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A'
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Medicinische Woche
und
Balneologische Centralzeitnng
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages,
des Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Herausgeber:
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R. Deutschmann,
A. Dfihrssen, A. Hoffa,
E. Jacobi,
• »* • .*»
R/ tfobert.
Hamburg.
Berlin.
Berlin.
Freiburg i. Br.
Rostock.
M. Koeppen,
K. Partsch,
H. Rosin,
Berlin.
Breslau.
Berlin.
H. Schlange, H. Senator,
R. Sommer,
H. Unverricht,
A. Vossius,
Hannover.
Berlin.
Giessen.
Magdeburg.
Giessen.
Redaktion:
Dr. P. Meißner, Berlin.
Halle a. S. 1906.
Verlag von Carl Marhold.
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jle ,
C^>-.'i eL-#i.
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Medicinische Woche
R. Denisehmann, A. DShmen, A. Hoffa* E. JacobU
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator, A. Sommer,
Berlin. Qiessen.
R. Robert, M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosln, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerrieht, A. Vossint,
Magdeburg. Qieasen.
Verlag und Expedition
1
1
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Redaktion:
Carl Marhold In Halle a. Sn Uhlandttnuse 6 .
Berlin W. 62 « KarffirstenatraMe 81 .
Tel.-Adr.: Mirhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
__
Dr. P. Meißner.
Vn. Jahrgang.
1. Januar 1906.
Nr. 1.
Die ..Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Beilage Balneologisdie Centralzeltimg, Organ des Allgemeinen Deutschen Blderveibandes, des Scbwartwald-
bldertages, den Veibandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jähdicb 10 M., einzelne Nummer 2& PL Bestellungen nehmen Jede Bucb-
han^ffimg, die Post, Bowle die Veriagsbudibindlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden für die dspaltige PetitzeDe oder deren Raum mit äOPf. berechnet.
Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile I JO Mk. Bei Wiederholung tritt Brmlssiguog ela
Nachdruck der Orlgfaul-Aulsltze Ist ohne vorherige Oenehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
An unsere Leser!
Mit der vorliegenden Nummer tritt die „Medicinische Woche^ in ihren 711. Jahrgang ein.
Durch Ärzte begründet und bisher betrieben, wurde dieselbe am Ende vorigen Jabres von dem in ärztlichen Kreisen
wohlbekannten Verlage von Carl Marhold in Halle a. S. übernommen. Die sechs Jahre des Bestehens haben die von den
Begründern ins Auge gefassten Ideen zur Ausführung bringen lassen. Es galt ein Blatt zu schaffen, welches dem praktischen
Arzt nur das bieten sollte, was Ihn beföhlgt, im Drange seiner täglichen Praxis mit der Wissenschaft in Fühlung zu
bleiben und sieh bei ihrem stetigen Fortschreiten auf der Hohe zn halten. Es ist von vornherein Abstand genommen
worden, langatmige theoretische Abhandlungen aufzunehmen, vielmehr hat jede Nummer einen oder zwei Orlginslartikel
ans der Praxis für die Praxis gebracht. Die medizinischen Gesellschaften deutscher Städte, die Wanderversammlungen
der Fachkollegen haben eine denkbar concise und für den Praktiker nützliche Berichterstattung erfahren.
In freier Form wurden Überblicke über Sondei^ebiete veröffentlicht, die geeignet erschienen, die Fortschritte in Gestalt eines
Gesamtbildes dem Leser vor Angen zn führen.
ln einer dem Hanptblatt angegliederten Beilage „Therapentlsche Nenhelten^ nnd „Fortschritte der Diagnostik^ wurde
sowohl dem Bedürfnis nach Kenntnis des neuen sich immer mehr entwickelnden Instrnmentarlnms Rechnung getragen, als
auch den Veröffentlichungen eine Stätte geschaffen, die auf die weiteren Ausgestaltnngen des diagnostischen Apparates bezug haben.
Vermischte Notizen, Familiennachrichten sowie Stellengesuche und Vakanzen ergänzen in erwünschter Form den In¬
halt des Hanptblattes, welcher sich gegenüber allen anderen medizinischen Zeitschriften durch ein regelmäßig erscheinendes
Fenilleton auszeicbnet. Dies Feuilleton beschränkt sich nicht allein auf die medizinischen Gebiete, sondern streift die Ge¬
biete der Medizin-Geschichte, der sozialen Medizin, der ärztlichen Stapdcsfragen und gibt neben einem nützlichen Unter-
haltungsstoff aus verwandten Gebieten vielerlei Anregungen.
Als stihidige Beilage erscheint seit Begründung die „Balneologische Centralzeitnng*^ Als offizielles Organ zahl¬
reicher Bäderverbände, ist es das einzige Blatt, welches der Balneologie im wissenschaftlichen Sinne dient, welches das schätzens¬
werte Material langjähriger Erfahrnngen der Balneologen und Badeärzte in Originalartikeln wiedergibt nnd welches den Verkehr
zwischen den praktischen Ärzten und den Bädern einerseits und zwischen den Bädern unter sich andererseits vermittelt. Fern
von irgend welchen besonderen Interessensphären hat die „B. C. Z.“ sich des allgemeinen Interesses erfreuen können und dürfte
auch in Zukunft bei der immer mehr und mehr zunehmenden Bedeutung der Bäderkunde ihre Zwecke in hervorragender Weise
erfüllen.
Hanptgrnndsatz soll wie bisher bleiben; Nur wahrhaft Praktisches nnd Erprobtes dem Leser zu
bieten, dieses Praktische aber auch in eine Form zu kleiden, die es dem Leser leicht macht, sich
zurecht zn finden, die ihm die Lektüre nicht zu zeitraubend und doch erholend und anregend gestaltet.
Es ist zunächst ein lang gehegter Wnnsch berücksichtigt worden, das Papier der Zeitschrift zu verbessern,
den Satz übersichtlicher zu gestalten und der Berichterstattung über die Neuerschelnnngen der perio¬
dischen Fachliteratur einen breiteren Raum wie bisher zu geben. Es sollen alle grösseren, bedeutenderen
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MEDICINISCHE WOCHE.
1906.
medicinischen Zeitscliriften übersichtlich und kurz referiert werden und zwar in der Weise, dass auch
hier wiederum nur dasjenige zur Besprechung kommt, was fiir den praktischen Arzt besonderes Interesse hat. Der
Leser soll gleichsam eine sichere Literaturübersicht erhalten, die ihn auf dem Fortlaufenden hält und ihm
das Lesen vieler Fachzeitschriften und die teueren Abonnements zugleich erspart.
Verlag und Redaktion sind allen Anregungen aus Leserkreisen von Herzen dankbar und werden sich bemühen, immer
mehr und mehr den Wünschen der Leser gerecht zu werden. Die stattliche Zahl hervorragender Kliniker, welche die ^Hcdi*
ciiiische Woche“ als Herausgeber zeichnen, geben die Gewähr für die Gediegenheit der in der Zeitschrift zur Veröffentlichung
gelangenden Aufsätze und für das rastlose und ehrliche Bestreben, in dem gedachten Sinne weiter und weiter fortzuschreiten.
Um in den Beiträgen sowohl wie in der Ausstattung grössere Mittel anwenden zu können, als das bisher möglich war,
hat sich der Verlag entschlossen, den Abonncmcntspreis auf M. 10, — zu erhöhen in der sicheren Annahme, dass ein dem praktischen
Arzte wirklich nützliches und dienendes Blatt dieses an sich geringe Üeldopfer wohl gerechtfertigt erscheinen lässt,
zumal damit die „Medicinische Woche“ noch weit unter dem Abonnementspreisc der anderen Zeitschriften zurückbleibt.
Indem wir uns der Hoffnung hingeben, dass das bisher der „Medicinische Woche“ entgegengebrachte rege Interesse
auch in Zukunft derselben erhalten bleiben möge, bitten wir alle unsere Leser, unsere Bestrebungen unterstützen zu wollen
und uns Beiträge einzusenden, welche als Resultate der praktischen Erfahrungen den anderen Kollegen nützlich und dienlich sein
können, da wir den Wunsch hegen, in unserem Blatte eine Stätte der Aussprache zwischen den Praktikern zu bilden, geeignet
fördernd zu wirken und die den Ärzten vorschwebenden Zielen der Weiterbildung in unserer Wissenschaft zu erreichen.
Redaktion und Verlag.
Originalien.
Die Bedeutung der Pupilleuuntersuchung fttr
die Diagnostik einseitiger Erblindung durch
Sehnervenläsion.
Von. A. Vossins in Giessen.*)
Die Segnungen der Unfallgesetze werden immer noch recht
häufig von den Verletzten ve^annt. Vielfach werden berech¬
tigte Ansprüche auch von ärztlicher Seite nicht berücksichtigt.
Es entwickelt sich ein Prozess, der durch alle Instanzen von
der Bernfsgenossenscliaft durch das Schiedsgericht für Arbeiter-
versichening bis zum Reichsversicherungsamt durchgeführt
werden muss. Bis der Geschädigte in den Besitz einer Rente
gelangt, vergeht dann oft eine geraume Zeit. Nicht selten
trägt ein ärztliches Gutachten mit - unrichtiger Beurteilung der
Sachlage die Schuld an diesem langwierigen Verln.st der Ent¬
scheidung in einer Unfallsache. Diese Erfahrung habe ich
Öfter gerade bei Patienten gemacht, die durch eine Sehner¬
venläsion infolge einer Schädolverletzuug einseitig erblindet
waren. Ausserlich konnte an dom erblindeten Auge keine
Anomalie nachgewuesen werden. Eine Untersuchung mit dem
Augenspiegel war von dem begutachtenden Arzt unterlassen,
und weg(m des normalen Aussehens des Auges war der Ver¬
dacht auf Simulation ausgesprochen, soda.ss eine Abweisung des
Betreffenden mit seinem Rentenanspruch durch die Berufs-
geuossenschaft erfolgt war.
Besonders im landwirtschaftlichen Betriebe kommen solche
Sehuerveiiverletzungen nicht selten vor. u. A. nach Fall auf den
Kopf von einem Wagen, einer Leiter, in der Scheuer, nach
Heugabelstich in die Orbita. Dort ist es ein durch den Canalis
opticus gehender Bruch der Schädelbasis mit Quetschung oder
Diivchtreiimmg des N-optiens durch ein Knochenfragmeiit resp,
mit Kompression des Nei^'en durch eine Sehnen’enscheiden-
blutung; hier liegt eine direkte Verletzung des Sehnerven mit
eimmi spitzen Werkzeug vor — in beiden Fällen mit nach¬
folgender Sehnervenatrophie. In beiden Fällen ist der Augeu-
Nacb einem am 29. Mai 1904 auf dem 52. mittelrheinischcD Ärztetag
zu Bad Kreuznach gehaltenen Vortrag.
spiegelbefitnd, wenn der Augapfel nicht direkt betroffen und
frei von inneren Verletzungen gel)lieben ist, resp. wenn die direkte
Läsion dos Sehnerven in der Tiefe der Augenhöhle stattge-
fiinden hat, unmittelbar nach dem Unfall normal und erst
innerhalb 2—3 Wochen nach der Verhetzung beginnt in der
Hegel eine stetig fortschreitende, mit dem Augenspiegel erkenn¬
bare Sehnervenatrophie aufzutreten.
Die Zeichen einer Schädelbasisfraktur können bisw’eilen
nur von kurzer Dauer sein. Gelegentlich besteht nur eine
wenige Minuten anhaltende Bewusstlosigkeit mit etwas Er¬
brochen ohne Blutung aus Nase, Mund und Ohr. Die Pupille
ist, wenn der N-Oculomotorins intakt geblieben ist. meist von
nonnaler Weite. Indes.sen kann auch auf der verletzten Seite
eine Erweiterung der Pupille bestehen. So hat Mo um alle
in seiner 1901 erschienenen Dissertation zur Casnistik der Seh¬
nervenverletzungen aus meiner Klinik bei 27 Fällen 7 mal eine
Erweitening, je 1 mal eine unvollständige Ei^'eitening und
eine unregelmäßige Erbreiterung der Pupille in den Kranken¬
geschichten aufgeführt, ohne dass eine Oculomotoriuslähmung
bestand.
Das Sehvermögen ist meist nach dem Unfall sofort er¬
loschen und kehrt nicht wieder. Bisweilen wird die Erblindung
erst zufällig, mehr minder, lange nach dem Unfall von dem
Patienten festgestellt, z. B. wenn das erblindete Auge anfängt
nach aussen zu schielen. Gerade diese Fälle geben dem be¬
gutachtenden Arzt, der nicht mit allen. Untersuenungsmethoden
vertraut ist, Anlass zu Täuschungen, die für seine Klienten und
ihn selbst durch ein unrichtiges Gutachten unangenehme Folgen
haben können. Durch die richtige Diagnose der Sehnerven¬
verletzung kann der Arzt dem Verletzten zu einer Unfallrente
verhelfen, die ihm auch bei verspäteter Anmeldung des Unfalls
von der Berufsgenosseiischaft gewährt w'erden muss.
Ausser dem Augeiispiegelbofuude haben w'ir in diesen
Fällen ein wichtiges objektives Kriterium für die Entscheidung
der Frage, ob eine angebliche einseitige Erblindung wahrschein¬
lich ist, in dem Vorhalten der Pupillen, deren sorgfältige Unter¬
suchung unerlässlich ist. Bei normaler Lichtleitung des Seh¬
nerven beider Augen tritt beim Verdecken eines Äuges wohl
eine leichte Erweiterung der Pupille des unbedeckten Auges
zumal in einem verdunkelten Raume ein, die Pupille verengt
sich indessen sofort, wenn man in das freie Auge mittelst einer
Lampe bei seitlicher Beleuchtung Licht einfallen lässt. Auch
an dem verdeckten Auge tritt hierbei eine Verengerung der
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Nr. 1.
MEDICINISCHE WOCHE.
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Spille (konsensuelle Reaktion) ein. Ist ein Auge durch Seh¬
nervenverletzung erblindet, so env'eitert sich die PupÜle
dieses Auges sehr stark, sobald man das andere Auge vom
Lichteinfall völlig ausseUiesst, selbst wenil sich dem offenen
Auge eine Lichtquelle gegenüber befindet und die direkte
Licütreaktion der Pupille bleibt bei diesem Auge aus, dagegen
verengt sich die Pupille sofort, sobald man das andere sehende
A-uge freilässt und beleuchtet — natürlich vorausgesetzt dass
der Oculomotorius mit seinem Zweig für den sphincter pupillae
normal funktioniert. Das Ausbleiben der Pupillenreaktion bei
Verdecken des sehenden Auges und die Pupillenerweiterui^ trotz
Einfall konzentrierten Lichtes in das Auge ist ein Beweis
für die Unterbrechung resp. Aufhebung der Lichtleitung durch
den Sehnerv des Tbetreffenden Auges. Dieses Pupillenphänomen
finden wir bei solchen Läsionen sofort nach dem Trauma, doch
bevor die Augenspiegeluntersuchung an der Papille die deut¬
lichen Zeichen der Sehnervenatrophie erkennen lässt: es besteht
■noch Wochen, selbst Monate und Jahre nach dem Unfall,
wenn die Lichtleitung sich nicht wueder hergestellt hat und
bereits eine ausgesprochene Atrophie des Sehnerven mit dem
Augenspiegel nachweisbar ist.
In meinen klinischen Vorlesungen habe ich den Studieren¬
den dieses Phänomen regelmäßig demonstriert; ich möchte auch
die Heiren Kollegen in der Praxis in ihrem und ihrer Klienten
Interesse darauf aufrlierksara machen. Hirschberg hat im
Jahre 1901 in der Berliner Klinischen Wochenschrift die Be¬
deutung des Verhaltens der Pupillen bei schwerer Sehnerven¬
entzündung und Erblindung durch Sehnervenverletzung beson¬
ders betont.
Zur Erläuterung führe ich noch einige Beispiele aus meiner
gutachtlichen Tätigkeit der letzten Jahre an.
Am 30. IX. 1901 wurde mir der 44 jähr. Landwirt J. H. von
einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zurüntersuchung
und Begutachtung zugeschickt. Er war nach seiner Angabe
im Mai 1900 mit einem Wagen auf sehr ungünstigem Gelände
umgefallen und bewusstlos unter dem VAgen vorgezogen.
Nach einigen Minuten war das Bewusstsein zuinickgekehrt.
Seit dem Unfall konnte er mit dem rechten Auge nicht sehen.
Er hatte jetzt keinen Lichtschein. Die Pupille war normal
weit und rund; sie env'eiterte sich beim Verdecken des linken
Auges sehr stark und verengte sich erst wieder beim Freilassen
und Beleuchten des linken Auges. Die Papille war leuchtend weiss,
scharf begrenzt und zeigte enge Gefässe. Das linke Auge war
normal. Kubrikat war von einem Arzt für einen Simulanten
erklärt, weil äusserlich an dem Auge nichts zu sehen war Und
danach angenommen werden müsse, dass er nicht blind sei.
In einem zweiten Fall handelte es sich um einen 43 jähr.
Landwirt, der am 14. IX. 1899 in seiner Scheune über 3 m
hoch herabgestürzt und bewusstlos geblieben war; dabei hatte
er aus Nase, Mund und linkem Öhr geblutet Seit diesem
Unfall hörte er auf dem linken Ohre schlecht, ausserdem war
sein Sehvermögen auf dem linken Auge fast ganz erloschen.
Er konnte am 4. X. 1901 nur Finger auf 1 Meter Abstand er¬
kennen. , Die linke Pupille war etwas weiter als die rechte.
Beim Verdecken des rechten Auges trat sofort eine erhebliche
Eiweiterung der linken Papille ein, ohne da.ss direkter Licht¬
einfall ins linke Auge eine Verengerung hervorrief. Erst beim
Freibleiben des rechten Auges verengte sich die linke Pupille
wieder. Die Sehnervenscheibe war scharf begrenzt, sah ganz
weiss aus und hatte sehr enge Gefässe. In dem Fall war bei
dem Patienten eine Verringenmg der Unfallrente von der Be¬
rufsgenossenschaft vorgenommen auf Grund eines ärztlichen Gut¬
achtens, das dahin lautete, dass man dem Auge nicht ansehen
könne, dass es blind sei und dass von Seiten des Sehorgans
die Unfallrente von 25 ®/„ nicht mehr gerechtfertigt sei. Auf
den Einspmch des Verletzten wurde ich zur Untersuchung und
Erstattung eines Gutachtens aufgefordert. Auf Grund des
objektiven Befundes musste ich mich natürlich dahin aussprechen,
dass der Rubrikat nahezu ganz und unheilbar auf dem linken
Auge infolge Sehnervenatrophie nach Schädelbasisbruch er¬
blindet sei und die Unfallrente von 25‘^/o auch ferner erhalten
müsse.
Ähnlich lagen die Verhältnisse bei einem Landwirt,
der nach Sturz von einem Wagen auf dem rechten Auge er¬
blindet war und nach aussen schielte. Seine Rente war ge¬
kürzt, weil der behandelnde Arzt das Auge nicht für erblindet
hielt. Die Untersuchung ergab wieder das charakteristische
Verhalten der Pupille, ausgesprochene Sehnervenatrophie und
Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr.
Ein 15jähr. Schlosserlehrling wollte wegen Erblindung
seines rechten Auges nach einem Unfall eine Rente'Steanspmchou,
während der Arzt ihn nicht für blind liielt. Dem Rubrikaten
war bei der Arbeit vor einem halben Jahre ein grösseres Stück
Eisen auf die Gegend des rechten unteren Augenhöhlenrandes
gefallen, so dass er umfiel. Nach Abschwellung der Lider des rech¬
ten Auges konnte er zw’ei Tage nach dem Unfall schlecht sehen
und das Sehvermögen hatte stetig abgenommen. Nach einem
halben Jahre, im März d. J., erkannte er nur Handbewegungen
mit dem rechten Auge, dasselbe war etwas nach aussen und
oben abgelenkt, die Papille grell weiss mit engen Arterien
und die Pupille zeigte die oben beschriebene Reaktion.
Feuilleton.
Wie kam die Cholera im Jahre 1892
nach Hamburg?
Diese Frage dürfte nach dem letzten Auftreten der Cholera
in Deutschland erhöhtes Interesse beanspruchen, und es dürfte
sich um so mehr lohnen ihr nachzuforschen, als sie während
der Cholerazeit naturgemäß vielfach aufgeworfen und erörtert,
aber bisher nicht genügend klar beantwortet ist.
Rob. Koeb hat sein Gutachten über die Entstehung der
Cholera in Hamburg dahin abgegeben, dass das Choleragift
aus den Auswandererbaracken durch die Sielabffüsse in die
Elbe gelangt sei und das Elbwasser infiziert habe. Er nimmt
also an, dass cholerakranke Auswanderer — vermutlich rus¬
sische — unbemerkt nach Hamburg gekommen — das wäre
möglich I —, dort unentdenkt ihre Krankheit überstanden —
schon weniger wahrscheinlich! — und mit ihren Dejekten das
Elbwasser vergiftet hätten. Andere meinten, dass durch den
Schiffsverkehr unbemerkt kranke Seeleute bis in den Hamburger
Hafen gelangt seien und ebenfalls unentdeckt ihre Cholera-
entleerungen in die Elbe hätten gelangen lassen — auch diese
Möglichkeit, dass nämlich an leichter Form der Cholera er¬
krankte Leute, ohne von ihrer Erkrankung Anzeige zu machen.
die Träger der Infektion gewesen seien, ist nicht zu bestreiten.
Doch sind beide Annahmen nicht sehr wahrscheinlich. Es
bleibt noch eine weitere Möglichkeit, die bisher öffentlich nicht
erörtert ist, aber diese Besprechung doch sehr wohl verdient:
ich meine die Einschleppung durch Trinkwassei-. Das klingt
znnächst rätselhaft, und ich muss etwas weiter ausholen, um
zu erklären, wie ich dies meine. Ich habe zur selben Sache
bereits im Jahre 1891 einen kleinen Artikel in der Zeitschrift
„der ärztliche Praktiker“ geschrieben unter dem Titel „die
Cholera in Arabien“. Die Notiz hat nicht die Beachtung ge¬
funden, wie sie verdient hätte, das haben die Vorgänge in
Hamburg im darauf folgenden Jahre nur allzu deutlich be¬
wiesen. Ich halte es daher für nötig, jetzt, wo die Cholera
wieder drohend ans Tor pochte, die Sache nochmals zu be¬
handeln. Ich machte damals Mitteilung von einer Erfahrung,
die ich als Schiffsarzt der holländischen Dampfschiffahrts-
Gesellschaft „Nederland“ zu Amsterdam gemacht, und führte
folgendes an: Ich habe anfangs die.ses Jahres (91) einen Trans¬
port von über 1000 Hadjies (Mekkapilger) nach Djeddah be-
leitet und habe dabei manches gesehen, was zur Erklärung
er Frage (der Verschleppung der Cholera) dienen kann. Die
Mekkapilger nehmen bekanntlich eine Masse Proviant mit,
damit sie während der Reise und des Aufenthaltes in Arabien
nicht in Verlegenheit kommen: Reis, gesalzene und getrocknete
Fische, Früchte usw. Jede Familie schleppt mindestens zwei
Zentner dergleichen Nahrungsmittel mit sich in Djeddah an Land.
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 1.
Eine Tagelöhnerfmn hatte sich im Juni 1897 mit einer Heu¬
gabel ins rechte Auge gestochen. Die kleine Wunde in der
inneren Hälfte des unteren Lides war verheilt mit kaum sicht¬
barer Narbe; das rechte Auge war blind, aber der Arzt wollte
es nicht glauben. Nach einem halben Jahre war die Papille
blass; die Pupille reagierte in der charakteristischen Art Patien¬
tin konnte den Lichtschein nicht wahmehmen. Offenbar w’ar
der Sehnerv durch den- Heugabelstich verletzt Der Anspruch
auf eine Unfallrente musste natürlich von der Berufsgenoseen-
schaft befriedigt w’erden.
Diese Beispiele Hessen sich noch vermehren; ich müsste
mich imm er wiederholen. Die angeführten Fälle beweisen,
wie wichtig unter solchen Umständen für die Diagnostik der
Sehnervenverletzungen das Verhalten der Pupille des angeb¬
lich erblindeten Auges ist und dass man den Argwohn der
Simulation, derentwegen der Rubrikat dem Strafgesetz ver¬
fallen kann, bei einem Patienten nicht aussprechen soll, wenn
man nicht eine sorgfältige Pupillenprüfung und Augenspiegel¬
untersuchung vorgenommen hat
Kliniken für psychische und nervöse Krank¬
heiten.
Von Prof. Dr. Sommer-Giessen.
Der Umstand, dass die psychiatrische Klinik in Giessen vor
einiger Zeit den Namen Klinik für psychische und nervöse
Krankheiten erhalten hat, veranlasst mich im Hinblick auf den
längst vorhandenen, nur in letzter Zeit mehr offenkundig ge¬
wordenen Antagonismus mancher Psychiater und innerer
Kliniker mit Bezug auf Nervenpathologie einiges über
Zweck und Vorgeschichte dieser Namensänderung mitzuteilen.
Gleich bei meiner Berufung nach Giessen (1895) oin ich dafür
eingetreten, dass mit der psychiatrischen Klinik eine
Poliklinik für Nervenarankheiten verbunden werde.
Da der damalige Vertreter der inneren Medizin hierdurch eine
Schädigung seiner klinischen Interessen fürchtete, einigte ich
mich mit demselben und der medizinischen Fakultät auf die
Benennung: „Psychiatrische Klinik mit Poliklinik für Psychisch-
Nervöse“, welch letztere Bezeichnung unterdessen auch ander¬
wärts in gleichem Sinne benutzt worden ist. Meiner Erwartung
entsprechend ist durch die Errichtung dieser Poliklinik, die
dem psychiatrischen Unterricht viele sehr lehrreiche Über¬
gangsfälle zugeführt hat, eine Schädigung der inneren Klinik
in keiner Weise erfolgt und statt der befürchteten Rivalität
hat sich seit einer Reihe von Jahren ein durchaus kollegiales
Zusammenwirken der benachbarten inneren und psychiatrischen
Klinik in Giessen herausgebildet
Der neurologische Unterricht mit besonderer Berück¬
sichtigung der Unfallsnervenkrankheiten ist in Form eines
wöchentlich einstündigen Kurses seit einer Reihe von Jahren
von mir in der psychiatr. Klinik neben den psychiatrischen
Vorlesungen erteilt worden. Ermöglicht wurde derselbe einer¬
seits durch den Bestand der Polildinik, anderseits durch die
freiwillig in die psychiatrische Klinik zur Begutachtung oder
Behandlung eintretenden Nervenkranken und „Psychisim-Nor-
vösen“.
Es war daher nur der Abschluss einer seit 10 Jahren ge¬
schehenen Entwickelung, als ich eine Namensänderung in obigem
Sinne beantragte, was aus rein zufälligen Ursachen zeiUich
ungefähr mit dem Ableben meines Kollegen Riegel zusammen-
tral. Um die Berufungsverhandlungen nicht zu stören, verschob
ich den Antrag bis zur Anwesenheit seines Nachfolgers Prof.
Moritz, mit dem ich mich alsbald schriftlich und mündlich
ins Benehmen setzte.
Meine Motive waren folgende:
-Seit längerer Zeit habe ich mich bemüht, mit Rücksicht
auf ^e freiwillig in die Klinik eintretenden psychisch-norvoseii
Kranken den Namen ,Jrrenklinik“, der früher vielfach ange¬
wendet wurde, nach Möglichkeit zu be.seitigen. Durch eine
Verfügung des Grossherzoglichen Ministeriums ist meiner dies¬
bezüglichen Bitte in sehr dankenswerter Weise Rechnung ge¬
tragen worden. In der Tat ist auch offenbar infolge dieser
Verfügung die genamite Bennennung, welche auf eine Anrcahl
der Kranken in der Klinik nicht passt, seltener geworden.
Andererseits hat sich auch jetzt noch die Einseitigkeit der Be¬
zeichnung in vielen Fällen störend bemerklich gemacht, da
imm er noch vielfach die Meinung hervortritt, als seien die In¬
sassen der Klinik ohne Weiteres als Geisteskranke zu be¬
trachten, während das Regulativ den freiwilligen Eintritt in
geeigneten Fällen voraieht. Eine gründliche Änderung und
Verbesserung kann nur erfolgen, wenn dem Vorhandensein von
freiwillig eintretenden Nervösen in dein Namen der
Klinik von vornherein Ausdruck gegeben wird.
Es läge nun am nächsten, dieselbe einfach als psychi¬
atrische und Nervenklinik zu benennen. Die entsprechende
Einrichtung besteht schon an einer Reihe von Universitäten,
zum Beispiel Berlin, Halle, Kiel, neuerdings auch in Göttingen
Dies — das Verzehren dieser Sachen im arabischen Lande —
ist ein schädliches Moment; denn vieles von den Vorräten
verdirbt durch Seewasser, wird schlecht und fast ungeniessbar
durch das lange Aufbewahren usw., wird aber nichtsdesto¬
weniger gegessen nach Ankunft im gelobten Lande. Dadurch
werden leicht Verdauungsstörungen verursacht; die Keime
der Cholera aber werden verschleppt durch das
Wasser, welches die Pilger aus ihrer Heimat mit
sich führen und wochenlang aufbewahren, um es beim
Landen in Djeddah mit an Land zu nehmen und während der
Landreise von Djeddah nach Mekka — zwei Tagereisen durch die
Wüste — und während des fernen Aufenthaltes — soweit das
Wasser eben reicht —-zu trinken. Jeder Pilger fast hat
mehrere Blechgefässo voll Wasser bei sich; meist sind dies
ehemalige Petroleumkistchen aus Nordamerika, die in Grösse
und Aussehen den bei uns gebräuchlichen grossen Kakesdosen
gleichen und zu je zweien in einer länglichen Holzkiste ver¬
packt sind. Die Leute wissen von Bekannten, die schon die
Mekkareise gemacht, dass sie an Bord vielfach nur knapp ge¬
halten wurden an Wasser; z. B. habe ich nachträglich aus den
Wasserverbrauchstafeln unseres Schiffes gesehen, dass unsere
mehr als tausend Pilger per Woche nur 1800 Ltr. Trinkwasser
bekommen haben — erstaunlich wenig: kaum 1,8 Ltr. pro
Kopf und Woche! Hierbei ist zu bemerken, dass die ihnen
ereichte Nahrung nur aus trockenem Reis bestand, keinerlei
üssige Kost, das ihnen gereichte heisse Wasser zur
Theebereitung ist in den erwähnten 1,8 Ltr. mitgerechnet.
Dass unter diesen Umständen die Leutchen nicht klagten
und in der Tat nicht Durst litten, ist nur dadurch zu
erklären, dass sie daneben von ihrem eigenen Wasservorrat
tranken. In der Tat hatten sie bei unserer Ankunft von der
Insel Kamaran, der Quarantäne-Station im Roten Meer bei
Hodeidah, ihren Wasservorrat ziemlich aufgebraucht und
nahmen nun die leeren Blechkistchen mit an Land, um sie auf
der Insel an der Quelle frisch zu füllen und bei der Wieder¬
einschiffung gefüllt mit an Bord zu bringen. Als sie mit diesen
Blechgefässen wieder an Bord kamen, erhielt ich erst Kenntnis
von dem Zweck dieser vermeintlichen Zwiebackdosen, indem
ich durch Befragen der Offiziere des Schiffes den Zusammen¬
hang erfuhr. Nun war zur Zeit unserer Abreise von Java im
Februar keine Cholera im Lande — abgesehen von ver¬
einzelten Fällen in Soerabaya, wo man erst, wenn täglich an
zweihundert Cholerafalle festgestellt werden, von einer Epidemie
spricht. Das mitgenommene Wasser war also doch unschädlich
— zwei bis drei Monate später wäre die Sache doch bedenk¬
licher gewesen; im April und Mai hätte man aus dem östlichen
Java wohl kaum einwandfreies Wasser bekommen.
Nun denke ich, dass es auf anderen Schiffen aus Ost¬
indien, also auch auf Schiffen, die aus englischen Kolonien
Pilger befördern, ähnlich so sein wird, die Pilger aus Ceylon
und Vorderindien nehmen sicher auch Wasser für ihren Reise¬
bedarf mit an Bord. Daraus erklärt sich leicht, warum zu
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1906.
MRDICmiSCHR WOCHR.
nach Angliederang einer Poliklinik für Nervenkranke mit
stationärer Abteilung an die psychiatrische Klinik.
Sachlich bedingt ist diese Verbindung dadurch, dass eine
grosse Menge von Psychosen auf dem Boden von Neurosen
und sonstigen Nervenkrankheiten erwachsen und nicht ohne
Zusammenhang mit diesen gelehrt werden können (z. B. Psy¬
chosen bei Hysterie, Epilepsie, Chorea, Paralysis agitans, mul¬
tipler Sklerose, tabisch paralytische Erkrankungen usw.). Im
Hinblick auf diese klinischen Zusammenhänge bin ich von An¬
fang an für möglichst freie Aufnahme-Bedingungen der Klinik
eingetreten und habe eine Poliklinik für psychisch Nervöse
eingerichtet.
Es ist Tatsache, dass diese Einrichtung zur Aufnahme
einer Reihe von Übergangsfällen aus dem psychiatrisch-neuro¬
logischen Mittelgebiet in die Klinik geführt haben, was sich in
der im Verhältnis zu t 3 rpischen Irrenanstalten relativ grossen
Zahl der freiwillig in die Klinik Eintretenden ausdrückt. Der
Doppelfunktion der psychiatrischen Kl inik ist gerichtlich da¬
durch Rechnung getragen, dass der Unterzeichnete als Sach¬
verständiger für Psychiatrie und Nervenkrankheiten vereidigt
ist und me Klinik zur Begutachtung in beiden Beziehungen
benutzt wird.
Es haben sich mit den in die Klinik aufgenommenen Ner¬
vösen die von mir seit einer Reihe von Jahren abgehaltenen
Kurse über Diagnostik der Nervenkrankheiten ermöglichen
lassen, wenn auch vom Standpunkt der klinischen Vollständig¬
keit das Material lückenhaft und einseitig war, da es sich
wesentlich aus Unfallsnervenkrankheiten zusammensetzte.
Dabei machte ich die Erfahrung, dass oft sehr interessante
Fälle nicht in die Klinik kamen, weil die Betreffenden sich
scheuten, das Odium eines Aufenthaltes in einer dem Namen
nach rein psychiatrischen Anstalt auf sich zu nehmen. Die
Zahl der Nervösen in der Klinik ist daher kleiner, als sie in
Anbetracht der Bauart und Raumverhältnisse dieser sein könnte.
Bei einer deutlichen Hervorhebung der Aufnahmefähigkeit der
Klinik auch in dieser Beziehung ist irgend welche Schädigung
der inneren Klinik nicht zu erwarten, da die möglicherweise
nach Giessen heranzuziehende Menge von nervösen Encrankungen
nach meiner privaten Erfahrung eine ganz bedeutende ist.
Tatsache ist jedenfalls, dass eine Beeinträchtigung der inneren
Klinik^^durch die Aufnahme von Nervösen in die psychiatrische
Klinik und durch die Poliklinik für psychisch Nervöse nicht
im Geringsten erfolgt ist. Um eine Schädigung der inneren
Klinik si^er auszuschliessen, verzichte ich darauf, den Namen
„Psychiatrische und Nervenklinik“ vorzuschlagen und halte den
Ausdruck „Klinik für psychische und nervöse Krankheiten“
für ausreichend, um den vorhandenen Tatbestand auszudrücken.“
Es ist hieraus ersichtlich, dass ich von vornherein das In¬
teresse des innern Klinikers und des Psychiaters an
Nervenkrankheiten in gleicher Weise ira Auge behielt und
von einem einseitigen Radikalismus frei war.
Gegen die Bezeichnung „Psychiatrische und Nervenklinik“
hatten sich die Bedenken erhoben,
1. dass dabei auch solche Fälle in die Klinik gehören
würden, die wie z. B. Querschnittsmyelitis, peripherische Neu¬
ritis und vieles andere ohne psychische Symptome auch im
weitesten Sinne, einhergehen,
2. dass dadurch der Anschein erweckt werden könnte, als
ob eine Monopolisierung der Nervenkranken in dieser Klinik
unter Ausschluss der inneren beabsichtigt sei
Um diesen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, wurde
mit völligem Einverständnis von beiden Seiten der Name
„Klinik für psychisch und nervöse Krankheiten“ gewählt, der
meines Erachtens beiden Interessen völlig gerecht wird.
Was die sprachliche Form betrifft, so könnte man sagen,
dass es wohl ira deutschen Sprachgebrauch nervöse Kranke
aber keine nervösen Krankheiten gibt Jedoch lässt sich
nicht nur ira Hinblick auf die Ausdru^sweise unserer Nach¬
baren (maladies mentales et nerveuses, malatie mentalie nervöse,
nervous and mental diseases) sondern auch im Sinne des
deutschen Sprauchgebrauches die Bezeichnung gerade im
Sinne einer gerechten Abgrenzung des Gebiets rechtfertigen,
indem man unter „Nervös^ besonders diejenigen Gruppen von
Nervenkrankheiten zusammenfasst, welche m irgend einer Weise
psychische Erscheinungen auch leichterer Art zeigen (Erreg-
lichkeit, Angst usw. usw.), die mit der Natur der Nerven-
vorgänge Zusammenhängen. Die Erforschung dieser psycho-
physiscnen Beziehungen der Nervenpathologie ist eine sehr
wichtige Aufgabe der Psychiatrie, falls diese nicht nur ein¬
seitig psychische Symptome registrieren sondern deren Patho¬
genese aus den Zuständen des Nervensystems verstehen
In dieser Beziehung muss ich mich gegen die neuerdings
manchmal hervortretende Neigung, das Studium des Nerven¬
systems als etwas Nebensächliches für den Psychiater zu be¬
trachten, und gegen die einseitig psychologische Betrach¬
tungsweise im Allgemeinen entschieden aussprechen, anderseits
muss offen erklärt werden, dass auch der innere Kliniker die
Nervenpathologie nicht entbehren kann.
Von diesem SUndpunkt habe ich mich mit meinem Kollegen
Moritz auch über den Unterricht in Nervenpathologie, den
Zeiten die Choleraepidemien an Bord der Pilgerschiffe Vor¬
kommen, daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass bei Auf¬
treten der Cholera an Bord . dieser Schiffe immer nur die
Mekkapilger davon befallen werden — die Besatzung des
Schiffes tiinkt das von der Hafenbehörde gelieferte einwand¬
freie Wasser. So erklärt sich aber auch — denke ich — aus
dem Mitschieppen des Wasservorrates seitens der Pilger ein
wichtiges, ja das wichtigste Moment der Verschleppung der
Seuche nach Arabien.
Über Land kommt die Cholera nicht oder doch seltener;
wirdjsie aber auf dem Landwege verschleppt, so dürfte auch
das auf Kamelen mitgenommene Wasser verantwortlich sein.
Viel leichter kommt die Krankheit mit den Pilgern über See;
war deren Heimat znr Zeit der Abreise gesund, so passiert
auch nichts an Bord, die Pilger kommen gesund nach Djeddah
und bringen, wenn sie selbst indisches Wasser dort an Land
schleppen, keine Cholerakeime mit. Wenn aber das Wasser,
als es an Bord genommen wurde, Cholerakeime enthielt, so
kommt es ganz darauf an, zu welchem Zeitpunkte die Pilger
beginnen von ihrem Wasservorrat zu trinken; je früher sie ihr
Wasser gemessen, um so früher wird sich die Krankheit unter
ihnen zeigen. Wenn sie so knapp gehalten werden, wie bei
uns an l^rd geschah, so wird die Krankheit schon in der
ersten Woche nach der Abreise sich zeigen, jedenfalls vor Ankunft
bei der Quarantäne-Insel Kamaran; die Seuche wird also recht¬
zeitig festgestellt; das Schiff wird, falls auch auf der Quarantäne-
Insel noch Cholerafälle häufiger Vorkommen, festgehalten und
eventuell nach Hause zurückgeschickt. So war es kurz vor
unserer Ankunft in Kamaran einem englischen Dampfer er¬
gangen, der aus Vorderindien mit zahlreichen CholeraWanken
an Bord dort angekomraen war: die Pilger wurden zur
Beobachtung ausgeschifft, nahmen — so vermute iph — ihr ver¬
seuchtes Wasser natürlich mit ins Quarantänelager, und da immer
neue Krankheitsfälle vorkamen, wurden die Pilger wieder an
Bord gebracht, und der Dampfer musste seine Leutchen wieder
in ihre Heimat befördeni, ohne dass sie das ersehnte Land
anders als von ferne gesehen.
Es kann nun aber auch Vorkommen, dass die Mekkapilger,
trotzdem sie verseuchtes Wasser mit sich führen, doch gesund
bleiben während der Seereise; wenn sie nämlich an Bord des
Transportschiffes reichlich Wasser bekommen — es sind ja
nicht alle Kapitäne so inhuman gesonnen, dass sie die Leute
Not leiden lassen — so trinken sie nicht von ihren Wasser¬
vorräten, so lange sie an Bord sind; sie nehmen dann das
ganze mitgeführte Wasserquantum in Djeddah mit an Land
— die Krankheit wird also trotz aller Quarantänemaßrogein
erst nach Ankunft in Arabien zum Ausbruch kommen, weil
das verseuchte Wasser erst dort getrunken wird. Diese letzte
Möglichkeit — dass die Pilger ihr Wasser ungeschmälert mit
an Land nehmen — ist besonders in den Fällen gegeben, wo
die Reisenden nicht in grossen Massen auf eigenen Transport¬
schiffen befördert werden — diese unterliegen ausnahmslos
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6
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 1.
ich seit einer Reihe von Jahren allein gehalten hatte, dahin
verständigt, dass wir jedes Semester abwechselnd einen beson¬
deren Kurs darüber abhalten oder abhalten lassen, anderseits
in unseren klinischen Vorlesungen das nervenpathologische
Gebiet dem Zweck der inneren und psychiatrischen Klinik ent¬
sprechend berücksichtigen.
Dieses Verhältnis dürfte den wirklichen Interessen des
Unterrichts und der P^akultät mehr entsprechen, als die ander¬
wärts in den letzten Jahren mehrfach hervorgetretene Einseitig¬
keit in der Vertretung der Intore.ssen, die nur zur Schädigung
der Sache und zu weitgehenden Folgen, z. B. bei Berufungen
führt.
Vielleicht können diese Mitteilungen zur friedlichen Rege¬
lung der Angelegenheit auch an anderen Hochschulen beitragen,
soweit diese ni(mt schon erfolgt ist.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
MediclniscJie GeseUseJiaft in Giessen,
Sitzung vom Dezember 1905.
Vorsitzender: Herr Pfannenstiel. Schriftführer: Herr
Best.
1. Herr Koeppe. 2 Fälle von Favus. —Favus ist eine
in Deutschland seltene Erkrankung. Auch der eine der beiden
vorgestellten Fälle hatte sich an einem von auswärts zugereisten
Kinde infiziert, der zweite an diesem; weitere Erkrankungen
sind nicht erfolgt. Die Diagnose Favus ist mit Hilfe des Mikros-
kopes leicht zu stellen, soweit man überhaupt an die Möglichkeit
der Krankheit denkt; sonst kann sie leicht mit Seborrhoe und
Kopfekzem verwechselt werden. Die Therapie bestand in Epilation
und Aufpinseln von 10®/o Pyrogallussäuresalbe, jetzt in Aufpinseln
von 10%iger Formaldehydlösung.
Hypertrophische Lebercirr h ose bei einem 4‘/»-
jährigen Kinde. Der Fall kam in einem sehr frühen Stadium
zur Beobachtung, noch bevor eine Milzi?chwellung sich vorfand.
Nach etwa 14tägiger Beobachtung stellte sich Ascites ein; ausser¬
dem war Ikterus vorhanden. Die Leberhypertrophie war damals
noch eine sehr mäßige. Ätiologisch ist der Fall dunkel.
2. Herr Stuhl. Bericht über einen Fall von kongenitaler
Lues der im klinischen Bilde der reinen lymphatischen Leukämie
verlief.
der strengen Quarantäne auf Kamerun — sondern wo sie in
kleiner Z5il mit den regelmäßigen Postdampfem reisen. Diese
Postdampfer hatten damals — ich weiss nicht, ob es heute auch
noch so ist — die Erlaubnis, bis zu 100 Mekkapilger zu be¬
fördern und mit Umgehung der Quarantäne-Insel Kamaran
diese Leute auf einer kleinen Insel vor Dieddah direkt zu
landen. An Bord der Postschiffe werden die Reisenden na¬
türlich reichlich mit Wasser versehen, sodass sie niemals auch
nur einen Schluck von ihrem Wasservorrat zu nehmen brauchen;
sie haben aber natürlich ihr gewohntes Wasserquantum bei
sich, welches ja in erster Linie uir die Landreise bestimmt ist.
Nun werden die Pilger bei Ankunft des Schiffes vor Djeddah
auf der kleinen Insel abgesetzt, werden hier fünf Tage
beobachtet, bekommen Trinkwasser geliefert und schleppen
nach Ablauf der Beobachtungszeit ihr Wasser, welches nun
reichlich drei Wochen in den Blechkisten stagnierte, an Land
und geniessen es dort. Dann wundert man sich noch, wenn
nach Ankunft in Mekka die Seuche plötzlich zum Ausbruch
kommt! An das mitgeschleppte Cholerawasser aus Indien dachte
Niemand. Auf diesen ubelstand wollte ich aufmerksam machen,
darum schloss ich den erwähnten kleinen Aufsatz mit der
Mahnung: Wenn man vernünftige Maßregeln gegen
die Einschleppung der Cholera nach Arabien
treffen will, so sei als erste empfohlen: Verbietet
den Pilgern das Mitnehmen von Wasser aus ihrer
Heimatr — —
3. Herr Poppert berichtet an der Hand seiuer ErfahrungeD
über die funktionellen Resnltate bei der Radikal¬
operation des Mastdarmkrebses. Gegenüber dem von ver¬
schiedenen Seiten gemachte Vorschlag, den Scbliessmuakel grund¬
sätzlich zu opfern und regelmäßig, auch bei gesunden Sphinkter,
die Amputation des Mastdarma vorzunehmen, tritt Vortragender
entschieden für die Erhaltung des Sphinkters als daa bei weiten
idealere Verfahren ein, das wir in allen geeigneten Fällen anzu-
wenden verpflichtet seien. Nach den Erfahrungen des Vortragen¬
den (vgl. die demnächst in der Deutsch. Zeitschr. f. Chirurgie er¬
scheinende Zusammenstellung von K. Richter) die sich auf 28
Resektionen mit 1 Todesfall (an Herzschwäche) und 35 Ampu¬
tationen mit 3 Todesfällen (je ein Fall an Herzschwäche, Pneu¬
monie und Intoxikation) erstrecken, ergibt die zirkuläre Darmnaht
nach Kraske die funktionell vollkommensten Resultate, während
die Hochenegg’sche Durchziehungsmethode, welche in 8 Fällen
zur Anwendung kam, in Bezug auf die Kontinenz un¬
sicherer im Erfolg ist. Auch die von Gegnern der Darmnaht
erhobenen Elnwäiide, dass die Darmnabt fast regelmäßig versage,
und der Kranke hierdurch der Gefahr des Kotphlegmone ausge¬
setzt werde, sind nicht stichhaltig, da sich die Nachteüe durch
richtige Technik auf ein Minimum reduzieren lassen. So ist es
dem Vortragenden gelungen, in 20 Fällen von Darmnaht 10 mal
eine prima intentio zu erzielen, 6 mal kam es zu einer vorüber¬
gehenden Kotfistel, nur in 4 Fällen wurden die Kranken mit einer
kleinen Fistel aus der Behandlung entlassen.
Österreich.
K, K, GeseUscJwft der Ärzte in Wien.
Sitzung vom 15. Dezember 1905. (Eigener Bericht.)
Albrecht stellt einen Mann nach Totalexstirpation der
Larynx wegen Carcinom vor. Der Kranke hat .sich selbst
eine Art von Sprechvorrichtung konstruiert.
Pöderl demonstriert einen Apparat zur Catgutsterilisa-
tion mittels Alkoholdämpfen.
Kraus zeigte mehrere Affen, an welchen er durch Einim¬
pfung von Lupus, Hauttuberkulose erzeugt bat.
V. Khaute zeigt ein Mädchen mit tuberculöser Lymphan-
gitis am Oberarm nach einer Stichverletzung an einem Finger.
Ranzi stellt 2 Kinder mit congenitalem Rippendefekt
vor.
Landsteiner und Volk demonstrieren mikroskopische Prä¬
parate der Spirochaeta pallida im Gewebe.
Spigler zeigt einen Fall von Favus am Halse.
Das schrieb ich im August des Jahres 1891 — salvavi
animann meam! Ich hielt die Tatsache der Einführung von
Trinkwasser aus Indien nach Arabien für wichtig genug, um
dies für die Verschleppung der Cholera so wichtige Moment
durch Veröffentlichung in der erwähnten Zeitschrift bekannt
zu machen. Es ist doch wohl heute Niemand mehr im Zweifel
darüber, dass das stagnierende, in kleinen Behältern ein¬
geschlossene Wasser das bestgeeignete Medium ist zur Er¬
nährung und Züchtung von Cholerabacillen. Wenn man nun
bedenkt, dass zur Zeit der grossen islamitischen Feste im
März/April allein auf dem Wasserwege jeden zweiten oder
dritten Tag 800—1000—1200 Pilger in Djeddah landen,
deren jeder etwa 6—8 Ltr. Trink wasser mit sich führt, dass
also jede Pilgerschaar 2500—10000 Ltr. verdächtiges oder ver¬
seuchtes Wasser ins Land schleppt, so frage ich, ist irgend
ein Moment denkbar, das in gleicher Weise geeignet wäre,
das explosionsartige Entstehen, die fürchterliche Verbreitung
der Cholera unter den Pilgern, nachdem sie 4, 6 Tage im
Lande sind, zu erklären? Ich glaube nicht, dass man eine
andere Möglichkeit finden kann.
(Schluss folgt.)
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1906,
MEDICINISCHE WOCHE.
7
Archenegg hält einen Vortrag „Indicationen zur
Appendektomie bei Ileocoecalschmerz“. Vortr. hat einige
Fälle gesehen in welchen trotz Fehlen von Entzündung des Wurm¬
fortsatzes Schmerzanfklle ausgelöst wurden und das operative Ein¬
greifen gerechtfertig war. Das Gewöhnliche z. B, war, dass wenn der
Wurmfortsatz seiner ganzen Länge nach am Ooecum angewachsen
war, derselbe eine Dehnung eriUhrt, wenn das Coecum sich bläht.
Singer tritt dieser Indikation zur Operation entgegen und hebt
die Schwierigkeiten der Indicationssteilung zur Operation hervor.
Ge9^l9(haft fUr 't/rmere Med/UyVn und Kinderheil¬
kunde in Wien.
Sitzung vom 16. November 1905. (Eigener Bericht).
Neurath stellt einen 14jähr. Knaben mit posthemiple-
gischer Epilepsie vor.
Schlesinger demonstriert einen Knaben mit typischer
Fseudoatrophia musculomm, bei dem am Gesicht myxödematöse
Veränderungen auftraten.
Jehle demonstriert 2 Kinder mit Dysenterie, bei denen
das Krusesche Serum angewandt wurde.
Brandweiner demonstriert ein Kind mit Lichen ruber
planus.
Horn stellt ein Kind mit Kheumatismus nodosus nach
Chorea vor.
Hecht demonstriert eine Methode zur Fettbestimmung in
den Faeces.
Hamburger stellt einen Knaben mit diphtherischer
Lähmung des linken M. hyoglossus vor. Das Kind war
mit Diphtherieseriim behandelt worden.
Zappert berichtet über einen Fall, in welchem sich bei
einem IBjähr. Mädchen aus einem cerebral aussehenden
Krankheitsbild eine typische Epilepsie entwickelt hat,
die Krankheit begann mit den Symptomen eines Hirntumors,
später verschwanden alle Erscheinungen und es entwickelten sich
typische epileptische Anfälle, die auf Brom reagierten. Ohne
Kenntnis der Anamnese würde man den Fall für eine genuine
Epilepsie halten.
Sitzung vom 23. November 1905. (Eigener Bericht.)
Mannaberg stellt einen GS.jähi'. Mann mit einem Aneu¬
rysma der Bauchaorta vor. Über denselben sind systolische
und diastolische Geräusche zu hören. Subjektive Symptome ver¬
ursacht der Tumor nicht.
Türk demonstriert einen Fall von myeloider Leukämie
mit sublymphämischem Befunde.
Flesch stellt einen Fall von linksseitiger paralytischer
Facialiscontractur vor. Elektrische Behandlung bewirkte
Besserung.
Schmidt zeigt einen Fall von Polycytaemia rubra und
einen Mann mit myeloider Leukämie und colossalem Netz¬
tumor.
Wiesel halt einen Vortrag über Gefässerkrankungen im
Verlaufe akuter Infektionskrankheiten, die Untersuchungen
erstrekten sich auf 200 Fälle von akuten Infektionskrankheiten,
ln allen Fällen Hessen sich an den Arterien Veränderungen kon¬
statieren, nämlich herdförmige Nekrosen der glatten Gefässmus-
kulatur und des elastischen Gewebes. Vort. meint, dass die Fälle
von jugendlicher Arteriosklerose von diesen Erkrankungen ihren
Ausgang nehmen.
Schrötter hält die Untersuchungen Wiesels zur Klärung
der Aetiologie der Arteriosklerose für sehr wichtig. H.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohfl (Berlin-Charlottenburg):
In den letzten Wochen sind in Freussen die Neuwahlen zu
den Ärztekammern vollzogen worden. Die Zusammensetzung der
Kammern ist wohl überall ungefähr die gleiche geblieben mit
alleiniger Ausnahme von Berlin—Brandenburg, wo die Kammer
durch die Koalition der grössten Vereinsgruppen doch einen wesent¬
lich anderen Anblick bieten wird als bisher. Aber so buntscheckig
die Ansi<diten der Kammermitglieder in politischen und sozialen
Dingen auch sein mögen, in zwei der wichtigsten Standesfragen
werden hoffentlich Alle eines Sinnes sein: die freie Ärztewahl bei allen
Krankenkassen, audi den staatlichen, einzuführen, soll gemäss den
einmütigen Beschlüssen der letzten Ärztetage das Endziel unserer
Bestrebungen sein, die Fürsorge für imsere Hinterbliebenen, wie
sie durch den Aufbau unserer Unterstützungskasse in grosszttgiger
Weise in Angriff genommen ist, soll unvermindert weiter gepflegt
werden.
Ohne Kampf ist auch in diesem Jahre die Wahl nicht vor
sich gegangen. Noch in letzter Stunde setzte eine Reihe von
Kollegen im wesentlicflien aus dem Lager deigenigen, die stets und
bei jeder Gelegenheit die Bestrebungen der Majorität der Berliner
Ärzteschaft durchkreuzt haben, eine Gegenliste in Umlauf, auf
welcher einige wenige der altbewährten Vorkämpfer übernommen
waren hauptsächlich aber homines ignoti prangten, deren einziges Ver¬
dienst darin besteht, dass sie es verstanden haben, die gut fixier¬
ten Kassenarztstellen für sich zu reservieren. Dass diese Liste
von mehr als 200 Ärzten gewählt wu^e, beweist immerhin, dass
es in Berlin mit einer Einigkeit der Ärzte noch heute so schlecht
bestellt ist wie jemals.
Und doch äiäte gerade im jetzigen Momente den Ärzten ein
fester Zusammenhalt sehr not. Sind doch Angelegenheiten in der
Schwebe, welche die ärztlichen Interessen aufs bedeutsamste be¬
rühren, wir meinen einmal die Verstadtlichung des Rettungswesens,
dann die Neuorganisation der Armenpfiege.
Das Rettungswesen in Berlin wird von der Berliner Rettungs¬
gesellschaft besorgt, einem privaten Unternehmen, das von hervor¬
ragenden Ärzten geleitet wird, und zwar in einer Weise, welche
die höchste Anerkennung verdient. Die Gesellschaft wird von der
Stadt Berlin subventioniert, lebt aber sonst von Mitgliedsbeiträgen
und Spenden edler Wohltäter, welche aber doch das Budget nicht
ausgleichen, so dass die Gesellschaft gezwungen ist, den Rest ihres
Bedarfs alljährlich durch Veranstaltung eines der mit Recht so
unbeliebten Wohltätigkeitsfeste zu decken. Die Tätigkeit der
Rettungsgesellscbaft umfasst im Wesentlichsten drei Gebiete: Eine
Zentrale, welche mit sämtlichen Krankenhäusern Berlins und der
Vororte telephonisch verbunden ist, führt eine Übersicht über die
jeweils in den einzelnen Krankenhäusern freien Betten; dadurch
sind die Ärzte in den Stand gesetzt jederzeit, sofort zu erfahren,
wo ihre Patienten Aufnahme finden können, und diesen bleibt das
lästige und gefährliche Umherfahren von Tür zu Tür erspart.
Der zweite Teil der Leistungen der Rettungsgesellschaft vollzieht
sich auf den Rettungswachen, die Tag und Nacht geöfihet stets von
einem Arzt und einem Heilgehülfen besetzt und mit den nötigen
Instrumentarien versehen sind; bei jeder plötzlichen Erkrankung,
jedem kleineren oder grösseren Unfall wird auf den Wachen oder von
den Wachen aus die erste Hilfe, aber nur diese, gewährt. Unbe¬
mittelten unentgeltlich. Bemittelten gegen Zahlung des ortsüblichen
Betrages. Der letzte Zweig des Rettungswesens umfasst den
Krankentransport, der zuvor in den Händen privater Fuhrgesell-
schaften lag und jetzt von der Rettungsgesellschaft durch Ein¬
führung mustergiltiger Wagen, die nach jedem Transport desin¬
fiziert werden, in zweckmäßiger Weise organisiert worden ist.
Nun möchte die Berliner Stadtverwaltung einen Teil des Rettungs¬
wesens, die Zentrale, übernehmen, die andern gleich bedeutungs¬
vollen Aufgaben sollen aber der Rettungsgesellschaft verbleiben.
Ist es schon an sich tief bedauerlioh dass die Verwaltung der
Reichshauptstadt es überhaupt bis jetzt Privaten überlassen konnte,
für Hilfsleistungen zu sorgen, die eine der vornehmsten Aufgaben
der Kommune bilden sollten, so verdient diese geplante Enthauptung
der Rettungsgesellschaft ^e allerschärfste Verurteilung. Nicht
Sache der Ärzte ist es, die Organisation zu schaffen, die für
die erste Hilfe notwendig sind, nicht Sache von Privatpersonen,
einen Teil der Mittel für diesen Zweck aufznbringen, nein eine
sozial denkende und fühlende Gemeinde darf sich dieser Pflicht
nicht entziehen. Die Ärzte werden demnächst in einer Versamm¬
lung zu der beregten Frage Stellung nehmen, Ex. von Bergmann,
der sich die grössten Verdienste um das Rettungswesen erworben
hat, wird das Referat halten. Die Ärzte müssen fordern, dass die
Stadt das gesamte Rettungswesen übernimmt, dass es wie bisher
jedem Arzt, der dazu bereit ist, freisteht, sich am Rettungsdienst
zu beteiligen und dass den Ärzten für diese Tätigkeit eine ange¬
messene ^tschädigung gewährt wird.
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8
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 1.
Wie wenig in der Stadtgemeinde die ärztlichen Bestrebungen
gewürdigt werden, wie geringe Berücksichtigung die ärztlichen
Wünsche finden, das zeigt eine Vorlage des Magistrats über die
Neuregelung des armenärztlichen Dienstes. Lange schon fordern
weite ärztliche Kreise die Einführung der freien Arztwahl in der
Armenpflege, die sich in einer Reihe von Kommunen durchaus be¬
währt hat. Der Magistrat von Berlin lehnte diese Forderung
schlankweg ab; nicht dass er schwerwiegende Gründe für seine
Stellungnahme hätte, nein die ältesten abgedroschendsten Argumente
gegen die DuitihfUhrbarkeit der freien Arztwahl in der Armen¬
pflege, die theoretisch und praktisch unzählige Male widerlegt
worden sind, sie werden wieder herausgeholt und neu ausstafHert
vorgetragen. Wie anders liest sich da eine Arbeit über die Armen-
ki-ankenpflege, die der Beigeordnete Dr. Schwander in Strassburg vor
kurzem veröfientlicbt hat. Hier sieht man, wie ein von sozialem
Geist erfüllter Kopf Anschauungen zu beurteilen versteht, die bei uns
in Berlin auf einen nicht zu brechenden Widerstand stossen. Trotz
aller Agitation der Ärzteschaft wird auch diesmal wieder die freie
Arztwahl glatt abgelehnt werden, die Ärmenarztstellen werden um
ca. 30 vermehrt und dadurch die Bezirke verkleinert werden.
So ist auch von diesem Arbeitsfelde aus eine Bessening der
wirschaftlichen Verhältnisse der Arzte nicht zu erwarten. Kein
Wunder daher, dass.die Ärzteschaft auf alle mögliche Weise für
sich selbst zu sorgen bemüht ist. Diesem Bestreben entspringen
auch die Versuche, durch frühzeitiges und energisches Liquidieren
die Arzte vor Verlust zu Schützern Schon im Anfang d. J. hatte
der Geschäftsansschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine be¬
schlossen, dass Liquidationen in der Regel unmittelbar nach Abschluss
der Behandlung, spätestens aber nach einem Vierteljahr abgesandt,
Atteste und Gutachten an Private nur gegen sofortige Honorierung
ausgestellt, Nachtkonsultationen durch unbekannte Personen oder
Nachtbesuche bei solchen in der Regel sofort honoriert werden
sollten. Vor kurzem nun fand eine Besprechung von Vertretern
aller Vereine von Berlin und Umgegend statt zwecks Beratung
eines gemeinsamen Inquidationsformulars für alle Arzte. Dieses
sollte als solches gekennzeichnet sein und den Aufdruck enthalten:
An dieses Pauschale halte ich mich nur bis zum.gebunden.
Wir müssen gestehen, dass wir uns für dieses Vorgehen, wenn¬
gleich natürlich das Formular kein obligatorisches sein soll, nur
wenig begeistern können. Die Form, in der liquidiert werden
muss und der Zeitpunkt, wo dies zu geschehen hat, richtet sich
doch allzu sehr nach dem einzelnen Fall, als dass sich hier ein
Reglementieren empfehlenswert erwiese. Nun ist es ja richtig, dass
eine grosse Anzahl von Leuten, die sich scheuen würden, irgend
einem Lieferanten etwas schuldig zu bleiben, wenn ihre Geldmittel
knapp sind immer in allererster Linie daran denken, den Arzt
nicht zu bezahlen. Das lässt sich aber durch mehrfaches Liquidieren
in der für den Einzelfall geeigneten Form eher vermeiden, als
durch Zwangsmaßregeln, die eventuell recht zweischneidig werden
können. Da wir nun gerade beim Liquidieren sind, so möchten wir
zum Jahresbeginn noch einen anderen Punkt anregen: Im Laufe
der letzten Jahre ist die ganze Lebenshaltung bedeutend verteuert
worden, alle Berufsstände haben infolgedessen ihre Forderungen
erhöht, nur das Honorar der Arzte und speziell das der Privat¬
praxis ist in keinem richtigen Verhältnis gestiegen. Da erscheint
es angezeigt, dass die deutsche Ärzteschaft die Forderung nach
höheren Gebühren lissonders auch in der Hausarzttätigkeit erhebt,
kein billig Denkender wird den Ärzten solch Vorgehen verargen.
Die zu gleiche Entlohnung in der Privatpraxis trägt, was lange
nicht gebührend l>etont wird, ein gut Teil der Schuld an der wirt¬
schaftlichen Notlage. Dass diese im kommenden Jahre eine gerin¬
gere werden möge, das ist unser Neujahrswunsch.
Periodische Literatur.
Berliner klinische Wochenschrift 1905. No. 5i.
1. Thilenius-Soden: Eine neue Zentrifuge mit hoher
Tourenzahl und zuverlässigem Tourenzähler.
Verf. hat eine neue Zentrifuge konstruiert, welche die Anwendung
sehr hoher Umdrehungszahlen, 5000—6000 pro Min., gestattet. Die
Vorteiledieser Zentrifuge bestehen darin, dass esz. ß. gelingt, Blut vor
der Gerinnung in Blntscbeiben und Plasma za trennen. Ferner
ist der Nachweis von Tuberkelbazillen in Sekreten vor allem im
Sputum so leicht und sicher, dass allein deswegen schon die Kon¬
struktion des Apparates begrüsst werden muss. Wenn anch die
Benutzung einer solchen Zentrifuge für den praktischen Arzt wohl
kaum in Betracht kommt, so ist doch ihre Verwendung in Labo¬
ratorien und Untersuchungsstationen durchaus angezeigt.
2. Cohn-Breslau: Über eine durch Operation geheilte, 23 Jahre
lang geheilt gebliebene, Hetshantablötnng.
Verfasser teilt die Krankengeschichte eines Falles von
Sublatio retinae mit, den er vor 23 Jähen zweimal hinter¬
einander , es waren in kurzer Folge 2 Stellen der Retina
abgelöst, durch Scleralpunktion zur Heilung brachte. Die lange
Dauer der Heilung spricht durchaus für den operativen Eingriff,
und gibt unter Umständen eine erheblichere Besserung der Prog¬
nose. Die Annahme des Verf., dass dieser 23 Jahre geheilt ge¬
bliebene Fall zu den allergrössten Seltenheiten gehöre, ist vielleicht
etwas zu weit gegangen. Für den Praktiker ergibt sich aus
dieser Krankengeschichte jedenfalls, dass man niemals bei einer
Retinaablösung verzagen soll, sondern, dass man punktiert, solange
noch Lichtschein vorhanden ist. Ausserdem ist die Anwendung
von Laxantien, schweisstreibenden Mitteln und vor allem der
Druckverband in Rüi-kenlage notwendig.
Münchener medicinieche Wochenschrift. i90d. No. 52 .
1 . Jung, Greifswald; Beiträge zur HeisBlufttherapie bei
Beckenentzflndungen.
Verfasser empflehlt aufs Angelegentlichste als konservative
Methode der Behandlung von Beckenentzündungen die Anwendung
der heissen Luft nach Bier und Polano. Die Erfolge waren
in der Mehrzahl der Fälle sehr gute. Teilweise wurde subjektiv
ein erhöhtes Wohlbefinden bewirkt, teilweise objektiv die Resorp¬
tion von Exsudaten, Infiltraten etc. erreicht. Verf. verstellt unter
konservativer Behandlung auch die Entleerung von Eiter aus
Abszessen. Eine Konlraindikation für die Anwendung der Heiss-
luft-Behandlung bietet die tuberkulöse Erkrankung der Genitalien.
2. Krause, Görbersdorf: Die Tuberkulintherapie in der
ambulanten Behandlung nnd bei Fiebernden. Verfasser berichtet
über seine Erfahrungen, welche er mit der Anwendung der Koch’-
schen Bazillenemulsion in der ambulanten Praxis gemacht hat.
Dieselben sind durchweg günstige. Bei initialen Fällen schwanden
die katarrhalischen Erscheinungen, bei forgescbritteneren wurden
sie gebessert. Das Fieber wurde ausnahmslos fllr die Dauer be¬
seitigt. Als Normalsanfangsdosis wurde ein Teilstrich der Pravaz’-
schen Spritze (Lösung 0,1 ccm Emulsion auf 9,9 ccm KloGhsalz- '
lösiing, also 0,005 Bazillensubstanz gegeben, ausnahmsweiee bei i
schwächlichen Individuen auch nur die Hälfte. Die Injektionen
erfolgten in Zwischenräumen von 3 bis 8 Tagen. Verf. empfiehlt
die Anwendung des TuberkuliiLs nur in der ambnlanten Praxis,
zumal bei Fiebernden auf das dringendste.
Wiener klinische Wochenschrift. 1905. No. 5i. '
Hochenegg, Wien: Über die Indikation zur Appendektomie i
beim IleocoekaUchmerz. Verf. teilt seine Erfahrungen mit über |
eigentümliche Erkrankungsfälle, die, da eine nähere Definition oft
nicht möglich war, als Pseudo-Äppendizitis bezeichnet wurden. Es *
treten allmählich stäi’ker werdende, bis zur Unerträglichkeit sich i
steigernde Schmerzen in der Ileocoekalgegend auf, der palpatorische |
Befund läs.st meist eine walzenförmige Resistenz feststellen, ist
aber im Verlauf eines Falles nicht konstant. An einem Tage '
findet man diese Resistenz, am nächsten kann sie fehlen. Innere '
Medikationen können meist keine Besserung herbeiführen. Bei ,
dem chirurgischen Eingriff“ findet sich der Appendix meist völlig
unverändert, weich und dünn, dagegen zeigt sich das Ileum in |
starker Kontraktion oder bei der durch die Narkose bewirkten Er- I
schJaffung in der Wand stark verdickt, mit deutlicher Muskelby- |
pertrophie. Dieser pathologische Zustand des Darmes wird offen¬
bar durch Stauungen des Darminhalts bewirkt. Verf. scHiebt da¬
her das häufige Vorkommen derartiger Fälle auf die, ziuxml bei
Stadtbewohnern nur allzuhäufigen Unordnung im Stuhl, Koprostase
chronischer Dickdarmkatarrh und die durch letzteren verursachten
Ansammlungen von Gasen, geben den Anlass zu diesen Erkrank- '
ungen. Die im Coecura gestauten Kothmassen dringen natürlich
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1906.
MKDICINISCHE WOCHE.
9
in den Appendix ein und bewirken sekundär alle die Veränderungen,
die eine Appendizitis aufweist, ln allen seinen Fällen hat Yerf. gute
Heilnngsresoltate erzielt. Um Verwechslungen dieser Affektion
mit anderen au yermeiden, schlägt er den Namen Skolikalgie vor.
Berliner klinische Wochenschrift. 1905. No. 52.
1. Hirschfeld,Berlin: '&berPankx6aBerkTankiuigenwährend
desBiabetes. Verf. berichteteingehend über dieBeziehuugen zwischen
ErkrankungendesPaokreasund dem Auftreten desDiabetes. DieErgeb-
nisse dieser Auseinandersetzungen gipfeln in folgenden Sätzen: Je
schwerer ein Fall von Diabetes schon ist, destomehr ist zu befürchten,
dass das Auftreten von Pankreaskolik ein Coma einleitet, namentlich,
wenn die AnMle schwerer Natur sind. Nach dem klinischen Be¬
funde können wir in folgenden Fällen einen Pankreas diabetes an-
nehmen: Erstens, sobald eine Störung in der Resorption der Nahrung,
insbesondere der Eiweissstoffe und Fette, als ein Zeichen des
Fehlens des Pankreassecretes nachgewiesen ist, dann in den Fällen,
in denen während des Lebens Anfälle von Erkrankungen der
Bauchspeicheldrüse beobachtet werden. Für die Diagnose dieser Pan¬
kreaserkrankungen kommen zuerst die Schmerzanfälle in Betracht,
bei denen die Verwechslung mit Gallensteinkolik, Angina pectoris
und Magenleiden nahe liegt. Ein wichtiger Beweis ist ferner die
Feststellung einer Zirkulationsstörung, das Ausbleiben der reich¬
lichen Urinausscheidung nach einer stärkeren Flüssigkeitszufuhr,
eventuell das Auftreten von Ödemen an den Extremitäten.
2. Cumpe, Schnarsleben: SoharlaohÜierapie und Soharlaoh-
Prophylaxe. Verf. berichtet über die bisherigen Versuche und
Beobachtungen, welche mit dem Marpmann’schen Scharlachserum
bisher gemacht worden sind. Die Herstellung eines solchen Serums
bot ganz besondere Schwierigkeiten, da wir bisher über den Erreger
des Scharlachs noch völlig im Unklaren sind. Die bisher ge¬
machten Erfahrungen scheinen den Nutzen der Anwendung dieses
Serums darzutun, zumal in prophylactischer Beziehung. Verf. hält
es für durchaus angezeigt, sich dieses Serums zu bedienen, welches
weder irgend welche unangenehme oder bedenkliche Nebenwirk¬
ungen aufweist, noch in der Form der Verabreichung Schwierig¬
keiten bietet. Das Serum kann nämlich mit gleichem Erfolg sub¬
kutan und innerlich gegeben werden, und da ist natürlich die
Einverleibung per os als bequem und überall durchführbar vorzu¬
ziehen.
Therapeutische Monatehefle 1905, Dezember.
1. Freund, Danzig: th>er moderne Bigiitalispräparate.
Verf. unterzieht die gebräuchlidisten Digitalispräparate einer
eingehenden Erörterung und kommt auf Grund selbst beobachteter
Fälle zu dem Resultat, dass eine besonders schnelle Wirkung mit
dem Digalen erzielt wird. Rattmann hat die intravenöse An¬
wendung des Digalens empfohlen, und der Verf. kann sich diesen
Empfehlungen nur anschliessen. Die Technik der Injektion ist
folgende: Das Präparat wird mit einer gläsernen, auskochbaren,
mit Iridiumspitze versehenen Spritze am besten in der Ellenbogen¬
beuge injiziert, indem man die Vene durch Umlegen einer elastischen
Binde am Oberarm staut. Sowie die Canule in die Vene eindriogt,
pflegt eine Blutsäule in die Spritze einzudringen, als Zeichen, dass
man die Vene richtig getroffen hat. Die Dosis beträgt 3—10 ccm.
Diese auflalleode Höhe der Dosis scheint nur möglich wegen der
ungemein schnellen Ausscheidung durch die Niereo, welche Ratt-
mann annimmt, allerdings liegt hierüber ein experimenteller Nachweis
noch nicht vor. Nach etwa 2—5 Minuten tritt eine massige Blut-
drucksteigerung auf, welche etwa 24 Stunden anhält, eine Beein¬
flussung der Pulsfrequenz ist meist nicht festzustellen.
Ob die Anwendung der intravenösen Injection in der Praxis
sich so durchführen lässt, wie der Verf. meint, ist wohl noch
fraglich, immerhin erfordert sie eine ziemlich sichere und geübte
Technik.
2. Ulrici, Reiboldsgrün: Über die therapeutische 'Wirkung
des Styracols.
Verf. empfiehlt bei Tuberkulose in allererster Linie die An¬
wendung des Styracols. Das Präparat steUt den Zimmtsäureester
des Guajacols dar. Die Tagesdosis setzte der Verf. auf 3 mal
1,00 g in Tablettenform fest und hielt darauf, dass diese Tabletten
auch gekaut wurden. Die in ausführlichen Tabellen mitgeteilten
Resultate lassen allerdings ein recht günstiges Resultat erkennen.
Neben der günstigen Einwirkung auf den tuberkulösen Prozess
wird vor allem die desinfizierende und fkulniswidrige Wirkung des
Styracols auf den Darm hervorgehoben, welcher dieses Medikament
auch seine Verwendung als Antidiarrhoicum verdankt.
3. Rau, Wreschen; Kasuistische Hitteilungen über CoUar-
golbehandlung.
Verf. macht einige Mitteilungen über zwei von ihm mit intra-
venoesen Collargolinjectionen behandelte Fälle. Der erste Fall
betraf eine Sepsis, entstanden nach einem mit Zugpflaster be¬
handelten Furunkel, der zweite Fall war eine Puerperalkranke.
Verf. hat 2—4% Collargollösungen intravendes injiziert und gute
Resultate erzielt. Allerdings betont er, dass die relativ grosse
Flüssigkeitsmenge, etwa 3 Pravatzspritzen, einige Schwierigkeiten
bereitet, immerhin scheinen ihm weitere Versuche in ähnlichen
Fällen durchaus aogezeigt.
4. Aufrech t, Magdeburg; Eme neue Flasche für Säuglinge.
Verf. führt die bei Säuglingen so häufig auftretenden katarrha¬
lischen Pneumonien auf das Verschlucken von Milch zurück, weil
das Kind zu viel Flüssigkeit in den Mund’bekommt und dieselbe
nicht schnell genug bewältigen kann. Um dieser Gefahr zu ent¬
gehen, hat Verf. eine Milchflasche konstruiert, deren Hals seitlich
abgebogen ist und an der höchsten Stelle der Biegung eine zweite
Luftöffnung trägt. Nun kann man am Sauger die Öffnung ganz
klein machen, es wird dem Kind stets möglich sein so viel Milch
zu entnehmen als nötig, da die durch die zweite Öffnung nach-
dringende Luft das Saugen erleichtert.
5. Ehrmann, Berlin: Über eine neue Form der EiseU’Ver-
Ordnung.
Verf. hat Versuche mit den von Meissner angegebenen
Plenulae Blaudii bei Chlorose angestellt und diese Form der Eisen¬
darreichung sehr empfehlenswert gefunden. Diese Plenulae ent¬
halten Ferrum sulf., Natr. carbonic im Verhältnis von 9 ; 7,5.
Diese Substanzen werden mit wasserfreiem Lebertran verrieben
und imter Ausschluss von Luft und Wasser in Gelatinekapseln
eingeschlossen. Dadurch wird verhindert, dass sich Ferrumoxyd-
hydrat (Rost) bildet, welches im Magen nicht resorbiert werden
kann, sondern es bildet sich vielmehr Feirumoxydulkarbonat und
Glaubersalz. Das erstere'ist zur Resorption vorzüglich geeignet,
das letztere verhindert die bei Eiseudarreiohung sonst gewöhn¬
lichen Obstipationen. Der Lebertran endlich schützt die Magen¬
schleimhaut vor Verätzung durch das entstehende Eisensalz. Der
Verf. hat erstaunliche Wirkungen mit diesen Plenulae gesehen
imd empfiehlt dieselben dringend. Die Ordination lautet: Plenulae
Blaudii Meissner in scatula 3 mal tägl. 2 Pillen bei Erwachsenen,
3 mal tägl. 1 Pille bei Kindern.
Fortschritte der Medicih. 1905. No. 33:
1. Fleischer: Über autocbthoue Thorakalgeräusche.
Verfasser teilt einen bemerkenswerten auskultatorischen
Befund aus der Prof. Rosin’schen Poliklinik mit, dessen Er¬
klärung viel Wahrscheinliches bat. Bei einer wegen tuber¬
kulöser Lxmgenerkrankung vorbehandelten Frau von 33 Jahren
fand sich auskultatorisch in der linken fossa supraclavicularis, supra-
spinata und über dem ganzen linken Schulterblatt ein schwaches,
dauerndes, musikalisches Geräusch, dem Bienensummen ähnlich,
welches sich bei der Herzsystole verstärkte, bei angehaltene*- At¬
mung fast ganz verschwand. So lautete der erste Befund. Zur
Zeit, als Verf. die Patientin in Behandlung bekam, fand sich an
einer markstückgrossen, scharf umschriebenen Stelle, 4 cm nach
links vom 3. Brustwirbeldom ein mit der Herzsyatole einsetzendes,
diese überdauerndes schwaches Geräusch, bei der Inspiration deut¬
licher war es bei starker Ausatmung nur schwach hörbar. Die
Röntgenuntersuchung lässt das Vorhandensein von Anenrysmeu
ausschliessen. Verf. kommt unter Beachtung aller in Frage kom¬
mender Theorien zu dem Schluss, dass es sich um Verengerung
von Pulmonalarterien handelt, welche durch fortschreitende Schrumpf¬
ungs-Prozesse im Lungengewebe verursacht werden. Jedenfalls
erscheint es wichtig für den Praktiker, an derartige Ursacbeu
bei Thorakalgeräuscben zu denken.
2. Lohmann-Berlin: Das Stovain in der Infiltrations-
anästhesie.
Verf. empfiehlt für die Praxis die Verwendung des Stovains als
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MEDICINISGHE WOCHE.
Nr. 1.
Ersatz für Kokain und Eukain bei der Infiltrationsanästhesie. Das
Stovain ein synthetisch dargestelltes Dimethylaminobenzoyldime-
thylaethylcarbinol ist dreimal weniger giftig, als Kokain und hat sich
dem Verfasser auf das Beste bewährt. Es wird in Konzentrationen
von 0,5—1% angewandt und ebenso gebraucht, wie die anderen
älteren Mittel. Bemerkenswert ist, dass nur eine mäßige In- )
filtration schon genügt und man nicht zur prallen Oedemisation
(Schleich) zu schreiten braucht.
Ärztliches Fortbildungswesen.*)
Verzeichnis der Fortbildungskurse und Vorträge für
praktische Arzte einschliesslich der zahnärztlichen Fortbildungs¬
kurse im Deutschen Reiche während der Monate Januar, Februar,
März 1906.
Sofern die Kurse unentgeltliche sind, ist dies jedesmal
durch den Zusatz U. unentgeltlich besonders vermerkt, an¬
derenfalls sind sie honorierte Kurse. Städte, in welchen in
den Monaten Januar, Februar und März nur honorierte Kurse
stattfinden, sind gar nicht unterstrichen; Städte, in welchen inner¬
halb der genannten Monate nur unentgeltliche Kurse stattfinden,
sind einmal unterstrichen; Städte, in welchen unentgeltliche und
honorierte Kurse stattfinden, sind zweimal unterstrichen.
Die Teilnahme an den unentgeltlichen Kursen ist in der .
Regel nur den inländischen Ärzten gestattet. An den honorierten
Kursen können in- imd ausländische Arzte ohne jede Einschränk¬
ung teilnehmen.
Erklärung der Abkürzungen: V. —■ veranstaltet von; A. = ;
Auskunft erteilt; TJ. = unentgeltlich.
Alle Zuschriften, welche sich auf dieses Verzeichnis beziehen, |
werden unter der Adresse erbeten: An das Bureau des Zentral¬
komitees für das ärztliche Fortbildungswesen in Preußen, Berlin
W 30, Elßholzstr. 13, von Anfang März 1906 im Kaiserin Fried- i
rich-Hause, Berlin NW 6, Luisenplatz 2—4.
Altona: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort-
bildungswesen. U.: Oktober bis März. Innere Medizin; Chirurgie;
Pathologische AnatomiePsychiatrie. A.: Dr. Hueter, Städt.
Krankenhaus.
Barmen: V. Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort- |
bildungswesen. U.: Mitte November bis Ende Februar. Innere i
Medizin, inkl. Neurologie; Chirurgie; Gynäkologie; Augenheil¬
kunde. A.: Dr. Ed. Koll.
B e r 1 in: V.: a) Zentralkomitee für das ärztliche Portbild- i
ungswesen in Preussen. U.: I. Bis Ende Januar Fortsetzung des |
am 1. November begonnenen Kurszyklus. II. März und April: j
Vortragszyklus ijber „Grenzgebiete der Medizin.“ A.: Äechnungs- j
rat Traue, Berlin NW., Kgl. Charite. i
b) Dozentenverein für Ferienkurse. Im Monat März. Eis !
werden sämtliche Disziplinen berücksichtigt. Die klinischen Kurse j
sind mit praktischen Übungen verbunden. A.: H. Melzer, j
Berlin N, Ziegelstr. 10/11 (Langenbeckhaus).
c) Verein für ärztliche Fortbildungskurse. Das ganze I.
Quartal hindurch 4 wöchige Kurse in allen Disziplinen. (Die
klinischen Kurse mit praktischen Übungen.) A.: Medizinisdie
Buchhandlung Otto Enslin, Berlin NW., Karlstr. 32. |
d) Vereinigung zur Veranstaltung von Kursen für praktische j
Arzte. Das ganze I. Quartal hindurch 4 wöchige Kurse in fast
allen Disziplinen. (Die klinischen Kurse mit praktischen Übungen.) :
A.; Buchhandlung Oskar Rothacker, Berlin N. 24, Friedrichstr.
105b.
e) Kommitee für zahnärztliche Fortbildungskurse. U.: Von
Mitte Januar 4—6 Wochen dauernd: Auskultation und Perkussion,
Regulierungen, Porzellanfüllungen, allgemeine und lokale Anä- !
sthesie, zahnärztliche Technik. A.: Zahnarzt Dr. Cohn, Berlin !
W., Markgrafenstr. 63. i
Bielefeld: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort¬
bildungswesen. U.: Januar bis April. Innere Krankheiten. A.:
San.-Rat Dr. Huchze rmeier.
5*) Wir entnehmen diese für alle^praktischen Ärzte höchst wichtigen ^
Mitteilungen der „Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“ 11. Jahrg. Nr. 24. |
Breslau: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Forh-
bildungswesen. U.: Oktober bis Juli. Sämtliche Disziplinen
werden berücksichtigt. A.: Prof. Dr. Tietze, Scdweidnitzer
Stadtgraben 23.
Chemnitz: V.: Ärztlicher Kreisveretn und ärztlicher Bezirks¬
verein. U.: Jeden Sonnabend patboh-anatom. Demonstrationen,
jeden ersten Freitag im Monat Chirurgie, innere Medizin und
pathol. Anatomie. A.: Hofrat Dr. Hüfler.
Cöln: V.: Komitee der Fortbildungskurse deutscher Zahn¬
ärzte im Rheinlande. U.: Wintersemester 1906/06. A.: Dr.
Baldu 8 in Cöln,
Danzig: V.: Lokale Vereinig^ung für das ärztliche Fort¬
bildungswesen. U.: Januar, Februar, März. Erkrankungen des
Auges, Röntgendiagnostik in der inneren Medizin, Bakteriologischer
Kurs. A.: Dr. A. Walleuberg, Passage.
Dresden: V.: Kgl. Frauenklinik. Neben den klinischen
Vorträgen des laufenden Semesters ein Korszyklus vom 15. Jan.
bis 23. Februar, in welchem berücksichtigt werden: 1. Gynäko¬
logische Diagnostik; 2. Geburtshilflich-seminaristische Übungen;
3. Geburtshilfliche Operationsübungen am Phantom; 4. Gynäko¬
logische Operationsäbungen am Psantom ; 5. Diagnostische Übungen
an Schwangeren; 6 Mikroskopische gynäkologische Diagnostik.
(Kurs 1 und 2 U.) A.: Direktion oder Anstaltsverwaltung.
Duisburg: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort-
bildungswesen. I. Vom 4. Dezember bis 2. April ein honorierter
Kurs, n. Anfang Dezember bis Ende April. U.: Pathol. Ana¬
tomie, (Wissenschaftliche Wanderversammlung). A.: Dr. Coss-
mann.
Düsseldorf: V.: Lokale Vereinigung für das ärztliche Port¬
bildungswesen. U.: März bis Juni. Frauenkrankheiten, Chirurgie,
Nerveukrankbeiten, Kehlkopf- und Ohrenkrankheiten, Hautkrank¬
heiten. A.: Prof. Dr. Hoffraann.
Elberfeld: V,: Lokale Vereinigung für das ärztliche Fort¬
bildungswesen. U.: Januar bis April: Innere Medizin, Chirurgie,
Hautkrankheiten und 'Syphilis, Pathol. Anatomie, Bakteriologie,
Hygiene. A.: San.-Rat Dr. Kleinschmidt.
Erfurt: V.: Vereinigung für ärztliche Fortbildungskurse in
Jena, ü.: Dezember, Januar und Februar; Innere Medizin,
Chirurgie, Geburtshilfe, Psychiatrie, Hygiene, A.: Prof. Dr.
Gärtner in Jena.
Frankfurt a. M.; V.: a) Lokale Vereinigung für das ärztliche
Portbildungswesen. U.: Fortsetzung der im Oktober 1905 be¬
gonnenen Kurse bis April 1906. A.: Stadtarzt Dr. Koenig,
Frankfurt a. M. b) Komitee für zahnärztliche Fortbildungskurse
in Frankfurt a. M. TJ.: November 1905 bis Februar 1906.
Kurse für Zahnärzte und Nichtzahnärzte. A.: Bureau des Dr.
Senkenbeggischen Bürgerhospitals, Stiftstr. 30.
Hamburg: V.: Direktion des Allgemeinen Krankenhauses St.
Georg. U.: 19. Februar bis Ende März: Innere Medizin, Magen¬
krankheiten, Rückenmarkerkrankungen, Grössenbestimmung des
Herzens nach Perkussion und Orthodiagramm. Ulcus molle und
hereditäre Syphilis, Chirurgie (Klinik und Poliklinik), Röntgen¬
technik und Diagnostik der Röntgenplatten, Massage, Augen¬
spiegelkurs, Krankheiten des Obres, Sprech-, Stimm- und Atmungs¬
störungen, Rhinologie und Laryngoskopie, pathol. Anatomie, mikrosk,
Diagnostik. Ä.: Dr. Deneke , Direktor des Allgemeinen Kranken¬
hauses St. Georg.
München: V.: Vereinigung für ärztliche Fortbildungskurse.
I. U.: Dezember bis Februar. Moderne Behandlung von Heri-
krankheiten, Nervenkrankheiten, Kinderkrankheiten, Chirurg. Be¬
handlung innerer Krankheiten, Überblick über die Röntgenlehre,
innere Medizin, pathol. Anatomie. A.: Dr. A. Jordan, Leasing¬
strasse 4. II. Zu Beginn der Osterferien honorierter Röntgenkurs.
A.: Prof. Dr. Rieder, Briennerstr. 14.
Nürnberg: Mittelfränkische Ärztekammer. U.: November
bis April. Innere Medicin; Chirurgie; Gynäkologie; Psychiatrie;
Dermatologie; Pathologische Anatomie. A.: Hofrat Dr, L. Schuh,
Hauptmarktstraße 26.
Posen: V.: Vereinigung für das ärztliche Fortbildungsweseu.
U.: 10. Februar bis 28. April. Näheres noch nicht bestimmt.
A.: Prof. Dr. Wernicke.
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1906.
MEDICINTSCHE WOCHE.
11
Pyrmoiit: V.: Vereiuigung für ärztliche Fortbildungskurse.
U.; Zu Anfang des Jahres 1906. Näheres noch unbestimmt. A.:
Prof. Dr. Schücking.
Stettin: V.: Vereinigung für das ärztliche Fortbildungswesen.
U.: Mitte Januar bis Ende März. Innere Medizin, Chirurgie,
Hygiene. A.: Dr. Opitz.
Akademien für praktische Medicin. Die Berufung der
Lehrkräfte für die Akademie für praktische Medicin in
Düsseldorf, deren Eröffnung bevorsteht, ist jetzt erfolgt.
Fünf dirigierende Abteilungsärzte wurden an die Allgemeinen
städtischen Krankenanstalten in Düsseldorf berufen: für die
Abteilung für innere Medicin und Nervenkrankheiten der Düssel¬
dorfer Arzt Prof. Dr. raed. August Hoffmann, für die Ab¬
teilung für Nasen-, Hals- und Ohrenkrankheiten der Spezialarzt
Sanitätsrat Dr. Peter Keiraer (Düsseldorf), für die Abteilung
Bakteriologie, Infektionskrankheiten und experimentelle Hygiene
der Privatdozent für Pharmakologie und Assistent bei Geheim¬
rat Binz am pharmakologischen Institut der Bonner Uni¬
versität Prof. Dr. Hermann Wendelstadt (gebürtig aus Köln
a. Rh.), für die Abteilung für Kinderheilkunde Professor Dr. med.
Arthur Schlossmann, dirigierender Arzt des Säuglingheimsund
der Kinderpoliklinik und Extraordinarius für physiologische Chemie
und allgemeine Physiologie an der Technischen Hochschule in
Dresden, schliesslich für die Abteilung Frauenkrankheiten und
Geburtshilfe der a. o. Professor für Gynäkologie und Geburtshilfe
und erster Assistent bei Prof. Krönig an der Gynäkologischen
Klinik der Universität Fr ei bürg i. Br. Dr. med. Hugo Sell-
heim. Anfang Januar 1906 sollen noch die Leiter für die Ab¬
teilung für pathologische Anatomie, für Haut- und Geschlechts¬
krankheiten und für Augenkrankheiten gewählt werden. Zum
Direktor der Düsseldorfer Krankenanstalten und der künftigen
Akademie für praktische Medicin wurde bekanntlich im Januar
1904 der ordentliche Honorarprofessor an der Bonner Universität
Dr. med. Oskar Witzel ernannt. Er wird zugleich die chirurgi¬
sche Abteilung leiten.
Vermischtes.
Bsrlin. nDie willkürliche Musk elbewegung mit Ein¬
schluss des Veits tanz es* besprach am 8. d. Mts. der Kinderarzt
Dr. W. Pürstenheim in der Pädagog. Kommission des Er-
ziehungs-und Pürsorgevereins für geistig zurückge¬
bliebene (schwachsinnige) Kinder. Der Vortragende behandelte
zuerst, nachdem er eine schematische Übersicht über die Hauptformen
unwillkürlicher Muskelbewegung gegeben hatte, die ins Gebiet der
pädagogischen Pathologie fallenden Bewegungen, die teils auf Er¬
regung, teils auf Hemmungslähmungen beruhen. Dann führte er
weiter aus: Auf der Grenze zwischen pädagogischer und medi¬
zinischer Pathologie stehen die nervösen Bewegungsgewohnheiten,
die nach Entstehung, Verlauf und Bewegungscharakter verwandt,
aber meist doch deutlich zu trennen sind von den sogen. Ticzu¬
ständen, die schon völlig in die medizinische Pathologie gehören.
Eine besondere Rolle im Rahmen unwillkürlicher Muskelbewegung
spielen die Veitstanzbewegungen, die entweder als Teilerscheinung
anderweitiger Erkrankungen des Nervensystems auftreten, oder
aber ein eigenes Krankheitsbild, den Veitstanz, ausmachen, das
sich im Gefolge verschiedener Infektionskrankheiten, sehr häufig
des Rheumatismus, entwickelt. Bei belasteten, schwächlichen
Kindern genügt schon ein geringer Anlass: Schreck, Pall u. a., um
die Krankheit hervorzurufen. Wichtig für den Lehrer ist die
Kenntnis des] hysterischen Veitstanzes, der sich auf dem Wege
der Nachahmung verbreitet; sämmtliche bisher in Schulen beob¬
achtete Veitstanzepidemien entpuppen sich bei näherem Zusehen
als hysterische Erscheinungen, Der Schule selbst kommt bei der
Entstehung der Krankheit nur eine sehr geringe Rolle zu, wohl
aber führte Unkenntniss der ersten Anfänge, vor allem der psy¬
chischen Erscheinungen, leicht zu ungerechtfertigten Bestrafungen,
die den Krankheitslauf in ungünstigem Sinne beeinflussen. Be¬
sonders in der Hilf^hule, die ja eine Ansammlung schwächlicher
und belasteter Kinder darstellt, ist eine Vertrautheit der Lehrer
mit solchen krankhaften Zuständen, deren Verkennung das kranke
Kind und seine Mitsdiüler gefährdet, notwendig, Jn der Diskus¬
sion des mit Dank aufgenommenen Vortrages wurde u. a. festge¬
stellt, dass man die ausgeprägte Porm des Veitstanzes in den
Schulen selten, dagegen die veitstanzähnlichen Bewegungen —
besonders in den Nebenklassen — häufiger beobachten könne.
Lsipzig. Die Ortsgruppe Berlin des Verbandes der
Ärzte Deutschlands (Leipziger Verband) errichtet in nächster
Zeit ein Seminar für soziale Medicin, das sich die Aufgabe stellt, die
Kenntnis der bestehenden sozial-mediciniscben Einriditungen und
der Mittel und Wege, die dem praktischen Arzte zu Gebote stehen,
um diese Krauken nutzbar zu machen, unter Ärzten, Mediciual-
praktikanten und älteren Studierenden zu verbreiten.
Diesem Zwecke sollen dienen: Besichtigungen der einzelnen
Institutionen in Verbindung mit Vorträgen und seminaristis<fiien
Übungen, deren Abhaltung Spezialfachmänner Übernommen haben.
Vorgehen und Verteilung von Merkblättern, Musterbeispiele für
Gesuche und Atteste, Erörterung der einzelnen Verfahren im Be¬
reiche des Arbeiterversicherungswesens u. a. m. Das Seminar soll
Anfang Februar 1906 eröffnet werden. Die Teilnahme ist kosten¬
los, nur haben die Teilnehmer entstehende Fahrkosten selbst zu
tragen; sie steht allen Kollegen, nicht nur Mitgliedern des
Verbandes, frei. Ein Arbeitsplan wird Mitte Januar veröffent¬
licht, der Schriftführer der Ortsgruppe Dr. A, Peyser, C. 54.,
Hackescher Markt 1, beantwortet Anfragen und erteilt Auskünfte.
Hochschulnachrichten.
Breslau. Der ordentliche Professor der Chirurgie und
Direktor der chirurgischen Klinik und Poliklinik an der Bres¬
lauer Universität, Geh. Medicinalrat Dr. Karl Garr6, ist zum
Mitglied des Medicinalkollegiums der Provinz Schlesien ernannt
worden. — Dr. R. Stich hat sich für Chirurgie habilitiert.
Göttingen. Priv.-Doz. Dr. E. Schreiber ist als Nach¬
folger von Gebeimrat Aufrecht zum Oberarzt der inneren Ab¬
teilung des altstädtischen Krankenhauses in Magdeburg gewählt
worden.
Preiburg i. B. Die Gesamtfrequenz der Universität be¬
trägt 1641 immatrikulierte Studierende gegen 1501 im vorigen
Wintersemester. Davon entfallen anf die medicinische Fakultät
464, darunter 82 Pharmazeuten.
Heidelberg. Der Dozent der Chirurgie an der hiesigen
Universität Dr. Kaposi ist zum Leiter des Joseph-Krankenhauses
in Breslau berufen worden. — Der Privatdozent am physiologischen
Institut Dr. H. Steudel hat einen Ruf als Ordinarius an die
Washington-Universität in St. Louis erhalten.
Kiel. An Stelle des verstorbenen Klinikers Nothnagel in
Wien sollte Geheimrat Quincke in Kiel gewonnen werden; da
ihm jedoch keinerlei Garantien für etwa nötige Verbesserungen
gegeben werden konnten, sind die Verhandlungen ergebnislos ver¬
laufen.
Königsberg. Dr. W. Küsel ist zum Oberarzt der Uni¬
versitäts-Augenklinik ernannt.
München. Zum ausserordentlichen Beisitzer bei demModi-
cinalkomitee an der Universität München wurde der ordentliche
Universitätsprofessor Dr. Theodor Paul in München ernannt und
derselbe mit Vornahme chemischer Untersuchungen in gericht¬
lichen Fällen betraut.
Würz bürg. Die phyaikalisch-medicinische Gesellschaft er¬
nannte in ihrer diesjährigen Geschäftssitzung zu korrespondierenden
Mitgliedern die Herren Christian Bohr, Professor der Physiologie
an der Universität Kopenhagen. W. Einthoven, Professor
der Physiologie an der Universität Leiden. Max Neuburger,
Professor der Geschichte der Medicin in Wien und B. Spatz,
Redakteur der Münch, med. Wochenschrift in München.
St. Petersburg. Dr. K. Suslow wurde zum ausser¬
ordentlichen Professor der operativen Medicin am mediciniscben
Institut für Frauen ernannt.
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12
mDICINISCHE WOCHK.
Kr. 1.
Neu niedergelassen
haben sich in
Altroggenrahmede i. V. Dr. med. Wiih. Siemon. — Freien¬
steinau (Hess,) Dr. med. Betcke. — München. Dr. Oscar Ilaap.
— Neugersdorf (Sa.) Dr. med. Carl Bevermann. — Nüniherg.
Dr. med. A. Hass. — Pethau. Dr. med. Fr. Recke. — Wacken
i. H. Dr. med. E. Hahn. — Worms, Dr. med. L. Schopp. —
Zittau. Dr. med. Max Rudolph.
Familien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Johanna Hipp i. Strassburg mit Herrn Dr. med. Albert
Brecke, Chefarzt der deutschen Heilstätte zu Davos - Wolfgang.
Frl. Johanna Herrmann in Ulm mit Herrn Dr. med Alfred
Mendler, Frl. Maria Bang mit Herrn Dr. med. W. Weber,
beide in Marburg. Frl. Lotte Apt in Charlottenburg, mit Herrn
Dr, med. William Ledermann in Berlin. Frl, Lissy Boden
in Gelsenkirchen mit Herrn Dr. med. Franz Göckeler in Langen¬
dreer. Frl. Edith Rockstroh mit Herrn Dr, med. Josef Wein¬
garten in Köln. Frl. Ella Loewenthal mit Herrn Dr. med.
Rudolf Kiwi, beide in Berlin. Wittwe Margarete Mendelsohn
mit Herrn Dr, med. H. Steinberg in Dortmund. Frl. Else Hey-
demann in Frankfurt a. 0. mit Herrn Dr. med. Heinrich Gott-
getreu in Münster. FrL Eva Michaelis mit Herrn Dr. med. Frieden¬
heim, beide in Berlin, Frl. Gertrud Ascher mit Herrn Dr. med.
Siegfried Loewenstein beide in Stuttgart. Frl. Hedwig Auerbach
in Köln mit Herrn Dr. med. Emst Benedix in Göttingen. Frl,
Elfriede Wengler mit Herrn Dr. med. Walter Sesse, beide in
Göttingen. Frl. Erike Martha Rohrbecke mit Herrn Dr. med.
Walter Carl Gottfried Carlsburg in Hamburg. Frl. Margarete
Sasse in Magdeburg mit Herrn Dr. med. Fritz Becker, Oberarzt
im 3. Garde-Feldartillerie-Regiment in Beeskow-Berlin. Frl. Anna
Schuster in Köln mit Herrn Dr. med. Arthur Bernstein in Rura-
melsburg-Berlin.
Vermählt:
Herr Dr, med, Walter Wolff mit Frl. Margarethe Kühn-
Schumann in Berlin. — Herr Dr. med. Fritz Barthelmes mit
Frl. Else Str^ser in Wassertrüdingen (Bayern). — Herr Sanitätsrat
Dr. med. Ludwig Bleckmann mit Frl, Else Basse in Hannover.
Geboren:
Einen Sohn: Herrn Dr. med. Hamm in Lütgendortmund.
Eine Tochter: Herrn Marine-Stabsarzt Dr. med. Knoke
in Kiel. — Herrn Dr. med. E. Harig in Stollberg, (Erzgeb.) —
Herrn Dr. med, H. Stroux, in Heimbach (Eifel). — Herrn Dr.
med. Sigmund Kapff in Aachen. — Herrn Dr. med. W, Sommer
in Hohenstein-Emstthal i. S. — Herrn Dr. med. W. Bemdt in
Wigandsthal.
Gestorben:
Geh. Medizinalrat Dr. med. Karl Merkel in Ziegenhain. —
Dr. med. Hermann Kaddatz, Oberstabsarzt 1. Kl. a. D. in
Wilmersdorf b. Berlin. — Sanitätsrat Dr. med. Franz Julius
Kaulfers in Chemnitz. — Medizinalrat, Kreisphysikus Dr. med. H.
Reuter in Güstrow. — Dr. med. Hans Benzler in Sterkrade.
— Dr, med. Fried. Paul Schulze in Dresden. — Dr. med. Johann
v. Flanss in Breslau. — Dr. med, J. Seidemann in Prachno-Augezd
(Böhmen). •— Generaloberarzt a. D. Dr. med. Emil Pieper in
Langfuhr.
Patentnachrichten.
Anmeldungen.
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Dr. Willy Lüboll, Klein-Zscbachwitz,
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rädrigen Fahrgestell abnehmbar gelagerte, mit Armlehnen und Tragarmen
versehene Sitzliegematraze. Wilhelm Brockmüller, Lübeck.
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(Ausführliche Besprechung einzelner nachstehend verzeichneter Werke be¬
hält sich die Redaktion vor.)
Aus dem Verlage von Carl Marhold in Halle a. S.:
Arnold, Dr. med. in Ulm. Diit and Lebensweise. IIIS.8^ M. 1,50.
Bokelmanii, Dr. Vf. in Berlin. Über die Anwendnag äusseren Dniekes
bei Schädellagen. S6S. 8”. M. 1,—.
Bresler, Oberarzt Dr. Job. in Lublinitz. Wie beginnen Geisteskrank¬
heiten! 56 8.8«. M. 1,—.
Bruns, Prof. Dr. L. in Hannover. Die Hysterie ia Kindesalier.
2. Aufl. 85 8. M. im
Grnbe, Dr. med. in Hamburg. Der vordere Scheldenlelbsehnitt, seine
Technik und Indikation, alt Inter operatloneH anfgenomntenen
SitnatiousbUdem. Mit Illustrationen im Text und 11 Tafeln.
62 S. 8«. M. 3,—
Bier, Hyperämie als Heilmittel. Leipzig bei F. C. W. Vogel, 1905.
Marburg, Die physikalischen Heilmethoden ln Elnieldarstellongen.
Leipzig-Wien Franz Deuticke, 1905.
Pal, Genssuisen. Leip^ S. Hirzel, 1905.
MUblns, Die Migräne. Wien Alfred Hölver, 1903.
Heepke, Die Kadaververnichtangs-Anlagen. Halle Carl Marhold, 1005.
MarwedeL Grundriss and Atlas der allgemeinen Chlmrgie. München
J. F. Lebroann, 1905.
Brähl, Grundriss und Atlas der Ohrenheilkunde. München J. F. Leh¬
mann, 1905.
Hnndeshagen, Eiufflhrung ln die ärztliche Praxis. Stuttgart Ferd.
Enke, 1905.
Grashey. Atlas typischer R&ntgenbllder. München J.F. Lehmann, 1905.
Blumenihal, Stonwechselkrankheiten. Wien-Leipzig A. Hölver 1906,
Salzer, Leitfaden zum Augenspiegelknrs. München J. F. Lehmann.
1905.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adresse: Ärztliches Anskunfls-Bureau des Gesohäfts-Anssohnssea der
Berliner ärztlichen Standeevereine Im Mediolnlsohen Waarenhanee (Akt.-
Ges.}, Berlin N., Frledrlohetrasee 108 I.
Für persönliche Rücksprache ist Herr Dr. JoMhIa tUflielL TOB VtS^/t^ VbT ><&
Medicinischen Waarenhause anwesend (Mil sUtiger Erlaubnis des Geschafts-Auctchuuei
der Berliner ärztlichen Standesvereine rom Auskunfts-Bureau der Med, Woche Qbermittelt.)
In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1940.
In Berlin wird für sofort ein Assistent für augenärztl. Poli¬
klinik gesucht. Näheres unter No. 1945.
In Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent
gesucht. Näheres unter No. 1951.
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1956.
In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1959.
In Westpreussen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter
Vertreter gesucht. Näheres unter No. 1970.
In Schlesien wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 1981.
Veramwortliolier Kcdakieur : Dr. l*. Meissner, Ueriin W. 6*, Knrfurstenstr. 81. — Vevantwortlioli für den \n/'-igenieil: E. Abel, Ris'lorf.
Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. — Druck von Heyncmann'sclie Biichdnickerei, Gebr. WolfF, Halle a. S.
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i
Medicinische Woche
R. Dentschmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, C. Jacobi,
Hanburg. Berlin. Berlin. Preiburg i, Br.
H. Senator, A. Sommer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a* Uhlandstrasse 6.
Td.'Adr.; Marhold Verlag Hallesaate. Fernsprecher 2834.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricht, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W. 62« Knrtflretenstrasse 81«
Dr. P. Meißner.
Vn. Jahrgang.
8. Januar 1906.
Nr. 2.
Die flMcdicinjsche Woche* erscheint jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeitimg, Organ des Allgeneiiien Deutschen Biderverbandes, des Schwarzwald-
bSdertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buch¬
handlung, die Post, sowie die Veriagsbuchbandlung von Carl Marhold in Halle a.S. en^^en. Inserate werden fßr die 4spaitige Petitzeile oder deren Raum mit SO PI. berechnet.
Beilagen nach Uebereinkunft ReUamezeile 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt Brmässignng etit
Nadidnick der Orlginal-Aufsitze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
(Aus der IHihrssen*sehen PrivatamstuU für Gynä¬
kologie und G^urtshUfe.)
Der praktische Arzt und das Uteruscarcinom.
Von A. DÜhrßsen-^erlin.
Für jeden praktischen Arzt, welcher überhaupt bei
Frauenleiden um Rat gefra^ wird, also in erster Linie auch
für den Hausarzt , gibt es Kaum eine wichtigere Frage
als die Frühdiagnose des Uteruscarcinoms — weil
das definitive Schicksal der am Uteruskrebs leidenden Frauen
in erster Linie von der rechtzeitigen Diagnose des Hausarztes
und dann erst von der Operation des Fachgynäkologen abhängt.
Die Verantwortlichkeit des praktischen Arztes
dem Uteruscarcinom gegenüber ist deswegen in
der Neuzeit so ausserordentlich gestiegen, weil das
Uteruscarcinom durch die rechtzeitige Exstirpation des Uterus
und seiner Umgebung ein heilbares Leiden geworden ist — und
zwar sind beim üteruscarcinom die Heilungschancen gegenüber
dem Garcinom anderer Organe besonders günstige, falls eb^en dem
Operateur die Kranke frühzeitig zur Operation überwiesen wird.
Diese Verantwortlichkeit besteht nicht nur dem eigenen
Gewissen gegenüber, sondern kann bei der fortschreitenden
Aufklärung des Publikums auch eine strafrechtliche werden.
Dies sollten sieb besonders die nichtoperierenden G^äkologen,
die noch als Fossilien der ersten Epoche der Gynäkologie, so¬
gar in akademischen Stellungen, in die Jetztzeit hineinragen,
und die Naturärzte, Schweninger an der Spitze, ad notam
nehmen, welche entgegen den grundlegenden Lehren von Vir-
chow die Behauptung aufstellen, das Garcinom sei nur der
lokale Ausdruck eines allgemeinen Dyscrastie und könne daher
nicht durch Operation, wohl aber durch eine enfprechende phy¬
sikalisch-diätetische Behandlung geheilt werden. Dieser Aus¬
spruch zeugt von einer so krassen Unwissenheit in Bezug auf
fundamentale Lehren und Erfahrungen der Gynäkologie, dass
es schwer wird, an die bona fides dieser Herren zu glauben.
Mögen sie denn wenigstens einmal den Beweis für mre Be¬
hauptung dadurch antreten, dass sie einen von einer Ärzte-
Kommission als Uteriiskrebs erkannten Fall durch ihre Be¬
handlung heilen. Wir Frauenärzte sehen leider die traurigen
Folgen dieser Behandlungsweise täglich bei den unglücklichen
Frauen, deren Uteruscarcinom unter dieser Behandlung
inoperabel geworden ist und ihnen einen q^ualvqllen Tod bereitet.
Denn neben den Naturärzten, die approbierte Arzte sind, ist es
das grosse Heer der Kurpfuscher, welches bei diesen unglück¬
lichen Frauen unter Berufung auf ihre ärztlich approbierten
Oberkollegen durch seinen Hokuspokus die verdorbenen Säfte
in gesunde umwandeln will. — Wir auf dom Boden der Wissen¬
schaft stehenden Ärzte können von diesem Treiben nicht weit
genug abrücken und müssen uns daher bemühen, jeden Fall
von Üteruscarcinum so früh wie möglich zu erkennen, um dem
wissenschaftlichen Ideal auf diesem Gebiet immer näher zu
kommen. Dieses besteht darin, dass keine Frau mehr an Uterus-
carcinom stirbt. Die Fachgynäkologen haben zwecks Erreichung
dieses Ideals ihre Operationsmethoden, immer mehr zu
vervollkommnen und die praktischen Ärzte haben die
Pflicht, jedes weibliche Individuum sofort gynä¬
kologisch zu untersuchen, welches über Ausfluss,
Blutungen oder Schmerzen klagt. Wird die Unter¬
suchung verweigert, so hat der Arzt die weitere Pflicht, die
Kranken darauf aufmerksam zu machen, dass der Ausfluss oder
die Blutungen — selbst wenn diese Symptome nicht von
Schmerzen begleitet sind — durch eine ernste Erkrankung be¬
dingt sein können, deren Vernachlässigung den Tod herbei-
ruhren kann. Hierbei ist noch zu betonen, dass fast alle gy¬
näkologischen Erkrankungen sich speziell durch die beiden
ersten Symptome manifestieren, und dass daher bei der Fülle der
Erkrankungen ohne Untersuchung die Entscheidung unmöglich
ist, ob es sich um einen harmlosen Katarrh, eine Abortblutung
oder ein bösartiges Leiden handelt Machen selbst diese Aus¬
führungen keinen Eindruck, so hat der Arzt nur noch die
Pflicht, der Pat die unverzügliche Konsultation eines Fach¬
gynäkologen zu empfehlen.
Es müssen also solche Tatsachen, wie die von Winter für
Ostpreussen gefundenen,,,schleunigst aus der Welt geschafft
werden, dass „von 225 Ärzten 32, also 14,2%, den folgen¬
schweren Fehler begangen haben, ihre Krebskranken gamicht
zu untersuchen, sondern sie ihrem Schicksal zu überlassen !**
Man sage sich also als praktischer Arzt nicht, „ich habe 999
Fälle mit Ausfluss und Blutungen untersucht und nie ein Gar¬
cinom gefunden, ich will also die 1000 ste Pat. nicht untersuchen,
weil ihr die Untersuchung unangenehm ist“, sondern man halte
sich vor Äugen, dass grade die 1000ste Pat. ein Garcinom
haben kann!
Einen gewissen Widerstand setzen die meisten Frauen, die
bluten, einer sofortigen Untersuchung aus dem Grund entgegen,
weil sie sich geniren, sich währena der Blutung untersuimen
zu lassen, sie erklären also dem Arzt, sie mosten erst das
Ende der Blutung abwarten, ehe sie sich untersuchen liessen.
Leider gehen manche Ärzte hierauf ein oder geben sogar den
Frauen die Anweisung, erat nach beendeter Blutung zur Unter¬
suchung zu kommen. Hierdurch wird kostbare Zeit versäumt,
weil die Blutung Wochen lang andauern kann oder überhaupt
nicht aufhört, falls es sich um eine bösartige Uterusneubildung
handelt.
Hat man nun die verschiedenen Hindernisse, welche sich
dem Vorschlag der sofortigen Untersuchung entgegenstellen,
überwanden, so ist die Diagnose des Uteruscarcinoms in der
Mehrzahl der Fälle eine leicbte, zumal in den vorgeschrittenen
Fällen, deren es ja leider genug gibt, weil manche Frauen
Wochen- und monatelang mit Blutungen umherlaufen, ehe sie
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14
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 2.
ärztUclien Rat in Ansprach nehmen. In diesen Fällen fUhlt
der in der Scheide eingeführte Fiijger die Portio in einen
grossen höckerigen Tumor verwandelt, von welchem sich mit
dom Finger oder dem scharfen Löffel unter stärkerer Blutung
grosse, markige Brockel ablösen lassen — oder man fühlt
an Stelle der Portio eine von unregelmäßigen Rändern um¬
gebene Uffnung im Scheidengewölbe und eine darüber gelegene
Höhle oder einen Kanal, von dessen Wänden sich die eben
erwähnten Brockel in der beschriebenen Weise ablösen lassen.
Die mikroskopische Untersuchung der entfernten Massen wird
dann die Diagnose bestätigen.
Nicht ganz so einfach ist die Diagnose bei den beginnenden
Portio- und Cervixcarcinomen, sowie bei dem Corpuscarcinom.
Bei dem beginnenden Portiocarcinom ist die direkte Inspektion
mittelst Spiegeluntersuchung sehr wichtig. Von einer einfachen
Erosion unterscheidet sich das beginnende Portiocarcinom durch
seine Farbe, die keine hochrote ist, sondern einen grauen resp.
gelben Farbenton aufweist. Es dokumentiert seinen Charakter
als Neubildung ferner dadurch, dass es über das Niveau der
gesunden Portioabschnitte wallartig in die Höhe ragt, als ob
es auf die Portio aufgeklebt wäre. Fasst man nun dies Ge¬
bilde mit der Kugelzange, so schneidet diese wie durch Butter
durch das Gewebe durch; auch der scharfe Löffel sinkt bei leichtem
Druck in die Neubildung ein und trennt von ihr markige
Bröckel ab. Beide Erscheinungen fehlen bei einer gutartigen
Erosion.
Bei einem beginnenden Carcinom der Cervicalscbleimhaut
kann die Aussenfläche der Portio, sowie der Muttermund ganz
normal erscheinen, der scharfe Löffel oder die Curette vermögen
aber von der Wand des Cervicalkanals grössere, markige Brö<^el
abzulösen, was bei einer einfachen Entzündung der Cervical-
schleimhaut nie möglich ist.
Dieselben Massen werden auch bei den bösartigen Ge¬
schwülsten der Corpushöhle zu Tage gefördert, wozu aber ein
methodisches Curettement erforderlich ist. Will der Arzt ein
solches nicht unternehmen, so steht ihm als weiteres diag¬
nostisches Mittel die Laminaria-Erweiterung und nachfolgende
Austastung der Corpushöhle zur Verfügung, bei welcher man
die bösartigen Wucherungen direkt mit dem Finger fühlt. Doch
ist auch diese Methode nicht ungefährlich und daher nicht
prinzipiell zu empfehlen.
Die zu Tage geförderten Massen sind von einem kompe¬
tenten Gynäkologen mikroskopisch zu untersuchen! Ob der
Arzt, nachdem er die oben beschriebenen Befunde bei Portio¬
oder Cervixcarcinom erhoben hat, noch eine Probeexcision aus
den verdächtigen Partieen machen, oder den Fall dann sofort
Feuilleton.
Wie kam die Cholera im Jahre 1892
nach Hamburg?
(Schloss.)
Wenden wir uns jetzt zu der Cholera-Epidemie in Ham¬
burg, die im August 92 ausbrach und mehr als 8200 Personen
dahinraffte, so ist zunächst bemerkenswert die gleichfalls
explosionsartige Ausbreitung der Seuche. Am 14. oder 15.
August wurde der erste sicher feststehende Cholerafall be¬
obachtet und bereits am 19. wurden 20 tötliche Fälle, folgenden
Tages 49 ErkrankungsfäUe, am 29. aber über 1100 Er^ankungen
an einem Tage gezählt.
Der Medizin^in^ektor von Hambu^, Herr Dr. Reineke
bemerkt in seinem Vortrage über die „(jholera in Hamburg“
am 13. 12. 02 — veröffentlicht in der „Deutschen med.
Wochenschrift“ Nr. 3, 4, 5, 1893 — „hier liegen Umstände
vor, welche mit höchster Wahrscheinlichkeit auf einen ganz
bestimmten Verbreitungswog schliessen lassen, nämlich auf
unsere Wasserleitung.“
Es werden, sofern es überhaupt noch Beweise bedürfte,
dem Spezialarzt überweisen soll, muss seiner Entscheidung Vor¬
behalten bleiben. Meiner Ansicht nach ist das Letztere richtiger.
Im Allgemeinen kann man also die Wahrscheinlichkeits-
diaenose auf ein Portio- oder Cervixcarcinom durch eine ein¬
fache Untersuchung in der Sprechstunde stellen. Hat mau ein
solches dadurch ausgeschlossen, dass mau die Portio- und Cer-
vicalschleimhaut normal fand, so sind für die Erkennung des
Corpuscarcinoms weitere klinische Methoden erforderlich, die,
wie das Curettement, schon einen kurativen Wert in all den
Fällen haben, wo es sich nicht um eine bösartige, sondern eine
einfache entzündliche Wucherung derCorpusschleimhaut handelt
Übrigens ist bei Corpuscarcinom eine gewisse Verzierung
der Totalexstirpation nicht so verhängnisvoll, weil das (Jorpus-
carcinom erst sehr spät Metastasen m den Parametrien und
den benachbarten Lymphdrüsen erzeugt. Für die Praxis kommt
es also vorzüglich auf die sofortige Diagnose der Portio- und
Cervixcarcinome an! —
Mit diesen Feststellungen und Ratschlägen ist die Aufgabe
des praktischen Arztes dem einzelnen Carcmomfall gegenüber
beendet. Ausserdem aber hat er noch die weitere soziale Auf¬
gabe, durch Aufklärung der Frauenwelt an den Kampf gegen
das Uteniscarcinom teilzunehmen und, wo sich die Gelegenheit
bietet, eingewurzelte Vorurteile zu zerstreuen. Diese Vorurteile
betreffen besonders die klimakterischen Blutungen, welche stets
das Symptom einer Erkrankung sind, aber von den meisten
Frauen selbst heutzutage noch für ganz harmlos gehalten werden.
Als ob das Wort: „Blut ist ein ganz besonderer Saft“, für
diese Fälle keine Geltung hätte!
Ich habe es bereits im Jahre 1899 angeregt, diesen Kampf
gegen das Uteniscarcinom aus den Kreisen der Ärzte in das
Publikum hinauszutragen, und Winter ist mir darin einige
Jahre später gefolgt. Alle die Maßnahmen, welche jetzt in
Form von Broschüren, Vortri^en in Vereinen, Merkblättern
seitens gynäkologischer Gesellschaften, Notizen an die Tages¬
presse zur Bekämpfung des Uteruskrebses in Scene gesetzt
werden, sind von mir*) bereits 1899 empfohlen worden. Ich
habe selbst eine populäre Broschüre zur Bekämpfung des Krebses
eschrieben und ein Merkblatt**) veröffentlicht Dieses Merk-
latt habe ich nochmals in der Nummer 24 und 25 der Medi¬
cinischen Woche 1904 publiziert. Es lautete nebst einigen
daran geknüpften Bemerkungen folgendermaßen:
Merkblatt über den Gebärmutterkrebs.
*) Zur Verhütung des Gebärmutterkrebses. Deutsche Ärztezeituug
1899 H 9
**) Die Verhütung des Gebärmutterkrebses. Deutsche med. W. 1899,
No. 4.
um die Verbreitung des Krankheitsgiftes durch das Hamburger
Wasser zu erhärten, folgende Tatsachen angeführt: Anstalten,
die eigene Brunnen hatten, oder ihren Wasserbedarf nicht aus
der Wasserleitung entnahmen, blieben völlig verschont, z. B.
die Kaserne des 76. Regiments, mit 540 Mann bele^ die
Alsterdorfer Anstalten mit 575 Insassen, das Pestalozzistift mit
94 Insassen, das Zentralgefängnis in Fuhlsbüttel mit 1100 und
die Korrektionsanstalt Fuhlsbüttel mit 600 Insassen hatten
keinen Erkrankungs- und keinen Todesfall zu verzeichnen;
dagegen hatte die Irrenheilanstalt Friedrichsberg, die für ihre
1363 Insassen das Wasser aus der städtischen Wasserleitung
entnahm, 123 Krankbeits- und 64 Todesfälle an Cholera*,
ebenso das Werk- und Armenhaus mit 1230 Insassen hatte 45
Erkrankungen und 13 Todesfälle.
Es darf als feststehend angenommen werden, dass die
Cholerakeime durch das Leitungswasser verbreitet sind, dass
sie also dem Elbwasser entstammten. Wenn man also fragt,
wie kam die Cholera nach Hamburg ?, so heisst das mi t
anderen Worten: wie kamen Cholerabacillen in die Elbe, in
den Hamburger Hafen.
Nach Reineke richtete sich der Verdacht von vornherein
auf die jüdischen Auswanderer aus Russland, und gewiss mit
vollem Recht.“ Indessen ist es trotz sorgfältigster Beobachtung
dieser Auswanderer und aller Nachforsch^ungen nicht gelungen,
f estzustellen, dass vor dem 25. August ein Cholerafall im
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
16
Wanim sterben von den 25000 Kranken mit Qebännatter-
krebs alljährlich im Deutschen Reich 23—24000?
Weil diese Tausende sich zu spät an den Operateur ge¬
wandt haben.
Wodurch können diese vielen Tausende in Zukunft gerettet
werden ?
Dadurch, dass sie zum Operateur kommen, so lange der
Gebärmutterkrebs noch auf die Gebärmutter beschränkt und
durch die unter diesen Umständen fast gefahrlose Herausnahme
der Gebärmutter mit Sicherheit dauernd zu heilen ist.
Welches ist die Aufgabe des praktischen Arztes gegenüber
dem Gebärmutterkrebs?
Der praktische Arzt hat^edes weibliche Individuum, einerlei
w'elchen Alters, welches mit Klagen über Ausfluss oder Blu¬
tungen zu ihm kommt, so lange für carcinomverdächtig zu
halten, bis eine sofort (also eventuell auch während der Blutung)
vorzunehmende Untersuchung mit Sicherheit ergeben hat, dass
kein Carcinom vorliegt.
Bezüglich der rortio- und Cervixcarcinome lässt sich
meistens in der Sprechstunde die sofortige Diagnose stellen,
die der Corpuscarcinome erfordert das Curettement. Nähere
Anweisungen über die Diagnostik enthält jedes Lehrbuch der
Gynäkologie.
Es ist ein Eunstfehler, einer Patientin mit den genannten
Klagen, Ausspülungen oder innere Mittel zu verordnen, ohne
sie vorher untersucht zu haben.
Verweigert die Kranke eine sofortige Untersuchimg, so ist
sie auf die Möglichkeit einer schweren Gesundheitsschädigung
nachdrücklich hinzuweisen.
Will oder soll der Arzt die Untersuchung nicht selbst vor¬
nehmen, so ist es ein Kunstfehler, wenn er der Patientin nicht
dringend eine sofortige spezialärztliche Untersuchung anrät und
sie nicht auf die möglichen schweren Folgen der Unterlassung
einer solchen nachdrücklich aufmerksam macht.
Anhang: Der Arzt hat bei unbestimmten Magenbeschwerden
oder sonst nicht erklärlichem Kräfteverfall an die Möglichkeit
eines Ovarialcarcinoms zu denken und derartige Fälle gynäko-
logiscK zu untersuchen.
Bei Myomkranken ist die Möglichkeit der sarcomatösen
Degeneration der Myome im Auge zu behalten, und sind der¬
artige Kranke unter ständiger Beobachtung zu halten. Das
Abraten einer Myomoperation ist bei der geringen Mortalität
heutzutage verantwortlicher als die Empfehlung der Operation.
Welches ist die Aufgabe der ärztlichen Wissenschaft gegen¬
über dem Gebärmutterkrebs?
Ihre Vertreter haben dafür zu sorgen, dass jedes weibliche
Individuum Folgendes erfährt:
1. Ausflüsse und Blutungen, seien es verstärkte Menstrua¬
tionsblutungen, seien es Blutungen ohne Zusammenhang mit
der Regel, seien es Blutungen in der Menopause, können die
ersten Zeichen des Gebärmutterkrebses sein.
2. Der Gebärmutterkrebs führt, sich selbst überlassen oder
mit nichtoperativer Methode behandelt, stets zu qualvollen
Leiden und zum Tode.
3. Der Gebärmutterkrebs ist nur im Beginn, so lange die
Wucherung die Gebärmutter noch nicht Überschritten hat, und
nur durch eine (unter diesen Umständen aber fast gefahrlose)
Operation dauernd zu heilen.
4. Jedes weibliche Individuum hat daher die Pflicht, im
Interesse der Erhaltung seines Lebens bei Auftreten der er-
. wähnten Erscheinungen sich sofort (auch während des Bestehens
einer Blutung) vom Arzt, nicht etwa von einer Hebamme, einem
Kurpfuscher oder einem Naturheilkundigen, untersuchen zu
lassen. —
Zur Verbreitung dieser Thesen sind oft wiederholte Notizen
in der Tagespresse von der grössten Wichtigkeit. Um die
Delikatesse zu wahren, genügt z. B. folgende Notiz, die wohl
jede Zeitung aufnehmen würde: „Im Deutschen Reich sterben
alljährlich 24000 Frauen an Unterleibskrebs. Diese könnten
fast sämtlich vor einem vorzeitigen und qualvollen Tod bewahrt
werden, wenn sie bereits bei Auftreten der geringfügigsten Stö¬
rungen, wie sie im Frauenleben häufig verkommen und auch
meistens ohne besondere Bedeutung sino^, sofort einen praktischen
Arzt oder Frauenarzt konsultierten. Diese geringfügigen Stö¬
rungen, bei denen Schmerzen gewöhnlich ^anz fehlen, können
näidich auch die ersten Anzeichen des beginnenden Unterleibs¬
krebses sein. Letzterer ist nur im Beginn, dann aber durch
eine fast gefahrlose Operation, dauernd zu heilen. Andere Heil¬
methoden des Unterleibskrebses, als operative, gibt es nicht.
Durch die Konsultation von Hebammen, Kurpfuschern, Natur¬
heilkundigen wird daher meistens der ^nstige Zeitpunkt der
operativen Hilfe versäumt.“
Solche Mitteilungen an die Presse sind zweckmäßig von
einer Zentralstelle aus zu dirigieren, z. B. der Deutschen Ge¬
sellschaft für Gynäkologie oder dem Komitee zur Erforschung
des Krebses- Die Vorgesetzten Behörden müssen ferner durch
entsprechende, oft wiederholte Erlasse, die dann wieder der
Presse zur Veröffentlichung zugehen müssten, die Hebammen
dazu anzuhalten, Frauen, welche wegen Unterleibsleiden ihren
Rat erbitten, sofort an den Arzt zu weisen.
Es müsste ferner an alle Standesämter ein Merkblatt ge¬
schickt werden, welches diesen Gegenstand behandelt und an
alle eine Geburt anmeldenden Personen zu verteilen wäre. —
Auswandererschuppen vorgekommen. „Wir haben nichts ge¬
funden, was uns berechtigte, Cholera anzunehmen^ (Reineke).
Neben den Auswanderern richtet sich also der Verdacht
auf die Schiffe, die aus einem von Cholera verseuchten Hafen ge¬
kommen waren; doch sind auch in dieser Beziehung für den
Beginn der Epidemie keine verdächtigen Krankheitsfälle an
Bord eines meser Schiffe nachzuweisen gewesen. Reineke
schliesst sein Referat über diese Nachforschungen mit den
Worten: „Natürlich können diese Schiffe ebensogut wie die
russischen Auswanderer, ohne Kranke mit sich zu führen, doch
die Keime hergebracht haben. Wer will das nachweisen?“
Nun ich glaube, dass da doch der Hinweis auf die Ver¬
schleppung der Cholera durch das Trinkwasser, wie bei den
Pilgern, angebracht ist. Gerade, wie die Pilger führen die
Seeleute Trink Wasser mit sich aus fremden Häfen;
alle Schiffe, die in den Hafen von Hamburg kommen, haben
mehr weniger grosse Mengen, mitunter vime Tausend Liter
Trinkwasser an Bord, und wenn sie von einer längeren Reise
kommen, so lassen siezunächstdas alte, abgestandene
Trinkwasser in die Elbe laufen, um frisches Trinkwasser
in ihre Wasserbehälter zu füllen. Namentlich die Segelschiffe,
welche oft unvorhergesehene lange Reisen hinter sich haben,
lassen ihr alt und brackig gewordenes Wasser schleunigst in
die Elbe ab. Das ist Tatsache, das weiss man, das sollten
auch die Behörden wissen — und erste Regel, wenn aus¬
wärts Cholera herrscht, sollte sein, dass das Trink¬
wasser der Schiffe, die aus fremden Häfen kommen,
die irgend verdächtig sind, dass dies Wasser nicht in den
Hamburger Hafen — um bei Hamburg zu bleiben — ver¬
schleppt wird. Wie das verhindern? — Sehr einfach, man
lässt bei Gelegenheit der gesundheitlichen Untersuchung der
Schiffe in Cuxhaven das Trinkwasser, welches aus irgend ver¬
dächtigen Häfen stammt, dort gleich in die Elbe lauten. Dort
kann es keinen Schaden tun, dort wird aus dem mit Seewasser
gemischten, ungeniessbaren Wasser kein Trinkwasser geschöpft
Ist diese einfach zu befolgende Maßregel nun vor Aus¬
bruch der Cholera in Hamburg geübt worden, wo täg¬
lich Schiffe aus choleraverseuchten Häfen: aus Alexandrien,
Odessa, Marseille, Hävje in die Elbe einliefen, wo täglich grosse
Mengen verdächtigen Wassers die Elbe hinaufgeschleppt werden
konnten? Es ist nicht geschehen! Man hat die Menschen,
Besatzung und Passagiere, sich angesehen, an das unter Um¬
ständen gefährliche Wasser — meines Erachtens das ge¬
fährlichste von allen Dingen, die in Betracht kommen — hat
man nicht gedacht! Das Wasser ist unbehindert nach Ham¬
burg hinauf mitgenommen und in den hamburger Hafen ent¬
leert worden, ist also mit dem Elbwasser zusammen in
die Trinkwasserleitung geschöpft worden in un-
kontrollierbarer Menge.
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16
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 2.
Dass diese {von dem Verf. bereits im Jahre 1899 gemachten)
Vorschläge sicherlich einen raschen Erfolg haben werden, be¬
weisen die neuerlichen Mitteilungen von Winter,welcher durch
entsprechende Mitteilungen an die Arzte, die Hebammen und
die Tagespresse der Provinz Ostpreussen die Operabilitäts¬
prozente des Uteruskrebses in dem Zeitraum eines Jahres nicht
unwesentlich erhöht hatl —
Zur richtigen Aufklärung nicht der Carcinomkranken selbst,
wohl aber ihrer Angehörigen, ist es notwendig, dass der prak¬
tische Arzt über die besten Operationsmethoden auf
dem Laufenden erhalten wird. Hierüber zum Scliluss
einige Worte:
Die vaginale Uterusexstirpation ist nur noch auf die
Fälle vonCorpuscarcinomzu beschränken, hei denen sie aufgezeich¬
nete Erfolge, nämlich 80% Dauerheilungen erzielt. Alle nicht zu
weit vorgeschrittenen I’älle bleiben nach dieser Operation, deren
primäre Mortalität nach meinem Material 0 ist, dauernd gesund.
Technisch ausführbar ist die vaginale Exstirpation auch bei grossem
Uterus und enger Vagina, falls man die von mir seit 1890 in
diesen Fällen angewandte Scheidendammincision*) gebraucht,
deren Wesen in der Durchtrenniing des Lcvatoani besteht, und
die 3 Jahre nach mir von Schuchhardt noch einmal erfunden
worden ist.
Bei diesem Hilfsschnitt muss man sich jedoch vor einer
Impfinfektion der gesetzten grossen Wunde hüten. Sie ist mir
einmal in folgendem Fall passiert:
Anamnese: 16. 10. 1903 konsultiert mich die 58jährige III. para
Frau F. MenopauseseitTJahren, seit 2Jahren dann und
wann geringe Blutung. .luni 1002 wurde von einem hiesigen Fach-
(lynäkologen, der nicht operiert oder höchstens einmal curettiert, eine Aus¬
kratzung vorgenommon und l’at. bis Aiigu.«t mit täglichen Ätzungen ohne
Krfolg behand^elt. Von Januar bis .luni 1903 wieder jede^ zweiten Tag
Ätzungen. Trotzdom wurden die Blutungen stärker, auch stellten sich in
letzter Zeit Schmerzen ein, und Pat. fdblte sich hinOülig.
Status: Anämische, kackcktisch anssobendo Dame. Ausdoni Mutter¬
mund ragt oino verdächtige, leicht blutende Erosion.
Operation: 19. 10. 03. In Narkose lassen sich von der Erosion
markige Bröckol abkratzen. Nach Verschorfung mit dom Papiiolin
wird auch dio 8*/* cm lange Corpushülilo curettiert und entleert ohetifall.s
markige Bröckel. Nach gründlicher Spülung wird der Mnttormund zuge¬
klemmt und der Uterus mit Hülfe einer Schcidondaiimüncision oxstirpiert.
Da das im Fundus sitzende Corpuscarcinom schon bis an das Peri¬
toneum reicht, so rcisst der UtornskOrpor ein und entleert Garc.i-
nombröckel.
6. 11. Steht Pat. auf, nachdem dio gesetzten Wunden per priinam ge¬
heilt sind. 0. 11. Linksseitige Schcnkelthrombosc. 15. 11, Trotz strenger
Bettruhe Lungenembolie. 31. 12. geheilt entlassen.
Die mikroskopische U nt e rsu ch ung ergab ein weit vorgo-
.sebrittenes Corpuscarcinom tind im unteren Teil des Uorvikalkanals ein
*) Bemerkungen zur Technik der vaginalen Totalexstirpation des
•Uterus. Charite-Annalen 1891.
Man kann nun einwendon, w’enn die fraglichen Schiffe
wirklich nicht nur verdächtiges, .sondern verseuchtes Wasser
mit sich führten, so müssen doch auch Cholerakranko an Bord
dieser Scliiffe gewesen sein, erkrankt infolge Genusses dieses
verseuchten Wassers. Darauf ist zu erwidern: es können aller¬
dings Cholerakranke an Bord dieser Schiffe gewesen sein, es
ist das Gegenteil nicht hew’ieson; doch ist es unwahrscheinlich,
da jedenfalls feststeht, dass vor Ausbruch der Krankheit in
Hamburg keine Todesfälle an Bord dieser Schiffe vorgekommen
sind — und Choleraerkrankungen in irgend erheblicher Menge
ohne Todesfälle sind nicht denkbar, sind doch damals in Hamburg
45%, in diesem Jahre (1905) 30% der Erkrankten gestorben!
Es brauchen aber keine Cholerakranken an Bord der Schiffe
gewesen zu sein, sowenig, wie unter den ni.ssischen Auswanderern,
denn einmal ist es nicht nötig, dass die. Besatzungen von dem
verseuchten Wasser genossen haben, sie können daneben noch
älteres, aber wenigstens nicht verseuchtes Wasser zum Genüsse
bis zur Ankunft in Hamburg ausreichend gehabt haben, sie
können ferner, wenn sie wussten, dass das Wasser, welches sie
z. B. in Odessa an Bord nahmen, verseucht oder dort stark
verdächtig war, dies Wasser nur in gekochtem Zustande ge¬
nossen haben. Denn Cholera gehört zu den meistgefnrehteten
Krankheiten, und wenn das eingenommene Trinkwasser cholera¬
verdächtig ist, wird seitens des Schiffsführers seiner Instniktion
gemäss angeordnet werden, dass von diesem verdächtigen Wasser
beginnondes Oarcinom der CervikaldrUson, welch lotzcerey durch luipiudektion
entelandea za sein scheint.
28. 9. 04. Exciäion eines apfolgrossen, in der Dammnar be gele-
enen Tumors und einer haselnussgrossen, rechtsseitigen
ngiiin aldrüse. Der Tumor besteht aus einer von einer 3 mm dicken
Wand umgebenen, mit eiterartiger Flüssigkeit gefttllten Cyste. Die Wand
ist von DrUscnschläucben, die mit mehrschichtigen Cylinder-Epithel aasge¬
kleidet sind, und mit soliden Krebszapfen durchsetzt. Dasselbe Bild bieict
auch die Leistendrüse.
20. 10. 04. Put wird mit per pritnam geheilten Wunden entlassen, ist
jedoch iun Sommer 1905 gestorben.
Dieser Fall ist in vieler Beziehung lehrreich. Im Oktober
1901 entwickelte sich offenbar bei der Pat. ein malignes
Adenom der Corpusschleimhaut, im Juni 1902 wurde
curettiert, aber offenbar die entfernten Massen nicht mikroskopisch
untersucht oder ihr Charakter nicht erkannt. Trotzdem nun
die Fortdauer der Blutungen auf die Malignität hinwies, wurde
die Pat. ein ganzes Jahr lang weiter mit AtzuDgen
behandelt. Zuletzt entwickelte sich noch ein Cervixcarcinom,
welches ebenfalls nicht erkannt wurde, obgleich ein Blick auf
dasselbe midi sofort die Diagnose Carcinom stellen Hess. Die
Folge der langanhaltenden Blutungen war eine solche Schwä¬
chung des Organismus, dass die Pat. die Thrombose und die
lebensgefährliche Embolie bekam — und die Folge der fehler¬
haften Behandlung war eine solche Ausbreitung des Corpus-
carcinoms, dass die infiltrierte Corpuswand einriss und hier¬
durch die Impfinfektion der Scheidendammiucision entstand.
Durch sekundäre Erkrankung der Inguinaldrüsen kam es zum
Exitus.
Zur Verhütung der Impfinfektion bei solchen weit vorge¬
schrittenen Fällen muss man die Corpushöhle gründlich aus¬
spülen und ausätzon, dann den Muttermund vernähen oder fest
zuklemmen und nun erst <lie Scheidendammincision anlegen.
Ferner darf man den Uteruskörper nicht mit Zangen fassen,
da man nie wissen kann, ob das Carcinom nicht schon die
ganze Wand durchsetzt. —
Die Portio- und Ceivixcarcinomo mü.ssen mit
ventraler Exstirpationdes Uterus,derParametrien
und der zugehörigen I liaca I d r üs en behandelt
worden. Die beste hierfür angegebene Methode ist nach der
Erfahrung des Verf.’s dio von Kackenrodt — und zwar liegen
ihre Vorzüge hauptsächlich in der Art der Vorbereitung aes
Carcinoms (Auslöffiung und nachfolgende Tamponade mit nasser
10%iger Formaliogaze), in dem Hufeisenschnitt und drittens
in der gründlichen Entfernung der Ligamentwurzeln.
Die Mortalität dieser ausgedehnten Carcinomoperationen
beträgt bei den verschiedenen Autoren 20—35%. Sie wird
belastet durch die vorgeschrittenen Carcinome, die man ventral
noch exstirpiert, während ihre vaginale Entfernung technisch
nicht getrunken wird; die Wasserfässer werden unter Verschlu8.s
gelegt, es wird der ausreichende Tagesvorrat in die Küche ge¬
nommen und den Leuten in abgekochten Zustande, als düuner
Tee oder dünner schwarzer Kaffee zum Trinken gereicht
Diese Maßregel lässt sich sehr leicht durchführen, diese Für¬
sorge wird von den Leuten anerkannt, denn vor der Cholera
haben sie alle Angst. Es ist daher sehr wohl möglich,
dass diese Schiffe eine grosse Menge verseuchtes
Wasser, doch keinen kranken Menschen an Bord
hatten. Dass aber einige hundert Liter choleraverseuchtes
Wasser, welches 2, 3, 4 Wochen in Gefässon stagnierte, eine
erheblich grössere Menge Cholerakeime ins Elbwasser brachten,
als es die Dejecte einiger weniger Cholerakranker tun konnten,
ist doch ohne weiteres einleuchtend, dazu kommt, dass die
Schiffe in ihrer überwiegenden Menge der Schöpf-
stelle der Wasserkunst erheblich näher lagen, als
die Ausraündungsstelle des Siels der Auswandererbaracken, die
4 Kilometer unterhalb derselben liegt. Es konnten also
die aus den Wass er be h äl te rn derSchiffe entleerten
Keime erheblich leichter bis zur Schöpfstelle und
damit in die Wasserleitung gelangen.
Nach alledem halte ich an der Meinung fest,, dass durch
den Schiffsverkehr choleravorseiichtes Wasser in den hamburger
Hafen gebracht, hier entleert wurde und in die Wasserleitung
gelangte; dass also die Cholera in Hamburg einge-
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1906.
MEDICmiSCHE WOCHE.
17
-Dicht mehr möglich ist. Diese Fälle sind durch die länger
dauernden Blut* und Säfteverluste geschwächt und erliegen
dem Schock der Operation, zumal wenn es sich um alte Frauen
handelt, die sich vorher nur schlecht ernährt haben. Jüngere
Individuen, die sich vorher ausreichend ernähren konnten, über¬
stehen die Operation nach meinen Erfahrungen ausgezeichnet
— ich habe bei dieser Kategorie keinen einzigen Todesfall zu
beklagen.
Principiis obsta!
Unter diesem Titel bringt die Wiener klinische Wochen¬
schrift 1905, Nr. 52, einen höchst bemerkenswerten Artikel,
welcher als Mahnwort an die Berufsgenossen von der kaiser¬
lich königlichen Gesellschaft der Ärzte in Wien bezeichnet
wird. Kundgebungen solch bedeutender und grosser wissen¬
schaftlicher Gesellschaften verdienen schon an sich erhöhte
Beachturjg um so mehr, wenn es sich, wie hier, um die wich¬
tige Frage der Krebstherapie handelt. Da unser heutiger Leit¬
artikel die Stellung des praktischen Arztes zum Uteruscarcinom
aus der Feder Dührssen’s behandelt, ist es besonders an¬
gezeigt, auf diese Veröffentlichung hier etwas näher einzugehen.
Der Aufsatz verdankt seine Entetehung einem Beschluss des
von der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien gew^lten Car-
cinomkomitees und bezweckt, bei den praktischen Ärzten ein¬
dringlich auf die Wichtigkeit der Frühdiagnose und Prühope-
ration des Krebses hinzuweisen.
Gleich im Beginn wird in w'enigen aber eindringlichen
Worten der Stab über alle bisher erfundenen und entdeckten
Krebsheilmittel gebrochen. Es heisst da; „zur Zeit aber missen
wir schmerzlich selbst die schwächsten dämmernden Anzeichen
solch einer segensreichen Errungenschaft (sei. Krebsheilmittel).'^
Wie wichtig ist diese klare nicht misszuverstehende Feststellung.
Wir leben ja in der Zeit der Heilsera und an allen Orten
tauchen hier und da solche gegen Krebs auf, Hoffnungen er¬
weckend, bittere Enttäuschungen bereitend. Wir müssen eben
bis heute ehrlich eingestehen, dass wir in dieser Richtung
nichts erreicht haben. Äber die Behandlung des Krebses ist darum
nicht aussichtslos, es ist falsch und unbegründet von einer Un-
heiibarkeit des Krebses zu sprechen. ^Uer Krebs ist in der
rossen Mehrzahl der Fälle heilbar; er ist dauernd heilbar in
em Stadium, wo er noch ein lokales Leiden darstellt, und
das derzeit zuverlässigste Heilmittel ist das rechtzeitig und
richtig angewendete Messer des Chirurgen**.
Hier hegt das Geheimnis der Therapie; die Frühzeitigkeit
der Operation, des chirurgischen Eingriffs allein kann erfolg¬
schleppt wurde durch verseuchtes Trinkwasser der
Schiffe, die aus verseuchten Häfen kamen.
Das verseuchte Wasser aus fremden Landen ist also das
Analogon im Vergleich mit den Mekkapilgem, während im
Übrigen das weitere Verhalten abweichend ist; Die Pilger
trinken ihr mitgebrachtes Wasser selbst und erkranken daran,
während die Skiffe ihr mitgebrachtes Wasser schleunigst von
sich geben und in die Elbe laufen lassen, um es nicht trinken
zu brauchen, und also Hamburg die Cholera bescheeren.
Wenn ich in dem oben angeführten Aufsatz schrieb, „man
verbiete den Pilgern das Mitnehmen von Wasser**, so hielt ich
es für ganz selbstverständlich, dass dieser Grundsatz sinngemäß
auf unsere Verhältnisse angewendet würde, also beim Schiffs¬
verkehr auf Hamburg angewendet lauten müsste; „Man ver¬
hindere, dass fremdes, verdächtiges Trinkwasser in den Hafen
und in die Wasserleitung gelang!“ Wie einfach dies auszu¬
führen, ist oben angegeben. Ich hatte demnach gehofft, dass
ausser den vielen damals und auch heute noch oestehenden,
z. T. unnützen und unzweckmäßigen Quarantänevorschriften
diese einfache und nützliche Maßregel angeordnet sei, zur Un¬
schädlichmachung des fremden, verdächtigen Trinkwassers. In¬
dessen ist das nicht geschehen. Ich war sehr überrascht, in
dem erwähnten Vortrage Reinekes kein Wort über dies Trink¬
wasser und seine Beseitigung zu finden, und da der Redner
zum Schlüsse aufforderte „beim Suchen zu helfen, damit wir
reiche Hilfe ermöglichen. Das Carcinom tritt, wo immer, zu¬
erst als lokales Leiden auf und lässt sich, früh genug erkannt,
in den meisten Fällen total entfernen, wird aber diese günstige
Zeit verpasst, dann geht die Erkrankung weiter, es treten
Komplikationen ein, die regionären Lymphapparate werden
in Mitleidenschaft gezogen und die Operation wird mit einem
Schlage unvergleichlich viel umfangreicher, schwieriger, ja oft
unausmhrbar. So lange ein Carcinom noch auf das befallene
Organ beschränkt ist, kann ein Erfolg erhofft werden, sind
bereits Nachbarorgane in das Bereich der Krankheit gezogen,
dann ist auch der energischste chirurnsche EinCTiff zweifelhaft.
Besonders günstig ist der in den letzten Jahren errungene
Fortschritt in der chirurgischen Technik, welcher heute relativ
ungefährlich Eingriffe gestattet, die vor 30 Jahren überhaupt
ausgeschlossen erschienen. Heute steht man auch bei der
Früuoperation auf dem Standpunkt, nicht nur das befallene
Organ oder das Neoplasma in seiner ganzen Ausdehnung, son¬
dern auch, soweit irgend angängig, den regionänen Lympli-
apparat mit zu entfernen.
Die bei weitem grösste Schuld an der Verschleppung der
Fälle trifft ganz fraglos die Patienten selbst. Unacntsai^eit,
Scham zum Arzt zu gehen, eine gewisse Indolenz sind oft
schuld daran, dass der Arzt erst spät, meist zu spät gefragt
wird. Es kommt hinzu, dass das Carcinom in den allerfrübesten
Anfängen meist schmerzlos, ohne Störung des Allgemeinbe¬
findens verläuft und so die Patienten nicht veranlasst werden,
ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ja selbst wenn eine
Frühdiagnose zu stände kommt, wird nicht selten der operative
Eingriff abgelehnt, weil ja gar keine Schmerzen vorhanden
seien. Einen ganz erheblichen Teil der Schuld an den Ver¬
zögerungen tragen aber fraglos die Kurpfuscher und „Natur-
Urzte“. Diese verbrecherischen Fanatiker der operationslosen
Heilmethode sind ja gewissenlos genug, um teils aus Eitelkeit
viel öfter noch aus Gewinnsucht, ihre ganz unsinnigen Kuren
bei den unglücklichen Patienten so lange zu probieren, bis ein
rationeller Eingriff nicht mehr möglich oder doch höchst zweifel¬
haft geworden ist.
Aber auch die Ärzte trifft nicht selten ein gewisses Ver¬
schulden. Die Unscheinbarkeit der Krankheitserscheinungen
verleiten zu ungenügender Untersuchung. Vielleicht ist auch
die Ungeübtheit, beispielsweise in der mikroskopischen Diag¬
nose probeexzidierter NooplasmastUcke, mit in Betracht zu
ziehen. Hinzu kommt noch die oft vorgefasste Meinung, dass
zum Krebs stets eine Krebskachexie gehöre, die Unkenntnis,
dass im Beginn der Erkrankung jegliche Störung des Allge¬
meinbefindens fehlen kann, welche die reclitzeitige Diagnose¬
stellung verzögert.
schliesslich doch noch auf die richtige Spur kommen** — hielt
ich mich verpflichtet auf meine oben ausführlich erwähnte Er¬
fahrung über das Trinkwasser der Mekkapilger und meinen
Verdacht betreffs des Trinkwassers der Skiffe hinzuweisen.
Auf mein Schreiben erhielt die vom 4. Februar 1893 datierte
Antwort, dass meine „Zuschrift eine sehr interessante Frage
anrege. Leider ist es jetzt zu spät, darauf gerichtete Unter¬
suchungen anzustellen. Vielleicht gibt der Sommer dazu Ge¬
legenheit.** — Nun, der Sommer 1893 hat glücklicherweise
die (Jholera nicht wieder gebracht; ich ersehe aber aus dpr
Antwort, dass das Trinkwasser aus fremden Häfen nicht Gegen¬
stand der Untersuchung war, also nicht beachtet wurde; dass
man also, trotzdem man auf die Möglichkeit der Einschleppung
der Cholera durch fremdes Trinkwasser aufmerksam gemacht
war, dies Wasser ganz unbeachtet lies und nichts tat zu seiner
Beseitigung.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob später auf meine
Anregung eine Verordnung zur Beseitigung dieses Wassers, ein
Verbot seiner Einschleppung erlassen ist.
Sollte diese Frage noch nicht geregelt sein, so möchte ich
von Neuem dazu angeregt haben; sollte die Vorschrift aber
eingeführt sein, so darf ich wohl, ohne unbescheiden zu sein,
meine Anregung für die Ursache derselben halten.
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MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 2.
In der Veröffentlichung werden weiterhin statistische Zahlen
über die bisher erzielten Dauerheilungen mitgeteilt, welche
wichtig genug erscheinen, auch hier gegeben zu werden, wir
eitleren ^eselben wörtlich:
Dauerheilungen
Aus der Klinik v. Esmarch . 1850—78 11,70%,
- „ „ Billroth . . . 1867—76 4,7 %,
- - . V. Mikulicz . . 1871—78 9,0 %,
„ „ „ V. Volkmann . 1874—78 11,0 %,
- „ _ Gussenbauer . 1878—88 16,7 %,
„ „ „ Koenig . . . 1875-85 22,5 %,
„ „ „ Kroenlein . 1881—93 19,4 %,
_ _ fl Angerer . . 1890—99 16,9 %,
„ „ „ Albert. . . .1890—1900 25,0 %,
„ „ n V. Bergmann . 1882— 99 28,79%,
„ „ r Eiseisberg . 1896—1900 22,7 %.
Der Durchschnitt würde also etwa 21% betragen.
Die Statistik ergibt 34,7% Dauerheilungen beim Collum-
carcinom und 75% beim Corpuscarcinom. Der erste Teil der
Veröffeutlichung endet mit dem beherzigenswerten Satz:
Unser Bestreben muss dahin gerichtet sein, in
jedem einzelnen Falle durch gewissenhafteste
Ausnützung aller diagnostischen Behelfe zur
Frühdiagnose des Carcinoms zu gelangen, um die
Krebskranken in jenem Stadium der operativen
Behandlung zuzuführen, in dem der Eingriff zur
dauernden Heilung führen kann.
In einem zweiten nicht weniger bemerkenswerten Teil der
Veröffentlichung werden die markantesten S 3 anptome der ver¬
schiedenen Carcinomarteu erörtert. Wir behalten uns vor,
auch den Inhalt dieses Teils auszugsweise wiederzugeben.
Standesfragen.
Der Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine
hat an die statistische Abteilimg des Gesundheitsamts eine Petition
gerichtet, die bezweckt, dass bei Neubearbeitung des Arzneibuches
für das deutsche Reich das Eis als offfzinelles ständig in der
Apotheke vorrätig zu haltendes Mittel eingeführt werden soll.
Für die Anhänger der freien Arztwahl dürfte es interessant
sein, dass in einem von der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion
eingebrachten (i^esetzentwiu'f, der die Regelung des Knappsebafts-
kassenwesens betrifft, die freie Arztwahl für die Kassenmitglieder
Vorgesehen ist.
Literarische Monatsschau.
Aug:enheilkunde.
Der Aufschwung, den die Augenheilkunde in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts genommen hat, beruht auf vier
Namen: Helmholtz, Albrecht von Graefe, Lord Lister und Koller.
Es war eine seltene Schicksalsfügung, dass um die Zeit, als uns
Helmholtz den Augenspiegel schenkte (1851), in Albrecht von
Graefe ein Mann lebte, der befähigt war, mit Hilfe des neuen
Instrumentes Entdeckungen von höchster Bedeutung zu machen.
Die Einführung der aseptischen Wundbehandlung durch Lister
reduzierte die Verluste nach Augenoperationen auf ein Minimum,
und als nun gar 1884 mit der Einführung des Kokains in die
Augenheilkunde durch KoUer die Schmerzhaftigkeit der Eingriffe
an dem so überaus empfindlichen Sehorgan beseitigt wurde, kannte
der Enthusiasmus keine Grenzen. Seit dem Tage, da Koller ent¬
deckt hatte, dass das Alkaloid des Erythroxylon Coca-Strauches
auch am Auge die sensibelen Nervenendigungen lähmt, wuchs die
Bedeutung der lokalen Anästhesie für den Augenarzt gewaltig.
Bildet doch die allgemeine Narkose stets eine mehr oder weniger
grosse Gefahr für das Leben des Kranken. Allerdings gibt es
oft genug Fälle, in denen auch der Augenarzt der allgemeinen Be¬
täubung durch Chloroform oder Äther nicht entraten kann; aber sie
sind verschwindend gering an Zahl gegenüber denen, wo die lokale
Anästhesie eine unschätzbare Wohltat bedeutet. Wie jedem Arznei¬
mittel haften dem Kokain Nebenwirkungen an, die bei seiner Ver¬
wendung zu grösster Vorsicht mahnen, oft auch seine Benutzung
ganz verbieten. Das Kokain ist ungemein giftig, und selbst so
kleine Mengen und so schwache Konzentrationen, wie die vom
Ophthalmologen gebrauchten, können schwere Vergiftungser-
schoinungen, ja sogar den Tod herbeiftthren. Was die unerwünsch¬
ten Nebenwirkungen am Auge angeht, so sind da zu nennen,
Lähmung der Akkomodation, Erweiterung der Pupille und (durch
Parese der glatten Lidmuskulatur) auch der Lidspalte, so dass
ein störender unbeweglicher Blick entsteht; da Kokain gefässver-
engernd wirkt, hemmt es häufig infolge unzureichender Ernährung
der Gewebe die Wundheilung. Dazu kommt vor allem die Tat¬
sache , dass es ein Epithelgift ist, das zu Vertrocknung, ev. sogar
zu völliger Abstossung des Homhautepithels führen kann. Wir
sehen also, dass auch der Augenarzt l^i der lokalen Anästhesie
mit Kokain sich vor .jeder Unvorsichtigkeit zu hüten lud'.
So ist es denn verständlich, dass die chemische Industrie mit
grossem Fleisse und einer durch keinen Misserfolg zu brechenden
Energie nach Mitteln gesucht hat, die dem Kokain den Rang
streitig machen sollten. Von vielen ist kaum mehr als der Name
übrig geblieben, einige wenige haben für gewisse Fälle einige
Bedeutung erlangt. Immerhin Ist es bisher keinem dieser Ersatz¬
präparate gelungen, das Kokain zu entthronen, weil keins alle Vor¬
züge des Kokains in sich vereinigte und dabei seine Fehler ver¬
mied. Nun kommt seit einigen Monaten ein von den Elberfelder
Farbenfabriken vorm, Priedr. Bayer A Co. dargestelltes Präparat
in den Handel, das dem Kokain ernstlich Konkurrenz zu machen
scheint; das Alypin. Es handelt sich bei diesem Körper um einen
Glyzerinabkömmling, der im Gegensatz zum Stovain sich im Wasser
leicht löst und anders als Kokain die Sterilisation durch Kochen
verträgt, ohne sich zu ersetzen oder an anästhesierender Kraft zu
verlieren. Während Stovain sauer reagiert und infolgedessen die
Gewebe reizt, mit denen es in Berührung kommt, haben die Alypin-
lösungen neutrale Reaktion, werden also von den alkalisdi rea¬
gierenden Körpersäften nicht ausgefällt und von dem subkutanen
Zellgewebe und den Schleimhäuten anstandslos resorbiert. Es liegt
bereits eine grosse Reihe von Arbeiten vor, die übereinstimmend
folgendes besagen: a) Alypin ist halb so giftig wie Kokain; in
den therapeutisch in Frage kommenden Mengen ist die Toxizität
des Mittels also belanglos; b) die anästhesierende Kraft des Aly-
pins ist der des Kokains mindestens gleich. Wenige Tropfen einer
höchstens 5 % igen Lösung in den Bindehautsack geträufelt, machen
die Hüllen des Augapfels so unempfindlich, dass man alle Opera¬
tionen, selbst die die Augenwandungen eröfi^ienden getrost vor¬
nehmen kann. So hat sich denn das hfittel bewährt bei Ent¬
fernung von selbst tiefsitzenden Fremdkörpern der Hornhaut, bei
Eröffnung und Ausräumung von Gersten- und Hagelkörnern,
Färbung von Homhautflecken, Breunung von HomfaautgeschwUren,
Abkratzung des Homhautepithels wegen Keratitis traumatica recur¬
rens, Operation des Pterygiums; ferner bei einfachen und kombi¬
nierten Scbieloperationen bei Diszission des Schiebt- und Nachstars,
Punktion der Vorderkanuner, Iridektomieen vor Staroperationen
und bei Staroperationen selbst. Infolge seiner geringen GKftigkeit
eignet sich das Alypin besonders zur subkutanen Einspritzung;
freilich hat Alypin ebenso wenig zu vollständiger Unempfindlichkeit
bei Entfernung des Tränensacks geführt wie Kokain. Als symptoma¬
tisches Mittel bei entzündlichen und schmerzhaften Homhautleiden
(Erosio, Herpes, Keratitis parencbymatosa etc.) bewährt es sich gut.
Zur Behandlung des Heufiebers, zur Linderung der bei gewissen
therapeutischen Eingriffen (PinselnmitHöllenstein,Toucbierenmitdem
Alaunstift) hervorgerufenen Schmerzen ist das Alypin tauglich.
Übrigens beginnt es auch sich in der kleinen Chirurgie bei Nasen-,
Rachen- und Kehlkopfoperationen und in der urologischen Praxis einzu-
bürgera. c) Das bei der Einträufelung eintretende Brennen ist erträg¬
lich und wird vielfach nicht unangenehmer empfunden als das durch
Kokain erzeugte. Die mit der Einführung des Mittels in den
Bindebautsack einsetzende Hyperämie ist zwar bei Operationen an
entzündeten,blutuberfüUten Membranen lästig, aber durch Zusatz
von Nebennierenpräparaten leicht zu beseitigen, d) Einzelne Be-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
19
obachter haben nach Eintränfelnng grösserer Mengen hochkonzen¬
trierte Lösungen am Tier- und auch am Menschenange Epithelsch&di-
gungen gesehen. Aber diese Befunde werden durchaus nicht von
allen Seiten bestätigt, sind aber auch bei den für die Praxis in Be¬
tracht zu ziehenden Konzentrationen nicht zu befürchten, e) Das¬
selbe gilt von den durch einige Autoren konstatierten Symptomen
der Pnpillenerweiterung, Akkomodationslähmung und Erhöhung
des intraokularen Drucks, die bei den gewöhnlich ausreichenden
2—5%igen Lösungen nicht auftreten. f) Ein immerhin in Frage
kommender Vorzug des neuen Mittels ist sein geringer Preis
(25% billiger als Kokain). Bisher haben sich folgende Autoren
mit Alypin beschäftigt:
1. Impeus, Deutsche med. W., 1905. Nr. 29.
2. SeeligsobuQ, Ibid., Nr. 35.
3. Neustätter, Münch. Med. W., 1906, Nr. 42..
4. KöUner, Berliner klin. W., 1905, Nr. 43.
5. V. Sicherer, Ophthalmolog. Klinik, 1905, Nr. 16.
6. Weil, Ällg. med. Zentralztg., 1905, Nr. 36.
7. Hummelsheim, Arch, f. Aughkde. Bd. 53, Heft 1.
8. Gebb, Inaug.-Diss. Giessen 1905.
9. Stotzer, Inaug.-Diss. Bern 1905.
10. Lohnstein, Allg. med. Zentralztg. 1905, Nr. 47.
11. Jakobsohn, Wochenschr. f. Therapie und Hygiene des
Auges, Vlir, 52.
12. Ohm, Ibid. IX, 6.
13. Brest, Sammlung Vossius; Marhold 1905.
14. Peckert, Deutsche Zahnärztl. Wochenschr., VIII, 43.
15. Braun, Deutsche med. W., 1905, Nr. 42.
16. Seifert, Ibid., Nr. 34.
17. Königshöfer, Ibid., Nr. 49.
18. Krauss und Joseph, Ibid., Nr. 47.
19. Steindorff, Ärztl. Praxis, 1905, Nr. 24.
(Forteotzung folgt.)
Periodische Literatur.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. i.
1. Hoffa, Berlin: Über die tranmatuohe Entsendung des
Kniegelenks: Verf. berichtet über seine Erfahrung bei einer Er¬
krankung des Kniegelenks, welche darin besteht, dass das unter¬
halb der Patella gelegene Fettgewebe fibrös entartet, zu einer
fibrösen Hyperplasie sich verändert und so bedeutende Beweguugs-
Störungen und Schmerzen verursacht. Die Ursache sind nach An¬
sicht des Verf. meist traumatischer Natur. Klinisch machen sich
Einklemmungserscheinungen geltend. Verf. geht dann weiter auf
schwerere traumatische Veränderungen, Distorsionen ein und be¬
spricht die zu ähnlichen Resultaten führenden dabei auftretenden
^tzündungsprozesse. Die Therapie ist eine operative und kann
als partielle Arthrektomie bezeichnet werden. Die Beschwerden
werden nahezu absolut beseitigt, die Beweglichkeit erhalten.
2. Buschke, Fischer, Berlin; Über die Lagerung der
Spirochäte pallida im Gewebe. Die Verf. haben 6 Fälle von here¬
ditärer Lues auf das Vorkommen der Spirochäten in den inneren
Organen untersucht. Nur in einem Falle fanden sich die Parasiten
in Milz, Leber und Niere. Grösstenteils zeigten sie den steilen
Typus ihrer Windungen. Sie lagerten in der Wand der grösseren
und kleineren Gefasse bis dicht unter das Endothel, auch wohl
im Lumen wurden sie beobachtet. Zahlreich wurden sie auf
scheinbar intakten Epithelzellen gefunden. Besonders interessant
waren den Verff. die Befunde bei einer flachen nicht erodierten
Papel des ersten syphilitischen Kindes. In den Papillen besonders
in und um die Capillaren lagerten grosse Massen gewundener
Spirochäten, welche sogar bis unter die Homschioht verfolgt werden
können. In der Tiefe fanden sie sich weniger; vermehrt nm die
Talg' und Schweissdrttsen, sowie Haarbälge. Bei maligner terti¬
ärer Lues in 5 untersuditen Fällen konnten die Verf. nichts von
den Parasiten entdecken.
3. Ostwald, Paris: Über tiefe Alkohol-Kokain- oder Alko-
hol-Stovain-Injektionea bei Trigeminus und anderen Neuralen.
Verf. berichtet über ein eigenartiges von ihm ausgebildetes
Verfahren, die TrigeminnaDeuralgien therapeutisch zu beeinfiossen.
Er folgt dem Vorgänge Schlössers und verfährt folgendermaßen.
Eine bajonettfürmige Canüle wird direkt hinter der Alveole des
Weiaheitszahnes in die Schleimhaut des oberen Fomix des Vesti-
balum oris eingestocben. Sodann wird dieselbe durch den mnsculus
pterygoidens extemos bindnrchgeführt bis zur Lamina lateralis
des Keilbeinfiügels. Nun führt der Weg durch die fosaa zygo-
matica bis zum Planum infraorbitale des grossen Keilbeinflügels.
Jetzt erfolgt eine Drehung und der Weg der Canüle führt zwischen
der lamina lateralis processus pteiygoidei und dem plannm alae
magnae ossis sphenoidei entlang nach hinten bis die Nadelspitze
auf weiches Gewebe trifft. Hier ist das foramen ovale 2 mm.
Höher ist die Durchtrittsstelle des Ramus inframaxillaris Quinti.
Jetzt injiciert man langsam mit zahlreichen Unterbrechungen
1—2 ccm 80% Alkohol mit 0,01 gr Kokain oder Stovatn, indem
man mit der Canülenspitze im Foramen ovale ringsherum fährt.
Vorsicht ist geboten wegen der Nähe der anssen hinten verlaufenden
durch das Foramen spinosnm in die Sohädelhöhle eintretenden
arteria meningea media. Ist so der dritte Ast des Quintus ver¬
sorgt, dann wird die Canüle 2 mm zurückgezogen nnd in der oben
angegebenen Richtung nach vom geführt, bis wiederum der knö¬
cherne Widerstand aufhört. Dieser Punkt ist erreicht an der
Grenze zwischen Fossa zygomatica and Fossa sphenomaxillaris,
schiebt man jetzt die Canüle 6—8 mm in die Höhe, so kommt
man auf das Foramen rotundum der Durcbschnittsstelle des supra-
maxlllaren Astes des Trigeminus, Ist auch dieser Ast versorgt,
so genügt es die Canüle 2 mm weiter gerade nach oben zu schieben
um zur fissura orbitalis superior zu gelangen und hier den Augen-
ast des fünften Gehimnerven zu treffen. Natürlich kann je nach
dem Auftreten der Neuralgien nur der eine oder andere Ast be¬
handelt werden. Der Erfolg soll ein überraschend schneller sein,
fast momentan hören die Schmerzen auf. Zunächst tritt eine Parese
des Nerven ein, welche sich aber in geringer Zeit wieder zurUck-
bildet, ohne dass aber die Neuralgien wiederkehren. Verf. ver¬
fügt über 45 Fälle mit 90% Heilung. Nach Ansicht des Verf.
bewirkt der Alkohol eine Art Entartung, welche aber eine dauernde
Störung der physiologischen Funktion nicht zu bewirken scheint.
Die Technik ist wie der Verf. zugibt und wie selbst aus der
kurz referierten Manipulation ersichtlich ist, eine sehr schwierige,
sodass man wohl kaum an eine Popularisierung dieser Therapie wird
denken können. Sie bleibt eben eine Spezialität. Es will uns
auch scheinen als ob die Nähe so lebenswichtiger und edler Organe
als Locus operationis den Eingriff zu einem recht gewagten machte.
Verf. hat Unliebe gute Erfahrungen bei anderen Neuralgien, z. B.
Ischias, hier ist die Technik einfach und die Therapie wohl be¬
sonders aussichtsreich.
4. Cohn, Berlin. Die Bedentong der Rön^enstrtdüen für
die Behandlung der lympkatuohen Sarkome.
Verf. hat fünf Fälle von lymphatischen Sarkomen mit Rönt¬
genstrahlen behandelt. Zwei davon sind seit sieben resp. fünf
Monaten geheilt, ein dritter Patient ist geheilt nnd noch in Be¬
handlung, der vierte steht mitten in der Behandlung und ist der
Genesung nahe, der fünfte ist, weil aussicht^os, aus der Behand¬
lung entlassen. Diese fünf Fälle können natürlich nur als casui-
stischer Beitrag zur 1 Radiotherapie dienen, sie sind kaum im
Stande über die Bedeutnng der Therapie im Speziellen etwas aus-
zusagon. Es muss ein bei weitem grösseres Material angesamroelt
werden um bindende positive oder negative Schlüsse zu gestatten.
5. de la Camp, Berlin: Die Therapie der habitnellen Ob¬
stipation.
Bei atoni8cher[ Obstipation hat man mit Regelung der Diät
und Lebensführung zu beginnen. Medikamentöse Abführmittel
sind zwar nicht zu entbehren aber füglich zu meiden, ln der
Nahrung bieten die Hülsen von Gemüsen wertvolle mechanische
Reizmittel dar. Zucker, salzhaltige Substanzen, Fette und Kohlen¬
säure und organische ^uren enthaltende Nahrungsmittel wirken
ebenfalls stnhlbefördernd. Auch die Kälte wirkt in gleichem
Sinne, so ist oft ein Trunk kalten Wassers früh nüchtern von
Erfolg begleitet. Sehr wichtig ist die Erziehung |zur Defäcation,
Regelmäßigkeit, genügende Zeit sind notwendig. Die Therapie
der atonischen Obstipation wird unterstützt durch die Anwendung
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20
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 2.
der Massage, der Faradisation, hydriatische Maßnahmen etc. Verf.
glaubt nicht, dass in jedem Falle ausgiebige körperliche Beweg¬
ung, Übung der Skelettmuskulatur günstig auf die Darmmuskula¬
tur wirke. Ferner kommen als therapeutische Maßnahmen in
Betracht, mehrere 100 g haltende Ölklysmen, welche Uber Nacht
gehalten und von einem milden Purgans unterstützt werdea Auf
die Dauer ist die Änwendimg von Clysmen dagegen zu wider¬
raten. Bei alten Leuten ist oft digitale Entfernung des Kothes
aus der ampuUa recti nötig. Als Abführmittel kommen die in Betracht,
welche einen breiigen nicht wässrigen Stuhl bewirken. Dauernder
Gebrauch von Abführmitteln ist immer zu widerraten. Bei spasti¬
scher Stuhlverstopfung mit Eothkolik muss die Therapie sich gegen
den Spasmus wenden. Dies geschieht durch narcolicis opium
Belladonna, ferner ist Wärme, Bettruhe nötig. Während des
Spasmus stoenge Diät, nach der Periode Behandlung der eventuell
vorhandenen atonischen Obstipation.
Wiener klinische Wochenschrift. 1905. Nr. 52.
1. Scheimpflug, Vorderbrühl: Über Morphiomentsiehung
bei Bchwerea ohronisohea Leiden.
Verf. besdireibt an der Hand einiger schwerere Fälle eine
,.konträre Morphiumwirkung'' bei welcher folgendes zu Stande
kommt, im Augenblick des Morphiumhungers treten Erinneinngs-
bilder altbekannter Qualen auf und stellen eine Form der Abstinenz¬
symptome dar. Wird nun das Narcotlcum weiter gegeben, dann
wiederholt sich nach Ablauf des Rausches dasselbe Bild, wird aber
Morphium brüsk entzogen, dann wird der Beweis erbracht, dass
die „altbekannten Qualen“ nicht. auftreton und die Intoleranzer-
scheinung bleibt auch für die Zukunft aus. So kann eine
Morphiumentziehung schmerzstillend und beruhigend wirken.
2. Göllner, Hermannstadt. Über einen Fall von Kretinumns.
Verf. hat bei einem'ausgesprochenen] Fall von Kretinismus
bei einem lljährigemMädohen mit überraschendem Erfolg Jodothyrin-
tabletten (Farbenfabriken vorm F. Bayer & Co. in Elberfeld) ge¬
geben. Die Tabletten enthalten 0,3 gr Substanz. Zunächst er¬
hielt Pat. Va Tablette nach dem Mittagessen. Im Juli 1902 be¬
gann die Kur, die“Bes8erung war bereits im September manifest.
Nach einigen Wochen wurde 1 Tablette, nach iVa Jahren 2
Tabletten pro die gegeben. Nach Sjähriger Behandhmg ist die
Pat. 27,4 cm gewachsen, die Bewegungen sind leicht und gefällig,
der Gang elastisch, keiue^Neigung zur Ermüdung. Pat. lemtjim
zweiten Jahr vorzüglich, liest leicht, schreibt vorzüglich, nur das
Rechnen bietet Schwierigkeiten. Pat. ist munter, gesprächig.
Verf. hoflft bei Fortsetzung der Kur völlige Heilung zu er¬
zielen. Für den Praktiker ist es wohl von grosser Bedeutung
bei Fällen von Kretinismus mit Jodothyrin wenigstens einen thera¬
peutischen Versuch zu machen. Zu beachten dürfte vor allem sein,
dass man Geduld haben muss und die Kur nicht zu früh abbricht.
Deutsche med. Wochen8Chrift._:i905. Nr. 52.
1. Schick, Wien: Über die weiteren Erfolge der Serum-
behandlung des Soharlaoh.
Verf. teilt ein erhebliches Beobachtuogsmaterial über die Be¬
handlung des Scharlachs durch Moser’schem Scharlach-Serum
mit. Er kommt zu dem Schluss, dass die in der pädiatrischen
Klinik in Wien fortdauernd geübte Behandlung schwerer Scharlach-
fUlle mit Scharlachstreptococenserum Moser die bisherigen
günstigen Resultate auch neuerdings bestätigt hat. Die Serum¬
therapie wird allerdings nur auf die schwersten Fälle von Schar¬
lach beschränkt, Fälle bei denen jede andere Therapie aussichtslos
erscheint. Die zahlreichen günstigen Erfahrungen russischer Ärzte
lassen es wünschenswert erscheinen, dass auch in anderen Ländern mit
dem Moser'schen Serum in den gedachten FäUen vorgegangen wird.
2. Rumpf, Bonn. Die Behandlnng von Herznenrosen,
Eine sehr grosse Bedeutung [^kommt der ausführlichen und
gründlichen Erhebung der Anamnese zu. Sehr wichtig ist z. B,
der Tabakmissbrauch, Therapie: Verbot, ferner gichtische Vorgänge.
Hier ist Körperbewegung mit leichten Schweisseu angezeigt, die
Diät ist vegetabilisch zu gestalten, dabei Milch, Gemüse, Obstweine;
Alkohol überhaupt streng verboten. Kohlensäure Salzbäder von
31® 0. sind ^nützlich, systematische Gymnastik. Herzneurosen,
welche durch direkte Beeinträchtigung des Herzens durch den auf¬
getriebenen Magen oder das Kolon transversum entstehen, werden
therapeutisch durch Behandlung des ursächlichen Leidens gut be¬
einflusst. Die Gasaufbläbung muss eventuell unter Zuhilfenahme
der Sohlundsonde beseitigt werden. Sorgsame Diät, langsames
Kauen. Kleine öfter wiederimlte Malseiten. Käse, Bier, kalte
Speisen, Salat streng verboten. Gebäck soll statt mit Hefe mit
^ckpulver bereitet werden. Kaffee als die Verdauung stltoend ist
zu vermeiden. Tee in geringen Mengen erlaubt. Bei FäUen wo
nur das Kolon transversum der schuldige Teil ist, müssen Ein¬
läufe und Zimmergymnastik und systematische Atemübungen her-
angezogen werden. Sind die Herzbeschwerden reflektorischer Natur,
so haben sie ihre Ursache z. B. in Geschwüren am Pylonus, in
Gallensteinen, den Erkrankungen des Wurmfortsatzes u. a. Hier ist
Beseitigung der ursächlichen Momente das Wesentliche der
Therapie. Bei Herzneurosen, welche ihre Ursache in Störungen
der Gisnitalsphäre haben, gilt es das ganze Leben zu regulieren.
Bei Herznenrosen in Folge von Wanderherz (starke Ab¬
magerung Fettleibiger) ist es erwünscht durch entbrechende
Diät das Wiedergewinnen des früheren Körpergewidites zu er¬
reichen.
Bedenklich sind die durch Trauma entstandenen Herzneurosen.
Hierher gehören Verletzungen des Brustkorbes und auch Schädel¬
brüche, auch die Fälle in denen übertriebener Sport oder exzessive
Körperleistongcn die Ursache darsteUen. Liegen im Bett, sorg¬
fältige Ernährung, Femhalten von Alkohol, Kaffee, Tee, Tabak
können dienlich sein. Oft führen diese Fälle zu schwerer Arterio¬
sklerose. Es kommen auch Fälle von Herzneurose vor, welche die
Feststellung eines einzigen ätiologischen Momentes nic^t gestatten.
Hier sind zu erwähnen, angestrengte geistige Tätigkeit, auch
wohl rein nervöse Ursachen. Bei Herzneurosen im Pubertätsalter
und im Klimacterium wird man sich auf eine allerdings individuali¬
sierte symptomatische Behandlung beschränken.
Alle Herzneurosen verlangen aber eine eingehende Regulierung
des ganzen Lebens. Als Erholungsstätte kommt das Mittelgebirge
mehr in Betracht als die See.
Therapeutischer Ratgeber Nr. i6 (Beilage zur Ärzti. Zeu-
tral-Zeitung Nr. 40, 1905):
Mobilia, Dr. Karl: Über ein nenes Sohlafinittel, Isopral.
Ans dem evangelischen Diakonissenhaus.
Im Diakonissenkrankenhause wurde das Isopral in Form der
Originaltabletten zu 1 und 0,5 g verwendet. Das Präparat wurde
seit über Jahresfrist in den verschiedensten Fällen als Hypnotikum
angewandt und hat sich als solches vorzüglich bewährt, besonders
wurde es verwendet nach Laparotomien, bei chronischen Fällen
von Exsudaten und Ädnexschwellungen, sowie in verschiedenen von
nervöser Agrypnie. In allen Fällen trat ruhiger Schlaf ohne Träume
ein und die Patienten fühlten sich am Morgen wohl. Das Mittel
wurde stets gut vertragen und konnten unangenehme Nebener¬
scheinungen, welche mit Sicherheit auf den Gebrauch des leoprals
zurückzuführen gewesen wären, nicht beobachtet werden. In
leichten Fällen nervöser Schlaflosigkeit dürften auch 0,5 g genügen.
Da sich das Isopral im Wasser leicht löst, kann man es den Pa¬
tienten , die es in der Tablettenform nicht leicht verschlucken
können, auch in Lösung beibringen, indem man die Tabletten ein¬
fach in Wasser löst und die Lösung zur Deckung des unange¬
nehmen Geschmacks mit Spirit, menth. oder Spirit, aromat, versetzt.
In neuerer Zeit kommt es auch in Form von mit Zucker
überzogenen Isopral-Dragees, in welchen Geruch und Geschmack
vollständig verdeckt erscheint, in den Handel.
Der Schlaf trat in der Regel in einer viertel bis halben
Stunde, höchstens nach einer Stunde ein und dauert in der Regel
5 — 7 Stunden. Eine Angewöhnung an das Mittel scheint nicht
einzutreten, wenigstens haben wir eine solche auch bei längerem
Gebrauche nicht beobachten können.
Wir können also nach unseren Erfahrungen dieses neue
Schlaf-Mittel als für die Praxis durchaus verwendbar und frei von
üblen Nebenwirkungen bezeichnen.
Vermischtes.
Berlin. Am 28. d. M. fand unter Vorsitz des Herrn S. Ale¬
xander die Generalversammlung des Arzteyereins der Berliner
Bettnngzgesellsohaft statt. Der Vorsitzende gab den Geschäfts¬
bericht über die Tätigkeit des Vereins, in welchem er dessen ge-
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1906.
MEDICmiSCHB WOCHE.
21
delUmie iwtwickelung Uervui'liob. Die Zahl der Mitglieder des
Vereins beträgt im Ganzen 1048, von welchen etwa 250 dienst-
taende Arzte sind. Weiter wurden einige wichtige Beschlüsse
des Vorstandes angeführt. Von den Rettungswachen sind, wie
Herr George Meyer hervorhob, im Ganzen einschließlich der
Wagenbestellungen 12 914 Hülfsleistungen^ zu verzeichnen, d. h.
eine Zunahme gegen das Vorjahr von 930 Fällen. In der Hülfs-
steUe des Verbandes für erste Hülfe, deren ärztlicher Dienst gleich¬
falls vom Arzteverein der Berliner Rettungsgesellschaft versorgt
wird, worden 1816 Hülfslebtungen einschließlich der Wagen¬
bestellungen ausgeführt, sodass die Gesamtsumme der Fälle 14230
betrug. Excellenz von Bergmann schilderte hierauf die historische
Entwickelung der jetzigen Verhältnisse des Rettungswesen, wies
auf die Untrennbarkeit der einzelnen Einrichtungen der Rettungs-
gesellschafb hin und drückte die Hofinung aus, dass eine zweck¬
entsprechende Entwicklung des Rettungswesens bei den zu er¬
wartenden Verhandlungen der städtischen Behörden mit der Ber¬
liner Rettungsgesellschaft sich ergeben würde. Hierauf brachte
Herr Henius folgende Resolutionen ein, welche einstimmige An¬
nahme fanden:
I.
1. Der Arzteverein der Berlhier Rettungsgesellschaft erklärt,
die zwischen ihm und der Berliner Rettungsgesellschaft seit deren
Begründung bestehende Interessengemeinschaft, welche durch Or¬
ganisation des Rettungswesens den berechtigten Wünschen der
Bevölkerung, wie der Arztein gleich befriedigender Weise Rechnung
getragen hat, muss bei den zu erwartenden Verhandlungen mit
den städtischen Behörden über die Einrichtung eines städtischen
Rettungswesens in vollem Maße gewahrt werden.
2. Er erwartet demgemäß, dass die Berliner Rettungs-
ge.sellschaft Verhandlungen mit den städtischen Behörden, wie bisher,
nur unter Zuziehung und Zustimmung des Vereinsvorstandes führen
wird, wie er seinerseits seinen Vorstand zu gleichem Verhalten
verpflichtet.
3. Für den Fall der Errichtung eines städtischen Rettungs-
wesens erklärt er sich bereit, seine erprobten Einrichtungen in den
Dienst der Stadt Berlin zu stellen, falls ihm seine Organisation
in ihren Grundzügen, insbesondere die Zulassung aller Arzte, welche
sich den gestellten Bedingungen unterwerfen, zum Wach'tdienste
gewährleistet und den diensttuenden Ärzten eine angemessene
Honorirung zugesichert wird.
n.
Der Ärzteverein der Berliner Rettungsgesellschaft nimmt mit
Befriedigung Kenntnis von der Bildung eines Ausschusses Berliner
ärztlicher Vereinigungen mit der Aufgabe, die Bestrebungen des
Vereins, als berufenen Vertreter der ärztlichen Interessen auf dem
Gebiete des Rottungswesens zu fördern und bevollmächtigt seinen
Vorstand, an den Verhandlungen des Ausschusses teilzunebmen.
Durch Zuruf wurden die bisherigen Mitglieder des Vorstandes,
die Herren S. Alexander, Henius, Phil. Herzberg, Kutner, Krause,
George Meyer, Rotter, 0. Salomon, Schayer wiedergewählt.
B6rlin. Eine Sonder-Ausstellung „Geschichte der
Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ wird anlässlich
der Eröffnung des Kaiserin Friedrich-Hauses von Ende
Februar bis Mitte April daselbst veranstaltet werden. Die Aus¬
stellung wird folgende Gruppen umfassen: I. Originalgemälde (keine
Reproduktionen, keine Photographien): öl-, Aquarell-Zeichnungen
etc., mit historischem Bezug auf die Medicin. II. Graphische Künste:
1. Flugblätter und Einblätter mit Schriftsatz. XV,—XVIII. Jahr¬
hundert: 2. Kupferstiche, Radierungen, Schabkunstblätter etc. mit
raedicinisch-interessantem Inhalt bis zur Neuzeit. 3. Künstlerische
Plakate für Naturforscher-Versammlungen, Ausstellungen etc. 4.
Ex libris (auch von lebenden Ärzten). III. Keramiken und Plasti¬
ken: 1. Frauenschalen. 2. Künstlerische Apothekergefhße, Ader¬
laß- und Barbierschalen. 3. Plastiken und Statuetten von Medicinem.
4. Plakette, Münzen und Medaillen. IV. Medicinische Elrzeugnisse
des Kunsthandwerks, namentlich der Renaissancezeit bis zum
XVIII. Jahrhundert; Instrumente, Schienen und der Apparat des ge¬
samten alten Heilpersonals (Bader, Chirurgen etc.) V. Alte illustrierte
Frachtbücher: 1. Illustrierte Handschriften und Prachtausgaben der
Klassiker. 2. Illustrierte Werke zur Geschichte der anatomischen
Abbildung. 3. Illustrierte Standeschroniken und ähnliches. VI.
Römische etc. Instrumente, in Deutschland gefunden. Die Leitung
der Ausstellung hat Herr Dr, Holländer-Berlin, Kleiststr. 3 über¬
nommen, an welchen alle Zuschriften betreffend die Ausstellung zu
richten sind.
Berlin. Das Kaiserin Friedrich-Haus wird nach end¬
gültiger Feststellung folgendermaßen eingerichtet werden; Im Erd¬
geschoss soll die „Dauerausstellung für die ärztlidi-technische Lq-
dustrie“ Unterkunft finden. Die erste Etage wird die Verwal¬
tungsräume des Zentralkomitees für das ärztliche Fortbildungswesen
in Preußen, sowie einen Saal für ärztlich-wissenschaftliche Aus¬
stellungen enthalten, welcher unentgeltlich zur Verfügung gestellt
wird. In diesem Saale wird bei der filröfinung eine Ausstellung:
„Die Geschichte der Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ ver¬
anstaltet werden. Ferner finden sich hier eine Handbibliothek
und Räume für Ausgabe der Karten (für die Fortbildungskurse).
Die zweite Etage wird die „Staatliche Sammlung ärztlicher Lehr¬
mittel aufnehmen, aus welcher unentgeltlich Objekte für Unter¬
richtszwecke leihweise zur Verfügung geatellt werden. Die dritte
Etage soll die technischen Räume umfassen und zwar voraussichtlich
ein Röntgenkabinett (für Röntgenkurse); ein Atelier für wissen¬
schaftliche Photographie; einen Kurssaal für klinische Chemie und
Mikroskopie; einen Kurssaal für Bakteriologie mit Nebenräumen,
eine Moulagenwerkstatt. — In der hfittelaohse des Hauses endlich
befindet sich, durch die erste und zweite Etage hindurchgebend,
ein großer Hörsaal, welcher ca. 250 Hörem Platz bietet. —
ist geplant, für diejenigen theoretischen Kurse, welche nicht an
die Stätten des Krankenmaterials (Kliniken und Polikliniken) ge¬
bunden sind, schon im nächsten Jahre im Kaiserin Friedrich-Hause
die genannten Säle bereit zu stellen.
Bsrlin. In der Berliner Demetologischen Gesellschaft wird
am Dienstag den 9. Januar Professor A. Neisser einen Vortrag
über die bisherigen Ergebnisse seiner Studien in Botania über
experimentelle Affensyphilis halten.
Berlin. Habilitiert haben sich Dr. Beitzke, Assistent am
pathologischen Institut und Dr. Salge, Oberarzt an der paediatrischen
Klinik der Königl. Charite.
Berlin. Ernennungen: Den Professortitel erhielten der
Stabsarzt der Landwehr Dr. Hans Hoffmann, Assistent an der
Chariteklinik des Gebeimrats Lesser, der Privatdozent Dr. Kurt
Brandenburg, früher Assistent des verstorbenen Geheimrats
Gerhardt und Chefredakteur der Medicinischen Klinik, sowie der
Chirurg Dr. Karewski.
B6rlin. Verband für erste Hilfe, Im Monat November
d. J. wurden die Hilfsstellen des Verbandes, zu dem der grösste
Teil der Berliner Sanitätswacben, die Berliner Unfallstationen vom
Roten Kreuz und die Berliner Rettungsgesellschait zusammenge¬
treten sind, in 5981 Fällen in Anspruch genommen. Darunter
befanden sich 5302 chirurgische Fälle, 650 innere Erkrankungen
und 29 geburtshilfliche Fälle. Innerhalb der einzelnen Hilfstellen
wurde 5639, ausserhalb derselben 342 Personen erste Hilfe ge¬
leistet.
RoyboldsgrUn. Hofrat Dr. Wolff und Dr. Sobotta übernehmen
die Leitung der hiesigen Privatheilanstalt für Lungenkranke.
Bonndkensioin. Als Leiter der Johanniterheilanstalt Sorge
ist an Stelle des ausscheidenden Dr. Sobotta, Dr. Haegelsbach, bis¬
heriger Oberarzt an der Weickerschen Lungenheilstätte Goerbers-
dorf, ernannt worden.
Paris. Ein internationaler Kongress für Ernäh¬
rungshygiene wird in der letzten Februarwoche nächsten Jahres
in Paris abgehalten werden. Die Veranstaltung der Versammlung
hat die dort bestehende „Wissenschaftliche Gesellschaft für die
Hygiene der Nahrungsmittel und für die Ernährung des Menschen“
übernommen. Der Kongress wird aus 15 Abteilungen bestehen,
die in zwei Hauptgruppon, nämlich für wissenschaftliche Unter¬
suchung und für soziale Anwendung geteilt sind. Die Ziele, die
von diesem Unternehmen verfolgt werden, veranschaulichen sich
am besten aus der Angabe der Gegenstände, mit denen sich die
einzelnen Abteilungen des Kongresses zu befassen haben werden.
Es sind dies folgende: biologische Physiologie, physiologische und
biologische Chemie, Vorschriften für Ernährung und Diät, analytische
Chemie nebst Nahrungsmittelverfklschung und der darauf bezüg¬
lichen Gesetzgebung, Statistik und Zufuhr von Nahrungsmitteln,
die Gesundheitspflege und ihre Anwendung auf die Aufbewahrung
und den Transport von Nahrungsmitteln, Mittel zur Beschaffung
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22
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 2.
billiger Nahrongsmittel für die Emährong von Kindern, der Wettr
bewerb des Handels anf dem Gebiet der Ernährung, billige Nah*
rungsmittelzufuhr in Handelshänsern, die Hygiene der Ernährung
in Fabriken, die Gesundheitspilege bezüglich der Ernährung in der
Familie, die soziale Vurbengung gegen Alkoholismus und gegen
die durch Nahrungsmittel verbreitete Tuberkulose, wohltätige Ver¬
anstaltungen zugunsten der Beschaffung von N^urnngsmitteln,
Belehrung Uber eine vernünftige Diät und über die Hygiene der
Nahrungsmittel in Schalen.
Arg6ntlni6n. Die Regierung der Republik will einen Gesetz¬
entwurf einbringen, nach welchem es den Apothekern untersagt
werden soll, ärztlichen Rat irgend welcher Art zu erteilen. Prä¬
parate mit einer specifischen oder besonders guten Wirkung sollen
nicht mehr angekttndigt werden. Wenn dieses Gesetz durchgeht,
dann wäre Argentinien den europäischen Ländern weit voraus, denn
dieses Gesetz trifft den bedenklichsten Teil der ganzen Kur¬
pfuscherei.
Neu niedergelassen
haben sieh ln
Berlin. Dr. med. Emst Oberndorfer. — Breslau. Dr. med. Qalley. —
Friedenau. Dr. med. Scbaps. — Hannover. Dr. med. Rudolf Wolf —
Königsberg i. Dr. med. B. Dangscbat. — Königsberg i. Pr. Dr. med.
EM. — Lübeck. Dr. med. Fritz Escbenbum. —- Rbeydt-Heyden. Dr.
med. Herrn. Kocb. — Rc^lan. Dr. med. G. nennigsdorf. — Wiesbaden.
Dr. med. Theodor Dercum.
Familien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Sidonie Baer mit Herrn Dr. med. Adolf Schlesinger, beide in Berlin.
— Frl. Gerda Schmitz in UalmO mit Herrn Dr. med. Pani Diepgen in
Frankfurt a. M. — Frl. Liska Grimme in Gaumitz mit Herrn Dr. med.
Emil Gerth in Polzig. — C^l. Elfriede Wengler mit Herrn Dr. med. Seese
in Gottingen. — Frl. Käthe Dressei in Koblenz mit Herrn Dr. med. ROmer
in EllMrfeld. — Frl. Anna Reichenbacber in Fürth mit Herrn Professor Dr.
med. Heinrich Rosin in Berlin. — Frl. Lucie Petzold in Berlin mit Herrn
Dr. med. Wilde in Quedlinbni^. — ^1. Theodora Meer mit Herrn Dr.
med. Karl Neu, beide in BA-GIadbadi. — Frl. Emma Leser in Halle a. S.
mit Herrn Dr. med. W. Li^mann, Oberarzt a. d. Univ.-Fraaenklinik der
Kgl. Öiaritd in Berlin. ^ »1. Toni Hennes in Berlin mit Herrn Dr. H^o
Jacobsobn in Reinickendorf-ScbOnbolz. — Frl. Erna Boiler mit Herrn Dr.
med. Emit Soens, beide in Rostock. — Frau Blartha verw. Wiecbmann in
Leipzig-Gohlis mit Herrn Dr. med. C. Gebhardt in Reicbenbacb i. V. —
Frl. Lnise Flachs in Falkenberg i. Mark mit Herrn Dr. med. S^ied in Ebers¬
walde. — Frl. Marianne Koester mit Herrn Dr. med. Wilb. Franck, beide
in Stargard i. P. — BVl. Elisabeth Lencbtenberg in Grimlinghaasenbrücke
bei Neuss mit Herrn Dr. med. Heinr. Brand in Paderborn. — Frl. Anna
Frey in Uhingen mit Herrn Dr. med. Alfred Müller in Esslingen. — Frl.
Blarnrete Emst in Hamburg mit Herrn Dr. med. Otto Prelle in Berlin.
— ^1. Mai^farete Praotoriua Tn Zeitz mit Herrn Dr. med. Dirk Lfltjens in
Wittmnnd. — Frl. Wanda Nauck io Groß-ScbOufeld mit Herrn Dr. med.
Max Penkert, Freibarg i. Br. — Frl. Margarete Kluge mit Heim Dr. med.
Bruno Bosse, beide in Berlin.
Vermfthlt:
Herr Dr. med. Richard Hirtz mit Frl. Eromy Speyer in fissen. —
Herr Dr. med. Edgar Alexander mit Frl. Käthe Baer in Leipzig. — Herr
Dr. med. Hans Suhirokauer mit Frl. Gertrud Frida Krojonker in Berlin. —
Herr Dr. med. Jakob Metier mit Frl. Else Schmidt in Bonn.
Geboren:
Einen Sohn: Herrn Dr. med. Jul. Klapp, Privatdozent in Bonn.
— Heim Dr. med. Qoom Wolpert, Kaiserslautern. — Herrn Augenarzt
Dr. Vollert, Leipzig. — Herrn Dr. med. John Hirsch, Berlin.
Eine Tochter: Herrn Dr. Emil Berberieh in Wiesbaden. — Herrn
Dr. med. H. Kunz, Altenesseu (Rbeinld). — Herrn Dr. med. Feodor Pflug-
beil in Ostritz. — Herrn Dr. med. Robert Samuolson in Königsberg i. Pr.
— Herrn Dr. med. Emil Druckenmüller in Bonn. — Horm Dr. med. Cbarlos
Knoop in Oberbausen (Rbeinld.)
Gestorben:
Dr. med. Christian Doeuz, Davos. — Medicinalrat Dr. Georg Heinr.
Diotr. Gross, Brako. — Dr. med. Elias M^er, Nürnberg. — Dr. med. Blum,
Scbwarzacb (Amt Brühl). — Sanitätsrat Dr. Klemm, Ebeloben. — Uedicinal-
raC Hermann Martini, Malsub. — Dr. med. Hichalok, Leipzig. — Dr. med.
Karl Ludwie Herberth, Wiesbaden. — Oberstabsarzt a. D. Dr. med. F.
Müller, Freinurg' i. B. — Dr. med. Anton Riedlin in Gross-Salze-Elroen. —
Sanitätsrat Dr. Peter Jacobs in Küln. — Sanitätsrat Dr. med. Herrn. Lüdicke,
Halle a. S.
Patentnachrichten.
Anmeldungen.
C. 13 543. Verehren zur Herstellung eines Heilmittels gegen Eklamp¬
sie. Chemische Fabrik auf Aktien (vorm. C Scberi^), Berlin.
H. 33060. Verhthren zur Herstellung eines Zabnzoments. Dr. Otto
Hoffmann, Berlin.
F. 16427. Vorrichtung: zum Beimengen von Desinfektionsflüssigkeit
und ^ülwasser. Rudolf Fiscbbach, Straasburg i. E., Honheimentraese 21,
und Heinrich Kennel, Strassbnig-Neudori i. E.
8. 20257. Verfahren zur Darstellung wässriger Emalsionen von
SteiokoblenteerOlen and MineralOIrflckständen. Dr. W. Spalteholz, Amster¬
dam;
Erteilungen.
167057. Fahrbarer Lan&tubl für Kranke zum Wtedererleraen oder
Erleichtern des Gehens. Richard Fiedler, Berlin.
167061. Verfahren zur Herstellung eines haltbaren, gntscbmeckenden
Hämc^lobinpräparats von der Farbe des arteriellen Bluts. Kalle A Co.,
Akt.-Ges., Biebrich a. Hb.
1G6958. Einrichtung znm Reinigen und Erwärmen von unter hohem
Druck stehenden Gasen. Albert CWles Clark, Chicago.
167 053. Imektionsspritze mit den Sprit 2 enzylinder amgebendem Mantel.
Felix Reinhard, Düsseldorf.
Gebrancbsmaster.
262795. Heisluftbadeapparat mit in einem Gestell befindlicher Heiz¬
lampe nnd an&etzbarem, verstellbarem Leitnngsrobr. Emst Hngo Straube,
Dresden.
262798. Elektrisch betriebener Lnftmassageapparat f&r die Behandlu^
des Trommelfells. Friedricb Eranse A Co., elektromedicinische Werke O.
m. b. H., Berlin.
262803. VorricbtQDg zur künstlichen Atmung. F. und M. Lauten-
Schläger, Berlin.
262 802. Injektionsspritze mit in einem Porzellankolben eingekitteten
Metallstempel. Gebrüder Drebmann, Stnttgu't.
^810. Inhalation^ftss, anf dessen Deckel ein QefiUs für die zo
extrahierenden Stoffe angeoracht ist. Geoi^ Berger, Angsburg.
262813. Vorrichtung zur Anfiiabme von DMinfekuonsatoff mit ver-
schtiessbarem Spritzmandstück. Minerva Patentverwertung ACbem. tecbn.
Laboratoriom, G. ra. b. H.j Strasabni^ i. E.
262820. Teleskopartig verstellbare Stempelstange für Spritzenkolben.
Dewitt & Herz, Berlin.
263040. Zerstäuber mit unter dem als Hanptventil an^ebildeten Loft-
pnmpenkolben dicht schliessend eingesetzter verjüngter, das Ende des Druck-
rohres bildender LnftsasstrümOffnung. Henry Charles Quelc^ London.
Neüerscheinuns:en auf dem Büchermarkt.
Ausführliche Besprechung einzelner nachstehend verzeichneter Werke be¬
hüt sich die Redaktion vor.)
Ueltsmann, Atlas der deserfptiven Anatomie. 2. Bd. 2. Hälfte. Wien-
Tjeipzig, Wllh. Branmüller, 1905.
Dornblfltn. Diätetisehes Koehbneh. 2. Anfl. Würzboig, A. Stüber, 1905.
Hoffa, Lenrbneh der orthopädlsehen Chirurgie. 5. Anfl. Stutte^,
Ferd. Enke, 1905.
Sehwal^g Jahrbneh der praktischen Medizin. Stnt^rt, Ferd. Enke,
Fflrst, Die intestinale Tnberknlose-Infektion. Stuttgart, Ferd. Enke,
1905.
Tierordt, Diagnostik der Inneren Krankheiten. Leipzig, F. C. W.
Vogel, 1905.
Tafel für ärztliche Stellenvermittluns:.
Adresse: Ärztliches Auskonfts-Bireau des Qosohifts-Aassehnsses dsr
Berliner Irztlichen Standesvereine Im Medielnltohen Waareahanse (Akt-
Ges.), Berlin N., Friedriohstrasse 1081.
Für pertSnIiche Rücksprache ist Herr Dr. JomSIm tagllek TOD UhV ia
Medtcinitchen Waarenhause anwesend (Mit pütiger Erlaubnis des Gescnäfis-Ausschusses
der Berliner ärztlichen Standesvereine Tom Auskunfts-Bureau der Med, Woche übertniuelt.)
In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1940.
In Berlin wird für sofort ein Assistent für augenärztl. Poliklinik ge¬
sucht. Näheres unter No. 1945.
In Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1951.
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1956.
In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1959.
In Westpreussen wird für sofort ein kreisärztlicb geprüfter Vertreter
gesucht. Näheres unter No. 1970.
In der Rheinprovinz wird für Ende Januar ein Vertreter gesucht.
Näheres unter No. 1982.
In Berlin wird für Anfang Februar für chirurg. und gynäkol. Privat¬
klinik ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1^3.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, Berlin W. St, KurfOrsienstr. 81. — Verlas Ton Carl Marhold, Hall« a S.
Druck von der Heynemaan'scheii Bucbdruckerei, Gebr Wollf, Halle a. S.
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Medicinische Woche
R. Deatschmann, A. D&hrssen, A. Hoffa, E. Jaeobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Br.
H. Senator, A. Sommer,
Berlin. Qiessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2634.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricbt, A. Vossins,
Magdeburg. Glessen.
Redaktion:
Berlin W« 62« Karffirstenntrasne 81*
Dr. P. Meißner.
Vn. Jahrgang.
15. Januar 1906.
Nr. 3.
Die »Medl cinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Beilage Balneologische Centralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen BSderverhandes, des Schwsrzwald-
bädertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jibrlich 10 M.. einzelne Nummer 2S Pt. Bestellungen nehmen jede Bucb-
handlung. die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden (Qr die 4sp8Jtige Petitzeile oder deren Raum mit SO PL berechnet.
Beilagen nach Uebereinkunft Rddamezeile 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt BrmSssigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet
Originalien.
Der Einfluss des Alters auf orthopädische
. Massnahmen.
Von Prof. Dr. A. Hoffa, Berlin.
In der Praxis hört man vielfach von den Kollegen die
Frage aufwerfen, von welchem Zeitpunkte ab man eine ange¬
borene Deformität behandeln soll, vielfach ist man der An¬
sicht, damit zu warten, bis die Kinder ein gewisses Alter, etwa
den Beginn des zweiten Lebensjahres, erreicht • haben, da
sie ja doch sonst etwa notwendig werdende Verbände so ver¬
unreinigen würden, dass die Verbände ihren Zweck nicht er¬
füllten. Dieser weitverbreiteten Ansicht möchte ich hier ent¬
gegentreten. Alle angeborenen Deformitäten sollen
möglichst bald nach der Geburt in Angriff genommen
werden. Sobald es sich zeigt, dass das betreffende Kind
lebensfähig ist, muss der Zunahme der Deformität entgegen¬
gearbeitet werden. Gerade im ersten Lebensjahr ist der Bil¬
dungstrieb des Scelettes ein ungemein reger, bei verkrümmten
Knochen ebenso wie bei gesunden und es lässt sich zu dieser
Zeit durch die einfachsten Maßnahmen mehr erreichen, als
später durch die kompliziertesten Apparate. Nehmen wir z. B.
den angeborenen Klumpfuss, so lässt sich derselbe durch täg¬
liche Redressionen und einfache Bindenverbände, die man schon
einige Wochen nach der Geburt beginnt, so uniformen, dass
beim Beginn des Gehens oft nur noch ein einfacher Üump-
fussschuh notwendig ist, um die völlige Heilung zu sichern.
Selbstverständlich wird man in den ersten Lebensmonaten nie¬
mals Apparate anlegen oder Gypsverbände, die Monate liegen
bleiben, sondern man muss als ersten Grundsatz immer den
festhalten, dass die Pflege des Kindes, die Sorge für Schonung
und Reinlichkeit der Haut, des ganzen Kindes sowohl wie des
verkrümmten Teiles oben an st^i Gegen diesen Satz wird
noch ausserordentlich viel gesündigt. Monate lang werden die
kleinen Extremitäten in festen Verbänden gehalten, und es ist
dann kein Wunder, wenn Misserfolge entstehen, einerseits durch
ausserordentliche Atrophien der Teile, andererseits durch
Auftreten von Funinkein und Ekzemen, die dann ihrerseits
wieder für längere Zeit jede Behandlung der Deformität
verbieten.
Haben die Kinder das erste halbe Lebensjahr hinter sich,
so kann man jetzt schon Gypsverbändchen verwenden. Die
Verbände müssen aber technisch vollendet angelegt werden
und sollen niemals länger als höchstens 4 Wochen liegen. Dann
sollen sie wieder gewechselt, das Kind gebadet und der Verband
dann von Neuem appliziert werden. Um Durchnässung der
Gypsverbände zu vermeiden, überzieht man dieselben am
besten mit einer dünnen Schicht Wasserglas oder in Aceton
aufgelöstem Celluloid. Legt mau daun noch eine Schicht
Billrothbatist über den Verband und befestigt diese oberhalb
und unterhalb des Verbandes mit einer Binde, so kann man
die Kinder getrost jeden Tag baden, ohne dass der Gypsverband
leidet. Wer einmal erfahren hat, wie schön sich angeborene
Klumpfüsse auf so einfache Weise heilen lassen, wenn man die
Behandlung schon bald nach der Geburt beginnt, der wird nie
mehr die Behandlung bis etwa nach vollendetem ersten Lebens¬
jahre hinausschieben.
Ebenso wie den angeborenen Klumpfuss soll man nun auch
alle anderen angeborenen Deformitäten möglichst bald behandeln.
Namentlich kommen hier die angeborenen Luxationen des Hüft¬
gelenks in Betracht. Sobald die Diagnose gestellt ist, soll man
die Reposition machen. Diese ist dann ein Kinderspiel. Eine
einfache Adductioii des flektierten Beines genügt in solchem Falle,
um den Kopf in die Pfanne zu bringen. Die Reposition Vami man
dann mittelst eines Gypsverbändchens oder einer nach Höft-
mann’s Angabe gemachten Schiene bewirken.
Je älter man die Kinder mit angeborenen Deformitäten ohne
Behandlung werden lässt, um so mehr wachsen die deformen
Knochen und Gelenke in der falschen Wachstumsrichtung weiter
und um so OTÖsser sind dann die Schwierigkeiten, absohit nor¬
male Verhältnisse durch die Behandlung zu erzielen.
Ist es nun aus irgend einem Grunde nicht möglich die
Behandlung der angeborenen Deformitäten unmittelbar nach
der Geburt zu beginnen, so bietet die moderne Orthopädie ge¬
nügend Hilfsmittel, um diese ebenso wie die nach der Geburt
erworbenen Deformitäten auch noch im späteren Lebensalter
erfolgreich zu-bekämpfen, es bleiben dann aber, selbst wenn
man das denkbar beste Resultat in dem gegebenen Falle er¬
reicht, doch, entsprechend den weiter vorgeschrittenen Defor¬
mationen der Knochen und Gelenke und der Anpassung der
Weichteile an diese Veränderung^ auch nach erfolgreich durch-
geführten Behandlung oft noch recht erhebliche Störungen zurück,
welche das kosmetische und funktionelle Endresultat zu beein¬
trächtigen vermögen. Nehmen wir zum Beispiel einen FaU von
spinaler Kinderlähmung an, der zur Bildung eines paralytischen
Spitzfusses Veranlassung gegeben hat. Kommt ein solcher Fall
frühzeitig zur Behandlung, so kann man durch Massage, Gym¬
nastik und Elektrizität die Muskeln kräftigen, so dass man dann
durch eine eventuelle Sehnenplastik dem Fuss seine fast nor¬
male Stellung und Funktion wiedergeben kann. Durch die
Stauungsbehandlung nach Helferich kann man ferner erreichen,
dass das Längenwachstum der Knochen ein gleichmässiges wird,
bleibt dagegen ein solcher Fall unbehandelt, so atrophieren
die Muskeln, das Längenwachstum bleibt zurück, die Beine
werden oft erheblich kürzer und man kann dann schliesslich
auch durch die bestgeliingene Sehnenplastik nicht mehr
helfen, weil das Bein so kurz ist, dass die nach der Korrektur
der Fussstelluiig zurückbleibende Verkürzung des Beines so
liochgradig sein würde, dass ein viele Zentimeter hoher Kork¬
schuh zur Ausgleicliung der Verkürzung notwendig wäre. Man
kann dem Patienten dann nur noch znm Tragen eines die Ver¬
kürzung ausgleicheuden Apparates raten.
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24
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 3.
Solclie Beispiele liessen sich viele anführen. Ich will nur
noch eines heranziehen. Haben wir einen Fall von angeborener
Coxa vara vor uns im jugendlichen Alter, so kann man durch
Tenotomie der Adduktoren und Eingipsen der Beine in maxi¬
maler Abduktion eine fast normale Heilung erreichen. Im
späteren Lebensalter lä.sst sich dagegen selbst durch eingreifende
Operationen nur noch eine Bessening, niemals eine Heilung des
Leidens mehr erzielen.
Bezüglich der rachitischen Deformidaton spielt das
Lebensalter insofern eine gewisse Kolle, als wir wissen, dass
selbst hochgradige rachitische Verkrümmungen der ersten
Lebensjahre spontan völlig ziirückgehen können. Die Ver¬
krümmungen w'aehsen sich dann wirxlich aus. Vielfache Er¬
fahrungen haben gelehrt, dass etwa das ö. Lebensjahr die
Grenze für eine spontane Au.sheüung dieser Deformitäten bildet.
Verkrümmungen, die nach dieser Zeit noch bestehen, haben
keine Aussicht mehr auf spontanes Verschwinden. Sie müssen
dann orthopädisch oder chirurgisch behandelt werden.
Durch frühzeitige Inangi-iffnahme der Deformitäten lässt
sich namentlich auch prophylaktisch sehr viel erreichen.
Eine beginnende Scoliose können wir völlig heilen, einer aus¬
gebildeten Scoliose im späteren Lebensalter steht unsere
Therapie dagegen so gut wie machtlos gegenüber.
Wenn wir für einen möglichst bmdigen Beginn unserer
Behandlung auf dem ganzen Gebiete der Orthopädie plaidieren,
so ist damit nicht gesagt, dass wir Deformitäten des höheren
Lebensalters nicht mehr eidolgreich zu behandeln vermöchten.
Das ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil haben wir gerade
in dieser Beziehung in den letzten. Jahrzehnten sehr viel ge¬
lernt. Wir erreichen dann aber stets nur eine relative, keine
absolute Heilung, aber auch mit der relati/en Heilung ist den
Patienten oft schon ganz ausserordentlich viel gedient. Es ist
ein grosses Verdienst von Julius Wolff gewesen, dass er
immer wieder darauf hinwies, dass auch der ausgew'achseno
Knochen nicht ruht, dass vielmehr ein beständig(*s Werden
und Vergehen der Zellen in demselben stattftndet. Eine der
Hauptlehren von Julius Wolff ist die, dass mau die
Knochen der Erwachsenen unter dem Einfluss der Belastung
ebenso modellieren kann wie die weichen Knochen des
Kindes. Die Konsequenz dieser Lehre ist die gewesen, dass
man sich auch an die Redression von Deformitäten bei
älteren. Leuten herangewagt hat. So habe ich von Julius
Wolff einen 70jährigen Patienten übernommen, bei dem
dieser Meister auf diesem Gebiet einen angeborenen Klumpfuss so
redressiert hatte, dass der Patient jetzt, noch 4 Jahre nach der
Rodression ohne jede Beschwerden stundenlang mit richtig stehen¬
Feuilleton.
Ärztüclie Standesfragen.
Von Dr. Franz Hoeniger.
Rechteanwalt am Kgl. Kammergericht.
Ich muss zunächst verschiedene Anfragen darüber beant¬
worten, wie sich die Praxis des Ehrengerichtshofes zu den im
1. Artikel (Der Arzt als Gewerbetreibender) vertretenen An¬
schauungen stellt. In Betracht kommen zwei Urteile vom 8.
XI. 1904. (Ministerialblatt 1905, 294). Das erste erMärt den
Satz des angefochtenen Urteils, dass der Betrieb eines rein
kaufmännischen Unternehmens durch einen Arzt, mit den ärzt¬
lichen Standespflichten unvereinbar sei für zu weitgehend,
da es zur Beurteilung der Standeswidrigkeit eines solchen
Unteniehmens auf eine eingehende Prüfung der begleitenden
Tatumstände (Art des Geschäftes. Geschäftsgebaren, Art und
Beschaffenheit der Tätigkeit) im Einzelfalle ankommen werde.
Das zweite exemplifiziert auf den Eiiizelfall und verbietet
die geschäftliche Verbindung eines Arztes mit einem Kurpfuscher.
Es deckt sich dies i. W. mit den Anschauungen des Artikels.
Auch hier ist die allgemeine Unzulässigkeit des Gewerbebe¬
triebes verneint und die Zulässigkeitsfrage auf Einzelheiten ab¬
dem Fuss herumgeht. Ich selbst habe dann in den letzten Jahren
ebenfalls bei alten erwachsenen Personen den angeborenen
Klumpfuss wiederholt erfolgreich korrigiert Natürlich be¬
kommt man dann keinen idealen normalen Fuss, aber einen
Fuss, auf dessen Planta der Patient völlig eben auftritt und
der wenigstens annähernd die normale Form zeigt. Das zu-
nickgebliebeiie Wachstum eines solchen Fusses kann man
natürlich nicht wieder einholen und der Fuss wird dement¬
sprechend kleiner bleiben. Demgegenüber habe ich einen Fall
von angeborenen Klumpfussbei einem Knaben, dessen Behandlung
bald nach der Geburt begonnen wurde, so gut geheilt, dass der
Knabe später seinen Dienst als Soldat ohne lule Beschwerden
verrichten konnte.
Ist nach dem Gesagten eine Altersgrenze für orthopädische
Maßnahmen auch nicht gegeben, so hoffe ich doch in den vor¬
hergehenden kurzen Ausführungen genügend bewiesen zu
haben, dass unsern Patienten am besten mit einer möglichst früh¬
zeitigen Behandlung ihrer Verkrümmungen gedient ist.
Zur Diagnose der Carcinome.*)
Haut.
Die Hautcarcinome sind am leichtesten zu diagnostizieren,
wenn si(‘ in der obersten Schicht des Integuments sitzen. Es
bilden sich harte, blasse Knötchen. Durch Ausfallen der
Epithelperlen können flache, nässende, kleine Geschwüre ent¬
stehen, die nicht selten sogar vernarben. Die Entwicklung
geht oft von Malern und Warzen aus. Ist das Carcinoni
in den Tiefen der Cutis lokali.siert, dann ist die Diagnose wohl
schwieriger. Auch hier ist die Härte der Tumoren charakte¬
ristisch, die regionären Lymphapparate werden früher in Mit¬
leidenschaft gezogen als beim oberflächlichen Carcinom, auch
tiefere Gebilde, Muskel, Periost werden mit ergriffen, die Form
ist bösartiger. Am schnellsten wachsen die papillomatosen
Formen, sie sind aber auch am seltensten an der Haut.
Lippe.
Es treten kleine harto Warzen oder Knötchen im Lippen¬
rot an der Hantgrenze auf. Die Epidermisdecke fehlt meistens.
Die Stelle des Substanzverlustes secemiert, blutet leicht, die
Umgebung verhärtet sich. Später schwellen die submaxillaren
•) Wie wir bereits in voriger Nummer andouteton, bringen wir heute
einen Auszug aus dem zweiten Teil der von der k. k. Gesellschaft der
Arzte in Wien verüifentlichten belehrenden Mitteilungen.
gestellt w'orden. Diese sind alsdann unter die allgemeinen
(lesichtspunkte a) der bürgerlichen Ehrbarkeit und b) der
höheren Art geistiger oder gewerblicher Betätigung zusammen¬
gefasst, wobei als Beispiel für die Negativen die Verbindung
des Arztes mit Kurpfuschern hervorgehoben wurde. Bei Vor¬
liegen beider Positiven ist schliesslich die gewerbliche Be¬
tätigung des Arztes nicht nur als zulässig, sondern als erwünscht
bezeichnet Worden — alles in Ül)ereinstimmung mit dem Ehren¬
gerichtshof.
Wir kommen zur Frage
III.
Darf der Arzt lügen?
Wer diese Frage rundw'eg verneinen wollte, dürfte sich
sehr im Irrtum befinden. Denn es ist klar, dass beispielsw’eise
der Arzt am Krankenbett häufig als Schönfärber wird auftreteii
müssen, um die Psyche zu heben. Hysterische zu beruhigen.
Unheilbare zu trösten und in Hoffnung zu setzen. Nur der Irr¬
tum ist das Leben und das Wissen ist der Tod. Der Arzt,
der in Eriüllung seiner Berufspflicht lügt, weil er lügen muss,
verstösst nie und nimmer gegen die Pflichten seines Standes.
Zu unterscheiden i.st aber auch hier schon die Unwahrheit
in bewusster Absicht und mit Heil- oder Beruhigungszweck
Vorgetragen, von anderen, ebenfalls objektiv unrichtigen Behaup¬
tungen die der Arzt — sit venia verbo — aus Unkenntnis
auistellt.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
und submentalen Drüsen an. Differentialdiagnostisch kommt
die Initialsclerose in Betracht.
Zunge, Mundboden, Wangenschleimhaut.
Entstehungsursachen häufig Leukoplagie und Decubital-
geschwür. An der Zunge ist der Beginn ein flaches Ulcus,
oder eine derbe knötchenförmige Infiltration. Verwechslung
ist möglich mit Gumma, Tuberkel, Aktinomyces.
^t der Mundboden primär der Ort der Entstehung des
Carcinoma, so kann es sich entweder um ein oberflächliches
Epitheliom oder einen. Drüsentumor handeln. Das Frenuliim
linguae und seine Umgebung sind Prädilektionsstellen. Das
Wangencarcinom beginnt oft gegenüber cariösen Zähnen, be¬
sonders der letzten Molaren. Am bösartigsten sind hier die
Tumoren, welche in den Backentaschen lokalisiert sind.
Kehlkopf.
Beim Kehlkopf bedarf es stets gründlichster Spiegelunter¬
suchung und bei irgendwie verdächtigem Befunde der Probe-
excision und histologischen Untersuchung. Die Carcinome
sitzen entweder warzenförmig auf den Stimmbändern auf,
oder sind sie papillomatös. Es können ohne histologische Unter¬
suchungen Verwechslun^n Vorkommen. Bei Infiltration der
Kehlkopfwände ist die Diagnose besonders schwer. Zu be¬
achten ist die unregelmäßige, höckrige Oberfläche des Neo¬
plasmas. Frühzeitiges operatives Eingreifen ist unumgänglich
nötig, deshalb genaueste Exploration.
Brustdrüse.
Die Frühdiagnose ist oft sehr schwer. Kleine zweifelhafte
Tumoren soll man imm er operieren, da auch gutartige Ge¬
schwülste maligne degenerieren kÖ’nnen. Differentialdiagnostisch
ist die chronische interstitielle Mastitis wichtig. Bei Ekzemen
an der Mamma denke man bei längerem refraktären Verhalten
an das Flächencarcinom von Paget (cancer en curasse).
Magen.
Das Magencarcinom ist in seinem Beginn mit Sicherheit
nicht zu diagnostizieren. Achylie und Auftreten von Milch¬
säure im Magensaft sind stets Anzeichen eines vorgeschntte-
neren Stadiums. Dasselbe glt für die Abmagerung, es sei
denn, dass es sich um eine Pylorusstenose handelt. Palpable
Tumoren sind immer schon älteren Datums. Der ungefährliche
von V. Mikulicz’ empfohlene Probeschnitt gibt sicheren Auf¬
schluss. Für die Therapie kommt nur die so erfolgreiche
Magenresektion in Betracht.
Darm.
Beim Darmcarcinom machen sich zwei Symptome vor
allem bemerkbar, erstens die Stenosierung der befallenen Partie
Ich meine das weite Feld der Berufsirrtümer: Verkennen
einer Krankheit, Verneinung des Vorhandenseins eines Medi¬
kaments, Inabredestellen der Möglichkeit eines (merativen Ein-
grifis. Auch hier könnte man vulgär von „Unwahrheiten“
sprechen, indes fehlt zur Lüge das subjektive Moment: Und
gerade dieser Mangel lässt es evident erscheinen, dass diese
„Unwahrheiten“ wohl zivilrechtliche Haftung oder gar krimi¬
nelle Bestrafung zur Folge haben können, abgesehen aber von
ganz besonderen Umständen, nicht zum Disciplinarverfahren
wegen Verletzung der Berufs- und Standesehre zu führen ver¬
mögen. Abgesehen von ganz besonderen Fällen, wenn näm-
licb der Berufsirrtum eine so leichtfertige Verletzung der Be¬
rufspflichten zur Sorgfalt und Weiterbildung erkennen lässt,
dass aus diesem Grunde die Tatbestandsmerkmale des § 3 er¬
füllt erscheinen. Das fällt nicht mehr unter unser Thema.
Um nun die Frage unserer Aufgabe zu beantworten, bedarf
es also zunächst wiederum der Einschränkung. Und zwar
lautet mit dieser unsere Frage dahin: Darf der Arzt — abge¬
sehen von Heil-undBerubigungszwecken —bewusst dieUnwahr-
heit sagen (nicht irren)? Ich bin in der Lage zu dieser Frage
eine eigenartige Entscheidung eines Ehrengerichts zu zitieren.
Der Arzt X. der einem grossen gewerblichen Betriebe vorstellt,
beschäftigte als Bakteriologin das Frl. Y. Zwischen beiden kam
esj zu^Differenzen. Bei einer Unterredung des X. mit einem
Professor der Hygiene, der sich für die bakteriologische Ab¬
teilung des Betriebes interessierte, kam das Gespräch auf die
96
und zweitens die Tumorbildung. Dabei bestehen katarrhalische
Reizungen, welche sich in Obstipation oder Diarrhoeen äussem
können. Früh treten krampfhafte bis zu Koliken sich steigernde
Leibschmerzen auf. Ist der Dünndarm befallen, findet sich
im Ham Vermehrung des Indicans. Der Mangel an palpa-
torischem Befund spricht nicht gegen Krebs.
Mastdarm.
Bei Blutungen und Schleimabgang, selbst wenn Haemor-
rhoiden vorhanden sind, muss man stets genau digital unter¬
suchen, um einen event. Tumor festzustellen. CarcinomatÖse
Strikturen an der Flexur lassen sich oft nicht fühlen. Das
Klaffen der Ampulle deutet auf ihre Existenz hin.
Harnwege.
Lokale Schmerzen, Blutharnen, palpatorische Befunde
müssen zur genauesten Untersuchung Anlass geben und machen
die Anwendung des Ürethro-Cystoskops und des Ureteren-
kathetrismus zur Pflicht. Hierbei werden auch wohl Neoplas¬
men der Niere festgestellt.
Weibliche Genitalien.
Vom 20. Lebensjahre an kann bei Frauen Carcinom auf-
treten. Es ist falsch anzunehmen, dass nur die Wechseljahre
in Betracht kämen. Auch die Kachexie kann fehlen, ist sie
vorhanden, ist es meist zu spät Das wichtigste Zeichen sind
Blutungen, welche nicht menstruell sind. Dieselben treten
atypisch nach Digitaluntersuchungen, Irrigationen und nach
dem Coitus auf. Die Blutungen können ganz geringfügig
sein. Besonders wichtig sind die unregelmäßigen Blutungen
während und nach dem Klimakterium. Ferner tritt Aus¬
fluss auf, anfangs sehr gering, fleischwasserähnlich, später
jauchig, stinkend, mit Gewebsfetzen vermischt. Im Beginn
des Carcinoms nur selten Schmerzen. Das Portiocarcinom
macht sich meist dem untersuchenden Finger leicht kenntlich.
Ist die Schleimhaut noch intakt, dann fühlt sich die Portio
plumper, knolliger an, die Schleimhaut ist über dem Knoten
nicht verschieblich. Vorhandene ovula Nabotbii sprechen meist
gegen Carcinom. Ist die Schleimhaut durchbrochen, findet sich
eine hart infiltrierte gelbliche ijder graue GescWürsfläche,
von welcher Gewebsbröckel leicht abgestreift werden können
und welche leicht blutet. Das Cervixcarcinom ist schwieriger
zu erkennen. Es kann sich im oberen Teil des Collum ver¬
bergen ohne dass am Orificium extemiun etwas zu sehen ist.
Die Sonde fühlt oft unebene, bröcklige Geschwürsflächen und
Substanzverluste, wenn der Finger nicht eindringen kann. Auch
hier blutet es bei der Untersuchung meist. Ist der Uterus
fixiert, so spricht dies für Cerviscarcinom.
Leistungen der Dame Y. Dabei äusserte sich X. so absprechend
über diese, dass der Professor den Eindruck gewann, als wenn
er sie ungern und nur auf Grund vertraglichen Zwanges in
seinen Diensten behalte. Gleichzeitig gab X. das Gehalt von
Frl. Y. als ausser allem Verhältnis zu ihrer Befähigung stehend,
nämlich auf das Doppelte des wirklich gezahlten an. In einer
späteren ehrengerichtlichen Anzeige des Frl. Y. gegen X.
machte die Dame ihm auch aus dieser „Lüge“ einen V^orwurf
und gründete auch auf sie den Anspruch ehrengerichtlicher
Bestrafung.
Das Ehrengericht stellte die Lüge zunächst objektiv fest
und erklärte dann in seinem ablehnenden Bescheide wörtlich
folgendes: „Die Beschwerdeführerin kann sich hierdurch nicht
verletzt fühlen, wenn ihre Arbeitskraft anderen gegenüber als
höher bewertet angegeben wird. Höchstens konnte sich Pro¬
fessor XX. durch die ihm gemachte unrichtige Angabe verletzt
fühlen. Wenn nun auch jede Unwahrheit vermieden werden
sollte, so liegt für das Ehrengericht jedoch kein Anlass vor,
aus diesem Grunde gegen Dr. X. einzuschreiten, da irgend
welche unlauteren Motive in keiner Weise kJargelegt sind.“
Diese Gründe enthalten einen sehr richtigen und einen
sehr unrichtigen Gesichtspunkt. Zunächst den unrichtigen. Es
ist absolut verkehrt, eine Relativität für Lügen einzuführon
und zu sagen „Wenn Du zu X. über Y. lügst, so verletzest Du
die Standesehre nur gegenüber X. nicht gegenüber Y. bezw.
wenn Dich Y. anzeigt, so gehst Du straffrei aus.“ Entweder
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26
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 3.
Daß beginnende Corpuscarcinom ist sehr schwer zu er¬
kennen. Auch der Sondenbefund kann täuschen. Nur eine
vorsichtige Aneschabung und mikroskopische Untersuchung
gibt sicheren Aufschluss. Das Ausgeschabte ist bröcklich,
krumlich. Auch hier sind die Blutungen zu beachten.
Frauen sollten sich in bestimmten Zwischenräumen regel¬
mäßig untersuchen lassen, gerade so wie man sich unter die
Kontrolle der Zahnärzte zu stellen pflegt.
Das Carcinom des Ovariums und der Tube bietet natur¬
gemäß besondere Schwierigkeiten. Schnelles Wachstum, Anf-
treten von Aszites, Schmerzen und Verwachsungen mit Därmen
und Uterus deuten auf Carcinom hin.
Das ist auszugsweise der Inhalt des zweiten Teiles der in
der vorigen Nummer bereits eingehend gewürdigten Veröffent¬
lichung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien. Es schien
uns gerade dieser Teil für den Praktiker besonders wichtig.
M.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berli/ner ophUuilmologische Gesellschaft,
Sitzung vom 16. November 1905.
1. Feilohenfeld stellt einen Kranken vor, der 3 Tage
nach Schädeltrauma (Basisfraktur), obwohl er noch Finger = 1^/,
m zählte, weder direkte noch konsensuelle Pupillenreaktion zeigte;
der Augenspiegelbefand war normal. Ergo ist Guddecs An¬
sicht von der gesonderten Leitung von Licht und Fupillarbewegung
im Opticus trotz Key und Ketzius richtig. F. nimmt eine Kom¬
pression des N. opt. dnrdi Splitter oder Blutung an.
Disk.: y. Michel sah einen ähnlichen Fall mit horizontaler
Halbblindheit.
2. Pollack: Myzoedem mit doppelseitiger Atrophia
n. opt. bei einem 9 Jahre alten Mädchen. Thyreoidin besserte
sowohl das Allgemeinleiden wie die Augenerkrankung erheblich.
3. Schultz-Zehden: a)£ine seltene Ophthalmie.
Bei einer auf offenem Felde betrunken auigefundenen Land¬
streicherin wurden vom Körper ein Liter Maden abgenommen,
auch ans dem Bindehautsack. Der rechte Bulbus hatte keine
Hornhaut mehr, war zusammengeschrumpft und musste ezenteriert
werden, wobei sich ein Parasit im Glaskörper fand. Dia Cornea
des andern Auges hatte ein Loch und war nur nasal erhalten,
Linse und Iris sassen in dem Defekt, so dass auch dieses Auge
verstösst eine Lüge gegen die Standesehre oder sie tut es nicht.
Eine relative Lttgenlreiheit in diesem Sinne ist zweifellos zu
verwerfen. Richtig dagegen und entscheident für die Frage
ob der Arzt lügen durfte, ist die Betonung des M o t i v e s. In
der Tat gibt es nämlich für den Arzt keine andere Anstands¬
regel wie für jeden anderen Gentlemen. Die Lüge ist für
ihn unter allen Umständen verpönt, so wie sie nachgewiesener¬
maßen ihren Anlass in unlauteren Bew^egsgründen nimmt.
Mit dieser Ursache bildet sie zugleich einen groben Ver-
stoss gegen die Standesehre und wird ehrengerichtlich strafbar.
Ob im vorliegenden Falle das unlautere Motiv zu Recht ver¬
neint wurde, bleibe unerörtert.
Ich möchte aber die Feststellung, dass das Motiv über
die Zulässigkeit der Lüge entscheidet, benutzen, um auf eine
besonders häufige und oesonders zu verponende Lüge hinzu¬
weisen. Es ist dies die üble, zum Teil bewusst unrichtige
Kritik über den ärztlichen Standesgenossen, resp. das von
diesem angewandte Heilverfahren. Solche Kritik hat der
Ehrengerichtshof, selbst wenn sie unter Bezugnahme auf Gut¬
achten ärztlicher Autoritäten versucht ward, stets für durchaus
unzulässig, standesunwürdig und deshalb nach 3 strafbar er¬
achtet. (Vgl. Urteil vom 7. V. 1904 Ministerialblatt li)05 S.
145). Und jeder Einsichtige muss dem Gerichtsliof in dieser
Hinsicht voll beipflichten.
entfernt werden musste; Maden waren nicht im Auge. Es handelt
sich um Larven der Schweissfliege (musca vomitoria). Die Fliege
wird vermutlich durch das Sekret eines Katarrhs angelockt un<l
legt dann die Brut ab. Das mazerierende Bindehautsekret und
die Lebensprodukte der Fliege selbst zerstören die Cornea.
Disk.: v, Michel: Vielleicht wurden die Eier sekundär auf
dem Boden eines Keratomalacie abgelegt.
b) Carcinom der Augenhühlengegend. Zwei 79 bez.
86 J. alte Insassinnen des Städt. Sieebenhauses mit Canoroid, das
seit 4V8 i)ezw. 15 Jahren besteht und die Augenhöhlen ganz frei¬
gelegt hat. Beide Male sind die Bulbi phthisisch geworden.
Disk.: Greef sah Heilung eines sehr vorgeschrittenen Falles
durch Röntgenstrahlen.
4. Koerber: Ein Fall von Femphigus der Bindehaut.
Ein früher stets gesunder Mann von 50 Jahren leidet au
Diabetes (1,65%) und Nephritis (l®/oo Albumen); 1902 wahr¬
scheinlich Lues. Vor 2Vs Jahren begann das Augenleiden mit
Rötung der Lider und Bindehaut; seit 1 Jahr Trichiasis; 1904
Iritis links. Seit Vs Jahr hat oft er Blasen an der glaus penis und am
Gaumen. Die Lider sind äusserltch normal. Die Motilität ist besonders
links beschränkt. Die Bindehaut ist dUsterrot, der Bindehautsack ge¬
schrumpft; in der Augapfelbindehaut sind sulzige Einlagerungen,
die zumal links auf die Cornea übergehen. Im innem Lidwinkel
sind die Verwachsungen am stärksten, zumal nahe der Plica.
Sehschärfe, Pupillenreaktion und Augenhintergrund sind normal.
Es bandelt sich am Pemphigus, der am Auge imter 21000 Kranken
nur ein Mal beobachtet wird. Differentialdiagnostiach kommt
nur Trachom in Betracht, das aber vornehmlich die obere Über¬
gangsfalte befällt, während der Pemphigus mit Vorliebe in der untern
sitzt. Ausserdem fehlen hier die Follikel, Narben, Xerose trotz der
schweren Erkrankung, Pannus und Verdickung des Tarsus; für
Pemphigus sind auch die multiplen kleinen Falten typisch.
Disk.: Hirschberg empfiehlt für die Therapie Hg.
V. Michel leugnet die Existenz eines syphilitischen Pemphigus
und hält die „essentieUe Schrumpfung“ für kein besonderes Krank¬
heitsbild, sondern für einen Folgezustand.
Rosenthal (a. G.) Die Brillen als Infektions¬
träger.
Die Bindehaut ist für Keime eine vorzügliche Eingangspforte.
Wird der Bindehautsack einem Spray von Prodigiosus — oder
Penicilliumkulturen ausgesetzt, so bieten Muschelbrillen einen weit¬
gehenden aber keinen vollkommenen Schutz; setzt man die be¬
schmutzte Brille einer zweiten Person auf, so lassen sich auch
von ihren Wimpern noch Keime abimpfen.
Disk. V. Michel: Leute, die Schutzbrillen tragen, leiden oft
an besonders hartnäckigen Katarrhen; vielleicht erfolgt durch die
Brille immer wieder eine neue Infektion.
6. J. Hirschberg und S. Ginsberg: Ein Fall von
tuberkulösem Glaukom,
Eine 36 Jahre alte Dame ist seit 3 Jahren augenleidend;
sie bekam Zimmtsäureeinspritzungen unter die Haut, bei der 75.
Injektion aber Spinnweb-Sehen, so dass die Behandlung abge¬
brochen wurde. Vor 1 Jahr Pleuritis, nach der die Sehkraft
rechts geschwächt war. Seit Dezember 1904 häufiges Regenbogen-
und Nebelsehen, S. und Gf. bds. normal. Links normaler Befund.
Rechts T Mydriasis, typische Aushöhlung des Sehnerven, Arterien¬
puls bei Druck. Bei fokaler Beleuchtung sieht man die Irisperi¬
pherie geschwollen, im Stroma Blutgefässstücke, die Kammerbucht
verengt. Die Sehschärfe sank, die Akkomodation nahm ab, der
Druck stieg. Eserin wirkte nur unvollkommen. Da die Pat,
ausser tuberkulöser Spitzenaffektion eine pleuritische Schwarte
und ein akzidentelles systolisches Geräusch an der Herz-Spitze
hatte, ausserdem eine Idiosynkrasie gegen Morphium, musste
von einer Allgemeinbetäubung Abstand genommen werden bei der
nun auszuführenden Iridektomie. Der Bulbus blieb nach der
Operation entspannt, das Regenhogensehen trat nicht wieder auf.
lu dem exzidierten Stück war djis Irisgewebe verdickt imd [durch
eine aus epitheloiden Zellen ein- und mehrkernigen Leukozytheu,
Bindegewebs- und Rieseuzellen bestehende Neubildung mit riel-
facheu Kemdegenerationen ersetzt. Weder Verkäsung noch Tuberkel-
baziUen oder Tuberkel. Der anatomische Befund spricht mit
Sicherheit weder für Tuberkulose noch für Lues, doch ist erstere
wahrscheinlich.
Digitized by LjOOQie
1906.
MB5DI0INIS0HB WOCHE.
27
7. Kowalewski: Über Primäraft'ekt am Lid mit De¬
monstration von Spirochäten.
Unter den extragenitalen Initialsklerosen kommt das Äuge
der Hänfigkeit nach erst an 6. Stelle und wird von Lippen, Brust,
Mundhöhle, Fingern, Händen und Tonsillen übertrofien; die oku¬
lare Sklerose kommt unter 3—10000 Augenkranken 1 Mal vor
und macht kaum 1% aller luetischen Augenkrankheiten aus. Die
Initialsymptome bieten nichts Charakteristisches. Er sitzt mit
Vorliebe am Lidrand imd täuscht anfangs oft ein Chalazion oder
Hordeolum vor. Die Singularität des Auftretens ist kein für den
Augenschanker hervorstechendes Merkmal. Pathognomonisch ist
dagegen der indolente Bubo präauricularis, ferner auch der sub-
maxillare und cervicale. Ein wichtiges differential-diagnostisches
Hilfsmittel dürfte in Zukunft der positive Nachweis der Spirochäte
pallida sein.
K. sah eine 18 Jahre alte Kontoristin, die 6 Wochen zuvor
Augenentzündung und Gesichtsschwellung bekommen batte. Es
hatte anfangs am linken Oberlid ein unscheinbares Bläschen be¬
standen. Es zeigte sich jetzt ein schorfbedecktes, exzulzeriertes Ge¬
schwür mit steilen wallartigen Rändern; das ganze Lid war derb
infiltriert. Bubo präauricularis und Schwellung der oberflächlichen
Halsdrüsen. Die Infektion der jungfräulichen Kranken war durch
einen Kuss erfolgt. Der Nachweis von Spirochäte pallida in den
oberflächlichen und tiefen Geschwürsteilen und Papeln (in den
Drüsen fehlten sie) und das Auftreten eines spezifischen Aus¬
schlags sicherten die Diagnose ebenso wie der günstige Einflus.s
der Therapie auf das Geschwür. Die ursprünglich im Bereiche
des Geschwürs ,befindlichen Wimpern wuchsen nach, die Drüsen-
scbwellungen gingen zurück. Nach der 3. Sublimatspritze waren
die Spirochäten verschwunden.
Disk.: Schulze: Im Sekrete eines Primärafifektes fanden
sich ausser Spirochäten eine Menge anderer Mikroorganismen, auch
Cytorrhyctes.
Greff: In der Liderosion eines Mumpskranken fanden sich
auch Spiroch. pall., nachträglich stellte sich auch klinisch heraus,
dass Lues vorlag.
Gut mann sah bei einem Arzt einen Lidschanker; der Kollege
hatte an einem heissen Sommertage ein Ulcus durum exstirpiert
und sich den Schweiss von der Stirn gewischt.
Kurt Stein dorff.
Standesfragen.
Die Organisation der echuiärztiichen Tätigkeit in Berün.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Später als viele andere Kommunen, besonders auch als seine
Nacbbargemeinden, entschloss sich Berlin für Einführung von
Schulärzten. Im Jahre 1900 wurden zuerst zehn Schulärzte ver¬
suchsweise angestellt, denen je zwei Gemeindeschulen überwiesen
wurden. Als sich dann die Einrichtung bewährte, wurde be¬
schlossen, alle Volksschulen schulärztlich überwachen zu lassen, und
es wurden im Jahre 1903 die Zahl der Schulärzte auf 36 ver¬
mehrt, denen je 7 — 9 Schulen übertragen wurde. Über die von
den Schulärzten im Schuljahre 1904/05 ausgeübte Tätigkeit, gibt
uns Professor A. Hartmann, der Obmann der Schulärzte, einen
uns vorliegenden in vielfacher Hinsicht sehr interessanten Be¬
richt.
Dass in Berlin die Schulärzte im Gegensatz zu allen anderen
Städten eine so grosse Zahl von Schulen übertragen ist, wird da¬
mit motiviert, dass die lunfassende Tätigkeit eine grössere Be¬
friedigung gewähre und den Einzelnen veranlasse, sich im stärkei-en
Maße mit den besonderen Erfordernissen für die Stellung ver¬
traut zu machen. Wir wollen nun betrachten, welche Anforderungen
an den Berliner Schularzt gestellt werden. Einen wesentlichen
Teil der Tätigkeit macht die Untersuchung der neueingeschulten
Kinder aus: es entfielen auf jeden Schularzt 960 Untersuchungen.
Für die Kinder, bei denen sich krankhafte Zustände ergaben,
wurden Überwachungsscheine ausge.stellt, die von den Schulärzten
geführt wurden: dies erwies sich bei 20,4% der Untersuchten als
notwendig. Es wurden ferner untersucht von jedem Schularzt im
Durchschnitt: 593 Kinder auf Veranlassung der Schuldeputation
und der Rektoren, 28 für Nebenklassen und Stottemkurse, 673
unter Überwachung stehende. Dazu kamen noch zahlreiche bei
den Schulbesuchen angestellte Untersuchungen. Die Zahl der Über¬
wachung wird sich von Jahr zu Jahr steigern, und H. folgert da¬
raus, dass, da der Schularzt über die in Überwachung befindlichen
Kinder einen Überblick behalten soll, es wünschenswert erscheine,
dass einem Schularzt nicht mehr als sechs Schulen übertragen
werden.
Uns erscheint diese Forderung ausserordentlich bescheiden.
Nach unsem langjährigen Erfahrungen kann der Schularzt, wenn
er derart überlastet ist, wie sich das aus dem Hartmann’schen
Beridit ergibt, nicht das leisten, was zur gedeihlichen Wirksamkeit
der Institute erforderlich erscheint. Au^ H. will gewiss nicht,
dass die schulärztliche Tätigkeit einen Hauptteil der Zeit des
Sdiularztes absorbiert, sondern auch er hält es fllr zweckmäßig,
dass der Schularzt ein wesentlich praktisch tätiger Arzt bleibt.
Andererseits haften unseres Erachtens der Berliner Organisation einige
Mängel an, die für die Entwicklung der ganzen Einrichtung höclmt
bedeutsam werden können. Ob es notwendig ist, für jedes Kind
einen Gesundheitsschein anszufüUen, ob überwachungs^eine für
Krankbefundene genügen, darüber kann mmi zweifelhaft sein;
uns erscheint der erstgenannte Modus der bessere, da er für jedes
Kind eine Übersicht über die gesamte körperlidie Entwicldung
während der Schulzeit gewährt. Aber völlig vermissen wir in
Berlin die alljährlich vorzunehmenden Kontrolluntersuchungen,
welche wir für mindestens ebenso wichtig halten, wie die Unter¬
suchung bei der Einschulung. In Berlin werden nur die Kinder
untersucht, die dem Lehrer oder dem Schularzt bei den Klassen¬
besuch auffallen oder die sich selbst als krank melden. Bei diesem
Modus kann es verkommen, dass Krankheiten, die sich schleichend
und langsam entwickeln, völlig übersehen werden. In Charlotten¬
burg, wo Verfas^r als Schularzt tätig ist, werden alle Kinder all¬
jährlich einmal an der Hand der Gesundheitsscheine durchmustert;
es wird dabei besonders auf beginnende Tuberkulose, Drüsen-
schwelluugen, Herzbeschafifenheit, Verkrümmung der Wirbelsäule,
Zustand von Augen und Ohren geachtet und es gelingt bei jeder
Kontrolluutersuchung, aus einer Reihe von Kindern teils unbekannt,
teils unbehandelt gebliebene Übel herauszufinden und für deren
Abstellung zu sorgen. Dabei haben auch wir die Erfahrung ge¬
macht, dass in der weit Überwiegenden Mehrheit der Fälle die
schulärztlichen Ratschläge von den Eltern gern befolgt werden.
Auch wir können die verständnisvolle Mitwirkung der Rektoren
und des Lehrerpersonals nur rühmend hervorheben.
Ein weiterer Mangel scheint ims darin zu liegen, dass in
Berlin den Klassenbesuchen ein allzu geringer Wert beigemessen
wird. Wenngleich wir uns nicht überzeugen konnten, dass in
bautechuisoher Frage durch diese Besuche viel erreicht wird, so
halten wir sie doch deshalb für ausserordentlich wichtig, weil sie die
Gelegenheit bieten, in allgemein hygienischer Frage aufklärend zu
wirken. Über die Notwendigkeit zweckmäßiger Bekleidung, über
Reinlichkeit und Baden, über Zahn- und Mundpflege, über Venti¬
lation und Beleuchtung, über die Notwendigkeit ausreichender
Nachtrulie, über die Schädlichkeit des Alkoholgenus-ses u. a. m.,
können den Kindern kurze Ausführungen gemacht werden, die bei
häufiger Wiederholimg doch allmählich ihren Eindruck -nicht ver¬
fehlen und geeignet erscheinen, die heranwachsende Generation
zur Befolgung der notwendigsten hygienischen Regeln zu erziehen
und dadurch die Volksgesundheit zu heben.
Dies ist ja das Ziel, das alle beteiligten Faktoren anstreben.
Dazu solle auch die Maßnahme dienen, über die H. in den der
Bekämpfung der Infektionskrankheiten bezw. der Tuberkulose ge¬
widmeten Abschnitten berichtet. Seine Ausführungen über die
Aufgaben des Schularztes beim Auftreten infektiöser Erkrankungen,
die in der frühzeitigen Erkennung und der langdauerden Aus-
schlie.ssung der Kinder bestehen, können wir uns nur an.schliessen;
dass nim die Maßem in erheblichem Maße durch die Schule ver¬
breitet werden, ist von uns zuerst statistisch nachgewiesen worden
(s. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege 1905). Die Bekämpfung
der Tuberkulose im schulpflichtigen Alter muss sich in der Haupt¬
sache darauf richten, die erkrankten Kinder aus den häuslichen
Kreisen zu entfernen. Kinderheilstätte, Eirholungsstätte, Wald¬
schule dürfte dabei in gleicher Weise in jeweils geeigneten
e
28
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 3.
Fällen günstig wirken; die Vermittelung der Fürsorgentellen kann
segensreich eingreifen.
So sehen wir, dass der Schularzt eine Fülle von Aufgaben zu
erledigen hat. Zu dem bisher erwähnten kommt noch die Auslese
der für die Ferienkolonien bestinunten Kinder, die Nachuntersuch¬
ung der von einzelnen Fächern dispensierten, die Erstattung von
Gutachten für die Schuldeputation, die oft recht schwierig sind;
Stellt man — last not least — noch die Forderung, dass 'der
Schularzt noch in ein persönliches Verhältnis zu seinen Schutzbe¬
fohlenen treten soll, dass er ihren Gesundheitszustand, ihre häus¬
lichen Verhältnisse einigermaßen kennen soll, so muss zugestanden
werden, dass die Berliner Schulärzte das, was wir als unumgänglich
notwendige Leistung fordern, nicht erfüllen können. Es ist daher
mit Freude zu beg;rUssen, dass die sozialdemokratische Fraktion
der Berliner Stadtverordnetenversammlung den Antrag gestellt hat,
die Zahl der Schulärzte so zu vermehren, dass einem jeden nur
zwei Schulen — i. e. 1700—1800 Kinder im Durchschnitt — über¬
geben werden. Wir wollen hoffen, dass dieser Antrag die Zu¬
stimmung der städtischen Behörden hodet zum Segen unserer Be¬
völkerung, als wesentlicher Fortschritt eines wichtigen Teiles der
fiozialen Hygiene.
Literarische Monatsschau.
Augenheilkunde.
(Fortsetzung und Schluss.)
Eine Frage, die seit einigen Jahren das besonders lebhafte
Interesse der Augenärzte allenthalben in Anspruch nimmt, ist die
der operativen «Behandlung hochgradiger Kurzsichtigkeit durch
Entfernung der Kristall-Linse des Auges, „Die Spätresultate der
Myopie-Operation nach dem Materiale der Roatocker Universitäts-
Augenklinik“ behandelt Marx in seiner Inaugural-Dissortation.
Von 65 Fällen bekamen 10 = 15,4% Netzhautablösung. Von
diesen 65 Kranken hatte Berlin 10 operiert und 3 Ablösungen
gesehen; voo 43 durch Axenfeld operierten bekamen 7 Ablatio
retinae und Peters beobachtete bei 11 Operierten die er aber,
höchstens S'/j Jahre zurück kontrollierte, keine Abhebung der
Netzhaut Diese Zahlen sind wesentlich höher als die in anderen
Statistiken niedergelegten und man kann sich nicht verhehlen,
dass diese schlechten Resultate aufs Konto der Operation zu setzen
sind, da nach A. v. Hippel bei nicht operierten exzessiv myopischen
Augen nur in 6,5% der Fälle Netzhautablösung ein tritt. Trotzdem
soll die Operation nicht ganz ad acta gelegt werden, nur soll man eine
geeignete, tunlichst ungefährliche Technik zur Anwendung bringen.
So sollen zu tiefe Einschnitte der Linse mit Verletzung der hin¬
teren Linsenkapsel vermieden werden, da sonst leicht der Glas¬
körper in die vordere Kammer vorfällt; die Anzahl der Extrak¬
tionen mit der Lanze zur Entfernung der quellenden Linsenmassen
ist einzitschränken und die selten zu umgehende Diszission des
Nachstars tunlichst schonend vorzunehmen.
Während Hirschberg („Die Behandlung der Kurzsichtigkeit“,
Deutsche Klinik 1904) die Operation für so gefährlich hält, dass
er sie nur 24 mal ausgeführt und seit 1901 gar nicht mehr vor¬
genommen hat; während ferner Schmidt-Rimpler zu dem
Schluss kommt, dass mehr exzessiv myopische Augen zu Grunde
gehen nach der Fukalascben Operation als ohne sie (Münch,
raed. W. 04, Nr. 38); kommt A. v. Hippel zu anderen Ergeb¬
nissen. Ausser andern Gefahren soll die Operation vor allem
Netzhautablösung nach sich ziehen, so sagen die Gegner des Ver¬
fahrens (Deutsch, med. W. 05, Nr, 26). v. Hippel hat von 1893
bis 1905 die Operation an 275 Augen ausgeführt, darunter 68
mal doppelseitig. Er behielt in Beobachtung
12
Jahre
= 8
Augen
' 6 Jahre
= 14 Augen
11
= 4
n
5 .
= 28 „
10
= 15
17
4 „
= 28 „
9
V
= 8
n j
3 „
= 24 „
8
n
= 27
n
2 «
= 32 .
7
7?
= 30 „ i
< 1 Jahr =
1 .
= 10 Augeu.
= 35
Von 12 Augen hörte er nichts mehr.
An^Netzbautablösung erblindeten unter somit 263 Augen
25 = 9,5%. Sie trat ein nach der Operation:
9
Jahre
an
1 Auge 1
4 Jahre
an 2 Augen
8
r*
ft
1 .
3 .
. 4 „
7
1 «
2 «
■' ? ”
6
ft
ft
1
1 .
n 3 »1
5
11
2 Augen
<C; 1 Jahr -
- 7 Augen.
V. Hippel nimmt nun an, dass in den Fällen, wo die Ab¬
lösung nach Beginn des 3. Jahres post operationem eintrat, sie
durch die hochgradige Myopie, nicht durch die Operation bedingt
war. Es waren demnach 13 Ablösungen = 4,9% der Operation
zur Last zu legen. Sicher ist dies der Fall in jenen sieben Fäl¬
len, in denen sich v. Hippe 1 zu all zuhäuHgeu operativen Maßnahmen
veranlassen Hess, was er .seit Jahren aber vermeidet. Die Ursache
der 6 anderen Fälle ist zweifelhaft, da weder der Verlauf der
Operation noch der der Heilung kompliziert war.
Unter 100000 poliklinischen Patienten hatten 529 eine Myo¬
pie ^ 14,0 D. = 0,53%. Es sei bemerkt, dass heute kein ge¬
wissenhafter Operateur Myopieen 14.0 I). operiert. Die 529
Kranken hatten 842 myopische Augen, von denen 53 = 0,3% eine
spontan entstandene Netzhautablö.sung aufwiesen. Bei einerfrüheren
aus Halle stammenden und 69000 Patienten umfa.ssenden Statistik
war der Prozentsatz 6,7% gewe.sen. Wenn also von allen iür
die Fukala’sche Operation ev. in Frage kommenden Kranken ca.
6,5% spontan Netzhautablösung bekommen, so können die 9,5%
bei den Operierten nicht einzig und allein der Operation zur Last
gelegt werden. Von 149 nur auf einem Ange Operierten erkrankten
7 = 4,7% auf dem nicht operierten Auge an Ablatio retinnc.
9 = 6% auf dem operierten. Es ergibt sich also keine grosse
Differenz. In Anbetracht seines relativ kleinen Materials rat v.
H. zu Samraelforschung über diese Frage, der gegenüber eine
ablehnende Haltung einzunehmen durchaus keine Berechtigung
besteht.
Die Opemtionserfolge der Moskauer ophtalraologischon Klinik
bearbeitete Lütkewitsch (cfr. Z. f. .4., XIV, 5). Von 1890
bis 1902 inkl. wurden 65 Patienten mit 110 Augen operiert, von
denen 30 im 21.—25. liebensjahre sfamden. Der Grad der Myopie
schwankte zwischen 8 D. (sic d. Ref.) und 33,0 D., die Seh¬
schärfe zwischen <;;|0,01 und 0,7. An den 110 Augen waren
(horribile dictu! d. Ref.) 341 Operationen nötig; meist musste der
primären Zerschneidung der Linse eine Punktion der vorderen
Kammer und schlie.sslich eine Di.szission des Nacbstars folgen. Bei
27 Myopen mit 8 —13 D. Testierte natürlich (Hypermetropie 2,75
bis 4,25 D.); je höher die Myopie war, um so besser waren selbst¬
verständlich die Resultate. Die 20 Myopen mit 14,0—16,01).
Myopie batten nach der Operation fast doppelte S und eine zwischen
— 1,0 und -}- 2,25 D. schwankende, durchschnittlich -j- 1,39 -j- 1,10 P.
betragende Refraktion. Die exzessiven Myopieen —16,0 bis — 33,0
gaben die besten Erfolge. Ihre Refraktion betrug post operationem bei
_ 16,0 = + 0,7 ; —17,0 =+ 0,62 ;~ 18,0 = — 0,51 S.:
— 19,0 = — 0,84; — 20,0 = — 0,03; — 21,0 bis — 33,0 D.
• — 2,4 ö. Die Operation verbes.serte die S. ohne Korrektion 5,5
bis 9 mal; die S mit Korrektion vor und nach der Operation ge-
messen, war nachher 1,2 — 1,9 mal besser. Komplikationen: In¬
fektion 2 mal = 1,8%; Ablatio retinae 8 mal = 7,2%. Glas¬
körpervorfall 15 mal = 13,6%, dem 2 mal Netzhautablösang
folgte. 7 mal klemmte sich die Iris ein, und 19 mal trat akute'<
Glaukom auf (17,4%). Nur Patienten mit starken Beschwerden,
die kein Glas vertragen, sollen operiert werden. Die Behauptung
Fukalas die Operation halte das Fortschreiten der Myopie auf,
konnte L. nicht bestätigen, Jodsalze nach der Diszission, innerlich
gegeben, schützen vor allzu stürmischer Quellung der Linse.
Das 90 Kranke mit 100 operierten Augen urafas.sende Material
der Züricher Universitätsangenklinik untersuchte Huber (Beiträge
z. Aughkde. 05, 64. Heft). Er rät, nicht zu früh ein definitives
Urteil über die nach der Operation Testierende Sehschärfe zu fällen,
weil sie nach anfänglicher Be.sserung oft genug im Laufe der
Jahre sinkt. Häufig treten auch längere Zeit nach der Phakolyse
und trotz dieser schwerere Folgezustände der exzessiven Myopie
auf, nämlich 11 mal Erkrankungen der Netzhautraitte, 9 malGla^*
körpertrübungen, 9 mal Blutungen in der Retina (davon allerdings
2 nach Verletzungen) und 5 mal Netzhautablösung. Meist wurde
Digitized by LaOOQle
1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
39
das stärker kurzsichtige und öfter auch das schlechter sehende
Auge operiert. Hu her sah bei 37 Augen im Laufe der Jahre trotz
der Operation die Myopie zunehmen, so dass er das Fukalasche
Verfahren nicht als Schutz gegen das Fortschreiten der Myopie
und gegen das Auftreten der Folgezustände schwerer Kurzsichtig¬
keit ansehen kann. Er hält die aphakischen Augen fttr nicht
widerstandsfähiger, arbeitskräftiger oder weniger vulnerabel als
die myopischen, ihrer Linse nicht beraubten Augen.
Über die Behandlung der sog. spontanen Netzhautablösung,
an deren Entstehung weder intraokulare Tumoren oder Zystizerken
noch schwere perforierende Verletzungen oder Cycbtis beteiligt
ist, spricht Sattler (D. med W. 05. Nr. 1/2). Ohne an dieser
Stelle auf die von Sattler eingehend erörterte Pathogenese ein*
zugehen, seien hier nur kurz die Ursachen bez. disponierenden oder
auslösenden Umstände erwähnt. An erster Stelle steht die höher-
gradige Kurzsichtigkeit. Dazu kommt die lange bekannte Tat¬
sache, dass Personen jenseits des 4. Lebensjahrzebntes mehr zur
Ablatio retinae neigen als junge Individuen, ferner Männer mehr
als Frauen (66%—34%). Verletzungen spielen eine sehr wichtige
Rolle, wobei die traumatischen suebretinalen Blutergüsse, Rupturen
oder Traumen der Augapfelhüllen mit Glaskörperverlust etc. über¬
gangen werden. Leichte und aseptisch verlaufende, perforierende
Traumen, die doch sonst nicht zu Netzhautablösung führen, gehören
jedoch hierher. Von Gelegenheitaursachen sind zu nennen : körper¬
liche Anstrengungen, lange Märsche, schweres Heben, lang dauern¬
des Bücken oder Vomüberneigen’des Kopfes, heisse Bäder, seelische
Ejiregungen usw.
Selbstheilung der Netzhautablösung kommt vor, wenn auch
sehr selten teils mit teils ohne Rückkehr der Funktion. Einen
solch günstigen Ausgang soll man zunächst stets herbeizu führen
suchen und zwar durch eine tunlichst wenig eingreifende Behand¬
lung. Dahin gehört vor allem die möglichst genane Einhal¬
tung einer „ruhigen konsequenten Rückenlage“ und zwar in etwas
verdunkeltem Zimmer, damit der Kranke nicht fixieren kann. Auf
diese Weise kann der Glaskörper bei Augenbewegungen sich nicht
verschieben und die abgelöste Retina nicht flottieren. Zudem be¬
fördert die Rückenlage jede Resorption, also auch die des subre¬
tinalen Ergusses, während ein Druckverband dieses Resultat nicht
hat. Auch ableitende Kuren (Schwitzen, Bitterwasser, heisse Fuss-
bäder u. a.) helfen wenig, höchstens nützt eine milde Schwitzkur
(wöchentlich 2 mal). Antiphlogistische Therapie, Verwendung von
Quecksilber — oder Jodpräparaten hat wenig Zweck. Die
subkonjunktivale Einspritzung stark hypertonischer, ca, 4 bis 10%
Kochsalzlösungen im Bereiche der Abhebung ist, wenn auch nicht
immer nützlich, so doch nie schädlich. Die operativen Massnahmen
sollen erst dann versucht werden, wenn Rückenlage, Diaphorese
und Na-Cl*Einspritzungen versagt haben. Die Chancen sind stets
unsicher und zweifelhaft. Am sichersten ist noch das einfache Ab¬
laufenlassen des subretinalen Ergusses mittels eines Einstiches
durch Leder- und Aderhaut in der Gegend der stärksten Ablösung.
Absaugen des Ergusses mit Pravaz’scher Spritze ist wertlos. Die
Erzeugung einer adhäsiven, die Netzhaut mit ihrer Unterlage ver¬
klebenden Entzündung durch Ansengen der Lederhaut im Bereiche
der Ablösung ist gradezu schädlich. Die Deutschmannschen Netz-
haut-Glaskörperdurchschneidungen (Beiträge zur Aughkde. H. 59),
ev. vielfach wiederholt, haben Sattler nicht die günstigen Erfolge
geliefert, die Deutschmann von seinem Verfahren gesehen hat. Das
sehr komplizierte Müllerache Verfahren der Verkleinerung der
Bulbuskapsel hat Sattler selbst nicht erprobt. Die beste Pro¬
phylaxe bietet eine rationelle Behandlung der Myopie, vor allem
Vcllkorrektion.
Die Frage der Vollkorrektion hatte die französische ophthal-
mologische Gesellschaft auf ihre diesjährige Tagesordnung gesetzt
und zum Referenten über das so sehr aktuelle Thema war Bour¬
geoisbestellt worden. Sein sehr eingehendes Referat ist bei Stein¬
beil in Paris als Monographie erschienen. Aut Grund einer Um¬
frage bei den französischen Fachgenossen kommt Bourgeois zu einem
der Vollkorrektion überaus günstigen Ergebnis. Voraussetzung
ist volle Akkomodation und normale Sehschärfe, in solchen Fällen
ist das Tragen eines und desselben Konkovglases für die Nähe
wie für die Feme zu verordnen, das auf objektivem und subjek¬
tivem Wege bestimmt ist und die möglichst beste Sehschärfe ver¬
schafft. Da die VoUkorrektion das Fortsohreiten der Myopie anf-
hält oder wenigstens verzögert, so sollen auch schon die schwächsten
Grade neutralisiert werden. Ob freüicb die sog. Myopia maligna
auch durch diese Behandlung so günstig beeinflusst wird, ist noch
unbewiesen. Für junge Myopien und die geringen Grade der Kurz¬
sichtigkeit kann man sofort voll korrigieren, sonst muss man all¬
mählich stufenweise zur Vollkorrektion ansteigen. Bei der 12,0
D. übersteigenden Myopie soll man von Fall zu Fall entscheiden,
ob man sofort oder nach und nach voll korrigiert, dasselbe gilt von
der Anisometropie. Für Schulkinder empfiehlt B. Brillen mit
runden oder elliptischen Gläsern. Vor allem ist darauf zu achten,
dass der voll korrigierte Myop stets eine Arbeitsdistanoe von
30—40 cm innehält. Dass der ev. vorhandene Astigmatismus sehr
exakt zu korrigieren ist, unter Zuhilfenahme des Ophthalmometers
erscheint B. ebenso wichtig wie die Bekämpfung von muskulären
Gleichgewichtsstörungen durch Prismen oder Dezentralisation der
Brillengläser.
In der sich an Bourgeois Referat misdiliesBenden Diskussion
kamen Gegner und Anhänger der Methode zum Wort (cfr. la clin.
opht. 05, Nr. 9), doch waren die letzteren in der Überzahl,
wenn sie sich auch gegen einzelne Ausführungen Bourgeois wehrten,
wie z. B. die Vollkorrektion der geringen Grade von Kurzsichtig¬
keit, die Behauptung, es gäbe keinen Spasmus des Akkomodations¬
muskels und die Atropinkur sei daher zu unterlassen.
Ein nur bedingter Anhänger der Vollkorrektion ist der Stutt¬
garter Ophthalmologe Königshöfer (cfr. Württemberg. Korresp.-
Bl., Bd. 57, H. 23). Er steht auf dem Standpunkt, man müsse
vor allem individualisieren und dürfe nicht schematisieren. Die
Frage: „Was ist Myopie“? beantwortet er so: „M. ist der Aus¬
druck eines Missverhältnisses zwischen Bulbuslänge und Brechkraft
des dioptrischen Systems in dem Sinne, dass die Brechkraft zu
stark ist im Verhältnis zur Länge der Bulbusachse.“ K. sagt weiter,
die Praedisposition zur Entwicklung der (sog. Axen) Myopie sei
angeboren und bestehe vor allem in abnormer Verminderung der
Resistenz der Lederhaut auch gegen den normalen Binnendruck
des Auges, so dass die Augenachse durch Dehnung des hinteren
Augapfelabschnitts sich verlängere. Hauptsächlich Schuld daran
trägt der von Lange (Braunschweig) nachgewiesene Mangel an
elastischen Fasern in der Sclera und die von demselben Autor fest¬
gestellte mangelhafte Entwickelung des MüUerschen Ringmuskels.
Abgesehen von der angebomen und der sog. perniziösen Myopie
entwickelt sich die Kurzsichtigkeit nun mit Beginn der Nähearbeit
also der Schulzeit durch Anspannung von Akkomodation und Kon¬
vergenztätigkeit der Mm. recti intemi (sog. Arbeitsmyopie).
Während diese beiden Momente das normale Auge nur vorüber¬
gehend dehnen (? d, Ref.), persistirt die Dehnung an den zur
Myopie praedisponierten Augen, so dass nach \ Entstehung der
Myopie ein Missverhältnis zwischen Konvergenz und Akkomo¬
dationsimpuls entsteht, das diese beiden Tätigkeiten pathologisch
steigert, also der Entwickelung der Myopie Vorschub leistet. So
kann es nach Röuigshöfers Meinung zu dem vielfach geleugnete»
Krampf der Akkomodation kommen. Die Bekämpfiing der Myopie
durch prophylaktische Massnahmen ist allseitig akzeptiert worden.
Da sich nach K.’s Ansicht jede Arbeitsmyopie aus Emmetropie
oder Hypermetropie entwickelt, die physiologische Akkomodation
und Konvergenz, die zum Nahesehen nötig sind, aber am disponierten
Auge zur Arbeitsmyopie führen, so darf man nicht durch Voll¬
korrektion das Auge unter die Bedingungen bringen, unter denen
die Myopie sich entwickelte. Nur junge Myopen von höchstens
1,5—2,0 D mit voller Akkomodationsbreite, ohne Hintergrunds¬
veränderungen korrigiert er voll, vorausgesetzt, dass die Arbeits¬
distanoe von 30—40cm innegehalten wird; in dieser und nur in
diesen Fällen ist die Konvergenztätigkeit also der Druck der äus¬
seren Augenmuskeln, Ursache der Myopie, also auszuschalten.
Kinder mit Myopie —2,0 bis —6,0 lässt er nur für die Ferne
vollkorrigiert, in der Nähe arbeiten sie mit Gläsern, die den Fem-
purikt auf 60—70 cm hinausrücken. Zeigt sich bei normaler Akko-
raodationsbreite Hyperämie der Opticusscheibe und beginnende
oder ausgeprägte Sichelbildung, ist also stärkere Praedisposition
und stärkere Beteiligung der Akkomodation vorhanden, so korri¬
giert er für die Feme zwar voll aus, für die Nähe aber schaltet
er Konvergenz nnd Akkomodation ganz aus, indem er bei M.»3 D.
plan — f darüber hinaus konkav-prismatische Gläser gibt. Daneben
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30
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 3.
Mydriatica zur Lähmung der Akkomodation, die auch dann an¬
gezeigt sind, wenn binokulares Sehen imd objektive Refraktions-
inessung eine erheblich geringere Myopie als monokulare Prüfung
ergeben (Akkomodationskrampf). In solchen Fällen ist die Atro¬
pinkur ev. öfter zu wiederholen.
Diese Arbeit Königshöfers hat nun Veranlassung gegeben zu
einer Polemik zwischen Kayser und ihm (cfr. Wörtt. Korresp.,
Bl. 05, Nr. 40). Kayser weist darauf hin, dass Langes Nachweis
des Mangels elastischer Fasern in myopischen Augen von
andern Seiten nicht bestätigt worden ist. Er greift König.shöfers
Theorie von der Bedeutung der Akkomodation für die Entstehung
der Myopie an, ebenso die Konvergenztheorie. Im Gregensatz
zu Königshöfer ist Kayser ein warmer Verteidiger der Vollkorrek¬
tion, vorausgesetzt dass Akkomodation und Sehschärfe normal sind.
Er schreibt dieser Behandlung die Vorzüge zu, dass sie das Fort¬
schreiten der Myopie aufhalte, die Insuffizienz der Interni günstig
beeinflusse durch Schafl’ung schärferer Netzhautbilder, die Sehschärfe
bessere und ausserordentlich grosse hygienisch-diätetische Bedeutung
besitze.
Königshöfer wiederholt in seiner Replik die Behauptung,
dass die Sclera des myopischen Auges weniger widerstandsfähig
sei gegenüber den Schwankungen des intraokularen Druckes; dass
die beim Myopen auftretende Inkongruenz zwischen Akkomodations¬
und Konvergenzintention sehr wichtig sei; dass die Kontraktion
der äusseren Augenmuskeln den Binnendruck des Auges steigere.
Was die praktische Gläserbehandlung der (Schul-) Myopie angeht,
so bleibt er auf seinem oben skizzierten Standpunkte.*
Kurt Steindorff.
Periodische Literatur.
Münchener medicinieche Wochenechrlft. 1906. No. i.
1. Sauerbruch, Breslau. Bericht über die ersten in der
pneumatischen Kammer der Breslauer KlinikTausgeftlhrten Ope¬
rationen.
Verf. berichtet über die mit seinem Verfahren bisher ausge¬
führten Operationen. Die Frage war bisher strittig, ob man bei
operativen Eingriffen, welche mit der Eröffnung der Pleurahöhle
verknüpft sind unter Über- oder Unterdrück arbeiten soll. Verf.
glaubt einen Minusdruck auf 8 mm empfehlen zu sollen, welcher
während der Operation auf 4 bis 6 mm erhöht werden kann. Der
Schluss des Thorax soll bei —12 mm erfolgen, weil dann die
Gewähr gegeben ist, dass die Pleura visceralis sich eng an die
Pleura parietalis anlegt. Neuerdings bringt Verf. die Patienten
schon vor der Operation und Narkose in die Kammer, da dann die
geeignete Lagerung leichter vorgenororoeii werden kann. Als
Narkotikum hat sich Chloroform besser wie Äther bewährt.
Die Anwendung der pneumatischen Kammer bietet ganz be¬
sondere Vorteile bei der Deckung von Tboraxdefekten durch plas¬
tische Operationen. Hier stellt die geblähte Lunge eine gute Unter¬
lage für die zu bildenden Lappen dar. Jede Tamponade kommt
natürlich in Fortfall. Verf. konnte während der ganzen Dauer
intrapleoraler Operationen feststellen, dass nicht die geringste Störung
der Atmung oder des Pulses auftrat. Die Lunge zeigte eine
graurosa Farbe, ein Beweis, dass sie ausgezeichnet ventiliert war. Vor
allem scheint die neue Methode für die Usophaguschirurgie in Be¬
tracht zu kommen. Natürlich ist die Zahl der bisher, beobachteten
Fälle noch klein, aber wenn sie bisher auch keine bindenden
Schlüsse ermöglicht, fordert sie doch zu eifrigem Weiterforschen
auf.
2. V. Düngern, Freiburg: Beitrag zur Taberkulose• Frage
auf Onmd experimenteller üntersuchnngen an anthropoiden
Affen.
Die Frage nach der Übertragbarkeit der Rindertnberkulose
auf den Menschen steht im Vordergrund des Interesses. Die Auf¬
fassung, dass ein Unterschied zwischen der Perlsucht der Rinder
und der Tuberkulose der Menschen bestehe, leitet sich von der
nachweisbaren Differenz zwischen Perlsuchtbazillen und Tuberkulose¬
bazillen bezügl. ihrer Virulenz her. Verf. hat nun auf Sumatra au
Gibbons, anthropoiden Affen experimentelle Untersuchungen ange¬
stellt und kommt zu folgenden bemerkenswerten Schlusssätzen:
Ein Unterschied in der Wirkung der Perlsachtbazilien und der
menschlichen Tuberkelbazillen ist in keiner Beziehung zu konsta¬
tieren. Ferner der zweite Satz: ein Unterschied zwischen Perl-
Bucht und menschlicher Tuberkulose ist in keiner Weise festzu¬
stellen. Infolge dieser Untersuchungsresultate glaubt Verf. an der
Gefährlichkeit der Rindertuberkulose für den Menschen festhalten
zu müssen. Es ist das ein für den praktischen Arzt wichtiges Er¬
gebnis, selbst wenn die gewonnenen Resultate noch der Nach¬
prüfung bedürfen sollten, denn liezüglich der Prophylaxe ist es viel
besser an die Übertragbarkeit der Rindertuberkulose zu glauben,
wie diese zu bestreiten.
3. Weichardt, Erlangen: Über Ermlidnngttoxin tt&d deuan
Antitoxin.
Verf. berichtet über weitere sehr interessante Untersuchungen,
welche er seit Jahren Uber die Ermüdungstoxin imd Antitoxin an¬
gestellt hat. Es gelang ihm durch Einwirkung naszierenden Wasser¬
stoffs und auch aktiven Sauerstoffs ein Ermüdungstoxin aus ge-
wöbnlicliem Eiweiss herziistellen, w’elches Tieren injiziert die Bildung
eines un.schwer zu isolierenden Antitoxins bewirkt. Verf. kommt
auf Grund seiner bisherigen Untersuchungen zu dem Schluss: Das
Eiweissmolekül hat die Tendenz, bei beginnendem Zerfall unter
Bildung stabiler Verbindungen als Nebenprodukte physiologisch und
pbathologisch wichtige sich als echte Toxine charakterisierende
toxische Substanzen abziispalten. Dieser echten Toxine pflegt sich
der Organismus nicht durch weitergehende einfache chemische
Spaltungen zu eutledigen, sondern er bildet gegen diese echt
toxischen Zerfallsprodukte Antikörper.
Es sei noch hervorgehoben, dass es dem Verf. auch gelang,
mittels Reduktion aus Tuberkelbazillen ein Toxin zu gewinnen,
welches^bei Versuchstieren die Erscheinungen der Ermüdung her¬
vorrief.
4. Fromme, Halle: Über prophylaktische nnd therapeutische
Anwendung des Antistreptokokkensemms.
Verf. hat eingehende Beobachtungen über die Verwendbarkeit
des Menzer’sehen Streptokokkenserums bei puerperaler Strepto¬
kokkeninfektion angestellt, auch Fälle von drohender Strepto¬
kokkeninfektion bei zerfallenen Uterus-Carzinomen kamen zur ße-
handlung. Die antioperative Einverleibung des Serums bei diesen
letzten Fällen scheint durchaus aussichtsvoll und günstig zu sein.
Was die therapeutische Anwendung angeht, so schränkt sich das
Gebiet für die Serumbehandlung etwas ein. Eine reine Senun-
behandlung bei Pyämie glaubt Verf. nicht empfehlen zu dürfen.
Es wird immer die Drainage der Bauchhöhle mit in Betra(dit
kommen. Empfehlenswert ist die Serumbehandlung bei Puerperal-
fleber im allerersten Beginn, hier ermuntern die Resultate durch¬
aus zu weiteren Versuchen.
5. Müller: Augsburg: Über die Beriehnngen von seelizohen
Empfindungen zu Herzstömngen.
Verf, erörtert die Beziehungen zwischen seelischen Vorgängen
und dem Herzen in eingehender Weise. Er hat die Auffassung,
dass seelische Erregvmgen unangenehmer Art, Angst, Ärger, Sorgen
und dergl, eine Verengerung der Coronararterien durch ^iz der
Vasokonstriktoren bewirken, und dass die bei solchen Gelegen¬
heiten auftretenden Herzschmerzen und Beklemmungen ischämischer
Natur sind. Andererseits können angenehme seelische Empfindungen,
Freude, Liebe u. a. eine Erweiterung der Herzgefässe bewirken
und damit das Gefühl des Wohlbehagens hervorrufen. Selbst¬
verständlich erscheint es demnach, dass auf die Erkrankung der Herz-
muskulatur oder der Gefässe unangenehme seelische Empfindungen
schwor schädigend wirken können. Auf der anderen Seite scheint
es ohne Zweifel zu sein, dass bei primären Herzerkrankungen sich
seelische Depressionszustände, Angstgefühl u. a. einstellen können,
eine Beobachtung, welche bei Herzkranken leicht gemacht werden
kann.
6. v. Bruns, Tübingen: Brncheinklemmiuig einer Appendix
epiploica.
Verf. gibt einen bemerkenswerten kasuistischen Beitrag zum
pathologischen Verhalten der Appendices epiploicae. Bekanntlich
kann deren Ven\\achsung zu unliebsamen Strangbildungen führen,
es können sich lipomatöse Veränderungen in Form von polypen¬
artigen Gebilden, ja abgeschnürte freie Körper bilden. Der vom
Verf. beobachtete Fall betraf eine Frau von 55 Jahren, welche
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1906.
MBDICmiSCHE WOCHE.
31
bis dahin niemalä einen Bruch an sich beobachtet hat. Acdit Tage,
vor sie der Verf. sah, stellten sich Schmerzen und eine Geschwulst
in der Inquinalgegend ein, welche den behandelnden Arzt zur
Diagnose Bruch führten. Repositionsversuche misslangen. Die
vom Verf. vorgenommene Operation ergab eine gangränöse Appendix
epiploioa im Brachsack bei völlig intaktem Darm. Heilung per
primam.
7. Winkelmann, Pölta: Die Bekandlong der fibrösen
Pnenmonie mit Börners Pnenmokokkensenun.
Bei 16 Fällen von fibröser Pneumonie hat Verf. das Römersche
Serum in Anwendung gebracht. Das Resultat der sorgfältigen
Beobachtungen ergab eine geringe Zuverlässigkeit, was die Heil¬
wirkung anlangt. Das Serum scheint unschädlich zu sein. Bei
einigen schweren Fällen war eine Besserung deutlich erkennbar.
Verf. glaubt daher doch seine Anwendung bei schweren Fällen
anraten zu müssen.
8. Ereund: Danzig: Eilte für Böntgenstrahlen undnrch-
läMige Sonde.
Für die genaue Exploration des Ösophagus und Magens er¬
scheint es sehr wünschenswert, eine Sonde zu besitzen, die sich
im Röntgenbild als dunkler Schatten markiert. Die metallgefüUten,
bisher üblichen Instrumente, sind für den Patienten lästig, wegen
ihres Gewichtes. Verf. empfiehlt eine von der Röntgenröbren-
Pabrik 0. H. F. Müller in Hamburg hergestellte Sonde, welche
aus einem leichten gummiartigen, für Rötgenstrahlen undurch¬
lässigen Stoff, besteht. Dass diese Sonde auch für andere Eörper-
höhlen Verwendung finden kann, ist selbstverständlich.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. i.
1. Ribbert, Bonn: Über die ICiliftTtaberknloM.
Der bekannte Gegner Weigerts äussert sich in einem aus¬
gedehnten Artikel über die Frage nach der Entstehung der Miliar¬
tuberkulose. Bekanntlich hatte Weigert angenommen, es handele
sich bei der Entstehung der Miliartuberkxilose um eine plötzliche
Überschwemmung des Organismus mit Tuberkelbazillen von einem
zerfallenden Herde aus. Meist wurde die Anwesenheit eines
solchen Herdes in der Blutbahn oder deren Nähe angenommen.
Ein verkäster Tuberkel in der Gefksswand bricht nach dem Geftlss
durch und der Blutstrom verschleppt die Bazillen in alle Teile
des Organismus. Verfasser ist nun dieser Ansicht seit Jahren
entgegecgetreten und zwar deshalb, weil man bei der Section der¬
artige auBSchwemmbare Herde gar nicht immer findet und weil,
selbst wenn sie vorhanden sind, die enormen Mengen von Bazillen
nicht aus ihnen stammen können. Wir wissen, dass Bazillen sich
im strömenden Blute nicht vermehren, sondern sogar sehr schnell
aus demselben wieder verschwinden. Abgesehen ferner von der
verschiedenen Grösse der miliaren Knötchen, welche dem Verfasser
auf ein verschiedenes Alter hin zu deuten scheinen, hat Ribbert
in Serienschnitten sehr zahlreiche Intimatuberkeln feststellen
können, denen er eine ursächliche Bedeutung für die Entstehung
und den Verlauf der Miliartuberkulose beimessen zu müssen glaubt.
Verfasser kommt zu dem Resultat, dass die Miliartuberkulose
meist nicht durch eine einmalige Überschwemmung des Blutes mit
Bazillen zu Stande kommt. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass
geringere Mengen in den E^eislauf gelangender Bazillen sich nach¬
träglich, vor allem in den miliaren Intimatuberkeln, vermehren
imd dass andere Bazillen immer aufs neue aus den primären Ein-
bruchsstellen in die Zirkulation übertreten.
2. Stintzing, Jena; Bekandlnng der Lähmungen.
Da wir bei den Lähmungen meistens nur auf systematische
Behandlung angewiesen sind, ist es möglich, trotz ihrer ver¬
schiedenen Ursachen die Therapie wenigstens einigermaßen ein¬
heitlich zu behandeln. Es ist in der Veröffentlichung von der
Herabsetzung motorischer Funktionen die Rede. Es gibt für einen
Teil der Lähmungen eine kausale Therapie. Als Entstehungs¬
ursachen kennen wiri EJrkältung, Verletzung, primäre und sekundäre
jBkitzündung, Infektionskrankheiten uud Vergiftungen. Ausserdem
kennen wir Lähmungen, die aus Überanstrengung oder Nicht¬
gebrauch entstehen. Schliesslich bleibt eine Gruppe, deren Ätiologie
dunkel ist, für welche wir als Ursache psychische Hemmungs¬
vorgänge anzunehmen geneigt mnd.
Die traumatischen Lähmungen liegen am klarsten. Ist der
Nerv durchtrennt, so wird man ihn durch primäre Nervennaht zu
vereinen suchen. Ist die Verletzung vor längerer Zeit erfolgt, so
kommt die sekundäre Nervennaht in Betracht. Wenn auch die
Resultate nicht ganz sicher, so sind sie immerhin aussichtsreich.
Das verletzte Glied oder der betroffene Körperteil wird durch ge¬
eignete Verbände völlig ruhig gestellt. Handelt es sich um Kon¬
tusionen oder Druckerscheinungen, so ist deren Ursache eventuell
sogar operativ zu entfernen.
Die peripheren Lähmungen, welche in Erkältungen ihren
Grund haben, sind an Zahl nur gering. Heissluftbäder und elek¬
trisches Lichtbad kommen in Anwendung. Auch Derivantien aller
Art werden empfohlen, ohne dass 8i<fiiere Erfolge zu erwarten sind.
Elektrische Behandlung.
Die Lähmungen nach akuten und chronischen Infektions¬
krankheiten verlmigen eine kausale Behandlung, Gründliche Aus¬
heilung und Überwachung der Rekonvaleszenz sind geboten. Bei
Diphtherie scheinen bei Serumbehandiung, Lähmungen vielleicht noch
öfter aufzutreten als sonst. Jedoch darf das durdiaus nicht gegen
das Serum sprechen, zumal diese Lähmungen fast ausnahmslos
günstig verlaufen. Bei syphilitischen Lähmungen wird nur die
spezifische Behandlung zu versuchen sein, welche auch in allen
Fällen dunkler Provenienz versucht werden sollte. Eine kansale
Behandlung hat auch bei Lähmungen in Folge von Malaria einzu-
teeten. Chininbehandlung. Für die meist schmerzhaften tuberku¬
lösen Lähmungen kennen wir keine cansale Therapie. Wir kennen
Lähmungen in Folge von Konstitutionskrankheiten, Gicht, Diabetes,
Carcinom, Anämie. Hier hat sich die Behandlung in erster Linie
gegen das Grundleiden zu richten. Toxische Lähmungen ver¬
langen die Beseitigung der toxischen Einflüsse. Bekämpfung des
Alhohols. Ist mit Abstinenz nichts zu erreichen, dann können
Strychnininjektionen gut wirken. Die Beschäftigungsneurosen, welche
auch in dies Gebiet fallen, verlangen unumgängUch das Aussetzen
der schädlichen Tätigkeit.
Die symptomatische Behandlung wird meist neben der
causalen einhergehen müssen. Hier kommen in erster Linie die
physikalischen Heilmethoden in Betracht.
Verf. hält die Anwendung der Elektrotherapie für sehr aus¬
sichtsreich und bedauert, dass dieselbe sozusagen aus der Mode
gekommen ist. Liegen Fälle mit gesteigerter Erregbarkeit vor,
dann erscheint eine Kontraindikation gegen diese Behandlung zu
bestehen. Weiter kommt die Massage, Vibrationsmassage, in Be¬
tracht. Grosse Erfolge sieht man bei der Gymnastik und Übungs¬
therapie. Ebenso hat die Hydrotherapie und Balneotherapie ganz
bedeutende Erfolge zu verzeichnen. Die medikamentöse Behandlung
spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Handelt es sich um
Besserung anämischer Zustände, so wird Eisen und Arsen in Frage
kommen. Auch der psychischen Behandlung ist für eine Reihe
von Fällen ein Feld der erfolgreichen Tätigkeit zuzuweisen.
3. Schlesinger, Wien: Syphilitische and hysterische
Pseado-Osteomalacie. Verf. kommt auf Grund seiner Beobacht¬
ungen und unter ausführlicher Wiedergabe des Verlaufes eines
neuerdings beobachteten Falles zu dem Schluss, dass die Syphilis
einen der initialen Osteomalacie. in Bezug auf Knochen-Muakeler-
scheinungen und Reflexe, recht ähnlichen Symptomenkomplexe
(ohne Haut- und Schleimhautaffektionen, ohne Suppurationen) her-
vomifen kann, der unter einer spezifischen Behandlung verschwindet.
Verf. erwähnt an der Hand eines zweiten Falles die Möglichkeit,
dass eine Hysterie eine Osteomalacie vortäusche. Eine Pseudo-
osteomalacia hysterica bei fehlenden Knochendeformitäten wird also
anzunehmen sein, wenn trotz typischer Osteömalacie-Symptome die
Punktionsbehinderung und die Schmerzen in ganz kurzen Zeit¬
räumen einem jähen Wechsel unterliegen.
4. Braun-Leipzig: Die Leistungen der Lokalanästhesie.
Wir müssen unterscheiden, terminale oder peripherische
Anästhesie imd Leitungsanästbesie. Es handelt sich tatsächlich
immer um eine Örtliche Vergiftung, wenn nicht physikalische Wirk¬
ungen in Betracht kommen. Als l^ttel kennen MÖr Cocain, Eucain,
Tropacocain Novocain, Stovain, Al^^piu. Die Mittel sind zumal in
hohen Konzentrationen teilweise recht bedenklich. Am ehesten
werden grössere Mengen verdünnter Lösungen vertragen. Eine
wichtige Unterstützung für die Wirkung ist die Beschränkung
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32
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 8.
der interstitiellen Resorption, welche mechaniech durch Unter¬
bindung des Kreislaufes erreicht wird. Neuerdings bewährt sich
ein Zusatz irgend eines Nebennierenpräparates zum Anästhetikum
sehr gut. Die Nebennierensubstanz bewirkt eine maximale Ver¬
engung der GefUsse nud bindert so die interstitielle Resorption.
Ganze Gebiete eines Nerven kann man anästhesieren, wenn
man den Nervenstamm mit einem Anästhetikum versorgt, Leitungs-
anästhesie. In der Regel soll man bei [nältrationsanästhesie nie¬
mals zu hoch konzentrierte Lösungen anwenden.
Ein ausgedehnter Gebrauch wird von der Lokalanästhesie in
der Augenheilkunde gemacht. Es kommen zur Einträuflung 2
bis 5% Cocainlösungen in Betracht. Nicht allein Konjunktive,
Cornea, auch Sclera, ja fast der ganze Bulbus kann unempfindlich
gemacht werden. Die Rhinologie und Laryngologie verdanken
ihre Fortschritte in Diagnose und Therapie im wesentlichen der
Anwendung lokaler Anästhetika. Sehr ausgedehnt ist die An¬
wendung der Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde, nicht allein
bei Resektionen der Wurzeln imd Extraktionen, sondern auch bei
Ausräumungen der Pulpa zwecks Füllung. Die Gynäkologen
können relativ wenig Gebrauch von der Lokalanästhesie machen,
zumal sich zwecks Ausschliessung psychischer Momente eine all¬
gemeine Narkose nicht vermeiden lässt. Die kleine Chirurgie ist
das ureigenste Gebiet der Lokalanästhesie, jedoch auch erheblichere
Eingriffe lassen sich mit ihrer Anwendung ausfübren. Die Trache¬
otomie, Rippenresektion, ja Hemiotomie gestatten ihre erfolgreiche
Anwendung. Das Wesentliche der Lokalanästhesie bleibt immer
die gute und geeignete Technik, der von seiten des praktischen
Arztes nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.
Ö. Schmidt-Trimpler; Die ftneckflilberbehandlniiig bei
Angenkrankheiten.
Verf. wendet, so weit möglich, die Injektion von !•/) Subli-
raatlösungen in die Glutäen an. Dass eine derartige Therapie
bei syphilitischen Augenafifektionen angezeigt ist, braucht nicht
hervorgehoben zu werden. Auch nicht syphilitische Neuritis op¬
tica geht bei SubÜmatinjektionen häufig überraschend zurück. Das
Hauptfeld der Mercurialisation .sind die schweren Formen von
Iritis, Iridocyclitis mit Glaskörpertrübungen und Chorioditis.
Ferner kommen eitrige infektiöse Prozesse in Betracht. Auch bei
chorioditis disseminata wendet Verf. die Mercurialisation an. Ja,
sogar bei einigen Formen der Netzhautablösung, kann man mit
Quecksilberbehandlung noch einige Erfolge erzielen.
6. Schultz-Berlin: Gonorrhoische Lymphangitis and
Gonokokkenmetastasen ohne nachweisbare Schleimhaut-Gonorrhoe.
Verf. hat einen eigentümlichen Fall beobachtet, bei welchem
es sich um eine Lymphangitis am Dorsum penis, multiple rheu¬
matische Beschwerden und einen zur Eröffnung gelangenden Abszess
an der Hand handelt, welch letzterer Gonokokken im Eiter zu
enthalten schien. Da weder eine akute noch die Reste einer
chronischen Urethralgonorrhoe nachweisbar waren, überhaupt
gonorrhoische Schleimhautaflfektionen nicht bestanden haben, glaubt
Verf., dass es sich hier um eine Infektion durch die äussere Haut
handelte, welche zu jener Lymphangitis mit Metastasierung führte.
Es sind nur wenige Mitteilungen über derartige Erkrankungen
bekannt, aber die Möglichkeit bietet natürlich ein bedeutendes
praktisches Interesse. Der Fall an sich scheint immerhin noch
dunkel zu sein.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 2 .
1. Bickel, Berlin: Experimentelle TTntersuchongen über
den Einfluss der Mineralwässer anf die sekretorische Magen-
funktion.
Verf. hat die seltene Gelegenheit gehabt, bei einer Er¬
wachsenen Untersuchungen der genannten Art anzustellen. Es
handelte sich um ein 23 Jahre altes Mädchen, bei welcher wegen
totaler Osophagustriktur in Folge Laugenverätzung eine öso-
phagutistel angelegt wurde. Die ^Versuche beruhten auf dem
Prinzip der Scheinfütterung. Darunter ist folgendes zu verstehen;
Die Patientin erhielt während einer bestimmten Zeit eine Schein¬
mahlzeit, welche^sie im Munde verarbeitet, ohne sie natürlich
schlucken zu können. Die durch diesen Kauakt, wenn man so
sagen soll, reflektorisch ausgelöste Magensekretion wurde gemessen
und in Vergleich gestellt mit derjenigen, welche nach her Ein¬
bringung verschiedener Mineralwässer in den Magen eintrat. Die
Resultate dieser höchst interessanten und verständlicher Weise nur
selten anszuführenden Versuche sind folgende.
Die für Magenkrankheiten in Betracht kommenden Mineral¬
wässer lassen sich in 6 Gruppen einteilen. 1. Einfache Säuerlinge
{Appollinaris, Harzer Sauerbrunnen, Gieshübel etc.). 2. Kochsalz¬
wässer (Kissinger und Rakoczy, Wiesbadener Kochbrunnen, Haupt¬
stollenquelle Baden-Baden etc.). 3. Alkalisch muriatische Wässer
(Emser Wasser, Selterswasser etc.). 4. Alkalisch-salinische Wässer
(Karlsbader Quellen, Marienbad, Franzensbad, Tarasp etc.). 5. Al¬
kalische Wässer (Vichy, Fachingen, Bilin, Neuenahr etc.). 6. Bitter¬
wässer (Hunyadi Janos).
Die kohlensäurehaltigen Wässer bewirken eine gelegentliche
Erhöhung der Säureproduktion, neben einer allgemeinen Vermehmng
der Saftmengen.
Die Salzarten in den Wässern können eine gleichsinnige und
entgegengesetzte Wirkung haben, je nach ihrer Art. Die Koch-
salzwässer wirken in demselben Sinne, wie die einfachen Säuerlinge,
bei denen die Kohlensäure in erster Linie im gedachten Sinne zur
Geltung kommt. Die alte Auffassung, dass Koohsalzwässer die
sekretorische Magenfimktion hemmen, besteht demnach nicht zu
Recht. In gleichem Sinne, wie die beiden ersten Gruppen, ver¬
hält sich die dritte. Die vierte und fünfte Gruppe wirkt ganz
fraglos sekretionshemmend. Die letzte Gruppe endlich, die Bitter¬
wässer, scheinen zwar auch etwas sekretionshemmend zu wirken,
zeichnen sich aber vor allem dadurch aus, dass sie einen ganz er¬
heblichen Erguss von Wasser aus der Magenwand in das Magen-
innere hervorrufen.
2. SalomoD, Frankfurt a. M.: Die diftgnoitisohe Pimktioii
des Bauches.
Bekanntlich ist der Nachweis von Flüssigkeitsmengen im
Abdomen unter 1000 ccm nur sehr schwer palpatorisch und
percutorisch möglich. Immerhin scheint es von grosser ! Be¬
deutung, auch geringere Mengen nachzuweisen und analytisch de¬
finieren zu können. Die Probelaparotomie ist zwar relativ nnge-
fährlicb, aber immerhin eine Operation. Verf. hat nun einen
Troikart konstruiert, welcher mittelst eingeführten Katheters die
Aspiration auch geringer Flüssigkeitsmengen ermöglicht Der
Troikart durchbohrt blutig nur die Bauchhaut, während eine stumpfe
Hohlnadel Fascie, Muskeln und Peritoneum durchtrennt. Der Ein¬
stich erfolgt in der iinea alba oder linken Seitenpartie des Ab¬
domens. Zu beachten ist ein etwa eintretender Choc bei Durch¬
bohrung des Peritoneums.
3. Gutzman, Berlin: Zur Physiologie and Pathologie der
AtmongshewegTuigen (Pneumographie).
Verfasser hat mit graphischen Registrierapparaten die Atmimg
im ruhigen Zustand und beim Sprechen eingehend analysiert. Es
ergab sich folgendes: In der Ruhe ist die Atmung automatisch,
Brust und Bauch sind gleich beteiligt, die Inspiration ist nur
wenig kürzer als das Exspirium, ein relativ kleines Luftvolumen
wird bewegt. Die Atmung nimmt ihren Weg durch die Nase, die
Stimmlippen bilden hei In- und Ex.spiration ein längliches Dreieck.
Beim Reden und Singen dagegen besteht eine willkürliche, über¬
wiegende Innervation der kostalen Bewegungen, die Inspiration
ist sehr kurz, Expiration sehr lang, Bewegung eines grossen Luft¬
volumens, die Atmung erfolgt durch den Mund. Die Stimmlippen
bilden bei der Inspiration ein grosse.s Fünfseit, während sie bei der
Exspiration einen der Phonation entsprechenden Spalt bilden. Diese
physiologischen Normen erleiden bei pathologischen Zuständen er¬
hebliche Veränderungen, und machen es nötig, bei der Therapie
zunächst Gewicht auf eine rationelle Atmungsübung zu legen.
4. Bosse, Berlin: Über diffuse eitrige Peritonitis.
Die Mortalität bei diffuser eitriger Peritonitis ist excessiv
hoch. Wir stehen derselben trotz aller Vorsicht und Mühe bei
operativen Eingriffen so gut wie machtlos gegenüber. Die einzigen
Erfolge sind von der Prophylaxe zu erwarten. Wir können zwei
Formen von eitriger Peritonitis unterscheiden: 1. eine abgekapselte,
welche entweder völlig abgekupselt oder progredient sein kann und
2. die diffuse, nicht begrenzte fortschreitende Form. Als Erreger
kommen in Betracht; Bacterium coli, Anaeroben, Typhusbacillen,
Eiterkokken, Pneumokokken. Die Behandlung der abgekapselten
Peritonitis ist Juicbaus erfolgreich, wenn man bei der operativen
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
33
Therapie eine eiawurfefreie Asepsis und Antisepsis walten lässt.
Es müssen breite Erüffiiungen des Bauches, genügende Gegen-
öfihungen gute Drainagen angelegt werden. Von der Anwendung
Crede’scher Silbersalze zur Beseitigung der septischen Stoffe er¬
hofft Verf. nicht viel. Möglichste Vermeidung jeden Reizes auf
das Peritoneum denkbar gründliche Säuberung durch Spülung mit
isotonischen Lösungen ist geboten. Daneben Anregung der Diurese
und Deföcation. Erhöhung der Leneocytenzahl soll nützlich sein,
zu diesem Zweckz gab v. Mikulic Nucleünsäure.
Wiener klinische Wochenschrift, idoe. No. i.
1. Wagner v. Jauregg: Einiges über erbliche Belastung.
Verf. weist in dankenswerter Weise darauf hin, dass eine
Statistik über erbliche Belastung bei Geisteskrankheiten nur dann
einen Sinn hat, wenn über das Vorkommen von Psychosen bei
nicht belasteten Familien eine gleiche Statistik geführt wird. Dies
ist nicht immer geschehen und damit hat sich auch im Laien¬
publikum eine nicht ganz begründete Angst herausgebildet vor dem
Begriff erblicher Belastung. Die Hereditätsstatistik der Gesunden
weist nun ganz überraschend hohe Zahlen auf, 59 und 67%. Da¬
mit ist schon bewiesen, dass die Bedeutung der hereditären Be¬
lastung bei weitem nicht so hoch ist, als gemeiniglich angenommen
wird. Die Statistik der Gesunden ergibt ferner, dass nicht so¬
wohl Geistesstörung, sondern vielmehr Disposition zu dieser über¬
tragen wird. Wenn wir dies wissen, müssen wir auch annehmen,
dass es Fälle geben wird, wo das Komplement der Disposition,
die Immuität übertragen, vererbt wird. Die Statistik ergibt, dass
für Abkömmlinge bluteverwandter Eltern bei erblicher Belastung
die Gefahr, geistig zu erkranken, mehr als doppelt so gross ist,
wie bei denen, die von nicht konsanguinen Eltern abstammen.
Wenn man aber die Verwandtenehen als solche statistisch unter¬
sucht, so ergibt sich die merkwürdige Tatsache, dass die Abkömm¬
linge von Verwandten-Eltem eine grössere Widerstandskraft gegen
Geistesstörungen haben, vorausgesetzt, dass das Moment der erb¬
lichen Belastung fehlt.
2. Halban, Wien: thier ein bisher nicht beachtetes
Schwangerschaftssymptom (Hypertrichosis graviditatis).
Von der Beobachtung ausgehend, dass die Geschlechtsdrüsen.
Hoden und Ovarium einen protektiven Einfluss auf die Entwicklung
der sekundären Sexualcharaktere ausüben und dass die Placenta
eine ganz gleiche Rolle spielt, kam Verf. auf die Vermutung, dass
in der Gravidität etwa vorhandene Bartanlagen stärkeres Wachstum
zeigen müssten. Die Beobachtungen bestätigten diese Vermutung
im weitesten Maße. Nicht nur etwaige Bartanlagen, alle Lanugo-
härchen zeigten ein ganz besonders starkes Wachstum. Nach Ab¬
lauf der Gravidität verschwanden dieselben wieder. V^erf. glaubt
auch das starke Wachstum der fötalen Lanugohaare auf eine Ein¬
wirkung der Placenta resp. bestimmter in derselben vorhandenen
Stoffe zurückführen zu können. Ob einem derartigen Symptom
irgend welche diagnostische Bedeutung beizumessen ist, erscheint
doch wohl etwas fraglich (d. Ref.).
3. V. Braun-Fernwald: Eilt seltener Fall von ütems-
tuberkulöse.
Eine 35jährige Patientin kommt mit atypischen häufigen
Blutungen in Behandlung. Uterus normal gross, Cervix intakt,
Adnexe normal. Die Schleimhaut des Uterus ist stark gelockert.
Der histologische Befund der mit der Curette excochleirteu Schleim¬
haut ergab Tuberkulose. Nach dem genannten operativen Ein¬
griff vollkommene Heilung, normale Menses. Verf. erörtert sodann
die Frage der Genitaltuberkulose im allgemeinen und kommt zu dem
Schluss: Mit Rücksicht auf den günstigen Erfolg in diesem vor¬
liegenden Fall ist man berechtigt, in allen Fällen klinisch streng
lokalisierter Genitaltuberkulose, zumal wenn diese das Endometrium
betrifft, zunächst ein expektatives Verfahren einzuschlagen und eine
konservative Therapie zu versuchen.
4. Hinteratoisser, Tescben: Zur Therapie der angeborenen
Blasenapalte.
Die erfolgreiche Operation der Blaseneklopie ist sehr schwierig.
Zwei Hauptwege kommen heute in Betracht, wenn es nicht gelingt,
die anatomischen Verhältnisse durch Naht und Plastik wieder her¬
zustellen, die Methode Sonnenburg, die ganze ektopische Blase bis
auf die Ureteren zu ezstdrpieren und diese in die angefrischte
Uretralrinne einznnähen. Sonnenburg verzichtet auf Kontinenz
und lässt Urinal tragen, oder aber die Maydel’sehe Operation, bei
welcher das Trigonum vesicae mit den Ureteren in die flexura
sigmoidea eingepfianzt wird. Diese letztere Operation, welche bis
zu Satündiger völliger Kontinenz führt, bietet nun die Gefahr
einer aufsteigenden Pyelitis mit nachfolgender Nephritis. Verf.
hat bei einem 5jährigen Knaben die von Borelius und Berglund
angegebene Modifikation der Maydei’.schen Operation angewandt, ^
mit gutem Erfolg. Er verfuhr folgendermaßen: Die ektopische
Blase wurde bis auf das Trigonum mit den Ureterenmündungen
reseciert, die Ureteren etwa 4 cm lang stumpf mobilisiert Dann
wurde das Perintoneum eröffnet, die flexura sigmoidea hervor¬
gezogen und ihre beiden Schenkel am Mesenterialansatz vernäht.
