof. v. Krehl, Prof. Strauss, Prof. Strassmann, Prof. Romberg, Prof. 
Kutner, Prof. Vierordt, Prof. Weizsancker. Das Komitee behält 
sich Aenderungen im Progamm vor, Aenderungen im Preise ßnden 
nicht statt. 

Französische ärztliche Studienreise. Bei der diesjährigen 
französischen ärztlichen Studienreise, welche am 1. September in 
Lyon beginnt und am 12. September in Uriage endet, werden 
folgende Kurorte besucht: HauteviUe, Evian, Thonon, St. Gervais, 
Chamounix, Aix, Challes, Salins-Moutier, Brides, Pralognan, AUevard, 
Bouqueron, La Motte, Uriage. 


Der Preis für die Reise ist a«f 300 Fn». festgesetzt. An¬ 
fragen sind zu richten an; Docteur Caiton de 1& Carriere, 2 me 
Lincoln, Paris. 


Literatur. 

Album der domänenfiskalischen Bäder und Mine¬ 
ralbrunnen im Königreich Frenssen. Beschrieben 
von Dr. Stern. 

Unter diesem Titel erscheint soeben im Aufträge der Preuss. 
Domänen-Verwaltung ein Praebtwerk ersten Ranges, wie über die 
anderen deutschen Bäder ein ähnliches bisher nicht existiert. Die 
dekorative Form der Politik, die in unserem kunstsmnigen Zeit¬ 
alter eine so herorragende Rolle spielt, hat zweifellos ihre Be¬ 
rechtigung, solange die Dekoration die Magd der Politik bleibt, 
solange nicht die schädliche Umkehrung dieses Verhältnisses ein- 
tritt. Sie wird des Erfolges sicher sein, solange der ernste Zweck 
nicht durch den leicht verweichlichenden Mantel des Kunstsinns 
angekränkelt wird. Diese schöne Harmonie zwischen Kunstsinn 
und ernstem Zweck finden wir in diesem Buche ln seltener Voll¬ 
endung. Inhalt ist eine sachliche und erschöpfende Beschreibung 
der fiskalischen Bäder, zu denen folgende gehören: Ems, Fachingeo, 
Lange nschwalbach, Nenndorf, Selters, Norderney, Rehberg, Schlangen¬ 
bad, Weilbach. ^ wird bei jedem behandelt; Lage, Klima, Ge¬ 
schichte, Kurmittel, Quellen mit Analysen, Bäder, Wirkung, In¬ 
dikationen, Mineralwasser und Quelleuprodukte. Diesen Angaben 
folgt eine Zusammenstellung von wirtschaftlichen Nachrichten und 
der Ausflüge. Alles durch sorgfältig gewählte Illustrationen er¬ 
läutert. Der eigenartige Buchschmuck, der von Georg Geyer, 
Wiesbaden, herrührt, kann als vorbildlich gelten. Ausserdem ent¬ 
hält das Werk eine Anzahl farbiger Illustrationen nach Gemälden 
von Gscheidel-Berlin, Günther-Naumborg, Charlottenburg und von 
Wedel-Cassel, die seinen Wert nicht zum Wenigsten erhöhen. 

A. St. 


Personalien. 

— Dem Kreisarzt Medizinalrat Dr. Gleitsmann in Wies¬ 
baden ist der Charakter als Geheimer. Medizinalrat verliehen 
worden. 


Meteorologische Statistik. 

Veraistaltet voi der Redaktioe der Balneologfsollen Zentrnlzeltnng.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

3 

B 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

. 

I ^ 
lll 

i 

ä 2 
Q J 

^ PQ 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 


_ 

— 


_ 


_ 

_ 

_ 


_ 


— 


Davos. 


11.—17./7. 

3,2 

C. 

13,7 

c. 

— 

4 

4 

4 

— 


— 

2 Tage Regen mit 

Driburg ..... 


9.—15./7. 

10,9 

c. 

20 

C. 

— 

2 

4 

1 

2 


2 

Schnee. 

Ems . .. 


15.—21./7. 

14,3 

c. 

23,4 

C. 

756,2 

3 

6 

— 

3 


2 


Giesshübl'Sauerbnmn 



10,1 

c. 

21,6 

C. 

— 

3 

3 

1 

5 


1 


Franzensbad . . . 





— 




_ 

— 

— 


— 


Herrenalb .... 


15.—21./7. 

19 

c. 

26,5 

c. 

726 

3 

4V2 

2 V 2 

2—3 


— 


Langeuschwalbach . 


15.—21./7. 

10,6 

c. 

21,8 

c. 

737,7 

2 

6 

7 

2,3 


— 


Lippspringe .... 



12 

c. 

26 

c. 

752 

3 

3 

1 

8 


3 

Frequenz 4177. 

Nauheim. 


2.—8./7. 

12,1 

c. 

22,1 

c. 

749,8 

5 

1 

5 

2 


2 

14820. 

Nenndorf. 


15.—21./7. 

13 

c. 

24 

c. 

760 

6 

7 

6 

— 


2 


Orb. 



10,2 

c. 

25 

c. 

748,5 

1 

6 

— 

— 


— 

Frequenz 2 öUÖ. 

Norderney .... 


9._14./7. 

12 

c. 

18 

c. 

763,8 

4 

6 

7 

4 


— 


Reichenhall .... 



12,9 

c. 

19,7 

c. 

723,4 

3 

3 

7 

_ 


_ 


Salzbrunn .... 





_ 


_ 

_ 

_ 

— 

_ 


— 

Frequenz 2880. 

Stehen ...... 


8.—17./7. 

9 

c. 

21,6 

c. 

716,3 

2 

4 

1 

4—5 


_ 


Triborg. 


15.—21./7. 

11,3 

c. 

22,8 

c. 

— 

3 

3 

3 

— 


— 



Verantwortlicher Rerlakleur: Dr. P. Meissner. Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dnick Toa Uejneautna'tche Bachdruckerei, Gehr. Wolff, UaUa a. &• 


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Google 
































86 


BALNBOLOGISCHB CBNTRALZMTUNG 


Nr. 22. 


ihr Glück zu machen, denn es galt jetzt nur, Gefangene zu 
gewinnen. 

Ein solcher Massenkampf phantastisch geschmückter 
Kämpfer, die ungeheure Menschenmenge erregte den leiden¬ 
schaftlichen Anteil der Zeitgenossen, wie kein anderes Ereig¬ 
nis. Immer wurden der Frühlingsglanz des Mai, das frische 
Grün des Grundes, die Blüten am Baum und auf der Wiese 
als zugehörig mit empfunden. Der unaufhörliche Wechsel 
leidenschaftlich bewegter Gruppen, Speerkrach und Schwerter¬ 
klang, das Wiehern und Schnauben der Rosse, die Rufe der 
Ritter, Knappen und Beamten des Turniers, die Gestalten und 
Rüstungen erlauchter Herrn, bekannte und berüchtigte Reiter 
der Landschaft, die Tribüne mit geschmückten Frauen, die 
bunten Farben und Stoffe, Malereien, neue Erfindungen an 
Waffenkleidem und Pferdedecken, es waren Sinn betörende 
Bilder für Kämpfende und Zuschauer. 

Sämtliche Ritterspiele forderten grosse Kraft und 
Uebung. Am meisten litten Hände und Arme, welche am 
Abend von den Stössen und der Erschütterung durch Brechen 
der Speere und Ruck der Schilde geschwollen, blau und mit 
Blut unterlaufen waren. Ebenso waren die Knie übel zuge¬ 
richtet. Bei alledem fällt auf, dass die Kämpfer bei der Tjost 
nicht häufiger verwundet und vom Rosse gesetzt wurden, als 
es in Wirflichkeit geschehen ist Die Turniere waren aller¬ 
dings viel wilder und gefährlicher, im Gewühl vom Ross zu 
stürzen brachte manchem Mann den Tod oder langes Siech¬ 
tum, und kaum ein Turnier mag ohne schwere Unfälle ver¬ 
gangen sein. Doch auch auf die höfischen Tumiergenossen 
legte sich ein Fluch, welcher jeden trifft, der friedliche Arbeit 
verachtet. Und es war eine besondere Strafe, dass dieser 
Fluch sie zuerst gerade da schlug, wo sie am stolzesten waren, 
in ihrer Waffentüchtigkeit. Seit die Ausbildung des reisigen 
Mannes für Sport und Turf der Stechbahn Hauptsache wird, 
ist seine Brauchbarkeit im Kriege auffällig verringert. Die¬ 
selbe Zeit, welche den gepanzerten Reiter mit einer Ehre und 
Poesie umgibt, die ihn hoch über seinen Ahnherrn, den 
Bauer, ja über seinen Nachbar, den Bürger, erheben will, be¬ 
reitet ihm in den Schlachten eine Niederlage nach der andern. 
Die Horden der Mongolen, die leichten Reiter der Ungarn er¬ 
drücken seine Haufen, bald schwingt der nackte Bauer und 
Bürger bei Morgarten, Laufen, Sempach siegreich seine Helle¬ 
barde gegen ihn, endlich auch der böhmische Landmann seine 
Holzkeule. Wir sehen wohl woher das kam. Die Bewaffnung 
der Ritter wurde durch die Tumierspiele unpraktischer, der 
Beginn jeden Treffens forderte grosse Vorbereitung, der Ver¬ 
folgung fehlte die Behendigkeit Die Hebungen mit dem Speer 


Höhe, das alpine reicht bis zu 1900 m und darüber hinaus, 
setzt dann das hyper- oder hochalpine Klima ein. 

Luftdruck, Luftwärme, Intensitität der Sonnenstrahlung 
und Luftfeuchtigkeit, ebenso elektrisches Verhalten und Be¬ 
wegung der Luft verändern sich mit zunehmender Höhe in 
charakteristischer Weise. 

Als zusammenfassende Charakteristik können wir sagen: 
Das Höhenklima zeichnet sich aus: durch verminderten Luft¬ 
druck und dementsprechende Sauerstoffverarmung, durch nied¬ 
rige Lufttemperaturen, durch intensive und kurzdauernde Wärme- 
iind Lichtstrahlungszeiten der Sonne, durch jähe Wechsel im 
Wasserdampfgehalt der Luft mit vorwiegend grosser Trocken¬ 
heit. 

Die Luftbewegung ist stark — es bilden sich vielfach 
lokale Winde und eigentümliche Modifikationen der allgemeinen 
Luftströmungen. Die Verdunstung geht energisch vor sich. 
Die Höhenluft ist rein, klar, enthält wenig Staub und orga¬ 
nische Keime. Der Ozongehalt ist höher als im Tiefland. 

Gewitter sind in den Bergen im allgemeinen nicht häufiger 
als in der Ebene, doch ist die Blitzgefahr auf Bergspitzen eine 
gesteigerte. 

Das elektrische Potentialgefälle ist auf den Bergen erhöht 
Die Jonisation der Luft wachst mit der Höhe, und es herrscht 
besonders auf Bergesspitzen eine ausgesprochene unipolare Leit¬ 
fähigkeit infolge des Ueberwiegens der positiven Jonen. 


und Turnierschwert gewöhnten an einen Kampf mit gewissen 
Rücksichten. Der Ritter wandte den Brauch der ^ost und des 
Turniers immer auf die Schlacht an. So wurde Friedrich von 
Oesterreich im Jahre 1246 von den Ungarn hinterrücks über¬ 
fallen, weil er sie wie eine feindliche Turniei schar ansah, die 
erst auf ein gegebenes Zeichen losbrechen würde, und unter¬ 
des vor der Front seinen Haufen sorglos ermahnte. 

Ich glaube mit Vorstehendem eine ausreichende Schilderung 
der Sportarten des Altertums und des Mittelalters sowie deren 
Folgen gegeben zu haben, soweit uns letztere bekannt ge¬ 
worden sind; und sollte ich etwas langatmig hierin gewesen 
sein, so bitte ich, dieses zu entschuldigen, da es mir darauf 
ankam zu zeigen, wie harmonisch sich unsere Vorfahren ihren 
Sport ausgebildet haben. 

Nunmehr gehe ich zum heutigen Sport über. Der Sport¬ 
arten gibt es viele, deren einzelne Aufzählung Sie mir wohl 
erlassen, da sie Ihnen allen bekannt sind und ich auf die Ein¬ 
zelnen, so weit es nötig ist, in meinem weiteren Vortrage zu¬ 
rückkommen werde. Als ein besonderes Merkmal des Sports 
ist anzusehen, dass derselbe nicht am des Gelderwerbs willen 
betrieben werden soll. Dieses Moment ist aber in letzter Zeit 
immer mehr in Fortfall gekommen. Man braucht ja nur die 
Sportnachrichten zu verfolgen, um staunend wahrzunehmen, 
welche Geldsummen heutzutage durch den Sport verdient 
werden. Fast das ganze Sportleben wird von dem Drange 
erfüllt, Rekord’s zu schaffen; wer sich dem Sporte widmet, bat 
im Allgemeinen für eine andere Beschäftigung nicht viel Zeit 
übrig. 

Auf dem Deutschen Kongress für Volks- und Jagendspiele 
hielt Herr Prof. Koch-Braunschweig einen fesselnden Vortrag 
über „die Erziehung zur Selbstständigkeit“. Er führte 
unter anderem ungefähr aus, dass Deutschland, falls es 
den Wettkampf mit seinen mächtigen Nebenbuhlern auf die 
Dauer aushalten solle, Männer und Jünglinge bedürfe, die ans 
eigenem Antriebe denken und handeln können. Das beste 
Vorbild gäben in Bezug auf Selbständigkeit des Wollens und 
Ausführens die sportlich geschulten englischen und amerika¬ 
nischen Männer. Die geistige Seite der Leibesübungen müsse 
noch viel mehr beachtet werden. Der Schüler müsse lernen, 
mit bewusstem Wollen seine Pflicht zu tun. — Zur Erreichung 
dieses Zweckes erscheint allerdings der Sport geeignet zu sein. 
Herr Generalarzt a. D. Dr. Meissner-Berlin legt auf grösste 
Pflege des Turnens im weitesten Sinne des Wortes, verbanden 
mit Spiel, Wandern, Rudern, Schwimmen, Schlittschuhlaufen den 
grössten Wert. Auch kurze Freiübungen seien am Schlüsse der 
Unterrichtsstunden als Ausgleichsbewegung für den notwendigen 


Wie weit die erhöhte Jonisation der Luft im Gebirge auf 
eine radioaktive Emanation zurückzuführen ist, hat zur Zeit 
noch keine genügende Klärung gefunden. 

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den leitenden Ge¬ 
sichtspunkten der Untersuchungen. Die Verfasser richteten ihr 
Augenmerk auf die mechanische Bedeutung der Luftverdünn¬ 
ung, auf die chemischen Wirkungen derselben, auf die Quellen 
der Muskelkraft. Die vorbereitenden Studien, die Ausrüstung 
und der Verlauf der Expedition füllen die Seiten 122—149. 

Darauf werden wir mit den eigentlichen Untersuchongs- 
methoden bekannt gemacht, welche die Interessenten im Bu^o 
selbst studieren mögen. 

Wichtiger für die Allgemeinheit ist die Wirkung des Höhen¬ 
klimas auf das Blut und die blutbildenden Organe. In dürren 
Worten und darum um so einfacher stellt sich der Effekt 
folgendermaßen dar: 

Das Höhenklima besitzt einen ausgesprochenen Einfluss 
auf die Blutbildung. Es steigert sie, indem er das Knochen¬ 
mark in einen Zustand erhöhter Tätigkeit versetzt. Am ans¬ 
gesprochensten geschieht dieses bei jugendlichen Individuen. Der 
wirksame Faktor ist die Luftverdünnung, bezüglich die mit 
dieser parallel gehende Sauerstoffverarmung der Luft. 

Nicht minder wichtig ist der Einfluss Ton Höhenklima und 
Muskelarbeit auf die Verdauung der Nahrung. Es ergaben 
sich da individuelle Verschiedenheiten in der Ausnutzung einer 
r-nnähemd gleichen, leicht verdaulichen Nahrung. 

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1906. 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


87 


Sitzzwang wertYoll; dagegen sei die Erreichung von Dauer- und 
Gipfelleistungen bedenkli^. Mit diesen Ausführungen kann man 
nur übereinatimmen. Bei allen den von Meissner angeführten 
Sportarten wird der Körper harmonisch ausgebildet. Schön 
ist diejenige Gestalt, welche sich in allen Stellungen und in 
allen Ansichten, soweit sie in der idealen Kunst überhaupt 
verwendet werden kann, vorteilhaft verwenden lässt. Die 
Bildhauer des Altertums suchten die schönste Venus, den 
schönsten Apoll, die schönste Juno hervorzubringen. Die Venus 
von Milo oder die von Medizi könnte man lagern wie man 
will, sie würden dieselben Schönheiten bleiben. W’as aber be¬ 
dingt die Schönheit der menschlichen Gestalt? Erstens das 
Skelett, das schön sein muss in seinen Proportionen; zweitens 
die Muskeln: ohne gut entwickelte Muskeln mbt es keine 
schöne Männergestalt, und ebenso bedürfen die Frauen wohl- 
gebildeter Muskeln, nur müssen sie hier durch eine mäßige 
Fettdecke verhüllt sein. In dritter Reihe kommt das Fett: 
auch der männliche Körper bedarf einer gewissen Menge von 
Fett, ein herkulisch gebauter Mann, bei dem das Fett unter 
der Haut des ganzen Körpers mangelt mit einseitigem Vor¬ 
herrschen der Muskeln, ist entschieden hässlich. Schliesslich 
kommt noch die Haut in Betracht, welche fein und elastisch 
sein muss. Zur Erreichung dieses Schönheitsideals kann ent¬ 
schieden der Sport dienen, wenn er in vernünftiger Weise be¬ 
trieben w'ird. Und nicht nur dem Körper wird durch ihn ge¬ 
nützt, nein, auch der Geist hat seinen Nutzen davon. Im edlen 
Wettstreit entsteht kein Neid, das Blut rollt frischer durch die 
Adern, erneute Lebenslust durchströmt den Menschen. Was 
ist es z. B., das die Menschen antreibt zum Besteigen der 
Berge, zu gefährlichen Klettereien an schier unbezwinglichen 
HöhenV Ist es etwa nur der Drang, etwas zu leisten, was 
noch kein Anderer geleistet hat? Seinen Fuss an noch nie 
betretene Stellen zu setzen? Nein, es ist die Freude am 
wilden Leben, der leichte Rückfall in das einfache Dasein des 
Naturmenschen (Richter). Sodann ist es die Lust an der 
üeberwindung von Mühe und Gefahr. Vor allem aber ist es 
der Genuss an der Schönheit des Gebirges, was den Berg¬ 
steiger belohnt, wie kein anderer Sport seine Verehrer. Der 
Bergsteiger ringt um sein Ziel mit Anstrengung, vielleicht Ge¬ 
fahr; er freut sich seiner Kraft und Gewandtheit. Soweit ist 
sein Tun mit dem Treiben anderer Sports zu vergleichen, aber 
er Rodet ausserdem einen Lohn der diesen nicht bescbieden ist: 
den Genuss der allerschönsten und erhabensten Natur. Da¬ 
gegen kann die Bergfexerei nie genug verurteilt werden, 
wenn in unzureichender Ausrüstung, ohne Führer Gebirgs- 
touren unternommen w'erden, die nur von geübten Steigern 


Märsche während der Wintermonate bewirkten Verbesser¬ 
ung, während der Sommermonate umgekehrt Verschlechterung 
der Ausnutzung der Nährstoffe, vor allem des Stickstoffs. Als 
Nachwirkung der Trainiermärsche und vielleicht auch des 
Aufenthaltes in 2300 m Hohe trat Verbesserung in der Aus¬ 
nutzung ein. 

Was den direkten Einfluss der Höhe betrifft, so verhielten 
sich mittlere und grosse Borghöhen verschieden. Erstere zeigten 
keinen nachweisbaren Einfluss, letztere (2900 und 4500 m) da¬ 
gegen bewirkten eine Steigerung der Stoffverluste infolge von 
Störungen der Verdauungsprozesse. (Fortsetzung folgt.) 


Kleine Mitteilungen. 

Schlangenbiss: Lacerde führte im Jahre 1881 das über¬ 
mangansaure Kali in die Behandlung der Schlangenbisswninde ein. 
Seine erfolgreiche Wirkung wird von anderen Autoren bestätigt. 
Die Behandlung besteht in der subkutanen Injektion von 2 cc. 
einer 5®/o-Lösung zur einen Hälfte in die erweiterte Bisswunde, 
zur anderen in die Gegend der nächsten geschwollenen Lympf- 
gefhsse mit folgender Einpackung der Extremitäten mit Kompressen, 
welche in 5%-rjösung getränkt sind. Es ist anzuraten, dass in 
gefährdeten Bezirken Landarbeiter eine kleine Menge dieses Salzes 
hei sich tragen. Die von Calmette inaugurierte Serumtherapie wird 
stets nur bedingten Wert haben, w’eil einmal Serum nicht immer 


unter allen Vorsichtsmaßregeln ausgeführt werden dürfen. Da¬ 
her alljährlich die grosse Anzahl von Alpinen - Unfällen, die 
jeden fernerstehenden mit Grauen vor den „heimtückischen 
Bergen“ erfüllen. Einen ähnlichen Genuss wie der Bergsport 
bietet ihrem Liebhaber die Jagd. Wie ist dagegen der Motor¬ 
fahrer zu bedauern, der die schönsten Gegenden auf seiner 
Maschine durchfliegt, doch aber, wenn er es recht gestehen 
will, so gut wie gar keinen Genuss davon hat. 

(Schluss fogt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Bädcn-Bsdcn. Eine elektrische Bahn Baden-Baden nach 
Lichtenthal, tmd zwar vom Bahnhof Oos nach Lichtenthal bis 
zum Gastbaus zum Löwen, ist beschlossen. 

In Aachen ist der Bau einer städtischen Schwimmhalle in 
Verbindung mit römisch-irischen Bädern, Freilicht- und Freiiuft- 
bädern mit einem Kostenerfordemis von 750000 M. beabsichtigt. 

In Bad Althcidc wurden am 20. y. M. im neuen Kurhaus 
20 neue Kabinette für Mineralbäder in Betrieb genommen. 

Eisenach. Die nach dem Entwurf des Architekten H. Bollert- 
Dresden für das Kuibad ausgeführte Trink- und Wandelhalle ist 
bis auf die gärtnerischen Anlagen fertiggestellt. 

Jodbad Hall verzeichnet in der heurigen Saison eine Zunahme 
von 10% der verabreichten Bäder gegen das Vorjahr. 

In Sti Moritz hat der Kurverein die Einführung einer Kur¬ 
taxe für Passanten beschlossen, u zw. wird von allen Passanten, 
die sich mehr als einen Tag in St. Moritz aufbalten, eine Kitrtaxe 
von 25 Cents pro Tag erhoben. 

Orb. Trotz der ungünstigen Witterung, welche den Besuch 
überall in den Bädern schädigte, bat sich die Frequenz unseres 
Bades wesentlich gesteigert. Am 11. Juni vorigen Jahres wies 
die Kurliste 909 Personen auf, während die diesjährige Ziffer 
1866 beträgt. Im Badehaus No. 1 zeigt sich schon das Gepräge 
der Hochsaison; die Zahl der hier abgegebenen kohlensäurereichen 
Sprudelbäder hat sich gegen das Vorjahr verdoppelt. 

Aus Pyrmont wird gemeldet: Durch das Kämmen und Aus- 
scbachten bei den Kurhausneubauten ist eine neue Quelle erschlossen 
worden, die jetzt zutage getreten ist. Dieselbe hat schwefelhaltiges 
Wasser und ist bereits eine Probe davon erst hier vom Hofapo¬ 
theker Wiertl geprüft worden. Ebenso wurde eine Probe nach 
Berlin zwecks chemischer Analyse abgesandt. Die Quelle gibt 
pro Stunde 1000 1 Wasser. 

Roinerz. Die hier seitens der Stadt-Verwaltung systematisch 
durchgeführte Bewaldung der Höhen macht weitere Fortschritte, 
nachdem durch den Ankauf der Adler-Wirtschaft wiederum 3 ha 


rasch zur Hand sein kann und dann immer nur eine spezifische 
Wirkung für das Gift einer bestimmten Schlangenart hat. 

(Rif. med. 1905 Nr. 109.) 


Frequenz der Kurorte. 



Personen 


Personen 

Aachen 

35426 

Kreuznach 

5 942 

Abbazla 

22 404 

Kudowen 

4 337 

Baden-Baden 

37 082 

Landeck 

4132 

Badenweiler 

2 888 

Langenschwalbach 

3 335 

Bad gastein 

3946 

Marienbad 

17196 

Davos 

10 551 

Nauheim 

16421 

Elster 

5898 

Neuenahr 

11652 

Ems 

12083 

Norderney 

11939 

Friedrichsroda 

6 364 

Orb 

2 590 

Godesbach 

4649 

Pyrmont 

9 872 

Harzburg 

7 028 

Reichenhall 

6 854 

Helgoland 

7033 

Salzbrunn 

3526 

Homburg 

6915 

Soden i. T. 

.2 789 

Karlsbad 

37 478 

Wiesbaden 

43861 

Kis singen 

16691 

Wüdbad 

6 719 

Königstein i, T. 

2 272 

Wildungen 

5515 


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88 


BAXiNSOLOGISCHS GBNTRAXiZEÜTUlTG 


Nr. 22. 


hn Anschluss an den bestehenden Wald aufgeforstet und mit 
Promeuadenwegen versehen worden sind. Die Länge der Wald¬ 
steige ist dadurch auf rund 20 Kilometer ausgedehnt und dafür 
gesorgt, dass man auf diesen Aus- und Fernblicke von entzücken¬ 
dem Reize findet. Dabei ist aber auch Sorge getragen, dass 
schwache Personen solche nach Belieben steigen und sich in der 
stärkenden Waldluft kräftigen und erholen können. — Zu beklagen 
ist die immer noch geringe Baulust, die sich aber erst entwickeln 
kann, wenn Bauplätze abgegeben werden; der Kurort würde dann 
ganz andere BesucherzÜfem aufweisen und sich noch schneller ent¬ 
wickeln können. 

In Bad Salzbruilll hat die herzogl. Brunnen- u. Badedirektion 
da.s Tragen von Schleppen auf der Kurpromenade verboten. 

Bad Salzbrunn stand während der letzten 8 Tage imter dem 
Zeichen des III. Allgemeinen Tennis-Turniers, zu welchem über 
200 Nennungen nicht nur aus der Heimatprovinz, sondern auch 
aus Berlin, Prag, ja selbst aus England eingegangen waren. In 
sportlicher Beziehung bot das Turnier hervorragende Leistungen. 
— Eine we8entli<^e Verbesserung erfuhr das pneumatische Kabinett, 
System Göbel-Ems, durch Einführung des Dreidrucksystems, welches 
die verschiedensten Stärkeabstufungen für Aus- und Einatmung 
ermöglicht. 

Vom Ssirnnoring wird geschrieben: Fürst Liechtenstein hat 
jetzt die Einwilligung zur Errichtung einer 4 m breiten Winter¬ 
sportbahn vom Sonnwendstein zum Hotel Erzherzog Johann herunter 
erteilt. Die Bahn wird infolgedessen noch in diesem Sommer mit 
einem Kostenaufwande von 30000 Kronen vom Winterspxjrtklub 
erbaut werden. 


Personalien. 

— Der Deutsche Kaiser hat die Rote Kreuz-Medaille 3. Klasse 
folgenden Hen'en verliehen: Dem Arzt Dr. Paul Ebers, Besitzer 
des gleichnamigen Sanatoriums, dem Arzt und Leiter eines Sana¬ 
toriums Dr. med. Heinrich Burger und dem Medizinalrat Dr. 
J. Baumgärtner, sämtlich in Baden-Baden. 

— Dr. Bartels, Besitzer des Sanatoriums Bad Kreischa bei 
Dresden, erhielt den Titel Sanitätsrat. 


Verschiedenes. 

— Die Verein igung Karlsbad er Aerzte bat, wie wir be¬ 
reits wiederholt berichteten, eine Eingabe an den Stadtrat gerichtet, 
in welcher die Stiftung eines internationalen Kurhauses für un-» 
bemittelte Aerzte unter Benützung des alten Sparkassagebändes 
angeregt wird. Es wird geplant, 36 Stiftungsplätze österreichischen, 
34 relchsdeutscben, 15 ungarischen, 14 russischen, 11 amerika¬ 
nischen, 8 rumänischen, 7 englischen, 5 französischen, je 3 italie¬ 
nischen, schwedischen und norwegischen, je 2 schweizerischen und 
niederländischen Aerzten zur Verfügung zu stellen. 

— Der verstorbene Prof. Tarnowski in Jalta hat sein 
Landgut zur Errichtung eines Sanatoriums für kranke Aerzte be¬ 
stimmt. 

— Berichtigung. GegenüberunsererNotizin Nr. 19der B.C.Z. 
dass in Bad Langenscdiwalbach einige Bürger einen Golfspielplatz 
ersten Ranges schaffen wollten, ersucht uns Herr Dr, Ebstein, 
früher in L., um folgende Berichllgnng: 

Nicht durch die Bürger dieses Ortes, sondern einzig und allein 
durch die Langenschwalbacher Aerzte und deren dankbare und 
opferwillige Patienten sei das Bad mit dem „Golf-Croquet- und 
Bowling Club** beschenkt worden. Diese hätten allein ohne 
nennenswerte Hilfe der Bürgerschaft ein Kapital von 17 600 M. 
für diesen Zweck aufgebracht. Die Bürgerschaft hätte nicht niu’ 
die dem Club noch fehlenden 3400 M. nicht bewilligt, sondern 
sogar „in schmählichem Eigennutz, der eich „zur Gleichgiltigkeit 
und Verständnislosigkeit gesellte^, eine unschöne Spekulation mit 
den vom Golfclub ins Auge gefassten Grundstücken organisiert. 
Es müsse das deshalb betont werden, weil gerade die Langen- 
schwalbacher für alles Missgeschick, das das Bad traf, die Aerzte- 
schaft verantwortlich zu machen pflegte. 

— Auszeichnung. Der Fabrik patent. Badetabletten von 
Dr. Sedlitzky in Hallein wurde in Würdigung der vorzüglichen Fa¬ 
brikate , insbesondere der neuen Tabletten zur Herstellung von 
Kohlensäure-Bädern und K ohl ensäure-Solebädern (ä la 
Nauheim) von der Jury der hygienischen Ausstellung in Wien 
die Goldene Fortschrittsmedaille mit Ehrendiplom verliehen. 

Eine Zweigniederlassung wurde in Berchtesgaden gegründet. 
Den Generalvertrieb für Deutschland, wo der Verbrauch dieser 
Tabletten sehr zugenommen bat, hat die Handelsgesellschaft 
deutscher Apotheker in Berlin übernommen. 


Meteorologische Statistik. 

Vertistaltet voi der Redaktioi der Baleeologieehen Zentraizelting.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur¬ 

minimum 

Mittleres 

Temperatur¬ 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkoogen 

Abbazi a. 

_ 

_ 


_ 


—. , 

1 

_ 



Davos .. 

2B.-31./7. 

8,9 C. 

18,9 C. 


3 

4 

4 

— 

— 

Frequenz 12547. 

Driburg. 

23.—29./7. 

11,1 C. 

23,6 0. 

— 

2 

5 

1 

1 

1 



29./7.-4./8. 

15,9 C. 

25,7 C. 

755,8 

3 

7 

— 

2,3 

3 

Am 4.Aug. 4Ge- 

GiesshUbl-Sauerbrunn . . 


13,1 C. 

26 C. 

— 

2 

5 

— 

2 

2 

Witter. 

Franzensbad. 


— 

— 

— 

_ 


_ 

_ 

_ 


Herrenalb. 

22.—28./7. 

10 c. 

23,5 C. 

724 

4 


4V4 

2—3 

2 


Kreuznach. 

22.—28./7. 

13 C. 

19 C. 

— 

2 


7 


2 


Langenschwalbach . . . 

29./7.-4./8. 

13,8 C. 

26,5 C. 

738,1 

3 


6 

2 

3 


Nauheim .. 

— 

— 

— 

_ 



— 

_ 

_ 


Nenndorf. 

29./7.-4./8. 

17 C. 

301/* C. 

761 



3 

_ 

2 


Norderney .. 

22. —28./7. 

13,6 C. 

20,9 C. 

761,6 


e 

7 

3 

— 


Orb. 

29./7.-4./8. 

18,4 C. 

26,7 C. 

750,6 


6 

— 

— 

3 

Frequenz 34(8. 

Reichenhall .... - 

22.—28./7. 

15,6 C. 

24,4 C. 

721 


6 

3 

_ 

1 


Salzbrunn. 


11,4 

25,8 

_ 



_ 

2 

_ 


Stehen. 


8,4 C. 

22,6 C. 

714,2 

1 

6 

_ 

3 

_ 


Trihorg. 

29./7.-4./8. 

14,5 C. 

25,6 C. 

— 

2 

2 

1 

— 

2 



V erkntwortlicher Redmktenr: Dr. P. MeiMner, Berlin. — Verlag v«b Carl Harhold. Halle a. S. 
Druck von Hejmamaiia'icbe BHchdtuckerai, G«br. Wolff, Hall« a. b. 


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Vtl. Jahrgang. Nr. 23. 1906. 

Balneolosische Centralzeitung 

Org:an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des >Allg. D. B.-V.": 
Dr. Siebelt, Fllnsberg 1. Schl. 

Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Te].-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der Nacbdrock aas dieser Zeitsebrift Ist nur mit Qaellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Der Sport in Kurorten. Von Dr. Thilipp Wagner, Bad Kosen. (Fort¬ 
setzung und Schluss.) 

Die Arminiusqnelle in Lippspringe und die Lungentuberkulose. 

Fenilleton: Höhenklima und Bergwanderungen. Von Dr. E. Roth. 
(Porteetzung.) 


Ana den Bädern und Kurorten. 
Vereine und Kongreaae. 
Meteorologiache Statistik. 


Der Sport in Kurorten. * 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. deutschen 
Bäder-Verbandes zu Ems, den 4. Okt. 1905. 

Von Dr. Philipp Wagner, Bad Kosen. 

(Schluss.) 

Doch wenden wir uns nun zu den Schädlichkeiten des 
Sports. Wenn wir zunächst die heutigen üblichen Wettkampf¬ 
spiele betrachten, so muss uns auffallen, dass auf das Schön- 
heitsgefübl nicht im mindesten Rücksicht genommen wird. 
Man denke doch nur an die Radfahrer, Fussballkämpfer, 
Motorfahrer, an die Jockeys mit ihren meist unglücklichen 
Figuren. Bekleidung sowohl wie Haltung des Körpers be¬ 
leidigen einfach das Auge; weich Contrast auf dem Rücken 
eines edlen Pferdes die zusammengekrümmte Gestalt des 
Reiters, welch unheimliches Bild der gänzlich verhüllte Motor- 
fahrer in seiner duftenden Maschine! Doch dies wäre ja noch 
der kleinste Fehler. Um wie viel grösser sind die Schädigungen, 
denen der menschliche Körper bei allen Uebertreibungen im 
Sport ausgesetzt ist. Welcher Arzt hat noch nicht eine akute 
Herzerweiterung nach angestrengtem Radfahren gesehen, 
welcher Arzt noch niclit einen unglücklichen Menschen in 
seiner Behandlung gehabt, der durch fortwährende üeberan- 
strengung eine nicht wieder gut zu machende Schädigung 


seines Körpers, seines Herzens davongetragen hat. Um die 
Schädlichkeit einer Ueberanstrengung .für das Herz nachzu¬ 
weisen, hat Th. Schoth gesunde kräftige Menschen bis zum 
Eintreten von Dyspnoe mit einander ringen lassen und danacli 
eine Vergrösserung des Herzens sowohl nach rechts wie nach 
links um ein bis zwei und mehr Zentimeter unter entsprechender 
Aenderung des Blutdrucks feststellen können, Kisch in Prag 
hat von drei Fettleibigen Pulskurven im Ruhezustand, un¬ 
mittelbar und sechs bis zehn Stunden nach dem Radfaliren 
aufgenommen und konnte kompensatorische Erweiterung der 
überfüllten Gefässe deutlich nachweisen. Albu trennt die 
Einwirkungen des angestrengten Radfahrens in zwei Gruppen: 
die eine betrifft das Herz, die andere die Nieren. Auf die 
übermässige Inanspruchnahme des Herzens ist die Atemnot zu¬ 
rückzuführen, es handelt sich um eine cardiale Dyspnoe. Mit 
den Hilfsmitteln der physikalischen Diagnostik lassen sich bei 
Rennfahrern nach jeder Tour folgende Befunde erheben: In 
der Gegend des Spitzenstosses, namentlich aber in der 
Regioepigastrica ist eine sehr lebhafte Pulsation sichtbar; das 
Herz schlägt mit einem ungemein kräftigen Iktus an die 
Brustwand, Schlagfolge erheblich vermehrt; die Grenzen der 
Herzdämpfung verschieben sich nach links und unten, seltener 
nach rechts; zweiter Pulmonalton verstärkt; mehrfach leichtes 
systolisches Geräusch. Bei allen untersuchten Fahrern konnte 
nach jeder einzelnen Tour das Auftreten von Eiweiss im Ham 
festgestellt werden. Ausserdem sind noch Entzündungen der 
hinteren Harnröhre, der Prostata, des Kniegelenks und andere 


Feuilleton. 


Höhenklima und Bergwanderungen. 

Von Dr. E. Roth. 

(Fortsetzung.) 

Die Verbrennungsprozesse sind in der Höhe gesteigert, und 
zwar sowohl beim ruhenden Menschen, wie bei Arbeitsleistungen, 
Das Maß dieser Steigerung wie die Höhe, in welchem sie ein¬ 
setzt, ist individuell selir verschieden. Für die Grösse der 
Muskelarbeit des Bergsteigens spielen, neben Weglänge und 
Steigung, die Terrainverhältnisse eine geradezu belierrschende 
Rolle. 

Unter gleichen äusseren Bedingungen ist der Aufwand für 
Ueberwindung gleicher Niveauunterschiede beim trainierten 
Menschen ausserordentlich viel geringer, als bei dem für die 
speziellen Anforderungen niclit geübten. Auch die steigernde 
Wirkung der Höhenluft wird durch Trainierung in erheblichem 
Maße kompensiert. 

Ein Eiweissansatz tritt in mittleren Berghöhen hervor, 
wenn derselbe mit Muskeltätigkeit unter Vermeidung eines 
Uebermaßes verknüpft ist. In subalpinen wie alpinen Höhen 
wird man bei gesunden Menschen im jugendlichen oder mitt¬ 


leren Lebensalter wohl mit Sicherheit auf einen Ansatz von 
Eiweisssubstaiiz rechnen dürfen. Die günstige Wirkung auf den 
Eiweissansatz geht bis zu einer Höhengrenze hinauf, welche 
individuell verschieden ist. 

Das Höhenklima übt sicherlich eine erregende Wirkung 
auf den Atmungsvorgang aus. 

Die Luftverdünnung in solchen Höhen vermag auf mecha¬ 
nischem Wege den Kreislauf nicht nachhaltig zu verändern, doch 
haben wir mit Herzermüdung zu rechnen. 

Jedenfalls erreichen wnr durch sportliche Tätigkeit und 
speziell durch Ausübung des Bergsports ein Anwachsen unserer 
Körpermuskulatnr, eine Stärkung des Herzens und der Lunge, 
eine Uebung des Ner^'ensystems wie eine Stählung und Stärk¬ 
ung unserer psj'^chischen Funktionen. 

In Bezug auf die Körpertemperatur können wir einen 
deutlichen Ilöheneffekt nachweisen, welcher nur bei ver¬ 
schiedenen Personen in verschiedener Höhe beginnt. Die sonst so 
konstante Körperwärme wird durch die Reize des Hochgebii'ges 
eben in individuell verschiedenem Grade bis zur fieberhaften 
Höhe gesteigert. Die im Körper beim Bergsteigen und Berg¬ 
abgehen erzeugten Wärmemengen sind nicht nach der Grösse 
des Stoffumsatzes zu beurteilen. 

Ein sehr wichtiges Kapitel handelt von der Bekleidung 
und der hygienischen Ausrüstung des Bergsteigers. Nicht nur 
gegen die Kälte muss der Bergfahrer gerüstet sein, selbst auf 
dem Gletscher ist es der rasche Wechsel von eisiger Kälte, 


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90 


BALNEOLOGISCÖE CBNTRALZtotlNÖ 


Nr. 23. 


Krankheiten beobachtet werden. Andererseits aber ist es un¬ 
bedingt richtig, dass mäßiges Radfahren dem Körper zuträglich 
ist, dass es in gleicher Weise wie die Heilgymnastik bei vielen 
Krankheiten heilend wirkt. Und wiederum äussert nicht nur 
das übermäßige Radfahren schädliche Wirkungen sondern jede 
übertriebene g}'mnastische Uebung. üebrigens ist es eine alte 
Erfahrung, dass durch einseitige Ausbildung von Kör})erkräften 
der Geist nicht geübt wird; stellten doch schon die Alten 
starke Menschen immer mit einem auffallend kleinen Kopfe 
dar. Und die Geschichte lehrt, dass die Sinnensart von 
Völkern die nur in sportlichen und kriegerischen Uebungen 
sich auslebten, verroht. Zum Beweise dessen brauche ich nur 
an den südafrikanischen Krieg der Engländer mit den Buren 
zu erinnern. Schliesslich ist, wie wir schon bei den Griechen 
und bei den Rittern gesehen haben, der übertriebene Sport 
durchaus nicht eine Vorübung zum Kriege. Auch die Neuzeit 
hat gelehrt, dass er in vielen Fällen das Gegenteil hiervon 
ist; war doch in Frankreich bei der Aushebung in den letzten 
Jahren z. B. der Prozentsatz der dienstuntauglichen Radfahrer, 
die wegen zu engen Brustkorbes zurückgestellt werden mussten, 
ganz erschreckend; mehren sich doch allmählich die Fälle von 
Kailway spine bei Motorfahrern. 

Nun ist es eine alte Erfahrung, dass jährlich unter zahl¬ 
reichen andern Kranken auch viele durch den Sport körperlich 
ruinierte Menschen Kurorte aufsuchen, um ihre Gesundheit 
wieder herzustellen. In früheren Jahren stellten die Kurorte 
eine Stätte der absoluten geistigen und körperlichen Ruhe dar. 
Die Besucher kamen meist aus Grossstädten, um sich in 
idyllischer ländlicher Ruhe von dem Hasten und Lärmen ihrer 
Heimat zu erholen, am Busen der Mutter Natur auszuruhn 
und Kräftigung aus den heilsamen Quellen zu schöpfen. Wie 
anders ist das heute! Jeder, auch noch so kleine Kurort hat 
seine Badekapelle, die recht und schlecht zweimal täglich ihre 
Weisen ertönen lässt; rfnmions, gesellige Zusammenkünfte, 
Partien jagen sich, kaum dass die Patienten Zeit haben, den 
ilmon verordneten Brunnen zu trinken oder die notwendigen 
Bäder zu nehmen. Anstatt dieser aufreibenden zwecklosen 
Veranstaltungen wäre es nun angezeigt, Sport in therapeutischer 
Gabe einzuführen, ja die. Aerzte dürften sich nicht scheuen, 
ihren Patienten je nach Individualität und Körperzustand sport¬ 
liche Bewegungen in freier Luft in bestimmten Dosen zu ver¬ 
schreiben, ja selbst mit gutem Beispiel voran zu gehen, weil 
dieselben ein vortreffliches Mittel sind zur Pflege, beziehungs¬ 
weise Wiedererlangung der Gesundheit und zur Erziehung der 
jungen und alten Menschen zu einem lebensfrohen, starken, 
mutigen, vaterlandsliebenden Geschlecht (Sperling). Dem 


Einen empfehle man Spazierengehen oder auch weitere 
Wanderungen: Dass auch anstrengende Fusswanderungen dem 
gesunden Menschen nichts schaden, sehen wir. aus den Unter¬ 
suchungen von Levy, der bei 400 Leuten, welche die 496 km 
lauge Strecke von taris nach Beifort in 10 Tagen zurückge¬ 
legt hatten, eine Abnahme der Körperlänge um mehrere 
Zentimeter, des Gewichts um 600 bis 700 Gr. feststellte, da¬ 
gegen die Herztätigkeit bis auf vier Fälle normal fand; auch 
Krampfadern waren nicht entstanden. — 

Andere Patienten lasse man jagen, andere schicke man 
in die Berge; wo Gelegenheit ist, führe man Ruder-, Segel-, 
Schwimmsport ein; kleinmütigen, ängstlichen Naturen verordne 
man Reiten; Fechten, Turnen, in Winterkurorten Schiittschnb- 
laufen, Rodeln, Skilaufen dürfen nicht übergangen werden: 
auch Tennis und der neuste Sport „der Rocket-Ball“ dürften 
sich als nützlich erweisen, aber wohl gemerkt, nur in dem 
von mir oben auseinander gesetzten Sinne. Um aber diesen 
kurgemässen Sport ausüben lassen zu können, ist es unbedingt 
notwendig, öffentliche Spiel- und Sportplätze anzulegen. Ferner 
ist es für jeden Kurort, der zu den modernen in hygienischer 
Hinsicht gerechnet werden will, unerlässlich, Schwimm- und 
Brausebäder anzulegen, seien es offene oder noch besser be¬ 
deckte Hallen, die im Winter erwärmt werden können. Das 
Schwimmen ist, wie Kabierske-Breslau im Deutschen Verein 
für öffentliche Gesundheitspflege ausgeführt, Turnen im Wasser 
und übt körperlich und seelisch die vorteilhafteste Wirkung 
auf den Menschen aus. Die Kräftigung der Atmung, die Blut¬ 
bewegung und Nerventätigkeit, die vorzügliche Ausbildung des 
Brustkorbes, die Widerstandsfähigkeit gegen Erkrankung der 
Luftwege, welche regelmässige Schwimmübungen hervorbnngen, 
lassen in ihnen ein hervorragendes Vorbeugungsmittel gegen 
die Schwindsucht erkennen. Ganz besonders aber sei die 
weibliche Jugend auf den Wert des Schwimmens hingewiesen, 
da sich bei ihr weniger Gelegenheit zu kräftiger Ausbildung 
des Körpers bietet und dies eine Uebung ist, die sie am besten 
für ihre späteren schworen, köqierlichen Aufgaben vorbereitet 
An zahlreichen Beispielen hat sich schon gezeigt, dass die 
Herstellung und der Betrieb öffentlicher Schwimmhallen nicht 
nur für grössere, sondern auch für kleinere Städte möglich ist 
und keine unerschwingliche Mehrbelastung der Gemeinde dar¬ 
stellt. Um wieviel mehr wird es jedem, auch dem kleinsten 
Kurorte möglich sein, wenn nur irgend Wasser vorhanden ist, 
eine solche zu bauen. 

Wenn wir so kurz den Zweck der Kurorte beleuchtet 
haben, so müssen wir auch zugeben, dass die Einführung von 
Sportwettkämpfen in einem Kurort nicht zu dessen Empfehlung 


vielleicht bis zum Unerträglichen gesteigert durch saussenden 
Sturm und Wolken von Eisnadeln, bis zu sengender Hitze im 
Sonnenbrände, welcher die Vorsorge des Wanderers erlieischt. 

Als zweckmäßigste Tracht erscheint den Herausgebern 
die gut verschliessbare Lodenjoppe und die bis unter das Knie 
reichende Hose aus gleichem Stoff. Eine Weste zu tragen er¬ 
scheint unzweckmäßig. Besonders zu widerraten ist die Ver¬ 
wendung dicht gewebter Futterstoffe als Rückenteil der Weste 
und zur Abfütterung einzelner Kockteile. 

Eine unentbehrliche Ergänzung erfordert der Anzug durch 
den Mantel; undurchlässig für Was.>er muss er sein, dabei 
aber porös. Grau erscheint als Farbe für Oberkleidor und Mantel 
am zweckmäßigsten. 