Am Ende der beiden Schenkel wurde eine Enteroanastomose ange¬
legt und in die Kuppe der Flexnr das Trigonum eingenäht. Auf
diese Weise erreichte Verf. folgendes: Ein Art receptaculum urinae,
zur Erzielung einer besseren Kontinenz, ferner eine Sicherung der
Ureterenmündimgen durch die Anastomose des Darmes, welche das
Vorbeirutschen des Kothes an den Mündungen hinderte.
Kongresse.
Der XT, internationale Kongress in lAssabon.
Vom 19.—26. April tagt in Lissabon der XV. internationale
med. Kongress, wir entnehmen in Bezug auf denselben der Deut¬
schen medicinischen Wochenschrift 1906 Nr. 1 einige recht prak¬
tische Ausführungen Greefa, welcher als guter Kenner des Landes
über die Reiseverhältnisse folgende Angaben macht.
Von Schiffslinien kommen folgende in Betracht: a) Dampfer der Rob.
M. Sloman-Linie (nach Genua—Neapel, meist Frachtschiffe) oder der Deut¬
schen Ost-Äfrika-Linio. Letztere hat schöne moderne Schiffe, Reiebspost-
dampfor, die Hamburg—Lissabon fahren und Rotterdam oder Dover, evou-
tuell Porto anlegen. Es fährt etwa dreimal monatlich ein Schiff. Prospekte
schicken die Agenturen: Deutsche Ost-Afrika-Linie, Hamburg—Afrikahaus
oder Berlin. V. Tippelskirch, Potsdamerstr. 128. Fahrzeit 6—8 Tage. Preis
150—180 Mark.
b) Die Hamburg-SUdamerikanische Dampfschiffabrtgesellscbaft. Die
Schiffe halten fast alle in Porto, fahren bisdabin durch oder legen in Dover oder
Antwerpen an. Dauer fünf bis acht Tage, je nach dem Zwischenaufenthalt.
Preis IM Mark bis Porto, 160 Mark bis Lissabon. Rotourbillot 240 Mark
mit Verpflegung. Wie wir aus der Zuschrift des deutschen Reiebskomitees
für den XV. Internationalen medicinischen Kongress ersehen, hat ausserdem
die Hamburg-Slldamerika-Gesellschaft den Dampfer „Oceana“ zur Verfügung
gestellt für diejenigen, welche den Besuch dos Kongresses mit einer Ver¬
gnügungsreise zur See verbinden wollen. Der Dampfer wird in Lissabon als
Uotelschiff dienen.
Die Preise für die Fahrt mit Verpflegung (exklusive Getränke) vari¬
ieren zwischen 700 und 1300 Mark pro Person, je nach der Lage der Kabinen.
Folgender Fahrplan ist vorgesehen
ab Hamburg .
7.
April früh |
an Tanger .
. 17. April
nachm.
ab Cuxhaven .
7.
11
nacbm.
ab Tanger .
17.
11
11
an Dover . .
8.
)1
11
an Gibraltar
17.
11
11
ab Dover . .
8.
11
1)
ab Gibraltar
18-
11
11
an Funebul
12.
11
11
an Lissabon
19.
11
11
(Madeira)
ab Funchal
13.
1 )
abends
ab Lissabon
an Dover
26.
29.
11
11
11
an Santa Crux 14.
11
nachm. '
ab Dover .
. 29.
1 )
11
(Teneriffa)
an Santa Cruz
15.
n
1 >
an Hamburg
. 30.
11
abends
c) Die ßrasildampfer des Bremer Lloyd fahren über Antwerpen und
Oporta nach Lissabon. Die Dampfer der Linie Bremen—Brasilien fahren
alle 14 Tage Sonnabends von Bremen ab. Die Abfahrtszeit von den übrigen
europäischen Häfen lässt sich aus folgendem Beispiel entnehmen : Bremen
ab Sonnabends, 27. Juni, Antwerpen ab Mittwoch, l.Juli, Oporto ab Mon¬
tag, 6. Juli, Lissabon an 7. Juli, ln Antwerpen ist drei Tage Aufenthalt.
Bodass die Passagiere Gelegenheit haben, nicht blos diese Stadt, sondern
auch Brüssel und event. Gent, Brügge oder Ostende kennen zu lernen,
ln Oporto ermöglicht ein etwa 1'/, tägiger Aufenthalt den Reisenden, die
Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Von dort aus erreicht
der Dampfer in etwa 15 Stunden Lissabon. Der Fahrpreis Bremen—Lissa¬
bon beträgt 150 M., von Antwerpen 130 M Der Bremer Lloyd wird je¬
doch auf dieser Strecke nicht für jedermann zu empfehlen sein, weil er nur
KajUtten zweiter Klasse führt, die aber schon recht gut sind. Bei beschei¬
deneren Ansprüchen und in grösserer Gesellschaft kann auch diese Route
wohl empfohlen werden.
d) für Seebären, die Zeit haben und wetterfest sind, fahren endlich
jeden Dienstag von Hamburg kleinere Schiffe der Oldenburgischen Portu¬
giesischen Dampfschiff-Rhederei in Oldenburg nach Oporto in fünf bis seclis
und nach Lissabon in 'acht bis neun Tagen. Fahrpreis 120 M., Rückfahr¬
karten 200 M., einsohliessUoh Beköstigung.
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84
MEÜDIClNISCillS wOCTHE.
Nr. 8.
EueDbabobhrt. Die direkte maeobahntkhrt Berliu, P»ru, Iruo LieBabuu
(Madrid li^ um ein paar Stunden BUenbahn&brt abseits) kostet etwa 325 Mk.
erster und 237 Mk. zweiter Klasse. luSpanien zweiter Klasse auf weite Strecken
zu fahren, geht nicht gut an. Zudem hat Spanien und Frankreich nur erster
Klasse Schlafwagen. In dem Preise sind nicht einbegriffen die Kosten fUr
Platzkarten, Schlafwagen und LuxuszUge. Der Zuschlag für den Luxuszug
betrat bei Billet erster Klasse: Berlin-Paris etwa 34 Mark, Paris-Lissabon
66 Mark. Oie ausländischen Eisenbahn-Verwaltungen geben Erroäfiigungen,
wenn die Hin- und Herfahrt auf der gleichen Strecke ausgefdbrt wird. l)ie
Kongressmitglieder sollen gegen Vorzeigung ihrer Legitimation in den
Hauptplätzen von Frankreich und Spanien Fanrkarten zum Preise einer ein¬
fachen Fahrt nach Lissabon erhalten, die in Lissabon während der Zeit des
Kongresses durch Abstempelnng ohne weitere Nachzahlung fOr die R4ick-
fabrt gültig gemacht werden. Uundreisebillets mit regulärer Ermäßigung,
d. h. 33 Vj®/b. resp. 40%: Berlin — Köln — Jeuroont — Paris — Bordeaux—
Jrun — Lissabon — Madrid — Barcelona — Marseille — Genf — Berlin kosten
I. Klasse 424,90 Mark, II. Klasse 333,20 Mark.
Vermischtes.
Hochschulnachlichten.
Bonn. Bei der Uiiiyeraität Bonn ist ein Lehrstuhl für
soziale Medicin errichtet worden. Das nene Lehramt ist dem
Professor der inneren Medizin Dr. Rumpf übertragen worden.
— Prof. Dr. Rieder hat die Leitung der chirurgischen Abteilung
des Krankenbauses der Barmherzigen Brüder hierselbst über¬
nommen.
Breslau. Den Professortitel erhielt Privatdozent Dr. Heine,
Oberarzt an der Universitäts-Augenklinik. — Privatdozent Dr.
med. Goebel, ein Schüler von Mikulicz, ist zum Direktor des
städtischen Krankenbauses in Liegnitz gewählt worden.
Freiburg i. Br. Zum ordentlichen Professor der allgemeinen
Pathologie und der pathologischen Anatomie und Direktor der
pathologisch-anatomischen Anstalt als Nachfolger des. Geh. Hofrat
Prof. Dr. Bh'ust Ziegler der Prosektor am Stadtkrankenhause
Priedrichstadt zu Dresden, Obermedicinalrat Prof. Dr. C. Georg
Schmorl in Aussicht genommen.
München. Der Privatdozent an der Kgl. Universität Dr.
Hans Neumayer wurde zum ausserordentlichen Professor für
Laryngo-Rhinologie in der medicinischen Fakultät der Königl.
Universität München ernannt, derselbe hat die Leitung der laryngo-
rhinologischen Poliklinik an der Universität übernommen. — Dem
Privatdozenten Dr. J. A. Amann, Vorstand der II. gynäko¬
logischen Klinik, wurde der Titel a. o. Prof, verliehen.
Würzburg. Dem Privatdozenten der Augenheilkunde Dr.
Paul Römer wurde der Titel a. o. Professor verliehen.
Neu niedergelassen
haben sieh in
Bannen. Dr, med. L. Trier. — Berlin. Stabsarzt a. D. Dr. Ader-
holdt nnd Dr. Adolf Silberstein, eröffneten W. Hardenbergstr. 12, ein
Medico-mecban.-orthop. Institut. — BUckeburg. Augenarzt Dr. med. Fritz
Strauch. — Creuzburg (Pr.) prakt. Arzt Johannes Tabbd. — Kaiserslautern.
Dr. med. H. Dauber. — Königsberg i. Pr. Dr. med. Emst Gauer. —
Lübeck, Dr. med. Fritz Escbenburg. — Nürnberg. Dr. med. Froraroholz.
— Wiesbaden. Dr. med. Theodor Dercum
Familien-N^chrichten.
Verlobt:
Frl. Rosa Birn, in München, mit Herrn Dr. med. Joseph Oppenheimer
in Fürth i. B. — Frl. Sussanne Wagner in Chemnitz, mit Herrn Dr. med.
Rudolf Üble in Zwickau. — Frl. L. Karbe in Breslau, mit Herrn Mediz.-
I’rakt. Dr. med. H. Brandt in Stettin. — Frl. Ida Klewansky, mit Herrn
Dr. med. Max Romm in Königsberg. — Frl. Lissi Albrecht in Flensburg,
mit Herrn Dr. med. Walter Neubert aus Leipzig. — Frl. Margarete Singer
m Berlin mit Herrn Dr. med. Peter Danielsohn in Berlin W. — Frl. Käthe
Wagner in Oschatz mit Herrn Dr. med. Otto Fischer in Neundorf. — Frl.
Leni Brock in Charlottenburg mit Herrn prakt. Arzt Alfred Niepelt. —
Frl. Emma Leser in Halle a. S. mit Herrn Dr. med. Wilhelm Liepmann
in Berlin, — Frl. Hanna Dieterle in Bielefeld mit Herrn Dr. med. Martin
Pleitner in Hamm i. W.
Verm&hlt:
Herr Dr. med. S. Palkenstoin mit Paula Kaafinaon in Weeel.
Geboren:
Eine Tochter: Herrn Dr. med. A. Otto, in Dresden.
Gestorben:
Dr. med. .Tulius Fieber in Elberfeld. — Dr. med. Karl Dauber in
Leipzig. — Dr. med. Anton Riedlin, Elmen-Gr.-Salze. — Sanitätsmt Dr.
med. P. Jakobs-Köln. — Dr. med. Karl Ludwig Herbertb, Wiesbaden-
Frankental. — Dr. med. Karl Bögle in München. — Dr. med. Franz Rolf
in Gelsenkirchen.
Patentnachrichten.
Geb raue hsmuster.
263313. PerknssioDshammer mit aml^baren Stiel. Adolf Scbweick-
hardt, Tuttlingen. WUrtt.
263361. Feldapotheke ans einzelnen nebeneinander angeordneten
numerierten und signierten Medikamentenkästen. Fa. C. H. RUdel.
263 657. Wundklaromer mit mehreren, von einem gemeinscbaftliehen
MittelstQck ausgehenden, an den Enden mit Spitzen versehenen Amen.
Dr. Max Samneh Berlin.
263 300. Halter mit Auheibestäbebon für Ringe. Theodor Bormestar,
Hannover.
263660. Elektriscber Schmelzofen für zabnärztUebe Zwecke, mit ab¬
hebbarer durch Deckelabnabme freizulegender Muffel. Jul. Sebmebl, Berlin.
263 221. Zweiteilige, filcfaerartig zusammenlegbare Schntzhrille, dadurch
gekennzeichnet, dass beide Teile am Nasensteg derart drehber aufeinander
befestigt sind, dass sieb die Brille fächerartig Zusammenlegen lässt. Hfiller
& Richter, Dresden.
Tafel für ärztliche Stellenvermlttluns:.
Adrsaae: Arztliehea Aiakaafla-Barsan dsa fisaehifla-Asaaobsaasa der
Beriieer Irztllohea Staedsaversins In Mediolalaobea Waareabanaa (Akt.-
Qea.), Bsrlla N., Frledrioiiatraaaa 1081.
Für p«r*ünliche Rück«pr*che ist Herr Dr. JpMklm vew VMr in
Medicinitch.n WaArenhause anwesend. (Mit sflHger Erlaubnis des Oescnäfts-Auttchusses
der Berliner ärztlichen Standesvereine von AusKunfu-Burenu der Med. Woche fibemittelt.
In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesnebt. Näheres unter
No. 1940.
In Berlin wird für sofort ein Assistent für augenärztl. Poliklinik ge¬
sucht. Näheres unter No. 1945.
ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1951.
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht Näheres unter
No. 1956.
In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht Näheres
unter No. 1969.
In Westpreussen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter Vertreter
gesucht Näheres unter No. 1970.
In der Rbeinprovinz wird für Ende Januar ein Vertreter gesucht
Näheres unter No. 1982.
ln der Prov. Hannover wird flir sofort ein Assistent gesnebt
Näheres unter No. 1984.
In der Mark wird für eine Kinderheilstätte znm 1. April ein Assistent
gesucht Näheres unter No. 1987.
Id einer Universitätsstadt Mitteldeutschlands wird für ohimrg. Klinik
sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1988.
Draekfehlerberiehtigong aus Nr. 2.
Seite 16,1. Spalte, Zeile 21 von oben muss es heissen statt: „Levatoani“
«Levator ani“; auf derselben Seite, 1. Spalte, Zeile 38 von oben statt:
«Papuelin*, «Pacouelin“; auf derselträn Seite, 2. Spalte, ^Ue 41 von oben
statt: «Kackenrodt“, „Mackenrodt".
Die Brennabor-Werke, Brandenburg a. H., verjgrössem jetzt für
die kommende Saison ihren Betrieb recht beträchtlich. Die Werke, deren
Marke allgemein ein hohes Ansehen geniesst, haben nun auch mit ihren
tadellos funktionierenden, äusserst ansprechenden Motorfahrzeugen so recht
Wunsch und Geschmack von Händlern und Publikum getroffan und sind zur
Befriedigung ihrer Abnehmer gezwungen, die erwähnte ^triebsvetgrOsserung
eiotreten zu lassen.
Zu den bisherigen respektablen Anlagen kommen Jetzt drei neue Coro-
wallkessel von je 75 qm Heizfläche and eingebautem tfberbitzer von 33 qm
hinzu. Ausserdem erhalten drei bereits vorhandene Cornwallkessel zosammen
mit den nou hinzukommenden einen gemeinsamen Economiser für die Kessel¬
speisewasservorwärmung. Die neue Kraftanlage besitzt eine stehende Ver-
bunddaj^fmaschine von 516 HP mit direkt gekuppeltem Dynamo von
350 K
Die Bronnabor-Werke sind im Jahre 1871 entstanden und haben seit¬
dem von Jahr zu Jahr eine unaufhaltsame Erweiterung erfahren, die weder
durch auftauchende Unterbietungen in Rädern noch durch massenhaft ent¬
standene Neugründungen einzudämmen war. Brennabor marschiert nach
wie vor an der Spitze und verdankt dies wohl lediglich der Gediegenheit
ihrer gesamten Fabrikate. g
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meistner, Berlin W. 61, KurfOrttenttr. Sl. — Verlag tob Carl Marhold, Halle a. S.
]>ruek von der Heynemann’fchen Buchdruekerel, Gehr WoIiT, Halle a. S.
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Medicinische Woche
R. Deatscbmann, A. Dfihnscn, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator, A. Sommer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a« S.« Uhlandstrasse 6.
Tel.'Adr.: Marttold Veriag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
V - . J
VH. Jahrgang.
Herausgegeben von
R. Robert M. Koeppen, K. Partsch, H. Roaln, H. Schlange,
Rostock. ^rtln. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnverHclit,
Magdeburg.
A. Vossloa,
Giessen.
f
Redaktion:
Berlin W* 62, KurfflrstenstmOTe 81»
l _
Dr. P. Meißner.
J
22. Januar 1906.
Nr. 4.
Die .,Ma di ein iS che W o c h e“ erscheint jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeitung, Organ des AUgeneiaen Deutschen Blderverbandes, des Scfawarzwald*
bftdertages des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen ndunen jede Buch*
bandluog. die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entg^en. Inserate werden fQr die 4spalHge Petitzeile oder deren Raum mit 50Pf. berechnet.
Beilagen nach Uebereinkunft Reklamezefle 1.50 Mk Bei Wiedeibolung tritt Brmässignng ein.
Nadidnidc der Ori^nal*Aufsätze ist ohne voriierige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau and der Mitteilungen Ist nur mit QueHenangabe gestattet
Originalien.
Die Inditation und die Technik der
Hetolbehandlnng für den praktischen Arzt.
Von Dr. Erwin Franck, Berlin.
. WDie Hetolbehandlnng der Tuberkulose in den Jahren
1883—1890 von Albert Länderer (tl904) in zahlreichen Tier-
experimenten ausgebildet und daraufhin am Menschen versucht,
wurde im Jahre 1892 zum ersten Male in der Form einer aus¬
führlichen Monogsaphief) der breiteren ärztlichen öfientlichkeit
bekannt gegeben. Der praktische Arzt wird dadurch in die
^Möglichkeit versetzt, seinem tuberkulös erkrankten Patienten
nicht nur „rein expektativ“ oder „hygienisch diätetisch“ gegen¬
über zu stehen, sondern heraustretend aus dem mit diesen
Schlagworten gekennzeichneten therapeutischen Nihilismus selbst
aktiv gegen den Herd des Leidens vorzugehen. So stellt die
Behandlung mit Hetol, entgegen den sonst gebräuchlichen
Methoden (Kreosotbehandlung etc.), ein Vorgehen dar, durch
welches das Heilmittel direkt dem Blutstrom des Kranken ein-
verleibt wird, um vom Kreislauf durch das Herz zur Lunge
getragen, dort bestimmte, in ihren Einzelheiten nunmehr ge¬
nügend studierte Erscheinungen auszulösen.
Es beginnt nämlich 2 Std. nach der intravenösen Ein¬
spritzung des Hetol eine Vermehrung der weissen Blutkörper¬
chen, deren Zahl innerhalb 8 Std. nach der Injektion um das
2—2'/2fache anwächst. Nach 20—24 Stunden ist diese Be¬
wegung wieder abgeklungen. Da die weissen Blutkörperchen
in hervorragendem Maße um die. erkrankten infiltrierten Stellen
sich ablagem, so kommt es dort, wie man sagt, zu einer
„aseptischen Entzündung“. Dieser Vorgang, durch Wochen
und Monate wiederholt, f&rt dann zu einer Abkapselung, Durch¬
wachsung und schliosslichen Vernarbung solcher Gewebsteile.
Ein eklatanter Sektionsfall von Ewald, in der Berliner
Medic. Gesellschaft vorgetragen, zahlreiche mikroskopische
Schnitte und Präparate von v. Hansemann ebendaselbst de¬
monstriert, lassen an diesen Vorgängen als etwas Tatsächlichem,
einen Zweifel nicht aufkommen.
Die Indikationen zu einem derartigen therapeutischen
Vorgehen sind mit obiger Darstellung schon in gewisser Weise
vorgezeichnet.
Wir werden mit Hetol erfolgreich behandeln die Lungen-
tiiberkulo&e dos ersten Stadiums, d. h. bei nicht fieber¬
haften Patienten, allerhöchstens mit Abendtemperaturen die
38" im rectum nicht überschreiten. Bei den darüber hinaus-
*) A. Länderer, Die Behandlung der Tuberkulose mit ZitimitsUure. S.
I*r. M. 10.
Derselbe: Der gegeQvrHrtigc Stand der Hetolbebandlung der Tuberkulose*
Berliner Klinik 1900. Heft 153.
liegenden Fällen handelt es sich doch in der Regel bereits um
ausgedehnte Zerstörungsprozesse, verbunden mit Mischinfektion,
Zustände, die sich für eine derartige Kur naturgemäß nicht
mehr eignen. Anders, wenn bei solchen bereits schwerer
Kranken durch eine Luftkur die Mischinfektion beseitigt, das
Fieber gehoben, das Allgemeinbefinden gebessert ist Eine
Hetolbebandlung daran angeschlossen, vermag den sonst nur
vorübergehenden Erfolg zu einem dauernden zu gestalten. Da¬
her das von uns bereits verschiedentlich in Wort und Schrift
ausgesprochene Verlangen nach Hetolkuren in Sanatorien,
verbunden mit Freiluftbehandlung.
Neben der Lungentuberkulose ist die Kehlkopftuberku¬
lose primär oder mit kaum nachweisbaren Veränderungen in
den Lungen ein dankbares Feld für Hetol. Unsere besten und
gelungensten Kuren entstammen gerade diesem Gebiet. Wir
verschmähen dabei jede intensivere und stets reizende lokale
Behandlung des Kehlkopfs, blasen höchstens bei vorhandenen
Geschwüren Hetokresol — ein weisses feinkörniges Pulver —
auf dieselben auf.
Dann sei auch die Bauchfelltuberkulose erwähnt^ so¬
weit sie nicht schon zu ausgedehnten Verwachsungen oder ul-
cerativen Prozessen geführt hat. Ein mir von dem Frauenarzt
Prof. Dührssen überwiesener Fall —bei der 23jährigen Patientin
bestand das Exsudat nachweisbar erst seit */a Jahr, die vorge¬
nommene Laparatomie zeigte das Peritoneum tibersät mit
Tuberkeln — in welchem nach dem Leibschnitt es alsbald
wieder zu einer Ansammlung von Exsudat gekommen w^r,
schwand dasselbe unter Hetol, um dauernd fortzubleiben.
Die Patientin ist seither — also seit l*“/ 4 . Jahren — absolut
gesund und beschwerdefrei geblieben.
Ebenso unterstützt natürlich die Hetolbebandlung jede
andere operative Therapie bei chirurgischen Tuberkulosen.
Länderer, als Fachchirurg, hatte hierin Gelegenheit, beson¬
ders reiche Erfahrungen zu sammeln, und es ist der II. Teil
seiner oben erwähnten Monographie ausschliesslich derartigen
instruktiven Krankengeschichten gewidmet.
Haben wir in Vorstehendem kurz die Indikation umgrenzt,
wie sie sich für die Hetolkuren aus rein physischen Gesichts¬
punkten ergibt, so mögen einige Erwägungen sozialer Natur
nicht ganz umgangen werden.
Es ist dies die Erfahrung, dass ein grosser Teil der
Patienten, deren Erkrankung vorerst die allerleichteste ist, und
von ihnen deshalb auch in keiner Weise als ernst beachtet
wird, nicht die Zeit und noch weniger die Mittel besitzt, um
nach dem Süden zu gelien oder jahrelang in Sanatorien sich
aufzuhalten. Für diese Art von Kranken, besonders der besseren
Stände, ist die Hetoltlierapie vorzüglich geeignet. Wir sagen
der „besseren Stände“ aus dem Grunde, weil ein gewisses Maß
von Schonung und häuslicher Pflege bei dieser ambulant
erfolgenden Behandlung doch nicht zu umgehen ist. Der
Arbeitet, welcher aus der Sprechstunde des Arztes in den Kuß
lind Staub di‘S Erwcili.sb'lii'ii.s ziitiiekkchri. bleibt naturgtunaß
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8<
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 4.
so YieleQ schädigenden Einflüssen aasgesetzt, dass dagegen das
Hetol machtlos ist Man darf eben von einem Med&ament
nicht Unmögliches verlangen! Daher auch die schlechten
Statistiken der grossen Polikliniken. — Wir sehen dabei ganz
davon ab, dass hier teilweise entgegen den Vorschriften
Landerer’s verfahren und subkutan nicht intravenös inji¬
ziert wurde. Wer einem solchen poliklinischen Betrieb jemals
beigewohnt hat, wird sich ohne Weiteres sagen, dass aus dieser
Quelle keine reine Freude für den Hetolanhänger zu schöpfen
ist Stundenlanges Warten, weite Wege, ännliche häusliche
Verhältnisse, vereiteln da die besten ärztlichen Absichten. So
hat denn auch der Mittelstand für diese Behandlungsmethode
bisher stets die besten Resultate gezeitigt. Alles Gute, was er¬
reicht und über Hetol geschrieben wurde, stammt fast aus¬
schliesslich aus der Feder von praktischen Ärzten, welche Zeit
und Interesse besassen, den einzelnen Fall im Auge zu behalten,
eine solche Kur überhaupt nicht erst zu begiimen, wenn die
häuslichen Verhältnisse der Patienten in hygienischer und wirt¬
schaftlicher Beziehung, dieselbe wirksam zu unterstützen nicht
in der Lage waren. Ist dieses jedoch der Fall, arbeiten Arzt
und Patient im Punkte der Behandlung und Selbstbeobachtung
Hand in Hand, dann werden bei richtiger Auswahl der Fälle
— nach den oben gegebenen Gesichtspunkten — auch völlige
Misserfolge selten nur zu verzeichnen sein.
Die Technik der Hetolbehandlung gipfelt in der Be¬
herrschung der intravenösen Injektion als einer einzigartigen
Methode, genau dosierte Mengen von Medikamenten mit Um-
ehung des Magens oder subkutanen Lymphgefässsystems direkt
em Blute der Patienten einzuverleiben.
Seit 6 Jahren mit dieser Bohandlungsweise beschäftigt,
haben wir verschiedentlich auf die grossen Vorzüge derselben
hinzuweisen Gelegenheit genommen*).
Das in Wasser klar und leichtlösliche zimmtsaure Natron,
Hetol genannt — dem Penibalsam entstammend — wird am
besten m den völlig sterilen, in Ampullen eingoschmolzenen
Lösungen, wie welche von der Firma Kalle & Co. oder durch
i 'ede Apotheke abgegeben werden, gebrauchsfertig bezogen. Ein
[arton mit 12 derartigen Tuben von 1%, 2% oder 5% Lösung
kostet M. 2,—.
Wir bevorzugen Metallspritzen mit Asbestkolben und
gebrauchen dieselben ausschliesslich. Sie lassen sich leicht aus¬
kochen und ihr Stempel bewegt sich weich und gleichmäßig.
*) Erwin Franck: Die iDtraventee Injektion und ihr g^egenwärtigea
Anwendungagebiet. Zeitechr. f. ärztl. Fortbilde 1905. No. 22.
Derselbe: Die Hetol-(Zimmt8aare-)BebaDdIang der Lungentuberkulose
und ihre Anwendung in der ärztlichen Praxis .Therap. Monatshefte 1901 XII.
Feuilleton.
Volksmedicin und Kultur.*)
Von Dr. E. Roth, Ober-Bibliothekar.
In den frühesten Zeiten des Menschengeschlechtes musste
Jedermann seine medicinischen Bedürfnisse selbst befriedigen
und dem Familienvater lag es im Einzelnen ob, für die seiner
Angehörigen zu sorgen.
Natürlich werden sich da oft genug Verhältnisse ergeben
haben, in denen medicinische Selbsthilfe sich gar nicht oder
doch wenigstens nicht in genügendem Umfang betätigen liess.
So war man z. B. bei schweren Unfällen, bei ernsthaften inneren
Erkrankungen, bei ungewöhnlichen geburtshilflichen Vorgängen
sicher auf die werktätige Hilfe seiner Stammesgenossen unbe¬
dingt angewiesen.
Hier haben wir also gewissermaßen die erste Form, die
beginnende Grundlage der Volksmedicin, denn eine Berufs-
*) Hugo Magnus. Die Volksmedicin, ihre goschiuhtlicho Entwicke¬
lung und ihre Beziehungen zur Kultur. Breslau 1905. Kern. S**, VIU.
12 S. 3 M. 50 i^.
Letzteres ist von den völlig gläsernen Spritzen nicht zu
s^en, sie rucken oft beim Injizieren unvermutet an, wodurch
die Nadel seitlich ausfahren kann. Das Kaliber der Nadel
muss natürlich so fein als möglich gewählt werden. Wir haben
erst neuerdings ein Besteck zur intravenösen Injektion zusam-
mengestollt, welches Alles dazn Nötige enthält*). Es befindet
sich darin neben der 1 gr Spritze auch eine solche zu 2 gr.
wie dies für die neueren Attritin-, Fibrolysin- etc. Einspritz¬
ungen erforderlich ist, da hiervon die Lösungen in Mengen
von 2 gr hergestellt sind.
Es sei dabei besonders auf den billigen Preis des unten
näher beschriebenen Bestecks hingewiesen, wodurch sich das¬
selbe vor ähnlichen Zusammenstellungen, welche 20—25 M.
kosten und dabei nur eine Spritze en^alten, angenehm unter¬
scheidet.
Die Kanülen werden vor und nach Gebrauch mit heissem
oder kochendem Wasser durchspritzt, hierauf mittelst des
kleinen Gumraiballons trocken geblasen und in Alkohol liegend
bozw. hängend anfbewahrt So halten sich die Nadeln unend¬
lich lange und rosten auch innerlich nicht, was bei Anwendung
von Drahtfäden meist sofort der Fall ist. Gerade dieser Kon-
servierungsmothode der Kanülen messen wir grosse praktische
Bedeutung bei und haben dies überall in unseren Arbeiten be¬
sonders hervorgehobon.
Die Spritze selbst wird trocken, am besten in einer Petri-
Schale liegend, aufbewahrt.
Der Gang der Hetolinjektion ist nun Folgender. Patient
sitzt vor dem nicht zu niedrigen Tisch und hat einen Ami
ontblösst, in überstreckter Haltung über eine nicht zu nacli-
giebige Unterlage gelegt Durch leichte Bewegungen im Hand¬
gelenk oder seitens der Finger (oft besser bei hängendem Arm!)
schwellen die Venen an und werden durch eine 1—2 mal um
den Oberarm gewickelte Gummibinde in diesem Füllungszu¬
stande erhalten. Die Injektionsstelle wird ■ mit Äther abge-
riebon.
Die Befestigung der Gummibinde geschieht im Interesse
der schnellen Lösung zweckmäßig so, dass nur eine Tour
ziemlich fest angezogen umgelegt wird, kurz vor Beendigung
der zweiten schiebt man dann den Schlussteil der Binde unter
die letzte Tour unter.
•) Besteck zur intrarenöson Injektion nach Dr. Erwin Franck, ent¬
haltend 1 Spritze za 1 gr, 1 Spritze zu 2 gr, 4 Nadeln, Raam für 4—6
Qlastaben, 1 kleinen Gummiballon und Gammibinde, Heftpflaster etc. Preis
M. 18,—. Dieses, sowie auch Spritzen und ZubebOr einzeln erhältlich bei
M. Frost, Instrumentengescfaaft. N. W.52. Ratbenowerstr. 6.
medicin gab es noch nicht, Ärzte als solche treten erst sehr
viel später auf.
Aber die Volksmedicin jener grauen Vorzeit ersetzte frag¬
los die Berufsmedicin, sie stand an Stelle der letzteren und
zwar nicht unbefugter — sondern durchaus befugterweise.
Freilich besitzen wir über diese erste und müieste Form
der Volksmedicin nicht allzu viel verbürgte und beglaubigte
Nachrichten, aber gänzlich fehlen sie auch nicht. Namentlich
in den Werken mannigfacher alter Autoren haben wir eine
rechte FundOTube dafür, und da sei vor Allem des Herodot
edacht, welcher über die Krankenbehandlung so mancher
tämme berichtet
Genaue Angaben über die Behiindlungsformen, in denen
sich die vorhistorische Volksmedicin während der ersten Zeiten
ihres Bestehens bewegt haben mag, können natürlich nicht
gemacht werden, höchstens sind wir imstande, einige Vermu¬
tungen zu äussem und meinen, dass in der Volksmedicin der
historischen Zeit wohl noch viele Überbleibsel der vorhistori¬
schen Volksmedicin stecken mögen. Namentlich dürfte dieses
vornehmlich für die therapeutische Benutzung gewisser elemen-
Urer Naturkräfte gelten, wie z. B. der Wärme und Kälte usw.
Ähnlich mag es sich mit der Wirkung vieler Pflanzen ver¬
halten, und der Gebrauch mineralischer Stoße mancherlei Art
geht gewiss bis in das graue Altertum zurück, eine Generation
erbt solche Ge- oder Missbräuche von der anderen, namentlich
wenn Geschmack oder Geruch in auffälliger Weise durch diese
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lOOÜ.
MEDICINISCHE WOCHE.
87
Inzwischen hat der Arzt Spritze und Kanüle mit kochendem
Jedenfalls abgekochten) Wasser durchspritzt und zieht aus der
Glastube 2—5 Strich der HetoUösung auf. Er sticht darauf die
Spritze ein und löst vor dem Ausspritzen die Binde —
meistens sind die Patienten so g^elehrig, dies selbst zu tun —
das Injektum schwimmt dauTi direkt mit dem Blutstrom ab,
und der kleine Eingriff ist beendet. Wir kleben zumeist gar-
nichts auf die Stichstelle, streuen vielmehr nur etwas Aero-
form oder Dermatol darauf. Will man die kaum sichtbare
Wunde verschliessen, so geschieht dies mit englischem Heft¬
pflaster.
Das Einstechen selbst geht ohne jedes Empfinden
seitens des Kranken vor sich, andererseits hat der Arzt
deutlich das Gefühl, in einem Gefässrohr mit der Nadel sich
zu befinden bezw. dieselbe frei hin- und herbewegen zu können.
Wie rasch das Medikament selbst in ferner gelegene Körper¬
provinzen gelangt, zeigt z. B. die Fibrolysm-(Thi 08 inamin)In-
jektion. Sdion 15 Sekunden nach Beginn derselben tritt ein
evidenter laugenartiger Geschmack im Munde des Patienten
auf, der za. '/j Stunde anhält, um dann zu verschwinden.
Was die Häufigkeit der Einspritzung anbelangt, so
macht man dieselbe am besten 3 Mal wÖchenmch, begibt mit
2 Strich der 1 % Lösung und steigt von Injektion zu Injektion
um V 2 Strich, bis nach za. 2—3 Monaten 5 Strich der 5%
Lösung als Maximum erreicht sind. Es geht dann wieder laj^-
sam abwärts und wird besser Jahr pausiert, ehe man eine
neue Kur beginnt
Ich möchte hier beifügen, dass von mir in letzter Zeit die
Verbindung von Hetol mit Arsen, letzteres in Form
des Atoxyls, bevorzugt "wird. Es wird dies ebenfalls in ge¬
brauchsfertigen sterilen Tuben der 20% Lösung abgegeben.
Der Vorgang der Injektion verändert sich dann m der Weise,
dass ich zuerst 2 oder mehr Strich Hetol aulziehe, und dann
die Spritze weiterhin mit Atoxyl vollfülle. Es macht den Ein¬
druck, als ob unter dieser Kombination der tonisierende und
kräftigende Einfluss der Behandlung sich rascher bemerkbar
macht, auch die Müdigkeit, über welche hin und wieder
Patienten bei der Hetolkur klagen, wurde anscheinend seltener
von ihnen empfunden.
Bezüglich des Atoxyls und seiner Bedeutung sei auf die
eingehenden umfangreichen Beobachtungen Lassar’s und seiner
Schule verwiesen*).
Wie wir schon oben ausführten, ist einige Schonung
*) Dennatologiscfae Zeitschrift B. X.
von der Natur dargebotenen Gegenstände leicht beeinflusst und
in Anspruch genommen werden.
Die wichtigste Quelle für die frühesten Formen der Volks-
medicin ist eben die Erfahrung gewesen, welche der Natur¬
mensch an seinem eigenen Lerne gemacht hat, daran muss
unter allen Umständen festgehalten werden. Denn die Beob¬
achtungen, welche wir jetzt noch an den sogenannten wilden
Völkern machen können, bestätigen dieses durch zahlreiche
Beispiele.
to einer zweiten Periode verwertete die Volksmedicin dann
die spekulativen Vorstellungen, welche man sich allmählich
über die Naturerscheinungeuj sowde über die Lebeusbedingungen
gebildet hatte, zu therapeutischen Zwecken. Neben den durch
Erfahrung geworbenen therapeutischen Kenntnissen war sie ein
Gemisch von Erfahrung und angeblich metaphysischer Speku¬
lation geworden.
Als die ernten berufsmässigen Vertreter der Heilkunde
treten dann überall die Priester auf, und mit dem Augenblick,
wo dieselben, Kraft der sich geltend machenden theurigischen
Einschätzung aller Lebensvorgänge, das Heilverfahren für ihr
unbestrittenes Eigentum erklären durften, hatte die Volksmedicin
das legitime Recmt auf das Dasein grösstenteils verloren und
war im Wesentlichen auf den Standpunkt einer unbefugten
Äusserung des Heilbestrebens herabgedrückt worden. FreOich
waren im Beginn dieser Periode beide zunächst durchaus gleich¬
wertig, beide stellten noch ein Gemisch von planlos gewon-
während der Behandlung neben genauester Beobachtung (Reo
tum-Temperaturmessung) doch erwünscht Sollte Hämoptoe
auftreten, so setzt man die Kur aus und berinnt mit geringeren
Dosen. Wir sahen übrigens Hämoptoe bei Hetol nicht häimger,
als ohne dasselbe.
Üble Zufälle, welche der intravenösen Injektion oder dem
Hetol zur Last gelegt werden könnten, sind bei Tausenden
von Einspritzungen weder von uns noch von anderen Autoren
jemals beobachtet worden. Wird die Dosis zu rasch gesteigert
oder einmal zu hoch gewählt, so pflegt eine schnell vortiSer-
f ehende Temperaturerhöhung die Folge zu sein. Die Vornahme
er Injektion mit täglichen Intervallen verfolgt auch lediglich
den Zweck, die jedesmal darnach eintretende, äusserlich nicht
wahrnehmbare Reaktion wieder abklingen zu lassen.
Rebosierende Mittel, wie Eisentropon, Hämatin ^bumin
Finsen etc., unterstützen die Kur "wirksam.
Bei derartig behandelten Patienten tritt meist bald eine
Hebung des Allgemeinbefindens ein. Die Schweise hören auf,
der Appetit bessert sich, die Expektoration "wird seltener und
lockerer.
Sollten diese Erscheinungen auch nicht immer gleich oflen
zu Tage treten, so haben wir doch die Empfindung gehabt
und beobachtet, dass unter Hetoleinwirkung die Kranken wider¬
standsfähiger werden und sich weit länger halten, als man
dies sonst beobachten kann.
Wir haben in Obigem, ohne den Rahmen unseres Themas
zu überschreiten, eine kurze Würdigung der Hetolbehandlung
und ihrer praktischen Ausführung gegeben.
Möge dieser kurze Aufsatz dazu beitragen, der Methode
zahlreiche neue Freunde zuzuführen und damit das Andenken
an den leider zu früh dahingeschiedenen Begründer A. Länderer
in Dankbarkeit zu erhalten.
Cytorrhyctes oder Spirochaete pallida?
In der Dezembersitzung der Berliner Ophthalmolorischen
Gesellschaft kam es im Anschluss an einen Vortrag von Werner
Schulze-Friedenau: „Der Cytorrhyctes luis Siegel in der
mit Syphilis geimpften Kanincheniris“, zu einer sehr lebhaften
Debatte zwischen den Verfechtern des Cytorrhyctes als des
Erregers der Syphilis und den Verteidigern der von Schaudinn
neuer roher Empirie und therapeutischen Maßnahmen dar.
Aber bald gewann in der Hand der priesterlichen Heilbeflisse¬
nen die Erfahrung an Menge, Übersichtlichkeit und innerem
Zusammenhang, die Wagschme sank mehr und mehr zu ihren
Gunsten.
Für die Aigypter können "wir diesen Zeitpunkt der Schei¬
dung auf Grund der vorhandenen Urkunden wohl in das dritte
oder vierte vorchristliche Jahrtausend zurückdatieren, für das
Abendland dürfte nach der Ansicht von Hugo Magnus etwa
die Abfassungszeit der Knidischen und Koischen Sentenzen
als der Zeitpunkt zu gelten haben, an dem ein tiefgehender,
wissenschaftlich wohl begründeter Ünterechied zwischen Volks¬
und Berufsmedicin das erte Mal klar zu Tage getreten ist.
Diese Anschauung von der Zugehörigkeit der Medicin zu dem
religiösen Kultus geriet dann erst m das Wanken, als die
theurgische Weltanschauung sich dem Ende ihrer Herrschaft
näherte. Zeitlich lässt 'sich dieser Termin aber wohl kaum
jemals genau festlegen oder bestimmen, wenn auch für einzelne
Völker Anhaltspunkte vorhanden sind, welche eine annäherungs¬
weise Schätzung ermöglichen.
Nach der theurgischen tritt die naturphilosophische Lebens¬
auffassung auf den Plan. Bei ihrem Scheiden hinterlies sie
zwei Formen der Volksmedicin. Eine, welche ohne Rücksicht
auf Gelderwerb nur dem Wohl der Kranken zu dienen bestrebt
war und in ihrem praktischen Handeln sich nicht viel voll der
Vorzeit unterschied, und eine zweite, welche ohne Beachtung
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38
MKDICINIÖCHK WUCHK.
Nr. 4.
ood Hoffmaco bei Syphilitiscbea gefandenen Spirochaete pal-
lida.*) Scbalze's Unter.sncbuDgen ergaben folgendes:
In den Epitbelzellon der erkrankten Hautpartieen bei
Pocken, bei Maul- und Klauenseuche, bei Scharlach, und von
Klebe, Döhle und Stassano auch bei Syphilis, wurden
kleine Gebilde gefunden, die als Cytorrhyctes bezeichnet wurden
(Gnarnieri). Siegel wies nach, dass es sich um Proto¬
zoen handelte, da die Gebilde Bewegungen machten, die von
der Brown’schen Molekularbewegung aWichen, da sie ferner
Kerne und Geissein besassen. Der Cytorrhyctes ist ein den
Trypanoplasmen nahestehender Flagellat von ‘/a bis 2 '/a ^
Grösse. Am besten färbt man, um ihn fein zu differenzieren, nur
seine Kerne, deren der Cytorrhyctes 2 — 16 besitzt. Die Unter¬
suchung, zu der man guter Immersionen bedarf, ist sehr
scliwierig, so dass nur langsam Bestätigung positiver Befunde
zu erwarten ist. Differentialdiagnostiscli kommen hauptsäch¬
lich Hämokonien in Betracht.
Während bei den der Lues so nahestehenden Pocken und
beim Scharlach der Cytorrhyctes im Plasma der Epithelzellen,
bei der Maul- und Klauenseuche in ihrem Kern sitzt, findet
man ihn bei Lues im Plasma der Bindegewebszellen und auch
in der Grundsubstanz. Bei allen Krankheiten kann man die
Parasiten während des Höhepunktes der Erkrankung in den
Körpersäften nachweisen.
Im Beginn der Lues ist der Cytorrhyctes nur im Primär¬
affekt, dann auch in den regionären Lymphdriisen zu finden;
während der Allgemeininfektion auch im Blut, in den Sekun¬
däreruptionen und schliesslich in Tertiärerscheinungen. Die
erkrankten Hautstellen, das Leichenmaterial, vielfach auch die
regionären Lymphdriisen der erkrankten Hautgegend zeigten
meist Sekundärinfektion. Bei Sekundärsymptomen findet
man die Parasiten stets im Blut, das ja die Krankheit Über¬
tragen kann.
Während sich die Syphilis sicher auf Affen weiterimpfen
lässt, haben auch die Versuche bei Schweinen und Pferden
das Auftreten von Exanthemen ergeben, die nicht durch
die Einführung körperfremden Eiweisses bedingt sind, wie die
erfolCTeichen Weiterimpfungen bewiesen haben, die Piork o wski
von Tier zu Tier vorgenommen hat. Impfungen an Kaninchen¬
augen (Hornhaut und vordere Kammer), denen Lokal- und All-
gemeinsymptome folgten, hat Haensell vorgenommen; ein¬
geschobene Impfungen an Affen lassen heute eine Kontrolle
*) FQr die mir zur exakten Abfassung dieses Berichtes seitens der
Herren Hoffmann , Siegel, Schulze und T b e s i n g gUtigst (ibor-
lasaenen Autoreferato spreche ich den tJerren an dieser Stelle rerbindlichstun
Dank aus.
des Wohles der Kranken nur nach Gelderwerb strebte und sich
zu dem rechten und echten Kurpfuschertum ausgewachsen
hatte.
Mit dem Auftreten des Christentums begannen alsbald dann
auch in der Volksmedicin sehr erhebliche Wandlungen sich
bemerkbar zu machen. Und in der Gegenwart — Ausführ¬
liches möge der geneigte Leser an Ort und Stelle nachsehen —
betätigt sich die Volksmedicin in recht verschiedener Weise,
verschieden sowohl ihrer medicinischen Tätigkeit, als ihrem
ethischem Werte nach. Genannt seien folgende Formen:
Die Krankenpflege, geübt aus christlicher Liebe,
Die freiwillige Kriegskrankenpfiege.
Die Samaritervereine.
Die arztlose, mit Erfahrungsmitteln und metaphysischen
Maßnahmen arbeitende, aber nicht gewewerbsmUßig betriebene
Volksmedicin.
Das Kurpfuschertum, die entartete gewerbsmäßig geübte
Volksmedicin.
So interessant nun auch ein Eingehen auf die scliriftstelle-
rische Tätigkeit der Volksmedicin wäre, wie es unser Gewährs¬
mann in vortrefflicher Weise tut, wollen wir wegen Raum¬
mangel doch hier darauf verzichten und lieber kurz die Um¬
stände erwähnen, welche das Bestehen der Volksmedicin nach
dem Auftreten der Berufsmedicin gestützt haben und noch
heutigen Tages stützen.
zu, ob das Versuchstier wirklich syphilitisch infiziert war oder
nicht. Schulze impfte die Iris möp^chst von albmotischec
Kaninchen mit fein zerriebenen und zerschnittenen, nicht nlze-
rierten Primäraffekten, mit Lymphdriisen luetischer Affen und
mit Blut von Kranken, die fnsche Sekundärerscheinuogen auf-
wiesen; einige Male machte er auch Weiterimpfungen mit den
inneren Organen frischer luetischer Kaninchen, teilweise ge¬
brauchte er auch Impfstoff von harten Schankem und breiten
Kondylomen, der fii mit Glyzerinwasser konserviert wurde.
Er impfte von über 40 Kaninchen beide Augen, denen er nach
Eröffnung der vorderen Kammer die Iris mit der Lanzenspitze
ritzte und mit einem Spatel den Impfstoff an dieser Stelle bei¬
brachte. Anfang starben mehrere Tiere, weil er keine kräftigen
Tiere und einen kalten Stall zur Ver^gung hatte. Die All¬
gemeinsymptome waren verschieden: viele Tiere bekamen Haar¬
ausfall, einige auch Rhagaden am Munde und ekzematöse
Hautstelleu. andere Fressunlust; 4—5 Tage nach der Impfung,
nachdem die erste Wundreaktion vorbei war, trat eine neue,
mäßige lujektion auf, die sich allmählich auf die Iris lokali¬
sierte, an der mittlerweile ein oder mehrere Knötchen anfge-
treten waren; der Höhepunkt lag durchschnittlich in der 3,
Woche, ohne dass erneblichere Entzündungserscheinuogeo
(Hypopyon, hintere Synechien) aufgetreten waren, und nach
1 Monat haben sich die Knötchen wieder znrückgebildet, waren
allerdings einige Male auch nach 3 Monaten noch erkennbar,
rozidivierten auch bisweilen. Der mikroskopische Befund war
entsprechend: anfangs geringe akut-entzündliche Veränderungen
mit Hyperämie des Gewebes und Diapedese einzelner Leoso-
zythen. Vielfach nmgab die kleineren Gefässe ein später
wieder verschwindender hyaliner Saum. Die grösseren Go-
fässe waren von einem mehr oder weniger breiten Ödemhof
eingebtillt, der mit der später eintretenden Schrumpfung grössten¬
teils wieder zurückging.
Der Cytorrhyctes liegt zuerst vornehmlich an der
Gefässintima, später auch im Ödemhof und im Irisstroma; letz¬
teres stimmt mit den häufigen Rezidiven der Iritis luetica gut
zusammen. Die zweikomige Form des Parasiten ist die häu¬
figste. Das mikroskopische Bild der menschlichen Iritis speci-
fica kann nicht bedingungslos zum Vergleich mit diesen Be¬
funden herangezogen werden, weil Kanin^en weniger empfänjf-
lich für das syphilitische Gift sind als Menschen, und weil wir
beim Menschen nur die endogene Iritis syphilitica kennen.
Den Ausführungen des Vortragenden trat zunächst Herr
Kowalewski und vor allem der eine der Entdecker der Spiro¬
chaete pallida, Herr Prof. E. Hoffmann, entgegen. Die An-
Erstens liegen in der menschlichen Natur Momente, welche
dieser Volksmedicin von vonieherein Vorschub leisten- Die
Berufsmedicin ist von den Zeiten des Hippokrates an stets be¬
strebt gewesen, den Mystizismus auszuscnalten und an seine
Stelle die nüchterne Rechnung mit irdischen Dingen zu setzen,
während die Volksmedicin stets versucht hat, die oft so ent¬
setzliche nackte Wahrheit der irdischen Angst mit dem Schleier
des Mystizismus milde zu verhüllen.
Dann kann man die Berufsmedicin nicht vollständig von
dem Vorwurf freisprechen, indirekt eigentlich stets die Volks-
medicin gefördert zu haben, — freilich immer wider ihren
Willen. Erstere hjit von jeher dem Publikum ohne Aufhören
das Bild eines schwankenden, unsicheren, widerspruchsvollen
Wüllens und Willens gezeigt, während der Kranke in der
Volksmedicin nie etwas von Streit und Hader zu hören bekam,
sondern stets mit der festen Zusicherung einer unausbleiblichen
Hilfe getröstet wurde. Ist es ein Wunder, wenn namentlicli
kritiklose und ungebildete Menschen auf ihrem Krankenl^or
und in ihren Schmerzen den Zuflüsterungen der arztloseo
Laienmedicin willig ihr Ohr liehen?
Aber in noch höherem Maße hat das Volk selbst die
Volksmedicin grossgezogen und unterstützt Der Arzt soll eben
nach der Meinung des Publikums stets und unter allen Um¬
ständen heilen, man will ferner durch die dem Leben von der
Natur nun einmal gesteckten Grenzen nicht belästigt werden,
ja nicht einmal etwas hören, und bereits Hippokrates konnte
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1906.
MBDICmiSCHE WOCHE.
39
gnffe der beiden Herren gegen den Vortragenden bez. gegen den
Entdecker des Cytorrhyctes lues, Herrn Dr. J. Siegel, gipfel¬
ten im wesentlichen in folgenden Sätzen:
a) Es ist zu bezweifeln, dass Siegel bei seinen Makaken
Syphilis geimpft hat, denn seine Ergebnisse weichen von denen
aller andeq). Autoren ab. Die Makaken erkranken zam Unter¬
schied von Menschen und Anthropoiden nie sekundär.
b) Die Kaninchenimpfungen können ebenfalls nicht als'
Syphilisimpfungen angesehen werden, da ein Teil der Tiere
schon in den ersten Wochen nach der Impfung starb. Nach¬
prüfungen hätten nie einen so schnellen Tod zur Folge gehabt.
c) Die Frage, ob Cytorrhyctes oder Spirochaeten die
Syphilis erregen, wäre zu öunsten der Spirochaeten durch alle
Autoritäten entschieden.
Im einzelnen führte Prof. Ho ff mann folgendes aus: -Er
demonstriert zuächst einen Macacus cynomolgus, der am 16. XI.
mit dem Punktion5saft indolenter Submaxillardrüsen (bei Pri-
märafifekt an der Unterlippe) geimpft worden war und 18 Tage
später kleine bräunlichrote papulöse Inßltrate an jeder der 3
Impfstellen (1. u. r. Augenbrauengegend und 1. oberer Lidrand)
beaam, die bis zu etwa Linsengrösse wuchsen, etwas schuppten,
ohne jedoch geschwürig zu zerfallen und von Drüsenschwel¬
lungen begleitet zu sein; am schönsten ist in diesem Fall der
Primäraffeat am obem Lidrand ausgebildet, der für den Oph¬
thalmologen ja auch besonderes Interesse bietet. Im Anschluss
an die Demonstration gibt H. ein Bild von der nun durch
hunderte von Experimenten Metscbnikoff’s, Neisser’s u. A.
gut bekannt gewordenen Affensyphilis. Bei anthropomorphen
Affen tritt nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 3
bis 4 Wochen ein charakteristischer Primäraffekt auf, dem
ganz wie beim Menschen regionäre Drüsenschwellung und
Exanthem folgen. Bei den niedem Affen ist das BUd ein
anderes; auch hier folgt nach der angegebenen Inkubationszeit
ein flaches Infiltrat, das sich mehr oder weniger peripher ver¬
breitet, jedoch nicht von Drüsenschwellungen und Allgemein¬
erscheinungen gefolgt wird.
Die Syphilis der niedem Affen ist also charakterisiert durch
die lange I^ubationszeit (bis zum Auftreten der Primärläsion)
und das Fehlen von Allgemeinerscheinungen. Das Wohlbe¬
finden der Affen erleidet durch die Impfsyphilis keine Ein¬
busse. Natürlich kann hiernach nicht behauptet werden, dass
das syphilitische Virus bei niedem Affen nicht doch in ge¬
ringer Menge ins Blut übergeht und in gewisse innere Organe ge¬
langt, aber das steht zweifellos jetzt fest, dass es keinerlei sicht¬
bare AUgemeinerscheinungen macht Wo wir also der Behaup¬
tung begegnen, dass durch Impfung mit syphilitischem Viras
eine schwere Erkrankung mit AUgemeinerscheinungen, Knoten
und Geschwüren an Haut und Schleimhäuten bei niedem Affen
erzielt worden sei, ist das grösste Misstrauen am Platze und
die Annahme berechtigt, d^s andre Infektionen dabei eine
Rolle spielen; wo ferner die charakteristische lange Inkubations¬
zeit fehlt, kann es sich nicht um eine Übertragung des reinen
syphilitischen Virus handeln. Andere Tiere als Affen sind
unempfänglich für das syphilitische Vims. Auch bei Affen
geling die Haftung nur bei kutaner Impfung, subkutane und
intraperitoneale Einbringung des Viras hat keinerlei Effekt.
Zur Erläuterung demonstriert H. die Abbildungen von Metsch-
nikoff, Finger und Thibierge.
Ferner geht H. kurz auf die von Heim Kowalewsky
und ihm auTgestellten Präparate ein. Sie zeigen die Sptr.
pallida in ihrer charakteristischen Form in Lunge und Niere
eines congenital-syphilitischen Kindes und in einer nässenden
Papel nach einer schönen zuerst von Bertarelli, Volpino
und Bovero, dann von Levaditi angegebenen Metnode.
Die Spirochaeten liegen im Bindegewebe, um die Gefässe
herum, in der Gefässwand (auch im Endothel) und selbst im
Lumen der Gefässe; sie finden sich aber auch intrazellulär,
z. B. in den Alveolarepithelien, Leberzellen etc. Dass das
syphilitische Virus nur im Bindegewebe vorhanden sei, wie
behauptet wurde, ist falsch, ja unmöglich; bei nicht ulzerierten
nässenden Papeln muss es die Reteschicbt durchwandern und
zur Oberfläche gelangen, um neue Infektionen zu bewirken.
Levaditi und seine Mitarbeiter haben fast alle inneren Organe
und die Hautefflorescenzen kongenital-syphilitischer Kinder,
Primär-und Sekundärefflorescenzen Erwachsener und die Primär-
läsionen geimpfter anthropomorpher und niederer Affen bereits
untersucht und in ihnen die Spirochaete pallida mittels Silber¬
imprägnierung nachgewiesen und ihre Lagerung zu den Er¬
krankungsherden schon festgestellt; auch in der Placenta sind
die Spirochaeten von Paschen-Schaudinn auf diese Weise dar.-
gestellt worden. Durch diese Befunde werden sie mittels der
Giemsafärbung an Ausstrichpräparaten erhobenen Tatsachen in
schönster Weise ergänzt und die aetiologische Bedeutung der
Spirochaete pallida bewiesen.
In eine Diskussion über den Cytorrhyctes in dieser Ge¬
sellschaft einzutreten liegt dem Vortragenden fern, da er sich,
davon wenig Erfolg verspricht. (Schluss folgt.)
das grosse Wort gelassen aussprechen: Dass nicht alle genesen,
darin liegt der Vorwurf gegen die Kunst Kann der Kunst-
Arzt — sid venio verhol — nicht helfen, so muss der Volks¬
arzt helfen, von der Volksmedicin erwartet man sicher das,
was die Berafsmedicin leisten sollte und auch gern geleistet
hätte, wenn es ihr eben die Natur nicht versagt hätte. Man
glaubt eben Menschen, welche weder eine medicmische Bildung
genossen haben, noch auch im Besitz medicinischer Kenntnisse
sind, kurzer Hand Alles, was sie über Heilkunde reden und
in ihrem Namen versprechen; Worte sind ja billig und Ver¬
sprechungen kosten Nichts.
Selbst der Staat muss angeklagt werden, dass er der
Volksmedicin in ungehöriger Weise Vorschub leiste, wenigstens
sicher in Deutschland. Zwar erlässt der Staat für die ärztliche
Bildung, für das Bestehen der medicinischen Prüfungen strenge
Vorschriften, er wacht auch in hohem Maße darüber, dass Nie¬
mand sich unbefugterweise Arzt nenne, aber — das Heilge¬
schäft als solches ist freigegeben, ihm kann sich Jedermann
widmen, es darf jeder ausübenl’ Und das Unwesen der ge¬
werbsmäßigen arztlosen Krankenbehandlung verlangt — dieses
kann nicht oft genug und nicht eindringlich genug horvorge-
hoben werden — zwingenderweise das Verbot der Kurirfreiheit.
Kuriren darf nur, wer befugt ist, sich Arzt zu nennen; und
Arzt wird man nur durch Bestehen der vom Staate vorge¬
schriebenen Prüfung. Klipp und klar ist die Rechnung, aber
wann wird sie ausgeführt werden?
Durch diese Ausführungen angespomt, wird hoffentlich so
mancher Leser das Buch selbst vornehmen, um die Ausfüh¬
rungen unseres Hugo Magnus über das Heilverfahren und
die Heilmittel der Volksmedicin näher kennen zu lernen. Wir
wollen hier nur der Überzeugung Raum verleihen, der Leser
legt das Heft nicht aus den Händen, bis er durch ist. Schon
die Kapitelüberschriften halten ihn fest und verheissen inter¬
essante Aufklärungen.
Da wird von Binden und Lösen gesprochen, da handelt
Magnus von Vernageln oder Verbohren der Krankheit, dann
wird die Stellung der Zahl in der Volksmedicin beleuchtet, die
Wasserbehandlung, die Verwendung des Feuers zu Heilzwecken
und die der Erde in ähnlicher Weise passiren Revue.
Auch eine Aufzählung der Heilmethoden, welche die Volks¬
medicin aus der Berufsmedicin entlehnt hat, fehlt nicht
Zum Schluss weisst unser Führer darauf hin, dass der
nicht gewerbsmäßig Krankeubehandlui^ treibende ‘Laie nur
bei leichteren Kraiikheitsformen seine (jeschäftigkeit entfaltet,
sich aber bei schweren Erkrankungen oft einer weisen thera¬
peutischen Enthaltsamkeit befleissigt.
Diese Tatsache lässt uns denn auch die Volksmedicin in
ihrer Wesenheit klar und deutlich erkennen. Sie zeigt uns,
dass die Beweggründe der nicht gewerbmäßig Krankenbehand¬
lung treibenden Laien durchaus keine unbedingt verwerflichen
gewesen sind und auch heute noch keineswegs stets sind. Gar
mancherlei mag den Laien zur arztlosen Medicin treiben, aber
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40 MEDICINISCHE WOCHE. Nr. 4.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
HUznn-g des Vereins für Psißciiiectrle und Xerren’
krankiietten. 8, Januar 1906.
ZunäcLat spricht Herr Seiffer das Schlusswort za dem Vortrage
SeifiFer-Borchardt. Er verteidigt dabei die Angaben von Stewart-
Holmes gegen die Angriffe der Vorredner.
Herr Henneberg: Die Diagnose des Hirncysticercus ge¬
lingt selten, die Häufigkeit des Cysticercus wechselt, der Parasit
wird auch an sich immer seltener, was mit der Hygiene der Fleischschau
zusammenhängt. Hirschberg hat darauf hingewiesen, dass auch bei
Augenkranken die Häufigkeit abgenommen hat. Henneberg teilt
ein: 1. zufälliger Befund; Cysticercen, die intra vitam keine
Symptome machten. 2. Zweifelhafte Fälle, in denen es unsicher
ist, ob das Gehirnleiden auf den gefundenen (verkalkten) Cysticercus
zu beziehen ist, Henneberg berichtet einen bezüglichen Fall, doch
lehrt die Litteratur, dass die Wirkung von Cysticercen recht unbe¬
rechenbar ist. Bemerkenswert ist, dass früher Geistesstörungen
häufiger auf Cysticercen bezogen wurden. 3. Fälle von genuiner
Epilepsie bei Cysticercose; früher sind diese Fälle häufiger ange¬
nommen worden, Binswanger erwähnt sie garnicht mehr als Ürsadie.
Henneberg konnte 2 Fälle beobachten, von denen er auch Prä¬
parate demonstriert. In manchen Fällen infizieren sich Epileptiker
später erst mit Cysticercus, aber es gibt auch einwandfreie Fälle.
Ein Urteil erhält man bei der Sektion dadurch, dass man die ge¬
fundenen Cysticercen nach ihrem Alter beurteilen kann. Sie werden
älter als 6 Jahre. 4. Fälle, bei denen es sich um Status hemi-
epüepticus auf Grund von Cysticercus handelt. Henneberg hat
einen solchen Fall, von dem er makroskopische und mikroskopische
Präparate zeigt, beobachtet; obgleich die klinischeuErscheinungen auf
einen operablen Tumor deuteten, starb der Kranke vorher, wobei sich
heransstellte, dass der Cysticercus an einer anderen Stelle sass,
als man ihn vermutet hatte. 5. Form von Cysticercus der Him-
basis mit meningitischeu Erscheinungen, Cysticercus racemosus des
Gehirns. Die meningitischen Erscheinungen finden sich aber auch
hei der nicht als racemosus bezeichneten Form. Henneberg kennt
3Fälle, von denen einermitgeteilt wird, auch Präparate gezeigt werden.
Auffällig ist die Ähnlichkeit der meningitischen und der Gefäss-
veränderungen mit denen der Lues. Von den klinischen Erschein¬
ungen sind es neben der Neuritis optica noch die leichten Lähm¬
ungserscheinungen der Gehimnerven. 6. Ventrikelcysticercen.
Diese sind meist nicht eingekapselt, sie sind hier häufiger, als an
so lange deren Vertreter nicht aus gewinnsüchtiger Absicht
gewerbsmäßig den Arzt spielt, können wir mit dei-selben Ftth-
Inng behalten, ja ihn unter Umständen in seinen Bestrebungen
sogar unterstützen und fordom.
Diese, dem Arzt sich unterordnende und zwar l)esclieiden
unterordnende Form der Volksraedicin verdient unser Interesse,
unsere Toilnalmie, sogar wie gesagt, unsere Unterstützung.
Sie kann unter Bevormundung der Medicin und unter staat¬
licher Aufsicht sogar ein wertgeschätzter, geradezu unentbehr¬
licher Teil des Kraiikendienstes werden, ein Fall, welclier in
der Krankenpflege, dem Samaritertum usw. bereits eingotreten ist.
Bedenklich, w'ird die Volksmedicin nur dann, wenn sie zum
gew'erbsmäßigen Kurpfuschertum ausartet. Diesen Zweig der
Laieninedicin werden und müssen die Ärzte in allen Zweigen
auf das Energischte verfolgen und nicht eher ruhen, als bis
diese verbrecherischen Ausschreitungen der Volksmedicin gründ¬
lich ausgerottet sind.
Mögen nur die maßgebenden Kreise, mögen Regierung
und Volksvertretung bald zu der Einsicht gelangen, dass der
Kampf, w'elchen die modernen Ärzte jetzt gegen die entartete
Volksmedicin führen und führen müsscui, w'eiiiger im Interes.se
dm* Ärzte selbst, als zum Wohl des Volkes gestritten wird.
Jo eher und raschei* sich diese Ansicht Bahn bricht um
so raselier wird das täglich schwer und schwerer geschädigte
\ olkswulil wieder gesunden und wirksam geschützt werden.
audereu Orten, es liegt das an meubamechen VerhäliuLweu, häufig
sind sie aymptomloe.
Henneberg sah bei einem Fall von Cysticercus hooh^^radigen Kopf¬
schmerz, eigentümliche Kopfhaltung, leichte Abdaoenslähmong,
Tod in Resplratiooslähmung. Es fand sich ein Cysticercus, der
den IV. Ventrikel nach hinten abschloss.
Oppenheim und Bruns haben Fälle mitgeteilt, in denen die
Diagnose gelang. Charakteristisch hält Bruns den Schwindel und
Hinstürzen bei plötzlichen Kopfbewegungen. Oppenheim hat sich
unter Vorbehalt dem angeschloasen. Bei dem Falle Ziehens war
das Bruns’sche Symptom nicht zu finden. Oppenheim betonte den
Bcbnellen Wechsel der Symptome.
Herr Gol.dscheider: Über den materiellen Vor¬
gang bei Associationsbildung. Vortragender will eine
Hypothese vortragen, er hält sie für berechtigt und notwendig, wo
die anatomischen Studien aufhören! Das Prinzip der Association
ist ja bekannt, wenn eine Erregungsgruppe in derselben Gruppier¬
ung wieder kommt, so ist sie uns bekannt, man hat versucht, den
Vorgang morphologisch zu erklären. Bei der Association muss es sich
bandeln um Dissimilation und Assimilation der Substanz. Verworn
hat das weiter aasgebaut, nach ihm müssen die Lehensvorgänge ge¬
knüpft sein an eine labile Substanz, seine biogenen MolecOle be¬
stehen aus einem festen Kern und Seitenketten. Legen wir diese
Vorstellungen der Association zu Grunde, und nehmen wir dazu
als Element eine Zelle an. Lassen sie hier einen Erregungsvor¬
gang stattnnden und sich nach allen Richtungen fortpflanzen und
sich schliesslich erschöpfen. Nehmen wir eine zweite Zelle an, in
der desgl. ein Erregungsvorgaug stattfindet, so werden die von
hier ausgehenden Erregungen sich mit den ersten treffen an einem
Punkte geringsten Widerstandes. Der Erregungsvorgang findet
die Molecüle in Auflösung (Dissimilation — status nascendi). Der
Prozess kann sich dann weiter fortpflanzen, da die dissimilierten
Molecüle geringen Widerstand darbieten, während zugleich neue
reizbare Molecüle von besonderer Labilität .sich entwickeln. Die
besten Bedingungen zur Entstehung neuer Verhiodungen bestehen
nun in dem vollkommenen Zerfall der Molecüle. Die Hypothese
Goldscheid er’s hat Ähnlichkeit mit der Seitenkettentheorie Ehrlich's.
Durch die chemische Einwirkung der in feinste Atome zer¬
schellten Molecüle entstehen neue Möglichkeiten des Aufbaues
labiler Molecüle. Die ganze Hypothese steht in engster Beziehung
zu den Vorstellungen von der Üi)ung.
Verein für innere mediein.
Sitzung vom 7. Jan. 1906.
Demonstrationen: Herr Manasse stellt einen jungen
Mann vor, der nach einem Furunkel am Knie massenhafte und
grosse Abscesse bekam. Zuletzt noch Entstehung eines subphreni¬
schen Abscesses. Ausgang in Heilung.
Tagessordnung:
1 . Herr Orth: Über Exsudatzellen im allgemeinen
ondExsudatzellenbeiverschiedenen Meningitisformen
im Beson der en.
Die Exsudatzellen im eigentlichen Sinne sind unstreitig Leuco-
cyten, zwischen beiden ist kein Unterschied vorhanden, auch in
der GranulafUrbung zeigt sich das, die bei beiden übereinstimmt.
Doch lässt sich nicht leugnen, dass bei manchen Formen der Ent¬
zündung auch andere Zellen beteiligt sind, z. B. Deckzellen, Binde¬
gewebszellen. Besonders bei der tuberkulösen käsigen PneuinoDie
finden wir ein Überwiegen von Lymphocyten, ebenso im Exsudat
der tuberkulösen Pleuritis. Boi den rein eitrigen Meningitiden
finden sich auch verschiedene Formen von Zellen, bei der tuber¬
kulösen Meningitis fast nur Lymphocyten. Die Untersuchung der
Meningitis selbst ergibt ebenfalls Unterschiede. Bei epidemischer
Meningitis findet sich wenig Fibrin, Leucocyten herrschen vor. Da¬
gegen sieht man bei der tuberkulösen Meningitis fast nur Lympho¬
cyten, die offenbar aus dem Blut stammen.
2. Herr Senator: Zur Frage der Behandlun g der
frischen blutenden Magengeschwüre.
Bei der Leube’schen Hungerkur befinden sich die Patienten
sicher in Unterernährung. Daher giljt Vortr. ganz kleine Meugen
Eiweiss, dagegen in der Hauptsache Leim, Fett und Zuckw. D«r
Leim hat nicht nur blutstillende Wirkung, sondern auch hoben
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jyoG.
MEnTOTNTSCHE WOCHE.
41
Nährwert. Senator gibt in 24 Stunden Gelatine 15:200 + 50
Elaeosacch. citri., daneben Sahne und gefrorene Butter (za. 30 gr).
Er hat immer gute Erfolge gesehen.
3. Herr Westenhoefer: Über mikroskop. Unter¬
suchungen bei epidemischer Genickstarre.
Wenngleich manche Befunde (kleine Herde ira Herzen und
Niere) ftir einen hämatogenen Ursprung der Affektion sprechen, so
steht er selbst doch auf dem Standpunkt, dass es sich um eine
lymphogene Entstehung der Erkrankxmg handelt. Schlüssige Be¬
weise fehlen allerdings. Carl Lewin,
Sitzung vom 15. Januar 1906.
Herr L. Lewin: Das Schicksal körperfremder chemi¬
scher Stoffe im Menschen.
Körperfremde chemische Stoffe, welche dem Organismus von
aussen eingeführt werden, müssen dort denselben chemischen Ge¬
setzen unterliegen wie ausserhalb. Sie erfahren teils eine Oxidation
teils eine Reduktion; es kann auch der Körper an ein und der¬
selben Substanz oxydieren und reduzieren, z. B, dem Perricyan-
kalium.
Eine bestimmte Zweckmäßigkeit, nämlich die der Entgiftung,
lässt sich nicht durchgehend bei den chemischen Vorgängen im
Organismus verfolgen; auch trifft es nicht immer zu, dass der
Körper das Bestreben bat, eine schwerlösliche Substanz löslich
und zur Aufnahme geeignet zu machen.
Die Ausscheidung körperfremder Stoffe geschieht entweder
schnell, d. i. in absehbarer Zeit, oder es kommt zu einer Deponie¬
rung oder Fixierung im Körper. Ala Ausscheidungsorgane funk¬
tionieren die Drüsen, deren Tätigkeit individuell sehr verschieden
ist. Ihre Leistungen können nur bis zu einer gewissen Reizhöhe
gesteigert werden, über die hinaus es zu einer Schädigung kommen
muss. Jede einzelne Drüse nimmt an der Ausscheidungsarbeit
teil, sofern sie gesund ist, so die Speichel- und Magendrttsen an
der Ausscheidung subkutan verabreichter Medikamente resp. Gifte:
bei der Schlangenbissvergiftung kann man z. B. im Magen eine ge¬
nügende Menge des Schlangengiftes vorfnden, um ^e typische
Vergiftung eines Hundes damit zu erzielen. Äusserst wichtig, be¬
sonders in forensischer Beziehung, ist die Ausscheidung von medi¬
kamentösen Stoffen durch die säugende Brustdrüse. — Eine De¬
ponierung von Medikamenten für längere Zeit findet bei der ge¬
werblichen Bleivergiftung statt. —
Vortr. Bchliesst mit dem Hinweis, es ist Sache des Arztes,
möglichst viele Drüsen teilnehmen zu lassen an der Ausscheidung
körperfremder Stoffe, die von aussen eingeführt worden oder als
Krankheitsprodukte im Stoffwechsel entstanden sind.
Fritz Levy.
BerU/ner medicinische Gesellschaft»
Sitzimg vom 10. Januar 1905.
Vor der Tagesordnung:
Siegel demonstriert einen mit Lues geimpften niederen Affen,
der allgemeine Drüsenanschwellungen. Papeln am Gesäss und den
Genitalien und ausgedehnte Psoriasis als Krankheitserscheinuogen
zeigt. Das Luesmaterial stammte von syphilitischer Placenta und
wurde in 3 Etappen subcutan injiziert; nach der ersten traten
die Drüsenschwellungen, nach der zweiten die Psoriasis, nach der
dritten die Papeln auf.
Lassar bewundert das vollkommene Luesbild, das der Affe
bietet und fragt nach dem Befund von Cytorrhyctes und Spiro-
chaeten.
Siegel. Die vor einigen Tagen vorgenommene Blutunter-
suchung des Affen hat reichlich Cytorrhyctes ergeben (etwa 1 auf
200 Blutkörperchen), Spirochaete pallida hat er oft bei seinen
Untersuchtmgen gesehen, aber fast immer mit anderen Formen
oder Fäulnisbakterien vergesellschaftet.
Aus dem städtischen. Siechenhaua wird ein Patient demon¬
striert, der seit langem an Taboparalyse leidet. Vor etwa 1 Jahr
wurde ein Prostatacarcinom konstatiert und in den letzten Monaten
Uesen sich Knochenmetastasen am Thorax nachweisen; ein seltener
Befund in vivo. Demonstrationen von durch Autopsie gewonnenen
Präparaten von Prostata carcinomen und Knochenmetastasen.
Tagesordnung:
Holzknecht (Wien) a. G. Die diagnostische Röntgendurch¬
leuchtung des Magens mit besonderer BerUcksiohtigaug der An¬
fangsstadien des Carcinoms.
Das radiologische Bild der Bauchhöhle ist nur zu erhalten bei
Elmführung von Stoffen in die Organe, die dichteres oder leichteres
spezifisches Gewicht als die Umgebung haben; ersteres ist mehrfach
versucht. Er selbst bat mit der Wismutbkapsel, Wismutbwasser
und Wismuthbrei (Rieger’sche Mahlzeit) gearbeitet. Wichtig für
die Technik ist weiter die Verwendung enger Blenden, Kompression
des Abdomens mit dem Schirm. Photogramme ergeben nur selten
gute Bilder; genaue Untersuchung erlaubt nur die Beobachtung
am Fluorescenzschirm. Während des Essens sieht man die breiige
Speise durch den Ösophagus in den Magen fliessen; hier wird sie
durch eine oberhalb gebildete Luftblase fortgesdioben, die für die
allmähliche Elntfaltung des Magens von Bedeutimg zu sein scheint;
der Speisebrei steigt weiter meist vertikal herab; erst allmählich
sammelt er sich horizontal unter deutlichem Hervortreten der grossen
Curvator; schliesslich formiert sich der pylorische Teil. Wissmuth-
wasser kann man gelegentlich schnell durch den Magen rinnen
imd gleich aus dem Pylorus, der im Ruhezustand wohl als offen,
aber mit sehr engem Lumen anzusehen ist, aosfliessen und sich
dann schlangenartig durch den Darm ergiessen sehen. Die Beob-
aditung kleinerer Blendenkreise der grossen Curvatur lässt leicht
die Peristaltik erkennen, die in zirkulären Wellen erfolgt. Kon¬
stant kommt es schliesslich bei der Peristaltik zu einer Eanschnürung
des Magenschlauchs vor dem Pylorus, Bildung des Antrum pylori.
Ist hier der Abschluss vollständig, sodass ein Znrücktreten des
Speisebreies in den Magen nicht möglich ist, so wird der Speise¬
brei durch Kontraktionen des Antmmteiles durdi den Pylorus ge¬
presst. Im Liegen ist das radiologische Bild des Magens ein sehr
variirendes und verwaschenes. Im Stehen zeigt der Magen meist
eine vertikale Stellung, mit mehr oder minder erheblicher Hubhöhe
zum Pylorus, Seltener, etwa in 20 % der Fälle, hat er eine horizontale
Lage; wo diese sich findet, ist sie konstant. Wahrscheinlich ist
die letztere Form die normale, die andere, wenn auch viel häufigere,
schon pathologisch. Sie erscheint in allen Übergängen zur Gas-
troptose. An durch Pausen am Schirm gewonnenen Bildern werden
die Verhältnisse demonstriert. Was nun die pathologischen Ver¬
änderungen, speziell die Tumoren, betrifft, so treten sie als raum¬
beengende Bildungen in die Erscheinung nach drei Richtungen hin:
1. sie lassen ungefüllte R.äame entstehen und geben Defekte des
Dorchfiiessens des Speisebreies und des Ausflusses, 2. sie bedingen
abnorme Grenz- und Kontourenführungen, 3. sie verursachen Ab¬
weichungen der Peristaltik. Durch diese Beobachtungen lassen
sich Tumoren nachweisen, die nicht palpabel sind. H. hat so in
12 Fällen die Diagnose Magentumor stellen können, die durch die
Operation, auch hinsichtlich der vermuteten Lokalisation, verifiziert
wurde. Durch Demonstration an Bildern werden einige dieser
Fälle erläutert.
Diskussion.
Grunmach warnt davor, zu grosse Hoffnungen, bezgl. der
Möglichkeit frühzeitiger Carcinomdiagnose an die Mitteilungen zu
knüpfen, er glaubt, dass die chemische Untersuchung auch weiter¬
hin wohl mehr leisten wird.
Steisser zeigt auf der 2. medicin. Klinik gewonnene Röntgen¬
photogramme vom Magen, damnter solche, die die Diagnose eines
Carcinoms ermöglichten, das weder palpabel noch durch chemische
Untersuchung nachzuweisen war.
Levy-Dorn glaubt, dass die grossen Wismuthmengen, die
erforderlich sind, die Untersuchungen wohl nur ftir die Klinik er¬
möglichen, nicht im Ambulatorium. Er befürchtet, dass bei der
notwendigen langen Belichtungsdauer eine starke Dermatitisgefahr
besteht.
Kraus bewandert die Vollständigkeit der Beobachtungen.
Die vertikale Stellung des Magens scheint ihm die normale.
Dasselbe betont von Hansemann nach anatomischen Untei-
suchungen. P.
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42
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 4.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn, Berlin-Charlottenbiirg.
Noch haben in weiten Teilen Dentschlands die Ärzte zu
kämpfen in der Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen gegen¬
über den Krankenkassen, noch sind hier in Berlin die Wunden
nicht vernarbt, die jene Kämpfe geschlagen haben, noch be¬
schäftigen wir uns mit der Abwehr mannigfacher drohender
Schädigungen, wie dem Überhandnehmen der Polikliniken, der
Verstadtli^ung des Rettnngswesens, der Neuorganisation der Armen-
krankenpflege etc., und schon erscheint eine neue wirtschaftliche
Gefahr ganz geeignet, den Aerzten zu einer schweren Crux zu
werden: die Gründung von Mittelstandskassen.
Schon seit längerer Zeit hat sich der sogenannte Mittelstand
Deutschlands zu einer deutschen Mittelstandsvereinigung zusammen¬
getan, die bereits vielfach Ortsgruppen gebildet bat und auch politisch
bereits einige Male hervorgetreten ist. Diese Partei — so kann
man sie wohl nennen — beabsichtigt nun, Kassen zu gründen
und ihren Mitgliedern und deren Angehörigen freie ärztliche Be¬
handlung zu gewähren. Als Lockmittel für die Arzte soll freie
Arztwahl und angemessene Bezahlung bewilligt werden. Ihre
Werbetätigkeit begann die Vereinigung in Süddeutschland, fand bei
den im Allgemeinen recht schlecht bezahlten Württembergischen
Aerzten Entgegenkommen und wusste auch erstaunlicher Weise
die sonst gut orgmiiaierten Münchener Kollegen so zu bearbeiten,
dass dort leider ein Vertragsschluss schon für die nächste Zeit in
Aussicht zu stehen scheint. Welcher Schaden den Ärzten erwüchse,
wenn jetzt wiederum ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung der
freien ärztlichen Täti^eit entzogen würde, brauchen wir hier nur
kurz zu skizzieren: Über die Präge des Einkommens, mit welchem
Personen in die Kasse Auftiahme finden, lässt sich natürlich etwas
Sicheres nicht festlegen. Die Kasse würde bei den Ansprüchen,
die ihre sozial besser gestellten Mitglieder machen würden, recht
teuer arbeiten, bald wohl in Schwierigkeiten geraten und dann nach
bekanntem Schema versuchen, die ärztlichen Honorare zu drücken.
Die Aerzte würden sich strengen Kontrollmaßregeln unterwerfen
müssen, was bei dem Krankenversicherungsgesetz unvermeidlich
ist; Ansehen und Unabhängigkeit des Standes würden immer mehr
gefährdet.
All diese Gründe und die berechtigte Annahme, dass die
Mittelstandsvereinigung, wenn sie in Münzen ihren Willen durch¬
setzte, bald ihre Netze in Berlin auswerfen werde, hat die Ber¬
liner Ärzte zu schleunigen und energischen Gegenmaßregeln ver¬
anlasst. Es gebührt dem Kollegen Mol 1, der bisher in wirtschaft¬
lichen Fragen sich nicht bethätigt hat, das Verdienst, in dieser
Sache alle Ärztegruppen von Gross-Berlin geeinigt zu haben.
Nachdem ein freies Komit4 von Kollegen aus den verschiedensten
Lagern gebildet worden war, wurden die Vertreter aller kollegialen und
wirtschaftlichen Ärztevereine Berlins und der Vororte zu einer
Sitzung eingeladen, die am 10. d. M. stattfand und einen bisher
in den Annalen der Berliner Ärztebewegung angekannten Anblick
bot: „Was sich noch jüngst in blutigem Hass getrennet^*, sass
friedlich mileinander beim sauren Moselwein und die Vertreter der
freigewählten, wie der fixierten Ärzte, der Berliner Kassenärzte
und des Gewerkskrankenvereins, der Standesvereine und des
Ärztevereinsbundes — alle waren einig in der Verurteilung des
Planes der Mittelstandsvereinigung. So wurde denn nach einem
einleitenden Referat Hesselbarths einstimmig die folgende
Resolution angenommen:
Die Ärzteschaft von Gross-Berlin bestreitet nicht die Berech¬
tigung aller Klassen der Bevölkerung, also auch des Mittelstandes,
zum Zwecke der Versicherung gegen Krankheit genossenschaft¬
liche Vereinigungen zu bilden, soweit diese den Mitgliedern eine
Beihilfe für den Fall der Erkrankung sichern. Dagegen hält sie
es für unstatthaft, dass ein Arzt oder eine ärztliche Vereinigung
mit irgend einer neu zu gründenden Vereinigung, die andere als
versicherungspflichtige Personen anfnimmt, z. B. einer Mittelstands¬
kasse, ein Verfcragsverhältnis über Leistung ärztlicher Hilfe ein¬
geht. Bestehende Verhältnisse werden durch diese Resolution
nicht berührt.
Eine ausgedehnte Debatte entspann sich über die nun zur
Durchführung dieser Resolution einztisdilagenden Taktik. Von
mehreren Seiten wurde gewünscht, dass alle Ärzte durch einen
Revers verpfliditet werden sollten, eine Ansicht die mehrfach, auch
vom Schreiber dieser Zeilen, unter Hinweis auf die Aussichtslosig¬
keit, auch Dur die Majorität der Ärzte zur Reversunterzeichnung
zu bringen, die Gefahr für die betr. Vereinsorganisation und die
trüben filrfahrungen, die hier in Berlin mit zwei Reversen, dem der
Ärztekammer und dem des Ärztevereinsbundes gemacht worden
sind, bekämpft wurde. Schliesslich gelangten folgende zwei An¬
träge zur Annahme: a) die von der Versammlung besohloasene
Resolution den Vereinen zur Beschlussfassung vorzulegen und den
Vereinen zu empfehlen, im Falle der Annahme der Resolution die
Mitglieder zu ersuchen, die Resolution als bindend für sich an-
znerkennen. b) Die Vereine werden ersucht, sich bis Ende dieses
Monats über die ihnen heute zugegangenen Anträge schlüssig zu
machen.
Nim haben die Vereine das Wort. Möge ihre Kundgebung
ebenso einmütig und entschieden ausfallen wie die ihrer Vertreter;
dann wird hoffentlich die „deutsche Mittelstandsvereinigung** darauf
verzichten müssen, hier in Berlin sich Riemen zu schneiden aus der
Haut der Ärzte.
Literarische Monatsschau.
Hygiene, Bakteriologie.
lu den letzten Jahren sind die typhusähnlichen Erkrankungen
Uber die zuerst SchottmUller eingehendere Beobachtungen an-
gestellthat, eines lebhafteren Interesses gewürdigt worden. Schotte-
lius (Münch. Medicin. W. Nr, 44) teilt genaue bakteriologische
Untersuchungen mit, die er bei einer Paratyphus-Epidemie vorge¬
nommen hat. Es handelte sich um eine lokale Epidemie in einem
Gasthause, wo eine alte Senkgrube wieder eröffnet worden war
und bei der Ausräumung eine starke Verunreinigung des Trans¬
portweges stattgefuiiden hatte; nach 14 Tagen trat bei mehreren
Personen eine akute, fieberhafte, mit Darmerscheinungen einher-
gehende Erkrankung auf. In der Klinik gelang es nicht, aus
dem Blute Kranker gezüchtete Bakterienkulturen mit Typhus zu
identifizieren. Die genauere Untersuchung mit differenziereDdeD
Nährböden, die eingehend beschrieben werden, ergab eindeutig
als Erreger ParatyphusbazUlen Typus B; dieselben wurden gleich¬
falls im Urin und in den Fäoes der Kranken nachgewiesen. Neben
dem Kulturverfabren erwies sich das Agglutinationsphänomen als
wertvoll zur Differenzierung. In allen 10 Krankheitsfällen war
der Titer für Paratyphus B von der 1. halben Stande an dem
der andern Arten: Typhus, ParatyphusA, Bakterium coli, weit
überlegen; der Unterschied der Ägglutinationsmaxima war ver¬
schieden ; doch wurde Paratyphus B zum mindesten von der vier¬
fach höheren Verdünnung des Typhusagglutinationsmaximums ag-
glutiniert. Durch Kultur und Agglutinationsphänomene ist danach
eine sichere Differenzierung der verschiedenen Typhnsarten mög¬
lich, nur diese ist die Bedingung für eine zn erstrebende und wohl
aussichtsreiche zielbewusste serotherapeutische Behandlung.
Über eine kleine paratyphöse Epidemie berichtet Vage des
(Klin. Jahrbuch Bd. 14) aus dem Gamisonlazarett Tempelhof. I
Personen, die von einer am Tage vor der Darreiohong bereiteten
Griesspeise genossen hatten, erkrankten plötzlich unter dem klini¬
schen Bilde einer akut fieberhaften Gastroenteritis; ein Kind
(14 Jahre alt) starb. Die Autopsie ergab nidits Charakteristisches.
Bei der bakteriologischen Untersuchung dagegen fand sich ein
Bazillus, der nahe Verwandtschaft zum Paratyphusbazillus Typus B
sowie zum Mäuset^'phusbazillus aufwies. Hier ist zum ersten Male
bei einer nicht durch Fleisch, sondern durdi ein anderes Nahrungs*
mittel verursachten Vergiftung eine zur Gruppe der Paratyphos-
bazillen gehörige Bakterienart als wahrscheiuHcher Erreger nach-
gewiesen.
Tischler (Mündien. medicin. W. Nr. 43) beschreibt eine
T^husepidemie unter Schulkindern, die dadurch bemerkenswert ist,
dass sie zunächst durchaus den Eindruck einer paratyphösen Br-
kranknng machte. Die Epidemie brach explosionsartig aus; das
I klinische Bild entsprach nicht dem Abdominaltyphus, sondern nw
I einer typhusähnlichen Erkrankung; auch die Ätiologie liess an
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
43
einen Paratyphus denken, da die zuerst erkrankten Kinder sämt¬
lich ärmere Schulkinder waren, die eine Suppenanstalt frequentierten;
trotz genauer Nachforschungen Hess sich allerdings hier keine be¬
stimmte Ursache, verdorbenes Nahrungsmaterial, nachweisen. Erst
die bakteriologische Untersuchung, ganz besonders die Wid al'sehe
Reaktion, zeigte, -dass es sich bei der Epidemie um echten Abdo-
minaltjrphus handelte. Für den Sanitätsbeamten ist die Entschei¬
dung, ob es sich bei einer Epidemie um echten Typhus oder eine
paratyphöse Erkrankimg handelt, von grosser Bedeutung; die
Serumreaktion wird ihm hier die wichtigste Probe sein.
Zur Frage der Versdileppung typhöser Krankheiten berichtet
Mayer (Münöh. medicin. W. Nr. 47) über eine interessante Be¬
obachtung. Durch einen Zufall wurden im Laboratorium auf ein
Brett, auf dem ein Käfig mit Mäusen, die mit hochvirulentem
Mäusetyphus geimpft waren, stand, Käfige mit Mäusen, die mit
verschiedenen Bakterien infiziert waren, gestellt. Diese gingen
nun in wenigen Tagen ein und zwar an Mäusetyphus, während
die in gleicher Weise infizierten aber am gewohnten Ort gebliebenen
Tiere gesund blieben. Es erwies sich als wahrscheinlich, dass die
Übertragung des Mäusetyphus auf die zufällig auf das Mäusetyphus¬
brett gestellten Tiere durch Ameisen vermittelt worden war, und
die bakteriologische Untersuchung gefangener Ameisen ergab in
der Tat, dass diese Träger von Mäusetypbusbazillen waren, die sie
wahrscheinlich mit den Exkrementen ausschieden. Eine Fortsetz¬
ung der Versuche wurde dadurch verhindert, dass M. selbst eine
Woche nach dem Auftreten der Ameisen erkrankte an einer fieber¬
haften, mit Delirien, Schüttelfrösten und Darmerscheinungen ein-
hergehenden Infektion; als deren Erreger konnte nach den Ergeb¬
nissen der Untersuchung des Blutserums und der Fäces nur der
Mäusetyphusbazillus angesprochen werden. Eine Verschleppung
typhöser Erkrankungen durch Ameisen erscheint danach möglich,
und hoch virulent gezüchteten Löffler’s c hen Mäusetyphusbazillen
ist eine Pathogenität ftlr den Menschen zuzusprechen.
Ausgedehnte Untersuchungen und Versuchsreisen über Pneu¬
mokokken, ihre Morphologie im mikroskopischen Bild und in der
Kultur, über ihre Virulenz und ihr Verhalten zum Serum hat
Knidborg (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten
Bd. 51 Heft 2) angestellt, als deren wichtigste Ergebnisse die
folgenden hervorzuheben sind: Die dem Typus des Fränkel-
Weichselbaum’schenPneumokokkus entsprechenden Bakterien
weisen morphologische Differenzen in der Richtung überwiegender
Grösse oder ausserordentlicher Kleinheit auf; grössere Überein-
stimmtmg herrscht in den kulturellen Eigenschaften; nur ein Stamm,
der sonst typisch und virulent war, unterschied sich von allen
andern durch die Eigenschaft, Gelatine zu verflüssigen. Glyzerin¬
agar ist für praktische Zwecke allen komplizierten Nährböden vor¬
zuziehen. Die Virulenz unterliegt grossen Schwankungen; meist
sind Pneumonie-Pneumokokken die virulentesten. Speichelkokken
besiteen eine konstante Virulenz mittleren Grades. Stämme aus
alten Eiterherden (Abscesse, Empyeme) sind avirulent. Öftere
Umzüchtung und Tierpai^ge sind meist zur Erhaltimg der Viru¬
lenz notwendig. Padiogenität besitzen die Pneumokokken für
Mäuse, Kaninchen, Meerschweinchen, aber auch für Tauben; die
Tiere erkranken unter dem Bilde allgemeiner Sepsis; die Art der
Pathogenität ist für die einzelnen Stämme verschieden. Die Ag¬
glutination ist eine spezifische für den Stamm, mittelst dessen das
agglutinierende Serum erzeugt ist; der Grad der Agglutination
kann ein sehr hoher sein (1: 1000 bei Kaninchen, 1:100 000 bei
Schafserum). Die Widal’sche Technik ist die geeignetste für die
Anstellung der Agglutination. Es {gelingt"'aktive und passive
Immunisierung gegen den Pneumokokkus; jedoch ist die Immu¬
nisierung für den dazu benutzten Stamm streng spezifisch. Die
Pneumokokken sind eine Vielheit verwandter Bakterien, ebenso wie
die Streptokokken; man hat also nicht mehr von dem Pneumo¬
kokkus, sondern von den Pneumokokken zu sprechen.
Dass die Erreger des Tetanus im Erdboden zahlreich ver¬
breitet sind, ist als Tatsache anerkannt, und die sich daraus er¬
gebenden Konsequenzen für die Praxis sind allgemein beobachtet.
Strittiger ist die Frage, ob auch in Fäces von Tier und Mensch
Tetanusbakterien Vorkommen können. Die bisherigen" Versuche
zeigten, dass eine Infektion mit Tetanus vom Darmtraktus aus bei
empfincllichen Tieren nicht zu erzielen ist; das erlaubt den Schluss,
dass die Tiere die Bkreger in ihrem Intestinaltraktus beherbergen
können, ohne dass sie i^en selbst schaden. Hoffmann (Hygie¬
nische Rundschau Nr. 24) hat nun eine Reibe von Impfversuchen
mit aus Tierkoth in besonderer Weise gewonnenen Material an¬
gestellt. Unter 22 Versuchen ergab einer ein positives Resultat;
und zwar stammte das Impfmaterial aus PferdefUces. Es ergibt
sich daraus das praktisch wichtige Resultat, alle mit Tierfäces be¬
sudelten Wunden als tetanussuspekt zu behandeln.
Versuche, sich bei der Stellung der Lyssadiagnose unabhängig
zu machen von der langwierigeren biologischen Probe, die nicht
nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern gerade für die Praxis
von grösster Wichtigkeit sind, sind zahlreich gemacht worden, so¬
wohl in der Richtung der bakteriologischen, wie der pathologisch¬
anatomischen Untersuchung. Während die ersteren bisher alle
fehlgeschlagen sind, scheint durch die letzteren mit der Entdeckung
der Negri’schen Körperchen ein wesentlicher Fortschritt gegeben
zu sein. Bohne (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrank¬
heiten, Bd. 62, Heft 1) hat 170 Gehirne von Menschen und ver¬
schiedenen Tieren, die zwecks Stellung der Diagnose eingesandt
waren, auf die Anwesenheit der Negri’schen Körperchen unter¬
sucht und die Ergebnisse mit denen der gleichzeitig angestellten
Tierversuche verglichen. Li 99* Fällen ergaben ein positives Re¬
sultat der Tierversuch sowohl wie die mikroskopische Untersuchung,
in 10 Fällen war nur der Tierversuch positiv; bei 61 zeigten bio¬
logische und mikroskopische Untersuchung ein negatives Ergebnis.
Niemals kam es vor, dass Versuchstiere bei Nachweis von Negri’scheu
Körperchen im Impfmaterial am Leben blieben. KontroUunter-
Buchungen an 50 Gehirnen verschiedener Provenienz ergaben nie¬
mals einen positiven Befund Negri’scher Körperchen. Wichtig ist
die Untersuchungstechnik: die Verwendung der Schnelleinbettungs¬
methode nait Acieton-Paraffin durch die schon in drei Stunden
brauchbare Schnitte geliefert werden. Die Ergebnisse der Unter¬
suchungen lassen sich dabei zusammenfassen: Die Negri’schen
Körperchen sind spezifisch für Lyssa. Mit der Schnelleinbettungs¬
methode ist man imstande, in wenigen Stunden die Lyssadiagnose
zu stellen, mit der Maßnahme, dass nur ein positives Resultat
entscheidet; ist das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung
negativ, so muss auf den Tierversuch zurückgegriffen werden.
Ob in den Negri’schen Körperchen die Erreger der Lyssa zu sehen
sind, wagt B. noch nicht zu entscheiden.
Nach eingehender kritischer Besprechung aller bisher vor¬
genommenen Versuche, Rinder gegen die experimentelle Infektion
mit Perlsucht zu immunisieren, teilen Koch, Schütz, Neufeld,
Miessner (Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten,
Bd. 51, Heft 2) die Ergebnisse ihrer langreihigen Versuche in
dieser Richtung mit. Daraus ergibt sich, dass es durch einmalige
Injektion von 1—3®* Bacillen der menschlichen Tuberkulose be¬
ziehungsweise abgeschwächter Bazillen der Perlsucht gelingt,
Rinder gegen hochvirulente Bacillen der Perlsucht zu immuni¬
sieren. Die benutzten Bacillen waren auf Glycerini bouillon ge¬
züchtet und mussten ein Alter von 30—40 Tagen haben. Sie
wurden zwischen Filtrierpapier getrocknet und füe erforderliche
Menge mit 10 ccm physiologischer Kochsalzlösung vermischt in¬
travenös injiziert. Nach etwa drei Monaten trat völlige Immuni¬
tät der geimpften Kälber ein. Das Problem der Immuni¬
sierung von Kälbern gegen Perlsucht ist danach insoweit gelöst,
als nun die Bedingungen erkannt sind, unter denen im Labo-
ratoriumsversuch Tiere sich mit grosser Sicherheit gegen recht
erhebliche Mengen des virulentesten Materials immunisieren lassen;
und dieser hohe Grad von Sicherheit lässt sich im Vergleich mit
{mderen Krankheiten durch eine verhältnismässig einfache Methode
erzielen. Es muss aber stets berücksichtigt werden, dass das zu¬
nächst nur für den Laboratoriumsversuch gilt. Trotzdem die In¬
fektion eine sehr schwere, wohl schwerere als die bei der natür¬
lichen Übertragung der Krankheit anzunehmende war, lassen sich
die Ergebnisse doch nicht einfach auf die Praxis übertragen. Die
natürliche Übertragung ist eben eine andersartige. Und zu allge¬
meineren Schlüssen werden die Versuchsergebnisse erst be¬
rechtigen, wenn in der Praxis studiert ist, wie sich der natürlichen
Übertragung gegenüber die künstlich immunisierten Tiere verhalten.
Über die Einwirkung von Radiumemanation auf pathogene
Bakterien haben Dorn, Baumann, Valentinen (Zeitschrift für
Hygiene und Infektionsfoankheiten, Bd. 61, Heft 2) Untersuchungen
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 4.
augestellt. Zu den Versuchen wurden verschiedene Typhnsstämme,
daneben aber auch Choleravibrionen, Diphtherie' und Mäusetyphus>
bacillen genommen. Eis ergab sich, dass die Radiumemanation stets
eine Elntwicklungshemmung, vielfach auch eine AbtOtung der Keime
herbeiführte.
Über die Vernichtung der Bakterien im Wasser durch
Protozoen hat Huntemüller (Archiv für Hygiene, Bd. 54, Hf. 2)
zahlreiche Versuche angestellt, die übereinstimmend zeigen, dass
in grosser Zahl in Wasser überimpfte Typhuskeime in wenigen
Tagen durch Protozoen vernichtet oder so decimiert werden, dass
sie nur noch schwer im Wasser nachzuweisen sind. Die Flagel¬
laten zeigen während der Zeit eine ganz bedeutende Vermehrung,
die erst nach Verschwinden der Typhusbacillen wieder abnimmt.
Dass die Abnahme der Typhuskeime im Wasser durch die Tätig¬
keit der Protozoen bedingt war, war hiermit wahrscheinlich, liess
sich aber durch mikroskopische Untersuchungen sicherstellen. Nach
besonderem Verfahren gefärbten lebenden Typhusbacillenkulturen
wurde flagellatenhaltiges Wasser zugesetzt, und hier liess sich
dann unter dem Mikroskop in allen Stadien der Verdauimgsvorgang
der Bakterien durch die Flagellaten von der Aufnahme bis zur
völligen Auflösung verfolgen. Danach ist es wohl als sicher an-
zunehmen, dass es nicht das Überwuchern und die Konkurrenz
der Wasserbakterien, sondern die Tätigkeit der Protozoen ist, die
die Typhuskeime im Wasser vernichtet.
Über die Vorgänge bei der Selbstreinigung des Wassers sind
noch die widersprechendsten Anschauungen verbreitet. Zur An-
bahnimg einer Klärung teilt Hofer (Münch. Medic. Wochenschrift
Nr. 47) die EIrfahrungen mit, die er besonders bei der Unter¬
suchung der Selbstreinigung der Isar und einiger anderer fliessender
und stehender Gewässer gemacht hat. Es sind zu unterscheiden
Vorgänge, welche die allmähliche Reinigung vorbereiten; das sind
die Verdünnung der eingeleiteten Schmutzstofife, die mechanische
Zerkleinerung derselben durch das iliessende Wasser und die
Sedimentierung, von denen der letzteren die wichtigste Bedeutung
zuzuschreiben ist. Die eigentliche Selbstreinigung, bei der die
Schmutzstoffe in Formen übergeführt werden, die das Wasser für
seine verschiedenen Nutzungszwecke nicht mehr schädlich ver¬
ändern, besteht 1. in chemischen Umwandlungsprozessen, 2. in
einer Zersetzung der organischen Substanz durch lebende Or-
ganismeu. Während man bisher unter den biologischen Faktoren
der Selbstreinigung die Bakterien stets in den Vordergrund ge¬
stellt und ihnen den Hauptefifekt der Selbstreinigung zugeschriebeo
hat, glaubt H. ihnen nur eine geringe Bedeutung beimessen zu
können. Eine grössere Bolle spielen gewisse Abwasserpilze, die
in der Issu* in kollossalen Massen die festen Gegenstände am Boden
überziehen. Sie wuchern anscheinend auf Kosten des im Wasser
enthaltenen Zuckers, sind also wohl als Zuckerzehrer zu bezeichnen;
sie zerstöron einen wenig schädlichen Körper, tragen dagegen
durch ihre Anwesenheit und besonders durdi die Art ihres Zer¬
falls zu den augenfälligsten Verunreinigungen des Wassers bei.
Die wichtigste Rolle unter den Selbstreinigem sind tierische Or¬
ganismen und zwar Protozoen, Schlammwürmer, dann Insekten¬
larven, Crustaceen. Dieselben halten sich am, resp. im Boden auf;
ihre Tätigkeit vollzieht sich in der Weise, dass sie die den Boden
sich ablagemden Sedimente aufhehmen und verzehren. Der Grund
der Isar ist deshalb mit den Fäkalien dieser Tiere sowie mit den
Anteilen der Schlammablagerung direkt durchsetzt und in Fäulnis
begriffen. Der Vorgang der Selbstreinigung spielt sich also im
wesentlichen im und am Boden, durch die allmähliche Aufzehrung
der sedimentierten Verunreinigungskörper durch die im und am
Boden lebenden Tiere ab; er ist also in der Hanptsache eine
Funktion des Bodens. In stehenden Gewässern spielen neben den
bodenständigen Organismen noch eine sehr bedeutende Rolle die
Massen der sogen. Planktonlebewesen, die im fliessenden Wasser
die bewegte Welle nicht gedeihen lässt. Daher erscheint die
selbstreinigende Kraft der stehenden Gewässer am grössten. Da¬
rüber gibt auch die Produktivität der Gewässer an Fischfleisch
einen ziffernmäßigen Ausdruck; die sogen. Dorfteiche übertreffen
in dieser Hinsicht um ein vielfaches die fliessenden Gewässer.
Die verschiedene Produktivität der Gewässer ist eben nichts
anderes als der Ausdruck der darin vorhandenen Mengen an
niederen Pflanzen \md Tieren und ihres Stoffwechsels, mit anderen
Worten der in 'den Gewässern sich abspielenden biologischen
Selbstreinigung. Diese Überlegungen führen dazu, zur Reinigung
von Abwässern die Einleitung organiscflier Stoffe in Elrdteiche zu
empfehlen, die flächenhaft auf grösserem Grund ausgebreitet zu
Fischteichen hergerichtet werden können, ein System, das nicht
nur geringe Kosten verursacht, sondern durch die Produktion von
Fischfleisch noch eine nicht unerhebliche Rente abwerfen kann.
Veranlasst durch die in Darmstadt vorgekommenen bedauer¬
lichen Vergütungen durch verdorbene Bohnenkonserven hat Belser
(Archiv für Hygiene, Bd. 54, Heft 2) eingehende Untersochungen
über verdorbene Gemüsekonserven angestellt Als wichtigste Ur¬
sachen, die Bombagen der Konserven, Gasbildung im Inneren der
Büchsen und Auftreibung derselben, herbeiführen, sind zu be¬
trachten: 1. Die Temperaturen im Inneren der Büchsen erreichen
nicht die nötige Höhe, einmal wenn zu kurz sterilisiert wird, dann
wenn Luft im Autoklaven oder in der Büchse zurückbleibt. Entr
hält eine im Inneren der Büchse gebliebene Luftinsel zufkllig
Sporen, so können diese, da die Luft sich langsamer erwärmt als
das Wasser, die Sterilisation überdauern, sich nadiher vermehren
und Zersetzung der Konserve herbeiführen. 2. Es können Ver¬
derber nach der Sterilisation durch Undichtigkeit der Dosen von
aussen eindringen, indem die Büchse schlecht gefalzt oder nach¬
träglich aus irgend einem Grunde defekt wurde. Deshalb soll,
wenn Büchsen den Autoklaven verlassen, und sie zur Abkühlung
in Wasser gebracht werden, möglichst einwandfreies Brunnen¬
wasser genommen werden. 8. Eine gewisse Rolle dürfte wohl
auch die Widerstandsfähigkeit mancher Mikroben gegen hohe
Temperaturen spielen. Um Vorkommnissen wie in Darmstadt zu
begegnen, soll man Konservennahrung nur nach nochmaligem Auf¬
kochen geniessen; Büchsen, die beim öffnen die geringste Spur
einer Zersetzung zeigen, soll man unschädlich machen mit Rück¬
sicht darauf, dass die Möglichkeit der Anwesenheit von Toxinen
oder pathogenen Keimen nicht ausgeschlossen ist. Bombierte
Büchsen sind weiter deshalb vom Handel auszuscbliessen, W'eil bei
ihnen starke Säuerung auftritt, die durch Gärung gebildeten
Säuren eine Lösung des Zinns erleichtern und so eventuell eine
Zinnvergiftung berbeigeführt werden kann.
Hilgermann (Archiv für Hygiene, Bd. 54. Heft 1) empfiehlt
nach seinen Versuchen das Wasserstoffsuperoxyd als Desinfektions¬
mittel für Bürsten und Kämme im Friseurgewerbe. Am geeig¬
netsten erwies sich eine 5%ige Wasserstoffsoperoxydlösong (Ver¬
dünnung der im Handel erhältlichen Stammlösung zur Hälfte mit
Wasser). Darin bleiben die Bürsten 30 Minuten, werden dann
mit dem Kamme ausgebürstet. Danach sind dieselben, wie die
mitgeteilten bakteriologischen Untersuchungen zeigen, als steril zu
betrachten. Das Verfahren ermöglicht in einfachster Weise
gleichzeitige Reinigung und Desinfektion; es beansprucht keinerlei
Zeitaufwand; irgend eine Schädigung des Materials, Verminderung
der Leistungsfähigkeit, tritt nicht ein. Das Wasserstoffsuperoxyd
. ist dazu billig, geruchlos, wirkt desodorierend. Bei diesen vielen
und einwandfreien Vorzügen dürfte das Wasserstoffsuperoxyd wohl
I dazu berufen sein, die ELalamität in den Friseurstuben in bezug
' auf Mangel an Reinlichkeit und Ansteckungsgefahr zu beseitigen.
I P.
Periodische Literatur.
Münchener medicinieche Wochenechrifl. 1906. No. 2 .
1 . Gehn, Strassburg: Über die diagnoetisohe Verwertoi^ der
Röntgenstrahlen nnd den Gebrauch der Gneoksübersonde bei
Speiseröhrenerkranknngen.
Es handelt sich um Ösophagusstenosen und Divertikel. An
einer Reihe von Krankengeschichten, zeigt Verfasser eine «de
grosse Bedeutung der Röntgenuntersuchung bei derartigen Fällen
beizumessen ist. Er wandte die von Holzknecht angegebene
seitliche Durchleuchtung von links hinten nach rechts vom an.
Als schattenwerfender Indikator diente Wismuthaufschwemmang
und mit Wismuth veiTührter dicker Reisbrei. Zur Behandlung
der Stenosen bewährten sich dem Verfasser die von C. und F.
Streisguth in Strassburg angefertigten Quecksilbersonden.
sind dies Jacques’sche Scblundsonden, die mit Quecksilber gefüllt
sind. Zur Verwendung kamen 7—18 mm starke Sonden. Pa
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i9oe.
MEDICLNISCHE WOCHE.
45
die Schwere des Hg. ein allmähliches Tiefergleiten der Sonden
bewirkt, hat es der Terf. ratsam gefunden, dieselben mit langem
Stiel imd Handgriff zu versehen, um ein gelegentliches unlieb¬
sames Verschwinden in der Tiefe zu vermeiden,
2. Lotheissen, Wien; Zur Behandlnng des Speiseröhren-
Bivertikels.
Wenn die gewiss rationelleste Therapie der Ösophagusdiver¬
tikel, die Exstirpation nicht möglich ist, dann ist ein dauernder
Erfolg nur von einer Sondenbehandlung zu erwarten, welche den
Zweck hat, die sekundäre Stenose zu beseitigen und das Diver¬
tikel in Folge Nichtbenutzung zum Schrumpfen zu bringen. Verf.
hat eine nach seinen Berichten sehr brauchbare Dilatationssonde
konstmiert. Man kann dieselbe als pheumatische bezeichnen.
Eine mit Mercierscher Erümmung versehene Schlundsonde wird in
ihrem Verlauf mit einem Loch versehen und über diese Stelle ein
Stück Schlauch von dünnem Gummi gezogen. Einige Zentimeter
ober- und unterhalb des Loches wird dieser Schlauch fest um die
Sonde geknüpft. Mittels eines Gebläses kann dieses Schlauch¬
stück erheblich aufgebläht werden. Auf diese Weise gelingt es,
nach den Erfahrungen des Verf. auch in schwierigen Fällen eine
dauernde und genügende Erweiterung des Ösophaguslumens zu er¬
zielen.
3. Heine, Breslau: Weitere Erfahrungen mit der Zyklo-
dialyse auf Grund von 56 Operationen.
Verf. hat die bei der Glaucombehaudluug bisher übliche,
aber nicht immer erfolgreiche Iridectomie durch eine Operation
ersetzt, welche den Zweck hat, dem Kammerwasser einen neuen
und ausreichenden Abfluss zu verschaffen. Die Operation wird
folgendermaßen ausgefübrt: Temporal oder nasal, oben oder unten
an der Grenze von Cornea und Sclera, zwischen den Muskelinser-
tionen 5-10 mm von diesen entfernt wird die Bindehaut bis auf
die Sclera durchschnitten. Nun legt man mit einer Lanze einen
zur Corneagrenze tangential laufenden Einschnitt an bis auf den
Ciliarmuskel. Diese Perforationsöffnung wird auf 2 mm erweitert.
Nun wird ein Stllet, wie man es zur Reposition der Irisschenkel
braucht, eingeihhrt und damit stumpf das ligamentum pectinatum
durchtrennt bis man in die Vorderkammer gelangt. Die geschaffene
Öffnimg wird durch Excursionen des Instrumentes erweitert. Nun
ist eine Verbindung zwischen Kammer und Suprachorioidalraum
geschaffen und neue Abflusswege für das Kammerwasser erschlossen.
Verf. hat mit dieser, Zyklodialyse genannten Operation sehr gute
Erfolge gehabt. Die Operation ist ungefährlich, in kosmetischer
Hinsicht besser als die iridectomie und bietet den Vorteil, dass
sie an ein und demselben Auge mehrfach wiederholt werden kann,
was mit der Iridectomie höchstens 2 mal möglich ist. Die Technik
soll keine besonderen Schwierigkeiten haben.
4. Finkeistein, Berlin: Ein Urinfknger für Kinder.
Anknüpfend an eine Mitteilung von Grossmann teilt Verf.
mit, wie in einfacher Weise in der von ihm geleiteten Säuglings¬
station Urin entnommen wird. Bei Mädchen wird ein weithalsiges
Fläschchen mit der Mündung gegen die Urethralgegend der Vulva
gelegt, bei Knaben ein starkwandiges Reagenzglas über den
Penis geschoben und mit einem Heftpflasterstreifen in der Gegend
des Nabels befestigt. Die. zwei seitlichen Windelzipfel werden
dann von aussen nach innen und dann wieder nach aussen um
das gleichseitige Bein geschlagen und in der Mitte geknotet,
dadurch werden die Schenkel an das Glas angepresst und dieses
fixiert.
5. Schümann, Leipzig: Zur Methodik der Plattfhsediag-
nose.
Eine recht einfache und praktische Methode zur Gewinnung
von Fusssohlenbildem gibt der Verf. an. Man stellt sich prä¬
parierte Schreibpapierbogen her, indem man dieselben mit. 50 %
Liquor ferri sesquichlorati bestreicht und trocknen lässt. Die zu
untersuchende Fusssohle wird mit 5 % Ferrocyankaliumlösung dünn
bestrichen auf das Papier aufgesetzt und durch Aufstehen des
Patienten belastet. Sofort erscheint ein schönes blaues Bild,
welches die Papillarlinien der Haut und viele Details deutlich er¬
kennen lässt. Verf. glaubt mit Recht, dass dies Verfahren auch
zur Gewinnung der Bertillonschen Fingerabdrücke verwendet
werden kann.
6. Schmieden, Bonn: Über das erschwerte Beoannlement
In einer alle Zu^lligkeiten und Komplikationen eingehend
beleuchtenden Arbeit setzt Verf. seine Erfahrungen auf dem Ge¬
biete der Nachbehandlung der Tracheotomie auseinander. Eine
der schwierigsten Forderungen ist hierbei ein gutes uud geschicktes
Decanulemeut. Verf. steht auf dem Standpunkt, dass man die
Canule so bald als irgend möglich nach der Tracheotomie ent¬
fernen soll und dass man keinesfalls abzuwarten braucht, bis die
Diphtherie als solche abgelanfen ist. Jedenfalls soll man spätestens
nach 48 Stunden versuchen, die Cmiule zu entfernen. Die be¬
denklichste Komplikation ist die Stenose der Trachea. Dieselbe
entsteht in den meisten Fällen aus rein mechanischen Ursachen.
Die Trachealknorpel werden in Folge des Druckes der Oanule
weich, die Trachea verliert ihren Halt. Es erscheint daher
wünschenswert, durch geeignete gefensterte Ganulen eine Nach¬
behandlung vorzunehmeu, Verf. hat eine besondere Canule kon¬
struiert, die erstens den Vorteil bietet, die Luftröhre vollkommen
zu stützen und zweitens bei der Einführung keine Schwierigkeiten
zu bereiten. Die Canule ist T-förmig uud so gearbeitet, dass der
eine Schenkel des T bei der Einführung durch eine mechanische
Vorrichtung nach innen zurückgezogen werden kann. Grosses
Gewicht ist in allen Fällen auf die richtige Ausführung der
Tracheotomie zu legen. Im Allgemeinen scheint der tiefe Luft¬
röhrenschnitt weniger die Gefahr der Stenosen in sich zu schliesseu,
wie der vom Verf. allerdings stets geübte hohe. Sehr wichtig ist
es, nicht zu wenig Ringe der Trachea zu durchtrennen, damit die
Einführung der Canule leicht gelingt. Ziu* Vermeidung falscher
Wege imd der Blutungen soll es als Regel gelten, den Haut¬
schnitt nicht zu klein zu nehmen. Ist eine Stenose vorhanden,
so muss man zur instrumentellen Erweiterung schreiten und die
Canule so wählen, dass das Trachealrohr gestreckt wird. Jeder
Fall ist zu individualisieren,
7. Renner, München: ttber Bier’sohe Staunngshyperamie
bei Augenkrankheiten.
Verfasser bat einige Versuche mit der Bier’schen Methode
gemacht. Zunächst konnte er bei sich selbst die Harmlosigkeit
des Verfahrens prüfen. In Betracht kommen nur Kinder und Er¬
wachsene bis zum 40. Lebensjahre, natürlich unter der Voraus¬
setzung, dass keine Herzstörungen oder Gefksserkrankungen vor¬
liegen, Einen scheinbar deutlichen therapeutischen Erfolg konnte
Verfasser bei 5 Fällen von Keratitis parenohymatosa konstatieren.
Weniger klar war der Effekt bei Ulcus corneae serpens. Bei
ekzematös - phlyktaenulösen und bei katarrhalischen Geschwüren
der Hornhaut war ebenso wie bei älteren Hornhauttrübungen ein
nennenswerter Erfolg nicht zu beobachten.
8. Siegel, Berlin: Weitere UnterBUohungen über die
Ätiologie der Syphilis.
Verfasser teilt seine weiteren Untersuchungsergebnisse mit.
Es ist ihm wiederholt gelungen, Cytorrhyctesformen im Blute
Syphilitischer nacbzuweieen und zwar zur Zeit des allgemeinen
Exanthems, während zur Zeit des Priraaeraffektes und bei ab-
gebeilten oder mit Quecksilber behandelten Fällen nichts von dem
Parasiten gefunden werden konnte. Als bequeme und zuverlässige
Färbemetbode hat sich dem Verfasser Boraxmethylenblau bewährt
(Methylenblau 1,0, Borax 2,5, Aq. dest. 100). Die Impfung auf
Affen gelang po^tiv, ja es konnte auch durch SubUmatinjektionen
eine Besserung der aufgetretenen Erscheioungen konstatiert werden.
9. Müller, Graef, Kiel; Hachweis von Typhosbakterien in
eingesandten Blutproben.
Die Verfasser hatten sich die Aufgabe gestellt, eine brauch¬
bare Methode ausfindig zu machen, lun das an die Untersucbungs-
ämter eingesandfce Blut bakteriologisch zuverlässich prüfen zu
können. Zunächst schien es ihnen wichtig, das Blut vor Ge¬
rinnung zu schützen, ohne die Bakterien in ihrer Lebensfähigkeit
irgendwie zu beeinträchtigen. Es stellte sich heraus, dass ein
ganz geringer Zusatz von Hirudin (Blutegelextrakt) das Blut
völlig flüssig erhält, ohne die Bazillen zu stören. Das Ver¬
fahren ist dann folgendes, es wird 0,01 gr Hirudin in 2,5 ccm
physiologischer Kochsalzlösung gelöst. Die Lösung wird fractioniert,
bei 80 Grad sterilisiert und würde aasreichen, um 75 ccm Blut
flüssig zu erhalten. Jedes zur Übersendung bestimmte keimfreie
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40 MEDICINISCHE WOCHE. Nr. 4.
Biöhrchen von einem Rauminhalt von 6 ccm wurde mit 0,4 ccm
der Löanng beschickt. Bei weiteren Versuchen stellte sich heraus,
dkss es nicht nötig ist, das Blut vor Gerinnung zu bewahren^ es
gelang auch ohne Schwierigkeit aus dem Blutkuchen gute Ausstrich¬
kulturen zu zUchten. Dabei zeigte sich, dass das Serum frei von
Bazillen war, mehr wohl eine Folge des die Keime mit sich
reissenden Oerinnungsvorganges, wie die einer baktericiden Kraft
des Serums. Die Versuche haben nun ergeben, dass man nicht,
wie bisher auf die möglichst frühzeitigen Züchtungsversuche zwecks
Diagnose angewiesen ist, sondern auf normalem Wege übersandte
Blutproben mit sicherem Erfolge verarbeiten kann.
10. Stadler, Leipzig: Über Beeinflussnng von Blntkrank*
heiten doroh Erysipel.
Verfasser hatte Gelegenheit, einen in seinem Verlauf höchst
merkwürdigen Fall von perniziöser Anämie zu beobachten. Derselbe
betraf ein 29 jähriges Dienstmädchen, welches wenige Tage nach
der Aufnahme in die Klinik in Coma verfiel und moribund wurde.
Die Untarsuchung des Blutes ergab unzweifelhaft perniziöse Anämie.
Nach etwa 3 Tagen, vom Beginn des Comas gerechnet, trat ein
Gesichtserysipel auf. 36 Standen danach machte sich eine ganz
auffallende Blutveränderung bemerkbar. Bei einem Gehalt von
632 000 roten Blutkörperchen im Kubikmillimeter fanden sich
3000 kernhaltiger Erythrozyten. Ein Beweis, dass ein ungemein
intensiver Regenerationsprozess in den blutbildenden Organen be¬
gonnen hatte. Das Coma schwand, die Kräfte nahmen zu und
unter gleichzeitigem Rückgang des Erysipels wurde die Patientin
der Heilung zugeführt. Verfasser glaubt, gestutzt auf in der
Literatur niedergelegte Fälle, dem Erysipel eine bedeutsame Rolle
bei dem Auftreten dieser Blutkrise zusobreiben zu müssen.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 2 .
1. Louros, Athen: Über den Emflnss des Halariafiebers auf
die Schwaagersohaft, die Geburt und das Wochenbett. Verf.
hat mehrfach Gelegenheit gehabt, Marlaria bei Graviden und im
Puerperium zu beobachten. Er kann sich der Ansicht, dass die
Malaria eine Unterbrechung der Schwangerschaft und vorzeitige
Placentarlösung bewirkt, nicht anschliessen, vielmehr glaubt er an¬
nehmen zu müssen, dass die Malaria primär degenerative Prozesse
im Placentargewebe verursache, welche ihrerseits zur Unterbrechung
der Gravidität führen. Er fand mikroskopisch Infarkte, fibrinöse
Ablagerungen, Atrophie der Zotten, Alteration der Gefksse.
Chinin konnte er unbedenklich bei Graviden und intra partum
geben.
2. Kraus, Berlin; Ein Fall von Vergiftung mit /9*Eucain.
Verf. teilt einen lehrreichen Fall von Eucainvergiftung mit.
Es handelte sich um einen 40jährigen Patienten, bei welchem
eine Urethrotomia inferior unter Eucainanästhesie vorgenommen
wurde. Bei der Operation selbst geschah nichts besonderes, da¬
gegen am nächsten Tage als zur Dehnung der gespaltenen Narbe
geschritten werden sollte und man die frischen Wunden mit der¬
selben 2% Eucainlösung behandelte, trat ein schwerer Collaps
mit Asphyxie ein. Offenbar war lediglich die erhöhte Resorption
von der frischen Wunde aus Schuld an der Vergiftung, die der
Verf. bei vielen Fällen sonst nicht beobachten konnte. Man wird
also gut tun, offene Wunden nur sehr vorsichtig mit derartigen
Anästheticia zu behandeln.
3. Küttner, Marburg: Was ergibt sich für den praktischen
Arzt aus den Fortschritten der Hierenchirurgie.
Die Diagnose „bewegliche Niere“ ist zu stellen, wenn man
das nach oben entweichende Organ unter den Rippenbogen fühlt.
Die Wanderniere ist eine Frauenkrankheit, sie ist selten bei
Männern (94% bei Frauen, 6% bei Männern). Sie pflegt ein
Zeichen allgemeiner Euteroptose zu sein, gegen welche sich auch
die Therapie zu richten hat. (Mastkur, Liegekur, stützende Bauch¬
binden). Die Operation ist nur angezeigt, wenn die Beschwerden
aussclüiesalich auf die Lageverändenmgen znrückzuführen sind
imd wenn krankhafte Veränderungen (Steine, Tumoren, Cysten)
vorliegen.
Es gibt zwei Formen von Saokniere (Uronephrose), eine asep¬
tische und infizierte und zweitens eine septische (Pyonephrose).
Auch bei der Sackniere wie bei der Wanderniere kann ein Unfall
die Ursadie sein (Rentenanspmch). Der praktische Arzt kann
sich nur auf die Diagnose besohränken, die Therapie ist stets
Sache des Chirurgen.
Bei der Steinniere ist die Diagnose oft sehr schwer. Die
sicherste Methode ist die Röntgenuntersuchung, der Arzt ist da¬
her bei dem Verdacht auf Steinniere stets verpflichtet, eine
Röntgenuntersuchung zu veranlassen. Was die Therapie anlangt,
so kommt zunächst als dringliche Notoperation innerhalb 48 Stunden
bei kalkulöser Anurio die Nephrotomie in Frage. Ist die betroffene
Niere bereits funktionell zerstört, so wird man die Nepbrectomie
daran scbliessen. Auch die Eröffnung der reflektorisch ausser
Funktion gesetzten Niere beseitigt oft die Anurie. Die Operation
ist eine dringliche, wenn sich ein septisches KrankheitsbÜd ent¬
wickelt hat oder bedenkliche Blutungen drohen. Notwendig ist die
Operation ferner bei Entwicklung einer Sackniere, bei Festkeilung
von Steinen im Ureter, bei chronisch infizierter Steinniere und
äusserst heftigen Beschwerden. Die Operation kann empfehlens¬
wert sein, wenn bei Nephrolithiasis keine Concremente abgeben,
sich Anzeichen von Blutungen bemerkbar machen und das I.eidw
bei erheblichen Beschwerden fortbesteht.
Koutraindiziert ist die Operation, wenn Koliken vom Abgang
kleinerer Concremente und Perioden völligen Wohlbefindens ge¬
folgt sind.
4. Friedheim, Hamburg-Eppendorf: Snboata&e JCilmiptiir.
Verf. beschreibt zwei sehr intereasante Fälle von subcataner
Milzruptur. Bei dem einen handelt es sich um einen Kutscher
von 25 Jahren, welcher durch einen Hufschlag in die linke Seite
verletzt wurde, bei dem anderen um einen Knaben von 4 Jahren,
der durch Überfahren verunglückte, ln beiden Fällen wurde der
mittlere Baucbscbnitt gemacht, an dem sich ein linksseitiger Qaer-
scbnitt anschloss. Die Milz wurde nach Unterbindung der Ge-
fksse exstirpiert und der Blutverlust durch intravenöse Kocbsalzin*
fusionen ersetzt. Heilung erfolgte in beiden Fällen ohne jede Störung.
5. Gonradi, Neunkirchen: Ein Verfahren nm Hachweii
der Typhuserreger im Blut.
Verf. hat sich mit der Ausarbeitung einer Methode zum
Nachweis der Typhuserreger im Blut eingehend beschäftigt. Er
empfiehlt folgendes Verfahren, 90 ccm Rindergalle werden mit
10 g Pepton und 10% Glycerin versetzt und sterilisiert. Diese
Galle füllt man in 9 cm lange, 18 mm weite Glasröhrchen mit
Gummipfropfen. Die Galle hat nämlich die Eigenschaft, die Ge¬
rinnung des Blutes zu verhindern und zugleich einen günstigen
Nährboden für die Bazillen abzugeben. Der Zusatz von Glycerin
soll die Entwicklxiug von Saprophyten verhindern. Das Blut wird
entweder durch Venäsektion oder durch Einstich in das Ohrläpp¬
chen gewonnen und im Verhältnis von 1 : 3 mit der Galle ge¬
mischt. Von diesen angebrüteten Gallenröhrohen werden in be¬
kannter Weise Plattenkulturen angelegt. In 28 TyphusfäUen
fand Verf. auf diese Weise 22 mal TyphusbaziUen und 6 mal Para-
typhusbazUlen. Auch bei entfieberten Typbusrekonvaleszenten und
Typhus levis konnte Verf. Bacillen im Blute nachweisen, sodass
er damit die Anschauung Schottmüllers Uber die Pathogenese
des typhus abdominalis widerlegen zu können glaubt. Aocb
scheineu die Beobachtungen des Verf. zu lehren, dass aus der
Menge der in den Kulturen nachgewiesenen Keime prognostische
Schlüs.se nicht gezogen werden dürfen.
6. Jacoby, Breslau: Zur Badiombehandlong des Traohonu.
Verf. hat 8 Fälle von Trachom und 3 Fälle von Conjunc¬
tivitis-follicularis dem Vorgänge Gohn’s folgend mit Radium be¬
handelt. Die Ergebnisse dieser therapeutischen Versuche fasst
Verf. folgendermaßen zusammen: Ein gewisser F^influss der Radiam-
strahlung auf das Trachom scheint vorhanden zu sein. Es ist
noch nicht erwiesen, wie weit durch andere, bisher unbeachtete
Factoren der Behandlung gefördert wird. Die Erfolge der Ra-
diumbehandluDg stehen denen der mechanischen, medicamentöseu
Therapie au Sicherheit uud Dauer weit nach. Durch die An¬
wendung des Radiums wird im allgemeinen nur Zeit verloren,
wenn auch eine direkte Schädigung nur bei progressiven Prozessen
durch das Aufschieben einer schneller wirkenden Behandlung
herbeigeführt wird. Diese wichtigen Resultate sind geeignet, die
etwas wilde Begeisterung für die Radiumtherapie ein wenig za
dämpfen.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
47
7. Wieth, EhrznatiQ, Ludwigshafen, Mannheim: Unter*
snchnngen und Beobachtungen ttber Altere nnd nettere Balea-
mioa.
Die Verf. haben die üblichen Balsamica einer eingehenden
Prüfung in pharmakologischer und medicinisdber Hinsicht unter¬
zogen; Sie gelangten zunächst zur Herstellung eines geschmack-
und geruchlosen Esters des Santalols an Salicylsäure gebunden.
Dieser Ester „Santyl^* genannt, reizt den Magendarmtractus in
keiner Weise und wird ganz allmählich in seine Componenten
unter Abspaltung von Salicylsäure zerlegt Die klinische Prüfung
dieses Präparats, liess es als sehr günstiges Adjuvans bei der
natürlichen unentbehrludien lokalen Behandlung der Gonorrhoe er¬
scheinen. Das Präparat wird von der Firma Enoll in Ludwigs¬
hafen hergestellt. Die Medication kann bei seiner Geschmack¬
losigkeit in Form von Tropfen erfolgen.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 3.
1. Neisser, Sachs, Frankfurt a. M.: Die forensische Blut*
differenzienmg durch antihämolytische Wirkung.
Anknüpfend an frühere Mitteilungen (Berl. klin. Wochenschr.
1905 No. 44) teilen die Verf. folgendes Verfahren mit: Zunächst
stellt man die komplett lösende Dosis des Kaniuchenserums gegen¬
über Hammelblut fest, me betrug in den mitgeteilten Versuchen
0,25 ccm. Man nimmt 0,25 ccm Kaninchenserum und mischt dieses
mit der auf Menscdienblut zu prüfenden Flüssigkeit und dem Anti¬
serum, dieses letztere wird gewonnen von Kaninchen, die vorher
mit Menschenserum behandelt worden sind. Das Gemisch bleibt
1 Stunde bei 37®, dann erfolgt Zusatz von 1 ccm 5®^ Hammelblut
und abermaliges Verweilen bei 37®. Ist eine Hämolyse nicht er¬
folgt, dann ist der- Nachweis des Menschenblutes geführt. Den
Verfassern scheint diese Methode als Ergänzung der Uhlenhuth-
Wassermann’schen Reaktion eine grosse forensische Bedeutung
zu haben.
2. Meitzer, New*York: Die hemmenden nnd anästhesie*
renden Eigenschaften der Magnesiumsalze.
Verf. hat, von theoretischen Überlegungen ausgehend, höchst
interessante Versuche über die Wirkung von Magnesiumsalzlösungen
auf Tiere angestellt. Das Resultat derselben war so überrasohend
und auffallend, dass er zu weiteren Versuchen an Menschen über¬
ging. Im Verein mit mehreren Kollegen hat er bei 12 teils
schweren imd schmerzhaften Operationen die Anästhesierung mit
sterilen Lösungen von Magnesium sulfuricom angewandt. Er ver¬
fuhr folgendermaßen: Von einer 25%Lösung des Salzes wurden
je 1 ccm pro 12 Kilo Körpergewicht intraspinal einverleibt. Nach
einigen Stunden, man muss lange genug warten, trat völlige Parese
und Anästhesie der unteren Körperhälfte ein und es konnte schmerz¬
los operiert werden. Sehr merkwürdig war die Beobachtung, dass
nach Verstreichen weiterer Zeit eine tiefe allgemeine Narkose ein-
setzte, die in einem Falle 5 bei einem anderen 20 Stunden anbielt,
ohne dass das Herz oder der Blutdruck irgendwie beeinflusst wurde.
Als bei dem einen Fall die Atmung auf 10 pr. m. sank, wurde
eine Lumbalpunktion gemacht, ein ganzes Teil Cerebrospinalflüssig¬
keit abgelassen, sterile Kochsalzlösung eingespritzt, wieder abge¬
lassen, kurz, der Kanal aasgespült. Die Patienten konnten bei
Anwendung von ganz geringen Dosen Chloroform sehr leicht nar¬
kotisiert werden. Allgemeine Magnesium-Narkose ist wahrschein¬
lich leichter zu erreichen, wenn man pro 9 Kilo Körpergewicht
1 ccm einer 25 Lösung anwendet. Verf. hält das Verfahren für
ganz ungefUhrlich, empfiehlt aber die Spülung des Spinalkanales
in der angedeuteten Weise post operationem und die Bereitstellung
alles Nötigen für künstliche Atmung, da allein diese in gewisser
Weise gefährdet erscheint. Da Magnesiumsalze normaler Weise
im Körper Vorkommen, spricht Verf. die Vermutung aus, dass die¬
selben vielleicht physiologisch als „Ruhestifter“ dienen. Obwohl
aus diesen 12 F^len ein abschliessendes Urteil nicht zu ziehen ist,
erscheint doch die ganze Frage so bedeutungsvoll und im Hinblick
auf die bisherigen Erfahrungen mit der Rückenmarksanästhesie so
aussichtsreich, dass eingehende Nachprüfungen erwünscht sind.
3. Beitzke, Berlin; th>er den Naokweis von Bakterien
im Blnt nnd seine Bedentnng.
Auch der praktische Arzt soll sich heute in gewissen Grenzen
mit dem Bakteriennachweis im Blut befassen, wenn es auch nur
insoweit geschieht, dass er das für bakteriologische TJntersuch-
ungsämter brauchbare und notwendige Untersuchungsmaterial selbst
herrichtet. Für die Untersuchung des Blutes auf Bakterien kommt
die mikoskopische Untersuchung nur in besdiränktem Maße in Be¬
tracht, lediglich die Prüfung auf Tuberkelbazillen gibt hier ein¬
deutige Resultate. Für diese kommt die von Jousset angegebene
^Inoskopie“ in Frage, dieselbe hat den Zweck, gleich mehrere
Kubikzentimeter Blut der mikroskopischen Durchmusterung zu¬
gänglich zu machen. Es geschieht das in folgender Weise. Das
Blutgerinsel und die Zellen werden in Kalilauge oder künstlichen
Magensaft zur Auflösung gebracht und das Untersuchungsquantum
dann zentrifugiert und der Bodensatz mikroskopiert. Für alle
anderen Fälle kommt nur das Kulturverfahren zur Anwendung. Das
Blut wird nach sorgfältiger Desinfektion der Haut aus einer ober¬
flächlichen Hautvene eventuell unter Stauung mit einer Spritze
aspiriert (etwa 5 ccm) und sogleich auf geeignete Nährböden (Agar
oder Bouillon) verteilt. Handelt es sich um Leichenblut, so ent¬
nimmt man dieses nach oberflächlicher Verschorfung der Herz¬
muskulatur ebenfalls mit der Spritze aus dem Herzen. Die weitere
Untersuchung der so vorbereiteten Kulturen übergibt man am
besten einem Bakteriologen. Diagnostisch und prognostisch kann
die Blutuntersuchung von grosser Bedeutung sein, sie wird tment-
behrlich bei dem weiteren Ausbau der Serumtherapie werden.
4. Schloesser, München: Zur Behandlung der Heura^en
durch Alkoholeinspritzungen.
Verf. knüpft an die in unserer Wochenschrift Seite 19 referierte
Veröffentlichung Ostwald’s, Paris, an und warnt die Kollegen vor
der Ausführung dieser Therapie, ehe seine eingehenden Mitteilungen
über diese von ihm inaugurierte, in seiner Klinik von Ostwald
kennen gelernte, Methode erschienen sind. Wir brachten schon in
dem damaligen Referate unsere Bedenken wegen der Kompliziert¬
heit der Technik zum Ausdruck und finden diese durch die Warn¬
ung des Verf. vollauf bestätigt.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 2 .
1. Boudi, Schwarz, Wien: Über die Einwirkung von
freiem Jod auf Azetessigsäure und deren Hachweis im Ham.
Das freie Jod bildet mit Azetessigsäure Jodaceton und diese
Reaktion haben die Verfasser für die Harnuntersuchung bearbeitet
und brauchbar gestaltet. Man setzt zu 5 ccm Ham etwa 1 ccm
Lugol’scher Lösung und kocht. Entwickelt sich ein heissender
Gemch (Jodaceton), dann ist die Anwesenheit von Azetessigsäure
erwiesen. Msin kann die Reaktion auch noch vorsichtiger gestalten.
Zu 5 ccm Ham lässt man aus einer Pipette oder aus einem Tropf¬
röhrchen die Jodlösung tropfenweise zufliessen. Die ersten Tropfen
werden prompt entfärbt und man setzt so lange Jodlösung zu, bis
die Flüssigkeit orangerot wird; bei ganz gelindem Erwärmen ver¬
schwindet die Färbung und man fthrt mit Eintropfen fort, bis der
Ham auch in der Wärme deutlich rot bleibt. Kocht man dann
einmal auf, so spürt man bald den stechenden Gemch, derselbe
macht sich noch besser bemerkbar, wenn man das heisse Gemisch
auf ein Uhrschälchen giesst. Die Reaktion ist viel empfindlicher,
wie die Gerhard’sche Eisenchloridprobe, jedoch sie gelingt nur bei
neutralem oder schwach saurem Ham, das letztere erreicht man
durch etwas Essigsäure.
2. Kühnei, Wien: Zur medicamentüsen Behandlung des
Fiebers bei Lungentuberkulose.
Von den Antipyreticitis konunt vor allem das Antip 3 rrin und
seine Derivate in Betracht. Antipyrin gibt mau 0.5 pro Dosi
mehrmals täglich bis zu 4 Gramm pro die. Neben oft beobachteten
gastrischen Störungen sind auch unerwünschte Nebenwirkungen
von Seiten des Zentralnervensystems nicht selten. Auch die ver¬
mehrte Transpiration ist lästig. Auch das Dimethylamido-Anti-
pyrin (Pyramidon) zeigt ähnliche Nachteile. Bei Antifebrin (Ace-
tanilid), welches in etwas grösseren Dosen gegeben wird, beob¬
achtet man nach längerem Gebrauch Cyanose und Anilinkachexie,
auch vermehrter Schweiss und iKollapserscheinungeu treten auf.
Das Phenazetin in einer Maximaldose von 1,00 pro Dosi und 3,00
pro die wirkt ganz ähnlich, verursacht aber auch für schwäch¬
liche Personen unerwün.schte Vermehrung der Schweisse. Das
Citrophen, eine Verbindung von Phenetidin mit Zitronensäure im
Verhältnis von 3:1, scheint in der Wirkung unzuverlässig. Es
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48
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 4.
wird in Dosen von 0,5 bis 1,0 gereicht. Verf. hält das^Lakto*
phenin, ein Milchsänrederivat des Phenetidins, fUr besser wirkend,
DoBisO,5bis 1,0. BHneganz besondereBedeuüingalsAntipyreticam bei
Phthisikern scheint dem von der Firma Bayer in Elberfeld erzeugtem
Mareti z'.'zumeasen sein. Das Maretin ist Karbaminsänre-m-Tolyl-
hydrazii. Die Dosis ist 0,1 bis 0,5. Verf. hat 50 Fälle von
Phthisis pulmoniam mit Maretin behandelt. Das Mittel machte
keinerlei gastrische Störungen. Die Schweisse hörten nach einer
unter Maretinbehandlung ziemlich sicher zu erreichenden Äfebrili-
tät auf. Eine bei der Maretindarreichung auftretende Gelbfärbung
der Haut scheint ohne irgend welche Bedeutung zu sein.
Vermischtes.
Drosdon. Am 2.—6. März 1906 wird die Baineologische
Gesellschaft, die Sektion der Hufeland’schen Gesellschaft, in Ge¬
meinschaft mit dem Zentralverbande der Balneologen Österreichs
hierselbst tagen. Das Entgegenkommen der Behörden, sowie
seitens der Aj^te Dresdens versprechen eine besonders rege An¬
teilnahme am Kongress. Vorträge werden unter anderen halten
die Professoren Curschmann, F. A. Hoffinann (Leipzig), A. Schmidt
(Dresden), Galewsky, Wintemitz, Kisch und andere.
Balin. Die Deutsche Arzneitaxe für 1906 ist erschienen.
Von den Medikamenten sind 219 im Preise ermässigt, 178 erhöht;
unter den letzteren befinden sich Morphium, Bromsalze, Ipeca-
cuanha, Veronal.
Chftriottonburg. Dr. Th. Weyl, Privatdozent für Hygiene
an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, ist von der
Association generale des Ingenieurs et Hygi^nistes Municipaux de
France zum Ehrenmitglied gewählt worden.
Blrkenwerder. Das früher unter Leitung von Dr. Ziegel-
roth stehende nachher anderweitig verwaltete grosse Sanatorium
ist seit Oktober durch Pacht von dem Berliner Arzt Dr. A. Sper¬
ling erworben worden. Die gänzlich neu renovierte \md allen
Anforderungen der Neuzeit entsprechende Anstalt wird der Be¬
handlung von Nerven- und Stoffwechselkrankheiten dienen.
Breslau. Um den Mangel an jüngeren Ärzten, unter
dem die Provinzialverwaltungen zu leiden haben, abzuhelfen, hat
der Provinzialausschuss flir die Provinz Schlesien beschlossen,
dnrchgehends bei den Provinzial-Heil- und Pflegeanstalten sowie
bei den Hebammenlehranstalten bessere Anstellungsbedingungen
festzusetzen.
MOnchan. Der Verein zur Unterstützung invalider Ärzte
in Bayern hat die Angliederung einer Witwenkasse beschlossen.
— Laut Bekanntmachung des Ministeriums des Innern vom 10.
Dezember 1905 hat der Prinz-Regent den zur Zeit bestehenden
Ärztlichen Bezirksvereinen in Bayern die Rechtsfähigkeit als Ver¬
eine des öfifentUchen Rechts verliehen.
Wien. Obersanitätsrat Dr. J. Daimer ist als Nachfolger
des verstorbenen Dr. von Kusy zum Referenten für Sanitätsan¬
gelegenheiten im Ministerium des Innern ernannt.
Bad'DQrkheim. Dr. med. Fritz Kaufmann, hat seine
Praxis von hier nach Mannheim verlegt.
Heidelberg. Zur Erweiterung des neuen Krebs-Instituts ist
von Geh. Rat. Czerny ein benachbartes Anwesen um 120000 M.
angekauft worden.
Hochschulnachrichten.
Berlin: Generalstabsarzt Dr. 0. Sc h je min g ist zum ordent¬
lichen Honorarprofessor ernannt.
Breslau: Dr. H. Triepel, Privatdozent für Anatomie in
Greifswald ist als L Prosektor an das Anatomische Institut be¬
rufen.
Greifswald: Prof. Dr. R. Bonnet hat den Charakter als
Geheimer Medizinalrat erhalten.
Freiburg i. B. Professor Schmorl-Dresden hat den Ruf
als Nachfolger Zieglers angenommen.
Königsberg. Der Privatdozent der Chirurgie Dr. Richard
Runge, Oberarzt der chirurgischen Universitätsklinik, wurde zum
Professor ernannt.
München. Privatdozent und 1. Assistent der Münchener
dermatologischen Klinik Dr. Jesionek hat einen Ruf als ausser¬
ordentlicher Professor der Dermatologie an die Universität Giessen
erhalten und angenommen.
Wien: Dr. J. Donath, Assistent an der I. Medicinischeo
Klinik, hat sich für innere Medicin habilitiert.
Würzburg. In Anerkennung seiner Verdienste um die Elr-
forschung der osmotischen Eigenschaften der Zellen, des Mecha¬
nismus der Narkose and der Bedeutung der Mineralbestandteile
für die Zellfunktionen hat die medicinische Fakultät den alle 3
Jahre von ihr verteilten Preis der Franz v. Rinecker-Stiftung Dr.
EL Over ton, Assistenten am Physiologischen Institut zu Würz¬
burg, zuerkannt.
Neu niedergelassen
haben sieh ln
Hartbaa b. Cbemnitz. Dr. med. Qöckeritz. — Wiesbaden. Dr. med.
Elisabeth FOllinger. — Bonn-Poppelsdorf. Dr. med. H. Weidenhaupt. —
Hobetisalza. Dr. med. v. Wilczewski. — Barmen. Dr. med. L. Trier. —
Zeche Graf-Schwerin bei Castrop. Dr. niod. Runge. — Breslau. Dr.
med. Galley. — Grutsebno. Dr. med. Mai. — Ranxef-Schwerin. L)r. med.
Runge. — Nüruberg. Augenarzt Dr. med. Wilh. Pütt.
Familien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Lotte Landecker in Doelitz i. P. mit Bm. Dr. med. Wilb. Nico¬
lai io Beutben a. 0. — Fr. Amalie Deiler in Rudolstadt mit Hm. Dr.
med. Adolf Heiler in Reit t. Winkel (Ober-Bayern).
Term&hlt:
Herr Wilhelm Kcker, prakt. Arzt, mit Frl. Maria Frey, in Bonn.
Geboren:
Einen Sohn: Hm. Dr. med. R. G. Patton in Köln. — Hm. Dr.
med. Wilde in Cettorf. — Hm. Dr. med. Leonb. Baurmann in Aachen. —
Eine Tochter: Hm. Stabsarzt Dr. Metz. — Hm. Stabsarzt Dr.
Spüler in Jena. — Hm. Dr. med. Adolf Ketteier in Esson-Rfittenacbeid.
Ein Zwillingspaar: Hm. Dr. med. H. Rensbui^ in Elberfeld.
Gestorben:
Dr. med. Hermann Kühn in Hoya. — Dr. med. Job. Hiebei in Winter¬
thur (Schweiz). — Heinrich AomUller, pr. Arzt in Weissenstatlt. — Sanitäts¬
rat Dr. Robert Bernard in Kätscher. — Dr. rood. Georg Lazarus io Char-
lottonbui^. — Geb. Sanitätsrat Dr. Carl Keim in Magdeburg — Dr. med.
Job, Brandt in Blankenburg. — Dr. med. W. Krause in Kassel. — Dr.
med. Wilb. Bohrens zu St. Johann. — Sanitätsrat Dr. Klemm in Ebeleben
{Sebw. S.). — Dr. med. Friede in ßendzin. — Dr. med. Erich Schwartz-
kopfl in Magdeburg — Dr. med. August Bode in Bonn.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adresse: Ärztliches Anskanfls-Bureau des SesohSfU-AuMebnesM der
Berliner ärztllohrn Standeevereine in Nedioiniechen Waarenbanse (Akt.-
Bee.). Berlin N., Frledriohetraese 1081.
Für pertSaliche Rücksprache ist Herr Dr. Joaehlw tEfflieh Ulir in
Medicinisch.n Waarenhause anwesend (Mit EÜtieer Erlaubnis des UescnXfis-Ausachusses
der Berliner ärztlichen Standetvereine Tom Auskuntts-Bureau der Med, Woche übennitteU.
In Sachsen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1940.
In Berlin wird für sofort ein Assistent ^r augenärztl. Poliklinik ge¬
sucht. Näheres unter No. 1945.
ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1951.
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1956.
In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1959.
In Westpreusseo wird für sofort ein kreisärztlicb geprüfter Vertreter
gesucht. Näheres unter No. 1970.
In der Rheinprovinz wird für Ende Januar ein Vertreter gesucht.
Näheres unter No. 1982.
In der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht
Näheres unter No. 1984.
In der Mark wird für eine Kinderheilstätte zum 1. April ein Assistent
gesucht. Näheres unter No. 1987.
In einer Universitätsstadt Mitteldeutschlands wird für chimi^. Klinik
sofort ein Assistent gesucht Näheres unter No. 1988.
Veraniwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin W. ei, Kurfnrstenvtr. 81. — Verlas Ton Carl Marhold. Halle a. S.
Druck von der lleynemauD'schen Buchdruckerei, Gebr. WolfT, Halle a. S.
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Medicinische Woche
R. Deatschmanr, A. DQhrssen, A. Hotfa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg >. Br.
H. Senator, R. Sommer,
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Verlag und Expedition
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Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K< Partsch, H. Rosin, H. Sehlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unrerricht, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W* 62« KnrfflrstenstraMe 81«
Dr. P. Meißner.
vn. Jahrgang. 29. Januar 1906. Nr. 5.
Die .Medi cinische Woche^ erscheint jeden Montag mit der Beilage Balneologische Centralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen BSderverbandes, des Schwarzwald-
bidertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buch¬
handlung. die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle .n.S. entgegen. Inserate werden für die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit SO Pf. berechnet.
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Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit QueQenangabe gestattet
Originalien.
Über Gebrauch und Missbrauch von Atropin
in der Augenheilkunde.
Von R. Deatsebmann, Hamburg.
Zweifellos nimmt in dem verliäUnismäßig kleinen, not¬
wendigen Arzneiachatz des Augenarztes das Atropin einen her¬
vorragenden Platz ein. Kannte man auch seit langer Zeit die
Wirkung der Belladonna als eines pupillenerweiternden Mittels,
so fanden doch, nach Snellon jr., erst im Jahre 1868 Mein,,
Geiger und Hesse, dass die chemische, wirksame Substanz,
der me bekannten Eigenschaften zukamen, ein Alkaloid sei,
dem sie den Namen Atropin beilegten. Dasselbe bildet mit
Säuren Salze, welche leicht wasserlöslich sind, und von diesen
Salzen ist das Sulfat das allgemein gebräuchlichste. Donders
war es besonders, der die Wirkung des Atropins auf die Pu¬
pille und die Akkomodation studierte.
Nach Einbringen einer Lösung von Atropin, sulfur. in
Wasser, oder dieses Mittels in Form von Salbe oder event in
Substanz in den Bindehautsack, findet eine Diffusion desselben !
durch die Hornhaut statt; im humor aqueus lässt sich dann
nach verschieden langer Zeit das Alkaloid nach weisen, wo es
direkt auf die glatten Muskelfasern einwirkt und sowohl Pu¬
pillenerweiterung, als Lähmung der Akkomodation hervorbringt.
Der Nachweis des Alkaloids im Kammerwasser wird dadurch
geführt, dass dasselbe einem Versuchstier in den Bindehaut-
sack eingebracht, bei diesem wiederum eine Pupillenerweiterung
erzeugt. Die Menge des Atropins, welche, in den Bindehautsack
gebracht, noch imstande ist eine Wirkung zu entfalten, ist
eine sehr minimale. Nach Jaarsm a ist die schwächste Lösung,
welche noch Mydriasis hervorruft, eine solche von 1:18000
Wasser. Die volle Wirkung erzielte Donders noch mit
einer wässrigen' Lösung von 1:120. Auf die Wirkung des
Atropins hat der Trigeminus keinerlei Einfluss; die Wirkung
wird durch Lähmung resp. Durchschneidung dieses Nerven
nicht beeinträchtigt. Bei vollständiger Okulomotoriuslähmung
lässt sich die mittelweite Pupille durch Atropin noch mehr er¬
weitern, eine Beobachtung, die zu der Annahme führte, dass
dieses Mittel gleichzeitig einen Reiz auf den Dilatator pupillae
ansübe.
Snellen jr. meint, die Wirkung des Atropins sei nicht
änzlich unabhängig von zentraler Innervation; denn wenn
er nervus sympathicus vorsichtig durchschnitten sei, wird die
Pupille derselben Seite durch Atropin nicht so stark erweitert,
■wie die der unverletzten Seite. Die Berechtigung dieser An¬
schauung steht und fallt mit der Frage der Existenz eines
vom Sympathicus innervierten musculus dilatator pupillae. Er¬
kennt man das Vorhandensein des Letzteren an, dann bedarf
es keiner Korrektur der Donders’schen Anschauung; es würde
sich die geringere Erweiterung der Pupille auf der Seite der
Sympathicusdurchschneidung damit erklären, dass das Atropin,
da infolge der letzteren die Pupille natürlich sich stärker verengt
hat, hier sowohl einen weit erheolicheren Widerstand des sphincter
zu überwinden hat, als auch eine Wirkung auf den gelähmten
Dilatator nicht hervorbringen kann.
Nach der Wirkungsweise des Atropins, die Pupille zu er¬
weitern nnd unbewegliÄ zu halten und durch Lähmung des Ciliar¬
muskels jede Anstrengung der Akkamodation unmöglich zu machen,
sollte man annehmen, dass dieses Mittel nur dann in Anwendung
ebracht würde, wenn es gilt, einen solchen Effekt zum besten
es Auges eiutreten zu lassen, das heisst Verwachsungen des
Pupillarrandes der Iris zu zerreisseu oder zu verhüten, event.
durch Lähmung des Ciliarmuskels dem Einfluss schädlicher
Zerrungen zu begegnen oder sich die Erweiterung der Pupille
rein mechanisch nutzbar zu machen; aber dem ist leider nicht
so. Das Atropin wird oft in der widersinnigsten Weise ver¬
wendet und nicht nur nutzlos verordnet resp. ärztlicherseits
den Patienten eingetropft, sondern es wird diesen damit vor¬
übergehend und dauernd oft ein ganz wesentlicher Schaden zu-
gefü^. — Hierauf näher einzugeben, halte ich, namentlich im
Interesse des praktischen Arztes, der sich nicht, "wie es der
Spezialist könnte, über alle einschlägigen Tatsachen jederzeit
bequem zu orientieren und Rechenschaft zu geben vermag,
für dringend erwünscht.
Es kann nahezu als Regel bezeichnet werden, dass Pa¬
tienten, denen ein Fremdkörper in den Bindehautsack geflogen
ist, oder auf die Cornea gelangt ist, sei es nun ein Staubkorn
oder ein Kohlenstückchen, sei es ein Stahlfunken oder sonst
ein Metallpartikelchen, wenn sie bereits einen Nichtspezialisten
konsultiert haben, mit Atropinmydriasis, mit oder ohne corpus
alienum, in unsere Sprechstunde kommen. Im ersteren Falle
klagen sie über die Sehstörung, im letzteren über die Seh¬
störung und die Beschwerden seitens des Fremdkörpers, vor¬
nehmlich aber beschäftigt sie auch daun die Sorge um ihr
I Sehvermögen. Und in der Tat steht der diesen Kranken
durch Atropineintropfung zugefügte Schaden gewöhnlich in
gar keinem Verhältnis zu der Geringfügigkeit ihres Augen¬
leidens. Sie sind tagelang geblendet und was, da es sich
meist um Arbeiter handelt, viel wichtiger ist, tagelang
arbeitsunfähig; denn meist hat der Arzt die übliche 0,5®ife
Lösung vorrätig, die unter Umständen eine recht langdau¬
ernde Wirkung ausübt. Dazu kommt aber noch ein weiteres
Moment, was in Betracht zu ziehen ist. Die Atropinlösung
pflegt manchmal monatelang in dem ärztlichen Arzneikasten
zu stehen, woraus sie schliesslich in einem nichts weniger als
aseptisch zu nennenden Zustande benutzt wird. Abgesehen
von daraus entstehenden infektiösen Conjimctivalkatarnien ist
besonders au eine Infektion eines durch den Fremdkörper oder
durch das ihn entfernende Instrument hervorgebrachten Epithel¬
defektes der Hornhaut zu denken, mit allen seinen deletären
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MSDICD7ISCHB WOiJUE»
Nr. 6.
Folgen. Da eine Infektionsgefahr für das Auge des Patienten
auch bei anderweitiger Verwendung derartiger Atropinlösungen,
als gerade bei Fremdkörpern, besteht, so ist auf alle Fälle
zu empfehlen, nur solche vorrätig zu halten, die mit Sublimat
1 : 5000 versetzt sind.
Aber das Atropin birgt auch noch eine andere Gefahr,
deren hier gleich gedacht sein mag, eine Gefahr, die dem Auge
bereits nach Einbringung eines Tropfens der Lösung in den
Bindehautsack erwachsen kann — ich meine die Dnicksteige-
rung, das Glaukom. Zweifellos i.st der Einfluss des Atropins
auf den Augendruck des gesunden Auges noch nicht einwands¬
frei festgestellt.
Während früher behauptet wurde, dem Atropin käme eine
den Augendruck herabsetzende Wirkung zu, fanden sich später
Experimentatoren, die als Ergebnis ihrer Untersuchungen die
Mernntsg äusserten, dass durch Atropin, in der gewöhnlich zur
EfzeugiTDg der Mydriasis gebrauchten Dosis, der Angendruck
erhöht werde. Leber ist der Ansicht, dass die verscliiedeneii
Ergebnisse der Autoren sich wohl durch die Annahme in
Einklang bringen lassen würden, dass das .4tropiu den intra¬
okularen Druck beim normalen Auge in verschiedener Weise
beeinflusst, dass ihm ausser einer druckherabsetzenden auch
eine dnicksteigenide Wirkung zukoramt, und dass je nach den
Umntarrden des Versuches bald die eine, bald die andere Wir¬
kung mehr hervortritt. Anders aber bei «disponierten“
Augen; hier hat die klinische Beobachtung unleugbar fest¬
gestellt, dass eine schon vorhandene Dmcksteigerung durch
Atropin in der Regel noch gesteigert wird und dass, wo eine
solche bis dahin nicht vorhanden war. sie sofort durch das¬
selbe hervorgernfeii werden kann, so dass ein typischer Glau¬
komanfall ansgelöst wird. Es ist bezüglich der Pathogenese
dieses Vorganges wahrscheinlich, dass es die Pupillener¬
weiterung ist, welche ihn in Erscheinung treten lässt. Es
ist nicht anzunehmen, dass die Gefässerweitening, die das Atropin
erzeugt, hanptsächlich ins Gewicht fällt, da dass Kokain, das
mit Gefössverengening einhergeht, in gleicher Weise unter
Unstäuden drucfcerhöTiend wirkt: beiden Mittoln gemeinsam
ist aber die Pupillenerweitemng. Nimmt man nun an, dass in
sogenannten zu Glaukom disponierten Augen, d. h. solchen,
welche zur Zeit noch normal scheinen, ebenso wie hei
schon Drucksteigernng zeigenden Augen, durch Anlegung der Iris
an den Corneoscleralrand der Kammerwiiikel verengt und da¬
durch die Filtration in den circulne venosus erschwert ist, so
läest sich leicht verstehen, dass die Iris, wenn sie durch starke
Ek^eiteruny der Pupille verdickt und nach dem Kainmerwinkel
FeuiHeton.
Der mssische Arzt und dessen Bedentnng für
die knltnrelle Entwicklmig Russlands.
Vor ungeföjhr 2 Jahren ist in dieser Wochenschrift eine
k-leme feuilletonistische Abhandlung erschienen, die als Ein¬
leitung zu einer vSerie zwangloser Abhandlungen über den
russischen Arzt gedacht war. Es sollten nach und nach die
Schul- und Universitätsjahre des angehenden nissischen Arztes,
seine Beziehungen zum Lehrkörper der Schule und der U^ni-
versität, seine, d. h. des angehenden russischen Arztes, Stellung
in der Gesellschaft (so komisch es dem deutschen Ohr auch
klingen mag, so ist es doch Tatsache, dass man in Russland,
wo neben Unreife sprichwörtliche Frühreife stets und
allerorts anzutreffen sind, mit Fug und Recht selbst von einer
Stellung der Gy'mnasiasten in der Gesellschaft sprechen kann),
die ärztlich-berufliche, die akademische, administrative Laufbahn
des russischen Arztes, seine Rolle als Führer der Intelligenz,
die Beziehungen des russischen Arztes zu der ärztlichen Welt
des Auslandes, namentlich der benachbarten w’esteuropäischen
Staaten geschildert werden. Aber Pläne haben nun einmal
die Eigenschaft, selten oder W’enigstens nicht immer zur Aus-
hingeschoben ist. diesen ganz verschliessen kann; und damit
ist der Glaukomanfall gegeben. -- So wenig also das Atropin
hei der gewöhnlichen, frischen, unkomplizierten Fremdkörper¬
verletzung angebracht i.st. so wenig ist es in der Regel auch
bei frischen schweren Traumen, die das Auge treffen, mdiziert.
Bei nicht immer mit Berstung des Augapfels und mit nach
aussen kommunizierenden Wunden desselben einhergehenden
schweren Traumen, findet sich gewöhnlich die ganze Augen-
kammer. oder ein Teil derselben, voll mit Blut; die Pupille
aber zeigt sich, wo sie sichtbar ist, erweitert; es besteht eine
traumatische Mydriasis. Hier noch Atropin zu verabfolgen,
ist natürlich gänzlich unangebracht, da nicht nur die schon
bestehende IrisTähmung versclüimmert w'ird, sondern auch durch
Verkleinerung der Iris. d. h. der resorbierenden Oberfläche, die
Aufsaugung des Blutes in der vorderen Kammer verzögert
wird. Ich habe im Jahre 1878 in einer experimentellen Arbeit
nachweisen können. dass die Iris den Hauptanteil an der Re¬
sorption pathologischer Inhaltsmassen in der vorderen Augen-
kammer nimmt; dass bei in die letztere ergossenem Blut ein
Teil dieses Blutes flüssig bleibt und unverändert in die Iris
eindringt, um hier sofoit höcLst wahrscheinlich von den Iris-
gefässen aufgetiommen und in den Kreislauf zurückgeführt zu
werden, während ein anderer Thoil gerinnt und in allen seinen
Bestandteilen regressive Veränderungen erleidet, die ihn zur
Aufsaugung tauglich machen; dass das Atropin wegen der
möglich.st erreichbaren Verkleinerung der aufsaugenden Fläche
einen hemmenden Einfluss auf die Blutresorption ausübt. Dem¬
entsprechend ist bei den oben erw’ähnten Traumen das Atropin
zu vermeiden und eher durch Pilokarpin oder Eserin zu ersetzen.
Ist der Augapfel aber geplatzt, so besteht gleichfalls zunächst
keine Indikation für Atropin, sondern höchstens für geeignete
chirurgische Maßnahmen. (Fortsetzung
Cytori'liyctes oder Spirocliaete paÜidal
(Srhliisa.)
Herrn Hoffmanns Darlegungen trat Herr J. Siegel mit
nachstehender Erwiderung entgegen:
„Nach Herrn Hoffmanns Behauptung bringt die Tiwnfiwig
der Makaken nur eine ganz leichte Reaktion an der mut-
impfungsstelle hervor und niemals sekundäre ErsebeianngeQ.
Das sei von allen Seiten bestätigt. Dem muss ich entgegetthalten.
dass Klebs, Martineau und Nenmann schon in früheren
ftthrung zu gelangen, und namentlich leiden an diesem Übel
Pläne, die von Autoren, zu deutsch „Verfassern**, d. h. von
Leuten, die etwas „verfassen“ wollen, ausgehen und wohl des¬
halb bisweilen kurzweg «Vorfassungspläne“ genannt werden.
Die geplante h’euilleton-Serie ist aus verschiedenen Gründen,
deren Erörterung zu weit führen würde und die infolgedessen
am besten gamiclit erörtert werden sollen, bis jetzt ausge-
blioben, wird aber von nun an voraussichtlich regelmäßig er¬
scheinen. Da es aber nicht ausgeschlossen ist, dass mancher
Leser den vor relativ so langer Zeit orscliienenen Feuilleton
nicht gelesen hat oder sich dessen Inhalts nicht mehr zu er¬
innern vermag, so dürfte es wohl angebracht sein, die damaligen
Ausführungen kurz zu rekapitulieren.
«Der russische Arzt“, heisst es dort, „ist auch nichts anderes
als vor allem das Produkt seiner eigenartigen Umgebung, und
diese Umgebung möchte ich.in ihrer Eigenartig¬
keit, ja für deutsche Begriffe Fremdartigkeit zunächst schildern,
dessen eingedenk, dass man, wenn man den Boden kennt, auch
das kennt, was diesem entspriesst“. Es werden nun die Kreise,
aus denen der russische Arzt in der weitaus grössten Mehr¬
zahl der Fälle hervorgeht, geschildert, die Kreise der selbst¬
losen, geistig ebenso hoch entwickelten, wie materiell niedrig
stehenden russischen Intelligenz, in denen „mehr gelesen,
studiert, philosophiert und über die verschiedensten Kultur¬
fragen debattiert, als gegessen und getrunken, und mehr von
einem Beglücken der gesamten Menschheit geträumt, als um
das eigene Wohl und Wehe gesorgt wird“. In einem Lande,
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1906.
MEDICINI8CHB WOCHE.
48
Jahren ganz einwaodsfrei bewiesen haben, dass Sekundär¬
erscheinungen bei niederen Affen nach der Impfung mit Sy¬
philis auftreten und noch kürzlich ist dasselbe von Zabolotny
(Petersburg) wiederholt Das wäre also, wenn ich mich selbst
mitrechne, mindestens die Hälfte der in Betracht kommenden
Autoren. Als ich sah, dass man bei Skaridkation der Haut
nur eine ganz geringe, gar nicht typisclie Inßltration erhält,
ging ich b^d zur Kinföhrung größerer Virusmengen, Sklerosen*
emulsion oder Blut, auf subkutanem Wege Uber, indem ich mir
sagte, wenn die Resistenz der niederen Affen eine grössere ist
ak die der höheren, so muss versucht werden, sie durch eine
mehr massive Impfmethode zu brechen. Bis jetzt ist es mir
gelungen, bei gegen 30 Affen auf diese Weise Sekundärer-
scbeinnngen, multiple Driisenschwellungen und Hautexantheme
zu erzielen.
Ich halte es nicht für richtig, heute schon auf Grund einer
verhältBiamassig geringen Zahl von Impfungen niederer Affen,
die noch dazu fast alle nach derselben Methode vorgenomnien
sind, von einem Bilde der Affensyphilis zu sprechen. Auch
die vielen Symptome der Mens.chensyphilis haben wir in ihrer
Polymorphie erst im Laufe vieler Jahrzehnte genauer kennen
gelernt, obgleicb die Beobachtung aussergewöhnlich vieler
Kranker möglich war. In solchen noch nicht abgeschlossenen
Fragen wie der Affensyphilis ist nichts schädlicher dem weiteren
Fortschritt unserer Erkenntnis als voreilige Schematisierung.
Gerade die Geschichte der Syphilis ist ein schlagendes Beispiel
dafür,, wie voi'zeitige Schematisierung unberechenbaren Schaden
stiften kann. Ich erinnere nur an die Ricord’sche Lehre von
der Nichtinfektiösität der secundären Lues, die der grosse Ge¬
lehrte aus seinen vielen negativ verlaufenen Beobachtungen
schloss. Negativer Ausfall eines Experimentes selbst in grossser
Zahl beweist in der Biologie nie etwas. Die vielen jahrelang
immer wiederholten negativ ausfallenden Versuche der Ueber-
tragung der menschlichen Variola auf Kälber haben schliesslich
do^ die Erkenntnis nicht verhindern können, dass diese Ueber-
tragung möglich ist. Zum Beweise dafür genügten schliesslich
einige einwandsfreie positive Ausfälle der Impfung.
Der Hinweis, dass soviele Autoritäten sich für die ätiolo¬
gische Bedeutung der Spirochaeten ausgesprochen hatten, be¬
weist noch nicht die Richtigkeit der Sache. Bis jetzt ist nur
das Vorkommen von Spirochaeten iusyphllitischerxHautprodukten
und gelegentlich in Leichenorganen bestätigt, eine Tatsache,
die niemand bestreitet, am wenigsten ich selbst. Bei meinen
vielen Untersuchungen syphilitischen Materials fand ich häufig
genug Spirochaeten, aber nur in Gesellschaft mit anderen Fäul-
wo es noch bis vor kurzem als Staatsverbrechen galt, sich um
Politik irgendwie zu kümmern, und jede aktive leilnalinie am
Öffentlichen Leben des Landes eine Unmöglichkeit w’ar, weil
die Bureaukratie das ganze Regiment, von den machtvollen
Sphären der hohen Politik bis zu den kleinsten Gebieten der
Lokalverwaltung, an sich gerissen und in ihren Händen in bis
zum Zerplatzen straffer Spannung gehalten hat, mussten natür¬
lich die „überschwänglichen Träumereien vom Beglücken der
Menschheit den Gebildeten schliesslich alles ersetzen“, indem sie
ihnen die Möglichkeit gaben, den mächtigen, alles vergessend
machenden und alles überwindenden Drang nach sozial-poli¬
tischer Betätigung w'enigstens theoretisch zu befriedigen.
Andererseits musste in einem Lande, in dem man schon
die polizeiliche Genehmigung einholen musste, wenn 15 Per¬
sonen in irgend einem öffentlichen Lokal eine kleine Geburts¬
tagsfeier veranstalten wollten, in dem ein Universitätsinspektor
si^.sogar zu dem Motto: „Bin Student — Verdacht! Zwei
Studenten — Versammlung! Drei Studenten — Aufruhr!“
verstiegen haben soll, in einem Lande also, wo noch ganz vor
kurzem selbst der leiseste Schatten eines öffentlichen Lebens
undenkbar war, und Alle nur auf ihre vier Wände angewiesen
waren, „sich das außerordentlich rege, höchst intellektuelle
Leben mit all’ den gewaltigen geistigen Exkursionen in das
Gebiet der Pkilosophie, des höheren und höchsten Idealismus,
im Hause, d. li. unter den Ohren und Augen der Kinder ab-
spielen, die bis zu ihrem 9.—10. Lebensjahre, wenn nicht noch
viel länger, eigentlich nichts tun, als die ülmen spitzen und
nisbakterien. Ein Beweis ffir die ätiologische Rolle der Bpiro-
chaeten ist weder von Schaudinn und Hoffmann noch von an¬
derer Seite im geringsten erbracht.
Der anscheinende Siegeslauf der Spirochaete erinnert mich
selir an die Geschichte des Lustgarten’schen Bacillus. Auch
damals und fast noch bis in die Gegenwart wurde die ätiolo¬
gische Rolle desselben von vielen Autoritäten geglaubt
führte zum Beweise seiner Bedeutung auch dam^ nicht nur
den regelmässigen Befund in syphilitischen Hautprodukten an,
sondern auch sein Vorhandensein in syphilitischen Leicheo-
organen wurde nachgewieseu. Und docn hat sich heraus*
gestellt, dass der Lus^aitensche Bacillus ein gewöhnlicher Sa-
prophyt war.
Auch die Spirochaeten gehören zu den geradezu ubiquitären
Fäulnisbakterien. Man findet sie gelegentlich iiberaU, nicht
allein auf der Haut, im Darm, in der Vulva, anf der Haut
von Meuscheo, soudern auch in der Kloake von Fröschen u. s. w.
Von einer bestimmten Artenunterscheidung der Sp. pallida
sind wir noch weit entfernt. Z. B. kann man in der uund*
hoble Spirochaeten finden, die sieb nicht im geringsten von
der sogenminten Sp. pallida unterscheiden.
Die bei der Sichtbarmachung der Spirochaeten am meisten
augowaudten Färbemethoden (Giemsa oder auch Süberfoetijode),
haben die Eigentümlichkeit die kleineren FMllnisbakterien,
Ooccen und kleinste Stäbchen leicht zu verdecken. So k^no es
Vorkommen, dass man bei Giemsafärbung, welche den gesMOien
Ausstrich stark überfärbt, die kaum sichtbaren kleinsten Bak¬
terien übersieht, und dass der Anschein erweckt wird, als ob eine
Reinkultur der grösseren Spirochaeten Vorlage. Ich habe in
solchen Fällen immer Kontrollfärbungtm der Ausstriche mit den
gewöhnlichen Bakterienfarbstoffen gemacht z. B. Boraxmothy-
lenblau und dann mich häufig zu meiuem Erstaunen von dem
Vorhandensein einer ganzen Reihe verschNeuartiger Bakterien
überzeugt.
Meines Erachtens würden die Spirochaeten als Erreger des
Syphilis nur dann diskutabel sein, wenn man sie wie die
Cytorrliycten im frischen Blute des Menschen und in den
I Organen soeben getöteter Impftiere nachweisen könnte und
zwar ohne Beimengung anderer Bakterien. Herr Hoffmann
gab heute Abendzu, <Ns selbst bei einfacher Haiitskarifikation
eine Blutinsektion mit Syphilis bei den Makaken stattfinde.
Demnach müsste es also auch möglich sein, die Spirocdiaeten in
ganz frischen Organen der geimpften Affen nachzuweisen,
wenn sie etwas mit der Syphilis zu tun hätten.“
Diesem Angriff gegen die ätiologische Bedeutung der
den schönen Reden der Erwachsenen lauschen und das Gehörte
mehr oder minder falsch in das weiche kindliche Gemüt und
empfängliche kindliche Gehirn einprägeu“. In Russland kommen
nämlich die Kinder nicht vor dem 9.—10. Lebensjahre zur
Schule, da die Gymnasien, Realschulen etc. nicht, wie in
Deutschland 3, sondern nur eine Vorschulklasse haben und
nur ziemlich fortgeschrittene Kinder aufnehmen. Was Wunder
also, wenn „der mssische Knabe sowohl, wie das russische
Mädchen auf das (Tyiniia.siuDi als fertige Schwärmer kommen,
die sich der ihrer harrenden grossen Aufgaben klar bewusst
sind und die es nicht begreifen können, dass man auf den
Gymnasien .statt mit weltbewegenden Fragen sich mit solchen
lächerlichen Lappalien abgibt wie Deklination, Konji^ation
etc., und statt Kant, Schopenhauer und Nietzsclie so ein rus¬
sisches Lesebuch oder irgend einen Cicero liesst“.
Das sind also die Hauptmomente der damaligen Ausführ¬
ungen, deren Wiedergabe ini Interesse einer besseren Beur¬
teilung der nachfolgenden Ausfühningeii durchaus erforderlich
war, und nun kann ich hüt meinen Schilderungen fortfahren
— dort beginnend, wo ich damals stehen geblieben bin, näm¬
lich bei den Gymnasiasten-Jahren des angehenden russischen
Arztes.
Ich werde nicht umhin können, bei diesem Kapitel etwas
länger zu verweilen — ei*stens weil die Gymnasiasten-Jahre
vielleicht für die ganze Geistes- und Charakterbildung des
I späteren Arztes oder, man kann es getrost sag^, des Führers
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50
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 5.
SpirocKaete^allida trat schliesslich noch {Herr Thesing mit
fmgenden Worten bei:
Da die Spirochaete pallida in Herrn Kowalewski einen so
warmen Verteidiger gefunden hat, gestatten Sie wohl auch
mir, ihr einige Worte zu widmen. So eindeutig, wie Herr K.
es liinstellt, sind die Ansichten über die Spirochaete pallida
denn doch nicht. So hebt z. B W. Scholz mit Recht hervor,
dass sich das so häufige Vorkommen der Spirochaeten in syphi¬
litischen Produkten auch ohne die Annahme einer ätiologischen
Bedeutung ganz zwanglos erklären Hesse. In allen luetischen
Produkten liegt eine Gewebserkrankung spezifischer Art vor,
welche sehr wohl einen spezifischen Nährboden fUr die Spiro¬
chaete pallida abgeben könnte. V erzeihen Sie, meine Herren, wenn
ich, um dieses zu illustrieren, einen etwas groben Vergleich
g ebrauche. Eben so wenig, wie man die regelmäßig im alten
äse vorhandenen Käsemilben für den Reifungsprozess des
Käses verantwortlich machen wird, ebenso wenig ist das häufige
Vorkommen der Spirochaeten in luetischen Gebilden ein Beweis
dafür, dass sie die Erreger der Syphilis sind. Es ist dieses um so
weniger der Fall, als gerade die Spirochaeten zu den am weite-
.sten verbreiteten Eäulnisbakterien gehören, die sich auch nor¬
maler Weise fast regelmäßig an verschmutzten Stellen der
Hautoberfläche, im Smegma, am After und in allen Teilender
Mundhöhle nachweisen lassen. Zahlreichen anderen, als be¬
stätigend angeführten Arbeiten ist aber auch schon darum keine
Bedeutung beizumessen, da den Untersuchern offenbar ganz
andere Spirochaetenarten, als die von den Entdeckern be¬
schriebene Pallida, Vorgelegen haben. Einen typischen Fall
hierfür bietet die Ai-beit von Grouven und Fabry, eine der
wenigen Untersuchungen, welche ihre Behauptung durch ein
Mikrophotogramm zu erhärten versucht. Den beiden Autoren
haben zum Vergleich Originalpräparate von Hoffmann und
Schau dinn Vorgelegen, und das beigegebene Mikrophotogramm
soll denn auch m^ als 30 Exemplare der typischen Spiro¬
chaete pallida enthalten. In Wahrheit zeigt jedoch die Abbild¬
ung nicht eine einzige Pallida, wohl aber zahlreiche ganz flach
ewundene, fadenförmige Spirochaeten, wie solche auch neben
er Spirochaete dentium beim gesunden Menschen häufig im
vorderen Teile der Mundhöhle Vorkommen. Das Pr^arat ist
nämlich ein Ausstrich einer Lippensklerose! Dieser Fall zeigt
klar, dass es eine unbedingte Pflicht, um Irrtum auszuschalten, für
die Untersucher so kleiner Objekte, bei denen der subjektiven
Deutung so wie so ein breiter Spielraum gelassen wird, ist,
ihre Behauptungen durch das objektive Photogramm zu belegen.
Hervorheben möchte ich auch, dass sogar die von Schaudinn
der russischen InteUigenz, entscheidend waren, zweitens weil sich
mir unwillkürlich ein Vergleich der Mittelschulverhältnisse in
Russland mit demjenigen in Deutschland aufdrängen wird.
AUerdings wird sich meine Schilderung hauptsächlich auf den
Hauptrepräsentanten der Mittelschule, das Gymnasium, beziehen,
das bis vor kurzem allein berechtigt war, seinen Zöglingen,
die es fertig bringen konnten, bis zum Schluss in seinen „freund-
Hchen“ Mauern auszuhalten, das Zeugnis der Reife mit auf
den dornenvollen weiteren Weg zu geben und die Pforten der
Alma mater zu öffnen. Jedo^ kann man, ohne irgendwie
fehl zu gehen, sagen, dass es in den anderen Mittelschulen
Russlands nicht viel anders aussah und aussieht als in den
Gymnasien.
Was ist nun der Hauptzug des russischen Gymnasiasten,
der für seine ganze Charakter- und Geistesbildung so ent¬
scheidend ist, der seinem ganzen, auch späteren Tun und
Lassen einen gewissen Stempel aufdrnckt und vielleicht nicht
nur für ihn allein verhängnisvoll ist?
Die Frühreife ist es, die enorme geistige Frühreife,
die beinahe jeden russischen Gymnasiasten zu einem W'under-
kind sui generis macht, das mit gleichem Fug und Recht be¬
wundert werden könnte, wie einer der jetzt so zahlreichen
kleinen Podiumhelden, das aber bisweilen und mit bitterem
Unrecht verhöhnt wurde — leider am häufigsten gerade von
denjenigen, die schon ex officio etwas mehr Verständnis für
die Regungen der Seele des, Heranwachsenden Kindes und des
Jünglings hätten haben sollen. (Fortsetzung folgt.)
und Hoffmann selbst im Mikrophotogramm wiedergegebenen
Spirochaetae pallidae absolut nicht der gegebenen Definition
entsprechen. BekanntHch soll die Pallida enge und steile
Windungen besitzen, ja, die engo Spirale soll bei ihr im Gegen¬
satz zu allen übrigen Spirochaeten präformiert sein. Ferner
wird auf die grosse Zahl der Windungen grosses Gewicht ge¬
legt. In einer der ersten Veröffentlichungen geben nun die
beiden Autoren ein Photogramm eines Ausstriches einer syphi¬
litischen Inguinaldrüse, das 3 Spirochaetae pallidae zeigen soll.
In Wahrheit enthält das Photogramm jedoch nur eine echte
Pallida und daneben 2 ganz fla^e, nur 3—4 Windungen auf¬
weisende Spirochaeten. Entweder ist also die entworfene Art
der Diagnose unrichtig oder aber es kommen bei Inetischen Ge-
webser^ankungen und sogar im Drüsensafte neben der Spiro¬
chaete pallida noch andere Spirochaeten als Saprophyten vor.
Damit hätte aber bereits die Behauptung, dass aerP^idaeiue
ätiologische Bedeutung zukomme, einen schweren Stoss er¬
litten, abgesehen davon, dass sie auch noch aus einer Reihe
anderer Gründe auf recht schwachen Füssen ruht. Einer dieser
Gründe ist, dass Spirochaeten, die sich bisher weder morpho¬
logisch noch färberisch von der Pallida unterscheiden la^en.
die man also, bis das Gegenteil erwiesen ist, als Spiroebaet«
pallida ansprechen muss, auch zahlreich in den verschiedensten
nicht luetischen Produkten (bei Balanitis, im Smegma, im Saft
spitzer Kondylome, in kariösen Zähnen etc.) sicher nachgewiesen
wurden. Darauf haben ausser mir W. Scholz, Kiolomenoglou
und V. Cube nnd einige andere Autoren hingewiesen. Gil)t
doch sogar ein so eifriger Verteidiger der Spirochaete pallida.
wie Kraus in Wien, zu, dass sich dieselbe morphologi8(m nicht
von gewissen anderenSpirochaeten trennen lässt. Ja, Schaudinn
selbst muss zugestehen, dass es Fälle gibt, in denen man zn
keiner Entscheidung gelangen kann, ob man die Pallida oder
eine andere Spirochaetenart vor sich hat. Als sicherstes Unter-
scheidungsmerWal rät Schaudinn in diesem Falle die Messung
der Dicke auf mikrophotographischem Wege. — Eine einfache
Überle^ng muss einem sagen, dass eine mikrophotographischc
Dickenbestimmung bei solch kleinen Objekten so ziemlich das
Unsicherste ist, was man sich denken kann, da, je nachdem
man das Objekt etwas mehr oder weniger scharf einstellt, was
ganz unvermeidlich ist, es dementsprechend dicker oder dünner
erscheinen muss. Aber auch in anderen Punkten entbrechen
Schaudinns Behauptungen nicht den tatsächlichen Verhält¬
nissen. Es ist ein Irrtum, dass nur die Pallida 10—26 enge
Windungen besitzt; ich habe selbst Präparate und Photogramme
von Mundspirochaeten und von Spirochaete Obermeieri mit 10, 12
und mehr engen Windungen. Ebenfalls beruht es auf einem
Irrtume, dass nur die Pallida spitz auslaufende Enden besitzt,
alle übrigen abgerundete. Nach den kürzlich von RobertKoch
in der Deutsch, med. Wochenschr. veröffentlichten Abbildungen
haben die Recurrensspiroebaeten zugespitzte Enden, ja, ein
Mikrophotogramm Schaudinns inNo. 22 derBerl. klin. Wochen¬
schrift beweist, dass auch die Spirochaete refrii^ens keineswegs
abgerundete Enden besitzt, sondern in feine Ritzen ausläuft.
— Nachdem Schaudinn neuerdings endlich den Zusammenhang
zwischen der sog. .Spirochaet Ziemanni“ und den echten
Bakterien-Spirochaeten fallen gelassen hat, (denn das Zurück¬
versetzen dieser Beziehungen in die frühesten Zeiten der
Stammesgeschichte braucht man wohl nicht ernsthaft zu dis¬
kutieren) ist damit auch gleichzeitig die einzige Stütze für die
Zurechnung der Spirochaeten zu den Protozoen ^fallen. Er¬
wähnen möchte ich nur noch, dass auch Robert Koch in der
bereits erwähnten Arbeit sich entschieden gegen die Zugehörig¬
keit der Spirochaeten zu den Protozoen ausspricht, en^ch sei
noch bemerkt, dass die erst neuerdings bei den Spirochäten
beschriebene „undulierende Membran“ nach den ausgezeichneten
Untersuchungen Bütschlis der Protoplasmakörper der Spiro-
ebaeten ist.
Auf den Cytorrhyetes hier noch näher einzugehen, fühl?
ich keine Veranlassung; dass nach meiner Meinung anchgegen
seine ätiologische Bedeutung noch schwere Bedenken bestehen,
brauche ich kaum hervorzuheben. Nur soviel sei erwähnt
dass der Cytorrhyetes ein wohl charakterisierter Organismus (ob
Protozoon bleibe dahingestellt) ist, davon habe ich mich wieder
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
51
holt überzeugt! Eins ist jedensfalls sicher, dass bisher bei
diesen beiden neuesten „Syphüiserregem“ der Beweis für ihre
ätiologische Bedeutung noch aussteht, und dass man bei den
zahlreichen Enttäuschungen, an denen gerade die Syphilis¬
forschung so reich ist, doppelten Grund hat, mit einem defini¬
tiven Urteile zurückzuhalten, bis über die beiden Rivalen und
besonders über den bisher sehr vernachlässigten Cytorrhyctes
eingehende Nachuntersuchungen vorliegen. Eine wirkliche Ent¬
scheidung kann ja erst fallen, wenn Reinkulturen gelungen sind
und Impfungen eine strenge Beweistührung ermöglichen“.
Im Schlussworte verzichtete Herr Hoffmann auf die gegen
die Spirochaete pallida vorgebrachten Einwände näher einzu¬
gehen und weist auf Schaudinns und seine.Arbeiten hin. Er
betont, dass das Präparat aus Doutreleponts Klinik zahlreiche
Exemplare der Spirochaete pallida enthalte, nur sei deren Wieder¬
gabe auf dem gewöhnlichen Druckpapier schlecht gelungen.
Jesionek, unter dessen Leitung die Aroeiten Kiolomenoglou s
und V. Gubes entstanden seien, habe ihm mitgeteilt, dass die
neuen Publikationen nunmehr auch ihm alle Zweifel an der
ätiologischen Bedeutung der wahren Spirochaete pallida ge¬
nommen habe. Kurt Steindorff.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
GeaeUachaft für QehurtafMfe tmd Gyn&kologie
zu BerUtu
Sitzung am 12. Januar 1906.
P. Meyer demonstriert ein Melanosarkom, das von der
rechten kleinen Schamlippe bei einer 47 jährigen Patientin exstirpiert
wurde. Der Tumor war bereits oberflächlich nekrotisiert. Bei
der Patientin waren über den ganzen Körper zerstreut, zahlreiche
Naevi zu sehen, die sich übrigens auch an der Vulva fanden.
Nagel demonstriert 1. ein Ovarialkarcinom (vom linken
Ovarium) und ein carcinomatös degeneriertes Oystom (des rechten
Ovariums), die er durch Laparatomie entfernt hat. Das Cystom
war wegen der intraligamentären Entwicklung schwer zu lösen. —
Glatter Verlauf. Entlassung am 22. Tage. 2. Ein Fibrom des
Ovariums von abnormer Grösse, das nach der Operation 34 Pfund
wog. Das andere Ovarium wurde zurückgelassen. Bis auf einen
Fieberanstieg an einem Tage normaler Verlauf.
Strassmann hält seinen Vortrag: Über die Leitung
der Nachgeburtsperiode: Die manuelle Lösungder Nach¬
geburt sollte möglichst aus der Praxis ausgeschaltet werden. Die
durchschnittliche Mortalität derselben in den Statistiken beträgt
11 ^/}, eine erschrecklich hohe Zahl, wenn man sie mit der Mortahtät
bei Zangengeburten (4%) und beim Kaiserschnitt (8%) vergleicht.
Durchschnittlich ist die Placenta gelöst und exprimierhar
10—15 Minuten post partum. Zu den bekannten Symptomen
fügt Strassmann ein neues hinzu, das bisher in den Lehrbüchern
nicht berichtet und das Strassmann bisher nie im Stich gelassen
hat. Bei geringem Druck auf den Uterus füllt sich die Nabel¬
vene mit Blut und man bemerkt eine Fluktuation und An¬
schwellung der Nabelvene. Ist die Placenta gelöst, so füllt sich
die Nabelvene bei Druck auf den Uterus natürlich nicht mehr.
Im allgemeinen ist die von Ahlfeld immer tmd immer wieder
betonte exspectative Therapie bei der Nachgeburtsperiode die
einzig richtige. Man soll alle 20 Miauten, vielleicht durch geringen
Druck auf den Uterus, versuchen, ob die Placenta bereits gelöst
ist. Nur nach der Geburt von sehr grossen Kindern (also über
4000 g) und von Zwillingen mache man eine Ausnahme und kürze
die Nachgebartsperiode ab. Wenn sich die Placenta nach einer
gewissen Zeit (Strassmann hält 2—3 Stunden für das Maximum)
nicht löst, so ist der Arzt berechtigt, das Ausdrücken der Placenta
zu versacken. Eventuell soll noch ein Versuch in Narkose gemacht
werden, bevor man sich zur manuellen Placentarlösung entschliesst.
Bei der adhaerenten Placenta freilich, die es zweifellos gibt,
und bei der eben jede Blutung fehlt, ist ein unmässiges Abwarten
ein falsches Verfahren. Hier muss manuell gelöst werden.
Auch sonst in der Nachgeburtsperiode auftreteude Blutungen,
wie Rissblutungen, atonische etc., indizieren nur ;ganz ausnahms¬
weise eine sofortige Lösung der Placenta. Bei Dammrissen in
der Nachgebartsperiode hat Strassmann seit Jahren immer erst
den Damm genäht und dann die Placenta gelöst. Den von
verschiedenen Autoren, besonders von Zweifel-Leipzig, gemachte
Vorschlag, nach Entfernung der Placenta aus dem Uterus, mit¬
telst Spekula die Blutkoagua aus den Scheidengewölben zu
entfernen, da sie die Hauptquellen für die Infektion seien, ver¬
wirft Strassmann, da dies Verfahren in der Praxis mehr Unheil
als Nutzen bringen würde. Höchstens könne man versuchen, durch
Druck auf den Uterus von aussen Blutgerinnsel zu entfernen, auch
wenn keine Blutungen nach aussen erfolgen.
Bei der manuellen Lösung der Placenta muss vor
allem die subjektive Desinfektion eine sachgemäße sein. Zeit da¬
zu ist immer noch genügend vorhanden, im Notfall desinfiziere
man nur die operierende Hand. Strassmann macht seit einer
Reihe von Jahren alles mit Gummihandschuhen, und hat dabei
gute Resultate. Nur bei wenigen Handgriffen (z. B. Blasensprengeni,
sind die Gummihandschuhe nicht anwendbar. Strassmann ist der
Meinung, man soll beim Verdacht, dass ein Stück Placenta zurück¬
geblieben, lieber einmal zu viel, als zu wenig eingehen. Bei
unregelmässig gestalteten Placenten und bei Placenta praevia sei
eine Nachuntersuchung und Austastung des Uturus unbedingt
notwendig; bei jedem Fieber im Wochenbett soll man den Uterus
aastasten.
Das Abreissen der Eihäute ist häuflg die Folge des zu
schnellen Abdrehens. Kleinere Stückchen Eihäute gehen meist
spontan im Wochenbett ab. Oft werden Stücke von Eihäuten
in utero retiniert, ohne den geringsten Schaden zu verursachen.
Strassmann hat drei derartige Fälle ganz sicher beobachtet. Nach
Straosmanns Beobachtungen und Experimenten gehen Eihäute stets
dann ab, wenn es sich nur um Amn ion oder um Amnion und
Chorion handelt. Ist dagegen Chorion allein weich geblieben, so
kann er sich auflösen und als vermehrtes Lochialsekret abgehen.
Die Zahl der manuellen Placentarlösungen, die Strass¬
mann ausgefülirt, beträgt 55. Davon starb eine an Thrombopble-
titis; bei der betreffenden Frau hatte allerdings vorher eine
Hebamme, die kurz danach auch einen Todesfall an Sepsis hatte,
die Placentarlösung versucht. Die übrigen Frauen sind genesen.
Eine von ihnen hatte die sechste, eine andre die achte Placentar-
lösuDg durchgemacht.
Wie soll man sich nun verhalten, um einer wieder¬
holten manuellen Lösung bei derselben Fraii vorzu¬
beugen? Strassmann konnte feststellen, dass man bei ruhigem Ab¬
warten in der Naebgeburtsperiode die nächsten Male ohne manuelle
Lösung auskam. Baisch-Tübingen dagegen hat von 48 Frauen bei 20
die manuelle Lösung wiederholen müssen, bei einigen noch öfter. —
Eis müssen daher solche Frauen vor allem darauf aufmerksam ge¬
macht werden, dass sie zur Geburt ärztliche Hilfe holen, damit
die Nachgeburtsperiode richtig geleitet werde.
Da nach manuellen Placentarlösungen spontane Uterusrupturen
vorgekommen sind, schlägt Strassmann nach Beendigung des
Wochenbetts bei diesen Frauen eine Ausschabung vor, damit sich
die Schleimhaut an der Placentarstelle gründlich regenerieren kann.
Diskussion: Keller näht auch den Damm stets vor der
Expression der Placenta. Was die Ausschabung nach adhärenten
Placenten betrifft, so rät Keller damit wenigstens V 4 Jahr post
partum zu warten. Den Vorschlag Strassmann’s, bei jeder fiebernden
Wöchnerin eine Austastung vorzunehmen, hält Keller für ge^hrlich.
Bokelmann fordert vor allem, dass die Elxpression der
Placenta langsam gemacht werde, und nicht so übereilt, wie
das meistens geschieht. Man kommt dann besser zum Ziele.
R. K.
Berliner medicVndsche GeaeUschaft,
Sitzung vom 17. Januar 1906.
Tagesordnung: Bergmann: Nachruf an das ver¬
storbene Ehrenmitglied von Leuthold.
Geschäftsbericht des Vorstandes. Interpellation Meissner:
Über den Modus, nach welchem Vorträge von Mitgliedern auf die
Tagesordnung gesetzt werden. Meissner und in der Diskussion
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52
MBDICINMCHE W0C5HE.
Nr. 6.
Lassar und Hirsch machen verschiedene Vorschläge zur Aen-
derung des bisher üblichen Modus.
Wahl des Vorstandes: "Wiederwahl in der bisherigen Zu¬
sammensetzung.
Baginsky demonstriert: 1. ein Kind mit Bronchiektasle
und Dextrocardie, 2. ein Kind mit chronischem Rheumatismus;
es ist der 6. Pall seiner' Beobachtung. Eine Tuberkulose hat er
nie damit vergesellschaftet gefunden, während ein solcher Zusammen¬
hang von andern als sehr häufig bezeichnet wird. Heilung ist .sehr
.selten, oft Ausgang in Ankylose, 3. eiu Kind, hei dem in der
3. Woche einer Scarlatina, nachdem Entfieberung eingetreten, plötz¬
lich unter Erbrechen eine Hemiplegie einsetzte mit völliger Aphasie:
nach Verlauf von Wochen entwickelte sich eine Phlegmasia alba
am Bein, später völlige Amaurose. Es handelte sich also um eine
Schenkelvenen und Sinusthroinbose nicht infektiösen Ursprungs.
Zur Zeit bestehen noch Spasmen und eine fortschreitende Optiens-
atrophie. 4. Das Präparat von einem grossen visceralen Sarkom
bei einem 3 Vs jährigen Kinde.
Diskussion: Pick berichtet über einen ähnlichen Pall bei
einem 8jährigen Kinde. Hier war der Tumor von den Lymph-
drüsen ausgegangen und nach dem Darm durchgebrochen.
Israel gibt einige klinische Daten des betr. Falles.
Falk enstein: beginnt seinen Vortrag über das Verhältnis von
Harnsäure zum Harnstoff im Harn der Gichtkranken. P.
MedlclnUehe GeseÜHvhaft ln G lensen,
2. Sitzung am 28'. Nov. 1905.
Herr Kossel: Ueber P ro tozoen krankhei ten.
Vortragender gibt einen Überblick über die Kenntnisse von
dem Zustandekommen der Iinmuiiität bei Krankheiten, die dui’ch
Protozoen hervorgerufen werden. Au.sgehend von der Hämoglo¬
binurie der Rinder wird die Immunität bei dieser Krankheit und
bei der Malaria be.sprochen. Bei beiden wird die Immunität durch
Ueberstehen der Krankheit in der Jugend verhältnismäßig leicht
erworben, sie zeichnet sich aber durch eine gewisse Labilität aus.
Ijetztere findet ihren Ausdruck darin, dass die immun gewordenen
Individuen bei der Einwirkung von Schädlichkeiten ihre Wider-
standsftlhigkeit gegen die ki*ankmachenc]en Eigenschaften der
Parasiten verlieren. Solche Schädlichkeiten sind l)ei der Riuder-
krankbeit Einwirkung von W'itterungswechseln, gros.se Hitze, Oel-
bäder, denen die Tiere zur Abtötung von Zecken ausgesetzt werden,
kurz Einflüsse, die axif die Wärmereguliening der Tiere ungünstig
wirken. Aehnlich liegt es bei Erkrankung der Neger im Anschhws
an Massentransporte, Klimawechsel; ferner treten Malariaanfälle
bei immunen Personen auf nach Operationen, Verletzungen. — An
die Eigenschaften des Blutserums nach Ueberstehen von Bakterien¬
krankheiten erinnert die "Wirkung des Blutserums von Hunden,
die eine Infektion des Piroplasma canis überstanden haben. Nach
Nocard und Motas nimmt das Blutserum solcher Tiere parasiticide
Eigenschaften an; auch lebhafte Phagozytose wurde beobachtet.
Bei den Flagellaten, die als Krankheitserreger im Blutserum bei
Tieren voiioramen — den Trypanosomen — werden Phänomene
beobachtet, die der Agglutination der Bakterien in mancher Hin¬
sicht entsprechen, wenn Trypanosomen der Einwirkung von Immun¬
serum aasgesetzt werden. Ob auch hier parasiticide Wirkungen
Vorkommen, ist noch nicht hinreichend sicher festgestellt; präventiv
scheint solches Serum unter Umständen zu sein
Bei den Spirochätenkrankheiten kommt Abtötimg durch das
Blutserum und Phagozytose, wie bei den Bakterien zustande.
Vortragender wei-st dann noch darauf bin, dass die Syphilis .sich
den früher besprochenen Protozoenkrankheiten auch insofern ähnlich
verhält, als die Erreger in lebensfähigem und übertragbarem Zu¬
stande noch lange nach erfolgter Infektion und anscheinender
Heilung der Krankheit im Körper des infizierten Individuums
fortlehen.
Österreich.
GeseH^ehaft fiir innei'e Mediein und Kinder¬
heilkunde in Wien,
Sitzung vom 14. Dezember 1905.
Hochsinger demonstriert ein Kind mit angeborener Bleich¬
sucht. Das Kind ist cyanotisch, die Auskultation ergibt in der
Ruhe reine Herztöne; wenn das Kind aufgeregt ist, sind Herz¬
geräusche hörbar. Das Herz ist hypertrophisch. Es dürfte sich
um einen Defekt im Septum ventriculorum handeln.
Escherich demonstriert das anatomische Präparat eine-s
Falles von Hirschsprungscher Krankheit. Das Kind hatte seit
der Geburt einen abnorm grossen Bauch, das Meconium musste
durch ein Klysma entfernt werden. Nach der Entwöhnung kam
es schnell zur Verschlechterung des Zustandes. Der Stuhlgang musste
immer durch Klysmen herbeigeführt werden; der Bauch wurde un¬
förmlich aiifgetrieben. Das Kind magerte ab und starb an Herz-
.schwäche. Bei der OI)duktion fand sich eine mächtige Erweiterung
der Plexur, des Colon traiisversum und des Goecum.
Rach <lemonstriert das anatomische Präi>arat eines cys t ischen
Tumors der Hirnhasis, welches von einem 5jährigen Mädchen
stammt, das durch 9 Monate vor seinem Tode an Kopfschmerz.
Schwindel, Erbrechen uod Anfällen von Bewusstlosigkeit IHt. Die
Obduktion ergab einen Tumor der Schädelbasis, welcher aus einem
soliden und aus einem elastischen Anteil bestand. Es baznielte
sich um ein Epithelcarcinom, ausgehend vom Hypophysengtmg.
Spieler zeigt ein l2jHhriges Mädchen mit osteoperiostiti.s
luetica. Dabei besteht Keratitis parenchy matosa, eine
luetische Erkrankung des linken Ellbogengelenkes, Hutchinsonsche
Zähne und radiäre Narben um den Mund. Die rechte Tibia ist um
4 Vz cm länger als die Unke, während die Fibula normal Lst.
Hochsinger zeigt eiu 5 Monate altes Kind mit inter¬
stitieller Glossitis luetica. Die Zunge ist vergrössert,
dunkel cyanotisch, in den hinteren zwei Dritteln verdickt und
infiltriert.
Swoboda zeigt ein 2 V 2 Jahre altes Kind mit Myxödem.
Seitdem das Kind abge.setzt wurde, ist es apathisch, die Haut ist
trocken und .schwitzt nicht. Epiphysenkerne an den Extremitäten
und die Schilddrüse fehlen, die Temperatur ist subnormal.
Sitzung vom 21. Dezember 19U5.
Reitter stellt ein ISjähriges Mäilchen mit chronisch
parenchymatöser Nephritis und N ieren tu be rkulose
vor. Patientin hatte vor 5 Jahren Nephritis mit Ödemen. Vor
einiger Zeit stellten sich wieder Zeichen einer parenchymatösen
Nephritis ein, im Hani war l2°/oo Eiweiss, im Sediment hyaline
und granuUerte Zylinder. Im Harn fanden sich reichliche Tuberkel¬
bazillen, sonst war kein Zeichen von Tuberkulose nachweisbar.
Schlesinger zeigt einen 23jtUirigen Mann mit einem fast
3 Jahre dauernden Trismus; vieUeioht bedingt durch Syrin-
gobulbie. Im 15. Jahre soll Patient hyphoskoliotisch geworden
sein, im 18. Lebensjahre entwickelte sich eine rechtsseitige Hemia-
nästhesie des Körpers. Dann kamen Sprach-, Kau- und Schluck¬
beschwerden dazu, sowie eine sich rasch verschlimmernde Kiefer¬
sperre. Schlesinger möchte das Krankheitsbild am ehesten durch
die Annahme einer primären Syringobulbie mit Übergreifen auf
das Rückenmark erklären. Reim Schlucken dreht Patient den
Kopf nach rechts und neigt ihn stark, vielleicht um dadurch eine
Verkürzung des für die Speisen zurttckzulegenden Weges zu
bewirken.
Schlesinger zeigt das anatomische Präparat einer Dick-
darmphlegmone von einer ü6jährigen Frau. Die Symptome
waren Schmerzen in der linken Seitengegend und eine rasch zu¬
nehmende Anschwellung des Bauches bei allgemeiner Abm^erung.
Bei der Punktion wuirden 8,5 Liter einer .serösen Flüssigkeit
entleert. Die Untersuchung per rectum ergab das Vorhandensein
einer sehr harten vom Douglas ausgehenden Wölbung. Stühle flüssig,
anshaft stinkend. Es erfolgte bald Eixitus unter den Symptomen
einer Perforationsperitonitis. Vermutungsdiagnose hochsitzende
RectnnLsclerose, Die Obduktion ergab eine ältere tuberkulöse Peri¬
tonitis und eine reoente Perforationsperitonitis, die Wand des
S. romanum mit Eiter infiltrierte Geschwüre im ganzen Di^darm.
Schwarz berichtet über eine neue radiologische Methode
zur Prüfung der Bindegewebsverdauung. iVigr Wismut,
snbnit, werden in ein Goldschlägerhäutchen eingebunden ver¬
schluckt. Bevor das Goldschlägerhäutchen verdaut ist, sieht man
im Abdomen einen schwarzen Fleck, später nach der Verdauung
nur einen diffusen Schatten, herrührend von dem zerstreuten
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1906.
MEDICimSCHS WCMDHE.
53
-1
Wiamutpalver. Bei Gesjundea -wird das Häutchen nach 7 Stunden
verdaut, in einem Falle von H^pei-acidität erfolgte die Verdauung
schon nach 2 Stunden. H.
Periodische Literatur.
NKIftchener medioliiUche Weebenschrift. 1906. No. 3
1. Voelker, Lichteuberg, HeideU)erg: Pyelographie
(Böntgenographie des Nierenbeckens nach KoUargolftUlnng).
Um Lageveränderungen und Dilatationszustände des Nieren¬
beckens mit dem Äuge erkennen zu können, haben die Verftvtöer
ein Verfahren ersonnen, welches darin besteht, dass man Ureter
und Nierenbecken mit einer Röntgenstrahlen nicht durchlasseuden
Flüssigkeit füllt und dann am Fluorescenzschirm beobachtet, resp.
eine Röntgenaufnahme macht. Es ist erfahrungsgemäß unmöglich,
durch einfachen Druck von der Blase aus, Flüssigkeit in den
Ureter au bringen, man muss zum Ureterenkatheterismua schreiten.
Derselbe wird in der bekannten Weise mittelst Cystoskops aus-
gefUhrt, sodann das Cystaskops entfernt und nun mit einer Spritze
ganz vorsichtig Kollargollösung injiziert. Die nötige Menge ist
ganz verschieden, bei einem Menschen treten schon bei 5 ccm
kolikartige Schmers^en auf, bei einem anderen kann man 50 bis
60 ccm injizieren. Die Röntgenaufnahmen werden mittelst Blende
innerhalb 2 Minuten gemacht. Die Resultate dieser Untersuchungs-
methode sind recht gute. Irgend welche Schädigungen erleidet
der Patient dadurch nicht. Nach der Untersuchung wird das
Nierenbecken mit 2®/o warmer Borsäurelösung ansge-spült.
2. Miller, Bayreuth; Höhensohielen.
Verfasser weist auf eine ganz eigenartige, noch wenig l)ekannte,
meist angeborene, hier und da wohl auch erworbene Anomalie der
Augen hin, welche in dem sogenannten Höhenschielen besteht.
Das befallene Auge weicht also nicht, wie beim gewöhnlichen
Strabismus, in ein oder der anderen Richtung seitlich ab, .sondern
in der Verticalen. Dadurch kommt es zu sehr erheblichen
Störungen des binokularen Sehens, zumal wenn es sich um die
Perzeption horizontaler Umrisse handelt. Der gewaltsame Versuch,
die Abweichung zu korrigieren, führt zu Reizerscheinnngen, welche
nach den sehr wichtigen Beobachtungen Schoens zu Vagus¬
reizungen führen und damit einschneidende Stöningeu des Allgemein¬
befindens verursachen können. Dieses Bild der Allgemeinstörung
ist so eigentümlich, dass man ohne weiteres an die erwähnte
Aetiologie nicht denken wird: Magendrücken, Magenkrämpfe, Auf-
stossen, Appetitlosigkeit, Uebelkeit, Erbrechen, Herzbeklemmungen
in allen möglichen Varianten, neurasthenische Beschwerden, Kopf¬
schmerzen, Migräne, Schwindel, Platzangst, Seekrankheit, auch in
der Eisenbahn, Angstanfälle mit Vorliebe Nachts. Das sind im
allgemeinen die Symptome, welche als Ausdruck der erfolgten Vagus¬
reizung sich einstellen. In allen Fällen ist durch Korrektur
mittels Prismen völlige Beseitigung der Symptome und dauernde
Heilnng erzielt worden. Diese interessante Aetiologie dürfte
gerade für den Praktiker von allergrösster Bedeutung sein.
3. Ehret, Strassburg: Zur Diagnostik der Choledochussteine-
Bei den Erkrankungen im Gebiete der Galle .spielen die
Choledochassteine eine ganz erhebliche Rolle und ihre sichere
Diagnose ist von grossem Wert. Der Symptomenkomplex, welcher
auf die Existenz von Choledochussteinen, so gut .wie sicher hin¬
weist, ist folgender; Anfallsweise treten heftige Temperatur¬
steigerungen in i'egelraäßiger Verbindung mit Ikterus auf, ohne
dass Schmerzen vorhanden sind. Dieser Symptomenkomplex braucht
zwar nicht bei allen Choledochussteinen vorhanden zu sein, aber
ist er vorhanden, dann kann man die Diagnose mit Sicherheit
stellen.
4. Grassmann, München: Einige Erfahrungen überDigalen.
Verfasser hat das von Cloetta dargestellte Digitoxinnm solubile
einer Prüfung unterzogen und günstige Resultate damit eraielt.
Er gab Dosen von dreimal täglich 1 ccm Digalen. Das Präparat
wird vom Magendarmtraktus gut vertragen, so dass man sich bei
der Darreichung per os genügen lassen könnte. Von einigen
Forschern ist auch die intravenöse Einverleibung empfohlen worden,
auffallend sind hier die ungeheuer srossen Dosen bis 15 ccm pro
injektione. Die Beobachtungen des Verfassers haben ergeben, dass
zwar das Digalen auch kein stets sicheres Mittel ist, so wenig wie
die Digitalis, dass aber das Präparat fraglos folgende Vorzüge
aufweist: Gute Erträglichkeit für den Verdauungstraktus, rasche
energische und lang anhaltende Wirkung.
5. Rider, München: Böntgenuntarsuohungen des IC^eus
und Darms.
Verfasser verbreitet sich in eingehender Weise über die
radiologischen Befunde von Magen und Darm. Als Indikator
dient Wisinuth sowohl als Aufschwemmung, wie als Brei. Die
Beobachtungen lassen sich häufig erschöpfend schon an dem Fluo-
resceozschirra vornehmen. Die Methode der Röntgenuntersuchung
erspart die oft nicht unbedenklichen Gasaufblahnngen. Die Be¬
stimmung der Form, Grösse und Lage des Magens und einzelner
Darmabscluiitte gelingt leicht und sicher. Die DifFerentiadiagnose
zwischen Gastroptose und Ektasie ist ermöglicht. Die Diagnose
des Sanduhrmagens, Feststellung eines Spasmus oder einer Stenose
des Pyloros wird mittels de.s Wismuth-Röntgenverfahrens gelingen.
Auch die Differentialdiagnose von Abdominaltumoren gewinnt
durch das Verfahren erheblich an Sicherheit.
6. Schrecker, Köln: üeber die Behandlung der supra-
kondylären Fraktur des Humerus und Femur mit Barden¬
heuerscher Eztension.
Verfasser steht auf dem Standpunkt, dass die Vermeidung
der blutigen Eingriffe bei subkutanen Frakturen immerhin ein
erstrebenswertes Ziel sei, und dass ein Verfahren, welches ohne
blutige Operation die richtige Fixierung der Bruchenden gestattet,
sicher den Vorzug verdient. Ein derartiges Verfahren erblickt
er in der ßardenheuerschen Extension. Der Grundgedanke der¬
selben ist der, mit geeignetem Extensionsverband den die Dislo¬
kation verursachenden Zug der Weichteile zu beseitigen und die
Bruchenden so zu fixieren, dass eine möglichst geringe Callus-
biklung nötig ist, um die Verlötung zu bewirken. Dieser Zweck
wird erreicht durch möglichst hoch angebrachte Längenextensionen
und geeignete Querextensionen, um auch die seitlichen Ver-
schiebungen auszugleichen. Die Erfolge sind überraschend gute.
Die Extension entlastet auch die Gelenke, so dass Synovitis und
Ankylose verhindert werden. Von Anfang an sind passive Be¬
wegungen möglich, da selbst bei eintretenden Dislokationen die
verschiedenen Extensioneu wieder für richtige Einstellung sorgen.
Die Gewichte müssen von Anfang an grosse sein.
7. Labhardt, Basel: Ueber Clavin.
Aus dem in der Geburtshülfe so wichtigen Secale coruntum
sind bisher zwei Körper isoliert worden und zwar von Kobert, die
Sphazelinsäure und da.s Kornutin. Die erste verursacht Gangrän,
das letztere Krämpfe, bekanntlich die Symptome, welche das Bild
einer Ergotinvergiftung beherrschen. Beide Körper sind aber in
Wasser unlöslich, und doch wirkt wässriges Extrakt des Mutter¬
korns wehenanregend. Es musste also noch ein dritter Körper
vorhanden sein, dem diese spezifische Wirkung zuzuschreiben
wäre. Es ist nun V ah len gelungen, dieses Tertium in Gestalt
des Clavin (Cii Hza Nz O 4 ) zu isolieren. Verfasser hat 32 genau
beobachtete Fälle mit Clavin behandelt. Die Wirkung stand
keineswegs der des Ergotins nach, dagegen war das Clavin er¬
heblich weniger giftig und entbe^te jeder krampferzeugenden
Eigenschaft, so dass es schon während der Geburt angewendet
werden kann. Ob dos Clavin für Zwecke einer Frühgeburt oder
eines Abortns in Frage kommt, hatte Verfasser noch nic^ht Ge¬
legenheit zu prüfen.
8. Morian, Essen: Ueber die Donglaseitemng.
Die Douglaseiterung ist meist eine Teilerscheinung der
difiPnsen Peritoniti.s und geht am häufigsten von der Appendix
aus. Sie entsteht in der Regel dadurch, dass seröses, mikrobien¬
haltiges Exsudat von der entzündeten Appendix in den Douglas
hinabfiiesst. Sie pflegt gegen Ende der ersten Woche nach dem
Appendizitisanfalle sich zu entwickeln, Douglasabszesae beein-
öussen den Puls und die Temperatur wenig, man erkennt sie an
lokalen Druck- und Entzündungserscheinungen des Rektums, ehe
sie über die Schamfuge emporsteigen.
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54
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 5.
Sichergestellt werden kann die Douglaseiterung nur durch
eine Probepunktion. Eis empfiehlt sich, die Douglaseiteruog so
frnh als möglich zu entleeren. Dies sind im grossen und ganzen
die Konklusiouen, welche der Verfasser aus seiner Veröffentlichung
und den ausführlich beigegebenen Krankengeschichten zieht.
Deutsche medicintsche Wochenschrift. 1906. Nr. 3.
1. Koch, Berlin: ITeber den derzeitigen Stand der Tnber*
kulosebekämpfong.
Diese in Stockholm ais Nobel-Vorlesung gehaltene Mit¬
teilung ist von grossem Interesse. Koch präzisiert darin
mit knapper Kürze den Standpunkt, welchen er heute der
Tuberkulosebekämpfung gegenüber einnimmt. Bezüglich der
Uebertragung der Rindertuberkulose steht Verf. nach wie vor auf
dem Standpunkt, dass dieselbe als beachtenswerter Faktor nicht
in Frage komme, dagegen sei der Verbreitung durch Staub und
Tröpfchen das allergrösste Gewicht beizulegen. Für die Ver¬
breitung der Tuberkulose kommen nur die E''älle in Betracht,
welche als offene Tuberkulosen gelten, also Kehlkopf- und Lungen¬
erkrankungen. Jedoch auch diese Kranken können ganz unge¬
fährlich sein, wenn sie sich der äussersten Vorsicht bezüglich
des Auswurfs befleissigen.
Die wichtigste Maßnahme zur Bekämpfung der Tuberkulose
erblickt Verf. in der Anzeigepflicht. Diese allein gibt die Mög¬
lichkeit, die Umgebung zu schützen. Die Anzeigepflicht setzt
aber die sichere Erkenntnis der Krankheit voraus und da diese
nur durch den Bazillennachweis möglich ist, so ist es notwendig,
überall Anstalten einzurichten, welche den Auswurf der Kranken
unentgeltlich einer Untersuchung unterwerfen. Wäre es möglich,
alle ansteckenden Tuberkulösen in Anstalten aufzunehmen, dann
würde die Seuche bald zurückgehen. Jedenfalls muss die Unter¬
bringung Schwindsüchtiger in geeigneten Anstalten ein erstrebens¬
wertes Ziel bleiben. Die Heilstätten hält Verf. nur bedingt für
nützlich, nämlich nur in so weit, als beginnende Fälle noch der
Heilung zugeführt werden. Als dritter ungemein wichtiger Faktor
haben sich die von Calmette zuerst ins Leben gerufenen sog.
Dispensaires, Fürsorgestellen, erwiesen. Dieselben dienen der un¬
entgeltlichen Belehrung und Beratung der Fürsorge für die
Kinder der Erkrankten, der materiellen Unterstützung in jeder
Richtung. Verf. erhofft von diesen Fürsorgestellen viel. Der
Staat selbst kann nur wenig direkt tun, ihm bleibt die grosse
Aufgabe der indirekten Hülfe in Form der Besserimg der
Wohnungsverhältnisse.
2. Senator, Berlin; Heber die diätetisohe Behandlung des
Magengeschwürs.
Die Frage der Ernährung beim Magengeschwür ist eine sehr
sdiwierige. Ihre geeignete Lösung bestimmt oft die Prognose
der Erkrankung. Verf. hat in Hinblick auf die blutstillenden
Eigenschaften den Leim zur Ernährung herangezogen. Die Diät,
welche nach Ansicht des Verf. zugleich heilend und ernährend
wirkt, setzt sich aus drei Nährstoffen zusammen. Glutin (Leim,
Gelatine), Fett und Zucker, daneben ganz geringe Mengen Ei-
weiss. Bei frischen blutenden Geschwüren gibt Verf. Decoct.
Gelatine alb. purissim. (IB—20 auf 150—200 mit 50 Elaeos. citri.
M. D. S. vor dem Gebrauch zu erwärmen). Davon erhält der
Patient alle 1—2 Stunden, ja selbst —’/j stündlich einen Ess¬
löffel. Ausserdem wird frische Butter und Sahne (Rahm) gegeben,
beide in kleinen Mengen, aber öfters, so dass selbst in schweren
Fällen innerhalb 24 Stunden 30 g Butter und V* Liter Sahne
erreicht werden. Die Butter lässt sich sehr gut in gefrorenen
Kügelchen, die Sahne als Schlagsahne verabreichen. Diese 24-
stündige Nahrung enthält ungefähr 900 —1000 Kalorien, aber nur
sehr wenig Eiweiss, kaum 1 g. Nun pflegt das bei Blutungen
im Magen vorhandene Blut nicht unerhebliche Mengen von Eiweiss
darzustellen, so dass mit obiger Ernährung wohl auszukommen
ist. Will man die Butter durch Oel ersetzen, dann empfiehlt sich
eine Emulsion in Gestalt der Mandelmilch.
3. Küttner, Marburg: Was ergibt sich für den praktischen
Arzt ans den Fortschritten der Nierenchirorgie.
Bei der Nierentuberkulose kommt es vor allem auf die Früh¬
diagnose an. Diese wird durch die Berücksichtigung folgender
Punkte ermöglicht. 1. Anamnese. Die Heredität kommt kaum
in Betracht, auch anderweitige tnberknlöse Herde können fehlen,
dagegen ist voraufgegangene Gonorrhoe oder puerperale Gyelitis
von grosser Bedeutung. 2. Subjektive Störungen. Gesteigerter
Harndrang, Schmerzen am Ende der Miktion und in der Nieren¬
gegend. 3. Urinveränderungen: Blut und Eiter im Harn, Nach¬
weis von Tuberkelbazülen, auch das Fehlen aller Bakterien im
eitrigen Ham deutet auf Tuberkulose. 4. Der palpatorische
Nierenbefund. Die tuberkulöse Niere ist vergrössert. Die Nieren¬
tuberkulose ist eine chirurgische Erkrankung. Die einzig be¬
rechtigte Operation ist die Nephrektomie, Die Prognose ist
günstig.
Auch bei den bösartigen Nierengeschwülsten ist eine mög¬
lichst frühzeitige Diagnose anzustreben, um Frühoperation zu er¬
möglichen. Schmerzen, Hämaturie sind wohl die ersten Anzeichen.
Im Urin finden sich Turaorzellen. Maligne Tumoren pflegen erst
dann palpatorisch nachweisbar zu sein, wenn der geeignete Zeit¬
punkt für die Operation vorüber ist. Die allein in Frage kom¬
mende Nephrectomie ist ohne Rücksicht auf den]t Zustand der
anderen Niere auszuführen.
Bei Pyelitis kann man die von Casper angegebene Aus¬
spülung des Nierenbeckens mit Borsäorelösung und nacbheriger
Einbringung von 10—20 g. 1 % Höllensteinlösung vornehmen.
Ist dagegen die Eiterung bereits auf die Niere übergegangeu.
dann darf mit dem operativen Eingriff nicht zu lange gezögert
werden. Spaltung und Tamponade kommen bei Abszedierung «ler
Niere in Frage. Gleich erfolgreich gestaltet sich die chirurgische
Behandlung der Nierenabszesse. Die Nephrotomie kommt in Be¬
tracht, nicht die primäre Nephrectomie, welche lediglich sekundär
anzuschliessen wäre. Die Behandlung des Morbus Brightii auf
chirurgischem Wege, wie sie von Edebohls angegeben wurde,
scheint durchaus nicht aussichtsreich zu sein. Jedenfalls sind die
bisher beschriebenen geheilten Fälle keine chronischen Nephritiden
gewesen. Auf der Frühdiagnose und der rechtzeitigen Indikations¬
stellung des praktischen Arztes beruht die Zukunft der Nieren¬
chirurgie.
4. Rennert, Hamburg: Heber TonsUlartüberknloee, ein
weiterer Beitrag zur Behandlung mit Neutuberkulin.
Verf. bekam eine 28jährige Patientin in Behandlung, welche
wegen enormer Schmerzen nicht mehr schlucken konnte und der
Gefahr erheblicher ErnährungsstCirungen entgegen ging. Der
Befund ergab auf der linken, kleinen Tonsille einen ausgedehnten
weisslichen Belag, dessen Entfernung mit dem scharfen Löffel
eine starke Blutung zur Folge hatte. Die genaue Untersuchung
des Belages ergab Tuberkulose. Es handelte sich also hier am
einen solitären teberkulösen Herd. Regionäre Lymphdrüsen waren
infiltriert. Verf. wandte Neutuberkulin an und hatte einen über¬
raschenden Heilungserfolg zu konstatieren.
5. Schmidt, Dresden: Salit.
Verf. hat ein neues äusserlich anwendbares Salicylpräparat
klinisch geprüft. Dieses von der Firma Heyden hergestellte,
„Salit“ genannte Präparat ist ein öliger flüssiger Körper, der
Salicylsäureester des Bomeols von der Formel Cio Hn OCO Ce He OH.
Eine 50 -Mischung von Salit mit Olivenöl wurde auf die
mit Alkohol gut gereinigte und getrocknete Haut aufgerieben und
zwar 1—2 Kaffeelöffel voll. Die so behandelte Stelle mit Watte
bedeckt und diese mit Mullbinden filiert. Die Erfolge bei den
verschiedensten rheumatischen Erkrankungen werden als sehr
günstige geschildert.
Wiener'klinische Wochenschrift. 1906. No. 3.
1. Stegmann, Wien-Döbling: Zur Behandlung des Morbus
Basedowü mit Böntgenstrahlen.
Verf. hat bei drei Fällen die Bestrahlung der Struma mit
Röntgenstrahlen versucht und so erhebliche ^folge beobachtet,
dass er zu folgenden Schlüssen kommt: eine äusserst günstige Be¬
einflussung und Heilung der Basedow’schen Krankheit ist durch
Bestrahlung der veränderten Schilddrüse möglich. Verf. hat die
Auffassung, dass die Rönfgenstrahlen in diesem Falle eine Läsion
der Drüsenepithelien bewirken, w'elche ihrerseits eine Veränderung
in Quantität und Qualität des Sekrets herbeiführt.. Jedenfalls
sollte bei jedem Fall von Morbus Basedowü der ganz unbedenk¬
liche praktische Versuch gemacht werden.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
55
2, Geräuuy. Wien-Döbling: Gegen die Ezzitation in der
Harkoee. ,
Die im Beginn einer Narkose oft recht störenden Abwehr¬
bewegungen der Patienten werden zu heftigen Exzitationen, wenn
man die Arme und Beine gewaltsam festhält. Offenbar hat der
Halbnarkotisierte die Vorstellung des Kampfes. Um dies zu ver¬
meiden, empfiehlt Verf. im Beginn der Narkose dem Patienten
steife röhrenförmige Aermel über die Arme zu ziehen, durchweiche
die Krümmung im Ellenbogengelenk und das Erreichen des Gesichts
zwecks Wegschieben der Maske unmöglich gemacht wird. (Diese künst¬
liche Ankylose ist nicht neu, sie wird in der Kinderpraxis viel¬
fach verwendet, um Kinder"" am Kratzen zu hindern. Der Ref.)
Damit auch das Aufrichten und Aufsetzen der Patienten verhindert
wird, genügt es, die beiden Fersen etwas über das Lager zu er¬
heben und bei allen Bewegungen der Beine zu verhindern, dass
die Fersen aufgestemmt werden, dann ist das Aufsetzen oder Auf¬
stehen unmöglich.
3. Deutsch, Wien: Bemerkangen znr intermen Behand-
Inng der Gonorrhoe.
- Der Verf. verbreitet sich zunächst über die Bedeutung der
intermen Therapie bei Gonorrhoe überhaupt. Seine Erfahrungen
mit Arhovin sind nicht günstige. Dagegen hat er gute Er¬
folge bei Anwendung des Gonosans, bekanntlich eine Lösung des
wirksamen Teils der Kawa-Kawa in Santalöl, gesehen, besonders
in Bezug auf Komplikationen der Gonorrhoe. Es hat also so zu
sagen eine indirekte wohltätige Wirkung, Ganz besonders günstig
scheint ihm aber die therapeutische Verwendung der Kombination
von Gonosan mit Urotropin zu sein, dem sogenannten Urogosan.
Man gibt vom Urogosan dreimal täglich drei Kapseln, bei Kom¬
plikationen von Seiten der Blase. Es erfolgt schnell Klärung des
Harns, die subjektiven Beschwerden schwinden schnell. Die Zahl
der beobachteten Fälle ist nur gering.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 4.
1. Stadelmann, Benfey, Berlin: Erfahrungen über die
Behandlung der Lnngentuberki^ose mit Harmorek's Serum.
Sehr schlechte Erfahrungen haben die Verfasser bei 5 Fällen
von Lungentuberkulose mit dem Marmorek’schen Serum gemacht.
Sie konnten nicht nur keine Besserung, sondern eine ganz er¬
hebliche Verschlechterung des Allgemeinbefindens und höchst un¬
angenehme Nebenerscheinungen feststellen. Es trat nach den
Injektionen Fieber auf, auch Urticaria, Erythem und Petechien in
der Nähe der Injektionsstelle wurden beobachtet. Die Patienten
verweigerten wegen ihres schlechten Befindens die Weiter¬
behandlung. Die Verfasser glauben daher im Interesse der
Kranken, von dieser Therapie absehen zu müssen.
2. Levin, Stockholm: Behandlung der Tuberkulose mit
dem Äntituberkulosesemm Harmorek.
Verfasser berichtet über 156 Fälle, welche von den ver-
•schiedensten Aerzten in Skandinavien mit dem Serum behandelt
wurden und die alle eine ganz manifeste Besserung zeigten.
Allerdings traten hier und da Nebenerscheinungen auf der Haut
ein, aber im allgemeinen wurde das Mittel gut vertragen, so daas
Verfasser zu dem Schluss kommt, man habe nach seinen Er¬
fahrungen den Wunsch, das Marmorek’sche Serum bei der Be¬
handlung der Lungentuberkulose und Tuberkulose im allgemeinen
nicht mehr zu entbehren. Diese Veröffentlichung steht in auf¬
fälligem Gegensatz zu der soeben besprochenen Mitteilung Stadel¬
manns und Benfeys. Der Gegensatz gibt zu denken.
3. Brinitzer,*/Bern: Temperatnrsteigenmg nach Thiosi-
namingebranch.
Verfasser hat Gelegenheit gehabt, bei einem Pall von Sklero¬
dermie, welcher mit Thiosinamin und Fibrolysin behandelt wurde,
ganz auffällige Temperatursteigerungen zu beobachten. Dieselben
traten einige Zeit nach Beginn der Kur ein und blieben bei all¬
mählichem Gewöhnen an das Mittel aus. Verfasser glaubt daher
in diesem Fall eine’ „geweckte“ Idiosynkrasie annehmen zu müssen,
die durch vorsichtigen Gebrauch allmählich überwunden wurde.
Bei dem grossen Interesse, welches augenblicklich der Thiosinamio-
bebandlung entgegengebracht wird, ist es besonders wichtig, wenn
Über Nebenwirkungen auch ungünstiger Art berichtet wird.
4. Heine, Berlin: Die Frognoae der otogenen Meningitis.
Vor 10 Jahren stand man noch auf dem Standpunkt, dass
eine an Otitis media sich anschliessende Meningitis so gut wie un¬
heilbar sei und der Patient sicher dem Tode verfalle. Heute
haben sich die Anschauungen darin doch erheblich geändert. Zu¬
nächst fragt es sich, ob man es mit einer Meningitis serosa,
ev. mit Encephalitis serosa kombiniert zu tun hat, oder ob eine
Meningitis purulenta vorliegt. Die Meningitis serosa ist in ihrer
Prognose durchaus nicht so pessimistisch zu beurteilen. Die
Operation führt hier oft zu guten Resultaten. Bezüglich der
Diagnose ist die Lumbalpunktion von grosser Bedeutung, ergibt
dieselbe eine erhebliche Vermehrung der Cerebrospinalflüssigkeit
bei Fehlen von Bakterien, so ist die Diagnose Meningitis serosa
wahrscheinlich. Jedoch auch bei der Meningitis purulenta kann
der Befund der Lumbalpunktion ein gleicher sein, wenn es sich
Dämlich um eine circumscripte abgekapselte Eiterung handelt, die
sekundär eine Meningitis und Encephalitis serosa bewirkt. Gute
operative Erfolge sind auch bei duralen und subduralen Abscessen
zu verzeichnen. Die Meningitis purulenta diffusa ist der operativen
Therapie nicht zugänglich und ihre Prognose ist infaust. Ge¬
legentlich kann eine solche ohne erhebliche Symptome verlaufen,
80 dass die Diagnose sehr erschwert wird. Zura Schluss der
lehrreichen Mitteilung fasst Verfasser seine Ansicht in folgendem
Satz zusammen: Die Prognose der serösen Meningitis muss als
günstig bezeichnet werden. Von der abgekapselten Form der
eitrigen Meningitis sind sicher schon Fälle geheilt worden, von der
akut fortschreitenden wahrscheinlich ebenfalls. Jedenfalls ist es
mit gi'össter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie heilbar ist.
Die Proguose der allgemeinen eitrigen Meningitis halte ich für
absolut infaust.
Fortschritte der Medicin. 1906. Nr. i.
Merzbach: Über weitere therapeatiBeke Erfahrungen mit
Bomyval.
Das von der Firma Riedel eingefübrte Bornyval stellt den
Valeriansäureester des Bomeols, des nach den neueren Unter¬
suchungen hauptsächlich wirksamen Agens der Baldrianwurzel, dar.
Verf. verfügt über eine Reihe von 30 Beobachtungen aus der
Privat-Praxis; dieselben betreffen in erster Linie Fälle von Neu¬
rasthenie, unter denen wieder solche mit sexuellen Symptomen
überwiegen, weiter Kreislaufstörungen vornehmlich auf arterio-
sclerotischer Grundlage; schliesslich hat er es auch als Analepticum
vor Narkosen mehrmals gegeben. Die gewohnte Dosis war 3 bis
4 mal am Tage 1 Kapsel. Einen merkenswerten Erfolg hat er
nie vermisst.
Therapeutische Monatshefte 1906. No. i.
1. Bourget, Lausanne: Über die gegenwärtige Diphtherie¬
behandlung
Verf. hat bei seinem ziemlich reichlichen Krankenmaterial die
therapeutische Wirkung des Diphtherieheilserums geprüft und
kommt zu dem überraschenden Satz; ,,Ich stehe nicht an, zu be¬
haupten, dass letzteres (sc. Diphtherieheilserum) die ihm zuge¬
schriebenen spezifischen heilenden Eigenschaften nicht besitzt.“
Verf. tritt sehr für eine geeignete Lokalbehandlung ein. Dieselbe
besteht in Pinselung von
Lig. Feiri sesquichlorati
' Alum. crud. pulv.
Acid. boric. äü 2,00
Glycerini 20,00
Mf. solutio.
Die Reinigung der belegten Partien geschieht unter Anwendung
dieser Lösung, in welche mit Watte ximwickelte Holzstäbchen ge¬
taucht werden. Einige Minuten danach gurgelt der Patient mit
einer Mixtur:
Tinct. Ratanbiae
Tinct. Guajaci ä;i 50,00
M. d. S. 2 KaflFeelöffel auf ein Glas warmes Wasser.
Die Statistik hat dem Verf. Veranlassung zu dem oben zitierten
recht scharfen Urteil gegeben. Jedenfalls warnt eine derartige
Mitteilung vor Sorglosigkeit bei eingeleiteter Serumbehandlung.
2. Ga lli-Val erio, Lausanne: Die Drahtnetze an Türen
und Fenstern vom Standpunkte der Hygiene und Prophylaxe.
Bei der nachweislich erheblichen Gefahr, welche Insekten-
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56
MEDICINISCHE WOCHE,
Nr. 5.
Stiche in Bezug auf die tJebertragung verschiedener Infektionskrank¬
heiten darstellen, hält Verf. di^ Anbringung insektensicberer Draht¬
netze vor Türen und Fenstern für sehr wichtig. In Maiaria-
gegenden ist eine derartige Vorsichtsmaßregel so gut wie selbst¬
verständlich, aber auch in anderen insektenreichen Gegenden (See¬
bädern etc.) dürfte eine derartige energische Abwehrmaßnabme
ganz besondere Bedeutung haben.
3. Eschle, Sinsheim: Die Pathogenese der Fettauoht.
Verf. geht ausführlich auf die verschiedenen Formen der Fett¬
sucht ein, welche er, dem Vorgänge Rosenbach's folgend, in drei
Hauptgruppen teilt. Erstens Plethora oongestiva s. hypertonica.
Gesteigerte Einnahme und Ausgabe. Zweitens Plethora e funktione
minori s. Hypokinese. Gesteigerte Einnahme, verminderte Ausgabe
infolge von Inaktivität. Drittens Plethora hypotonica, atonica s.
torpida, hydraemische Korpulenz. Angeborene oder familiäre .An¬
lage. Bei dieser ist eine wirklich falsche Betriebsform in der
Ausnützung der Nahrung vorhanden. Wenn man die funktionelle
Seite in Betracht zieht, ist es falsch, den Erfolg einer Therapie
nur nach Gewichtsabnahme oder Konstanz bei Fettsucht zu beur¬
teilen.
4. Klau, Berlin: Über die akute exsudative Mittelohrent¬
zündung und ihre Behandlung,
Die akute eitrige Mittelohrentzündung ist stets eine Erkrank¬
ung ernster Art, da die Nachbarschaft lebenswichtiger Organe be¬
denkliche Komplikationen ermöglicht. Aetiologisch kommt ein eitriger
Nasenrachenkatarrh, Angina, Diphtherie, acute Exantheme, Typhus,
Influenza in Betracht. Ala Erreger findet man den Diplococcus
pneumoniae, den Staphyloooccus pyogenes albus und aureus und
den Streptococcus Fast immer besteht zugleich ein ausgesprochener
Gastricismus. Diese Tatsache muss den Arzt veranlassen, bei
Kindern mit fieberhaften Verdauungsstörungen an Otitis media zu
denken. Im Verlauf der Erkrankung kommt es fast stets zur
Perforation des Trommelfells. Treten Komplikationen nicht ein,
so pflegt völlige Heilung erreicht zu werden. Allerdings kann aus
der akuten auch eine chronische Eiterung entstehen. Die Behand¬
lung muss sachgemäß und sorgfältig sein. Jede Reizung ist zu
vermeiden. Kommt der Fall früh zur Beobachtung, ist das Fieber
noch mäßig, das Trommelfell zwar gerötet, aber noch nicht sehr
vorgewölbt, dann kann man, zumal wenn die Schmerzen erträglich sind,
mittels hydropathischer Umschläge eine Resorption des Exsudates
anstreben. Ein mit abgekochtem Wasser oder der üblichen Essig-
saurentonerde-Lösung getränkter Gazestreifen wird in den Gehör¬
gang eingeführt, mit feuchter Watte die Ohrmuschel ausgefüllt,
auch die Gegend des Warzenfortsatzes bedeckt und das ganze mit
Gummipapier durch Verband abgeschlossen. Wechslung alle 2—3
Stunden. Gleichzeitig Bettruhe, Diät, Laxantien. Ist nach 2 bis
3 Tagen eine entschiedene Bessenmg nicht eingetreten, dann muss
die Parazentese zwecks Entleerung des Eiters vorgenommen
werden. Bei stürmischen Erscheinungen ist die Parazentese auch
am ersten Tag geboten. Die Indikation für dieselbe lässt sich in
der von Körner angegebenen Symptomentrias zusammenfassen;
Zirkumskripte oder totale Vorwölbung des Trommelfells, heftige
Schmerzen, hohes Fieber. Auch bei Schmerzhaftigkeit des Warzen¬
fortsatzes ist sofortige Parazentese geboten, um, wenn möglich,
entzündlichen Prozessen in den Zellen und der Caries vorzubeugen.
Die Parazentese muss gross genug angelegt werden (2 mm) und
so, dass das Exsudat abfliessen kann, also im hinteren unteren
Quadranten, sie ist auch geboten bei hochsitzenden Perforations¬
öffnungen. Als Nachbehandlung empfiehlt sich die Trockenbehand¬
lung. Die Anwendung der Luftdusche im entzündlichen Stadium
unterbleibt am besten. Treten bei Kindern mehrfache Rezidive
auf, so muss man an eine Hypertrophie der Rachenmandel denken
und diese entfernen.
5. Tesche mach er, Neuenahr; Zwei dnrch Thiosinamin-bezw.
Fibrolysininjektionen erfolgreich behandelte Fälle von Dupny-
trensoher Fingerkontraktnr bei Diabetikern.
Verf. hat zwei Fälle von Fingerkontraktur hei Diabetes mit
Thiosinamin resp. Fibrolysin behandelt. Täglich 1 Spritze
Thiosinamini 2,00
Glyzerin! 4,00
Aq. dest. 14,00.
Ausserdem wurde auch Thiosinamin zu 0,025 3 mal täglich in
Pillen gegeben, zu einer Zeit, wo der eine Patient nicht sur In¬
jektion kommen konnte. Das Fibrolysin wurde in die Glutton in¬
jiziert. In beiden Fällen war der Erfolg ein eklatanter, sodass
Verf. bei Fingerkontrakturen der Diabetiker eine Thiosinaminin-
jektion oder miVdem bei Mack in Darmstadt hergestellten Fibrolj^sin
vor einer Operation dringend empfiehlt. Das Fibrolysin ist weit
weniger schmerzhaft in der Anwendung und erheblich rascher im
Erfolg.
6 . M|obr, Bielefeld; Zur ThiotmaimmbehaBdlittg bei trauma¬
tischen Striktnren.
Verf. bat bei einem Fall von ausgedehnter Narbenbildung im
Gesiebt nach einem erlittenen Unfall eine Tbiosinaminkor einge¬
leitet. Da der ductus parotideus mit iu die Narbe einbezogen
war, musste gleichzeitig eine Sondenbehandlung eingeleitet werden.
Nach 2‘/* monatlicher Behandlung war das Narbengewebe weicher
und die Sondierung ohne Schwierigkeit möglich. Verf. ist geneigt,
trotz der Sondenbehandlung, den Haupterfolg der Thiosinaminbe-
handlung zuzusebreiben.
7. Sadger’, Wien-Gräfenberg: Die Hydriatik derHeuralgiest
peripherisohea Lähmung, Neuritis und Folyaeuritis.
So wenig wir über einen Teil der Neuritiden und peri¬
pherischen Lähmungen in ätiologischer Hinsicht aufgeklärt sind, so
wenig wissen wir, warum die mit Erfolg gekrönten hydrothera¬
peutischen Maßnahmen wirken. Wintemitz hat die Theorie auf-
gestellt, dass die rheumatischen Neuritiden auf Grund der durch
Kälte entstehenden Ischämie sich entwickeln und dass wir durch
die hydriatischen Maßnahmen die gestörte Zirkulation wieder her¬
steilen und die Beseitigung und Ausscheidung der Noxen bewirken.
Die Theorie ist zwar bis heute nicht strikte bewie.sen, aber sie bat
in Ermangelung einer anderen viel für sich. Bei Neuralgien em¬
pfiehlt sich die Anwendung von Dampfkasten (10—*25 Minuten) resp.
Packungen bis zum Schweissausbruch mit nachfolgendem kalten
Regen (2 Minuten) oder Tauchl'ad (8—10®) nnd Va Minute Dauer,
auch kalte Ganzabreibung 3 ’'Iinuten oder kühlere.s Halbbad von
5 Minuten Dauer kommen in Betracht. Alle diese Maßnahmen
kommen bei den Neuralgien in Betracht, wo eine Lokalanwendung
hydriatischer Maßnahmen nicht möglich ist. Bei Ischialgie da>
gegen empfehlen sich schottische Duschen und als Ersatz derselben
im Hause Dampfkompru.^sen mit nachfolgender kalter Waschung.
Ist bei den ersten Applikationen bereits eine Bessenmg des
Ischialgie zu konstatieren, so kann man auf vollkommene Heilung
rechnen, bleibt dagegen jede Besserung bei den ersten hydria-
lischen Maßnahmen aas, so bandelt es sich meist nicht um eine
reine Ischias, sondern es Hegt eine andere Aetiologie vor. Bei
peripherischen Lähmungen kommt die Schottische Dusche nicht in
Betracht, abgesehen davon, dass sie nicht überall aplizierbar ist.
Dagegen kommen bei allen Formen die wechselwarmen Kurproze¬
duren in Betracht, die für Neuralgien als zweckdienUch bezeichnet
wurden. Eine ganz eigene und viel Geduld erheischende Therapie
erfordert die Polyneuritis. Da es sich zunächst um Behebung der
erheblichen Beschwerden und Schmerzen handelt, können nur er¬
regende Umschläge (Priessnitz) in Betracht kommen. Später
kommen hochtemperierte Halbbäder und Packungen in Betracht,
Die Erfolge der Hydriatik bei Polyneuritis sind überrasohend.
Aerztliches Fortbildungswesen.
Vorträge über Grenzgebiete in der Medicin. Die Vorträge
finden im Hörsaal des Kaiserin Friedrich-Hauses statt und be¬
ginnen pünktlich abends 8 Uhr.
I. Die chirurgische Behandlung von Ei-krankungen der ner¬
vösen Zentren von Wirkl. Geb. Rat Prof. v. Bergmann-Berlin
am 2. März, 11. Die Verhütung der Infektionskrankheiten auf
Grundlage der neueren Erfahrungen von Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
Gaf fky-Berlin am 6. März. III. Ueber spezifische Therapie (mit
besonderer Berücksichtigung der Serumtherapie) von'Geh. Med.-
Riit Prof. Dr. Ehrlicb-Frankfurt a. M. am 9, März. IV. Der
Ausbau der diagnostischen Hilfsmittel und Methoden von Prof. Dr.
Müller-München am lS. März. V, Die wichtigsten Indikationen
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MEDICINTSOHE WOCHE.
öT
za chirurgischen Eingriffen bei Erkrankungen des Peritoneums und
des Darms von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Curschmann-Ijeipzlg
am 16. März. VI. Auge und Gehirn von Geb. Med.-Rat Prof.
Dr. V. Michel-Berlin am 20. März. VIL Der Einfluss der
bakteriologischen Forschungsergebnisse auf die Anschauungen in
der allgemeinen Pathologie von Prof. Dr. v. Baumgarten-
Tübingen am 23. tlärz. VIII. Gegenwärtiger Stand der Behand¬
lung der Nervenleiden von Prof. Dr. Edinger-Frankfurt a. M. am
27. März. IX. Die mechanische Behandlung von Nervenleiden
von Dr. H. Frenkel-Berlin am 30. März. X. Medikamentöse
und mechano-hydrotherapeutische Behandlung von Respirations und
Zirkulatfonsstörungen von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bäumler-
Freiburg i. B. am 3. April. Xf. Die chirurgische Behandlung der
Neuralgien von Geh. San.-Rat Prof. Dr. Bardenheuer-Köln am
6 . April. XII. Die Behandlung der septischen Infektion von Prof.
Dr. Lex er-Königsberg am 10. April. XIII. Die interne und
chirurgische Behandlung der Appendicitis von Prof. Dr. Rumpf-
Bonn am 17. April. XIV. Die interne und chirurgische Behand¬
lung der Gallensteine von Prof. Dr. Ke hr-Halberstadt am 20.
April, XV. Uebung, Mechanik und Massage bei der Behandlung
von Knochen- und Golenkerkrankungen von Geh. Med.-Rat Prof.
Dr. Hoffa-Borlin am 24. April. XVI. Das Licht als Heilfaktor
von Prof. Dr. Lassar-Berlin am 27. April.
Die unentgeltlichen Fortbildnngskurse im Sommersemester 1906
beginnen am 1. Mai; das Verzeichnis wird Anfang April bekannt
gegeben.
Bemerkungen für die Teilnehmer.
1. Berechtigung zur Teilnahme. Zur Teilnahme an
den Vorträgen ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin
und der Provinz Brandenburg gegen Lösung einer nicht
übertragbaren Karte berechtigt. Für jede Karte wird eine Ein-
sclireibegebülir von M. 2,— erhoben. Diese Einschreibegebühr
wird, sofern die Karte ans irgend welchen Gründen unbenutzt
bleibt, nicht zurückerstattet.
2. Art der Meldung. Die Karten, sowie das Verzeichnis
der Vorträge sind im Direktionsbureau clei* Kgl. Charite zu er¬
halten, wo auch nähere Auskunft erteilt wird (nur schriftlich, oder
wochent&glich 10 —3 Uhr persönlich).
Schriftlichen Bes telhxnge n sind ein frankiertes Kuvert
mit der Adresse des Bestellers und die Einschreibegebühr für die
gewünschte Karte beizufügeu (in Briefmarken zu 5 oder 10
Pfennigen oder durch Postanweisung, nicht in Metallgeld ins
Kuvert). Alle schriftlichen Bestellungen und etwaige Postan¬
weisungen sind zu richten an: Herrn Rechnnngsrat Traue, Königl.
Charite, NW. 6,, Schumannstrasse 21.
Persönliche Meldungen werden wochentäglich von 10
Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags angenommen. Hierbei ist
ein offenes frankiertes Kuvert abzugeben, welches mit der Adresse
des Bestellers versehen ist und die schriftliche Bestellung enthält;
zugleich ist die Einsebreibegebühr zu erlegen.
Telephonische Bestellungen von Karten und Ver¬
zeichnissen können nicht berücksicditigt werden.
3. Termine der Meldungen, a) Beginn der Meldungen
am 5. Februar, b) Schluss der Meldungen am 20. Februar.
4. A rt der Karteuau.sgabe. Der Hörsaal fasst 200 Plätze,
die nummeriert sind.
Um jedem sich Meldenden die Möglichkeit zu erschliessen,
wenigstens einen Teil der Vorträge zu hören, werden die Vorträge
und die Plätze auf die gesamten Meldungen verteilt werden.
Na<flidem die Zahl der Vorträge, welche hiernach auf jeden Teil¬
nehmer entfallen, rechnerisch festgestellt ist, werden die Vorträge
selbst für ihn aus dem gesamten Zyklus aasgelost. Eine Auswahl
bestimmter Vorträge bei den Meldungen ist hiernach nicht zulässig.
Die ausgelosten Vorträge werden durch Eintragung der betreffenden
Nummern (nach diesem Verzeichnisse) in die Teilnehmerkarte be¬
zeichnet; und zwar bedeuten die römischen Ziffern die einzelnen
Vorträge, die beigefügte arabische Ziffer die Platznuramer für den
betreffenden Vortrag.
5. Zuschriften für das Zentralkomitee. Alle Zu¬
schriften, welche sich nicht auf die Bestellung von Karten und
Verzeichnissen beziehen, sind zu richten an das: Bureau des
Zentralkomitees, W. 80, Elssholzstr, 13, vom 1. März
an: NW. 6, Luise nplatz 2—4 ;Kaise_ri n Fri edrich - Haus).
Zentralkomitee für das ärztliche Fortbildnngswesen in Frenssen.
E. von Bergmann R. Kutner
Vorsitzender. Generalsekretär.
Vermischtes.
Berlin. Der V^erband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung
ihrer wirtschaftlichen Interessen hat an den Reichstag folgende
Eingabe gerichtet: Einen hohen Reichstag bittet der Unterzeichnete
„Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaft¬
lichen Interes.%n“ die beabsichtigte Automobilsteuer, soweit sie die
zur Ausübung des ärztlichen Berufes dienenden Kraftfahrzeuge be¬
trifft, ablehnen zu wollen.
Es ist folgende Begründung beigefügt: „Die Automobilsteuer
ist als Luxussteuer gedacht; sie soll den Wohlhabenden treffen.
Wer sich den Luxus eines Kraftwagens gestatten kann, soll dafür
eine Steuer von 100 oder 150 M. im Jahre tragen. Man über¬
sieht aber, dass das Automobil des Arztes kein Luxusgegenstand
ist. Der Landarzt ist zur Ausübung seiner Praxis in den weitaus
meisten Fällen auf ein Beförderungsmittel angewiesen, welches ihn
von der Post und der Eisenbahn unabhängig macht, und ihm die
Möglichkeit rascher Hilfeleistung gewährt. Bisher hat er sich hier¬
zu des Fuhrwerks bedient, sei es, dass er sich selbst Wagen und
Pferde hielt, sei es, dass er ein entsprechendes Abkommen mit
Fuhrwerksbesitzem traf. Nun bietet das Automobil dem Land¬
arzte sowohl wie dem Patienten so wesentliche Vorteile, dass sich
heute bereits ein grosser Teil gerade der minderbemittelten Land¬
ärzte veranlasst gesehen hat, das Kutsohgesohirr durch den Kraft¬
wagen zu ersetzen. Die Vorteile bestehen in der Möglichkeit
schnellster Hilfeleistung bei Unglücksfällen und plötzlichen Er¬
krankungen, sowie in der grossen Leistungsfähigkeit des Auto¬
mobils, welches zur Fahrt stets fertig und grossen Anforderungen
gewachsen ist, während das Pferd schon bei verhältnismäßig ge¬
ringer Anstrengung versagt. Dieser Vorteile wegen haben die
Aerzte sich nicht gescheut, für Anschaffung eines Automobils die
erhebliche durch jahrelange Arbeit sauer verdiente Summe von
3—4000 M, auszugeben. Die Spesen des Automobilbetriebs werden
sich ungefähr mit den für Wagen und Pferde die Wage halten,
wenn sie diese nicht übersteigen. Allerdings fallen die Kosten
für Fütterung der Pferde und der Kutscherlohn fort, dagegen ver¬
ursacht das Automobil nicht unerhebliche Ausgaben für Repara¬
turen, Benzin und Prämien für Unfall-, Feuer- und Haftp&cht-
verslcherungen. Alle diese Aerzte würde die neue Steuer ungemein
hart treffen. Sie würde zur Folge haben, dass zum Nachteile der
Kranken viele Aerzte gezwungen werden, ihre Kraftwagen wieder
abzusebaffen, und dass andere von deren Anschaffung Abstand
nehmen. Es ist ja auch vom Staate längst anerkannt, dass das
Fuhrwerk des Arztes kein Luxusgegenstand ist. Ein , Pferd des
Arztes ist von der jährlichen Ausmusterung befreit und die durch
Pferd und Wagen entstehenden Spesen können bei der Einschätz¬
ung zur Einkommensteuer von dem Einkommen in Abzug gebracht
werden, weil sie zu dessen Erwerb dienen. Das gleiche ist der
Fall bei dem zur Ausübung seines Berufes vom Arzte benutzten
Automobil. Eis wäre ein krasser Widerspruch, wenn der Staat
dieses Automobil mit der Luxussteuer belegen, zugleich aber an¬
erkennen würde, dass die Benutzimg des Kraftwagens für den Arzt
znr Erlangung seines Einkommens notwendig ist.
Der Verband, welcher 18000, d. h. etwa drei Viertel sämt¬
licher praktischer Aerzte Deutschlands vertritt, richtet deshalb an
die Mitglieder des Deutschen Reichstages das ergebene Ersuchen:
bei etwaiger Annahme der Steuervorlage die zur Aus¬
übung des ärztlichen Berufs dienenden Kraftfahrzeuge
von der Steuer ausnehmen zu wollen.
Frankfurt a. M. Der Aerztliche Verein hierselbat Lat in
seiner Sitzung vom 8. ds. definitiv die Einführung der Sonntags-
Nachmittagsruhe beschlossen. Die Sprechstunden am Sonntog
Vormittag sollen einstweilen weiter bestehen dürfen. Die Vertretung
findet bezirksweise nach eigenem Dienstplan statt, auch bei den
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58
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 6.
tipeziaiitaten wird iSoDntagddieQät eiagerichtet. Daa lukral'ttreteu
erfolgt, sobald die Organisation im einzelnen ausgearbeitet ist.
Die Teilnahme ist bis jetzt noch nicht obligatorisch. Die Ver¬
tretung ist nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit unentgeltlich. —
Auch der Verein Cannstatter Aerzte hat beschlossen, die Sonn¬
tagsruhe einzuführen.
Bsrlin. Das Deutsche Reichskomitee für den XV. Inter¬
nationalen medicinischen Kongress in Lissabon regt die Errichtung
eines internationalen Bureaus fiir die allgemeinen medicinischen
Kongresse, welches in der Zeit zwischen den Versammlungen in
Kraft bleiben soll, an. Der Sitz des Bureaus soll Paris sein, seine
Aufgabe, den Zusammenhang in der Tätigkeit der Kongresse zu
wahren und an der Aufstellung de.s Kongressprogramms mitzu-
wirken. Das Komitee wünscht ferner, dass die allgemeinen inter¬
nationalen medicinischen Kongresse in Zukunft nur alle 5 Jahre
stattfinden sollen. Exz. v. Bergmann, der dem Kongress in
Lissabon nicht beiwohnen kann, hat den Vorsitz im Komitee
niedergelegt: an seine Stelle tritt der bisherige II. Vorstand, Ge¬
heimrat Waldeyer.
Hochschulnachrichten.
Berlin. Dr. Salge, Privatdozent an der hiesigen Universität
und Assistent an der Kinderklinik der Charite, ist zum Oberarzt
des Säuglingsheims in Dresden gewählt worden.
Breslau. Privatdozent Dr. Goebel nahm die auf ihn ge¬
fallene Wahl zum dirigierenden Arzte des hiesigen Augusta-
Hospitals an.
Dresden. Der Spezialarzt für Chirurgie und Orthopädie
Dr. med. Wilhelm Hübner, ist zum Direktor des städtischen
Krankenhauses in Liegnitz berufen worden.
Erlangen. Dr. Weichardt hat sich für experimentelle
Therapie in der medicinischen Fakultät habilitiert — Dem Direktor
des anatomischen Instituts, Prof. Dr. Leo Gerlach wurde der
Miobelsorden IV. Klasse verliehen. —
Göttingen. Der Direktor der medicinischen Klinik in
Göttingen, Prof. Wilhelm Plbstein, wird mit dem Ende des
nächsten Halbjahrs von seinem Lehramte zurücktreten.
Jena. Der Privatdozent für innere Medicin Grober, der
Privatdozent für Psychiatrie Berger und der Privatdozent für
Psychiologie Noll sind zu ausserordentlichen Professoren ernannt
Wörden.
München. Habilitiert: Dr. Siegfried Oberndorfer für
pathologische Anatomie.
Tübingen. Auf die neuerrichtete ordentliche Professur für
Hygiene wurde Dr. Wolf, a. o. Professor für Hygiene und Bak¬
teriologie an der technischen Hochschule zu Dresden, berufen.
Neu niedergelassen
haben sich iu
München. Dr. med. Th. Kleinschmidt. — Elberfeld. Dr. Heinrich
Preuss, Chemiker. — Breslau. Dr. med. Walter Steinitz. — Kaukehmen.
Dr. med. Deckner. — Pfeddersheim. Dr. med. H. Eckes. — Leipzig-
Mökem. Dr. med. Stutzer. — Bergneukirchen. Dr. med. Popke. — Dresden-
Striesen. Dr. med. A. Hähnel. — Kobnrg. Dr. med. Arend. — Koburg.
Augenarzt Dr. med. Reinhold Alkau. — Hannover. Dr. med. Carl Meyer.
Familien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Johanna Kauert in Lüdenscheid mit Hrn. Dr. med. Siemen in
Altroggenrahmede — Frl. Sabine Hörder mit Hrn. Dr, med. Hans Schlüter
in Leipzig. — Frl. Auguste Brewe in Osnabrück mit Hm. Dr. med. Werner
Schmidt in Zierenberg. — Frl. Margarete Eulitz mit Hrn. Stabsarzt Dr.
Stölzner in Dresden. — Frl. Clara Fehrenborg in Essen-Ruhr mit Hm.
Dr. med. Paul Kotteler in Hagen i. W. — Frl. Anna Kohlmann in Han¬
nover mit Hrn. Dr. med. Wilhelm Tantzen in Langenhagen.
Vermählt:
Herr Dr. med. Heinrich Franz Schmidt mit Frl. Ella Dornbach in
Bonn. — Herr prakt. Arzt M. Zimmermann mit Frl. Tb. Schilling in Kiel.
Geboren:
Einen Sohn: Hrn. Dr. med. Schulte in Stendal. — Hrn. Dr. roed.
R. Kaufmann in Frankfurt a. M. — Hrn. Dr. F’orzolt in Busendorf, Lothr.
— Hm. Dr. med. Ernst Mo.ser in Zittau.
Eine Tochter: Hrn. Dr. mod. Otto Lambrecht in Loschwitz.—
Hrn. Dr. med. Manchot in Hamburg.
Gestorben:
Dr. med. Richard Mnyorstein in Hannover. — Dr. med. Robert Roos
in München. — Obermodi/.inalrat Dr. Klinger in Leisnig. — Dr. med W.
Krause in Marburg. — Oberstabsarzt I. Ki. a. D. Otto Beesel in Stendal.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adrette: Arztllchee AitkNefla-Buretu dee Seeohiftt-Aaetebittet der
Berliner ttrztllchtn Standeevereine 1« Mediclnieohen Waarealiaaee (Akt.-
fiee.), Berlin N, Frledriobetrannn 108 1.
Für persönliche Rücksprache ist Herr Dr. JoMkla tEfflleh TOS V*l~'/sS Vkr >ni
Medicinischen Waarenhause anwesend. (Mit tütiger F.riaiibnis des Cteschafis.Aiistchnsses
der Berliner hrrtlicheD Siandesvereine rom Auikiinfts-Bureaii der Med. Woche übermiiteli.
In Sachsen wird fUr sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1040.
In Berlin wird für sofort ein Assistent für augcnärztl. Poliklinik ge-
sorht. Näheres unter No. 1945.
ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht. i
Näheres unter No. 1951.
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1956.
In der Provinz (’osen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1969.
In Westpreusson wird für sofort ein kroisärztlich geprüfter Vertreter i
gesucht. Näheres unter No. 1970.
In der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht
Näheres unter No. 19t^.
In der Mark wird für eine Kinderheilstätte zum 1. April ein Assbtent j
gesucht. Näheres unter No. 1087.
In einer Universitätsstadt Mitteldeutschlands wird für Chirurg. Klinik i
sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1988. |
In einem Vororte Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1989.
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No 1992. |
In der Mark wird für Anfang Februar ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 1993.
In Oberscblesien wnrd für Anfang Juli ein Assistent gesucht. Näheres '
unter No. 1994.
In der l’rovinz Posen wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 1995,
In einem Vororte Berlin wird für Mitte Februar ein Vertreter ge¬
sucht. Näheres unter 1996.
In Westpreussen wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 1998.
In Berlin wird für Mitte Februar ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 2000.
Berichtigaog.
Herr Dr. E Frank, der Verf. des Orivinalartikels in Nr. 4 .Über
Hotolbebandlung‘' bittet uns mitzuteilen, dass sich auf Seite 37 ein
störender Fehler eingeschlicboii hat, es ist dort von der intravenösen Injek¬
tion von Fibrolysin die Rode und betont, dass bereits nach 15 Sekunden
ein laugenartiger Geschmack im Munde auftritt und ‘/s Stunde anbält,
es soll heissen V« Minute anbält. D. Red.
Benno Chajes- Berlin. Befraktometrisebe Eiweusbestimin-
nngen znr Kontrolle therapentischeT Hafinahmen. (Ther. d.
Gegenw., 1904, Oktober.)
An einem einzigen Tropfen Blut kann man den Eiweissgehalt
de.s Blutes fe.ststellen und so z. B. nach dem Vorgänge von H.
Strauss und Chajes für klinische Zwecke den Grad der Ver-
wä.s3erung des Blutserums bei Herzkranken, Blutkranken, sowie
Nierenkranken bestimmen. Die Methode der Refraktionsbestimm-
img ist aber ferner auch für die Untersuchungen geeignet, bei
denen es gilt, den Einfluss einer bestimmten Maßnahme auf den
Eiweissgehalt des BlutsenmLs zu sttidieren. Chajes stellte dies¬
bezügliche Versuche mit Sanatogen an, um den Einfluss einer ei¬
weissreichen Diät auf den Eiweissgehalt des Blutserums zu studieren,
und gab täglich za. 40 bis 45 g Sanatogen — bestehend aus95®A
Kasein und 5% glyzerinpbosphorsaurem Natron — und erhielt ein
ganz vorteilhafte.s Re.sultat: Die Zufuhr von grossen Mengen leicht
assimilierbaren Eiweiases — in diesem Palle Sanatogen — hat
eine Steigerung des Eiweissgehaltes zur Folge, sobald schwere
Stöffwechselanomalien nicht vorliegen. A. R.
Veraniwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. 6S, Kurfürstenstr. 81. — VerlaK »on Carl Marhold, Halle a. S.
Druck TOB der Hejmemanii'schea Buchdruckerei, Gebt. WolfT, Halle a. S.
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4 ,
Medicinische Woche
Deotschmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
■ “ ■ ' '
Verlag und Expedition
Carl Marhold in Halle a« Uhlandstraase 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hailesaale. Fernsprecher 2834.
Herausgegeben von
R. Robert M. Koeppen, K« Parbch, H. Rosln, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricbt A. Vosslna,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W. 62« Knrffirstenstrasse 81*
Dr. P. Meißner.
^ - - J
Vn. Jahrgang. 5. Februar 1906. Nr. 6.
Diejiiledicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Beilage Baineologische Centralzeltnng, Organ des Allgemeinen Deutschen BAdervertandes. des Schwarzwald*
bidertages des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nuimner 25 PL Bestdlungen nehmen jede Buch¬
handlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle n.S. entgegen. Inserate werden für die 4spa]tige Petitzeile oder deren Raum mit SO PL berechnet.
Beilagen nach Uebereinkuntt ReklamezcUe 1.50 Mk Bei Wiederholung tritt Brmäasigung eia
Ntcbdrack der Orighial-Aubätze ist ohne vorherige ,Oenebniigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nnr mit Quellenangabe gest a ttet.
Originalien.
Zur Behandlung des Ulcus serpens corneae mit
Berücksichtigung des Pnenmokokkensemm
(Körner).
Von A. Vossius in Giessen.
Mit Recht hat Sämisch das Ulcus serpens corneae wegen
seines eigenartigen Krankheitsbildes und typischen Verlaufs von
der Hypopyon K^eratitis getrennt. Dieses Hornhautgeschwtir ge¬
hört bekanntlich zu den gefährlichsten Homhauterkrankungen.
In meinem klinischen Material macht es über 57o aller Palle
aus. Es entwickelt sich in der Regel nach Hornhautverletzungen,
die meist nur ganz unbedeutend und oberflächlich zu sein
pflegen und von den Patienten vielfach nicht eher wahrge-
noramen werden, als bis die komplizierende Iritis oder Irido-
cyclitis die cliarakteristischen Ciliarschmerzen verursacht. Die
ol't recht kleinen Wunden wandeln sich durch Infektion mit
Pneumokokken in das der Fläche und Tiefe nach fortschreitende
Geschwür um, an dem der Rand iiach derjenigen Richtung, in
welcher das Geschwür fortkriecht, durch einen ominösen weiss¬
gelblichen, sichelförmigen Hof oder durch mehrere, später kon-
fluierende eitrige Infiltrate gekennzeichnet ist. Schon früh tritt
in der Vordei^ammer ein Hypopyon oder an der Homhaut-
liinterfläche ein festes eitriges Exsudat auf. Beide vergrössern
sich mit der Zunahme des Geschwürs stetig und nicht selten
erfüllt ein dicker Eiterklumpen den grössten Teil der Vorder-
karamer; er kann so kompakt sein, dass man ihn bei der für
die Behandlung nötig werdenden Punktion der Kammer oder
Querspaltung des ulcus nachSämisch als eine zusammenhängende
Masse mit einer Pinzette entleeren kann.
Wenn das Geschwür sich nicht begrenzen lässt und immer
weiter in die Tiefe greift, so tritt meist eine Perforation auf
und hiernach oft die Heilung mit Hinterlassung eines Leukoma
adhärens ein. Dies ist noch ein günstiger Ausgang. Vielfach
kommt es zur Ausbildung eines Staphyloms oder die Eiterung
schreitet noch weiter in die Tiefe vor und die schmerzhafte
Panophthalmie beschliesst das Leiden.
Jedenfalls ist das ulcus serpons ein Pi ozess. der dem Arzt
die äusserste Sorgfalt bei der Behandlung auferlegt und bei
richtiger Therapie in den Anfangsstadien oft einen günstigen
Ausgang hat. Die.ses kriechende Geschwür sehen wir bei
Männern öfter als bei den Frauen; diese erkranken insbesondere
im land- und forstwirtschaftlichen Betriebe nach Verletzungen
mit Getreidehalmen, Grannen, Heulialmeii oder Baiimästclien.
Jm Sommer und Herbst häufen sich besonders bei den land¬
wirtschaftlichen Betrieben diese P’älle. Die Krankenkassenärzto
machen zuerst mit diesen Patienten Bekanntschaft und können
durch geeignete Maßnahmen bezw. durch frühzeitige Ueber-
weisung an Spezialärzte viel Unheil verhüten.
Die Pneumokokken, welche die Infektion verursachen,
stammen häufig aus den Tränenwegen; eine grosse Zahl
dieser Patienten ist mit langjähriger Tränensackeiterung und
Ektasie des Tränensacks behaftet. Amdere infizieren sich mit
Speichel oder unsauberen Taschentüchern. Die Tränensack¬
eiterung kann ein- und beiderseitig bestehen; bisweilen befindet
sie sich nur auf der nicht verletzten Seite. Ausser der reinen
Pneumokokkeninfektion kommt noch eine Mischinfektion mit-
Streptokokken oder Staphylokokken vor. Diese Fälle verlaufen
bösartiger als jene, bei denen nur Pneumokokken vorliegen.
Den Tränenwegen muss der Arzt von vornherein bei
jeder Hornhautverletzung seine Aufmerksamkeit zuwenden. Am
besten ist es, sofort die Exstirpation des kranken Tränensacks
vorzunehmen, die mit Hilfe der lokalen Infiltrationsanaesthesie
mit Cocain-Adienalin meist ohne nennenswerten Schmerz und
in der Regel auch ohne erhebliche Blutung leicht und schnell
ausgeführt werden kann. Nur die Abhebung des Tränensackes
vom Knochen kann schmerzhaft sein. Abgesehen von der Ex¬
stirpation des Tränensackes kommt bei messerscheuen Patienten
die Ausspülung mit desinfizierenden Flüssigkeiten (Lösung von
Hydrarg. oxycyanat 1 :2000) in Betracht. Mit der gleichen
Lösung spült man bei frischen Verletzungen den Bindehautsack
aus. Bei Reizung der liis und starken Schmerzen streicht
man Atropin-Cocain-Vaseline in das Auge, eventuell kann dieser
Salbe etwas Sublimat zugesetzt werden. Ist die Iris sehr
hyperämisch, die Pupille gegen Atropin resistent und der
Ciliarschmerz sehr stark, so kann man durch ein paar Blutegel
hinter dem Ohr eine bessere Erweiterung der Pupille und einen
Nachlass der Schmerzen erzielen. Man mag den Gebrauch von
Blutegeln beute vielleicht nicht überall billigen; ich kann nach
meinen Erfahrungen über ihren Nutzen nur Gutes aussagen.
Ich möchte aber nicht raten, die Blutegel im Gesicht in der
Umgebung des Auges anzusetzen. Bei sehr heftigen Schmerzen
kann unter Umständen auch ein Narcoticum erforderlich werden,
üeber dem verletzten Auge muss ein aseptischer trockener
oder feuchter Verband angelegt werden. Einen solchen Ver¬
band unterlasse man auch niemals nach der Entferaung von
Fremdkörpern aus der Hornhaut, besonders wenn Cocain zur
Anästhesie benutzt ist und wenn die Leute sogleich wieder zur
Arbeit gelien wollen; dadurch allein kann man vielfach der
Ausbildung eines Ulcus serpens Vorbeugen. Der Verband muss
bis zur völligen Regeneration des Epithels regelmäßig gemacht
werden.
Sehr oft kommt man nach meiner Erfahrung mit dieser
Behandlung allein noch aus, wenn der Patient bereits mit den
ersten Zeichen der stiittgofundenon Infektion und den Anfängen
des ulcus serpens in die Sprechstunde kommt Ruhige Rücken¬
lage im Bott unterstützt dabei noch anfangs die günstige Ein¬
wirkung dos Verbandes, vor dessen Anlegung man nochJodo-
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62
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 6.
formpulver oder Nosophen auf den Siibstanzverhist der Cornea
anfötäuben kann. Ge^en Jodoform kann zuweilen Idio>ynkrasie
bestehen, die ich bei Nosophen nicht boobaclitet habe.
Schreitet das Geschwür fort, so zerstöre man den ominösen
Rand mit der galvanischen GlUhschlinge oder mit konzeiitricrter
Karbolsäure. Ist auch hierbei noch eine Progression des Ge- '
schwörs zu beobachten, und vergrössert sich <las Hypopyon,
so punktiere man die Vorderkammer zur Entleerung des Eiters
oder man mache die Querspaltung des ulcus nach Sämisch.
Bei grösseren Geschwüren kann man nach der Punktion mit
einiger Aussicht auf Erfolg auch noch ein Jodoforraplättchen
(Wüstefeld) in die vordere Augenkammer einführen; ich habe
hierauf in mehreren, schon ganz hoffnungslosen Fällen noch
Heilung eintreten sehen.
Erstreckt sich die eitrige Entzündung weiter in die Tiefe
des Auges und droht der Ausbruch der Panophthalmie, so ist
zur Abkürzung des namentlich ältere Leute unnötig angreifon-
den schmerzhaften Leidens die Exenteration des Augapfels
indiziert.
Nach diesen Gesichtspunkten verfahre ich in meiner Klinik,
und ich bin mit den Erfolgen der Behandlung beim ulcus
sei’pens durchaus zufrieden. Statt der anderwärts geübten
warmen Umschläge ziehe ich in der Hegel den feuchtwarmen
antiseptischen Verband vor, weil er vor Verunreinigungen und
Infektionsgefahr schützt. Natürlich bekomme ich auch ge¬
legentlich Fälle zu Gesicht, die jeder Behandlung trotzen, und
bei denen auch das von Römer eingeführto Pneuniokokken-
serum keinen Erfolg hatte. In einer Reihe von Fällen habe ich
mehrere Tage hintereinander subkutan 10 bis 20 ccm des
Serams und ausserdem noch 1 ccm subkonjunktival injiziert; in
andern Fällen habe ich neben der subkutanen Injektion Einträuf-
lungen in den Bindehautsack mehrmals am Tage vorgeiiommen.
Leichte Fälle heilen auch ohne dieses Mittel und in schweren
versagt es nach meinen Erfahrungen, die sich mit denen and«'rcr
Fachgenossen decken, wie ich aus der soeben erschienenen
umfangreichen Arbeit von Axenfeld über die Serumtherapie
bei infektiösen Augenerkrankiingen ersehe. Äx»‘iifeld be¬
richtet in dieser Arbeit u. a. sehr eingehend über die Pnoiimo-
kokkeninfektion und die Resultate «'iner Umfrage bei ver¬
schiedenen Fachgenossen über den Heilwert des Pneumokokken¬
serums bei dem ulcus serpens. Nach seinen eigenen Beob¬
achtungen und den Erfahrungen anderer Kollegen ist die
alleinige Serumtherapie nur in den ersten Stadien des Pio-
zesses gerechtfertigt und von Nutzen; aber auch hier darf
Feuilleton.
Der russische Arzt und dessen Bedeutung für
die kulturelle Entwicklung Russlands.
(Schloss.)
Noch bevor er in die Geheimnisse des ABC eiiizudringeii
vermocht hat, hat der russische GjTnnasia.st aus den ewigen
unendlichen Diskussionen, deren Auge- und Ohrenzeuge er war,
schon Namen und Gedanken kennen gelernt, die einem deutschen
Gymnasiasten, selbst dem Oberprimaner, nicht im Traume ein¬
fallen können. Und hat er es schon so weit gebracht, dass
er fliessond lesen kann, so ist er von den Büchern nicht mehr
w-egzubringen. Der russische, Gymnasiast beginnt also zu ein<‘r
Zeit zu lesen, zu der sein deutscher Altersgenosse noch seinen
Triesel treibt und mit seinen Freunden l’ferd spielt. Das
Lesen wird dem russischen Gymnasiasten bald nicht nur zur
zweiten, sondern zur ersten Natur; es ist ihm so klar und
selbstverständlich, dass man immer und immer lesen muss,
wie es dem deutschen Gymnasiasten gleichen Alters klar uml
selbstverständlich ist, dass man die Schulaufgaben machen
muss. ..Hast Du schon Deine Scliulaufgahen gemacht fragt
der deutsche Sextaner oder Quintaner seinen Schulfreund, zu d<‘m
er — natürlich «mit der Erlaubnis der Eltern” gekommen ist,
um ihn, wenn es dessen Vater oder Mutter erlaubt, samt seinem
man sich darauf ebensowenig verlassen wie bei mittleren und
grösseren (n'schwüren. HonVui wir. dass es den w'eiteron iiii-
ermüdlicheii Bestrebmigen Höm«‘r's gelingt, mit dem Pneum''-
kokkenserum ein<^ gleiclimäüige. sichere Wirkung zu erzielen.
di(i eine allgenn*i!JO Anwemlung des Serums in allen Fällen
mit Aus-icht auf Erfolg ennöglicht. In Fällen. bei denen
trotz der Pnenmt>kokkenserumbehaiullung das Ge.schw’ür fort-
schritt, habe ich nach der Punktion der Vorderkaminer and
Einführung eines Jodoformplättchens einen Stillstand des Fni-
z«*sses una Heilung eintreten sehen. Beiläufig möchte ich nocli
erwähnen, dass man auch versucht hat, bei den tiefen \er-
letzung<*n und Operationen am Auge eine Pneumokokkeninfek-
tioii durch Serum zu bekämpfen und diese Behandlung auch
als Propliylaxe gegen die Infektion einzuführen. Auch hier
wii‘<l, wi(' .A,xciil’eld sich ausdrückt, in erster Linie die Pro¬
phylaxe in Frage kommen, da die ausgebrochene Erkrankuiii:
schwer zu beeinflussen ist.
So viel .steht jedenfalls fest, dass die Auwendiingaweise dt'
Serums bei ulcus serpens noch nicht in ihrem Erfolg so sicher
ist, da.ss es ohnt* weiteres den Aerzten in die Hand gegeben
werden kann. Am ratsamsten ist es, jeden Fall von ulcus
serpens corneae, zumal wenn der Patient sich in ungünstigen
häuslichen Verhältnisstui und weit ab vt>m Arzte behndet, i»
spezialärztliche Behandlung zu überweisen und bei den land¬
wirtschuft liehen BenifsgenosstMischaften dahinzuwirken, dass siv
die Behandlung der nicht in einer Krankenkasse befindlichen
Patienten sofort unter Uebernahme der Kur- und Verpflegungv
kosten in einer Augenklinik veranlassen.
Über Gebrauch und Missbrauch von Atropin
in der Augenheilkunde.
Von R. Deatschmann, Hamburg.
(.Si'lilnss.)
Dass eine Bindehautentzündung, welcher Ätiologie sie auch
sein möge, resp. welcher Art bakterieller Infektion sie eventuell
auch ihren Ursprung verdankt, so lange sie für sich alleinbestellt
und sich nicht mit Hornhautuffektionen von bestimmtem Cha¬
rakter und Sitz verbindet, keiner Atropinbehandluog bedarf,
sollte eigentlich selbstverständlich sein; trotzdem bekommen
wir oft genug solche Conjunctivitiden mit Atropinmydriasis in
Drachen ziim „Drachensteigenlassen" abzuliolen. „Hast Ihi
schon Dein Buch zu Ende gele.seny“ ist die Frage des russischen
Quintaners oder Sextaners an seinen Schulfreund, zu dem er.
natürlich ohne jemanden überhaupt gefragt zu haben, gekommen
ist, um ihn sein neues Buch oder ,,ganz etwas besonderes" zu
zeigen, das man nur bei geschlossenen Türen und Fensteni
lesen darf und dann sofort im Ofen verbrennen muss.
liest Du?“, ist die erste und letzte Frage einer russischen
Gymnasiasten-Konversation, und wehe dem, der mit einer Ant¬
wort nicht prompt bei der Hand ist: ein russischer Gymnasiast,
der einmal in den Verdacht gekommen ist, dass er .,garnic]it.'
liest“, ist in den Augen seiner jungen Mitwelt verloren, und
es fällt mir tatsächlich schwer, aus dem Leben eines deutschen
jugendlichen Gymnasiasten irgend eine passive Untugend her¬
auszufinden, von der ich sagen könnte, dass sie dem fll-bel-
täter“ auch annähernd so viel Geringschätzung, ja Missach¬
tung seitens der Kameraden einbringen würde, wie das schreck¬
liche „on nitschewo nje tschitact“.
Ja, was liest denn nun der russische Gymnasiast'
Märchen, Jugeiidschriften, Reisebeschreibungen? Jsein! Allf
diese Sachen, die Herz und Sinn der deutschen Jugend er¬
freuen, sind dem russischen Gymnasiasten kein nutrmieiituiu
Spiritus. Es gelüstet ihn nach etwas ganz anderem, vor alle«'
nach dem, wo von er immer gehört hat, d. h. nach denjenigen
Werken, die in Dmitscliland, so weit mir bekannt, erstens von
Schülern gleichen und auch höheren Alters nicht gelesen umi
zweitens überhaupt nicht gelesen, sondern studiert wenkn-
Von irgend einem System kann hier natürlich nicht die Rede
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1906.
MEDICINTSCHS WOCHS.
63
weitere Behandlung. Ich rechne hierher auch die sogenannte
phlyctaenuläre Conjunctivitis. Eine Indikation für den Gebrauch
von Atropin kann dagegen eintreten, wenn eine Komplikation
seitens der Hornhaut auftritt; hier aber auch nur dann, wenn es
sich um ein tiefgehendes zentrales Geschwür handelt, das zu
perforieren droht und von dem der Pupillarrand fern gehalten
werden muss, oder wenn etwa von der Hornhaut aus sekundär
die Iris in Mitleidenschaft gezogen wird, und die Gefahr hinterer
Synechien, also VerlÖtung der Iris mit der vorderen Linsen¬
kapsel zu fürchten ist.
Eine Ausnahme von dieser Regel mache icli nur dann und
wann bei den oberflächlichen Epithel- resp. Substanzverlusten
der Hornhaut, wie sie bei Kindern mit phlyctaenularer Con¬
junctivitis resp. Keratitis, vergesellschaftet mit Blepharospasmus
resp. starker Lichtscheu auftreten. Warum hier ab und zu
eine Instillation von Atropin sehr gute Dienste leistet, insofern
danach Lichtscheu und Blepharospasmus schnell schwinden,
vermag ich nicht zu sagen. Bekanntlich ist von Nagel, Römer
und Axenfeld über den sogenannten Blendnngsschmerz disku¬
tiert w’orden; Nagel hob hervor, dass für ihn beim plötzlichen
Blick auf eine hellbeleuchtete Fläche ausser dem bekannten
Blendungsgefühl auch ein wirklicher Schmerz auftreten könne,
den er auf die starke Kontraktion des sphincter pupillae zu¬
rückführt; durch Atropin werde diese Kpntraction verhindert
dadurch der Schmerz beseitigt. Römer konnte sich davon
nicht überzeugen, während Bjerrum zwar das Vorkommen
des physiologischen Blendungsschmerzes bestätigt, aber die
Erklärung Nagel’s dafür ablehnt; dabei gibt er aber zu, dass
Atropin den pathologischen Schmerz dämpfe. Axenfeld,
der auf diese Frage gerade im Hinblick auf die phlyctaenuläre
Lichtscheu mit Blepharospasmus der Kinder eingoht, äussert
sich dahin, dass er es noch nicht für entschieden halte, ob
nicht doch eine schmerzhafte Lichtscheu bestehe, wenn es
auch fraglich ist, ob diese starke reflektorische Pupillenkon¬
traktion, bei der ja ausser dem Lichteinfall vielleicht auch ein
Reflex durch die sensible Reizung der Augenoberfläche eine
Rolle spielt, bei diesen Kindern Empfindungen auch im Gebiet der
Iris resp. des Ciliarkörpers hervorruft. Auf alle Fälle spricht
Axenfeld von gelogentlicher Beeinflussung dieser phlyc-
taenulären Lichtscheu durch Atropin, als von einer Tatsache,
die er aus seiner klinischen Erfahrung gewonnen hat. Diese
Tatsache kann ich nur bestätigen, ohne mir gleichfalls, wie
schon gesagt, darüber klar zu sein, in welcher Weise diese
Beeinflussung geschehen mag. Selten sind die Fälle immer¬
sein, und es hängt vom blinden Zufall ab, ob man das Funda¬
ment zu seiner Belesenheit mit dem Werke irgend eines
Philosophen, Ideologen, Sozialreformators oder mit einem
Werke über Kulturgeschichte oder über die grosse französischeRe-
volution legt. Die Hauptsache ist, dass man recht viel gelesen
hat, damit man das Wort „natschitannost“ mit Recht für sich
in Anspruch nehmen kann, welches, nebenbei bemerkt, in wört¬
licher Übersetzung nicht Belesenheit, sondern „Vollgelesen-
heit“ heisst
Ob man nun alles, was man liest, versteht? Auf diese,
nur zu berechtigte Frage eine eindeutige Antwort zu geben,
ist schw’er. Es gibt zweifellos eine Anzahl enorm heller
Köpfe, vielleicht sogar Köpfchen, für die in Bezug auf die
Erfassung fremder Weisheit überhaupt keine Grenzen gezogen
sind. Das sind die wirklichen Wunderkinder, aus deren Reihen
anderswo und unter anderen Umständen weit mehr grosse Denker
hervorgegangen wären, als es in Russland der Fall ist. In den
meisten Fällen wird jedocli das Gelesene nicht oder falsch ver¬
standen. Man hat aber Ausdauer und ein gutes Gedächtnis, so dass
eine Unmenge trefflicher Zitate, ja ganzer Kapitel im Kopfe
haften bleiben, mit denen mancher „Dreikäsehoch“ ebenso um-
zugelien versteht, w’ie mancher zitatenliebender Berufsrediier.
Mag aber dem sein, wue es will, die Frühreife ist fast all¬
gemein. Sie wird [durch die erw’aclisene Umgebung, die mit
all ihrem Wünschen und Sehnen von dem gewaltigen Daumen
einer kurzsichtigen Buroaukratie in den bis zum Ersticken
engen vier Wänden der eigenen Behausung zurückgehalten
hin und man wird eben nur dann und wann bei dieser Er¬
krankung von der Atropinbehandlung einen Vorteil sehen. Es
ist um so ratsamer hier vor>ichtig vorzugehen, als bei Kindern
Öfter eine erhöhte Pulsfrequenz und eine Röte der Haut, be¬
sonders des Gesichtes, als Zeichen einer Allgemeinintoxikation
beobachtet werden. Dass auch bei Erwachsenen Symptome
einer solchen, individuell verschieden, bald früher, bald später
bei Instillation von Atropin in den Bindehautsack auftreten,
und zwar als erstes derartiges Trockenheit im Halse, sei hier
gleich mit angeführt. Es rührt jedenfalls davon her, dass durch
den Tränennasenkanal Spuren der inatillierten Lösung abfliessen
und so von dem Organismus aufgenommen werden können.
ZudrUcken der Tränensackgegend während und nach der Ein-
tropfung dürfte diese Gefahr am sichersten vermeiden lassen.
Nebenbei sei erwähnt, dass subkutane Injektionen von Pilo¬
carpin und Morphium als bestes Antidot gegen Atropinintoxi¬
kation gelten.
Ich habe bereits davon gesprochen, dass bei geschwürigen
Prozessen der Hornhaut, falls dieselben zentr^ sitzen und
Perforation droht, eine Behandlung mit Atropin indiziert ist;
man hat hier die Aufgabe bei Durchbruch des Geschwürs¬
randes und Abfliessen des Kammerwassers dafür zu soigen,
ass ein Vorfällen des Sphincterrandes der Iris in die Perfo¬
rationsöffnung, wenn angängig, vermieden wird. Geschieht
dies dennoch, so ist es fast stets unmöglich durch Atropin die
Iris wieder zu befreien und man tut in der Regel am oesten,
die vorgefallene Iris etwas anzuziehen und abzuschneiden, wo¬
nach man das weitere Atropineintropfen entbehren kann. Bei
allen andern Hornhautgeschwüren, sofern sie nicht sekundär
eine Iritis indiziert liaben, ist der Gebrauch von Atropin zum
mindesten überflüssig, wenn nicht direkt schädlich. Hierhin
rechne ich auch das ulcus serpens, die sogenannte Hypopyon-
keratitis. Auf alle Fälle bei dieser Erkrankung eine Atropin¬
behandlung einzuleiteo, ist durchaus nicht angebracht. Meiner
Erfahrung nach ist eine Mitbeteiligung der Iris io Form von
Synechienbildung nicht die Regel und da die Resorption des
Eiters in der vorderen Kammer bei V e r k 1 e i ner u n g aer resor¬
bierenden Irisoberfläche zweifellos schlechter von statten geht,
ebenso wie ein etwaiger Abfluss durch den Kammerwinkel
durch die mit der Atropinmydriasis einhergehende Verdickung
der Iris und ihre Verschiebung nach letzterem hin erschwert
wird, so müssen eben die Formen, in denen das Atropin wirk¬
lich indiziert ist, streng ausgesucht werden.
Eine Erkrankung der Hornhaut, die zuweilen, aber ent-
wird, in den Kindern geweckt und durch das Lesen bis zur
üppi^ten Blüte getrieben.
Die Konsequenzen dieser Frühreife .können natürlich nicht
ausbleiben, und sie bleiben auch nicht aus. Vor allem geht
dem russischen Gymnasiasten, dem Kinde aus dem Kreise der
Intelligenz, seine Kindheit so gut wie verloren. Selten oder
fast nie streift ein Zug holder Glückseligkeit über sein blasses,
durchgeistetes Gesichtchen; vergebens würde man bei ihm
nach kindlicher Fröhlichkeit, Sorglosigkeit, harmloser Ausge¬
lassenheit suchen, die dem kinderreichen deutschen Hause
Leben und Wärme geben. Es interessiert ihn kein Spiel, es
lockt ihn kein Lied, er hat kein Auge für die Schönheiten der
Natur und ist naclilässig in Kleidung und Haltung. Er ist
wortkarg, sogar kurz angebunden, meistenteils in si^ gekehrt;
er geht seinen jüngeren Geschwistern, die seine geistige Höhe
noch nicht erreicht haben, aus dem Wege und meidet ^äter
selbst seine Eltern, also eventl. die ersten Urheber seiner Früh¬
reife, wenn er sie überflügelt zu haben glaubt. Andererseits
ist der russische Gymnasiast selbstbewusst vom Scheitel bis
zur Sohle; man merkt es ihm förmlich an, dass er das „omnia
mea raecum porto“ zu seinem Wahlspruch gemacht hat und
dass er unter „omnia mea“ nicht etwa die zahlreichen ver¬
silberten Knöiife seiner Gyranasiastenuniform meint, sondern
das, was er gelesen und mehr oder minder sich zu eigen ge¬
macht hat. Seine Jahre fühlt er nicht. Während sein deutscher
Altorsgenoss(! nocli Kratzfnsse macht, ältere Personen nie zu¬
erst an redet und auf etwaige Fragen kurz und bündig antwortet, be¬
wegt sich der russische Sekundaner oder Primaner in der Ge-
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64
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 5.
schieden in der bei weitem kleineren Zahl der Fälle mit Iritis
kombiniert ist und deshalb den Gebrauch des Atropins nur
selten wünschenswert macht, ist die t}T)ische parenchymatöse
Keratitis. Ich möchte bier um so mehr vor dem zwecklosen
Gebrauch des Atropins warnen, als ich über drei Beobachtungen
verfüge, die mich gelehrt haben, hier besonders vorsichtig vor¬
zugehen. ln allen drei Fällen handelte es sich um Kinder,
die eine schwere parenchymatöse Keratitis dnrchmachen mussten.
Zwei derselben waren wegen drohender resp. bereits ausge¬
sprochener Iritis anderwärts mit Atropin behandelt worden;
sie zeigten weite. reaktionslose Pupillen, die späterhiu, trotz
Anssetzens des Atropins, trotz wiederholter Versuche mit
upillenverengenden Mitteln dauernd in jenem Zustande ver-
arrten; dem dritten Kinde hatte ich selbst, da mir die Pu¬
pillen sehr eng und auf Verklebungen mit der Linse verdächtig
erschienen, einen Tropfen Atropin eingetropft; die Pupillen
wurden danach weit und rund, kehrten aber nicht wieder in
den Normalzustand zurück, sondern blieben dauernd weit und
roaktionslos. Ich habe bislang bei keiner anderen Augenaifek-
tion eine gleiche Beobachtung machen können.
Das Bestreben, Patienten, welche an diffusen Hornhaut¬
flecken, auch wenn solche hauptsächlich zentral gelegen sind,
leiden, durch Atropinerweiterung der Pupillen einen Vorteil für
ihr Sehvermögen zu verschaffen, ist in den allerw’enigsten
Fällen angebracht, so wenig, wie eine Iridektomie. Die Kran¬
ken empfinden die Nachteile der Lichtdiffusion bereits genü¬
gend durch ihre Homhautaffektion und sind gewöhnlich viel
dankbarer, wenn man ihnen durch Tätowierung oder event. ein
pupillenverengerndes Mittel Hilfe bringt.
Ebenso ist das Atropin bei den nach Homhautverletzungen
so oft auftretenden sogenannten rezidivierenden Keratalgieen
zum mindesten überflüssig.
Lederhautaffektionen, wenn sie nicht mit Iritis kompliziert
sind, erfordern keine Atiopinbehandlung.
Unentbehrlich ist das Atropin natürlich bei den verschie¬
denen Formen der Iritis und Iridocyclitis; hier kann es seine
volle, vorzügliche Wirkung entfalten. Aufmerksam w'äre hier
nur auf zwei Eventualitäten zu machen. Es kommen zuweilen
im Laufe einer Iritis, besonders der sogenannten serösen Form,
Drucksteigerungen vor, die dazu nötigen können, wenigstens
zeitenweise, von der Atropininstillation Abstand zu nehmen;
es gibt ferner akute Glaukome, die eine Iritis vortäuschen
können. Es ist also dringend notwendig, bei jeder Erkrankung,
Seilschaft Erwachsener genau so unbefangen, wie im Kreise
seiner Schulkameraden. Es fällt ihm nicht ein, zu warten,
bis ihn jemand einer Anrede gewürdigt hat; er redet selbst
jeden an; stellt an Personen, die vielleicht Kollegen seines
Grossvaters sind, Fragen, die, wenn sie aus dem Munde eines
deutschen Gymnasiasten gekommen wären, eine ganze Ge¬
sellschaft sprachlos gemacht hätten. In Russland ist es aber
etwas ganz natürliches, und der Anblick einer mit einem
Jüngling in Gymnasiastenuniform eifrig disputierenden hocbbe-
tagten und bedeutenden Persönlichkeit hat für den Russen
nichts auffälliges an sich, man ist eben an den frühreifen, alt¬
klugen und unbewqisst vorlauten Gymnasiasten gewöhnt. Der
Fremde allerdings w'ird in dem russischen Gymnasiasten, den er
in Gesellschaft, namentlich aber auf der Strasse in vollem
Ornat: im langen, bis über die Knöchel reichenden, am Rücken
der ganzen Länge nach breit gefalteten Offiziersmantel, langen
Hosen (kurze Kniehöscben, die dem deutschen Gymnasiasten
bis zur Einsegnung, manchmal sogar auch eine zeitlang über
die Einsegnung hinaus ein ständiges, ich glaube, recht wirk¬
sames äusseres Mahnzeichen des Altersunterschiedes zwischen
ihm und dem Erwachsenen sind, kennt der russische Gymnasiast
nicht) und mit der breitrandigen Uniformmütze auf dem Kopfe,
begegnet, eher einen jugendlich aussehenden Offizier oder Be¬
amten als einen Gymnasialschüler vermuten, des.sen deutscher
Altersgenosse vielleicht noch in den ominosenKniehöschen herum¬
stolziert. —r.
die unter dem Bilde der Iritis schlechtweg auftritt, niemals die
sofortige, weiterhin die kontrollierende Prüfung des Augen-
druckes zu unterlassen. Es muss ferner, da bei der Iritis
meist längere Zeit hindurch die Atropinbehan<llujig durchgefühil
werden muss, auf den Zustand der Bindehaut geachtet werden.
Während oft wochenlang gar keine schädliche W^irkung des
Mittels auf die Gonjnnktiva sich zeigte, tritt plötzlich eine
heftige Bindehautentzündung mit Rötung und Schwellung der
Lider auf, deren Oberfläche wohl auch exeoriiert oder auch wie
nach einem Eiysipel abschuppt. Gleichzeitig o<ler doch sehr
schnell treten auf der Bindehaut eine Menge von Follikeln auf.
die man als Atropingranulationen bezeiebnete; sie sitzen haupt¬
sächlich in der unteren Übergangsfalte. Nicht immer sind
Lider und Bindehaut in gleicher Weise beteiligt; die einen
oder die andere kann eine hervortretendere Veränderung auf-
w’eisen. Während man früher die Ursache dieser Affektion auf
Verunreinigungen der gebrauchten Atropinlösungen durch Pilze,
oder durcli fremde Alkaloide, oder überschüssige Säure etr.
zurückführte, hat die Beobaclitung gelehrt, dass auch ganz
reine und zweifellos sterile Lösui^en unter Umständen den¬
selben Effekt ausüben können. Es bleibt also nur die An¬
nahme übrig, dass, wieSaemisch sagt, der lange fortgesetzte
Gebrauch des Mittels schliesslich zu einer Unverträglichkeit
der Bindehaut diesem gegenüber geführt hat, infolgedessen dii-
weitere Anwendung desselben einen Reiz hervorruft, der de
Entzündung unter auffälliger Beteiligung des Lymphapparates
der Bindehaut und der Lidintegumento hervorruft. Es handelt
sich also um eine Idiosynkrasie der Bindeiiaut gegen das
Atropin. Nach Schweigger gibt es noch eine s^r selteiii;
Atropin-Idiosynkrasie der Conjunktiva. Es sollen Fälle viü-
kommen, in welchen sofort mit dem Einträufeln von Atropin,
und zwar eines Tropfens, Schmerzen auftreten und in rascher
Folge eine akute erysipelatöse Entzündung der Conjunctiva mit
stader Schwellung derselben sowohl, als der Augenlider sich
entwickelt: Auch ich habe einmal eine derartige Beobachtung
gemacht; es stellte sich aber bei weiterer Nachforschung heraus
dass schon von anderer ärztlicher Seite vor einigen Monaten sehr
reichlich Atropin eingetropft und schliesslich schleclit vertragen
w’ar; es muss also daran gedacht w’erden, ob nicht bei solchen
scheinbar absoluten Idiosynkrasieen gegen dieses Mittel es sich
nicht nur um eine Unverträglichkeit handelt, die von früherem
Missbrauch des Atropins herriilirt. Denn eine derartige Unver¬
träglichkeit kann sich Jahre lang halten, so dass eme später
wiederholte Anwendung derselben eine starke Entzündung her-
vorbringt, auch wenn nur ein Tropfen einer solchen Lösung
eingetropft wurde.
Aussetzen des Atropins, Umschläge mit pliimb. acet.,
Pinseln der Bindehaut mit 2% neutral. Bleilösung, oder Ein¬
tropfen 4% ßoraxlösung zeigen sich am wirksamsten gegen
diese Form der follikulären Bindehautentzündung; kann ein
Mydriaticum niclit entbehrt werden, so verwende man Scopo-
lamin oder Duboisin.
Bei unreifen, resp. sehr langsam reifenden Formen von
grauem Staar, namentlich Kernkatarakten, wird sehr häuBg
monatelang der Gebrauch von Atiopinlösung verordnet, um
den Kranken die Benützung der nicht getrübten Linsenpariieen
zu ermöglichen. Dass auch bei dieser Verordnung stets
sowohl auf den Augendruck, als auf den Zustand der Binde¬
haut geachtet werden muss, ist ganz besonders in Erinnerung
zu bringen.
Ich habe mehrfach gesehen, dass Patienten mit Spuren von
Katarakt monatelang mit Atropin behandelt waren und mit
ihren Klagen über zunehmend schlechtes Sehen immer unter
der Begründung abgew'iesen waren, der Staar werde eben
reifer und müsse erst ganz reif werden, um dann durch Ope¬
ration beseitigt zu w’erden; sie hatten bei geringfügiger Linsen¬
trübung Atropliie des Sehnerven mit tiefer glaukomatöser
Druckexcavation und ihr Sehvermögen war unwiderruflich
verloren
Will man und kann man Kataraktpatienten, genaue Beob¬
achtung und Kontrolle vorausgesetzt, durch Atropininstillation
helfen, so genügt eine ganz schwache Lösung von 0,1 % , wo¬
von etwa zweimal wöimentlich ein Tropfen einzutropfen ist-
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MEDICINISCHE WOCHE.
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Im übrigen ist es durchaus nötig, sich erst durch eine Probe¬
instillation eines Mydriaticum, wie z. B. Homatropin oder Kokain,
zu überzeugen, ob man den Kranken durch die Pupillenerwei¬
terung auch wirklich einen Nutzen verschafft; eine ganze Reihe
von Kataraktpatienten lehnt nach einem solchen V^ersuch den
Gebrauch eines Mydriaticum ab.
Bei Erkrankungen des Glaskörpei's, der Aderhaut, der
Netzhaut und des Sehnerven wird man, wo nicht eine Regen¬
bogenhautentzündung das Krankheitsbild kompliziert, von dem
Gebrauch des Atropins in der Regel abzusehen haben.
Was nun die Kefraktionsanomalien anlangt, so dürfte zu¬
nächst zum Zwecke einer Brillenbestimmung nur in ganz extrem
seltenen Fällen eine Atropinisierung notwendig sein; man hat
heute der Hilfsmittel so viele zur Hand, dass man vollständig
damit ausreicht; der Methoden der objektiven Refraktionsbe¬
stimmung gibt es zur Zeit mit Hilfe des Augenspiegels eine
genügende Anzahl, und auch den sonst öfter Schwierigkeit
machenden Astigmatismus kann man mit Hilfe des Javal’schen
Instrumentes in ausreichender Weise bestimmen. Auch die
Alropinkuren bei progres.siver Myopie hat man so gut wie
gänzlich aufgegeben; die Frage des sogenannten Akkomodations-
krampfes ist durchaus bisher nicht zu Gunsten eines solchen
entschieden und immer mehr bricht sich die L’eberzeugung Bahn,
dass in einer möglichst frühzeitigen Vollkorrektion d^er Myopen
für Ferne und Nähe das beste Mittel gegeben sei, um der Pro¬
gression der Kurzsichtigkeit vorzubeugeii. Bei Hypermetropen,
auch solchen mit Strabismus coiivergens behafteten, wird man
meist gleichfalls das Atropin verwerfen, eher ihnen, falls man aus
irgend einem Grunde Brillen überhauj)t, resp. vollkorrigierende
nicht tragen lassen will, mit Pilocarpin ihre Akkomodations¬
tätigkeit erleichtern. Man müsste denn nach Fröhlich ver¬
suchsweise einseitig atropiinsieren wollen.
Als Hilfsmittel bei operativer augenärztlicher Tätigkeit
kommt das Atropin gelegentiicli, so für Di.scissionen, einfache Li-
nearextraktionen, bei der Nachbehandlung von Staaroperierten, in
Betracht; hier muss der Einsicht des Operateurs nie Verwen¬
dung dieses Mittels in jedem Einzelfalle überlassen bleiben.
Zu erwähnen bliebe schliesslich noch, dass die Instillation
von Atropin zum Zwecke der Erleichterung einer Augenspiegel¬
untersuchung nur in den seltensten Fällen notwendig weiden
dürfte; man kommt hier gewöhnlich mit irgend einem Mydria-
ticum, das keine so intensive, namentlich keine so nacliluiltige
Wirkung aiisübt, vollständig aus; meist genügt schon ein
Tropfen einer 3% Kokainlösung, evont. benutze man das
Homatropin in 0,5% Lösung.
Bin ich mir auch selbstverständlich bewusst, in dieser
kleinen Mitteilung keinerlei erschöpfende Ausführungen bezüg¬
lich des Atropins nach irgend einer Richtung hin gebracht zu
haben, so hone ich doch, dass die kurze Skizzierung wenigstens
der hauptsächlichsten Daten über den Gebrauch dieses Mittels
dazu beitragen wird, die Herren Kollegen in der Anwendung
desselben mit etwas mehr Kritik vergehen zu lassen, als dies
in der Regel geschieht. Meiner eigenen, aus langer Erfahrung
g;ewonnenen Überzeugung nach, wird durch den Missbrauch,
der mit dem Atropin getrieben wird, mehr ychaden angerichtet,
als durch die Unterlassung seiner Verordnung in Fällen, wo
es indiziert gewesen wäre.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Aerxtlichev Verein ln Hamburg»
(Biologische Abteilung.) Sitzung vom 16. Januar 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne.
1. Demonstrationen:
1. Herr Fahr berichtet über einen Fall von enormer Leber-
zerreissung. Ein junges Mädchen fiel die Treppe herunter, dabei
erlitt sie mehrere Rippenfrakturen. Dämpfung in der rechten
Bauchseite. Bei der sofort im Krankenhause vorgenommenen
Laparatomie konnte nur entdeckt werden, dass die Blutung ans
der Gegend der Gallenblase kam, so stark war dieselbe. Daher
nur feste Tamponade. 6 Stunden post operationem Exitus. Die
Sektion ergab ausser einer Fraktur der 5.—8. Rippe rechts ein
Exsudat im Pleuraraum, einen Riss in der rechten Lunge, der
rechten Niere und in der Leber. Der letztgenannte Riss war
von ganz enormer Ausdehnung; die frischen Präparate werden ge¬
zeigt. — Herr Fränckol fragt an, ob im Lungenkreislauf Leber¬
zellen gefunden sind. Herr Fahr entgegnet, man habe daraufhin
nicht untersucht.