Das Unterzeug soll den Körper in der Ruhe vor Unter¬ 
kühlung scliützen, andererseits aber bei der Arbeit eine aus¬ 
giebige Kühlung durch Wasserverdunstung ermöglichen. Wenn 
auch nicht ganz bedcutungslo.s ist. ob man Wolle, Leinen, 
Baumwolle oder Seide wälilt, so ist doch die Webweise viel 
we.si'iitlichor. Und da erscheint als Stoff zu Hemden wie 
Unterhosen ein möglichst poröses nur durch einzelne Fäden 
verknüpftes Doppelgewebe am be-sten. 

Dann die Fiissbekleidung! Von der Leistungsfähigkeit der 
unteren Extremitäten hängt ja melir oder minder der Erfolg 
und Genuss jeder Bergwanderung ab. Also gute Fettung der 
Schnlie, auch Einfetten der Aussenseite der Wollstrümpfe mit 
Lanolin oder Vaselin, gut passende, dehnbare und wolil im¬ 


prägnierte Gamaschen am vorteilhaftesten aus grober Wolle 
nergestellt. Die schädlichen Wirkungen des Schweisses sind 
sofort zu verhindern. Plattfüsse sind besonders stark zum 
Schwitzen geneigt, weshalb namentlich Juden in der Regel nicht 
zum Bergsteigen taugen. 

Schutz gegen die Sonnenstrahlen gewährt ein Einfetten 
des Gesichtes und sonstiger blosser Körperteile. Zweckmäßig 
setzt man dem Fett eine rote oder gelbe Farbe zu, damit die 
chemisch - wirkenden Strahlen besser von der Haut abgehaiten 
werden. Masken sind für empfindliche Leute vom Notzen. 
Schleier helfen und Brillen bilden ein unentbehrliches Requisit. 

Für die Kopfbedeckung wähle man eine hellgraue oder 
weisse Farbe, wobei die Krempe den Nacken und möglichst 
das Gesicht vor direkten Sonnenstrahlen schützen soll. Ven¬ 
tilationsöffnungen sind anzubringen; gegen Wasser sei der Hut 
undurchlässig. 

An Gepäck nehme man möglichst wenig mit und verstaue 
es in einem Rucksack mit recht breiten Riemen. 

Da die Damen sich mehr und mehr an Gebirgsfahrten be¬ 
teiligen, sei darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur das 
Korsett, sondern auch jede Einschnürung der Taille durcJi 
Bänder vom Uobel ist. Vor Allem treffe man auch Vorsorge, 
die Kleider bei starkem Wind genügend abschliessen zu können. 
Der Kock soll niclit über die Mitte des Unterschenkels reichen. 
Das Haar schütze man durch eine am Mantel sitzende gut 
schliessende Kaputze. _ (Schluss fogt.) 

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1906. 


BALNBOLOGISC5HB CENTRALZEITUNG 


91 


in ärztlicher Hinsicht dienen kann. Es ist im Grunde 
nommen schade darum, denn viele Menschen kennen kaum die 
Quellen und andern Heilmittel vieler internationaler Badeorte, 
sondern wissen nur, dass dort grosse Kennen etc. stattfinden, 
dass man dort vorzüglich verpflegt wird, dass man dort die 
Welt hndet, die sich amüsiert. Der Name des Siegers gebt 
allerdings in alle Welt hinaus und damit auch der Name des 
Ortes and dient so dem letzteren zur Reklame. Ein schönerer 
Ruhm für einen Kurort ist es aber meines Erachtens durch 
recht viel segensreiche Wirkung, nur durch diese, berühmt zu 
werden. Es ist ja menschlich, dass nicht nur die aus der 
Feme herbeigeeilten gesunden Sportsfreunde an den Auf¬ 
regungen, die ein grosses Sportsereignis immer mit sich bringt, 
teilnehmen, sondern auch die im Kurorte befindlichen Kranken. 
Das aber widerspricht ja völlig den Zwecken des Kurortes. 
Der Idealzustand wäre meines Erachtens; Verbannung aller 
überflüssigen, vor allem aller geräuschvollen und aufregenden 
Vergnügungen aus den Kurorten, dafür aber Einführung ärzt¬ 
lich geleiteter gymnastischer Spiele, Anlegung von Spiel- und 
Sportplätzen im oben geäusserten Sinne und Erbauung von 
Schwimmhallen mit Brausebädern. 

Wenn es mir im Vorstehenden gestattet war, in allge¬ 
meinen Zügen die Entwicklung des Sports von seinen wahr¬ 
scheinlichen Uranfängen bis auf die heutige Zeit darzu¬ 
stellen, so glaube ich auch hier wieder ohne Voreingenommen¬ 
heit auf die Antike zurückweisen zu dürfen. Mens sana in 
corpore sano wird nur durch eine harmonische Ausbildung von 
Körper and Geist erzielt, und wir Germanen würden das Lob 
der tiefgründigen Denker verlieren, wenn wir uns auf den ein¬ 
seitigen Sport beschränken wollten ; wir würden die Möglich¬ 
keit verlieren, unsere Jünglinge zu denkenden Männern und 
zu tüchtigen Kriegern auszubilden, wir würden die Möglichkeit 
verlieren, unsere Jungfrauen zu gesunden und kräftigen 
Müttern heranzuziehen, wenn wir einzig und allein nach dem 
Muster unseres Vetters jenseits des Kanals die rohen und 
brutalen Sportarten uns zu eigen machen wollten. 

Wie eine gewaltige Mahnung dringt an unser Ohr das 
Wort des Xenophanes aus Kolophon: 

.Eitelen Sinnes hat dies man festgesetzt: denn es ist unrecht, 
Höher als würdige Kunst schätzen des Leibes Gewalt. 

Nicht ja wenn kundig des Fäustegefechts bei den Völkern ein 

Mann wohnt, 

Oder des Fünfkampfes auch, oder im Ringen gewandt, 

Oder begabt mit der Füsso Geschwindigkeit, welches der Kräfte 
Zierde man nennt, so viel Männer entfalten im Kampf, 

Wird im gesetzlichen Segen darob mehr blühen die Gemeinde: 
Wenig Gewinn für die Stadt kann sich ergeben daraus, 

Wenn wettkämpfend ein Bürger gesiegt an den Ufern des Pisas, 
Denn dies füllet mit Gut nimmer die Speicher des Staats. 


Die Arminiusquelle in Lippspringe 
und die Lungentuberkulose. 

Stets von neuem lesen wir in den Tageszeitungen von den 
günstigen Wirkungen der Heilstättenbehandlung und von den 
vortrefflichen Ergebnissen, welche u. a. Landesversicherungs- 
anstalten, Vereine etc. mit dieser Behandlung erzielen. Diese 
ausgezeichneten Erfolge stehen unzweifelhaft fest und die Er¬ 
richtung der zahlreichen Lungenheilstätten ist nicht nur für 
den einzelnen Kranken und dessen Familie, sondern sie ist 
und bleibt für das gesamte deutsche Volk und für das Vater¬ 
land von hervorragender Bedeutung. Indessen sind es nicht 
ausschliesslich die Heilstätten, welche vorzüglich als Mittel zur 
Bekämpfung der Tuberkulose in Betracht kommen. Das 
„deutsche Zentral-Komitee zur Errichtung von Heilstätten“ 
hat in Anerkennung der Richtigkeit dieses Satzes seinen Namen 
geändert und sich den Namen: „Deutsches Zentral-Komitee 
zur Bekämpfung der Tuberkulose“ beigelegt. 

Bei der Bekämpfung der Tuberkulose spielen nämlich die 
Heilquellen und insbesondere die Arminiusquelle zu Lippspringe 


eine ganz erhebliche Rolle. Das vorgenannte Zentral-Komitee 
erwähnt in seinem Geschäftsbericht von 1903 Seite 75 den 
günstigen Einfluss der Kuren in Lippspringe, sowie den Um¬ 
stand, dass die Kosten für eine Lippspringer Kur wesentlich 
niedriger sind als für eine solche in geschlossenen Anstalten, 
weil <£e Lippspringer Kuren bei gleichen Erfolgen kürzere Zeit 
in Anspruch nehmen. „Nicht unerwähnt darf bleiben,“ — so 
heisst es weiter — „dass viele Kranke eine Kur in Lippspringe 
derjenigen in einer Heilstätte vorziehen, weil die erstere be¬ 
trächtlich kürzer ist und infolge des Unterbringens in Privat¬ 
quartieren mangels der ständigen Ueberwachung — die Kranken 
in Lippspringe eine grössere Bewegungsfreiheit haben.“ 

Der Barmer Verein für Gemeinwohl stellt folgendes be¬ 
achtenswerte Zeugnis aus: „Bei dem Vergleich der Kurerfolge 
von Lippspringe mit den anderen Kurorten bezw. Anstalten 
für Lungenkranke steht Lippspringe an erster Stelle“. 

Die bereits oben betonte Kürze der Lippspringer Kur 
wird noch besonders hervorgehoben durch die nachstehenden, 
ebenso unparteiischen wie bemerkenswerten Zeugnisse der 
Landesversicherungs-Anstalt Westfalen, welche in den letzten 
Jahren jährlich 600 Versicherten eine Kur in Lippspringe zu 
teil werden iiess. Diese Versicherungs-Anstalt sagt in ihrem 
Geschäftsbericht über das Jahr 1903: 

„Denn auch diesmal haben die im Bade Lippspringe unter¬ 
gebrachten Kranken wieder die gleichen Dauererfolge gezeigt, 
wie die in den Heilstätten behandelten, obschon die Kur in 
liippspringe durchschnittlich 46, in den Heilstätten dagegen 
etwa 80 Tage gedauert hat“ usw. 

Und in dem Geschäftsbericht über 1904 heisst es: 

„Sodann tritt besonders hervor der Unterschied der Kur¬ 
dauer in den Lungenheilstätten gegenüber jener im Bade Lipp¬ 
springe. In den Heilstätten haben die Kranken durchschnittlich 
73—9^0 Tage zu ihrer Wiederherstellung gebraucht, während 
die in Lippspringe in Privathäusern zur Kur untergebrachten 
Kranken dort durchschnittlich nur 44—46 Tag^e verblieben und 
zwar nicht mit schlechterem Erfolge, wie die Schlussergebnisse 
in der Anlage 24, namentlich jener unter c dartun. Es scheint 
fast, dass die günstigeren Kuren Lippspringes auf die grössere 
Bewegungsfreiheit der Pfleglinge, ihre abwechslungsreichere 
Beköstigung, die Erfahrungen der Lippspringer Quartiergeber 
in der Pflege von Lungenkranken und nicht zum mindesten 
auf den Aufenthalt der Kranken in Familien zurückzuführen 
seien usw.“ 

Durch diese maßgebenden, von durchaus unparteiischer 
Seite abgegebenen Urteile ist also festgestellt, dass die Kur in 
Bad Lippspringe in annähernd der Hälfte der Zeit denselben 
dauernden Heilerfolg bei Lungenkranken hat, wie die ca. drei 
Monate währende Heilstättenbehandlung. Da aber die Tages¬ 
kosten der Lippspringer Kur nicht höher sind als diejenigen 
der Heilstättenoehandlung, so folgt, dass die Lippspringer 
Kur bei gleichem Erfolg nur annähernd die Hälite 
der Kosten erfordert als die Behandlung in den 
Heilstätten, ganz abgesehen von den unschätzbaren Vor¬ 
teilen, welche die kürzere Kurdauer dadurch mit sich bringt, 
dass der Kranke entsprechend kürzere Zeit seiner Familie und 
seiner Beschäftigung entzogen wird. 

Entsprechend den Kurerfolgen ist die Zahl der Kurgäste 
der Arminiusquelle in Lippspringe von rund 2 700 im Jahre 
1895 und auf annähernd 6000 im Jahre 1905 gestiegen. Die 
Frequenz des Jahres 1906 ist der vorjährigen bereits wieder 
erheblich voraus. 

Hiernach bedarf es keiner weiteren Beweise, dass das Bad 
Lippspringe und seine Arminiusquelle einen ganz bedeutenden 
Fahtor bei der Bekämpfung der Lungentuberkulose bilden. 
Und wenn man ferner die schon so günstigen Erfolge der Heil¬ 
stättenbehandlung in Betracht zieht und hiermit die Lippspringer 
Erfolge vergleicht, wie sie die oben wiedergegebenen Stimmen 
— die übrigens noch ergänzt werden könnten — bekunden, 
so liegt es klar auf der Hand, dass nach jenen unparteiischen 
Zeugnissen diese Erfolge hervorragend sind und unerreicht 
dastehen. 


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92 


BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITüNG 


Nr. 23. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Bornburg. Ger Erweiterungsbau des Solbades ist jetzt mit 
Ausnahme des Obergeschosses vollendet, so dass nunmehr sämtliche 
Räume in Betrieb genommen sind. 

In St. Blasion wurde eine Gesellschaft gegründet zur Er¬ 
richtung und zum Betriebe eines Erholungsheims, in welchem 
minder- und unbemittelte Kranke jeden Standes und jeder Eon- 
iession, unter Ausschluss von Lungenkranken, Geistesgestörten und 
mit ansteckenden Krankheiten Behafteten gegen mäfiige, ihren 
Verhältnissen entsprechende Vergütung Aufnahme und Verpflegung 
Anden sollen. Die Erzielung eines Untemehmergewinnes ist grund¬ 
sätzlich ausgeschlossen, die Heilanstalt soll lediglich gemeinnützigen 
Zwecken dienen. Eine geeignete Stätte für die Anstalt hat sich 
bereits gefunden. Mit den Bauarbeiten wurde im April dieses 
Jahres begonnen, so dass im Frühjahr 1907 die Anstalt ihrem 
Zwecke zugefilhrt werden kann. 

Lünoburg. Der Minister hat das grosse Projekt einer Kur¬ 
anlage in Lüneburg nach den Beschlüssen der städtischen Kollegien 
genehmigt. Mit der Ausführung wird nun unverzüglich begonnen 
werden. 

In Bad Nauheim ist das neue grosse Badehaus Nr. 8 Süd 
am 20. V. M. eröflhet worden. Der Bau ist eine Sehenswürdigkeit 
ersten Ranges. 

Pyrmont. Bei den Neubauten des Kurhauses wurde eine 
neue Quelle erschlossen, welche schwefelhaltiges Wasser führt, 

Reinerz. Seit Einführung der elektrischen recht splendiden 
Beleuchtung des Kurortes ist hier auch abends ein sehr reges 
Leben auf den hellen Promenaden und im Kurgarten. Da¬ 
mit ist den vielen Gästen, die Theater, Konzerte, Reunions und 
andere Künstlervorstellungen nicht besuchen wollen, eine will¬ 
kommene Gelegenheit geboten, die Abendstunden im Freien zuzu¬ 
bringen und die herrliche Luft zu geniessen, die ins Tal herabströmt. 

Salzbrunn i. Schl. Da mit Beginn der nächsten Saison der 
Kurort vom Kurhaus aus Anschluss an das Netz der elektrischen 
Strassenbahnen des Kreises Waldenburg erhält, werden Ausflüge 
von den Salzbrunner Kurgästen dann billig und bequem bis tief 
in das herrliche Waldenburger Gebirge hinein ausgedehnt werden 
können, denn die elektrische Bahn führt bis Dittersbach-Neuhaus, 
also bis hoch in die Berge hinein. 


Salzungon. Am 8. v. Mts. wurde die neuerbaute Trinkhalle 
mit der dorthin geleiteten Bemhardsquelle feierlich eröffnet. Das 
Wasser des Beinhardsbrunnens, welches jahrzehntelang unbeachtet 
geblieben war, zeigt in seiner Zusammensetzung grosse Aehnlich- 
keit mit den Quellen von Kissingen, Kreuznach, Homburg usw., 
so dass nunmehr die Bade- und Inhalationskuren durch eine Trink- 
knr wirksamer gestaltet werden können. Die Trinkhalle gibt dem 
geräumigen Konzertplatz zwischen den Gradierhäusem nach Süden 
zu einen hübschen Abschluss und trägt in ihren architektonisch 
wirksamen Formen wesentlich zur Verschönerung der ganzen Um¬ 
gebung bei. 

Wlldungon. Die von dem Vorstand einer gemeinnützigen 
Stiftung hier begründete und geleitete „Deutsche Volksheüstätte 
für Blasen- und Nierenleidende** hat während der kurzen Zeit, in 
welcher sie unter diesem Namen in dem am 13. September 1903 
eröffheten neuen Knrkrankenhause Heleuenheim besteht, aus allen 
deutschen Gauen so viel Zuspruch gehabt, dass die Räume nicht 
mehr ausreichen. Wenn auch die weiblichen Patienten und die 
bettlägerigen oder operationsbedUrftigen Männer dieser für Kassen¬ 
patienten und Minderbemittelte bestimmten Abteilung noch ferner¬ 
hin darin Platz finden können, so ist doch die Errichtung eines 
eigenen neuen Gebäudes für die zwar nicht bettlägerigen, aber für 
schwere Leiden Heilung suchenden Männer dringend erforderlich. 
Der Vorstand stellt zu diesem Zweck ein Grundstück frei zur Ver¬ 
fügung and hat ausserdem ans Anlass der silbemen Hochzeit des 
Kaiserpaares bereits 6000 Mark bar gesanunelt. 


Vereine und Kongresse. 

Der Verein der Badefachmänner hat seine diesjährige Jahres¬ 
versammlung am ö. and 6. Augnst in Bemburg abgehalten. 

Der Deutsche Verein für ölTentliche Geeundheitepflege 

wird seine Jahresversammlung vom 12. bis 16. September in Augs¬ 
burg abhalten. Folgende Verhandlungsgegenstände sind u. a. in 
Aussicht genommen: Walderholungsstätten und Genesungsheime; 
die Bekämpfung des Staubes im Hause und auf der Strasse. 

Der XIV. Internationale Kongreee für Hygiene und Demo¬ 
graphie findet vom 23. bis 29. September 1907 in Berlin statt. 
Die Geschäfte des Kongresses führt der Generalsekretär Oberstabs¬ 
arzt a. D. Dr. Nietner. Die Geschäftsstelle befindet sich Berlin 
W. 9, Eiohhomstr. 9. 


Meteorologische Statistik. 


Veraastaltet vom der Redaktioe der Bataeolegleohea Zeatralzelting.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

miTiiTmiTn 

Mittleres 

Temperatur- 

mazimum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen* 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazi a. 

_ 

_ 

_ 

_ 




_ 



Davos. 

8.-14./8. 

5,7 C. 

18,2 0. 

633,6 

2 

5 

3 

— 



Driburg. 

6.—12./8. 

10,2 C. 

18,7 0. 

— 

3 

3 

2 

1 



Ems. 

12.—18./8. 

13,1 C. 

22,3 C. 

753,1 

3 

7 





Giesshübl-Sauerbrunu . . 


10,5 C. 

21,4 C. 

— 

3 

2 

2 

4 



Franzensbad. 


— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 



Herrenalb. 

12.—18./8. 

13 0. 

21,6 C. 

724 

4 

4V4 

2Vi 

3—4 



Kreuznach. 

_ 

— C. 

— C. 

— 

— 

— 

— 

— 



Langeuscbwalbach , , . 

12.—18./8. 

9,5 C. 

21,4 C. 

734,9 

5 

7 

6 

2 



Lippspringe. 


12 C. 


750 

1 

3 

3 

2 


Frequenz öö 2 Ö. 

Nemidorf. 


17,5 C. 



4 

7 

4 

— 



Norderney. 


14,2 0. 



2 

5 

6 

3 

3 


Orb. 

12.—18./8. 

14 C. 

21,9 C. 

749,7 

l 

6 

1 

— 

— 

Frequenz 3940. 

Reichenhall . . . . • . 

5.—11./8. 

10,7 C. 

22,5 C. 

720,7 

2 

7 

5 

— 

4 

Am 9. 8. 3 Ge- 

Salzbrnnn. 

_ 


— 

_ 

_ 

_ 

— 

_ 

_ 

Witter. 

Stoben. 

_ 

1 — 

— C. 

— 

— 

_ 

— 

— 

— 


Triherg ....... 

5.—11./8. 

l' 0 ,l c. 

19,7 C. 

— 

3 

4 

1 

— 

3 












—- 


Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meitsncr. Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von Heyneuiaiin’Kbe Buchdruckerei, Gebr. Welff, Halle e. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 24, 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Org^an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee, 


Verbandsredakteur des >AIIg. D. B.-V.*: 
Dr. Slebelt, FHnsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marbold in Halle a. S.» Ublandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaaie. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. med. et poiit Stebr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stebr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der NacMmck ans dieser Zeltscbrift Ist nnr mit Qaellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt 


Beitrag 2 ar Frage kurgomasser Diät in Badeorten. Von Dr. Gurt 
Pariser>Hombnrg v. d. U. 

Fenllleton : Höhenklima und Bergwanderungen. Von Dr. E. Roth. 
(Schluss.) 

Monismus des Geistes. Von Dr. Paul Franze (Bad Nauheim. 

Ans den Bädern and Kurorten. 

Recbtsprechnng;« 

Meteorolo^sohe Statistik. 

Beitrag 

zur Frage kurgemasser Diät in Badeorten] 

(Homburger Diäten). 

Von Dr. Curt Pariser-Homburg v. d. H. 

Im Aufträge der Homburger Medicinischen Gesellschaft refe¬ 
rierte in Dresden Verfasser über die Art, wie die Frage kurge¬ 
mäßer Diät in Homburg geregelt sei, ein Modus, auf den schon 
Ewald 1905 auf dem balneologischen Kongress hingewiesen 
hat. Die Materie der kurgemiulen Diät sei von Alters her 
eine brennende und eine schwierige. Die Schwierigkeit ist 
eine doppelte, eine theoretische und eine praktische. Bis in 
eine noch recht nahe Vergangenheit stand der Brunnen im 
Mittelpunkt der bezüglichen Betrachtungen. Die kurgemäße 
Diät wurde bestimmt von den grossenteils hypothetischen An- 
schaviungen über die Unzuträglicbkeiten ganzer Nahrungs¬ 
mittelgruppen wie einzelner Gerichte oder Zutaten im Ver¬ 
hältnis zum Brunnen. Daraus resultierte Einseitigkeit und ! 
Enge sowie ausserordentliche Unzweckmäßigkeit, mt diesem, 
in der Praxis schon vielfach durchbrochenen Standpunkt, der 
aber bisher noch nicht für einen ganzen Badeort eine einheit¬ 
liche anderweitige Regelung erfahren hat, ist in Homburg ge¬ 
brochen. Auch wir sind der Überzeugung, dass die systema- 

tische Zuführung der Mineralquellen eine Trinkkur, keine 
indifferente Maßnahme sei und daß die Diät eine leichte, nicht 
stark gewürzte, nicht überladen de sein müsse. Aber wir sind 
nicht minder der Meinung, dass ein Brunnen an sich nicht 
den Ausschluss ganzer N^rungsmittel^uppen für die Dauer 
der Kurzeit rechtfertige, sondern das Verbieten und Erlauben 
sich einzig nach den wissenschaftlichen diätetischen Grund¬ 
sätzen regulieren müsse, welche für die einzelnen Krankheiten 
Geltung haben. Das moderne Problem kurgemäßer Diät ist 
damit klar geworden, zugleich hat sich anscheinend die prak¬ 
tische Schwierigkeit vergrössert. Diese letztere liegt bei den 
Besitzern der Hotels und Logierhäuser und soll, wie man 
meist ausgesprochen hört, aus Mangel an gutem Willen und 
an genügendem Verständnis resultieren. Der zweite Faktor 
ist der schwererwiegende, aber es hätten den Gastwirten etc. 
auch die genügenden Normen für die Möglichkeit zweckmäßigen 
Schaffens allerorten gefehlt. Diese Normen müssen so be¬ 
schaffen sein, dass sie dem einzelupn Arzte zwar nach Ma߬ 
gabe seiner persönlichen Meinung und nach den individuellen 
Verhältnissen des Einzelfalles bequem Modifikationen gestatten 
und dass zugleich alle Aerzte sich darauf verpflichten können, 
weil sie nur Anerkanntes und dieses erschöpfend enthalten. 
Solche Grundrisse müssten ferner kurz und einfach sein, damit 
sie auch der Laie leicht verstünde und der Hotelier leicht 
durchführen könne. Sie müssten ferner vor allem andererseits 
vielgestaltig sein und die verschiedenen Krankheiten berück- 

Feuilleton. 

Höllenklima und Bergwanderungen. 

Von Dr. E. Roth. 

(Schluss.) 

Sauerstoffmangel macht sich bei vielen gesunden Menschen 
in mittleren Höhen des Hochgebirges deutlich bemerkbar, sodass 
er bei Blutarmen, bei Störungen des Kreislaufs und der At¬ 
mung besonders früh auftritt. Durch die Auregung der Atmung, 
welche die in einzelnen, besonders schlecht mit Kut versorgten 
Partien des Körpers gebildeten Spaltungsprodukte bewirken, 
wird der übrige Organismus vor Sauerstoffmangel geschützt. 
Erst in Höhen von 4000 m treten bei der Mehrzahl der 
Menschen grössere Störungen auf, während einzelne bevorzugte 
Naturen 6000 m und mehr Höhe er- und vertragen. 

Das führt nun zur sogenannten Bergkrankheit. Das 
charakteristische und eindeutige Bild dieser Affektion enthüllt 
sich uns erst unter Umständen, wo keine körperliche Arbeit 
geleistet wird. Jedenfalls ist die Ursache im Sauerstoffmangel 
zu suchen. Wer bis zur Erschöpfung Velo fährt, wettrudert 
oder wettläuft, wird genau dieselben Symptome der sogenannten 
Bergkrankheit zeigen, selbst, wenn auf Meilen kein Berg in 
der Nähe ist. Wir müssen also zur Verhütung des Eintrittes 

der Bergkrankheit in jeder Hinsicht dahin streben, dass die 
Sauerstoffversorgung unserer Organe so gut wie möglich ge¬ 
staltet werde. Darum suche man beim Aufstieg, wenn möglich, 
pralle Sonne und schwüles Wetter zu vermeiden; bei Körper¬ 
ruhe muss man die andringende Kälte fernbalten. Das sicherste 
Vorbeugungsmittel, den Sauerstoff, wird man auch bei Berg¬ 
bahnen in genügender Weise mit sich führen können, wie es 
ja auch jeder Luftschiffer zu tun gezwungen ist. Schliesslich 
pflegt ein sofortiger Abstieg in tiefere Regionen sofort zu helfen, 
ihm kann nach einiger Zeit ja dann der Versuch eines er¬ 
neuten Aufstieges folgen. 

Heilwirkungen und Gefahren des Höhenklimas haben selbst 
für die weitesten Kreise allgemeines Interesse. Kurz zusammen¬ 
gefasst, müssen wir sagen: Das Höhenklima regt die lebens¬ 
wichtigsten Organsysteme unseres Körpers zu erhöhter Tätig¬ 
keit an, es veranlasst sie zu energischerer Arbeit. 

Zu empfehlen ist daher der Aufenthalt im Hochgebirge 
bei Lungenschwindsucht, Skrophulose, Blutarmut, en^ischer 
Krankheit, allgemeiner körperlichen Schwäche, bei chronischen 
Katarrhen des Magendarm-Kanales, bei Blutstockungen in den 
Bauchorganen, bei Wechselfieber. 

Dagegen sucht man Kranke mit akuten Katarrhen der 
Respirationsorgane, mit Lungen- und Brustfellentzündungen, 
mit Gelenkrheumatismus oder Affektionen des Herzens vom 
Hochgebirge fern zu halten. 

Das Höhenklima eignet sich vorzüglich als Abhärtungs¬ 
mittel bei verweichlichten Naturen, nur sende man keine Per- 


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BALNEOLOGISCHE CENTRALZBITUNG 


Nr. 24. 


sichtigen, zu deren Heilung oder Linderung sie mit beitragen | 
sollen. Die Aerzte Homburgs entwarfen eine Reihe von 
Schemata, welche die in Homburg vorwiegend zur Behand¬ 
lung kommenden Leiden berücksichtigen und bezüglich deren 
Inhalt eine Einigung und Einigkeit leicht erzielt wurde. Die 
Affektionen sind: Der chronische Magenkatarrh ohne oder mit 
muskulärer Schwäche des Organes, nervöse Magenleiden, 
chronische Darmkatarrhe mit Diarrhöen, chronische Obstipa¬ 
tionen, Diabetes, Herzkrankheiten, Gicht, Nephritis, Neurasthenie. 
Jedes Diätschema trägt als Ueberschrift die Bezeichnung Hom- 
burger Diäten, redigiert von der Homburger Medicinischen Ge¬ 
sellschaft, um es als Darbietung der ärztlichen Allgemeinheit 
auszuweisen; dann folgt der Untertitel: Diät I, 11 etc. Ein 
breiter Rand mit der Ueberschrift: Besondere ärztliche Anord¬ 
nungen, lässt jedem Arzte die Möglichkeit zu Abänderungen. 
Die Schemata sind einzeln gedruckt ohne Diagnosenhinzu- 
fugung. Das geeignet erscheinende Schema wird jedem Pa¬ 
tienten bei der Gonsultation gegeben. Jedes Diät-Schema zer¬ 
fällt in 3 ganz kurz gefasste Teile: A. Leitende Gesichts¬ 
punkte. — Zusammenstellung der Prinzipien, nach denen die 
Diät konstruiert ist. B. Allgemeine Vorbemerkungen. — Kurz¬ 
gefasste Mitteilungen über allgemeine Zubereitungsarten etc. 
C. Spezielle Bemerkungen. — Gruppenweise Erörterung der 
einzelnen Nahrungsmittel nach der Frage des Erlaubens' und 
Verbietens. Das Ganze ist sehr kurz, übersichtlich und doch 
erschöpfend. Die Homburger Diäten enthalten 4 Schemata, 
die völlig ausreichen. Diät I ist die Grundform einer ganz 
blanden Diät. Daher in erster Reihe die Diät des chronischen 
oder subchronischen Magenkatarrhes. Ebenso aber geeignet 
für Magenreizerscheinungen und Uebersäurebildung. Auch hier 
wird die Fernhaltung von Reizen jeglicher Form für geboten 
erachtet, da die Störung eben dann begründet ist, dass auf 
schon kleine Reize unverhältnismäßige starke secretorische 
Antworten erfolgen. 

Die Diät I hat drei Unterformen. Diüt I a ist die Diät I 
unter Berücksichtigung motorischer Schwäche des Magens, 
Diät Ib ist Diät I mit Modificationen, geeignet für Neurasthe¬ 
niker, nervöse Dispeptiker, Herzleidende, Giclitiker. Diät Ic 
ist Diät 1, moditiciert in Rücksicht auf Nephritiden. Diät II 
ist die Diät für chronischen Magenkatarrh mit anhaltenden 
Diarrhoen. Unter den leitenden Gesichtspunkten sei hervor¬ 
gehoben, dass bei diesen Zuständen in Homburg prinzipiell 
zunächst gemüsefreie Kost gegeben wird, Kartoffeln nur in 
Pureeform, Kompotts mit Ausnahme von Heidclbeerpuree ver¬ 


boten sind, Fische nur gesotten gegeben werden und bei 
Fleisch jede geräucherte Faser vermieden werden soll. Bei 
Besserungen oder leichteren Formen wird Gemüse- und Com- 
pottgenuss zunächst nur in Pureeform gestattet. 

Diät III ist die Diät der chronisch Obstipierten, schlacken¬ 
reich und mechanisch derber, versehen mit ununterbrochenen 
Hinweisen auf die mechanischen und die in der Nahrung zu- 
führbaren chemischen Anregungsmittel der Peristaltik. 

Diät IV ist die Diät der Diabetiker. Sie war naturgemäß 
die schworst zu rubrizierende, weil sie aus bekannten Gründen 
den meisten individuellen Schwankungen und besonderen ärzt¬ 
lichen Anordnungen unterworfen ist. Trotzdem ist es auch 
hier gelungen, eine überraschend klare üebersicht mit grösster 
Auswahl zu geben. Bezüglich der interessanten Details muss 
auf das Original verwiesen werden. 

Der nächste praktisch wichtige Schritt war der, diesen 
neuen Normen bequem den Weg in die Offices und Küchen 
der Hotels zu bahnen. Zu diesem Zweck worden 3 große 
Plakate gedruckt, welche aufgezogen in die Küchen gehängt 
werden und welche in grosser Schrift, vom Herde aus lesbar, 
den Extrakt der Diätformen I—III enthalten. Das Empfohlene 
ist schwarz gedruckt, das Verbotene rot; Hinweise auf beson¬ 
dere Zubereitungsart erfolgen in fetter, schräger Schrift Für 
Diät IV (Diabetes) wurde in Uebereinstimmung von Aerzten 
und Gastronomen keine besondere Küchentafel entworfen. Im 
übrigen ist für die Diabetiker wie auch für alle anderen diät- 
bedürftigen Kurgäste noch in weiterer detailliertester Weise 
durch das Zusammenarbeiten der Aerzte und Gastronomen 
gesorgt und zwar folgendermaßen. Man sah ein, dass die 
neuen Vorschriften nun auch noch an denjenigen wichtigen 
Stellen zu leichter und umfassender Verwertung kommen 
mussten, an welchen der tägliche praktische Austausch von 
spezieller Nachfrage der Gäste und Angebot seitens der Speise¬ 
wirte vor sich geht, in den Speisesälen der Hotels und Logier¬ 
häuser. Dafür wurde eine Karte kurgemäßer Speisen in 
deutscher und französischer Sprache in einer Auswahl von 
über 220 Einzelgerichten geschaffen. Auch diese Karte trägt 
wie die Diäten den Titel: redigiert von der Homburger Medi¬ 
cinischen Gesellschaft. Auf dem Titelblatt stehen die ein¬ 
fachen und kurzen Vorbemerkungen zum Gebrauch der Speise¬ 
karten, die sich untrennbar an die Diätschemata anlermen. 
Auf der ersten Innenseite sind die generellen Bestimmungen 
der einzelnen Diätfonnen bezüglich Art und Quantum der Ge¬ 
tränke in übersichtlichem Wiederabdruck zusammengestellt. 


sonen mit Erkrankungen der Blutgefässe dorthin; auch Gich- 
tiker und Nierenkranke sollen im allgemeinen die Hohen meiden, 
wie auch ältere Leute überhaupt vorsichtig sein müssen, da 
ihre Blutgefässe eben starrer und zerreissbarer als bei der 
Jugend sind. 

Nun noch einige Worte über die Ernährung des Berg¬ 
steigers. Dabei wollen wir daran erinnern, dass kleinere Indi¬ 
viduen pro Kilogramm Körpergewicht einen grösseren Ver¬ 
brauch haben, als grössere, und dass sich dieser annähernd der 
Körperoberfläche, nicht dem Gewicht nach, proportional ge¬ 
staltet. Beim Bergaufgehen aber ist der Verbrauch dem Ge¬ 
wicht proportional. Für einen 70 kg wiegenden Menschen 
kommen unsere Gewährsmänner bei müßiger körperlicher Tätig¬ 
keit im Gebirge zu einem Bedarf von 3500 WE pro Tag. 

Was die Zusammensetzung der Nahrung anlangt, so wird 
namentlich Fett zura Essen empfohlen; Speck und Schmalz sei 
die hauptsächlichste Nahrung. Fettmengon riefen bei den 
Mitgliedern der Expedition niemals Beschwerden hervor und 
keiner hatte die Empfindung, es würde ihm irgendwie Schwierig¬ 
keiten machen noch mehr davon zu geniessen. Leider wird 
bei grossen Höhen die Verdauung vielfach geschädigt und ver¬ 
liert dann die Fähigkeit Fett zu verarbeiten. 

Dabei liüte man sich aber vor jeder stärkeren Belastung 
des Magens. Kleine Mengen Nahrung öfter genossen, erfüllen 
denselben Zweck mid setzen nicht die Leistnngsfähigkoit herab. 

Als Anregungsmittel sind Kaffee und Thee zu empfohlen; 
hro Wirkung findet sich noch vereinfacht in den Kolapräparaten. 


Alkohol stellt keineswegs ein so unbedingt verwerfliches Mittel 
dar, wie seine eingeschworenen Gegner behaupten. Aber jedes 
Uebermaß erzeugt in ganz kurzer Zeit ErschlaÄung; reichliches 
Kneipen am Vorabend vor alpiner Leistung ist direkt zu ver¬ 
werfen und schädlich. Nicht zu verwerfen ist aber eine kleine 
Menge Wein oder Kognac gegen Ende grösserer Märsche, wenn 
OS gilt, die erlöschende Kraft für eine letzte Anstrengung an- 
zufachen. 

Vor dem Gebrauch von Arsen ist energisch abzuraten. 
Was das mehrfach empfohlene Antitoxin leistet, weiss man 
noch nicht recht. 

Jedenfalls bevorzugt man in den Hochregionen schärfer 
gewürzte Speisen. Nur wer schon längere Zeit an grössere 
Höhen gewöhnt ist, dürfte imstande sein, ohne Appetitreize dort 
so viel Nahrung aufzunehmen, wie es dem Körperbedarf ent¬ 
spricht. 

Gegen den Durst gibt es überall Schnee und Eis, wobei 
der Geschmack des geschmolzenen Schnees mit einer Prise 
Kochsalz leicht zu verbessern ist. Vor Allem schalte man die 
Mundatmung aus und vermeide dadurch die quälende Aus¬ 
trocknung. 

So weit das Skelett des Buches, das auch weitere Fragen 
aufwirft. So wäre beispielsweise zu erforschen, ob die An¬ 
passung an die Höhe zu Rassenmerkmalen führt. Von einzelnen 
Höhenmerkmalen, wie der gewölbten und dabei beweglichen 
Gestalt dos Brustkastens, ist das wahrscheinlich. Aber es wäre 
für alle Organe zu erforschen, es erschiene das als eine lohnende 


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1906. 


BALNBOLOGISCHB CENTRALZBITUNG 


95 


Die Karte ist eine T^eskatie, d. h. der Hotelier etc. nimmt 
an jedem Tage neue Exemplare. Er füllt aus der Menge der 
Möglichkeiten diejenigen Gerichte durch PreishinzufUgung aus, 
die an dem jeweiligen Tage bei ihm vorhanden sein werden. 
Der Kur- und Verkehr-Verein liefert den Speisewirten die er¬ 
forderlichen Exemplare zu dem sehr niedrigen Selbstkosten¬ 
preis. ^ In den H^den der Homburger Aerzte befinden sich 
Verzeichnisse, die dem Inhalt dieser Karten genau entsprechen. 
Die Aerzte sind dadurch in der L^e, die Klienten zugleich 
mit den Diätschemata über den &,hmen derselben änaus 
detailliert zu informieren, ohne dass indess die Schemata selbst 
an ihrer prinzipiellen Bedentung etwas einbüssen. Der orga¬ 
nische Zusammenhang, in dem die Karte mit den Diätschematen 
steht, ermöglichte es allein, der Speisekarte eine einfache und 
doch universelle Form zu geben: Neben jedem einzelnen Ge¬ 
richt sind in römischen Zahlen diejenigen Diätformen ange¬ 
geben, für welche es gestattet oder empfohlen ist; die aus¬ 
fallende Diätform ist durch einen Strich markiert. Auf diese 
Weise steht in sämtlichen Positionen der Karte dieselbe Diät¬ 
nummer stets in einer und derselben Columne und ermöglicht 
dem Kurgast eine augenblickliche und irrtumslose Mögli^ikeit 
der Orientierung. Z. B.: 

Kraftbrühe I — Ib — E III IV 

Kraftbrühe mit Reis I — Ib — EIE — 

Kraftbrühe mit Eierstich I — Ib — E EI IV 

Kraftbrühe mit Gemüseeinlagen--EI IV. 

Für die Diabetiker, Diät IV, sei aus den Vorbemerkungen 
der Speisekarten folgende zweckmäßige Maßregel hervorge¬ 
hoben: Verehrliche Kuigäste, welche nach Diät IV zu speisen 
wünschen, werden gebeten, bei Bestellung freundlichst hinzu- 
zufügen: „Für Diät IV“, damit bei der Bereitung jeder Mehl¬ 
oder Zuckerzusatz für dias Gericht oder die Saucen etc. ver¬ 
mieden werde. 

Für Diät IV können auch Süssspeisen, Kompotts etc. kur- 
^mäß mehl- und zuckerfrei (Saccharin- oder Cristallose- resp. 
Laevulose-Süssung) hergestellt werden bei rechtzeitiger Vor¬ 
ausbestellung. 

Der Hinweis auf dieses besondere Erfordernis rechtzei¬ 
tiger ,Bestellung wird jedesmal durch ein Ausrufungszeichen 
wiederholt, z. B. IV!. 

Zum Schluss sei noch bemerkt, dass der Kur-Verein den 
Aerzten besondere Mappen mit praktischen Fachabteilungen 
gewidmet hat, um den Kollegen in den Sprechstunden die 


üebersicht über die einzelnen Diätenschemata und das Ver¬ 
zeichnis kurgemäßer Speisen zu erleichtern. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Alexandersbsd im bayerischen Fichtelgebirge. Das alte 
Badehaus wurde vor zwei Jahren umgebaut, mit zwei neuen 
Flügeln versehen und bekam vollständig neue Einrichtung für 
die natürlichen kohlensauren Stahlbäder, für die Moor- und Fich- 
tennadelbäder, denen ein römisch-irisches Bad sowie zwei Kabi¬ 
nette für Inhalation von Fichtennadeldämpfen angereiht wurden. 
Im vorigen Jahre wurden die iieideu vorhandenen Stahlquellen 
durch Erbohrung einer dritten vermehrt, die ebenfalls zu Trink- 
und Badezwecken benutzt wird. An das Mineralbad schliesst sich 
die gut renommierte Wasserheilanstalt an. 

In Franzensbad bildet seit einer Reihe von Jahren das 
Kinderfest den Glanzpunkt der Saison, heuer aber hat das Fest 
alle früheren in jeder Beziehung weit übertrofFen. Die Zahl der 
Fremden aus den benachbarten Gebieten wurde auf 12000 bis 
15000 geschätzt. Um 3 Uhr nahm das Fest im Kurpark seinen 
Anfang. Daselbst konzertierten ausser der Kurkapelle noch zwei 
andere Kapellen. Auf einer Naturbühne brachten die Mitglieder 
des Stadttheaters die Gesangsburleske „Schlimme Buben“ unter 
grossem Beifall zur Darstellung. Um halb 6 Uhr abends bewegte 
sich der schier endlose Kinderfestzug durch die Strassen; an dem¬ 
selben nahmen 2600 zumeist kostümierte Kinder teil. Mehrere 
künstlerisch arrangierte Festwagen und 40 reizende Gruppen aus 
der Märchen- und Sagenwelt und dem Volksleben wurden von 
dem zu Tausenden Spalier bildenden Pnhliktmi bejubelt. Bei der 
Franzensquelle war eine 1000 Personen fassende Tribüne errichtet, 
die vornehmlich von Kurgästen dicht besetzt war, die ebenfalls 
zahlreiche Kinder an dem Festzuge teilnehmen Hessen. Das 
glanzvoll verlaufene Fe>t wurde abends mit einer brillanten Illu¬ 
mination des Kurparks beschlossen. 

Aus GastBin wird berichtet: Der vom Pastor BodeJschwingh 
begründete Verein „Kaiser Wilhelm-Stiftung“ hat das bekannte 
Ga.sthau8 ,,Die schwarze Liesl“, in dem Kaiser Wilhelm, Bismarck 
und Moltke häufig Kegel spielten, erworben, um invaliden deutschen 
Soldaten eine Kur in Gastein zu ermöglichen. 

Madoirft' Die Sauatoriengesellschaft auf Madeira überträgt, 
wie aus Lissabon gemeldet wird, alle ihre Rechte gegen 500 000 
Pfd. St. einer deutsch-englischen Gesellschaft, die einen Kontrakt 


Aufgabe, wie denn die ganze anthropologische Seite des Prob- 
ieme bisher überhaupt noch kaum in Angriff genommen ist. 
Dann kann die biologische Forschung in der Höhe beitragen 
zur Lösung der grossen Probleme der Umwandlung der Form 
der Lebewesen und damit der Artbildung. Und angesichts 
dieser bedeutungsvollen Aufgabe erscheint die von Mosso 
inaugurierte Gründung eines internationalen, allen Zweigen der 
Naturbeobachtung gewidmeten Höhenlaboratoriums auf dem 
Col d’Olen als em überaus glücklicher und vielversprechender 
Gedanke. 

Wir sind am Ende! Mögen diese Zeilen dazu beitragen, 
dass das Werk von möglichst vielen gewürdigt und gelesen 
werde. Möge der Alpensport in vernünftigem Sinne daraus 
weitere Anregung und Befruchtung finden. 

0 Atem der Berge, beglückender Hauch! 

Ihr blutigen Kosen am hangenden Strauch, 

Ihr Hütten mit bläulich gekräuselten Rauch. 

Monismus des Geistes. 

Von Dr. Paal C. Franze (Bad Nauheim). 

Die unter den Gebildeten heute am meisten verbreitete 
Weltanschauung dürfte wohl der materialistische Monismus 
sein; man versteht darunter die Deutung aller Erscheinungen, 
auch der geistigen und seelischen Vorgänge, aus materiellen 
Bedingungen. Vertreter der Naturwissenschaft, namentlich 


Hackel, haben bekanntlich zur Verbreitung dieser Auffassung 
viel beigetragen. 

Demgegenüber erscheint es mir als eine Pflicht, darauf 
hinzuweisen, daß die Anwendung wirklich logischen Denkens 
auf die neuesten und besten Errungenschaften der Physik das 
direkte metaphysische Gegenteil einer materialistischen Weltan¬ 
schauung zu Tage fördert, nämlich die Deutung alles Seins 
und Geschehens aus ihrem geistigen Inhalt allein. 

Das ist der Monismus des Geistes: er besagt also, dass 
die Körperwelt aus Geist hervorgegangen sei, dass demnach 
alles mechanistische Geschehen, wie es das Forschungsgebiet 
der Physik und Chemie ausmacht, und von dem auch der 
nicht-psychische Teil der Lebenserscheinungen keine Ausnahme 
bildet, durch einen geistigen Inhalt ausreichend erklärt werde. 
Diese Richtung heisst in der Philosophie auch Spiritualis¬ 
mus oder Idealismus. 

In der Physik gelangt neuerdings ein dynamistischer Mo¬ 
nismus immer mehr zur Herrschaft, der alle physikalischen 
Vorgänge als rein energetische erklären will. Seine Stütze 
findet er in der dynamistischen Elektronentheorie, einer exakt 
ausgearbeiteten Hypothese, der die Zukunft in der Physik zu 
gehören scheint. Wenn wir diese Hypothese in den Mittel¬ 
punkt der Beweisführung setzen, so lässt sich dartun, dass der 
Monismus des Geistes die Weltanschauung ist, die am ehesten 
als richtig bezeichnet werden muss. (Fortsetzung folgt.) 


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96 


BALNEOLOGISCHB CBNTRALZKITÜNG 


Nr. 24. 


mit der portugieeischen Regierung scbliesst. Die Annahme des 
Vertrages steht englischerseits noch aus. 

Nauheim. Vorträge und Demonstrationen aus dem Gebiete 
der physikalischen Diagnostik und Therapie (Röntgenverfahren, 
Orthodiagraphie des Herzens, Messung der Herzkraft etc.) fanden 
vom 16. bis 18. Juli in Dr. Hofmaons Kuranstalt zu Nauheim 
vor einem ärztlichen Auditorium statt, zu welchen die Nauheimer 
Badeärzte DDr. Franze, Gräupner, Hofmann und Pöhlmann einge- 
laden batten. Die Vorträge erfreuten sich eines guten Besuches 
und sollen demnächst ihre Fortsetzung finden. 

In Norderney wurde am 24. Juli am Herrenbadestrande die 
Zahl 1600 der in der Zeit von 5 Uhr morgens bis 2 Uhr nach¬ 
mittags Badenden überschritten, während am selbigen Tage auch 
am Damenstrande mehr als 1600 Bäder verabreicht wurden. Seit 
Bestehen des Bades ist dies die grösste je erreichte Zahl. — Die 
diesjährige Frequenz bis zum 1. August beträgt 18779 Personen 
gegen 1905; 17284 und 1904: 16631 Personen. 