2. Herr Reuter: Ein 44jähriger Arbeiter, der berzleidend
gewesen sein soll, fiel — angeblich mit Krämpfen — auf der
Strasse um und wurde sterbend ins Hafenkrankenhaus gebracht.
Die Sektion ergab eine Myocarditis und eine Heller’sche Aortitis.
Da der Verdacht auf Lues begründet erschien, — es fand sich
eine Narbe um Frenulum — wurde nachgeforscht. Der Arzt, der
den Patienten früher behandelt hatte, erklärte, dass Lues stets
negiert worden sei, und dass er Jodkali allerdings ohne jeden Er¬
folg gegeben habe. Die mikroskopische Untersuchung ergab nun
das überraschende Bild, dass sich in der Aortenintima viele Spiro-
chaeten Schaudinn fanden. Die Präparate wurden ausgestellt.
Schaudinn selbst erklärte denBcfund für richtig und gab Herrn
Reuter Recht, dass es sich um die von ihm beschriebeno
Spirochaete pallida handele. HerrFränckel meint, dass es not¬
wendig sei, jeden Fall von Arteriosklerose auf Spirochaeten zu
untersuchen.
II. Vor träge:
1. Herr Revenstorf setzt seinen Vortrag „Neuere Untei-su-
chungen zum Erkennen des Ertrinkungstodes“ fort, muss denselben
jedoch auf Wunsch des Vorsitzenden unter Zustimmung der Ver¬
sammlung nach kurzer Zeit aus besonderen Gründen abbrechen.
2. Herr Simmonds: „Zur Pathologie der Tuberkulose des
männlichen Genitalapparates.“ Die primäre Samenblasentuber¬
kulose ist weit häufiger als allgemein angenommen wird. Das
rührt davon her, dass man da.s früheste Stadium bisher nicht ge¬
kannt hat. In diesem ist die Wandung der Samenblasen noch intakt,
der Inhalt dagegen eitrig und von Tuberkelbazilleu dicht durchsetzt.
Die Bazillen veranlassen erst später eine Wucherung der Epithel¬
auskleidung und endlich tul)erkulöse Infiltrate im .subepitlielialem
Gewebe; schliesslich käsigen Zerfall. Da in 15 derartigen Fällen
nur 4 mal der käsige Netienboden die Samenblasen infiziert haben
konnte, in den anderen Fällen hingegen der übrige Genitaltraktus
mit Ausnahme einiger minimaler fester Tulierkelheerde der Prostata
intakt war, so ist, entsprechend früheren Angaben, anzunehmen,
dass in den intakten Hoden die Bazillen ausgeschieden wurden
und auf ihrem weiteren Wege in die Samenblaseu gelangten, dort
sich vermehrten und pathologische Störungen venirsachten. Da
in derartig erkrankten Samenblasen oft Spermatozoen vorhanden
sind, so liegt die Gefahr einer Uebertragung der Bazillen auf
Uterus, Tube und Ei nach der Art, wie das Fricdmanii in
seinen Experimenten beobachtet hat, vor. Die Diagnose der be¬
ginnenden Samenblasentuberkulose lies.se sich iutra vitam durch
den Nachweis grosser Mengen von Tuberkelbazillen im Sperma
stellen,
III. Diskussion: Herr König glaubt, dass häufig von der
Saraenblase aus der Hoden erkrankt. Er ist ebenfalls dafür, dass
das Sperma auf Bazillen untersucht werden muss, damit in einem
möglichst frühem Stadium die Samenblase entfernt werden kann.
Fränckel weisst auf die Baumgartenscheu Untersuchungen hin,
dass die Infektion mit Bazillen im Genitaltrakt mit dem Sekret¬
strom erfolge und nur, wenn irgendwelche Hindernisse vorhanden
sind, retrograd. An die Friedmannschen Experimente glaubt er
nicht, warum sollten die Spermatozoen dann nicht auch die viel
häufiger vorkommenden Gonokokken in den Uterus und von da
weiter verschlcjipen? HerrSimmonds gibt dann noch ein kurzes
Schlusswort. Schöuewald.
Sitzung vom 23. Januar 1906.
Vorsitzender Herr Kümmel.
I. Demonstrationen:
1. Herr Trömner stellt eine 50jährige Frau vor, die vor
etwa Jahresfrist mit Schwindelanfällen und Herzklopfen erkrankte;
3 Wochen später trat Doppeltsehen auf, im Juni v. J. beiderseitige
Ptosis. Vor za. 8 W^ochen traten Kau-, Schluck- und Sprechbe-
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66
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 6.
schwerden hinzu and eine namentlich gegen Abend besonders stark
kenntliche Mnskelermüdbarkeit, Es handelt sich um eine bulbäre
Myasthenie, bei der Paresen im oberen Facialisgebiet und eine
inkomplete äussere Ophthalmoplegie nachweislich sind. Muskela¬
trophie, Entartungsreaktion fehlen; Prognose infaust.
2. Herr Lenhartz berichtet über 8 von ihm beobachtete
Fälle von Puerperalfieber, in denen die Trendelenburgsche
Unterbindung der Vena spermatica ausgeführt wurde; 7 starben,
nur eine Frau wurde geheilt. Geeignet zur Operation ist über¬
haupt nur die thrombophlebitische Form und auch nur dann, wenn
sie einseitig auftritt. Ausgeführt w’urde die Unterbindung zwischen
dem 8. und dem 53. Tag nach dem ersten Schüttelfrost, und zwar
wurde gerade die Frau, bei der am 51. Tag die Vena hypogastrica
und am 53. Tag die Vena spermatica unterbunden wurden, geheilt.
Es handelte sich stets um verzweifelte Fälle mit Retiuablutungen;
3 mal war ilie Thrombose schon bis zur Cava vorgedrungen.
Trendelenburg schlug vor, bereits nach dem zweiten Schüttel¬
frost zu operieren, doch glaubt Lenhartz nur dann dazu berechtigt
zu sein, wenn dann schon eine sichere Thrombose nachweislich ist:
eine krampfaderartige Verdickung im Parametrium rechtfertige be¬
reits den ausserordentlich schwierigen Eingriff. Bumm habe von
8 Fällen 3 durchgebracht, bei ihm sei transperitoneal und mit
sehr grosser Schnelligkeit operiert worden, während im Eppen-
dorfer Krankenhause teils trans- teils intraperitoneal operiert sei
und die von Bumm genau gemessene Zeitdauer der Operation be¬
deutend überschritten wurde. Vor Allem sei eine Unterbindung
im Gesunden zum Erfolg nötig mit möglichster Exzidierung der
thombosierten Partie.
3. Herr Frä n c kel demonstriert verschiedene Spirituspräparate
von Blasengeschwülsten im Anschluss an den Treplinschen
Vortrag und zwar a) gutartige Zottengeschwülste, b) Zottenkrebs,
c) einen cystischen Tumor, d) 3 Präparate von der so seltenen
Malakkoplakie der Harnblase, ausgehend vom lymphatischen Gewebe
am Blasenhals, die leicht mit Tuberkeln verwechselbar sei.
4. Herr Stein stellt einen Mann vor, der durch Sturz aus
5 m Höhe eine Absprengung'des Trochanter major erlitten
hatte, die erst nach einigen Wochen durch Röntgenuntersuchung
erkannt wurde. Die Konsolidierung erfolgte ungestört; jetzt ist
nur noch die Aussenrotation etwas beschränkt.
5. Herr Wiesinger zeigt viele Röntgenaufnahmen von Coxa
vara, der häufigen Belastungsdeformität,
6 . Herr H. Adam hat 60 Fälle etwa von beginnender Lun gen-
tuberkulose untersucht und sie nachher durchleuchten lassen.
Die Diapositive werden erläuternd gezeigt. Er kommt zu dem
Schluss, dass die Röntgendurchleuchtung namentlich bei beginnender
Lungentuberkulose ein wertvolles Hülfsmittol ist, sie zu erkennen,
da nach seiner Ansicht schon häufig Veränderungen im Röntgen¬
bild sich zeigen, die physikalisch noch nicht erkannt werden können.
n. Herr Kümmel widmet dem am 18. Januar 1906 plötz¬
lich einem Herz- und Nierenleiden erlegenen Verwaltungsphysikus
Herrn Dr. John Wahncau einen warm empfundenen Nachruf.
HI, Diskussion über den Nochtschen Vortrag über
Sch warz wass er fieber. Herr Lenhartz hat bei mehreren
Hundert Malariakranken nur 7 Fälle von Schwarzw’asserfieber zu ver¬
zeichnen. Er erörtert die Frage, ob die Malaria selbst oder das Chinin
Schuld am Auftreten der Hämoglobinurie sei, und glaubt mit Nocht,
dass das Chinin die Noxe wäre. Es handele sich um eine er¬
worbene Disposition namentlich solcher Kranker, die längere Zeit
hindurch zu prophylaktischen Zwecken Chinin genommen hätten.
Der vorgeschrittenen Zeit wegen wird die weitere Diskussion
vertagt, Schönewald.
Schlesische Ges^schaft f uv vaterländische Kultur*
Medicinische Sektion, Sitzung am 12. Januar 1906.
1. Herr Prof. Hinsberg: „Zur Extraktion von Fremdkörpern
aus den Bronchien“.
Zur genauen Feststellung der Lage eines in die Luftröhren
geratenen Fremdkörpers bedient sich der Vortragende der Broncho¬
skopie, die auch in Fällen, wo die anderen Untersuchungsmethoden,
einschliesslich der Röntgendurchleuchtung im Stich lassen, durch
systematisches Absuchen der Bronchien zum Ziele führt. Die
Bronchoskopie, die wegen des Passierens der engen Stimmritze
grössere Schwierigkeiten, wie die Oesophagoskopie bietet, wird in
2 verschiedenen Formen angewandt, als superior und inferior; die
Erstere vom Munde aus, die Letztere, nach Ausführung der Trache¬
otomie, von der Trachea aus. Der Vortragende berichtet von 8
Fällen, in denen er Fremdkörper aas den Bronchien entfernen
musste: 1. Ein Mann hatte einen ca. 3 cm grossen Knochen
aspiriert; dieser sass auf der Bifurkationsstelle, war durch die
Bronchoskopia superior leicht festzustellen und wurde mit einer
Zange entfernt. 2. Einem Kinde war ein Stückchen Wallnusskem
in die Luftröhre gelangt; die Bronchosk. sup, war erfolglos, das
Kind musste tracheotomiert werden. Dann gelang auch die Ent¬
fernung; ein kleines Restchen, das zurückgeblieben war, wurde
später ausgehustet. 3. Pat. (der vorgestellt wurde) hatte beim
Kirschenessen angeblich einen Kern verschluckt. Nach einiger Zeit
trat starker Hustenreiz und Brustschmerzen auf. Beim systematischen
Absuchen wurde der Kern im rechten Bronchus entdeckt, aber
die Entfernung mis-slang, da er beim Versuch, ihn zu fassen, tiefer
in einen seitlichen Ast hineinrutschte; auch die Aspiration mittels
Luftpumpe war erfolglos, da das Innere des Schlauches zu eng
war. Erst nach erfolgter Tracheotomie konnte ein kürzerer und
weiterer Schlauch genommen werden. Bei dessen Einführung er¬
folgte ein plötzlicher starker Hustenstoss, und der Kern flog von
selbst heraus.
2. Herr Geh. Med.-Rat Prof, Garre: „Über die Indikationen
zur operativen Behandlung des Magengeschwürs und seiner Folge-
zustände.“
Drei Fragen sind von praktischer Wichtigkeit:
1 . Wann und unter welchen Umständen soll man operieren.
2. Welche Eingriffe sind indiziert.
3. Welche unmittelbaren und dauernden Resultate sind zu
erzielen.
Bei einfachem ulcus ventrikuli ohne Komplikationen nimmt
der Vortr. io der ersten Frage keinerlei extremen Standpunkt
ein. Wenn 2 oder 3 sorgfältige Kuren ohne Erfolg geblieben
sind (in letzter Zeit auf Grund seiner günstigen operativen Er¬
fahrungen oft schon nach einer erfolglosen Kur), greift er zum
Messer. Von Operationsarten kommen vor allem die Excision
oder die Gastrostomie in Betracht. Erstere, bei der nur der
kranke Herd entfernt wird, erscheint als die zweckmäßigere, ist
aber in praxi oft schwer ausführbar, da bei starker Blutung das
ulcus nicht leicht zu finden, oder schwer zugänglich ist, und es
sich zuweilen auch um multiple ulcera handelt, dann ist die
Gastrostomie am Platz, die bei einfachen Fällen gute Resultate
liefert. Die fudroyanten Blutungen bei jungen Mädchen ergeben,
wenn der Exitus nicht im ersten Anfalle eintritt, keine schlechte
Prognose; erst nach häufig wiederholten Attaquen sind die Aus¬
sichten der Operation, wegen der grossen Schwäche und Blutleere
der Pat. ungünstig. G. hat von 3 Operierten 2 verloren. —
In allen Fällen von Hämorrhagien, sowohl den einmaligen, wie
den rezidivierenden, ist man von der direkten Unterbindung oder
Kauterisation wegen der starken Läsion des Magens abgekommen
und führt die Gastro-Enterostomie aus. Dadurch wird der Magen
ruhig gestellt und die Heilung ermöglicht. — Handelt es sich um
Verwachsungen und Tumorbildung, wobei die vordere Bauchwand,
die Leber und selbst das Pancreas mit einbezogen sein können,
dann ist von interner Therapie kein Erfolg zu erwarten; auch
hier leistet die Gastro-Enterostomie vorzügliches; in einigen Monaten
ist der Tumor und das ulcus verschwunden.
Als weitere Folge des Magengeschwürs ist die narbige Pylo-
rus - Stenose zu erwähnen; ihre klinischen Erscheinungen sind
meist gering und sind anfangs durch sorgiUltige Diät imd fleissige
Ausspülungen prompt zu beseitigen. Aber nach etwa einem Jahre
versagen diese Mittel und auch die gut wirkenden Thiosinamin-
Injektionen können auf die Dauer nicht die Operation entbehrlich
machen, und zwar kommt, nachdem Pyloroplastik und Resektio
Pylori wegen der ungünstigen Resultate, zumeist verlassen sind,
im wesentlichen die Gastro-Enterostomie in Betracht. Diese Opera¬
tion ist auch bei den sehr schmerzhaften perigaistrischen Ad¬
häsionen am Platze, und zwar im Anschluss an die Gastrolysis
(die Ablösung des Magens von der Umgebung), sowie bei dem
sog, Sanduhrmagen neben der Gastroplastik. — Die verhängnisvollste
Komplikation des ulcus, die Perforation in das Peritoneum oder in die
Nachbarorgane, kann zwar in seltenen Fällen spontan heilen, führt
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
67
aber meist rasch zum Exitus; daher ist so schnell als möglich zu
operieren, weil mit jeder Stunde die Gefahr wächst. Während
innerhalb 12 Stunden die Mortalität nur 28% beträgt, steigt sie
bis 24 St. auf 87% und bis 48 St. auf 100%. Ausser plastischen
Operationen oder Einnähen des Magens in die Bauchwaud xmd
Dreinage wird auch hier die Gastro-Enterostomie mit gutem Erfolge
ausgeführt.
Medicinische Sektion.
Klinischer Abend, 19. Januar 1906.
1. Professor Tietze; Demonstrationen zur Leber¬
chirurgie, Der Vortragende stellt eine grössere Anzahl ope¬
rierter Fälle vor und bespricht dabei die Indikation für operatives
Eingreifen: a) Verletzungen, z. B. Ruptur der Leber, b) Tumoren,
besonders Echinokokken und Cyst-Adenome, c) Leber-Abszesse,
d) Erkrankungen, welche von der Gallenblase ausgehen, z, B. recidi-
vierende Cholelithiasis, akuter Hydrops, akutes Empyem, Chole-
dochus-Steine. Bei der Operation empfiehlt er, einen grossen
Schnitt (Kehrsche Wellenschnitt) zu machen. Der Erfolg ist ab¬
hängig von der Technik, die mit den Jahren immer besser wird.
Die Hauptgefahr besteht in der Bildung einer Bauch-Hemie; doch
lässt sie sich durch sorgfältige Naht meist vermeiden. In einem
Falle hat er ein grosses Silbemetz emgenäht, das so vorzüglich
einheilte, dass Patientin sogar eine Gravidität gut überstanden hat.
Recidive sind auch nach Entfernung der Gallenblase noch möglich
(sogen, unechte Rezidive), indem sich in den Gallenwegen der
Leber Steine bilden.
2. Professor Buchwald; Sublimatvergiftung. Erstellt
eine 22jährige Patientin vor, die mit der Absicht des Suicidiums
die kolossale Menge von 2 Gramm Sublimat zu sich genommen hatte.
Trotzdem bald eine Magenausspülung vorgenommen wurde, muss
doch ein sehr grosser Teil des Gifts resorbirt worden sein: die
Urinsekretion, welche der sicherste Ausdruck für die Schwere der
Intoxikation ist, sistierte vollständig, und diese Anurie dauerte
9 Tage. Dann begann unter Anwendung geeigneter Mittel ganz
allmählich die Nierentätigkeit, und erst nach weiteren 17 Tagen
trat normale Diurese ein. Nachher erst entwickelte sich ein
Urämie-ähnlicher Zustand, der vielleicht auch durch eine Blutung
ins Gehirn bedingt sein konnte. Nieren- und Darmblutungen
traten alternierend auf, letztere durch Abstossung der Darm¬
schleimhaut hervorgerufen. Herzschwäche trat nicht auf, trotz
Bestehens eines Herzfehlers. Nebenbei sei noch erwähnt, dass
Op.- u. Morph.-Phagen eine grosse Indolenz gegen Sublimat (bis
zu 1 und iVj Gramm) zeigen sollen.
3. Dr. Brieger: Stirnhöhleneiterung: Er stellt zwei
operierte Fälle vor, der eine mit Kieferhöhleneiterung kombiniert;
die letztere wurde von der Fossa canina aus breit eröffnet und nach
2^/2 Wochen geheilt. Auch der kosmetische Effekt war in diesem
Falle sehr gut.
4. Dr. Hartung stellt einen Patienten mit Tuberkulose der
Haut vor; die Grenzen der Erkrankungen waren durch Tuber-
kulin-Inj. genau festgestellt worden; inmitten eines seborrhoischen
Ekzems der Stirn hatte sich zwischen den Augenbrauen ein tuber¬
kulöses Ekzem entwickelt.
5. Dr. Landmann: Neuritis optica. Patient, der im
vorigen Jahre Lues aquirierte, hatte über Kopfschmerz und Seh¬
verschlechterung geklagt. Die Untersuchung ergab ein zentrales
Skotom, Einengung des Gesichtsfeldes und Entzündung des Seh¬
nerven (NeuropapilUtis). Durch spez. Behandlung (Colomel-Injekt.)
trat vollständige Besserung ein.
6. Dr. Korn: Neuritis alcoholica. Die 56jährige ver¬
heiratete Patientin ist seit 10 Jahren im Allerheiligen-Hospital;
sie hatte sechs Kinder geboren, die aber alle jung starben.
Patientin hatte anfangs von den Zehen ausgehende Schmerzen,
derenwegen sie ständig zu Bett liegen musste. Dadurch entwickelte
sich ein vollständiger pes varo equinus; die Knie lagen in schärfster
Beugung und konnten wegen der grossen Schmerzen weder aktiv
noch passiv gestreckt werden; dagegen waren die Fussreflexe ver¬
stärkt und lösten krampfartige Zuckungen der Extremitäten aus.
Die oberen Extremitäten, sowie Blase und Mastdarm waren un¬
beteiligt. Das Körpergewicht wechselte und beträgt jetzt 185 Pfd.
7. Dr. Kamann: Prolaps bei einer Virgo. Er stellt
ein 19V2jähriges Dienstmädchen vor, das durch schwere Arbeit
(Kohlentragen) sich einen Scheidenvorfall zugezogen hatte; die
Cervix war invertiert. Prolaps wurde reponiert und fixiert. Ferner
ein 14 jähriges Kindermädchen, das auch durch das Tragen des
Kinderwagens (4 Treppen hoch) einen partiellen Prolaps der
Cervix erlitten hatte. Beide Mädchen waren virgines angeblich
intactae.
8. Dr, Neisser stellt einen Mann mit vollständiger Kahlheit
des Kopfes und Gesichtes vor; die Haut der Extremitäten ist aal¬
glatt, und auch in der Axelhöhle fehlen die Haare; nur die Scham¬
gegend ist reichlich behaart. Patient will als Kind von Jahren
die Haare nach einem Erysipel verloren haben.
9. Dr. Baensch: Spastische Diplegie. Er stellt ein
2 jähriges rhachitisches und skrophulöses Mädchen mit einer
Lähmung der Beine vor; die Beuger der Unterschenkel treten
stark vor, und an den Füssen bestehen Kontrakturen, die grossen
Zehen stehen in Plantar-Flexion. Auch in der Rückenmuskulatur
sind spatische Erscheinungen,
10. Dr. Mertens stellt einen Patienten vor, der einen
Messerstich in die Brust erhalten hatte. Stunde später wurde
er schon aufgenommen. Die 1 ^ 1 % cm breite Schnittwunde war
trocken, Lippen zyanotisch, tiefe Atmung schmerzhaft, daher
Untersuchung erschwert. Spitzenstoss war an normaler Stelle zu
sehen. Inzwischen wurde der Puls aber schwächer, wenn auch
nicht beschleunigt. Nach Verlängerung des Schnittes zeigte sich
die Pleura verletzt, und ein zischendes Geräusch wurde hörbar.
Mit einer Pinzette wurde die Lunge gefasst, und zufällig gerade
die verletzte Stelle ergriffen, herausgezogen und komprimiert, so¬
dann 5. Rippe reseziert, Tampon eingelegt und ein fester Verband
angelegt. Am 3. Tage trat am Gesicht und über der rechten
Clavicula Hautempbysen auf. Sonst keinerlei Komplikationen.
Dies war der 10. Fall von Lungenverletzung, der publiziert worden
ist; 7 davon sind geheilt.
11. Prof. Tietze: Bauchsticb. Junge Frau von 20 Jahren
erhielt am Weihnachtsabend von ihrem Manne einen Stich in den
Unterleib, so dass das Netz herausqnoll. Die Untersuchung ergab,
dass Patientin iiri 6. Monat schwanger war, und dass der Stich
bis in die Eihöhle ging. Der Uterus wurde genäht, und vor
2 Tagen hat die Frau normal entbunden; das Kind ist allerding.s
am nächsten Tage gestorben.
12. Prof. Tietze bespricht dann noch einige Fälle von Ileus
(von 5 Operierten hat er 2 verloren) und erwähnt die vorzügliche
Wirkung der Sauerstoff-Inhalationen bei schwerem Collaps während
der Operation. Dr. Peritz.
Berliner medidnische Gesdlschaß,
Sitzung vom 24. Januar 1906.
Vor der Tagesordnung:
Holländer demonstriert einen Fall von Hornbildung an
der Stirn,
Hildebrand zeigt eine Patientin, bei der er wegen malignen
Tumors beide Oberkieferbeine beseitigt hat; die Operation gelang
in einer Sitzung, ohne vorherige Tracheotomie und Unterbindung
der Carotis einfach am hängenden Kopf. Durch Vemähung der
Wangenschleimhäute gelang es einen natürlichen Ersatz des
Gaumens zur Trennung der Mund- und Nasenhöhle herzustellen.
Weiter zeigt er eine Patientin mit multiplen Neuro-Fibromen und
elephantiastischer Lappenbildung am Rücken.
Hamburger stellt zwei Kinder vor, bei denen er einen
Schichtstaar operiert hat.
Tagesordnung:
Falkenstein: Ueber das Verhältnis von Harnsäure
zum Harnstoff im Harn der Gichtkranken.
Die Ursache der Gicht ist ein mangelhafter Abbau der Harnsäure
im Körper. Dieser wird bedingt durch mangelhafte Salzsäurebildung
im Magen infolge Fehlens oder Atrophie der Salzsäure ausscheidenden
Drüsen. Zur Stütze dieserThesen hatFalkenstein zahlreiche Urinunter¬
suchungen angestellt, die ergaben, dass im Harn von Gichtkranken
bei Salzsäuredarreichuug das Verhältnis der Harnsäure zum Harn¬
stoff wesentlich zugunsten des letzteren verändert wurde, dass
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68
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 6.
also die Salzsäure emen energlschoreu Abbau der Harnsäure
herbeiführt. Für die Bedeutung der Mageufunktion bei Ent¬
stehung der Gicht spricht auch die Tatsache, dass immer chronische
Dyspepsleen dem Gichtanfall vorangehen. Die Magenerkrankungen
bei der Bleivergiftung erklären das häufige Auftreten der Gicht
im Verlaufe dieser chronischen Intoxikation. Bei Salzsäure¬
darreichung trat die Amelioration des Urinbefnndes in obigem
Sinne bei Gichtikem ein, unabhängig von der Wahl der Nahrungs¬
mittel; animalische oder vegetarische Kost erwies sich als gleich-
gütig. Deshalb sind diätetische Heilversuche verfehlt. Die
Therapie der Gicht muss die Zufuhr des fehlenden Salzsäure¬
quantums erstreben. Irgendwelche schädlichen Nebenwirkungen
der lange fortzusetzenden Salzsäuregaben — Nierenreizung, Darm¬
läsionen, Beeinträchtigung der Zähne — sind nicht zu fürchten.
Auch Tierexperimeiite — nach Einspritzung von Harnsäure Hess
sich durch Einführung von Salzsäure in den Magen die Bildung
von Urateu verhindern — haben seinen Theorieen Bestätigung
gebracht.
Blaschko: Erfahrungen mit Radiumbehandlung:
Blaschko hat in den letzten zwei Jahren die verschiedensten
Hautaffektionen einer Behandlung mit Radium unterzogen. Von
den Tumoren Hessen sich die tiefer gelegenen nicht in einer prak¬
tischen Erfolg versprechenden Weise beeinflussen. Für Radium-
behandlnng sind nur die oberflächlich sitzenden, am be.sten ulcerierten
Geschwülste geeignet. Vor Recidiven schützt die Therapie nicht
sicher. Kleinere Naevi und Angiome Hessen sich schon durch
kurze Radiumeinwirkung beseitigen, wobei feine, glatte Narben
entstehen. Beim Lupus vulgaris ist die Radiumbehandlung, wenn
es sich um ausgedehnte Herde handelt, mehr zur Nachbehandlung
nach Verfahren, die das Gros der Krankheitsherde beseitigt haben,
geeignet zur Zerstörung noch übrig gebliebener Knötchen; ver¬
gleichende Versuche in dieser Hinsicht zwischen der Heissluft-,
der Salzsäure- und der Radiumbehandlung fielen zugunsten der
letzteren aus. Weiter wurde die Radiuratherapie bei chronisch-
entzündlichen Hautaffektionen versucht. Kleinere Psoriasislierde
schwanden schon nach nur wenige Minuten langer Einwirkung;
Recidive wurden aber nur dann sicher vermieden, wenn intensive
hlinwirkung bis zur Uloeration der Haut stattgefunden. Für die
flächenhaften Efflorescenzen ist sehr geeignet das Radiumpflaster
(BeyersdorfF). Gute Wirkung Hess sich erzielen bei liartnäckigen
Eczemen der Hände, die allen andern Behandhingsformen getrotzt
hatten. Weiter sah Blaschko günstige Beeinflussung bei Lupus
erythematodes, Lichen ruber verrucosus, bei Nasenröte, bei Keloiden.
Ungleiche Erfolge erzielte er bei Sycosis vulgaris, gar keine bei
der Alopecia areata. Im ganzen glaubt er das Radiumverfahren,
weil es ungefährlicher ist als das llöntgenverfabren, leichter an-
zuwendea, überall hinzutransportieren und vielseitiger zu applizieren
ist, als eine Bereicherung der Therapie aussprechen zu müssen. P.
Berliner Ophilvaltnologische GeseUschaft,
Sitzung vom 21. Dezember 05.
1. Herr Greef: Verätzung des Auges durch Calomel bei inner¬
licher Darreichung von Jodkali.
2. Herr A. Gutmann: Ein.seltiges entzündliches Oedem des
Oberlides mit Druckempfindlichkeit der Tränenbeingegend als
Frühsymptom bei Siebbeinempyem mit beginnendem Orbital¬
abszess.
3. Herr Gurt Adam: Demonstration eines von ihm kon¬
struierten sehr handlichen Apparates zur Messung der Akkom¬
modationsbreite bezw. Diagnose der Akkommodationslähmung und
zur Refraktionsbestimmung bei Myopie. Der Apparat ist in seiner
äusseren Form ähnlich wie ein sogen, amerikanisches Stereoskop
gebaut. Vorn an der Stelle, an der beim Stereoskop die Prismen
sich befinden, ist eine kurze Röhre mit zwei Einschnitten zur
Aufnahme von Gläsern angebracht. Hinten an der Stelle des
Stereoskopenbildes befindet sich eine feine Schriftprobe, die auf
einem mit einem Handgriff versehenen Brettchen verschieblich
ist. Das Brettchen zeigt eine Reihe von quergestellteu Strichen,
die mit je zwei Zahlen versehen sind. Die obere Zahl bedeutet
die Nahepunkteutfemung in einem bestimmten Alter, die untere
die dem Alter entsprechende normale Akkommodationsbreite in
Dioptrieen ausgedrückt. Die Anwendung des Apparates geschieht
folgendermaßen: Handelt es sich beispielsweise um einen Patienten
von 15 Jahren, so stellt der Untersucher die Schriftprobe auf den
oben die Zahl 15 tragenden Strich, steckt, wenn nötig, in den
einen Einschnitt der erwähnten Röhre das einen eventuellen Re¬
fraktionsfehler korrigierende Glas und fordert den Patienten auf,
die Röhre gegen den oberen Orbitalrand zu legen und mit einem
Auge zu lesen. Kann er die Schriftprobe lesen, so ist die Akkom¬
modation in Ordnung; kann er dies nicht, so Hegt, nach Aus¬
schluss anderer Ursachen, Akkommodationsläbmung vor. Der Grad
derselben wird dadurch bestimmt, dass man ansteigend Konvex-
gläser in den anderen Einschnitt der Röhre steckt; das niedrigste
Konvexglas, mit dem die Schriftprobe gelesen wird, gibt den Grad
der Lähmungen. An jenem die Zahl 15 tragenden Strich befindet
sich noch die Zahl 12, d. h. die dem Alter von 15 Jahren ent¬
sprechende Akkommodationsbreite von 12 Diop. Ist zum Lesen
der Schriftprobe ein Konvexglas von 12 Diop. nötig, so bedeutet
dies, dass die Akkommodatiou völlig gelähmt ist; ist ein solcher
von 6 Diop. nötig, dass sie zur Hälite gelähmt ist. Man kann
sich auf diese Wei.se gleichzeitig von der Besserung oder Ver¬
schlechterung der Lähmung überzeugen.
An der Lntenseite des Bretchens befindet sich ausserdem eine
Centimeter-Skala, die die Bestimmung des Fempunkts bei höherer
Myopie, und damit durch leichte Umrechnung den Grad dersell)en
zu bestimmen gestattet. Wird die Probe noch z, B. in 20 cm
geleseu, so ist die Myopie = 5,0 Diop. Der Apparat hat
sich in der Königl. Universitäts-Augenklinik bereits bewährt.
V. Michel betont im Anschluss an die Demonstration, dass
er den Apparat sehr praktisch findet und be-stens empfehlen kann.
Kurt Steindorff.
Verein für innere Medicln,
Sitzung vom 22. Januar 1906,
T agesor dnung:
Herr Mohr: Zuckerbüduug aus Eiweiss.
Verf. hat darüber, ob aus Eiweiss oder, Fett Zucker gebildet
werden kann, an pankreaslosen Hunden Versuche angestellt. Er
berichtet über die Technik der Operation und meint, dass die
Beobachtung des Einflusses von Nahrungsstoffen auf die Glyko-
surie dann für ihre zuckerbildende Kraft beweisend sei, wenn die
Glykosurie sehr erhebUch ist und wenn die Bilduogsmöglichkeit
aus dem verfütterten Material besteht. Pflüger bestreitet eben¬
so die Bedeutung des von Minkowski gefundenen Verhältnisses
des Harnzuckers zum Hamstickstoff
. Er fand diese Zahl
inkonstant. Verf. glaubt, dass die Inkonstanz die Folge von Tem¬
peratureinfluss oder Muskelarbeit ist, auch können Aenderungen
im Eiweissstoffwechsel vor sich gehen, z. B. durch Synthese schon
abgebauten Eiweissmaterials oder durch Abartung des Körper¬
eiweissbestandes. Hauptzuckerbildner ist wohl das Glykokoll,
nach Pflüger dagegen das Fett. Verf. schliesst sich dieser
Ansicht nicht an. Er glaubt nicht, dass der Stoffumsatz durch
grössere Eiweissverfütterung grösser wird und zu einer grös.seren
Beanspruchung des Fettmaterials führt. Dafür spricht ihm auch
das Verhalten des Acetons, das bei seinen Hunden bei seiner
Eiwftissnahrung nicht nennenswert ausgeschieden wurde. Für ihn
bleibt nur die Annahme übrig, dass aus Eiweiss Zucker gebildet
wird, wofür ihm besonders die Vermehrung der Glykosurie spricht,
die man nach Verfütteruug von Eiweissabbauprodukten, insbesondere
der Aminosäuren erzielt.
Diskussion zum Vortrag von Senator: Ueber Behand¬
lung des Magengeschwürs.
Herr Ewald; Die Behandlungsmethode von Senator (Gela¬
tine) würde er bei frischen Blutungen nicht empfehlen. Er po¬
lemisiert gegen die Belastung des Magens durch die Methode
Lenhartz, die zu Kontraktionen und ,damit zu neuen Blutungen
führen müsse.
Herr Rosenheim: Die schonende Emährungsmethode ist für
ihn die geeignetste.
Herr Boas: Hauptsache sei die Ruhigstellung des Magens
bei frischen Blutungen. Die Stillung der Blutung nach Senator
scheint ihm gefahrlos.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
69
Herr Ä. Frankel sah bei Lenhartz’scher Behandlung
•doch gute Erfolge, zur Hebung der gesunkenen Kräfte sei eine
Hungerkur nach Ewald nicht geeignet.
Herr Ewald erhebt gegen diese Therapie Bedenken.
Carl Lewin.
Standesfragen.
Aerztekammer Berlin-Brandenburg.
Von Dr. M. Cohn, Berlin-Charlottenburg.
Die Berlin-Brandenburgische Aerztekammer hielt am 22. Januar
ihre erste Sitzung nach den Neuwahlen ab. Dieselbe wurde durch
die zur Konstituierung der Kammer notwendigen Wahlen und die
Erledigung der Eingänge völlig in Anspruch genommen. Vor¬
sitzender der Kammer wurde wie nun schon seit einer Reihe von
Jahren wiederum Julius Becher, im übrigen ergaben die
Wahlen zu den Aemtern, dem Ehrengericht, der Unteratützungs-
kasse und den Kommissionen im grossen und ganzen die Wieder¬
wahl der altbewährten Mitglieder. Als ausserordentlich lästig und
die Erledigung der Geschäfte hemmend erwiesen sich die durch
das Gesetz gegebenen Wahlvorschriften; die Kammer dürfte nach
ihren Erfahrungen Veranlassung nehmen, die Regierung um eine
Abänderung der bezüglichen Paragraphen zu ersuchen.
Unter den zur Verlesung gelangten Eingängen befanden sich
mehrere von allgemeinem Interesse, die zu lebhaften Auseinander¬
setzungen Veranlassung gaben. Ein Ministerialerlass rügte die
Tätigkeit der Aerzte bei der Durchführung des Invalidenver-
sicherungsgesetzes, namentlich den Mangel einer genauen Diagnose
und der bestimmten Angabe des Eintrittes der Invalidität; auch
über den Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Invalidi-
tätsgesetzes herrsche vielfach Unklarheit. Mit Energie und Schärfe
wies Mugdan diese Kritik der Aerzte zurück: er legte dar,
dass an gewissen falschen Auffassungen der Aerzte nicht diese,
sondern die Unklarheit des Gesetzes schuld sei und betonte, dass
■eine humane und weitherzige Auffassung des Invaüditätsbegrififes
durchaus erforderlich scheine.
Des Weiteren fuhrt die Bcrufsgeno.ssensohaft der Stahl- und
Eisenindustrie Klage darüber, dass manche Aerzte zu hohe Ge¬
bühren für Gutachten verlangten und schlug eine Konferenz zum
Abschluss eines Vertrages vor, der der Berufsgenossenschaft ähn¬
liche Vergünstigungen gewähren sollte wie den Krankenkassen.
Dieser Anspruch wurde entschieden abgewiesen und erklärt, dass
die Aerzte gar keine Veranlassung hätten, auch noch einen Teil
-der Kosten der Unfallversicherung zu tragen.
Die ilritte Abfertigung holte sich das Komitee für Krebs¬
forschung. Dieses hatte ein Schreiben an die Kammer gerichtet,
in welchem es mitteilt, dass in der.pbarite eine Fürsorgestelle für
Krebskranke errichtet sei, deren Zweck es sei, zunächst in allen
Fällen von zweifelhafter Diagnose bei unbemittelten oder weniger
bemittelten Patienten den Aerzten die Möglichkeit zu geben, die
Patienten von „autoritativer“ Seite untersuchen zu lassen. Am
Schluss des Schreibens wird darauf hiogewiesen, dass die Kranken¬
häuser jetzt mit inoperablen und zu spät zu ärztlicher Kenntnis
und Behandlung gelangten Krebskranken überfüllt seien. Dem¬
gegenüber wird in der Kammer erklärt, dass schon längst in
Berlin jedem Arzte bewährte Autoritäten zur Verfügung stehen,
an die er sich ziir Sicherung einer zweifelhaften Diagnose wenden
kann, dass die absolute „Autorität“ der Krebsfürsorgestelle in
keiner Weise gesichert sei und dass die Fürsorge-, Auskunfts¬
stellen etc, die Interessen der Aerzte nicht so wahrten, wie es durch¬
aus erforderlich sei. Auch die Fürsorgeschwestern, die sehr gern
Kurpfuscherei trieben, bedürften einer strengen Ueberwachung.
Unser Bericht zeigt, dass die Kammer nicht gewillt ist, eine
Oeringschätzung der Aerzte oder eine Schädigung ihrer wirtschaft¬
lichen Interessen von irgend einer Seite hingehen zu lassen.
Auch bei den Wahlen gab es dafür einen Beleg: die Kammer hat
zwei Mitglieder in die wissenschaftliche Deputation für das Medi-
cinalwesen zu entsenden. Diese Mitglieder sind nun in den letzten
-drei Jahren niemals zu einer Sitzung eingeladen worden. Diese
Rücksichtslosigkeit veranlasste viele Kamraermitglieder zu erklären,
dass sie nunmehr eine solche Wahl überhaupt nicht vornehmen
wollten. Erst nach längerer, erregter Debatte kam diese dann
doch zu Stande und die Gewählten, Mendel und Pistor, nahmen
ausdrücklich die Wahl nur unter der Voraussetzung an, dass die
vorhergegangene Debatte an zuständiger Stelle die Meinung der
Kammer gebührend zum Ausdruck gebracht hätte. Hoffentlich
wird die Berlin-Brandenburgische Aerztekammer auch im weiteren
Verlaufe der Wahlperiode das Ansehen und die Interessen der
Aerzteschaft stets in gleicher Weise zu wahren wissen.
Die Beratung des Haushaltsanschlags für 1906 musste der
vorgerückten Zeit halber und, da die Mitglieder durch die voraus¬
gegangenen anstregenden Verhandlungen recht abgespannt waren,
vertagt werden.
In weitesten ärztlichen Kreisen herrschte jederzeit die An¬
schauung, dass es allein die von Arbeitnehmern geleiteten Kassen
seien, die sich der Koalition der Aerzte entgegenstemmten, und
deren hauptsächlichste Forderung, dio Durchführung der freien
Arztwahl, zu Falle zu bringen suchten. Von dieser Auffassung
wird wohl jeder geheilt sein, der die Denkschrift gelesen hat,
welche der Verband rheinisch-westfälischer Betriebs¬
krankenkassen an den Reichstag gerichtet hat. Dieser aus¬
gedehnte, in den Händen der Grossindustriellen befindliche Ver¬
band nimmt zu den Forderungen Stellung, welche namens der
Aerzte die Kommission des Deutschen Aerztevereinsbundes auf-
gestellt hat. Die Grossindustriellen fanden nichts mehr und nichts
weniger, als dass den approbierten Aerzten die gesetzliche Ver¬
pflichtung auferlegt wird, auf Verlangen die der öffentlichen
Krankenversicherung unterliegenden Personen ärztlich zu behandeln.
Mit den alten, oft widerlegten Argumenten geht die Denkschrift
gegen die freie Aerztewahl vor, sie verwirft die maßvollen Honorar¬
ansprüche der Aerzte und will ganz besonders den Abschluss von
Verträgen mit Aerztevereinigungen verhindern und nur Einzelver¬
träge zulassen. Um aber der Einigkeit der Aerzte ein Gegen¬
gewicht zu bieten, um bei Aerztestrikes gesichert zu sein, fordert
die Denkschrift die Berechtigung für die Krankenkassen, den
Kranken statt der Gewährung der ärztlichen Hilfe in natura,
einem Hauptzweck der Krankenversicherung, eine angemessene
Geldentschädigung gewähren zu dürfen. Diese Denkschrift muss
den Aerzten eine Mahnung sein, ihren wirtschaftlichen Kampf
nicht kurzsichtig nach einer Seite hin zu führen, sondern den
Gegner in allen Lagen mit gleicher Energie entgegenzutreten.
Dass die Aerzte auch oft Veranlassung haben, Kassen im Kampfe
um ihre Rechte ihren Beistand zu gewähren, beweist der Kon¬
gress der freien Hilfskassen, der kürzlich hier in Berlin
tagte, um den Schaden abzuwehren, der den Hilfskassen aus den
dem Reichstag vorliegenden neuen Gesetz über die freien Hilfs-
kassen zu erwachsen droht. Nachdem eine Reihe von Schwindel¬
kassen die Vertrauensseligkeit des Publikums ausgenutzt hatte,
ohne von den Behörden daran gehindert worden zu sein, legte die
Regierung einen Entwurf vor, der durch Unterstellung der Hilfs¬
kassen unter das Privatversicherungsgesetz nicht nur deren Selbst¬
verwaltung bedroht, sondern ihnen die Existenzbedingungen derart
erschwert, dass ihr Fortbestehen gefährdet ist. Der Kongress
der Hilfskassen richtete an den Reichstag das dringende Ersuchen,
den Gesetzentwurf abzulehnen; für den Fall einer zustimmenden
Haltung des Reichstages wurde eine grössere Anzahl von Ab¬
änderungsvorschlägen beschlossen, die freien Hilfskassen haben
sowohl in ihrer Eigenschaft als selbständige Kassen wie als Zu¬
schusskassen gut prosperiert, sie haben ihren.Mitgliedern mancherlei
Vorteile über ihren gesetzlichen Verpflichtungen hinaus gewähren
können und haben auch im allgemeinen mit den Aerzten in fried¬
licher Weise zusammen gearbeitet. Wir Aerzte haben also an
einer Unterdrückung der Hilfskassen allein gar kein Interesse;
unser Bestreben mu.ss darauf gerichtet sein, dass ^le Kassenarten
vereinheitlicht werden, also auch Betriebs-, Innungskassen etc.
aufhören.
Ihre starke Inanspruchnahme in wirtschaftlichen Fragen
hindert die deutsche Aerzteschaft nicht, auch allen sozial¬
hygienischen Bestrebungen ihr volles Interesse zuzuwenden ' So
sehen wir eine grosse Reihe von Aerzten wieder an der Spitze
des Komitees, das sich gebildet hat, um eine Musteranstalt
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70
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 6.
ins Leben zu rufen, die der Bekämpfung der Säuglings¬
sterblichkeit dienen selb Diese soll ein Sammelpunkt für die
wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Säuglings¬
pflege und -Ernährung abgeben und die Ergebnisse dieser Forschung
für die Praxis verwertbar machen. Die Anstalt soll Schwangere
in den letzten drei Monaten aufnehmen und für das Stillgeschäft
vorbereiten, sie erhält eine Station für Entbindungen und Wöch¬
nerinnen sowie ein Mütterheim, in welchem die Mütter drei
Monate verbleiben können. Es wird ferner eine Station für
künstliche Ernährung und eine solche für kranke Siluglinge ein¬
gerichtet und schliesslich eine Fürsorgestelle zur Uel^erwachung
der entlassenen Mütter und Kinder. Ein reiches und ergiebiges
Feld wird dieses Institut zu bearbeiten haben; hoffen wir, dass
daraus reiche Früchte erspriessen werden zum Vorteil unserer
Säuglinge, von denen ja leider immer noch ein ganz unverhältnis¬
mäßig hoher Prozentsatz das erste Lebensjahr nicht vollendet.
Periodische Literatur.
Münchener medicinieche Wochenschrift. i906. No. 4
1. Lanz, Amsterdam: Appendikostomie.
Heute geht man wahrscheinlich in der zeitlichen Indikations¬
stellung des chirurgischen Eingriffs bei der Appendizitis zu weit. Bis
kann ein entzündeter Wurmfortsatz klinisch ausheilen, ohne dem
Patienten später irgendwie gefährlich zu werden. Verf. bezeichnet es
als einen verhängnisvollen Irrtum, in jedem Stadium chirurgisch
einzugreifen. Das Beobachtungsmaterial des Verf, ist sehr bedeutend,
es umfasst 1286 Fälle mit 710 Appendizektomien. Gefahrlos ist
nur die Frühoperation und die kalte Operation, Auf der Höhe der
Erkrankung ist nach Ansicht des Verf. im allgemeinen der Ein¬
griff gefährlicher, als das Abwarten. Natürlich kann es Ausnahmen
geben. Zum Schluss der Arbeit gibt Verf. folgende Grundsätze
an: 1. Wenn irgend möglich am 1. oder 2. Tage des Anfalls die
Frühoperation ausführen. 2. Während des Anfalls soll nur in
AusnahmefäUen die vitale Indikation gelten und dann soll man
sich auf Spaltung des Abscesses oder Drainage des Peritoneums
beschränken. 3. Exsudate, welche nicht zurückgehen, also eitrig
sind, soll man spalten, schon in Rücksicht auf etwa später vorzu¬
nehmende Appendizektomien. 4. Nach leichten, selbst genau beob¬
achteten Fällen ohne Exsudat soll man operieren, so wie der
Patient sich genügend erholt hat. 5. Bei Fällen mit rasch, inner¬
halb weniger Tage, zurückgehendem Exsudat, soll man mindestens
l Monat, bei Fällen mit langsam zurückgehendem Exsudat
mindestens 3 Monate warten, ehe man zur Ausführung der Radikal¬
operation schreitet.
2. Graser, Erlangen: Bemerkungen zur Therapie der akuten
PerityphlitiB.
Verf. hat versucht, eine Statistik über die Theraphie der
Perityphlitis unter Mitwirkung der mittelfränkischen Aerzte aufzu¬
stellen. Dieselbe ist etwas dürftig ausgefallen, da sich im Ganzen
mit dem Verfasser nur 28 Aerzte mit insgesamt 100 Fällen be¬
teiligten. Immerhin lassen sich auch aus diesen wenigen Fällen
gewisse Schlüsse ziehen, welche vom Verf. in folgenden Leitsätzen
zusammengefasst werden: 1. Wir können uns bei der heutigen
Durchschnittsmortalität der Perityphlitis nicht beruhigen. 2. Es
ist nicht möglich, durch klinische Untersuchung eine anatomisch
richtige Diagnose über den Zustand des Wurmfortsatzes und des
Bauchfells zu stellen. 3. Bei allen ernsteren Fällen ist sofortige
Operation am ersten oder spätestens zweiten Tage die beste Be¬
handlung. 4. Bei dieser Frühoperation trifft man dann oft noch
einen im Wurmfortsatz selbst lokalisierten Prozess, dessen operative
Beseitigung leicht und der Regel nach bei guter Technik ge¬
fahrlos ist. 6. Schon am dritten Tag ist in vielen Fällen die
Operation viel schwieriger, die Chancen viel ungünstiger, da bereits
das Peritoneum schwer geschädigt, die Intoxikation beträchtlich
lind die Darmlähmung eingeleitet ist. 6. Auch die leichteste Er¬
krankung ist in steter Operationsbereitschaft aufs genaueste zu
beobachten und sofort der Operation zuzuführen, wenn die einge¬
leitete Besserimg stillsteht oder irgend eine Verschlimmerung ein-
tritt. 7. Ein ungünstiges Symptom wiegt schwerer, als zehn
günstige. 8. Bjs ist für den Verlauf der nicht und sofort za
operierenden Fälle das beste, die Nabrungszafubr per os zunächst
ganz einzustellen. 9. Abführmittel sind unbedingt zu verwerfea.
10. Opium soll man erst geben, wenn man sich über die Beur¬
teilung der Schwere der Erkrankung im Klaren ist. 11. Unter
den auf eine ernstere Erkrankung hinweisenden Symptomen ist
eine ausgebreitete Druckempfindlichkeit des Bauches mit diffoser
Spannung der Bauchmuskeln besonders bedeutungsvoll.
3. Stadler, Leipzig: Ein Fall von akuter nickt eitriger
Thyreoiditis.
Verf. hat einen Fall beobachtet, in welchem bei einem
49jährigen recht korpulentem Mann eine akute Schwellung der
Thyreoidea auftrat unter gleichzeitiger Beteiligung der regionären
Lymphdrüsen. Die Schwellung war so stark, dass heftige Atem-
und Schluckbeschwerden und völlige Aphonie bestanden. Zugleich
zeigte sich eine hämorrhagische Nephritis Albumen). Unter
Eisumschlägen und Gurgeln bessern sich zunächst Schlucken und
Atmen. Die Aphonie bleibt noch einige Zeit. Nach Verlauf eines
Monats konnte Patient entlassen werden. Merkliche Temperatur-
Steigerungen während der Erkrankung fehlten, e.s lag eine nicht
eitrige Th^Teoiditis vor.
4. Hoepfl, Hausham: Pall von Bubkntaner Barmzerreissong
mit operativer Heilung.
Es handelt sich um einen Bergmann, der durch eine auf
seinen Leib fallende Etsenstange verletzt wurde. Trotz anfäng¬
lichem Shock vermochte der Verletzte noch 500 m zu gehen. An¬
fangs zeigten sich ziemlich bedenkliche Symptome, welche aber am
zweiten Tage einer auttallenden Besserung Platz machten. Durch
eine wider ärztliches Verbot verabreichte Nahrung wurden schwere
peritonitische Erscheinungen ausgelöst. Offenbar war die bei der
Operation aufgefundene 2’/iCm lange Querwunde des Dünndanns
durch Kontraktur der Längsmuskulatur und Ektropionierung der
Wundränder zum zeitweiligen Verschluss gebracht worden und erst
die erw’ähute Nahrungsaufnahme (Suppe) sprengte diesen Verschlu-ss.
Die Operation war schwierig, gelang aber gut un<l führte ziu
Heilung.
5. Delkeskamp, Königsberg; Ueber Volvulos der flexura
sigmoidea bei Hirschspnmgscher Krankheit
Verf. hatte Gelegenheit, einen sehr interes-santen Fall voa
Volvulus bei einem 28jährigen Menschen zu beobachten. Die
Operation ergab eine etwa 90 cm lange, auf Mauneskopfgrösse
erweiterte Flexur mit einer Wondverdickung von 1 cm. Dieser
Befund lässt mit Sicherheit die Existenz eines Megacolon conge-
nitum annehmen, zumal die Anamnese ergibt, dass Patient von
Jugend auf an Obstipation und Aufgetriebensein des Leibes ge¬
litten hat. Neben der abnormen Länge der Flexur ist der Um¬
stand von Wichtigkeit, dass die Fnsspunkte einander genährt sind,
in dem mitgeteilten Fall bestand an dieser Stelle sogar eine Ad¬
häsion. Jedenfalls lehrt dieser Befund, dass man beim Volvulns
der Erwachsenen und Kinder immerhin an einen Zusammenhang
mit Hirschspmmg’scher Krankheit, megacolon congenitum denken
muss.
6. Schridde, Marburg: Studien über die farblosen Zellen
des menschlichen Blntes.
Verf. fasst die Resultate seiner Untersuchungen in folgende
Schlusssätze zusammen; Im postembryonalen Leben stellen Lympho¬
zyten und Leukozyten zwei absolut zu scheidende Zellrassen dar.
Auch die Stammzellen sind verschieden; aus den Keimzentnims-
zellen (Lymphobla.sten) gehen nur L 5 -mphoi:yten hervor, aus den
Myeloblasten können sich nur Leukozyten oder deren Vorstufen
entwickeln. Die Bildungsstätte der Leukozyten ist in der Norm
allein das Knochenmark. Nur unter besonderen Verhältnissen
kann auch im perivaskulären Gewebe anderer Organe eine Pro¬
duktion dieser Zellen statttindeu. Der Ursprungsort der Lympho¬
zyten ist normaler Weise ausschliesslich in den Lymphfollikeln za
suchen. Sowohl Leukozyten, wie Lymphozyten gelangen durch
aktive Wandeimng in den Kreislauf.
7. Wilms, Leipzig: Die beim postoperativen Heus wirk¬
samen mechanischen Momente.
Der postoperative Ileus tritt unmittelbar oder wenige Tage
nach der Operation auf, später sich entwickelnde Darmverschlü^
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
71
-verdienen nicht diesen Namen. Die Ursachen sind Fixationen von
Darmabschnitten mit gleichzeitigen Lähmungserscheinungen an be¬
grenzten Darmstrecken. In Folge der letzteren kommt eine über¬
mäßige Füllung eines Teils mit Gasen oder Darminhalt zu Stande,
welche sekundär zu einer Abknickting führt. Therapeutisch sehr
wirksam ist die Anlegung einer Darmfistel, welche eine Entleerung
des Darmabschnitts ermöglicht und eine Heilung auf diese Weise
herbeiführen kann. Solche Darmfisteln pflegen sich später spontan
zu schliessen. Nach Ansicht des Verf. ist für schwere Fälle von
postoperativem Ileus die Enterostomie die am wenigsten eingreifende
Methode.
8. Gunkel, Fulda: Zur Frühoperation bei Epityphlitis.
Verf. steht auf dem Standpunkt, dass bei Epityphlitis unter
allen Umständen die Frühoperation anzuraten ist, selbst bei den
leichten Fällen, bei denen eine Heilung auch ohne dieselbe vor
sich gehen würde, ist die Operation keine überflüssige. Für den
leichten Fall ist die Frühoperation eben die Radikaloperation.
Verf. operiert daher mit wenigen Ausnahmen innerhalb der ersten
48 Stunden.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 4.
1. Wolff-Eisner, Berlin: Zur Differentialdiagnose des
Henasthmas gegen die anderen Asthmaformen.
Verf. hat durch eingehende Beobachtung fesstellen können,
dass das Heufieber bei weitem häufiger vorkommt, als man ge¬
wöhnlich annimmt. Er hatte Gelegenheit, 90 Fälle zu unter¬
suchen. Therapeutisch hat sich ihm von den beiden im Handel
erhältlichen Seris das Graminol besser als das Pollantin bewährt.
Die Prüfung auf Heufieber nahm Verf. in der Weise vor, dass
er sich durch Verreiben einer Kochsalzlösung mit Pollen von
Roggen, Gräsern, Mais eine frische Eiweisslösung bereitete, und
diese in den Conjunctivalsack brachte. Bei Heufieberpatienten
schlossen sich an anfangs geringe subjektive Symptome sehr schnell
heftige objektive Symptome an. Bei normalen Menschen fehlen
die ersteren nicht ganz, die letzteren absolut sicher. Verf. nimmt
an, dass sich nach Enverleibung des körperfremden Eiweisses
Lysine bilden, die an der so oft beobachteten gesteigerten Em¬
pfindlichkeit schuld sind.
2. Castellani, Colombo: üntersnchnngen über Framboesia
tropica (Taws).
Verf. hat 14 Fälle von Framboesie untersucht und in 11 der¬
selben Spirochaeten gefunden, die sich von der Spirocbaete pallida
{Schaudinn) seiner Ansicht nach nicht wohl unterscheiden lassen.
Da nun nach Anschauung des Verf., welche wohl allgemein geteilt
werden dürfte, die Framboesie nicht mit der Syphilis identisch ist,
schlägt er für die von ihm gefundenen Mikroben den Namen
Spirocbaete pertenuis seu pallidula vor.
3. Koerte, Berlin: Bemerkungen über Operationen am
Jfagen nnd am Pankreas.
Koerte teilt eine Reibe von Fällen mit, und knüpft daran
epikritische Bemerkungen. Die operative Therapie des ulcus
rotundum resp. der infolge von Geschwüren entstandenen Pylorus¬
stenose ist die ‘Gastroenterostomie, die Herstellung einer Ver¬
bindung zwischen Magen und Jejunum. Dass diese Operation eine
völlige Heilung nicht immer zu bewirken vermag, ist sicher. Es
kommen Rezidive vor, abgesehen von den peptischen Geschwüren
des Jejunums. Die kallösen Ulcera können reseziert werden, je¬
doch die Technik der Operation ist nicht leicht, und eine Garantie
für völlige Heilung nicht gegeben. Mit gutem Erfolg hat Verf.
bei Uebergreifen des Ulcus vom Pylorus auf das Duodenum, den
Pylorus gänzlich ausgeschaltet, indem er den Magen oberhalb ab¬
trennte und eine Gastroenterostomie daran schloss. Die Resektion
des Magens kommt in Frage bei Carcinom, dessen Entstehung
auf der Basis früherer Geschwdire unzweifelhaft zu sein scheint.
Zum Schluss seiner Mitteilungen geht Verf. auf die operative
Behandlung der Pankreatitis ein. Die akute Pankreasentzündung
ist fast stets mit disseminierter Fettgewebsnekrose verknüpft, so
dass man bei Beobachtung der letzteren intra operationem den
Schluss auf Pankreatitis ziehen kann. Ursächlich dürfte Chole-
lithiasis in Betracht kommen. Die Operation wird sich auf ge¬
eignete Drainage der erkrankten Drüse beziehen.
4. Scbaedel, Leipzig: Ein neues externes Blutstillungs«
mittel (Styptogan).
Verf. hat in der Kollmannachen Poliklinik ein neues
Hämostypticum versudit und empfehlenswert gefunden, auf
welches vonVörner bereits hingewiesen wurde. Es ist dies das
Kal. permanganicum. In einer Verreibung mit 4% Vaselin be¬
währt sich das Präparat ausgezeichnet. Die Firma J. D. Riedel
bringt Tuben mit Styptogan in den Handel, welche sehr handlich
und preiswert sind. Irgendwelche schädliche Nebenwirkungen
konnten nicht beobachtet werden.
5. Bluth, Neuenahr: Eine neue Methode der quantitativen
Acetonbestimmung.
So einfach die qualitative Bestimmung des Acetons im Ham
ist, so schwierig gestaltet-sieh der quantitative Nachweis. Verf.
wendet folgende Methode an: 20 ccm Ham werden mit 2 ccm
Chlorzinklösung (Chlorzink und Ag. dest. fiä) versetzt, durch¬
geschüttelt und filtriert. Vom klaren Filtrat werden 15 ccm ge¬
nommen und mit 1,5 ccm Bleieasig versetzt und davon 7,5 ccm
abfiltriert. Dieses Quantum vermischt man mit demselben Vo¬
lumen Natronlauge und filtriert nochmals. Das letzte wasserhelle
Filtrat soll 10 ocm betragen, dieses giesst man in ein Reagenz¬
glas, welches 1,5 com Natriumnitroprussidlösung (1 : 9 Ag. dest.)
enthält. Beim Eingiessen beobachtet man den Sekundenzeiger.
Die Flüssigkeit färbt sich sofort rot, doch geht die Farbe allmählich
in orange, gelbgrün und kanariengelb über. Als Testfarbe dient
verdünnte Lösung von Eisenchlorid (Tinct ferri sesquichlor. offi-
oinal. 2, Ag. dest. 1). In dem Augenblick, wo die Testfarbe er¬
reicht ist, wird der Sekundenzeiger wieder abgelesen. Da nun
aber in dieser Zeit noch ein Posten einbegriffen ist, welcher von
noch vorhandenem Kreatinin (bei der Chlorzinkfällung gelingt es
nicht, alles zu beseitigen) herrührt, so gilt es, diesen Wert zu
ermitteln. Zu diesem Zweck dampft man 20 ccm Ham in einer
Porzellanschale stark ein und füllt wieder auf 20 ccm mit Ag.
dest. auf und wiederholt die Farbenreaktion, man wird meist eine
Zeit von 20 Sekunden finden, diese muss man von der oben ge¬
wonnenen Zeit abziehen. Die Differenz gibt ein ganz genaues
Maß für den Acetongehalt, denn der Zeitraum einer Sekunde ent¬
spricht einem Zentigramm Aceton im Liter.
Die qualitative Analyse in dieser Form gelingt nur, wenn
ün Ham keine Acetessigsäure enthalten ist. Um diese zu be¬
seitigen, kocht Verf. und destilliert und verwandelt so die vor¬
handene Acetessigsäure in Aceton und Kohlensäure, welch ersteres
er auf diese Weise mitbestimmt. Um nun die Menge der Acet¬
essigsäure mitzubestimmen, bedarf es nur einer Rücktitriemng.
Die Einzelheiten dieser inrnierhin grosse Genauigkeit erfordernden
Methode müssen im Original nachgelesen werden. Ein vom Verf.
zur Ausfühmng der Analyse angegebenes Besteck liefert die
Firma Paul Altmann, Berlin NW.
6. Loele, Leipzig: Die Agglutination in den Händen des
praktischen Arztes.
Die wichtige Tatsache, dass die Agglutination von Bakterien¬
aufschwemmungen auch daun gelingt, wenn diese Aufschwemmungen
abgetötet und haltbar gemacht sind, gibt die Möglichkeit für den
praktischen Arzt, sich des Agglutinationsverfahrens als diagno¬
stisches Hilfsmittel in ausgedehntem Maße zu bedienen. Zur An¬
stellung einer solchen Reaktion bedarf man folgender Zurichtungen:
1. Eine gleichmäßig zylindrische Capillare von mittlerer Stärke.
Dieselbe ist in gleichmäßige Abschnitte geteilt, ohne dass die
Grösse derselben irgend wie Bedeutung hat. Sje dient zum Auf-
fangeu des Blutes und als Messröhrchen. 2. Zwei Agglutinations¬
röhrchen von 4—5 cm Länge, 4—5 mm Breite und 0,5—1 ccm
Inhalt, in der Gestalt kleinster Reagenzgläser. 3. Eine Formalin-
Kochsalzlösung [0,5% Formalin (Schering) 0,6% Kodisalz]. 4. Die
Typhusaufschwemmung. Die Agglutination führt man folgender¬
maßen aas: Man gibt zunächst in ein Agglutinationsröhrchen 9
Teilstriche Formalm-Kochsalzlösung mittels der graduierten Capil¬
lare, nun entnimmt man durch Stich ans Finger oder Ohrläppchen
Blut des Patienten ebenfalls mittels der Capillare, Man merkt
sich, wieviel Teilstriche Blut man erhalten hat und bringt dieses
Quantum sofort in die Formalin-Eochsalzlösung. Nun bringt man
noch soviel der letzteren Lösung hinzu, dass eine 10%ige Blut-
lösimg entsteht. Hat sich nach einigen Stunden Ruhe das
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72
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 6.
Blut so abgesetzt, dass das klare Blutplasma Uber dem ganz ge¬
ringfügigen Blutkuchen steht, gibt man in das zweite Agglu¬
tinationsröhrchen soviel Teilstriche der Typhusformalinsufschwem-
mung, als in jedem einzelnen Falle nötig ist. So gelingt es ohne
grosse Apparate und Vorrichtung, mit einer minimalen Blutmenge
eine durchaus sichere Agglutinationsprobe zu machen. Ein Ver¬
fahren, welches jeder praktische Arzt leicht ausführen kann,
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 4.
1. V. Neumann, Wien: Ein Fall geheilter Lepra maculo-
tnberosa.
Verf. hat einen im Jahre 1900 in die Klinik aufgenommenen
Fall von Lepra maculo-tuberosa geheilt. Es handelte sich um einen
38 jährigen Mann, der infolge des täglichen Verkehrs mit seinem
leprösen (auch an Lepra verstorbenen) Bruder, in dessen Bett er
auch gelegentlich schlief, leprös geworden war. Die Behandlung
bestand in erster Linie in der Darreichung von Chaulnoograöl,
täglich 200—250 Tropfen, neben gleichzeitigen Gaben von Salol
und Jodthion. Obwohl aus dem Verlauf mit Sicherheit ein Schluss
auf die therapeutische Souveränität des einen oder anderen Mittels
nicht gezogen werden kann, so ist der Fall doch deshalb von
hohem Interesse, weil er die Möglichkeit einer Heilung der Lepra
in einem Stadium beweist, in dem noch nicht durch Mutilationen,
Amaurose, geistige Umnachtung usf. schwere Schädigungen ein¬
getreten sind.
2. Ranzi, Wien: üeber die Behandlung akuter Eitenuigen
mit Stanungshyperämie,
Die von Bier inaugurierte Behandlung chronischer und sub¬
akuter Entzündungsprozesse durch Stauung wurde von Bier selbst
auf akute eitrige Vorgänge ausgedehnt. Verf. berichtet über eine
ziemliche Anzahl derartiger Fälle, in welchen er die Stauungs-
hj’perämie in Anwendung brachte, E.s wurden Furunkel, Abszesse,
Panaritien, Mastitiden behandelt. Die Erfolge waren durchweg
gute. War Staming nicht anwendbar wegen der Lokalisation des
Leidens, so trat an ihre Stelle die Saugung. Vorzüglich sind vor
allen Dingen die funktionellen Resultate. Ohne das Bier’sche Ver¬
fahren dürfte es in vielen Fällen nicht gelingen, eine Sehnennekrose
hintan zu halten. Hervorstechend ist auch die schmerzstillende
Wirkung. Auch konnte im allgemeinen eine Abkürzung der Be¬
handlungsdauer festgestellt werden. Ein Umstand w’irkt ungünstig,
die Behandlung erfordert von Seiten des Arztes viel Zeit und ist
ambulatorisch nur bei mehrmaliger Kontrolle täglich ausführbar.
3. Zikmund, Oderberg: Ein weiterer Beitrag zur Kasuistik
der Koitusverletzongen.
Verf. hatte Gelegenheit einen eigentümlichen Fall von Koitus¬
verletzung zu beobachten. Bei einem Mädchen, welche schon
lange Zeit mit ihrem Geliebten geschlechtlich verkehrte, trat
während der Kohabitation eine heftige Blutung auf. Verf. fand
eine Ruptur der Scheide rechts seitlich. Der Befund war auffallend,
weil viele Kohabitationen ohne jede Verletzung voraufgegangen
waren und weil auch der in Frage kommende Koitus weder durch
Lage noch gesteigerte Libido sich auszeichnete. Auch ätiologisch
war nichts weiter festzustellen.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 0.
1. Edlefsen, Hamburg: Bas jodsanre Hatrium und die
Cerebrospinalmeningitis.
Verf. hat durch klinische Beobachtungen die Ueberzeugnng
gewonnen, dass das jodsaure Natrium sich ganz vorzüglich bei
Cerebrospinalmeningitis bewährt und dass die hierüber vorliegenden
Angaben Ruhemanns durchaus bestätigt werden. Ausser dieser
Spezialindikation eignet sich das Präparat auch für alle anderen
Fälle, wo eine möglichst energische Jodwirkung erwünscht ist.
Da.s jodsaure Natrium kann per os oder subkutan gegeben werden,
in dem letzteren Falle wird es, dem Vorgang Ruhe man ns
folgend, zweckmäßig mit Eucain kombiniert.
2. Finder, Berlin: XTeber Älypin in der rhino-laryngo-
logischen Praxis.
Verf. berichtet über die klinischen Erfahrungen mit AlypIn
als Lokalanästhetikum und kommt zu dem Schluss, dass dieses
von den Bayerischen Farbwerken in Elberfeld hergestellte Präpa¬
rat als ein ganz ausgezeichnetes und harmloses Lokalanästbetikun)
zu bezeichnen sei. Es findet in der rhino-laryngologischeD Praxis
in 10®/, reap. 20®/, Lösung Verwendung zu Aufpinselungen. Für
submuköse Injektionen reicht man mit 1 ®/, Lösungen voll¬
kommen aus.
3. Rollin, Stettin: Klinische Erfahmngen über An&mien.
Sorgfältige und fortgesetzte Blutuntersuchungen haben dem
Verf. die Ueberzeugung gegeben, dass eine bestimmte Abhängig¬
keit zwischen der Acidität des Magens und der Ernährung des
Blutes besteht. Eine Besserung der Sekretionsverhältni&se des
Magens durch Darreichung von natürlichem Hundemagensaft nach
Pawlow ist daher auch geeignet, bestehende Anämien thera¬
peutisch günstig zu beeinflu-ssen.
4. Stöckel, Berlin: Bie Pubotomie, eine neue Methode
zur Erweiterimg des verengten Beckens.
Die seit 1777 bekannte Symphyseotomie hat sich in der Praxis
nicht so bewährt, dass diese Operation sich überall Eingang ver¬
schaffen konnte. Die Gefahr der starken Blutungen aus den durch¬
schnittenen Clitorisgefässen, das immerhin nicht unbedenkliche Er¬
öffnen eines .Gelenks, die Neigung der getrennten Schambeine so
stark au.seinander zu federn, dass Lockerungen im Ileosacralgelenk
entstehen können, alles das sind Umstände, welche den Ersatz
die.ser Operationsmethode durch eine bes.ser geeignete wünschens¬
wert erscheinen lassen. Gigli hat nun eine neue Methode ange-
geV)en, deren Wesen darin besteht, dass das eine Schambein seit¬
lich durchaägt wird, Gigli selbst legte den Knochen durch einen
Schnitt frei und durchsägte ihn mit der von ihm angegebenen
biegsamen Säge. Eine sehr glückliche Modifikation erfuhr diese
Operation durch Doederlein. Dieser verfährt folgendermaßen:
er legt einen kleinen Querschnitt am oberen Schambeinrand an.
gross genug, um den Zeigefinger an der Hinterfläche des Os puhis
eiuschiel)en zu können. Zwischen Knochen und Finger führt er eine
besonders konstruierte, langgestielte Nadel ein, die am unteren Scham¬
beinrand, an der Anssenseite der grossen Schamlippen ausgestochen
wird. Man befestigt nun im Nadelöhr die Gigli'sche Drahtsäge
und führt dieselbe mittels der Nadel hinter da.s Schambein, so ge¬
lingt eine subkutane Durchsägung. Die Blutstillung gelingt leicht
durch Kompression, die zwei kleinen Hautwunden la.ssen sich
aseptisch halten und durch ein paar Nähte scliliessen. Neuerdings
haben Walcher und Bumm empfohlen, das Scliambein ohne
jeden Schnitt zu urastechen. Auf diese letztere Weise gelingt
die Pubotomie völlig sulikutan in wenigen Sekunden.
Neurologisches Zentralblatt, looc. No. i.
1. Dr. Erwin Stransky: Zur Kenntnis des associierten
Hystagmns. Das Phänomen i.st bereits von Stransky beschrieben
worden; bei Neurosen tritt es auf in der Art, dass bei sanften
öffnen der Lider, wenn der Pat. versucht, sie gegen Widerstand
zu schlicssen, ein feinschlägiger Nystagmus des Bulbus auftritt.
Stransky beschreibt jetzt einen Fall von Delirium alcoholicum, bei
dem das Phänomen deutlich auftrat; er hält es für eine Art von
Mitbewegung.
2. Franz Coenen: Über Arsenic neuritiB. Der Fall ist
bemerkenswert dadurch, dass die Intoxikation percutan verursacht
wurde bei einer Pelzarbeiterin, die mit den Händen in Arsenic-
lösung zu arbeiten hatte. Es entstanden eigentümliche trophisebe
und vasomotorische Störungen an den Fingern. Ref. vermisst die
eigentlich neuritischen Erscheinungen, es handelt sich fast aus-
schHe.sslich um vasomotorisch-trophische Symptome.
3. R. Hirschberg, Paris: Über den plötzlichen Tod der
Tabischen. Im Anschluss an einen Fall von Goldflam berichtet
über einen Tabiker: mit 18 Jahren Lues, mit 22 Jahren Beginn
tabischer Symptome, mit etwa 30 Jahren schwere Ataxie. Nach
einem heftigen Anfall lancierender Schmerzen (Krises?) bedrohlicher
Zustand. Erholung, aber .seitdem tachycardische Anfälle, häufiges
Ohnmachtsgefiibl. Plötzlicher Tod, ohne Krampferscheinungen.
Hirschherg hält eine bulbäre Ursache für wahrscheinlich, da keine
Zeichen von Aortenerkrankung oder Coronararterienerkrankung be¬
standen hätten: Ref. hält einen Herztod infolge Versagen de.s
linken Ventrikels nicht für ausgeschlossen.
Dr. S. Flatan, Berlin.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
73
Medicinisch'ChirurgUches Centralblatt. 1906. Nr. i.
1. Emmerich Koszow-Gerronay: Bin seltener Fall
von Verblntong der Hutter bei der Geburt.
Der Tod erfolgte durch Blutung aus einem Riss zwischen
Klitoris und Harnröhrenmündung. Die Hebamme hatte die Quelle
der Blutung im Uterus vermutet und hierauf ihre Bemühungen
gerichtet. Als */j Stunde nach der Geburt der Arzt gerufen
wurde, war die Frau pulslos und starb noch bevor die Naht be¬
endigt war. Verfasser betont, dass in Hebammenlehrbüchem nicht
hinreichend auf die Möglichkeit solcher zwar seltenen, aber ge-
fMirlichen Verletzungen aufmerksam gemacht ist.
2. Bail. Zur Frage der Frtthoperation der Perityphlitis.
Kurze Präcisierung des im Augustahospital dieser wichtigen
Frage gegenüber eingenommenen Standpunktes, der sich wesent¬
lich* von dem vieler Chirurgen unterscheidet. Sie sind nicht
absolute Anhänger der Frühoperation in dem Sinne, dass jeder
innerhalb 48 Stunden nach Beginn des ersten Anfalles eingelieferte
Patient operiert werden muss. Sie verwerfen die Frühoperation
1. wenn es sich um Patienten handelt, die andere schwere
Leiden haben, wie uncompensierte Herzfehler, Tuberkulose und
Nierenkrankheiten; 2. wenn der Anfall so leicht ist, dass die
Diagnose nicht mit völliger Sicherheit gestellt werden kann;
3. bei Patienten mit starker Adipositas, wo Potatorium zugegeben
wird und der Anfall ohne stürmische Erscheinungen einsetzt.
Für alle anderen Fälle bleiben sie Anhänger der Frühoperation,
weil kein einigernu^ßen zuverlässiges diagnostisches Hifsmittel vor¬
handen ist, um auch nur eine Wahrscheinlicbkeitsprognose über
leichten oder schweren Verlauf der akuten Perityphlitis stellen zu
können. Auf jeden Fall sollte' der Kranke einem Krankeuhause
überwiesen werden, wo er dauernd ärztlich überwacht und jeder
Zeit der Moment der Operation bestimmt werden kann. Ist mehr
Zeit seit Beginn des Anfalles veretrichen, so warten sie Fieber¬
freiheit ab, um durch einmalige Operation den Kranken gesund
machen zu können. Grössere Abscesse werden baldigst eröffnet,
dabei aber der Processus nur reseciert, wenn er leicht zu finden
und zu isolieren ist. Bei allgemeiner Peritonitis wird die Bauch¬
höhle eröffnet, gegenincidiert nach den Lumbalgegenden und
drainiert; gespült wird nicht, sondern grösster Wert auf möglichst
schnelle Operation und Abkürzung der Narkosendauer gelegt.
Kongresse,
Berlin. Der ll. Kongress der Deutschen Röntgen-
Gesellschaft findet beschlussgemäß im Anschluss an den
Chirurgen-Kongress am 8. und 9. April d. J. bierselbst statt.
Vorläufige Tagesordnung: Sonntag, den 8. April, vormittags; Ge¬
schäftssitzung des Vorstandes. Montag, den 9. April, vormittags:
1. General-Versammlung, insbesondere Beratung und Annahme der
Statuten. 2. Vorträge und Demonstrationen. Nachmittags: Vor¬
träge und Demonstrationen. Abends: Projektionsabend und nach¬
her gesellige Zusammenkunft.
Anmeldungen für Vorträge und Demonstrationen sowie An¬
fragen werden an den derzeitigen Vorsitzenden, Herrn Prof. Dr.
Eberlein, Berlin NW. 6, Imisenstrasse 56, oder den Schrift¬
führer, Herrn Dr. Max Immelmann, Berlin W, 35, Lützow-
strasse 72, bis spätestens zum 1. März d. J. erbeten, damit das
definitive Programm rechtzeitig fertiggestellt werden kann.
Vermischtes.
Bürlin, Es muss einigermaßen befremden, dass die Wiener
Universität solche Schwierigkeiten hat, den Lehrstuhl Notnagels
zu besetzen. Zahlreiche Körbe hat sich die Fakultät bereits ge¬
holt, an denen in erster Linie wohl die höchst unerquicklichen
inneren Zustände der Wiener Hochschule schuld sein dürften,
mehr jedenfalls als der Mangel der nötigen Zusagen für Ver¬
besserungen und Neubauten. Es i.st schvver erklärlich, wenn man
nicht an das Wirken einer Clique glauben will, dass ein Mann
bisher nicht ge&agt wurde, der selbst Oesterreicher, wohl am
allerersten verdiente, der Nachfolger Notnagels zu sein, v. Jaksch
in Prag. Einer der ältesten Schüler Notnagels, als Kliniker und
Lehrer hervorragend bewährt, bedeutend durch eine grosse Reihe
von Arbeiten, wäre er der gegebene Mann. Aber nein, die
Wiener Faknltät muss ün Reiche hausieren geben, weil vielleicht
einer Clique Herr v. Jaksch nicht gefällt. Man sollte meinen,
dass gerade die Wiener Fakultät Veranlassung hätte, hervor¬
ragende Männer zu halten, sonst dürfte es sich immer wieder er¬
eignen, dass österreichische Mediciner ohne Bedenken und Zögern
den Rufen an reichsdeutscbe Universitäten folgen. Wer weiss
ob nicht bald v. Jaksch auch an einer deutschen Universität seine
Fähigkeiten und Erfahrungen wird verwerten können.
Bürlin. Dem Merkblatt der Deutschen Gesellschaft zur
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, das, vor zwei
Jahren herausgegeben, jetzt in ca. einer Million Exemplaren
durch Behörden, Aerzte, Krankenkassen, Vereine und fast sämt¬
liche Truppenteile des deutschen Heeres unter jungen Leuten aller
Gesellschaftsschichten über ganz Deutschland verbreitet ist, hat
diese Gesellschaft soeben ein zweites, ähnliches, aber speziell für
Frauen imd Mädchen bestimmtes, ein „Frauenmerkblatt“ an
die Seite gestellt. Dieses neue Merkblatt „wendet sich besonders
an Mädchen, welche noch jung in das Erwerbsleben eintreten and
keine geeigneten Berater haben.* Es ist deshalb, seinem
Publikum entsprechend, in einem ganz persönlichen, eindringlichen
und volkstümlichen Tone abgefasst; durch Aufklärung und
Warnung will das „Frauenmerkblatt“ den jungen Mädchen —
Arbeiterinnen, Verkäuferinnen, Dienstmädchen usw. —, die ganz
unerfahren und ohne Obhut allzu früh in den harten Lebenskampf
hinaustreten müssen, die mangelnde Erfahrung und den mangelnden
Schutz nach Möglichkeit ersetzen.
Interessenten erhalten das Blatt auf Wunsch von der Ge¬
schäftsstelle der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Ge¬
schlechtskrankheiten, Berlin W. 35, Potsdamerstr. 105 a., unent¬
geltlich zugesandt. Vereine, Krankenkassen usw. können von
ebendaher grössere Posten beziehen.
Bürlin. Durch Ministerialerlass ist Migränin in die Liste
der stark wirkenden Arzneimittel aufgenommen worden. Es darf
fortan in den Apotheken nur auf die Verordnung eines Arztes ab¬
gegeben werden.
Berlin. Aerzte als Verwaltungbeamte in den
Kolonien. Bereits mehrfach wirken, wie die Norddeutsche All¬
gemeine Zeitung offiziös bemerkt, Aerzte als Stationsleiter in den
Kolonien mit besonderem Erfolg. Von Reichstagsabgeordneten,
die vor einigen Monaten unsere westafrikanischen Besitzungen be¬
suchten, ist auf die ausgezeichnete Verwaltung einzelner Bezirke
in Kamerun und Togo durch Aerzte hingewiesen worden. Ein
Arzt geniesst meist von vornherein das Vertrauen der Eingeborenen,
er ist in der Lage, auf die Assanierung des Landes nach den be¬
währten neueren Methoden sowie auf eine den Tropen angemessene
Lebensführung der Weissen hiozuwirken. Seine naturwissen¬
schaftlichen und botanischen Vorkenntnisse befähigen ihn, sich in
wichtige Angaben kultureller Art bald einzuarbeiten. Gelegenheit
zur Ergänzung seiner Kenntnisse auf diesem Felde sowie auf dem
Gebiete der Tropenhygiene wird ihm auf dem Orientalischen
Seminar in Berlin sowie am Tropenhygienischen Institut in Ham-
burg geboten. Es wäre sehr zu wünschen, dass sich beim Kolonial¬
amt mehr als bisher jüngere Aerzte melden, die Beruf und Neig¬
ung für eine Verwaltungstätigkeit in den Kolonien fühlen.
Petersburg. Dr. B. I. Puschtschiwy’s Antituberkulöse
Flüssigkeit. In dieser Wochenschrift ist bereits zweimal (cf.
Die Medicinische Woche, 1903, No. 19 und ibidem 1905, No. 17)
vermerkt worden, dass Dr. B. I. Puschtschiwy, ein russischer
höherer Militärarzt, seit Jahren mit einer von ihm erfundenen
antituberkulösen Flüssigkeit experimentiert und an Tieren (Ka¬
ninchen) bereits beachtenswerte therapeutische Erfolge erzielt hat
Wenn auch durch das Tierexperiment neben der zweifellosen
therapeutischen Wirksamkeit der Flüssigkeit vor allem die ab¬
solute Unschädlichkeit derselben festgestellt ist, so hielt es P.
nichtsdestoweniger für seine Pflicht, seine antituberkulöse Flüssig¬
keit einer wissenschaftlichen Analyse unterziehen zu lassen, bevor
er zu Versuchen am Menschen schritt. Diese Analyse ist nun-
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74
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 6.
mehr in Petersburg in einem maßgebenden Institut ausgeführt
worden, und zwar im Laboratorium der Chemisch-Technischen
Schule zu St. Petersburg. Das Resultat dieser Analyse ist uns
in amtlich beglaubigter, vom Kaiserlich Deutschen General-Kon¬
sulat zu St. Petersburg legalisierter Abschrift zugegangen, die
folgendermaßen lautet:
Im Laboratorium der Chemisch-Technischen Schule zu Peters¬
burg habe ich eine qualitative Analyse der antituberkulösen
Flüssigkeit, welche von Dr. B. 1. Puschtschiwy hergestellt worden
ist, ausgeführt. '— Diese Flüssigkeit ist von gelber Farbe und
hat ein angenehmes Aroma; ihr spezifisches Gewicht beträgt 1,0771.
Die Flüssigkeit enthält organische und anorganische Bestandteile.
Durch Ausglühen habe ich ungefähr 0,5 Trockenrückstandes
erhalten, der hauptsächlich aus Verbindungen der erdalkalischen
Metalle besteht. Von organischen Verbindungen habe ich ge¬
funden: Kohlehydrate, Eiweiss, Glyzerin, Benthol und die Be¬
standteile des Alkoholextrakts von AUium sativum. Irgend welche
giftige Bestandteile sind nicht gefunden worden. (Gez.) Ingenieur
L. Leuchmann.
Wir sind auf den Ausgang der therapeutischen Versuche am
Menschen, die vorzunehmen Dr. Puschtschiwy jetzt, nachdem die
Unschädlichkeit seiner antituberkulösen Flüssigkeit sowohl experi¬
mentell, wie auch durch maßgebende chemische Analj se festgestellt
ist, durchaus berechtigt ist, gespannt.
Berlin. Dr. med. F. Davidsohn, eröffnete hier, Luisen-Ufer
32, ein Institut für Lichtbehandlung.
München. Geh. Rat Prof. Dr. August von Rothmund, Ver¬
treter der Augenheilkunde an der Universität München, feiert am
26. d. M. sein 50 jähriges Dozentjubiläum. Der ausgezeichnete
Augenarzt widmete seine ganze Lehrtätigkeit der Münchner Hoch¬
schule.
Hochschulnachrichten.
Berlin. Zu ordentlichen Mitgliedern der Königlichen wissen¬
schaftlichen Deputation für das Medicinalwesen wurden Geh.
Medicinalrat Prof. Dr. Georg Gaffky und Geh. Medicinalrat Dr.
med. Bernhard Fraenkel berufen. Geheimer Sanitätsrat Dr.
Hofmeier ist von der Leitung der inneren Abteilung desElisa-
betbkrankenhauses zurückgetreten. Sein Nachfolger ist Dr. Burg¬
hardt, Oberarzt der inneren Abteilung des städtischen Luisen¬
hospitals in Dortmund geworden. — Dr. Katzenstein wurde
zum Lehrer der Physiologie und Hygiene des Gesangs bei der
K. Hochschule für Musik ernannt.
Berlin. Ein Lehrauftrag für soziale Medicin ist dem Vor¬
tragenden Rat im Kultusministerium, Geh. Ober-Medjcinalrat Prof.
Dr. Kirchner übertragen worden. Kirchner behält daneben
seinen früheren Lehrauftrag für Hygiene.
Königsberg i. P. Zum Rektor der Universität Königsberg
wurde für das Studienjahr 1906/07 Geh. Medicinalrat Dr. Hermann
Kuhnt gewählt.
München. Die philosophische Fakultät erster Sektion der
Universität München hat aus der Froschammer-Preisstiftung dem
Geheimrat Prof. Dr. W, Wundt in Leipzig für seine „Völker¬
psychologie“ einen Preis von 2000 M. verliehen. — Dr. S. Obern¬
dorf e r hat sich für pathologische Anatomie habilitiert.
Erlangen. Dr. Weichardt hat sich für experimentelle
Therapie habilitiert.
Tübingen. Dr. Wolf, a. o. Professor für Hygiene und
Bakteriologie in Dresden, ist als o. Professor auf den neuerrichteten
Lehrstuhl für Hygiene berufen.
Neu niederg^elassen
haben sieh in
Langobrück. Dr. med. Walter Schmidt. — Dortmund. Dr. med. B.
Thomas. — Altona. Dr. med. Drouw. — Hagen. Dr. med. Jost. — I’owsum.
Claassen, prakt. Arzt. — Isselhorst. Dr. med. Koch. — Malseh, Amt Ett¬
lingen. Dr. med. Paul Nopp. — Hamburg. Dr. med. Wilhelm Haas. —
St Johann. Dr. med. Fritz Wertheimer.
Pamilien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Elisabet Basse, in Kamenz i. W. mit Hrn. Dr. med. Bernhard
Herhaus in Mülheim a. Rh. — Frl Helene Reussnor in Riga, mit Hm. Dr.
Willy Rosenstein in Berlin. — Frl. Josephine Guggenberger in Sonthofen,
mit Hm. k. Militär-Oberarzt Dr. Franz Müller in München.
Vermählt:
Hr. Dr. rood. Köbing, mit Frl. Bianka Qritschko in Breslau. — Hr.
Dr. med. Walter Cartsburg mit Frl. Erica Robrbeck, in Leezen i. Holstein.
Geboren:
Einen Sohn: Hrn. Stabsarzt Dr. Müller io Stettin. — Hm. Dr. med.
Taubenheims Rüsseina (F-'ost Starbach.)
Eine Tochter: Hrn. Dr. med. K. E. Marung in Rostock. — Hm.
Dr. med. Julius Frank in Braunschweig,
Gestorben:
Dr. med. Jaesobke in Liegnitz. — Dr. med. Moritz Jacoby in Brom-
borg. — Obermodk'inalrat Dr. Christian Friedrich Klinger in Mügeln (Bez.
Leipzig^. — Dr. med. Hermann Angonoto in Salzgitter. -- Dr. med. Emil
Mank, in Httbr-Neustadt. — Dr. med. Ludwig Matthias in Lauterbacb. —
Dr. med. Arthur Gottberg in Berlin S. — Stabsarzt Dr. Wiebe Düsseldorf.
— Dr. mod. Adolf Ritter von Kissling in Linz. — Stabsarzt Dr. Franz
Wolf in Kaiserslautern. — Medicinalrat Dr. Gottfried HorrendOrfer in Rag-
nit. — Geheimer Sanitätsrat Dr. Bernhard Ziolenziger in Potsdam.
Patentnachrichten.
Gebrauchsmuster.
263296. Geradebaitor aus Stoff mit federnder, nicht mctullncr Einlage.
M. Pech, G. m. b. H., Berlin.
263 387. Zwischen den Lippen und Zähnen zu tragender Lungenseboner
mit verschraubbarem ÄnkerstUck. J. Zaruba &. Co , Hamburg.
268420. Bruchband, dessen verkürzte Bcckcnfcdor im Rücken durch
eine Polsterung gestützt wird. Fa. Heinrich Loewy, Berlin.
263 220. Vorrichtung mit Gurt zur Fixierung von Körperteilen auf
Untersucbungstischen. Ludwig Dröll, Frankfurt a. M., Kaiserstr. 42.
263 207. Tropfflasche mit seitlichem, durch eine Gummimenbran ver¬
schlossenen Ansatz und an der entgegengesetzten Seite der Tropfflasche an¬
gebrachten, in einer HaarrUbre auslaufoiiden Ansflussstutzen. Fa. Wilhelm
Brauns, Quedlinburg.
263879. Milcnflascben-Verscblusskapsel aus Aluminium. Fa. A. G.
Thorwartb, Schmalkalden.
Tafel ffir ärztliche Stellenvermittluns^.
Adrensb: Ärztliche« AMkiifts-Bur««« de« 6e«eh&ft«-Au««oh«««e« der
Berliner Irztüchrn Standeevereine i« Mediciniechen Weareahaaee (Akt.-
6««.), Berlla N., Frledrlohstraeee 108 I.
Für persönliche Rücksprftche ist Herr Dr. Joaehlw taallell TOB Uhr in
Medicinisch.n Wanrenhause anwesend. (Mit sütiger Erlaubnis des Gescnkfis-Ausschiisses
der Berliner ärztlichen Standesvereine Tom AuskunftsrBureau der Med, Woche übermittelt.
ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1951.
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 1956.
In der Provinz Posen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1969.
In WestpreuBsen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter Vertreter
gesucht. Näheres unter No. 1970.
ln der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1984.
In der Mark wird für eine Kinderbeilstätte zum 1. April ein Assistent
gesucht. Näheres unter No. 1987.
In einem Vororte Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1^9.
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1992.
In Obcrscblesicn wird für Anfang Juli ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1994.
in der Provinz Posen wird von Mitte Februar ein Vertreter gesucht.
Näheres unter No. 2002.
Im Riesengebirge wird von Endo Februar ein Vertreter gesucht.
Näheres unter No. 2(W3.
In einem Berliner Vororte wird von sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 2004.
In einem Berliner Vororte wird von Mitte Februar ein Vertreter ge¬
sucht. Näheres unter No. 2005.
In Berlin wird von Mitte Februar ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 2006.
In Thüringen wird von sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 2007.
In Berlin wird von Anfang April ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 2008
VpraniwortlichcT RcdakiTiir ; Dr. P. Meissner, BerlinW. 61, KurfürsienMr. Sl. — Verlag vnn Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von der Heynemann'icben Buchdruckerei, Gebr. Wolff, Malle a. S.
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Medicinische Woche
Dentschmftnn, A. DQhrssen, A. Hoffa« E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Glessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold In Halle a« S«« Uhlandstraase 6.
Tel.-Adr.: Martiold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
^ - -
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin.] Hannover.
H. Unverricht, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W. 62, Kartflrstenetrasae
Dr. P. Meißner.
Vn. Jahrgang. 12. Februar 1906. Nr. 7.
Die,Ms<liclii)scbe Woche* erscheint jeden Montag mit der Beilage Babieologische Centralzeitung, Organ des AUgemnnen Deutschen Blderverbandes. des Schwarzwald-
badertages des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buch¬
handlung, (Be Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden Ihr die Sspaltige Petitzeile oder deren Raum mit SO PI. berechnet.
Beilagen nach Uebereinkunft Reklamezeile I JO Mk Bei Wiederholung tritt Brmassigung ein.
Nadtdmck der Original-Anfsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen bt nur mit Qndlenangabe gestattet.
Originalien.
Die lYage der
Simulation bei den traumatischen Neurosen.
Von Dr. Georg Flatau, Nervenarzt in Berlin.
Unter traumatischen Neurosen versteht man bekanntlich
jene funktionellen Nervenerkrankungen, die sich nach Unfällen
einzustellen pflegen. Die Benennung stammt von Oppenheim
und hat sich trotz vielfacher Angriffe erhalten, weil sie in
präzisester und bequemster Weise das Leiden bezeichnet
Handelt es sich um ganz reine Formen von Hysterie oder Neu¬
rasthenie, so spricht man wohl von traumatischer Hysterie
oder Neurasthenie. Indessen zeichnen sich gerade die funktionellen
Nervenerkrankungen nach Trauma dadurch aus, dass sie ein
Gemisch von Symptomen aufzeigen, die teils der Hysterie, teils
der Neurasthenie, dann auch der Hypochondrie zugehören,
auch Zustände depressiren, melancholische Verstimmung w^erden
beobachtet, schliesslich Psychosen verschiedenster Art.
Während nun die Beurteilung von Neurosen anderer als
traumatischer Ätiologie, im Allgemeinen keine erheblichen
Schwierigkeiten bietet, so kann das bei denen traumatischer
Genese m hohem Grade der Fall sein. Hier kommt zu den
rein medizinisch-wissenschaftlichen Interessen noch ein anderes
hinzu. Der Arzt soll nicht nur das Vorhandensein der Neurose
feststellen, sondern auch die Abhängigkeit von dem Unfall,
die etwaige Erwerbsbeeinträchtigung und den Grad derselben.
Der Arzt hat gewissermassen durch seine Beurteilung des
Falles in einem Widerstreit materieller Interessen mitzusprechen,
zwischen der entschädigungspflichtigen und der Entschädigung
heischenden Partei.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Eigenart der Symptome
der Neurosen. Es war oben schon gesagt worden, dass die
tranmatischen Neurosen ihre Kraukheitszeichen mit denen der
Hysterie, Neurasthenie, Hypochondrie etc. gemeinsam haben, es
bandelt sich also um solche Erscheinungen, von denen wir nach
dem heutigen Stande unserer Kenntnisse voraussetzen, dass sie
nicht in anatomisch nachweisbaren Veränderungen der Substanz
des Nervensystems ihre Gnindlage haben; es sind nicht orga¬
nisch bedingte Krankheitaerscheinungen.
Bei der Untersuchung eines an traumatischer Neurose
leitenden Verletzten stellen wir zunächst den Hergang des
Unfalles fest, erheben dann die Krankengeschichte, lassen uns
die Beschwerden erzählen und beginnen daun die körperliche
Untersuchung. Die letztere hat den Zweck, uns möglichst
einwandfreies Material zur Abschätzung der geklagten Be¬
schwerden zu geben. Wir finden da eine Reihe von Symp¬
tomen, etwa einen Tremor, eine Gefühlsstörung, einen Druck-
gchmerz, motoriscie Schwäche, Gesichtsfeldeinengung und es
ist nun unsere Sache, zu erkennen, ob es sich um objektive
Dinge handelt
Eine Hemihypaesthesie, die ja bei traumatischen Neurosen
nicht selten gefunden wird, hat, so nehmen wir an, ihre Grund¬
lage nicht in einer organischen Störung, — ist sie deshalb auch
kein objektiver Symptom? Bei der Wichtigkeit des Gegen¬
standes und bei der Unklarheit, die vielfach noch in ärztliSien
Kreisen über diese Frage herrschst, müssen wir uns über
diese Begriffe einigen; oojektive Krankheitszeichen und orga¬
nisch begründete sind nicht gleichwertig. Beide Bezeichnungen
sind nicht synonym.
Gewisse Läsionen des Centralnervensystems führen zu
einer Steigerung der Sehnenphänomene an den unteren Extremi¬
täten, diese sind in der Regel von Zeichen echter Spasmen
begleitet, wie Fussklonus, Babinski’sches Zeichen, dorsales
Unterschenkelphänomen (Oppenheimsches Zeichen); indessen
können diese Zeichen echter spastischer Zustände auch nur
unangedeutet sein oder ganz fehlen und die Steigerung der
Sehnenphänomen kann doch organisch begründet sein, d. h. von
einer Läsion des Zentralnervensystems abhängen; solche
Zeichen sind immer objektive, aber es gilt nicht die Umkehrung,
dass objektive Zeichen immer organisch begründet sein müssen.
Symptome sind für uns auch dann objektiv,.wenn sie in
konstanter und einwandfreier Weise immer wieder bei den
Untersuchungen auftreten, ihre Begründung im Krankheits¬
verlaufe, im Ganzen des Krankheitsbildes finden und nicht
nachweislich auf einer Willenstätigkeit der Untersuchten beruhen.
In der Mehrzahl der Fälle eignet den Symptomen der
Neurosen (nicht anatomisch bedingten Krankheitsbildeni) die
Möglichkeit, dass sie imitiert werden können; die Zeichen echter
spastischer (organischer) Lähmung können nicht nachgemacht
werden; zum mindesten nicht so, dass ein auch nur mässig
erfahrener Untersucher sich längere Zeit täuschen Hesse, eben¬
sowenig eine Pupillenstarre*). Dagegen ist ein Hinken, eine
motorische Schwäche des Armes, ein Tremor, eine halbseitige
Gefühlsabstumpfung von dem Untersuchten auch künstlich zu
demonstrieren; auch von Symptomen einer Psychose gilt mit
gewissen Einschränkungen das gleiche. Diese Mögliclieit hat
bisher nicht gehindert, die genannten Krankheitszeichen als
durchaus echt und bewiesen anzusehen, wenn sie bei nicht
traumatisch bedingten Neurosen und Psychosen auftraten.
Bei den traumatischen Neurosen gehen aber nicht wenige
Untersucher auch heute noch**) von dem Grundsätze aus:
Die Symptome traumatischer Neurosen sind simuHerbar, der
Verletzte will etwas erreichen, also simuliert er.
Simulation liegt dann vor, wenn jemand in betrügerischer
Absicht, Krankheitszeichen, die nicht vorhanden sind, vorspiegelt.
Im Allgemeinen w’ird Simulation um so eher vom Unter¬
sucher angenommen, je geringer seine Erfahrung auf dem Ge¬
biete der Unfallnenrosen und der Neurosen überhaupt ist.
*) Von medikamentösen Einträufelungen natürlich abg^esehen.
**) Trotz der Arbeiten von Oppenheim, Bruns, Schuster, Möbius etc.
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76
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 7.
Etwas Ähnliches zeigt sich bei der Art, wie Laien die Hyste¬
rischen, Nenrasthemischen, Hypochondrisclien beurteilen; das ge¬
lindeste Urteil ist noch das, wenn der Laie zugiebt, ein solcher
Kranker sei wohl etwas ner^'ös, aber er übertreibe furchtbar;
im Allgemeinen heisst es wohl im Laiennninde, derartige
Kranke verstellen sich nur; ganz besondei*s wird das Urteil
so gefällt, wenn der unglückliche Nervöse scheinbar, bei allen
seinen Leiden gesund und blühend anssieht.
Häufig genug ist es bei Ärzten, auch bei solchen, die be¬
rufsmäßig mit der Begutachtung Unfallverletzter zu tun haben,
die Unkenntnis seltenerer Symptome, die sie zu dem Ausspruch,
es liege Simulation vor, veranlasst. So sah ich einen Kranken
mit schwerer traumatischer Hysterie untersucht werden, der
jenes Symptom darbot, das als Vorbeireden beschrieben wr-
den ist, der Untersucher hielt dieses — hier sehr ausgem)roclione —
Symptom schwerster Dissociation, für einen frechen Täuschungs-
Versuch, mir gelang j*s nur mit Mühe, ihn zu überzeugen, dass
eine schwere Erkrankung vorlag, die sich im ganzen Verhalten
des Kranken einwandfrei aussprach.
Wir müssen uns jetzt der Entstehung der Syniptome trau¬
matischer Neurosen zuwenden und den znsammenwirkenden
Käktoven unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Da ist vor allem
das Trauma selbst zu nehmen und die häufig damit verbundene
))sychische Emotion. Die Art des Trauma, die Schwere der
Einwirkung ist ausserordentlich verschiedenartig, sie steht
durchaus nicht immer im Verhältnis zur Schwere dm* Folgen.
Kontusionen des Kopfes mit zunächst schweren Erscheinung<m
der Gehimerschütterung: Bewusstlosigkeit. Erbrechen, können
weiterhin symptomlos verlaufen. Anderemale ist das Trauma
etwa ein Fall auf den Rücken von mäßiger Höhe, der zunächst
gar keine Erscheinungen macht der \’erletzte arbeitet noch
tagelang weiter, erst .später stellen sich Ib'scliwerden ein. die
die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Das häufig hestehendi*
Missverhältnis zwischen der Schw(u’e der Vtodetznug und der
nervösen Unfallfolgen, ferner der Umstand, da.ss der i)hjektive
körperliche Befund mit den geklagten Beschwerdeji nicht im
hlinklang steht, Hess nach weiteren Ursachen forschen, und man
fand, dass sich in vielen Fällen die mitder körperlichen Verletzung
verbundene psychische Shok zur Erklärung heranziehen Hess: oft¬
mals war der Schreck, die Erregung wesentlich stärker als der
Unfall selbst, ja es sind Fälle bekannt, in denen d<*r erwartete
Unfall garnicht eintrat und doch die ansgestandene Angst scliwen*
Symptome verursachte. VHelen Autoren genügten diese Dinge
nicht, um die Häufigkeit, mit der gerade in den Jahren
nach Emanation der Haftpflicht und Unfallgesetze die Unfall-
iienrosen sich zu zeigen scheinen, zu erklären, sie suchten uacli
anderen Motiven, nach solclien, die nicht sow’ohl im körperlichen
und psychischen Traumen lagen, als in den gesetzlichen und
Feuilleton.
Geschichte der Hospitäler ün Altertum
und Mittelalter.*)
Von Dr. E. Roth.
Wenn wir auch in dem Handbuch der Krankenversorgung
und Krankenpflege (Berlin, 1899—1903. A. Hirschwald) eine
vortreffliche „Geschichtliche Entwickelung der Krankenpflege"
von Dietrich besitzen, so verdient doch die Geschichte der
Hospitäler im Altertum und Mittelalter, sowie des Heiliggeist¬
spitals in Gmünd, vom Standpunkt des Arztes dargestellt, eine
besondere Würdigung.
Die ersten urkundlichen Nachrichten über Hospitäler haben
wir von den alten Kulturvölkern des Orients, wo auch die
Medicin bereits in uralten Zeiten auf einer hohen Stufe stand.
Immerhin scheinen erst mit der Einführung der buddhistischen
*) Wönicr, Ä, Das sWdtisclio Hospital zum Heiligen Geist in
Schwäb. Gmünd in Verganffonhelt und Gegenwart, mit einer Abhandlung
über die Geschichte der Hospitäler im Altertum und Mittelalter, unter
Mitwirkung von J. N. Denk in ge r, Tübingen 1905. Laupp. 4®. X,
30S und 2G5 .S. xMit G Taf. und 34 Abb. 12 M.
wirtschaftlichen Folgen. In der Tat ist zuzugeben, dass in
vielen Fällen der «'illgemein nervöse Folgezustand gesteigert
wird durch Befürchtungen des V«>rletzten für seine Zukunft,
für die Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Betätigung?.
Dazu treten die Bemühungen um den ge.setzlich gewährleisteten
Ausgleich dieser Beeinträchtigung, der Kampf um die Unfall¬
rente.
Strümpell gab dem Au.sdruek. als er das Wort von den
..Begehrungsvorstellungen“ prägte. Von dieser Anschauung ist
<h‘r Schritt niclit w(“it zu denen, die wenig gemügt sind, den
nervösen Beschwerden Unfallverletzter Berechtigung zuzu-
sprecheii. die in der M«*hrzald der Fälle Übertreibung mul
Simulation zum Zwecke der Erlangung einer Entschädigun^s-
nuite annehmen. !)emgegenül)er möchte ich einmal auf
die gidsse Reihe von Beobachtungen hinweisen, in denen
ang<d)iiche Simulanten von späteren Begutachtern als schwer
krank h(dniiden worden, ferner auf die allerdings spärlichem
Befunde von traumatischen Neurosen l)ei Verletzten, die gar
kidne Ent.schädiguirgansprüche stellten*). Zw(‘i der von mir
hescliri(*benon Fälle habe ich etwa 8 Jahre lang beobachten
k«")nnen tuul fand, dass hei ihnen die Symptonn* höchst hart¬
näckig warcMi und gar keine Tendenz zur Besserung zeigten.
Schliesslicli ist zu beachten, dass gar nicht s«dten auch nach
völlig(*r Erledigung der Entschädigungsansprüclie keine Besse¬
rung eintrat, ja sogar der Verlauf progressiv war.
Ist damit einmal die Möglitdikeit b»*wiesen. dass das
Trauma, ohne' dass Rentenansprüche in P'rage küuinieii, jene
Krankheitshilder h(M-beiführen kann, die wir als trtiumatische
Neurosen kennen, so werden wir jedenfalls jed<*m derartigen
h’alle ohne Voreinfj»‘nommenheit ‘ic'genühertreten müssen;
die weitere Betrachtung wird festziistellen haben, ist das ge¬
samte Krankheitshild simulierhar, ferner: sind die einzelnen
Sym))toine siinnlierbar; welche ^!(!thode^ und Möglichkeiten
s«‘hen wii-, die Simulation zu beweisen, ‘schliesslich ist es
immer möglich in Fällen, wo der liegründete Verdacht besteht,
dass Simulation vorhanden ist, diese sicher nachzuweisen.
Di<> gnissten Schwierigkeiten in dm' Entsclieidung bieten
jene Fälh*, hoi denmi keine Allgemeinsymptome bestehen, bei
dcnuMi sich die Neurose an einer Stidle festgesetzt hat. Dahin
gehören vor allem dii^ lokalisierten Schmerzen und Gefühls-
störnngen. Nach einer Contusion einer Extremität sind Schmer¬
zen zurückgeblieben, die keiner Behandlung weichen, angeblich
die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen. Hei der Untersuchung
findet sich kein wesentlicdies Symptom einer allgemeinen Ner-
*) Bruns Ncurolog. Centralblatt 1889. S. 127.
*) Steinthal. Dissortat. inaug. Berlin.
*) Georg Flatau. Traumatische Xourosen ohne Enlscbüdigongs-
ansprUchc. Knappe, Araoric. Jonrn. of iiied. Science. IV. 6. Dez. p. 629.
Religion im sechsten Jahrhundert v. Chr. eigentliche ebari-
tative Anstalten ins Lehen gerufen w'orden zu sein. Griechen
und Römer versagen in dieser Hinsicht vollständig, und erst
das Christentum drängt später dazu, Krankenanstalten und
Krankenhäuser zu schaffen. Sicher hängt also die Humanitas
mit religiösen Anschauungen zusammen, dort bildet der Bud¬
dhismus den Grundpfeiler, hier die christliche Religion.
So finden wir in den Asokainschriften, welche vom König
Asoka im dritten Jahrhundert v. Chr. herrühren, dass ärzt¬
liche Behandlung für Menschen und Tiere, Baumpflanzungen,
Anpflanzungen von Heilkräutern, das Graben von Brunnen und
Quellen und die Anlage von Herbergen befohlen wird. Wenn
heute die Tierschutzvereine auf die Schaffung von Tierasylen
und Hospitälern für das Vieh dringen, so muss ihnen entgegen¬
gehalten werden, dass derartige Einrichtungen bereits lange
vor Christi Geburt in Indien bestanden.
Ja, vielfach sind die Gelehrten der Meinung, dass man
das Vorhandensein von Hospitälern in Indien bis ins siebente
Säkulum vor Christo zurückverlegen dürfe, während freilich
weiter zurück die Quellen zunächst versagen. Dabei findet
man nicht nur Krankenanstalten schlechthin erwähnt. Onein!
Vielfach kennt man Sonderanstalten, wie sie heute teilweise
nur existieren. Da werden solche für Verkrüppelte namhaft
gemacht, da haben Blinde ihre eigenen Zufluchtsstätten, und
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
77
vosität, aber eine Stelle der Extremität wird als dauernd
schmerzhaft und dnickschmerzhaft bezeichnet, der Untersuchte
will eine Anzahl von Bewegungen nicht ausführon können.
Der lokale Befund zeigt absolut keine Veränderung der Ge¬
webe. Man hat aber lediglich die Angabe über Schmerzhaftig¬
keit und Bewegungsbeschränkung, die konstant wiederkehreude
Schmerzäusserung bei Druck auf die bezeichnete Stelle; wollen
wir in einem solchen Falle, weil unser Befund ein negativer
ist — ich setze dabei voraus, dass er mit allen Hilfsmitteln
der Diagnostik erhoben wurde — hier an Simulation denken,
und wenn wir daran denken, welche Beweise haben wir dafür?
Es spielen hier Fragen mit, die eigentlich nichtärztlicher
Natur sind, handelt es sich nämlich um ein Individuum, von
dessen Glaubwürdigkeit wir überzeugt sind, so ist die Frage
ohne weiteres entschieden, es liegt keine Simulation vor; halten
wir die Angaben nicht für glaubwürdig, so können wir eine
bestimmte Entscheidung überhaupt nicht treffen, demi der
Kranke kann ja doch die gekla^en Beschwerden empfinden,
w’ir können nicht beweisen, dass er sie nicht empfindet, so
lange nicht seine Betliätigung in grellem Widerspruche zu
seinen Angaben steht. Um ein crasses au.s der Praxis ent¬
nommenes Beispiel anzuführen. ein Unfallverletzter klagt über
Schmerzen und Schwäche im rechten Arm, will denselben für
irgend welche schwerere Arbeit nicht gebrauchen können, bei
der Untersuchung stöhnt er bei jeder Bewegung der Anne,
leistet aktiv nur geringe Kraft damit. Nun wird er zunächst
entlassen und weiterhin unauffällig beobachtet, da wird er mehr¬
mals dabei betroffen, wie er vergnügt und eifrig sich am
Kegelschub beteiligt und ^den angeblich unbranchbai-en Arm
dabei recht fleissig gebraucht. In einem solchen Falle ist
natürlich die Simulation oder eine ihr gleichkoramende Aggra¬
vation erwiesen
Nun ist es kaum Saclie des Arztes, solche Beobachtungen
anzustellen und es sind die Bekundungen der Umgebung nicht
immer ohne lebhafte subjektive Färbung, es werden dalier die
Fälle der Praxis kaum je so einfach liegen, wie bei diesem
exemplum fictum. Aber auch scheinbare.s Unbeobachtet-
lassen im Untersuchun^zimmer kann zur Beurteilung mancher
Symptome beitragen, wie wir nachher noch sehen werden.
Aus dem angeführten Beispiel eines entlarvten Simulanten
darf nun nicht geschlossen w'erden, dass jede Inconstanz des
Schmerz- und Lähmungsbefundes schon für Simulation spreche.
Es handelt sich ja. wie wdr oben gesehen haben, um grössten¬
teils psychisch bedingte Symptome und es ist ganz naturge-
mäss, dass diese ihrer Intensität nach in gewissen Grenzen
schwanken; in noch höherem Grade gilt das für Seiisibilitäts-
störungen und für den Tremor.
Die Prüfung und Benrteiliiug der Gefühlsstörungen bei
besondere Entbindungshäuser sorgen für das Wohl der Schwan¬
geren, während Lahme anderweitig verpflegt wurden.
Der sterbende König Gaimono von Ceylon konnte sich
164 V. Chr. rühmen, beständig an achtzehn verschiedene Hos¬
pitäler erhalten zu haben, denen er angemessene Speisen und
Arzneien zuwies und die er von praktischen Ärzten leiten liess.
Heute dürfte solcher Ruhm nicht zu haben sein!
Eine Reihe dieser uralten Wohltätigkeitsanstalten hat sich
bis znm heutigen Tage erhalten, wenn auch leider jeder Be¬
weis für den Betrieb und die Art und Weise der Behandlung
der Kranken verloren gegangen zu sein scheint.
Was Griechenland anlangt, so müssen wir wohl mit Be¬
stimmtheit annehmen, dass bei den grossen Tempelanlagen
auch Unterkunftshäuser für Kranke vorhanden gewesen sind,
welche auf öffentliche Kosten unterhalten wurden und wenig¬
stens als eine Art Krankenhäuser zu betrachten sind. In¬
schriften sprechen von ut^Xhu rot iuiqov, und ausgedehnte
Wasseranlagen haben sicherlich oftmals Heilzwecken gedient.
Die Medicin der Römer war zu den ältesten Zeiten nicht
weit her, und wissenschaftliche Arzte kamen erst 219 v. Chr.
nach Rom. Immerhin hängt Jupiter hospitalis mit der Gast¬
freundschaft und dem Hospital, dem Krankenhause für weniger
bemittelte Volksschichten, zusammen. Hier konnte erst das
Christentum so recht einsetzen, charitative Anstalten zu schaffen,
Unfallkranken halte ich für das schwierigste Kapitel der gan¬
zen Untersuchung. Jeder erfahrenere Untersucher wird s^on
Fälle gesehen haben, bei denen ihm bei dieser Untersuchung
eine gelinde Verzvveiflung erfasste, wenn die Angaben des Ver¬
letzten, ob er Berührungen und Schmerzreize itihlte, gar zu
widerspruchsvoll ausfiolen und mancher Simulationsverdacht hat
diesem Umstande seine Entstehung zu verdanken.
Ungeübte Beurteiler sind dem umsomehr au.sgesetzt, w'enn
ihnen nicht bekannt ist, dass nicht nur bei der Hysterie, son¬
dern auch bei organischen Erkrankungen ein scheinbar wider¬
spruchsvolles Verhalten zwischen der oberflächlichen und tiefen
Sensibilität vorkommt und dass sehr wohl Hypaesthesie für
Tastreize mit Hyperaesthesie sich verbinden kann. Zudem ist
die Aufmerksamkeit des Untersuchten nicht immer in gleicher
Weise gefesselt und die Angabe eines Verletzten, er fühle eine
Berührung nicht, kann durchaus in gutem Glauben abgegeben
sein, w’eil er überzeugt ist, die stattgebabte Verletzung müsse
das Gefühl in dem betreffenden Körperteil zerstört haben. Aus
diesen Gründen ist eine sogenannte Entlarvung, indem man
dem Verletzten Widersprüche bei der Gefühlsprümng nachweist,
von recht zweifelhaftem Wert.
Die Möglichkeit, dass jemand Gefühlsstörungen simuliere,
ist natürlich durchaus zuzugeben, und die Simulation gerade
dieser Symptome ist auch mit einiger Willensanstrengung ziem¬
lich konsequent durchführbar.
Aber gleich hier dari darauf hingewiesen werden^ dass
selbst, wenu man überzeugt ist, dieses eine Symptom sei vor¬
getäuscht, doch noch nicht der Stab gebrochen werden darf
und mm das ganze Kranklieitsbild als auf Täuschung beru¬
hend angesehen werden muss.
Mit Verw’underung habe ich bemerkt, wenn ich Gelegen¬
heit hatte mit anderen Kollegen Unfallkranke zu untersuchen,
dass diese bei allen möglichen Formen des Tremor« an Simu¬
lation dachten. Meines Erachtens ist nichts schwieriger, als
die Nachahmung eines Tremors für eine längere Zeit, me Her-
vorbringiing eines feinschlägigen Tremors ist nahezu unmöglich
für länger als eine Minute, selbst bei vorangegangener Ein¬
übung. Die willkürliche Darstellung eines Tremor bringt fast
immer die Zeichen körperlicher Anstrengung, z. B. Gesichts¬
rötung, Pulsbeschleunigung mit sich.
Bei Ausübung der digitalen Vibrationsmassage ist es un¬
durchführbar, diese in gleichmäßiger Weise ohne längere Ruhe¬
pausen eine nennenswerte Zeit durclizufüliren. Grobe langsame
Zitterschläge lassen sich namentlich bei Ausführung von Kraft
erforderaden Bew'egnngen ausführen.
Diese Beispiele solleu mir zeigen, dass einzelne Symptome
siniulierbar sind, während andere es nicht, oder nur m so
beschränktem Maße sind, dass eine dauernde Täuschung nicht
und so kommt es, dass wir den Beginn vei’schiedener wohl¬
tätiger Stiftungen etwa um die Mitte des vierten Jahrhunderts
nach Christo legen können. Tlieodosius (379—395) stellte be¬
reits Vülksäi'zte an mit der Verpflichtung, arme Kranke und
in Lebensgefahr befindliche Personen unentgeltlich zu behan¬
deln , so dass es an sachverständiger ärztlicher Hilfe ohne
Zweifel damals nicht gefehlt hat; 19 Volksärzte werden er¬
wähnt, für die Grösse des damaligen Roms gewiss eine be¬
trächtliche Anzahl.
Für die Armen sorgten ferner Stiftungen und von ihnen
unterhaltene Krankenanstalten, die vielfach den Namen ihres
Errichters führten. So verfügte die kleine Stadt Lucca über
drei von Mitbürgern gestiftete Hospitäler, und beispielsweise
vermochte das von Kaiser Alexius I. (1081 —1118) erbaute
Orphanotropheum zu Constantinopel, das um die Paiilskirche
lag, zehntausend Hilfsbedürftige und Kranke jeder Art aufzu-
nehmen, an deren Pflege die vornehmsten Leute teilnahmen.
Im Abendland kann man vor dem achten Jahrhundert
wohl kaum von Hospitälern sprechen. Ihre Entstehung ver¬
danken sie hauptsächlich den mehr und mehr in Übung kom¬
menden Pilgorfalirten nach Jerusalem. Ursprünglich waren
es nur Herb^ergen, Hospize, aus denen dann Hospitäler ent¬
standen.
Diese lagen in der Regel ausserhalb der Städte, während
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78
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 7.
möglich ist, es kann hier nicht meine Aufgabe sein, jedes ein¬
zelne Symptom der traumatischen Neurosen nach dieser Rich¬
tung zu erörtern, es ist das auch in den Arbeiten von Oppen¬
heim, Bruns, Schuster in ausreichender Weise geschehen,
ich möchte nur noch darauf mit Nachdruck hinweisen, dass
selbst der gelungene Nachweis, dass ein Symptom simuliert
ist, das Recht ^ebt, nun auch für die anderen Zeichen einer
traumatischen Erkrankung dasselbe anzunehmen.
Eine motorische Schwäche kanu durchaus reell sein, auch
wenn der Kr ank e dazu noch eine Gefühlsatöning oder vage
Schmerzen vortäuscht.
Hat das Krankheitsbild einer traumatischen Hysterie, Neu¬
rasthenie oder Hypochondrie erst längere Zeit bestanden und
hat sich das Leiden erst fixiert, so prägen sich die Beschwer¬
den auch im Wesen und Aussem des Kranken schon von vorn¬
herein ziemlich deutlich aus. Der Gesichtsausdruck erhält
etwas Ängtliches, Bedrücktes, die Bewegungen werden lässig
und schleppend, andere wieder zeigen flüchtige Zuckungen,
Neigung zu Unruhe, Unmöglichkeit längere Zeit stillzusitzen.
Die Sprache und Ausdrucksweise bekommt etwas stereot}'pes.
Nicht selten bemerkt man ein weichliches, weinerliches Wesen;
die Kranken werden empfindlich reizbar, vertragen kein Ge¬
räusch, kein grelles Licht, sitzen am liebsten allem.
Nun ist es wohl klar, da.ss diese seelischen Veränderungen
hauptsächlich ihren Grund in den materiellen Sorgen um die
Arbeitsfähigkeit und Gesundheit haben und dass dabei der
Kampf um die Entschädigung keine kleine Rolle spielt, aber
dieser ist doch nur ein secundärer Moment, das eine Ver¬
schlimmerung schon vorhandener Symptome herbeiführt.
Die Aufmerksamkeit, die der Verletzte seinen Beschwerden
schenkt, dient weiters dazu, ihm selbst diese um so fühlbarer
erscheinen zu lassen, die Notwendigkeit, sie dem begutachtenden
Arzte zu demonstrieren, bringt den Verletzten dazu, die Symp¬
tome mehr zu akzentuieren, etwaige Kenntnis von schlimmen
Folgen von Verletzungen bei Bekannten und Arbeitsgenossen,
lässt die Befürchtung entstehen, dass auch der in Rede stehende
Unfall üble Folgen haben könne, so wird jedes Gefühl am
Orte der Verletzung mit ängstlicher Bewachung geprüft und
betrachtet und infolge davon lebhafter und stärker empfunden.
Im Gegensatz zu dieser mehr unbewussten Entstehung der
Symptome steht bei dem Simulanten die be\\nisste absichtliche
Hervorbringung zum bestimmten Zwecke der Täuschung. Ist
darnach die psychische Genese der Symptome eine verschiedene,
so brauchen diese selbst im Augenblicke der Untersuchung
keine Unterschiede zu zeigen.
Es geht daraus hervor, dass wir für ein Symptom nicht
imstande sind zu sagen, ob es eines von krankhaft psychischer
Genese oder ein simuliertes ist Sind wir nun aber ganz hilf¬
los diesem Problem gegenüber? Ich glaube es nicht, sicher
nicht den allgemeinen Neurosen gegenüber. Die Simulation
dieser Formen traumatischer Neurosen erfordert namentlich
bei ständiger — stationärer — Beobachtung ein zu gros-ses
Maß von Willensanstrengung als dass es gelingen könnte, den
Beobachter endgültig zu täuschen.
Schw'ieriger ist die Entscheidung bei den monos^mptoma-
tischen Formen, aber schliesslich wird auch hier die genaue
Beobachtung unter Zuhilfenahme aller differentialdiagnostiscben
Momente zum Ziel führen.
Vielfach unterscheiden die Untersucher nicht genau genug
zwischen Übertreibung und Simulation. Übertreibung — das
geht aus den obigen Erörterungen hervor — wird kaum bei
einer traumatischen Neurose fehlen. Ja für unser Gefühl ist
sie bei jeder Neurose vorhanden, weil wir bei nicht organischen
Erkrankungen immer eine Discrepanz zwischen den subjektiven
Klagen und den objektiven Erscheinungen zu finden meinen.
Sie liegt also im gewissem Sinne in der Natur der Erkrankung.
Der Verletzte hat z. B. niemals nur Kopfschmerz oder Schwindel,
sondern stets „furchtbare‘‘ Schmerzen und „heftigen Schwindel",
.sodass er sich beileibe nicht bücken und umdrehen kann.
Lä.sst man einen solchen Patienten scheinbar unbeobachtet
und sieht ihn dann sich ganz flott bewegen, sich beim An- und
Auskleiden ohne iede Beschwerde, ohne jedes objektives
Schwindelsynmtora bücken, so ist die Übertreibung ohne weiteres
klar und die Üntersuchung wird sie noch mehr erweisen, damit
ist aber durchaus nicht bewiesen, dass die Beschwerden gar-
nicht vorhanden sind und ganz vorgetäuscht werden; man
wird natürlich diese Dinge bei der Rentenabmessung in Be¬
tracht ziehen.
Auf die Untersuchungsmethoden, zumal auf jene, die als
„untrügliche“ Unterscheidungsmittel für Simulation angegeben
werden, bin ich absichtlich nicht genauer eingegangen und
brauche nach dem Vorstehenden diese Unterlassung nicht weiter
zu begründen.
In der Mehrzahl der Fälle wird eine sichere Entscheidung
sich treffen lassen, in wenigen wird man eine solche nicht aus¬
sprechen und in sehr seltenen Fällen nur wird man reine Simu¬
lation finden können.
Ich bin damit am Ende dieser Ausführungen angelangt,
ich weiss, dass ich nichts Neues vorgebracht habe, glaube aber
denen etwas Nützliches zu bringen, die in ihrer Praxis zum
Urteil über traumatische Neurosen veranlasst werden und noch
nicht Gelegenheit hatten, sich mit der Simulationsfrage ein¬
gehender zu beschäftigen.
innerhalb derselben sich die Heiliggeistspitäler befanden, durch-
a dem vom Papst Innocenz Hi. in neuer Pracht erbauten
ospital zum heiligen Geist in Rom nachgebildet. Zu unter¬
scheiden sind von diesen beiden Kategorien die Elendsherbergen
und Leprahäuser vor den Toren der Ansiedelungen; im Norden
waren sie in der Regel dem hig. Georg gewidmet, im Süden
der hlg. Katharina; Ueberbleibsel dieser Anlagen oder Anstalten
finden sich ja noch vielfach, wenn auch der eigentliche Zweck,
Aussätzigen zum Aufenthalt zu dienen, längst hinfällig ge¬
worden ist Bei der Errichtung dieser Häuser hat wofl die
Liebe und Mildtätigkeit kaum mitgewirkt, es war wohl mehr
die Angst und Furcht vor der Ansr/eckung mit der grässlichen
Seuche, welche die Leproserien schuf und unterhielt Welche
ungeheure Zahl von Aussatzhäusern existiert haben muss, be¬
weist der Umstand, dass uns allein aus Frankreich deren über
2000 bekannt sind.
Die Krankenhäussr des Mittelalters wurden fast ausnahms¬
los durch private Wohltätigkeit gegründet; Staat und Stadt
beteiligten sich damals noch nicht an der Errichtung derlei
Anstalten. Heute haben die Kommunen das Recht und die
Pflicht, für Kranken-Unterkunft und -Pflege zu sorgen, über¬
nommen, dafür sind aber leider fromme Stiftungen fast gar
nicht mehr zu verzeichnen, welche dfem Mittelalter ein so
eigentümliches Gepräge verleihen und uns mit so manchen
Schattenseiten desselben aussöhnen. Es ist eben die Auflassung
für das ganze Mittelalter charakteristisch, dass Reichtum zum
Verbrau(m für sich und andere da sei, er wird zum eigenen
Luxus und ganz besonders zu Schenkungen an die Kirche, an
Stiftungen, zu Werken christlicher Pietät und Nächstenliebe
verwandt. Demgegenüber spielen die paar Stiftungen der
Jetztzeit eines Krupp, Abbe usw., die teilweise auch auf an¬
deren Prinzipien beruhen, gar keine Rolle.
Das 13. und 14. Jahrhundert sah in Deutschland die meisten
Hospitäler errichten, ursprünglich wohl sämtlich unter kirch¬
licher Aufsicht und unter kirchlichem Schutz. Es scheint aber,
dass in unserem Vaterlande bereits ziemlich frühzeitig die Ober¬
leitung und Verwaltung der Hospitäler in die Hände der Stadt¬
verwaltungen kam, obwohl bei der Gründung noch die Kirche
beteiligt war. Im Gegensatz dazu behielt beispielsweise in
Frankreich das Hospit^wesen bis in die Neuzeit eine fast aus¬
schliesslich kirchliche Organisation.
Man tut auch gut, bei diesen ersten Hospitälern stets diese
Bezeichnung anzuwenden und nicht von Krankenhäusern zu
reden. Jene Anstalten waren ihrem ersten Zweck nicht ganz
entfremdet, sie dienten neben der Pflege der Kranken als
Armenversorgungsanstalten und als Pfründnerstellen für arme
und der Pflege bedürftige Leute. Vielleicht hängt mit dieser
I Verwendung auch die heute vielfach noch vorhandene Abnei-
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190«.
MEa)ICmi8CHB WOCHE.
79
Sitzungsberichte.
Deutschland.
PhysiologiscJts GeseUachaft zu BerUu*
6. Sitzung Freitag, 19. Januar 1906.
Herr Dr. Wessely demonstrierte einen kompendiösen und
wohlfeilen Apparat, der in bequemer Weise die Autoophthalmo¬
skopie ermöglicht und das im wesentlichen zu Unterrichtszwecken
Verwendung finden soll. Die Gesellschaft überzeugte sich, dass
der Apparat, der schon vor einigen Jahren im Prinzip beschrieben
worden ist, tatsächlich ein sehr deutliches Bild der eignen Netz¬
haut gibt.
Herr Prof. Cohnheim-Heidelberg (a. G.) sprach über Gly¬
kolyse. Vor Jahren hatte er mitgeteilt, dass im Muskelfieisch
ein aktives glykolytisches Ferment nicht vorhanden sei, dass es
vielmehr der Aktivierung durch einen Pankreas-Auszug bedürfe.
Weitere Studien haben nun ergeben, dass dieser aktivierende Ein¬
fluss des Pankreas tatsächlich be.stehe, dass aber auch ohne Pan¬
kreaszusatz und unter durchaus aseptischen Kautelen Zucker in
ziemlich beträchtlichem Grade durch Muskelfieisch ersetzt werden
könne. Allerdings komme es dabei in ausserordentlich hohem
Grade auf den Zustand an, in dem sich das Tier vor seinem Tode
befunden habe. Himger, die Art der Ernährung und die Tem¬
peratur des Raumes spielten dabei eine Rolle, und w'enn es auch
noch nicht gelungen ist, den Einfluss dieser Faktoren im einzelnen
genau festzustellen, so konnte C. doch dank geeigneter Kombi¬
nation der genannten Bedingungen willkürlich die Tiere so beein¬
flussen, dass er entweder ein Fleisch erhielt, das in hohem Grade
die Fähigkeit besass, Zucker zu zersetzen, oder solches, das diese
Eigenschaft fast gar nicht besass. Nicolai.
GeseUachaft für Geburtahiilfe und Gynäkologie
zu Berlin,
Sitzung am 36. Januar 1906.
Bunge demonstriert einen Fall von rudimentären Genitalien.
Hartmann berichtet über einen Fall von Sitz der ad-
härenten Placenta in der Cervix und stellt auf Grund dieses
Falles mechanisch-physikalische Betrachtungen über die Bildung
des unteren Uterinsegmentes an.
Bröse 1. berichtet über einen Fall, bei dem er bei der
Untersuchung auf Schwangerschaft das sogenannte Bratin’sche
Schwangerschaftszeichen, d. i. die deutliche Ausladung des Uterus
nach einer Seite hin, zur Sicherung der Diagnose hernnziehen
konnte. Bröse, der in diesem Falle wegen Phthise den künst¬
lichen Abort einleitete und den Uterus ausräumte, fand bei Aus¬
tastung des Uterus gerade das Gegenteil der Braun'sehen An-
gung gegen das Krankenhaus zusammen. Weite Schichten
des Volkes sträuben sich geradezu, die Krankenhäuser aufzu¬
suchen , obwohl sie es dort in jeder Beziehung besser als zu
Hause haben. Doch das nebenbei.
Die Verpflegung der Hospitalinsassen war in den besseren
Zeiten des Mittelalters eine vortreffliche, während spätere
Zeiten freilich darin einen Wandel zum Schlechteren brachten, wo¬
zu namentlich Missernten und Hungersnöte das Ihrige beitrugen.
Aber die hygienischen Einrichtungen der mittelalterli(men
Spitäler werden nicht viel anders und nicht viel besser ge¬
wesen sein, als sie es auch bis in die Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts in den meisten Orten noch waren. Und da blieb
nach heutigen Begriffen recht viel zu wünschen übrig. In
Betreff der ärztlichen Tätigkeit dürfen wir wohl mit Recht an¬
nehmen, dass die Rolle der Medicin im Mittelalter und noch
weit darüber hinaus bis in die Neuzeit herein an den Spitälern
eine ziemlich untergeordnete war, sie trat gegen die Verwal-
tung ganz zurück.
Im Folgenden beschäftigt sich dann Verf. im Einzelnen
mit dem städtischen Hospital zum hlg. Geist in Gmünd. Die
älteste darauf bezügliche Urkunde ist ein Erlass des Bischofs
Hartmann von Augsburg vom 8. Juni 1769, in welcher die Er¬
bauung einer Kapsle bei dem Spital gestattet wird, doch muss
demnach die Gründung der Anstalt erheblich weiter zurück¬
sicht, dass die Ausladung gewöhnlich das Ei enthalte. In seinem
Palle fand er das Ei in der linken Uterushälfte, und rechts
die noch bestehende, vorher gefühlte Aussackung, die leer war.
Diskussion: Müllerheim hält das Braun’sche Zeichen
für ein Kontraktionsphänomen.
Bumm: Die eben erwähnte Ausladung bei Graviditas intra-
uterina gibt oft Anlass zu Verwechselungen mit Extrauterin¬
gravidität. Man achte daher auf den Befand, ehe man sich zur
Laparatomie wegen Extrauteringravidität entschliesst.
2. Eine grosse Pyosalpinx. Der Fall ist wegen des klinischen
Verlaufes und der Schwierigkeit der Diagnose interessant.
R. Meyer demonstriert 1. ein Lipom am Fundus Uteri,
2, ein Lipom am Fimbrienende einer Tube, 3. eine Cyste am
freien Rande der Tube — am ampullären Ende, 4. einen Pall
von dissezierender Tubargravidität.
Henkel hält seinen Vortrag „Ueber Pubotomie“. Er
bespricht zunächst kurz die Anatomie des Beckens, die für die
Pubotomie in Frage kommt.
Die Vorteile der Pubotomie gegenüber der Symphyaiotomie
sind: 1. Die Pubotomie ist viel weniger gefährlich. 2. Bei allen
publizierten Fällen (über 100) ist eine feste Konsolidierung des
Knochens eingetreten; die Gangfähigkeit der Frauen nach der
Pubotomie Hess im Gegensatz zu denen nach der Sympbysiotomie
niemals zu wünschen übrig. 3, Die Blutungsgefabr ist bei der
Pubotomie geringer als bei der Symphyaiotomie und zwar deswegen,
weil bei der Symphysiotomie leicht die vena clitoridis und der
Plexus pudendus impar verletzt werden können.
Komplikationen, die bei der Pubotomie auftreten können:
1. Blasenverletzungen, vor allem bei eventueller folgender Zangen¬
extraktion. 2. Scheidenverletzungen, die eventuell wegen der
Kommunikation mit der Beckenwunde zur Sepsis führen können.
3. Ruptur der Articulatio sacro-iliaca, die bis jetzt allerdings
noch von keiner Seite berichtet worden ist. Die beste
Beinhaltung bei der Pubotomie ist nach den Erfahrungen in der
Olshausen’scben Klinik die Walcher’sche Hängelage. Zur Ent¬
bindung nach der Pubotomie ist am besten die Wendung mit
nachfolgender Extraktion. Sollte man mal gezwungen sein, die
Zange zu nehmen, so wähle man wenigstens die Achsenzug¬
zange.
Nachbehandlung: Nach den gemachten Erfahrungen genügt
es, der Frau einfach einen Gurt um den Leib zu legen, eventuell
ist auch dieser noch überflüssig.
Die Prognose: 7% der Mütter ist gestorben, dieselbe
Zahl, die Zweifel für die Symphysiotomie ausgerechnet hat.
Was die Indikation der Pubotomie betrifft, so warnt H.
vor allem bei L paris vor der Pubotomie, weil die Gefahr einer
Scheidenwunde und kommunizierenden Pubotomiewunde hier eine
liegen. Es war zweifelsohne von Anfang an für Kranke und
Hilfsbedürftige aller Art bestimmt, nicht nur für Pfründner,
von denen im Jahre 1400 etwa 70 vorhanden waren. Freilich
trat das Pfründnerwesen mehr und mehr in den Vordergrund;
wann und wodurch dies eingetreten ist, vermag man akten¬
mäßig nicht festzustellen; wir dürfen aber wom annehmen,
dass zur Zeit des Niedergangs aller Verhältnisse im 16. Jahr¬
hundert auch die Fürsorge für die Kranken begann, miserabel
zu werden.
In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde das
alte Spital abgebrochen und durch einen massiven Neubau er¬
setzt, aber erst 1860 wurde dieser seinem Zweck als Kranken¬
anstalt zugeftihrt, während es dem Jahre 1896 Vorbehalten
blieb, das alte Heiliggeistspital in ein modernes Gewand zu
kleiden: Das Pfründnerwesen geht zurück, die Aufnahme und
Pflege von Kranken ist durchaus die Hauptaufgabe geworden,
und zwar in einer den Anforderungen der Neuzeit entsprechen¬
den Weise.
Da sich erfreulicherweise der Sinn für historische For¬
schung auch in der Medicin regt, wollen wir auf diese auf
Grund der Urkunden und Akten des Spitalarchivs basierte Ge¬
schichte des Gmünder Spitals noch besonders Hinweisen, deren
Lektüre interessante Streiflichter auf längst entschwundene
Zeiten wirft.
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80
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. T.
zu grosse ist, uud die Prognose in diesen Fällen eine sehr
schlechte. Bei I. paris mache man die Pubotomie nur dann,
wenn die Scheide eine gewisse Weite hat, und die Frau durch¬
aus ein lebendes Kind haben will. Sonst kommt die Perforation
in Frage. Beim platten Becken bilden die Maße der Conj. vera
6,75—8,5, beim allgemeinen verengten Becken 9—7,5 eine Indi¬
kation zur Pubotomie. Man warte mit der Ausführung der Pubo¬
tomie, bis der Muttermund ganz erweitert ist. H. warnt vor zu
häufiger Anwendung der Pubotomie; dieselbe ist natürlich nur für
klinische Institute geeignet, nicht für den praktischen Arzt.
B. K.
Berliner medidnische GeseilsehafU
Sitzung vom 31. Januar 1906.
Tagesordnung:
Koch: Ueber afrikanische Rekurrens. Die Rekurrens
ist mit am frühesten als parasitäre Krankheit erkannt worden:
trotzdem blieb ihre Aetiologie am wenigsten geklärt. In Afrika
kommt eine Rekurrens vor, die der unseren sehr nahe steht.
Dort Hess sich die Aetiologie leichter fostlegen. Danach darf
man wohl, wenn hiesige Epidemien wieder Gelegenheit zu Forsch¬
ungen geben, auch hier Klärung erwarten. Die afrikanische Re¬
kurrens ist eine alte Krankheit; erst in neuerer Zeit hat man
sie von der Malaria, mit der sie immer zusaramengeworfen wurde,
differenziert. Sie kommt sehr häufig vor. besonder.s bei Euro¬
päern, die auf den Karawanenstrassen marschierten, wurden davon
befallen; auch Eingeborene können davon befallen werden. Ueber-
tragung auf Tiere (Affen) war möglich. Das waren die l)ekannten
Tatsachen, als Koch vor einem Jahre in Ost-Afrika seine
Forschungen begann. Trotzdem Versuche, die Spirochaeten in
Zwischenwirten nachzuweisen, misslungen waren, begann er damit,
Zecken, die an den Karawanenstrassen gefangen waren, zu unter¬
suchen, und er fand in ihnen reichlich die Spirillen. Während
bei uns nur eine einzelne Zeckenart verkommt, in Süd-Europa
etwa sechs, gibt es in Afrika sehr viele, die sich in zwei Gruppen
scheiden, solche, die sich dauernd auf dem Wirt aufhalten und
solche, die den Wirt nur aufsuchen, um Blut zu saugen. Zu den
letzteren gehört die Art, die die Rekurrens überträgt. Die aus
dem Ei gekrochene Zecke ist .stecknadelkopfgross, unter mehr¬
maliger Häutung wird sie linsengross, geschlechtsreif; das Weib¬
chen saugt sich vor der Eilegung reichlich voll Blut. Die
Menschenzeoke ist eine ganz bestimmte .\rt: sie lebt nur in
menschlichen Behausungen, in der Erde, in der Decke der Hütten;
nur des Nachts kommen sie hervor. Man kann sie leicht züchten,
bei regelmäßiger Blutfütterung; doch können sie auch monate¬
lange Hungerpausen ertragen. Die durch diese Zecken übertragene
Krankheit ähnelt unserer Rekurrens. Im ganzen sind die Anfälle
der afrikanischen Erkrankung kürzer, und meist werden sehr
wenig Spirochaeten gefunden; sonst sind Verlauf, Komplikationen
(Ikterus, Pneumonie) und Nachkrankheiten dieselben. In allen K.
bekannt gewordenen Fällen trat Heilung ein. Die Spirochaete der
afrikanischen Krankheit scheint etwas länger; im frischen Präparat
zeigt sie sich schraubenförmig, sie dreht sich um ihre Längsachse,
bewegt sieh aber nur sehr langsam fort. Häufig erkennt man
die Tendenz, zusammenzuwandern, und nicht .selten sieht man
sich ver.schliDgende Exemplare. Die von Schaudinn für seine
These. dass die Spirochaeten in den Entwicklungskreis der Try¬
panosomen gehören, angeführten Kriterien (Längsteilung, Kern,
Flimmersaum) hat K. niemals sehen können. Die Untersuchung
der Zecken, die Blut gesaugt haben, zeigt in den ersten Tagen
die Spirochaeten unverändert; etwa am vierten Tag sind sie aus
dem Magen geschwunden; nachher findet man sie, oft in Klumpen
auf dem Ovnrium, wo sie sich wahrscheinlich vermehren. Auch
in den Eiern der Zecken findet man in etwa einem Viertel der
Gelage Spirochaeten, und auch hier ist eine Vermehrung wahr¬
scheinlich. Die aus dem Ei gekrochenen Zecken sind wieder in-
fektionstüchtig. Mit iin Glas gezüchteten Zecken hat K. oft den
Versuch an Affen angestellt; auch von anderer Seite sind diese
Versuche bestätigt worden. Durcli die.se wichtigen Versuche ist
wohl sicher erwiesen, dass die Zecke der Zwischenwirt der Spiro¬
chaete, dass sie der Ueberträger der Infektion ist. Damit ist die
Grundlage der Aetiologie gegeben. Zur Ergänzung der Labo¬
ratoriumsversuche hat K. dann praktische Versuche auf den Ka-
rawanenstrassen angestellt. An jedem Ort der Strasse fanden
sich infizierte Zecken; der Grad der Verseuchung variierte zwischen
7 und 40%. Aber auch aus Dörfern, die weit ab vom Verkehr
lagen, erhielt K. reichlich infizierte Zecken, besonders aus Hütten,
die von Kindern bewohnt waren. Dadurch ist bewiesen, dass die
Seuche nicht auf die Verkehrastrassen be.schränkt ist, aondeni
weit über das Land verbreitet, dass sie endemisch i.st. Der Ein¬
geborene wird wahrscheinlich sehr frühzeitig von der Krankheit
befallen und wird dann immun. Die Immunitätsfrage wurde auch
experimentell geprüft, und es ergab sich, dass Affen, die eine
leichte, abortive Erkrankung überstanden, einer Reininfektion zu¬
gänglich waren, dagegen nicht .solche, die eine schwere Er¬
krankung durchgemacht hatten. Therapeutisch kann K. nichts
neues beibringen; Chinin hat sich als wirkungslos erwiesen; er
glaubt aber, das.s es bei der Leichtigkeit des Experimentierens
gelingen wird, ein Spezifikum zu finden; auch von einer Serum¬
therapie verspricht er sich Erfolg. Bei dem bisherigen Mangel
einer erfolgreichen Therapie mus.s man umso mehr die Prophylaxe
pflegen; in dieser Hinsicht genügt es, die Orte zu meiden, w’o
die Zecken sich aulhalten; der Reisende soll seine Zelte in ent¬
sprechender Entfernung von den Schutzdächern, Eingeborenen¬
hütten aufschlagen. So ist es K. selbst mit seiner Karawane ge¬
lungen, von der Kmnkheit verschont zu bleiben. Bei diesem ein¬
fachen Verfahren der Prophylaxe sind weitere Maßnahmen zur
Verhütung der Erkrankung überflüssig. P.
Österreich.
Verein deutscher Aerzte ln Brng,
Sitzung vom 2. Dezeml)er 1905.
Herr A. Selig, Franzensbad: Die funktionelle Herz¬
diagnostik. An 100 Versuchspersonen, teils gesunden, teils
kranken (insbesondere an solchen mit Erkrankungen des Kreis¬
laufapparates) wurden Funktionsprüfungen des Herzens vor-
genommeu. Die Arbeitsleistung bestand im raschen Auf- und
Absteigen von Treppen, während bei 4 FussbalLspielem die Unter¬
suchung nach einem andertbalbstündigen Wettspiele vorgeuommen
wurde. War der Puls und Blutdruck auch bei allen Personen
nach der Arbeit erhöht, bei den Fussballspielern war der arterielle
Druck gesunken (um 20—25 mm) bei gleichzeitigem Auftreten
von Eiweiss im Harne (bis 0,5 '’/oo Kssb.) und sehr vielen hya¬
linen und granulierten Zylindern im Sediment.
Der Pols bei gesunden Versuchspersonen stieg bei mäßiger
Arbeit durchschnittlich um 23 Schläge {in der Minute), der Blut¬
druck um ca. 8 mm; bei verschiedenen Erkrankungen betrug die
Pulszunahme resp. Blutdruckzunahme 28 resp. 8 mm. Bei Er¬
krankungen des Herzens und der Gefäs.se nahm die Frequenz
nur 19 pro Minute zu, die Blutdrucksteigerung betrug 10 mm Hg.
Dabei zeigten Herzen mit kranken Klappen eine sehr gute
Leistungsfähigkeit, viel besser als bei Myocarditis und Arterio¬
sklerose.
Die Herzgrösse blieb bei gesunden Versuchspersonen trotz
Arbeit unverändert, bis aiif einen jungen Mann, bei dem nach
dem raschen Aufsteigen von 387 Stufen der vorher intramamillär
gelegene Spitzenstoss ca. 1,5 cm nach au.ssen rückte, ohne dass
von seiten des Pulses oder des Blutdruckes und Allgemeinbefindens
irgend welche Zeichen der Ermüdung auftraten.
Als Zeichen der Herzinsuffizienz fand S. Atemnot, Ver-
grösserung der Herzdämpfung, Verlagerung des Spitzenstosses,
Beschleunigung ev. Unregelmäßigkeit der Schlagfolge, einen kleinen,
weichen Puls. Doch darf nicht aas einem oder mehreren S 3 nnptomen
auf Herzinsuffizienz geschlossen werden, charakteristisch für dieselbe
ist der Gesamteindruck, das Bild einer mehr oder weniger schweren
Erschöpfung. Wichtig ist der Zustand des Herzmuskels.
Die praktischen Resultate, die sich durch die funktionelle
Prüfung des Herzens ergeben, fasst Vortr. zusammen: Recht¬
zeitiges Erkennen einer mangelhaften Resistenzfähigkeit des
Herzens, Verhütung von Ueberlastung des Herzens, Wahl eines
dementsprechenden Berufes.
Herr Lisa au demonstriert einen Holzgriff eines Handsebuh-
machermessers von 13 cm Länge und 10 cm Umfang, welcher in
Digitized by AjOOQle
im
MBDICINISCHB WOCHE.
81
den Mastdarm geschlüpft war, als der betreffende Patient ein
eben im Mastdarm verschwundenes Elystieransatzstück mit dem
genannten Griffe entfernen wollte. Die Extraktion gelang glatt.
Standesfragen.
Aerztekammer Berlin-Brandenburg.
Von Dr. M. Cohn, Berlin-Charlottenburg.
Die am 22. Januar abgebrochenen Verhandlungen nahm die
Berlin-Brandenburgische Aerztekammer am 30. wieder auf. Vor
Eintritt in die Tagesordnung nahm sie Stellung zu dem Beschluss
des Aerztekammerausschusses, in der Frage der Verschmelzung
der Arbeiterversicherungsgesetze dem deutschen Aerztevereinsbund
die Führung zu überlassen. Durch dieses Vorgehen würden die
reiflich erwogenen Beschlüsse der Kammer einfach unter den
Tisch fallen. Die Kammer nahm daher folgenden Antrag an:
„Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den
Stadtkreis Berlin erhebt Einspruch gegen die Behandlung ihrer
Beschlüsse seitens des Aerztekammerausschusses, insbesondere auch
in der Frage der Neuordnung der Arbeiterversicherungsgesetze.
Sie beauftragt den Vorstand, den Herrn Oberpräsidenten zu bitten,
die einschlägigen Verhandlungen und Beschlüsse der Kammer dem
Herrn Minister der Geistlichen-, Unterrichts- und Medicinalange-
legenheiten unterbreiten zu wollen, damit die preussische Staats¬
regierung im Sinne dieser Beschlüsse auf die deutsche Reichs¬
regierung einwirken möge“.
Aus dem dann folgenden Kassenbericht ergab sich, dass Ein-
nalimen und Ausgaben mit 166 776 Mk. balanziereu. Unter den
Ausgaben bilden den Hauptposteu 75000 Mk., die der ärztlichen
Unterstützungskasse überwiesen worden sind. Beim Ehrengericht
überschreiten die Ausgaben ganz bedeutend die Einnahmen, so
dass von neuem eine Abänderung des Gesetzes über die ärztlichen
Ehrengerichte in der Hinsicht angeregt wurde, dass auch säch¬
liche Gebühren erhoben werden können.
Den Hauptteil der Sitzung nahm die nunmehr folgende Be¬
ratung des Etatsanschlags für das Jahr 1906 in Anspruch. Den
Hauptposten bildet auch hier wieder der Betrag für die Unter-
stützungskasse iu Höhe von 50000 Mk., der einstimmig bewilligt
wurde. Ein Antrag Thiem (Kottbus), allen Mitgliedern der
Kammer und der Kommissionen Diäten zu gewähren, wurde nach
längerer Diskussion abgelehnt. Bei dem Posten „Beitrag zum
Aerztekammerausschuss“ erhebt Kossmann Klage darüber, dass
der Ausschuss die Kammer ausserordentlich stark zu den Kosten
heranziebe, dagegen ihr keine grösseren Rechte gewähre als den
anderen Kammern; er beantragt, die Kammer solle nur den
zwölften Teil der Kosten des Ausschusses tragen. Dieser Antrag
wird abgelehnt, nachdem darauf hingewiesen worden ist, dass der
Ausschuss zu seinem Vorgehen formell berechtigt sei; gleichzeitig
wird beschlossen, den Ausschuss um eine ausführliche Rechnungs¬
legung zu ersuchen,
Eäne ausgiebige Diskussion entspann sich bei der Beratung
des Beitrages für das ärztliche Fortbildungswesen. M. Cohn be¬
mängelte zunächst, dass das Zentralkomitee trotz mehrmaligen Ver¬
langens bisher keine übersichtliche Abrechnung vorgelegt habe;
er betont dann, wie ungerechtfertigt es ist, dass die Dozenten
kein Honorar erhalten, und kritisiert die Organisation der Kurse,
wobei er hervorhebt, dass die allgemeinen Disziplinen eine grössere
Berücksichtigung erheischen. Schliesslich weist er darauf bin, dass
die Gründung einer eigenen „Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“
bei der Ueberzahl bestehender medicinischer Organe recht unnütz
sei. Mugdan verlangt Aufklärung darüber, wie sich das Zentral¬
komitee zu der Aeiisserung seines Generalsekretärs stelle, der nach
einer Sitzung des Komitees veröffentlicht habe, dass das Komitee
die auf dem Strassburger Aerztetag gefallene Kritik als Aus¬
brüche eines „unsachlichen und phrasenhaften Volksrednertums“ un¬
beachtet lasse. Exz. von Bergmann, der Vorsitzende des
Zentralkomitees, erklärt, dass er es lieber gesehen hätte, wenn
diese Aeusserung nicht gefallen sei; in dem Protokoll der Sitzung
des Zentralkomitees stehe nichts davon ; man könne die Aeusserung
Euttners als Ausdruck des Gesamtkomitees ausehen, aber man
müsse es nicht. Dass man im Zentralkomitee sehr ungehalten über
die Strassburger Kritik gewesen sei, gebe er zu. Im Uebrigen
versprach von Bergmann, die vorgetragenen Wunsche nach
Möglichkeit zu berücksichtigen. Mugdan replizierte, dass die
Angelegenheit für ihn nicht erledigt sei; der Generalse^etär habe
sich eine grobe Täuschung des Publikums erlaubt Zum Vertreter
der Kammer im Zentralkomitee wurde Becher wiedergewählt.
Für die Einnahmen der Kammer wurde die Besteuenmg wieder
wie bisher festgesetzt. Es wird also erhoben M. 10 Grundsteuer
von allen Aerzten und ein Zuschlag von 5% der Staatseinkomm¬
steuer von allen Einkommen über M. 5000. Im Ganzen bewohnen
den Kammerbezirk jetzt 4103 Aerzte; von diesen versteuern
(Gesamteinkommen, nicht rein ärztliches Einkommen):
144 oder 3,5% ein Einkommen von 0 Mk.
999
n
24,34% „
900—3000 „
1685
M
16,69%
}} M
3000—5000 „
1401
34,68% „
V
5000—12500 „
495
n
11,99% „
IT
12500—30500 „
156
ij
3,76% „
?T n
30500—80000 „
16
n
0,3% „
11 n
80000—120000 „
6
n
0,14% „
H
160000—180000 „
3
0,07% „
26000 bezw. 310000
bezw. 330000 „
Gegen
das Vorjahr ist
die absolute
Steigung des Einkommens
der Aerzte eine recht geringe, kaum entsprechend der gleichzeitig
eingetretenen Steigung der Kosten der Lebenshaltung.
Den Bericht über die Tätigkeit des Ehrengerichts erstattete
der Vorsitzende. In der Erörterung wurde betont, dass die grosse
Zahl der Selbstanzeigen das Ehrengericht ganz ausserordentlich be¬
laste ; erschwerend auf die Geschäftsführung wirken auch die
langen Berufungsfristen.
Der Schöneberger Aerzteverein hatte, um die Abgabe von
Morphium und Veronal zu erschweren, folgenden Antrag gestellt:
„Die' Aerztekammer möge an zuständiger Stelle beantragen:
I. Alle Rezepte, welche Morphium oder dessen Salze zur Ein¬
spritzung unter die Haut enthalten, sind in der Apotheke zurück-
zubebalten und bei jedesmaliger Revision vorzulegen.
Diese Vonschrift muss sich auch auf tierärztliche Rezepte be¬
ziehen.
Mit Rücksicht auf die Kammergerichtsentscheidung vom 25.
4. 04 soll jedes Rezept deutlich den Namen des verordnenden
Arztes, die Bezeichnung als Arzt und den Wohnort bez. die
Wohnung des Arztes enthalten.
n. Veronal soll unter die in dem den Vorschriften, betreffend die
Abgabe stark wirkender Arzneimittel usw. vom 13. 5. 96 bei¬
liegenden Verzeichnis aufgeführten Drogen aufgenommen werden.“
Die.ser Antrag wurde mit grosser Mehrheit angenommen.
Den Schluss der Beratungen bildete die Annahme des folgenden
von S. Alexander begründeten Antrages des Rechtsschutzvereins
Berliner Aerzte: „Die Aerztekammer zu erauchen, den jüngeren
Kollegen eine Aufklärung in wirtschaftlichen Rechtsangelegenheiten
zu teil werden zu lassen, in ähnlicher Weise, wie dies seitens der
Aerztekammer in Strafsachen geschehen ist.“
Periodische Literatur.
Münchener medicinische Wochenschrift. 1906. No. 5.
1. Daxenberger, Regensburg: Ein Fall von Pnenmo-
kokken-PeritonitiB mit Heilung.
Der Fall betraf ein 5jähriges Mädchen, welches unter den
ausgeprägten Erscheinungen einer Pneumonie in Behandlung kam.
Innerhalb der ersten fünf Tage stellten sich heftige Leibschmerzen,
Aufgetriebensein und Druckempfindlichkeit des Abdomens ein.
Pat. kollabierte bei 40" und 140 Pulsen. Die Probepunktion
ergab dicken gelbgrünen Eiter mit Diplococcus pneumoniae
Fraenkel. Es würde sofort zur Operation geschritten, eine
breite Oeffnung gemacht, viel Eiter entleert, mit warmer Koch¬
salzlösung ausgespült. Das Fieber fiel, das Allgemeinbefinden hol>
sich und Pat. wurde geheilt. Bemerkenswert ist der günstige
Effekt der Operation bei bereits sehr weit vorgeschrittener Perito¬
nitis piirulenta.
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82
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 7.
2. Loeb, Strassburg; Ein Fall Ton X^eH'Limgea-Fistel.
Ra sind bisher nur neun Fälle von Magenlungenfistel be¬
schrieben worden. Bei allen verlief die Affektion sehr schnell
tötlich. Verf. hatte Gelegenheit, einen derartigen Fall zu beob¬
achten, der sozusagen stationär blieb und bei dem nach dem Ver¬
lauf die Prognose nicht ganz infaust aufgefasst zu werden braucht.
Der Fall bietet auch insofern eine Besonderheit, als anamnestisch
eine ziemlich frühe Entstehungszeit der Fistel wahrscheinlich ge¬
macht wurde. Wie die Fistel entstand, ist mit Sicherheit gar
nicht zu sagen, aller Wahrscheinlichkeit nach hat es sich hier
wie in den bisher beobachteten Fällen um einen subphrenischen
Abszess gehandelt. In der Lunge bestanden deutlich nachweis¬
bare Cavemen.
3. Moro, Graz: Kukmilohpräzipitm im Blute eines 4'/s Mo¬
nate alten Atropkikers.
Verf. hatte schon früher mit negativem Resultate Versuche
darüber angestellt, ob bei Läsionen des Darmes bei Flaschen¬
kindern Milcheiweiss oder spezifisches Präzipitin im Blute nach-
zuweisen sei. Der vorliegende Fall gab ein positives R/Osultat.
Das Kind ging unter den klinischen, durch die Sektion bestätigten
Erscheinungen der Atrophie zugrunde. Das Blutserum gab mit
roher und gekochter Kuhmilch nach wenigen Minuten einen in¬
tensiven, dickflockigen Niederschlag. Mit Menschenmilch trat
keine derartige Erscheinung auf. Es waren also wirksame Präzi¬
pitine vorhanden, welche wohl ihre Entstehung grösseren Mengen,
vor längerer Zeit aufgenommenen Kuhmilcheiweiss in die Blutbahn
verdanken. Ob die zum exitus führende Atrophie sich ebenfalls
von dieser Aufnahme von Rindereiweiss herleitet, ist unwahr¬
scheinlich.
4. L e v y, Heidelberg: Quantitative Zuckerbestimmung im
Ham.
Verf. hat das Verfahren von Riegler und Pavy mit der
Polarisatiousmethode in Vergleich gesetzt und zahlreiche Unter¬
suchungen vorgenommen. Das Resultat derselben bestand darin,
dass die Riegler’sche Methode, der Kaliumpermanganatreaktion
und nachträglichen gasvolumetrischen Kohlendioxydbestimmung,
sich wesentlich unzuverlässiger erweist als die Pavy’sche Me¬
thode. Es kommt hinzu, dass die letztere viel weniger Apparate
erfordert und infolgedessen weit einfacher für den praktischen
Arzt auszuführen ist. Die Pavy’sche Methode nach der Modi¬
fikation von Sahli wird in folgender Weise ausgeführt: Man
bringt 10 ccm einer Lösung von cupr. sulf. 4,158, Seignette-
salz 20,4, kal. caustic. pur. 20,4, Ammon, caust. (sp. Gew. 0,880)
300,00, aq. dest. ad. 1000,0 mit 30 ccm Wasser in ein Koch¬
kölbchen von 75—100 ccm Rauminhalt. Das Kölbchen setzt man
auf ein Kochgestell mit Asbestplatte und erhitzt allmählich. So¬
dann füllt man eine Bürette mit dem je nach dem Zuckergehalt
stärker oder schwächer verdünntem Urin (20-, 40-, 50 fach). Die
Verdünnung muss mit abgekochtem oder destilliertem Wasser
vorgenommen werden. Sowie nun die Lösung im Kölbchen zu
kochen anfkngt, setzt man in kontinuierlichem Tropfenstrom den
Inhalt der Bürette zu und passt den Moment ab, wo Entfärbung
eintritt. Aus der verbrauchten Hammenge lässt sich unter Be¬
rücksichtigung ihrer Verdünnung leicht der Prozentgehalt fest¬
stellen. Die Methode ist einfach und nach den Unter.suchungen
des Verf. ohne besondere technische Fertigkeit ausführbar und
ergibt in Maximo nur Abwekhungen bis 0,8 *’/ß, ein immerhin
erträglicher Fehler.
5. Rosenberger, Würzburg: Heber Harnsäure- und Xan-
thinbasenausscheidnng während der Behandlung zweier Len-
kämiker und eines Falles von Psendolenkämie mit Röntgen-
strahlen.
Die eingehenden Untersuchungen des Verf. haben folgende
Schlussfolgerungen ergeben: 1. Die Behandlung mit Röntgen¬
strahlen ändert bei Leukämikem die Menge der abgeschiedenen
Harnsäure, ein Einfluss derselben in dieser Richtung ist jedoch
bei anderen Kranken bis jetzt nicht beobachtet. 2. Im Anfang
.steigert die Bestrahlung bei leistungsfähigen Leukämikem die
ausgeschiedene Hamsäuremenge. 3. Abnahme der ausgeschiedenen
Harnsäure während der Behandlung ist prognostisch günstig, bei
Verschlimmerung steigt der Harasäurewert wieder. 4. Die Aus¬
scheidung der Xanthinbasen steigt während der Bestrahlung und
Nachwirkung derselben. 5. Bei der Pseudoleukämie scheinen
die Röntgenstrahlen nicht ohne Einfluss auf die Milz zu sein.
Eine Heilwirkung konnte nicht beobachtet werden. Auf die Ham-
säureausscheidung sind die Bestrahlungen ohne deutliche Wirkung.
6. Steinbüchel, Graz: Intraperitoneale Ligamentver*
kürznng nach Menge.
Die Menge’sche Modifikation der in Frage kommenden
Operation besteht darin, dass zunächst die ligamenta rotunda
möglichst ausgiebig gefaltet und die Schlingenschenkel vernäht
werden und dass ausserdem die bei dieser Operation sich bildende
Falte des ligamentum latum gleichfalls auf die Vorderwand des
Uterus aufgenäht wird. Nach den günstigen Erfahrungen des
Verf. schafft diese Operation den physiologischen Verhältnissen
möglichst entsprechende Zustände und bewährt sich daher sehr
gut. Als Nahtmaterial hat sich dem Verf. Jodkatgut am be.steu
bewährt.
7. Liebe, Heidelberg: Heber Lokalanästhesie mit Hovo-
kain-Snprarenin.
Verf. hat mit dem von den Farbwerken Meister Lucius
und Brüning in Höchst in den Handel gebrachtem Anaestheticunn
Novokain Versuche angestellt. Das Novokain ist das salzsjiure
Salz des p-Aminobenzoyldiaetbylaminoaethanol. Ks ist sehr leicht
löslich in Wasser und kann in dieser Lösung wiederholt auf¬
gekocht, also leicht sterilisiert werden. Die anästhesierende
Wirkung gegenüber dem Kokain ist etwas geringer, etwa */„.
Die Kombinierung des Präparates mit Nebennierensubstanz gelingt
gut, ein wichtiger Umstand, weil durch diesen Zusatz die Mög¬
lichkeit gegeben wird, mit viel geringeren Konzentrationen dos
Anästhetikums auszukommen, da die Nebennierensubstanz die un¬
erwünscht schnelle Resorption hindert. Die meisten der vom
Verf. mit Novokain behandelten Fälle betrafen Leitungsanästhe¬
sien, die Erfolge waren durchweg so gute, dass Verf. das Novo¬
kain als vollwertigen Ersatz des Kokains bezeichnet.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 5.
1. Rosenfeld, Breslau; Akute Struma als Folge von See¬
krankheit.
Verf. hatte Gelegenheit, auf einer längeren Seereise eine
akut auftretende Struma zu beobachten, welche offenbcir infolge
der durch Seekrankheit bedingten heftigen Brechakte veranlasst
wurde. Verf. nimmt an, dass es sich um eine durch vermehrte
Blutzufuhr bedingte Vermehrung des Thyreoideagewebes handelte,
da der Kropf ziemlich konsistent war und einiger Wochen zur
Rückbildung bedurfte. Bei einer anderen Patientin konnte er in¬
folge von Seekrankheit das Auftreten eines akuten Gefässkropfes
beobachten, welcher in wenigen Tagen vollkommen zurückging.
2. Kaliski, Breslau: Heber eine neue Fnnktionsprüfung
des M^enchemismus während der Verdauungstätigkeit ohne
Anwendung der Schlundsonde. (Sahli’sche Desmoldreaktion.)
Die Anwendung der Schlundsonde ist stets mit gewissen, bei
neura-sthenischen Patienten oft unüberwindlichen Schwierigkeiten
verknüpft. Es ist daher ein höchst dankenswertes Bemühen, eine
Methode zu erfinden, welche die Anwendung der Schlundsonde
entbehrlich macht. A. Schmidt in Dresden hat zuerst auf die
Tatsache hingewiesen, dass der bindegewebige Teil des Rinder-
cökums, die sogenannte Goldschlägerhaut, durch Pepsin und Salz¬
säure bei Körpertemperatur gelöst wird, während Pankreassekret
und Milchsäure diese Lösung nicht zuwege bringen. Sahli in
Bern hat nun Versuche aogestellt, daliingehend, dass in derartige
Goldsclilägerhäutchen, sogenannte Desmoidbeutel, differente Stoffe
eingeschlossen wurden, deren Nachweis nach erfolgter Auflösung
des Beutels im Speichel oder Harn leicht gelingt. Da die Gold¬
schlägerhaut nicht immer leicht zu beschaflfen ist, trat an ihre
Stelle eine dünne Gummihaut, welche mit Katgutfkden zugeschnürt
wurde. Verf. hat genau nach Vorschrift Sahli’s Untersuchungen
angestellt, als Indikator dienten ihm Pillen von Jodkali, deren
Nachweis im Speichel, Pillen von Methylenblau, deren Nachweis
im Ham leicht gelang. Die Resultate der zahlreichen Unter¬
suchungen fasst Verf. zum Schluss rein iiir die Praxis folgender¬
maßen zusammen. Nach Darreichung eines Gummibeutels mit
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
83
Mdt^ylenblanpille zeigte sich der Ham bei Hyperazidität bereits
nach 4—7 Stunden tiefblau. Bei normaler Azidität tritt die
Blaufärbung nach 7—12 Stunden ein und ist anfangs schwach.
Bei Snbazjdität resp. motorischer Insuffizienz tritt die Blaufärbung
des Harns erst am nächsten Tage auf.
3. Westenhoeffer, Berlin: üeber perihypophyseale
Eiterung und einige andere bemerkenswerte Befunde bei Oe»
nickstarre.
Verf. hat die Cerebrospinalmeningitis bei der schlesischen
Epidemie in eingehender Weise studiert und den Versuch gemacht,
auf histologischem Wege Aufschluss über den Weg, den die In*
fektion nimmt, zu erhalten. Dieser Versuch ist mit positiver
Sicherheit nicht als gelungen zu bezeichnen. Die Frage, ob die
Einwanderung der Meningokokken auf dem Wege der Lymph-
oder Blutbabn erfolgt, lässt sich auch bei diesen ungemein ein¬
gehenden histologischen Untersuchungen noch nicht beantwoiten. Be¬
merkenswert war im Befunde bei sechs Fällen eine mehr oder
weniger starke Eiterung in der Umgebung der Hypophysis. Diese
Eiterung betraf hauptsächlich die seitlichen Teile, während der
unterste Teil der Hypophyse stets frei von Eiter war, ein Beweis,
dass der purulente Prozess nicht vom Grande her sich entwickelt
haben konnte. Es scheint vielmehr der Eiterungsprozess von der
Arachnoides her sich zu entwickeln und da bei der gewöhnlichen
Meningitis die Hypophyseneiterungen nicht beobachtet werden,
so können sie vielleicht für die Genickstarre als pathognomonisch
gelten. Jedoch Verf. konnte bei zwei Fällen otogener Meningitis
gleiche Befunde erheben und kam somit zu der Ueberzeugung,
dass es sich doch nicht um einen charakteristischen Befund bei
Genickstarre handeln könne. Die Annahme, dass der Prozess von
der Bachentonsille, der notorischen Eingangspforte fhr die Menin¬
gokokken, der Earotis entlaug durch das foramen lacerum in den
Schädel eindringe, hat ebenfalls histologisch keine Stütze gefunden.
Auch ein Eindringen den Nervenstämmen entlang liess sich durch
die histologische Untersuchung nicht erweisen. Für die häma¬
togene Aetiologie der Cerebrospinalmeningitis epidemica sprechen
die Befunde der Kokken in der Blutbahn, auch Verf. konnte der¬
artige Befunde erheben. Vor allem fand er bei einem Pall in
der Umgebung der nervi optici eine eitrige Infiltration auch der
in die nervi optici eintretenden Aeste der arteria ophthalmica.
Diese perivaskuläre Leukozytenanhäufung muss als eine entzünd¬
liche Extravasation aufgefasst werden. Auch dieser Befund stützt
sehr die Theorie einer hämatogenen Verschleppung, aber wie be¬
reits anfangs gesagt, ein einwandfreier Beweis ist nicht erbracht.
4. Hofmeier, Würzburg; Der „vaginale Kakerschnitt^
und die ohimq^sohe Aera in der Oeburtshttlfe.
Unter vollster Anerkennung und Betonung der Verdienste
Dübrssens um die operative Technik in der Geburtshülfe wendet
sich der Verf. gegen eine allzuweit getriebene Indikationsstellimg
in Bezug auf die operative Erweiterung der Gebnrtswege. Immer¬
hin müsse der Satz bestehen bleiben: „Erst die Mutter, dann das
Kind“. Es sei bis heute kein Beweis dafür erbracht, dass die
durch blutige Operation entbundenen Kinder geistig gesunder
seien als die, welche bei einer schweren Entbindung zur Welt
kamen. Verf. steht durchaus auf dem Standpunkt, dass man
einer Kreissendon nicht jedes Verfügungsrecht über ihren Körper
abstreiten könne. Zumal bei der in Deutschland bestehenden
Ueberzahl an Gebxmten müsse der obige Satz besondere Beachtung
verdienen. Von allem dem abgesehen, ist der von Dührssen
angegebene vaginale Kaiserschnitt, d. h. die tiefen Inzisionen
durchaus nicht so einfach und ungefährlich, als man zuerst an-
ztmehmen geneigt war. Verf. erkennt voll und ganz an, dass die
operative Technik in der Geburtshülfe ihren wohlverdienten Platz
einnimmt, aber er wendet sich gegen eine allzu reichliche An¬
wendung und zu weite Indikationsstellung.
5. Zunker, Berlin: Bedarf der menschliche Organismus
hfinstlioher B^izmittelt
Diese Frage beantwortet Verf. in gedrängter Kürze mit ,Ja“,
wenn an den Organismus erhöhte Anforderungen gestellt werden,
sei es in Gestalt gesteigerter körperlicher oder geistiger Arbeit,
sei es, weil gewisse Störungen des Allgemeinbefindens vorliegen.
Der Alkohol in den geringen Mengen, wie ihn unsere Biere ent¬
halten, kann als ein durchaus zulässiges und unschuldiges der¬
artiges Beizmittei gelten, vorausgesetzt, dass der Genuss in
mäßigen Grenzen bleibt. Aus diesem Grunde hält Verf. die ex¬
tremen Abstinenzbewegungen für unberechtigt.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906, No. 6.
1. Ludwig, Panzer, Zdarek: Ueber die Vöslauer Therme.
Die Verf. haben die Vöslauer Thermalquelle einer eingehenden
qualitativen und quantitativen Untersuchung unterzogen und teil¬
weise die älteren Analysen bestätigen, teilweise noch erheblich
erweitern können. Nach ihren Untersuchungsresultaten enthält
die Vöslauer Therme folgende Bestandteile: Kalium, Natrium,
Calcium, Strontium, Magnesium, Eisen, Aluminium, Schwefelsäure,
Salzsäure, Phosphorsäure, Kieselsäure, Kohlensäure, Cäsium, Rubi¬
dium, Lithium, Baryum, Mangan, Arsen, Brom, Jod, Borsäure,
Ameisensäure. Jedenfalls eine ungemein reichhaltige und sehr
bemerkenswerte Zusammensetzung.
2. Freund, Beichenberg: Die gittrige Hornhanttrhbimg.
Verf. konnte 22 Fälle von gittriger Hornhauttrübung bei den
Mitgliedern einer grossen Familie nachweisen und damit den
durchaus hereditären Charakter dieser bösartigen und merkwürdigen
Erkrankung nachweisen. Nach seinen Beobachtungen Ist die
Krankheit folgendermaßen zu charakterisieren: es handelt sich
um eine hereditäre, nach dem Pubertätsalter in Erscheinung
tretende Komealveränderung, die gekennzeichnet ist durch graue,
oberflächlich gelegene Flecke in und um das Zentrum der Horn¬
haut, welche unter dem Epithel gelegen, dasselbe emporwölben
und zu grober Unebenheit der Homhautobei’fläche führen, durch
eine diffuse Hornhauttrübung, welche sich unter der Lupe in ein
gitterartiges Netzwerk auflöst und ausserdem, namentlich im An¬
fang radiär verlaufende besenreiserartige lineare Trübungen auf¬
weist; die Randpartien der Hornbaut bleiben immer von der Er¬
krankung frei.
Es besteht eine grosse Aehnlichkeit dieser Erkrankung mit
den von Groenouw zum erstenmal beschriebenen knötchenrörmigen
Hornhauttrübung. Die .\etiologie ist vollkommen dunkel. Neuer-
dings glaubt Wehrli, bei zwei Fällen von Gittertrübung dem
histologischen Befunde nach eine Tuberkulose der Hornhaut an¬
nehmen zu müssen. Verf. hält diese Annahme für nicht .sicher
erwiesen und möchte sich dei*selben nach seiner Untersuchung
nicht anscbliessen.
3. Beer, Wien: Zur Aetiologie des Puerperalfiebers.
Verf. teilt zwei sehr lehrreiche Fälle mit. Eine Frau er¬
krankt nach normaler Geburt an Puerperalfieber und stirbt. Eine
zweite Frau macht eine sehr schnell verlaufende Steissgeburt
durch, erkrankt an Puerperalfieber und stirbt. Bei beiden Frauen
ist dieselbe Hebamme, beide Frauen waren nicht touchiert worden.
Es stellt sich heraus, dass die Hebamme an einem beiderseitigen
Kieferhöhlenempyem litt und wahrscheinlich, indem sie nach Des¬
infektion der Hände das Taschentuch brauchte, die Kreissenden
infizierte. Seit das Empyem zur Ausheilung gebracht wurde, kam
in der Praxis der Hebamme kein Fall von Puerperalfieber mehr
vor. Es handelt sich also hier weniger um eine neue Aetiologie,
■wie um eine grobe Unsauberkeit der Hebamme.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 6.
1. Meyerhoff, Berlin: Zur Typhusdiagnose mittels des
Typhusdiagnostikums von Picker.
Verf. hat im Krankenhaus eingehend die Brauchbarkeit der
von Ficker modifizierten Gruber-Widal’schen Reaktion geprüft
und kommt zu einem durchaus positiven Resultat. Die Reaktion
versagt niemals, nur ist sie zur Stellung der Frühdiagnose nicht
geeignet, da sie nach den Erfahrungen des Verf. erst in der
Mitte oder am Ende der zweiten Krankheitswoche eintritt.
2. Petitti, Neapel; Ueberdie Ausnutzung der verschiedenen
Zuckerarten bei Diabetikern.
Verf. hat mit vier Zuckerarten Versuche angestellt und zwar
mit Traubenzucker, Lävulose, Rohrzucker. Milchzucker. Die Ein¬
führung geschah wechselweise per os und per rectum. Die Re¬
sultate der sehr sorgfältigen und genauen Untersuchungen ergaben
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84
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 7.
folgendes: 1. Der durch den Mastdarm eiugefUhrte Zucker wird
in der Tat als solcher resorbiert, welcher Art er auch sei. Dass
eine erhebliche bakterielle Zersetzung im Darm statthndet, ist
nicht anzunehmen.
2. Mau kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass der
durch das Rectum eingeführte Zucker besser ausgenutzt wird als
der durch den Mund gegebene.
3. Welcdie Zuckerart die in einem diabetischen Organismus,
sei es per os oder per rectum, auch eingeführt sei, es erfolgt immer
eine grössere Zuckeransscheidung aus dem Organismus, und -^war
von rechtsdrehendem Zucker.
4. Man kann nicht mit Sicherheit sagen, welches die von
einem diabetischen Organismus besser ausgenutzte Zuckerart sei,
der Milchzucker scheint noch am besten ausgenutzt zu werden,
am schlechtesten der Rohrzucker.
5. In schweren Fällen von Diabetes, sei der Zucker durch
den Mund oder durch den Mastdarm eingeführt worden, verändert
sich eine schon bestehende Äcidosis nicht und die Zuckeraus«
Scheidung bleibt unverändert, ohne von der Zuckereinführung be¬
sonders beeinflusst zu werden.
6. Die Zuckerklystiere und besonders diejenigen von Milch¬
zucker könnten in der diabetischen Diät Verwendung finden.
Verf. glaubt nicht, dass der per rectum eingeführte Zucker
direkt in die Blutbahn gelangt (Arnheim), sondern nimmt an,
dass er in der Leber in Gflykogen übergeht und eine bestimmte
Menge dort vorhandenen Glykogens verdrängt, welches in Gly-
kose verwandelt, in den Kreislauf übergeht und ausgeschieden
wird.
3. Lange, Tübingen; üeber chronische progressive Chorea
(Huntington) im jugendlichen Alter.
Die Angabe Huntington’s, dass die chronische progressive
Chorea im grossen und ganzen nur in den mittleren Altersstufen
vorkomme, besteht nicht ausnahmlos zu Recht, wenn auch Jugend¬
fälle immerhin zu den Seltenheiten gehören. Sehr bemerkenswert
ist, dass bei Prüfung der Stammbäume von Choreatikerfamilien
sich die Tatsache ergibt, dass die familiäre Chorea im allgemeinen
die Tendenz hat, in jeder folgenden Generation im Durchschnitt
jüngere Individuen zu befallen als in den vorhergegangenen.
Verf. teilt die Krankengeschichte eines Patienten mit, welchea
mit 26 Jahren erkrankte, während der Vater mit 48 Jahren im
Anschluss an ein Trauma choreatisch wurde. Auch bei dem
Patienten lag eine Art psychisches Trauma vor. Diese Traumen
sind lediglich als agent provoratenr aufzufassen und haben somit
ätiologisch nichts zu bedeuten. Die klinischen Erschein ongeii zer¬
fallen in somatische und psychische, die ersteren sind oft ganz
unbedeutend, die letzteren treten in einer relativ schnellen Ab¬
nahme der Intelligenz zu Tage. Aetiologisch ist sicheres nicht
bekannt, nach Auffassung des Verf, handelt es sich um Proli¬
feration fixer epitheloider Embryonalzellen, Wucherung der Glia
mit Schwund der spezifischen Elemente, Erweiterung der perivas-
culären Räume. Demnach wäre das Liegenbleiben embryonaler
Formelemente, das bedeutsamste Element in der Aetiologie dieser
Erkrankung. Direkte Behandlung vorgeschrittener Fälle ist aus¬
sichtslos, die Prognose durchaus infaust.
4. Br uh ns, Berlin: Die Indikationen der Böntgenbehand-
Inng bei Hanterkranknngen.
Verf. gibt folgende Zusammenstellung über die Erfahrungen,
welche bisher bei der Behandlung von Hautkrankheiten mit
Röntgenstrahlen gemacht worden sind:
1. Unsere heutigen Erfahrungen in der Röntgentherapie der
Hautkrankheiten zeigen, dass wir bei einer Anzahl von Hauter¬
krankungen mit der Bestrahlung ausgezeichnete Erfolge dort er¬
reichen, wo unsere bisherigen übrigen Behandlungsmethoden oft
im Stich gelassen oder in viel langwieriger Weise zum Ziel ge¬
führt haben. Diese guten Wirkungen der Röntgenbestrahlung
sind besonders bei chronLschen, trockenem Ekzem, Neurodermitis
circumscripta chronica, Pruritus localis, Lichen ruber verrucosus
Favus, Sycosis parasitaria und non parasitaria, chronische Funin-
culosis nuchae, Aknekeloid, Psoriasis, Hyperidrosis, multiplen ver-
rucä juveniles, teilweise bei malignen Geschwülsten, bei Myco.sis
fungoides und Rhinosklerom zu beobachten. Bei einigen anderen
Hauterkrankungen (Lupus erythematodes n. a.) sehen wir manch¬
mal, aber viel weniger regelmäßig gute Erfolge der Röntgen¬
behandlung.
2. Bei vorsichtiger Anwendung, unter Heranziehung der jetzt
vorhandenen, zur Kontrolle dienenden Hilfsmittel, kann man
schädigende Wirkungen der Röntgenstrahlen soweit sicher ver¬
meiden, dass die Behandlungsmethode au(^ bei relativ unbedeuten¬
den dafür geeigneten Hautkrankheiten wegen ihrer ausgezeichneten
Wirkung sehr empfohlen werden kann. Dieses ungemeui günstige
Zeugnis, welches der Verf. dem Röntgenverfahren hinsichtlich der
Dermatotherapie aussteUt, hat bisher nicht allseitige Zustimmimg
gefunden und dürfte wohl im Laufe der Zeit einige Einschränk¬
ung erfahren.
5. Goldschmidt, Berlin: Die Endoskopie der Hamröbre.
Verf. gibt eine vorläufige Mitteilung über ein von ihm zum
Zweck der Endoskopie konstruiertes Instrument. Das verfolgte
Prinzip besteht darin, dass die Harnröhre mittels Wasser ausge¬
dehnt wird imd damit dem Auge des Untersuchenden ein grösserer
Abschnitt und in Folge der Optik des Instrumentes vergrössert
zugänglich gemacht wird.
6. Tobias, Berlin: Die physikalische Behandlnag der
habituellen Obstipation.
Bei der habituellen Obstipation ist es zunächst von Wichtig¬
keit festzustellen, um welche Art es sich handelt, ob eine atonische
oder spastische Obstipation vorliegt. Bei der ersteren muss eine
reizende Nahrung gegeben werden, der Darm muss zur Tätigkeit
angeregt werden. Daneben sind hydrotherapeutische Prozeduren
im Sinne der Temperaturwechsel angezeigt, dazu kommt Massage,
Gymnastik. Ganz anders bei der spastischen Obstipation. Hier
eine möglichst reizlose Diät, keine Temperaturdifferenzen. Dagegen
ganze Packungen und warme Bäder, keine Massage, kein Elektri¬
sieren aber desto eindringlichere psychische Behandlung wie bei
Neurasthenikern.
Le Progres medical. 1905. Nr. 52.
1. Minet: Höfaits de la sonde de tronsse.
Mitteilung eines Falles, wo bei einem Prostatiker bei Harn-
retention durch einmalige forcierte Bougierung mit festem Katheder
Verletzungen gesetzt wurden, die zu einer leiäil verlaufenden Sepsis
führten. Daran wird die Mahnung'^ geknüpft, beim Kathederismus
von Prostatikern nur Nelaton-Katheder, allenfalls grosskalibrige
Hartgummisonden zu gebrauchen.
1906. Nr. 1.
2. Le für: Fatbog4nie et traitement de r^pididymite
blennorrhagiqne.
Abgesehen von den Infektionen der Epididymis auf dem
Blutwege bei Allgemeininfektion des Körpers, ist sonst stets nur
der urethrale Weg von Bedeutung. Speziell für die gonorrhoische
Epididymitis ist der Satz zu verteidigen, dass, wenn eine solche
sich einstellt, stets schon einige Zeit die Urethra posterior und
die Prostata gonorrhoisch infiziert gewesen sind. Von der hinteren
Harnröhre aus pflanzt sich die Infektion gewöhnlich per kontin-
uitatem auf der Schleimhaut fort und erreicht so die Samenwege.
Es gibt aber Fälle ganz akut einsetzender Epididymitiden, die
mehr als Perifuniculitis, Periepididymitis anzusprechen sind. Bei
diesen scheint die Infektion auf dem Wege der Lymphbahnen zu
erfolgen, in dem wohl meist durch eine Läsion der Schleimhaut
das gonorrhoische Virus in das Bindegewebe eindringt. Derartige
Läsionen können bedingt werden durch Stauungen des Inhalts der
Samenkanäle, namentlich wenn ein heftiger Druck darauf ausgeübt
wird bei forcierten Injektionen. Infektion der hinteren Urethra,
Prostata, der Samenbläschen und Ductus ejaculatorii sind imm er
Vorläufer einer Epididymitis. Die Therapie hat in erster Linie
eine Vorbeugung zu erstreben. Dazu empfehlen sich häufige
rektale Touchierungen, die einmal das Fortschreiten des Prozesses
frühzeitig erkennen lassen und ein Ausdrücken und Entleeren der
Prostata, Samenbläschen und Samenkanälchen ermöglichen. Ist die
Epididymitis zum Ausbruch gekommen, so sollen leichte Spülungen
der Harnröhre nicht ausgesetzt werden. Bettruhe, heisse oder
Eisumschläge erfordert das akute Stadium; bei Eiterbildung
Incision; später sind Massage, Dilatationen am Platze. Definitive
Heilung zu konstatieren, ist sehrJ schwierig; oft genug gibt es
Recidivej häufig bleiben die Patienten noch lange nach Schwinden
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1906 .
MBDICINISCHE WOCHE.
85
aller Symptome infektiös. Die Wiederherstellxmg der Durch¬
gängigkeit des Samenstranges tritt öfter ein als gemeinhin ange¬
nommen wird.
1906. Nr. 2.
Longuet: La str^ilisation da matdriel de satare, ligatnre,
sondage, drainage.
Nach Aufzählung und Besprechung des vielfältigen in Gebrauch
gezogenen Materials plaidiert Verf. für möglichste Vereinheitlichung.
Er verwirft strikte den Gebrauch des Catgut; als Nahtmaterial
empfiehlt er den Leinenfaden, den er der Seide als solider, gleich¬
mäßiger, sicherer sterilisierbar und resorbierbarer verzieht. Für
die Drainage der Bauchhöhle sind Gummidrains zu verwerfen,
Gazedrains zu verwenden. Sonden, Bougies sind am besten bieg¬
sam aus Aluminium anzufertigen.
Bücherbesprechung.
GyiiaeCOlogia Helvetica. Herausgegeben von Dr.
0. Beuthner, Privatdozent an der Universität Grenf. 5. Jahr¬
gang; Genf. Henry Kündig’s Verlag; 1905.
Der 5, Jahrgang der „Gynaecologia Helvetica“, der ca.
80 Seiten stärker ist als sein Vorgänger, .bringt wieder in der
dem Werke eigentümlichen, vorzüglichen kurzen und klaren Form
alles, was das Jahr 1904 aus der Feder nder Schweizer Fach¬
genossen hervorgebracht hat. Der 6. Abschnitt des Beuthner’schen
Werkes enthält interessante Mitteilungen aus dem Gebiete der
Veterinär-Geburtshülfe und Gynäkologie. Der mit einer sehr
reichen Anzahl trefflicher und naturwahrer Illustrationen (75) ge¬
schmückte Band bringt ebenso wie im Vorjahre noch einen kurzen
Ueberblick über die wichtigsten Erzeugnisse der ausländischen
Literatur; das Kapitel der „Geschichte und Gynäkologie“ in der
Schweiz wird durch Veröffentlichung biographischer Skizzen der
Prof. J. J. Hermann und Tb. Hermann, sowie die zweite
Hälfte der „Tagebuchnotizen“ des Prof. Bischoff ergänzt.
Die bis jetzt erschienenen 5 Jahrgänge der „Gynaecologia
Helvetica“ bilden den „ersten Band“ dieser Jahresschrift, und ein
„General-Namens- und Sachregister“ erleichtert das Nachschlagen
in dem ca. 1400 Seiten starken Bande. R. Katz-Berlin.
Kongresse.
Bsriin. Bei der Festsetzung des II. Kongresses der
Deutschen Rö nt gen gesellschaft ist leider übersehen worden,
da.ss mit dem 8. April <(. J. die Charwoche beginnt. Wir sind
deshalb genötigt, den Kongress anstatt am 8. und 9. April bereits
am 1. und 2. April d. J. abzuhalten. Der Kongress findet in
Berlin im Langenbeckhaus statt. Wir bitten, unser Zirkular
vom 29. V. M. dahin berichtigen zu dürfen.
Borlin. Der 35. Kongress der Deutschen Gesell¬
schaft für Chirurgie findet unter dem Vorsitz von Professor
Körte vom 4. bis 7. April im Langenbeckhause (Ziegelstr. 10/11)
statt. Es sind zur Besprechung folgende Themata vorgemerkt:
1. Kriegschirurgische Fragen nach den Erfahrungen im russisch-
japanischen Kriege. 2. Ueber die chirurgische Behandlung des Magen¬
geschwüres. 3. Ueber die weitere Entwicklung der Operation
hochsitzender Mastdarmkrebse. 4. Diskussion über dieBier’sche
Stauungsbehandlung bei akuten Entzündungen.
Vermischtes.
Loipzig. Verband der Aerzte Deutschlands zur
Wahrung ihr er wir tscha ft lieh en Inte ressen. Der Verband
erlässt folgenden Aufruf: Kollegen in Stadt und Land! Dem
ärztlichen Stande drohen neue ernste Gefahren! Wer kennt heute
nicht die verhängnisvollen Folgen der sozialpolitischen Gesetzgeb¬
ung für den deutschen Aerztestand? Wer wüsste nicht, welchen
wirtschaftlichen und sozialen Niedergang sie dem früher hochge¬
achteten Stande brachte? Einhalt wurde dieser unheilvollen Ent¬
wicklung erst geboten durch den Leipziger Wirtschaftlichen Ver¬
band. Sein Grundsatz war „Selbsthilfe“ auf Grund fester Organi¬
sation. Der Erfolg war überraschend. Die vorher uneinigen Aerzte
bildeten — fest zusammengeschlossen — bald eine Macht. Hunderte
von Landärzten wurden vor Vernichtung ihrer Existenz durch
eigensüchtige oder feindlich gesinnte Personen bewahrt. Tausenden
von Kassenärzten in Stadt und Land gelang es, sich mit ihrer
Hilfe aus unwürdiger Abhängigkeit zu befreien und eine ange¬
messene Entlohnung ihrer ärztlichen Leistungen zu erringen. Um
nicht weniger als 8000000 M. stieg das jährliche Kasseneinkommen
der deutschen Aerzteschaft. Mit dem Respekt vor der machtvollen
ärztlichen Gemeinschaft stieg auch wieder das Ansehen des ein¬
zelnen Mitgliedes. Trotzdem ist dringend zu warnen vor Selbst¬
täuschungen über die Sicherheit des Errungenen, vor Rückfall in
die alte Lauheit! Zweifellos geht der deutsche Arztebund schweren
Zeiten entgegen. Unsere Feinde greifen zu den schärfsten Gegen¬
maßregeln! Die zielbewusste Zentralleitung der „Ortskranken¬
kassen“ sucht eine grosse Gegenorganisation zu schaffen. Schon
jetzt sucht sie in die Kämpfe einzugreifen. Die „Betriebskranken¬
kassen“ zeigen gleiche Bestrebungen. Man hat zu dem Zweck
den „Rheinisch-Westfalischen Betriebskrankenkassenverband“ be¬
gründet. Die Bewegung geht von der Zentrale der mächtigen
westdeutschen Industrie aus. Veranlassung dazu ist bei beiden
nicht die Höhe der Honorare, sondern die Aljsicht, die Aerzte in
Abhängigkeit zu erhalten. Besonders grell tritt bei den Betriebs¬
krankenkassen dieses Bestreben hervor. Was man gegen den
Aerztestand im Schilde führt, zeigt unverhöUt die Eingabe der
„Rheinisch-Westfälischen Betriebskrankenkassen“ an den Reichstag,
worin kurz und bündig die Wiedereinführung des Kurierzwanges
verlangt wird! Man will den Aerzten verbieten, bessere Arbeits¬
bedingungen zu erstreben, gegen Uebergriffe sich zu schützen,
weil sie zum willenlosen Werkzeug heirschsüchtiger Kassenvor¬
stände machen; zum Unfreien! zum modernen Sklaven! Und da¬
mit nicht genug! Wie das in der „Münchner medicinisohen
Wochenschrift“ neuerdings veröffentlichte Rundschreiben das „All¬
gemeinen Deutschen Knappschafts-Verbandes“ an die Knappschafts-
vereine (s. Anlage) beweist, will mau die verhasste Organisation
der deutschen Aerzte — den Schutz und den Rückhalt des Einzelnen
gegen Willkür — sprengen. Als Werkzeug sollen die Knapp¬
schaftsärzte dienen! Man spiegelt ihnen fälschlicher Weise vor,
ihre Existenz sei durch die Bestrebungen zur Einfiihrung freier
Arztwahl gefkhrdet, obwohl gar kein Mensch daran denkt, Kollegen
die freie Arztwahl aufzuzwingen, die sie nicht selbst wollen. Man
will sie damit nicht allein von der übrigen deutschen Aerzte¬
schaft trennen, sondern sie auch veranlassen, durch Eingaben an
den Reichstag und durch Veröffentlichungen in der Presse ihre
Kollegen zu bekämpfen. Warum? — Man fühlt die Schwäche
der eigenen Stellung und braucht Helfershelfer aus dem Lager
der Aerzte selbst. Wer wird sich aber zu einer solch unwürdigen
Rolle hergeben? — Was wäre dabei auch zu gewinnen? Man
käme nur in schlimmste Abhängigkeit von Kassenvorstäuden,
deren wahre Gesinnung aus ihrem Ruf nach dem Kxirierzwang
deutlich genug hervorgeht. Bleibt aber das Vorgehen des „All¬
gemeinen Deutschen Knappschaftsverbandes“ jetzt auch erfolglos,
muss doch die deutsche Aerzteschaft stets auf neue Vorstösse ge¬
fasst sein. Ihre zahlreichen und mächtigen Feinde werden unab¬
lässig darauf hinarbeiten, ihre Widerstandskraft zu brechen und
sie niederzuringen. Wie ist dieser ungeheuren Gefahr zu be¬
gegnen? — Nur durch eigene Kraft! Durch Selbsthilfe! Nur
eine festgefügte, lückenlose Organisation macht die Stellung der
deutschen Aerzteschaft unangreifbar, macht sie unüberwindlich!
Und nur durch Anschluss Aller an die Gemeinschaft ihrer
Standesgenossen gewinnt der einzelne — schütz- und wehrlose —
Arzt Kraft zum Widerstande. Die Verkörperung der festgefügten
Gemeinschaft deutscher Aerzte ist aber der „Leipziger Wirt¬
schaftliche Verband“, die wirtschaftliche Abteilung des Deutschen
Aerztevereinsbundes. Ihm müssen daher Alle beitreten bis zum
Letzten! Dann wird auch die deutsche Aerzteschaft stark genug
sein, alle Angriffe abzuwehren, welcher Art sie auch sind und
woher sie auch kommen mögen! Die Zeiten sind ernst. Kein
deutscher Arzt darf im Kampf um die höchsten Güter seines
Standes teilnahmlos oder gar feindlich zur Seite stehen! An
unsere Mitglieder aber richten wir die dringende Aufforderung,
ihre Kraft in den Dienst der guten Sache zu stellen und die
ihnen bekannten Kollegen, soweit sie noch nicht Mitglieder sind,
für den Verband zu gewinnen.
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86
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 7.
Berlin. D er Zentral-Krankenpfiege-Nachweis für
Berlin und Umgebung hielt am Freitag Abend im Langen-
beckhaxise' seine Gener al-V er Sammlung ab, welche der Vor¬
sitzende des Ausschusses, San.-Rat Dr. S. Alexander, leitete und
an der n. A. Stadtrat Dr. Muensterberg, San.-Rat Dr. Henius,
Kreisarzt Dr. A. Dietrich und Dr. 0. Salomon teilnahmen.
Nachdem der Vorsitzende den verstorbenen Ausschuss-Mitgliedern
Generalarzt Dr. Schaper und Kommerzienrat Israel ehrende
Nachrufe gewidmet, erstattete zunächst der ärztliche Betriebsleiter
des Instituts Dr. P. Jacobsohn Bericht über die geschäftliche
Tätigheit im letzten Jahre, wonach sich wiederum ein erfreuliches
Wachstum desselben ergibt. Der Zentral-Krankenpfiege-Nachweis
wurde im Jahre 1905 im Ganzen in 1992 Fällen zur Besorgung
von Pflegepersonen in Anspruch genommen (gegen 1620 Fälle im
Vorjahre). Auch diesmal stehen die dringlichen Erkrankungsfälle,
wie akute Infektionskrankheiten, Schlaganfälle, Geistesstörungen,
Blutungen etc. im Vordergründe. In 694 Fällen wurde tüchtiges
Pflegepersonal zu wesentlich ermäßigten Sätzen, in 60 Fällen für
arme Kranke ganz unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Be¬
stellungen von Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern gingen in
548 Fällen von Aerzten, in 1160 Fällen von Privatpersonen aus;
die Nachsuchungen von Krankenanstalten haben sich im letzten
Jahre mit 242 Fällen verdreifacht. Wie in den Vorjahren, wurden
auch diesmal 4 mal mehr weibliche als männliche Pflegepersonen
verlangt. Die Zahl der Beschwerden war recht gering, die der
Anerkennungen von behördlicher und privater Seite erheblich.
Neben dem Kgl. Kultusministerium bat neuerdings auch die Stadt
Berlin, deren Krankenanstalten die Zentralstelle rege benutzen,
derselben eine materielle Beihilfe in Aussicht gestellt. Mit dem Verein
ärztlich geleiteter Irrenanstalten und der Pflegestation der Standes¬
vereine der Pfleger und Pflegerinnen wurden be.sondere Abkommen ge¬
troffen. Bei der kürzlichen Choleragefahr wurden eine Anzahl von
Baraken und Stromüberwachungastellen schnell in ausreichender
Weise besetzt. Auch der Schatzmeister Rentier H. Saxenberg
konnte in seinem Bericht günstige Kassenverhältnisse verzeichnen.
Die seitherigen Mitglieder des Ausschusses und Vorstandes wurden
wiedergewählt.
Bürlin. Exzellenz v. Bergmann ist in das Herrenhaus
berufen worden. — Die Berliner medicinische Gesellschaft
hat in der Sitzung am 24. Januar v. Bergmann und Senator
zu Ehrenmitgliedern ernannt. — Der Geschäftsauaschuss der
Berliner ärztlichen Standesvereine hat Herrn Geb. San.-
Rat Dr. Becher in Anerkennung seiner Verdienste um den Ver¬
band der Standesvereine zum Ehrenvorsitzenden ernannt. In den
Vorstand sind gewählt: 8. Alexander, 1. Vorsitzender; Koas-
mann, 2. Vorsitzender; J. Alexander, 1. Schriftführer; Henius,
2. Schriftführer; Saatz, Kaasenführer.
Bonn. Anlässlich der Silberhochzeit des Kaiserpaares hat die
Stadtverwaltung 50000 M. zugunsten der Fürsorge für Lungen¬
kranke bewilligt.
Hochschulnachrichten.
Breslau. Prof. Czerny, Direktor der Universitätskinder¬
klinik, ist an die Universität in München berufen.
Düsseldorf. An die Akademie für praktische Medicin sind
berufen Prof. Martin Benno Schmidt (Strassburg) als Pathologe,
Dr. Pfalz (Düsseldorf) als Ophthalmologe, Dr. Stern (Düsseldorf)
als Dermatologe.
Giessen. Dr. E. Leutert, a. o. Professor für Ohrenheil¬
kunde, ist als Direktor der Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohren¬
krankheiten nach Königsberg berufen.
Heidelberg. Eriv.-Doz. Dr. Steudel wurde zum ausser¬
ordentlichen Professor ernannt
Wien. Prof. v. Noorden in Frankfurt a. M. hat die Be¬
rufung als Vorstand der ersten medicinischen Klinik nach mehr¬
tägigen persönlich angenommen. Damit ist die lange Krisi.s end¬
lich glücklich gelöst.
Neu niedergelassen
haben steh ln
MUlbaiisen i. E. Dr. Victor Uannos. — GrossentMUfn. Dr. ined.
Heinrich Boorger.
Pamilien-Nachrichten.
Verlobt;
Fr. Dora Venn in Waldbröl mit Herrn Dr. med. Brano Birke in
Oörbersdorf i. Sihl — Frl. Kätc Friedonsohn mit Hrn. Dr. med. I’aul
ßonbeim in Hamburg — Frl. Tilly Hanau in Berlin mit Dr. med. Alfred
Frank in Berlin. — Frl, Mathilde Rclling mit Hm. Dr. med. Hermann
Uudolpb 'in Dortmund. — Frl. Anna Scrbulz in Wiesbaden mit Hrn. Dr.
med. Adrian ICeinp in Magdeburg. — Frl. Elisabeth ErseHus in Leipzig
mit Hrn, Dr. med. Heinr. ryrotb in Leipzig.
Vermählt:
Hr. Dr. med. Alex Rosenberg mit Frl. Anna Schallenborg in Ham-
bum. — Hr. Dr. mod. Johannes Koch mit Frl. Else Meyerboff in Solingen.
— Hr. Dr. med. Arno Hotzel mit Frl. Gertrud Schneider in Weimar.
Geboren:
Einen Sohn: Ilm. Dr. mod. Hecht in Nowawos-Neuendorf.
Eine Tochter; Hrn. Dr. med. Tiemann in Gelsonkirchon. — Hrn.
Dr. med. G. Lange in Kiel.
Gestorben;
Königl. Stabsarzt a. D. Dr. Hans Görlitz in Grossen (Oder). — Dr.
mod. Arthur Rosonfeld in Königsberg. — Dr med. Emil Schulte in Mar¬
burg. — Hr. Dr. med. Franz Wolf in Webingon.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung:.
Adresse; Ärztliches Auskunfts-Bureau des Geschifts-Aussohusses der
Berliner ärztlicli^n Standesvereine im Mediolnlsohen Waarenhause (Akt.-
Gee.), Berlin N., Frledrlohstrasee 108 I.
Kur pcrs^Snliche Ruckitprach« ist Herr Dr. Joaehini tägrllell von V«S~V|n im
Medicinischen Waarenhause anwesend (Mit eCtiger Krlaubnis des Uescnafti-Austehiisa«s
der Herliner ärztlichen Mandesvereine rom Auskiinfts-Hiireau der Med. Woche übermiitrlt
ln Westfalen wird für eine Heilanstalt sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1951.
In der Provinz I’osen wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1959. .
In Westproussen wird für sofort ein kreisärztlich geprüfter Vertreter
gesucht. Näheres unter No. 1970.
In der Prov, Hannover wird für sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 1984.
In der Mark wird fBr eine Rinderbeilstätte zum 1. April ein Assistent
gesucht. Näheres unter No. 1087.
In einem Vororte Berlin wird für sofort ein Assisteat gesucht.
Näheres unter No. 1989.
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No. 1992
ln Obersclilesicn wird für Anfang Juli ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 1994.
Im Riesengebirge wird von Ende Februar oin Vertreter gesucht.
Näheres unter No. 2(K)3.
In oinoni Berliner Vororte wird von sofort ein Assistent gesucht.
Näheres unter No. 2004.
In einem Berliner Vororte wird von Mitte Februar ein Vertreter ge¬
sucht. Näheres unter No. 2005.
In Berlin wird von Mitte Februar ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No 2006.
In Thüringen wird von sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter
No. 2007.
In Berlin wird von Anfang April ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 2008
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres unter No.
2009.
In Schlesien wird für sofort ein Vertreter gesucht. Näheres nntor
No. 2010.
ln der Mark wird für Ende Februar ein Vertreter gesucht. Näheres
unter No. 2011.
In Berlin wird für Anfang April ein Assistent gesucht. Näheres
unter No. 2012.
Betreffs der neueren Thymlanpräparate war die Meinung entstanden,
dass nur durch eine Beigabe von Brom die hustenstillende Wirkung ausge-
löst würde. Demgegenüber betonte der Hersteller des „Pertussin“, dass
sein Präparat spezicl bromfroi sei! „Um alle Zweifel zu beseitigen^' Hess
E. Fischer-Strassburg, der den Anlass zu diesen Kontroversen gegeben
batte, durch Gutbior-Erlangen speziell das Pertussin und das Dr. Rern’scbe
Kxtractum thymi I analysieren , und es ergab sich, dass beide Präparate
vollkommen bromfrei waren. B. Fischer gibt diese Rechtfertigung gleich¬
falls in der Deutsch, med. Wocbenschr. (Jahi^ang 1903, Nr. 51.)
A. R.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. MeUsner, BerlinW. CI, KurfOratenatr. 81. — Verlag von Carl Marhold. Halle a S.
Druck von der HeynemaDn'achen Buehdniefcerei, Gebr. WoIfT, Halle a. S.
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Medicinische Woche
R. Kobert, *M. Koeppen. K^^PArtsch, H. Rosln* H. SchlAOgf,
Rostock. Berlin. Breslau. Berils. HaDoover.
H. Uarenicht, A. Vouias,
Magdeburg. Olessea.
VD. Jahrgang. !9. Februar 1906. Nr. 8.
Redaktion:
Berlin W. 62* KnrfArstenstmsse 81.
Dr. P. Meißner.
Deo schmann, A. Dfihrssen, A. Hoffe, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br.
H. Seoator, R. Sommer,
Berlin. Qiessen.
Herausgegeben von
Verlag und Expedition
Carl Marbold ln Halle a^S^ Uhlandstrasse 6.
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Originalien.
Zur Ätiologie der Knorpel- und Nierengicht.
Von San.'Rat Dr. Soherk (Bad Homburg).
Es mag gewagt erscheinen, bei den vielen Arbeiten, welche
in den letzten Jahren von bekannten Forschern über das Wesen
und die Behandlung der Gicht geliefert sind, wiederum die
Feder zu ergreifen und die Pathogenese der uratischen Diathese
von einem Standpunkte aus zu beleuchten, welcher bis jetzt
noch wenig Anhänger gefunden hat.
In Nr. 47 und 48, 1905, der Med. Woche habe ich die
Ursachen der Zuckerkrankheit auf eme gestörte Hydrolyse
der Kohlehydrate und eine mangelhafte Oxydation der Dextrose
zurückgeführt und habe ausgefiihrt, dass alle Fälle von Dia¬
betes sich ätiologisch in dieses Schema einpassen lassen, eine
Widerlegung dieser Anschauung ist bis heute von keiner Seite
erfolgt.
Bei der ausgesprochenen Koinzidenz der Gicht mit der
Zuckerkrankheit und der Fettsucht liegt es auf der Hand, die
Ursache der Gicht von einem analogen Gesichtspunkte aus zu
beurteilen. In verschiedenen Veröffentlichungen aus den letzten
Jahren, habe ich demnach die Ansicht zu verteidigen gesucht,
dass auch hier wieder der gestörten Fermentwirkung eine her¬
vorragende ätiologische Rolle zuerkannt werden muss.
Die Bedeutung der Ferment- resp. Enzymwirkung für die
Bestreitung des normalen Stoffwechsms ist bekanntlich erst in
jüngster Zeit in den Vordergrund getreten und namentlich ist
es das Verdienst anerkannter physiologischer Forscher, diesen
neuen Weg zur Erkenntnis des Zellenchemismus eröffnet und
das Steuer der Wissenschaft in diese Richtung gelenkt zu
haben.
In diesem Sinne schreibt Franz Hofmeister*) in seinem
Vortrage, welchen derselbe vor 6 Jahren auf der Hamburger
Naturforscherversammlung zu halten beabsichtigte:
„Id der Tat haben scharfsichtige Forscher, vor allem
Hoppe-Seyler, schon vor langen Jahren, da fast nur die
Fermente der Sekrete bekannt waren, die Vermutung gehegt,
dass auch in den lebenden Zellen solche Fermente tätig sind.
Seitdem ist es in ungezählten Fällen gelungen, aus dem Innern
der Zellen solche „intrazelluläre Fermente“ ans Licht zu
ziehen und in vielen Fällen ihre Bedeutung für die vitalen
Vorgänge klar zu stellen. Ja es hat sich bei den nahezu
täglich sich häufenden Befunden eine so allgemeine Verbrei¬
tung der Fermente in den Organismen und eine solche Mannig¬
faltigkeit der Wirkungsweise herausgestellt, dass man fast darauf
rechnen kann, früher oder später für jede vitale chemische Reak-
*) Die chomisch® Organisation der Zello, von Prof. Franz Hofmeister,
Braunschweig 1901. Verl, von Viewog & Sohn.
tion ein zugehöriges, spezifisch auf diese abgestiinmtes Fer¬
ment ausfindig zu machen.“
Immerhin müssen wir auch heute noch zugeben, dass uns
die Aktivierung der Enzyme, welche das Produkt der secre-
torischen Drüsenzellentätigkeit darstellen, also aus Drüsen mit
Ausführungsgängen stammen, leichter verständlich ist, als die
Einwirkung der intrazellulären Fermente.
Wir wissen, dass die Wirkung der hydrolj^schen Fer¬
mente im Verdauungstraktus, durch verschiedene Faktoren be¬
dingt wird.
Es müssen, wenn ihre Wirksamkeit auf die Nährstoffe von
Erfolg sein soll, die Profermente die Drüsenschläuche ver¬
lassen, die Reaktion des Mediums und die Beimengungen
mehrerer Enzyme und Säfte sind in Betracht zu ziehen. Soll
eine Spaltung resp. Invertierung der verschiedenen Nährsub-
stanzen durch Wasseraddition statffinden, so müssen dem spe¬
zifischen Fermente bestimmte Angriffspunkte in der zu~ zer¬
setzenden Substanz dargeboten werden, die eigenartige Kon¬
figuration der Moleküle wird nach dieser Richtung hin auf
die Wagscbale zu legen sein. Wenn andererseits einzelne
Fermente sich gegenseitig in der Wirkungsenergie unterstützen,
so kann derselbe Erfolg auch durch Hmzutritt anderer Säfte
erzielt werden. So ist z. B. nicht zu bestreiten, dass die Wir¬
kung des pankreatischen fettspaltenden Enzyms durch Gallen-
zufiuss unterstützt wird.
Erwägen wir andererseits die Wirkungsweise der verschie¬
denen Fermente. wie dieselben in den Leberzellen nachge¬
wiesen sind, so müssen wir eingestehen, dass bei der Erkennt¬
nis dieser interzellulären Produktividät einzelne Faktoren noch
tief verschleiert sind und noch ein dankbares Forschnngsfeld
zu eröffnen ist, um auch diese komplizierten Verhältnisse zu
klären.
Es steht fest, dass in den Leberzellen ebenso wie das
Trypsin der Pankreaszellen, ein nncleinspaltendes Ferment
produziert wird.
Die Funktion der LeberzeUen korrespondiert einerseits mit
der pankreatischen Drüsenzelltätigkeit, ist aber andererseits
viel umfangreicher; denn während von den Pankreaszellen nur
vier verschiedene Enzyme produziert werden, sind in den Leber¬
zellen über zehn verschiedene Fermente nachgewiesen.
Da nicht zu bestreiten ist, dass die Nucleine die Mutter¬
substanz der Harnsäure bilden, so ist einleuchtend, dass uns
die nucleinspaltenden Fermente der Pankreas- und der Leber¬
zellen bei der Ergründang der ätiologischen Momente der
Gichterkrankung in erster Linie interessieren.
Es gibt bekanntlich verschiedene Sorten von Nuclein.
Dasselbe stellt eine Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff,
Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel dar. Das aus
Spermatozoen dargestellte Nuclein unterscheidet sich von den
übrigen Nucleinen durch den Mangel an Schwefel. Durch
Kossel wurde die Ansicht Hoppe-Seyler's bestätigt, dass
durch Erhitzen von Dotter-Nuclein und Milch-Nuclein mit
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MBDICINTSCHE WOCHE.
Nr. 8.
schwachen Sänren keine stickstoffreichen Basen, wie Guanin und
Hypoxanthin gebildet werden. Dagegen zerfallen die Bestand¬
teile des Zellkerns, welche die Vereinigung eines ei weissartigen
Körpers mit einem organischen, Phosporsäure enthaltenden
Atomkomplex darstellen, beim Kochen mit Wasser oder ver¬
dünnten Säuren unter Entstehung eines Eiweisstoffes in Hypo¬
xanthin (Xanthin, Guanin, Adenin und Phosphorsäure).*)
Aus den Untersuchungen von Schröd-er und Minkowski
geht hervor, dass die Harnsänre vorzugsweise in den Leber¬
zellen gebildet wird.
Unter normalen Verhältnissen, so müssen wir folgern,
wird der Nucleinbestand der Blutzellen durch die Einwirkung
des spezifischen Leberenzyms in Harnsäure umgewandelt, die¬
selbe wird entweder weiter oxydiert oder durch die Nieren ausge-
schieden. Dahingegen sind wir nach der normalen Abwick¬
lung der fermentativen Vorgänge vollkommen berechtigt, zu be¬
haupten, dass die Nucleine, welche mit den Nahrungsmitteln
dem Organismus zugeführt werden, zunächst der hydrolytischen
Spaltung des pankreatischen Trypsins unterliegen.
Unter pathologischen Verhältnissen können dagegen sowohl
im Darme als auch in der Leber durch minderwertige Enzym¬
wirkung bei der Umprägung der Nucleine Albuminoide ge¬
bildet werden, welche sich durch eine modifizierte Konfiguration
der Moleküle, von den normalen Umsatzprodukten unterscheiden.
Diese veränderte Anordnung der Moleküle wird zu einer her¬
abgesetzten Verbrennungsfahigkeit führen.
Beurteilen wir von diesem Gesichtspunkte aus die Bildung
von Harnsäure unter pathologischen Bedingungen, so liegt auf
der Hand, dass die Vernrennung derselben bis zu einem gewissen
Grade erschwert wird.
Suchen wir zunächst zu ergründen, auf welche Ursachen
bei der Entwicklung der uratischen Diathese die minderwertige
Enzyrnwarkung zurückzuleiten ist, so müssen wir die gestörte
Nervenzellentätigkeit als verantwortlichen Faktor ansprechen.
Schon vor 3 Jahren habe ich in einer Arbeit über „die
neurogene Ursache der Gicht und deren Behandlung“*) darauf
hingewiesen, dass nicht nur die ausgesprochene Heredität,
wie dieselbe bei den Gichtkranken nicht zu bestreiten ist,
sondern auch der negative pathologisch-anatomische Befund
des Pankreas und der Leber für eine nervöse Affektion sprechen.
*) HallibartoD, Chem. P^aiol. u. Pathol. S. 211.
•*) Verlag von Vogel & nreienbriok. Berlin 1903.
Feuilleton.
Die Krankheit
des Königs Ladislaus von Neapel.
Von Dr. Erich Ebstein {Göttingen).
Es ist bekannt, dass Wladislaw (Ladislaus) von Anjou,
König von Neapel (geh. 1375), mitten in einem zweiten Sieges¬
lauf gegen den Papst Johann XXII. in Perugia von einer töt-
lichen Krankheit ergriffen wurde, der er in Castelnuovo am
8. August 1414 — im Alter von 39 Jahren — erlag. Um
welche Krankheit es sich gehandelt hat, wird nicht berichtet.
In den kirchlichen Annalen zu dem Jahre 1414 sagt
Raynaldus, sich auf Theodoricus e Niem beziehend:
„Inter medios sucessus cum Italiae imperium Ladislaus affec-
taret, morbo corruptus ex ilUto genitalibus a scorto Perusino,
ut ajunt, veneno, sive ignesacro divinitus immisso, utperquae
peccarat, per la puniretur, Neapolin reversus est, octavoque
Augusti die interiih“.*) Aus dieser Notiz lässt sich nicht mehr
sagen, als dass es sich bei Wladislaw um eine „venerische Affek¬
tion“ gehandelt hat, und nicht wohl um Syphilis, der
Hermann Friedberg**) den Tod des Königs zuschreiben will.
*} Annalds ecclesiastici ab anno 1198 . . . Auctore 0. Hajnaldo.
Aticednnt in hac editione notae etc. Aactore Joanne Dominico Mausi Lu-
censi. Tom 8. Locae 1754. fol. Christi annas 1414. pag. 376.
**) Die Lehre von den venerischen Krankheiten in dom Ältertame and
Mitteluter: Berlin 1865 S. 12.
Auch ist die hohe Zahl von Gichtleidenden in England neben
dem starken Fleischkonsum, meiner Ansicht na^, auf die
hereditäre Anlage zurückzuleiten. In keiner Nation ist die In¬
zucht so vertreten, wie in diesem Insellande. Ebenso weist
die Entwicklung der Bleigicht auf einen nervösen Faktor hin.
Einige Autoren haben bei Gichtleidenden eine Stanungs-
hyperämie der Leber konstatiert und es ist einleuchtend, dass
dieser Nachweis eher für als gegen eine nervöse Beeinflussung
spricht, da eine Paralyse der Vasomotoren sich mit der mangel¬
haften Innervierung vollkommen in Einklang bringen lässt.
Dass durch eine fehlerhafte Innervierung der Tonus der
Drüsenzellen herabgesetzt werden kann, und minderwertige
Enzyme produziert werden, ist durch experimentelle Unter¬
suchungen bewiesen.
Bekanntlich wird die Funktion der Leber mit einem Filtrier¬
apparat verglichen, es ist nicht nur die Aufgabe der Leber-
zellen die umgewandelten Nährstoffe von den unbrauchbaren
Schlacken zu scheiden, sondern dieselben sind anch befähigt,
die Umprägung der Nährstoffe bis zur Oxydationsstufe zu
vollenden.
Namentlich werden die Blutmengen der Pfortader der
Leber Material Zufuhren und der hohe Eisengehalt der Leber
weist darauf hin, dass dieselbe speziell als Departement zur
Auflösung der Blutzellen Verwendung findet
Ein Teil des Eisens wird in den Leberzellen angehäuft,
es stammt unzweifelhaft aus dem Hämoglobin. Das Gallen¬
pigment stammt ebenfalls aus dem Hämoglobin, ist aber
eisenfrei.
Aus diesen Befunden lässt sich die Folgerung ziehen, dass
ein Zerfall der Blutzellen stattgefunden hat und die Schlacken
mit der Galle exportiert werden.
Von einem anderen Standpunkte aus lässt sich dagegen
der Eisengehalt der Milz und der anderen hämapoetiscnen
Organe deuten. Dieselben entnehmen ihren Eisengehalt infolge
der Normen derselectiven Zellenfunktion dem arteriellen Blutstrom
und verwenden das Eisen als Baustein des Hämoglobins. Die An¬
nahme, dass das Eisen nach der Resorption nur als Reizmittel
für die Funktion der blutbereitenden Organe diene, ist von
der Hand zu weisen. Es findet ebensogut ein Ersatz der
Eisenmengen im Organismus durch Zufuhr statt, wie wir die
anderen anorganischen Substanzen bei einem Manko durch
Verabreichung ausgleichen können.
Nun erhielt ich vor kurzem durch die Freundlichkeit des
Herrn Privatdozenten Dr. Beckmann in München, für die ich
ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage, folgende
bisher ungedruckte Notiz aus einem Briefe vom August 1414,
in der es heisst: — — prope Urbem in Castro Montis Rotundi
quaedam letalis infirmitas in virga ipsum acriter invasit, cui
cancer se conjunxit, ipsum usque ad viscera corrodendo“.
Diese wenn auch kurze, so doch recht charakteristische
Beschreibung des Leidens kann man wohl nicht, wie seiner
Zeit Friedberg es tat, auf Syphilis beziehen, sondern es
wird aufs allerdeutlichste ein typischer, gangränöser, serpigi-
nöser Schanker*) (cancer) beschrieben, der vom Membrum
virile aus weiterkriecht, sich allmählich auf die Nachbarschaft
verbreitet und bei unzweckmäßiger Behandlung — in dieser
Zeit nichts Aussergewöhnliches — zum Tode führen kann, wie
es bei Ladislaus der Fall war.
Aus dieser Schilderung kann man wahrlich nicht auch
nur den geringsten Anhaltspunkt für eine syphilitische Er¬
krankung entnehmen und einen Beweis gegen die neuzeitliche
amerikanische Herkunft ableiten, die meines Erachtens Iwan
Bloch**) in seinem bekannten Werke überzeugend dargelegt
hat.
•) Vgl. Hebra und Kaposi, Lehrbuch der Hautkrankheiten. Stuttgart
J876 S. 513 und J. Bloch in: Neuburger und Papel III. Band 1904, S. 403.
*♦) Vgl. Iwan Bloch, Der Ursprung der Syphilis. Bd. 1. Jena 1904
(Bd. 2 im Drucke); von demselben Autor: Das erete Auftreten der Syphilis.
Jena 1904 und Kalenbergs encyklopädische Jahrbilcber. Neue Folge. 3.
Band (Sonderabdruck 14 Seiten).
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im
MEDICmiSCHB WOCHE.
89
Andererseits ist die Hauptaufgabe der Leberzellen auf die
weitere Umwandlung der Nährsubstanzen zu beziehen, in dieser
Richtung haben die verschiedenen Fermente der Leberzellen
die ßefähi^ng den Abbau der Nährsubstanzen zu bewerk¬
stelligen. Das Material wird denselben durch die Portalvene
übermittelt und die retrogressiven Prozesse, welchen die Blut¬
zellen speziell im LeberWutkreislaufe ausgesetzt sind, begün¬
stigen die Einwirkung der verschiedenen Fermente.
Das synthetisch im Organismus gebildete Zellkemeiweiss
wird durch das nucieinspaltende Enzym unter normalen Ver¬
hältnissen so umgewandelt, dass eine oxydable Harnsäure ge¬
liefert wird, welche dann auch zum Teil zu Harnstoff und
Kohlensäure verbrannt wird. Es ist hier nicht meine Aufgabe,
die Zwischenstufen aufzuführen, welche bei der Umwandlung
von Harnsäure in Harnstoff von verschiedenen Autoren ange¬
nommen werden.
Die Frage ist noch nicht gelöst, ob Glykokoll (Latham,
Haig, Kionka), ob die Xanthinbasen oder andere intermediäre
Faktoren zu berücksichtigen sind. Entschieden ist jedoch,
dass bei der Bildung der Harnsäure sowohl, als auch des Harn¬
stoffs die Nieren nicht beteiligt sind, letztere dienen nur als
Ausscheidungsorgane.
Auch würde es zu weit führen hier auf das Verhältnis
der Hamsäureausscheidung zum Harnstoff näher einzugehen,
die verschiedenen Beobacntungen, weiche sowohl unter nor¬
malen Verhältnissen als auch bei Gichtkranken von den ver¬
schiedenen Forschem angestellt sind, können in jedem Werke
über Gicht eingesehen werden. Der Kernpunkt meiner Deduk¬
tion besteht in der These, dass bei der uratischen Diathese
durch eine minderwertige Fermentwirkung aus den Nucleinen
schliesslich eine Harnsäure gebildet wird, welche nicht so
leicht oxydabel ist, wie die unter normalen Verhältnissen ge¬
schaffene Harnsäure. Dieselbe wird sich durch ihre modifizierte
Molekniekonfiguration anderen Affinitätsgesetzen imterordnen
and sich durch ihre erhöhte Acidität zu den Basen in den Ge¬
weben hinziehen, um sich mit denselben zu einem unlöslichen
Salz zu verbinden. (Schluss folgt.)
William Harry (jilbert f.
Am 1. August 1860 als Sohn eines englischen Offiziers
und einer deutswien Mutter geboren, lebte Gilbert bis zu seinem
17. Jahre in England. Er kam dann erst so spät in Wies¬
baden aufs Gymnasium, studierte in Strassburg und Erlangen
und ging als Schiffsarzt auf einer längeren Reise nach
Südamerika. Von dort zurückge¬
kehrt kam er nach Baden-Baden,
warddortAssistent in einem Sanato¬
rium und gründete / im Jahre 1894 zu¬
sammen mit Medi- cinalrat Frey die
bekannte und bei j \ allen deutschen
Aerzten geachtete \ und beliebte An¬
stalt Frey-Gil- ’ bert. Von uner¬
müdlichem Fleiss 1:,); /beseelt, hat Gil¬
bert, 'den gewiss . / das relativ hohe
Alter, in dem er Gymnasium
kam, viel Schwie- rigkeiten machte,
es verstanden, sich eine allseitig ge¬
achtete Stellung in der deutschen
Aerztewelt zu ver- schaffen. Er war
ein glänzender Therapeul^, ein hervorragender Diagnostiker
und verband mit reichen wissenschaftlichen Kenntnissen ein
seltenes Organisationstalent, welches ihn befähigte fortschritt¬
lich in jeder Richtung innerhalb seines Tätigkeitskreises zu
wirken. In allererster Linie hat er die grosse Bedeutung des
psychischen Einflusses in der Behandlung rechtzeitig erkannt
und die grosse Zahl dankbarer Patienten beweisen, wie sehr
er imstande war, durch seine eigene Persönlichkeit, durch
seinen nie versagenden Humor, durch eine zur rechten Zeit be¬
tätigte Energie zu helfen und zu heilen.
Unermüdlich vom Morgen bis zum Abend tätig, hat er
Zeit gefunden, neben seiner grossen und ausgedehnten Anstalts-
tätigkeit und Praxis eine Reihe von Unternehmungen zu fordern,
deren Bedeutung für die Aerzteschaft er mit weitschauendem
Blick erkannte. So beg^ndete er im Jahre 1901 das Komitee
zur Veranstaltung ärztlicher Studienreisen, ein Unternehmen,
das sich von J^ zu Jahr grösserer Beliebtheit erfreut und
dessen Seele er gewesen ist und dessen gelungene Ausführung
ein Beweis für seine unermüdliche Energie und für sein ver¬
söhnliches und liebenswürdiges Temperament bildet
Er begründete ferner die Balneolodschen Kurse in Baden,
die sich einer grossen Frequenz zu erfreuen haben, und nicht
allein für den Kurort Baden, sondern für die Aerzte Deutsch¬
lands und des Auslandes eine Stätte der Belehrung und An¬
regung bilden. Die ausgedehntesten Beziehungen zu Patienten
und Kollegen ermöglichten es ihm, auch die Vorzüge aus¬
ländischer Einrichtungen in seinem Wirkungskreis zur Geltung
zu bringen. Er erwarb sich die Anerkennung vieler Souveräne,
war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und
hat ausserdem auch literarisch eine Reihe bedeutsamer Publi¬
kationen vollendet.
Seine Gesundheit konnte wohl mit der seltenen Energie
und dem nie ermüdenden Fleiss nicht Schritt halten, er hat
öfter empfinden müssen, dass auch der Körper geschont sein
will und es war ihm nichts schmerzlicher, als wenn das eigene
Befinden ihn an der Ausführung irgend eines Planes hinderte.
Eins der Hauptziele seines Lebens, der Neubau seines Sana¬
toriums, war gerade so weit, dass in kurzem der Einzug hätte
gehalten werden können. Da rief ihn ein unerbittliches Ge¬
schick ab. Auf der Höhe seines Wirkens und Könnens hat
ihn eine tückische Krankheit dahingerafft. Er war im Begriffe
im Interesse der diesjährigen Studienreise in Stuttgart Ver¬
handlungen zu pflegen, als er plötzlich an einer Lungenent¬
zündung erkrankte, die zentral beginnend, immer weiter und
weiter um sich griff und unter den schwersten Erscheinungen
das Ende brachte.
Gilbert gehörte zu den seltenen Menschen, deren Tod
wirklich eine Lücke hinterlässt. Er war ein Arzt im besten
Sinne des Wortes, er war nicht Arzt als Wissenschaftler allein,
er war daneben auch Mensch. Er war ein stets hilfsbereiter
nachsichtiger und liebevoller Kollege, jeder der mit ihn in Be¬
rührung gekommen, hat ihn zum Freunde gewonnen, alle die
ihn kannten, verehrten ihn, und er konnte Freund sein, er war
es nicht nur in guten Tagen, sondern er war es dann, wenn
man Freunde braucht.
Sein Wesen im grossen und ganzen voll Humor hatte oft
etwas komisch-poltemdes, vielleicht auch hin und wieder hef¬
tiges, aber das kam ihm nicht von Herzen, dass war nur die
äussere Form; er war ein guter Mensch, ein Mensch, der sich
in andere hineindenken konnte, der alles verstand und alles
verzieh.
He was a man take him for all in all
I shall not look upon his like again.
Leicht sei ihm die Erdel
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medici/nische QeseUschAxft,
Sitzung vom 7. Februar 1906.
Vor der Tagesordnung:
Katzenstein demonstriert eine Patientin mit einem Aneu¬
rysma der Arteria maxillaris, das als pulsierender Tumor am weichen
Gaumen und hinter dem Kieferwinkel in die Erscheinung tritt.
Tagesordnung:
Diskussion Über den Vortrag Falkenstein.
Senator erkennt die Wichtigkeit der Ergebnisse der Tier-
ezperimente für die Salzsäuretheorie an.
Falkenstein: Schlusswort.
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 8.
Diskussion über den Vortrag Blascbko.
Saalfeld bestätigt die günstigen Erfolge der Radiumtherapie.
Doch hat er öfters intensive Schädigungen der Haut gesehen.
Blaschko glaubt, dass sich solche bei vorsichtigem Verfahren
vermeiden lassen.
B. Fränkel zeigt eine Patientin, die er vor Jahren der Ge¬
sellschaft mit einer Elephantiasis ossea vorgestellt hat. Damals
wurde von Virchow die Möglichkeit eine.s Zusammenhanges mit
Lues verneint. Trotzdem wurden später Innunctionskuren eingeleitet,
die zur Heilung führten. Weiter zeigt er einen Patienten, bei
dem sich im Anschluss an ein Trauma allmählich eine Hyperostose
des Oberkiefers entwickelt hat. Zur Zeit wird derselbe mit Arsen
behandelt: sollte ein Erfolg ausbleiben, soll auch hier Queck¬
silberkur eingeleitet werden.
Diskussion.
Grumnach berichtet über einen ähnlichen Fall von Ober¬
kieferhyperostose.
Warnekros: Demonstrationen aus dem Gebiete der tech¬
nischen Zahnheilkunde.
Nach Erörterung der anatomischen Verhältnisse und des Kau-
niechaui-sinus erläutert er, wie durch Entfernung einzelner Zähne
ohne Ersatz durch Aenderung der Belastung eine Schädigung des
Gebisses herbeigeführt wird. Die anormale Belastung führt zu
Lockerung der Zähne in den Alvaeolen mit folgendem Zahnstein¬
ansatz, zu Stellungsanoraalien, die Berührungsflächen schaffen, die
die Caries begünstigen. 76®^ aller Fälle von Wurzelentzündungen,
Cariea und dadurch bedingten Zahnverlust könnte durch recht¬
zeitigen , nach anatomischen Grundsätzen vorgenommenen Ersatz
vermieden werden. Nur auf diesem Wege wird sich die Erhaltung
eines guten Gebisses bis ins Alter ermöglichen lassen.
Verein für innere Medicln.
Sitzung vom 5. Februar 1906.
Vorsitzender Herr Kraus. Schriftführer Herr Ijitten.
Vor der Tagesordnung: ’
1. Herr Westenhoeffer beantragt eine Aenderung der Ge-'
schäftsordnung dahingehend, dass die Diskussionen zu den Vor-;
trägen nicht mehr über eine bezw. mehrere Sitzungen aufgeschoV)en
werden dürfen.
Herr Kraus verspricht, der Geschäftsordnnngskommission
einen entsprechenden Vorschlag einzubringen.
2. Herr Kraus verliest eine Einladung der Physiologischen
Gesellschaft für die Mitglieder des Vereins zur Sitzung am Freitag,
den 16. Februar, in welcher Herr Büchner-München über „Den
Nachweis von Enzymen in den Mikroorganismen“ sprechen wird.
3. Herr von Leyden hält einen Nachruf auf den in Leyden
verslorbenen Prof. Rosenstein, zu de.ssen Andenken [sich die
Anwesenden von den Sitzen erheben.
4. Herr Löwenstein, Belzig macht eine vorläufige Mitteilung
betreffend einen „Vorschlag zur spezifischen Therapie der chro¬
nischen Infektionskrankheiten“. Er rät eine Immunisierung mit
den von den einzelnen Patienten stammenden Erregern bezw. obige
Erkrankungen mit bisher unbekannten Erregern mit dement-
.sprechenden Körperflüssigkeiten oder Geschwulstextrakten (beim
Carcinom).
Tagesordnung:
1. Diskussion zum Vortrag des Herrn L. Lewin: Das
Schicksal körperfremder chemischer Stoffe im Menschen.
Herr Kraus: Mit der ostalistischen Auffassung Herrn Lewins
sei es schwer in Einklang zu bringen, dass Jod doch eine für
den Organismus wichtige und trotzdem für den Neugeborenen
körperfremde Substanz sei.
Herr Bonninger: Der Satz, dass sich alle Drüsen propor¬
tional ihrer Grösse und ihrer Sekretionsmenge an der Ausscheidung
körperfremder Substanzen beteiligen sollen, dürfte wohl nicht all¬
gemeine Geltung haben. Jodau.sscheidung ist absolut unabhängig
von der Urinmenge. Gibt man einem Hunde Brom, so übernimmt
das Brom die Funktion des Chlors, so findet sich BrH im Magen,
und im Serum wird das ClNa durch BrNa teilweise ersetzt.
Auch die Zweckmäßigkeit der Ausscheidung muss für manche
Fälle bezweifelt werden. j
Herr P. Lazarus erwähnt das eigenartige Phänomen, dass
selbst bei der Einverleibung grosser Dosen von Jodsalzen kein J
in der Oerebrospinalfiüssigkeit nachweisbar ist; während J im
Harn auftritt nach intraduraier Einverleibung von etwa 4 mgr
JNa.
Herr Brat bittet um Auskunft, in welcher Weise die Wärme
die Ausscheidung körperfremder Stoffe beeinflusse. Jod wird
hauptsächlich im Urin ausgeschieden, in der Galle, deren Menge
etwa die Hälfte der Urinausscheidung beträgt, findet sich J nur
sehr spärlich.
Herr Biel: Das Hauptausscheidungsorgan ist die Niere. Die
Drüsen unterscheiden sich ganz wesentlich bezüglich ihrer Aus-
süheidungsfäbigkeit. Auch auf die Art der Einverleibung kommt
es an.
Schlusswort Herr Lewin: Die experimentell erzielten Resul¬
tate seien dort, wo Operationen nötig wären, nicht eindeutig wegen
der veränderten Bedingungen; dabei spiele bei der erhöhten Blut¬
zufuhr auch die Wärme eine Rolle. Den Standpunkt der Teleo¬
logie halte er aufrecht. Den Satz, dass jede Drüse befähigt sei,
körperfremde Substanzen auszuscheiden, sei richtig mit der von
ihm stets gemachten Einschränkung, dass nicht Hemmnisse physi¬
kalisch-chemischer Natur vorhanden seien. Jod sei auch für den
Neugeborenen keine körperfremde Substanz.
2. Diskussion zum Vortrag des Herrn Mohr.
Herr Langstein bezweifelt, ob mit dem Glycocoll als
Zuckerbildner viel anzufangen sei; weil es ein intermediäres Stoff¬
wechselprodukt sei, das nicht genügt zur Bildung des Zuckers.
Es wäre leicht verständlich, dass Amino-Fettsäuren auch Zucker
bildeten.
Schlusswort: Herr Mohr: Bei Einführung von Benzeolsäure
in einen diabetischen Hungerhund sinkt die Zuckerausscheidung
ganz beträchtlich. Nach Einführung von Glycocoll geht sie stark
in die Höhe. Dass Fettsäuren Zuckerbildner seien, dafür liege
nicht der geringste Beweis vor.
Aendlicher Verein in HanUnirg,
(Biologische Abteihmg.) Sitzung vom 30. Januar 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne.
I. Vortrag des Herrn Fahr: „Über die sogenannten
Klappenhämatome am Herzen d er Neugeborenen.“ Ob¬
wohl Berti schon im Jahre 1890 darauf hingewiesen hat, dass
die Blutknötchen an den Herzklappen der Neugeborenen Gefäss-
ectasieen sind, findet sich in den Lehrbüchern noch immer die
Ansicht der älteren Autoren, dass die Knötchen Hämatome dar¬
stellen, die durch Blutungen in die noduli albini entstanden sind.
Vortragender konnte durch systematische Untersuchungen nach-
weisen, dass die Blutknötchen stets Capillarectasieen darstelleD.
Er erklärt ihre Entstehung daduin^, dass an den Oapillaren der
Klappen, solange die letzteren vascnlarisiert sind, Zerrungen statt¬
finden, wodurch es zur Erweiterung der Capillaren kommt, während
Bei'ti die Entstehung der Knötchen mit der Involution der
Klappengefä-sse in Verbindung gebracht hatte. Die Knötchen
finden sich fast stets an den Atrioventricularklappen, was mit den
Gefässverhältnissen der Klappen am kindlichen Herzen znsammen-
bängt; sie sind nach dem zweiten Lebensjahre ausnahmslos ver¬
schwunden. (Erscheint ausführlich in Virchows Archiv.)
II. Diskussion: Herr Lochte weist auf die gerichtliche
Bedeutung dieser Hämatome hin: man könne aus ihnen das Alter
etwa gefundener Kindesleichen, wenn auch nicht mit gros.ser
Sicherheit, bestimmen.
III. *Vortrag des Herrn Revenstorf: „Neuere Unter¬
suchungen zum Erkennen des Ertrinkungstodes.“
(Schluss). Die Ertrunkenen sterben sehr häufig, wenn Wiederbe¬
lebungsversuche erfolgreich waren, bereits am ersten Tag an
Lungenödem; erfolgt der Exitus später, dann ist meistens eine
Bronchitis oder eine Pneumonie die Ursache. In der Aspirations¬
pneumonie lassen sich in den allermeisten Fällen Wasserbakterien
reap. Diatomeen nachweisen.
IV. Diskussion: Herr Lochte macht auf den plötzlichen
Tod im Wasser aufmerksam, der nicht durch Ertrinken, sondern
aus anderen Ursachen hervorgerufen wird. Er sah bei eixier
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
91
Sektäoa im Hafenkrankenhaus ausser einer Elephantiasis des linken
Beines einen Embolus in der linken Lnngenarterie der ertrunkenen
Frau. Ferner hat er Wasserleichen mit hochgradiger multipler
Sklerose, mit Lungengangrän etc. gesehen und seziert.
Herr Wiesinger operierte einmal einen Herrn, der nach
einem Fall in einen Graben ein Empyem bekommen hatte: der
Eiter war jauchig, stinkend und lufthaltig und war durch aspirierte
Massen entstanden. Herr Schröder führt einen Fall aus seiner
Praxis an, in dem sich in der Glottis ein erbrochenes Stück Speck
bei der Sektion vorfand; er weist auf die 3 Faktoren hin, unter
denen es — abgesehen bei Säuglingen — nur zu einer Aspiration
kommen kann: ungeeignete Lage, Erbrechen und Bewusstlosigkeit.
Herr Simmonds fragt an, ob in Herrn Löchtes Fall der Tod
infolge Lungenembolie oder durch Ertrinken eingetreten sei. Herr
Lochte schliesst den Tod durch Embolie aus, da die Leiche auf
der Alster treibend gefunden sei. Es sei nicht anzunehmen, dass
die Frau gerade, als sie unmittelbar am Rande der Alster stand,
eine Embolie erlitten habe und dann erst ins Wasser gefallen sei.
Vielmehr sei die Embolie während des Ertrinkens hinzugekommen.
Den Vortragenden fragt er, ob er retrograde Amnesie wie bei
Erhängten beobachtet hätte. Herr Hevenstorf verneint dies
in seinem Schlusswort und gibt noch an, dass in den letzten 4
Jahren 410 Ertrunkene, sei es lebend, sei es tot, im Hafenkranken¬
hause eingeliefert worden seien. Schönewald.
M€mnheVmer Aerzteverein.
Sitzung vom 29. Januar 1906.
Fuchs: Die moderne Behandlung des Schielens.
Das Schielen ist eine Affektion, die schon im frühesten Kindes¬
alter entsteht. Es besteht darin, dass die Gesichtslinie eines der
beiden Augen bei allen Blickrichtungen von der richtigen, auf das '
Objekt zielenden Lage abweidit, und zwar immer um den gleichen
Winkel. Das Sehvermögen des schielenden Auges ist im Ver-'
gleiche mit dem andern gesunden Auge herabgesetzt. Die Seb- ;
schwäche nimmt jedoch immer mehr zu, je länger das Schielen |
besteht, weil sich wegen der Ausschliessung des Auges vom Seh- 1
akte Amblyopia ex aucpira ausbildet. - Man sollte deshalb sich!
bei Kindern nicht mit dem Gedanken trösten, dass mit dem Aus-;
wachsen auch das Schielen zurUckginge, sondern so früh wie mög-;
lieh an die Behandlung herangehen. Man unterscheidet zwischen '
Einwärtsschielen und Auswärtsschielen, Strabismus convergens und!
divergens. Das Schielen ist das Resultat des Zusammenwirkens \
zweier Faktoren: Herabsetzung des Sehvermögens eines der beiden;
Augen bei schon vorher bestehender Störung des Muskelgleich-.
gewichtes. F. bespricht nornehmlich den Strabismus convergens j
Derselbe entwickelt sich in der Regel in jenen Jahren, wo zuerst j
scharfes und andauerndes Fixieren eine gewisse Accomodations-.
anstrengung erfordert zwischen dem 2. u. 6. Lebensjahre. Er
Badet sich vornehmlich bei Hypermetropen. Die Ursache ist eine i
übermäßige Kontraktion des Rectus medialis, infolge abnorm starker '
Innervation desselben. Daher verschwindet das Schielen im Schlafe
und in der Narkose. F. streift dann kurz die Behandlung des:
Schielens bei den alten Völkern. Die moderne Behandlung zer- \
fällt in eine operative und nicht operative. Man unterscheidet:
bei ihr folgende Momente: '
1. Optische Korrektion eines Refraktionsfehlers durch eine
Brille. Wenn diese Behandlung zum Ziele führen soll, muss sie
mit Strenge und durch lange Zeit fortgesetzt werden und auch,
nach Beseitigung des Schielens müssen die Konvexgläser entweder
beständig oder doch wenigstens für die Arbeit in der Nähe ge-;
tragen werden, damit der Patient nicht wieder in das Schielen
verfällt.
2. Ausschluss des fixierenden Auges durch Verband. Man
zwingt dadurch das andere, schielende Auge zum Fixieren; hier¬
durch wird auch das Sehvermögen dieses Auges vor weiterem
Verfalle durch Nichtgebrauch bewahrt, ja es kann sieh in günstigen
Fällen in Folge der Uebung sehr bedeutend heben.
3. Einträufelung von Atropin in das fixierende Auge.
4. Hebungen mit dem stereoskopischen Apparate.^ ^ Dieselben
sind sehr mühselig und erfordern eine besondere Geduld und
Elnergie von Seiten des Patienten.
5. Die Operation. Dieselbe ist heimfStrabismus convergens
in allen jenen Fällen augezeigt, wo die nicht operative Behaud-
long erfolglos geblieben ist oder von vorneherein keine Aussicht
auf Erfolg bietet. Dazu gehören alle Fälle, wo das Schielen
schon lange Zeit besteht oder wo es einen hohen Grad erreicht
hat. Um die Zeit bis die Kinder alt genug für Operation sind
nicht unbenutzt verstreichen zu lassen, kann man das abgelenkte
Auge durch öfteres Verbinden des andern in ständiger Uebung
erhalten und dadurch dem Verfalle des Sehvermögens durch
Nichtgebrauch Vorbeugen. Ausserdem lasse man wenn möglich
Convexgläser tragen. Die Operation besteht beim Einwärtsschielen
in der Tenotomie^des'^Rectus medialis oder der Vorlagerung des
Antagonisten. F. hält die erstore Methode für unzuverlässiger.
Dr. Max Jacoby.
Standesfragen.
Die Aerzte und die Sozialpolitik.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Die neueren Bestrebungen der Aerzte um sozialpoli¬
tische Bildung werden von der deutschen Presse selten ln
ihrer Bedeutung genügend gewürdigt. Um so erfreulicher ist es,
dass eine so hervorragende Zeitung wie die „Soziale Praxis*^
in einem zusammenfassenden Aufsatz auf die Bemühungen zu
sprechen kommt, die ärztlichen Standesgenossen zu Sozialpolitikern
heranzubilden. „Es ist ja nicht zu übersehen*', heisst es, „dass
es immer Aerzte gegeben hat, die die in ihrem Berufe erworben^i
Kenntnisse von dem sozialen Notstand der gewerblich arbeitenden
Bevölkerung zum Besten der allgemeinen^Wohlfahrt zu erweitern
bestrebt waren. Was aber auf diesem Gebiete zu erfolgreicher
Wirksamkeit fehlte, das wai* das systematische Arbeiten und das
zielbewusste Streben, möglichst viele ärztliche Praktiker an der
sozialreformerischen Arbeit auch innerlich zu beteiligen. Nun, da
der Weg der organischen Einigung der Aerzte gefunden ist, kann
es nicht fehlen, dass der Ruf der anerkannten Führer des ärzt¬
lichen Standes in Deutschland nach sozialpolitischer Bildung der
Standesgeuos.sen von Erfolg sein wird.“ Eis wird dann die Tätig¬
keit der Krankenkassenkommission des Deutschen Aerztevereins-
bundes und das Auftreten der Aerzte in Wien^beim Arbeiterver¬
sicherungskongresse erwähnt und gesagt: „Die Aerzte beteiligten
sich in so ausgezeichneter Weise an den Verhandlungen, dass all¬
seitig der Eindruck erweckt worden ist, gerade sie seien berufen,
infolge ihrer vermittelnden Stellung versöhnend und ausgleichend
auf dem grossen Gebiete der sozialen Versicherung zu wirken.“
Schliesslich wird der innigen? Zusammenarbeit von Volkswirt¬
schaftlern mit Aerzten das Wort geredet und die Volkswirtschaftler
sozialreformatischer Richtung wiederaufgefordert, die Bestrebungen
der deutschen Aerzte nach sozialpolitischer Bildimg ' eifrigst zu
fördern. „Mögen sie der Aerztebewegung aufmerksam folgen
und mögen sie die medicinische Presse durch sozialpolitische Bei¬
träge eifrig unterstützen, lum.die Aerzte zu kenntnisreichen und
eifrigen Sozialreformern zu erziehen.“
Diese Kenntnisse sich zu vermitteln, zeigen^sich hier in Berlin
die Aerzte ganz besonders bestrebt. Wir erwähnten schon vor
einiger Zeit in dieser Wochenschrift die von der Ortsgruppe Ber¬
lin des Leipziger Verbandes geplante Gründung eines Seminars
für soziale Medicin. Dieses wird nun in den nächsten Tagen
ins Leben treten. Der erste eben angekündigte Vortragszyklus
wird als Gesamtthema behandeln: Die staatliche Invaliditäts¬
versicherung in Theorie und Praxis Das Programm ver-
heisst folgende Vorträge: Herr Geh.^llegierungsrat Bielefeldt,
Senatsvorsitzender im Reichsversicherungsamt; „Die soziale Be¬
deutung der Invalidenversicherung“; Herr Dr. Mugdan, M. d. R.:
,.Invaliditätsversicherung imd Arzt“; Herr Dr, v. Golz, ärztlicher
Beirat des Vorstandes der Landesversicherungsanstalt Berlin; „Die
Untersuchung der Vorgeschlageuen und die Ergebnisse des Heil¬
verfahrens“ ; die Herren Obersekretäre bei der Landesversicheruugs-
anstalt Berlin Dr, Koch und Merti^ns: „Ueber den geschäfts¬
mäßigen Hergang bei Durchführung des Heilverfahrens bezw. de.s
Reutenfeststellungsverfahrens“; die Herren Chefärzte der Heil¬
stätte Beelitz a) Herr Dr. Pielioke: „Die Auslese für das Heil¬
verfahren und deren Grundprinzipien“; b) Herr Dr. Pickert:
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92
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 8.
„Das Heilverfaliren bei Lnngentuberknlösen“. An die Vorlesangen
schliessen sich Diskussionen an; es finden ferner Besichtigungen
der in Betradit kommenden Anstalten sowie seminaristische
Uebungen in Gruppen von 6—10 Teilnehmern statt.
Für diese Neueinrichtung zeigt sich grosses Interesse, die
Nachfrage nach Teilnehmerkarten ist ausserordentlich gross. Dass
dieses Interesse vorhanden ist, ist nicht zum geringsten Teile der
medicinischen Standespresse zu verdanken, vor Allem der Medi¬
cinischen Beform, die seit Beginn dieses Jahres in erweiterter
Form als Wochenschrift für soziale Medicin, Hygiene- und Medici-
iialstatistik erscheint und durch ihren bewährten Redakteur, R.
Lennhoff, zu einem wirklich interessanten und anregenden Blatt
gestaltet worden ist. Sie dient auch als Publikationsorgan für
die Gesellschaft für soziale Medicin, die jetzt ihr zweites
Lebenqahr absolviert und sich ausserordentlich rührig erweist.
Zwei dort letzthin gehaltene Vorträge Uber die in Aussicht stehen¬
de Reform der Arbeiterversicherungsgesetze, der eine von Leun-
hoff, deranderevonRegierungsratSayffaerth, dem Vorsitzenden
des Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung in Köln, Hessen er¬
kennen, dass die Aerzte eifrig an der Arbeit sind, um ihre Wünsche
für die Gestaltung dieser Reform an die zuständige Stelle ge¬
langen zu lassen. Dass gerade jetzt der geeignete Zeitpunkt da¬
für ist, zeigt die vom Grälen Posadowsky im Reichstage abge¬
gebene Erklärung, dass das Reichsamt des Innern hoffe, Ende
des Jahres 1907 die Novelle fertiggestellt zu haben.
Auch in der Literatur zeigt sich ein reges Verständnis für
die Notwendigkeit allgemeiner Durdibildung der Aerzte. Dafür
zeugen mehrere in letzter Zeit erschienene zusammenfassende
Werke. Auch das uns vorliegende Buch von Hundeshagen,
Einführung in die ärztliche Praxis unter geeigneter Be¬
rücksichtigung der Versichemngsgesetze und der allgemeinen Ge¬
setzgebung bezweckt, den jungen Arzt über seine Pflichten und
Rechte zu informieren, ihn zu befähigen, von vornherein als
Kassenarzt tätig sein zu können und sein soziales Verständnis zu
fördern. Wir können die Lektüre des anregend geschriebenen
Werkes warm empfehlen.
Sozialpolitisches Wissen ist für den Arzt auch erforderlich,
wenn er die Verhältnisse zwischen Kassen und Aufsichts¬
behörden verständnissvoll beurteilen will. Augenblicklich erregt
wieder einmal die Remscheider Ortskrankenkasse die
Aufmerksamkeit der Aerzte. Bei dieser Kasse, der im Herbst 1. J.
durch einen Aerztestreik die freie Arztwahl aufgezwungen worden
ist, ist jetzt vom Oberbürgermeister die Verwaltung der Kasse
dem Vorstände zwangsweise genommen worden. Zur Begründung
wurde eine ganze Reihe von Verfehlungen aufgeführt, deren sich
der Vorstand schuldig gemacht haben soll. Die Angelegenheit
erregt Aufsehen in weitesten Kreisen; schon hat sich der Reichs¬
tag damit befasst, Kassenvorstand sowohl wie Mitgliederversamm¬
lung haben an die höhere Aufsichtsbehörde appelliert und das
Resultat weiterer Untersuchungen wird ja zeigen, oh das strenge
Vorgehen des Oberbürgermeisters gerechtfertigt ist. Vorläufig
sind wir von der formellen RechtsmälÜgkeit der getroffenen An¬
ordnungen noch nicht überzeugt; wir werden über den weiteren
Verlauf der Angelegenheit berichten.
Periodische Literatur.
Münchener medicinische Wochenschrift. 1906 No. 6.
1. Fischer, Kiel: Die Bekämpfdng der Diphtherie mit Be¬
rücksichtigung der bei einer Epidemie in einem Automaten¬
restaurant gemachten Erfahrungen.
In dem ersten Teil der Veröffentlichung, welcher in dieser
Nummer vorliegt, geht Verf, auf die Frage der Bedeutung der
Serumbehandlung ein. Das Diphtherieheilserum als ein allgemeines
Schutzmittel gegen die Diphtherie zu verwenden, dazu ist man
nicht berechtigt, es verleiht keinen genügenden Schutz, Aller¬
dings empfiehlt sich die Anwendung durchaus, aber man darf sich
nicht allein darauf verlassen, sondern muss sein Augenmerk vor
allem auf die möglichst frühzeitige Ermittlung und Beseitigung,
aller Infektionsquellen legen. Für die Infektion kommt einzig und
allein der Mensch in Betracht, aber nicht nur der kranke, sondem,
was besonders wichtig ist, auch der gesunde und genesende. Die
Diagnose Diphtherie sollte stets durch die bakteriologische Unter¬
suchung gestützt sein. Die Beobachtung lehrt uns, dass auch bei
Genesenden noch eine ganze Weile hindurch virulente Keime aus¬
geschieden werden können. Auch ganz gesunde Menschen aus der
Umgebung Diphtheriekranker können virulente Bazillen ausscheiden.
Die Annahme v. Behrings von der Ubiqnität der Diphtherie¬
bazillen lässt sich nicht aufrecht erhalten. Für die bakteriologische
Untersuchung ist die richtige Entnahme der Probe von grosser
Bedeutung. Die Serumbehandlung hält Verf. für so wichtig, dass
er dieselbe unabhängig vom Ausfall der bakteriologischen Unter¬
suchung empfiehlt. Die bakteriologische Untersuchung hat auch
festzustellen, wer von der Umgebung des Kranken, ob Genesende
oder Gesunde, noch virulente Keime liefert, diese Personen sind
zu isolieren bezw. mit Desinfizieutien zu behandeln. Auch die
Ausscheidungen sind zu desinfizieren. Isolierung, lokale Behand¬
lung und fortlaufende Desinfektion müssen solange fortgesetzt
werden, bis die in regelmäßigen Intervallen ausgeführte bakterio¬
logische Untersuchung wenigstens zweimal hintereinander zur Auf¬
findung der Diphtheriebazillen nicht mehr geführt hat.
2. Ruppanner: Basel; Heber Pyelonephritiz in der
Sobwangerzohaft
Die Aetiologie der Schwangerschaftspyelonephritis ist in der
durch den schwangeren Uterus bedingten Kompression der Ure-
teren zu suchen und zwar als disponierendes Moment, während die
Entzündung des Nierenbeckens selbst durch Spaltpilze bewirkt
wird, unter denen die dem Darm entstammenden eine Haupt¬
rolle spielen. Den obigen praedisponierenden Verhältnissen ent¬
sprechend, tritt die Pyelonephritis in den meisten Fällen in den
mittleren Monaten der Schwangerschaft auf. Im Kraukheitsbild
fällt oft ein attaokenartiger Verlauf auf. Den Attacken können Pe¬
rioden scheinbarer Genesung folgen. Mit der Geburt pflegt spontan
eine Besserung einzutreten. Die Behandlung der Erkrankung
kann eine interne, eine geburtshilfliche und eine chirurgische sein.
Zunächst wird man die Patientin zu Bett legen, damit die Kom¬
pression der Ureteren, so weit möglich, beseitigt wird. Sodann
wird man eine interne Desinfektion zu bewirken versuchen durch
Darreichung von Urotropin, Salol, Helmitol (gut bewährt), auch
Aspirin. Ferner käme eine Ausspülung mittels Uretereukathe-
trismus in Frage. Reichliche Flüssigkeitszufuhr zur Durchspülung
der Nieren (Wildunger Wasser) erweisen sich als nützlich. In
schweren Fällen die künstliche Frühgeburt. Zur chirurgischen
Behandlung wird man nur ganz selten Veranlassung haben, in
Frage kommt dann die Nephrotomie, die Gravidität als solche
bildet gegen diesen Eingriff keine Contraindikation,
3. Golley, Insterburg: Beobaehtangen nnd Betraohtimgen
über die Behandlung ahnt eitriger Prozesse mit Bier’soher
Stannngshyperaemie.
Verf. ist mit grosser Vorsicht an die Verwendung der Bier-
schen Stauung bei akut eitrigen Prozessen herangegangen und
hat ganz ausgezeichnete Resultate erzielt, so dass er der Ueber-
zeugung Ausdruck gibt, dass die Bier'sehe Methode eine gleiche
Rolle in der Chirurgie zu spielen berufen ist, wie seiner Zeit die
Esmarch’sche Blutlehre und das Lister’scbe Verfahren.
4. Herhold, Altona: Anwendung der Stannngshyperaemie
bei ahnten eitrigen Prozessen im Oamisonlazarett Altona.
Verf. fasst seine mit dem Bier’scben Verfahren gemachten
Erfahrungen in folgender Weise zusammen: Die Stauungshyperaemie
bei akuten entzündlichen Prozessen, namentlich bei Fanaritien
und Furunkeln, zeitigt recht gute Erfolge, sie kann für diese Er¬
krankungen als Bereicherung der chirurgischen Hilfsmittel dieneu.
Andererseits darf man sie nicht als Allheilmittel auffassen, da
auch sie versagen kann. Bei schweren Phlegmonen ist sie nur
mit Vorsicht und unter gewissenhafter Ueberwachung anwendbar.
5. Mindes, Drohobyez; Zar Xeohnik des Bierisohen Ver¬
fahrens mltr Stannngshyperaemie,
Verf. beschreibt einen von Koslowski konstruierten Hilfs¬
apparat für die Ausführung der Bier’schen Stauung, Derselbe
besteht in einer kleinen mit Zahnrad und Sperrzahn versehenen
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
93
Walee, die mittels eines Schlüssels gedreht werden kann. Die
Gammibinde kann mittels dieser Vorrichtung leicht beliebig an¬
gezogen und nachgelassen werden. Verf. empfiehlt, erst bis zur
blauen Hyperaemie zu komprimieren und dann einige Zähne nach¬
zulassen. Der Apparat dürfte sich seiner einfachen Handhabung
wegen recht gut bewähren.
6. Groedel, Nauheim: Idnluseitiger Trommeliohl&gerfinger
bei AnenryBiiia arous aortae.
Verf. hatte Gelegenheit, bei einem Fall von Aneurysma des
Arcus Aortae das Symptom der Trummeischlägerfinger nur der
einen Hand zu beobachten. Dieser hüchst bemerkenswerte Befund
gibt dem Verf. Veranlassung, sich über den ätiologischen Zu¬
sammenhang zu äussem. Derselbe ist wohl in einer venösen
Stauung der betroffenen Seite in erster Linie zu suchen. Da«
neben werden allerdings noch andere Ursachen in Betracht
kommen. Verf. hat die Auffassung, dass der erhöhte venöse Druck
auf ein in seiner Widerstandsfähigkeit geschwächtes Gewebe als
Ursache anzusehen sei, wobei die Schwächling des Gewebes einer
herabgesetzten Abfuhr toxischer Stoffe zuzns^reiben sein würde.
7. Bittorf, Leipzig: Zur Pathogenese der angeborenen
Stuhlverstopfong (Hirsohspmng’sehe Krankheit).
Die Pathogenese dieser Erkrankung ist noch ziemlich dunkel
und daher nach Ansicht des Verf, die Mitteilung anatomischer
Befunde von grosser Bedeutung, Verf. hat einen charakteristischen
Fall bei einem 19'/| Wochen alten Kinde beobachtet und glaubt,
die grosse Länge der Flexura sigmoidea als konstanten Befund
bezeichnen zu müssen. Sie ist die angeborene Grundlage, zu der
verschiedene Hilfsmomente hinzutreten können. Die übermäßige
Erweiterung hält Verf. für ein sekundäres Symptom, welche wohl
meist erst in späterem Alter sich entwickelt. Durch Inhalts¬
stauung kann sich dann sekundär eine Art Klappenmechanismus
entwickeln, welcher zur Erweiterung und Hypertrophie der Wan¬
dung führt.
8. Schiff, Wien: Bdn^enstraUen und Badium bei Epithe«
Uom.
Verf. teilt drei Musterfälle von Heilung des Epithelioms
durch Röntgen- und Radiumstrahlen mit. Dass eine Wirkung der
vers<^edenen Strahlengattung sicher eintritt, ist bekannt und be¬
darf heute kaum mehr des Beweises. Es erweist sich als prak¬
tisch, die verschiedenen Verfahren zu kombinieren und teils Aetz-
ungen, teils Auskratzungen, teils Röntgenstrahlen, teils Radium
in Anwendung zu bringen. Es gibt eine Reihe von Epitheliomen,
wo mit der operativen Behandlung bei weitem nicht so gute Re¬
sultate erzielt werden. Besonders wichtig ist die radiologische
Behandlung, wenn man mit der Messerscheu von Patienten zu
tun hat. Die Anwendung von Bleiglasröhren gestattet, die Rönt¬
genstrahlen auf ganz bestimmte Bezirke zu leiten. Die entstehenden
Narben sind glatt und nicht entstellend.
9. Schilling, Nürnberg: Operativ geheiltes Hebennieren«
kystom.
Verf. bat bei einem 22jährigen Mann einen mannskopfgrossen
Tumor beobachtet, welcher im rechten Hypochondrium lag. Wäh¬
rend der Beobachtung entwickelte sich unter der Haut im Bereich des
Tumorsein kleinerer Abszess,derselbe wurde gespalten und esentleerte
sich dünnflüssiger Eiter. Beim weiteren Eingehen in die Tiefe
gelangte man in eine ziemlich glatte Höhle, welche ebenfalls mit
Eiter gefällt war tmd in deren Tiefe man einige Gewebsfetzen
entfernen konnte. Die histologische Untersuchung ergab mit
grosser Wahrscheinlichkeit ein Peritheliom der Nebenniere. Die
Heilung erfolgte unter Tamponade anstandslos.
10. Sommer, Niedermendig: Zur Kenntnis der intrantermen
Totenstarre.
Verf. hat in 5 Jahren drei Fälle von intrauteriner Toten¬
starre beobachten können. Dass diese im allgemeinen so selten
beschrieben wird, liegt wohl daran, dass die Früchte erst dann
geboren werden, wenn die Starre bereits wieder gelöst ist, oder
aber, dass in der Austreibungsperiode die Zeit zu kurz ist zum
Eintritt der Totenstarre. Auch die pas.siven Bewegungen bei ge¬
burtshilflichen Eingriffen können den Eintritt der Starre ver¬
zögern.
11. Hofmann, Karlsruhe: TTmsetnuig der Lftugsriobtnng
bei EztonzioiiBTerbänden in queren Zug.
Da Eztensionsverbände in der Wohnung der Patienten oft
nur mit Verletzung der Bettstellen anzobringen sind und man
auch gelegentlich recht erhebliche Gewichte braucht, ist Verf. auf
den Gedanken gekommen, den Längszug in einen Querzug zu
verwandeln. Zu diesem Zweck werden die Zuglaschen um ein
Spreizbrett geführt und durch die Löcher desselben eine Schnur
gezogen, die durdi eine am Fussbrett des Bettes befestigte Schlinge
geführt ist und deren beide Enden rechts und links am Bett
herunterhängen. Die Belastung kann viel geringer sein und das
Bettgestell wird durchaus geschont.
12. Zippel, Hamburg: Lagerung von unreinen Kranken
auf Torfbkuil.
Im Hamburger Werk- und Armenhause hat sich dem Verf.
die Lagerung unreiner Kranken auf Torfmull vorzüglich bewährt.
Es wird folgendermaßen verfahren: Ueber das Bettlaken, unter
dem wasserdichter Stoff liegt, wird ein dreieckiges Leintuch ge¬
legt, die lange Seite quer zur Bettlänge. . Darauf kommt' eine
dünne lockere Schicht Jute mit ca. 16 cm hohem Rande, dieses
sogenannte Nest wird mit lockerem Torfmull gefüllt, der Patient
da^uf gelegt und das dreieckige Tuch um Unterleib und Beine
genau so herumgelegt, wie die Windel bei Säuglingen. Verf. hat
Geruchlosigkeit erzielt und Decubitus vermieden.
Deutsche mediclnische Wochenschrift. 1906. No. 6.
1. Elsaesser, Hannover; Erfahrungen mit Maretin.
Verf. hat bei 49 Fällen das Maretin als Antipyreticum ver¬
sucht und ist zu sehr guten Resultaten gekommen. Das Fieber
bei Tuberkulösen schwand vollkommen und blieb auch nach Aus-
setzen des Medikaments danemd fort. Irgendwelche ungünstigen
Nebenwirkungen hat E. niemals feststellen können und steht da¬
her im Gegensatz zu Steinbauer (Deutsch, med, Wochenschrift.
1906. Nr. 49). Er kann das Maretin nur dringend empfehlen.
2. Wechselmann, Berlin: Experimenteller Beitrag cur
Kritik der SiegeTsohen Syphilisttbertragungsversuche.
Die nicht eindeutigen Befunde bei den von Siegel mit Sy¬
philis geimpften Affen haben Verf. auf den Gedanken gebracht,
ob nicht das Blut des Kaninchen als solches schon geeignet sei,
derartige Erscheinungen beim Affen hervorzurufen. Ein von ihm
angestellter Versuch scheint diese Annahme durchaus bestätigt zu
haben. Der Affe bekam nach Impfung mit Blut eines gesunden
Kaninchens Erscheinungen, welche denen der von Siegel be¬
schriebenen AffensyphiUs sehr ähnlich waren. Wenn auch nur
eine einzelne Beobachtung vorliegt, so ist dieselbe doch sehr be¬
achtenswert.
3. Stenger, Königsberg: Die Bier’sohe Stauung bei akuten
Ohreiterungen,
Verf. hat die Bier’sche Stauung bei akuten Eiterungen an¬
gewandt und günstige Beeinflussung gesehen, die subjektiven Be¬
schwerden schwanden schnell, auch der Heilungsverlauf schien
günstig beeinflusst zu werden. Die Anwendungsweise ist leicht,
es wird ein 3 cm breites Band fest um den Hals gelegt und meist
22 Stunden liegen gelassen. Verf. bat das Verfahren auch mit
g;utem Erfolge bei operierten Fällen in Anwendung gebracht und
zwar in folgender Weise. Um die Beeinflussung des Eiterherdes
intensiver vornehmen zu können, bediente Verf, sich nicht der
Umschnünmgsstauung, sondern der Sangstauung. Zunächst wird
bei schon bestehendem eubperiostalem Abscess eine 2— 3 cm lange
Incision gemacht. Das Periost wird abgehoben bis zur Umrandung
des äusseren Gehörganges. Blutende Gefässe werden unterbunden.
Ist keine Fistel vorhanden, so wird eine solche mit schmalem
Meissei angelegt. In die KnocheDöfinuog kommt ein Gazestreifen
und aussen auf die Haut ein Bier’scher Saugnapf. Erst nach
drei Stunden wird der Saiignapf entfernt, wenn er nicht schon
ff-üher ganz gefüllt ist. Allmählich muss die Dauer der Saugung
verkürzt werden, weil sonst Schmerzen auftreten.
Verf. ist der Ansicht, dass das Bier’sche Verfahren für die
Therapie der eitrigen Ohrenentzündung von hervorragender Be¬
deutung ist. Bei unkomplizierten Fällen ist die Methode unge¬
fährlich, bei komplizierten Fällen bedarf sie noch weiterer Prüfung.
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 8.
4. Schneider, Berlin: Der Deunfektioiuwert 7on Lyso-
form^ bei mäfiig erhöhter Temperatur.
Eingehende, im Institut für Infektionskrankheiten vorgenommene
Untersuchungen haben dem Verf. gezeigt, dass warme .Lysoform-
lösungen im allgemeinen zu empfehlen sind. Dieselben dürfen
aber nicht viel mehr wie 40® haben, ^da^sonst eine Verdampfung
von Formaldehyd eintritt.
5. Hering, Prag: XTeberj die häufige Kombination von
Kammerrenenpnls mit Pnlnu irregnlaru perpetans.
In 32 Fällen von 34, in denen Kammervenenpuls nach¬
gewiesen wurde, bestand jauch Pulsus irregularis perpetuus. Aus
dieser Beobachtung ergibt sich, dass es zwar Kammervenenpuls
ohne Puls. irr. perp. geben kann, aber nicht umgekehrt, wenigstens
soweit die Beobachtungen des Verf. reichen. Ehe diese Beob*
achtung nicht allgemein bestätigt worden ist, glaubt Verf. auch
noch keine diagnostischen Schlüsse ziehen zu dürfen.
6. Sternberg, Wienrü6b6r*Elyttiere und Irrigationen.
Verf. unterscheidet fünf Gruppen von Klystieren und zwar
nach ihrem Zweck: 1. Evakuation des Darmes. 2. Behandlung
von Darmkrankheiten. 3. Behandlung von Krankheiten entfern¬
terer Organe durch systematische Wirkung auf den Dann. 4. Ein¬
führung von Medikamenten. 5. Rektale Ernährung, Zu Eva-
kuationsklystieren, eignen^ sich*iWa8ser, Seifenwasser, Salzwasser
(6%), Zuckerwasser, Qlyzerinwasser (2—5 Esslöffel auf 1^/, Liter),
Senna infus (15 : 200 bis 50 : 500), Emulsionen von Oel mit
Seifenwasser unter Zusatz von etwas Natr. bicarbonic., Kamillen¬
tee, Fencheltee u. a. Auch Klystiere von reinem Oel (Sesamoel)
sind zu empfehlen. Hohe Eingtessungen sollen ohne allzustarken
Druck und vorsichtig vorgenommen werden, wenn die Patienten
Schmerzen empfinden, muss die Eingiessung unterbrochen werden.
Als Mikroklysmen empfehlen sich^eolchejvon 20—50]^gr Glyzerin
mit Wasser ana.
Bei der zweiten Gruppe der Klystiere zur Behandlung von
Darmkrankheiten kommt in erster Linie die sogenannte chronische
oder habituelle Obstipation in Betracht. Hier empfiehlt sich eine
etwa zwei Monate fortzusetzende Oelkur. Bei akuten und chro¬
nischen Darmkatarrhen kommen Ausspülungen des Darmes zur
Anwendung. Als Flüssigkeit dient die 9% sogenannte physio¬
logische Kochsalzlösung. Auch bei chronischen Diarrhoeen und
Dysenterie kommen derartigej^ Darmspülungen zur erfolgreichen
Verwendung. “ Hierzu?, kann auch Karlsbader jMühlbrunnen ge¬
braucht werden. Bei lUusj'undJ^Verdacht* auf ;Erkrankung des
Wurmfortsatzes sind hohe Eingiessungen durchaus kontraindiziert.
Bei Bandwurmkuren, zumal wenn es sich um zwei oder mehrere
Bandwürme^handelt, dienenlwarmeJWassereingiessnngen besonders
gut. Bei Cmolera ist Enteroklyse mit 0,5 —l®/o Tanninlösuug
empfohlen! worden. ‘Bei TyphusJ hat Verf. Gutesj von derAn¬
wendung der Oelklysmen gesehen.
Die dritte Gruppe der Klystiere umfasst diejenigen, welche
einer Behandlung von Erkrankungen * entfernterer ] Organe dienen.
Viele Magenleiden weichen einer regelmäßigen Behandlung des
Darms mitj^ochsalzklysmen.^ Bei Erkrankungen der Leber sieht
man gute Erfolge mit Oel-Seifen-Klystieren, jj Dasselbe gilt für
Nierensteine. Eine lange bestehende Obstipation, welche Diar¬
rhoeen, gar nicht^ansschliesst, kann das Herz erheblich beein¬
trächtigen und ihre Beseitigung s<fiiafift auch quoad cor Besserung.
Besonders trifft dies für die Herzstörungen im Greisenalter zu.
Auch Neurasthenie, und Migränen^können in chronischer Verstopfung
ihren^Grund haben, daher wirken auch hier Klystiere.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 6.
1. Profanter, Franzensbad: Vorläufige JHtteUuag über
eine nene^Methode bimanneller gynäkologischer TTntersuehnng.
Verf. hat des öfteren* in seiner [ badeärztlichen Praxis Ge¬
legenheit gehabt festzustellen, dass bei mandien Frauen die
manuelle Exploration auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst,
teils wegen allzu grosser Empfindlichkeit, teils weil die Scheide
sehr lang, die Bauchdecken sehr fettreich sind. Der in der
Klinik wohl anwendbare Weg der Narkose ^It für die Sprech¬
stundenpraxis fort und man muss in manchen Fällen auf die ge¬
naue Aufnahme eines Befundes direkt verzichten. Verf. ist nun
auf den Gedanken gekommen, die Untersuchung onter Wasser
vorzunehmen und hat mit dieser Methode ganz besonders gute
Resultate erzielt. Die Empfindlichkeit schwand fast vollständig
und es gelang auch in ungünstigen Fallen einen genauen Befand
za erbeben. In der Badewanne die Untersuchung vorzunehmen,
hat f(ir den Arzt viele Unbequemlichkeiten. Verf. beabsichtigt
daher einen Apparat zu konstruieren, welcher auch auf dem Unter¬
suchungsstahl und im Bett die Exploration unter Wasser ermöglicht.
2. Mucha, Scherber, Wien: Ueber den Haohweis der
Spirochaete palUda im syphilitiiohen Gewebe.
Zahlreiche mikroskopische Untersuchungen an Ausstrich- und
Schnitt-Präparaten haben den Verff. die Ueberzeugung verschafft,
dass mit den bestehenden Färbemethoden ein absolut sicherer
Nachweis der Spirochaeten in syphilitischen Produkten nicht immer
gelingt. Man darf daher aus dem negativen Befund keineswegs
den Schluss ziehen, dass Syphilis nicht vorliegt. Es verhält sich
der negative Befund hier ganz ähnlich wie bei der Tuberkulose,
bei welcher ebenfalls oft der Nachweis der Tuberkelbazillen fehlt,
während das Tierezperiment positiv ausfällt.
3. Hofbauer, Wien: Zar Pathogenese der Lnngentnber-
knlose.
Verf. teilt die allgemein anerkannte Anffassung, dass die
schlechten Ventilationsverhältnisse der Lungenspitzen die Ursache
dafür sind, dass die Tuberkelbazillen in diesen Lungenpartien sich
am häufigsten festsetzen. Verf. schliesst mit dem Satz: Die ba¬
salen;‘^Partien , der Lunge werden weitaus ^ besser gelüftet und
besser ernährt als die Lungenspitzen. Der Tuberkelbazillus findet
dementsprechend ^ * den. basalen , Partien weitaus höhere vitale
Eigenschaften vor und weitaus grössere Widerstandskräfte gegen¬
über der Infektion, als in den Lungenspitzen. Es kann nicht
wundemehmen, wenn dementsprechend der Tuberkelbazillus mit
Vorliebe in den Lungenspitzen sich ansiedelt, während ihm dies
in den basalen Partien entsprechend der gesteigerten Widerstands-
fähgikeit nicht möglich ist.
Die hier ausgesprochene Auffassung ist seit langer Zeit
so allgemein,'dass'es' eigentlich Eulen nach Athen tragen heisst,
dieselben nochmalsineiner besonderen Publikation zu betonen (d. Ref.).
Berliner klinische, Wochenschrift. 1906. No. 7.
1. Baermann,'Hal^bers^tädter, ^atavia: Experimentelle
Hanttaberkolose bei,; Affen.
Die Verfasser haben bei einem sehr reichen Versuchsmaterial
Experimente über die Erzeugung]^von* Hauttuberkulose bei Affen
aasteilen können. Die Impfung erfolgte cutem und gab positive
Resultate. Eis ist bemerkenswert, dass die entstehenden tuber¬
kulösen Eruptionen absolut verschieden von den bei,Äffen beob¬
achteten syphilitischen Primäraffekten waren. Meist entwickelte
sich bei der Hauttnberkulose * gleichzeitig ^eine Organtuberkolose.
2. Schüller, Berlin; Heber 'Parasiteabefnnde in Blnt>
Präparaten eines^Oelbfieberkranken.
Verfasser hatte Gelegenheit, zwei allerdings etwas spärliche
Blutproben eines Gelbfieberkranken mikroskopisch zu untersuchen.
Er glaubt darin einen bimförmigen Parasiten entdeckt zu haben,
welcher nach seiner Auffassung zu der Protozoen klasse der Sporo¬
zoen gehört. Der Parasit scheint in Form seiner Sporozoiten resp.
Merozoiten in^die Blutkörperchen einzudringen und diese zu zer¬
stören. Eine grosse Bedeutung dürfte dieser 'einzelnen an unge¬
nügendem Material vorgenommenen Beobachtung kaum beizu¬
messen sein.
3. Koch, Berlin: üeber afrikanischen Beknrrenz.
Im Rahmen eines kurzen Referates ' lässt sich diese hoch¬
interessante Veröffentlichung Inatürlich nicht eingehend würdigen.
Wir heben nur einige Hauptpunkte heraus: Der Mensch wird in
Afrika durch eine Zecke (Ornithodorus) infiziert und zwar vorzugs¬
weise von den jungen Zecken. Elr übersteht in den endemisch
verseuchten Gegenden die Krankheit schon in frühester Jugend,
und wird dadurch immun. Die Zecke muss sich entweder wieder
an frischen Fällen infizieren, oder an Menschen, die noch ver¬
einzelte Spirochaeten haben. Elin* spezifisches Mittel gegen Re-
kurrenz gibt es nicht, es ist daher das ganze Gewicht auf eine
geeignete Prophylaxe zu legen. Diese ist relativ einfach. Die
Zecken sitzen an trockenen Plätzen, Hütten der Elingeboreneu,
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1906.
- IflKu TflTWTflfj tHC wOCHB.
95
Schatzdächer an den Karawanenstrassen osf. Wenn man diese
Stellen vermeidet, entgeht man der Gle&far, infiziert zu werden,
sicher.
Schutze, Gharbin: Akute aufiteigende (Laudrysche) Para*
lyse nach Typhus ahdominalis mit Ausgang in Heilung.
Verfasser bat während seiner Tätigkeit am Lazarett des roten
Kreuzes in Gharbin Gelegenheit gehabt, einen Fall von Thyphos
abdominalis zu beobachten, bei welchem nach etwa 4 Wochen eine
von den unteren Extremitäten nach oben fortschreitende voll¬
kommene Tjähmung auftrat. Elektrisches Verhalten der befallenen
Muskelgruppen vollkommen normal. Der Prozess erstreckte sich
weiter auf die Bespirationsmuskulatur, und es trat auch eine
Facialislähmung auf. Alle Symptome gingen allmählich zurück und
Patient konnte etwa ein Monat später geheilt entlassen werden.
Rin in seinem Verlauf, wie im Ausgang, höchst bemerkens¬
werter Pall.
Therapeutische Monatshefte 1906. No. 6.
1. Vollend, Davos: Ueber die Verwendung des Xamphers
bei Lungenkranken.
Gelegentlich eines Falles schwerer Asphyxie und Herz¬
schwäche hat Verf. den wohltätigen Einfluss grosser uud lange
gegebener Kampherdosen kennen gelernt, und empfiehlt die sub¬
kutane Anwendung von 10% Kampheröl während langer Zelt als
ein hervorragendes Mittel um die Herzschwäche bei Tuberkulösen
zu beseitigen, und das Organ leistungsfähiger zu machen. Auch
die Lungenprozesse scheinen imter Kampherbehandlung dauernd
sich zu bessern. Die Dosierung ist, täglich 1 bis 2 Spritzen
von 10% Kampheröl, Wochen hindurch. Irgendwelche üble Neben¬
wirkungen hat Verfasser niemals beobachten können. Das Ver¬
fahren Lst bereits früher empfohlen worden.
2. Kuhn, Kassel: Erste Hilfe und künsüiohe Atmung.
Verfasser tritt zunächst in eine Kritik der üblichen An¬
schauungen Über erste Hilfe bei Asphyxien ein and betont, dass
die Gaszufuhr bei höherem Druck überschätzt werde, ein höherer
Druck sei durchaus nicht nötig, sondern könne sogar schädlich
wirken. Ferner überstfliätze man die Bedeutung der Sauerstoflf-
Zufuhr, die normale nicht verunreinigte Luft enthalte durchaus
genügenden Sauerstoff. Im Gegensatz hierzu werde die grosse
Bedeutung einer genügenden Koblensäureabfuhr unteischätzt, so¬
dann lege man nicht genügendes Gewicht auf das Freisein der
oberen Luftwege uud auf die durchaus nötige rhytmische Venti¬
lation in der Lunge. Demnach lassen sich folgende Regeln für
erste Hilfe bei Asph 3 rxien aufstellen. 1. Fürsorge für breitestes
Offensein der oberen Luftwege (Vorziehen der Zunge, perorale
Intubation). 2. Energische Betätigung der künstlichen Ventilation
am besten nach dem Verfahren von Silvester. (Heben der Arme
über Kopf, Beugung). 3. Zufuhr von Sauerstoff im Takte der
Atmung, ohne Ueberdruck.
3. Gohn, Königsberg: tTeber die Therapie der chronisoken
Hieferhöhleneiapyeme.
Für die konservative Therapie empfiehlt sich bei chronischen
Empyemen der Kieferhöhle der mittlere Nasengang, in ungeeigneten
Fällen die Behandlung von der Alveole aus. Bei filrkrankungen
der Schleimhaut ist es ratsam, breite Eröfinung der Fossa canina,
Ausräumung der Kieferhöhle, Anlegung einer Gegenöffnung im
mitüeren Nasengang, primärer Verschluss der ovalen Oeflnung.
Ist die Nase stenosiert oder liegen Knochenerkrankungen vor, dann
eröffnet man die Fossa canina, bildet einen Lappen mit der Basis
nach unten, räumt die Höhle aus, schlägt den Lappen in die Höhle,
and zwar auf deren Boden, und schliesst eine Naohbehandiiing vom
Munde aus, daran.
4. Heidenhain, Marienwerder: Wanderniere bei Frauen.
Verfasser geht ausführlich auf Aetiologie und Symphomatologie
dieser Krankheit ein, and teilt sodann die günstigen Erfahrungen
mit, welche er mit dem Glenardschen hypogastrischen Gurt ge¬
macht hat. Er empfiehlt seine Anwendung dringend. Die nähere
Beschreibnng dieser Bandage muss im Original nachgelesen werden.
5. Rahn, Gollm: Die Diphtherie^Semmtkerapie und ikre
Statistik. Verf. übt berechtigte Kritik an der bisher gehränch-
liehen Statistik über die Resultate der Berumbehandlimg, Nur
eine individualisierende Statistik, wie sie Heubner vorgeschlagen,
hat eine Bedeutung. Verf. ist durchaus Anhänger der Serum-
thers^ie, ja er geht so weit, die Serumgegner auf eine Stufe mit
den Impfgegnem zu stellen (vielleicht etwas Übertrieben). Jeder
Arzt soll sich bemühe^ die immer noch hier und da bWtehende
Abneigung der Eltern gegen die Injektionen zu bekämpfen und
unter allen Umständen sofort die Serumbehandlung einzuleiten.
6. Knopf, Frankfurt a./M.: Valyl gegen Ohrensaiuen.
Valyl, das Valeriansäurediaethylamid wurde von K i o n k a als
haltbares und wirksames Valerianapräparat empfohlen. Verf. hat
dasselbe hei Ohrensausen in Anwendung gebracht und kommt zu
dem Schluss, dass das Valyl das beste bekannte Mittel gegen
symptomatisches Ohrensausen za sein scheint. Die Dosis ist 3_9
^pseln zu 0,126 täglich. Das Valyl scheint rascfli oder gar nicht
zu wirken. Ist eine Wirkung nach längstens 8 Tagen nicht ein¬
getreten, dann ist eine solche nicht mehr zu erwarten und weitere
Anwendung zwecklos.
7. Möller, Altona: Kritisek experimentelle Beiträge znr
Wirkung det Hebennierenextraktes (Adrenalin).
Urinsecretion und Lymphstrom werden durch Adrenalin er¬
heblich vermindert. Im Urin tritt Zucker auf, jedoch nur bei
grösseren Dosen und wie es scheint nur bei bestimmten Präparaten,
in gleicher Weise «lürften die hier und da berichteten Nekrosen
an der Haut von Dosis und Qualität des Präparates abhängen.
Die Einwirkungen des Adrenalins auf das Blut scheinen auch ganz
erhebliche zu sein. Der Gehalt an Lipase und Amylase ist ver¬
mindert, der des Blutzuckers vermehrt. Die roten Blutkörperchen
scheinen vermindert die Leukozyten vermehrt. Injektion von Ad¬
renalin löst Kontraktionen der glatten Muskulatur aus. Die
Uteniskontraktionen sind so stark wie bei Darreichong von
Komutin. Dagegen scheint Adrenalin auf die Muskulatur des
Magendarmtraktus erschlaffend zu wirken; dasselbe gilt von der
Blasenmuskulatur. Die Erfahmngen scheinen dafür zu sprechen,
dass die Nervenendigungen in den Muskeln vom' Adrenalin in
erster Linie beeinflosst werden.
Bücherbesprechung.
Professor Dr. August Bier, Bonn, Hyperaemie als
Heilmittel. 2. nmgearbeite Auflage. Mit 40 Abbildungen.
Leipzig. F. G. W. Vogel. 1905. Preis 12 M,
Die neue Auflage übertrifft die vor zwei Jahren erschienene
fast am das doppelte, weil einmal der von Bier vorgenommene
weitere Ausbau seiner Methode darin niedergelegt ist, dann aber
auch die zahlreichen Arbeiten und Erfahrungen anderer mit heran¬
gezogen worden sind. Die grössere Erweiterung hat der zweite
(spezielle) Teil erfahren, in welchem Kapitel über die Behandlung
vereiterter grosser Gelenke mit der Stauuugsbiude, der Sehnen¬
scheidenphlegmonen mit Stauungshyperaemie, der akuten Osteo¬
myelitis usf. eingefügt worden sind. Diese machtvoll auftretende
Behandlungsart setzt auch d^ Arzt, dem kein aseptischer Ope¬
rationssaal und das ganze allmählich bald unübersehbar werdende
Rüstzeug der modernen Chirurgie zur Verfügung steht, in den
Stand, einen grossen Teil seiner Patienten in eigener Behandlung
zu behalten, wenn er nach fleissigem Studium des anregend ge¬
schriebenen Buches sich in der Methode hat praktisch unterweisen
la.ssen.
Sich mit dem Buche bekannt zu machen, ist Pflicdit jedes
Arztes, nicht allein zum Nutzen der ihm anvertrauten Kranken,
sondern auch im wohlverstandenen, eigenen Interesse.
H. Engel, Berlin.
Vermischtes.
Boriin. Seminar für soziale Medicin der Ortsgruppe
Berlin des Verbandes der Aerzte Deutschlands (WirtschaftL Abt.
des deutschen Aerztevereinsbundes). Zyklus I. Februar-März 1906.
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96
MEDIC1KI80HS WOCHE.
Nr. 8.
Gesäinttbema: Die staatliche Invaliditätsversicherung in Theorie
und Praxis.
Ä. Vorträge im HOrsaal des poliklinischen Institutes, Ziegel¬
strasse 18—19, Portal 5. 1. Freitag, den 23. Februar, abends
8 Uhr: Herr Geh. Begierungsrat Bielefeldt, Senatsvorsitzender
im Reichsversicherungsamt: »Die soziale Bedeutung der Invaliden¬
versicherung. Herr Sanitätsrat Dr. Mugdan, M. d. R.: „In-
‘validitätsversicherung und Arzt.** 2. Montag, den 26. Februar,
abends 8 Uhr: Herr Dr. von Golz, ärztlicher Beirat des Vor¬
standes der Landesversfcherungsanstalt Berlin: „Die Untersuchung
der Vorgeschlagenen und die Ergebnisse des Heilverfahrens.“
3. Montag, den 5. März, abends 8 Uhr: Die Herren Obersekretäre
bei der Landesversichernngsanstalt Berlin Dr. P. Koch und
Mertins: „Ueber den geschäftsmäßigen Hergang bei Durchführung
des Heilverfahrens, bezw. des Rentenfeststellungsverfahrens.“
(Das Heilverfahren bespricht Herr Mertins, das Rentenverfahren
Herr Dr. Koch.) 4. Montag, den 12. März, abends 8 Uhr: Die
Herren Chefärzte der Heilstätten Beelitz: a) Herr Dr. Pielicke:
„Die Auslese für das Heilverfahren und deren Grundprinzipien.“
b) Herr Dr, Pickert: „Das Heilverfahren bei Lungentuberku¬
losen.“ An die Vorlesungen 2, 3 und 4 schliesst sich Frage¬
beantwortung.
B. Seminaristische Uebungen in Gruppen von 6—10 Teil¬
nehmern unter Leitung der Herren Dr. Begemann, ärztlicher
Beirat der Landesversicherungsanstalt Berlin, Dr. Rudolf Lenn-
hof, Dr. Wolf Becher. Donnerstag, den 1. März, abendsS Uhr,
Dienstag, den 6. März, abends 8 Uhr, Freitag, den 9. März,
abends 8 Uhr und ferner in zu verabredenden Stunden in den
Bureauräumen der Aerztekammer Berlin-Brandenburg G., An der
Spandauerbrücke 6.
C. Besichtigungen. Sonntag, den 25. Februar, mittags 12 Uhr:
Besichtigung der Landesversicherungsanstalt Berlin SO., Am
Köllnischen Park 8. Sonntag, den 4. März: Besichtigung des
Invalidenheims und der Syphilisanstalt in Lichtenberg. Sonntag,
den 11. März: Besichtigung der Heilstätten in Beelitz. Weiteres
über Besichtigungen wird noch bekannt gegeben.
Bemerkungen. 1. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen
des Seminars ist bis auf entstehende Fahrunkosten unentgeltlich,
jedoch nur nach gebührenfreier Lösung einer Karte gestattet; sie
steht allen Aerzten — nicht nur Mitgliedern des Verbandes —
und Medicinalpraktikanten sowie allen sonstigen Personen frei, die
Interesse für den Gegenstand haben; nur von den praktischen
seminaristischen Uebungen sind Nichtmediciner ausgeschlossen.
2. Die Meldung kann für die Gesamtarbeiten des Seminars wie
auch für einzelne Teile des vorstehenden Programms (A. B. oder
G.) erfolgen. In jedem Falle muss sie erkennen lassen, ob Teil¬
nahme an den seminaristischen Uebungen gewünscht oder aus¬
geschlossen wird. 3. Die Inhaber von Karten erhalten alle Be¬
nachrichtigungen, Merkblätter etc., besonders auch genaue Mit¬
teilung über die Einzelheiten der Besichtigungen ohne besondere
Bestellung zngesandt. 4. Die Inhaltsangabe der gehaltenen Vor¬
träge in der Presse ist nur mit Genehmigung der Herren Vor¬
tragenden gestattet. 5. Meldungen nimmt vom 10. bis 19. Fe¬
bruar 1906 der Schriftführer der Ortsgruppe, Herr Dr. Alfred
Peyser, Berlin C. 54, Hackescher Markt 1, schriftlich entgegen.
B6rlin. Der Vorstand des Aerzte-Vereins der Berliner
Rettungsgesellschaft hat sich in seiner letzten Sitzung neu
begründet. Zum Vorsitzenden wurde Herr S. Alexander, zum
Stellvertreter Herr Henius, zum Schriftführer Herr 0. Salomon,
zum Stellvertreter Herr Schayer wiedergewählt. Die übrigen
Mitglieder des Vorstandes sind die Herren; Phil. Herzberg,
Fedor Krause, Robert Kutner, George Meyer, J. Rotter.
Hochschulnachrichten.
Giessen. Dr. med. Demeter Ritter v. Tabora hat sich
an der medicinischen Klinik der Universität als Privatdozent für
innere Medicin niedergelassen.
Heidelberg. Der. a. o. Professor der Chirurgie Dr. W.
Petersen ist zum Chefarzt des Diakonissenhauses in Leipzig er¬
nannt worden.
Marburg. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ahlfeld, Direktor der
Kgl. Universitäts-Frauenklinik, feierte am 2. Februar sein 25jüh-
riges Jubiläum als Ordinarius.
Strassburg. Prof, extraord. M. B. Schmidt hat einen
Ruf an die Akademie in Düsseldorf als Professor der patholo¬
gischen Anatomie erhalten.
Würzburg. Prof. Dr. Straub-Marburg hat den Ruf als
Nachfolger von Prof. A. J. Kunkel angenommen.
Basel. Dr. S. Saltykow, Privatdozent für allgemeine Pa¬
thologie und pathologische Anatomie an der Universität Basel,
wurde zum Prosektor am Kantonsspital St. Gallen ernannt.
Prag. Die Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen¬
schaft, Kunst und Literabir in Böhmen hat in ihrer letzten General¬
versammlung den zur Erinnerung an ihren Gründer gestifteten
„Professor Philipp Knoll-Preis“ (2000 K.) für die besten Arbeiten
der letzten Jahre auf dem Gebiete der theoretischen Medicin dem
Professor der Anatomie an der deutschen Universität Prag Dr.
Hugo Rex und dem Professor der Physiologie Dr. Eugen Steinach
verliehen.
Wien. Der jüngst verstorbene kais. Rat Dr. Domenico
Barbieri hat ein Stiftungskapital in der Höhe von 300000 K.
testamentarisch zu dem Zwecke vermacht, dass daraus eine Stiftung
„zu Ehren des Andenkens des Lehrers und Freundes“ mit dem
Namen ,Dr. Theodor Billroth-Stiftung“ errichtet werde. Mit den
Zinsen sollen bedürftige Schüler der II. chirurgischen Klinik ohne
Unterschied der Nationalität und Konfession imterstützt werden.
Die Stipendien sind auf die Dauer von 3 Jahren im Betrage von
je 2000 K. jährlich durch das Professorenkollegium der Wiener
medicinischen Fakultät zu verleihen.
Soholtz-Königsberg. Uber die Verwendung des SOVsigen Wasser¬
stoff Superoxyd von Merck in der Dermatologie and Urologie.
(Archiv für Denn, und Syph., LXXl, 2—3).
Das Wasserstofläuperoxyd Merck (Jetzt „Perbydrol“ genannt) repräsen¬
tiert eine chemisch reine wässerige Lösnng von 30 Gewichtsprozenten
H, 0„ die bei der Zersetzung 100 Volomina Sauerstoff abgibt, weshalb
sie auch seither, im Gegensatz zn anderen Präparaten, die nur höchstens
bis zn 10 Prozent H,0, enthalten und je nach Provenienz als 10 bis 30
prozentig im Handel figurieren, unter der Bezeichnung 100 prozentiges
Wasserstoffsuperoxyd Morck seit einigen Jahren in Verkehr gebracht wurae.
Das Perbydrol ist uine wasserhelle, spiogelklare Flüssigkeit von begrenzter
Haltbarkeit. Daher empfielt es sich, die Verdünnungen dieses Präparates
wenn möglich immer von Fall herzustellen. Man kann aber nach Scholtz
getrost sieh Mischungen mit Arg. nitr. (10—207o) iQit Jodkalilösung
herstellen und diose I^ungon halten sich in einer reinen, dunklen Flasche
1—2 Wochen unverändert. In Olasflaschon, je nach dem Atkaligehalt des
Glases, zersetzt sich aber nach kürzerer oder längerer Zeit das Wasserstoff¬
superoxyd, daher wird das Perbydrol nur in mit.Ceresid ausvekleideten und
mit Stoffen aus gleichem Material verschlossenen Original&schen von 50
und 200 g in Handel gebracht. Hierdurch wird die Haltbarkeit des Per-
bydrols wesentlich erhöht. Die 3%ige Lösung, die hinsichtlich ihrer anti-
septischen Stärke nach v. Bruns und Honseil einer SublimatlOsung von
1:1000 völlig gleich ist, erhält man durch Verdünnen dieses Präparate mit
9 Teilen destill. Wasser, die 1 Voiff^ Lösung durch Verdünnen mit 29 Teilen.
Neben der antisoptisebon Wirkung kommt aber nach Scholtz noch die
Eigenschaft des Perbydrols in Betracht, schmierige und eitrig belegte
Wunden gut zu reinigen und bei gangränösen Prozessen die gangränösen
Ma.ssen schnell zur Erweichung und Abstossung zu bringen und ausserdem
zu desodorisieren. Daher benutzt Sch. mit Vorliebe das Perbydrol bei:
I. ulzerösen und speziell gangränösen Prozessen der Haut (Verbunden
mit Lösungen von 1:50 bis 1:100 oder besser einfach Pinseln oder Be¬
tupfen mit reinem Perbydrol oder einer Lösung 1:2 bis 1:3, täglicb 1 mal!)
2. Stomatitis mercurialis, besonders bei eitrigem Belegteein (Spülen oder
auch Pinseln, und zwar mit dem Vorteile, dass dio Wii^ung in der Haupt¬
sache auf die erkrankten Partien der Schleimhäute beschränkt bleibt; hier
kann man die obigen Misebungon von Arg. nitr. mit anwenden!) 3. tor¬
piden voreitemden Bubonen, sowie grangänösen oder serbiginöeen Formen
von ulcera mollia, (wo sonst leicht andere Mittel im Stiche lassen!) 4. Leu-
koplakia oris. In der Urologie benutzte Sch. das Perbydrol zur Blasen-
spUlung (1:300 bis 1:100) bei manchen Formen von chronischer Cystitis
und im Terminalstadium der Gonorrhoe zur Injektion (1:200 bzw. 100,
meist mit einem Aigentumzusatz von 1: 4000 bis 1:1000!)
Alle diese Wirkungen entfaltet aber nicht das Wasserstof^uperoxyd
schlechtweg, sondern eben nur das Perbydrol. A. R.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. tt, KnrfOrstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von der Hevnemann'tchen Buchdmekerei, Gebr. WolfT, Halle a. S.
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Herausgegeben von
R. Kobert, M. Koeppeo, K. Partsch, H. Roain. H. Scblanfe,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
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Magdeburg. Qiessen.
Redaktion:
BerlhiW*63e Kiif t arat e nitraw e 8k
Dr. P. MeiBner.
^
vn. Jahri^aflg. 26. Februar 1906. Nt. 9.
Di« «Medielatscbc Wocbe*ersdieiirt jeden Montag mH der Beflage BlÜMOlOgiSChB C0Dtnih6itlIII|^ Organ des iUtgendnen Dents ch en Blderverbandes, des ScbwaTswa!il>
bäderteges des VeriModee der Dentschca NordeeMiider. sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee tmd kostet wrUcb 10 M., ebiteine Nnnner 25 PL naunen jede Btcfa-
handlang. «Be Post, aosrie ehe Veiiagsbuchhandlimg voa Carl Marbold in Halle a.S. entgegea Inserate werden fflr ifl« Sapaltige Petttseile oder deeen Raum ndt 50PL tifrarhnet
Beilagen nach Ueh e r elnK nnft. RManesdIe IJOMk Bei tMedetfaoliaig tritt Braiisdgmig ein.
Nadidmck der Orl^nal-Anfsitze Ist ohne vorherige Oenehntiging nicht g e e t af let — Nacbdmck der Rnndsdun nnd der Mittdlungeo ist nnr mit QneDeBangabe gMtet l e t
OHginalien.
Zur Ätiologie der Knorpel- und Nierengiclit.
Von San.-Rat Dr. Scherk (Bad Homburg).
(Schloss.)
Bestätigt wird diese Ansebannng durch den hoben Natron-
gehalt, 'welmien das Knor p elgew ebe answeist. Deshalb finden
wir vornehmlich in den Knorpeln bei Gichtkranken Niederschläge
von saurem hamsauren Natron. Die gichtischen Concremente
stellen nach Bence Jones Biurate, also saure Urate im Gegen¬
satz zu den neutralen Uraten dar. Der Ham der Vögel und
Reptilien besteht ausschliesslich aus Quaduräten, deren eigen-
tüi^che charakteristische Reaktion darin besteht, dass sie
durch Wasser sofort in freie Harnsäure und Biurate zerlegt
werden (cf. Halliburton, S. 759).
Dass in der Tat die Knorpel den Anziehungspunkt für
gichtische Sedimentierungen darbieten, geht aus der Beobach¬
tung hervor, dass wir nicht nur in den Gelenkknorpeln, son¬
dern im Ohr-, Nasen-, Lidknorpel Gichtknoten vorfinden, sondern
dass auch im Kehlkopfknorpel und in den Knorpelringen der
Bronchien gichtische Ablagerungen konstatiert sind. Zu erwägen
ist auch, ob die Herzbeschwerden, die Angina pectoris und die
Dnickerscbeinungen auf der Brost, wie dieselben nach Rumpf
bei Gichtkranken häufig beobachtet werden, gleichfalls auf Sedi-
mentierung von Uraten in den Rippenknorpeln zurückzufübren
sind. (D. M. W. No. 52, 1905. Die Behandlung der Herz-
neuroeen von Prof. Rumpf.) Ebenso ist die „internal gont“
der englischen Autoren höchstwahrscheinlich auf eine Knorpel-
aRektion zurüekzuleiten. — Historisch ist die Notiz, dass
Friedrich der Grosse einen heftigen Anfall von Dyspnoe hatte,
auf welchen am folgenden Tage ein Gicbtanfall folgte. (British
Med. Journal 1888. Bd. II. S. 954. Harnsäure als ein Faktor
bei der Entstehung von Krankheiten, von Alex. Haig.) Als
neuer Beweis der sdectivenKnorpelfunktion sind die Forschungen
A m a 1 g i a’s anzufübren. Derselbe hat experimentell konstatiert,
dass die Kikorpelsabstanz das Vermögen besitzt, aus sehr ver¬
dünnten Lösungen von harnsaurem Natron sehr erhebliche
Mengen von Urat aufzuoebmen und in krystallinischer Form
abzmagern. Die Prädilection der Knorpelsubstanz für Urat
ergibt sich auch bei Injektion von Harnsäure in die Peritoneal¬
höhle von Kaninchen. Die Gelenkknorpel zeigen danach posi¬
tive Murexidreaktiooen, während sie in Leber, Muskel, Milz und
Lungen negativ amfällt. (Hofmeister’s Beitr. für Pbys. B. VH.
M. Amflig ia, Strassburg. Absorptionsvermögen der Knorpel-
substanz für Harnsäure.)
Neben diesen chemischen Affinitätsgesetzen kommen bei
der Bildung von Gichtknoten auch physikalische Faktoren
in Betracht und wir können auf diese Weise uns eiklären.
weshalb mit Vorliebe die gichtischen Ablagerungen in den
Fussgelenken sich nachweisen lassen.
Auch bei der Bildung der Nierengicht, der Stein- tmd
Griesformation, treten die physikaliscben Faktoren mehr in den
Vordergrund, wie die chemischen Affinitfiten.
Hat sieb Folge mangelhafter Oxydation eine Hochflut von
Harnsäure im Blutstrome geltend gemacht, so wird dieselbe
einen Ausweg suchen, ist ein Niederschlag im Knorp^ewebe
vermieden, so bilden die Nieren immerhin noch als Aussebei-
dungsorgan eine gefahrvolle Klippe, welche zu nmg^en ist.
Dass die Tubuli der Nieren, bei den verwickelten ßchlänge-
lungen und dem minimalen Liimra, ganz besonders geeignet
sind, bamsaure Sedimente zu bilden, ist auf die KonStndrtion
zurückzufübren und die physikalischen Verhältnisse sind vor
allem hier maßgebend. Wenn ap^r das ^nze Gewebe mit
Concrementen dieser Art durchsetzt ist, weri^n nicht nur durch
die Stauungen, als auch durch mechanische Läsionen patho¬
logische Veränderungen geschaffen, welche uns das gefürchtete
Bild der Gichtniere vor Angen fü^en.
Von demselben Standpunkte ans müssra die Steine, welche
sich in den Nieren bilden, beurteilt werden. Hamsanre Kalk-
und harnsaure Natronverbindungen bilden meist^is den Kern
und analoge Bedingungen führen zur Lithiasis nnd nrr Bildung
von Hamgiies.
Diese Concremente können sich in den Ureteren fest¬
klemmen, können aber auch als Blasensteine die bekannten
Beschwerden bilden. Ebenso sind die Gallensteine, welche
einen uratiseben Kern zeigen, dieser Rubrik einzureihen.
Schon die Coincidenz von Bildung von Gichtknoten und
Steinleiden weist auf einen gemeinsamen ätiologische Faktor
hin, in beiden Fällen ist die inoi^dable Harnsäure, welche im
Blutstrome sich ansammelt, die Ursache der Erkrankung, die
uratische Diathese bildet die gemeinsame Veranlassung.
Dass wir unter diesen Verhältnissen mit einer patho¬
logisch konfigurierten Harnsäure zu rechnen haben, darauf
weisen die normalen Ausscheidungen von Harnsäure hin, und
die Krankheiten, bei denen keine Symptome der nratischen
Diathese sich zeigen, wohl aber massenhaft Harnsäure im Urin
nachzuweisen ist.
Suchen wir die therapeutischen Maßr^eln den ätio¬
logischen Momenten anznpassen, so werden wir verschiedene
Anhaltspunkte finden, welche den pathogenetischen Symptomen
entsprechen. — Wir werden wohl kaum eine Krankheit ans¬
findig machen können, bei welcher bis jetzt die Verordnungen
von Autoren in einem solchen Gegensatz stehen, wie bei der
Behandlnng der Gicht und Steinkrankheit
Einzelne Autoritäten verordnen Säuren, andere Alkalien,
einige verbieten Fleisch, andere Vegetabilien, kurz die Wider¬
sprüche sind so mannigfaltig, dass von einer einheitlichen
Richtung in der Therapie der Gicht nicht die Rede sein kann.
Stellen wir dagegen die pathologisch modifizierte Ferment¬
wirkung und die daroiederliegende Oxydation der Harnsäure
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MBDICINISOHB WOCHE.
Nr. 9.
als ätiologische Faktoren hin, so ist uns ein Fingerzeig ge¬
geben, welchen Weg wir in der Behandlungsweise einzu-
schlagen haben.
Da jedes spezifische Ferment im Organismus seinen be-
renzten Wirkungskreis ausübt, welcher sich nicht nur nach
er Qualität, sondern auch nach der relativen Quantität der
Nährstoffe richtet, so ist einleuchtend, dass die Zufuhr der
Nucleine in erster Linie zu beschräuken ist.
Wir werden demnach die Zufuhr nucleinreicher Substanzen
womöglich Termeiden. Kalbsmilch, Thymusdrüse, Leber, Caviar,
blutreiches Fleisch sind als Nahru^smittel zu verbieten.
Jeder Gichtkranke macht die Erfahrung, dass der Genuss
von Alkohol einen schädigenden Einfluss ausübt Die Ursache
dieser Wirkung ist in der Hemmung der Nervenzellenfunktion
zu suchen. Sind nervöse Affektionen, wie oben ausgeführt ist,
bei der uratischen Diathese als belastende Faktoren anzu-
sprechen, so ist die Schlussfolgerung berechtigt, dass die
Arbeit der Drüsenzellen mit der relativen Leitfähigkeit und
den energetischen Leistungen der Nervenzellen in engem Zu¬
sammenhänge steht.
Aus demselben Grunde ist eine genügende Sauerstoffzufuhr
von grosser Bedeutung, der Sauerstoff im Organismus bildet
das punctum saliens der normalen Nerventätigkeit. Ausserdem
werden die Oxydationsvorgänge befördert.
Deshalb ist Bewegung in freier Luft, leichte Gymnastik
und Schlaf bei geöffneten Fenstern für Gichtleidende ein Kardi¬
nalpunkt in der Therapie.
Dass bei Nierengicht scharfe Vegotabilien, welche das
Nierenepithel schädigen, vermieden werden müssen, ist ein
alter Enahningssatz. Meerrettig, Sellerie, Radieschen, Spargel
etc. sind deshalb als Nahrung nicht indiziert.
Andererseits werden von alters her frische Kräutersuppen
den Gichtleidenden anempfohlen. Da diese Kräuter alle einen
reichen Gehalt an Oxalsäure aufweisen, so besteht ein Wider-
^ruch darin, wenn einzelne Autoren Tomaten, welche viel
Oxalsäure enthalten, verbieten. Erwägen wir, dass die Oxal¬
säure, als starke Säure dem Organismus eiiiverleibt, sich mit
Kalk verbindet und als oxalsaurer Kalk ausgeschieden wird,
so ist nicht zu bestreiten, dass in der pathologisch konfigurierten
Harnsäure ein Bindeglied zur Bildung der Tophie resp. der
Steine gewonnen wird.
Von diesem hypothetischen Standpunkte aus wäre dem¬
nach die Zufuhr oxalsäurehaltiger Kräuter, abgesehen von aus¬
gesprochener Oxalurie, anzüempfehlen.
Die Bedeutung der Mineralwasserkuren bei Behandlung
der uratischen Diathese ist allüberall anerkannt. Inwieweit die
Feuilleton.
Ober Verhütung der Tuberkulose
(Schwindsucht).*)
Von Prof. Dr. F, Kraus-Berliu.
(Populärer Vortrag, gehalten 26. Februar 1905.)
Die Vereinigung des Ideals der freien Persönlichkeit mit
dem Ideal der menschlichen Gesellschaft, dieser Hauptbeweg-
grund für die fortwährende Umprägung der sittlichen Werte
im Laufe der Zeit, hat entschieden das Gesamtw’ohl in den
Vordergnind gestellt Der Mensch ist ein soziales Tier, von
den niederen Tieren bloss durch die Fähigkeit der Überlegung
verschieden. Der soziale Instinkt gehört zu den der Art nütz¬
lichen Eigenschaften, welche sich im Kampf ums Dasein fort¬
pflanzen und steigern. Die für die Gattung nützlichen Instinkte
erw’eisen sich dabei gegenüber denjenigen, welche bloss der
Selbsterhaltnng dienen, als die beständigeren und überwinden
d(‘shalb allmählich die letzteren. Darum liegt in allen gesellig
lebenden Tieren die Anlage zur Sittlichkeit, dieselbe ist bloss
*) Wir freuen uns, diese allording-s für Laien bestimmten Aus¬
lassungen des bokaniitoji Klinikers hier bringen zu können, da dieselben
viele beherzigenswerte Winke für den Praktiker bezUgl. des Verhaltens
Laien gegenüber enthalten.
Blutalkalescenz durch eine Trinkkur beeinflusst wird, ist frei¬
lich noch nicht festgestellt. Die Alkalescenzfrage zu präzisieren,
bleibt noch der Zukunft Vorbehalten, speziell bei der Gicht
wird die Beantwortung schwieng sein, da die Acidosis je nach
der Anhäufung der Harnsäure im Blute eine sehr variable Grösse
darstellt.
Die praktische Erfahrung führt die Gichtkranken in die
Heilbäder und vornehmlich werden neben den alkalischen
Wässern; den Glauborsalzwässem, die Kochsalzquellen Ver¬
wendung finden. Namentlich bewähren sich die letzteren bei
intestinalen Komplikationen, bei verminderter Magensäure und
herabgesetzter Gallenproduktion. In welcher Weise die Zufuhr
\ on Alkalien bei Behandlung der uratischen Diathese neuer¬
dings in Misscredit kommt, beweisen die Untersuchungen von
J. J. von Loghern. Derselbe kommt zu dem Resultat, dass
Alkalien innerlich genommen, die Ablagerungen der ürate
direkt fördern, Säuren dagegen Vorbeugen. Nach demselben
empfiehlt es sieb, prophylactisch eine Salzsäuretherapie anzu¬
ordnen. (S. Archiv f. kl. Med. Bd. 85, 3 u. 4.) (Experimentelles
über die Gichtfrage.)
Inwiew’eit der Eisengehalt der einzelnen Quellen zu be¬
rücksichtigen ist, wird bei anämischen Patienten w'ohl auf die
Wagschale zu legen sein und die abführende Wirkungsweise
wird den Leberkreislauf entlasten.
I Die Bäderwirkungen bei chronischen Gichtfallen sind nicht
j ausser Acht zu lassen.
Es ist allerdings nicht leicht zu beurteilen, inwieweit die
Zufuhr von Mineralwasser per os einen Einfluss auf die Be¬
förderung der Fermentwirkung ausübt, doch ist nach dem Aus¬
bau der physikalisch-chemischen Wi.ssenschaft und deren heu¬
ristische Anwendung nicht ausgeschlossen, dass die Aufnahme
der minimalen Werte anorganischer Substanzen im Organismus
auf die Umsetzungen in den Zellenlaboratorien von grosser
Bedeutung sein wird.
Da nach den neuen Forschungen von Boruttau*) die
Jonenwanderung bei der Erregung der Nerven eine hervor¬
ragende Rolle spielt, so ist dieser Faktor wohl zu berück-
sichtigen.
Durch Auweiiduiig der Organsafttherupie ist es noch nicht
gelungen, eine Fermentwirkung spezifisch zu erhöhen, wiewohl
die Erfolge, welche bei Myxoedem durch Verabreichung von
Jodothyrin erzielt w'erden, darauf hinweisen, dass diese Methode
nicht ganz aussichtslos sein wird. Eine subkutane Injektion
*) Nouero Fortschritt« auf dem Gebiete der Nervenphjsiologie von
Prof. H. Boruttau. Fortschritte der Medicin. 30/05.
der unter Kontrolle der Vernunft stehende soziale Instinkt.
Das „allgemeine Beste“ kann nichts anderes sein, als die
Summe der Mittel, durch welche die grösstmögliche Zahl von
menschlichen Individuen ihr grösstmögliches Wohl findet, vor
allem eine Existenz in voller Kraft und Gesundheit. Natürlich
darf Jedermann die Ziele seines Lebens selbständig verfolgen,
er muss sich jedoch in den Schranken halten, welche das
gleiche Recht seiner Mitmenschen ihm setzt. Auf dieselben
Grundsätze wie die Sittlichkeit, die Wohlfahrtsmoral, ist selbst¬
verständlich auch alle Gesetzgebung zu begründen, auch sie
hat nicht dafür zu sorgen, dass sich eine kleinere Zahl von
Menschen einer hohen Wohlfahrt, sondern, angepasst den vor¬
handenen Lebensbedingungen, eine grösstraöghche Zahl des
grösstmöglichen Wohles erfreuen. Vor der Gleichheit aller,
vor Wohlstand und vor sinnlichen wie geistigen Genüssen
steht auch hier noch die Sicherheit und die Erhaltung
der Existenz des Einzelnen, und noch mehr — der
sozialen Einheit, der Familie.
Ich habe diese Ihnen bekannten Dinge bloss vorgebracht,
um zu zeigen, dass die Volkswohlfahrt nicht nur bizarre und
S hantastischo Persönlichkeitsideale, wie den „Übermenschen“
ietzsche’s, überhaupt nie aufkommen lässt, sondern auch
Individuen, welche, bereit, sich der Gemeinschaft unterzuordnen,
nicht mehr verlangen, als auf Grund der Lebenseigenschaften
des modernen Menschen alle Seiten ihres Wesens narmonisch
zu entwickeln, mannigfache Opfer auferlegt. Wenn Sie aber
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. 8. Btitbl, Dr. L,, Privatdosent in Wien. Die Verbildungen der Nasenecheldewand.
Mk. 1,40.
a 18 Hegedom, Dr. Max, ln Hamburg üeber Beziehungen von Allgemelnkrmnkheien
sowie von N^Men- und Halsleiden snm Gefaftrorgsne. Mk. 1,—.
a 11. 8aehannek, Dr. H., Privatdosent ln Zürich. Ueber Skrofulöse, ihr Wesen und
ihre Beziehungen snr ruhenden Tuberkulose der Mandeln, Halslyxnph-
drüaen and benachbarter Organe. Mk. 1^0.
. 18. Holftnaan, Dr. It., in Dresden. Die Fremdkörper des Ohres. Mk. 1,—.
Band II.
Hsft 1, WInekler, Dr. E., ln Bremen. Ueber Oewerbekraiikbeiten der oberen Luftwege
Mk.
, 8 n. 8. Fink, Dr. E., in Hamburg. Die Wirkung der Syphilis in den oberen Luft¬
wegen und ihre Örtlichen Erscheinungen. Mk. 8,—
, 4 II. 5. Kafbmann, Dr. R., Privatdosent in KOnigeberg i. Pr. Die Tuberkulose in
ihren Beziehungen zu den oberen Luftwegen eowie ihre nnd des Lupns
Örtliche Erscheinnogen. Hk. 1^0.
. 6 Kayscr, Dr. U., in Berlin. Ueber subjektive OebOraempflndungan. Mk. 1^0.
n 7 llagctl^P"’ ^kx, in Hamburg. Die schädlichen Einwirkungen dee Tabaks
und Alkohols einereeita und verkehrten Schnenzens nnd Niesene sowie der
Nasen- und Luftdusche andererseits auf das Ohr. Mk. 1,—
. 8 Krieg, Dr Bobert, Hofrat in Stuttgart. Wabrscheinliebkeitediagnoeen bei Krank¬
heiten auf Grund der Nasenbalserecheinungen. Mk. 0,60.
, 9 n, 10. StrBbIng, Prof, in Greifewald. Der Laryngospasmue, seine Genoee nnd
seine Beziehungen zu inneren Erkrankungen. Mk. 1^0.
, 11 n, 18. Snebannek, Dr, H., Privatdocent in Zürich. Ueber Diphtherie der oberes
Luftwege. Mk. 8,—
Band III.
Heft 1. WInekler, Dr. E., in Bremen. Ueber den Zueammenhang von Naien- und Ohrei-
erkrankungen. Mk. 8,-
, 8. Hagedorn, Dr. M., ln Hamburg. Der Kencbbuiten lind seine Örtlichen Er-
eebeinungen. Mk. QAO.
. 3. Kayser, Dr. K., ln Breslau. Ueber Durchlöcherungen des Trommelfell*. Mk. I,i0.
n 4 Heermann, Dr. G., Privatdosent in Kiel. Ueber Otitis medla im fmhen Kindss-
alter. Mk. 1,60.
, 6 u. C. Fialen, Dr. Theodor S., ln Berlin. Die Hysterie in ihren Bealehungen zu
den oberen Luftwigen und zum Ohre. Mk.
. 7. Ooldsehmldt, Dr. Alfred, Breslau. Die frischen EntzOndungen dee Eeblkepfe*.
Mk. A-
, 8. Breagen, Dr. Haxlmllina, in Wiesbaden. Die frischen EntaAndangen der Baches¬
bohle nnd dee lymphatischen Racfaenringee. Mk. 1,40.
, 9 u, 10 WInekler, Dr. E., in Bremen. Ueber Gewerbekrankheitwi dee Ohres. —
Bayer, Prof. Dr. L., ln Brflssel. Ueber IfremdkOrper (KapfermADse] ia
Oesophagus. Mk. A~- -
a 11. Snebannek, Dr. Hermann, Privatdozent in Zürich. Die BeUungsauetände und
DauerentzUndungen des Kehlkopfes. Mk. 1,30.
n 18. Hagedorn, Dr. Max, in Hamburg. Ursaoben und Folgen der Erkrankungen des
Warzentells nnd ibre Behandlung. Mk. t,~
Über Inhalt von Bd. IT—TI stehen Verzeichnisse zur Verfügung.
Band Tll.
Heft 1. u. 3. Heenaann, Dr. Gnstar, in Kiel. Ueber den Mbnidre'soben Symptomenkoa-
plex. Mk 8,-
„ 3. KSnlg, Dr., in Könitz Ohruntersnehnngen in der Dorfrebnie. Mk. A66.
n 4, Kretschniann, Dr., in Magdeburg. Die Bedentuog des Ohrsetamersee. Hk. 0,40.
„ 6 Mink, Dr. P. J., in Deveiiter (Holland). Die Nase als Luftweg. Mk. 1,80.
„ 6 u. 7. Rolflcher, Stabsarzt Dr. Die otogenen Erkrankungen der Hirnhäute. I. Dis
Erkrankungen an der Aussenflacbe der harten Hirnhant. Mk. 3,60.
„ 8. Bresgen, Dr Max, in Wiesbaden. Die hauptsächlichen kindlichen BrkraBkusges
der NaeenbOhlen, der KachenhOhle und der Ohren, Mk. A06.
^ Band Tlll.
Heft 1. Heermnnn. Dr. Gnetav, in KieL Ueber die Lehre von den Besiehnngen iHr
oberen Luftwege zu der welbliohen Gonitalsphäre. Mk. 0,60.
„ 3. Heermann, Dr Gnstar, in Kiel. Die Bedeutung der aktuellen Frage Aber
Behandlung der Otitis media acuta für den prantieeben Arzt. Mk 0,60.
„ 3 Alexander, Privatdozent Dr, G, in Wien. Probleme in der klinischen Patiiolo^«
des statischen Organe. Mk. 0,00.
„ 4, 6 u. 6. RSlHChcr, Stabsarzt Dr., in Ulm. Die otogenen Erkrankungen der Hi»'
häute. — Die Brkraukuugen im Subduralranm und die eiWige ISntaAndnsf
der weichen Hirnhäute. Mk. A—•
„ 7. Saonger, Dr. X., Magdeburg. Ueber luhalätionitkerapie Mk. 1,— -
tleynciunn'Khe Uuchdrucksrei, Gebr. WolfT, Halle a. S,
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
99
von Fermenten wird dagegen toxisch wirken und ist durchaus
Ton der Hand zu weisen.
Dass eine akute Gichtattacke durch Druck oder Trauma
veranlasst werden kann, wird seine Ursache in dem Umstande
haben, dass durch die Zirkulationsstörungen eine UeberfüUung
der Capillargefässe stattfinden wird und infolgedessen die im
Blute angeschwwnmte Harnsäure leichter Gelegenheit findet,
in das Knorpelgewebe überzutreten.
Da die hamsauren Sedimente zunächst eine mechanische
Druckwirkung auf die umliegenden Gewebe ausüben und erst
später chemisch schädigen (Idsteins necrotische Herde), so ist
eine antiinflammatorische Behandlung der neugebildeten Tophi
durchaus indiziert.
Bekanntlich hat sich Applikation von Wärme bei der Be¬
handlung der akuten Affektionen in die Praxis eingebürgert,
doch nimmt die Kälteanwendung sofort den intensiven Schmerz,
wenn man dieselbe, ohne einen Druck auszuüben, d. h. nicht
als Eisbeutel oder kalte Umschläge, sondern als Aetherspray
lokal anwendet.
Wiewohl, namentlich die englischen Autoren von der Kälte¬
applikation bei Gichtkranken abraten, da dadurch leicht interne
Aliektionen, Herzirritationen, Störungen im Verdauungstraktus
etc. entständen, so kann ich mich nach meiner Erfahrung dieser
Besorgnis nicht anschliessen.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
BerU/ner meä/tdnische
Sitzung vom 14. Februar 1906.
Tagesordnung:
klosse: Demonstrationen von Patienten und Präpa¬
raten.
M. zeigt zunächst einige Patienten mit seltenen vasomoto¬
rischen Störungen unter dem Bilde der chronischen Akrocyanose
und dem der idiopathischen Hautatrophie, der Akrodermatitis atro¬
phicans. Weiter eine Patientin mit Fibrinurie; schliesslich ein
Präparat von einem der seltenen Fälle von Hämorrhagie in den
Vierbügeln.
Diskussion: Ewald, Senator, W e s t e n h o e f f e r,
B1 a s c h k 0 .
einen Blick auf ein Programm der V olkswohlfahrtsbestrebungen,
wie es z. B. jüngst Herr Robert Behla (Potsdam) aufgestellt
hat, werfen, so werden Sie erkennen, dass wir, aus welchem
gesellschaftlichen Lager wir auch hervorgegangen, hinweg
über die Vorherrschaft einzelner Gesellschaftsklassen, hinweg
über die blind wirkenden ökonomischen Kräfte und den auf
einem andern Boden auszufechtenden Klassenkampf, hier ein
weites gemeinsames Feld segenavoller Arbeit vor uns haben.
Die Volkswohlfahrtsbestrebungen umfassen die Säuglings- und
RleinkinderTürsorge, sie nehmen sich der Waisen und der ge¬
sunden wie der gebrechlichen Schulkinder an, ihre Organi¬
sationen erstrecken sich auf Burschen und Jungfrauen, sie be¬
treffen Wohnung, Ernährung, Arbeitsverhältnisse, Armenwesen
und Krankenpflege, sie vergessen auch Rekonvaleszenten und
auch die Siechen, auch Geistesgestörte und die von Unfällen
Betroffenen nicht, sie kommen den Wöchnerinnen und Witwen
zu Hilfe und nehmen sich endlich der Altersinvaliden an.
Wohlfahrtsmoral und Wohlfahrtsgesetzgebung vereinigen sich
dabei immer mehr auf dem Standpunkt, dass neben und trotz
aller Nächstenliebe ein gesundes Interesse den mächtigsten
und menschenwürdigsten Hebel für alle Schöpfungen dieser
Art und die beste Gewähr für die Dauer des Geschaffenen bildet.
In diesem weiten Rahmen der Volkswohlfahrt gebührt
nun der Seuchenbekämpfung ein sehr hervorragender Platz;
insbesondere ist der Kampf gegen die Tuberkulose eine wich¬
tige Kultoraufgabe.
Weyl: Ueber Pellagra.
Bericht über eine Reihe von Beobauhtuagen, die er gelegent¬
lich einer hygienischen Forschungsreise in Italien machte. Pellagra
ist in Italien zuerst im 18. Jahrhundert beschrieben. Die Krank¬
heit entwickelt sich ganz allmählich, zunächst mit harmlos er¬
scheinenden Hautaffektionen; später stellen sich kacbektlsche Symp¬
tome ein; wird jetzt nicht prophylaktisch eingegriffen, so geht die
Krankheit in ein drittes Stadium, fortschreitendes Siechtum mit
völliger geistiger Umnachtung, über. Die Krankheit findet sich
nur in maisbaueuden Ländern. Nach einer 1898 aufgestellten
Statistik fanden sich in drei Provinzen Norditaliens über 60000
Pellagröse; die jährliche Mortalität in Italien an Pellagra beträgt
ungeföhr 4000 Fälle, und in den Irrenanstalten sind 8 bis 9%
aller Insassen pellagrös. Die Infektionstheorie ist im Ganzen ver¬
lassen zu gunsten der Intoxikationstheorie, die ihren Hauptver¬
teidiger in Lombroso gefunden hat. Nur der Genuss von ver¬
dorbenem Mais führt zu Pellagra. Die hörigen Landarbeiter in
Oberitalien werden zum Teil mit Mais bezahlt, imd zwar dem zu¬
letzt im Jahr geernteten, der oft nicht mehr hinreichend getrocknet
werden kann und dann durch Schimmelbildung verdorben wird.
Von Staatswegen ist der Kampf gegen die Pellagra aufgenommen
worden; die Hauptmaßnahmen erstrecken sich auf Verbot des
Verkaufs von verdorbenem Mais und der aus solchem hergestellten
Produkte, Anzeigepflicht, Bereitstellung von Apparaten zur Mais¬
trocknung. Bezüglich der Behandlvfhg hat sich eine solche in
Ackerbaukolonien für Patienten in den ersten Stadien der Krank¬
heit erfolgreich erwiesen. Demonstration von erläuternden Bildern.
AerxIMcher Verein in SamJbwrg*
Sitzung vom 6. Februar 1906.
Vorsitzender Herr Kümmel.
1. Diskussion über den Vortrag des Herrn Nocht .Ueber
Schwarzwasserfieber“ (Fortsetzung). Herr Reuter hat
vier Sektionen bei Schwarzwasserfieber ausgeführt und stets Milz¬
schwellung und Hämoglobininfarcte und im Blut Malariapigment
und das Methämoglobinspektrum nachweisen können, letzteres so¬
gar auch im Fruchtwasser einer graviden Frau, die an Schwarz¬
wasserfieber zu Grunde gegangen war. Da die Sektionsbefunde an
den Nieren einer Nephritis entsprechen, regt er die Frage an, ob
nicht etwa Gefrierpunktsbestimmungen gemacht werden könnten.
Er verweist auf die Aehnlichkeit der ganzen Erkrankung mit einer
Chlorkalivergiftung: Hämoglobinurie, Methämoglobinspektrum im
Blut, Schwellendosis sowohl beim Chinin wie beim CÜorkali, und
empfiehlt, doppeltkohlensaures Natron in grossen Dosen zu geben,
um die Bildung des Methämoglobins zu verhindern. Herr Nocht
Um Sie als Laien für die menschliche Seite dieser grossen
Aufgabe zu gewinnen, möchte ich Ihnen vor allem eine wahre
und erschütternde Vorstellung von der schrecklichen Grösse
aller von der Tuberkulose dem Volke zugefügten Schäden zu
geben versuchen. Werden Sie sich zunächst klar, wie weit¬
gehende und tiefe Wurzeln diese Seuche in unserem Volke
bereits seit langem geschlagen hat. Im erwerbsfähigsten Alter
wird bei uns fast jeder dritte Todesfall und mehr als jeder
zweite Invaliditätsfall der in der Industrie beschäftigten männ¬
lichen und weiblichen Arbeiter bis zum Alter von etwa 30
Jahren durch die Tuberkulose verursacht. Die Tuberkulose-
sterblichheit ist grösser als selbst die Summe der Todesfälle
durch Diphtherie, Keuchhusten, Scharlach, Masern, Typhus
zusammengenommen. Im französischen Kriege sind nach der
preussischen Statistik gefallen und sonst an Krankheiten ge¬
storben 41000 Männer. Die doppelte Zahl von Menschen stirbt
jährlich an Tuberkulose! Nach Millionen ist die Zahl der je¬
weils lebenden erwachsenen Personen, welche neben uns
tuberkulös sind, zu beziffern; und die Zahl derjenigen er¬
wachsenen Menschen, deren tuberkulöses Leiden so weit vor¬
schreitet, dass eine Krankenhaus-Behandlung notwendig wäre,
wird im Deutschen Reiche auf mindestens 200000 jährlich ge¬
schätzt. In den 618 Spitälern Oesterreichs liefert die Tuber¬
kulose tatsächlich beinahe 6% aller Verpflegten und fast ein
Viertel sämtlicher daselbst Verstorbenen. Dabei ist die Tuber¬
kulose eine Krankheit der ganzen Welt In Eucopur. stellt
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100
MBDICmiSCHB WOCHB.
Nr. 9.
erklärt im Schlnsswort, dass er noch keine Gefrierpunktsbestim¬
mungen bei Schwarzwasserfieberkranken vorgenommen habe; eine
therapeutische Wirkung des Natrium bicarbonicum und anderer
Alkalien bei Schwarzwasserfieber halte er für ausgeschlossen, da
er häufig eine starke Alkaleszenz des Urins beobachtet habe.
Nach seinen Erfahrungen wirkt auch Chinin insofern anders als
Chlorkali, als ersteres die gleiche Wirkung bei vollem wie bei
leerem Magen zeige. Der Lenhartzsche Fall von Petechieen
statt der Hämoglobinurie sei zwar selten, stehe jedoch lange nicht
vereinzelt da; er selbst habe Petechieen bei prophylaktischem
Chiningebrauch auftreten sehen, wo nur jeden vierten Tag 1,0 ge¬
geben wurde. Er wendet sich dann gegen die Lenhartzschen
Ausführungen, dass es eine erworbene Disposition zum Schwarz¬
wasserfieber durch prophylaktischen Chiningebrauch gäbe, da mit¬
unter bereits bei der ersten Chinindosis Hämoglobinurie auftritt.
Nach seiner Ansicht komme es überhaupt nur zum Schwarzwassei*-
fieber, wenn nicht genügend Chinin gereicht würde.
2. Demonstrationen: Herr Kümmel stellt einen Pall von
sehr ausgedehntem Magencarcinom vor; Bei der Operation
stellte sich die Unmöglichkeit der totalen Exstirpation infolge
Uebergreifens auf den Pankreaskopf heraus. Trotzdem die Bauch¬
wunde am zehnten Tag und dann noch einmal nach vier Wochen
genäht werden musste, befindet sich Pat. jetzt sehr wohl und
hat bereits 30 Pfd. zug^nommen. Im Anschluss hieran zeigt
Herr Kümmel auf dem Schirm verschiedene Röntgenaufnahmen
des Magens, der mit einem mit Wismuth durchsetztem Griesbrei
gefüllt war.
3. Vortrag des Herrn Ringel: „Ueber acuten mecha¬
nischen Ileus**. (Autoreferat.) Beim mechanischen Ileus
unterscheidet man den Obturatlonsileus und den Strangulationsileus.
Letzterer tritt im Gegensatz zum ersteren stets akut auf und ver¬
läuft stürmisch, da neben der Verlegung des Darmlumens das
Mesenterium abgeschnürt ist, was zur Ernährungsstörung des
Darms führt. Den Ausführungen sind 27 Fälle zu Grunde gelegt,
und zwar 3 Fälle von Volvulus, 19 Fälle von Darmabschnürung
durch Stränge, 1 Fall von Hernia obturatoria incarcerata und
4 Fälle von Intussusception. Bei der Besprechung der Sypmto-
matologie und der Diagnose wird hervorgehoben, dass die meist
in den Lehrbüchern angegebenen Symptome die Terminalsymptome
bereits sind. Man bat auf die Anfangssymptome zu achten, zu
denen in allererster Linie der peritoneale Shock gehört mit gleich¬
zeitigem Erbrechen. Die Therapie besteht in sofortiger Operation,
Aafbu(fi)iung und Beseitigung des Hindernisses. Ist der Darm
schon krank, soll unter allen Umständen primär reseciert, niemals
eine Dünndannfistel angelegt werden. — Von den 27 Fällen
wurden 18 geheilt, 14 starben, und zwar- hatten die letzteren
sich die Reihenfolge der Länder, wenn ausschliesslich die
Sterblichkeit an Lungenschwindsucht, dieser hauptsächlichsten Er¬
scheinungsform der Tuberknlose, zum Maß.stab genommen wird,
dahin, dass England, Norwegen und Belgien verhältnismäßig
am günstigsten dastehen, das Deutsche Reich mittlere Verhält¬
nisse aufweist und Ungarn, Österreich und Russland am ärgsten
daran sind. Eine säulenartige Zusammenstellung der Schwind¬
suchtssterblichkeit in den grossen Städten zeigt, dass Moskau
und Petersburg sich durch die höchsten Säulen auszeichnon;
gleich danach Kommen Wien und Ofen-Pest.
Die Tuberkulosebestrebungen umfassen erstlich die
Ermittelung, Auslese und Gruppierung der Kranken (insbe^sondore
die Belehrung der Bevölkerung, die Anzeigepflicht für be¬
stimmte Formen der Krankheit, die sog. Auskunfts- und Fiir-
sorgestellen für Lungenkranke, die Tuberkulosestatioiien in
Krankenhäusern, bezw. die selbständigen Tuborkulosespitäler,
die Genesungsheime und Erholungsstätten, die Gemeinde¬
krankenpflege), ferner die Unterbringung d(?r Kranken des
ersten Stadiums in den Volksheilstätten, mit Berücksichtigung
der Familienfursorge während der Kur, dos Übergangs iu den
früheren oder-einen neuen Beruf, weiterhin die Versorgung
der Schwerkranken in Pflegestätten und Invalidenheimen, so¬
wie endlich die Maßnahmen zur Verhütung der Tuberkulose.
Nur. die letzteren sollen den Gegenstand meiner heutigen Be-
sprephimg bilden. (Fortsetzung folgt.)
schon zur Zeit der Operation eine Peritonitis mit Ausnahme von
zwei Kindern im Alter von 6 bezw. 8 Monaten, die im Shock zu
Grunde gingen. Unter den Geheilten befindet sich ein Fall, bei
welchem der Darm wegen Gangraen in grosser Ausdehnung rese¬
ciert war.
4. Diskussion: Herr Wiesinger empfiehlt, von dem nicht
geblähten Darm aus nach aufwärts zu geben, um die Erkrankung
zu suchen. Im Gegensatz zum Vortragenden hält er die Darm¬
resektion für zu gefahrvoll und legt lieber etwas höher herauf
eine Darmfistel an. Nach einigen Bemerkungen des Herrn Her-
hold erwähnt Herr Falk einen Fall von postoperativem Ileus,
der am vierten Tage einsetzte und tötlich endete. Herr Deutsch¬
länder ist gleichfalls für möglichst schnelle Operation beim Auf¬
treten schwererer Erscheinungen und hält Atropin, Strychnin,
Eingiessungen etc. nur dann für erlaubt, wenn bereits wenige
Stunden danach ein Erfolg vorhanden ist. Herrn Kümmels
Ansicht ist die, dass all’ die sogenannten Ileusfälle, die angeblich
mit Atropin etc. geheilt sind, gar keine Ileus-, sondern Perity-
phlitisfälle waren. Er hält eine Heilung ohne Operation bei Ileus
für absolut ausgeschlossen. Man mnss Erfahrungen sammeln, da¬
mit die Ileusdiagnose sicherer wird. Ist jedoch die Diagnose
sicher, dann gibt es nur ein Mittel, und das ist das Messer. Um
postoperativen Ileus zu vermeiden, wendet er stets mit sehr gutem
Erfolg, wenn es sieb nicht gerade um Darmresektionen gehandelt
hat, die frühzeitige Verabreichung von milden Abführmitteln an.
Nach einigen Worten des Herrn Grube wird der vorgerückten
Zeit wegen die Fortsetzung der Diskussion vertagt.
Schönewald.
Medicini^che Gesetlseliaft in Giessen,
3. Sitzung am 12. Dez. 1905.
Vorsitzender: Herr Poppert. Schriftführer: Herr Kisskalt.
Tagesordnung; (Klinischer Abend) 1. Herr Soetbeer,
Milzextirpation bei Malaria. 2. Herr Volhard: a) Demonstration
eines Mädchens, welches eine Nadel verschluckt hatte mit Demon¬
stration der extrahierten Nadel, b) Demonstration eines Falles
von doppelseitiger Posticusparese nach doppelseitiger totaler Re-
kurrensparese infolge von Strumectomie. o) Ein Fall von Herz¬
block. 3. Herr Moritz: Demonstrationen an dem von ihm an-
gebenen Kreislaufmodell.
4. Sitzung am 9. Januar 1906,
Tagesordnung: 1. Herr Schäffer: Drei mit Römer’schem
Pneumococcensemm erfolgreich behandelte PneumoniefhUe.
Nach zusammenfassendem Referate Uber die Fälle von Pässler,
Knuth und Lindenstein berichtet Vortr. über drei Fälle von
Pneumonie, in welchen sich unmittelbar an die Injektion von 10 ccm
Römer’schem Pneumococcenserum die kritische Entfieberung unter
Schweissausbruch anschloss. Es handelte sich um Patienten von
51, 26 und 46 Jahren, dem Beruf nach Hüttenarbeiter, Ringofen¬
arbeiter und Bergmann. Injiziert wurde am 6., 5. und 2. Tage.
Im letzten Falle trat am dritten Tage noch Herpes labialis auf,
obwohl Patient bereits völlig fieberfrei war und rostbraunes Sputum
gehabt hatte. Ebenso bildete sich in diesem interessanten Falle
die pneumonische Infiltration nur allmählich unter fortwährendem
Schwitzen zurück.
Während in den früheren Fällen neben der Besserung des
Allgemeinbefindens besonders die Hebung der Pulswelle konstant
hervorgehoben wird, beobachtete Vortr. eine solche in keinem
Fall. Der allmählich langsamer werdende Puls blieb vielmehr
klein; in einem Fall bestand nach der Injektion drei Tage lang
Dikrotie. Man war daher genötigt, wie übrigens auch die früheren
Experimentatoren, Stimulantia zu verabreichen.
Die sonstige Therapie beschränkte sich auf Förderung der
Expektoration.
Vortr. empfiehlt versuchsweise frühzeitige Injektion in allen
Fällen, da eine schädigende Wirkung des Serums von keinem
Beobachter gesehen wurde, und die bisher veröffentlichten Fälle
eine Mortalität von einhalb bis einsiebentel des gewöhnlichen Pro¬
zentsatzes ergeben (letztere, wenn die drei von vornherein aus¬
sichtslosen Fälle Pässlers ausscheiden).
Digitlzed by
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MEDICINISCIIE WOCHE.
101
1906.
2. Herr Kisskalt: Ueber Fluss Verunreinigung.
Der erste Teil des Vortrages behandelt die Flussverunreinigungen
im allgemeinen, der zweite den Einfluss der Abwässer Giessens
auf die Wieseck und die Lahn. — Flussverunreinigungen in so
grossem Stile, wie in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
an der Themse und der Seine konstatiert wurden, kommen heut¬
zutage wohl nicht mehr vor; doch mahnen Erfahrungen, die man
au verschiedenen Orten gemacht hat, zur Vorsicht bei der Ein¬
leitung ungereinigter städtischer Abwässer auch in wasserreiche
Flüsse. In noch höherem Grade sind die Industrieabwässer zu
fürchten. Sie führen vielfach ihulnisfkhige Stoffe; aber auch wo
dies nicht der Fall ist, ja, wo mit dem Auge keine Veränderung
wahrgenommen werden kann, kann ihre Einleitung in Flüsse mit
nachteiligen Folgen verknüpft sein. Soweit hier wirtschaftliche
Interessen in Betracht kommen, sind die Vorteile und Nachteile
gegeneinander abzuwägen.
Die Schäden, die bei der Einleitung städtischer Abwässer
entstehen, sind die Infektionsgefahr und die im Flusse sich ab¬
spielenden Zersetzungsvorgänge. Die Infektionsgefahr ist geringer
geworden, seitdem die wenigsten grösseren Städte ihr Wasser
mehr ans dem Flusse entnehmen; doch kommt sie für kleinere
Orte und einzelne Gehöfte noch sehr in Betracht. Auch die in
dem Flusse sich abspielenden Zersetzungsvorgänge sind für die
Anwohner als gesundheitsschädlich zu betrachten, da dadurch der
Genuss frischer Luft verkümmert wird und infolge des erregten
Ekels der Appetit leidet. Dieser Auffassung haben sich auch die
Gerichte angeschlossen.
Die Abwässer der Stadt Giessen gelangen bis zu der bald zu
erwartenden Vollendung der Kanalisation in die Wieseck und
diirch diese in die Lahn. Beide Gewässer werden dadurch verun¬
reinigt: die Wieseck so stark, dass sie dadurch in einen grauen
stinkenden Bach umgewandelt wird, die Lahn so schwach, dass
nur mit feinen Methoden eine Verunreinigung nachzuweisen ist.
Die sichtbare Verschmutzung wird am besten als Lichtabsorption
bestimmt. Zur Messung der vorhandenen Zersetzung dient die
quantitative Bestimmung des Ammoniaks, des freien Sauerstoffs
und der Keimzahl. Die Zersetzungsfahigkeit wird am besten als
Sauerstoffzehrung angegeben; wenig leistet die Bestimmung der
organischen Substanz und des Glühverlustes. Zur Bestimmung
der Verdünnung mißt man auch das Chlor und den Rückstand.
Für die Infektiosität gibt die Zahl der Ooli einen Massstab.
Naturforsi^iende Gesellschaft i/n Freihurg i, B»
7. Februar 1906.
Prof. A. Schüle: Ueber die Bedeutung des Röntgen-
yerfahrens (Radiographie) für die innere Medicin.
Vortr. demonstriert zunächst eine Anzahl Bilder aus dem
Rieder’schen Atlas. Bei Erkrankungen der Lunge, speziell bei
der Lungentuberkulose, liegt die Bedeutung der Radiographie
darin, dass sie Uebersichtsbilder liefert, wie sie in gleicher Voll¬
kommenheit die Perkussion und Auskultation nicht darbieten
können. Weiterhin lässt sie uns zentrale Veränderungen, z. B.
Broncbialdrüsentuberkulose sehen, die wir mit Perkussion und Aus¬
kultation, die ja nur oa. 4 cm weit in die Tiefe reichen, nicht er¬
kennen können.
Für die Diagnose gerade der beginnenden Lungentuber¬
kulose sind dagegen die sonstigen klinischen Untersuchungsmethoden
weit wichtiger als die Radiographie, die überhaupt fast ausschliess¬
lich eine wertvolle Elrgänzung dieser Methoden darstellt. — Beim
Studium der Bewegungen des Zwerchfells, des Herzens usw. ist
die Badioskopie, die Durchleuchtung, ein sehr brauchbares
Hilfsmittel.
Bei der Diagnostik der Herzkrankheiten giebt die Radio¬
graphie zwar nicht die genaue Herzgrösse, lässt aber doch wert¬
volle Schlüsse ziehen auf bestimmte Herzfehler, deren jeden eine
typische Herzfigur zukomrat. Die wahre Grösse des Herzens er¬
fahren wir hier durch die Orthodiagraphie; für klinische Zwecke
ist nach wie vor die Perkussion völlig ausreichend. Anders da¬
gegen bei den Aortenerkrankungen: die Diagnose eines be¬
ginnenden Aortenaneurysma ist nur durch die Radiographie
zu stellen.
An den Verdauungsorganen hat man zunächst durch Wis-
muthmahlzeiten die wahre Grösse und Lage des Magens und ihre
Anomalieen, die Fortbewegung der Speisen und namentlich die
Zeit ihres Transportes feststellen können. Vortr. fand weiterhin,
dass Oeleinläufe mit Wismuth nur bis zur Bauhinschen Klappe,
nie über dieselbe hinaus gelangen, und dass man abnorme
Lagerungen des Colons mit dieser Methode sehr gut erkennen
kann. — Die ins Rektum eingeführten Sonden pflegen sich sehr
bald aufzurollen, gelangen jedenfalls nie tief ins Colon hinein.
Die Hanptbedeutung des Röntgenverfahrens in der inneren
Medicin liegt auf diagnostischem Gebiet, weniger, namentlioh nach
den nicht befriedigenden Ergebnissen der Leukaemiebehandlung,
auf therapeutischem. R. Link, Freiburg i. B.
C^näkologische Ges^lschaft,
Sitzung vom 9. Februar 1906.
Olshausen hält einen Nachruf auf Gusserow.
Demonstrationen:
Herr v. Bardeleben: 1 . Eine Placenta membranacea und
bipartita mit lateraler und fast velammxtöser Gefässversorgung.
2. Einen Uterus gravidus mensis 11, der mit handöäcbengrosser
Verbindung mit der Abdominalhaut verwachsen war. Derselbe
stammt von einer Patientin, die unter peritonischen Erscheinungen
in die Charite geschickt war, doch nach Nachweis eines strepto¬
coccenhaltigen Feritonealexsudats laparatomiert und drainiert war,
ohne dass es zur Frühgeburt gekommen wäre. Nach vorüber¬
gehender Besserung trat nach drei Wochen ein Recidiv auf, das
zum exitus führte. Aetiologisch zeigte sich bei der Autopsie eine
rechtsseitige Pyosalpinx und vereiterter Ovarialtumor, links ein
Gonglomerattumor (Dünn- und Dickdarm); eine Dttnndarmschlinge
war perforiert imd batte das Recidiv bewirkt. B. empfiehlt bei
eitriger Peritonitis grosse Gegenincisionen in den seitlichen Par-
tieen des Abdomens.
Herr Liepmann stellt eine Patientin vor, die in der Charite
nach vaginaler Enucleation eines geburtshindemden Myoms ent¬
bunden war und nachdem draussen Wendung und vergeblicher
Extraktionsversuch gemacht waren.
Diskussion: Herr Bauer.
Discussion über den Vortrag des Herrn Henkel: Ueber Pu-
botomie.
Herr Hocheisen berichtet über die vier in der Charite pu-
botomierteu Fälle und zeigt die Bumm’sche Modifikation der
Nadel sowie die Röntgenbilder der operierten Fälle.
1. 24 J., I p., mit allgemein verengtem, platt rachitischem
Becken, 0. v. = 8 cm. 3 Tage kreissend.
2. 26 J., n p., C. V. = 9 cm. Vorderscheitelbeiuemstellu,ng
— hohe Zange — Pubotomie. Klaffen 2 cm.
3. 32 J., V p., normales Becken. Vorderscheitelbeinein¬
stellung. Erfolgloser Versuch der hohen Zange. Pubotomie.
Spontaner Verlauf.
4. 28 J., I p., Conj. V. = 7 cm. Ac. Hydramnion. — Metreu-
ryse. Pubotomie. Wendung und Extraktion. Kind -{-. Im¬
pression des Scheitelbeins und Wirbelsäulenfraktur. Becken klaffte
nur um 1 cm; der Sägeschnitt hatte das Foramen obturator. ge¬
troffen, wie das Röntgenbild zeigte.
Koblanck fragt an, ob die Pubotomie die Perforation des
lebenden Kindes ganz ausschalten werde.
Stoeckel hält die Pubotomie eventuell für eine Operation
in der Praxis; erkennt den Leichenversuchen doch einen gewissen
Wert zu und betont die Wichtigkeit der Schnittrichtung.
Blumreich berichtet über zwei Fälle, die er im Privathause
pubotomiert hat.
1. II p., C. V, = 7'/i— 78 / 4 , erste Kind perforiert. Jetzt Pu¬
botomie mit Scheidendammincision.
2. 39 J., I p., rachit. Kyphoskoliose mit schräg verengtem
Becken. Ext. 17, nach 62stündigem Kreissen nach Döderlin: nach
drei Stunden Zange am tiefstehenden Kopf. B. betont die Ge¬
fährlichkeit der Scheidenrisse bezüglich der Sepsis, der Häufigkeit
der Thrombosen bei Pubotomieen und spricht sich für den spon¬
tanen Geburtsverlauf nach Pubotomie aus.
Bumm hält die Symphisiotomle für die exaktere chirur^scbe
Operation gegenüber der Pubotomie, die manchmal ein mtfngel-
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102
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 9.
haftea Klaffen des Beckens bewirkt, betont die Gefahr der
Scheidenzerreiasungen und lÄ'amt zunächst vor der Uebertragung
der Pubotomie in die Praxis, bevor grössere klinische Reihen vor¬
lägen.
Bokelmann schliesst sich dieser Warnung an; die Perfo¬
ration des lebenden Kindes wird nie aus der geburtshilflichen
Praxis verschwinden.
Olshausen ist für die Pubotomie sehr eingenommen, gibt
zu, dass die Beckenerweiterung nicht so stark wie bei der Sym-
phisiotomie ist und rät, auch weitere Resultate abzuwarten.
Gerstenberg teilt seine Versuche an der Leiche mit und
demonstriert das Seligmann’sche Instrument.
Henkell — Schlusswort — demonstriert ein neues Instru¬
ment, das sich ihm in einem Falle bewährte. A.
Standesfragen.
Der preueeieche Ehrengerichtshof.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Als im Jahre 1899 das Gesetz über die ärztlichen Ehren¬
gerichte in Kraft trat, gab es eine ganze Reihe von Kollegen,
die da glaubten, die Ehrengerichte würden schon allein durch üire
Existenz, mehr aber noch durch ihre Tätigkeit für die Aerzte-
schaft eine Waffe sein in den gerade zu jener Zeit scharf ein¬
setzenden wirtschaftlichen Kämpfen. Die solches gehofft hatten,
sahen sich bald enttäuscht: weder wollten die Ehrengerichte auf
dem schwierigen sozial-ärztlichen Boden sich mehr als absolut not¬
wendig bewegen, noch vermochten sie dies, wenn sie, wozu sie
gezwungen waren, sich strikt an die gesetzlichen Normen halten
wollten. So ergab sich dann bald, dass der Nutzen der Ehren¬
gerichte für die Aerzteschaft in gar keinem Verhältnis stand zu
den durch dieselben verursachten Arbeiten und Unannehmlichkeiten
sowie zu den Kosten, die sie der gesamten Aerzteschaft verur¬
sachten. Mehr aber noch als die Ehrengerichte enttäuschte der
Ehrengerichtshof. Man hatte geglaubt, dass aus dessen Judikatur
sich im Laufe der Jahre allmählich eine ärztliche Standesordnung
herauskrystallisieren würde, man hatte nicht daran gezweifelt, dass
seine Urteile in mustergültiger Weise die Anschauungen der
Aerzteschaft wiederspiegeln würden. Nun haben aber gerade die
Urteile des Ehrengerichtshofes schon zu wiederholten Malen den
allerheftigsten Widerspruch erfahren müssen, wir haben gesehen,
dass der Ehrengerichtshof die wirtschaftlichen Interessen in keiner
Weise zu fördern imstande ist und wir haben Anschauungen zu
hören bekommen, die zu den bisher gütigen im schärfsten Gegen¬
satz stehen. In letzterer Beziehung erinnern wir nur an das viel¬
besprochene, leider immer noch nicht amtlich bekannt gegebene
Urteil, das den Aerzten den Zwang auferlegen wUl, im Behinde¬
rungsfall für Vertretung zu sorgen.
Auch jetzt liegen wieder einige Urteile vor, die zu lebhafter
Diskussion Veranlassung geben dürften. Sie beschäftigen sich
mit der Frage: „Unter welchen Voraussetzungen begründet der
Streikbruch eines Arztes bei Streitigkeiten mit Krankenkassen
einen Verstoss gegen die Standesehre?“ Wir geben zunächst die
Urteüe im Wortlaut wieder:
1. Beschluss vom 9. Januar 1905.
Durch den bezeichneten Beschluss ist der Angeschuldigte im
nichtfönnlichen Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens mit
einem Verweise und einer Geldstrafe von Dreihundert Mark kosten¬
pflichtig bestraft worden. Gegen diese Entscheidung hat er in
einer als Berufung bezeichneten Eingabe fristgerecht das Rechts¬
mittel der Beschwerde (§ 16 Abs. 2 des Gesetzes vom 25. No¬
vember 1899) eingelegt.
Der Vorderrichter hat festgestellt,
dass der Angeschuldigte zu X. im Jahre 1903 durch Ab-
schliessung eines dem Beschlüsse der Krankenkassen-
Kommission für die Aerzte des Kreises M. widersprech¬
enden Vertrages mit den Ortskrankenkassen und durch
• \ Unterbietung seiner Standesgenossen gegen § 3 des Ge-
\ setzes vom 25. November 1899 verstossen hat.
Bei der Bejahung der Schuldfrage geht der erste Richter da¬
von aus, dass es Pflicht des Angeschuldigten gewesen wäre, im
Hinblick darauf, dass die auf Wunsch der Aerztekammer für die
Aerzte des Kreises M eingesetzte Kommission als Mindestsatz für
die mit Ortskrankenkassen abzuschliessenden Verträge den jähr¬
lichen Satz von 3,50 Mark für den Kopf festgesetzt habe, keines¬
falls bei Abschluss eines Vertrages mit den Krankenkassen in X.
unter diesen Satz, wie er es getan, herunterzugehen. Das Urteü
stellt weiter fest, dass die Aerzte in X. infolge der Ergebnis¬
losigkeit der auf Erzielung des Satzes von 3,50 Mark gerichteten
Verhandlungen mit der Krankenkasse in X. ihr Amt als Ksissen-
ärzte medergelegt hatten, bevor der Angeschuldigte, welchem
dieser Sachverhalt bekannt war, von Berlin aus sicdi seitens der
Kasse zu dem Satze von 3 M. anwerben Hess.
In der Beschwerderechtfertigung behauptet der Angeschuldigte,
er habe den Beschluss der Krankenkassenkommission nicht gekannt.
Er bestreitet seine Reriitsgiltigkeit, führt aus, dass seine Kassen¬
einnahmen den Minimalsatz von 3,50 M. infolge der Bezahlung
für SonderleistuDgen noch überstiegen und legt dar, dass er durch
seine persönlichen Verhältnisse gezwungen gewesen sei, die ge¬
botene Gelegenheit zur Niederlassung zu benutzen.
Bei der ehrengerichtlichen BeurteUung des vorliegenden Falles
war davon auszugehen:
dass die Kassenarztstellen in X. infolge der von den orts¬
ansässigen Aerzten ausgesprochenen Kündigung nnbesetzt
waren und dass der von Berlin nach X. zugezogene An¬
geschuldigte zu den dortigen Aerzten und ihren auf die
Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage abzielenden
Vereinsbestrebungen in keiner ihn verpflichtenden Be¬
ziehung stand.
Aus der ersten Tatsache folgt, dass von einer ehrengericht¬
lich strafbaren Eindrängimg des Angeschuldigten in den Besitz¬
stand seiner Berufsgenossen keine Rede sein kann, da diese ihren
Besitz selbst aufgegeben hatten.
Die zweite Tatsache ergibt, dass eine Bestrafung des Ange¬
schuldigten aus dem Gesichtspunkt des ehrenrührigen Zuwider-
handelns gegen Vereinsbeschlüsse ausgesdilossen ist, da der Verein
nur seine Mitglieder auf seine Beschlüsse verpflichten, keinesfalls
aber allgemein gütige, auch für ausserhalb seiner Grenzen stehende
Aerzte verbindliche Normen zu setzen berechtigt ist.
Die ehrengerichtliche Bestrafung des Angeschuldigten Hesse
sich hiernach nur dann rechtfertigen, wenn seine Handlungsweise
imabhängig von ihrem Widerspruch gegen die örtlichen Vereins-
beschlüsse gegen die Regeln des ärztlichen Anstandes, deren Be¬
obachtung der § 3 <les Gesetzes vom 25. November 1899 von
jedem Arzte verlangt, im allgemeinen veretiesse. Einen solchen
Verstoss nimmt das Ehrengericht an, indem es den Angeschuldigten
des „Strikebruchs“ bezichtigt und ihm zum Vorwurf macht, er sei
seinem im Kampfe mit den Kassen stehenden Kollegen „in den
Rücken gefallen.“ Diese Auffassung des Elhrengerichts ist jedoch
rechtsirrtümlich und verstösst gegen die Grundlagen der die Ver¬
hältnisse des ärztlichen Standes und seiner Mitglieder regelnden
Rechtsordnung. Der § 1 des Reichsgesetzea über die Freizügigkeit
vom 1. November 1867 (Bundesgesetzblatt Seite 55) in Verbindung
mit Artikel 3 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April
1871 gibt jedem Deutschen das Recht, innerhalb des Reichs'
gebietes an jedem Ort sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen
imstande ist, an jedem Orte Grundeigentum zu erwerben und Ge¬
werbe zu betreiben. Der § 29 der Reichsgewerbeordnung ferner
bestimmt insbesondere, dass die Aerzte einer Approbation bedürfen,
und dass Personen, welche eine soldie erlangt haben, {innerhalb
des Reiches in der Wahl des Ortes, wo sie ihr Gewerbe betreiben
wollen, nicht beschränkt sind. Bei Beachtung dieser reichsgesetz¬
lichen Bestimmungen, welche der Auslegung des § 3 des preuaei-
schen Gesetzes bestimmte, nicht überschreitbare Grenzen ziehen,
konnte dem Angeschuldigten nicht nur nicht verwehrt werden, sich in
X. niederzulassen, sondern es konnte ihm auch nicht untersagt
werden, dort auf die Ausübung seiner Berufstätigkeit bezügliche
entgeltliche Verträge zu schliessen. Der Umstand, dass er einen
solchen Vertrag schloss, ist für sich allein nicht geeignet, die
Grundlage seiner ehrengerichtlichen Verurteilung zu büden. Die
damit bekundete Abweichung des Angeschuldigten von Anschan-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
103
ungen und Beschlüssen seiner dortigen Standesgenossen wäre für
das ehrengerichtliche Verfahren nur dann von Bedeutung, wenn
das abweichende Verhalten an sich eine Verletzung der Standes¬
ehre darstellte (vergl. auch Beschluss des Elirengerichtshofs vom
7. Februar 1902, Ministerialblatt 1902, Seite 305). Dass aber
die einzelnen Punkte des abgeschlossenen Vertrages oder die be¬
sonderen den Abschluss begleitenden Kebenumstände etwa gegen
die bei dem Vertragsabschluss selbstverständlich zu wahrenden
besonderen Regeln des ärztlichen Anstandes, gegen die allgemeinen
Gebote der Standesehre verstossen hätten und deshalb ein ehren¬
gerichtliches Einschreiten begründet gewesen wäre, ist im vor¬
liegenden Fall nicht dargetan. Die Vereinbarung eines Satzes von
3 M. pro Kopf im Kassenvertrag allein ist ehrengerichtlich nicht
rügbar, da dieser Satz kein unwürdig niedriger ist und an anderen
Orten als der kassenärztlichen Berufstätigkeit angemessen erachtet
wird.
Nach alledem hat der Angeschuldigte sich des standes¬
widrigen Verhaltens nicht schuldig gemacht und war unter Auf¬
hebung des Urteils erster Instanz kostenlos (§ 46 des Oesetzes)
freizusprechen. (Schluss folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener medicinieche Wochenechrifl. 1906 No. 7.
1 . Z w e i fe 1 , Leipzig: Bas Gift der Eklampsie und die Kon-
seqnensen für die Behandlung.
Verf. hat die Stoffwechselprodukte Eklamptischer in der ein¬
gehendsten und genauesten Weise nntersncht. Es zeigt sich, dass
mangelhafte Oxydation des Eiweisses vorliegt. Dafür ist die Al¬
buminurie nicht beweisend, denn sie kommt nur in Folge von
Reiznog der Nierenepithelien zustande. Erheblich ist die Steige¬
rung des Ammoniakgehaltes im Urin. Ist derselbe normaler
Weise 5% des Oesamtstickstoffs, so kann er bei Eklamptischen
bis za 16,5% steigen. Auch die Bestimmung der Schwefelsäuren
ergab eine erhebliche Zunahme der volloxydierten Sulfate. Verf.
fand regelmäßig im Urin eklamptischer Frauen Fleischmilch-
säure, ebenfalls ein Zeichen herabgesetzter Eiweissoxydation.
Fleischmilchsäure im Urin ist stets pathologisch. Die Untersuchung
des kindlichen Blutes ergab prozentualiter im Blut der Nabel¬
schnur mehr Milchsäure als im Aderlassblut der Mutter.
Als therapeutische Konsequenzen wären zu ziehen: möglichst
beschleunigte Entbindung jeder eklamptischen Frau, Anwendung
des Aderlasses, Darreichung von Digitalispräparaten und subkutane
Einverleibung von Sauerstoff, von welcher Verf. viel gutes ge¬
sehen hat.
2. Lockemann, Leipzig; üeber den Haohweis von Fleisch*
milohsänre in Blnt, Urin und Cerebrospinalflttssigkeit eklamp-
tischer Frauen.
Die Veröffentlichung gibt die technischen Erläuterungen über
das Untersnohimgsverfahren, welches in der obenstehenden Arbeit
Zweifel’s zur Anwendung gekommen ist. Die Einzelheiten der
ziemlich weitläufigen chemischen Analyse müssen im Original
nachgelesen werden.
3. Hempel, Dresden: üeber die Gewinnung einwandfreier
Milch für Säuglinge, Kinder und Kranke.
Die ungünstige Veränderung, welche die Milch durch das
Kochen erleidet und welche den Nährwert erheblich herabsetzt,
lässt es wünschenswert erscheinen, dass rohe Milch zur Ernährung
verwandt wird. Dies ist aber andererseits nicht möglich, wenn
nicht bei der Milchgewinnung ganz besondere Maßnahmen getroffen
werden, um bazilläre Verunreinigungen auszuschalten und nur
wirklich gesunde Kühe zu verwenden. Verf. hat in dieser Rich¬
tung auf einem Rittergut Ohorn höchst erfolgreiche Verbesser¬
ungen und Neueinrichtungen getroffen. Das Wesentliche derselben
besteht darin, dass nur Kühe eingestellt werden, die auf Tuber-
culin nicht reagieren, dass die Tiere einer äusserst gründlichen
körperlichen Reinigung unterzogen werden, dass das Melken in
einem besonderen Melkraum, nicht im Stall stattfindet. Beim
Melkakt werden die Kühe mit einem schürzenartigen sterilen Lein¬
tuch so umhüllt, dass möglichst nur das Euter freibleibt. Eine
waschbare sterile Kleidung erhält auch der melkende Schweizer.
Die zur Aufnahme der Milch bestimmten Cefässe sind mit Dampf
sterilisiert. Mit diesen aufs äusserste betriebenen Sauherkeite-
maßnahmen ist es gelungen, ganz vorzügliche und nur wenig nicht
pathogene Keime enthaltende Milch zu gewinnen.
4. Manteufel, Halle: Statistiscbe Erbebungen über die
Bedentnng der sterilisierten Milob für die Bekämpfung der
Sänglingssterbliohkeit
Die Zahl der mit sterilisierter Milch Ernährten ist im Ver¬
gleich zu der Gesamtzahl der auf Tiermilchnahrung gesetzten
Säuglinge bislang noch so unbedeutend, dass man ein abschliessendes
Urteil über die Brauchbarkeit des geübten Systems der Milchfür¬
sorge zur Zeit noch nicht fällen kann. Der praktischen Hand¬
habung der Milchabgabe haften no(di Mängel an, deren Beseitigung
eine baldige Besserung des Erfolges hervomifen müsste. Die Er¬
fahrungen sprechen dafür, dass die dezentralisierte Milchabgabe,
wie sie in Deutschland üblich ist, der Zentralisation, wie sie in
Frankreich geübt wird, au Effekt nicht gleichwertig ist. Eine
zentralisierte Organisation, die eine bessere Ueberwacbung und
Förderung des Milchkonsums zulässt, dürfte die Leistungsfähigkeit
der sterilisierten Milch im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit
bedeutend erhöhen. Die amerikanischen Milchküchen und die
Konsultations gouttes de lait in Frankreich zeigen auch in finan¬
zieller Beziehung, wie man mit relativ geringem Kostenaufwand
die Milchfürsorge zu einer wahren Säuglingsfürsorge gestalten
kann. Das sind im grossen und ganzen die Schlüsse, welche der
Verf. aus den statistischen Erhebungen hat ziehen können.
5. Hecht, Wien: Eine klinisobe Fettprobe für die Faeees.
Eine einfache Methode der Fettbestimmnng im Stuhl ist von
ganz erheblicher klinischer Bedeutung. Verf. verfährt folgender¬
maßen: Es werden 10 ccm Stuhl mit einem Holzspatel entnommen
und in eine Barette gedrückt. Diese Stuhlprobe kommt in einen
weithalsigen Kolben von 300 ccm Inhalt, man fügt ein linsen-
grossee Stück Aetzkali hinzu und soviel Wasser, um dieses zum
^rfliessen zu bringen. Nun erhitzt man auf dem Wasserbad
zehn Minuten lang, setzt 110 ccm 90% Alkohol hinzu und lässt
weitere zwanzig Minuten unter RückflusskUhler kochen. Man
säuert mit konzentrierter Salzsäure an und filtriert in eine Por-
zellanscbale. Der Alkohol wird auf dem Wasserbad verdampft
und der Rückstand in möglichst wenig Aether aufgenommen und
durch ein Filter in einen Erlenmeyerschen Kolben gegossen. Auf
den Hals des Kolbens kann eine graduierte Röhre aufgesetzt werden
(eingeschliffen). Durch Nachgiessen von heissem Wasser werden
die oben schwimmenden Fettsäuren in das Bereich der Graduierung
getrieben, diese ist so getroffen, dass 25 Teilstriche einem Gramm
Fett entsprechen. Die Methode ist äiisserst einfach und auch für
Ungeübte leicht durchführbar.
6 . Veiel, Cannstatt: üeber die Beaebongen von seelischen
Empfindungen m Herzstönmgen.
Verf. hatte Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, in welchem
jede seelische Erregung unangenehmer Art die heftigen £r-
scheinuDgen des „Herzdruckes“ hervorriefen. Das Herz war voll¬
kommen gesund und es war bemerkenswert, dass energische
Willensanspannung den Patienten in die Lage setzten, diese lästigen
und früher bei jeder Gelegenheit auftretenden Beschwerden all¬
mählich immer mehr und mehr zurückzudrängen. Verf. steht auf
dem Standpunkt Müllers, dass es sich um vasoconstrictoriscbe
Vorgänge an den Coronararterien handelt.
7. Helbing, Nürnberg: Instrnmententiscb mit elektrisohem
Anseblnssapparat für Hals-, Hasen- und Ohrenärzte.
Verf. hat das sonst gewöhnlich an der Wand angebrachte
Schaltbrett mit den Widerständen in einen Tisch einbauen lassen,
der ihm zugleich als Instrumententisch dient. Die kompendiöse
Form dürfte für die spezialistischen Bedürfnisse recht geeignet
sein. Der Tisch wird von der Firma Reiniger Gebbert v. Schall
hergestellt.
8 . Herxheimer, Opificius, Frankfurt a. M,: Weitere
Mitteilongen über die Spiroobaete pallida (Treponema Schau*
dinn).
Verff. haben in jedem Pall von primärer oder sekundärer
Lues die Spirochaete mit Sicherheit gefunden, dagegen gelang
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104
MEDICINISCIIE WOCHE.
Nr. 9.
ihnen der Nachweis bei tertiären Fällen niemals. Dieser konstante
Befund bei primären und sekundären Fällen lässt kaum noch einen
Zweifel an der ätiologischen Bedeutung der Spirochaete aufkommen,
und der Nachweis kann durchaus als diagnostisches Hilfsmittel
zur Sicherstellung der Diagnose verwandt werden. Jedoch die
Färbemethoden sind bisher immer noch so unsicher und der Nach¬
weis so schwer, dass ein negativer Befund keinesfalls als Beweis
angesehen werden darf.
9. Daxenberger, Regensburg: Ein Fall von ZwerokfellB*
hemie mit Kagenrnptnr.
Verf. hatte Gelegenheit, bei einem 23jähngen Patienten
folgende Symptome zu beobachten. Plötzlich aufgetretenes Uebel-
sein, Erbrechen von Mageninhalt und Galle, merkwürdige krampf«
artige Erscheinungen in den Armen und Händen. Def Erkrankung
war offenbar ein ziemlich beträchtlicher Diätfehler voraufgegangen.
Verf. hielt den Zustand zunächst nicht für bedenklich, verordnete
strenge Diät und zur Hebung des AJlgemeinbefiudens Champagner.
16 Stunden später trat der Exitus ein. Die Sektion ergab zwei
etwa fünfmarkstückgrosse Hernien im Diaphragma links, welche
nur durch einen feinen Gewebsstrang getrennt waren und eine
kolossale Ruptur des in diese Hernien eingeklemmten Magens in
der Gegend der Cardia. Dieser Teil der Magenwände war erheb¬
lich verdünnt, offenbar wegen der geringen Durchlässigkeit, welche
der Pylorus infolge narbiger Stenose aufwies. Eine Diagnose
dieses Falles in vivo erscheint ausgeschlossen, ebenso jede The¬
rapie.
10. Eaupe, Dortmund: Ikterus im Verlauf von Scharlach.
Bei einem 4jäbrigen Kind trat etwa vier Tage nach der
Entfieberung unter Schüttelfrost und erhöhter Temperatur eine
universelle Schwellimg aller Drüsen auf. Darauf stellte sich Ik¬
terus ein. Der Urin war spärlich, enthielt Älbumen imd Gallenfarb¬
stoff. Allmählich trat Heiluug ein. Verf. nimmt an, dass die
ebenfalls geschwollenen Drüsen an der porta hepatis den Austritt
der Galle verhinderten oder aber, dass die Leber als solche an
der allgemeinen, offenbar toxischen Drüsenschwellung teilnahm.
Den Ikterus als Folge eines Magendarmkatarrhs anzusehen, lag
keine Veranlassung vor.
11. Fischer, Kiel: Die Bek&mpfimg der Diphtherie mit
fierücksichtignng der bei einer Epidemie in einem Automaten¬
restaurant gemachten Erfahrungen.
Bereits in dem ersten Teil dieser Veröffentlichung hatte Verf.
die hohe Bedeutung einer gründlichen Untersuchung aller der
Personen, welche mit Diphtheriekranken in Berührung gekommen
sind, betont. Eis handelt sich dabei nicht nur um Erkrankte und
Genesende, sondern auch um Gesunde. Verf. hatte Gelegenheit,
in Kiel eine ausgedehnte Epidemie zu beobachten, welche von
einem Automatenrestaurant ihren Ursprung nahm imd auf einen
zu früh aus dem Krankenhaus entlassenen, offenbar Bazillen
führenden Kellner zurückverfolgt werden konnte. Gerade bei
diesem Fall zeigte sich, wie bedeutungsvoll die bakteriologische
Kontrolle ist und wie schwer die Folgen sein können, wenn ein
klinisch scheinbar geheilter Patient wieder dem Verkehr über¬
lassen wird, bevor alle Bazillen bei ihm verschwunden sind. Die
recht strengen Forderungen der Prophylaxe, welche Verf. aufstellt,
dürften sich kaum ohne weiteres durchführen lassen und des
öfteren bei dem Publikum auf heftigen Widerstand stossen, ob¬
wohl nicht geleugnet werden kann, dass ihre strenge Durchführung
wohl die Entstehung ausgedehnterer Epidemien verhindern würde.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 7.
1. V. Liebermann, Budapest: Sind die hämolytischen
Immunkörper oder die Komplemente Katalysatoren, also Per*
mente t
Auf Grund experimenteller Untersuchungen kommt Verf. zu
dem Resultat, dass man bei den hämolytischen Immunkörpern und
den Komplementen es nicht mit Fermenten zu tun hat. Der Be¬
griff Ferment darf nicht übertragend gebraucht werden, man muss
sich streng an seine Definition halten, welche besagt, dass ein
solcher Körper Reaktionen zwischen anderen Stoffen bewirkt, ohne,
wenigstens scheinbar, an ihnen teilzunehmen. Deshalb sind wir
nicht berechtigt, auf Toxine, Antitoxine, Agglutinine, Hämolysine
u. a. den Namen Ferment anzuwenden.
2. Ahlfeld, Marburg: Antefixatlo uteri, üebertragong.
Verf. hat durch einige selbst beobachtete Fälle veranlasst,
sich mit der Frage befasst, ob bei antefixatio uteri eine Ver¬
längerung der Schwangerschaft beobachtet wird. Die Statistik
scheint allerdings unzweifelhaft die Tatsache zu ergeben, dass bei
antefixiertem Uterus die Kinder über die normale Zeit hinaus ge¬
tragen werden. Verf. glaubt, dass die durch die Antefixation be¬
hinderte frühzeitige Entfaltung des Cervicalkanals daran schuld sei.
3. GrUubaum, Berlin: Die Prognose bei Operationen des
Vnlvacaroinoms.
Die Prognose bei Vulvacarcinom ist bei weitem nicht so in-
faust wie allgemein angenommen wird. Das Leiden tritt im
späteren Alter zwischen 60 und 80 Jahren auf. Die Dauererfolge
nach Operation sind befriedigend. Man operiert, indem man mit
Scbeere und Messer das Neoplasma auspräpariert und die miter¬
krankten Drüsen stumpf auslöst. Ja dauernde Reoidivfreiheit kann
sogar dann erwartet werden, wenn die Inguinaldrüsen mit ergriffen
waren. Die Exstirpation der letzteren ist auch dann vorzunehmen,
wenn ihre Erkrankung in keiner Weise nachgewiesen werden
kann.
4. Trautenroth, Bochum: Ein Pall von sohwerer Sto-
vt^veigiftnng nach Lumbalanästhesie nebst Bemerkungen über
halbseitige Anästhesien.
Gelegentlich einer vorzunehmenden Zangenextraktion brachte
Verf. die Lumbalanästhesie in Anwendung. Ek injizierte in den
Wirbelkanal zunächst zwei Teilstriche einer 1^1 «o Adrenalinlösung
und drei Minuten später 0,06 gr StovaTn. Zelm Mimiten später
trat ein höchst bedenklicher CoÜaps bei der Frau ein. Cyanose,
kleiner Puls, verlangsamte und oberflächliche Atmung. Auf
Gampberinjektionen besserte sich der Zustand so weit, dass die
Operation vorgeuommen werden konnte. Die Anästhesie reichte
bis zum Halse, auch waren die Augenlider mit gelähmt. Die
Anästhesie und Lähmung ging langsam zurück. Drei Tage später
bekam Pat. plötzlich heftige Kopfschmerzen, auch Parästhesien
und Nackenachmerzen traten auf. Derartige Symptome wieder¬
holten sich auch die folgenden Tage und erst nach Monatsfrist
war Patientin wieder ganz hergestelit. Verf. schiebt alle diese
toxischen Wirkungen auf das Stoval'n und glaubt, dass er die¬
selben bei Anwendung von Tropococain hätte vermeiden können.
Den Unterschied beider Medikamente hat Verf. besonders deutlich
bei zwei Fällen von halbseitiger Anästhesie beobachten können.
Nach der neuen Bier’schen Methode mit zentralem Einstich sind
halbseitige Anästhesien fraglos zu vermeiden. Verf. glaubt nun,
dass für gewisse Fälle halbseitige Anästhesien ganz zweckmäßig
seien. Für die Geburtshilfe glaubt Verf. die Lumbalanästhesie
mit Tropococain ganz besonders empfehlen zu sollen.
5. Lissauer, Werden a. Rh.: Dampfdusohe als Ezpeoto-
rans.
Verf. hat sehr günstige Erfahrungen mit der Anwendung der
Dampfdusche bei Katarrhen der oberen Luftwege und bei tuber¬
kulösen Prozessen gemacht. Er lässt die Dampfdusche etwa
15 Sekunden wirken und dieser eine kalte Fächerdusche von
3—5 Sekunden Dauer folgen. Die Resultate sind erstaunlich, da
nach kurzer Zeit eine ausgiebige Elxpectoration erfolgt.
6 . Erlenmeyer, Bendorf a. Rh.: Die Steigenmg des ar¬
teriellen Druckes bei der Arteriosklerose und deren Behandlnng.
Verf. kommt unter Berücksichtigung der von Krehl auf¬
gestellten Grundsätze zu folgenden Sätzen: Die Steigerung des
arteriellen Druckes bei Arteriosklerose kann die Bedeutung einer
regulatorischen Selbsthilfe des Organismus im Sinne einer Be¬
kämpfung der die Krankheit verursachenden Schädlichkeit haben.
Bei Fällen von Arteriosklerose, bei denen sich eine Zunahme des
arteriellen Druckes nicht nachweisen lässt, ist therapeutisch seine
vorsichtige Steigerung anzustreben, wozu sich KoUensäurebäder
von kühler Temperatur (nicht über 30* C) am meisten empfehlen.
Bei Fällen mit mittlerer Steigerung des arteriellen Druckes ist
durch eine „einschleichende“ in der Dosierung progressiv steigende
Jodsalzkur die Viskosität des Blutes herahzusetzen und über lange
I Zeiträume herabgesetzt zu halten. Bei Fällen mit starker
i Steigerung des Druckes ist durch kleine, in geeigneten Zwischen-
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1906.
BfEDICINlSCHE WOGHB.
105
rüutuea zu wiederholende Aderlässe die Gefahr einer Gefässruptur
bintanzuhalten, gleichzeitig durch die Jodsalzkur die bessere
Durchblutung aut' Grund der Viskositätsverminderung anzustreben.
7. Krpnheimer, Nürnberg: lieber Kieferoyiten.
Verf. bat Gelegenheit gehabt, zwei Fälle von Kiefercysten
zu beobachten und knüpft an die Mitteilung dieser Fälle einige
Bemerkungen. Die Kiefercysten nehmen in den bei weitem
meisten Fällen ihren Ausgang von kariösen Zahnwurzeln und sind
das Produkt einer chronischen Entzündung. Die Cysten sind am
Oberkiefer häufiger wie am Unterkiefer. Die Behandlung besteht
in Punktion oder Resektion des Kiefers in verzweifelten Fällen,
Einem Vorschläge Partsch’s folgend, eröffnet man die Cysten¬
höhle recht breit und verhindert durch Tamponade das Zusammen¬
heilen der Wundränder, dann wuchert das Mundhöhlenepithel und
vereinigt sich mit dem Epithel der Cystenhöhle und diese schrumpft
und heilt aus.
8. Sternberg, Wien: Ueber Klystiere and Irrigationen.
Der zweite Abschnitt der Veröffentlichung, deren ersten Teil
wir bereits eingehend besprochen haben. Die vierte Gruppe der
Klystiere sind die medikamentösen Klysmen. Für diese gilt all¬
gemein, dass die Menge sehr gering sein muss und am besten
60 g beträgt. Die Dosis kann etwas höher sein als die Verab¬
reichung per OS. ln Frage kommen Chloralhydrat, Antypirin,
Natr. salicylicum, Digitalis, Kollargol. Die letzte Gruppe der
Klystiere sind die Nährklysmen. Hierher gehören auch die Koch-
salzeingieasungen 0,9% 40" heiss 250—500 g. Ferner kommt in
Betracht eine Mischung von Milch, ein bis zwei Eidottern und
ganz wenig Salz unter Zusatz von etwas Opiumtinktur. Verf.
lobt sehr ein von A. Schmidt angegebenes Nährklystier, welches
die Firma Heyden gebrauchsfertig in den Handel bringt und
weiches aus 250 g 0,9% Na CHösung besteht mit 20 g Nähr¬
stoff Heyden und 50 g Dextrin.
Was die Technik des Klystieres anlangt, so ist dieselbe durch¬
aus nicht 80 einfach, auch sie erfordert Ueberlegung und Uebung.
Das Mundstück zum Einfahren soll nicht spitz, sondern stumpf
und dick sein, desto schmerzloser passiert es den Sphincter. All¬
zulange Ansatzrobre sind ganz zwecklos, denn sie pflegen sich
nur in der Ampnlle aufzurollen und gelangen doch nicht in die :
Flexur. Mau soll bei jedem Kranken, dem man ein Klystier ver- '
ordnet, den Mastdarm untersuchen. Die Lage ist verschieden,
entweder Seiten- oder Rückenlage, die Knieellenbogenlage ist
entbehrli<^. Das Ansatzrohr soll in den Anus hineingedreht,
nicht hineingesteckt werden.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 7.
1. Kren, Wien: Zar Kenntnis der Aene cachectiooniin
^ebra).
Verf. steht auf dem Standpunkt, dass das von Hebra seiner
Zeit als amie cadiecticornm beschriebene Eirankheitsbild durchaus
als solches gewahrt werden müsse und keinesfalls mit anderen
Krankheitabildem in eine Gruppe zusammengeworfen werden dürfe.
Das charakteristische ist das Auftreten von Acneefflorescenzen am
ganzen Körper ohne Komedonenbüdung bei Individuen, welche
skropholös, kachektisch oder überhaupt in ihrer Ernährung herunter
gekommen sind. Die Krankheit ist durchaus nicht bäuflg. Man
muss die Affektion auffassen als eine Entzündung des Haartalg-
drUsenapparates ohne Komedonenbüdung. Eine Berechtigung,
diese Erkrankung in die Gruppe der Tuberkulide zu recbnen,
liegt nicht vor.
,, 2. Sargo, Suess, AUand: Ueber Endooarditis bei Tuber-
kolose.
Endocarditische Veränderungen bei Tuberkulose sind nicht
allzu selten, aber sie bieten meist nur das Bild verrucöser Endo-
carditis dar, ohne die spezifischen histologischen Merkmale zu zeigen.
Die Verf. haben nun einen Fall beobachtet, der insofern etwas
bemerkenswertes darbot, als es gelang, aus den auf der Mitra¬
klappe gefundenen Knötchen Tuberkelbazillen kulturell nachzu¬
weisen. Es gelang ferner, auch das Vorhandensein einer Misch¬
infektion in vivo zu erweisen, welche als wichtige Ursache für
endocarditische Erscheinungen angesehen werden muss. Dass bei
Tuberkulose die Enducardicis die charakteristischen histologischen
Merkmale nicht aufweist, hat wohl seinen Grund darin, dass das
straffe, nicht sehr gefäasreiche Gewebe nicht recht geeignet ist,
wirkliche Tuberkeln zu bilden. In den Fällen, in welchen typische
Tuberkeln beschrieben worden sind, ist vielleicht eine Endocar-
ditis vorausgegangen, welche eine erhöhte Gefkssbildung in den
Klappen bewirkte und somit den Boden für typische Tuberkel¬
entwicklung darbot.
3. Herzl, Wien: Ueber daa Halban’sche Sohwangersohafts-
Symptom (Hypertriohosis graviditatis).
Halban hat ein Sohwangerschaftssymptom beschrieben, dessen
Ursachen er in einer Hyperämie der Haut erblickt, die ihrerwits
durch Placentarsubstanzen veranlasst wird. Wir haben seiner
Zeit über diese Arbeit Halban’s bereits berichtet. Verf. hatte
nun Gelegenheit, einige derartige Fälle zu beobachten und fand
die Angaben Halban’s voll und ganz bestätigt. Besonders be¬
merkenswert ist eine Beobachtung von ihm, Er massierte eine
Dame wegen Atonie und Erschlaffung der Bauchdecken, während
dieser Behandlung traten zahlreiche Haare und Härchen auf dem
Bauch zum Vorschein und verschwanden wieder nach Aufhören
der Massage und erneuter Erschlaffung der Bauchdecken. Offenbar
hatte die Massage eine für das Wachstum der Haare notwendige
H 3 T)erämie bewirkt.
Berliner klinische Wochenschrift. i906. No. 8.
1. Veit, Halle a. S.: Er&hrangen mit der erweiterten
Freondsohen Operation. Nach Ansicht des Verfassers sind es
vor allen Dingen 3 Punkte, welche bei den Frühoperatlonen des
Garcinoms Gefahren in sich schliessen. Erstens die Infektion
durch die im Krebs selbst enthaltenen Keime. Zweitens die Ge¬
fahr der Narkose und drittens die Gefahr einer Lungenembolie,
welch letztere ihren Grund in ungenügender Versorgung der Ge-
fässe hat. Die Aerzte müssen darnach streben, die Frühoperation
des Garcinoms so zu gestalten, dass ihre Mortalität um ein ganz
bedeutendes herabsinkt, denn nur dann wird na^ vom Patienten
den so sehr wünschenswerten Entschluss zu einer Frühoperation
verlangen können. Um die erwähnten Gefahren zu vermeiden,
wäre folgendes zu beachten: Zunächst wird man das Carcinom
äusserlich vor Beginn der Operation gründlichst desinfizieren. Dem
Verfasser hat sich dazu die von Mackenrodt empfohlene Desin¬
fektion mit Formol gut bewährt. Des weiteren wird man den
Organismus in dem Kampfe mit den sich etwa doch einschleichen-
den Keimen dadurch unterstützen, dass man ihn mit Serum ver¬
sieht. Verfasser hat die besten Erfolge von dem Merck-
Menzerschen Serum gesehen. Die Verminderung der Gefahr
der Narkose sieht Verfasser in der Ausübung der Lumbal-Anäs-
thesie, der sogenannten medularen Narkose. Kr brachte für diese
immer Stovain und zwar etwa in einer Dosis von 0,08 in Anwen¬
dung. Was die Ge&ssversorgung angeht, so steht Verf. auf dem
Standpunkt, die Venen möglichst wenig zu traktieren, dagegen
das Hauptaugenmerk auf die Versorguug der Arterien zu legen.
Die Innehaltung der genannten Vorsichtsmaßregeln haben dem
Verf. sehr günstige Operationsresiiltate gesichert.
2. Hoffa, Berlin: Das Antitaberkoloseserom Hamoiek.
Verf. empfiehlt auf das Dringendste das von ihm in 40
Fällen bei Knochen- und Gelenktnberkulose angewendete Mamorek-
sche Antituberkuloseserum. Obwohl ein abschliessendes Urteü noch
nicht zu fällen ist, scheinen doch diese Resultate durchaus eine
Weiterprüfung zu rechtfertigen.
3. Bruhns, Berlin: Ueber Aortenerkrankong bei con¬
genitaler Syphilis.
Pathologisch-anatomische Untersuchungen der Aorta bei syphi¬
litisch geborenen Kindern ergaben dem Verf. in 6 unter 9 Fällen
Abweichungen von der Norm. Verf. hebt hervor, das bisher relativ
wenig über den Befund der grossen Gefhsse bei angeborener
Syphilis bekannt geworden ist. Die Arbeit wird in der nächsten
Nummer der Zeitschrift fortgesetzt.
4. B lasch ko, Berlin; Erfabrongen mit Badiombehandlnng.
Die Behwdlung mit Radium gestaltet sich in der Dermo-
therapie ungemein bequem, sauber und mit wenig Belästigungen
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106
MEDICINISCSB WOCHE.
Nr. 9 .
für den Patienten verknüpft. Die Erfolge aind teilweise über¬
raschend. £a kommen in Frage: Gancroide, Warzen, Naevi, An-
giome, liupns, Psoriasis, Eczeme, Lichen ruber. Der Gedanke
mittelst eines radioaktiven Pflasters die Einwirkung noch inten¬
siver und dauernder zu gestalten, scheitert vorläufig noch an
technischen Schwierigkeiten. Verf. kommt zu dem Schluss, dass
das Radium für die Behandlung der Hautkrankheiten ein vi^fkltig
verwendbares und bei richtiger Indikationsstellung ausserordent¬
lich wirksames Heilmittel ist, welches als eine wesentliche Be¬
reicherung des Ärzneischatzes angesehen werden muss.
5. Falkenstein, Gross-Lichterfeld: Ueber das Verhalten
der Harnsäure and des Hamstofb bei der Gicht
Eingehende Studien des Stoffwechsels bei Gichtkranken haben
den Verf. zu der Ueberzeugung geführt, dass das schädliche
Agens bei dieser Krankheit das entstehende Natriumurat ist,
welches im Ham nicht ausgeschieden werden kann. Es ist be¬
merkenswert, dass das Tierexperiment erweist, dass dieses Natrium¬
urat bei Einverleibung von Harnsäure in das Gewebe von Pflanzen¬
fressern sofort entsteht, weil den Pflanzenfressern die Salzsäure
im Magen fast ganz fehlt, bei Fleischfressern, Hunden z. B., da¬
gegen entstehen die Urate nicht, weil dieselben grosse Salzsäuremengen
produzieren. Als scheint also durchaus zwingend anzunehmen, dass
die Salzsäureproduktion des Menschen den nötigen Schutz gegen
die unerwünschte Bildung von Urateu darstellt. Es scheint die
Wirkung der Salzsäure darin zu bestehen, dass das Lösungsver¬
mögen aller Gewebsflüssigkeiten im Körper für die Hamsäure-
kristalle geändert wird. Um so auffallender müsste es erscheinen,
dass der Gebrauch von alkalischen Wässern bei Gicht Erfolge
zeitigt. Dieser Widerspruch ist so zu erklären, dass die bei
Gichtikera reichlich vorhandenen organischen Säuren, Essig-, Butter-,
Milch-Säure durch das Alkali neutralisiert werden, zugleich der
Darm zu energischerer Tätigkeit angeregt wird und so ein besseres,
aber nur scheinbar gebessertes Allgemeinbefinden resultiert. Es
wäre nach der Auffassung des Verf. also die Gicht eine Erkran¬
kung, deren Ursache in den Salzsäure absondemden Drüsen des
Magens zu suchen wären.
6 . Friedmann, Berlin: Die Bekämpfimg des Malariafiebers.
Die Uebertragung der Malaria geschieht, wie heute einwands¬
frei feststeht, durch den Stich bestimmter Moskitoarten, unter
denen wohl die Anophelesarten die Hauptrolle spielen. Der Vor¬
gang der Entwicklung der Malariaparasiten ist folgender: Die¬
selben teilen sich ungeschlechtlich im Blut des Menschen in männ¬
liche und weibliche Parasiten und diese wieder vermehren sich im
Darmkanal des Moskitos geschlechtlich, um von da wiedemm
durch die Lymphgefässe des Insekts beim Blutsaugen in den
Menschen zurückzugelangen. Es ist bisher niemals nachgewiesen
worden, dass irgend ein anderes Tier Malariaparasiten beherbergt.
Was nun die Bekämpfung des Malariafiebers anlangt, so mus»
man auf die Lebensgewohnheiten der Moskitos besonders achten.
Dieselben lieben dunkle Ecken und bedürfen zur Ablegung ihrer
Eier kleiner Wasserpfützen und Tümpel, So hängt es zusammen,
dass die Malaria am häufigsten in feuchten Gegenden vorkommt
Der Moskito pflegt zur Nachtzeit den Menschen anfzusuchen,
weil er dessen Blut braucht, um seine Eier ablegen zu können.
Man hat nun die prophylaktischen Bestrebungen in zwei Richtungen
betrieben: erstens, indem man den Menschen vor den Moskitos
zu schützen sucht und zweitens, indem man die Vermehrung
dieser Insekten durch geeignete Beseitigung sumpfiger Gegenden
anstrebte. In den Tropen nun ist das letztere ein ziemlich aus¬
sichtsloses Beginnen, während die ersten Vorsichtsmaßnahmen
durch Anwendung von guten Moskitonetzen und Verschliessen der
Fen.ster mit Gazegittem durchaus erreicht werden kann.
Was nun die Tatsache anlangt, dass die Eingeborenen der
von Malaria heimgesuchten Gegenden fast niemals erkranken, so
i.st heute nachgewiesen, dass dieses seinen Grund in einer in
frühester Jugend erworbenen Immunität hat, indem die Kinder in
den ersten Lebensjahren einer Malaria anheimfallen und dadurch
immun werden. Die Behandlung der Malaria beschränkt sich, ab¬
gesehen von der immerhin erstrebenswerten Entfernung aus der
Gegend auf die Darreichung von Chinin und zwar jeden 7. bis
8 . Tag ein Gramm.
Es darf nicht vergessen werden, dass auch in der anfalls-
freien Zeit im Blut der Erkrankten Malaria-Parasiten Vorkommen.
Die prophylaktische Anwendung des Chinins zeitigt ebenfalls gute
Erfolge, kann aber nur bei längerer gewissenhafter Durchführung
erfolgreich sein. Man wird auch hier alle zehn Tage ein Gramm
Chinin verabreichen. Jedoch ist dabei zu bedenken, dass das so
sehr gefürchtete, in manchen Gegenden vorkommende Schwarz¬
wasserfieber höchstwahrscheinlich der Ausdruck einer Chininver¬
giftung ist, die unter den lokalen klimatischen Einflüssen sich
entwickelt und eine bedenkliche Komplikation der prophylaktischen
Chininbehandlung darstellt.
Vermischtes.
Kaiserin Friedrich-Haue. Bei der Eröffnung des Kaiserin
Friedrich-Hauses für das ärztliche Fortbildungswesen werden
gleichzeitig drei Ausstellungen beginnen. Die ,Dauer-Ausstellung
für die ärztlich-technische Industrie*', die Ausstellung ^Geschichte
der Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ und eine „Sonderaus¬
stellung für den Unterricht in der Krankenpflege“. Die „Dauer-
Ausstellung, an welcher nahezu sämtliche hervorragenden Firmen
auf dem einschlägigen Gebiete beteiligt sind, wird ein zusammen-
fassendes Bild von allen denjenigen Gegenständen darbieten, welche
der praktische Arzt in der Ausübung seines Berufes benötigt; sie
zerfällt in einzelne Gruppen: Aerztlich-technische Industrie, Elektro-
Medicin, Medicinische Optik, Medicinische Chemie und einzelne
Sondergruppen (Bade- und Kurorte, Tropenmedicin, Plastische
Nachbildungen und Pi-äparate). — Die „Ausstellung für Geschichte
der Medicin in Kunst und Kunsthandwerk“ wird unter Anderem
eine grosse Sammlung Inkunabelwerke der Medicin, soweit sie
künstlerischen Buchschmuck zeigen, enthalten: ferner eine Kollek¬
tion von Manuskripten ans dem XIII . Jahrhundert, unter diesen
interessante Dokumente des scholastischen Zeitalters, welche zom
Teil noch nicht beschrieben wurden. Die Malerei in der klassischen
Medicin wird ebenfalls gut vertreten sein, zum grossen Teil
naturgemäß durch Reproduktionen und Kopien; doch sind auch
ca. 59 Original-Werke eingetroffen. Hierbei ist Holland, in dem
der künstlerische Gedanke in Bezug auf die Medicin den höchsten
Ausdruck fiind, würdig vertreten; so werden neben einer grossen
Reihe von anderen bildlichen Darstellungen Original-Zeichnungen
der bedeutenden Anatomen Albinus, Camper usw. ausgestellt
werden; ferner das erst kürzlich aufgefundene grosse Oelgemälde
des Andreas Vesalius von van Calcar. — Die „Ausstellung von
Lehrmitteln in der Krankenpflege“ soll eine Uebersicht verschaffen,
welche Objekte für den Unterricht in diesem wichtigen Gebiete
notwendig sind; u. A. wird sie ein komplettes Krankenzimmer
nach den Änforderungeu der modernen Krankenpflege und einen
Raum für die Säuglingspflege veranschaulichen. — Der Eintritt in
die Ausstellungen wird nach der Eröffnung zum Teil auch Nicht-
Aerzten zugängig gemacht werden.
Joslonek, Mildenau-Wiesenbad. Das Antlthyreoidin-Mol>tiis
bei Morbns-Basedowif. (Mod. Woche. 1904, Nr. 37, p. 299.)
Zwei günstige Erfolge mit dem Möbius’schen Basedow-Serum, weiche
die prompte Wirkung einerseits und das Fehlen jeglicher Nebenwirkung
andererseits kund tun! Die Verabreichung ist eine sehr bequeme und zwar
per OS 1, 2 und 4 gr täglich in Wein oder mit Himbeerlimonade, auch der
Bezug ist durch die Apotheken sehr bequem: Firma E. Merck-Darmstadt
stellt das Thjrcoidserum her und gibt dasselbe in Gläsern ä 10 in den
Handel. Der eine Kranke, ein 54 jähriger Mann, batte seit kurzem erst
nach seelischen Aufregungen die Erscheinungen des Basedow; er reagirte
sehr schnell auf das Serum; nach 14 Tagen, nachdem er anfangs 2 Kal
täglich 1 gr, später 2 Mal täglich 2 gr genommen hatte, d. i. nsich im
Ganzen 30 gr, konnte er schon körperliche Arbeiten verrichten, und der
Halsumfang und die Konsistenz der Gchilddrüse batten roorklich abgenonimen.
Weniger prompt war die Wirkung iin zweiten Falle, der eine 54 jährige
Frau betraf, die schon länger Basedow batte. Diese musste in der dritten
Woche täglich sogar 2 Mal 2 gr nehmen und im Ganzen 50 gr; danach
aber war immerhin eine wesentliche geistige und körperliche Erholung zu be¬
merken, und der Halsumfang war von reichlich 35 cm auf 32 zurUck-
gegangen. Das Thyreoidserum ist wegen der Haltbarkeit mit einem Zusatze
von 0,57o Carbolsäure versetzt.
Veraotwortlicher Redakteur : Dr. P. Meitaner, BerlinW. O, KurfQrateni&. 81. — Vertag tob Carl Marhold, Halle a. S.
Druck TOn der HeynetnanD'achea Buchdru^erei, Gebr Wciff, Halle a. S
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Medicinische Woche
DcfltsebiMiiii» A. Dflhnsen, A. Hoffa, E. Jaeobi,
Hanburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer.
Berlin. Glessen.
Vn. Jahrgang. 5. März 1906. Nr. 10.
Vertag nnd Expedition
Citfl Märhold In Halle a« UUandatraaie d.
Ta.-Adr.: Mailiold Vetlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosio, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Uoveriicht, A. Vosslas,
Magdeburg. Glessen.
Redaktion;
Barlln W« 62» KarfOntenatraaM 81»
Dr. P. Meißner.
Die •Medicintecb« Woche* encheint jeden Montag mit der Beilage Bataieologische Ceirtrailzeitiing, Organ des Allgemeinen Deutschen BSderverbandes, des Scbwarzw. M*
badertages des Vjerfaandee der Dentacben Nordseebider, sowie des Vereins der Badelizte der Ostsee und kostet jihrticta 10 M., Mnselne Nnnuner 25 PL Bestellungen nennen jede Bi cb-
handliing, die Pqst, sowie iQe Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entg^en. Inserate werden f&r die 4spalt^ Petitzelle oder deren Raiöi mit 80Pt. berecfaneti
Beilagen nach Udreretnknnft. Reklamezefle IJO Mk Bei Wiederholung tritt Bnnlsiigung ein.
Nadriwck der Original-AnlsStze ist <dme vorherige Oenebmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschan und der Mitttilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet
Originalien.
Die neueren lokalen Anästhetica in der
,, Augenheilkunde.
' Von Prof. Dr. F. Best in Giessen.
Ersatzmittel des Kokains brauchbarer Art stehen uns zur
Zeit eine ganze Reihe zur Verfügung; die chemische Fabri¬
kation drängt uns in den letzten Jahren immer neue Mittel
auf. Den Wunsch des Chirurgen nach einem ^ nicht in erster
Linie besser wirksamen, aber weniger giftigen — Präparate
wird man verständlich finden, und dem verdanken wir wohl
auch die Fülle der neuen Vorschläge. Weniger ist bei ihrem
kleinen Operationsgebiet und darum kleineren Giftverbrauch
die Augenheilkunde interessiert, für die Kokain dem Ideal eines
örtlichen Betäubungsmittels nahe kommt. Trotzdem — das
Bessere ist der Femd des Guten — prüfen wir vorurteilsfrei,
ob irgend ein neueres Ersatzmittel das Kokain und Kokain-
SuprareTiin übertrifft und worin. Beschränken wir uns, um
unser Thema nicht zu sehr anschwellen zu lassen, auf die
' Neuheiten der drei letzten Jahre 1903—1905: Alypin, Novokain,
Stovain, Subkutin, Yohimbin.
' ’ Stovain hat sich in der Rückenmarksanästhesie einen
hervorragenden Platz erworben, dank seiner geringen Giftig¬
keit; das ihm nah verwandte Alypin, erst 1905 dargestellt,
soll dem Stovain in vieler Hinsicht noch überlegen sein. No¬
vokain ist Ende 1905 von dem in der lokalen Anästhesie
besonders erfahrenen Chirurgen Braun warm empfohlen worden.
Subkutin ist nur der Vollständigkeit halber erwähnt; seine
anästhesierende Kraft ist den andern Mitteln zu erheblich unter-
- legen, als dass es eine Bedeutung gewinnen könnte. Yohim¬
bin dient ja eigentlich anderen Zwecken; aber Anästheticum
ist es nebenbei und als solches, nur in der Augenheilkunde,
verwandt worden.
Welche Forderungen über den Wert eines örtlichen Anästhe-
ticnms entscheiden, hat Braun*) vom Standpunkte der Chi¬
rurgen in mustergiltiger Weise entwickelt. Diesen Forderungen
wira sich im allgemeinen auch die Augenheilkunde anschliessen;
in einigen Punkten können wir sie für die Zwecke des Augen¬
arztes abändern, wie ich in einer Abhandlung über „die lokale
Anästhesie in der Augenheilkunde“ **) gezeigt habe.
Verstärkt betonen müssen wir zunächst eines: Die Sub¬
stanz darf bei Einträuflung ins Auge keinen Schmerz, über¬
haupt keinerlei Reiz nervomiien. Zahlreiche Beobach¬
tungen an Patienten zeigen, dass ein entzündetes Auge ganz
*) Die Lokalanästhesie, ihre wissenschaftliche Grundlage und prak¬
tische Anwendung. Leipzig 1905.
**) Sammlung zwangloser Äbh. a. d. Geb, d. Augenheilkunde, heraus-
^[eben von A. Voss ins. Bd. VT. Heft B. Halle a. S. 1905.
besonders gegen eine normalerweise nur leichte Reizung em¬
pfindlich ist. Daran ist seiner Zeit die Verdrängung des Ko¬
kains durch Eukain gescheitert, dass letzteres bei Einträuflung
Brennen verursacht. Alj'piu und Stovain sind subjektiv ent¬
schieden nicht so angenehm wie Kokain und man kann beiden
Mitteln darum keine gute Prognose stellen. Braun lehnt sie
aus dem gleichen Grunde für me Chirurgie ab. D^egen wäre
vom Standpunkte der Reizwirkung gegen Yohimbin nichts zu
sagen und Einträuflung von Novokain in 4, 5 und 10% Lösung
ins Auge ist ebenso angenehm wie die von Kokain.
prZwar die Tiefe der Anästhesie ist bei Alypin wie
beim Stovain eine gute. Wir haben in der Augenheilkunde
an den so häufigen kleinen Fremdköroem auf der Kornea
einen guten Gradmesser, den neben der Kontrolle am normalen
Auge heranzuziehen deshalb ratsam ist, weil entzündete Ge¬
webe viel schwerer unempfindlich zu machen sind. Auch hier¬
bei ergibt sich, dass Alypin und Stovain in 4% Lösung dem
Kokain nur wenig nachstehen; die Anästhesie beginnt etwas
früher, ihre Dauer ist aber eine beschi'änktere. Leider ist da¬
gegen Novokain, selbst in 5—10% Lösung, dem 2—4% Kokain
erheblich unterlegen, wie schon Braun*) auf Grund von
Quaddelversuchen festgestellt hat. 5% Novokain ins Auge
eingeträufelt, macht nach 2—4 Minuten eine Anästhesie mäßigen
Grades von ca. 10 Minuten Dauer. Braun hat nun aber
weiter die Beobachtung gemacht, dass die Wirkung des Novo¬
kains durch Nebennierenextrakt in noch erheblicherem Maße
verstärkt wird, als dies schon für Kokain gilt. Nachdem eine
rössere Zahl von Fremdkörpern der Hornhaut mit Novokain-
uprarenin entfernt wurden, bin ich doch wieder zum Kokain-
Suprarenin zurückgekehrt, dessen anästhesierende Kraft eine
bessere ist. Gleichwohl stehe ich nicht an Novokain-Supra-
renin zu empfehlen, und zwar besonders bei Operationen, die
zu hohe Dosen Kokain erfordern würden, also grösseren Ope¬
rationen, die mehr ins Gebiet der Chirurgie fallen. Die etwas
geringere Intensität und kürzere Dauer der Anästhesie, die
sich bei der sehr empfindlichen und gut ernährten Lidhaut
und am Auge wohl mehr geltend macht als sonst, muss man
dann eben dem Vorteil der geringeren Giftigkeit des Novokain
zn liebe in Kauf nehmen.
Im übrigen gerade die Giftwirkung des Kokains brauchen
wir in der Augenheilkunde kaum za fürchten; es ist empfehlens¬
wert und durchführbar, bei unsorm kleinen Operationsgebiet
nie mehr als die Hälfte der Maximaldose 2
injizieren. Auch können wir aus diesem Grunde in der Augen¬
heilkunde mit gutem Gewissen stärkere Konzentration des Ko¬
kains oder Novokains verwenden, als in der Allgemeinchirurgie.
Mit 1—2 Tropfen, höchstens 1 g Lösung kommen wir aus.
Und was eine Vergiftung durch blosse Einträuflung ins Auge
*) Braun, lieber eiaige neue Örtliche Anästhetica. Deutsche med.
Woch. 1905, S. 16Ö7.
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108
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 10.
angeht, so muss ich die nach Experimenten an Tieren für un-
möglicü halten, selbst unter Berücksichtigi;ng von Idiosyn¬
krasien. Man kann über eine Stunde lang fortgesetzt 10 bis
20% Kokainlösung, im ganzen das Vielfache der subkutan
letalen Dosis ins Auge eines Kaninchens einträufeln, ohne über¬
haupt erhebliche Intoxikation zu erreichen. Die bekannten
Schreck- und Angstohnmachtsanfälle bei labiler psychischer
Konstitution in Gegenwart des Arztes darf man nicht mit V er-
giftur^symptomen verwechseln.
!^kain hat gewisse Nachteile, die seine Ersatzmittel zum
Teil nicht haben, Zersetzbarkeit beim Kochen, Pupillen-
erweiterung und leichte Akkommodationsparese,Homhauttrtibung
bei zu häufiger Einträuflung konzentrierter Mengen. Was den
ersten Punkt betrifft, so ist Kokain sterilisierbar durch Zusatz
von Sublimat 1:10000 oder Hydrargyrum oxycyanatum 1:5000
und einmaliges Aufkochen Übrigens wird Kokain-Suprarenin
unter dem Namen Eusemin steril in deu Handel gebracht
Alypin]^und Stovain vertragen d^egen längeres Kochen, auch
Novok^ ist durch Kochen sterihsierbar.
Die Pupille und Akkommodation wird von Novokain
gar nicht beeinflusst, Alypin macht erst in stärkeren Dosen
eine unerhebliche Pupillenerweiterung, ist praktisch also auch
ohne Einfluss auf die innere Augenmuskulatur. Stovain be¬
wirkt leichte Pupillenerweiterung und Akkomodationsparese.
Eine Trübung der Hornhaut verursachen bei zu starker
Anwendung sämtlicne bisher bekannten Anästhetica, auch Novo¬
kain; sie geht zurück, wenn man nicht gar zu viel eingeträufelt
hat, und dies „gar zu viel“ liegt jenseits der therapeutisch in
Betracht kommenden Grenze.
Das Yohimbin verdient ein paar Worte für sich. Dass
seine Einträuflung ins Auge nicht unangenehm ist, wurde er¬
wähnt Leider ist es aber als Anästheticum nicht so sehr viel
wert, erweitert dazu auch etwas die Pupille, und ist sehr teuer.
Es hat aber eine Eigenschaft, die gelegentlich seine Anwen¬
dung veranlassen könnte, und die jedenfalls bemerkenswert ist
In 1—2% Lösung verursacht es eine starke Hyperämie der
Bindehaut, die so erheblich ist, dass sie durch mehrere Tropfen
Suprarenin 1:1000 nicht beseitigt wird. Ein durch Neben¬
nierenextrakt anämisches Auge wird durch Yohimbin stark
hyperämisch. Die gefässerweitemde Wirkung des Yohimbin
tritt nach etwa 5 —10 Minuten ein und hält stundenlang an.
Wenn ich zum Schluss nochmals einige Punkte zusammen¬
fassen darf, so sind Alypin’ und Stovain insofern dem Kokain
unterlegen, als sie Einträuflungsreiz verursachen. Novokain
Feuilleton.
Über Verhütung der Tuberkulose
(Schwindsucht).
Von Prof. Dr. F. Kraus-Berlin.
(Fortsetzang.)
Ob das Heilstättenwesen die auf dasselbe berechtigter-
m^en gesetzten Envartungen in vollem Mafle zu erfüllen vermag,
wird hoffentlich die nächste Zukunft im bejahenden Sinne ent¬
scheiden. Ich habe nach den bereits vorliegenden Erfahrungen je¬
doch die Empfindung, dass die Anstaltsbehaodlung allein, selbst
wenn sie überall und für alle Bevölkerungsklassen durchge-
führt sein wird, direkt eigentlich doch nur eine beschränkte
Zahl von Phthisikern auch bloss in wirtschaftlichem Sinne
dauernd heilen und nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teil
die Seuche selbst vermindern kann. Wenn der an Lungen¬
tuberkulose erkrankte Arbeiter, „geheilt“ oder zur Erwerbs¬
fähigkeit gebessert aus der Kur entlassen, wieder in die alten
schädlichen Lebensverhältnisse, in den früheren Beruf und die
zu enge Wohnung, in welcher er sehr häufig den Arbeits- und
Schlafraum mit kranken, Bazillen hustenden Familienmitgliedern
teilen muss, zurückkehrt, kann eine Verschlimmerung kaum
ausbleiben, und die io der Heilstätte gewonnenen Vorteile gehen
dann bald wieder verloren. Und bedenken Sie vor allem das
ist dasjenige von den neueren Anästheticis, das am meisten
Beachtung verdient; es wird submktiv angenehm empfanden,
hat keinerlei Nebenwirkungen auf Pupille, Akkommodation und
Blutgefässe des Auges, erreicht aber leider auch in Kombination
mit Suprarenin nicht die Stärke der Kokainanästhesie. Novo-
kain-Suprarenin wird also gelegentlich das Kokain mit Vorteil
ersetzen können; so, wenn Pupillenerweiterung vermieden
werden soll und die Anästhesie nicht sehr intensiv zu sein
braucht (z. B. vor und nach Aetzungen der Bindehaut mit
Argentum nitricum oder Zink oder Kupferstift); bei entzünd¬
lichem Glaukom dagegen würde Kokain wegen der grösseren
Empfindlichkeit des Gewebes vorzuziehen sem (zusammen mit
Eserin); ferner würde Novokain zu verwendeu sein bei'Injek-
tionen, wenn grössere Mengen Injektionsflüssigkeit Vergiftungs¬
erscheinungen befürchten lassen, also im wesentlichen auf
chirurgischem Gebiete, eventuell auch bei Enucleation des Auges.
Im grossen und ganzen ist Kokain doch in der Augen¬
heilkunde auch durch die neueren Mittel nicht verdrängt In
richtiger Weise angewendet, ermöglicht es uns, besonders seit
wir gelernt haben seine Wirkung durch Suprarenin der Zeit und
Intensität nach zu verstärken, fast alle Operationen in unserm
Spezialgebiet unter Lokalanästhesie auszumhren.
Max Nitze f.
Ganz plötzlich und unerwartet verstarb am 23. Februar
zu Berlin Max Nitze, der Begründer der Gystoskopio. Am
18. September 1848 geboren, studierte Nitze in Heidelberg,
Würzburg, Leipzig und wurde 1874 zum Doktor promoviert.
vatdozent für
Ham- und Bla-
senkrankheiten.
Es war dies der
erste derartige
Lehrauftrag,der
erteilt wurde.
Am9.Märzl879
hatNitzedamals
in Wien das
erste Modell des
Apparates den
Fach > Kollegen
demonstriert,
der heute als Cystoskop allgemein bekannt ist. Den Kollegen
Schicksal der Kinder in solchen unter schlechten Lebensbe-
dingungen schmachtenden tuberkulösen Familien. Solche un¬
glückliche Familien stellen richtige Tuberkuloseneater darl Da
muss sich uns die Überzeugung aufdrängen, dass das Schwer¬
gewicht der Tuberkulosebestrebungen überhaupt nicht so sehr
auf dem Gebiete der speziellen ärztlichen Behandlung einzelner
Erkrankter, als vielmehr auf nationalökonomischen und hygie¬
nischen Maßnahmen beruht und dass die Verhütung die
Hauptsache bleibt. Wir müssen nach Möglichkeit alle tuber¬
kulösen Familien ausfindig machen, dieselben in ihren Wohnungen
aufsuchen, gewissermaßen die Tuberkulosenester ausheben, und
für die sämtlichen Familien eine hygienische Fürsorge, dabei
für die Erkrankten natürlich auch ärztliche Behandlung her¬
beiführen. Aus dieser Erkenntnis heraus hat sich bereits
entwickelt und soll sich noch mehr in der Zukunft ausgestalten
eine wohlorganisierte, praktische Familien-Ftirsorgetätigkeit,
allerdings eine Riesenaufgabe, welche ungeheure geistige und
physische Arbeit, vor allem aber enorme Geldopfer, die wir
aber im Sinne der dargelegten Wohifahrtsmoral gern bringen,
fordern wird. Nicht nur die durch die Versicherungsgesetz-
ebung pekuniär gestützten tuberkulösen und tuberkulosever-
ächtigen Arbeiter, sondern auch die Kranken unter 16 Jahren,
sowie die übrigen Nichtversicherten , endlich noch die an vor-
f eschrittener Tuberkulose Erkrankten, sie alle müssen in diese
ürsorge einbegriffen werden!
Man hat den Versuch einer Verwirklichung im Kleinen
begonnen, das Interesse für die Sache ist aber sehr rasch ge-
Nach Absolvier¬
ung seiner Mili¬
tärpflichtwurde
er Assistent am
städt. Kranken¬
haus in Dres¬
den, im Jahre
1878 ring er
nach Wien. Im
Jahre 1890 ha¬
bilitierte sich
Nitze an der
Berliner Uni¬
versität als Pri-
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1906.
MBDICmiSCHE WOCHE.
1:09
braacht nicht auseinander gesetzt zu werden, was die geniale Er¬
findung des Cystoskops bedeutet, wenn wir nur an die enormen
Fortscnriite der Blasen- und Nierenchirurgie denken, können
wir ermessen, welch Denkmal sich der Verstorbene mit dieser
seiner Erfindung gesetzt hat Die Deutsche Medicin verdankt
es Nitze, dass Frankreich die Führerschaft auf dem Gebiete
der Uroglogie verloren hat, und dass auch in diesem Spezial¬
fach Deutschland an erster Stelle genannt werden muss. Mit
dem bedeutenden Forscher und Erfinder ist auch ein hervor¬
ragender Mensch dahingegangen. Leicht sei ihm die Erde.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner mediei/nAsehe Gesdlschaft,
Sitzung vom 21. Februar 1906.
Tagesordnung:
Kirchner: „Ueber das Klima und die hygienischen
Einrichtungen Aegyptens“.
Aegypten ist der Nil mit seinem Delta. Die klimatischen
Verhältnisse des Nordrandes des Deltas sind nicht besonders
günstig; bis Catro herunter sind die Wintermonate noch zu kühl
und feucht. Südlich von Cairo beginnt Jas Niltal, das anf beiden
Seiten von Wüstenstreifen begrenzt wird und dank diesen ein
gleichmäßig warmes und immer trockenes Klima aufweist. Für
die Monate Oktober, November, März, April bietet Heluan ein
ideales Klima, für Dezember bis Februar die noch weiter südlich
gelegenen Azzuan, Lnzor. Hier ist das Winterklima wie bei uns
das im Juni-Juli, nur gleichmäßiger warm und trocken und fast
stets heiterer EQmmel. Diese klimatischen Verhältnisse ermög¬
lichen gesteigerte Perspiration und Transpiration, entlasten die
'Diurese. Deshalb ist das Klima in erster Linie gemgnet
für Krankheiten der Harnorgane; weiter für Patienten mit
Herzaäektionen, dann Rheumatiker. Was die Lungenkrank-
beitra betrifft, so ist der erhöhte Staubgehalt der Luft eher
8 chädli<di. Patienten mit offener Lungen- oder Kehlkopftuber¬
kulose sollte man nicht nach Aegypten schicken; sterben doch auch
eine nicht geringe Zahl von im Lande wohnenden Europäern an
Tuberkulose. Auf Asthmatiker . dagegen, Rekonvaleszenten nach
Pleuritiden und sonst Erholungsbedürftige übt das Klima den
günstigsten Einfluss aus. Bei Auswahl der Patienten sind die
Anstrengungen der Reise zu berücksichtigen. Der Aufenthalt in
wachsen nnd es steht bestimmt zu erwarten, dass auch in
Deatschland die Familienfürsorgebestrebungen in Bälde den
ihnen gebührenden wichtigsten Platz im Kampf wider die
Tuberkulose mnnehmen. vorgeschrittene derartige Einrich¬
tungen in Frankreich und Belgien haben uns hierbei vielfach
als Muster gedient. Aber auch in Deutschland selbst ist schon
von früher her die Familienfürsorge nichts ganz Unbekanntes
gewesen. Jahrelang, ehe in Frankreich die Dispensaires ein¬
gerichtet waren, hatte z. B. der Volksheilstättenverein vom
roten Kreuz den Familien seiner Lungenheilstättenpfleglinge
aus Grabowsee eine ähnliche Fürsorge zugewendet, welche von
Anfang an etwa 250 Familien umfasste. Jedenfalls kann aber
den Franzosen das grosse Verdienst nicht abgesprochen werden,
dass sie die Vorbeugung oder, wie man sagt, die Prophylaxe
bei der Tuberkulosebekämpfung mit ihrer Familienfürsorge¬
tätigkeit im grossen Stil mustergiltig aufgenommeu und uns
damit die Anregung gegeben haben zur Ausgestaltung dieser
Einrichtungen, angepasst natürlich unseren vaterländischen
Verhältnissen.
Ich gehe nunmehr über zu einer Darlegung der einzelnen
Gesichtspunkte für diese prophylaktische Tätigkeit der Familien¬
fürsorge.
Die Bevölkerung muss nicht bloss immer mehr zu der
Auffassung erzogen werden,*dass die Tuberkulose eine an¬
steckende Krankheit ist, sie muss auch wissen, dass bei der
Erkrankung gewisse körperliche Eigenschaften, welche wir
Disposition nennen, eine grosse Rolle spielen, dass die unge-
Aegypten ist kostspielig; man sollte nicht unter vier Monaten
bleiben; dazu sind bei bescheidenen AnsprUrfien 4000 Mark er¬
forderlich. Man tritt die Reise am besten im Oktober an; No¬
vember bis Mäi-z sind die heilsamsten Monate. Azzuan, Luxor
muss man rechtzeitig im Frühjahr verlassen. In Helnau kann
man bis Anfang Mai bleiben; für die Rückreise empfiehlt sich ein
kürzerer Aufenthalt in Corfu, Abbazia. Die hygienischen Ver¬
hältnisse in Aegypten lassen zum Teil zu wünschen übrig. Die
Wasserversorgung erfolgt ausschliesslich vom Nil, dessen Wasser
mit Erdbestandteilen und tierischen wie menschlichen Exkreten
verunreinigt ist. In den grösseren Städten gibt es. vollkommene
Filter- und Kläranlagen. Für den Reisenden empfiehlt sich
grösste Vorsicht beim Wassergennss. Die Beseitigung der Ab¬
wässer ist nicht einwandsfrei. Gut eingerichtete und geleitete
Krankenhäuser gibt es hinreichend zahlreich in den grösseren
Städten. Die sanitären Vorkehrungen gegen Einschleppung und
Verbreitung von Seuchen sind gute.
ÄnälUiher VereVn zu Sdmburg,
(Biologische Abteilung.)
Sitzimg vom 13. Februar 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne..
I. Demonstrationen:
1. Herr Fränkel: „Ueber Corpora lutea“. Eine Frau
erkrankte vollkommen unter den Erscheinungen einer Appendix¬
erkrankung; als 14 Tage nach Beginn die Laparotomie gemacht
wurde, fand man in der freien Bauchhöhle o. 0,5 1 Blut. Die so¬
fortige Inspektion eigab das Fehlen einer geplatzten Extrauterin¬
gravidität, wohl aber das Vorhandensein eines geplatzten Hämotoms
eines Corpns luteum. Diese Erkran’iung ist nicht so selten, wie
man annebmen sollte, doch da sie meist unter den klinischen Er-
scheinongen einer Appendixerkrankung verläuft, wird sie oft ver¬
kannt. An der Hand verschiedener Spirituspräparate demonstriert
der Vortragende die oft beträchtliche, (ülrösse dieser Hämatome,
sodass das Ovarialgewebe fast völlig verdrängt wii'd, während
meist die Ovarien dabei normal klein bleiben und nur selten
cystisch entarten. Herr Reuter hat mehrfach solche Hämatome
bei Sektionen von ertrunkenen Frauen gesehen,,und zwar war das
Blut teils geronnen, teils flüssig. Er glaubt, dass es durch den
Sprung ins Wasser zum Platzen des Hämatoms kommen kann.
Herr Lochte fragt, ob man direkt schon die Ursache soloher
Blutungen nachgewiesen habe, worauf Herr Reiche über einen
von ihm beobachteten Fall berichtet: die Frau war von einer
Leiter herabgesprungen und kam völlig collabiert unt^r den E)r-
heure Verbreitung ein erhöhtes Bedürfnis für. die Behandlung
der Erkrankten auch in prophylaktischer Beziehung schafft,
und dass die Tuberkulose gewöhnlich eine sehr chronisch ver¬
laufende , langwierige, durchschnittlich 6—8 Jahre dauernde
Krankheit ist. Die Verbreitung der Tuberkulose erfolgt haupt¬
sächlich dadurch, dass der Kranke insbesondere durch den
Husten die Bazillen abscheidet und mit Gesunden, besonders auch
mit den Kindern, in geschlossenen Räumen eng zusammenlebt.
Der erste prophylaktische Gesichtspunkt ist eine frühzeitige
Ermittelung der Kranken. Hier ist man zunächst zur Forde¬
rung einer gesetzlichen Anzeigepflicht gelangt: Es sei Aufgabe
der Behörden, dieselbe durchzuführen, unter gleichzeitiger Be¬
reitstellung hinreichender Anstalten und Einrichtungen, welche
zu ihrer Aufrechterhaltung nötig erscheinen. Einer allgemeinen
Einführung derselben haben sich jedoch fast überall sehr be¬
greifliche Schwierigkeiten in den Weg gestellt. In einzelnen
Bundesstaaten iSachsen, Baden, Hessen) sind einschlägige Ver¬
ordnungen bereits erlassen, in Preussen ist zu einem gewissen
Grade die Anzeigepflicht im Wege der Polizei eingef^rt, der
Landtag aber hat sich bekanntlitm bisher nicht zur Zustimmung
entschlossen. Die allgemeine Anzeigepflicht würde in der^Tat
bei der ungeheuren Verbreitung und oft überaus langsamen
Entwicklung der Krankheit eine gewaltige Beeinträchtigung der
persönlichen Freiheit des Individuums bedeuten. Vom Stand¬
punkt der Wohlfahrtsmoral, der Moral des grösstmöglicheii
Wohls der grösstmöglichen Zahl, Hesse sich die Auferlegung
eines solchen Opfers auch nur dann rechtfertigen, wenn gleioh-
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110
MKUlCTNITSCi H K ^^OCMÜj.
Nr. 10.
scheinimgen extremen Blutverlustes zur Operation, doch zeigte
sich, dass die Blutung nur ganz gering, die Hauptsache der peri¬
toneale Shock gewesen war. Herr Fränkel teilt mit, dass Mar¬
tin in ca. 120 Fällen 27 mal ein Trauma nachweisen konnte.
Der Vortragende hält die Ruptur als Folge einer bimanuellen
‘Untersuchung sehr wohl für möglich; in einem der demonstrierten
Fälle glaubt er als Ursache die Einklemmung beider Ovarien im
hinteren Douglas bei retroflectiertem Uterus annehmen zu dürfen.
2. Herr Reiche berichtet über multiple primäre Carci-
nome und zeigt das frische Präparat eines Magens, an dem im
Fundus und am Pylorus makro- und miskroskopisch verschiedene
Garcinome sitzen. Der Fall war insofern noch interessant, als
der Exitus infolge einer Himembolie bei dem sehr anämischen
Manne auftrat, bei dem schon vor drei Jahren der Verdacht der
perniciösen Anämie bestand, Herr Nonne hat Carcinom im
Rückenmark gesehen mit Metastasen in der Leber. Da dies Vor¬
kommnis äusserst selten ist, suchte man noch ein Carcinom und
fand dies, sehr klein, im Rectum. Histologisch gehörte chmn auch
die Lebermetastase zu dem Rectumcarcinom.
3. Herr Simmonds demonstriert einen Hoden mit iso¬
liertem käsigen Tumor bei bestehender Tuberkulose, ferner
einen Eall von Qeuitaltuberkulose mit Verkäsung des Neben¬
hodens ohne Veränderung seiner Form. Vas deferens und Samen¬
blase waren inhziert. Häufig beobachte man Tuberkulose des
Genitaltracts kombiniert mit Meningentuberkulose, ohne dass bis¬
her der Zusammenhang aufgeklärt sei. Endlich zeigt er noch
das Präparat einer phlegmonösen Periorchitis ohne Beteiligung
des Hodens bei einem 60jährigen Manne mit Myelitis.
4. Herr Scharff: Ein Ööjähriger Arbeiter erkrankte mit
allen Anzeichen einer lobären Pneumonie, bei der der Stimm-
fremitus auffallend abgeschwächt war. Am zehnten Tag kam es
zum Exitus, und die Sektion zeigte eine Pneumonie im rechten
Unterlappen, während in einem Bronchus eine halbe Getreide¬
ähre mit Grannen steckte. Herr Engelmann weist darauf hin,
dass häufig Aspiration vorkomme, ohne dass die Leute stärkere Be¬
schwerden dabei hätten; das läge an der oft geringeren Empfind¬
lichkeit der Bronchialschleimhant. Herr Fränkel hält das für
Ausnahmen; jedenfalls sei der Larynx doch äusserst empSndlich.
Dieser oben erwähnte Fall sei ein gutes Beispiel für die Entste¬
hung einer echten croupösen Pneumonie durch Trauma. Ferner
beteiligen sich noch die Herren Lochte, Engelm ann und Scharff.
5. Herr Nonne: „Ueber Stauungspapille bei Hämor-
rhagia oerebri und bei Encephalomalacie“. Eine 33jährige
Frau hatte mit 21 Jahren Lues acquiriert, erhielt häufig Schläge
zeitig die Mittel, den gemeldeten Kranken hygienisch und ärzt¬
lich vollkommen zu versorgen, bereitgestellt wären. Diese
Mittel würden eine durchgeführte unabhängige Wohnungs¬
inspektion, die gelungene Lösung des Problems des Kleinwoh¬
nungswesens und der Wohnun^pflege, insbesondere der Isolie¬
rung der Patienten in der Familie, die Desinfektion der Woh¬
nungen und der bazillenhaltigen Ausscheidungen mit Übernahme
der entsprechenden Kosten, die vollendete Einrichtung von Iso¬
lierstationen in den Krankenhäusern, die Einrichtung der vollen
Zahl von Heilstätten für heilbare, von Pflegeheimen für vor¬
geschrittene Fälle umfassen. Auch muss man bedenken, dass eine
Beteiligung der Medizinalbeamten, speziell der Kreisärzte auf
Schwierigkeiten stösst, weil die Gelder für so hohe Kostenent¬
schädigung usw. nicht zur Verfügung stehen. Leichter werden
die Schul- und Militärärzte für unsere Sache herangezogen
werden können. Man hat sich infolgedessen darüber geeinigt,
dass bei der Tuberkulose nur eine beschränkte Anzeigepflicht
anzustreben ist.
Gefordert werden muss dieselbe bei jedem Todesfall. Im
übrigen kann sie auf die Fälle beschränkt werden, wenn der
an Lungen- und Kehlkopfschwindsucht leidende, Bazillen
.‘Spuckende Tuberkulöse die Wohnung oder seine vorüber¬
gehende Herberge wechselt, wenn ein derartiger Patient einen
Beruf übt, welcher ihn mit vielen für die Ansteckung empfäng¬
lichen Menschen notwendig in enge Berührung bringt (z. B.
Lehrer), wenn Wohnungsverhältnisse und Arbeitsräume die
Übertragungsmögllchkelt sehr nahe legen. (ForUotzuug folgt.)
auf den Kopf von ihrem Manne, so dass sie seit ca. drei Jahren
fast ständig an Kopfschmerzen litt. Einen Tag vor der Kranken-
hausaufnahme erlitt sie einen apoplectischen Insult. Es bestand
eine linksseitige Hemiplegie, leichte meningitische Erscheinungen
mit kahnförmig eingezogenem Leib und Hypei^thesie, keine Puls¬
verlangsamung, kein Albumen, keine Zylinder, aber starke Ar-
teriosclerose und eine mittelgradige Stauungspapille mit Hämor-
rhagien, die bis zum am 5. Tage erfolgten Tode ständig Zunahmen.
Bei der Sektion fand sich eine grosse Himhämorrhagie und ausser¬
ordentlich starke, nicht spezifische Arteriosklerose, besonders an
der Hirnbasis. Der Opticus war auch mikroskopisch völlig normal.
Es komme nicht so selten bei Blutungen in die Hirnsubstanz zur
Stauungspapille; die Ursache sei entweder ein Scheidenhämatom
des Opticus oder die Steigerung des intracraniellen Druckes. Herr
Sänger hält diese Art von Stauungspapille mehr für ein Oedem
der Papille als für eine Papillenneuritia. In diesem Fall komme
auch, da der Spinaldruck erhöht war, als Ursache ein akuter Hy-
drocephalus internus in Betracht.. Auf Vorschlag wird die fernere
Diskussion kombiniert mit dem
II. Vortrag des Herrn Liebrecht: „Die Blutungen im
Bereiche der Sehnerven beim Schädelbruob“. Er be¬
spricht an der Hand einer Reihe von Photographien miskrosko-
pischer Präparate die Ergebnisse seiner Untersuchungen an den
Sehnerven von 16 durch Schädelbruch Gestorbenen. Von 100
FäUen von Schädelbruch waren 26 gestorben, davon hatten 16
schon makroskopisch Blutungen in den Zwischenscheidenrämnen.
Er berichtet nun eingehender über die Entstehung der Blutungen
in den Scheidenrämnen, über die Blutungen in der Duralscheide,
die Durchlässigkeit der einzelnen Scheiden, das Verhältnis der
Blutungen zum Vorkommen von Stauungspapille beim Schädel-
brucb, die Blutungen in die Papille und Net^aut, ferner in den
Sehnerven und in die Orbita. Er weist schliesslich auf die klini¬
schen Gesichtspunkte hin, die er in einer demnächst im Archiv
für Augenheilkunde erscheinenden Arbeit ausführlicher behandelt.
m. Diskussion:
Herr Trömner nahm bei einem Manne intra vitam eine
Fissura baseos cranii an; er war vom Wagen gefallen und stellte
Ansprüche an die Berufsgenossenschaft. Die Autopsie später ergab
das Vorhandensein von drei Erweichungsherden. Rente wurde
abgelebnt, da der Sturz vom Wagen infolge Scbwindelgefühls,
das durdi die Erweichxmgen hervorgerufen sei, erfolgt war. Herr
Sänger-Wernicke hat zuerst Stauungspapille bei Erweichungen
nacbgewlesen. Er bespricht ausführlich die Hypothesen der Ent¬
stehung der Stauungspapille und weist auf die Seltenheit der
Blutung in der Dora selbst hin. Die Sebstörungen bei Schädel¬
brüchen könnten auch cerebraler resp. corticaler Natur sein.
Nachdem noch Herr Luce einige Bemerkungen gemacht hat, wird
die weitere Diskussion der vorgeschrittenen Zeit wegen vertagt.
Schönewald.
Standesfragen.
Der preuselsche Ehrengerichtshof.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
(SchlnBS.)
2. Beschluss vom 9. Januar 1905.
Der Angeschuldigte ist in erster Instanz im nichtfönnlichen
ehrengerichtlichen Verfahren wegen standeswidrigen Verhaltens
mit einem Verweise und einer Geldstrafe von zweihundert Mark
kostenpflichtig bestraft worden. Gegen diese Entscheidung hat
er in einer als Berufung bezeicbneten Eingabe fristgerecht das
Rechtsmittel der Beschwerde (§ 18 Abs. 2 des Gesetzes) erhoben.
Der erste Richter hat festgestellt, dass der Angeschnldigte
zu M. im Jahre 1903 durch Uebemahme einer Stelle als Kassen¬
arzt ohne Beachtung der für den Kr . . . eher Aerzteverein, dem
er als Mitglied angehörte, maßgebenden Grundsätze and angesichts
der auf Erlangung freier Aerztewahl gerichteten Bestrebungen
seiner Standesgenossen gegen § 3 des Gesetzes vom 25. Novem¬
ber 1899 verstossen hat.
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I
1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
lU
ln der Beschwerdescbrift bestreitet der Angeschuldigte, zur
Zeit der Abschliessung des Anstellungsvertrages Mitglied des
Kr . . . eher Aerztevereins gewesen zu sein; im übrigen hält er
sich für befugt, tmbekümmert um den Kampf um die Einführung
freier Aerztewahl bei den Krankenkassen sich als Kassenarzt an¬
stellen zu lassen.
Die Schutzbehauptung des Angeschuldigten, er sei, als er den
Vertrag abschloss, nicht mehr Mitglied des Kr . . . eher Aerzte¬
vereins gewesen, wird ohne weiteres widerlegt durch seinen eigenen
Brief an den Vorsitzenden dieses Vereins vom 29. November 1903,
Im Anfang dieses Briefes teilt er mit, dass er die Stelle fest an¬
genommen habe. Er schliesst den Brief mit den Worten: „Zum
Schlüsse erkäre ich Ihnen meinen Austritt aus dem Verein der
Aerzte des Kreises Kr., da ich eine fernere Mitgliedschaft nicht
für opportun halte.“ Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass der
Angeschuldigte Vereiusmitglied gewesen ist.
Ist dies aber festgestellt, so hat der Angeschuldigte durch
Abschluss des Kassenvertrages in M. den Bestimmungen der
Satzungen des Kr . . . eher Aerztevereins, auf welche er sich
verpflichtet hatte, zuwider gehandelt. Nach § 11 der Satzungen
sind für das Verhältnis zu Kassen im Kreise Kr. die von der
Kheinischen Aerztekammer aufgestellten Grundsätze maßgebend
und gegen Nr. 1 und 12 dieser Grundsätze hat der Angeschuldigte
verstossen.
Indem er so dem Verein gegenüber sein Wort nicht hielt,
handelte er standesunwürdig und hat die ehrengerichtliche Be¬
strafung verwirkt. Bei Abmessung der Strafe kam mildernd in
Betracht, dass der Aerzteverein recht lose organisiert war und
der Angeschnldigte über seine Pflichten nicht ausreichend unter¬
richtet gewesen sein mag. Die Strafe des Verweises ersdiien
deshalb ausreichend.
3. Beschluss vom 14. April 1905.
Durch Beschluss des ärztlichen Ehrengerichts für die Pro¬
vinz .... vom 20. Oktober 1904 sind die elf Angeschuldigten
„wegen Pflichtverletzung kostenfällig imit einem Verweise be¬
straft“.
Gegen diesen Beschluss haben sämtliche Angeschuldigte frist¬
gerecht das als „Berufung*^ bezeichnete Bechtsmittel der Be¬
schwerde (§ 18 Abs. 2 des Gesetzes vom 25. November 1899)
eingelegt und durch ihren gemeinsamen legitimierten Verteidiger
gerechtfertigt.
Der Vorderrichter bat festgesteUt, dass die Angeschuldigten
sich der Verfehlung nach § 3 des Gesetzes vom 25. November
1899 dadurch schuldig gemacht haben, dass sie zum Schaden der
vertragstreu bleibenden Kollegen entgegen der übernommenen
Verpflichtung eine Kassenarztstelle bei der neu gegründeten
Familien-Krankenkasse der Gewerkschaft .... annahmen, ohne
dass gemäß dem Beschlüsse des Aerztevereins für den Stadt- und
Landkreis N. sowie gemäß § 1 der von der Aerztekammer auf¬
gestellten Grundsätze die ft^ie Aerztewahl eingeführt wäre.
Aus den Gründen des Beschlusses ist hervorzuheben, dass
der Vorderrichter das standeswidrige Verhalten der Angeschul¬
digten darin erblickt hat, dass sie aus dem Aerzteverein für den
Stadt- und Landkreis N. ausgetreten sind, als es dessen Vertrags¬
kommission nicht gelungen war, die Gewerkschaft .... zum Zu¬
geständnis der freien Aerztewahl bei Abschluss der Verträge mit
den Angeschuldigten zu bestimmen, dass sie dann die Verträge
ohne Rücksicht auf das Erfordernis der freien Aerztewahl abge¬
schlossen und somit nach Ansicht des Vorderrichters lediglich des
materiellen Vorteils wegen das Abkommen durchbrochen und
andere Aerzte in ihrem Einkommen geschädigt haben.
In der Beschwerdeschrift bestreiten die Angeschuldigten, dass
bei Abschluss des fraglichen Kassenvertrages überhaupt fi«ie
Aerztewahl hätte eingefuhrt werden müssen, da diese nur „unter
den ortsangesessenen Kollegen“ hätte statthaben sollen. „Orts¬
angesessen“, d. h. am Sitz der Zechenverwaltung und des Kassen-
herm ansässig, sei aber nur der Angeschuldigte Dr, Br. Die
weite Auslegung des Begriffs, dass als ortsansässig die Aerzte
aller Orte zu gelten hätten, in denen Kassenmitglieder ihren
Wohnsitz hätten, sei, als sie dem Verein angehört hätten, vielen
Vereinsmitgliedem fremd gewesen und erst nach ihrem Austritt
durch Vereinsbeschluss maßgebend geworden (Beweis; die Sitzungs¬
berichte 1903). — Die Angeschuldigten bestreiten ferner, da««
sie durch materielle Motive zum Austritt aus dem Verein veran¬
lasst seien und legen zum Teil dar, wie gering ihre Einnahmen
aus der fraglichen Kasse sind. Dr. Br. andererseits erklärt, dass
der Abschluss des Vertrages für ihn eine Existenzfrage gewesen
sei. —
Die Beschwerde ist begründet. Es muss davon ausgegangen
werden, dass sämtliche Angeschuldigte, als sie den Vertrag mit
der Gewerkschaftskasse abschlossen, uiriit mehr Mitglieder des
. . . . Vereins waren, dass also eine Bestrafung wegen Ueber-
tretung von Vereinssatzungen oder Ausserachtlassung der dem
Verein gegenüber eingegaugenen Verpflichtungen nicht in Frage
kommen kann. Deshalb ist es auch gleichgiltig, ob der Begriff
der Ortsangesessenheit zu Gunsten der Angeschuldigten zu inter¬
pretieren ist. Eine Bestrafung könnte allenfalls darauf gegründet
werden, dass die Angeschuldigten ans dem Verein ausgetreten
und hierzu vielleicht durch standeswidrige Gründe veranlasst sind.
Als solchen Grund nimmt der Vorderrichter den des Eigen¬
nutzes an.
Die Tatsache allein, dass die Angeschuldigten aus dem Aerzte¬
verein ausgetreten sind, kann ihre ehrengerichtliche Bestrafung
nicht begründen, da eine Beeinträchtigung der freien Entschliessung
durch Androhung ehrengerichtlicher Folgen nicht zulässig erscheint.
Es kann lediglich in Frage kommen, ob die Angeschuldigten, ganz
abgesehen von den Bestrebungen des Vereins, dessen Gegner sie
wurden, sich durch ihr Verhalten bei Abschluss der Verträge
ehrengerichtlich strafbar gemacht haben. Das Einzige aber, was
den Angeschuldigten zur Last. gelegt werden kann, ist ihre ab¬
weichende Anschauung über die Notwendigkeit der Einführung
freier Aerztewahl. Abgesehen davon, dass sie diese nicht durch-
führten, waren die von ihnen geschlossenen Verträge für die
ehrengerichtliche Beurteilung einwandsfrei. Diese abweichende
Auffassung in einer unter den Aerzten selbst bestrittenen wirt¬
schaftlichen Frage IfATiTi aber ehrengerichtlicher Beurteilung nicht
unterliegen (vergl. auch Beschluss des Ehrengerichtshofes vom
7. Februar 1902, Min.-Blatt 1902, Seite 306). Die Bekämpfung
des Prinzips der freien Aerztewahl ist hiernach an sich nicht
standeswidrig und auch wenn der einzelne Arzt infolge seiner von
der Auffassung anderer Standesgenossen abweichenden Stellung¬
nahme zu diesem Prinzip wirtschaftlidi bessere Erfolge erzielt,
kann er deswegen nicht ehrengerichtlich bestraft werden.
Aber auch die den Austritt der Angeschuldigten aus dem
Aerzteverein begleitenden Umstände vermögen eine ehrengericht¬
liche Bestrafung der Angeschuldigten um so weniger zu begründen,
als diese von vornherein gegen die auf Einführung der freien
Aerztewahl bezüglichen Beschlüsse des Aerztevereins Widerspruch
erhoben haben, aber in der Minderheit geblieben sind. Vorzu¬
werfen bleibt den Angeschuldigten nur, dass sie insofern nicht
ganz korrekt gehandelt haben, als sie erst dann aus dem Verein
ausgetreten sind, als es sich um Abschluss ihrer Verträge mit
der Gewerkschaft handelte. Sie hätten dem Verein gegenüber
richtiger gehandelt, wenn sie sofort, nachdem dieser die Ein¬
führung der freien Aerztewahl beschlossen hatte, ihren Austritt
erklärt hätten. Dieses nicht ganz korrekte Verhalten allein kann
aber die ehrengerichtliche Bestrafung nicht begründen.
Die Angeschuldigten waren demnach kostenlos (§ 46 des
Gesetzes vom 25. November 1899) freizusprechen.
Das erste der vorstehenden Urteile dürfte wohl das in¬
teressanteste sein. Schon sind aus ärztlichen Kreisen Stimmen
laut geworden, welche diesen Beschluss für ganz unhaltbar er¬
achten. Wir vermögen uns, diesen Anschauungen nicht anzu-
schliesaen. Gewiss halten wir das Verhalten der Angeschuldigten
für standeswidrig, gewiss meinen wir, er sei den Kollegen „in
den Rücken gefallen“, gewiss glauben wir, dass die Annahme, die
Kasse sei unbesetzt gewesen, eine irrige ist, aber nach der Lage
des Gesetzes konnte der Ehrengerichtshof zu keiner Verurteilung
kommen. Die Gesetzgebung gestattet es dem Elhrengerichtshof
nicht, wirtschaftlich fördernd einzugreifen, und ganz sicherlich mit
voller Absicht aus freien Männern unfreie zu machen; das war
der Zweck des Gesetzes; keineswegs hat man daran gedacht, die
Bestrebungen der Aerzteschaft zu begünstigen. Jedenfalls ist
diese Entscheidung für die allererste tätige Vertragskommission
der Aerztekammer von grösster Bedeutung.
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112
MBDICINISGHB WOCHE.
Nr. 10.
Der wichtige Punkt des zweiten Urteils, dass Vereinabeschlüsse
für ihre Mitglieder bindende Kraft haben, wird durch das dritte
Erkenntnis wieder illusorisch, wonach Mitglieder, faUs sie nach
einem ihr nicht genehmen Beschluss aus dem Verein austreten
und nunmehr gegen die Intensionen des Vereins handeln, straffrei
hleiben. Jedenfalls sind diese Urteile in keiner Welse dazu an¬
getan, der Einrichtung der Ehrengerichte neue Freunde zu er¬
werben.
Literarische Monatsschau.
Gynäkologie.
Man ist in unserer Zeit leicht geneigt, ,^die Anlegung der
Kopfzange an den Steiss als völlig gegön die Bügeln der geburts-
hülfiichen Operationslehre verstossend anzusehen.“
Die geburtshülflichen Lehrbücher verhalten sich dieser Ope¬
ration gegenüber durchweg schroff ablehnend. Dennoch mehren
sich in den letzten Jahren die Mitteilungen in der Literatur, die
bei gegebener Indikation die „Zange am Steiss“ empfehlen.
C. J. Gaup*) aus der Olshausen’schen Klinik, der „in der
Not der Verzweiflung“ eine Steissgeburt mittelst der Zange er¬
folgreich zu Ende geführt hatte, versuchte an dem poliklinischen
Material der Universitätsklinik bei gegebener Indikation prinzipiell
die Anlegnng der Kopfzange an den Steiss. — Von den neun
mit Zange am Steiss von ihm entbundenen Kreissenden waren drei
11. parae und sechs I. parae, drei von den letzteren waren über
30, eine Uber 40 Jahre alt. In einem Falle handelte es sich um
ein stark verengtes Becken, bei den übrigen acht Frauen wies
das Becken normale oder annähernd normale Maße auf. Einmal
stand der Steiss im Beckeneingang, achtmal im Becken; je dreimal
war der Bücken nach rechts vom und links vom, je einmal ganz
nach hinten, ganz linka und ganz rechts gerichtet. In zwei Fällen
waren der erfolgreichen Zangenanlegung schon vergebliche manuelle
Versuche vorhergegangen, ln sieben FäUen führte die Zange zum
Ziele, in zweien versagte sie.
In allen neun Fällen war Gefahr für Mutter und Kind der
Grand zum operativen Eingriff.
Bezüglich der Prognose für die Mutter ist zu erwähnen, dass
in vier Fällen Verletzungen der Weichteile entstanden, jedoch
fallen der Zange allein nur ein Scheiden- und ein Dammriss
zur Last.
Was die Morbidität angeht, so vnirde zweimal Fieber im
Wochenbett festgestellt; in beiden Fällen bestanden Zeichen der
beginnenden Infektion schon intra partum und gaben die Indikation
zur operativen Entbindung ab. In einem Fall wurden Mutter,
Kind und Pflegerin von Pemphigus befallen.
Die Mortalität war gleich null. Von den Kindern kamen
sechs lebend zur Welt, drei wurden totgeboren. Von diesen
waren zwei schon vorher stark gefährdet, so dass ihretwegen der
entbindende Eingriff gemacht wurde. Beide Kinder starben unter
langdaueroden Entbindungsversuchen verschiedener Art ab.
Zweimal unter neun Fällen wurde eine Diaphysenfraktur des
Femur gesetzt. Andere Verletzungen, insbesondere solche des
Beckenriuges, der äusseren Weichteile oder der inneren Organe,
wurden in keinem Falle beobachtet.
Verf. beschreibt dann eingehend die von ihm geübte Technik:
Erst wenn der Steiss fest im Becken steht, kann von der An¬
wendung einer bestimmten Technik der Zangenanlegung am Steiss
die Rede sein. Um mit der Zange einen sicheren Halt am kind¬
lichen Steiss zu haben, muss man seine Hüftbreite zwischen die
Löffel nehmen. Am besten liegt die Zange, wenn crista ossis ilei
und trochanter ma.jorjeder8eit3 von denZangenlöffeln umlasst werden.
Zum Schluss stellt Verfasser folgende Sätze auf: Die An¬
legung der Kopfzange an den Steiss ist unter geeigneten Um¬
ständen und bei richtiger Technik eine wirkungsvolle, und für
Mutter und Kind ungefährliche Entbindungsmethode. Am hoch¬
stehenden Steiss ist das Herabholen des vorderen Fusses, im Not¬
fälle die Einführung der Schlinge, eventuell auch des Hakens, in
die vordere Hüftbeuge die Operation der Wahl, da bei der hohen
*) Festschr. f. Oiehausen, 1905.
Anlegung der Zange eine genaue Befolgung der technischen Regeln
meist schwer and oft unmöglich ist.
Zur Extraktion des fest im Becken stehenden Steisses kon¬
kurriert die Zange erfolgreich mit andern Methoden: Der schonende
arbeitende Finger versagt oft: Die Schlinge ist oft nur schwer, oft
überhaupt nicht einzuftthren und dabei durchaus nicht imgefhhrlich
für das Kind; die Einführung des stumpfen Hakens an der
vorderen Hüfte ist zwar meist leicht, aber sehr gefährlich, die
an der hinteren zwar etwas weniger gefährlich, aber technisch
sehr schwer. Die Zange dagegen ist immer leicht einzuführen
und führt in den allermeisten Fällen — eine richtige Technik
vorausgesetzt! — schonend und leidit zum Ziel.
Der Gebrauch der Zange an dem im Beckenaasgang stehen¬
den Steisse zur Beschleunigung der Lateralflexion ist mindestens
ebenso leicht und ungefährlich wie das Einhaken in die hintere Hüfte.
A. Kuttner*) äussert sich in einer eingehenden Arbeit über
die Frage, ob die Kehlkopftuberkulose als eine Indikation
zur künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft anzusehen sei.
Auf Grund eines Materials von 100 Beobachtungen, das in An¬
betracht der Seltenheit dieser Komplikation der Schwangerschaft
ein recht ansehnliches ist, kommt er zu folgenden Sätzen:
1. Die diffuse Lungentuberkulose während der Schwanger¬
schaft gibt eine höchst ungünstige Prognose,
2. Die Sterblichkeit der Kinder, deren Mütter während der
Schwangerschaft an Lungentuberkulose gelitten haben, ist eine
ungemein grosse.
3. Mit Rücksicht auf die beiden ersten Punkte ist die Kehl¬
kopftuberkulose im Prinzip als eine berechtigte Indikation zur
künstlichen Unterbrechung der Schwangerschaft anzusefaen,
4. Letztere ist nur dann zulässig, wenn sie nach Lage der
Dinge die einzige Möglichkeit und dabei auch eine gewisse Wahr¬
scheinlichkeit für die Rettung der Mutter bietet.
5. Nach den bisherigen Elrfahmngen sind die Aussichten bei
der Abtreibung der Fracht in den letzten Schwaogerschaftsmonaten
wenig günstig. In diesem Stadium dürfte die Tracheotomie, so¬
lange es sich nicht um hoffnungslose Fälle handelt, vielleicht noch
einige Chancen bieten.
Im Gegensatz zu Kuttner rät P. Rüge**) bei vorge¬
schrittener Tuberkulose die Schwangerschaft im allgemeinen
nicht zu unterbrechen, weil der Frau dauernd doch nicht genutzt
wird. Nur sehr arge Beschwerden, welche voraussichtlich nach
der Unterbrechung nachlassen, rechtfertigen die letztere. Bei be¬
ginnender Tuberkulose aber, bei der noch Heilung der Mutter er¬
wartet werden kann, befürwortet er möglichst fHlbzeitige Unter¬
brechung der Schwangerschaft.
Einem zweifellos bisher vorhandenen Mangel hilft Winter***)
ab, indem er die wissenschaftliche Begründung den Indikationen
zur Myomoperation und die Symptomatologie und Pathologie der
Uterusmyome in einer ausführlichen Arbeit behandelt. Die Er¬
fahrungen, die sich ihm bei den Untersuchungen über Ursachen,
Erscheinungsformen und Behandlung der Myomblutungen ergeben
haben, fasst er in folgenden Sätzen zusammen:
Blutungen treten ungefähr in Va der Fälle bei Myomkraoken
auf und zwar bei weitem am meisten bei submukösen Myomen;
am häufigsten sind reine Menorrhagieen, am seltesten reine Me-
trorrbagieen. — Reine Metrorrhagieen müssen den Verdacht auf
maligne Degeneration, sekundäre (gutartige) Degeneration der
Myomsubstanz oder auf submuköse Entwicklui^ des Myoms er¬
wecken.
Blutungen in der Menopause entstehen meistens nur bei Kom¬
plikationen mit malignen Erkrankungen, sekundärer Degeneration
des Myoms oder bei submuköser Entwicklung; nur wenn diese
Möglichkeiten mit Sicherheit auzuscbliessen sind, ist bei Metror¬
rhagieen und Blutungen in der Menopause ein konservativer Stand¬
punkt gerechtfertigt; meist wird das Myom entfernt werden müssen.
Bei reinen Menorrhagieen kann man sich in der Indikations¬
stellung durch den Grad der Anämie leiten lassen- (Schwere
Anämie bei kleinen Tumoren deutet auf submuköse Entwicklung
•) Berl. Klin. Wocbenschr. Nr. 29 u. 30.
•*) Berl. Klin. Wocbenschr. 1905, Nr 33.
*•*) Festschrift für Olehaueen, Stuttgart 1905.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
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hin, — Die Anämie bietet bis 30^ Haemoglobin keinerlei Gefaliren
bei der Operation unter den nötigen Eautelen.
Die Ergotinkur ist nur erfolgreich bei rein intenstitiellen
Myomen bis zu höchstens Eindskopfgrösse.
Die Ausschabung der Uterusschleimbaut darf nur vorgenommen
werden bei sicherem Ausschluss eines submukösen Myoms, und ist
am wirksamsten bei subserösen und kleinen interstiellen Myomen.
Da der Erfolg stets ein zweifelhafter ist, so darf sie bei
schweren Anämieen keine Anwendung finden. Submuköse Myome
mit Blutungen sind prinzipiell zu entfernen.
Bei interstitiellen und subserösen Myomen befreit die kon¬
servative Operation die Kranken nicht sicher von ihren Blutungen.
Bezüglich der Ursachen der Schmerzen bei Myomen stellt
Winter folgende Sätze auf:
Die Orösse des Tumors ist selten als die alleinige Ursache
des Schmerzes anzusehen*, es finden sich sogar durchschnittlich
bei grossen Tumoren seltener Schmerzen als bei kleinen und mittel-
grossen Tumoren.
Subseröse Myome verursachen am häufigsten Schmerz¬
empfindungen.
Myome, welche an ihrer freien Entwickelung in die Bauch¬
höhle durch subperitoneale oder intraligamentäre Entwickelung
gehindert werden, machen häufig Schmerzen.
Beim Dysmenorrhöen werden am häufigsten durch das Myom
allein, besonders durch submuköse Entwicklung bedingt.
Die Ursache für Unterleibschmerzen bei Myomen liegt sehr
häufig in komplizierender Para-Perimetritis und Adnexerkrankung.
Die Ursache für Schmerzen wird auffallend häufig in den
sekundären Veränderungen des Myoms (Sarkom, Karzinom, Nekrose,
Erweichung, Vereiterung) gefunden.
Durch genaue Anamnese, sorgfältige Untersuchung und Be-
i'ücksichtig:uDg des Allgemeinzustandes lässt sich das landläufige
Syptom des Myomschmerzes auf gänzlich verschiedene Ursachen
hin analysieren. Diese lassen dann sehr wohl eine differentiale
Indikation für die Myomoperation, sowohl als auch für die Art
derselben zu.
Als Mafistab für die Bedeutung des Schmerzes in der In¬
dikationsstellung zur Myomoperation führt W. an, dass er 115 Mal
(zirka '/• seiner Fälle) wegen Schmerzen allein oder in Verbindung
mit andern Symptomen eingreifende Myomoperationen hat aus-
fiihren müssen. (Schluss folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener medicinieche Wochenschrift. 1906 No. 8.
1. Spiess, Frankf\irt a.M.: Die Bedeutung der Anaesthesie
in der ^tzttndungstherapie.
Verf. hat höchst merkwürdige Beobachtungen gemacht über
den Einfiuss von Änaestheticis auf den Ablauf von EntzUndungs-
erscbeinungen. Wenn man beispielsweise eine entzündete Nasen-
und Rachenschleimhaut mit Änaestheticis behandelt, dann geht die
Entzündung zurück. Wenn man einen beginnenden Furunkel mit
einer Einspritzung eines Anaestheticums versieht, verläuft die Hei¬
lung ohne dass es zu erheblichen Entzündungserscheinungen kommt.
Die Schmerzlosigkeit ist daher ein erstrebenswertes Ziel bei Behand¬
lung von Entzündungen.! Dass im Schlaf die Sekretion der Nasen¬
schleimhaut bei Schnupfen aufhört, ist dem Verf. ein Beweis, dass
es auch nur die Gefühllosigkeit, bedingt durch den Schlaf ist,
welche die Entzündung zum Abklingen bringt. In ähnlicher Weise
erklärt es sich, warum bei Geisteskranken viele Wunden ohne
Entzündungen heilen, da Paraesthesien bestehen. Der Dolor
bei der Entzündung spielt also offenbar eine erheblich grössere
Rolle als demselben nach der alten Cobnheimschen Theorie zuge¬
wiesen worden ist. Die Wirkung der Anaesthetica bei der Ent¬
zündung fasst Verf. so auf, dass es sich um Beseitigung der von den
sensiblen Nerven übermittelten Reflexe handelt. Er kommt zu
folgenden Schlusssätzen: Eine Entzündung wird nicht zum Aus¬
bruch kommen, wenn es gelingt, durch Änaesthesierung die vom
Entzündungsherd ausgehenden, in den zentripetalen, sensiblen
Nerven verlaufenden Reflexe auszuschalten. Eine schon bestehende
Entzündung wird durch Änaesthesierung des Entzündungsherdes
rasch der Heilung entgegengeführt. Die Änaesthesierung hat
allein die sensiblen Nerven zu beeinflussen und darf das normale
Spiel der sympathischen Nerven (Vasomotoren) nicht stören.“
Diese neue Theorie und Therapie wird wohl hier und da noch auf
Widerspruch stossen, jedenfalls ist dieselbe leicht nachzuprüfen
und interessant.
2. Schaefer, Bonn: Beitrag xor Technik der Knie-
Boheibennaht.
Die üblichen Kiescheibennaht hat aus verschiedenen Gründen
Gegner, 1. birgt die für grössere Operationen nötige Narkose stets
eine Gefahr, 2. es besteht die Möglichkeit einer Wundinfektion
vom Stichkanal aus und daraus entstehende Gelenkvereiterung,
3. kann es zu einer Inaktivitätsatrophie der Muskalatur kommen, da
man erst spät Massage in Anwendung bringen kann, aus demselben
Grunde sind auch Gelenkversteifungen nicht ausgeschlossen. Witzei
wendet nun folgendes Verfahren an. Er sticht oberhalb und unter¬
halb der Kniescheibe einen gebogenen Trokar ein, dessen Rohr
liegen bleibt und beiderseits frei zu Tage tritt, durch diese Rohre
wird ein Silberdraht gezogen und die vier Enden der Drähte
kreuzweise über die Kniescheibe um einem Wattebaiisoh verknüpft,
dadurch werden die Bruchflächen gut fixiert und es kann schon
nach wenigen Tagen mit der Massage begonnen werden.
3. Pfeifer, Tübingen: TTeber die B.öntgennnter8Uohimg der
Trachea bei Tumoren und Exsudat im Thorax.
Gurschmann hat ein diagnostisch ersichtliches Sym]>tom
beschrieben, welches darin besteht, dass bei Aneurysmen der
Aorta und Tumoren im Thorax die Trachea in ihrem Halsteil seit¬
lich verlagert wird. Dieses Sympton ist ungemein charakteristisch
und bei einiger Aufmerksamkeit nicht zu übersehen. Verf. hat
eine mittels des Röntgenverfahrens die Angaben Gurschmann s
nachgeprüft und durchaus richtig gefunden. Im Röntgenbilde
zeigt sich die Trachea in Gestalt eines helleren Streifens. Verf.
hält nun die radiologische Feststellung der Lage der Luftröhre für
viel sicherer und einfacher und empfiehlt diese Art des Vorgehens
durchaus.
4. Bern dt, Stralsund: Zur Eadioaloperation des Schenkel-
bracbs.
Verf. empfiehlt die Löth ei säen sehe Methode. Dieselbe be¬
steht in folgendem: Die Faszie des oblig. extern, wird gespalten.
Der Schambeinrand von Innen her freigelegt, der untere Rand
des oblig. intern, und transversus wird mit dem so leicht zugäng¬
lichen Periost des Schambeins und dem auf diesem liegeudsn liig.
Coopers vernäht. Auf diese Weise wird die innere Oeffnung des
Schenkelkanals durch eine Muskelkulisse verschlossen. Diese Lot-
heissenschen Methode ist etwas kompliziert und umständlich,
weil die Anlegung der nötigen Nähte in dem engen Raum erheb¬
liche Schwierigkeiten macht. Verf. hat daher die Methode wieder
vereinfacht. Es geht folgendermaßen vor: Hauptschnitt in der
Höhe und im Verlauf des Lig, Poupnrtii, normale Versorgung des
Bruchsackes, Spaltung des Faszie des oblig. intern, und trans¬
versus. Isolierung des Samenstranges, resp. des runden Mutter¬
bandes, Anlegung der erwähnten tiefen Nähte. Annähung der
Fläche des Ligam. Poupartii an die Faszie des Muse, pectineus.
Der Schenkelkanal ist nun innen durch Muskeln, aussen durch die
letztgenannte Naht geschlossen. Verf. hat mit dieser Modifikation
gute Erfolge uud empfiehlt dieselben. Die einzelnen Etappen der
Operation müssen im Original nachgelesen werden.
5. Dreyfus, Würzburg: TTeber traumatiBche PupilleuBtarre.
Das casuistische Material über die Beziehungen zwischen Er¬
krankungen des Halsmarkes und der Pupillenstarre ist bisher sehr
gering. Verf. teilt einen Fall mit, welcher mit grösster Wahr¬
scheinlichkeit als spinale Pnpillenstarre gedeutet werden muss.
Eine totale Zerstörung des ventralen Hinterstranges des IV. Cer-
vicalsegmentes darf bei längerer Lebensdauer des Kranken und
bei genauester Pupillenuntersuchung bis zum Tode nicht mit
dauernd normaler Pupillenreaktion einbergehen. Es ist nicht an¬
zunehmen, dass es eine paralytische Pupillenstarre gibt, sondern
dass bei allen Fällen von reflectorischer Pupillenstarre das Rücken¬
mark charakteristisch erkrankt ist.
6 . May, München: Eine neue Methode der Bomanowsky
Färbung.
Die Blutpäparate werden in einer 0,25 prozentigen Methyl-
alkoholischen Lösung von eosinsuurem Methylenblau gefärbt. Hier-
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lU
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 10.
anf stellt man sie eine Minute in destilliertes Wasser. Ohne abzu¬
trocknen lässt man auf die herausgenommenen Präparate einen Tropfen
0,5% Methylenazurlösung zufliessen und sorgt für dessen gleich-
mässige Verteilung. Die blauen Kernfkrbungen blassen ab, um in
dem Bot wieder aufzutreten. Die Präparate werden nun ge¬
trocknet und vorher eventuell noch im Wasser gespült. Bei richtiger
Äusfühning hat man keine Niederschläge. Das Verfahren geht
sehr schnell von statten und ist auch geeignet Spirochaete pallida
gut zu zeigen.
7. Tomasczewski, Erdmaun, Halle: üeber neue Haar¬
färbemittel.
Ala Haarfärbemittel werden verwandt Pyrogallussäure in ver¬
schiedener Bezeichnung und p-Phenylendiamin. Beide Mittel sind
durchaus nicht indifferent. Die Verff. haben nun mit Aminosulfo-
säuren Versuche angestellt, in der Annahme, dass die Sulfurierung
eine Entgiftung bewirken würde. Schliesslich fanden sie in einer
Mischung der Natriumsalze von o - Aminophenolsulfosäure und p-
Aminodiphenylaminsulfosäure ein geeignetes gute Ozydationsfarben
liefernders Präparat. Dies Präparat wird von der Aktiengesell¬
schaft für Anilinfabrikation in Berlin unter dem Namen Eugatol in
den Handel gebracht.
8 . Adam, Berlin; Ein Fall von Abdozenslähmong nach
Lnrnbalanaestbesierang.
Verf, konnte einen Fall beobabchten, wo bei einem 33jähri-
gen Stellmacher nach einer vor Monatsfrist zwecks Herniotomie
vorgenommenen Lumbalanaesthesierung, eine dauernde Abduzens¬
lähmung links sich zeigte. Der Fall hat keine Analoga in der
Literatur der medullären Narkose. Es ist fraglich, ob es sich
um eine direkte Einwirkung des Änaestheticismus Stovain auf
den Abduzenskem handelt oder ob infolge von Druckherabsetzung
im Kanal es zu einer Blutung im Boden des vierten Ventrikels
gekommen ist. Das letztere ist das wahrscheinlichere.
9. Huber, Salzburg: Eine seltene ürsache innerer Ein¬
klemmung.
Eine 3öjährige Köchin erkrankte plötzlich mit Leibschmerzen,
heftigster Art. Der Verf. diagnotisiert Appendizitis. Zwei
Stunden später findet sich der Bauch gespannt, Puls kräftig 72 bis
76. Zweieinhalbe Stunde später ausgesprochener Kollaps, ISO.Pulse,
Meteorismus. Es wird allgemeine Peritonitis angenommen. Die
kurze Zeit darauf erfolgte Verlegixng auf die chirurgische Klinik
hatte keinen Zweck mehr, weil der Kollaps so stark war, dass an
eine Laparotomie nicht mehr zu denken war. Der Exitus trat
20 Stunden nach erfolgter Erkrankung ein. Die Sektion ergab,
dass das 2^/s m Uleum durch die am Promontorium mit einer Adhäsion
fixierte rechte Tube abgeklemmt waren.
10. Knauer, Wiesbaden: Progressive Paralyse!
Bei einem nervös schwer belasteten und vom Alkoholmiss¬
brauch nicht freien 29 jährigen Kaufmann treten eigentümliche
Träume auf, die zu unbewussten Handlungen führen, Aufstehen
aus dem Bett, Entzünden eines Streichholzes, Kampf mit seiner
Fran und dergl. Vor 5 Jahren Lues. Das Gedächtnis scheint
etwas gelitten zu haben. Verf. wirft nun die Frage auf, ob es
sich hier um den Beginn einer Paralyse auf luetischer Basis handelt,
oder ob eine schwere Ueberreizung bei bestehendem Alkoholismus
handelt. Das letzte scheint wohl wahrscheinlicher zu sein, da alle
beobachteten Störungen nur im Traume vorgekommen sind und
Sprachstörungen u. a. bisher zu fehlen scheinen, Ueber den
Augenbefund ist nichts näheres mitgeteilt.
11. Bracco, Turin: Orthopädie des Bauches.
Verf, gibt die Beschreibung einer von ihm konstruierten
Bauchbinde, welche geeignet ist, bei Gravidität die Bauohdecken
so zu entlasten, dass im Puerperium eine völlige Rückbildung der¬
selben und grosse Festigkeit erzielt wird. Das Prinzip besteht in
einer Anordnung sf’hmaler Gurte, die so getroffen ist, dass bei
denkbar grösster Festigkeit grosse Elastizität erzielt wird,
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 8.
1. Löffler, Greifswald: Der knltuielle Kackweis der
Typhnsbazillen in Faeces, Erde und Wasser mit Hilfe des Mala¬
chitgrüns.
In ausgedehnter Weise sind Versuche 'angestellt worden,
einen Nährboden zu finden, welcher das Wachstum der Typhus¬
bazillen nicht verhindert aber alle anderen Keime in ihrer Ent¬
wicklung hemmt. Ein derartiger Nährboden würde eine sehr
grosse differentialdiagnostiscbe Bedeutung haben. Im Laboratorium
des Verf. wurde schliesslich ein Zusatz von Malachitgrün als in
dieser Beziehung nützlich erkannt. Das Malachitgrün lässt die
typhusähnlichen Bakterien nicht aufkommen, während diese selbst
in üppigster Weise wuchern. Allerdings gelingt es nicht, alle
anderen Bakterien auszuscbalten, und es ist ein elektives Kultur-
verfahren nötig, um die Typhuskeime zu isolieren. Um auch schon
makroskopisch den positiven Ausfall einer Kultur erkennen zu
können, kann man die Zuckervergährenden der Eigenschaften ande¬
rer Bakterien gegenüber den Typbu.sbazUlen heranziehen. Die Einzel¬
heiten der interessanten Arbeit müssen im Original nacbgelesen
werden. Jedenfalls ist das Loefflersche Grünzüchtungsverfahren
auch für den praktischen Arzt von ganz besonderer Bedeutung.
2. Seidel, Berlin: [Ein Apparat zur Haohbehandlnng des
offenen Pneumothorax.
Nach thorakalen Operationen die Wunde gleich zu schliessen,
hat etwas Bedenkliches und wird besser vermieden. Die Pleura¬
höhle ist doch zu sehr Infektionen während der Operation ausge¬
setzt. Verf. bat nun einen Apparat konstruiert, welcher das
Ofifenlassen der Wunde gestattet, ohne die Möglichkeit einer
PneumothoraxbUdung zuzulassen. Ein metallener Bing wird mittels
Gummi und Heftpflaster luftdicht auf die Haut so aufgesetzt, dass
die Operationswunde innerhalb des Ringes zn liegen kommt. Auf
den Ring lässt sich eine Glasscheibe luftdicht aufpresen. Mittels
einer Wasserstrahlpumpe wird ein Minusdruck erzeugt und so die
Aufblähung der Lunge bewirkt und das beabsichtigte Verkleben der
Pleuratblätter bewirkt. Der Apparat ist leicht zu handhaben. Die
Herstellung derselben hat die Firma Windler-Berlin übernommen.
3. Blumreich, Berlin; Zur Fn^e-der Hebotomie.
Verf. teilt zwei Fälle mit, in denen er die Hebotomie oder
Pubotomie im Privathause ausgeführt hat, und zwu* mit gutem
Erfolge. Er geht auf die bisher bekannt gewordenen Fälle ein,
und kommt zu dem Schluss, dass, wenn es gelingt, die Mortalität
der Mütter durch Verminderung der ausgedehnten Scheiden - Zer-
reissungen erheblich herabzudrücken, der Schambeinscbnitt, die
Perforation des lebenden Kindes, den Kaiserschnitt und die l^nst-
liclie Frühgeburt verdrängen wird. Die Scheideozerreissungen
wenien am ersten vermieden werden, wenn man nach der Pubo¬
tomie den natürlichen Ablauf der Geburt abwartet. Die Aus¬
führungen der Hebotomie im Privathause ist durchaus möglich,
aber Verf. hält es für bedenklich, wenn der prakt. Arzt diese Ope¬
ration ausführen will, da dieselbe sicher eine spezialistische Vor¬
bildung voraussetzt.
4. Lindemann, Berlin: YersuohsergebnisBe mit Melioform
als DesinfektioiiBmittel für Hände und Instrumente.
Melioform ist ein Formalinpräparat und ähnelt in gewisser
Weise dem Formysol. Verf. hat mit demselben bakteriologische
Prüfungen angestellt und ist zu folgenden Resultaten gekommen.
Eine 1% Melioformlösung ist imstande, bei zehn Minuten langer
Einwirkung hemmend auf Milzbrandsporen zu wirken. Schädliche
Reizwirkungen sind nicht beobachtet worden. Die Brauchbarkeit
für die Desinfektion der Hände und Instrumente scheint dem
Verf. erwiesen. Leider ist über die chemische Konstitution des
Mittels nichts angegeben.
5. Lublinski, Berlin: lodismus aoutos und Thyreoditu
acuta.
Verf. hat einen Fall beobachten können, in welchem infolge
eines zwecks Therapie bestehender Lues eingeleiteten Jodge¬
brauches eine akute Schwellung der Schilddrüse auRrat. Es ist
schwer Gründe für dieses Verhalten der Drüse anzugeben, zumal
man annimmt, dass die Schilddrüse normaler Weise Jod enthält.
Der prompte Zurückgang der Schwellung nach Aussetzen des Jods
zeigte, dass man es sicher mit einer Jodwirkung, nicht mit einer
Folgerscheinung der Lues zu tun hatte.
6 . Ringleb, Berlin: Eystoskop nach MaisoimeuveBohem
Prinzip.
Bei Harnröhrenstrikturen, Prostatahypertrophie und anderen
die Passage der Harnröhre erschwerenden Verhältnissen ist es oft
unmöglich, ein Kystoskop in die Blase einzuführen. Verf. hat
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
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non dem Maisonneaveschen Prinzip folgend ein Eystoskop kon-
süniert, bei welchem vom eine filiforme Leitsonde angeschranbt
werden kann. Hiermit gelingt die Eioitihrung ohne jede Schwierig¬
keit auch dem Ungeübten.
7. Axmann, Erfurt: Eine neue Zirknlationskttklimg die
Finaenlampe.
Die Kühlung der Finsenlampe ist von grosser Bedeutung für
einen ungestörten Betrieb. Diese mittels der Wasserleitung zu
bewirken ist umständlich und unter gewissen Zuiklligkeiten auch ge¬
fährlich. Verf. hat nun eine Kühlvorrichtung nach folgendem
Prinzip konstruiert. Ein au der Wand hängendes Reservoir mit
10 Ijiter Wasser versorgt die Kühlung, das Kuhlwasser wird
mittels einer elektrisch betriebenen Zirkulationspumpe immer
wieder ins Reservoir zurückgetrieben. Die Kühlung ist vollkommen.
Die Firma Reiniger, Gebbert & Schall liefert die Vorrichtung.
8. Hamm, Braunschweig: Künstliche Trommelfelle ans
Paraffin.
Dem Verf. haben sich künstliche Trommelfelle aus Paraffin
sehr gut bewährt. Er verfährt folgendermaßen. Die Reste des
Trommelfelles, resp. der Rand und die Paukenhöhlenschleimhaut
werden cocainisiert und dann gut abgetrocknet. Hierauf führt
man ein der Perforationsöffnung entsprechend etwas grösseres
Stückchen Verbandsgaze, welche in geschmolzenes Hartparaffin (45^
Schmelzpunkt) getiucht ist ein, und drückt es ringsherum gut au.
Dieses Trommelfell wird gut vertragen, vorausgesetzt, dass beim
Anlegen die Entzündungserscheinungen im Mittelohr abgelanfen
waren.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Ko. 9.
1. von Hansemanu, Berlin: Über Kachitu als Yolks*
krankheit
Es ist falsch die Rachitis, wie das meistens geschieht unter
den Knochenkrankheiten abzuhandeln. Die Rachitis gehört zu den
Stoffwechselkrankheiten und die bei ihr angetrofifenen Knochen¬
veränderungen sind nur ein Teilsymptom. Was die Aetiologie
der Rachitis angeht, so haben sich einige Forscher auf den Stand¬
punkt gestellt, dass es sich um eine Infektionskrankheit handle.
Diese Auffassung ist nach Ansicht des Verf. nicht richtig. Die
Beobachtungen an Tieren, es handelt sich nur um solche die in
der Gefangenschaft leben, denn nur bei diesen kommt Rachitis
vor, lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass die Rachitis eine
Folge ungenügender Bewegung und des Mangels an Luft ist. Aus
diesem Zusammenhang würde es sich auch erklären, dass bei Kindom
die in der rauhen Jahreszeit geboren werden, so viel häufiger
Rachitis auftritt. Sehr bemerkenswert ist es, dass in Japan bei
den Menschen die Rachitis ganz unbekannt ist. Verf. führt dies
auf eine viel rationellere und den natürlichen Verhältnissen ent¬
sprechendere Behandlung der kleinen Kinder in Japan zurück. Die
Domestizierung übt den schädlichen Einfluss aus und ist Ursache
der Erkrankung. Verf. glaubt daher mit Recht, dass es an der
Zeit sei die Bekämpfung der Rachitis als Volkskrankheit in Angriff
zu nehmen, hierzu würde in erster Linie eine grosse Bewegungs¬
freiheit und reichliche Luftversorgung der Kinder gehören.
2. Alexander, Berlin: Zur Huilnng der Larynztaberknlose.
Die Therapie der Larynxtuberkulose wird in einer Reihe von
Fällen, Heilung, wo diese aber nicht mehr möglich wenigstens
Besserung erstreben. Die Behandlung der Larynxtuberkulose kann
naturgemäss nicht eine rein lokale sein, es muss mit ihr stets eine
Allgemeinbehandlung einhergehn. Im allgemeinen herrschen sehr
pessimistische Anschauungen bezüglich der therapeutischen Erfolge.
Dieser Pessimismus ist nicht ganz berechtigt, es kommen durchaus
nicht selten dauernde Heilungen vor. Verf. teilt die genauen
Krtmkengeschichten von 7 geheilten Fällen mit. Die Therapie
war eine gemischte und erstreckte sich auch auf das Allgemein-
befinden.
3. Bruns, Berlin: üeber Aortenerkrankung bei congeni¬
taler Syphilis.
Verf. führt die bereits in voriger Nummer begonnene und in
ihrem ersten Teile schon besprochene Arbeit zu Ende und kommt
auf Grund der von ihm bei neun syphilitisch geborenen Kindern
6 Tnftl gefundenen Veränderungen an der Aorta, za folgenden
Schlüssen: Bei congenitaler Lues finden sich in der Aorta Ent¬
zündungsherde, die ihren Sitz in den äussersten Schichten der
Media und in der Adventitia, besonders in der Umgebung der
Vasa vasorum haben. Das Bild dieser Entzündungsherde gleich-
vollkommen den vonChiari bei acquirirtcr Lues geschilderten Er¬
scheinungen von produktiver Mesaortitis. Der Befund dieser
Aortenverändernngen bei congenitaler Syphilis spricht daher auch
dafür, dass die Chiarische „Mesaortitis productiva“ als eine Er¬
scheinungsform syphilitischer Erkrankung in der Aorta anzusehn sei.
4. Finder, Berlin: Praktische ürgebiÜBse aus dem Gebiete
der Ehino-Laryngologie.
Verf. behandelt ausführlich die Frage nach der chirurgischen
Behandlung der Kehlkopftuberkulose. Man ist heute nicht mehr
berechtigt, die Larynxtuberkulose als eine unheilbare Erkrankung
im Allgemeinen zu bezeichnen. Man braucht auch nicht einem
blinden Optimismus zu huldigen, aber man wird die grossen Er¬
folge einer chirurgischen Behandlung in einer Reihe von Fällen
nicht bestreiten können. Drei Punkte kommen für die chirur¬
gische Therapie in Beträcht. Die lokale Ausbreitung des tuber¬
kulösen Prozesses. Hiervon hängt naturgemäß ganz wesentlich
der Erfolg eines Eingriffes ab. Ist der Prozess umschrieben lo¬
kalisiert, dann kann man wohl darauf rechnen, denselben zur
Ausheilung zu bringen, ist dagegen das ganze Innere des Larynx
von einer geschwürigen und zerfallenen Masse erfüllt, geht der
deletäre Prozess in die Tiefe, dann ist eine Heilung so gut wie
ausgeschlossen und die Therapie wird sich auf die Beseitigung
des quälenden Symptoms der Dysphagie beschränken. Der zweite
Punkt betrifft den AUgemeinzustand des Patienten. Man war
früher der Ansicht, dass ein ausgedehnter und fortgeschrittener
Lungenprozess eine Kontraindikation gegen jeden chirurgischen
Eingriff am Larynx bilde. Heute huldigt man dieser Anschauung
nicht mehr. Ganz überraschend kommen Ausheilungen auch bei
vorgeschrittener Phthisis pulmonum vor. Jedenfalls wird die
Hebung des Allgemeinbefindens ein wichtiges Unterstützungsmittel
darstellen und die klimatische Therapie dürfte dabei eine bedeut¬
same Rolle spielen. Schliesslich kommt für den Ausfall der chi¬
rurgischen Larynxbehandlung die schwer zu definierende ganz in¬
dividuelle Heilungstendenz in Betracht.
Die Verwendung des frühzeitigen Luftröhrenscbnittes wird
nicht von allen Forschem empfohlen.
Die Larynxfissur ist ebenfalls kaum als wesentliche Operation zu
nennen. Von der Totalexstirpation hat man allgemein Abstand
genommen. Es bleibt die scharfe Zange und Curette.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. s.
1. Kreibich, Wien: Zur ätiologischen Therapie der Sy¬
philis (Kraus-Spitzer), Spirochaetenbefunde.
Verf. hat sich zur Aufgabe gestellt, den von Kraus und
spitzer vorgeschlagenen therapeutischen Versuch zu kontrollieren,
welcher darin besteht, Syphilitiker im Stadium der zweiten In¬
kubation mit Sklerosenaufschwemmung zu behandeln. Diese Ver¬
suche haben ein negatives Resultat insofern gehabt, als in fünf
Fällen der Ausbruch sekundärer Symptome nidit verhindert werden
konnte.
Was die Untersuchung der Präparate auf Spirocbaeten an¬
langt, so hat der Verf. von den bisher üblichen Färbemethoden
nur unsichere Resultate gehabt, dagegen bewährt sich ihm die
Untersuchung der nativen Präparate sehr, welche auf folgende
einfache Weise gewonnen worden. Eine in die Pinzette geklemmte
Papel wird mit dem Spray vereist, dann abgetragen und auf
dem Objektträger mit einem Tropfen physiol. Kochsalzlösung zer¬
zupft. Nach Entfernung der grösseren Gewebspartieen wird das
Deckglas aufgelegt und eventuell mit Paraffin umrandet. Die
Spirocbaeten sind bei ihrer ununterbrochenen bis zu zwei Stunden
anhaltenden Eigenbewegung bei einiger Uebung sehr gut zu
sehen und kaum zu übersehen. Verf. empfiehlt daher gegenüber
allen gefärbten Präparaten für klinisch-diagnostische Zwecke die
Untersuchung der nativen Präparate.
2. Frommer-Wien: üeber die Biersoke Stannng mit be¬
sonderer Berttoksioktignng der postoperativen Bekandlnng nnd
der Altersgangrän.
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MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr, 10.
Nach einem kurzen Ueberblick über den Inhalt der bekannten
gro&sen Monographie Biere Uber Hyperämie als Heilmittel teilt
Verfasser seine Erfahrungen mit, welche er anf der chirurgischen
Abteilung des St. Lazarus-Spitals in Krakau mit der Stauungs¬
hyperämie gemacht hat. Er hat dieselbe bei Knochen- und Qelenks-
tuberkulose in 42 Fällen, bei Entzündung des Knochenmark in
11 Fällen, bei der Nachbehandlung nach Sepuestrotomieen in 8
Fällen, bei Mastoiditis in 3 Fällen angewendet. Ausserdem berichtet
er über 5 Fälle von Nacbbehandlnng nach Trepanation des Frozessus
mastoideus und 24 Fälle von eitriger Gelenks-Unterhaut- und Sehnen¬
entzündung und über 5 Fälle von Gangraena praecox et senilis.
In sämtlichen aufgeführten Fällen konnte Verfasser mehr oder
weniger erheblichen aber immer deutlichen günstigen Einfluss der
Stauungshyperämie konstatierten. Besonders betont wird das schnelle
Schwinden der Schmerzhaftigkeit und die Ankürzung der Heüungs-
dauer. Da wo Stauung direkt nicht anzuwenden möglich ist, kommt
mit Vorteil die von Bier empfohlene Saugung in Betracht. Nach
den Veröffentlichungen des Verfassers scheint das Biersche Ver¬
fahren bestimmt zu sein, in der Chirurgie eine souveräne Rolle zu
spielen.
Vermischtes.
Berlin. Während die Rettung Ertrunkener aus Seenot durch
die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger mit ausser¬
ordentlichem Erfolge seit Jahren betrieben wird und im ganzen
Lande die Rettungseinrichtungen, wie sich aus dem jüngst er¬
schienenen Berichte des Zentral-Komitees für das Rettungswesen
in Preussen ergibt, in den letzten Jahren in hohem Maße gefördert
worden sind, fehlte es bislang an den Binnengewässern und Küsten
insbesondere auch io Seebadeorten an einer ausreichenden Ge¬
staltung der ersten Hilfe. Diese Lücke auszufüllen, hat sich am
17. Februar eine Zentralstelle für das Rettungswesen
an Binnen- und Küstengewässern unter Vorsitz des Herrn
Ministerialdirektors Dr. Förster, dessen Interesse und Mitwirken
in erster Linie zum Zustandekommen der Zentralstelle beigetragen
hat, im Kultusministerium konstituiert. Anwesend waren als Ver¬
treter des Kultusministeriums die Herren; Ministerialdirektor Dr.
Förster, Geh. Ob.-Med.-Rat Prof. Dr. Schraidtmann, Geh.
Ob.-Med.-Rat Dr. Dietrich, Geh. Reg.-Rat Dr. Eilsberger,
Geh. San.-RatDr. Aschenboru, für das Ministerium für Landwirt-
schaftGeh. Reg.-Rat Frhr. v. Falkenhausen, für das Ministerium
für üffentl. Arbeiten Geh. Oberbaurat Höffgen. Der Herr Minister
des Innern batte sein Interesse für die in Aussicht genommene
Zentralstelle in entgegenkommendster Weise kundgegeben., Für
das Kaiserliche Gesundheitsamt war Reg.-Rat Dr. Breger, für
das Polizeipräsidium in Berlin Reg.-Rat v. Scheemann und
Polizeimajor Barckow, für die Stadt Berlin Stadtrat Geh.-Rat
Dr. Strassmann, für die Stadt Spandau Bürgermeister Wolf,
für das Zentralkomitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz
Oberstabsarzt Dr. Kimmle, für die Rettung.sgesellschaft der
Wassersportvereine von Berlin und Umgegend die Herren
Hartung, Max Jordan, Prof. Dr. George Mey er. Für die
Rettungsgesellschaft für die Gewässer von Spandau und Umgegend
Med.-Rat Dr. Jaenicke und Lehrer Witte erschienen.
Der vorgelegte Satzungsentwurf wurde angenommen und die
Vorbereitung der weiteren Tätigkeit nach einem entsprechenden
Vortrage des Herrn Prof. Dr. George Meyer dem Vorstande
übertragen, in welchen folgende Herren gewählt worden sind.
Zu Vorsitzenden die Herren Ministerialdirektor Dr. Förster,
Gebeimräte Dr. Dietrich und Höffgen, zu Sohriftführeru die
Herren Prof. Dr. George Mey er und Oberbürgermeister Koeltze
(Spandau), zu Schatzmeistern die Herren Max Jordan und
Ernst Hartung. Ausserdem gehören dem Vorstande an die
Herren Geh. Rat v. Falkenhansen und Reg.-Räte Dr. Breger
und V. Schumann.
Borlin. Anf Anregung des Zentralkomitees für das
Rettungswesen in Preussen war von den Deutschen Bundes¬
regierungen eine Umfrage über den Stand des Rettimgs- und
Krankenbeförderungswesens veranlasst worden. Der Bericht über
diese Umfrage ist jetzt fertiggestellt und wird dem Zentml-
Komitee für das Rettungswesen in Preussen als Grundlage seiner
weiteren Arl)eiten dienen. In der denmächst stattfindenden
Generalversammlung des Zentral-Komitees wird der Bericht vor-
gelegt werden. Es sollen ferner wichtige Beschlüsse bezüglich
Organisation des Rettungswesens uud über den weiteren Arbeits¬
plan des Zentral-Komitees gefasst werden.
Berlin. Die Anmeldungen zu der von der Hamburg-Amerika-
Linie geplanten Fahrt mit der Oceana zum internationalen Kongress
in Lissabon laufen so zahlreich ein, dass deren Zustandekommen
völlig gesichert ist; es empfiehlt sich, etwaige weitere Meldungen
baldigst zu bewirken, da wenigstens die be-sseren Plätze demnächst
vergriffen sein dürften. (Anfragen sind an das Reisebureau der
Hamburg-Amerika-Linie, vorm. Carl Stangen’s Reisebureau, Berlin,
Unter den Linden 8, zu richten.)
Hochschulnachrichten.
Berlin. Dr. Schilling ist zum I»eiter der Abteilung für
Tropenhygiene and Tropenkrankbeiten beim Institut für Infek¬
tionskrankheiten ernannt.
Breslau, Priv.-Doz. Dr. P. Schröder ist zum Oberarzt an
der psychiatrischen und Nervenklinik ernannt.
Köln. Bei der Akademie sind für das gynäkologische Ordi¬
nariat vorgeschlagen: Priv.-Doz. Dr. Füth (Leipzig) und Priv.-
Doz. Dr. Jung (Greifswald); für das otiatrische Ordinariat: a. o.
Prof. Denker (Erlangen); a. o. Prof. Dr. Hinsberg (Breslau);
Priv.rDoz. Dr. Hegener (Heidelberg).
München. Prof. Dr. Pfaundler in Graz hat eine Be¬
rufung auf den Lehrstuhl der Kinderheilkunde erhalten.
DIodIb ln der Aagentaellknnde.
Heu(e wild cs wohl kaum einen, die Augcnhoilkunde ausUbondcu
Arzt geben, welcher das Dionin entbehren möchte, so leitet JuliasBucsänyi
seine Abhandlim^ ,Ueber die Verwendung: des Dionins in der
Äugonheilkuiide“ (ßudapesti Orvosi Ujsäg 19 (j 4, Nr. 30) ein. Eingefübrt
von Wolffborgs wurden des Dionins Indikationen von vielen Autoren er¬
weitert und namentlich von Qräfo. Derselbo empfiehlt Dionin: 1. boi ver¬
schiedenen Cornea-Trübungen, aus^^enominen die durch Trachom verursachten:
2. bei trockenen, chronischen Bmdcbaiitentzündungen; 3. bei Iritis and
Iridouyclitis, zugleich mit Atropin. Buesänji verwendete Dionin in der
Ambulanz des .'^t. Johannesspitales in Budapest zunächst bei skropulOsen,
Ijinpliätischen Individuen, welche von Jahr zu Jahr an Keratitis pblyctenosa
litten, und wendete es dann überhaupt boi allen den Augenkrankheiten an,
welche auf mangelhafter, schlechter Ernährung und auf träger Säfte-
Zirkulation basieren. Die weiteren Atiwendnngsgcbiete stellt Erich
Spengler (Zeitschrift für Augonhoilkunde, Hd. XII) in soinom ausführlichen
bammelrct'orato die Verwendung neuerer Arzneimittel in der Augenboilkundo
betreffend zusammen, es gehören dazu nicht weniger als 4(j Literaturangaben.
Vor allem wird noch die schmerzstillende, ticfreichende Wirkung des Dionins bei
örtlicberBoliandlung hervotgehoben. Diesem Einfiusso unterliegen alle schmerz¬
haften Entzündungen des vorderen Bulhusabschnittes und GlaukoBi,'und zwar
hauptsächlich das hämorrhagische Glaukom. Dtonin beseitigt häufig Licht¬
scheu und Blepharospasmus; und schliesslich unterstützt Dionin die Atropin¬
wirkung. Ob Dionin eine resorbierende, aufhellende, in vivo antiseptische,
beilungsbefördemdo Wirksamkeit entfaltet, d. b. den Krankhoitsprozess
selbst beeinflusst, wie dies theoretisch ja einleuchtet, ist noch keineswegs
festgestellt sagt Spengler weiter. Die Mehrzahl der Autoren verhält sich
gegen Verwendung des Dionins bei frischen Bauthomverietzungen, bei
Operationen (Starausziebung) und perforierenden Bulbuswanden ablehnend.
Aber eine Schädigung des unverletzten Auges durch Dioningebrauch ist
bislang nicht bekannt geworden. Luniewskis Beobachtung einer Blutung
in Maculanäho steht vereinzelt da. Das Dionin kann entweder als Substanz
oder in Salbe angewendet worden. Am besten ist nach Buosänyi folgendes
Anwendungsverfahren: Ein knotiges Glasstäbcben taucht man in eine Prä¬
zipitat- oder Atropinsalbe, nimmt damit ein birsengrosses Dionin-Pulver-
klümpcben auf und streicht dasselbe auf das betreffende Augenlid auf. Zu
üinpfchlcn ist, besonders in Fällen, wo Atropinanwendung von nöten, die
folgende Formel:
Ilp. Dionin.2,0
Atropin sulf..0,04
Vaselini flavi.4,0
Mf. ungu. Ds. Dionin-Augensalbo.
Da die Wirkung des Dionins eine sehr vehemente ist und oft ein
beträchtliches Oedem verursacht, soll die Anwendung desselben stets unter
ärztlicher Kontrolle erfolgen; auch ist es ratsam, den Kranken auf die Art
dor Wirkung vorher aufmerksam zu machen. A. R.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. BS, KurCarstenscr. 01. — Verla« ton Carl Marhold. Halle a S,
Druck ton der Heynemano'tcheti Buchdruciterei, Gebr WotlT, Halle a. S.
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Medicinische Woche
R. Kobert, M. Koeppeo. K. Partocb, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berliir. Hannover.
H. Unverricht, A. Vossias,
Magdeburg. Giessen.
VU. Jahrgang^. 12. März 1906. Nr. 11.
Die ,Med i c inische Woche* erscheint jeden Montag mit der HtSglgen Beilage BHllICOlOglSChC Cciltralzcltungy Organ des'Allgemeinen Deutschen
BSderverbandes, des SchwarzwaldbBdertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne
Nu mme r 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Redaktion:
Berlin W.629 KnrlArstenetmsie 81*
Dr. P. Meißner.
Deatschmann, A. Dfihrssen, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg I. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Herausgegeben von
Verlag und Expedition
Carl Mnrliold in Halle a. Sn UUaiidstnitee 6.
TeL-Adr.: Maiiiold Vertag Haliesaale. Pems]»echer 2834.
Orlginalien.
Das Kaiserin Friedricli-Haus
für das ärztliche Fortbildungswesen.
Von Dr. P. Meissner, Berlin.
Am 1. März wurde im Beisein des Kaiserpaares, der
Grossherzogin von Baden und vieler Prinzen und Prinzessinnen
des kaiserlichen Hauses in der feierlichsten Weise das Kaiserin
Friedric-h Haus für das ärztliche Fortbildungswesen eröffnet.
So unbedeutend manchem
Kollegen die Tatsache erschei¬
nen mag, dass dieses aus pri¬
vaten h£itteln errichtete Haus
vollendet und seiner Bestim¬
mung übergeben worden ist,
so bedeutungsvoll ist in Wirk¬
lichkeit dieser Tag für die
deutsche Aerzteschaft gewesen.
Fünf Jahre sind es her, dass
sich auf Anregung des König¬
lichen Kultusministeriums ein
Komitee bildete, welches sich
zur Aufgabe setzte, die Fort¬
bildung der praktischen Aerzto
in geeignete Bahnen zu lenken
und Mittel und Wege bereit zu
stellen und zu finden, mittest
deren es gelänge, dem im Ge¬
triebe der Praxis stehenden
Kollegen jeweils die neuen Er¬
rungenschaften seiner Wissen¬
schaft unter möglichster Wah¬
rung seiner persönlichen Be¬
quemlichkeit und unter Vermeidung materieller Opfer zu ver¬
schaffen.
Die von Tag zu Tag unaufhaltsam fortschreitende raedi-
ciniache Forschung, welche im Verein mit den anderen Natur¬
wissenschaften und den Fortschritten der Technik tagtäglich
neue Gebiete eröffnet, lassen es unmöglich erscheinen, dass ein
Arzt mit dem von ihm staaüicherseits verlangten und durch
die Approbation abgeschlossenen Studium sich genügen lässt.
Die Ausbildung der Studenten der Medicin spitzt sich lediglich
darauf zu, die unumgänglich nötige Basis und das medicinische
Verständnis herzurichten, auf Grund dessen der praktische
Arzt sich später an der Hand der Erfahrungen weiter und
weiter aaszubilden vermag. Jedoch selbst die grösste Praxis,
das reichste Material können heute nicht genügen, um den
praktischen Arzt ganz auf der Höhe seines Könnens zu halten.
Ist es doch selbst dem im akademischen Leben stehenden
Kliniker nur schwer möglich, allen Sonderdisziplinen und ihren
Errungenschaften zu folgen.
Es war daher ein aus der Entwicklung der Medicin mit
Notwendigkeit sich ergebener Gedanke auch für den praktischen
Arzt eine dauernde Stätte der Unterweisung und Fortbildung
zu schaffen, die ein Analogon darstellen sollte für das, was die
Universität dem Studenten bot.
Die praktische Ausführung dieses Planes bot naturgemäss
eine Reine von Schwierigkeiten, die ohne eine hochanzu-
erkennende Opferfreudigkeit der Kollegen kaum hätte über¬
wunden werden können. Das wichtigste Moment lag darin,
dass der praktische Arzt, welcher das Bestreben sich fortzu¬
bilden hat, nur selten in der Lage sein wird, seinen Wohnort
zu verlassen, um an irgend
einer Universität oder in den
Krankenhäusern einer gi'össe-
ren Stadt den gewünschten
Fortbildungsunterricht zu ge-
niessen. Es existieren derarti¬
ge Ferien-FortbilduDgskurse be¬
reits, aber es haftete ihnen der
Maugol an, dass eben eine
Reise notwendig war, um sich
an den Ort des Unterrichts zu
begeben und dass damit neben
dem Zeitverlust auch relativ
hohe materielle Opfer von den
Kollegen verlangt wurden. So
lag denn von vomherein der
Plan vor, diese Vortragszyklen
möglichst an den einzelnen Or¬
ten. kleineren Städten usw. zu
arrangieren, um dem prakti¬
schen Arzt ohne Lokomotion
Gelegenheit zu geben, in den
Stunden, welche ihm die Praxis
freilässt, den Unterricht zu ge¬
messen. Langsam aber zielbewusst ist diese Organisation fort¬
geschritten und heute blickt das Zentral-Komitee für das ärzt¬
liche Fortbildungswesen in Preussen auf eine stattliche Reihe
von Lokal-Vereinigungen, die auch ausserhalb Preussens auf
seine Anregung hin entstanden sind und die sich die Installie¬
rung von Aerztekursen zur Aufgabe stellen.
Doch nicht genug damit, auch die materiellen Opfer sollten
auf ein Minimum beschränkt, ja womöglich ganz vermieden
werden und so muss man es in aller dankbarster Weise aner¬
kennen, dass alle diejen^en, welche sich dem Zentralkomitee
zum Unterricht für die Fortbildungskurse zur Verfügung ge¬
stellt haben, es als eine Ehrenpflicht betrachten, diese Arbeit
für die Kollegen unentgeltlich zu leisten.
Jedoch mit diesen beiden gewiss ungemein wichtigen Fak¬
toren war noch nicht alles getan. Der Unterricht, zumal zur
Fortbildung der praktischen Aerzte kann einer der wichtigsten
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118
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 11.
Mittel niclit entrateu, and das ist die Demonstration. Es ist
nun durchaus begreiflich, dass Demonstrationsobjekte aller Art,
Tafeln, Photographieen, mikroskopische, anatomische Präparate,
Apparate, Instrumente und dergleichen nicht an jedem Ort in
geeigneter und genügender h^nge vorhanden sein können,
um die Fortbildungsdemonstrations-Vorträge in gewünschter
Weise zu ermöglichen und so erwuchs dem Zentral Komitee in
zweiter Linie die Aufgabe ein Arsenal zu schaffen, aus welchem
der ganze wichtige Apparat der Demonstrationsobjekte den
einzemen Vortragenden leihweise zur Verfügung gestellt werden
kann. Dieses Arsenal unter der Bezeichnung „Staatliche
Sammlung ärztlicher Lehrmittel“ wurde im Anschluss an eine
im Frühjahr 1902 veranstaltete Ausstellung ärztlicher Lehr¬
mittel b^ündet. Das, dank der Munificenz der Behörden
und der Kollegen, schnelle Anwachsen dieser Sammlung sowie
das immer mehr und mehr gebieterisch sich fühlbar machende
Bedürfnis die imm erhin schwierige Zentralisation der Organi¬
sation, wie sie das Zentral-Komitee vorzunehmen hatte auch in
geeigneten, die nötige Ausbreitung ermöglichenden Räumen
unterzubringen war aer Anstoss zu dem Plan für dieses Zen-
tral-Komite und seine Bestrebungen ein geeignetes Heim zu
errichten.
Ein pietätvoller Gedanke war es, diesem Heim den Namen
derjenigen Frau zu geben, welche in schwerer Krankheit,
duldend und hoffnungslos darniederliegend bis znm letzten
Augenblick das in ihrem Leben so oft betätigte Interesse für
die Wissenschaft, insbesondere für die Medicin wahrend, den
Wunsch ausgesprochen hatte, die Fortbildung der Aerzte im
Interesse der leidenden Menschheit zu iurderu. Die Kaiserin
Friedrich, jene hochdenkende, der Wissenschaft zugeneigte Frau
muss als eigentliche Schöpferin des ärztlichen Fortbildungs¬
wesens angesehen werden.
Am 2. März 1903 wurde der Vorsitzende des Zentral-
Komites für das ärzliche Fortbildungswesen in Preussen von
Sr. Majestät dem Kaiser empfangen und es war ihm vergönnt,
den Plan für die Gründung des Kaiserin-Friedrich-Hauses vor¬
zulegen und die Zustimmung des Monarchen zu demselben zu
erhalten. Diese Zustimmung fand in einem an Herrn von
Bergmann gerichteten Kabinet-Schreiben nochmaligen Ausdruck '
und eingehende Begründung. Im Anschluss an diese für das
ganze Unternehmen so ungemein wichtige huldvolle Interesse-
n^me des Kaisers erfolgte am 7. März 1903 die konstituierende
Sitzung des vorbereitenden Ausschusses zur Begründung des
Kaisenn-Friedrich-Hauses.
Feuilleton.
Über Verhütung der Tuberkulose
(Schwindsucht).
Von Proi Dr. F. Kraus-Berlin.
(Fortsetzang.)
Wie es aber, wenigstens grundsätzlich, gar nicht not¬
wendig ist, dass die Kranken amtlich bekannt sind, damit für
sie und ihre Umgebung das Notwendige geschehe, greift schon
hier die Famlienfürsorge human und wirksam ein. An Stelle
der nur beschränkt durchführbaren gesetzlichen Anzeigepflicht
ist auf Grund der hymenischen Belelirung und Erziehung dos
Volkes (Schule, Ausbildung des ärztlichen Hilfspersonals, Mit¬
wirkung der Vorgesetzten beim Militär, der Beamten bei den
Verkehrsanstalten) die freiwillige Meldung der Kranken gerade
schon in den nichtinfektiösen Frühstadien des Leidens, mit
welcher keine Beschränkung der Freiheit, sondern Vorteile für
den Einzelnen und die Familie verbunden werden müssen,
und das Aufsuchen der Kranken durch ärztlich geschulte Vor-
trauenspersonen zu setzen. Die Zentralstätten für diese Art
der Ermittlung würden die Fürsorgestätten (Dispensaires), bezw.
auch die (am besten in solche umgewandelten) Polikliniken
für Lungenkranke bilden. Ärzte und ärztliches Hilfspersonal,
vor allem die hierzu besonders geschulte Schwester über-
In nie geahntem Tempo wurde aus privaten Mitteln von
hochherzigen Gönnern die Summe zusammengebracht, die es
ermöglichte, den Plan ins Werk zu setzen. Innerhalb 3 Monate
war eine Summe von über 1 Million Mark zusammengekommen,
sodass mit den Plänen und dem Bau begonnen weriten konnte.
Dank der eifrigen Bemühungen des Kuratoriums ist das Kaiserin-
Friedrich-Haus innerhalb 2*/, Jahren erstanden und fertig ge¬
stellt worden.
Das Haus, von Baurat Ihne errichtet, bietet eine grosse
Reihe von Räumen dar, die den verschiedensten Zwecken
dienen sollen. Zunächst sind für Bureaus und Verwaltungs¬
räume reichlich Zimmer vorhanden, sodann ist eine Anzahl
von Sälen bereitgestellt, welche der Dauerausstellung der
Technik der chemischen Industrie etc. dienen und welche den
in Berlin das Kaiserin-Friedrich-Haus besuchenden Aerzten
Gelegenheit geben, sich über die neuesten Fortschritte auf den
g enannten Gebieten durch den Augenschein zu überzeugen.
1 demselben Erdgeschoss, in dem sich diese Räume beflnden,
ist der Packraum und Versandraum für die Objekte der ärzt¬
lichen Lehrmittel-Sammlung.
Das Obergeschoss enthält ein prachtvoll eingerichtetes
Lesezimmer, das Zimmer des Direktors, wiederum Räume für
Dauerausstellungen, Bureaus und einen mehrere 100 Plätze
enthaltenden amphitheatralisch durch zwei Stockwerke reichen¬
den Hörsal.
Das zweite Obergeschoss bietet die Haupträume für die
Staatliche Sammlung ärztlicher Lehrmittel dar, während das
dritte Obergeschoss ein Röntgen-Laboratorium, ein Atelier für
wissenschaftliche Photographie, Kurssäle für klinische Chemie
und Mikroskopie, Bakteriologie und eTOerimentelle Therapie
enthalten. Die Räume sind sämtlich in der splendidesten Weise
mit den modernsten Einrichtungen versehen und können als
mustergiltig bezeichnet werden.
Es ist ein Bau geschaffen, wie er wohl selten in so ein¬
heitlicher schöner und den beabsichtigten Zwecken entsprechen¬
der Weise errichtet worden ist. Das Kaiserin-Friedrich-Haus
ist ein Haus der deutschen Aerzte geworden und in seiner Art
wohl ein Unikum auf der ganzen W^lt. In ihm laufen all die
Fäden zusammen, welche den grosJ»^ und ausgebreiteten
Apparat des ärztlichen Fortbildungswesl?^ dirigieren und in
Tätigkeit setzen. Für jeden nach der Hau^tadt kommenden
Arzt wird der Besuch des Kai 8 erin-Friedrich-HiN ||08 eine reiche
Fülle der Anregung bieten und jeder Arzt wird s\b mit Freude
davon überzeugen, dass hier zum ersten Male fü^den prak-
wachen und besuchen die Familien der bereits geiiN^et©»!
Patienten, die Kinder in den Schulen, die Arbeiterschaft^
den Werkstätten, die Soldaten in der Armee usw. So wer*?®*^
alle Gelegenheiten geprüft, bei denen Menschengruppen i'®"
ständig oder doch längere Zeit in geschlossenen Räumen eAS
verkehren, stets in der Absicht der Belehrung, Erziehung
zugleich und hauptsächlich der Verwertung hygienischer, eve^’
tuell auch ärztlich-therapeutischer Vorteile. Solche Beratun** ''“
stellen für Tuberkulöse sind ferner auch das beste Mittel für
Klassifizierung der Kranken bezüglich der Zuweisung derselbe
an Heilstätten, Krankenhäuser, Erholungsstätten usw. Zwische.
den Tuberkulosestationen, den Krankenhäusern, den SpeziaJan
staken für die Behandlung Tuberkulöser, den ErholungsstätteiiL
und diesen üntersuchungsstellen wird also eine innige Verbin-I
duDg herzustellen sein. 1
Die Erblichkeitsfrage der Tuberkulose, welche sich heut- \
zutage im wesentlichen wohl nicht mehr auf die Rankheit \
selbst, sondern bloss auf die Disposition zur Krankheit bezieht, I
führt zu dem Gesichtspunkte eines etwaigen HeiratsVerbotes 1
tuberkulöser oder tuberkuloseverdächtiger Personen als Vor¬
beugungsmaßregel, ähnlich wie dies auch für die Geisteskrank¬
heiten und die Trunksucht erwogen worden ist. Ganz abge¬
sehen davon, dass die Vererbungsgesetze noch keineswegs im
einzelnen so feststehen, dass auf ihrer Grundlage jemand die
Verantwortung für eine so tief einschneidende gesetzliche oder
gar polizeiliche Maßregel übernehmen könnte, wird trotz aller
Eheverbote die aussereheliche Betätigung des doch einmal in
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im '
MBDICINISCHB WOCHE.
119
tischen Arzt etwas Grosses und Bedeutendes geschaffen
worden ist.
Die Einweihung des Hauses fand in der feierlichsten Weise
statt und wurde zu einem historischen Momente, weil der
Kaiser wohl zum ersten Male bei einer rein die Aerzte be¬
treffenden Gelegenheit das Wort ergriff und der Befriedigung
Ausdruck verlieh, dass dieses Werk, zu Ehren des Gedächt¬
nisses der verstorbenen Kaiserin Friedrich zum Wohle des
Volkes und zum Nutzen der Aerzte erstanden sei und dass er
diesen Tag als besonders bedeutsam ansähe, weil an ihm deut¬
lich zum Ausdruck käme, wie sehr der Herrscher im Interesse
des Volkes mit den Aerzten Hand in Hand gehen müsse.
Dass auch das Kaiserin-Friedrich-Haus, seine Begründung,
genau so wie die Tätigkeit des Zentral-Komitees für das ärzt¬
liche Fortbildungswesen falscher Beurteilung nicht entgehen
wird, ist wohl selbstverständlich. So bedauerlich eine un¬
richtige Kritik auch sein mag, so begreiflich ist sie wohl, wenn
man bedenkt, dass die draussen im Lande lebenden Kollegen
ohne eingehendes Studium der Materie kaum die Bedeutung
dieser Gründung in ihrem ganzen Umfange ermessen werden.
Mit der Gründung des Kaiserin-Friedrich-Hauses ist im
staatlichen Leben des deutschen Reiches den Aerzten eine
wissenschaftliche Hochburg erstanden, die unter der speziellen
huldvollen Anteilnahme des Kaisers als der Zentralpunkt alles
dessen aufgefasst werden muss, was zur Hebung des ärztlichen
Standes geschehen kann. Denn trotz aller Standesvereine,
Ehrengenchte, wirtschaftlicher Verbände u. a. m. wird man
niemals leugnen können, dass der wahre Schild zum Kampfe
gegen die Widersacher für die Aerzte nur die Wissenschaft ist
und wenn alle Aerzte über den Gedanken sich klar sind, dass
Können Macht bedeutet, dann werden sie auch diese Gründung
in ihrer ganzen Bedeutung zu würdigen wissen.
Neben dem tätigen und opferfreudigen Wirken der Stifter
und der Mitglieder des Kuratoriums des Kaiserin-Friedrich-
Hauses muss auch desjenigen gedacht werden, der mit uner¬
müdlichem Eifer das Werk zur schnellen Vollendung geführt
hat und mit Aufopferung von Zeit und Arbeit alles getan hat,
um den Plan der Stifter zu einem erfolgreichen Ende zu führen
und das ist der zum Direktor des Kaiserin-Friedrich-Hauses
ernannte Kollege R. Kutner.
Belloform — ein neues Antiseptikum.
Yon Dr. C. Spann, prakt Arzt in Kaltennordheim.
Wenn auch an Antisepticis wahrlich kein Mangel ist, so
ist doch ein neues Desinficiens beachtenswert, das me Theer-
rodukte-Fabrik „Biebrich“ unter dem Namen „Belloform“ in
en Handel brin^.
Nach den Angaben der Fabrik ist Belloform ein Konden¬
sationsprodukt von hochsiedenden, kresolarmen Kohlenwasser¬
stoffen mit Formaldehyd durch Oeleinsaponierung in wasserlös¬
liche Form gebracht.
Verschiedene bakteriologische Versuche haben ergeben,
dass Belloform dem Lysol, Creolin und Lysoform an desin¬
fizierender Wirkung überlegen ist. So werden durch 1®/^
wässerige Lösungen Typhusbazillen in 5 Minuten, durch 3®/o
Lösui^en Staphylococcen in 10 Minuten und Anthraxsporen
in 6 Kunden abgetötet Ein grosser Vorteil des Belloform ist
seine Reizlosigkeit und relative Ungiftigkeit, wie Distriktstierarzt
Dr. Li^inger (Berliner Tierärztliche Wochenschrift, Nr. 806)
durch Tierversuche festgestellt hat. Er gab Pferden und Rin¬
dern per os grössere Dosen von Belloform mit Erfolg als
Anthelminthicum ein und wendete 3 ®/o Lösungen bei eitrigen
Wunden an, ohne dass Ver^ftungserscheinungen von Seiten
des Verdauungstraktus oder Reizerscheinungen an den Wund¬
stellen auftraten.
Belloform ist eine kirschrote Flüssigkeit von nicht unan¬
genehmen Geruch, die sich leicht und durchsichtig klar in Wasser
löst. Auch bei längerem Stehen an der Luft werden 2—3®/„
Lösungen nicht trübe oder wolkig wie z. B. Lösungen von
Lysoform. Bilden sich dennoch Niederschläge in der Lösung,
so rühren sie‘vom Kalkgehalt des verwendeten Wassers her,
wodurch im Wasser unlösliche Kalkseifen sich bilden. Diese
Niederscbl^e beeinträchtigen aber die desinfizierende Wirkung
in keiner Weise und können durch den Gebrauch kalkfreien
oder abgekochten Wassers ganz vermieden werden.
In der Praxis empfehlen sich am besten 2 Lösungen, mit
denen ich in der kleinen Chirurgie und in der Gynäkologie^ gute
Erfolge erzielt habe. Frische Schnitt- und Stichwunden heilen
unter einem feuchten Belloform-Verband. Bei Panaritien tritt
die desodorisierende Wirkung des Belloform besonders hervor,
während es an desinfizierender Wirksamkeit den übrigen Anti¬
septicis mindestens ebenbürtig ist 2—3®/^ Lösungen eignen
sich vorzüglich zur Reinigung und Desinfektion der H^de,
ohne dass ein Seifenzusatz nötig wäre. Dabei werden* die
der Welt vorhandenen und erfahrungsgemäß gerade bei den Tuber¬
kulösen mächtigen Geschlechtstriebes nicht nur nicht beseitigt,
sondern geradezu hervorgerufen werden. Auch hier wird man
in der Praxis am besten die Familienfürsorge in den Vorder¬
grund stellen, sei es, dass der Hausarzt, sei es, dass die Or¬
gane der erwähnten Beratungsstellen als Ratgeber im Einzel¬
falle fungieren. Die Ehe schafft, wenn der eine von den Gatten
tuberkulös ist, jedenfalls die günstigsten Bedingungen für die
Übertragung der Krankheit, wenn tatsächlich eine solche auch
wegen der individuell verschiedenen Empfänglichkeit öfter aus-
bleibt Da aber die Zahl der sichergestellten Eheaasteckungen
aus diesem Grunde viele Hunderte übersteigt, wird man gegen¬
über der Geschlechtsliebe, den materiellen Interessen oder dem
Eigensinn fast immer die Eheschliessung mit einem bazillen¬
spuckenden Tuberkulösen widerraten. Wenigstens wer selbst
erblich belastet ist, sollte eine solche Ehe bleiben lassen.
Auch gefährdet manifeste oder latente Tuberkulose der Eltern
die Nachkommenschaft. Die grösste Empfänglichkeit für die
Tuberkulose besitzt unbestritten das Kindesalter. Wenn auch
in jüngster Zeit bei der Infektion der Kinder die tuberkelhaltige
Kuhmilch besonders angoschwärzt worden ist, kommt in eng-
wohnenden tuberkulösen Familien doch vor allem die Selbst¬
impfung mit Tuberkelbazillen durch die (im bakteriologischen
Sinn) beschmutzten Finger der in bazillenhaltigem Staub spie¬
lenden Kinder in gelegentlichen unscheinbaren Verletzungen
an Mund, Nase, Haut usw., sowie das Einatmen der Kr ank -
heitserreger in Betracht.
Dies führt mich zu dem speziellen Gesichtspunkt der Be¬
kämpfung der latenten und manifesten Tuberkulose im Kindes¬
alter. Für die Kinder- wie für die Frauenfürsorge bietet unsere
soziale Gesetzgebung leider keine günstige finanzielle Grundlage.
Der Lage dieser Gesetzgebung und der bisherigen Entwicklung
des Kampfes gegen die TuberKulose entsprechend, stellt das 16.
Lebensjahr eine scharfbestimmte Grenze dar. Die Tuberkulose
kümmert sich aber nicht um diese Versicherungsgrenze. Die
Kranken vor diesem Alter bedürfen somit eines andern Rückhaltes
als des bekannten § 16 des Invalidenversicherungsgesetzes. Bis¬
her hat der Bundesrat bereits seine Zustimmung zu einer er¬
weiterten Familienfürsorge insofern gegeben, als die Bestim¬
mungen des § 45 in allerdings recht beschränkter Weise auch
die Fürsorge für die Angehörigen der Versicherten und speziell
ihrer Kinder im Erkrankungsfalle gestatten. Aber über die
versicherten Kreise hinaus, für die nichtversicherten Klassen
des sogenannten Mittelstandes müssen die nötigen Maßnahmen
leider ganz und gar auf die Wohlfahrtspflege basiert werden.
Daraus erwächst für die nächste Zeit die Nötigung, wenigstens
alle in Betracht kommenden gemeinnützigen Kräfte, öffentliche
und private, auf Grund eines Gesamtschemas der Tuberkulose-
bestrebungen systematisch zu organisieren, damit nicht mehr
ausschliesslich die Heilstättenerrichtiing in den Vordergrund
gestellt wird, sondern sowohl neue Vereine wie schon be¬
stehende Verbände die Tuberkuloseverhütung auch in betreff
der Kinder zum Arbeitsprogramm machen. Von wesentlicher
Bedeutung wird es dabei sein, dass alle diese Vereinigungen
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120
MfiDICn^ISCHE WOOÄE.
Nr. 11.
Hände nicht angegriffen und bleiben selbst bei wocfaenlanger
Anwendung des Mittels weich und geschmeidig.
In der Gynäkologie sind Belloform-Lösungen vor allem zu
Sc'heidenspülungen empfehlenswert, sei es das einfache katar¬
rhalische oder gonorrhoische Entzündungen in Vagina oder Cer¬
vix vorliegen. In einem unzweifelhafien Falle von gonorr¬
hoischem Cervix- und Seheidenkatarrh habe ich nach 14 Tagen
eine bedeutende Besserung und völliges Verschwinden der
eitrigen Sekretion eintreten sehen, nachdem Patientin sich täg¬
lich Scheidenspülungen mit 2'7o Belloformlosung gemacht hatte.
Angenehm ist der Gebrauch von Belloform auch zum Einfuhren
von Instrumenten, wie Uterussonden, Vaginal-Specula, da sie
in den Lösungen einen seifenhaltigen üeberzug erhalten und
sieh daher leicht einführeu lassen. Ueberhaupt ist die Aufbe¬
wahrung und Desinfektion von Instrumenten in Belloform-
Lösungen angebracht, da sie lange darin liegen bleiben können,
ohne dass sie oder die Vernickelung darunter leiden.
Zum Schlüsse möchte ich noch einen Vorteil des Bello-
form, der nicht zu-gering angeschlagen ist, anführen, nämlich
seine Billigkeit. Es kostet in Literpackung pro Kilo 1,95 M.,
kommt jedoch auch in graduierten Flaschen von 100 und 200
ccm zura Preise von 0,50 und 1,— M. in den Handel und ist
also billiger als die meisten übrigen Antiseptica.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner Ophthalmologiache Gesellschaft*
Sitzung vom 18. Januar 1906.
Nagel; Apparat zur Prüfung des Liohtsinns (Ad-
aptometer).
Das Adaptometer, das dem gleichen Zwecke wie Pörster’s
Photoptometer dient, gestattet eine viel umfangreichere Abstufung
der Helligkeit. Förster hatte sich auf Auberts Angabe vex’-
lassen, dass bei Dunkeladaptation die Unterscheidungsscbwelle nur
85 mal kleiner werde als im Tageslicht. Nun haben aber Nagel
und Piper nach langer Adaptation die Empfindlichkeit um das
4—8000 fache steigen sehen. Demnach kann am Adaptometer
die Helligkeit der als Leuchtobjekt verwendeten, durch Osmium¬
lampen von hinten belichteten Milchglasplatte sehr erheblich va¬
riiert werden (bis auf millionstel). Wenn in dem von Hein¬
um der Schwindsucht willen Niemanden der öffentlichen Armen¬
pflege anheimfallen las.scii.
Da es sich vor allem um Kinderpflege und Kindererziehung
handelt, möchte ich auch hier wiedoruiii die grosse Bedeutung
der Farailienfürsorge betonen. Dieselbe bedfuikt gerade die
Kinder intensiv. Die Fürsorgeabtoilung des Volksheilstätten¬
vereins vom roten Kreuz, deren ärztliche Aufgaben die zweite
mcdicinischo Klinik und die Kinderklinik der Charite über¬
nommen haben, bis die von Herrn Pütter in Angriff genommene,
ganz Berlin umfassende grosse Organisation vollständig ins
Werk gesetzt sein wird, erwirkt für die schwächlichen und
blutarmen Kinder in den ihr zuständigen tuberkulösen Familien,
ancli wenn an ihnen selbst noch nichts Tuberkulöses sich
nacliweisen lässt, einen 4 — 8 wöehentliclien Aufenthalt in einer
Erholungsstütte oder eine Kur in der Ferienkolonie. Dasselbe
geschieht mit Kindeni, welche, ohne sonst scliwächlich zu sein,
au beginnendxM' Skrophulose leiden. Kinder mit ausgeprägter
Lymphdrüs(uituberkulose werden, soweit dies möglich, der
Kiiidcrheilstätte oder deren Sechospiz Norderney zugewiesen.
Leider siiul die Erholungsstätten gewöhnlich nur von April bis
September geöffnet. Bis zur Aufnahme in eine solche verabreicht
iiKin an die Kinder wenigstens Milcli- und Volksküchenmarken.
In dem Falle der Überweisung ei?icr tuberkulösen Mutter in
eine Lungenheilstätte sucht das Bureau für eine geeignete
Unterkunft d r Kinder in einer Krippe, in einer Kinderbewahran¬
stalt, in einer Spielschule oder dgl. zu sorgen. Auch die Waisen¬
verwaltung ist inren Bestrebungen entgegengekommen usw. usw.
richsdorff begonnenem Sinne die Adaptation weiter nntersneht
wird, dürfte der Apparat auch klinischen Wert erlangen.
Nagel: Spektralapparat zu diagnostischen
Zwecken.
Der Apparat dient der Diagnose der Farbenblindheit und ist
im Prinzip so wie Helmholtz bekannter Apparat gebaut, nur
sind nicht allein rot und gelb, sondern auch Spektxalfarben als
Verwechselungsfarben verwendet worden. Denn erfahrungsgemäß
lernen auch Dichromaten allmühlich ihre Verwechselungsfarben in
Pigmentfarben aus feinen Helligkeitsunterschieden differenzieren,
was bei Spektralf'arben unmöglich ist. Aus 2 über einander stehen¬
den Spektren werden durch ein Zwillingsprisma 2 Felder einer-
.seits mit spektralem „Gelb“ andererseits mit einem Gemisch von
Grnn und Rot beleuchtet; aus den bei Herstellung der Farben¬
gleichung vom normalen sich ergebenden Differenzen werden sowohl
die Dichromaten wie auch vor allem die anomalen Triebromaten
entdeckt, die ja jetzt als „Farbensehwache“ zum Eisenbahndieust
nicht zugela.ssen werden.
Collin; Demonstration eines neuen elektrischen
Perimeters zur Prüfung des Farbensinns.
Die Perimetrie des Gesichtsfeldes für Farben was bisher wegen
der geringen Sättigung und Helligkeit der Objekte ungenau, auch
bei der Prüfung nach Holmgren wurden vielfach Farben-Anomale
für nonnal gehalten, da die Objekte nicht nur in der Fovea sondern
auch peripher perzipiert werden. C. konstruierte ein Schlitten-
periineter mit leuchtendem Fixationsobjekte \ind leuchtenden PrÜ-
fuogsobjekten (elektrisch beleuchtete bunte Glasscheiben).
S. Michel: Demonstrationen (Lidadenom, Pinguecula; Naevi,
Blepharocbala.sis). Kurt Steindorff.
Verein für innere Mediein,
Festsitzung zur Feier de.s 25. Stiftungsfestes. 19. II.
Herr v, Leyden giebt einen Rückblick auf die Geschichte
des Vereins, erinnert insbesondere an die Sammelforschung über
Tuberkulose, welche die HeÜstättenbewegung einleitete.
Herr Fürbringer macht statistische Mitteilungen.
Herr Rothmann berichtet über verschiedene Ernennungen
zu Ehren- resp. koi're.spondierenden Mitgliedern.
Festvorträge:
I. Herr A. FränkeliDieVerbreitungswegederTuber-
kulose vom klinischen Standpunkt.
3 Wege für die Entstehung der Tuberkulose nimmt man an:
1. Hämatogene, 2. Lymphogene Infektion, 3. Inhalationsinfektion.
Die hämatogene Infektion kann nur in utero Vorkommen durch
Tuberkulose de Placenta. Schmorl konnte schon bei incipierter
Phthise Herde in der Placenta nachweisen, durch die der foetus
inficiert werden kann.
Die lymphogene Entstehung wird besonders durch Behring
in den Vordergrund gestellt. Willeminsky »Hueppes Schüler)
glaubt, dass die Broncliialdrüsen eine Saramelstelle sind für die
ge.samte Lymphe des Körpers und das nach Infektion der Bronchial¬
drüsen sodann durch die Blutbahn die Tuberkelbazillen in die
Lunge gelangen. 2 Schüler Weichselbaums zeigten ein Tier-
e.Yperiment, dass in Bronchialdrüsen die Tuberkulose lange Zeit
im Latenzstadium sein kann. Für die lymphogene Entstehung
sprechen besonders die Erhebungen der Kinderärzte, doch sind
dahingehende Beobachtungen vom Vortr. auch bei Erwachsenen
gemacht worden. Die Überzahl der Tuberkulose bei Erwachsenen
entsteht durch Inhalation, die weitere Verbreitung in den meisten
Fällen durch die Bronchialwege. Diese Aspirationstuberkulose zu
behandeln, fehlen vorläufig alle Mittel, Nur bei der Gravidität
kommt die vorzeitige Entbindung in Frage. Doch ist auch die.se3
Mittel zweifelhaft.
II. Herr Go Id sch e i d er: Üb er n aturgemäße Therapie.
Die gegebene Krankenheilung ist diejenige, welche nur von
der Natur gezeigt wird. Der natürliche Heilprozess besteht z. B.
in der Selbstheilung der Infektionskrankheiten. Diesen Vorgang
ahmt die Serumbehandlung nach durch active oder passive Immu¬
nisierung. Die Heilserumbehandlung ist aber nur ein Nutzbar¬
machen der natürlichen Vorgänge. Der Körper schafft sich selbst
die Bekümpfungsmöglichkeit etwaiger Schädigungen. Dabei ist
zweifellos überall eine folgerichtige Zweckmässigkeit zu erkennen,
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im.
MEDICIKISCHE WOCHE.
121
and 60 hat die teleologische Anschauung über die Schutzmass¬
nahmen des Körpers ihre volle Berechtiguug wie in normalen, so
auch in pathologischen Zuständen. Redner weist das bei deu ein*
seinen Erscheinungen nach. Der Selbsthilfe des Organismus aber
sind Grenzen gezogen. Wir unterstützen die Selbsthilfe des Körpers
durch unsere ärztliche Tätigkeit und so ist alle neue Therapie in
letzter Sttmde eine naturgemässe. Carl Lewio.
AerzUicher Verein i/n Hamburg»
Sitzung vom 20. Pebruar 1906.
Vorsitzender Herr Kümmel.
I. Demonstrationen:
1. Herr Kellner demonstiiert einen 19jährigen Kretin, er¬
wähnt dabei Aetiologie (Thyreoidea-Atrophie) und die Merkmale
des Kretinismus mit den anatomischen Veränderungen am Schädel,
an der Haut, den Zähnen, der Sprache, der Psyche, dem Wachs¬
tum usw. Die therapeutische Wirkung des Thyreoidins war in
diesem Falle günstig.
2. Herr Kellner zeigt ferner zwei Fälle von Mongolismus
(12 resp. 15 jährige Mädchen) und weist dabei ebenfalls auf die
charakteristischen Merkmale hin.
3. Herr Calmann berichtet über einen Fall von Pubo-
tomie bei platt - rhachitischem Becken bei einer I. para mit einer
Conjugata von 8 cm. Das Fruchtwasser war bereits faulig zer¬
setzt, die Kreissende fieberte. Es gelang das tief asphyktlsche
Kind wieder zum Leben zu bringen, das Wochenbett verlief nor¬
mal, die Frau befindet sich jetzt wieder ganz gut. Dies ist der
dritte Fall von ausgeführter Pubotomie bei einer Fiebernden unter
169 bis jetzt in der Literatur niedergelegten Fällen.
II. Diskussion über den Vortrag des Herrn Ringel:
„Erfahrungen über acuten mechanischen Ileus.“ (Fort¬
setzung.)
Herr Edlefsen weist auf den Wert der Indicanprobe al.s
diagnostisches Hilfsmittel zur Frühdiagnose des Ileus hin: sie soll
stark positiv bei Verschluss des Dünndarms, negativ bei Dick¬
darmverschluss sein. Sie hat jedoch nur Wert bei Beginn der
Erkrankung, wenn noch keine peritonitischen Erscheinungen auf¬
getreten sind, da bei Peritonitis überhaupt die Indicanprobe stets
positiv ausftllt. Herr Schmilinsky empfiehlt bei der Operation
zur Entleerung des Magens eine neue Magensonde und demon¬
striert sie. Ausserdem erwähnt er die an der Miculiczschen
Klinik verwendeten Fragebogen für Anamnese und Status wegen
der Wichtigkeit der Frühdiagnose. Herr Cordua (Harburg)
spricht über die Prophylaxe des postoperativen Ileus. Er hat gute
^sultate bei der Anwendung von Koch.salzinfusionen in die Bauch¬
höhle gesehen: leichte- Peristaltik, bezw. Abgang von Flatus.
Herr Lauenstein empfiehlt, wenn man keine genaue Diagnose
stellen kann, nur dann zum Messer zu greifen, wenn eine ziemlich
sichere Wahrscheinlichkeit des Darmverschlusses vorliege. Er er¬
wähnt einiges aus seiner Technik (Beckentieflagerung, Anlegung
eines anus prätematuralis bei hochgradigem Meteorimus). Herr
Grisson berichtet über einen bisher nicht beschriebenen Fall von
Darmverschluss. Bei einer wegen Perityphlitis im dritten Monat
der Gravidität und wegen eitriger Peritonitis post partum operier¬
ten Frau stellten sich am 18. Tage nach der (Jeburt Ileuser-
scheinnngen ein. Bei der Operation stellte sich heraus, dass sich
mehrere Dünndarm-schlingen um ihre Längsachse im eigenen Mesen¬
terium eingewickelt hatten (Volvulus um die Längsachse). Der
Exitus erfolgte nach einigen Tagen infolge zunehmender Schwäche,
die Sektion ergab keinerlei Anhaltspunkte für die Art des Ent¬
stehens dieser seltenen üeusform. Herr Ringel gebt im Schluss¬
wort nochmals auf die Differentialdiagnose zwischen dynamischem
und paralytischem Ileus ein. Das seltene Vorkommen von postope¬
rativem Ileus im Eppendorfer Krankenhause glaubt er der Nach¬
behandlung, die hauptsächlich in Anregung der Peristaltik besteht,
verdanken zu dürfen; er konstatiert die allgemeine Einigkeit in
der Art der Behandlung.
III. Vortrag des Herrn A. Franke: Ist die Fürsorge für
Kinder und Säuglinge in Hamburg ausreichend?“
Der Vortragende versucht nachzuweiseu, dass die Bestrebungen
der Gesellschaft, die gesundheitlichen Verhältnisse der Kinder zu
bessern, nur dann von Erfolg gekrönt sein könnten, wenn den
Aerzten die Beteiligung an ihnen mehr als bisher durch den
Staat ermöglicht sei. Die Milchküchen müssen noch zahlreicher
werden, und ihre Milch und Milchmischungen aus Zentralen er¬
halten, nach denen die Rohm i Ich auf dem kürzesten Wege hin¬
gebracht würde. Es soll überhaupt unter dem Namen .„Kinder¬
milch“ nur das Produkt solcher Milchwirtschaften, und zwar in
gesicherten Flaschen, verkauft werden, die folgende Bedingungen
erfüllen: die Kühe müssen unter steter tierärztlicher Kontrolle
stehen, das Personal selbst gesund befunden und behindert sein,
mit infektiösen Kranken in Berührung zu kommen, die Wirt¬
schaften dürfen nicht zu weit von der Stadt entfernt sein. Die
Milchküchen selbst sollten nur dann Müchmiscbungen an Säuglinge
verabreichen, wenn eine ärztliche Untersuchung derselben voran-
gegangeu ist. Im Uebrigen wird es genügen, wenn dieselben alle
2 bis 4 Wochen zur Gewichtsbestimmung nach der Alilohküche ge¬
bracht werden. Der Zentralinilohküche sollte ein Säuglingshospital
angegliedert sein, das unter Leitung eines staatlich be.stellten
Arztes stände, der dann auch die Prüfung der eingelieferten Milch
übernehmen mu.ss. Die Frauen, die Haltekinder übernehmen,
sollten veranlasst werden, die Milch für ihre Pflegebefohlenen nur
von den Müohküchen zu beziehen, der meiste Wert müsse aber
auf das Selbststillen der Mütter gelegt werden, wenn auch jetzt
schon die Ratschläge der Medizinalbehörde in dieser Hinsicht
wirkten, so könne man sich noch mehr Erfolg versprechen, wenn
die Hebammen verpflichtet würden, ihren Rat nur zur natürlichen
Ernährung zu geben, und, falls dies unmöglich sei, einen Arzt zu¬
ziehen zu müssen. Von diesem Zwange könne man wieder ab-
sehen, wenn durch einen geeigneten Unterricht auf einer Säug-
lingsabteilung die nötigen Kenntnisse von den Hebammen er¬
worben seien. Um den kranken Säuglingen, deren Mutter zum
Selbstnähren untauglich seien, doch die nötige Brustnabrung zu
verschaffen, will der Vortragende in der von ihm geleiteten Säug¬
lingsabteilung der St. Gertrud-Gemeindeklinik sich arme Frauen
aus der Gemeinde sichern, die für entsprechendes Entgelt mehr¬
mals am Tage die Kinder stillen werden. Den Frauen aber, die
durch Aussenarbeit den Erwerb der Familie mitbeschaflfen müssten,
sollte der Staat 6 Wochen lang Schutz gewähren.
Schönewald.
Literarische Monatsschau.
Gynäkologie.
(Schluss.)
Bezüglich der Blasensyinptome bei Myom (Tenesmus vesicae,
Dysurie, Ischurie, Inkontinenz) fasst sich W. dahin zusammen,
dass man sich mit den sogenannten Blasenstörungen bei Myom
als Indikation für eine Behandlung desselben nicht begnügen darf,
sondern dass man von den verschiedenartigen, aus den Angaben
der Kranken zu erhebenden Blasenbeschwerden ausgehend, zu¬
nächst die besonderen Ursachen erheben muss, erst dann, wenn
das Myom mittelbar oder unmittelbar dieselben hervorgerufen hat,
und erst dann, wenn dem Symptom eine ernste klinische Bedeutung
beizume.s.sen ist, kann man eine Indikation zur Entfernung des
Myoms damit begründen.
In besonders ausführlicher Weise behandelt W. das Kapitel
Myom imd Herz. HIr hebt dabei folgende Tatsachen hervor:
Es liegen keine Beweise für einen spezifischen Zusammenhang
zwischen Myom und Herzkrankheit vor.
Klappenfehler haben keinen inneren Zusammenhang mit dem
Myom.
Das Myom kann durch Anämie Dilatation der Herzhöhlen
erzeugen.
Das Myom kann bei schwerer Anämie fettige Degeneration
des Herzmuskels erzeugen.
Die braune Atrophie entsteht durch Myome meist nur dann,
wenn eine starke Reduktion des Gesamtorganismus sich ent¬
wickelt bat.
Für die Indikationsstellung ergaben sich W. folgende Grundsätze:
Eine günstige Beeinflussung des endokarditischen Klappen¬
fehlers an sich ist nicht zu erwarten; dagegen kann bei anämischen
Myomkranken durch Beseitigung der Blutxmgen die Muskulatui*
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122
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 11.
im günstigen Zustand erhalten, event. sogar sekundäre (anämische)
Dilatation beseitigen und beginnende Degeneration des Herz¬
muskels im Fortschreiten hindern.
Primäre Myokarditis bei nicht anämischen Personen wird durch
die Entfernung des Myoms gar nicht beeinflusst; bei gleichzeitiger
Anämie kann man voraussichtlich der Verfettung verbeugen.
Fettdegeneration und braune Atrophie, welche im Verlaufe der
Myomkrankheiten auftieten, sind durch rechtzeitige Entfernung
des Myoms günstig zu beeinflussen.
Anämische Dilatationen sind durch Beseitigung der Blutungen
sicher zu heilen.
Die Ursache für die Schädigung des Herzens liegt in der
Anämie. Man wird deshalb die Entfernung des Myoms, zwecks
Beseitigung der Blutung, verlangen müssen:
Bei Herzfehlern und primären Myokarditiden, sobald die
Blutungen stärker als vorher sind; von einer internen und palliativen
Behandlung ist hier abzuraten.
Bei gesundem Klappenapparat und Fehlen aller Erscheinungen
seitens des Myokards, sobald sich Erscheinungen von Dilatation
entwickeln.
Bezüglich der Neurosen und Psychosen bei Myomen resümiert
W. folgendermaßen:
Dass funktionelle Störungen im Zentralnervensystem, soweit
sie durch die schwächenden Einflüsse des Myoms hervorgerufen
worden sind, durch die Entfernung des Myoms beseitigt werden
können und gelegentlidh in der Indikationsstellung wohl auch den
Ausschlag geben können.
Dass Psychosen und allgemeine Neurose (Hysterie) die Er¬
klärung im begleitenden Myom nicht zu Anden pflegen und durch
Entfernung desselben nicht geheilt werden können.
Zum Schluss beantwortet Winter die Frage: „Sollen symptom¬
lose Myome operiert werden?“ folgendermassen:
Im allgemeinen ist die Frage zu verneinen. Nicht aus dem
Vorhandensein des Myoms allein, sondern aus seinen lokalen und
allgemeinen Folgezuständen heraus darf man die Indikation zur
Myomoperation herleiten. Trotzdem hält W. es für notwendig,
die Frage einer prinzipiellen Entfernung, auch ohne Symptome
imd Komplikationen subserösen Myomen, bei übermäßig grossen
Myomen, bei schnell wachsenden Myomen. Er kommt dabei zu
folgenden Schlüssen:
Prinzipiell zu entfernen, wenigstens wenn sie zirka die Grösse
eines halben Mannskopfs erreicht haben, sind subseröse Myome
mit einem höchstens handtellergrossen Stiele.
Nicht berechtigt ist die prinzipielle Entfernung eines jeden
exzessiv grossen Myoms; sie ist erst dann gerechtfertigt, wenn
Störungen im Allgemeinbefinden auftreten (Dyspnöe, Abmagerung,
Oedeme, Albuminurie).
Eine Indikation für eine prinzipielle Entfernung schnell
wachsender Myome hält W. höchstens in der Menopause für
gegebea
Eine bisher wenig gekannte Tatsache über die Kraus*) be¬
richtet, ist es, dass die Körpertemperatur durch die Menstruation
oft Schwankungen erleidet, und zwar auch bei vollkommen gesunden
Frauen, deren Genitale ohne jede krankhafte Veränderung ist.
Bei einer Anzahl gesunder Frauen zeigt die aufmerksam durch¬
geführte Temperatunnessimg eine Steigerung der Körperwärme,
die den Menses entsprechend in regelmäßigen Intervallen auftritt.
Sie erscheint wohl isochron mit der Menses, nicht aber synchron
mit denselben. Meist geht das Steigen der Temperatur der
Blutung um 1—2 Tage, seltener um eine W’oehe voraus, beträgt
gewöhnlich nur einige Zehntel und betrifft meist nur die ph 3 rsio-
logischen Maximal-, selten auch die Minimaltemperaturen.
Viel höher als unter normalen Verhältnissen steigt die Tem¬
peratur vor der Menstruation in vielen Fällen bei tuberkulösen
Frauen. Verfasser konnte nach Ausscheiden derjenigen Frauen
aus der Kalkulation, die konstant fieberten, unter seinem Material
bei zwei Dritteln dieses Verhalten konstatieren. Die Temperatur¬
steigerung fängt gewöhnlich 1 — 2 Tage vor dem Eintritt der
Blutung an, manchmal auch schon 1—2 Wo<;hen vorher, so dass be¬
reits 10—14 Tage nach der vorhergehenden Periode wieder ein
Ansteigen der Körperwärme zu konstatieren ist. Seltener ist es,
•) Wien, medic. Wochenschrift 1905, Nr. 18.
dass die Temperatur zugleich mit dem Einsetzen der Blutung
plötzlich unter Allgemeinerscheinungen in die Höhe geht.
Manchmal, besonders bei protrahierter Blutung, tritt die Tem¬
peratursteigerung erst am 1. (^er 2. Tage auf. Gewöhnlich steigt
die Temperatur langsam, treppenförmig, ohne nennenswerte Be¬
schwerden, um mit dem Eintritt der Menses entweder lytisch oder
kritisch abzufallen. Die Steigerung betrifft gewöhnlich die Tem-
peratunninima ebenso wie die Maxime und beträgt 0,6—1® und
mehr über die normale Tagestemperatur, so dass stets die höchste
Temperatur am Nachmittag aufzutreten pflegt. Die Temperatur¬
steigerung steht nicht immer im Verhältnis zur Schwere der Er¬
krankung, ja es kann sogar verkommen, dass diese periodische
Erhöhung der Eigenwärme durch lange Zeit das einzige Symptom
der beginnenden oder latenten Tuberkulose bildet, dass von dem
Arzt oder der Patientin nur durch Zufall entdeckt wird.
Verfasser betrachtet nach seinen Erfahrungen das regelmäßige
Auftreten von prämenstruellen Temperaturerscheinungen als ein
wichtiges Hilfsmittel bei der im Beginne der Tuberkulose so
schwieligen Diagnose.
Ein Thema, das bisher in den gebräuchlichen Lehr- und Hand¬
büchern recht stiefmütterlich behandelt wurde, — die Pyelo¬
nephritis gravidarum et puerperarum — behandelt E.
Opitz*; in eingehender und erschöpfender Weise. Opitz konnte
84 einschlägige Fälle aus der Literatur zusammenstellen, wobei
er das grösste Material in der französischen Literatur fand.
Vor allem wichtig ist die Tatsache, dass das Auftreten der
Nierenbeckenentzündungen in der Schwangerschaft und Wochen¬
bett eine viel grössere Bedeutung hat, als man bisher ange-
genommen hat.
Die eigentliche Ursache der Pyelonephritis gravidarum ist in
der Hamstauung zu suchen. Sie kommt zustande durch den
Druck, welchen die schwangere Gebärmutter bezw. der vorliegende
Kindsteil auf den Beckenteü des Harnleiters ausübt. Vorwiegend
ist daher auch die rechte Niere betroffen. — Berücksichtigt man
die bekannte Tatsache, dass die Cystitis in der Schwangerschaft
ein ungeheuer häufiges Vorkommnis ist, so ist der Standpunkt
berechtigt, dass die Pyelonephritis in der Schwangerschaft meist
als aufsteigende Entzündung aufzufassen ist.
Das Bakterium coli ist bisher als der weitaus am häufigsten
gefundene Krankheitskeim, als der wichtigste Erreger der Pyelo¬
nephritis in der Schwangerschaft anzusehen. Im Widerspruch
damit stehen die neuerlichen Befunde von Baisch (Tübingen), wo¬
nach eine wirkliche Entzündung, jedenfalls in der Mehrzahl der
Fälle, nur von Staphylokokken und Streptokokken erzeugt wird,
und dass das Bakterium coli nur nachträglich als Parasit hinzutritt.
Was die Prognose angeht, so ist im allgemeinen das Leben
nicht gefährdet und selbst bei schwerer Erkrankung dauernde
völlige Heilung möglich. Es bleibt jedoch in der knappen Hälfte
der Fälle eine dauernde Heilung aus. Eiter- und Eiweiss¬
ausscheidung mit dem Ham bestehen dann fort und es können
neue Nachschübe folgen. Selten führt die Erkrankung unmittelbar
zum Tode, selten auch bleibt sie in akuter Form über die Ent¬
bindung hinaus bestehen.
Während man im allgemeinen die Aussichten für die in der
Schwangerschaft erkrankten Frauen nicht als ungünstig bezeichnen
kann, befinden sich die von ihnen getragenen Kinder in weit
grösserer Gefahr. In aufiftllliger Häufigkeit wird die Schwanger¬
schaft infolge der Krankheit unterbrochen, sowohl von selbst, wie
künstlich zu Heilzwecken.
Bezüglich des Einflusses der Erkrankung auf das Wochenbett
ist zu bemerken, dass in der Tat häufig die fieberhafte Erkrankung
im Wochenbett noch weiter besteht, insbesondere bei solchen
Frauen, die bis zur Entbindung oder wenigstens nicht lange vor¬
her noch fieberten. Ist dagegen schon längere Zeit vorher das
Fieber verschwunden, so bleibt gewöhnlich audi das Wochenbett
fieberfrei. Bei den fiebernden Fällen ist das Fieber meist nur
von kurzer Dauer, nach wenigen Tagen ist die Körperwärme zur
Regel zurückgekehrt. Im übrigen ergibt sich die überraschende
Tatsache, dass das eigentliche Wochenbettfieber zu den grössten
Seltenheiten gehört.
*) Festschrift für Olshausen, Stuttgart. Ferd. Enke, 1905.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
123
Wenn nicht völlige Heilung eintritt, ist ein Rückfall der
Pyelonephritis in einer neuen Schwangerschaft mit grösster Wahr¬
scheinlichkeit zu erwarten. Es wäre daher eine erneute Konseption
wohl zu verhüten. Ist jedoch nach Ausweis des Hambefundes
völlige Heilung eingetreten, so darf man hoffen, dass ein Rückfall
ausbleiben wird.
Die typische Erkrankung mit dem plötzlichen Einsetzen hohen
Fiebers nach einem Schüttelfrost, die Hambescbwerden, die
Schmerzen in einer oder beiden Nierengegenden, der eitrige Harn,
werden die Krankheit sehr leicht richtig erkennen lassen. Die
mehr schleichend einsetzenden Erkrankungen sind erst nach ge¬
nauer Beobachtung einige Zeit hindurch, dann aber meist eben¬
falls mit grosser Sicherheit, zu diagnostizieren.
Eine aassichtsvolle Behandlung muss zunächst die eigentliche
Ursache der Erkrankung, die Harnstauung, zu beseitigen suchen;
am einfachsten durch zweckmäßige Lagerung, welche den Druck
des schwangeren Uterus auf die Harnleiter aufbebt und vielleicht
auch den Enickungswinkel beim Eintritte der Harnleiter ins Becken
verg^rössert. Dazu muss kommen gleichzeitig reichliche Ausspülung
des Hamapparates und Pembaltung aller Reize von den erkrankten
Nieren. In diesem Sinne ist auch die Regelung des Stuhlganges
von Wichtigkeit. Nach erfolgter Erschöpfung der innerlichen
Mittel ist die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft
zweifellos anzuraten.
Die Nierenoperationen bei einfacher Pyelonephritis gravidarum
können nur ausnahmsweise ernstlich in Frage kommen, treten
jedenfalls nicht in Wettbewerb mit der Einleitung der künstlichen
Entbindung. Umgekehrt hat im allgemeinen das letztgenannte
Verfahren keinen Zweck bei eitrigen Sacknieren. Hier kommt in
erster Linie ein chirurgisches Eingreifen in Betracht. R. K.
Periodische Literatur.
Münchener medfclnieche Wochenschrift. i906 No. 9.
1. Gierke, Freiburg: Das Yerhältnis zwischen Spiroohaeten
und den Organen kongenital syphilitischer Kinder.
Die Frage, ob bei der pathologisch histologischen Unter¬
suchung von Geweben sich die Spirochaeten stets nachweisen lassen,
ist einwandsfrei hente noch nicht zu bejahen, dafür sind die Befunde
noch zu gering an Zahl. Wenn auch zurzeit aus den histologischen
XJntersacbnngen die aetiologische Bedeutung der Spirochaeten noch
nicht einwandfrei sich beweisen lässt, so bilden sie doch wichtige
Stützen und von ihrer weiteren Ausführung sind bald wertvolle
Hesultate zu erwarten, da es sich herausgestellt hat, dass in For-
mol konserviertes Material noch nach Jahren die Untersuchung ge¬
stattet, und dass die Spirochaeten auch der von Levaditi ange¬
gebenen Maceration relativ lange Stand zu halten vermögen.
2. Finkelnburg, Bonn: Henrologisohe Beobacktangen and
XInterflnchnngen bei der Btlckenmarksanästkesie oiitteU Kokain
und Btovain.
Verf. hat eine Reihe von Fällen medullärer Narkose auf den
neurologischen Befund hin genau geprüft und teilt darüber seine
Beobachtungen mit. Die geübte Technik Lst folgende: dem
Patienten wird in sitzender Stellung zwischen dem ersten und
zweiten oder zweiten und dritten Lendenwirbel mit an der Spitze
kurz abgeschrägten Kanülen genau in der Medrianlinie unter mehr¬
fachem Eindringen von Liquor, 0,04 bis höchstens 0,06 Stovain unter
Zusatz voD 0,11 % Kochsalz und 0,01 % Nebennierensubstanz injiciert.
Die sich nun entwickelnden nervösen Störungen verlaufen
etwa folgendermaßen. 1. Neben Gefühlsstörungen im Bereiche
der unteren Sacralnerven findet sich als Frübsymptom eine Herab¬
setzung, bezw. ein Fehlen der Kniescheiben und Achillessehnen-
Reflexe. 2. Die sich im Verlauf von wenigen Minuten auf Unter¬
extremitäten und Rumpf ausbreitende Gefühlsstörung betrifft an¬
fangs nur Schmerzempfindung. 3. Abgesehen vom Hodenreflex ver¬
schwinden die Hautreflexe verhältnismäßig spät. 4. Als letztes setzen
Störungen der Motilität ein. Die Serosa der Bauchhöhle bleibt
meist für Zerrungen und Quetschungen recht empfindlich. Die
Dauer der Stovainwirkung schwankt in der Regel zwischen Vi und
1 Stunde, es kommt allerdings auch längeres Ändauern vor.
Das Schwinden der Anästhesie erfolgt viel langsamer als der
Eintritt. Als letztes pflegen die Reflexe wiederznkehren. Als
Nebenerscheinung ist nicht selten eine Pulsverlangsamung zu kon¬
statieren. Eine dauernde Schädigung des Nervensystems ist nie¬
mals festgestellt worden.
3. Füth, Leipzig: TTeber die hohe Mortalität der Perity-
phlitiB während der Schwangerschaft.
Alle Autoren sind sich darüber einig, dass eine Komplikation
von Perityphlitis und Gravidität sehr bedenklich ist. Nur wenige
Fälle kommen durch, gewöhnlich tritt die Unterbrechung der
Schwangerschaft ein und in den meisten Fällen der Exitus. Es
wäre die Frage zu überlegen, ob nicht die Hintanhaltung der Ge¬
burt durch Opium angezeigt erscheint. Es sind auch eine Reihe
von Fällen beobachtet, wo nach der später eingeleiteten Operation
auch noch die Frühgeburt eintrat. In Betracht kommt bei der
Operation die physiologische Verlagerung des Blinddarms und
Wurmfortsatzes durch den das kleine Becken allmählich aus¬
füllenden Uterus.
4. Koellreutter, Rostock: Die Erfolge der Dosaoltschen
Operation des Kieferhöhlenempyms.
Verf. berichtet über 66 Kieferhöhlenoperationen, welche nach
der Desault’schen Methode operiert wurden. 61 dieser Fälle sind
einwaodsfrei geheilt, 5 als ungeheilt zu betrachten. Die Gründe
für die in den letzteren Fällen nicht erreichte Heilung liegen
nicht in der Therapie, sondern in äusseren Umständen. Die Desault-
sche Operation, welche sowohl in Chloroformnarkose wie auch mit
gutem Erfolg unter Lokalanästhesie ausgeführt wurde, besteht in
folgendem:
In der Fossa canina wird über dem Alveolarrand ein die
Schleimhaut und das Periost durchtrennender Schnitt von 1 bis
1^/2 cm Länge angelegt. Schleimhaut und Periost werden zurück¬
geschoben. Jetzt wird mit einem Meisael die faciale Wand der
Kieferhöhle durchschlagen, die erhaltene Oeffpung so erweitert,
dass man das Operationsfeld überblicken kann. Hierauf entfernt
man mittels scharfen Ijöffels unter Beleuchtung mit der Stirnlampe
alle erkrankten Teile der Schleimhaut auf das Genaueste und Sorg¬
fältigste. Sodann wird die Höhle mit H 2 O 2 ausgetupft und mit
Jodoformgaze tamponiert. Zwei Tage und zwei Nächte bleibt
dieser Tampon liegen und vom dritten Tage an wird täglich die
Höhle mit abgekochtem Wasser von Körpertemperatur und NaCl-
oder H 2 02-Zuaatz ausgespult. Um die Oeffnung der Hohle frei zu
halten, wird täglich ein Gazepfropfen eingeschoben, welcher die von
anderer Seite empfohlene Prothese unnötig macht.
Nach des Verf. Erfahrungen ermöglicht die Desault’scbe Ope¬
ration eine vollkommene Uebersicht über das Operationsfeld, einen
einfachen und bequemen, allein die Heilung garantierenden Modus
der Nachbehandlung und die absolute Restitutio ad integrum in
den Beziehungen der Kieferhöhle zu Nase und Mund.
5. Vörner, Leipzig; lieber Lympkangiektomia aoricoli
(Otbaematoma Bpoiiom). .
Verf. hat einen Fall von Othaematom beobachten können,
dessen Inhalt nach der mikroskopischen und chemischen Unter¬
suchung sich als Lymphe erwies. Die Untersuchung ergab, dass
der Hohlraum mit Endothel ausgekleidet war, und der Verf. ist
daher der Ansicht, dass es sich um eine Umwandlung feiner
Lymphwege in eine Zyste handelt, und nicht wie bei den wahren
Othaematomen um einen Bluterguss. Die Geschwulst wurde incidiert
und heilte anstandslos.
6. Peters, Petersthah Die Behandlong nervöser Leiden
mit BomyvaL
Verf. hat in einer Reihe von Fällen den jetzt vielfach em¬
pfohlenen und gebräuchlichen Valeriansäure-Ester des Borneols
angewandt. Er bebt hervor, dass die Patienten das Präparat
durchweg gut vertragen, dass dasselbe jeder schädlichen Neben¬
wirkung entbehrt und bei protnhiertem Gebrauch ungemein güns¬
tige Wirkung entfalte. Der Wirkungskreis dieses Baldrianpräpa¬
rates erstreckt sich auf alle diejenigen Fälle, wo es sich um Ab¬
stumpfung einer nervösen Ueberempfindlicbkeit und die Beruhigung
einer nervösen Zone in Bezug auf ein Organ oder das gesamte
Nervensystem handelt.
Im Gegensatz zum Validol tritt die Wirkung nicht unmittel-
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124
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 11.
bar ein, sondern zeigt sich erst nach längerem Gebranch, ist dafür
aber auch anhaltender. Man kann dieselben Erfolge mit Bomyval
erzielen wie mit Brom, wird aber begreiflicherweise das unschuldige
Baldrianpräparat däm Brom vorziehen.
7. Giese, Jena: XTeber isolierte sabcatane Fissuren der
langen Eöhrenknoohen.
Verf. batte Gelegenheit, einen Fall zu beobachten, bei dem
durch Gewalteinwirkungen die Tibia eines 11jährigen Knaben
contusioniert wurde und ohne nachweisbare Fraktur eine hoch¬
gradige Empfindlichkeit bestand. Die Böntgenuntersuchung ergab
eine zwei Fünftel der Länge einnehmende Längsfissur mit daran-
schliessender Querfissur. Die Heilung erfolgte unter geeigneter
Behandlung ohne Callusbilduag. Die Diagnose ist ohne Böntgen-
untersuchung nicht zu stellen, aber nach der Ansicht des Verf.
muss man bei einem auffallenden Missverhältnis zwischen objek¬
tiven Untersuchungsbefund und subjektiven Beschwerden an eine
derartige subperiostale Fissur denken. Die Prognose ist durchaus
günstig und die Heilung geht bei Ruhigstellung des Gliedes glatt
von stotten. Es muss jedoch beachtet werden, dass eine Callus-
bildung bei diesen Fissuren nicht einzutreten pflegt, ein Punkt, der
bei der Beurteilung einer Unfallverletzung besondere Bedeutung ge¬
winnt.
8. Riedel, Rothenburg: Zur weiteren Casuistik der Baucb*
oontosion.
Ein 24 jähriger Schmiedsohn wird von einem jungen Pferd
mit beiden Hinterfüssen gegen den Unterleib geschlagen. Verf.
wird zugezogen und flndet die Symptome eines schweren abdomi¬
nalen Shoks. Er entschliesst sich noch in derselben Nacht zur
Laparotomie und findet zwei Darmrupturen, eine kleinere und eine
grössere. Dieselben werden mit Etagennähten geschlossen, die
Bauchhöhle soweit wie möglich von dem ergossenen Darminhalt be¬
freit und drainiert. Die Heilung erfolgt anstandslos. Verf. steht
auf dem Standpunkt, dass man bei denjenigen Fällen, bei denen
die Wahrscheinlichkeit einer Darmruptur vorliegt, nicht auf die
zwar mögliche, aber immerhin unsichere Selbstheilung warten
soll, sondern selbst unter erschwerenden Umständen die Laparotomie
vornehmen müsse, um die Ruptur zu nähen.
9. Burgl, Nürnberg; XTeber tötUche innere Benzinvergiftung
und insbesondere über den Sektionsbefand bei derselben.
In der Literatur sind bisher nur drei Fälle von Benzinver-
giftnng beschrieben worden. In dem vorliegenden Falle handelt
es sich um einen iVajährigen Knaben, welchem von seiner 3jährigen
Schwester in dem Glauben, es sei Wasser, Benzin zu trinken ge¬
geben wurde. Das Kind verstarb und der Verf. konnte bei der
Sektion die auch andererseits beschriebenen charakteristischen Ver¬
änderungen finden r auffallend rosarot gefärbte Herzklappen, weichsel-
rotes Blut und ausgedehnte Hämorrhagien an den Lungen.
Es handelt sich offenbar um eine Zerstörung roter Blutkörper¬
chen und eine Vergiftung des Organismus im Sinne der Kohlen¬
oxydeinwirkung.
10. Gernsheimer, Mannheim: Eine neue Inhalationsvor-
ricbtung.
ln denjenigen Krankenhäusern, in welchen sich eine Dampf¬
leitung befindet, lässt sich sehr leicht eine für die Diphtherie-
Station geeignete Inhalationsvorrichtung herstellen, und zwar in
der W^eise, dass von der Dampfleitung jedem Bett entsprechend
ein Rohr abgezweigt wird, welches mit Drosselventil versehen, die
Dämpfe mit Vio Atm. Druck dem Spray - Apparat des einzelnen
Patienten zuführt. Die ganze Bedienung besteht dann lediglich
in Nachfüllung des zu zerstäubenden Medikaments. Der Dampf
strömt in einer Temperatur von 60 bis 70® C. aus. Die Vorrich¬
tung ist mit dem Deutschen Reichs - Gebrauchsmusterschutz
Nr. 254312 versehen.
11. Hertzka, Dt. Beneschau Fingerfreies Einfödeln.
Die Bestrebung, möglichst das Nahtmaterial nicht mit dem
Finger zu berühren, hat den Verfasser veranlasst, sich eine be¬
queme Einfädelpincette zu konstruieren. Es ist eine gewöhn¬
liche Hakenpincette, die an ihren beiden Branchen ein ovales
Fenster trägt. Man fasst mit dieser den Faden und drückt die
mit dem Nadelhalter gefasste und mit Schlitzöse versehene Nadel
innerhalb der ovalen Fenster leicht auf den Faden. Die Pincette
selbst wird wie eine gewöhnliche Hakenpincette bei der Operation
weiter verwendet. Die Herstellung dieses Instmmentes hat das
Medicinische Warenhaus, A.-G., Berlin, übernommen.
12. Stüve, Osnabrück: Behrings Biphtheriesenuii und Ho¬
möopathie.
Verf. berichtet über einen recht wunderlichen Pall, der ihm
in seiner Praxis vorkam und welcher die sinnlosen Anordnungen
einiger Homöopathen recht drastisch demonstriert.
Verf. wurde zu einem vierjährigen Mädchen mit Diphtherie
gerufen. Der Allgemeinzustand schlecht, die grauen Belege auf
den Tonsillen dick, der Puls klein, 130 pro Minute. Verf. inji-
cierte 1500 Einheiten Berhingsches Serum Nr. 3. Es wird ihm
dann mitgeteilt, dass am Abend vorher die ältere Schwester der
Patientin an Diphtherie verstorben sei, welche in Behandlung
eines Homöopathen aus Osnabrück gestanden hatte. Derselbe hatte
Pulver verordnet, über die nichts Näheres zu erfahren war und
hatte, um die übrigen Kinder vor Erkankung zu wahren, Bebring-
sches Serum innerlich verordnet. In gleicher Weise waren auch
die jüngeren Geschwister der Patientin, vorläufig noch gesund,
innerlich mit Serum behandelt worden. Als am Tage darauf die
Mutter dem Homöopathen fragte, warum er das Serum nicht ein-
gespritzt hätte, äxisserte er, das sei eben Ansichtssache.
Fs bedarf keines weiteren Kommentars zu diesem Falle. Der¬
selbe zeigt nur wieder, wie bedenklich unter Umständen die unsip-
nigen AiäPassungen und Ansichten dei Homöopathen wirken können.
Deutsche medicfnfsche Wochenschrift. 1906. Nr. 8.
1. Kirchner, Berlin: Das preussiscke Seuokengescts vom
28. August 1906.
Das neue preussisrhe Seuchengesetz ist im Anschluss an das
Reichsseuchengesetz entstanden und stellt die langersehnte und
durchaus notwendige Emeuenmg des preussischen Regulativs von
1835 dar. Eine Reihe von Krankheiten, welche in diesem ent¬
halten waren sind in dem neuen Gesetz fortgefallen, weil man
dieselben nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht mehr
als infektiös auffassen kann, hierher gehören: Krätze, Kopfgrind,
Gicht, Krebs, Weichselzopf, Dagegen enthält das Gesetz Be¬
stimmungen gegen Diphtherie, epidemische Genickstarre, Kindbett-
fiebor, Bückfallfieber, Schanker und Tripper. Ferner Tuberkulose,
Fisch-, Fleisch- und Wurstvergiftiing, Nicht erwähnt sind Masern,
Pertnssis, Malaria, Influenza, teilweise weil wir die Krankheits¬
erreger nocht nicht kennen, teilweise weil die betreffenden Krank¬
heiten bei uns nicht so heimisch sind, dass eine das Publikum
immerhin belästigende rigorose Bekämpfung gerechtfertigt wäre.
Bei der Tuberkulose ist lediglich von Todesfällen an Lungen- und
Kehlkopftuberkulose die Rede. Eine sonst wohl wünschenswerte
Anzeigepflicht bei allen Fällen von Tuberkulose erschien den
legislatorischen Körperschaften eine zu grosse Belästigung der Be¬
völkerung zu sein. Im Allgemeinen ist der Einteilung des alten
Regulativs gefolgt worden. Der erste Abschnitt enthält die Be¬
stimmungen über die Anzeigepfiicht, der zweite diejenigen über
Ermittlung der Krankheit, Im dritten Abschnitt werden die
Schutzmaßregeln, im vierten Teil die Maßnahmen der Behörden,
im fünften Abschnitt die Entschädigungen abgehandelt. Der
sechste Abschnitt bespricht die Aufbringung der Kosten, der sie¬
bente Strafvorschriften und der achte Schlussbestimmungen.
2. Fraenkel, Berlin: Über die Yerbreitnngswege der
LungentuberkuloBe vom kliuisoben Standpunkt
Eine primäre haematogene Infektion kommt nur beim Foetus
während des intrauterinen Lebens bei bestehender Tuberkulose
der Placenta vor. Für kindliche Lungentuberkulosen nimmt Verf.
ein Eindringen der Krankheitskeime auf dem Wege der Lymph-
bahn als wahrscheinlichsten Infektions-Modus an. Ist einmal das
Virus in der Lunge angesiedelt, so ist auch die Möglichkeit
weiterer Ausbreitung gegeben. Die bei weitem meisten Lungen¬
tuberkulosen, von der akuten Miliartuberkulose abgesehen, sind
Aspirationstuberkulosen.
3. Miller, Berlin: Über eine scheinbar pathogene Wirkung
der Spirochaete dentium.
Die Pathogenese der Spirochaete dentium ist so gut wie gar
nicht bekannt. Verf. fand dieselbe in grosser Zahl auf der Ober-
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1906.
MBDICrniSCHB WOCHB.
125
fläche der Pulpa sowie bei diffbsea Biteniugen und cirkumskrip-
ten Abacessen im Parenchym. Kr ist daher der Ansicht, dass
die Spirochaete wohl als Ursache dieser Prozesse anzusehw sei.
4. Voltolini, Naumburg a. B : th)er einen Pall von
malignem Mediartinaltnmor mit aiueergewfthnlioli schnellem
ymrlaaf>
Verf. beobachtete bei einem 45jährigen Manne ein Lympho¬
sarkom des Mediastinum, welches in rapidem Verlauf innerhalb
8 Wochen znm Tode führte. Der Fall kann wieder als Beweis
gelten, dass Fälle von Rundzellensarkom an Malignität und
Agressivität alle anderen lymphomatösen Tumoren an Schnellig¬
keit des Wachstums übertreffen. Ja dass sie in letzterer Hinsicht
auch den Carcinomen überlegen sind, und jeder therapeutischen
Beeinflussung sich entziehen.
Berliner kllnieche Wochenschrift. i906. No. 9.
1. Heitler, Wien: Über das Zusammenfällen von Volam*
Veränderungen des Herzens mit Veränderungen des Pulses.
Verf. hat früher an Tieren Untersuchungen über die Ab-
hUogigkeit des Pulses von der Grösse des Herzens gemacht und
konnte die damals experimentell gewonnenen Resultate durch
neuerdings vorgenommene Untersuchungen am Menschen durchaus
bestätigen. Bei kleinen Pulsen grosse und bei grossen Pulsen
kleine Herzdämpfung. Diese Volumsveränderungen des Herzens
gehen ungemein schnell vor sich und lassen sich durch Kompres¬
sion von blutreichen Organen, z. B, der Leber oder der Muskeln,
von dem Röüf^enschirm leicht demonstrieren.
2. Loewenthal, Berlin: Beitrag zur Kenutnis der Spiro-
ohaeten.
Verf. hat die verschiedenen auf ulcerierenden Flächen und
ii) den Füoos vorkommenden Spirochaeten untersucht und kommt
zu der Überzeugung, dass eine Verwechslung derselben mit der
Spirochaete palllda bei einiger Kenntnis unmöglich sei. Immerhin
ist es wichtig auch diese änderen Arten zii kennen und dieselben
bewusst zu unterscheiden. Eine vom Verf. an den genannten
Objekten gefundene aussergewöhnlich kleine Art schlägt er vor
mit dem Namen Spirochaete microgyrata zu belegen. Geissein
besitzt die.se Art nicht. Die Spirochaete pallida legt .sich öfter
zu 2 oder 3 Exemplaren zusammen, es gelingt nicht selten trotz¬
dem die Geissein zur Anschauung zu bringen.
3. Mosse, Berlin: Zar Symptomatologie der Paralysis
agitans.
Verf. bat einen Fall von Paralysis ngitans bei einer 52jährigen
Frau beobachtet, welcher gewisse Besonderheiten in den Sympto¬
men darbot. Zunächst war der Fall ein auffallend schnell ver¬
laufender, innerhalb von zwei Jahren entwickelte sich ein Zustand
hochgradiger Muskelrigidität. Des weiteren zeigten die Hände
eine auffallende blaurote Verfärbung, der Gi'und liierftir ist wohl
in der bestehenden Arteriosklerose zu suchen. Schliesslich zeigte
der Kehlkopf aufiallende Erscheinungen, sowohl beim In- wie Ex-
spirium zoigeu beide Stimmbänder Zuckungen. Diese bleiben bei
dfer Phonation aus. Die Seite des Larynx ist stärker ergriffen,
auf welcher auch die Hand einen stärkeren Tremor zeigt.
4. Lilienfeld, Gross Liehterfelde: Über das neue Sohlaf-
mittel Proponal.
Pia oh er u.v. Mehring haben einen Körper als Schlaf¬
mittel empfohlen, welcher als Dipropylmalonylharnstoff bezeichnet
wird. Er steht dem Veronal (DiäthylmalonylharnstofF) sehr nahe.
Verf. hat mit dem Präparat Versuche angestelltund ist zu sehr günst¬
igen Resultaten gekommen. Die Dosis ist 0,3, wonach gewöhnlich
6—9 ständiger Schlaf eintritt. Höhere Dosen wie 0,6 .sind nicht
ratsam. Besonders gute Wirkungen konnte Verf. bei hysterischer
Agrypnie beobachten.
5. Schultz-Ze hd en, Berlin: Die Zerstörung beider Augen
eines Mensohen durch FUegenlarven.
Einen ganz ungeheuerlichen Fall konnte Verf. beobachten.
Eme 47 Jahre alte Landstreicherin wurde auf dem Felde in
völlig verwahrlostem Zustande mit unzähligen Fliegenlarven be¬
deckt aufgefunden. Beide Augen waren durch Larven der Schmeiss-
fliego vollkommen zerstört. Offenbar hatte das Insekt in die eitrig
afficierten Konjunktivalsäcke die Eier gelegt und die Larven waren
von da aus unter Zerstörung der Corhea in die Bulbi gelangt.
Die geradezu unglaubliche Indolenz dürfte durch den ziemlich
starken Alkoholismus der Pat. erklärt sein.
6. Ewald, Berlin: Blut und Blutungen bei Yerdannngs-
krankheiten.
Ueber den ersten Teil der interessanten Ausführungen hatten
wir bereits berichtet.
Was die Therapie der Magen- und Darmblutungen anlangt,
so hat Verf. von den zu innerlicher Darreichung vielfach
empfohlenen Mitteln wenig gutes gesehen. In Frage kommen
Eisenchlorid, Morphin, Secale (Extract. secol. comut. bis dralysat.),
Hydrastis, Hamamelis, Stypticin, Styptol, Adrenalin, Gelatine.
Auch von der letzteren hat Verf. keine so guten Erfolge gesehen,
dass er dieselbe als sicheres Mittel empfehlen möchte. Dagegen
hat sich ihm die Ausspülung des Magens mit Eiswasser ganz
vorzüglich bewährt. Ist die Anämie sehr stark und bedenklich,
schreitet man zur Kochsalzinfusion. Verf. bedient sich einer
7,5”/(jft, (warum nicht 9®/„o, der Ref.) Kochsalzlösung, welche in der
R^gio subclavicularis in der Quantität eines Liters etwa injiciert
wird. Die Regeneration der roten Blutkörperchen geht sehr
schnell vor sich. Operative Behandlung profuser Blutungen ist
eine unsichere Sache, weil es oft nicht gelingt die blutenden Ge-
fässe zu unterbinden.
Die Darmblutungen sind im Allgemeinen weit besser thera¬
peutisch zu beeinflussen als die Magenblutungen. Bei Hämor¬
rhoidalblutung genügt meist die Anwendung von Kälte, in Form
kalter Sitzbäder oder in das Rectum eingeschobener Eisstückchen.
Sind die Blutungen sehr profus, dann [ kann man Injektionen
von Tannin 1 —2®A oder Alaun 1—3®/o oder Plumbum aceticum
0,2—0,5®/„ und Arg. nitric. 0,5—1 und mehr pr. Cent, in An¬
wendung bringen. Boas empfiehlt Injektionen von 10 ”/q Chlor-
calciumlösung. Verf. hat gut© Erfolge von den Fascol-Kapseln
gesehen. Bei schweren Fällen bleibt die chirurgische Behandlung.
Dasselbe Verfahi*en kommt bei den hochsitzenden von den Patien¬
ten oft übersehenen Haemorrhoidalknoten in Anwendung. Bei
allen Darmblutungen ist das grösst© Gewicht auf milde Diät und
die Vermeidung jeder Kotstauung zu legen.
7. Posner, Berlin: EineLeitTorrichtungzuHitzosEystoskop.
Anknüpfend an eine in No. 8 der Deutschen medicinischen
Wochenschrift veröffentlichte Mitteilung Ringlebsüberein „Kysto-
skop“ nach Maiaonneuv’schem Prinzip, gibt Verf. eine von ihm
angegebene sehr einfache Modifikation des Nitze’schen Instruments
an. An die Lampe wird eine 8 cm lange Leitsonde angeschraubt.
Diese hindert in keiner Weise die kystoskopische Untersuchung
und ist einfach an jedem Kystoskop anzubringen. Es kommt hin¬
zu, dass der Preis ein geringer genannt werden kann. Die Vor¬
richtung wird von Louis u. H. Löwenstein, Berlin, ausgefübrt.
8. Salge, Berlin: Dia Bedeutung der Infektion für den
Neugeborenen und Sflngling.
Alle Infektionen sind beim Säugling bei weitem bedenklicher,
wie beim Erwachsenen. Der jugendliche Organismus ist eben noch
nicht so widerstandsfähig, wie der erwachsene. Die eine für In¬
fektionen besonders zugängliche Stelle ist der Nabel. Man muss
für möglichst schnelle Austrocknung des Nabelschnurrestes Sorge
tragen. Hierzu eignen sich vorzüglich Verbände mit 80—90%
Alkohol. Als Nabelbinde empfiehlt sich aseptischer Verbandstoff.
Wenn der Nabelschnurrest abgefallen ist, liegt besondere Gefahr
für eine Infektion vor. Es kann zu einem Abscess oder zur All¬
gemeininfektion auf dem L 3 nnphwege kommen. Der Abscess wird
eventuell zu spalten sein. Am wichtigsten erweist sich die Er¬
nährung mit Frauenmilch, durch diese -wird die bakterientötende
Kraft des Säuglingsblutes um das Doppelte erhöht. Die zweite
Eingangspforte ist der Mund. Verf. verwirft energisch die viel
verbreitete Sitte des Mundauswischens bei den Kindern. Dies
Verfahren führt nur zu Epithelverlusten der Mundschleimhaut und
Eröffnung neuer Infektionswege. Es kommt nur darauf an, dass
die Bedienung des Kindes sich sauber hält Der Schnupfen ist
immer etwas sehr bedenkliches für Säuglinge, leicht entsteht eine
Allgemeininfektdon. Die Diphtherie zeigt sich oft nur in der Nase
um mit Ueberspringung des Pharynx auf den Larynx überzu-
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126
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr, 11.
gehen. Bei der Purunkulose empfiehlt Verf. eine möglichst gute
Hautpflege. Bei der Eröffnung von Furunkeln ist auf das strengste
die Beschmutzung der gesunden Haut mit Eiter zu vermeiden.
Es empfehlen sich Bäder mit Kal. permanganic. oder Acid. tannic.
l®/oo. Zu Verbänden furunkulöser Partien eignet sich eine For-
maiinlösung von 1: 1000.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 9.
1. Stahr, Krakau: XTeber den Blutbefand bei der Bierschen
Stauungstherapie.
Die überraschenden Erfolge der von Bier inaugurierten Be¬
handlungsmethode haben die Frage nach der wahren Ursache an¬
geregt. Verf. hat nun versucht, der Lösung dieser Frage durch
Untersuchungen des Blutes näher zu kommen. Die eingehenden
Untersuchungen, welche sich sowohl auf Stauungen längerer, wie
kürzerer Dauer beziehen, haben dem Verf. folgendes Resultat er¬
geben. Es ist sicher, dass in dem Körperteil, welcher mit der
Stauung behandelt wird, eine lokale Leukocytose entsteht. Damit
ist aber auch der Beseitigung der Noxe Vorschub geleistet.
2. Dorf, Klein-Mohrau; Kasuistisoher Beitrag zui Kenntnis
der Oeburtsverletzungen des Neugeborenen.
Verf. wurde wegen der Verletzung eines Neugeborenen von
der Hebamme gerufen. Er fand ein ausgetragenes lebendes männ¬
liches Kind mit einer fast den ganzen Schädel von Augenwinkel
zu Augenwinkel umkreisenden Hautwunde der Kopfhaut, deren
Ränder mehrere Zentimeter klafften. Nachforschungen ergaben,
dass die Mutter und der Vater von dem Eintritt der Geburt ohne
Beisein der Hebamme überrascht wurden und, dass die Mutter
des Vaters, zur Hilfe herbeigeholt, in dem Glauben, die Fruchtblase
liege vor, mit einer Scheere in die Kopfhaut einen Einschnitt
machte, welcdier dann während der Geburt zu der angegebenen
Grösse weiterriss. Die Heilung erfolgte unter Naht anstandslos.
3. Riedl, Bad-Ullersdorf: Zur Starrkrampfserombehandluug.
Verf. bekam einen Fall von Tetanus in Behandlung, welcher
nach einer komplizierten Fraktur des Radius entstanden war. Erst
als die Starrkrampferscheinungen auf der Höhe waren, konnte
Serum intraspinal gegeben werden. Trotzdem gelang es mit hohen
Dosen voUkommene Heilung zu erzielen. Bemerkenswert war hier
eine etwa 18 Tage währende Inkubationszeit.
4. Knotz, Wien: Ein Fall von Doppelbildung des weib¬
lichen Genitales.
Verf. fand bei einer 27jährigen multipara gelegentlich einer
Genitalinspektion eine Doppelbildung der Scheide. Beide vaginae
waren durch ein derhes Septum getrennt. Beide Scheiden normal
lang trugen je eine Portio. Die eine entsprach einer multipara,
die andere einer nuUipara. Die Adnexe sind auf der linken virgi-
nellen Seite nur undeutlich zu' fühlen, rechts normal. Die Sonden¬
untersuchung ergibt zwei gleichgrosse Uterusräume. Operativ wird
das Septxim entfernt. Heilung per primam.
Vermischtes.
Berlin. Das 25jährige Stiftungsfest des Vereins für
innere Medioin, über dessen wissenschaftlichen Teil bereits
unter der Rubrik „Sitzungsberichte“ näheres zu finden ist, hat am
22. d. M. in einem glänzend verlaufenen Festmahl seinen Abschluss
gefunden. Herr v. Leyden präsidierte und sprach nach dem
Kaisertoast auf das weitere Gedeihen des Vereins und seine Gäste,
Herr Kraus brachte in schwungvollen Worten die Gesundheit
des Ehrenvorsitzenden aus, Herr Schwalbe diejenige des Gesamt¬
vorstandes; namens der Gäste erwiderte Hen* Rubner. Als Er¬
innerungsgaben wurden den Teilnehmern ein Porträt Leyden’s
sowie seitens der Verlagsbuchhandlung von Thieme ein Festbüch-
lein überreicht, welches das Protokoll des Stiftungstages und die
beim ersten Stiftungsfest gehaltenen Reden von Frerichs und
Leyden enthält.
Hochschulnachrichten.
Erlangen. Prof. Denker bat den an ihn ergangenen Ruf
als ordentlicher Professor für Ohrenheilkunde an der Akademie für
praktische Medicin in Köln abgelehnt, nachdem er vom bayerischen
Kultusministerium zum ordentlichen Professor ernannt wurde.
Kiel. Dem a. o. Professor der Chirurgie, Dr, Petersen,
wurde der Charakter als Geheimer Medicinalrat verliehen. — Dem
Marineoberstabsarzt Dr. med. Rüge, seit 1902 Privatdozent für
geschichtliche und geographische Pathologie an der Universität Kiel,
wurde vom Kultusminister der Professortitel verliehen.
Köln. Privatdozent Dr. Füth-Leipzig, wurde zum leitenden
Arzt der neu geschaffenen gynäkologischen Abteilung am Bürger¬
hospital berufen und zugleich zum Professor für Gynäkologie an
der Akademie für praktische Medicin. Geh. Bat Fritsch-Bonn
verbleibt unverändert Mitglied des Kuratorinras und des akademi¬
schen Rates. Prof. Dr. Aschaffenburg wurde zum leitenden
Arzt der 2. psychiatrischen Abteilung ernannt.
Marburg. Der Oberarzt der chirurgischen Universitätsklinik,
Prof. Dr. Wendel, ist als dirigierender Arzt der chirurgischen
Abteilung an das städtische Krankenhaus Magdeburg-Sudenburg
berufen.
Patentnachrichten.
Gebrauchsmuster.
263320. Vorrichtung zum Einatmen flüchtiger Stoffe mit zwei oben
angeordneten Nasenstilckon und unten angebrachter Luftzutrittsüffnuog.
Garontal-Ges. m. b. H., Dresden.
26369S. Äufhängbare Vorrichtung zur aromatischen Desinfektion von
Zimmern usw. mittels oingefügten Desinfektionskörpers. Minerva Patent¬
verwertung und Oheni. techn. Laboratorium G. m. b. H., Strassbarg i. E.
263 20C. Irrigator, bei welchem die flache Seite und der Boden behufs
Versteifung mit einer Vertiefung versehen sind. Emil Franke, Berlin.
Mltiellnng ober ein nenes Kocbgescblrr.
Wohl keine Frage ist in neuerer Zeit neben der Krebsfrage von chirur¬
gischer Seite so häufig ventiliert worden, als die Frage der Operation von
Blinddarm- und WurmfortsutzontzUndung. Denn höchst auflällig bat sich
I im letzten Jahrzont die Zahl der Perityphlitiden gehäuft, und es ist schlechter¬
dings nicht etwa Lust am Laparatomioren, die den hoben Prozentsatz der
Blinddarmoperationen gebracht hat, ganz abgesehen von den vielen auf
roedicinischem Wege geheilten und den tütlich endenden Fällen: es ist und
bleibt die Blinddarm-Gegend eine getährliche Partie und die Behandlung
ihrer Entzündungen ein vielumstrittenes Kapitel.
So ist z. B. schon die Aetiologie viel erörtert worden, und man hat
mit Recht nach verschiedenen kUnstltebcn Anlässen dazu gesucht. Da bei
uns nun der Nahrungsmittelvorfälschung sehr entgegengotreten wird, so ist
kaum mit dor eigentlichen Nahrung eine solche Darmveränderung anzu-
nehmen. Wohl aber können es die Begleiter der Nahrung sein, die den am
meisten empfindlichen Ort des Dannkanalos reizen und die Blinddarmgegend
teils chemisch oder mechanisch schädigen. Schon mancher Operateur, der
die grossen V'erwüstungen und andrerseits die feinen Läsionen dor Darm¬
wand, namentlich am kleinen Wurmfortsatz sah, hat an staubförmige und
körnige Reibung der Schleimhaut gedacht. Eine solche Reibung und ^izung
könnte leicht vermutet werden in den vielen kleinen Partikeln, die tagtäglich
im Kochtopf sich abstossen und der Nahrung heim Rühren, BcuUtteln,
Schwenken u.s. w. sieb beimengen. Die meiste Gelegenheit fUr solches
Abbröckeln giebt das überall käufliche Emaillegeschirr.
Wir wissen, die Qualitäten und Preise solcher Geschirre sind recht ver¬
schieden ; gute Emaille kostet in einem Litertopfe etwa 3 M. und im Waaren-
haus oder Bazar kauft man ebensolche Grössen für 30 Pfennige. Wie kann
solche Waaro so unterschiedlich im Preise sein!? Nur darum weil die
Emaille hoi den billigen Bazar-Töpfon sich schon nach 8 -Tagen abstösst.
Die Gefahren, die gerade mit solchen für den Haushalt unentbehrlich gewor¬
denen Emaillegcscbirr entstehen, sind zweifellos noch nicht genügend gewürdigt.
Dass jedenfalls die tausend und Abertausend kleinen Splitter nicht belanglos
für den Darm sind, zumal sie meist sehr scharfkantig sind, das dürfte wohl
auf der Hund liegen.
Es ist daher mit Freude zn begrUssen, wenn die Industrie dies Ein¬
sehen benutzt, um den weiteren Gefahren dor als Durchschnittsware in
den Handel kuuimenden Emaille zu steuern. Eine .solche hygienische Neu¬
erung von weittragender Bedeutung ist das Stahl-Aluminium-Koch* und
KUchcngeschirr (Alexanderwerk). Da.s Patent-Stahlaluminium-Eochgcschiir
ist ein Eisengeschirr, aber es hat statt der Emaille einen dauerhaften in der
Glühhitze autgeschweisston Aluminium-Ueberzug. Dieser Ueborzug hat eine
ganz andere Widerstandsfähigkeit wie Emaille, derselbe hält Schlag und
Stoss ohne weiteres aus, ebenso ist er gegenüber dem stärksten Hordfeuer
unempfindlich, ganz gleich ob sich darin Speisen befinden oder nicht. Dor
Preis ist daher auch für alle zu erschwingen, da dies Geschirr an sich nicht
hoch im Preis ist und eine längere Haltbarkeit besitzt. A. R.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Metisuer, BerlinW. 69, Kurfaratenttr. 81. — Verlag ron Carl Harhold, Halle a. S.
Druck «OB der Heyneataaa’ichen Buebdruekerei, Gebr Wolff, Hall« a. S
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Medicinische Woche
Deatsebmann, A. DQhrssen. A. Hoffa* E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br.
H. Seaator, R. Sommer,
Berlin. Qlessen.
Verlag und Expedition
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TeL-Adr.: Marhold Vertag Hailesaale. Fernsprecher 2834.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppeo, K. Parfsch, H. Rosin, H. Schlange,
Roatoclc. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerrkbt, A. Vosslns,
Magdebufg. Glessen.
Redaktion:
Berlin W* 62« Knrfflrataistrasee 81*
Dr. P. Meißner.
Vn. Jahi^ang.
19. März 1906.
Nr. 12.
Die .Med Iclnlschc Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOglSChe CentralzeitUng, Organ des Allgemeinen Deutschen
BSderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Die diagnostische Bedeutung des Tuberkulins
nach den neuesten Erfahrungen.
Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld.
Das Interesse der Aerzte wendet sich in den letzten Jahren
entschieden wieder mehr den Koch’schen Tuberkulin-Präparaten
zu, sei es zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken.
Soweit die diagnostische Anwendung in Frage kommt, sind
es zunächst w(ml die zweifellosen Erfofge in der Tierheil¬
kunde gewesen, welche den diagnostischen Wert des
Tuberkulins immer von neuem bestätigten. Auf dem 3. tier¬
ärztlichen Kongreß wurde allseitig festgestellt, daß Tuberkulin
das beste bisher bekannte Mittel zur Erkennung der Tier¬
tuberkulose sei. Voges hatte unter 7327 Fällen nur 2,7%
Fehlerfolge; Nocard hat 124 Tiere mit positiver Reaktion
secirt, 123 hatten deutliche Zeichen von Tuberkulose. Weiter¬
hin drang immer mehr die Erkenntnis durch, daß bei
sachgemäßer und vorsichtiger Anwendung nur geringe und
vorübergehende Nebenwirkungen auftreten, daß schwere Zu¬
fälle sich nur ganz ausnahmsweise ereignen, und fast stets,
wenn sie überhaupt dem Mittel zur Last zu legen sind, auf
fehlerhafter Anwendung beruhen. Seit man erkannte, daß die
moderne hygienisch-diätetische Behandlung der Tuberkulose in
Volksheilstätten und Sanatorien die besten Erfolge bei möglichst
frühzeitiger Behandlung versprach, mußte es ungemein wichtig
sein, ein sicheres Mittel zur Diagnose der frünesten Stadien
der Tuberkulose zu besitzen. Aus den zahlreichen Ver¬
öffentlichungen der letzten Jahre aus Volkslungenheilstätten
und den Remen der praktischen Aerzte scheint der diagnostische
Wert des Tuberkulins für die Frühdiagnose der Tuberkulose
nun immer sicherer hervorzugehen. Auch jetzt noch halten
die meisten Aerzte, insbesondere auch die meisten Heilstätten¬
ärzte die Ergebnisse der Krankengeschichte und die klinische
Untersuchung für ausschlaggebend bei der Diagnosenstellung,
aber es mehren sich immer mehr die Stimmen derer, welche
f erade für den ersten Beginn der Krankheit das Tuber-
ulin als wichtiges diagnostisches Hülfsmittel nicht mehr ent¬
behren wollen. Einige Landesversicherungsanstalten haben
bereits Beobachtungsstationen eingerichtet, in denen diejenigen
Kranken, bei welchen die Diagnose nach den klinischen Er¬
fahrungen zweifelhaft ist, vermittelst des Tuberkulins be¬
obachtet werden.
Bereits in seinen ersten Veröffentlichungen unterschied
Koch die diagnostisch verwertbaren und die therapeutischen
Wirkungen des Tuberkulins. Diagnostisch verwertbar ist vor
allem die Tatsache, daß tuberkulös infizierte Individuen sehr
viel empfindlicher gegen die toxischen Wirkungen dos Tuber¬
kulins sind als gesunde. Nach Petrusehky lösen bei tuber¬
kulösen Menschen bereits Tuberkulin-Dosen, die zwischen ein
Decimilligramm und ein Centigramm Tuberkulm liegen, deut¬
liche, ja starke toxische Wirkungen aus, während ganz gesunde
Menschen gegen diese und selbst wesentlich höhere Dosen
völlig unempfindlich sind. Immerhin ist bei Tuberkulösen und
anscheinend auch bei Gesunden die Empfindlichkeit gegenüber
dem Tuberkulin individuell sehr verschieden.
Die Technik der probatorischen Tuberkulin-Einspritzung
wird sehr verschieden angegeben. Da das Tuberkulin zweifel¬
los ein ungemein differentes Mittel ist, und in keinem Falle
sich von vorn herein absehen lässt, wie stark die Reaktion
auftreten wird, so ist es unbedingt erforderlich, bestimmte
Vorsichtsmaßregeln zu beobachten. Die erste Voraussetzung
ist stets völlige Fieberlosigkeit vor dein Beginn der
Prüfung bei mehrtägiger Temperaturmessung. Nach Petruschky
genügt es, die „in^viduelle Kurve“ des zu Prüfenden durch
mehrtägige, 2—3 stündlich vorgenommene Messungen festzu¬
legen. Wird 37,5 bei Mundmessung, 37,2 bei Achselmessung,
37,8 bei Mastdarmmessung nicht überschritten, und übersteigt
die Differenz zwischen der niedrigsten und höchsten Temperatur
1®C nicht, so kann die Kurve im Allgemeinen als normal
gelten. Ist die Differenz größer, so muß die Prüfung entweder
vermieden oder nur mit großer Vorsicht, bei Bettlage vor¬
genommen werden (Petruschky). Auch Götsch empfiehlt
nach der Injektion Bettruhe. Eine genaue Temperatur¬
bestimmung vor der Prüfung ist natürlich ganz besonders
wichtig bei ambulanter Behandlung, die bei Personen mit
völlig normaler Temperatur nach vielfachen Erfahrungen ohne
Bedenken zulässig ist.
Ein zweiter wichtiger Umstand ist das Allgemein¬
befinden. Kranke mit schlechtem Allgemeinzustand, un¬
regelmäßiger Temperaturkurve oder deutlichem Fieber dürfen
der probatorischen Einspritzung auf keinen Fall unterworfen
werden.
Die Anfangsdosis muß jedenfalls so niedrig genommen
werden, daß eine starke Reaktion nicht zu erwarten ist.
Ganz besonders gilt das von frischen Tuberkulosen, z. B. ge¬
schlossenen Lungentuberkulosen. Denn diese Fälle reagieren
oft schon auf kleinste Dosen heftig, während geheilte Fälle
und andererseits oft auch vorgeschrittene Lungenphtisen nicht
mehr oder nur schwach reagieren. Nach Neisser sind frische
und geschlossene Lungentuberkulosen auf mehrfach wieder¬
holte, rasch gesteigerte kleine Dosen besonders empfindlich.
Dagegen steht Löwenstein’s Ansicht vereinzelt da, dass
• allerdings ein Zusammenhang zwischen Krankheitsstadium und
Reaktionsdosis bestehe, dass aber mit fortschreitendem Krank-
heitsprocess die Höhe der Reaktionsdosis sinke, Leicbtkranke
demnach im Durchschnitt auf eine höhere, Schwerkranke auf
eine geringere Dosis reagierten. Jedenfalls muss die Dosierung
viel vorsichtiger vorgenomraen werden, als es in der ersten
•Zeit der Tuberkulinanwendung gebräuchlich war; starke
Reaktionen sollen unter ^allen Umständen vermieden werden.
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128
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 12.
Man beginnt daher am besten mit ein Dezimilligramm. Die
Einspritzunjgen werden unter aseptischen Eautelen am besten
in der Zwischenschulterblattgegend vorgenommen. Unbedingt
notwendig ist eine derartig kleine Änfangsdosis bei poli¬
klinischer Behandlung. Die Vorteile dieses Vorgehens sind
nach Petruschky folgende: Tritt schon bei 0,1 mgr. eine deut¬
liche Reaktion auf, so setzt man die Kranken nicht der un¬
vorteilhaften, unter Umständen gefährlichen Wirkung einer
starken, ev. allzustarken Reaktion aus. Tritt dagegen nach
0,1 noch keine Reaktion auf, so dient die Dosis zugleich
als „Kontrollinjektion“, d. h. sie entscheidet die Frage, ob der
Akt der Injektion an sich bei dem zu Prüfenden Fieber und
Schmerzen auszulösen im Stande ist, wie es Fürst u. A. hei
Hysterischen beobachteten. Ueherhaupt wird von verschiedenen
Seiten empfohlen, sowohl bei der diagnostischen wie bei der
therapeutischen Anwendung des Tuberkulins von Zeit zu Zeit
eine injectio vacua zu machen, um zu sehen, ob nicht das
suggestive Moment massgebend ist für das Auftreten eines
FieWs. Denn nach Köhler’s Untersuchungen sind die
Tuberkulösen hinsichtlich ihrer Temperatur eigentümlich
suggestiv beeinflussbar, und ans diesen suggestiven Temperatur¬
steigerungen kann leicht eine Fehlerquelle für die Annahme
einer positiven oder negativen Reaktion entstehen. Eine Reihe
von Autoren empfehlen nnn bedeutend höhere Anfangsdosen,
nämlich 1—10 mgr., White z. B. aus dem Grunde,’'weil nach
dem Gebrauche von sehr viel kleineren, allmählich gesteigerten
Dosen eine Gewöhnung eintreten könne, und daher dann keine
sichere Reaktion mehr zu Stande komme. Eine derartige Ge¬
wöhnung kommt jedoch anscheinend nur selten vor, viel
häuflger vielmehr ein kumulativer Effekt. Daher benutzen
Spengler, Petruschky u. A. die erste, scheinbar un¬
wirksame , kleinste Dosis, (0,1 mgr.) geradezu als „Vorreiz“.
Sie bewirkt bereits eine vermehrte Blutzufuhr zu den er¬
krankten Geweben, durch welche diese für die nächste In¬
jektion empfindlicher werden. Diese zweite Einspritzung ver¬
mag daher den vollen Symptomenkomplex d!er Reaktion
bereits mit einer Dosis auszulösen, welche, an erster Stelle
gegeben, noch keine deutliche Reaktion bewirkt haben würde.
Bei Kindern gilt im Allgemeinen mgr. als Norm
für die Anfangsdosis.
Fast allgemein wird die probatorische Tuberkulin¬
anwendung heutzutage nicht mit einer einzigen Injektion,
sondern mittels einer Reihe von solchen ausgeführt; hierdurch
werden einerseits unangenehme Nebenwirkungen durch zu
starke Reaktionen am sicherst^ vermieden, andrerseits ist das
diagnostische Ergebnis ein viel sichereres und beweiskräftigeres.
Feuilleton.
Über Verhütung der Tuberkulose
(Schwindsucht).
Von Prof. Dr. P, Kraus-Berlin.
(Fortsetzung.)
Im übrigen ist hinsichtlich der Kinderpflege zu sagen, dass
alles, was die Gesundheitslehre inbezug auf Ernährung, auf
möglichst oftmaligen und langdauemden Genuss frischer Luft,
die Beeidung und die Hautpflege, die Reinlichkeit predigt,
gerade im jugendlichen Alter mr die allgemeine Kräftigung
des Körpers und speziell auch für die konstitutionelle Wider¬
standsfähigkeit gegenüber der Tuberkulose besonders wichtig
ist, wenn auch dur^ ihre strenge Befolgung allein die ererbte Dis¬
position zur Tuberkulose vielleicht nicht ganz beseitigt oder
die Erwerbung der Empfänglichkeit nicht absolut verhindert wird.
Die zuträglichste Nahrung für Kinder stellt hier wie über¬
all die Milch dar. Dies bringt mich auf den Gesichtspunkt
der Beschränkung der Tuberkuloseansteckung durch bazillen¬
haltige Nahningsstoffe überhaupt. Hinsichtlich der Beziehungen
zwischen Menschen- und Tiertuberkulose herrscht dermalen
unter den Aerzten ein noch nicht ganz geschlichteten Meinungs¬
streit Es ist allerdings keinem Zweifel mehr unterworfen, dass
Die gewöhnliche Dosenfolge, fortgesetzt bis zum Eintritt einer
Reaktion, ist folgende: 0,1 mgr., 0,5 mgr., 2, 5, 10—20 mgr.
Wolff steigert bei ambulanter Anwendung folgendermassen;
Vio nigr., */irt oder ®/io mgr., je nach der mehr oder weniger
kräftigen Konstitution des Kranken, dann bis 10 mgr. Ge¬
wöhnlich gelten 10 mgr. als Maximaldosis für Erwachsene,
6 mgr. für Kinder. Jedenfalls reicht es nicht aus, bei Er¬
wachsenen auf 5 mgr. stehen zu bleiben, wie Einzelne es
wollen, erst nach 2 10 mgr. kann in einzelnen Fällen noch
eine t^ische Reaktion auftreten (Kremser). Zwischen den
einzelnen Injektionen liegen am besten 1—2 injektionsfreie
Tage, an denen die Temperatur sorgfältig, am besten 2—3
stündlich, beobachtet wird. Es ist jedenfalls falsch, zu grosse
Pausen zwischen den einzelnen Einspritzungen zu machen, und
die Dosis zu langsam zu steigern; man begibt sich dann des
wichtigen kumulativen Effekts des Mittels, und bei zu langsam
gesteigerten Dosen tritt unter Umständen sehr rasch eine
steigende „Immunisirung“ ein, sodass dann leicht überhaupt
keine Reaktion mehr zu stände kommt. Ist die Maximaldosis
von etwa 10 mgr. ohne Reaktion erreicht, so kann man, um
sicher zu gehen, sie nochmals wiederholen (Wolfi). Anderer¬
seits wiederholt Petruschky bei eingetretener Reaktion, um
aus besonderen Gründen jeden Zweifel auszuschliessen, bei
kräftigen Patienten 3—5 Tage nach Ablauf der Reaktion die
gleiche Dosis; es pflegt dann eine noch stärkere Reaktion zu
erfolgen; dabei ist gewöhnlich die örtliche Reaktion an der
Stelle der Einspritzung geringer als bei der ersten Reaktion,
die allgemeine Äbgeschlagenheit aber eher grosser. Kremser
verlangt zum Beweise, dass keine Reaktion eintreten wird, dass
die Temperatur nach mindestens 20 mgr. sich nicht über
0,5 ®C. gegen die höchste Tagesmessung vor der Impfung
erhebt.
Für diagnostische Zwecke scheint das Alttuberkulin vor¬
zuziehen zu sein. Es wurde fast ausschliesslich verwendet.
Pickert u. A. hatten den Eindruck, dass die Qualität des
Neutuberkulins keine gleichmässige ist, es empfiehlt sich also,
besonders wenn die Dosen höher werden, den Inhalt ver¬
schiedener Fläschchen zu mischen.
Freymuth suchte, da die subkutanen Einspritzungen in
der allgemeinen Praxis ihm unbequem erschienen, und auch
von manchen Patienten unangenehm empfunden wurden, nach
einer bequemeren Einverleibung und fand, dass Koch’s An¬
sicht, das Tuberkulin sei vom Magen aus unwirksam, nicht
zutreffe. T. R. löste nach seinen Versuchen unter Umständen
bei Tuberkulösen dieselbe Reaktion wie bei subkutaner An¬
wendung auch dann aus, wenn er es in keratinierten Pillen
die Bazillen der menschlichen Tuberkulose die Hauptoefahr
für den Menschen bilden. Da als einzige Quelle für ^esen
Bazillus der tuberkulöseMenschin Betracht kommt, haben auch bei
diesem Typus in erster Linie unsere Maßnahmen gegen die
Weiterverbreitung der Tuberkulose einzusetzen. AlDer ganz
gewiss sind auch die Bazillen der Rindertuberkulose nicht ohne
Gefahr für den Menschen, namentlich aber gerade in den ersten
Lebensjahren. Wie hoch diese Gefahr einzuschätzen ist, da¬
rüber werden erst fortgesetzte wissenschaftliche Untersuchungen
volle Klarheit bringen. Aber was wir schon wissen, berech¬
tigt und verpflichtet uns, die Vorsichtsmaßregeln, welche in
der Praxis der Tuberkulosebekämpfung bereits gebraucht werden,
festzuhalten bezw. fortzufaliren, Maßregeln gegen die Möglich¬
keit der Infektion des Menschen durch Tiere zu ergreifen.
Obzwar wir also die Säuglingsmilch nicht als Hauptgnmd der
Schwindsuchtsentstehung gelten lassen können, obzwar wir
nicht glauben, dass eine allgemeine Durchseuchung der Be¬
völkerung mit Tuberkulose ausschliesslich in frühester Jugend
stattfindet, und wir auch nicht zugeben, dass ein bazillen-
hustender Tuberkulöser nur für Säuglinge, welche durch Ver¬
schlucken des Staubes und der Tröpfchen des Auswurfs ledig¬
lich vom Darm her angesteckt würden, gefährlich ist, stellen
doch auch wir für die Praxis der Tuberkulosebekämpfung den
Gesichtspunkt auf, dass für die Ernährung der Kinder um jeden
Preis tuherkelbazillonfreie Milch zu verschaffen ist, und dass
vor allem von den Milclikindem hustende Phthisiker femzu-
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1906.
MBDIGINISCHB WOGHB.
129
S er 06 gab. Die Magensäure wird zweckmässig vorher durch
^a. bicarb abgestumpft. Die Dosis muss im Allgemeinen viel
höher sein als bei subkutaner Anwendung, für diagnostische
Zwecke durchschnittlich 10 — 30 mgr.
Der Symptomenkomplex der toxischen Wirkungen
einer Tuberkalineinspritzung bei Tubeikulösen, also die sog.
positive Reaktion setzt sich bekanntlich aus einer Reihe
von Erscheinungen zusammen, von denen die konstanteste eine
Temperatursteigerung ist. Die Höhe derselben und die
Intensität der Reaktion überhaupt ist nicht nur von der Höhe
der Dosis, sondern auch von der Widerstandsfähigkeit des In¬
dividuums und dem Grade der Erkrankung abhängig. Da der
Allgemeinzustand eine grosse Rolle spielt, muss man z. B. bei
Rekonvalescenten von ^ut fieberhaften Krankheiten mit der
diagnostischen Verwertung einer einmaligen Reaktion sehr
vorsichtig sein (Burghart). Die Kranken pflegen im All¬
gemeinen um so rascher und intensiver zu reagieren, je frischer
die Erkrankung ist, umgekehrt erst viel später, auf viel höhere
Dosen, mit relativ kleiner Reaktion und mässigem Fieber, je
älter die Erkrankung ist (Kremser). Die Körper¬
temperatur steigt na^ 6—24 Stunden (meist wohl um die
8 .—12. Stunde nach der Einspritzung), um einige Zehntel bis
zu mehreren Graden, je nach der Höhe der Dosis und der
individuellen Empfindlichkeit. Als typisch wird von den
meisten Autoren der steile Aufstieg der Temperatur und der
ebenso steile Abfall am gleichen oder 2. Tage, seltener erst
am 3. Tage nach der Einspritzung angesehen, während die
Höhe des Fiebers viel weniger maßgebend ist. Immerhin
kommen zahlreiche Verschiedenheiten in der Temperaturkurve
vor. Nach Frazier steigt die Temperatur meist allmählich,
erreicht ihren Höhepunkt im Durchschnitt nach 22 Stunden,
bleibt einige Stunden auf -der Höhe und kehrt innerhalb
23 Stunden zur Norm zurück. Auch nach Petruschky
findet ein allmählicher Abfall innerhalb 1 bis 2 Tagen
zur Norm oder unter dieselbe statt. P. beobachtete
Temperaturkurven entweder in der Form eines einfachen
Hügels (eintägige Reaktion) oder eines doppelgipfeiigen Hügels
(geringere „Na«mreaktion“ am nächstfolgenden Tag). Die Nei-
ung zu subnormalen Temperaturen nach Abfall des Fiebers
leibt in einzelnen Fällen längere Zeit bestehen, sodass vorher
fiebernde Kranke entfiebert werden. Röpke z. B. beobachtete
bei Kranken, welche bei zweifelhaftem Lungenbefunde leichtes
Fieber hatten, welches trotz Bettruhe anhielt, dass nach einer
kräftigen diagnostischen Reaktion die Temperatur dauernd
normal wurde. Dauert das Fieber nach der Reaktion aus¬
nahmsweise noch einige Tage länger, so liegt nach'
halten sind. Gegen die Kinderernährung mit Formalinmilch
müssen wir uns entschieden wenden. Der Zusatz von Formalin
selbst in kleinsten Mengen ist für eine dauernde Ernährung
der Säuglinge nichts Gleichgiltiges: Verdauungsstörungen, Ver¬
schlechterung des Fett- und des Phosphorersatzes sind die
Folge davon, auch erscheinen die Nieren gefährdet. Endlich
bildet der Foimalinzusatz keinen Ersatz für das Kochen der
Milch. Durch das Kochen haben wir bisher eine ganze Reihe
von in der Milch enthaltenen krankheitserzeugenden Mikro¬
organismen abgewehrt, ferner haben wir durch Kochen und
nachheriges Kühlhalten die zum Teil giftigen Fäulniserreger
abgetöiet. Das Kochen der Milch hat sich sonach als ein un¬
entbehrliches und vorzügliches Mittel erwiesen, um den von
der Kuhmilch drohenden Gefahren zu begegnen. Bezüglich
der Säuglingsemährung bleiben wir wohl so lange bei der
(nicht zu lange) gekochten Milch stehen, bis Herrn v. Behring
sein hohes Ziel, welches die ärztliche und die Laienwelt mit
gespanntem Interesse im Auge behält, die Immunisierung der
Rinderherden, gelungen sein wird. v. Behring hofft durch sein
Verfahren den Kühen (durch aktive Immunisierung) soviel
Tuberkuloseschutzstoffe zuzuführen, dass eine zum Schutz (zur
passiven Immunisierung) von Kindern genügende Menge der¬
selben in die Milch übergeht.