Orb. Kaum sechs Jahre sind verflossen seit der Neugründung 
des Bades Orb. Während vor dem Jahre 1900 der Besuch des 
Bades sich aus den Nachbarstädten zusammensetzte, schicken jetzt 
alle Gressstädte Deutschlands B^nke nach hier. Der Andrang 
seit Ende Juni ist enorm und die Kurfrequenz würde hervorragend 
günstig sein, wenn noch eine grössere Anzahl von Hotels und 
Pensionen vorhanden wäre. Das Bad hat sich insbesondere als 
Zufluchtsort für Herzkranke in den letzten Jahren in Aerztekreisen 
soviel Freunde erworben, dass seine Zukunft als gesichert be¬ 
trachtet werden kann. 

Wildungon. Ein Bazar für den Erweiterungsbau der 
deutschen Volksbeilstätte für Blasen- und Nierenleidende hatte 
den schönen Ueberschuss von ca. 8000 Mark ergeben. Im nächsten 
Monat steht das Eintreffen des lOOOOsten Kurgastes bevor und 
werden zu dessen Ehrungen grosse Vorbereitungen getroffen. Der 
Senior der deutschen Antropologen Professor Ernst Haeckel aus 
Jena weilt zur Zeit hier als Kurgast. 


Rechtsprechung, 

Haftpflicht dar Badebesitzer. Die Stadtgemelndc Cham in 
Bayern hatte eine Badeanstalt dem Verkehr übergeben, in welcher 


der Zu^ng vom Doschebänschen zu dem Sohwimmbassinfloss durch 
meterlange Bretter hergestellt war. Der Boden des Duschebäuschens 
schloss dicht ab nnd liess das abfliessende Seifenwasser nicht 
durch. Letzteres floss stets den zum Bassin führenden Zugaogs- 
steg hinab, sodass dieser schliesslich glatt und schlüpfrig wurde. 
Obwohl der Bademeister wiederholt auf den gefahrvollen Zustand 
hingewiesen hatte, war doch nichts zu dessen Abänderung. ge¬ 
schehen. Eines Tages kam der Kaufmann T. auf diesem Stege 
zu Falle. Er zog sich einen Kniescheibenbrach zu, der nur 
mangelhaft verheilte, sodass eine Verminderung der Erwerbsfähig¬ 
keit von 35 pCt. bei ihm bestehen blieb. T. erhob Schadenersatz¬ 
klage gegen die Stadtgemeinde Cham unter Zugrundelegung von 
15 Mk. Tagesverdienst. Das Landgericht Nürnberg and das 
Oberlandesgericbt München erkannten seinen Anspruch flir gerechtr 
fertigt an und verurteilten die beklagte Stadtgemeinde zur Er¬ 
stattung der Heilungskosten, 1000 Mk. Schmerzensgeld und einer 
Jahresrente von 1575 Mk. Gegen das oberlandesgeriohtliche Ur¬ 
teil batte die Beklagte Revision eingelegt, aber erfolglos. Der 
III. Zivilsenat des Reichsgerichts bestätigte das Vorurteil unter 
Zurückweisung der Revision. 

Ein ähnlicher Fall. In dem Bade der Gemeinde Gross- 
zschocher-Windorf kam am 5. Juli 1903 der Arbeiter W. dadurch 
zu Schaden, dass er bei einem Hechtsprung in den Elsterfluss mit 
der Wirbelsäule auf einen unter dem Sprungbett schwimmenden 
Sperrbalken stiess. Dieser Balken war von zwei Schwimmenden 
am Ufer gelöst worden, welche ihn, auf ihm sitzend nnd rudernd, 
so unter Wasser hielten, dass man ihn nicht sehen konnte. An 
den Folgen des Unfalles verstarb W. im Oktober 1903. Die 
hinterbliebene Witwe klagte nun gegen die genannte Gemeinde 
für sich und ihre unmündigen Kinder auf Schadenersatz gemäss 
§ 840II und § 823 B. G. £. Während das Landgericht Leipzig 
auf Abweisung der Klage entschied, war das Oberlandesgericht 
Dresden anderer Meinung und verurteilte die Beklagte zur Zahlung. 
Gegen dieses Urteil hatte die Beklagte Revision eingelegt, die 
vom Reichsgericht aber zurückgewiesen wurde, indem es aasführte: 
Wer eine Badeanstalt einrichtet und dem öffentlichen Verkehr 
übergibt, muss dafür sorgen, dass die Einrichtungen derselben 
sicher sind. Es ist hier festgestellt, dass die Einrichtungen mangel¬ 
haft waren, sodass die Lösung des Balkens erfolgen konnte und 
insofern die Gefahr mit sich brachte. Infolgedessen hat auch die 
Beklagte dieses Verschulden zu vertreten. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Balneologlsohen Zentraizeltong.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

mitiimum 

Mittleres 

Temperatur- 

a 

p 

3 

3 

Durchschnitt- | 
lieber ! 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abb'izia. 

— 

— 

_ 


_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 



22.-28 /8. 

6,7 C. 

18,4 

C. 

637,5 

2 

6 

3 

— 

— 

Frequenz lö 2o3. 

Driburg. 

20.—26./8. 

11,3 C. 

21,3 

C. 

— 

3 

4 

1 

2 

1 


Ems. 

26./8.—1./9. 

10,9 U. 

21,3 

C. 

760,6 

3 

7 

— 

2,8 

— 

Am l.Septb. Krd* 

(Tios.'^hübl-Saiierbnirin . . 

19.- 25. 8. 

11,3 C. 

20,4 

C. 

— 

4 

1 

2 

5 

2 

8toß von 3. Sei“ 

UeiTPualh. 

26./8.-1./9. 

14 C. 

28 

C. 

730 

1 

öVi 

l»/4 

1—2 

— 

Dauer. 

Jsreitrnach. 

12.-18./8. 

11 C. 

18 

c. 

— 

1 

3 

5 

— 

1 


Lani:eii8c.hwalbucli . . . 

26./8.-1./9. 

5,1 C. 

22,7 

c. 

742,2 

2 

7 

3 

1,8 

— 


Lippspringe. 


8 C. 

20,5 

c. 

757 

— 

4 

3 

2 

— 

Freciuenz 6032. 

Nauheim. 

20.-26 /8. 

13,3 C. 

22,2 

c. 

751 

2 

5 

5 

3 

— 

Frequenz 24441. 

Nenuiiurf . 

26./8,-l./9. 

11 C. 

22 

c. 

762,5 

1 

7 

2 

— 

— 


NonliMvey. 


13,1 C. 

20,7 

c. 

766,7 

1 

6 

5 

2,6 

— 


Orb ........ 

18.-25./8. 

13,1 C. 

20,4 

c. 

752,7 

— 

7 

— 


— 

Frequenz 41i»- 

Roichenhull. 

26./8_l./9. 

9,8 C. 

22 

c. 

726 5 

4 

7 

1 

— 

— 


Reinerz. 

12.—18./8. 

10 C. 

20 

c. 

714 

2 


4 

2 

— 


Stellen. 

26.'8.-l./9. 

6,3 C. 

22 

c. 

— 

— 

6 

1 

3 

— 


Tril.org . 

19./8.-1./9. 

0,34 C. 

20,4 

c. 

— 

3 

11 

2 

— 

2 



Vprantwo«lich.*r Rrdaktenr: Dt. P Meis.n^r, l>rHn, — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S 
Druck von Heynemann'ache liuchdruckerei. C.ebr Wolfl, Halle a. > 


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J 





















Vn. Jahrgang. Nr. 25. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Org:an des A]lg:etneinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.*: 
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl. 

: Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 1 

Tel.-Adr.: Marhold Verlaa Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden. 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Die Mietordnnng; dos Thüringer Bttderrorbandcs. Vortrag aof der XIV. 
Jabrebversammlung des J. allgemeinen Deutschen BUderrerbandes 
zu Ems am 5. Oktober 1905. Von C. Kacmpf-Fricdricbroda. 
Fenilletou : Monismus dos Geistes. Von Dr. l’aul Franze (Bad Nau¬ 
heim) (Fortsetzung.) 


Die Mietordnimg des Thüringer Bäderverhandes. 

Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung dos 1. allgemeinen 
Deutschen Bäderverbandes zu Ems am 5. Oktober 1905. 

Von C. Kaempf-Friedrichroda. 

Es war schon seit vielen Jahren der Wunsch im Thür. 
Bäder-Verband, für sämtliche Thür. Kurorte eine einheitliche 
Mietordnung einzuführen und sind deshalb jahrelange Ver¬ 
handlungen gepflogen worden. 

Die immer grösser werdende P'reqnenz der einzelnen Kur¬ 
orte und die gesteigerten Ansprüche und Bedürfnisse der Kur¬ 
gäste machen es uns zur unerlässlichen Pflicht, eine möglichst 
einheitliche Mietordnung einzuführen, um den vielen Miet- 
differenzen, die nun einmal nicht ausbleiben, vorzubeugen. 

Es wird zwar die allerschönste Mietordnung wohl kaum 
im Stande sein, alle entstehenden Mietdifl“erenzen ganz zu be¬ 
seitigen, immerhin würden letztere mit Einführung der Miet¬ 
ordnung ganz bedeutend vermindert, und ich habe es mit 
Freuden begrüsst, dass in der Jahre.sversammlung des Thür. 
Bäder-Verbandes, abgehalten am 29. September in Großtabarz, 
die Mietordnung einstimmig angenommen,wurde. 

Wir haben in Friedrichroda schon seit dem Jahre 1884 
eine behördlich genehmigte Mietordnung und haben damit auch 
recht befriedigende Erfolge erzielt. 

Im Jahre 1887 trat der Thüringer Bader-Verband der 
Mietordnungsfrage näher, um für Tliüringen einheitliche Be- 


Feuilleton. 


Monismus des Geistes. 

Von Dr. Paul C. Pranze (Bad Nauheim). 

(Fortsetzung.) 

Wir brauchen für den Beweis folgende Voraussetzungen: 

1. Eine monistische Weltanschauung an sich, 

2. die Unmöglichkeit, geistige Prozesse aus materiellen 
Bedingungen zu erklären, 

3. die dynamistische Elektronentheorie und 

4. das Vorhandensein der Analogie in dem Verhältnis von 
Geist und Energie zum Materiellen. 

Der Beweis liegt dann in dem Schluss per analogiam, 
der als eine der sichersten Grundlagen der Ueberführung dort 
gilt, wo die Analogie nachweisbar ist, und darin, dass gerade 
in der Natur Analogien allgemein herrschen. Zunächst haben 
wir die Aufgabe, unsere Voraussetzungen etwas näher zu prüfen: 

Die erste von ihnen will ich keiner eingehenden Unter¬ 
suchung unterziehen aus dem einfachen Grunde, dass sich 
exakte Beweise für und wider nicht beibringen lassen. Es 
bleibt gewissermaßen Glaubenssache, ob man die Welt moni- 


Ans den Bädern nnd Knrorten. 
liiteratnr. 

Yemchiedenes. 

Forsonalleu. 

Meteorologische Statistik. 


Stimmungen über die Mietverhältnisse aufzustellen, und es wurde 
derzeit eine Kommission gewählt, um eine Mietordnung aufzu¬ 
stellen, welche in allen Thüringer Kurorten einheitlich einge¬ 
führt worden sollte. Die Sitzungen dieser Kommission tagten 
damals in Friedrichroda, unter dem Vorsitz des Herrn Medicinal- 
rat Dr. Keil. 

Ueber die Arbeiten dieser Kommission wurde mehrere 
Jahre lang in den Generalversammlungen verhandelt, aber zu 
einer definitiven Einführung kam es nicht, und es baute sich 
so jeder Kurort seine eigene Mietordnung zusammen; obgleich 
alle diese Mietordnungen allerdings im grossen und ganzen 
der von der Kommission ausgearbeiteten Mietordnung nachge¬ 
bildet wurden, so glaubte doch jeder Kurort, dieselbe verbessern 
zu müssen und damit war das Schicksal einer einheitlichen 
Mietordnung besiegelt. 

Durch Einführung des B. G. B. glaubte mau nun auch die 
Mietordnung einer Reform unterziehen zu müssen, und es wurde 
deshalb schon im Jahre 1902 auf der Jahresversammlung des 
Thüringer Bäder-Verbandes in Friedrichroda von Herrn Ober- 
landgerichtsrat Dr. Stichling ein Vortrag über Mietordnung in 
Kurorten gehalten, und seit dieser Zeit erschien nun alljährlich 
die Besprechung der Mietordnung auf der Tagesordnung der 
Jahresversammlung des Thüringer Bäder-Verbandes, ohne zu 
einem befriedigenden Resultat zu führen. 

Ja, meine Herren, die Aufstellung einer einheitlichen Miet¬ 
ordnung unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse der 
einzelnen Kurorte ist auch gar nicht so leicht. 

Bei den gepflogenen Beratungen wurde von den Herren 

stisch oder dualistisch erklären will. Mir scheint der Dualis¬ 
mus an dem Problem der gegenseitigen Beziehungen zwischen 
materiellen und psychischen Vorgängen im Organismus zu 
scheitern, und der menschliche Erkenntnistrieb wird sich schwer¬ 
lich je mit einem Dualismus begnügen. 

Vom erkenntnistheoretischen Standpunkte ferner ist nichts 
gegen die hier vorgetragene Anschauung einzuwenden. 

Der Monismus, den wir also aprioristisch als gegeben 
setzen wollen, nimmt das Vorhandensein geistiger und physischer 
Prozesse an und sucht sie einheitlich zu erklären. 

Die zweite unserer Voraussetzungen, nämlich dass es un¬ 
möglich ist, geistige Prozesse aus materiellen Bedingungen ab¬ 
zuleiten, darf heute als Tatsache sclilechthin angesehen werden. 
Du Bois-Reymond war es, der zuerst in seiner berühmten 
Hede: „Ueber die Grenzen des Natnrerkennens“, gehalten 1872, 
auf der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher 
und Aerzte zu Leipzig, auf die Unbegreiflichkeit dieses Zu¬ 
sammenhanges hinwies. Er definiert Naturerkennen als das 
„Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf Be¬ 
wegungen von Atomen, die durch deren von der Zeit unab¬ 
hängige Zentralkräfte bewirkt werden, oder Auflösung der 
Naturvorgänge in Mechanik der Atome.“ Er legt also seinen 
Schlussfolgerungen die mechanistische Weltanschauung zu 
gründe, und zwar auch für die Erklärung des Lebens, und 
gelangt dabei an zwei unbedingte und ewige Grenzen des 


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98 


BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITÜNG 


Nr, 25. 


Juristen immer wieder auf das B. G. B. verwiesen, ich muss 
aber offen gestehen, ich finde in den einzelnen Para^aphen 
des B. G. B. eigentlich keinen, welcher klipp und klar die Miet- 
verhältnisse in Kurorten behandelt, dieselben weichen denn 
doch ganz bedeutend von den üblichen Jahresmieten und auch 
von den sonstigen sog. Gar^onmieten ab. — Der Kurgast, 
welcher auf kürzere oder längere Zeit, sei es zur Kur oder 
zur Erholung, mit oder ohne Familie einen Kurort aufsucht, 
stellt ganz andere Ansprüche an die Vermieter, als das in einer 
ständigen Wohnung der Fall ist, und es ist dieses auch gewisser¬ 
maßen berechtigt, kann doch der Kurgast alle die zu seiner 
Bequemlichkeit dienenden Sachen nicht immer mit sich führen, 
viele Gäste glauben auch durch Zahlung der Kurtaxe berechtigt 
zu sein, selbst den Vermietern gegenüber alle möglichen An¬ 
sprüche stellen zu können. 

Bei Aufstellung einer Mietordnung kommt es hauptsächlich 
darauf an, alle Sachen in der Mietordnung anzuführen, welche 
leicht zu Differenzen Anlass geben können. 

Im vergangenen Jahre wurde die Mietordnung auf der 
Jahresversammlung des Thüringer Bäder*Verbandes nochmals 
an eine Kommission, bestehend aus dem Vorstand, Herrn Ober- 
landgerichtsrat Dr. Stichling und meiner Wenigkeit, zurückver¬ 
wiesen, bei diesem Beschluss hatte wohl jeder das .Gefühl, als 
wolle man damit die ganze Angelegenheit auf anständige Art 
zu Grabe tragen, ich war deshalb nicht wenig überrascht, als 
ich kurz vor Abhaltung der Jahresversammlung des Thüringer 
Bäder-Verbandes durch den Vorstand, Herrn Landrat Dr. Ritz, 
die Aufforderung erhielt, gemäss des Beschlusses vom vorigen 
Jahre doch in Gemeinschaft mit Herrn Oberlandgericbtsrat Dr. 
Stichling die Mietordnung nochmals durchzuberaten. So habe 
ich nun auf Grund meiner langjährigen Erfahrungen die wesent¬ 
lichsten Funkte, welche immer wieder Grund zu Mietdifferenzen 
gaben, und unter möglichster Berücksichtigung der von den 
einzelnen Verwaltungen im vergangenen Jahr erhobenen Ein¬ 
wendungen den Entwurf vorbereitet und Herrn Oberlandge¬ 
richtsrat Dr. Stichling zur Prüfung eingesandt. 

ln einer gemeinschaftlichen Sitzung der Kommission, ver¬ 
treten durch Herrn Landrat Dr. Ritz, Herrn Oberlandgerichts¬ 
rat Dr. Stichli^ und mir, wurde nun die Mietordnung, nach¬ 
dem sie von Herrn Dr. Stichling nach der juristischen Seite 
hin bearbeitet war, nochmals einer genauen Prüfung unterzogen, 
und die Kommission war nun der Ansicht, dass die Mietordnung, 
wie dieselbe jetzt vorliegt, nach jeder Seite hin, sowohl nach 
der juristischen als auch nach der praktischen, als einwandfrei 
zu betrachten sei. Sollten in einzelnen Fällen von einigen 
Kurorten kleine Aenderungen, welche den lokalen Verhältnissen 
entsprechen, vorgenommen werden, so dürfte doch wohl kaum 


die ganze Mietordnung dadurch beeinflusst werden. Ueber die 
Mietordnung selbst will ich mich des weiteren nicht auslassen, 
da darüber die Jahre her genug gesprochen wurde, ich will 
mich darauf beschränken. Ihnen dieselbe im Wortlaut zur 
Kenntnis zu bringen (folgt die Mietordnung). 

Im Anschluss an Ziffer 17 finden Sie noch Bestimmungen 
über Entschädigungen bei Todesfällen. (Siehe Beilage II.) 

Wir waren der Ansicht, dass es nicht recht passend er¬ 
scheine, derartige Bestimmungen in der Mietordnung selbst 
aufzunehmen und würden wir den Verwaltungen empfehlen, 
diese Bestimmungen ebenfalls im allgemeinen anzunehmen und 
vorkommendenfafls in Berücksichtigung zu ziehen, gleichzeitig 
empfehle den Kurverwaltungen den beifolgenden Meldezettel 
(Anlage 3), derselbe müsste ^lerdings polizeilich vorgeschrieben 
werden, ganz besonders mache darauf aufmerksam, auf den 
Meldezetteln auf keinen Fall anzubringen „voraussichtliche“ 
Dauer der Mietzeit oder des Aufenthaltes, da dieses in den 
meisten Fällen Gelegenheit zn Differenzen gibt. 

Ich wurde durch Herrn Generalsekretär Dr. Schütze in 
Kösen veranlasst, die auf der Jahresversammlung des Thüringer 
Bäder-Verbandes in diesem Jahre angenommene Mietordnung 
auch hier zur Kenntnis zu bringen, vielleicht gibt das Veran¬ 
lassung, auch für weitere Verbände eine einheitliche Miet¬ 
ordnung aufzustellen. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Badsn bei Wien, Am 11. v. Mts. wurde das von der Oesterrei- 
chischen Gesellschaft vom Roten Kreuze in Weikersdorf bei Baden 
errichtete Militärkarhaus eröffnet. 

B&den-Badsn ist reich aa grossartig eingerichteten Sanatorien. 
Zu den bestehenden Anstalten dieser Art soll nun noch eine 
weitere mit eigenartiger Zweckbestimmung hinzukommen: ein 
Sanatorium fUr Tropen kr an ke. — Mit Abschluss der 
glänzend verlaufenen Rennwoche ist die Zahl der Besucher schon 
auf 60000 gestiegen. 

B6rcht68gaden. Im Frühjahr 1905 liess die Gtemeiade die 
im Wimbachtale am Fasse des Hochkalter gelegenen Quellen, den 
besten Born der ganzen Gegend, fassen and in einer interessanten 
Leitung mit kolossalem Hochdruck durch das Ramslaner Tal dem 
Markte zuführen. Die grossartige Schöpfung ist nun vollendet 
und wird dieser Tage der allgemeinen Benutzung übergeben 
werden. Das Wasser zeigt an den Verbranchsmündungen eine 


selbst möglichst vollkommen gedachten menschlichen Erkennt¬ 
nisvermögens : das eine Mal wird uns demnach immer der Zu¬ 
sammenhang von Kraft und Stoff und ihr eigentliches Wesen 
unbegreiflich sein, das andere Mal das Hervorgehen geistiger 
Prozesse aus materiellen Bedingungen. 

In der an diese Rede sich anschliessenden Kontroverse 
blieb Du Bois-Reymond Sieger, weil vom Standpunkte der 
rein mechanistischen Weltanschauung aus, von dem sowohl er 
wie auch seine Gegner ausgingen, die erste These auf Grund 
von blosser Reflexion unwiderlegbar war und die jetzt vor¬ 
handenen empirisch erworbenen Kenntnisse mit ihren theoreti¬ 
schen Konsequenzen damals fehlten, und weil der zweite Satz, die 
Unmöglichkeit der Erklärung des Psychischen aus mechanischen 
Bedingungen, tatsächlich richtig ist. Hieran ändert die Zu¬ 
grundelegung der dynamistischen Elektronentheorie, die wir 
gleich kennen lernen werden, nichts; denn sie ist auch eine 
mechanistische. 

Wir kommen hiermit zur Besprechung unserer dritten Vor¬ 
aussetzung, der dynarai.stischen Elektronentheorie. Ihr Inhalt 
ist kurz folgender: 

Früher nahm man an, dass die Stoffe, aus denen alle 
Kö^er zusammengesetzt sind, in letzter Instanz aus allor- 
kleinsten, durch kein Mittel weiter zerlegbaren Teilchen, den 
Atomen bestehen. Man unterschied so viele verschiedenen 
Arten von diesen letzteren, als es zusammengesetzte chemische 


Grundstoffe gibt (ca. 80), die Elemente heissen. Aus Atomen 
bauen sich uso die Elemente auf, und aus Verbindungen dieser 
untereinander bestehen alle Körper. Für diese Anschanong 
war das Atom das kleinste Substitut der Materie. 

Heute nun nehmen wir mit Sicherheit an, dass das Atom 
selbst noch weiter zerfallen kann. Es zeigt sich nämlich bei 
der Bildung der Kathodenstrablen ebenso wie bei der Selbst¬ 
strahlung der radioaktiven Substanzen, des Uraniums, Thoriums, 
Radiums, dass die Atome desaggregierenund sich in noch kleinere 
Teile auflösen: sie bestehen also aus solchen. Diese kleinsten 
Partikelchen nennt man Elektronen und unterscheidet deren 
positive und negative von primärer Existenz: gleichviele von 
beiden Arten setzten das Atom zusammen. 

Somit ist das Elektron der einheitliche und gemeinsame 
Urbaustein aller Atome und daher auch aller Elemente. Es 
gibt nur zwei Arten von Elektronen: positive und negative, 
und die Verschiedenheit der Atome beruht nur auf der ver¬ 
schiedenen Zahl, Gruppierung und intra-atomistischen Beweg* 
ungsart der sie konstitnierenden Elektronen. 

Was aber sind die Elektronen? 

Der Atomismus erblickt iu ihnen allerkleinste wirklich 
materielle Teilchen als Träger des kleinsten Elementarquan¬ 
tums der Elektrizität. Der Dynamismu s, dem die Mehrzahl 
der Physiker jetzt schon angohört, sieht in den Elektronen 


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1906 . 


BALNBOLOGISCHE CENTRALZBITUNG 


99 


Temperatur von 7*/2 bis 8® R. und ist von seltener Güte und 
Reinheit Auf diese Weise ist nun auch die Trinkwasserfrage 
Berchtesgades einer ausserordentlich günstigen Lösung zogeHihrt 
worden. 

Karisbftd hat eine ganz ausserordentlich bewegte Hochsaison. 
Bis zum 20. August zählte man Uber 53000 Kurgäste, gegen das 
Vorjahr ein Plus von mehr als 3000. 

Bad Nauhsim wurde Mitte d. Mts. von 41 Aerzten aus 
Frankreich, zum grössten Teil Professoren und Krankenhaus¬ 
direktoren, besucht. Nach einem offiziellen Empfang im Bahnhofe 
seitens der Kurverwaltung erfolgte eine Besichtigung der Bade¬ 
anlagen. Wissenschaftliche Vorträge hielten Professor Schott 
and Dr. H ä n e 1. Ein Festmahl vereinigte die Gäste und ihre 
dentschen Kollegen. 

Roinorz. An die Verwaltung ist dem Vernehmen nach die 
.\nfrage gekommen, ob Geneigtheit vorhanden sei, das ganze Bad 
einer Gesellschaft zu verkaufen. Die Stimmung dafür ist eine 
günstige, da man der Ansicht ist, dass es für das weitere Empor¬ 
blühen des altrenommierten Bades von höchster Bedeutung sei, 
mit grösseren Kapitalien und in schleunigerem Tempo zu arbeiten, 
als dies bei einer Kommunalverwaltung möglich. 

S&lzbninn. Nachdem die Badediroktion mit aller Energie in 
dieser Saison den Kampf gegen die Schleppe geführt hat, wurde 
durch sie öffentlich bekannt gemacht, dass vom nächsten Jahre ab 
das Tragen des Kaftans verboten ist. Bekanntlich wurde das 
Tragen des Kaftans auch in anderen schlesischen Bädern ver¬ 
löten. — Der Besuch von Bad Salzbrunn l)etrug Ende August 
14655 Personen, darunter 7981 Kurgäste. — Die Arbeiten der 
SalzbachüberbrUckong nehmen einen ra.schen Fortgang, sodass man 
hofft, vor Beginn der nächsten Saison den ganzen Bau, der einen 
Kostenaufwand von rund 100000 Mark verursacht, zu Ende 
fahren zu können, — Der über die Schweizerei Idahof nach den 
ausgedehnten Waldungen des Hochwalds angelegte Fussweg wird 
zu einem Fahrweg ausgebaut, ebenso werden noch zwei weitere 
Tennisplätze angelegt. 

ln Bad SälZBChlirf fand am 18. d. die Einweihung des 
neuen Bonifaziusbrunnens statt. 

In W&rn6lllünd6 ist die Errichtung eines besonderen Kur¬ 
hauses in Aussicht genommen. 

In WiSSbadBn wird das neue Kurhaus, falls nicht ganz be¬ 
sondere Zwischenfklle eintreten, bestimmt zu dem ursprünglich 
vorgesehenen Zeitpunkt, im Mai des kommenden Jahres, eröffnet 
werden können, nach einer Gesamtbauzeit von nicht ganz 2'/j Jahren. 

In Warmbrunn hat sich die Zahl der Kurgäste auf 2546 
Personen xmd die der Erholungsgäste und durchreisenden Fremden 


nur ränmlich begrenzte Energie, bezw. das Elementarquantum 
der Elektrizität. 

Nach, dieser dynamistischen Richtung gibt es überhaupt 
keine Materie im bisherigen Sinne, sondern die auf einen un¬ 
endlich kleinen Raumteil begrenzte Energie schafft das, was 
uns als Masse erscheint. Für diesen dynamistischen Monismus 
der Physik sprechen manche Tatsachen, so z. B., dass man 
durch Berechnung aus den Ablenkungsbahnen der Elektronen 
fand, dass ihre Masse gleich Null sein kann. Diese Theorie 
ist zugleich auch eine kinetische, daher mechanistische. „Nicht 
nur alle Körper^, sagt Toramasina, „sondein auch alle physi¬ 
kalischen Kräfte bestehen nur aus Bewegungsformen“ (Tom- 
masina; Ueber die kinetische Theorie des Elektrons als 
Grundlage der Elektronentheorie der Strahlungen; Physikal. 
Zeitschrift, Nr. 2, 1906). (Fortsetzung folgt.) 


Kleine Mitteilungen. 

Ein Tuberl(Ul 086 *MuS 6 Uin ist nach dom Vorgänge von Berlin 
und Karlsruhe nunmehr auch in Darmstadt eiTicht«;t worden. 
Dasselbe ist von der Lanciesversicheriingsanstalt für das Gross¬ 
herzogtum Hessen eingerichtet und als Wimdermuseum gedacht, 
das in allen grösseren Orten des Landes die Ergebnisse der ine- 
dicinisclien Wissenschaft auch den Laien in leicht verständlicher 
Weise vorführeu soll. Zur Zeit ist es in dem Gewerbemusoum 


auf; 3 720 Personen erhöht. Das Wetter ist nach wie vor herr¬ 
lich. Bemerkenswert ist eine neue Einrichtung der Badeverwaltung, 
nämlich die Veröffentlichung der Nachrichten des öffentlichen 
Wetterdienstes, aus denen man sich über das Wetter, das am 
nächsten Tage auf dem Kamm voraussichtlich herrschen wird, 
orientieren kann. Alle, die aus gesundheitlichen oder auch ästhe¬ 
tischen Gründen das Dahinschleppen langer Franengewänder auf 
der Strasse für einen Unfug halten, lesen erfreut das hier jetzt 
überall angebrachte bezügliche Verbot. Das hier abgehaltene 
Kinderfest verlief zu allgemeiner Zufriedenheit. .Die Beteiligung 
war sehr gross, die Kinder sehr vergnügt; spät abends schloss 
ein Fackelzug das wohlgelungene Fest. Die in den Räumen der 
Holzschnitzschule untergebrachte Kunstausstellung erfreut sich eines 
lebhaften Besuches. 


Literatur. 

Otto Liemberger-Levico. Beitrag zur Behandlung der 
Ankylostomiasisanaemie and der Tropenanae- 
mien. (Berl. klin. Wochenschr., 1905, No. 14.) 

Die Ankylostomiasis, die besonders in den letzten Jahren in 
den rheinisch-westfälischen Kohlendistrikten eine ausserordentlich 
verderbliche Ausbreitung genommen und eine wichtige soziale Be¬ 
deutung erlangt hat, macht das Bild einer Anaemie auf toxischer 
Basis. Das Goldman'scbe Xaeniol scheint den Schmarotzer sehr 
energisch samt den Eiern zu entfernen, aber vielmals ist diese 
Kur nicht gleich anwendbar wegen eines bestehenden Kräftever¬ 
falles und dann will diese Taeniolkar auch nachher unterstützt sein. 

L. konnte in der Tat bei drei völlig versagenden schwersten 
Anaemien mit Levico-Starkwasser (3—4—5 mal 1 Esslöffel) den 
AUgemeinznstand binnen 6 Wochen so beben, dass eine Taeniol- 
kur gut vertragen wurde, und in 133 Fällen Hess sich durch Le- 
vicowasser nach der erfolgten Radikalkur die Anaemie schnell 
lieben. 

Daher möchte L. in infizierten Gewerkschaften gerade in be¬ 
zug der Kombination einer Taeniol- und Levicoknr folgende Thesen 
beachtet wissen; 

1. Durch Heranziehung der Levioowässer zur systematischen 
Behandlung anaemisch gewordener Wnrmträger, besonders bei Be¬ 
rücksichtigung der Fälle beginnender Anaemie, dürfte es mögHch 
sein, die Arbeiter auch in stark infizierten Graben bis zum Zeit¬ 
punkte einer radikalen Abtreibungskur dauernd arbeitsfähig 
zu erhalten. Hierdurch w'äre der Termin der Radikalknr nicht 
mehr von dem Befinden der Arbeiter abhängig, sondern würde 
lediglich durch praktische Momente der Grubensanierung diktiert. 


des hessischen Landesgewerbeverein zu Darmstadt untergebracht. 
Die Organisation besorgte der Vorsitzende der Hessischen Landes- 
versicherungsanstalt, Geheime Kegierungsrat Dr. Dietz, unter Mit¬ 
wirkung des Generalsekretärs der Berliner Auskunfts- und Für- 
sorgestellen für Tuberkulöse, Dr. Kayserling, der auch an der 
Einrichtung der Berliner und Karlsruher Museen lebhaft beteiligt 
war. Das Roichsgesundheitsamt, das grossherzoglich hessische 
Ministerium des Innern, das Reichavereicherungsamt, die Aus¬ 
stellung für Arbeiterwohlfahrt in der Praunhoferstrasse in Charlotten¬ 
burg, das Kuratorium der Berliner Ausstellung für Säuglingspflege, 
der Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke, das deutsche 
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, die Berliner 
Erholung.sstätten vom Roten Kreuz etc. haben dem Museum Ma¬ 
terialien zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Tabellen und Tafeln 
geben ein Bild von der Verbreitung der Tuberkulose und den 
Heilbemühungeii der Landesversicherungsanstalten, anatomische 
Präparate, so die Sammlung von Sommerfeld, zeigen die Ver¬ 
änderungen in den Lungen und anderen Organen des Körpers, 
Modelle und Bilder aus der Heubnerschen Kinderklinik der Charite, 
aus dem Charlottenburger Säuglingsheim, den Berliner Kinder¬ 
erholungsstätten geben ein Büd von der Fürsorge gegen Tuber¬ 
kulose im frühesten Lebensalter. Während der Ausstellung sollen 
gruppenweise Führungen unter ärztlicher Leitung und populäre 
Vorträge für alle Bevölkcrungskreise veranstaltet werden. 


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96 


BALNEOLOGISCHB CENTRALZBITUNG 


Nr. 24. 


2. Arbeiter, die an sehr vorgeschrittener Ankylostoraia-- 
sisanaemie leiden, sind vielleicht auch ohne Arbeitstinterbrechung 
bezüglich ihrer Anaemie so weit zu bessern, dass die stets etwas 
drastischenKadikalkuren ohne Gefährdung dorPatienten vorgenommen 
werden können, 

3. K ac h erfolgter Radikalkur können die restierenden Anaemien 
mit Hilfe des Levicowassers rasch und ohne Unterbrechung 
der Arbeit vollkommen geheilt werden. (Goldman.) 

Es dürfte demnach das Levicowasser bei ent¬ 
sprechender Anwendung ein nicht zu unterschätzen¬ 
des Unterstützungsmittel in dem Kampfe gegen die 
Wurmseuche in Mitteleuropa abgeben. A. R. 

A. Erlenmeyer-Bendorf. Wachsaal und Dauerbad in 
der Privat-Irrenanstalt. (Psychiatrisch-Neurologische 
Wochenschrift, 1905, No. 37). 

Nächst der landwirtschaftlichen Beschäftigung hat die Wach- 
•saal und Dauerbadbehandlung das meiste Anrecht auf allgemeine 
Durchführung. Nur in Privatanstalten glaubte man noch häufig ge¬ 
nug, auf Widerstand aus sozialen Bedenken zu stossen. Denn es 
lag zu nabe, dass die Angehörigen gerade derjenigen Kranken, 
welche in eine besondere Klasse der Privatirrenanstalten kamen, 
dass diese Angehörigen sich den Anspruch auf ein eigenes Zimmer 
durcliaus Vorbehalten würden. Daher fing sogar auch E, zögernd 
an, in den Privatabteilungen, entgegen’dem früheren Usus, melirere 
Kranke zwecks einheitlicher Ueberwachung zusammenzulegen, und 
doch war es schneller, als gedacht, möglich, die sozialen Bedenken 
bei den Angehörigen der Kranken zu überwinden. Nun war Air 
E. der Zeitpunkt gekommen, wo das strenge Einzelzimmersystem auch 
in der Privatabteilung fiel, und es wurden von ihm 1904 eine 
Herren- und eine Damenvilla geschaffen, die eine Kombination 
aller modernen Ansprüche bedachte. Im Parterre einer jeden Villa 
wurde sowohl ein Dauerbad, als auch ein Wachsaal erbaut, natür¬ 
lich wurde auf einige Einzelzimmer noch Bedacht genommen. Die 
beiden in der Arbeit niedergelegtcn Grundriss-Skizzen zeigen deut¬ 
lich die feinen Details des baulichen Komforts der Anlage und 
geben zugleich ein Vorbild für die Durchführung obiger Prinzipien. 

A. R. 


Verschiedenes. 

Vom Aerzte-Verein Langen - Schwalbach werden wir um fol¬ 
gende Berichtigung ersucht: 

„Die iu No. 22 dieser Zeitung von Herrn Dr. Ebstein-Eisenach 
verfasste, das hiesige Golf-Projekt betreffende „Berichtigung“ ent¬ 
spricht in keiner Weise den tatsächlichen Verhältnissen. Wenn 
auch die erste Anregung zu einer Golf-Gründung von einem hie¬ 
sigen Arzte und dessen auswärtigen Freunden aasging, so ist doch 
nur ein ganz minimaler Teil des von Dr. Ebstein genannten Ka¬ 
pitals von den hiesigen .Aerzten und ihren dankbaren Patienten“ 
aufgebracht worden. Die hiesige Bürgerschaft hat sogleich bei 
der ersten an sie ergangeuen Apellation dem Golfprojekt das 
grö.sste Interesse entgegengebracht und sich ausserordentlich opfer¬ 
willig und hilfsbereit gezeigt, sodass ihr für dies Entgegenkommen 
im höchsten Maße dankbare Anerkennung gebührt. 

— Ueber die Errichtung eines Lehrstuhls für die 
physikalischen Heilmethoden an der Universität Zürich 
bat sich der Lehrkörper der genannten medicinischen Fakultät letz^ 
hin in bemerkenswerter Weise geäussert. Einige Zeitungen des 
Kantons Zürich hatten das Professorenkollegium in heftiger Weise 
beschuldigt, dass es sich dieser Frage gegenüber ablehnend ver¬ 
halte und dadurch eine Kundgebung des Volkswillens missachte. 
Das Professoreukollegium veröffentlichte daraufhin eine akten- 
mäßige Darstellung der Angelegenheit, aus der hervorgeht, dass 
dasselbe bereits im Jahre 1904 sein Gutachten im eutschiedenea 
Sinne für die Errichtung einer Lehrkanzel für physikalische Heil¬ 
methoden an die Kantonalregierung abgegeben habe, dass die Sache 
seither jedoch bei dieser Stelle vollständig ruht. 


Personalien. 

— In Dresden ist Sanitätsrat Dr. Pierson, Besitzer und bis 
im vorigen Jahre Leiter der Heilanstalt Lindenhof bei Coswig, 
nach eiaer Operation im .Alter von 60 Jahren gestorben. 

— Der Leiter der Wiesbadener Kuranstalt Bad Nerotal 
Dr. Schubert ist, erst 48 Jahre alt, an einem Schlagaufall in 
seiner Heimat in Schlesien gestorben. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Balneoioglechen Zentralzeltung.. 


Name 

Woche 

Mittleres 
Temperatur- ] 

miuimum 

ülittleres ! 

Temperatur- j 

maximum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

1 Regen¬ 
tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

_ 

. _ 


_ 


' _ 

_ 

_ 

_ 

_ 

— 



5.—H./9. 

6,9 

C. 

17,3 

C. 

636,9 

4 

5 

5 

— 

— 


Driburg. 

10.—16./9. 

5,7 

C. 

16,2 

C. 

— 

2 

4 

1 

1 

1 


Eine. 

9.—15./9. 

9,1 

C. 

18,3 

c. 

757,9 1 

1 

7 

— 

2,0 

— 


Gtesshübl-Sauerbninn . . 


8,5 

C. 1 

14,5 

c. 

_ 

3 

1 

3 

3 

— 


Ilerrenalb. 


8 

C. ' 

15 

c. 

726 

3 

4 

3 

3 

— 


Kreuznach. 


9 

C. 

19 

c. 

774 

2 

4 

3 

— 

— 


Langensohwalhach . . . 


4.5 

C. 

17,8 

c. 

737,9 

2 

7 

7 

2,3 

— 


Lippspringe . 


6 

C. 

16 

c. 

755 

— 

5 

2 

1,5 

— 

Frequenz 25979. 

Nauheim . 

3.—9./9. 

i;5,6 

C. 

24,1 

c. 

751 

1 

3 

3 

2 

— 

Nenndorf. 


14 

C. 

20 

c. 

757 

o 

6 

3 

— 

— 


Norderney. 


_ 

C. 

— 

c. 

_ 

_ 

_ 

— 

— 

— 


Orb . 

_ 

— 

C. 

1 _ 

c. 

_ 

— 

_ 

— 

— 

— 


Keichenhall . . . . • . 

2—8./9 

i;{,9 

C. 

1 25.6 

c. 

724 

1 

0 

IV 2 

— 

1 


Reinerz . 

9.— 15./9. 

6,5 

C. 

! 12,8 

c. 

i — 

4 

— 

7 

2 

— 


Stebeu . 

— 

— 

C. 


0. 

_ 

_ 

_ 

— 

— 

— 


Triberg .. 

2,—15./9. 

9 

C. 

19,8 

c. 

— 

1 

13 

2 

— 

— 

_ — - 


Verantwordicher Redakteur : Dr. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von Heynemann'tche Buchdruckerci, Gebr. Wolff, Halle a. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 26. 1906. 

Balneologische Centralzeitung; 

Org:an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des 
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Verbandsredakteur des ,AUg. D. B.-V.“: 
Dr. Siebelt, Fllnsberg i. Schl. 

Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834. 

Redakteur: 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Dr. med. et poltt. Stehr, Wiesbaden. 

Der Nachdruck aas dieser Zeitschrift ist nar mit Qaellcnangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Ucber dio cbemiscbe Zasamniensetzung dor Emser Mineraiquellen. Von 
Dr. H. Frcsenias-Wiesbaden. 

Fenilleton ; Monismas des Geistes. Von Dr. Paul Franze (Bad Nau¬ 
heim) (Schluss.) 


Ans den BMeru and Knrorten. 
Personalien. 

Meteorologische Statistik. 


lieber die chemische Zusammensetzung 
der Emser Mneralquellen. 

Vortrag f. d. XIV. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen 
Bäderverbandes zu Ems am 4. Okt. 1905. 

Von Dr. H. Fresenins- Wiesbaden, 

Geb. Regieruugsrat und Professor. 

Bei einem Kurorte von Weltruf, wie Bad Ems, ist es 
selbstverständlich, dass seine Quellen wiederholt und eingehend 
chemiscli untersucht worden sind. 

Schon ehe sich die Chemie zur Wissenschaft entwickelt 
hatte, ist das Bestreben hervorgetreten, die Natur der Emser 
Mineralquellen zu erforschen. Es wird uns berichtet, dass be> 
reits 1700 Dr. Helfrich Jungken die damals hessischen 
Quellen und 1715 Professor Dr. Peter Wolfart in Giessen 
zusammen mit dem Diezer Arzte Mögen das „Kränchen“ 
untersucht und analysiert haben. Näheres über die Ergeb¬ 
nisse dieser Untersuchungen ist mir nicht bekannt geworden. 

Aus dem 19. Jahrhundert besitzen wir viele chemische 
Analysen von Emser Mineralquellen. Es wurden analysiert: 

Vor 1832 Kränchen und Kesselbrunnen von Struve, 

1838 dieselben Quellen von Kästner, 

1839 dieselben (Quellen, sowie der Fürstenbrunnen von 
Jung, 

1851 die neue Badequelle von Stamm er. 


neue 


aus- 


Die zahlreichsten und zuverlässigsten Analysen der Emser 
Mineralquellen hat in der Zeit von 1851 bis 1878 mein ver¬ 
storbener Vater, Geh. Hofrat Professor Dr. R. Fresenius, 
ausgeführt und veröffentlicht, und zwar hat er zweimal aus¬ 
führlich analysiert, in den Jahren 1851 und 1871, das Krän¬ 
chen, den Kesselbrunnen, den Fürstenbrunnen und die 
Badequelle. 

Einmal hat R. Fresenius ausführliche Analysen 
geführt von folgenden Emser Mineralquellen: 

König Wilhelms-Felsenquellen; da¬ 
mals in Privatbesitz, jetzt dem Fis¬ 
kus gehörend. 

Römerquelle (in Privatbesitz), 

SeKnnen} fiskalische Quellen. 

R. Fresenius noch mehrfach weniger um¬ 
fassende Analysen, namentlich mancher fiskalischen Mineral¬ 
quellen, vorgenommen, welche sich nur auf die Hauptbestand¬ 
teile erstreckten und den Zweck hatten, festzustellen, inwieweit 
die fiskalischen Quellen Schwankungen in ihrem Gehalte unter¬ 
worfen sind. Veröffentlicht wurden diese Analysen nicht. 

Seit dem Tode meines Vaters im Jahre 1897 habe ich wieder¬ 
holt im Aufträge der Königlichen Regierung weniger umfassende 
Analysen der wichtigsten fiskalischeu MiDeralquellen (Kränchen, 
Kesselbrunnen, Fürstenbrunnen, Kaiserbrunnen, neue Badequelle), 
der vom Fiskus, erworbenen Mineralquellen des Hospitalbades 
(Hospitalbad-Kränchen, Hospitalbad-Kesselbrunnen und Hospital- 


1865: 

1869: 

1870: 

1876: 

1878: 

Später 


Augustaquelle 

Victoriaquelle 


Feuilleton. 

Monismus des Geistes. 

Von Dr. Paul C. Franze (Bad Nauheim). 

(.Schluss.) 

Alle Energieformen sind ineinander verwandelbare Be¬ 
griffe: es gibt nur eine Urenergie, deren Bezeichnung an sich 
natürlich gänzlich irrelevant ist; jedoch erlauben physikalische 
Ueberlegungen die elektrischen Erscheinungen als Substratum 
aller anderen anzusehen. Somit gibt es vom physikalischen 
Standpunkte aus nichts als Energie elektro-magnetischer Art, 
aus der also auch die Materie besteht. Materie ist eine be¬ 
sondere Form von Energieäusserung. 

Von der ungeheuren Menge der im Innersten der Atome 
aufgehäuften Energie kann man sich kaum eine Vorstellung 
machen. Wind sagt, dass die in einem Gramm Wasserstoff 
angesammelte Energiemenge — unter der Voraussetzung, dass 
jenes ganz aus Elektronen besteht — in mechanische Arbeit 
umgesetzt, genügen würde, um eines der rossen Dampfschiffe 
der Holland-Amerika-Linie fünfmal seinen Weg über den Ozean 
hin und zurück ausführen zu lassen (Wind: Elektronen und 
Materie; Physik. Zeitschrift, Nr. 15, 1905). 


Was also die dritte unserer Voraussetzungen anlangt, die 
Zurückführbarkeit der Materie auf Energie, so können wir 
sagen, dass wir es hier mit einer exakt au^earbeiteten und 
sehr wahrscheinlichen naturwissenschaftlichen Hypothese zu tun 
haben. 

Es ist interessant, hier den Blick rückwärts zu wenden 
und zu sehen, wie im Priuzip etwas dem Aehnliches, was jetzt auf 
mathematischem Wege mit grösster Wahrscheinlichkeit nachge¬ 
wiesen ist, schon ein Jahrzehnt zuvor, wenn auch in anderer 
Formulierung und von ganz anderer Ueberlegung ausgehend 
von Ostwald angenommen wurde. 

In seiner 1895 auf der Naturforscherversammlung zu Lübeck 
gehaltenen Rede: „Die Qeberwindung des wissenschaftlichen 
Materialismus“ verlangte Wilhelm Ostwald, Professor der 
Chemie an der Universität Leipzig, anstelle der materialistischen 
eine energetische Weltauffassung. 

Ostwald geht von der Erfahrungstatsache aus, dass wir 
die physische Welt nur an ihren Energieäusserungen wahr¬ 
nehmen können, da unsere Sinneswerkzeuge nur auf Energie¬ 
unterschiede zwischen ihnen und der Umgebung reagieren. 
Materie und Energie sind nun nach ihm nicht wirklich etwas 
von einander Verschiedenes, sondern das, was wir von der 
Materie wissen, ist schon in dem Begriff der Energie enthalten: 
„Was in dem Begriff der Materie steckt, ist erstens die Masse, 
d. h. die Kapazität für Bewegungsenergie, ferner die Raum¬ 
erfüllung oder die Volumenergie, weiter das Gewicht oder die 


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102 


BAliKEOLOGISCJUfi GUNTRALZBUTÜNG 


Nr. 26. 


bad-Victoriaquelle), sowie der vom Fiskus erworbenen König 
Wilhelms-FelsenqueÜen (Wilhelmsquelle, Victoriaquelle, Eisen¬ 
quelle) ausgeführt. Diese Analysen, bei welchen nur die Haupt¬ 
bestandteile bestimmt wurden, hatten teilweise den Zweck, 
festzustellen, inwieweit die Hospitalbadquellen den alten fiskali¬ 
schen Quellen in ihrer Zusammensetzung ähnlich sind, teilweise 
wurden sie während der von Herrn Ingenieur Scherrer mit 
grosser Sachkenntnis und gutem Erfolg ausgeführten Neufass¬ 
ung der auf dem rechten Lahnufer befindlichen fiskalischen 
Hauptquellen und der vom Fiskus neu erworbenen König 
Wilnelms-Felsenquellen zu verschiedenen Zeiten vorgenommen, 
um die chemische Beschaffenheit der einzelnen Mineralquellen 
in verschiedenen Stadien der Fassungsarbeiten festzustellen. 
Diese Analysen sind nicht veröffentlicht worden. 

Nach Vollendung der Neufassung des Kränchens, des 
Fürstenbrunnens, des Kaiserbrunnens und Kesselbrunnens habe 
ich im Aufträge der Königlichen Regierung ausführliche chemische 
Analysen, sowie physikalisch-chemische Untersuchungen der ge¬ 
nannten vier Quellen vorgenommen. 

Nachdem nunmehr auch die Neufassung der König Wil¬ 
helms-Felsenquelle und der Victoriaquelle beendigt ist, hat 
mich die Königliche Regierung mit der Vornahme ausführlicher 
chemischer und physikalisch-chemischer Untersuchungen auch 
dieser beiden Quellen beauftragt. 

Die Untersuchungen dieser beiden Quellen sind zur Zeit 
im Gange. 

Wie Sie sehen, meine Herren, liegt über die Emser 
Mineralquellen in der Tat ein ungewöhnlich reichhaltiges ana¬ 
lytisches Material vor, welches mir in Betreff der seit 1851 
bis heute vorgenommenen Untersuchungen, auch soweit es 
nicht veröffentlicht worden ist, vollständig zu Gebote steht, 
weil die betreffenden Analysen sämtlich im „chemischen Labo¬ 
ratorium Fresenius“ ausgeführt worden sind. . 

Wenn ich, gestützt auf dieses reiche Material, Ihnen einen 
Vortrag über die chemische Zusammensetzung der Emser 
Mineralquellen halte, dann muss ich vor allem um ihre Nach¬ 
sicht bitten, schon deshalb, weil ich wohl den Meisten von 
Ihnen nichts Neues mitteilen kann. Viele der Analysen — 
auch der neuesten — sind ja, wenigstens auszugsweise, bereits 
im Druck erschienen und ausserdem habe ich über das Thema 
meines heutigen Vortrages in der vor zwei Jahren den Teil¬ 
nehmern der dritten ärztlichen • Studienreise von der König¬ 
lichen Staatsregierung überreichten Festschrift „Ems“ eine Ab¬ 
handlung veröffentlicht. 

Eine vollständige Untersuchung einer Mineralquelle im 
heutigen Sinne umfasst die eigentliche chemische Analyse, 


in der allgemeinen Schwere zu Tage tretende besondere Art 
Lageenergie und endlich die chemischen Eigenschaften, d. h. 
die chemische Energie. Es handelt sich immer nur um Energie, 
und denken wir uns deren verschiedene Arten von der Materie 
fort, so bleibt nichts übrig, nicht einmal der Raum, den sie 
einnahm; denn auch dieser ist nur durch den Energieaufwand 
kenntlich, welchen es erfordert, um in ihn einzudringen. So¬ 
mit ist die Materie nichts, als eine räumlich zusammengeord¬ 
nete Gruppe verschiedener Energien, und alles, was wir von 
ihr aussagen wollen, sagen wir nur von dieser Energie aus.“ 
So sehen wir, dass Ostwald von ganz anderen Gesichts¬ 
punkten ausgehend doch zu ähnlichen allgemeinen Resul¬ 
taten gelangte, wie sie im Dynamismus ausgesprochen werden. 
Im speziellen naturwissenschaftlichen Sinne aller¬ 
dings besagt die dynamistische Elektronentheorie etwas ganz 
anderes als Ostwalds Energetik. 

Die vierte Voraussetzung war, dass das Psychische im 
analogen Verhältnisse zur Materie stehen müsse, wie die Ener¬ 
gie es tut. 

Mit dein, was uns als Materie erscheint, ist stets Energie 
in untrennbarem Zusammenhang: für die genannte Analogie 
brauchen wir also den Nachweis, dass auch das Psychische ein 
Attribut alles Materiellen ist. Ersteres fand seine Erklärung 
in der Möglichkeit, die Materie auf Energie überhaupt zu 
reduzieren; letzteres würde dann analog zur Reduzierung der 


sowie von physikalischen Bestimmungen die Feststellung der 
Temperatur, des spezifischen Gewichtes, der Gefrierpunkts- 
emiedrigung und der elektrischen Leitfähigkeit. Ganz neuerdings 
ist dann noch die Prüfung auf Radioaktivität, beziehungsweise 
Emanationen dazu gekommen. 

Untersuchungen auf Radioaktivität und auf Emanationen 
sind bei den !^ser Quellen bisher noch nicht ausgeführt 
worden, sollen aber in nächster Zeit vorgenommen werden. 
Die Königbche Regierung hat mir bereits den Auftrag zur 
Ausführung dieser Untersuchungen, zunächst an einer Quelle, 
erteilt. 

Auf die Ergebnisse meiner physikalisch-chemischen Unter¬ 
suchungen der fiskalischen Emser Mineralquellen gehe ich 
heute nicht ein. Darüber habe ich vor zwei Jahren an dieser 
Stelle den Teilnehmern der dritten ärztlichen Studienreise 
einen Vortrag gehalten, der abgedruckt ist in Band ä der 
Reiseberichte des Komitees zur Veranstaltung ärztlicher Studien¬ 
reisen, Berlin 1904, S. 131 — 142. 

Heute will ich mich beschränken auf die chemische Zu¬ 
sammensetzung der Emser Quellen. 

Wenn wir Chemiker eine Mineralquelle untersuchen, dann 
stellen wir mittels der qualitativen Analyse fest, welche Be¬ 
standteile an Basen, sowie an Säuren und Halogenen überhaupt 
vorhanden sind. Mittels der quantitativen Analyse aber be¬ 
stimmen wir, und zwar vorwiegend auf gewichtsanalytischem, 
seltener anf maßanalytischem Wege, die in wägbarer Menge 
vorhandenen Basen, Säuren und Halogene. (Als in unwäg¬ 
barer Menge vorhanden pflegen wir die Bestandteile zu be¬ 
zeichnen, welche in etwa 60 Litera des Mineralwassers wohl 
noch erkannt, aber nicht mehr ihrer Quantität nach bestimmt 
werden können.) (Schluss folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Abbazia. Es wird der Bau einer Zahnradbahn von Abbazia 
nach Aprinao geplant, an welche sich eine Trambahn bis zum 
Schutzbaus „Stephanie“ auschliesseu soll, so dass es möglich wäre, 
in einer halben Stunde den Aufstieg auf den Monte Maggiore bis 
zu einer Höhe von 1000 m zu machen. 

Baden-Baden. Neben dem jedem Besucher Baden-Badens 
bekannten schönen Aussichtspunkte, dem „Echo“, hat Dr. Heins* 
heimer vor kurzem ein neues Sanatorium eröffnet, das speziell 
zur Behandlung von Magen-, Darm- und Zuckerkranken bestimmt ist. 

Das Heim für Tropenkranke (Bismarckstrasse), über dessen 


Energie (da wir jetzt diesen Begriff statt Materie setzen können) 
auf ein nur geistiges Sein oder Geschehen führen.’ 

Dass für unsere Erfahrung die geistigen Tätigkeiten stets 
mit materiellen Bedingungen Zusammenhängen, wird wohl nie¬ 
mand leugnen; es ist die organisierte, lebende Materie, für die 
das feststeht. Soll die Analogie aber vollständig sein, so muss 
auch die anorganische Materie beseelt sein, ebenso wie sie mit 
Energie behaftet ist. 

Da die psychischen Qualitäten nicht aus mechanisclien 
Bedingungen ableitbar sind, so muss für die restlose Erklärunjr 
der organischen Natur unter allen Umständen ein weiteres 
Prinzip als die blosse Mechanik eingoführt werden. Da wir 
ferner den Monismus als gegeben gesetzt haben, so folgt daraus, 
dass das gleiche Prinzip, das in der organischen Materie zur Er¬ 
klärung des Psychischen erforderlich ist, auch in der anorgani¬ 
schen Materie schon vorhanden sein muss: denn, wäre dies 
nicht der Fall, so hätten wir einen Dualismus, den wir apn- 
orislisch verworfen haben. 

Mit der aprioristischen Voraussetzung des Monismus also 
und dem Nachweis, dass gewisse Erscheinungen an der be¬ 
lobten Materie die Annahme eines psychischen Faktors ausser 
dem Mechanismus erfordern, ist die Allbeseelung der Matene 
gegeben; das Psychische ist dann der Materie überhaupt 
immanent, ebenso wie die Energie es ist. 

Nun haben wir hierin eine volle Analogie in dem Ver¬ 
hältnis von Geist und Energie zur Materie. Da aber bei der 


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1906. 


BAIiNBOLOQISGHS CUNTRAXiZSlTUlTO 


103 


Entstehen wir bereits berichteten, ist nunmehr eröflfnet. Die An¬ 
stalt steht unter der administrativen Leitung der Vorsteherin Frau 
Ilma V. Blücher. Als ärztlicher Leiter fungiert der Arzt Dr. 
Diesing. — 

Im Sanatorium DDr, Frey-Gilbert, G. ra, b. H., trat an 
Stelle von Hofrat Dr. Gilpert als weiterer Geschäftsführer der 
Arzt Dr. Franz Dämmert in Baden. 

Borkum. Die hiesige Badedii'ektion beabsichtigt, im kom¬ 
menden Winter nochmals den Versuch zu wiederholen, die Saison 
und Badekur über den Herbst und Winter auszudebueu. Die 
Borkumer Kleinbahnaktiengesellschaft unterhält den ganzen Winter 
über eine tägliche Dampferverbindung zwischen Emden und der 
Insel Borkum. 

In Bad Elster sind während der letzten drei Wochen 1000 
Fremde zur Anmeldung gekommen. Die Besucherzahl von Bad 
Elster iät am 14. September auf 12000 zum ersten Male seit seinem 
Bestehen gestiegen. — Das Sanatorium von Sanitätsrat Dr. Köhler, 
verbunden mit dessen medico-mechanischem Institut, bleibt auch 
im Winter geöffnet. 

Franzonsbad. Das zur Erinnerung an Goethes wiederholten 
Aufenthalt in Franzensbad errichtete Denkmal wurde am 9. d. M. 
unter allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung und der Kurgäste 
feierlich enthüllt. 

Karlsbad. Am lO. d. M. wies die Kurliste den sechzig¬ 
tausendsten Kurgast auf. Bei der Zahl von 60000 sind nur 
die angemeldeten Kurgäste gerechnet. Im Jahre 1888 hatten wir 
zum ersten Male 30000 Kurgäste, so dass sich nach 18 Jahren 
deren Zahl verdoppelt bat. 

Lobdnstoln. Hier soll von jetzt ab auch während des Winters 
das Kurhairs offen bleiben, und zwar als Sanatorium für Herz- und 
Nervenkranke. 

Sulzuflon. Am 15. Augu.st 1905 der 5000. Kurgast, am 15. 
August 1906 der 6000. Kurgast, das ist das Ergebnis der dies¬ 
jährigen Saison. 

Sylt. Die im Bau begriffene Verlängening der Kleinbahn 
Westerland-Kampen bis nach List, der nördlichsten Spitze der 
Insel, wird nach ihrer Fertigstellung für die Kurgäste Sylts inso¬ 
fern eine grosse Annehmlichkeit sein, als sie erst hierdurch in die 
Lage versetzt sind, die grossartige Lister Dünenlaudschaft in kurz¬ 
fristigen Ausflügen zu erreichen. Zum Frühjahr 1907 wird die 
Bahn eröffnet. Eisenbahndirektor Kuhrt-Flensburg, der die 
Strecke bauen lässt, hat sich auch die Konzession zu einer Bahn 
Westerland-Keitum gesichert, die gleichfalls für Ausflüge auf der 
Insel eine nicht geringe Bedeutung erreichen wird. 


Energie dies Verhältnis sich in einer Reduktion der Materie 
überhaupt auf Energie auflöste, so ist nun analog beim Geiste 
das Entsprechende anzunehmen. Das heisst, indem wir eben 
für Materie Energie sagen: Energie lässt sich auf eine psychi¬ 
sche Qualität zurückfüiren und ist durch eine solche voll¬ 
kommen bestimmt,' gerade so, wie die Materie durch energe¬ 
tische Qualitäten ausreichend bestimmt ist. 

Hiermit ist der Monismus des Geistes als Weltanschauung 
aus dem Dynamismus der Physik abgeleitet. 

Schliesslich möchte ich nicht unterlassen, den gezogenen 
Analogieschluss noch durch den Hinweis auf die allgemeine 
Geltung von Analogien in der Natur überhaupt zu bekräftigen. 
Je mehr von der Natur durch die wissenschaftliche Forschung 
offenbart wird, desto weitgehender scheint das Prinzip der 
Analogie den Aufbau der Gesamtheit der Dinge zu beherrschen. 
Kant benutzt ohne weitere Begründung in seiner „Allgemeinen 
Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ den Analogieschluss 
und anerkennt seine Berechtigung ausdrücklich, indem er sagt, 
die Analogie müsse uns allemal in solchen Fällen leiten, wo 
dem Verstände der Faden der untrüglichen Beweise mangele. 
Nur auf einige Hauptmomente der Analogie alles Existierenden 
kann ich hier kurz hinweisen. 

Zunächst beherrscht nach unserer jetzigen Anschauung das 
Prinzip der Entwicklung das Anorganische ebenso wie das Organi¬ 
sche; denn nach derKant-Laplaceschen Theorie sind einerseits 
die Himmelskörper vom Einfachen und Gleichartigen anfangend 


B&d Orb. Im Institut Fresenius zu Wiesbaden ist die 
neue Analyse der Martinus-Quelle nunmehr fertiggestellt worden. 
Das Ergebnis der jetzt fertig vorliegenden Untersuchung bestätigt 
die Hoffnungen, welche man auf Grund früherer Feststellungen 
und der günstigen Einwirkung des Wassers auf die verschiedensten 
krankhaften Zustände hegen konnte. Das Wasser der Mai'tinus- 
Quelle hatte sich in den letzten Jahren in Aerztekreisen einer 
durchaus günstigen Aufnahme zu erfreuen. 

Die Summe der festen Bestandteile beträgt 1,3 pro Hundert. 
Will man die Quelle charakterisieren, so wird man sie als eine 
eisenhaltige sulfatische Kochsalzquelle bezeichnen. Sie zeichnet 
sich durch einen sehr starken Gehalt an Litbion aus und rangiert 
nach der stärksten Lithion-Trinkquelle Türkheim, während sie die 
übrigen lithionbaltigen Quellen mit 0,029 Chlorlithium übertrifft. 
Hervorzuheben ist auch der Gehalt an Brom und Jod; auch die 
kohleusauren Verbindungen des Kalkes und der Magnesia zeichnen 
die Quelle vorteilhaft aus. Nicht uuerwähnt darf auch der Gehalt 
an saurem arsensauren Kalk und phosphorsaurem Kalk bleiben, 
Substanzen, welche natürlich nur in geringen Gewiebtsmengen 
in der Quelle enthalten sind, für die arzneiliche Wirkung aber 
eine wesentliche Rolle spielen. Ausserordentlich gross ist auch 
der Gehalt an freier Kohlensäure, wie ihn kein Wasser, welches 
mineralische Bestandteile in gleicher Zusammensetzung aufweist, in 
höherem Maße haben kann. 

Die Zusammensetzung der Quelle erklärt die günstige Wirkung, 
welche eine Trinkkur bei gichtischen und chronisch-rheumatischen 
Zuständen äussert, desgleichen die vorteilhafte Einwirkung bei 
chronischen Magen- und Darmstörungen, bei Leber-, Stein- und 
Griesletden. Die Quelle wird mit ihrer lösenden, mild abführenden 
und harntreibenden Wirkung dem Arzte ein schätzenswertes Heil¬ 
mittel in Zukunft sein. 

Die diesjährige Frequenz des Bades betrug bis 7. d. M. 4502 
Kurgäste. 

Bad Wildlingen. Ein Zeichen des Aufschwunges, den unser 
Bad genommen, ist das Eintreffen des 10 000. Kurgastes (Colonel 
Maberly, London). Ein gros.ses Fest-Konzert mit nachfolgendem 
Festballe, Illumination der Kuranlagen sowie Ueberreichung eines 
wertvollen Pracht-Albums mit Ansichten von Wildlingen, sind die 
äusseren Zeichen der Feier dieses freudigen Ereignisses. 


Rechtsprechung. 

Die fingierten Raubanfötle in Bad Elster. In frivoler 
Weise waren, wie seinerzeit berichtet wurde, vor einigen Monaten 

und zum Komplizierten und Vielfältigen fortschreitend allmäh¬ 
lich entstanden, und ebenso haben sich andererseits die Lebe¬ 
wesen nach der Deszendenztheorie aus einfachen Urformen 
allmählich entwickelt 

Das Prinzip der Anziehung zwischen ungleichnamigen und 
der Abstossung zwischen gleichnamigen Qualitäten hält das 
Weltall zusammen, wie es bei dem Organisierten die Art er¬ 
hält. Ungleichnamige Elektrizitäten und Magnetismen ziehen 
sich an, gleichnamige stossen sich ab, und analog ist in psy¬ 
chischer Hinsicht das Verhalten der Geschlechter. 

Innerhalb der eigenen Gebiete des Organischen und An¬ 
organischen für sich sind die Analogien vollends herrschend. 

Das Schliessen per analogiam, um in der Natur aus Be¬ 
kanntem Unbekanntes zu folgern, scheint also auch nach 
allgemeinen Gesichtspunkten das richtige regulative Prinzip zu 
sein. Ich habe es hier benutzt, um einer der ohnehin plau¬ 
sibelsten Weltanschauungen, die zugleich die idealste ist, dem 
Monismus des Geistes, d. h. die Deutung der Gesamtheit 
der Dinge aus ihrem geistigen Inhalt, von neuem eine Stütze 
zu geben, und um diese Auffassung der Wirklichkeit als die 
unserer wissenschaftlichen Einsicht angemessenste nachzuweisen. 


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104 


BALNBOLOGISCHE CENTRALZKITÜNG 


Nr. 26. 


Einwohnerschaft und Badegäste von Bad Elster von zwei zur Kur 
dort weilenden Damen in lebhafte Aufregung versetzt worden. 
Die Dresdener Konzertsängerin Ida Edelmann und deren Mutter 
sprachen eines Tages, als sie sich unweit Bad Elster auf einer 
Chaussee befanden, einen Kutscher an. Sie baten den Mann, sie 
mit nach Bad Elster zurückzunehmen, da sie vor Schreck nicht 
weiter könnten. Ein Strolch habe sie soeben angehalten und miss¬ 
handelt. Der Fremde habe es zweifellos auf Raub abgesehen ge¬ 
habt. Natürlich nahm der Kutscher sich der Damen an. Diese 
empfahlen sich in Bad Elster, ohne ihre Namen zu nennen. Der 
Kutscher meldete den Vorfall sofort bei der Polizei und diese 
setzte gleich alle Hebel in Bewegung, um sowohl den angeblichen 
,Räuber“ wie auch die Ueberfallenen festzustellen. Diese konnten 
denn auch umgehend ermittelt werden, nicht aber der „Räuber“, 
denn die beiden Damen gestanden nach längerem Verhör ein, sie 
hätten die ganze Raubgeschichte erfunden, um sich an Bad Elster 
zu rächen. Da der Raubanfall von vielen Blättern gemeldet worden 
war, hatte die Sache für den Badeort tatsächlich eine unangenehme 
Seite. Die beiden sonderbaren Kurgäste miissten den Ort sofort 
verlassen. Mit dem Ausweisen war die Sache für die Dresdener 
Konzertsängerin und ihre Mutter jedoch nicht erledigt. Sie hatten 
sich kürzlich in Adorf (Voigtland) wegen groben Unfugs vor dem 
Schöffengericht zu verantworten. Dieses verurteilte sie zu 25 M. 
Geldstrafe oder 5 Tagen Haft. 


Vereine und Kongresse. 

Der deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Ge¬ 
tränke hält am 2. bis 4. Oktober in Karlsruhe seine 23. Jahres¬ 
versammlung ab. In der öffentlichen Versammlung wird referiert 
über „Alkohol und Volksemährung“ von Dr. med. et polit. S tehr- 
Wiesbaden und über „Alkohol und Kolonien“ von J. K. Vietor- 
Bremen. — Während der Tagung des Kongresses im Ständehans wird 
eine Ausstellung zur Bekämpfung des Alkoholismus unter Leitung 
von Dr. Eggers-Bremen und Dr. Fu c b s- Karlsruhe veranstaltet 
werden. Den Vorsitz des Gesamtverbandes hat Seoatspräsident 
Dr. von Strauss und Torney, 

FQr den XIV. Internationalen Kongress für Hygiene und 
Demographie vom 23. bis 29. September 1907 in Berlin hat das 
Organisationskomitee folgende Präsidenten und Sekretäre der ein* 
zelnen Sektionen gewählt: Sektion I: Hygienische Mikrobiologie 


und Parasitologie. Präsident: Prof. Dr. F1 ü g g e - Breslau. Se¬ 
kretär; Regierungsrat Dr. Weber, Oross-Lichterfelde-West. 
Sektion II: Emährungshygiene und hygienische Physiologie. Prä¬ 
sident: Prof. Dr. Rubner, Berlin, Sekretär: Dr. Kisskalt, 
Privatdozent, Berlin. Sektion III: Hygiene des Kindesalters und 
der Schule. Präsident: Prof. Dr. Heubner, Berlin. Sekretär: 
Dr. Leo Langstein, Berlin. Sektion IV: Berufshygiene und 
Fürsorge für die arbeitenden Klassen. Präsident: Geh. Rat Dr. 
Renk, Dresden. Sekretär: Dr.A. Kayserling, Berlin. SektionV: 
Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten und Fürsorge für 
Kranke. Präsident: Geheirarat Dr. Gaffky, Berlin. Sekretär: 
Dr. Lenz, Charlottenburg. Sektion VIA: Wohnungshygiene und 
Hygiene der Ortschaften und der Gewässer. Präsident: Prof.Dr. 
Gruber, München. Sekretär: Dr.R. Lennhoff, Berlin. BrHygiene 
des Verkehrswesens. Präsident: Geheimrat Dr. Schwächten, 
Berlin. Sekretär: Dr. Ramm, Charlottenburg-Westend. SektionVII: 
Militärhygiene, Kolonial- und Schififshygiene. Präsident: Prof. Dr. 
Rom, Berlin. Sekretär: Dr.Kuhn,Gross-Lichterfelde. SektionVIII: 
Demographie. Präsident: Dr. von der Borght, Berlin. Sekretär: 
Regierungsrat Dr. Leo, Berlin-Dahlem. 


Personalien. 

— Medizinalrat Dr. Wagner, Vorsitzender des thüringischen 
Bäderverbandes und Ehrenbürger von Salzungen, ist am 17. v. M. 
gestorben. 

— Dem Sanitätsrat Dr. B e c h l e r in Bad Elster, der die 
beiden kleinen Prinzessinnen während der Kur in Behandlung hatte, 
ist vom König von Sachsen der Albrechtsorden I. Klasse mit der 
Krone verliehen worden. i 

— Dr. Dahms, früher Kurhausbesitzer in Blankenburg a. H., j 
hut die ärztliche Leitung des Sanatoriums Bad Grüna i. S. über¬ 
nommen. 

- Hofrat Turban in Davos ist vom Grossherzog von Baden 
zum Geheimen Hofrat ernannt und vom Prinzregenten von Bayern 
durch die Verleihung des St. Michaelsordens II. Klasse ausgezeichnet 
worden. 

— Medizinalrat Dr. Neumann in Baden-Baden wurde zum 
Geheimen Medizinalrat, und Dr. Obkirch er in Baden-Baden znm 
Geheimen Hofrat ernannt. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Balnoologleohen Zantralzeitnug.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur- 

S 

ö 

a 

s 

Mittleres 

Temperatur- 

! 

3 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

23.—29./9 

9,7 


16,9 


767,6 

_ 

6 

1 

2 

_ 


Davos. 

15.—21./9. 

1,9 

c. 

7,8 

C. 

634,8 

4 

5 

4 

_ 

— 


Driburg .. 

17.—23./9. 

7,7 

c. 

13 

c. 

— 

6 

1 

— 

1 

— 


Ems. 

23.—29./9. 

6 

c. 

13,9 

c. 

765,9 

2 

6 

— 

2,2 

— 


Oiesshübl-Sauerbrunn . . 


4,7 

5 

c. 

11,2 

0. 

— 

3 

1 

3 

0,4 

— 


Herrenalb. 


0. 

14 

c. 

733 

2 

41/2 

2‘/2 

3 

1 


Kreuznach ...... 


5 

c. 

14 

c. 

784 

— 

3 

3 

_ 

_ 


Laogenschwalbach , . . 


1,9 

c. 

12,7 

c. 

745,8 

— 

7 

7 

2 

— 


Lippspringe . 


4 

c. 

11 

c. 

762,5 

1 

4 

2 

1 

— 

Frequenz 6480. 

Nauheim . 



c. 

15,5 

c. 

759,7 

— 

3 

3 

2 

_ 

, 27192. 

Nenudorf . 


7 

c. 

13,5 

c. 

768 

1 

6 

2 


_ 


Norderney . 

16.—22./9. 

10,8 

c. 

16 

c. 

764,2 

4 

6 

7 

4 

— 


Reiohenhall . , . . • 

23.—29./9. 

4,8 

c. 

11,4 

c. 

729,3 

3V4 

4 

5 

_ 

_ 


Reinerz ....... 


3,9 

c. 

8,3 

c. 

_ 

2 

1 

7 

2 

_ 

Am 25, u. 26 . Schnee. 

Salzbrunn . 

15.—22./9. 

7 

c. 

15,2 

c. 

724,2 

6 

3 

4 

1,4 

_ 

Frequenz 8230. 

Stehen . 

16 — 22./9. 

6 

c. 

14,4 

c. 

712,5 

6 

_ 

1 

4—5 

_ 

Frequenz 1781. 

Trilterg ...... 

16.—29./9. 

3,4 

c. 

9,75 

c. 


4 

10 

2 

— 

1 



Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin, — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck «OB Heyuemann'tche Bochdruckerei. Gebr, Wolff, Hall« a. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 27. 1906, 

Balneolosische Centralzeitung 

Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder 
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Redakteur: 

Dr. raed. et polit. Stehr, Wiesbaden. 

Verlag; Carl Marhold ln Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 823 

Der Naehdrock aus dieser Zeitschrift ist 
nur mit Qncllenangabe nnd nach Anfrage 
bei der Redaktion gestattet 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Inh 

Teber die chemische ZosammensetzuDg der Emser Mineralqaeilea. Von Dr. 
H. Fresenias-Wieebadeo. (Fortsetzung.) 

Ailgememe Hietbedingungen für die thüringer Kurorte. 

FeaUletoa : Von schlesischen BSdem. 

Marieobad in der Saison 1905. Von a. 0. Professor Dr. E. Heinrich Kisch 

alt. 

Ans den Bädern nnd Kurorten. 

Tersehiedeues. 

Personalien. 

Meteorologisehe Statistik. 


lieber die chemische Zusammensetzung 
der Emser Mineralquellen. 

Vortrag f. d. XTV. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen 
Bäderverbandes zu Ems am 4. Okt. 1905. 

Von Dr. H. Fresenius- Wiesbaden, 

Qeb. R^ieruugsrat und Professor. 

(Fortsetznog.) 

Auf die AnsfQhrung der analytischen Arbeiten, au! die 
Technik der chemischen Analyse, gehe ich hier nicht ein, aber 
ich muss hervorheben, dass wir die durch die (qualitative Ana¬ 
lyse ermittelten Basen, Säuren und Halogene m Form genau 
bekannter Verbindungen zur Wägung oder maßanalytischen 
Bestimmung bringen. Aus diesen gewogenen oder maßanaly¬ 
tisch ermittelten Verbindungen berechnen wir dann die so¬ 
genannten Originalzahlen für die Basen, Säuren und Halogene. 

Diese Originalzahlen sind das Bleibende und Wertvolle 
der Mineralwasseranalysen. Sie würden auch für den Chemiker 
genügen. Sie geben aber nicht sofort ein anschauliches Bild 
von der Zusammensetzang des Mineralwassers, dessen doch 
vor allem die Aerzte bedürfen. 

Um diesen Zweck zu erreichen, hat man stets Zusammen¬ 
stellungen der Resultate gegeben, aber naturgemäß in ver¬ 
schiedener Form, dem jeweingen Stand der Wissenschaft ent¬ 
sprechend. 


Die Sache hat bekanntlich ihre besonderen Schwierig¬ 
keiten, welche darin begründet sind, dass die Mineralwasser- 
Salzlösungen von sehr komplizierter Zusammensetzung sind. 

Zuerst hat man, um übersichtliche, ein Gesamtbild ge¬ 
währende und Vergleichung ermöglichende Darstellungen zu 
geben, aus den Basen einerseits und den Säuren und Halo¬ 
genen andererseits Salze berechnet und diese tabellarisch zu¬ 
sammengestellt. 

In der ersten Zeit der wissenschaftlichen Mineralwasser¬ 
analyse hat man angegeben, wieviel Gran der einzelnen Salze 
in einem Pfund (gleiwi 7680 Gran) des Mineralwasser ent¬ 
halten sind. Diese Darstellungsweise ist heute gänzlich ver¬ 
altet und schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts all¬ 
mählich verdrängt worden durch Zusammenstellungen, die 
angeben, wieviel Teile der einzelnen Salze in 1000 Teilen 
Mineralwasser enthalten sind. 

Die Bindung der Basen an Säuren, beziehungsweise der 
Metalle an die Halogene, zu Salzen, wurde na(m gewissen 
Prinzipien vorgenommen, die sich auf die chemische Verwandt¬ 
schaft und die Löslichkeitsverhältnisse gründen. 

Da diese Prinzipien nun nicht zu allen Zeiten gleich waren 
und nicht von allen Chemikern gleich angenommen wurden, 
so ergab sich naturgemäß eine gewisse Verschiedenheit der 
Darstellungen. 

Um diese auszusehalten, hat man schon im letzten Viertel 
des vorigen Jahrhunderts mehrfach von der Berechnung auf 
Salze ganz abgesehen und sich mit der Zusammenstellung der 


Feuilleton. 


Von schlesischen Bädeni. 

Unter dieser üeberschrift veröffentlicht die „Schlesische 
Zeitung“ eine Reihe von Zuschriften, in denen Kurgäste und 
andere Freunde der schlesischen Bäder über die starke Ueber- 
flutung letzterer durch russisch-polnische Elemente nicht wenig 
angenehmer Art Klage führen. Es heisst u. a. in dem Artikel: 

„Die meisten scmesischen Bäder, insbesondere die der Graf¬ 
schaft Glatz und Salzbrunn, waren und sind noch in diesem 
Jahre von Russen, zumal aus Polen, förmlich überflutet. In 
Landeck stieg die auch sonst nicht unbedeutende Anzahl russi¬ 
scher, bezw. polnischer Badegäste bis Ende August über 1400, 
das sind etwa 20 Prozent der Gesamtziffer, in Kudowa erreichte 
der Prozentsatz zeitweise 30 und auch in Reinerz, Langenau, 
Salzbrunn, sowie auch in den meisten anderen Kurorten waren 
bedeutend mehr russische Untertanen als je zuvor. 

Die Namen der schlesischen Bäder erfreuen sich seit langer 
Zeit auch jenseits der russischen Grenze eines guten Rufes; es 
lag also nahe, dass unter dem Drucke der Verhältnisse diese 
Orte besonders, nicht nur aus Gesundheitsrücksichten, sondern 
auch als Zufluchts- und Erholungsstätten ausersehen wurden. 
Wer dies tat und die Kurtaxe entrichtete, liess auch im allge¬ 
meinen die Gelegenheit, von Brunnen und Bädern Gebrauch 
zu machen, nicht vorübergehen, und so wurden die Flüchtlinge 


Kurgäste. Die Badeverwaltungen hatten ihrerseits natürlich 
keinen Anlass, diesen aussordentlichen Gästen ungastlich zu be¬ 
gegnen, soweit sich diese den üblichen Voraussetzungen gemäss 
verhalten und durch den Pass legitimieren. Die Gewährung 
des Gastrechts hat allerdings ihre Grenzen — räumlich und formell. 

Was die formellen Beschränkungen für ausländische Kur¬ 
gäste betrifft, so kommen hier nur solche gegenüber den unter¬ 
sten Kulturstufen russischer und polnischer Staatsangehöriger 
in Betracht, und zwar zunächst das sogenannte Kaftanverbot 
für polnische Juden. Diese Maßnahme besteht schon seit 
Jahren für Bad Reinerz; Kudowa hat sich dem Beispiele zu¬ 
nächst angeschlossen und die meisten übrigen Bäderverwaltuugen 
haben sich, gedrängt durch die diesjährigen Erfahrungen, be¬ 
wogen gefunden, die gleichen Maßregeln zu ergreifen. Noch 
wichtiger als das Kaftanverbot, welches sich übrigens, wenig¬ 
stens in Reinerz, nicht nur auf den Kaftan, sondern überhaupt 
auf die Anpassung der Kaftanträger und ihrer Angehörigen an 
zivilisierte Gewohnheiten bezieht, erweist sich die Ablehnung 
der „Schnorrer“, d. h. solcher polnischer Juden, die tatsächlich 
oder angeblich nicht die Mittel besitzen, um Taxe und Kosten 
der Kur zu bezahlen. Auch hierin ist die Badeverwaltung von 
Reinerz unter Leitung ihres ausgezeichneten Bürgermeisters 
Dengler mit gutem Beispiele vorangegangen. 

Für die unabweisbare Notwendigkeit dieser Beschränkungen 
polnisch-jüdischer Invasion hat dieses Jahr vielfach und reich¬ 
lich Beweise erbracht. In allen Badeorten, abgesehen von Alt¬ 
heide, das bisher anscheinend nur in gebildeteren Kreisen Polens 


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106 


BAXiNBOLOGISCHE (XENTRAXiZSITUNG 


Nr. 27. 


gefondenen Basen, bezielmn^weise Metalle, einerseits, sowie 
der Säuren und Halogene andererseits begnüg. Meines Wissens 
bat dies zuerst C. von Tban vorgeschlagen und bei der Dar¬ 
stellung seiner Mineralwasseranalysen durchgefiihrt. 

' AUgemein üblich aber wurde diese Darstellungsweise nicht, 
es verblieb vielmehr bei der inzwischen ziemlich fest einge¬ 
bürgerten Berechnung auf Salze. 

Eine entscheidende Wendung trat erst ein, als die An¬ 
schauungen über die Natur der wässerigen Salzlösungen durch 
die Ergebnisse der neueren physikalisch-chemischen Forsch¬ 
ungen eine durchgreifende Umwandlung erfuhren. 

Während man bis dahin annahm, dass die Moleküle der 
einzelnen Salze als solche in den wässerigen Lösungen vor¬ 
handen seien, ist man jetzt zu der zuerst von Arrnenius 
klar ausgesprochenen Ansicht gelangt, dass die Salze in den 
wässerigen Lösungen nur zum geringsten Teil in Form unge¬ 
spaltener Moleküle vorhanden, zum überwiegenden Teil aber 
dissoziiert sind, und zwar gespalten in Ionen. Diese Ionen 
sind bei den Haloidsalzen nicht einfach die Atome der be¬ 
treffenden Metalle und Halogene, bei den komplizierter zu¬ 
sammengesetzten Salzen nicht einfach die Atome der Metalle 
und Atomgruppen der Säurereste, sondern man nimmt an, 
dass sie elektnsch geladene Atome und Atomgruppen sind. 
Man unterscheidet mit positiver Elektrizität geladene Kationen 
und mit negativer Elektrizität geladene Anionen. 

Seit Annahme der Arrheniusschen Lehre von der Natur 
der Salzlösungen pflegt man deshalb die Darstellung der 
Mineralwasseranalysen in zweierlei Art zu geben. Man gibt 
erstens eine Zusammenstellung, in welcher die berechneten 
Salze aufgefUhrt sind, zweitens eine Zusammenstellung der 
Ionen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Dissoziie- 
rung der Salze eine vollständige sei, was ja in Wirklichkeit 
nicht der Fall ist. _ (Schluss folgt.) 


Allgemeine Mietbedingungen fUr die thüringer Kurorte. 

Beilage zu dem in Nr. 25 abgedruckten Vortrage. 

1. Für den vereinbarten Mietpreis hat der Mieter ausser auf 
die ausschliessliche Benutzung der gemieteten Räume einschliess¬ 
lich des Mobiliars und auf die Mitbenutzung der für die Hausbe¬ 
wohner bestimmten gemeinschaftlichen Räume und Einrichtungen 
Anspruch auf Beleuchtung des Hausflurs und der Treppen und 
Vorhaltung von Bettwäsche und Handtüchern. 

Ist Pension vereinbart, so versteht sich diese für vorstehende 
Leistung und Gewährung von Frühstück, Mittag- und Abendessen. 


und Galiziens bekannt ist, hat es nicht an Missstimmungen und 
Beschwerden über die ohne oder mit Nationaltracht geduldeten 
polnischen Juden gefehlt. Man brauchte nicht erst die Bäder 
selbst zu besuchen, um das zu begreifen. Schon eine Bahn¬ 
fahrt auf den Bäderstrecken bot dazu hinreichend Gelegenheit. 
Ueberall sah und hörte man auf den Bahnhöfen, sowie in der 
3. und 4. Klasse polnische Juden, und wer sich nicht durch 
die üblichen Defekte oder die Unsauberkeit solcher Reisege¬ 
fährten in seiner Freude an den Schönheiten der Natur stören 
Hess, der konnte doch nicht ohne Unbehagen Zusehen, wie die 
selten bescheidenen, aber meist recht zudringlichen fremdlän¬ 
dischen Reisegefährten die Abfälle ihrer Nahrungs- und Ge¬ 
nussmittel auf und unter den Sitzplätzen verschwinden Hessen, 
ohne an ihre Entfernung beim Ende der Fahrt zu denken. In 
den Kuranlagen oder bei geselligen Veranstaltungen sind solche 
Boobaclitungen natürlich noch weniger geeignet, das Behagen 
empfindsamer, feinfühlender Naturen zu erhöhen. So fehlte es 
denn, wie g(!sagt, nicht an Verstimmungen und Beschwerden 
über solche Badegäste; zu ernsteren Konflikten, von denen 
mehrfach Gerüchte im Umlauf waren, scheint es jedoch des¬ 
halb in keinem der genannten Bäder gekommen zu sein. Ge¬ 
wisse Schwierigkeiten entstanden zeitweise in Badeeinrichtiingen, 
die ungeheuer stark in Anspruch genommen w’aren, so dass 
nicht selten bis in den Nachmittag hinein gebadet wurde. Be¬ 
sonders Moorbäder, eine Spezialität der polnischen Juden, 
waren ausserordentlich begehrt. Viele Badegäste weigerten 
sich, nach den unbeliebten Hurgenossen zu baden.“ 


Beleucbtnug und Heizung der Zimmer ist nach Uebereinkunft 
zu vergüten. 

2. Die Zeit der Beleuchtung des Hausflurs und der Treppen 
richtet sich nach den ortspolizeilichen Vorschriften. In Ermangelung 
solcher besteht Anspruch auf die Beleuchtung von Eintritt der 
Dunkelheit an bis 10 Uhr. 

3. Die Bettwäsche wird bei längerem Aufenthalt des Mieters 
alle 14 Tage gewechselt. Wird häufigerer Wechsel beansprucht, 
so ist die Vergütung dafür besondere zu vereinbaren. Ebenso ist 
für jedes über die ursprünglich vereinbarte Zahl hinaus verlangte 
Bett die Vergütung besonders festzusetzen. 

Handtücher werden für die Woche und die Person zwei ge¬ 
währt. Werden mehr beansprucht, so ist die Vergütung dafür 
besonders festzusetzen. 

4. Für Bettenmachen, Aufräumen und Reinigen des Zimmers 
und Beitragen des Trink- und Waschwassers ist der Betrag von 
1 Mark für die Woche und die Person zu entrichten. 

Das Reinigen der Kleider und des Schuhwerks ist der damit 
betrauten Person angemessen zu vergüten. 

Für die Vergütung aller sonstigen Leistungen z. B. Waschen, 
Plätten, Vorhaltung von warmen Wasser, Wasser zum Kochen und 
Baden gelten die getroffenen besonderen Vereinbarungen. 

5. Ist das Mietverhältnis tageweise auf unbestimmte Zeit ein- 
gegangen, so kann es von jedem Teil an jedem Miettag (vergl. 
Z. 8) für den folgenden Tag gekündigt werden. 

6 . Bei wochenweise auf unbestimmte Zeit abgeschlossener 
Miete muss eine Kündigung mindestens 3 Tage vor Ablauf der 
Mietwoche erfolgen. 

7. Ist auf bestimmte Zeit gemietet, so endet das Mietve^ 
hältnis ohne weiteres mit Ablauf der bestimmten Zeit. Eine ein¬ 
seitige Erhöhung des Mietpreises innerhalb der Mietzeit ist selbst¬ 
verständlich ausgeschlossen. 

8 . DerMiettag wird V. Mittag 12 Uhr bis Mittag 12 Uhr gerechnet. 

9. Die Räumung der gemieteten Wohnung muss pünktlich mit 
Ablauf des Miettages erfolgen, mit dem das Mietverhältnis endigt. 
Nichteinhaltung dieser Vorschrift verpflichtet zum Ersatz des dem 
Vermieter entstehenden Schadens, mindestens aber zur Eutrichtimg 
der vollen Miete für den neuen Miettag. 

10. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Gestattung der 
Aftervermietung. 

11. Der Mieter haftet für Beschädigungen, die auf ihn oder 
eine zu seinem Haushalt gehörige, oder von ihm in die Mietwohnung 
aufgenommene Person zurückzuführen sind, auch wenn ein Ver¬ 
schulden nicht vorliegt. 


Die Schwierigkeiten, die den schlesischen Badem aus dem 
Besuche der geschilderten Gäste erwachsen, sind allbokannt 
und mit Recht treten die Verwaltungen dagegen auf, denn es 
ist nicht zu verlangen, dass, wenn diese polnischen Herren sich 
gebadet haben, andere Leute mit westlicher Kultur vertrauens¬ 
voll in dieselben Wannen steigen. Von Antisemitismus kann 
hierbei keine Rede sein, sondern nur von Achtsamkeit auf die 
hygienischen Maßregeln, die jeder Kurort im Interesse seiner 
Gäste, wie seinem eigenen, scharf zu beobachten hat. Es gehört 
doch keinesfalls zu einem religiösen Gebrauche, so schmutzig 
zu sein, wie es diese galizisch polnische Gesellschaft meist ist. 
Wir wissen von einem schlesischen Kurdirektor, dass in einem 
Stübchen, das kaum für eine Person Platz bietet, vier solcher 
Leute gewohnt haben. Dagegen einzutreten ist einfach Pflicht. 
Dass diese Herrschaften die Vergünstigung des Haustrunks, 
der den Gästen in Flaschen neben dem Quellgebraucli gewährt 
wird, vielfach dazu benutzen, um sich 20 bis 30 Flaschen ue- 
orlaubt mitzunehmen, soll nur nebenbei bemerkt werden, ün- 
seres Eraclitens haben die Kurgäste, die den polnisch-galizischen 
Sitten der Unsauborkeit nicht huldigen, ein volles Recht da¬ 
rauf, von der Direktion zu verlangen, dass diese Sorte von un¬ 
liebsamen Gästen keine Störung des Betriebes, keinen Widerwillen 
gegen den Gebrauch der Bäder und Trinkkuren hervorruft und 
sie sich den hygienischen Vorschriften, die in Kurorten strenger 
als sonst bei dem Zusammenfluss grosser Menschenmengen m 
kurzer Zeit beobachtet werden müssen, auch strikte fügt' 


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1906. 


BALNKOLOQISCHB CBNTRALZBITUKG 


107 


12. Die Miete ist, wenn das Mietverhältnis über eine Woche 
dauert, wöchentlich za entrichten. Desgleichen sind am Ende 
jeder Mtetwoohe die im Laufe derselben entstandenen sonstigen 
Ansprüche des Vermieters zu befriedigen. Der Mieter kann ver> 
langen , dass ihm am Ende einer jeden Mietwoche eine Rechnung 
über die sämtlichen Forderungen des Vermieters ausgehändigt wird. 

13. Petroleum* oder Spirituskocher dürfen nur mit Genehmigung 
des Vermieters in der Mietwohnung benutzt werden. 

14. Gibt ein Mieter die Wohnung vor Beendigung der Miet¬ 
zeit auf, so hat er alsbald die voUe Miete für den Rest der Miet¬ 
zeit zu entrichten. Wird die Wohnung vor Ablauf dieser Zeit 
anderweit vermietet, so muss ihm der Vermieter den erzielten 
Mieterlös bis zur Höhe des gezahlten Betrages abgewähren. 

15. Zar sofortigen Aufhebung des Mietverhältnisses ist der 
Vermieter berechtigt: 

a) wenn der Mieter die gemieteten Räume nicht bei Beginn der 
Mietzeit bezieht, 

b) wenn der Mieter einen eiligen Betrag trotz Mahnung nicht 
bezahlt, 

c) wenn der Mieter von den gemieteten Gegenständen einen 
vertragswidrigen Gebrauch macht oder die Mitbewohner des 
Hauses oder die Nachbarschaft durch Lärm oder sonstwie 
belästigt, 

d) wenn der Mieter oder eine zu seinem Haushalt gehörige oder 
von ihm in die Mietwohnung aufgenommene Person von einer 
ansteckenden Krankheit befallen wird. 

16. Der Mieter ist zur sofortigen Aufhebung des Mietver¬ 
hältnisses berechtigt: 

a) wenn ihm die gemieteten Räume nicht pünktlich übergeben 
werden, 

b) wenn in dem Hause, in dem sich die Mietwohnung befindet, 
eine ansteckende Krankheit ausbricht, 

c) wenn im Laufe der Miete au der Mietwohnung ein Fehler 
entsteht, der ihre Tauglichkeit zu dem verbranchsmässigen 
Gebrauche aufhebt, und der Fehler nicht sofort beseitigt wird. 

17. Stirbt der Mieter oder eine zu seinem Haushalt gehörige 
oder von ihm in die Mietwohnung aufgenommene Person in dieser, 
so ist dem Vermieter mit Rücksicht auf die ihm dadurch in der 
Regel entstehenden Aufwendungen und Nachteile ein, im Streitfälle 
gemäss Ziffer 19, nach billigem Ermessen festzusetzendes Ersatz¬ 
geld zu gewähren. 

18. Dem Vermieter steht wegen seiner Forderungen aus dem 
Mietverhältuis das gesetzliche Pfandrecht an den eingebrachten 
Sachen des Mieters zu. 


Marienbad in der Saison 1905. 

Von a. ö. Professor Dr. E. Heinrich Kisch in Prag-Marienbad. 

Auch die verflossene Saison Marienbads muss in Anbe¬ 
tracht der zunehmenden Fre(juenz als eine günstige bezeichnet 
werden. Das Plus beträgt im Vergleiche zum Vorjahre 682 
Parteien und 1381 Personen. Es waren im Sommer 1905 im 
Ganzen 17 782 Parteien mit 27871 Personen anwesend, den 
Touristen und Passanten, welche weniger als 8 Tage im Kur¬ 
orte weilten, nicht eingerechnet. 