Eine besondere Bedeutung für die Tuberkulosebekämpfung
im Kindesalter könnte auch die fortschreitende Einführung von
Schulärzten erlangen. Durch dieselben müssten den bedürf-
Petruschky, Kremser u. A. niemals eine reine Tuberkulin¬
wirkung vor, sondern es wirken dann noch andere Ursachen
mit: sekundäre Infektionen, leichte intercurrente Erkrankungen
(Zahngeschwür, Angina, Influenza etc.). Durch sorgfältige vor¬
herige Beobachtung des zu Prüfenden ist ein solches Zu¬
sammentreffen zu vermeiden.
Auch Frazier sah öfters, dass schwere Reaktionen mit
starker Störung des Allgemeinbefindens durch gleichzeitige
Gastrointestinalerkrankungen vorgetäuscht wurden. Ist man
in solchen Fällen in Zweifel, ob nur eine scheinbare Re¬
aktion vorliegt, die in Wirklichkeit nicht auf das Tuberkulin,
sondern auf die interkurrente Erkrankung zurückzuführen ist,
oder ob ein zufälliges Zusammentreffen von Tuberknlinfieber
und Fieber durch eine interkurrente Erkrankung vorhanden
ist, so muss natürlich nach Ablauf letzterer die Prüfung
wiederholt werden. Bei solchen scheinbaren Reaktionen
kommt es auch vor, dass einerseits das Fieber schon wenige
Stunden nach der Einspritzung, also für Tuberkulinwirkung
zu schnell, ev. auch zu heftig eintritt, andererseits zu spät,
erst nach der typischen Reaktionszeit, oder auch so, dass der
erste Fiebertag mild, der nächste erst heftiger ausfällt.
Zu der Temperatursteigerung kommt nun während der
Dauer einer deutlichen Reaktion in den meisten Fällen eine
Störung des Allgemeinbefindens, ähnlich der bei einer
Influenza: Kopfschmerzen, Abgeschla^nheit, Appetitlosigkeit,
manchmal auch Nausea, Schmerzen im Rücken und in den
Gliedern, Schlaflosigkeit, in einzelnen Fällen ausgesprochene
Depression. Alle diese Erscheinungen werden bei vorsichtiger
Dosierung fast niemals schwerwiegend; bei Reaktionen geringeren
Grades kann auch leichtes Fieber ohne Störung des All¬
gemeinbefindens auftreten, jedoch wird diese „milde Form der
Keaktion“, wenn nicht gleichzeitig eine Örtliche Reaktion nach¬
weisbar ist, von vielen Autoren als nicht beweisend angesehen.
Den dritten wichtigen Faktor im Symptomenkomplex der
Tuberkulin-Reaktion bißen die örtlichen Veränderungen
am Krankheitssitze. Sie sind durch eine 6—48 Stunden
nach der Injektion auftretende aktive Hyperaemie des tuber¬
kulösen Herdes, eine vermehrte Vaskularisation der Tuberkel
bedingt; bei stärkerer Reaktion kommt es zu Entzündungs¬
erscheinungen, aus der chronischen Entzündung wird eine m^r
akute; es können schliesslich degenerative Veränderungen im
tuberkulösen Gewebe und eine teilweise Nekrose desselben ein-
treten. Klinisch äussern sieb diese Veränderungen am dent-
lichsten bei sichtbaren tuberkulösen Herden, z. B. beim Lupus.
Auch bei der Gelenk- und Knochentuberkulose wird, wenn
auch nicht immer, eine vermehrte Schwellung und Schmerz-
tigen Kindern die bestehenden und geeigneten Wohlfahrtsein¬
richtungen, wie z. B. Ferienkolonien, ^nderheilatätten, zu¬
gängig gemacht werden. Selbst bei der Wahl eines für die
individuelle Körperkonstitution passenden Berufs wäre ein ärzt¬
lich-sachverständiger Rat unter Umständen nützlich.
Ein Hauptgesichtspunkt in der Bekämpfung der Tuberku¬
lose, der wiederum vor allem der Familie zugute kommt, be¬
trifft die Wohnungsfürsorge. Allgemein gilt die Tuberkulose
als die Krankheit der geschlossenen Räume. Wohn-, Arbeits-,
Schlafstuben, in welchen der unreinliche Tuberkulöse in An¬
wesenheit einer zahlreichen Familie oder seiner Arbeitsgenossen
mit seinem Auswurf reichliche Tuberkelbazillen verstreut, sind
unzweifelhaft eine sehr wichtige, vielleicht die hauptsächlichste
Ansteckungsgefahr. Hier sollten zunächst öffentlich ernstlich
Mindestforderungen aufgestellt werden für das Wohnbedürfnis
der Familien. Dass eine Familie bloss einen einzigen Raum
zur Verfügung hat, wäre direkt zu verbieten. Nicht bloss
zwei, mindestens drei getrennte Räume müssen für eine Familie
in Aussicht genommen und für jeden HauJ^enossen ein ent¬
sprechender Luftraum festgesetzt werden. Eine unabhängige
Wohnungsinspektion muss vor allem das bestehende Wohnungs¬
elend in vollem Umfange zu erheben und die hygienisch ganz
unzulänglichen, als „Vvohnungen“ vermieteten Räumlichkeiten
auch sofort zu schliessen. Selbstverständlich hätte sich die
Wohnungsinspektion auch auf Hotels, Pensionen, Chambres
garnies etc. zu erstrecken.
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130
MEDICINISCHK WOCHE.
•Nr. 12.
haftigkeit der erkrankten Stellen beobachtet. Bei der Lungen-
tuberknlose werden die physikalischen Erscheinungen oft
deutlicher: über verdichteten Partien tritt Rasseln auf, im
Auswurf erscheinen Bazillen etc. Blutuntersuchungen
Frazier’s ergaben im Allgemeinen eine Zunahme der Leu-
kocyten, beginnend etwa 5 Stunden nach der Einspritzung,
und etwa 24 Stunden später wieder abfallend.
Schliesslich sind noch die meist geringfügigen entzünd¬
lichen Veränderungen (leichte Infiltrate) an der Einspritzungs¬
stelle zu erwähnen; sie verlaufen bei aseptischem Vorgehen
stets ohne Eiterung und verschwinden in wenigen Tagen
wieder vollkommen. (Fortsetzung folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medid/nische GeseiUschaß»
Sitzung vom 28. Februar 1906.
Tagesordnung: Hauser: Ueberernähning im Kindesalter.
Eine grosse Zahl von Kindern guter Familien wird augen¬
scheinlich überernährt. Man soll sein Augenmerk nicht auf die
Erzielung von Fettansatz richten; der Schwerpunkt der Ernährung
des Kindes muss darin liegen, dasselbe verdauungsgesund zu er¬
halten. Leider wird oft, wenn bei Kindern Unruhe eintritt, die
Gewichtszunahme stockt, in der falschen Annahme unzureichender
Ernährung als Ursache konzentriertere Milch gegeben, mit dem
Rc.saltat weiterer Verschlechterung. In derartigen Fällen gilt
der paradoxe Satz: Je spärlicher die Kost, desto besser der Zu¬
stand des Kindes. Das gilt namentlich für Kinder mit exsuda¬
tiver Diathese, die zum Teil auf Ueberemährung beruht. Urti¬
caria, nässende papulöse Eczeme finden sich besonders bei gut
genährten Kindern, von den Rhachitikern neigen die dicken mehr
zu Tetanie, Deformitäten usw. Vielleicht beruhen die Anämien,
übermästeter Kinder auf Autointoxikation (Ueberlastung des Darms,
Obstipation). Wie empfindlich Muskeltätigkeit, Atmung, Kreislauf¬
verhältnisse, die ganze Widerstandsfähigkeit der Kinder durch die
Ueberemährung beeinträchtigt wird, liegt auf der Hand.
Diskussion: Landstein: Die Auffassungen Hausers wieder¬
holen im Wesentlichen schon früher von Czerny vertretene. Die
exsudative Diathese wird durch Ueberemährung nicht ausgelöst,
sondern nur in Entstehung begünstigt. Nicht nur in guten,
sondern auch in ärmeren Familien begegnet man der Ueberer-
Positives geleistet ist in dieser Richtung leider noch sehr
wenig. Vor allem könnten die Versicherungsanstalten im
grössten Umfango gesunde Arbeiterwohnungen in der Weise
schaffen, dass sie von den in ihren Kassen allmählich an¬
gewachsenen Kapitalien, welche ja doch irgendwie plaziert
werden müssen, an Baugewerk.^cliaften und Bau vereine
Gelder verleihen zu entsprechend mäßigem Zinsfuss: so würde
Gutes geschaffen und vielleicht sogar immer noch ein Geschäft
erzielt! In Hannover, der Kheinprovinz und an andern Stellen
ist damit auch bereits ein Anfang gemacht. In den Gemeinden
dürfte die Sache auf Schwierigkeiten stossen, weil die hygie¬
nischen Interessen erst versöhnt werden müssen mit den Inter¬
essen der Hausbesitzer, ln Hessen, Bayern, Sachsen, Baden
sind zur Verbesserung der Wohnungen auch von Staatswegen
gewisse Verordnungen erlassen, in Preussen ist noch kein
Wohnungsgesetz verabschiedet. Die Hauptaufgabe fiele zu¬
nächst, wie mir scheint, einsichtigen und kapitalkräftigen Arbeit¬
gebern zu. Herr Putter, welcher, nachdem er bereits in Halle
in mustergültiger Weise die Familienfürsorge für Lungenkranke
eingerichtet, gegenwärtig die gleiche Organisation in grossem
Stile und mit Unterstützung der Regierung auch in Berlin
durchführt, hat unter den Maßnahmen zur Tuberkulosebe¬
kämpfung die Hinziimietung eines Zimmers, sowie die Des¬
infektion und die Kontrolle über die Befolgung der Anord¬
nungen ins Auge gefasst. Damit wird die Wohnungsverbesse¬
rung für weite Kreise aus dem Utopiacben heraus einer prak-
oährung. Dieselbe ist streng zu scheideu in die mit Fett und die
mit Kohlehydraten.
. Hauser: Schlusswort.
Diskussion über den Vortrag Kirchner: Ueber Klima und
hygienische Einrichtungen Aegyptens.
Hirschberg hat Aegypten zum Studium der Kömerkrank-
beit vor 17 Jahren bereist. Das Klima Oberägyptens zeichnet
sich aus durch die absolut reine Luft uud die ganz regelmäßig
warme Temperatur. Man empfindet kein Durst - und Anstrengungs-
gefühl. Am wohltätigsten ist der Einfluss bei Nieren- und
Lungenkranken. Das wussten schon Hippokrates, Galen, bei
letzterem findet sich die interessante Stelle, dass Schwindsucht gar
nicht oder nur schwer heilbar ist, am besten noch hilft Milch-
trinken und Aufenthalt in Oberägypten oder Lybien. Vor dem
Nilwasser warnt H. dringlichst. In alter Zeit lebten in Aegypten
die gesundesten und reinsten Menschen. 1350 findet sich zum
ersten Male das häufige Auftreten von Augenkrankheiten in Aegyp¬
ten erwähnt; von diesem sind die wichtigsten das Trachom und
die acute eitrige Bindehautentzündung.
Simon hat vor 3 Jahren 3Vi Monate des Winters in Heluan
zugebracht. Die ungünstige Tuberkulosemortalitätsstatistik der Ein¬
wohner erklärt sich aus den schlechten hyginischen Verhältnissen
der Städte. Er warnt vor einem Rückschluss von dieser Statistik
auf das Klima. Für Initialfälle' der Lungentuberkulose empfiehlt
er Oberägypten wärmstens. Nierenleidenden empfiehlt er, auch
den Sommer dort zu bleiben. Vor der Reise mit den Nildampfern,
die unhygienisch eingerichtet sind, warnt er. Dagegen scheint ihm
nach seinen persönlichen Erfahrungen die Gefahr des NUwasser-
genusses überschätzt zu werden.
Rietschel fragt, ob ein nach gewissen Tierexperimenten zu
erwartender günstiger Einfluss des warmen, trockenen Klimas auf
den Diabetes in Aegypten sich einstellt.
Senator bestätigt die günstige Einwirkung des Klimas
Aegyptens auf Diabetiker.
AerxtVtcher Verein zu SanUmrg,
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 27. Februar 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne.
I. Demonstrationen:
1. Herr Schottelius demonstriert ein neues Röhrchen für
praktische Aerzte zum Einsenden von Blutproben zur Vidalschen
Reaktion: der das Röhrchen verschliessende Wattebausch dient
gleichzeitig als Träger des Blutquantums, aus dem das Blut nach¬
tischen Verwirklichung näher gebracht. Reiche Leute haben
Zimmer für alles Mögliche und Unmögliche, ein vernünftiges
Krankenzimmer richten sich nur wenige ein. Da hätte der
Arme etwas voraus; das hinzugemietete Zimmer, welches
vor allem zur Isolierung für den tuberkulösen, Bazillen spucken¬
den Patienten, der eben noch arbeiten will und kann, im
Schosse der Familie bestimmt würde. Bedenken Sie, dass
unzweifelhaft die allermeisten Tuberkulösen dauernd in ihrer
Familie sich aufhalten, dann werden Sie solchen Bestrebungen
Gerechtigkeit widerfahren lassen!
Gewissermaßen nur einen Teil der Wohnungsfürsorge
bilden die Maßnahmen, welche zu treffen sind, um die aus
dem Arbeitsverhältnis sich ergebenden krankmachenden Ein¬
wirkungen zu vermindern. Da müssen zu den „Unfallver¬
hütungsvorschriften“ auch noch „Krankheitsverhütungsvor¬
schriften“ hinzukommen. Man hat hinsichtlich dieser Aufgabe
vorgeschlagon, der Invaliditätsversicherung auch die Durchfüh¬
rung der Krankenversicherung zu übertragen. Ins Auge zu
fassen ist insbesondere der Schutz der Atemwerkzeuge bei der
Arbeit, die Regelmäßigkeit der Mahlzeiten, die Rücksichtnahme
auf die Anfangssymptome von Erkrankungen der Luftwege etc.
etc. Bei besonders exponierten Betrieben sollten Lehrlinge und
junge Arbeiter vor der Aufnahme auf Konstitution und Gesund¬
heit untersucht werden. (Schluss folgt.)
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Google
1906.
MEDICIKISCHE WOCHE.
181
her durch Centrifugierung wieder' gewonnen wird. Herr Smith
bestätigt die damit erzielten guten Resultate und bemerkt, dass
man zur Vidalschen Reaktion mindestens nur 0,1 ccm Blut
brauche.
2. HerrManel berichtet über einen 27jährigen moribund ins
Krankenhaus eingelieferten Fall von Feminismus. Bei der
Sektion fanden sich diphtherische Beläge bis in die Bronchiolen
hinein, bronchopneumonische Heerde, Herz> und Leberverfettung
und eine frische parenchymatöse Nephritis. Die Mammae waren
stark prominent, das Fettpolster der Baachdecken war bis zu 8 cm
dick, es bestand ferner ausgesprochen femininer Habitus, eine
Hypoplasie beider im Scrotum befindlicher Hoden bei normal
grossem Penis, Prostata und Samenblasen, Spermatozoon waren
nicht nachweisbar. Solche hypoplastischen Hoden degenerieren er¬
fahrungsgemäß häufig maligne. Herr Lochte fragt, ob Patient
früher geschlechtskrank gewesen sei. Herr Fränkel hat einen
Pall von Kryptorchismus mit hypoplastischen Hoden gesehen, der
infolge einer Pyämie nach Gonorrhoe wegen notwendiger Bougierung
zn Grunde ging: die libido coeundi ist also sicher in solchen Fällen
vorhanden. Herr Lochte wünscht Auskunft über die Zeugungs¬
fähigkeit solcher Leute. Herr Simmonds bestätigt, dass die
libido coeundi bei hypoplastischen Hoden ungemindert sei. Herr
Fränkel glaubt, es bestehe ein Unterschied bei erst erworbenen
hypoplastischen Hoden und bei der Entwickelungshemmung: in
letzterem Falle sei die libido coeundi zwar vorhanden, die potentia
generandi jedoch aufgehoben. Herr Nonne zeigt die Photo-
graphieen zweier Fälle von Feminismus, die zufällig auf seiner
Abteilung im Krankenhaus lagen. Der eine unverheiratete Mann
hatte normale Genitalien (mit Gonorrhoe als Nebenbefund!) und
eine normale Stimme, der andere Mann war verheiratet, allerdings in
steriler Ehe, hatte kleinen Penis und apiastische Hoden, dabei eine
ausgesprochene Eunuchenstimme. Herr Engelmann hat einen
fünfjährigen Knaben mit auffallend grossem Penis und tiefer Bass¬
stimme gesehen, der Kehlkopfbefund war wie bei einem Erwach¬
senen. Herr Nonne kommt noch einmal auf die einzelnen
Merkmale des Feminimus zu sprechen und erwähnt, dass er drei
Brüder kenne, die alle drei steril verheiratet sind, kleine Geni-
tidien und nicht palpierbare Hoden haben.
3. Herr Hueter hat eine 80jährige Frau seciert, die unter
den klinischen Erscheinungen des Marasmus senilis und der Bron¬
chitis chronica zu Grunde gegangen war. Es fand sich jedoch
eine ausgesprochene Phthise, Genitaltuberkulose und eine chro¬
nische Peri- und Parametritis. Zwischen Tube und Ovarium sass
ein gut bohuengrosser Tumor: das erhaltene, aber tuberkulöse
Epophoron. An der Hand dieses Falles bespricht der Vortr.
die Entwicklungsgeschichte und die Pathologie des Epophorons tmd
demonstriert mikroskopische Präparate.
4. Herr E. Franke spricht ausführlich über ballonierende
Degeneration des Hornhautepithels: an der Debatte be¬
teiligen sich ausser dem Vortr. noch die Herrn Unna und Del-
banco, doch eignet sich das Vorgetragene nicht zu kurzem
Referat.
5. Herr Fränkel spricht über Gasgangrän. Ein Mann
hatte bei einem dreifachen Mord zu Hilfe eilen wollen und erhielt
einen Schuss in den linken Unterarm. Am anderen Tage schon
war von der Einschussstelle aus eine livide Verfärbung zu er¬
kennen, die Gewebe knisterten, und zwar nur im Bereiche des Flexors
digitorum communis sublimis. Der Arm wurde abgesetzt. Das
von Luftblasen durchsetzte Gewebe wird demonstriert.
6. Herr Simmonds zeigt den Magen einer Frau, die pro¬
fuse Blutungen hatte und an einer Pneumonie gestorben war,
dabei war das Lumen des blutenden Gefässes nur drei Stecknadel¬
kopf gross. Schönewald.
AerxtUcher Verein München.
Sitzung vom 7. Februar 1906.
1. Kassenbericht, erstattet durch Dr. Grassmann.
2. Beratung über neu anzuschaffende Literatur (Dr. Spatz).
3. Herr A. Scheibe: Ueber das therapeutische Ver¬
halten der akuten Mittelohrentzündungen mit Berück¬
sichtigung ihrer verschiedenen Aetiologie.
Scheibe unterscheidet aus klinischen Gründen eine nicht-
perforative und eine perforative Mittelohrentzündung. Aetiologisch
ist kein Unterschied zwischen beiden Formen, sie sind nur graduell
verschieden. Es hängt lediglich von der Menge der gebildeten
Sekrete ab, ob eine Perforation zu stände kommt oder nicht. Die
Therapie, die Sch. bei der Otitis media anwendet, ist die bekannte
seines Lehrers Bezold (Luftdouche zu Beginn; wo notwendig Eis¬
beutel. Sobald Flflstersprache bei Vj Meter nicht mehr hörbar
ist, Paraoentese des Trommelfells im hintern untern Quadranten,
damachfolgend Luftdouche. Antiseptische Nachbehandlung; bei
Sekretion Borsäureeinblasungen. Wattepfropf. — Weiterhin die
übliche Behandlung der Mastoideiterungen).
Die Statistik, über die Scheibe verfügt, bezieht sich auf
1800 Fälle; es konnten aber nur 627 verwertet werden, die
bis zur definitiven Heilung verfolgt wurden. Von diesen wiederum
wählte Sch. 272 Frühfälle (die zwischen erstem und dritten
Krankheitstag in Behandlung kamen) aus. Bei diesen ist dann
eine Trennung nach der Aetiologie vorgenommen, jedoch nicht in
bakteriologischer, sondern in klinischer Hinsicht. Bei der ge¬
meinen Mittelohrentzündung ist ein Loch nicht sichtbar, die Per¬
forationsstelle ist nur an dem schnell auftretenden Granulations-
wall erkennbar, die Heilungstendenz ist hierbei eine grosse. Bei
den sekundären Mittelohreiterungen entstehen grosse Löcher,
die besonders bei Scharlach sich durch ganz rapide Gewebsein¬
schmelzung vergrössem. Die tuberkulöse Mittelohreiterung ist der
Typus der dy.skra8i8chen Formen.
Eine Einschmelzung des Knochens entsteht bei der gemeinen
Mittelohreiterung nur, wenn das Sekret unter erhöhtem Druck
steht; nicht so bei den sekundären Formen, wo nicht selten trotz
der Perforation Knochennekrosen auftreten. Am schwersten pflegen
bei Infektionskrankheiten auftretende Mittelohreiterungen zu ver¬
laufen. Der Schwere des Verlaufs der Otitis nach sind diese:
Scharladi, Masern, Diphtherie, Influenza. Die Erkrankungen des
Mittelohres bei letzterer nähern sich der gemeinen Form. Von
chronischen Infektionskrankheiten hat schwere Otitiden im Gefolge
die Tuberkulose, aber nicht die Lues. Ein stark destruierender
Einfluss zeigt sich beim Diabetes und beim Altersmarasmus.
Aus der Statistik, die in 3 Tafeln übersichtlich ausgearbeitet
vorlag, geht hervor, dass die Prognose der gemeinen Form sehr
günstig ist. Komplikationen lassen sich zwar nicht sicher ver¬
meiden, können aber leicht bewältigt werden. Bei den sekun¬
dären Formen ergeben sich viel ungünstigere Resultate. Daran
ist die Widerstandslosigkeit des Organismus infolge der Allgemein-
krankheit schuld.
Bei Erwachsenen dauern die Prozesse länger als bei Kindern
(infolge der bedeutenden Grösse der pneumatischen Zellen und
ihrer verhältnismäßig geringen Schleimhautauskleidung). Die (im
Gegensatz zu dem übrigen Kindesalter) längere Dauer der Eiterung
bei den Säuglingen findet ihre Erklärung in der Persistenz des
embryonalen Bindegewebes während des ersten Lebensjahres. —
Bei dem Verlauf der Otisis media ist auch der Einfluss der ade¬
noiden Wucherungen zu berücksichtigen, die zum Verschluss der
Tuba führen; der dadurch hervorgebrachte negative Druck ist
von grosser Wichtigkeit, da er die Resorption der serösen oder
eitrigen Ergüsse des Mittelohra verhindert. Schon dieser Punkt
allein spricht für die Anwendung der Luftdouche. — Schliesslich
empfiehlt Sch. noch die Bezold'sehe Therapie, die trotz aller
gegen sie gemachten Vorwürfe (Luftdouche, Borsäureeinblasung)
sich sehr gut bewährt habe, wie aus der vorliegenden Statistik
am besten zu ersehen ist.
Diskussion.
Hummel berichtete von einem leichten Verlauf der von ihm
bei seinen Soldaten beobachteten, bei Scharlach und Typhus vor¬
gekommenen Mittelohreiterungen. Wassermann bekämpft, von
chirurgischen Grundsätzen ausgehend, die Borsäureoinblasung und
empfiehlt Adrenalin-Einträufelung in die Tube. Nadoleczug
erwähnt ein nicht ganz seltenes Auftreten von Mastoideiterungen
auch bei Säuglingen. Im Uebrigen drehte sich die Diskussion
um therapeutische Einzelheiten.
4. Herr F. Crämer: Bericht der Schulkommission.
Cr. gibt einen sehr eingehenden Bericht über die Tätigkeit
der vom ärztlichen Verein eingesetzten Schulkommission. Es kann
hierauf nicht näher eingegangen werden. Nur die von der Kom¬
mission aufgestellten Leitsätze für die körperliche Aus¬
bildung unserer Mittelschüler seien im folgenden berichtet:
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132
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 12.
■Durch den Ministerialerlass, der die Förderung der Jugend-
turnspiele empfiehlt, ist eine neue Aera in der körperlichen Aus¬
bildung der Mittelschüler eingeleitet. Damit dieser Erlass aber
tatsächlich die wünschenswerte Wirkung erzielt, sind folgende
Forderungen (für beide Geschlechter) zu erfüllen:
1. Die körperliche Ausbildung unserer Mittelschüler soll er¬
folgen durch Turnen, Turnspiele, Wanderungen, Eislauf, Schwim¬
men etc.
2. Der körperlichen Ausbildung ist als Mindestmaß täglich
eine Stunde, wenn irgend angängig, im Freien, zu widmen. Auch
im Winter soll keine Unterbrechung stattfinden. Für ausreichende
Turn- und Spielplätze muss baldigst von Seite des Ministeriums
gesorgt werden.
3. Die körperliche Betätigung stellt nur unter gewissen Be¬
dingungen eine Erholung und Kräftigung dar. Auch sie nimmt
Körper und Geist in Anspruch. Die Stunden für die körperliche
Ausbildung dürfen daher nicht einfach in den bisherigen Stunden¬
plan eingeftigt werden. Das würde eine Neubelastung der Schüler
bedeuten, die absolut unzulässig ist. Die nötige Zeit muss viel¬
mehr durch Einschränkung anderweitiger Anforderungen gewonnen
werden. Nach dem Turnen und den Turnspielen dürfen geistige
Anstrengungen durch Unterricht oder Hausaufgaben nicht ohne
genügende Pause verlangt werden.
4. Am besten wird der gesamte Unterricht auf den Vor¬
mittag verlegt. Jedenfalls müssen die anstrengenden Lehrgegen¬
stände vormittags erledigt werden, den leichteren Fächern und
der körperlichen Ausbildung soll der Nachmittag gewidmet sein.
Hausaufgaben sollten nach Möglichkeit eingeschränkt werden.
5. Die Beteiligung an den Turnspielen etc. ist obligatorisch
zu machen. Die Wahl der Spiele soll den Schülern freigestellt
sein.
6. Beaufsichtigung durch Fachlehrer ist nur zur Verhütung
gesundheitlicher Schäden bezw. zur Einführung in die Spiele
wünschenswert.
7. Der von obligatorischen Stunden freizuhaltende Sonntag
soll ausschliesslich der körperlichen und geistigen Erholimg ge-
' widmet werden. Dr. Albert Uffenheimer.
Ma/tvnhei/mer Aenetevereirt;,
Sitzung vom 19. Februar-1906.
Fulda: Behandlung der Leukämie mit Röntgen-
8 trahle n.
F. stützt eich im wesentlichen auf die Erfahrungen der
Heidelberger Klinik des Herrn Prof. Dr. Erb. Nach jeder Be-
strahlong werden Blutkörperchenzählungen mit dem Zeiss-Thoma-
Apparate gemacht, es werden zur Analysierung des Blutbefundes
Blutpräparate angefertigt und die Leukocytenformen bestimmt.
Die Röntgenstrahlung in Heidelberg erfolgte meist täglich mit
einer mittelharten Röhre in einem Abstande von 15—20 cm bei
einer Stromstärke von 4—5 Ampere’ mit Funkeninduktor von
50 cm Länge und Quecksilbermotorunterbrecher, also bei einer
Anordnung, wie sie auch in der Anstalt des Vortragenden üblich
ist. Die nicht zu bestrahlenden Körperteile werden durch Blei¬
platten abgedeckt, die besonders gegen Röntgenstrahlen empfind¬
lichen Genitaldrüsen und das Gesicht wurden in allen Fällen ge¬
schützt. Bei einigen Fällen wurden bei eingetretener leichter
Pigmentierung oder Rötung die betreffenden Hautpartieen mit
dünnen Staniollagen bedeckt, um auf diese Weise die der Haut
schädlichen weichen Strahlen abzuhalten ohne die Tiefenwirkung
der harten Strahlen zu beeinträchtigen. Die Bestrahlung der
einzelnen Fälle wurde meist mit allmählich steigender Dauer,
liöchsteus acht Minuten ausgeführt. Bei den myelogenen Leu¬
kämien wurden Milz, Sternum, lange Röhrenknochen bestrahlt.
Bei den übrigen Fällen die Milz und die Lymphdrüsen, ausserdem
Brust und Bauch, um auf die weihrscheinlich affizierten Mesente¬
rial-, Mediastinal- und Lumbaldrüsen einzuwirken.
Die Leukämie ist umso leichter zu beeinflussen, je kürzere
Zeit sie besteht. Bei der myeloiden Form ist es möglich, die
Allgemeinstönmgen zu beseitigen, den Blutbefund und die Milz
bis fast zur Norm zu bringen und zwar brauchen die Fälle mit
Drüsenschwellung und Knochenschmerzen längere Bestrahlungs¬
dauer als die Fälle ohne diese Erscheinungen. Bei der lympha¬
tischen Leukämie, die viel längere Bestrahlungsdauer als die mye-
loide erfordert, gelingt es zwar, die AUgemeinstÖrungen zu be¬
seitigen, die Milz und vielleicht auch die Lymphdrüsen zur Ver¬
kleinerung, die Leukocystenzahl der Norm nahe zu bringen, doch
scheint eine wesentliche Beeinflussung der Verhältniszahlen der
Leukocytenformen nicht möglich zu sein. Bei beiden Formen tritt
zuerst die Besserung des Allgemeinbefindens auf, dann folgt die
Verminderung der Leukocyten und erst nach dem Sichtbarwerden
der Wirkung auf die Leukooytenzahl zeigt sich auch die Rück¬
bildung der Milz und der Lymphdrüsen. Von einer Heilung der
Krankheit kann vorläufig in keinem Falle gesprochen werden, doch
ist zum mindesten anzunehmen, dass bei ständiger Beobachtung
der Patienten und rechtzeitiger ev. notwendiger Fortsetzung der
Bestrahlung das Leben der Patienten auf Jahre hinaus verlängert
werden kann. Es empfiehlt sich zur Unterstützung der Strahlen¬
wirkung Arsen während der Behandlung und auch während der
Pausen zu geben, es aber besonders anzuwenden, wenn eine Ver¬
mehrung der Erythrocyten unter der Bestrahlung oder in der
Pause eintreten sollte.
Es darf wohl behauptet werden, dass die Wirkung der Rönt¬
genstrahlen eine rein symptomatische ist. Es ist in Wirklichkeit
kein Fall einer Heilung von Leukämie durch Röntgenstrahlen be¬
kannt. Wie vorsichtig aber selbst die Besserung eines Symptoms,
das für die Diagnose einer Leukämie unentbehrlich ist, beurteilt
werden muss, lehrt ein Fall akuter Leukämie, in welchem die
Zahl der weissen Blutkörperchen während der letzten, dem Tode
voraufgehenden Woche spontan von 76 000 auf 3000 im crom
zurückgingen. Ob die Ursache der Leukämie durch die Strahlen
unschädlich gemacht werden kann, ist höchst zweifelhaft, da sie
noch selbst unbekannt ist. Dr. Max Jacoby.
Schlesische Gesellschaft für vaterlö/nAische Sjultur,
Medicinische Sektion. Sitzung am 2. Januar 1906.
Der Vorsitzende Herr Geh, Rat Uhthoff widmet vor Eintritt
in die Tagesordnung dem verstorbenen Mitgliede Herrn Prof.
Kolaczek einen Nachruf.
1. Dr. Kaliski: Ueber eine neue Funktionsprüfung
des Magenmech|anismus unter natürlichen Verhält¬
nissen und ohne Anwendung der Schlundsonde (Sahli-
sche Desmoidreaktion).
Der Vortragende prüfte die von Sahli empfohlene Desmoid-
reaktion nach und benutzte eine Gummimembrane (aus einem
Dentaldepot), die mit Rohcatgut fest verschnürt wurde. Zur
Füllung wurden Jodkaliumpillen (kal. jodat. 0,5) oder Methylen-
blaupillen (4 0,05) verwandt. In den Fällen, wo nach 7 bis
8 Stunden keine Blaufärbung des Urins eintrat, wurde auf Chro-
mogen untersucht (beim Kochen mit Eisessig eine blaue Farbe),
Die extrastomachalen Versuche, die bei einer Temperatur von 37®
C, im Brütofen ausgeführt wurden, ergeben konstant die Lösung
des Beutels bei Anwesenheit von HCl und Pepsin, dagegen ein
negatives Resultat bei HCl allein, oder bei Milchsäure in Ver¬
bindung mit Pepsin. Die Darreichung der Kapseln an Patienten
erfolgte in der Weise, da.ss dieselben unmittelbar nach der Haupt¬
mahlzeit mit reichlich viel Wasser geschluckt wurden. Die
Prüfung wurde vorgenommen mit Kontrolle durch Probefrühstück:
1. am Gesunden, 2. bei Hyperacidität, 3. bei Anacidität, a) bei
ausgesprochenem Carcinom, bei Verdacht auf Carcinom, 4. bei
Subaciditat.
In allen Fällen, in denen HCl und Pepsin abgesondert wurden,
fiel die Reaktion positiv aus; in zwei Fällen, wo keine freie HCl
gefunden wurde, war trotzdem eine Blaufärbung des Urins ein¬
getreten ; es ergab aber eine Ausheberung nach einem Mittagsbrote
freie H CI, so dass man hieraus die Bedeutung der Sahlischen Re¬
aktion erkennen kann, denn leichte Störungen der Säureproduktion
täuschen oft eine Anacidität vor, während nach einer reichlichen
Mahlzeit freie Salzsäure nachweisbar ist.
Bei allen Carcinomfällen war die Reaktion negativ, bei Hy¬
peracidität kann zuweilen, wenn eine Hypennobilität vorliegt, die
Pille zu schnell in den Darm geschafft werden, es zeigt sich dann
keine Blaufärbung des Urins, Die Sahli'sehe Desmoidreaktion ist
somit eine vorzügliche Probe auf freie HCl und Pepsin nach einer
aus gemischter Kost bestehenden Mahlzeit. Auf Grund seiner
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
133
eztrastomachalen and intrastomachalen Beobachtungen gelangt der
Vortragende zu folgenden Schlüssen:
1. Für Hyperaridität spricht eine tiefblaue Färbung schon
nach 4 Stunden,
2. für eine normale Acidität spricht der Eintritt der Reaktion
erst nach ca. 7—12 Stunden,
3. für Subacidität, resp, motorische Insufficienz spricht der Ein¬
tritt der Reaktion erst am nächsten Tage.
Diese Thesen werden bestätigt durch biologische Unter¬
suchungen, Uber die Schwarz in der mediz. Gesellschaft referiert
hat. Er gab Wismut in Desmoidbeuteln und fand im Röntgen¬
bilde vor der Verdauung die Kapseln als circumskripten dunklen
Punkt, nach der Verdauung als diffusen Schatten, vom verstreuten
Wismutpulver herrührend. Nach seinen Beobachtungen lösten sich
die Kapseln bei Hyperacidität in 2 Stunden, bei motorischer Acidität
in 7 Stunden, bei motorischer Infussicienz war die Kapsel noch in
20 Stunden nicht gelöst.
In der darauffolgenden Diskussion weist Röhmann auf den
Widerspruch hin, der darin besteht, dass man sonst allgemein die
Verdauung nach 5 Stunden als beendet ansieht, während hier erst
nach 8 Stunden eine Reaktion eintreten sollte. Er glaubt daher,
dass die Auflösung der Beutel erst im Darm durch Einwirkung
des Pankreassaftes erfolgt.
Rosenfeld meint, dass doch auch die Resorption eine gewisse
Zeit beanspruche, und dadurch die Zeitdifferenz erklärbar sei. Er
glaubt, dass diese Methode die Sondenuntersuchxmg nicht ersetzen
könne, weil letztere zuverlässiger sei. Es sprachen noch Rosen¬
feld, Krause, der die Methode mit wechselbarem Erfolg nach¬
geprüft hat, und 0 p p 1 e r.
Zum Schluss bemerkte noch der Vortragende, dass diese
Methode das vor dem Probefrühstück voraushabe, dass sie mehr
die natürlichen Verhältnisse berücksichtige und auch für den prakt.
Arzt ein guter Notbehelf sei.
2. Generalarzt der russischen Marine Dr. B u n g e (a. G.);
„Ueber Skorbut, besonders an derHand von Beobach¬
tungen in Port Arthur.“
Die Krankheit hat jetzt fast nur noch historischen Wert, da
sie mit wenigen Ausnahmen nur in belagerten Festungen und bei
Polarezpeditionen vorkommt. — Symptome: Zunächst allgemeine
Schwäche, Anaemie besonders der Schleimhäute (Fieber fehlt
meist); die Gingiva ist geschwollen, gelockert und blutend, an den
unteren Extremitäten treten Ekchymosen auf, ebenso Extravasate
an den Rippenbogen und Pleuritiden; die Zahnfleischerkrankung
wird immer schlimmer, Zähne fallen aus; am Herzen entstehen
Geräusche, und die Kranken gehen an Paralyse zu Grunde. Die
Diagnose ist leicht zu stellen, es kommen Morb. macul. Werlhoffli
und Purpura rheumatica diff, diagn. in Betracht. Ursachen der
Krankheit sind ausser mangelhafter und ungeeigneter Ernährung
und Feuchtigkeit in den Wohnräumen vor allem in dem psychi¬
schen Momente der Hoffnungslosigkeit zu suchen. Auch die ge¬
zwungene Untätigkeit wirkt begünstigend ein. In Port Arthur
trat sie zuerst bei den Matrosen der Schiffe auf, die wegen Beschädi¬
gungen in die Docks mussten. Dann nahm sie durch den starken
Fremdenzufluss und den Mangel guter Nahrung, besonders an
Fleisch, rapide zu. Bei der strengen Winterkälte und der Feuch¬
tigkeit in den Wohnungen und insbesondere bei der durch die kriege¬
rischen Misserfolge entstandenen Mutlosigkeit und Enttäuschung
wirkte der Skorbut kombiniert mit anderen Erkrankungen und
Verletzungen so verheerend, dass er n. A. des Vortragenden,
schliesslich ausschlaggebend wurde für die Uebergabe der Festung.
Die Behandlung soll möglichst nicht in Hospitälern erfolgen.
In Port Arthur wurden auf der bekannten Tigerhalbinsel Gemüse¬
gärten eingerichtet und die Skorbutkranken in Kolonien interniert
und mit Gartenarbeit und Fischfang beschäftigt. Anfangs war auch
der Erfolg ein vorzüglicher, bis die kolossale Ausbreitung der
Seuche jegliche Behandlung unmöglich machte. Von inneren
Mitteln kommen noch in Betracht die Roborantien und sogen. Anti-
scorbutica, wie Rettig, Radieschen, rote Rüben, Zwiebel, Knob¬
lauch, Kartoffeln, Fruchtsäuren, besonders frische Citronensäure
und Beeren. Auch Transpiration durch heisse Bäder wird em¬
pfohlen.
Ueber das Wesen der Krankheit stehen sich zwei Ansichten
gegenüber; die einen nehmen einen parasitären Ursprung (Coccus) an,
die Anderen führen die Krankheit auf einen Mangel an Salzgehalt
(Kalisalze) zurück. Der Vortragende ist Anhänger der letztge¬
nannten Theorie. Gegen die erste spricht das Vorkommen in
polaren Gegenden, ferner der Umstand, dass die Krankheit in
Port Arthur nur bei den Mannschaften, und zwar nicht bei den
Offizieren auftrat, dann gleich nach der Uebergabe der Festung
erlosch und den Japanern überhaupt vollständig unbekannt war.
Nur die durch ausschliessliche, nährsalzanne Reisuahrung hervor¬
gerufene Beri-Berikrankheit der Japaner ist dem Wesen nach dem
Skorbut verwandt.
Österreich.
GeseUchaft fUr innere Medidn und Ki/nder^
heUkufide in Wien,
Sitzung vom 11. Januar 1906.
(Eigener Bericht.)
Widermann stellt drei Patientinnen vor, bei denen er den
M. Basedowii mit Röntgenstrahlen behandelt hat. Die
Krankheit ging mit den typischen Symptomen einher. Vortr. be¬
strahlte die Struma unter Verwendung weicher Röhren mit Rönt¬
genstrahlen. Bei allen Fällen wurden die Symptome der Er¬
krankung durch die Behandlung nur wenig geändert, die Augen¬
symptome blieben fast unverändert, ebenso die Pulsfrequenz. Die
nervösen Erscheinungen wurden in zwei Fällen sehr günstig be¬
einflusst, in anderen blieben sie gleich, bei allen Fällen konnte
jedoch eine erhebliche Steigerung des Körpergewichts konstatiert
werden.
Weinberger demonstriert anatomische und mikroskopische
Präparate von dem Falle mit Aneurysma der Arteria
radialis, welchen er früher einmal vorgestellt hatte, das Aneu¬
rysma sass in der Fovea radialis, ausserdem hatten die Symptome
von Endokarditis und schwerer Nephritis sowie Schmerzen in den
Gelenken bestanden. Der Tod erfolgte an Herzschwäche. Bei
der Obduktion fanden sich alte und frische endokarditische Ver¬
änderungen an den Herzklappen, chronische parenchymatöse Ne¬
phritis, Infarcte der Milz und der Nieren, chronischer Hydroce-
phalus inteiTi. und das haselnussgrosse Aneurysma der Arteria
radialis, welches schon intra vitam auf eine Embolie zurück¬
geführt worden war. In den endokarditischen Auflagerungen
fanden sich Influenzabazillen, so dass der seltene Fall einer durch
Influenzabazillen hervorgerufenen Endokarditis vorliegt.
H. Pollitzer sprach über die Arneth'sche Veränderung
des neutrophilen Blutbildes. Arneth bat angegeben, dass
sich unter den neutrophilen weissen Blutkörperchen des normalen
Blutes im Durchschnitt 5% einkernige, 33% zweikernige, 43%
dreikemige, 17% vierkermge und 2% fünf kernige finden; bei
akuten Infektionskrankheiten vermehren sich die einkernigen und
zweikernigen neutrophilen Zellen auf 80%. Arneth deutet dies
so, dass in diesem Falle unter toxischen Einflüssen die alten mehr-
kernigen Zellen zerfallen und die einkernigen als jugendliche
Formen im Knochenmark in grösserer Menge neugebildet werden.
Pollitzer hat nun diese Angaben Arneth’s nachgeprüft und
konnte sie nur bei Triacidfärbung bestätigen, bei anderen Färbungs¬
methoden nicht. Die von Arneth angegebene Vermehrung der
Zellen wird dadurch vorgetäuacht, dass das Chromatin der Zell¬
kerne bei Infektionskrankheiten aufquillt, wodurch die Kerne
schwer analysierbar werden und bei Triacidfärbung zusammen-
fliessen.
K, K, OeseUehaft der Aenste in Wien,
Sitzung vom 12. Januar 1906.
(Eigener Bericht.)
v. Neumaan berichtet über einen Fall von geheilter Le¬
pra, den er in floridem Stadium der Krankheit im Jahre 1900
vorgestellt hat. Die Affektion betraf einen 43 Jahre alten Be¬
amten aus Bulgarien. Die Stiruhaut war braun gefärbt, Augen¬
brauen, Lider und Wangen gewulstet. Im Sputum und Nasensekret
fanden sich zahlreiche Leprabazillen. Der Kranke erhielt Injektionen
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134
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 12.
von ChaulmoograÖl, Solutio Fowleri und Einatmungen von Jodkalinm-
lösung. Derzeit ist der Kranke völlig genesen. Dieser Pall bietet
manchem Leprakranken einen Hoffnungsstrahl, dass nicht jede
Aussicht auf Genesung ausgeschlossen ist. Die medicamentöse Be¬
handlung, der man allenthalben mit grosser Skepsis begegnet,
wird auch weiter versucht werden müssen.
V. Fatsch stellt aus der Klinik v. Eiseisberg einen Mann
mit Spins bifida occulta vor. Bei dem Pat. bemerkt man
hochgradige Lordose, leichte Skoliose, starke Drehung des Beckens
nach vome, der Gang ist ähnlich demjenigen bei congenitaler
Hüftluzation, doch sind beide Hüftgelenke frei. An der Stelle
des Domfortsatzes des zweiten Lendenwirbels ist eine Grube zu
tasten, an der Basis des Steissbeines befindet sich ein Grübchen,
aus dem manchmal eine seröse Flüssigkeit ausfiiesst.
A. Exner demonstriert eine Frau, die er wegen Perinexitis
laparotomiert hat Es schien Cystitis vorzuliegen und durch die
Cystoskopie gewann inan den Anschein eines Tumors am Blsujen-
scheitel. Die Sectio alta imd die in Ergänzung derselben aus¬
geführte Laparotomie ergaben einen aus Granulationsgewebe be¬
stehenden, den Blasenscheitel mit dem Netze und einer Dünn¬
darmschlinge verbindenden Tumor, der sich um einen’Holzsplitter
gebildet hatte.
R. Beck hält einen Vortrag über Touristik und Herz.
Vortr. hat mehrere hunderte Zahlungen des Pulses mit Berück¬
sichtigung seiner Qualität bei Aufstiegen in verschiedenem Terrain
vorgenommen, die Pulszahlen haben höhere Werte als die bei
militärischen Märschen beobachteten. Albumen, Cylinder, Nieren¬
elemente fanden sich niemals im Harn, hingegen konnte regel¬
mäßig nach anstrengenden Touren eine Verbreiterung der
Herzdämpfung nachgewiesen werden. Sehr mäßig betriebene
Touristik dürfte nicht zu Herzerkrankungen führen, dagegen könnte
forciertes und oft wiederholtes Bergsteigen das Herz schädigen.
Daraus folgt: Bergaufstieg in bequemen Tempo, Einschränkung
der Zahl der Bergtouren, besonders im Winter. Jeder Tourist
sollte sich jedes halbe Jahr einmal das Herz untersuchen lassen.
H.
Periodische Literatur.
Münchener medicinieche Wochenechrifl. 1906. No. lo.
1. Mangold, Jena: Die neurogene und myogene Theorie
des Herzschlages.
In dem ersten Teil dieser sehr eingehenden Erörterungen
gibt Verf. einen Ueberblick über die verschiedenen Anschauungen,
die Entstehung des Herzschlages betreffend. Man kennt Fälle, in
welchen die gangliogene Automatie des Herzschlages unabweisbar
feststeht, andererseits können wir auch Beobachtungen machen,
in denen die myogene Entstehung zweifellos erscheint. Die Ar¬
beit wird in der nächsten Nummer der Wochenschrift fortgesetzt
werden.
2. Lichtenstein, Dresden: Das Wasser als Feind der
BOntgenaufpahmen.
Verf. wurde durch die geringen Erfolge der Radioskopie bei
Gravidität veranlasst, den Gründen nachzugehen, welche das
Misslingen der Aufnahmen bedingen. Es gibt eine ganze Reihe
allerdings ziemlich weit zurückliegender Arbeiten über die Frage
der Radioskopie bei Gravidität, deren Resultate in folgenden
Sätzen zusammengefasst werden können. 1. Die Radiographie ge¬
stattet, an der Lebenden die Beschaffenheit eines Beckens kennen
zu lernen, nicht aber eine genaue Beckenmessung vorzunehmen.
2. Die Radiographie ist ein sehr unzuverlässiges und unzureichendes
Hilfsmittel zur Feststellung der Kindeslage und mehrfachen Schwan¬
gerschaft an der Lebenden. Dagegen lässt sie den Eiinhalt in
durch Operation gewonnenen Präparaten erkennen. 3. Schuld an
dem Misslingen der Darstellung der Kinder in utero ist die Un¬
durchlässigkeit dicker Weichteile, die zu grosse Entfernung des
Kindes von der Platte und die Bewegungen von Mutter und Kind.
Verf. glaubt nun, andere Gründe für die erwähnten Misserfolge
anführen zu können. Experimentelle Untersuchungen haben ihn
zu der Ueberzeugxmg gebracht, dass der Wassergehalt der Gewebe
in den vorliegenden Fällen, das die Frucht umgebende Frucht¬
wasser schuld an den Anfhahmeschwierigkeiten ist. Eine Reihe
anderer Beobachtungen sprechen dafür. So ist es bekannt, dass
Blasensteine besser sichtbar werden, wenn man die Blase mit Luft
füllt, das heisst aber nur, wenn man das Wasser, den Ham
entleert.
3, Riegler, Jassy: Heuere Beaktionen auf Aoeteseigs&nre.
Verf. gibt folgende modifizierte Jodreaktion an. 1—2 ccm
normaler Ham wird mit 2 com 10% Jodsäurelösung und 3 ccm
Chloroform versetzt und durcbgeschüttelt. Das Chloroform wird
violett gefärbt, nun fügt man zu obiger Mischung etwa 10 ccm
von dem zu untersuchenden Ham hinzu und schüttelt wieder gut
durch. Bei Anwesenheit von Aoetessigsäure wird das violett ge¬
färbte Chloroform farblos. Des weiteren hat Verf. die von
Arnold angegebene Diazoreaktion modifiziert. In einen zylin¬
drischen Scheidetrichter bringt man 20 ccm des auf Acetessigsäure
zu untersuchenden Harns, fügt 4—5 Tropfen konzentrierte Chlor¬
wasserstoffsäure und 10 ccm Aether hinzu. Nach gründlichem
Schütteln lässt man absetzen und trennt Ham von Aether. Zu
diesem Ham setzt man 10 ccm Petroleumäther hinzu und schüttelt
wieder gut durch. Jetzt werden 10 Tropfen einer 10% Ammo¬
niaklösung zugefügt und wieder geschüttelt. Nun lässt man die
untere ziegelrot gefärbte Schicht vorsichtig durch Oeffnen des
Glashahnes ablaufen. Von dem im Scheidetrichter zurückgeblie¬
benen Aether gibt man 4—5 ccm in ein weisses Porzellanschälchen
und lässt freiwillig verdampfen. Zu dem Trockenrückstande fügt
man 5—6 Tropfen konzentrierte Chlorwasserstoffsäure, es entsteht
eine blauviolette Lösung, Zu der im Schüttelzylinder verbliebenen
Aethermenge gibt man das halbe Volumen, also etwa 5—5 ccm
konzentrierte Ghlorwasserstoffsänre und schüttelt mehrfach gut
durch. Ist Acetessigsäure vorhanden, so färbt sich die am unteren
Ende des Zylinders sich ansammelnde Flüssigkeit prachtvoll blan-
violett. Will man den Diazokörper in reinem Zustande und in
grösserer Menge erhalten, so verfährt man folgendermaßen: Man
löst 1 g Paramidoacetophenon in 40 ccm Wasser unter Zufügung
von 20 Tropfen konzentrierter Chlorwasserstoffsäure und fügt zu
dieser Lösung eine Lösung von 0,5 Natriumnitrit in 20 ccm Wasser,
In ein Kölbchen gibt man 10 ccm Wasser, 10. Tropfen 10%
Natronlauge und 1 ccm acetessigsaures Aethyl, schüttelt gut durch
und fügt die erste Lösung hinzu. Es wird wieder durchgcschüttelt
und 2 ccm konzentrierte Ammoniaklösung hineingegeben, nun
schüttelt man so lange, bis die so entstandene Diazoacetophenon-
diazetsäure sich zu einer Masse zusammengeballt hat. Dieser
Körper ist braun in Wasser unlöslich, löslich in Chloroform, Al¬
kohol und Aether. Löst man eine kleine Menge dieses Körpers
in Chloroform oder Aether und gibt zu 10 ccm dieser Lösung etwa
5 ccm Chlorwasserstoffsäure, so zeigt sich nach dem Durchschütteln
eine prachtvoll blauviolette Farbe.
4, Hoffmann, München: Heber Aktinomykose des Kehl¬
kopfes und des Eop&iokers.
Verf. hatte Gelegenheit, einen letal verlaufenden Fall von
Aktinomykose der Halsorgane zu beobachten, welche bei einem
52jährigen Mann sich entwickelt hatte. Es bildeten sich mehrere
grössere Abszesse, vor allem im linken Stemokleidomastoideus mit
Uebergang auf die Trachea und multiplen Perforationen von aussen
nach innen. Verf, betont die Schwierigkeit der Diagnose. Aetio*
logisch kam bei diesem Fall vielleicht in Betracht, dass Patient
die Gewohnheit hatte, Kornähren zu kauen.
5. Kümmel, Hamburg-Eppendorf: Beitrag snr Kenntnis
der tuberknlfisen Erkrankungen des Oesophagus.
Bei einem zur Sektion kommenden Pall von Phthisis pulmo¬
num konnte Verf. ein auffallend grosses tuberkulöses Geschwür in
der Speiseröhre beobachten. Dasselbe nahm die ganze Breite und
mehr als die Hälfte der Länge des Organs ein. Die Tiefe war
nur gering. Eine Perforation oder Verlötung mit bronchialen Lymph-
drüsen bestand nicht. Klinisch bestanden gar keine Erscheinungen.
6. Doerfler, Weissenburg a. Sand: Ein weiterer Fall Ton
Pubiotomie,
Verf. hat in der Privatpraxis eine Geburt durch den Scham-
beinschnitt bei asphyctischem Kinde mit günstigem Ausgang für
Mutter und Kind beendet. Es handelte sich um ein rhachitisch
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1006.
MEDICINISCHB WOCHE.
135
platt verengtes Becken. Die Operation wurde in typischer Weise
aosgeföhrt and gelang ohne Zwischeniall.
7. Doerner, Wiesbaden: Probefrtthstttok oder Probenuttag*
essen.
Verf. hat sorgfältige Untersuchungen darüber angestellt, ob
für die Untersuchung der sekretorischen Tätigkeit des Magens das
Probefrühstück oder Probemittagessen besser geeignet sei. Die
Werte für HCl sind nach dem Probemittagessen geringer als
nach dem Probefrühstück, sodass letzteres allein ein falsches Bild
geben würde. Im Gegensatz dazu scheint HCl-Hypersekretion
nach dem Probemittagessen deutlicher zu werden. Findet man
beim Probemittagessen unternormale Werte für HCl oder ein De¬
fizit, so wird das Probefrühstück einen wertvollen Aufschluss über
den Grad der Insuffizienz geben. Es empfiehlt sich daher, beide
Methoden nebeneinander zu verwerten.
8. Quosig, Wiesbaden: Zur Kenntnis der Tetanie intesti¬
nalen Ursprungs.
Verf. hat einen Fall von Tetanie beobachtet, welcher ihm
die Ueberzeugung brachte, dass derartige Fälle nicht sowohl auf
der von F1 e i n e r angenommenen Wasserverarmung, sondern auf
Autointozikation beruhen.
9. Oppenheimer, München: Ueber die Errichtung von Be¬
ratungsstellen für Mütter von Säuglingen in München.
Verf. tritt warm für die Errichtung von Beratungsstellen ein,
da er in seiner eigenen Beratungsstelle ganz vorzügliche Er¬
fahrungen gemacht hat. Vor allem ist das grösste Gewicht auf
eine Erziehung zum Stülgeschäft zu legen. Immer wieder muss
erzieherisch darauf hingewirkt werden, dass die Frauen ihre
Kinder selbst stilleo. In dieser Beziehung hat sich die Auszah¬
lung von Stillprämien sehr gut bewährt. Natürlich sollen ledig¬
lich bedürftige Frauen zu diesen Beratungsstellen zugelassen
werden.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. lo.
1. Goldscheider, Berlin: Über naturgemässe Therapie.
Der richtige Weg zur Erforschung der Krankheitsheilung ist
die Beobachtung der natürlichen Krankheitsheilung. Als Prototyp
derselben kann die Selbstheilung der Infektionskrankheiten gelten
und die modernste Therapie, die Serumbehandlung ist das Muster
einer „Naturheilmethode“. ^ ist durchaus notwendig, den tele¬
ologischen Standpunkt bei der Betrachtung der Krankheiten und
Naturheilungen inne zu halten. Natürlich kann man nicht ver¬
gessen, dass die Zweckmässigkeit der Vorrichtungen des Organismus
unter pathologischen Bedingungen gewisse Grenzen zeigt. Bei
diesen Grenzen beginnt die ärztliche Kunst. Der Natorheilprozess
ist auf die normalen, physiologischen Prozesse zurückzuführen.
Die Schädigung irgend eines Gewebes löst eine intensive
Proliferationstätigkeit der Zellen aus. Je intensiver der Abbau
im Eliweissmolekul statthat, desto intensiver vollzieht sich auch
der Aufbau.
Ob die Entzündung als ein zweckmässiger Vorgang anzusehen
sei oder nicht, ist heute noch eine strittige Frage. Ein Beweis
gegen die teleologische Bedeutung liegt bisher nicht vor. Auch
das Fieber scheint eine zweckmässige Erscheinoug zu sein, wenn
auch gelegentlich der deletäre Effekt uns daran zweifeln lässt.
Besonders klar zeigt sich die Zweckmässigkeit der Lebensvorgänge
bei den Herzkrankheiten. Jedoch der Selbsthilfe des Organismus
sind Grenzen gezogen und die Erfahrung lehrt, dass die ärztliche
Kunst den Körper zur erfolgreichen Überschreitung dieser Grenzen
veranlassen kann. Die ärztliche Kunst i.st auch imstande, die
Selbstheiliing des Körpers in zweckmässige, der Gesamtfunktion
gehörig Rechnung tragende Bahnen zu lenken.
Wir können den Naturheilprozess nachahmen resp. unter¬
stützen. Dies geschieht bei Anwendung der Serum-, Antitoxin- und
Vaccinationsbehandlung.
Wir können ferner den Naturheilprozess indirekt unterstützen.
Hierher gehört die symptomatische Behandlung.
Wir können den Naturheilprozess durch Allgemeinbehandlung
unterstützen. Wir können den Naturheilprozess regulieren. Die
Therapie muss eintreten wo der Naturheilprozess fehlt oder ver¬
sagt. Schliesslich sind auch die Anpassung und funktionelle Aus¬
gleichung Wege, auf welchen der Naturhellvorgang unterstützt
werden kaTin.
2. Zettnow, Berlin: Oeisseln bei Hühner- und B^onrrens-
Spiroohaeten.
Verf. hat die von Borrel angegebene Beobachtung von
Geissein bei Hühnerspirochaeten bestätigen können nnd auch
solche bei Recnirensspirochaeten nachgewiesen. Für die Technik
ist es besonders wichtig, die Spirochaeten von anhaftendem Eiweiss
zn befreien, dazu muss das Blut defibriniert und zentrifngiert
werden. Bei letzterer Manipulation scheinen die Geissein sehr
leicht abzureissen.
3. Kromayer, Berlin: Queoksilberwasserlampen zur Be¬
handlung von Haut und Sohleimhant
Im Verein mit der bekannten Platinschmelze von Heräns in
Hanan hat Verf. Quecksilberlampen mit Wasserkühlung konstruiert,
welche eine bequeme Handhabung nnd vielseitige Anwendung ge¬
statten. Die Vorteile vor der Finsenlamj^e und dem Eisenlicht
gibt der Verf. folgendermassen an: 1. kürzere Belichtungsdauer,
2. Behandlung grösserer Flächen, 3. Behandlung von Schleim¬
häuten, 4. Bequemlichkeit für den Arzt und Patienten, 5. Billig¬
keit im Betriebe. Die Indikationen sind bisher etwa folgende:
Lupus, Nävus vasculosus Alopecia areata. Acne rosacea, Ekzeme.
Acute und chronische Gonorrhoe, hartneokige syphilitische Affek¬
tionen. Natürlich werden sich diese Indikationen noch vermehren
lassen. Auch kann mau nicht mit absoluter Sicherheit von einem
Erfolg bei den genannten sprechen. Hierüber werden erst weitere
Untersuchungen Änfschluss geben.
4. Frankenstein, Kiel: Kollision von Zwillingen bei der
Geburt.
Verf. hatte Gelegenheit den seltenen Fall von gleichzeitigem
Eintreten beider Früchte ins Becken zn beobachten. Der eine der
zweieiigen Zwillinge wurde in dorsoposteriorer Vorderhauptslage,
der andere in dorsoanteriorer Bec^enendlage geboren. Der letztere
wurde dekapitiert. Der erstere kam lebensfrisch zur Welt. Irgend
welche Schwierigkeiten hat die Operation und Entwicklung nicht.
5. Leuwer, Bonn: Ein neuer Hasensat^er.
Zur Vermeidung der Mängel des Sondermannschen Nasen-
sangers hat Verf. im Verein mit der Firma F. A. Eschbaum
einen Nasensauger konstruiert, welcher auskochbare gut anpassbare'
Oliven am Glas zeigt. Der Sangeballon ist in Wegfall getreten
nnd an seine Stelle eine Säugpumpe gesetzt. Das Sekret wird in
Erweiterungen der Oliven aufgefangen.
6. Illyes, Budapest: Ein Fall von essentieller Hierenblutnng.
Ein 44jähriger Patient kommt wegen dauernden Bluthamens
in das Spital. Unreterkatheterismus ergibt vollkommen normale
Funktionen beider Nieren und den Ursprung der Blutung in der
linken Niere. Bioslegung und Spaltung der linken Niere. Da
kein Befund, wird die Niere wieder vernäht und die Wunde ge¬
schlossen. Vollkommene Heilimg, keine Wiederkehr der Blutung.
Ursachen völlig unaufgeklärt.
7. Schaedel, Leipzig; Verhaltoiigsmassregeln bei akuter
Gonorrhoe.
In Anbetracht der Wichtigkeit guter Informationen für
Gonorrhoiker geben wir die vom Verf. mitgeteilten in der Koll-
raannschen Klinik üblichen Vorschriften wörtlich wieder.
Der Tripper i^t eine ernste Erkrankung and wegen seiner verschiedenen
Folgecrkranknngcn nicht leicht zu nehmen. Diese lassen sich vermeiden,
wenn der Tripper sachgemäß and dem Zustand eines jeden angepasst be¬
handelt wird; geschieht dies, dann ist der Tripper heilbar.
Allgemeine Verhaltungsmaßregeln: Peinliche Sauberkeit und
Vermeiden jeder Berührung mit dem Eiter, denn ins Auge gebracht, ruft
der Trippereiter schwere Entzündung hervor. Verboten sind: a) sämtliche
alkoholischen Getränke, also Bier, Wein, Schnaps, Liqueure, brausende,
koblensäurehaltige Getränke, wie Soda- und Selterswasser. Das viele Trinken
von Flüssigkeiten bat, wenn nicht anders verordnet, zu unterbleiben;
b) scharfe Gewürze und scharf gewürzte Speisen (Gulasch, Paprikascbnitzel,
Senf- und Pfeffergurken, Senf, Hettig, Meerrettig, Spargel, Sellerie, Zwiebel
Schnittlauch etc.}. Nicht spät essen! Verboten sind ferner: c) alle
körperlichen Anstrengungen, besonders solche erschütternder Art, wie Keifon.
Springen, Tanzen, Turnen, Veiocipedfabren und vieles Wagenfähren; aucti
Treppen-nnd Bergsteigen, Heben schwerer Lasten. AlsGetränke empfohlen,
Milch, wenig Rotwein, mit Wasser (nicht Selter) gemischt, Brunnenwasser,
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136
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 12.
Fruchtsaftlimosaden (ausser Zitronen), Tee und Kaifee nur reichlich mit
Milch Terdtlnnt, Lindenblütentee-
Besondere Verbaltungamaüregeln: T^lich ein straff und gut
sitzendes Suspensorium tragen, öfters wenn möglich, einen Abend um den
andern, ein Sitzbad von 32 — 36® C 15 Minuten Tang! Ist ein öfteres Sitz*
bad nicht möglich, so ist das Glied täglich frühmorgens mit warmem Wasser
zu reinigen. Drei- bis viermal täglich zwei Kapseln Qonosan während,
d. i. zwischen dem Essen nehmen, und zwar moi^ens zum Kaffee, zum Früh¬
stück, zu Mittag und Abend je zwei Kapseln, falls dreimal verordnet nur
zum Frühstück, Mittag und Abendbrot zwei Kapseln. Von der verordneten
Flüssigkeit wird eine Spritze voll langsam und vorsichtig in die Harn¬
röhre eingespritzt. Vor der Einspritzung muss uriniert werden, damit der
coccenbaltige Eiter nicht in den gesunden Teil der Harnröhre getrieben
wird; die Flüssigkeit wird je nach Verordnung 4 bis 10 Minuten in der
Harnröhre durch ZudrUcken der Eichel darin gelassen und, wenn möglich,
in der nächsten Stunde nicht uriniert. Jede auffallende Veränderung, jeder
an irgend welcher Stelle auftretende Schmerz ist dem Arzte zu melden.
Bevor man zur Sprechstunde geht, suche man den Urin etwa fünf Stunden
zu halten. Geschlechtliche Aufregungen sind verboten. Wer wissentlich
oder fahrlässig einen Menschen in seiner Gesundheit schädigt (hier durch
Ansteckung im geschlechtlichen Verkehr) macht sich im Sinne des Gesetzes
strafbar und handelt unmoralisch.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. lo.
1. Hilgenreiner, Prag: Beitrag zur Kenntnis der Hemia
Uteri ingninalis.
Patientin war früher wegen rec^htseitigem incarcerierten
Leistenbruches operiert worden. Bei dieser Gelegenheit fand man
bereits den Uterus und die Adnexe im Bruchsack, jedoch so fixiert,
dass bei der nötigen Abkürzung der Operation an eine Ablösung
und Reponierung nicht gedacht werden konnte. Sechs Jahre
später trat bei der erblich schwer belasteten Patientin eine Psychose
in Gestalt einer Melancholie auf. Im Verlauf derselben rezidivierte
die Hernie und es w\irde von neuem operiert. Man fand ein ein¬
geklemmtes Stück des Cöcum, reponierte dieses, löste stumpf
teils blutig den Uterus und die Adnexe und benutzte den Uterus¬
körper mit gutem Erfolge zum Abschluss der weiten Bruchpforte.
Verf. weiset die Annahme, dass die Melancholie ihre Ursache in
der Uterushemie habe, nicht ganz von der Hand. Die Verwendung
des Uterus zum Verschluss der Bruchpforte ist des öfteren ausge¬
führt und empfohlen worden.
2. Heryng: Warschau: üeber neue Inhalationsmethoden
und neue Inhalationsapparate.
Im allgemeinen werden Inhalationen falsch vorgenommen. Die
Zunge muss hervorgezogen werden, der Inhalationsstrom muss ge¬
nügend heiss sein und die Medioamente müssen in genügender
Menge vorhanden sein. Verf. hat ausgedehnte Untersuchungen
über Inhalationsapparate gemacht und eine Reihe von Neuerungen
angegeben. Siene Inhalationsapparate zerfallen in vier Gmppfen
1. Vorrichtung zur Regulierung des kalten Sprays in den Grenzen
von IB bis 30® C. 2. Thermoregulator für Dampfinhalationsappa-
rate ohne Thermometer mit einstellbarer Skala von 35 bis 65® C.
3. Thermoakkumulator zur Vergasung schwer flüchtiger, heilkräf¬
tiger Stoffe. 4. Inhalationsapparate für allgemeine Säle mit Thermo¬
regulator, resp. Thermoakkumulator. Die Einzelheiten der Kon¬
struktionen lassen sich im Rahmen eines kurzen Referates nicht
besprechen, es muss auf die Originalarbeit verwiesen werden.
3. Steiner, Altenburg S.-A.: Zur externen Behandlui^
Hautkranker.
Verf. hat mit einem von der Firma „Chemische Werke Fritz
Friedländer, Berlin“ hergestelltem neuen Teerpräparat Versuche
unternommen. Dieses Präparat hat den Namen Teerdermasan und
muss nach den Erfahrungen des Verf. auf das dringendste em¬
pfohlen werden. Das Präparat hat juckstillende, schälende und
austrocknende Eigenschaften. Irgend welche Reizerscheinungen
hat der Verf. nicht gesehen. Es kommt für alle die Fälle in
Frage, wo sonst der Teer gebraucht wurde.
4. Marmorek, Paris: Beitrag xur Kenntnis der Virulenz
der Tnberkelbazillen.
Verf. hat ausgedehnte Versuche über die Virulenz von Tu¬
berkelbazillen verschiedenen Alters angestellt. Er benutzte die
sonst sich refraktär gegen Tuberkulose verhaltende weisse Maus,
indem er durch Aufschwemmung der Bazillen in einer Chinin¬
lösung die Phagocyten lähmte und so den Tuberkelbazilleu bessere
E^stenzbedingungen schaffte. Die Versuche ergaben einwurf8fi*6i, |
dass die jungen primitiven 2 —3 Tage alten TuherkelbaztUen viru¬
lenter sind, als solche, welche demselben Stamm entnommen wurden
aber 2 —3 Monate gewachsen waren.
5. Laqneur, Berlin: Die Anwendung der physikalischen,
Heilmethoden in der Therapie des akuten Oelenkrhenmatisnius.
Die Winternitz’sche Schule behandelt den akuten Gelenk¬
rheumatismus als akute Infektionskrankheit. Halbbäder von 27
bis 22® C. Vorher fenchte gewechselte Einpackungen, bis zum
Schweissausbruch. Diese Prozedur entweder ein- oder auch mehr¬
mals pro Tag. Um die Schmerzhaftigkeit der Gelenke herabzn-
setzen, wird eine etwa 7 Minuten dauernde Faradisation den
hydriatischen Mallnahmen vorausgeschickt. Ferner kommen kalte
Longettenverbände in Anwendung. Nach Moritz wird die
Hydrotherapie mit der Darreichung von Salicyl kombiniert. Im
Gegensatz zu Wiuteruitz wendet dieser Autor heisse Bäder
von 38—41® und 20 Minuten Dauer an. Noch weiter geht
Hauffe, derselbe steigert die Temperatur der Vollbäder von
38 ® bis auf 45 ®. Nach dem Bade wird der Patient noch einge¬
packt. Salicylgebrauch verwirft Hauffe gänzlich. Später kommen
Teilbäder in Anwendung.
Der Verf. verfährt folgendermaßen: Anwendung des Natr.
salicylic. Lokalbehandlung der Gelenke mit Longetteuverbänden.
Nachts Priessnitz’sche erregende Umschläge. Nach Schwinden
des Fiebers wird das Salicyl fortgelassen und es werden Voll¬
bäder von 35—38® gegeben, Dauer 10—20 Minuen. Bei Kom¬
plikation mit Endocarditis, Abkürzung des Bades und Applikation
des Herzschlauches. Lokal kommen Heissluftbäder, Warmwasser¬
bäder, Bier’sche Stauung und vorsichtige Massage in Anwendung.
Zusatz von Ichtbyolammonium zu den Bädern bat sich bewährt.
Bei Arthritis gonoirhoica ist die Anwendung der Bier’schen
Stauung ganz besonders empfehlenswert
Jedenfalls kommt man im Gegensatz zu der früheren An¬
schauung mit der lokalen Wärmeapplikation ebenso weit oder gar
weiter wie mit der Kälteanwendung. Natürlich ist auch hier das
Individualisieren das wichtigste.
Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrifti 1906. Nr. 43,
44, 45. Verlag von Carl Marhold in Halle a. S.
1. Konrad Alt. Videant consnles.
Nachdem Dietrich einen bedeutendenRückgang des medicinischen
Studiums in Preussen und im Deutschen Reich festgestellt und auf
die Möglichkeit eines Aerztemangels hingewiesen hatte, erhoben
sich von allen Seiten Stimmen, die diese Gefahr für absehbar
nicht anerkennen können, da Deutschland mit Aerzten gewisser¬
maßen so gesättigt sei, dass auch bei starker Abnahme des me-
diciaischeu Studiums ein Aerztemangel nicht zu befürchten sei.
Dem gegenüber weist Alt darauf hin, dass mindestens für
das psychiatrische Spezialfach die Verhältnisse ganz anders lägen.
Wenn überhaupt es sich zeige, dass die mehr ideal veranlagten
jungen Leute sich dem Studium der Medicin weniger zuwenden,
so müsse das bei der Besetzung der gewöhnlich schlecht besoldeten
Assistentenstellen am meisten fühlbar werden. Der Psychiatrie
hat sich von jeher nur ein geringer Bruchteil der Studierenden
zugewendet und jetzt stösst die Besetzung der Stellen selbst an
Anstalten von Ruf auf grosse Schwierigkeiten; es liegt das an
dem grossen Missverhältnis zwischen Pflichten und Tätigkeit des
Psychiaters einerseits und den Ansichten für eine gesicherte Exi¬
stenz auf der andern. Die abgelegene Lage der Anstalt, das
Misstrauen des Publikums gegen den Psychiater, die mangelhafte
mindere Besoldung und das Fehlen jeder Sicherheit eines Auf¬
rückens hält die jungen Aerzte fern. Alt macht Vorschläge für
eine Besserung der LÄge der zukünftigen Psychiater.
1. Eine Möglichkeit, von Zeit zu Zeit die Kenntnisse der
allgemeinen Medicin wieder aufzufrischen, sollte geboten werden,
damit auch der ältere Austaltsarzt jederzeit wieder in die aD-
gemeine Praxis zurückkehren kann. Geldprämien von 5000 bis
10000 M., je nach Länge der Dienstzeit, sollen diesen üebergang
erleichtern.
2. Die Ausbildung soll sich nicht auf die klinische psychia¬
trische Seite beschränken, sondern durch Kurse an Anstalten, soll
Lehrern und Lernenden eine Gelegenheit zur Erwerbung und Auf-
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
137
inschtmg von tberapentiBohen Kenntnissen nicht nur der Diagnostik
sondern auch des Verlaufes, der Beeinflussung der Geisteskrank¬
heiten durch die ärztliche Fürsorge gegeben werden.
3. Urlaube zur Erholung und Gewährung von Funktions-
Zulagen sollen es ermöglichen, dass der Psychiater alljährlich mit
den Zentren geistiger Kultur in Berührung komme. Alle drei
Wochen 24 Stunden Dienstfreiheit ohne Urlaubsgesuch sind not¬
wendig.
4. Anstalten sollten aus vielen Gründen nicht mehr abseits der
grossen Städte begründet werden. Mittelgrosse Anstalten von
500—600 Betten sollten sich um eine Wirtschaftszentrale grup¬
pieren, jede dieser Anstalten solle einen Direktor und zwei Ober¬
ärzte haben. Daneben solle eine kleine offene Anstalt und Poli¬
klinik für Nervenkrankheiten bestehen, die dem Einseitigwerden
der Psychiater wirksam vorbeugt. Alle drei Jahre sollte ein
Fortbildungskursus, besonders für innere Medizin, besucht werden.
5. Bei dem Kräfteverbrauch, den die Psychiatrie bedingt,
sollten Höchstpensionen schon nach 25 Dienstjahren gewährt werden;
eine nicht geringe Belastung und Gefahr für die psychiatrischen
Leiter bedingt die Einweisung von verbrecherischen Elementen in
die Anstalten.
6 . Auch durch den Titel soll zum Ausdruck gebracht werden,
welche Wertschätzimg die Tätigkeit des Psychiaters erfährt, die
Direktoren sollen gleich den Kreisärzten und Gerichtsärzten den
Medicinalratstitel erhalten.
Es ist Pflicht der beteiligten Stellen, so schliesst Alt, für
einen Nachwuchs zu sorgen, der die zeitgemäße Pflege und Be¬
handlung der Kranksinnigen gewährleistet.
Dr. G. Flat au, Berlin.
Allgemeine medicinieche Central'Zeitung. 1906. Nr. 2 .
1 . Drehmann: lieber Cervicodorsalskoliose undHalsrippe.
Fälle einer primären, auf wenige Wirbel beschränkten Cervico¬
dorsalskoliose kommen bisweilen vor. Die in der Literatur bisher
mitgeteilten werden besprochen und mehrere eigener Beobachtung
analysiert. Die Fälle zeigen meist hereditären Charakter Ano¬
malien der Bippenzahl ist dabei ein gewöhnlicher Befund; eine
überzählige Rippe besteht meistens auf der konvexen Seite am
Hals; am häufigsten ist diese nicht als einfache Halsrippe anzu-
sprechen, sondern es handelt sich um das Einsprengen eines keil¬
förmigen Wirbelrudimentes, welches eine einseitige Rippe trägt.
Dieses Rudiment befindet sich stets am Uebergange der Hals- in
die Brustwirbelsäule. Zuweilen findet sich ein kompensatorisches
Wirbelrudiment am Uebergang der Brust- und Lendenwirbelsäule
auf der entgegengesetzten Seite. Im ersten Lebensjahre kann die
in Frage stehende Skoliose zu einer Verwechselung mit Caput
obstipum führen.
2. Liefschütz: lieber den üinfliUB der Ämara auf die
Magenverdannng bei yerschiedenen Erkrankungen des Magens.
Die praktisch wichtigsten Ergebnisse der längeren Aus¬
führungen sind: Nachlassen oder Fehlen des Appetits ist eine der
wichtigsten Störungen, die Erkrankungen des Magen-Darm-Apparats
begleiten; häufig gelingt es allein durch Besserung des Appetits
den Patienten zugleich von vielen lästigen Krankheitserscheinungen
zu befreien. Amara üben, V« bis Vz Stunde vor den Mahlzeiten
gereicht, auf Salzsäureausscheidung, sowie auf die digestive Kraft
des Magens bei den Erkrankungen, bei denen dyspeptische £lr-
scheinungen mit verringerter Salzsäureproduktion io den Vorder¬
grund treten, und denen keine tieferen anatomischen Veränderungen
zugrunde liegen, einen günstigen Einfluss aus. Bisweilen ver¬
mögen die Amara auch die motorische Funktion des Magens zu
steigern; auf das Absorptionsvermögen desselben bleiben sie aber
ohne Einfluss. In starken Konzentrationen (30,0: 200,0) ist die
Wirkung eine schlechtere als in schwachen Konzentrationen
(12,0: 180,0). Einen wesentlichen Unterschied in der Wirkung
der verschiedenen Amara gibt es nicht; relativ am besten wirken
Absynth und Condurango.
Bücherbesprechung.
Zur Organisierung der Geistesschwachen-Für-
sorge. Von Dr. phil. A. Gundel, Direktor der Idiotenanstalt
zu Rastenburg. Halle a. S. Verlag von Carl Marhold.
Die Arbeit des bekannten Verfassers bildet die Ausführung
der im September 1904 der Konferenz für Idiotenwesen gegebenen
Referate über Erziehungsanstalten für Geistesschwache. Die in
Aussicht genommene gesetzliche Regelung der Volksschulfrage
berührt auch den Unterricht der Geistesschwachen und die noch
streitige Frage, ob ärztliche oder pädagogische (geistliche) Auf¬
sicht, wird in diesem Buche zur Entscheidung gestellt.
Als Ziel der Erziehung wird eine religiöse Ausbildung als
Grundlage der Moral und eine praktische Brauchbarkeit zur Ar¬
beit festgesetzt.
Es folgt in weiteren Kapiteln die nähere Ausführung dieses
Grundsatzes.
Die ärztliche Leitung setzt mit Recht die körperliche Erziehung
an die erste Stelle, die geistige an die zweite, daneben wird aber
die zweite Stelle oft zu Unrecht vernachlässigt. Die theologisch¬
religiöse denkt mehr an die Vorbereitung auf das Jenseits.
Zum Unterricht sind die Geistesschwachen zu teilen in Kinder
mit verspäteter Entwicklung, Geistesschwache leichtem und
schwereren Grades oder: Blödsinnige und schwer Geistesschwache,
die der Anstaltspflege bedürftig; meist entmündigt sind und (sc.
die schwer Geistesschwachen) nur die Anfangsstufe des Normal¬
unterrichtes erreichen. Geistesschwache leichteren Grades, die in
Hilfsschulen die Mittelstufe erreichen.
Hilfsschule, Erziehungsanstalt, Pflegeanstalt und die Institute,
die in Frage kommen neben der Familienpflege der leichter
Geistesschwachen.
Auf die pädagogischen Einzelheiten soll hier nicht näher ein¬
gegangen werden. Nur die besondere Betonung der Handfertig¬
keit im Sinne der einfachen Handwerke möchte ich hervorheben.
Kapitel V behandelt die Fürsorge für Hilfsschulentlassene.
Die Frage der Oberaufsicht will Yerf. dahin entschieden
sehen, dass die Erziehungsanstalten für Geistesschwache unter die
Unterrichtsverwaltung gehören und mithin dem Pädagogen zu¬
fallen, der freilich der Mitwirkung der Aerzte weder entraten
kann noch soll.
Zum Schluss werden die Fragen der Beschaffung geeigneten
Lehrpersonals und die gesetzlichen Vorschriften besprochen.
Dr. Georg Flatau, Berlin.
Vermischtes.
Lims. Das in Lima bestehende hygienische Institut plant
die Errichtung einer permanenten hygienischen Aus¬
stellung. Vornehmlich kommen in Betracht; künstliche Nahrungs¬
mittel, rieischexti*akte, mechanische Behelfe für chirurgische Zwecke,
kondensierte Milch, Desinfektionsapparate, Sera, Impfstoffe, Kleider¬
stoffe, oder sonstige Textilwaren von besonderem hygienischem
Interesse, Mineralwässer und Sodawasser, elektrotherapeutiscbe
Behelfe, Guspidors, Trockenapparate, Schulmobiliar, Baumaterialien,
tragbare Häuser für Spitalzwecke, Kindemährmittel. Das hygienische
Institut in Lima untersteht der dortigen Stadtverwaltung und wird
von einem italienischen Bakteriologen namens Dr. Ugo Bifii geleitet.
Berlin, in der Sitzung des Geschäftsausschusses der
Berliner ärztlichen Standesvereine am 23. Febr, wurden
folgende Beschlüsse gefasst: Der Geschäftsausschuss erklärt es für
standesunwürdig, dass Aerzte für Veröffentlichung ihrer Adressen
im Berliner Verkehrsbuch Zahlungen leisten; der Geschäftsaus¬
schuss hofft, dass diejenigen Aerzte, deren Adressen gegen ihren
Willen veröffentlicht sind, auf Streichung ihrer Namen dringen
werden. Der Geschäftsaasschuss spricht sein lebhaftes Bedauern
aus, dass die städtischen Behörden die freie Arztwahl in der Armen¬
pflege, für welche Virchow schon im Jahre 1848 mit über¬
zeugenden Gründen eingetreten ist, abgelehnt haben. Die Durch¬
führbarkeit der freien Arztwahl in der Armenpflege ist seit mehreren
Jahren in einer grösseren Reihe von Städten, so z. B. mit bestem
Erfolge in Strassbnrg i. E., emiesen. Da die freie Arztwahl bei
den Krankenkassen, welche anfänglich ebenfalls heftigem Wider-
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138
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 12.
Spruch seitens der städtisohen Behörden begegnete, jetzt allgemein
als das beste System für die Kranken und fär die Aerzte aner¬
kannt ist, so hegt der Geschäftsausschuss die Hoffnung, dass in
nicht zu langer Zeit die freie Arztwahl auch in der Armenpraxis
zur Einführung gelangen wird.
Bsrltn. Durch Bundesratsbeschluss ist der Verkauf von Lysol
und verwandten Präparaten wesentlich eingeschränkt worden. Die
Kresolseifenlösungen, Lysol, Lysosolveol etc., sind in die Äbteilnng 3
des Giftgesetzes eingereiht worden. Sie dUrfen in unverdünntem
Zustande oder in Lösungen, die mehr als 1 v. H. enthalten, nur
an zuverlässige Personen und nicht an Kinder abgegeben werden.
Weiter ist angeordnet, dass Gefäße und Umhüllungen, worin Gifte
abgegeben wenien, ausser der „Gift“-Aufschrift noch die Inhalts¬
angabe tragen müssen.
Borlin. Laut Ministerialverfügnng sind die Kosten der
polizeilich angeordneten Leichenschau grundsätzlicdt dem¬
jenigen zur Last zu legen, welchem es obliegt, die Bestattimg der
Leiche herbeizuführen. Polizeikosten erwachsen durch die obliga¬
torische Leichenschau bei entsprechender Handhabung hiernach erst
dann, wenn die Besichtigung einer Leiche mangels ElrfuUung durch
den Verpflichteten von der Polizei selbst im Wege des Zwanges
bewirkt werden muss und wenn die hierzu nötigen Vorschüsse von
dem Verpflichteten nicht wieder eingezogen werden können.
Borlin. Tjaut Ministerialverfügung haben die Kreisärzte
alle den Provinzialschulkollegien unterstellten Lehranstalten auf
ihre hygienischen Verhältnisse hin zu kontrollieren. — Ferner
ist angeordnet, dass Heilmittel, die mit denaturiertem Brannt¬
wein hergestellt sind, nicht in den Verkehr gebracht werden
dürfen.
Hochschulnachrichten.
Breslau. Zwei Extraordinariate sollen in Ordinariate umge¬
wandelt werden und zwar die des Dermatologen Geheimrat Dr.
Neisser und des Pädiaters Dr. Czerny. — Habilitiert für Ohren-,
Nasen- und Halskrankheiten Dr. med. Georg Boenuinghaus,
Primärarzt der Abteilung für Ohren-, Nasen- und Halskranke am
St. Georgs-Krankenhause zu Breslau.
Freiburg i.B. Obermedizinalrat Prof. Dr. Schmorl in
Dresden, welcher als Nachfolger Ziegler’s erwählt worden war,
hat auf die Berufung verzichtet.
Greifswald. Zum Rektor der Greifswalder Universität
wurde für das Studienjahr 1906/07 Geheimer Medizinalrat Prof.
Dr. med. Robert Bonnet, Direktor des anatomischen Instituts,
gewählt.
Halle a. S. Prof. Dr. A. Tschermak hat einen Ruf als
Ordinarius für Physiologie an der tierärztlichen Hochschule in Wien
erhalten und angenommen.
Heidelberg. Es habilitierten sich: der Assistenzarzt der
chirurgischen Universitätsklinik Dr. Ludwig Arnsperger und der
Assistenzarzt der psychiatrischen Klinik Dr. Karl Wilmanns.
Jena. Dr. med. Strohmayer hat sich für Psychiatrie und
Dr. med. Frey für Pharmakologie habilitiert. — Die Privatdo¬
zenten Dr. Noll, Assistent am physiologischen Institut, Dr. Grober,
Assistent am klinischen Laboratorium für experimentelle Pathologie,
und Dr. Berger, Hausarzt an der psychiatrischen Klinik, sind zu
ausserordentlichen Professoren ernannt worden.
Kiel. Prof. Dr, Emst v. Düring, Direktor der hiesigen
Universitätsklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten wird zum
1. April d. J. die Direktion der Dr. Lahmann’schen Heilanstalten
Weisser Hirsch bei Dresden übernehmen.
Köln. Zum Professor für Ohrenheilkunde an der Akademie
für praktische Medicin in Köln ist der a. o. Professor und Direktor
der Universitätsklinik für Ohren-, Nasen und Halskrankheiten an
der Universität Breslau, Dr. Hinsberg ausersehen. — Anlässlich
der E)iilweihung des Kaiserin-Friedrich-Hauses in Berlin wurde
Prof. Dr. Bardenheuer zumJGeheimen Medizinalrat ernannt.
München. Der ausserordentliclie Professor an der Universität
Graz,, Dr. Pfaundler, wurde zum ausserordentlichen Professor
für Kinderheilkunde in der medicinischen Fakultät der K. Uni¬
versität München ernannt und ihm die Direktion der Universitäts-
Kinderklinik übertragen.
Strassburg. Prof. v. Recklinghausen, seit Gründung
der Straasburger Universität Professor der pathologis<Iien Anatomie
dortselbst lässt sich emeritieren.
Würzburg. Dem Privatdozenten und I. Assistenten an der
K Universitäts-Frauenklinik in WOrzburg Dr. Polano wurde die
Funktion eines Oberarztes an dieser Klinik in widerruflicher Weise
übertragen.
Th. Lelsewitz-Müncben. Therapie bei den Blagen- nnd
Oarmerkranknngen im Sangllncaalter« mit beeooderer Berück-
siuhtigung der Dr. Tbeinhardtschen löslichen Eindernahrung. (Archiv für
Kinderhejlk., Bd. XLII, Heft 5/6.)
A. Rahn. Arzt und Mutter in der Säuglingsemäbrang. Eine Studie
Uber Stillen und künstliches Nähren. (Allg. med. Ctrl.-Ztg. 1906, Nr. 3).
In der EinderpoUklinik von Prof. Seitz hatte L. es sich zam Prinzip
emaebt, eine womöglich nur mecbaiiiscb-diätetische Behandlung der mageo-
armkranken Einder durchzufübren. also womöglich in diesem zarten Alter
ohne Medikamente auszukomroen. Daher hatte er konsequent Mt^en- und
Darmausspfilungen durchgefübrt, nnd zwar die Darmansapfilungen in einer
von Dr. Enterloin konstruierten Wanne, die auf eiuem schiefen durch¬
brochenem Brett das Kind zur MastdarmspUluog aufnimmt, ohne die üm-
zu beschmutzen oder zu durchnässen.
auptsäcblicb aber kam es L. auf die Versuche und Vergleiche mit
verschiedenen Nährpräparaten an, von denen er acblieaslich dio Theiobardt'sche
lösliche Eindernahrung vorzieht.
Der grosse Vorteil, den dieDr. Tbeinbardt’sche lösliche Eindernahrung
besitzt, ist darin zu suchen, dass die Stärke dextrinisiert, das Eiweia, das
der Kuhmilch entstammt, durch ein Pflanzenferment bedeutend leichter
verdaulich gemacht ist.
Drei ausfUbrUebo erläuterte Gewiebtskurvon (akute Dyspepsie, akute
Enteritis und subakute Gastroenteritis) zeigen sehr deutlich, wie eine exakte
Handhabung nnd individuelle Verteilung der Tbeinbardt'schen Zugabe bald
und sicher Gewichtszunahme des kranken Säuglings erreichen lässt.
Im besonderen ist diese Nahrung noch angezeigt bei Fettdyspepsieen;
auch im Vergleich zu anderen Näh^ktelpräparaton erweist sie sich als
vorteilhafter z. B. bei Erkrankungen, bei denen in den Stühlen reichlich
Stärke mit Lugolscber Lösung nachgewiesen werden kann, die Stühle werden
sofort anders geartet durch den ganz minimalen Gehalt an unlöslichen Kohle¬
hydraten, Lugolscbe Reaktionen fallen dann negativ aus.
Die Anwendung des Präparates kann erfolgen bei akuten Zuständen,
wenn die ersten nnter stren^tcr Diät Uberstanden sind; geringe
Meng« Mebles mit WWerzusatz sistiert Erbrechen und Durchfall, und lä^t
sich schon eine Zunahme des Gewichtes erkennen, dann darf man ruhig
grössere Dosen gehen mit mehr Milch, oder wenn man will, eine Combi-
nation von MiVeb und Rahmgemenge, falls keine Fettdyspopsie vorliegt.
Auch bei chronischen Verdauungsstörungen sollte man dieses Präparates
gedenken; durch monatelange Gaben unter genauer Berücksiebtigung der
Stublontersuchungen, durch ein mehr oder weniger, wenn eine leichte Störung
sich einstellt, lassen sich auch stark im Ernährungszustände herunterge¬
kommene Säuglinge zu einem befriedigenden Status heranpflegen.
Auch Rahn betont die leichte Assimilationsfähigkeit der Dr. Thein-
hardt's Nahrung und die schonende und vorsichtige Art der Tbeinbardt'schen
Dampfttocb-Vorschriften, und es kommt ihm namentlich darauf an die Thein-
hardt'sche Nahrung dort cinznfUbren, wo nur ein teilweises Stillen mißlich
oder ein baldiges Ahsetzen des Kindes von der Mutterhrust vonnöten ist
Denn die Kuhmilch wird zweifellos durch die Theinhardt'sehe Ergänzung
und Kochweise der Frauenmilch am nächsten gebracht, und man erlebt in
der Praxis bei dem Tbeinbardt'schen Zusatz nicht oder nur selten das sooft
gefürchtete Verweigern der künstlichen Nahrung neben der natürlichen oder
umgekehrt. Wo die Zeit und auch die MiittermUcb zum Stillen nicht reichen
wollte, vorordnete Rahn früh vor dem Fortgehen der Mutter, Mittapf nnd
Abends die Brust der Mutter und ergänzte diese Nahrung, indem er in den
anderen Zeiten — wenn möglich wurde Nachts auch die Brust verordnet —
Kuhmilch mit der Theinhardt's löslichen Eindernahrung meist nach den Vor¬
schriften der Theinhardt'scheii Gebrauchsanweisung verordnet. Somit erlitt
auch die Ahlactation keine Störungen, vielmehr Hess sich gerade mit dieser
Nahrung die Klippe der Ablactationsstöningen sehr gut umgehen, und daher
konnte Kahn um so nacbdrucksvollcr für ein anfängliches Stillen eintreten,
und wenn es nur die ersten Wochen hindurch war. Aber nicht bloss als
,Beikost bei ungenügender Muttermilch und gelegentlich der Ahlactation",
sondern auch bei jeder Art von Magen- und Darmstörungen, bei Brech¬
durchfall, bei Unterernährung falsch und fahrlässig genährter Kinder und
bei Rachitis bewährte sich die Dr. med. Theinhardt's lösliche Nahrung.
Rahn erprobte auch das zweite Nährpräparat der Cannstatter Nähr-
mittelgestillschaft, das Hygiama. Dr. med. Theinhardt's Hygiama kommt
nach ihm in Betracht: Als Kräftigungsmittel für Rekonvaleszenten; als
vorwiegende Nahrung für Magen- und Darmkranke, namentlich bei Fett-
stüblen; als reizlose Kost bei Albuminurie und Nephritis, bei Neurasthenie
und Epilepsie; als schonende, leicht verdauliche und anr^ende Kost bei
fieberhaften Krankheiten, vor allem Scharlach, Diphterie, Erysipel, Puer¬
peralfieber; als Gewohnheitsgetränk bei Sports- und Geschäftsleuten, bei
' Schulkindern, die an Vormittagen lange von Hause weg sind und zu ihrem
Frühstück auch die entsprechende Menge Flüssigkeit in nährender und an¬
regender Form benötigen, ferner als Gewohnheitsgetränk bei Partien, Aus¬
flügen, Bergtouren u. s. w.; als kühlendes Getränlc bei Fieber und Rachen¬
entzündungen; als Lactagogum bei stillenden Müttern; als Corrigens
Milch und dauernde Beihilfe für Milchkuren. A. R.^
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
139
Therapeutische lleuheiten-
I. Instrumententisch mit elektrischem Anschlussapparat
für Hals-, Nasen- und Ohrenärzte.
Diejenigen Spezialärzte, welche in schneller Folge die ver¬
schiedensten Instrumente teils mit Hinzuziehung von Stark- oder
Schwachstrom teils oline diesen in der Sprechstunde gebrauchen,
müssen das Bestreben haben, sich ihr Instrumentarium so hand-
iicdt und kompendiös einzurichten wie möglich. Ganz besonders
ist das bei den Laryngologen, Rhinologen und Urologen der Fall.
Fig. 1.
Bald braucht man die Stimlampe, bald den Thermokauter, bald
einen Aetzuuttelträger, die Cocainspritze, den faradischen Pinsel,
kurz der Wechsel des Instrumentariums ist ein schneller und
häufiger. Diesen Verhältnissen Rechnung tragend hatDr. Helbing,
Nürnberg (vergh Münchn. med. Wochenschr. Nr. 7, 1906) einen
Instmmententisch angegeben, welcher von der Erlanger Firma
Reiniger, Gebbert & Schall in den Handel gebracht wird
und welchen wir obenstehend abbilden. (Fig. 1.)
Der Tisch besteht ans einem Eichenholzschrank auf Rollen,
mit zahlreichen Schubkästen zur Aufnahme der Instrumente, die
eine Hälfte trägt oben eine starke Glasplatte znm Aufstellen von
Glasschalen, eines Sterilisationsapparates, der Uutersuchungslampe,
sowie zum Auflegen der Instrumente etc., während sich links oben
das dnrch ein aufklappbares Glasverdeck geschützte Reguliertableau
befindet. Auf letzterem sind Galvanometer, sämtliche Schieberrheo-
state, die Einschalter und Ableitungsklemmen angebracht. Die Trans¬
formatorspule, Vorschaltlampe, Sicherung etc. befinden sich auf der
unteren Fläche der ilarmorplatte. Die ganze Platte ist in zwei
Nuten des Schränkchens eingeschoben und wird nach vorne durch
eine aufklappbare Holzwand abgeschlossen.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Be¬
triebssicherheit und feuersicheren Installation der Apparat auch
den höchsten behördlichen Anforderungen Genüge leistet.
2. Aseptisches Taschen-Injektlons-Besteck.
Mit die wichtigste Forderung bei der ambulanten Behandlung
der Gonorrhoe stellt die sorgfältige und zweckmässige Ausführung
der vom Arzt vorgeschriebenen Injektionen dar. Diese scheitert
nicht allzu selten an dem Mangel eines gut funktionierenden
handlichen Instrumentariums, und so dürfte das nebenstehend ab¬
gebildete und im folgenden beschriebene von Dr. Blank kon¬
struierte Besteck eine willkommene Neuerung darstellen. Das
,.aseptische Tascben-Injektions-Besteck** enthält 1. eine
Tripperspritze (10 ccm Inhalt mit konischem Hartgummiansatz),
2. einen Wattehehälter aus Metall, 3. ein^Glasschälchen (20 ccm
Fig. 2.
Inhalt) zur Aufnahme der Injektionsflnssigkeit, 4. eine grosse
dunkle Flasche (50 ccm Inhalt) für die vom Arzte verordnete Ein-
spritzungslösung und 5. ein kleines Fläschchen für eine antiseptische,
zur Reinigung bestimmte Flüssigkeit (1 pCt. Lysoformlösung oder
dergl.). Diese Gegenstände sind fest, d. h. durch MetaJUeisten von
einander getrennt, in einem aseptischen Metalletui so untergebracht,
dass sie beim Transport nnverrückt in ihrer Lage verbleiben.
„Der Kranke füllt**, nach der vom Erfinder abgefassten und jedem
Besteck beigelegten Gebrauchsanweisung, nfrüh, ehe er seine Häus¬
lichkeit verlässt, die Flaschen mit den vom Arzte verordneten Lö¬
sungen, die Einspritzungsflüssigkeit in die grosse braune Flasche,
die aotiseptiscbe Lösung zur Reinigung in die kleine Flasche, ausser¬
dem wird die Watteschachtel mit Watte gefüllt. Wenn nun eine
Einspritzung in die Harnröhre vorgenommen werden soll, so lässt
der Kranke zunächst Urin, reinigt daun Eichel und Vorhaut mit
Watte, die mit antiseptischer Lösung aus der kleinen Flasche
getränkt ist, reinigt auf die gleiche Weise den konischen Spritzen¬
ansatz und die kleine, zur Aufnahme der Einspritznngsflüssigkeit
bestimmte Glasschale, die aber nachher mit trockener Watte
nachgewischt werden muss. Dann giesse man aus der grossen
braunen Flasche in die Glasscbale das zur Füllung der Spritze
nötige Quantum EinspritzungsflUssigkeit, ziehe sie in die Spritze
und mache nach ärztlicher Vorschrift seine Einspritzung. Nach
dem Gebrauch siud die Gegenstände gereinigt in dem Etui so
unterzubringen, wie es auf der Innenseite des Deckels abgebildet ist**.
Mit Hilfe dieses Bestecks kann jeder Tripperkranke überall,
auch fern von seiner Häuslichkeit, die ihm vom Arzte verordnete
Einspritzung in richtiger, einwandsfreier Weise vornehmen. Die
handliche Form des Bestecks, es ist nicht grösser wie ein Zigarren¬
etui, erleicbert und ermöglicht einen sanberen Transport. Die
Firma Hoffmann& Co., Potsdam, Neue Königstrasse, Abteilung
für elektrische und medicinische Apparate, hat die Herstellung
und den Vertrieb des Bestecks übernommen, es ist aus jeder
Apotheke oder vom Fabrikanten zo beziehen (Preis 3,50 Mk.}.
3. Neuer Unlvereal-Anechluesapparat mit Motortraneformer.
In denjenigen Fällen, in welchen der Arzt, der Anschluss an
ein Elektrizitätswerk mit Gleichstrom besitzt, ausser Galvanokaustik
auch Verwendung füJ- einen Elektromotor zu chirurgischen Opera¬
tionen, sowie zur Vibrationamassage hat, verdient ein sogenannter
Motortransfbrmer vor allen anderen Apparaten den Vorzug. Der
Motortransformer benötigt nur eine geringe Stromstärke und kann
deshalb an jede vorhandene Glühlampenleitnng angeschlossen werden.
Er macht sehr wenig Geräusch, nimmt wenig Platz weg und ist
transportabel. Er kann leicht mit den nötigen Hilfs-Einrichtungen
für Anwendung des Stromes zur Endoskopie, zur Galvanisation,
Elektrolyse und zur Faradisation kombiniert werden.
Eine derartige Universal-Einriohtang, konstruiert von der
Firma Reiniger, Gebbert ft Schall in Erlangen, zeigt
umstehende Abbildung. Der Apparat besteht aus einem gewöbn-
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140
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr 12.
lieben, kräftigen Oleicbstrom-Elektromotor, auf dessen Achse sich
ausser dem Kollektor noch zwei Schleifringe befinden, die mit zwei
Fig. 3.
einander gegenüberliegenden Punkten der Ankerwicklung in Ver¬
bindung stehen. In den dadurch gebildeten beiden Hälften der
Ankerwicklung entstehen Wechselströme, wenn die auf den Ringen
schleifenden Bürsten durch eine Verbindungsleitung geschlossen
sind. Durch eine in die Verbindungsleitung eingeschaltete Trans¬
formerspule mit dicker Sekundär-Wicklung kann die relativ hohe
Spannung der Wechselströme auf niedrige Spannung transformiert
werden (bekanntlich genügen für Galvanokaustik 3—4 Volt). Die
Regulierung der Glühhitze des Brenners wird durch eine im Sockel
angeordnete Rheostatkurbel, welche die Geschwindigkeit des Motors
beeinflusst, bewirkt. Bei schnellstem Lauf des Motors ist die
Wirkung am stärksten.
Auf dem Sockel des Transformers befinden sich zwei Volt¬
regulatoren für Galvanisation, sowie Elektrolyse und für Faradisa-
tion, ein d’Arsonal’sches Galvanometer mit schwingender Spule,
Ausschalter, Stromwender usw. Auch kleine Glühlämpchen für
Endoskopie können angeschlossen werden und ist deren Lichtstärke
in derselben Weise wie die des Galvanokauters
zu regulieren. Der Apparat wird in der Regel
auf einem kleinen, sehr eleganten vernickelten
und fahrbaren Tischchen montiert.
4. Leitsonde für Cyätoskope.
Die Cystoskopie kann ungemein erschwert
werden, wenn Verengerungen der Harnröhre,
sei es, dass sie durch Strikteren bedingt sind
oder in einer Prostatabypertrophie ihren Grund
haben, die Einführung des immerhin ziemlich
starken Instrumentes schwierig machen. Durch
vergebliche Versuche werden oft schwere
Verletzungen gesetzt, ja die Ausführung ge¬
legentlich überhaupt in Frage gestellt. Pas*
ner hat nun eine höchst einfache Vorrichtung
angegeben, mittels deren das Einführen des
Cystoskops spielend gelingt. An der Spitze
der Lampe des bekannten Nitze'sehen In¬
strumentes wird eine 8 cm lange filiforme
Leitsonde angeschraubt. Dieselbe stört bei
der Inspektion nicht im geringsten und gibt
eine durchaus sichere Führung. Diese Leit¬
sonde und die mit passendem Gewinde ver¬
sehenen Lampen liefert die Firma L. und
H. Loewenstein, Berlin NW., Ziegelstr.
Fig. 4.
5. Ein neuer SchlIngenfÜhrer.
Die Neuerung dieses Schlingenführers, welcher sich in der
Form an den von Krause angegebenen anschliesst, liegt in der
Form des Rohres:
Fig. 5,
Das Bohr verläuft nach der
Spitze’zu flach, Istvorn geschlossen,
hat zwei seitliche feine Löcher
zur Einfädelung des Drahtes und
eine tiefe Einkerbung, in welche
der Draht sich hineinzieht. Der
Hauptvorzug dieses verbesserten
Schlingenrohres liegt darin, dass
die Drahtschlinge beim Zuziehen
nicht mehr, wie sonst überall, zu-
sammenknickt. Die Schlinge schiebt
sich auch nach dem Gebrauch stets
wieder in schön gerundeter| weit
geöfiheter Schleife zum Rohr her¬
aus, und es ist nicht nötig, sie
nach jedem Gebrauch erst wieder
mit den Fingern oder mit einem
Dorn aufzuweitem und zurecht zu
biegen. Natürlich lässt sich mit
einer so gestalteten Schlinge die
zu exstirpierende Wucherung viel
besser umschliessen, fassen und
abtragen. Weitere Vorzüge des
Schlingenrohres sind das glatte
Durchschneiden und das bequeme
Einfädeln. Das glatte Durch¬
schneiden wird erreicht durch die
scharfen Ränder zu beiden Seiten
der Einkerbung. Gegen diese
wird der abzutragende Weichteil
gepresst, ehe sich der Draht
T
52
!
schneidend in die vertiefte Rille (Einkerbung) des Rohrkopfes legt.
Feiner Draht, der leichter schneidet, kann hier ebensogut verwendet
|] werden wie starker. Die Einftdelung
des Drahtes erfolgt hier müheloser als bei
irgend einem anderen System. Esistnurzu
beachten, dass der Mandrin (der Draht¬
führer) so weit nach vom geschoben wird,
bis sich dessen Loch unter die seitlichen
Löcher des Rohrkopfes gestellt hat. Der
einzufädelnde Draht wird sich dann nicht
nur durch die beiden Seitenlöcher des
ij Rohrkopfes, sondern zugleich auch durch
das Loch des Mandrins (Drabtführers)
stossen lassen. Im übrigen erklärt sich
die Art des Einfädelns und die Wirkung
des angezogenen Mandrins aus den Zeich¬
nungen 1 bis 7. (Fig. 6 u. 7.)
Soll die Schlinge ausgewecbselt werden,
also der Draht entfernt werden, so kneift
man die Schlinge dicht am ^hr, also
an den beiden seitlichen Austrittsstellen
ab und zieht den im Rohr verbliebenen
Rest des Drahtes
mit dem Mandrin
(Drahtführer) ganz
nach unten, so dass
er berauscht. Zu
dem Zweck muss
natürlich d^ Rohr
vom Griff getrennt
werden.
Die Rohre werden
in zwei verschiede¬
nen Stellungen ge¬
fertigt, daseineRohr
trägt die Schlinge
flach gestellt zum
Fig. 7. Instrumentengriff,
das andere quer gestelllt. Der Schlingenführer fürs Ohr zeigt
die gleichen Eigentümlichkeiten; er dürfte wohl der zuverlässigste
handlichste und auch zierlichste aller vorhandenenOhrpolypenschnürer
sein. Der Schlingenführer wird von der Firma Rudolf Dötert,
Berlin NW., Karlstrasse 9, gefertigt.
Fig. 6.
Versatwortlieher Redakteur : Dr. P. Meitiner, BerlinW. M, Kurfürttenetr. 8t. Verleit von Carl Marhold. Halte a. 8.
Druck v«a der MeTueiBaBa'echcB Bochdrudterel, Gebr Wolff, Halle a. S.
Medicinische Woche
Dcatschmaini, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator. R. Sommer,
Berlin. Glessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a* S*, Uhlandstrasse 6.
Tct.'Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Herausgegeben von
R. Robert. M. Koeppcn, K. Partsch. H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UoTenicht, A. Vosslas,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W* 62, Knrfflrstenstrasse 81*
Dr. P Meißner.
Vn. Jahi^ang.
26. März 1906.
Nn 13.
Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Utagfgen Beilage BallieologiSChe CetltralzeitUflgt Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Hall e a. S. entgegen. Inserate werden für
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Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Über
einige mit den „Spermathanaton“-Pastillen
gemachten Erfahrungen.
Von Dr. med. R. Braun, Wien.
Es gehört nicht zu den leichten Aufgaben des Arztes, sich
ein Urteil und eine richtige Auffassung Uber ein Präparat zu
bilden, wie es das vorliegende ist, d. h. über ein die Schwanger¬
schaft, im engeren Sinne die Conception überhaupt, verhindern¬
des Mittel- Mit reinen theoretischen Erwägungen, ist es in
diesen Fällen wohl nicht abgetan, da, wenn auch die chemische
Wirkung eines Präparates in vitro mit grosser Sicherheit für
die Vernichtung von Bakterien und anderen mikroskopisch
kleinen Lebewesen, wie es z. B. die Spermatozoen sind, spricht,
dennoch diese Mittel am lebenden Organismus ganz andere,
in der Regel recht komplizierte Verhältnisse treffen und meistens
wegen anderweitiger schädigender Nebenwirkungen überhaupt
ar nicht in Frage kommen können. Dadurch wird schon vor-
erein ein grosser Teil der sonst vielleicht gut brauchbaren
Desinfizientien von der Verwendung ausgeschlossen. Aber
auch noch ein zweiter Grund liegt da vor, der sehr wohl ge¬
eignet ist, dass wir nur schwer zur richtigen Beurteilung eines
conceptionsverhütenden Medicamentes gelangen, und ^s ist,
dass wir ja bis zu einem gewissen Grade mehr oder weniger
an die meist subjektiven Angaben gebunden sind; immerhin
können wir bei einer genügend grossen Statistik und Zahl von
Beobachtungen die einwandfreien Fälle auswählen und so zu
einer entsprechenden Meinung gelangen.
Czempin (Zeitschrift f. ärztliche Fortbildung 1905, 18)
hält operative Maßnahmen zur Verhütung der Conception nur
in den seltensten Fällen für berechtigt und rät, immer nur
von conceptionverhütenden Mitteln Gebrauch zu machen. Da
es sich meist nicht um dauernde Verhütung der Schwanger¬
schaft handelt, so genügt es ja, stets nur für die Zeit des
Coitus eine Unschädlichmachung der Samenfäden zu erzielen,
was man durch Präservativs, Pessare und endlich durch che¬
mische Mittel zu erstreben suchte.
Czempin ist nun der gewiss richtigen Ansicht, dass zwar
die Präservativs von ziemlich sicherem Effekt sind, dass sie
aber doch nur seltener verwendet werden, weil durch die¬
selben eine starke Verminderung der Potenz eintritt, gewiss
ein triftiger Grund, dieses Mittel nicht allzusehr aufkommen
zu lassen. Auch Pessare, die sich zum Teil grosser Beliebt¬
heit erfreuen, bringen manche Nachteile mit sich, die oft so
hervortretend sind, dass auf deren Verwendung eher Verzicht
geleistet wird. Immerhin darf man diesen beiden Ausknnfts-
mitteln in unserer Frage keinesfalls einen Nutzen absprechen
und es wird eine Anzahl von Fällen geben, in denen wir die¬
selben verwenden lassen müssen. Was nun die dritte Gruppe
der anticonceptionellen Maßregeln, die medicamentösen Mittel,
anlangt, so gibt es wohl eine grosse Anzahl solcher, doch von
einer mehr oder weniger ausgesprochenen Sicherheit keines,
sodass wir jedes neue derartige Präparat, welches als solches
angepriesen wird, mit einem gewissen Misstrauen empfangen
und uns nur schwer zu Versuchen entschlieasen können.)
Nun wurden in der letzten Zeit von dem chemischen
Laboratorium „Nassovia“ in Wiesbaden Pastillen unter dem
Namen nSpermathanaton“ in den Handel gebracht, die eben¬
falls als ein hervorragendes Anticoncipiens angepriesen wurden,
weshalb ich es mit Rücksicht auf zahlreiche von bekannten
Autoren eiogegangene Anfragen und lobende Zustimmungen
unternommen habe, einige, wie ich glaube, objektive Versuche
mit diesem Mittel anziistellen, die ich in folgenden Zeilen kurz
beschreiben möchte.
Die Pastillen, die schwach komprimiert sind, enthalten
Borsäure, zum Teil als metaborsaures Natron (Na,BO/), zum
Teil als Tetraborat (B 4 O 7 HJ). Es ist nun bekannt, dass die
Borsäure durch die meisten andern Säuren aus den Lösungen
ihrer Salze ausgeschieden wird. Die Salze der Metaborsäure
zerlegen sich schon bei Einwirkung von Kohlensäure unter
Bildung der entsprechenden kohlensauren Salze and Tetrabor¬
säure; es bilden sich daher aus 4 Teilen metaborsaurem Natrium
und 4 Teilen Kohlensäure unter Aufnahme von 3 Teilen Wasser
— 4 Teile Natriumbicarbonat und 1 Teil Tetraborat nach fol¬
gender chemischer Formel:
4Na,B08 f4CO*-4-3HjO — B40;H, + 4NaHC0B.
Doch bleibt es bei dieser Reaktion nicht stehen; das Tetra¬
borat und das Natrinmbicarbonat zerlegen sich weiter in ein¬
fachborsaures Natrium, indem dabei Kohlensäure und Wasser¬
stoffsuperoxyd frei werden:
B4 07H2 + 2NaHC0a = Na^B^O^+H,Oj/+ CO,/.
Diesen Vorgang kann man sich nun in die Vagina verlegt
denken; das Wasserstoffsuperoxyd ist in Wasser leicht löslich
und bleibt daher in der bei der Auflösung der Pastille in der
Scheide entstandenen Flüssigkeit suspendiert, entfaltet daselbst
eine längere Zeit andauernde intensive Wirkung, die bakteri-
cider Natur ist. Die Lösung sterilisiert nicht nur den ejakn-
lierten Samen, sondern auch die ganze Umgebung; insbesondere
werden die zahlreichen Falten der Vagina, in welche ja lebende
Spermatozoen leicht geraten können, vollkommen desinfiziert.
Das wäre also der theoretische Vorgang, und nun ist es die
Frage, wie verhält sich der praktische Versuch zu diesen Er¬
wägungen.
Ich habe nun zu meinen Versuchen Frauen ausgewählt,
bei denen aus irgend einem plausiblen, wohl glaubwürdigen
Grunde eine Conception verhindert werden sollte, und ich habe
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142
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 13.
in der mir zu Gtefeote stehenden kurzen Zeit im ganzen 11 Fälle
zur Verfügung gehabt, bei denen ich die Spermathanaton-
pastillen zur Verwendung brachte; aus dieser Zahl will ich
einige ausführlich darlegen, die mir am instruktivsten er¬
schienen.
1. Fall. 34jährige Privatbeamtengattin, die zweimal äiisserat
schwer entbunden hatte, beidemale mit Kunsthilfe, das eine
Mal musste die Zange noch bei hochstehendem Kopfe, das
zweite Mal ebenfalls die Zange angelegt werden; wie die Frau
angibt, sei sie sehr eng gebaut, wofür auch die obigen Ein¬
griffe sprechen. Dass es sich daher um einen jener Falle
handelt, bei denen die Verhütung der Conception wohl mehr
als ein blosser Wunsch war, ist begreiflich, deshalb verwendete
die Frau bisher seit der zweiten Geburt ein Okklusivpessar,
welches ihr nicht immer Schutz gewährte; denn trotz der An¬
wendung desselben, kam sie vor einem Jahr wieder in die
Hoffnung, und es wurde aus den oben angeführten Gründen
im 3. Monat der Abortus künstlich eingeleitet, um der Gefahr
einer dritten schweren Geburt zu entgehen. Aus diesem Grunde
fühlte sich die Patientin trotz des Pessars nicht ganz sicher,
und ich beschloss daher in diesem Fälle die Pastillen zur Ver¬
wendung heranzuziehen. Die Frau hielt sich genau an die
ihr vorgeschriebenen Maßnahmen und trotz des jetzt inten¬
siveren Verkehrs mit ihrem Manne zeigte sich bis jetzt nun
keine Spur von Conception, die Periode trat regelmäßig ein,
und als besonders wohltätig wurde von der Patientin die Er¬
sparnis des Pessar-Einführens empfunden, sowie die grössere
Reinlichkeit des ganzen Vorgangs.
Wenn auch die Zeit für ein abschliessendes Urteil in
diesem Falle noch zu kurz ist, so kann man immerhin be¬
haupten , dass die Spermathanatonpastillen bisher von unbe¬
strittener "Wirkung waren und es ist nicht einzusehen, warum
bei genauer Durchführung der Vorschriften in diesem Falle
nicht auch weiterhin noch in unbeschränkter Weise die Con¬
ception verhütet werden sollte.
2. Fall. 28jährige Hilfsarbeitersfrau, mit einem schweren
Klappenfehler (Insufficienz und Stenose der Mitralis) behaftet,
hatte bereits zwei äusserst schwere Entbindungen durchge¬
macht, die erste, eine Frühgeburt im 8. Monat, musste künsthch
herbeigeführt werden, da die Frau sonst an der Insufficienz des
Herzens zu Grunde gegangen wäre. Auch die zweite Frucht,
die wohl fast bis zum Schlüsse der normalen Schwangerschaft
getragen wurde, ging zu Grunde, wobei wiederum die Mutter
an bedrohlicher Herzschwäche litt, weshalb es sehr wünschens¬
wert war, eine weitere Gravidität soweit als möglich zu ver¬
hindern. Da Präservativs, Okklusivpessarien sowie operative
Feuilleton.
Über Verhütung der Tuberkulose
(Schwindsucht).
Von Prof. Dr. P, Kraus-Berlin.
(Schluss.)
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt in der Tuberkulose¬
bekämpfung betrifft die von den hustenden Kranken reichlichst
verstreuten Krankheitskeime. Die Patienten selbst müssen dazu
erzogen werden, nicht auf den Boden und auch nicht ins
Taschentuch zu spucken, der Auswiirf ist vielmehr in Spuck¬
flaschen, welche die Kranken stets bei sich tragen, oder in
Spucknäpfen, welche leicht zugänglich aufgestellt sind, feucht
zu sammeln. Bettlägerige Scbwerkranke, welche gegen ihren
Willen unreinlich sind, können, solange dies möglich, bei der
Hustenattacke Watte vor den Mund halten, oder der Pfleger
hält sich die Watte vor. Die Ausatmungsluft beim gewöhn¬
lichen Atmen ist nicht ansteckend. Man darf sich von Tuber¬
kulosekranken aber nicht anhusten oder auf den Mund küssen
lassen. Eine verständige Mutter wird doch trotz ihrer Liebe
zu den Kindern dieselben durch Liebkosungen nicht in Gefahr
bringen wollen! In Familien, in welchen Ihiberkulöse leben,
muss man noch mehr als sonst peinlich sauber an Händen,
Eingriffe, llie in diesem Falle ffoch schliesslich auch wdiziert
ewesen wären, schroff abgelehnt worden waren, so blieb nur
er Ausweg einer chemis^en Vernichtung der Spennafaden,
und so erhielt die Kranke die Spermathanatonpastillen mit den
entsprechenden Verhaltungsanweisungen. Der Nutzen in diesem
Falle war ein einwandfreier und bi^er unbestreitbarer; denn
während bei den beiden ersten Graviditäten schon nach den
ersten Tage des geschlechtlichen Verkehrs die Befruchtung
stattgefunden hatte, war sie nunmehr bisher ausgeblieben. Es
trat zur grossen Freude beider Teile die Menstruation mit
grosser Regelmäßigkeit ein, sodass man wohl berechtigt ist,
diesen günstigen Erfolg auf das Konto der Pastillen zu setzen.
Die Kranke gebraucht noch weiter die Pastillen, die ihr ja
absolut keinerlei Unannehmlichkeiten oder sonstige Beschwerden
machen.
3. Fall. 88jährige Musiklehrersgattin hat bereits achtmal
eboren und lebt in fortwährender Angst vor einer neuen
chwangerscbaft, zumal es ihr bei den letzten beiden Eändern
ziemlich schlecht gegangen ist. Es muss einmal kraniotomiert
werden, da der I^pf des siebenden Kindes, wie dies ja bei
^äteren Geburten öfters der Fall ist, zu gross war und dio
Zange denselben nicht zu Tage hatte fördern können; gelegent¬
lich der achten Geburt kam es zu einem schweren Dammriss,
der nur sehr langsam und mit vieler Mühe zur vollständigen
Ausheilung gebracht werden konnte. Die Frau wurde nun in¬
folge der seit der letzten Geburt geübten Coitus interruptus so
hochgradig überreizt und erregt, dass wohl nur der normale
Geschlechtverkehr Heilung versprach, doch wurde dieser ganz
energisch zurückgewiesen, da die Patientin lieber noch ihre
nervösen Zustände behalten wollte, als wiederum gravid zu
werden. Deshalb riet ich der Patientin eindringlichst dazu,
die Pastillen doch zu versuchen, was mir erst durch eindring¬
liches Zureden gelang. Der Erfolg war in diesem Falle,
welcher der älteste und mithin der am längsten beobachtete
meiner Kranken ist, ein ganz vollkommener. Die Patientin, die
ja, wie wir aus der vorgegangenen Schilderung ersehen können
sich nicht gerade über schwer eintretende Befruchtung zu be¬
klagen hatte, da sie innerhalb von 12 Jahren acht Graviditäten
durchgemacht hatte, blieb frei von der Schwangerschaft, und
da sie nun den Coitus in ganz normaler Weise ausüben konnte,
war auch das causale Moment für ihre Beschwerden beseitigt,
so dass sie nach etwa vier Wochen, ihre alte Laune und Ruhe
wieder fand. Die vor dem Gebrauch der Pastillen genau durch¬
geführte Untersuchung des Genitaltraktes ergab keinerlei Er¬
krankung dieser Organe, so dass man das in diesem Falle er¬
zielte Resultat wohl den Pastillen zuschreiben kann.
Kleidern und Wasche sein. Sind Familienangehörige gezwungen,
mit Tuberkulösen in demselben Raum zu schlafen, so soll ein
Bettschirm, aber nur von einer Seite her und nicht zu hoch,
den Gesunden schützen.
Die Vernichtung der von den hustenden Patienten ausge-
säeten Krankheitserreger kann nur durch Desinfektion der Ge¬
brauchsgegenstände und der Aufenthaltsräume geschehen. Die
Wohnungsdesinfektion ist bei Todesfällen und Wohnungswechsel
von Tuberkulosekranken mit reichlichem bazillenhaltigen Aus¬
wurf angezeigt. Diese Desinfektion muss, unter tunlichster
Schonung des Nationalvermögens, ein ausgebildetes Personal
besorgen. Auf Mitteilung des Bureaus der Familienfürsorge-
abteilung des Volksheilstättenvereins vom Roten Kreuz werden
von der Stadt Berlin (städt. Desinfektionsanstalt) Wohnung
und Wäsche kostenlos desinfiziert, wenn der Wohnungsinliaber
seine Zustimmung erteilt. Diese Befreiung von der Zahlung
der Gebühr unter gewissen Voraussetzungen, darf natürlich
ebenfalls nicht den Charakter einer „ Armenunterstützung“ au
sich tragen. Ähnlich geht man in Charlottenburg und Schöne¬
berg vor. Unsere Schwestern verteilen auf Bedarf in den Fa¬
milien Spuckflaschen und Spucknäpfe. Die Entfernung des
Äuswurfes in der Familie geschieht ebenfalls auf Verweisung
der Schwester durch Ausspülen mit Seifenwasser über dem
Ausguss, womöglich vom Patienten selbst. Um kleine Reste
des Auswurfes auf dem Erdboden unschädlich zu machen, wird
für tägliche Reinigung desselben mit Sodaseifenlösung gesorgt
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1906.
MBDICmiSCHB WOCHE.
143
E idlich möchte ich noch einen vierten Fall erwähnen, der I
gleichsam ein experimentum crucis darstellt. Es handelt .sich
um eine ganz jung verheiratete Dame, die eine grössere Reise
mit ihn m Mann vorhatte, und die während dieser Zeit, da sie
eine längere Seefahrt zu überstehen hatte, gerne die Sc'hwanger-
Schaft hätte verschieben wollen. Die Frau stammte aus einer
kinderreichen Familie, war stets gesund gewesen, und es Avar
daher gewiss ihre Ansicht auf sofort eintretende (irravidität bei
vorausgesetzter (Gesundheit des Mannes mehr als wahrschein¬
lich. Um nun ihrem Wunsche auf eine Verschiebung der
Gravidität nachzukommen, ohne sofort nach der Verheiratung
zu Präservativs und Pessare greifen zu müssen, erteilte ich der
Frau den Rat, die Spermathanaton-Pastillen zu verwenden,
was sie auch nebst strikter Befolgung aller dazugehörigen
Vorschriften tat. Nach drei Monaten kam die Frau von ihrer
Reise zurück und erzählte, dass sie trotz reichlichen, geschlecht¬
lichen Verkehrs mit ihrem Manne regelmäßig ilire Periode be¬
kommen, und dass sie oben vor sechs Tagen menstruiert habe.
Nun wollte sie das Mittel anssetzon, da sie sich ja Familie
wünschte. Nach weiteren sechs Wochen erschien sie bei mir
mit der Angabe, dass die letzte Periode bereits ausgeblieben
sei, und auch andere Beschwerden, die sich nun eingestellt
hatten, zeigten deutlich auf eine beginnende Schwangerschaft,
was auch in der nächsten Zeit noch deutlicher wurde.
Wir sehen in diesem Falle also, dass, solange die Sper-
mathanatonpastillen verwendet wurden, keine Befruchtung ein-
tritt, dass aber sofort nach Aussctzen derselben die Gravidität
einsetzt, sicherlich ein guter Beweis für die Verwendbarkeit
des Mittels.
Auch in den übrigen, nicht genauer dargelegten Fällen
war die Wirkung eine ähnliche und man kann über die in den
einzelnen Gutachten über die Pastillen niedergelegten Ansichten
und Erfahrungen nicht ohne weiteres hinwegschreiten, da wir
ja, wie es die Krankengeschichten ohnehin demonstrieren, sehr
oft in die Lage kommen, ein der Befruchtung entgegenwirken¬
des Mittel zu versuchen.
Notwendig für die prompte, verlässliche Wirkung ist
folgender Vorgang: Man führt eine Pastille vor dem Coitus
etwa fünf Minuten früher, so tief als möglich mit dem Finger
in die Vagina ein; diese Zeit ist deshalb einzuhalten, weil die
Lösung dann erst vollständig stattfindet. Die Wirksamkeit
einer solchen Pastille soll nach den chemischen Vorerhebungen
etwa 20 Minuten betragen; es soll daher die Zeit der Ejakula¬
tion des Samens diese Maximalzeit nicht überschreiten, w^as ge¬
wiss von grosser Wichtigkeit ist, w'enn man auf einen verläss¬
lichen Erfolg rechnen will. Eine Ausspülung der Vagina nach
Sublimat- imdLysollÖsung zur Desinfektion von Speiflaschen. Ess-
und Trinkgeschirr anzuempfehlen, bezw. dem Patienten in die
Hände zu geben, halte ich nicht für zweckmäßig. Heis.ses
Sodawasser in grosser Menge leistet genügende Reinigungs¬
und Sicherheitsdienste! Befinden sich in einer W’ohnung an¬
steckende Tuberkulöse, so einpfolilen wir zu bestimmten Zeiten
die Desinfektion. Die Bettwäsche wird am besten alle 14 Tage
sterilisiert, zu leiden braucht dabei die Wäsche nicht. Für
Mund- und Zahnpflege machen die Scliw<‘stern so viel wie
möglich Propaganda, (■berliaupt trachten wir, gerade dieses
wertvolle ärztliche Hilfspersonal zur hygienischen Belehrung
und Erziehung des Publikums auszunützen.
Dass ich einen weiteren wichtigen Gesichtspunkt, die Iso¬
lierung des Kranken, im Sinne der Familieiifürsorge vor allem
in der Wohnung des Tuberkulösen selbst, in der er sich so
lange aufhält, als er zu arbeiten imstande ist, verwirklicht
wissen möchte, geht aus früheren Ausführungen hervor. Da
aber die Krankenhäuser gegenwärtig noch unentbehrlich und,
falls sie gut eingerichtet sind, auch nützlich w^erden können
im Kampfe gegen die Tuberkulose, so müssen in den Kranken¬
häusern Isolierstationen bezw. Heimstätten für fortgeschrittene
Kranke in genügendem Ausmaß eingerichtet werden. Für Ge¬
fängnisse, Klöster und ähnliche grössere Gemeinscliaft**n sind
dringend Separationen angezeigt. Alle Isoliereinrichtunffen
müssen natürlich so beschaffen sein, dass zugleich eine Be¬
handlung im hygienisch-diätetischen Sinne möglich ist.
dem Coitus mögo vermieden werden, da dieselbe die günstige
Wirkung der Pastille unterbrechen konnte.
Im Anschluss an das bereits in der Einleitung zu dieser
Arbeit gesagte, möchte ich mir noch folgende Bemerkungen er¬
lauben, die ebenfalls zum besseren Verständnisse der Wirkungs¬
weise beitragen können. Wir besitzen bekanntlich eine grosse
Reihe von chemischen Körpern, die, wie Versuche zeigen, auf
Spermatozoen und andere Lebewesen deletär einzuwirken im¬
stande sind, doch können wir dieselben als befruchtnngs-
hemmende Agentin trotzdem nicht verwenden, weil wir sie
nicht in entsprechende Form bringen könnten, in der sie olme
die Schleimhaut der Vagina und der Cervix zu verletzen, zur
Wirksamkeit gelangen könnten. Bei den Spermathanaton-
pastillen ist von vornherein jede ungünstige Wirkung ausge¬
schlossen, geradezu im Gegenteil entsteht die desinn^cierende
Lösung erst an Ort und St^le und der in statu nascendi frei
werdende Sauerstoff des Wasserstoffsuperoxyds kann nun als
gasförmiger Körper seine keimtötende Wirkung entfalten. So
finden wir, dass in einer lO'/.,igen Lösung der Pastillen
Typhusbakterien innerhalb fünf Minuten getötet werden, w'ährend
die Bakterien der Rhinosclerosis sofoit absterben; Spermato¬
zoen werden ebenfalls sofort vernichtet, ja selbst Milzbrand¬
agarkulturen, die sechs Tage alt sind, und die noch nicht viele
Sporen gebildet hatten, starben innerhalb zehn Minuten ab.
Aus diesem Grund nun habe ich die Pastillen auch bei
Katarrhen der Vagina zu versuchen begonnen; meine diesbe¬
züglichen Erfahrungen lassen mich vermuten, dass wir diese
Präparate bei Vaginalkatarrhen aus den verschiedensten Ur¬
sachen ebenfalls mit gutem Erfolg verwenden können. Da ich
jedoch diesbezüglich zu wenig Erfahrung bislier gesammelt
habe und ich noch mitten in diesen Versuchen stelle, werde
ich mir erlauben, in einer späteren Publikation über diese Er¬
gebnisse einen gesonderten Bericht zu geben.
Die diagnostische Bedeutung des Tuberkulins
nach den neuesten Erfahrungen.
Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld.
(Fortsetzung.)
Bei Kindern fand Schick folgende Eigentümlichkeiten
der Reaktion. Die sog. protrahirte Reaktion tritt bedeutend
häufiger als bei Erwachsenen auf, relativ oft ist die FiUt-
Zündung an der Einspritzungsstelle recht intensiv. Die dem
Kindosalter eigentümliche Empfindlichkeit gegenüber klein.sten
Am schwierigsten lässt sich etwas Positives sagen über
den letzten Gesichtspunkt, mit dem icli mich zu bescliäftigeii
habe, die Beschränkung der V(u'aulagnng (Disposition) zu
tuberkulöser Erkrankung. Alles, was die Volksgt*sundlieit
fördert: gute Ernährung, besonders auch die richtige Menge
von Fleisch und frischen Gemüstm, entsprechende Kleidung je
nach der Jahreszeit, luftige und warme Wohnung. Hautpflege
in N'olksbädern, vernünftige Kindererzielmng, körperliche Be¬
wegung nicht bloss bei der Berufsarbeit, sondern auch durch
vernünftigen Sport, Einschränkung nicht bloss des Alkohol¬
missbrauchs, sondern des Alkoliolg<MUi.s.ses iihei-haupt auf ein
weitgehendes Minimum, Bestdtigung der (b'schleclitskrankheiten.
— dieses alles sollte he.rang(‘zogcn werden I
Am Schlüsse möchte ich Ihnen noch eine Warnung mit¬
geben. Die Arzte streiten mitereinaiuler in den Tulierkiilose-
kongressen noch über den sogenannten Contagionismus, d. )i.
die ausschliessliche Übertragung von Mensch zu Menscdi clnrcli
den Bazillus des Auswuris und um die (mtscheldende Rolle
der ererbten oder erworlieiien Vmanlagung zur Erkrankung.
Befreien Sie sich nnbefangfui von soIcIht Einseitigkeit der
wissenschaftliclien Mode: der Bazillus ist wenigstens etwas
Fassbares, die Disposition schwankt nocli sehr in der medi-
cinischen Phantasie. Die Pi-axis muss unbedingt auf bei<le
Faktoren Rücksicht nehmmi! Weiterhin möidite icli Sie warnen,
allzuviel Vertrauen zu setzen in jene Statistiken, aus denen
hervorgellen soll, dass die bisher verwirklichten Vorhütungs-
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144
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr 13.
Dosen ist um so grösser, je näher der Zeitpunkt der Ein¬
spritzung dem der ersten Reaktion auf die tuberkulöse In¬
fektion Hegt.
Es erhebt sich nun die im praktischen Sinne wichtigste
Frage: ist die negative oder positive Reaktion zuverlässig,
so zuverlässig, dass sie für diagnostische Zwecke in praxi
brauchbar ist? Zunächst, ist bei negativer Reaktion
Tuberkulose sicher auszuschliessen ? Nach Koch's Versuchen
sind ganz gesunde Menschen gegen Dosen, welche bei
Tuberkulösen zweifellos eine Reaktion auslösen würdeo, und
selbst gegen wesentlich höhere Dosen völlig unempfindlich, und
es wird auch von den neuesten Autoren allgemein anerkannt,
da.'S eine negative Reaktion beweise, es sei kein tuberkulöser
Herd im Körper vorhanden. Hier ist aber zu berücksichtigen,
dass, wie schon oben erwähnt, auch bei Tuberkulösen die Re¬
aktion ausbleiben kann, wenn mit zu kleinen Dosen und zn
allmählich vorgegangen wird; ganz besonders kann dieses der
Fall sein bei sehr chronischen, alten Fällen, welche so wie so
oft nur schwach reagieren, ebenso bei ausheilenden Fällen.
Im Ganzen wird es sich hier wohl, soweit frischere Fälle in Be¬
tracht kommen, um grosse Ausnahmen handeln; v. Mengers¬
hausen teilte zwei derartige Fälle mit, in welchen die
Tuberkulinprobe negativ ausfiel, obwohl kurze Zeit darauf die
Lungentuberkulose klinisch deutlich nachweisbar war, auch
Bazillen im Auswurf gefunden wurden. Dagegen fand
Ne iss er bei seinem grossen Material, dass alle negativ Re¬
agierenden sich klinisch bei längerer Beobaclitung als
nicht tuberkulös erwiesen. Kremser hält an der Zu¬
verlässigkeit der negativen Reaktion auch dann fest, wenn ein
mehr oder weniger ausgeprägter klinischer Befund vorhanden
ist (sofern es sich nicht um zweifellos festgestellte alte Tuber¬
kulosen handelt). Unter Bandelier’s 500 untersuchten
Heilstätteninsassen scheinen die nicht (oder nicht mehr) Re¬
agierenden 7,4%, welche alle entweder positive Anamnese
oder leichtere objektive Symptome boten, sämtlich dauernd ge¬
sund geblieben zu sein. Dass bei vorgeschrittener Tuberkulose
die Reaktion gelegentlich im Stieb lässt, ist übrigens nicht zu
verwundern, da ja der von den Tuberkelbazillen befallene
Körper alsdann schon so sehr mit Tuberkulin gesättigt ist, dass
das minimale Plus des von aussen eingeführten Tuberkulins
keinen erheblichen spezifischen Reiz mehr auszuüben ver¬
mag (Brieger).
Unter Berücksichtigung der erwähnten Aus¬
nahmen darf man also daran festhalten, dass eine
negative Reaktion beweisend ist für das Nicht¬
vorhandensein eines tuberkulösen Herdes, eine für
maßregeln bereits eine tatsächliche Veiminderung der Tuber¬
kulosesterblichkeit bewirkt haben. Im Keime, nie und da,
z. B. in Gefängnissen, mag das ja richtig sein. Einen grossen
Maßstab darf man an das bereits Erreichte nicht legen. Wir
sind am Anfänge, aber dieser Anfang ist verheissiingsvoll!
Wenn wir genügend beriicksichtigeii, dass neben der Prophy¬
laxe im Kampf mit der Tuberkulose gegenüber der Verhütung
anderer kurzaauemder, w’eniger verbreiteter Seuchen, auch ein
erhöhtes Bedürfnis für die (zeitweilige) Behandlung der Krank«'n
besteht, so sind wir wenigstens auf einem ganz riclitigen Wege.
In der Zuversicht, dass es gelingen müsse und könne, der
Tuberkulose Herr zu werden, finden wir uns bestärkt, wenn wir,
unsere Augen rückwärts lenkend in verllosserie Zeiten, in denen
der Aussatz, eine verwandte Seuche, fast ebenso tief am Marke
der Menschheit frass, wie jetzt die Tul)erkulose, sehen, dass
es dennoch geglückt ist, die Krankheit auszurotten bis auf fast
verschollene Spuren. Musste sich die Vergangenheit dieser
Aufgabe mit unvollkommenen und brutalen Mitteln entledigen,
so bedient sich unsere Zeit milderer, sittlicher Waffen. Leider
sind dieselben nur schwierig zu haben, denn die Hauptwaffe
bildet wie in jedem Kampfe auch hier das Geld der Steuer¬
träger I
die Differeuzialdiagnose wichtige Tatsache, auf die uuteu noch
näher eingegangen werden solL
Beweist eine positive Reaktion unter allen Umständen,
dass der Betreffende irgendwelche tuberkulöse Veränderungen
in seinem Körper birgtr Petruschky drückt sich in dieser
Hinsicht sehr bestimmt aus: „Das Auftreten des typischen
Symptomenkomplexes nach Einspritzung einer unter 10 mgr.
liegenden Dosis des alten Tuberkulins beweist mit wissen¬
schaftlicher Sicherheit das Vorhandensein eines Tuberkulose-
Herdes im Körper“. Auch zahlreiche andere Autoren halten
die diagnostische Zuverlässigkeit einer positiven Reaktion für
absolut sicher, zumal auch nach den sehr ausgedehnten Er¬
fahrungen .der Tierärzte, natürlich eine dem erkrankten
Individuum angepasste Anwendungsweise vorausgesetzt.
Neisser z. B. betrachtet das Tuberkulin als das feinste
Reagens für die Anwesenheit von Tuberkulose im Körper;
selbst die kleinsten, verstecktesten Herde, die unserem Gesichts¬
sinn und unseren Untersuchungsmothoden kaum sonst zu¬
gänglich wären, werden sicher angezeigt. Nach Krämer’s
Erfahrungen reagieren später alle Kranken noch positiv,
die entweder noch klinische, wenn auch sehr leichte Symptome,
darbieten, oder welche überhaupt noch bei der Entlassung aus
dem Sanatorium reagiert haben. Auch die grösseren Statistiken
sprechen für die Zuverlässigkeit. Unter Neisser’s Material
reagierten alle manifesten Tuberkulosen positiv; Insassen von
Heilstätten reagieren nach ihm zu 90% positiv, Insassen von
Untersuchungsstationen, Kliniken, Krankenhäusern zn 70 bis
80%; Beck fand bei 2.508 Untersuchten, dass die sicher
Tuberkulösen, 371, alle positiv reagierten, von den mit
Spitzenkatarrhen behafteten 8.5%, von Pleuritiskranken 73*/o.
Die diagnostische Zuverlässigkeit ist jedoch von anderen
Seiten vielfach angezweifolt worden. Zunächst wird an¬
gegeben, dass auch bei „ganz Gesunden“ positive Reaktion
auftreten könne, bei Individuen, bei denen weder klinisch
tuberkulöse Veränderungen nachzuweisen noch solche nach
der Anamnese etc. wahrscheinlich seien. Ferner hat man bei
Rekonvaleszenten schwerer Erkrankungen und einer Anzahl von
anderen Erkrankungen positive Reaktionen beobachtet; zu letzte-
i cn gehören: Lues, Carcinom, Aktinomikose Lepra. Bleichsucht,
Haemoptoe sonst „gesunder“ Mensclien. Kranz fand bei Unter¬
suchungen bosnischer Rekruten 61 ®,o positive Reaktionen bei nur
6 “/o Morbidität. Schmidt teilt 8 Sektionsbefunde mit, von denen
5 mit dem Ausfall der Reaktion stimmten, 3 nicht, und zwar
handelte es sich um 2 Carcinome, die positiv reagiert hatten.
Die positive Tuberkulinreaktion wäre also nach solchen Er¬
fahrungen keine spezifische, die Tuberkulinwirkung eine un¬
berechenbare, Fehldiagnosen wären nicht zu vermeiden.
Einzelne Autoren gehen so weit, dass sie behaupten, eine
positive Reaktion beweise garnichts für die Anwesenheit einer
Tuberkulose.
Solchen Z^voifeln gegenüber muss man jedoch zunächst
daran festhalten, dass die mitgeteilton Fälle nur einen sehr
geringen Prozentsatz aller geprüften Fälle bilden, dass sie
gegenüber der Masse der anderen Ausnahmen sind. Man
dürfte daher höchstens sagen, die positive Reaktion ist nicht
stets absolut beweisend für Tuberkulose. Ausserdem
muss doch in Fällen von Clilorose, Haemoptoe „Gesunder“
stets der Zweifel bestehen, ob es sich nicht doch um eine be¬
ginnende Tuberkulose ohne dentliclie klinische Symptome
handelte. Weiterhin gewinnt man in einzelnen derartigen
Fällen den Eindruck, dass die Bedingungen nicht genügend
berücksichtigt wurden, unter denen einzig und allein diagnostische
Impfungen zu lässig sind. Impft man Rekonvaleszenten von
fieberhaften Krankheiten, oder vorgeschrittene Lues- oder
Krebskranke, verwendet man womöglich noch hohe Anfangs¬
dosen, so ist nicht zu verwundern, wenn die Menge der ein-
goführten toxischen Substanzen bei dem wenig widerstands¬
fähigem Organismus zu Reaktionen führt, zu scheinbaren
S ositiven Reaktionen, wie sie bereits oben erwähnt wurden.
urch strengere Auswahl der Fälle und vorsichtigere Dosirung
könnte also diese Fehlerquelle bedeutend verringert werden.
Auch wird eine genaue Aufstellung der Temperaturkurve des
Re.'iktionsfiobers die Bewertung der Reaktion erleichtern;
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
145
denn die Scheinreaktionen bei nicht tuberkulösen Erkrankungen
weichen in der Fieberkurve ab. Die Krankheiten, bei welcnen
über Fieber noch Tuberkulin-Einspritzungen berichtet wird,
kommen Übrigens praktisch für die Differenzialdiagnose wenig
in Frage, wie z. B. Lepra und Aktinomykose.
(Schluss folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medidnische Gesdlsdiaft,
Sitzung vom 7. März 1906.
Vor der Tagesordnung demonstriert Holländer die eiserne
Hand des Götz von Berlichingen.
Tagesordnung.
Diskussion über den Vortrag Kirchner: lieber das Klima und
die hygienischen Einrichtungen Aegyptens.
Kirchner: Schlusswort.
Kraus: Einiges über Röntgendiagnostik in der
inneren Medicin.
An der Hand einer grossen Reihe von Röntgenbildem erläutert
er die grosse praktische Bedeutung der Röntgenuntersuchung für
die innere Medicin. Er bedauert nur Platten demonstrieren zu
können, da für manche Verhältnisse, so für die Untersuchung der
Abdominalorgane die Beobachtung am Schirm unerlässlich ist. Die
Durchleuchtung muss in den verschiedensten Richtungen vorge¬
nommen werden, von vom und hinten, von den Seiten und be¬
sonders auch in schrägen Durchmessern; nur die vergleichende
Betrachtung von mindestens zwei in verschiedenen Richtungen auf-
genommenen Bildern lässt einigermaßen sichere Schlüsse zxi. Bilder
vom Oesophagus zeigen Dilatationen, Divertikel, Carcinom des
Organs; der subphrenische Teil des Oesophagus ist einzig durch
Röntgendurchleuchtung einer Beobachtung zugänglich zu machen.
Bilder des Cor zeigen die Veränderungen hei In- und Blxspiration,
bei positivem und negativem Atemdnick; die Veränderungen bei
Mitral- und Aorteninsufficienz; ein Fall betrifft einen persistenden
Ductus Botalli, ein weiterer Kommunikation der Ventrikel. Sehr
charakteristische Bilder geben Aneurysmen der Aorta, Von Tho¬
raxanomalien wird die Gelenkbildung zwischen Sternum und erster
Rippe ("Freund) demonstriert. Besondere Bedeutung gewinnt die
Röntgenuntereuchung für das Diaphragma; Zwerchfellspiel, Hoch-
Tiefstand, Lähmungen sind durch keine andere Untersuchungs¬
methode besser zu beobachten. Krankhafte Prozesse der Pleura,
Ergüsse, Luftansammlung, ganz besonders die hierbei in Frage
kommenden mechanischen Momente haben durch die Röntgenunter¬
suchung manche überraschende Klärung gefunden.
Aenetlicher Yenrein in Hamburg,
Sitzung vom 6. März 1906.
Vorsitzender Herr Deneke.
I. Demonstrationen;
1. Herr Deutschländer demonstriert mehrere Fälle von
schweren Frakturen, die mittels Stauungshyperämie geheilt
sind, und bespricht dabei die Theorie und Technik.
2. Herr König zeigt einen Mann von 38 Jahren, bei dem
er vor Jahren wegen Ulcus ventriculi, das kaum von
Carcinom makroskopisch zu unterscheiden war, die Gastroenterostomia
posterior gemacht hat; als der Patient vor einigen Wochen wegen
eines Bauchbruches wiedemm laparotomiert werden musste, zeigte
sich, dass das kallöse Geschwür völlig geschwunden war. Er tritt
warm für diese Operation bei Magengeschwüren ein. Durch die
Resektion wird nur das Symptom der Krankheit beseitigt, nicht
die Krankheit selbst; die Resektion des Magens ist viel gefähr¬
licher, und ausserdem werden bei der Gastroenterostomie die Speisen
sehr schnell wieder aus dem Magen herausbefördert.
3. Herr Seeligmann plädiert bei Uteruscarcinom für die
Operation per laparotomiam mit der neuen Schnittführung, wie sie
Bomm auf dem Kieler Kongress zuerst angegeben hat, und welche
eine vollständige Ausräumung der erkrankten Teile gestattet. Er
demonstriert ferner ein Funduscarcinom, das allerdings noch
per vaginam entfernt worden war. Er teilt weiter folgenden Fall
von Bauchschwangerschaft mit, für den er in der gesamten
Litteratur ein Analogon nicht gefunden hat. Eine 35 jährige Frau
erkrankte etwa im 3. Monat, nachdem die Regel ausgeblieben
war, mit allen Anzeichen einer geplatzten Extrauteringravidität,
die sich jedoch nicht einmal bei einer in Narkose vorgenommenen
Untersuchung feststellen lassen konnte; dabei entsprach der Uterus
etwa dem 3. Schwangerschaftsmonat. Als 8 Monate später noch
immer die Geburt nicht vor sich gegangen war, die Frau auch
niemals Kindsbewegungen wahrgenommen hatte, wurde der Vor¬
tragende wiederum gerufen und konnte deutlich kleine Teile durch
die Bauchdecken hindorchfühlen. Als wenige Tage danach eine
sichere Decidua uterina abging, und die Untersuchung einen leeren
Uterus ergab, wurde sofort zur Laparotomie geschritten, bei der
sich eine ausgetragene Bauchschwangerschaft herausstellte. Der
Fruchtsaok war sehr gross, darin das macerierte Kind. Die
Placenta sass vollkommen auf der Leber fest. Bei
Lösungsversuchen entstand eine kolossale Blutung, die zur Be¬
endigung der Operation zwang. Nach 3 resp. 4 Wochen wurde
dann die Nachgeburt, die natürlich verjaucht war und zu hohem
Fieber Anlass gegeben batte, stückweise entfernt. Die Heilung
erfolgte darauf vollkommen glatt. Der Vortragende denkt sich
die Genesis so, dass die Befruchtung auf dem Fimbrienende statt-
gefunden, und das Ei sich im 3. Monat, als die Krankheits¬
erscheinungen auftraten, gelöst hatte und sich am unteren Leber¬
rand festsetzte.
4. Herr Fraenkel demonstriert Röntgenbilder von Bar-
lowscher Krankheit mit akut aufgetretenem doppelseitigem
Exophthalmus und bespricht an der Hand dieses Falles die patho¬
logische Anatomie und zeigt ferner Röntgenbilder von ausgedehnten
Oesophaguspblebectasieen, wie sie bei Lebercirrhose oft¬
mals Vorkommen und Anlass zu tötlichen Blutungen geben.
5. Herr Mond lässt durch seinen Assistenten einen durch
supravaginale Amputation per laparotomiam gewonnenen myoroa-
töseu puerperalen Uterus demonstrieren und berichtet über
die Krankengeschichte der Frau: die Placenta war merkwürdig in
ihrer Form; sie war 16 cm lang und dabei nur 4 cm breit.
II. Diskussion über den Vortrag des Herrn A. Franke;
„Ist die Fürsorge für Kinder und Säuglinge in Ham¬
burg ausreichend?“ Herr Fricke tritt für die Errichtung
eines Säugliogskrankenhauses in Hamburg ein, verlangt aber zum
Mindesten in den bestehenden Krankenhäusern gesonderte Säug¬
lingsabteilungen. In Hamburg betrug im Durchschnitt der letzten
5 Jahre die Säuglingsmortalität im ersten Lebensjahre 17,6%.
Nach seiner Ansicht fehlt es vor allen Dingen an geeignetem
Pflegepersonal', namentlich bei Verdauungskrankheiten, und auch
an Frauenmilch. Herr Sieveking kommt auf die jetzt be¬
stehenden Einrichtungen zu sprechen: da seien vor Allem die vom
Medicinalamt ausgegebenen Ratschläge für die Säuglingsernährung
zu erwähnen, die auf jedem Standesamt bei einer Geburtsmeldung
umsonst verabfolgt würden, und ferner die Milchküchen mit den
Wiegestunden, die sich als vorbeugende Kindei*pflege gut bewährt
hätten. Herr Stamm weist statistisch nach, dass mehr künst¬
lich als natürlich ernährte Säuglinge sterben, und fordert neben
der Errichtung eines Säuglingsheimes nach Schlossmannschem Muster
Stillprämien. Herr Denecke macht zunächst auf einen Irrtum
aufmerksam, der in der letzten Nr. der Deutschen Medicinischen
Wochenschrift im Bergmannschen Artikel vorhanden ist: nicht Vs
der Geborenen, sondern nur ^/s erreiche das Ende des ersten
Lebensjahres nicht. Hamburg xmd Schaumburg-Lippe seien die
kinderarmsten Staaten des Deutschen Reiches. Er glaubt, dass
einstweilen bei uns aus äusseren Ursachen wohl kaum mit dem
Ba\i eines Säuglingsheimes gerechnet werden könne; überdies halte
er solche Häuser mehr für Lehranstalten für Pflegerinnen, als dass
damit wirklich die Statistik gebessert würde. Das Selbststülen
ist und bleibt die Hauptsache; Provisionen von Nährmittelfabrikanten
an Hebammen seien verwerflich und müssten unbedingt in jedem
Falle zur Anzeige gebracht werden. Er scbliesst damit, dass die
Hauptursache der grossen Kindermortalität in sozialen Momenten
zu suchen sei, die uns Aerzten nicht zugänglich wären, Herr
Oberg wünscht, dass die Milchküchen nur dazu da sind, gute
Milch abzugebeu, nicht aber, um kranke Kinder zu heilen. Für
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 13.
kranke Kinder müssten viele, möglichst kleine Hospitäler gebaut
werden; er weist auf die Schwierigkeit hin, in der Allgeraeinpraxis
auf dem Totenschein eine richtige Diagnose anzugeben. Herr
Wfigner (Lockstedt) hält eine Kombination von Entbindungsanstalt
und Säuglingsheim für nötig, da sonst die Mortalität und die
Kosten für die Unterhaltung zu gross seien. Herr Pranke weist
im Schlusswort noch einmal auf die Notwendigkeit von Stillprämien
hin und berichtet über die Einrichtungen der St. Gertrud-Ge-
meirideklinik. Schönewald.
Verein f ür innere Medicin,
Sitzung vom 5. März 1906.
Herr v. Leyden. Nachruf an Nitze.
Bericht über das 25jäbrige Stiftungsfest.
1. Herr Wassermann demonstriert Reagenzglasversuche,
welche er gemeinsam mit Bruck angestellt hat. E.s gelang ihnen
nachzuweisen, dass eine Mischung %’on ,E.\trakt aus tuberkulösem
(Tewebe und einem Tuberkelbazillenpräparat, z. B. Tuberkulin im
Reagenzglas komplementablenkcnde Eigenschaft besitzt, während
bei Verwendung von nichttuberkulösera Gewebe im gleichen Ver-
sucli keine Kompleraentbindung eintritt. Es folgt daraus, dass im
tuberkulösem Gewebe Antikörper gegenüber dem Tuberkulin vor¬
handen sind. Diese Tatsache ist geeignet, die Spezificität des
Tuberkulins für das tuberkulöse Gewebe und die baldige Ah-
schwächung bei wiederholter Einwirkung des Tuberkulins zu er¬
klären.
Disku ssion; Herr L. Michaelis hat mit derselben Methode
der Komplementablenkung die Bildung von Antikörpern in Organ-
zellon nachweisen können.
2. Herr Hans Kohn demonstriert das Gehirn eines Palles
von lues cerebri; hochgradige Atheromatose der Himgefä-sse.
Tagesordnung:
Herr Posner: Ueber traumatischen Morbus Brightii.
Redner gilit einen Ueberblick über unsere Kenntnisse von der
Entstehung akuter uud chronischer NierenentzUiidung durch
traumatische Einwirkungen, wobei er die häufigeren durch Bak-
terienemwanderung in die subkutan traumatisierte Niere erzeugten
infektiösen Nephritiden ansschliesst. Er bespricht die Einflüsse
rein mechanischer Störungen des intraabdominellen Druckes, welche
wirkliclie Nierenentzündungen prädisponieren können; hierher ge¬
höre die Schwangerschaftsnephritis, die Entzündung der Wander¬
niere. Auch plötzliche Zirkulationssebwankungeu in der Niere,
z. B. nach Exstirpation der anderen Niere kommen ätiologisch in
Betracht. — In einem eignen Falle entstand nach einem Sturz
zunächst eine rechtsseitige Wanderniere, nach einem halben Jahre
Albuminurie und Cylindrurie und schlie.sslich typischer doppel¬
seitiger Morbus Brightii,
Diskussion: Herr Fürbringer hat nur wenige W’ahr-
scheinlichkeitsfälle von eclitem, traumatischem chronischen Morbus
Brightii, dagegen häufiger akute, abortive Nephritis nach Trauma
gesehen.
Herr Senator: Die Blutdrucksteigerung in der Niere nach
Nephrektomie der andern Seite, kann an sich niemals eine Ent¬
zündung des Organs erzeugen; die Nej)hritis der restierenden
Niere beruht auf ihrer Ueberlastung als Ausscheidungsorgan.
(Weitere Diskussion wurde vertagt.) Fritz Levy.
Periodische Literatur.
Münchener medicinische Wochenschrift, looe. No. ii.
1. Graeffner, Berlin: Einige Studien über Reflexe be¬
sonders an Hemiplegikern.
Verf, hat an einem ziemlich umfangreichen Kraiikenmaterial
die Bcfli'xe bei Heraiplegikeni geprüft, besonders im Hiniilick auf
die iliesbezüglichen Angaben Ganaults. Pntellarreflex unter 89
Fäll(>ii in 76,7 verstärkt auf der gelähmten Seite. Ac!nllesrofle.\:
unter 38 Fällen 32,7 mal ver.stäi-kt auf der gelähmten Seite, l)oi
36 Fällen 31,10 mal abgeschwächt. Subinatorreflex; unter 61
Fällen 52,5 mal verstärkt auf der gelähmten Seite, unter 17 Fällen
14.6 mal abgeschwächt. Tricepretlex: unter 54 Fällen 46,5 mal
verstärkt auf der gelähmten Seite, unter 18 Fällen 15,5 mal ab¬
geschwächt. Bei dem contralateralen Adduktorenreflex konnte
Verf. bei 100 Gesunden 63 mal völliges Fehlen, bei 22 Fällen
beiderseitiges, bei 15 Fällen einseitiges Vorhandensein feststellen.
Den Fu.ss3ohlenreflex fand Verf. in 73 Fällen, also 62,9%. Den
Menderschen Fussrückenreflex hat Verf. in 26,7% der Fälle finden
können. Der Kiemasterreflex fohlte in 78,4% aller Fälle bei
Hemiplegikern.
2. Ehrlich, Wesel: Die Bebandlong akuter und ohronischer
Eiterungen mit Fhenolkamphei.
Da die Bier’sche Stauung trotz ihrer grossen Erfolge doch
nicht überall anwendbar ist, weil die genügende Anzahl geschulten
und zur Ueberwachmig geeigneten Personals fehlt, so scheint es
dem Verf. geeignet, auf eine Therapie binzuweisen, welche viele
Vorteile bietet. Das Verfahren ist von Chlumsky angegeben und
besteht in der Applikation einer Mischung von reiner Karbolsäure
und Kampher im Verhältnis von 1 : 2 unter einem geringen Zusatz
von Alkohol. Dies Gemisch stellt eine klare ölige Flüssigkeit dar,
welche am Licht sich rosa verfärbt und sich schnell verflüchtigt.
Die Flüssigkeit ätzt und brennt nicht. Die erkrankten Partien
werden mit der Flüssigkeit mehrfach betupft, oder es wird Watte
mit derselben getränkt und aufgelegt unter Bedeckung mit Billroth-
battist. In gespaltene Abszesse wird die Flüssigkeit eingegossen,
infizierte Wunden werden damit gespült. Die Erfolge, welche Verf.
mit diesem Verfahren erzielt, waren sehr gute. Die Behandlung
ist leicht und gefahrlos. Die gute Wirkung schreibt Chlumsky
der schnellen Verdunstung des Kamphers zu, welcher kleine
Quantitäten Karbolsäure freiwerden lässt. Verf. glaubt, dass durch
den dauernden Hautreiz durch die freiwerdende Karbolsäure eine
Hyperämie, also aucli eine Stauung bewirkt werde.
3. Prokiewicz, Krakau: Eine sehr empfindliche Reaktion
auf Gallenfarbstoffe.
Drei Reagentien sind nötig: a) eine 1% wässrige Lösung von
Acidum sulphanilicum, b) eine 1 % wässrige Lösung von Natrium¬
nitrit, c) Konzentrierte reine Salzsäure. Die Methode ist folgende:
Von den beiden ersten Lösungen giesst man in ein Reagenz¬
glas je 1 ccm und schüttelt gut durch. Dann giesst man so viel
fort, dass höchstens ccm im Reagenzglas zurückbleibt. Nun
giesst man Va ccm der auf GallenfarbstotF zu untersuchende Flüssig¬
keit hinzu und schüttelt gut durch. Die Flüssigkeit nimmt eine
rubinrote Färbung an, welche nach Zusatz von 1 — 2 Tropfen Salz-
.säure und mehrfachem Verdünnen mit destilliertem Wasser sich in
Amethystviolett verwandelt. Sind reichliche Mengen Gallenfarb¬
stoffe vorhanden, so muss stärker verdünnt werden.
4. Glas, Wien: Milzbrand des Kehlkopfes.
Verf. hat einen letal verlaufenden Fall von Anthrax des Kehl¬
kopfes beobachtet, über dessen Entstehungsgeschichte nichts Näheres
zu eruieren war. Gleichzeitig bestand eine Pustula maligna des
Magens, so dass es nicht ausgeschloasen erscheint, dass von hier
aus die AUgemeininfektion erfolgte. Da starkes Oedem der Hals¬
organe bestand, konnte eine Verwechslung mit Larynxphlegmone
eventuell in Betracht kommen.
5. Lichtenstein, Dresden: Zur Diagnose der Extranterin*
gravidität durch Böntgenstrahlen.
Bei einer 29jährigen II Gebärenden wird ein Tumor festge¬
stellt, welcher sich als Gravidität erweist. Die Röntgenaufnahme
gelingt und zeigt deutlich durch Lage der Extremitäten und Rippen
des Kindes dessen Lage, die durch die Operation bestätigt wird.
Den Grund, dass die Röntgenaufnahme hier gutes Resultat ergab,
sieht Verf. darin, dass nicht die wasserreiche Wand des Uterus
und nicht viel Fruchtwasser die Röntgenstrahlen hinderte.
6. v. Zezsebwitz, München: üeber einen Fall geheilter
Magenperforation.
Bei einem 46jährigen Patienten, welcher wegen ulcusver-
dächtiger Magenstörungen längere Zeit ambulatorisch behandelt
wurde, tritt j)lötzlich grosse Schmerzhaftigkeit in der Oberbauoh-
gegend ein. Nach kurzer Zeit Bewegungen unmöglich, Oberbauch-
gegeiui eingezogen, sehr empfindlich Diagnose Perforation. Rubig-
stellnng und geeignete Diät. Vollkommene Heilung. Offenbar war
der Jlageninhalt nicht ins untere Becken geflossen, sondern oben
hinter Colon uud Netz zurückgehalten worden.
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1906.
MED1G1N18GHE WOCH£.
7. Alexander, Nürnberg: üeber Vaksmeerkrankang des
Anges.
Bei einem iVajährigen mit Erfolg geimpften Mädchen treten
am 8. Tage etwa zahlreiche Pusteln im Gesicht, an den Armen und
Beinen auf. An den Lidrändem Ulcerationen, Corneae intakt.
Unter Behandlung mit Suhlimatsalbe vollkommene Heilung.
8 . Sommer, Niedermendig: Kritisches und Heues zur Therapie
des TonsiUenabszesses.
Verf. tonsillotomiert bei Tonsillarabszess nach Anästhesierung
mit Cocain. Entweder unter Benutzung des Tonsülotoms oder des
Knopfbistonrie. Die Erfolge sind gute, der oft schwer lokalisier¬
bare Abszess ist leicht zu eröffnen und Recidive werden so gut wie
ganz vermieden.
9. Rühl, Dillenburg: Ueber den Verlauf von Schwanger«
Schaft und Oeburt nach Yorausgegangenem Yi^inalen Kaiser«
schnitt.
Verf. teilt vier Fälle mit, in welchen der vorausgegangene
vaginale Kaiserschnitt auf spätere Geburten keinen ungünstigen
oder störenden Einfluss gehabt hat. In einem Falle musste am
Beginn der Schwangerschaft eine narbige Adhaesion getrennt werden,
um das Aufsteigen des graviden Uterus zu ermöglichen. Dass in
einem der Fälle eine manuelle Placentalösung nötig war, hat wohl
nichts mit der voraufgegangenen Operation zu tun. Jedenfalls
zeigen diese Erfahrungen, dass der vordere Uterusscheidenscbnitt
in Rücksicht auf spätere Schwangerschaft keine Schwierigkeiten
verursacht und aus diesem Grunde keinesfalls vermieden zu werden
braucht.
10. Wild, Schwarzenbach a. S.: Ein Beitrag zum Raffine«
ment der Masturbation.
Verf. extrahierte bei einem 64jährigen Waldarbeiter ein zu
masturbatorischen Zwecken tief in die Urethra eingeführtes mit
Nadeln besetztes Fichtenästcben.
11 . Czaplewski, Köln: Blnttnpferrährohen znr Erleichterung
der Oruber Widal’schen Reaktion.
Die vom Verf empfohlenen, von der Firma F. u. M, Lauten-
schläger, Berlin, zu beziehenden Röhrchen sind folgendermaßen
zugerichtet. Ein Ficker’sches Röhrchen von 5,5 x 0,8 cm Grösse
wird mit einem tadellosen gut passenden Korken verschlossen.
Durch den Kork wird eine lange dicke Insektennadel gesteckt, die
Spitze derselben krallenfbrmig umgebogea und mit entfetteter und
gereinigter Watte so umwickelt, dass eine Art Tupfer entsteht.
Je zwei solche Röhrchen finden in einer 7,6 x 3 x 1,8 cm grossen
Holzhülse Platz, welche abgerundete Kanten und einen Blechdeckel
hat. Diese Holzhülse kann nach Art der Warenproben leicht per
Post als Brief versandt werden.
Verf. empfiehlt die Blutentnahme aus dem Ohrläppchen vor¬
zunehmen und dazu ein Skalpell mit Platin-Iridiumspritze zu be¬
nutzen. Das Serum wird durch zentrifugieren aus dem Watte¬
tupfer gewonnen.
12. Mangold, Jena: Die neurogene und mjogene Theorie
des Herzeohlagee.
Verf. führt die in der vorigen Nummer begonnene und in
No. 12 d. Zeitschrift bereits referierte Arbeit zu Ende. Die Einzel¬
heiten eignen sich nicht zur Wiedergabe in einem kurzen Referat,
Verf. kommt zu dem Schluss, dass bei unseren heutigen Kenntnissen
nicht genügend positives Beweismaterial vorliegt, um sich für die
eine oder andere Theorie zu entscheiden.
Deutsche medicinieche Wochenschrift. 1906. Nr. li.
1. Baginsky, Berlin: Zur Frühdiagnose und Behandlung
des Kehlkopfkrebses.
Die Carcinome des Larynx gehören durchaus nicht zu den
seltenen Affektionen. Es kommen primäre und sekundäre Car¬
cinome vor. Bei den letzteren ist die Frühdiagnose relativ be¬
deutungslos. Jedoch bei dem primären Kehlkopfkrebs kann von
der Frühdiagnose alles abhängen. Die Hauptlokalisation ist an
den wahren Stimmbändern. Von den verschiedenen Carcinomarten
findet man am häufigsten das Epithelcarcinom. Das makros¬
kopische Aussehen kann sehr variieren, in vorgeschrittenerem
Stadium tritt oft gescbwüriger Zerfall auf. Die regionären
147
Lymphdrüsen pflegen bei endolaryngealem Sitz des Tumors erst
sehr spät in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Für die Diag¬
nose kommt das Spiegelbild und die mikroskopische Untersuchung
eines probeexzidierten Stückes in Betracht. Die Probeexzision
kann sehr schwierig sein, zumal dann, wenn es sich um flache
Ausbreitung der Neubildung handelt. Ein positiver Ausfall der
mikroskopischen Untersuchung ist beweisend ein negativer nicht.
Die subjektiven Beschwerden pflegen nur dann in dem allerersten
Beginn vorhanden zu sein, wenn das Carcinora an den wahren
Stimmbändern sich entwickelt, es besteht dann Heiserkeit. Bei
anderen Lokalisationen kann es sehr lange dauern, bis ein sub¬
jektives Symptom sich bemerkbar macht. Differentialdiagnostisch
kommen gelegentlich in Betracht, Lues, Tuberkulose, Lupus,
Lepra etc. Die Entnahme einer Probe erfolgt am besten mit
einer scharfen Doppelkurette. Eventuell wird es nötig, die
Laryngofissur vorzunehmen, um zur genügenden Probeexzission zu
gelangen. Die interessante Arbeit wird in der nächsten Nummer
fortgesetzt.
2. Kolle, Berlin, Strong, Manila: üeber Schntzimpfong
des Menschen mit lebenden abgeschwächten Festknltoren (Pest«
yacoination). •
Diese hochinteressante Mitteilung kann natürlich nur in
grossen Umrissen referiert werden. Alle Einzelheiten wären im
Original nachzulesen. Kolle und Otto hatten bereits vor längerer
Zeit in grossen Versuchsreihen nachgewiesen, dass man bei Tieren
eine erheblich höhere und dauernde Immunität erzielen kann,
wenn man abgeschwächte PestkuUureu injiziert, als wenn man wie
bis dahin üblich abgetötete Kulturen verwendet. Die Abschwäch¬
ung der Kulturen geschieht mühelos durch Fortzüchtuug auf
künstlichen Nährböden imd kann bis zu einer Virulenzreduktion
auf. das Hundert- und Tausendfache getrieben werden. Ja, man
kann es sogar zur Avirulenz bringen. Derartige ahgeschwächte
Kulturen wurden nach Manila geschickt und von dem einen Verf.
zunächst bei zum Tode verurteilten Verbrechern versucht.
Die Erfolge lassen sich folgendermaßen zusammen fassen: die
abgeschwächten Kulturen sind für den Menschen l)ei künstlicher
Einverleibung in grösseren Mengen vollkommen harmlos. Sie er¬
zeugen ausser einer mäßigen lokalen und allgemeinen Reaktion
keinerlei Schädigungen. Dagegen lässt sich die Höhe der immuni¬
satorischen Kraft sowohl durch das Tierexperiment, sondern auch
durch spezifische Blutveränderung am geimpften Menschen er¬
weisen. Es wird nun die Aufgabe sein, die zeitliche Dauer der
durch die „Pestvaccination“ bewirkten Immunität zu prüfen.
3. Ostermann, Breslau: Die MeningocoocenpharyngitlB
als Onmdlage der epidemischen Genickstarre.
Die Untersuchung des Verf. haben ergeben, dass in jeder Familie
in welcher Genickstarre vorkam, sich sogenannte Coccen träger befanden,
d. h. anscheinend gesunde Personen, welche die Coccen in ihrem
Rachen beherbergten. Von 24 FamilieDmitgliedem konnten bei 17
Meningocoocen im Nasenrachenraum nachgewiesen werden, bei
einigen fast in Reinkultur. Bei zehn Personen, welche zwar in
der Nähe der erkrankten Familie aber nicht mit diesen zusammen
lebten, wurden die Erreger nicht gefunden.
Verf. empfiehlt sodann ein Merkblatt, welches wir des allge¬
meinen Interesses wegen hier wörtlich zum Abdruck bringen.
■Warnung!
Zur Zeit einer Oonickstarreepidemie finden sich die Erreger der Genick¬
starre bei vielen Menschen aut der Schleimhaut der Rachenwand. Sie ver¬
anlassen dort manchmal verstärkte Schioimabsondernng, auch wühl Schnupfen;
in anderen Fällen rufen sie keinerlei merkliche Beschwerden hervor. Die
Erri^er werden von einem Menschen auf den andern verbreitet: 1. durch
die Finger mit denen man Mund oder Nase berührt bat, durch Kflsso, gemein¬
sames Ess- u?:d Trinkgeschirr: 2. durch den Auswurf, der beim Husten und
Räuspern aus dem Rachen entleert wird, und durch Nasenschleim; 8. durch
beim Husten und lauten Sprechen verspritzte unsichtbare Tröpfchen, die
von anderen Menschen eingeatmot werden können.
Die Verbreitung der Erreger muss durchaus verhütet werden, weil
dieselben auch auf solche Menschen (namentlich Kinder) gelangen können,
bei denen nicht nur leichte Rachenontzündung entsteht, sondern die infolge
einer besonderen Empfänglichkeit durch dieselben Erreger an schwerer, oft
tödlicher Genickstarre erkranken.
Daher brachte jeder, in dessen näherer Umgebung eine Erkrankung
an Genickstarre vorgekomnien ist oder der mit jemand aus der näheren Um¬
gebung eines solchen Kranken in engem Verkehr gestanden hat, drei Wochen
lang folgende Vorsichtsmaßregeln:
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148
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 13.
1. Han meide jeden anndtigen Verkehr mit anderen Menschen, besuche
namentlich keine Lokale und Versammlungen, wo zahlreiche Menschen Zu¬
sammenkommen. Beim unvermeidlichen Verkehr halte man sich in tunlichster
Entfernung von den anderen Menschen und vermeide Berührungen, Küsse
und gemeinsames Ess- und Trinkgeschirr.
2. Auswurf und Nasenschleim nehme man in Leinen-oderMulläppchen
oder in Papiertaschentüchern auf, die sofort zu verbrennen sind. Benutzte
Taschentücher mü.sscn 10 Minuten in kochendem Wasser gehalten werden
oder eine Stunde lang in Kresolwasser (aus Apotheken oder Drogenhandlungen
zu beziehen) eingelepi; werden. Mit Auswurf oder Schleim in Berührung
f okommene Finger sind mit dieser Lbsung zu waschen, derart beschmutzte
'ußbodenstellen und Kleider reichlich damit zu befeuchten.
3. Während des Sprechens und Hustens halte man sich etwa auf
Arinlänge von anderen Menschen entfernt.
4. Riebold, Dresden: Heber praemenstraelle Temperator-
BteigemiLgen.
Verf. kommt nach eingehenden Beobachtungen zu dem Schlu&s,
dass praemenstruelle Temperatursteigerungen, welche die phy¬
siologischen Werte überschreiten, normaler Weise nicht Vorkommen.
Praemenstruelles Fieber weist immer darauf hin, dass der Organis¬
mus nicht völlig gesund ist.
5. Puppe, Königsberg: Heber Ljrsolyergiftimg.
Das Lysol ist zweifellos ein starkes Gift. Die Vergiftungs-
erscheinungen ähneln denen der Phenolintoxikafion. Erbrechen,
Bewusstlosigkeit, Krämpfe, Sopor. Nur treten die Vergiftungs¬
erscheinungen viel langsamer ein wie beim Karbol. Es bestehen
schwere Aetzwirkungen.
6 . Wunsch, Berlin: Heber die Anwendung von Oelkljstieren
bei der chronischen Obstipation der Bmstkinder.
Verf. hat bei einem Säugling mit nicht weichender Obsti¬
pation Clysmen von reinem angewärmten Olivenöl gegeben. Nach
wenigen Tagen trat dauernder Erfolg ein.
7. Gross, Harburg: Ein Ventilsohaltstück, welches jede
grössere Spritze zn einer für Stauung and Punktion tauglichen
Luftpumpe macht
Um in der Anwendung der Bi er'sehen Stauung ohne kost¬
spielige Apparate auszukommen, hat Verf. ein Ventilschaltstück
mit Guramiventileii konstruiert, welche.s möglich macht, jede gut
saugende Spritze zum Evakuieren zu benutzen. Das Schaltstück
wird von dem Instrumentenmacher K. A. Müller, Harburg
a. d. Elbe I, Wilstorferstr. 2 a hergestellt.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 12 .
1 . Schickell, Strassburg: Einige kritische Bemerkungen
zur Alezander-Adem’sohen Operation, insbesondere über ihr
Verhältnis zu den Leistenbrttohen.
Die Erfolge der in Rede stehenden Operation zur Beseitigung
der retroflexio Uteri sind nicht immer gute, obwohl schon gegen
früher ein ganz erheblicher Fortschritt zu verzeichnen ist. Ge¬
lingt es nicht die Ligamente aufzufinden, dann wird der Effekt
gleich Null sein. Ist aber die Operation normal verlaufen und
der Erfolg bleibt dennoch aus, dann kann es sich um folgende
Punkte handeln: Vereiterung des Operationsgebietes, Nekrose der
Ligamente, Wiederaufflackem der ätiologisch in Betracht kommen¬
den adhäsiven Entzündung, chronische Metritis, neue Adhäsionen.
Jedoch derartige Misserfolge kann man nicht der Operation zur
Last legen,- das sind intercurrente Komplikationen. Um derartige
Misserfolge und Resedive zn vermeiden muss man vor allen
Dingen sehr vorsichtig in der Auswahl der Fälle sein. Ein
weiterer Umstand, welcher die Späterfolge in Frage stellt ist die
Entstehung von Leistenbrüchen. Diese entstehen, so scheint es,
vor allen Dingen dann, wenn der Leistenkanal gespalten wurde.
Die Naht ist offenbar nicht sicher genug. Oft ist die Spal¬
tung unumgänglich, weil eine Bruchanlage oder ^ein ausgebildeter
Leistenbruch vorhanden ist. Es wird sich darum handeln, zugleich
mit, der Verkürzung der Ligamenta rotunda auch die Hernie
radikal zu operieren. Verf. teilt einen derartigen wohl gelungenen
Fall mit auf dessen Einzelheiten in diesem Referat nicht einge¬
gangen werden kann. Nach dem Ausfall von 138 Operationen
glaubt Verf. die Alexander-Adamsche Operation als eine typische
bezeichnen zu mü^en.
2. Bernhard, Berlin: Heber Vorkommen und Aetiologie
einseitiger Trommelscblägerfinger.
Verf. teilt im .Anschluss au die in dieser Zeitschrift seiner¬
zeit z. T. referierten Fälle Bereut (Berliner kliu. Wochenschrift.
1903. Nr. 4) und Groedel (Münebn. med. Wochenschrift Nr. 6)
einen Fall von rechtseitiger Trommelschlägerfingerbüdung mit,
dessen Ursache er in einem Aneurysma der Aorta ascendens,
durch Roentgenaufnahme naebgewieseu, erblickt. Der Fall zeigt
deutlich eine Knochen- und Weichteilvermehrung an der befallenen
Extremität.
3. Üblich, Berlin; Temperatarmessnngin elektrischen Licht¬
bädern.
Verf. hat für eine rationelle, allen Fragen Rechnung tragende
Temperaturmessung in den Lichtkastenbädem einen Thermometer¬
halter konstruiert, welcher zwei Thermometer trägt und zwar ein
gewöhnliches und eines mit russgeschwärzter Kugel, um auch über
die Wärmestrahlung Auskunft zu erlangen. Die Thermometer
lassen sich mittels der mit Gelenken versehenen Halterstange an
jeden Ort im Kastenbade bringen. Man liest durch ein Schau-
glaa von aussen ab. Den Halter fertigt die Firma Reiniger
Gebbert und Schall, Erlangen.
4. Meier, Berlin: Heber eine Verbessenmg des Mett'sohen
Verfahrens zur Bestimmnng der verdanenden Kraft von Flüssig¬
keiten.
Das Mett’sche Verfahren besteht darin, dass Glasröhrchen
mit geronnenem Huhnereiweiss der zu untereuchenden Verdau-
ungsflüssigkeit im Brütsohrank ausge.setzt werden und dass man
sodann die Länge des verdauten Eiweissea feststellt. Verf. macht
auf die grosse Bedeutung einer möglichst gleichmäßigen Gerinnung
des Eiweisses aufmerksam und hat eine Reibe von technischen
Vorrichtungen und Verbesserungen angegeben, welche das Mett-
sche Verfahren fehlerfrei gestalten.
5. Schütze, Oharbin: Die quaternären Alkaloidbasen in
der Therapie.
Verf. hat während seiner Tätigkeit an der inneren Abteilung
des Lazaretts der deutschen Vereine vom roten Kreuz in Charbin
Gelegenheit gehabt, die quaternäre Alkaloidba.se das Euporphin
gegenüber der tertiären Verbindung dem Apomorphin zu prüfen
und gefunden, dass dieselbe sich als Expectoraus ganz ausgezeichnet
eignet. Die Anwendung geschah in Lösung und zwar Euporphini
0,05: 190,00 Sir. simpl. 10,00 dreistündlich ein Esslöffel.
6. Heryng, Wanschau: Heber neue Inhalationsmethoden
und neue Inhalationsapparate.
Die in der vorigen Nummer begonnene und in ihrem ersten
Teil bereits referierte Mitteilung wird zu Ende geführt. Eine
wichtige, vom Verf, angegebene Vorrichtung ist der Thermoaccu-
mulator, derselbe dient dazu, den Inhalationsstrom so in seiner
Temperatur zu steigern, dass die Vergasung schwer flüchtiger
Stoffe ermöglicht wird. Es wird dies durch ein lyraförmiges Rohr
erreicht. Indem der Wasserdampf im engeren Teil des Rohres
kondensiert wird, gelaugt Wärme in Freiheit und die Temperatur
steigert sich bis um 20 Grad, Diese Vorrichtnng ist deswegen
von grosser Bedeutung, weil erfahrungsgemäß nur gasförmige
Körper wirklich tief in das Lungenparenchym eindringen. Der
Schluss der Arbeit ist den Apparaten für Inhalationssäle gewidmet.
Es kann in einem Referat nicht auf alle Einzelheiten eingegangen
werden.
7. Bosse, Berlin: Die Prophylaxe der eitrigen Peritonitu.
Das wichtigste ist die Verbesserung der Diagnose. Je früher
und je .sicherer eine Peritonitis erkannt wird, desto eher ist Aus¬
sicht vorhanden, dass man ihrer Entwicklung vorbeugt. Es gibt
keine idiopathische Peritonitis, dieselbe hat immer lokale Ursachen.
Die Diagnose der Appendicitis wird heute für den Arzt relativ
leicht sein, auch die aus dieser Erkenntnis rührende Anwendung
operativer Maßnahmen Lst heute bei dem Stand der Technik durch¬
aus gerechtfertigt. Anders liegt es bei den infektiösen Prozessen
der weiblichen (Genitalien. Meist handelt es sich dabei nicht um
allzugroRse Eile, n:an hat eher Zeit, die nötigen diagnostischen
wie therapeutischen Uel>erlegungen anzustellen. Es kommt hinzu,
dass gerade die infektiösen Prozesse der weiblichen Genitalien
mehr Neigung haben, sich abzukapseln und lokal zu bleiben, so
dass man von .seiten der Gynäkologen eine durchaus konservative
Behandlung vorzieht.
Als Prophylaxe puerperaler Peritonitiden ist ein möglichst
schonendes und aseptisches Entbindungsverfahren zu bezeichnen.
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
149
Die Perforation der Gallenblaee mit anschliessender Peritonitis
kann bei rechtzeitiger und richtiger Diagnose der Cbolelithiasis
verhütet werden. Für Magenperforationen kommt die diagnostische
Jürkenntnis der Ulcera in Betracht. Besonders bedenklich sind
die Perforationen des Darmes wegen seines infektiösen Inhaltes.
Im allgemeinen hängt die Prophylaxe der Peritonitis von der
Diagnose ab. Diese kann aber nur ein auf der wissenschaftlichen
Höhe stehender Arzt stellen.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. lO.
1. Gersuny, Wien: Eine Operation bei motorischen Läh-
mungeii.
Verf. hat, von dem Gedanken ausgehend, dass ein gelahmter
Muskel durch operative Vereinigung mit einem nicht gelähmten
wieder funktionsfähig werden kann, in zwei Fällen höchst erfolg¬
reiche Operationen ausgeführt. Bei einseitiger Facialislähmung
präparierte Verf. den musc. orbic. oris frei und vernähte die nicht
gelähmte Hälfte mit dem gelähmten Teil. In dem zweiten Fall
handelte es sich um eine Lähmung des rechten musculus deltoideus.
Hier wurde der musculus cucullaris unter Ueberbrtickung des
Akroraion jnit dom gelähmten Deltoideus vereinigt. Der Erfolg
war gut.
2. Buberl, Wien: üeber Eollargolbehandltmg bei Paer*
peralfieber.
Das KoUargol wurde in Form der 15% Fettsalbe und als I
Klysma verabreicht. In einem Teil der Fälle kam gleichzeitig !
Marmorek’s Autistreptococcen-Sernm in Anwendung. Die Er¬
gebnisse fasst Verf. dahin zusammen, dass manchmal tatsächlich
das Kollargol einen mehr oder weniger günstigen Einfluss auf
den Verlauf des Puerperalfiebers auszuüben scheint, dass es aber
zu optimistisch sein hiesse, wenn man das KoUargol als ein Spe¬
zifikum gegen Sepsis bezeichnen wollte.
3. Baer, Wienerwald: Zur Sonnenlichtbehandluug der Kehl-
kopftuberkolose.
Dem Vorgänge Sargo’s folgend hat Verf. Kehlkopftuber¬
kulosen mit Sonnenlicht behandelt. Das Verfahren ist folgendes.
Der Patient sitzt vor einem Spiegel, mit dem Rücken der Sonne
zu, hält die Zunge und einan Kehlkopfspiegel und kontrolliert,
indem er das Bild des eigenen Kehlkopfe.s betrachtet, die richtige
Stellung der Spiegel. Die Sitzung dauert 15—25 Miauten und
wird, wenn möglich, täglich ausgeführt. Der Erfolg in den zwei
mitgeteilten Fällen soll ein sehr guter gewesen sein.
4. Flinker, Wiznitz a. Oz.: MiBsbildung eiuer 'Thorax-
hälfte und der entsprechenden oberen Oliedm^e.
Verf. teilt einen Fall mit, bei welchem vollkommene Atrophie
der rechten Thoraxmuskulatur, Atrophie der Haut und rudimen¬
tärer Zustand der rechten Hand beobachtet wurde. Es scheint
sich um eine intrauterine Wachstumshemmung zu handeln infolge
einseitigen Druckes (Amnion). Es besteht in derartigen Fällen
wohl stets eine gemeinsame Ursache für die Defekte des Thorax
und die Missbildung der Extremität.
1906. Nr. 11.
1. Tauber, Wien: Zur Semmbehandlnng der kronpösen
Limgenentzündimg.
Verf. teilt die Krankengeschichten von 9 Fällen mit, welche
mit dem Röraer’schen Pneumococcenserum behandelt wurden.
Als Einzcldosis wurden anfänglich 10, später 20 und 30 ccm Se¬
rum intramusculär injiziert. Die Erfolge waren derart, da8.s Verf.
die weitere Anwendung und Prüfung dieser spezifischen Therapie
bei kroupOser Pneumonie empfiehlt.
2. Hirschl, Wien: Bemerknngen zur Behandlung des
Horbns Basedowii.
Verf, betont zunächst, das.s bei allen Mitteilungen über The¬
rapie des Morbus Basedowii eine gewisse systematische Erörterung
der Symptome vor und nach der Behandlung nötig sei, um klare
Ueberblicke dem Leser zu geben. Er .selbst berichtet über den
Effekt der neuerdings empfohlenen Röntgenbehandlung bei zwei
Fällen. Bei dem ersten einer 36jährigen Patientin wurde durch
die Röntgenbestrahlung folgendes erzielt: 1. eine Gewichtszunahme
um 4,8 kg in ca. zwei Monaten; 2. eine leichte Herabsetzung der
Pulsfrequenz; 3. eine zweifellose Besserung der psychischen Be¬
schwerden nnd 4. ein Verschwinden der alimentären Glycosurie.
Auch im zweiten Fall wurde bei einer nur fünf Tage lang einge¬
leiteten Bestrahlung eine Einwirkung auf das Körpergewicht und
Beseitigung der alimentären Glycosurie bewirkt.
3. Prokiewicz, Krakau: Erfaknmgen mit HamOTek's Se¬
rum bei der Limgenphthise.
Verf. hat das Antituberkulososerum bei 8 Fällen von Phthise
angewandt. Zunächst fiel der ungünstige Einfluss des Serums
auf den Verlauf der Temperatur auf. Des weiteren hat sich
übereinstimmend mit den ^fafarungen Stadelmann’s ergeben,
dass ein günstiger Einfluss der Serumbehandlung auf den Verlauf
der Krankheit in keiner Weise zu konstatieren war.
Aerztliches Fortbildungswesen.
Unentgeltliche Fortbildungekuree für praktische Aerzte
in Berlin und Provinz Brandenburg. Dauer jedes einzelnen
Kurses 2—3 Monate.
Allgemeine Disziplinen.
1. PatboIogUche Histolone (insbesondere Geschwulstlebre und ihre
dia^nostisebo Bedeutung). Lehrer: Prof. Dr. Benda Ort: Kurssaal im
Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Dienstag von 6—7'/, Uhr. Beginn am
8. Mai.
2. Innere Medicin. Lehrer: Dr. Wirsing. Ort: St. Hedwigs-Kranken¬
haus (Operations-Saal). Jeden Mittwoch von 1—2V| Uhr. Beginn am
2. Mai.
3. Chirurgie. Lehrer: Prof. Dr. Borchardt. Ort: Kgl. chirurgische
Klinik, Ziegelstr. 6—9. Jeden Donnerstag von 6V|—8 Uhr. Beginn am
3. Mai.
4. Krankenpflege. Lehrer: Prof. Dr. Salzwedel. Ort: Hörsaal im
Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Donnerstag von 6'/,—8 Uhr. Beginn
am 3. Mai.
5. Soziale Medicin (Reichs- und preussisches Seuchengesetz). Lehrer:
Geh. Ober-Med.-Rat Prof. Dr. Kirchner. Ort: Kaiserin Friedrich-Haus.
Jeden Sonnabend von 7—S Uhr. Beginn am 5. Hai.
6- Arbeiter-Versicherungs-Gesetzgebung (mit besonderer Berück¬
sichtigung der Unfallversicherung; ausgewählto Kapitel, mit praktischen
Demonstrationen am Schiedsgericht für Ärbeiterrersicberung). Lehrer:
San.-Rat Dr. J. Köhler. Ort: Hörsaal im Kaiserin Friedrich-Hause.
Jeden Freiri^ von 6‘/,—8 Uhr. Beginn am 18. Mai.
Spezielle Disziplinen:
7. Augenleiden. Lehrer: Prof. Dr. Silex. Ort: Poliklinik Karl¬
strasse 18. Jeden Mittwoch von 1—2*/, Uhr. Beginn am 2. Mai.
8. Bakteriologie und experimentelle Therapie (mit Uebungen).
Lehrer: Prof. Dr. Wassermann Ort: Kurssaal im Kaiserin Friedrich-Hause.
Jeden Montag von 6—7'/t Uhr. Beginn am 7. Mai.
9. Frauenleiden. Lehrer: Prof. Dr. Mackenrodt. Ort: Höreaal im
Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Freitag von 1—2*/, Uhr. Beginn am
4. Mai.
10. Geburtshilfe. Lehrer: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Olshausen.
Ort: König:!. Frauenklinik Artilleriestr. 19. Jeden Mittwoch von 6—77,
Uhr. Beginn am 2. Mai.
11. Hals- und Nasenleiden. Lehrer: Prof. Dr. A. Kuttner. Ort:
Poliklinik Thurmstr. 34. Jeden Dienstag von 6—77, Uhr. B^inn am
8. Mai.
12. Harnleiden (3 Vorträge Über: .,Entwickelunfi und Bedeutung
der Kystoskopie“). Lehrer: Prof. Dr. R. Kutner. Ort: Kaiserin Friedrich-
Hans. Dienstag, 3. April, Donnerstag, 5. April und Sonnabend, 7. April
von 1—27, Uhr.
13. Hautleiden und Syphilis (mit besonderer Berücksichtigung der
neueren Forschungen Uber die Aetiologie der Syphilis). Lehrer: Iftiv.-
Dozent Dr. Busebko. Ort: Dermatologische Abteilung des städtischen
Krankenhauses Am Urban. Jeden Donnerstag von 12—17, Uhr. Beginn
am 3. Mai.
14. Klinische Chemie (mit Uebungen). Lehrer: Dr. Eschbaum.
Ort: Kurssaal im Kaiserin Friedrich-Hause. .Jeden Freitt^ von 67,-8
Uhr. Beginn am 1). Mai.
15. Klinische Mikroskopie (mit Uebungen). Lehrer: Prof. Dr. Krönig.
Ort: Kurssaal im Kaiserin Friedrich-Hause. Jeden Dienstag von 1—27,
Uhr. Beginn am 8, Mai.
16. Ohrenleiden. Lehrer: Prof. Dr. Katz. Ort: Poliklinik Fried-
richstr. 125. Jeden Sonnabend von 12—17, Uhr. Beginn am 5. Mai.
17. Die praktische Bedeutung des Köntgenverfahrens in der inneren
Medicin und Chirurgie (mit Uebungen). Lehrer: Dr. Albers • Schönberg
(Hamburg). Ort: Ilöntgon-Laboratorium im Kaiserin Friedrich-Hause. Frei¬
tag 20. IV., 4. V., 18. V., 1. VI., 15. VI. von 17,-37, Uhr.
S t undenplan.
Montag von 6—77, Uhr Herr Wassermann. Dienstag von 1—27,
Uhr Herr Krönig, von ö—77, Uhr Herr Benda, von 6—7‘/, Uhr Herr
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150
MDICINISCHB WOCHE.
Nr. 13.
A. Kuttncr. Älittwöcli von 1—2'/, Uhr Herr Silex, von 1—2'/, Uhr Herr
Wirsing, von Ö—?*/, Uhr Herr Oishausen Donnerstag von 12—l'/i Uhr
Herr Buschko, von 6*/,—8 Uhr Herr Borchardt, von 6V|—8 Uhr Herr
Salzwedel. Freitag von 1—2'/, Uhr Herr Mackenrodt, von \'!^—3 74 Uhr
Herr Albers-Schöiioerg, von 67,—8 Uhr, Herr Escbbauin, von 6'^—o Uhr
Herr Küliler. Sotinabend von i2—IV, Uhr HerrKatz, von 7—8 Uhr Herr
Kirchner. Am 3., 5. und 7. April von 1—2'/i Uhr Herr R Kätner.
Bemerkungen für die Teilnehmer.
1. Berechtigung zur Teilnahme. Zur Toilnahmo an den Fortbildungs¬
kursen ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin und der Provinz Branden¬
burg gegen Lösung nieht Übertragbarer Karton berechtigt. Jede Karte
gilt für einen einzelnen Fortbildungskurs und wird gegen eine Einschreibe-
gebilbr von je M. 2,— verabfolgt. Diese EinschreibegebUhr wird, sofern
die Karte aus irgend welchen Gründen unbenutzt bleibt, nicht zurück¬
erstattet.
2. Art der Meldung. Die Karten, sowie die Verzeichnisse der
Fortbildungskurse sind im Kaiserin Friodricb-IIause für das ärztliche Fort-
bildungswescn ^chalter für Karten-Äusgabe) zu erhalten, wo auch Aus¬
kunft Uber die Kurse erteilt wird (nur schriftlich, oder wochentäglich 9 bis
2 Uhr persönlich).
Schriftlichen Bestellungen sind ein frankiertes Kouvert mit der
Adresse des Bestellers und die Einschreibegebühr für die gewünschten
Karton beizufügen (in Briefmarken zu 5 oder 10 IVonnigen oder durch
Postanweisung, nicht in Metallgeld ira Kouvert). Allo schriftlichen Be¬
stellungen und etwaige Postanweisungen sind zu richten: ati Herrn
0. Zürtz, Kaiserin Friedrich-Haus, NW. 6, Luisenplatz 2—4.
Persönliche Meldungen werden wochontäglich von 9 Uhr vormittags
bi.s 2 Uhr nachmittags angenommen. Hierbei ist ein offenes frankiertes
Kouvert abziigcben, wolchoa mit der Adresse des Bestellers versehen ist
und die schriftliche Bestellung enthält; zugleich ist die EinschreibogobUhr
zu erlegen.
Telephonische Bestellungen von Karten und Verzeichnissen können
nicht berücksichtigt werden.
3. Termine der Meldungen, a) Bei Vormerkungen.
Es haben Diejenigen, welche sich bei einem früheren Zyklus von
Fortbildungskursen für eine bestimmte Disziplin voreemerkt haben, für dio-
solbo in der Zeit vom 26. bis 27. März (inkl.) das Vormeldungsrecht.
b) Beginn der neuen Meldungen am 28. März
cl Schluss der Meldungen und Vorbemerkungen am 1. Mai.
Die Vormerkungen gelten stets für den nächsten Zyklus , in
welchem die betreffende Disziplin vertreten ist.
4. Art der Kartenausgabe Vom 28. März an werden täglich aus
allen bis 3 Uhr nachmittags oingelaufenen schriftlichen und persönlichen
Meldungen durch Auslosung die Teilnehmer festgestollt, welchen hierauf
die Karton zugesandt werden. Die Uobrigbleibenden (nach Erreichung der
jeweiligen Maximalzahlen) werden für den nächsten Kurszyklus vorgemerkt
und erhalten die EinschrcibogebUhr zurück.
0 : Zuschriften für das Zeiitralkoinitee. Alle Zuschriften sind zu
richten an das; Bureau des Zentralkomitees, NW. 6, Luisenplatz 2—4
(Kaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche Fortbildungswesen).
Zentralkomitee fflr das ärztliche Fortbildnogswesen in Freusseo.
E. von Bergmann, Vorsitzender. R. Kutner, Generalsekretär.
Vermischtes.
Berlin. Am lO. d. M. wurde im Landesausstellungspark in
Gegenwart der Kaiserin und ihres Hofstaates, unter Anteilnahme
von zahlreichen Vertretern der höchsten Beaintenkreise von Männern
der Wissenschaft und vielen auf dem Gebiete der Wohltahrtabe-
strebungen tätigen Männern und Frauen, die Ausstellung für
Säuglingspflege, die aus Anlass der silbernen Hochzeit unseres
Kaiserpaares veranstaltet worden ist, eröffnet. Die Eröffnungs¬
rede hielt Geheimrat Heubner; er gab in grossen Zügen einen
Ueberblick über den Erfolg der bisherigen und die Aufgaben der
zukünftigen Bestrebungen auf dem Gebiete der Säuglingspflege.
Nach ihm sprach kurz der Kultusminister Dr. Studt (neben der
Erbprinzessin zu Wied Ehrenvorsitzender der Ausstellung) über
die Bedeutung der Ausstellung und endete mit einem Hoch auf
das Kaiserhaus. Daran schloss sich ein Rundgang durch die Aus¬
stellung, bei welchem die Kaiserin für zahlreiche Gegenstände ein
lei)haftes Interesse bekundete. Die Ausstellung, um welche sich
der Aj'bcitsausschuss, Geh. Ober-Med.-Rat D ietrich (Vorsitzender),
Geheimrat Heubner, Dr. A. Kay serling, Oberstabsarzt a. D.
Dr. Kimmle, Dr. Venn (Hoheiilychen), und Geheimrat Dr. Wutz¬
dorf grosse Verdienste erworben hat, macht einen ausserordent¬
lich günstigen Eindruck. Den Herren Kollegen und ihren Schutz¬
befohlenen wird ein Besuch der Ausstellung dringend empfohlen.
Einen eingehenden Bericht werden wir in der nächsten Nummer
veröffentlichen.
Frankfurt a. M. Nachdem die Versuche des Aerzteverbandes
für freie Arztwahl, eine freigewordene Bahnarzt-Stelle der freien
Arztwahl zuzuführen, an der Weigening der Kgl. Eisenbahndirektion,
irgend welches Entgegenkuramen zu zeigen, gescheitert sind, ist
diese Bahnarztstelle durch den Leipziger Verband gesperrt
worden. — Ferner hat der Aerzteverband für freie Arzt¬
wahl die Anstellung eines besoldeten ärztlichen Geschäfts¬
führers zum 1. April d. J. beschlossen.
Berlin. Eine Trauerfeier für Max Nitze wird von Freunden
und Schülern am 1. April im Kaiserin Friedrich-Hause veranstaltet
werden; ebendort wird eine Sonderausstellung stattfinden, welche
die Bedeutung und Entwicklung der Kystoskopie unter Benutzung
von NiCze's gesamten wissenschaftlichen Nachlass, anschaulich
machen soll.
Münster I. W. Durch Einschreiten der Aufsichtsbehörde ist
ein Streit zwischen Aerzten und Kassen beigelegt, und
zwar auf Grund folgender Bedingungen: Ala kasseuärztliches
System ist die freie Arztwahl angenommen. Hinsichtlich des ärzt¬
lichen Honorars ist ein nicht zu übersteigender Höchstsatz festgelegt.
Bsriin. Die Schulärzte sind von der Scbuldeputation beauf¬
tragt, bei der Einschulung der Kinder den Eltern Merkblätter über
die Gefahren des Alkohols einzuhändigen.
Berlin. Dem Elisabetb-Kinderbospital sind von Frau
K. v. Bülow 100 000 M. überwiesen worden.
Hochschulnachrichten.
Halle a. S. Mit einer Antrittsvorlesung über „Die Behand¬
lung von Schussverletzungen“ hat sich Dr, Stieda als Privat¬
dozent für Chirurgie niedergelassen.
Königsberg i. Pr. Mit einer Schrift „Qnecksilberschmier-
kuren und ihre Einwirkung auf die Harnorgane“ und einer Probe¬
vorlesung über die „Diagnose des Abdorainaltyphus“ habilitierte
sich für innere Medicin Dr. Kliene berger.
Rostock, Professor Dr. R. Kobert, Direktor des pharma¬
kologischen und physiologisch-chemischen Instituts, wurde zum
Rektor der Universität für das Studienjahr 1906/07 gewählt.
Patentnachrichten.
Ge brauchsmuster.
263222. Für ärztliche Zwocko bostimmto blauleuchtende Lampe.
Rudolf Dreher, Frankfurt a. M.
26:3 2.')8. Aus einem in einen Hartblcikürpcr cing-eschraubton Speck-
.slcinmundstUck mit eingesetzter Spirale bo.stcbonde, gegen Säure Widerstands-
fähige Zerstäuberdüse. Gebr. Körting Akt.-Oes., Linden b. Hannover.
263 71)8. Kiefcrhöblenstanze mit abgebogeiiem, aus zwei Teilen bestehen¬
dem Maul. Ludwig Lieberkneclit, Berlin.
203873. Mandeli^uctscber. Dr. Levisobn, Gelscnkirchon.
263875. Ajiparat zum Einfädoln der Nadeln für chirurgische Zwecke.
Akt.-Ges. für Feiiiniechanik vorm. Jetter & Sclicerer, Tuttlingen.
Leth Juhl-Hannovor. Heber die Wlrkaiij^ des W. K.och’*
sehen „Prävalldln**. (Fortschritte der Med. 1906, Nr. 4).
Aus Kampfer, Porubalsum, Enka-Cyptus .und Rosraarinöl und der
Salben-Grinidlage-l’orcutilan“ setzt sich dio Prävalidin-Salbe zusammen,
welche in der cliemischen Fabrik der Wollwäscherei und -Käiumerei Döhren
liergcstellt wird Die mit ,1’rävaUdin“ erzielten Erfolge übertrafen bis¬
weilen die mit der Injektionskur erreichten, sodass Koch, Walser, Stolle
und Schup poii baucr schon zu durchweg günstigen Resultaten kamen.
Loth Puhl stellte drei grosse Gruppen zusammen, bei denen er die Kampier-
Einreibungen machte, und zwar bei Skrofulöse und Rachitis, bei Bronchitis,
Tuborkiiluso, Influenzapncumonio und bei Schwächezuständon. Es wurde
meist eine ganze Originaltiibc auf ein Mal verricbcu und die Einreibung
nach einer Woche wiederholt, etwa auf 2—;3—4 mal. Die Hauptsache aber,
sagt Jubl, ist die Methodik der Einreibung, und dazu ist folgendes za
beuchten: Ehe die Einreibung vorgenommen wird, muss die Haut auf das
Peinlichste gesäubert werden; auf dem Rücken wird dann mit dem Ein-
reiboii bogoiiuen und bis zum Trockenwerden kommen nacheinander noch
Brust, Arme und Beine an die Reibe; mindestens auf 10 Minuten wird die
Einreibungsprozedur ausgedehnt. Namentlich bei Influenza und bei skro¬
fulösen Kindern bewährte sich die Prävalidin-Kur. Niemals bat J. — ab¬
gesehen von einem Falle mit Asthma, wo Atemboschwerden auftraten —
einen Misserfolg gesehen; einige wenige Male war nach der Einreibung
ein mäßig juckender Hautausschlag aufgotreten, der aber nach wenigen
Tagen wieder verschwand. A. R.
Verantwortlicher Redakteur t Dr. P. Meis«ner, HerliaW. M, Kurfiirstenscr. 81. — Verlag: von Carl Marhold. Halle a. S.
Druck von der HeynemanB'schen Buchdmekerei, Gebr Wollt, Halle a. S.
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Medicitiische Woche
Dentscbmann, A. D&hruen» A. Hoffa, C. Jacobi,
Hambari^. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Glessen.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, R. PartMh, H. Rosio, H. Scbltage,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Uarerricht, A. Voiiiost
Magdeburg. Qiessen.
Verlag und Expedition
^ Redaktion:
Carl Marhold in Halle a« S*« Uhlandstrasse 6.
Berlin W« 62, KorlQrstenstrasse 81*
Tcl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
e.
Dr. P Meißner.
Vn. Jahi^ang.
2. April 1906.
Nr. 14.
Die .Medicinische Woche* erscheint {eden Montag mit der UtSgigen Beilage BaltlCOlOgiSChC CCfltrslzeitUIlg» Organ des Allgemeinen Deutschen
Biderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold ln H all e a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4spaltige Petitzeile oder deren Raum mit 60 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäßigung ein. .
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Aus dem itrthopädischen Institut
von Dr, Gtistxw JHuskat^BerUn»
Die verschiedenen Methoden Fnssabdrücke
herznstellen.
Von Dr. Gustav Muskat.
Die Bedeutung des menschliclieQ Fusses zur Beurteilung
der Stellung des Menschen in der Reihe der Lebewesen ist
stets anerkannt worden. In neuerer Zeit ist auch von anthro*
pologischer Seite dieser Frage ein grösseres Interesse zuge-
wendet worden und es erscheint zweifellos, dass genaue
Forschungen und vergleichende Feststellungen äusserst wert*
voll zur Sicherung und Klärung von Problemen dieser Dis¬
ziplin sein können. Um nun die Form bestimmen und fest-
b^ten zu können, sind die verschiedensten Methoden ausge¬
arbeitet worden. Dienen dieselben einerseits rein wissensch^t-
lichen Zwecken, so sind sie andererseits für den Praktiker
unentbehrlich, um bei Schmerzen und Erkrankungen der unteren
Extremitäten die Diagnose zu sichern und das Resultat der
Behandlung graphisch oder optisch festzustellen.
Die mehr oder weniger komplizierten Messvorrichtungen
sind wohl im Stande eine Vorstellung der Grösse, Breite und
Stellung der Achse des Fusses zur Unterschenkelachse zu
geben, können auch wohl die beim Stehen und Gehen ent¬
stehenden Veränderungen wiedergeben, sind aber zur Fest¬
haltung der Beobachtungen für den Praktiker nicht verwertbar.
Erwähnt sei die von Bertillon angegebene Methode zur
Feststellung der Länge des Fusses. Der linke Fuss tritt auf
einen Schemel, auf welchem in ungefährem Umriss ein Fuss
aufgezeichnet ist. Mittels eines Schiebemaßes wird nun die
Länge festgestellt. Bekanntlich dienen diese Messungen Ber¬
tillon s wesentlich kriminalistischen Zwecken.
Gollebiewski (Zeitschr. f. orth. Chir. 1894) versuchte
durch verschiedene Gipsformen, an denen er die Entfernungen
mittels des Tasterzirk^s festlegte, neue Aufschlüsse für die
Form des Fusses zu erhalten.
Nieny (Zeitschr. f. orth. Chir. 1902) konstruierte einen
äusserst sinnreichen aber sehr komplizierten Apparat zur
Messung der einzelnen Teile, besonders bei dem sogen. Knick-
fuss, der Vorstufe des Plattfusses.
H. Hübscher (Zeitschr. f. orth. Chir. 1904) hat durch ein-
iache Lotung and die Berechnung der entstehenden Dreiecke
Aufschlüsse über den Plattfuss gewonnen.
Alle diese angeführten Methoden erfordern bestimmte
Vorrichtungen, geben dabei aber nicht den eigentlichen Um¬
riss des Fusses wieder. Diesen Ansprüchen gerecht werden
die folgenden Methoden (Seitz, Turner, Volkmann,
Timmer, Freiberg, Fischer, Muskat).
Bei Seitz (Zeitschr. f. orth. Chir. 1901) liegt eine starke
Glasplatte auf zwei Holzblöcken. Der zu Untersuchende legt
seinen entblössten Fuss leicbt und bequem, wie wenn er suf-
treten wollte, auf die Glasplatte; mit einem Spiegel können nun
von unten leicht die Vorgänge an der Fusssohle beobachtet
werden.
Zur Bestimmung der Stützpunkte wird zuerst der Fuss
leicht auf die Glasplatte aufgesetzt, so dass nicht das ganze
Körpeigewicht, sondern nur die Schwere des Beines selbst
darauf ruht. Dabei ist natürlich auf ein richtiges Auftreten,
also in einer Mittelstellung des Fusses von Dorsal- und
Plantarflexion, von Pro- und Supination, von Abduktion und
Adduktion zu achten.
Turner (Zeitschr. f. orth. Chir. 1902, S. 818) empfiehlt
die Vorrichtung von Bradford und Lovett. Er hat den
von diesen konstruierten Tisch, der aus einem Rahmen mit
einer starken horizontalen Glasplatte und einem darunter unter
45 Neigung gestellten Spiegel besteht, insofern verändert, dass
der Patient sich mit beiden Füssen auf denselben stellen kann.
Durch diese Vorrichtung wird es möglich, die Püsse eben in
der natürlichen Stellung zu beobachten und auf genaueste
Weise die Stellen, die am meisten durch die Körperbelastung
leiden, anzumerken.
Besonders wird der Apparat den Militärärzten, sowie zur
Demonstration vor einem Auditorium empfohlen. (König lässt
den nassen Fnss auf den Boden setzen.) Während bei diesen
Methoden kein dauerndes Bild des Fusses entsteht, bieten die
folgenden die Möglichkeit, das geschaffene Bild bleibend zu
erhalten. Die Ideen, von denen man dabei ausging, waren
ganz verschiedene.
Volkmann empfahl einen Fussabdruck, der in folgender
(vom Verf. modifizierter) Weise heroestellt wird. Über einer
stark russenden Lampe oder einem Stückchen Camphor, das in
einer eisernen Schale durch ein Streichholz zur Entzündung ge¬
bracht wird, wird ein Bogen Papier stark berusst Der Patient
tritt mit beiden Füssen auf die oerusste Fläche und mit einem
scharfen Stift, der erst senkrecht gehalten und dann in einem
Winkel von 45® gedreht wird, wird der Umriss des Fusses ge¬
zogen. Einen Abdruck ohne Umreissung des Fusses
hält Verf. für nicht ausreichend.
Nun nimmt man eine Lösung von Schellack und Spiritus,
die mau sich leicbt selbst bersteUen kann (die Menge des
Schellack ist ganz unwesentlich) und zieht den Abdruck durch
die Lösung hindurch. Am besten giesst man etwas von der
Lösung auf den Fliesenboden oder auf eine Glasplatte und
legt den Abdruck hinein (die berusste Seite natürlich nach
oben). Die Flüssigkeit zieht von unten genügend ein, um das
Bild zu fixieren.
Timmer (Zeitscbr. f. orth. Chir. 1901) nimmt zwei dicke
Glasplatten, womöglich aus Spiegelglas, eine Tintenrolle, ein
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152
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. U.
wenig Druckerfarbe guter Consistenz,'. und Watte mit Talcum
veDetum.r Auf die eine Glasplatte tut [er ein wenig Drucker-
farbe und rollt dieselbe mit der Tintenrolle aus, wodurch die
Platte überall mit einer gleich dünnen Schicht Tinte bedeckt
wird. Auf die andere Platte legt Ti mm er einen Bogen mög¬
lichst glattes Papier. Nun lässt er den Patienten auf die erste
Platte treten und danach auf die zweite. Man hat dann einen
sehr schönen Abdruck erhalten, den man im Nu trocknen kann
vermittelst Watte mitjTalcum venetum.
Der — positive — Abdruck ist sehr schön. Wünscht
man hintereinander mehr Abdrücke zu machen, so braucht
man die benutzte Glasplatte nur jedesmal mit der Tintenrolle
zu behandeln.
Man kann also in kurzer Zeit eine grosse Anzahl Abdrücke
machen, was[ in einer Poliklinik sehr zu statten kommen kann.
Die Druckerfarbe kann man- am leichtesten von der Fuss-
sohle entfernen mit Terpentin oder Petroleum, Mittel, die auch
in der Druckerei zu diesem Zwecke benutzt werden. Wasser
und Seife genügen aber auch.
Bettmann (Zentralbl. f. Chir. 1902, S. 722) verwendet
folgende Methode. Er nimmt gewöhnliches photographisches
Celloidinpapier, das den von ihm geforderten Ansprüchen an
ein Papier zum Abdruck vollständig genügt.*) Man bestreicht
die Fusssohle am besten mit etwas Natrönlösung wie zum
Fixierbad gebräuchlich, oder mit Tonfixierbäd, gerade so viel,
dass sie eben angefeuchtet ist, und läset dann den Patienten
in der gewöhnlichen Weise auf das Papier für einige Sekunden
treten. Setzt man dann das Papier hellem Tageslicht aus, so
erscheint schon nach einigen Sekunden der .ä^druck ausser¬
ordentlich scharf, in den äusseren Gootouren sowohl, wie in
jeder kleinen und kleinsten Hautfnrche und auch jeder kleinste
Hautkrater kommt scharf zum Vorschein. Man legt dann das
Bild ins Tonfixierbad und behandelt es so wie jede Kopie.
Dann zieht man das Bild auf und fügt es seinen Krankenge¬
schichten und Gutachten bei.
Ein solcher Abdruck übertrifft den Heinabdruck bei weitem
an Sauberkeit, Schärfe und Einfachheit in der Herstellung.
Bettmann bemerkt noch, dass man statt der Natrönlösung
zum Bestreichen der Fasssohle sicher noch eine ganze Reihe
anderer Chemikalien, die jeder leicht zur Hand hat, nehmen
kann. Bei starkem Schweissfuss ist gar nichts weiter not¬
wendig, der Schweiss allein zersetzt schon die Bromsilber¬
schicht des Celluloidinpapiers. Statt des letzteren kann man
*) Ein Papier moss folgende Eigenschaften haben. Es n)uss fertig
zum Gebrauch vorrtttig sein, es darf nicht reissen, nicht schmutzen
und muss mit einer solch feinen Schicht Überzogen sein, dass alle Feinheiten
der Sohle zum Ausdruck kommen.
Feuilleton.
Bichard Neumeister.f
Um die Mitte des Oktober 1905 schrieb mir Richard
Neumeister aus Blasewitz, wohin er eben übergesiedelt war,
„hoffentlich geht es Ihnen so gut wie mir“. Am Weihnachts¬
tage desselben Jahres erlag er einem Neuausbruebe seines
alten Leidens, Blinddarmentzündung, welches durch eine Bauch¬
fellentzündung diesem ausserordentlichen Leben ein vorzeitiges
Ende im noch nicht erreichten fünfzigsten Lebensjahre bereitete.
Prof. Dr. med. et phil. Neumeistor begann seine selbst¬
ständige Laufbahn als Artillerieoffizier, studierte dann, von
diesem Berufe innerlich nicht befriedigt, Chemie und Land¬
wirtschaft und promovierte bereits 25iährig 1882 in Rostock
mit seiner Dissertation „über die Darstellung gemischt-halogen-
substituierter Aldehyde und ihrer Derivate“. Doch schon nach
wenig Jahren fand seine spekulativ angelegte Natur in der
Tätigkeit als Fabrikchemiker, die er für kurze Zeit gewählt
hatte, keine Befriedigung und er wandte sich der physiologischen
Chemie zu. In Willy Kühne’s Arbeitsstätte erschien 1888
der lebhafte, energische Mann, dessen von vornherein selbstän-
auch das billigere Eisenblaupapier, das in jeder SokreiWaren¬
handlung erhältlich ist, verwenden. Man bestreicht dann den
Fuss mit Essiglösung, setzt aber das^apier nach dem Abdruck
nicht dem Lichte ans, sondern legt es gleich ins Wasser und
lässt es trocknen. Auch hierbei erhält man gute Fusssohlen-
abdrücke, jedoch die Feinheiten der Fusssohle kommen^nicht
so scharf zum Vorschein. Das Eisenblaupapier dürfte sich
z. B. für unsere orthopädischen Schuhmacher eignen, da man
den Fussabdruck und gleichzeitig die Konturenzeichnung der
Fusssohlen mit Bleistift wie die Schuhmacher es zu machen
pflegen, vornehmen kann. Man erhält dann ein sehr an¬
schauliches Bild von der Grösse und Form des Fnsses. Das¬
selbe gilt auch von anderen'Abdrücken, z. B. für die Hand.
Freiberg[^(Zeit8 chr. f. orthop. Chir. 1901) verwendet
folgende Mischung:
Tinct Ferri-Chlorid 50,0
Alkohol (80%) 45,0
Glycerin 6,0
und lässt dann den Patienten, nachdem die ganze^Fusesohle
mit der Mischung bestrichen ist, auf ein Blatt glattes weieses
Papier treten. Mit einer zweiten Lösung entwickelt er das
Bild. Man bepinselt das Papier mit einer starken alkoholischen
Gerbsäurelösung, wobei es sich'empfiehlt die Hände za schonen.
Es erscheint sofort das Bild in blauscbwarzer Farbe. Bei
richtiger Ausführung hat man^dann einen Abdruck, der an
Schärfe, Bequemlicl^eit der Handhabung und Leichtigkeit der
Aufbewahrung nichts zu wünschen übrig lässt. Freiberg
pflegt nach Entfernung des Fusses die Projektionslinie mittelst
Bleistift einzuzeichnen.
Fischer (Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthro-
' pologie, Ethnologie u. Urgeschichte 1904, Nr. 7) ging von der
' Absicht aus, den Fussabdruck als Aquarell herzustellen, als
das zugleich reinlichste, haltbarste und gefälligste Verfahren.
Der einfachste Weg dazu, das Einreiben der Fusssohle mit
einer Wasserfarbe, erschien ihm nicht ganz geeignet, zunächst
wegen des Hautfettes, das vorher durch peinlichste, energische
; Reinigung mit Seife, Alkohol, Äther hätte entfernt werden
. müssen, dann^hatte sich aber^auch zwischen den Tastteisten
Farbenbrei abgelagert und dieser undeutliche, verschwommene
: Stellen erzeug^. Nach diesen Überlegungen kam er darauf,
’ das Aquarell durch dünnste Lösungen bestimmter chemisch
aufeinander wirkender Stoffe gewissermaßenlin statu nascendi
, beim Aufsetzen des Fusses durch Farbenreaktion an den Be-
; rührungsstellen von Papier und Sohle zu erhalten. Die be¬
kannte Entstehung des Berliner Blaus erschien ihm am ge¬
eignetsten. Das Blau gehört zu den dunklen Farben, das
Berliner Blau ist sehr haltbar, es entsteht aus zwei, beinahe
dige Tätigkeit bald auf alle anderen Laboranten mitreissenden
Einfluss gewann. Ich sah seine schönsten Arbeiten über den
Abbau der Eiweisse in der Verdauung sowie durch andere
Einflüsse neben mir entstehen und werde es nie vergessen,
wie er den Unerfahrenen durch Beteiligung an denselben als
Freund und Lehrer zugleich für die Wissenschaft zu begeistern
und zu eigenem selbständigen Denken anzuregen verst^d. —
Er machte daneben seinen medicinischen Doktor und nahm
den schon nach wenig Semestern an ihn ergangenen Ruf als
Leiter der physiologisch-chemischen Abteilung an Fick’s
Laboratorium in Würzburg an. Seine klassischen Arbeiten
über die Entstehung und Charakterisierung der Albumosen,
sein bekannter Stammbaum der Albumosen, hatten ihm diese
Stellung in unglaublich kurzer Zeit, noch während seines
eigenen Studiums der Medicin, eingetragen, und führten ihn
bdd darauf in sein neues Amt in Jena, wo er sich als Leiter
der physiol.-chemischen Abteilung des physiol. Instituts habili¬
tierte mit der prächtigen Arbeit „zur Äysiologie der Eiweiss¬
resorption und zur Lehre von den Peptonen“ — welche im
Gegensätze zu der Mehrzahl seiner glänzenden Arbeiten auf
diesem Gebiete, die im Zentralblatt für Physiologie erschienen,
in Würzburg bei H. Stürtz 1890 gedruckt ward. — Abgesehen
von Veröffentlichungen in den Sitzungsberichten der Physi-
kalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg und in der
„Deutschen medicinischen Wochenschrift“ findet sich sein
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1906.
MifiUlCDTISCMiS wOCMlfi.
163
farblosoD Flüssigkeiten, nämlich einer sehr dünnen Lösung von
Liquor ferri sesquiklorati ;,etwa 1:1000) und Kal. forrocyana-
tum (etwa 1:100), beide sind vielgebrauchte Reagentien, es
kommt nicht genau auf die Stärke der Lösung an.
Das Verfahren geht nun folgendermaßen vor sich: Die
Person setzt sich wie üblich, auf einen Stuhl, zu il)reD Füssen
eine glatte Holzplatte, Glasscheibe oder Marmorplatte. Je nach
der zu erstrebenden Feinheit des Abdruckes, sind vorher die
Fasse oberflächlicher oder gründlicher mit Seife gereinigt.
Während die Reinigung vorgenoramen wird, überreibt man
energisch gleichmäßig mit einem Wattebausch, der mit der
Lösung von Kal. ferrocvanat getränkt ist, einen Bogen Konzept¬
oder Kanzleipapier (o(?er weissen Karton), bis er noch gerade
feucht ist und lässt den Bogen dann trocknen, indem man ihn
auf die Platte legt. Darauf befeuchtet man ebenso die Fuss-
sohlen mit Eisenchloridlösung. Diese Prozedur wird natürlich
seitlich von dem Papierbogen vorgenommen, damit nicht durch
Abtropfen oder Abspritzen schon vorher Flecken entstehen.
Man lässt hierauf die Person mit rechtwinkelig gebeugtem
Fussgelenke die Fiisse feuclit anf das Papier vorsichtig aber
fest aufsetzen, aufstehen bis zur militärischen Haltung, sich
•wieder setzen und die Küsse hochheben; man sieht vor sich
den scharfen Fnssabdruck in Berliner Blau, der zur Haltbar¬
keit keiner weiteren Bearbeitung mehr bedarf. Die Fusssohlen
bleiben dabei meist sauber. Entsprechend wird bei Handab¬
drücken verfahren.
Nun lässt sich das Verfahren noch viel einfacher und
reinlicher gestalten. Die Papierbogen brauchen nicht frisch
bergestellt zu werden. Sie lassen sich vorher zubereiten und
halten sich lange Jahre brauchbar, so dass man nur die Sohlen¬
einreibung vorzunehmen braucht. Mit der Zeit färbt sich das
Papier leicht grünlich-gelb, ohne dass dies dem unveränder¬
lichen Blau Eintrag tut. Man hat also auch die Annehmlich¬
keit, solche fertigen, mit Kal. ferrocyanatumlösung imprägnierten
Bogen, z. B. auf die Reise mitnehmen zu können und braucht
dann nur etwas liquor ferri sesquichlorati. Liebhabern anderer
Karben empfiehlt Fischer Antipyrin, Salicyisäure, Phenacetin,
Tannin, welche rote, blau-violette, braunrote, bez. schwarzblaue
Abdrücke liefern.
Bei allen diesen Methoden wird der Fuss mehr oder
weniger beschmutzt. Muskat (Deutsch, med. Wochenschrift
1902, 25) ging von der Idee aus, nicht einen eigentlichen Ab¬
druck, sondern einen Aufdruck herzustellen. . Zu diesem Zwecke
bedarf es zweier Medien; des Teiles, der die Farbe liefert, und
des Teiles, der die an der Stelle der Belastung eintretende
Färbung erhält. Er bediente sich der gewöhnlichen Hekto¬
graphentinte, die in dünner Schicht auf gutes feines Papier
Lebenswerk an den erwähnten Stellen und in seinem glänzen¬
den Lelirbuche der physiol. Chemie (2 Bände, 1893 und 1895,
Jena, bei G. Fischer), dass schon nach zwei Jahren den un¬
erhörten Erfolg einer neuen Auflage, in einem Bande vereinigt,
erlebte.
Einer dritten Auflage dieses Werkes wollte N. ausUeberdruss an
der modernenRichtung in der Physiologie nicht mehr näher treten;
er beabsichtigte zwar noch mit mir zusammen eine Physiologie
und Pathologie der Ernährung herauszugeben, doch erlitt er
damals eine langandauernde Sehstörung zentraler Natur (1908/04)
und durfte daun wegen der notwendigen Schonung seiner
Augen nicht mehr an solch umfängliche Arbeiten denken.
Kurz zuvor war er mit seinen bedeutsamen „Betraclitungeu
über das Wesen der Lebenserscheinungen“ (1903, Jena, bei
G. Fischer), dem Ergebnis langjähriger physiologisch-philo¬
sophischer Betrachtungen, der m^ernen mechanistischen Auf¬
fassung vom Leben entgegengetreten.
Nur Ganzes pflegte er zu bringen, und überall trat seine
Person bescheiden hinter den Interessen der Wissenschaft zu¬
rück ; seinen Schülern war er ein opferwilliger Lehrer, seinen
Frennden stets mit Rat zur Seite: Zu früh für Alle, die ihn
kannten, ist er zum Schaden dev Wissenschaft uns entrissen!
Darmstadt, 18. 3. 1906. Dr. Klemm.
aufgetragen wird. Zweckmäßig werden mehrere Bogen gleich¬
zeitig vorbereitet und ruhig im Schatten getrocknet. Eine An¬
zahl gewöhnlicher Pappepatten (Holzpappe) der ungefähren
Grösse des Fusses entsprechend, vervoilständigt den einfachen
Apparat. An Ort und Stelle angelangt, wird die Pappe gut
durchfeuchtet; ein mit der Farbe imprägniertes Blatt vorsichtig
darauf gelegt und nun der betreffende Körperteil fest aufge¬
setzt. Mit einem halbscharfen Instrument umgrenzt man noch
die Ränder, und der Aufdruck zeigt genau — allerdings nicht
in der Feinheit des Russabdruckes — die gewünschten Ver¬
hältnisse. Durch eine beiliegende Zeichnung ist s. Z. in der
zitierten Arbeit die ausreichende Genauigkeit des Abdruckes
gezeigt. Das imprägnierte Papier kann mehrere Male benutzt
werden.
Die Bedeutung dieser Art der Abdrücke wird dadurch
dokumentiert, dass eine Reihe wissenschaftlicher Versuche da¬
mit mit Leichtigkeit durchgeführt wurden. Das Verfahren scheint
besonders für Untersuchungen ausserhalb des Hauses geeignet
zu sein.
Alle oben angeführten Methoden sind absichtlich sehr aus¬
führlich und genau — zum Teil wörtlich — nach den einzelnen
Autoren wiedergegeben, um jedem Interessenten die Möglich¬
keit zu geben, strickt nach den Vorschriften, die Methoden zu
prüfen und die für ihn am meisten passende auszuwählen.
Da natui^emäß jeder Autor mit der von ihm angegebenen
Methode gute Resultate erreicht hat, so erschiene es mcht an¬
gebracht, einer derselben an dieser Stelle den Vorzug zu
geben. Aus meiner eigenen mehrjährigen Erfahrung, ers(meint
im Hause der Russabdruck als die zweckmäßigste Methode, da
sie ohne Hilfsmittel und ohne Vorkenntnisse herzustellen ist,
genügend genaue Bilder liefert und last not least am billigsten
ist, em Umstand der bei einer grossen Zahl von anzufertigen¬
den Abdrücken sehr ins Gewicht fällt.
Handelt es sich um Abdrücke zur FeststeDung von Fuss-
deformitäten, besonders vom Plattfuss, so ist unbedingt, wie
schon oben angeführt, eine Umreissung des Fusses enorder-
lich, da selbst bei guter, normaler Wölbung ein Abweichen
der Fussachse nach aussen die Diagnose aui Plattfuss sichern
kann. Wie wichtig dieselbe, besonders für den Militärarzt sein
kann, ist ohne weiteres verständlich, wenn man die grosse An¬
zahl von dienstuntauglichen Leuten, auf Grund des rlattfusses,
berücksichtigt.
Die diagnostische Bedeutung des Tuberkulins
nach den neuesten Erfahrungen.
Von Dr. Heinrich Mohr in Bielefeld.
(Schiass.)
Schliesslich kommt bei der Bewertung einer positiven Re¬
aktion bei anscheinend Gesunden oder anderweitig Erkrankten
noch ein weiterer Punkt in Frage, nämlich die Möglichkeit,
dass bei den positiv Reagirenden „Gesunden“ doch kleinste,
durch die gebräu«;hlichen Methoden nicht nachweisbare,
symptomlose tuberkulöse Herde im Körper vorhanden sind.
Nach den bekannten modernen Anschauungen über die Ver¬
breitung der Tuberkulose liegt diese Möglichkeit jedenfalls
sehr n^e. Gleiches gilt natürlich auch von den anderweitig
Erkrankten; ein Sy'philis- oder Krebskranker kann gleichzeitig
tuberkulös sein; jedenfalls sind Fälle dieser Art bekannt, wo
die spätere, entweder klinisch oder bei der Sektion nach¬
gewiesene Tuberkulose die Richtigkeit der positiven Reaktion
noch nachträglich bestätigte. Andererseits beweist selbst der
Autopsiebefund, wenn er bezüglich tuberkulöser Veränderungen
negativ bleibt, auch noch nichts, da solche kleinsten Herde
auch bei der Sektion der Aufmerksamkeit entgehen können.
N ei SS er kommt daher auf Grund einer kritischen Be¬
trachtung der ungünstigen Erfahrungen zu dem Schluss, dass
diese keine weitgehenden Folgerungen zu üngunsten der
diagnostischen Zuverlässigkeit des Tuberkulins erlauben. Die
ungünstigen Erfahrungen betreffen nur Ausnahmefälle, die
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154
BCEDIGINTSCmfi WOCHE.
Nr. 14.
Kelilerquellen der Methode sind nicht so bedeutend, dass sie
die Zuverlässigkeit der Reaktion stärker beeinträchtigten.
Wie steht es nun, die Zuverlässigkeit der Reaktion voraus¬
gesetzt, mit ihrer praktischen Brauchbarkeit zu
diagnostischen Zwecken? Hier erhebt sich die — bis¬
her wohl unentschiedene — Frage: Bedeutet jede positive Re¬
aktion eine wirkliche Erkrankung an Tuberkulose im
klinischen Sinne? oder zeigt die Reaktion auch inaktive, latente,
ausheilende bezw. ausgeheilte Herde, vielleicht auch nur die
Anwesenheit von Tuberkelbazillen im Körper an, also eine
Tuberkulose nur im pathologisch-anatomischen bezw. bakterio¬
logischem Sinne, die sich mit vollkommenem Wohlbefinden,
mit Gesundheit sehr wohl vereinigen lässt? Die Bedeutung
dieser Frage sowohl für die diagnostische Brauchbarkeit in
der Praxis, als auch für die Folgerungen, die der Praktiker
aus einer positiven Reaktion für die Behandlung zu ziehen
hätte, liegt auf der Hand.
Die Tuberkulin-Reaktion wäre natürlich von praktisch um
so grösserem Werte, wenn sie nur die aktive, nicht aber die
inaktive, obsolute, gänzlich abgekapselto Tuberkulose anzeigte.
Schlüter und Bandelier glauben aus ihren Erfahrungen
schliessen zu dürfen, dass inaktive Tuberkulosen nicht mit
angezeigt werden. Die meisten Autoren verhalten sich jedoch
bedeutend skeptischer. Cornet, Weber u. A. glauben, dass
zum Zustandekommen einer positiven Reaktion nicht einmal
tuberkulöses Gewebe vorhanden zu sein brauclio, sondern die
Anwesenheit von Tuberkelbazillen genüge; die Tuberkulin¬
reaktion gebe über Virulenz und Gefährdung des betreffenden
Individuums durch die Bazillen keine Auskunft. Da der
Mensch auch bei der geringsten tuberkulösen Veränderung positiv
reagiere, so zeige die positive Reaktion allerdings, dass ein
tuberkulöser Herd vorhanden sei, aber nicht, ob sein Träger
jetzt oder in Zukunft dadurch in seiner Gesundheit bedroht
werde; daher brauche z. B. ein auf Tuberkulin reagierender
Rekrut nicht als untauglich entlassen zu werden. Ein positiv
Reagierender braucht daher auch nicht krank ira ärztlichen
Sinne zu sein; tuberkulös im pathologisch - anatomischen,
l>akteriologischen Sinne ist dagegen wohl der grösste Teil der
Menschen, die grösste Mehrzahl aller dieser latenten Herde
lieilt jedoch nach und nach aus oder kommt zum Stillstand,
ohne jede Behandlung (Romberg). Derartige Anschauungen
finden in zahlreichen neueren Erfahrungen eine Stütze, Die
positiven Reaktionen bei scheinbar gesunden Menschen, z. B.
die Franz'sehen Resultate bei ReKruten, die Tierversuche
sprechen hierfür. Kossel, Weber, Heuss fanden positive
Reaktionen bei Tieren, bei denen die Sektion 20 Tage später
einen spontan geheilten Herd zeigte. Auch nach Ne iss er
bedeutet die positive Reaktion keineswegs immer eine Er¬
krankung an Tuberkulose; bei 250 positiv Reagierenden
lagen 89 mal keine klinischen Anzeichen von Tuberkulose vor.
Frazier fand bei Knochen- und Gelenktubcrkiilose, dass bei
im klinischen Sinne Geheilten der Prozentsatz der positiven
Reaktionen fast ebenso hoch blieb als bei Fällen, die klinisch
als noch aktive Tuberkulosen angesprochen werden mussten;
auch alle als latent betrachtete Fälle reagierten noch positiv.
Frazier erklärt sich dieses Resultat bei „geheilten^ Tuber¬
kulosen so, dass in der Nähe eines vielleicht schon vor Jahren
resezierten Gelenks sich noch kleine abgekapselte Herde mit
noch lebenden, jedoch latenten Bazillen erhalten haben; da
ferner selbst bei sog. primärer Knochentuberkulose die
llazillen doch erst auf dom Lymph- oder Blutwege ihren Weg
in die Knochen und Gelenke finden, so ist es möglich, dass
selbst bei klinisch ausgeheilter Knochentuberkulose sich noch
irgendwo sonst im Körper tuberkulöse Horde finden, besonders
vielleicht in tiefliegenden, mediastinalen, mesenterialen oder
rotroperitonealen Lymphdrüsen.
Die positive Reaktion allein genügt demnach nicht,
fdnen Menschen als tuberkulös erkrankt anzusehen, sie
flarf auch nicht für sich allein als ausschlaggebend für die
1‘iinleitung einer eigentlichen Behandlung, z. B. einer Tubor-
kulinkur betrachtet werden. Zweifellos wird hierdurch der
})raklische diagnostische Wert der Reaktion eingeschränkt, da
03 in praxi nur interessieren kann, ob der zu Prüfende im
klinischen Sinne krank ist oder krank zu werden droht. Hier¬
zu kommt, dass die Reaktion einen Schluss auf den Sitz des
tuberkulösen Herdes nicht zulässt; ein örtlicher Prozess kann
also mit Hilfe des Tuberkulins nur dann als tuberkulös er¬
kannt werden, wenn zu den übrigen Symptomen der Reaktion
sich aucli die örtliche Reaktion gesellt. Die Sache liegt dem¬
nach so, dass eine positive Reaktion mit Fieber an sich nichts
beweist; es müssen noch andere, örtliche Zeichen der Er¬
krankung gefordert werden, sei es eine deutliche örtliche Re¬
aktion, was besonders für die Lungentuberkulose wichtig ist,
oder es müssen bereits vor der Reaktion deutliche klinische
Erscheinungen eines auf Tuberkulose verdächtigen Herdes
(bes. in den Lungen) vorliegen. Bei genügend sorgfältiger
Untersnehung wird eine örtliche Reaktion an den Lungen fast
niemals vermisst. Unter diesen Voraussetzungen bleibt eine
positive Tuberkulinreaktion stets ein wertvolles, oft für eine
sichere Diagnose notwendiges Ergänzungsmittel der
übrigen üntersuchungsmethoden. Die Anwendung des Tuber¬
kulins macht daher die physikalischen Untersuchungsverfahren
durchaus nicht überflüssig oder nebensäclilich, sondern hat sie
vielmehr bedeutend verfeinert.
Aus diesen Gesichtspunkten ergeben sich die Anzeigen
für die diagnostische Verwendung des Tuberkulins, und die
Auswahl der Fälle. Zunächst für die Differenzial¬
diagnose gegenüber anderen nicht tuberkulösen, chronischen,
der Lungenschwindsucht ähnlich verlaufenden Krankheiten,
wie sie z. B. nach Influenza Zurückbleiben können. Selbst
für das Material der V^olkslungenheilstätten und Beobachtungs¬
stationen kommt dieser Punkt in Betracht; die Tuberkulinprobe
dient hier zur Ausscheidung gesunder, bozw'. nicht eigentlich
kranker Fälle. Kremser brachte die Probe trotz des klinischen
Befundes (deutliche Schallverkürznng, Katarrh) in gar nicht so
seltenen Fällen den Beweis, dass es sich nicht um Tuberkulose,
.sondern zumeist um Konioson handelte, wie sie bei Bergleuten
häufig gefunden werden. Nach Löw gelingt es mittels des
Alttuberknlins Öfters, diagnostiscdi äusserst schwierige Hauter¬
krankungen von einander zu scheiden. Mcrae bedient sich der
Probe mit Erfolg bei der oft schwierigen Differentialdiagnose
zwischen der monartikulären Fonn mancher Golenkleiden, bes.
der Arthritis deformans und der Tuberkulose, ebenso bei ört¬
licher Erkrankung der LendoiiwirbelsUule, wo die Unterscheidung
von chronischer Arthritis, Ischias und Lumbago oft schwer ist
Die von Poncet hervorgohobene Tatsache, dass Gelenkleiden
tuberkulöser Natur gar nicht so selten in der Form eines
akuten oder chronischen Gelenkrheumatismus verlaufen, macht
auch in solchen Fällen die Tuberkulinprobe öfters notwendig;
fällt sie positiv aus, so glaubt Poncet berechtigt zu sein, per
exclusionem den tuberkulösen Ursprung des Leidens annehmen
zu dürfen. Auch hier ist die Probe jedoch wohl nur dann
beweisend, wenn gleichzeitig eine örtliche Reaktion auftritt
Den Wert einer negativen Reaktion bei Gelenkleiden un¬
klaren Ursprungs zeigt auch folgender von mir beobachtete
Fall:
Bei einem robusten, 30jährigen, erblich nicht belasteten,
sonst ganz gesunden Kutscher entwickelte sich nach einer
starken Quetschung des Knies im Laufe einiger Jahre eine
chronische Entzündung in dem gequetschten Gelenk: zunächst
starke Verdickung der Synovialis nach Art der Arthritis chronica
villosa, später auch Verdickung der Epiphysenenden, Atrophie
der Oberschenkelmuskulatur, teilweise Versteifung. Obwohl
die Anamnese, der ganze Verlauf, der Effekt der Behandlung
(zeitweiliger mehrmaliger Rückgang der SjTnptome nach Mass^e,
Schwitzbädern, Guajacol-Einspritzungen) und der klinische Be¬
fund (fast vollkommene Schmerzlosigkeit) in vielen Punkten
gegen Tuberkulose sprachen, wurde von zwei anderen Seiten
eine solche angenommen, und zwar auf Grund des Röntgen-
bildos und eines wegen angeblicher Eiterung vorgenommenen
Einschnitts bis auf die Gelenkkapsel. Nunmehr machte ich in
der von Petruschky vorgeschlagenen Weise die Tuberkulin¬
probe mit völlig negativem Ergebnisse, obwohl die Maximal¬
dosis von 10 mgr. nochmals wiederholt wurde. Der weitere
Verlauf bestätigt bisher die Diagnose einer nicht tuberkulösen,
chronischen traumatischen Arthritis.
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1906.
MEDTCINTSCTTR WOCHE.
155
Schliesslich sei noch die Anwendung in der Augenheilkunde
zur Unterscheidung tuberkulöser Hornhaut-, Iris- und Ader-
hautentztindungen von solchen anderen Ursprungs erwähnt.
Wichtiger noch als zur Differentialdiagnose ist die Tuber-
kuli^rüfung für die Prophylaxe und für die Frühdiagnose
der Tuberkulose. Bei noch nicht eigentlich Erkrankten, aber
auf Tuberkulose Verdächtigen, bei skrophulösen Kindern, bei
Mitgliedern tuberkulöser Familien mit Krankheitserscheinungen
unklaren Ursprungs kann eine frühzeitig ausgeführte Tuberkulin¬
probe mit emem Schlage Licht in die Saclilage bringen und
eine rechtzeitige vorbeugende Behandlung ennöglichen.
Klimowitz empfiehlt die probatorische obligate Tuberkulin¬
impfung in der Armee bei der Rekruteneinstellung, um zu ver¬
hüten, dass die Armee durch Lungentuberkulose beträchtliche
Verluste erleidet; denn ein grosser Teil später erkrankter
Mannschaften werde bereits mit einem bei der Rekrutierung
verkannt gebliebenen Frühstadium der Phthise eingestellt.
Seit es fest steht, dass die Tuberkulose, insbesondere die
der Lungen, im Anfangsstadiuni heilbar ist, musste die Früh¬
diagnose, die Diagnose des ersten B^inns der Erkrankung
an Wichtigkeit ungeheuer gewinnen. Nach der Ansicht zahl¬
reicher kompetenter Beobachter ist nun das Tuberkulin das
zuverlässigste Hülfsmittel zur Sicherung der Frühdiagnose, zu¬
mal in irgendwie zweifelhaften Fällen. Nach Petruschky
ist es sogar das einzige Mittel, beginnende Tuberkulose, oder
noch geschlossene Lungentuberkulose sicher zu diagnostizieren.
Die diagnostische Bedeutung der Reaktion für die Frühdiagnose
ist um so grösser, als die Reaktion um so kräftiger und
sicherer bei fieberloser Tuberkulose ausfällt, und je geringer
der Lungenbefund ist Einzelne Autoren stehen zwar auf dem
Standpunkte, dass die klinische Diagnose der Lungentuberkulose
eine so sichere ist, dass die Tuberkulinprobe kaum notwendig
sei. Pickert z. B. hielt es bei seinem Heilstättenmaterim
nur in 49% bazillenfreier Patienten für nötig, sie anzu¬
wenden. Dem ist entgegenzuhalteu, dass das, was bei sorg¬
fältiger klinischer Beobachtung in einem Sanatorium oder der-
glei^en, durch einen geschulten Spezialisten, diagnostisch mög¬
lich ist, in der allgemeinen Praxis, bei ambulanter Behandlung,
es meist durchaus nicht ist. Nun stehen aber gerade Be¬
obachter mit reicher Erfahrung wie Hammer, Wolff und
Bandelier auf dem Standpunkt, dass die probatorische Tuber¬
kulinanwendung nicht nur in den Heilstätten und Kranken¬
häusern, sondern auch in den Kreisen der praktischen Aerzte
anzustreben sei; gerade darin liege der besondere Wert des
Mittels, dass es bei genügender Vorsicht auch poliklinisch an¬
gewendet werden dürfe. In der allgemeinen Praxis lässt sich
eine Beobachtung zweifelhafter Fälle bis zur sicheren Diagnose
durch die physftalischeu Untersuchungsmethoden oft nicht
durchführen, und das Tuberkulin bildet dadurch, dass es die
klinischen Erscheinungen während der Dauer cler Reaktion
deutlicher macht, eine wichtige Ergänzung der übrigen Unter¬
suchung. An Stellen, an denen die eingehendsten, wieder¬
holten physikalischen Untersuchungen nichts abnormes ergaben,
lassen sich nach der Injektion oft deutliche Rasselgeräusche,
Knistern, pleuritisches Reiben etc. feststellen, bisher völlig ver¬
steckte Herde werden für einige Tage der Untersuchu^ zu¬
gänglich (Kremser). Besonders wichtig wird also die Tuber¬
kulinprüfung bei Lungentuberkulosen im ersten Stadium, in
welchen es noch nicht zur Ausscheidung von Tuberkelbazillen
durch den Auswurf gekommen ist, und die physikalischen Er¬
scheinungen noch recht unklar sind. Wolff injiziert daher
poliklinisch alle derartigen Fälle, wenn sie nach dem sonstigen
Zustande auf Tuberkulose verdächtig sind. Hager dehnt die
Indikationen noch weiter aus; nach ihm dürfen wir nicht an¬
nehmen, dass die ungeheure Zaiil der Spontanheilungen der
Tuberkulose durch die Autoimmunisierung des Körpers ohne
Kampf verläuft; eine grosse Anzahl von Schwankungen und
Störungen des körperlichen Befindens, welche sich in
anaemischen Zuständen, Neuralgien, Neurasthenien, Ent¬
wicklungsstörungen, Gewichtsabnahme etc. äussern, alles Dinge,
welche gerade dem praktischen Arzte Vorkommen, sind die
Symptome eines solchen Kampfes; die Tuberkulinprüfung bringt
hier oft mit einem Schlage Klarheit.
Wie schon oben erwähnt, bedingt der positive Ausfall der
Reaktion allein noch nicht die Einleitung eines Heilverfahrens,
insbesondere auch nicht die Aufnahme in eine Lungenheil¬
stätte ; man muss ausserdem stets noch den Lungeobefund und
das Allgemeinbefinden des Kranken berücksichtigen.
Unter Bandelier’s Thesen findet sich als letzte folgende:
Die Tuberkulindiagnostik ist das sicherste Mittel zur Klärung
der Diagnose „Heilung“. Man darf hinzufügen: auch zur
Kontrolle der Heilung. Wer aus der Heilstätten- oder
Sanatoriumsbehandlung ins Leben treten will, wer überhaupt
wissen will, ob er geheilt ist (im bakteriologischen Sinne), für
den ist die Tuberkulinprüfung unbedingt notwendig; sonst ist
er nicht sicher, ob seine Tuberkulose wirklich ausgeheilt ist,
oder noch latent weiter besteht. Auch für den Chirurgen ist
diese Kontrolle der Heilung ungemein wichtig, bes. für die
Frage einer weiteren Behandlung, z. B. einer weiteren Fixation
eines an Knochen- und Gelenktuberkulose erkrankten Gliedes.
Monsarrat bediente sich des Tuberkulins nach der Operation
von Kniegelenkstuberkulosen, um die definitive Heilung fest¬
zustellen, besonders auch dann, wenn es in Frage kam, eine
bestehende Flexion zu korrigieren.
Alle bekannten klinischen Merkmale der Heilung einer
Tuberkulose sind nicht sicher, dagegen ist ein sicheres Kenn¬
zeichen der Verlust der Reaktionsfähigkeit auf Tuber¬
kulin. Von Bandelier’s 114 nach hygienisch-diätetischer Kur
klinisch Geheilten reagierten nicht me^ 43 —: 38 ^/i,; von diesen
43 untersuchte B. nach 12—20 Monaten 22 wiederum und fand
20 in der,Tat geheilt.
Von einem diagnostischen Mittel muss man verlangen, dass
es unschädlich ist Gerade in dieser Hinsicht sind dem
Toberkulin von seinen Gegnern von jeher die schwersten Vor¬
würfe gemacht worden. Dass diese, wenigstens zum Teil,
während der ersten Aera der Tuberkulinanwendung berechtigt
waren, wird wohl allgemein zugegeben; es fragt sich nur, ob
sie es auch heute noch sind, bei der viel vorsichtigeren Do¬
sierung und Auswahl der Fälle. Den auch in den letzten
Jahren noch mitgeteilten ungünstigen Erfahrungen gegen¬
über ist zunächst festztistellen, dass fast alle Beobach^ter,
welche mit grösserem Material arbeiteten, nur in seltenen
Ausnahmefällen unangenehme Nebenerscheinungen sahen.
Pickert sah in einzelnen Fällen schwere Störungen, jedoch
nur ausnahmsweise, vielleicht nur 3 mal unter 900; jedoch
kamen bei jedem 20. Kranken bereits Reaktionen vor, die
stärker als erwünscht waren. Es ist jedoch zu bemerken, dass
P. im Gegensatz zu den meisten anderen T. R. verwendete,
was für diagnostische Zwecke anscheinend viel weniger ge¬
eignet ist als das Alttuberkulin. Frazier, Brieger u. A.
sahen bei ihren zahlreichen Beobachtungen und langjährigen
Versuchen niemals, dass im Anschluss an die Probe ein
Herd aktiver Tuberkulose sich verschlimmerte, die Tuberkulose
sich verallgemeinerte, eine lalente Tuberkulose manifest wurde,
eine akute Lungen-Anschoppung oder Lungenblutung auftrat.
Pauly hat bei sehr zahlreichen probatorischen Injektionen
nur einen ungünstigen Fall gesehen; es handelte sich um eine
unbedeutende Mitralinsufficienz, welche P. vernarbt glaubte;
bei Herzfehlern ist also die Tuberkulinprobe möglichst zu
vermeiden.
Schwere Komplikationen und Todesfälle nach probatorischer
Tuberkulininjektion beruhen zweifellos in den meisten Fällen
darauf, dass die Vorbedingungen für die Probe nicht eingo-
halten wurden oder die Technik fehlerhaft war. Schüle hat
z. B. über einen Patienten berichtet, der mit der Diagnose
„Typhus“ eingeliefert wurde; er wurde während einiger „fieber¬
freier“ Tage mit 2^» dmgr., und, als die Temperatur auf 37,7
gestiegen war, am übernächsten Tage mit 5 dmgr. eingespritzt,
starb kurz darauf und zeigte bei der Sektion ausser tuber¬
kulöser Pneumonie und Bronchialdrüsentuberkulose eine miliare
Lungentuberkulose. Von kompetenter Seite ist gegen die Be¬
urteilung dieses Falles zu Ungunsten des Tuberkulins eingo-
wendet worden, dass, wenn überhaupt, so doch jedenfalls nicht
zum 2. Male bei so unsicherer Temperatar eingespritzt werden
durfte. Wie vorsichtig man übrigens mit der Annahme einer
Schädigung durch Tuberkulin sein muss, zeigt folgender Fall
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156
MKDICDTISCHE WOCHE.
Nr. 14.
Brieger’s: Patient mit Lungenkatarrh unklaren Ursprung;
da Fieber vorhanden ist, wird die probatorische Tuberkulm-
einspritzung vorläufig unterlassen. Am 3. Tage nach der Auf¬
nahme steigt die Temperatur sehr hoch, und der Kranke er¬
liegt innerhalb von 2 Tagen einer Miliartuberkulose. Wäre
hier eingespritzt worden, so würde man sicher von einem
„Tuberkiflintode“ gesprochen haben.
Die Tuberkulmdiagnostik hat also bei sachgemässer An¬
wendung keine grösseren Gefahren als sie bei der diagnostischen
Verwendung irgend eines anderen differenten Mittels über¬
haupt vorhanden sind.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
JSerU/ner medidnische Gesdlachafl»
Sitzung vom 14. März 1906.
Vor der Tagesordnung:
Herr Gluck erläutert sein Verfahren einer prophylaktischen
Resektion der Trachea zur Vermeidung von Pneumonien bei Larynx-
und Pharynxoperationen und seiner Laryngoplastiken nach Total¬
exstirpationen des Larynx und Pharynx. & verfügt über eine
grössere Zahl von Dauerheilungeu ausgedehnter Larynx-und Pharynx-
Carcinomej auch bei schwerer Larynxtuberkulose hat er ausge¬
zeichnete operative Erfolge erzielt. Entsprechende Patienten werden
deinonstriert.
Trotz Pehlens des Kehlkopfs können die Patienten leidlich
verständlich sprechen. Das ermöglichen sie durch eine Reihe von
Ersatzbewegungen, deren genauere Funktion Gutsmann analysiert.
Dass sie trotz ausgedehnter Oesophagusprotbesen gut schlacken
können, beweist nach Ewald, dass die Muskulatur des Oesophagus
keine wesentliche Rolle bei der Beförderung der Speisen in den
Magen spielt.
Herr Lohnstein demonstriert einen Fall von Priapismus,
der seit 16 Tagen besteht. Er ist entstanden im Anschluss an
einen Coitus interruptus. Eine Erklärung ist im ganzen sonstigen
Körperzustand nicht zu finden. Die bisherige Therapie, lokale
Bäder, reichlich Narcotica hat nur die allmählich stärker gewordenen
Schmerzen gelindert.
Herr Ewald demonstriert Röutgenbilder von hochsitzenden
Oesophagusdivertikel und Oesophagusdilatatioo.
Tagesordnung:
Herr Pick: Zur Kenntnis der Ochronose. Die Ochronose
ist eine seltene Krankheit, bisher sind 8 Fälle publiziert. Der von
F. untersuchte stammt aus dem Siechenhause. Die Patientin, die
lange Jahre an Unterschenkelgeschwüren gelitten und dieselben
stets mit Carboiumschlägen behandelt batte, zeigte während des
lisbens auffallend bräunliche und bläuliche Verfärbungen der Haut,
auf Grund deren intra vitam die Diagnose Ochronose gestellt
wurde. Die Autopsie bestätigte diese Diagnose. Die Rippenknorpel
waren braunschwarz verfärbt, die Intervertebralsoheiben von
schwarzem RAnd eingesäumt, sehr starke Pigmentablagerung fand
sich in Luftröhre und Kehlkopf, die wie ein preussisches Schilder¬
haus gefhrbt erschienen. Braune Streifungen zeigten auch die
Innenflächen der Gelenke und die Aorta, Ausgesprochen gelblich-
braun pigmentiert waren auch die Nieren; im Becken derselben
lagen schwache Concremenklümpchen. Mikroskopisch erwies sich
das Pigment als völlig diffuses, auch in den Geweben, die sonst
nicht verändert erschienen. So ausgedehnte Verfärbungen der
äusseren Teile sind bisher nur noch in einem Falle von einem
englischen Autor beschrieben; auch hier hatte der Patient Unter¬
schenkelgeschwüre lange mit Carbolumschlägen behandelt Das
Pigment ist spektroskopisch indifferent, eisenfrei, löslich in Alkalien;
es steht den Melaninen nahe. Sein Ursprung aus dem Blute er¬
scheint P. sehr unwahrscheinlich. An der Hand von chemischen
Erläuterungen ergänzt P. die von einem früheren Autor aufgestellte
Hypothese, dass die Ochronose eine Stoffwechselanomalie sei und
zeigt, inwieweit hierbei die langdauemde Zuführung von Phenolen
eine Rolle spielen kann, sodass man im vorliegenden Fall die
Ochronose vielleicht als Symptom einer chronischen Carbolsätirein-
toxikation betrachten kann.
Herr Langstein ergänzt die Fick’schen Ausführungen zuui
Chemismus der Ochronose und der Stoffwechseluntersuchungen bei
dieser Krankheit.
D i skussion:
Herr Davidsohn hat vor einigen Jahren 2 bisher nicht
publizierte Fälle zu untersuchen Gelegenheit gehabt. Beide be¬
trafen alte Leute, die an chronischen Magengeschwüren gelitten
hatten. Er glaubt, dass solche chronischen Uicera doch für die
Entstehung des Pigments aus Blut von Bedeutung sein können.
Herr Hansemann glaubt, dass die Krankheit nichts Ein¬
heitliches darstellt..
Herr Pick: Schlusswort.
Verein für i/nmere Meäißin,
Sitzung vom 19. Mät^ 1906.
Vor der Tagesordnung:
1. Herr v. Leyden und Herr Davidsohn demonstrieren
die Präparate eines Falles von Kalkmetastasen im Herzen und
anderen Organen. Es handelte sich um ein 19jäliriges Mädchen
mit Sarkom des Dura, welches zu ausgedehnter Arrosion des
Schädeldachs geführt batte. Die Kalkmetastasen fanden sich
merkwürdigerweise am stärksten im Endocard des linken Vorbofs.
2. Herr Plehn. 2 Fälle von Leukämie.
Fall 1 betrifft ein 15 jähriges Mädchen mit akuter Leukämie;
nach dreimonatlicher Röntgenbestrahlung erhebliche Verkleinerung
des Milztumors und Rückgang der Leukocytenzahl unter gleich-
I zeitiger Zunahme des Körpergewichts. — Fall 2 akute Leukämie
einer 71jährigen Frau, plötzlicher Tod an multiplen Blutungen im
Gehirn. Die Sektion ergab im übrigen myeloide Entartung des
Knochenmarks, keinerlei Schwellung von Milz und Lymphdrüsen.
Diskussion: Herr Benda: Sektionsbericht.
3. Herr Wassermann und Herr Citron: Experimen¬
telle Beiträge zur Lehre des Stoffwechsels. Analog dem
in der vorigen Sitzung von Wassermann und Bruck gezeigten
Nachweis eines „Antituberkulins“ im menschlichen Serum konnten
die Autoren mit derselben Methode der Komplementbindung nach-
weisen, dass auch für die Nährstoffe — Glycogen und Albumosen
und Peptone — spezifisch bindende Stoffe („Antikörper“) im nor¬
malen Blutserum existieren. — Die mit Glycogen etc. vorbehandelten
Tiere zeigen eine Steigerung des spezifischen „Antiglycogens“ etc. —
Diese Befunde könnten vielleicht Bedeutung für die Auffassting
von der elektiven Assimüation der Nährstoffe im Organismus ge¬
winnen.
Tagesordnung.
1. Fortsetzung der Diskussion zum Vortrag des Herrn
Posner: Ueber traumatischen Morbus Brightii.
Herr Mankiewicz: Nach Verletzung der zuführenden Ge-
fässe tritt Verödung der Niere durch Bindegewebsbildung ein.
Herr Zondeck: Bei Kaninchen kann man eine direkte trau¬
matische Nephritis erzeugen, beim Menschen dürfte das nicht
möglich sein. — Bei operativ fixierten Nieren kommen chronisch
entzündliche Veränderungen vor.
Herr Hirschfeld: Das Trauma hat Bedeutung für die Ent¬
stehung der Wanderniere durch Erschlaffung ihrer Bänder. Rasch
vorübergehende akute Nephritiden durch Trauma hat er des öfteren
gesehen.
Herr Bleichroederl die von Herrn Posner demonstrierten
mikroskopischen Präparate zeigten keine echte Nephritis, sondern
nur Nekröse des Parenchyms durch traumatische Thrombosierung
der Arterien.
Herr Posner: Schlusswort.
2. Herr Saul: UntersuchungenzurAetiologiederTu-
m o r e n. Anschliessend an die vorjährige Krebsdebatte in der Medicini-
schen Gesellschaft erörtert der Vortragende eine Reihe von Tatsachen,
die fiü* eine parasitäre Aetiologie der malignen Tumoren sprechen
und berichtet sodann über eigene Impfversuche mit Kohlkrebs,
bei denen er an geeignetem Material positive Resultate, z. B. In¬
toxikationen, Granulationsgeschwülste, interstitielle Veränderungen,
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
157
sogar Kachexie, erhalten hat. Demonstration einer Reihe von
Photogrammen von „Parasiten“ menschlicher Tumoren, Kohlkrebs-
kultnren und tierischen Granulationsgeschwülsten, die Vortragender
durch Impfung mit Kohihemie erzielt hat.
(Fritz Levy-Berlin.)
Gesdlschafi. für Geburtshilfe und Gynäkologie,
Sitzung vom 9. März 1906.
Heinsius demonstriert einen Urethraltumor, den er als ma¬
lignen Tumor anspricht. Differentialdiagnostisch kommt noch Lues
in Betracht. H. will den Tumor excidieren.
Hartmann beendet seinen Vortrag: Ein Fall von Sitz
der adhärenten Placenta in der Cervix, mit mechanisch-physi¬
kalischen Betrachtungen über die' Bildung des onteren Uterin¬
segments.
Disk nssion:
Ruhe betont nochmals, dass die alte Schröder’sche Lehre,
nach der die Cervix niemals imstande sei, Decidua zu bilden,
immer noch zu Recht bestehe.
Blumreich, Strassmann, Napel, Hartmann.
(Schlusswort.)
Berliner Gea^lachaft für PsychicUrie und Nerven¬
krankheiten,
Sitzung vom 5. März 1906.
1. Herr Remak: Demonstration vor der Tagesordnung.
32jähriger Patient mit Schwäche der Strecker der rechten Hand,
von Beruf Schiffer, Lues negiert. Ein halb Jahr später Schwäche
der Schulter und Abmagerung im unteren Abschnitt der Delto-
ideus und fibrilläre Zuckungen. An der linken Hand Atrophie
des Daumenballens. Faser -Erregbarkeit erhalten, keine deutlichen
EaR, sondern Ausfall der gelähmten Muskeln. Sen.sibilität frei,
Schmerzhaftigkeit erhalten. Diagnose schwankte zuerst zwischen
Beschäftigungsatrophie eines Schiffers und progressiver Muskelatro¬
phie von atypischem Beginn. Letztere Diagnose ist sicherer, doch
ist zu beachten, dass die linke Lidspalte enger ist und linke Pu¬
pillenstarre besteht, 1. P. >r. Reaktion r. träge, deshalb muss
auch an Syringomyelie gedacht werden, da andere tahische Symp¬
tome fehlen.
2. Herr Liepmann: Demonstrationenzurlinksseitigen
Byspraxie Rechtsgelähmter. Die Demonstration hat zum
Zweck die schon mehrfach von Liepmann vertretene Lehre zu
stützen, dass nämlich bei linkshimigen Herden nicht nur rechts¬
seitige Lähmung besteht, sondern auch linkerseits eine Störung
höherer Zweckbewegung gefunden wird, und zwar ganz besonders
bei Aphasischen. Es werden dazu vier Kranke gezeigt, hei denen
zwar Sprachstörung besteht, aber das Sprachverständnis erhalten
ist und welche die besprotihene Störung deutlich zeigen.
3. Herr Jacobsohn: Demonstriert zunächst eine Patientin mit
vollkommener Lähmung des Facialis rechts und unvollkommener
links. Daneben Anaesthesie und Paraesthesien in trigemius und
Schwäche im motor. Teil derselben. Die siebente Lähmung entstand
durch Schussverletzung; kurze Zeit nachher fand sich eine An¬
schwellung am rechten Kiefer, es entleerte sich doit etwas Blei.
Zurückgeblieben war eine Kieferklemme, die durch Operation ent¬
fernt wurde, darnach blieb die siebente Lähmung zurück; es ist
daher wohl besser, die unblutige Beseitigung der Kieferklemme zu
machen, wenn sie auch länger dauert.
4. Herr Abels dorf: Patient mit Oculomotoriuslähmung
mit eigentümliche^m Pupillenverhalten.
Die Lähmung entstand durch Trauma. Die linke Pupille
reagiert nicht auf Licht, weder direkt noch consensuell, während
sie auf Convergenz reagiert.
Es handelt sich um eine einseitige, reflektorische Piipillen-
starre auf peripherer Grundlage. Daneben besteht noch Lähmung
des obliquus inferior.
Der Fall beweist, dass ehie einseitige reflektorische Pupilleii-
starre nicht immer zentral bedingt zu sein braucht.
5. Diskussi ou zu den Vorträgen des Hcj jii II e iincberg und
des Herrn Goldscheider. Heir Jacobsohn macht dazu Bemer¬
kungen in anatomischer Beziehung und demonstriert dann Präpa¬
rate von Cjrticercus cellulosae cerebri et musculorum.
6 . Herr Rothmann: TJeber eine tabesartige Erkran¬
kung bei Äffen.
Die Frage der Tabessyphilistheorie ist noch unentschieden,
daher ist die Frage interessant, ob bei Tieren Tabes vorkommt,
man hat die Schälkrankheit der Pferde und die Traberkrankheit
der Schafe mit Unrecht für tabesähnlich angesehen Herr Rothmann
konnte nun einen Affenmit tabesähnlichen Symptomen beobachten und
fand erstens, dass nach Zerstörung der Pyramidenbahnen die
Störungen sehr schwer waren und ferner deutliche Veränderungen
am Opticus und den Hintersträngen sich fanden. Indessen unter¬
scheiden sich die Herde doch beträchtlich von dem, was man bei
Menschen in ausgebildeten Fällen sieht. Der Fall mahnt zur Vor¬
sicht, doch nicht für alle Fälle von Tabes eine Lues-Grundlage an¬
zunehmen. Es kann wohl einmal auch eine Tabes ohne Lues ent¬
stehen.
AerzlHcher Verein «tu Htmiburg,
(BioIogUcke Abteilung.)
Sitzung vom 13. März 1906.
Vorsitzenden Herr Nonne.
I. Demonstrationen:
1. Herr Stertz: „ Axencylinderp räparate bei chro¬
nischen RUckenmarkserkrankungen.“ Es werden die
nach der Methode von Ramon y Gayal gefärbten Präparate von
Axencylindem bei multipler Sclerose, Tabes dorsalis, Querschnitts¬
myelitis und absteigender Degeneration gezeigt und dabei die
Vorzüge dieser und die Nachteile der früheren Pärbemethoden
besprochen.
2. Herr Scharpff: „Ueber einen Pall von Amoeben-
dyssenterie." Demonstriert wird der Darm eines das Mittel¬
meer befahrenden Schiffers, der an Amoebendyssenterie zu Grunde
gegangen war. Herr Viereck spricht über das Material des
Tropeninstitutes und über den Unterschied zwischen bacterieller
und Amoeben-Dyssenterie, welch’ letztere häufig Leberabscesse
hervon’uft. Herr Fränkel bespricht die pathologisch-anatomische
Differentialdiagnose zwischen beiden Formen, während Herr
Herhold (Altona) seine Erfahrungen in China mitteilt: er halte
die Leberabscesse für pathognomonisch für Dyssenterie, die von
Amoeben hervorgemfen werde; auch habe er oft Gelenkscbwellungen
dabei beobachtet.
3. Herr Simmonds demonstriert ein Präparat von Ver¬
schluss der Vena cava inferior, der völlig ohne Erschei¬
nungen verlief und ganz langsam entstanden war; beim plötzlichen
Verschluss treten sehr stürmische Erscheinungen auf. Ferner de¬
monstriert er einen Lebereohinococcus des i-echten Lappens
mit compensatorisch hypertrophischem linken Leberlappen.
4. Herr Grüneberg (Altona) spricht an der Hand eines
Präparates über den Unterschied von polycystisch degene¬
rierten Nieren und Cystennieren.
5. Herr Revenatorff zeigt 2 durch Operation aus dem
Magen entfernte Löffel, die ein psychisch degenerierter Mann
verschluckt hatte; er hatte schon wiederholt Löffel verschlm^kt.
Dazu sprechen Herr Nonne und Herr Herhold.
II. Diskussion (Fortsetzung) über die Vorträge der Herren
Nonne: „Ueber Stauungspapille bei Hämorrhagia ce¬
rebri und bei Eucepbalomalacie “ und Liebreoht: «Die
Blutungen im Bereiche der Sehnerven beim Schädel¬
bruch.“ Herr Deutschmann vertritt seine Theorie des toxi¬
schen Ursprungs der Stauungspapille auch für die Fälle von
Hirnblutung, da bei einem Zugrundegehen von lebender Substanz
auch Toxine frei werden können. Bei Hirnblutung ist die Stau¬
ungspapille überhaupt selten: unter 160 von Uhthoff untersuchten
Fällen fand sich nur einmal eine Stauungspapille. Er fasst seine
Ausführungen dahin zusammen, dass? jede Stamingspapüle auf To¬
xine zurückgeführt werden kann, wenn auch nicht immer dafür der
Beweis zu erbringen sein dürfte. Herr Fränkel demonstriert an
Präparaten, wie bei Blutungen und enceplialoinalacischen Herden
der Raum im Schädel beenet wird, doch gibt er auch zu, dass ev.
durch gütige Stoffe beim (iewebszerfall die Entstehung der Stau-
ung.spapille herbeigeführt werden könne. Herr Sänger versteht
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158
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 14.
nicht, warum man auf Toxine zurückgreife, die doch noch keiner
nachgewiesen habe, während die Raumbeengung doch an den
Präukelschen Präparaten ad ocxüos demonstriert sei. Weshalb in
einem Falle eine Stauungspapille entsteht, im anderen nicht, das
zu erklären reichten unsere Kenntnisse über die Druckverhältoisse
im Innern des Schädels nicht aus. Die Frage des Vorredners, ob
er das Zustandekommen der Stauungspapille allein durch Stauung
in allen Fällen, in denen sie vorhanden ist, erklären wolle, wird
ausdrücklich bejaht. Herr Liebrecht präzisiert im Schlusswort
seinen Standpunkt dahin: Die Stauungspapille kann durch Druck- i
Steigerung hervorgerufen werden in Verbindung mit Oedem; geht '
dies zurück, so verschwindet auch die Stauungspapille; tritt Ent¬
zündung hinzu, so führt dies zur Atrophie. Schönewald.
AenstHcher Verei/n München,
Sitzung vom 24. Februar 1906.
1. Herrn E. Eraepelin; Der Alkohol in München.
Zunächst gibt E. einen lehrreichen Ueberblick über die Auf¬
nahmen in die neue psychiatrische Klinik während des Jahres 1905.
Von den insgesamt aufgenommenen 1373 Einzelpersonen (836
Männer und 537 Frauen) waren durch den Alkohol allein erkrankt
253 Männer (gleich 30,3% der Aufgenommenen) und 30 Frauen
(gleich 5,6%). Unter ihnen Hessen sich drei Gruppen unter¬
scheiden: I. Einfacher R.auscb ohne Zeichen von chronischem Al¬
koholismus: 47 Männer, keine Frau. II. Rausch und chronischer
Alkoholismus: 124 Männer und 19 Frauen. III. Schwere Er¬
krankungsformen des Alkoholismus: 82 Männer und 12 Frauen.
Unter diesen litten an Alkohol-Schwachsinn 44 Männer und 6
Frauen, an durch den AlkohoUsmus hervorgerufenen Geistes¬
störungen 38 Männer und 6 Frauen. Diese letztere Gruppe um¬
fasst das Delirium tremens, den Alkoholwahnsion, die Korsakoff-
sche Psychose und die Dypsomanie. Interessant ist, dass die Kor-
sakoffsche Psychose bei den Frauen sich verhältnismäßig viel
häufiger fand, als bei den Männern. Sehr instruktive Tabellen
gaben Ueberblioke über die Alters- und Civilverhältnisse der Auf¬
genommenen. In einem ./grossen’Teil der Fälle ergab sich eine
Zerrüttung des Familienlebens, hervorgerufen durch den Alkoho¬
lismus. 24,8% aller Personen waren Ausgeber, Tagelöhner oder
Hauskiiechte, Personen also, die niedrige Dienste verrichteten, zum
Teil von Hause aus minderwertige Leute, zum Teil erst durch den
Alkohol heruntergekommene Existenzen. Eis Hess sich mit Leich¬
tigkeit feststellen, dass der Biergenuss bei diesen ELranken Über¬
weg, Wein wurde wenig getrunken, in 40% der Fälle aber
Schnaps, was dem, was man bisher über die Münchener Alkohol¬
verhältnisse wusste, durchaus nicht entspricht. Deürium tremens
und KorsakoflFsche Psychose betrugen nur 9,2% aller durch den
Alkohol verursachten Krankheiten, ein bedeutender Gegensatz bei¬
spielsweise zu den BerHner Verhältnissen. Das Bier bewirkt offen¬
bar mehr eine Vertrottelung als die genannten Klrankheiten. In
17% der Fälle wurden entweder Vater oder Mutter als Trinker be¬
zeichnet (bei den übrigen Geisteskranken 9,5%, resp. 7,8%, wenn
die Epileptischen weggelassen wurden). Es ist offenbar, dass
die Trunksucht der Eltern leicht Trunksucht der Kinder erzeugt.
In 29 Trinkerfamilien fanden sich 33 mal Fehlgeburten und
zahlreiche Todesfälle der Kinder im ersten Lebensjahr. 59 % der
lebend gebliebenen Kinder waren psychisch abnorm. Unter den
psychisch Gesunden waren noch eine grosse Anzahl körperlich
Kranker und mit Degenerationszeichen Behafteter. Sehr inter¬
essant sind die Beobachtungen über den Oonnex des Alkohols mit
den nicht durch ihn verursachten Psychosen. Fast die Hälfte
aller psychopathischen Persönlichkeit kamen deshalb in die Klinik,
weil sie acut oder chronisch alcoholisiert waren; ähnlich verhielt
es sich mit den Imbecillen (42,9%); bei der Epilepsie sind die
Zahlen noch höher (65,1% der Männer, 28,5% der Frauen). Ge¬
rade diese Tatsache bat eine grosse praktische Bedeutung. Denn
die Epileptischen bekommen unter dem Einfluss des Alkohols ihre
Dämmerzustände, in denen sie ausserordentlich gefährlich werden.
Bei den traumatischen Psychosen ebenso wie bei der Arterio-
sclerose Hess sich gleichfalls ein grosser Elinfluss des .41kohoIismus
nachweisen. Glanz schlimm ist derselbe bei der progressiven Para¬
lyse (51,9% bei den Männern, über 35% bei den Frauen), Un¬
gefähr ein Drittel aller Paralysen lie.ssen sich vermeiden, wenn es
möglich wäre, den Alkohol zu eliminieren. Und da die Syphilis
zumeist im Rausch erworben wird, so wäre es gewiss mögHch, bei
Ausschluss des Alkoholgenusses die Paralyse auf etwa ein Viertel
ihres jetzigen Standes herunterzudrücken. Ans öffentlichen Mitteln
waren über 10000 Mk. in einem halben Jahr für den Aufenthalt
der Alkoholiker in der Klinik (der verhältnismäßig sehr kurze
Zeit dauert) zu zahlen. Die Hälfte der chron. Alkoholiker war
bestraft, sehr viele waren es oftmals (bis zu 99 mal). Sehr an¬
schaulich war auf mehreren Diagrammen der Lebenslauf exquisiter
Alkoholiker aufgezeichnet, ein Hin und Her zwischen Haft, Ge¬
fängnis, Arbeitshaus, Zuchthaus, Krankenhaus und das Ende im
Irrenhaus.
Um den schweren Schäden des Alkoholismus vorzubeugen,
empfahl Kr. in erster Linie Aufklärung des Volkes, mit der in
Schulen begonnen werden sollte. Abstinenzvereine sollten ge¬
gründet werden, die .sogen. Trinksitten müssten beseitigt werden.
Der Alkohol müsste (als Genussmittel) aus allen ärztlichen Anstalten
verschwinden, Trinkerheilanstalten müssten in möglichster Anzahl
gegründet werden.
2. Herr L. Löwenfeld; Alkohol und Neurosen.
Vortr. erläutert in eingehender Weise den Zusammenhang des
Alkoholgenusses mit den Neurosen (Neurasthenie, Hysterie, Angst¬
neurosen, Epilepsie) in dreifacher Fragestellung: 1. Inwieweit ent¬
stehen Neurosen durch den Alkohol? 2. Inwieweit werden auf
anderweitiger Basis bestehende Neurosen durch den AlkohoHsmus
verschlimmert? 3. Inwieweit machen bestehende Neurosen zum
AlkohoHsmus geneigt? Es kann über alle Einzelpunkte hier nicht
eingehend referiert werden; vielfach deckt sich das Gesagte mit
den Ergebnissen des vorausgehenden Vortrages. L. empfiehlt Ab¬
stinenz vom Alkohol bei allen Neurosen, bei der Epilepsie hält
er Abstinenz für unbedingt notwendig.
Diskussion zu beiden Vorträgen:
Bestelmeyer bezweifelt die Notwendigkeit der Abstinenz
aller Aerzte, spricht dagegen für allgemeine Temperenz derselben.
Er wünscht insbesondere zur Förderung der Temperenz, Ver¬
billigung der Mineralwässer uud schildert, was in dieser Be¬
ziehung zur Herbeiführujig einer Temperenz beim Militär ge¬
schehen ist.
Hecker betont unter Bezugnahme auf einen früheren Vor¬
trag, dass nach neuen Statistiken ein Zusammenhang der schlechten
Noten der alkoholtrlnkeuden Kinder mit dem Alkoholgeuuss selbst
sich deutlich ergeben habe, und dass nicht die sozialen Verhält¬
nisse der Kinder daran die Schuld tragen.
V. Nothafft erläutert an Hand einer Münchener Statistik
den Zusammenhang zwischen Alkoholgenuss und unehelichen Ge¬
burten.
Teilhaber, Löwen feld, v. Hösslin gingen noch auf
weitere Einzelpunkte ein.
Kraepelin (Schliisswort): Die bestehende grosse Anti-Alko¬
holbewegung ist durch die Abstinenten geschaffen. Ein Zwang
zur Abstinenz soll nicht angeweudet werden, nur Gründe sollen
überzeugen. Stets muss die Macht des persönlichen Beispiels
wirken, und die ist der Grund, warum insbesondere den Aerzteu,
den berufenen Vorkämpfern gegen den Alkohol, die Abstinenz
empfohlen wird.
3. Herr R. Grashey hält die Projektionsdemonstrationen zu
dem auf die nächste Sitzung verschobenen Vortrag: Fremd¬
körper und Röntgenstrahlen.
Dr. Albert Uffenheimer.
Österreich.
Ges^lschaft für innere Medicin tvnd Mi/nder^
heilkunde in Wien,
Sitzung vom 19. Januar 1905.
(Original - Bericht.)
Frank stellt zwei Fälle von Ascites nach Leberoir-
rhose vor, in welchen durch die Talmasche Operation wesentUche
Besserung herbeigeführt wurde. Frank hat die Operation dahin
modifiziert, dass die Milz neben dem Rectus abdominis, d. h. in
eine durch Resection der 10. und 11. Rippe entstandene Lücke sub-
cutan eingenäht wird, Teleky bemerkt, dass die Talmasche
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1906.
MBDI0INE8CHE WOCHE.
159
Operation nur dann Erfolg verspreche, wenn nicht später ein
Collateralkreislauf angebahnt sei. v. Eiselsberg hält die Sache
noch nicht für abgeschlossen und empfiehlt die Frank’scbe Methode.
V. Haberer zeigt einen Fall von Knochencyste des Ober-,
sch e nkels, welche sich im Verlauf von zwei Jahren entwickelt hat.
Ferner stellte er ein Kind mit abnormer Kleinheit des Ober¬
schenkels und Defekt des anderen Oberschenkels vor.
Das Gehvermögen ist merkwürdigerweise relativ gut.
Ullmann demonstriert einen Patienten mit Pemphigus.
Lichtenstern zeigt ein auf operativem Wege gewonnenes
Präparat von Sarcom eines L eis tensh odena, der wegen Er¬
scheinungen von Incarceration exstirpiert werden musste. Kien¬
böck demonstriert ein Quantimeter, ein neues Messinstru¬
ment für Radiotherapie, welches auf dem Prinzipe beruht, dass
lichtempfindliches Papier desto dunkler wird, je länger es den Rönt-
genstrahlen ausgesetzt ist.
Goldmann teilt das Resultat seiner Versuche über Im¬
pfung unter Rotlicht mit. Es hat sich gezeigt, dass die
Bildung der Pusteln, wenn man dieselben nach der Impfung unter
einem roten Verband hält, milder und schneller verläuft, und zwar
ohne Beeinträchtigung der Kraft der Vaccine. Knystelmacher
ist bei seinen Versuclien zu entgegengesetzten Resultaten gelangt.
Sitzung vom 26. Januar 1906.
Kirchmeyer demonstriert einen operativ geheilten Fall
von Milzabscess nach Typhus; im Eiter fanden sich viru¬
lente Typhusbakterien.
Frank bespricht eine Methode der Catgutsterilisation,
welche in Härtimg in Formalin und Kochen im Wasser besteht
und ein sehr haltbares Nähmaterial liefert. Eiseisberg und
Sc hnitzler begrüssten die neue Methode mit Freuden.
Hofbauer hält einen Vortrag „Zur Pathologie der
Lungenspitzentuberkulose“. Er vertritt die Ansicht, dass
die Anschauimg, dass die Lungenspitze wegen ihrer anatomi¬
schen Verhältnisse eine Praedilectionsstelle der Ansiedlung der
Tuberkelbazillen sei, nicht aufrecht erhalten werden kann. Der
Unterschied bestehe vielmehr in physiologischer Richtung, denn die
oberen Partien seien bei ruhiger Atmiing völlig ruhig und es be¬
wegen sich fast nur die unteren Lungenpartien, weil die Atmtmg da¬
bei nur vom Zwerchfell besorgt wird. Die geringere Atemtätigkeit
bedingt aber nicht nur eine geringere Lüftung, sondern schlechtere
Blut- und Lymphversorgung. Dadurch wird die Ansiedlung der
Tuberkelbazilien in den Spitzen begünstigt.
K» K» Gesellschf^ der Aefrtste i/n Wien,
Sitzung vom 9. Februar 1906.
V. Wagner demonstriert einen kretinischen Hund mit
typischen Symptomen des Kretinismus. Er wird mit Schilddrüsen¬
tabletten behandelt werden.
Enterich zeigte zwei während einer Panik in einer Kirche
verunglückte Kinder, welche sich derzeit wieder ganz wohl be¬
finden; es bestanden hauptsächlich Suffusionen der Haut,
des Gesichtes und der Brust, Folgen der Erstickungsnot,
in der sich die Kinder befunden hatten.
Axner zeigt ein Mädchen mit einem angeborenen Häman¬
giom der rechten Wangenschleimhaut und einem nach Puquelini-
sterung des Tumor entstandenen Aneurysma der Arteria maxillaris
externa.
Schiff demonstriert 1.einen Thiosinamininjectionen erfolgreich
behandelten Fall von Skrotalödem, 2. einen Lupus der Nasen¬
spitze nach Röntgenbestrahlung und Beförderung der Heilung
durch Hochfrequenzströme.
Sitzung vom 16. Februar 1906.
V. Eiseisberg stellte einen Fall von excessiver Elephan¬
tiasis des rechten Beines bei einem 27jährigen Manne vor, es
bestehen Luxation im Hüftgelenk, Diastase im Kniegelenk, sowie
Defekt der unteren Tibiahälfte und des Fusses. Therapeutisch
hielt Eiseisberg nur die Enucleation der Extremität für angezeigt.
Alexander stellt einen Fall von Facialisparalyse (nach
Labyrintheiterung) vor, der durch Vemähung des Facialis mit dem
Accessorius geheilt worden ist.
Knopfeimacher zeigt einen Säugling mit ausgedehntem
Pemphigus neonatorum. Der Verlauf dürfte ein maligner
werden.
Jellink führte einen durch Starkstrom verletzten
Monteur vor, an den Ein- und Austrittsstellen des Stromes sind
die typischen Verbrennungen aufgetreten. Freund wies auf das
typische Verhalten solcher Geschwüre hin, das auf eigentümlichen
Gefkssveränderungen beruht. H.
Literarische Monatsschau.
Augenheilkunde.
In meinem letzten unter obigem Titel in dieser Wochenschrift
veröffentlichten Sammelreferat hatte ich Gelegenheit genommen,
die über operative Behandlung hochgradiger Kurzsichtigkeit in
letzter Zeit erschienenen Veröffentlichungen eingehender zu be¬
sprechen. In Nr. 2 der Medizinischen Klinik tritt Gelpke (Karls¬
ruhe) sehr warm für die F u k a 1 a ’sche Operation ein und es erscheint
mir wichtig, auch diese Arbeit hier zu erörtern, damit der den
ophthalmologischen Zeit- und Streitfragen ferner stehende Nicht¬
fachmann sich ein Bild davon machen kann, mit welchem Rüst¬
zeug teils wider, teils für diese Operation gestritten wird, die
Gelpke einen der „dankbarsten Eingriffe der augenärztlichen
Kunst“ deshalb nennt, „weil durch dieselbe eine grosse Anzahl
unglücklicher Individuen zu menschenwürdiger Existenz gelangt.“
Gelpke wendet sich zunächst gegen die auch von mir kurz refe¬
rierte Arbeit Hubers und weist nach, dass Hubers der Operation
nicht eben sehr günstige Ergebnisse auf nicht einwandsfreier Indi¬
kationsstellung beruhen. G 61 pke berichtet über eine zweite Serie
von ihm operierten Fälle, 146 an der Zahl. „Unter denselben ist
die Zahl der Komplikationen eine verhältnismäßig so geringe,
sie beinahe kaum erwähnenswert erscheinen.“ Netzhautablösung
beobachtete er zweimal (1,4%), und zwar beide Male, ohne dass
ein vorurteüfreier Beobachter sie dem operativen Verfahren zur
Last legen kann. Gelpke publiziert nun eine ihm von Deutsch¬
mann überlassene Statistik von 259 von D. behandelten und ope¬
rierten Netzhautablösungen. Unter 180 dieser Augen waren:
1— 6D)
Myopisch 7 —12 D > 148 Angen = 80%
13^ dJ
Hypermetropisch 5 „ == 5%,
Emmetropisoh 27 „ = 15%.
Die Amotio retinae wird also mit zunehmender Myopie nicht
häufiger. Von den 148 Augen erfolgte die Amotio retinae
8 mal = 5,5% auf vorhergegangene Myopieoperation,
4 „ = 4,5% nach Trauma,
136 „ == 90,0% ohne bekonnte Ursache.
Bei ^ 14,0 D. Myopie zählenden Augen mit Netzhautablösung
war sie:
39 mal = 80,0% spontan,
1 „ = 3,5% traumatisch,
8 „ = 16,5% „operativ“.
Die „operative“ Amotio ist an sich zwar sehr häufig bei diesem
Material, doch darf man nicht vergessen, dass Deutschmann der
Vorkämpfer einer operativen Behandlung der Netzhautablösung ist,
also ein recht einseitiges Material hat.
Alle der phakolysierten Augen mit Netzhautablösung er¬
blindeten an Netzhautablüsung nach einer operativen „Misshand¬
lung“, will sagen späten Diszission, die einer tadellosen Operation
2 bis 3 Jahre nachfolgte.
Von Gelpkes 205 Fällen hatten 44 vor der Operation Ver¬
änderungen der macula lutea, die nur drei mal post operationem
aiifflackerten, und zwar infolge besonders schwerer allgemeiner
und lokaler Komplikationen. Dagegen sah er fünf mal
Blutungen am nicht operierten Auge nahe der macula, während
das operierte frei blieb! G. steht nicht an, der Phakolyse einen
entschieden günstigen Einfluss auf diese Veränderungen zuzu¬
schreiben, und weist energisch den der Operation gemachten Vor-
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160
KlGDTCDTföCHS ^VOGSB.
Nr 14.
wurf zurück, <^afla sie dem Auftreten zentraler Läsionen Vorschub
leiste. Hält man von einem exzessiv myopischen Auge alle die
Schädlichkeiten fern, die erfahrungsgemäss von grossem Einfluss
auf die intakte Funktion eines solchen Auges sind, so schafft die
einwandsfrei vorgenommene Operation eine relative Prophylaxe
gegen die in Frage kommenden Komplikationen, und „wir haben
das durch unsere Erfahrungen bestätigte Recht, derartige my¬
opische Augen auf Wunsch mit gutem Gewinn zu operieren.“
Gelpke stimmt v. Hippel bei, der gesagt hat; „die Gefahr sei
keinesfalls grösser, als bei jeder anderen intraokularen Operation.“
Einen sehr interessanten , klinisch • statistischen Beitrag zur
Lehre von der Kurzsichtigkeit gibt Otte in seiner der Giessener
Universitäta - Augenklinik entstammenden Inaugural-Dissertation.
Er knüpft an die von mir seinerzeit gleichfalls im Elahmen einer
literarischen Monatsschau besprochenen Arbeit Hertels aus der
Jenenser Augenklinik an und hat an der Hand von 5715 poli¬
klinisch behandelten Myopen (1879 bis 1899) folgendes feststellen
können. Die Kurzsichtigkeit ist bei Männern weit häufiger als
bei Frauen. 4045 Männern stehen 1670 kurzsichtige Weiber gegenüber
(70,78% zu 29,22%); allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass in
dem Giessener Material verhältnismäßig viele Schüler, Gymnasiasten
und Studenten sich befinden. Der Grad der Kurzsichtigkeit ist der
Zahl der Fälle umgekehrt proportional. Mit dem Alter wird die
Myopie häufiger, das 15. bis 30. Lebensjahr bildet das Maximum.
Bei beiden Geschlechtern sinkt die Myopie rapide bis zur sechsten
Dioptrie, Männer sind dabei etwas mehr beteiligt als Frauen, von
da an überwiegen die Frauen erheblich. Es haben von 5715 Pa¬
tienten 1215 (= 21,26%) eine Kurzsichtigkeit von fünf Diop-
trieen und darüber. Da dreimal soviel Männer als Frauen unter
fünf Dioptrien haben, dürfen wir diese als durch Naharbeit ent¬
standen auffassen. Die hochgradige Kurzsichtigkeit befhllt 7,78%
mehr Frauen als Männer. Prozentualiter gibt es bis zum 14. Jahre
mehr kurzsichtige Mädchen, später wird das anders. Zwischen dem
15. und 20. Jahre liegt (mit 29,34% Männern) das Maximum, es
ist um 7% höher als die Zahl der myopischen weiblichen Indi¬
viduen angibt. Sohliesst man bei Sonderung des Materials nach
Berufen Frauen und Kinder aus, so findet man, dass die
Myopia excess. bei Landlenten, Gärtnern und Förstern, sowie bei
Handwerkern, die keine Naharbeiten zu verrichten haben
(Schmieden, Schlossern, Tischlern usw., bei Bergleuten, Händlern
und Tagelöhnern usw.), überwiegt; während sie bei der Gruppe der
Schreiber, Maler, Postbeamten, Musiker, Kaufleute usw. im Durch¬
schnitt 3,04 D., bei akademisch Gebildeten und Lehrern durch¬
schnittlich, 3,28 D. beträgt, sind diese Werte bei den erstgenannten
Gruppen 3,47, bezw. 2,89 D., d. h. die Durchschnittsmyopie ist
bei den Leuten, die niemals eine erhebliche Naharbeit zu verrichten
haben, nämlich bei den Landleuten, am höchsten. Von den Nicht-
uaharbeitem haben 62,12%, von den Naharbeitern aber kaum
35% Myopie = 1,0 D., bis ca. 9,0 D. überwiegen diese, über
9,0 D. hinaus jene. Die Komplikationen, die in 1529 Fällen kon¬
statiert werden konnten, betreffen in 72,43% der Fälle Nicht-
Naharbeiter und zwar vornehmlich Frauen. Am häufigsten ist der
Conus, bezw. das Staphyloma posticum, das in 17,37% aller My-
opiefhlle und 64,93% aller Fälle mit Komplikationen vorhanden
war, am seltensten ist die Netzhautablösung (mit 0,44%, bezw.
1,63%), häufiger dagegen Trübung des Glaskörpers, Auswärts¬
schielen und Veränderung der Aderhaut. Bis zu 10 D. haben
die Naharbeiter relativ mehr Komplikationen, aber bei den höheren
Graden der Myopie die Nichtnaharbeiter. Mit dem Fortschreiten der
Kurzsichtigkeit wächst auch die Gefahr der Komplikationen. Ueber
die Erblichkeit der in Frage stehenden Befraktionsanomalie lässt
die sehr fleissige Arbeit Ott es keine Schlüsse zu.
Ebenso wenig wie Jacoby in Breslau von der Radiumbehand¬
lung des Trachoms günstige Resultate gesehen hat, (vergl. Deutsche
med. Wochenschr. 1906, Nr. 2, ref, in Med. Woche 1906, Nr. 4)
kommt Birch-H irschfei d in Leipzig zu den günstigen Ergeb¬
nissen, wie sie namentlich von Cohn, Breslau, beachtet wurden
(klin. Monatsbl. f. Aug.-Hkde, 43, 2). Fälle von sicherem, zum
Teil schon weiter vorgeschrittenem Tiachom wurden in 3 bis 20
Minuten langen Sitzungen verschieden lange Zeit mit 10 mg
RaJiumbromid bestrahlt. Ausnahmslos flachten sich die Trachom¬
follikel ab und schwanden auch, aber nur einmal blieb dieser
günstige Erfolg mehrere Wochen lang bestehen, die anderen
neun Fälle zeigten mehr oder weniger schnell Rückfälle, und
zwar sogar noch während der Behandlung. Ohne stärkere, ent¬
zündliche Reaktion flachten sich die Follikel ab, es besteht kein
sicheres Verhältnis zwischen Dauer, bezw. Intensität und dem Grade
der Rückbildung der Follikel. B.-H. jwamt vor zu langen und
zu häufigen Bestrahlungen in der Nähe des ungeschützten Auges
und erblickt in der Radiumbehandlung keinen wesentlichen Vorteil
vor den bisher üblichen Behandlungsarten.
Kurt Steindorff.
Periodische Literatur.
Münchener medicinische Wochenschrift. 1906. No. 12 .
1. Posselt, Innsbruck: Die Stellung des AlTeolareohinococeiu.
Verf. weist in dem bisher vorliegenden ersten Teil dieser Arbeit
anf die Bedeutung des Alveolarechinococcos hin als einer ganz be¬
sonders beachtenswerten und bösartigen Form der Erkrankung.
Verf. steht auf dem dualistischen Standpunkt und nimmt als Er¬
reger dieser Form eine besondere Taenie an. Von grösster Bedeutung
für die Erforschung dieser Fragen wäre eine genaue Kenntnis
der geographischen Verbreitung der Erkrankung. Der Schluss der
Arbeit folgt in nächster Nummer.
2. Trommsdorff, München: Die Müehleueozytenprohe.
Verf. hat eine grosse Zahl von Milchproben auf den Leuco-
zytengehalt untersucht und fand bei vermehrter Lencozytose massen¬
haft Streptococcen in der Milch. Es handelte sich in diesen Fällen
also um mastitis kranke Kühe. Ganz abgesehen von der Unappetit-
lichkeit solcher Milch, ist Verf. der Ansicht, dass man eine mög¬
lichste Ausschaltung der Milch mastitiskranker Kühe als Genuss-,
mindestens als Kindermilch als erstrebenswert bezeichnen muss.
Die vom Verf. erhobenen Befunde mahnen jedenfalls auch zur Ab¬
lehnung des Genusses roher, ungekochter Milch. Grösste Rein¬
lichkeit im Milchgeschäft ist notwendig. Im Stall schon muss die
Milchhygiene beginnen.
3. Schütz, Frankfurt a. M.: Hitteilnngen über Spiroohaeta
pallida (Schaudinn) and Cytorrhyotes (Siegel).
Verf. hat als beste Färbung für die Spirochaeta pallida die
Original-Giemsa-Färbung erkannt, es kommt vor allem darauf an,
dass der Aufstrich auf den Deckgläscben recht dünn und gleich¬
mäßig erfolgt. Für den Cytorrhyctes-Nachweis ist die neuerdings
von Siegel empfohlene Boraxmethylenblaulösung recht vorteilhaft.
Die Ergebnisse der Untersuchungen des Verfasser sind kurz folgende:
in allen Aufstrichpräparaten von jungen syphilitischen Papeln fanden
sich Pallida und Refringens sowohl, als auch Cytorrhycten in nicht
geringen Mengen, manchmal in erstaunlichen Haufen bezw. Bündele
mit radiärer Anordnung. Verf. neigt der Anschauung zu, dass die
Pallida und Refringens ein und dieselbe Art darstellen und vielleicht
als männliche und weibliche Individuen aufzufassen seien.
4. Hecker, München: üeber Verbreitung und Wirkung des
Alkoholgenusses bei Volks* und MittelsohtUem.
Die Erhebungen des Verf. erstrecken sich auf 4 grpsse Volks¬
schulen mit 4652 Kindern und eine Mittelschule mit 428 Schülern,
also im Ganzen auf 5080 Schüler und Schülerinnen. Die Einteilung
geschah in folgender Weise; a) Kin der, die niemals alkoholische Ge¬
tränke erhalten, b) Kinder die zuweilen alkoholische Getränke er¬
halten, c) Kinder, die täglich einmal alkoholische Getränke erhalten
und d) Kinder, die täglich zweimal und öfter alkoholische Getränke
erhalten. Die Untersuchungsresultate ergaben folgendes: 13,7%
Abstinente, 55,3% regelmäßig Alkohol geniessende, 4,5% eigent¬
liche Trinker, 6,4% Schnapstrinker. Es scheint sich ferner er¬
geben zu haben, dass bis zum 11. und 12. Jahre der Alkoholgenuss
das Längenwachstum behindert, über dieses Alter hinaus aber in
gewisser Weise vermehrt. Auffallende Unterschiede in der Kon¬
fession finden sich. Unter den Katholiken nur 12% Abstinente,
unter den Israeliten 20%, bei den Protestanten 16%. Wirkliche
Trinker bei den Katholiken 15%, bei den Israeliten 4,5%, bei
den Protestanten 9%. Verf. betont, dass diese Differenzen natür¬
lich nicht auf die Religion, sondern das soziale Niveau zurUok-
zuführen sei.
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1906.
MBDICINISGHB WOCHB.
161
5. Thlenger, Nürnberg: Bie neueren Erfkkrangen über
Tbeophyllin (neoein. nntr. aeet., Bayer A Co., Biberfeld).
Verf. hat als Diureticom das Doppelsalz Theocinum natrinm
aceticum in Anwendung gebracht und zwar als wässrige Lösung in
einem Adonls-infus (Infos adonis 8,0 : 150,00 Theocinnatrium 1 bis
1,5). Anfänglich wurden 3—4 stündlich 15 ccm gegeben, also
etwa 0,1—0,15 gr. Später ging man etwas hinauf, so dass maxi¬
mal 0,6 — 0,9 als Tagesdosis heranskam. Eis wurde fast in allen
Fallen eine Uber die Norm hinansgehende Diurese erreicht. Dabei
wurde daran festgehalten maximale Diuresen gar nicht zu erstreben.
0. Welsch, Kissingen: Beitrag zur Prophylaxe und Thera*
pie der Ai^endisitis.
Die Erfolge einer internen Therapie bei Appendizitis sind
durchaus nicht so schlechte, dass man Grund hätte, diese zu
Gunsten der chirurgischen Behandlung zu verlassen. Die Prophy¬
laxe der Appendizitis wie ihre Therapie hat sich vor allem mit
der Frage der Verhütung and Heilung der Enteritis zu befassen.
Die Enteritis Ist stets die Ursache der Appendizitis, Zur Ver¬
hütung von Recidiven kommen in erster Linie Bäder und Moor¬
bäder in Betracht.
7. Federschmidt, Dinkelsbühl: Zur Kasuistik und The«
rapie der Darmrupturen durch stumpfe Gewalt
Verf. berichtet über 5 Fälle bei denen die Dannperforationen
durch Einwirkung einer stumpfen Gewalt entstanden waren. Alle
FäUe endeten trotz versuchter Eingriffe letal. In allen Fällen
handelt es sich um Zerreissungen des Dünndarms, welche ihrer
Ausdehnung nach von dem mehr oder weniger starkem FttUungs-
zustand dieses Darmabechnittes abhängen. Je früher nach erfolgter
Darmruptur laparotomiert wird, desto mehr Aussicht auf Heünng
ist vorhanden. Nicht immer ist die Diagnose leicht Es kann
längere Zeit vergehen ehe die Symptome so hervortreten, dass
man an eine snbcutane Darmruptur denken muss. Treten nach
überstandener Bauchkontusion Pulsbeschleonigung imd Temperatur-
steigerangen ein, so soll man mit der Vornahme der Laparotomie
nicht mehr zögern.
8 . Voerner, Leipzig: üeber Prurigo hämorrhagica.
Verf. konnte bei einem 4jährigem Kinde einen Prurigo be¬
obachten, dessen Effloreszenzen von einer typischen Hämorrhagie
omgeban waren. Nur bei den EfEoreszenzen fanden sich die
Blutungen sonst nicht. Es ist immerhin auffallend, dass sich hier
Hämorrhagien bei einer Erkrankung zeigten, welche sonst fast nie
von denselben begleitet zu sein pflegt.
9. Steim, Hildesheim: Ein Fall Ton Eohinoeoceus dor Leber,
perforiert in die Lunge, ausgeheflt durch Bippenresektion.
Eis bandelt sich um eine 40jährige Frau, welche unter
schweren Symptomen einer Gallensteinkolik erkrankt. Im Laufe
der Erkrankung stellt sich eitriger Auswurf mit Echinocoocen-
häckchen und ein Empyem ein. Wegen des letzteren wird eine
Rippenreeektion vorgenommen und der nach der Lunge durch¬
gebrochene Leberechinococcus kommt zur Ausheilung.
10. Ehrlich, Stettin: Selbstmord durch Veronal.
Verf. teilt eiaeik selbstbeobaohteten und einen ihm berichte¬
ten Fall von VeronalT^giftang mit. In dem einen Fall wurden
15 gr im anderen 11 gr genommen. Der Tod trat in Bewusst¬
losigkeit 20 Stunden später ein. Verf. hält nach diesen Er¬
fahrungen die FrM^be des Veronals für den Handverkauf für
absolnt falsch und verlangt mit Recht, dass das Veronal nur gegen
Rezept verabfolgt werde.
11. Hntzler, Mäoohen: Eia neues Kinden^italbett
Das von der Firma C. Stiefenhofer in München hergestellte
Bett ist aus Eisen konstruiert. Die Tragfläche besteht aus .sich
kreusenden Stahlbändern, und (liegt 65 cm über dem Fnssboden.
Auf der Tragfläche liegt eine Matratze von 10 —15 cm Dicke, so
dass der Patient in Tiscbhöhe zu liegen kommt. Die Seitenwände
sind zuin Herunterklappen eingerichtet.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 12 .
1. \yHssei-mann, Bruck, Beilin; Experimentelle Studien
über die iRTirkung von TuberkelbaziUen-Fräparaten auf den tuber¬
kulös erkrankten Organismus.
Die Verff. haben die Gründe festzustellen unternommen, aus
welchen bei Einverleibung eines TuberkelbazUlen-Präparates eine
tuberkulöse Lokalerkrankung so intensiv reagiert. Das Resultat
der diesbezüglichen Untersuchungen lässt si(^ ungefähr in folgenden
Sätzen zusammenfassen: In einer grossen Z&hl tmtersuchter, nicht
spezifisch vorbehandelter tuberkulöser Individuen sind im tuber¬
kulösen Gewebe Antikörper gegen die Tuberkelbazillen-präparate
vorhanden. Das Serum ist von diesen Stoffen frei. Wenn wir
solchen Individuen ein Tuberkelbazillenpräparat injizieren, so mus.s
das Präparat kraft seiner Avidität zu seinem Antikörper an diesen
heraogehen. Da dieser letztere im tuberkulösen Gewebe seinen
Sitz hat, so geht deshalb das Tuberkelbazillenpräparat in das tuber¬
kulöse Organ. Die spezifische Reaktion des tuberkulösen Gewebes
tritt ein, weil das Tuberkelbazillenpräparat durch seinen Antikörper
in das Gewebe hineingezogen wird und bei diesem Vorgänge die
gewebeeinschmelzenden Kräfte des Organismus an dieser bestimmten
Stelle konzentriert werden. Die Abstumpfung tritt ein, weil durch
die Vorbehandlung mit Tuberkelbazillenpräpafaten Antistoffe' gegen
(diese im freien Blute auftreten, welche durch vorheriges Abfangen
Jene Präparate hindern, in das tuberkulöse Gewebe zu gelangen.
I 2. Posner, Berlin: Bebet trauraatisolien Morbus
Die Möglichkeit einer traumatischen Entstehung eines echten
1 Morbus Bri^tii muss unter allen Umständen zugegeben werden,
j Die ätiologische Bedeutung von lokalen Eiterherden für die Ent-
! stehung von Nephritiden, gehört auch hierher. In ähnlicher Weise
i wirken die Gewerbevergiftungen. In diesen genannten Fällen ist
(das Trauma indirekt schuld an der Nierenerkrankung. Aber auch
I die auf die Niere direkt wirkenden Traumen spielen eine nicht
I unerhebliche Rolle. Zunächst kommen die Veränderungen in Be-
I tracht, weldie die Blutgefässe der Niere und die Harnleiter betreffen.
Hier wäre auch die Schwangerschaftsnephritis zn erwähnen.