Von den Kurgästen entfallen der Nationalität nach auf 
Oesterreich 4894 Parteien mit 7577 Personen, auf Ungarn 
1687 Parteien mit 2 624 Personen, auf Bosnien und Herzego¬ 
wina 22 Parteien mit 26 Personen, demnach auf die Gesamt¬ 
monarchie 6603 Parteien mit 10227 Personen. Aus Böhmen 
waren 1353 Parteien mit 2 062 Personen, aus Wien 1742 
Parteien mit 2893 Personen. Das Deutsche Reich stellte 
ein grösseres Kontingent an Kurgästen und zwar 7 534 Parteien 
mit 11357 Personen. Darunter aus Preussen 4889 Parteien 
mit 7 378 Personen, aus Bayern 505 Parteien mit 770 Personen, 
aus Sachsen 1208 Parteien mit 1841 Personen, aus Württem- 
berg 182 Parteien mit 271 Personen, aus Grossberzogtum 
Baden 111 Parteien mit 148 Personen, aus Mecklenburg 
32 Parteien mit 51 Personen, aus dem Grossherzogtume Sachsen- 
Weimar 21 Parteien mit 31 Personen, aus Hamburg 317 
Parteien mit 481 Personen, aus Bremen 38 Parteien mit 49 
Personen, aus den sächsischen Herzogtümern 123 Parteien 


Zur Abwendung der Geltendmachung dieses Pfandrechts kann 
der strittige Betrag vom Mieter bei der Kurverwaltung oder beim 
Stadtrat hinterlegt werden. 

19. Streitigkeiten aas Anlass des Mietverhältnisses entscheidet 
die Kurverwaltung vorbehaltlich des gegen deren Entscheidung 
offen stehenden Rechtsweges. (Fortsetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

In Borkum beabsichtigt die Badedirektion im kommenden 
Winter nochmals den Versuch zu wiederholen, die Saison und 
Badekur über den Herbst und Winter auszudehnen. DieBorkumer 
Kleinbahnaktiengesellschaft unterhält den ganzen Winter über eine 
tägliche Dampferverbindung zwischen Emden und der Insel Borkum. 

Ems. Die Anerkennimg für die in den letzten Jahren mit 
grossen Anwendungen vorgenommene Ausgestaltung der Kurein- 
richtungen äussert sich am glänzendsten in der bedeutenden Zu¬ 
nahme der Frequenz des Badeortes, die schon Mitte September 
um mehr als 2000 Personen höher war, als im vergangenen Jahre 
Die Nachsaison bietet den Gästen bei andauernd herrlichem Wetter 
noch die vielseitigsten Natrir- und Kunstgenüsse. Eine Ver¬ 
pflichtung zur Lösung von Kurtazkarten besteht für die jetzt ein- 
treffenden Fremden nicht mehr. 

Homburg V. d. Höhe. Der veränderten Reisemode folgend, 
nach der viele Familien ihre Erholungsreisen jetzt erst im Herbst 
oder Winter antreten, hat die Kurverwaltung sich entschlossen 
eine Winterkur hier einzuführen. Die Kurtaxe ist auf die Hälfte 
ermäßigt worden und das Kurhaus mit seinen Lese- und Spiel¬ 
sälen, sowie das Badehaus, bleiben den ganzen Winter Uber ge¬ 
öffnet. Die Mineralwässer werden in der 120 Schritt langen, 
geheizten Wandelhalle des Kurhauses verabreicht. Es finden 
täglich Konzerte des Kurorchesters, sowie wöchentlich ein bis drei 
Theatervorstellungen statt. Mehrere grössere und kleinere Hotels 
und Logierhäuser werden gleichfalls den ganzen Winter über ge¬ 
öffnet bleiben. 

Aus Karlsb&d wird geschrieben: Eine interessante Ausstellung 
von Plänen und Modellen zu dem projektierten Kolonnadenbau in 
Karlsbad, und zwar vom Schlossbrunnen bis zum Muhlbrunnen, 
findet in der Zeit vom 10. bis 24. Oktober im Kurhause in Karls¬ 
bad statt. Der Stadtrat von Karlsbad hat einen Wettbewerb unter 
den deutschen Architekten ausgeschrieben und sind 50 höchst 
wertvolle und bedeutende Projekte eingelaufen. 

Kreuznach. Das Bad hat einen erfreulichen Fortschritt durch 
die Betriebseröffnung der von der Becker-Gesellschaft Berlin er- 


mit 172 Personen, aus Lübeck 25 Parteien mit 35 Personen. 
Die übrigen europäischen Staaten sandten 3194 Parteien mit 

5 365 Personen und zwar: Belgien und Luxemburg 59 Par¬ 
teien mit 95 Personen; Dänemark 30 Parteien mit 39 Per¬ 
sonen ; Frankreich 202Parteien mit 376 Personen; Griechen- 
land 14 Parteien mit 24 Personen; Grossbritanien 418 
Parteien mit 726 Personen; Italien 42 Parteien mit 95 Per¬ 
sonen; Niederlande 90 Parteien mit 148 Personen; Rumä¬ 
nien 241 Parteien mit 450 Personen; Russland 1873 Parteien 
mit 3053 Personen; Schweden und Norwegen 94 Parteien 
mit 132 Personen; Schweiz 48 Parteien mit 78 Personen; 
Serbien 28 Parteien mit 43 Personen; Spanien und Portu¬ 
gal 17 Parteien mit 30 Personen; Türkei und Bulgarien 
38 Parteien mit 76 Personen. Aus den übrigen Weltteilen 
kamen 451 Parteien mit 922 Personen und zwar: Afrika 67 
Parteien mit 151 Personen; Amerika 356 Parteien mit 723 
Personen; Asien 22 Parteien mit 38 Personen; Australien 

6 Parteien mit 10 Personen. Bemerkenswert ist, dass trotz des 
Krieges die Zahl der aus Russland stammenden Kurparteien 
wesentlich, um 262 Parteien, gegen das Vorjahr zugenommen 
hat. Auch das deutsche Reich stellt ein stetig wachsendes 
Kontingent, diesmal um 486 Parteien mehr als im Voijahre. 
Hingegen ist die Besucherzahl aus Oesterreich wie aus Ungarn 

esunken, ein Minus von 213 Parteien gegen das vorhergehende 

ahr, was wohl in den ungünstigen p<mtischen und wirtschaft¬ 
lichen Verhältnissen seinen Grund haben mag. (Schluss folgt.) 


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108 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZfilTÜNQ 


Kr. 2?. 


banten elektrischen Strassenbabn zu verzeichnen. Diese führt vom 
Bskhnhof Bad Kreuznach unmittelbar in das Herz des Kreuznacher 
Badelebens. Ferner aber stellt sie eine ebenso bequeme, wie 
rasche Verbindung nach dem benachbartein Ausflugsort Münster a. St. 
her, indem sie ihren Weg durch das wegen seiner landschaftlichen 
Beize weltberühmte Salinental Karls- und Theodorshalle nimmt. 

WlBSbaden. in der letzten Stadtverordnetensitzung machte 
Oberbürgermeister v. Ibell davon Mitteilung, dass der Magistrat 
die Prüfung der Beschwerde der Badehausbesitzer wegen Ent¬ 
ziehung von Thermalwasser durch die Anlagen von Drainagen 
seitens der Stadt dem Polizeipräsidenten überlassen und dieser im 
Einverständnis mit der Königlichen Regierung zwei Bergräte und 
einen Landesgeologen als Sachverständige berufen habe. Der aus 
der Mitte der Versammlung lautgewordene Wunsch, an den 
Arbeiten dieser Sachverständigen auch die von der Stadtverordneten¬ 
versammlung in dieser Angelegenheit eingesetzte Kommission zu 
beteiligen, soll dem Polizeipräsidenten unterbreitet werden. Der 
Oberbürgermeister bemerkte noch, dass als Ursache des Rückgangs 
der Thermalquellen hauptsächlich die Erdarbeiten für zahlreiche 
Neubauten im Thermalwassergebiet und das damit im Zusammen¬ 
hänge stehende Auspumpen der Baugruben anzusehen sei. Der 
städtische „Bäckerbrunnen“ habe vor dieser Periode 62 Liter 
Wasser in der Minute gegeben, am 31. August nur noch 2 Liter, 
und heute laufe er gar nicht mehr. Nach dem Gutachten des 
Oberingenienrs Frensch werde sich jedoch das Wasser wieder ein¬ 
stellen, sobald die Kellerräume der Neubauten verdichtet seien 
und das Pumpen dort aufhöre. 

— Seit einigen Tagen ist eine Automobilverbindung mit 
Schlangenbad im Betrieb. Die Fahrt dauert etwas über dreiviertel 
Stunden, der Fahrpreis beträgt für die einfache Fahrt 1 M. 50 Pf., 
für Hin- und Rückfahrt 2 M. 50 Pf. Vorerst verkehren die be¬ 
quem ansgestatteten Wagen viermal täglich in jeder Richtung. 

— Zur Erlangung einer ärztlichen Propagandaschrift für das 
Wiesbadener Kurwesen erlies die Stadt ein Preisausschreiben an 
die in Wiesbaden wohnenden Aerzte und setzte drei Preise iin 
Werte von 1500, 1000 und 500 M. aus. 


Verschiedenes. 

— Rückgang der Ostseebäder. In der „Frankf.Ztg.“ 
lesen wir folgende Mitteilung aus Stettin: „Für die meisten 


pommerscben Seebäder bedeutet die diesjährige Saison eine Ent¬ 
täuschung, um so mehr, als im vorigen Jahre der Andrang der 
Fremden ganz ausserordentlich gewesen war und infolgedessen an 
verschiedenen Orten, besonders in Swinemünde, eine rege ge¬ 
wordene Unternehmungslust neue Villen und Pensionsbäuser in 
grosser Anzahl erstehen liess. Aber die Fremden kamen in diesem 
Sommer bei weitem nicht so zahlreich wie im vorigen. So sind 
in Swinemünde bis zpm 1. September 30490 Fremde gewesen, 
gegenüber 31001 am gleichen Tag des Vorjahres. In Ablbeck 
sank die Frequenz von 18188 Kurgästen am 30. August 1905 auf 
15903 am 31. August 1906, in Heringsdorf von 15435 auf 14433, 
in Misdroy von 15115 auf 13683, in Zinnowitz von 8350 auf 
7828. Man möchte dieses Abflauen des Fremdenstromes mit der 
nasskalten Witterung ftr einem grossen Teil der Nachsaison er¬ 
klären, doch dürfte diese Begründung nicht ansreicbend sein. 
Denn an den meisten dieser Orte konnte man schon von Anfang 
an, auch während der Hauptsaison, einen schwächeren Besuch 
gegenüber dem Vorjahr feststellen; und dem steht ein erheblich 
stärkerer Besuch der kleineren Badeorte an der pommerscben und 
mecklenburgischen Küste gegenüber, so in Heiligendamm, Prerow, 
Zingst, Dievenow, auch der meisten rügenschen Bäder, vor allem 
aber von Kelberg (15 713 Kurgäste gegen 14 653 im Jahre 1905). 
Und die Erklärung dieser Erscheinung? Im vorigen Jahre gingen 
auf Gnmd des grossen Andrangs die Preise für Wohnung und 
Lebensmittel in den oben genannten Modebädern derartig in die 
Höhe, dass vielen Kurgästen die Lust zum Wiederkommen ver¬ 
gangen ist. 


Personalien. 

— Geheimer Sanitätsrat Dr. Stroschnow, der Nestor der 
dentsch-böhm. Aerztesebaft, ist, nach 41jähriger Praxis, in Franzens- 
bad gestorben. 

— Dem Sanitätsrat Dr. Kot he in Friedrichroda wurde der 
Rote Adlerorden IV. Klasse verliehen. 

— Kurarzt Dr. Thomas in Badenweiler wurde zum badischen 
Medicinalrat ernannt. 

— Dr. Heinrich Mache, Privatdozent an der Universität 
Wien, bekannt durch seine Untersuchungen der hauptsächlichsten 
Mineralquellen auf ihre Radioaktivität, wurde zum a. o. Professor 
der Experimental-Pbysik au der Universität in Innsbruck ernannt. 


Meteorologische Statistik. 


Veraastaltet von der Redaktion der Balnoologioehen Zaatralzeltnng.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatnr- 

tniniTirmm 

Mittleres 

Temperatur- 

\ 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 



7.—13./10. 

11 c. 

17,7 

C. 

762,8 


7 

— 




Davos. 

• 

• 

3.—9./10. 

1,5 C. 

14,5 

C. 

635,6 

— 

6 

1 

— 

— 


Driburg. 

• 

• 

1.—7./10. 

7,1 C. 

16,6 

c. 

— 

3 

3 

1 

1 

— 


F.ina. 

• 

• 

7._13./10. 

7,6 0. 

16i5 

c. 

755,2 

— 

7 

— 

2,3 

— 


GKesshübl-Sauerbnmn 

• 

• 


4,8 C. 

17,9 

c. 

— 


5 

2 


— 


Herrenalb .... 

• 

• 


10 c. 

18 

c. 

725 

1 

Si/i 

1V4 

2—3 

— 


Kreuznach .... 

• 

• 


— c. 

— 

c. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Langeuschwalbach . 

• 

• 

— 

— c. 

— 

0. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Lippsprinsje .... 

• 

• 

7.—13./10. 

6,5 C. 

14 

c. 

755 

— 

6 

1 

2 

— 

Frequenz 

Nauheim . 

• 

• 


4,5 C. 

17,7 

0. 

747,1 

1 

5 

2 

2 

— 

t 27471. 

Nenndorf . . . . . 

• 

• 


9 C. 

17 

c. 

759 

2 

6 

2 

—- 

— 


Norderney .... 

• 

• 

23.—29./9. 

11,1 0. 

16,1 

c. 

773,1 

— 

6 


3 

— 


Reichenhall .... 

. 

• 

— 

— C. 

— 

c. 

— 

— 

—. 


— 

— 


Reinerz. 

• 

* 

7.—13./10. 

2,6 C. 

13,3 

c. 

— 

2 

4 


— 

— 


Salzbrunn .... 

« 

« 

— 

— C. 


c. 

— 

— 

— 


— 

— 


Stehen. 

• 

• 

— 

— C. 

— 

c. 

— 

— 



— 

— 


Triborg. 

• 


30.—13./1Ü. 

6,1 C. 

15,3 

c. 

— 

3 

11 

3 

— 

1 



Verantwortlicher Redaktear: Dr. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Dmck von He]niamaiin*sche Bocbdniekerei, Gobr. Wolff, Hallo a. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 28. 1906. 

Balneologische Centralzeitung 

Organ^des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder 
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


^ ^ . Verlag: Carl Marhold ln Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 

Redakteur: Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823 

Dr. med. Ct poHt. stehr, Wiesbaden. Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

__DDr. Stebr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52._ 


Der Nacbdruck ans dieser Zeitschrift ist 
nur mit Quellenangabe und nach Anfrage 
bei der Redaktion gestattet. 


Inhalt. 

Ueber die chemiache Zusammensetzaag der Etnser Mineralquellen. Von Dr. Das Ludwig-Wilhelm-Pflegebaus in Baden-Baden. Von Dr. C. Hofmann. 

H. Fresenius-Wiesbaden. (Schloss.) Ans den Bädern ood Kurorten. 

Das Baden in der Armee. Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannover. Tersammlungen und Kongresse. 

FeoUletoa : Marienbad in der Saison 1905. Von a. 0. Professor Dr. E. Hein- Meteorologische Statistik, 
rieh Kisch. (Schluss.) 


lieber die chemische Zusammensetzung 
der Emser Mineralquellen. 

Vortrag f. d. XIV. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen 
Bäderverbandes zu Ems am 4. Okt. 1905. 

Von Dr. H. Fresenius-Wiesbaden, 

Geh. Regierougsrat und Professor. 

(Schluss.) 

Ganz besonders anschaulich gestaltet sich die Zusammen¬ 
stellung der Ionen, wenn man die Form der graphischen Dar¬ 
stellung wählt. 

Die farbige Tafel gibt Ihnen eine solche Darstellung der 
chemischen Zusammensetzung des Kränchens nach meiner neuen 
ausführlichen Analyse. 

Die Zusammenstellung meiner neuen Analysen des Krän¬ 
chens, des Fürstenbrunnens, des Kesselbrunnens und des Kaiser¬ 
brunnens auf dem in Ihren Händen befindlichen Blatt zeigt 
Ihnen dagegen die Darstellung dieser Analysen nach der Me¬ 
thode der Berechnung auf Salze. 

In meiner Schrift über die Untersuchung der Römerquelle 
finden Sie auf Seite 18 eine Darstellung der Analyse nach der 
Methode der Berechnung auf Salze, auf Seite 19 eine tabel¬ 
larische Übersicht nach Ionen, und zwar in drei Spalten. Die 
erste gibt an, wieviel Gramme jedes Ions in einem Liter 

Feuilleton. 

Marienbad in der Saison 190.'). 

Von a. ö. Professor Dr. E. Heinrich Kisch in Prag-Marionbad. 

(Schluss.) 

Von Neuerungen, welche die letzte Saison gebracht hat, 
ist die Neufassung der Waldquelle hervorzuheben, welche 
hierdurch an Ergiebigkeit und Kohlensäuregebalt gewonnen 
hat. Die Waldquelle in der malerisch herrlichsten Gegend 
Marienbads, in der Waldschlucht gelegen, ist ein alkalisch- 
salinischer Säuerling. Sie ist in Hinsicht auf Qualität der fixen 
Bestandteile ähnlich zusammengesetzt wie der Kreuzbrunnen 
und Ferdinand-sbrunnen, quantitativ hat sie jedoch nur den 
dritten Teil der in diesen (jlaubersalzwässern enthaltenen Salze, 
während der Kohlensäurereichtum derselbe ist. Ihre thera¬ 
peutische Verwertung findet darum die Waldquelle bei den 
leichteren Formen von Unterleibsstörungen, bei chronisch- 
katarrhalischen Zuständen der Respirationsorgane, bei Reizzu¬ 
ständen der Hamwege. Die Waldquelle, welche bisher nur zu 
Trinkkuren Verwendung fand, wird jetzt überdies auch in das 
Badehaus zur Speisung der kohlensauren Bäder geleitet. 

Die Zahl der kohlensänrereichen Bäder erweist sich noch 
immer, dem erhöhten Begehre gegenüber, unzulänglich und das 
Stift Tepl hat sich entschlossen, im neuen Badehause die Zahl 
der Kabinen um 40 zu vermehren, so dass an einem Tage 400 


Mineralwasser enthalten sind, die zweite Spalte gibt die Milli- 
Molen an und die dritte die Milligramm-Aequivalente. Es ist 
dies eine Darstellung nach dem ochema, welches nach dem 
Vorschläge meines Schwagers, Professor Dr. Ernst Hintz, 
und des Dozenten Dr. L. Grünhut für das von dem Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamte in zweiter Auflage vorbereitete Werk 
„Deutschlands Heilquellen und Bäder** angenommen worden ist. 

Auf den Seiten 22 und 23 meiner Schrift über die Unter¬ 
suchung der Römerquelle finden Sie endlich nach der Berech¬ 
nung auf Salze dargestellt meine neuen Analysen der Römer¬ 
quelle, des Kränchens, Fürstenbrunnens, Kesselbrunnens und 
Kaiserbrunnens. 

Diese letztere Uebersicht beschränkt sich auf die in wäg¬ 
barer Menge vorhandenen Bestandteile, desgleichen auch die 
farbige graphische Darstellung meiner neuen Analyse des 
Kränchens. 

Aus allen diesen vor unseren Augen befindlichen Dar¬ 
stellungen erkennen wir nun die chemische Zusammen¬ 
setzung der Emser Mineralquellen. 

Was die qualitative Zusammensetzung anbetrifft, so sind 
in allen Emser Quellen nachgewiesen 

Basen: Säuren und Halogene: 

Natron Kohlensäure 

Kali Schwefelsäure 

(Caesion) Phosphorsäure 

(Rubidion) (Boreäure) 

Lithion Kieselsäure 

kohlensaure Bäder mehr als bisher werden verabreicht 
werden können. 

Eine beachtenswerte Neuerung ist auch die in diesem Jahre 
erfolgte Errichtung eines Inhalatoriums nach dem Bulüng- 
schen Systeme. Dieses Inhalatorium wird in Verbindung mit 
der Neufassung der Waldquelle sicherlich dazu beitragen, dass 
das Kontingent der mit chronischen Katarrhen und Reizzuständen 
der Atmungsorgane behafteten Kranken in Marienbad zunehmen 
und hier erfolgreiche Hilfsmittel finden wird. 

Zu verzeichnen ist ferner unter den Lokalereignissen eine 
Reihe von sportlichen Neuerungen; die Errichtung eines Golf¬ 
spielplatzes, ein Tennistournier, ein Fechttournier. Ich bekenne 
es offen, dass ich nicht dafür war und mich auch jetzt nicht 
dafür begeistern kann, auf diese sportliche Ausgestaltung in 
Marienbad ein besonderes Gewicht zu legen, indes geht einmal 
die ^Meinung des Publikums dahin. Aber als Hauptsache muss, 
nach meiner Anschauung, die sorgfältigste Pflege der eigent¬ 
lichen Kurmittel, die höchste Anspannung aller Kräfte für Ein¬ 
richtung der Kuranstalten, der splendideste Aufwand von Geld¬ 
mitteln für vervollkommnete hygienische und sanitäre Einrich¬ 
tungen, das intensivste Studium der therapeutischen Verwertung 
der Heilquellen und Bäder gelten. Marienbad soll immer mehr 
als ernster bedeutungsvoller Kurort mit ernsten, 
wirkungsreichen Heilmitteln anerkannt und geschätzt werden, 
und erst in zweiter Linie als beliebte Sommerfrische und an¬ 
genehmer Sportplatz. 

Unter den Kurgästen waren vorwiegend jene vertreten, 
welche zur Trinkkur mit den Glaubersalz wässern, Kreuz- 


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110 


BATiNEOLOGISOillS CBN TKALzJ ülTU ITQ 


Nr. 28. 


Basen: 

Ammon 
Strontian 
Baryt 
Kalk 
Magnesia 
(Tonerde) 

Eisenoxydul 
Manganoxydul. 

Der eigentliche Charakter der Quellen ergibt sich aber 
erst aus den quantitativen Verhältnissen. 

Bei den Darstellungen, welche die Berechnung auf Salze 
geben, zeigen sich überall neben der freien Kohlensäure als 
Hauptbestandteile doppelt kohlensaures Natron und Kochsalz, 
und zwar annähernd in dem Verhältnis 2 :1. 

Dasselbe erkennen wir aus der farbigen graphischen Dar¬ 
stellung der Kränchenanalyse. 

Ich mache darauf aufmerksam, dass es nicht die Linien, 
sondern die Flächen sind, welche hier miteinander verglichen 
worden müssen. 

(J1 qmm gegen HCO 3 117750 qmm Na 60000 qmm etc.) 

Die Emser Mineralquellen gehören demnach zu den alka¬ 
lisch-muriatischen Säuerlingen und werden — weil sie 
warm sind (28°—50° C) — mit Recht als alkalisch-muria- 
tiscbe Thermen bezeichnet. 

Neben den vorwiegenden Bestandteilen (doppelt kohlen¬ 
saures Natron und Kochsalz) treten bei den Emser Mineral¬ 
quellen noch doppelt kohlensaurer Kalk und doppelt kohlen¬ 
saure Magnesia hervor. Sulfate hingegen sind nur in geringen 
Mengen vorhanden, doppelt kohlensaures Eisenoxydul ebenfalls 
in relativ geringer Menge. Alle anderen Bestandteile treten 
sehr zurück. 

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Punkte hervor¬ 
heben, die sich aus der Vergleichung meiner neuen Analysen 
mit den Analysen meines Vaters ergeben haben. 

1 . Die neugefassten Mineralquellen liefern ihr heilkräftiges 
Mineralwasser in der gleichen Zusammensetzung, in welcher 
sie den Weltruf von Ems begründet haben. 

2. Die Emser alkalisch-muriatischen Thermen sind von 
hervorragender Konstanz in der Zusammensetzung — ge¬ 
wissermaßen Heilmittel von sehr gleichmäßiger natürlicher 
Dosierung. 


und Ferdinandsbrunn, und zum Gebrauche der Moor¬ 
bäder, wie der kohlensäurereicheu Bäder hierher gekommen 
waren. Ihnen zunächst die Gruppe der eisenbedürftigen Per¬ 
sonen, welche den an Kohlensäure und Eisen reichen Ambrosius¬ 
brunnen mit den milderen alkalisch-salinischen Säuerlingen, 
besonders der Waldquelle, tranken und Stahlbäder wie Eisen¬ 
moorbäder nahmen. Hiernach die stets wachsende Zahl der 
zum Gebrauche der Rudolfsquelle bestimmten, an chronischen 
Erkrankungen der Harnorgane, wie an harnsaurer Diathese 
leidenden Individuen. Nur in geringer Aufnahme ist bisher die 
Alexandrinenquelle und der Pottasäuerling. 

Ein überaus grosses Kontingent stellten zu den in Marien¬ 
bad vertretenen Erkrankungsformen die mannigfachsten Herz¬ 
beschwerden, von den leichteren durch das Mastfettherz 
verursachten Störungen der normalen Herzarbeit bis zu den 
schwersten durch Erkrankung des Herzmuskels veranlassten 
j)athologischen Veränderungen des Blutkreislaufes. Und dies 
veranlasst mich zu einigen Bemerkungen. 

Wenn ich wiederholt hervorgehoben habe, was die balneo- 
logischon Heilmittel Marienbads zu leisten vermögen, um die 
durch mannigfache Störungen erhöhte Arbeit des Herzens zu er¬ 
leichtern und die Leistungsfähigkeit desselben zu steigern, so 
halte ich OS für meine Pfliclit, einer gewissen Einschränkung 
Ausdruck zu geben. 

Unsere an Kohlensäure reichen Bäder vermögen tat¬ 
sächlich, bei sorgfältig überwachender Verordnung, in vielen 
Fällen von funktionellen Ilerzstürungon in Folge von Anaemie 
und in der Rekonvalescenz, bei Erkrankungen der Herzklappen 


Wie wir gesehen haben, meine Herren, ändern sich, je 
nach dem Stande der Wissenschaft, nicht nur die Forschnngs- 
methoden, sondern es ändert sich auch die Art und Weise, 
die gewonnenen Ergebnisse darzustellen. 

Was bleibt und sich nicht geändert hat, soweit wir es 
verfolgen können, sind in unserem Falle die Emser Mineral¬ 
quellen und ihre Heilkraft. Mögen sie fortfahren, ihren Segen 
zu spenden uns und den fernsten Geschlechtern. 


Das Baden in der Armee. 

Vortrag in der HaoptversammlaDg der Deatachen Gesellschaft für Volks- 
bäder am 23. Mai 1906 zu Worms. 

Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannover. 

Nicht gar so lange Zeit ist es her, dass das Verständnis 
für die Aufgaben und Bestrebungen der Gesundheitspflege mehr 
und mehr in immer weitere Kreise der Bevölkerung gedrungen 
ist und noch heute erhebt sich nicht selten von vielen und ge¬ 
wichtigen Seiten Widerspruch, wenn an ihre Opferwilligkeit 
Anforderungen gestellt werden, welche dem hygienischen Inter¬ 
esse dienen sollen. Sterben doch die Besserwisser nicht aus, 
die da meinen, dass vor Zeiten auch ohne Kenntnis und Be¬ 
folgung der hygienischen Lehren weite Kreise gelebt, gearbeitet 
und Werte geschaffen hätten; dass die Gesundheitspflege ver¬ 
weichliche, eine weise und gerechte Selektion verhindere und 
überflüssige Opfer für die Erhaltuu^ von Schwächlingen, die 
für das Wachsen und die Zukunft eines Volkes ein Nichts be¬ 
deuteten, heische. — Nun, mag auch hier und da in der Tat 
das Bestreben, stets und überall im Sinne der Hygiene zu 
handeln, über das Ziel hinausschiessen, und so unnötig eine 
gewisse Angst um das liebe Ich erzeugen — darüber sind wir 
uns in diesem Kreise wohl alle einig, dass für eine verständnis¬ 
volle Aufklärung und Erziehung des Volkes im hygienischen 
Sinne trotz allem noch recht viel zu tun übrig bleibt. 

Und nicht hoch genug ist die Unterstützung zu bewerten, 
welche dieser Arbeit durch das planmäßige, jahrzehntelange Ver¬ 
geben der Militärverwaltung erwächst. Lässt sie es sich doch 
seit langer Zeit angelegen sein, bei der Ernährung, Kleidnng 
und Unterbringung der Truppe iu weitgehendster Weise die 
Erfahrungen der Neuzeit zu berücksichtigen; nein, sie sorgt 
auch weiter durch mancherlei sanitäre Einrichtungen dafür, 


und Gefässe, bei Erkrankungen des Herzmuskels, in erster 
Linie bei der Fettumwachsung und Durchwachsung des Myo- 
cards, eine wesentliche Erleichterung der Herzarbeit herbeiza- 
führen, eine Herabsetzung der erhöhten Widerstände im Blut¬ 
kreisläufe zu erzielen, die Arbeitsfähigkeit des linken Herzens 
zu steigern und diesem durch Schaffung grösserer Ruhepausen 
Gelegenheit zu einer Kraftansammlung zu bieten. 

Das methodische Trink en unserer Glaubersalz Wässer ver¬ 
mehrt die Darmsekretion, regt die Diurese an, und vermag da¬ 
durch einer bestehenden erhöhten Druckzunahme in den Blut¬ 
gefässen entgegen zu wirken, die Widerstände herabzusetzen, 
während anderseits wir in unseren reinen Eisenwässem ein 
Mittel besitzen, durch günstige Beeinflussung der Blutmischung 
eine bessere Ernährung des Herzmuskels zu erzielen. 

Endlich bewirken auch die klimatischen Einflüsse unseres 
iu mittlerer Höhenlage befindlichen Kurortes mit nicht zu 
grosser Wärme und mäßiger Feuchtigkeit eine Erweiterung 
der peripherischen Blutgefässe mit Ableitung des Blutstromes 
von den Zentralorganen, eine Erhöhung des Blutdruckes und 
Steigerung der Diurese. 

Diese wichtigen und mächtigen Mittel zur Erleichterung 
der Herzarbeit berechtigen jedoch nicht zu der in jüngster 
Zeit allzuweit gehenden Ueberschätzung dieser Heilpotenzen 
bei Herzkrankheiten und davor möchte ich hier warnen. 
Nach meiner Erfahrung und durch manche traurige Enttäuschung 
belehrt, möchte ich es kräftig betonen, in die Kurorte nur solche 
Herzleidonde zu schicken, deren funktionelle Störungen sich 
noch innerhalb der Breite der Accomodationsfähig* 


Säuren und Halogene: 
Chlor 
Brom 
Jod 
(Fluor). 


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1906. 


BAIjK J&0rj0G'ISüJ9& GBNTRATjZEiITUITQ 


111 


dass der einzelne Mann nicht ohne Nutzen für sich und die 
Pflege seines Körpers die Schule des Heeres verlässt. Dass 
unter solchen Einrichtungen wiederum die Kasernenbäder an 
erster Stelle zu nennen sind, wird jeder zugeben, der überhaupt 
geneigt ist, dem Baden einen hohen Wert für Gesundheit und 
Erziehung beizumessen. 

Unser verehrter Herr Vorsitzender hat selbst einmal be¬ 
zeugt — es war auf der ersten Tagung unsrer Gesellschaft zu 
Weimar im Jahre 1902 — dass das in der grossen Hygiene- 
ausstollung zu Berlin 1882 aufgeführto „neue und zukunfts¬ 
reiche Ausstellungsobjekt^^ der Volksbrausobäder der Armee 
und Herrn David Grove nachgebildet war und dass erst auf 
Grundlage dieses Vorgehens in der Armee die Volksbäder 
entstanden sind. So einfach und beschränkt auch die Mittel 
waren, mit denen 1879 der damalige Oberstabsarzt Dr. Münnich 
jene erste Brausebadeanstalt im Kasernement des Kaiser Franz- 
Regiments in Berlin einzurichten gezwungen gewesen war, so 
haben sie doch hingereicht, ein Muster für weitere ßrausebade- 
anlagen niclit nur für das Heer, sondern auch — wie wir 
soeben gehört haben — für das Volk zu schaffen. 

Dieses, wie erwähnt, im Jahre 1879 errichtete Brausebad 
ist jedoch nicht das älteste, uns bekannte in der Prcussischen 
Armee. Bereits im Jahre 1870 war wegen der zahlreichen 
Scharlach- und Pockenerkrankungen unter den französischen Ge¬ 
fangenen zu Stettin auf Anregung des Generalarztes Petruschky 
durch den jetzigen Professor Dietrich in Charlottenburg eine 
Duscheanstalt eingerichtet worden, welche es ermöglichte, täg¬ 
lich 500 bis 1000 Gefangene abzubrausen, währenddes ihre 
Kleidung desinfiziert wurde. Die Franzosen verkannten zwar 
zuerst vollkommen die Wohltat eines solchen Bades, so dass 
sie aus Furcht vor einem drohenden Massakre mit dem Bajonett 
in den Baderaum getrieben werden mussten; späterhin jedoch 
verwandelte sich ihr Abscheu in das Gegenteil und oft mischten 
sie sich heimlich unter die zum Baden kommandierten Kame¬ 
raden. Abgesehen von dieser einen grösseren Anstalt wissen 
wir jedoch aus der Zeit vor 1879 nur, dass für eine Kompagnie, 
Batterie usw. je eine Badewanne, auf deren Benutzung alle 
Mannschaften, vorzugsweise aber die Rekruten angewiesen 
waren, etatsmäßig war; und dass diese voraussichtlich kaum 
hingereicht hat, jedem Soldaten wöchentlich ein Bad zu ge¬ 
währen, dürft© auf der Hand liefen. Nachdem nun aber jene 
Brausebadanlage in der Franz-Kaserne zu Berlin eingerichtet 
war und sich bewährt hatte, erging noch in demselben Jahr 


eine Verordnung des Kriegsministers von Karaecke, durch welche 
bei Neu- und Umbauten von Kasernen die Herstellung von 
Badeanstalten mit Brausevorrichtungen angeordnet wurde. Für 
ein Infanterie-Bataillon, Kavallerie-Regiment oder eine Artillerie- 
Abteilung wurde ein heizbarer Raum — geteilt oder ungeteilt 
— zugestanden, in welchem eine Brauseeinrichtung zur gleich¬ 
zeitigen Benutzung für 8—10 Mann geschaffen werden sollte. 
Die Dauer eines Bades wurde auf höchstens 3 Minuten ange¬ 
geben, die Wassermenge für jeden Mann auf 15—20 Liter be¬ 
rechnet, so dass GS möglich sein müsste, in einer Stunde 96—120 
Bäder zu verabreichen. (Fortsetzung folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Aschen. Die Schwefelquelle, die in Aachen entdeckt wurde, 
erweist sich als eine starke Bereicherung der dortigen Quellen. 
Im Hotel „Zum grossen Monarchen“ stiess man bei Ausschach¬ 
tungsarbeiten auf eine Schwefelquelle, die einen derart starken 
Ausfluss hat, dass sie mittels einer elektrischen Pumpanlage iu 
den städtischen Kanal abgeleitet werden musste. Das Wasser, 
das in einem Durchmesser von 25 cm dem Bohrloch entspringt, 
hat eine Wärme von 50® C und entspricht auch im Geschmack 
dem weit über die Grenzen Aachens hinaus bekannten Wasser 
des Eisenbrunnens. 

DavOS- Der Deutsche Kaiser hat der deutschen Heilstätte 
für Lungenkranke in Davos einen weiteren Beitrag von 5000 M. 
bewilligt 

Bad Eisiar. Die Tabelle der letzten Kurliste zeigt, welch 
gewaltigen Aufschwung das dem sächsischen Staate gehörige Bad 
in den letzten Jahren genommen hat. In der verflossenen Saison 
kamen 12112 Personen zur Anmeldung (gegen 10522 im Vor¬ 
jahre), von denen 9526 (1905: 9217) die Kur gebraucht haben. 
Im ganzen wurden 116744 Bäder aller Art verabreicht, gegen 
112012 im Voijahre. — Wohnungsmangel ist nicht eingetreten, 

Bad Boczalkowitz (Pr.-Schles.) ist durch Kauf in den Besitz 
der oberschlesischen Knappschaft übergegangen. 

Harzburg. Mit dem 1. Oktober ist in Bad Harzburg die 
Sommersaison geschlossen worden. Trotz sehr wechselnden Wetters 
hat die Frequenz wieder um 2600 Personen zugenommen und die 
stattliche Zahl von 38600 erreicht. Bad Harzburg entwickelt 
sich infolge seiner heilkräftigen Solquellen immer mehr und mehr 
zu einem internationalen Heilbade, wie auch zu dem besuchtesten 


keit befinden, wo die Kompensationsstörungen sich nur im 
ersten Beginne zeigen und nur zeitweilig bei ungewöhnlicher 
Inanspruchnahme und sehr starken Leistungen Herzinsufficienz 
eintritt. Nur bei solchen nicht zu weit vorgeschrittenen Herz¬ 
beschwerden dürfen wir dem Leidenden die Mühsal der Reise, 
das erste Unbehagen des Eingewöhnens in neue Verhältnisse, 
die immerhin Kräfte beanspruchenden Leistungen des Badens, 
Trinkens und grösserer körperlichen Bewegung zumuten. Hin¬ 
gegen ist es nicht berechtigt, Herzkranke m die Bäder zu 
schicken, bei denen die funktionelle Störung so weit vorge¬ 
schritten ist, dass keine ausserwesentliche Arbeit (Rosenbacli) 
geleistet werden kann, und wo die Insufficienzerscheinungon 
nicht erst bei grösseren Anforderungen, sondern auch im Zu¬ 
stande völliger Körperruh© eintreten, oder wenn gar schon 
die Erscheinung des gestörten hydrostatischen Gleichgewichtes, 
Niereninsnfficienz, hydropische Ergüsse die Führung 
der Krankheitssymptome übernommen haben — Verhältnisse, 
unter denen nur die häusliche Behandlung oder die Behand¬ 
lung im Sanatorium angezeigt ist. Aber auch in der ersten 
Reihe der Fälle ist das baineotherapeutische Verfahren ein 
scharfes, zweischneidiges Instrument, welches nur in behut¬ 
samer, dem Einzelfalle angepasster Weis© verw'endet werden 
kann, im Einklänge mit den im Kurorte gegebenen variablen 
Bedingungen der Schonung und Uebung der Ruhe und Bewe¬ 
gung, der Ueberemährung und Entziehung. 

In der Chronik der letzten Saison ist noch das traurige 
Ereignis zu verzeichnen, dass einer der tüchtigsten Marienbader 
Aerzte, Hr. Med. Dr. Ludwig Ingrisch, im Monat Juni eines 


plötzlichen Todes verschieden ist Derselbe hatte eine gute 
Schulung an der Prager Deutschen Universität durchgemacht, 
hatte si^ dann in Marienbad niedergelassen, wo er die Stelle 
des Stadtarztes und Arztes am Krankenheim bekleidete. 


Das Ludwig-Wilhelm-Pflegeliaus 
in Baden-Baden. 


Von Dr. Gurt Hoffmann, Baden-Baden. 


Von allen deutschen Bädern dürfte wohl keines von der 
Natur so begünstigt sein wie Baden-Baden. Sowohl in hy- 

£ ionischer Beziehung wie auch hinsichtlich seiner entzückenden 
age ist es im wahren Sinne des Wortes ein gottgesegnetes 
Stück Erde, das denn auch vielen Tausenden von Kurgästen 
alljährlich Erholung und Genesung bringt. 

Wenn solch ein schöner Ort durch die denkbar voll¬ 
kommensten Einrichtungen zur Pflege von Kranken und Er¬ 
holungsbedürftigen, durch den Ausbau seiner natürlichen Kur- 
mittel (der heissen Quellen etc.) unterstützt wird, dann kann 
er wohl als ein idealer Kurort bezeichnet werden. Nur er¬ 
wähnt seien die durch ihre luxuriöse und doch praktische Ein¬ 
richtung weltbekannten Bäder, das Grossh. Friedrichsbad und 
Kaiserin-Augusta-Bad, das neue Gr. Inhalatorium und das 
Landosbad, welche alle unter der weitschauenden Regierung 
des jetzigen Landesherm, Grossherzog Friedrich, entstanden 
sind. (Schluss folgt.) 


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112 


BAIiNEOLOGISOHE CBSNTRALZEITUNG 


Nr. 28. 


Gebirgalnftkurort. Im Jahre 1905 tranken 1000 Personen Krodo- 
brunnen, 1906 dagegen 1947. Das mit den neuesten Emser 
Apparaten ausgestattete Inhalatorium wurde dieses Jahr von 2104 
Patienten besucht, und das städtische Badehaus Juliusball verab¬ 
folgte 30600 Bäder. 

Im Frühjahr 1907 wird die mit gewaltigen Kosten errichtete 
Kanalisation dem Betriebe übergeben, so dass Bad Harzburg auch 
in hygienischer Beziehung sich den modernsten Kurorten an die 
Seite stellen kann. 

Nenndorf. Kurz vor Schluss der Saison ist noch das neu 
erbaute kleine Schlammbadehaus in Betrieb genommen worden, 
das einer gesteigerten Beanspruchung wesentlich entgegenkommen 
wird. Für 1906 ergibt die Uebersicht ein nicht unerhebliches 
Mehr gegen 1905: an Bädern wurden 62770 verabreicht (1905: 
56488, also mehr: 6322), darunter allein 18950 Vollschlammbäder 
(17101, mehr: 1849). 

Bad Salzbrunn. Trotzdem die Saison mit der letzten Kur¬ 
musik Ende September eigentlich beendet ist, weilt in diesem 
Jahre noch eine beträchtliche Anzahl von Kurgästen am Orte. Der 
Anfang Oktober brachte bei den herrlichen Herbsttagen sogar noch 
eine Reihe von Neuanmeldungen. — Die Saison 1906 ist mit 
8247 Kurgästen die besuchteste,* die Salzbrunn bisher überhaupt 
gehabt hat. Die Zunahme gegen das Vorjahr beträgt 634 Kur¬ 
gäste. Wenn Zahlen beweisen, so spricht die stetig wachsende 
Frequenzziffer deutlich für die immer weiter sich ausdehnende 
Wertschätzung Bad Salzbrunns als Kur- und Erholungsort. 

In Salzschlirf betrug die Zahl der Kurgäste in der heurigen 
Saison 4633 gegen 4219 im vorigen Jahre. Die Zahl der Bäder 
stieg von 56 560 auf 61000. Der Flaschenversand hat um 60000 
Flaschen zugenommen. 

Schierke. Jetzt beginnt man bereits mit den Vorarbeiten 
für die Wintersaison, in der Skiklub und Kurverwaltung für die 
weitere Hebung des Winterverkehrs und Wintersports tätig sein 
werden. • In diesem Winter bleiben sämtliche Hotels — bis auf 
eins — geöffnet 

Wiesbaden. Trotz der Beeinträchtigung durch den Kurhaus- 
neubau gehört das Kurjahr 1906 zu einem der glänzendsten in 
den Annalen der hiesigen Kurgeschichte. Die Fremdenfrequenz 


betrug bis Ende September 138473 Personen, eine Zahl, die bis¬ 
her noch nicht erreicht worden war. Mit den enormen Aufwen¬ 
dungen , die seitens der Kurverwaltung und der Behörden ge¬ 
macht werden, halten die Privatnntemehmungen gleichen Schritt. 
Neue prächtige Hotels, kaum eröffnet, füllen sich sofort mit 
Gästen. 

Wildbad. Die diesjährige Saison ist leider durch das Wetter 
beeinträchtigt worden. Die Monate Mai, Juni und zum Teil noch 
der Juli waren regnerisch und hatten Temperaturen, die weit 
hinter dem langjährigen Mittel zurückblieben und die Grossstädter 
länger als gewöhnlich zu Hause zurückhielten. So kam es, schreibt 
das Badeblatt, dass der Eintritt der Hochsaison weit hinausge- 
rückt und sie selbst wesentlich gekürzt wurde. Die zweite Hälfte 
des Juli, endlich der August und vor allem noch die erste Sep¬ 
temberwoche brachten dagegen hendiches und beständiges Wetter 
und machten bis zu einem gewissen Grade wieder gut, was ihre 
Vorgänger gefehlt batten. — Der Neubau des neuen Schwimm¬ 
bads und der Heilgymnastik geht jetzt der Vollendung entgegen. 


Versammlungen und Kongresse. 

Der IV. internationale Kongress für Thaiasso-Therapie, 

für dessen Abhaltung Abbazia in Aussicht genommen wurde, 
findet dort im Mai 1907 statt. Der Aerzteverein in Abbazia 
konstituierte sich als Organisationskomitee. 

Die 24. Generalversammlung des Thüringer Bäderver¬ 
bandes wurde mit einer Vorfeier am Abend des 30. September 
eingeleitet. Die Hauptversammlung wurde tags darauf durch den 
stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes, Dr. Müller (Gross- 
Tabarz), eröffnet. Geh. Medizinalrat Dr. Leubuscher begrtisste 
die Versammlung im Namen der herzogl. Staatsregierung, worauf 
Dr. Passow (Meiningen) seinen Vortrag über das Vierzellensystem 
hielt. Weitere Vorträge hielten Direktor Tobzien (Liebenstein) 
über das Verhältnis der Feuerversicherungs-Gesellschaften zu den 
Kurhäusern und Dr. Fosa (Liebenstein) über Emähmngstherapie. 
Es folgten Besprechungen über die Feier des 25 jährigen Jubiläums 
des Thüringer Bäderverbandes. Auf Vorschlag des Herrn Dr. 
Müller wurde Sanitätsrat Dr. Schenk zum Vorsitzenden und 
Hanisch (Friedrichroda) zum Kassierer gewählt. 


Meteorologische Statistik. 


VeraBstaltet voa der Redaktion der Baineologischen Zentralzeitung.. 


Name 

Woche 

Mittleres 

Temperatur¬ 

minimum 

Mittleres 

Temperatur- 

mazimum 

Durchschnitt¬ 

licher 

Barometerstand 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abbazia. 

2i.-27./l0. 

10,6 

C. 

16,3 C. 

764,1 

1 

6 

_ 

3 

_ 


Davos. 

17.—23/10. 

1,3 

0 . 

12,9 C. 

636,6 

— 

7 

2 

— 

— 


Driburg . .. 

15.-21./lO. 

4,1 

c. 

19,1 C. 

— 

2 

4 

1 

1 

— 


Ems.. 

21.—27./10. 

7,9 

c. 

14,6 C. 

759,1 

4 

5 

1 

2 

— 


Giesshübl-Sauerbrunn , . 


2,3 

c. 

9,2 C. 

— 

1 


6 

_ 

— 


Herrenalb. 


8 

c. 

17 C. 

727 

1 


3 

2—3 

— 


K reuznach. 


— 

c. 

— C. 

— 

— 


— 


— 


Langeuschwalbach . . . 

— 

— 

c. 

— C. 

— 

— 


— 

— 

— 


Lippspringe. 

21.-27./lO. 

G 

c. 

15 C. 

757 

1 

3 

3 

1 

— 

Frequenz 6600. 

Nauheim. 


5,1 

c. 

12,4 C. 

752,9 

2 

1 

6 

2 

— 

, 27 600 

Nenudorf. 


8 

c. 

16 C. 

759,5 

1 

5 

2 

— 

— 


Norderney. 


— 

c. 

— 0. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Reichenhall . . . . • . 

— 

— 

c. 

— C. 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 


Reinerz. 

21.-27./10. 

1,5 

c. 

8,6 C. 

20,3 

4 

3 

4 

3 

— 


Salzbrunn ...... 

— 


c. 

— c. 

— 

— 

— 

— 


— 


Stoben. 

— 

— 

c. 

— C. 

— 

— 


_ 

_ 

— 


Triberg. 

21.-27./1Ü. 

5,9 

c. 

13,5 0. 