Des weiteren dürften Dislokationen dos Organs, Wanderniere,
zur Entstehung des morbus Brightii Anlass geben. Ob unmittel¬
bar die Nieren treffende Verletzungen eine diffuse Nephritis aus-
I lösen können, erscheint nic^t ganz sicher. Bemerkenswert ist, dass
sogar nach Massage der Niere Eiweiss beobachtet worden ist. Das
Dunkel, in welches in den meisten Fällen die Entstehung des
’ Morbus Brightii gehüllt ist, muss den Arzt veranlassen, vor allem
• nachzuforscfiien, ob nicht ein entschädigungs^^chtiger Unfall die
i Ursache darstellt und in di^r Beziehung verdienen die Geweybe-
I Vergiftungen besondere Beachtung.
3. Baginsky, Berlin: Zur Prttbdiagnoee und Behandlung
I dei Kehlkopfkrebses.
Der zweite Teil, der in ihrem ersten Abschnitt bereits refe¬
rierten Arbeit beschäftigt sich mit der Therapie. Die Anwendung
Innerer Mittel ist in ihren Resultaten so zweifelhaft, dass man am
besten von ihr absieht. Bei kleinen scharf umgrenzten Tumoren
empfiehlt sich die Entfernung auf endolaryngealem Wege. Am
meisten eignet sich dazu die Doppelkurette. Jedoch für die MehrT
zahl der Larynxcarcinome ko mm en die extralaryngealen Operations-
methoden in Betracht, und zwar die Laryngofissur, die Laryngo-
tomia subhyoidea, die Exstirpatio laryngis entweder halbseitig oder
total. Die Totalexstirpation ist, wenn auch in den letzten Jahren
weniger gefährlich geworden, doch immerhin eine so eingreifende
und stark verstümmelnde Operation und der Zustand der Patienten
nach derselben so beschwerlich, dass die Aerzte mit allen Mitteln
die Frühdiagnose zu erreichen bestrebt sein müssen, damit man
ohne Totalexstirpation anskommen kann.
4. Riebold, Dresden: üeber prämenstruelle Temperatur-
Steigerungen.
Diese Arbeit über deren ersten Teil wir bereits in der vorigen
Nummer referiert haben, liegt abgeschlossen vor. Prämenstruelle
Temperatursteigerungen kommen nach abgelanfenen Infektions¬
krankheiten vor. Bel bestehender Obstipation handelt es - sich
wohl um Jntoxikaöonserscheinungen. Dass bei nervösen und tem¬
peramentvollen Personen leichter Temperatnrsteigerungen anftreten,
ist bekannt. Am meisten wird das prämenstruelle Fieber bei Tuber¬
kulösen beobachtet. Was die Therapie anlangt, so wird inan in
erster Linie körperliche Ruhe, anoidnen. Die Bedeutung-prämen¬
struellen Fiebers für die Beurteilung der Lungentuberkulose ist
ziemlich gering, einen Schluss auf die Schwere der Erkrankung zu
ziehen ist nicht angängig. Wenn jedoch bis dahin auftretende
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162
BlKDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 14.
prämenstruelle TemperatursteigeroDgen aufhören, so ist das ein
prognostisch günstiges Zeichen. In umgekehrter Weise ist hohes
prämenstruelles Fieber ein ungünstiges Zeichen.
Die grosse, allgemeine praktische Bedeutung des prämen¬
struellen Fiebers liegt eben darin, dass es den Arzt darauf hin¬
weist, dass die betreffenden Personen nicht völlig gesund sind
igid dass ein kranker Organismus in der Prämenstrualzeit ge^hrdet
ist. Alle möglichen Krankheiten können sich in der Främen-
strualzeit verschlimmeim. Es kommt oft zu prämenstruellen Tem-
peratorsteigenmgen, welche wahrscheinlich ihren Grund in der
Resorption von älteren Infektionsherden hfkben, sie können aber
auch eine Exacerbation der Qrundkrankheit bedeuten. Die prä¬
menstruellen Temperatursteigerungen kommen zwar häufig aber
keineswegs ausschliesslich bei tuberkulösen Frauen vor, niemals
aber bei ganz gesunden.
3. Peschei, Frankfurt a. M. Die galvanokanstiBohe Bonde
für den Tränenl^aL
Verf. hat eine galvanokaustische Sonde für den Tränenkanal
konstruiert, weldie nur 1,5 mm Durchmesser hat. Das Platin¬
glühstück ist seitlich angebracht. Die I^lierung der aus ver¬
nickeltem Kupferdraht bestehenden Zuleitung, spiralförmig aber
sehr sicher. Die Betätigung der Sonde kann nur sekundenlang
erfolgen, da sich sonst die Sonde in ihi'er ganzen Ausdehnung zu
stark erhitzt. Verf. rühmt die bequeme Handhabung des In¬
struments. Dasselbe wird von der Firma Reiniger, Gebbert &
Schall in Erlangen hergestellt.
6. V. Lesser, Leipzig: Emo seltenere Erkraokimg am
$nie.
Verf. hatte Gelegenheit bei einem 15jährigen Schüler die
Einreissung bezw. Abknickung des von der genualen Tibiaepiphyse
nach abwärts herabsteigenden schnabelförmigen Fortsatzes bei¬
derseits zu beobachten. Diese seltene Erkrankung ist bisher nur
bei Knaben und meist im Pubertätsalter beobachtet worden.
Offenbar spielt die spätere Verknöcherung dabei eine Rolle. Die
stärker entwickelte Streckmuskulatur führt zu der Abreissung
api genualen Tibierende.
7. Neuhaus, Hagen i. W. Eine neue Hamprobe auf
Santonin.
Der zu untersuchende Harn, wird in einer Menge von einigen
Kubikzentimetern mit einigen Tropfen Fehlingscher Lösung ver- j
setzt. Es tritt eine dunkelgrüne Farbe auf. Bei weiterem Zu¬
satz wird der Ham dunkelviolettrot. Bei Zusatz von etwas
Essigsäure zeigt sich eine smaragdgrüne Farbe.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. la.
1 . Krönig, Berlin: TTeber das Verkaltan des medialen Ab-
sobnittei der hinteren oberen Dämpfhng^sgrense bei pleuralen
Flüssigkeitsansammlongen.
Verf. hat ein grosses Krankenmaterial an pleuritischen Exu-
daton topographisch percutorisoh untersucht und die in den Lehr¬
büchern bisher nicht betonte Tatsache konstatiert, dass nahe der
Wirbelsäule eine Zone heileren Schalles regelmäßig zu finden ist.
Diese Zone hat die Gtestalt eines Dreiecks und wird nach der Mitte
von der Wirbelsäule und seitlich von einer Linie begrenzt, welche
bogenförmig zur Achselhöhle verläuft und deren Höhe in der Gegend
des inneren Schulterblattrandes liegt. Dies vom Verf. gefundene auf¬
gehellte Dreieck hat mit dem seinerzeit von Garland angegebenen
nur in der Lokalisation, nicht ln der Form Aehnliohkeit.
2. Buschke, Fischer, Berlin: Weitere Beebachtongen
über Spiroohaete pallida.
Verff. haben das totgeborene Kind einer syphilitischen Mutter
untersucht. In Ausstrichpräparaten der Leber und Milz fanden
sich sehr spärliche, in Schnittpräparaten sehr zahlreiche Spirochaeten.
Es ist dieser Befand lehrreich mit Bezug auf die Schnittmethode.
Offenbar hat das Kind eine frische Infektion erlitten und ist an
dieser in utero zu Grunde gegangen. Der Uebergang der Spiro¬
chaeten ist offenbar durch die Blutbahu erfolgt. Des weiteren teilen
die Verff. mit, dass die Versuche durch Spirochaetenuntersuchung
bald nach der Geburt eine Frühdiagnose zu stellen, so lange noch
klinische Symptome fehlen, fehlgeschlagen sind. Die Befunde
wurden erst dann positiv, wenn auch die klinischen Symptome
keinen Zweifel mehr Hessen. Die Untersuchungen der Verff. haben
ferner gelehrt, dass die von den meisten Autoren gezogene Schluss¬
folgerung, dass die Spiroohaete pallida in allen Produkten der sekun¬
dären infektiösen Periode sich findet, einzuschränken ist. Sie findet
sich nicht nur nicht bei tertiärer Sy]>hilis, sondern sie scheint auch
in manchen besonders gebauten Produkten der Frühperiode zu fehlen.
In einem weiteren Fall gelang den Verff. in einer Drüse einer an¬
scheinend immunen Matter eines syphilitischen Kindes, also wahr¬
scheinlich bei latenter Syphilis Spirochaeten naohzuweisen.
3, Boeder, Berlin: Die Liingeiitnberkiilese im sohnlpflich-
tigen Alter.
Die Statistik ergibt, dass ein Hauptfeind unserer Schuljugend
die Tuberkulose ist und dass der Schwerpunkt der Seuchenbe¬
kämpfung während des schulpflichtigen Alters auf die Bekämpfung
der Tuberkulose gelegt werden muss. Die verschiedenen Formen,
in denen die Tuberkulose bei den Kindern auftritt, lassen sich in
folgende Gruppen einreihen: 1. Kinder mit weitgehenden Zer¬
störungen der Lunge, Cavemenbildung, Kaohexi, Tuberkelbazillen
im Sputum. 2. Kinder mit Veränderungen, wie man sie auch bei
Erwachsenen findet, also Infiltration der Spitze in der Fossa supra-
clavicularis klingendes Rasseln, Verschärfung des In- oder Ex-
spiriums mit Dämpfung des Schalles. 3. Kinder, bei denen die
Veränderungen am deutlichsten hinten in der fossa suprascapularis
oder auch in einem der Unterlappen vorhanden ist. ^eine Herde
mit hauchendem bezw. bronchialem Expirium, kleinblasigen Rasseln
bei normalem Ferkussionsachall fanden sich bei Kindern mit nor¬
malem Wohlbefinden in der Fossa suprascapularis und auf dem
medianen Rand der Scapula so häufig, dass der Ort fast als Frae-
dilectioDSstelle angesehen werden kann. 4. Nicht selten sind Fälle
mit wiederholter Hämoptoe ohne markanten Befund bei der physi¬
kalischen Untersuchung. 5, Besondere Beobachtung bedarf eine
weitere Gruppe, Kinder mit Lymphadenitis colli chrouica, bei denen
in der Fossa infraclavicularis links oder rechts deutliche Dämpfung
mit nur geringen auskultatorischen Erscheinungen vorhanden ist.
Das Alter von 5 —15 Jahren scheint am meisten bedroht.
Zur Bekämpfung dürften sich folgende Maßnahmen empfehlen:
1. Darchmusterung sämtlicher Schulkinder zwecks Auslese der
Tuberkulösen und tuberkuloseverdächtigen Kinder oder,
wenn dies nicht möglich, die Durchmusterung der Kinder
einzelner Schulbezirke.
2. Belehrung über die Gefahren der Tuberkulose im Rahmen
einer allgemeinen Gesundheitslehre.
3. Ueberweisung der lungenkranken Kinder in Blrholungs- und
Heilstättea
4. Errichtung von Kinder-LungenheUstätten.
5. Nach wiederholter Kur Ueberführung von Pfleglingen in
ländliche Kolonien, Land- und Waldschulen.
6 . Ueberwachung der tuberbulösen und tuberkuloseverdäch¬
tigen Kinder bis zum Verlassen der Schule.
7. Untersuchung sämtlicher Kinder beim Verlassen der Schule,
Gewährung eines Gesundheitsattestes (als Unterlage für
die Berufswahl bezw. für die Gestellung zum Heeresdienste).
4. Hildebrandt, Berlin: Die Prognose nnd Therapie der
Sohädelverletcangen durch die modernen Kriegsfenerwaffen.
Die Prognose ist von zwei Punkten abhängig, von dem
Charakter der Wunde und von der Ausdehnung der Scbädelver-
letzung und der Bedeutung der durchbohrten Himregion. Die
Wunde ist abhängig vom Querschnitt des Projektils und dessen
lebendiger Kraft. Direkte Verletzungen der hinteren oder mitt¬
leren Schädelgrube enden stets tötlich. Die oberflächlichen Schüsse
sind besonders gefährlich wegen der vielen Splitter und der In¬
fektionsgefahr. Was die Behandlung anlangt, so steht v. Berg¬
mann auf dem Standpunkt dass man nicht stets trepanieren soll,
nur daun wenn Blutungen aus der meuingea media nachgewiesen
sind oder es sich um eine umschriebene Läsion der motorischen
Region dui*ch Splitter handelt. Im Burenkrieg haben sich die
Chirurgen, zumal die Engländer, auf den Standpunkt gestellt, mög¬
lichst gleich zu trepanieren. Die eingedrungene Kugel bleibt,
wenn sie nicht direkt erreichbar liegt, unberücksichtigt.
Im allgemeinen kann man sagen, dass man bei Schädel¬
schüssen relativ viel therapeutisch erreichen kann nnd dass die¬
selben nicht so hoffnungslos sind als man gemeinhin glaubt
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1906.
MEDIOmiSCHE WOCHE.
163
Wiener ktlnieclie Wochenschrift. I0ü6. No. 12 .
1 . Baomgarien, Popper, Wien: TTeber die AnMobeidtmg
von Asetonkörpen bei Brkrankimgen des weiblieben Oenitales.
Verff. haben in sieben Fällen von Extrauteringravidität
Azeton und Äzetessigsäure nachweisen können, OxybuttersSure
fehlte dagegen. Die Untersuchungen ergaben> dass bei allen
Fällen von .^trauteringravidität mit Blutungen in die Bauchhöhle
sich eine beträchtliche Vermehrung der Azetonkörper fand. In
dififerentialdiagnostisch schwierigen Fällen, wo es sich um die
Entscheidung zwischen Adnextumoren und Cysten einerseits und
Hämatokelen andererseits handelt, kann das konstante Vorkommen
grösserer Mengen von Azeton und Äzetessigsäure im Ham als
unterstützendes Moment für die Diagnose der Hämatokeie heran¬
gezogen werden.
2. Oluzinski, Beichenstein, Lemberg: Kyeloma und
Lenoämia lymphatica plasmo-oeUnlaiis.
Verff. hatten Gelegenheit bei einem 47jährigem Mann ein
typisches Myeloma zu beobachten. Dasselbe entstand auf der
Basis mehrfacher Traumen. Im Verlauf der Erkrankung ent¬
wickelte sich eine Leucämia lymphadenoides medullaris. Die
Lymphocyten zeigten eine plasmatische Veränderung Uber deren
Entstehung eine einwandsfreie Aufklärung nicht gegeben werden
konnte.
Archlves generales de medecine. 1906. Nr. 1 .
1 . Bouygues: Be rhyperbidrose des extrdmites dite
essentielle.
Auf Grund eingehender anatomischer und physiologischer
Betrachtungen, klinischer und experimenteller Ergebnisse, kommt
Verf. zu dem Schlosse, dass die abnorme Schweissabsonderung
der Extremitäten keine essentielle Affektion, nicht als selbständige
Krankheit zu betrachten ist. Sie ist vielmehr nur ein Symptom,
Teil eines Komplexes krankhafter Erscheinungen, dessen Katar
man bestimmen muss. Sie tritt in die Erscheinung bei Intoxi¬
kationen: Rheumatismus, Alkoholismus, Wechseljahre, und bei
chronischen Infektionskrankheiten: Syphilis, Malaria, Tuberkulose.
Besonders häufig ist sie bei jungen Mädchen, die an Scrophulose
und Bleichsucht leiden. Physiologisch betrachtet, ist die abnorme
Schweissabsonderung an den Extremitäten die Folge einer Toxin¬
überladung des Blutes, wodurch eine Erregung der medullären
Centren, die die Schweissabsonderang regulieren, hervorgerufen
wird. Für die Therapie ergibt sich daraus, dass die lokale Be¬
handlung allein keine dauernde Wirksamkeit haben kann; es ist
eine je nach den verschiedenen Ursachen wechselnde Aligemein-
behandlung notwendig; in der grossen Mehrzahl der Fälle wird
sie sich decken mit der Behandlung der Scrophulose und der
Chlorose.
2. Hirtz et Lemaire: Bäträoissement tzioiupidien et
eyanose.
Mitteilung eines auch durch die Autopsie bestätigten Falles
reiner Tricnspidalstenose, Als besonders charakteristisch für dieses
Vitium wird die Cyanose hervorgehoben. Diese unterscheidet sich
von der mit den komplizierten kongenitalen Herzfehlern ver¬
bundenen, durch geringere Intensität und dadurch, dass sie er¬
worben ist; von der Cyanose bei Mitralfehlern im Stadium der
mangelhaften Kompensation, dadurch, dass sie vorkommt, ohne
irgendwelche sonstigen Zeichen gestörter Kompensation und durch
die Herztonica in keiner Weise beinflusst wird.
3. Pichon; Quelques remarques apropos d’une obseryation
de luxation mätaourpo^balangienue du oinqui^me doigt.
Fälle einer metacarpo-phalangealen Luxation des kleinen
Fingers sind sehr selten. Bei dem mitgeteilten war zuerst ein
Bruch angenommen, und ein Gipsverband gelegt, nach dessen Ab-
uahme erst die Luxation erkannt wurde. Trotz noch vorgenommener
Operation gelang die Reposition nicht mehr; es blieb eine wesent¬
liche Funktionsstörung, Atrophie der Ballenmuskulatur stellte sich
ein. Sichere Diagnose erlaubt nur die Röntgendurchleuchtung.
Hat man sie nicht zur Verfügung, so kann man die Phalange des
kleinen Fingers forziert extendieren; fühlt man Reiben gegen den
Hetacarpus oder Widerstand dieses Knochens, ist Luxation anzu-
neUmen, während widerstandsloses Hereiusinken in die Hand bei
Druck auf den Finger für BrUoh des Köpfchens s^<^t. Die
Reposition kann durch Verlagerung des Sraambeins grosse Schwierig¬
keiten machen; in dieser Beziehung sind diese Luxationen denen
des Daumens gleichzustellen. Unter Umständen wird man zur
Arthrotomie greifen müssen.
1906, Nr. 2.
Thorei: Bu prnrit daus la SypbUis.
Unter Mitteilung entsprechender Krankengeschiditen stellt
Verf. mehrere Gruppen von Fällen auf, bei denen sypkilitisdie
EiBorescenzen entgegen dem Gewohnten, mit Jackreiz verbanden
sind. Die erste betrifft Neuropathiker, bei denen Pruritos bei
Eruption der Syphilis sich ein^llt, weil sie eine abnorm erreg¬
bare Haut haben: die zweite umfasst die abnormen Formen der
sekundären Hantsyphilide, die aoue-, herpesähnlichen, die bläschen¬
förmigen, ekzematösen etc., die umso intensiveren Jackreiz erzeugmi
können, je mehr sie sich von der Papelform entfernen; in einer
dritten sind die Fälle zu vereinen, wo znm 83 ^hilitischen Prozess
Komplikationen hinzutreten, z'. B. Infektionen zu gummösen Pro¬
zessen, besonders die Follikulitiden, die fast immer syphilitische
Manifestationen an behaarten Stellen begleiten und intensivsten
Juckreiz verursachen, oder wo andere Hautaffektionen mit syphi¬
litischen Zusammentreffen. Niemals soll heftiger Juckrmz bei
Hautaffektionen einen von der Diagnose Syphilis abhalten.
Vermischtes.
Boliin. Der soeben erschienene Bericht des Zentral¬
komitees für das Rettungswesen in Preussen Uber den
Stand des Rettungs- und Krankenbefbrderongswesens im deutschen
Reiche, dessen Ladenpreis 14 Hk. beträgt, ist für den Preis von
12 Mk, von der Geschäftsstelle des Zentralkomitees, Bendler-
strasse 13, zu beziehen.
Berlin. Für den XXXV.Kongress derDentsohen Gesell¬
schaft für Chirurgie 1906 ist folgende Tagesordnung seitens
des Vorsitzenden, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Koerte, vorläufig
festgestellt worden: Am Mittwoch, dem 4. April, werden die
Vorträge kriegschirurgischen Inhaltes (8 an der Zahl) be¬
ginnen, an welche sieb voraussichtlich eine Diskussion anschliessen
wird. Für den Nachmittag sind Vorträge über Kropf
(Kocher), Thymus (Rehn), Schädeloperationen (F.
Krause, Sauerbruch, Borchard) angesetzt. In einer Abend¬
sitzung, um 8 ühr, wird Herr Holländer Uber Akroplastik
des späteren Mittelalters reden, sodann werden Projektions¬
bilder von H. Bardenheuer, Delkeskamp, Scbulze-
Duisburg, Joachimsthal, Holländer vorgeführt werden. —
Der zweite Sitzungstag, Donnerstag, den 6. April, wird
durch den Vortrag des Herrn Krönlein „Ueber Chirurgie
des Magengeschwürs*' eingeleitot, auf welchen eine Diskussion
folgen wird; bisher sind 17 Redner angemeldet. Danach werden
Vorträge und Demonstration aus dem Gebiete der Bauch-
chirurgie herankommen, wobei die auf dem letzten Kongresse
so ausführlich behandelten Gtegenstände (z. B. Appendicitis) diesmal
etwas zurückstehen müssen. Am Nachmittage des zweiten
Sitzungstages sind drei Mitteilungen über Herzverletzungen
(Sultan, Wendel, Goebell), ferner solche über Pleura-
Infektion (Noetzel), Pankreas und Milz angesetzt. — Den
dritten Sitzungstag eröffnet der Vortrag des Herrn Kraske
..Ueber die weitere Entwickelung der Operation hoch¬
sitzender Mastdarmkrebse“; zur Diskussion sind angemeldet
die Herren: Czerny, Kümmell, Kocher, Rehn, Hochenegg.
Darauf folgen drei Vorträge überCarcinom (Czerny, Kelling,
Borrmaon). Der ganze übrige Teil des dritten Tages ist für
Vorträge und Demonstrationen aus dem Gebiete der Extre-
mitäten-Chirurgie bestimmt, über deren Zurücksetzung in
dhr letzten Zeit Klage geführt worden ist. Am vierten
Sitzungstage, Sonnabend, den 7. April, findet zuerst die
voraussichtlich sehr ausgedehnte Verhandlung über die Bier'sehe
Staunngsbehandlung bei acuten Entzündungen statt
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164
&f£D101Nl$CHS WOCi^.
Nr. 14.
(1>S Hedöer). Daran raiUan Vorträge aos dem Gubietd üei-
Bakterlologie, Desinfektion, sowie über Erkrankongen der
Harnorgane an. Für den Nachmittag sind Mitteilungen aus
dem Gebiete der Hernien, Geschwülste, Plastik, In*
strumentenlehre etc. angesetzt.
Borlln. Der zweite Kongress der Association inter-
nationale de la Fresse mödicale wird am 17. April, 10 Uhr
morgens, in der Nouvelle Ecole de Medecine durch den gegen¬
wärtigen Vorsitzenden, Senator Prof. Dr. Cortezo, eröffnet
werden.;,phii ..zwei Tage dauern. Alle Mitglieder der Vereinigung
könne,daran, teilnehmen, müssen aber gleichzeitig sich als Mit-
glied^^Ues Internationalen Medioinischen Kongresses einschreiben,
Die Tagesordnnng umfasst ausser der Neuwahl des Vorstandes
u. a. folgende Punkto: Schutz des literarischen Eigentums in der
mediciniscben Presse, Grenzen der medioinischen Journalistik, das
mediciniscbe und pharmaceutische Gratisjoumal, die Errichtung
eines permanenten Bureaus der internationalen Kongresse, Be¬
rechtigung der Mitglieder der Association zur Teilnahme an me^
dicinischen Kongressen ohne Beitragszahlung. Etwaige weitere
Anmeldungen werden an den Generalsekretär, Dr. Blondel (Paris,
103 Boulevard Haussmann), bis 8. April erbeten.
In Lissabon wird zum ersten Male das Jahrbuch der Asso*
dation ausgegeben werden (Katalog sämtlicher der Vereinigung
angehörigen Zeitschriften, mit Angabe über das Jahr der Be¬
gründung, Erscheinungsweise, Preis usw.); die nicht dort an¬
wesenden Mitglieder werden es, gegen Elmsendung der Portokosten,
auf ihren Wunsch vom Generalsekretär zugesandt erhalten.
Hochschulnachrichten.
Berlin. Der Privatdozent für Kinderheilkunde, Dr. Pinkel¬
stein wurde zum Professor ernannt
Göttingen. Es habilitierten sich die Assistenzärzte DDr.
Wendenburg und Heiderich hei der mediciniscben Fakultät
als Privatdozentra.
Kiel. Geh. Rat Prof. Dr. Siemerling, Direktor der psy¬
chiatrischen \ind Nervenklinik ist zum Mitglied des Kedidnal-
kollegiums der Provinz Sohleswig-Holstoin ernannt worden.
Leipzig. In der mediciniscben Fakultät Leipzig hat sich
Dr. Heinrich Klien, Assistenzarzt an der Psychiatrischen und
Nervenklinik, als Privatdozent habilitiert.
Rostock. Dr. med. Joseph Meinertz, 1. Assistent und
■Oberarzt der mediciniscbea Klinik, bat sidi für das Fach der
inneren Medicin bid>Uitiert.
Neu nieders:elas8eii
haben sieh ln:
Braunscbweig. Dr. med. Wilhelm Dego. — DQsMidorf. SpeziaUrzt
Dr. Mayor. — Frankentbal. Spezialarzt Dr. W. Merckle. — Hamburg.
Dr. mod. Otto Hallour. — München. Dr. med. J. Berkenheier.
Pamilien-Nachrichten.
Verlobt;
Frl. Hartha Häneel in Kotzaehenbroda mit Hm. Dr. med. Max Haake
in Leipzig-Connewitz. — Frl. Gertrud Gericke mit Hm. Dr. med. Artbar
Gaertner beide in Danzig. — Frl. Hedwig von Bülow in Eckemförde mit
Marine-Stabsarzt Dr. med. Josef Röbiscbon in Kiel. — Frl. Blfriede Lke
in Elberfeld mit Hrn. Dr. med. Jan Boumann in Rotterdam.
TermiUilt:
Hr. Dr. med. Paul Kost mit Frl. Aejine Rittwegor in Pausa i. V. —
Hr. Dr. med. Gustav Doncks mit Frl. Frieda Huffmann in Königsberg l P.
— Hr. Augenarzt Dr. med. George Homp mit Frl. Frieda Funke in Königs¬
berg.
Geboren:
Einen Sofan: Hm. Oberarzt Dr. Findel in Breslau. — Hrn. Dr.
med. Reinbold Krauss in Heilanstalt Kennenburg. — Hm. Dr. med. C.
Harnisch in Probstbain (Scbles.)
Eine Tochter: Hm. Augenarzt Dr. Otto Meyer in Breslau.
Gestorben:
Dr. med. Paul Hoffmann in Stogiitz bei BmIio. — Geb. Sanitätsrat
Dr Emil Beuster in Berlin. — Dr. med. U. Paffenholz zu Düsseldorf! —
Dr. B)ed. Alfred Frantz in Goltbeim. — Dr. med. Adolph Friedländer ia
Königsbere i Pr. — Dr. med. Kalcher in Neusalz a. 0. — Dr. med. Gustav
Prang in Nenmark (WostprJ — Dr. med. Elmil Geon Heinrich Jütte io
Stettin. — Dr. med. Paul Fmncke in StOrmtal. — ^akt. Arzt Leopold
Haidl in Pottenstein (Nioder-Oeeterreich). — Königl. Generalarzt a. D. Dr,
Rudolf Aefner in Wolfenbfittel. — Oberstabsarzt Dr. Anton Worisek in
Wien. ~ Sanitätarat Dr. S. Rothschild in Zorge.
Tafel für ärztliche Stellenvermittluns:-
Adrtat«: Aerztliehe« Azskanfta-BMreM de« GeMUfto-AastobiaaM iw
Berllnsr IrztUohsn StudMvereiie In MadioMaobM Waaraabtose (Akt -
8ea.)f Barlla N., FrledrlobatrasM 108 I.
Für pertSnliche RQcktprache ict Herr Dr. JoMhla tEclieh TOB Vaz in
Mediciniechen Waarenbsuse anweteod. (Mit KÜtigcr EHaubnia des Ueachaftt-Auwchnuei
der Berliner Srttlichen Siandetvereine Tom Autkunfta-Bureau der Med. Woche fibermiodt.
In der Prov. Hannover wird für sofort ein Assistent gesncht.
Näheres unter No. 1084.
In einem Berliner Vororte wird zum 1. April ein Assistent gesacbU
Näheres unter No. 2013.
In Berlin wird für sofort ein Vertreter für Unfallstation gesacbt.
Näheres unter No. 2020.
In der Prov. Posen wird für Anf. April ein Vwtreter gesacbt.
Näheres unter No. 2022.
Id einer Grossstadt Nordostdeutscblands wird für Anf. April ein
Asästent für Chirurg. AbUdlung eines Krankenhauses gesucht Näheres
unter No. 2023.
In der Mark wird für Anf. April ein Assistent gesucht. Näheres
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Vortrag
von
Prof. Dr. med. 0. Laflge
Augenarzt am Herzoglichen Krankenbaose in Braunscbweig.
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VoraatwortUchar Radakteur t Dr. P. Maiaaoer, BerliaW. SS, KarfQratanatr. Sl. — Verlag tob Carl Marhold, Halle a. 8.
Dtoefc rea der Hevaeaia»n'eclieB Buchdmdterei, WellT, Hatte t. 8.
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Medicinische Woche
Deatschmann, A. D6br»sen, A. Hofta, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Qiessen.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partseb, H. Rosin, H. Schlange
Rostock. Beriin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverriebt, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
f ^
Verlag und Expedition
Carl Marhold in Halle a. S., Ulilandstrasse 6. 1
Icl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher SM- j
Redaktion:
Berlin W. 62, Kurffirstenstrasse 81.
I)r. P Meißner
Vn. Jahrgang;.
9. April 1906.
Nr. 15.
Die .Medicinische Woche« erscheint Jeden Montag mit der Utagigen Beilage BalneolOgiSChe Centralzcitung, Organ des Allgemeinen Deutschen
Biderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne
Nummer 25 Pi. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Üebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmäSigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Eine neue Centrifuge mit hoher
Tourenzahl und zuverlässigem Tourenzähler
und ihre Anwendung.
Von Geh. Sanitätsrat Dr. O. ThiloniaS'Soden a. Taunus.
So sehr es von allen Seiten anerkannt wird, dass zu dem
■wissenschaftlichen Apparate der heutigen Medicin auch eine
Centrifuge gehört, so wenig können die mit den bisherigen
Instrumenten dieser Art erzielten Resultate auf Zuverlässig¬
keit, Genauigkeit und damit auf volle wissenschaftliche Brauch¬
barkeit Anspruch erheben. Zu diesem Mangel trägt nament¬
lich der Umstand bei, dass über eine relativ niedrige Touren-
Abb. 1,
zahl nicht lünausgegangen und diese Zahl nicht einmal mit
genügender Sicherheit kontrolliert werden kann.
Um diesem ofifenbaren Mangel abzuhelfen, hat sich Referent
bemüht, eine Centrifupe*) herzustellen, die beides ermöglicht,
sowohl eine genügend hohe Tourenzahl als auch eine durchaus
zuverlässige Ilegistrierang derselben (Abb. 1). (Die aus diesen
Versuchen hervorgegangene Centrifuge hat der Verfasser be¬
reits beschrieben in der Beil. klin. Wochenschr. 1905, Ni’. 51.)
*) Fabrikant; Cbr. Wützel-Sodeu a. Tautms.
1. Um die erforderliche Zahl von 5 — 0000 Touren pro
Minute zu erzielen, wurde ein Motor von — 1 HP gewählt
und zwar Drehstrom mit Vorgelege und Riemen.
Gleichstrommotoren mit Rheostaten haben den grossen
Vorteil, dass sich die Kraftquelle genauer regulieren lässt;
selbstverständlich kann die letztere auch durch jede andere
Kraftquelle, Spiritus, Benzin, Petroleum und Gas ersetzt
werden.
Mit Rücksicht auf die beabsichtigte hohe Tourenzahl
wurde bei der Konstruktion der Maschine darauf Bedacht ge¬
nommen, den Betrieb so zu sichern, dass das Abfliegen irgend
eines Teiles derselben als ganz ausgeschlossen betrachtet werden
Die Centrifuge läuft in starken Kugellagern und hat eine
trommelartige Umhüllung aus Temperguss oder Aluminium.
Diese Trommel ist so eingerichtet, dass die eine Hälfte
derselben feststeht, während die andere geöffnet und zurück¬
geschlagen werden kann.
Um das Trockenlaufen der Kugeln zu verhindern, sind
die Teller der Kugellager so konstruiert, dass der nötige Oel-
vorrat von selbst immer wieder zu den Kugeln ziiriickkehrt.
Als Meßapparat zur Registrienmg der Tourenzahl wurde
nach Analogie des Regulators einer Dampfmaschine ein Tachy¬
meter konstruiert, das in Verbindung mit dem oberen Teil der
Achse steht. Nach Belieben kann dieses Tachymeter beständig
mit der Centrifuge verbunden bleiben oder auch vorübergehend
aufgesetzt werden; durch dasselbe lässt sich die Zahl der Um¬
drehungen pro Minute zuverlässig bestimmen und an dem
Zifferblatt des Tachymeters ablesen.
Die für 8 Einsätze eingerichtete Scheibe der Centrifuge
hat zwar die alte Runn5’sche Form, ist jedoch von einem
starken Eisenring eingefasst, gegen welchen sich die in Federn
hängenden Messingliülsen während der Hochtour anlegen. Durch
diese Einrichtung ist ein A'^erbiegen der Hülsen, sowie ein Ab¬
splittern irgend welcher Teile unmöglich gemacht. Die aus
starkem Messingrohr angefertigten Hülsen sind am Boden zum
Teil geschlossen, zum Teil mit einer Öffnung versehen.
Auch der Haematokrit wurde den neueren Anforderungen
angepasst; die Art des Gebrauchs dürfte aus nebenstehender
Zeichnung (Abb. 2) leicht ersehen werden. Die Pipetten selbst
wurden besser gearbeitet und das Ablesen der Zahlen er¬
leichtert.
Da es von AVichtigkeit ist, die unterste Schicht des Boden¬
satzes der centrifugierten Masse in kleinster Menge zu erhalten,
wurden zu diesem Zwecke besondere Gläser (Abb. 3) konstru¬
iert. Dieselben haben an ihrem unteren zugespitzten Teile
eine Öffnung, die durch eine mit Schraubengewinde verseheiu'
Hartgummikuppe verschlossen ist. Wird nun durch eine mit
Durcligangshahnen und Gummiballon versehene Röhre vor dom
Absclirauben der Hartgummikuppe die Luft im Centrifugen-
gläschen unbedeutend verdünnt, so können alsdann die untersten
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166
MEDICmiSCHE WOCHE.'
Nr 15.
Massen bequem direkt auf das Deckglas fein aufgestrichen
werden.
2. Was nun die mit dieser Centrifuge zu erzielenden Resul¬
tate anlangt, so darf wohl zunächst darauf hingewiesen werden,
dass auf diesem Gebiete die Haematokrituntersuchungen mit
Recht im Vordergründe des Interesses stehen. Handelt es
sich doch hierbei nicht allein um das Studium der Einwirkung
der Mineralwässer auf das Blut, sondern auch um Feststellung
der Wirkung des osmotischen Druckes auf die
Blutscheiben. Während nun die bisherigen
Haematokrituntersuchungen
nur relativ gütige Werte liefer¬
ten, Werte, die nur dann
untereinander verglichen wer¬
den konnten, wenn sie unter
denselben Bedingungen, also
von demselben Experimentator
mit Benutzung derselben Centri¬
fuge gewonnen worden waren,
so sind die mit unserer Centri¬
fuge erzielten Werte, weil
unter genau derselben Touren¬
zahl gewonnen, absolut gütig!
Hierdurch aber wird ge¬
rade die Haematokritmethode
zu einer wertvollen Kontrolle
der übrigen Untersuchungs*
methoden auf dem Gebiete der
Haematologie.
Wie rasch dabei diese
Centrifuge arbeitet, geht daraus
hervor, dass es gelingt, frisches
Blutauch ohne Verwendung von
üelpipetten so schnell zu centrifugieren, dass Plasma und Blut¬
körperchen von einander getrennt sind, ehe Gerinnung eintritt.
Koeppe machte bei solchem mit über 5000 Touren pro Minute
centrifugierten Blut im Laboratorium des Verfassers die Beob¬
achtung, dass regelmäßig die Blutscheiben durchscheinend er¬
schienen, als ob. sie aufgelöst wären. Dass letzteres aber nicht
der Fall ist, ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Blut-
scheiben, auf den Objektträger geblasen, unter dem Mikroskop
auch nicht die geringste Veränderung zeigen. Koeppe gab
dieser Erscheinung folgende Erklärung: Die auf die Blutscheiben
wirkende Centrifugalfoaft ist so gross, dass auch der letzte
Feuilleton.
Pariser Brief.
„Je weiter der Fortschritt, desto ferner das Ziel“ möchte
ich als Paradox an die Spitze meines Ueberblicks stellen und
sodann die Verhandlungen der Pariser medicinischen Gesell¬
schaften aus den letzten Monaten, soweit sie die Infektions¬
krankheiten betrafen, zusammenfassen. Der Abdominaltyphus
ist eine seit drei Vierteljahrhunderten gutgekannte, auf sicherer
klinischer, wie anatomischer Grundlage aufgebaute Krankheit,
die zudem seit 1888 zu dem allgemein anerkannten Besitz des
^ezifischen Erregers, des Eberth’schen Bazillus, gelangt ist.
Es schien ihm also nichts zu einer gesicherten Existenz zu
fehlen und nun ist diese doch durch den Wettbewerb, natürlich
den unlauteren, des Paratyphus sehr bedrängt. Nach einem
Vortrag von Netter in der Sociötö de Biologie steht es schon
recht bedenklich um den altehrwürdigen AbdomiDalt 3 q)hus.
In den letzten zwei Jahren hat Netter seine entsprechenden
Patienten aufs genaueste untersucht, und gefunden, dass bei
seinen 37 Fällen 29 mal nach aller Wahrscheinlichkeit der
Paratyphus vorlag. Also mehr als 70 % der scheinbaren Ty^hus-
fällo wären Paratyphuslalle. Leider ist nun aber die Aetiologie
der Paratyphus keine einheitliche. An Stelle des Eberth’schen
Typhusbacillus findet man beim Paratyphus, bei der Unter¬
suchung der Fäcalien und des Blutes, den Gaertner’schen Ba-
Rest von Flüssigkeit zwischen den einzelnen roteö Blutscheiben
entfernt wird und daher die letzteren Wand an Wand direkt
aneinander liegen. Wenn aber keine Flüssigkeit mehr zwischen
den einzelnen Scheiben ist, so gibt die Blutscheibensäule auch
das wahre, das absolute Volumen der Blutscheiben im Blute
an. Somit ist dieses scheinbare Auftreten der Lackfarbe zu¬
gleich ein wertvoller Beweis für die erreichte höchste Leistungs-
föhigkeit einer Centrifuge.
Es liegt auf der Hand, dass die Vorteile einer solchen
hochtourigen Centrifuge sich auch ganz besonders bei Unter¬
suchungen von Sputa, Urin, eitrigen Sekreten zeigen, weil
sich die Bakterien als schwerste Teile zu unterst setzen; blut-
und eiterhaltiger Urin ist schon nach 1 —2 Minuten vollkommen
klar sedimentiert. Der Nachweis, dass der Urin auch des ge¬
sunden Menschen Cylinder enthält, ist unschwer zu führen.
Wichtig ist auch die Untersuchung auf elastische Fasern, deren
Nachweis in den letzten Jahren mit Unrecht vernachlässigt
wurde.
Eine grosse Erleichterung und Abkürzung erfährt die
Untersuchung z. ß. der Sputa auf Tuberkelbacillen, der eitrigen
Sekrete auf Gonokokken usw. Die Frühdiagnose der Tuberku¬
lose bietet meistens erhebliche Schwierigk^eiten und ist des
öfteren nicht exakt zu stellen; wie häufig wird, obwohl ver¬
dächtiges Sputum vorhanden ist, nichts gefunden, weil das
zur Untersuchung stehende stecknadelkopfgrosse Klümpchen
zu klein ist und ein positives Resultat eigentlich dem Zufall
überlassen bleibt. Alle zur Auffindung z. B. von Tuberkel¬
bazillen vorgeschlagenen Methoden sind umständlich und zeit¬
raubend und werden deswegen in der Praxis selten angewandt.
Wie ganz anders ist die Untersuchung mittels hochtouriger Centri¬
fuge! Die verdächtige Sputummenge wird mit einer schwachen
Lösung von Kal. carbonic., ungefähr 0,1%, 20 — 30 Minuten
lang in einem Schüttelapparat*) leicht geschüttelt und dann
unter Zusatz von Alkohol, ungefähr 20 — 30%, 10—20 Minuten
mit Hochtour {5600 Umdrehungen pro Minute) centrifiigiert.**)
Ist eine grössere Sputummenge vorhanden, so werden sämt¬
liche 8 Einsätze der Zentrifuge gefüllt und centrifugiert, die
Bodensätze dieser Gläschen darauf in einem Centrimgengläs-
*) Solche ebenfells nait Motor getriebene Scbllttelapparate liefert der
Fabrikant der Centrifage.
**) Eine andere Methode fUr den Nachweis der Tbc. in den faeces
ist von Strasbuiger (Die faeces des Menschen im normalen nnd krankhaften
Zustande, von A. Schmidt und J. Straaburger, Berlin, Birschwald, 1905}
angegeben, auf welche wir verweisen.
cillus enteritidis, den Conradi’schen Bacillus, den Paracoli-Bacillns
und die von Brion und Kayser als Paratyphusbacülus A und
B bezeiebneten Microben. Die Konkurrenz ist also eine recht
beträchtliche. Das Serum der Parat 3 rpbuskranken agglutiniert
nicht oder kaum den Eberth’schen Bacillus, dagegen selir leicht
die anderen Bacillen und dies ist für Netter der Beweis, dass
in jenen Fällen kein richtiger Typhus vorliegt. Die klinischen
Erscheinungen des Paratyphns zeigen dagegen eine beängstigende
Aehnlichkeit mit denjenigen des echten Typhus, so dassVariot
und Laveran in der Soci^te m6dicale des h^itaux an Netter
die Frage stellten, ob überhaupt die Schaffung dieser neuen
Krankheitsform einem klinischen Bedürfnis entspreche und so¬
dann welches bei den letalen Fällen die Ergebnisse der Auto
psie sind. Netter erwiederte, dass allerdings das klinische
Bild eine sichere Entscheidung nicht zulasse. Die wesentlichste
und für den Arzt wichtigste Eigenart des Paratyphus sei seine
verhältnismässige Benignität. In einer Statistik von Prat mit
86 Krankengeschichten betrug die Mortalität nur 3,6%. Be¬
züglich der Frage nach Sektionsergebnissen erwiederte Netter,
dass er selbst nur Gelegenheit gehabt habe, die Autopsie eines
zwei Monate nach Paratyphus an Meningitis verstorbenen
Kindes zu machen, er habe dabei keine Narben im Darme
gefunden, dagegen liegen vom Auslände fünf Sektionsberichte
vor, darin sind dreimal keine, zweimal leichte Veränderungen
an den Peyerschen Plaques vermerkt. Die letzteren waren,
wie beim echten Typhus ulcerit, wenn auch mehr oberflächlich
und weniger ausgedehnt, als sonst. Auch nach diesen Ausführungen
blieb Laveran bei der Auffassung beharren, dass man den
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1906.
MBDICINI8CHE WOCHE.
16t
eben vereinigt und abermals centrifugiert Nach Abschrauben
der Kapsel wird dann der Bodensatz direkt auf das Deckglas
estrichen. Auf diese Weise können mit Leichtigkeit in einem
pntum, das auch nach genauer Durchsuchung ohne Centri-
fuge keine Tuberkelbacillen aufweist, Tuberkeibacillen oft in
ziemlicher Menge gefunden werden. Die Diagnose braucht
viel seltener in der Schwebe zu bleiben; kann man doch jetzt
mit annähernder Sicherheit sagen, ob in dem übersandten
Sputum Tuberkelbacillen vorhanden sind oder nicht. Auf
Grund zahlreicher Untersuchungen können wir heute be¬
haupten, dass ein Sputum mit negativem Untersuchungsresultat
unbedingt nach obiger Methode durchforscht werden muss.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Dass man im preussisohen Landtag nicht allzu viel für die
Aeizte übrig hat, ist eine längst bekannte Tatsache. Jüngst
wurde sie wieder aufs neue bestätigt, als bei den Etatsberatungen
verschiedene Redner ärztliche und sozialhygieniscbe Angelegen¬
heiten zur Sprache brachten. Schon oft haben die Aerzte ihre
Teilnahme an der Gewerbeinspektion gewünscht und von berufener
Seite ist dargelegt worden, wie ausserordentlich sich dazu Aerzte
qualifizierten; der preussischu Handelsminister erklärte eine solche
Heranziehung der Aerzte für unzweckmäßig. Ueber die schlechte
Bezahlung von Assistentenstellen und über die Gesamtlage der
Assistenten wird derart geklagt, dass ein wirtschaftlicher Verband
der Assistenzärzte in Bildung begriffen ist. Ira Abgeordneten¬
hause wurde auf die mangelhafte Besoldung der Assistenten und
auch der Abteilungsleiter an Instituten für Infektionskrank¬
heiten hingewiesen, worauf vom Regierungatische prompt die Ant¬
wort erfolgte, die Assistenten könnten mit ihrem Gehalt ganz zu¬
frieden sein. Da für das Centralkomitee, für das ärztliche Fort¬
bildungswesen ein Beitrag geleistet wird, gelangten auch diese
"Kurse zur Besprechung. Ein Redner stellte dieselbe Forderung
auf, die wir selbst schon mehrfach, zuletzt im Januar d. J. in der
Berliner Aerztekammer vertreten haben: Dass die ärztliche Fort¬
bildung in den Händen des Staates liegen müsse, dieser die not¬
wendigen Mittel aufzubringen und ganz besonders die Dozenten
zu besolden habe. Die Antwort des Regierungsvertreters, dass die
Aerzte für ihre Fortbildung selbst sorgen müssten, lässt die Er¬
kenntnis vermissen, dass die öffentliche Gesundheitspflege an einer
von Netter beschriebenen sogenannten Paratyphusfällen, in
Ermangelung einer Eigenart, meist wohl die Bezeichnung von
wahrem Typhus nicht verweigern könne.
Der klinische Typhus dürfte also wohl einheitlich weiter¬
bestehen bleiben, nicht aber der bakteriologische. Vom legi¬
timen altangesessenen Eberth’schen Typhusbacillus bis zum
streberhaften Bakterium coli scheint sich eine ganze Reihe von
Zwischenformen wie der Gaertnerschen Euteritisbazillus und die
sogenannten Paratyphus- und Paracolibacillen herauszuheben, die
man alle für das klinische Typhusbilü verantwortlich machen
kann. Die Spezifität der Microben erschüttert sich so für den
Kliniker von Tag zu Tag mehr und mehr.
Ebenso wie mit dem Typhus geht es auch mit der In¬
fluenza, die freilich nicht auf so fester, altgediegener Basis ruht,
wie der Typhus. So recht bekannt ist sie ja erst durch ihren
Zug durch Europa vom Winter 1889/90 und ihr „spezifischer
Erreger“ der Pfeiffer’sche Bacillus, datiert nur vom Jahre 1892.
Im letzten Winter hatte nun in Paris eine kleine Influenza¬
epidemie geherrscht, durch die Bezanpon zu eingehenden
bakteriologischen Untersuchungen über diese Krankheit ver¬
anlasst worden ist. Im Sputum der Patienten konnte Bezan^on
gegen alle Erwartung nur ganz selten den Pfeiffer’schen Ba-
cilTns feststellen. Die vorherrschenden Microben waren der
Pneumococcus, der Streptococcus, derEnterococcus undderMicro-
coccuscatarrhalis. Diesen Befund teilte Bezamjon derSoci^temödi-
cale des höpitaux mit, und knüpfte daran die Betrachtung, dass
der Pfeiffersche Bacillus heute nicht mehr als spezifisch für
die Influenza angesehen werden könne und dass es überhaupt
andauernden Fort- und Durchbildung der Aerzte mindestens das
gleiche Interesse haben muss, als die Aerzte selbst.
Eine oftmals wiederholte Forderung ist die nach Lehrstühlen
für die soziale Medicin, die heute von dem ärztlichen Praktiker
genau so beherrscht sein muss wie die Untersuchungsmeihoden.
Jüngst hat nun das Cultusministerium in Bonn und in Berlin
einen Lehrauftrag erteilt an zwei Herren, die durch ihre sonstige
Tätigkeit in keiner Weise qualifiziert erscheinen, soziale Medicin
zu lehren. Damit soll es, wie die Regierung erklärte, vorläufig
genug sein, denn die Fakultäten haben sich gegen solche Lehr¬
stühle ausgesprochen und die Akademieer seien zur Pflege dieses
Faches in erster Reihe berufen. Jede Erwidernng auf derartige
Ausführungen erübrigt sich, wenn man mitteüt, dass der erste
Kursus in dem von der Ortsgruppe Berlin des Leipziger Verbandes
errichteten Seminar für soziale Medicin, dessen Programm wir in
dieser Wochenschrift besprochen haben, von mehr als dreihundert
Teilnehmern besucht worden ist.
Schliesslich fand noch die Frage des ärztlichen Berufsgeheim¬
nisses eine Besprechung auf Grund jenes Reichsgerichtserkeunt-
nisses, dass einen Arzt freigesprochen hatte, der eine Mutter ge¬
warnt batte, ihre Kinder mit ihrer syphilitischen Schwester in
Berührung kommen zu lassen. Die Ausführung des Reichs¬
gerichtes, dass der Ary.t durch das preussische Ehrengerichtsgesetz
verpflichtet sei, seinen Beruf „gewissenhaft“ auszuüben und dass
das Vorgehen des betreffenden Arztes ein gewissenhaftes sei, wurde
stark angefochteu, der § 300 als durchaus verbindlich hingestellt
und eine Abänderung der Formulierung des Ehrengerichtsgesetzes
bei Wiederholung derartiger Vorkommnisse in Aussicht gestellt.
Uns Aerzten kann dies einerlei sein; wir werden, ob mit, ob ohne
Paragraphen, stets so handeln, wie es uns unser Pflichtgefühl
vorschreibt; wir werden stets das Berufsgeheimnis als ein not¬
wendiges Correlat für eine gedeihliche Ausübung unserer Tätigkeit
ansehen; wir wissen aber, dass es Verhältnisse geben kann, wo
uns gerade die Rücksicht auf das Wohl unserer Klienten zwingen
kann, das Berufsgeheimnis zu brechen. Das muss von Fall zu
Fall entschieden werden. Feste Normen hier aufzustellen, ist
schier unmöglich.
Die Vertiefung, welche seit einigen Jahren allerorts die sozial-
hygienischen Bestrebungen finden, veranlassen die kommunalen
Verwaltungen, diesen ihr Augenmerk zuzuwenden und dafür Sorge
zu tragen, dass ihnen eine in solchen Fragen kompetente medi*
cinisebe Kraft zur Seite steht. Dass dies nur der Fall sein kann,
wenn einem solchen Arzt Sitz und Stimme als besoldetes Mitgb'ed
des Magistrats gewährt wird, ist weitsichtigen Communen längst
wohl keinen Wert habe, nach einem spezifischen Erreger zu
suchen, da die Inflaenza selbst doch nicht als eine spezifische
Krankheit betrachtet werden könne. Ihr Krankheitsbild sei
ja proteusartig, es sei bedingt von vorübergehender, von der
Witterung meist mitbeeinflusster Steigerung der Virulenz von
unsere Athemwege bewohnenden banalen Saprophyten. Die
Neigung zu gleichartiger Lokalisation in den einzelnen Ende¬
mien sei durch das längere Verweilen und Anpassen der Bak¬
terien an das betreffende Organ zu erklären. Während diese
Ausführungen von verschiedenen Seiten unterstützt wurden,
fehlte jedoch auch, wenigstens von klinischer Seite, der Wider¬
spruch nicht. Bariö wies darauf hin, dass diejenigen, die
selbst die Epidemie von 1889 in ihrer Plötzlichkeit una Inten¬
sität miterlebt haben, genau wissen, dass es sich dabei um etwas
ganz anderes, als die Katarrhe die man zwar jetzt gemeinhin
als Inflaenza und Grippe bezeichnet, gehandelt habe. Und
auch bei der endemischen Grippe ist kritisch vorzngehen,
man soll nicht ohne weiteres jede gutartige Rhinitis, Pharyn¬
gitis, Tracheites u. s. w. als katarrhalische Grippe bezeichnen,
sondern wohl wissen, dass die Grippe allerdings unter diesen
Formen auftreten kann, aber auch daneben oft noch fast spe¬
zifische Charaktere besitzt, wie heftiges K<mfweh, starke Zer¬
schlagenheit, nervöse Ermattung, grosse Muskelschwäche, die
langdauerade Reconvalescenz, fast wie bei Typhus, nach sich
zieht. Also auch, hier wie bei der erstbesprochenen Krankheit
stimmt Klinik und Bakteriologie ganz und gar nicht überein.
In der Soci6t6 die Biologiö wurde über die Bakteriologie
des Icterus catarrbalis verhandelt. Die Zeiten sind ja längst
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ISJ&LiIGDTlSullJE T^OCSB.
Nr. 16.
klar geworden. Augenblicklich geht unsere aufbliiheude Nachbar¬
stadt Schöneberg mit dem Plano der Anstellung eines Stadtmedi-
oinali'ates um Dieser soll ein ständiger Berater der städtischen
Körperschaft und speziell der Deputationen in allen Fragen der
öffentlichen Gesundheitspflege sein und als Dezernent alle sozial-
hygienischen TJntersuchuDgen der Gemeinde bearbeiten. Hierzu
gehören insbesondere die Angelegenheiten der Bekämpfung der
Tuberkulose und der Säuglingssterblichkeit. Ihm soll iemer die
Leitung der Fürsorgestellen übertragen werden und er soll eine
Heilstätte für Lungenkranke einrichten. Er hat ferner die Unter¬
suchung der städtischen Angestellten vorzunehmen und in allen
medicinischen Fragen Gutachten zu erstatten. Das Vorstehende
zeigt, dass in den grossen Oommunen ein reiches Arbeitsfeld für
einen Stadtmedicinalrat vorhanden ist. Das grösste aber birgt
wohl unsere Stadt Berlin, denn hier ist noch eine Reihe weiterer
Fragen — wir nennen nur das Rettungs- und Krankenhauswesen —
andauernd in Fluss. Wann endlich werden in Berlin die leitenden
Männer einsehen, dass ein ganzer Mann an der Spitze eines
solchen Amtes stehen muss? Leider ist solche Erkenntnis nicht zu er¬
warten, so lange das Oberhaupt der Stadt beim jedesmaligen Ein¬
bringen ärztlicher Forderungen sich von dem Verdacht nicht frei
machen kann, die Aerzte wollten nur ihre eigenen Interessen
fördern. Gerade die Berliner Aerzteschait hat unzählige Male
bewiesen, dass sie stets uneigennützig und aufopfernd dem Gemein¬
wohl zu dienen bereit ist.
Periodische Literatur.
Münchener medicinische Wochenschrift. 1906. No. 13.
1. Siegel, Frankfurt a. M.; Die Arteriosklerose in der
Chimrgie.
Die Arteriosklerose bietet relativ selten Anlass zu chirurgischen
Eingriffen. Sie kann erschwerend wirken als Begleiterscheinung,
wenn es sich um Narcose handelt. Im allgemeinen ertragen alte
Arteriosklerotiker die Narcose viel besser, wie jugendliche Patienten
mit der gleichen Erkrankung. Die Brüchigkeit der Gefässe kaun
bei der Frage der Blutstillung von Bedeutung sein, ebenso die als
Folgeerscheinung der Arterienverkalkung auftretenden Aneurysmen.
Der Altersbrand auf arteriosklerotischer Grundlage kann gelegent¬
lich Anlass zu chirurgischem Eingreifen geben. Infmerhin wird
der Chirurg als ersten Grundsatz das „nil nocere“ beachten müssen.
2. Baumaun, Breslau: üeber den B>aohenreflez.
Für die Praxis unter.^cheidet mau am besten nur zwei Reflexe.
Den Rachenreflex und den Gaumenreflex. Der erstere besteht in
Kontrakturen der Muskulatur bei Berührung der hinteren Rachen¬
wand. Zum Zustandekommen des Rachenreflexes ist es nicht nötig,
dass eine Würgebewegung eintritt, es genügt eine deutlich sicht¬
bare Kontraktion der Rachenmuskulatur. Ein wirkliches Fehlen
des Rachenreflexes ist äusserst selten und auch in diesen seltenen
Fällen handelt es sich meist nur um ein zeitweiliges Fehlen. Bei
jugendlichen Individuen ist der Rachenreflex relativ öfters gesteigert,
als beim Erwachsenen. Bisweilen ist eine psychisch bedingte
Hemmung des Rachenreflexes nachweisbar. Bei chronisriiem
Rachenkatarrh kommt eine Steigerung des Reflexes im allgemeinen
nicht vor. Bei akutem Rachenkatarrh lässt sich keinerlei Gesetz¬
mäßigkeit in dem Reflexverhalten nachweisen. Bei Hypertrophie
der Tonsillen ohne entzündliche Schwellung ist eine Herabsetzung
des Rachenreflexes im allgemeinen sehr selten.
3. Berger, Hamburg: üeber die diagnostUoke Sonderung
echter Choleraf&Ue von oholeraähnliohen Erkrankungen.
Verf. teilt die Erfahrungen mit, welche am Eppendorfer
Krankenhaus mit den verschiedenen Nährböden gemacht worden
sind, wenn es sich dai'um handelte, eine schnelle und sichere Diag¬
nose zu stellen. Vor allem wurden gute Resultate mit den Dri-
galski-Conradi’sehen Nährböden erzielt. Es gelang in einem Fall
nach 7, in einem zweiten nach 6 Stunden, zwei Fälle von Cholera
asiatica mit Sicherheit zu diagnosticieren und von den choleraver¬
dächtigen gastroenteritiden andersartiger Aetiologie zu trennen.
4. Lange, München: Schule und Korsett
Verf. hat auf eine Anfrage des Münchener Ijehrerinnen-Vereins
das Referat über diese wichtige Frage übernommen. Der Inhalt
der erst in ihrem ersten Teil vorliegenden sehr interessanten Arbeit
lässt sich kurz folgendermaßen wiedergeben: Jedes Schnüren ist
ohne weiteres als gesundheitsschädlich zu verwerfen. Jedoch auch
jedes sogenannte „lose** Korsett bedingt ganz erhebliche Gesnnd-
heitsschädigungen. Verf. hat beobachten können, dass der untere
Thoraxumfang auch bei lose sitzendem Korsett bei der Atmung
keine Aenderung erfährt, also durchaus festgestellt ist. Infolge
dessen bildet sich bei der Frau eine rein oostale Atmung heraus
und das Zwerchfell wird so gut wie ganz ausgeschaltet. Diese
naturgemäß sehr oberflächliche Atmung ist Schuld an einer nicht
genügenden Blutbildung, an der Chlorose. Aber auch die geringen
Exkursionen des Zwerchfells bedingen erhebliche Schädigungen des
Magens und Darmes, sie können die Ursache von Stauungen in
vorbei, in denen sich die Gelbsucht einer einfachen Sekretma.ssc,
die den Ductus choledochus verstopft, als ihres ätiologischen
Hauptmomentes erfreuen durfte. Die finstere Macht der Ba¬
cillen muss auch hier herhalten. Finster sind sie dabei, soviel
ist sicher, ob mächtig dagegen ist eine andere Frage. Von
den beiden Forschern Sacquep6e und Fräs in Paris waren
16 sporadische Fälle von katarrhalischem Icterus aufs sorg¬
fältigste bakteriologisch untersucht worden. Sie legten Kulturen
aus den Dejectionen an und studierten die Aggultinations-
reaküon des Blutserums. Ihr Ergebnis war, dass in den 16 Fällen
dreimal der Eberth’sche Typhusbacillus, zweimal der Paratyphus¬
bacillus A, einmal der Paratyphusbacillns B nnd fünfmal das
Bakterium coli als wahrscheinlicher Krankheitserreger sich
herausstellte. Die fünf übrigen Fälle ergaben kein sicheres
Resultat. Das eben erwähnte Bacillenkonsoitium scheint also
alle Darm- und Darmdrüsenkrankheiten in Pacht genommen
zu haben.
Um so besser steht es dagegen zur Zeit um die Bakterio¬
logie der Syphilis. Nach langem, langem Suchen hat sie end¬
lich ihren Erzeuger in der Spirochäta pallida Schaudinni ge¬
funden, oder glaubt es wenigstens. In Frankreich hat man
sich mit grossem Eifer an die Nachprüfung dieser sensationellen
deutschen Erfindung herangemacht. Als erster in Frankreich
hatte Metchnikoff in der Acaedmie de Mödecine darüber ge¬
sprochen. Er drückte sich sehr günstig aus und teilte mit,
dass er beim kranken Menschen, wie beim künstlich infleierten
Affen, die Schaudinn’sche Spirille habe ebenfalls auffinden
können. Seither haben sich me Mitteilungen in diesem Sinne
lebhaft vermehrt. In der Soci6tu medicale des höpitaux teilte
Meneirier mit, dass er bei einem wenige Stunden nach der
Geburt gestorbenen syphilitischen Neugeborenen die Spiriilen
in der Pemphigusflüssigkeit, in der Leber, der Milz und den
Blutgefässen aufgefunden habe. Es lag also in seinem Falle
eine wahre Spirocbaetensepticämie vor, die iu den Organen
nur gewöhnlicne lu-peräniische Erscheinungen hervorgerufen
hatte.
Eingehende Untersuchungen in der gleichen Richtung sind
von Bodin kürzlich der Sociötö de Dermatologie et Syphiii-
graphie in Paris mitgeteilt worden. Beim in der Entwicklung
begriffenen, nicht behandelten syphilitischen Schanker konnte
er konstant die Spirochaete pallida von Schaudinn nachweisen,
ebenso auch bei den sekundären papulo-squamösen und ulce-
rösen Formen. Nur im Roseolafleck war die Spirochaete nicht
zu finden. Dies ist dagegen zwei anderen Forschern, Veilion
und Girard, mittelst der Levaditischen Methode gelungen.
Aus den angefertigten Schnitten konnten sie ersehen, dass die
roten Flecke nicht, wie man bisher angenommen, eine Foischer
Erscheinung darstellen, sondern vielmehr eine wahre Parasiten¬
embolie in die Hautpapillen sind. Die Capillaren derselben
werden darauf hochgradig hyperämisch und eine perivasculäre
Infiltration stellt sich ein. Damit ist der Roseolafleck gebildet.
Das bakteriologische Thermometer der Syphilis steht also in
Frankreich zur Zeit vorzüglich. Auf Hochstände folgen häufig
Depressionen. Qui vivra, verra. P. S,
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1006.
MEDICmiSCHB WOCHE.
169
der Leber (GaUensteinen) etc. sein. Die Rubigstellung der unteren
Bmstkorbhälfte hat aber eine ganz besondere Bedeutung in Bezug
auf das Wachstum. Wenn im 13.—16. Jahre ein erhebliches
Wachstum in die Länge und Breite einsetzt, dann bleibt die
Gegend der Taille vollkommen zurlick und es entsteht eben das,
was wir Taille nennen. Ganz erheblich ist die ungünstige Ein¬
wirkung des Korsetts auf die RUckenmuskulatur. Diese 'wird fast
ganz zur Untätigkeit verdammt und verkümmert, daher kommt es
auch, dass die meisten korsettgewohnten Frauen bei Ablegen des
Korsetts über Rückenschmerzen klagen. Die Arbeit wird in der
nächsten Nummer zu Ende geführt.
5. Gebele, Ebermayer, München: TTeber Behandltmg der
Oelenktnberknlose.
In der Münchner chirurgischen Klinik steht man auf dem
Standpunkt, dass die zum Teil heute vertretene ultrakonservative
Richtung gerade so verkehrt ist, wie die ultraoperative. In erster
Linie wird für eine genügende Fixation des Gelenks gesorgt und
zwar durch Gips- oder Zelluloidverbände. Sind Kontrakturen vor¬
handen, so wird extendiert. Mit der Fixation wird eine Injektion
von 10% Jodoforraglycerin kombiniert und zwar unter Verwendung
geeignet gefensterter Gipsverbände. Gewöhnlich wird innerhalb
8—14 Tagen einmal, und zwar bei Erwachsenen 6—10 ccm, bei
Kindern 1—6 ccm eingespritzt. Für die Bier’sche Stauung sind
nur die Fälle von Granulationstuberkulose geeignet, bei denen
unter dem Einfluss der Stauung die Gelenke ausgesprochen blaurot
und rasch schmerzfrei werden. Die Binde bleibt täglich 4—6
Stunden liegen.
Als ideales Ziel ist natürlich zu erstreben Erhaltung des Ge¬
lenkes, gutes funktionelles Resultat und Ausheilung. Zu einer
Resektion soll erst geschritten werden, wenn das konservative Ver¬
fahren sich als aussichtslos erwiesen hat. Als operative Maßnahmen
kam neben fllxkoohleation und Arthrektomie, sowie primären Ampu¬
tationen hauptsächlich die von Volkmann eingeführte Arthrektomia
ossalis bezw. die atypische Resektion zur Anwendung.
6. V. Be hm, Erfurt; Eine eigenartige SchussTerletsung der
Kieferhöhle.
Verf. konnte eine eigentümliche Scbussverletzung beobachten.
Bei einer Erklärung des Infanteriegewehres durch einen Soldaten
entlud sich eine in demselben befindliche Platzpatrone imd schleu¬
derte den Verschlussdeckel des Gewehres der 62 Jahre alten
Patientin so gegen die Wange, dass derselbe tief in den Ober¬
kiefer und die Kieferhöhle eingedrungen war und mit einem Teil
in die Nasenhöhle vorragte. Die Entfernung gelang auf operativem
Wege anstandslos. Heilung per primam. *
7. Hahn, Mainz: Das Btangenlager.
Verf. hat, um bequem Rumpfverbände bei bettlägerigen
Patienten anlegen zu können, folgende Vorrichtung konstruiert.
Auf dreieckigem Fass erhebt sich eine 1 m hohe Eisenleiste, welche
mit zahlreichen querovalen Löchern versehen ist. Je ein solcher
Ständer kommt auf jede Seite des Bettes zu stehn. Eine polierte
nnd vernickelte Stahlstange wird unter den Patienten beispielsweise
im Kreuz durohgeschoben und nach Anheben in die entsprechenden
Löcher der Ständer gesteckt. So gelingt es leicht, den Patienten
beliebig hoch zu lagern. Das Stangenlager fertigt Mechaniker
Beruh. Schreiber, Mainz.
8. Philip, Hamburg; Ein neuer WäBekesehutz bei Oenorrhoe.
Um die Verunreinigung der Wäsche durch Trippereiter zu
vermeiden, bat Verf. eine mit Leibgurt umschnallbare oder an das
Suspensorinm leicht anknöpfbare Schürze aus aufsaugungsfähigem
Prottierstoff anfertigen lassen. Er nennt diese Vorrichtung den
„grossen nnd kleinen Servator“. Ein besonderer Vorteil besteht
darin, dass der Penis in keiner Weise aus seiner natürlichen Lage
gedrängt wird und dass das Glied auch nicht zu warm eingepackt
ist. Bei der Gefährlichkeit des Trippereiters dürfte sich jede Ver¬
besserung in dieser Richtung sehr empfehlen Der „Servator“
wird angefertigt von der Firma Gebr. Bandekow, BerlinSW.61,
9. Posselt, Innsbruck: Die Stellung des Alveolareohino-
oooous.
Die in der vorigen Nummer begonnene und in ihrem ersten
Teil bereits referierte Arbeit wird zu Ende geführt. Verf. ist es
gelungen, den nach histologischen und klinischen Befunden sich
ihm aufdrängenden dualistischen Standpunkt durch das Experiment
der Züchtung zu erweisen. Bei einem ausgesprochenem Fall von
Alveolarechinoooccos der Leber schritt er zu Fütterungsversuchen
bei einem jungen nachweislich helminthenfreien Hund and konnte
nach einiger Zeit zahlreiche frische Taenien beobachten, welche
von der Taenia echinococcus cystica resp. dem fllchinococcus hyda-
tidosus durchaus verschieden waren. Abgesehen von einer Form-
verschiedenheit der Scolices zeigt auch der Uterus völlig andere
Gestaltung. Diese Taenia echinococcus alveolaris ist also als spezi¬
fischer Erreger des Echinococcus alveolaris aufzufassen und dieser
nicht als ein Produkt des jeweils umgebenden Gewebes anzusehen.
Deutsche mediclnleche Wochenschrift. 1906. Nr. 13.
1. Kranzfelder, Oertel, Berlin: Zur kriegsohirnrgiichen
Bedeatnng der neaen dentsohen Infanterie-Kimition.
Die neue sogenannte S-Munition für das Infanteriegewehr 1898
ist in seiner Form im wesentlichen ein Spitzkegel. Mantel und
Kern sind aus demselben Material wie das früher übliche Ge¬
schoss. Die ballistische Leistung ist eine sehr grosse und dem¬
entsprechend die Verwundungen und die Durchschlagskraft selbst
bei Entfernungen von 1350 Meter weiche fllr den Infanteriekampf
kaum mehr in Betracht kommen eine bedeutende. Das Geschoss
pflegt sich wie Versuche gezeigt haben nicht selten quer zu stellen
oder ganz zu überschlagen. Die Schusskanäle wie Ein- und Aus¬
schuss sind oft glattrandig, die Kanäle kalibermässig. Jedenfalls
hat das S-Geschoss eine hohe Verwundnngsfähigkeit.
2. Schmidt, Dresden: Zur Behandlung der Lungenphthise
mit kfinstliohem ^enmothorax.
Verf. hat bei Phthisikern versucht dadurch therapeutisch
einzuwirken, dass er in den Pleurasack teils sterile Glase teils
Flüssigkeiten einlaufen Hess. Er verfährt folgendennassen. Mittels
eines ganz kurzen 1 cm langen Troikarts wird in der Gegend des
neunten Interkostalraum die Zwischenrippenmuskulatur und äussere
Haut durchstossen, sodann mit einer stumpfen Hohlnadel die Pleura
parietalis durchbohrt und entweder chemisch reiner SanerstofP,
sterile Luft, oder Kochsalzlösung und Oel eingeführt. Bei 600 ccm
Gas pflegt eine Erschwerung der Athmnng einzntreten, welche
aber erst bei 1600 ccm unangenehm empfunden zu werden scheint.
Die Troikartwunde wird mittels Heftpflaster verschlossen. Die
Einftihmng von Gasen geschah um die oberen, die von Flüssig¬
keiten um die nnteren Lungenpartien zu komprimieren. Behand-
lungsresultate mitzuteilen ist der Verf, noch nicht in der Lage.
3. Neisser, Breslau: Vennohe zur TTebertragang der Sy-
philii auf Affen.
Die hoch bedeutsamen Untersuchungen Neissers und seiner
Mitarbeiter haben folgende für den Praktiker wichtige Resultate
ergeben: Jede tertiäre Sypbiliserscheinung muss als kontagiös
angesehen werden. Jeder mit tertiären Erscheinungen behafteter
Mensch ist Träger übertragbarer Krankheitskeime. Trotz dieser
bezüglich der Kontagiosität bestehenden Gleichheit zwischen se¬
kundärer und tertiärer Periode bestehen doch eine Reihe erheb¬
licher gradueller Unterschiede. Die primären nnd seknndären
Formen enthalten fraglos bei weitem mehr Krankheitserreger.
Diese Formen sind deshalb so gefährlich weil sie sich an Körper¬
stellen zu lokalisieren pflegen, die der Übertragung besonders zu¬
gänglich sind. Ferner bleiben die Sekundärerscheinungen oft weil
sie gar keine Beschwerden machen unbeachtet und unbehandelt,
die tertiären Formen dagegen liegen meist an zur Infektion weniger
geeigneten Stellen und pflegen so auffallend und auch schmerzhaft
zu sein, dass die betreffenden Träger direkt zu einer Behandlung
gedrängt werden. Da es nun absolut feststeht, dass das Sypbilis-
virus durch Quecksilber vernichtet wird, so ergibt sich aus dem
Gesagten, dass man auch bei tertiären Syphiliden eine geeignete
und protrahierte Hg. Behandlung einleiten soll. In günstiger
Weise werden die Quecksilberkuren mit energischen Bade und
Schwitzprozeduren kombriniert.
4. Ho ff mann, Berlin: Experimentelle BBtemchnngen über
die Infektioflität des syphilitischen Blutes.
Die Untersuchungen über Infectiosität des Blutes Syphilitischer
sind älteren Datums, sie wurden in der Mitte des vorigen Jahr-
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170
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 15.
Hunderts an fitenschen mit positivem Kesultate vorgenommen. Seit
die Empfönglichkeit der Affen für Syphilis virus erwiesen ist, kann
eine nene Prüfung statthaben. Verf. hat bisher vier Impfungen
gemacht, von welchen 2 mit Si(^erheit positiv ausfielen. Zwei
dagegen gaben kein Sesultat. Das Blut wurde aus einer Ellen¬
bogenvene entnommen und dafür gesorgt, dass nicht etwas sjrphi-
litisches Zellmaterial mit überimpft wurde.
5. Wichmann, Hamburg: Wirkungsweise nnd Anwend*
bsrkeit der Badinmstraklnng nnd Badioaktivität auf die Haut
mit besonderer Berftcksiohtigang des Lnpns.
Verf. hat genaue Untersuchungen angestellt über die Absorp¬
tionskraft der normalen menschlichen Haut und ihrer einzelnen
Schichten, sodann über die des pathologischen Gewebes im Ver¬
gleich zum normalen. Schliesslich wurde noch die Frage erörtert,
wieviel das unter der Haut gelegene normale und pathologische
Gewebe absorbiert. Die normale menschliche Haut von 4 mm
Sobichtdicke absorbiert % der Gesamtstrahlung des Radiumpräparates,
und zwar ist es in erster Linie die Cutis, welche diese Absorp¬
tionskraft besitzt. Pathologisches Gewebe absorbiert in weit
höherem Hasse als normales. Je tiefer aber eine Gewebeschioht
liegt desto weniger absorbiert dieselbe.
Die Anwendung der mit Radiobromid imprägnierten Pflaster
empfiehlt sich nicht, weil eine zu heftige und unerwünschte Ober¬
flächenwirkung durch die X-Strahlen erfolgt. Diese letztere wird
vorteilhaft vermieden durch die Anwendung von Filtern, Kapseln
mit Glimmer oder Gummi., Ausserdem hat nun Verf. noch Ver¬
suche mit der Injektion von RadiumbromidlÖsung gemacht und
zwar in einer Verdünnung, dass 1 ccm Vjo Milligramm Radium¬
bromid enthielt. Diese Versuche verliefen ziemlich negativ. Besser
bewährte sich wohl die Injektion mit Aufschwemmung von radioak¬
tivem Baryumsulfat.
6. Berliner, Breslau: Zur Behandlung des Henfiebers.
Dem Verf. hat sich die Behandlung der Nasenschleimhaut
mit dem konstanten Strom in einigen Fällen so gnt bewahrt, dass
er weitere Versuche in dieser Beziehung wünschenswert hält. Die
Elektrisierung erfolgt durch zwei Knopielektroden beiderseits des
Septum narium. Die Sitzungen waren täglich etwa 5 Minuten
lang, der angewendete Strom 5 Milliampere,
7. Lohnstein, Berlin: TTeber Älypin in der urologisohen
Praxis.
Verf. hat mit Alypin und Cocain vergleichende Untersuchungen
angestellt, welche durchaus zu Gunsten des ersteren ausflelen. Er
wandte nur 1 % Lösungen an. Für die urologische Praxis em¬
pfiehlt es sich das Alypinum nitricum zu wählen, weil dieses mit
Argentum nitricum keinen Niederschlag gibt. Der einzige Unter¬
schied gegen das Cocain besteht darin, dass man beim Alypin et¬
was länger auf die Anästhesie warten muss, wie beim Cocain.
Die Vorzüge des Präparates bestehen in der geringen Giftigkeit,
der Sterilisierbarkeit und des geringeren Preises.
8. Hechinger, Freiburg i. Br. Zur Lokalanästhesie in der
Ohrenheilkunde.
In der Freiburger Klinik wird als Anästheticum folgende
Lösung verwandt:
Acid carb. liquefact. 0,50
Cocain, mur,
Menthol, äa 2,00
Spirit, vin. 10,00
Diese Lösung wird aufgetupft bis die Haut weiss geworden
ist und dann incidiert. Die Lösung bewährt sich sowohl bei Fu¬
runkeln des Gehörganges, wie auch bei der Paracentese.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906, No. u.
1. Hoffmann, Leipzig: Veber die moderne Therapie der
ehronischen Herzkrankheiten.
Zunächst bandelt es sich um die richtige Diagnose und bei
dieser ist es durchaus nötig, auch den Gesamtzustand ins Auge zu
fassen, man wird an ätiologische Momente allerart, Missbrauch von
Kaffee, Tee, Tabak, Alkohol etc. denken müssen. Ist die Diagnose
in dieser Weise gefestigt, dann wird man sich fragen, ob man
Digitalis, Jod oder kaltes Wasser in Anwendimg bringen soll.
Für diese drei Gruppen von Mitteln haben wir ziemlich schm*f
ausgeprägte Indikationen, Bei Herzmuskelschwäcke kommt die
Digitalis in Anwendung. Sehr wichtig für die Indikation der
Digitalis ist die Beobachtung der zweiten Töne. Fehlen diese
oder sind sie au der Basis schwächer, als die ersten, so ist Digi¬
talis nach den Erfahrungen des Verfassers kontraindiziert.
Bei anämischen Individuen mit hoher Spannung im Aorteu-
system, bei welchen die zweiten Töne stärker als die ersten sind,
ist die Darreichung von Jod indiziert. Voraussetzung ist, dass
die Nieren gesund sind. Man gibt Jod 4—6 Wochen.
Die dritte Gruppe Herzkranker kennzeichnet sich durch Symp¬
tome, welche denen der Basedow’schen Krankheit ähneln. Die
zweiten Töne sind unverhältnismäßig schwach. Hier ist das kalte
Wasser indiziert in der Art, wie Winternitz es angegeben bat.
\^on grosser Bedeutung sind die balneo-tberapeutiscben Maßnahmen
für die Behandlung der Herzkrankheiten, hierher gehören vor allen
Dingen die kohlensaureu Bäder. Ferner kommen geeignete Diät
und Respirationsübungen als wichtige Heilfaktoren in Betracht.
Verf. warnt vor der Herzmassage. Sehr wichtig ist in differential-
diagnostischer Hinsicht die Stellung des Zwerchfells resp. die Ver¬
hältnisse an Magen und Darm.
2. Schmidt-Dresden: Veber die Wechselbeiiehimgen
zwischen Herz und Magen-Barmleiden.
Die durch ungenügende Herztätigkeit bedingte Stauung pflegt
sich meist erst später dem Magen und Darm mitzuteilen. Wenn
objektiv auch nur geringe Beeinträchtigung des Verdauungsvor¬
ganges anfhoglich zu konstatieren ist, so zeigen sich früh schon
ganz unverhältnismäßig hohe subjektive Beschwerden. Unbehagen
im Leibe, Druck, Vollsein, Uebelkeit, Aufstossen und Blähungen
sind es, über welche geklagt wird und die bei vielen Patienten
den Glauben an ein primäres Magenleiden erwecken. Die besonders
lästigen Gasansammlungen kommen offenbar dadurch zu Stande,
dass nicht, wie normal, genügende Gasmengen resorbiert werden.
Die Ursache liegt wohl in dem mangelhaften Abfluss des Venen¬
blutes aus den Magen- und Darmgefässen. _ Mit der Blutstauung
stellen sich auch Katarrhe der Schleimhäute des Magens und Darms
ein, die ihrerseits wieder Veranlassung zu oft sehr reichlichen
Blutungen geben können.
Im Gegensatz zu diesen engen Beziehungen zwischen Herz¬
krankheiten und Magen-, Darmstörungen pflegen primäre Affek-
tiouen des Verdauungsapparates nur sehr selten Erscheinungen am
Zirkulationsapparat auszulösen. Sind aber derartige Wirkungen
da, so treten sie meist sehr auffällig iu Erscheinung. Die Haupt-
formen der gastrogenen Herzstörungen lassen sich iu drei Gruppen
teilen. 1. tachykardische und allorrhythmische Zustände. 2. An¬
gina pectorls-artige Erscheinungen und 3. das sogenannte Asthma
dyspeptioum. Die Ursachen liegen wohl zum Teil in Aufhebung
des Vaguatonus durch Druck auf die Vagusendigungen in der
Magenwand infolge von Dilatation, teils auch io direkter mechani¬
scher Beengung des Herzens, verursacht durch Blähungen der
Verdauungsorgane. Es entsteht leicht ein Circulus vitiosus da¬
durch, dass eine primäre Behinderung des Blutabflusses aus den
Magen- und Darmvenen zur Gasansammlung führt, welche ihrer¬
seits wieder die Herztätigkeit beeinträchtigt. Die Diagnose wird
sich in erster Linie auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen
Herzerscheinungen und Verdauungsstörungen stützen. Die Prog¬
nose ist nach Ansicht der meisten Autoren und des Verf. eine
günstige. Die Therapie wird sich zunächst der Beseitigung der
Verdauungsstörungen zuwenden. Hier kommen Diät, Massage,
Faradisation in Betracht.
3. Strasser, Blumenkranz, Wien: Zur Therapie der
Hephritii.
Die Verf. habeu'aehr gute Erfolge von protahierten warmen
Bädern gesehen. Diese Bäder wurden während 1—iVa Stunden
verabreicht. Die Temperatur betrug 34—35® C. Gesteigert wurde
die Diurese, die Stickstoff- und ganz besonders die Kochsalzaus¬
scheidung. Die Verf. nehmen an, dass der längere Aufenthalt in
dem warmen Medium eine Verbreiterung der Blutbahn in der
Niere mit beschleunigter Zirkulation bewirkt. Die letztere wird
relativ gleichmäßig erhalten. Im Verlauf der experimentellen
Studien ergab es sich, dass es falsch ist anzunehmen, dass Kooh-
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me.
MBDICINISGHE WOCQB.
171
a&lzMientiDn imd WasaMt^entioB beim Nepbritikar das Entstehen
der Oedeme verursachte. Verf. konnten bei einem Nepbritiker
das Auftreten von Oedemen im Qesiobt 'bei vermehrter Eochsalz'
und Wasseraussoheidung beobachten. Es würde das ein Beweis
für die Richtigkeit der Annahme sein, dass eine Gef&asacbädignng
die Ursache der Oedeme ist. Es hat sich als nicht praktisch er¬
wiesen die 1—iVastöndigen Bäder zu verläogem.
4. Eaiserling, Berlin: Ueber Hervosität im an
gynaekologiiobe Operationen.
Nervosität nach gynaekologischen Operationen ist relativ häufig.
Meist handelt es sich um ziemlich ausgeprägte Erregungszustände,
teils auch um Apathie. Es werden ferner beobachtet Hemicrauie,
Atembeschwerden, Herzpalpitationen, Herzschmerzeo, Uebelkeit
und Obstipation, auch Paraestbesien aller Art. Die Behandlung
ist am besten eine hydrotherapeutische. Teilwaschungen und
Ganzpackungen wirken günstig. Des weiteren kommen Halb¬
bäder in Betracht. Auch von dem Strombad hat Verf. gutes
gesehen. Das gleiche gilt von den Kohlensäurebädem. Neben
dieser Therapie wird eine zweckmäßige Lebensweise mit geeig¬
neter Diaet in Frage kommen. Nach Ansicht des Verf. lassen
sich diese postoperativen Neurosen teilweise vermeiden, es Hegt
dies in der Hand des Operateurs.
5. Uffenheimer, München: Veher das Verhalten der
Tnberkelbaeillen an der Eingangspforte.
Baumgarten meint dass bei Fütterung von Tuberkelbaoillen
eine Lungenaffection durch Aspiration entsteht, dieser Ansioht
schliesst sich der Verf. nicht an. Ferner glaubt Baumgarten
dass bei Fütterungstuberkulose die von anderen Autoren behauptete
Unversehrtheit der Darmwand mikroskopisch nicht erwiesen sei.
Verf. hat demgegenüber bei seinen Untersuchungen niemals eine
Alteration der Darmwand gefunden sondern steht auf dem Stand¬
punkt, dass die Tuberkelbaoillen die Darmwand ohne Lokalalte¬
ration passieren können um in den Lymphdrüsen erst zur Ausied-
luQg zu gelangen. Eine entstehende Darmtuberknlose ist unter
Umständen auf retrograden Transport zurückzuführen.
6. Kempner, BerHn: Veber Stönmgen im Angengebiet des
Tngomiaiis, speiieU des Cornoalreflexoi und ihre diagnostische
Verwertung.
Die schon in einer früheren Nummer begonnene Arbeit wird
in dieser Vorliegenden Nummer zu Ende geführt. Die Elrgebnisse
der Untersuchungen des Verfassers lassen sich ungefähr folgender¬
maßen zusammenstellen. In 32 Fällen war eine einseitige Auf¬
hebung resp. Herabsetzung des Cornealreflexes zu konstatieren.
Doppelseitig wurde die Reflexstörung 31 mal gefunden. Zur Unter¬
scheidung organischer und psychogener Refiexstöimng sind folgende
3 Punkte zu beachten, a) Organische Reflexstörung. l. Die Störung
ist meist einseitig. 2. Sie ist meist mit Sensibilitätsstörung ver¬
bunden. 3. Diese ist wie auch die Reflexstörung selbst oft progre¬
dient. b) Funktionelle Reflexstörung. 1. Sie ist meist doppelseitig.
2. Die Sensibilitätsstörung fehlt oft. 3. Reflexstörung und Sensi¬
bilitätsstörung sind nicht progredient sondern regellos wechselnd.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. is.
1. Vas. Budapest: Vober Tjrphusbaoterinrie und deren
Verhftltnif sn den Vieren.
Die Typfausbacteriurie pflegt gewöhnlich in der zweiten oder
dritten Woche der Krankheit aufzutreten, ihre Häufigkeit schwankt
zwischen 10 und 26%. Die Anzahl der Bacterieu scheint eine
sehr grosse zu sein. Verf. hat sidi die Aufgabe gestellt fest-
zustellen, in welchem Zustand sich die Nieren der Patienten be¬
finden, die Typhnsbacteriurie aufweisen. Diese Untersuchungen
haben ergeben, dass ein ursächHcher Zusammenhang zwischen
Typhnsbacteriurie und Nierenerkrankung nicht zu bestehen braucht,
es kommt die Typhusbaoteriurie auch ohne jede Eiweissausscheidung
vor. Allerdings kann sich die Typhusbakteriurie mit Pyurie und
Cystitis vergesellschaften. Beachtet muss jedenfalls werden, dass
auch durch den Typhus-Urin Kranker Typhusbacillen verbreitet
werden können.
2. Moro und Murath, Graz: Uäber baktmalle Komrangi«
itoff» des BAnglingsblntes.
Die Verf. haben festgestellt, dass bei normalem Frauenmilch¬
stuhl eiue Entwicklung von nachweislich vorhandenen Fäulnis-
erregem nicht zu Stande kommt. Auch andere Bacterien ent¬
wickeln sich auf dem mit normalem Frauenmilchstubl versetzten
Nährboden so gut wie gamicht. Aus diesen Untersnehungsresul-
taten hatten die Verf. den Sohluss gezogen) die Stoffwechselpro¬
dukte der normalen Darmbacterieu besitzen eine eleotive, anta-
gonistisohe Wirkung gegenüber jenen Arten, die dem Darm firemd
sind. Die weiteren Untersuchungen haben nun ergeben, dass im all¬
gemeinen die bakteriellmk Hemmungsstoffe der Säuglingsstühle weniger
wirksam zu sein Sßheinen, als jene beim Erwachsenen. Aus allen
Untersuchungen lassen sioh folgende Schlüsse g «<M>Tntnflwffta«A n
1. Der normale Säuglingstuhl enthält intensiv wirksame bakterielle
Hemmungsstoffe. Die an der uatürlü^en'Schutzkraft des Darmes
wesentlich beteiligt sind. 2. Der quantitative Gehalt an Hemmnnga-
stoffen ist abhängig vom Gesundheitszustand des Darmes, unab¬
hängig hingegen von der Emährungsart und vom Alter des Säug¬
lings. 3. An der Bildung der Hemmungastoffe scheint das B. coli
commune den hervorragendsten Anteil zu nehmen.
Die Ausstellung
für Säuglingspflege in Berlin.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Die leider nach allzu kurzem Bestehen nunmehr schon ge¬
schlossene Ausstellnng für Säuglingspflege bildet ein wichtiges
Glied in der in jüngster Zeit sioh mächtig entwickelnden Kette
derjenigen Bestrebungen, welche daranf abzielen, die gerade in
Deutschland erschreckend hohe Säuglingssterblichkeit — im Durch¬
schnitt geht jetzt im deutschen Reidie ungefähr der fünfte Teil
aller Lebendgeboreneu vor Ablauf des ersten Lebensjahres wieder
zu Grunde — herabzumindern. Die Ausstellung will zur Er¬
reichung dieses Zieles in verschiedener Weise beitragen: einmal,
indem sie die Besucher über den Umfang der SäuglingssterbHch-
keit informiert, dann, indem sie eindringlich den Wert der natür¬
lichen Eruähruog klarlegt, schUessHch, indem sie vorführt, in
welcher Weise eine künstHche Ernährung zweckmäßig geleitet
werden muss und wie sonstige dem Säugling sohädliche Elm¬
wirkungen vermieden werden können. Dementsprechend gliederte
sich die Ausstellung in folgende sechs selbständige, von je einem
Vorsteher geleitete Abteilungen:
I. Statistik (Wttrzburg): In graphischen Darstellungen, Karto¬
grammen und Photographien wird hier der Umfang der Säuglings¬
sterblichkeit vorgefübrt. Ganz besonders interessierte uns eine
vom Kaiserlichen Gesundheitsamte ausgestellte Karte, die bewies,
dass die einzelnen Teile des deutschen Reiches eine ganz ver¬
schieden hohe Säuglingssterblichkeit aufweisen. Auch das Ver¬
hältnis der Kindersterblichkeit zur Tuberkulose sowie zur Wehr¬
fähigkeit wird illustriert.
II. Entwicklung des SäugHugs^ (Bendix): Zahlreiche Tafeln,
Curven und Photographien sowie vortreffliche Präparate führen
hier zunächst die normale Entwicklung des Säuglings vor. Daun
werden die Entwicklungsstöruogeu, die Ursachen der Säuglings-
sterbUchkeit demonstriert. Dazu gehören einmal direkte Ursachen,
wie die Krankheiten des Säuglingsalters, die Krankheitserreger,
daun die Beschaffenheit normaler und pathologisch veränderter
Orgaue, dann kommen in Betracht allgemeine Ursachen, wie Rück¬
gang des Stillgeschäftes, unzweckmäßige Ernährung (darunter sehr
anscbauUcb die UeberfÜttemng),^ Einfluss^^von Stadt und Land,
allgemeine Lebensführung, Wohnuugs- und Bevölkerungsdichtigkeit,
EheHchkeit und Unehelichkeit, Beschäftigungsweise, Wasserver¬
sorgung etc.
in. Säuglingsernährung (Salge und Langstein): Hier wird die
Lehre von der Milch vorgeführt, ihre Physiologie, ihre Pathologie,
diej,Veränderungen, .dio sie imStoffwechsel erfährt. Sehr klar
werden die fundamentalen Unterschiede zwischen der Muttermilch
und jeder anderen künstlichen Ernährung demonstriert, und un¬
zählige Male den Müttern klargelegt, dass sie fiurch Selbststillen
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172
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 16.
ihres Kindes dasselbe in einer sonst niemals im Leben za er¬
reichenden Weise fördern. Weiter wird dann das Wesentliche
der künstlichen Ernährung gezeigt, (die üblichen umfangreichen
Keklameausstellungen der Nährmittelfabrikate hätten wohl etwas
eingeschränkt werden können!) ferner wurden die Ernährungs¬
störungen und Darmkrankheiten zum Teil durch^ ausgezeichnete
Moulagen erläutert.
IV. Praktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Säuglings¬
sterblichkeit (Finkeistein): Diese Abteilung umfasst wiederum
einen Teil der auf Förderung der natürlichen Ernährung ge¬
richteten Bestrebungen (Belehrung, Stillprämien, Schutz in ge¬
werblichen Betrieben, Beaufsichtigung des Armenwesens usw.),
dann zeigte sie die zur Verbesserung der künstlichen Ernährung
vorhandenen Apparate, Instrumente und Einrichtungen (Mileh¬
steigerung, Behandlung der Milch, Ersatzmittel, Verfälschungen,
Ueberwachung des Verkehrs mit Milch), schliesslich führt sie in
Bildern und Modellen die für Säuglinge vorhandenen Wohlfahrts¬
einrichtungen (Säuglingsasyle, Kinderheime, Fürsorgestellen etc.)
vor.
V. Hygiene des Säuglings (Cassel): Hier wird die Hygiene
des Säuglingszimmers, die zweckmäßige Einrichtung eines solchen
von der einfachsten bis zur elegantesten Form gezeigt, die all¬
gemeine Körperpflege des Säuglings und die Fürsorge für Früh¬
geborene durch Apparate, Instrumente etc. vorgeführt und schliess¬
lich in anschaulichen Modellen die zur Verhütung von Erblindung
und von G-ehörstörungen nötigen Maßnahmen erläutert.
VI. Das Haltelduderwesen (Pütter): Hier wird durch Dar¬
stellung von Zeichnungen, die von Polizei- und Gemeindever-
waltungen'verschiedener Städte ausgestellt sind, die Aufsicht der
Behörden über Halte- und Ziehkinder vor Augen geführt.
Die Anordnung der Ausstellung, als deren oberste Leiter
Heubner und Dietrich zeichnen, verdient uneingeschränktes
Lob. Ganz besonders hervorheben müssen wir aber noch den
Katalog. Dieser gibt nicht, wie sonst meist üblich, eine trockene
Aufzählung der Ausstellungsgegenstände, sondern er erläutert
diese in anschaulicher, nicht misszuverstehender Weise. Ueberdies
enthält er ausser einer für jede Abteilung von deren Leiter ge¬
schriebenen Einleitung eine Reihe von Aufsätzen, die ihn zu
einem wertvollen Nachschlagebuch für Mütter machen^ auch der
Arzt wird ans manchem Artikel Belehrung schöpfen können.
Wie wir hören, soll der grössere Teil der Ausstellung er¬
halten und zu einem Museum^ für Säuglingspflege ausgestaltet
werden. Dieser Plan ist gewiss aufs freudigste zu begrüssen und
nur zu wünscflien, dass die Aufstellung dieses Museums an einer
von allen Teilen Berlins aus leicht zugänglichen Stelle erfolgen
möge.
Aufruf!
Am 7. Juli des vergangenen Jalxres durcheilte die Trauer¬
kunde vom Tode Hermann Nothnagels die Welt.
Ein genialer Kliniker, ein grosser Forscher, ein erhabener
Menschenfreund war aus dem Leben geschieden.
Das Andenken Nothnagels ist für alle Zeiten geweiht! Aller
Pflicht ist es, die Flamme der Erinnerung an ihn, an seine Liebe
und Aufopferung für die leidende Menschheit, an seine Hingebung
und Treue für Freunde und Schüler zu hüten und wach zu
erhalten.
In diesem Wunsche sind einig: die in allen Zonen tätigen
Schüler, für die der Kliniker ein begeisterter und richtungsgeben¬
der Lehrer war, die Aerzte aller Länder, die aus den Werken
des Forschers neues fruchtbringendes Wissen geschöpft haben, die
Hunderttausende, denen er im schweren Leiden ein Helfer und
Tröster gewesen ist.
Schüler und Kollegen Nothnagels haben sich vereint, die¬
sem Empfinden für den Unvergesslichen durch ein Werk Ausdruck
zu verleihen, das Generationen überleben soll; Ein Denkmal im
Arkadenhofe der Wiener Universität führe die Gestalt des ge¬
liebten Meisters den Kommenden vor Angen.
Seinen Namen möge eine Stiftnng tragen, deren Ertragnis als
Ehrenpreis für eine „Nothnagel-Festvorlesung“ bestimmt ist,
welche alljährlich von hervorragenden Forschem des ln- und Aus¬
landes an der Stätte gehalten werden soll, an der N othnagel durch
Jahre ruhmvoll und segensreich gewirkt hat.
Diese Form, das Andenken eines Grossen auf dem Gebiete
der Wissenschaft zu ehren — an Hochschulen des Auslandes scdion
mehrfikch bewährt — vermisst unsere Universität bis auf den
heutigen Tag, Eine derartige Schöpfung wäre die würdigste Art,
dem Genius Nothnagels pietätvoll zu huldigen, und sie wäre
ganz in seinem, dem dauernden Fortschritte zugewendeten Geiste.
Wir sind von der Ueberzeugung erfttUlt, dass unser Ruf bei
Tausenden Widerhall finden wird, die mit bewegten Herzen an
dem schönen Werke werden teilnehmen wollen.
Das vorbereitende Komitee:
E. Bamberger, R. Breuer, R. Chrobak, E. v. Czyhlarz,
J. Donath, £. v. Frankl-Hochwart, A. Hammerschlag,
N. V. Jagic, R. V. Jaksch, Th. v. Kogerer, K v. Leyden,
H. Lorenz, J. Mannaberg, A. Müller, E. v. Neusser,
F. 0bermayer, 0. Rosenbach, C. Rudjnger, L. v. Schrötter,
F. Wechsberg.
Das grosse Komitee, dem Aerzte aus allen Weltteilen an¬
gehören, ist in Konstituierung begrifTen.
Beiträge für den Nothnagel-Denkmal- und Stiftnngsfonds
werden erbeten, an die Redaktion dieses Blattes oder an Dr.
Nikolaus v. Jagic, Assistent der I. med. Klinik, Wien IX./3, All¬
gemeines Krankenhaus. (Postsparkassa-Scheck Nr. 86,370.)
Vermischtes.
Berlin. Am so. d. Mts. fand im Kultusministerium die
Generalversammlung des Zentralkomitees für dasRettungs-
wesen in Preussen unter Vorsitz von Exzellenz v. Bergmann
und Geh. Obermedizinalrat Dr. Dietrich statt. Nach Erledigung
geschäftlicher Angelegenheiten wm'de die Tätigkeit des Zentral¬
komitees geschildert. Es erfolgte hieranf die Vorlegung des Be¬
richtes über den Stand des Rettungs- und KrankenbefÖrderungs-
wesens im Deutschen Reiche. Der Vorsitzende machte dann der
Versammlung Mitteilung von der Uebergabe einer Denkaobrift an
den Reichskanzler, betreffend die Uebemahme und Erhaltung des
Rettungswesens dnrch die Gemeinden. Eine Ergänzung zn der
Denkschrift bilden die der Versammlung zur Kenntnisnahme vor¬
gelegten Entwürfe von GrundzUgen für die Regelung des Kranken-
beförderungsweeens, die Herstellung der Krankenbefördemngsmittel,
für die Einrichtung der ersten Hülfe in Krankenhäuaem, für die
erste Versorgung Bewustloser und von Krankenhausaufnahme¬
scheinen, über welche der Generalsekretär eingehenden Bericht
erstattete. Nach einer lebhaften Erörterung, an welcher sich die
Herren San.-Rat Alexander, Exz. v. Bergmann, Geh.-Rat
Heyder, Prof. George Meyer, Geh.-Rat Pütter, Geh.-Rat
Schwechten, Generalarzt Scheibe nnd Dr. Streffer (Leipzig)
beteiligten, wurden die Grundzüge im grossen nnd ganzen auge-
nommeu und hierauf mehrere Kommissionen zur Ermittelung
weiterer wichtiger Verhältnisse auf dem Gebiete des Rettungswesens
besonders im öflentlichen Verkehr, in Bergwerken etc. gewählt.
Bürlin. Als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Geb.
Rats Prof. Dr. Lucae übernimmt Geh. Rat Prof. Passow die
Direktion der Universitätsklinik und Poliklinik für Ohrenkranke.
Borlln. Prof. Dr. de la Champ, bisher Assistent an der
Krau s’sehen Klinik in der Königl. Charit^, ist als ausserordentlicher
Professor und Direktor der medizinischen Poliklinik nach Marburg
berufen und tritt sein dortiges Amt bereits am 1. April an.
Berlin. Für die vom Zentralkomitee für das ärztliche
Fortbildungswesen in Preussen veranstalteten Kurse im
Sommer findet die Kartenausgabe vom 28. März bis 1. Mai
statt. Alles Nähere durch das General-Sekretariat, Berlin, LaiBen-
platz 2—4.
Verantwortiieher Redakteur : Dr. P. Meissner, BerlinW. M, Kurfürstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Dniek Taa der Hejraesaaaa'schea Bnchdnicfcerei, Gabr Halls a. S.
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Medicinische Woche
Deotschmann,
Hamburg.
A. DQhrssen, A. Hofft.
Berlin. Berlin.
H. Senator»
^rlio.
E. Jacob!,
Preiburg i. Br.
R. Sommer.
Qiessen.
Herausgegeben von
R. Robert M. Koeppen. K. Partich.
Rostock. Berlin. Breslau.
H. Unverrlcbt A. Vossina.
Magdeburg. Olessen.
H. Rostn,
Berlin.
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Hannover.
Verlag und Expedition
Carl Marhold In Halle a. S.« Uhlandstrasse 6.
Redaktion:
Berlin W. 62« Knrfflrstenstrasse 81.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Pernsprecher S2a.
Dr. P Meißner.
Vn. Jahrgang. 16 . April 1906. Nr. 16.
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalnCOlOgiSClie CciltralzeltUngt Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbldertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung [von Carl Marhold in Hai] e a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4geBpaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 FM. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt Ermäßigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Gekochte oder rohe Milch?
Von Dr. Walther Nie. Clemm,
Arzt für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Darmstadt.
Als Robert Koch die Reihe seiner weltgeschichtlichen
Entdeckungen mit der Feststellung derjenigen Bazillen, die
„nicht bloss eine Ursache der Tuberkulose, sondern die ein¬
zige Ursache derselben sind“*) eröffnet hatte, war die noch
heute bei Vielen geltende Annahme, dass es sich dabei um Ent¬
deckung und Feststellung des Bazillus der Säugetier¬
tuberkulose (d. h. der von anderen Sängern auf den Mensch
übertragbaren mörderischen* Zehrung) gehandelt habe, das
Signal zu einer allgemeinen Panik: Wie konnte noch Jemand
wagen Milch kuhwarm zu trinken, wie sie früher kurmäßig
gerade bei Schwächlichen und Kranken angewandt wurde, wie
überhaupt durfte Milch noch roh, d. h. nicht sterilisiert oder
desinfiziert, genossen werdeni Das war ja der reine Selbst¬
mord! Und doch liefen solcher Selbstmörder mindestens die
Hälfte aller Deutschen wild herum; aber keiner von ihnen
dachte daran, dass, was zu seiner Zeit gegolten hatte, doch
auch jetzt noch gelten müsse, dass doch unmöglich die kleinen
Feinde, die leben wie Tiere und wachsen wie Pflanzen, nur
deshalb früher nicht so schlimm waren, weil sie noch kein
neugierig Menschenauge erblickt hatte und sich jetzt die Ko¬
bolde für solche Entweihung, solch Eindringen in ihre Geheim¬
nisse rächten!
Was half es, dass Koch selbst auf Grund seiner gross-
artigen und so bewundernswert gewissenhaften Studien den
Zusammenhang, die Indentität der Rindvieh- und der Menschen-
Tuberkulose verneinte auf jenem berühmten Tuberkulosekon¬
gress in London: Gegen den Meister erhob sich lärmender
Widerspruch der Schüler, die nicht so gewaltigen Geistes
waren, vom einmal erfassten Irrtum wieder zu lassen. Und
die paar Trottel, die da dachten, was früher nichts geschadet
hat, tut auch heute gut, die sah und hörte keiner!
Ich kenne einen der Letzteren schon so lange ich lebe
und, wie ich glaube, ziemlich genau, der schlussfolgerte aus
seiner Familiengeschichte und eigener Entwickelung, da?s die
grösste Tat Koch’s die war, dass er ein selbsterbautes Wahn¬
gebäude mit eigener Hand wieder einriss. Der betreffende
Kollege stammt väterlicherseits aus einer kerngesunden Familie;
seine Mutter dagegen litt vor ihrer Verheiratung mit 18 Jahren
an Hämoptoe, ein Bruder uod eine Schwester derselben sind
an Lungenschwindsucht in Madeira resp. Habanna gestorben.
Die Mutter war in den ersten 25 Jahren ihrer Ehe wieder
völlig frei von tuberkulösen Erscheinungen, dann befiel sie
*) Robert Koch, Mittl. a. d. Kaiser!. Qos.-Amt, Bd. 2, 1884, p. 46.
eine akute Infektion der serösen Häute, im Kehlkopfe be¬
ginnend und von da über Lungen, Lungenfell und Bauch¬
fell sich ausbreitend, von der sie nur sehr schwer und lang¬
sam sich erholte unter gewaltigen, lange zurückbleibenden
Spuren an der Lunge. Allerdings starb sie fast 20 Jahre
später an Atherosklerose ohne die gelinkten Spuren einer
tuberkulösen Erkrankung aufzuweisen. — Der Junge war ein
zartes Kind und machte alljährlich mit rührender Pünktlichkeit
und bewundernswerter Gewissenhaftigkeit im Frühjahr seinen
Bronchialkatarrh durch, welcher dreimal durch Ausbreitung
auf die Lungen das Leben gefährdete; erkältete er sich ein¬
mal, so hatte er, so prompt wie der Weck auf dem Laden¬
brett abgeht, auch ausser der gewohnten Zeit seine Erkrank¬
ung der Bronchialschleimhäute weg.
Und dieser selbe, so schwer erblich belwtete und mit
solch entwickeltem punctum minimae resistentiae aus^estattete
Knabe besuchte in offenbar selbstmörderischer Absicht den
Kuhstall eines benachbarten Bauern ganz regelmäßig, um von
gänzlich ungeimpften Kühen körperwarm die Milch zu trinken.
Es gelang ihm trotzdem nicht, den stets katarrhalischen Cha¬
rakter seiner Erkrankungen der Luftwege in einen tuberku¬
lösen zu verwandeln und — ein Kuriosum, das hier bemerkt
und hervorgehoben sein soll, für das mir aber jede Erklärung
fehlt — mit seinem elften Lebensjahre erlosch jene
so fatale Regelmäßigkeit und Promptheit zeigende Neigung
seines Luftverarbeitungsapparates zu aufgelockerten und ge¬
schwollenen Schleimhäuten, genau wie derHausarzt, der
alte von Dusch, es schon Jahre zuvor angekündigt
hatte.
Freilich blieb noch eine grosse Empfindlichkeit zurück,
die erst nach verschiedenen späteren Bronchialkatarrhen syste¬
matischer Abhärtung allmählich wich.
Als dann infolge einer Aspiration sich beim 37jährigen
Manne jene bösartige Form der Pneumonie samt Pleuritis, in
zum Glück scharf umgrenztem Herde sich haltend, entwickelte,
während eine vorhergegangene schwere Magen-Darminfluenza
jedwede Esslust geraubt und die Kräfte bereits sehr herunter-
gebracht hatte, da bot derselbe der Infektion breite Einfahrts¬
strassen. Um sich rasch wieder zu erholen und zugleich um
einen Reservevorrat an Kraft zu sammeln, genoss der Kollege
dann allabendlich Liter ganz gewöhnlidier fetter, aufge-
rahmter, unabgekochter Kuhmilch während seiner Rekon¬
valeszenz und noch etwa 1 Jahr lang danach, bis die unan-
f enehmen Folgen solches Leichtsinns sich in erschreckender
orm zeigten: Er nahm bedenklich an Umfang zu, so dass er,
um nicht einen Schneider ständig für sich mit Weitermachen
seiner Kleider beschäftigen zu müssen, auf den liebgewordenen
Abendtrunk, zur tiefsten Trauer und Betrübnis der Antialko¬
holiker sei es geklagt, verzichten musste!
Ich glaube nicht, dass grössere Gelegenheit zur Tuber¬
kuloseübertragung durch rohe Milch geboten werden kann, als
in diesem Falle geschehen ist, — wenn sie eben Überhaupt
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 16.
auf diesem Wege möglich wäre! Und dieser, heute [kernge¬
sunde Mann — es haben schon viele seinen Thorax aufs Ge¬
naueste untersucht — wurde von einer Amme gesäugt,
die 20 Jahre später an der Schwindsucht starb!
Angesichts der Veröffentlichungen, welche neuerdings
V. Behring in einer ebenso neuen als ungewöhnlichen, den
alten Ben Akiba beschämenden Weise durch „Die Woche“
und durch den Mund von Zeitungsreportern der staunenden
Welt kund zu geben pflegt, noch ehe sie vor dem Forum der
Wissenschaft auf ihren Wert geprüft werden konnten, habe ich
diese Geschichte eines Individuums so ausführlich gebracht.
Die Sturmflut von Gegenschriften aus berufensten Federn
bis zu den ungeübtesten und ungelenktesten hinab, enthebt mich
des näheren Eingehens auf jene phantastischen Vorstellungen,
deren anatomische Grundlage — der nackte, nach Behring
epithellose Darm des Säuglings — ja ebenfalls zerstört ist,
indem dieser nackte Rinderdarm sogar in ein besonders gut¬
gearbeitetes Schleimhautdeckkleidchen von fleissiger Forscher¬
oder Forscherinnenhand eingehtillt worden ist. Es werden also
kaum die Milchtuberkulosebazillen in zartester Jugend, in den
ersten Lebensmonden, in die Blutbahn bineinpilgem, um da
ganz nach Bequemlichkeit und Belieben zehn, zwanzig, dreissig
Jahre und läWer ein beschauliches Dasein zu führen, dann
aber plötzlich loszubrechen und mit üblen Genossen anderer
Spezies über den aiglosen Wirt herzufallen und mit Raub und
Mord in seinem Zellenstaat zu wüten.
Es ist daher auch nicht nötig, darauf einzugehen, welche
Aburteilung die xait Formaldehyd nach Behring’s patentier¬
tem Verfahren verbÖserte Milch erfahren hat, es genügt, fest¬
zustellen, dass diese Belebung alter furchterzeugender Vor¬
stellungen gründlich fehlgeschlagen ist.
Hoffen wir, dass das geheimnisvoll wunderbare Behring-
sehe Tuberkulose-Heilmittel, von dem uns Berichterstatter
französischer Tageblätter zu künden wussten, auf einer ge¬
diegeneren Grundlage beruht, als die auf das Märchen vom
na(»ten Säuglingsdarm gegründete Aetiologie es getan hat!
Wenn so die eingebildete Hauptgefahr, welche im Genüsse
der rohen Milch zu liegen schien, zu einem kleinen Frage¬
zeichen zusammengeschnimpft ist, so bleiben dennoch gar
manche und ernsthafte Bedenken gegen ihren Gebrauch be¬
stehen, wie sie durch die zweifellos mögliche Uebertragung
von Milzbrand- und Eitererregern und Keimen anderer Art
g^eben sind. Aber dagegen vermag unseres Erachtens eine
gute Stallpolizei vollauf zu schützen, indem die Milch irgend¬
wie kranker Tiere gänzlich vom Verkehr ausgeschlossen wird,
indem nur mit äusserster Reinlichkeit beim Melken verfahren,
indem der Stall peinlich sauber gehalten wird und nur gesunde
Feuilleton.
Kurorte an der ßiviera Levante.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Während die Kurorte an der französischen Riviera und
die ihr ganz nahe gelegenen italienischen San Kemo und Bor-
digbera sich schon seit Jahrzehnten der Gunst und des Be¬
suches derjenigen Glücklichen aus aller Herren Länder erfreuen,
denen es vergönnt ist, im sonnigen Süden sich einen Vorsommer
zu verschaffen, war die Riviera Levante bis vor wenigen Jahren
eigentlich etwas vernachlässigt. Nunmehr hat aber die Kennt¬
nis ihrer Reize im Publikum so zugenommen, haben sich ein¬
zelne Orte derart entwickelt, dass es für die Aerzte notwendig
erscheint, über die Riviera Levante ein wenig genauer orientiert
zu sein. Wir wollen daher die bei einem diesjährigen Aufent¬
halt dort gesammelten Erfahrungen und Eindrücke kurz schildern
in der Hoffnung, diesem oder jenen Kollegen dadurch eine
Bereicherung seiner diesbezüglicnen Kenntnisse vermitteln zu
können.
Abgesehen von ^ner Reihe kleinerer, für eine allgemeine
Menschen mit frischgewaschenen Händen und in sauberer Eilei¬
dung das IMelken und Äuffangen der Milch in vollkommen
reinentGefässen besorgen.
Gegen die übertriebene Rohmilcbangst spricht doch auch
der vollkommen gefahrlose und überall erlaubte Genuss der
Butter und der Sahne, die beide bakteriologisch reich, beson¬
ders an Tuberkelbazillen, gefunden worden sind. Wie sollte
auch vom Verdauungaschlauche aus, während dieser selbst in¬
takt bliebe, die Lungeninfektion erfolgen? Welches wären die
Wege, die den Einzellern da vorgeschriebeii wären, um ein so
fernes Ziel zu erreichen, ohne unterwegs in anderen Lieblings-
Stätten, den Drüsen des Darms und des Bauchfells, in diesem
selber, in Leber, Milz und Nieren etc-, einzunisten und ihre
Spuren zu hinterlasson?!
Aber trotz alledem wäre es gewiss am Vorsichtigstem
unsere Nahrungsmilch vor dem Genüsse zu kochen — wenn
eben nicht vielleicht schwerwiegende Bedenken dagegen sprächen.
Ich habe schon mehrfach bei Diäterörterungen darauf hin¬
gewiesen, wie wesentlich es ist, die für die Verdauung der
Milch in unserem Darme so notwendigen, ihr innewohnenden
Spaltpilze zu erhalten und nicht durch Kochen zu zerstören.
Es ist dies durch die bekannten Arbeiten von Bienstock,
Strassburger, Schlossmanh, Morro u. A., Allerdings im
Gegensätze zu solchen aus Behring’scher Feder erwiesen.
Aber es ist noch ein Gesichtspunkt, der das Abkochen der
Milch widerraten lässt: Wie alle eiweisshaltigen Nahrungs¬
mittel, so erfährt auch die Milch eine Entwertung durch phy¬
sikalische Verändemng in der Stmktur des Eiweissmoleküls
büsst von ihren leicht aufsaugbaren Werten ein und lässt die
Stoffwechselbilanz schwerer aufrecht erhalten, als dies mit
roher Milch möglich ist.
Ausserdem wirkt auch rohe Milch anregend auf trägen
Darm, während gekochte ihn verstopft, und während der
köstliche Geschmack des unveränderten Stallerzeugnisses an¬
reizend auf die Esslust sich bewährt, nimmt Vielen die ge¬
kochte Milch den Appetit. . ; . ,
Ist aber doch die Bazillenfurcht zu gross, um zur Naturmilch
zurückzukebren — und die Verantwortung, welche in der Üeber-
redung dazu immerhin doch liegt, will auch nicht Jeder auf
sich nehmen, — so bleibt noch immer ein Ausweg, die Milch
unter Erhaltung ihrer Vollwertigkeit ungekocht, unberaubt
ihrer natürlichen Eigenschaften, zu geniessen: indem dieselbe
nämlich der natürlichen Sterilisation durch die bazilläre Säue¬
rung mit Hilfe des bacillus acidi lactici unterworfen wird- Da¬
durch werden bekanntlich die Schädlinge so ausgiebig zerstört,
dass eine gute Sauermilch oder ein frisch daraus Tjereiteter
Magerkäse, letzterer durch ein Sieb gleichmäßig fein verteilt
Betrachtung belangloser Ortschaften, in denen sich allerdings
auch ganz gut und besonders recht billig leben lässt, sind es
vier Orte, die der Riviera Levante ihre Bedeutung verleihen;
Nervi, S. Margherita Ligure, Rapallo und Seatri Levante.
Noch li^t die Zeit nicht allzu weit hinter uns, wo es in ärzt¬
lichen Weisen leider recht üblich war, Lungenkranke ohne
nähere Bezeichnung des Ortes „an die Riviera“ zu schicken;
meist geschah dies auf Grund von Kenntnissen vom grünen
Tische her und führte zu den unangenehmsten Folgen für die Ver¬
schickten. Von allen Orten der Riviera wüssten wir eigentlich
nur einen einzigen für Tuberkulöse geeigneten, das ist Nervi;
allenfalls käme noch Mentone in Betracht, aber seine allzu nahe
Lage bei dem aufregenden Monte Carlo dürfte zur Vorsicht,
besonders bei etwas temperamentvollen Kranken, mahnen.
Nervi ist durch seine ganz ausserordentlich geschützte Lage,
seine trockene und staubfreie Luft, seine starke und intensive
Besonnung, durch die geringen Niederschläge, durch das Fehlen
plötzlicher Temperaturschwankungen, durch seine Einrichtungen
— viele Gärten, Liegehallen, ebene Promenaden — ganz ex¬
quisit für Lungenkranke zu empfehlen; auch für Nierenkranke
halten wir es für ausserordentlich geeignet. Die Hotels sind
gut eingerichtet, bieten jeden Komfort und sind in mannig¬
fachen Abstufungen von den elegantesten bis zu den auch für
den weniger gefüllten Geldbeutel erschwinglichen vorhanden;
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1906.
MBDIOmiSGHE WOCHE.
175
und mit saurem Rahm buttergleich angerührt, ein auch für den
Ängstlichsten gefahrloses und wohl das zweckmäßigste und
beste von allen Essen darstellt. Es sollte viel m^r dafür
eingetreten werden, dass diese unübertreffliche Kost auf Kranken^
^eisezetteln einen bedeutend grösseren Raum einnehme, als
dies tatsächlich der Fall ist!
Wir leben im Zeitalter der Bazillenfurcht und diese fear
of germs hat z. B. im Laode des Spleens schon ganz nette
Ableger dieses Stammeslieblings gezeitigt — der, wie man er¬
zählt, schon hoffnungsvolle überzeugte Anhänger dazu gebracht
hat, sich aus Furcht vor Langeweue zu erschiessen —; aber
wir danken ihr auch anderseits gewaltige Fortschritte in der
Hygiene und hoffen noch viel mehr durch sie zu erreichen;
aber trotzdem ist es unseres Erachtens doch auch schon man¬
ches Mal angezeigt, dem Gespenste entgegenzutreten und ihm
einen Kaub, den es gar zu dreist sich auf Kosten des Volks¬
wohls bereits angeeignet hat, wieder streitig zu machen, der
zwecklosen Milcnentwer tung durch Kochen entgegen¬
zutreten wo letzteres nicht aus besonderen Gründen geboten
erscheint.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner nied/Uyinieche QeseUsch^xfi;,
Sitzung vom 21. März 1906.
Tilmans: demonstriert Präparate von multiplen Osteom¬
bildungen.
Meier (Wildimgen) zeigt ein neues Endoskop der Blase.
Der Urin wird durch eine mit der Wasserleitung in Verbindung
gebrachte Vorrichtung abgesogen: alsdann ist mit dem neuen In-
stmment eine direkte Besichtigung der Blasenwand ohne Flüssig¬
keitsmedium möglich.
Silb erstein demonstriert einen Patienten, bei dem wegen
Sattelnase eine Paraihninjektion vorgenommen wurde, worauf den
nächsten Tag sich Amaurose einstellte. Den Verdacht, dass das
Paraffin nach dem Optikus hingeflossen und diesen geschädigt, be¬
stätigte eine vorgenommene Operation nicht. Vielleicht handelte
es sich um eine Thrombose der Vena centralis.
Stricker hat mit einem Sarkom, das vom Penis eines Hundes
stammte,' Ueberimpfungsversuche auf andere Hunde gemacht und
den Tieren Tnmormaterial in Vagina, Haut, Bauchhöhle, Gehirn
tibergeimpft. Viele der Versuche ergaben ein positives Resultat.
Die neu wachsenden Geschwülste wie die Metastasen zeigten den
Charakter des Urspiningstumors, kleinzelliges Rundzellensarkom.
Während eine Reihe der geimpften Hände eingingen, trat bei
anderen Spontanheilung der überimpften Geschwülste ein. Von
diesen entnommenes Serum in Sarkomgewebe gespritzt, führte
keinen Effekt herbei, wurde es dagegen direkt in die Blutbahn
(Vena jugularis) injiziert, so zeigten sich Heilungsvorgänge. Die
Uebertragungen des Sarkoms gelangen sowohl mit Stückchen des
Tumors als auch mit einem aus demselben gewonnenen Brei.
Wurde letzterer mit Sand vermischt oder durch Filter geschickt,
so hatten die Ueberimpfungsversuche ein negatives Resultat. E2s
werden mehrere Hunde demonstriert, darunter einer mit einem
übertragenen Vaginalsarkom mit retrograden Metastasen und einer,
der durch intravenöse Serumbehandlung geheilt worden ist.
Grawitz: TJ eher Blutunterauchun ge n mit ultravio¬
lettem Licht. Die Untersuchungen wurden angestellt mit dem
vom Zeisa nach den Angaben von Köhler konstruierten Mikroskop
aus Qnarzlinsen und Quarzprismen unter Verwendung des ultra¬
violetten Teils des Spektrums als Lichtquelle. Der Vorzug dieses
Systems, das etwas ganz anderes darstellt als das Siedentoprsche
Uitramikroskop, liegt weniger in einer Steigerung der Vergrösserung
als in einer Steigerung des Auflösungsvermögens. Bei der Diffe¬
renz der Durchlässigkeit der Gewebssubstanzen den violetten
Strahlen genüber wird eine unmittelbare, fein differenzierte Ab¬
bildung des lebensfrischen Objektes ermöglicht. Da ultraviolettes
Licht mit blossem Auge nicht sichtbar ist, so müssen die mit die¬
sem Licht erzeugten Bilder auf fluorescierender Substanz oder
besser auf photographischem Wege zur Anschauung gebracht
werden. So erhält man Aufschluss über die protoplasmatischen Be¬
standteile der Blutzelien, die durch die Färbemethoden nur einer
sehr mangelhaften Deutung zugänglich waren. Demonstration von
Präparaten. Die roten Blutkörperchen zeigen sich als kreisrunde,
in der Mitte weniger dicht geffigte Scheiben; sie sind völlig ho¬
mogen, zeigen keinerlei Gerüstsubstanz und keine morphologisch
sich ansprägende Differenzierung. Der wichtigste Befund an den
Lymphooyten und grossen einkernigen Leucocyten ist der, dass
ihr Protoplasma nioht homogen ist, sondeni wolkige Differenzier¬
ungen, vielleicht Vorstufen der eigentlichen Granula, erkennen
lässt, wonach die Anschauung von der Homogenität der einkerni¬
gen Lymphocyten fallen zu lassen ist. Bei den polymorphkernigen
Zellen lassen die Eeme die scharfe Segmentierung in einzelne
Teile, sowie die feinen fadenförmigen Brücken zwischen den Kem-
teilchen vermissen, wie sie die gefärbten Präparate, vielleicht als
Schrumpfungseffekt bei der Fixation, zeigen; an den lebensfrischen
Präparaten sieht man nur Einbiegungen des Kernes, keine Ab¬
schnürung, keine fadenförmigen Verbindungsstücke. Das macht
wahrscheinlich, dass die Kenipf)lymorpho3e nicht ein Vorgang der
Alterung und Reifung der Zellen, eine Degenerationserscheinung,
sondern eine Anpassung an lokomotoriscbe Tätigkeiten darstellt.
eine grosse, fast allzugrosse Reihe von Aerzten stehen zur
Verfügung; einige von ihnen haben auch Sanatorien eingerichtet.
Ganz nahe bei einander, eigentlich ineinander übergehend,
liegen S. Margherita und Rapallo an jenem Teil des ligurischen
Meerbusens, der den Namen Golf von Rapallo führt Dieser
Golf zeigt einen balbinselartigen, stark hügeligen Vorsprung,
der ungefähr die Grenze zwischen beiden Orten bildet und
zum Teil auch die Verschiedenheit ihrer klimatischen Ver¬
hältnisse bedingt. In Margherita weht meist, besonders in den
Morgen- und Abendstunden eine frische Brise, während in
Rapallo die Luft einen ausgesprochen milderen Charakter hat.
Beide Orte sind ruhig gelegen, besonders sind die besuchteren
Hotels von dem eigentlichen Treiben der Orte selbst etwas
entfernt, so dass au^. wenn der italienische Nationalcharakter,
wie es des öfteren vorkommt, zu turbulanterem Strassenleben
fuhrt, der Fremde davon doch wenig berührt wird. Reich ist
die Auswahl an schönen, abwechslungsreichen und eindrucks¬
vollen Spaziergängen; wer etwas stärkere Motion liebt, findet
Gelegenheit, die Berge zu erklettern, und wer dem Segel- oder.
Rudersport huldigt, bann sich hier leicht diesem Vergnügen
hingeben und dabei neben der herrlichen Seeluft die präch¬
tigsten Fernblicke nach allen Seiten hin geniessen. So sind
denn S. Margherita und Rapallo für solche, die ihren Nerven
eine Erholung gönnen wollen, die nach anstrengender Arbeit
eine kurze Zeit der absoluten Ruhe gebrauchen, aber auch
für Rekonvaleszenten, für leichte kat^halische Affektionen
der Atmungsorgane aufs wärmste zu empfehlen; ganz besonders
sind die Monate Februar bis April für den dortigen Aufent¬
halt geeignet, aber schon von November ab entfaltet sich ein
reges Leben. Dass die Hotels gut geführt und die Preise im
Verhältnis zu dem Gebotenen mäßige sind, möchten wir nicht
unerwähnt lassen.
Den ausgesprochenen Charakter eines Seebades zeigt
Sestri Levante. Als wir an einem sommerlich warmen, herrlich
klaren Tage Ende Februar daselbst am weissen Sandstrande
sassen, die Wellen in Manneshöhe heranbrausten und mit
Donnergetöse brandeten, da glaubten wir uns an unsere Nord¬
see versetzt; allerdings fehlte es dort an der reichen Kinder¬
schar, die unseren Nordseestrand zu bevölkern und ihm durch
ihr munteres Spiel und ihren Burgenbau ein so charakteristi¬
sches Gepräge zu geben pflegt. Aber von Erwachsenen war
in Sestri Levante aas dortige wohlrenommierte deutsche Hotel
voll besetzt und wir hörten nur allgemeine Aeusserungen des
Entzückens über die Annehmlichkeiten des Aufenthaltes daselbst.
Allerdings ist Sestri für Kranke nicht geeignet, die Luft ist
meist rauh, der Morgen wie der Abend recht kühl. Aber für
Neurastheniker, die einer gründlichen Auffrischung bedürfen,
für abgehärtete Menschen, die ihren matten Körper gern einmal
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176
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 16.
L)o.' Uint'iing der cuiüelijeu Cxrauiila iat iu deu verschiedeueu üelieu
verschietlen; die einzelnen Granula in derselben Zelle zeigen Ver¬
schiedenheiten in Bezug auf Durchlässigkeit gegenüber dem uetravio-
letten Licht, was auf eine verschiedene chemische Zusammensetzung
schliessen lässt. Die Blutplättchen haben nirgends ein Bild er¬
geben, das für das Vorhandensein einer zelligen Strucktur und
auch eines deutlich abzugrenzenden Kernes spräche. Sie bestehen
aus einer strukturlosen Masse mit fädigen Bildungen, als deren
direkte Fortsetzungen breite und deutlich hervortretende Fibrin¬
fäden anzusehen sind.
Berliner Ophthcdmologiache QeseUscImft,
Sitzung vom 15. Februar 1906.
1. Herr Levinsohn: Kolobom der Seh nerve n papil le.
Sitz am temporalen Rande, Tiefe ca. 7,0 D.
2. Herr May: Perlzyste der Iris. Solider, knollenartig
geschichteter Tumor, der nach einem Trauma entstanden war, das
ausserdem zu Dialyse und Einreissung der Iris, sowie zu Luxation
und Spaltung der Linse geführt hatte. Da eine Perforation dei
Hullen des Augapfels nicht stattgefunden hatte, so ist anzunehmen,
dass durch Kapsoiepithel, das auf die Iris gelangte, die Zyste hervor¬
gerufen wurde, die schon vor 8 Jahren von einem andern Augen¬
arzt festgestellt wurde.
Diskussion: Herr v, Michel stimmt der Annahme zu, dass
Epithel der Kapsel oder der Bindehaut dieses gutartige Epitheliom
erzeugt habe. Demonsti ation mikroskopischer Präparate.
3. Herr Adam: Normale und anormale Netzhautlokali¬
sation bei Schielenden. Untersuchungen an 100 Fällen von
Strabismus concomitans. Wie Tschmermak und Bielschowsky
fand auch A. unter Benutzung der Nachbildermethode, dass die
meisten Schielenden anomale Netzhautlokalisation besitzen und zwar
besonders, wenn das Schielauge geringere S als das führende, aber
grössere als Finger: 3 m hat. Die Fovea des führenden Auges korre¬
spondiert mit einer extra fovealen Stelle des Schielauges, meist mit
der dem Objekte zugewandten. Dann wird der Eindruck dieser
Stelle ebendahin projiziert, wohin der Eindruck der führenden Fovea;
also ist binokulares Einfachsehen möglich, was sich durch Sammel¬
bilder im Stereoskop, Prismen, bunte Gläser, Haploskop, Aufbau
des gemeinsamen Gesichtsfeldes nacbweisen liess. Tiefenwabr-
nehmung auf Grund der anomalen Lokalisation fand nicht statt.
Nach Korrektion der Schielstellung traten mit 2 Ausnahmen (ergo
länger dauernde paradoxe Doppelbilder) normale Verhältnisse ein.
Bei jenen beiden Kranken bestand auf Grund der anomalen Lokali¬
sation ausgesprochener binokulaerer Sehakt, so dass in diesen Fällen
bei der Operation Vorsicht geboten ist.
Diskussion: Herr Feilchenfeld: Diese Tatsachen sprechen
f rundlich vom Winde durchwehen lassen, für alle diejenigen,
ie im Sommer bei uns so gern an der See weilen, bietet
Sestri Gelegenheit, sich diesen Genuss auch im Winter zu ver¬
schaffen. Sestri ist den ganzen Winter hindurch besucht,
Januar und Februar zeichnen sich dort durch eine verhältnis¬
mäßig hohe Temperatur — 8 bis 10" R. — aus; vom Mai ab
pflogen die Italiener aus ihren dann schon übermäßig heissen
Häusern berauszuziehen und dann während des Sommers Sestri
zu bevölkern. Eine üppige Vegetation gewährt den Natur¬
freunden viel Genuss, zahlreiche Spaziergänge reichlich Zer¬
streuung und der von der Bevölkerung intensiv betriebene
Fischfang bereichert das Strandleben durch manch charakte¬
ristisches Bild.
So können wir denn die Riviera Levante unseren deutschen
Kollegen aufs wärmste empfehlen, und hoffentlich bietet sich für
reclit viele die Möglichkeit, nicht nur um ihren Patienten deren
Vorzüge anzupreisen, sondern auch selbst dort Erholung zu
suchen nach der meist recht anstrengenden Winterkampagne
und den Körper frisch zu wappnen zum schweren Kampf ums
Dasein.
für angeborene Grundlage der normalen Korrespondenz und nicht
für die empiristische Theorie.
4. Loese r berichtet Uber zwei Fälle von Augenmuskellähmung,
die nach Rückenmarks-Anesthesie aufgetreten waren. Im ersten
Falle handelte es sich um eine linksseitige Trohlearis-, im zweiten
um eine linksseitige Abducens-Lähmang. Das in den Lumbal¬
sack injioierte Medicament war hier Stovain, im 1. Falle Novocain.
Bji dem Pehlen jedes anderen aetiologischen Momentes und
jedes sonstigen objektiv nachweisbaren Krankheitszeichens hält L.
einen aetiologischen Zusammenhang zwischen Lumbalanaesthesic
und Aiigeutnuskcllühmung für sehr wahrscheinlich, womit auch ihr
zeitliches Auftreten wenige Tage nach der Operation und das relativ
schnelle Schwinden der Augenmnskellähniung gut übereinstimint.
Was den Charakter der Lähmung betrifft, so nimmt L. eine
toxische Affektion der betreffenden Nerven bezw. ihrer Kerne an,
indem der mit dem Gifte vermischte Liquor cerebrospinalis durch
direkte Kontakt-Wirkung die genannten, gegen Gifte überhaupt
wenig widerstandsfähigen Gebiete schädigt.
Diskussion: Herr Scheeler sah 8 Tage nach Kokain-
Stovain-Lumbalanaesthesie Parese des linken Abduceus.
Herr Adam sah unmittelbar post operationem eine Lähmung.
Wegen der langen Latenzzeit hält er die Annahme einer Gitt-
wirkung als Ursache der Lähmung für unwahrscheinlich.
Herr Salomonsohn stimmt dem bei; auch dass nur ein ein¬
zelner Nerv einer Seite betroffen sei, lasse mehr an Blutung,
Thrombose o. ä. denken.
Herr Levinsohn hält basale Wirkung des Giftes für die
Ursache der Parese.
Herr Feilchenfeld und Herr Hirsch berg stehen auf
Loesers, Herr von Michel auf Salomonso hns Standpunkt.
Sitzung vom 15. März 1906.
1. Ginsberg: Über die sog. Drusen der Glaslamelle
und über Retinitis pigmentosa. G. stellt die Frage auf,
ob diese beiden Erkrankungen auf Ernährungsstörungen, will sagen
Erkrankungen der Chonocapillaris zurückziifubren seien. Bei den
Drusenbildungen ist sie völlig normal; die der Drusenbildung zu
Grunde liegende gesteigerte Abscheidung von Kutikularsubstanz
ist also eine Erkrankung des Pigmentepitbels. Bei Ret. pigm.
ist die Verödung der Choriocapülaris weder ihrer Intensität nocli
ihrer Lage nach der Pigmenteinwanderung in die Retina ent¬
sprechend, die Krankheit ist also auf einen Zerfall des NeuroepitheLs
zurückzuführen, dem Proliferation und Wanderung des Pigmeut-
epithels in die Retina folgen.
2. Herr J. Hirschberg: Ein Pall von Verletzung der
Orbita. Einem 19 Jahre alten Arbeiter flog am 8. Februar d. J.
beim Schienenlegen ein Stück vom Hammer gegen das Gesicht,
80 dass er, wenn auch nicht bewusstlos, umfiel. Tags darauf war
der Augapfel vorgetrieben und fast unbeweglich. Lidwun.de und
siibkoujunktivale Blutungen; S= Vis,Gesichtsfeld eingeengt. Ophtal-
moskopisch Netzhauttrübung und Blutungen, aber kein Fremdkörper.
Das Sidero.skop gab innen unten auf der Lederhaut sehr bedeutenden
4usscblag, so dass man einen orbitalen EisenspUtter annebmen
musste, dessen Extraktion mittels des Handmagneten aus der Lid¬
wunde glatt gelang. S und Gesichtsfeld besserten sich, es besteht
noch Diplopie und an der Stelle der Netzhauttrübung sieht man
jetzt Arlerbautrisse. Unter 340 Magnetoperationen ist dieser Fall
der erste von orbitalem Splitter.
3. Herr H. Feilchenfeld: Fernere Beobachtung von
Augenmuskellähmung nach Lumbalanaesthesie. Wie in
Adams und Loesers Fall ist auch hier der linke Abducens als ein¬
ziger Muskel gelähmt, die Parese trat erst 12 Tage nach der Ope¬
ration auf.
4. Herr Kowalewski: Familiäre Opticusatrophie
(Krankenvorstellungb Von 3 lebenden Kindern eines gesunden
Elternpaares erblindeten 3 an Atrophia nervi optici; der eine starb
an Herzfehler. Die beiden vorgestellten Geschwister sind sonst
gesund und erkrankten im Beginn des 3. Lebensjahrzehnts. Ein
Bruder der Mutter bekam im 20. Lebensjahre ein Augenleiden,
das seitdem stationär geblieben ist.
5. Herr Ohm: Demonstration eines neuen binokulaeren
Pupillometers. Der Preis des von Doerffel und Faabes
(Berlin) gebauten Instrumentes beträgt 300 Mark.
Kurt Steindorff.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
177
AerztUi^her Verein in Hamburg,
Sitzung vom 20. M&rz 1906.
Vorsitzender Herr Deneke.
I. Demonstrationen:
1. Herr Sick stellt einen jungen Mann mit Lichen
scrophulosus vor: die Erkrankung wurde erst als Scabies ange¬
sehen und war combiniert mit Tuberkulose eines Hand- und eines
Fußgelenkes.
2. Herr Sick zeigt ferner einen Mann, der mit zuneh¬
menden Kopfschmerzen, Sehstörungen, Erbrechen und endlich
Bewusstlosigkeit erkrankt war. Es bestand der Verdacht auf Tumor
cerebri. Kolossale Stauungspapille und von Tag zu Tag grösser
werdende Retinalblutungen. Bei der Operation fand sich eine
Cyste im Gehirn, aus der sich Cerebrospinalflüssigkeit in grosser
Menge entleerte. Die Erscheinungen bildeten sich zurück, sodass
der Mann wieder völlig arbeitsfähig wurde. Die Operations¬
resultate bei Tumor cerebri sind in der Regel sehr schlecht, weil
es schwer hält, den Tumor richtig zu localisieren.
3. Herr Herhold spricht über die sog. Fußgeschwulst
beim Militär, die seit einigen Jahren als Bruch eines Mittelfuß-
knochens erkannt ist. Symptomtrias ist empfindlicher Schmerz, ab¬
norme Beweglichkeit und ev. Crepitation. Er behandelt die Patien¬
ten nur mit einfacher Bettruhe und untersagt streng, den Fuß
irgendwie aufzusetzen. Auffallend ist, dass fast ausnahmslos der
2. oder der 3. Metatarsus erkrankt sind, und zwar sitzt die Fraktur
meist an der Grenze zwischen distalem und mittlerem Drittel.
Der Vortragende hat durch Belastungsversnche festgestellt, dass
es sich nicht um eine besondere Brüchigkeit, sondern nur um ab¬
norme Belastung des Fußes handelt. Zur Fraktur kommt es fast
nie zur Zeit, wo Parademarsch geübt wird, sondern hauptsächlich
bei grösseren Märschen in der Marschperiode.
4. Herr Paschen zeigt Spirochaete pallida, nach Leva-
diti gefärbt, bei einem Fall von congenitaler Lues.
5. Herr König (Altona) zeigt eine neue Schiene für Cal-
caneus fraktur. Man hat bis jetzt stets den Bardenheuerschen
Extensionsverband angelegt, der nicht nur Fixation, sondern auch
Bewegungen und Massage gestattete. Durch eine sinnreich ange¬
brachte, mit einer Stellschraube versehene Vorrichtung bekämpft
V'ortragender nun gleichzeitig die Entstehung des Plattfußes.
6 . Herr Rieck (Altona) berichtet über seine glänzenden
Erfolge in 208 Fällen von vaginalem Leibschnitt.
II. Herr Denecke widmet warm empfundene Worte den
verstorbenen Mitgliedern
1. Herrn Augenarzt Dr. Martin Salomon, f 14. 3. 06,
2. Herrn Oberarzt der Abt. für Haut- und Geschlechtskranke
d. AUg. Krankenhauses St. Georg Dr. Julius Engel-Reimers,
t 10. 3. 06.
HI. Vortrag des Herrn Hahn: „Kn'ochensyphilis im
Röntgenbilde“. An der Hand einer ausserordentlich grossen
Anzahl von vorzüglichen Röntgenbildern bespricht der Vortragende
die pathologische Anatomie und die Diagnose der Knochensyphilis.
Der Vortrag eignet sich nicht zu kurzem Referat, erscheint in den
„Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrablen,“
Sch ön e wal d.
AensUicher Verein München,
Sitzung vom 7. März 1906.
1. Herr R. Grashey: Fremdkörper und Röntgen-
8 trahlen.
Im Anschluss an die Projektions-Demonstrationen der letzten
Sitzung bespricht G. zunächst die Frage: Was gehört dazu, um
den Nachweis eines Fremdkörpers durch die Röntgenstrahlen zu er¬
möglichen (Dichtigkeit des Körpers im Verhältnis zu dem ihn um¬
gebenden Medium, Qualität der Röhre usw.). Zur Auffindung des
Fremdkörpers ist die Durchleuchtung notwendig, die Röntgen¬
photographie nur bei kleinsten Fremdkörpern. Dann werden die
Hilfsmittel zur Orientierung über die Lage des Fremdkörpers ge¬
schildert (aufgelegte Metallstiicke, Punktograph nach Angerer-
Rosenthal, Moritzscher Pendelring und ähnliche Apparate). Auf
die „mathematische“ Bestimmung der Lokalisation der Fremd¬
körper wird näher eingegangen. Um Täuschungen (durch Ver¬
schiebung des Fremdkörpers) zwischen Durchleuchtung und Opera¬
tion zu vermeiden, hat man die „radioskopische Operation“ ein-
geführt. Sollen hierbei grössere Gebiete durchleuchtet werden,
so wird Operateur und Röntgenbeobachter sich nicht in einer Per¬
son vereinigen lassen. Ersterer braucht das Tageslicht, letzterer
muss sein Auge durch graue Brillen usw. an das für den Pluor-
escenzschirm notwendige Licht adaptiert halten. Der Schluss
des Vortrags galt der Beeinflussung unseres cbirurgiscben Handelns
durch die Röntgenstrahlen. „Quieta non movere“ muss uach wie
vor oberster Grundsatz bleiben. Durch die Sicherheit, welche die
Durchleuchtung gibt, ist ein zielbewusstes Vorgehen möglich, die
Operation setzt geringere Störung. Hierdurch werden ihre Chancen
bessere.
2. Herr S. Oberndorfer: üeber chronische Appendi-
cltis.
Im vorgeschrittenen Lebensalter (etwa vom 40. Jahre ab)
findet man überhaupt keine normalen Appendices mehr. Es bilden
sich Lymphangitiden in der Nähe des FoUikel des Prozessus ver-
mif. aus, denen sich weitere Veränderungen produktiver Art an-
schliessen. Das Endstadium bildet in ein Drittel der Fälle Obli¬
teration des Processus, wobei eine reichliche Fettwuoherung ex
vacuo im submucösen Gewebe statt hat. ln den übrigen Fällen
findet sich Sklerosierung des submucösen Gewebes und Atrophie
der Schleimhaut; es kann hierbei nicht zur Obliteration kommen,
weil sich Inhalt (Schleim, Epithelien, Bakterien) im Processus
findet. In solchen Fällen lässt sich eine starke Vermehrung de.s
elastischen Gewebes konstatieren. Vortragender bezweifelt, dass
es eine physiologische Obliteration gibt, hält vielmehr alle die ge¬
schilderten Zustände für chronische Entzündungen, hervorgerufen
durch Bakterien oder deren Toxine, welche die Schleimhaut durch¬
dringen. Er meint, dass es sich um eine primär chronische
Entzündung handelt, nicht um acute Prozesse.
3. Herr A. Krecke: Können wir die operativen Fälle
von Appendicitis diagnostizieren?
Das Thema des Vortrages heisst, noch mehr eingeschränkt»
eigentlich: Können wir die schweren, sofort die Operation er¬
fordernden Appendicitisfälle erkennen? Kr. beantwortet diese
Frage mit „Ja“. Er beschränkt sich auf die frischen, in den
ersten drei Tagen zur Behandlung kommenden Fälle. IHe einzig
stichhaltige Unterscheidung ist: Appendicitis simplex (leichte
Fälle, erfordern nicht die Operation) und Appendicitis destruc-
tiva (schwere Fälle, erfordern umgehend die Operation).
An der Spitze der Symptome, die eine Unterscheidung der
beiden Gruppen zulassen, stellt Kr. die schmerzhafte Spannung
der Bauchdecken. Sie ist unbedingte Indikation ztu* sofortigen
Operation. Ebenso ist es eine Frequenz des Pulses über 100
(ausser bei Kindern unter 10 Jahren). An dritter Stelle folgt das
Erbrechen, dann der lokale Schmerz. Um das letztere Symptom
richtig beurteilen zu können, vermeide man nach Möglichkeit die
Darreichung der Narcotica, insbesondere des Opium. Man gebe
statt dessen den Eisbeutel. Die Temperatur spielt l^i der Beurteilung
der Appendicitis nur eine untergeordnete EcUe. Oft fehlt Fieber
bei den schwersten Fällen. Die Perkussion scheint dem Vortr.
nicht sehr wichtig zu sein, dagegen fällt nach seiner Meinung der
Atmung eine wichtige diagnostische Rolle zu; costaler Atemtypus
mit Beschleunigung der Frequenz bedingt eine ernste Prognose.
Ueber das Verhalten des Leucocythen fehlt Kr. die Erfahrung.
Er glaubt, dass es nicht von grosser Bedeutung ist für die Frage,
ob ein destruktiver Prozess vorhanden ist oder nicht. Zum Schluss
betont er nochmals, dass die Diagnose der Appendicitis destruo
tiva sofortige Operation notwendig macht; im Zweifelfall operiere
man lieber, als dass man bis zu einem Zeitpunkte wartet, wo die
Chancen der Operation sich bedeutend verschlechtert haben.
Diskussion zu den beiden letzten Vorträgen:
Herr v. Stubenrauch bestätigtim allgemeinen die Anschau¬
ungen von Krecke. Er berichtet über zwei Fälle von Kindern, wobei
die Diagnose auf Perforativ-Pertonitis gestellt wurde. Es handelte
sich in beiden Fällen um akute Lymphdrüsenschwellungen, in
einem Fall verbunden mit Exsudation.
Herr Schmitt unterscheidet zwischen Appendicitis mit und
ohne Tumorbildung. Wenn ein Tumor vorhanden ist, kann man
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178
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr 16.
i. A. ruhig abwarten. Wo aber keiner vorhanden ist, will er, so¬
bald die Diagnose Appendicitis gestellt ist, operieren. Er bewertet
da.s Zurückbleiben der Atmung auf der kranken Seite als diagno¬
stischen Faktor hoch.
Herr Decker glaubt, dass die chronische Appendicitis in
den meisten Fällen die Grundlage der akuten ist. Als diagnostisch
wertvoll (für die chronische Form) hält er unmotivierte Diarrhoeen,
leiohte Temperatursteigerung, Nabelschmerz und Blasenreizung.
Herr Gebele bestätigt im allgemeinen die Ansichten von
Erecke, wendet sich aber gegen Schmitts Anschauungen. Er
warnt dringend vor dem Opium.
Herr Wassermann bricht eine Lanze für die Leucocythen-
Zählung,
Herr Gillmer warnt ebenfalls vor dem Opium und meint,
dass die Indication zur Operation möglichst weit gestellt werden
soll, weil häufig eine Appendicitis simplex diagnostiziert wird, wo
schwere Veränderungen vorliegen.
Herr Schmitt spricht den Tumor (zusammengebackene
Därme) als Schutz des Organismus vor der Infektion des Perito¬
neums an. Eine leichte Appendicitis mit Sicherheit zu umgrenzen
ist unmöglidi. Die Fälle mit seröser Exsudation (dtirdh Strepto¬
kokken bedingt!) sind nach seiner Meinung ge^hrlicher als die mit
eitriger E.
Herr A m a n n verbreitet sich über den Zusammenhang
zwischen Appendix und Erkrankungen der weiblichen Genitalen. Er
hält die Leucocythenzählung für recht wichtig.
Herr Gebele spricht nochmals gegen die Schmitt’schen An¬
sichten. Der Tumor bildet sich meist erst am dritten Tag.
Herr Oberndorfer (Schlusswort).
Herr Krecke (Schlusswort). Schluss nach V»12 Uhr.
Dr. Albert üffenheimer.
Österreich.
Verein deutscher Aencte in Pr€ig.
Sitzung vom 12. Januar 1906.
Herr Dr. R. Kuh: „Über moderne Skoliosenbehand¬
lung.“ Er demonstriert an den Apparaten praktisch die Ideen,
von denen sich die Skoliosentherapie, die er als eine Bewegungs¬
therapie bezeichnet, leiten lässt. Die Wirbelsäule stellt einen
Geleukskomplex dar, die einzelnen Teile desselben sind zu einander
fixiert, und durch Lockerung der fixierten Teile und Umkrümmung
normaler Körperformen wiederherzustellen, näher kommen. Es ist
dasselbe Prinzip, welches bei der Behandlung anderer Knochen¬
deformitäten zur Anwendung kommt. Um die Wirbelsäule zu
mobilisieren, sind aber ingeniöse Apparate von Lorenz, Hoffa,
Schulthess u. a. angegeben worden. Speziell die Apparate des
letzteren zeichnen sich durch grosse Exaktheit aus. Basierend
auf den Wolfschen Lehren von der Beeinflussung der Knochen-
büdung durch die Gelenksfunktion führt S. die Deformität durch
die Bewegung in die korrigierte Stellung über oder die Skoliose
ward zuerst redressiert, und in dieser Stellung werden dann Be¬
wegungen ausgeführt. Lorenz sucht durch leichte Suspension und
gleichzeitige Redression des Rippenbuckels mittels schlangenfbrmig
den Oberkörper umfassende elastische Gurte, den statixsquo wieder
herzustellen. Zur Mobilisierung der Skoliose wdrd auch die Ge-
wichtabehandlung nach Beely stark verwendet.
Der Vortr. erwähnt auch die frühere Skoliosenbehandlung, die
von falschen anatomischen Vorstellungen ausging, so z. B. die
„Rachylysis“ nach Darwell mit örtlichem Seitenzuge.
Zuletzt werden die Gyrsebetten demonstriert, wde sie in der
Anstalt des Vortr. zur Verwendung gelangen. Patient wird nach
erfolgter Mobilisierung in diesen Apparat des Nachts gelagert.
Dieselben werden nach einem Modell in suspendierter oder
schräger Schwebelage, in womöglich überkorrigierter Stellung an¬
gefertigt. Nach erfolgter Mobilisierung der Wirbelsäule wird der
Patient des Nachts hineingelagert. Nach längstens einem Jahre
müssen dann die Betten umgearbeitet werden.
Karl Basch: Zur Ausschaltung des Thymus (mit
Demonstration.) Auf der Naturforscherversammlung in Karls¬
bad hat B. bereits eine vorläufige Mitteilung über Ausschaltung
der Thymusdrüsen erstattet. Er hat nachgewiesen, dass ein Zu¬
sammenhang zwischen Thymus und Ossifikation nach der Richtung
besteht, dass bei geeigneten Versuchstieren nach Ansschaltong der
Thymus in der ersten Lebenszeit Veränderungen, insbesondere an
den langen Röhrenknochen auftreten, die sich ausprägen durch
eine grössere Weichheit und Biegsamkeit und durch ein Zurück¬
bleiben im Wachstum gegenüber Kontrolltieren gleichen Wurfes.
Um ein deutliches Mass für die gestörte Ossifikation zu besitzen,
hat Bach bei operierten und bei Kontrolltieren unter völlig
gleichen Bedingungen Fracturen am BUnterbeine angelegt und
dann festgestellt, dass, abgesehen von einer Verschiedenheit im
klinischen Ablaufe der Fraktur, das operierte Tier, d. i. das thymus¬
lose, einen kleineren Kallus an der Frakturstelle darbot, als ein
Kontrolltier gleichen Wurfes. Behufts graphischer Darstellung der
geschilderten Verhältnisse wurden in regelmässigen Zeitebsohnitten
Röntgenphotographien angefertigt Früher hat R. Fischl über
das gleiche Thema gearbeitet, ist jedoch zu einem völlig negativen
Resultate gekommen. Diese Differenz der Ergebnisse erklärt B.
durch die Wahl völlig ungeeigneter Versuchstiere seitens Fischl’s,
und durch ungeeignete Versuchsbedingungen. Bach ist in der
Lage, an der Hand eines neuen ausgiebigen Materials die Rich¬
tigkeit seiner Beobachtungen entgegen Fischl vollkommen aufrecht
zu halten, und neuerdings zu bestätigen; immer konnte es beim
thymuslosen Tiere Kallusdififerenzen, Verschiedenheit des Ablaufes
der Fraktur, nur Zurückbleiben ün Wachstum nadiweisen.
Das einheitliche Ergebnis hat B. durch exakte Durchführung
der Versuchsbedingungen, deren Leitsätze er in den anscliliessenden
Ausführungen aus der Morphologie und Entwicklungsgeschichte des
Thymus entwickelt, wobei er auf die letzte Verschiedenheit gegen¬
über den von Fischl gewählten Bedingungen nochmals hinweist.
0. W—r.
Kongressbericht.
II, Kongress der Deutschen Röntgen-CieseUsehaft
in Beriin,
Vorsitzender: Herr Eberlein (Berlin). Referent Dr. Heinz
Wohlgemuth (Berlin).
Der wissenschaftliche Teil des Kongresses wurde eröffnet mit
einem Vortrage von Walter (Hamburg) über die Vorgänge in
der Röntgenröhre, die Phosphoreszenz der Kathodenstrahlen, die
Erwärmung der Glaswand, deren Ursache nicht die Röntgen-
Bondem die Kathodenstrahlen sind; eine längere Diskussion be¬
schäftigte sich mit der Ablenkung der Kathodenstrahlen, der Frage
der Erwärmung der Röhre usw.
Ueber die Dosierung der Röntgenstrahlen in der Praxis spricht
Herr Levy-Dorn (Berlin); indem er die bisher üblichen und
benutzten Instrumente zur Messung der Strahlen kurz erwähnt,
gibt er ein von ihm geübtes Verfahren kund. Er unterscheidet
ganz richtig zwischen der grossen Differenz in der diagnostischen
und therapeutischen Dosierung und betont, dass die Schwierigkeit
einer guten und exakten therapeutischen Dosierung in der Un¬
vollkommenheit unserer Apparate im dauernden gleichmäßigen
Arbeiten liegt, natürlich aber auch von der Beschaffenheit der
Röhre, ihre Strahlenart, der Grösse des bestrahlten Feldes ab¬
hängig ist. Er hat als grösstes Maß der Bestrahlung in einem
Falle über 20000 qcm in 4 Monaten bestrahlt. Herr lirotka
und Herr Cowl (Berlin) verbreiten sich über dasselbe Thema
und behandeln kritisch die Zuverlässigkeit der verschiedenen
Messungsmethoden. Herr Grashey (München) will Wert darauf
gelegt wissen, dass man nicht nur unterscheidet, ob eine Röntgen¬
röhre weiche oder harte Strahlen hat, sondern welches Gasgemenge
in derselben enthalten ist, wenn sie regeneriert wird nsw. In
der weiteren Diskussion betont Herr Stegmann (Wien) mit
Nachdruck die Individualität des Patienten in bezug auf die Inten-
sitäts- und Qualitätsmessung der Strahlen. Er selber hat viel¬
fach gesehen, dass bei der therapeutischen Bestrahlung dieser
Patient auf lächerlich kleine Dosen so reagiert hat, dass ein
drüsiges Organ merklich sich verkleinerte, andere wiederum nicht
die geringste weder innere noch äusserlicbe Reaktion auf recht
grosse Dosen darboten. Herr Grnnmach (Berlin) stellt eine
Mittelmaximaldosis der Bestrahlung von 5 Minuten auf. Herr
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1906.
MEUICLMSCIIK WOCUE.
179
Albers-Sch önbe rg (Hamburg) unterscheidet bei der thera¬
peutischen Behandlung die Fälle, in denen ein tiefer liegendes
Organ (Mik, Niere usw.) bestrahlt werden soll von denen, in
welchen die Strahlen m<^t weit unter oder durch die Haut zu
dringen brauchen, und wählt danach die Röhre und die Zeitdauer
der Bestrahlung.
Die Reihe der Vorträge des diagnostisch-medizinischen
Teiles eröffnete Herr Grunmach (Berlin): Ueber seltene Leiden
des Oberkiefers nach Untersuchungen mit R önt gen strahlen.
Er hat sich zum Zwecke einer guten diagnostischen Photographie
eine Röhre konstruieren lassen, die er in den Mund einführt. Er
hat vermittelst dieses Verfahrens in einigen Fällen grosser Schmerz¬
haftigkeit der Zähne trotz ihrer äusseren Intaktheit, eine allge¬
meine Hyperostosis alveolaris konstatieren können. Ändere
Hyperostosen nach Schlag ins Gesicht demonstriert er an Photo¬
graphien.
Die Fehlerquellen in der Nieren- und Hamleiter-Steindiagnose
beleuchtet Herr Alb er s-Schön be rg (Hamburg), die Ver¬
wechselung von kleinen Verknöcherungen in den Muskeln mit
Harnleitersteinen, Prostatasteinen, verkalkten Myomen mit Blasen-
steinen. Er macht auf den kleinen Unterschied in der Lage der
Uretersteine bei Frauen und Männern aufmerksam, die bei ersteren
etwas mehr lateral ist, und lenkt dann die Aufmerksamkeit auf
jene häufigen zahlreidien Flecken im Röntgenbüde, die von Steck¬
nadelkopf- bis Erbsengrösse, kreisrund, manchmal mit einem kleinen
Fortsatz, sich einzeln oder in Haufen besonders bei jeder Becken-
anfhahme finden, weshalb man sie auch „Beckenflecke“ genannt
hat, und die als Phlebolithen aufzuiassen sind, mit Ausnahme der
bekannten S t i e d a ’schen Flecken.
Herr Graessner (Köln) zeigt Röntgenogramme von Osteo-
malade, Skoliose und Wlrbelfrakturen zu einem Falle, dessen
Krankengeschichte er erläutert. Es handelt sich um ein Mädchen,
das in 14Vs Jahre erkrankte, im Wachstum vollkommen zurück-
blieb und die im Thema genannten Erscheinungen zeigte, nachdem
sie bis dahin ganz gesund gewesen. Aus den Röntgenbildern ist
nach seinem E>afürbalten aucflt zu erkennen, dass — wie viele
Autoren meinen — Osteomalacie und Rachitis recht eng verwandte
Krankheiten sind. Vortragender demonstrierte dann einige Rönt¬
genaufnahme , in denen trotz angeblicher sehr geringfügiger
Gewalteinwirkung, „Verheben“, eine deutliche Fraktur eines
Lendenwirbels, meist des fünften, zu konstatieren war. Herr
Ludloff (Breslau) macht auf die nicht seltenen Fälle von Kreuz¬
beinfrakturen nach verhältnismäßig 'geringer Gewalteinwirkung
aufmerksam.
Ueber Präzisionsaufnahmen von Extremitäten
sprach Herr Grashey (München) mit Demonstration eines
Blendenapparates.
Der therapeutische Teil der Verhandlungen ist recht
karg mit nur 4 Referenten bemessen, von denen Herr Comas
(Barcelona) mit einem interessanten Thema über kosmetische
Ergebnisse in der Behandlung des Lupus mittels
Röntgenstrahlen noch ausfieh
Herr Schmidt (Berlin) demonstiert eine Reihe rönt-
genisierter Fälle. Einen durch 1 Jahr lange Bestrahlung
„erheblich gebesserten“ Fall von Lupus des ganzen Gesichts,
1 Warze an der Hand, die durch 4 Bestrahlungen fortgebracht,
2 Fälle von geheiltem Favus ebenfalls nach 4 Bestrahlungen.
1 Lichen ruber verrucosus des Unterschenkels, der in einem Jahr
geheilt wurde, mehrere Fälle von Ulcus rodens, die nach nur 6
bis zu 2 Jahre langen Bestrahlungen geheilt waren und bis jetzt
2 Jahre lang rezidivfrei geblieben sind. Die eigentlichen Karzi¬
nome haben ihm wenig günstige Resultate geliefert und er möchte
daher die Röntgenbestrahlung nur für die Hautkankroide aufgespart
wissen, die nicht sehr in die Tiefe dringen. Bei Prostatahyper-
trophie hat er sehr gute Resultate mit deutlicher Verkleinerung
der Drüse, Äufhören des Harnzwanges erreicht. Auch bei weichen
Stmmen bat er in einigen Fällen ganz gutes, in anderen gar kein
Resultat erhalten, in Uebereinstimmung mit anderen Autoren, die
ebenfalls die Röntgenbehandlung dieser Fälle als ein meist un¬
wirksames Verfahren betrachten. Die Unsicherheit und grosse
Differenz des Erfolges in der Behandlung der Struma mit Rönt¬
genstrahlen bekräftigen ebenfalls die Herren Albers- Schönberg,
Grunmach, Hahn (Hamburg), Levy (Heidelberg), Stegmann
(Wien). Sicher haben alle konstatiert, dass die fibrösen und cysti-
schen Strumen der Röntgenbehandlung absolut nicht zugänglich
waren, während bei den rein parenchymatösen Fällen oft ein deut¬
liches Klemerwerden des Organ.s zu konstatieren war. Herr Hahn
(Hamburg) und Herr Rosenfeld (Berlin) haben bei der Röntgen¬
bestrahlung Wirkungen der Strahlen ' auf den Sympathicus be¬
obachtet, ersterer eine günstige Wirkung auf das Gehörvermögen
eines Hundes, letzterer das Verschwinden einer den ganzen Körper
einnehmenden Sycosis fungoides nach Bestrahlung nur einer zir¬
kumskripten Stelle.
Herr Rosenberger (Würzburg) macht eine längere Mit¬
teilung über den therapeutischen Wert der Röntgen-
strahleu in der Chirurgie. Die günstige Wiikung der Be¬
strahlung beim Hautkarzinom, Sarkom, Ulcus rodens war in allen
Fällen sicher. Ein Fall von Karzinomrezidiv mit faustgrossem
Tumor ist in 30 Bestrahlungen vollkommen geheilt worden. Die
Sarkome haben ihm im allgemeinen keine guten Resultate geliefert,
doch sind einige Fälle wieder überraschend schnell nach 10—17
Bestrahlungen scheinbar geheilt worden. Ebenso sind leukämische
Drüsen auf Bestrahlung schnell verschwunden, doch war zu kon¬
statieren, dass diese scheinbar geheilten Fälle nach der Bestrahlung
ein auffallend kachektisches Au3.sehen zeigten, ein Fall von Leu¬
kämie nach der scheinbaren Heilung plötzlich starb.
Herr Eberlein (Berlin) sprach dann noch über Röntgen¬
therapie bei Haustieren. Interessant und für die Therapie
beim Menschen als Tierexperiment zu betrachten ist ein Fall von
Polyarthritis eines Chimpansen, die durch Bestrahlung geheilt
wurde.
Herr Weick (Breslau) hat bei der Bestrahlung der Haut¬
karzinome ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass man sehr streng
zwischen den der Bestrahlung ein gutes Objekt darbietenden ein¬
fachen Epitheliomen und den schwierigen tiefergreifenden Fällen
unterscheiden müsse. Hier hat er selten zufriedenstellende Re¬
sultate erzielt. Die übrige Nachmittagssitzung beschäftigte sich
nur mit dem technischen Teil der Röntgenologie, neuen
Röhren, Apparaten, Röntgenpapieren etc. Unter diesen Vorträgen
war höchst interessant eine Demonstration von plastischen
R ö n t ge n bild e rn des Herrn Alexander Kesmärk (Buda¬
pest), auf denen im einzelnen Bilde Knochen und Fremdkörper
plastisch und mit Schlagschatten bei deutlichster Struktur sicht¬
bar waren. Der Vortragende war jedoch nicht bereit, seine
Methode zu verraten.
Die Abendsitzung wurde mit Projektionen zu den ge¬
haltenen Vorträgen ausgefUllt.
Periodische Literatur.
MOnchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 14.
1 . Lexcr, Königsberg: Znr Behandlung akuter Entzündungen
mittels Stannngshyperämie.
Das Bier’sche Verfahren bezweckt die Unterstützung der
natürlichen Abwehrvorgänge, diese wird in der Tat erreicht, aber
sie kann leicht in eine Störung Umschlagen. Es giebt vier
Grundtypen der Wirkungsweise: 1 Das Infiltrat geht voll¬
kommen zurück. 2. Das Infiltrat erweicht rasch ohne sich zu
vergrösseru. 3. Das Infiltrat erweicht und vergrös.sert sich, wobei
das Freber nicht wie bei dem vorigen Typ abfällt sondern unbe¬
einflusst bleibt oder steigt. 4. Das Infiltrat wächst rasch unter
dem Bilde der akut fortschreitenden Phlegmone. Die Ver¬
änderungen welche die normalen Vorgänge am Infektionsherd
unter dem Einfluss der sachgemäß ausgeführten Stauung erleiden,
beziehen sich auf die Resorption, die Schutzstoffe, die proteolytischen
Fermente, die Transsudation. Die Resorption wird während der
Stauung geringer, während sie nach Aufhebung derselben mehr
zu werden pflegt. Es ist die Frage, ob der Organismus die ohne
Stauung nllmälig erfolgende Ueberführung der resorbierten Stoffe
besser erträgt als die bei der Stauung schubweise stattfindende
Resorption. Was die Schutzstoffe anlangt, so werden dieselben
bei der Stauung am Locus morbi angehäuft. Es findet fraglos
eine vermehrte Bakteriolyse statt und doch kann daneben lange
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180
MEUICIKISCIIE WOCHE.
Nr. 16.
Zeit hindurcli eine Vermehrung der Eitererreger im Entzündungs¬
herd sich ereignen; ja sekundäre Infektionen sind auch durch die
Stauung nicht zu verhindern. Bei der eintretenden Bakteriolyse
bilden sich Endotoxine. Zeigt sich eine örtliche endotoxische
Wirkung, dann muss die Stauung augenblicklich unterbrochen
werden und man muss versuchen, durch Incisionen zunächst einen
Temperaturabfall herbeizuführen. Auffallend ist für jeden die bei
Anwendung der Stauung erfolgende schnelle Gewebseinschmelzung.
Es ist bekannt, dass die durch zerfallende Lenkocyten entstehenden
proteolytischen Fermente bei der Gewebsverfltissigung eine gi-osse
Rolle spielen. Die Stauungshyperämie wirkt bezüglich der Ge-
websvei^üssigung wie ein Kataplasma.
Verf. steht aber auf dem Standpunkt, dass das Abwarten
der Gewebseinschmelzung gar nicht empfehlenswert ist, wenn man
durch frühzeitige Incisionen die Verflüssigung verhindern kann.
Daher müssen die entzündlichen Infiltrate schon vor der Stauung
mit Incisionen versehen werden, nur in diesem Falle ist der uner¬
wünschten Fermentwirkung zu begegnen. Die Transsudation und
Exsudation werden durch die Stauung ganz erheblich gesteigert.
Sind die Entzündungsherde geschlossen, so ist diese Steigerung
nur in leichteren Fällen unbedenklich. Demnach stellen sich die
Ergebuisse der Untersuchungen des Vert. etwa folgendermaßen:
1. Die veränderten Resorptionsverhältnisae be¬
wirken nur in leichten Fällen keinen Nachteil, bei schweren sind
genügende Inzisionen zu fordern, um von dem erkrankten Gewebe
die Gefahr der verminderten Resorption während der Stauung,
von dem Gesamtorganismus die der gesteigerten Resorption nach
Abnahme der Binde femzuhalten.
2. Die Vermehrung der Schutzkörper infolge der
Stauungsbebandlung ist bezüglich antitoxischer Stoffe ohne wesent¬
liche Bedeutung, bezüglich der bakteriziden in leichten Fällen
vorteilhaft, in schweren schädlich durch das Freiwerden grösserer
Endotoxinmengen infolge der Bakteriolyse. Nur grosse und früh¬
zeitig angelegte Spaltungen des Gewebes begegnen diesem Nachteil.
3. Die Vermehrung der proteolytischen Fermente
infolge der Stauungsbehandlung wirkt in infizierten Verletzungs¬
und Operationswunden günstig. Die Einschmelzung entzündlicher
Infiltrate dagegen muss überall, wo es sich nicht um ganz leichte
Formen handelt, durch frühzeitige Schnitte verhütet werden, da
sonst der nekrotisierende Vorgaag wichtige Gewebsabschnitte
(z. B. Seimen) erreicht, oder der Eiter in die Nachbarschaft
durchbricht.
4. Die vermehrte Transsudation beziehungsweise
Exsudation während der Stauung wirkt in geschlossenen oder
ungenügend inzidierten Entzündungsherden schädlich durch Ver¬
breitung der Giftstoffe ira Glewebe, nützlich dagegen in breit ge¬
öffneten und in infizierten Verletzungs- und Operationswunden
durch die mechanische Ausschwemmung der Infektionsstoffe.
Daraus folgt als Gesamtergebnis, dass sich die Stauungs¬
behandlung bei akuten pyogenen Erkrankungen im allgemeinen
nur in leichten Fällen eignet; in schweren dagegen nur
nach frühzeitigen und genügend grossen Spaltungen der
Entzündungsherde. Zweifelhafte Fälle müssen als schwere be¬
trachtet und behandelt werden, namentlich wenn auf den ersten
Stauungsversuch eine örtliche Verschlimmerung eintritt.
2. Bestelmeyer, München: Erfahnmgen über die Behänd*
lung akut entztts^oher Prozesse mit Staunngshjperämie nach
Bier.
Verf. hat etwa 200 Fälle nach Bier behandelt. Teils kamen
die Gumraibinde, teils Sauggläser in Anwendung. Wo freier Eiter
vorhanden war, wurde inzidiert, der Eiter durch Ausdrücken ent¬
fernt, aber nicht tamponiert. Die Eitersekretion pflegte in den
ersten Tagen zuzunehmen, sank aber mit eintretender Besserung
rasch ab. Furunkel und Karbunkel wurden mittels Sauggläsern
behandelt, wobei die schmerzstillende Wirkung in erster Linie
auffiel. Eine Abkürzung der Behandlungsdauer war kaum festzu-
stellen. Die subkutanen Panaritien wurden meist mit Inzision
und Bindenstauung behandelt. Dasselbe galt von den Phlegmonen
der Hand. In 4 Fällen von phlegmonöser Bursitis praepatellaris
mit subfaszialer Phlegmone am Oberschenkel führte die Stauung
kombiniert mit kleinen Inzisionen nicht zum Ziele. Sehr bewährt
hat sich das Biersche Verfahren bei periproktitischen Abszessen,
hier kamen Saugnäpfe in Anwendung. Unzuverlässig war das
Verfahren bei Erysipel, dagegen zeigten sich Erfolge bei L 5 nnphangiti 8 .
Ueberraschende Erfolge sah Verf. bei mastitis puerperalis. Bei
ostalen Panaritien sah Verf. von der Stauungstherapie keinen Er¬
folg. Die Ergebnisse aller dieser Beobachtung sind folgende: Die
Wirksamkeit der Stauungshyperämie bei akut entzündlichen Pro¬
zessen ist erwiesen, jedoch es giebt für dieselbe eine Grenze, wo
ihre Macht allein nicht mehr ausreicht, die Erkrankung zu über¬
winden. Vorteile der Methode sind die subjektiv viel angenehmere
Behandlungsweise, die kaum sichtbaren Narben und der Fortfall
der Tamponade. Nachteile liegen in der immerhin schwierigen
Technik, die ohne Intelligenz des Patienten besonders schwer aus¬
führbar bleibt.
3. Penkert, Freiburg i. B.: Lombalanftithesie im Xorphiom-
Skopolamin-B&mmerschlaf.
Der Verf. hat die Beobachtung gemacht, dass bei der sonst
so erfolgreichen Medularanästbesie das klare Bewustsein der
Patienten, welche alle Vorbereitungen sehen, störend wirkt, es
kommt nicht selten zu heftigen Erregungszuständen. Aus diesem
Grunde wurde Verf. dazu geführt, die Rückenmarksanästhesie mit
dem durch Skopolamin-Morphium erzeugten Dämmerschlaf zu kom¬
binieren. Durch kleine Dosen Skopolamin-Morphium werden die
Erinnerungsbilder so schnell verwischt, dass der Patient auch die
Erinnerung an die Operation verliert. 2 V 2 —3 Stunden vor Be¬
ginn der Operation wird in je einstündigem Intervall je eine
Spritze 0,01 Morphium plus 0,0003 Skopolamin injiziert, bis der
gewünschte Dämmerzustand erreicht ist. Die Gesamtdosie des
Morphiums beträgt meist 0,02, des Skopolamins 0,0006. In
sitzender Stellung wird unter Cbloraethylspray, zwischen 1 und 2
Lendenwirbel in der Mittellinie oder '/2 cm seitlich mit der Bier-
schen Nadel eingestochen und Stovain-Suprarenin injiziert. Im
Fehlen des Erinnerungsbildes der Operation liegt das Humane der
Kombination. Nach dem Erwachen kein Erbrechen. Alle in dieser
Weise operierten Fälle gaben dasselbe gute Resultat.
4. Brentano, Charbin; Erfahrungen über Gelenkschüue ans
dem mssisch-japanischen Krieg.
Es ist zu unterscheiden zwischen infizierten und nicht infizierten
Gelenkschüssen. Die letzteren können oft auffallend bringe
Symptome machen und es kann schwierig sein, dieselben zu
diagnostizieren. Man schloss auf Gelenkverletzung 1. aus der
Verlaufsrichtung des Schusskanals, 2. aus der Beschränkung der
Beweglichkeit und den Schmerzen bei aktiven und passiven Be¬
wegungen, 3. aus dem Ergüsse in die Gelenkkapsel, 4. aus dem
Wundsekret, das in einigen Fällen durchaus die Beschaffenheit
reiner Synovialflüssigkeit hatte. Ziemlich häufig konnte ein Stecken¬
bleiben der Geschos.se beobachtet werden. Eine Entfernung kommt
meist nur dann in Betracht, wenn das Geschoss im Gelenk frei
oder in der Kapsel sitzt. Sitzt das Geschoss in den das Gelenk
bildenden Epiphysen, dann ist seine Entfernung nur dann indiziert,
wenn es als Ursache länger dauernder Eiterung angesprochen
werden rau.ss. Bei nicht infizierten Gelenkschüssen sind daher
operative Eingriffe relativ seiten. Die Störungen auch bei nicht
infizierten Gelenken sind meist recht beträchtlich. Es bleiben
Steifigkeit des Gelenkes und Beschränkung der Beweglichkeit,
spontane Schmerzen und Schmerzen bei Bewegungen und schliess¬
lich Muskelatrophien. Auch bei den infizierten Gelenkschüsseo
ist eine konservative Behandlung am Platz. Sind grosse Weich¬
teilwunden und ausgedehnte Knochenverletzungen vorhanden, dann
wird man wohl stets zur Amputation schreiten müssen. Verf. hat
ausgedehnten Gebrauch von Gipsverbänden gemacht, je nach Be¬
dürfnis gefenstert. Besonders bewährt hat sich dem Verf. als
Verbandmaterial Palinenblätter. Dieselben sind breit genug, werden
in warmen Wasser ganz weich, ihre rauhe Oberfläche haftet gut
am Gips, sie lassen sich leicht in Streifen zerlegen, welche den
Schusterspahn ersetzen. Viele infizierte Gelenke heilen bei breiter
Eröffnung, nur das infizierte Hüftgelenk konnte auf diese
Weise nach den Erfahrungen des Verf. nicht zur Heilung ge¬
bracht werden.
5. Colmers, Leipzig: Die kriegschimrgiBche Bedentnng
des Böntgenverfahrens und die Art seinei Verwendung im
Kriege.
Zunächst sind folgende Fragen zu stellen: 1. Wo (in welchem
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1906.
MEDICmiSCHB WOCHE.
181
Ija^'.aretverbande bezw. wie weit hinter dem Schlachtl'elde) ist das
Röntgenkabinet zu etablieren, um am besten und erfolgreichsten
für die Verwundeten ausgenützt werden zu können. 2. Wie ist
das für Kriegszwecke bestimmte Röntgeninstrumentarium zusammen¬
gesetzt. Das Röntgenkabinet wird am zweckmässigsten nicht in
der Nähe des Schlachtfeldes und nicht in leicht beweglichen
Lazaretten sondern erst im Kriegslazaret aufgestellt. Für die
Benutzung des Röntgenapparats kommen in Betracht Geschosse,
Geschosssplitter und Fremdkörper, welche sich im Körper be¬
finden. Ferner ist er von grosser Wichtigkeit bei Frakturen,
denn er giebt Aufschluss über den Grad der Zertrümmerung, die
Lagerung der Splitter, den Heilungsvorgang und die Sequestrierung.
Bemerkenswert ist die Erfahrung des Verf., welche dahin geht,
dass während seiner Tätigkeit in Charbin kein Fall vorgekommen
ist, in welchem es wünschenswert gewesen wäre, dass der Ver¬
wundete inelnemFeldlazaret röntgographisch untersucht worden wäre.
6 . Jodlbauer, v. Tappeiner, München: üeber die Wir»
knng des Lichtes auf Fermente (Invertin) bei Sanerstoffab-
wesenbeit.
Die früheren Untersuchungen der Verff“. haben gelehrt, dass
eine sichere Schädigung des Invertins durch Sonnenlicht (ohne
ultraviolette Strahlen) nur bei Sauerstofianwesenbeit stattfindet.
Die neueren Untersuchungen beziehen sich auf das gesamte Licht
und haben folgende Resultate ergeben: 1. Eine quantitativ be¬
stimmbare Schädigung des Invertins zeigte sich unter Belichtung
auch in Gefässen, welche mit Wasserstoff, Stickstoff oder Kohlen¬
säure gefüllt waren. 2. Die Schädigung blieb unverändert be¬
stehen, wenn sich im Belichtungsgefiiss Sauerstoff absorbierende
Mittel befanden. 3. Die schädigende Wirkung des Lichtes in
sauerstofffreier Atmosphäre wird durch Zusatz von fluoriszierenden
Stoffen zur Fennentlösung nicht beschleunigt.
7. Selb erg, Berlin: üeber den Abriss der Streckaponen-
rose der Finger (Distalen Phalanx).
Das Abreissen der Streckaponeurose von der Endphalanx ge¬
hört immerhin zu den selteneren Verletzungen, es kommt meistens
dadurch zustande, dass mit dem ausgeslreckten Finger heftig
gegen einen Widerstand gestossen wird. Gewöhnlich wird sofort
ein heftiger Schmerz empfunden, das Gelenk schwillt an und das
Endglied bleibt in Flexion stehen. Die Behandlung kann meist
der Operation entraten. Verf. lässt lediglich einen Däumling
tragen, in welchem ein mit Leder überzogenes Stahlschienchen
eingeschoben wird. Tägliche Massage ist vorteilhaft.
8. Kuhn, Kassel: Wolfsrachen nnd perorale Tnbage.
Verf. wendet bei der Operation des Wolfsrachens die In¬
tubation an. Die Narkose ist leicht und kontinuierlich, Zwischen¬
fälle werden vermieden und damit ein beschleunigter Verlauf der
Operation ermöglicht. Ausser der Erleichterung der Narkose
kommen bei der peroralen Tubage noch weitere günstige Momente
in Betracht. Die Zunge wird nicht, wie sonst vorgezogen, sondern
tief nach hinten in den Mundboden gedrückt und hindert dann in
keiner Weite mehr. Zugleich dient die Zunge als Rachentainpon.
Ein zweiter günstiger Punkt ist die Uebersichtlichkeit des
Operationsfeldes und die so wichtige Reinlichkeit. Zum Zweck
des Zurückdrängens der Zunge hat Verf. einen eigenen Spatel
konstruiert, welcher ohne Behinderung des Operateurs gebraucht
werden kann.
9. Landgraf, Bayreuth: Sind Hauttransplantationen ein
Heilmittel.
Verf. hat im Krankenhaus zwecks Transplantation einen
zweiten Kranken Thier’sche Lappen entnommen, und nun bei
der Kasse, welcher der erste zu transplantierende Kranke ange¬
hörte, die Kosten für den Hautspender liquidiert. Diese Kosten
wurden anstandslos bezahlt, ein Beweis, dass die Kasse die Haut¬
transplantationen im rechtlichen Sinne als Heilmittel anerkennt.
10. Weinberg, Dortmund: Eine neue Sicherheitsvorriohtnng
fhr subkutane und intravenöse Injektionen.
Die einfache Vorrichtung besteht in einem zwi.schen Spritze
und Kanüle eingeschaltetem nach Art eines Bajonettverschlusses
drehbaren Zwischenstückes, welches bei einer be.stimmten Stellung
eine seitliche mit der Kanüle kommunizierende Ausseuöffnung frei¬
macht. Man verfährt bei intravenösen lujeklioueu der Art, dass
man bei geschlossener Oeffnung einsticht, dann öffnet und wartet,
ob aus der Oeffnung Blut ausströmt. Bei subkutanen oder intra¬
muskulären lujektionen verfährt man in gleicher Weise, nur sticht
man die Kanüle von neuem ein, wenn aus der Oeffnung Blut aus-
tritt. Die Spritze wird von der Firma Dewitt A Herz, Berlin
geliefert.
11. Lange, München: Schule und Honett.
Der Schluss der bereits in der vorigen Nummer in ihrem
ersten Teil eingehend referierten wichtigen Arbeit enthält zunächst
die Frage; Wie soll nun unsere Jugend von dem Korsett befreit
werden? Das geschieht nicht dadurch, dass man plötzlich das
Korsett verbietet sondern, dass man je nach dem Fortschritt einer
durch Gymnastik zu erstrebenden Stärkung der Rückeomnskalatur
allraälig das Korsett abgewöhnt. Jedoch es muss ein Ersatz ge¬
schaffen werden, denn der lineare Druck der Kleiderbünde ist
mindestens ebenso oder noch schädlicher als das Korsett. Das
Prinzip einer gesuuden weiblichen Tracht ist also dasselbe, wie
das unserer männlichen Kleidung. Dieses Prinzip durchznführen
empfiehlt Verf. das Tragen eines nirgends geschnürten mit
Schulterbügeln versehenen sogenannten Münchner Leibchens. Als
Strumpfhalter wird ein das Becken umspannender Gurt mit an der
Innenseite der Oberschenkel verlaufenden Strumpfbändern getragen.
Als Oberkleid dient am besten die sogenannte Prinzessform. Ob
eine Kleidung weit genug ist, lässt sich am sichersten prüfen,
wenn sich die Frau in Rückenlage flach hinlegt. Wird in dieser
Lage beim Ein- und Aasatmen kein ringförmiger Druck am Rumpf
empfunden, so macht die Kleidung auch in allen anderen
Stellungen keine Beschwerden.
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. 14.
1 . Braun, Göttingen: Die Behandlung des Plenraempyems,
Zur Feststellung des Pleuraempyems und der Beschaffenheit
des Eiters ist die Punktion unumgänglich. Dieselbe wird oft
zweckmässiger Weise an zwei Stellen ausgeführt und zwar an
einer höher und einer tiefer gelegenen Stelle. Zur Punktion sind
die Nadeln der gewöhnlichen Pravatz’schen Spritzen im allgemeinen
zu dünn, man tut besser daran weitere Canulen zu verwunden.
Mit Punktion nnd Aspiration des Eiters kommt man gewöhnlich
nicht zu einer Heilung. Die souveraine Methode bleibt die opera¬
tive Eröffnung des Pleurasackes mit möglichst gründlicher Ent¬
leerung des Eiters. Entweder macht man den Schnitt intercostal
oder nach erfolgter Rippenresektion retrocostal. Der intercostale
Schnitt hat oft den Nachteil, dass man nicht lange genug die
Wunde offen halten kann. Zur Resektion wählt man entweder die 5.
oder 6. Rippe in der Axillarlinie oder die 9. und 10. hinten am
Rücken in der Scapularlinie. Im allgemeinen kommt man mit
dem seitlichen Schnitt aus. Die Operation wird bei ängstlichen
Personen und bei Kindern in Chloroformnaroose aasgeführt. Man kann
auch Lokalanästhesie anwenden, nur bleibt das Periost immer em¬
pfindlich. Von Ausspülung der Pleurahöhle macht Verf. keinen
Gebrauch. Die Wunde wird mit genügend weiten Rohren drainiert.
Ein Nachteil der Inzisionsmethode ist die Bildung eines Pneumo¬
thorax. Wichtig ist auch das Fibringerinsel mittels Tupfer oder
mit dem scharfen Löffel zu entfernen. Man hat auch empfohlen
mittels Wasserstrahlpumpe den Inhalt der Pleurahöhle auszusaugen.
Manche Kliniker halten die Heberdrainage für eine dem Schnitt
gleichwertige Methode. Für die Behandlung der tuberkulösen
Empyeme lässt sich eine Regel gar nicht aufstellen. Es muss von
Fall zu Fall entschieden werden. Eventuell ist die Injektion von
10% Jodoformglycerin in den Pleurasack zu versuchen. Die
doppelseitigen Empyeme sind vielleicht häufiger als man denkt.
Man wird die operative Eröffnung nicht gleichzeitig sondern nach
einander vornehmen. Die therapeutischen Resultate sind nicht
schlechter, wie bei der eiuseitigen Erkrankung.
Bei spontan nach aussen durchgebrochenen Empyemen führt
oft eine Rippenresektion zur Heilung.
2. Brauer, Marburg: Praxis and Theorie des Überdraok»
Verfahrens.
Der Verf. steht auf dem von ihm schon präzisiertem Stand¬
punkt, da.ss für die Praxis eia Unterschied zwischen Überdruck-
nnd Minusdruckverfahren nicht besteht. Die Vorwürfe, welche
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182
MBDICINI8CHB WOCHE.
Nr. 16.
man dem Überdruckverfahren macht, es sei z. B. unphysiologisch,
treffen das Uuterdruckverfahren ebenso. Es kommt immer
nur auf die Druckdifferenz an nicht auf den absoluten Druck.
Als Nullpunkt kann niemals der normale Ätmosphärendruck
genommen werden, sondern entweder der Innendruck oder Aussen¬
druck nicht aber in dem einen Fall der eine im anderen der
andere. Bei richtiger Beurteilung kann man unmöglich zu einer
Unterschätzung des Ueberdruckverfahrens kommen.
3. Kümmel, Hamburg-Eppendorf: Die operative Behandlung
der Hypertrophie und des Caroinoms der Prostata.
Nach Anschauung des Verf. ist die Prostatahypertrophie eine
lokale Erkrankung der höheren Lebensjahre von deren Beseitigxmg
auch ein positiver Erfolg zu erw’arten ist. Die Bottinische
Operation bietet heute bei dem guten zur Verfügung stehenden
Instrumentarium nicht mehr die erheblichen Schwierigkeiten, welche
im Anfang ihre Einftihrung in die Praxis verhinderten. Verf.
hat unter 52 Bottinischen Operationen vier Misserfolge und
drei kurz nach dem Eingriff eingetretene Todesfälle zu verzeichnen.
Von den übrigen 45 Fällen starben acht längere Zeit nach der
Operation. Verf. glaubt, dass die von anderen Klinikern berichteten
Misserfolge teilweise darauf zurUckzufübren sind, dass die lu-
cisioneu nicht tief genug aasgeführt wurden. Die Operation hat
Verf. stets bei vollkommen entleerter Blase ausgeführt. Da die
Schmerzen nur gering sind, kann man des Narcoticums entraten.
Von der Operation wurde abgesehen bei Pyelonephritis, Schrumpf¬
niere und dergl.
Zur Verkleinerung der vergrösserten Prostata hat man die
zuführenden Arterien unterbunden. Die Operation ist zumal bei
alten Leuten nicht ohne Gefahren. Auf Grund der entwicklungs-
geschichtlich nachweisbaren Beziehungen zwischen Hoden und
Prostata hat man bei Hypertrophie der letzteren die Castration
vorgeschlagen. Die Operation ist einfach und ungefährlich und
zwingt nicht zu längerem Liegen ein bei alten Leuten recht wichtiges
Moment.
Auch die teilweise Excision der Prostata ist mit gutem Er¬
folg versucht worden. Man umschneidet deu Mastdarm und löst
denselben stampf von der Prostata ab und schneidet nun aus dieser
ein möglichst grosses Stück heraus.
Die Totalexstirpation ist eine immerhin recht schwierige
Operation, welche vor allem zu längerer Bettruhe zwingt. Bei
geeigneter Technik gelingt diese Operation in kurzer Zeit. Es
fragt sich nun, wann soll eine Prostatahypertrophie operativ
in Angriff genommen werden. Zunächst wird man versuchen
durch geeigneten Katheterismus eine spontane Entleerung zu be¬
wirken, gelingt dies in einigen Tagen nicht, dann wird man zur
Operation schreiten. Besteht der Verdacht auf Carcinom, so kommt
nur die Radicaloperation in Betracht. Welche Operation gemacht
wird, hängt von dem einzelnen Fall ab. Verf. hat die Entfernung
der Prostata in letzter Zeit meistens durch sectio alta ausgeführt.
Die Bottinische Operation wendet Veif. da an, wo der All-
gemeinzustand einen radikalen Eingriff nicht gestattet. Mit gutem
Erfolg bat Verf. die Lumbalanaesthesie angewandt.
4. Neumann, Berlin: Zur Radikalbehandlang der Colon-
carcinome.
Die operative Therapie beim Coloncarciuom weist immer noch
eine erhebliche Mortalität auf. Wichtig ist die sorgfältige Aus¬
wahl der für eine radicale Entfernung geeigneten Tumoren und
ein vorsichtigeres, mehr individualisierendes Vorgehen bei der Ent¬
fernung der Geschwülste. Erschwerend für die Operation ist, dass
meist der Shock ein relativ grosser ist und dass die Nähte nicht
allzusicher halten. Die Anwendung des Murphyknopfes empfiehlt
sich durchaus nicht. Die meist in hohem Grade vorhandene Koth-
staumig wird am besten vor Anlegung der Nähte beseitigt. Wie
dies geschieht, hängt von der Eigenart des Falles ab.
5. Amberger, Frankfurt a. M.: Zwei bemerkenswerte Fälle
von Gehimohimrgie.
Ein sechsjähriger Knabe erleidet einen Fall auf die Stirn mit
Hautwunde ohne Knochenverletzung. Im Laufe von Wochen ent¬
wickeln sich Symptome eines Gehirnabscesses, es wird trepaniert
und etwa 100 ccm dünnflüsssigen Eiters entleert, Heilung ohne
Störung. Der zweite Fall betrifft einen jungen Mann, welcher von
einer Leiter stürzte und sidi offenbar eine Basisfractor zosogi
auch hier treten Erscheinungeu eines Gehirnabszesses auf, aus der
einen Nase entleert sich viel seröse Flüssigkeit. Es wird trepaniert
und man findet das Stirnbein mehrfach frakturiert. Im Gehirn
eine grosse porenzephalische Höhle. Heilung glatt.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 15.
6 . Binz, Bonn: Heber Eaohininund Ariitoohin gegen Keaoh-
hasten.
Verf. hat .seiner Zeit auf die therapeutische Verwendbarkeit
des Chinins bei Pertussis hingewiesen. Die von allen Seiten be¬
stätigten guten Erfolge dieser Therapie erklären sich zwanglos bei
der neueren Auffassung des Keuchhustens als Infektionskrankheit.
Nun steht der Ordination des Chinins aber der stark bittere Ge¬
schmack entgegen, welcher von Kindern nicht ertragen zn werden
pflegt und daher eine durchaus nötige regelmässige Darreichung
verhindert. Es gibt nun zwei Chininpräparate, welche so gut wie
geschmacklos sind. Kirstens das Euchinin, der Kohlensäure-Aethy-
lester des Chinins. Dasselbe wirkt nach den Beobachtungen des
Verfassers genau so wie das Chinin und kann daher bei Pertus^
in ganz ausgezeichneter Weise verwandt werden. Allerdings ist
der Preis ein ziemlich hoher. Das zweite Präparat ist das Aristo-
chin, der neutrale Kohlensäureester des Chinius. Aach dessen
Wirkung ist gleich gut aber der Preis noch höher wie beim
Euchinin.
2. Üblich, Berlin: Ueber emen Fall von aoatem Brom-
Exanthem bei Morbus Basedowü.
Einer Basedow-Patientin wurde brausendes Bromsalz verab¬
reicht. Es stellte sieb ganz plötzlich ein Elxanthem ein, welches
auf den Handrücken, im Nacken und an den Augenbrauen lokali¬
siert war. Es traten zunächst kleine rote Stippdien auf, welche
sich schnell vergrösserten, stark juckten und sich in eine Art von
Quaddeln verwandelten. Diese füllten sich mit etwas wässriger
Flüssigkeit und wurden blasenartig. Die ausgebogenen wallartigen
Bänder waren von einer roten Zone umgeben. Es lag bei der
Patientin eine ganz aussergewöhnlich hohe Reizbarkeit des Gesäss-
nervensystems vor, was auch durch die starke urticaria factitia
erwiesen werden konnte. In gewisser Weise abgesehen von der
Lokalisation glich das Exanthem demjenigen, das nmn nicht selten
bei Antipyrin zu beobachten Gelegenheit hat.
3. Litt haue r, Berlin: Ueber abdominale Netetorsion and
retrograde Inoaroeration bei vorhandenem Leütenbraeh.
Bei einer 53jährigon Frau, welche ohne jede Beschwerden
und ohne jede Behandlung einen Leistenbruch heromgetragen hatte,
traten plötzlich heftige Schmerzen im Brudisack und im Abdomen
auf. Die Untersuchung ergab in der linken Unterbauchgegend
eine deutliche mit der im Bruchsack fühlbaren Geschwalst zu¬
sammenhängende Resistenz. Am Tage der Einlieferung wurde zur
Operation geschritten. Im eröfheten Bruchsack zeigte sich Netz
mit straff gefüllten Venen, kein Erguss. Ein freier Netzzipfel
findet sich nicht. Es gelingt nicht das Netz durch die Brueb-
pforte hervorzuziehen und es wird daher die Laparotomie ange-
schlo.s8en. Diese ergibt eine reichliche Menge blutig ge&rbter
Flüssigkeit. Die oben erwähnte Resistenz erweist sich als das
dreimal torquierte Netz. Daneben liegt der kuglig geschwollene
schwarzverferbte Netzzipfel welcher mit einem Appendix epiploi-
cus der Flexura sigmoidea verwachsen ist. Diese Verwachsung
wird gelöst, das Netz reseciert und die Wunde bis auf eine Drai-
nageöffnung geschlossen. Die Heilung erfolgt anstandslos, abgesehen
von einer Venenthrombose des Oberschenkels, Wie die Torsion
des Netzes zustande gekommen ist lässt sich nicht sagen, der
Netzzipfel dagegen ist offenbar einer retrograden Incarceration an¬
heimgefallen.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 14.
1. Schütz, Wien: Ueber radiologisohe Befände bei Magen*
karzinom.
Verf. hat mittels des Wismuthverfahrens verschiedene
Fälle von Magenkarzinom radiologisch untersucht. In allen Fällen
wich dieser Befund von der Norm ab. Das übereinstimmende
Ergebnis war eine fehlende oder höchst mangelhafte FüUimg des
Antrum pyloricum mit dem Bismuthbrei und ein Fehlen der Peri-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
183
staltik dieses Magenabschuittes. Es scheint also wohl möglich zu
sein, auf radiologischem Wege den Sitz eines Erkrankungsherdes
im Magen zu lokalisieren und die sonst nicht immer zu beant*
wertende Frage nach der Angehörigkeit eines Turners zum Magen
zu entscheiden. Man wird hoffen dürfen, dass auf diesem Wege
es auch gelingt, differentialdiagnostische Fortschritte bei Magenkarzi¬
nom und ulcus ventriculi zu machen.
2. Hamburger. Wien: üeber paravertebrale D&mpfimg
imd Anfkellmig bei Pleuritis.
Man ßndetbeiPleuritisauf der kranken Seite regelmäßig eineZone
relativ aufgeheliten Schalles gleich neben der Wirbelsäule. Die Unter¬
suchungen des Verf. haben nun ergeben, daß man in jedem Fall von
exsudativer Pleuritis imstande ist, auf der Hinterseite des Thorax vier
Zonen verschiedenen Perkussionsschalles von einander zu unter¬
scheiden. Der Schallauf der gesunden Seite ist neben der Wirbelsäule
dumpfer als in den äußeren Thoraxpartien, dagegen ist der Schall
auf der kranken Seite neben der Wirbelsäule heller als in den
äusseren Partien. Man kann daher von einer paravertebralen
Zone reliitiver Dämpfung auf der gesunden und von einer paraver¬
tebralen Zone relativer Aufhellung auf der kranken Seite sprechen.
Dieses eigentümliche Verhalten kommt dadurch zu Stande, dass
bei der Percussion der gesunden Seite die Kranke durch das Ex¬
sudat behindert!, nicht mitschwingen kann, während bei der
Percussion der kranken Seite die gesunde Seite mitschwingt.
3. Kienboeck, Wien: Das quantimetrische Verfahren.
Verf. hat eine Methode angegeben, um die Intensität der
verwandten X-Strahlen zu messen und damit zu einer denkbar
genauen Dosierung und Abstufung zu gelangen. X-Strahlen ver¬
ändern lichtempfindliche Papiere desto energischer, je länger sie
einwirken. Verf. benützt nun Kartoostreifen, welche mit Chlor-
bromsilbergelatine überzogen sind und mit einem besonders zu¬
sammengesetzten Entwickler entwickelt werden. Je nach der
Dunkelheit des hervorgerufenen Silberniederschlags wird an Hand
einer von der Firma Heiniger, Gellbert und Schall in Er¬
langen beigegebene Scbattenskala die Dose bestimmt.
4. Fridezko, Wien: Ueber zwei Fälle pulsierender Ober-
sohenkelvarizen.
Verf. hat zwei Fälle von Oberscbenkelvarizen beobachtet,
welche beide folgende Punkte gemeinsam hatten: 1. leichte Arterio¬
sklerose, 2. mäßige Bradykardie, 3. Pulsation von Oberschenkel¬
varizen, dieselbe ist eineDoppelpulsation von rhythmischem Charakter,
deren erste Erhebung rein systolisch einsetzt, die zweite Erhebung
fällt in die Diastole. Sie geht mit Bradykardie einher, schwindet
mit derselben. Sie. ist äusserst unbeständig, an Intensität wechselnd,
häufig schwindend. Verf. konnte den Beweis erbringen, daß in
dem einen Fall sicher, im zweiten wahrscheinlich die Pulsation in
ihrer Totalität als mitgeteilte anzusehen ist.
Therapeutische Monatshefte 1906. No. 3.
1. Sörensen, Kopenhagen: Ueber Bogeuauote retom cases
— d. b. durch entiassene Oeflobwister angesteckte, dem Spital
suräokgesobiekte Fälle — bei Scbarlaoh.
Die sorgsamen und an einem grossen Krankenmaterial vor¬
genommenen Untersuchungen haben ergeben, dass im allgemeinen
die Isolierdauer eine längere sein muss, da auch in der Rekon¬
valeszenz die weitere Verbreitung nicht zu den Seltenheiten ge-
höit. Eine längere Isolierdauer ist aber nur schwer durohiührbar
und daher kommt es, dass wir der Frage der return cases ziem¬
lich machtlos gegenüber stehen.
2. Lots, Friedrichroda: Zur Therapie nervöser Schmerzen.
In recht anregender und beachtenswerter Weise entwickelt
Verf. eine Theorie über die Funktion der sogenannten sensiblen
Nerven, das heisst der ceotripetalen Leitungen zum Zentralorgan.
Der Gedankengang ist ungefähr folgender. Der motorische Nerv,
die oentrifugale Leitung erhält eine Energiewelle von einer zen¬
tralen Zellgruppe aus. Das Resultat dieser Welle ist die Kon¬
traktion eines Muskels. Woher nimmt die Gehirnzelle die Kraft,
um dem motorischen Nerv die erwähnte Energiewelle mitzuteilen?
Diese Kraft muss eine latente sein und Verf. nimmt nun an, dass
die durch die centripeteden sensiblen Leitungen dem Zentralorgan
übermittelten, aus der Aimsenwelt stammenden Reize in latente
Kraft umgesetzt werden und erst im geeigneten Moment als
Muskelaktion wieder ziim Vorschein kommen. Somit bestände die
Hauptaufgabe des sensiblen Systems darin, den Zentralorganen
Energiewellen zuzuführeu, latente Kraft, nervöse Energie zu liefern.
Dass >vir durch die sensiblen Nerven gelegentlich auch Nachrichten
Uber die Aussenwelt erhalten, ist nebensächlich. Der Mangel an
den durch die sensiblen Nerven dem Zentralorgan zu übermittelnden
Reizen wird der Mensch unangenehm empfinden, und wenn die
Hautnerven keine Gelegenheit haben, zu funktionieren, so ist dies
ein Nacliteil.
Nun sind nervöse Schmerzen nach Ansicht des Verf. die Folge
eines Rclzzustandes im sensiblen System und haben ihre Ursache
in einer mangelhaften Tätigkeit des letzteren resp. der Hautnerven.
Je mehr wir also unsere Hautnerven üben und ihnen erwünschte
Reize zukommen lassen, desto mehr wird sich nervöse Spannkraft
im Zentralorgan aufspeichern und desto schneller werden nervöse
Schmerzen verschwinden. Verf. empfiehlt daher häufiges und
gründliches Frottieren der Haut mit einem rauen Stoffe. Die Er¬
folge dieser Anordnung bei nervösen Schmerzen scheinen gute zu
sein
3. Sommer, Dresden: Ueber Maretin.
Verf. hat das von der Firma Bayer & Co. hergestellte Ma¬
retin, ein Karbaminsäure-m tolyl-hydracid einer therapeutischen
Prüfung unterworfen. Die Resultate sind folgende: Unter 25
Fällen war das Maretin bei 7 Fällen von einwandsfreier günstiger
Wirkung. Bei 2 Fällen trat Collaps ein. Bei den übrigen Fällen
war ein erheblicher Erfolg nicht zu erzielen. Trotzdem hält Verf.
das Maretin für ein ganz brauchbares Fiebermittel, zumal für
Phthisiker.
4. Mo 11 weide, Freiburg i. B.: ürfahnmgen über Regulin.
Verf. hat mit dem von Schmidt angegebenen Regulin
(.Agar. Agar mit Cascaraextrakt) recht gute Erfahrungen gemacht
und empßehlt dasselbe bei chronischer Obstipation ganz besonders.
Ein besonderer Vorzug besteht darin, dass das Mittel nicht reizt.
5. Haedicke, Falkenstein: Ueber Appetitlosigkeit und
appetitanregende Mittel bei Lungentuberknlose.
Das wichtigste bei Anorexie der Phthisiker ist die Enuierung
der Ursache. Diese liegt oft in der Erkrankung selbst. Zunächst
bedingt das Fieber als solches meist eine Appetitlosigkeit. Sodann
sind es Intoxikationserscheinungen, welche als ätiologisches Mo¬
ment herangezogen werden müssen. Auch das starke Husten bei
den Mahlzeiten muss in Betracht gezogen werden. Des weiteren
kommen Störungen von seiten des Verdauungstractus in Frage.
Hierher gehören chronischer Magenkatarrh, Carcinom, Ulcus ven¬
triculi. Viele Magendarmstörungen entstehen durch das Verschlucken
der Sputa. Auch die oft in guter Absicht übertriebene Milcher¬
nährung macht gelegentlich Störungen. Sehr wichtig für die all¬
gemeinen Ernährungsstörungen ist- auch die bei Tuberkulosen so
häufige Obstipation. Schliesslich muss auch die Darmtuberkulose
erwähnt werden. Für alle diese Störungen kommt in erster Linie
die Beseitigung der Ursachen in Betracht, ferner wird man Me¬
dikamente heranziehen können. Als solche stehen zur Verfügung
die .\mara, die Gewürze, die Pleischsäfte und Fleischsalze, da.s
Kreosot in kleinen Dosen, das Phytin, der Alkohol in kleinen
Dosen; der Pawlow’sche Hundemageusaft. Sehr wichtig ist aus¬
gedehnter Genuss reiner frischer Luft und Bewegung unter gleich¬
zeitiger Anwendung von Arsen.
6 . Bilharz, Sigmaringen: Medikamentöse Bebandlnng der
Tuberkulose.
Verf. betont gegenüber der diätetisch-physikalischen Behand¬
lung der Tuberkulose die medikamentöse, zumal in den Fällen,
in denen der Lungenprozess noch nicht sehr ausgebreitet ist.
Verf. gibt seit Jahren grosse Gaben von Elalium sulfoguajacolicum
und zwar mit Ossin zusammengerührt. Der Appetit hebt sich,
das Körpergewicht nimmt zu. Eine Begrenzung der Darreichung
gibt es nicht. Zum Beweis der Richtigkeit dieser Angaben führt
Verf. kurz drei Fälle auf. Vor allem soUen skrophulöse Kinder
das Mittel sehr gut vertragen und sich dabei erheblich bessern.
7. Krefft, Berlin: Ueber elektromagnetische Therapie
(System Trüb).
Verf. teilt Erfahrungen über die Behandlung mit dem wechsel-
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164
MBDICINTSCHB 'WOCHE.
Nr. 16.
magnetischen Feld mit. Wenn dieselben auch eine nur immerhin
kleine Zahl von Heilungen ergeben, so ist das Verfahren als
solches wegen seiner bequemen und leichten Handhabung, seiner
Vielseitigkeit und Unschädlichkeit doch dringend zu empfehlen.
Das Hauptgebiet stellen die Neuralgien, rheumatischen Erkrank«
ungen, Neurasthenien und Äfifektionen des ZentralnerveDS 3 ^tems
dar. Verf. führt 7,2% Heilungen und 44,8% sehr erhebliche
Besserungen auf.
8 . Meyer, Bernstadt Sa.: Zar Behandlung der entzünd«
liehen Erkrankungen der oberen Hamwege. Verf. hat die An¬
sicht, dass bei entzündlichen Erkrankungen der oberen Hamwege
als ätiologisches Moment Produkte des intermediären Stoffwechsels
mit in Betracht kommen, welche einen günstigen Boden für Bak¬
terien vorbereiten. Er bat gute Erfahrungen mit dem Helmitol
gemacht Als Hauptpunkte bei der Behandlung schwerer Er«
kranknngen der Hamwege besonders in ihren oberen Abschnitten
sind folgende zu beobachten. 1. Rege Durchspülung der Hara-
wege durch den Genuss reizloser Flüssigkeiten. 2. Ausschalten
der Bildung reizend oder toxisch wirkender Stoffe im Darm, durch
weglassen der Fieischnahrung, Gewürze etc, durch regelmässige
Darmauswaschung mittels Lösungen von Mittelsalzen in Form der
Bitterwässer oder des Sanosals. 3. Darreichen eines leicht imd
in ausgibiger Menge Formaldehyd abspaltenden Medikamentes, am
besten in der Form des Helmitols.
9. Ganz, Brünn.* üeber die therapeutische Wirksamkeit
der Alkoholsilbersalbe.
Diese Alkoholsilbersalbe von der Firma Helfenberg her-
gestellt, besteht aus 0,5% Collargol, 70% Alk. von 96%, Natron-
seife, Wachs und Glycerin. Die Salbe hat eine einheitliche
dunkelbraune Farbe, ist von geschmeidiger Konsistenz und riecht
nach Alkohol. Das Anwendungsgebiet ist folgendes:
1. Zirkulationsstörungen der Haut wie die durch die Kälte
hervorgerufenen Stauungshyperämien, z. B. Perniones der
Ohren, Hände und Füsse.
2. Ernährungsstörungen wie Kongelationen, Ulcera cruis. De¬
cubitus.
3. Traumen: Schwellungen der Weiebteile nach Kontusionen,
Sugillate, Schwellungen der Gelenke nach Distorslonen;
Verbrennungen ersten und zweiten Grades.
4. Nichtinfektiöse Elntzündongen: Tendovaginitis, Bursitis, Phle¬
bitis, chronische Ekzeme.
5. Infektiöse Entzündungen: In&zierte Wunden, Panaritien,
Phlegmonen, Furunkel, Lymphadenitis und Lymphangitis,
Bubo und Epididymitis.
10. Bauermeister, Braunschweig: Zur Therapie der
Galleasteinkrankheit mit Probilinpillen.
Diese ProbDinpillen bestehen aus ölsaurem Natron, Salizyl¬
säure, Menthol, Phenolphtalein und werden von F. Buchkas Kopf-
Apotheke in Frankfurt a. M.- hergestellt.
Von 42 während mehrerer Jahre beobachteten Fällen waren
4 unbeeinflusst, 17 gebessert, 21 glatt geheilt. Das Präparat
scheint demnach wohl geeignet zu sein in der Therapie der Gallen-
steinkrankheit verwandt zu werden.
AHgemeine medicinische Central-Zeitung. 1906. Nr. 3.
Rahn: Arzt und Mutter in der Säuglingsemähnmg. Studie
über Stillen und künstliches Nähren.
Die Forderung wird erhoben, dass das Stillen auf alle Fälle
und bei jeder einzelnen Mutter dringend anzuraten und mindestens
während der ersten 6—8 Wochen zur Pflicht zu machen ist.
Nach dieser Zeit kann man in den Forderungen insofern nach-
lassen, als man wenigstens noch das Stillen früh und abends und
ev. Nachts verlangt. Ist eine Zutat bei mütterlicher Milchdar¬
reichung oder ein Ersatz der Muttermilch nötig, dann empfiehlt
Verf. in erster Linie die Theinhardt’sche lösliche Kindernahrung.
Ein anderes Theinhardt’sches Nährpräparat, „Hygiama“ hat viel
gute Dienste geleistet als Kräftigungsmittel in der Rekonvaleszenz,
hei Magen- und Darmkranken, als reizlose Kost bei Nephritis, als
schonende und anregende Kost bei fieberhaften Krankheiten; ganz
besonders glaubt er es empfehlen zu können als Beihülfe bei
Milchkuren und als Gewohnheitsgetränk bei Magen- und Darm¬
empfindlichkeit, bei Ausflügen, Bergtouren, und für Schulkinder
mit langen Schulvormittagen.
Medicinisch-chirurgisches Centraiblatt. 1906. Nr. 3.
Hotys: Krituohe Betrachtungen über Wesen und Therapie
der Arteriosklerose.
Ausgehend von der Annahme, dass die Arteriosklerose in der
Hauptsache in der Ablagerung von Kalksalzen in die Gefässwände
besteht, dass die Füllung der Kalkphosphate auf den Mangel an
Alkalien im Blute beruht, hat Trunuck versucht, eine Lösung der
Alkalisalze des Blutserums als anorganisches Serum arteriosklero-
ticum einzuspritzen und damit bemerkenswerte Erfolge erzielt.
Die Salze in Tablettenform gebracht, sind als Antisklerosien in
jüngerer Zeit in die Therapie eingeführt worden. Damit hat
Verl. Versuche augestellt. Danach empfiehlt er die Autisklerosin-
behandlung (4—6 Tabl. tägl. längere Zeit fortgegeben) als ai^s-
gezeichnete prophylaktische Therapie bei beginnender Arterio¬
sklerose, bei der sie die subjektiven und objektiven Beschwerden
zu beseitigen, zum mindesten auf längere Zeit hinanszuschieben
vermag; aber auch ^bei vorgeschritteneren Fällen lässt sich eine
günstigej-e Beeinflussung der subjektiven Beschwerden erzielen als
mit irgend einer anderen Behandlung.
Bücherbesprechung-
Bruns, Prof. Dr. med. L. Die Hysterie im Kindes¬
alter. 2. Auflage. Verlag C. Marhold, Halle a. S. 1906.
Die Hysterie des Kindesalters lat noch nicht so bekannt unter
den Ärzten, wie es sein sollte. Sie ist sebr häufig eine mono¬
symptomatische und sogenannte Hysterie manive mit sofort erkenn¬
baren Symptomen und wenig erkennbaren psychischen Eigenheiten,
auffällig ist das Fehlen der sog. Stigmata. Die Darstellung der
Symptome entspricht der persönlichen Erfahrung des Vf. Von
Lähmungen sah er häufiger Hie mit Contracturen verbundenen
Formen. Die Contracturen sind enorm stark, in Ulose lösen sie sich.
Die Reflexe sind nicht so häutig gesteigert, wie bei Erwa<'hsenen,
auch Gefühlsstörungen sind selten. Die Sehstöning, die Astasie
Abasie ist nicht leicht zu erkennen, ebenso die Optonie, der Mutis¬
mus da.s Stottern. Dass die Chorea recidive so häufig ein Ausdruck
der Hysterie und, kann Referent nicht zugeben, über die Chorea
electrica uud die Akten noch nicht geschlossen, solange die Form
nicht sicher von anderen Krankheiten zu isolieren ist. Die Hystero
epilepsie bat Vf. in letzter Zeit häufiger gesehen, die Anteile lassen
sich von hysterogenen Punkten leicht hervorrufen. Interessant ist
die Schilderung der Chorea negrofälle, des Palles von Besessenheit.
Bezüglich der Amaurose, der Taubheit, der Anaesthesie entsprechen
die Erfahrungen des Vf. den allgemeinen, die Erklärung des
Fehlens der Anaesthesie bei Kindern ist sehr plausibel. In con-
tuentia urinae und häufiger bei dem Typus d4 peru4 gesehen
als bei reiner Hysterie. Trophischo Störungen der Haut waren
immer Selbstverletzungen Ueber das psychiatr. Verhalten lässt sich
Allgemeingültiges nicht sagen, es kann ebensowohl erhöhte In¬
telligenz, wie das Gegenteil, Unarten, schwere Lenkbarkeit, wie
gutes Verhalten vor Mädchen und häufiger betroffen, als frühestes
Alter ist das 3. Ijebensjahr anzusehen; merkwürdiger Weise kamen
gerade bei Landkindem recht schwere Fälle vor. Bruns leugnet
nicht den Einfluss der Vererbung, glaubt aber, dass gerade das
Beispiel, die Nachahmung, falsche Erziehung gleichfalls eine grosse
Rolle spielen, wie das recht interessant des Näheren ausgeführt wird.
Ueber das Capitel: „Diagnose“ möchte ich nur sagen, dass es so
erschöpfend und glänzend getrieben ist, wie es der vielseitigen
und gereiften Erfahrung des bekannten Verfassers entspricht; es
ist auch nicht entfernt möglich, den Inhalt in einem Referat genü¬
gend wiederzugeben und es wird daher die Lektüre des Buches
dringend empfohlen.
Die Prognose der Kinderhysterie ist eine bessere, als die der
Erwachsenen.
Die prophylactischen Maßnahmen stossen auf grosse Schwierig¬
keiten, die Entfernung aus der Umgebung ist namentlich in Deutsch¬
land kaum durchzu führen. Für die eigentliche Behandlung ist
festzuhalten, dass neben Isolierung und Allgemeintherapie, im
wesentlichen psychisch wirkende Mittel in Betracht kommen.
Während V>ei Erwachsenen die Methode an Überrumpelung nicht
immer Wirkung hat, ist das l)ei Kindern fast immer der Pall.
Die Einwirkung muas auf verschiedenartige Weise geschehen,
der Arzt soll erfinderisch sein und sich die psychiatrische Wirkung
Digitlzed by LjOOQie
1090.
MBDICmiSOHB WOCHE.
185
vorher klar machen. Eine andere ßeeinilussung ist die damit
berührte Nichtbeachtung der Symptome und Anfälle. Ein Wort
noch über die hypnotische Behandlung. Verfasser hat sie bei
hysterischen Kindern selbst nie angewandt und ist ohne sie aus¬
gekommen, verwirft aber die Methode nicht principiell. Ref. theilt
im ganzen den Standpunkt, glaubt aber nicht, dass bei vorsich¬
tiger Anwendung Schaden angerichtet wird.
Wehrle -Basel. Ueber Viofom. (Supplement zum Korrespon¬
denzblatt für Schweizer Aerzte. 1903, Nr. 20.)
Eine aussergewöhnliche Gelegenheit veranlasste Wehrle zu
einer eingehenden Zusammenstellung über die Versuche mit Vio-
form In einer 2 Druckbogen umfassenden Arbeit bringt W'. das
Urteil von 33, hauptsächlich schweizerischen, Aerzten mit seinen
eigenen Prüfungs-Ergebnissen in Einklang um eine Uebersicht und
ein abschliessendes Urteil der schweizerischen militärärztlichen
Expertenkommission zur Umänderung des Sanitätsmateriales er¬
bringen zu können. Genannte Kommission unter Vorsitz des Oberst
Isler hatte die Schweizer Aerzte angeregt, ihre Ansichten über Vio-
form mitzuteilen in dem Sinne, ob es ein Ersatzmittel für da.s zum
Kriegsmaterial unbrauchbare Jodoform werden könne. Denn der
starke, durchdringende Geruch des Jodoforms, die schlechte Halt^
barkeit der Imprägnierung bei Verbandstoffen , das häufige Auf¬
treten von Jodoform-Ekzemen und die schwere Sterilisierbarkeit
des Jodoforms veranlassten die schweizerische Heeresverwaltung,
unter den schweizerischen Aerzten die Umfrage nach einem andern
Mittel in Bezug auf seine Kriegschirurgische Verwendbarkeit an¬
zustellen. Zu dieser Frage und weiterhin zu der Frage, ob das
Vioform auch für die allgemeine ärztliche Praxis eine Bedeutung
hat, nimmt Wehrle ausführlich und mit vergleichenden Auslas¬
sungen über andre chemische W’undpuder Stellung. Die meisten,,
ja allermeisten Urteile über Vioform lauten durchweg günstig, und
W. kiiim sich auf Grund seiner eigenen Erfahrungen und der
Litteratur-Zusammenstellung dem übrigen gutachtlichen Gesamt¬
urteile anschliessen, und er kommt zu folgenden Resume: 1. Da.s
Vioform kann nach den vorliegenden Untersuchungen als ein Anti¬
septikum verwendet werden, das stärkere baktericide Eigenschaften
hat als das Jodoform. 2. Es reizt dia Haut in keinerlei Weise
und erzeugt namentlich keine Eckzeme, vielmehr ist es vorteilhalt,
durch Jodoform verursachte Eckzeme damit zu behandeln. 3. Es
wirkt in hohem Maße desodorisierend. 4. Es kann in grossen
Qoantitäten angewendet werden, ohne dass Vergiftungserscheinungen
eintreten. 5. Zu Injektionen, z. B. bei der konservativen Behand¬
lung tuberkulöser Gelenke, ist es ungeeignet. 6. Es ist beständig
tmd verfluchtet sich nicht. 7. Es kanu leicht sterilisiert werden,
erträgt Temperaturen bis zu 140" ohne zersetzt zu werden, eben¬
sowenig wird es durch Dampf von 115® verändert. 8. Es ist in
seiner Anwendung geruchlos. Alles in allem kann das Vioform
in der Wundbehandlung im Kriege vollständigen Ersatz bieten,
aber es erweist sich auch als das beste Antiseptikum speziell für
die Privatpraxis des praktischen Arztes. A. R.
Kongresse.
XV. Internationaler medicinischer Kongress zu Lissabon
19.—26. April 1906. Das Programm ist endgültig folgendermaßen
festgesetzt:
19. April. Feierliche Eröffnungssitzung um 2 Uhr nachmittags
in den Räumen der geographischen Gesellschaft. Abends,
Empfang bei dem Präsidenten des Kongresses im medicinischen
InsÜtut.
20. April. Nachmittags Gartenfest gegeben von M. Cook in
Monserrate.
21. April. Essen beim König für die Haujitdelegierten der Regie¬
rungen.
22. April. Stierkämpfe in Villa Franca. Hin und zurück per
Schiff.
23. April. Soiree, veranstaltet von der geographischen Gesellschaft.
24. April. Gartenfest in Necessidates, gegeben vom König. Abends,
Empfang der Delegirten der verschiedenen Staaten, Univer¬
sitäten und wissenschaftlichen Gesellschaften durch die Re¬
gierung.
25. April. Empfang aller Kongressteilnehmer durch die Stadt.
Diese Festlichkeiten können mit Ausnahme des Diners und
des Empfangs beim König von allen Kougressteilnehmeru besucht
werden.
Die wissenschaftlichen Arbeiten des Kongresses finden in der
Universität am 20., 21., 22., 23., 24., 25. April statt. Die Sitzungen
der zwanzig Sectionen tagen von 8’/j—3 Uhr. Die allgemeinen
Sitzungen finden an den Tagen statt, an welchen Nachmittags
keine Festlichkeiten sind. Das Programm der Sectionen ist, was
wissenschaftliche Arbeiten sowie Festlichkeiten und Ausflüge
angeht, noch nicht definitiv festgesetzt.
Vermischtes.
Berlin. Das Seminar für soziale Medizin der Orts¬
gruppe Berlin des Verbandes der Aerzte Deutschlands hat
den 1. Zyklus seiner Arbeiten beendet. Das einheitliche Thema
lautete: Die staatliche Invaliden-Gesetzgebung in Theorie und
Praxis. Die Beteiligung war über Erwarten gross. Sie betrug
300 Personen, in der Hauptsache Aerzte aus Berlin und Umgegend,
25 ältere Studierende und Medizinalpraktikanteu und einige 20
Angehörige anderer Berufskreise, hauptsächlich Beamte des Ver¬
sicherungswesens. Die Vorträge und Besichtigungen erfreuten sich
stets eines regen Besuches, an den seminaristischen Übungen, die
in kleinen Kreisen von 6—12 Personen durch praktische Aerzte
vorgenommen wurden, beteiligten sich insgesamt 130 Herren.
Sofort nach Schluss der im ganzen drei Wochen dauernden Ver¬
anstaltungen, die für sämtliche Teilnehmer völlig unentgeltlich
waren, wurde der Wunsch laut, auch die anderen Zweige der
Arbeiterversidierung und des Arbeitersobutzes in derselben Weise
zu behandeln. Das soll nun in der Art geschehen, dass der nächste
Zyklus des Seminares die staatliche und freiwillige Unfallver¬
sicherung auf breitester Basis behandelt. Auch hier wird die Teil¬
nahme für Aerzte, Studierende und sonstige Interessenten eine
kostenlose sein.
BBrlln. Zur Ergänzung der Gebühren-Ordnung für
approbierte Aerzte und Zahnärzte vom 16. Mai 1896 erlässt der
Kultusminister unter dem 13. März folgende Bekanntmachung:
Auf Grund des § 80 der Gewerbe-Ordnung für das Deutsche Reich
(Reichs-Gesetzblatt 1900, Seite 871 ff.) bestimme ich bezüglich
der Gebühren-Ordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom
15. Mai 1896 folgendes: 1. Hinter den Ziffern 5 und 87 des Ab¬
schnitts HA werden folgende Ziffern 5a und 37a eingefügt: 5a.
Beratung eines Kranken durch den Fernsprecher 1—3 M. Findet
die Beratung von einer öffentlichen Ferusprechstelle aus statt, so
steht dem Arzt neben der Gebühr für die Beratung eine Ent¬
schädigung für Zeitversäumnis zu, und zwar Ihr jede angefangene
halbe Stunde in Höhe von 1,50—3 M. 37 a. Einspritzung von
Heilmitteln direkt in eine Blutader (ausser dem Betrage für die
Mittel) 3—20 M. 2. Die Vorschrift in Ziffer 10 erhält nach¬
stehende Fassung: Für Besuche oder Beratungen in der Zeit
zwischen 9 Uhr abends und 7 Uhr morgens das Zwei- bis Drei¬
fache der Gebühr zu Nr. 1—4, Nr. 5a, Nr. 7 und zu Nr. 20.
Die Gebühr unter Nr. 2 ist jedoch nicht unter 3 M. zu bemessen.
Budapost. Die königliche ungarische Regierung beauftragte
die ungarischen Delegierten, dem XV. internationalen medizinischen
Kongress in Lissabon eine Einladung zu übermitteln, den XVI.
I Kongress im Jahre 1909 in Budapest abzuhalten. — Für Deckung
der Ausgaben hat die ungarische Regierung 100000 Kronen be¬
willigt, dieselbe Summe hat die Generalversammlung der Haupt-
und Residenzstadt Budapest votiert — Die Einladung wird der
Präsident des ungarischen Komitees, Ministerialrat Dr. Ludwig
V. Töth, vorlegen. — Wir zweifeln nicht, dass diese Einladung
mit Freuden begrüsst und dankbar angenommen werden wird; die
mächtig aufstrebende Hauptstadt Ungarns wird sicherlich einen
besonders günstigen Boden für die wissenschaftlichen und kolle¬
gialen Interessen des Kongresses bilden!
Hssg. Auf Einladung des „Nederlaudsch Centraal-Gomite tot
beitrijding dor tuberculose“ findet die diesjährige V. internatio¬
nale Tuberkulose-Konferenz in den ersten Tagen des Sep¬
tember in. Haag statt.
Kiel. An Stelle des Prof. v. Düring, welcher die Leitung
der bisherigen Lahmann’schen Sanatorien übernimmt, ist Prlv.-
Doz. Dr. Klingmüller in Breslau zum ausserordentlichen Pro¬
fessor für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Kiel ernannt worden.
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186
MBlüICrmSCHB WOCHE.
Nr. 16.
KiSSingdn. Herrn Or. Carl Dapper hierselbst ist seitens
des preussischen Kultusministeriums der Titel als Professor beige-
legt worden.
Rom. Zu Ehren von Guido Bacoelli findet, anlässlich der
Einweihung des Policlinico, am 8. April eine grosse Feierlichkeit
auf dem Capitol zu Rom statt, welcher der König und die Königin
sowie Königinwitwe Margherita beiwohnen werden. Wir sprechen
dem hochverehrten Manu, dem würdigen Vertreter der italienischen
Klinik, dem begeisterten Freunde Rudolf Virchow’a auch bei
diesem Anlass unsere wärmsten, aufrichtigsten Glückwünsche aus.
Eine internationale Adresse, welche ihm seitens eines besonderen
Komitees überreicht werden wird, wird ihm durch die grosse Zahl
deutscher Unterschriften beweisen, wie lebhafter Sympathien er
sich auch bei uns erfreut!
Breslau. Ersuchen an die deutschen Aerzte. Die Breslauer
dermatologische Vereinigung hat beschlossen, Schritte zu tun, um
von den ünfallversicherungsgesellacliaften bei Syphilisinfektion im
Berufe für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu
erlangen als bisher. Die zurzeit gültigen Versicherungsbedingungen
entsprechen gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den
Interessen der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedern der
Vereinigung Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berech¬
tigt erscheinende Entschädigungsansprüche der Aerzte von den
Versicherungsgesellschaften zurückgewiesen wurden oder nur unter
Schwierigkeiten geltend gemacht werden konnten. Bevor die Bres¬
lauer dermatologische Vereinigung mit Vorschlägen hervortritt, in
welcher Weise die Versicherungsbedingungen abzuändern wären,
richtet sie an die deutschen Aerzte dringend die Bitte, ihr die¬
jenigen ihnen bekannten Fälle mitzuteilen, in welchen 1. die An¬
erkennung von beruflicher Syphilisinfektion als Unfallursache vor
Abschluss der Unfallversicherung zurückgewiesen oder nur unter
hohem Präinienzuschlage bewilligt wurdej 2. eine Entschädigung
für vorübergehenden Verlust der Arbeitskraft nach dem 400. Tage
.seit der Entstehung des Unfalles beanstandet wurde; 3. die Aner¬
kennung von voraussichtlich lebenslänglicher Verminderung der
Arbeitskraft, d. h. von Invalidität auf Grund beruflicher Syphilis-
infektion verweigert wurde resp. erst erstritten werden musste.
Die Vereinigung ersucht, die Mitteilung der einschlägigen Fälle
— sowohl der erfolglos als auch der erfolgreich geltend gemachten
Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit den Gesell¬
schaften und etwaiger Schiedsgerichtsverbandlungen zu ergänzen.
Nur auf Grund genauer Kenntnisse über das Verhalten der Ver-
sicherungsgesellscbaften in den einzelnen Fällen und auf Grund
eines reichhaltigen Materials wird es möglich sein, in dieser für die
gesamte Aerzteschaft wichtigen Angelegenheit eine Besserung zu
erreichen. Die Vereinigung bittet, Zuschriften au den Unterzeich¬
neten Dr. Chotzen za senden, welcher die Bearbeitung dieser
Frage übernommen hat. Für strengste Geheimhaltung der mit-
geteilten persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet.
Breslauer dermatologische Vereinigung.
Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen,
Geh. Medizinalrat, Breslau XVIII,
derzeitiger Vorsitzender. Landsbergstrasse 1.
Berlin. E. von Bergmann wird, wie die „Zeitschrift für ärztliche
Fortbildung“ mitteilt, von der Universität in Edinburg der Ehren¬
doktor verliehen werden. Der akademische Festakt, zu welchem
sich K. von Bergmann nach Edinburg begibt, findet am 12. April
statt. Als Kuriosum sei noch mitgeteilt, da.ss der berühmte Chirurg
hierdurch auch in die Zunft der Juristen einrückt, da die dortige
Universität nur den „doctor legum“ nicht aber einen doctor medi-
cinae honoris causa kennt.
Aus Köln kommt, wie die , Zeitschrift für ärztliche Fort¬
bildung“ berichtet, eine hooherfreuliohe Mitteilung. Zwischen der
Kölner Akademie für praktische Medizin und dem Allgemeinen
ärztlichen Verein ist eine volle Einigung auf folgender Grundlage
erzielt worden: 1. In den allgemeinen Lehrplan der Akademie
werden ausführliche Bestimmungen über die Ausbildung in den
ärztlichen Spezialfächern aufgenommen, um die Meinung zu ver¬
hüten, als ob in kurz dauernden Fortbildungskursen die Kenntnisse
und die Bezeichnung eines Spezialisten erworben würden. 2. Dem
Allgemeinen ärztlichen Verein wird für die Wahl des satzungs¬
mäßig von der Stadtverordnetenversammlung in daa Koratorium
der Akademie zu wählenden Arztes ein Vorschlagsrecht emgeräumt.
3. Auf den bisher geforderten Wegfall des für die Mitglieder der
Akademie bestehenden liestatigungsrechts des Landesherrn bezw.
Kultusministers wird verzichtet. Die städtischen Krankenhaus¬
arztstellen werden künftig in dem redaktionellen Teil der medi-
ciniseben Fachpresse angekündigt, jedoch ist das Kuratorium der
Akademie und der akademische Rat bei seinen Vorschlägen nicht
an die eingehenden Meldungen gebunden. 4. Die Kategorie der
Aerzte mit Lehrauftrag füllt weg. 5. Zur Beratung Uber die
Fortbildungskurse ftlr Kölner Aerzte werden 5 Mitglieder des ärzt¬
lichen Vereins mit Stimmrecht zur Sitzung des akademischen Rates
zugezogeu. Im Grundsätze wird jeder Kölner Arzt als Vortragender
zu den Fortbildungskursen für Kölner Aerzte zugelassen. 6. Die
bisherigen Militärärzte bei den städtischen Krankenanstalten werden
bis zum Ablauf ihres Kommandos beibehaltcn. Nach Ablauf des
Kommandos wird die Zahl der Müitärassistenzärzte von 6 auf 4
reduziert. Eine fünfte Stelle kann erst dann eingerichtet werden,
wenn 60 Zivilassistenten angestellt sind. Eine weitere Vermehrung
der Militärassisteuten ist mit der Maßgabe statthaft, dass auf je
10 Zivilassistenten eine Militärassistentenstelle entfällt. Gegen die
Beibehaltung eines höheren Militärarztes in leitender Stellung wird
nichts eingewendet. 7. Als Mitglieder der Akademie sollen in der
Regel nur Aerzte berufen werden, die an städtischen, 'staatlichen
und provinzialen Anstalten angestellt sind.
Hochschulnachrichten.
Kiel. Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Völkers, Ver¬
treter der Augenheilkunde an der Kieler Universität, feierte am
28. März den 70. Geburtstag.
Leipzig. Professor Dr. Petersen, bisher erster Assistenz¬
arzt bei Prot. Czerny zu Heidelberg, der an Stelle von Prof.
Dr. Braun an das Diakonissenhaus zu Leipzig berufen war, wurde
als Privatdozent für Chirurgie in den Lehrkörper der Leipziger
medizinischen Fakultät aufgenommen.
Marburg. Der Direktor der chirurgischen Universitätspoli¬
klinik Prof. Dr. Hermann Küttner wurde zum ordentlichen Pro¬
fessor ernannt. — Professor Dr. med. et phil. Heffter, Ordi¬
narius für Pharmakologie in Bern, hat den an ihn ergangenen
Ruf in gleicher Eigenschaft an die Universität Marburg ange¬
nommen.
Über Nafalan (Retortonmarke) der Magdeburger Nafalaneesellsdiaft
berichten zwei Arbeiten bauptsäciüicb der dermatcflogiachen Praxis ent¬
stammend. Zunächst F. Kölbl-Wien, (Deutsche med. Fresse 1903, Kr. 20)
und weiterhin aus der Wiener Allgem. Poliklinik J. Meiseis-Wien, (Med.-
Cbirnrg.-Central-BIatt, November 1903). Beide haben das reine Nafalan,
ferner das mit Zinkoxyd vermengte Hausnafalan, das Nafalan-Streupulver,
Nafalan-Seife, Nafalansuppositorien und Nafalanpflaster systematisch geprüft.
Beide sahen pri^nante Erfolge bei allen Formen von Ekzem, insb^ondere
donen der Kinder, bei Gewerbe-Ekzomen und bei Intertrigo und impetigi-
nüser Form. Wo zu pudern ist, dann Nafalan-Streupulver; wo Saltw, da
reines Nafalan oder wie z B. bei Kindern Hausnafalan, oder anch Nafalan¬
pflaster namentlich bei behaarter Kopfhaut (Meiseis), nachdem dort die
Borken wie üblich abgeweicht sind. Bei Pityriasis nahm K. Nafalan und
H. die Nafalanseife, und K. konnte noch bei Gesiebtsekzem der Kinder von
Hausnafalan und bei Psoriasis von Nafalan und Chysarobin zusammen gute
Erfol^o sehen; und auch bei Scabies trat nach K. eine spezifische milben¬
tötende und jucklindernde Wirkung ein. M. anderseits konnte bei Psoriasis
und ausserdem bei Herpes tonsurans keine Erfolge sehen, bei herpes zoster
hinwiederum und bei caticaria vermochte er eine „schmerzmildemde und das
.TuckgefUhl herabsetzende Wirkung“ des Nafalans zu konstatieren. Ferner
noch bei ulcus cruris und bei Erkrankungen der Bewegungsorgane wendete
Kölbl das Nafalan an, und noch dazu bei 3 Fällen von Parotitis, 2 Fällen
von Tendovaginitis, 4 Fällen von Pflegmooen, und bei je einem Falle vwi
Panaritium, Periphlebitis und Phlebitis. Dabei zeigte sich nach K. beim
Vergleiche des Nafalan mit dem früheren Naftalan die vollständige Identität
dieser Präparate in chemischer und therapeutischer Beziehung. Bei ulcus
cruris bewährt sich nach K. das Nafalan durch seine schmerzstillende und
die Vernarbung befördernde Kraft, besonders unter einem guten Druckver-
bande. Bei akutem Gelenk- und Muskelrbeumatismus wurden zwar ausser¬
dem noch manchmal Salicylpräparate bezw, Aspirin gegeben, aber schon das
Bestreichen der Gelenke oder das Verbinden der Müskelpartien, ersteres
3 bis 5 mal täglich, rief stets eine besondere Schmerzstillung und damit
leichtere Beweglichkeit hervor. In chronischen Fällen von Rkeumatisinus
und Gicht, bei letzterer mit Einhalten der Diät und der Trinkkur, wurden
die Massage bezw. Einreibung mit Nafalan ebenfalls jedesmal günstig
empfunden. A.. R.
VeramwcrUicher Redmkteur ; Dr. P. Meismer, BerlinW. M, Kurffiratenitr. 81. — Verlag eon Carl Marhold, Halle a. S.
Dnick reu der HeynemanB’fche* Bnchdmdrerei, Gebr Wolff, Halle a. S,
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Medicinische Woche
Deutscimano, A. Dfibnsen, A. Hoffa. E. Jacobi,
Huiburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Glessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle tu 5*« Uhlaodstrasse 6.
Tel.*Adr.: Marliold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen. K. Parttch, H. Rotln, H. Schlange
Rostock. Berlin. Breslau. Bertln. Hannover.
H. Unverricbt, A. Vossins,
Magdeburg. aiessen.
Redaktion:
Berlin W* 62, Kurfurstenatrasse Sl.
Dr. P Meißner
Vn. Jaln^ang.
23. April 1906.
Nr. 17.
Die .Med Icinlsche Woche'erscheint jeden Montag mit der latSgigen Beilage BalneolOgiSCtie CefltralzeltUng, Organ des Allgemeinen Deutschen
Blderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a. S. entgegen. Inserate werden fOr
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet, Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmäHigung ein.
Nachdruck der OriglnaUAufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Auh (lern Hansa-Sanatorium Danzig,
Die Digitalisbehandlung
der Herzschwäche hei Infektionskrankheiten.
Von Dr. R. Freund.
Aus experimentellen und klinischen Studien wissen wir,
dass das Herz bei den meisten Infektionskrankheiten ergriffen
werden kann, so dass Krehl in seinem die Summe der heu¬
tigen Kenntnis der pathologischen Physiologie zusammen¬
fassenden Werk nachdrücklich hervorhebt: „Es gibt keine In¬
fektionskrankheit. welche das Herz nicht gelegentlich ergriffe
und grade seine Klappen schädigte, nur tun das einige beson¬
ders häufig.“ ') Als Krankheiten werden genannt Typhus,
Scharlach, Masern, Pocken, Gelenkrheumatismus, Gonorrhoe,
aber auch lokale Erkrankungen wie Phlegmonen und Abscesso
und die Entzündungen der Unterleibsorgane bei Frauen. Letz¬
tere hebt Krehl besonders hervor, da sie meist verkannt und
als „nervöse Herzbeschwerden gedeutet werden, deren Ursache
in den „Aufregungen“ des Wo^enbetts gesehen wird“. Auch
ihnen liegt meist eine Myocarditis zu Gninde, welche .sich mit
Krehl und Romberg stets auf eine, wenn auch geringe In¬
fektion im Wochenbett zurückführen lassen.
Ein Teil dieser Herzkomplikationen sind die Folge von
Mischinfektionen, die sich fast stets neben den eigentlichen
Krankheit:?erregern finden, es sind meist die gemeinen Eiter¬
erreger, Staphylo-, Strepto- und auch Pneumococcen. Dadurcii
kommt trotz der Verschiedenheit der zu Grunde liegenden
Krankheit eine Vereinfachung der Herzkomplikationen zu stände,
die alle gewi.sse gemeinsame Zuge aufweisen.
Subjektiv äussern sich die Beschwerden in Druck auf der
Brust oder in der Herzgegend, oder auch als Stechen in der
Herzgegend, Kurzatmigkeit und Angstgefühlen. Al.s objektive
Symptome wies Romberg*) eine Dilatation des Herzens und
Insufficienzerscheinungen nach, die sich durch frequenterwerden
des Pulses, grosse Labilität und Irre^ilarität desselben kund
geben. Meist findet sich auch eine Hyperaesthesie der Herz¬
gegend, so dass selbst leichte Berührung schon als Schmerz
empfunden wird. Zu schweren Kreislaufstörungen kommt es
verhältnismäßig selten, häufiger treten dagegen die Erschei¬
nungen des Collapses auf, Blässe und Livor, vor allem des
Gesichts und der Extremitäten, kalter Schwei.«s, Bewusstsein¬
störung und Verfall der Züge, der Puls ist klein, sehr frequent
und unregelmäßig, oft kaum zu fühlen. Diese Collapse sind
jedoch nicht in allen Fällen durch eine Lähmung des Herzens
bedingt, sondern es handelt sich in vielen Fällen um eine
Lähmung des vasomotorischen Systems durch Toxinwiikung.
Früher beschuldigte man die Ermüdung durch die schwere
Krankheit und die Ernährungsstörung als Ursache der Herz¬
störung, heute wissen wir, dass es sich entweder um eine Ent¬
zündung des Herzmuskels — um echte Myocarditis — oder
um Vergiftung durch Toxine handelt. Als klassisches Beispiel
der Toxinwirkung ist die Diphtheritis zu nennen, von deren
Gift es feststeht, dass sie parenchymatöse Degenerationen her¬
vorzurufen vermag.
Klinisch vermögen wir dio beiden Formen von Myocard-
erkrankung nicht zu unterscheiden. Beide Formen imponieren
häufig als Erkrankung der Herzklappen, infolge der auftreten-
den Geräusche. In der Tat ist es ja oft völlig unmöglich die
Differentialdiagnose zwischen Klappenfehler und Myocard-
erkrankung zu stellen. Boi Infektionskrankheiten beruhen ein¬
tretende Geräusche jedoch weit häufiger auf muskulärer In-
sufficienz als gewöhnlich angenotnmen wird. Wenn man einen
derartigen Fall genau beobachtet, wird man häufig durch den
Wechsel des Geräusches oder durch zeitweiliges völliges Ver¬
schwinden desselben auf den richtigen Weg geleitet. Für das
richtige Schliessen und Oeffnen der Klappen ist die Funktion
gewisser Muskelfasern des Herzens Bedingung, ist sie durch
Erkrankung gestört, so wird das Spiel der Klappen geschädigt;
hierdurch tritt Behinderung des Blutkreislaufes ein und wir
haben den ersten Beginn einer Herzinsufficienz, die sich in
den oben angegebenen Symptomen äussert. Zu klinisch nach¬
weisbaren Stauungserscheinungen braucht es dabei nicht zu
kommen und häufig finden sich nur die subjektiven Beschwerden:
Spannung, Druck in der Herzgegend und Angstgefühle.
Auf die zu Grunde liegenden pathologisch-anatomischen
Verhältnisse brauche ich hier nicht einzugehen. Ich muss je¬
doch hervorheben, dass cs entgegen der schulgemäßen An¬
schauung nicht nur muskuläre Insufficienzen an den Atrio¬
ventrikularklappen gibt, sondern dass solche auch an den
Semilunarklappen der Aorta Vorkommen.*^ Von vornherein
für muskuläre Insufficienzen sprechen leise Geräusche von
hauchendem Charakter, wenn sie sich über allen Ostien
finden; sie verscliwinden meist mit eintretendevKräftigung des
Herzens.
Wir wissen, dass bei einigen der genannten Krankheiten
dio Hauprgefahr in dem Auftreten der Herzkomplikationen
liegt und man hat stets Mittel gesucht, dieser Schädigung ent¬
gegenzuarbeiten. Ein Mittel, das prophylaktisch wirkt, wodurch
es möglich wird die Herzkomplikation zu verhindern, besitzen
wir leider nicht. Dagegen haben wir in den Präparaten der
Digitalisgruppe vorzügliche Mittel, der Erlahmung des Herz¬
muskels entgegenznwirken und seine Leistungsfähigkeit nach
Möglichkeit zu erhalten. Dass es Fälle gibt, bei denen dies
unmöglich ist, so stets da, wo fast der ganze Muskel durch
den Krankhoitsprozess zerstört ist, braucht kaum hervorgehoben
zu werden. Die Möglichkeit einer günstigen Di^taliswirknng
ist eben nur gegeben, wenn noch hinlänglich gesunder Musk^
vorhanden ist.
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188
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 17.
Neuerdings ist das Interesse für diese Fragen wieder da¬
durch erhöht, dass man versucht die verschiedenen Ersatz¬
präparate anzuwenden, welche berufen erscheinen, die in ihrer
Dosierung unsicheren Digitalisblätter zu verdrängen. So weist
Schwarz in einer Arbeit aus der Strassburger Klinik den
Nutzen der Digitalismedication in Form des Digalens bei ver¬
schiedenen Krankheiten nach*), indem er zeigt, dass das
wesentliche der Digitaliswirkung die Erhöhung des Sekunden¬
volumens des Herzens ist, wodurch der Füllungszustand der
Venen ab-, der der Arterien zunimmt, so dass die den Gesamt¬
querschnitt in der Zeiteinheit durchströmende Blutmenge steigt.
Schwarz hebt entgegen der Ansicht anderer ausdrücklich
hervor, dass das Verhalten des arteriellen Drucks dabei eine
sekundäre Rolle spielt, da hierbei die Regulierung durch die
Gefässnerven trotz Herzschwäche einen normalen Druck in
den Arterien bewirken kann. Auch ich habe in meinen Druck¬
messungen mit dem Basch’schen Sphygmanometer ein durch¬
aus ungleichmäßiges Verhalten gefunden bei Anwendung des
Digalens, bald stieg der Druck, bald sank er sogar etwas oder
er blieb bei vorher normaler Höhe gleich, ein Verhalten,
welches ich auch bei anderen herzkräftigenden Prozeduren
gefunden habe, so bei Wechselstrombädern, und auf die
Regulierung durch die Vasomotoren zurückführen zu müssen
glaubte. ®)
Während bei chronischer Myocarditis der verschiedensten
Art die Digitalis schon lan^e in Ansehen steht, ist sie gegen
die auftretende Herzschwäche nur bei einigen Infektionskrank¬
heiten im Gebrauch, während sie bei andern in den gebräuch¬
lichen Werken nicht einmal erwähnt wird.
Die erste Infektionskrankheit, bei der die Digitalismedi¬
cation Erfolge aufzuweisen hatte, war meines Wissens die
evoupöse Pneumonie. Hier finden wir fast stets eine Erweite¬
rung des Herzens infolge der durch Toxine bedingten Schwäche
des Herzmuskels. Auf diese hochgradige Schwäche des Herz¬
muskels ist der häufige Collaps zurückzuführen, dem so viele
Pneumoniker im Laufe ihrer Krankheit erliegen. Die Digitalis¬
anwendung hat daher hier grosse Anhänger gefunden, da es
vor allem darauf ankommt, dass die Herzkraft erhalten bleibt,
sich also die Behandlung der Pneumonie im wesentlichen mit
der Behandlung des geschwächten Herzens deckt. Eine spe¬
zifische Heilwirkung der Digitalis liegt natürlich nicht vor.
Aufrecht lässt zwar die Digitalisanwendung nur zu, wenn
eine durch Myocarditis hauptsächlich bei alten Leuten ver-
anlasste Irregularität und Beschleunigung des Pulses besteht*);
Feuilleton.
Vom Aderlass.
Eine kulturgeschichtlich - medicinische Skizze.
Von Dr. Archimontanns.
Ein im Altertum, Mittelalter und neuerer Zeit sehr ver¬
breitetes Mittel zur Vorbeugung und Heilung vieler Krank¬
heiten war der Aderlass, die Venäsectio. Hierunter versteht
man die kunstgerechte Eröffnung einer Vene zum Zwecke der
Blutentziehung. Schon im grauen Altertum hatten die Inder
und später die Griechen Kenntnis von dieser Operation. Aller¬
dings finden wir bei den ältesten Schriftstellern der Griechen,
so bei Homer, den Aderlass noch nirgends erwähnt. Dagegen
ist die Lehre vom Aderlass in den Schriften des Hippokrates
(460 V. Chrgeb.) schon in hohem Maße ausgebildet. Hippo¬
krates selbst und seine Schüler empfehlen diese Operation sehr,
während sie wieder von manchen anderen medicinischen
Schulen verworfen wurde. Der Aderlass kam hauptsächlich
durch Galenus (131 nach Chrgeb.) und seine Schüler in Mode
und wurde im Laufe der folgenden Jahrhunderte immer mehr
kultiviert und allmählicli fast bei jeder Krankheit angewandt.
Diese grosse Verbreitung und allzu häufige Anwendung, man
kann schon sagen, dieser Missbrauch erreichte am Schlüsse
des Mittelalters die höchste Blüte. Erst nach der Entdeckung
sicher ist, dass bei gesundem Herzen eine Pneumonie über¬
standen wird ohne jedes Herzmittel, so besonders bei Kindern.
Doch wenn in einer Krankenhausbehandlung ein expectatives
Verfahren am Platze sein mag, so halte ich in der nauspraxis
immer noch die prophylaktische Darreichung von Digitalis an¬
gebracht, zumal unter ländlichen Verhältnissen, wo ein genaues
Ueberwachen oft unmöglich ist. Liebermeister^ und
Jürgensen’) heben auch die günstige Wirkung der Digitalis
hervor, welche die Leistungsfähigkeit des Herzens länger zu
erhalten scheint. Ich selbst habe mir häufig die Frage vor¬
gelegt, ob nicht die durch die Regulierung der Herztätigkeit ge¬
besserte Blutversorgung der Lunge einen günstigen Einfluss
ausübt.
Ich habe in letzter Zeit ausschliesslich das Digalen ange¬
wandt, über dessen günstige Wirkung bei Pneumonie bereits
Winkelmann®) berichtet hat. Ihm gelang es in seinen
Fällen den so gefürchteten Collaps nach der Krise durch intra¬
venöse Darreichung des Digalens zu überwinden, da das Digalen
bei dieser Applikationsweise eine viel schnellere und grössere
Wirkung entfaltet als das sonst beliebte Coffein oder der
Campher, so glaube ich, dass wir durch diese einfache Methode
noch manchen sonst verlorenen Pneumoniker zu retten ver¬
mögen, während seine Wirkung bei Anwendung per os oder
subcutan zu spät eintroten dürfte.
Um zunächst bei den Lungenorkrankungen zu bleiben, so
werden zunächst die katarrhalischen Pneumonien alter, meist an
Arteriosclerose leidender Leute durch Beteiligung des Hereens
gefahrvoll. Hier ist das Kreislaufhindernis allein .schon ge¬
nügend, das an .sich schlaffe Herz zu ermüden. In diesen
Fällen wirken geringe Mengen Digalen oft sehr günstig, indem
der Puls regelmäßiger una voller wird und die subjektiven
Beschwerden, vor allem die grosse Atemnot und Beängstigung
iiachlassen. In Dosen von 4 —10 Tropfen habe ich stets eine
erireuliche Besserung des subjektiven Befindens feststellen
können. (JSchlu^s folgt)
Aerzte contra Apotheker!
Die Apotheker-Zeitung schreibt unterm 11. April (1906,
Nr. 29) unter obiger Spitzmarkc folgendes:
„Auf der ganzen ärztlichen Linie wird, wie man in medi-
cinischen Blättern liest, neuerdings gegen den «teuren Apotheker“
mobil gemacht. Warum auch nicht! Nachdem Drogisten,
des Blutkreislaufes durch Harvey (1627) und mit Zunahme der
Kenntnisse der Anatomie und Pathologie wurde die Anwendung
des Aderlasses mehr und mehr eingeschränkt Heutzutage ist
das Aderlässen fast ganz in Vergessenheit geraten, wenn auch
mit einigem Unrecht, wie wir noch später sehen werden.
Nur selten hat der Aderlass bei Freund und Feind eine
ruhige, rein sachliche Beurteilung gefunden. Im Gegenteil, je
heftiger seine Gegner auftraten, destomehr priesen ihn seine
Anhänger. Wenn man bedenkt, dass der Aderlass fast zwei¬
tausend Jahre lang in der Behandlung der inneren Krankheiten
eine grosse, manchmal dominirende Rolle gespielt hat, so sollte
man doch meinen, dass die medicinische Wissenschaft Zeit und
Gelegenheit genug gehabt hätte, sich über den Wert oder Un¬
wert dieser Operation ein wichtiges Urteil zu bilden. Doch
ist die Streitfrage immer noch nicht entschieden, wenn auch
in der Jetztzeit die Anwendung des Aderlasses auf ein ganz
kleines Gebiet der Heilkunde beschränkt ist. Er dürfte wohl
jetzt nur noch bei Gehirnblutungen, bei einigen Arten von
Lungenblutungen mit gleichzeitiger Blutstauung in den Lungen
und einzelnen anderen mit Ueberfülle an Blut verbundenen
Krankheiten angezcigt sein. Hiermit soll aber die Liste der
Indikationen für den Aderlass keineswegs abgeschlossen sein.
Seine günstige Wirkung bei Bleichsucht und Blutarmut ist
wohl noch nicht einwandfrei festgestellt worden. Im Grossen
und Ganzen kann man jetzt wohl behaupten: Der Aderlass ist
eine Operation, die heutzutage nur noch äusserst selten vor-
gonommen wird.
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1906.
lil£L)IGIMlSOMifi w Ofi VI K .
189
Krankenkassen, Fabrikanten sich berufen fühlten, ibm sein Brot
zu beneiden und zu beschneiden, fehlten ja nur noch die "Ver-
t«eter der Medicin in dem Chorus. Da fragt man sich ver¬
gebens, was haben wir, was hat die heutige Generation von
Apothekern denn eigentlich verschuldet, dass man so von allen
Seiten über sie herfällt? Das hätte man vor 25 Jahren nicht
für möglich gehalten, und wie waren damals doch Rezeptur¬
umsätze und Geldeswert ganz andere wie heute! Man be¬
hauptet von ärztlicher Seite, das Gros des Publikums gehe
nicht zum Arzt, weil es die hohen Apothekerrechnungen scheue.
Da wäre es doch interessant, einmal eine Statistik aufzustellen,
— und der gesamte Äpothekerstand hatte angesichts der neuen
Bewegung, die tief einschneidend für seinen Geldbeutel werden
dürfte, alle Ursache hierzu —, eine Statistik, möglichst um¬
fangreich, in der die Beträge der Aerzte- und entsprechenden
Apothekerrechnungen zusammengestellt würden. Das müsste
führwahr ein interessantes Material zur Widerlegung obiger
Behauptung abgeben und wäre des Schweisses der Edlen wert!
Tansendfach hÄen wir Apotheker allerdings Gelegenheit, wahr¬
zunehmen, wie das Publikum vielfach, statt direkt zum Arzt
zu gehen, erst in der Apotheke versucht, die für sein Leiden
nötigen Mittel zu erwerben, und wenn es ihm hier versagt
wird, wie es dann häufig zu dem allezeit entgegenkommenden
Drogisten wandert, weil, wie man immer wieder auf die Be¬
merkung: Geht zum Arzt! —, hören muss, es die hohen „Doktor¬
kosten“ schentl“
Wir nehmen die Notiz, von der die Aerzte und Apotheker
in gleicher Weise berührt werden, wörtlich hier auf, weil sie
Anlass giebt zu den wichtigsten und drii^endsten prophyl¬
aktischen Maßnahmen! Warum eine scharfe Trennung zwischen
Arzt und Apotheker anstreben 1? Oder vielmehr, wer will eine
solche Trennung herbeiführen? Doch wohl keines von beiden!
Es giebt wohl Kein Standesverhältnis, was so innig und folge¬
richtig einander koordiniert gewesen wäre und noch wäre wie
das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheker. Auch die ärzt¬
lichen Errungenschaften auf dem physikalischen Gebiete der
Heilkunde vermag die Pharmazie nicht irgendwie entbehrlich
zu machen. Im Gegenteil bei dem vielen Angebot auf dem
6 harmazeutischen Markte, angesichts der vielen technischen
[ilfsmittel bedarf es einer sicheren Kritik des modernen Apo¬
thekers, bedarf es eines schnellen Blickes und seiner strengen
altbewährten Grundsätze in Herstellung und Handel.
Beide Stände aber haben ihre Not, ihre grosse Not; auf
beiden Ständen lastet schwer die heutige Politik — sagen wir
kurz: des WaieiihausesI Warenliaus hier, wie Warenhaus
dort! Krankenkassen und Warenhäuser — es liegt nahe, sie
mit einander zu vergleichen, es hat nahe gelegen, sie mit ein¬
ander zu vermengen! Hier bei Zeiten auf der Hut sein und
dem Fortschritte richtig und mit Bedacht zu steuern,
liegt doch ebensowohl im Interesse des Arztes wie des Apo¬
thekers. Warum also sich entzweien, wo gemeinsame soziale
Interessen uns zusammenführen und erst recht zusammenführen
sollten! Die Missstimmung über unser beider prekäre Lage
und über die furchtbaren Schwierigkeiten unserer gemeinsamen
Mission soll uns nicht verzagt und erst gar gegen einander
verstimmt machen. Wenn es so scheinen wollte, so war es
mehr ein Missverständnis! Jeder Stand soll auf seiner und
doch auf einer Linie kämpfen. Dann braucht keiner zu ver¬
zagen. Dr. A. Rahn.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Vefretnfh /ät imiere Mediein,
Sitzung vom 2. April 1906.
1. Tagesordnung: Diskus sion desVortrages des Herrn
de la Camp; Ueber Lungenheilstättenerfolg und
Familienfürsorge.
Herr Möll er hat in Belzig vielfach Kinder von Tuberkulösen
untersucht und konnte dabei nur selten mit Sicherheit Lungen¬
tuberkulose diagnostizieren im Gegensatz zu den Resultaten de la
Camps.
Herr Kraus verliest zunächst ein Schreiben des Herrn
Senator, in welchem dieser seiner Genugtuung darüber Ausdruck
gibt, dass in dem Vortrage de la Camps Wege ^r die Tuberkulos-
bekämpfuDg gewiesen würden, für welche er schon vor Jahren ge¬
sprochen habe. Es sei nötig, auch den unbemittelten Kranken
im Anfangsstadium den Besuch klimatischer Kurorte zu ermöglichen
und vor allem bedürfe es der Unterbringung der vorgeschrittenen
Fälle in Krankenhäusern.
Diese Forderungen führt Herr Kraus des Weiteren ans und
betont, dass vornehmlich Tuberkulose-Krankenhäuser und die
Familienfürsorge die unbedingt notwendige Ergänzung der Heil¬
stättentherapie im Kampf gegen die Tuberkulose bilden müssten.
Herr von Leyden: Die Gründer der Volksheiistätten hatten
in erster Linie das Ziel, die heilbaren Kranken zu retten. Sie
Umso interessanter ist es, den Spuren der Geschichte des
Aderlasses in den früheren Jahrhunderten nachzugehen. Wir
sehen, dass er früher eine ungeheure Bedeutung gehabt haben
muss. Vor allem war es die Zeit des Ausganges des Mittel¬
alters, in der der Aderlass überall florirte. Er wurde allgemein
nach den Gesondheitsregoln der med. Schule von Salerno von
Aerzten, aber auch besonders von Wundärzten, Barbierern und
Feldscherern ausgeübt. Die Operation geschah teils mittels
Scalpells, teils mittels eines Instrumentes, das extra für das
Aderlässen konstruiert war und das man das „Lasseisen“
nannte. Letzteres hatte vorwiegend bei den Deutschen Eingang
gefunden.
Wegen dieser grossen Verbreitung spielt auch die Lehre
vom Aderlass in den mediciniscben Büchern der damaligen Zeit
eine grosse Rolle. Es waren Kalender im Gebrauch, die an-
gaben, zu welchen Zeiten die Venen eröffnet werden durften,
welche Venen und zu welchen Arten von Krankheiten. Für
uns Angehörige des XX. Jahrhunderts ist es ergötzlich zu sehen,
welche \Vichtigkeit den „Zeichen des Himm^s“ in Bezug auf
den Aderlass in jener Zeit beigemessen wurde. Ich gebe hier
einen kurzen Auszug aus einem med. Lehrbuche (gedruckt zu
Augsburg) vom Jahre 1673, betitelt: „Examen chirurgicum“,
aus dem nebenbei auch ersichtlich ist, bei welch grosser An¬
zahl von krankhaften Zuständen damals ein Aderlass vorge¬
nommen wurde. Die Fragen und Antworten lasse ich in der
ursprünglichen Form und Schreibweise folgen:
Frage: Was Nutzbarkeit bringt das Aderlässen?
Antwort:
Frage:
Antwort:
Frage:
Antwort:
Frage:
Antwort:
Frage:
Antwort:
Das Lassen erleichert das Gemüth / gibt gut Ge-
dächnuss / macht die Sinn substil / bringt die
Stimm / und schärfet das Gesicht / temperirt das
Gehör j macht einen lustigen Magen / eine ge¬
sunde Abdäuung / treibt aus das böse Geblüt /
stärket die Natur / und längert dem Menschen
das Leben / wo es ordentlich beschickt / dann
sie ein Leichterung ist deß Geblüts / Dämpff und
Feuchtigkeiten.
Was ist im Aderlässen in acht zu nehmen?
Der Lasstag soll klar und leicht sein / wol tem¬
perirt im Lufft / nicht zu viel kalt oder warm /
und soll sich der Aderlässen hüten vor überflüssig
Speiss und Trank und starcker Uebung / vor
übrigem Schlaffen / dann diese erzehlte Stuck
zerstören das Blut.
Wozu lässt man die Ader an der Stivem?
Ich wollt sie lassen für Geschwüre der Äugen /
frembde Gedanken / für grosses Hauptrecht und
Unsinnigkeit / auch stätiges Wachen / und bringet
wider zurecht das verderbte Hirn.
Wozu lässt man die Adern an der Nass?
Ich w’ollt sie lassen vor die Galsucht / und Ge¬
brechen der Nasen / so pfinnicht und roth ist.
Wozu lässt man die Adern unter der Zungen?
Ich wollt sie lassen für Flüssigkeit des Ange¬
sichts / der Wehetag der Zähn und Zahnge-
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190
MEDICQTISGHB ^^OCäJfi.
Nr. 17.
haben dad grosse Verdienst., dem deutauheu Volke gezeigt zn
haben, dass die Tuberkulose eine heilbare Krankheit ist, und
haben damit das allgemeine Interesse für den Kampf gegen die
Tuberkulose geweckt.
Herr Putter berichtet von der nunmehr 1'/^jährigen Tätig¬
keit der seiner Lieitung unterstellten Fürsorgesteilen.
Herr de la Camp betont in seinem Schlusswort nochmals,
dass das Hanptgewioht fUr die künftige Tuberkulosebekämplung
auf die Ausdehnung der Wohnnngs- und FamilienfUrsorge zu legen
sei.
2. Herr C. 8. Engel: Ueber Kernhaltige rote Blut¬
körperchen und deren Entwicklung.
Vortragender berichtet über vielfache Untersuchnngen des
embryonalen Blutes des Menschen und von Tieren, bei denen er
die Bntwidklung der späteren roten Blutkörperchen studiert hat.
Insbesondere erörtert er die Möglichkeiten der Art des Keru-
schwundes beim XJebergang der Erythroblasten zu Erythrocyten,
die Rolle der Blutplättchen hierbei and die Bedeutung der baso|)hilea
Granulation der roten Blotzellen, welche nach Ansicht de.s \'or-
tiagenden einen Kernrest darstellt. Zahlreiche mlkroskopisclie
Präparate und Mikrophotogramrae dienen zur Illustrierung lies
Vorgetragenen. Fritz Levy.
AeneUicher Vereim, in Hamburg.
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 27. März 1906.
• Vorsitzender Herr Paschen.
I. Demonstrationen: l.Herr Roth fuchs: „Ueber Gasphleg¬
moneDer Vortragende bespricht die Entstehung der Gas¬
phlegmone durch den Bazill. phlegmon. emphysematos., Fraenkel
die Diagnose: (Verfkrbnng der Haut, Gasblasen, tympanitisclier
Schall, Pergamentknistern) und die Therapie (grosse Incisionen oder
Ampntationen resp. Exarticulationen). Man hat auch Injektionen
von reinem Sauerstoff oder von 2% Wasserstoffsuperoxydlösung
versucht. Die Prognose ist im Allgemeinen recht ungUnstig. doch
während früher die Mortalität 96% betrug, ist sie jetzt auf 35%
gesunken. 2. Herr Rothfuchs spricht über Luxation des
Oberschenkels nach hinten und über die Technik der
Eiurenknng. 3. Herr Rothfuchs zeigt das Endglied des Zeige¬
fingers eines Arbeiters, das mit der vollständigen Haut des 2. und
1. Gliedes und den Sehnen abgerissen war und weist darauf hin,
welch' kolossaler Gewalt die Sehnen Stand gehalten hatten, ohne
zu zerreissen. lu der Diskussion zur ersten Demonstration sngt
Herr Wiesinger, er habe dreimal eine Gasphlegmone im An¬
Frage:
Antwort:
Frage:
Antwort:
Frage:
Antwort:
Frage:
Antwort:
schwären / für die Bräune / Geschwulten und
Antitzigang der Mandel / in erstecktem Halssge-
schwär / Angina genannt / und dergleichen.
Wozu ist die Haupt-Ader auf den Armen zu
lassen / oder in was für Gebrechen mag sie dem
Menschen zu Hülff kommen?
Ich wollt sie lassen für Wehelagen des Haupts /
für Flüssigkeiten der Augen / Gebrechen der
Ohren / für den fallenden Siechtag / und Ge¬
schwulst des Haupts / wie auch für das Kaltwehe.
Wozu wird die Lungen-Ader gelassen?
Ich wollt sie lassen zu der Lungen / Leber und
Miltz / wider den Fluss der Nasen / auch Wehe-
tagon der Brust.
Wozu dient die Leber-Ader?
Ich wollt sie lassen für alle Ueberflüssigkeit und
Siechtag der Leber / und der Brust / vor üeber-
flüssigteit der Gallen / die da kommt von Hitz
der Leber / vor Nasenbluten / Stechen in der
rechten Seiten und dergleichen.
Wozu dient die Median-Ader und vor was Ge¬
brechen wüst du sie lassen ?
Ich wollt sie lassen für Gebrechen der Däuung /
für Wehetagen der Brust und des Hertzens / dos
Magens / des Miltzes / in Fiebern / Rippen und
Seitenwehe und des gantzen Leibes.“
- (Fortsetzung folgt.)
Schluss au eine Darmtistelüpeiatiou uufUeteu geseheu, socLiss uu-
zunehmen ist, dass sie in diesen Fällen durch das Bakterium coli
bervorgerufen sei. Herr Fraenkel warnt davor, mit dem Be¬
griff Gasphiegraone zu leicht umzugehen: es sei nicht immer eine
Gasphlegmone vorhanden, wenn Gasblasen da seien; er fragt, ob
W. bakteriell untersucht habe. 4. Herr Frangenheim: „Ex¬
perimentelle Ueberpflanzung von Echinococcen.“ Der
Vortragende berichtet über seine Versuche, die er bei Kaninchen
angestellt bat, und demonstriert mehrere, gut wallnusgrosse Tu¬
moren. Bei Echinococcusoperation sei die Gefahr der Ueber-
irapfung eine sehr grosse (postoperative Pfropfung nach Madelung),
daher sei eine Punktion der Eohinococcusblase nur zulässig, wenn
sogleich im Anschluss daran operiert werden solle. Herr König
(Altona) warnt eindringlich vor allen Punktionen auch dann, wenn
nur der Verdacht eines Echinococcus vorliegt. Dem schliesst sich
Herr Lauonstoin an und erwähnt 2 diesbezügliche Fälle, bei
denen schon durch die Nadelstiche Ecbinococcusblaseninhalt aos-
geflos.sen war und Anlass zur Ueberimpfung gegeben hatte. Das
W’aebstum der Echinococcen erstrecke sich auf eine ganze Reibe
von Jahren. Herr Cordua (Harburg) hat multiples Auftreten
von Elchinococcus am gleichen Individuum beobachtet. Herr
König (Altona) erklärt, dass nach seiner Ansicht es bereits durch
das Einnähen des Echinococcussackes zu einer Aussaat kommen
kann. 5. Herr Fahr: „Ein Fall von angeborenem Defekt
imZwerchfellmit Verlagerung einerAnzahlderBauch-
organe in der Brusthöhle.“ Es handelte sich am ein tief
asphyctisches Mädchen, das nicht durch Schwingungen mehr
zum Leben gebracht werden konnte. Die Herztöne waren rechts
vom Sternum wahrzunehraeu, doch lag kein Situs inver.sus vor,
sondern durch einen angeborenen Schlitz im Zwerchfell befanden
sich Milz, linker Leberlappen, Dünndarm und Magen in der Brust¬
höhle. Es handelt sieb dabei um eine garnicht so seltene
Hemmungsmissbildung. die links häufiger als rechts auftritt, tmd
die angeblich durch eine Hyperplasie der Leber entstehen soll.
Auch in diesem Fall war die Leber hyperplastisch, während die
linke Lunge durch Kompression hypuplastisch war: es waren also
nicht erst durch die Schultzeschen Schwingungen die ßauchorgane
durch einen locus minoris resistentiae in die Brusthöhle geraten.
6. Herr Reunert: Ein 2V2jährige8 Kind litt vorigen Sommer an
Darmkatarrh, vor 4 Wochen trat eine Schwellung der Halslymph-
drüsen auf. Das Kind war ganz munter gewesen und fiel Abends
plötzlich im Bett tot zurück. Die Sektion ergab eine Perfora¬
tion einer verkästen Lymphdrüse iu einen Haupt¬
bronchus: Kehlkopf und Rachen waren frei, die Luftröhre ent¬
hielt eine weiche, käsige Masse, die das Lumen füllte; im rechten
Hauptbronchus war ein grosses Loch zu sehen, das mit einer
käsigen Höhle communizierte Der linke Unterlappen war gesund,
der rechte tuberkulös. Herr Simmonds erinnert sich, eine
73jährige Frau gesehen zu haben, die alle Erscheinungen einer
Phthise hatte, doch waren niemals Tuberkelbazillen im Sputum
nachweisbar. Erst ganz kurz vor dem Tode traten massenhaft
Bazillen auf. Die Sektion ergab in beiden Unterlappen eine
Aspiration-spneumonie, hervorgerufen durch eine durchgebrochene,
erweichte Drüse an der Bifurcatiou. 7. Herr Paschen hat
einige mikroskopische Präparate der Spirochaeta pallida auf-
gestellt.
II. Vortrag des Herrn Fraenkel: Ue ber Hod ens ch wie-
len.“ Es handelt sich, seitdem man die diesbezüglichen Präparate
nach Weigert gefärbt hat, hierbei um eine Spermatoangitis ob-
literans fibrosa: die Tunica fibrosa ist stark geschwollen, das
Epithel ist vollständig zu Grunde gegangen, die Samenkanälchen
sind obliteriert. Was die Aetiologie dieser Erkrankung anlangt,
so war es Chiari, der zuerst darauf aufmerksam machte, dass
es nicht immer Lues sei, die diese hervorruft. Dem schliesst sich
sich F. an, und er glaubt, dass die Syphilis bisher in der Aetiologie-
frage dieser Hodenschwielen eine viel zu grosse Rolle gespielt
habe. Seiner Ansicht nach kämen auch andere Konstitutions¬
krankheiten in Betracht, so Polyartbritis, Tuberkulose, ebron.
Alkoholismus, Merkurialismus, Tricliinosis und Lepra. Auch die
Röntgenstrahlen dürften nicht vergessen werden; wäre doch der
Schwund des Hodenparenchyms bei Meerschweinchen durch Rönt¬
genbestrahlungen festgestellt worden. Herr Simmonds geht in
histoloffischer Beziehung mit dem Vortragenden conform: primär
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1906.
MEDlCCs'ISCHE WOCHE.
191
sei die Schädigung des Epithels, dann erst träten die binde¬
gewebigen Prozesse auf, wie das jetzt auch z. B, für die inter¬
stitielle Nephritis und die Lebercirrhose nachgewiesen sei. Aeti-
ologie anlangend, stehe er jedoch auf einem ganz anderen Stand¬
punkt, so habe er in 80 Fällen von Hodenschwieien 33 mal sicher
Lues nachweisen können. Er will durchaus nicht eine andere
Aetiologiemöglichkeit bestreiten, — so sei es bei Lepra z. B. er¬
wiesen, — doch spiele Lues zweifellos die Hauptrolle bei diesen
Schwielen. Herr Ed lefsen erwähnt die Parotitis, die möglicher¬
weise ebenfalls Hodenschwielen veranlassen könne. HerrFraenkel
weist im Schlusswort noch einige Bemerkungen des Herrn S. zu¬
rück und beharrt auf seinem Standpunkt, dass Lues bisher in der
Aetiologiefrage der Hodenschwielen eine viel zu grosse und unbe¬
wiesene Rolle gespielt hätte. Schönewald.
Kongressbericht.
35, KongresH der DeutscJicn Qeisellschaft
für Chirurgie»
4.-7. April 1906.
Referent: Max Litthauer-Berlin.
I. Sitzungstag, 4. April.
Der Vorsitzende, Herr Körte-Berlin, eröffnet um 10 Uhr
vormittags die zahlreich besuchte Versammlung mit einigen be-
grüssenden Worten und führt dann in seiner Ansprache des wei¬
teren aus, dass die Chirurgie seit der Begründung der Gesellschaft
ausserordentlich an Umfang und Breite zugenommen habe, dass
sich demgemäss die Zahl der Chirurgen vermehrt hätte und das
zu den Universitätslehrern, die sie früher ausschliesslich vertreten
hätten, sich in Stadt und Land zahlreiche Chirurgen gesellt hätten,
die in der Privattätigkeit sowie den städtischen Krankenhäusern
erfolgreich Chirurgie trieben. Die städtischen Abteilungen sollten
keine Konkurrenz für die Universitätskliniken sein, sondern ergänzend
und helfend eintretea, wo letztere versagten. Den Hauptsegen
hätten die chirurgischen Krankenanstalten besonders auf dem Grenz¬
gebiete der Chirurgie und inneren Medizin gestiftet, da in den
kommunalen Hospitälern ein besonders nahes Zusammenarbeiten der
Chirurgen und Internen stattfinde. Die Rede schloss mit dem
Wunsche, dass auch dieser Kongress erfolgreich verlaufen möchte.
Es folgten geschäftliche Mitteilungen, aus denen besonders
hervorzuheben ist, dass der Ausschuss vorschlägt, Robert Koch
wegen der grossen Verdienste, die er sich um die Entwickelung
der aseptischen Chirurgie erworben habe, zum Ehrenmitglied der
Gesellschaft zu ernennen. Die Wahl selbst erfolgt statutenmäßig
erst in der zweiten Generalversammlung. Endlich gedachte der
Vorsitzende in warmen Worten der verstorbenen Mitglieder— 21
an der Zahl —, zu deren Ehren sich die Mitglieder der Ver¬
sammlung von ihren Plätzen erhoben.
Hr. H. Fischer-Berlin erstattete den Bericht über die Tätig¬
keit der Bibliothekskommission.
Darauf wurde in die Tagesordnung eingetreten. Da.s erste
Hauptthema betrifft die Kriegsohirurgie. Als erster sprach
Hr. V. Zoege-Manteuffel: Ueber die erste ärztliche
Hilfe auf dem Schlachtfelde.
Redner geht zunächst kurz auf die Organisation des Sanitäts¬
dienstes ein und betont, dass im russisch-japanischen Kriege auf
russischer Seite Regimentsverbnndplätze, Divisionslazarette und
fliegende Lazarette bestanden hätten. Die Hauptverbandplätze
seien von besonderer Wichtigkeit. Daneben hätten vom roten
Kreuz eingerichtete fliegende Kolonnen und fliegende Lazarette
sehr gute Dienste geleistet. Die fliegenden Kolonnen hätten zum
Transport ihrer Hilfsmittel ausschliesslich Pferde benutzt, was sich
bei den schlechten Wegen der Mandschurei ausserordentlich bewährt
habe, da die Pferde auch dort noch hin gelangen konnten, wo
Wagen versagten. Ferner seien als Transportmittel noch finnische
auf Federn gehende Karren und Mauleseltragen erwähnt.
Was die ärztliche Hilfeleistung anlangt, so mussten die Ver¬
wundeten aus der Schlachtlinie berausgebracht werden; bei der
grossen Tragfähigkeit der modernen Geschosse musste das auf
ziemlich grosse Entfernungen geschehen. Die Hauptverbandplfttse
seien tunlichst an Eisenbahnstationen und an den Hanptstrassen,
auf denen der Marsch der Armeen erfolgt wäre, anznlegen, weil
sich die verwundeten Soldaten nach diesen Orten in grösster Zahl
begehen. Die Verbandplätze in unmittelbarer Nähe der Trappen
hatten sich nicht sonderlich bewährt.
Die Granatenverletzungen treten ihrer Zahl nach gegen die
Verwundungen durch Flinten- und Schrapnellkugeln sehr in den
Hintergrund, doch handelt es sich bei ihnen um meist sehr schwere,
häufig tödliche Verletzungen. Die Schrapnellkogeln trafen die
Kämpfer mit sehr verschiedener Kraft und verursachten daher
Verletzungen von sehr verschiedener Dignität. Sie seien dadurch
gefährlich, weil sie in der Regel von der Oberfläche des Verwun¬
deten Kleiderfetzen, verunreinigte Hautstücke mit in die Tiefe
der Wunden hineinrissen. Daher käme es bei ihnen häufiger zur
Eiterung. Ganz anders verhielten sich die Verletzungen durch
das kleinkalibrige Mantelgeschoss, bei denen die Kleinheit des Ein¬
schusses meistens ein Eindringen mitgerissener Stücke nicht ge¬
statte. Ein- und Ausschuss sind bei den Flintenkngelverletzungen
meist gleich gross. Die Verletzungen hätten eine grosse Neigung
zu primärer Heilung. Grössere Zerreissungen an der Emschuss-
stelle sowie erhebliche Sprengwirkungen habe er fast nur bei den
Rückschlägen beobachtet, wo das Geschoss bereits deformiert in den
Körper eindringe.
Der Redner berechnet die Gesamtheit der Verluste nach einer
Schlacht auf über ein Drittel der Iststärke, die Verluste diirch
Verwundete betrügen etwa ein Viertel der Iststärke. Er kommt
auf Grund seiner Erfahmngen zu dem Schluss, dass auf 100 Kämpfer
ungefähr ein Arzt nötig sei.
Was die Häufigkeit anlangt, mit der die verschiedenen Körper¬
regionen verletzt werden, so hängt das wesentlich von der Art
des Geländes ab, in dem die Schlacht stattfindet. Der Redner
wendet sich der speziellen Betrachtung der verschiedenen Arten
der Schussverletzungen zu.
Bei den Schädelschüssen haben ihn seine Erfahrungen zu et¬
was anderen Anschauungen geführt, als sie E. v. Bergmann
immer vertreten hatte. Zwar halte auch er die den Schädel durch¬
querenden Schüsse für ein noli me tangere; aber bei den Tangen¬
tialschüssen sei er aktiver vorgegangen. Er habe Knochensplitter
entfernt, habe die Wunde von Haaren etc. gesäubert. Bei den
Rinnenscbüssen habe er häufig Ein- und Ausschuss durch eine
Trepanation verbunden. Wo Abszesse vorhanden gewesen wären,
habe er sie zu eröffnen getrachtet. Seien Projektile stedren ge¬
blieben, so wurden die Versnche zu ihrer Entfernung erst später
vorgenommen, wenn die Anwesenheit derselben durch Röntgen¬
aufnahmen sichergestellt war and die sitzengebliebenen Geschosse
störende Symptome erzeugten.
Die Halsschüsse habe er immer konservativ behandelt. Des¬
gleichen die Brust- und Wirbelschüsse. Es sei hervorgeljobeD,
dass Lungenscbüsse bei der konservativen Behandlung sehr gut
geheilt wären und dass er über 7 Herzschüsse verfüge, welche
konservativ behandelt und geheilt worden seien. Die Wirbelschüsse
geben quoad vitam sehr schlechte Resultate. Das Bild würde
von der Rückenmarksverletzung beherrsdit, die übrigen Verletz¬
ungen seien, wie ihn die Sektionen gelehrt haben, sehr unbedeutend.
Daher solle ma n da, wo Ein- und Ausschuss vorhanden sei, nicht
operieren. Nur wo das Projektil steckengeblieben sei, könne man
versuchen, es zu entfernen, um dadurch vielleicht den unglücklichen
Verletzten Hilfe zn bringen.
Bauchschüsse solle man primär nicht angreifen, Ijeberschüsse
erforderten nach den Erfahrungen des Redners öfters die Tampo¬
nade , die aber erst dann vorgenommen werden dürfe, wenn sich
die Möglichkeit biete, antiseptisch zu operieren. Bei den Extre-
mitätenschUssen hätten die Gipsverbände sieb bewährt. Infizierte
Fraktnren hätten meist amputiert werden müssen; doch seien auch
Resektioneo in der Kontinuität in einzelnen Fällen mit Erfolg aus¬
geführt worden,
Hr. Schäfer-Berlin sprach überDi ensttauglichkeit nach
Verwundungen mit modernen Schusswaffen.
Er bemerkt zunächst, dass die Verluste, die er auf durch¬
schnittlich 16 pCt. der Gefechtsstärke berechnet, nicht so uner¬
hörte gewesen seien, wie man vielfach angenommen habe, nicht
erheblich grösser als in den blutigen Schlachten des Krieges von
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192
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 17.
1870. Die Zahl der Verwundeten sei auf die Oesamtkriegsstärke
berechnet sehr erheblich gewesen, grösser als 1870. Das rühre
aber vornehmlich daher, dass ün russisch-japanischen Kriege die
Schlachten stets von den beiderseitigen ganzen Armeen geschlagen
worden wären. Das Verhältnis der Verwundeten zu den Getöteten
betrug bei der Infanterie 1: 5,4, bei der Artillerie 1 : 9. Die Zahl
der Toten habe sich gegen die früheren Kriege verringert , hin¬
gegen sei die Zahl der Leichtverwundeten sehr gross. 45 pCt.
aller Verwundeten waren 3 Monate nach der Schlacht von Mukden
wieder in der Front. Nur ein Drittel bis die Hälfte der Verwun¬
deten sei auf den Hauptverbandplatz gekommen. Die übrigen seien
in der vorderen Linie versorgt worden, wobei sich das Verband¬
päckchen sehr bewährt habe. Verhältnismäßig sehr gering an der
Zahl seien die operativen Eingriffe gewesen. Am relativ häufigsten
seien Fremdkörperextraktionen gemacht worden, die aber nicht
immer durch Projektile, sondern häufig durch Knochensplitter, mit¬
gerissene Kleiderfetzen etc. nötig geworden seien.
Endlich wolle er noch bemerken, dass nach seinen Erfahrungen
es bei den Verwundungen sehr wesentlich auf die Konsistenz der
verletzten Gewebe, nicht nur auf die Entfernung, aus der die
Verwundung erfolge, ankomme.
Hr. Goldammer-Hamburg behandelt die Erfahrungen mit
trockener Wundbehandlung im südwestafrikanischen
Kriege.
Bei der enormen Schwierigkeit, welche die Wasserarmut Süd¬
afrikas der Kriegsführung gemacht habe, seien auch die Aerzte
zu grosser Sparsamkeit mit dem Wasser gezwungen gewesen. Sie
waren genötigt, mit den einfachsten Mitteln zu arbeiten. Sie
hatten die Wunden ganz ausschliesslich trocken behandelt. Jodo¬
formgaze, die sie in Leinwand gewickelt bei sich getragen hatten,
wurde auf die Wunde gelegt, mit Binde oder Pflaster befestigt.
Wo Knochenverletzungen Vorlagen, wurden Schienenverbände und
besonders Gipsverbände angewendet. Die Fixation der gebrochenen
Glieder und der durchschossenen Gelenke sei für den Wundverlauf
von entscheidender Bedeutung. Sie hatten mit dieser Methode,
obwohl die Verwundeten sehr lange Transporte hätten aushalten
müssen, sehr gute Resultate gehabt, besonders auch bei den Schuss¬
frakturen des Oberschenkels. Wo die Fixation mangelhaft war,
sei gewöhnlich Eiterung aufgetreten. Von 104 Fällen seien 87
primär geheilt, 14 mal seien Eiterungen aufgetreten, darunter 3
tötliche bei schlecht fixierten OberscbenkelbrUchen; 3 mal wurde
Erisypel beobachtet. Von den Verwundeten kehrten 58 teils feld-
dienstfhhig, teils etappendienstfähig zur Truppe zurück.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Im Geschäftsausschuss der Berliner ärztlichen Standesvereine
kamen jüngst zwei Fragen von allgemeinem Interesse z\ir Ver¬
handlung. Zunächst beschäftigte man sich mit jenem vielbe¬
sprochenen Urteil des preussischen ärztlichen Ehrengerichtshofes,
das die Aerzte zwingen will, bei zeitweiser Einstellung ihrer Tätig¬
keit für Vertretung zu sorgen. Unter Zugrundelegung des Akten-
materials gab der Schreiber dieser Zeilen eine Darstellung des
Tatbestandes und des Urteils der ersten und zweiten Instanz;
letztere lässt sich in dem in Frage stehendem Punkte wie folgt
vernehmen: „die Beurteilung der Handlungsweise des Angeschuldigten
hängt von der Beantwortung der grundsätzlichen Frage ab, ob ein
praktischer Arzt bei gewissenhafter Ausübung seines Berufes, wie
das Ehrengerichtsgesetz (§ 3) sie ihm zur Pflicht macht, in Fällen
zeitweiser Einstellung seiner Berufstätigkeit ^vie bei Erholungs¬
reisen u. dgl. verpflichtet ist, für seine Vertretung durch einen
andern Arzt jedenfalls insoweit zu sorgen, dass die sachgemäße
Weiterbehandlung der bis dahin in seiner Behandlung stehenden
Kranken gesichert erscheint. Diese Frage muss mit dem ersten Rich¬
ter bejaht werden. Ob vom Standpunkt des formalen Rechtes der
Arzt den mit den Kranken abgeschlossenen Dienstvertrag kündigen
kann, ist für den Ehrenrichter, der auch ethische Gesichtspunkte
für seine Beurteilung in Betracht zu ziehen hat, nicht maßgeblich.
Für ihn ist entscheidend, dass ein Arzt, der den seiner Obhut
anvertrauten Kranken im Stich lässt, ge^vissenlo88 handelt, und
dass das Gebot gewissenhafter Berufsausübung die Fürsorge für
den Kranken unter Hintansetzung der eigenen Person fordert**
Die Kritik dieser neuen Standesvorschrift war eine durchaus ver¬
urteilende und der Geschäftsausschuss nahm zu derselben durch
einstimmige Annahme folgender Resolution Stellung: Der Geschäfts¬
ausschuss bedauert das Urteil des ärztlichen Ehrengerichtshofes
vom 15. April 1905, welches den Aerzten die Verpflichtung auf¬
erlegt, bei zeitweiser Efinstellung ihrer Tätigkeit für Vertretung
zu sorgen. Dieses Urteil steht im Widerspruch zu den bisher
gütigen Anschauungen der preussischen Aerzteschaft und erscheint
geeignet, die persönliche Willensfreiheit jedes Arztes aufs schwerste
zu beeinträchtigen.
Nach Erledigung dieser Angelegenheit gab die zur Veran¬
staltung einer Enquete über Missstände in Bädern und Kurorten
eingesetzte Kommission einen Bericht über das Resultat ihrer Be¬
mühungen. Leider war die Beteiligung der Kollegen bei der Be¬
antwortung eines von der Kommission versandten Fragebogens eine
verschwindend kleine; teilweise lag dies wohl daran, dass der
Fragebogen im vorigen Jahre zu spät in die Hände der Kollegen
gelangte. Immerhin Hess sich schon aus den eingegangenen Ant¬
worten ein interessantes und bedeutsames Material zusammenstellen,
welches bewies, dass es bei einem Fortschreiten auf dem betretenen
Wege in einiger Zeit gelingen wird, einen einwandsfreien Bäder-
almanach zusammenstellen, dessen Benutzung für die Aerzte und
deren Patienten von gleichem Nutzen sein dürfte. Die Enquete
wird deshalb in diesem Jahre wiederholt werden, hoflfentlich unter
recht reger Teilnahme der Kollegen.
In jetziger Zeit, wo wir beginnen unsere Kranken in die
Bäder zu schicken, dürften folgende Neuerungen in der Beförderung
von Kranken auf der Eisenbahn für die Aerzte sehr interessant
und wichtig sein:
Für die Beförderung von Kranken stehen folgende Wagen
zur Verfügung; l) Seit 1900 sind drei vierachsige Wagen I. Kl.
(Salonkrankenwagen) ira Gebrauch, welche ihre Heimatstation in
Köln a. Rh., Frankfurt a. M. und Berlin-Grunewald haben. Trotz
ihres hohen Preises von 12 Fahrkarten I. Kl. (für österreichische
Strecken mindestens 18 Fahrkarten I. Kl,), für welche der Kranke
und bis zu 11 Begleiter befördert werden, ist die Nachfrage nach
diesen Wagen ziemlich gross und deshalb ihre Vermehrung in
Aussicht genommen. Die Abfertigung der genannten Wagen
findet nur insoweit statt, als eine durchgehende Personen- und
Gepäckabfertigung eingerichtet ist. Wenn in dem Krankensalon¬
wagen mehr Personen Platz nehmen, als die oben genannte An¬
zahl Fahrkarten beträgt, so ist für jede weitere Person eine Fahr¬
karte I. Klasse zu lösen. Die Wagen selbst sind nach dem
Durchgangswagensystem auf Drehgestellen erbaut und enthalten
an dem einen Kopfende das Abteil für den Kranken, daneben
fünf Abteile für den Arzt, die Krankenpfleger und sonstige Be¬
gleiter, ausserdem zwei Aborte, Wasch- und Gepäckraum. 2) Für
weniger bemittelte Kranke sind seit 1904 40 vierachsige Wagen
111. Klasse vorhanden, in welchen zwei Abteüe innerhalb 15 Min.
zu einem Krankenabteil umgebaut werden können. Diese Wagen
wurden seit Beginn des Jahres 1906 auf 60 vermehrt, sowie deren
Ausrüstungsstücke auf 21, sodaas durchschoittUch jede Direktion
drei Wagen xind eine Ausrüstung besitzt. Die Standorte dieser
Wagen sind auf 21 Direktionen zweckmäßig an geeigneten Knoten¬
punkten verteilt, um schnell erreichbar zu sein; ebenso sind die
21 Sätze der Ausrüstungsstücke für die Krankenbeförderung an
bestimmten Stationen vorrätig und müssen jedesmal nach ihrem
Gebrauch umgebend dorthin zurückbelbrdert werden. Diese
Wagen werden zum Teil auf genau bekannten Strecken als ge¬
wöhnliche Wagen gefahren, zum Teil stehen sie auf gleichfalls
bestimmten Stationen in Reserve. Der Preis für diese Abteile
beträgt vier Fahrkarten III. Kl, für den Kranken, wofür ihn
noch drei Personen begleiten können. 3) Eine dritte Vorrichtung
zur Krankenbeforderung tritt zum 1. Aprü 1906 in Kraft. Für
jede der 21 Direktionen sind drei Lühr-Straußsche Krankenbetten
(zusammen also 63) auf zweckmäßig gelegenen Eisenbahnstationen
(Heimatstationen) aufgestellt. Die Tragbetten dienen zur Be¬
förderung von Kranken und sind .so eingerichtet, dass der Kranke
darin von der Wohnung oder der Unfallstelle abgeholt, ohne Um-
betiung in einem eigenen Wagenabteil, in welches das Bett hin¬
eingestellt wird, weiter befördert und von der Bestimmungsstation
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1096.
MBIDICINISCHE WOCHB.
193
wieder bis an die neue Lagerstätte (Klinik, Krankenbaus, Wohnung)
getragen werden kann. Die Tragbetten sind nicht nur für die
Heimatstationen, auf denen sie aufgestellt sind, bestimmt, sondern
können von alien Stationen und Haltestellen der preussisch-
hessischen Staatsbahnen, im Bedarfsfälle nötigenfalls telegraphisch
angefordert und zur Beförderung nach sömtlichen Stationen und
Haltestellen der prenssisch-hessischen Staatsbahnen versendet werden,
sofern für die ^tladung dort Hilfskräfte zur Verfügung gestellt
werden können. Die Aufforderung ist stets an die Heimatstation
des eigenen Direktionsbezirks zu richten. Die Ab- und Rttck-
meldang von und nach der Heimatstation soll als Eil-Betriebs-
dienetgnt erfolgen. Die Tragbetten werden nur in Abteilw^en
III. Klasse mit getrennten oder abschliessbarem Aborte eingestellt
und in allen FemzÜgen, die III. Klasse führen, befördert, ihre
Beförderung in D-Wagen oder Wagen mit mittlerem Durchgang
ist ausgeschlossen. Neben dem Tragbette bleiben noch zwei
Plätze für Begleiter. Für die Beförderung eines Kranken mit
Tragbett auf den Strecken der preussisch-hessischen Staatsbahn
sind zwei Fahrkarten III. Klasse für den Kranken und je eine
Fahrkarte III. Klasse für jeden Begleiter zu lösen. Weitere Ge¬
bühren für die Benutzung, Rücksendung und Desinfektion usw.
des Tragbettes entstehen nicht. Auch für die Benutzung der
Tragbetten von und zum Bahnhofe wird keine Gebühr erhoben;
wenn aber zur Beförderung des Tragbettes zwischen Wohnung
oder Krankenhaus und Station etwa verfügbare Eisenbahnbedienstete
(Gepäckträger) in Anspruch genommen werden, ist deren Tätig¬
keit nach dem Gepäckträgertarif zu vergüten. Die Gestellung
der zur Bedienung der Tragbetten erforderlichen Personen ist
Sache der Kranken, doch sind die Eisenbahnbediensteten ange
wiesen, namentlich beim Aus- and Eingehen der Kranken Hilfe
zu leisten.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 15 .
1 . Ostmann, Marburg: Die Diagnose nnd Prophylaxe der
Labyrmthentzündung bei der akuten Mittelohrentzttndnng.
Von den vier Wegen der Uebertragung der Infektion des
Labyrinths vom Mittelohr ans kommen bei der akuten Mittelohr¬
entzündung in erster Linie Schnecken- und Vorhofsfenster in Be¬
tracht, der horizontale Bogengang n\ir bei längerem Bestände und
besonderer Schwere der Erkrankung mit Ausbreitung auf den
Warzenfortsatz, zumal wenn Lücken des knöchernen Bogenganges
bestehen. Eis gibt zwei Methoden, welche zur Diagnose der be¬
ginnenden LabyrinthentzUndung verhelfen und welchen auch der
praktische Arzt mit sehr geringem Zeitaufwand nachgehen kann.
Das Instromentarinm dazu ist sehr wenig umfangreich; es besteht
aus der Oaltonpfeife und einer kleinen belasteten c-Gabel. Die
Galtonpfeife umfasst die höchsten, vom Ohr wahrgeiiommenen
3—4 Oktaven vom g* abwärts und dient dazu, die Empfindlichkeit
des erkrankten Ohres für diese höchsten Töne zu prüfen. Eine
schnell einsetzende, auffallend starke Herabsetzung der Hörfühigkeit
für die höchsten Töne bei der Prüfung durch Luftleitung mit der
Galtonpfeife, ein Hinüberwandem der Tonwahrnehmung auf das
gesunde Ohr und eine Verminderung der Dauer der Knochenleitnng,
während die objektiv nachweisbaren entzündlichen Erscheinungen
am Trommelfell und Mittelohr ungesohwächt fortbestehen oder
selbst eine Steigerung erkennen lassen, sind die Zeichen, die das
Einsetzen einer komplizierten Labyrinthitis von dem gefährdetsten
Pankte, dem runden Fenster aus, anzeigen.
2. Heusner, Barmen: Heber die Anlegong der Sobnitte bei
den Bancboperationen.
H. bat seit etwa 2 Jahren Quenschnitte durch einen oder beide
Rekti und seitlich darüber hinaus vielfach angewendet und findet
dieselben im allgemeinen vorteilhafter als die senkrechten Median¬
schnitte. Die Inzisionen müssen am oberen Bauche etwas nach
oben, am imteren Bauche ziemlich stark nach abwärts ausgehogen
sein; am Nabel und einige Querfinger nach oben zu verlaufen sie
horizontal. Die durchtrenuten Muskeln klaffen sofort energisch
auseinander und geben mit ihrer derben Substanz und ihrer kräftigen
vorderen und hinteren Scheide solide Unterlagen für die nach¬
trägliche Schichtnaht. Sämtliche durchtrennten Schichten, event.
seihst die Subkutis, werden mit fortlaufender Jod-Katgutnaht ein¬
zeln vereinigt, schliesslich der jetzt kaum mehr klaffende Haut-
Bchnitt mit fortlaufenden Seidensuturen geschlossen. Die Linea
alba bleibt bei dem Verfahren intakt und wird nur an einer Stelle
von der Wunde gekreuzt. Die Narben sind nach H.’8 bisherigen
Erfahrungen fester und zugleich feiner'^als beim Medianschnitte.
Nachfolgende Brüche wurden bis jetzt nicht beobachtet. Der
obere Querschnitt eignet sich zu allen Operationen am Magen,
Gallenblase, Leber, Pankreas, Querkolon, der untere für den
Dünndarm und die Beckenorgane.
3. Kr ecke, München: Können wir die schweren, die so*
fertige Operation erfordernden AppendizitisDLlle erkennen?
Es bandelt sich um die Erörterung der frischen Fälle von
Appendicitis und um die Unterscheidung von Appendicitis simplex
und destruktive (Sprengel). Krogius steht im allgemeinen auf
dem Standpunkte der frühesten Frühoperatiou, betont aber doch
sehr nachdrücklich, dass die leichten Fälle von der Operation aiis-
zuschliessen seien, und dass es uns gelingen müsse, durch eine
allerfrUheste Frühdiagnose die leichten Fälle von den schweren zu
unterscheiden. K. schliesst sich den Krogius’schen Anschauungen
an and fasst seine AusfUhrnngen in kurzen Sätzen folgendermassen
zusammen:
Bei jedem Palle von Appendicitis muss sofort bei Uebemahrao
der Behandlung die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis
Simplex und Appendicitis destruktive (leichte oder schwere Form)
gestellt werden. Das sicherste Symptom der Appendicitis destruk-
tiva ist die schmerzhafte Bauchdeckenspannung; sie indiziert die
sofortige Operation. Nur wenn die.ses Zeichen völlig fehlt, und
auch keine sonstigen beängstigenden Erscheinungen vorliegen, darf
man sich mit der Annahme einer Appendicitis simplex beruhigen.
Eine Steigerung der Pulszahl auf 100 und mehr Schläge ist in
der Regel ein sicheres Zeichen der destruktiven Appendicitis nnd
verlangt die sofortige Operation. Eine niedrige Pulszahl darf uns
nicht zur Annahme einer leichten Erkrankung verleiten. Heftiges
mehrmaliges Erbrechen und lebhafte, durch Eisbeutel nicht zu
stillende Schmerzen, machen immer das Vorhandensein einer schweren
Appendicitis wahrscheinlich. Das Verhalten der Temperatur ist
für die Beurteilung der Art der Appendicitis ohne besondere Be¬
deutung. Die Beschleunigung der Atmung und das Auftreten des
kostalen Atmungstypus sind immer höchst ungünstige Zeichen.
Ein ungünstiges Zeichen ist für die Beurteilung des Falles von
grösserer Bedeutung als 4 günstige Zeichen. Bei der Diagnose
„destruktive Appenciditis“ ist die Operation innerhalb der nächsten
2 Stunden vorzunehmen..
4. Esch, Berlin: Zar gebarthilfliohen Tkerapie der Eklampsie.
Dem Praktiker möchte E. raten, bei ganz oder halbwegs er¬
füllten Vorbedingungen in jedem Falle sofort die Zange bezw. in
geeigneten Fällen die kombinierte Wendung und Elxtraktion bei
toten Kindern die Perforation und Kranioklasie zu machen. Gleich¬
wohl muss man von vornherein wissen, dass mit der schnellen
Entbindung durchaus nicht alle Dilemmas der Eklampsie-Etablierung
erledigt sind, und die Statistik erweist sich auch hier doppelsinnig
nnd beweglich je nach dem Geschmacke des Autors. Die Ver¬
giftung mit Eklampsie kommt eben wie jede akute Vergiftung
verschieden zum Ausdruck. Als schwere Vergiftungen sind die
Fälle aufzufassen, bei denen das Allgemeinbefinden im hohen
Grade gestört ist, wo tiefes Koma, Zyanose des Gesichts, schnar¬
chende, rasselnde Atmung, kleiner, beschleunigter, oft unregel¬
mässiger Puls und Tempe.ratursteigerung bestehen. Ungünstig zu
beurteilen sind auch die Kranken, bei denen ohne vorherige Kon¬
vulsionen (E. fand 7 Fälle in der Literatur, denen er noch 3 aus
den letzten 6 Jahren der Olsha usen’schen Klinik hinzufügen kann,
die alle starben', oder nach den ersten Konvulsionen ein tiefes
Koma eintritt. Ebenso haben eine, schlechte Prognose die Fälle
mit Ikterus (8 io den letzten 6 Jahren beobachte Fälle starben
alle) und starker Hämoglobinurie (von 13 Fällen starben 10). In
höherem Grade gefährdet sind auch im allgemeinen die Patien¬
tinnen, welche erst geschwächt durch viele Anfälle in die ärztliche
Behandlung kommen. Eine höhere Gefährdung weisen auch die
Kranken mit reichlichem Eiweiss und vielen organischen Form-
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MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr 17.
elementen auf (bei 59 von 83 Gestorbenen fand £. in den Kranken’
blättern viel Eiweiss und organische Formelemente verzeichnet).
Ist die Portio noch völlig oder grösstenteils erhalten und der
Muttermund nur eben durchgängig, so hat der Praktiker zu über¬
legen, ob er imstande ist, die Entbindung sofort vorzunehraen,
denn diese Forderung kann jeden Augenblick an ihn herantreten.
Wenn nicht, so ist es angezeigt, umgehend die Kranke einer
Klinik zu überweisen oder einen Spezialisten zuzuziehen.
5. Georgi, Dresden: Zwei Fälle von Milzraptnr.
In denjenigen Fällen, wo die Diagnose zweifelhaft ist, und
man mit der Operation, wenn man Erfolg haben will, nicht zu
lange zögern soll, ist es durchaus gerechtfertigt und ratsam, wie
schon Trendelenburg vorgeschlagen hat, in zweifelhaften Fällen
eine Probelaparotomie eventuell unter Lokalanästhesie mit kleinem
Schnitt in der Mittellinie vorzunehmen. Man wird dadurch manchen
Patienten retten können, der bei längerem Zuwarten verloren
wäre; dies lehrt auch der eine der von G. operierten Fälle.
6 . Strohe, Köln: Diaphragma der Trachea im Anachlnss
an Diphtherie und erschwertes bezw. unmögliches Döoanulement.
Bei einer 18jährigen Pat. musste wegen einer in das Trache-
allumen vorspringenden fibrösen Leiste die wegen diphtherischer
Atemnot im dritten Lebensjahre eingesetzte Kanüle 15 Jahre
hindurch getragen werden; erst in dem Alter, wo auf ein ruhiges
Mitwirken und auf ein ruhiges Hinnehmen seitens der Pat. ge¬
rechnet werden durfte, erst dann konnte mit dem Herauspräparieren
der fibrösen Leiste und durch Einsetzen einer Wegener’schen
Schornsteinkanüle (5 wöchiges Tragen) ein Freihalten des Trache-
allumens und eine Verheilung der Tracheallappenwunde erreicht
werden. S. bespricht als wichtiges Mittel beim Decanulement
auch die von Bruns angegebene dünne Entwöhnungskanüle. Aus
dem Beispiele und den Erörterungen S.’s geht der für die Praxis
wichtige Satz hervor, dass es bei operativen Eingriffen angesichts
eines erschwerten bezw. unmöglichen Decanulements angezeigt ist,
ein Alter des Kindes abzuwarten, in welchem es die Wichtigkeit
des Eingriffes verstehen und den Arzt in seinan Massnahmen
unterstützen kann.
7. Weissbart, München: Zur Kasuistik der Fremdkörper
im M^eu- und DarmkanaL
Alle Erscheinungen drängten zu der Annahme: gEingoklemmter
Gallenstein im Ductus cysticus. Hydrops vesicae felleae.“
Schliesslich aber ging ein seltener Fremdkörper, und zwar ein
schmales Knochenstück von 3,5 cm Länge ab. Es war ein Stück
Kalbsrippe, und zwar der vertebrale Teil mit dem Kapitulum.
Ausser dem Knochen aber war im Stuhlgang nichts gefunden
worden, vor allem keine Steine. Man musste also annehmen, dass
der verschluckte Knochen das alleinige Corpus delicti war.
8 . Richter, Waldenburg: Ueber die Behandlung entzünd*
lieber Prozesse der Haut mit heissen Bädern.
„Der Patient hat in seiner Wohnung mehrere Male am Tage,
jedesmal mindestens i/, bis 1 Stunde lang, das geschädigte Glied
in möglichst beissem Wasser zu baden und darauf zu achten,
dass durch Zugiessen heissen Wassers keine Abkühlung eintritt.