— 

3 

12 

2 

— 

— 



Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin, — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck von Hejmomana'sche Bachdruckerai, Gehr. Wolff, Halle ■. S. 


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Vn. Jahrgang. Nr. 29. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder 
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Redakteur; 

Verlag: Carl Marhold in Halle i. $., Uhiandstrasse 6. 

Tet.-Adr.; Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823 

Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist 
nur mit Quellenangabe and nach Anfrage 
bei der Redaktion gestattet 

Dr. med. et polit. Stehr, Wiesbaden. ' 

1 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Inh 

Das ßaden in der Armee. Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannover. (Fort¬ 
setzung.) 

Altmmeioe lüetbedin^ungen für dio thüringer Kurorte. 

Feaineton ; Das Ludwig-Wilhelm-rflegebaus in Baden-Baden. Von Dr. C. 
Hotfmann. (Schluss.) 

alt. 

Bad Neiionabr. RoisccindrUcko. 

Ans den Bädern und Knrerteu. 

Terschiedcues. 

Personalien. 

Meteorologische Statistik. 


Das Baden in der Armee. 

Vortrag in der Hanptrcrsamuilung: der Deiitscben Gesellschaft für Vylks- 
bäder am 23. Hai 1900 zu VVornjs. 

Von Dr. Erebs, Stabsarzt in Hannover. 

(Fortsetzung.) 

Diese Anordnungen bewährten sich, so dass die Verwaltung 
sehr bald zu dem endgültigen Entschlüsse gelangte, in jeder 
Kaserne als feststehende Badeeinrichtung Brausebäder einzu* 
richten; und man tat dies in der Einsicht, dass das Brausebad 
die billigste, hygienisch einwandfreieste und in kürzester Zeit 
zu benutzende Bäderart bilde und hat bis auf den heutigen 
Tag keinen Grund gehabt, von diesem Entschlüsse zurückzu- 
konimen. Bereits 1883 ergingen Bestiramungen, welche detail¬ 
lierte Vorschriften über die Errichtung von Brausebädern in 
den Kasernen enthielten und eine Verbesserung insofern dar¬ 
stellten, als sie besonders für die Truppeneinheit eines Bataillons 
anstatt der früheren 30 — 40 nunmehr 40 — 60 qm Bodenfläche 
einräomten. •— Später traten zu den Bädern als weiterer hy¬ 
gienischer Fortschritt in denjenigen Kasernen, welche an die 
Wasserleitung angeschlossen waren, noch besondere Wasch¬ 
räume, w'elche bequem zu den Wohn- und Schlafräumen ge¬ 
legen sein sollten, und bei denen auf 4—5 Mann je ein Wasch¬ 
becken zu rechnen sei. 

Wenn ich nunmehr kurz schildern darf, in welcher Weise 
zur Zeit die Kasernenbäder gebaut sind, so ist zuerst zu be¬ 
merken, dass sie nicht mehr wie früher in den Kasernen selbst, 


sondern in den sogenannten Wirtschaftsgebäuden, welche viel¬ 
fach durch überdeckte Gänge mit den Wohngebäuden in Ver¬ 
bindung stehen, errichtet werden. Hier liegen sie im Erdge¬ 
schoss, sind holl und luftig und bestehen aus zwei Räumen, dem 
Aus- und Ankleideraum und dem eigentlichen, mit diesem durch 
zwei als Ein- und Ausgänge zu benutzenden Türöffnungen ver¬ 
bundenen, Badoraum. Der Füssboden besteht aus hellen Fliesen 
und wird zur Zeit des Badens mit geölten, stets peinlich sauber 
zu hallenden, nach dem Baden senkrecht hochzustellenden 
Lattenrosten bedeckt; die Wände und Decken sind hell mit 
Oolfarbe gestrichen. Ich brauche kaum zu betonen, dass die 
Baderäumo gut ventiliert, zu kühlerer Jahreszeit sämtlich vor 
der Benutzung gut erwärmt sind und dass bei Dunkelheit für 
künstliche Beleuchtung ausreichend gesorgt ist. Ausser den 
zwölf - stets schräg gestellten — Brausen zum Abduschen des 
ganzen Körpers sind neuerdings auch aufsteigende Sitzduschen 
in beschränkter Anzahl vorhanden, deren grosse Zweckmäßig¬ 
keit von vornherein einleuchtet. Auf die Schaffung mulden¬ 
förmiger Vertiefungen im Füssboden unter jeder Brause ist 
bisher abgesehen worden, da die Truppenteile über eine be¬ 
trächtliche Anzahl von Fussbadewannen verfügen, welche dauernd 
und ausgiebig, zum Teil allabendlich von den Mannschaften be¬ 
nutzt w'erden. Auch auf die in den Volksbädern zur Bildung 
besonderer Braiisekojon gebräuchlichen Zwischenwände ist, um 
die Uebersicht über die Badenden nicht zu verlieren, verzichtet 
worden; desgleichen fehlt aus begreiflichen Gründen die Mög¬ 
lichkeit, dass der einzelne sieh die Brause nach Gefallen an- 
oder abzustellen, das Wasser warm oder kalt zu mischen ver¬ 
mag. Vielmehr regelt sich der Betrieb derart, dass unter Auf- 


Feuilleton. 

Das Ludwig-Wilhelm-Pflegehaus 
in Baden-Baden. 

Von Dr. Curt HoflTmann, Baden-Baden. 

(Schluss.) 

Einzig in seiner Art ist aber auch das Ludwig-W^ilhelin- 
Pflegehaus, das seine Entstehung einem Werke der Nächsten¬ 
liebe verdankt. 

Grossherzogin Luise, die Wohltäterin und Segeiisponderin 
auf dem Fürstenthrone war es, die mit bewundernswerter 
Opferwilligkeit dieses Heim schuf. 

Das Jahr 1888 hatte der hohen Frau durch Verlust des 
Vaters, des Bruders und de.s Sohnes schwere Wunden ge¬ 
schlagen. Welch ideale Auffassung, nun nicht an das eigene 
Leid zu denken, sondern an Jene, die ähnliche Verluste erlitten. 

Ihr Erlass vom 7. September 1888 sagt: 

,Jn diesen letzten Monaten als Mutter, Tochter und 
Schwester gleich schwer heiragesucht, denke ich an diejenigen 
Frauen, welche infolge ähnlicher Prüfungen, aber in veroin- 
sarotem Leben und mit mancherlei Sorgen kämpfend, eine 


Erschütterung ihrer Gesundheit erlitten haben und, sei es zu 
bleibendem, sei es zu längerem oder kürzerem Aufenthalte, 
Heilung und Stärkung in Baden-Baden suchen. Ihnen eine 
Stätte zu bereiten, ist mein Wunsch.“ 

Auf die Worte folgte die Tat. Im Jahr 1892 schon hatte 
die hohe Protektorin die Freude, ihr Liebeswerk vollendet zu 
sehen. In dem idyllischen Rothenbach-Tale erhebt sich der 
stattliche Bau (ein Werk des damaligen Bauinspektors Kredell) 
im edlen gotischen Stile. Die parkartige Umgebung mit ent¬ 
zückenden Blicken auf die naheliegenden Schwarz wald - Berge 
bildet einen herrlichen Rahmen. Wie eine Burgfeste grüsst 
von der nächstliegonden Anhöhe das Grosslierzogliche Schloss, 
die Sommer-Residenz des Grossherzogs und der Grossherzogin 
von Baden, gleichsam „die Schöpfung dort unten im Tale“ 
schützend und behütend. 

Ein lichtheller herrlicher Treppenflur, geschmückt mit der 
Büste des so jung dahingeschiodenen Prinzen Ludwig Wilhelm, 
dem das Mutterherz mit der Erbauung dieses Hauses ein Denk¬ 
mal der Liebe errichten wollte, empfängt den Eintretendeii. 
Lichthell und freundlich sind auch die Innenräume, die Gesell¬ 
schaftszimmer, Speisezimmer und Wohnräunie der Damen, die 
reizenden Veranden und Altane; praktisch und zweckent¬ 
sprechend die Wirtschafts- und Baderäume. Üeberall schaut 
das Grün der Schwarzwaldtannen in die Fenster und eine 
köstliche ozonhaltige Luft strömt ein, die für so manche Ge¬ 
nesungsbedürftige neuen Lebensodem bedeutet. 


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114 


BALNBOLOGISCMÜj GICNTRAIjZBITUNG 


Nr. 29. 


sicht der Unteroffiziere eine den betreffenden Brausen ent¬ 
sprechende Anzahl Mannschaften in den ßaderaiim hineintritt 
und dort 3—4 Minuten lang mit Wasser von 30—34** C., dessen 
Temperatur dauernd kontrolliert und geregelt wird, von einem 
dazu kommandierten Soldaten, der von Beruf Maschinist oder 
dergl. ist, abgebraust wird. Diese Abteilung verlässt sodann durch 
den Ausgang den Baderaum, um sich im Ankleideraum, der 
mit Bänken und Kleiderriegeln ausgestattet ist, wieder zu be¬ 
kleiden, während die nächstfolgende Abteilung durch eine zweite 
Passage möglichst ohne Aufenthalt alsbald den Baderaum be¬ 
tritt, um demnach zu baden. Es gelingt auf diese Weise be¬ 
quem, ein Bataillon von 500 Köpfen in 2—3 Stunden abzu¬ 
brausen. 

Die Systeme der Wassererwärmung sind der verschiedensten 
Art; teils gelangen Zirkulationsöfen nach Grove, teils Gegen¬ 
strom-Gliederkesselanlagen, teils der Schaffstädt’scheDampf- 
Gegenstromapparat, der besonders auf den Schiffen der Kaiser¬ 
lichen Marine beliebt zu sein scheint, zur Anwendung. 

Badewannen sind in den Kasernen nur noch vereinzelt 
vorhanden; zumeist sind sie auf Kosten der Truppenteile selbst 
beschafft und nur zum Gebrauch der Unteroffizierfamilien in 
den Garnisonsorten bestimmt, in welchen die Erlangung von 
Wannenbädern selbst in unserer hochkultivierten Zeit noch auf 
Schwierigkeiten stösst. 

Als Badetag für die Truppen gilt fast allgemein der Sonn¬ 
abend, wobei sie durchwegs angehalten werden, reine Leib¬ 
wäsche mitznbringen, um sie nach dem Baden anzuziehen. 

Falls im Sommer keine Gelegenheit vorhanden ist, im 
Freien zu baden, werden selbstverständlich auch die Brause¬ 
bäder in dieser Jahreszeit mehr als einmal in der Woche be¬ 
nutzt. Glücklicherweise sind es aber nur ganz wenige Garni¬ 
sonen, w’elche nicht in der Lage sind, zur warmen Jahreszeit 
die Mannschaften in offenen Gewässern baden zu lassen. Wo 
es nur einigermaßen die Verhältnisse gestatten, werden Garni- 
sonbadeplätze und -Schwimmanstalten an möglichst hygienisch 
einwandfreien Stellen angelegt, falls etwaige städtische Bade¬ 
plätze von den Truppen nicht mitbenutzt werden können. Welch 
ein Leben, und welcher, Jubel bei solchem Baden herrscht, 
weiss jeder, der Soldat gewesen ist, oder Gelegenheit gehabt 
hat, solche Badeszenen mitanzusehen. Diejenigen Mannschaften, 
welche das Schwimmen erlernen wollen, — und das ist stets 
eine grosse Anzahl, so dass fast niemals jemand dazu gezwungen 
zu werden braucht — werden zuvor einer genauen ärztlichen 
Untersuchung unterworfen, und besonders auf das Bestehen 
eines Ohrenleidens hin geprüft. Von der Errichtung von Hallen- 


Einzelstehenden, besonders erholungsbedürftigen Damen 
soll das Ludwig-Wilhelm-Pflegehaus ein Heim bieten, soll es 
das schmerzliche Gefühl des Alleinstehens nehmen. Und dieser 
Zweck wird voll und ganz erreicht. Unter der geschickten 
Leitung von Freiin von Neveu wächst, blüht und gedeiht das 
schöne Unternehmen. Helfend und beratend steht die liebens¬ 
würdige Oberin schon seit vielen Jahren den Damen werktätig 
und unermüdlicli zur Seite und versteht es ganz vorzüglich, 
das Heim auch heimisch zu gestalten. Das Oratorium unter 
Vorsitz des Herrn Geh. Regierungsrat Haape ist fürsorglich 
bemüht, die Verwaltung zum Wohle der Insassen zu leiten. 
Uebcr dem Ganzen aber schwebt der gute Geist der Gross¬ 
herzogin Luise, die jederzeit die Entwickelung ihres Werkes 
mit regem Interesse und persönlicher Anteilnahme verfolgt. 

Die wohltätige Stiftung ermöglicht es, die Pensionspreise 
niedrig zu halten, sodass der Aufenthalt in dem Hause auch 
Damen gestattet ist, welche mit Glücksgütern nicht allzusehr 
gesegnet sind. 

Wenn ein solches Heim als ein Idyll der Ruhe und dos 
Wohlbehagens an einem Platze geschaffen wurde, dessen Vor¬ 
züge als Kurort Eingangs die.sos nur angedeutet wurden, mit 
alli'u Einrichtungen de.s Komforts und der Hygiene, so ist 
w'lil hogreifiieh. welch idealen Auhmtlialt dasselbe bietet und 
tlankerfiillt wiial so maui'lies. ehemals vereinsamte, Menschen¬ 
herz die hohe vStifterin segnen. 


Schwimmbädern für die Mannschaften, die auch in der kalten 
Jahreszeit zu benutzen wären, ist aus leicht begreiflichen Gründen 
abgesehen worden. Denn an körperlicher, Muskeln und Nerven 
stärkender Bewegung mangelt es unseren Leuten auch sonst 
nicht, und die Abhärtung wird zweifelsohne mehr durch den 
dauernden Aufenthalt in der Luft bei Wind und Wetter als 
durch das Wasser erzielt. Nur die Kadettenanstalten sind in 
letzter Zeit dazu übergegangen, Hallenschwimmbäder zu bauen, 
um auf diese Weise Winters und Sommers die in den Klassen¬ 
zimmern und Arbeitssälen lange Zeit zubringende militärische 
Jugend körperlich nach jeder Richtung hin kräftigen und aus¬ 
bilden zu können. 

Ich will nur vorübergehend erwähnen, dass selbstverständ¬ 
lich in allen Lazaretten dieselben Badeeinrichtungen bestehen 
wie auch in gut geleiteten Krankenhäusern. In jedem CTÖsseren 
Lazarett können ausser Wannenbädern auch Sand- und Dampf¬ 
bäder verabreicht werden, dazu kommen neuerdings die Licht¬ 
bäder und hydrotherapeutische Apparate aller Art, so dass auch 
auf dem Gebiete der Heilbäder unsere Krankenanstalten auf 
der Höhe stehen. Hinzufügen möchte ich noch, dass von Jahr 
zu Jahr mehr der Gebrauch von Kurorten aller Art und Heil¬ 
quellen steigt, so dass bereits im Berichtsjahr 1902 bis 1903 1732 
Mannschaften des aktiven Heeres (ohne Bayern) Badekuren be¬ 
willigt werden konnten, ganz abgesehen von der grossen An¬ 
zahl von Leuten, welche den gut eingerichteten und günstig 
gelegenen Militär-Genesungsheimen überwiesen wurden. 

Zum Vergleich mit diesen unseren Badeeinrichtungen sei 
es mir gestattet, kurz einige mir bekannt gewordene Angaben 
über das Baden bei fremden Armeen mitzuteilen: In dem uns 
verbündeten Heere Oesterreichs badet der Soldat zur kälteren 
Jahreszeit ebenfalls möglichst einmal wöchentlich in den Brause¬ 
bädern der Kasernen, im Sommer so oft als angängig im Freien. 
In einigen Garnisonen, so auch in Wien, bestehen bei den 
Lazaretten grössere Badeanlagen, welche ausser Duschen auch 
Dampf- und Wannenbäder, sowie Kalt- und Lauwasserbassins 
enthalten und zu denen die Mannschaften turnusweise geführt 
werden. — Auch der dänische Soldat erhält vermöge der seit 
mehreren Jahren in den Kasernen eingerichteten Brausebädern 
allwöchentlich sein Bad. (S(-hluss folgt.) 


Allgemeine Mietbedingungen für die thüringer Kurorte. 

Beilage zu dem in Nr. 25 abgedruckten Vortrage. 

Extrabestimmungen bei Todesfällen. 

Bei Todesfällen gelten folgende Bestimmungen: 


Bad Neuenahr. 

Reiseeindrücke. 

Ailch Bäder und Heilquellen haben ihre Geschichte und 
Schicksale. Auf der einen Seite sind manche einst weit be¬ 
rühmte Badeorte zu stillem beschaulichem Dasein zurückge¬ 
kehrt, und manche haben mit dem ungeheuren Aufschwung der 
modernen Kulturverhältnisse nicht Schritt halten können, ihr 
Stillstand bedeutet gleichsam einen Rückschritt. Andererseits 
ist in den letzten Jahrzehnten auch manches unbekannte Dorf 
zum Range eines Kurortes erhoben worden und hat sich den 
Ruf eines Heilbades zu erwerben gewusst. An Mineralquellen 
hat es auf der Erde nie gemangelt, selbst unser verhältnis¬ 
mäßig gebirgsarmes Deutschland ist von jeher sehr reich daran 
gewesen. Aber man hat all diesen tausend kleinen Quellen 
keine Beachtung gesclienkt, sie nicht zu verwerten gesucht und 
verstanden. Erst der enorm gesteigerte industrielle Geist der 
Neuzeit hat auch in zahllosen dieser unscheinbaren Mineral¬ 
quellen einen Wert erkannt und weiss ihn mit ebenso grossem 
Eifer wie Geschick auszunutzen. Der Amerikanismus, der in 
allen Teilen unseres Öffentlichen Lebens sich immer mehr breit 
macht, findet ja seinen glänzendsten Ausdruck in der Reklame, 
wcdcho alle Dinge bis ins Ungemessne preist. Auch die Em¬ 
pfehlung von Badeorten und Heilquellen vollzieht sich heute 
nicht nur vielfacli, sondern man kann getrost sagen. 
grösseren Teil auf diesem Wege, zumeist über die Köpfe der 

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1906. 


BALNBOLOGISCHB CBNTRÄLZEmJNG 


116 


I. Bei Todesftlllen, welche nicht durch anstockende Krankheiten 
herbeigeführt worden sind, ist 

1 . bei einwöchentlicher Vermietung der Älietbetrag für die 
Mietwoche nud eine zweite Woche zu bezahlen; 

2. bei mehrwöchentUcher Vermietung ist dann, wenn der Tod 
in die erste Hälfte der Mietperiode fällt, der Betrag der Miete ihr 
die ganze Mietzeit, und wenn der Tod in die zweite Hälfte der 
Mietperiode fällt, ausser der vollen Miete noch der auf eine Woche 
entfallende Betrag mehr zu zahlen; 

3. tritt ein Todesfall am Ende der Saison (1. Oktober) ein, 
so ist die Miete lediglich für die laufende Woche zu bezahlen; 

4. für die Matratze, das Bett, die Bettwäsche, die unbrauch¬ 
bar oder entwertet, ist dem Vermieter Ersatz, bezw. Entschädigung 
zu leisten. Wird der volle Wert ersetzt, dann gehen die Gegen¬ 
stände selbstverständlich in das Eigentum des Zahlenden über. 

n. Bei Todesfällen, welche durch ansteckende Krankheiten, 
nämlich Tuberkulose, Cholera, Typhus, Blattern, Diphtherie, Ruhr, 
Scharlach, Masern, Rose erfolgen, ist 

1. bei einwöchentlicher Vermietung der Mietbetrag für die 
laufende Woche und für zwei Wochen mehr zu zahlen; 

2. bei mehrwöchentlicber Vermietung ist 

a) wenn der Tod in die erste Hälfte der Mietperiode ^llt, der 
Betrag der Miete auf die ganze Mietzeit unter Hinzufügung 
des auf eine Woche mehr entfallenden Mietbetrages, 

b) wenn der Tod in die zweite Hälfte der Mietperiode fällt, 
der volle Mietbetrag und weiter der sich auf zwei weitere 
Wochen über die Mietzeit hinaus berechnende Betrag als 
Entschädigung zu zahlen; 

3. tritt ein Todesfall am Ende der Saison (1. Oktober) ein, 
so ist die Miete auf die vereinbarte Mietzeit oder — wenn diese 
nicht noch wenigstens eine Woche dauert — für eine Woche vom 
Todestage ab zu zahlen; 

4. das Bett, auf dem der Tod erfolgte, ist nach seinem Werte 
zu bezahlen, wogegen dasselbe selbstverstäudlich in dtus Eigentum 
des Zahlenden übergeht. Für die hölzerne oder eiserne Bettstelle 
ist Ersatz oder Entschädigung nicht zu beanspruchen. 

5. Auch fär die Desinfektion und die etwa notwendige Restau¬ 
rierung der Sterbezimmer bezw. der Möbelstücke ist Ersatz zu 
leisten. Ob die Restaurierung notwendig, darüber entscheidet der 
behandelnde Arzt, oder, wenn ein Arzt nicht zugegen war, der 
der Badedirektion angehörende Arzt. Gegen den Ausspruch des 
Arztes ist Berufung auf den Ausspruch des Gerichtsarztes auf 
Kosten des Anrufenden zulässig. 


Aerzte hinweg. Der Wert wissenschaftlicher Feststellungen 
wird ja überflüssig, wenn man sich mit exakten Zahlonanalysen, 
welche ihren Eindruck nie verfehlen, direkt an die breite Oeffent- 
lichkeit wenden kann! An die Stelle langsamer und mühseliger 
Prüfung und der Abwartung bewährter Beobachtungen tritt die 
grosssprecherische Annonce in den Tageszeitungen, deren In¬ 
halt sich ja viel schneller Auge und Gehirn einprägt, als dem 
Ohre die langsamen und spärlichen Empfehlungen der Aerzte, 
welche nur in dem Maße steigender Bewährung sich zn mehren 
pflegen. Auch auf dem Gebiete der Heilbäder und Brunnen 
ist heute die öffentliche Reklame die wirksamste Propaganda 
geworden! 

Das ist nun einmal der Gang der Dinge, die Folge der 
allgemeinen kulturellen Entwickelung, gegen welche jedes Be¬ 
denken und jeder Widerspruch wirkungslos, ja zumeist unge- 
hört verhallen werden. Gegen eine derartige Propaganda kann 
auch kein sittlicher Vorwurf erhoben worden, weil ja diejenigen, 
welche sich die gewerbliche Ausnutzung von Mineralquellen 
angelegen sein lassen, ihr Geld in solche Unternehmungen hin¬ 
eingesteckt haben und es rentiert wissen wollen. Der Betrieb 
von Mineralquellen ist eben auch eine Erwerbsquelle geworden, 
deren Berechtigung nicht ganz abzustreiten ist. Es wäre frei¬ 
lich viel besser, w^enn alle Quellen, deren Heilkraft durch lang¬ 
jährige ärztliche Beobachtungen erwiesen ist, in staatlichen 
oder städtischen Besitz gelangten, weil in den Händen von Be¬ 
hörden die Verwertung solcher Schätze stets eine viel uneigen- 


Polizeiliche Anmeldung von Kurgästen. 
Tag der Ankunft:. 


lid«-. 

No 

Name und Stand der 
Kuriere (nebst Namen 
der Dienerschaft) 

Heimats- 

resp. 

Wohnort und 

Staat 

Anzahl 

der 

Personen 

Voraussicht¬ 
liche Dauer 

der Mietzeil 

Bemerk¬ 

ungen 

1 

2 

3 

4 

5 

6 








Friedrichroda, den 


Namo des Vermieters: 


Nach der Verordnung des Herzogi. Landratsamtes Walters- 
hauseu vom 21. Juni 1905 muss jeder Vermieter von Wohnungen 
an Kurgäste die l^etzteren innerhalb 24 Stunden nach Ankunft 
derselben beim Stadtrate polizeilich anmelden und es ist die Unter¬ 
lassung dieser Anzeige mit einer Strafe bis zu Dreissig Mark be¬ 
droht. 

Die Anmeldung muss mittels des vorgeschriebenen Formulars 
erfolgen und es müssen die Meldungen in zwei gleichlautenden 
E.\emplaren eingereicht werden. Das eine Exemplar wird dem 
Vermieter nach erfolgter Abstempelung innerhalb 3 Tagen nach 
dem Eingänge zurückgegeben oder ist nach dieser Zeit abzuholen. 

Belm Verzüge eines Kurgastes in eine andere Wohnung hat 
der neue Vermieter in gleicher Weise polizeiliche Meldung zu er¬ 
statten und zwar ebenfalls mittels des vorgeschriebenen Formulars. 
Es ist dabei anzugeben, wo der Mieter vorher gewohnt hat. 

Der Nachweis über die erfolgte, resp. rechtzeitigerfolgte An¬ 
meldung kann einzig und allein durch den in der Hand des Ver¬ 
mieters beflndlichen imd polizeilich abgesteropelten Meldezettel ge¬ 
führt werden. Die ahgestempelten Meldezettel sind von den Ver¬ 
mietern 6 Monate lang aufzubewahren. 

Es wird den Vermietern dringend empfohlen, das eine Exemplar 
der Anmeldung von den Kurgästen selbst ausfüllen zu lassen. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

In Adelboden hat sieh ein Verband der schweizerischen 
Winterkurorte mit dein Sitze daselbst gebildet. 


nützigeie sein wird, als im Besitze privater Eigentümer. Wo 
ein anerkanntes, öffentliches Interesse in Frage kommt, da muss 
die Allgemeinheit in der Lago sein, von einer Wohlfahrtsein- 
richtung den denkbar zweckmäßigsten Gebrauch machen zu 
können! Die Erfahrung beweist auch, dass allenthalben die¬ 
jenigen Heilbäder am wohltätigsten wirken, welche ausschliess¬ 
lich im öffentlichen Interesse verwaltet werden. (Fortsetzung folgt.) 


Kleine Mitteilungen. 

Der Fremdenverkehr In der Schweiz. Man hatte in der 
Schweiz gefürchtet, dass die strengen Maßnahmen gegen das Auto- 
mobilfahren einen grossen Teil der reichsten Sommergäste von dem 
Lande fern halten würde. Aber diese Befürchtung war völlig un¬ 
nötig, wio der glänzende Verlauf der diesjährigen Saison bewiesen 
bat. Das seltene Auftauchen von Automobilen ist von den Besuchern 
geradezu als eine Annehmlichkeit mehr empfunden worden, im 
Gegensätze zu den Erfahrungen, die Turisten an den italienischen 
Seen gemacht haben, wo man fortwährend den durch die Auto¬ 
mobile aufgewirbelten Staub schlucken muss. In der ganzen Saison 
haben diesmal über 500 000 Turisten die Schweiz besucht, Ange¬ 
hörige aller Nationalitäten von ganz Europa. Die Zahl der deutschen 
Besucher ist grösser gewesen als je zuvor und betrug ungefähr 
38 Prozent aller Turisten. Nächst den Deutschen waren die Eng¬ 
länder am zahlreichsten vertreten, sie stellten etwa 18 Prozent 
der Gesamtzahl. 


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iie 


BALNBOLCKHSCHK CENTRALZEITUNG Nr. 29. 


Bädon-'BädBn. Nivch den nunmehr vorliegenden Zililen über 
di6 PrequßBi! der hiesigen grossherzoglichen Badeanstalten Jür 
die Monate Januar bis einschliesslich September; also die Zeit der 
stSirksten Inanspruchnahme, wurden in diesem Zeitraum im Fried- 
ncbsha’d 55799 Bader abgegeben, im Kaiserin Augusta-ßad 
32 983. Im Friedrichsbad betrugen die Einnahmen für Bäder, 
Maa.sage, Heilgymnastik etc. 125223 Mark (1905: 116519 Mark), 
im Augusfa-ßad 74919 Mark (1905: 63896 Mark). Für Fango¬ 
behandlungen wurden in diesem Zeitraum 16212 Mark einge¬ 
nommen gegen 16314 im Vorjahr. Die Einnahmen sind also in 
allen Abteilungen bedeutend höher gewesen als 1905. 

Das Sanatorium Ebersteinburg bei Baden-Baden, welches 

im Mai dieses Jahres von Dr. Rumpf, früherem Leiter der Staat 
liehen badischen Lungenheilstätten Priedrichsheim und Luisenheim, 
eröffnet wurde, hat sich ausserordentlich rasch eingeführt und ist 
auch für den Winter schon besetzt. Aus.ser der landschaftlich 
unvergleichlich schönen Gebirgslage und den hygienisch muster¬ 
gültigen Einrichtungen des Sanatoriums fand bei Publikum und 
Aerzten besonders viel Anklang die von Dr. Rumpf getroffene 
Neuerung, in seinem vornehm ausgestatteten Sanatorium nur leicht 
lungenkranke Damen aufzunebmen. 

Gries. Am 17, v. M. gelangte eine Aufforderung der k. k. 
Bezirkshauptmannschaft Bozen zur Beratung, welche eine kur- 
polizeiliche Verfügung der Kurvorstolning verlangt, um das Nach¬ 
schleppen der Kleider, sowie das freie Ausspucken auf Promenaden 
etc. zu verbieten. Nach längerer Debatte wurde beschlossen, das 
Nachschleppen der Kleider, sowie das Ausspucken auf Promenaden, 
Anlagen und Fusswegen im Kurorte Ciries zu verbieten. 

In WiOSbaden haben die Stadtverordneten die Erhöhung der 
Eintrittsgelder zu den Veranstaltungen der Kurverwaltung ge¬ 
nehmigt. 

Wegen dos schwankenden Gesundheitszustandes des Herrn 
Dr. Schubert war bereits vor mehreren Monaten an dessen Stelle 
in Bad Nerothal Herr Dr. V. Herff getreten, dem zugleich die 
künftige Leitung des neuen Sanatoriums übertragen wurde. Die 
Eröffnuug des im Bau begriffenen Kurhaus Bad Nerothal, welches 
mit allem Komfort der Neuzeit und sämtlichen der jetz'gen Hoho 
der Wissenschaft entsprechenden technischen und therapeutischen 
Hilfsmitteln ausgestattet ist, findet bestimmt am 1. April 1907 
statt. 


Bäderfrequenz. 


Wiesbaden 

150997. 

Baden-Baden 

72346. 

Karlsbad 

61959. 

Harzburg 

38663. 

Norderney 

38136. 

Oeynhausen 

34614. 

Marienbad 

29507. 

Helgoland 

28929. 

Nauheim 

27 601. 

Ems 

24629. 

Kolberg 

23805. 

Neuenabr 

22069. 

Salzbrunn 

14991. 

Wildbad 

14861, 

Homburg 

13836. 

Elster 

12112 . 

Landeck 

11110 

Kudowa 

10962. 


Verschiedenes. 

— Der „ständige Ausschuss für die gesundheit- 
liclien Einrichtungen in den deutschen Kur- und Bade¬ 
orten“ hat seine dritte Zusammenkunft am 13. Oktober in 
Kis.singen abgehalten. Das kaiserliche Gesundheitsamt, das 
preussische Kultus- und das Landwirtschaftsministerium, die 
bayerische und die hessische Regierung hatten Vertreter ent¬ 
sendet. Die erneuten Beratungen über die Mindestforderungen 
für Wasserversorgung und Beseitigung der Abfallstoffe gelangten 
nach den Ausführungen des Vorsitzenden, Hofrat Dr. Röch¬ 
ling-Misdroy, zum Atischluss. Eine Reihe von Vorschlägen für 
Bau- und gesimdheitspolizeiliclie Verordnungen in den Kurorten, 
Referent Dr. Siebelt-Flinsberg, wurde in zweiter Beratung end¬ 
gültig angenommen. 


Personalien. 

— Herr Dr. Determann in St. Blasien ist zum Hofrat er¬ 
nannt worden. 


Meteorologische Statistik. 

Veranstaltet von der Redaktion der Balneologischen ZentralzeUnng.. 


Name 

Woche 

1 

Mittleres 
Temperatur¬ 
in in imum j 

Mittleres ! 

Temperatur- | 

maximum 

. 

c 

Hup 
-= V K 

^ -a -2 

ü — S 
— o 

Q M 

Regen¬ 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abb izia • . . . . 




4.1 —O./ll. 

13,3 C. 

15,9 

C. 


5 

_ 

2 

4 

_ 


Davos. 




31/10.-G./1I 

— 2,2 C. 

7,1 

C. 

623,9 

2 

5 

5 

— 

— 

2 Tage Schnee. 

Driburg .... 




29,/10,-4./lI. 

2,5 C. 

13,6 

0. 

— 

2 

5 

— 

— 

— 


Ems.. 




l./ll.-lO./ll- 

5,4 C. 

11,8 

C. 

748,1 

5 

6 

— 

1,8 

— 


Giesshübl-Sauerbru 

nn 




3,2 C. 

8,9 

C. 

— 

— 

5 

2 

5 

— 


Herrenall) . . . 





5 C. 

10,5 

C. 

717 

4 

3 

4 

4—5 

— 


Kreuznach . . . 





— c. 

— 

C. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Langenschwalbach 




— 

— C. 

— 

C. 

— 

— 

— 

.— 

— 

— 


Lijiiis|iriTigo . . 




•i/ii.-io n. 

4,8 C. 

10,-1 

C. 

746 

1 

1 

5 

3—6 

— 

Frequenz 6651. 

Nauheim .... 





3,7 C. 

10,4 

C. 

745,7 

4 

3 

5 

1 

_ 

, 27 691. 

Nemi'iorf . . . . 




28., lü. 3/11. 

6,5 C. 

15,5 

C. 

742 

, 2 

7 

3 

— 

— 


Norderney , . . 




— 

— 0. 

— 

C. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Roicheuhall . . . 


- 


— 

— C. 

— 

C. 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 


Reinerz .... 


• 


4.—lO./ll. 

7,3 C. 

12 

C. 

— 

1 

5 

2 

5 

— 


S;i!z))runn . . . 


4 


— 

— C. 

— 

c. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Stellen. 


• 


— 

— C. 

— 

C. 

— 

— 



— 

— 


Tri! erg . . . 

•- 

• 


28;i0.-10.;!l 

2,6 C. 

9,6 

C. 

— 

5 

9 

5 

— 

— 



Verantwortlirh^r Redakteur : Dr. P. Meissner, Merlin — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. 
Druck vnn H-frnemann'tche iluchilrnckerri. Cebr. W<il|T, Halle a. S 


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Vn. Jahrgang. Nr. ^0. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder 
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Redakteur: 

Dr. med. et polit Stchr, Wiesbaden. 

Verlag: Carl Marbold ln Halle a. S.» Uhlandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823 

Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist 
nor mit Qoellenangabe and nach Anfrage 
bei der Redaktion gestattet 

Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Inh 

Das Baden in der Armee. Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannorer. (Scblsa.) 
Bericht über den 16. Schwarwaldbädertag in Baden-Baden Von Dr: med. 
Eddy Schacht, Todtmoos. 

Feallleton : Bad Neuenahr. ReiseeindrQcke. (Forteetzang.) 

Haftung dee Badebesitzers im Altertm. 

alt. 

Ans den Bädern and Siirerten. 

Vereine und Kongresse. 

Personalleu. 

Meteorologische Statistik. 


Das Baden in der Armee. 

Vortrag in der Hauptreraammlang der Deutschen Gesellschaft für Volks¬ 
bäder am 23. Mai 1906 zu Worms. 

Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannoyer. 

(Schloss.) 

Vom rassischen Heere ist bekannt, dass die im russischen 
Volke 80 beliebten Dampfbäder auch den Soldaten verabfolgt 
werden, and wie auch bei den Japanern das Baden zur festen 
Gewohnheit geworden ist, geht schon aus mehreren Bildern 
über Szenen des letzten grossen Krieges im fernen Osten her¬ 
vor: auf ihnen sehen wir, wie die japanischen Soldaten selbst 
bei niedriger Temperatur höchst vergnüglich im Freien in ihren 
mit heissem Wasser gefüllten, halb in die Erde vergrabenen 
Tonnen stecken, um das altgewohnte heisse Bad darin zu nehmen. 

Im französischen Heere ist bereits im Jahre 1861 eine 
Braueeeinrichtung in einer Kaserne zu Marseille eingerichtet 
gewesen, und au^ Tollet hat in seinem 1877 erschienenen Werk 
über die Reform der Kasernen mehrere Typen von Brausebad¬ 
projekten wiedergegeben, welche schlechterdings als muster- 
^Itig anzusehen sind. Als Kuriosum möchte ich die in manchen 
französischenKavallerie-Regimentern Sitte gewesene Art, warmes 
Wasser zum Baden auf einfache und billige Weise zu be¬ 
schaffen, erwähnen. Man stellte nämlich in die Düngerhaufen 
bei den Pferdeställen verschieden grosse, gut verschlossene 
Wasserbehälter auf, deren Inhalt nach einigen Tagen bereits 
durch die wärmeerzeugende Gärung des Pferdedüngers bis 
auf 50® C erwärmt wurde. Durch besondere Pump- und Hebe¬ 


vorrichtungen wurde sodann dies so erwärmte Wasser zum 
Baden der Mannschaften nutzbar gemacht. Die englische Mili¬ 
tärverwaltung widmet seit der Beendigung des südafrikanischen 
Krieges der Erlernung des Schwimmens gesteigerte Aufmerk¬ 
samkeit. So sind im grossen Lager zu Aldershot 1902 ausge¬ 
dehnte Schwimmbäder eingerichtet worden, um ähnliche Un¬ 
glücks- und Todesfälle zu verhüten, wie sie sich in jenem Kriege 
wegen der Unkenntnis des Schwimmens nur zu oft ereignet 
haben. 

Meine verehrten Anwesenden, ich hoffe, ich habe Ihnen 
mit diesen kurzen Ausführungen zeigen können, in wie hohem 
Maße und mit wie nie erlahmendem Eifer seitens unsrer Militär¬ 
verwaltung daran gearbeitet worden ist, der ihr im Heere an- 
vertrauten Blüte der männlichen Jugend unseres Volks auch 
alle Vorteile und Segnungen einer durch das Baden bedingten 
und erhöhten Körperpflege zu Teil werden zu lassen. Hand 
in Hand damit gehen die anderen Maßregeln, welche geeignet 
und dafür bestimmt sind, die Gesundheit der Truppen zu er¬ 
halten und zu stählen und so die Schlagfertigkeit des Heeres 
zu erhöhen. Und nicht umsonst ist gearbeitet — das lehren 
die nackten Zahlen der Sanitätsberichte, welche fast ohne Unter¬ 
brechung einen Rückgang der Krankenzugänge zu konstatieren 
vermögen. Sind doch diese z. B. im Vergleiäi zu der Zeit vor 
20 Jahren um rund 28®/o zurückgegangen; das besagt bei einer 
Armee von 526 000 Mann, wie wir sie jetzt besitzen, dass 
147000 Krankenzugänge weniger zu zählen gewesen wären als 
vor 20 Jahren — bei gleich angenommener Heeresstärke. Diese 
Zahlen reden eine deutliche Sprache. Und niemand unter uns 
wird es leumen können, dass solch erhebliche Fortschritte zum 
gi'ossen Teil auf die hygienischen Maßnahmen und die Fürsorge 


Feuilleton. 


Bad Neuenahr. 

Keiseeindrücke. 

• (Fortsetzung:.) 

Zu solchen Gedanken wird wohl jeder unbefangene ärzt¬ 
liche Beobachter gedrängt, welcher wie der Schreiber dieser 
Zeilen in diesem Sommer Gelegenheit gehabt hat, das Bad 
Neuenahr gründlicher kennen zu lernen. Es ist vielleicht der¬ 
jenige Kurort Deutschlands, welcher in den letzten Jahrzehnten 
die glänzendste Entwickelnng aufzuweisen hat. Nachdem die 
Quelle erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch einen 
Weingutsbesitzer entdeckt worden ist, in dessen Familie der 
Besitz bis auf diesen Tag verblieben ist, hat eine rührige Propa¬ 
ganda es dahin gebracht, dass der Kurort in diesem Jahre 
schon gegen 10000 Gäste aufzuweisen hatte. Die Frequenz 
hat sich gerade in den letzten Jahren ausserordentlich gesteigert 
infolge der ebenso energischen wie geschickten Leitung durch 
die gegenwärtige Kurdirektion. Es ist geradezu erstaunlich zu 
sehen, wieviel Zweckmäßiges und Schönes dort zum Wohle der 


Kranken in letzter Zeit geschaffen worden ist. Die Gesamt¬ 
einrichtung der Kuranlagen lässt eine Grosszügigkeit erkennen, 
welche vom modernen Geiste durchweht ist. Der Kurplatz 
mit den beiden darauf stehenden Rieseogebäuden, dem Kur¬ 
hotel und dem Kurhaus, hat nicht viel seinesgleichen in den 
Kurorten Deutschlands und Oesterreichs. Insbesondere ist das 
mit einem Kostenaufwande von mehr als einer Million vor zwei 
Jahren neu erbaute Kurhaus eine architektonische Sehens¬ 
würdigkeit. Es birgt neben einer grossen Terrasse und einer 
als Weinrestaurant menenden Glasveranda ein Theater von un- 
ewöhnlich grossen Dimensionen und prächt^e Lese- und 
pielsäle, welche mit fast verschwenderischer Eleganz ausge¬ 
stattet sind. Die von Marmor starrenden Räume bieten nament¬ 
lich bei den abendlichen Lichteffekten einen intonierenden An¬ 
blick dar. Von den hohen Fenstern und dem Balkon des Lese¬ 
saals blickt man auf die lieblichen Ufer der dicht vorbei¬ 
rauschenden Ahr. In dem Musikpavillon auf dem Kurplatz 
wird den Gästen zuweilen sehr gute musikalische Unterhaltung 
geboten. Weniger Lob verdient die gewöhnliche Kurkapelle, 
welche zweimal täglich in den Kuranlagen jenseits der Strasse 
spielt. Dieser Park, der sich auch hart am Ahrufer entlang¬ 
zieht, ist mit ausserordentlich feinem gärtnerischen Geschmack 
angelegt, und bietet den Kurgästen Gwegenheit zu ausreichen¬ 
den und sehr hübschen Spaziergängen während der Brunnen¬ 
kur. In den Kuranlagen befindet sich auch die Trinkhalle, in 


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118 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUKG 


Nr. 30. 


der.Militärbehörden zurückgeführt werden müssen. Maßnahmen, 
unter denen die stetig mehr vervollkommneten Badeeinrichtungen 
und ihr häufiger Gebrauch sicherlich nicht an letzter Stelle zu 
nennen sind! 

Im Heere ist das vielgenannte Wort Lassars seit Jahren 
zur Tatsache geworden: 

„Jede Woche jedem Deutschen ein Bad!“ 


Bericht über den 16. Schwarzwaldbädertag 
in Baden-Baden. 

Von Dr. med. Eddy Schacht, Todtmoos. 

Am 29. und 30. September d. J. fand in Baden-Baden die 
16. Jahresversammlung des Schwarzwaldbädertages statt. 

Nach einer eingehenden Besichtigung der Grossherzoglichen 
Kuranstalten, des Friedrichs*Augusta- und Landesbades, sowie 
des Inhalatoriums und der Trinkhalle, wobei Herr Geheimrat 
Obkircher in liebenswürdiger Weise die Führung übernahm, 
vereinigten sich die Teilnehmer am Spätnachmittag zur allge¬ 
meinen Sitzung im Konversationshause. 

Zum Vorsitzenden der Versammlung wurde Obkircher- 
Baden-Baden gewählt, das Amt des Schriftführers übernahm 
Schacht-Todtmoos. — Den Bericht über das verflossene Ver¬ 
einsjahr erstattete Herr Medicinalrat Frey. Danach zählt der 
Veroand 52 Mitglieder. Zwei sind im Laufe des Jahres ver* 
zogen, zwei andere, Rumpf und Heinsheimer, beide Baden- 
Baden, neu eingetreten. — Der Vermögensstand ist günstig. 
Die Rechnungsablage wird durch Herrn Sanitätsrat Hauss- 
mann geprüft und für richtig befunden. 

Schacht-Todtmoos spricht über „Hotel und Kurhaus“. 
Er beleuchtet kurz die Vor- und Nachteile für Gesunde und 
Kranke, die sich aus einem geeinigten Hotel- und Kuranstalts¬ 
betriebe ergeben, und streift die Schwierigkeiten, die bei den 
oft diametralen Interessen der wirtschaftlichen und ärztlichen 
Leitung unvermeidlich sind. Er will die Art der Kranken, 
die offene Kuranstalten aufsuchen, enger begrenzt wissen und 
sieht in den kleineren geschlossenen Sanatorien für spezielle 
Krankenklasseu mit einheitlicher Leitung die Behandlungs¬ 
methode der Zukunft. 

Einen interessanten Ausblick über „die Prognose der 
Lungentuberkulose“ gibt Rumpf-Baden-Baden. Die 

welcher die Quelle neuerdings an zwei verschiedenen Stellen 
gefasst und geschöpft wird. Fast ist die Halle schon zu klein, 
um dem häufig recht starken Andrange der Quellenpilger ge¬ 
nügend Raum zu bieten. Sie würde auch zweckmäßiger zu 
ebener Erde liegen! Sehr bequem und vornehm angelegt 
und reich ausgestattet ist auch das mit dem Kurhotel unmittel¬ 
bar verbundene Badehaus, in dem alle Arten Bäder verab¬ 
reicht werden und auch vorzüglich eingerichtete hydrotherapeu¬ 
tische Abteile vorhanden sind. 

Was ausserhalb der eigentlichen Kuranlagen im Bade 
Neuenahr liegt, macht leider einen weit weniger günstigen Ein¬ 
druck, es ist fast alles veraltet und unzweckmäßig geworden. 
Die Verkaufskolonnade ist eine armselige Baracke, deren Schau¬ 
läden sehr unmodern anmuten. An neuen, eleganten und 
grossen Hotels mangelt es in Neuenahr fast vollkommen. Die 
Ursache dafür ist darin zu suchen, dass sich die Banlust bis¬ 
her noch immer hauptsächlich in dem alten Dorfe konzentriert 
hat, dessen enge Strassen gar keine Entwickelung der Häuser 
in die Höhe und Tiefe zulassen. Die Stadt Neuenahr an sich 
macht für einen modernen Badeort einen wenig vorteilhaften 
Eindruck. Einstweilen scheinen noch die privaten Sonder¬ 
interessen der in dem Städtchen maßgebenden Persönlichkeiten 
(Hotelbesitzer und dergl.) es zu verhindern, dass die Bautätig¬ 
keit sich an denjenigen Stellen entfaltet, an w'clchen dort über- 
luuipt nur eine moderne Architektur zu ihrem Rechte kommen 


hereditären Momente, die Brehmersche Belastung, der phthi- 
sische Habitus, die Spirometrie, die katarrhalische Disposition, 
die Unterernährung, überstandene Krankheiten, Lebensalter 
U8W. werden auf ihren prognostischen Wert kritisch geprüft. 
Den wichtigsten Anhaltspunkt für die Voraussage des einzelnen 
Krankheitsfolles bietet der Vergleich zwischen der Dauer der 
Krankheit und dem Grad, den die Erkrankung in dieser Zeit 
an In- und Extensität in den Lungen und an Schädigung des 
Allgemeinzustandes erreicht hat. 

Von den physikalischen Krankheitserscheinungen sind für 
die Beurteilung des Verlaufes am höchsten zu bewerten die 
Rasselgeräusche, und von diesen wieder die kliugenden. Nicht 
unwesentlich ist der Sitz der Tuberkulose, ferner, ob sie eine 
offene oder geschlossene ist. 

Während die Zahl der Tuberkelbazillen im Auswurf in 
ihren Schwankungen keinen prognostischen Anhaltspunkt gibt, 
ist das dauernde Verschwinden der Bazillen während der Be¬ 
handlung als günstig aufzufassen. Aeusserst wichtig ist das 
Verhalten der Temperatur und des Herzens. Das Fieber ist 
wohl das bedeutungsvollste Zeichen der Schwere des Kampfes, 
den der befallene Organismus mit den feindlichen Krankheits¬ 
erregern führt. Kleiner, frequenter Puls auf die Dauer ist als 
infaust anzusehen. 

Haemorrhagieen sind im Einzelfalle für die Prognose be¬ 
deutungslos, bei öfterer Wiederkehr ein omen malum. 