Bei allen Finger- und Zehenerkranknngen lasse ich die ganze
Hand bezw. den ganzen Fuss baden, bei höherem Sitz der Ent¬
zündung den Unterarm bezw. den Unterschenkel. Bei Ober- und
Unterschenkelaffektionen beschränke ich mich oft auf feuchte
Pakungen, die durch Wärmflaschen ständig möglichst warm ge¬
halten werden. In einzelnen Fällen übe ich die allgemein ge¬
bräuchliche Wundbehandlung. Bei der fragwürdigen Sauberkeit
der benutzten Gefässe lasse ich dem Badewasser etwas Soda zu¬
setzen, etwa ^/, Esslöffel auf einen Liter Wasser. Nach dem
Bade wird das geschädigte Glied mit reiner trockener Gaze ver¬
bunden. Eine Kontrolle findet durch mich alle 1—3 Tage statt.
Diese einfache Behandlungsmethode hat mir so befriedigende Re¬
sultate gegeben, dass ich sie beute noch ausübe.^^
9. Hoppe, Köln: Zwei Apparate zur Sehsohärfenprüfong
Es handelt sich a) um einen Apparat zur Sehschärfenprüfung
in der Ferne (Optometer „F“) und b) einen Apparat zur Seh¬
schärfenprüfung in der Nähe (Optometer „N“). Eine einfache,
Raum und Zeit sparende Apparatur für den vielbeschäftigten
augenärztlichen Praktiker.
10. Sieber, St. Petersburg: Die üntertachongen von Prof.
Emil Fiioher seiner Schüler „über die Synthese der Poly¬
peptiden."
Der Gedanke, auf dem Wege der Synthese die Frage nach
dem chemischen Aufbau der Protoinsubstanzen zu lösen, ist nicht
neuen Datums. Die Gewinnung komplizierter Substanzen aus
Anhydriden der Amidosäuren, welche durch Hydrolyse aus Eiweis-
körpem dargestellt worden waren, bildete den Gegenstand ex¬
perimenteller Forschnngen vieler Autoren, wie z. B. von Schaal,
Schi ff, Schützenberger, Lilienfeld, ßalbian i-Fras-
ciatti u. a. Eis wurden hierbei vereinzelte Repräsentanten der
verschiedenen Aminosäuren erhalten, doch waren diese meist amorphe
Produkte, welche nicht genau charakterisiert und deren Beziehung
und Affinität zu den Eiweissubstanzen nicht bestimmt werden
konnten. Das Haupthindernis bei diesen Untersuchungen bildete
mangelhafte Methodik. Dieselbe wurde schliesslich von Prof.
Emil Fischer, der sich schon durch zahlreiche Entdeckungen
und Forschungen, unter anderem über Kohlehydrate und speziell
über Zuckersubstanzen, berühmt gemacht hat, ausgearbeitet. Von
Belang war, dass es im gelungen ist, die technischen Errungen¬
schaften, welche das Arbeiten bei vermindertem Atmospbärendruck
ermöglichten, die Esterifiziemngsmethode der Aminosäuren xmd
deren Derivnte mit grossem Erfolg auszuarbeiten.
11. Hager, Magdeburg: Das Heneste über Or^antherspU.
Es ist folgendes aus die.sem interessanten Kapitel zu beachten.
Für den praktischen Arzt erscheint zurzeit die allgemeine Anwen¬
dung organotherapeutischer Präparate noch nicht ratsam. Zu em¬
pfehlen ist aber jetzt schon die Benützung der Schilddrüsenprä¬
parate bei Myxödem und verwandten Stoffwechselkrankheiten, nament¬
lich in der Form von Jodothyrin, auch Tbyreoidtu siccat. Merck;
f<>rner die Behandlung des Symptomenkomplexes des Morbus Base-
dowii mit dem Möbius’schen Schilddrüsenserum. Die Anwendung
des Adrenalins resp. Paranephrins, Epirenans, Snprarenins u. ä. als
blutstillendes und namentlich die Schleimhaut anämisiereuden Mittels
hat mit vorsichtiger Dosierung und Berücksichtigung der Kreislaufs¬
organe zu geschehen. Weniger sicher erscheint die Anwendung
von Organpräparaten, bei welchen es bisher nicht gelang, ein wirk¬
sames Prinziz darzustellen; vielleicht macht das Oophorin, das
Pankreatin oder das Pankreon hier eine Ausnahme. Von diesen
Präparaten erscheinen die nach Pöhl’schem oder Merck’schem
Prinzip dargestellten die empfehlenswertesten, namentlich erscheinen
auch die von Vassale und die nach Scialleros Prinzip darge¬
stellten einer Berücksichtigung wert. Die klinische Prüfung der
nach diesem Prinzip dargestellten organotherapeutischen Präparate
namentlich auch mit Berücksichtigung der TJrosemiologie und einer
sicheren Dosierung bleibt wünschenswert. Immerhin aber lohnt es
sich nach dem Grimdsatze remedium anceps melius quam nollum
auch für den praktischen Arzt in Fällen, wo es sich um Stoff-
wechselstöruug oder um funktionelle Schwäche eines bestimmten
Organsystems oder auch unheilbare Störungen der verschiedensten
Art handelt, und alle übrigen therapeutischen Maßnahmen frucht¬
los bleiben, einen Versuch mit Organopräparaten, womöglich ganz
frisch oder jedesmal frisch dargestellt, zu machen. Mit der Be¬
handlung muss eine sorgfältige Beobachtung einhergehen, und nament¬
lich der Grundsatz „primum non nocere“ beherzigt werden.
Berliner klinische Wochenschrift. i906. No. 16 .
l.Bashford, London: Einige Bemerkungen zur Methodik der
experimentellen Krebsforsohnng.
Eine Replik gegenüber dem Bericht und der Deutung der
Sarkomentstehung nach Ehrlich. B. vermag nach seinen Tier-
und Transplantationsversuchen nicht der Ehrlich’schen Erklärung
zu folgen; er giebt vielmehr seine Methodik der Tumortransplan-
tatiou an und betont, gezeigt zu haben, dass das mit den Paren-
chymzellen eines Mäusecarcinoms eingeführte Bindegewebe dege¬
neriert, und zwar ausnahmslos degeneriert. Ehrlich und seine
Mitarbeiter hatten dagegen behauptet, dass gelegentlich eine solche
Abweichung von der Regel vorkommt und dass in den von ihnen
angegebenen Fällen eine Öarkomentstehung auf dem Boden eines
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1906.
MGDICINISCHE ^^OGHB.
195
Carcmoms vorliegt. nEin Beweis“, sagt B., „wird jedoch von ihnen
nicht beigehracht“. B. hat schon im März 1904 nnd April 1905
eine Steigerung der Transplantationsf^higkeit nach fortgesetzten
Tierpassagen beschrieben, doch kann er Ehrlich’s bakterio¬
logischer Deutung dieses Phänomens als Virulenzsteigerung vor¬
läufig nicht zustimmen.
2. Pick, Berlin: Veber die Oohronese.
Diese ganz seltene, bisher 5m ganzen nur acht mal beobachtete
Krankheit mit den merkwürdigsten Pigmentierungen wurde vor
40 Jahren zuerst von Virchow beschrieben und ist eine tinten¬
artige Verfärbung der Knorpel und knorpelähnlichen Teile, merk¬
würdigerweise wurde aber die Bezeichnung Ochronose dafür ge¬
wählt, obgleich selbst in den dünnsten Schnitten nicht etwa bloss
eine gelbe, sondern zum mindesten eine dunkle, stahlfarbene bis
schwarze Färbung vorherrscht. P. charakterisiert die einzelnen
Fälle der Literatur und fügt seinen Befund an, dem er auch in
praktischer Beziehung eine Bedeutung zuweist; die nächste Fort¬
setzung bringt die Illustration dieses Falles.
3. Schmidt, Berlin-Wuhlgarten: Tiansitorisohe doppel¬
seitige Amauiose mit erhaltener PnpiUenreaktlon und amnee-
tisohe Aphasie nach Krampfanfall,
Genauer Status und ausführliche Krankengeschichte einer
54jährigen Epiieptikerin, die plötzlich nachts nach einem Kramp f-
anfali eine schnell vorübergehende völlige Erblindung und Sprach-
störnng zeigt. S. glaubt aber nur eine Fernwirkung eines epilep¬
tischen Paroxysmiis annehmen und nicht etwa Amaurose und
Aphasie als reine Eigentümlichkeiten desselben bezeichnen zu
können.
4. Cohn, Berlin: Zur Würdigung der Bottini'sehen Ope¬
ration.
Da'^s „der Bottini seinen Höhepunkt überschritten“ habe
und dauernd an Anhängern verliere, wie v. Schmieden in seiner
Monographie behauptet, möchte C. bestreiten und bekämpfen, nicht
gerade als „lebhafter Bewunderer“, wohl aber zufrieden mit der
immerhin schon für die Praxis brauchbaren Methode, die nament- '
lieh bei älteren, dekrepiden, vor der Narkose zu verwahrenden i
Pat., wo darum auch ein langes Krankenlager zu vermeiden ist, '
seinen Zweck erfüllt. Es ist zuzugeben, dass die Rezidive nicht
auszuschalten sind, dass vielmehr solche, wie schon A. v. Fritsch
berichtet die Regel sind; doch ist es schlechterdings schon ein
grosser Vorteil, wenn ein Pat. 4—5 Jahre hindurch nach der Ope¬
ration in normaler Weise urinieren kann, andrerseits ist die Zeit
zu kurz, um dagegen die Resultate der Prostatektomie bewerten
zu können.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. i5.
1. Silbermark, Wien: Der Meohauismus der Cökumttber-
dehnung bei Bickdarmstenoseii.
Die von einer ganzen Reihe von Beobachtern festgestellte
Tatsache, dass gerade das Cökum der Lieblingssitz der Ueber-
dehnung ist und andrerseits die auffällige Uebereinstimmung der
Autopsiebefunde in vivo und in mortuo inbezug auf die Fundstelle
der Diastasen, resp. der Dehiszenzgeschwüre machen es erklärlich,
dass man nicht Zufall sondern eine gewisse Gesetzmässigkeit hier¬
für annehmeu muss. Dm der Ursache auf den Grund zu kommen,
weshalb gerade das Cökumöam leichtesten der Ueberdehnung unter¬
liegt, hat S. mit Ä. Ghon im pathologisch-anatomischen Institute
von A. Weichselbaum Versuche an Leichen angestellt, deren
Resultate die folgenden sind: Die Aetiologie der isolierten Cökum-
blähung resp. Ueberdehnung beim Coecum fixatum ist hauptsäch¬
lich in den Verhältnissen des freien Peritooealüberzuges desselben
zu suchen, es bilden die vordere imd hintere Tänie die tj^ischen
Prädilektionsstellen der Serosadiastasen bei Ueberdehnung des
Cökums.
2. Jerusalem und Falkner, Wien: üeber Wehen und
Wehensohmerz und deren Beziehungen zur Hase.
Die Verfasser stimmen mit Fliess darin überein, dass der
Wehenschmerz der Eröffnungsperiode —- bei fehlenden patholo¬
gischen Vorgängen — dem Schmerz der „nervösen Dysmenorrhoe“
analog und wie dieser von der Nase aus beeinflussbar ist. Die
Flless’sche Deflnitiou vom echten Wehenschiuerz jedoch können
sie nicht akzeptieren, denn sie fanden bei Gebärenden mit nega¬
tivem Nasenbefund und Kokainversuch, die jedoch ad Genitalia
pathologische Prozesse aufwiesen oder auch bei Beckenenge die¬
selben vom Kreuz nach vorne ausstrahlenden Schmerzen wie bei
den Frauen mit geschwellten und empflndUchen nasalen Genital-
steilen; daneben fanden sich auch oft in den Fundus Uteri lokali¬
sierte Schmerzen. Nach Lomer kann jede Erkrankung der weib¬
lichen Genitalien Kreuzschmerzen machen; es liegt nahe, anzunehmen,
dass dieselben intra partum sich verstärkt fühlbar machen. J^ und
F. fanden folgende für die Praxis wichtige Ergebnisse, indem sie
bei Kreiasenden die Nase mit Adrenalin (l®/oo) und Kokain (5%)
pinselten: Frauen, die an Dysmenorrhoe leiden, haben ceteris
paribus in der Eröffnungsperiode der Geburt mehr Schmerzen als
Frauen mit normaler Menstruation. Dieses Pius — objektiv
charakterisiert durch starke Schwellung und Empfindlichkeit der
unteren Nasenmuscheln und Tubercula septi — kann durch Pinselung
dieser Stellen mit Kokain (Adrenalin) coupiert werden. Den Grad
der Erleichterung, den wir damit der Gebärenden bringen, wird
davon abbängen, inwieweit diese Scbmerzwurzel die übrigen über¬
ragt. In vielen Fällen ist die Erleicbternng zweifellos eine be¬
deutende. Die Wehentätigkeit als solche wird dadurch nicht be¬
einflusst. Schliesslich haben J. und F. noch den Kokainversuch
wegen heftiger andauernder Nachwehen gemacht. Hier — wo
das mechanische Moment fast ganz ausgeschaltet ist — genügte
meist eine einmalige Kokainisierung der Nase, um die Schmerzen
dauernd zu beseitigen. Der Lochialfluss blieb unverändet.
3. von Kautz jun., Wien: Qasphlegmone nach Perforation
eines Meokelsohen Biyertikeb.
Die häufigsten Formen, unter denen das Diverticulm Meckelii
dem Chirurgen Anlass zum Eingreifen gibt sind der mechanische
Darmverschluss und die sogenannte Diverticulitis perforativa.
Während nach der Zusammenstellung von Hilgenreiner, der
vor einigen Jahren gegen 200 Fälle von Darmverschluss durch
das Divertikel aus der gesamten Literatur gesammelt und 10
Hauptgruppen aufgestellt hat, der mechanische^ Ileus ungleich
häufiger ist, sind die Fälle von Divertikelperforation relativ selten.
Der erste vom Verf. beobachtete Fall von Divertikelperforation
verlief anfangs unter dem Bilde einer Lymphadenitis inguinalis
ohne alle Erscheinungen einer Mitbeteiligung des Darmtraktes;
erst drei Wochen später — am Tage der Operation — wurde die
Gasphlegmone manifest und damit der wahrscheinliche Ausgangs¬
punkt. Der zweite Fall mit seinen Inkarzerationserscheinungen
zeigt den typischen Verlauf einer Darmwand — oder einer Darm¬
anhangshernie mit Wandnehrose und Perforation unter der Haut,
typisch bis auf das erst in der vierten Woche erfolgte Aufbrechen
einer Kotfistel, die nach mehrwöchentlichem Bestehen schliesslich
ohne blutige Behandlung heilt.
4. Browning, Glasgow: Agglntination und Eomplement-
sohwnnd.
Versuchsreihen zur Diskussion der von Eh rlich und Morgen-
roth angeregten Frage über die Bedeutung der Agglutination für
die Hämolyse.
Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. 66.
1. Sugär: Ueher Phosphorbehandlimg der Otosklerose.
5. kommt auf Grund einer Reihe von längeren Beobachtungen
und theoretischen Erwägungen zu dem Schluss, dass die von einigen
Autoren empfohlene langdauemde Pbosphorbehandlung wissenschaft¬
lich nicht genügend begründet ist und dass die langdauernde Zu¬
fuhr von Mineralphosphor schwere Bedenken errege, worauf ja
auch schon von anderer Seite hingewiesen worden ist. Wenn ein
Versuch mit Phosphor gemacht werden soll, ist die Verordnung
organischer Phosphorpräparate z. B. das Phytin vorzuziehen.
2. Thomisch: Ein Fall von hysterischer Taubheit.
Eine nervös veranlagte 28 Jahre alte Frau erkrankte plötz¬
lich nach körperlichen Mißstimmungen und seelischen Erregungen
an beiderseitiger kompletter Taubheit. Entzündliche Erscheinungen
fehlten völlig. Nach 5 tägiger Taubheit wieder normale Hörfähig¬
keit. Aus gleicher Ursache trat etwa 9 Monate später wieder ein
ähnlicher Anfall ein. Gleichzeitige allgemeine Hyperästhesie, Be-
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196
MEDTCINISCHB WOCHE.
Nr. 17.
flexiitdlgcraag usw. sprachen fUr Hysterie. Behandlung dement*
spreshend nur Ruhe. Lues wir ab Ur.?ich3 anizuschliessen.
Band 67.,
3. V. Behm: Ein Fall von Syphilis hereditaria tarda beider
Ohrlabyrinthe.
Bei der 20jährigen, von einem syphilitischen Vater abstam¬
menden Patientin, trat zuerst plötzliche Ertaubung links ein, Va
Jahr später begann auch die Hörfähigkeit rechts hochgradig ab¬
zunehmen. Trommelfellbefund rechts normal, links Hammergriff am
Promontorium angewachsen (wahrscheinlich Folge syphiHtLschen
Geschwürs). In der Nase Perforatio septi, im Rachen narbige
Verwachsungen von Zäpfchen und Gaumensegel. Keine akut
entzündlichen Erscheinungen im Ohre.
Auf Schmierkur beträchtliche Besserung, Flüstersprache recht.s
auf 6, links auf 3 m gehört.
Bei rechtzeitger antiluetischer Behandlung sind die Aus-
.sichten auf Heilung im allgemeinen nicht ungünstig. Es ist des¬
halb dringend nötig, dass auch der praktische Arzt, zu dem ähn¬
liche Kranke wohl nicht selten zuerst kommen, in allen Fällen
von plötzlicher Ertaubung usw., in welchen keine akuten Entzünd¬
ungen oder schweren Traumen vorhergegangen sind, an die Mög¬
lichkeit einer luetischen Erkrankung denkt und zutreffenden Falls
sofort eine energische Behandlung einleitet. Die Differentialdiag-
iiose gegen hysterische Taubheit wird sich aus dem Fehlen
anderweitiger hysterischer Symptome ergeben.
Hölscher (Ulm).
Kongresse.
23. Kongress für Innere Medicin zu München, 23.--26.
April 1906. Unter dem Vorsitze des Geheimrnt v. Strümpell,
Breslau findet vom 23.—26. April der 23. Kongress für Innere
Medicin in München im Hotel zu den Vier Jahreszeiten, Maxi-
railianstraase 4, statt. Die Verhandlungen des ersten Sitzungs-
tages gelten der „Pathologie der Schildrüse“, worüber Fr. Kraus-
Berlin und Kocher-Bem die Referate übernommen haben. Am
zweiten Verhandlungstage erstattet Hering-Prag ein kritisches
Referat über die „Unregelmäßigkeiten der Herztätigkeit“. Ausser¬
dem stehen von einer grossen Anzahl hochangesehener Professoren
und Aerzte eine ganze Reihe von interessanten Vorträgen über
praktische und wissenschaftliche Fragen der Heilkunde bevor.
Auch ist wieder eine Ausstellung von Instrumenten, Apparaten
und Präparaten, soweit sie für die Innere Medicin von Interesse
.sind, mit dem Kongresse verbunden, und wird nach den wie man
uns schreibt sehr zahlreichen Anmeldungen eine besonders rege
Beteiligung hervorragender Fachmänner zu erwarten sein.
Vermischtes.
Folgender Aufruf geht uns mit der Bitte um Veröffentlichung
zu: Vor einigen Jahren ist von ärztlicher Seite der Gedanke an¬
geregt und in medicinischen und kolonialen Kreisen erörtert worden,
in den Anfängen ihres Leidens befindliche und noch erwerbsfflhige
Lungenkranke im Schutzgebiete Deutsch-Südwest-Afrika anzusiedeln.
Nach Erfahrungen aus dem hinsichtlich des Klimas und der Boden-
beschatfenheit ähnlichen englischen Südafrika ist die Erwartung
berechtigt, dass derartige Kranke durch den dauernden Aufenthalt
in dem für sie günstigen Klima vor dem Weiterschreiten ihres
Leidens bewahrt bleiben, damit würde neben den Lungenheilstätten
ein weiteres Hilfsmittel in dem Kampfe gegen die Tuberkulose
gewonnen. Auch würde durch eine derartige Besiedelung der wirt¬
schaftliche Wiederaufbau der Kolonie gefördert werden. Um die
für grössere Unternehmungen notwendigen wissenschaftlichen und
praktischen Grundlagen zu gewinnen, halten es die Unterzeichneten
für erforderlich, dass eine Anzahl nach bestimmten Grundsätzen
ausgewählter Kranker in die Kolonie gesandt werden, um an ihnen
die Heilwirkung des Klimaa festzustellen. Die Unterzeichneten
richten an alle, welche mit ihnen von der Wichtigkeit dieses
Unternehmens für die Gesundheit unseres Volkes und für das
Gedeihen unserer vielversprechenden Kolonie überzeugt sind, die
dringende Bitte, sie bei der Aufbringung der für diesen Zweck
erforderlichen, nicht unerheblichen Mittel durch einen Beitrag
gütigst unterstützen zu wollen. Die Direktion der Diskonto-Ge¬
sellschaft, Unter den Linden 35, hat sich freondlichst bereit er¬
klärt, Geldsendungen unter der Bezeichnung „Deutsch-Südwest-
Afrika“ ehtgegenzunehmeu. Erbprinz zu Hohenlohe-Langen-
burg, I. Vorsitzender, Exz. Althoff, Wirkl. Geb. Ober-Reg.-
Rat, Prinz v. Arenberg, Graf v. Arnim-Muskau, Exz. v.
Bergmann, Wirkl. Geh Rat, Ad. Förster, Wirkl. Geh. Ober-
Reg.-Rat, A. Colinei li, Wirkl. Legationsrat, Dr. med J. Katz,
Schriltführer, Mart. Kirchner, Geh. Ober-Med.-Rat, stellv.
Vorsitzender, Rob. Koch, Geh. Med.-Rat, F. Kraus, Gfeh. Med.-
Rat, Herrn. Paasche, Geh. Reg.-R:it, Vize-Präsident d. R., von
Poser u. Gross-Nädlitz, Generalmajor z. D., R. v. Renvers,
Geh. Med.-Rat, Dr. Arth. Salomonsohn, Schatzmeister, K
Schräder, Eisenbahn-Direkter a. D-, M. d. R., H. Senator,
Geh Med.-Rat, Ernst Vohsen, Konsul a. D., Waldeyer,
Geh. Med.-Rat.
Hochschulnachrichten.
Berlin. Dr. Rudolf Schelske, Privatdozent für Augenheil¬
kunde, feierte sein ÖOjähriges Doktorjubiläum. Er steht im 76.
Lebensjahre und ist der Zweitälteste Privatdozent der medicinischen
Fakultät. Dr. Paul Strassmann, Privatdozent für Frauenheil¬
kunde, erhielt den Professortitel. Geh. Rat Prof. Dr. A. Lucae
ist zum Ehrenmitglied der Oto-Laryngologischen Gesellschaft zu
St. Petersburg ernannt worden.
Breslau. Dr. med. Hermann Triepel, Privatdozent für
Anatomie, Abteilungsvorsteher und erster Prosektor am anatomischen
Institut der Universität Breslau, ist zum ausserordentlichen Hono¬
rarprofessor ernannt worden.
Halle. Professor Dr. med. Armin Tschmermak, Privat¬
dozent für Physiologie und erster Assistent bei Geheimrat Bern¬
stein am physiologischen Institut der Universität Halle a. S. hat
den Ruf als ordentlicher Professor für Physiologie und Tn edj y. iniar.h fl
Physik an der Wiener tierärztlichen Hochschule angenommen.
Jena. Der Senat der Universität Jena hat bei den Regie¬
rungen der Erhalterstaaten den Antrag gestellt, dass künftig Frauen
an der Universität unter denselben Bedingungen immatrikuliert
werden können wie die männlichen Studierenden. Bisher waren
B'rauen nur als Hörerinnen in der philosophischen Fakultät zuge¬
lassen.
Kiel. Privatdozent Dr. Klingmüller-Breslau ist zum ausser¬
ordentlichen Professor und zum Direktor der Klinik für Haut-
und Geschlechtskranke der hiesigen Universität ernannt worden.
Köln, Prof. Dr. Aschaffenburg wurde zum ordentlichen
Mitglied der Akademie für praktische Medizin ernannt. Prof.
Dr. Füth hat die Leitung der neu geschaffenen gynäkologischen
Abteilung übernommen.
Leipzig. Die hiesigen Privatdozenten der Medizin Dr,
Alfred Bielschowsky und Dr. Arthur Birch-Hirschfeld, die
beide als Assistenten an der hiesigen Augenheilanstalt angestellt
sind, wurden zu ausserordentlichen Professoren ernannt. Der
Privatdozent Dr. med. Heinrich Füth, Assistent an der hiesigen
Universitäts-Frauenklinik, scheidet infolge seiner Berufung an die
Akademie für praktische Medizin in Köln aus dem Lehrkörper
der medizinischen Fakultät aus.
Göttingen. In der medicinischen Fakultät der Universität
hat sich Dr. Friedrich Heiderich, Assistent am anatomischen In¬
stitut, als Privatdozent für das Fach der Anatomie habilitiert.
In Strassburg starb der Privatdozent Dr. Thomö, I. Assis¬
tent am anatomischen Institut.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. F. Meiasner, BerlinW. 61, Knrfflrftenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von der Hernemann'achen ßuchdruckerei, Gebr Wolff, Halle a. S.
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Medicinische Woche
Deotschmaoa, A. Dflhnseo, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Br.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Herausgegeben von
Verlag und Expedition
Carl Marhold in Halle a» UUandstrasse
Tel.'Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 823.
asse 6.
823.
_
R. Kobert, M. Koeppen. K. Partacb, H. Rosin, H. Scblange.
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerrleht, A. Voulns,
Magdeburg. Glessen.
Redaktion:
Berlin W* 62« Kurfflratenstraaae 81«
Dr. P Meißner
Vn. Jahrgang.
30. April 1906.
Nr. 18.
Die .Medicinische Woche" erscheint jeden Montag mit der UtSglgen Beilage B&ItieolOgiSChe Cciltralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen
Baderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold io Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 berechnet. Beilagen nach Uebereiokunft. Reklamezeile r,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmSfligung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
. geben. Am anschaulichsten ist das Schema des Gehirns aus
OrtQinftlisn. den Arbeiten von Ferrier, Munk, Gorders, Bechterew
Ueber einige Schädelverletzungen.
Von Dr. A. W. Minin,
Chefarzt dos NikoI^-MiUtärbospitals in St. Petersburg.
Zum besseren Verständnis des Zasammenhangs zwischen
den Verletzungen, die im Nachstehenden geschildert werden
sollen, und den durch diese Verletzungen bedingten Konse-
Das itn Kazaner Bezirkskrankenhaus akzeptierte Seboma.
Dasselbe ist elektiv und nach Ferier, Munk, Gordors, Bechterew und
Elagosin zusammengestellt.
gezeichnet von Dr. Gribojedow.
x) Geruuhszontrum. Gyrus uncinatus auf der .Schädelbasis.
Erläuterung.
A. Linke Hemisphäre: 9. Wernicke’s Zentrum.
1. Zentrum der abstrakten Be- lÖ. Musikzentrum.
griffe (Yernunft). D. Wortgedächtniszontrum.
2. Zentrum des verutinftigen ^2. Gesientszontrum.
Willens. Bewegungszentrum d. .Schrift.
3. Bewegungszentrum. B Rechte Hemisphäre:
4. Yorstellungszentrum. 1. Zentrum der affektiven Vor-
fj. Gesicbtsvorstallungeii. Stellungen.
(i. Gesiebtszentrum der .Schrift. 2. Zentrum des freien Willens.
7. Broca's Zentrum. 3. Zentrum der Gegenstand.svor-
8. Stimmenzentrum Krause. Stellungen (Verstand).
quenzen in Form von krankhaften Veränderungen des Nerven¬
systems und des Gehirns halte ich es für notwendig, vor allem
mit einigen Worten die Lokalisation sämtlicher Zentren im
Gehirn za streifen und dann auch den Begriff der Halluzi¬
nation zn präzisieren, sowie den Ort ihrer Entstehung anzu-
zu ersehen, welches im Bezirkskrankenhaus zu Kasan akzep¬
tiert ist and mir in liebenswürdiger Weise von Dr. Gribo¬
jedow zur Verfügung gestellt wurde. Nach diesem Schema
wird jeder sich über die Lokalisation der Zentren genau orien¬
tieren können, wenn er sich vorstellen wird, dass aas Geruchs¬
zentrum auf der Basis des Frontallappens liegt
Als Halluzination bezeichnet man nach Erlitzki eine
Vorstellung, die, ohne dass im gegebenen Augenblick irgrad
ein äusserer Eindruck perzipiert wird, entstehend, in der äusseren
Welt durch Vermittlung des einem der Sinnesorgane voll¬
ständig objektiviert wird. Gerucbshalluzinationen betreffen be¬
sondere Gerüche, die dort gefühlt werden, wo sie gar nicht
vorhanden sind.
Ais Sinnestäu.schung oder Pseudo-Empfindung oder auch
Halluzination im weiten Sinne des Wortes bezeichnet man
nach Eorsakow das Auftreten in der Sphäre des Bewusst¬
seins von Vorstellungen, die mit Empfindungen verknüpft sind,
welche solchen Gegenständen entsprechen, die in WirWehkeit
im gegebenen Augenblick einen Eindruck auf die Sinnesorgane
des Menschen nicht machen. Jede Halluzination ist eine Re¬
produktion, ein Gedanke, der sich, wie sich ein französischer
Psychiater geäussert hat, in eine sensible Hülle gekleidet hat,
eine nach aussen projizierte Idee.
Damit eine Halluzination entstehen kann, ist es einerseits
erforderlich, dass eine Erregung der sensoriellen Zentren statt¬
finde, d. h. derjenigen Zentren, in denen die Empfindung ent¬
steht, andererseits dass diese Empfindung mit irgend einer
Vorstellung, welche im Bewusstsein aus dem Vorrat an Vor-
stelluDgen entstanden ist, kongruiere.
Nach der Ansicht von Meynert werden Halluzinationen
durch Erregung der subkortikalen Zentren bei Abscbwächung
der Funktion der Hirnrinde bedingt.
Nach der Ansicht des italienischen Gelehrten Tarn burini
verdanken die Halluzinationen ihre Entstehung einer spontanen
Erregung, nicht der subkortikalen, sondern der kortikalen
Zentren, und zwar deijenigen Zellen, die die Endungen der
sensiblen Leitungsbahnen bilden und die durch die Vermittlung
von Assoziationsfasern mit den Vorstellungszentren kommuni¬
zieren.
Was die übrigen Definitionen, so diejenigen von Esquirol,
Krafft-Ebing, Kraepelin, Störring, Pierre, Janet,
Loewenfeld, Such anow, Kodinsbi etc. betrifft, so möchte
ich derselben nur nach den Worten von Dr. Obrastzow
Erwähnung tun, der sagt, dass man den wahren Halluzinationen
die sogenannten Pseudo-Halluzinationen gegenüberstellt, d. h.
nach Hagen diejenigen krankhaften psychischen Zustände, die
nicht mit Sinnestäuschungen im allgemeinen und speziell nicht
mit Halluzinationen verwechselt werden dürfen.
Nun möchte ich einige Fälle von Schädel-Verletznngen
beschreiben, die meiner Meinung nach beachtenswert sind:
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198
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 18.
1. Obacst deg^ OeDerftUtabe G. Der Patient wurde am
22. Pebiruar 1905 in den MukdeB-SchlachteD von einer Ge-
webikn^I an der rechteo Frontalgegend, an der Grenze des
behaarten Kopfteiles getroffen. Er kl^ über häuHgen Kopf-
eoKwüidal und Kopfschmerzen, wobei bisweilen der ^nze Kopf,
bisweilen nur die von der Verletzung betroffene Stelle weh
tue. Ausserdem glaubt der Pfttient bisweilen, „Schmerzen zu
riechen“.
Am 23. Februar wurde von Dr. Butz die Trepanation
vorgenommen, bei der mehrere Knochensplitter entfernt wurden.
Der Patient war, als er von der Kugel getroffen wurde, be¬
wusstlos geworden, kam aber nach 5 Minuten zu sich, und in
diesem Moment stellten sich die Kopfschmerzen ein, die bis
auf den heutigen Tag anhalten. Nach der Operation haben
die Schmerzen etwas nachgelassen. Zu irgend welchen An¬
fällen ist es niemals gekommen, auch kann der Patient über
Schwäche irgend eines Gliedes nicht klagen.
Der Patient stammt aus einer gesunden Familie, in der
Nerven- und Geisteskrankheiten nicht vorgekommen sind. Der
Vater ist an Lungenschwindsucht gestorben und hatte zu Leb¬
zeiten an Glaukom gelitten. Die Mutter ist am Leben. Die
Geschwister des Patienten sind am Leben und gesund. Syphilis
will der Patient niemals gehabt, desgleichen keinen besonderen
Äbusas in baccbo getrieben haben. In der Kindheit hat der
Patient an einer Stömng des Ganges wegen Kontraktur der
Achillessehne im Anschluss an infantile Paralyse, die sich in¬
folge einer Erkältung eingestellt hatte, gelitten. Dieser Defekt,
der den Pat. zwang, anf den Zehen zu gehen, wurde operativ
unter Anlegnog eines fixierenden Verbandes beseitigt. Der
Patient hat die gewöhnlichen Kinderkrankheiten durchgemacht
und anch einra Tripper gehabt.
Status praesens. Der Patient ist von hoher Statur,
regelmäßigem, kräftigem Körperbau und gutem Ernährungs¬
zustand. Objektiver Befund: Lungen normal, Erschei¬
nungen von leichter Bronchitis. Herzdimensionen etwas ver-
grÖssert. Die Herzdilatation wurde mittelst Röntgeuapparats
konstatiert. Auskultation: Deutliches systolisches Geräusch
an der Spitze, welches in der Richtung nach oben zu allmäh¬
lich verschwindet. Ausserdem wird ein mit dem ersten Herz¬
ton zusammenfallendes blasendes Geräusch an der Aorta wahr-
genonunen. Arcus aortae etwas erweitert (beginnendes Aneu¬
rysma).
Diagnose: Kombiniertes Vitium cordis; Insufficienz der
Valvula bicuspidalis und Stenose der Aorta bei leichter Arterio-
Feuilleton.
Vom Aderlass.
Eine kulturgeschichtlich-medicinische Skizze.
Von Dr. Archimontanns.
(Scfalnss.)
In diesem Frage- und Antwortspiel geht es noch weiter
betreffend die: „Ader auf den kleinen Fmgem, die Ader auf
der kleinen Zehen, die Rosen-Ader unter den Knochen an
beyden Füssen, die Spor-Ader an den Knoten, die Ader auf
der Hand beym Daumen, die Ader auf der grossen Zehen, die
Brand-Ader“ und Ändere. Dann wendet sich der Examinator
den wichtigen Fragen zu, an welchen Zeiten die Adern gelassen
werden sollen. Da heisst es:
Frage: Zu welchen Zeiten ist mn besten zu lassen?
Antwort: Die beste Zeit ist zu lassen in guten Zeichen
des Mondes / und da der Mond neu und voll ist /
ist solches verbotten / auch nach Art der Ge¬
brechen und Krankheiten zu bedienen / und sollen
alle Adern des Armes vor dem Essen gelassen
werden / ungleichen alle Adern des Haupts / der
Hand / der Schenckel und der Füss / die soll
man lassen nach dem Essen.
Frage: Welches sein die vier Complexion dess M enschen / die
einem jeden Wund-Arzt zu wissen vonnöthen seyn?
Sklerose. Leber, Milz, Darmkanal bieten keine Abweichungen
von der Norm dar. In der rechten Frontalgegend befindet
sich eine Narbe, die schräg, von vom nach hinten, von der
Mittellinie der Stirn zutn rechten Winkel des behaarten Eopf-
teiles in einer Entfernung von 2 —3 cm von dieser und parallel
derselben verläuft und 6'/|Cm lang ist. Der zentnde Teil
der Narbe ist 3 cm lang. An dieser Stelle ist wegen
Knochendefekts eine 1—IV» cm tiefe Vertiefung vorhanden.
Der Enochendefekt stellt an und für sich ein Oval dar, welches
2'/| cm im kleinen und 3'/» cm im grossen Durchmesser hat
In der Tiefe ist deutlich Pulsation zu sehen. Bei der von
Dr. Sokolow ausgeführten radiographischen Untersuchung
des Schädels waren sämtliche Knochen gut zu eebra, während
an Stelle des Defekts ein heller Fleck hervortraL Pupillen
gleichmäßg, reagieren regelmäßig auf Licht und Distanz. Ge¬
ruch an beiden Seiten gut erhalten, wobei der Patient richtig
lind rasch schwache Lösungen von Bergamottöl, Ammoniak,
Terpentinöl und Valeriana-Tinktur unterscheidet. Die Be¬
wegungen der mimischen Muskeln gehen regelmäßig vor sxh.
In der Zunge und in den Augenlidern ist leichter Tremor zu
sehen. Hautsensibilität in normalen Grenzen erhalten, nur io
der Gegend der Narbe ist sowohl die Schmerz- wie auch die
taktile Empfindung herabgesetzt. Der Gang ist. sowohl bei
offenen wie geschlossenen Augen regelmäßig. Romber^scbes
Symptom fehlt. Grobe Kraft aer Hände 110 und 115. Dieses
Verhältnis zwischen der groben Kraft der rechten und der¬
jenigen der linken Hand hat übrigens auch vor der Verletzung
bestanden. Hautreflexe normal; es fehlen nur die Gluteal-
reflexe. Schlundreflex erhalten. Der von der Nasenschleimhaiit
ausgehende Refiex [ist beiderseits erhalten und gleichmäßig.
Dermographismusetwas gesteigert. Conjunctivalreflex kannher-
vorgerufen werden.*^ Sehnenreflexe gesteigert. Reflex der
Achillessehne fehlt mfolge der in der Kindheit überstandeoen
Operation, von Her deutliche Spuren zurückgeblieben sind.
Die Beuge- und Streckreflexe der Ellbogen sind erhalten und
auf beiden Seiten gleich. Puls 120 in der Minute.
Visus oculi dextri 30/20; Visus oculi sinistri 30/20. Die
von Dr. Dobroslawin ausgeführte ophthalmologische Unter¬
suchung ergab ausser einer gewissen Verengerung der Arterien
der Papille des N. opticus des rechten Auges keine Abwei¬
chungen von der Norm. Bei der Untersuimung des rechten
Auges traten Schmerzen in der Wunde auf, was bei der Unter¬
suchung des linken Auges aber nicht der Fall war, trotzdem
die Untersuchung immer abwechselnd? ausgeföhrt wurde. Von
Antwort: Erstlich ist die Complexion eine“ zusammen g^
schickte Ordnung aus deß Menschen Natur / die
vier Qualitäten mit Gegenwürkung der vier Ele¬
ment / und Himmlischen Planeten Einfluss und
Nei^ng zu erkennen / als nemlich der viere /
Chol, warm / trucken und feurig: Sanguin warm /
feucht und lüfftig: Melanch. kalt / trucken / irr-
disch: Phlegraat. kalt / feucht und wässerig.
Welches seyn die vier Qualitäten?
Warm / feucht / kalt und trucken?
Welches seyn die vier Element?
Feuer / Wasser / Lufft und Erdreich.
Welches seyn die sieben Planeten?
Saturnus / Jupiter / Mars / Sol / Venus / Mer-
curius / Luna.
Welches seyn die vier gute / die vier mittle / und
die vier böse Zeichen?
Die vier gute seyn: Wider / Waag / Schütz und
Wassermann. Die vier mittle seyn: Krebs / Jung¬
frau / Scorpion und Fisch. / Die vier böse seyn:
Stier / Zwilling / Lör^und Steinbock.
Ist der Mond lim Wider, welche Ader ist ver¬
botten zu lassen ?
Die Ader an der Stirnen, die Ader unter der
Zungen / und alle Adern des Haupts seyn ver¬
botten zu lassen / diß Zeichen ist heiss und
trucken / und ist ein Zeichen des Mertzene.
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Frage:
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1906.
MBDICmiSCHB WOCHB.
199
seiten dos Gesiditsfeldes liegen gleichfalls keine bedeutenden
Abweichungen von der Norm vor. Es besteht leichte katarrha¬
lische Conjunktivitis an beiden Augen.
Der Patient klagt über Kopfschmerzen und Schwindel,
wobei letztere hauptsächlich bei angestrengter Arbeit, bei Auf¬
regung oder eiliger Geschäftigkeit auftreten. Trotzdem der
Kranke an ernste geistige Arbeit gewöhnt ist (er hat ja die
Generalstabsakademie absolviert), muss er jetzt, indem er als
Lehrer fungiert mehr oder minder anstrengende geistige Arbeit
vermeiden, weil rasche Ermüdung eintritt, wobei hauptsächlich
die Aufmerksamkeit in Mitleidenschaft gezogen wird, indem
sie rasch nachlässt; zugleich steigern sich die Kopfschmerzen,
und es tritt Schwindel auf. Letzterer besteht darin, dass der
Patient allgemeine Schwäche im ganzen Körper verspürt, der
sich dabei gleichsam nach rechts neigt, wobei die Gegenstände
der Umgebung sich gleichsam zu bewegen beginnen. Der
Patient vergleicht diesen Zustand mit dem Gefühl eines leichten
Rausches. Der Schwindel ist von verschiedener Intensität:
bisweilen kann sich der Patient auf den Beinen halten, manch¬
mal muss er sich hinsetzen, und einmal ist er sogar hingestürzt,
wobei er vorübergehend das Bewusstsein verlor. Seit dem
Frühling sind derartige Schwindelanfälle nicht mehr autge-
treten. Gegenwärtig klagt der Patient über gleichmäßigen
Schmerz im ganzen Schädel; bisweilen schmerzt allerdings nur
die Wunde allein. Die Sprache des Patienten ist vollständig
logisch und frei. Das Gedächtnis soll nach Ansicht des
Patienten in Bezug auf Personen bedeutend nachgelassen haben,
sonst aber durchaus befriedigend sein. Gemütsstimmung sehr
labil. Der Patient wird häufig durch Gegenstände erregt,
welche er früher gar nicht beachtet hat. Er vermag sich
zwar zu beherrschen, aber nur mit Mühe. Der Schlaf ist bis¬
weilen unruhig. Der Patient erklärt, dass er häufig (manchmal
jeden Tag, manchmal einmal in der Woche) einen „Schmerz¬
geruch“ habe, der keinem von den dem Patienten bekannten
Gerüchen ähnlich und weder widerlich noch angenehm ist.
Später verglich der Patient diesen Geruch mit dem Ozongeruch
oder mit dem Geruch unangenehm riechender Parfüms, bei¬
spielsweise Patschuli. Der Patient ist sich dessen bewusst,
dass dieser Geruch nicht von aussen kommt, sondern sich
innerhalb seiner eigenen Nase, und zwar in der oberen Hälfte
derselben bildet Dieser Geruch steht in einem Zusammen¬
hang mit dem Kopfschwindel nicht, da dieser Geruch manch¬
mal besteht, ohne dass Kopfschwindel vorhanden ist, und um¬
gekehrt. Der Patient glaubt, seit jeher einen Geruchssinn von
mittlerer Intensität gehabt und nach der Verletzung eine Ab¬
schwächung des Geruchssinnes nicht erfahren zu haben. Die
Empfindung des geschilderten Schmerzgeruchs dauert 2 — 30
Minuten und noch länger an. Zum ersten Mal hat der Patient
diesen Geruch ca. 2 Monate nach der Verletzung empfunden.
Während die tägliche Erfahrung und die neuesten, bei¬
spielsweise in der Arbeit von Prof. Itf. M. Kusnetzow ge¬
sammelten Arbeiten zu aktiver Intervention bei Scbädelverletz-
ungen, so zu primärer Trepanation des Schädels anregen,
weisen meine nachstehenden Mitteilungen auf den verhängnis¬
vollen Zusammenhang des schweren Zustandes der Patienten
und dem Fehlen von rechtzeitiger operativer Intervention
hin. Es muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Tre¬
panation des Schädels, selbst wenn sie längere Zeit nach der
Verletzung, also sekundär vorgenommen wird, den Zustand
des Patienten, wie aus der folgenden Krankengeschichte zu
ersehen ist, immerhin bessert. (Schluss fo1g:t)
Aus dem Hansa^ Sanatorium Ikmzig*
Die Digitalisbehandlung
der Herzschwäche hei Infektionskrankheiten.
Von Dr. R. Frennd.
(Schluss.)
Bei Influenza tritt sehr häufig eine starke Schädigung des
Herzmuskels durch die Grippotoxine ein und manches nervöse
Herz lässt sich bei genauer Erhebung der Anamnese auf einen
leichten, kaum beachteten Infiuenzaanfall zurückführen, so dass
man eine spezifische Wirkung auf den Herznervenapparat an¬
genommen hat.®) Der Puls ist während der Krankheit meist
schwach dicrot und bedeutend beschleunigt, doch kommen
häufiger als bei jeder andern Infektionskrankheit bedeutende
Verlangsamungen des Pulses vor, was man durch Einwirkung
auf das Vaguszentrum erklärt Die Labilität des Pulses ist
gross, ein Wechsel im Stehen und Liegen von 80 bis 130 wird
häufiger beobachtet als bei andern Inf^tionskrankheiten. Auch
Arhythmien kommen als Uebergänge zu den selteneren schweren
Herzstörungen vor, von denen besonders die Angina pectoris
und die Herzschwäche mit Collaps, beide auf der Höhe der
Erkrankung beobachtet werden. Die Collapse führen häufig
zu den Todesfällen an sogenanntem Herzschlag. Wenn hierbei
Frage; Ist der Mond im Stier, welche Adern seyn ver-
botten zu lassen?
Antwort: Alle Adern am Halß seyn verholten zu lassen /
das Zeichen ist kalt und trucken / und ist ein
Zeichen des Aprils.
Frage: Ist der Mond im Zwilling / welche Ader ist ver-
botten zu lassen?
Antwort: Alle Adern der Arm und Hand seyn verbotten zu
lassen. / Das Zeichen ist warm und feucht / und
ist ein Zeichen des Magens.
Frage: Ist der Mond im Krebs, welche Adern seyn ver¬
botten zu lassen?
Antwort: Die Adern auf den linken Arm / das Zeichen ist
kalt und feucht / und ist ein Zeichen des Brach¬
monds.
So geht es weiter mit den Fragen, wenn der Mond im
Löwen, m der Jungfrau, in der Waag, im Scorpion, im Schütz,
im Steinbock, im Wassermann und im Fisch ist und die Ant¬
worten lauten dementsprechend.-
Man muss sich wundem, dass bei den sehr geringen
anatomischen Kenntnissen, besonders vor Entdeckung des Blut¬
kreislaufes (1627), nicht Öfter eine grosse Arterie eröffnet
worden ist, die eine lebensgefährliche Blutung zur Folge haben
konnte. Allerdings hören wir aus den Warnungen, die zum
Beispiel in dem Buche des S. A. D. Tissot, Dr. medicinae und
Professor in Lausanne („Anleitung für das Landvolk in Ab¬
sicht auf seine Gesundheit“ 1768) stehen, dass auch manche
Verblutungen vorgekommen sind infolge Fahrlässigkeit Die
Menge des Blutes, die man beim AderTass ablassen solle, gibt
der letztgenannte Arzt auf 10 Unzen an. Eine Unze = 33,33 gr.
10 Unzen entsprächen also einem Gewichte von ungefähr 333 gr.
Diese Menge entspricht auch der jetzt gebräuchlichen Ablassung
von 180—400 gr.
Es sind aber nicht nur durch fahrlässige Eröffnung von
Arterien Verblutungen vorgekommen, sondern auch durch eine
allzu liäufige und ausgiebige Anwendung der Operation. So
schreibt Tissot: „Man kann nicht ohne Entsetzen wahmehmen,
dass man zuweilen einer Person 18, 20 auch 24 mal innerhalb
zwei T^en zur Ader lässt; andern in einigen Monaten einige
himdertmahl. Dergleichen Beobachtungen beweisen allemahl
unwidersprechlich die Unwissenheit eines Arztes oder Wund¬
arztes, und wenn der Kranke das Leben erhaltet, so muss man
die Kräfte der Natur bewundern, welche unter so vielen mör¬
derischen Streichen (1) nicht unterliegt.“ "Tla muss man aller¬
dings dem guten Tissot Recht geben!
Ausserdem tritt er auch einem damals weit verbreiteten
Vorurteile entgegen. Er schreibt: „Es herrschet ein sehr
falsches Vorurteil, nämlich, dass die erste Aderlässe das Leben
rette; man darf aber nur die Augen öfftten, und man wird von
deren Falschheit überzeugt werden, da man zum Unglück alle
Tage das Gegenteil sehen kann, dass viele Personen nach der
ersten Aderlässe sterben. Wenn dieser Grundsatz wahr wäre,
so müsste es unmöglich sein, dass ein Mensch an seiner ersten
Krankheit sterben könnte, welches doch täglich geschiehet. Es
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200
BfEDIClNXSüüJfi wOCHB.
Nr 18.
in vielen Fällen nur eine Lähmung der nervösen Regulierung
vorliegt, so sind doch auch häufig Myocarderkrankungen als
Ursache nachgewiesen.
Ueber die Behandlung dieser Form der Herzschwäche
habe ich wenig Angaben gefunden, wegen der Collapsgefahr
wird zu Vorsicht mit Antipyreticis geraten, V. Ziemssen em¬
pfiehlt gegen die Herzschwäche Campher 0,2 — 0,3, Digitalis
0,05 3 — 4mal täglich.'“) Ich selbst habe keine Erfahrungen
darüber. Bei eintretendem Collaps dürften auch hier die intra¬
venösen Digaleninjektionen zu versuchen sein.
Bei den Herzstörungen, welche man als Nachkrankheiten
der Influenza auffassen muss, liegen die Verhältnisse, wie das
auch Krehl und Romberg hervorheben, meist sehr kompli¬
ziert. In einigen Fällen bringt die Digitalistherapio Nutzen,
in andern verengten die Digitalispräparate als auch der Stro-
phantus, wogegen bei einer antineurasthenischen tonisierenden
Behandlung alle Beschwerden schon nach wenigen Wochen
völlig schwanden. In den Fällen erster Art glaube ich eine
Herzstömng durch Erkrankung des Herzmuskels, in denen der
zweiten Art eine Störung durch Befallensein der nervösen
Zentren des Herzens annehmen zu müssen.
Gegen die Fälle von Angina pectoris ist das Digalen wüe
in dem von Kottmann beschriebenen Fall anzuwenden.")
Bei Typhus abdominalis *’) lässt sich häufig, trotz schweren
Verlaufs, mit unsem heutigen Untereuchungsmethoden klinisch
niclits nachweisen, was auf eine Erkrankung des Herzens hin-
dentet Wir wissen aber, dass schwere parenchymatöse Degene¬
ration des Herzfleisches und echte Myocarditis Vorkommen.
Tritt letztere auf, so pflegt sie gegen Ende der 2. oder Anfang
der 3. Woche klinische Erscheinungen zu machen, diese Herz¬
schwäche kann dann in den Vordergrund treten und lange an-
dauern. Sie äussert sich dann in Frequenterwerden des rulses
ohne gleichzeitigen Temperaturanstieg, Irregularit^ und Inä-
qualität Diese drei Symptome sind ein sicheres Zeichen für
Mitbeteiligung der Kreislauforgane. Im weiteren Verlauf wird
der Puls klein, weich und leicht unterdrückbar und es tritt
eine Dilatation (Distension) besonders des linken Ventrikels
ein. Die Auskultation gibt fast unhörbare Töne, nur der
zweite Pulmonalton ist zuweilen verstärkt und zwar mit oder
ohne ein gleichzeitiges systolisches Geräusch an der Herzspitze,
welches durch relative Mitralinsuffizienz hervorgerufen ist.
Die Lebensgefahr ist bei diesen Zuständen geringer als bei
den durch das Diphtheriegift hervorgerufonen und meist bilden
sich die Erscheinungen zurück. Chronische Myocarditiden sind
ist von grosser Wichtigkeit, dass man dieses Vorurteil au8rt)tte,
weü solches einen schlimmen Einfluss haben kann. Das Zu¬
trauen zu dieser Aderlässe macht, das man sie auf grosse Ge¬
fahren verspahren will, und man schiebt sie immer auf, so
lange der Kranke sich nicht sehr übel befindet, in der Hoffnung,
dass wenn man solcher entübriget seyn könne, so lasse sie
sich für einen anderen Anlass aufbebalten. Indessen ver¬
schlimmert sich das Üebel, man lässt endlich zur Ader aber
zu spat, und ich habe verschiedene Beispiele von Kranken ge¬
sehen^ weiche man sterben lassen, damit man die Aderlässe
auf einen wichtigeren Fall verparen möchte. Der ganze Unter¬
schied in der Würkung der ersten Aderlässe und der folgenden
ist gemeinlich dieser, dass sie den Kranken mehr eine schädliche
als heilsame Aufwallung veranlasset“.
In den Ratschlägen Tissots ist also schon ein bedenkliches
Abflauen der Begeisterung für den Aderlass zu merken. In
den folgenden Jahrzehnten und im neunzehnten Jahrhundert
eriet die Operation des Aderlasses immer mehr in Vergessen-
eit, da bei den Fortschritten der wissenschaftlichen Heilkunde
andere und bessere Ersatzmittel an seine Stelle traten. Heut¬
zutage ist im Allgemeinen das vom Aderlass Jahrhunderte lang
so sicher beherrschte, ungeheure Gebiet der Therapie auf ein
einziges Rutchen zusammengeschrumpft. Es mehren sich jedoch
neuerdiogs hier und da die Anzeichen dafür, als sollte diese
altehrwtirdige, stark vernachlässigte Operation bei gewissen
Krankheitszuständen wieder zu El^en kommen.
selten, auch wenn die Herzerscheinungen erst nach der Ent¬
fieberung einsetzen, so pflegen sie doch nach monatelanger
Dauer günstig zu enden.
Gefährli(m sind die meist aüf das Herz bezogenen Collaps-
zustände, welche in der 2. oder 3. Woche eintreten können,
von denen jedoch neuere Untersuchungen wahrscheinlich machen,
dass es sich um eine Lähmui^ der Vasomotoren handelt. Eine
sichere Beantwortung dieser Frage steht noch aus.
Was lässt sich tun diese Herzschwäche zu vermeiden?
Es ist bekannt, dass man den günstigen Nutzen der Bäder¬
behandlung, wie sie heute bei Typhus üblich ist, vor allem in
der günstigen Wirkung auf das Herz und Gefasssystem sieht.
Tritt trotz derselben Herzschwäche ein, so sind Aether, Campher,
Coffein und Alcoholica beliebt, während die Digitalis im all¬
gemeinen wenig angewandt wurde. Erst kürzlich hat Schwarz
nachgewiesen, dass grade bei Typhus ebenso wie bei Pneu¬
monie nach Digalenanwendung eine Besserui^ der Herztätig¬
keit auftritt, welche sich in Abnahme der Pulsfrequenz und
Besserung der Qualität des Pulses äussert, und zwar wird hier
besonders die intravenöse und subcutane Anwendung des Diga-
lens als dem Campher und Coffein bedeutend überlegen ge¬
rühmt, so dass die Anwendung des Digalens auch hier mehr
in den Vordergrund zu treten hat, was ich betone, weil in den
gangbaren Handbüchern der Digitalistherapie bei Herzschwäche
der Typhuskranken nicht gedacht wird.
Die Herzkomplikationen bei den übrigen oben erwähnten
Krankheiten bieten nichts besonderes, und sind meist gutartig,
abgesehen vom Gelenkrheumatismus, bei dem die Endocarditis
das Krankheitsbild beherrscht, welche bei den andern Krank¬
heiten nur gelegentlich vorkommt. Bei einer ausgesprochenen
Endocarditis pflegt die Digitalis nicht zu wirken, abgesehen
von einer Gefahr der Embolie, die durch Losreissung eines
Gerinsels entstehen kann, falls die Herzkraft gehoben \vird.
Zum Schluss fasse ich das Resultat meiner Untersuchung
dahin zusammen:
Bei der bei Infektionskrankheiten auftretenden Herz¬
schwäche haben wir in der modernen Digitalistherapie in
Form des Digalens ein wichtiges Hilfsmittel, da wir dieselbe
durch subcutane, intramuskuläre und intravenöse Anwendung des
Mittels bekämpfen können. Es wirkt starker als Campher und
Coffein und schneller, wenn in Form der intravenösen Injek¬
tion gegeben, welch letztere bei gefahrdrohendem Collapse allein
in Frage kommt.
Bei Lähmung der nervösen Zentren der Herzregulation,
wie sie bei Influenza und Diphtherie vorkommt, bleibt die
Digitalistherapie wirkungslos, ebenso bei schwerer Endocarditis.
wo sie auch wegen Gefahr der Embolie kontraindiziert ist
Literatur.
1) Krehl, Pathologische Physiologie, 1904.
2) Archiv f. klin. Med. Bd. 04.
3) Popow, Petersburger med. Wochenschr. 1902.
4) Arch. t exper. Patb. u. Pharm. 1906.
5) Ztscbr. t &rztl. Fortbildung, 1906.
6) Die Lungenentzündungen, 1399.
7) Hdbch. T. Ebstein und Schwalbe. Bd. 1.
8) Ther. Monatshefte, 1005, p. 364.
9) Leicbtenstern, Influenza, 1896.
10) Penzoldtund Stintzing, Hdbch. Bd. 1.
11) Ztschr. f. klin Med. 1805.
12) Curscbmann, Unterleibstyphus, 1898.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
AersfUicher Vereim, in Ha/niburg*
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 10. April 1906.
Vorsitzender Herr Paschen.
I, Demonstrationen: Herr Simraonds: „Ueber multiples
Myelom“. Primäre Knochengeschwülste sind überhaupt selten,
es kommen nur Sarcome und Myelome vor; erstere sind, nament-
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
fiOl
lioh wenn sie ans kleinen Rundzellen bestehen, nxir schwer von
letzteren zu unterscheiden. Die Myelome wuchern in der Mark-
Bubstanz selbst und nagen gleichsam die Corticalis an, gleichzeitig
entkalken sie die Knochen, sodass es klinisch zu Deformitäten
kommt, und Osteomalacie vorgetäuscht werden kann. Es besteht
lebhafte Schmerzhaftigkeit in den erkrankten Epochen, häu£g
remittierendes Fieber, und im Urin sind Älbumosen nachweislich;
doch fehlt die Albumosenprobe häufig, sodass nur das Röntgenbild
sicher Aufschluss gibt. Es werden ^e Knochen zweier Patienten
gezeigt, im ersteren Falle handelte es sich um allgemeine Sarco-
inatose, während in letzterem Myelomatose vorlag. Eine 67jährige,
nach Apoplexie demente Frau ging an einer Pneumonie zu Grunde:
es war ein deutliches Knirschen in der rechten Schulter wahr¬
genommen worden. Die Sektion ergab, dass der Oberarmkopf
abgebrochen war, und es fanden sich überall grau resp. hämorr¬
hagisch aussehende Myelome, sogar im Schädeldach. Herr Könne
hat eine alte Dame mit besonders heftigen Schmerzen in den Beinen,
den Rippen, dem Sternum tmd im Rücken behandelt, die für ihr
Älter aufiallend gebückt ging. Aus bestimmten Gründen (Anacidi¬
tät z. B.) wurde ein Magencarcinom und eine sekundäre Knochen-
carcinomatose angenommen. Bei der Sektion jedoch zeigte es sich,
dass überall Myelome vorhanden waren, während nur eine Magen-
atonie bestanden hatte. 2. Herr Simmonds demonstriert ferner
Spirochaeten, nach Levaditi gefärbt, von einer macerierten
sjrphilitischen Frucht. Es fand sich eine Unmasse in allen Organen,
Lunge, Thymus, Leber, Milz, Pancreas und Nebennieren waren
dnrdisetzt; die grösste Zahl war jedoch in der Darmschleimhaut
vorhanden. Er verneint die Frage des Herrn Faschen, ob sonst
keine luetischen Veränderungen zu erkennen waren.
n. Vortrag des Herrn Fahr: „Das elastische Gewebe
im gesunden und kranken Herzen und seine Bedeutung
für die Diastole“. Vortragender hat durch Untersuchungen
an über 100 normalen uud pathologisch anatomisch veränderten-
Herzen festgestellt, dass im Gerzen des Neugeborenen elastische
Fasern sich in den Ventrikeln nur im Endo- und Epicard, sowie
in der nächsten Nachbarschaft der Gefässe finden, dass beim Er¬
wachsenen dagegen elastische Fasern auch in den Muskelschichten
vorhanden sind, dass sie dort jede Muskelfibrille in Form eines
feinen Netzes umgeben. Diese Befunde bilden eine Bestätigung
fröherer Untersuchungen von Melnikow-Raswedenkow. — Die Ent¬
wicklung dieses elastischen Netzes beginnt etwa im 5. Lebensjahre
und ist im allgemeinen mit dem 7. Lebensjahre etwa abgeschlossen.
In einer Reihe von Fällen nun — fast durchweg bandelte es sich
um alte Individuen mit lange bestehender, meist hochgradiger
Arteriosklerose — konnte Vortragender eine Verstärkung des
elastischen Netzes konstatieren. Sio beginnt in der Umgebung
der Klappen und Gefässe, wo die neugebildeten elastmchen Fasern
ihren Ursprung finden, und manifestiert sich im histologischen Bilde¬
in der Weise, dass das ursprünglich aus einer Lage elastischer
Fasern bestehende Netz sich verdichtet und sich aus mehreren
Lagen zusammensetzt. — Stets ist diese Vermehrung des elastischen
Gewebes in den unter den Aortenklappen gelegenen Muskelschichten
deutlicher ausgeprägt, als in den übrigen Abschnitten der Herz¬
wand. In vielen Fallen ist die Vermehrung auf die erwähnten
Muskelabschnitte beschränkt. — Die Schlüsse, die Vortragender aus
diesen Befunden zieht, lassen sich in folgende Leitsätze zusammen-
fassen:
1. Die elastischen Kräfte, die bei der Herzarbeit in Frage
kommen, werden in den ersten Lebensjahren durch die Muskel-
fibrillen ohne Zuhilfenahme besonderer elastischen Elemente aus¬
gelöst.
2. Mit zunehmendem Alter jedoch vermag die Muskulatur
allein den Anforderungen an die Elastizität der Her/wand nicht
mehr zu genügen, und der Organismus schafft deswegen einen
Hilfsfaktor in Gestalt eines um die Muskelfibrillen diffus ango-
ordneten, elastischen Netzes.
3. Nehmen die elastischen Kräfte infolge dauernd gesteigerter
Inanspruchnahme des Herzen, z. B. bei lange Zeit bestehender
Arteriosklerose, weiterhin ab, so wird das elastische Netz in kompen¬
satorischer Weise verstäi-kt, und zwar ist diese Verstärkung be¬
sonders gross in den unter den Aortenklappen gelegenen Muskel-
wolsten ausgeprägt, an deren Elastizität bei der Herzarbeit
offenbar besonders hohe Anforderungen gestellt werden.
4. Es sind diese Befunde geeignet, die Auffassung zu stärken,
die Krehl von der Rolle der elastischen Fasern bei der Herzarbeit
hat: Die elastischen Fasern, welche die Muskelfasern in diffuser
Weise umspinnen uud namentlich reichlich in den unter der Aorten¬
wurzel gelegenen Muskelpartien vorhanden sind, werden in dem
Bestreben, ihre bei der Systole veränderte Gestalt wieder ein¬
zunehmen, das Herz im Beginn der Diastole wieder öffnen können.
(Der Vortrag wird in extenso in Virchows Archiv erscheinen.)
III. Diskussion: Herr Simmonds fragt, ob man aus dem
Verhalten des elastischen Gewebes im Herzen das Älter eines
Kindes wohl gerichtsärztlich bestimmen kann, und ob irgendwelche
Unterschiede hinsichtlich des elastischen Gewebes in den Herz¬
schwielen vorhanden sind. Herr Fahr entgegnet im Schlusswort,
dass sich die Entwickelung des elastischen Gewebes zwischen dem
5. und 7. Lebensjahre vollzieht; Schlüssse auf das Alter jedoch
könne man nicht mit Sicherheit daraus ziehen. Herzschwielen
sind anatomisch gleich, ob sie durch Infarct oder durch entzündliche
Prozesse entstanden sind. Schönewald.
MediciwUche GeaeUschaft in Giessen,
6 . Sitzung am 30. Januar 1906.
Vorsitzender: Herr Poppert, Schriftführer: Herr Kisskattf
1 . Herr Brink: Demonstration von 3 operierten Fällen von
malignen Ovarialtumoren (mit makroskopischen und mikroskopischen
Präparaten). An der Hand dieser werden die wichtigsten Funkte
Uber Diagnose, ludikationsstellung, Behandlung und Prognose der¬
artiger Geschwülste erörtert.
2. Herr Cohn: I, Demonstration eines Neugeborenen mit
kongenitaler Pulsarythmle. — Das Kind zeigte schon intrauterin
während der ganzen Geburtsdauer die auf&llige Erschrinung, dass
bei sonst normaler Frequenz der Herztöne ab und zu ein Doppel¬
schlag auBsetzte, bald nach 8—10 Schlägen, bald in längeren Ab-
ständ^. « Während der Geburt wurde an Nabelschnurkompression
als Grand der Pulsarhythmie gedacht, jedoch bestand bei der
schnellen spontanen Austreibung weder eine Umschlingung noch
eine Kompression der Nabelschnur. Das Kind zeigt vielmehr
noch heuto, am 5. Tage des extrauterinen Lebens das zeitweise
Aussetzen eines Herzschlages in gleicher Weise wie intrauterin.
Im übrigen ist es völlig normal entwickelt. Es ist zweifelhaft, ob
eine myogene oder nervöse Ursache für die Herzarhythmie anzu¬
nehmen ist.
II. Medullaranästhesie in der Geburtshilfe. Bei einer 12-
jährigen Erstgebärenden mit starker Schmerzhaftigkeit der Wehen
und hochgradiger Erregtheit wurde in der Austreibungsperiode
beim Herannahen einer fötalen Indikation die Medullaranästhesie
durch Ifijektion von 0,04 Stovain angewandt. 5 Minuten nach
der Injektion Beginn der Anästhesie, von den Füssen aufsteigend.
Nach 10 Minuten voUstäodige Anästhesie der unteren Körperhälfte
bis handbreit oberhalb des Nabels. Der Wehenschmerz hörte völlig
auf, die Banchpresse versagte. Am Uterus sind deutlich Kon¬
traktionen und Erschlaffungen zu fühlen. 15 Minuten nach der
Injektion aus fötaler Indikation leichte Beckenausgangszange.
Die Kreissende empfindet dabei keiuerlei Scdimerz, sieht der Ex¬
traktion zu und gibt an. nur einen Zug zu spüren. Die Nach¬
geburtsperiode verlief normal. Die Anästhesie nimmt nach einer
Stimde von oben nach unten ab und ist nach 1 Va Stunden völlig
verschwunden. Ausser leichten Kopfschmerzen am nächsten Morgen
zeigten sich keine üblen Nachwirkungen. Die Methode erscheint
ftir operative Beendigung der Geburt und zur Beseitigung starker
Wehenschmerzen gut anwendbar, jedoch wegen der relativ kurzen
Dauer der Anästhesie und der Ausschaltung der Bauchpresse nur
in der Austreibungsperiode. Eine besonders vorteilhafte Ver¬
wendung dürfte sie bei der Pubotomie finden, um nach der in
Medullaranästhesie ausgeführten Durchsägung des Schambeins
unter der Fortdauer der Anästhesie einen spontanen schmerzlosen
Eintritt des Kopfes ins Becken zu ermöglichen.
3. Herr Krömer: Beckenerweitemde Operationen. Das
Missverhältnis zwischen Becken und Kindskopf am Ende der
Schwangerschaft können wir umgehen durch den abdominalen
Kaiserschnitt und ausgleioheu durch die beckenerweitemden Ope¬
rationen. Letztere haben gerade jetzt allgemeineres Interesse er¬
weckt durch das Bestreben, die Perforation des lebenden Kindes
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MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 18.
in EJüniken ganz auszuschalten. Die Durcbtrennnng der Symphyse
ist etwas in Misskredit gekommen wegen der Nebenverletzungen
und der hohen Mortalität der Mütter (7%). Gigli veränderte die
Technik; er legte den Schnitt nach aussen von der Symphyse in
das OS pubis. Sein Lateralschnitt ist vielfach modifiziert worden.
Die jetzt gebräuchliche Art der Operation ist die subcutane
Hebotomie (Döderlein—Walcher). Man führt die Drahtsäge einfach
mit scharfer Nadel unter Leitung des in der Vagina orientierenden
Zeigefingers um das os pubis herum und sägt subkutan etwa
1 cm weit auswärts von der Symphyse das Schambein durch.
Kissverletznngen bei forcierten Entbindungen sind auch dabei nicht
zu vermeiden und höchstens durch Scheidendammiuzision zu er¬
setzen. Aber die Scheidenwunde kommuniziert dann nicht mit dem
Knochenschnitt, daher wohl der günstigere Verlauf. Eine nach
dieser Beschreibung operierte Wöchnerin wollte ich Ihnen heute
vorstellen, aber sie ist nicht erschienen. Es bleibt mir nur
Krankengeschichte und Röntgenogramm.
Frau M. 26 jährige IV para, allgemein verengtes, platt
rachitisches Becken, Vera knapp 8 cm, Qu. D. 12 cm, Becken¬
umfang 85 cm. I. Partus: spontan Frühgeburt, Kind tot. —
II. Partus: in Walcher’scher Hängelage Spontanverlauf. —
in. Partus: Tetanus uteri, Impression des Kopfes; hohe Zange
(Dr. Krömer), Kind lebt, Wochenbett fieberfrei. Entlassung am
15. Tag. ^— IV. Partus: Symptomenkomplex ähnlich wie bei III.
Kopfimpression misslingt, daher subcutane Hebotomie auf der Seite
des Hinterhauptes. Impression hohe Zange, Kind lebt. Trotz
leichter ' Extraktion tiefer Riss; komplizierte Nabt. Wochenbett
leicht fieberhaft; Hämatom der Vulva; Oedem; riechende Lochien.
Nach dem Aufstehen (14. Tag) minimale Blasenscheidenfistel,
welche erst bei 300 ccm Füllung manifest wird. Diastase der
Knochenenden 3 cm. 23. Tag Wöchnerin gesund mit gesundem
Kinde entlassen. Die Röntgenplatte zeigt ausser der grossen
Diastase der Sägefiächen die Verletzung im linken Sakroili-
etcalgelenk. Das Becken ist auf der Seite der Hebotomie schräg
erweitert; ob von Dauer? Bei der Entlassung war die Diastase
nur noch ein Finger breit, fibrös, nicht kallös verdickt. Es
muss in Zukunft unser Bestreben werden, die Risse zu ver¬
meiden, das heisst, die Gebart möglichst ^ontan verlaufen zu
lassen. In Fällen, in welchen wir den Kopf nicht eintreten sehen,
soll die prophylaktische Hebotomie (Döderlein) unter Rückenmarks-
anästhesie das Missverhältnis beheben. Versagt die Stovain-
anästhesie allmählich, so kann man immer noch mit Skopolamin-
Morphium nachhelfen.
Bei den forcierten Entbindungen zur Vermeidung der Kinds-
perforation werden sich infolge der plötzlichen gewaltsamen
Dehnung Nebenverletzungen nie ganz vermeiden lassen.
4. Herr P fännenst iel: Zur Behandlung schwer infektiöser
Krankheiten. — Pf. zeigt zunächst einen Fall von Phlegmasia
alba dolens abscedens, welchen er mit Incision behandelte. Der
Eiterherd lag unterhalb der Schenkelgefässe und enthielt Strepto¬
coccen. Diese Erkrankung wird gewöhnlich fälschlicherweise als
Schenkelvenenthrombose bezeichnet, obwohl die Phlegmasia mit
Thrombose nichts zu tun hat. Die abscedierende Form beweiset
den rein phlegmonösen Charakter der Erkrankung. Ira Vergleich
zu der typischen, nicht abscedierenden Form der Phlegmasia ist
die abscedierende Form selten, aber von ungünstiger Prognose,
weil in der Regel multiple Lokalisationen im Becken und an ent¬
fernten Orten mit der Erkrankung verbunden sind. Im Anschhiss
daran bespricht Pf. an der Hand einiger Krankengeschichten und
unter Vorweisung der Kranken selbst die Prinzipien der modernen
Behandlung von schweren, durch Streptococcen und andere Eiterungen
bedingte Infektionen. Die Behandlung kann immer nur in ziel¬
bewusster Unterstützimg der Naturheilbestrebungen bestehen. —
Die Spontanheilung erfolgt nach den heutigen Anschauungen durch
Bildung von Immunkörpern, durch Phagocytose und durch Loka¬
lisation der^ Krankheitsherde in der Gegend der Invasionspforte
oder anders gelegener Herde. — Die therapeutischen Bestrebungen
bestehen in Einverleibung von Antisepticis ins Blut, in Injektion
von Antistreptococcenserum, in Anregung der Leucocytenljildung
durch Nuclei'nsäure und durch Anwendung des Bier’schen Stauungs¬
verfahrens. — Die Einverleibung von Antisepticis ins Blut (Ar¬
gentum coUoidale Crede) hat sich nach den Erfahrungen Pfs nicht
als erfolgreich erwiesen und ist daher bis auf weiteres von ihm
verlassen worden. — Dagegen hält er die modernen polyvalenten
und hochwertigen Antistreptococoensera für wertvoll, wenn früh¬
zeitig angewandt. Für die Behandlung der puerperalen Infektionen
wichtig ist vor allem der vorherige Nachweis von belegten Wunden
des Genitalschlauches bei positivem Befund als Beweis der echten
Infektion. (Gegensatz: saprämische Erkrankung, evtl, auch mit
Streptococcenbefund, aber ohne Wundbelag und mit Nachlass de.s
Fiebers nach Uterusausspülung oder Entfernung retinierter Eiteile).
Die Injektion des Serums ist ungefährlich, kann daher auch prophy¬
laktisch bei Fieber sub partu und bei Ausräumung von jauchigen
Uterusinhalt gegeben werden (Walthard, Bumm). — Die Anregung
der Leucocytose durch Nucleünsäure (Hofbauer) ist bisher wenig
benutzt worden, wie es scheint, mit Unrecht. Pf. hat in einem
Fall von schwerer Tuberkulose des Bauchfells einen eklatanten
Primärerfolg gesehen: rascher Fieberabfall nach lOwöchentlicher,
schwerer hochfieberhafter Krankheit mit nachfolgendem subjektivem
Wohlbefinden durch eine subcutane Injektion von 1,0 Nucleln-
säure in 50 ccm physiologischer Kochsalzlösung. In diesem Falle
hatte 4 Wochen zuvor die Punktion des Abdomens trotz Ent¬
leerung von 5 Liter Exsudat nur für 2 Tage Besserung erzielt.
Nach der NucleYnbehandlung besserte sich das Befinden sofort, das
hohe Fieber schwand prompt und als 8 Tage danach wieder leicht«
Temperatursteigerungen (bis 38 ®) auftraten, hatten wiederholte
Nucleingaben per os (4—6 g) regelmässig die Normal temperatu r
für mehrere Tage im Gefolge. Die Nucleinwirkung zeigte sich
bei der — übrigens recht schmerzhaften — Anwendung 1. in einer
Vermehrung der Leucocytenzahl (von 10000 auf 15400), welche
erst nach 8 Tagen unter allmählichem Absinken zur Ausgangs¬
zahl zurückkehrte, und 2. in Schmerzhaftigkeit des Knochensy8tem.s.
besonders der Arme, des Thorax und der Halswirbelsäule. Bei
der Darreichung des Mittels per os trat die Leucocytenvermehrung
gleichfalls auf, während die Knochenschmerzen wenig ausgeprägt
waren. — In diesem Falle war nach die Nuclemtherapie aus dem
andauernd schweren Krankheitsbild ein leichtes geworden, welches
nunmehr einer ungefährlichen chirurgischen Weiterbehandlung zu¬
gänglich wurde. (Inzwischen ist, nachdem sich die Patientin er¬
holt hat, die Laparotomie ausgeführt worden mit gutem Primär¬
erfolg.) — Ohne aus diesem einem Falle weitgehende Schluss¬
folgerungen ziehen zu wollen, rät Pf. die Versuche mit der
Nacleintherapie bei schwer infektiösen Blankheiten wieder aufzn-
nehmen, eventuell unter Kombination mit Sernmtherapie in ge¬
eigneten Fällen.
Die Bier’sche Stauungsbehandlung kommt in Betracht bei in¬
fektiösen Prozessen, die eine Neigung zur Lokalisation zeigen.
Sie wirkt bei Mastitis wie bei puerperaler Endometritis und ähn¬
lichen Infektionen, z. T. gewiss mehr durch Sekretansaugung und
Verminderung der Toxinämie als durch Erzeugung der Blutstauung
im erkrankten Gebiete, doch bedarf es auch hier ausgedehnterer
Erfahrungen. Sehr deutlich war der Erfolg in einem bereits von
Krömer publizierten Falle von schwerer Endometritis septica (s.
Zentralbl. f. Gynäkologie 1906, Nr. 4). In einem anderen Falle
(Fieber vom 7. Tage des Wochenbettes an bei Retention von Ei¬
häuten) war zwar der Erfolg quoad Fieber nicht deutlich, aber
die Entleerung der fötiden, blutigen Uteruslochien wirkte er¬
leichternd. Genesung trat erst nach 8 Tagen ein.
ö. Herr Vossius: Demonstration zweier Fälle von Augen¬
erkrankungen.
6 . Herr Poppert demonstriert das Gehirn eines Palles von
Exstirpation des Ganglion Gasseri nach Krause, an dem
tiefgreifende Veränderungen iiifolge des Spateldruckes wahrnehm¬
bar sind. Es handelte sich um einen 69 jährigen Mann, bei dem
schon mehrfach Resektionen an beiden Aesten des Trigeminus ohne
dauernden Erfolg ausgeführt worden waren. Die Resektion des
Ganglion geschah nach der Krause’schen Methode; der Knochen
in der Possa temporalis wurde der Einfachheit halber mit der
Luer’schen Zange entfernt und nach Unterbindung der Meningea
media da^ Ganglion freipräpariert und schliesslich exstirpiert. Die
Operation, die durch die starke Blutung aus der Dura sehr er¬
schwert war, musste mehrfach zum Zweck der Tamponade unter¬
brochen werden und dauerte im Ganzen 2 Stunden. — Nach dem
Erwachen ans der Narkose zeigte sich halbseitige Lähmung und
am Tage darauf erfolgte der Exitus letalis. Bei der Sektion fand
sich an der Unterfläche des Schläfenlappens die Rindensubstanz
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
203
infolge des Spateldrücka erweiclit und dunkel verfärbt. Auf dem
Frontalficbnitt zeigte sieb die betreffende Himhälfte voluminöser
wie die gesunde Seite; die Substanz war, namentlich im Mark¬
lager erweicht und gequollen. Im corp. atriatum fand sich ein
etwa kirschgrosser roter Erweichungsherd, in dessen Umgebung
beginnender Zerfall wahrnehmbar war. In der art. fossae Sylvii
fand sich nur ein loses Gerinnsel vor, im übrigen erwiesen sich
die Arterien gesund, ohne atheromatöse Veränderungen.
Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass diese ausgedehnten
Himveränderungen auf den schädlichen Druck des Krause’schen
Spatels zurüokgeführt werden müssen, und zwar muss angenommen
werden, dass durch den Spatel die art. fossae Sylvii komprimiert
und so die Ernährung des Gehirns beeinträchtigt wurde. Vortr. hat
bei seinen früheren Operationen nach Krause niemals Gehirnerschein¬
ungen beobachtet, er glaubt aber auf Grund dieser Erfahrung vor
der Gefahr des Spateldrucks, die allem Anscheine nach doch erheb¬
licher ist, wie Krause zugibt, warnen zu müssen und wird für die
Folge diejenigen Verfahren bevorzugen, welche das Ganglion durch
gleichzeitige Entfernung der unteren Schädelwand (Doyen, Ijexer
o. A.) zugänglich machen.
7. Sitzung am 6. Februar 1906.
Vorsitzender: Herr Poppert. Schriftführer Herr Kisskatt.
1. Herr Curschmann; Ueber Fleisch- und sogen.
Vau illevergi ftungen. Massenerkrankiingen nach dem Genuss
von Nahrungsmitteln, die oft, je nach der geno^nen Speise, als
Fleisch-, Wurst-, Vanillevergiftungen etc. bezeichnet werden, kommen
hauptsächlich in zwei Formen vor: als sog. gastro-intestinale Form
mit vorwiegender Beteiligung des Magendarmkanals und als nervöse
Form, die hauptsächlich zu Schädigungen der nervösen Zentralorgane
führt. Die erste Form wird hervorgerufen durch einen von Gärtner
im Jahre 1888 entdeckten Mikroorganismus, den Bacillus enteritidis.
In den meisten Fällen stammt da.s Fleisch, das die Erkrankung
verursachte, von Vieh, das schon intra vitam erkrankt war; ge¬
wöhnlich sind es bei den Tieren septische Prozesse, die multiple
Absoesse bilden und das gesamte Muskelfleisch mit Bakterien
durchsetzen, nicht selten im Anschluss an das Puerperium oder
von einer Nabelwunde des Neugeborenen ausgehend. Sehr häufig
bilden die Bakterien in ihrem Nährboden ein Toxin, das durch
Siedehitze nicht zerstört wird. — Die Ursachen bei Vergiftungen
mit Miesmuscheln sind uns noch unbekannt und wahrscheinlich auch
wechselnde. — Dagegen ist die Aetiologie der zweiten Hauptform
der Nahrungsmittelvergiftungen, des Botulismus (auch Allantiasis)
durch die Untersuchungen von van Ermenghem (1897) aufgeklärt.
Auch hier wird von bestimmten Bakterien ein Toxin in den Nahrungs¬
mitteln (nicht immer Fleisch) gebildet; dieses Toxin ist jedoch nicht
hitzebes^ndig, sondern wird bei Temperaturen über 60® zerstört.
Der Mikroorganismus selbst, der Bac. botulinus, ist als reiner Sa-
prophyt zu betrachten, da er nicht bei Körpertemperatur wächst,
sondern am besten zwischen 18—2ö®0, und ausserdem nur bei
Sauerstoflfabschluss. Von diesen beiden Bakterien ist über ihr Vor¬
kommen in der Aussenwelt, das zweifellos nicht selten ist, so gut
wie nichts bekannt.
Im Jahre 1905 kamen in Hes.sen (in der Nähe von Alsfeld
und in König i. 0.) zwei Massenerkrankungen durch Nahrungsmittel
vor; in beiden Epidemien konnte im hiesigen hygienischen Institute
als Ursache der Bac. enteritidis von dein Vortr. ermittelt werden. In Als¬
feld war die Erkrankung hervorgerufen worden durch Schweinefleisch,
das am ersten Tag unschädlich war und erat nachdem es einen Tag
anfbewahrt und dann wieder angewärmt war, erkrankten sämtliche
Personen, die Fleisch oder Suppe assen. In König war die Er¬
krankung nicht durch Fleisch, sondern durch einen Vanillepiidding
bewirkt und zwar bei 22 Personen mit 1 Todesfall. Der Pudding
war ebenfalls über Nacht aufbewahrt worden. — Eine Vergiftung
durch die Vanille selbst, wie von anderer Seite anfangs vermutet
wurde, war ausgeschloasen, da Vergiftungen durch Vanillespeiseu
immer durch Zersetzungsvorgänge anderer Bestandteile der betr.
Speisen bewirkt werden, wie Hirschberg schon im Jahre 1874 an¬
nahm. Vortr. wies besonders darauf hin, dass Vanillevergiitungen
erst im Jahre 1850 in Paris aufkamen, nachdem 2 Jahrhunderte
vorher bei meist weit grösserem Konsum die Vanille niemals ül)er-
haupt nur in den Verdacht einer Schädliclikeit gekominen war. —
Wie in beiden Fällen die verhängnisvollen Bakterien in die Speisen
hineingeraten sind, ist völlig unaufgeklärt. Auch die Vermutung,
dass im Falle König die Infektion des Puddings vom Vieh aus
durch Verunreinigung der Milch zustande gekommen sei, konnte
nicht bestätigt werden. —
Als prophylaktische Maßregel gegen Nahrungsmittelvergift¬
ungen kommt hauptsächlich die Fleischbeschau in Frage und die
mit derselben verbundene Schlachtviehbescbau; verdächtiges Fleisch
muss bakteriologisch untersucht werden. Zufällige Verunreinigungen
durch Bac. enteritidis und Bac. botulinus können nur durch grösste
Sauberkeit vermieden werden; gegen den Botulinus kommt auch
noch das Aulkochen der betr. Konserven in Betracht. Speziell
aber wies Vortr. auch auf die Vermittlung der Fliegen im Sommer
bei Uebertragung von Infektionserregern hin.
2. Herr Brüning: Hyperämie als Heilmittel. Vortr.gibt
einen kurzen Ueberblick über die anatomisch-physiologischen Ver¬
änderungen, die durch Hyperämie ausgelöst werden. Es wird die
Anwendungsweise der aktiven und der passiven Hyperämie in der
Chirurgie besprochen und praktisch vorgeführt an Patienten mit
chronisch tuberkulösen und akut-entzündlichen Prozessen. Bericht
darüber, dass an der Giessener Klinik sich die Behandlung mit
Hyperämie bewährt hat. Warnung, zu übertriebene Erwartungen
an die Bier’schen Entdeckungen zu knüpfen und dringender Hat
an die praktischen Aerzte, sehr vorsichtig ln der Anwendung der
Stauungshyperämie zu sein, da diese Methode eigentlich vorläufig
noch für das Krankenhaus reserviert sein soll.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Seit einigen Jahren erscheinen mit einer gewissen Regel¬
mäßigkeit zur Zeit wo die ersten Lerchen schwirren in den
medicinischen Blätte.m Betrachtungen über das Verhältnis der
Aerzte zu den Badeverwaltungen. Auch heuer lesen wir in den
letzten Wochen mehrere diesbezügliche in der Materie selbst viel¬
fach übereinstimmende, in den Schlussfolgerungen aber recht
divergente Artikel. Da die Angelegenheit uns doch von einer ge¬
wissen Wichtigkeit scheint, wollen wir sie auch in dieser Wochen¬
schrift kurz erörtern. Alljährlich ertönen ans den Kreisen der
Bäder und Kurorte besuchenden Aerzte Klagen über mangelndes
Entgegenkommen der Bäderverwaltungen: hier muss die übliche
Vergünstigung erst erbeten werden, dort werden die Aerzte unter
die Wohltaten-Empfängor rubriziert, bald sind ihnen die Bäder erster
Klasse verschlossen, bald müssen sie für Frauen und Kinder voll
zahlen etc. Dass all solche kleinlichen Chikanen Missmut erregen,
ist sicher begreiflich; nicht aber darf man nun so weit gehen, wie
der im Aerztlichen Vereinsblatt schreibende Kollege, der einfach
sagt, wir wollen nunmehr überhaupt alle Vergünstigungen ab¬
lehnen. Im Gegenteil; wir müssen uns bemühen, den Bäderver-
waltuugen klar zu machen, dass die Gewährung der Vergünstigungen
mindestens ebenso sehr in ihrem als in unserem Interesse liegt.
Es ist nicht richtig, dass die Bäder heutzutage der Empfehlungen
der Aerzte entraten können; wäre dem so, so würden uns die Bäder
nicht in jedem Frühjahr mit mehr oder minder geschmackvollen
und umfangreichen Büchlein überschütten. Die Bäder haben auch
Interesse daran, dass die Aerzte sie persönlich kennen lernen;
man ist ja doch meist eher geneigt ein Bad zu empfehlen, das man
aus eigener Anschauung kennt als ein nur vom grünen Tisch bekanntes.
Und wenn die Bäderverwaltungen dafür eine Vergünstigung ge¬
währen, die ihnen selbst direkte Kosten nicht verursacht, so leisten
sie nur dasselbe, was sie den Vertretern anderer Berufe, die ihnen
nützen können, z. B. Angehörigen der Presse, stets aufs liberalste
entgegenbringen. Die Aerzte haben zur Zeit wahrlich keine Ver¬
anlassung, irgendwelche wirtschaftliche Vorteile sich entgehen zu
lassen; bei den Aerzten mit grösserer Familie fällt eine eventuelle
Mehrau8gaV)e in Bädern und Kurtaxe im Etat der Sommerreise
ganz erheblich ins Gewicht. Es wäre eine lohnende Aufgabe für
den Leipziger Verband, die Badeverwaltungen dazu anzuhalten,
dass sie Aerzten und deren engeren Familienangehörigen (letzteren
auch, wenn sie ohne Begleitung des Pamilienhauptes reisen müssen,
da aus de.ssen Beutel die Gelder fliessen) eine Ehrenkarte zu be¬
liebiger Benutzung der Kurmittel unaufgefordert zustellen.
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204
MEDICINTSCHE WOCHE.
Nr. 18.
Die Ueberzeagung, dass die Aerzte sich intensiver als bisher
mit sozialen Dingen beschäftigen müssen, bricht sich immer mehr
Bahn. So finden wir in dem Aerztlichen Korrespondenz ~ Blatt
für Thüringen einen bemerkenswerten Artikel, der die Aerzte er¬
mahnt, die sozialmedicinischen Wochen- und Monatsschriften zu
studieren, den Besuch von sozial wichtigen Kongressen vorschlägt
und die Aerztevereine aufiPordert, ihren Mitgliedern dazu Zuschüsse
zu gewähren, — eine sehr beherzigenswerte Anregung! — und
schliesslich diejenigen Gebiete aufzählt, auf denen sich die Aerzte
eingreifender beteiligen können. Dazu gehört ausser den Kassen-
angelegenheiten, die auch von anderen Gesichtspunkten als der
freien Aerztewahl und der Honorarfrage betrachtet werden können,
die Wohnungsfrage, die Gewerbehygiene, die sexuellen Zwischen¬
stufen, Säuglingsfürsorge, Schularztfrage, Genossenschaftswesen,
Arbeiterkammem u. a. m.
Eine solche allgemein-soziale Durchbildung der Aerzte dürfte
auch für deren Mitwirkung bei der Ausführung der sozialen Ge¬
setze von Bedeutung werden. Die Ausstellung der Atteste bietet
besonders bei der Invaliditätsversicherung grosse Schwierigkeiten.
Diese schildert in anschaulicher und interessanter Weise der Ver¬
trauensarzt der Landesversicherungsanstalt für Schleswig-Holstein,
Bocken dahl in Kiel in seinem Bericht über das Jahr 1904. Aus
dem Berichte sei hier folgende Stelle wiedergegeben; „Dass die
Schwierigkeiten einer ärztlichen Tätigkeit, in welcher Form auch
immer, gross sein müssten, habe ich mir nicht verhehlt, als ich im
Jahre 1896 dem Anerbieten des Vorstandes, die Stellung eines
Vertrauensarztes zu übernehmen, Folge leistete, bin auch ehrlich
genug, mir selber und anderen einzugestehen, dass ich schwerlich
den Mut gehabt hätte, das Wagnis zu unternehmen, wenn ich die
ganze Grösse der Schwierigkeit hätte übersehen können, wie ich
dies heute glaube zu können. Musste ich mir doch sagen, dass
bei einem Gesetze, in welchem die Worte „Arzt“, „ärztlicher
Sachverständiger“, „ärztliche Begutachtung“ an keiner Stelle, die
Worte „Krankheit“, „Invalidität“, „Heilverfahren“ häufig Vor¬
kommen, dem Gesetzgeber die Krankheiten als gegebeni' Objekte,
die sich aus Krankheiten ergebende Schlussfolgerung, die Erwerbs¬
unfähigkeit in ihren verschiedenen Graden, als ein Begriff er¬
schienen sind, der sich nötigenfalls auch ohne Mitwirkung von
Aerzten Enden und umgrenzen Hesse. Da diese Annahme tatsäch¬
lich eine falsche, mindestens in der Praxis vollkommen versagende
ist, der Begriff Krankheit immer nur durch ärztliches Wissen,
der der Erwerbsunfähigkeit selten ganz ohne ärztliches Können
gefunden werden kann, die ärztliche Mitwirkung daher erforder¬
lich ist, nicht nur innerhalb der Grenzen des eigentlichen ärzt¬
lichen Wissens, beim Erkennen der Krankheit, sondern auch
ausserhalb desselben bei der Mitwirkung, einen Begriff, der gar
nichts mit ärztlichem Wissen zu tun hat, die Erwerbsunfähigkeit
zu finden, konnte mir die Schwierigkeit der vom Arzte geforderten
[jeistung nicht zweifelhaft sein. Ist es doch etwas sehr Ver¬
schiedenes, am Krankenbett eine Krankheit festzustellen und eine
Krankheit zu beurteilen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Leistungs¬
fähigkeit des Kranken. Kranke Menschen gesund zu machen, ihre
Erknmkung womöglich verhüten, sind und bleiben die vornehmsten
Aufgaben des Arztes, waren auch lange Zeit die einzigen. Neue
Aufgaben stellt die soziale Gesetzgebung an uns, Aufgaben, auf
deren erfolgreiche Lösung unser Paohunterricht, wie wir uns nicht
verhehlen dürfen, uns nicht vorbereitet hat. Ihnen gerecht zu
werden genügt es nicht der tüchtige und hilfsbereite Arzt zu
sein, der alle äusseren Umstände so günstig gestalten möchte, dass
sie seinen Heilzweck fördern. Denn wenn auch der Grundgedanke
der sozialen Gesetzgebung der des Mitleids mit dem wirtschaftlich
schwachen Kranken ist, so bleibt es doch immer ein Gesetz, dessen
Wirkung an das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein gewisser
Voraussetzungen geknüpft ist. Dass bei dem Versuch, die Vor¬
aussetzungen zu finden, deren Erfüllung das Gesetz in jedem
Falle verlangt und verlangen muss, der nur das Wohl seines
Kranken ins Auge fassende Arzt gleichzeitig auch unparteiischer
Sachverständiger sein soll, dient nicht zur Erleichterung der dem
Arzt gestellten Aufgaben. Handelt es sich doch um Aufgaben,
deren Zuweisung an eine Person auf anderen Gebieten gewöhn¬
lich vermieden wird. Aber auch das Gebiet, auf dem diese Auf¬
gaben gelöst werden sollen, verhält sich ablehnend gegen die vom
Gesetz verlangte Aufgabe: es verträgt kein Schematisieren, weil
es weder für Krankheiten noch für Kranke, somit erst recht nicht
für die Wechselbeziehungen zwischen beiden Reg^ und Schemata
gibt. Krankheit ist immer individuell, kann namentlich in Ver¬
bindung mit Erwerbsunfähigkeit niemals abstrakt und losgelöst
vom Träger der Krankheit gedacht werden. Gesundheit und die
aus ihr resultierende Erwerbsfähigkeit ist stets relativ, wie losge¬
löst zu beurteilen vor allen sonstigen Faktoren, die trotz Krank¬
heit oder trotz Gesundheit auf Erwerbs^igkeit, teils fbrdemd,
teils hemmend einwirken. Bei der unendlichen Verschiedenheit
der Individuen und ihrer Daseinsbedingungen können sonst Krank¬
heiten und ihre Wirkungen niemals für sich allein als MaOstab
für die Erwerbsunfähigkeit verwandt werden; ihr EinfluM wird
bald verstärkt, bald abgesohwächt, ja gänzUch aufgehoben durch
Umstände, die, obwohl sie dem Gebiete des ärztlichen Wissens
gänzlich femliegen, für das Urteil die grösste Bedeutung haben.
Zur Erfüllung der gestellten Aufgabe, zur Erkennung der Krank¬
heit im rechtlichen Sinne schien mir also nicht nur ein Umfang
ärztlichen Wissens und Könnens, sondern auch Kenntnisse allge¬
meiner Art, wie Kenntnisse der Tvebensbedingungen und Gewohn¬
heiten der arbeitenden Bevölkerung, Berufsschädlichkeiten und
Alterseinfiösse in einem Grade erforderlich zu sein, wie er
schlechterdings nicht in einer Person vorhanden sein kann“.
Diese Ausführungen erscheinen uns in Anbetracht der Beanstan¬
dungen, welche ^ztliche Atteste in einem an die Aerztekammer
gerichteten Rundschreiben des Kulturministers (s. Nr. 6 dieser
Wochenschrift pag. 69) erfahren haben, von ausserordentlicher Be¬
deutung.
Periodische Literatur.
MQnchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 16 .
1. Rraepelin, München: Der Alkoholismus in JCfinohen.
„Unter allen psychiatrischen Fragen besitzt heute keine ein¬
zige auch nur im entferntesten eine so weit über die irrenärzt-
lichen Fachkreise hinausreichende Wichtigkeit, wie diejenige nach
der Bedeutung des Alkoholgenusses für die geistige Gesundheit
unseres Volkes.“ Es ist die Pflicht der Aerzte, sagt K. weiter,
dieses Gift als Genussmittel vor allem ans den Heilanstalten aller
Art zu entfernen. Könnten wir heute den Alkohol aus der Welt
schaffen. so würde sich die Zahl der in unsere Klinik eintreten¬
den Kranken etwa um die Hälfte vermindern. Bauen wir wenig¬
stens Trinkerheilstätten, so wird sie um ein Drittel sinken.
Schaffen wir uns die Hilfsmittel, alle nna zuströmenden Fälle
von Trunksucht rechtzeitig sachgemäß zu behandeln, so können
wir binnen kurzem gut % jenes grenzenlosen Elendes beseitigen,
das sie in gesundheitlicher, sittlicher und wirtscbaftUcher Be¬
ziehung für unser Volk bedeuten; unsere Krankenhäuser and
Irrenanstalten, unsere Arbeitshäuser und Gefängnisse, unsere
Armenfllrsorge und unsere Rechtspflege würde wesenüich ent¬
lastet werden. Staat und Gemeinden, ja, die gesamte Bevölke¬
rung, die den schweren Druck zu tragen hat, den uns die Schar
der Gewohnheitstrinker nebst ihren FamiUen anferlegt, haben
gleicherweise den Vorteil davon, wenn es uns gelingt, hier Ab¬
hilfe zu schaffen. Die Durchführung dieses Planes, der nach den
zahlreich vorhandenen Vorbildern keine nennenswerten Schwierig¬
keiten bietet, kann und soll in erster Linie durch uns Aerzte
geschehen. An uns ist es, die Schäden der Alkoholdurchseuchtmg
aufzudecken und weiter die Wege zu weisen, auf denen eine der
dringendsten und dankbarsten Aufgaben der Volksgesundheitspflege
gelöst werden kann.
2. Bumke, Freiburg i. Br.; Heber PapUlenstarre im hyste¬
rischen Anfalle.
Es handelt sich um einen 18jährigen Pat., der bei hyste¬
rischen Anfällen die mydriatjsche Form der hysterischen Pupillen¬
starre zeigte, B. nimmt nach seinen Versuchen an, dass in diesem
Palle die Ursache der hysterischen Pupillenstarre kein DUatator-
spasmus, sondern, allgemein gesagt, eine’Innervationssfcörung im
Sphinkter bildet.
3. Mörchen, Hohe Mark:]^ Bericht über die Versnobe mit
Proponal.
Das Mittel ist dem Veronal nahe verwandt und ist ein farb-
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1906.
MBDICINISCHE WOCHE.
205
losea kilatAUiaiacliea Pulver. Gubeu von 0,2 bla 0,25 amd uui'
bei ganz leichter Schlafemohwerung genügend wirksam. Man wird
last immer 0,3, besser noch 0,4 g geben müssen. Auf alle Fälle
tritt aber dennoch bald eine Abstumpfung der Wirksamkeit ein.
4. Dünger, Dresden-Johannstadt: TTeber nraemiscke
Henritu.
Der von D. beschriebene Fall zeigt, dass auch durch eine
bisher nicht beachtete Schädlichkeit — eine schwere Nephritis
mit uraemischen Erscheinungen — eine echte Neuritis hervorge¬
rufen werden kann. Die nephritische oder urämische Neuritis
steht in naher Verwandtschaft zu den dyakrasischen Neuritiden
bei Stoffwechselkrankheiten, also der gichtischen und diabetischen
Form. Auch hier ist die veränderte Blutzusammensetzung das
schädigende Moment. Besonders gross ist die Aehnlichkeit mit
der so häufigen diabetischen Neuritis. Wir wissen, dass für die
Entstehung dieser Neuritis nicht der Zuckergehalt des Blutes
maßgebend ist; denn Neuritiden können bei schwerem Diabetes
ganz fehlen, können andrerseits auch bei dauernd hohem Zuckor-
gehalt ansheilen (Remak); es handelt sich hier vielmehr wahr¬
scheinlich um eine Autointozikation mit vorläufig noch unbekannten
Stoffwechselprodukten. In ganz analoger Form dürfen wir uns
auch die uraemische Neuritis entstanden denken. Selbst hinsicht¬
lich der Wirkung auf die Nervenenden finden wir eine auf^Iige
Uebereinstimmung.
5. Lilienstein, Nauheim: Beitrag zor Lehre vom Anf-
branoh durch HyperÄmktion.
Die Disposition zum „Aulbrauch‘' des Nervensystems illustrieren
3 Fälle, ein Fall von Bleiläbmung im Ulnarisgebiete, ein Fall
von reiner Arbeitsneuritis im Ulnaris und ein dritter Fall, in dem
mehrere Momente „in idealer Konkurrenz^ den Untergang eines
Nervengebietes durch Arbeit begünstigen, und zwar multiple
professionelle Lähmungen in einem vor langen Jahren gebrochenen
Arm (Blei, Lues, Tabes bei einem 31jährigen Anstreicher).
6 . Knauth, Würzburg: Ein eigenartiger Verlauf und Ob-
dnhtionsbefand von cbronisoher Herztnberknlose.
Ein junger, kräftiger, gut genährter Mann, der an starken
NachtscdiweisseD und Beklemmungen und hektischem Fieber litt,
aber klinisch keine nachweisbaren Tuberkulose-Erscheinungen zeigte,
nahm plötzlich ein Jahr später ezitus. Bemerkenswert war dabei, dass
der Patient sich überhaupt so lange hatte halten können. Denn
die Autopsie zeigte folgendes Bild: Beim Durchschnitt dunh das
wie ein Eiterklampen aussehende Herz war der Herzbeutel vom
Herzmuskel nicht mehr zu differenzieren, letzterer war mit dicken,
stellenweise bis zur Herzinnenhaut reichenden Eiterschwarten durch-
setet und Hess nur einige wenige Brücken von makroskopisch an¬
scheinend intaktem Herzfleisch erkennen.
7. Hengge, München: Zur Frage der konzervativen Myom-
Operationen.
H. huldigt nicht dem Radikalismus der Operation, um den
Frauen den Verlust der Menses und der Konzeptionsfflhigkeit zu
ersparen und nicht Ausfallserscheinungen zu schaffen. Aber immer
möglichst frühzeitig operieren l
8 . Küppers, Düsseldorf: Soballdftmpfer.
Dieser Schalldämpfer ist ein Silberdraht mit Bügel und einem
Drahtknänel, auf dem Wachs festgeknetet wird zum Einführen in
den Gehörgang, damit nicht bloss empfindliche Personen, sondern
bei übermäßigem Lärm und Getöse auch gesimde sich schützen
können.
9. Weichardt, Erlangen: Weiteres ans der modernen Immn«
nitfttslehre.
Eine interessante nnd bequem orientierende Uebensicht über
den Stand der Immunitätslehre.
10. Felman: Znr Oesohiohte des dentsoben Vereins für
Psyobiatrie.
P. erklärt ein Gruppenbild von 11 bekannten Psychiatern aus
dem Jahre 1858.
Deutsche medicinieche Wochenschrift. 1906. Nr. 15.
1. Döderlein. Tübingen: Ein neuer Vorschlag znr Erzie¬
lung keimfreier Operationswnnden.
Das Verfahren, das die Haut des Operationsgebietes aseptisch
halten soll, besteht in folgendem. Mittels einesbeson deren Appa¬
rates wird auf die Haut des Operationsgebietes, bei Laparotomien
auf die Bauchhaut und die angrenzenden Partien eine dünne
Schicht von einer zuverlässigen, keimfreien und aus bestem Para¬
gummi hergestellten Lösung aufgetragen, ans der in wenigen
Minuten durch Verdunstung des Benzins and Aethers eine unsicht¬
bare, düone Gummimembran entsteht, die mit ihrer Unterlage
fest verbunden ist. Nach dem Trocknen wird die ganze Ober¬
fläche mit sterilisiertem Talkum bestreut, wodurch die Gummidecke
ihre Klebrigkeit verliert. Nach dem Abkehren des Talkums mit¬
tels sterilisiertem Pinsels ist die Haut mit einer dünnen, glatten,
glänzenden, festhaftenden Membran überzogen. Der Apparat zum
Aufträgen, der unter dem Namen „Gaudanin“ eingeführten, sterilen
Gummilösung, sowie diese selbst, sind bei Zieger & Wiegand,
Leipzig-Volkmarsdorf, zu beziehen.
2. Neumann, Wien: TTeber Lokalanaestbezie in der Oto-
ohimrgie.
Zur Erzielung einer totalen Anaesthesie wird die Punktions¬
nadel in die obere Wand des knorpligen Teiles des Gehörganges,
^2 bis 1 cm vom Beginne des kDöchemen Teiles entfernt, ein¬
gestochen und bis unter das Periost vorgeschoben. Man kann
dadurch eine vollständige, anch für Operationen genügende Anae-
stbesie mit Cocain und Adrenalin herbeiführen.
3. Stern, Düsseldorf: TTeber Perforation der Harnblase bei
Anssobabnng derselben.
S trau SS empfiehlt zur Aussohahnng der männlichen Harn¬
blase bei chronischer Cystitis ohne deren Eröffntmg die Anwen¬
dung eines von ihm konstruierten Instrumentes zur Voruahme
dieses Eingriffes. Strauss beabsichtigt die chronisch veränderte
Blaseoschleimbaut mit Hilfe seiner Katheterkurette zu entfernen,
ausgehend von dem Gedanken, dass nach sicherer cystoskopischer
Diagnose des Sitzes und der Aasdehnung eines entzündlichen Pro¬
zesses es möglich sein müsste, ohne den schweren Eingriff eines
Blasenschnittes durch die Harnröhre eine Ausschabung der er¬
krankten Schleimhaut in tote oder teilweise vorzunehmen. Nach¬
dem ihm aber bei einer 57jährigen Pat. eine tötliche Perforation
der Haimblase begegnet ist, glaubt S. daher doch, sehr grosse
Vorsicht beim Kurettieren der Blase ohne Sectio alta empfehlen
zu müssen. Liegt eine Indikation zur Ausschabung der Blase
vor, 80 möchte S. den Eingriff vielmehr nur nach Eröffnung der
Blase vorznnehmen raten.
4. Fers, Kopenhagen: TTeber obimrgiBobe Behandlimg der
Izobiae.
Von der Betrachtung ausgehend, dass die Nervendehnung
oft viel zu sehr übertrieben worden ist, hat P. von der Dehnung
abgesehen und nur Gewicht darauf gelegt, den Nerv in seinem
Verlauf auf dem Oberschenkel so weit blossznlegen, wie er krank
befunden wurde oder seine Teile vor der Operation empfindlich
waren und die Verwachsungen der Nervenscheide zu lösen.
5. Barmeister, Goncepoion (Chile): Ein Speiseröhren-
schnitt
Ein kaum 2jähriger E^abe hatte ein Geldstück in der Grösse
eines Einmar kstückes verschluckt. Der Fall lehrt mancherlei,
nämlich, dass in jedem Falle, wo der Verdacht eines Fremdkörpers
vorliegt, eine „Schlnckprobe** gamichts beweist und dass eine in¬
strumenteile Untersuchung unter allen Umständen vorgenommen
werden muss: mittelst Sonde, Oesophagoskop, eventuell auch Rönt¬
genstrahlen. In diesem Falle war nach der ersten langen imd er¬
folglosen Untersuchung 2 Tage mit der Ausführung der Operation
noch gewartet worden.
6 . Friedberger, Königsberg: Zur forenauoben Eiweüs-
differenzienmg auf Qnmd der baemolytizohen Methode mitteU
Komplementablenkong nebst Bemerkung über die Bedeutung
des Prüzipitates für diese Phänomen.
Aus dieser im Königsberger hygienischen Institute aufge-
stellten für den forensischen Mediciner interessanten Arbeit ergibt
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206
MüjDICH^SÜHJfi ^VOCHE.
Nr. 18.
sicii iujgüudeä: Die vou ^'eiäcier uud Suclis augegebeue, aut'
dem Gengou-Moreschi’schen Phänomen basierende Methode
zur forensischen Differenzierung von Blut ist als eine willkommene
Ergänzung der U h 1 enh u t - W asse rm ann’scheu Probe anzu¬
sehen.
7. Spengler, Davos; Die Erbdisposition in der Phthise-
entstehnng, ihre Diagnose nnd Behandlung.
S. möchte die latente nnd larvierte Erbsyphilis, die äussei-
lich gar nicht, jedenfalls nicht in einer uns bis dato bekannten
Maoifestationsform zum Ausdrucke zu kommen braucht, als d e
Disposition par excellence, nicht lediglich als eine besondere Art
Disposition für die Schwindsucht bezeichnen, er nennt sie Erb*
disposition für die Phthise. Behandlung der Erbdisposition un<l
der Begleitlues Phthisischer nach acquirierter Syphilis. Die Erb-
disposition wird am wirksamsten durch Jod beeinflusst, und zwar
eigentlich nur durch Jod, welches percutan angewandt wird. Jod
innerlich nützt Kindern in beschränktem Maß, Erwachsenen da¬
gegen nicht mehr wesentlich. Badekoreu, klimatische und diä¬
tetische Maßnahmen sind unter Umständen von giitem, aber nicht
von durchgreifendem Einfluss auf diese Konstitutionsanomalie. Mit
der Jodbekämpl'ung der Erbdisposition lernt man rasch das Jo-
thion und die percutane Jodtherapie schätzen und ermessen, welch
wichtige Rolle das dispositionelle Moment in der Phthiseogenese
spielt. Da die allermeisten Schwiudsüchtigen die Zeichen der Erl)-
disposition, wenn auch in ausserordentlich wechselnder Stärke dar¬
bieten und ferner bei ihnen öfter, als man annimmt, auch dje
Folgen acquirierter Lues in den tuberkulösen Lungen sich geltend
machen, so wird man mit der ausgedehntesten Anwendung der
percutanen Jodtherapie selten zu viel tun, jedenfalls niemals
schaden. Zum mindesten ist das Jothion ein vorzügliches Sputum
lösendes und expektorierendes Mittel, dem die Nachteile niclit
anhaften, welche die interne Jodbehanrllung für den Phthisiker
hat.
8 . Axmann, Erfurt: 'Weitere Erfahrungen über die Uyiol-
behandlung, sowie einen neuen Apparat zur Bestrahlung des
ganzen Körpers mittels ultravioletten Lichtes (Uviolbad).
Da.s von der Firma Reiniger, Gebbert uud Schall in Erlangen
hergestellte, von A. angegebene, sogenannte Uviolbad ist itn BiUlc
vorgeftihrt. Dieses soll dem Stadium ausgedehnter Körperbestrah¬
lung dienen und seine Wirkung kann einem verstärkten Sonnen¬
bade gleichen. Die Aeosserungen des Uviols auf Herz- und Blut¬
gefässe scheinen dem Kohlensäurebade ähnlich, aber von längerer
Dauer zu sein.
9. Ameude, Berlin: Weitere Erfahrungen mit dem Lenicet,
insbesondere dem 10%igen Lenioet-Yaselin.
Die absolute Ungiftigkeit des Lenicet ist durch Tierexperiment
erwiesen. A.’s Erfahrungen bestätigen das: in allen Fällen, in
denen Fett überhaupt vertragen wurde, hat sich ihm das lO^/oige
Lenicetvaselin als vorzügliche Hautsalbe bewährt. Ferner konnte
A. konstatieren, dass die Wirkung der Liq. Alum. acetic.-Um-
schläge durch vorheriges, dünnes Aufstreuen des puren oder
50®/oigen Lenicets entschieden verstärkt werden konnte. Auch
Buba fand, dass solche Verbände stärker desinfizierend wirkten
als die essigsaure Tonerde allein und die Abstossung nekrotischer
Partien entschieden beschleunigten. Das 20®/oige Lenicetstreu-
pulver wirkte bei per primam heilenden Wunden austrocknend.
Ausgezeichnet bewährte es sich ihm bei Decubitus.
10 . Kheinboldt, Kissingen: Ueber den Desinfektionswert
des Formamints.
Das Formamint, eine anscheinend einheitliche Verbindung
des Formaldehyds mit Milchzucker, verhält sich im Orgauismu.s
wesentlich anders als freier Formaldehyd, und es spielt daher für
die interne Formaldehydtherapie eine besondere Rolle. Klinisch
im Vordergründe steht die äussere Desinfektionswirkung des
Formamints bei Erkrankungen der Mundhöhle, bei Anginen etc.,
bei denen Seifert den hohen Wert der Formaminttabletten an¬
erkennt. R. ist in der Lage, die von Seifert berangezogenen
Schlüs.se zu bestätigen durch bakteriologische Untersuchungen des
Speichels, welcher beim Kauen und Zergehen lassen von Forma¬
minttabletten abgesondert wird. Das Mittel regt die Salivation
bedeutend an.
Nr. 16.
1. Kolle und Wassermann, Berlin: Versnobe znr 0d-
winnnng und Wertbestimmong eines Meningooocoensemms.
ln einer im Mai vorigen Jahres im Institut für Infektions¬
krankheiten abgehaltenen Konferenz wurde beschlossen, Versuche
zwecks Gewinnung eines Meniiigocuccen-lmmunserums anzustellen.
Infolgedessen wurde das Institut für Infektionskrankheiten seitens
des Herrn Ministers damit beauftragt, die zu diesem Zwecke nöti¬
gen Arbeiten auszuführen. Als Versuchstiere für die Gewinnung
des Serums wählten K. und W. Pferde. Die anzuwendenden
Dosen sollen nun in praxi erprobt werden. K. und W. möchten
aber, gestützt auf Erfahrungen mit anderen Serumpräparaten, be¬
stimmte Vorschläge machen; sie empfehlen eine einmalige Injektion,
die möglichst frühzeitig zu erfolgen hat. Als Dose ist 10 ccm
vor/uschlagen. Diese Mengen haben sich im Tierversuch, auf
das Körpergewicht der Tiere berechnet, als vollkommen unschädlich
erwiesen.
2. Gutzmann, Berlin: Onmdzttge.der Behandlung nervöser
Spraohstörongen.
Für den ärztlichen Praktiker wird es oft darauf ankommen,
zu bestimmen, was bei beginnendem Stottern eines Kindes in der
Familie zu geschehen bat. Die alte, häufig gehörte Auskunft;
„W'arten Sie nur ab, das wird ganz von selbst besser!“
widerspricht den täglich zu beobachtenden Tatsachen. Man kann
schon viel erreichen, wenn die hastig und überstürzt sprechenden
Kinder systematisch zum Langsamspreeben angehalten werden,
üebt mau aber vor allen Dingen die Diktion, Antworten in Sätzen
auf vorgelegte Fragen, z. B. an der Hand des vortrefflichen Bilder¬
buchs von Bohny Verlag von J. J. Schreiber, Esslingen bei Stutt¬
gart), erzählt man dem Kinde Satz für Satz, kleine Geschichten
und Märchen und lässt es das Vorgesprochene jedesmal wieder¬
holen, mu.ss das Kind dabei jeden Satz, den es spricht, ruhig
überlegen, so tritt, wenn nur ruhig und nicht zu laut gesprochen
wird, in beginnenden Fällen fast stets das Stottern zurück und
verschwindet bald gänzlich. Eventuell zeigt man noch, wie das
Kind vor dem jedesmaligen Sprechen etwas Luft zu holen hat.
Auch wahrend der späteren Entwicklung des Kindes in der Schule
soll der Arzt die Erscheinungen von seiten der Stimme und Sprache
nicht ausser acht lassen. Es geschieht überaus hänflg, dass Kinder
mit beginnender Mutation noch zum Gesangsunterricht hinzuge¬
zogen werden. Bei den zahlreichen dauernden und später nicht
mehr zu beseitigenden Störungen, die nicht nur die Gesangs-,
sondern auch die Sprechstimme dabei erleidet, ist es Pflicht des
Hausarztes, den rechtzeitigen Dispens vom Gesangsnnterricht zn
erwirken, Pflicht des Schularztes, in der Pubertätszeit häufigere
Kontrolle der Stimmverhältnisse der Schüler zu verlangen. Bei
nervös belasteten Kindern ist die Gefahr besonders gross, zumal
hier die Mutation oft sich zunächst wenig bemerkbar macht und
daun dafür später um so grössere Störungen der Stimme zeitigt.
3. Jochmann, Breslau; Rezidivierende Ocnlomotoriiul&h-
mong als Komplikation bei Typhus abdominalis.
Ein interessanter Fall eines 19jährigen Pak, bei dem der
Beginn des Typhus abdominalis und das Auftreten der rezidi¬
vierenden Oculomotoriuslähmung zusammentrafen. Es erscheint
dafür die Erklärung am nalieliegendsten, dass die Typhusinfektion,
die den Körper des Patienten schwächte, eine Gelegenheitsursache
war, um bei der vorhandenen Disposition zur rezidivierenden Mi¬
gräne mit Oculomotoriuslähmung eine Wiederkehr der alten An¬
fälle auszulösen. Der Fall bot fast alle von Möbius charak¬
teristisch aufgestellten Symptome der rezidivierenden Oculomotorius¬
lähmung.
4. Flesch, Budapest: Zur Frage der Röntgenbehandlung
bei Leukämie.
Der erste beschriebene Fall weist mit dem von Türk mehr¬
fache Aehnlichkeiten auf, nur traten hier an Stelle des Arsens die
Rüntgenstrahlen. Auch hier war innerhalb weniger Monate eine
hachgradige Besserung im klinischen und hämotologischen Bilde
zu verzeichnen, als ])lötzlich da.s ganze Blutbild in ein der akuten
lymphoiden lieukämie entsprechendes überging und eine üeber-
fiutung des Blutes mit unreifen, granulationslosen lymphoiden Zellen
evident wurde. Die beiden anderen Fälle beziehen sich auf akxite
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1906.
MBDICJN19CHB WOCHE.
207
lymfJKnde I^eakamien. Im aweiten Falle war eichte voa einer
gatartigen BeeiBfinasimg yorhanden; im dritten Falle sank wohl
die Lenkocytenzahl btnnen kttrzer 2!eit auf das Normale, doch dieser
Vorgang wurde einerseits yon gleicbsertiger Verminderang auch
der roten Bhttk&cperchen begleitet, weshalb die Bestrablang ein¬
gestellt wurde, andrerseits bHeb — wie dies bei l 3 aBpboider len-
klHnie eine allgemeine Erfahrunng bildet — die relative Zahl der
lymphoiden Zellen anf gleicher Höhe. Wir registrieren es daher
sagt F., dass ww — fthnlich anderen — bei lympfaoider Lenkämie
durch die Röntgenbestrahlung kein günstiges Resultat erzielen
konnten. Wir können wohl, sagt F. weiter b^ myeloider Leu¬
kämie eine wenn auch vorübergehende, wohltätige Beeinflussung
des Prozesses erreichen und sind imstande, das Leiden für den
Kranken erträglicher zu gestalten. Zu weit gebende Hoffianngen
dürfen jedoch damit verbanden werden: mehr, als eine vor¬
übergehende Besserung ist wohl kaum zu erreichen, bei lymphoider
Leukämie selbst kaum diese.
5. Stahl, Giessen: Ines congenita im Bilde lymphatisoher
Lenkämio bei einem Hengeborenen.
Die Sektion allein batte in diesem Falle Klarheit geschaflen,
and erst diese konnte den deutlichen Beweis liefern, dass dem
klinischen Bilde „lymphatische Lenkämie*^ eine Lues congenita zu
Grunde lag.
6 . Bhese, Paderborn: Beitrf^ snr Kenntnis der Beteilignng
das iBBeron Ohres nach Kopfersehüttemagen.
Das innere Ohr ist ein äusserst feinen Reagens, ein Gradmesser
für die Intwisität von Kopferschtittemngen auch da, wo die Hör-
fhhigkeit für die Sprache gar nicht gelitten bat oder nur in einem
praktisch nicht in Betracht kommenden Grade. Die traumatische
Herkunft einer Reihe von Folgezuständen der KopferschUtterungen
wird häufig noch Jahre nach dem Unfall durch die Ohmntersuchung
wafaracbeinlitdt gemacht, unter ihnen spielt der mit Tachykardie
einhergehende vasomotorische Symptomenkomplex eine Hauptrolle,
er kasm Schwindelgefühl and Gleichgewichtsstörungen verstärke,
bew. bestimmte Formen dieser Stönmgen hervormfeo, er scheint
auch in einer Reihe von Fällen nmnittelbarer Polgezustand einer
LabjrrmthläsioD zu sein. Auch hier entspricht vielfach der Grad
der Ohren^mptome dem Grade der simstigen Störungen. Je we¬
niger von organischer X^äsion des inneren Ohres nachweisbar ist,
um so mehr ist anf die vorzugsweise psychogene Entstehung zu
rekurrieren.
7. Robbers, Gelsenkirchen: Pneamooocoen- oder StaanngB-
gaagxfta.
Ein bisher gesunder und kräftiger, eben vom Militär entlassener
Bergmann stiess sich einen Holzsplitter in das Endglied des rechten
Daumens; er entfernte den Splitter mit den Zähnen und arbeitete
dann bis znm Ende der Schicht weiter. Da einige Ständen nach
Beendigung Schmerzen im rechten Daumen auftraten, suchte er
ärztliche Hilfe auf. Nach Verordnung von Umschlägen Hessen die
Schmerzen zuerst nach, doch am dritten Tage nach der Verletzung
traten sie im ganzen rechten Arm auf, zugleich mit einer starken
Schwellung des Vorderarms. Mehrere tiefe und oberflächliche
Punktionen ergeben keinen Eiter. Von breiten Inzisionen wird
deshalb Abstand genommen und die Stanungsbinde angelegt. Die
SchweDung und ^tnng nehmen jetzt zu, die Schmerzen werden
geringer. Da nun die ^hmerzen anhaltend gering bleiben, bleibt
die Binde über Nacht liegen. Am anderen Morgen ist die Schwellung
stark ausgeprägt, die Schmerzhaftigkeit gering, dagegen besteht
eine blättli(^ Färbung der Finger und des Handrückens. Die
Haut fühlt sich kalt an. Deshalb sofortige Abnahme der Binde.
Trotzdem geht die bläuliche Färbung .schnell auf den Vorderarm
über, Empfindungsvermögen im ganzen Vorderarm ist aufgehoben.
Es wird bei dem schweren Allgemeinbefinden und der völligen
Aussichtslosigkeit, den Arm zu erhalten, die Amputation vorge¬
schlagen, in die der Kranke einwilligte. Exartikulation im Ellbogen¬
gelenk. Am Vorderarm sind die Gefässe thrombosiert. Die bak¬
teriologische Untersuchung im hygienischen Institute ergab mikros¬
kopisch, kulturell und mittels Tierversuch Pneumococcen. Der
weitere Verlauf war fieberlos. „Jedenfalls soll man aus solchen
^llen die Mahnung entnehmen, bei grosser Spannung der Weich¬
teile von der Stauung abzusehen und lieber durch Ent^mnofBigs-
schnitte für eine Regelung der Zirkulation zu sorgen.“
8 . Classen, Grube (Holstein); üb Fall aon KeioUiiuten
mit sehweren Symptomen hei einem Erwachsenen.
Ein kräftiger Mann von einigen 40 Jahren bekam, nachdem er
etwa 14 Tage an trockenem Husten gelitten batte, im Oktober
vorigen Jahres plötzlich einen Erstickungsanfall: er fiel bewusstlos
nieder, war blau im Gesicht, die Atmung schien für einige Sekunden
still zu stehen. Solche AnfUHe wiederholten sich, anfangs alle
paar Tage, später mehrmals täglich und jede Nacht. Die AnfkUe
begannen jedesmal mit einem Hustenreiz, darauf schwand so^eich
das Bewusstsein. Drei Kinder litten zu gleicher Zeit an Kendi-
busten. Offenbar war in diesem Falle die Krankheit den Kindern
durch den Vater, der sich ausser dem Hanse in einer gerade
damals im Orte herrschenden Epidemie infiziert hatte, zngetragen
worden.
Berliner klinische Weehenedirift 190€. No. 17.
1. Senator, Berlin: Zur Kenntnis des Skorbuts.
Ein löjähriges, unterentwickeltes, für seine Jahre schon sehr
HDgestrengt arbeitendes Mädchen ging an Skorbut, d. h. an einer
erworbenen hämorrhagischen Diathese mit hämMrhagisch entzünd¬
licher Erkrankung des Zahnfleisches, innerhalb 5 Wochen zu Grunde.
Das Blut zeigte eine gewaltige, von Tag zu Tag stetig fortschreitende
Abnahme der Elrythrocyten bis auf etwa ein Sechstel der Nonnal-
zahl und eine vielleicht noch etwas stärkere Abnahme des Hämo¬
globingehalts, ferner eipe ziemlich stetig fortschreitende Leukocytose
mit entsprechender Abnahme der Lymphocyteo, dann Poikilocytose,
polyohromatiache Degeneration der Erythrocyten und Auftreten von
Normoblasten, also ein Befund, wie er der schweren einfachen
posthämorrhagischen Anämie von subacutem oder chroniscdiem Verlauf
entspricht.
2. Goldscbeider, Berlin: Fall von Hemeorose und Arterio¬
sklerose nach Tramna.
Ein 26 jähriger Abeiter, der schon vorher neurastheuisch war»
zeigte nach einem Unfall und plötzlichem Schreck — ein Ziegel¬
stein fiel ihm auf den Kopf und machte ihn eine Zeit lang be¬
wusstlos — bedeutende Beschleunigung der Herztätigkeit, diese
entwickelte schnell eine Arteriosklerose und Herzhypertrophie.
3. Krönig, Berlin; Das native Bln^räparat in seiner Be¬
deutung für den praktisohen Arzt
Die Untersuchung in ungefärbtem Präparate ist auch beim
Blute vom Praktiker nicht zu verachten. Im Gegenteil! K, schlägt
daher vor, den Blutstropfen in passender GH'Össe schnell mit dem
vorher leicht angewärmteu und spiegelblanken Deckgläschen anf-
zufangeu und letzteres dann geschickt anf den ebenso beschaffenen
CM>jektträger fallen zu lassen.
4. Bickel und Pincussohn, Berlin: Uebor den Einfluss
einer Kreosot-Formaldehydverbindnng auf den Stoffwechaeh
Ein solches Präparat, das ein zweites Desinfioiens neben dem
Phenol enthält, ist das Pneumin, ein Produkt, das durch Einwir¬
kung von Formaldehyd auf Kreosot erhalten wird. Die V^fasser
führten unter Anwendung dieses Präparates, das eigentlich als
Ersatz für Kreosot dienen soll, einen volbtändigen Stoffwechsel-
versuch am Hunde aus. Der Versuch lehrte, dass das phenol-
artige Präparat die Menge der Aetherschwefelsäure nicht steigerte,
sondern bei den kleineren Dosen (1 und 2 g Pneumin) rimlich
unbeeinflusst Hess; bei Dosen von 3 und 4 g hingegen erfolgte
ein plötzlicher Abfall auf weniger als die Hälfte. Jedenfalls wirkt
das Präparat als starkes Darmdesinfleiens.
5. Wohlgemut, Berlin: Zur Kenntnis der Lysolvergiftung.
Aus der Analyse des tiefschwarzen Harns eines 50jährigen
mit Lysol vorübergehend vergifteten Pat. ging hervor, dass bei
der Ueberschwemmung des Orgsnismus mit Kreosol, dem Haupt¬
bestandteil des Lysols, eine gewaltige Produktion von Glykuron-
säure statthat, und dass dabei, entgegen dM* bisher am Menschen
gemachten Erfahrung, der Fall eiutreteu kann, dass sämtliche
priiforinierto Schwefelsäure aus dem Ham verschwindet and als
Aetherschwefelsäure zur Ausscheidung kommt. „Ob das nun in
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208
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 18.
jedem Fall von Lysolvergiftung zutrifPt, kann erst die EWahrtmg
lehren.“
6 . Pick, Berlin: Heber Oohronoee.
Beschreibung des eigen beobachteten Falles. Weitere Fort-
Setzung folgt.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 16 .
1. Bartel, Wien: Zar Tuberkoloaefrage.
B. betonte die Schntzwirkung des lymphatischen Gewebes
gegenüber der Tuberkuloseinfektion und sprach sich schon vor 2
Jahren dahin aus, dass das lymphoide Gewebe eine Äbschwächung
der eingedrnngenen Tuberkelbazillen bewirkt haben müsse. Es er¬
gab sich, dass in Bestätigung seiner Beobachtungen in vivo dem
lymphoideu Gewebe, speziell den Lymphozyten eine hohe, viel¬
leicht die wichtigste Aufgabe in der Unschädlichmachung der
Tuberkelbazillen zukomme. Durch längere Einwirkung von Lympho¬
zyten in vitro bei 37® konnten nämlich vorher vollvirulente
Tuberkelbazillen bei erhaltener Lebensföbigkeit in einen Zustand
der Avirulenz übergeführt werden. Geimpfte Meerschweinchen
zeigten dann bei klinisch wenig oder gar nicht gestörtem Ver¬
halten bei der Tötung geraume Zeit nach der Impfung keine Spur
von Tuberkulose. Zugleich konnte erwiesen werden, dass mit
durch Lymphozytenwirkung avirulent gemachten Tuberkelbazillen
samt dem Lymphozytenmaterial geimpfte Meerschweinchen gegen eine
zweite vollvirulente Infektion lange Zeit nach diesem „Vakzinations-
vorgange“ eine hohe Kesistenz gegenüber gleich infizierten Kontroll-
tieren erkennen liessen.
2. Merk, Innsbruck: Pellagra in frühester Kindheit
Ein Beitrag zur Kenntnis von der langen Entwicklungsdauer
der Pellagra.
3. Guzmann, Wien: Zwei Fälle von Blitzkatarakt.
Zwei Fälle von Starbildung, die, da jede andere Ursache da¬
für ausgeschlossen erscheint, als Folgen der Blitzeinwirkung anzu¬
sehen sind. Was die Art der Einwirkung des Blitzes auf die
Linse betrifft, so gebt G. von der Vorstellung aus, dass die heftige
Erschütterung die Läsion der Kapsel herbeigeführt haben kann.
Dass dann eine Zerreissung der ^psel, namentlich der vorderen
und besonders bei jugendlichen Individuen, zur Trübung der
Linse führt, ist bekannt und auch experimentell siohergesteUt.
4. Stegmann: Bemerkimgen zur Behandlang des Morboz
Basedowü mit Bdatgeostrahlen.
5. wendet sich gegen den Einwand von Hirschl, dass alle
und auch seine Angaben über die therapeutische Anwendung der
Röntgenstrahlen zu vage und ohne Anhalt für die Praxis wären.
Die Radiologie ist eben eine Kunst, die sich niemals so ohne
weiteres detaillieren lässt, sagt S. Bei Basedow aber zeigte schon
die Verkleinerung der extra- wie auch intrathorakalen Schilddrüse,
dass die Röntgentherapie nicht von der Hand zu weisen ist.
5. Ludwig, Panzer und Zdarek: Chemisoh-physikaluohe
Untersachong des alkalisoh-mariatuchen Säuerlings der Vitaquelle
zn Sulz bei Büssing in TTngam.
Die kleine Ortschaft Sulz liegt ungefähr 6 — 6 km von
Güssing, Station der königlich ungarischen Staatsbahn entfernt,
abseits vom grossen Verkehre, in einem von bewaldeten freimd-
lichen Anhöhen umgebenen Tale. Auf dem Territorium von Sulz
entspringen, nxir wenige Meter von einander entfernt, 2 Mineral¬
quellen, deren eine die Vitaquelle, dereu andere die Paulaquelle ist;
die letztere liefert ein Wasser, das in jeder Hinsicht dem der
Vitaquelle sehr ähnlich ist. Aus den Ergebnissen sowohl der
älteren Analysen, als auch dieser neueren Analyse geht hervor,
dass das Wasser der Vitaquelle zu den alkalisch-muriatischen
Säuerlingen gehört; dasselbe tritt mit Kohlensäure gesättigt zu
Tage, es enthält eine Menge gelöster, fester Bestandteile, deren
Mannigfaltigkeit sehr bemerkenswert ist. In seinem Bericht über
die Untersuchung der „Vitaquelle“ auf Radioaktivität hin gibt
Mache an, dass der Emanationsgebalt der „Vitaquelle“ etwa von
der gleichen Grössenordnung ist, wie der in den Marienbader
Quellen.
Therapeutische Monatshefte. 1906. No. 4.
1. Liebreich, Berlin: Heber den Lamzoheider Stahl-
bxunnen.
Die Lamscheider Quelle (Lamscheider Stahlbmnnengesellschaft, |
G. m. b. H., Düsseldorf) bietet wegen ihrM* Gleichartigkeit und
wegen des eigenartigen Gemisches der Bestandteile im Sinne eines
vollkommenen Mineralwassers grosses Interesee, so dass L. an der
Hand der KontroU-Analysen — es waren schon Analysen im Jahre
1868 und 1898 von Fresenius (Vater nnd Sohn) gemacht worden —
die ganze Eisenfrage in ihrer geschichtlichen ^deuttmg und Ent¬
wickelung und ihrer Bedeutung und ihren Indikationskreis noch
einmal berührt und skizziert. Das Hin- und Wieder im Schicksale
der Eisen-Diskussionen zu verfolgen, ist höchst interessant. Jetzt
dürfte wohl kein Zweifel mehr an der Geltung des Eisens in
unserm Medikamentensohatz sein, und der Indikationskreis ist ab¬
gesehen von Tuberkulose mit Neigung zu Blutungen der Lunge
ein ganz bedeutender. Aber hervorzuheben ist beim Lamscheider
Brunnen noch, dass im Gegensatz zu fast allen anderen Eisen¬
wässern in der Flasche trotz Abgabe von Kohlensäure and Zutritt
von Sauerstoff der Luft sich erst nach einiger Zeit eine Oxydation
zeigt. Diese Tatsache der überaus langsamen Oxydation ist nicht
nur für die Haltbarkeit des Wassers, sondern auch für die thera¬
peutische Anwendung von Wichtigkeit. Der Gehalt der Lam¬
scheider Quelle beträgt im Liter 0,007 Eisen-Bikarbonat. Diese
Quantität ist schon imstande, dem Wasser einen sehr geringen
adstringierenden Geschmack zu verleihen, welcher aber durch die
vorhandene Kohlensäure fast verdeckt wird, so dass es als ange¬
nehmes Getränk betrachtet werden kann. Die übrigen Bestand¬
teile des Lamscheider Mineralwassers zeigen sofort, wie es auch
der Praxis entspricht, dass sie eine für die Magenverdauung sehr
günstige Zusammensetzung haben. Sie erklären auch die geringere
Stuhlverstopfung. „Dnrch die EÜnführung des Lamscheider Elisen¬
wassers dürften jetzt auch die Eisenkuren fera von der Quelle vor¬
genommen werden können.“
2. Eschle, Sinsheim: Die individualisierende Therapie der
Fettsucht und des Fettherzens.
Wenn wir uns die Behandlang der hypotonischen, atonischen,
torpiden (Rosenbach) Plethora zur Unterlage machen wollen, so
müssen wir funktionell prüfen und festzusteUen suchen, ob entweder
durch eine Einschränkung der Emäbmng oder durch eine Steigerung
der ausserwesentlichen Arbeit oder ob sich endlich durch eine an¬
dere zeitliche Verteilung von Kraft Einnahme und Veraosgabnng,
von Arbeit und Ruhe eine Erhöhung oder eine Herabsetzung der
Leistungsfähigkeit erzielen lässt. Man hüte sich, in jedem Falle
vor der heutigen Tages so oft gewünschten Entziehungs- und
Beschränknngskur und vor der einseitigen Betonung der Bewegnngs-
gymnastik u. s. w. Bei der Fettbildung infolge absoluter Ueber-
emährung und ebenso bei der aus ungenügender Funktion ein¬
zelner Bezirke oder richtiger Form des Betriebes resultierenden
Fettbildung ist dieselbe Ansicht unbedenklich, bei der dritten Art
der Korpulenz aber, der pasteusen Form, kommt es infolge der
angeborenen Schwäche der Energetik zu einer Metamorphose im
Innern der kleinsten, den Organismus zusammensetzenden maschi¬
nellen Gebilde. Als Nutzanwendung der von Rosenbach inau¬
gurierten Prüfung des Körperhaushaltes kommen folgende Grund¬
sätze zur Geltung: Nicht gerade das Fett ist um jeden Preis zu
eliminieren, sondern die Ursache der Fettbildung, die bald in einer
absoluten, bald in einer relativen Luxuskonsumtion, bald in einer
Insuffizienz der synthetischen oder spaltenden Tätigkeit der Gewebe
zu suchen ist. Und nur in den Augen desjenigen Arztes, der in
Verkennung dieser Tatsachen gegen die „Fettsucht“ wie gegen ein
Wesen sui generis zu Felde zieht, können generaliter verordnete
Entziehungs-, Bewegungs- und wie die „Kuren“ sonst alle heissen
mögen, ihre Rechtfertigung finden!
3. Tischler, Berlin: Heber die praktische Ausführung der
koohsalzarmen Eraährung.
Auf der Karlsbader Naturforscherversammluug hat H. Strauss
zuerst die Aufmerksamkeit auf die diätetische Bedeutung der Salz-,
insbesondere Kochsalzfrage bei der Behandlung der Nephritiden
gelenkt und ein halbes Jahr später in motivierter Form die Forde¬
rung gestellt, dass man bei gewissen Formen von Nephritis, so
insbesondere bei chronisch parenchymatöser Nephritis und in ge¬
wissen Stadien der Krankheit, d. h. beim Vorhandensein oder
Drohen von hydropischen Ergüssen, die Salzzufuhr einschränken
und die Salzeinfuhr künstlich steigern soll. T. hat sich die Beant-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
209
worcuug der Ji'rage zur Aufgabe geebeiit, ob ee möglicli iet, dem
Patienten eine Nahrung zu hieten, die ausreichend ist, nur wenige
Oramm Kochsalz enthält, und den Vorzug besitzt, auch aus anderen
Gründen für die Ernährung Nierenkranker geeignet zu sein, ohne
dass sie dabei eine allzu grosse Entsagung vom Patienten verlangt.
Nach den Ergebnissen der sehr interessanten T.’schen Zusammen¬
stellung zeichnen sich Milch, Eier, Pilze, Obst, Beerenfrüchte,
Gemüse und Mehlarten diiroh einen sehr geringen Kochsalzgehalt
aus. Das Fleisch, das an sich sehr kochsalzarm ist, erhält durch
die Zubereitung in der Regel einen ziemlich hohen Kochsalzgehalt,
und es ist das Sache der Küche, da, wo Fleisch angewandt wird,
für eine möglichst kochsalzarme Zubereitung zu sorgen. Dasselbe
gilt auch für das Brot, dessen Kochsalzgehalt bei der gewöhnlichen
Zubereitung keineswegs belanglos ist, es verdient hier Zwieback
vor Schwarzbrot den Vorzug (sonst auch Rademann’s Brot nach
Prof. Strauss). Von Eiern zeigen Setzeier in Vergleich mit den
in anderer Form zubereiteten den niedrigsten Kocbsalzgehalt. Von
Gemüsen bleiben Blnmenkohl und Pilze noch relativ salzarm nach der
Zubereitung. Wenn man bedenkt, dass Bouillon in einer Menge
von 250—300 ccm mehr als l^/a g Kochsalz enthält, so sollte,
was auch aus anderen Gründen (Extraktivstoffe!) zweckmäßig er¬
scheint, die Bouillon ausgiebig durch Obst-, Milch- und Mehlsuppen
ersetzt werden. Von Mineralwässern kommen in Frage: z. B.
Gleichenberg (Klausenquelle), Wüdungen (Georg-Viktor-Quelle),
Giesshubel, Neuenahr u. a.
4. Schliep, Stettin: Zar Diagnose and Therapie der Extra-
nteringraTidität
Die Beobachtungen erstrecken sich auf 4 operierte Tuben-
schwangerschaften. Besondere Schwierigkeiten macht die Diagnose
bei normalem Darmschall Uber dem ganzen Abdomen und Fehlen
von Blutungen ans den Genitalien. Für Tubenniptur und innere
Blutungen sprechen oft die grossen Schmerzen im Leibe, ein kaum
fühlbarer, frequenter Puls, Facies, Untertemperatur. Die Menstru¬
ation ist bisweilen ausgeblieben. Ileus oder Äppendicltis, ebenso
perforiertes Magen- oder Darmgesdiwür müssen natürlich auszu-
scbliessen sein. Die digitale Untersuchung ist nicht immer aus¬
schlaggebend, dabei ist Vorsicht notwendig: von einem Knrettemeiit
ist möglichst Abstand zu nehmen.
5. Maass, Berlin: Phftmakologische TTatersaohangen über
ein neues Dinreticam „Thephorin^*.
Dies Präparat ist ein Doppelsalz des Theobrominnatriums mit
Natrium formicicum, d. i. ein vollkommenes Analogon des Diure-
tins, in welches an Stelle der Salicylsäirre Ameisensäure eingeflihrt
wur^. Das Thepborin wird von der Firma F. Hoffmann, La
Roche u. Cie., (Jrenzach (Baden), in zwei Formen hergeatellt, nämlich
als Tabletten und als ein weisses staubförmiges Pulver. Das '
Tbephorin ist ein Präparat von relativ geringer Giftigkeit. Die
theiapeutisch wirksame Dosis des Mittels liegt sehr tief unter der
toxischen. Vor einer Ueberdosierung ist zu warnen, da hierdurch
das Mittel seine Wirksamkeit einbüssen kann. Die für klinische
Zwecke geeigneten Dosen dürften dieselben wie die des Diuretins
sein. Die AUgemeinwirkungen des Körpers scheinen in kleinen
Dosen eine leicht erregende zu sein, in grösseren resp. tötlichen
Dosen bestehen sie in der Hervorruftmg einer allgemeinen Lähmung,
welche zum Tode führt. Auf die Zirkulation ruft das Thepborin
eine die Höhe des Blutdruckes herabsetzende und gleichzeitig die
Pulsfrequenz erhöhende Wirkung hervor. Die Diurese gesunder
Tiere wird durch Thepborin vorübergehend mächtig erhöht; diese
Wirkung ist jedoch keine so anhaltende, um sich iu den Tages¬
quanten Urin sichtbar zu machen. Bei durch toxische Nephritis
zur Hydropsbildung geeigneten Tieren zeigt sich das Thepborin
als ausserordentlich wirk^mes Mittel zur Bekämpfung dieser Er¬
scheinungen. Die Gerinnfahigkeit des Blutes wird durch Tbepho¬
rin vermindert.
6. Kaiser, Dresden: Erfahmngen überBlutan, einen alko-
hoUreien Liqnor Perro-lCangani peptonati.
Einen alkoholfreien, haltbaren therapeutisch wirksamen Liquor
Ferri-mangani peptonati mit Acid-Albumin mittels Imprägnierung
mit CO, stellt das neue Präparat Blutan dar, das nach dem Dr.
K. Dieterich’scheu Verfahren in Helfenberg hergestellt wird und
bei wirklich vorzüglichem Geschmack durch die CO, auch seine
tonisiereuiie Wirkung erhält. Es leistete bei den K.’schen Ver¬
suchen Blutan bei Chlorose, Anämien, Schwächezuständen der ver¬
schiedensten Art gute sichere Dienste. Es stellte sich Blutan
für die Patienten resp. die Krankenkasse billig, da bei dem Preis
von 1 M. pro Flasche, welche Dosis 8—10 Tage reicht, die Kur
ca. 5 M. kostet. K. sagt dazu folgendes: ist insofern eine
Bereicherung unseres Arzneischatzes, als es die günstigste Kom- '
bination von Mn mit Fe anzuwenden gestattet und die erprobten
Vorzüge der Eelfenherger Präparate bietet auch in Fällen, wo
es nicht angezeigt ist, Alkohol zuzuführen, eine sichere Fe-Wirkung
aber erreicht werden soll.“
Archives gön^rales de mödecine. 1906. No. 3.
1. Cassaöt et Micheleau: Sur deao oas de pemphigns
traitda par la ddohlororation.
Zwei Fälle werden mitgeteilt, bei denen sich im Verlaufe
einer intestinalen Intoxikation — Magendarmersebeinungen, Leber¬
schwellung, Fieber — ein Pemphigus entwickelte, der erst nach
längerem Bestehen wieder schwand, nachdem eine stark vermehrte
Aussdieidung von Chloriden im Urin eingesetzt hatte. Verf. be¬
trachten die Retention der Chloride als ein Zeichen der Intoxi¬
kation, das aber insofern nicht indifferent ist, als es den Aus¬
bruch der Hauterscheinungen begünstigt. Die Therapie solcher
Affektionen muss eine möglichste Beschränkung der Retention der
Chloride erstreben, was am besten mit einer kocbsalzanuen Diät
zu erreichen ist.
2. Bernard: Epidemie de diphthdrie ä Corbelin (1904/05).
Die Beobachtungen erstrecken sich auf ein Material von
118 Kranken. Am meisten befallen wurden Kinder von 6 bis
10 Jahren; aber auch kleinere Kinder und Erwachsene erkrankten
in grösserer Zahl; die Mortalität betrug 12%; rechnet man die
zu spät in Behandlung gekommenen, die in weniger als 24 Stunden
nach der Seruminjektion gestorbenen, ab. so bleibt eine Mortalität
von 6%. Die häufigste Komplikation waren Lähmungen, die in
25% der Fälle beobachtet wurden; meistens waren es Lähmungen
des Ganmensegels; ihre Prognose war umso günstiger, je früher
im Verlaufe der Krankheit sie einsetzten. Entgegen sonstigen
Beobachtungen traten die Lähmungen häufiger bei Kindern als
F.rwacbaenen auf. Serumexantheme wurden selten beobachtet
und stets nur lokal an der Injektionsstelle, Häufiger waren in¬
fektiöse Erytheme, die meist Urtikariaform aufwiesen. Mehrmals
stellte sich heftiges Nasenbluten ein, ein prognostisch ungünstiges
Symptom. Prophylaktische Seruminjektionen erwiesen sich bei
Kindern wie Erwachsenen völlig ungefährlich, dagegen so wirk¬
sam, dass keiner der so Behandelten erkrankte.
3. Simionescu: A4TO-Taporo«themoth4rapie en gön4ral
le traitement de Tozäne essentielle^vrai.
Verf. empfiehlt zur Behandlung der Ozaena die Anwendung
heissen Wasserdampfes und heisser Luft nacheinander bei dem¬
selben Kranken und hat auf diese Weise zwei Fälle zur Heilung
mit Wiederkehr des Geruchsvermögens gebrächt. Er beschreibt
einen Apparat, der die Verwendung sowohl von Dampf wie heisser
Luft ermöglicht.
La Belgique mddicale. 1906. No. 2 .
von Haelst: Uncas d’aboaohement anormal de ranns.
Beschreibung eines Falles von anormalem Anus, Rectal¬
öffnung in der Vagina, bei einem drei Monate alten Kinde, den
Verf. operativ durch Freipräparierung des Rektums und Ein¬
pflanzung der Oeffnung an der gewöhnlichen Analstelle heilte.
1906. Nr. 3.
F e r e: Cyanose parozystique ohez nn dpileptiqne.
Paroxysmale Cyanose findet sich bei Kranken mit angeborenen
komplizierten Herzfehlern; bisweilen tritt sie auf bei Migräne¬
attaquen; bei Epileptikern kann sie sich einstellen, unabhängig
von einem vitium cordis, bedingt durch Dilatation peripherer Ge-
füsse. Verf. gibt die Krankengeschichte eines jungen Mannes,
der jahrelang in wechselnden Intervallen sdmell vorübergehende
An^lle von Cyanose, verbunden mit intensivem Kältegefühl be¬
kam, bis schliesslich an solche Attaquen sich ausgesprochene epi-
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MBmCIKISCH» WOCHE.
Nr. Ifi.
UptkucUe Aut'aUe aD8obloe«eD, wodurch e«» wahrduheialich gemacht
ist, dass die Cyanose^AnfUUe als epileptische Aequivalente zu be-
tcacfaten sind.
Bücherbesprechung.
W. HMpke. Die Kadayerverniohtangsanlagen.
Verlag von Carl Markold, Halle a. S.
Der Verfasser bringt auf 186 Seiten und in 65 Abbildungen
ungefkkr Alles, was zur Zeit über die Kadaververnichtung bekannt
ist. Er bespricht zunächst die Tierseuchen, ihre wirtschaftliche
Bedeutung, ihre Infektionsgefahr' für den Menschen und geht
dann direkt auf sein Thema Ober, sagt aber vorher, dass die
AblOswag der Waeenmeistareien notwendig sei, wenn auch dadurch
bedeutende Kosten entständen; so habe z. B. Spandau seinem Ab
decker für die Nichteinlieierung von verdorbenem Fleisch während
12 Jahren 21000 M. Entschädigung zahlen müssen (so haben die
Abdecker einer preussischen Provinz 2*/4 Millionen Mark Ab-
lösungsaumme beansprucht. Bef). Der Verfasser schliesst sieb
dann den Forderungen der Tierärzte Preussens an, die sie 1903
in Hannover anfgestellt haben und die darin ausklingt, dass nach
Ablösung der Abdeckereien die Verarbeitung der Kadaver in ge¬
schlossenen Apparaten, die Zahlung einer Vergütung an die Be¬
sitzer gefallener Tiere, die Bildung von Abdeckereibezirken, sowie
ev. Staatszaachüsse erforderlich seien. Weiter wird angegeben
und mit Beispielen belegt, wo und wie solche Sammel-Abdeckereien
eingerichtet sind. Der Verfasser bespricht die Aas-Abdeckung,
d. h. das Fortwerfen Ideioer gefallener Tiere, gebt über zn dem
Verse k arren, dem jetzt auf dem Laude fast allein üblichen Ver¬
fahren, bespricht dümiuf das Verbreoneu und geht hier auf die
eiozelneD Ifrertbedeii näher ein. Wenn er auch zugibt, dass das
Verbrennen von ira vernichtenden Fleischteilen auf Schlachthöfen
in den Feuerungen möglich sei, so verwirft er es doch als irratio-
nell. Ein kleines für ländliche Bezirke wichtiges Kapitel ist die
Anleitung, wie die Tiere in Gräben verbrannt werden können,
ffierawf folgt die Besprechung von Verbrennungsöfen, unter
wachen der bekaante Kori’scbe Ofen sowie der v(m Feist ge¬
nannt, werden. Die Vernichtung auf chemischem Wege kommt
kaum in Betracht; wichtiger sind die Meiboden, Fleisch durch
Zusatz von Cbemikaiien ungeniessbar zu machen.
Das nächste grosse Kapitel ist dein Kochen und Dämpfen
gewidmet. IHer iBteresmert dem Arzt vor allem derjenige Teil,
in welchem die SteriKaierttug des bedingt tauglichen Fimsches be¬
sprochen wird. Näher beuchtet werden dei* Apparat von Robr-
beck (Einleitung von Dampf von aussenher in den .Apparat),
Hartmann (Erzeogang von Dampf im Apparat selbst), Rietsohel-
Henneberg (siedendes Wasser und Wasserdunst). Diesen
Apparaten schliessen rieh an die Sterilisatoren mit direkter
Feuerung, welche für kleine Schlachtböfe nnsreichend sind. In
sehr aiisgiebiger, mehr dem Techniker interessierender Weise
werden die Armaturen besprochen. Das nächste Kapitel ist der
Zerstörung untauglichen Fleisches unter Ge^vinnung der nutzbaren
Stoffe, d. b. des Fettes, des Pleiscfamehles und ev. des Leimes
gewidmet. Hier kommen zunächst die Apparate der kleinen An¬
lagen, die sogenannten Destruktoreii zur Besprecluing. Dann
folgen die Apparate der Grossanlagen, so Pode wil-Augsburg,
Hart man n-Berlin, Venuleth & Ellenberger-Darmstadt,
Kaiser & Co.-Kassel, Hoehmuth-Dresden. Die.se Systeme
werden nicht nur aufgezählt, sondm'n, was die Hauptsache ist,
kritisch beleuchtet, überhaupt aeichnet sich das Buch durch sehr
gnte Kritik der einzelnen Apparate ans.
Es muss zttgestanden werden, dass das Heepke’sche
Werkchen dem praktischem Arzt als solchen vielleicht weniger
intere.ssiert, dahingegen hat es für die Aerzte, die in Gemeinde¬
verwaltungen sitzen oder bygieoiach tätig sind, grosse Bedeutung,
weil es in der Tat möglich ist, an der Hand des Buches die für
dM betr. Fall passendste Methode der Kadaververnichtung und
den jeweils besten Apparat dafür auszusutben.
Gärtner-Jena.
Kongresse.
In den ersten Tagen des Oktobers soll zu B^tNii rin Kongress
für Kinderforschung und Jugendfürsorge stattfindea,
welcher für die ganze, auf Verständnis, Schutz und mutwi^elade
Pflege der Kindheit und Jugend gehende Bewegung der G^en-
wart einen festen Zusaiumenschluss erstreben will. Anrnriduogen
und Anfragen sind zu richten an eines der drei V<wstandsm4t
glieder. Geh.-Rat Prof. Dr. W. Münch«Berlin, Direktor J. Trüper,
^phienhöbe bei Jena, Dr. W. Ament, Privatgelriirter in Würs-
bürg.
Vermischtes.
Id LiSS&bon wird zum ersten Male das Jahibuch dw* Asso¬
ciation de Ja Presse medicale aasgegeben werden (Katalog sämt¬
licher der VereiniguDg angehörigen Zeitschriften, mit Anga^ Uber
das Jahr der Begründung, Erscheinungsweise, Preis usw.); die
nicht dort anwesenden Mitglieder werden es, gegen Einsendung
der Portokosten auf ihren Wunsch vom Generalsekretär (Dr.
Blondel, Paris 103, Boulevard Hansmann) zogesandt erhalten.
HannOVBr. Für die grosse Zahl minderbegabter und minder¬
wertiger Kinder, deren Erziehung mit normalen niiAt durehfübr-
bar ist, und die andererseits auch nicht in Idiotenanstalten ge¬
hören, ist eine Badeanstalt in Hannover-Kirchrode gegründet
worden unter dem Namen: Stellings Heilpädagogium für sehwach¬
befähigte Kinder gebildeter Stände.
Berlin. Mit der I./eitung der 3. Säuglingsfürsorgestelle in
Alt-Moabit ist Oberarzt Dr. Langstein an Stelle des nach
Dresden berufenen Priv.-Doz. Dr. Salge betraut worden.
Hochschutnachricliten.
Tübingen. Prof. Dr. Grunert, Privatdozent der Augen¬
heilkunde, der schon 2 Jahre beurlaubt war und jetzt in Bremen
wohnt, hat auf seine hiesige Lehrtätigkeit verzichtet.
München. Dem ausserordentlichea Professor für Ohrenheil¬
kunde an der medicinischen Fnknltät. der ünlversität MüBcheo,
Hofrat Dr. Friedrich Bezold, wurde der Titel und Beug eines
ordentliclieii ProfeHsor.<i, de« zweiU'ti Lehrer and Leiter der tech¬
nischen Abteilung des zahnärztlichen Institutes an der Uniuerettgt,
approbierten Zahnarzt Julius Meder der Titri eines Pro6Bes<M*s
verliehen.
««Hmnst brimgt Oanst^! Mit dieser Dorite fühlt steh der
illustr. i'ro!(pukt Uber pbuiogra^Uai-Iie Apparize eis^ Jeu die Bezugsver-
oiniguiig fUr Littcrarur, Kuust und Hhotogxapbio, £. Mauck
A Co in Berlin SW. 47. ^irospheeronstr. 71 in der heutigen Numiuor un¬
serer Woebensehrift zur Beilage bringt.
Allordifigs musste der Amateurpbetegrajpfa biaber «ecb aaacben «Ver¬
sager“ mit io den Kauf nehmen, ob} seüi Bild tob einer derantigea Be¬
schaffenheit war, dass man damit Gunst erringeo konnte.
Solche Misserfolge sind aber kein Wunder, wenn man so and so oft
sehen kann, wie wenig Vorsicht im Ankauf Ton Apparaten, Linsen n. s. w.,
gehandbaht wird, es ist oft zu schade um alle Mähe, am Geld and Zelt,
wenn der Apparat nicht seu Versprechen hält. Die Bezugs-Veiwini-
ung mahnt oindringlichst zoi guten bewährten Apparaten mit Torzüglicdier
ptik, sie fuhrt nur solche ren den Firmen Ernemaan und Goerz und biafcet
sie auch zu monatiiehen b^uemen Toilzahlungoa, sodass jedermann in der
Lage ist, sich ohne sofortige Barauslt^n etwas BUTerMesigee zu erwühen.
Die Firma macht noch auf folgende wichtige Vergteetiguag aufinerksam;
1. Sie bringt alle ihre Apparate nur unter der Otigiaal-FabiikbeDenimog
zum Verkauf und bemäntelt nichts mit Deck- oder Pbantasienamen.
2. Um die Freude an der LicbtbUdkunst zu beben und Tor allem ihre
Abnehmer zu künstlerischem Schaffen auzaregen, eeadet rie bei Bestellungen
Ton Mk. 100. — eine reich illustr. vornehme phoU^raphiadie ZritsriiRft
(14 täg. erscheinend) gratis, (siebe Vorderseite des Prospektes unter
«Wichtige Vergünstigung“).
3. Alle Apparate, auch Qeerz Binodes zu äoasent bsqnsBKW mssat-
lichen Teilzahlungou.
4. Sie Übernimmt für ihre Apparate und Ferngläser vollste Garantie
bis auf das kleinste Schräubchen.
Diese Vorteile sprechen für sich selbst.
Venntwortiicbei Uedmkteur: Dr. P. Maiitner, BerlinW. ft, KurfQrttenctr. Sl. — Vering tob CvI Mnrhald, Halle a. S.
Drvek tm der HeTBMaM'tetaea Badidrackeroi, Gabr WoHF, Halte a. S
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Medicinische Woche
Oeotschmanii,
Hamburg.
A. Dflhrssen, A. Hofta,
Berlin. Berlin.
H. Senator,
Berlin.
E. Jacobi,
Prelburg i. Br.
R. Sommer,
Oietten.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen,
K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerricbt, A. VoNins,
Magdeburg. Qieasen.
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Verlag und Expedition
Redaktion:
Carl Marhold ln Halle a* Uhlandstnuse 6.
Berlin W. 62* Knrfflrstenstrasse 81«
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Dr. P Meißner
Vn. Jahrgang. 7. Mai 1906. Nr. 19.
Oie .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der t4tagigen Beilage B<lCOlogiSChC Ccntralzeltungy Organ des Allgemeinen Deutschen
Blderverbandes, des SchwarzwaldbXdertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jlhrlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
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Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet-
Originalien.
Die Diät und deren Bedeutung
zur Verhütung von Kranlcheiten.
Von Dr. Müller, Hamburg.
Die zahlreichen und wechselvollen Methoden und Mittel,
welche dem Arzte heutzutage zur Verfügung stehen bei der
Wahl einer geeigneten Diät, sollten es wohl kaum möglich er¬
scheinen lassen, dass man es als eine schwierige Aufgabe an-
sehen musste, in den gegebenen Fällen immer die richtige
und passende Art der Ernährung zu finden. Wer aber vide
chromsche Kranke behandelt hat, der kennt auch die Schwierig
keiten, mit denen man zu kämpfen hat, wenn man dem Kranken
eine für seinen Zustand genügend Kraft erzeugende Nahrung
verabfolgen will und muss, und doch ist es eine bekannte
Tatsache, dass gerade von der richtigen Diät ungeheuer viel
abhängt, wenn man einen Kranken behandelt, der entweder
schon die Anfänge chronischer konstitutioneller Krankheiten
zeigt oder derart disponiert ist, dass man den Ausbruch einer
solchen, binnen kurzen erwarten muss. Das Hauptkontingent
solcher^Personen liefert die Tuberkulose, jene für jung und
alt gleich wichtige Krankheit, vor der zu schützen der Mensch
nur zu viel Grund und Anlass hat. Aber nicht allein die
Tuberkulose muss hier bedacht werden, neben ihr steht so¬
gleich das Heer von Blutkraukheiten, von der Chlorose bis
Leukaemie und perniciösen Anaemie. Und dann die vielen
nervösen Leiden, die zwar weniger wichtig hinsichtlich eines
baldigen letalen Ausgangs sind, die aber wegen der langen
? ualvoll6n Dauer nicht minder lästig und qualvoll sein können,
m Kampfe gegen all diese Feinde des Menschen steht der
Arzt tagtäglich und man verlangt von ihm, dass er stets das
richtige Mitttel zu deren Bekämpfung anwendet.
Das erste Erfordernis bei der Behandlung eines Mensclien,
der zwar noch gesund ist, aber doch, sei es infolge Disposition,
sei es infolge hereditärer Anlage oder anderer Umstände, im
Begriff steht, einem chronischen Leiden obiger Art zu verfallen,
ist die Regelung der Diät in einer Art, dass die dem Magen
zugeführte Nahrung für den Kranken die geeignetste, d. h.
kräftigste, leichtest verdauliche und angenehmste ist. Nur da¬
durch, dass man bei einem solchen Individuum die Ernährung
und den Kräftezustand bessert, wodurch der Organismus in
den Stand gesetzt wird, die gegen die Krankheit spezifischen
Schutzstoffe etc. zu deren Abwehr zu bilden, kann man zu¬
nächst den Ausbruch eines chronischen Leidens verhüten, oder
die schon bestehenden akuten Anfänge desselben vernichten,
die schon bestehende Krankheit heilen. Erst in zweiter Linie
können wir versuchen durch direktes Eingreifen den Organis¬
mus zu unterstützen, können wir Medicamente, Sera oder der-
f leichen Mittel dem Blute zuführen, indem wir versuchen,
enjen^en Stoff in das Blut zu bringen, den der Organismus
eigentlich bilden müsste, aber entweder nicht in genügendem
Maße oder gar nicht bilden kann. So unterstützen wir den
Körper in seiner Verteidigung gegen die Krankheit.
Die Nahrungsaufnahme ist meist der heikle Punkt, denn
der Kranke besitzt meist einen direkten Widerwillen gegen
jede Nahrung.
Diese Hindernisse zu überwinden muss der Arzt imstande
sein, und er ist dies auch, wenn er all die ihm zur Verfügung
stehenden Hilfsmittel richtig anwendet und verwendet Was
die Nahrung in vielen Fällen zu bedeuten hat, dass macht
man sich nur zu selten klar. Der Beginn einer jeden konsti¬
tutionellen chronischen Krankheit wirkt in verschiedener Hiüsicht
auf den Patienten ein, erstens ruft die beginnende Krankheit
einen Verlust und ein Minus an Kraft des Köipers, d. h.
eine Schwäche der Muskeln, einen Schwund des Fettgewebes
und einen mangelhaften Drang zur Nahningsaufnahme hervor,
zweitens wirkt die Krankheit auch in ähnlicher Weise auf das
Zentralnervensystem ein, indem sie dasselbe schwächt und in
seinen normalen Funktionen stört. Diese doppelte Einwirkung
wird dadurch hervorgerufeu, dass der beginnende Krankheits¬
prozess die für die normale gesunde Funktion von Körper und
Nervensystem notwendigen Stoffe und Kraft in unverhältnis¬
mäßig grossem Maße für sich verbraucht, absorbiert und sie
so dem Körper und Nervensystem entzieht. Der Körper be¬
sitzt aber Reservestoffe in Menge aufgestapelt, und zwar in
dem Fett, welches subcutan und in den verschiedenen inneren
Regionen des Körpers, Netz, Mesenterium, Nierengegend etc.,
aufgestapelt und deponiert ist, und dieses Fett kann in Zeiten
der Not, wo besonders hohe Anfordenmgen an den Organis¬
mus gestellt werden, neben gleichbleibender oder gar gennger-
werdender Kraftzufuhr von aussen, so dass also ein Defizit
zwischen Kraftleistung und Kraftoufnahme entsteht, wenn
erstere die letztere ttberwiegt, was auf die Dauer zu Mangel
an Kraft und schliesslich Erschöpfung führen muss, verwendet
werden, um dieses Defizit zu decken. Lange Zeit reicht dies
aber nicht ans, dann ist das Reservefett aufgebraucht. Während
dieser Zeit sehen wir den Kranken noch in vollkommen nor¬
malen Verhältnissen leben, er selbst merkt im Anfang gar
nicht, dass sich ein solcher Vorgang in seinem Organismus
abspielt, denn so lange das Fett noch den Mangel, der durch
den Mehrverbrauch von Kraft durch den Krankheitsprozess
entsteht, ausgleichen kann, entsteht noch keine Mattigkeit,
kein Krankheitsgefühl, sondern der Kranke merkt jetzt nur
einen geringen Schwund des Fettes, er sieht nicht mehr so
frisch und gesund aus. Da er sonst aber weiter keine Be¬
schwerden empfindet, glaubt er nicht an eine Krankheit. Prüft
er jetzt sein Körpergewicht, so bemerkt er, dass dasselbe um
einige Pfund vermindert ist gegen früher, je n^h den ob¬
waltenden Verhältnissen mehr oder weniger. Wenn aber ein
beträchtlicher Teil dieser Reservekraft verrannt ist, wird ein
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MEDICINISCHB WOCHB.
Nr. 19.
intensiverer Einfluss auf das Wohlbefinden des Menschen aus¬
geübt, jetzt entsteht ein Gefühl der Mattigkeit, leichten Er¬
müdens und Mangel an Appetit. Dieser Mangel an Appetit
ist das verhängnisvollste Symptom, denn von ihm hängt die
Entscheidung Ä, ob die Krankheit zum Ausbruch kommen
oder vom Körper unterdrückt werden wird. Dieser Mangel
an Appetit ist nun aber nur ein Symptom für den Beobachter,
denn es zeigt uns, dass der Körper nicht in der Lage ist,
ohne Hilfe den Krankheitsprozess zu besiegen. Dieser Mangel
an Appetit wird hervorgerufen erstens durch die venninaerte
direkte Körperkraft, denn mit dem Schwinden derselben
schwindet auch die normale Arbeitsleistung von Magen und
Darm, die in der normalen Sekretion von Säften besteht, die
zur Verdauung notwendig sind und vom schwachen Organ
weniger gebildet werden, was eben eine geringere Möglichkeit
der Nahrungsaufnahme darstellt, zweitens, was noch mehr im
Anfang in Betracht kommt, durch die geschwächte Funktion
des Nervensystems, welches nicht die kräftigen normalen Im
pulse zum Secernieren der noimalen Säfte gibt, sondern nur
wenig den Magen und Darm zur Tätigkeit anregt, dritiens
durch die direkten Einflüsse der Krankheitsstoflfe, welche in
vielen Fällen als Toxine auch auf den Magen- und Darm-
tractus toxisch wirken können und dadurch eine verminderte
Tätigkeit desselben bedingen. Durch eine solche verminderte
Nahrungsaufnahme, welche unbedingte Folge des Appetitmangels
ist, werden aber dem Körper geringere Mengen von Kraft als
im normalen Leben zugeführt und doch besteht gerade jetzt
im Organismus ein grösseres Bedürfnis für Stoffe, die sich in
Körperkraft umsetzen lassen. Dieses Bedürfnis wird hervor-
f erufen durch zweierlei Umstände. Erstens durch die Krank-
eitsprozesse selbst, welche dem Körper Kraft entziehen, die
dieser ersetzen muss, zweitens aber auch durch das Verhalten
des Organismus und dessen Organen im einzelnen selbst, denn
derselbe sowie das betroffene Organ allein sind bemüht, die
Krankheitsprozesse zu heben, zu beseitigen, die Krankheits¬
erreger zu vernichten. Zu dieser Tätigkeit bedarf aber der
Organismus einer grossen Menge, einer viel grösseren Monge
von Kraft, als er im normalen Leben und gesundem Zustande
verbraucht. Wo soll er dieselbe hemehmen, wenn ihm nicht
einmal eine für normale Verhältnisse genügende Menge Nah¬
rung zugeführt wird. Er wird daher gegen den Krankheits¬
prozess nicht erfolgreich Vorgehen können und somit wird die
Krankheit zum Ausbruch kommen. Dem intensiven Beob¬
achter entgehen diese Stadien der Entwickelung der Krank¬
heit nicht, man kann dieselben jeden Tag sehen und an vielen
Fällen beobachten. Und gerade das ist von ungeheurem Wert,
dass der Arzt diese Zustände erkennt, denn jetzt allein ist die
Feuilleton.
Über Placentophagie.
In den Fascicules IX et X 1902 der französischen Revue:
_La m^decine Anecdotique“ fand ich eine interessante Ab¬
handlung über das gewohnheitsmässige Verzehren der Nach¬
geburt. Dieses Thema fesselt Antropologen und Biologen
gleichmässig. Da wahrscheinlich nur einer geringen Anzahl
Kollegen jene Monatsschrift zugänglich ist, dürfte ein kurzes
Referat nicht unwillkommen sein.
Den Tierärzten ist es seit altersher bekannt, dass die
weiblichen Tiere ihre Nachgeburt fressen und dass oft die
Männchen an diesem Mahle teilnehmen; Herbi- u. Carnivoren,
Oviparae und Viviparae, wilde und Haustiere ohne Unterschied.
Die Vögel zerquetschen und fressen bald nach dem Aus-
schlüpfon der Jungen die Eischalen, weshalb mau fast niemals
Schalenreste in den Nestern findet, ln einem von 200 Tauben
bewohnten Taubenschlag konnte man jahrelang Schalen nicht
nachweisen, auch nicht in seiner Umgebung.
Die Viviparae zerbeissen die Nabelschnur und fressen dann
sofort die Placenta. Selbst die absoluten Herbiroron tun es.
Ein Entgegenarbeiten durch Zähmung u. s. w. nutzt nichts.
Zeit günstig, wo er noch mancher schweren Krankheit erfolg¬
reich begegnen und den Patienten gesund machen kann. Wer
aber die Bedeutung dieser Symptome nicht erkennt, sondern
den ihn konsultierenden Kranken tröstet, indem er ihm einen
Magenkatarrh als Ursache der Indisposition angibt, der kann
einen unverantwortlichen Fehler begehen. (Fortsetzung- folgt.)
Ueber einige Schädelverletzungen.
Von Dr. A. W. Minin,
Chefarzt dos Nikolaj-Militarhospitals in St. Petersbarg.
(Schloss.)
2. Kapitän des 2. Sibirischen Semipalatinski’ßchen Regi¬
ments, verwundet am 20. Au^st 1904 oei Liau-tjang durch
eine (Gewehrkugel an der linken Scheitelgegend, mit conse-
kutiver Lähmung der rechten oberen und rechten unteren
Extremität. Am hinteren Ende der Pfeilnaht links liefen zwei
weissliohe Hautnarben, die je 1 cm lang sind und in einer
Entfernung von 4 cm von einander liegen. Zwischen diesen
Narben befindet sich eine Furche in der Knochensubstanz
selbst; die Narben sind wenig beweglich und wenig schmerz¬
haft. Der Patient klagt über permanente Kopfschmerzen und
hochgradiges Nachlassen des Gehörs.
Bei der objektiven Untersuchung der inneren Organe fand
man ausser geringer atheromatöser Degeneration der Blut¬
gefässe keine weiteren pathologischen Veränderungen. Die
Pupillen reagieren regelmäßig auf Licht und Distanz. Die
Innervation der Gesichtsmuskeln ist normal. Sämtliche Arten
der Hautsensibilität sind erhalten. Die Bewegungen der rechten
Hand bleiben von denjenigen der linken etwas zurück; die
grobe Kraft der rechten Hand beträgt 100, diejenige der linken
95. Beim Gehen hebt der Patient das rechte Bein übermäßig
hoch, wobei in demselben klonische Zuckungen auftreten, so
dass der Gang einen spastisch-paretischen Charakter trägt.
Die Muskeln der rechten unteren Extremität sind atrophisch.
In der ganzen Extremität macht sich eine Rigidität leichteren
Grades bemerkbar. Die Sehnenreflexe sind gesteigert, es be¬
steht Klonus des Fusses und der Kniescheibe. Das Babinsky’sche
Phänomen ist rechts deutlich ausgesprochen. Hautsensibilität,
Schmerz- und Tastsinn rechts an der Extremität sowohl wie
am Rumpf herabgesetzt. Der Dermographismus ist an der rech¬
ten unteren Kxtremität stärker ausgesprochen als an der linken.
Beide Trommelfelle sind normal. Gehör beiderseits, aber un¬
gleichmäßig herabgesetzt. Das Ticken der Taschenuhr hört
der Patient am rechten Ohre in einer Entfernung von 144 cm.
Selbst die Haustiere kehren sofort zu dieser Angewohnheit
zurück, wenn man sie sich selbst überlässt.
Nimmt man ihnen die Nachgeburt weg, so fressen sie oft
ihr Neugeborenes (besonders bei Hündin, Katze und Schwein be¬
obachtet), in dem irrtümlichen Instinkte, dass sie die Nach¬
geburt verzehren. Als Beweis für diesen ihren „Irrtum“ dient
die Tatsache, dass die andern neugeborenen Ferkelchen nach
diesem Versuche der Muttersau fortan Ruhe haben.
Dieselbe instinktive Gewohnheit finden wir bei den ver¬
schiedensten Naturvölkern aller Zonen wieder.
Ein Reisender, Lery, hat im 16. Jahrhundert in Brasilien
beobachtet, dass die Eingeborenen die Nachgeburt ihrer Frauen
und Mütter verzehren. Im 18. Jahrhundert sah Gemelli Carreri
bei den Jakuten Sibiriens, wie der Vater sofort nach der Ent¬
bindung auf die Nachgeburt losstürzt, sie kocht undim Verwandten-
und Freundeskreise verzehrt. — Die Topinamlus in Amerika
schmausten mit grossem Vergnügen ganz frische Nachgeburten,
besonders die Eihüllen. — Auch im Sudan ist die Angewohn¬
heit noch heute stellenweise vorhanden, wie Dr. Raynaud,
Chefarzt in Algier, mitteilt.
Bouchacourt fragte sich nun, ob die Nachgeburt nicht
vielleicht therapeutischen Wert hätte. Ist doch seit Jahren auch
die Eischale, die Vogelnacligeburt, als Nährmittel und Kräftigungs¬
mittel im Gebrauch. Bewährt und erprobt ist auch die Anwendung
sogenannter Eiei-legepulver beim Geflügel; Hauptbestandteil
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im.
MEDICINISCHE WOCHE.
S13
am linken Ubeiiiai^t nicht; dumpfe Töne hört der Patient
besser als hohe. Das Leitrermögen der Knochen und des
mittleren Teiles des Kopfes fehlt, dasjenige der Warzenfort¬
sätze ist herabgesetzt. Diagnose: Otitis interna traumatica
bilateralis.
Am 30. Januar wurde bei einer Temperatur von 36,3 ”
in Hedonal-Chloroformnarkose vom stellvertretenden Konsul¬
tanten der chirurgischen Abteilung, Dr. A. E. Koschin, die
Kraniotomie in der Gegend der Knochen-Impression ausgeölhrt.
Hufeisenförmige, bis auf den Knochen gehende Incision; nach
Abseparierung des Periosts fand man an der Stelle der Im¬
pression eine mit Bindegewebe aus^füllte Fissur, die eine
Ausdehnung von 3 cm Imtte. Der Fissur entsprach in der¬
selben AuMehnung eine Impression der gesamten Knochen¬
masse von 1 cm Breite. Der gesamte hineingepresste
Knochen wurde mittels Meisseis und mittels Knochenschere
entfernt. Die Dura mater erwies sich unter der Impressions¬
stelle als verdickt und mit bindegewebigen Auflagerungen be¬
deckt, nach deren Entfernung zwei Bruchstücke der inneren
Lamelle, die in die Dura mater eingedrungen waren, gefunden
und entfernt wurden. Der Sinus longitudinalis erwies sich
als nonmü ,pulsierend, desgleichen die neben ihm liegende
Dura mater. Auf die Haut wurden 11 Knotennähte angelegt,
in den untern Wundwinkel ein steriler Tampon eingeführt
und hierauf ein trockener Verband gelegt.
Am 4. Januar wurden die Nähte entfernt. Prima intentio
bis zum Tampon. In einigen Tagen war alles vernarbt
Am 14. Januar wurde Nachlassen der Rigidität im rechten
Unterschenkel und freierer Ga^ festgestellt.
Am 16. Januar waren die Bewegungen der rechten unteren
Extremität freier. Ferner wurde der Patient mit Faradisation,
Wannenbädern, Massage behandelt. Weitere Fortschritte machte
der Zustand des Patienten jedoch nicht
Als krasses Beispiel von Verschlimmerung eines ohne
operative Hilfe belassenen Falles kann der Militärarzt I. gelten,
der . am 21. September 1904 in Port Arthur durch einen S^itter
eines geplatzten 170 mm-Geschosses verletzt wurde. Die Folge
der Verletzung war eine schmerzhafte Schwellung der Haut¬
decken der rechten Scheitel- und Hinterhauptgegend und der
hintm'en Oberfläche des Halses, nebst consekubver Paralyse
des linken Fusses. Augenblicklich besteht hochgradige, von
Tag zu Tag zunehmende Schwäche der rechten Seite des
Körpers, namentlich der rechten oberen Extremität. In der
rechten Scheite^egend, fast dicht neben der Sutura sagittalis,
befindet sich eine Schwellung des !^ochens von der Grösse
eines Fünfz^fennigstücks. Zeitweise klagt der Patient über
Kopfschwin^ und Anf^e von Amnesie.
eines solchen ist gepulverte Eierschale. Wahrscheinlich ist
das Calcium-Carbonat der organischen Eierschale, deren Poren
Sauerstoff enthalte, assimilierbarer als das gewöhnliche Cal¬
ciumphosphat. Sicherlich würden pulverisierte Eierschalen im
stände sein, voll und ganz all die modernen Kalkpräparate der
Kinderpraxis zu ersetzen. —
Die Placentcmhagie hat, logischerweise anzunehmen,
einen bestimmten Endzweck, wie alle andren Instinkte.
Wenn die Tiere ihre Eihäute mit Nutzen fressen, muss
dies auch bei den Menschen der Fall sein. Uralt ist der Ge¬
brauch der Placenta als Medicament. Schon Hippocrates
stellte Übersichtlich alle Indikationen für ihre Anwendung zu¬
sammen — ein Beweis, dass sie schon viel länger üblich war.
In der mittelalterlichen Pbarmacopoe spielt die „Nachgeburt
der Frischentbundenen“ bis zum 17. Jahrhundert eine grosse
Rolle.
In der chinesischen Medicin noch heute laut Berichten eines
Dr. Fanselle.
Dass man die embryonale Componente des Eies als Aphro-
disiacum anaah, war leicht zu verstehen. Und so sieht man
auch als Ursache für die oben erwähnte Steigerung der Eier-
legefähigkeit des Geflügels nach Genuss gepulverter Eierschalen
eine ernöhte genitale Reizung an. Bei Hasen und Meer¬
schweinchen liegen positive Beobachtungen über die aphro-
diastische Wirkung der Nachgeburt vor.
Status praesens: Regelmäßiger Körperbau, guter Er¬
nährungszustand. Puls 76, mittlerer Füllung. Die ^rzgrenze
g eht rechts eine Fingerbreite über den Stemalrand hinaus und
nks bis an die Mammilla heran. Der erste Ton ist nament¬
lich an der Aorta nicht vollständig rein. Die Auskultation
der Lungen ergibt vesikuläres Atmen. Bei der Palpation der
Leber empfinden die palpierenden Finger bei der Inspiration
einen leichten Stoss; die Milzgrenzen sind normal. Darmtätig¬
keit träge.
Visus an beiden Augen 20/50. Ref. oc. utr. positiv. M. 1/12.
M. 1/20. Es besteht Spasmus der Accommodation. Die Pupille
des Nervus opticus ist link« etwas blass, eintönig gefärbt, die
Gefässe sind normal.
Beide Trommeln sind etwas eingezogen. Gehör beider¬
seits herabgesetzt. Am rechten Ohre hört der Patient das
Ticken seiner Taschenuhr in einer Entfernung von 10 cm, am
linken in einer solchen von 20 cm. Die tieferen Töne der
Stimmgabel hört der Patient besser als die hohen. Weber
positiv, Rinne gleichfalls positiv.
Diagnose: Entzündung beider Nn. acustici und der Laby¬
rinthe traumatischen Ursprungs.
Wenn auch in der Literatur sehr viele F^e von Aus¬
fallen des Gesichtsfeldes nach Schädelverletzungen veröffent¬
licht sind (Westphal, Haab, Wilbrand. Vialet etc.),
so bietet doch ein Fall besonderes Interesse, der den Militär-
Ingenieur Kimitän P., der am 21. August 1904 bei Liau-tjang
verletzt wurde, betrifft.
4. Fall. Status praesens: Der Pati^t ist von mittlerer
Statur, ziemlich gutem Köraerbau und ebensolchem Ernährungs¬
zustand. Die sichtbaren Schleimhäute sind blass. Von seiten
des Herzens liegen irgend welche pathologischen Veränderungen
nicht vor. Die Perkussion der Lungen ergibt einen leicht tym-
panitischen Schall. Bei der Auskultation hört man stellenweise
Rasselgeräusche. Bei der Taxation der Leber empfinden die
palpierenden Finger bei der Respiration Stösse. Im Ham Ei-
weiss nicht vorhanden, wohl aber deutliche Spuren von Zucker.
Spezifisches Gewicht des Harns 1010. Im Hamniederschlag
Elterelemente, Schleim, Blasenepithelzellen. Es besteht eine
penetrierende Schussverletzung der Hinterhauptoegend. Der
kugelgang zeigt quere Richtung: die Eingangsöfmung liegt in
der linken Hälfte des Occipitallappens, 3 cm oberhalb des
Tuber occipitalis; die Ausgangsöffnung liegt an der rechten
Seite der mnterhauptgegend in einer Entfernung von 9'/s cm
von der ersteren, 2 cm oberhalb des rechten 'fuber occipitalis.
Die Schädelknochen scheinen infolge der Verdickung an der
Ausgangsöffnung gleichsam vorgewölbt zu sein, indem sie sich
Der berühmte Liebestrank des Altertums, die Hippomane,
bestand aus der Nachgeburt des Fohlens. Nach dem Berichte
Swetons konnte Cesonia ihren Gatten Caligula durch einen
solchen Trank geradezu liebestoll machen.
Nach Laurent Joubert, einen Arzt des 16. Jahrhunderts,
müssen kluge Mütter den Nabelstrang der neu^borenen
Töchter bis zu ihrer Heiratsfähigkeit aufbewahren. Gepulvert
dem Liebhaber in irgend einem Vehikel gereicht wirkt er als
unfehlbarer Liebestra^.
Wichti^r ist die Anwendung der Placenta per os als Re-
medium bei Chlorosis, Sterilität und Gebärmutterleiden. Boucha-
court erprobte es selbst bei Versuchen zur Steigerung der
Milchsekretion der Brustdrüsen. Placenta von Schafen wurde
aseptisch gewiegt und hachiert, dann im luftleeren Topf mit
Milchzucker eingetrocknet, bei einer Temperatur von 45 - 50®,
und schliesslich fein gepulvert. Das Endprodukt gleicht dem
gewöhnlichen Fleischpulver.
Bouchacourt konstatiert nun im Verein mit Dr. Brindeaii
mehrmals deutlich galactogene Wirkung.
Der Gedanke unseren Frauen Placenta per os zu geben,
hat jedenfalls nichts Abstossenderes als die Verordnung von
Hodenprodukten bei Männerleiden.
Dr. Ludwig Gross, Liegnitz.
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»4
MEDIGINISCHP WOGBOB.
Nr. 19.
deutlich als PromloeDz fühlen lassen. Auf der rechten Seite
vermag der Patient nicht zu liegen, weil er dabei Schmerzen
verspgit. Sonst klagt der Patient über leichte Erregbarkeit
des N^onsjstems und über hochgradig Beschränkung des
Gesichtsfeldes, was ihm die Orientiemng un Baume erschwert.
Die BeaktioB der Pupillen auf Licht und Distanz ist normal.
Dermogrwhismus ist nicht vorhandeB. Scblundreflex erhalten,
Hast' imd SehB4»n>R6flexe desgleichen; Hauteeosibilität gleich¬
falls normal. Die grobe Kraft der rechten Hand betrat 95,
OC. sin. OC.
site 11. VortiBg des Herrn Bonheim: „Usber die Behänd'
zen lang acuter EntzUndongen durch Hyperaemie nach
teit Bier.“
des Nach einer kurzen theoretischen Einleitung st^ildert Vor¬
ort. tragender, wie das Verfahren an der Poliklinik des Kraaksnhanses
aal. St. Georg-Hamburg (unbulant ausgeftthrt wird,
ben, Die Behandlung mit Saugapparaten entspricht voUkommen
ch- den Angaben Klapps. Die Behandlung ist stets ungefhhrlkh;
95, man muss nur die Glasgefäde zur Verhütung von Biysipel etc.
stets nach Gebrauch anskoohMU darf
OC. dex. ^ Luftverdünnong ni<^t zu weit treiben,
super damit die Haatrandm* nicht in der ErnBhnmg
36D leiden, wie es einmal bei einer alten Patientin
infer.
infer.
vorkam.
Die Bindenstauong kann ganz unbedenk¬
lich ambulant ausgefUhrt werden. Die Binde
wird Mittags in der gewübnlldMn Weise an¬
gelegt. Der Patient muss dann ^/t Stunde
warten. Liegt die Binde zu fest, dann be¬
kommt Patient sofort Schmerzen, und es treten
zinnoberrote Flecke auf. Dann wird die Biade
etwas gelockert. Der Patient geht jetst nach
Hause mit der Weisung, die Biode sofort ab-
zxmehmen. wenn er Sdunerzen bekommt. Sonst
Ifisst er die Binde bis zum D&ohsteii MoigM
sitzen. Dann nimmt er sie ab und lAlt bis
zum Mittag den Arm hoch.
Es ist niemals durch die Binde geschadet
worden.
Das^Oedem ist meist kolossal, gsnisrt die
Patienten aber nicht, da sie keine Sohmmnen
haben.
diejenige der linken 80. Visus am rechten Auge 15/900, am
linken Ange 20/70. Ref. oc. d. M. 1/6, oc. s. M. 1/10. Staph.
post, incip. Leichte Verengerung der Arterien und Venen aer
Warze des rechten N. opticns. Bei der Correction Visus oc.
d. 20/80 , 00 . sin. 20/20. Hochgradige Beschränkung des Ge¬
sichtsfeldes im oberen Abschnitt bei vollständigem Aosfallen
der unteren Hälfte desselben sowohl fiir die weisse, wie auch
für alle übrigen Farben, wobei die Farbenempfindnng innerhalb
des erimltenen Gesichtsfeldes normal ist.
Literatur.
L Mey nert. Das Zosammenwirkon der Gobiniteile 1890. Ver¬
handlungen d. X. intern. Med. Kongresses in ^rlin.
2. Bequirol. Des maladiee mentales. Paris, 1886.
3. Brlitaki. KUniscbe Vorlesangen über Geisteskrankheiten. 8t.
Peterabaiv, 1896, S. 43 u.
4. Kraft-Ebbing. Lebrb. d. Psychiatrie 1807, S. 137—139
5. E. Kra^elin. Psychiatrie. Aus dem Deutschen übersetzt von
den Aevztea des Eraakrahaueee Nikolaus des Wundertäters. 1896, 8. 90.
6. StOrring. Psyohc^tbologta in ihrer Anwendung in der Piycbolo-
gie, Uabersetzt von Dr. Krogius, 1903, S. 154.
7. Eorsakoff. Kursus der Psychiatrie. 1901, S. 154.
8. W, N. Obrastzow. Zur Kasuistik der Zwangsvorstellungen,
kompliiiert mit Sianeetiueebungen. Russki Wratsch, 1905. Nr. 2ü.
9. M. M. Kuanetzow. Zur Frage der Tr^nation bei traumatischen
Verletzui^enScdi&delgewülbM. Russki Wratsch, 1905, Nr. 40 u. ii.
10. Westpbal. L^dcalisstion der Hemianopsie beim Menschmi.
Cbaritd-Annalen 1882.
11. Haab. Cortexhemianopsie. Klinische Monatsblätter für Ansren-
hetlkuDde. Mai 1863.
12. Wilbrand. Heiiiianoptis<^e GeeiriitaMdfenneB. Wiesbaden,
1890.
13. Vialet. Les centres cdrdbraux. Paris, 1893.
Sitzungsbertchte.
Deutschlaiidi
AendUcher Verein in Sambwrg»
Sitzung vom 17. April 1906.
Vorsitzender Herr Deneke.
I. DemcmstratloDen; Herr Albers-Schönberg demonstriert
mittels Projektionsapparates einige seltene Zahnerkrankungen*
darunter die Ehitwicklung eines Zahnes in einem anderen.
Wenn die lokale Entzündung abgelaofen ist, gelingt es nkdit,
mit der gleicbstuken Stauung ein so starkes Oedsm barvcwzurufen,
wie vorher.
Die Sohmerzlinderung gelingt meist, jedoch niekt imsaer.
Erysipelartige Zustände sind mefannUs beobachtet. Sie wtmn
stets ungsfährlioh und konnten ambulant weiter behaiuMt werden:
oft handelt es sich nur um eine exeeeeive Reahtien des Gnw^ies
auf mnen noch uneröffheten Eiterherd. Naoh ErOffnOBg versehwiadet
die Hütung und Schwellung sofort.
Noch nicht reifo Entzündungen werden sofort gesau^, reep.
gestaut. Oft bilden sich die Entzündtmgen sofort zurück, odw
sie werden schnell reif. Reife Entzündungen w^en punktförmig
incidim't. Es wird nicht dralniert und keine Scblene ang^gt:
Im ganzen sind 300 Fälle behandelt. Besonders günstig
sind 10 zum Teil schwerste Mastitisiälle verlaufen. Nach 3
bis 4 Wochen war die kleine Wunde knapp noch erkeonbar.
Auch Parulisfälle, Weichteilabsceese, periprokt.
Abscesse, Bubonen der Kinder heilen schnell ab. Nur seltw
versagt die Methode. ^ ,
Bei Furunkeln führt das Saugen stets zum Ziel, doch dauert
es oft lange Zeit, ebenso bei Carbunkeln, Periostale Phleg¬
monen an den Fingern sind bis auf einen hHssepfolg alle gut
verlaufen. Nach der Punktion oder Spontanperforation demarkiert
sich ein Propf aas Weichteilen und Knochen, der nach eimgen
Tagen berausgehoben wird. Dann schliesst sich die Wunde schn^
Alle snbeutanen Abscesse und Lympbangitiden verlaufeB sehr
günstig, ebenso Osteomyelitis.
Bei eitrigen Gelmikentzündungen hat die Methode zum Teil
versagt. Bei 3 gonorrboisoben HaodgeleBkentzttnduiigea gelang es
nicht, die Schmerzen zu beeinflussen.
Bei Sehnenscheidenphlegmonen waren 2 volle Erfolge, efaunal
wurde die Sehne nekrotisch, zweimal war die Sehne bei der In-
cision schon abgestorben; einmal gelang es nicht, das Portschreiteii
der Sebnensoheidenphlegmone aufzuhalten.
Die Hyperaemiebehandlung ist entschieden umständlicher als
die bisherige antiphlogistische. Sie führt aber schneller zum Ziele
und hat vor der antiphlogistischen Methode sicher die bekannten
von Bier erwähnten Vorzüge. Misserfolge bleiben nicht aus.
Die Zukunft muss lehren, ob die Misserfolge sich durch verbesserte
Technik einsohränken lassea
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me.
WOOHB.
lli. IHacwsion: 'Serr Grisson hält InoMon durch Sth^
■il eiiMm spitzen Messer fär «osrekhend. Er hat s^r gate
Besoltate mit der Stauung bei der Bobooenbehandlung ge^bt
und emj^eUt, sie aut dem Paqueli^ zu erb^^MH und dann ga
saugen. Bei Empyemen, alten sowc^ als fnsohen, vmndet er
jetzt eben&Us Stauung an und gebraucht z^ beeeeren Abschluss I
des Dcains ein Stück Eobberdam. Herr Galmann berichtet
über seine fiesuttate bei Mastitis: beide Fälle waren nach wenigen
Tagen geheiK mit Sianaag ohne Ineision, und räimt die sofortige
SdMserastillang. Bei dner anderen Patientin trat einige Monate
nach einer Blinddarm- und Eierstocksoperation plötzlich am Ende
der Narbe eine grcase Infiltration auf: er staute, und nach drei-
naUf^sm'Saugen kam ein Silkworm&den zu Tage. Herr Grube
tmh ebetifaUs seiiie guten Eesultate bei der Mastitis mit. Herr
Predöhl: DieBehandlungsdamr ist im Allgemeinen g^n früher
aioht durch die Stauimgstnethode abgekürzt worden, wohl aber die
Scduaersdaner, sodass in sehr vielea Fällen die Emerbsfhhigkeit
nicht vermxDdert war. Für die Sprechstunde des praktischen
Arztee ist die Staurmg sehr wohl geeignet, wenn man für eih-
achläg^es Material eine Extrasprenhstunde anberanmt. Herr
Deneke hat ebenso, wie der Vortragende mrwähnt hat, keine
Resultate bei gonorrhoischen Gelenkaffektionen erzielt; etwas
bessere. jedoch l^i aUgemeinem obroniscben Rbeumatismua ln
der Empyembehandlung schliesst er sich Herrn Grisson aa und
weist daoeuf hin, dass man in der Dosierung der Sangwbkung
sehr vorsichtig sein müsse. Elr regt an, Versuche mit Stauung
bei Pttsrperalfieber zu ma^en. Herr Just erwähnt eiaen Fall
von Eaie^enkmnobSisierung durch Stauung nach schwerer Osteo¬
myelitis. Herr Deutschi ander warnt vor Staunng bei Sepsis,
dmrah ‘das eigene Blnt ja die Heilwirkung hervorgerufen
wird, das Blut bei Sepsis jedoch gerade die Noxe sei. Herr
Bonheim faset im Scddusswort noch ^mal kurz die aUgemem
günstige Wirkung der Bierschen Stauung zusammen.
Schönewald.
AerztUcher Verein München,
Sitzung vom Sonnabend, dem 31. März.
I. Herr A. Uffenheimer. Der Nachweis des Toxins
in dem'Blnte des Diphtheriekranken.
Nachdem es ü. nicht gelungen war, sichere Unterscheidungs¬
merkmale zwischen Diphtherie- und Psendodiphtbeiiebacillen zu
finden, welche in jedem Falle die DifPerenzialdii^ose ermöglichen,
suchte er eine Methodik anszuarbeiten, die bei den FäUen von
echter Diphtherie den Nachweis freien Toxins im Blnte der Kranken
gestattet. Er verwendete dabei (sich auf die Marx’sche Methode
des Nachweises kleinster Diphtherieantitoxinmengen stützend) nur
eine einzige Komponente der Diphtheriegii'twirkung, nämlich die
Ehregung eines salzigen haemoniiagiBGhen Oedems des Unterhant-
zellgewebes und fand hierbei: Diese Methode lässt sich, wie Kon-
troUversuche mit dem Semm Gfesunder, Rekonvaleszenter, sowie
Masern- und Scharlachkranker lehrten, einwandsfrei verwenden.
Man braucht nur geringe Mengen blntkörperchenfreien Serums,
etwa 0,1 — 0,3 ccm. Das Diphtberiegift war in 6 von 14 Fällen im
kreisenden Blut nachweisbar, in 4 Fällen nicht, in 4 Fällen war die
Toxinprobe zweifelhaft. Bei einem Falle schwerster Hautdiphtherie,
wo die Eeaorptionsfiäche eine sehr grosse war, Hess sich nicht nur
vor, sondern auch noch 3 Tage nach der Heilserumeinspritzung das
Toxin nach weisen, und zwar hätte an letzterem Termin approxi¬
mativ die- im Blut. nachweisbare Toxindosis genügt, um 330 Heer-
schweiuchen von 250 g Gewicht zn töten. Am ersten fand sich
das Toxin in Fällen von membranöser Tonsillenerkrankung, nur
ausnahmsweise hei schweren Fällen absteigenden Groups.
U. glaubt deshalb, dass dk letzteren der Bronchopneumonie
und der Erstickung, aber uioht der Difditherieintozikation in den
meisten FäUen erliegen. Die gewonnenen Befunde, speziell auch
der Nachweis des Toxins einige Zeit nach der Heilserumeinspritz-
oi^, mahnen zn energischer, event. zu wiederholender Anwendung
des Bailserans.
DCsonssion: Herr Trumpp stellt sich bez. der Diphtherie-
Fseudod^^tberiebacülenirage auf den glefehen Standpunkt wie U.
und spricht seine Verwunderang aus über den Nachweis des
Toxms im Blut auch nach der Heilserumeiaainitzung.
Herr Hecker: Sind die Sera darauf geprüft, ihnen nicht
Löiflerbacillen beigemengt waren?
Herr Uffenheimer (Schlusswort). Die Sera sind mit ein¬
wandfreier Methodik auf das Vorhaudensein LöfSerischer Baeülen
geprüft. Der Ausfidl war negativ.
n. Herr Alzheimer. Die Histologie der progressiven
Paralyse und der verwandten Gehirnkraakhetten (mit
Projektionen).
Die ausgezeichneten Dariegung«! A’s, die begleitet waiea
von der Projektion zahlreicber Mikrophotogramme, lassen skfii in
einem kurzen Referat nicht wiedergeben.
III. Herr L. Raab. Die Elektrotherapie der Kreis¬
laufstörungen. Dr. Albert Uffenheimer-Münehen.
Kongressbericht.
3S, Kongress der Deutschen Gesettsehaft
für CMrwrgie,
4.-7. AprÜ 1906.
Schluss des ersten Verhandlungstages.
Hr. J. Bornhaupt-Riga: Ueber Gelenksehüsse.
B. hat unter seinen 2206 Verletzten 7*)b Gefenkschflase be¬
obachtet, so dass ihm 167 Fälle zu Gfesicht luHaea, 1870/71 be¬
trug der Prozentsatz der Geienbchüsse 4,6^. Am häufigsten war
das Kniegelenk getroffen, dann folgen das Ellenbogengelenk, die
Sohnltergelenke. Am unteren Ende der Skala befindet ach das
Hüftgelenk. 108 mal war die Verletzung durch Flintenkogeln ber-
vorgerufen, 27 mal durch Schrapnellkugeln, der Best durch Granatr
Splitter. Die Schrapnells waren in €9% der Fälle im G^nk
stecken geblieben.
Am meisten Neigung zur Eiterung zeigten die Spnmggelenk-
verletzungen. Boi perforierenden Schüssen bleibt die Eiterung ge-
wöhnlidi aus. Bleibt das Projektil im Gelenk steokra, so tritt
häufiger Eiterung ein. Von der grössten Bedentung für d«x v^eitsren
Verlauf ist auch die Kleinheit der Einschnsswunde. Bei Riooi^tten,
wo der Eins<fiius6 grösser ist, tritt häufig Eiterung ein.
Bornhaupt hat bei konservativer Behaadlung 93^ der Ge-
lenksohüsse geheilt. Er ist nicht für luge Fixati<m, sondern für
frühzeitiges Einsetzen der Massage. Deswegen ist er für Ver¬
sorgung der Armee mit der nötigen Zahl von Masseuren.
An seinmi Fällen hat er 44 mal operieren müssen, darunter
14 Amputationen, je 1 Exartikulation im Hüftgelenk und Schulter¬
gelenk ausführen müssen. Von den 14 An^ntationen sind allein
10 durch Vereiterung des Kniegelenks nötig geworden.
Im ganzen sind 7 Fälle gestorben, die meisten von ihnen an
Eiteraugen des Knie- und Hüftgelenks.
Hr. Brentano-Berlin hat die Sohnssverletzungen der
Gefässe zum Gegenstand seiner Betrachtungen gemacht; dieselben
sind seit Einführung des kleinkalibrigen Gewehrs häufiger gew(n*den,
weil die Blutgefässe dem kleinen, sehr rasanten Projektil nidit
mehr so leicht ausweichen können. Trotzdem hat der Tod dur^
Verblutung auf dem Schlachtfeld an Häufigkeit abgenommen; Ein-
und Ansschuss stellen meistens kleine Wunden dar, welche den Ab¬
fluss sich aus den GeRssen ergiessenden Blutes nicht zulassen.
Relativ häufig traten Aneurysmen, sowohl gewöhnliche als such
das Aneurysma arterio-venosum ein. Diese gelangen dann sekundär
zur Operation; er hat 7 Fälle mit Erfolg operiert, Brentano
warnt vor den Unterbindungen in der ersten Linie.
Hr. Colmers-Berlin berichtet über seine Erfahrungen über
Schussknoohen brüche. Sie betrafen Fälle, welche 6—7 Tage
nach der Schlacht bei Mukden in Gharbin eintrafen. Er hält es
für das beste, wenn die Schussfrakturen als ersten Verband einen
möglichst einfachen aseptischen Deckverband erhalten bei guter
Fixation durch Schienen- oder Gipsverbände. Während des Trans¬
ports soll kein Verbandwechsel vorgenommen werden. Der erste
Verbandwechsel soll erat im Lazarett erfolgen. Für vereiterte
Brüche empfiehlt er gefensterte GKpsverliAnde. Der ausgedehnten
Anwendung des Gipsverbands sduebt Colmers es zn, dase in dem
deutschen Lazarett kein dort von Anfang an behandelter Fall ge¬
storben ist.
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216
MBDICmiSCHE WOCHE.
Nr 19.
Hr, Hildebrandt-Berlin verbreitet sich über Sctädel-
schüsse.
Er tritt wie Herr Zoege v. Manteuffel für ein aktiveres
Vorgeben bei Schüdelschössen ein, besondere bei den Quersdilägem.
Hr. V. Oettingen-Stegbtz betont in seinem Vortrage über
„Baucbohirurgie im Kriege“ die relative Gutartigkeit der
Mantelgeschosse, wenigstens bei einem Scbossbereich jenseits von
300 m. Elr empfiehlt, bei Bauchschüssen auf den ersten Verband¬
plätzen hinter der Front möglichst konservativ zu verfahren.
Disknssion über die Vorträge über Kriegschirnrgie.
Hr. V. Bergmann-Berlin meint, dass er aus den heutigen
Vorträgen keine so überraschenden Fortschritte gegen seine eigenen
Erfahrwgen aus früheren Kriegen habe erkennen können. Er ist
nach wie vor der Ansicht, dass man bei Schädels<fiiü8Ben primär
möglidist nicht operieren solle und dass für die Extremitätenschnss-
verletzungen besonders bei Frakturen und Gelenkverletzungen, der
Gipsverband das souveräne Mittel sei, der durch genaue Fixation
geradezu amtiseptisch wirke. Dringend warne er vor zu früher
Anwendung der Massage, da dadurch eventuell noch retinierte
Entzündungserreger zu erneuter Tätigkeit angeregt werden könnten.
Endlich bemerkt er, dass er nicht verstehen könne, warum Herr
Brentano gegen die Unterbindung auf dem Schlachtfelde sei. Sei
ein Mann am Verbluten, so müsse die Blutung gestillt werden, wo
es auch immer sei.
Hr. V. Zoege-Manteuffel bemerkt, dass die Operationen
nicht auf dem ersten Verbandplatz erfolgen sollten, sondern erst
dann, wenn es möglich ist, sie unter geordneten Verhältnissen aus-
znfü^en, und solle man nicht erst warten, bis eine Eiterung ein¬
getreten ist, vielmehr versuchen, dem Eintritt der Eiterung vor¬
zubeugen. '
Hr. V. Brakei-Libau betont auf Grund seiner in Ostasien
gemachten Erfahrungen auch seinerseits, dass ein gutsitzender
^erender Verband das Haupterfordemis bei den Schussverletzungen
der Knochen und Gelenke sei; damit könne man auch bei schweren
Granatenverletzungen noch gute Resultate erzielen.
Hr. Reger spricht seine Genugtuung darüber aus, dass seine
Voraussagen über die humanen Wirkungen des kleinkalibrigen Mantel¬
geschosses nach den Ausführungen der auf dem Kriegsschauplatz
tätig gewesenen Chirurgen sich voll bestätigt hätten. Demgegen¬
über vertritt Hr. v. Wreden-Petersburg die Ansicht, dass die
Auffassung von der humanen Wirkung der modernen Projektile
irrig sei Die Vorredner hätten ihre Haupttätigkeit hinter der
Front ansgeübt. Er jedoch habe Gelegenheit gehabt, die Schlacht¬
felder des russisch-japanischen Krieges abzusuchen und dabei so
furchtbare Verletzungen an Verwundeten und Toten zu sehen, dass
er nicht der Meinung sich ausschliessen könne, das kleinkalibrige
Mantelgeschoss für ein besonders human wirkendes zu halten.
Hr. Majewski-Przemysl benutzte schon vor Jahren gelegent¬
lich einer von v. Bruns eingeleiteten Diskussion für den ersten
Verband eine antiseptische Gaze, und sei 20proz. Hg-Oxydvaseline-
gaze empfohlen, mit der Redner bei mehr als 6000 Fällen gute
Resultate erzielt hat. Damals wurde die Aseptik des Verbandes
noch mehr in den Vordergrund gestellt, während man jetzt wohl
allgemein die antiseptische Verbandgaze für den ersten Verband
auf dem Schlachtfelde vorziehe. Er zöge seine Quecksilberoxyd¬
vaselinegaze (Hg-Oxyd 20, Vaseline 80, mit steriler Gaze innig
vermengt) aller mit Pulver imprägnierter Gaze vor, da letztere
leichter der Zersetzung unterliegen. Die Hg-Oxydvaselinegaze
hätte sich auch bei Versuchen bewährt, welche auf Veranlassung
des Prof. Ludowik vom Johanneshospital in Budapest an 7000
Patienten angestellt wurden, bewährt. Ihm hatte diese Gaze bei
allen möglichen Arten von Verletzungen gute Resultate gegeben;
er empfehle daher, in das Verbandpäckchen 20proz. Hg-Oxyd-
vaselingaze aufzunehmen.
Hr. Henle-Breslau: Ueber Verl’etzungen der peri¬
pheren Nerven.
Unter 276 Patienten, die im Tokiolazarett des deutschen
Roten Kreuzes zur Beobachtung gelangten, hatten 36 Verletzungen
der peripherischen Nerven. Diesen galten 23 Operationen oder
12pöt. ^ler (195) ausgeführten Eingriffe. Es wurden beobachtet
7 reine Neuralgien und 10, welche mit Lähmungen kombiniert
waren. Von diesen 17 heilten 6 ohne Eingriff; 11 Patienten
wurden operiert. Zweimal handelt es sich um Druck auf den
Nerven, der je einmal durch ein Aneurysma und einen ge¬
schrumpften Pectoralis minor verschuldet wurde. Beide IWle
wurden durdi Entfernung des drttekendM Moments g^ilt. Aus-
lösuugeu von Nerven aus parbigen Geweben mit Umbettong in
weiche wurden 4 mal gemacht, 3mal wurde Heilung erzielt; im
4. Falle Wiederholung der Operation und Resektion der Nttvea-
enden und Naht. Die Neuralgie schwand, ebenso in 3 anderen
Fällen, die wegen komplizierender Lähmung resedert werden
mussten; ferner in 2 Fällen, in denen die Nervenpfropfung eus-
geführt wurde; im ganzen 12 Fälle mit 11 guten Erfolgen qooad
Neuralgien.
Ungünstiger sind die Resultate bei den Lähmungen, bei
denen sie wesentlich von der Dauer der Erkrankung abbängen.
29 Patienten mit Lähmungen kamen zur Beobachtung, 8 heilten
bei unblutiger Behandlung , 4 Fälle waren von vornherein aus-
sichtsloe. 17 mal wurde operiert: 3 mal Beaeitigang von äusserem
Druck (2 Aneurysmen, 1 narbiger Pector. minor) 2 Erfolge, 1
Misserfolg; 2 Neurolysen (1 Erfolg), 8 Anfrischungen mit Naht
(3 Erfolge, 5 Misserfolge). 6 mal w^en Pfropfungen aasgeführt.
3 mal mit Erfolg. Von den 17 operierten Patienten wurden 9
gebessert, aber nur 2 geheilt. Doch war die Beobaebtungszeit
nach der Operation eine zu kurze, um die definitiven Resultate
beurteilen zu können; es ist wabrscheiulioh, dass die guten Resul¬
tate sich nachträglich nocdi vermehren werden.
Für zukünftige Kriege muss es als wünschenswert bezeichnet
werden, Verwundete mit Nervenverletzung möglichst schnell dem
Reservelazarett zur etwaigen ohirurgisdien Behandlung zazuföhren.
Hr. Herhold-Altona spricht dann noch Ober Rückenmai'k-
sohttsse. Er hält bei ihnen ein operatives Eingreifen dann für
geboten, wenn durch den Röutgenapparat im Rückenmark Projek¬
tile oder eingedrungene Knochensplitter nacbgewiesen wordmi, von
denen man annehmen könnte, dass sie auf das Rückenmark
komprimierend wirken.
Hr. Kocher-Bem: „Einige Schlussfolgerungen aus
einem dritten Tausend Kropfoperationen.“
Von seinen letzten 1000 Kropfoperationen habe er im ganzen
7 Fälle verloren. Von diesen kämen 4 Fälle auf die maligne
Struma und die Operationen bei Morbus Basedowii; während die
904 Operationen bei gutartigem Kropf im ganzen 3 Todesfälle
gefordert hatten. Davon sei der eine, obwohl es sich nur um
eine halbseitige Exzision gehandelt hatte, an Oachex-strumip., der
zweite Fall an Pneumonie gestorben, der dritte an Herzlähmong.
Die Kropfoperation sei somit eine fast ungeföhrlicbe Operation ge¬
worden. Trotzdem sei sie aber ein sehr grosser Eingriff geblieben
und dürfe nur unter allen erforderlichen Kautelen ansgeführt
werden. Dazu rechnet er vor allem eine peinliche Asepsis. Weder
an die Hände des Operateurs noch an den Kranken käme irgend
ein Desinficiens. Die Reinigung erfolge allein durch Waschen mit
heissem Wasser und Seife und nachfolgendes Bärsten mit 75proz.
Alkohol. Allein die Seide, die der Vortragende ausschliesslich zu
Nähten und zur Unterbindung verwendet, wurde in Sublimat ge¬
kocht. Die Blutstillung wurde aufs peinlichste durchgefobrt;
die Wunde stets draiuiert. Der Drain wurde in der Regel nach
24 Stunden entfernt.
Neben der Vorbereitung der Operation xmd der Wundver¬
sorgung müsse man den allgemeiem Zustand sorgfältig berück¬
sichtigen. Bei lange bestehendem Kropf, insbesondere bei Base¬
dowkropf, sei häufig das Herz angegriffen; man müsse daher die
Kröpfe nicht zu spät operieren, sondern bevor Herzmuskelerkrank¬
ungen eintreten. Vor allem soll man sich vor dem solange fort¬
gesetzten Gebrauche von Jod- und Schilddrüsenpräparateu hüten,
da diese Mittel, besonders die letzteren, den Herzmuskel bei
unvorsichtigem Gebrauch angriffen. Man solle namentlich an
Basedow Leidende nur dann operieren, wenn man überzeugt sei,
dass ihr Herz dem Eingriffe noch gewachsen sei.
Die Narkose wurde nicht angewendet, um die Pneumonie zu
vermeiden und nur die Möglichkeit zu haben, die Patientin während
der Operation phoniereu zu lassen, weil man sich auf diese Weise
am besten vor Verletzungen des Recurrens laryngis schütze.
Da gelegentlich auch nach partiellen Elxcisionen Ausfallser¬
scheinungen von seiten der Schilddrüse beobachtet würden, so
müsse man sich vor der Excision der einen Hälfte des Kropfes
stets davon überzeugen, dass die andere auch gross genug sei, um
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1906.
MBDICINTSCHB WOCHE.
217
die Fnnktionen der Schilddrüse allein zu übernehmen. Anderen-
falls müsse man an die Stelle der Ezcision die üreilinh viel kom¬
plizierteren Methoden der Enncleation oder Besektion treten lassen.
In der Diskussion ^richt Herr Erönlein-Zürich, der
sich auf ca. 2000 Fälle stützt, seine völlige Uebei^nstimmung mit
den von Kocher für die Kropfoperation aufgestelltMi Grundsätzen
aus.
Hr. F. Kranse-Berlin: „Ueber Opersti,one^n in der
hinteren Sohüdelgrube^*.
Bei der Operation lässt der Redner die Patientin sitzm.
Atmung und Herz werden von einem besonderen Assistenten, nicht
dem Harkotisär, kontrolliert. Dadurch wurden Unregelmäßigkeiten
sclut^er bemerkt, und es sei ihm durch diese Vorsichtsmaßregel
gelungen, in einem Falle den Tod in der Naikose zu vermeiden.
Bei Freilegnng des Operationsfeldes würde ein viereckiger Haut¬
knochenlappen Umschnitten, der so gross gemacht werde, dass die
Sinus trahsversus und sigmoideus freigelegt würden. Den Knochen
schnöde er immer, nachdem mit der Doyen’sehen Fraise ein
Loch in den Sdiädri gebohrt worden sei, mittelst der Dahlgreen’schen
Zange. Nach Zurttckklappung des Hautknochenlappens werde die
Dui« ebenfalls durchschnitten und zurttokgeklappt. Hebe man
dann mit den von ihm angegebenen Gehimspateln das Kleinhirn
ho(di, so könne man d ie Schädelbasis bis zur Felsenbeinpyramide
übersehen.
Die Anwendung dieser Methode ist bei den Operationen von
Tumoren am Kleinhimbrückenwinkel indiziert. Dabei handelt es
sich'um von der Arachnoidea ausgehende Geschwülste, die sich sehr
leicht ausachlden lassen. In der Tat gelang ihm in einem Falle
die -Exstirpation einer solchen Geschwulst auf dem angegebenen
Wege. In einem anderen Falle war es nicht möglich, den Tumor
zu entfernen; man konnte im Operationsfelde nur den einen Pol
der Geschwulst sehen. Versuche, den Tumor zu fassen, misslangen,
da die Instrumente aasrissen. Patient starb, und es zeigte sich,
dass die Gieschwulst wegen ihrer sehr grossen Ansdehnung nicht
ezstirpierbar gewesen v^re.
Der Vortragende macht ferner darauf aufmerksam, dass es
einen Hydrocepbidos des IV. Ventrickels gebe. In einem Fall,
wo Symptome eines Kleinhimtumors vorhanden waren, wurden
mangels genauer topischer Diagnose beide Kleinhimhälften frei-
gelegt, ohne dass ein Tumor gefunden wurde; wohl aber fand
sich ein Hydrocephalus des IV. Ventrikels. Patient lebte noch
31/} Jahr nach der Operation bei sehr wesentlicher Besserung der
Errcheinungen. Er empfiehlt für diese Fälle die Punktion des
IV. Ventrikels. Endlich ist es ihm gelungen, mit der Methode
zur Freilegung des Kleinhirns 2 Fälle von Eitemng an der hinteren
Fläche der Felsenbeinpyramide durch Entleerung des Eiters zur
Heilung zu bringen.
D iskussion.
Hr. Braun-Göttingen bestätigt das Vorkommen von Hydro-
cephalos des IV. Ventrikels und berichtet über einen Fall, der
nach der Punktion 8 Jahre gesnnd geblieben ist.
Hr. Borohardt-Berlin hat auf ähnliche Weise operiert wie
Krause, nur ist er mit seinem Schnitt noch Übei die Protube-
rantia occipitalis hinausgegangen, um den Sinus transversus sicher
freizulegen. Er hat 3 Fäle von Kleinhimbrückenwinkelgeschwülsten
beobachtet, von denen 2 gestorben sind, während es beim dritten
gelang, den Tnmor teilweise zn entfernen. Dieser Patient wird
vorgestellt.
Hr. Kaush-Sohöneberg operiert zweizeitig und benutzt zur
Eröfihnng des Schädels die Sud eck’sehe Fraise. Bei Hydroce-
phalns empfiehlt er eine Dauerdrainage.
Hr. V. Bramann-Halle hat in 4 Fällen operiert, wo Verdacht
auf Kleinhirntomor vorlag. In 3 Fällen wurde nichts gefunden,
in einem dritten war die Geschwulst wegen ihrer ungünstigen Lage
nicht ezstirpierbar.
Hr. Bötger-Berlin demonstriert einen Kranken, bei dem im
Anschloss an eine Commotio oerebri 1 */a Jahre ein Schlafzustand
best^t. Die genaue Beobachtimg hat ergeben, dass es sich bei
diesem Fall nicht um Simulation handle. Da jede organische
Veränderung fehlt, so mödite er den Fall für eine Neurose ^halten
und ihn als Stupor traumaticus bezeichnen.
Hr. Sauerbruch-Greifswald ist es nach vielfachen Versuchen
geangen, den Druck von komprimierter Luft so genau zu lokalisieren,
dass er am Schädel von Versuchstieren blutleer operieren konnte.
Am Menschen konnte er die Methode noch nicht erproben.
Hr. Borchardt-Berlin kann sich der Empfehlung der
Dahlgreen’scben Zange zwecks Eröffnung des knöcheren Schädels
nicht ansohliessen. Er hat eine neue Fraise konstruiert, mittels
deren es gelingt, in die Schädelknoohen beliebig tiefe Rinnen zu
ziehen, von denen dann die weitere EröffDung des Schädels leicht
möglich ist. Er demonstriert das Instrument und seinen Gebrauch
an einen skelettierten Schädel.
Hr. Brann-Berlin spricht über einen Fall von Schuss Ver¬
letzung des Rückenmarks, bei dem das Projektil operativ entfernt
wurde. Die durch die Schussverletzung erzeugten Ausfallser-
scheinxmgen beginnen sich zurückzubilden.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 17.
1. Müller, München: Ueber Oalopprhythmns des Herzens.
Die prognostische Bedeutung des Galopprhythmus ist nicht
so schlimm, als man manchmal anznnehmen scheint. Bei Kropf¬
herz und bei Herzneurosen, auch beim Typhus braucht das Phä¬
nomen keineswegs eine Gefahr anzudeuten. Ja selbst bei langsam
verlaufender Schrumpfiiiere, wie bei man<dien Herzerkrankungen,
z. B. der Trinker, hat M. gesehen, dass sich die Pat. noch viele
Jahre nach dem Auftreten des Galopprhytbmus eines leidlichen Be¬
findens erfreuten und sogar eine zufriedenstellende Leistungsfähig¬
keit erlangten. Immerhin verdient der Galopprhythmus die volle
Aufmerksamkeit des Arztes; er gibt häufig zur Einleitung einer
energischen Therapie und besonders zur Anwendung der Digitalis
Veranlassung.
2. Neubauer, München: Ueher die Wirkung des Alkohols
auf die Ausscheidung der Azetonkörper.
Von der Erwägung ausgehend, ob nicht die Zufuhr irgend
einer Energiequelle, gleichgültig ob sie koblenhydratartiger Natur
ist oder nicht, wenn sie nnr eine Fettsparung bewirkt, die Bildung
der abnormen Stoffe herabsetzt, hat sich N. die Aufgabe gestellt,
die Einwirkung des Alkohols, bei dessen Genuss ja dem Körper
mit Leichtigkeit grosse Energiemengen zngeführt werden können,
auf die diabetische Azidose zu untersuchen; er kommt danach zur
Empfehlung der Verwendung mäßiger Mengen von Wein bei der
Bekämpfung der schweren diabetischen Azidose in Fällen, in denen
spezielle Kontraindikationen (z. B. Nephritis) nicht vorliegen.
3. Meyer undHeineke, München: üeher den Färbeindez
der roten Blutkörperchen.
Diese Beobachtangen legen es nahe, auch im Verlauf anderer
Krankheiten, als gerade der perniziösen Anaemie, dem Färbeindez
der roten Blutkörperchen grössere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
4. Meyer und Speroni, München: üeher punktierte Ery-
tiirooyten.
Bei den verschiedenartigsten anaemischen Zuständen, nament¬
lich bei den durch Gifte bedingten, finden sich in den roten Blut¬
körperchen basophile, mit Methylenblan stark färbbare, strich- und
punktförmige Gebilde. Nach ihren Versuchen bei experimentellen
Anaemieen glauben M. und S., dass die punktierten Erytbrocyten
einheitlicher Natur Kemreste sind, die als Zeichen der Regene¬
ration, nicht Degeneration, aufgefasst werden müssen.
5. Heineke und Dentschmann, München: Bas Verhalten
der weissen Blutzellen während des Asthmaanfalles.
Ein 30jähriger Mann, der etwa 3 Monate wegen Asthma
bronchiale in Behandlung der zweiten medicinischen Klinik stand,
gab Gelegenheit, das Verhalten des Blutes während des Asthma-
aofalles zu studieren. Ee fand sich eine rapide Abnahme der
eosinopbileo Leukocyten des Blutes mit Einsetzen des Asthma-
anfalles bei diesem Kranken, vieUeicht zu erklären dar<di ein
plötzliches massenhaftes Einwandem dieser Zellform in den Bron¬
chialbaum. Diese Beobachtung bestimmt H. und D. an der An¬
schauung Ehrlich’s festzuhalten und in der Eosinophilie des
Sputums wie des Blutes beim Asthma bronchiale ein Reagieren
i^ezifischer Zellen auf einen spezifischen Reiz zn sehen.
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MESTiICINISGh E w Ot/Hjc.
Nr 19.
6. Stäabli, München: Ueber daf VerbaltM der T^bne*
agglntiniae im mfttterliehen und foetelen Organiimiii.
ln Uebereiostimmang mit dem Tierexperiment beweist dieser
Fall, dass nach Ueberstehen einer Typhusinfektion auch das foetale
Blut agglatinierende Kraft zeigt, wenn die Infektion längere Zeit
vor der Niederkunft statthatte.
7. V. Hoesslin und Selling, München: Beitrag lorKennt*
nis der Pseudobülbärparalyse.
Es haben hier 2 Groeshimherde, welche die beiden dritten
Stimwindungen und den Fuss beider Zentralwindongen befallen
batten, für sich allein die typischen Erscheinungen einer Pseudo*
bulbärparalyse bei einer Frau verursacht.
8. Selling, München:. Hain de Prddicateur bei multipler
Solerote.
Das Zuetandekcoamen der Fredigerhand iu einem Falle von
multipler Sclerose bei einem öTjährigen Fat. ist zurückzuführen
auf ein besonders starkes Befallensein der unteren Oervikalsegmeute.
Wie die Beine stärker, jedenfalls früher befallen waren als die
Anne, so sind auch an deren spinalen Zentren wieder die tiefer
sitzenden Segmente für die Flexoren stärker geschädigt gewesen,
als die höheren Segmente, welche die Extensoren des Earpus ver¬
sorgen. Eine „mäßige Dorsalflexion im Handgelenk** wini auch
in der neuesten Mon(^raphie der „multiplen Sclerose** von Eduard
Müller als vorherrsobende pathologische Handstellung, wenn
überhaupt eine solche zustande kommt, bezeichnet.
9. Kerschensteiner, München: üeber Heoromyelitis
optica.
Durch den pathologisch-histologischen Befund wurde der Fall
— ein 2 7 Jähriger Banemknecht, der angeblich nie luetisch war,
aber unter Erkältungen zu leiden hatte — unzweifelh^t als Neuro-
myelitis optica Dövic aufgeklärt. Es ging in diesem Falle wie in
einer grossen Anzahl ähnlicher: weder Anamnese, noch klinische
Untersuchung ergeben Anhaltspunkte für Lnes, auch das-histo¬
logische Bild ist nicht beweisend, und trotzdem möchte man gern
an die Möglichkeit einer Lues glauben.
10. Brasch, München; XTeber den BinflnM der Temperatur
auf die Znokeranuobeidiug.
Der gefundene Einfluss von Kälte und Wärme auf die Zucker¬
ausscheidung in diesen Untersuchungen ist geringer als der von
Lüthje beobachtete; er ist bei dem einen Hund überhaupt nicht
zu erkennen, bei dem anderen minimal. Es will dem Verf. so
scheinen, als wenn es sich bei Lüthje nicht um die schwersten
Formen des Diabetes gehandelt haben dürfte, als wenn die Exstir*
pation des Pancreas keine vollständige gewesen wäre.
11. Bieder, München: Ein Beitrag nr kliniioben Diagnose
der Lnngen-Absoesee.
Die Röntgenuntersuchung erwies sich in den 2 R.’schen
F^en ak sehr wertvoll und ermöglichte die Diagnose „Lungen-
Abscess“ trotz des Pehlens von elastischen Fasern oder Gewebs-
fetzen im Sputum; sie zeigte sich also den übrigen klinischen
Untersttchungsmethoden überlegen. Daher dürfte es sich künftig¬
hin wohl empfehlen, bei Nachkrankheiten der Pneumonie und auch
im Verlaute anderer Krankheiten, bei Verdacht auf Lungenabscess,
häufiger ak bisher von dem Röntgenverfahren Gebrauch zu machen.
12. May und Lindemann, München; Oraphisehe Dar-
steUungfdes Peroassionssohalles.
Eline Membran wird durch die Schallerschemungen in Schwing¬
ungen versetzt, und diese Schwingungen werden mittekt eines
Lichtstrahles aufgezeichnet.
13. Cremer, München: XTeber die direkte Ableitnag der
Aktionsströme desl^menschUolien Hertens vom Oesophagus und
über das Elektrokardiogramm des Foetus.
Eine neue Versuchsanordnung mit dem Elektrokardiogramm.
14. Penzoldt,.Erlangen ; Einiges zur Frage der Tuberku-
losebehandlong in Volksbeilst&tten.
P. bespricht die Auswahl der Kranken für die Heilstätte;
die Behandlung in den Heilstätten und das Verhalten der Kranken
nach der Heiktättenbehandlung.
16. .Geigel, Würzburg: Der ente Hecxtoi.
Es gibt 2 diastolische Herztöne, gebildet an den Klappen
von Aorta und Fnlmonalk, und zwar 2 B 3 rstolisch 6 Hwxtöne an
den Ventrikeln, im gutzen 4. Daneben ist stets irgendwo im Be¬
reich des Herzens auch noch ein systolischer Ge^a^n za hören,
dem 1. Ton um eine Spur nachfolgend. Was man an der Aorta
hört, kt mekt 1. Herzton mit nachfolgendem Aortenton (odsnr
knizem AMtengeräasch). Wo man hm* einen reinen I. Ton hört,
ganz gleich wo, ob an der ^itze oder Aorta, kt leicht za ent¬
scheiden, was man vor sich hat Man braucht nur an den Zwischen¬
stellen zu au^ultieren und wird stets eineü Ort finden, wo ein
Doppelphänomen wahrnehmbar kt Vcm hiw ans g^;en die Aorta
vm^ohwindet dann der erste Teil oder wwi wei^eteos leism*, um¬
gekehrt gegen die Herz^itze zu.
16. Arneth, Würzbarg: Zum Yerkaltea des PekteraUke*
mitus bei der krui^beeu lungeaentttaduBg; einige Bemerkungen
über das Knistern bei derselben.
A. geht zunächst den Gründen nacdi, die von versokiedeDen
Autoren angegeben werden für den Fall, dass ein vcm der ge¬
wöhnlichen Regel abweichendes Verhalten des Pektöralfremittis
voiüegt. Schluss folgt. ■ : : .
r
17. Kayser, Strassburg: XTeber die ein^he GaUenröbxe
als Anreioherungsmittel und die Bakteriologie des Blutes bei
Typhus sowie Paratyphus.
K. benutzt die für Typhus- und Paratyphusbazillen bestehende
entwickelungsbefördemde Wirkung der Gallenbestandteile im Blut¬
gemisch. Normale Rindergalle wird sofcrt nacfli Tötung des Tieras
in einem grösseren sterilen Kolben abgeholt und in Portionen von
mindestens ö ccm auf eine Anzahl steriler Reagensröbren verteilt.
Dann kocht man eie im Wasserbade auf, oder sterilisiert kurz bei
HO'*. In diese Gallenröhren kommen am Krankenbett bk zu
ca. 2,5 ccm Blut, das aseptisch aus der Fingerkuppe, Ohrläppcdien
oder am saubersten und oft leichtesten veimittek der sehr ein¬
fachen Venaepunktion in der Ellenbeuge gewonnen wird. Um die
5 oom-„Ga]lenrÖhre** leicht beschaffbar zu machen und diese vor¬
züglichen diagnostkchen Hilfsmittel weiter einzuführen, hat £. Merck
in Darmstadt sie in versandfähiger Form hergestellt und bringt
sie ak „Typhus-Gallenröhre** in den Handel. Die Röhren sind
fraktioniert, sterilisiert, mit Gummi und Pergament steril ver¬
schlossen und garantieren einen gleiohbleibenden Wassergehalt.
Ihre Stärke sowie eine den Vcuechriften der Reicl^post entsprechende
beigegebene Blech- und Holzhülse machen diese „GkUenröhre**
auf jede Entfernung versandfähig. Sie stehen zu billigstem Preis
dem praktischen Arzt, Krankenhäusern und Lazaretten zur Ver¬
fügung. Es werden damit auch Ghdlenabmessungen für griksere
Blutmengen ak 2,5 cicm bereit gehalten. A. empfiehlt aber für
die Praxis in erster Linie die 5 ccxn-Röhre zur Blutentnahme
und betont, dass diese Züchtungsmethode sich insbesondere für
die erste Typhuswoche — 96 bis 100% positiv! — eignet. „Wenn
sich der Brauch einbürgem möchte, sehr früh Blut anzoreichem
— und es genügen ja etwas mehr ak 2 ccm —, so wäre nach
unserer Erfahrung viel gewonnen, einmal für die T 3 rphasbe-
kämpfung und dann für Patient und Praxk, denn eine gaüze Zahl
Typhen mit irregulärem Beginn sind auf diese Weke s^on einer
erwünscht zeitigen angemessenen Behandlung zugeführt worden.
Auch die Truppen im Kriege und Frieden dürften Vorteile aus diesen
frühen Diagnosen imd der so bewegungsfähigen Methode ziehen,
welche dem Erkrankten selbst fern von der Untersuchungsstelle
zu folgen vermag.
18. Groedel, Nauheim: Zur AugestaltOAg der O^odia-
graphie.
Die erschwerte topographische Orientkrung und die Schwierig¬
keit, die Körpennitteilinie in exakter Weise einzttzdichnen, war
bisher noch ein Nachteil der direkten Aufzeichnung des Oithodia-
gramms auf die ebene Fläche. G. gibt ein Vwffahren an', das
diesen Mangel der Methode beseitigt. Die sicherste Methode zur
Bestimmung der Herzgrenze ist die Orthodiagraphie, wie de la
I Camp experimentell bewiesen hat. hat die exaktesten physi-
kaliscben Grundlagen, wie auch Guttmann zageben muss. „Wo
andere Unterauchungsmethoden versagen, arbeiten wir mit der
Orthodiagraphie besonders leicht (kkqhysem), Nor wenn durch
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1906.
MSDICINISGHfl WOCHE.
Vttdiabtaagan- der LuBgea- oder duck &gö 80 e das Lungetiteld
ia ^ofichster Nähe des Heraeehattens getrübt wird, kann die ortho-
dngr^hiacfae Untersuchtuag mehr oder weniger erschwert werden.
ferner kann man mit dem Oroedel’echen Apparate die Ueber-
tragung. des Oi^odiagrammes und der zur topographischen Orien-
tienmg notwendigui Linien auf die! ebene Flächd so exakt aus-
führen, dass man genaue Hessungen vornehmen kann.
WfenMT JiynlsGbe Wocbmohrift. I9ö6: No. 17.
1. Krans-und Fribram, Wien: Ueber Staphylokokkentoxin
und desMa Antitoxin.'
Ans .dieekn Versuchen geht hervor, dass einzelne Staphylokokken
auf der Höbe der HämotoziBproduktion neben denselben ein in Kul-
-turOltiate übergehendes echtes Toxin produzieronj das sich durch
edn. Antitoxin neutralisieren lässt und dessen Wirkung wahr-
scheinli<^ in einer direkten Sohädigna'g des Herzmuskels liegt.
2. y. Eisler, Wien.'ITe her die Eonsernenmg präzipitier6n>
der Sera auf Papier.
Heitdem das von Uhlenh.uthW'Bssermann und Schütze
isst gleichzeitig angegebene Verfahren rar Untersoheidnng ver>
Bcbiedener Blutarten in der forensischen Praxis so allgemeine Ver- '
breitung und Anerkennung gei'unden.hat, macht sich auch das Be¬
dürfnis geltend, die zur Blutuntersuchang notwendigen präzipitie-
mdeo Sera inein faoher und bequemer Weise ohne Einbusse ihrer
Wirksamkeit für längere Zeit anfbewahven za können. Vor kurzem
wurde die Trocknung agglutinierender Sera auf Papier von Berest-
neff empfohlen-. Er trocknetk das Semm auf Filtrierpapier von
Schleicher undSchüll. ZumTrocknen des Immnnserums ver-
wMdete V. £. aber sogenanntes Naturpnpier, das eine gewisse
Stärke haben muss, da sonst- beim Auftropfen des Serams ein
Teil desselben dur(^ickert, das, Papier muss schwarz sein. Die
Ausführung der Reaktion gestaltet sich äusserst einfach. Ein
soldies mit 0,1 ccm Immnnserum beschicktes Papierchen wird iu .
die zu untersuchende Blntlösung, resp. SeramverdUnnung (2 ccm)
gebracht und das eingetrocknete Serum durch Schütteln gelöst.
Die Xjösung erfolgt schon nach ca. einer Minute langem Schütteln,
worauf bei einem genügend hochwertigen Serum selbst in einer
10 000 fachen Verdünnnng des zu untersuchenden Blateiweis.sea
sofort eitle Trübung auftritt und zwar meistens auf dem Boden
der Eprouvette; wie es Uhlenhuth in seinen Vorschriften für
die Ausfühnmg der Keaktion angibt, da sich das gelöste Immun-
sernm zu Boden senkt. Die Kontröllproben bleiben vollständig
klar, Hs leistöt also ein derartiges eingstrocknetes Serum genau;
daseelbe wie das flüssige Serum, hat aber vor diesem ausser der,
langen Haltbarkeit noch den Vorteil voraus, dass es viel bequemer
9 u verschicken ist imd.ein grosses Ersparnis an Material gewähr¬
leistet. . -' '
3. Pfeiffer, (9^: Ü«hM dmi Einflnsa natorwuieiLsehaft-
lioher Erkeantnifft auf die äntliohe Sachventändigkeit.
Praktisdie und forensische Medicin brauchen sich oft garnicht
zu berühren nnd doöh kann ihre Entwickelung von einander ab-
hiagig sein.
4. Mattauschek, Wien: XTeber die forensisoke Beurteilung
akuter Bausohsnstände vom Standpunkte des KUitärstra^esetz*
Von den Rauschzuständen auf pathologischer Grundlage
Mtiw^ch und auch . fpreqsisch zu trennen - sind die pathologischen
Ranach zuatände üa engeren Sixme. Um EoUisionep zwischen
kKaisohftr AuAtssuog und den, Erfordernissen der militärgericht-
. Hohen Praxis zu vea^indem, erschmnt es zweckmäßig, in den
Sohlneseltaen des Gutachtens,, bezw. in der Beantwortung der
seitesm des Ijtoriohtes gesiegten Fragen den Gebrauch der Aus-
drü<^ „volle Beranscbong“, „VoUtrunkeuheit“, „sinnlose Be-
rsosohung^^, „pathologisehe Alkoholreaktion'* zu vermeiden und nur
von Kanschzuständen zu spre(dien, in ■ wel<dien der Täter sich seiner
Handlungen nicht bewusst war. Nur in jenen Fällen, in denen
die Bedingungen zur Annahme eines pathologischen Rauschzu¬
standes im engeren ^nne gegebmi sind, ist diese Bezeichnung zu
geb mm^ m und die Qualiflkation des Zustandes als Geisteskrank¬
heit ausdrücklich za betonen.
219
5.- MolL Prag: Zur leolmik der BieFsohen Hyperämie Iter
die ^handlung der Hastitis sehet vorläuflgeu Bemerkungen
über die Anwendung denelben zur Anregung der Hilehsekre-
tion.
Die sehr vereinfachte Technik besteht darin, däss zum Eva¬
kuieren der Mastitisglocke keine Spritze oder Säugpumpe, sondern
eine kleine Wasserstrahlluftpumpe benutzt wird. Eis hat dieses Ver¬
fahren den grossen Vorteil, dass das kranke und schmerzhafte
Organ unter gleichmäßigem und leichtem Zuge langsam in die
Glocke gezogen wird, sodass bei viel geringeren Schmerzen eine
stärkere und längerp Hyperämie erzeugt werden kann. Es ist die
Möglichkeit geboten, das Vakuum langsam und allmählich entstehen zu
lassen, was mit den Spritzen und üblichen Saugpampen, mit denen
bisher evakuiert wurde, in dieser Weise unmöglich war. Die
Bier’sche Hyperämie wurde in der Epstein’sohen Kinderklinik
nicht nur bei der Entzündung, sondern auch bei mangelnder
Milcbsekretion der Mamma bei inilcharmen Ammen, unter An¬
wendung dieses einfachen Verfahrens angewendet. Die ersten
Versuche sind zur Zufriedenheit aosgefallen. Dieselben wurden
gewöhnlich in der Weise durohgeführt, daw» die Glocke zwsi- bis
dreimal täglich durch je ^e Stunde an die Brust angeeetzt wurde.
Centralblatt für Chirurgfe. 1906. Nr. i u. 2 .
1. G. Drebmann, Breslau: Eine typische Erkrankong der
Achülesehne.
Verf. erklärt die handbreit über der Ferse auftretende
Sehnenentzündong durch Druck des Schuhwerks. Besonders beim
Erheben auf die Fussapitze und beim Beugen des Knies, Stel¬
lungen, die beim Bergsteigen und Radfahren besonders häofig ein¬
genommen werden, entfernt sich die Achillessehne von der Tibia
und wird dem entgegenstebenden Druck des Scbuhwerks besonders
ausgesetzt. Damit ist für Prophylaxe und Therapie ein bedeut¬
samer Wink gegeben.
2. R. V. Bavach, Lemberg: TendoTfl^initu aehillea arihri*
tioa als eine besondere Form der Aohillesselmenerkrankiuig.
Bei Rheumatikern und Gichtikem kommt es zu plötzlichen,
schmerzhaften Veränderungen an der Sehne, häufig mit Bildung
haselnussgrosser Knoten in der Nachbarschaft. Die Schmerzen
verschwinden meist nach spätestens 48 Stunden, während eine ge¬
wisse Unbehilfliohkeit beim Gehen noch. 2—3 Tage zorttckbleibt.
In leichten Fällen empfiehlt sich Massage, und Einreibung, bei
heftigeren Ruhigstellung der Sehne mittels Heftpflasterverband,
bei starker Entzündung essigsaore Tonerde, EUbeutel. Gegen das
Grundleiden ist nach bekannten Grundsätzen zu verfahren.
3. Albers-Schönberg, Hamburg: Ein HautSareom (mehrere
fünfmarkstückgrosse, nlcerierte Knoten) am Rücken eines 44jäh¬
rigen Mannes wurde durch Röntgenl^strahlung (alle 3 Tage je
6 Minuten) geheilt.
4. Franz Fink, Karlsbad: Zorn Oallensteinilens.
Mitteilung eines Falles von Gallensteinileus, der durch Ex¬
stirpation der Gallenblase mit den Componenten zur Heilung ge¬
langte.
Fortschritte der Medicin. 1906. Nr. 2 .
Denis G. Zesas: Die Eirsohi^rang’sche Ejankheit.
Der Besprechung liegt ein Material von 80 in der Literatur
, zerstreuten Fälle zugrunde. Die Krankheit, die im wesentlichen
I in einer Dilatation des Colon ohne nachweisbaren anatomischen
Grund besteht, beeilt vorzugsweise das männliche Geschlecht, und
tritt meist solKm in frühester Jugendzeit auf. Das klinische Bild
resümiert sich in zwei Hauptsymptomen: Verstopfung und Auf¬
treibung des Banchee. Der Zeitraum zwischen den Entleerungen,
die nur mtthsun und künstlidi erreicht werden, ist meist ein sehr
grosser. Neben der andauernd hartnäckigen Verstopfung findet
sich oft ein gehäufter Abgang von Winden, der mandunal den
Kranken von jeglichem Verkäir fernhält. Die Auftreibung des
Leibes ist meist eiilte beträchtliche; bei Kindern wurde öfters ein
Umfang von über 70 cm gemessen. Eine gesteigerte Peristaltik,
oft von kolikartigen Schmerzen begleitet, ist meist damit ver¬
gesellschaftet. Die Prognose ist eine sehr ernste; viele der
Patienten starben schon in jngendlidiem Alter. Was die Patho-
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M.BDICINS90HB WOCHB.
I^r. 19.
290
genetie dea Leldoua beti'iift, so iat, wenn auch in einem F^e bei
der Operation das Vorhandensein eines ventilartigen Hindernisses
durch die Passage des Darminhaltes nachgewiesen werden konnte,
die Krankheit doch wohl als eine kongenitale Missbildung des
Oolon, ais eine Art „Riesenwuchs^ zu beti^hten. Die Behandlung
kann eine interne und operative sein. Die interne Therapie er¬
streckt sich auf Regelung der Diät und des Stuhlganges, haupt¬
sächlich durch Dmmspälnngen, eventuell Massage und Elektrizität.
Bei den chirurgischen Maßnahmen kommt zunächst die diagnostische
Laparotomie in Betracht; de^^ weiteren die Enteroanastomose, die
Reaktion des erweiterten Dickdarmabschnittes, schliesslich die
Darmpunktion und die Colostomie. Mit diesen verschiedenen Ver¬
fahren sind vereinzelte Erfolge erzielt worden; welches das zweck¬
mäßigste ist, ist noch nidit entschieden; im allgemeinen wird wohl
die Wahl des einzuschlagenden Eingriffs nach den Verhältnissen
des einzelnen Falles zu entscheiden sein.
Bücherbesprechung.
W6yflandt. Dr. med. et phil., Robert, Wttrzburg. Loicllt
abnorme Kinder* Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Zunächst macht die Definition Schwierigkeiten. Zu den leicht
abnormen Kindern gehören die sogenannten Debilen, psychopathisch
Minderwertbigen, auch aus exogenen Gründen. Die Betrachtung
dieser Formen ist für den Psychiater aus mancherlei GrUnden
wichtig. Leider fehlt es an einem Kanon für die normalen psy¬
chischen Verhältnisse der Kinder. Zum Kindesalter gehören die
Jahre vom Sprechenlemen bis zur Pubertät. Es wird dann auf
die Äetiologie eingegängen; Material boten die Schüler der Wieder-
holongsklassen zu Mannheim: Schlechtes Beispiel, viele Kinder¬
krankheiten, Alkohol, dann Hydrocephalus, Microcephalie, Encepha¬
litis, Epilepsie, Trauma, Lues hereditaria; unsere Autoren wiesen
darauf hin, dass bei später an schweren Psychosen Erkrankenden
schon früh Abnormitäten sich zeigen; eine Besprechung der Symp¬
tomatologie und der Gnippiemng in sechs Gruppen 1. psychisch
abnorme Epileptiker, 2. leicht hysterische, 3. oonstitutionell-neu-
rasthenische, 4. Debilität, 5. die Haltlosen, Veraärtelten, Idiosyn-
kratischen, 6. leichtere Grade normalen Kretinismus, wird der
Therapie gedacht; den Schulärzten wird eine wesentitche Rolle
zugedacht; die Feststellung des Zustandsbildes nach Sommers
Prinzipien ist notwendig. Neben den Hilfsklassen sind die Förder¬
klassen nach Mannheimer System zu empfehlen. Näheres ist im
Original nachzulesen. Ik. G. Flatau, Berlin.
EntwioklanR der Sprache des Kindes und ihre
Stömhgen. Von Dr. Paul Maas, Aachen. Würzburger Ab¬
handlungen. 1905. V. 8. A. Stuber’s Verlag. Preis 76 Pf.
Auf wenigen Seiten wird das Wichtigste aus der Lehre der
Entwickelung der Sprache auseinandergesetzt; die Störungen:
Stottern, Poltern, Stammeln, die verschiedenen Arten des Sigma¬
tismus (Lispeln) werden beschrieben und die Therapie ausge¬
geben.
Das Heftchen ist für jeden Arzt sehr lesenswert.
Dr. G. Flatau, Berlin.
Ersuchen
an die deutschen Aerzte.
Die Breslauer dermatologische Vereinigung hat
beschlossen, Schritte zu tun, um von den Unfallversicherungs-
gesellscbaften bei
Syphilisinfektion im Berufe
für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu erlangen,
als bisher.
Die zur Zeit gütigen Versicherungsbedingungen entsprechen
gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den Interessen
der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedern der Vereinigung
Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berechtigt er¬
scheinende Entschädigungsansprüche der Aerzte von den Versiche-
rungsgeeellschatteu zurückgewiesen wurden oder aoe opter Scdiffie-
rigkeitei) geltend gemacht werden konnten.
Bevor die Breslauer dermatologische Ve^inigong mit Vor¬
schlägen hervortritt, in welcher Weise die Versieherungsbedisg-.
ungen abzuändem wären, richtet sie an die. deutschen Aerzte
dringend die Bitte, ihr diejenigen ihnen bekannten, Fälle mitzu¬
teilen, in welchen
1. die Anerkennung von beruflicher Syphilisin-
iektion als Ünfallsursaclie Abschluss der Uu-
fallvorsicherung zurüokgewieseir oder nur nnter hohem
Prämienzoschl^e bewilligt irade;
2. eine Ent8<diädigung für vorQber£(ehenden Verlast der
Arbeitskraft nach dem 400. fige seit der Entstehung
des Unfalles beanstandet wurde;
3. die Anerkennung von voraussichtlich lebensläng¬
licher Verminderung der Arbeitskraft, d. h.
von Invalidität auf Gm^ beruflicher Sypbüisi^ektion
verweigert wurde resp. erst erstritten werden musste.
Die Vereinigung erhucht, ^e Mitteilung der einschlägigen
Fälle — sowohl der erfolglos als audi der erfolgreich geltend ge¬
machten Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit
den Gesellschaften und etwaiger Schiedsgerichtsverhandlungen zu
ergänzen.
Nur auf Giniud genauer Kenntnisse über das Verhalten der
Versicherung^esellschaften in den einzelnen Fällen und auf Grund
eines reichhaltigen Materiales wird es möglich sein, in dieser für
die gesamte Aeizteschaft wichtigen Angelegenheit eine Besserung
zu erreicheu.
Die Vereinigung bittet, Zuschriften an den Unterzeichneten
Dr. Chotzen zu senden, welcher die Bearbeitung dieser iVage
übemommen hat. . Für strengste Geheimhaltung der mitgeteüten
persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet.
Breslauer dermatologisehe Vereiniguag.
Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen,
Geb. Medicinalrat, Breslau XVIII,
derzeitiger Vorsitzender. Laudsbergerstrasse I.
Vermischtes.
Lissabon. Der internationale medioinische Kongress in Lissabon
ist unter dem Präsidium des Königs von Portugal erOflhet worden.
Für Deutschland sprach Prof. Quincke. Die Herren Ehrlich
und Laveran erhielten den internationalen Preis. Der nächste
Kongress wird in Budapest atattfinden.
Bsiiln. Geh. Rat Prof. Sonnenburg ist zumEhrenmitgliede
der Gesellschaft der Aerzte Finnlands zu H^singfors ernannt worden.
Boiiin. Prof. Dtthrssen reist aqx 26, April auf zwei Monate
nach Amerika, um auf Einladung der amerikanischen gynäko¬
logischen Gesellschaft und der American Medical Association auf
den Kongressen dieser Gesellschaft V(U'träge zu halten und in den
Hospitälern von New-York, Chicago und anderen Städten seme
Operationsmethoden zu demonstrieren. Auch die Deutsche medi-
oinische Gesellschaft zu New-York bereitet im Verein mit der
Akademie für Medicin eine Festsitzung vor.
Borlln. Die „Versicherungakasse für die Aerzte
Deutschlands“ (auf Gegenseitigkeit) hielt am 20. A^rÜ d. J.,
dem Tage, an welchem sie vor nunmehr 26 Jahren gegrtlnd^
worden ist, in Berlin eine ausserordenÜiohe Delegiertenversannnlnng
ab. Aus dem Geschäftsberichte über das letzte Gesdiäft^^r ist
der das bisherige Wachstum erheblich ttbermflu^eitende Hehrsuwa^s
an Mitgliedern zu erwMinen; wie denn überhaupt eiu Rüokbli<dc
auf die Ziffern von 1895/96 im Laufe der letzten 10 Jahre eine
Verdreifachung der Mitgliederzahl, eine Vervierfachung des Kasseb-
vermögens, eine Versechsfaohxmg der Gesamtprämieneinnahme, aber
nur eine Vervierfachung der Schadenfälle ergibt.
Magdoburg. Privatdozent Dr. Arthur Keller in Magdeburg
ist zum leitenden Oberarzt der Säuglingsabteünng am Altstädter
Krankenhaose in Magdeburg ernannt worden.
Venntwortlicher RedakMur : Dr. P. Maiinier, BeiliaW, Sl, Knrf&rttenftr. Sl. — Verlaf tob Carl MarhoM, Hall# a. S.
Draek tob dar HajrBaMaaB’tciiaa BBcbdrackarol, Oabr WoUF, Halle a. 8.
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Medicinische Woche
Denttebmann,
Hanbnrg.
A. Dflbrtsen» A. Hoffa, E. Jacobi»
Berlin. Berlin. Prelburg 1. Bi
H. Seoator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Herausgegeben von
R. Kobert, M. Koeppen, K. Partgeh, H. Rogin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unveniebt, A. Vouins,
Magdeburg. Olessen.
Redaktion:
Berlin W, 62, KurfQrstenstrasse 81«
Dr. P MciCner
VD. Jahrgang, 14 . Mai 1906 . Nr. 20.
Die ,Med 1 cinische Woche* erscheint ieden Montag mit der tdtagigen Beilage BEln6Ol0giSCh6 CClltr&lzeitUng, Organ des Allgemeinen Deutschen
Baderverbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badearzte der Ostsee und kostet jahrllcb 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marh old in H all e a. S. entgegen. Inserate Werden fflr
die 4gespaitene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmäBigung ein.
Nachdruck der Orlglnal-Aufsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet-
Originalien.
Die Diät und deren Bedeutung zur Verhätung
von Krankheiten.
Von Dr. Müller, Hamburg.
Man wird leicht einsehen, dass bei solchen Kranken, die
klug genug sind, schon bei den geringsten Zeichen abnormen
Empfindens den Arzt zu konsultieren, die erfolgreichste Therapie
eingeschlagen werden kann. Was in diesen Verliältnissen zu
tun ißt, ersieht man sehr leicht, es sind das 2 Wege, welche
zusammen eingeechlt^en werden müssen, die aber auf ver¬
schiedenen Umwegen und Bahnen zu demselben Ziele führen.
Der eine Weg ist der, indem man den Organismus im allge¬
meinen behandelt, d. b. versucht, ihn in einen Zustand zu ver¬
setzen , in welchem er genügend Kraft zugeftihrt erhält, um
den Anforderungen, die an ihn gestellt werden, gerecht werden
zu können, indem man also Defizit von Kraftaufnahmo
und -leistung ausgleicht. Der andere Weg ist der, dass man
die Erankheitsprozesse beeinflusst, was entweder dadurch ge¬
schehen kann, dass man dem Organismus die Schutzstoffe
zuführt, welche er im Blute bilden muss, um die Krankheits¬
erreger vernichten zu können (Antitoxine), die er aber nicht
in genügendem Maße bilden kann, da iW eben die Kraft
fehlt (Heilserum etc.), oder dadurch, dass man chemische Körper
in das Blut bringt oder in die Organe, welche die Krankheits¬
erreger töten können (Antiseptica, Jod etc.). Diese beiden
Arten der Therapie haben sich schon seit jeher in der Medicin
ezeigt, man bat da die Diätetik and Pharmakologie etc. zu
eren Befolgung erfunden, in der Neuzeit die Organotherapie
etc. Immer sind diese beiden Wege in der Behandlung der
Krankheit die hauptsächlichsten, und erst in zweiter Linie
kommen die dem Arzte noch zur Verfügung stehenden Mittel
und Methoden, welche verschiedene Nebenleistungen tun, wir
versuchen die Körperkraft durch äussere Einwirkung zu heben
etc. Hierzu gehören Maßnahmen, welche der Arzt je nach
den verschiedenen Arten der Krankheiten und ihren variablen
Complikationen anwenden, wählen und ausführen muss. Immer
werden aber jene beiden die Hauptmethoden ärztlichen Wirkens
sein.
Die Diätiegelung ist eine sehr schwierige Frage und muss
fast in jedem einzelnen Falle besonders entschieden werden.
Wieviel man aber schon allein durch dieselbe tun kann, das
hat man an hunderten von Fällen schon erfahren und wird
'eder Arzt schon genügend erkannt haben, dies habe ich kürz-
ich wieder an einigen Fällen in recht auffälliger Art gesehen.
Die Nahrung, welche man einem solchen Patienten zuführen
will, muss verschiedenen Anforderungen gerecht werden, denn
erstens muss sie sehr konzentriert sein, sie muss einen hohen
Nährwert und Kraftwert besitzen, zweitens muss sie sehr leicht
verdaulich sein, so dass auch der Magen, der in mangelhafter
Tätigkeit sich befindet, dieselbe leicht assimilieren und die
zum Umsatz in Kraft gee^eten Bestandteile leicht in das
Blut überführen kann. Neben diesen Hauptanforderungen
müssen noch einige weniger wichtige beachtet werden, näm¬
lich die Nahrung muss bei hohem Gehalt an Kraft einen ge¬
ringen Raum einnehmen, muss wohlschmeckend und leicht em-
znnehmen sein. Alle diese Anforderungen bei der Ernährung
zu erfüllen, ist manchmal im Privathaushalt gar nicht leicht
wenn man nicht über unbegrenzte Geldmittel verfügt, man hat
daher, und auch aus einer Menge anderer Gründe, z. B. weil
der Laie die Nahrung nur schwer nach den Forderungen des
Arztes einrichten und herstellen wird, etc., künstliche Nälir-
mittel geschaffen, welche allen diesen Anforderungen genügen,
und d^er zu solcher Ernährung die geeignetsten Mittel dar-
Btellen. Es ist bei weitem be(}uemer, einfacher, billiger und
rascher getan, dem Kranken eine Mahlzeit aus einem künst¬
lichen Nährmittel herzustellen, als eine solche aus den Mitteln
der Rüche zusammenzustellen. Mit den künstlichen Nähr¬
mitteln führt man dem Kranken vor allen Dingen Eiweiss in
leicht assimilierbarer Form, Lecithin, Eisen zu, jene Bestand¬
teile, die besonders zum Aufbau und Lebensunterhalt der
Zelle dienen. Die Stoffe werden in dem mit einem Krank-
heitsprozess ringenden Organismus besonders gebraucht, und
namentlich das Eiweiss und Lecithin stellen die wichtigsten
Stoffe dar, aus denen der Organismus einerseits, das Nerven¬
system andererseits Kraft schöpfen. Vor allen Dingen muss
das Eiweiss in einer Form in dem Nährmittel entboten sein,
in der es leicht und rasch resorbiert wird. Wie viel man
durch die Nährmittel tun kann, wenn diese Bedingungen er¬
füllt sind, habe ich in einigen Fällen in der letzten Zeit wieder
einmal besonders deutlich gesehen.
Der eine von diesen I^len, den ich hier nur als Beweis
für das Gesagte und für die günstige Wirkung der verwendeten
Ernährungsform anführen will, ist folgender.
1. Ein Knabe B. aus K.-Steinbek wurde wegen seines ver¬
änderten Wesens, Schlappheit, Mattigkeit, mangelhaftem Appetit
etc. von der Mutter, die ich wegen eines Genitalleidens in Be¬
handlung hatte, zur Untersuchung auf den Gesundheitszustand
ebracht. Der Knabe stammt aus sehr belasteter Familie,
enn sein Vater ist an der Schwindsucht (Lungentuberkulose)
f estorben. Zudem befindet sich in der Familie zur Zeit eine
uberkuloseerkrankung, denn die 17jährige Schwester des
Knaben leidet an weit fortgeschrittener Phthise. Die Mutter
ist zur Zeit gesund, hat aber scheinbar kurz nach dem Tode
des ersten Mannes, dem Vater des Knaben, den sie jahrelang
pflegte, eine tuberkulöse Lungenaffektion durchgemacht, die
aber abheilte. Der Knabe ist 11 Jahre alt, kräftig gebaut,
gut genährt und war bis vor einigen Wochen ganz munter
und gesund, erst seit dieser Zeit isst der Knabe fast nichts
mehr, ausser etwas Brot, andere Speisen widerstehen ihm, er
klagt über Mattigkeit, schläft viel, spielt wenig mit den anderen
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222
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 20.
Kindern, ist, kurz gesagt, vollkommen in seinem Wesen ver¬
ändert.
Die Haltung ist krumm, die Brust ist eingezogen, das Aus¬
sehen des Knacken ist sonst normal, er ist gut genährt, der
Pannicuilus adiposus ist kräftig entwickelt, die Muskulatur ist
ebenfalls kräftig. Der Knochenbau stark. Die Brust ist breit,
aber flach, eingezogen. Die Schultern stehen hoch und nach
vorn. Bei gerader Haltung tritt aber die Brust mehr heraus.
Die Atmung ist beiderseits gleichmäßig. Der Thorax ist kurz
und wenig tief, die Lungen selbst smd vollkommen normal,
eine Dämpfung ist nirgends zu finden, überall ist normales,
reines, vesikuläres Atemgeräusch wahrnehmbar. Herz und
andere Organe sind ebenfalls gesund.
Dieser Befuud an dem Patienten war ein vollkommen
negativer, es fand sich nur eine stark belegte Zunge, aber
sonst war nichts weiter nachzuweisen. Der Knabe fühlte sich
auch nicht gerade krank, doch war er bisweilen besonders
müde und schläft dann plötzlich im Laufe des Tages einige
Stunden. Daneben ist vollkommener Widerwillen gegen das
Essen vorhanden, und es hilft da angeblich weder Strenge
noch gütiges Zureden, der Knabe kann mittags die üblichen
Gerichte nicht essen.
Die Diagnose, welche ich in diesem Fälle stellte, war:
beginnende Tuberkulose der Lungen. Zu dieser Diagnose
wurde ich veranlasst, weil der Patient erstens von seinem
Vater her erblich stark bezüglich der Tuberkulose belastet
war, zweitens in naher Gemeinschaft mit einer schwerkranken
lungentuberkulösen Schwester wohnte. Die den niederen
Stünden angehörenden Lebte besitzen nur 3 Räume, Wohn¬
zimmer, Küche und Schlafzimmer, in welchem ausser der
Fnm und ihrem Manne die tuberkulöse Tochter und der Knabe
schliefen. Bei diesem engen Zusammenleben ist es doch
selir wahrscheinlich, dass der hinsichtlich dem Tuberkelba-
zillns schon wenig widerstandsfähige Knabe schon von der Tu¬
berkulose affiziert war. Ein sicheres Zeichen ist der mangelnde
Appetit, die plötzlich seit einigen Wochen eingotretene Mattig¬
keit und Unlust zur Arbeit. Dabei fehlten aber jegliche ^mp-
tome wie Husten, Auswurf, Schmerzen etc. Da der Knabe
sonst gesund und kräftig entwickelt ist, so kann man annehmen,
dass me Lungen zuerst von den Tuberkelbazillen ergriffen
werden, und bereits eine Affektion bestehen musste, dies
Hess sich aus den übrigen Symptomen entnehmen. Es war
nun in diesem Falle vor allen Dingen notwendig, den Knaben
von der kranken Schwester zu trennen und dann zu ver¬
suchen durch geeiraete Lebensweise die Krankheit zu be¬
kämpfen. Die Einflüsse dieser kranken Person waren absolut
ungeeiguet für den Knaben, und es war die ewige'Gefahr,
falls derselbe noch nicht von der Tuberkulose heften war,
dass der disponierte Organismus infiziert würde. Ich vereuchte
nun noch durch allgemeine Kräftigung des O^anismus der
Krankheit entgegenzuarbeiten, und zu diesem ^ecke wurde
die Diät besonders scharf ins Auge gefasst Da der Appetit
mangelhaft war, so war'es von Anfang an klar, dass mit der
gewöhnlichen Nahrung keine besonders günstigen Erfolge zu
erzielen waren. Deshalb verordnete ich dem Kinde das künst¬
liche Nährmittel OddaM.R., ein Eliweiss-Lecithinpräparat von
hohem Nährwert und leichter Assimilierbarkeit. Diese OddaM. R.
wird mit Milch zu einem Getränk verarbeitet und erhält durch
Zusatz von wenig Zucker und ein geringes Quantum Salz
einen sehr angenehmen Geschmack, der fast dem der Schokolade
gleicht So wurden früh, mittags und abends je ein Elss-
löffel Odda M. R. mit Vi Liter Milch versetzt und dem Knaben
gegeben. Daneben sollte die Nahrungsaufnahme ganz dem
Willen und Wunsche des Knaben überlassen bleiben. — Der
Erfolg dieser Ernährung war ein geradezu überraschender.
Schon nach 8 Tagen berichtete mir die Mutter, dass der
Knabe jetzt ganz verändert sei, denn er habe schon einige
Tage nach dem Beginn der Kur viel besseren Appetit be¬
kommen und esse jetzt, was er vorher nie getan habe, das
ihm Vorgesetzte Mittagessen mit Lust und in grossen Mengen.
Dieser Erfolg war entschieden sehr gut, doch konnte derselbe
eventuell nur durch das neue Nährmittel hervorgerufen worden
sein, namentlich durch das neue in seiner Lebensgewohnbeit,
und man musste erwarten, dass mit der Zeit die Gewohnheit
den momentanen Erfolg vernichte. Solche Fälle kommen auch
oft vor, sind aber mehr bei hysterischen und neurastheniscben
Personen zu finden. Bei unserem Kranken hielt aber die
günstige Wirkung der Oddamedication an und die Besserung
schritt immer mehr vorwärts. Nach 14 Tagen hatte der Knabe
2 Pfund an Körpergewicht zugenommen und die alte Lebens¬
lust wiederbekommen, was schon daraus hervorgeht, dass er
seine Eltern bat, ihn doch in einen Turnverein eintreton za
lassen, damit er nicht „schief werde^, was ich ihm prophezeit
hatte, wenn er nicht besserer Haltung des Körpers sich be-
fieissigte. Um nun eine gerade kräftige Figur zu erhalten,
wollte er turnen, ein Plan, den ich entschieden begünstigte,
denn durch Turnen konnte dem Organismus nur gedient werden.
Der Knabe bekam nun die begonnene Diät weiter und ich
konnte zu meiner Freude sehen, wie aus dem vorher aof
Tuberkulose höchst verdächtigen und schwer erblich belasteten
E^naben ein kräftiger Bursche sich entwickelte, der sicher, falls
nicht irgend ein Zufall ihn wieder betrifft, dereinst einen
tüchtigen Soldat abgeben wird. Die Lungen sind nun nach
Swöch^entlicher Kur vollkommen gesund, und die Mattigkeit,
Feuilleton.
Medicinisclies von und über Goethe.
„Der Geist der Medicin ist leicht zu fassen; ihr durch¬
studiert die gross und kleine Welt, um es am Ende gehn zu
lassen, wie’s Gott gefallt. Vergebens dass ihr ringsum wissen¬
schaftlich schweift . . . “ So sagte, des trocknen Tones satt,
der Schalk Mephisto zum fragenden Schüler. Er fügt dann
jene mephistophelische Anweisung zur Praxis bei (doch der den
Augenblick ergreift, das ist der rechte Mann . . .; an Kühnheit
wird’s euch auch nicht fehlen, und wenn ihr euch nur selbst
vertraut, vertrauen euch die andern Seelen . . .), die den
Schüler ausrufen lässt: Das sieht schon besser aus! Man sieht
doch wo und wie. — Weniger bekannt als diese Verse aus
„Faust“ dürfte vielen sein, dass Goethe während seiner Juristen¬
zeit in Strassburg Medicin „studiert“ hat, nachdem schon seine
frühere Leipziger Tisch-Gesellschaft ihn auf medicinischo In¬
teressen und Studien hingelenkt hatte. Und nicht alle dürften
wissen, dass der Dichter neuerdings sogar ein „Studienobjekt“
der modernen Medicin geworden ist, indem man den Versucli
wagte, Goethes Persönlichkeit und gesamtes literarisches Schaffen
vom medicinischen und im besonderen vom psychiatrischen
Standpunkt aus zu mustern. —
Nicht nur ist es zunächst ein Arzt, Dr. Wilhelm Bode in
Weimar, der in einer besonderen Vierteljahrschrift „Stunden
mit Goethe“ (verlegt bei Mittler u. Sohn, Berlin, im Fotmat
etwa eines ärztlichen Taschenbuchs) des Dichtere Lebenswerte
der hastenden Gegenwart näher zu bringen bemüht ist, indem
er mehr Lesen von und über Goethe „verordnet“ und bezüg¬
lich des letzteren Punktes die richtige „Diagnose“ stellt, dass
es vor allem auf geniessbare Darlegung des Wissenswerten
ankomme, sondern wir haben auch nunmehr eine in gewissem
Sinne epochemachende medicinisch-literarische Studie aus der
Feder des bekannten Arztes Dr. J. P. Möbius-Leipzig in seiner
Pathographie über Goethe, die — anschliessend an me gleich¬
behandelten Rousseau, Schopenhauer u. s. w. — in zweiter
Auflage schon vorliegt (in den Möbius’schen „Ausgewählten
Werken“ bei J. A. Barth, Leipzig 2 Tie.).
Was den Aesthetikei'n, Literarhistorikern, Philologen, Philo¬
sophen, Naturforschern, Juristen und Theologen recht war, be¬
ansprucht Möbius für die Mediciner und Nervenärzte als billig.
Er will beweisen, dass der Biograph Sachverständige nötig
hat, unter denen der Psychiater eine wichtige Stelle einnimmt.
Wie der Seelenarzt ernstlich und gründUÄ sein Wissen für
die Erkenntnis gro.sser Menschen verwerten könne, soll daneben
auch den Fachgenossen gezeigt werden. Nicht ganz ohne Bitter-
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
223
Unlust zu Arbeit uod Spiel, sichtbare Abmagerung und der
deutlich nachweisbare Schwund von Kraft des Körpers und
Geistes sind einem vollkommen dem Alter entsprechenden
normalen Körper- und Geisteszustand gewichen. Neben der
Diät hatte ich nur ab und zu ein Bad, kalte Abreibungen
morgens und abends angeordnet. Das Körpergewicht hat in
den wenigen Wochen um 6 Pfund zugenommen.
Man ersieht aus diesem ('alle recht deutlich, wie viel
Nutzen das enerdsche Eingreifen zur rechten Zeit stiften kann.
Hätte in diesem Falle die Mutter des Knaben die Konsultation
des Arztes verschoben, wie es in solchen Fällen so häufig ge¬
schieht, so würde jedenfalls eine tuberkulöse LungenafieKtion
bei dem Knaben ausgebrochen sein, nur der rechtzeitigen Zu¬
fuhr von genügender Kraft ist es zu danken, dass dies ver¬
hütet wurde.
Ein anderer ähnlicher Fall betrifft einen jungen Mann
von 25 Jahren, der schon seit vielen Jahren an chronischer
langsam verlaufender Lungentuberkulose leidet, welche zwar
schon ziemlich hochgradig entwickelt war, aber doch durch
viele und lange Behandlungen in ein äusserst langsam ver¬
laufendes Stadium verwandelt werden konnte, eine vollkommene
Heilung war unmöglich. Der Kranke lebt nun schon seit 10
Jahren als Phthisiker. Vor 2 Jahren operierte ich ihn wegen
Tuberculosis testiculi dextri, und ’/j Jahr später wegen der
linksseitigen Affektion. Vor 4 Monaten kam er wieder zu
mir mit den Klagen über Nierenschmerzen mit kolikartigen
Anfällen in der rechten Niere, trübem Harn etc., kurz, das
ganze Bild deutete auf rechtsseitige Tuberkulose der Nieren.
Der Mann wog vor V 2 Jahr noch 111 Pfund und als er zu
mir kam, hatte er 10 Pfund abgenommen und sah sehr herunter¬
gekommen, matt, flau und krank aus. Er bekam alle 10 Tage
anfangs, dann alle 4 Tage Fieberanfälle bis 40 mit Nieren¬
koliken rechts und Abgang trüben Harnes, diese Fieber hielten
12 Stunden an, dann war der Kranke zwar noch sehr matt,
aber wieder besser. Das Bild ist also klar, es ist rechtsseitige
Pyclonephrose mit Tuberkulose vorhanden. Die Operation
wurde erwogen, doch sollte erst noch eine Kur versucht werden.
Ich behandelte die Nierenaffektion intern und richtete mein
Augenmerk besonders auf die Diät, denn der Kranke, der
immer früher sehr viel gegessen hatte, konnte jetzt fast nichts
mehr essen, war matt, flau und äusserst deprimierL Ich ver-
ordnete ihm neben einem Nierenmittel, über dessen Wirkung
etc. ich an anderer Steile berichten werde, 3mal täglich 2
Esslöffel Odda M. R. mit ^/a Liter Milch. Der Patient nahm dies
auch regelmäßig ein und der Erfolg war hervorragend, denn
die Nierenbehandlung hatte zur Folge, dass die Fieber voll¬
kommen ausblieben, dass der Ham weniger trüber war und
keit sind diese Programmpunkte aufgestellr. Als erster wuch¬
tiger Versuch dieser Art nat sein Buch jedenfalls das Interesse
für den grossen Meister wie für solche Probleme in Kreise
getragen, die bis dahin diesen Forschungen fremd geblieben
sind. In dem neu hinzugekommenen zweiten Band wird
(S. 69—208) auf Grund der Tagebücher, Briefe und Gespräche
eine wertvolle Zusammenstellung aller psychopathischen und
physiopathischen Zustände gegeben, denen Goethe von 1767
bis an sein Ende unterworfen gewesen ist. Da der Verfasser
bei dieser Arbeit das Gall’sche Schema zu Grunde legte, so
bringt der Schluss gewissermassen zur Rechtfertigung dieses
Verfahrens einen Aufsatz über Goethes Beziehungen zu Gail.
Der Hauptwert ruht auf dem ersten Teil (264 S.). der auch
die von Weisser bearbeitete Gall’sche Maske als Titelbild
bringt. Goethes Kenntnis psychopatisclier Zustände ergibt sich
aus einer Zergliederung der wichtigsten seelisch abnormen
Charaktere in den Dichtungen: Werther, Lila, Orest, Tasso,
der Harfenspieler, Mignon usw. Es wäre aber falsch, daraus
etwa auf eine besondere Vorliebe Goethes für Zeichnung ab¬
norm veranlagter Naturen za schliessen. Ihr häufiges Vor¬
kommen mag sich vielmehr daraus erklären, dass absolut nor¬
male Menscbennaturen überhaupt kein Vorwurf für künst
lerische Behandlung sein können. Möbius bringt auch eine
Skizze des Lebenslaufs Goethes mit besonderer Berücksichtigung
der Krankheitszustände, nervösen Störungen, gelegentlicher An-
die Schmerzen schwanden, während die Diät zunächst den
alten Appetit wieder hervorrief, nach 14tägigei* Behandlung
ass der kranke ebensoviel wie -früher, und er war wieder
lebenslustig und fühlte sich viel besser. Nach 6 Wochen hatte
er 4 Pfund zugenommen und fühlte sich wieder ganz gesund,
so dass er seinen Dienst als kleiner Beamter wieder aufnahm.
Der Erfolg in diesem Falle ist zwar keine Heilung, das ist
unmöglich, aber eine so hervorragende Besserung, dass man
erstaunt sein kann. Wenn auch viel durch die Behandlung
des Nierenleidens gebessert wurde, so war doch auch die
roborierende Diät in diesem Falle von hervorragender Bedeu¬
tung und hat einen grossen Anteil an dem vorzüglichen Erfolge.
Ein dritter Fall betraf einen Knaben, der in meine Be¬
handlung kam wegen beginnender Perityphlitis. Der Knabe
war 7 Jahre alt, aber äusserst schwach, zart gebaut, m^er
und blass. Die Perityphlitis war nur gering und im Beginn,
und zwar eine Folge chronischer Obstipaüon und bestand,
und einer Epit}mhlitis incipiens, die aber auf lokale Behand¬
lung verschwand. Der Knabe hatte sehr wenig Appetit, und
war sehr schwach und matt. Die Diät wurde deshalb so ein¬
gerichtet, dass er täglich 2 Esslöffel Odda M. R. erhielt Daneben
eine leicht verdauliche gewöhnliche Kost, nachdem die Epity-
phlitis abgebeilt war. Auch hier war schon nach wenigen
Tagen nach dem Beginn dieser Diät bedeutende Besserung des
Appetits zu konstatieren und Zunahme des Emährungs- und
Kräftezustandes. Nach einigen Wochen war der Kranke ge¬
sünder denn je, er war kräftig und gutgenährt, fühlte sich
kräftig und wohl.
Diese drei Fälle veranlassten mich, dies künstliche Nähr¬
mittel Odda M. R., welches sich hier so hervorragend bewährt
hatte, einer genauen Prüfungzu unterziehen und so nabe ich eine
grosse Anzahl von weiteren Experimenten und Untersuchungen
vorgenommen, die aber noch nicht vollkommen abgeschlossen
sind, so dass ich noch nicht über sie berichten kann. Nur
das habe ich erfahren und kann ich bis jetzt schon erkennen, dass
Odda M. R. eines der besten künstlichen Nähr- und Kräftigungs¬
mittel ist. Dasselbe enthält vor allen Dingen reichlich Eiweiss
und Phosphorsäuro, daneben Kalksalze und Kohlehydrate. Es
ist keine reine Eiweissnahruug, die man mit Odda M. R. verab¬
reicht. Ein weiterer Vorzug neben der guten Wirkung ist der
angenehme Geschmack, der vor allen Dingen in der Kinderpraxis
von besonderem Wert ist.
Diese drei Fälle zeigen recht deutlich, welchen enormen
Nutzen man durch die richtige Ordnung der Diät stiften kann
und wie ungeheuer wichtig bei der Behandlung chronischer
Konstitutionskraokheiten die kräftige Ernährung des Patienten
ist. Gerade die Tuberkulose ist unter diese Rubrik zu rechnen
Wandlungen von taedium vitae, genialischer Erregungen, des
weiteren einen Abschnitt über die „Periodizität“ im dichterischen
Schaffen, die tiefe und wundersame Einblicke in die Gedanken¬
werkstätte eines genialen Geistes gewährt. Der Schlussabschnitt
„die Familie“ entrollt in drastischer Weise die Tragik des
Geschicks, das über der Nachkommenschaft Goethes gewaltet
hat. — Über Christiane geh. Vulpius und die äussere und
innere EntwickluM ihrer Familie hat inzwischen mit ruhiger
Würde Dr. med. Walter Vulpiüs wertvolle Feststellungen
geliefert im zweiten Heft der BoJe’schen „Stunden mit Goethe.“
Dass Goethe geradezu hypermystische Anschauungen und
Neigungen gehabt habe — es wäre z. B. zu erinnern an Ma-
karie und an das unzweifelhaft einen sehr tiefen Sinn bergen¬
de Märchen —, behauptete jüngst Prof. Max Seiling, der
ihn in seinem Büchlein „Goethe und der Materialismus“
(Oswald Mutze, Leipzig, 1904) auch als einen der grössten
„Obskuranten“ für den Okkultismus vindiziert. Dass Goethe —
bei allem Studium der Medizin und seiner naturwissenschaft¬
lichen Beschäftigung — sich zum Primat und zu Selbständig¬
keit des Geistes bekannt hat, dass die persönliche Fortdauer
nach dem Tode für ihn über jeden Zweifel erhaben war; dass
er daneben Wiederverkörperung und Präexistenz annahm: dass
er von der Existenz eines Geisterreichs und einer ganzen über¬
sinnlichen Welt, des „grossen Doppelreichs“ fest überzeugt war;
und dass er als Okkultist in verschiedener Beziehung viel
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224
JIBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 20.
uud bei der eiiurmou Voibreiiung derselueu uuter den Mensclien
kann man sehr viel Unheil und Unglück verhüten, wenn man
schon im Anfang sachgemäß den Kranken behandelt. Man
ersieht aus den zwei erstgenannten Fällen, dass auch gegen
Tuberkulose auf diese Weise erfolgreich zu Felde gezogen
werden kann, und es ist in hunderten von ähnlichen Fällen
bereits erwiesen, dass die Tuberkulose im Anfangsstadium
heilbar ist Es ist auch diese Maßnahme die einzige Möglich¬
keit, welche uns gegeben ist, um dieser Erkrankung begegnen
zu können, nur leider nicht in allen Fällen, und man ersieht
daraus, wie der Organismus durch Zufuhr kräftigender Nah¬
rung seine natürlichen Sebutzstoffe gegen den Krankbeitspro-
zess bilden und in genügendem Maße bilden kann. Es ist nun
aber die Angabe des Arztes, in jedem einzelnen Falle die-
ienige Ernährung und Nahrung zu finden, welche dem Orga¬
nismus am dienlichsten ist, d. h. welche für den jeweiligen
Fall gerade diejenigen Stoffe dem Organismus zuführt, welche
zur Bildung der Schutzstoffe gegen die Krankheitserreger ge¬
eignet sind. Hier ist unser Wissen erschöpft und wir können
uns nur auf die Erfahrung verlassen. Es ist aber zweifellos
und jeder, der besonders die Diät und Ernährung seiner
Kranken studiert und beobachtet hat, wird dies auch vielfach
erfahren haben, dass nicht jede Ernährungsart und jede Nah¬
rung für alle Fälle dieser Art so geeignet ist, dass sie zur
genügenden Kräftigung und Stärkung des Organismus und
seiner Funktionen beitragen kann. Man sieht z. B. sehr oft
das eine künstliche Nährmittel in dem Falle vollkommen ver¬
sagen, während es in vielen ähnlichen Fällen vorzügliche Dienste
tat. Dies ist nur zu erklären durch verschiedene Beschaffen¬
heit und Zustände der Organe und Teile des Körpers. Man
muss da erst Erfahrungen sammeln und durch viele und inten¬
sive Untersuchungen und Beobachtungen zu entscheiden suchen,
worin diese wechselnden Verhältnisse begründet sind. Ich
habe diesem Punkte bereits seit Jahren meine Aufmerksamkeit
geschenkt, allein es genügen diese Beobachtungen noch nicht
zu einem Urteil. Es ist aber auch nicht so schlimm, denn
einesteils besitzen wir eine grosse Anzahl verschieden zu¬
sammengesetzter Nährmittel, andererseits wirken ein grosser
Teil der guten Mittel in den für sie geeigneten Fällen verhält¬
nismäßig sicher. Dass man aber individualisieren muss, und
nicht em und dasselbe Mittel in allen Fällen anwenden darf,
das gilt auch für die künstlichen Nährmittel. Hierüber werde
ich an anderer Stelle nähere Erörterungen anknüpfen.
weiter geht als die wissenschaftlichen Vertreter des Okkultis¬
mus (I^llenbach, du Frei, Zöllner, Brookes u. a.\ — glaubt
Seiling im grossen und ganzen ebenfalls unter Beweis
gestellt zu haben. Er protestiert deshalb energisch gegen die
Zusammenstellung von „Häckel und Goethe‘^ und dagegen, dass
sich Häckel in den „Welträtseln“ mit seinem „Monismus“ auf
Goethe berufen wolle (S. 3—48), und bringt zum Schluss eine
Menge von Zitaten und Belegen (50—145) als Beweise. Vor¬
sicht in ihrer Benutzung, um solch’ problematische Theorien zu
stützen, gebietet sich dabei allerdings von selbst. Die Viel¬
deutigkeit, besonders der dichterischen Erzeugnisse, verlockt zu
leicht, sie für den eigenen Standpunkt sprechen zu lassen: wie
ja auch Goethe tatsächlich auf diese Weise zum Vertreter des
Pantheismus wie Deismus, zum Anhänger und Leugner des
Unsterbliehkeitsglaubens, zum ausgesprochensten Okkultisten
wie zum Anhänger des hylogoistischen Materialismus Häckels
gestempelt werden könnte, und jeglicher —ismus Anspruch auf
Goethes Patronat machen dürfte. Eine förmliche Beschlag¬
nahme nach der einen oder anderen Richtung hiii wäre sicher¬
lich ein Fehler.
Wer sich tiefer in die Goethe’scheu Seelen-Probleme ver¬
senken will, den möchte ich — ausser dem genannten — noch
Hinweisen auf: „Goethes Charakter“, eine Seelenschilderung von
Robert Saitschick (Fr. Frommanns Verlag, Stuttgart). Vom
heutigen wisseuschaftiiehea Standpunkt aus ist „Goethe als
Sitzungsberichte.
Gea^lHchfrfl /Är GelmrishOlfe und Gynäkologie,
Sitzung vom 9. März 1906.
Vorsitzender: Herr Bumm.
DemonstratioDen : Herr Ol shauaen stellt als ausserordentliche
Seltenheit eine Kreisaende mit einem ante vulvam liegenden
Prolaps der Vagina und der cervix vor, der — obwohl schon er¬
heblich abgeschwollen — über KindskopfgnMs ist. Therapeutisch
beabsichtigt er, zunächst den Prolaps durch feuchte Umschläge etc.
weiter zu verkleinern, ihn nach Eintreten kräftigerer Wehen zu
reiwnieren und dann nach Möglichkeit die spontane Entbindung
allzuwarten.
Herr Heiusius demonstriert eine Kranke mit einem Tumor
der hinteren Urethralwand,
Herr Hartmann beendet seinen Vortrag über die Bildung
des unteren Uterinsegments. Seine Auslührungen haben nur theo¬
retisches Interesse.
Diskussion: Herren Rüge, Blumreich und Robert Meyer,
Sitzung vom 23. März 1906.
Vorsitzender: Herr Olshausen.
Herr Olshausen widmet dem verstorbenen Geh. San.-Rat
Dr. Beuske einen warmen Nachruf.
Herr Bröse: Endometritis atropbica purulenta foe-
tida.
Die beiden von B, beobachteten Fälle betrafen Greisinnen von
65 und 67 Jahren. Es bestand hei beiden ein dauernder, pro¬
fuser, eitriger Ausfluss von so penetrant foetidem Geruch, dass die
Patientinnen ihrer Umgebung lästig wurden. Der Muttermund war
für die Sonde gut durchgängig, nur manchmal wurde leichte Re¬
tention des Sekrets beobachtet. Natürlich bestand zunächst Ver¬
dacht auf Carcinom, besonders in dem einen der beiden Fälle, der
Wochen lang da.s für Corpuscarcinom charakteristische Symptom
der wehenartigen Schmerzen aufwies. Die Probeabrasio ergab in
lieiden Fällen Endometritis atropbica. In dem einen Fall war <lie
ganze' Schleimhaut in Granulationsgewebe umgewaodelt, in dem
anderen fand sich eine hochgradige interstitielle Endometritis mit
DrUsenschwund. Die bakteriologische Untersuchung des Sekrets
ergab nichts besonderes. B. schlägt vor, diese Form der Endo¬
metritis unter dem obigen Namen oder der Bezeichnung Hystero-
zaena besonders heranszubeben und betont ihre differentialdiag-
nostische Bedeutung gegenüber dem Carcinom und Sarcom. Die
Diagnose wird immer nur durch Probeabrasio zu stellen sein.
Therapeutisch empfehlen sich stark desinfizierende Ausspülungen
und Jodoformgazetamponade.
Denker“ dargestellt von Prof. Dr. Hermann Siebeck, Giessen
in Frommanns „Klassikern der Philosophie“ (herausg. von
Prof. Dr. Fa Icken berg-Erlangen). Ein Bnch för jeden ge¬
bildeten Deutschen nennt dagegen Heynacher „Goethes Philo-
.sophie aus seinen Werken“, von ihm mit ausführlicher Ein¬
leitung herausgegeben (bei Dürr, Leipzig 1905).
Doch nun zu Goethe selbst „als Mediciner“! Mitten unter
den anderen Fach-Aufsätzen dieser Zeitschrift bildet dies neue
Thema vielleicht eine erfrischende Abwechslung, zumal ich
wesentlich den Dichter selbst zu Wort kommen lassen mochte.
In der vielfachen Zerstreuung, ja Zerstückelung seines
Wesens und seiner Studien während des Aufenthaltes an der
Leipziger Universität 1765—68, da trafs sich, dass er bei
Hoirat Ludwig den Mittagstisch batte. Dieser war Medikus,
Botaniker, und die Gesellschaft bestand meist in angehenden
oder der Vollendung näheren Aerzten. „Ich hörte nun“, erzählt
Goethe im zweiten Teil von „Aus meinem Leben“, „in diesen
Stunden gar kein ander Gespräch als von Medicin oder Natur¬
historie, und meine Einbildungskraft wurde in ein ganz ander
Feld hinübergezogen. Die Namen Heller, LinnA Buffon hörte
ich mit grosser Verehrung nennen . . . Die Gegenstände waren
unterhaltend und bedeutend und spannten meine Aufmerksam¬
keit. Viele Benennungen und eine weitläufige Terminologie
wurden mir nach und nach bekannt“ . . .
_ (Fortaetzung^ folgt.)
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1906.
MEDICINISCÜE WOCHE.
225
Diskussion: Herr Saniter ist der Ansicht, dass es sich in
den beschriebenen Fällen nur um eine einfache und bei älteren
Frauen garnicht übermäßig seltene intermittierende Pyomena, die
zeitweise verschlossen war und dann wieder seoernierte, gehandelt
habe. Er hält deshalb auch eine besondere Nomenclatur für über¬
flüssig.
Herr Olshausen ist derselben Ansicht.
Herr Brösei, Schlusswort. B.bestreitet entschieden, dass es
sich in seinen Fällen um eine Pyomena gehandelt h.'ube, da der
Muttermund durchgängig war und dauernder Ausfluss bestand.
Wohl aber können aus derartigen Fällen eine Pyomena entstehen,
nämlich dann, wenn durch Zunahme des Granulatiunsgewebes der
innere Muttermund verschlossen wird. Diese Fälle sind mithin nicht
idwitisch mit Pyomena, sondern erklären das Entstehen einer
solchen auf Grund der primären Erkrankung des Elndometriums.
Herr Robert Meyer; Ueber die benigne choriale
Zellinvasion in die Uterus- und Tubenwand.
B. demonstriert mit dem Projektionsapparat 50 Mikrophoto¬
graphien , zeigt die Herkunft der eingewanderten Zellen von den
Chorionepithelien und bespricht ihre Bedeutung, besonders die
praktisch wichtige Möglichkeit einer Verwechslung derselben im
Gefolge von Plazentarretention mit malignem Chorionepitheliom.
AerzUicher Vere(/n in Harnfm/rg,
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 24. April 1906.
Vorsitzender: Herr Paschen.
I. Demonstrationen: 1. Herr Falke berichtet Über einen Fall
von einem verschluckten Knochen, der sich unterhalb des
Larynx festgespiesst und durch eitrige Mediastinitis zum Tode ge¬
führt hatte. Herrn Engelmanns Frage, ob die Aorta verlagert
gewesen sei, wird verneint. 2. Herr Fahr: „Ueber die Färb¬
barkeit der Tuberk el bazi llen bei verschiedenen Kon¬
servierungsmethoden.“ Aua Anlass der Schmorlschen Be¬
hauptung, die Siraraonds bestritten hat, dass Formalin die Färb¬
barkeit der Tuberkelbazillen zerstöre, hat der Vortragende Ver¬
suche an Präparaten angestellt, die mehrere Monate gelegen hatten
in a) 96%, b) absolutem Alkohol, c) 5%, d) 10% Formalinlösung,
e) Müllerscher Lösung, f) Kaiserlingscher Lösung, g) Sal¬
petersäuregemisch und h) Trichloressigsäure. Letztere beiden
Lösungen verändern das Gewebe bei längerem Aufenthalt stark,
doch behalten die Tuberkelbazillen noch ihre Färbbarkeit, wenn
schon die Kerne zerstört sind; sie verlieren sie erst, wenn die
ganze Struktur vernichtet ist. In allen anderen obengenannten
Lösungen, also auch in Formalin, behalten die Tuberkelbazillen
ihre Tingierbarkeit unverändert. Herr Reuter hat sich gewundert
in Schnitten häufig keine Tuberkelbazillen angetroffen zu haben,
wenn ausgesprochen tuberkulöse Veränderungen vorhanden gewesen
sind. Herr Fraenkel fragt, ob bei gewissen Konservierungs¬
methoden ein grösserer BazUlenreichtum vorhanden gewesen sei,
und entgegnet auf die letzte Frage, dass das eine häufige Beob¬
achtung sei, die in der Art der in dem einzelnen Falle vorhandenen
Tuberkulose begründet läge; so fände man z. B. in Schnitten von
Lupusgewebe stets auffallend wenig Bazillen. Die Koch-Ehr-
lichsche Färbemethode halte er für bei Weitem besser, als die
Zielsche. Herr Fahr bestätigt Fraenkels Ausführungen und
erinnert daran, dass auch in frischen Präparaten häufig bei stark-
tuberkulösen Veränderungen nur wenig Bazillen vorhanden seien.
3. Herr Fraenkel demonstriert die Harnorgane eines'45jährigen
Phthisikers, an denen makroskopisch eine symmetrische Ver¬
kalkung des vesikalen Endes des Ductuu deferens zu
erkennen war, Tn der Litteratur hat er nur einen gleichen von
Chiari beschriebenen Fall gefunden. Auf dem Röntgenbild sieht
die Verkalkung wie dicke Hörner aus, ausserdem zeigte das Büd
eine Mediaverkalkung der Beckenarterie und viele Phlebolithen,
Herr Simmonds hat schon 2—8 derartige Fälle gesehen, ohne
dass besonders stark ausgeprägte Arteriosclerose bestanden hätte;
in seinen Fällen war die Schleimhaut intakt, die Verkalkung sass
in der Wandung, die Entstehungsursache war unbekannt. 4. Herr
Paschen zeigt das Herz einer 75jährigen Frau, die ganz plötzlich an
Herzruptur zu Grunde gegangen war. Der Herzbeutel war straff
mit Blut gefüllt, an der Hinterseite des linken Ventrikels war eine
kleine Oeffnung vorhanden. Die Ursache der Ruptur war in diesem
Fall Erweichung, hervorgerufen durch eine thrombosierte Coronar-
arterie. Ferner zeigt er das Herz eines Mannes mit Aortenin-
sufficienz und enormer aneurysmatischer Aortener¬
weiterung. Herr Simmonds: Hämatoperioarde entstehen durch
Ruptur des Herzens oder eines Aneurysmas; er hat vor Kurzem
eine Obduktion gemacht, wo beides fehlte. Ein junger Mann, der
an chronischer Nephritis litt und häufig Retinalblutungen litte,
ging an einer Pneumonie zu Grunde. Der Herzbeutel war prall mit
Blut geftiUt; trotz sorgftltigster Untersuchung wurde ein Qeftlss-
riss nicht gefunden, wohl aber zeigten sich im Pericard verschiedene
rostfarbene Stellen, sodass wohl 8(^on vorher Blutungen stattge¬
funden hatten. Es handelte sich also in diesem Falle um eine
diffuse Blutung von der Oberfläche des Herzbeutels. , Herr Paschen
beantwortet Herrn Edlefsens Frage nach der Todesursache im
zweiten Falle, dass ein grosser Thrombus im Arcus aortae ge¬
funden wurde. Herr Fraenkel hat 2 ähnliche Fälle wie Herr
Simmonds gesehen; es gibt seiner Ansicht nach eine klinisch
idiopathisrhe hämorrhagische Pericarditis. Nach Herzruptur braucht
übrigens der Exitus nicht a tempo einzutreten. Herr Simmonds
entgegnet, dass in seinem Falle, soweit untersucht sei, sicher keine
Pericarditis vorhanden war. Herr Lochte hat einen Mann seziert,
dem 11 Stunden vor dem Tode ein schwerer Holzblock gegen die
Brust geschleudert war; ausser Rippeufrakturen fand sich am
rechten Herzohr eine nur borstengrosse Ruptur, die in Pericard
c. 400 g Blut hatte durchtreten lassen tmd zur Herztamponade
geführt hatte. 5. Herr Reuter: „Tuberkulose im Kindes¬
alter.“ a) Ein 11 wöchiger Säugling verstarb angeblich plötzlich.
Eis fanden sich ein käsiger Herd in einer Lungenspitze, Verkäsung
der Mediastinaldrüsen und in allen Organen miliare Knötchen.
Die Aussaat entstand zweifellos dadurch, dass eine Lungenvene ge¬
rade in den käsigen Herd in der Spitze mündete, b) ein 2jähriges
Kind ging an einer Diphtheritis zu Grunde. Ausserdem fanden sich
tuberkulöse Geschwüre im Blinddarm und im unteren Dünndarm;
die benachbarten Drüsen waren geschwollen. Es handelt sich hier¬
bei um eine zweifellose Fülterungstuberkulose. c) Ein anderes Kind
war an einer Masempneumonie verstorben: die stark vergrösserte
Thymusdrüse entleerte auf Druck käsigen Eäter, sonst war keinerlei
Tuberkulose nachweisbar, auch Erstickungstod war nicht vorhanden
gewesen, d) Ein viertes Kind zeigte eine tuberkulöse Endocar-
ditis der Mitralis und beiderseitige Otitis media, ferner in der
linken Hemisphäre einen Solitärtuberkel, e) Bei einem an Basilar-
meningitis verstorbenen Kinde fand sich eine rechtsseitige apo-
plectische Blutung, das blutende Geföss fand sich nicht, doch war
es zweifellos eine Blutung des Plexus oder der Vena magna. Bei
Erörterung der Frage, ob die Tuberkulose im ersten Falle er¬
worben oder angeboren sei, meint Herr Simmonds, dass die
Wahrscheinlichkeit für eine heriditäre Belastung spre(flje, obwohl
Herr Reuter hierüber keinen sicheren Aufschluss geben kann.
n. Vortrag des Herrn Simmonds: „Zur Pathologie des
Ductus Botalli.“ Vortragender berichtet Über sackförmige
Aneurysmen der Aorta, die hart am Ductus Botalli gesessen hatten,
und die als Aneurysmen des Ductus aufgefasst worden wären, wenn
nicht mikroskopisch dieser in der Sackwand angetroffen wäre. In
beiden Fällen handelte es sich dabei um jüngere, mit Syphilis be¬
haftete Individuen. Vortragender weist dann darauf hin, dass so¬
wohl bei Persistenz des Ductus Botalli, wie auch bei normalem
Schluss desselben öfters an der Aorta flache oder tiefere Aus¬
buchtungen an der Mündungsstelle verkommen, dass diese in höheren
Graden Aneurysmen bilden — sogenannte Traktionsaneurysmen
nach Thoma, — welche ebenfalls mit Ductuseneurysmen verwechselt
worden sind. Die überwiegende Mehrzahl aller als Aneurysma
Ductus Botalli publizierten Fälle sind nur Aortenaneurysmen in
der Nachbarschaft des Ductus Botalli gewesen. Schönewald.
Schlesische Ges^l^ihaft,
Sitzung vom 9. Februar 1906.'
1. Prof. Uhthoff: Krankendem on s tration zur Oph¬
tha lmople|giR extern a.
Bei dem vorgestellten Patienten besteht die Krankheit seit
iVt Jahren unverändert; die Lider sind halb geschlossen, irgend
welche^Bewegung'ist unmöglich, die innere Augenmuskulatur ist
ganz intakt, ophthalmoskopisch ist nichts zu sehen. Der Vor-
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226
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr 20.
tragende hat aus der Literatur über 400 Fälle zusammengestellt,
und zwar acute, subacute und chronische. Die Ersteren entstehen
durch Intoxieation oder Infektion, von den Letzteren waren: 1. ganz
isolierte Krankheitsbüder, 29 Fälle; 2. kompliziert mit Tabes, Para¬
lyse, 101 Fälle; 3. mit kombinierten Systemerkrankungen (Syring¬
omyelie), 9 Fälle; 4. gleichzeitig mit Bulbär-Erscheinungen, 40 Fälle;
5. mit Basedow, 13 Fälle; 6. bei Diabetes, 8 Fälle; 7. bei Poly¬
neuritis. 11 Fälle.
Die Prognose ist abhängig vom Alter. In der Jugend, allen¬
falls im n. oder III. Dezennium ist sie günstig, bei älteren
Patienten oder mit spezifischer Anamnese ist sie schlechter.
2. Prof. Herle: Kriegschirurgische Erfahrungen in
Japan.
Als der Vortragende im Februar v. J. in Tokio anlangte, um
die Leitung der neu einzurichtenden Rote-Kreuzstation zu über¬
nehmen, erlebte er eine grosse Enttäuschung. In den Telegrammen
war von 100 Betten und einem Genesungsheim für weitere 50
Patienten die Rede gewesen; er konnte aber nur alles in allem
unter Zuhilfenahme der Villa Moste 44 Betten aufstellen, für die
er ein Wärterpersonal, einschliesslich zwei japanischer Aerzte und
eines Apothekers, von 36 Personen zur Verfügung hatte. In der
Nachbarschaft befand sich ein japanisches Lazaret mit 3000 Betten,
das aber nur mit 150 bis 200 (meist inneren) Kranken belegt
war. Denn so lange die russische Flotte noch bestand, konnte der
Verwundetentransport nur in geringem Masse stattfinden und die
Kranken mussten auf dem Festlande bleiben. Die japanischen
Baracken waren grösser und boten dem Einzelnen auch mehr
Baum; ferner hatten sie auch grosse Bodenräume, um die
Sounenwärme abzuhalten; H. Hess zu diesem Zweck Strohdächer
darüber anbringen. Oefen war nicht nötig, Beleuchtung bestand
in elektrischem Licht, die Möbel, die zumeist dort angeschaff't
wurden, waren aus Holz und wurden mit ausgekochten, sterilen
Tüchern bedeckt. Die Wimdbehandlung wurde nach Mikulicz ge-
handhabtr Zur Desinfektion wurde Seifenspiritus ohne Wasser an¬
gewandt, und zwar bis auf einen kleinen Misserfolg mit sehr guten
Heilresultaten. Bei allen septischen Prozessen wurden Handschuhe,
ebenso Mütze, Binde und Aermel gebraucht. Zur Narkose wurde
fast immer Aether (mit Morph. Inj.), nur in zwei Fällen Chloro¬
form genommen; der Verlauf war, trotzdem der Alkoholgenuss,
bis auf Reiswein, dort ganz unbekannt ist, kein sehr guter. Bier-
sche Stauung- und Heissluftbehandlung wurden vielfach verwendet.
Die Ilöntgerie war das Schmerzenskind; zunächst war gar kein
elektr. Strom vorhanden, dann der sehr ungeeignete Wechselstrom,
schliesslich bekam er eigene Dynamo-Maschinen die aber anfangs
vollständig versagten; erst im Jnni klappte alles, und es konnten
noch 500 Aufnahmen gemacht werden.
Behandelt wurden im ganzen nur 272 Patienten, dagegen
war die Zahl der Verpflegungstage 19840. Die Kranken blieben
darum so lange dort, weil es sich zumeist um schwere Fälle
handelte, welche die Japaner in Anerkennung der chirurgischen
Ueberlegenheit des deutschen Operateurs ihm ausgesucht hatten,
dann aber auch, weil sie bei der Entlassung wegen der bestehenden
Invaliditätsgesetzgebung sehr schwerfällig sind.
Die anamnestische Angaben der Verletzten stimmten meist
nicht; gewöhnlich wurden als Krankheitssyraptome angegeben:
Haemoptoe, Blasenblutung, Kopfschmerz oder Gedächtnisschwäche,
je nach der Lokalisation der Verletzung, aber durch Böntgen-
bilder wurde oft die Unrichtigkeit der Angaben festgestellt.
Knochen-Atrophie trat .sehr häufig auf; alle Kranken liefen
mit Krücken herum und konnten davon nicht abgebracht werden.
Frische Fälle kamen überhaupt nicht zur Behandlung, der jüngste
war ein IV 2 Monat alt, die meisten aber viel älter. Es wurden im
ganzen 120 Operationen ausgeführt.
Die modernste Verletzung ist die der Gefässe und Nerven.
Aneurysmen hat H. sechsmal operiert, und zwar hat er zunächst
nach der Resektion versucht, beide Stümpfe zu vereinigen, die
Unterbindung hatte nie geschadet, da sich schon vorher ein Colla-
teral - Kreislauf ausgebildet hatte; auch Gangrän trat nie ein. Es
mus.ste nur genau beobachtet werden, damit bei Gefahr der Nerv-
Atrophie durch Kompressen gleich eingegrifien werden konnte. —
Trei)anationen wurden ^dreimal ausgeführt; bei einer Anzahl von
Wirbolsiiulensrhüssen mu.4sten die Projektile entfernt werden, wegen
der Gefahr der Lähmung, Die Ortsbestimmung wurde durch melir-
fache Aufnahmen (Stereoskop-Bilder) gewonnen. — 30 Fälle von
Verletzten der peripheren Nerven kamen vor, von denen drei
wegen Aussichtslosigkeit nicht operiert wurden, da sie zu spät in
Behandlung gekommen waren, in den anderen Fällen (es handelte
sich um Neuralgien und Lähmungen) wurden entweder Resektionen
gemacht, oder von intakten Nerven Lappen für einen verletzten
abgenommen, oft worden noch Fettlappen um den Nerv gelegt,
um ihn weich zu betten. Die Erfolge waren alle gut.
Das grösste Kontingent stellten die Knochenverletzungen:
Schussfrakturen mit Splitterungen und glatte Frakturen (Loch-
schüsse), letztere in den weicheren Epiphysen. Ursachen der Eite¬
rungen waren Kleiderfetzen usw. und Sequester (27 Seqnestroto-
mien); in einigen Fällen waren ausgedehnte Knochendefekte, in
deren Folge P.seudarthrosen entstanden, die meist schlechte Heil¬
resultate lieferten, in drei Fällen von Kiefer - Pseudarthrose war
der Erfolg einmal positiv, einmal negativ und einmal w’enigsteiis
kosmetisch zufriedenstellend, was aber bei den Reisessem nicht
schwer ins Gewicht fiel. Amputationen wurden nur wenig aus¬
geführt. In den Lungen sind viel Projektile eingeheilt; manch¬
mal traten später Blutungen oder auch Empyeme auf. Verletzungen
der Baucheingeweide sind gar nicht vorgekommen, aus der Bauch¬
höhle sind einige Geschosse durch Laparotomie entfernt worden.
Im Ganzen wurden bei 99 Patienten 68 Projektile beseitigt, ln
einzelnen Fälle von reaktionsfester Einheilung waren die Kugeln
doch von Eiter umgeben, in dem aber Bakterien nicht nachweis¬
bar waren. Resultate waren: von 272 Patienten, geheilt 112, ge¬
bessert 54, ungeheilt 22, vorübergehend nur zur Feststellung
der Diagnose anwesend 94.
Bis 14 Tage vor der Abreise war kein Todesfall vorgekommen,
dann starb ein Patient an Herzschwäche nach einer Cbaolelithisis-
Operation, nachdem er vorher ein Bad von 50'' C. genommen hatte.