üebergreifen der Tuberkulose auf andere Organe ist im 
allgemeinen eine angem gesehene und ungünstig zu deutende 
Komplikation. 

Freisein von anderen Krankheiten und im übrigen ein 
widerstandsfähiger Körper — Verdauungsorgane, ein in¬ 

taktes Nervensystem und ein gesundes Herz — sind das Beste 
für die Ueberwindung der tuberkulösen Infektion in den Lungen. 

(Schloss folgt.) 


Aus den Bädern und Kurorten. 

In Abbazia wurde anfangs dieses Monats infolge eines ausser¬ 
ordentlich starken Schirokko, welcher mit einer gewaltigen Sturz¬ 
flut und Wolkenbruch verbunden war, die vordere Hälfte des 
grossen Molo durch den Anprall der Wogen ganz zerstört, so dass 
er einstürzte. Der Schiffsverkehr nach Fiume und nach den dal¬ 
matinischen Inseln Avar für längere Zeit unterbrochen, resp. stark 
beeinträchtigt. Auch sonst wurde grosser Schaden in Abbazia und 
Umgebung angerichtet. 


kann: nämlich an den beiden Ahrnfern, die sich ja zu beiden 
Seiten des Kurhauses fast eine Viertelstunde lang hinziehen, 
und in den schönen hoch gelegenen Strassen oberhalb des Kur¬ 
hotels. Einen grossen Teil des bebauungsfähigen Terrains hat 
die Kurdirektion (Aktiengesellschaft!) au^ekauft, wohl um das 
Anbohren des Bodoms für andere Quellensucher zu verhindern (?). 
Für die bauliche Entwickelung des Badeortes bedeutet das aber 
ein bedauerliches Hemmnis. Der schwerste Schaden aber, den 
das Bad Neuenahr zur Zeit hat, ist der Mangel einer 
Kanalisation. Wäre das den Aerzten allgemein bekannt so 
würden sie ihre Patienten niemals mit ruhigem Gewissen dort¬ 
hin schicken können. Denn die Art und Weise, wie dort Fäka¬ 
lien und Unrat versorgt werden, ist ein Spott auf die moderne 
Hygiene! Es liegt darin eine Quelle ernster Gesundheitsge¬ 
fährdung für die vielen Tausende von Menschen, welche all¬ 
jährlich dort ihr Heil suchen. Neuenahr kann von Glück sagen, 
dass bisher dort noch keine Epidemie irgend einer Infektions¬ 
krankheit zum Ausbruch gekommen ist! (Schluss folgt) 


Haftung des Badebesitzers im Altertum. 

Die ägj'ptische Papyri bringen eine Menge Fälle aus dem 
Privatleben zum Vorschein, wie sie heutzutage oft wieder vor 


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1906. 


BALNBOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG 


119 


Bsden'BadBn. Zur Errichtung eines Krematoriums wurden 
.der Stadtgemeinde von einem ungenannten Mltgliede der Fremden- 
kolonie 90000 M. zur Verfügung gestellt, falls der Bau innerhalb 
dreier Jahre ausgeführt und das Krematorium von der Stadt io 
Betrieb genommen wird. Der Stadtnvt hat die Schenkung mit 
Dank angenommen. 

Borkum. Das Ergebnis der diesjährigen Sommersaison ist 
sehr günstig gewesen, denn die Zahl der Besucher hat die Höhe 
von 21611 erreicht! Im Jahre vorher waren 20439 Fremde auf 
der Insel, so dass die Besucherzahl um 1182 Personen zugenom¬ 
men hat. Jetzt beginnt die Herbst- und Wintersaison, die vor 
zwei Jahren eingerichtet wurde. Alle Einrichtungen iUr warme 
Bäder, Kanalisation und Wasserleitung bleiben im Gange, ebenso 
Dampferverbindung mit Emden. Die meisten Hotels, Pensionen, 
Kaufläden, Post und Telegraph sind für den Verkehr geöffnet. 

BrUckBnaU. ln einer Tiefe von 410 Meter wurde eine 
mächtige Kohlensäure-Gasquelle erbohrt. Der Gasausbruch, welcher 
sich fünfmal wiederholte, war so stark, dass die Wassersäule 
30 Meter hoch geschleudert wurde. 

KoIoiu’b SQdstrand Ftthr. Am l. und 2. Noveml>er tagte in 
Bremen die Generalversammlung des Verbandes Deutscher Nord¬ 
seebäder. Von den Gegenständen der Verhandlung ist mitteilens¬ 
wert, dass künftig den Aerzten in den Nordseebädem ein grösserer 
Einfluss in der Vertretung des Verbandes und auf die Propaganda 
eingeräomt werden soll. Gelegentlich dieser Versammlung hat 
sich die Mehrzahl der in den Nordseebädern tätigen Aerzte zu 
einem Verein zusammengeschlossen, mit dem Zweck gegenseitiger, 
wissenschaftlicher Anregung. Insbe.sondere sollen die Erfahrungen 
über die Heilwirknngen der Nordsee ausgetaiischt und systematische 
Untersuchungen über den Einfluss derselben auf den Stoffwechsel 
veranlasst werden. 

Mit der Geschäftsführung wurde Dr. Gmelin vom Sanatorium 
Südstrand Föhr beauftragt 

NordBrnBy. Norderney ist in diesem Sommer von insgesamt 
38 148 Personen besucht worden. Im vorigen Jahre waren es nur 
37 350 und im Jahre 1904 nur 35647. 

SBb&StianSWBilBr. Wie aus Tübingen gemeldet wird, wurden 
in letzter Zeit durch den Besitzer Ha 1 d e nwang in allernächster 
Nähe des Bades zwei weitere, sehr ergiebige Schwefelquellen ent¬ 
deckt, was für die Weiterentwicklung des aufstrebenden Bades 
von grosser Bedeutung ist. 

ViBrwaldstättBrSBB. Die Winterstationen am Vierwaldstätter¬ 
see scheinen sich rasch die Gunst des luft- und sportliebenden 
Publikums zu gewinnen. In Engelberg sollen für den bevor¬ 


Gericht verhandelt werden, so auch aus dem Badeleben, das 
bei den Alten eine grosse Rolle spielte. Mit der „Haftung des 
Badebe8itzer6‘‘ wollen wir aber — so schreibt die „Frankf. 
Ztg.“ — nicht auf die häufigen Fälle hindeuten, wo einem 
Badenden etwas in der Badeanstalt gestohlen wird; denn die 
waren im Altertum auf der Tagesordnung und es gab eine 
ganze Profession von Manteldieben und „Paletotmardem“ 
in den Bädern und Palästen im alten Athen, worüber Aristo- 
phanes oft etwas zu sagen hat. In unserem Falle handelt es 
sich darum, dass durch Unvorsichtigkeit der Badebediensteten 
ein Badender an seiner Gesundheit geschädigt worden ist. Das 
Altertum besass keine eigentlichen Spitäler, sonst würden ge¬ 
wiss Fälle, wie sie durch geringe Unvorsichtigkeit verursacht, 
in unseren Spitälern Vorkommen, auch aus den Papwi erkennt¬ 
lich sein; z. B. folgender: Eine noch schwache K^ranke wird 
ins Badezimmer des Hospitals geführt, sie wird einen Augen¬ 
blick allein gelassen, fallt vom Stuhl und verbrennt sich an 
den Heizrohren, oder nach einer Operation werden einer 
Patientin durch zu heisse Wärmeflaschen die Füsse verbrannt; 
in beiden Fällen haftet die Hospitalverwaltung. Unser ägypti¬ 
sches Pendant dazu aus der Ptolemaeerzeit ist gemäß einem 
Papyrus aus Magdola folgendes: In einer Eingabe an den 
König Ptolemaeus schreibt Philistia, Tochter des Lysias, aus 
dem Fayumdorf Trikomia: 

„Icli bin durch Petechon an meiner Gesundheit geschädigt 


stehenden Winter bereits gegen dreihundert Gäste Quartier be¬ 
stellt haben. Für Rigl-Kaltbad und Rigi-Klösterli lässt die Vitznau- 
Rigibahn zum erstenmal den ganzen Winter über täglich Züge 
Vitznau—Rigi—Kaltbad und zurück verkehren. Engelberg, sowohl 
wie das südliche Rigihochplateau sind durch eine ausserordentlich 
hohe Durchschnittszahl von sonnenhellen Wintertagen begünstigt. 
An beiden Plätzen wird der Wintersport eifrig gepflegt. 

In WarnBÜlündB schloss die diesjährige letzte Badeliste mit 
einer Frequenzzifi'er von 18522 ab, d. L ca. 1000 weniger als 1905, 

In WfilVBr in WBStfalBn haben die Vorarbeiten für die 
Bildung eines Solbades stattgefunden. Bekanntlich wurde bei 
Welver vor mehreren Jahren eine starke kohlensäurereiohe Thermal- 
solquelle erbohrt. Es wird angestrebt, Welver zur Bade- und 
Rentnerstadt Westfalens zu machen. 

WBStBrIand. Das statistische Material Westerlands zeigt, 
dass die seinerzeit so heissumstrittenen „Familienbäder‘‘ in einer fort¬ 
gesetzten Steigerung begriffen sind und sich einer stetig zunehmen¬ 
den Popularität erfreuen, ohne dass die „deutsche Sittlichkeit in 
Trümmer ging“, wie von den vielen Gegnern befürchtet worden 
war. 

Während in dem Eröffnungsjahr 1902 wenige Tausend „ge¬ 
mischt badeten*, benutzten 1903 bereits 21000 Kurgäste die 
Familienbäder und heute ist die Frequenz schon auf die stattliche 
Zahl von 34600 gestiegen. Die Damen-Strandbäder wiesen eine 
Besuchsziffer von 29000 auf. Die Herrenbäder eine solche von 
38 000 Personen, welche Zahlen mit dem Vorjahr gleichen Schritt 
halten. Die warmen Seebäder wurden von rund 1500 und die 
modernen Luft- und Sonnenbäder, welche in Westerland in romanti¬ 
scher Lage anf den Dünen sich befinden, wurden von 1000 Per¬ 
sonen benutzt. 

Bezeichnend ist, dass die höchste Tagesfrequenz ebenfalls 
vom Familienbad, und zwar mit 910 Badenden erreicht wurde. 

In Nordseebad Wittdüll wird jetzt mit dem Bau der elektri¬ 
schen Zentrale, eines modernen Warmbadehauses, einer Dampf¬ 
wäscherei und Eisfabrikationsanlage begonnen. Diese Bauten 
sollen bi.s zum 1. Juni n. J. betriebsfUbig sein. 


Vereine und Kongresse. 

ÜBr VBfband dBUtSChBr NordSBBbfldBr hielt am l. und 2. 

d. M. in Brenxen seine diesjährige Tagung ab. Zu den Verhand¬ 
lungen batte das preussische Ministerium der öffentlichen Arbeiten 
einen Vertreter gesandt. Im Aufträge des Bremer Senats wohnte 
Prof. Tjaden den Verhandlungen bei. Der Vorsitzende des Ver- 


worden. Als ich in den öffentlichen Badem des Dorfes ein 
Bad nahm, goss dieser Petechon, der die Aufgabe hat, das 
Frauenbassin mit Wasser aufzufüllen, gerade in dem Augen¬ 
blick, als ich herausstieg, um mich abzuseifen, Kannen heissen 
Wassers über mich, so dass mir der Leib und die Schenkel 
bis zum Knie verbrannt wurden und ich in wirklicher Lebens¬ 
gefahr schwebte. Ich liess sofort in Gegenwart des Epistaten 
Simon ein Protokoll aufnehmen und dem Rechtosiris, dem 
Archiphylakiten, überreichen. Ich bitte Dich, o König, dass 
mir mein Recht wird, wo ich so zugerichtet worden bin, ich, 
die ich von meiner Hände Arbeit leben muss. Befiehl also, 
dass der Strateg Diophannes den Simon, den Rechtosiris und 
den Petechon vorlade und die Sache behandle.“ 

Das Aktenzeichen auf der Rückseite des Papyrus lautet: 
„Datum des Eingangs“ (5 Tage später als das Datum des Un¬ 
falls). „Philistia, Tochter des Lysias gegen Petechon wegen 
Körperverletzung durch Brand.“ Die Dorfverwaltung scheint 
wohl für den Badeschaden haftbar zu sein, sofern der leicht¬ 
sinnige Badediener nicht dafür aufkommen kann. 

(Illustr. Badeblatt.) 


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120 


BALNBOLOGISCHB CENTRALZEITUNG 


Nr. 30. 


bandes, Bürgermeister Petersen-Wyk, begrüsste die Er¬ 
schienenen. Darauf erstattete der Geschäftsführer den Jahres¬ 
bericht. Die Generalversammlung im vorigen Jahre hatte be¬ 
schlossen, die Propaganda für den Besuch der Nordseebäder in 
bedeutendem Maße zu verstärken. Das sei geschehen. Der Er¬ 
folg sei nicht ausgeblieben, wie sich aus dem starken Besuch der 
Inseln und Küstenbäder in diesem Sommer ergebe. Der Vor¬ 
sitzende stellte die Frage auf Errichtung einer eigenen Geschäfts¬ 
stelle in Berlin zur Debatte. Es sei zweckwidrig, dass der Ver¬ 
bandssekretär auf einer entlegenen Insel hause; sein Domizil müsse 
eine Verkehrszentrale sein. Erforderlich seien etwa 15,500 Mark, 
von dieser Summe würden 12,500 Mark durch Einnahme gedeckt, 
der Rest müsse durch besondere Umlage aufgebracht werden. 
Der Verbandstag erklärte sich mit den Ausführungen des Refe¬ 
renten einverstanden. Nach einem R-eferat des Vorsitzenden über 
die Vertragsverlängerung mit Scherl wurde der Vorstand beauf¬ 
tragt. den Verbandsleitfaden in derselben Audage und Ausstattung 
wie im vorigen Jahre herauszugeben. Dem Vorstande wurde 
überlassen, wegen der Herausgabe der Verbandszeitung das Nötige 
zu veranlassen. Dr. Nicolas-Sylt hielt darauf einen Vortrag 
über: „Die Stellung der Nordseebäder in der modernen Balneo¬ 
logie.“ Er wies an der Hand von Gutachten hervorragender Au¬ 
toritäten auf die Heilkraft der Nordseebäder bei den verschieden¬ 
sten pathologischen Zuständen des menschlichen Körpers hin. 
Der Amtrag betreffend Vergünstigung für Aerzte und ihre Ange¬ 
hörigen veranlasste eine längere Aussprache, die zu dem Ergebnis 
führte, dass der Antrag von der Tagesordnung abgesetzt wurde, 
weil man nicht allein in dieser Frage vergehen wollte, sondern 
Hand in Hand mit dem deutschen Bäderverband arbeiten will. 
Zum Schluss sprach Direktor Weselmann-Hamburg über die 
Frage: „W’elche Schritte siud zu unternehmen, um eine Ver- 
grösserung der Anzahl der Einzelprospekte für die Ausgabestelle 
zu erreichen?“ Ein Beschluss wurde zu diesem Punkte nicht ge¬ 
fasst. — Am zweiten Tage wurde eine Reihe neuer Propaganda¬ 
vorschläge, und insbesondere die Form der gemeinsamen Annon- 
cierung erörtert. Der Verbandssekretär Jakob erstattete ein 
Referat zu der Frage: „Was kann geschehen, um in den einzelnen 
Bädern die örtliche journalistische Tätigkeit zu heben, und wie 
kann man die bessere .Journalistik iu den Grossstädten für die 
Interessen der Nordseebäder gewinnen?“ Von einer Beschluss¬ 
fassung in dieser Sache wixrde abgesehen. Die Zahl der Vor¬ 
standsmitglieder wurde durch die Zuwahl der Vertreter des Nord¬ 


deutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie, sowie des neu- 
gegründeten Verbandes der Badeärzte der Nordsee (Dr. Gmelin- 
Südstrand Föhr) auf neun erhöht. — Beschlossen wurde, an den 
Minister der öffentlichen Arbeiten das Ersuchen zu richten, für 
diejenigen Badezüge nach und von den Nordseebädern, die be¬ 
reits bestehen und zukünftig noch eingerichtet werden, auch für 
die Folge nach Einführung der Tarifreform von der Erhebung 
von Zuschlägen abzusehen. Direktor Weselmann-Hamborg 
wandte sich schliesslich gegen die Verringerung der Bewegungs¬ 
freiheit der Reisenden durch die beabsichtigte Aufhebnng der 
Rückfahrkarten und die angeblich geplante Beschränkung der 
Gültigkeitsdauer einfacher Fahrkarten auf zwei bis drei Tage. 
Bürgermeister Petersen-Wyk schloss dann die Generalver¬ 
sammlung mit einem Hoch auf den Kaiser. 

Ein Unterverband oet- und westpreuesischer Osteeebäder 

ist in Elbing begründet worden. Es wurde beschlossen, der 
nächsten Generalversammlung des Verbandes deutscher Ostsee¬ 
bäder im Jahre 1907 zu Berlin folgende Anträge zu unterbreiten: 
1. Die Erlangung der Ferienzüge von Berlin, Könitz, Dirschau 
nach Königsberg, bezw. Dirschau nach Danzig zum Anschluss an 
die Ostseebäder, ferner der Ferienzüge nach Breslau, Bromberg, 
Dirschau, nach Königsberg, bezw. Dirschau nach Danzig. 2. Die 
auswärtigen Vertreter der Ausgabestellen (Reisebureaus usw.) sind 
zur Besichtigung der Ostseebäder im Jahre 1907 einzuladen.“ — 
Der Verband tagt alle Jahre abwechselnd in Königsberg, Elbing 
und Danzig. 

Eine Versammlung der süddeutschen Volksheiletättenfirzte 

fand in der zweiten Hälfte des Oktober unter Vorsitz von Dr. Nahm- 
Ruppertshain in Heidelberg statt. Vorträge hielten Dr. Pit- 
sch in ger-Luitpoldheim, Dr. Cnrschmann- Friedrichsheim, Dr. 
Nahm-Ruppertshain. Als Ort der nächstjährigen Versammlung 
wurde Baden-Baden gewählt, als ständiger Vorsitzender Dr. Nahm. 


Personalien. 

— Dem Kurarzt Dr. Tripold in Abbazia wurde der Titel 
eines Kaiserlichen Rates verliehen. 

— Dr. Eddy Schacht-Todtmoos praktiziert wieder bis Ende 
März in Assuan, Oberägypten, und Dr. Brühl, bisher zweiter 
Arzt der neuen Heilanstalt zu Schöneberg, in Gm*done Riviera. 


Meteorologische Statistik. 


Veranstaltet von der Redaktion der Balneelofllsohen Zentralzeitung.. 


Name 



Woche 

Mittleres i 

Temperatur- 1 

3 

2 

S 

Mittleres ' 

Temperatur¬ 
maximum 

Durchscliiiitt- 

lieber 

Barometerstand 

Regen- 

tage 

Sonnen¬ 

schein¬ 

tage 

Wieviel 

Tage 

bewölkt 

Wind¬ 

stärke 

Ge¬ 

witter 

Besondere 

Bemerkungen 

Abb i/ia .... 



18.-24./11. 

8,3 

C. 

13,6 C. 

765 

2 

5 

_ 

4 

1 

1 Tag Seesturm. 

Davos. 


• 

14.-20./11 

— 6,4 

0. 

3,7 C. 

628,5 

1 

6 

3 

— 

— 

Driburg .... 


f 

12.~18./1I 

2,1 

c. 

7,9 C. 

— 

4 

2 

1 

2 

_ 


Ein.s. 



18 -24./11. 

5,7 

c. 

9,2 C. 

757,2 

5 

2 

2 

1,4 

_ 


Gies.shubl-Sauerbru 

m . 



3,1 

5 

c. 

6,1 C. 

_ 

5 

_ 

2 

4 

_ 


Herrenalb . . . 




c. 

12 C. 

723 

2 

2 

5 

4—5 

_ 


K reuznach . . . 




— 

c. 

— C. 


— 

_ 

_ 

_ 



Laiigeiiscliwalhacb 



— 

— 

c. 

— C. 

— 

— 

_ 

_ 

_r 

_ 


Lippspringe . . . 



18.- 24 /11. 

3,5 

c. 

7 C. 

753 

3 

1 

3 

2_5 

— 

Frequenz 6712. 

Nauheim .... 



19.-28./I1. 

4,2 

c. 

7,8 C. 

755 

2 

— 

7 

2 

_ 

27818. 

Nenndorf .... 



18—24/11. 

5,5 

c. 

10 C. 

753 

3 

3 

4 

Sturm 

_ 


Norderney . . . 



5.-ll./ll. 

2,8 

c. 

10,5 C. 

— 

2 

2 

3 

1 

_ 


Hoiirhenhnll , . . 
Keinerz .... 



18.—24./il. 

1,5 

c. 

n 

— C. 
7,6 C. 

716,3 

2 

3 

4 

3 

— 


Salzbrunn . . . 

a 


— 


c. 

— c. 


— 

_ 

_ 

_ 

_ 


Sieben . 

• 


— 

— 

c. 

C. 


_ 

_ 

_ 


• _ 


Tril erg . , . 

» • 


11.—24./11. 

-0,2 

c. 

5,.5 C. 


7 

9 

6 

— 

— 



V.raniworOicher Redakteur: Dr. R Meissner, Rerlin. — Verlag von Carl Marhold. Halle a. S 
Druck von Ileynemaan'sche Ruchdruckerel, Oebr. WolfT, Halle a, S 


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Vn. Jahi)|;ang. Nr. 31. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder 
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Redakteur: 

Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden. 


Verlag: Carl Marhold in Halle a. S.« Ublandstrasse 6. 

Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher .823 


Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn 
DDf. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 


Der Nacbdmck ans dieser Zeitschrift ist 
nnr mit Quellenangabe nnd nach Anfrage 
bei der Redaktion gestattet 


Inhalt. 


Der Eindass ron UoorMdera auf das Herz und den Blutkreislauf. Von 
Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Steten. 

Bericht Ober den 16. Schwarwaldbädertag in Badoa-Badon Vo') Dr. med. 
Eddy Schacht, Todtmoos. 

FenUleton : Von der 78. Versammlung dentscber Naturforscher und Aerzte 


in Stuttgart. Von Dr Burwinkel*Bad Nauheim. 
Bad Neuenahr. ReiseeindrUcke. (Schluss.) 

Alts den Bllderu nnd Kurorten. 

Personalien. 


Der Einfluss von Moorbädern auf das Herz 
und den Blutkreislauf. 

Vortrag für den 15. Allgemeinen Deutschen Bädertag in 
Bad Kissingen am 11. Oktober 1906. 

Von Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Stehen. 

Meine sehr verehrten Herren! 

Wena ich mir als homo novus auf dem Gebiete der 
wissenschaftlichen Balneologie die Freiheit nehme, heute hier 
vor diese hochansehnliche Versammlung zu treten und Ihnen 
einiges von meinen Beobachtungen und Erfahrungen über den 
Einfluss von Moorbädern auf das Herz und den Blutkreislauf 
mitzuteilen, so bin ich mir vollauf bewusst, in wie hohem Maße 
ich dabei Ihre Geduld und Ihre Nachsicht in Anspruch nehmen 
muss. Erst seit drei Jahren ist es mir vergönnt, in unserm 
altbewährten kgl. bayerischen Stahl- und Moorbade Stehen als 
ordinierender Badearzt tätig zu sein, und erst etwas über 1300 
Patienten habe ich während dreier Sommer zu behandeln und 
zu beobachten Gelegenheit gehabt Nicht ganz der dritte Teil 
hiervon hat bei uns Moorbäder gebraucht, aber doch haben 
sich mir bei der Beratung dieser ca. 400 Fälle schon Beob¬ 
achtungen anfgedrängt, welche es mir scheinen lassen wollen, 
als ob man bisher in der Anwendung von Moorbädern teilweise 
etwas zu zurückhaltend gewesen wäre, als ob der Kreis der 


Gegenindikationen gegen Moorbäder, d. h. der Gründe, aus 
denen man sie lieber vermeiden soll, einer Einschränkung 
fähig, ja geradezu bedürftig sei. 

Bevor ich Ihnen die bis jetzt gültigen Gegenanzeigen 
gegen Moorbäder kurz skizziere, gestatten Sie mir, Ihnen in 
aller Kürze die Beschaffenheit und die Anwendungsweise 
unseres Stebener Bademoores zu schildern. Westlich von 
unserm Badeorte, in unmittelbarer Nähe des Parkes, auf einer 
grossen, tiefgründigen, von eisen- und kohlensäurereichem 
Wasser durchströmten Wiese, befindet sich unser 4,36 ha grosses 
Moorlager, welches uns für viele Jahre hinaus auch bei erheb¬ 
lich gesteigertem Bedarf einen schier unerschöpflichen Moor¬ 
vorrat gewährleistet, zumal auch der jetzt noch im Privatbe¬ 
sitz befindliche kleinere Teil dieses Moorlagers demnächst vom 
bayerischen Staate käuflich erworben werden soll. 

Das frische Moor stellt eine dunkelbraune, leicht erdig¬ 
säuerlich riechende, etwas fettige feinbröckliche Masse dar, 
welche neben geringen Mengen von Manganoxydul und Mag¬ 
nesia 4,8 g Kalk, 6,8 g Eisenoj^dul und 14,8 g Schwefel¬ 
säure im Kilogramm enthält. Das Material ist von grosser 
Gleichmäßigkeit im Kerne und in der Mischung und reich an 
organischen Substanzen, welche in einem fortschreitenden Zer¬ 
setzungsprozesse begriffen sind und so eine ununterbrochene 
Kohlensäoreentwicklung in der Masse selbst erhalten. Von der 
Moorwiese führt ein kleiner Schienenstrang zur sogenannten 
Moorküche, wohin das täglich frisch gestochene Moor in Kipp- 
wagen befördert wird. Zur Verwendung verwitterten Moores 


Feuilleton. 


Von der 78. Versanunlnng 
deutscher Naturforscher und Ärzte 
in Stuttgart 

vom 16.—22. September 1906. 
Berichterstatter: 

Dr. Burwinkel-Bad Nauheim (im Winter San Remo). 


weg ein recht guter. Eine ganze Reihe hervorragender 
Kliniker waren anwesend, ich nenne nur die Professoren 
Naunyn, Leube, Senator, Lenhartz, Rumpf, Minkowski, Moritz, 
Nolda, Romberg. Auch viele ausländische Kollegen, namentlich 
aus Österreich uud Russland waren erschienen, sogar das ent¬ 
fernte Ägypten hat in dem bekannten Arzt Dr. Hess-bey in 
Kairo seinen Vertreter gestellt. Auf der Tagesordnung standen 
nicht weniger als 50 Vorträge angemeldet; sehr praktisch er¬ 
wies es sich, dass dieselben nach den verschiedenen Körper¬ 
organen gruppiert und die Diskassion dann nicht wie bisher 
nach jedem einzelnen Vortrag eröffnet wurde, sondern erst 
nach Erledigung einer Gruppe von Vorträgen. Nur auf diese 
Weise gelang es, das Programm in der zustehenden Zeit zu 
erledigen. 


Als die Versammlung znm ersten und einzigsten Mal im 
Jahre 1834 in der württembergischen Hanptstadt tagte, da 
wurde den Besuchern ein für damalige Zeiten glänzender 
Empfang bereitet. Auch diesmal hat Stuttgart seinen Ruf als 
vorzügliche Kongressstadt in jeder Weise gewahrt. Die ganze 
schwierige Frage der Organisation war in befriedigender Weise 
gelost und wohl jeder der mehr als 2000 Besucmer ist nach 
mlen Richtungen hin zu seinem Recht gekommen. Jede der 
vielen Sektionen hatte ein bequemes Versammlungslokal be¬ 
kommen, in welchen anderen Städten ist dies möglich. Die 
16. Abteilung für Innere Medicin, Pharmakologie, Balneologie 
nnd Hydrotherapie hielt ihre Sitzungen in dem prächtigen 
Saal der technischen Hochschule ab. Der Besuch war durch- 


Zuerst fanden die Krankheiten des Blutes und Kreislaufes 
ihre Besprechung. Senator (Berlin) sprach über Erythrocy- 
tosis megalosplenica, eine Krankheit, die erst seit 1892 
bekannt und in einigen Dutzenden von Fällen beschrieben ist 
(Osner, WeintrandX DiecharakteristischenMerkmalesind: Ver¬ 
mehrung der roten Blutkörperchen, die dunkelrote frische Farbe 
des Blutes und die Milzvergrösserung. Senator hat zwei 
typische Fälle, Männer in den 50 er Jahren, genauer studiert. 
Die roten Blutkörperchen waren bezüglich ihrer Zahl in der 
Ranmeinheit ganz erheblich vermehrt, in ihrer Gestalt und 
Grösse aber unverändert. Auch die farblosen Blutkörperchen 
verhielten sich normal. Aus der auffallenden Vermehrung der 
Myclocythen und eosinopbylen Zellen muss man auf eine ge- 


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122 


BAXiNSOLOGISUUlfi CENTRAX<2iBITUNG 


Nr. 31. 


haben wir uns bis jetzt trotz mehrfacher Anregung hierzu nicht 
entschliessen können, da wir mit der Verwendung des frischen 
Moores bis jetzt nur die besten Erfahrungen gemacht haben 
und das Verfahren der Verwitterung für unser Moor für über¬ 
flüssig und umständlich halten. Die Wasserlöslichkeit unsres 
Stebener Moores ist eben auch in frischem Zustande eine der¬ 
artig grosse, daß ein richtig zubereiletes, d. h. genügend lange 
gedämpftes und dann genügend lange mit Handräder durchge¬ 
arbeitetes Moorbad einem solchen von Bad Elster oder von 
Franzensbad, wie ich mich persönlich überzeug habe, an 
Weichheit, Flaumigkeit und Molligkeit nichts nadimbt! Das 
Absetzen einer Wasserschicht über den Moorbrei ^s Zeichen 
mangelhafter Auflösung des Moores im Wasser erfolgt auch 
bei uns nur dann, wenn das Moorbad sehr lange gestanden 
hat, oder wenn im Drange der Geschäfte während der Hoch¬ 
saison einmal ein Bad nicht genügend durchgearbeitet worden 
ist. In der Moorküche wird das Moor in grossen, ca. 3 cbm 
haltenden Holzkesseln durch Einleitung von Dampf in heißen 
Brei verwandelt und von da in die Wannen gelassen, io denen 
es durch Zusatz von mehr oder weniger kaltem Moor auf die 
verordnete Temperatur und Konsistenz gebracht und dann mit 
breiten Handrudem so lange durchgearbeitet wird, bis es eine 
möglichst gleichmäßige breiige Masse darstellt. Die Moor¬ 
wannen werden dann auf ihren Rädern von hinten in die Bade¬ 
zellen hineingefahren, und das Moorbad ist zum Gebrauche 
fertig. 

Die Krankheiten, gegen welche Moorbäder bei uns ange¬ 
wendet werden, sind vor allem eine große Anzahl Erkrankungen 
der weiblichen Geschlechtsorgane, sodann der chronische Mus¬ 
kel- und Gelenksrheumatismus und die Gicht, seltener Nerven- 
und Rückenmarkskrankheiten oder Verletzungsfolgen. Die 
Wirkung des Moorbades beruht ja bekanntlich weniger auf 
einer chemischen Einwirkung auf die Haut, denn erstlich sind 
die Stoffe, welche überhaupt chemisch auf die Haut einzu¬ 
wirken vermögen, also vor allem die organischen Säuren und 
sauren Salze, nur in sehr grosser Verdünnung im Moor ent¬ 
halten, und dann ist die völlige Undurchlässigkeit der ge¬ 
sunden menschlichen Haut für auf sie gebrachte lösliche Stoffe 
meines Erachtens schon längst in einer völlig zweifellosen 
Weise festgestellt worden, ^s vielmehr auf der ja freilich 
auch vielfach angezweifelten Durchwirkung des mehr oder 
weniger dicken Moorbreies auf den Körper und vor allen 
Dingen auf der Möglichkeit einer intensiven Wärmeeinwirkung, 
welche besonders bei allen schmerzhaften Erkrankungen, seien 


steigerte Tätigkeit des Knochenmarkes schliessen, welches auch 
hyperplasiert war. Das ^eziflsche Gewicht, die Menge und der 
Haemoglobingehalt des Gesamtblutes sind vermehrt. Die er¬ 
höhte Venosität des Blutes bedeutet eine Mehrarbeit fürs Herz, 
üeberraschend war der nach jeder Richtung hin gesteigerte 
Gaswechsel (verstärkte Gewebsatmung?). Jede Therapie ist 
aussichtslos, Hutentziehungen bringen vorübergebenden Nutzen. 

_ (Fortsetzung folgt.) 


Bad Neuenahr. 

Reiseeindrücke. 

(Schlusa.) 

Ein weiterer Missstand des Kurortes ist der Mangel an 
guten Spazierwegen, welcher erholungssuchende Kurgäste 
selbstverständlich sehr dringend bedürfen. Es gibt nur eine 
einzige Promenade in Neuenahr, welche namentlich für ältere 
fiente ohne Beschwerden passierbar ist: das ist der Weg längs 
des einen Ahrufers vom Wasserwerk bis zu der reizend auf 
der Höhe gelegenen Kolonie Johannisberg, welche den Titel 
eines „Luftkurortes“ wohl mit Recht für sich in Anspruch 
ludimen darf. Alle anderen Wege in und um Neuenahr be¬ 
finden sich in einem teilweis geradezu schauderhaften Zustande, 
so dass man oft über Steine und Geröll stolpert. Der Ver- 
schünoningsverein hat zwar den Neuenahrer Wald (zum Teil 
liorrlicher Hochwaldl) zugänglich gemacht, dessen Krone der 


sie rheumatischer, gichtischer oder chronisch-entzündlicher 
Natur, so ungemein wohltätig und heilbringend empfunden 
wird. loh stehe auf dem Standpunkt, dass bei allen derartigen 
Erkrankungen die Wärme des Moorbades das Hauptbeilmittel 
ist und verordne sie deswegen in solchen Fällen immer Ober¬ 
hautwarm, d. h. über 37*^ C. steigend bis 39® und 40®, in 
selteneu Fällen auch bis zu 42® Temperatur, indessen nur ganz 
ausnahmsweise und höchstens bei Halb- oder Teilbädem. 

So zahlreich die Krankheiten der genannten Art sind, bei 
denen eine Heilwirkung der Moorbäder erwartet werden kann, 
so häufig sind sie aber leider mit Erkrankungen des Herzens 
und der Blutgefäße vergesellschaftet, welche bei der Anwen¬ 
dung warmer Moorbäder nicht gleichgültig sind und daher zur 
Vorsicht mahnen. Wir finden selten einen Rheumatismus, eine 
auf anaemischer Basis beruhende Unterleibserkrankung, bei 
welchen das Herz — und selten einen Fall von Gicht oder 
Fettleibigkeit, bei welchen die Blutgefässe mehr oder weniger 
in Mitleidenschaft gezogen wären. Die Angaben in der 
Literatur über den Einfluss von Moorbädern auf das Herz und 
den Blutkreislauf sind nun so verschieden and zum Teil direkt 
widersprechend, was sich nicht ausschliesslich nur aus der Ver¬ 
schiedenheit des Moores selbst und den angewendeten Tempe¬ 
raturen erklären lässt, dass man hei der Behandlung Kranker mit 
Moorbädern der eignen Beobachtung gar nicht entraten kann, 
wenn man mit der Zeit ein einigermaßen sicheres Urteil da¬ 
rüber gewinnen will, welchen Patienten, oder sagen wir gleich 
genauer, welchen Herzen man Moorbäder zumuten dan und 
in welchen Fällen man sie widerraten muss; das letztere wird 
dann und wann nötig, in Fällen, in denen Patienten der Ge¬ 
brauch von Moorbädern von ihrem Hausarzte ohne vorgänmge 
genaue Untersuchung des Herzens und der Blutgef^se, ohne 
Bestimmung des P^sbildes und des Blutdruckes angeraten 
worden ist. 

Als konstante Wirkung jedes warmen Moorbades habe ich 
in Stehen gefunden: Beschleunigung des Pulses und Sinken 
des arteriellen Blutdruckes bei ^eicKzeitiger venöser Stauung 
im Innern des Körpers und in den Venen der vom Moor nicht 
bedeckten Körperteile, also besonders des Kopfes und Gesichts. 
Diese Erscheinungen gehen ganz analog der Temperatur und 
dem Dichtigkeitsgrade des einzelnen Moorbades in die Höhe: 
je heisser und dicker das Bad, umso schneller der Puls, umso 
niedriger der Blutdruck, umso stärker die venöse Stauung I 
Letzteres betrachte ich als die eigentliche Heilwirkung, ersteres 
beides als unliebsame Nebenwirkungen des Moorbades, und in 


Berg Neuenahr mit der Burgruine ist, von der man eine herr¬ 
liche Aussicht auf die Rheinebene hat Aber noch sind die 
Wege grösstenteils für Kranke und Schwache fast ungangbar 
und selbst für Kräftigere wenig angenehm, so dass die Mehr¬ 
zahl der Kurgäste mit Recht es vorzieht, den Tag innerhalb 
der eigentlichen Kuranlagen zuzubringen. Dieser mangelhafte 
Ausbau und die schlechte Pflege der Wege ist um so bedauer¬ 
licher, als sie an sich Neuen^r zu einem Terrainkurort 
ausserordentlich geeignet machen würden. Die Indi¬ 
kationen für diesen Kurort, welche sich in der Hauptsache 
bisher auf Verdauungs-, Stoffwechsel- und Nierenkrankheiten 
beschränken, würden sich unschwer auf viele Herzleiden und 
Kreislaufstörungen u. a. m. erweitern lassen, wenn die in allen 
möglichen Steigungsgraden schon vorhandenen Wege ordnu^- 
gemäß hergerichtet würden. Dazu freilich ist Geld nötig! Hat 
die Stadt nicht genug dazu, dann sollte es die AkBengesell- 
schaft, welche im Besitze des Bades ist, hergeben, auf die Ge¬ 
fahr hin, ihre hohe Dividende vorübergehend um einige Prozente 
herabsetzen zu müssen! Die Kurtaxe ist wahrlicn hoch ge¬ 
nug! Sie sollte niedriger sein in humanitärem Interesse, könnte 

danir aber obligatorisch für alle Fremden im Orte sein. Das 
Essen ist nicht teuer in Neuenahr, das Wohnen gerade¬ 
zu billig. Welchen Gewinn die Stedt Neuenahr von dem 
Aufblühen des Bades hat, entzieht sich der Kenntnis des 
Fernstehenden. Es ist zu bedauern, dass die Aerzte des Kur¬ 
ortes bei der Lage der Verhältnisse nicht den notwendigen 
Einfluss auf die sanitären Einrichtungen gewinnen können. Iq 


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fiALKfiOLOOtSCHB CSNtRALZSmmQ 


133 


iMe. 


der riclitigeii Abmessung dieser beiden Faktoren: möglichste 
Steigernng des ersteren bei möglichster Verringerung des 
letzteren erblicke ich die eigentliche Kunst einer richtigen, 
IndividuelleD Moorbadeverordnung. Modifiziert wird die Ein¬ 
wirkung der Wärme durch die des Druckes auf den Körper. 
In der Literatur findet man zwar einerseits Angaben, das 
spezifische Gewicht eines dicken Moorbades sei 1,25, anderer¬ 
seits die Behauptung, der Moorbrei sei leichter als Wasser, 
aber bei uns wiegt ein Liter dicker Moorbrei aus einem 
fertigen, dicken Moorbade von 40° C. 1050 g; die Mehrbe- 
Ustong des Körpers im Vergleich zu einem Wasserbade von 
300 1 = 300 kg beträgt also immerhin ca. 15 kg. Dieser Druck 
verhindert die Blutüberfüllung der peripheren Venen, welche 
sonst in der Wärme eintreten und ein Bad von 40° G. schon 
als unzuträglich heiss empfinden lassen würde, weswegen die 
Haut auch im heissen Moorbade stets weiss bleibt, und läßt das 
Blut nach Stellen mit geringerem Druck strömen, also einmal 
— erwüBschterweise — nach den Muskeln und Nerven, den 
Gelenk- und Körperhöhlen, und dann s unerwünschterweise — 
nach dem vom Moorbrei nicht bedeckten Kopf und Gesicht, so¬ 
wie vor allen Dingen nach dem Herzen! 

Es bängt nun ganz vom Zustande des Herzens, und zwar 
vor allem, um dies gleich vorwe g z u nehmen, vom Zustande 
des Herzmuskels ab, in welcher Weise und in welcher Zeit 
der Körper mit den unerwünschten Nebeneinwirkungen des 
Moorbades — Beschleunigung des Pulses und Sinken des Blut¬ 
druckes infolge der Blutstauung nach dem Herzen zu — fertig 
wird. (Schloss folgt.) 


Bericht über den 16. Schwarzwaldbädertag 
in Baden-Baden. 

Von Dr. med. Eddy Schacht, Todtmoos. 

(Schloss.) 

Es folgte der Vortrag von Heinsheimer-Baden-Baden 
„lieber den Einfluss von Ruhe und Muskelarbeit (Be¬ 
wegung) auf den Erfolg diätetischer Kuren“. 

Redner weist auf den Wandel der Anschauungen in obiger 
Beziehung hin, der sich z. B. in der neuerdings allgemein ge¬ 
wordenen Liegekur bei Gallensteinkranken in Karlsbad gegen¬ 
über der früher üblichen Verordnung von reichlicher Bewegung 


einer Kurdirektion sollte neben dem Verwaltungschef stets auch 
ein Arzt mit gleicher Stimme seinen Platz haben. 

Wenn dem so wäre, dann könnten in Neuenahr wie in 
manchem anderen Kurort viele veralteten, nur durch die Tra¬ 
dition geheiligten Gewohnheiten schnell beseitigt nnd manche 
den modernen Fortschritten der Wissenschaft entsprechende 
Nenernngen eingeföhrt werden. Dazu gehört in Neuenahr z. B 
das täglich dreimalige Trinken der Quelle, welche schon jedes 
einzelne Mal der Mehrzahl der Kranken in viel zn grosser 
Menge verabreicht wird. Die Skala der Brunnengläser, die 
doch non einmal vorhanden ist, sollte von dem Brunnenmädchen 
weit aufmerksamer beobachtet werden. Viel wichtiger aber er- 
Bcheint eine sorgfältigere Erwärmung des Brunnens, welche in der 
dortigen Trinkhalle noch in sehr primitiver Weise nnd zumeist 
auch unzureichend bewerkstelligt wird. Es verdient auch 
erwähnt zu werden, dass die Sauberkeit der Brunnengläser 
oft zu wünschen übrig lässt Ob es zweckmäßig ist, den Sprudel 
immer ün Henimgeben trinken zu lassen and den Kranken da¬ 
nach noch einen längeren Spaziergang anzuordnen, das noch 
einmal im Sinne mo^rner wissenschaftlicher Anschauungen zu 
prüfen, wird Sache der dortigen Aerzte sein müssen. Im All¬ 
gemeinen herrscht auch hier wie in fast allen Kurorten in der 
Verordnung der Trinkkuren viel zu sehr das hergebrachte 
Schema vor. Individualisieren in der Behandlung ist aber ge¬ 
rade bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten von der 
allergrössten Wichtigkeit. Der erst vor wenigen Monaten neu 
eröfihete Remigiusbrunnen, dernnter einem wenig geschmackvoll 


ausdrückt In ähnlicher Weise ist die Ordination reichlicher 
Körperbewegung zu modifizieren bei chronischer Obstipation, 
da bei ausgesprochen spastischer, oder bei Mischformen von 
spastischer und atomischer Obstipation sich ein alle mecha¬ 
nischen Reize ausscbliessendes, krampflösendes Regime von 
Ruhe, Wärmeanwendung und laktovegetabiler, leichtverdau- 
licber, butterreicher Kost, ergänzt durch Oelapplikationen, 
viel besser bewährt, als ein auf Anregung der Muskelarbeit 
des Dammes gerichtetes Verfahren. Dass umgekehrt, allzuviel 
Ruhe und Mangel au energischer Muskelbetätigung ungünstig 
auf den Dauererfolg vieler Ueberemährungskuren wirkt, hat 
Redner auch im Tierezperiment nachweisen können, indem 
Hunde bei Ueberernäbrung plus Muskelarbeit die Nahrung 
besser resorbierten (spec. das Fett), als bei Ueberemährung in 
Ruhe. — Zu grosser Vorsicht in der Bewertung von Ruhe 
und Arbeit rät H. bei schweren Diabetikern. Im Gegensatz 
zu leichten Fällen werden schwerere Fälle durch Muskelarbeit 
nicht wesentlich entzückert, im Gegenteil kann eine Schädi¬ 
gung des Organismus die Folge von körperlicher Anstrengung 
sein. Auch über diese Frage und ihre theoretische Bedeutung 
für das Diabetesproblem überhaupt hat Redner eigene Uuter- 
suchungen angestellt, die kurz gestreift werden. Ausführliche 
Publikationen sollen folgen. 

Auf Antrag von Schacht-Todtmoos beschliesst die Ver¬ 
sammlung, jedes zweite Jahr zu Freibuig im Breisgau zu 
tagen, wo also im kommenden Jahre der Schwarzwaldbäder- 
tag zusammentreten wird. 

Auf allgemeine Akklamation hin wurde Herr Medicinalrat 
Frey weiterhin zum Geschäftsführer ernannt 

An die Sitzung schloss sich ein gemeinschaftliches Essen 
im Kurhanse an. 

Der nächste Tag war dem Besuch der einzelnen Kur¬ 
anstalten und Sanatorien gewidmet, wozu die Besitzer einge- 
laden hatten. Neben der vornehmen und ruhigen Quisisana 
und der behaglichen und gediegenen kleineren Kuranstalt des 
Dr. Burger erregten die erst jüngst entstandenen Sanatorien 
Frey-Gilbert, Heinsheimer und Rumpf das grösste 
Interesse. 

Das erstere, für Nerven-, Herz- und Stoffwechselkranke, 
vereinigt bei einer gewählten, luxuriösen Ausstattung in sich 
alles, was moderne Technik und medicinische Wissenschaft an 
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden crei'ert hat. Die 
Wasserheilanstalt war wohl das sinnreichste und grossartigste, 
was wir bisher gesehen. 


aufgebauten und dekorierten Zeltdache verzapft wird— es fliessen 
wohl stündlich mehrere Tausend Liter unbenutzt ab — unter¬ 
scheidet sich nach seinem Geschmack und Kohlensäuregehalt 
von dem alten Sprudel so sehr, dass es erst sorgfältiger Beob¬ 
achtung bedürfen wird, ob und wie weit sich diese Quelle 
therapeutisch verwerten lässt. Einstweilen sollte man ihre An¬ 
wendung noch recht vorsichtig gestalten. 

Das Bad Neuenahr ist so reizend in dem lieblichen Ahr¬ 
tale gelegen, dass es verdiente, weitmebr auch der Zufluchts¬ 
ort jener Leute aus aller Herren Länder zu werden, welche 
jetzt noch immer nach Karlsbad, Kissingen, Homburg und dergl. 
pilgern, weil sie dort mehr Komfort zu finden wissen, als 
ihnen das noch jugendliche Neuenahr zu bieten vermag. Wenn 
auch der dortige Sprudel, die einzige alkalische Therme Deutsch¬ 
lands, sowohl an Wirksamkeit, wie an Mannigfaltigkeit der 
Indikationen den Quellen jener eben genannten Kurorte nicht 
völlig gleichwertig erachtet werden kann, so bietet sie doch 
gerade durch die Verbindung derselben Eigenschaften, welche 
Vichy in der ganzen Weit berühmt gemacht haben, eine 
Fülle von Heilanzeigen dar, welche die Kranken in anderen 
Kurorten nicht in gleicher Weise finden, so z. B. bei der immer 
häufiger werdenden Uebersäurung des Magensaftes, leichten 
chronischen Diarrhoeen und anderen Verdauungskrankheiten. 
Hier erweist sich die Milde des Brunnens geradezu als ein 
Vorzug. Die Entwickelung der Kurorte zu Luxusbädern be¬ 
deutet allerdings häufig eine schwere Beeinträchtigung für die 
Genesung der Kranken. Aber andererseits darf jeder ver- 


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124 


BALNSOLOGISCHB CBNTRAXiZBITUNG 


Nr, 31. 


Für Magen- nnd Darmkranke ist das Sanatorium Heins- 
heimer erstellt worden. Die ruhige Lage im grossen Park, 
die im Villenstil gehaltene bauliche Anordnung, die behag¬ 
liche, komfortable Inneneinrichtung und der vollkommene Hefl- 
apparat machen es zu einer Musterspezialanstalt. 

Unter Verwertung aller Errungenschaften moderner ßau- 
hygiene und gesundheitstechnichen Einrichtungen ist das Sana¬ 
torium Ebersteinsburg in der Nähe von Baden-Baden erbaut, 
mit dem Zweck, leicht lungenkranken Damen Aufnahme zu 
gewähren. Auch hier finden wir alles auf die spezielle Be¬ 
handlung einer bestimmten Krankheitsgruppe nach mustergül¬ 
tigen Prinzipien zugeschnitten. 

Mit voller Bewunderung für das Gesehene und das schöne, 
unvergleichliche Baden-Baden, das sich im herrlichsten Wetter 
präsentierte, und mit warmer Anerkennung für die vielen ge¬ 
botenen Anregungen trennten sich die Mitglieder in den Nach¬ 
mittagsstunden des zweiten Tages. 


Aus den Bädern und Kurorten. 

Wiesbaden. Von jeher als Herbstaufentbalt von den Polen 
und Russen bevorzugt, ist Wiesbaden in diesem Jahre ganz be¬ 
sonders stark von ihnen frequentiert. Man hört die fremden Laute 
Überall am Kochbrunnen, an der Wilhelmstrasse, dem Korso 
Wiesbadens, in allen Kuranlagen. Der besonders schöne Herbst, 
sowie die Unruhen in Russland mögen nicht wenig zur Steigerung 
des Fremdenbesuches beigetragen haben. Darauf scheinen auch 
die russischen Aerzte zu spekulieren, die sich neuerdings hier 
niedergelassen haben, und die nach echt russischer Art auf zahl¬ 
reichen Reklamescbildern in russischer Sprache den Landsleuten 
ihre ärztliche Kunst anpreisen. 

Der Kurverein hielt dieser Tage im „Hotel Hahn“ seine 
ordentliche Hauptversammlung unter dem Vorsitze des Geh. Sanitäts¬ 
rats Dr. Pfeiffer ab. Von dem Magistrat lag ein Schreiben vor, 
wonach der sich auf 4—5000 M. belaufenden Kosten wegen, und 
weil man auch an anderer Stelle keine Verwendung dafür habe, 
der Tempel des früheren Wilhelmsbrunnens vorerst an seinem 
jetzigen Standorte verbleiben müsse. Der Besichtigung des Kur¬ 
haus-Neubaues haben 70—80 Vereinsmitglieder angewohnt. Herr 
Stadtverordneter Simon Hess beantwortete eine Anfrage nach dem 


Arrangement für den Konzertplatz. Die Mosikzelte sollen, wie 
früher, zu beiden Seiten des Platzes aufgestellt werden, dass der 
Schall besonders nach den Terrassen gebe. Die Zelte erhielten 
nicht die alte Muscbelform, sondern eine neue, die sich besondere 
bewährt habe. Um das Panorama zur Geltung kommen zu lassen, 
bleibe mitten vor den Terrassen ein Raum von 5-—6 Meter Breite 
frei; rechts und links würden Bäume angepflanzt, ebenso vor dem 
Weiher; wahrscheinlich Kastanien, weil diese sic^ schon früh be¬ 
lauben. Herr Walter regte eine Späterlegong der durchweg 
schlecht besuchten Frühkonzerte am Kochbrunnen an, der Vor¬ 
sitzende die Einschiebung eines etwa eine halbe Stunde währenden 
Fiühkonzerts um 11 Uhr, aus dem sich für die Kurverwaltung 
eine ganz akzeptable Vermehrung ihrer Einnahme ergeben werde. 
Die Anträge wurden jedoch abgelehnt. Herr Effelberger 
sprach zu Gunsten von Vorstellungen bei der städtischen Ver¬ 
waltung nach der Richtung, dass die fünf bei dem Aufgang vor 
dem Kurhaose nach der Sonnenbergerstrasse siebenden unschönen 
Bäume und ebenso die gesamten in dem Bürgersteig der Sonnen- 
bergerstrasse stehendetf^ dem Verkehr hinderlichen Bäume beseitigt 
werden, resp. durch wirklich Schatten spendende Neuanpflanzungen 
zu ersetzen seien. Es wurde beschlossen, einem Anträge im Sinne 
der Effelbergerschen Ausführungen stattzugeben. 

Wlttdün-Amrunt, Seit die Dampferverbindung Husum—Am¬ 
rum nicht allein während der Sommermonate, sondern auch In der 
übrigen Zeit des Jahres unterhalten wird, hat sich der Personen- 
und Güterverkehr bedeutend entwickelt. Die Insel Amrum bat 
zwei Dampferverbindungen fürs ganze Jahr erhalten. — Der Bnten- 
fang ist in diesem Jahre aussergewöbnlich ergiebig. Ebenso ist 
das Sammeln von Seemoos am Wittdüner Badestrand ein grosser 
Erwerbszweig für viele Einwohner des Orts geworden. 


Personaliien. 

— Den Hofräten Badearzt A. Obkircher in Baden-Baden 
und Turban in Davos wurde der Titel Geheimer Hofrat ver¬ 
liehen. 

— Prof. Sauer ist auf den neu errichteten Lehrstuhl für phy¬ 
sikalische Heilmethode an der Universität Zürich berufen woiiieo. 


langen, auch in einem Kurorte annähernd solche Wohnungs-, 
Lebens- und Ernährungsverhältnisse vorzufinden, wie er sie in 
der Häuslichkeit gewöhnt ist. Wo sich der Kranke nicht wohl 
fühlt, wird auch stets die körperliche Wiedererstarkung zu 
wünschen übrig lassen. Deshalb wird das Bad Neuenahr, wenn 
OS auf den Zustrom des wohlhabenderen und internationalen 
Publikums hofft, das bis jetzt dort nur spärlich vertreten ist, 
auch noch grösseren Wert auf die Ausgestaltung der äusseren 
Verhältnisse legen müssen. Nicht Komfort, aber Behaglichkeit 
braucht der Kranke und kann er beanspruchen! 

Es gibt freilich eine nicht geringe Zahl von Kranken, 
welche in solchen Kurorten all das, was sie benötigen, über¬ 
haupt nicht bei freier oder oft sogar sogen, wilder Kur als 
Hotelgast oder „Chambregarnist“ — wenn dieser ßarbarismus 
der Wortbildung gestattet ist — finden, sondern nur oder 
jedenfalls zweckmäßiger in einem Sauatorinm. Auch dazu 
finden sich in Neuenahr bereits einige erfreuliche Anfänge. 
Mit der diätetischen Verpflegung von Verdauungs- und Stoff- 
wochselkranken in Gastwirtschaften ist es in Neuenahr, wie 
allenthalben, recht mangelhaft bestellt. Die Restaurateure 
tragen zwar insbesondere den Zuckerkranken etwas Rechnung, 
indem sie einige besondere oder wenigstens besonders zube¬ 
reitete Gerichte auf den Speisekarten vorrätig halten; aber die 
dortigen Aerzte können unmöglich selbst glauben, dass, wenn 
sie ihren Kranken die notwendigen scharf umschriebenen Diät¬ 
vorschriften geben, dieselben an einer allgemeinen Table d’höte, 
an welcher 50, 100 oder mehr Personen teilnelimen, zur vor¬ 


schriftsmäßigen Durchführung gelangen. Man kann sich des 
Lächelns nicht erwehren, wenn man den Kellner die Teller 
herumreichen hört, mitderFiage: „Zucker oder Magen?“ Das 
sind doch Dinge, welche gerade in einem solchen Kurorte, wie 
Neuenahr es sein will, ni^t mehr zeitgemäß sind. Die Neuen- 
ahrer Aerzte sollten sich das Homburger Bei^iel angelegen 
sein lassen, wo auf die Hotel wirte anscheinend mit Erfolg seit zwei 
Jdiren ein sehr energischer Druck inbezug auf das Speiseregimen 
ausgeübt worden ist. Viel leichter und sicherer wird siA das 
aber jedenfalls stets in Sanatorien durchführen lassen. Wes¬ 
halb derartige Heilanstalten bisher in Neuenahr anscheinend 
nicht gern gesehen werden, ist nicht erfindlich. Weder die 
Kurverwaltung, noch die Hotels können durchdiese verschwindend 
kleine Zahl von Kurgästen eine Beeinträchtigung ihrer Inter¬ 
essen befürchten. Im übrigen wird der Strom der Zeit auch 
über diesen Widerstand rücksichtslos hinweggehen. 

Die Mehrzahl der Uebelstände, unter denen der Kurort 
Neuenahr heute noch zu leiden bat, würde sich leichter und 
schneller beseitigen lassen, wenn, wie dies einleitend auseiu- 
andergesetzt wurde, die Heilquellen im Besitze des Staa^ 
wären. Es ist ernstlich zu erwägen, ob nicht nach den bis¬ 
herigen Erfahrungen eine gesetzliche Regelung dieser Frag« 
sich als zweckm^ig erweist. Die Heilquellen unserer Mutter 
Erde müssen auch uneigennütziges Gemeingut ihrer Bewohner 
bleiben. —1— 


Verantwortlicher Rednkteui: Dr. P. MeUener, BerUn. — VerUf von CnrI Mnrheld, Hnlle n. S. 
Druck TOD Hejmeannn'tche Bachdmekerei. Gebr. Wolff, HnUe n. S. 


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VH Jahrgai^. Nr. 32. 1906. 

Baineologische Centralzeitung 

Orgrati des Schwarzwatdbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder 
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee. 


Redakteur: 

Dr. med. et poUt Stebr, Wiesbaden. | 

Verlag: Carl Marbold io Halle a. Sh Uhlandstrasse 4. 

Tel.-Adr.: Marbold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823 

Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist 
nur mit Quellenangabe nnd nach Anfrage 
bei der Redaktion gestattet 

Alle Zuschrifteu so die Redaktion erbitten wir an Herrn 

DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52. 

Inh 

Der Eiofloss von Koorbadem tof das Herz and den Blntkreialaof. Von 
Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Stehen, (^bluss.) ' 

Veattlelea: Von der 78. Versaromlnng deutscher Naturforscher und Aerzte 

alt 

in Stuttgart. Von Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. (Schluss.) 
Tersehledeoes. 

Literatur. 


Der Emflüss von Moorbadem auf das Herz 
und den Blntkreislant 

Vortrag fUr den 15. Allgemeinen Deutschen Bädertag in 
Bad Kissingen am 11. Oktober 1906. 

Von Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Stehen. 

(Schloss.) 

Die Beobachtungen, welche mich als Anfänger vor drei 
Jahren zuerst von meiner zu grossen Aengstlichkeit in der An* 
Wendung von Moorbädern bei nicht ganz mtaktem Herzen zu¬ 
rückbrachten, betrafen zwei herzkranke Herren, einen typischen 
Gichtiker und einen sehr schweren, chronischen Rheumatiker 
mit dem bekannten fliessenden Cebeigang von chronischem Ge* 
Uokrheumatismus zur chronischen Oelenkgicht, beide mit 
schwerer Mitralinsuffizienz, die heim letzteren nicht einmal 

g anz kompensiert war. Der eine nahm auf eigne Hand dicke 
Eoorbäder von 42^0 und 45 Minuten Dauer, der zweite ging 
ebenfalls auf eigne Hand von den ihm verordneten MooHuß* 
hädern zu Moorsitz- und dann zu Moorvolibädern über, und 
siehe da: —beide hatten nicht nur subjektiv grosse Erleichte¬ 
rung von ihren Schmerzen, sondern sie blieben auch frei von 
wesentlichen subjektiven Beschwerden von seiten ihres Herzons- 
Beim zweiten halte ich Gelegenheit, bald nach dem Bade Puls 
und Blutdruck zu untersuchen: Vs Stunde nach dem Bade 
war der Puls noch 130 und der Blutdruck 80, mit dem 
Gärtnerschen Tonometer gemessen, aber bereits vier Stunden 
später war der Puls auf 100 herunter- und der Blutdruck auf 
110 hinaufgegangen —das Herz, oder vielmehr der Herzmus¬ 
kel, war also trotz der schweren Insuffizienz der Mitralklappe 
in verhältnismäßig kurzer Zeit mit der Schädigung durch das 


Moorbad fertig geworden. Diese Beobachtungen vor drei Jahren, 
an welche si^ in den beiden letzten Sommern noch mehrere 
ähnliche angeschlossen haben, haben mich dazu geführt, bei 
Moorbadekandidaten vor allem der Beschaffenheit des Herz¬ 
muskels meine größte Aufmerksamkeit zuzuwenden, und dann 
den Einfluss der ersten Moorbäder, die ich bei nicht ganz 
zweifellos gesundem Herzmuskel nie wärmer als37°C. nehmen 
lasse, auf das Herz und den Blutkreislauf sorgfältig zu kontrol¬ 
lieren. Dass auch bei völlig gesundem Herzen jedes warme 
Moorbad eine gewisse Schädigung der Herztätigkeit im Gefolge 
hat, habe ich im letzten Sommer sehr schön und wiederholt 
au einem Fall beobachten können, wo der Puls regelmäßig 
von 84 auf 100 hinauf-, und der Blutdruck jedesmal von 150 
auf 110 herunterging; das völlig gesunde Herz glich aber 
jedesmal erstere Erseneinung in einer, letztere in etwa 5—6 
Stunden vollkommen wieder aus. 

Zur genauen Beurteilung der BesebafFenbeit und Kraft 
eines Herzmuskels gehören vier Feststellungen: erstlicli die 
Grösse der absoluten Herzdämpfung, zweitens die Art. Zahl und 
Regelmäßigkeit der Herztöne, drittens die Beschaffenheit der 
Pulskurve, und viertens die Höhe des Blutdrucks. Lässt man 
auch nur eine dieser Feststellungen ausser acht, übersieht man 
z. B. eine wesentliche Verbreiterung der Herzdämpfung, eine 
abnorme Niedrigkeit der Pulskurve, eine stäikere Verringerung 
des Blutdrucks, so riskiert man, dass ein Moorbad unerwartet 
schlecht vertragen wird und dem verordnenden Badearzt mit 
Recht Vorwürfe gemacht werden. Eine Vergrösseruog der 
Herzdämpfung im Verein mit schwachem Puls und niedriger 
Pulskurve zeigt uns eine Erschlaffung des Herzmuskels an, 
eine sei es akute, sei es chronische Herzerweiterung. Unregel¬ 
mäßige, leise Herztöne bei niedriger und unregelmäßiger Puls¬ 
kurve beweisen eine Schwäche des Herzmuskels, die ohne 


Feuilleton. 


Von der 78. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Ärzte in Stuttgart 

vom 16. —22. September 1906. 

Berichterstatter: 

Dr. Burwinkel-Bad Nauheim (im Winter San Remo). 

(Schluss.) 

Über die klinische Bedeutung der Herzarhyth¬ 
mie bat Hoffmann (Düsseldorf) an 183 Patienten der 
ambulanten Praxis seine Beobachtungen gesammelt Die Herz- 
irregularität ist keineswegs das Zeichen einer organischen Er¬ 
krankung des Herzens, sie wird vielmehr häufiger bei funktionellen 
HerzstÖriingen angetmffen. Eine ganz auffallende Verlang¬ 
samung der Pulszahl bei der Exspiration sieht man besonders 
bei Neurasthenikern. Bei diesen fiudet sich auch die ortho- 
tische Irregularität, d. h. ein erhebliches Aufsteigen der 
Pulsfrequenz beim Aufriebten. Eine häufige Erscheinung bilden 
die sogen. Extrasystolen, die oft dauernd vorhanden sind. Auch 
Nenrastheniker bieten dieses Symptom außerordentlich häufig 
dar, allerdings auch Arteriosklerotiker, Nephritiker und Leute 
mit organischen Herzleiden. Bei schwangeren Frauen hüte 
man sich, aus dieser Erscheinung auf die Notwendigkeit eines 


künstlich einzuleitenden Abortes zu schließen. Am 5. bis 7. 
Tage der Pneumonie wird der Puls bei älteren Leuten öfters 
irregulär, ohne dass deshalb die Prognose absolut ungünstig zu 
sein braucht, wie von Mackenzie behauptet worden ist. Extra¬ 
systolen können auf rein nervöser Basis entstehen, ein 14jähr. 
Knabe zeigte sie jedesmal beim Kopfrechnen. Eine andere Beob¬ 
achtung betraf ein vierjähriges Kind, dessen Vater und Gross¬ 
vater das nämliche Sympiom zeigten. Bei nervösen Leuten 
wechseln vielfach kräftigere und weniger kräftige Pulsschläge 
ab (Pulsus alternans). 

Die Therapie der Aortenaneurysmen wird nach 
Rosenfeld (Stuttgart.’ viel zu aussichtslos in den Lehrbüchern 
bezeichnet. Bei tertiär syphilitischen Prozessen an der Aorta 
erzielt man durch Jod und Quecksilber gute Resultate. Das 
sackförmige Aneurysma, w’elches fast immer durch frühere 
Syphilis bedingt ist und gern zur Mors subita führt, eignet sich 
für die Gelatinebehandlung. Es kommt dann zur Gerinnung 
des Blutes im Sack. Bei cylindrisch geformten Aneury'smen 
soll man versuchen, durch Bettruhe und vegetarische Diät die 
Geiässspannung herabzusetzen. Ferner kommen solche Mittel 
zur Anwendung, welche das Blut dünnflüssig maohen, also 
Jodkali und das Stagnin, eine eisenhaltige Eiweisssubstanz, die 
aus der Pl'erdemilz gewonnen und eingespritzt wird. Auch 
der Aderlass erweist sich von Nutzen. 

Die Erfahrungen, welche Schickler (Stuttgart) über 
Blutentziehung in 15 jähriger Praxis gewonnen hat, sind 
sehr günstig. Bei Sugillationen nach Frakturen und Kontusionen, 


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126 


BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG 


Nr. 82. 


eigentliche Erkrankung des Herzens selbst häufig nach den 
verschiedensten schweren fieberhaften Krankheiten, bes^’ nders 
der in dieser Beziehung mit Recht gefürchteten Influenza, zu¬ 
rückbleibt. Da ich mich wiederholt Überzeugt habe, dass ein 
warmes Moorbad bei nicht ^&nz krältigem Herzmuskel eine 
akute Herzerweiterung herbeiführen kann, wie man sie auch 
nach starken Ueberanstrengungen, z. ß. durch Marschieren, 
Radfahren oder Schwimmen, beobachtet hat, welche sich durch 
eine deutliche Verbreiterung der absoluten Herzdämpfung 
dokumentiert und unter Umständen tagelang braucht, bis sie 
sich wieder völlig zurückbildet, so möchte ich alle Erschlaffungs¬ 
zustände des Herzens, sowohl die chronische Herzerweiterung, 
als auch die primäre und sekundäre Herzmuskelschwäche, als die 
wichtigste, aber auch eigentlich als die einzige Gegenanzeige 
gegen Moorbäder von seiten des Herzens bezeichen. Denn ein 
derartiges Herz ist eben einfach nicht im Stande, die Schwan¬ 
kung in der Blutverteilung, welche durch die starke Fluxion 
des Blutes von aussen nach innen und von unten nach oben 
hervorgerufen wird, innerhalb kurzer Zeit wieder auszugleichen, 
und hierdurch leidet nicht nur das schwache Herz selbst, das 
gegen übermäßige Widerstände ankämpfen muss und diese 
doch nicht bewältigen kann, sondern es leiden unter Um¬ 
ständen auch die Organe, welche von der starken Blutstauung 
und Blutüberfüllung nicht rechtzeitig wieder befreit werden. 
Ich will hier als ausserhalb meines eigentlichen Themas liegend 
nur kurz erwähnen, dass sich aus dieser Erscheinung ander¬ 
weitige Gegenanzeigen gegen Moorbäder herleiten, welche mit 
der Neigung zu Blutungen aus Schleimhäuten und Geschwül¬ 
sten, sowie etwaigem Wideraufflackern noch nicht ganz abge¬ 
laufener Entzündungen Zusammenhängen. 

Der zweite Faktor, welcher der starken Schwankung der 
Blutverteilung und damit des Blutdruckes in den arteriellen 
und venösen Blutgefässen gewachsen sein muss, das sind die 
Blutgefässe selbst. Ihre Beschaffenheit ersieht mau au^ der 
Höhe und Form des Pulsbildes und aus dem Blutdruck; höhere 
Grade von Arteriosklerose, Verkalkung der Arterien sind an 
den oberflächlich gelegenen direkt fühlbar. Die Elastizität der 
normalen Arterien lässt im Pulsbild die ROgeuannteu Elastizitäts- 
elevationen entstehen, mehr oder weniger deutliche, kleinzackige 
Erhebungen im absteigenden Schenkel der Pulskurve; je ge¬ 
ringer diese ausgeprägt sind bei sonst kräftiger Pulsbeschaffen¬ 
beit, umso geringer ist auch die Elastizität der Arterien. Bei 
zahlreichen Aufnahmen von Pulskurven wird man überrascht 
sein, wie häufig man im Pulsbild diese abnorme Verringerung 
der Elastizität der Arterienwandungen findet, auch bei sonst 


intaktem Herzen; ich erblicke hierin die Erklärung dafür, 
warum Moorbäder z. B. von starken Biertrinkern in der Regel 
schlecht vertragen werden, da der reichliche Alkoholgenuss in 
Verbindung mit der Zufuhr grosser Flüssigkeitsmengen erfah¬ 
rungsgemäß die Elastizität der Blu^efässwandungen zu ver¬ 
ringern geeignet ist. Veränderte Elastizität der Blutgefässe 
verändert auch den in denselben herrschenden Druck in dem 
Sinne, dass derselbe mit der veränderten Elastizität derselben 
sinkt. Dieser Blutdruck, d. h der Druck, unter dem das Blut 
in den Blutgefässen steht, schwankt nun zwar physiologisch 
innerhalb weiter Grenzen: er ist höher nach Körperbewegungen, 
im Liegen und während d^r Ausatmung, niedriger in der Ruhe, 
beim Stehen und Einatmen, aber trotzdem lassen wiederholte 
und sorgfältige Messungen, wozu nach meinen Erfahrungen 
das Gärtnersche Tonometer, bei Ausschaltung aller vermeidbaren 
Fehlerquellen — unrichtige Lage und Haltung des Armes, Auf¬ 
regung. Husten, Sprechen oder Lachen —, vollkommen genügt, 
doch mit Sicherheit erkennen, ob eine dauernde oder we.sentliche 
Verminderung desselben vorliegt. Die normale Hohe des Blut¬ 
drucks beim gesunden, erwachsenen Menschen beträgt im Mittel 
140—150 mm; die zulässige untere Grenze dürfte etwa um 100 
herum liegen. Ein noch niedrigerer Blutdruck lässt nicht nur 
auf geschwächte Herztätigkeit und daher mangelhafte Füllung 
der Arterien, sondern auch auf geringere Spannung in den¬ 
selben, infolge pathologischer Veränderungen ihrer Wandungen 
schiiessen, und bedingt daher bei der Anwendung warmer 
Moorbäder besondere Vorsicht. 

Einer besonderen Erwähnung bedarf nun aber hierbei 
noch die Arteriosklerose, die zunehmende Verhärtung und Ver¬ 
kalkung der Arterien. A priori sollte man annehmen, dass 
eine Verringerung des Blutdrucks verhärteten Arterien nicht 
gefährlich werden könnte, aber wir haben gesehen, dass diese 
Verminderung des Blutdrucks sich nur auf die peripheren 
Arterien bezieht. während sowohl das Herz wie der Kopf im 
Moorbad einem gesteigerten Blutandrang au-^gesetzt sind, und 
erfahrungsgemäß sind das gerade die beiden Praedilektions- 
stellen, wo arteriosklerotische Gefässe mit Vorliebe platzen und 
unter dem Bilde des Herz- oder des Gehirnschlages einen 
plötzlichen Tod herbeiführen können. Jedes Jahr von neuem 
beweisen plötzliche Todesfälle in oder nach Moorbädern, dass 
sowohl das Gebrauchen von Moorbädern ohne ärztliche An¬ 
weisung und Kontrolle, als auch die unvorsichtige Verordnung 
solcher durch junge und unerfahrene Badeärzte eine recht ge¬ 
fährliche Sache ist. 

Bevor ich zum Schluss komme, gestatten Sie mir noch 


bei Parotitis, Anginen, Glottisödem, Parulis, Otitis media, Kar¬ 
bunkeln empfiehlt er die Applikation von Blutegeln. Ein 
Aderlass bewährt sich bei der Pneumonie, bei capillärer 
Bronchitis. Apoplexie, Arteriosklerose, Eklampsie,akutemLungen- 
ötlera, Cbloroformasphyxie. Seine gün.slige Wirkung erhöht 
man bei Scarlatina-Nephritis und Gasvergiftung durch nach¬ 
folgende Kochsalzinfusionen. Burwinkel-Nauheim schÜesst sich 
dem Vortragenden in der Empfehlung lokaler und allgemeiner 
Blutentziehung ganz und gar an. Er bedient sich der Biut- 
cgol besonders auch bei der Behandlung von Perityphlitis und 
Pericarditis. Bei LeberanschwelJung im 1. Stadium der Cirrhose 
und bei Stauungsherzfehlern sieht man oft überraschenden 
Erfolg nach Applikation von 6—10 Blutegeln am Rippenbogen 
und 2—3 Blutegeln am After. Burwinkel verweist auf seinen 
zu Hamburg (1001) gehaltenen Voi'trag zur tlierapeutischen 
Verwendung des Adenasses. Der periodisch wiederholte Ader¬ 
lass ist vor allem bei Arteriosklerose und bei Nephritis chronica 
au<j;ezeigt. Leider wird zum grossen Schaden der Patienten 
viel zu wenig venaeseziert, «‘s liegt dies sicherlich auch daran, 
dass so wenige Aerzte heutzutage diesen kleinen, gänzlich iin- 
gofiihrlieheu Eit)griff zu machen verstehen. Audi Huismans 
iCüln) plaidicrt für die Anwendung des Aderlasses bei der 
Pnenmonie, wenn der Puls gut ist. 

Die Therapie der Herzkrankheiten hat Rumpf 
(Bonn) durch Einführung o.scillierender Ströme boreicheit, 
Leute mit Emphysem und mit leichter Insuffizienz des Herz¬ 
muskels erfahren eine bedoutcmle Steigerung ihrer Leistungs¬ 


fähigkeit. Objektiv war besonders von rechts her eine Ver¬ 
kleinerung der Herzdämpfung nachweisbar. Wahrscheinlich 
beruht dies auf Erweif erung der Lungengefässe und einer hier¬ 
durch bedingten Entlastung des rechten Ventrikels. 

Unter üen Vorträgen über Erkrankungen der Hamwerk- 
zeuge nenne ich zuerst den von Romberg „Uber die Diag¬ 
nose der beginnenden Schrumpfn iere“. Zweifellos spielt 
die Arteriosklerose eine grosse Rolle, indem bei dem ge¬ 
steigerten Blutdruck die Glomeruli zur Verödung gebracht wer¬ 
den. Bei Arteriosklerotikern entwickelt sich besonders häufig 
eine Schrum ifniere, wenngleich die Arteriosklerose auch 
sekundär bei die.sera Leiden vorkommt. Die arteriosklerotische 
Sebrumpfniere ist nicht von den anderen Formen abzugrenzen, 
wir sehen bei ihr selbst alle möglichen Uebergänge. An 16 
Fällen der Tübinger Elinik wurde das Verhalten des Herzens 
genau geprüft. Drahtpuls, vermehrter arterieller Druck, Herz- 
hypertrophie, reichlicher diluierter Harn ohne Albuminurie, 
Kopfschmerz, Oedeme und uraemische Erscheinungen vervoll¬ 
ständigen das Bild. Je nach dem Verhalten des arteriellen 
Blutdruckes wecliselt die Urinmenge. Hält das Herz aus, so 
kommt es schliesslich zur Uraemie, sonst wie bei chronischer 
Myocarditis zu allen Erscheinungen der Herzinsuffizienz. 

Seine Beobachtungen über akute Nierenbeckenent¬ 
zündungen teilt Lenliartz (Hamburg) an 60 Fällen mit. Das 
Bild der Pyelitis ist zwar im allgemeinen wohlchaiakterisiert. 
doch kann die Diagnose gegenüber der Cystitis schwierig wer¬ 
den. Die Pyelitis entsteht nicht auf dem Blutwege, sondern 


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1906 . 


BALNEOLüGlSCHB CfeNtRALZEl'TTOG 


127 


kurz auf die unbedingte Notwendigkeit einer sorgfältigen ärzt¬ 
lichen Kontrolle des Einflusses von MoorbädHjii auf das Herz 
und den Blutkieislaiif tiinzuweisen. Auch wenn die £i'S('blHf- 
fung dos Herzens und der Blutgefässe, welche ich oben als 
die einzige und wichtigste Gegenanzeige gegen Moorbäder von 
seiten des Herzens bezeichnet habe, anfangs nur in geringem 
Grade vorhanden ist, so kann sie durch Anwendung warmer 
Moorbäder gesteigert und verschlimmert werden; immer wird 
also eine sorgfältige Kontrolle des Herzens und dos Blutkreis¬ 
laufs den Zeitpunkt zu bestimmen haben, von dem ab Tempe¬ 
ratur und Dichtigkeit, Tempo und Dauer der Moorbäder nicht 
mehr gesteigert werden dürfen. Und auch für das ganz ge¬ 
sunde Herz kommt ein Zeitpunkt, wo die andauernde An¬ 
strengung desselben durch die Moorbäder zu gross wird und 
deswegen dieselben unterbrochen oder sistiert werden müssen; 
aus diesem Grunde habe ich es mir zur Kegel gemacht, nie 
mehr als drei Moorbäder nacheinander nehmen zu lassen und 
dann immer erst ein herzstärkendes kohlensaures Bad da¬ 
zwischen zu schieben. 

Beobachtet man aber die geschilderten Erscheinungen genau 
und sorgfältig, so geben alle übrigen chronischen Erkrankungen 
des Herzens, also ganz besonders die Herzklappenfehler, keine 
Gegenanzeige gegen Moorbäder, vielmehr kann man dieselben, 
vorausgesetzt, dass nicht Gegenanzeigen von seiten anderer 
Organe vorliegen, auf welche einzugehen nicht in meinem 
Thema li^gt, in allen den Fällen ohne Bedenken anwenden, 
wo der Herzmuskel kräftig und die Blutgefässe noch elastisch 
sind. Berücksichtiaen wir dieses, so befolgen wir auch den 
Satz, welcher für Moorbäder nicht weniger als für alle anderen 
therapeutischen Maßnahmen gilt. 

Primiim est non nocerel 


Verschiedenes« 

Folgender Auszug geht uns mit der Bitte um Aufnahme zu: 

„Eine interessante PoHzeiverordnung veröffentlicht der Wetz- 
larer Anzeiger in seiner Nr. 24. Sie lautet: „Auf Grund der §§ 
5 und 6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 
1850 wird hierdurch zum Schutze der Quelle „Karlssprudel“ in 
der Gemarkung Biskirchen a. d. Lahn gegen gemeiuschädliche 
Einwirkungen, nachdem diese Quelle als Heilquelle anerkannt worden 
ist, die nachstehende PoHzeiverordnung erlassen: 


durch Hinaufwandern der Entzündungserreger von den unteren 
Hamwegen aus. Es handelt sich in ®/ß aller Fälle um das 
Bakteriumcoli und nur selten um den Paratyphus und Milch¬ 
säurebacillus. Das Verhalten der Temperatur wird an einer 
grossen Reihe von Kurventafeln demonstriert. Den Fieberattacken 
pflegen kolikartige Schmerzen vorauszugehen. Das Fieber 
wird nicht, wie vielfach angenommen wird, durch Verlegung 
des Nierenbeckens hervorgenifen, denn gerade zu dieser Zeit 
ist die Urinmenge und die Ausscheidung von Bacillen eine sehr 
reichliche. Zehnmal war deutlich ein Tumor zu fühlen. Die Prog¬ 
nose ist quoad vitam gut; 40 mal erfolgte Heilung, wenn auch 
im Urin noch Colibacillen nachzuweisen waren. Zweimal trat der 
Exitus letalis ein und ebenso oft stellte sich als toxische Be¬ 
gleiterscheinung ein schwerer Pseudurheumatismus im Knie¬ 
gelenk ein. Die Therapie muss für Durchspülung der Niere 
mit Wildunger Wasser oder mit Lindenblütenthee (2 Liter pro 
die) sorgen. Eine Operation kommt nur bei einseitiger Er¬ 
krankung in Frage, wenn es zu einer geschwulstartigen Aus¬ 
dehnung des Nierenbeckens gekommen ist und wenn dies trotz 
zweckmäßiger Behandlung nach Wochen nicht zurückgeht. In 
der Diskussion weist Fr. Müller (München) auf die stets vor¬ 
handene Obstipation als aetiologisches Moment hin. Möglicher¬ 
weise wandern die Bakterien direkt aus dem Darm in die 
Niere über. Auch starke Erkältung verdient ursächliche 
Berücksichtigung. Eine Verwechslung mit Tjqjhus ist möglich. 
Naunyn fand oft hochgradige Albuminurie; ebenso s^ er 
Nierenatrophie sich entwickeln im Anschluss an Cystopyelitis, 


§ 1. Innerhalb der , Gemeinde Biskirchen a. d. Lahn dürfen 
in einem Umkreise von 1400 m um den „Karlssprudel“ Erdaus- 
schachtnngen jeder Art von mehr als 4 m Tiefe unter der Erd¬ 
oberfläche nur nach vorher eingeliolter polizeilicher Erlaubnis vor¬ 
genommen werden. 

§ 2. Die Erlaubnis wird gegebenen Falles nur auf Grund 
eines von dem öesuchsteller auf seine Kosten zu beschaffenden 
nnd vorzulegenden Gutachtens eines geologischen Sachverständigen 
erteilt. Die erteilte Erlaubnis kann von der Polizei-Verwaltung 
zurückgezogen werden, falls sich bei der Ausführung der Erdaus¬ 
schachtungsarbeiten gleichwohl zeigt, dass die HeilqueUe „Karls¬ 
sprudel“ gefährdet wird. 

§ 3. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 1 
werden mit Genehmigung des Königlichen Regierungs-Präsidenten 
in Koblenz mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder entsprechender 
Haft im Nicbtbeitreibungsfalle bestraft, 

§ 4. Diese PoHzeiverordnung tritt mit dem Tage ihrer Ver¬ 
kündigung in Kraft.“ 

Bekanntlich bemühten sich die Preussischeu Mineralbrurmen- 
besitzer schon längere Jahre um den Erlass eines ihre Be¬ 
triebe schützenden Gesetzes. Die betreffende Petitionen wurden 
dem Herrn Minister durch das Abgeordnetenhaus als Material 
überwiesen, aber weiter kommt die Sache nicht, anscheinend wohl, 
weil die Interessen der künstliche Wässer fabrizierenden Be¬ 
triebe in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. 

In der Tat reichen die bestehenden Gesetze aus, um den 
Schutz der medicinisch wertvollen Quellen durch die Kgl. Regierung 
zu ermöglichen, wie der vorliegende Fall beweist. Der Verwaltung 
de.s Karlssprudels in Biskirchen a. d. Lahn ist es schon nach fünf¬ 
jährigem Betriebe gelungen, durch zahlreiche Anerkennungen ärzt¬ 
licher Autoritäten den Beweis von der grossen Heilkraft der 
Quelle zu erbringen. Bemerkt sei noch, dass das Wasser des 
Karlssprudels ohne jeden Zu.satz, resp. ohne Enteisenung verfüllt 
wird und sich, wohl mit infolge des sehr praktischen Verschlusse.s 
durch Schraubenstöpsel, lange Zeit gut hält. 

Dieser Umstand war mit ausschlaggebend für die Frage, ob 
das zum Versand kommende Wasser als Heilmittel anzuerkennen 
sei, da oflenbar Zersetzungen und Aenderungen eines an sich heil¬ 
kräftigen Wassers, z. B. durch das Einpressen eines Uebermaßes 
fremder Kohlensäure, die ursprüngliche Wirkung einer Heilquelle 
beeinträchtigen können. 


Einen breiten Raum in den Verhandlungen nahm auch 
diesmal wieder die Tuberkulose ein. Volland (Davos) plädiert 
für die Verwendung des Kampfers bei Lungen¬ 
kranken. Die chronische Herzschwäche bei den Phthisikern 
wird so am wirksamsten bekämpft und eine Besserung des 
Allgemeinbefindens herbeigeführt. Selbst in schweren Fällen 
nahm der Aaswurf ab, die Herztätigkeit wurde ruhiger und 
die Infiltrationen gingen zurück. Schon Alexander hat dies 
Mittel empfohlen, aber in viel zu ängstlichen Dosen. Volland 
gibt 3—4 Spritzen von 10 ®/o Kampferöl, die Patienten können 
sich die Injektionen selbst machen, am besten in den Ober¬ 
schenkel. Unangenehme Erscheinungen traten niemals auf, 
auch nicht, wenn die Medikation ganz plötzlich abgebrochen 
wird. Eine Patientin erhält beispielsweise 2000 g Kampferöl 
innerhalb von 15 Monaten. Gutes hat Volland von Kampfer¬ 
einspritzungen auch bei Emesis gravidanim gesehen. Koch 
(Freiburg) lässt eine Kampfersalbe, Praevalidin genannt, ein¬ 
reiben. Schickler (Stuttgart) macht gern vom Kampfer in 
Kombination mit Sauerstoffinhalationen bei schweren Pneumonien 
Gebrauch. Weinberg (Stuttgart) empfiehlt monatelangoKam¬ 
pfermedikation bei Sepsis. 

Auf Grund seiner nunmehr 12 jährigen Erfahrung tritt 
Weissmann (Lindenfels) warm für die intravenöse Hetol- 
behandlung der Tuberkulose ein, deren Nutzen er an 
prägnanten Fällen schildert. 

UeberTuberkulinbehan dl ung, insbesondere Perl¬ 
suchttherapie spricht Wolff (Elberfeld). Es gibt 


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BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITüNG 


Nr. 3ä. 


Literatur. 

lieber die Radioaktivität von Quellen im Groseherzogtum 
Heesen und Nachbargebieten von Heinrich Wiüy Schmiut 
und Karl Kurz^). S.-A. der physikal. Zeitschrift 7. Jahrg. No. 7. 

Die Verfasser haben über 100 Quellen auf Radioaktivität im 
Giessener physikal. Institut geprüft. Die Quellen im Odenwald, 
im Spessart, im Westerwald, in der Umgegend von Giessen, in 
der Wetterau, die Quellen am südöstlichen Taunusrand, im Nahetal 
und die Aktivität der Quellensedimente sind auf ihre Emanation 
hin erforscht. 

Das Hauptresultat der Untersuchungen ergibt, dass fast alle 
aus dem Boden dringende Quellwasser radioaktive Emanation mit 
sich iübren. In den meisten Fällen konnte Radiumemanation, in 
einigen Fällen die Anwesenheit von Tboriutnemanaticn nacbge- 
wiesen werden. 

Der Charakter der Emanation ist übersichtlich aus den 
Kurventafeln zu ersehen, die Versucbsresültate sind in Tabellen 
nach der geographischen Lage der Quellen geordnet. Es besteht 
eine deutliche Abhängigkeit von den geologischen Verhältnissen. 
Quellen aus Eruptivgesteinen sind im allgemeinen viel stärker 
aktiv, als Quellen aus Sedimentadergesteinen. Am wenigsten aktiv 
zeigen sich die Quellen aus Kalken und Sauden. 

Suchen wir nun zunächst die induzierte Radioaktivität 
und die Emanation zu definieren, so ist festgestellt, dass 
wenn ein Körper sich in der Nachbarschaft eines Radiumsalzes 
oder einer Radiumsalzlösung befindet oder einige Zeit lang zu¬ 
sammen damit aufbewabrt wird, dann gleichsam ein Teil der 
aktiven Kraft auf ihn übergebt und er selbst nunmehr seinerseits 
selbstäudig fhhig ist, für einige Zeit Bequerelstrablen auszu- 
sendeu. Diese Energie, welche als induzierte Radioaktivität be¬ 
zeichnet ^vird, verschwindet allmählich wieder. Bedingung dieser 
Uebertraguug ist direkter Kontakt des zu aktivierenden Körpers 
mit dem Radiumsalz, die aktive Strahlung spielt dabei keine Rolle. 
(Radium und Radioaktivität von Dr. med. Elmst Sommer 1906.) 
j Das Radium, sowohl seine Salze, als seine Lösungen ent¬ 
wickeln ständig ein unsichtbares, positiv elektrisches Gas in mess¬ 
baren Quantitäten, dasselbe verbreitet sich im Luftstrom und be¬ 
sitzt die Fähigkeit, den in Kontakt stehenden Körpern induzierte 
R^idioaktivität zu verleiben, so dass dieselben Ihrerseits zum 
Ausgangspunkte von Bequerelstrablen werden. Die Radium. 

') Nai'li einem Referat in derHomhuiger Med. fiesellscli am 9. Mai 1906. 


aoliologisch verschiedene Arten von Phthise, Doppelinfektionen 
von Perlsucht und Tuberkelbazillen, Einzelinfektionen dieser 
beiden, die sich auch klinisch unterscheiden. Daher kann man 
die Phthise nicht mit einem Praeparat heilen. Jeder Kranke 
wird auf das Toxin geprüft, was für ihn nicht toxisch wirkt. 
Von grösster Wichtigkeit ist die koml)inierte Jodtherapie, 
Jodliweiss innerlich, oder Jotliion perkutan, nicht die Joaal- 
alkalien. Der Bericht umfasst 12U Fälle, die ambulant in ilirem 
Beruf, und zwar mit unausgesprochenem Erfolg behandelt worden 
sind. Die ,.Sabfebrilen‘‘ (37,1 stomall erfordern grosse Vorsicht. 
Blutung ist keine Kontraindikation, da das Tuberkulin ein vor¬ 
zügliches Styptikum ist, ebensowenig Larynx- oder Nierener¬ 
krankung, Hysterie und Neurasthenie. Dadurch ist die Indi- 
kationsstellung ausserordentlich erweitert. Bei Kindern erweisen 
sich porkutane Tuberkulineinreibungen von grossem Nutzen. 
Nolda (St. Moritz) hat sich in Davos von dem Nutzen dieser 
von Spengler eingeführten Behandlungsmethode überzeugt. Er 
seihst hat sie bei einem jungen Mann mit doppelseitiger 
Nierentuberkulose angewandt: die Nierenblutung, die sonst 
alle 3—4 Wochen auftrat, sistiert seitdem, Allgemeinbefinden 
ist gebessert, Bacillen und Albumen im Urin haben abgenommen. 

Guldschmidt (Reichenhall) macht eine kurze Mitteilung 
über recidivierende Pleuritis. Die Leute sind nach 3 4 
Tagen von ihrer leichten, kaum fieberhaften Pleuritis wieder¬ 
hergestellt, aber sie werden durch das ewige Recidivieren psychisch 
de])rimiert. Die furchtbare Verstimmung ist ajadezu pathog- 
noiuunisch. Therapeutisch bewährten sich die Salicylpräparate, 


emanation schädigt das animalische Gewebe nicht; doch kommt 
derselben eine starke Desinfektionskraft zu. Die spontane Um¬ 
wandlung der Radiumemanation in Helium ist, nach Ramsays 
Forschungen, noch nicht spruchreif. 

Während Uran und Polonium nicht imstande sind, in 
einem geschlossenen Gefässe induzierte Radioaktivität zu erzeugen, 
fand Debierre dieselbe beim Aktinium und Rutherford beim 
Thorium. Das Thorium sendet demnach in analoger Weise wie 
das Radium Bequerelstrablen aus und kennzeichnet sich durch 
Emanation feiner Parfcikelchen, welche eine Zeit lang nach ihrer 
Emission Tadioaktiv bleibt. 

Während Elster and Gelte 1 in Nauheim. Engler in 
Baden-Baden und Aschoff in Kreuznach in den Mineralquellen 
Thor, resp. das die Thbraktivität verur-Hacbende Element naohge- 
wiesen haben, dagegen keine Thoremanation im Wasser seihst 
konstatieren konnten, ist dieselbe nach den interessanten Unter¬ 
suchungen der Verf. im Hamburger Kaiserbrunnen vorhanden. Das 
Sinter dieser Quelle besitzt die radioaktiven Eigenschaften des 
Thors im starken Grade. 

Die Homburger Elisabetquelle enthält neben Radium nodi 
Thoremanatiou. 

Es ist auf den ersten Blick nun aufi^lÜg, dass sich diese 
beiden Homburger Mineralquellen durch Thoriumemanationnach- 
weis von allen anderen Quellen, welche die Verf. untersucht haben, 
unterscheiden. 

Jedoch heben dieselben selbst hervor, dass im Falle die 
Thoremanation nicht naebgewiesen werden konnte, zu beachten ist, 
dass das die Tboraktivität verursachende Element sebr rasch zer¬ 
fällt, und dieses der Grund sein kann des negativen Befundes. 

Ob dem Nachweis der radioaktiven Emanation in den Idineral- 
quellen eine balneotherapeutiscbe Einwirkung bei (Gebrauch von 
Trinkkuren zuzusebreiben ist, darüber sind die Akten noch nicht 
geschlossen und es ist fraglich, ob die Forschungen in der Zukunft 
uns je darüber Aufschluss geben werden, immerhin ist durch diese 
Untersuchungsresultate erwiesen, dass der spezifische Charakter der 
einzelnen Quellen nicht von der Hand zu weisen ist and dass 
neben den chemischen Bestandteilen, welche durch die Analysen 
bestimmt werden, noch neue Faktoren za berücksichtigen sind, 

S c h e r k • Homburg. 


Rumpf (Bonn) sah wiederholt solche Fälle in Tuberkulose 
ausarten. 

Lange (Leipzig) spricht über die therapeutische. 
Beeinflussung der Ischias und anderer Neuralgien. 
Er spritzte Encain-Kochsa>zlösnng in die Nierenscheide bei 
36 Patienten ein. In 80 % dieser Fälle wurde nach 1—3 
Tagen völlige Heilung erzielt Auch Moritz (Giessen) be¬ 
stätigt die prompte Wirkung dieser Injektionen. Leo (Bonn) 
lobt die unolutige Nervendehnung mit eventueller Combination 
eines Narcotikums. In diesem kurzen Rahmen dürfte das 
wiedergegeben sein, was allgemein ärztli(‘hes Interesse bean¬ 
sprucht Es erübrigt noch, auf die mannigfaltigen geselligen 
Veranstaltungen hinzuweien. Das in den Parkanlagen von 
Cannstadt arrangierte Gartenfest wurde leider durch ein plötzlich 
einsetzendes Regenschauer in unliebsamer Weise unterorochen, 
wie überhaupt das Wetter den Kongressbesuchem wenig hold 
war. Um so glänzender gestaltete sich das Fest auf dem 
Rathaus, welches im Schein elektrischer Lichter stolz erstrahlte. 
Das Innere war durch fein angebrachten Schmuck von Blumen 
und grünen Pflanzen zum vornehmen Festraum gemacht; die 
hellerleucliteten Hallengänge waren zu Laubengängen umge¬ 
wandelt Reizende Stuttgarterinnen waren dienstfertig zur 
Hand, um den keineswegs abstinenten Kongressteilnehmern 
köstlichen Landwein zu kredenzen. Sicherlich wird dieser 
Abend in der Erinnerung aller Teilnehmer einen guten Platz 
behaupten. 

Im nächsten Jahre wird die Versammlung in Dresden tagen. 


Varwiwortlichar RecSkktenr : Dr med. et polic. Stehr, Wiesbaden. — Verla( ▼es Carl Uarhold, HaUe a. S. 
Draek voa UaTaaMiw'Kh« Baelidroekarei, Oabr. Welff, Halla a. S. 


§409 


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