F. Peritz.
Ma/nnheimer Aerzteverein,
Sitzung vom 26. III. 1906.
Jaküby: Zur Behandlung der Dysmenorrhoe.
In der Mehrzahl der Fälle ist die Dysmenorrhoe keine selbst¬
ständige Erkranking, sondern eine Erscheinungsform der Menstru¬
ation, ein Symptom, welchem die verschiedenartigsten Ursachen zu
Grunde liegen können. Dies sind Erkrankungen des Uterus, der
Tuben, der Ovarien, des serösen üeberzuges dieser Organe sowie
des Beckenbiudegewebes. Es bestehen bei dieser Form der Dys¬
menorrhoe auch ausserhalb der Menses Beschwerden, es lässt sich
oft ein Zusammenhang mit einer Infektion nachweisen und die
Behandlung ist durch die Beseitigung des Grundübels gegeben.
Teilhaber hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Dysmenorrhoe
häufig auch eine idiopathische Erkrankung sei, denn 1. findet man
die Dysmenorrhoe weitaus am häufigsten bei jungen Frauen und
Mädchen, die nie geboren haben, sehr oft bei Virgines intactae,
während doch die anatomischen Veränderungen umgekehrt weit
häufiger hei Deflorierten als bei Virgines viel zahlreicher bei Frauen
die geboren, als bei jungen Nulliparis sind; 2. wechselt Grad und
Stärke der Dysmenorrhoe bei derselben Frau in verschiedenen Monaten
bei ganz gleich lileibenden anatomischen Verhältnissen der Geni¬
talien; 3. bewirkt ein Wechsel des Aufenthaltsortes der Patien¬
tinnen ein Ausbleiben der Dysmenorrhoe und 4, spricht auch der
Umstand, dass die Dysmenorrhoe bei gleichen örtlichen Erkran¬
kungen und Abnormitäten .sowohl vorhanden sein wie auch fehlen
kann, dafür, .dass in diesen der hauptsächlichste Grund für ihre
Entstehung häufig nicht gefunden werden kann. Als weiteren
Beweis für die idiopathische Dysmenorrhoe führt Vortragender
den an, das.s man der Dysmenorrhoe besonders häufig bei jungen
chlorotisehen Individuen begegnet, bei denen jegliche anatomische
Veränderung an den Genitalien fehlt. Charakteristisch für diese
Art der Dysmenorrhoe sind rhytmisch auftretende, kolikartige
Schmerzen verbunden mit mehr oder weniger starken Blutungen;
die Schmerzen sind streng an die Menses gebunden und hören in
der Regel auf, wenn die Blutung gut im Gange ist. Die Behand¬
lung der Dysmenorrhoe als Symptom eines bestehenden Leidens,
hat sich zunächst auf die Beseitigung des Grundübels zu beziehen;
ist sie lediglich Folge de.ssellien, so wird die eingeschlagene Therapie
aucli von Erfolg l)egleitet .sein. Die idioj)athis»'he Form der Dysme¬
norrhoe bietet oft jeder Aiü der Behandlung Trotz, daher die Mannig-
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1006 .
MEDICINISCHE WOCHE.
227
faltigkeit der angepriesenen Heilmittel. Vortragender erwähnt
Autipjrrin, Bromkali, Extr. Viburopromifol, Apiol, Manganpräparate.
elektrische Behandlung und die Bepinselung bezw. Aetzung der
vorderen Enden der unteren Nasenmuscheln und des Tuberculum
septi nach Fliess. Als neues, sehr zuverlässiges Mittel gegen
Dysmenorrhoe empfiehlt J. relativ hohe Dosen von Styptol, dem
phthalsauren Salz des Cotarnins, welches in den letzten Jahren
besonders gegen Unterusblutungen empfohlen worden ist. J. hat
dieses Mittel in ca. 60 Fällen von Dysmenorrhoe angewandt und
sich stets von der prompten Wirkung überzeugen können. Es
kommt in Form von roten Tabletten in Originalröhrchen zu 20
Stück ä 0,05 gr in den Handel. Es ist ausgezeichnet durch seine
Doppelwirkung; es bekämpft Gebärmutterblutungen, wirkt also
styptisch und ausserdem hat es eine deutliche sedative Wirkung.
Diese EUgenschaften sind teils durch eine Anzahl Experimente
verschiedener Autoren, wie durch reichliche Erfahrung nachgewiesen
worden. Die styptische Dosis liegt niedriger als die sedative. Das
Mittel kann aber in verhältnismäßig hohen Dosen gegeben werden,
da irgend welche toxische Wirkungen beim Gebrauch des Styptols
bisher überhaupt noch nicht nachgewiesen worden sind. Man ver¬
ordnet am besten 3—4X2 — 3 Tabl. ä 0,05 gr p. d. Mit dem
Gebrauch des Styptols ist schon einige Tage vor Beginn der dysme-
norrhoischenBescWerden zu beginnen; dasselbe ist dann während
der Dauer der Blutung weiter zu nehmen, dadurch werden sowohl
die Schmerzen wie auch Stärke und Dauer der Blutung wesentlich
beeinflusst. Bei gleichzeitig bestehender Chlorose wird in der
intermenstruellen Zeit ein blutbildendes Mittel verbunden mit einer
Milchkur gegeben; ersteres kommt bei Gebrauch des Styptols, also
vor Beginn der Menses in Wegfall. Styptol zeichnet sich ferner
durch grosse Billigkeit aus, ein Originalröhrchen kostet 0,80 M.
Autoreferat.
Kongressbericht.
35. Kongress der JDeiUschen GesellscJiaft
für Chirurgie.
4.-7. April 1906.
n. Verhandlungstag.
Hr. Krönlein-Zürich: Zur Chirurgie des Magenge¬
schwürs.
Seitdem Leube auf dem Chirurgenkongress 1897 in seinem
Vortrage über die Behandlung des Magengeschwürs auf Grund
seiner Erfahrungen zu dem Resultat gelangt war, dass er bei seiner
konsequent duvchgeführten Behandlungsweise nur in ca. 8% der
Fälle keine volle Heilung erzielt habe bei nur 2,5% TodesfklJen,
sei die chirurgische Behandlung des Magengeschwürs stark in den
Hintergrund getreten. Indessen die Zahlen Leube’s berück¬
sichtigten nur die unmittelbaren Ergebnisse der Behandlung, nicht
aber die Pernresultate. Erst in neuerer Zeit seien zwei Arbeiten
erschienen, welche sich mit der Feststellung der Dauerresultate
bei interner Behandlung beschäftigten, von Warren in Boston
und von J. Schulz in Breslau. Der erstere habe an 125 von
im ganzen 187 Patienten Nachforschungen anstellen können. Von
diesen 125 seien 45 geheilt geblieben, 54 mal sei ein Rezidiv auf¬
getreten. An Perforation sei der Tod 6mal, an Ulcuscarcinoin
5 mal aufgetreten. Im ganzen habe er in der Fälle erfreuliche
Resultate, in der Fälle Misserfolge erzielt. J. Schulz hat von
291 Kranken 157 nach untersuchen können. Bei diesen habe er
in 77% nachhaltige gute Erfolge erzielt, während er in 23%
Misserfolge zu beklagen habe. Von seinem eigenen Material
berichtet Kr,, da.ss bis auf 5 alle nachuntersucht werden konnten,
dass die Mehrzahl der Patienten bereits einer langdauernden internen
Therapie unterzogen war, bevor sie zur chirurgischen Behandlung
kamen, dass sie durchschnittlich mehr als 5 Jahre an ihrem Ulcus
litten. Die Diagnose ist fast in allen Fällen mit Sicherheit ge¬
stellt gewesen. Er habe im ganzen an 101 Fällen 112 Operationen
au-sgeführt. Von seinen Ulcuspatienten seien 87 geheilt worden,
während er 14 TodesflUle zu beklagen hatte. Die mittelliaren
Operation.sresnltate liatten .sich so gestaltet, »biss l)ei 112 Ope¬
rationen 98 gilt verlaufen waren, während 14mal ein tötlioher
Ausgang erfolgte. Bei seinen Nachuntersuchungen habe er nur die
Patienten berücksichtigt, die bis zum Dezember 1904 zur Operation
gelangt seien; unter diesen 72 Fällen konnte er über 67 Nach¬
richten erlangen, und zwar seien 41 Fälle völlig geheilt und 16
gebessert gewesen; 8 haben die Operation zwar überstanden, sind
aber ungeheilt geblieben, und 2 sind gestorben; er habe also in
157 Fällen = 85% gute Erfolge, in 10 Fällen =«■ 15% Misser¬
folge gehabt. Für die Normalmethode der Operation erklärt er die
Gastroenterostomie, und zwar die Gastroeuterostomia retrocolica
postica nach v. Hacker, bei der er unter 89 Fällen 79 Heilungen
erzielt hat, während 10 Fälle gestorben sind. Die Exzision des
Magengeschwürs soll dagegen nur ganz ausnahmsweise gemacht
werden, zumal das Magengeschwür häufig multipel auftritt, und
auch die Exzesion das Auftreten von Rezidiven nicht verhindert,
ebenso ist die Indikation' für die Pylorusresektion nur sehr selten
gegeben, wenn die Induration des Geschwürs den Verdacht auf
Carcinom erweckt; die Gastrolyse und die Pyloropla.stik ist nach
den jetzigen Erfahrungen nicht mehr gerechtfertigt. Die Indikation
für ein operatives Eingreifen überhaupt hält Kr. dann für ge¬
geben, wenn eine konsequente, eventuell wiederholte kurmäßige
innere Behandlung keinen Erfolg gibt; ferner bei nachgewiesener
Pylorusstenose, bei motorischer Insuffizenz, die durch interne Therapie
nicht beeinflusst werden kann; bei wiederholten kleineren Blutungen,
bei einmaligen starken Hämorrhagien, hier jedoch erst dann, wenn
der Kranke sich von dem Blutverlust etwas erholt hat.
Die Frühoperation des einfachen Magengeschwürs erklärt der
Redner jedoch für gänzlich, unberechtigt.
Hr. Rydigier-Lemberg tritt im Gegensatz zu dem Vor¬
tragenden für die Resectio pylori bezw. die Exzision des Ulcus ein.
Die Multiplizität des Ulcus sei nur selten, auch könne auf der
Basis des Ulcus leicht ein Carcinom entstehen; endlich sei die
Mortalität bei der Resektion wegen Ulcus nicht wesentlich grösser
als bei der Gastroenterostomie. Schliesslich stellt E. die Patientin
vor, bei der er vor 25 Jahren zum ersten Male die Resectio pylori
wegen Ulcus ausgeführt habe, die seitdem sich einer sehr guten
Gesundheit erfreut habe.
Hr, Kümmel-Hamburg stimmt mit dem Vortragenden in be¬
zug auf die Indikationsstollung und aut die Therapie überein und
betont noch besonders, dass eine sorgfältige Ernährung der Patienten,
die meistens in sehr elendem Zustande zur Operation kämen, er¬
forderlich i.st. Er beginnt die Ernährung der Operierten gleich
nach der Operation mit Eiern und Milch. Die Nonnaloperation
war auch für ihn die Gastroenterostomie, die er 60mal unter 80
Operationen ausgeführt hat; 6 Todesfälle. Von den 14 wegen
hinterer Perforation Operierten sind nur diejenigen durchgekommen,
die in den ersten 15 Stunden nach der Perforation operiert wurden.
Zum Schluss erwähnt er die Bedeutung der Röntgenunter¬
suchung, die die Unterscheidung von Ulcus und Carcinom ermög¬
lichen.
Hr. Kelling-Dresden berichtet über 74 operativ behandelte
Fälle von Ulcus ventriculi, bei denen er die verschiedensten Ope¬
rationsverfahren angewendet hat; die Mehrzahl jedoch wurde mit
Gastroenterostomie behandelt. Was die Dauerresultate anlangt, so
hatten 6 Patienten ein Ulcusrezidiv, 6 litten an neurasthenischen
Beschwerden ; 2 mal sei später auf dem Boden des Ulcus ein Carcinom
gewachsen.
Hr, Kocher-Bern bestätigt die Angaben Krönlein’s. Er
verfügt über 92 Fälle von Gastroenteroanastomose. Die unmittel¬
baren Resultate waren sehr günstige, da nur 3 Patienten starben,
davon 2 an Ulcusbliitungen. Für die Ueberlebenden ergab sich
eine spätere Mortalität von 4,2%. Die Gastroenteroanastomie
ist die Normalmethode, die Resektion wird nur bei Verdacht auf
Carcinom ausgeführt. Von den verschiedenen Operationsverfahren
hat ihm die einfachste Methode die besten Resultate gegeben, näm¬
lich die Gastroenteroanastomia antecolica anterior; dann folgt die
retrocolica inferior nach v. Hacker. Die einfachen Methoden
wirkten besser, weil sie am wenigsten zu Verwachsungen führten.
Hr. Kau sch-Schöneberg stimmt Krönlein zu in bezug auf
die Indikation, tritt jedoch lebhaft für die Gastrolysis und die
Pyloroplastik ein. Auch wendet er gelegentlich die Gastroduodenos-
toinie lateralis nach Kocher an; den Murphyknopf verwirft er.
Hr. N 0 et z el - KranUfiirt a. M. P e r fo j-i e rt e Magenge-,
schwüre. Von 13 operierten Fällen wurden 7 geheilt. 2 Fälle
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228
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 20.
wurdeo ioDerbalh der ersten 4 Stunden operiert und zeigten noch
keine Peritonitis, davon starb einer an Collaps. Die übrigen Fälle
hatten Peritonitis. Von diesen wurden operiert innerhalb der
ersten 10 Stunden 3 mit ebensoviel Heilungen, nach 24 Stunden
3 mit i Heilung und 2 Todesfällen, nach 48 Stunden 2 mit eben¬
soviel Heilungen, nach 3 Tagen und darüber 3 mit ebensoviel
Todesfällen.
Die Behandlung bestand in Exzision der Geschwüre, drei¬
schichtiger Naht des Magens, auf welche ein Tampon gelegt wird,
und gründlicher Ausspülung und Drainage der Bauchhöhle mittels
2 seitlichen Eontrainzisioneu, auch wenn noch keine Peritonitis
bestand.
Von den geheilten Fällen wurden 5 nachuntersucht und be-
s(;hwerdefrei gefunden, davon 2 nach mehr als 2Vz Jahren. Eine
Patientin starb 3 Monate nach der erfolgreichen Operation und
zeigte bei der Sektion eine ideale lineare Narbe des Magens.
Hr. Körte-Berlin hat 36 Fälle von Perforationen beobachtet;
davon fanden 24 in die freie Bauchhöhle statt, 12 in den sub¬
phrenischen Kaum. Die ersteren 24 kann man in 2 Serien zer¬
legen. Die erste, aus 10 Fällen bestehend, sind solche, die spät
zur Behandlung kamen. Davon starben 9; einer wurde geheilt.
Von den 14 Fällen der zweiten Serie wurden 5 geheilt und 9
starben. Diese Fälle sind früher auf die Abteilung gekommen;
die Operation in den ersten 12 Stunden nach der Perforation er¬
geben die besten Besultate. Die Operation bestand in Äusschneidung
des Geschwürs, Naht und Ausspülung des Bauches. Bei den sub¬
phrenischen Abszessen hatte er 7 Todes&lle und 5 Heilungen
unter 12 Operationen.
Im ganzen hat er 155mal bei Ulcus operiert. Darunter be¬
fanden sich 12 Resektionen mit 2 Todesfällen and 84 Gastro-
enteroanastomien mit ebenfalls 17,8% Mortalität. Auch nach den
Resektionen traten Rezidive auf.
Hr. Eatzenstein-Berlin berichtet über Experimente, die
er über die Wirkung der Gastroenterostomie bei Hunden angestellt
hat. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass bei jeder Art der
Gastroenterostomie Darminhalt io den Magen Übertritt. Dadurch
wird die Acidität des Mageninhalts aufgehoben, der Mageninhalt
wird alkalisch. Hierin und nicht in der schnelleren Entleerung des
Magens siebt er die günstige Wirkung der Operation.
Zugleich haben die Experimente aber auch bedeutungsvolle
Ergebnisse für die Ernährung der Kranken gehabt. Das Pepsin
vermag seine eiweissspaltende Wirkung nur im Magensaft zu ent¬
falten. Wird der Mageninhalt durch den Uebertritt des Darminhalts
alkalisch, so wird das Pepsin wirkungslos, wohl aber können jetzt
Pankreas-Sskret und Galle in Tätigkeit treten. Deren Wirkung
ist eine fettspaltende. Eatzenstein empfiehlt daher auf Grund
seiner Versuche sowohl als auch auf Grund einiger klinischer Er-
lahrungen als Ernährung nach der Gastroenteroanastomie wegen
Ulcus eine Fettkost. Genaueres behält er sich für seine ausführ¬
liche Publikation vor.
Hr. Lorenz-Wien tritt für die Gastroenteroanastomica retro-
colica als Normaloperation ein; die Resektion hält er nur ausnahms¬
weise für berechtigt.
Hr. Fiebig-Wien berichtet über Experimente, bei denen es
ihm gelungen ist, durch Kombination von Arteiiennnterbindongen
und Anätzen der Schleimhaut echtes Ulcus ventriculi hervorzurufen.
Hr. Körte-Berlin bemerkt dazu, dass diese Ergebnisse ein
vollkommenes Novum darstellten; ihm seien bei ähnlichen Versuchen
keine Erfolge bescbieden gewesen.
Hr. Lauenstein-Hamburg bestreitet die Behauptung, dass
die Bildung von Verwachsungen durch aseptische Operation ver¬
hindert werden könnte.
Ferner bemerkt er, dass sich bei Perforationen die Ueberer-
uährung des Ulcus empfehle, während er die Exzision bei den hin¬
fälligen Patienten für einen zu schweren Eingriff hält.
Hr. Graser-Erlangen hat den Murphyknopf wieder aufge-
gel>en. Bei der Gastroenteroanastomie empfiehlt er die Y-Naht
nach Roux, aber genau nach dessen Vorschriften, anzuwenden.
Hr, Clairemont-Wien berichtet über das Material der
V. Eiselsberg’schen Klinik. Er verwirft die Resektion, die
Gastrolyse, PyUroplastik und Gastroduodenostomie, empfiehlt viel¬
mehr die Gastroenteroanastomie, die er eventuell mit anderen Ein¬
griffen, Enteroanastomose, Pylorusausschaltung, Jejunoatomie kom¬
biniert. Die letzteren soll man jedoch nicht bei stark blutenden
Geschwüren machen, da sie 5 solcher Patienten verloren hätten.
Er glaubt, dass die Gastroenteroanastomose namentlich bei den am
Pylorus sitzenden Geschwüren gute Erfolge erziele, dagegen keine
bei den Geschwüren an der kleinen Gurvatur etc. Im ganzen
seien 91 Gastroenteroanastomien aasgeführt worden, von denen 81
geheilt, 10 gestorben seien: bezüglich der Femresultate kann er
über 73 Fälle berichten, davon seien 29 geheilt, 13 gebessi'rt
worden; 18 seien ungoheilt geblieben, 13 gestorben. Ferner ver¬
füge er über 10 operativ behandelte Duodenalgeschwüre. Zunächst
seien 9 geheilt, einer gestorben; doch seien die Spätresultate
schlecht gewesen.
Hr. Barth-Danzig betriebt die Schwierigkeit der Diagnose
bei Ulcus duodeni und empfiehlt auch für dieses die Gastroentero¬
anastomie.
Hr, Hofmann-Graz befürwortet die Anwendung der Gastro-
enteroanastomia retrooolica posterior nach v. Hacker, besonders
auch auf Grund seiner Erfahrungen am callösen Geschwür. Die
Gastrolyse bei offenem Ulcus und bei Pylorusstenose verwirft er.
Die Resektion führt er nnr aus, wenn das Uloos an der kleinen
Gurvatur sitzt.
Hr. Neugebauer-Mährisch-Ostrau stellt einen Fall von
Hirschsprung’scher Krankheit vor. Der Anfangsteil des nicht
erweiterten S. Romanum wurde in den obersten, noch intraperitoneal
gelegenen Teil des Rektnms implantiert; der Patient wurde geheilt.
H. V. Stubenrauch-MUnohen berichtet über einen Fall von
Stenose des Gboledochns durch Pahikreatitis. Br legte
zunächst eine Oholedochusfistel an, die sich nicht schliessen wollte.
Schliesslich gelang der Schluss durch eine Operation, bei der er
den Defekt im Gboledochns finreb einen aus dem Magen entnom¬
menen Lappen deckte.
Hr. V. Bramann-Halle demonstriert eine H aargesohwulst,
die er aus dem Magen eines 13jährigen Mädchens entfernt hat.
Das Mädchen hatte unbestimmte Symptome von Seite des Magens;
eine Diagnose vor der Operation gelang nicht. Bei der Operation
fand sich die Haargeschwulst, die einen vollständigen Ausguss des
Magens darstellt. Bemerkenswert war die schwarze Farbe der
Haargeschwulst, trotzdem die Patientin blond war. v. B. glaubt,
dass an dieser Verfärbung die genossenen Eisenpräparate Schuld
seien, welche der Patientin wegen der vermeintlichen Bleichsucht
gegeben worden waren. Patientin wurde geheilt
Hr. Blecher-Brandenburg stellt einen Soldaten vor, der nach
einem Hufscblag gegen den Bauch eine Pankreatitis haemor-
rhagica acquiriert hatte. Der Vortragende machte die Laparo¬
tomie, eröffnete eine hinter dem Colon gelegene Bluthöhle, in deren
Tiefe man den Riss eines Pankreas fühlte. Derselbe wurde tam¬
poniert, da die Naht wegen der Tiefe der Wunde nicht möglich
war. Nach der Operation zeigte sich 3 Tage lang Zucker im Urin.
Ausgang in Heilung.
Hr. Krönig-Freiburg: UeberRückenmarksanästhesie
bei Laparotomie im Scopolamin-Dämmerschlaf.
Vortragender hatte zunächst die Eückenmarksanästhesie allein
angewendet; seine Patientinnen waren damit nicht zufrieden, weil
sie die ganze Operation mit vollem Bewusstsein miterlebten. Er
ist deswegen dazu Übergegangen, die Rückenmarksanästhesie mit
dem Scopolamin-Dämmerschlaf zu verbinden; dadurch wurden die
Erinnerungsbilder an die Vorgänge bei der Operation zum Schwinden
gebracht. Im ganzen bat er das Verfahren bei 160 Fällen ange¬
wendet, darunter 65 mal bei der Laparotomie von oben und 30 mal
bei der vaginalen Goeliotomie. Von den 160 Patientinnen hatten
6 Erbrechen, 154 nicht. Es konnte gleich nach der Operation
flüssige Nahrung zngeführt werden. Als einzigen Nachteil des Ver¬
fahrens hat er in 12 Fällen des Auftreten von Kopfschmerzen be¬
obachtet, die am 6.— 8. Tage auftreten und in 4 Fällen bis 2V2
Tage anhielten. Ein Fall .•starb, wo der Tod durch die Anästhesier-
ungsmethode verschuldet sein könnte, und zwar eine 65jährige
Kranke, die wegen Carcinoma Uteri operiert worden war, bei der
der Tod unter Atemstörungen eintrat.
Diskussion.
Hm. Kocher-Bern ist es gelungen, Strumen und Kehlkopf-
carcinome unter spinaler Anästhesie zu operieren, wobei er Tropa-
oooaiu in 2 proz. Lösung verwendete; eine Stunde vor der Operation
gab er eine subkutane Morphiuminjektion. Er injizierte 0,1—0,12 g
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1906 .
MBDICINISGHIG WOCHE.
229
der Tropacocainlösung iu Trendelenburg’scher Lage. Nach 10
Minaten konnte er operieren. Bei den Operationen am Halse wunle
gelegentlich ein unangenehmes Erstickungsgei'uhl empfanden.
Hr. Döderlein-Tübingen: Bakteriologische Experi¬
mentaluntersuchungen über operative Asepsis.
Trotz aller Bemühungen sei es bisher nicht gelungen, die
Operationswunden bakterienfrei zu erhalten. Auch die Anwendung
der Trikothandschnhe nütze nichts, es dringen aus der Haut der
Hände Bakterien in die Handschuhe ein und kämen von da in die
Wunden. Auch der Gebrauch der Gummihandschuhe nach Küstner
habe nichts gefruchtet, da hierbei aus der Haut des Operations¬
gebietes Bakterien in die Wunde eindringen. Die besten Ergeb¬
nisse hatten die Versuche gehabt, bei denen die Haut gewisser¬
maßen gegerbt worden sei, wo man den Bakterien den Austritt
aus der Haut erschwert habe. Am meisten haben sich nach dieser
Richtung Jodtinktur und Jodbenzin bewährt. Jedoch habe er erst
vollkommene Resultate erzielt, als er noch etwas weiteres hinzn-
gefügt habe, nämlich einen Ueberzug mit einer Gummilösung.
Nach vielfachen Versuchen sei es ihm gelungen, eine sterile Gummi¬
lösung herzustellen und einen Apparat zu konstruieren, mittels
dessen die Auftragung der Lösung auf die Haut in aseptischer '
Weise gelingt. Auf diese Weise habe er Eeimfreiheit der Wunden
erzielt.
Es wird der Apparat demonstriert, ferner werden Platten ge¬
zeigt, welche den Keimgehalt der Wunden vor und nach der An¬
wendung der neuen Methode illustrieren.
Diskussion.
Hr. V. Brunn-Tübingen berichtet über Versuche, welche mit
der Döderlein’schen Methode an der v. Bruns’schen Klinik bei
verschiedenen chirurgischen Eingriffen angestellt worden seien und
bestätigt die günstigen Resultate Döderlein’s. Er erwähnt noch,
dass er der Gummilösung Jodtinktur zusetzt bis zu einem Gehalt
von 2 pM.
Hr. Ueusner-Barmen macht darauf aufmerksam, dass er das
Jodbenzin zur Desinfektion empfohlen habe; er sei mit der An¬
wendung desselben sehr zufrieden. Er wendet 1 prom. Jodbenzin
an. Um der Übermässigen Entfettung der Haut durch das Benzin
vorzubeugen, setzt er dem Jodbenzin etwas Faraffinöl zu.
Hr. V. Oettingen-Steglitz empfiehlt namentlich für den Ge¬
brauch im Kriege die Umgebung der Wunden mit seiner Mastix¬
lösung zu bestreichen und dann erst sterile Verbandstoffe auf der
Wunde zu befestigen. Er empfiehlt folgende Lösung: Mastix 20,
Chloroform 50,0, Ol. Lini gtt. 20.
Hr. Herhold-Altona hält die von Oettingen’sche Methode
für den Kriegsgebrancb für za kompliziert.
Hr. Sultan-Leipzig: „Ueber Herzverletzungen und
Herznaht.“
Der Redner stellt einen Patienten vor, bei dem er in der
Leipziger Klinik 5 Tage nach der Verletzung eine Herzwunde mit
Erfolg genäht hat. Er ging von der äusseren Verletzung aus
und legt das Herz unter Bildung eines Hautknocbenlappens frei.
Dann bespricht er einen zweiten Fall, bei dem eine Wunde im
linken Ventrikel genäht wurde. Der Verletzte starb an einer
Blutung aus der Mammaria interna, deren Verletzung bei der
Operation trotz eifrigen Suchens nicht gefunden worden war. Im
Anschluss an die beiden Fälle diskutiert er die verschiedenen
Methoden, die zur Freilegung des Herzens angegeben worden sind.
Hr. Wendel-Magdeburg: „Zur Chirurgie des Herzens.“
Der Vortragende erwähnt zunächst, dass von 100 operativ
angefassten Herzverletznngen 44 geheilt wurden und bespricht
dann einen Fall, den er selbst in den sehr ungünstigen äusseren
Verhältnissen auf dem Lande mit gutem Erfolge operiert hat. Er
empfiehlt, wenn es irgend angängig ist, extrapleural vorzugehen
Hr. Goebell-Kiel demonstriert einen Kranken, bei dem er
eine Herzschusswunde mit Erfolg genäht hat.
Diskussion.
Hr. v. Brakel-Libau erwähnt einen Pall von Herzverletznng
durch einen Granatensplitter. Er bekam den Patienten 10 Tage
nach der Verletzung zu Gesicht; eine eitrige Pericarditis war höchst¬
wahrscheinlich bereits vorhanden. Das Herz wurde freigelegt, die
eitrigen Blutgerinnsel aus dem Pericard entfernt, mit dem Eiter
der Granatsplitter, ein Kleiderfetzen und ein Stück vom Sternum.
Der Patient erholte sich zunächst. Am 15. Tage bekam er jedoch
eine rechtsseitige Pneumonie, der er erlag.
Hr. v. Zawadzki-Warschau referiert Uber eine Schnssver-
letzung des Herzens, die ohne Operation zur Heilung gelangt ist.
Das Projektil hatte sich im Körper durch Aufschlagen auf den
knöchernen Thorax in -zwei Hälften geteilt.
Hr. Borchardt-Berlin stellt einen Fall von Herzpfählung
vor, der durch Operation geheilt wurde.
Hr. Jaffe-Posen: Der Redner schliesst sich Herrn Sultan
an, insofern auch er während der Versorgung einer Her/stichver-
letznng -die Beobachtnug gemacht hat, dass bei Gelegenheit der
Naht noch grosse Blutverluste eintreten können, so dass die bis¬
her leidliche Herztätigkeit versagt. In solchem kritischen Moment
nützt nach den Erfahrungen des Redners, solange das Herz über¬
haupt noch lebensfähig ist, folgendes Mittel: Mau füllt nach der
schnell ang^egten Naht den linken Ventrikel mittels einer Pravaz-
schen Spritze mit physiologischer Kochsalzlösung: das nicht mehr
schlagende Herz fängt sofort wieder zu schlagen an. —
Hr. Noetzel-Frankfurt a.M.: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Infektion und die Bakterienre¬
sorption in der Pleurahöhle.
Die praktische Erfahrung, dass auch nach aseptischen Opera¬
tionen in der Pleurahöhle infolge der unvermeidbaren Unvollkom¬
menheit der Asepsis meist Eiterung eintritt, hat zu der Anschau¬
ung geführt, dass die Pleurahöhle im Gegensatz zur Peritonealhöhle
eine ausserordentlich geringe Widerstandskraft gegen Bakterien
besitzt. Demgegenüber hat Redner durch Tierexperimento nach¬
gewiesen, dass die natürliche Resistenz der normalen Pleurahöhle
eine sehr grosse und deijenigen von Haut- und Muskelwunden
überlegen ist. So z. B. verträgt die Plenraböhle des Kaninchens
anstandlos ^/s ccm und bei grossen Kaninchen 1 ccm einer Bouillon¬
kultur von Staphylokokken, von welcher 0,3 ccm bei intravenöser
Impfung die Tiere tötet und von welcher bei der intrapleuralen
Impfung die minimalen an der Impfkanüle haftenden Mengen noch
Abszesse in der Thoraxmuskulatur machen. Diese natürliche Resi¬
stenz, welche deijenigen der Peritonealhöhle analog wenn auch
wohl quantitativ geringer ist, wird aber vollkommen gebrochen;
wenn durch Eröffnung der Pleurahöhle ein Pneumothorax zustande
kommt, wie es bei den intraperitonealen Operationen ohne An¬
wendung der Sauerbruch’scben Kammer oder des Brauer’schen
Ueberdruckverfahrens der Fall ist. Die Versuchstiere, bei welchen
ein Pneumothorax gemacht wurde, erkrankten nach Impfung der¬
selben und auch noch kleinerer Staphylokokkendosen regelmäßig
an schwerer, fibrinös-eitriger Pleuritis.
Redner prüfte ferner die Schnelligkeit der Bakterienresorption
aus der Pleurahöhle und fand, dass, ebenso wie früher von ihm
für die Peritonealhöhle aachgewiesen wurde, auch von der Pleura¬
höhle eine sofortige Resorption der Bakterien stattfindet, so dass
5 Minuten nach der intrapleuralen Impfung die Bakterien (Pyo-
cyaneus) bereits im Blut und in den inneren Organen durch das
Schimmelbusch’sche Verfahren naebgewiesen werden können.
Diese Resorption ist aber ebensowenig wie in der Peritonealhöhle
die Ursache der Resistenz, sondern die Bakterien Vernichtung er¬
folgt in der Pleurahöhle selbst. Diese reagiert auf die Infektion
zunächst mit einem leukocytenhaltigen Exsudat, welches dann in
der Folge wieder verschwindet. Man kann diese Vorgänge in
allen Stadien an den getöteten and sezierten Tieren beobachten.
Aus dem
Gebiet der Volkshygiene.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Seitdem in Deutschland der Kampf gegen die Tuberkulose in
intensiver Weise aufgenommen worden ist, bildet die deutsche
Aerztesohaft die Elitetruppe der Kriegsführenden. Ueberall wo
es galt, neue Kampfesformen zu finden, wo statistische oder wissen¬
schaftliche Untersuchungen zu Grunde gelegt werden mussten,
waren die Aerzte zur Stelle. Es darf sie daher mit grösster Ilu-
friediguug erfüllen, das.s, wenn auch langsam, so doch unverkenn¬
bar Erfolge in diesen Kampfe erzielt werden. Dafür legt u. A.
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MEDlCrNISCHE WOCHE.
Nr. 20.
wiederum Zeugnis ab der uus vorliegeude Verwakuiigsbericht der
Landeaversicherungsanstalt Berlin l'ür das Jahr 1904. Von nahe¬
zu 1300 dort behandelten Lungenkranken wurden fast 700 als
voll erwerbsfähig, fast 400 als 75®/o erwerbsfähig entlassen,
während nur bei 100 eine Erwerbsfäbigkeit unter 3.‘}V3®A fe.stge-
stellt wurde. Allerdings fehlt in dem Bericht eine Angabe über
die Dauer der Resultate, und es wäre zur Beurteilung des Wertes
der Lungenheilstätten überhaupt von gro.ssem Interesse, wenn in
einem der nächsten Berichte eine möglichst eingehende Darstellung
der Dauerresultate gegeben werden könnte.
Dass die Lungenheilstätten durch die Art, wie sie die Kranken
zu einer hygienischen Lebensführung erziehen, ausserordentlich
segensreich wirken, erscheint uns zweifellos. Ob aber die den
Krankheitsprozess selbst betreffenden Resultate nicht durch weit
einfachere Mittel zu erreichen sind, ist noch Gegenstand der Dis¬
kussion. Wir denken dabei in erster Linie an die von unserem
leider jüngst verstorbenen Kollegen Wolf, Becher geschaffenen
Erholungsstätten. Diese Lieblingsschöpfung des uns Aerzten wie
der kranken Menschheit allzu früh entrissenen klugen und tat¬
kräftigen Sozialhygienikers verdient es, im Kampfe gegen die
Tuberkulose eine stets wachsende Rolle zu spielen. Erfordert doch
der Bau von Lungenheilstätten ungezählte Millionen und erleben
wir es doch alljähi'lich, besonders im Frühjahr, dass die Zahl der
Aufnahmesuchendeu weitaus die der vorhandenen Plätze über¬
schreitet und sehr bedürftige Kranke erst monatelang der Auf¬
nahmeordre harren. Für diese Wartezeit müsste den Kranken in
den Erholungsstätten eine Stelle bereit sein, wo der Heilprozess
eingeleitet werden kann. Inwieweit er daselbst auch zu Ende ge¬
führt werden kann und welche Kategorien von Fällen sich mehr
für. die Erholungsstätte, welche mehr für die Heilstätte eignet,
das muss Gegenstand weiterer Erhebungen sein.
Auch im Kampfe gegen die verschiedenen Formen der Tuber¬
kulose des Kindesalters, besonders die Rachen- und Drüsentuber¬
kulose, dürfte die Erholungsstätte eine mächtige Waffe bilden.
Eine weitere bietet uns die Waldschule, eine Tochter der Er¬
holungsstätte, die erst der glücklichen Vollendung dieser ihr Da¬
sein verdankt. Für die leichten Formen der Lungentuberkulose,
die gerade im schulpflichtigen Alter das Gros aller Erkrankungs¬
fälle bilden, gibt es keine bessere Behandlung als das Heraus¬
nehmen der Kinder aus der dumpfen überfüllten Schulstube und die
Verpflanzung in die von Licht und Luft durchströmte Waldschule.
Es ist ein grosses Verdienst der Stadt Charlottenburg, die prak¬
tische Durchführbarkeit der Waldschulenidee erwiesen zu haben,
und es steht zu hoffen, dass in kurzer Zeit viele Kommunen sich
zu gleichen Vorgehen entschliessen werden. Ist es doch grade
die schulpflichtige Jugend, an der durch hygienische Mallnahmen
und durch Erziehung zur Hygiene Hervorragendes geleistet werden
kann.
Davon zeigt sich auch der Gesohäftsausschus.s des deutschen
Aerztevereinsbundes durchdrungen, indem er auf die Tagesofd-
üung des nächsten im Juni iu Halle stattfindenden Aerztetagcs
das Thema setzte: Unterweisung und Erziehung der Schuljugend zur
Gesundheitspflege. Die vom Referenten Hartmann (Berlin) aufge¬
stellten Thesen sind veröffentlicht und beweisen das Streben, so¬
wohl die Lehrer durch Vermittlung der Schulärzte wie die Schüler
durch Lehrer und Aerzte immer und immer wieder in Bezug auf
die Regel der Gesundheitspflege unterweisen zu lassen. Wir
werden auf dieses Thema noch bei Gelegenheit der Berichterstattung
vom Aerztetage zurückkommen und wollen heute nur bemerken,
dass uns ein hygienisch einwandfreies Schulhaus und ein eben¬
solcher Schulbetrieb als eine unumgängliche Vorbedingung für die
Durchführung der Postulate des Referenten eischeinen.
In einer unserer früheren Be-sprechungen erwähnten wir, dn-ss
die Stadt Berlin seit dem Beginn dieses Jahres den bisher von der
Berliner Rettungsgesellschaft geführten Nachweis über freie Betten
in den Krankenhäusern in städtische Verwaltung übernommen
hat, dass aber die Aerzte sich bemühten, der Stadt klarzumachen,
dass nur durch Uebernahme des gesamten Rettungsdienstes er-
spriessliche der Gesamtheit dienliche und der Kommune würdige
Einrichtungen getroffen werden können. Jetzt wo die Angelegen¬
heit noch in der Schwebe ist, erscheint in der Mediciiiischeii
Klinik ein sehr bemerkenswerter Artikel von Gerhartz, der da¬
rauf binweist, dass es nicht nur Aufgabe der Stadt sei, eine Aus-
kuuftstellü l'ür den öÜbutUcheu Rettungsdienst zu schaffen, sondern,
dass Berlin ein Zentralauskunftsamt für unentgeltliche Auskunfts¬
erteilung in allen Fragen der heutigen WohlfeJirtspfiege sowohl
auf dem sozialpolitischen wie dem rechtlichen Gebiete und in der
ärztlichen städtischen wie privaten Fürsorge not tut. Vorbilder
für solche Institute bestehen in New-York in dem Institut of
sozial Service und in Frankfurt a. M. in dem Institut für Gemein¬
wohl. Die hier den Berliner Gemeindebehörden gestellte Aufgabe
erscheint uns wohl „des Schweisses der EJdlen wert“; in Berlin
pflegen aber soziale Angelegenheiten in einem solchen Schnecken¬
tempo erledigt zu werden, dass die Stadtväter wohl kaum in
Schweiss geraten dürften.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 18 .
1. Leopold, Dresden: Augeneutzündang der Neugeborenen
und einprozentige HöUensteinlösnng.
Die nach Crede genaueste Ausführung des Verfahrens, die
Verwendung einer Iproz., möglichst frisch bereiteten Höllenstein-
lüsung, das Sicbverteilenlassen nur eines Tropfens dieser Lösung
auf der Kornea, mittels eines abgerundeten, unbedingt sauberen
Glasstäbchens, und dann das Inruhelassen der Augen, ohne Nach¬
behandlung oder Nachträufelung irgend eines anderen Mittels,
dieses Verfalireu, das w’ohl kaum einfacher noch gestaltet werden
kann, garantiert mit voller Sicherheit die Verhütung der Augen-
entzündung für die erste Lebenswoche. Kommt hinzu eine pein¬
liche Ueberwachung von Mutter und Kind auch für das weitere
Wochenbett, so kann ein Kind auch vor einer nachträglichen In¬
fektion bestimmt geschützt werden.
2. Klieneberger und Zoeppritz, Königsberg: Beiträge
zur Frage der Bildung spezifisober Leukotoxine im Blutserum
alz Folge der Röntgenbestrahlung der Leukämie und des Lympho¬
sarkoms.
3. Treutlein, Würzburg: Ueber Protozoenblutkrankheiten
bei Mensch und Tier in Indien und Dentseb-Ost-Afrika.
Eine sehr interessante Uebersicht über die durch Protozoen
verursachten Erkrankungen.
4. Rosenbach, Berlin: Warum und in welchen Grenzen
sind anästhesierende Mittel bei entzündlichen Prozessen wirksam?
kommt darauf an, die Einwirkung äusserer Reize abzu¬
halten, und wenn dies nicht mehr gelingt, den .Nährboden, der
die Bildung innerer Reize begünstigt, im Sinne der Regulierung
(Akkomodation oder Steigerung der Aktivität für Vernichtung der
Reize) zu beeinflussen. Die Hauptindikation für die Therapie ist,
den Zustand, den R. als Exzess der Gewebserregbarkeit resp.
Reaktion bezeichnet, in den der normalen Erregbarkeit Überzufuhren.
5. Opitz: Ueber Lumbalanästhesie mit Novokain bei
gynäkologischen Operationen.
Bei den 25 Operationen war, von wenigen Ausnahmen abge¬
sehen, die Unempfindlichkeit ausreichend und die Kranken fühlten
sich nach der Operation meist sehr viel wohler, als man das sonst
nach den gleichen Eingriffen unter Allgemeinnarkose zu sehen ge¬
wohnt ist. Die genügende Unempfindlichkeit trat nach 6 —12
Minuten ein. Die Lumbalanästhesie ist ausserordentlich empfehlens¬
wert. Ihre Technik muss zwar, wie alles, gelernt werden, bietet
aber keine grossen Schwierigkeiten und die Asepsis lässt sieb,
insbesondere bei Verwendung der zugescbmolzenen Kölbchen mit
der Lösung, leicht wahren.
6 . Berger, Köln: Zur Färbung der Spirochaete pallida.
Die Färbung der Spirochaete pallida gelingt sicher und schnell
durch die Kombination von Azur oder azurhaltigen Farblösungen
mit ganz verschiedenartigen gesättigten (oder auch mäßig ver¬
dünnten) Farblösungen. Wahrscheinlich fordert das als Beize
(Michaeli.s: Deutsche Klinik, Bd. XL, S. 459) wirkende, im
Ueberschusse vorhandene Azur die Aufnahme des betreffenden
Farbstoffes.
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im.
MEIj TCTNTSCHB wochb.
231
7. 8 i 111 e r, Strusburg: TTebertragung Ton ])iphth«ri6 durch
dritte Personen.
Fall der Uebertragang von Diphtherie durch ein gesund
bleibendes Kind auf seine Mutter durch Kuss, und ein Fall von
Diphtherieübertragung von der Brustwarze einer stillenden Mutter
auf den Säugling.
8 . Simrock, Frankfurt a. M.: Ziekerbestimmnng im Ham
mittelst einer ]Codifikaii<m der Treaunersehen Probe.
9. M1 0 h a e H s, Leipmg: Antointoxikation bei Pylorusstenose.
Es handelt sich hier um eine 46 jährige Kranke, bei der
KrampfanilÜle und ein etwa achttägiges Koma bei vorhandener
boehgi^iger Steuun^ssnffiBienz des Magens aufgetreten sind, und
bei der die abnormen nervösen und psytdiisohen Erscheinungen
soinrt nach Herstellung normalerer Abfluasbedingungen für den
Mageninhalt verschwanden, sodass man sie unbedingt als Folgeer¬
scheinungen der Magenaffektion ausspreohen muss.
10. Bittorf, Breslau: Zur Kasnistik der serebralen Kinder*
pneomonie.
Zwei korse Beabaohtongen, wo bei Unterlappenpneumonien
schwere mMiingitisohe Symptome bestanden, die in Heilung ^us-
gingen (im 2. Falle erfolgte später allerdings der Tod an anderen
Komplikationen).
11. Loeb, Frankfurt a. H.: üebor eintägige Pneumonien.
Bemerkung zu dem gleichnamigen Aufsatze von Dr. A. Blech-
told in dieser Wochenschrift 1905, Nr. 44, mit der Mitteilung,
dass Frerichs bereits am 15. Juli 1867 einen derartigen Fall in
seiner Klinik vorstellte.
12. Seeligmann, Hamburg: Zur Hebotomie.
Eine Erwiderung auf einige Bemerkungen in Herrn Bauer-
eiseas Au^ts in der Münch, med. Wochensefar. Nr. 52, 1905.
13. Arneth, Marburg: Zum Terhalteu des Pektoralfremitns
bei der kruppösen LungenentsOndung; einige Bemerkungen über
das Knistern bei derselben.
Die Unricherheit, die bisher in der Bewertung des Verhaltens
des Fektoralfreraitus bei der kruppösen Pneumonie bestand, liegt
darin begründet, dass man den Befund seiner Prüfung im 1. und
3. Stadium der kruppöse Pneumonie zu wenig unterschied von
dem des 2. Stadiums.
Berlfner klinische Wochenschrift. i906, No. i8.
1. Ja ff 4, Posen: Hdbor das Auftreten isolierter Abssesse
in den Spätitadien der PeritypkUlis.
Dis glänzenden Erfolge der heutigen Frühoperation bei
Appendicitis sind im wesentlichen die Erfolge einer Präventiv-
OpOTät i on, so dass die Operation in allen schweren Fällen von
Appendicitis bis zom 45. Jahre unbedingt zu raten ist. Spät-
daparotomien aber soll man ohne weiteres nur bei diagnostizierten
allgemeinen Bauebemphysem und in denjenigen Fällen machen, in
sidi immer no<^ die Hauptereigmsse in der rediten Fossa
'Siaca abspi^en (also mit Sicherheit noch eine Art Beschränknng
zu ervrarten ist). Bei den übrigen Formen soll man vor dem
Wagen wägen, welche Ofaance das Abwarten bietet.
2. Sirschfeld, Berlin: Ueber sdiwere Anämien ohne
Begeneration des Knoohonmarks.
Es giebt eine Form der Anämie, bei welcher die Umwand¬
lung des Fettmaiks ansbleibt, alo eine Regeneration des Blutes
nicht ehrtritt, und die deshalb natürlich viel schneller letal ver¬
läuft tmd jeder Therapie trotzt Wie es scheint, sind solche Fälle
schon früher beobachtet worden. Während bei der perniziösen
Anämie der fiämoglobingehalt nicht so tief gesunken ist, wie man
nadi der geringen Zahl der roten Blutkörperchen annehmen sollte,
geht in den zwei hier beschriebenen Fällen, ebenso wie bei den
gewöhnlichen sekundären Anämien das Verhalten des Blutfarb¬
stoffes ungefähr den Werten ftir die Erythrozyten parallel; der
^äfbisdmc Hst also nioht erhöht. Der Blatbefund gleicht auch in¬
sofern noch dem der sekundären Anämien, als die an den roten
Blutkörperdien festgestellten Forraveränderungei» und Grässen-
uirterschiede •nur in sehr geringem Grade ausgeprägt waren. Mehr
an die perniziöse Anämie erinnert schon die bedeutende Herab-
setznng der Leukozytenzahl. Normoblasten wie Megaloblasten
wurden trotz eifrigsten Suebens gänzlich vermisst. Jedenfalls
scheint es an der Zeit zu sein, ausser der normoblastischen und
megaloblastischen Anämie eine weitere Abart, die hier mitgeteilten
Fälle umfassend, anznnehmen. Man bezeichnet sie vielleicht am.
zweckmässigten mit Pappenheim als paralytische oder asthenische
Anämien, oder einfach als Anämien mit Athropie bezw. Degene¬
ration des Knochenmarkes.
3. Rollin, Stettin: Ursaoheu der belegten Zunge.
Das mikroskopische Bild des nüchternen Mageninhaltes bietet
eine auffallende Analogie der Befunde und beweist uns, dass das
Oberflächenepithel der Zunge bei Superazidität mindestens in dem¬
selben Maße gebildet wird wie bei Dyspepsien, aber in voll-
kommnerem Maße abgestossen wird. Bei der blassen belegten Zunge
der Dyspeptiker Anden wir mangelnde Kraft in der Abstoasung
des Oberflächenepithels und dementsprechend Znngenbelag von
mehr oder weniger Dicke, welcher wieder dem Grade der Dyspepsie
entsprechend festznsitzen pflegt. Die reinigende Wirkung der
Mahlzeiten ist nicht von der Hand zu weisen. Ueberhaupt ist die
Empirie der alten Aerzte, die in der Zunge einen Spiegel der
Verdauungsvorgänge und der Säftemischnng sahen, durchaus noch
aufrecht zu erhalten.
4. Go Id bäum, Hamburg: Beitrag zu einer wichtigen
angenärztlichen Frage.
Die Behandlung aller dieser Patienten beruhte auf Schnitten
in die Netzhaut und Einspritzung verschiedener Substanzen, wie
z. B. Jod, Hg., Na. CI., Dionin, in die Konjunktiva zur Authellnng
des fast stets getrübten Glaskörpers. Bei drei Patienten wurde
Kaninchen- resp. Kalbs-Glaskörper in das Auge eingeepritzt.
Ueber das Resultat vermag G. noch nichts mitzateilen, da es
erst nach längerer Zeit sichtbar werden kann. Soviel aber ist sicher:
Oie Deutschmann’sche Methode hat schon so viele Heilerfolge
aufzuweisen, dass es nicht mehr erlaubt ist, in einM* misstrauischen
und ncch weniger gegnerischen Stellung ihr gegenüber zu be¬
harren. Ihre Ausübung ist schon jetzt eine Päicbt jeden Augen¬
arztes, dem es nicht mehr erlaubt ist, die Netzhautablösnng als
eine unheilbare Krankheit zu betrachten.
5. V. Poehl, St. Petersbarg: Die Torzüge der Komhüxation
der O^anotherapie mit den physikalisch-diätetuoken und bal-
neotherapeutuohen Mitteln und einige Beweiimethoden dafür.
Die Wirkung der grössten Anzahl der physiologisch-diätetischen
und balneotherapeutisohen Mittel besteht in der Ekhöhung der Ge¬
websatmung. Für die Erhöhung der inraorganen Oxydation haben
wir das Sperminom-Poehl, welches prompt wirkt, sobald die Mo¬
mente der Säuerung der Gewebe beseitigt sind. Hier ist die
kombinierte balneotherapeutische Medikation direkt indiziert. Die
Kombination der allgemeinen Massage und Gymnastik mit der
Spermintherapie giebt bei Nenrasthenie sehr gute Resultate. Auch
das zweite Moment der Gewebsatinung, der Exkreti^ der Stoff¬
wechselprodukte aus den Geweben, wird durch die physikalisch¬
diätetische, wird durch die Balneotherapie in Kombination mit der
Organotherapie günstig beeinflusst. Wir haben unter den organo-
therapeutischen Mitteln Büitalysatoren in Form synergetischer
Gruppen zur Verfügung, welche die herabgesetzte Exkretion ausser¬
ordentlich günstig beeinflussen resp. anregen. Dazu gehören in
erster Linie das Thyreoidinum-Poehl und das Cerebriuum-Poehl.
Am eingehendsten ist die therapeutische Wirkung des Cerebrinura-
Poehl bei Epilepsie, Alkobolismus und Neurasthenie von Lion,
Pantschenko, Stange, Pussep, Ossipoff etc. studiert.
6 . Pick, Berlin: Heber die Oehronose.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. is.
1. M ül I e r, Hamburg: Ein Beitrag zur Aeüologie der i&kdo-
metritiz.
Eine sozial-ärztliche Skizze, die zeigen will, welch schwere
Schäden aus der Vernachlässignng der Behandlung der Endometritis
entstehen.
2. Kraft, Wien: Bin Beitrag zur Operabilität des Lympho¬
sarkoms.
‘Beide mitgeteilten Fälle zeigen im Beginn der Kraokheitser-
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232
MBDICmiSCHE WOCHE.
Ni. 20.
scheinuDgen die Symptome einer Infektionskrankheit; unter mehr
minder hohem Fieber treten Zeichen allgemeinen Unwohlseins, wie
Mattigkeit, Abgeschlagenheit, Unlustigkeit und Appetitlosigkeit
ohne sonst nachweisbaren lokalen Erankheitsprozess ein. Dann
nach einigen Tagen, selbst Wochen und Monate scheinbaren Wohl¬
befindens (Inkubation) lokalisieren sich die Symptome. Entarten
die Lymphdrüsen des Mesenteriums, vornehmlich des Dünndarms
primär lymphosarkomatös und werden sie nicht so spät der opera>
tiven Behandlung zugefuhrt (eine interne Kur, etwa mit Arsen, ist
wohl wegen Unmöglichkeit einer genauen palpatorischen oder per¬
kutorischen Kontrolle von vornherein zu verwerfen), so bieten sie
infolge ihrer Topographie günstigere Verhältnisse als die Hals-
lind Mediastinaltumoren.
3. Ruff, Wien: Bückbildimg des Lymphosarkoms auf nicht
operativem Wege.
Es brauchen nicht alle LyrnjAosarkome den typischen Verlauf
zu nehmen, sondern es gibt eine Reihe dieser Greschwüre, die etwas
benigner verlaufen und sich zurückbilden können.
4. Stenczel, Wien: Beitrag nr Kenntnis und Therapie
der nnkomplizierten ohronisch^gonorrhoisohen Prostatits.
Die Methode bezweckt lediglich die Vorzüge der Spüldehn¬
ungen oder Druckspülungen auf die hintere Harnröhre auszudehnen.
H. ist mit dem bypermangaosauren Kali 1:5000 als SpUlfiUssig-
keit ausgekommen, nur in solchen Fällen, in welchen die Blase
kleinere Mengen verträgt, nimmt H. Ichthargan, Albargin oder
Novargan.
5. Biernacki, Lemberg; Kn „Kikrosadimentator^* für
klinische Blntnntersuohnngen.
Holobut hatte bei spontaner Blutsedimentierung die Bildung
aus einer grösseren Blutkörperchenzahl eines kleineren und aus
einer kleineren Zahl eines grösseren Sedimentes, nicht nur relativ,
sondern mitunter auch absolut beobachtet. Er schloss daraus, dass
als Hauptursache der Schwankungen der Blutkörperchenzahl bei
^hwankungen des Gefhssdruckes nicht die Schwankungen der
Plasmaraenge, wie dies gegenwärtig allgemein angenommen wird,
sondern Schwankungen des Volumens der roten Zellen anerkannt
werden müssen. Bei weiterer Bearbeitung der Befunde Hol obut’s,
die B. und Holobut unternahmen, erwies sich die Konstruktion
eines ganz einfachen Apparates („Mikrosedimentator“) vorteilhaft,
indem dieser für die Untersuchung der Sedimentierung des Mcnschen-
blutes sehr gut dienen kann. Die erforderliche Blutmenge wird
durch den kleinsten Stich in die Fingerbeere geliefert. Der Mikro¬
sedimentator kann von jedem Untersucher in einigen Minuten aus
einer Vs mm breiten Thermometerröhre hergestellt werden. Dann
braucht man noch eine kapillarartig ausgezogene Glaspipette.
Allgemeine medicinieche Central-Zeitung. i906. Nr. 15.
Boss: Die Balsamtherapie der Gonorrhoe mit besonderer
Berttcksioht^niig des Gonosans and Santyls.
Ein kritischer Vergleich des Gonosans und des jüngsten inneren
Antigonorhoicums Santyl. Gonosan, das nun schon seit 4 Jahren
in die Tripperbehandlung eingeführt und gemäß der ausserordent¬
lich zahlreichen (65 Arbeiten) Literatur allseitig anerkannt ist,
besteht aus dem unter bestimmten Cautelen und gleichmäßiger
Norm gereinigten Sandelöl und dem wirksamen Prinzip des Kawa¬
harzes; das Santyl dagegen enthält kein Kawabarz, hat aber die bei
acuter Gonorrhoe bisher vermiedene Salicylsäure mit anfgenommen
und zwar mit dem Santalol verestert. Dieses aber bat im Vergleich zum
reinsten Sandelöl eine schwächere adstringierende und weniger
sedative Wirkung, es hatte seiner Zeit und solange Bedeutung,
als das Sandelöl bis dahin noch wenig Reinheit und Zuverlässig¬
keit zeigte. Nachdem aber das ostindische Sandelöl zuverlässig
ausgesucht und minutiös gereinigt war, da war nunmehr das reinste
Sandelöl, als balsamisches Präparat, dem Santalol, das überdies
einen Alkohol repräsentiert, überlegen. Ausserdem ist zu beachten,
dass Santyl relativ sehr wenig Santalol enthält, nämlich nur 60%,
während das chemisch reine Sandelöl 93% Santalol enthält; daher
braucht man, um das Sandelöl zur Geltung zu bringen, viel mehr
.Santyl als Gonosan. Bedenkt man aber, dass bei den grossen
Santylgaben auch grosse Mengen von Salicylsäure mit eingenommen
werden, so liegt es auf der Hand, dass Santyl kein harmloses und
unbedenkliches Antigonorrhoicnm ist, denn es würden innerhalb 6
bis 6 Wochen 56 g Salicylsäure aufgenommen werden. Das ist
eine relativ grosse Menge angesichts der durch neuere Arbeiten
erwiesenen Tatsache, dass die Verwendung der Salicylsäure bei
der acuten Gonorrhoe contraindiciert ist.
Deutsche Aerzte-Zeltung. 1905. Nr. 2i.
Schreiber-Meran: Yerweolulimg fwischen Neorasthenie,
Nenralgie, Tabes dortalis, Traama und cbronischenL Bbenma-
tismos.
Bei Neurasthenie kann zu jeder Zeit auch Rheumatismus sich
einschleicben, der aber gar zu leicht der Neurasthenie zur Last
gelegt wird, namentlich sobald der Rheumatismus die Sehnen,
Bänder und Aponeurosen befkUt. Hier ist nun vor allem nötig,
auf die vom Rheumatismus mit besonderer Vorliebe befallenen
Stellen zu achten, und darum schlägt Schreiber vor: Man übe
einen Druck auf die Fossa supraspinata, auf die äusseren Ränder
der Schulterblätter, auf die um das Ellenbogengelenk herum-
gelegenen Muskeln, auf die Ursprünge der Mm. sacrolombales, auf
die Fascia sacrolumbalis, auf die Ursprünge der Gesässmnskeln,
der Mm. peotineus, gracialis, sartorius, auf die um das Kniegelenk
herum gelegenen Muskeln, auf die Ursprünge der Wadenmuskulator,
auf die Mm. pectorales und ihren sehnigen Ansatz am Oberarme.
Neorasthenische Zustände dauern nie in gleicher Intensität
an. Die Neurastheniker haben gute und schlechte Stunden, böse
und erträgliche Tage, behagliche und lästige Wochen. Schon
dieser Umstand muss genügen, andauernde Schmerzen, an denen
Neurastheniker leiden, als rheumatische zu erkennen. Rheumatismus
ist eine unendlich häufige Erkrankung. Warum sollte ein Neu¬
rastheniker nicht anch Gelegenheit haben, dieses Leiden zu er¬
werben?
Wo vorzugsweise sehnige Gebilde vom Rheumatismus befallen
sind, kann von Heilgymnastik nicht die Rede sein. Bei di^n
Erkrankungen ist nur durch kräftiges Eingreifen Erfolg zu er¬
zielen. Sanftes Verfahren ist zwecklos, auch wenn es durch
längere Zeit aogewendet und noch so oft wiederholt wird.
Die häufigen Fälle von Ischias sind keine Neuralgien, sondern
rheumatische Prozesse der Gesässmuskeln, welche' jeder Zeit ge¬
heilt werden, während jene Ischias, die ausschliesslich auf Nerven-
reizung beruht, eine weniger günstige Prognose gestattet.
Die reinen Neuralgien charakterisieren sich durch schmerz¬
freie Intervalle, was bei den rheumatischen Prozessen nicht der
Fall ist; hei Neuralgien steigert Bewegung die Schmerzen wenig
oder gamicht, der rhenmatische Schmerz hingegen erwacht sofort
bei aktiven und passiven Bewegungen. Die Empfindlichkeit auf
Druck haben beide Erkrankungen gemeinsam, jedoch mit dem wesent¬
lichen Unterschiede, dass man den empfindlichen Nerven genau seinem
Verlaufe entlang verfolgen l^nn, während beim Rheumatismus
die Ursprünge und die Enden der Muskeln als die schmerzhaftesten
Teile sich erweisen. Auch Verwechslung von Rheumatismus (Lum¬
bago) mit Tabes dorsalis kann unterlaufen.
Eine Verwechslnng von Rhenmatismus mit Trauma ist dann
gegeben, wenn eine auf ein Gelenk einwirkende mechanische
Schädlichkeit, keine dem Auge sichtbare Veränderung, nicht ein¬
mal blaue Flecke erzeugt und trotzdem intensive, selbst durch
Jahre andauernde Funktionsstörung der Extremität zorücklässt,
welche der durch Rheumatismus erzeugten Unbeweglichkeit täu¬
schend ähnlich sieht.
Jedenfalls überzeuge mau sich stets bei Individuen, welche
als Neorastheuiker oder Neuralgiker um Rat fragen, ob nicht
auch rheumatische Prozesse vorliegen, und man erforsche anderer¬
seits bei Personen, welche wegen lange andauernden Funktions¬
störungen in den Gelenken klagen, die für den ersten Anschein
als Rheumatismus erklärt werden müssen, ob nicht Zerrungen der
Sehnen und Gelenkbänder stattgeiunden haben, wenn auch Jahre
darüber verflossen sind.
Mediclnische Blätter. 1906. Nr. i.
Dr. B rings, Wien: Zar Behandlong der Unterschenkel-
gesohwüre.
Das Leiden befällt zumeist Angehörige der armen und arbei¬
tenden Bevölkerung, sowie — in besseren Ständen — Personen
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1906 .
MBDICmiSCHE WOCHE.
933
mit Herzfehlern und Arterlosclerose. Einen besoiidera hohen
Prozentsatz stellen marastische Individuen sowie Frauen, die
stehend ihre Arbeit verrichten, wie Köchinnen. Begünstigend
wirkt die Gravidität.
Die häufigste Ursache der Ulcera cruris ist die Varicenbil-
duag, ferner Tn^unen, Entzündung der Haut, Ekzeme etc. Das
fertige Geschwür hat die Tendenz, sich nach der Fläche auszu-
debnen. Sein lieblingsplatz ist das untere Drittel der vorderen
Fläche des Unterschenkels.
Der Verlauf ist durch 3 Stadien gekenneeiohnet:
1. Das Stadium der fortschreitenden Vergrössening,
2. das Stadium des Stillstandes and
8 . das Stadium der Vernarbung.
Zuweilen werden die Geschwüre phagedaenisch oder serpiginös.
Von den Gefahren, denen die Patienten ausgesetzt sind, ist
die Epitheliombildung, das Erysipel, Venenthrombose, Pyaemie
und Septioaemie zu nennen.
Zur Abkürzung der Heilungsdauer verwendete man früher
Ueverdiu-Thier’scbe Transplantationen, aber die Recidive blieben
daruach Picht aus. Mehr Erfolg hatte die Methode von Weber
und Nussbaum. Gut ist das Verfahren von Martin (Binden*
Wickelung). Gute Erfolge zeitigt längere horizontale Bettruhe.
Sehr empfehlenswert sind die Zinkleimverbände. Die Technik
der Methode ist folgende: Mehrtägige Bettruhe, bis gesunde
Granulationen aufschiessen. Einstündiges Baden in lauwarmem
Wasser oder desinficierender Lösung ungefähr 5 Tage lang. Daun
Bestreichung des Beins mit Einbeziehung de.s Geschwürsrandes
von den Füssen bis zur Kniekehle mit Zinkleim (Zinc. oxydat.
und Gelatina alba ;'iri 20,0 -|- Wasser und Glycerin ää 80,0.
Sterilisieren!). Auf das Geschwür selbst kommt entfettete Gaze.
Nach Trocknung des Zinkleims: Einwicklung des Unterschenkels
mit 3 — 4 Bindentouren (Zinkleim). Pat. kann nach 80 Minuten
etwa seinem Berufe nachgehen. 19 vom Verfasser behandelte
Patienten mit Unterschenkelgeschwüren wurden auf diese Weise
innerhalb weniger Wochen geheilt.
Nr. 3.
Dr. Emil Fleischl: Ueber lotns laryngis.
Ictus laryngis ist ein Symptomenkomplex, bestehend in An¬
fällen von Schmerzempfindungen im Kehlkopf, mit Husten und
Kitzeln im Halse, nachfolgendem Schwindel, der in Bewusstlosig¬
keit übergeben und mit Konvulsionen verbunden sein kanu, ohne
bleibende Nacherscheinungen. Charoot gab der Aflfektion den
Namen: Vertige larynge (analog dem Meni^re’sohen Ohreii-
schwiudel).
Die Zahl der bisher bekannt gewordenen Fälle ist kleiu.
Fleischl fügt einen neuen hinzu: Ein 36jähriger Tagelöhner mit
Aorteninsufficienz und Bronchitis, Potator, mehrfach in Spitalbe-
handlung, bemerkt seit Juli 03, dass sein Husten einen bellenden
Ton annimmt, mit Hitzegefühl im Halse, mühsames Atmen.
Am 23. VIII. erster t 3 T)ischer Anfall mit kurzem Bewusst-
seinsverlu.st; seitdem 16 ÄnfUUe. Patient ist cyanotisoh, zeigt
geringe Oedeme der Beine, Temp. 38,9. Puls 104. Resp. 40.
Herzdämpfung beiderseits stark verbreitert. Blasendes diastolisches
Geräusch über der Aorta. Aortenbogen nicht palpabel.
Am 2. VIII. Verschlucken. Regurgitation von Speisen.
Am 23. Vni. Typischer Anfall.
Am 26. und 29. VLU. Je ein Anfall.
Am 27. VIII. Zwei Anfälle.
Larynxbefund: Pulsation der finken Trachealwand.
Recurrenzlähmung links.
R. Trommelfell glanzlos, eingezogen.
L. Trommelfell getrübt, retrahiert.
Weber im Raume.
Rinne beiderseits positiv.
Am 14. X. letzter Anfall, aasgelöst durch Was.sertrinken.
Am 29. X. Exitus.
Obduktionsdiagnose: Endocarditis bactericidica valv. aort. cum
insufF. valv. aort. gravsex cmbol. lami iuf. ai't. me.suraic. sup. Gan-
graena intest, tenuis c. periton, incip. Aspiratio content. ventric.
(Weintraube) in broncho dextro, Ictus laryngis.
Der letns laryngis findet sich am häufigsten bei Männern
und namentlich bei Potatoren im Alter von 35—60 Jahren, ferner
bei Rauchern, Flethorischen, Gichtikem und nervösen Personen.
Die Ursache liegt nach Charcot in einer Reizung des N. laryng.
sup., welche Stillstand der Respiration und der Allgemeinbewegungen
und auch Tod erzeugen kann. Verf. erklärt die Ursache des
Ictus in der Weise, dass ein Verschlucken eine Reizong des
Laryng. sup. erzeugt, welcher auf Herz- und Atemzentrum über¬
tragen wird. Diese 3 Faktoren bedingen Hasten und weitere
Veränderungen in der Zirknlation der Gehirnrinde, die ihrerseits
zu dem Ictus, der cerebralen Anaemie und Bewusstlosigkeit führen.
Oie mechanischen Störungen, welche das Verschlucken veran¬
lassen, können mannigfach sein; in des Verf. Falle war es eine
Weintraube; in den anderen Fällen waren die Ursache: Hyper¬
plasie der Zungeatonsille, ein Polyp, ein Aneurysma etc. Dem¬
entsprechend gestaltet sich die Prognosenstellung und Therapie,
bei welch letzterer namentlich Alkoholverbot und Rücksichtnahme
auf Gicht und Arteriosclerose eine Rolle spielt.
Archlves generale» de mödecine. 1906. Nr. 4.
Pater et Halbron: Conudörations cliniqnes snr la fievre
typhoide chez l’eufant.
Die Beobachtungen umfassen 63 Fälle von Typbus im kind¬
lichen Alter während einer Epidemie. Der Beginn war sehr selten
ein plötzlicher; meist fand sich ein Prodromalstadium von ver¬
schiedener Länge mit unbestimmten Erscheinungen. Sehr häufig
wurde Erbrechen beobachtet; Abdominalschmerz, unabhängig von
den StuhlverhäUnissen, fand sich in der Hälfte der Fälle, Mete-
orisraus in 62%; Ileoooecalgurren scheint für Kinder keinen
wesentlichen diagnostischen Wert zu haben; entgegen anderer
Meinung wurden in den meisten Fällen Diarrhoeen konstatiert.
Roseolen erwiesen sich als regelmäßiges diagnostisches Hilfs¬
mittel: sie wurden nur in 18% vermisst; desgleichen die Milz¬
schwellung, die in 82% zu konstatieren war, oft schon sehr früh¬
zeitig. Unter Mitteilung von Krankengeschichten berichten Verff,
dann über eine Reihe von anormalen Verlaufserscheinungen und
Komplikationen. Bronohopneumonieen wurden öfters im Beginn
der Krankheit beobachtet, sie zeigten stets gutartigen Verlauf.
Darmperforationen wurden wesentlich häufiger angetroffen, als sonst
für kindlichen Typbus angegeben; Darmblutungen fanden sich in
6 %. Ganz besonders heben Verff. als prognostisch infaustes
Zeichen hervor das Auftreten von grünen Diarrhoeen, die öfters
mit Erbrechen und TemperaturabfÜUen dem Exitus vorausgingen.
Recidive traten in 17% der Fälle ein; die Mortalität betrug 14,5%.
Bei den Gestorbenen überwog bei weitem das weibliche Geschlecht,
wie das auch beim Typhus Erwachsener beobachtet worden ist.
Dieulafoy: Looalisations rägionaiies invätördes de la Sy¬
philis tertiaire.
Verf. gibt eine Reihe interessanter Krankengesriiichten von
Individuen, die einen Schanker aquiriert, in der Folgezeit keinerlei
syphilitische Manifestationen bekommen haben, dann nach 10 bis
20 Jahren von tertiären Läsionen befallen werden, die jahrelang
an der Stelle, wo sie zum Ausbruch gekommen, lokalisiert bleiben,
ohne ihre ursprüngliche Form, ulceröse, nekrotisierende, hyper¬
trophische, zu ändern und ohne den Allgemeinzustand des Körpers
schwerer zu beeinträchtigen. Einer erfolgreichen Behandlung sind
auch solche Fälle eingewurzelter, veralteter Lues zugänglich.
Nr. 6.
Levy: La eure definitive de la nenrasthdnie pur la rdd-
dneation psyohiqne.
Für die Behandlung der Neurasthenie und der Neurosen be¬
ansprucht die psychische Therapie eine hervorragende Bedeutung.
Durch mangelhafte Selbstdisziplin ist der Kranke zu einer ner¬
vösen Elrschöpfung gekommen; indem man ihn wieder zur Selbst¬
disziplin in psychischer und moralischer Beziehung erzieht, soll
man die Wiederherstellung des normalen physiologischen Ablaufs
der nervösen Funktionen erstreben. In «fiesem Sinne ist die
Psychotherapie eine Erziehung oder Wiedererziehung. An der Hand
I von Beispielen wird das einzuschlagende Vorgehen erläutert. Die
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234
MSDIClNlSCUfi WOCHE.
Nr
äo zu erzlelüuJen Heilungen können eudgültige eein. Die Peycho«
therapie ist aber an sich allein nicht auareicäiend; sie soll sich der
Gesamtheit der allgemMnea Therapie einfügen.
Etienne: leMn iafeotiMix aigae par angiaohoUte, seale
maaileatatioa d’an eaaeer du paacräat.
Kraokengescdiichte eines alten Mannes, der nie krank gewesen,
bei gnt erbcdtenem körperH(^em Allgeineinznstand nach geringen
gastro-intestinalen Erscheinungen an fieberhaftem Ikterus erkrankt,
dem er am 14. Tage erHegt. Die Autopsie ergab Carcinom des
Pankreaskc^fes, wedurdb die Gallenwege komprimiert waren, mit
Metastasen in der Leber.
Bücherbe&prechung.
Ursachen und Folgen der Rechtshändigkeit.
Von Dr. Emst Weber. 1905. Verlag von Carl Marhold,
Halle a. S.
Die sehr interessante Untersuchung beginnt mit Feststellung
geschichtlicher Daten, nachdem ein kurzer Ueberblick über die
Rechtshändigkeit beim Kinde, Tiere und Urmenschen gegeben ist.
Teil I behandelt die Ursachen der Rechtshändigkeit; Weder die
Bhttversongnng noch die Kindslage vor der Geburt, die Lage des
Schwerpunkts im Körper, noch Zufälligkeiten können als aus¬
reichende Ursache angesehen werden. Vielmehr ist die Rechts¬
händigkeit eine indirekte Folge der Lage der Organe des
Körpers. Der Urmensch Im Kampfe musste die linke Hand
zum Schutze der gefährdeten lebenswichtigen Teile, des Herzens,
benutzen und mit der rechten Hand aktiv sein. So mussten,
während im Anfänge Linkshänder nnd Rechtshänder nicht viel¬
leicht an Zahl gleich waren, die Rechtshänder allmählich das
Uebergewicht erhalten und es vererbte sich mehr Rechtshändigkeit
aU Ijinkshändigkeit. Diese sehr geistvolle Theorie wird weiter
ausgeführt und belegt. Die Bevorzugung der rechten Hand
musste bei den Kriegern, uamentUch schon im Interesse der
Gleichmäßigkeit, immer allgemeiner werden.
Teil U behandelt die Folgen der Reohtshändigkeit. Stärkere
Ausbildung der Muskeln, Knochen, Blutgefässe. Aus Gehirn
sprechen weder anatomische noch entwicklungsgeschichtUche Tat¬
sachen für eine stärkere Entwicklung der 1-seitigen Centren, das
spricht indessen nicht dagegen, dass ein Einfluss völlig fehlt,
sondern nur, dass die Zeit noch nicht ausgereicht hat, die Mehr-
entwickelung so deutlich zu machen, wie es für die Armcentren
den Beincentren gegenüber schon der Fall ist; da nun auch die
Einwirkung cantripetoler Beize stärker ist, so zeigt sich das linke
Hirn auf Uebungen wesentlich leichter ansprechend; schliesslich
spricht auch die Lage des Spracheentrums links für eine grössere
Entwickelung der linken Hemisphäre heim Rechtshänder. Das
rechtsseitige Schreiben beeinflusst die Ausbildung der linken He¬
misphäre auch als Spracheentrum in ganz besonderer Weise.
Dr. G. Fla tau, Berlin.
Hirsch. Ein Vorschlag zur Trachombehandlong.
(Sammlung zwangloser Abhaudlungen). VI, 5. Verlag von (’arl
Marhold, Halle a. S.
In die Bindehaut der oberen und der unteren Uebergangs-
falte werden an je zwei Stellen 7 Teilstriche einer Pravaz’schen
Spritze voll Sol. hydrarg. oxycyan. 1 ; 3000—4000 eingei^tzt,
der zur besseren Anästhesie 3 Teilstriche 1 % Akoinlösung zuge¬
setzt sind. Später muss auch die Lidbindehaut auf diese Weise
infiltriert werden. Die Injektionen werden aller 2—6 Tage wieder¬
holt, nnd bereits nach 6—8 Spritzen flacht sich das geschwollene
trachomatöee Gewebe ab imd zieht sich zusammen. Dauererfolge
sah H. bisher von seiner Methode nicht, empfiehlt sie daher zur
Nachprüfung. Kurt Steindorff.
Stnnner, Robert, Prof. Dr. med. et. phil., Giessen: Elinik
für psyohisoho nnd nervöse Krankheiten. Verlag
von Carl Marhold, Halle a. S.
Der Zweck der neuen Schrift ist es: Die psycho-pathologischen
Untersuebungsmethoden zum Allgemeingut der Aerzte zu machen.
Die VervuUkouunuuug der Methodau eriDögliicht heute eine bessere
und schnellere Diagnostik. A«eb der Eriorschung des Mttteige-
bietes zwisdsen Nerves- und Geistesknakheiten die piydke-
physischen Methoden wird besondere Aufmerkawslrsit genrkesfcf
werden; ist die genaue Erkenntnis hier doch eine Voraussetzung
wirksamer Therapie.
Der Inhalt der Vierteljahrsschrift soll im Wesentlichen dem
Gange einer über zwei Semester verteilten neurologischen Eiinfk
folgen.
Das Heft 1 ist erschienen und enthält:
1. Sommer, psychiatrische Untersuchung eines Falles von
Mord Und Selbstmord mit Studien über Familiengeschichte und
Erblichkeit, namentlich auf die letztere wird hiermit hingewiesen.
2. Nachweis von Simulation, von Taubstummheit durch Streck¬
wirkung auf amnestische Reize. Von Dr. v. Leupoldt-f^iessen.
Die Methode besteht in Featatellung und Untmhrächongmi einer
Curve von Zitterhewegungen, welche aufgezeichoet werden durch
Reaktion auf plötzliche amnestische Reize.
3. Dr. Jäger berichtet über Fälle von familiären Kreti¬
nismus.
Weiter dann v. Leupoldt; Zur Symptomatologie der Ka¬
tatonie. Sommer: Ueber Geistesschwäche bei psychogeoer Neu¬
rose und Berliner über einen Fall von Neubildung des Klein¬
hirns mit Sektionsbefand und Photogramm.
Dr. G. Fla tau, Berlin.
lieber Pljflen-
„Bin Präparat, welches die tberapeutisebe Wirkung;.des ent¬
faltet, und das zu gleicher Zeit ganz genau dosierbar und zu intraveooseo
und intramuskulären Injektionen geeignet ist, erfüllt viele thmapeutisebe
Anforderungen; man erreicht vor allem durch ein solches Präparat eine
der bostiraoiten DoeU zukommende siobsre Wirkung, und somit wird es
möglich, das betreffoode Mittel in zahlreichen Fällen io Anwendung zu bringen,
wo es sich darum bandelt, eine prompte Wirkung zu mreichen und in denen
die sogenannte Intoleranz, für Dig:itali 3 besteht.^' Diese Worte der Biniei-
tung E rnes 10 Pe 8 0 i szu den „klinischen Erfehrungen flberdas Digalen* gelten
für alle neueren Arbeiten, die sidi Uber Digalen ausspreehen. F. Umber
sagt darüber folgendes: Vor unlanger Zeit iat in die Reibe dw therapeu-
Ciscbeir DigitaliskOiper ein weiteres Digitozinpraparat auf Veranlassung des
Zäricber Pbarmakolc^en Cloetta aus Oigitalisblättem ein^tellt worden,
das Digotoxinum solubile, das als „Digalen“ in den -Handel Kommt; dasselbe
unterscheidet sich von dem bereits vofkaadsnem krystall. Digitoxin nach
Cloettas eignen Angaben in erster Linie durch eine viel grossere Wasser¬
löslichkeit und leichtere Resorbierbarkeit 1 ccm des Dimlen enthält -—0,3.mg
Digitoxin und entspricht«0.15e wirksamor Dintalisbwttm-. Dieses Prtoarat
ist durch Naun^n in die Klinik oingoführt. Das Digalen Ubortrifft dareb
die Gleichmäßigkeit seiner wirksamen Substanz und durch die Suhoelligkeit
seines Wirkungseintrittes Infus und Pulver (W inckelmann, Freund,
Schwartz).
Soweit innerlicbo Darreiehun? in Frage kommt, rühmt Grassmann
gute Erträglichkeit scitons des ^iagcl) und Danukanals und in den -för
(»gitalisthcrapio überhaupt geeigneten Fällen rasche, dabei energische und
lang anhaltenden Wirkung, auch Keittor hebt die den Miis Digitalis gioicb-
kommende Wirkung hervor.
Auch am Froscliherzon konnte Kumoji Sasaki eioe dom-lafus veti
Digitalisllättcm gletcbkominendo Wirkut^ des Digaleus naebwnisen.
Rei der subkutanen und be.<iondpr 8 ' auch der intravenösen Injektion
erwies sich das Üigitoxinum solubile Cloetta in der klinisohen DurebprUfkng
von Kurt Kottmann als vorteilhaft, letztere Aowettdiwsart pamontlicb
wegen der Schmerzlosigkeit und der Beschränkung auf eine einzige Injektion
während 24 Standen, daher giebt auch K. Hochheim der intravenösen bzw.
subkutanen Verwendung des Digaleasdcäi Vorzug. A.B ulen borg bmronagt
tiefe intramuskuläre [njektionen des üigalens, da dieses völlig acb.iuerzie 0 e,
ß de Örtliche Roizwirkung ermangelnde verfahren bei schwereo, i 3 is<^e
igitalisaktion erheischenden Zuständen vom Praktiker noch zuversichtlicher
ausgefiibrt werden kann, als die intravenöse Inj^tion. ,Dle LtkiBüg wird
nach Eulonburg in die Glutaeen oder nach Hoifftor ki die Extensoren
des Oberschenkels eingespritzt; dio jedesmalige Dosis beträgt in der Regel
1 ccm.
Die wesentlichen Vorzüge dos. Digalens sind nach Weinberger fol¬
gende;
l. Dio genaue Dosierbarkeit infolge ^ts gleicher Zasaoweoaotzung.
2. Die beinahe absolute Reizlosigkeit, die neben der Verabreiebuog peros
die oft erwünschte und zuverlässige sabkntane und intravenöse Appfilration
gestattet.
3. Die eben dadurch gegebene Möglichkeit, durch raadte-Ginvarieihnng
grosser Dosen oft io kürzester Zeit eine maximale Wick.ung.au erzielen. Dazu
eignet sich vor allem die vollständig schmerzlose intravenöse (oder intramus¬
kuläre) Injektion, bei der relativ grosse Einxetdosen 3—5 ccm (bzw. Iccm)
möglich sind und auffallend gut vertragen werden. A. R
Verkotwortlichcr Redakteur : Dr. P. Meisiaer, BerliaW, 4S, Kvt&rttraatr. 81. — V«*lag -eo» Carl Marbeld, Helle.a. S,
Dmek von der HeynemannVtira Rachdrni'kerei, Oebr WoKT, Halle a. S
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Medicinische Woche
Dcotschinanii,
Hamburg.
A. Dfibrssen, A. Hofta,
Berllo. Berlin.
H. Senator,
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R. Sommer,
Giessen.
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Tcl.-Adr.: Martiold Verlag Haliesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Kobert, M. Koeppen, K. Pariich, H. Rosln» H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unvenicht. A. VoMlns,
Magdeburg. Glessen.
Redaktion:
Berlin W. 62, Knrfürstenstraase 81»
Dr. P Meißner,
Vn. Jahrgang. 21. Mai 1906. Nr. 21.
Die , Med i cinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utagigen Beilage Baltieologischc CGfltralzeltungy Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fUr
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit SO Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt Ermäfiigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Alliohol und Kaffee,
die grössten Feinde sozialer Kultur.
Von Dr. A. Rahn, Berlin.
Wenn bisher der Kampf gegen die verbündeten Feinde,
Alkohol and Kaffee, auch nicht durchweg mit dem zu wünschen¬
den Erfolge geführt wurde, so können wir wenigstens mit
Genugtuung das eine konstatieren, dass wir im Ersatz des
Kaffees weiter, viel weiter sind, als im Ersätze der Alkoholika.
Denn die Alkoholika können in der Hauptsache nur vertauscht
werden (Fruchtsäfte, Limonaden, Obst, Chokolade u. a.), aber
der Kaffee, selbst in seiner delikaten Aufmachung, kann getrost
als ersetzt gelten durch einheimische Getränke Das sind unsere
Malzkaffees.
Die Einfachheit der Zubereitung und die geringe Empfind¬
lichkeit des Malzkaffees beim Kochen macht ihn in hervorragen¬
der Weise zum Volksgetränk geeignet. Wir wollen uns aber
durch den Ausdruck „Volksgetränk“ nicht abschrecken lassen, den
Malzkaffee in allen Gesellschaftsklassen einznführen, denn auch
das Auftischen des Malzkaffees lässt so mancherlei kleine Fein¬
heiten, Abstufungen und Abwechselungen zu, die jeder kleinen
Liebetuerei zu gute kommt. Also, man darf ja nicht glauben,
dass der Malzk^ee ein „liebloses“ Getränke sei; das kann nur
derjenige sagen, der von Vorurteilen eingenommen ist und noch
nicht die ernste Notwendigkeit eingesehen hat, dass jeder ein¬
zelne für die wichtige Abatinenzfrage wirkt und eintritt.
Wir wollen zunächst noch nicht fragen, was das Schädliche
im Kaffee ist, aber wie die schädlichen Wirkungen sich äussern,
will ich im allgemeinen an einer kleinen Reihe von langen
Beobachtungsreihen erläutern:
I. R. M. 24 J., völlig gesund, aus gesunder Familie, leidet
nach habituellen Exzessen in Wein und Bier an chronischem
Magenkatarrh und ist dadurch und durch ängstliche Exameus-
vorbereituDg neurasthenisch geworden. Herz: etwas dumpfe
Töne, leichte Erregbarkeit nach Gemütserregungen, flackernder
Puls beim Treppensteigen u. a. Anstrengungen. Pat. findet
keine Linderung seiner Hyperacidität, auch nicht bei Regelung
der Esszeiten, bei Einschränkung der Fleischkost, bei Meidung
der Gewürze und Alkoholika, bei Einhalten eines indifferenten
Morgengetränkes und der Milchdiät; es zeigt sich nach jedem
Nachmittagskaffee (2—2'/., Tassen mittelstarker Bereitung) das
linke Ohr und die linke Wange gerötet und ein sehr weicher
flüchtiger Puls. Dies bringt mien auf den Gedanken, auch
den Kaffee am Nachmittage zu verbieten und Malzkaffee mit
Würfelzucker früh und nachmittags zu verordnen, und zwar
mit bestem Erfolge: Vom übernächsten Tage ab keine fliegende
Röte, keine auffällige Pulsvariierung mehr und namentlich
Schwinden jeden Sodbrennens und siedend — sauren Gefühles
im Rachen und Oesophagus.
n. L. H. 21 J., blasses, lebensfrohes Mädchen, leidet seit
einem Jahr an ganz unregelmässiger und vielfach sehr profuser
Menstruation, giebt selbst zu, an Kaffeekränzchen „mit be¬
sonderem Zuspruch“ teilgenommen zu haben, trinkt auch in
der Häuslichkeit viel Kaffee. Lässt anfangs nur mit Mühe den
Kaffee weg, trinkt aber später sehr gern Malzkaffee schwarz
mit Würfelzucker. Seit einem halben J^re regelmäßige Menses,
zu genau bestimmbarer Zeit. Hat sich daran gewöhnt, nur
einige wenige Kaffeekränzchen zu besuchen und tnnkt dort teil¬
weise Malzkaffee, teilweise warmes Zitronenwasser, was sie auch
bei sich zu Hause gibt.
III. L. B., Kaufmann, 31 J., hat viel aufreibende Tätigkeit
mit der Kontrolle im eigenen Geschäft, spielt viel, fährt viel
Rad, ist leicht erregbar und Gelegenheits- und Qnartaltrinker;
an „soliden Abenden“ trinkt er zu Hause viel und starken
Kaffee, nm damit die „nötige Bettschwere“ zu bekommen.
Frühzeitige periphere Arteriosklerose, Akzentuation des ersten
Aortentones, leichtes systolisches Geräusch nach Radfahren und
sonstigen Anstrengungen, und fliegende Hitze und Parästkesien
nach körperlichen und geistigen Anstrengangen,leichterScliwindel
nach fahrenden Bewegungen und Erschütterungen usw. Um
sich zur Abstinenz zu bequemen, schlage ich mm genau vor,
wie er „die Gastwirte, seine Kunden“, „nicht vor den Kopf
stösst“, gebe ihm alles an, wie er im Gasthanse die Bestellung
des Bieres und Weines und Kaffees umgehen kann, gebe ihm
erst brausendes Bromsalz und Valeriana und schliessUim Bomy-
val, letzteres 4 Wochen lang, täglich 3—4 Perlen. Pat. be-
quemt sich allmählich zur Mäßigkeit, lässt nmnentlich auch
jedes viele Kaffeetriuken und nimmt regelmäßig nachmittags
Malzkaffee und früh eine Haferschleimsuppe; das Rauchen
ist ihm nur noch nach dem Mittag- und Abendessen oder Sonn¬
tags bei angestrengter Kontorarbeit ein Bedürfnis.
IV. C. L., 14 J., Bleichsucht, Störung der eben erst ein¬
getretenen Menses, Appetitlosigkeit, trinkt viel Bohnenkaffee,
nur ab und zu allenfalls etwas Milch dazu. Hochgradige Er¬
regbarkeit und Weinerlichkeit. Zuerst Kaffee mit Milch, dann
Kaffee mit Malzkaffee, giebt sich nach 14 Tagen mit 4—5
Tassen Malzkaffee und reichlich Würfelzucker zufrieden, geht
nach dem Vor- und Nachmittagskaffee an die Luft, lernt so¬
mit, obgleich sie nach einem Morgengetränk erst um 10 Uhr
Vormittag ihr Frühstück mit Malzkaffee einnimmt, zu Mittt^
und zu Abend reichlich essen. Nach 8 Wochen treten die
Menses regelmäßig auf.
V. H. P., 43 J., Klimakterische Beschwerden, profuse und
regelmäßige Menstruation, Hydrämie, schlaffer, atomscher
Uterus olme Entzündungserscheinungen. Hat bei vieler Haus¬
arbeit — nebenher viel Nähen und Sticken! — sich ganz und
gar an sehr vielen Kaffee gewöhnt und giebt selbt zu, eine
„tüchtige Kaffeeschwester“ gewesen zu sein. Gewöhnt sieb
auffallend schnell an Malzkaffee, nimm t ihn erst mit Zitrone,
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236
MBDICINISCHB WOCHB.
Nr. 21.
später aach mit Vorliebe mit reichlich Würfelzucker, hat ein gewählt. Nur zweier Unsitten will ich noch hier gedenken,
ganzes Jahr noch regelmäßige Menses, bis diese ganz cessieren. die leider gar nicht so selten sind. Es gibt Mädchen, die
VI. E. G., 4 J., Bettnässen, hat bisher immer mit der Kaffeebohnen kauen, um anderen Geschmack im Munde zu be-
Familie tassenweise Kaffee getrunken, wenn auch bisweilen kommen, oder um angeregt zu werden. Es giebt Raucher, die
noch einmal aufgegossen. Der Kaffee wird entzogen, dafür Kaffeebohnen kauen, um sich den Schwindel nach dem Rauchen
Malzkaffee; abends keine Flüssigkeit ausser Suppe, am Tage zu vertreiben.
aber Malzkaffee mit Zucker. Nach zwei Monaten kein Bett- Wie nachteilig der Kaffee, selbst als mäßig benutztes
nässen mehr. Hausgetränk, wirkt, konnte ich an mir selbst erfahren. Ich
VII. P. W., 28 J., Hämorrhoidarier. Isst viel Saures, Obst, möchte daher zuletzt nur noch kurz einige Beobachtungen
Gewürztes und alle Speisen am liebsten nur in Pur^eform, gibt berichten, die. ich an mir selber machte.
aber gleichzeitig zu, auch recht viel Kaffee getrunken zu haben. Bei chronischer Bronchitis, bei Rippenfell- und Brustfell-
Gewöhnt sich erst langsam an das ZurücÄommen auf blande Verwachsungen, Vagus-Kompression usw. reagierte ich äusserst
Diät, gewöhnt sich aber sehr schnell an Malzkaffee und entsagt präzis und fein auf die Reize des Alkohols und Kaffees; ein
ohne alle Schwierigkeiten dem Bohnenkaffee, indem er ganz im Glas Bier, ein Gläschen Wein und gar noch ein Schluck
Anfang starken Extrakt des Malzkaffees nimmt und denselben mit Coraac lösten sofort einen Hustenreiz und unruhige, gewisser-
Milch verdünnt (Caf6 au lait) trinkt. Nach 3 Wochen ist Pat. maSen schaukelnde bezw. flatternde Atmung aus, Kaffee machte
ganz eingerichtet auf blossen Malzkaffee mit Würfelzucker, und mir sofort heisse Stirn, Unruhe, Eingenommenheit und Hitze-
nach einem Vierteljahr sagt ihm schliesslich auch völlig die geföhl mit Andrang nach dem Kopfe. Lebe ich vollständig
blande Diät sehr vorteilhaft zu. Pat lässt die Hämorrhoidal- abstinent oder wenigstens beschränke ich mich auf 1—1*/* Glas
knoten operieren, ist aber nunmehr in der Lage, die entsprechende Bier in und nach dem Abendessen, dann verspüre ich den
prophyl^tische Diät auch weiter mit Behagen innezuhalten. ganzen Tag nichts von Hustenreizen imd Kreislaufstörungen.
Vin. M. H., 26 J., Menstruationsstörungen und Con- Ich muss sagen, dass ich nach jahrelangem Schwanken und
gestionen. Hat stets grosse Schmerzen vor dem Eintritt der Zweifeln an der Berechtigung gerechter Abstinenz nunmehr
Menses, krampfartiges Ziehen im Leibe, Abgeschiagenheit und ganz und gar von der Notwendigkeit derselben überzeugt bin.
‘Angstgefühle. Aber auch sonst häufiger Blutandrang nach dem Wir erinnern hier nur an F. Mendel’s Warnung vor
Kopfe, Schwindel, Herzklopfen, Hitzegefühle, Ameisenkribbeln den „Schädlichen Folgen des chronischen Kaffeemissbrauches“
und zwar allemal dann, wenn sie starken Kaffee trinkt. Will (Berl. Klin. Wochenschr. XXVI., Nr. 40, S. 877): „Drei An-
aber noch immer nicht an diesen Zusammenhang glauben, griffspunkte sind es“, sagt Mendel, „an denen das Gift
Strenges Verbot des Kaffees und namentlich das Plausibelmachen hauptsächlich seine Wirkung geltend gemacht hat, es sind dies
der Einfachheit und Wohlfeilheit und Schmackhaftigkeit des Centralnervensystem, dessen Reflexerregbarkeit gesteigert und.
Malzkaffees überzeugt sie von letzterem. Nach 12 Wochen dessen reflexhemmenden Centren in mrer Wirksamkeit ge-
giebt Pat. an, nichts wieder von obigen Störungen in letzter hemmt werden, ferner die Muskeln und das Herz.“
Zeit gemerkt zu haben, und sie macht selbst lür diese Bes- Mit Recht führt Hermann Isaac (Berl. klin. Wochenschr.
serung das Wechseln des Gewohnheitsgetränkes verantwortlich. XXVI. Nr. 3, S. 48) bei seinen Untersuchungen in der Lassar-
IX. A. K., 38 J., leidet an Flimmern und häufigen sehen Klinik die Beeinflussbarkeit der mechanischen Verstopfung
Schwindel und Schwäche während der Menses. Trinkt als der Talgdrüsen auf Störungen der Verdauung, Zirkulation und
Waschfrau den Kaffee meist kannenweise in allen Formen Menstruation zurück, er fand unter den Akne-Kranken viele
(erster, zweiter usw. Aufguss) ohne Milch und Zucker und gewohnheitsmäßige Kaffeetrinker.
nimmt sonst nur noch Brot oder Kartoffeln an. Wird aber Ein ganz bemerkenswerter Umstand aber, der auch zugleich
durch Malzkaffee allmählich abgelenkt und verlangt schliesslich die positiven Vorteile des Malzkaffees am besten illustriert, wird
selbst nur noch Malzkaffee, ist ruhiger bei der Arbeit und ge- von Oberstabsarzt Cyrillus Koljago in Band II, 81, 745 des
wöhnt sich an alle die Vorgesetzten Mahlzeiten. Erklärt nach „Militär-Medicinal-Joumals“ hervorgehoben,
einem halben Jahre selbst, „ein ganz anderer Mensch geworden Schon Nicolai erwähnt im Vorworte zu seiner ausser-
zu sein.“ ordentlich umfangreichen und eingehenden, sozial-hygienisch
Diese Fälle könnte ich noch durch einige weitere beleuchten, höchst bedeutsamen Schrift „Der K^ee und seine Ersatzmittel“,
aber ich habe die instruktivsten der einzelnen Gebiete heraus- wie der Tee bei den Russen als Vorarbeiter der Nervenzer-
Feuilleton. Bei Tisch also hörte ich nichts anderes als medicinischc
_ Gespräche, eben wie vormals in der Pension des Hofrats Ludwig.
Medicinisches von und über Goethe. .'’^'irSidoiscZ fTS
(Fortsetzung.) überhaupt vor den übrigen, sowohl in Absicht auf die Berühmt-
Als er dann in Strassburg vom Frülyahr 1770 an seine heit der Lehrer als die Frequenz der Lernenden, und so zog
juristischen Studien weiter foiteetzen und am Ende promo- mich der Strom dahin, um so leichter, als ich von diesen Dingen
vieren sollte, ihm aber durch die französische Art gedächtnis- gerade so viel Kenntnis hatte, dass meine Wissenslust bald
massiger Aneignung der für die Praxis nötigsten Gesetzes- vermehrt und angefeuert werden konnte. Beim Eintritt des
kenntnisse und das Einpauken zum Examen bei einem Rep- zweiten Semesters besuchte ich daher Chemie bei Spielmann,
tenten jede eigne Tätigkeit abgeschnitteu war — da fand er Anatomie bei Lobstein und nalim mir vor, recht fleissig zu
für seine Kräfte einen grösseren Spielraum, den er auf die sein, weil ich bei unserer Sozietät durch meine wunderlichen
wunderlichste Weise benutzte: „Die meisten meiner Tisch- Vor- oder vielmehr Ueberkenntnisse schon einiges Ansehen und
genossen waren Mediciner. Diese sind wie bekannt, die ein- Zutrauen erworben hatte.“ Die Anatomie, sagt er an einer
zigen Studierenden, die sich von ihrer Wissenschaft, ihrem späteren Stelle, war mir auch deshalb doppelt wert, weil sie
Metier, auch ausser den Lehrstunden mit Lebhaftigkeit unter- mich den widerwärtigsten Anblick ertragen lehrte, indem sie
halten. Es liegt dieses in der Natur der Sache. Die Gegen- meine Wissbegierde befriedigte. Und so besuchte ich auch das
stände ihrer Bemühungen sind die sinnlichsten und zugleich die Klinikum des älteren Dr. Ehrmann, sowie die Lektionen der
höchsten, die einfachsten und die kompliziertesten. Die Medicin Entbindungskunst seines Sohnes in der doppelten Absicht, alle
beschäftigt den ganzen Menschen, weil sie sich mit dem ganzen Zustände kennen zu lernen und mich von aller Apprehension
Menschen beschäftigt. Alles was der Jüngling lernt, deutet gegen widerwärtige Dinge zu befreien. Ich habe es auch wirk-
sogleich auf eine wichtige, zwar gefährliche, aber doch in lieh darin so weit gebracht, dass nichts dergleichen mich je-
manchem Sinn belohnende Praxis. Er wirft sich daher mit mals aus der Fassung setzen konnte.
Leidenschaft auf das, was zu erkennen und zu tun ist, teils Zu dieser vielfachen Zersplitterung kam nunmehr eine an¬
weil es ihn an sich interessiert, teils weil es ihm die frohe gehende Leidenschaft (zu Friederike von Sesenheim), die ihn zu
Aussicht von Selbständigkeit und Wohlhabenheit eröffnet. verschlingen drohte, so sehr sie eines der glücklichsten Idylle
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1906 .
B4BDICINISCHB WOCHE.
237
rüttung za betrachten ist, und Koljago sollte in Praxi die
Unterschiede zwischen Tee und MaJzkaffee zu Gunsten des
letzteren kennen lernen. In einer russischen Infant^iedivision
wurde seit mehr als einem Jahre statt des Tees den Mann¬
schaften Malzkaffee gereicht, die Versuche fielen günstig aus.
Schon der Kommandeur dieser Division teilte dem Kommandeur
des Militärbezirks Turkestan mit, dass der Malzkaffee nicht nur
den Durst lösche, sondern auch zur Besserung der Ernährung
wesentlich beitrage. Dies prüfte Koljago an Mannschaften
des 2. Turkestan^chen Schützenbataillons, indem er 10 Mann
nur Malzkaffee und zur Kontrolle dagegen 10 Mann nur Tee
trinken liess, und zwar im üblichen MaJße und in genau gleicher
Vorschrift des Wasaerzusatzes; die Menge des Malzkaffees für
10 Tage betrug 200 g, also pro Tag 20 g auf je drei Glas.
Koljago berichtet über die Ergebnisse folgendes: „Die zu
unserem Versuche aus dem Lebrkommando herbeigezogenen
Leute waren annähernd von gleichem Körpergewicht. Infolge
ihres angestrengten Dienstes pflegt sich bei der Mannschaft
gewöhnlich ein Gewichtsverlust einzustellen, wie dies bei den
„Kontrollleuten“ unseres Versuches zu konstatieren war, indem
sie in 10 Tagen durchschnittlich 1,3 Pfund an ihrem Körper¬
gewicht pro Mann eingebüsst haben. In derselben Zeit aber
gewannen die Leute, welche den Malzkaffee getrunken haben,
im Durchschnitt über 2 Pfund pro Mann an ihrem Körperge¬
wicht. Es dürfte angesichts einer so bedeutenden Gewichts¬
zunahme die Schlussfolgerung gestattet sein, dass dies dem
Genüsse des Malzkaffees zu verdanken ist, der augenscheinlich
in hohem Maße die Eigenschaft besitzt, auf die Assimilation
der Nährstoffe der von der Mannschaft gebrauchten Speisen
überhaupt günstig einzuwirken.^
dass namentlich das benzoe- und Salizylsäure Salz des Coffeins
bei den Kreislaufstörungen im Anfänge von Diphtherie, Pneumonie,
Scharlach usw. die Spannung der Gefässe und den Blutdruck
zu erhöhen vermag, aber eben nur dort, wo das Herz auf den
peripheren Reiz der Stromverengeruug durch genügende Spann¬
kraft noch zu antworten weiss.
Das im Kaffee enthaltene Coffein ist aber im chronischen
Gebrauche als degenerierender Feind des Herzmuskels anzu¬
sehen, und als zwei Verbündete vollbringen somit Alkohol und
Kaffee „eine unheimliche sich ergänzende Zerstörungsarbeit“,
sodass Hans Stell ihre Wirkung (Alkohol und Kaffee in
ihrer Beziehu^ auf Herzleiden und nervöse Störungen, 2. Auf¬
lage, Benno Konegen Verlag, 1905, Leipzig) mit Recht fol-
gendermassen kennzeichnen konnte: .Erwägt man, dass in der
guten Gesellschaft während eines ganzen Lebens das Herz täg¬
lich dieselbe Attake des „Mokka“ aushalten muss, so wird die
Häufigkeit der Herzkrankheiten in guten Kreisen erklärlich,
wenn man neben Mitwirkung der psycnischen Zwangserregungen
innerhalb der „Karriere“ auch die Arbeit des Sekts und der
„guten Weine“ gegen das Herz nicht vergisst. Was dagegen
die kleinen Leute sich in Qualität der Weine und Kaffees nicht
leisten können, holen sie reichlich durch Quantität nach. Hier¬
bei ist die „Kanne Kaffee“ als die billigere Form der praktische
Faktor in der Reihe der genussgiftigen Feindseligkeiten gegen
das Herz, weil die Kanne Kaffee von den kleinen Leuten als
„gesund und billig“ ohne jedes Verständnis überschätzt wird.
Ausserdem sorgen auch der Schnaps für die gefährliche Wechsel¬
wirkung zwischen Alkohol und Kaffee leider noch, so dass
auch der kleine Mann hinter dem Sekt - Mokkatrinker als
Kandidat des Herzleidens nicht zurücksteht.“
Leven’s Behauptung: „Das Koffein riebt dem Kaffee
seine Haupteigenschaften“ konnte Felix Wilhelm (Inaug.-
Dissert. 1895, Würzburg) und M. Geiser (Arch. f. experim.
Pathol. u. Pharmakol. LIH. 2. p. 112. 1905) durch Versuche be¬
stätigen. Schon Wilhelm und Neumann hatten gefunden,
dass die Wirkung eines Eaffeeaufgusses und einer Koffeinlösung
die gleiche ist, und zwar entsprach 0,5 reinen Koffeins einem
Eaffeeaufguss von 50,0 g vollkommen.
Nicht zu verwechseln mit dem Koffein ist das Koffeon.
Denn nach den Selbstversuchen von Wilhelm und Neumann
kommt dem Koffeon keinerlei exzitierende Wirkung zu, sondern
es repräsentiert nur den würzigen Kaffeegeschmack, den auch
Kathreiners Malzkaffee besitzt.
Romberg und Pässler untersuchten experimentell und
klinisch die therapeutische Wirkung des Koffeins und fanden,
St oll wird durch die Erfahrungen, die er als leitender
Arzt der Herzheilstätte Alicenhof und als Badearzt in Bad
Nauheim über Alkohol- und Koffeinwirkung machen konnte,
auch erst durch die Praxis zu diesen ernsten und recht be¬
herzigenswerten Vorwürfen veranlasst
Dass guter Malzkaffee geeignet ist, dem Genüsse geistiger
Getränke Abbruch zu tun, hat sich schon wiederholt in der
Praxis erwiesen. Wer wollte an dieser Möglichkeit zweifeln,
wenigstens wenn Beispiele dazu gegeben werden, wie sie H.
F. Nicolai in „Der Kaffee und seine Ersatzmittel“ S. 85 uns
vor Augen führt;
„Prof. Hofmann veranlasste, dass bei den im Winter er¬
folgenden Erdarbeiten der Leipziger Wasserleitung den be¬
schäftigten Arbeitern seitens des Unternehmers den ganzen Tag
über das billig zu bereitende Kaffeeersatzmittel zur Verfügung
seines Lebens bildete (irre ich nicht, so ist dies ebenfalls von
einem Arzt Dr. Adolf Müller, poetisch verherrlicht worden).
„Dazu kam noch ein körperliches Uebel, dass mir nämlich
nach Tische die Kehle wie zugeschnürt war, welches ich erst
später sehr leicht los wurde, als ich einem roten Wein, den
wir in der Pension gewöhnlich und sehr gern tranken, ent¬
sagte . . . Alles dies machte mich nachdenklich und mürrisch
und mein Aeusseres mochte mit dem Innern übereinstimmen.
Verdriesslicher als jemals, weil eben nach Tische jenes Uebel
sich eingefunden hatte, wohnte ich dem Klinikum bei. Die
grosse Heiterkeit und Behaglichkeit, womit der verehrte Lehrer
uns von Bett zu Bett führte, die genaue Bemerkung bedeuten¬
der Symptome, die Beurteilung des Ganges der Krankheit
überhaupt, die schöne hippokratische Verfahrungsart wodurch
sich, ohne Theorie, aus einer ebenen Erfahrung, die Gestalten
des Wissens heraufgaben, die Schlussreden, mit denen er ge¬
wöhnlich seine Standen zu krönen pflegte, das alles zog mich
zu ihm und machte mir ein fremdes Fach, in das ich nur wie
durch eine Ritze hineinsah, um desto reizender und lieber.
Mein Abscheu gegen die Kranken nahm immer mehr ab, je
mehr ich diese Zustände in Begriffe verwandeln lernte, durch
welche die Heilung, die Wiederherstellung menschlicher Ge¬
stalt und Wesens als möglich erschien. Er mochte mich wohl
als einen seltsamen jungen Menschen besonders ins Auge ge¬
fasst und mir die wunderliche Anomalie, die mich zu seinen
Stunden hinführte, verziehen haben. Diesmal schloss er seinen
Vortrag nicht wie sonst mit einer Lehre, die sich auf irgend
eine beobachtete Krankheit bezogen hätte, sondern sagte mit
Heiterkeit: Meine Herren! Wir sehen einige Ferien vor uns.
Benutzen sie dieselben, sich aufzumuntern; die Studien wollen
nicht allein ernst und fleissig, sie wollen auch heiter und mit
Geistesfreiheit behandelt werden. Geben Sie Ihrem Körper
Bewegung, durchwandern Sie zu Fuss und zu Pferde das
schöne Land!
Es waren unser eigentlich nur zwei, an welche diese Er¬
mahnung gerichtet sein konnte; möge dem andern dieses Re¬
zept ebenso eingeleuchtet haben als mir! Ich glaubte eine
Stimme vom Himmel zu hören, und eilte, was ich konnte, ein
Pferd zu bestellen und mich sauber herauszuputzen.“ Noch
am Abend schwingt sich Goethe aufs l^ferd und sprengt in
leidenschaftlicher Stimmung durch die rauhe stürmische No-
vembemacht (1770) nach Sesenheim wo ihn die Geliebte ahnend
erwartet hatte. An die Schilderung dieses Ereignisses knüpft
Goethe eine Reflexion über Ahnungen: Wer fühlt nicht einiges
Behagen beim Eintreffen einer Ahnung, selbst einer traurigen?
Alle Vorgefühle, wenn sie durch das Ereignis bestätigt werden,
geben dem Menschen einen höhern Begriff von sich selbst, es
sei nun, dass er sich so zartfühlend glauben kann, um einen
Bezug in der Feme zu tasten, oder so scharfsinnig, um not¬
wendige, aber doch ungewi.sse Verknüpfungen gewahr zu werden.
Hier hatte F.riederike vorausgesagt, dass er kommen würde,
und man erwartete ihn wie einen zugesagten Gast. Von seiner
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238
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr.-21.
gebtellt werde, und der Erfolg war ein ausnehmeDd günstiger,
indem der Schnapsgenuss während der Arbeit abnabm und
die Arbeitsfähigkeit und die Arbeitswilligkeit so auffällig stieg,
dass der Unternehmer erklärte, die Unkosten überreich wieder
erlangt zu haben.“
Auch in ländlichen Arbeiterkreisen hat sich die Verwendung
des Malzkaffees besonders bei den Emtearbeiten gut bewährt.
Ein Gutsbesitzer, der seit Jahren seinen zahlreichen Ernte-
arbeitem dieses Getränk mit auf das Feld gibt, statt des in
der Gegend üblichen Dünnbieres oder Mostes, fand, dass die
Arbeiter den mit Zucker versüssten Absud in grossen Mengen
und mit Behagen trinken und den ganzen Tag keine geistigen
Getränke verlangen; sie sind dabei natürlich viel reger und
arbeitsfähiger als andere, die unter dem erschlaffenden Bier —
und Mostgennss leiden.
Alkohol und Kaffee, die grössten Feinde der sozialen
Kultur! Furchtbar bitter wird oft die Arbeit des Arztes, denn
sein Helfen ist illusorisch, wenn er weiss. dass kein Sinn da
ist für eine besonnene Gesundheitspflege, kein Interesse für
eine ruhige Häuslichkeit, keine Selbstbeherrschung dem Alkohol
und Kaffee gegenüber. So manches kann der Kranke durch
Selbstzucht erreichen und manches Unheil vermeiden mit dieser
grössten aller Fähigkeiten. Bei manchem, vielleicht sogar bei
jedem Künstler lassen sich mehr oder weniger hysterische Stig¬
mata Dachweisen, aber die den Künstler oft auszeichnende
Selbstbeherrschung und Selbstkritik hilft ihm über die Eigen¬
heit seiner krankhaften Erscheinungen hinweg. Also Selbstbe¬
herrschung ist die wertvollste Lebensaufgabe, sie ist und bleibt
die grösste Bundesgenossin im Kampfe ums Dasein und im
Kampfe gegen die Krankheit. Der Malzkaffee hat eine grosse
sozialhygienische Bedeutung im täglichen Haushalt, und eine
solche steht ihm auch in der allgemeinen Abstinenzler- und
Temperenzler-Bewegung und zwar hier gerade im höchsten Masse
zu. Wie angenehm und wie vorteilhaft für Gwchmack und wie
reizlos in seinen Nachwirkungen und doch wie nachhaltig der
Malzkaffee ist, das habe ich genugsam beleuchtet. Nun ist es
an jedem Einzelnen, der Freude an der Erhaltung der Nation
und des nationalen Wohlstandes hat, sich gerade der leichteren
Aufgabe in der Abstinenzfrage, d. i. der bedachtsamen Mäßig¬
keit im Kaffee und auch im Tee zu unterziehen: denn der Er¬
satz des Kaffees ist bereits voll und ganz gelungen.
eignen Gabe des ^zweiten Gesichts“ erzählt Goethe gelegentlich
des Endes des Sesenheimer Idylls. Nachdem er die Geliebte
zum letzten Mal vor seiner Heimreise besucht, ritt er auf dem
Fusspfade gegen Drusenheim, und da überfiel ihn eine der
sonderbarsten Ahnungen. »Ich sah nämlich, nicht mit den
Augen des Leibes, sondern des Geistes, mich mir selbst, den¬
selben Weg, zu Pferde wieder entgegenkommen, und zwar in
einem Kleide, wie ich es nie gestragen; es war hechtgrau mit
etwas Gold. Sobald ich mich aus diesem Traum aufschüttelte,
war die Gestalt ganz hinweg. Sonderbar ist es jedoch, dass ich
nach acht Jahren, in dem Kleide das mir geträumt hatte, und das
ich nicht aus Wahl, sondern aus Zufall gerade trug, mich auf
demselben Wege fand, um Friederike noch einmal zu besuchen.“
Aus ferner Mediciuer-Zeit stammt die verstärkte Neigung
Goethes zu reflektierenden Betrachtungen über Gesundheit und
Krankheit, Natur und Kultur usw., die er sein Leben lang
beibehielt. Und als er später seine Lebenserinnerungen in
„Dichtung und Wahrheit“ niederschrieb, schildert er mit Sach¬
kenntnis derlei medicinische Episoden. So zunächst seine
schwere Erkrankung in Leipzig. Missverstandene Anregungen
Kousseaus, Hypochondrien von Haus aus, eine unglückliche
Lebensdiät und dazu das schwere Merseburger Bier und der
sächsische Kaffee, ein Hin- und Herschwanken in jugendlichen
Extremen usw. bewirkten eines Nachts einen heftigen Blutsturz
und eine Veo-hetzung des ganzen Organismus, dass ertrotz Dr.
Eeiohels sofortiger Hilfe mebrere Tage zwischen Leben und
Sitzungsberichte.
BeH/hier medici/M^eihe Oesellwhaft,
Sitzung vom 2. Mai 1905.
Vor der Tagesordnung demonstriert Orth Meerschweinchen-
langen mit experimentell erzeugter Schwindsucht. Dieselbe wurde
bei den Tieren hervorgerufen einfach durch Einspritzen von rein¬
gezüchteten TuberkelbazÜlen, durch deren Injektion sonst nur eine
allgemeine Miliartuberkulose bei den Meerschweinchen hervoig'e-
bracht wird. Diese Experimente beweisen demnach, dass Tuberkel-
bazillen allein Schwindsucht hervorbringen können, dass es zu deren
Entstehung also keiner Mischinfektion bedarf. Von Interesse ist
weiter die Lokalisation der phthisischen Veränderungen, kein Teil
der Lungen wuixie bevorzugt, in allen fanden sich Gavemen and
Verkäsungen. Das gegenüber den Befunden beim Menschen ab¬
weichende Verhalten hängt vielleicht damit zusunmen, dass, während
beim Menschen die Spitze der höchststdiende Teil der Lunge ist,
dies beim Meerschweinchen wegen der horizontalen Lagernng des
Organs nicht der Fall ist. Die Infektion wurde nur dorch In¬
jektion der TuberkelbazlUen hervorgebracht; die Möglichkeit einer
Inhalation wurde sorgfältig ausgeschlossen, sodass die Infektion
also nur auf dem Blutwege erfolgen konnte. Damit ist bewiesen,
dass schwere Schwindsucht durch auf dem Blutwege eingedrungene
Tuberkelbazillen entstehen kann. Die Frage, weshalb nur ein Teil
der infizierten Tiere schwindsüchtig wurden, bei den anderen sich
nur die gewohnte Miliartuberkulose einstellte, ist nicht ein¬
deutig zu beantworten. Nach Anordnung der Experimente konnte
daran weder die Menge der Bazillen, noch die Art derselben
Schuld sein. Eine Rolle scheint die Dauer der Erkrankung zu
spielen. Die phthisischen Tiere sind im Ganzen der Erkrankung
später erlegen; aber verschiedene Ausnahmen nach der einen und
anderen Seite zeigen, dass das Moment der Dauer allein nicht
ausschlaggebend sein kann. Es ist anzunehmen, dass besondere
individuelle Verhältnisse bei den Tieren vorliegen. In dieser Hin¬
sicht ist es sehr interessant, dass die schwindsüchtig gewordenen
Tiere mit Kaltblütertuberkelbazillen vorbehandelt gewesen sind.
Von 6 in dieser Weise vorbehandelten bekamen 4 Schwindsucht,
während bei allen nicht vorbehandelten sich nur eine Miliartuber¬
kulose entwickelte.
Tagesordnung; Eckstein Paraffininjektionen und Implantationen
bei Nasen- und Q^sichtsplastiken (mit Demonstrationen von Patienten).
Von den in Anwendung gezogenen Paraffinarten, Vaselin, Weich¬
paraffin, Hartparaffin von 40—80® Schmelzpunkt und Mischungen
dieser, ist unbedingt dem Hartparaffin von hohem SchB3telzpnnkt,
nicht unter 50®, der Vorzug zu geben. Die mannigfaltigen, ^um
Tod schwankte. Unter diesem üblen Nachkiang fuhr Goethe
im September 1768 nach Frankfurt zurück, wo er noch lange
laborierte und besonders mit einer Geschwulst am Halse sehr
geplagt war, die sich bei jener Eruption gebildet hatte. Aus
jener Zeit erzählt Goethe em medicinisches Heil-Kuriosum, das
an die Wunderkuren Doktor Eisenbarts und seine Allheilmittel
erinnert. Arzt und Chirurgus, die ihn behandelten, gehörten
unter die abgesonderten Frommen. „Der Arzt war ein schlau
blickender, freundlich sprechender, übrigens abstruser Mann,
der sich in dem frommen Kreise ein ganz besonderes Zutrauen
erworben hatte. . . . Mehr aber als durch alles erweiterte er
seine Kundschaft durch die Gabe, einige geheimnisvolle selbst¬
bereitete Arzneien im Hintergründe zu zeigen, von denen nie¬
mand sprechen durfte, weil bei uns den Aerzten die eigene
Dispensation streng verboten war. Mit gewissen Pulvern, die
irgend ein Digestiv sein mochten, tat er nicht so geheim, aber
von jenem wichtigen Salze, das nur in den grössten Gefahren
angewendet werden durfte, war nur unter den Gläubigen jüo
Hede, ob es gleich noch niemand gesehen oder die Wirkui^
davon gespürt hatte. Um den Glauben an die Möglichkeit
eines solchen Universalmittels zu erregen und zn stärken, hatte
der Arzt seinen Patienten, wo er nun einige Empfänglichkeit
fand, gewisse mystische chemisch-alchymische Bücher eii^ohlen
und zu verstehen gegeben, dass man durch eigenes Studium
derselben gar wol dahin gelangen könne, jenes Kleinod sich
selbst zu erwerben“ . . . (Schluss fdgt)
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1906 .
MBDICmiSCEE WOCHE
289
Teil sehr schweren KompUkatioDen, die im Anachhige an Paraffin-
iujektioBen beobachtet worden sind, fallen fast aoesehlieaslieh dm
weichen Paraffinen zur Last. So die Lungenembcffien, damnter
s<^ehe mit tötUohem Ausgang, Im Anschlnss an Hartparaffinin*
jektionen smd Gesichtaphlebitiden bescdirieben wohlen, von denen
aus es aneh zu Embcdien gekommen ist, die aber nicht direkt dem
Hartparaffin zugeschrieben werden können. Bei dieeem ist die
Geffihr einer Lungenedibelie eme minimale. Zur Iiyektion s«^
man dicke Kanülen geWaudlken, langsam einspritaen und nicht
mdu* als 5 ccm auf einmal. Dass Paraffin bei gewiesen Injek-
tionenindieretinalen Venengeraden kann, ist erklärlich. Schwieriger
zn erklären sind die beobachteten Embolien der Arteria centralis
retinae. Die Fälle von so herbeigeführter Erblindnng betreffen
alle Weichparaffin; bm Gebrauch von Hartparaffin ist naoh Verf.
noch kein Fall von Amaurose beobachtet. Auch Hautnekrosen
sind nach Injektionen von Hartparaffin noch nicht beschrieben.
Das harte Paraffin zieht sich beim Erkalten zusammen und gibt
deshalb bald naoh der Injektion der Hautzirkulation wieder freien
Spielraum. Hartparaffin bleibt an Ort und Stelle, wo es einge¬
spritzt ist, liegen, es wandert nicht und ändert nicht die Form.
Bei weiohem ist es nodi nach langer Zeit zn sekundärer Verschleppung
kommen. Bei Hartparaffin sind Spätfolgen nach einmaliger glatter
EinheilüDg nur sehr selten. Weiches ist chemisch weniger rein,
es reizt mehr. Es verteilt sich feiner nnd bildet deshalb eine
grössere Oberfläche. Das harto sammelt sich in grösseren Depots.
Weiches findet man nach Monaten mit Bindegewebe durohwuchert,
zum Teil wird es resorbiert. Hartes bleibt unverändert, in Binde-
gewebskapseln eingeschlossen, wahrsoheinlioh wird es überhaupt
nicht resorbiert. An Stelle von Injektionen hat Vortr. in letzter
Zeit auch Implantationen von Paraffin vorgeoommen. Demon¬
stration von Bildern von Patienten mit Nasen- und Gesichtsdefor-
mitäten, die mit Paraffininjektionen resp. -Implantationen behandelt
sind.
Diskussion. Silberstein bleibt bei seiner im Anschluss
an die nach Paraffininjektion beobachtete Amaurose ausgespro(fiienen
Warnung. Die Gefahren des Verfahrens stehen in gar keinem
Verhältnis zu den Indikationen.
Hirsch berichtet über histologische Untersuchungen beir. das
Schicksal des injizierten Paraffins.
Joseph warnt vor jedem Optimismus bezüglich der Resultate
der Ptu'affinbdbandluDg der Sattelnase. Die erst erzielten Resultate
täuschen. Noch naoh Jahren können noch entstellende Veränderungen
sich einstellen. Die Indikationen für Paraffinbehandlung sind
wesentlich einzuschränken.
David bemerkt bezüglich der Resorbierbarkeit, dass jedes
Paraffin resorbiert wird, das harte nur langsamer.
GeseUschafl fUr Q^burtshiüfe und Gynäkologie,
Sitzung am 27. April 1906.
Vorsitzender: Herr Bumm.
Der Vorsitzende hält einen Naobrnf auf Klein Wächter.
Herr Jacquet wird anlässlich seines bevorstehenden siebzig¬
sten Geburtstages auf Vorschlag des Vorstandes zum Ehrenmit¬
glied der Gesellschaft erwählt.
Demonstrationen: Herr Heuse: Tuberkulöse Tuben. Als
zufälligen Nebenbefand bei der vaginalen Operation einer Ovarial-
zjste fand H. 2 tuberkulöse Tuben. Der klinische Befund ergab:
freie Parametrien, Ovarialtumor im Douglas, Tuben fingerdick. Bei
der Operation kein Ascites, ans dem Douglas entleerte sich nnr
1 Esslöffel seröser Flüssigkeit; Mesosalpinx war nicht infiltriert,
der tuberkolöse Process also vermutlich noch ziemlich frisch. H.
betont die Sehwierigkeit der klinischen Diagnose and glaubt aus
dem vorliegenden Falle in diagnostmoher Hinsicht folgendes schliessen
zu können: Während bei der differential-diagnostisch in Betracht
kommenden Gonorrhoe zunächst von der erkrankten Cervix aus die
basalen Parametrien, die ligg. sacrouterina infiltriert and später
erst die Tuben befallen werden, erkranken bei der Tuberkulose
zunächst die Tuben, ^vährend die basalen Parametrien frei bleiben.
wäre mithin das Vorhandensein verdickter Tuben bei freien
l^asalen Parametrien charakteristisch für Tuberkulose.
Diskussion: Herr ßumm bestreitet das primäre Eindringen
der Gonooocceu in die Basis der Ligamente. Vorerst bei frisch-
entzündeten Tuben als auch bei chronischer Gonorrhoe bleiben die
Parameiriea häufig vcflikommen frai. Der von H. beobachtete
Verlauf stellt somit nicht die Regel, sondern eine Ansnaduoe dar.
Herr Heuse glaubt, dass die Infiltration der Parametrien bei
Gonoirhoe immer vorhanden sei, allerdings brauche öe nioht von
den Gonococoen harsnrühran, sondern könne auch durch eine Misch-
infekticm bedingt sein.
Herr Bröse hat in seltenen Fällen Infiltration der ligg. sacrou¬
terina gesehen, glaubt jedoch, dass diese dann erat vom Rectum
ausgeht.
Herr Liepmann: Missgeburt mit Zweistr ahlnng des
distalen femnrendes und Tibiadefekt. Bisher ist nur 1
ähnlicher Fall beschrieben. Ausserdem fanden sich an der lebend
geborenen Missgebnrt eine Hernia diaphregmatica sporia und ein
Uterus bioomis.
Herr Olshausen fragt nach der Menge des Fmohtwsssera.
Herr Liepmann: Die Fruchtwassermenge war gering, die
Placenta normal
Herr Orthmann stellt eine Patientin vor, bei der er vor
ca. 10 Wochen die Radikaloperation einer inoaroerierten Nabel-
hernie und gleichzeitig die doppelseitige Adnexexstirpation wegen
primären Tubencarcinoms ausgefUbrt bat. Das Garcinom machte
klinisch nur sehr geringe Symptome; die Exstirpation des rechts¬
seitigen grösseren Tumors war wegen Verwachsungen sehr schwierig,
die Rekonvaleszenz vorübergehend durch einen Bauöhdeckenabszess
gestört. Das Präparat der rechten Tube macht zunächst den Ein¬
druck einer einfachen Sorosalpinx, das Lumen ist durch Zwischen¬
räume in mehrere Kamm ern geteilt, die zum grössten Teil durch
papilläre Wucherungen ausgefüllt sind. Mifcro^opisoh: alveoläres
Carcinom mit hyaliner Degeneration und Verkalkungen. Prognose
schlecht, da schon multiple Metastasen auf dem Netz und Peri¬
toneum vorhanden waren.
Diskussion über den Vortrag des Herrn R. Meyer: Ueber
die benigne choriale Zellinvasion in die Uterus- und
Tub enwand.
Herren Bauer, Rüge, Heuse, Stöckel, Herr Meyer
(Schlusswort).
Herr Knorr: Zur Diagnose und Therapie der Go¬
norrhoe.
Seit den vor 10 Jahren erschienenen Bnmm’schen Arbeiten
ist über die Gtenorrhoe der oberen Hamwege wenig Neues bekannt
geworden. K. hat versucht, diese Frage mit Hilfe cystoskopischer
Uutersuohungen zu fördern. Am häufigsten ist die im Gefolge der
Urethritis gonorrhoioa oft auftretonde Cystocollitis oder Urethro-
cystitis. Ausserordentlich viel seltener ist die Cystitis corporis, die
streifen- oder inselförmig auftritt; K. hat in 7 Jahren nur 2 der¬
artige Fälle gesehen. Pyelitis gonorrhoica, die auoh ohne Bestehen
einer Cystitis corporis als Komplikation einer Urethrocystitis anf-
treten kann, ist beim Weib überhaupt nooh nicht beobaohtet worden,
beim Mann erst in 2 Fällen. Im allgemeinen hat also die Gonorrhoe
der Hamwege sehr geringe Neigung zum Asoendieren; wohl aber
können die mit ihr verbundenen Mischinfektionen zu ascendierender
Erkrankung Anlass geben. Therapeutisch empfehlen sich bei
Urethralgonorrhoe Ausspritzungen oder Ausspülungen der Urethra,
bei Urethrooytitis und Cystitis corporis Spülungen der Blase mit
Protargol, Albargin etc., bei längerem Bestehen einer Pyelitis
gonorrhoica käme die Anwendung dieser Mittel mittels dra Harn-
leiterkatheters in Betracht.
AerxiU<^r Verein in Hamburg,
Sitzung vom 1. Hai 1906.
Vorsitzender: Herr Deneke.
Der Vorsitzende begrösst die als Gäste anwesenden Herren
Armauer Hansen aus Norwegen und Medicinalrat Möbius
aus Oppeln.
I. Demonstrationen: 1. Herr Stamm stellt einen Säugling
mit angeborenem Myxödem vor und bespricht die charakteris¬
tischen Merkmale. Die Verabreidiung von zweimal täglich einer
halben Thyreoidintablette hatte in diesem Pall guten Erfolg; es
ging sogar das deutlich an der Aorta wahrgenommene systolische
I Geräusch merklich zurück. 2. Herr Nonne ^richt über den
Status hemiepilepticus an der Hand mehrerer Fälle. Er hat
im Eppendorfer Krankenhause bisher in 8 Jahren erst 9 Fälle
dieser seltenen Erkrankung beobachten können. Die Krampfau-
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240
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr 21.
fälle glichen den JackBonschen und seidmeten sich durch grosse
Häufigkeit aus. Bei einem der vorgestellten Patienten traten in
3 mal 24 Stunden 413 gezählte ÄnfWe auf, bei dem anderen im
gleichen Zeitraum 120. Es waren keinerlei Druckerscheinungen
und Symptome einer organischen Störung vorhanden, sodass von
einer Operation trotz der Häufigkeit der Anftllle abgesehen wurde.
Ferner stellt er einen Patienten mit Hämatom der Dura
mater vor, der noch in anderer Beziehung Interesse bot: Der
Mann fiel auf seiner Haustreppe und stürzte hinunter. Ein Be¬
triebsunfall lag nicht vor. ^ trat gleich Erbrechen auf, nach
einer halben Stunde auch Benommenheit. Bei der Erankeohaus-
aufnahme fand sich linksseitige Hemiparese, am nächsten Tag
stellten sich Jacksonsche Krämpfe ohne Stauungs- oder Druck¬
erscheinungen ein; am übernächsten Tag wurde beginnende Stau¬
ungspapille und Fulsverlangsamung auf 62 Schläge wahrgenommen,
und infolgedessen trepaniert. Das grosse Hämatom wurde ent¬
leert und nach 4 Wochen (!) ging Patient bereits wieder als Vor¬
arbeiter in einer Fabrik seiner Arbeit nach. Er hatte keiner¬
lei Beschwerden mehr. Da er einen Tagelohn von M. 20.— (!)
hat, regt Vortragender die Frage an, wie und warm wohl seine
Arbeitsfähigkeit wieder eingetreten wäre, wenn es sich um einen
Betriebsunfall gehandelt hätte. 3. Herr Simmonds hat in 12
Fällen von congenitaler Lues Spirochaeten gefunden und zwar
mindestens in einem Organ stets, teilweise jedoch in allen Organen, und
zwar waren manchmal die Spirochaeten in ganz ungeheurer Menge vor¬
handen. Auch im Meconium hat er sie nachgewiesen. DieLeva-
ditische Färbemethode gab auch in seinen Fällen gute Bilder,
doch lässt sich das Verfahren wesentlich abkürzen, sodass er, statt
in 8, bereits in 3 Tagen die Präparate fertigstellen konnte. —
Der Vorsitzende bittet um die Erlaubnis, dass der als Zoologe
statutenmäßig dem Verein nicht angehörende Herr Schaudinn,
der jetzt am Tropeninstitut tätig ist, wegen seiner grossen Ver¬
dienste um die Medicin auf sein Gesuch hin ständig zu den Ver¬
sammlungen des Aerztlichen Vereins zugelassen wird. (Bravo.)
II. Vortrag des Herrn Reiche: „Zur Pathogenese der
Pyelophlebitis acuta.“ In 16 Fällen sind ün Eppendorfer
Krankenhause bei über 20000 Sektionen nur 17 Fälle beobachtet
worden. Die Erkrankung beginnt ohne Vorboten, das Fieber ist
völlig uncharakteristisch, Schmerzhaftigkeit und Leberschwellung
sind nicht immer vorhanden, häufig bestand eine Nephritis als
Begleiterscheinung, der Icterus trat stets erst kurz vor dem Exitus
auf, der Stuhl war ohne Anomalie. In 3 Fällen war gleichzeitig
eine Peritonitis vorhanden, die Leukocythenzahl schwankte wie bei
jeder anderen septischen Erkrankung sehr bedeutend, die Blut¬
entnahme in vivo war stets steril, post mortem fanden sich in
allen Fällen Bakterien, darunter dreimal Bacterium coli, zweimal
Streptococcen und einmal Pneumococcen. Man findet im Lumen
der Pfortaderwurzel stets thrombotisch zerfallenes Material.
Die Diagnose ist sehr schwer, differentialdiagnostisch kommen
Sepsis, Leberabscess und Cholangitis in Betracht; der Ausgang ist
stets tötlich. Die Pyelophlebitis acuta schloss sich 10 mal an eine
Perityphlitis an; einmal war eine Granne die Ursache, die bei
einem ööjährigen Manne die Magenwand durchbohrt hatte; bei
einem 28jährigen Manne trat die Erkrankung im Anschluss an
einen Leberpfortenabscess auf nach Bronchiektasieen und Bronchial¬
drüsenvereiterung. Ferner war je einmal Cholelithiasis, ein uloe-
riertos Colondivertikel, ein Ulcus ventriculi und ein Ulcus duodoni
die Ursache, während die Pyolephlebitis sich bei einem Neuge¬
borenen, dessen Mutter an Sepsis starb, an eine Nabelinfektion
anschloss. Die mittlere Krankheitsdauer betrug 5—6 Wochen,
die kürzeste 18 Tage, die längste 15 Wochen. —
Eine Diskussion fand nicht statt. Schönewald.
Kongressbericht.
23. für innere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Gras sman n-München.
I. Sitznngstag.
Die sehr gut besuchte Versammlung wurde durch Prof, von
Strümpell-Breslau mit einer warmen Begrüssungsrede. eröffnet,
in welcher er zunächst der seit dem vorigen Jahre verstorbenen
Mitglieder, danmter besonders Hermann Nothnagel und Emst
Ziegler, gedachte, um dann auf die besondere Signatar des
gegenwärtigen Standes der inneren Medicin einzugehen. Wesent¬
liche Fortschritte hat die Diagnostik gemacht, besonders durch die
Einführung der Röntgenstrahlen, ferner durch die Einführung der
bakteriologischen Untersuchung zur immittelbaren ätiologisohen
Aufklärung vieler Krankheiten, endlich durch die immer weitere
Ausbildung der funktionellen Diagpiose, welche darauf abzielt, mög¬
lichst genaue Massbestimmungen für die Leistungen der Organe
zu gewinnen. Daneben dürfen aber die alten Untersuchungsme¬
thoden nicht vernachlässigt werden und besonders die genaue
pathologisch-anatomische Einsicht, welche gegenwärtig hie und da
etwas vernachlässigt zu werden pflegt, muss nach wie vor den
Schlussstein aller Diagnostik bilden. Das Zurücktreten patholo¬
gisch-anatomischer Vorstellungen ün ärztlichen Denken macht sich
besonders bemerkbar in der Eigenart mancher therapentisoher Be¬
strebungen, welche ein Missverhältnis zwischen dem äusseren Auf¬
putz und der inneren wissenschaftlichen Bedeutung darbieten. Für
grosse Gebiete der Therapie fehlen uns auch heute noch alle Vor¬
aussetzungen für wirksame therapeutische Eingriffe, wobei Redner
an gewisse Uebertreibungen in der baineologischen, sowie der
Uebungstherapie etc. erinnert. Wir brauchen aber in therapeu¬
tischer Hinsicht auch in der inneren Medicin durchaus nicht zu
verzagen. Z. B eröfihet die Einwirkung der Böntgenstrahlen auf
verschiedene pathologische Gewebsprodukte neue therapeutische
Ausblicke. Die Erforschung der Wahrheit um ihrer selbst W'illen
muss immer unser Leitstern bleiben.
Es folgte sodann die Reihe der offiziellen Begrüssungsreden
seitens der Vertreter der Regierung, der Sanitätsverwaltung der
bayerischen Armee, der Stadt München, des ärztlichen Vereins
München, sowie eine kurze liebenswürdige Ansprache dnreh den
Ehrenpräsidenteu der Versammlung, S. Kgl. Hoheit Prinz Ludwig
Ferdinand von Bayern.
Ueber die Pathologie der Schilddrüse sprachen als
Referenten die Herren Kraus-Berlin und Koch er-Bern.
Herr Kraus erörtert zunächst die Frage, inwieweit die Schild¬
drüse ein Organ ist, in welcher ein typischer Sekretionsvorgang
stattfittdet. Ein sekretorischer Vorgang innerhalb der Glandula
thyreoidea muss als erwiesen betrachtet werden. Vielfach wird
schon die Histologie der Drüse als entscheidend für eine innere
Sekretion angeführt. Die histologischen Befunde beweisen aber
nicht so viel, wie sie beweisen sollen. Redner möchte da bloss
zwei Momente herausgreifen. Nach den V’ersuchen von Payr
ändert die in die Milz transplantierte Schilddrüse, welche unzweifel¬
haft fungiert, bei guter Einheilung ihre histologische Struktur, in¬
dem sie das angesammelte Kolloid verliert, wahrscheinlich durch
Aendomng der Zirkulationsverhältnisse; ferner hat Oswald auf
analytischem Wege naebweisen können, dass Unterschiede im mikro¬
skopischen Bau der Schilddrüse mit ebensolchen der chemischen
Zusammensetzung einhergehen: es besteht ein Parallelismus zwischen
Kolloidreichtum und Gehalt au Jod-Thyreoglobulin in der gesunden
wie in der kranken Schilddrüse. Die Sekretion des letzten Stoffes
scheint wesentlich an den follikulären Aufbau und gewisse zirku-
latorische Verhältnisse geknüpft zu sein. Wahrscheinlich verharrt
ein Teil des Sekretes längere Zeit in den Blasen der Drüse, so
dass das Mikroskop die Schilddrüse als eine „Vorratsdrüse“ er¬
scheinen lässt. Das hat vielleicht gerade für die Pathologie be¬
sondere Bedeutung. Dass ein Teil des Schilddrüsenproduktes be¬
ständig an die Blutbahn abgegeben wird, kann kaum bezweifelt
werden. Welche Antwort gibt nun das Experiment betr, der
inneren Sekretion der Schilddrüse? Seitdem Baumann regel¬
mässig Jod in der normalen Schilddrüse der Erwachsenen nachge¬
wiesen hat, wird angenommen, dass ihre Wirksamkeit auf ihren
chemischen Lebensprozessen beruht. Es ist nun ein vermeintlich
scharfer Gegensatz konstruiert worden, zwischen einer angenom¬
menen Produktion chemischer Verbindungen in der Schilddrüse,
die für den Bestand des Gesamtorganismus und fiir die Aufgaben
bestimmter Organe wichtig sind (innere Sekretion im engeren
Sinne) und einer ebenfalls durch Schilddrüsensubstanzen bewirkten
Entgiftung schädlicher StofFwechselprodukte anderer Organe, die
sonst Autointoxikationeii hervorrufen würden (Entgiftungstheorie).
Eine innere Sekretion wird am meisten wahrscheinlich, wenn die
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1906.
MBDIOINISCHB WOCHE.
241
Einführung von Organsaft oder die nachti-ägliche Implantation
des Organes selbst den Folgeerscheinungen einer operativen Ent¬
fernung oder einer pathologischen Zerstörung desselben Organs ent¬
gegenwirkt. Out gestützt erschmnt ein lebenswichtiger Modus
der Schilddrüsenfunktion, welcher in der Abgabe einer für mannig¬
fache Leistungen des Organismus nötigen Snbstanz an die Säfte-
masse besteht. Redner geht nun auf einige spezielle Entgiftungs¬
theorien des näheren ein, besonders jene von Blum. Nach Blum
wären Blut und Zentralnervensystem gesunder Tiere stets frei von
Jod. Doch haben Gley und Bourcet im Blutserum, speziell im
menschlichen, regelmäßig Jod nach weisen können, ein Befund,
welchen Bönniger bestätigt hat. Auch das ganze Zentralnerven¬
system ist nicht ganz jod^i. Der Organismus besitzt gegenüber
der Jodsubstanz der Sdiilddrüse eine ausgiebige zerstörende Kraft.
Blum zieht nicht in Betracht, dass normal ansser in der Schild¬
drüse auch noch in anderen Organen Jod sich findet. Am bemer¬
kenswertesten scheinen dem Redner Blums Versuche über indi¬
viduelle Schonung thyreoidektomierter Hunde durch Milchnahrung.
Dass speziell vegetabilische Kost die Fleischfresser nicht schützt,
zeigen Versuche von Rahel Hirsch, Im ganzen ist die Blum-
sche Lehre einer gerade durch intraglanduläi*e Jodierung bewerk¬
stelligten Entgiftung bisher noch hypothetisch. Umgekehrt sieht
V. Gyon die zu entgiftende Substanz gerade im. Jod. Kraus
schildert in Kürze den Kreislauf des Jods in der belebten und
unbelebten Natur, wo es fast überall vorkommt, z. B. im Wasser,
in vielen Pflanzen, in der Oerüstsubstanz gewisser Spongien. J.
Justus nimmt an, dass alle Zellkerne Jod enthalten; ausser der
Schilddrüse sind sicher jodhaltig die Beiscbilddrüsen, die Hypo¬
physe, Thymus, Milz, Lymphdrüsen, die Leber, die Nieren, Neben¬
nieren, die Muskeln, das Blutserum. Doch müssen wir der Schild¬
drüse der erwachsenen Tiere ein spezifisches Selektionsvermögen
und eine Hauptrolle bei der Verteilung des Jods in der Säftemasse
zuschreiben. Höchst bemerkenswert ist, dass das Jod erst im
extrautermen Leben und nur langsam in den infantilen Organismus
eintritt, wie die Untersuchungen von Bönniger ergeben. Wir
haben also da ein Beispiel, dass eine ursprünglich körperfremde
Substanz nachträglich eine lebenswichtige Bedeutung erlangen soll.
Die Quantität des Jods in der Schilddrüse ist unter normalen,
wie unter pathologischen Bedingungen Schwankungen unterworfen,
z. B. ist das Jod bei Krebs der Schilddrüse vermisst worden.
Eine exklusive Erklärung der Schilddrüsenfunktion auf Grund des
Jodgehaltes derselben ist nicht möglich. Die Angaben von Bar¬
be r a wurden durch die Nachprüfungen von Kraus und Frieden¬
thal nicht bestätigt. Nur einmal konnten sie eine Wirkung einer
eingeführten Jodnatrinmlösung auf Vagus und Depressor im Sinne
Barberas bestätigen. Welche Gründe sprechen nun dafür, dass
wir im Schilddrüsenapparat zwei getrennte Teilapparate mit zwei
verschiedenen Funktionen anznnehmen haben? Neben und in der
Schilddrüse der erwachsenen Säugetiere sind von Sandström,
Nicolas und Alfred Kohn konstante epitheliale Organe, die sog.
Beiscbilddrüsen, gefunden worden, für deren Selbsttätigkeit ver¬
schiedene morphologische Gründe und klinische Beobachtungen
sprechen. Ueber die physiologische Punktion derselben haben be¬
sonders die Untersuchungen von Biedl nnd Pineies Aufklärung
gebracht. Experimente mit Entfernung bloss der Beischilddrüsen
und solche mit vorsichtiger Erhaltung derselben machen es sehr
wahrscheinlich, dass die Entfernung der eigentlichen Schilddrüsen
das Krankheitsbild der thyreopriven Kachexie, die der Epithelkörper
(Beischilddrüsen) jenes der Tetanie bewirkt. Zu dieser Auffassung
scheinen auch die Erfahrungen der menschlichen Pathologie zu
stimmen. Das Krankheitsbild der Th 3 a‘eoaplasie, dos niemes all¬
gemeine oder lokalisierte Spasmen oder Paresen darbietet, ermög¬
licht eine beiläufige Trennung der Funktion von Schilddrüsen und
BeischUddrüsen. Die Frage nach den Beziehungen der Tetauia
strumipriva zu den menschlichen Epithelkörperchen wird durch die
operative Ekfahrung mit Wahrscheinlichkeit bejaht. Was wissen
wir genaueres über Ursachen und Inhalt der wichtigsten Folgen
der Schilddrüsenausschaltung und die Wirkung der Thyreoideastoffe?
Als erwiesene Wirkung des gesamten Thereoideasaftes düifen wir
unter anderen annehmen eine Schädigung des Herzens, eiue Blut-
dmoksenkung sowie eine merkliche Beschleunigung des Pulses,
wenigstens gewisser Tiere, z. B. der Hunde, v. Cyon fand, dass
durch die SchilddrUsensubstanzen die herzhemmende Wirksamkeit
der B^zong des Vagus und die blutdrucksenkende der Reizung
des N. depresBor bedeutend verstärkt wird, ja dass dieselben die
Erregbarkeit der durch Atropin gelähmten Herzvagosfasem sofort
wieder herstellen. Die Versuche von Kraus und Friedenthal
haben die Angaben von Asher undBoruttau in dieser Hinsicht
durchaxis bestätigt. Manche Tatsachen sprechen für die Annahme
einer herzregulatorischen Leistung der Schilddrüse. Betreffend
des Zusammenhanges der glandula thyreoida mit Blut und Blut¬
bildung berichtet Redner Uber die von Mohr, Plesch und Reck¬
zeh erhobenen Befunde. Ueber die prinzipielle Frage, in welchem
Umfange unter dem Einflüsse der Schilddrüsenstoffe die Oxydations¬
prozesse im ganzen gesteigert sind, ob in dieser Erhöhung speziell
das Eiweiss einen Hauptanteil der Gesamtkalorienproduktion zu
tragen hat, oder ob die Pettverbrennung überwiegt, haben Stey¬
rer, V. Bergmann und Mohr Stoffwecbseluntersucbungeu ange¬
stellt. R. Hirsch studierte im Krausschen Laboratorium die
Glykosurie der thyreoidektomierten Hunde im Hunger.
In Bezug auf die Lehre vom Kropf erwähnt Kraus das
wenig berücksichtigte Kropfasthma und den Lar 3 rngospasmus. Zum
Kropfieiden als solchem gehören ausser der vorwiegend mechanusob
bedingten Vergrösserung des rechten Herzens einerseits funktiouelio
Herzstörungen wie Herzklopfen, gesteigerte Frequenz, seltener
Unregelmäßigkeit derHerzaktion,andererseits wirkliche Vergrösserung
des verstärkt schlagenden Herzens („Kropfberz**). Die durch
mechanische Beeinflussungen der berzregulierenden Nerven be¬
wirkten funktionellen Abweichungen der Herztätigkeit kann man
diagnostisch leicht als eine besondere Gruppe abgrenzen. Nach¬
weisbare Erweiterung oder Hypertrophie des Herzens lässt rein
mechanische Beeinflussungen der Herznerven mit Wahrscheinlich¬
keit ausschliessen. Andere Anhaltspunkte gibt der Stoffwechsel.
Aus klinischen Gründen kann Kraus der Annahme nicht folgen,
dass das Kropfherz einfach als eine forme fruste des Morbus Base-
dowii aufzufassen sei, da wichtige Symptome des letzteren dem
Kropfherzen nicht zukommen. Das Basedow-Problem selbst
kann durch die fortgesetzte Erörterung der Beziehungen des Syn¬
droms zur Schilddrüse nicht über einen bestimmten Punkt hinaus
gefördert werden. Viel besser als früher lassen sich schon jetzt
alle klinischen Krankbeitsbilder in das nosologische System ein-
gliedem, welche auf Hypofunktion der Schilddrüse selbst beruhen.
Man kann sich hier an folgende Typen halten; Die Thyreoaplasie
(kongentiales Myxödem), das infantile Myxödem, das spontane Myx¬
ödem der Erwachsenen, der gutartige Hypothyreodismus, der en¬
demische Kretinismus. Letzterer ist gekennzeichnet durch die
endemische Aetiologie, gehört aber pathogenetisch in die ganze
Reihe, wie v, Wagner dadurch nachgewiesen bat, dass er zeigte
wie wenigstens der kindliche Kretin auf Schilddrüsenstofie re¬
agiert. Redner schliesst mit zuversichtlichen Ausblicken auf die
Therapie der „Schilddrüsen-Elrankheiten“.
Kocher-Bem legt seinem Referate seine langjährigen Er-
fahmngen an 3 Krankheiten zu Grunde: 1. die Cachexia thyreo-
priva, 2. die Tetauia thyreopriva, 3. die Basedow’scbe Krank¬
heit. Hinsichtlich der ersteren Gruppe stehen Kocher 40 Fälle
von totaler Schilddrüsenentfemuug, 30 Fälle nach partieller und
66 Beobchtungen von spontanem Auftreten unter dem Bilde des
Myxödems zu Gebote. Seit 1883 nimmt er keine Totalexzision der
Drüse mehr vor. Von den genannten 40 Fällen sind 10 gestorben,
die mittlere Lebensdauer betrug 7 Jahre, so lange kann man ohne
Schilddrüse leben, allerdings unter kachektischen Symptomen mit
Hinneigung zum Kretinismus. Bei 9 dieser Patienten trat Herstellung
ein, es bildete sich bei ihnen ohne Ausnahme wieder ein Kropf
aus einem bei der Operation zurückgelassenen Beste der Schilddrüse.
8 Fälle haben sich sehr bedeutend gebessert, 3 haben sich unter dem Ein¬
fluss derBehandlung bis zur Heilung gebessert dank der Verabfolgung
von Schilddrüsenpräparaten. Einer gebraucht dieselben 13, ein anderer
11 Jahre ununtei'brochen. Auch die Behandlung mit dem Jod-
othyrin kann ähnlich günstige Ei’folge erzielen; es ist von grösster
Wichtigkeit, dass die Erfolge nur so lange dauern, als man die
Therapie dauern lässt. Schon am' Tage der Aussetzung der Be¬
handlung treten wieder Krankheitserscheinungen ein. Bei partieller
Strumektomie hat Kocher nicht weniger als 30 Fälle mit Cachexia
strumipriva gesehen, diese Fälle beruhen darauf, dass Kocher
sich anfangs nicht vergewisserte, ob nicht eine einseitige Aplasie
vorhanden sei, oder dass nach der Operation durch Störungen der
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242
Mia)KHinSCHE WOCHE.
Nr. 21.
Wandheilimg der zarückgelaasene Drüaeateil zerstört wurde. Bei '
13 Fällen dieser Art bat die Eacbezia ihren Grund darin, dass
gleichzeitig rechts und links opMnert wurde, bei partieller Razision
ist die Kachexie zu vermdden, ein grosser Teil dieser Fälle zeigt
milde Formen. Kocher berichtet aber eiBsn Fall, wo eine sdiwer
kacbektische Frau ein ganz gesundes Kind geboren hat, das sieh
völlig normal weiter entwickelte.
Von der 2. Hauptgruppe sah Kocher 9 TetaniethUe bei 40
Totalexzisionen. Fs zeigte sich, dass die spätere Kachexie durch«
aus nicht in einem Verhältnis steht zum Grade und zum Auf¬
treten der Tetanie. 6 mal trat Tetanie unter den 30 Fällen par¬
tieller Resektion auf und zwar war hier die Tetanie schwer, ^ne '
solche Patientin starb, als man sie geheilt glaubte, und daher
von der Milchdiät ab- und zur Fleischnahrung überging. Von den
Exzisionsfällen bei Morbus Basedowii bekamen 5 Fälle Tetanie und
zwar ohne Kachexie. Der Ausgangspunkt der Tetanie und der
Kachexie ist eia verschiedener. Die erstere ist abhängig vom |
Ansfall der Funktion der Beisohilddrttsen. Betreffend des Morbus'
Basedowii führt Kocher an, dass das histologische Bild der Base¬
dow-Struma etwas besonderes an sich hat und dass der Morbus
Basedowii auch bei vorhandenem Kropf auftreten kann. Kocher
tritt für die frühzeitige Operation der Basedowkrankheit ein. Sie
hat allerdings nicht immer günstige Erfolge. Kocher hat 216
Fälle von Morbus Basedowii gesehen, 130 waren typisch, 167
wurden operiert, 9 = 5% sind gestorben. Die Gefahr der Opera¬
tion (Herztod) wird durch Prühoperation vermieden. Von 10 leichten
Formen wurden alle geheilt, von 60 Basedow-Strumen wurden 55
geheilt, 4 gebessert, 1 bekam Tetanie. Von den eigentlichen Base-
dowiikranken wurden 5 tetaniscfa, sind aber nicht gestorben, 8
wenig, 10 bedeutend gebessert, 56 geheilt, 28 vollkommen geheilt.
Letztere wurden alle mehrmals operiert. Nicht immer ist der Ex¬
ophthalmus ganz zurückgegangen, mehrmals wurde die Operation
nicht auf einmal vollendet, z. B. die Arterien nicht gleichzeitig
unterbunden. In einem Palle, wo Kocher alle 4 Arterien zu¬
gleich unterband, trat schon nach einer halben Stande Tetanie auf.
Bei Morbus Basedowii handelt es sich um eine Hypertbyreosis.
Durch Darreichung des SchilddrUsensaftes kann man Unliebe Ver¬
änderungen wie bei Morbus Basedowii hervorrufen. In der Dar¬
reichung des Saftes haben wir ein Mittel, um Fälle von Hypo-
thyreosis zu bessern. Kocher unterscheidet in seinen Schluss¬
folgerungen thyreoprive und thyreotoxische Erkrankungen. Erstere
sind Folge teilweisen oder totalen Ausfalles der Schilddrüsenfuuk-
tion. Zn unterscheiden ist der Ausfall der eigentlichen Thyreoidea
mit dem Bilde der Kachexia th 3 o*eopriva, unter dem Bilde einer
chronischen Stoffwechselkrankheit, und der Ausfall der Parathyreoidia
unter dem Bilde einer Intoxikation, anftretend alsTetaniaparathyreo-
.priva. Diese beiden zusammen bilden die Gruppe der Hypothyreosen.
Es ist wichtig, die gelinden Änfangssymptome und diespäteren degene-
rativen Ansgänge (Kretinismus), richtig zu beurteilen, besonders sind
auch die sogenannten thypreopriven Aequivalente zu würdigen (Neu¬
rosen, Epilepsie, Waohsturastönmgen). In allen Graden dieser Gruppe
ist das Thyraden in richtiger Dosis ein Heilmittel, das radikale
Heilmittel ist die Einbeilung gesunder Schilddrüse. Die thyreo¬
toxischen Erkrankungen sind eine Folge der gesteigerten Tätigkeit
der Schilddrüse und zeigen sich als akute Intoxikationen und als
chronische Stoffwechselkrankheit. Weitere Untersuchungen-raüssen
entscheiden, wie weit diese Gruppe unter dem Titel der Hyper¬
thyreosen znsammengefasst werden kann oder wie weit sich eine
Dysthjreosis beimischt. Auch hier sind die Anfengsstadien richtig
zu beurteilen, das Kraus’aehe Kropfherz und gewisse Psychosen.
Heilmittel ist alles, was die Tätigkeit der Schilddrüse beschränkt;
Wegfall von Reizen, geistige Ruhe, Ernährung mit Vermeidung
von die Drüse erregenden Substanzen, vor allem die Behandlung
mit Phosphaten, dann die Darreichung von Müclmahrung, die An¬
wendung thyreopriver Ziegenmilch und Milchpulver. Das radikale
Mittel ist die Operation durch Ligatur und Exzision.
Diskussion: Herr Neusser berichtet von einem Pall von
Hypoplasie der Genitalien und der Schilddrüse, bei dem sich eine
hypertrophische Leberzirrhose entwickelte. Myxödem bestand nicht.
In einem zweiten Pall mit biliärer Zirrhose war Verkleinerung der
Schilddrüse, sowie Anzeichen von Myxödem vorhanden. Der Zu¬
sammenhang beider Erkrankungen ist unklar, vielleicht spielt der
Ikterus eine Rolle. Zwisebeu den Erkrankungen der Schilddrüse
und der Leber bestehen wahrscheinlidi engere
vielleicht dordi Einflüsse auf die Erythrozyten.
Herr Fr. Müller: Die Basedowkranken zeigen eine leichte
Ermüdbarkeit der Muskeln, wie er durch eigene Unters u c h nngen
festgestellt hat, aber auch eine leichte Ermüdbariceit des Geistes.
Blasse, junge Mftdchen mit VergrüssMung der Schilddrüse und
einer st^nannten Fseudochlorose leiden ebenfalls an groseer Br-
müdbarfe^ Die Herzstörungen spielen 8i<^, wie Sektionsbefunde
lehren, mehr am rechten als am linken Herzen ab. Beim Menschen
bestehen auch Beziehungen zwistflien Struma und Diabetes, sowie
zwischen Struma und alimentärer GHykosarie. Bei Morbus B äse
dowii bestehen vi^fac^ ganz eigenartige Verindenmgen der S^üd-
drüse. Betr. des Exophthalmus bat M. 2 Fälle beobaditet, wo
ein einseitiger Exophthalmus bestand. Hier war die Struma auf
der einen Seite operiert worden, worauf der zuerst doppelseitige
Exophthalmus auf der korrespondierenden Seite verschwand.
Herr Ewald gibt Bemerkungen über die Behandlung. Die
Schilddrüsenbehandlung ist von Erfolg in Fällen von Myxödem,
dann bei Formen von Myxoe4^me fruste. Auch echter Kretinismus
wird gut beeinflusst. Er berichtet über seine Erfahrungen in der
Behandlung von Basedowkrauken und frägt an, in welchem Zeit¬
punkte man solche Kranke operieren soll.
Herr Hoennioke-Greifswald wies experimentell nach, dass
alle Symptome der Ba sedo w’schen Krankheit, auch die Glotz¬
augen, von der Uebersebwemmong des Körpers mit übergrossen
Mengen sonst normalen Schilddrüsensaftes herrühren und dass da¬
her allein die Operation des Kropfes die Kranken dauernd und
völlig heilen kann, wenn hierbei so viel entfernt wird, dass nicht
mehr als die Normalmenge von Schilddrüse zurückbleibt, die Vor¬
tragender als ungefähr 20,0 g betragend ermittelt hat
Zum Schluss wies H. darauf hin, dass auch die Osteomalacie
(Knochenerweichung) nach seinen vor etwa iVs Jahren veröffent¬
lichten Untersuchungen eine Schilddrüsenkrankbeit ist, die einer
Ueberschwemmung des Körpers mit Schilddrüsensaft ihre Entstehung
verdankt. Ihr Vorkommen sei an das Vorkommen des Kropfes
gebunden und ihre relativ häufigste Komplikation die Basedow¬
sche Krankheit
Herr Blumenthal berichtet Uber seine Beobachtungen an
thyreoektomierten Ziegen. Es zeigt sich bei denselben zuerst
Haarausfall, später unsicherer Gang, dann ein sulziges Oedem des
Unterbautzellengewebes, Versagen der Milchsekretion. Viele dieser
Tiere konzipieren nicht oder sie abortieren. Hinsiohtlich der The¬
rapie steht er auf dem Standpunkte, erst dann zu operieren, wenn
die innere Behandlung fehl schlägt. (Fortaeteunf folgt)
Periodische Literatur.
Medicinische BJfltter. 1906. Nr. 5.
Dr. Maurus Fisch: Balneotherapie bei Cor adiposom
(Fettherz). Vortrag, geh. auf d. 77. Vers. Deutsch. Naturforscher
und Aerzte in Meran im Sept. 05.
Unter dem Namen „Fettherz“ bezeichnet man die zwei wohl
von einander zu trennenden Znstände des „Mastfettherz“ (Kisch)
und des fettig degenerierten Herzens.
Nach den symptomatischen Erscheinungen beim Fettherz
lassen sich drei Arten von Herzerkrankungen, welche mit Polysar-
ca im Zusammenhang stehen, unterscheiden. Die leichteste Art
repräsentiert das sog. latente Fettherz nach Eichhorst.
Die zweite Art umschliesst Fälle ohne auffällige Störungen,
wo höchstens der Herzmuskel Zeichen von Dilatation und ver¬
minderter Resistenzf^hgkeit (ev. spontane Herzmptur) aufweist.
Die dritte Art umfasst die Fälle mit Insutficienz.
Der Krankheitsverlauf richtet sich nach der Fettwuchemng
im ganzen Körper, nach der Steigerang der Widerstände und
nach den Veränderungen am Herzmuskel.
Vor der balneotherapeutischen Behandlung hat man zunächst
den funktionell-diagnostischen UntersuchungsmethodOn des Herzens
sich zuzuwendeu. Von den Prüfungsmethoden der L/eistungsfbbig-
keit des Herzens im Verhältnis zu seiner Inanspruchnahme, er¬
wähnt Verfasser
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1906.
MBDIOQdSCCT} WOCHE.
243
1. die Methode von Martine, Staehlein, Kraue u. a.:
die Ermüdung als Maß der Herzfunktion;
2. die Methode von Mendelsohn und Gräupner: die Er¬
holung als Maß der Herzfunktion;
8. des Verfassers Methode: der Blutdruck als Maß der Herz-
funktion.
Nach Verf. bleibt die einfache Blutdruckmessung, gleichviel
mit welchem Apparate angestellt, die absolut sicherste Methode
zur diagnostischen Beurteilung der funktionellen und geweblichen
Veränderungen des Herzmuskels.
Die baineotherapeutische Behandlung nun des Cor adiposum
richtet sich, unter gleichzeitiger Veränderung der Ernährung und
Lebensweise, auf Befreiung des Herzens vom Eettballaste in
sofaonMider und allmählicher Weise und Steigerung der motmdschen
Kraft des Herzmuskels.
Bei der Ernährungsveränderung darf unter die Erhaltungs¬
kost nicht hiuausgegangen werden, von Noorden unterschei^t
3 Grade der Entfettungsdiäten:
Der 1. Grad mit etwa Vb des gewöhnlichen Bedarfs (Abnahme
im Monat: 2—4 Ffd.).
Der 2. Grad mit etwa Vs des gewöhnlichen Bedarf (Abnahme
im Monat: 4—6 Pfd.).
Der 3. Grad mit etwa ^/s des gewöhnlichen Bedm'fs (Abnahme
im Monat: 6—12 Pfd.).
Verf. verbreitet sich dann über die verschiedeoen Diätflcfaemata.
Seiner Erfahrung nach ist die Ebstein’sche Methode der fett¬
reicheren und eiweissärmeren Nahrangszufuhr, weil das Hunger-
und Darstgefühl vermindernd, bei den an grössere Nahrungszutühr
gewohnten fettleibigen Herzkranken am zweckentsprechendsten.
Von den baineotherapeutischen Prozeduren setzt er an erste
Stelle eine 4 — 5 wöchige Badekur mit 20 — 25 Mineralwasser-
bädern, in welchen die wirksamen Bestandteile in genauester
Dosierung eiae ascendierende Abstufung aufweisen. Die dadurch
ermöglichte Erieichterung dor Herzarbeit macht nach Vortr. die
Anwendung der von Oertel, Kisch u. a. betonten Uebung und
körperliche Bewegung überflüssig.
Ale weitere Maßnahme kommt die Trinkkur, namentlich alka-
lisch-salinischer Quellen in Betracht. Diese wird unterstützt durch
den. nach Verfassers Erfahrungen sehr wichtigen Faktor derEssentia
spermini Poehl., das ohne irgendwelche schädigende Wirkung auf
das -Herz, dasselbe direkt sehr günstig beeinflusst. Wie Dr. Hirsch,
der Leibarzt des Czaren, so sah auch Verfasser Puls- und Hwz-
arythmien in viel kürzerer’Eoit als durch andere Mittel schwinden.
(Old.; Früh nüchtern, vor dem Essen und in den Nachmittags¬
stunden 15 — 20 gtt in je 100 g gewärmter Natalie-, Salz- oder
Wiesenquellö.)
Le Progrds mödioal. 1906. Nr. 3.
Terrien: Le«, psyehopathies chez le paysan.
Verf. kommt bei einem Vergleich seiner Erfahrungen in lang¬
jähriger Laudpraxis (Vend4e) mit denen der Praxis in der Stadt
zu dem Schluss, dass Neurasthenie und Hjrsterie beim Landbe¬
wohner keineswegs seltener sind als beim Städter. Disponierende
Momente für die Landbewohner sind wohl Decadenz durch Trun¬
kenheit, Verwandtenehen; eine Rolle spielen weiter der Aber¬
glaube, ein grösserer Nachahmungstrieb, schlechtere hygienische
Verhältoiaso und die auch auf das Land übergreifende Erschwerung
des Kampfes um die Existenz. Die Krankheitsformen sind im
Wesentbchen dieselben wie beim Städter; immerhin gibt es ein¬
zelne Besonderheiten. Die convulsiva Form der Epilepsie ist sehr
selten; auffällig leicht sind die hysterischen Symptome beim Land¬
bewohner durch Suggestion zu unterdrücken. Sehr häufig findet
man durch Nachahmung bedingte Epidemien bestimmter hyste¬
rischer Krankheitsformen.
1906. Nr. 5.
Du bar: Fhlegmon «ous-hyoldien mädiäu consdcutif k la dis*
eision omygdalienne.
Im Anschluss an die in mehreren Sitzungen vorgenommene
Abtragung beider Gaumentonsillen entwickelte sich bei der Pat.
ülu Abscess iu der Regio sub.-hyoidea, der durch Incisiou von
der Submentalgegend aus eröffnet wurde. Verf glaubt, da«« viel¬
leicht die Freimachung der Bakterien, die in dem Pfröpfen der
tiefen Lakunen der Tonsillen sitzen, für die Entstehung der In¬
fektion eine Rolle gespielt hat.
La Belgique mödicale. 1906. Nr. 5.
Broeckaert: Yomissements iucoäroible« chez un jenne
komme de «eize am«.
Verf. gibt die Krankengeschichte eines jungen Mannes, bei
dem sich unter Einfluss einer mangelhaft hygienischen Lebens¬
weise ein Leiden entwickelt hat, das in fortdauerndem Erbrechen,
das jeder Therapie trotzt, besteht. Bald nach der Zufuhr von
Speisen stellt sich Magendrücken ein und dann erfolgt galliges
Erbrechen, bis zu 20 mol am Tage. Druckempfindlichkeit der
Magengegend besteht nicht, Magen und Leber zeigen normale
Grenzen; Zeichen allgemeiner Nervosität sind nicht vorhanden;
die Untersuchung des Magensaftes ergibt nur geringeren Salz-
Bäuregehalt. Ulcus, Carcinom sind auszuscbliessen; ebensowenig
ist das continuierliche Erbrechen einfach als hystero-neurasthenisches
S 3 unptom anzusehen. Es ist vielmehr anzunehmen, dass eine ab¬
norme Erregbarkeit der Magenschleimhaut, des nervösen Apparates
des Magens die Ursache des gehäuften Erbrechens ist. Die The¬
rapie bezweckte eine Beruhigung des Magens durch Regelung
des Stuhlgangs, schonende Diät, Magenspülungen und erzielte in
wenigen Wochen vollen Erfolg.
Fortschritte der Medicin. Nr. 4.
Leih Juhl: Ueber die Wirkung de« Koeh’schen Prävalidin.
Prävalidin, eine aus Kampfer, Balsam peruvian. Ol. Eucalypti
mit der Salbengrundlage „Percutilan" gewonnene Salbe, liess Koch
hersteilen, um für die günstige Erfolge versprechende Kampfer-
tfaerapie bei Lungenaffektionen statt der Injektionen die bequemere
percutane Applikationsmetbode zu ermöglichen. Wie mehrere an¬
dere Autoren hat auch Verf. mit den Prävalidineinreibungen sehr
befriedigende Erfc^e erzielt, nicht nur bei verschiedenen akuten
und chronischen, auch tuberkulösen Lungenaflfektionen, sondern
auch bei Scrophulose und Rhachitis und bei Schwächezuständen,
wo der Kampfer eine herzroboriereude Kraft betätigen kann.
Bücherbesprechung.
Cholewa, Sanitätsrat in Bad Nauheim. HerzschwächO
und Nasenleideu. Verlag von Otto Gmelln, München.
Preis 1,— M.
Cholewa bespricht in der vorliegenden kleinen Arbeit den
häufigen Zusammenhang der als nervöse Erkrankung angeseheneu
„Herzschwäche“ mit einer chronischen Nasenerkrankung.
Der Vorgang ist folgender. Nach einer Influenzainfektion
(Schnupfen) bleibt eine Entzündung der Moschelknochen und der
Nasenschleimhaut zurück, welche zur Neubildung von markraura-
haltigem Knochen und zur Polypenbildung führt. Der neugebildete
Knochen wird immer ein locus minoris resistentiae für den Gesamt¬
organismus bildeu, da er die Sedimentierung und Züchtung von
Entzündungserregem ausserordentlich begünstigt. Von hier aus
werden immer wieder Neuintektionen der Körpergewebe und dabei
auch des Herzmuskels erfolgen, die sich in Herzschmerzen und
zunächst vorübergehender Herzschwäche äussem. Die Unter-
sudiung der Nase, welche in den zutrefienden Fällen die bekannten
Veränderungen ergibt, führt dann auf den richtigen Weg zur Be¬
urteilung und ursächlichen Behandlung der Erkrankung.
In vielen noch nicht zu weit vorgeschrittenen Fällen gelingt
durch gründliche Behandlung der Nasenerkrankung die Heilung
der Hei*za£fBktion and auch zugleich die Beseitigung der übrigen
Beschwerden: Kopfdruck, Schlaflosigkeit, allgemeine Nervosität \isw.,
die bekanntlich sehr häufig die quälenden Begleiterscheinungen
der chronischen Nasenerkrankungen sind.
Die kleine Arbeit zeigt wieder aufs deutlichste, von wie
grosser Bedeutung es für den praküscben Arzt ist, sich ein ge¬
wisses Maß von Kenntnissen in der Oto-Rhinologie anzueignen,
um nicht den Zusammenhang von scheinbar und örtlich bedeut-
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244
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr 21.
samen Erkrankungen mit Ällgemeinerkrankuugen zu Übersehen.
Zum Studium der betreffenden Frage möchte ich nicht versäumen,
auch auf die zahlreichen Arbeiten Bresgens hinzuweisen.
Hölscher (Ulm).
Vermischtes.
Berlin, in der am 27. v. M. im Langenbeckhause ahge-
haltenen Mitgliederversammlung der Berliner Rettungsgesellscbaft,
E. V., welche der stellvertretende Vorsitzende Herr Geheimrat
Dr. Becher leitete, wurde der Geschäftsbericht für das 8. Ge¬
schäftsjahr (190Ö) vorgelegt. Derselbe ergibt ein erfreuliches
Bild über die weitere gedeihliche Entwicklung des ganzen Unter¬
nehmens. Die Zentrale wurde 46061 mal in Anspruch genommen.
Die Wagenbestellung belief sich auf 3056. Durchschnittlich hatte
die Zentrale 3828 Fälle monatlich zu verzeichnen. Sämtliche seit¬
herigen Vorstandsmitglieder wurden wieder in den Gesamtvorstand
cooptiert.
Der Geheimrat Prof. Dr.Fürstner, Direktor der psychiatri-
.schen Klinik in Strassburg, ist an den Folgen eines schweren
Diabetes gestorben. Der ausgezeichnete Psychiater, der aus der
Westphal’schen Schule hervorgegangen war, gehörte zu den
Führern in seinem Fache und hat sich durch zahlreiche verdienst¬
volle Arbeiten einen bleibenden Namen erworben. Vielleicht am
bekanntesten, auch in nichtpsychiatrischen Kreisen, war der von
ihm zuerst geführte Nachweis des Auftretens von EliweLss nach
dem epileptischen Anfall.
In CzBrnOWltZ verstarb .Prof. Kleinwäcli ter, früher Ordi¬
narius für Geburtshilfe in Innsbruck.
Hochschulnachrichten.
Berlin. Geheimrat Professor Dr. Hoffa wurde zum Ehren-
mitgliede der Finnländischen Aerztlichen Ge.seUschaft in Helsing-
fons ernannt.
Bonn. Privatdozent Dr. Zieler, bisher Assistenzarzt ander
Klinik für Hautkrankheiten, übernahm am 1. Mai die Stelle des
Oberarztes der Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten au
der Universität Breslau.
Heidelberg. Der Direktor der Chirurgischen Klinik, Geh.
Rat I. Klasse Dr. V. Czerny Exz., ist auf sein Ansuchen auf
1. Oktober 1906 in den Ruhestand versetzt worden. Geh. Medi-
cinalrat Dr. Bier-Bonn hat den an ihn ergangenen Ruf als Nach¬
folger abgelehnt. — Der Professor der orthopädischen Chirurgie
J^r. Oskar Vulpius erhielt vom König von Italien das Ritter-
kj-euz vom Orden des H. Mauritius.
Leipzig. Das neuerbaute pathologische Institut wurde am
5. d. M. unter Teilnahme der staatlichen und Universitätsbehörden
feierlichst eingeweiht.
München. Habilitiert: Dr. Albert Uffenheimer für
Kinderheilkunde. Habilitationsschrift; Experimentelle Studien über
die Durchgängigkeit der Wandungen des Magendarmkanales neu¬
geborener Tiere für Bakterien und genuine Eiweissstoffe. Probe¬
vorlesung : Ergebnisse der biologischen Methode für Säuglings¬
ernährungslehre.
Rostock. Prof. Dr. G. Ricker, I. Assistent am patho¬
logischen Institut, ist zum Pro.sektor an den städtischen Kranken¬
hausanstalten in Magdeburg ernannt and wird diese Stellung
Mitte dieses Monats übernehmen.
Berthold Wagner-Rostock. Die quantitative Zackerbe-
stimmunK im Harn und ihre klinische Bedentung nebst
Besehrelbone eines neuen Gämngsapparates, ««Gär-
nngs-Saecharo-Hlanometer**. (Münch, med. Wochcnschr , 1905,
No- 48.)
Bei dom Lohnstoinschen Apparat ist ns notwendig die zu vergärende
Flüssigkeit nebst der Hefe in dasselbe Gefäss hinein zu Dringen, in welchem
sich das Quecksilber tür das Manometer befindet. Infolgedessen wird einer¬
seits Quecksilber durch die schmierige HefefiUesigkeit J^esmal verunreinigt
und andrerseits ist infolge der besonderen Konstruktion des Apparates die
nach jodem Gebrauch desselben notwendig werdende Reinigung mit ge¬
wissen Umständlichkeiten verbunden, welche die schnelle Handhabung er¬
schweren.
Um diesem Uebolstand abzuhelfcn, konstruierte W. einen Apparat, der
dasselbe Prinzip wie der Lohnsteinsche bat, nur ist daboi vermieden,
dass die GärungsiflQssigkeit mit dem Queck¬
silber in Berührung kommt. Die Handhabung
ist gleichfalls einfach, und das Instrument,
welches .,Gärung8-Saccharo-Manometer“ ge¬
nannt und von der Leipziger Glasinstruroenten-
fabrik F. 0. R. Götze, Leipzig, Härtel¬
strasse 4, bergestollt wird, ist weniger leicht
zerbrechlich.
Der Apparat besteht ans einem rechteckigen,
mit einer Gose zum Aufhängen versehenen
Rahmenbrett A, in welchem sieb eine ent¬
sprechende Vertiefung befindet, die zur Auf¬
nahme der gläsernen Manometerröhre B und
des Gärungsfläsebebens C dient. Die Oese 0
und ein drehbarer Riegel R am oberen Teil
des Brettes dienen zum Befestigen des Appa¬
rates.
Zur Vornahme einer Zuckerbestimraung
füllt man zuerst 0,5 ccm des unverdfinnton
zuckerhaltigen Urins in das Gärungsfiäschchen
und zwar zwecks möglichster Genauigkeit mit¬
tels der beigegebenen kleinen Pipottu, die für
0,5 ccm geeicht ist.
Wenn der betreffende Urin gamieht oder
wenig sauer reagiert, säuert man denselben ini
Gärungsgläschen dnreh einen Tropfen einer
ö-lO^igeii Weinsteinsäurelösung an. die man
am besten aus einem Tropfglas bineinfallen
unter Vermeidung der Anfeuchtung des Flaschenhalses (oder man fügt
ein Körnchen Weinstcinsäurepiilvers hinzu). Dann verreibt man (am besten
mit dom Zeigefinger) in der kleinen beim Apparat befindlichen Porzellan-
schale ein hasolnussgrosscs Stück frischer Presshefe mit der doppelten
Menge seines Volumens Wasser; von diesem dünnen Brei werden 3 bis 4
Tropfen zu der Gärungsflilssigkeit hinzngefUgt und zwar mit der zweiten,
weiterer Pipette. Alsdann stülpt man das gefüllte Fläschchen über, sodass
die beiden Luftlöcher übereinander zu liegen kommen. Es darf dabei die
Quecksilbersäule nicht Über den Nullstrich getrieben werden. Erst nachdem
man dessen sicher ist, sucht man einen luftdichten Abschluss zu erreichen,
indem man am besten das Fläschchen mehrmals hin und her dreht. Sodann
dreht man durch Druck gegen den kurzen Schenkel und das Fläschchen den
Apparat in die kuppelfbrmige Vertiefung hinein, wobei die Metallfeder D
nach unten gedrückt wird. Dieselbe übt nunmehr gegen den Boden des
Fläschchens einen Druck aus, der dem sich entwickelnden KohleuBäuredriick
entgegenwirkt und so ein Lockern des Fläschchens unmöglich macht.
Bei der nunmehr stattfindonden Gärung wird das Quecksilber im' lan¬
gen Böbrenschenkel emporgetrieben, an dessen Seite sich eine graduierte
Skala befindet, deren Einteilung auf der rechten Seite bei Brutofentemporatur
(37®C) auf d^r linken bei mittlerer Zimmerwärme (20® C) ermittelt ist.
Die .Skala zeigt den Zuckergehalt in Prozent direkt an (bis 10®/Ä Die
vollständige Vergärung nimmt bei Zimmertemperatur ca. 24 Stunden in An¬
spruch, im Brutofen für Zuckerwerte bis 5 Prozent etwa 3 — 4 Standen,
für höhere Werte bis zu 6 Stunden. Aus Gründen der Schnelligkeit em¬
pfiehlt OS sich also, den Apparat an einem warmen Ort hängen zn lassen,
wo aber nicht mehr als höchstens 40® C bestehen? z. B. lässt sich auch der
Apparat während der Gärung bei eiligem Gebrauch in eine Ofenröhre stellen,
wo vorher mit dem Tberuiometer die Temperatur kontrolliert wurde.
Die beendete Gärung erkennt man äusserlicb daran, dass die vorher
durch Hefe getrübte Flüssigkeit sich geklärt hat, so dass die Hefe am Bo¬
den des Gefässes liegt. Steigen dagegen im Gärung^e&ss noch Bläschen
auf, die durch Eraporreissen von Hefepartikelchen die Trübung der Flüssig¬
keit unterhalten, so ist die Gärung keinesfalls als beendet an'zuseben.
A. R.
Die billigen Pboto-Apparate verschwinden!
Erst seit wenigen Jahren ist es handelsüblich, den Käufern photo¬
graphischer Apparate Zahlungsorleicbterungon zu bewilligen und die er¬
freuliche Folge ist, dass die billige Camera mehr und mehr verschwindet.
Dass in der Tat die neue Verkaufsmetbode, die natürlich eine besondere
Organisation und grosse Kapitalkraft verlangt, einem Bedürfnis entgegen
gekommen ist, beweist die bedeutsame Entwicklung der in F^e kommen¬
den Firmen. Ein sehr bekanntes Beispiel für den Verkauf g^n erleich¬
terte Zahlung ist der Camera-Grussvertrieb Union, Hugo Stöckig & Co.,
dessen Vertriebsgebiet 3 Länder umfasst: Deutschland mit Sitz Dresden,
Oesterreich-Ungarn mit Sitz Bodenbach und die Schweiz mit Sitz Zürich.
Diese Firma liefert seit zwei Jahren ihre weithin anerkannten Union-
Cameras ausschliesslich mit Anastigmaten der Weltfirmen Goerz. Berlin,
sowie Meyer, Görlitz, und sie befieissigt sich möglichst loyaler Zahlungs¬
bedingungen, Der neueste Camera-Prospekt liegt unserem heutigen Blatte bei.
Veranlwortlicher RfdaWteur ; Dr. P. Mei»aner, BerlinW. U, Kurfüratenstr. 81. — Verlag »on Carl Marhold, Halle a. S.
Dmck von der Heyaemann'achen Barhdrnclrerei, Oehr Wolff, Halle a. S
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Medicinische Woche
Deatschmana. A. Dflbrasen, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bt.
H. Senator« R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a* S«« Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Martiold Verlag Hallesaale. Pemsprecher 823.
Hcrausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partseb, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricht, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion;
Berlin W« 62« Kurffirstenstrasse 81*
Dr. P Meißner.
Vn. Jahrgang. 28. Mai 1906. Nr. 22.
Die ,Med 1 clnische Woche* * erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalnCOloglSChG CGtltralzCltung^ Organ des Allgemeinen Deutschen
Bfiderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet Jährlich 10 M., einzelne
Nummer 2S Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in H all e a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt BrmäBigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Zur modernen Skoliosenbehandlnng
nach Klapp.
Nach einem Vortrage auf der Versammlung rhein.-westfal. und
süddeutscher Kinderärzte zu Wiesbaden am 29. April 1906.
Von Dr. med. et polit. Stehr, Wiesbaden.
In einem Vortrage, den im vorigen Jahre Hovorak auf
dem- I. intern. Kongress für Physiotherapie in Lüttich über
die Wechselbeziehungen zwischen mechanischer Orthopädie
und orthopädischer Chirurgie gehalten hat, bezeichnet er mit
Recht sowohl die begrifflichen wie die inhaltlichen Grenzen
der Orthopädie als noch flüssige. Wir stehen zwar längst
nicht mehr auf dem Standpunkte von Quillet, der i. J. 1656
ein Buch über Kallipädie m lateinischen Versen herausgab, in
welchem er sich u. a. auch über die Bildung des Geistes der
Kinder ausliess und Vorschriften gab, wie sich die Eltern bei
der Zeugung zu benehmen haben. Wir stehen auch nicht
mehr auf dem Standpunkte der späteren Ortliopäden Maison-
abe, Bouvier, Prince, Bigelow, die sich schon auf die¬
jenigen Störungen beschränkten, welche ein Abweichen von
der idealen Form des Körpers darstellten, aber noch die
Behandlung von Wolfsrachen, Hasenscharte und Strabismus
umfassten. Erst im 19. Jahrhundert haben Yolkmann und
Hueter die inhaltlichen Grenzen der Orthopädie, wie sie heut
zumeist anerkannt sind, festgelegt, indem sie sie auf den
Köroer des Erwachsenen erweiterten und, wenigstens in Deutsch¬
land, alles ausschieden, was sich nicht auf die lokomotorischen
Teile des Körpers bezog.
Sie zählen also zur Orthopädie die Krankheiten der Be¬
wegungsorgane , ganz gleichgültig, ob sie auf chirurgischem
Wege oder sofern auf konstitutioneller Basis beruhend, durch
Allgemeinbehandlung zu heilen sind.
Auch Hovorak trennt ausdrücklich 2 Hauptrichtungen
in der orthcmädischen Therapie: die operative Ormopädie, die
Dank ihrer Triumphe der heutigen orthopädischen Wissenschaft
den Stempel aufgedrückt hat und zu der auch die orthopädische
Verbandstechnik gehört, und andererseits die mechanische
Orthopädie, zu der wir Massage und Gymnastik — also thera¬
peutische „äussere“ Hilfsmittel der inneren Medicin, da sie ja wie
die Hydrotherapie auf Blutzirkulation und Stoffwechsel in erster
Linie wirken — rechnen. Trotzdem wird die Orthopädie zu¬
meist noch zu einseitig als Tochter der Chirurgie betrachtet, und
gerade die chirurgischen Orthopäden vergessen nur zu leicht,
dass jene ein Grenzgebiet zwischen Chinirgie und innerer
Medicin darstellt, dass also die innere Medicin eine gleichbe¬
rechtigte Stimme verlangen darf.*)
Je mehr nun bei der aktiven funktionellen Gymnastik der
modernen Skoliosenbehandlung die eigene Mitarbeit des Patienten
in den Vordergrund tritt und die mechanische Hilfe der Be-
wegungsapparate und Stützkorsetts — welche die Schuld daran
tragen, dass die Behandlung der Skoliosen fast ganz aus dem
Gesichtskreis der inneren Medicin entschwunden ist — an Be¬
deutung verliert, um so mehr muss die innere Medicin wieder
ihren Anspruch auf Mitarbeit in diesem alten Grenzgebiet er¬
heben. Sie kann mit vollem Recht geltend machen, dass
gegenüber der bisher zu weit in den Vordergrund getretenen
symptomatischen Bekämpfung dieser Deformität durch Fixation
und Entlastung, solange ni^t das Messer oder orthopädische
Yerbandapparate nötig sind, mehr die causale funktionelle
Therapie, ihre eigene Kunst einsetze.
Dazu kommt: Grundübel unserer häufigsten Rücken Ver¬
krümmungen, die Rachitis und die verschiedenartigen Ent¬
wicklungshemmungen, welche Störungen in der Stetik und
Mechanik der Wirbelsäule bedingen und als Ursache der so-
enannten habituellen Skoliose gelten, gehören in den Kreis
er konstitutionellen Erkrankungen, und was liegt da näher
als bei Bekämpfung solcher auf die kardinalen Hilfsmittel der
inneren Medicin — Regelung der Lebensweise, zweckmäßige
Ernährung, Anregung der Iimervationsintensität durch Uebung
der Funktion, und zwar in unserem Falle mit Konsequenz
durchgeführte Heilgymnastik, — das OTÖssere Gewicht zu
legen. Die mangelhaften Erfolge der bisherigen Skoliosen¬
behandlung in den orthopädischen Instituten — Heusner
nennt sie drastisch aber treffend klägliche — bereiten dieser
Anschauung, insoweit die genannten Skoliosenfonnen in Be¬
tracht kommen, den Weg. Dadurch, dass diese moderne
Skoliosentherapie auf alle Stützkorsetts, alle passiven Be¬
wegungsapparate nach schwedischem Mnster, ja sogar auch
*) Ich darf wohl aDtielimen, dass ihre StellaDg:nahme sich allein
daraus erklärt, dass die innere Medicin noch zu häufig mit dem zu engen
Begriff Pbarmaceutik Rllschlich identifiziert wird nnd nichts mit dem per-
sünlichen Interessenstandpunkte zu ton hat. — Die Nervosität, mit der
heute schon vielfach von Spezialisten darauf geachtet wird, dass keiner et¬
was tut, was aus dem Kreise seiner Spezialität herausfällt, erinnert jedoch
an die Zeit des Verfalls der Handwerkerzunft Ende des 18. Jahrhunderts.
Damals wurden als „Bönhasen* diejenigen ausserhalb der Zunft stehenden
gescholten nnd sozial auf jede Weise geschädigt, die den harten Bedingungen
der Zunft, die daraus hinausiiefen, so wenig wie mOglicb Konkurrenz auf-
kommen zu lassen, nicht nacbkamen. Backte der Grobbäcker Weissbrot,
so galt er den Zunftmeistern als BOnhase, der unnachsicbtlich verfolgt
werden musste. So kam man zu btlcbst spitzfindigen Abgrenzungen zwischen
Sattlern und Riemern, Grob- und Kleinscbmieden, Schwarz- und ScbUn-
fiirbern, Tischlern und Zimmerleuten. Der Zunftzwang hinderte tüchtige
Elemente ihre Fähigkeiten zu verwerten. Man legte geringeres Gewicht
darauf sich neuartige Kräfte einer neueren Zeit zu Nutze zu machen, als
auf solche Kleinigkeitskrämerei. Mit einer solchen Politik ging der Ver¬
fall des Handwerks.einher. Wir sehen daraus, dass Hilfsquellen in einem
erschwerten Existenzkampf anderswo zu suchen sind, als in der Missgunst
gegenüber den Bemühungen Mitstrebender.
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246
BfESIGDJlSCHB WOCHB.
Nr. 22.
auf die Apparate für aktive Gymnastik verzichtet, bildet sich
in Anlehnung an die alten deutschen Freiübungen eine rein
deutsche Skcuiosentherapie heraus. Dass die so lange mit An¬
dacht betrachteten alten Götter: die geistreich ersonnenen
gymnastischen Apparate gegenüber der anspruchslosen deut¬
schen Heilgymnastik zumeist noch als unerlässlich, wenigstens
bei den nicht ganz leichten Graden der Verkrümmung be¬
trachtet wurden, ist nicht zu verwundern. Wo in der Welt
trennt man sich denn gern von einem kostspieligen Hand¬
werkszeug!
Eine raschere Wendung scheint aber doch der letzte Ortho-
päden-Kongress anzukündigen. Denn fast ausnahmslos haben
die Vertreter der chirurgischen Orthopädie gegenüber der
Klapp’schen Methode der Skoliosenbehandlung wohlwollend
Stellung genommen. Während früher nur die geringsten Grade
von Skoliose für die Behandlung allein mit aktiver funktioneller
Gymnastik als geeignet erklärt wurden, hält man sie jetzt auch
für die zweiten Grade für indiziert und ist nur bezüglich der
Skoliosen dritten Grades noch nicht einig.
Die neuere Richtung, besonders die Methode K1 a p p, auf
die ich gleich noch eingehen will, verzichtet sowohl auf
A|)pariito zur Mobilisation der Wirbelsäule, wie auf Stütz¬
korsetts. Sie will also allein durch eiserne Konsequenz in der
Durchführung von üebungen der Rückenmuskeln diese in den
Stand setzen, Stützkorsetts und Gewegungsapparate auch bei
schwereren Formen der Skoliosen zu entbehren.
Da es über die den Methoden der Skoliosenbehandlung
zu Grunde liegenden Theorien an sich keinen Richter geben
kann, so muss der Erfolg entscheiden. Und der Erfolg in
der Bier’schen Klinik entscheidet für die aktive funktionelle
Gymnastik, die deutsche Heilgymnastik in allen Fällen auf
rachitischer Basis und bei der sog. habituellen Skoliose, welche
ja die übergrosse Mehrzahl der Fälle darstellen, u. zw. nicht
nur bei den leichtesten, sondern auch bei schwereren Deformi¬
täten. Ausgeschlossen von dieser Uebungstherapie bleiben
natürlich Verkrümmungen auf Grund von tuberkulöser Spondi-
litis und neurogenen oder traumatischen Ursprung.s, die nach
wie vor zur Domäne der orthopädischen Chirurgie mit ihren
heut noch vorwiegend symptomatischen Mitteln gehören. Bei
ersterer ist es, wie der m die Augen springende Erfolg in der
Bier’schen Klinik zeigt, erheblich rascher wie früher mög¬
lich, die Rückenmuskeln so zu stählen, dass sie sich bei kleinen
Kindern wie Eisen anfühlen. Die Wirbelkörper sind dann in
der elastischen Masse gleichsam aufgehängt, lasten nicht mehr
direkt mit der vollen Last des Oberkörpers aufeinander und
gewinnen so Raum, sich der Funktion der Muskeln entsprechend
Feuilleton.
Medicinisches von und über Goethe.
(Schloss.)
Dies veranlasste Goethe von Frl. von Bleckenberg (von der
die in „Wilhelm Meister eingeschalteten „Bekenntnisse einer
schönen Seele“ stammen), nach Wellings Opus magocabbali-
stikiim“ und nach bedeutenden Winken des Arztes und Meisters
mit Windrosen und Sandbad, Kolben und Retorten der ge¬
heimnisvollen Natur ihre Wunder abzuzwingen zu versuchen.
„Faust“ I, der in seinen Anfängen auf jene Zeit zurückdatiert,
enthält eine Reihe von Reminiszenzen. So die Stelle beim
Erblicken des Zeichens des Makrokosmus: „Die Geisterwelt ist
nicht verschlossen; dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!“ —
oder wo Faust zu erkennen glaubt: „Wie alles sich zum Ganzen
webt, eins in dem andern wirkt und lebt!“ — Dort ist dies
geheimnisvolle Buch „von Nostradamus eigener Hand“, wie in
„Dichtung und Wahrheit“ von Welling, das, wie alle Schriften
dieser Art, seinen Stammbaum in gerader Linie bis zur neu¬
platonischen Schule verfolgen konnte. Goethes vorzüglichste
Bemühung an diesem Buche war, die dunkeln Hinweisungen,
wo der Verfasser von einer Stelle auf die andere deutet und
dadurch das, was er verbirgt, zu enthüllen verspricht, aufs
zu formen. Es ist leicht verständlich, dass da, wo die Wirbel¬
körper einen Halt nicht in der elastischen Muskelmasse finden,
sie ihn in bindegewebiger und schliesslich knöcherner Verwach¬
sung suchen müssen.
Auf die Stählung der Rückenmuskeln ist also neben der
Mobilisation der Wirbelsäule das grösste Gewicht zu legen.
Hier deckt sich bis zu einem gewissen Grade Therapie und
Prophylaxe. Je mehr wir die Deformität durch Stählung der
Rückenmuskeln bessern, desto mehr schützen wir auch das
Kind vor der Gefahr der Ueberanstrengung seines Rückens.
Erst in den letzten Wochen hat Länge-München in seinem
Referat über Korsett und Schule darauf hingewiesen, dass sich
die Häufigkeit der Skoliosen bei Mädchen schon allein durch
die Inaktivitätsatrophie der ihrer Funktion durch das Korsett
enthobenen Rückenmuskeln erklären lasse. Auch Hagenbeck-
Burckhart-Basel betont, wie ich iu Parenthese bemerken
möchte, im Jahrbuch für Kinderheilkunde, dass die Ausbildung
des rachitischen pes valgus in der solchen Kindern eigenen
Schlaffheit der Muskeln zu suchen sei. Also auch er macht
die Muskeln für Ausbildung dieser Deformität verantwortlich.
Besonderes Gewicht legt Klapp bei seiner Metltode auf
dio Kriechübungen, weil gerade bei diesen die ausgiebigsten
aktiven Bewegungen der Wirbelsäule möglich seien. In der
Tat ist auch leicht zu beobachten, dass die Muskeln der Lenden¬
wirbel, die beim Stehen des Gleichgewichts halber, sich kontra¬
hieren und einer ausgiebigen Bewegung der Wirbelkörper
gegeneinander entgegenwirken, in kriechender Stellung ent¬
spannt sind. Er formte die Hebungen nach dem Verbilde
kriechender Eidechsen und schleichender Katzen, die eine be¬
sondere Beweglichkeit der W'irbelsäule zeigen. Dabei wird
der Kopf hoch getragen, die Wirbelsäule zwischen den Schultern
hängen gelassen. Eine andere Uebung von mindestens gleich
grossem Wert ist diese: Das Kind befindet sich in Vierfüssler-
ausgangsstellung auf der Erde, stützt sich daun auf Knie und
Hand der gleichen Seite und krümmt den Rumpf seitwärts
halbkreisförmig um den theoretischen Punkt, den Knie und
Hand darstellen. Wie dadurch die patholog. Krümmungen
ausgeglichen, die Zwischenrippenräume weit auseinuidergezogen
und damit Muskeln und Bänder der kontrahierten Seite ge¬
dehnt werden, entnehmen Sie am besten aus diesen Röntgen-
bildem (Demonstration). Man sieht die Zwischenrippenräume
sogar da weit klaffen, wo der pathologischen Concavität der
Wirbelsäule entsprechend eine Verkürzung der Bänder und
Muskeln erwartet werden müsste. In diesem Falle haben also
die Kriechübungen ihre Schuldigkeit bereits getan.
Eine dritte Uebung, die vorwiegend der Mobilisation, der
genaueste zu bemerken. Doch das Buch blieb dunkel und
unverständlich genug; ausser dass man sich in eine gewisse
Triminologie hineinstudierte und, indem man mit derselben
nach eigenem Belieben gebahrte, etwas wo nicht zu verstehen,
doch wenigstens zu sagen glaubte. Braucht man da noch be¬
sonders an das Hexen-Einmal-Eins in der Küche der Hexe zu
erinnern, von der Mephisto sagt: „Sie muss als Arzt ein Ho¬
kuspokus machen“ ? — „Das tolle Zeug, die rasenden Geberden,
den abgeschmacktesten Betrug“ nennt’s Faust. Doch Mephisto :
„Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch; ich habe manche
Zeit damit verloren. Denn ein geheimnisvoller Widersprach
bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren . . . Ge¬
wöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es
müsse sich dabei doch auch was Denken lassen.“ Um zu den
Quellen zu steigen, wendete sich Goethe auch an die Werke
des Theophrastus Paracelsus und Basilius Valentinus, nicht
weniger an Helmont, Starckey u. a.; besonders wollte ihm die
Aurea Catena Homeri gefallen (siehe hierüber das eben bei
K. Rohm in Lorch erschienene Werkchen von Dr. Ferd. Maack:
Die goldene Kette Homers. Ein zum Studium und zum Ver¬
ständnis der gesamten hermet. Literatur unentbehrl. Hilfsbuch
1905). Damals ergötzten diese Geheimnisse mehr als ihre
Offenbarung hätte tun können. Als Vorarbeit zu „Faust“ kam
ihm diese Lektüre gut zu statten, u. a. auch für die Szene,
wo durch Salomonis Schlüssel usw. aus dem Pudel Mephisto¬
pheles herausgezwuDgen wird.
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
247
Wirbelsäule dient, ist die Ihnen vielleicht aus dem P. T. Müller-
sehen Buche bekannte Uebung 7. Der Oberkörper wird bei
wa^echt erhobenen Armen seitwärts gedreht und gebeugt
und beim Tempo 2 in der Beu^ng ganz gedreht, so(m8s bei
Tempo 1 das Gesicht nach dem Boden, bei Tempo 2 nach der
Decke sieht. Bei Tempo 3 und 4 wird dieselbe Uebung mit
Beugu^ nach der anderen Seite gemacht
Die übrigen Uebungen, die sich in der Bier'schen Klinik
an die vorigen anschliessen, dürften Ihnen alle schon bekannt
sein.
Einmal das Seitwärtsbeugen des deutschen Freiturnens,
das fast ausschliesslich auf die Dors^skoliose Einfluss hat,
weil die an den Lendenwirbeln einsetzenden Rückenmuskeln
zwecks Haltung des Gleichgewichts kontrahiert sind und einer
Dehnung entgegen wirken. Ferner die wichtigen, besonders
der Stählung der Rückenmuskeln dienenden Uebungen auf der
Bank; einmal die Aufrichteübung mit Stäben und schliesslich
die Schwimmübungen mit leichten Holzlianteln, die ja keiner
näheren Erläuterung bedürfen.
Wie Sie sehen, schliessen sich diese Uebungen an das
alte deutsche Freiturnen an, weshalb man sie m. E. gerechter
weise deutsche Heilgymnastik nennen kann. Ihnen eigentümlich
ist, dass man vermeidet, die Kräfte des an sich meist
schwächlichen Kindes noch dadurch zu zersplittern, dass man
alle Muskeln des Körpers gleichmäßig übt und alle Kraft und
Energie auf die Entwicklung der Rückenmuskeln konzentriert.
Was durch diese Uebungen erworben ist, ist im Gegensatz
zum an Apparaten Erreichten durch eigene Kraft, durch Ver¬
mittlung eines disziplinierten Willens erworben. Das Erworbene
ist zentral ordentlich vertreten und deshalb auch von grösserem
Bestand.
Für den Wert der Kriechübungen spricht ausser der, wie
schon erwähnt, wohlwollenden Diskussion auf dem letzten
Orthopädenkongress die Tatsache, dass Schultes, wie ich
erfahre, bereits einen Kriechaj^arat konstruiert hat. Andrer¬
seits wird dadurch wieder die Vorliebe der chirurgischen Ortho¬
päden für Apparate illustriert, die sich meiner Ueberzeugung
nach auf die Daner nicht wird halten lassen. Ich erinnere
daran, dass auch Vnlpius sich nicht bedingungslos, für irgend
welche Apparate ausspriebt. Er sagte, die Ansichten über
den Wert der zahlreichen Apparate gehen recht erheblich aus¬
einander. Schliesslich sei der Apparat der wirksamste, der
nicht nur am zweckmässigsten konstruiert, sondern auch am
fleissigsten benutzt wird Am fleissigsten müssen aber die
Kinder ihre Muskeln bei der aktiven mnktionellen Gymnastik
üben. Er verteidigt auch das Korsett nur, weil er meint, man
Goethes Krankheit brachte in ihrem Verlauf jedoch einmal
solche Symptome hervor, dass er unter grossen Beängstigungen
das Leben zu verlieren glaubte. Da zwang die Mutter mit
dem grössten Ungestüm den verlegenen Arzt, mit seiner Uni-
versahnedicin hervorzurücken; na^ langem Widerstande eilte
er tief in der Nacht nach Hause und kam mit einem Gläschen
krystallisierten trocknen Salzes zurück, welches, in Wasser auf¬
gelöst, von dem Patienten verschluckt wurde und einen ent¬
schieden alkalischen Geschmack hatte. Das Salz war kaum
genommen, so zeigte sich eine Erleichterung des Zustandes,
und von dem Augenblick an nahm die Krankheit eine Wendung,
die stufenweise zur Besserung führte. — Da Goethe nach eig-
Aussage stets „gegenständlich“ und durch die Wirklichkeit
„angeregt“ gedichtet hat, dürfte ihm die Erinnepung an solche
selbst erlebte Vorgänge, ebenso wie der Jahrtausende alte
Volksglaube an ein Allheilmittel für alle Siechen nnd Lahmen
und die stets sich erneuernde Hoffnung der Menschen, die nie¬
mals alle werden, auf ein Lebenselixier in allen Leibesnöten
bei allem dem vorgekebwebt haben, was er im Osterspaziergang
Faust zu Wägern sprechen lässt: .... „hier war die Arzenei,
die Patiraten starben, und niemaud fr^te: wer genas? So
haben wir mit höllischen Latwergen in diesen Tälern, diesen
Beigen, weit schlimiuor als die Pest getobt. Ich habe selbst
das Gift an Tausende gegeben; sie welken hin, ich muss er¬
leben, dass man die frechen Mörder lobt.“ Und als Antwort
darauf ganz vom Wagnerschen Standpunkt: „Wie könnt ihr
dürfe, wenn man den Kindern nicht Anstaltsbehandlung zu
teil werden lassen könne, nicht untätig zur Seite treten, son¬
dern ihnen bieten, was man bieten kann.
Ich möchte aber auch nicht missverstanden werden. Ich
plädiere keinesfalls dafür, dass die chirurgische Orthopädie in
ihren Instituten die genannten Skoliosenformen nicht mehr be¬
handeln soll, sondern ich verfechte nur die Gleichberechtigung
der inneren Medicin auf diesem Grenzgebiet, die besonders
dort hervortritt, wo die Notwendigkeit eines besondern Instru-
mentars und eine komplizierte Technik nicht eine Sonder¬
wissenschaft gebiert und wo die causale Therapie wieder mehr
in den Vordergrund rückt Daraus ist zu schliessen, dass ge¬
wisse Skoliosen allein in orthopädischen Instituten sachgemäß
behandelt werden können una am besten solchen zu über¬
weisen sind, ähnlich wie Tumoren dem Messer des Chirurgen,
wenn eben die causale Therapie versagt.
Zum Schluss noch ein Wort über die soziale Bedeutung
dieser Uebungen, die mir den Hanptanlass für diese Ausein¬
andersetzung Dot. Während bisher das Heil der Skoliosen nur
aus den orthopädischen Instituten mit ihrem kostspieligen
Apparat, der nur Wohlhabenden zugänglich sein konnte, zu
kommen schien, besitzen wir jetzt eine sich bewährende Me¬
thode, wenigstens für die genannten häufigsten Formen der
Rücken Verkrümmungen, die uns gestattet, ohne einen kost¬
spieligen Apparat an die Bekämpfung dieser Deformität auch
in den minderbemittelten Volksklassen nnd in jedem kleinen
Orte, wo sich orthopädische Institute nicht halten können, zu
gehen, wenn nur Gemeinde und Arzt sich dafür interessieren.
Die Uebungen, die nach Art der Verbiegung leicht zu modi¬
fizieren sind, können, weil die Kinder turnerisch aufgestellt,
leicht überblickt werden, an einer grösseren Anzahl Bänder
gleichzeitig vorgenommen werden, was bei der Apparattherapie
bisher unmöglich war und das Haupthindernis ^gab für das
Nichtbehandeln der ärmeren Kinder. Auch die Massage des
Rückens, die als Einleitung solcher Gymnastik bisher viel Zeit
und Hilfskräfte erforderte, fällt in der Bier’schen Klinik fort.
Sie ist ei-setzt durch eine Hyperaemislerung des Rückens durch
heisse Luft. Im Sommer kann dafür einfach ein Sonnenbad
des Rückens eintreten. Also auch dadurch wieder werden
Geldmittel gespart und die Einführung der Heilgymnastik den
Gemeinden erleichtert. Dieselben Gesichtspunkte sprechen da¬
für, dass sich auch die Sanatorien mehr wie bisher für Skoliosen-
behandlung interessieren können.
Die emzigti Gefahr liegt darin, dass Laientherapenten sich
dieser ihnen so leicht zugänglichen Methode bemächtigen. Das
darf uns aber nicht hindern, sie der Apparattherapie vorzu-
euch darum betrüben! Tut nicht ein braver Mann genug, die
Kunst, die man ihm übertrug, gewissenhaft und pünktlich aus¬
zuüben!“ — So sonderbare Ingredienzen des Makrokosmus und
Mikrokosmus auf eine geheimnisvolle wunderliche Weise bei
seinen Versuchen behandelt wurden, nm die schönste minera¬
lische Flüssigkeit wie den Lii^nor Silicum in eine animalische
Gallert umzuwandeln, und die jur^räuliche Erde in den Mutter¬
stand übergehen zu sehen; das Sehen, „dass wir nichts wissen
können“ blieb ihm doch immer das Endresultat „Was grin¬
sest du mir, hohler Schädel, her? Als dass dein Hirn, mir
meines, einst verwirret, den leichten Tag gesucht und in der
Dämmerung schwer, mit Lust nach Wärheit jämmerlich ge-
irret! Ihr Instrumente freilich spottet mein, mit Rad und Kämmen,
Walz und Bügel. Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;
zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. Ge¬
heimnisvoll am lichten Tag lässt sich Natur des Schleiers nicht
berauben, und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, das
zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben“ —
diese Worte Fausts sind sicher eine Reminiszenz an jene ver¬
geblichen chemisch-alchymischen Versuche. .,Wo fass ich dich
unendlich Natur? Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Le¬
bens, an denen Himmel und Erde hängt, dahin die welke Brust
sich drängt — ihr quellt, ihr tränkt, und schmacht’ ich so
vergebens? . . . „Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
nicht mir!“ spricht da der Geist der Erde zu Faust, der „seines
Gleichen“ sich gefühlt. „Nicht dir? Wem denn? Ich, Eben-
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248
MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr 22.
zioheD, sobald sie als wirkungsvoller anerkannt ist Nur wird
es eine wichtige Aufgabe der Aerzte, besonders der Schulärzte
.sein, in ihrem Wirkungskreise darauf zu achten, dass solche
Uebungen nur nach ihren präzisen Angaben, bezw. unter ihrer
steten Kontrolle vorgenommen werden.
Ich resümiere: die Klapp’sche Methode bietet vor allem
in sozialer Beziehung so erhebliche Vorteile, dass die Unter¬
lassung ihrer Ausnutzung seitens der heutzutage so rege sich
auf sozialem Gebiet betätigenden Gemeinden ein Fehler wäre.
Vergessen dürfen wir dabei nur nicht, dass die Uebungen un¬
verdrossen und regelmäßig oft viele Monate hindurch fortge¬
führt werden müssen, dann aber auch den Erfolg nicht missen
lassen.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
AenstlU^r Verein in Hamburg*
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 8. Mai 1906.
Vorsitzender Herr Nonne.
1. Herr Lorey demonstriert Präparate von Ureterano¬
malie en. Das erste, das von einem gesunden Manne stammt,
zeigt kurz vor der Mündung des Ureters in die Harnblase ein
gut Wallnuss-grosses, in die Harnblase selbst hereinreichendes
Divertikel, an dessen unterer Seite sich die Hamleiteröffnung be¬
findet. Das zweite Präparat stammt von einem 1jährigen Kinde:
von der rechten Niere gehen 2 sich kreuzende Ureteren zur Blase,
von denen der eine stark dilatiert ist. Meist sind solche Ano-
malieen mit anderen Missbildungen gepaart, was jedoch bei diesen
beiden Abnormitäten nicht der Pall war. Der Referent geht dann
ausführlich auf die Entstehungsursache solcher Missbildungen ein.
Herr Umber- Altona hat einen ähnlichen, wie den ersten Fall
intra vitam diagnostiziert. Er cystoskopierte einen älteren Herrn,
der ab und zu blutigen Urin Hess, und bemerkte dabei an der
Eiumündungsstelle des einen Ureters in der Blase einen beweg¬
lichen Tumor, der mit einem Phosphatstein Aehnlichkeit hatte,
anschwoll und sich dann rhythmisch zusammenzog und entleerte.
Herr Wiesinger hat die gleiche Beobachtung wie der Vor¬
redner intra vitam gemacht und fragt, ob der Mann, von dem
das Präparat herrührt, cystoskopiert sei, was Herr Lorey ver¬
neint, da er von Seiten des ÜrogenitalHpparates keinerlei Be-
bild der Gottheit; das sich schon ganz nach gedünkt dem
Spiegel ew’ger Wahrheit, sein Selbst genoss, im Himmelsglanz
und Klarheit, und abgestreift den Erdensohn; . . . wie muss
ich’s büssen! . . . den Göttern gleich’ ich nicht! Zu tief ist
es gefühlt; dem Wurme gleich’ ich der den Staub durchwühlt,
den, wie er sich im Staube nährend lebt, des Wandrers Tritt
vernichtet und begräbt.“ —
So wunderlich und unzusammenhängend auch diese
Operationen waren, sagt Goethe in „Dichtung und Wahrheit“,
so lernte ich doch dabei mancherlei . . . und ward mit den
<äus3eron Formen mancher natürlichen Dinge bekannt, und in¬
dem mir wohl bewusst war, dass man in der neueren Zeit die
chemischen Gegenstände methodischer aufgeführt, so wollte ich
mir davon im allgemeinen einen Begriff machen, ob ich gleich als
Halbadept von den Apothekern und allen denjenigen, die mit
dem gemeinen Feuer operierten, sehr wenig Respekt hatte.
Indessen zog mich doch das chemische Kompendium von ßoerhave
gewaltig an und verleitete mich, mehrere Schriften dieses
Mannes zu lesen, wodurch ich denn, da ohnehin meine lang¬
wierige Krankheit mich dem Aerztlichen näher gebracht hatte,
©ine Anleitung fand, auch die Aphorismen dieses trefflichen
Mannes zu studieren, die ich mir gern in den Sinn und ins
Gedächtnis einprägen mochte.
Wie Goethe endlich in Strassburg die von der Krankheit
gebliebene Reizbarkeit auf eine etwas heftige Weise selbst
kurierte, indem er Abends beim Zapfenstreich neben der Menge
schwerden hatte. 2. Herr Jolasse spricht über Barlowscfae
Krankheit: ein llwöchiges Kind, das sehr elend war, machte
eine Pneumonie durch, doch verzögerte sieb die Beconvaleszenz
ausserordentlich, da stets Erscheinungen von Seiten des Magen-
Darmkanals vorhanden waren. 4 Monate später trat plötzlich eine
Auftreibung des rechten Oberschenkels auf, der 4 Tage darauf
eine gleiche Hnk« folgte und das ganze linke Bein ergriff; es
traten dann noch punktförmige Blutungen am harten (iaumen und
am Zahnfleisch eines inzwischen durchgebrochenen Sebneidezahnes
hinzu, und das Kind starb unter zunehmender Kachexie 4 Wochen
nach dem Auftreten der ersten Krankheitssymptome, obwohl sofort
eine veränderte Ernährung angeordnet war. Das Kind war mehr¬
fach mit negativem Resultate geröntgt worden. Die Sektion er¬
gab an den inneren Organen nur einige punktförmige Blutungen
an der rechten Pleura pulmoualis; es fanden sich ferner Blutungen
zwischen Rippen und Periost und am linken Oberschenkel ein
grosses Hämatom zwischen Knochen und Knochenhaut; ferner eine
Kontinuitätstrennung des unteren Diaphysenendes des Unken Ober¬
schenkels und an beiden Unterschenkeln starke Blutungen im
Knochenmark. Herr Edlefsen hat in 4 Fällen von Barlow-
scher Krankheit gute Erfolge vom Phosphorlebertran gehabt uud
fraget, ob nicht in diesem FaU solcher trotz der Magen-Darmer-
soheinungen ordiniert worden sei. Herr Fraenkel hat bisher
20 FäUe seziert und gefunden, dass die Rippen stets die Blutungen,
wie oben erwähnt, zeigen, auoh wenn die Extremitäten verschont
geblieben sind. Die Röntgenaufnahmen mü^n in diesem Falle
vor dem Auftreten der subperiostalen Blutungen gemacht sein,
da sie sonst nachzuweisen gewesen wären. Eine antirachitische
Kur in reinen Fällen von Barlow scher Krankheit nützt gamichts.
Herr Wiesinger hat in seiner Praxis mehrfach leichtere Bar-
lowfälle gesehen, die sofort bei Aenderung der Diät zorückgiogen.
Herr A. Pranke weist auf die starke Schmerzhaftigkeit bei jeg-
Uoher Berührung hin. Herr Fraenkel bestreitet Herrn Wie-
singers Ansicht ganz entschieden; im Uebrigen hat At Fälle zu
Gesiebt bekommen, in denen auch die obere Extremität beteiligt
war. Trotzdem hält Herr Wiesinger seine Ansicht für richtig
uud weist als auf ein FrUhsymptom auf einen häufig vorkommen¬
den blutigen Rand um die ürinflecke in den Kindertüchem hin.
Herr Fraenkel: Hämaturie bei Barlowscher Krankheit ist, wie
Heubner selbst erklärt, äiisserst selten, und Hirschsprung
sagt: Wo keine Knochenveränderung, da kein Barlow. Herr
A. Franke meint, dass Heubner in der letzten Auflage seines
Boches die Angabe über Hämaturie dahin geändert habe, dass
sie sehr häufig vorkomme. Herr Jolasse hat wegen der schweren
Magen-Darmstörung keinen Phosphorlebertran gegeben und be¬
stätigt die Angaben über die starke Schmerzhaftigkeit bei jeder
Trommeln herging, allein dem höchsten Gipfel des Münster¬
turmes erstieg und auf eine schmale Platte in die freie Luft
trat, die ahnungs- und schauervollen Eindrücke der Finsternis,
der Kirchhöfe, einsamer Oerter, nächtlicher Kirchen und Kapellen
sich gleichgiltig zu machen suchte; mit welcher Sachkenntnis
er die von Professor Lobstein an Herder in Strassburg vor¬
genommene Operation eines beschwerlichen, aber nicht heil¬
baren Augenübels schildert und später die Star-Operation, die
Jung-StilHng in Frankfurt 1775 an Herrn von Lersner erifolg-
los vollzog; wie in den „Wahlverwandtschaften“ Reminiszenzen
seiner medicinischen Studien eine Rolle spielen; wie er in
einem ausführlichen und ungemein interessanten Kapitel in
„Wilhelm Meisters Wanderjahren“ (III. Buch, 3. Kap.) Wilhelmen
seine eignen Gedanken über Anatomie und anatomische Studien,
besonders seine Reformideen über anatomische Pr^arate in den
Mund legt, und wie du der plastische Künstler in Goethe gegen¬
über dem Mediciner den Sieg davon trägt: alle diese Details
hierüber und die vielen andern medicinischen Stellen in seinen
Werken, Tagebüchern, Briefen, Gesprächen, möge der Leser nur
dorten selbst studieren. Die gebrachten Proben sollten nur
eine Lockspeise sein für ein tieferes Eindringen. Goethe ist
heute noch lange nicht ausgeschöpft!
Dr. G. K. L. Huberti de’ Dalberg.
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im
MEDICINISCHB WOCHB.
249
Bertthrtmg, Die Röntgenaufnahmen wurden vom 10. Tage etwa
nach Beginn der Erkrankung an gemacht, zu einer Zeit also, wo
zweifellos schon subperiostale Blutungen vorhanden waren, da die
Beine bereits bretthart geschwollen waren. Weder in der Sohädel-
höhle noch im Orbitaldach fanden sich Blutergüsse.
3. Herr Stertz: „lieber scheinbare Fehldiagnosen
bei Tumoren der motorischen Region des Grosshirns
mit Demonstration von Präparaten.*^ Häufig finden sich
keine Tumoren der motorischen Region, selbst wenn Jacksonsche
Epilepsie mit dauernd bestehenbleibender Lähmimg und ein fort¬
schreitendes Krankheitsbild vorhanden gewesen war. Ein SSjähriger
Krämer hatte vor 8 Jahren zuerst Jacksonsche Krämpfe, die im
Bein beginnend auf den Arm und das Facialisgebiet übergingen;
es bestand ferner zunehmende Parese der einen Seite; Jod und
Quecksilber wurden ohne Erfolg gebraucht. Jetzt trat beider¬
seits Stauungspapille auf, sodass die Diagnose auf Tumor cerebri
sichergesteUt werden konnte. Bei der Operation jedoch fand sich
der Tumor nicht, Patient ging infolge Eröffnung des Sinus longi-
tudinalis wenige Stunden nachher zu Grunde. Makroskopisch fand
sich nur eine Erweichung in der motorischen Region im Para-
zentrallappen; mikroskopisch fand sich, dass die subkortikale Schicht
mit grossen Gliazellen infiltriert, und die Erweichung ein angi-
oraatös entarteter Teil eines Glioms war. Der zweite Fall betrifft
einen 27jährigen Lehrer, der vor einem Jahr Jacksonsche Krämpfe
und darauf eine zunehmende Parese hatte. Bei der Trepanation
wurde nichts gehmden. Wenn der Patient keine Kappe auf der
Trepanationsöffhung trug, traten auch keine Krämpfe auf. Jetzt
soll sich plötzlich aus der Trepanationsöffhung nach Angabe der
Angehörigen eine tumorartige Masse entleert haben. Herr
Nonne hat vor 10 Jahren zuerst ein Mädchen gesehen, die eine
multiple einseitige Hirnnervenlähmung mit Ausnahme des Opticus und
desOcculomotorius hatte ; es bestand der Verdacht auf einen basalen
Tumor. Da die Halsdrüsen stark vergrössert waren, wurde eine
Ptobeezc^ion gemacht, die ein Carcinom ergab. Bis traten dann
im Laufe der Jahre zahlreiche epileptoide Anfälle auf, bis eine
kroupöse Pneumonie 10 Jahre nach dem ersten Auftreten der
Himsymptome zum Tode führte. Die Sektion ergab ein alveoläres
Carcinom des Knochens, das Gerebrum selbst war intakt: es waren
also die Anfälle nur durch den Druc^ ausgelöst worden. Herrn
Engelmanns Frage, wo das primäre Carcinom gesessen habe,
vnrd dahin beantwortet, dass nur der Schädel obduziert werden
durfte. — Der vorgerückten Stunde wegen fkllt der angekündigte
Vortrag aus. Schönewald.
Kongressbericht.
23. Kongress für im/nere Medidn
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
Herr Erdheim teilt 3 Fälle von tödlich verlaufener Tetanie
mit, welche nach partieller Strumaoperation aufgetreten war. Er
berichtet ferner über seine Beobachtungen an Ratten mit Tetanie.
Letztere ist auch beim Menschen parathyreopriver Aetiologie. Bis
müssen daher bei der Operation die Epithelkörperchen geschont
werden. Hinsichtlich der letzteren teilt er Befunde mit bei Fällen
von Tetanie, Paralysis agitans, Tetania infantum.
Herr Höhl hat Fälle beobachtet, wo einfache Strumen in
Morbus Basedowii übergingen, nachdem schwere psychische Er¬
schütterungen, sowie körperliche Reduktion eingewirkt hatten.
HeiT Hofbauer-Wien erweist, dass auch die bei Kropf¬
kranken oft auftretenden Suffbkationszustände (Kropfasthma und
Kropftod) auf TJeberschwemmung mit Schilddrüsensaft beruhen.
Hierfür spricht die Häufigkeit von Atemstillständen beim Morbus
Basedowii, der auch anderweitige Störungen der Atmungsbe¬
wegungen erkennen lässt und der im Tierversuch bei Einverleibung
von Schiiddrüsenpräparaten auftretende Atemstillstand.
Herr Gutzmann bespricht sprachliche Störungen beim in¬
fantilen Myxödem, welche bLs zum 6. .Jahre imd darüber das
wesentlichste Symptom darstellen können. Der Erfolg der Therapie
beweist den Zusammenhang, Die Sprachstörungen selbst sind nicht
alle zentralen Ursprungs, sondern auch lokalen, wie z. B. Lähm¬
ungen des Gaumensegels.
Herr Asher-Bem hebt hervor, dass die Dauer der Atropin¬
wirkungen auf das Auge verschieden ist, je nachdem die Schild¬
drüse vorhanden ist oder nicht. Er schlägt vor, nach Maßgabe
dieser Beobachtung die Funktion der Schilddrüse zu prüfen.
Herr Jacob-Kudowa hebt hervor, dass ein gewöhnlicher
Kropf und ein Basedow-Kropf sich sehr bedeutend unterscheiden.
Es ist gezeigt, dass das Thyreoidin tatsächlich alle Zeichen von
Morb. Bas. hervorrufen kann, sodass dasselbe als die Ursache dieser
Krankheit anzusprechen ist. Die übermäßige Tätigkeit der Schild¬
drüse wird hervorgerufen durch Einflüsse von Infektionen, Gifte,
durch Nervenerregungen. Therapeutisch rühmt er Hydrotherapie
und Trinkkuren mit Arseneisenwässem.
Herr Weintraud betont im Anschluss an eine Beobachtung,
dass Schwund der Schilddrüse mit Störungen im Knochensystem
verlaufen könne. Bei einer Frau trat mit der Abheilung eines
jahrelang bestandenen Morb. Bas. kompletter Schwund der Schild¬
drüse ein, dann zeigten sich Schmerzen in den Blxtremitäten. Die
Röntgenuntersuchung ergab Resorptionsvorgänge in den beiden
Ulnae. In ähnlichen Fällen stellte sich bei Frakturen keine Kallus¬
bildung ein.
Herr Alt bespricht unter Vorzeigung einer Reihe von Photo-
graphieen den Einfluss der Schilddrüse auf psychische Vorgänge,
Bei M 3 rxödem hat er durch Schilddrüsenbehandlung, nachdem er
zuerst Jod gegeben, sehr günstige Resultate erzielt. Bei solchen
Kiu*^ muss der Stoffwechsel kontrolliert und Eiweissmast erzielt
werden. Zugleich steigert sich während der Behandlung die Auf¬
nahmefähigkeit für Phosphor mächtig, weshalb er zur Förderung
des Knoohenwachstums nebenbei auch Phosphor in Form des Pro-
tylin gab. Er schildert ferner seine günstigen Erfahrungen bei
Morb. Bas. unter dem Einflüsse richtiger Diät, nämlich salzarmer
Kost, Milchnahrung, Roborat etc. 3mal ging in der Elntatehung
dieser Bas.-Fälle Ikterus voraus. Alt tritt für die innere Behandlung
der Krankheit ein.
Herr Pfaundler hat bei Obduktion von Fällen kongenitalen
Myxödems ein vollkommenes Fehlen der Schilddrüse, auch der
Nebenschilddrüsen feststellen können, was gegen die von Kraus
und Kocher vorgebrachten Anschauungen spricht.
Herr Seifert bespricht den Zusammenhang der S 3 T)hili 8 mit
Erkrankungen der Schilddrüse. Veränderungen derselben in der
Frühperiode sind nach den Beobachtungen von Engel-Reimers
häufig, die eigentliche Stmmitis syphilitika ist ziemlich selten. Die¬
selbe kann zu Erscheinungen von Trachealkompression führen. An¬
gezeigt ist hier ausser der allgemeinen besonders eine energische
lokale Behandlung. Fälle von Myxödem wurden nur 2 durch spezi¬
fische Behandlung geheilt. Morb. Bas. und Syphilis zeigen wenig
Zusammenhang. & weist nicht alle Fälle von Morb. Bas. sofort
dem Chirurgen zu, sondern empfiehlt ausser dem Röntgenverfahren
die täglich 2malige Applikation der Leiter’schen Kühlröhren. Bis
gelang ihm dadurch, 3 Fälle zu heilen.
ln dem an dieser Stelle genommenen Schlusswort konstatiert
Kraus die Uebereinstimmung beider Referenten, namentlich auch
hinsichtlich des Morb. Bas. und hebt hervor, dass sie beide auf
dem Standpunkte der H 3 ^erthyreosis ständen. In der Behandlung
nähere er sich mehr dem Standpunkte des Chirurgen. Redner be¬
antwortet sodann noch einige an ihn gestellte Fragen speziell betr.
des Stoffwechsels bei Schilddrüsenstörungen.
Herr Kocher hat mehrmals bei einseitigen Operationen ein
einseitiges Zurückgehen des Blxophthalmus gesehen. Hinsichtlich
der Gewöhnung an Schilddrüsenpräparate erwähnte er nochmals,
dass seine Patienten sie jahrelang ohne Aendemng des guten
Effektes eingenommen hätten. Eine Reihe von Tetanieen trat erst
dann auf, als die Betreffenden gravid wurden. Der Basedow wird
in der Gravidität oft besser. Blr ist für Frühoperation und für
medikamentöse-diätetische Nachbehandlung.
Herr Schultze betont den guten Einfluss der Ruhe für diese
Kranken; vom Rodagen hat er keine Erfolge gesehen, vom Serum
nur zweifelhafte. Er lässt operieren, sobald die Basedowerkrankung
nicht nach Monaten innerer Behandlung verschwindet.
Herr Siegert berichtet über die SchUddrüsentherapie bei
Mongolismus, worüber verschiedenlautende Blrfahrungen vorliegen.
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250
MEDICINISCHE WOCIIE.
Nr, 22.
Er selbst hat günstiges davon gesehen, besonders hinsichtlich des
Enochenwachstoms and der Abnahme des Stridors. Aach Nabel-
hemien gehen zurück.
Herr Gerhardt bespricht die Zusammenhänge zwischen
Schilddrüse und Gleihsssystem. Er fand öfter Blutdrucksteigerungen
bei einfacher Struma, ferner berichtet er von seinen Nachprüfung^
der V. Cyonsehen Versuche.
Herr Oswald ist hinsichtlich des Morb. Bas. der Ansicht,
dass es sich da um eine Hypothyreose handelt. Bei gewöhnlichem
und Basedow-Kropf findet man weniger Jod in der Drüse. Bei
den genannten Krankheiten findet man Verminderung der Erreg¬
barkeit des Vagus und vermehrte Erregbarkeit des Sympathikiis.
Es handelt sich nach seiner Ansicht allerdings auch um eine
Mehrsekretion des Sohiiddrüsensekretes, aber um ein minderwertiges
Sekret.
Herr Eoos hat neue Untersuchungen darüber angestellt, ob
eine oder mehrere wirksame Substanzen in der Schilddrüse vor¬
handen sind und fand, dass die Wirkung der zur Verwendung
gekommenen Drüsen sich mit dem Jodgehalt steigerte. Er spricht
sich gegen die Berechtigung der Entgiftungstheorie aus.
Herr Hoffmeister: unter 80 Strumen waren über 30 Fälle
mit bedeutenden Herzstörungen. Die Kröpfe verhalten sich hin¬
sichtlich der begleitenden Herzstörungen verschieden, je nach der
Gegend, aus welcher sie stammen. Auch anatomisch zeigen sich
bedeutende Unterschiede. Er hält eine Hyperthyreosis für die
Ursache dieser Herzstörungen, die Digitalis erwies sich ihm bei
derartigen Tachykardien als unwirksam, besser wirkte Brom.
Herr Rheinboldt spricht sich für die häufigere Verwendung
der Schilddrüsenpräparate zu EnWettungskuren aus, allerdings unter
gewissen Kautelen.
Herr Matthes fand die Blutdruckverhältnisse bei Morb. Bas.
sehr wechselvoU, bald gesteigert, bald niedrig. Die leichteren
Fälle zeigen mittlere Werte.
Herr P. Blum: Neues zur Physiologie und Patholo¬
gie der Schilddrüse.
Blum hat auf Grund von zahlreichen Arbeiten die Lehre
aufgestellt, dass die Schilddrüse kein sekretorisches Organ, sondern
durch Herausgreifen von Giften aus dem Kreislauf und intraglan¬
duläre Entgiftung ein Schutzorgan, hauptsächlich des Zentral¬
nervensystems, sei. Diesen Standpunkt hält Blum für erwiesen
und vermag, wie er ausdrücklich hervorhebt, auch nach den Aus¬
führungen des Geh.-Rat. Kraus nicht ihn irgendwie zu modifizieren
oder abzuschwächen. Auch genüge seine Entgiftungslehre voll¬
ständig zur Erklärung aller bisher an der Schilddrüse beobachteten
Erscheinungen. In grossen Zügen besteht die Lehre darin, dass
Gifte, die im Darm entstehen (Enterotoxine) und in den Kreislauf
gelangen, von der Schilddrüse aufgefangen und entgiftet werden
und als Exkret die Drüse verlassen. Die Entgiftung geschieht
durch Oxidationsprozesse, deren mächtigster die Jodierung ist.
Dass eine Jodierung stattfindet, hat Blum schon vor langer Zeit
nachgewiesen durch den Beweis, dass nach Darreichung von an¬
organischem Jod die Schilddrüse sich an organisch gebundenem
Jod anreichert.
Eine Ausfuhr von Jod, das einmal in der Schilddrüse ge¬
bunden ist, findet nicht statt, wie Blum behauptet auf Grund
der Untersuchung des Blutes von Tieren aus dem Frankfurter
Schlachthaus und namentlich auf Grund vieler Prüfungen des aus
der Schilddrüse abfliessenden Blutes sowie ihrer Lymphe nach
Anlegung von Lymphfisteln. Diese Säfte haben sich stete jodfrei
erwiesen. Blum glaubt übrigens in der Schilddrüse eine beson¬
dere jodabspaltende Kraft, eine Jodase, annehmen zu müssen.
Dass eine „besondere“ Art der Jodbindung, wie von anderer Seite
durchaus ohne irgendwelchen Beweis behauptet wird, in dem Schild-
drüseneiweiss vorhanden sei und dass deshalb die weitere Jodie¬
rung ausserhalb des Körpers, die zu einer definitiven Entgiftung
führt, nicht flir die entgiftenden Eigenschaften der Jodierung in
der Schilddrüse spreche, lehnt Blum mit dem Hinweis ab, dass
ja kein einheitlicher, wohlumschriebener Eiweisskörper in der
Thyreoidea enthalten ist, sondern dass das Jodeiweiss der Schild¬
drüse einen schwankenden Gehalt an Jod aufweist (von 0,1 bis
ca. 2,0%) und sich damit als ein von fortschreitender Jodierung
veränderter Körper zeigt. Das jodfreie und ungiftige Thyreoglo¬
bulin Oswalds hat mit dem Jodkörper der Schilddrüse nichts
gemein und ist von ihm niemals als die Muttersubstanz jenes spezi¬
fischen Jodkörpers erwiesen worden. Der Jodeiweisskörper der
Schildrüse gehört zur Klasse der Albumine, die bei ihrer Jodie¬
rung in ihrem Verhalten gegenüber Ammoniumsulfat w die nicht
jodierten Globuline heranreichen, während letztere bei der Jodie¬
rung unlöslich werden.
Erlischt die Tätigkeit der Schilddrüse vollständig (Exstir¬
pation, Degeneration), so kommt es zu einer Vergiftung mit Entero¬
toxinen und in deren Folge zu Tetanie, Kachexie - Psychosen, Ne¬
phritis, Myxödem. Wird zwar das freie Gift in der Schilddrüse
noch gebunden, kommt es aber nicht zur vollständigen Entgiftung,
so entsteht ein Th 3 Teoidismus, zu dem auch derjenige des Morbus
Basedowii gehören dürfte. Das wird wahrscheinlich gemacht durch
die Folgen der Einverleibuog von Schilddrüsensaft, sowie durch
die Resultate, die der Vortragende durch Unterbindung der Blut
und Lymphe abführenden Wege erzielt hat. Hiebei vermehren
sich die Verbrennungsprozesse im Körper, es kommt zu Herzklopfen
und es tritt oftmals eine schwere Leberschädigung ein. Die Glan¬
dula parath 3 a'eoidea, die Beischilddrüse, der eine besondere Bolle
bei der Tetanie zugeschrieben worden ist, ist nach den Unter¬
suchungen des Vortragenden nichts anderes als jugendliches Schild¬
drüsengewebe und erhält man Gebilde, die jenen Epithelkörperdien
vollkommen gleichen, wofern man bei der Abtragung von Schild¬
drüsen irgendwo kleinste Reste zurücklässt. Selbstverständlich ver¬
hindern solche Rückstände, wofern sie nur lebensf^g sind, die Te¬
tanie und tritt dieselbe erst nach ihrer vollständigen Entferaiing
ein. Blum weist ferner darauf hin, dass die Enterotoxine nicht
in der Nahrung präformiert sind, sondern erst aus ihr im Magen¬
darmapparat durch Zersetzungen entstehen. Dies konnte er er¬
weisen durch die Unschädlichkeit grosser Dosen subkutan injizier¬
ten Fleischsaftes bei einem thyreoprivem, mit Milch gefütterten
Hunde, der späterhin bei Fleischdarreichung in typischer Wejse
erkrankte und zu Grunde ging. Die mit Fleisch gefütterten
Pflanzenfresser weisen nach der Thyrorektomie eine wesentlich
ringere Mortalität als die fleischfressenden Hunde auf. In dem
Serum thyreopriver Pflanzenfresser vermochte Blum keinerlei be¬
sondere Gift* oder Schutzstofle nachzuweisen. Für den Morbus
Basedowii, dessen Thyreoidismus nach des Vortragenden, schon
im Jahre 1900 geäusserter Anschauung auf einer Insnffizenz der
Schilddrüse beruht, empfiehlt Blum wiederum eine konsequent und
lange Zeit durohgeführte fleischlose Ernährung mit gleichzeitiger
Darreichung von Bromeiweiss (2—3g täglich), das in der Schild¬
drüse ausserordentlich lang zurUckgehalten werde und vielleicht
einen günstigen Einfluss auf den Halogenstofiwechsel dar Schild¬
drüse ausübe. Die Resultate dieser Behandlung geben denjenigen
der operativen nichts nach.
Herr R o o s macht in der Diskussion auf einige Widersprüche
in den Blum’sclien Ausführungen aufmerksam, auch HerrOswald
kann sich der Theorie von Blum nicht anschliessen, Herr Blum
betont, dass er nicht behauptet habe, dass der Jodiemugsprozess
das einzige Entgiftungsmoment darstellt.
• Herr Gilmer-München; Die Röntgenbehandlung bei
Struma und Basedow.
G. berichtet über sehr günstige Erfolge dieser Behandlung
die sowoht in Amerika als bei uns z. B. von Görl-Nümberg an¬
gewendet wurde. Er hat 26 Fälle von Strumen bestrahlt, 3 Fälle
reagierien gamicht, gering war der Erfolg bei 7 Fällen. Anfihilend
war das erzielte gute subjektive Befinden; bei 12 Patienten, da¬
runter ein Fall von Kropfzyste, wurde erhebliche und subjektive
Besserung erzielt, bei 4 Fällen ein völliges Verschwinden des Pa-
renchymkopfes, auch substemale Kröpfe wurden günstig beeinflusst.
Sehr heftig war die Reaktion bei einer enorm grossen, sehr weichen
Struma. In diesem Falle, wie in 2 anderen ergab der Ham sehr
deutliche Jodreaktion, 7 Fälle von Morb. Bas., sowie 1 Fall von
forme fruste wurden sehr günstig beeinflusst. G. schlägt vor, die
Wirkung der Bestrahlung durch Sensibilisierang der Strumen
mittels Eosin- oder Lezithineinspritzungen zu steigern.
Herr Loening wies in seinem Vortrag über die Schild¬
drüsenveränderungen bei Adipositas dolorosa auf den
eigentümlichen anatomischen Befund bei dieser Erkrankung hin.
An Hand von mikroskopischen Präparaten zeigte er die hoch¬
gradigen atrophischen Veränderungen der Schilddrüse. Er stellte
sich entgegen der Ansicht französischer und deutscher Forscher
Digitized by LjOOQie
1906.
MBDICCnSCHB WOCHB.
251
auf Grnod der Ergebnisse der pathologischen Anatomie, dass das
merkwürdige Bild der dipositas Ädolorosa und die mit ihm verbundene
Schilddrüsenatrophie beachtet werden muss.
Herr F. Mendel: Die Syphilis der Schilddrüse.
Diese ist überaus selten oder noch nicht recht erkannt. Er
schildert an der Hand der von ihm beobachteten 3 Fälle, die
sämtlich für Struma maligna erklärt worden waren, das patholo>
gisch-anatomische Bild der Erkrankung, welche einen diffusen
Prozess darstellt, der sich auch in einer schon vorhandenen Struma
entwickeln kann. Bei zweien dieser Fälle konnte M. die Diagnose
in vivo stellen. (Fortsetzung folgt.)
SS» Kongress der Deutschen Oes^lschaft
für Cht/rv/rgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
m. Verhandlungstag.
Hr. Kraske-Freiburg: Ueber die weitere Entwick¬
lung der Operation hochsitzender Mastdarmkrebse.
Bedner empfiehlt bei Carcinomen des Mastdarms, die sehr
hoch sitzen, ein kombiniertes Verfahren, bei dem die Geschwulst
zunächst vom Bauche aus durch Laparotomie freigemacht wird,
und dann auf sakralem Wege entfernt wird. Er hat mittels dieser
kombinierten Methode besonders bei weiblichen Personen auch in
verzweifelten Fällen noch mit Erfolg operieren können.
Diskussion:
Hr. Kümmel - Hamburg spricht zunächst über die Ex¬
zisionen von Mastdarmkrebsen vom After aus nach Dehnung
des Sphinkters mit partieller Resektion des Mastdaims. Die
kombinierte Operation vom Bauche und von dem sakralen
Schnitt aus hat er bei 14 Patienten angewendet, von denen 6 ge¬
storben sind. Die Methode müsse technisch noch weiter ansge¬
bildet werden, dann würde man auch noch bessere Resultate er¬
zielen.
Hr. Kooher-Bern hält die kombinierte Methode zwar für
einmi Fortschritt, meint aber, dass die Prognose der Operation
vorläufig noch zu schlecht sei; deswegen habe er dieselbe nur
ausnahmsweise angewendet. Im allgemeinen glaube er mit einer
der Methoden anskommen zu können und operiert je nach dem
Sitz der Geschwulst entweder per laparotomiam oder von unten.
Bei der Laparotomie empfehlt er die Anwendung des Murphy¬
knopfs und Durchführung eines Drains durch die Lichtung des-
sell^n; durch dieses könne man den Darm aasspülen und die
Kotstauung oberhalb der Nahtstelle vermeiden.
Hr. Rehn-Frankfui't a. M. hält die kombinierte Methode
für ausserordentlich gefährlich und hat schlechte Resultate mit
ihr erzielt. Seine Patienten seien entweder im Kollaps oder an
Darmgangrän gestorben. Auch zweizeitiges Operieren habe die
Resultate nicht gebessert; deswegen sei er dazu gelangt, die An¬
wendung der kombinierten Methode nach Möglichkeit einzuschränken.
Hr. Lorenz-Wien würde die kombinierte Methode für einen
Fortschritt ansehen, wenn man damit Tumoren entfernen könnte,
die sonst nicht zu entfernen seien, wenn die Methode weniger
gefährlich wäre und wenn die Dauerresultate sich besser gestalteten
als bei den anderen Verfahren. Diese Voraussetzungen träfen
aber nicht zu, deswegen hält man an der Hochenegg’schen
Klinik das kombinierte Verfahren nur ganz ausnahmsweise für
anwendbar.
Hr. Popp er-Giessen tritt für die Mastdarmresektion ein
gegenüber der Amputation. Er wende immer die zirkuläre Darm¬
naht an. Unter 28 Operationen seien nur 4 mal Fisteln zurück¬
geblieben.
Hr. Hackenbruoh - Wiesbaden plädiert für Anwendung
der Bier’sehen Rückenmarksanästhesie bei der Operation der
Mastdarmkrebse.
Hr. Meyer-Brüssel empfiehlt die Methode seines Lehrers
Depage und Anwendung der Bauchlage bei der Operation, um
Blut zu sparen.
Hr, Küste r-Marbug gestaltet die Operation wesentlich
günstiger durch zweizeitiges Operiwen. Die Amputatio recti
wendet er nur an, wenn ihm die Resektion nicfiit ausführbar er¬
scheint.
Hr. Bardenheuer-Köln hat mit der abdomlno-sakralen
Methode schlechte Resultate erzielt; er macht immer die Amputation
unter Schonung des Sphinkters. Diese Operation führte er sehr
schnell ans, ohne dass er nötig gehabt hätte, Knochenteile zu
opfern.
Hr. Braun-Göttingen hat bei der kombinierten Methode
zunächst stets den Anus praeter naturalis angelegt, dessen Schluss
er später mittels Murphyknopf bewirkt.
Hr. Schlange-Hannover glaubt, dass die kombinierte
Methode nur sehr selten indiziert sei. Alle Fälle, die man vom
Anas aus fühlen könne, seien auch auf sakralem Wege zu operieren.
Er legt zunächst einen Anus praeter naturalis an, nach 8—14
Tagen führt er dann die sakrale Operation aus. Man sei dann
häufig erstaunt, wie sich die Geschwulst inzwischen verkleinert
habe; auch finde man dann gelegentlich eine Geschwulst beweglich
geworden, die vorher fixiert erschien.
Hr. Jaff4-Posen: Redner meint, dass über die Zweck¬
mäßigkeit der Erhaltung des Sphinkterenteils, wenn eine solche
Konservierung überhaupt möglich sei, keine Frage sein könne.
Nur müsse man diesen zu erhaltenden unteren Abschnitt ganz
genau im Auge behalten in Rücksicht auf die Möglichkeit des
Vorhandenseins von sogen. Implantationsmetastasen. Solche können
entstehen durch Hemnterfallen von Tumorbestandteilen aus dem
manche Male weit entfernten primären Carcinom; sie bevorzugen
die Afterportion. Redner hat solche Fälle selbst erlebt; man ist
dann natürlich genötigt, den ganzen unteren Abschnitt sekundär
zu opfern.
Hr. König-Jena warnt vmr zu grosser Schnelligkeit bei der
Ansftthrong der Mastdarmresektion; es käme dsiraof an, gründlich
za operieren. Dann wendet er sich gegen die von Kümmel be¬
fürworteten lokalen Operationen.
Hr. Körte-Berlin hat die abdomino sakrale Methode zwar
angewendet, hält sie aber für sehr gefährlich. Den Patienten
droben durch Kollaps und Darmgangrän schwere Gefahren.
Hr. Kraske-Freiburg bleibt in seinem Schlusswort dabei,
dass es Fälle gibt, in denen die abdomino-sakrale Methode allein
die Möglichkeit gebe, ein Mastdarmcaremom noch zu entfernen.
Er wolle sie auch nur für diese Fälle reserviert wissen. Die
präliminare Anwendung eines Anas praeter naturalis halte er nicht
für notwendig.
Hr. Kelling-Dresden: Ueber eine neue hämolitische
Reaktion des Blutserums bei Krebskranken und ihre
diagnostische und statistische Verwendüng in der
Chirurgie.
Die Reaktion gründet sich darauf, dass bestimmte Wirbel-
taerblutkörperchen, hauptsächlich vom Huhn, seltener vom Schwein
und Schaf, vom Blut der Krebskranken schneller und stärker ge¬
löst werden, als von (Kunden und anderen Kranken, und auch
schneller und stärker als die übrigen Wirbeltierblutkörperchen.
Es zeigte sich, dass diese Reaktion parallel ging zur Präzipitin-
reaktioD, dass man durch dieselbe unter besonderen Versuchsbe¬
dingungen sonst nicht palpable Krebsgeschwülste diagnostizieren
kann; das spezifische Lösungsvermögen ist ferner konstant bei ein
^ und demselben Krebskranken; wie der primäre Tumor, so reagieren
auch die Metastasen. Exstirpation des Tumors beseitigt die Re¬
aktion; die spezifische Reaktion ist unabhängig von der Zellform
des Tumors. Die Reaktion lässt sich ferner wieder erzielen durch
Einspritzung von Geschwulstmassen in IMerkörper, and zwar lassen
sich die Geschwülste in zwei Gruppen teilen: in solche, welche
gegen Wirbeltierblutkörperchen reagieren, deren Ursache Kelling
auch auf embryonale Wirbeltierzellen zurückführt, und in solche,
welche nicht reagieren und deren Ursache er in Zellen wirbelloser
Tiere sucht. Er befürwortet, diese Reaktion an gesebwulstkranken
Patienten, welche der Operation unterworfen werden, auszuführen,
um bei den verschiedenen Organen für die verschiedenen Ge¬
schwulstformen eine Statistik biochemischer Reaktionen zu erhalten
und so weitere Aufs<fiilüsse über die Ursachen der Geschwulst-
büdung zu bekommen.
Hr. Sticker-Berlin demonstriert zahlreiche anatomische und
histologische Präparate und Abbildangen seiner SarkomUber-
tragungen bei Hunden.
An den Genitalien der Hunde treten spontane Sarkome auf,
die auf andere Hunde zu übertragen in zahlreichen Fällen ge-
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252
IIEDICINISCHB WOCHB.
Nr. 22.
luDgen iät. Durch Operation gelang es, viele Fälle zu heilen.
In einigen Fällen tritt Spontanheilung ein. Ein solches Tier ist
dann immun gegen erneute Impfung mit Sarkommaterial.
Dnrch Injektion von Sarkommasse in die Blutbahn gelang es,
bei sarkomatösen Tieren Rückbildung und Heilung der Tumoren
herbeizuführen.
Bei Tieren, bei welchen sdion Metastasen aufgetreten — das
Blut also seine cytotoxische Kraft verloren — konnte durch In*
jektion von Serum eines Tieres, bei dem Spontanheilung einge¬
treten war, Heilung erzielt werden.
Hr. Plücker-Wolfenbüttel zeigt einen Fall von Gesichts¬
missbildung, der auf kongenitalen Knochendetekten beruht.
Hr. Payr-Graz berichtet über neue experimentelle
Untersuchungen über die Schilddrüsen-Transplan-
tation bei Hunden, Katzen und Kaninchen.
Als Organ für die Aufnahme der zu überpflanzenden Drüse
wurde der ausgezeichneten Zirkulations-Verhältnisse wegen die
Milz gewählt, in diese eine in Grösse und Form entsprechende
Tasche gemacht und in dieselbe ein Schilddrüsenlappen implatieit.
Dieser lebende Tampon stillt die Blutung aus der Milz sicher,
die Milzkapselwunde wird vernäht und durch Netz plastisch ge¬
deckt. Nach Exstirpation des zweiten Schilddrüsenlappens in einer
zweiten Sitzung konnten zahlreiche Versuchstiere durch lange
Zeit, bis zu 10 Monaten, am Leben erhalten werden. Die zu
sehr verschiedener Zeit vorgeoommene Milzexstirpation rief bald
stürmisch verlaufene Tetanie, bald mehr chronisch kachektisch-
«trumiprive Zustände hervor.
Die histologische Untersuchung ergab in der Mehrzahl der
Fälle gute f^nheilung der Drüse und günstigere primäre Emähr-
ungsbedingungen, als bei dem früher gebräuchlichen Modus der
Implatation in Bauchwand oder Peritonealhöhle.
Payr hat einem 6jährigen, total verblödeten, durch 3*/s Jahre
vergeblich mit Schilddi^enpräparaten innerlich behandelten Mäd¬
chen mit kongenitalem Myxödem ein grosses Stück mütterlicher,
durch Thyreiodectomie entfernter, gesunder Schilddrüse in die
Milz implantiert, ohne dass die Technik der Ueberpflanzung oder
die Beherrachung der Blutung bezondere Schwierigkeiten ge¬
boten hätte. Der Verlauf war bei Mutter und Kind ein günstiger,
und ist die somatische und intellektuelle Besserung bei dem
Kinde jetzt nach 4 Monaten schon eine ganz erhebliche.
Der Vortragende weist ferner darauf hin, dass bei der Frage
der Transplantation drüsige Organe überhaupt zwischen solchen
mit wesentlidi äusserer und solchen mit vorwiegend innerer
Sekretion unterschieden werden muss. Bei letzteren sind die Re-
soiltate zweifellos viel günstiger, besonders bei Ovarium und
Sohilddiüse. Jene Organe mit innerer Sekretion scheinen eine
asdere Differenzierung des Epithels zu besitzen.
Der Vortragende erläutert seine Ausführungen durch Demon¬
stration der die Schilddrüsenpfropfungen enthaltenden Milzen, so¬
wie zahlreiche Abbildungen mikroskopischer Präparate und Tafeln
über die Technik des Verfahrens, sowie endlich photographische
Aufnahmen des operierten Kindes.
Payr bemerkt, dass auch Versuche Uber Inplantationen
aaderer drüsiger Organe in die Milz vorgenommen worden.
Diskussion.
Hr. Ko eher-Bern hat ebenfalls gelegentlich einen Erfolg
bei Transplantation von Schilddrüsen gesehen. Die Mehrzahl der
Kranken ging jedoch zugrunde. Daher warnt er davor, aus dem
guten Erfolg, den Herr Payr erzielt habe, weitergehende Schlüsse
zu ziehen. (Fortsetzung folgt.)
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Es ist erstaunlich, dass bei der mit Recht in den Kreisen
der Aerzte stark verbreiteten Neigung, sich gegen Krankheit, Tod,
Invalidität, Unfall etc. zu versichern, die nur für Aerzte geschaffene
und von solchen verwaltete Versicherungskasse für die
Aerzte Deutschlands es bisher nur auf 93.3 Mitglieder ge¬
bracht hat. Dabei ist allerdings ein ganz wesentlicher Aufschwung der
Kasse im letzten Jahrzehnt nicht zu übersehen, in der sie es za
einer Verdreifachung ihi*er Mitgliederzahl, einer Vervierfachung
des Kassenvermögens, einer Versechsfaohung der Gesamtprämien-
einnahme gebracht hat, während nur eine Vervierfachung der
Sohadenfälle eintrat. Der vorliegende Geschäftsbericht der Kasse
ergibt ein durchaus erfreuliches Bild, so dass zu hoffen ist, dass
bei Ausführung des vorjährigen Strassburger Beschlusses der General¬
versammlung des Leipsiger Verbandes zu Gunsten der Kasse diese
bald eine erhebliche Ausdehnung erfahren wird.
Auch zwei speziflschBerlinerärztlicheWohlfahrtseinrichtimgen,
der Rechtsschutz verein Berliner Aerzte und die Sterbe-
kasse Berliner Aerzte geben ihre Jahresberichte. DerRechts-
schutzverein besteht bereits seit dem Jahre 1868 und lässt durch
sein Vereinsbureau die Einziehung der ärztlichen Honorare be¬
sorgen. Es wird nicht wie bei dem sogenannten Ehntreibem be¬
zweckt, einen hoben Gewinn zu erzielen, sondern nur ein geringer
zur Bestreitung der Unkosten bestimmter statutarisch festgesetzter
Prozentsatz erhoben. Ein etwa dennoch erzielter (^winn kommt
den Aerzten selbst zu (^te. Im Jahre 1905 waren einzuziehen
21126 Liquidationen im Betrage von 382846 M.; davon sind bis
31. Dezember 1905 eingegangen 8211 Liquidationen im Betrage
von 171028 M.
Die Sterbekasse Berliner Aerzte hat ein Vermögen von
36700 M., eine Mitgliederzahl von 244. Sie zahlt ein Sterbegeld
von 400 M., das voraussichtlich in kurzer Zeit eine Erhöhung er¬
fahren wird. Der Eintritt von Aerzten, welche in Berlin und
Umgegend wohnen, ist bis znm 60. Lebensjahre gestattet und
haben die Mitglieder einen nach dem Lebensalter bemessenen Bei¬
trag von 8—25 M. zu zahlen. Die Sterbekaase steht unter Staats¬
aufsicht und hat Korporationsrechte. Alle vorgenannten Institute
sind gut fundiert und können den Kollegen anfs wärmste empfohlen
werden.
Weitere Kreise der Berliner Aerzteschaft beschäftigen ‘sich
augenblicklich mit einer ihren Interessensphären sonst ferner
liegenden Angelegenheit, einer künstlerischen. Es ist allgemein
bekannt, dass Schüler, Freunde und Verehrer unseres Altmeisters
Virchow einen Fonds gesammelt haben, um ein Denkmal des
Unsterblichen an geeignetem Platze zu errichten. Zar Erlangung
von Entwürfen war eine Konkurrenz ausgeschrieben und die ein¬
gesetzte Jory hatte unter 75 Entwürfen zu entscheiden. Schwer
hat sich’s die Jury nicht gemacht, eine Sitzung nur fand statt
und alle waren sich bald einig, wer des ersten Preises würdig
sei, wem die Ausführung des Denkmals übertragen werden solle.
Es wurde eia Entwurf von Klimsch gekrönt, der kein Virchow-
denkmal darstellt, sondern ein allegorisches Werk (Held ein sagen¬
haftes Tier bezwingend), an dessen Sockel ein Relief Vir oho w’s
und die Anbringung von dessen Namen darauf hinweisen soll, wem
dieses Denkmal gewidmet ist. Ein Sturm des Unwillens erhob
sich in ärztlichen Kreisen; die grössten Berliner wissenschaftlichen
und Standesvereine erhoben Protest gegen die Ausführung dieses
Entwurfes; der grössere Teil der Tagesprease vereinte sich mit
der medicinischen Presse in der verurteilenden Kritik, das Kommnnal-
blatt aber, das offizielle Organ des an dem Denkmal für den ver¬
storbenen Ehrenbürger natürlich stark beteiligten Magistrats, ver¬
öffentlicht ruhig die Mitteilung, die Ausführung sei bereits ver¬
geben. Nichtsdestoweniger werden die Aerzte die Pflicht haben,
anch weiterhin alle Kräfte anzuspannen, um zu erreichen, dass
Virchow der Nachwelt so überliefert wird, wie wir ihn gekannt
haben; so wie wir die Humboldt’s, Gräfe, Kant, Helm¬
hol tz so vor uns stehen sehen, wie sie als Persönlichkeiten
sich bewegt haben, so muss es der Bildhauerkunst auch gelingen,
das au Virchow Charakteristische getreu wiedergeben zu
können. Den Juroren muss klar gemacht werden, dass sie sich
geirrt haben, und wenn es sich als Tatsache heraussteUen sollte,
was allgemein erzählt wird, dass einzelnen Juroren die Autoren der
Entwürfe vor der ürteilsfällung bekannt waren, so muss die Un¬
gültigkeit der ersten Entscheidung gefordert werden. Kann denn
im roten Haus niemals ein Beschluss gefasst werden, der den
Anschauungen und Forderungen der Aerzte Rechnung trägt?
Die Ueberzeugung davon, dass bei den Berliner städtischen Be¬
hörden die Wünsche der Aerzte viel zu wenig gehört werden, dass
man dort über hygienische und sozialärztlicbe Fragen oft ausser¬
ordentlich mangelhaft informiert ist, dass es an selbständigem Vorgeben
in Fragen, die in den anderen Kommunen schnell gelöst werden, fehlt, bat
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
253
deir Geschäftsaossc.hnss der Berlinerärz tliehen Standes¬
vereine veraolasst, eine eigene Kommission für kommunale
Angelegenheiten zu bilden. Diese Kommission, die neben
den Aerzten,- Stadtverordnete, Fachmänner aus den verschiedensten
Gebieten, Statistiker etc. umfassen soll, soll den verschiedenen oben
angedeuteten Aufgaben gerecht werden. Es ist-sicher, dass diese
Kommission ein reiches Arbeitsfeld finden wird und es kann er-,
wartet werden, dass sie erspriesslidies zum Wohle der Gesamtheit
erzielt. Ihre erste Aufgabe müsste es sein, den Nachweis zu
liefern, dass an die Spitze der Berliner Medicinalverwaltung ein
hochbegabter und Obiger Stadtmedicinalrat in selbständiger
Stellung gehört.’ Dies zn erreichen, sollten sich Aerzte und Bürger
jedes Standes vereinen, denn für Jeden gilt da das Wort: tua res
af^tur!
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 19.
1. Ebstein, Göttingen: üeber die pookenverdäohtigen
Formen der VarizeUen.
Es handelt sich um absolute Verdunkeluug des Krankeo-
ziramers, oder um rote Fensterscheiben, oder das Verhängen der
Fenster mit roten Vorhängen. Verhütet diese Methode die Blite-
rung bei der Variola, so dürfte sie dasselbe wohl auch bei den
Varizellen mit Eiterung, d. b. den zu Pockenverdacht Veranlas¬
sung gebenden, leisten.
2. zur Verth, Kiel: Die Anaesthesie in der kleinen Chi-
nugie.
Verf. hält den Aetherrausoh für die Methode der Wahl bei
allen kleineren Eingriffen,, bei denen die lokale Anaesthesie Schwie¬
rigkeiten bietet, ferner bei grösseren Eingriffen, besonders im
Verein mit Leitungsanaesthesie, wenn der Patient eine Narkose
nicht erträgt. Sie ist imstande, die Narkose in vielen Fällen zu
verdrängen; sie ist ferner imstande, jede Lokalanaesthesie zu er¬
setzen , sollte dazu aber nur dann verwendet werden, wenn ent¬
weder die Hilfsmittel zur Lokalanaesthesie fehlen oder ihre Technik
unsicher bez. schwierig ist. Schmerzhafter Wechsel grösserer Ver¬
bände bedingt wiederholten Aetherrausch.
Schaden davon sah Verf. nicht. Doch tritt auch bei Leuten,
die mit allen Kautelen berauscht wurden, nicht selten nach wieder¬
holtem Aetherrausch eine starke Aversion gegen denselben auf.
Das eigentliche Gebiet der Infiltrationsanaesthesie ist die Exstir¬
pation kleinerer Geschwülste usw.
Die von Braun ausgebaute Art der Anaesthesie ist die,
schönste und idealste bei Phimosenoperation,, bei der Exstirpation
gewisser Varizen, und bei Anästhesierung bei Zahnex.trähtionen...
3. Determann, Freibarg i. B.: Zur Methodik der Viskosi-
tätsbestimmung des menschlichen Blutes.
Versuche mit einem neuen Viskosimeter.
4. Zahn, Halle a. S.: Ein zweiter Fall von Abknickungr
dar Speiseröhre durch vertebrale Eokohondrose.
Beide Geschwülste sind, wie die des ersten Falles, echte,
primäre Knorpelgeschwülste, welche von der Zwischenwirbelscbeibe
ausgegangen sind.
5. Apetz, Würzbnrg: Symmetrische Gangrän beider Lider
nach Verletzung an der Stirne.
Der TJmstaed, dass die Infektionspforte gar nicht am Lid
selbst seinen Sitz hatte, ferner der gutartige Verlauf der Er¬
krankung und der Nachweis der Infektionserreger (Streptococcus
pyogenes) macht den Fall der l^/,jähr. Pat interessant.
6 . Richarz, Barmen: Ein Fall von artefizieller, akuter
Vephritis nach Gebrauch von Perubalsam.
R. rät zur Vorsicht bei der Anwendung von Pernbalsan^.
Bei einer IGjähr. Pat. war wegen ausgedehnter Skabies mit
sekundärem Ekzem von anderer Seite eine Kur mit 10%iger Peru-
baJsamsalbe eingeleitet worden. Wie viele Einreihungen damit
gemacht wurden, Hess sich nicht ermitteln, wahrscheinlich jedoch
nur 3, und zwar an einem Tage (Scbnellkur). Bald darauf stellten
sich Symptome einer sohweron Nephritis ein; atd 19. Sept. traten
heftige Kopfschmerzen und Erbrechen' auf. Am Abend desselben
Tages verfiel die Kranke in urämisches Koma. In diesem Zustande
wurde ,sie in das St. Petrus Kratikenhaus, Bannen, eingeliefert.
Am anderen Morgen um 10 Uhr starb sie.
Heilung eines Falles von Tetanus tiaumatious.
In dem Falle von Tetanus traumaticus (l-7jähr. Pat.) trat
Heilung ein nach 2 Injektionen von 100 A. E., daneben Morpbium-
injektionen, im ganzen während des Tages bis 0,07 g.
7. Gramer, Bonn:. Eine llprmalflasehe fttr die Säuglings-
emähmng.
Es ist ansserordentlich wichtig für die Erziehung der Heb¬
ammen, Wärterinnen, Mütter, wenn man ihnen exakte volumetrische
Vorstellungen von denjenigen Nahrungsmitteln geben kann, die
der Verdauung des Kindes zuträglich -sind.
Zu diesem Zweck hat sich C. Trinkflaseben von 250 ccm,
mit Strichen von 50 g zu 50 g geaicht, anfertigen lassen.
Ermöglicht die Flasche eine genügend genaue Dosierung der
Einzelmahlzeiten, so ist ein weiterer Vorteil derselben, dass sich
darin auch die erforderlichen Milchverdünnungen sehr leicht her¬
steilen lassen.
8 . Klieneberger, Zoeppritz, Königsberg: Beiträge zur
Frage der Bildung spezifispher Leuootozine im Blutserum als
Folge der Röntgenbestrahlung der Leueämie und Pseudoleuoä-
mie und des Lymphosarkoms.
Verfasser berichten zum-Schluas über Versuche mit mensch¬
lichen Blutleucocyteh.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Ne. i9.
1. de Renzi, Neapel: Heber einige Enttänsohungen und
Hoffnungen bei der Behandlung der Tuberkulose.
Ausser dem Sauerstoff ist ein zweites wirksames Mittel bei
der Behandlung der Lungenschwindsucht das Natrium salicylicum.
Die Herabminderung der Temperatur ist die bemerkens¬
werteste Wirkung dieser Behandlung bei mehreren Patienten ge¬
wesen.
2. Hirschstein, Hamburg: Zur Methodik der Amino-
säurenbestimmung im Ham.
Als Fazit dieser Untersuchungen ergibt sich, dass die mit
der Neuberg-Manasse’schen Methode ermittelten Resultate
nur mit Vorsicht zu verwerten sind und in jedem einzelnen Falle
die Identifizierung der isolierten Verbindung versucht werden
müsste.
3. Pick, Berlin: Heber die Ochronose. (Schluss.)
4. Langstein: Zum Chemismus der Ochronose.
'L. nimmt an, dass es sich in diesem Palle nicht um Alkap-
touurie gehandelt habe, sondern höchstwahrscheinlich' um eine
Pigmentanomalie; woher jedoch das Melanin stammt, ist sehr schwer
zu entscheiden.
5. v. Poehl, St. Petersburg: Die Vorzüge der Kombination
der Organotherapie mit den physikalisoh-diätetisehen und balno-
therapeutisehen Mitteln und einige Beweismethoden dafür.
Weiter über Spermin- und Adrenalinbehandlung.
6 . Runge, Berlin: Htemsblutungen.
Eine allgemeine, kurzgefasste Uebersicht mit wertvollen, prak¬
tischen Winken.
Allgemeine medicinieche Central-Zeitung. 1906. Nr. 5.
Hinsberg: Zur Extraction von Fremdkörpern aus den
Bronchien. .
Verf. berichtet über drei Fälle, bei denen er bronchoskopiscli
Fremdkörper entfernt hat. Zwei mal wurde das Bronchoskop per
Trachotomie eingeführt.
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254
MEDiCOilSCm WOGHX.
Nr. '22.
Bdrn^un: Die TmendlMrkieit >im Sa^aüau •va^en
MMBelle iSeimstiienie.
Das Setralin hat als nnnnilriiininfinnr. iiligfimninri ADarkennaag:
gefondeo. In jüngerer Zeit ist es als wtrkaamstoe Mititel bei der
Pho^atorie empfohlen wordoi. Verf. hat es aoeh bei vesaehie-: >
denen Formen sexueller Neuraathenie unter VeisDeidang jeglh^er
lokalen Therapie mit beetem Zrfelg gegeben. Es ist aweohsnftllig,'
Hetralintabletten, zu Pulver aerdräckt in Wasser, Miloh oder:
Haferschleimi nüchtern zu geben in Dosen von 0,5 g”3—4^tägl.
bis zu 1,0 g 3 X
1906. Nr. 6.
£orn: Deber Venritis aleokoUoa.
Beschreibung eines Falles, bei dem bei Freibleiben der oberen
Extremität sich im Laufe der Jahre die hochgradigsten Anomalien
der Stellung der Zehen, Füsse und Knie eingestellt haben.
Manasse: Oesichtsftinmkel — metastatiMhe EUerongan.
Verf. gibt die Krankengeschichte eines jungen Mannes, bet;
dem im Anschluss an einen Gesichtsfurunke! eine schwere Phleg*
mone des Gesichts und Halses sich ^twiokelte, an die sich me-
taatatische Eiterungen an den verschiedensten Kbrperstellen im
Laufe vieler Monate anschlossen, schliesslich eine seltene Kompli¬
kation, ein subphrenischer Abscess.
1906. Nr. 7.
Garre; nx Operation gutartiger Mi^nafllek*
tionen und ihrer FolgeEostände.
Auf Grund lljähriger ^fahrangen vertritt G. folgenden
Standpunkt. Beim einfachen Ulcus ventriculi ohne besondere
Komplikationen empfiehlt er den operativen Eingriff, wenn eine
resp. zwei streng durchgeführte Ulcuskuren vmi 4-^—6 Wochen
Dauer erfolglos geblieben sind. Die Excision des Ulcus nimmt er
vor, wenn es fiächenhaft am Pyloros entwickelt ist oder der Ver¬
dacht der Bösartigkeit besteht, sonst bevorzugt er die Gastro¬
enterostomie. Bei schweren Blutungen, die den Fatimiten so ge¬
schwächt haben, dass vermutlich nicht mehr die für Narkose und
die operativen Manipulationen erforderliche Widerstandskraft vor¬
handen ist, wartet er ab; ev. rät er zur Jejunostomie. Bei mitt¬
leren Blutungen brachte stets die Gastroenterostomie unter Ver¬
zicht auf Excision des Ulcus prompten Erfolg. Das callöse Ulcus
ist zu excidieren; doch kommt man auch hier meist mit der Gas¬
troenterostomie aus. Diese ist auch die Operation der bei
der Pylorusstenose; B>eeektion des Pyl<»^ ist nur erforderlich
bei Verdacht auf Garcinom. Bei der Perigastritis adhaesiva ist
die Gastrolysis vorzunehmen; jedoch empfiehlt es sich, eine Gastro¬
enterostomie hinzuzuDigen. Für den Sandruhrmagen kommen in
Betracht die Gastroplastik, die Gastro-Gastrotomie und Gastro-
Enterostomie. Bei der Perforation ist sofortige Operation indiciert;
auch beim Durchbruch in Nachbarorgane ergibt nur der operative
Eingriff Heilung. G's. Material umfasst 107 Patienten, die wegen
gutartiger Magennffektionen operiert wurden, mit einer Mortalität
von 7,5%.
Bücherbesprechung.
G. V. Bunge. Lehrbuch der Physiologie des Men¬
schen. II. Aufl, Leipzig. F. C. W. Vogel 1905. 2 Bd. 28,— M.
Im Jahre 1887 erschien die „Physiologische Chemie“ von
G. V. Bunge und wurde mit dem grössten Beifall, ja, man kann
fast sagen, mit Enthusiasmus von den Fachgenossen und von
den Studierenden aufgenommen. Namentlich die letzteren waren
es, die an der geistvollen und anregenden Darstellungsweise des
Verfassers Freude fandea Der klassischen „Allgemeinen Patho¬
logie“ von J. Cohnheim konnte rnan das Werk in der Art und
Weise der Darstellung vergleichen.
In kurzer Zeit erschien das Werk in 4 Auflagen und grösser
und grösser wurde der Kreis seiner Verehrer. — Da, im Jahre
1900, entsdiloss sich v. Bunge seine „Blyin«fiogtoflhe ean
einen ersten Band zu bereioheni, welo^r die Lehre ven den Bmaan,
Nerven, Muekeki etc. umfasste und die „Physiolefiaake «Okmase“
zu einem „Lehrbm^ der Physiologie des Menschen“ konptotiavte,
•L Von diesem liegt jetct s^oq die 11. Anfiage vor, ein ^esreis
dafür, dass andi die erweiterte Form AnkUng gefnnden hat. —
Wer sich non ans eigener Erfahrung der Begeisterung uiifninnt,
mit welcher man seiner Zeit die „Pbysielegtsohe Chemie“ duneh-
studiert, nein dnrchgeflogen hat, nnd nun sidi dem erweiterten
Werke mit glekhem Eifer zu widmen trachtet, der wird — wenn
auch vialieicht nur gmiz hehnlioh — den Gedanken nicht los
werden: Der „kleine“ Bunge war dir doch noch lieber, als der
jetzige „grosse“. — Der „Ideine“ Bunge aprwoh auf jeder Seite,
ja, auf jeder Zeile das Idiom seines Verfassers: Da war kein Gedanke,
den nicht Bunge selbst formuliert und ventiliert hatte; man war
zwar — wenigstens später, als man selbständig zu denken und zu
schaffen gelernt hatte — durchaiis nicht immer einverstanden mit
Bunges Ausführungen: Man hatte Neigung za verneinen, wo er
bejahte, oder zu hemmen, wo sein Geist einmal davon eilte, aber
gerade hierin, in der Verleitung nun Widetspmdi, zur Oentzoverse,
lag ein Teil der Anziehungskraft dieses Werkes und wieder nnd
wieder griff man zu dem lieb gewordenen Bande! —
Jetzt in der neuen, grossen, etwas an^uruchsvcfileren Form ist
das Werk minder in sich geschlossen und minder gleicbmälUg ge¬
worden. — Da sind nicht wenige Kapitel, in welchen eic^ Bunge
— an einer Stelle (Bd. I, pg. 128) schreibt er es selbst — im
Wesentlichen auf Keproduktion fremder* Ansichten, auf blosses
Referieren beschränken musste und da fehlt natürlich der subjektive
Zug, der einem die Schilderung anderer Gebiete, an deren Er¬
forschung Bunge selbst schaffend mit gearbeitet hat, so besonders
anziehend gestaltet. — Man vergleiche nur einmal die Kapit^
„Muskel- und Nervenphysiologie“ eiuM^eits und „Milch** änderet^
seits. Der Unterschied ist unverkennbar! —
Zwar versucht Bunge es da und dort, ao^ denjenigen Kapiteln,
welche seiner q>ezieUen Forschertät^eit ferner liegen, etwas
eigenes aafziq>rägen, sei es durch Aufstellung origu^erTheorieQ,
sei es durch geistvolle Argnmentieiiiog gegen beetehttde Anschafi-
ungmi, aber es f^t auch dort an dem, ich möchte sagen, er¬
frischend polemischen, beinahe gdrau^i^^erisoben** Zug; alles
eigene wird mit unangebrachter Zurückhaltiuig beseheideiitlich an
zweiter Stelle vorgebracht. —
Dass das „Lehrbuch“ unzähligen seinen Kollegen an anregender
Darstellongsweise, an Glanz des Vortrages und an Deutlidikeit
der Schilderung meilenweit überlegen ist, bedarf bei einem L^rer
wie Bunge keiner besonderen Versicherung, aber — eetemm oensso,
der tite, der „kleine“ Bunge war doch m^tr „Bunge“ und mir
deshalb noch lieber l W. Ooenstein (Berlin)
J. Sllbersteis. tJ«l»er Ver w et| d «Bg BroneMUns
speziell Im Klndesidter. (AerztH^e Rundsdnu, 1905, No. 40.)
Boi den Guajakol-E^paraten kommt cs vor allen Dingen daraat an,
dass sio reizlos sind und gut Tortragen werdon, denn ihre Wirkung ist
sonst Über allen Zweifel erhaben. Im Bronebitin fC^emiscfae Fabrik von Dr.
Lüdv & Co. in Bagdwf) ist eine günstige Comb i w eti on g etr oi e n wordoi.
tnsofem als das gu^akolsnlfosaore Kalinm mit einem an ätherischem Oele
reichen echten Tbymianestrakt kombiniert ist; es ist somit zwei antikatarr-
baliscben Mitteln von bekannter Bewährtheit Reebnnng getragen, und im
Bronebitin ist eine aromatische, leicht zu nobniondo Tbiokollöeung gMebmi.
Dieses Bronebitin ist nach S. das «Qii^akolpräparat für Kinder", ^iner
Zusammensetzung kommt das Bronebitin zunächst bei allen Husteam'krank-
ungen in Betracht, hauptsächlich bei Kenchfansten, hier konnte S. in jedem
Stidium des Keuebbustens eine reizmildcrende, sekrot-bosefaränkoode und
sedatire Wirkung des Bronebitins beobaditon. Bei den skrephnlOsen und
rbacUtiseben Bronchialkatarrben, bei beginnender Tuberkulose, eoUist bei
Darmstöraogen unter B^leitung von DarmstOrungen war Broochitio gut
verträglich und von Appetitanregrader, Schletmbeschränkendor, Hustenreiz-
mildernder and Stuhlregelnder Wirkung. Das Körpergewicht nahm je¬
desmal zu, das Allgemeinbefinden hob sich und das Mittel wurde in jedem
einzelnem Falle anstandslos vertragen. 8. gab das Bronebitin bei Sät^Un-
gen 2 mal t^lich % Kaffeelöffel, bei Kindern zwei bis drmmal tägmh 1
Kaffeelöffel, und bei Erwachsenen zwei bis dreimal — viermal t^licb einen
Esslöffel in Milch.
A. R.
Veraitiwordlcti«r Redakteur : Dr. P. MeUraer, BerliaW. tt, Knrf&ratenttr. Sl. — Verlas roa Carl Marhold, Halle a. S.
Dradi eea 4«r Hiyaiuaai*a«h— ^oMnNkacei, Osbr WalC, Halle a. S.
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Medicinische Woche
Dentschmaniii A. Dfihrssca. A. Hofft, E. Jaeobi,
Hanburg. Berlin. Berlin. Prelburg i. Bi.
H. Seaator, R. Sommer,
Berlin. Qieesen.
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4. Juni 1906.
Nr. 23.
Die .Medicinische Woche* erscheint Jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOgiSChe CentralzeitUflgt Organ des Allgemeinen Deutschen
Blderverbandes, des SchwarzwatdbBdertages, des Verbandes der Deutschen NordseebBder, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet Jlhrlich 10 M.. einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fUr
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmBSigung ein.
Nachdruck der Original-AufsBtze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
CellotropiE (Monobenzoylarbutin)
als Tuberknlosenbeümittel.
Von Med. univ. Dr. Wilhelm Meithner,
Distriktarzt in Wostitz (Mähren).
Cellotropin — das MonobeozoylarbutiD, ein weisses, kristal>
liniscbes, leicht aromatisch-bitterlich schmeckendes Palver, das
in indifferenten Flüssigkeiten nicht löslich ist — ist ursprüng¬
lich gar nicht als Tuberknioseheilmittel in den Arzneischatz
eingeiührt worden, als welches es heute doch vorwiegende Em¬
pfehlung und Verwendung findet. Als Abkömmliog des Arbutin,
das selbst schon durch Speichel und Magensaft wesentliche
Zersetzung erf^rt, sollte das höher organisierte Cellotropin
zunächst nur die Zufuhr des unzersetzten Arbutins bis in die
Blut- und Lymphbahnen vermitteln, um derart dem direkten
Einflüsse des Arbutins in loco noch eine Steigerung der Drüsen-
sekretionsvermehning zu ermöglichen. CeUotropin war also
als ^verbesserter" A^utinersatz zunächst gedacht, jenes Arbutin,
das bei Blasen- und Nierenleiden, bei Diabetes etc. therapeu¬
tische Verwendung gefunden hat. Zufällige Beobachtungen
an Kranken dieser Art, deren Leiden mit Tuberkulose oder
Skrophulose kompliziert war, haben dann plötzlich dem Präpa¬
rate die Bahn als Tuberkuloseheilmittel gewiesen, weil diese
zufälligen Beobachtungen lehrten, dass bei tuberkulösen Kom¬
plikationen sich das Allgemeinbefinden bei Cellotropingebrauch
m einem ganz unverkennbaren Grade zum besseren wandte,
weil tuberaulöse Anschwellungen plötzlich sich rückzubilden
begannen, und weil schliesslich gelegentliche wiederholte mikro¬
skopische Untersuchungen eine ersichtliche Abnahme der Tu-
berRelbazillen erkennen liessen.
Um nun dem Wesen dieser ursprünglich rein zufälligen
Beobachtungen nacbzugehen, hat Aufrecht in Berlin*) eine
Anzahl exi^t wissenschaftlicher Experimentreihen durchgeführt,
in denen Kaninchen, Meerschweinchen oder Hunde mit Cello¬
tropin gefüttert oder mit Cellotropinemulsion intraperitoneal
oder intravenös oder subkutan behandelt wurden, nachdem sie
durch Injektionen hochvimlenter Reinkulturen von Tuberkel¬
bazillen tuberkulös infiziert waren.
Die überraschend markanten Ergebnisse dieser Versuchs¬
reihen, soweit sie für die Tuberkulosebehandlung von allge¬
meinem Interesse sind, lassen sich in Kürze dahin zusammen¬
fassen, dass
1 . „durch den Gebrauch von Cellotropin weder Funktions¬
störungen in den Stoffwechselprodukten noch toxische Funk-
tioDsstörnngen der Organe herbeigeführt werden"; dass
*) C. Vilmar; .Cellotropin, ein neues Heilmittel gegenTuberknlose''.
Reicbs-lfcd-Anz. 1904, Nr 16 n. 18.
2. „durch genügend hohe Dosen von Cellotropin — die
für Meerschweinchen bei 0,1 täglich zu liegen scheinen —
Tuberkelbildung unter allen Umständen verhindert wird“; dass
3. „das Wachstum der Tuberkelbazillen auch bei Anwen¬
dung ganz geringer Mengen Cellotropin merklich beeinflusst
wird“ (Experiment: Meerschweinchen nach der Injektion von
Tuberkelbazillen 0,005 Cellotropin nur jeden dritten Tag 1)
dass aber
4. „durch eine Vorbehandlung der Tiere mit Cellotropin
eine Immunisierung derselben gegen nachfolgende Injeküon
nicht zu erzielen ist. “ *)
Die Erscheinung des wirkungslosen Immunisierungsver¬
suches durch ein Verfahren, das sich auf die Hebung der
natürlichen Schutzkräfte stützt, dabei aber nur vor der In¬
fektion geübt wird und mit der Infektion zugleich erlischt,
steht nicht nur im Einklänge mit der g^enwärtigen Lehre
von den Heilungsvorgängen bei infektiösen Erkrankungen, son¬
dern sie steht geradezu als Stütze der gegenwärtigen Anschau¬
ungen. Diese verlangen unbedingt auch die Gegenwart der
Antikörper, die erst durch die Infektion aus ihren Verbindungen
in den Kreislauf gelangen, nach der Versuchsanordnung mit
dem negativen Immunisierungsergebnisse aber erst dann, wenn
die Bildung der gleichzeitig notwendigen Abwehrstoffe zweiter
Art, der Alexine, nicht nur nicht mehr gefördert wird, sondern
durch die frühere reiche Inanspruchnahme ihrer Biidungsele-
mente in der Spontanbildung vielleicht eher beschränkt ist.
Ueber weitere Ergebnisse der Cellotropin-Tuberkulosebe¬
handlung an Kranken hat dann, soweit mir bekannt ist, Kapp-
Berlin**) berichtet. Er hat mit vollem Nachdrucke das all¬
mähliche Geringerwerden und oftmalige gänzliche Verschwinden
der Tuberkelbazillen aus dem Sputum jener Kranken betont,
die genügend lange und gleichmäßig sich des Cellotropins be¬
dient hatten.
Ich selbst habe mich non des Cellotropin in der Tuberku¬
losebehandlung schon über Jahresfrist bedient, zunächst in
Fällen, bei denen nach der Prognose absolut nichts mehr zu
verlieren, war. Mir ist dabei ganz wohlbekannt, dass die
Prognose der Lungentuberkulose, allgemein gesprochen, den
weitesten Irrungen unterworfen ist. Habe ich doch im Be¬
kanntenkreise einen Fall, dem vor ungefähr zwei Dezennien
einer der grössten Kliniker des vergangenen Jahrhunderts nur
mehr eine auf Wochen begrenzte Lebensdauer zuerkannte, der
aber heute noch sich der irdischen Wonnen erfreut. Auf dem
Lande aber liegen die Verhältnisse doch einfacher. Hier, wo
nur das kraftstrotzende, arbeitsfähige Leben von Wert ist und
die Pflege der Tuberkulose fast ausnahmslos sich auf die ein¬
fachsten Formen beschränkt, ist der prognostische Irrtum
geradezu nur nach der Seite der Unterschätzung des Leidens
möglich.
*) Zitiert nach Vilmar 1. c.
**) Kapp-Berlin: Cellotropin, ein neues Tuberkulosebeilmittel. Med.
Rundschau 1904, Nr. 21.
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256
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr 23.
Der eine meiner Fülle betraf eine Arbeitersfrau, Mutter
von 4 ändern, in den vierziger Jahren, die nach der Anam¬
nese schon längere Zeit anderweitig in Behandlung gestanden
war, angeblich ohne Erfolg. Stat praes. Subjektiv: Kräfteab¬
nahme, Mattigkeitsgeföhl, nur mäßige Appetenz, viel Husten
mit reichem Auswurf, schlechter Schlaf, Nachtschweisse. Ob¬
jektiv: Mittelgross, mittelkräftig, abgemagert. Perkussion er¬
gibt beiderseits Spitzendämpfung, r. v. unter die Clavicula,
r. h. unter die Spin. scap. reichend. Auskultatorisch: Bron¬
chialatmen und helles Rasseln beiderseits über den Spitzen, rechts
auch diffus rauhes Atmen, Schnurren, Giemen; Vormittags¬
temperatur 38,0!
Auf Cellotropin die nächsten 14 Tage Va kg Gewichts¬
verlust, den. die nächsten 14 Tage wieder hereinbringen. Um
diese Zeit, Mitte Mai — also noch keine Sommerluft —, bei
noch geringen Temperaturschwankungen, erscheinen die Lungen¬
spitzen reiner, der Husten milder, der Auswurf geringer. Ende
Miii wird zum erstenmale eine Temperatur von 37 “ C beob-
aclitet. Patientin ist um 2 kg schwerer geworden. Die Diät
ist stets ziemlich die gleicharmselige geblieben, wie sie vor
Cellotropin gewesen, auch in Bezug auf die einzige Zubesse¬
rung: Milch. Die linke Lungenspitze wird anscheinend heller;
jUitte Juni ist letzteres auch zweifellos zu konstatieren. Am
25. Juni wird neuerlich leichte Temperaturerhöhung (37,5
morgens) beobachtet, die aber beim nächsten Wiedersehen
schon verschwunden ist. Von da an erscheint dann die Tempe¬
ratur ständig normal bis in den Spätherbst hinein, um welche
Zeit die Patientin die Gegend verlässt, den Winter bei ihren
Angehörigen zu verbringen. Die linke Lungenspitze ist gut
aufgehellt, lässt kaum angedeutetes Exspirium hören, auf der
rechten Seite ist das Dämpfungsgebiet bedeutend geringer.
Patientin ist kräftiger, die Nachtschweisse haben sich verloren,
Schweiss stellt sich nachts nur ein, wenn mitunter die Ruhe
einer Nacht von heftigem Husten gestört wird. Das ist doch
kein „Schweiss der Phthisiker“ mehr, und die manchmaligen
Hustenparoxismen haben eben im Schonungsmaogel auf dem
Lande ihre gelegentliche Ursache.
Also bei beiderseitiger tuberkulöser Erkrankung der
Lungenspitzen mit ziemlich bedeutender Infiltration, die schon
wochenlangen Fieberzustand gezeitigt hatte, hat hier das Cello¬
tropin eine recht schöne Wirkung erzielen lassen, eine Wir¬
kung, die um so höher anzuschlagen und eben dem Cellotropin
anzurechnen ist, weil einmal die Kranke keine andere Unter¬
stützung auch diätetischer Natur hatte, als vor der Cellotropin-
darreichung und dann, weil der erste und wichtigste Effekt in
Feuilleton.
Standesehre der Ärzte vor 100 .Jahren.
Von Dr. E. Roth.
Bei den vielfach verschiedenen Ansichten, wie weit ein
Jünger Aeskulaps gehen dürfe, ohne die Standesehre zu ver¬
letzen, wollen wir einmal uns um ein Säkulum zurückversetzen
und betrachten:
Johannis Lueti, practici Veronensis Ciarlatanaria medicorum
oder Marktschreyerey der gelehrten Aerzte mit Fleiss in ver¬
ständlich Teutsch gesetzt. Freysingen 1717; auf Kosten guter
Freunde. Klein 8®. 121 S.
Natürlich können wir den Inhalt in seiner Gesamtheit
nicht abdrucken, aber die zu zitierenden Stellen werden
hoffentlich genug Streiflichter auf die Anschauungsweise der
damaligen Welt werfen.
Die Marktschreyerey besteht in einer prächtigen Heraus¬
streichung geringer Arzneyen oder schlechter, einem jeden me-
clicinischen Handlanger möglicher Arztneykünste; ein jeder ge¬
lehrter Medicus aber machet sich ebenmäßiger Ceriduite theil-
hafftig, W'enn er, entweder von geringer medicinischer Weisheit
gross Woick machet, oder, W'as von einem lechtacljaffenen Me-
eine Zeit fällt, in der man von den aerischen Vorteilen des
Landlebens zu sprechen kaum eine Berechtigung hat.
Unter den von mir mit Cellotropin behandelten Tuberku-
lostikem sind noch zwei Fälle, bei denen am Anfänge der
Cellotropinbehandlung ziemlich bedeutende Temperatursteige¬
rang bestand, die sich auf Cellotropindarreichung in Wochen
legte.
Ein Sjähriger Knabe, hereditär belastet. Beide Eltern
stammen aus tuberkulösen Familien, ein Bruder starb an Tuber¬
kulose der Lungen, ein zweiter im Alter von 3 Jahren an tuber¬
kulöser Meningitis; der Kranke selbst ein schmächtiges, mageres
Bürschchen.
Anfangs Mai tritt das Kind in Behandlung. Der Anam¬
nese zufolge schon längere Zeit marod. doch wollte er nicht
zum Arzt. Nun liegt er über eine Woche „sehr heiss“ im
Bett, hat keinen Appetit, hustet viel mit Auswurf (eitrig
schleimig). Bei der ersten Untersuchung am 8. Mai Katarrh
auf beiden Lungen, über beiden Lungenspitzen, vorne über die
Clavicula, hinten über die Spina scapulae reichend, Dämpfung,
Bronchialatmen. Frühten^eratur 38,5. In früherer Kenntnis
der Familienverhältnisse Prognose infaust, umsomehr als Tu¬
berkelbazillen sehr bald im Sputum nachgewiesen wurden.
Und doch lebt das Kind heute, nachdem sein Fieber zuerst
wochenlang angehalten, und erst gegen Ende Juli allmählich
sich verlor. Bis Endo Juli ständiger Cellotropingebrauch, zu¬
meist 2 g im Tage, im ganzen also an 12 Wochen. Da schien
der Knabe den Eltern schon „lange genug“ behandelt und
ganz gesund zu sein, und tatsächli(m war er frisch, bei guter
Appetenz, konnte die Nächte ohne Husten und Schweiss regel¬
mäßig durchschlafen und verblieb so. Davon hatte ich Gelegen¬
heit mich Ende Oktober zu Überzeugen.
Der dritte Fall, eine 27jährige Häuslersfrau, Mutter zweier
Kinder. Mutter starb vor wenigen Jahren an Tuberkulose, die
Frau selbst ist mir seit ihrer Kindheit nahezu als „skrophulös
veranlagt“ bekannt. Pat. kommt anfangs April mit ver¬
schleppter Pneumonie in Behandlung. Das Infiltrat umfasst
beide Oberlappen. Zur gegebenen Zeit erfolgt weder kritischer
Temperatursturz, noch lässt sich mit dem Rückgänge des pneu¬
monischen Infiltrates eine bedeutende Temperaturabnahme kon¬
statieren, dagegen treten Nachtschweisse auf, Sputum enthält
Tuberkelbazillen. Neben den bisherigen Infusen vom Mai ab
Cellotropin, gleich vom Anbeginn 4V2 g pro Tag, bald 5 g,
also grosse Normaldosen. Am 20. Juni wiesen zum ersten¬
male Morgen- und Abendtemperatur normale Grenzen auf; sub¬
jektiv bei gut erhaltener Appetenz, tags übermäßigem und noch
morgens anhaltenderem Husten, ziemlich gutes Allgemeinbe-
dico zu praetendiren ist, vor anderen als ein besonderes donum
Del besitzen will.
Die Wohlanständigkeit lässt nicht zu, dass er solches so
unverschämt und handgreiffiich zu erkennen gebe, als ein ge¬
meiner Charlatan; Er muss daher seine Cbarlatanerie seinem
Stande einigermaßen proportionieren und, was jener öffentlich
und unter freyem Himmel thun darff, insgeheim m der Conver-
sation und den Gräntzen seines ordentlichen Berufes bewerck-
stelligen.eine besondere Tracht und Bedienung, eine
skrupulöse Diät, eine accessiv gelehrte Aufführung in Worten
und Geberden und so weiter, kann ohne unnöthige Depansen
gar leicht, auch bey sonst verständigen und klugen, ein be¬
sonderes Aufsehen erregen. . . .
Affen und Meerkatzen, Bazule (quid sit?) und Murmelthiere,
im Kasten oder an Ketten mit sich herumzuschleppen, oder
sich auf den Achseln nachtragen zu lassen, würde für einen
Doctorem medicinae nicht allzu rühmlich fallen: Allein rare
und unbrauchbare instrumenta chirurgica et mathematica, still¬
stehende perpetuum per se mobilia von Behemoth und Levi¬
athan, und andere dergleichen Raritäten, in seinem Cabinete
zu zeigen, kann einen Medicum leicht in besondere Admiration
setzen. . . .
.... Panaceen, Universaltinkturen, herrliche Polychrest-
mittel, mancherley Arcana, ungemeine Methoden allezeit ge¬
schwind, sicher und angenehm zu curiereu zu erfinden, sind
eitel Meisterstücke gelehrter medicorum. . . Es ist auch ver-
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1906.
MEDIGIKISCHS WOCHE.
257
finden, Nachtschweisse gering, manche Nacht gar nicht; noch
bedeutendes Mattigkeitsgefühl.
Bei weiteren Cellotropingaben, öfterer Lagerung im Freien,
ersichtliche Fortschritte im Befinden; die Kranke schien der
Besserung sicher. Die Tuberkelbazillen werden spärlicher im
Sputum, leider spärlicher auch meine Besuche.
Um der Ungeduld der Kranken entgegenzukommen, wird
anfangs August temporär Cellotropin ausgesetzt und durch
Kalium sulfoguaiacolicum substitutiert 30 g reichen für 8—12
Tage. Während der Zeit hat am Lande der Arzt bei einem
rekonvaleszenten Tuborkulotiker nicht viel zu suchen. Als ich
nun bei gelegentlichem Vorübergehen am 15. August unver¬
mutet ins Haus komme, finde ich die Kranke auf der Scheunen¬
tenne, mitten in den schweren Staubwolken der Druscharbeit,
im Luftzuge beider weitgeöffneten Gegentore!
(Fortsetzung folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
lievliner tnediciniHcJie GeHeUschaft.
Sitzung vom 9. Mai 1906.
Vor der Tagesordnung demonstriert Oberwarth ein Kind
mit congenitaler Lues, bei dem neben dem Hutchinson’schen
Symptomenkomplex zahlreiche Knochen- und Gelenkveränderungen
sich finden.
Tagesordnung;
Karewski: Ueber gebrauchsfertiges, dauernd
steriles, aseptisches Catgut.
E. bespricht die Schwierigkeiten, die sich bieten, um ein
obigen Anfordenmgen genügendes Catgut zu erzielen und be¬
schreibt die von ihm gemeinsam mit Rosenberg ausgearbeitete
Methode, nach der das Catgut mit Alkobolwasserdämpfen sterili¬
siert wird. Nach der Sterilisierung werden die besonders kon-
stmierten Glasröhren, in denen es sich befindet, zugeschmolzen,
und dann in mit Alkohol gefüllten Gefässen aufbewahrt, in denen
auch angebrochene Röhren steril gehalten werden können.
Disknssiion: Seeligmann berichtet über bacteriologische
Untersuchungen zur Prüfung dieses Catgut.
Schaefer betont, dass die bisher geübten Methoden hin¬
reichend gute Sorten Catgnt in mehrfacher Auswahl liefern, so
dass kein Bedürfnis für ein neues vorliegt.
Israel bestreitet die Sicherheit der Keimfreibeit des bisher
gelieferten Catguts.
Karewski betont im Schlusswort, dass sein aseptisch be¬
reitetes Catgut eine sichere Gewähr für dauernde Keimfreiheit
biete als das bisherige, antiseptisch bereitete.
Sitzung vom 16. Mai 1906.
Tagesordnung:
Kronthal: Ist Hysterie eine Nervenkrankheit?
Nach einem historischen Ueberblick präzisiert K. seinen Stand¬
punkt dahin, das Wesen der Hysterie zu sehen in einer krank¬
haften Reaktion der das Individuum konstituierenden Zellen an
bestimmten Orten. Etliche Zellkomplexe reagieren in falscher
Weise auf die Reize. Die Klagen der Patienten sind deshalb
nicht für falsch zu halten; sie haben in Wirklichkeit die an¬
gegebenen Empfindungen. Die Therapie muss dahin zielen, andere
Reize auf das Individuum einwirken zu lassen. In erster Linie
kommen in diesei Hinsicht in Betracht Aenderung der Umgebung
des Kranken und Stählung des ganzen Organismus.
Diskussion: Rothmann.
Holländer: Zur Behandlung der Schleimhaut-
tuberkulöse.
Die primäre ascendierende Tuberkulose der Luftwege ist nicht
so selten, wie man gemeinhin annimmt, und die Prognose solcher
Fälle weniger infaust. Manche Fälle sind der Heissluftbehand¬
lung zugänglich. Grosse Vorsicht mit der Canterisation erfordert
das Bindehauttnberkulom, weil die Bindehaut sehr leicht nekro¬
tisch wird. Von der Gauterisation ist weiter mit Erfolg Gebrauch
zu machen bei Erkrankungen der Synovia, bei Mastdarmaffektionen,
bei exstirpierten Fisteln. H. hat alle organischen Säuren dorch-
probiert, einschliesslich der Milchsäure, eine besondere Wirkung
aber nicht konstaläeren können. Leidliche Elrfolge brachten Snbli-
matumschläge, die zu Atrophie der Schleimhaut führen. Jodo¬
formgazetamponade ist weniger zu empfehlen, da dadurch zu sehr
die Sekretion angeregt wird. Die auf die Granulationen anfge-
tragene Jodtinktur hat nur einen mädigen Effekt. Ausgezeichnete
BIrfolge erzielte er dagegen mit der sonst verpönten Kombination
von Calomel mit Jod, in der Weise, dass kurz vor Bestäubung
der erkrankten Partieen mit Calomel Jodkali in 5%iger Lösung
innerlich gegeben wurde; noch in letzter Zeit konnte er so einen
Fall von schwerer Blasentnberkulose, der jeder Behandlung ge¬
trotzt hatte, zur Heilung bringen.
Diskassion: Hirschberg hat auch bei Augenaffektionen die
Kombination von Calomel und Jod mit Erfolg versucht. Das tuber¬
kulöse Ulcus der Cornea heilt gut unter Calomelbestänbung nach
vorheriger Jodeinnabme.
dächtig, wenn ein Medicus ohne Unterschied des T^es ein-,
zwey- bis dreymahl praecise um gewisse Zeit seine Patienten
ä la ronde besuchet, sie allemahl von vorne an examiniret und
nach gegebener frischer Ordre mit einem neuen Wunsche
baldiger Genesung juMu’ k revoir dem lieben Gott befiehlt
Offenbar ist der Handel, wenn ein Medicus auf der Gasse
läuft, als lägen alle seine Patienten in den letzten Zügen, oder
als wären derselben eine so grosse Menge, dass er nicht herum
kommen könnte: Oder wenn er den Begegnenden einen so
finstern Gegenschein giebt, als hätte er lanter so gefährliche
Kranke zu besorgen, dass ihm ihre äusserste Todesgefahr oder
unverwehrliche Abfahrt keinen freudigen Augenblick gönnten:
Oder aber, wenn er für grosser Herzensangst gar niemanden
ansehen kann, sondern continuirlich des Hippocratis Aphorismos
bey sich ruminirte, den morbum mit seinen symptomatibus
pro et contra überleget, und keinem Sinne einigen Augenblick
Freyheit vergönnet, seine so bekümmerte Seele zu distrahiren.
Das Leben der Menschen bestehet ja wie jeder Bauer weiss,
in beständiger Praeservation des menschlichen Leibes für würck-
licher Trübung durch bestäudige Absonderung und Anschaffung
der bereits verdorbenen und nöthige Anlegung ebenmäßig
verderblicher Materien: und der fiirtrefflichste medicus kann
zur Gesundheit der Menschen nichts mehr beytragen als die
zum Leben der Menschen nöthige secretiones und exeretiones
befördern, hemmen, und auf mancherley Weyse excitiren, so-
piren, moderiren und regiren: Und zwar insgeheim durch
solche quotidiana experientialegitimirte Mittel, die nicht das
geringste mechanische oder chymische Geschicke dazu haben. . .
Jede kleinste gelehrte Schrift eines Medici ist ein Rezept:
doch so klein das ist, so gross Charlatanerie kann damit ge¬
trieben werden, sowohl in Ansehung der Composition selbst als
auch der Signatur und Verordnung wegen. Viele setzen zum
Ruhme ihrer grossen Wissenschaft in materia medica eine gantze
Heerde gleichviel würckender Medikamente hintereinander her:
Andere lassen so ein Hauffen Arztneyen besonderer Natur
untereinander mischen, dass derjenige, so daraus die Intention
des Präscribentis errathen wolte, einen eigenen Oedy^s von
nöthen hätte; Noch andere machen durch eitel schwere Formeln
dem Apotheker die Composition so sauer, dass er schwören
möchte, er hielte ihre Wissenschaft in der Medicin für ebenso
sonderbar, als das verschriebene Recipe ungemein und wunder¬
lich ist. Es giebt gelehrte Medicos, die oey der geringsten
Mattigkeit der Patienten die kräfftigsten Herzstärckungen, im
Uebrigen aber nach Verlangen eitel besondere ßlutreimgungen,
herrliche schmertzenstillende, Stein-, Fieber-, Pestilentz- und
Schwerenoth vertreibende Artzneyen zu verordnen wissen.
Keine geringe gelehrte Charlatanerie ist es, wenn ein Me¬
dicus feine viel Kecepte verschreibet, die formulas medicomen-
tonim so viel ihm möglich ist, changiret, und dadurch zeigen
will, dass er nicht nur was Rechtes gelemet habe, sondern
auch die armen Kranken neben der durchgehends so angenehmen
Variation auch mit Artzneyen zu delectiren wisse.
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258
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 23.
Krause: Ein bemerkenswerter Fall von geheilter
Schussverletzung des Gehirns und Rrüokenmarks.
Nach Heilung der schweren Gehimverletzungen durch mehr¬
fache Operationen blieb bei dem Patienten eine schlaffe Lähmung
der unteren Extremitäten bestehen. Als deren Ursache wurde
ein Tumor oder eine Sequesterbildung der Wirbelsäule angenommen.
Die Operation ergab nichts derartiges, sondern an der nach den
Erscheinungen bestimmten Stelle nur eine circumscripte seröse
Meningitis. Dieselbe heilte nnter Tamponade, wodurch auch Hei¬
lung des Erankheitsbildes erzielt wurde.
Kongressbericht.
23. Kongress für innere Medidn
vom 28. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
2. Sitzungstag.
Herr Hering-Prag: Die Unregelmäßigkeiten der Herz-
t ä t i gkeit.
Bei der Analyse der HerzunregelmäOigkeiten ist man in der
Lage, das Tierexperiment mit der klinischen Beobachtung in weit¬
gehendem Maße in Vergleich ziehen zu können, denn das Herz ist
ein Organ, das beim Menschen und bei den Säugetieren prinzipiell
gleichartig ist. So konnte man an den künstlich wiederbelebten
menschlichen Herzen bisher keine einzige Beobachtung maoheu,
die nicht vom Säugetierherzen bekannt gewesen wäre. Die Fort¬
schritte in der Analyse der Herznnregelmäßigkeiten verdanken wir
in erster Linie den experimentellen Untersuchungen.
Die bisher beim Menschen bekannten Herzunregelmäßigkeiten
lassen sich, ohne dass man bei dieser Einteilung auf eine der be¬
stehenden Theorien der Herztätigkeit Bezug nimmt, in folgender
Weise gruppieren:
1. Pulsns irregularis respiratorius.
2. Extrasystolische Unregelmäßigkeiten.
3. Pulsus irregularis perpetnus.
4. Ueberleitungsstörungen,
5. Pulsus altemans.
1 . Die respiratorische Herzarrhythmie ist nur dann patholo-
logisch, wenn sie schon bei leichter Atmung stark hervortritt, oder
wenn sie auch bei absichtlich sistierter Atmung, wenngleich abge¬
schwächt, bestehen bleibt. Sie scheint normaler Weise bei jugend¬
lichen Individuen stark ausgeprägt zu sein.
Mit Mackenzie einen besonders infantilen Typhus der
Herzunregelmäßigkeiten aufzustellen, scheint vorläufig nicht not-
Die medicinischen Berichte, welche zuweilen von den
Patienten verlangt werden, sind weitläuffiger, als die Recepte
und dahero auch ein grösserer Tummelplatz für medicinische
Charlatans. Denn hier kann man nicht allein aus einer Mücke
einen Elephanten, aus einem schlechten ein gifftiges Fieber,
aus einem simplen, eine skorbutische Krankheit machen, sondern
auch von der Ursaclie der Kranckheiten, astrologie, chymice,
mechanice oder wie man will raisonniren, seinen ganzen phar-
maceutischen Schatzkasten auspacken, Pulver, Latwergen, Spiri¬
tus, Tränckleiü, Pillen, Vomitive, Purgantien, kalte und warme
Bäder und so ferner verordnen, ja an allen Ecken und Enden
zeigen, was für ein kostbares Archiv medicinischer Weisheit in
unserm Hertzen verborgen liege. . . —
Wenig Remedia machen wenig Parade und schlechte ge¬
meine Hülffsmittel finden so wenig Credit bei Leuten von qualit6,
als dorten das wider den Aussatz recommandirte Wasser des
Jordans beym syrischen Hauptmann.
Sollten medicinische Berichte publice oder gar auff publique
Verordnung der Obrigkeit durch öffentlichen Druck bekannt
gemacht werden, wie oisweilen in Pestzeiten und Landstaupen
zu geschehen pflegt, so ist die Gelegenheit grösser durch gelehrte
Charlatanerie sich bey den Leuten in eine besondere Opinion
medicinischer Gelehrsamkeit zu setzen, um in den Hertzen
leichtgläubiger und unvorsichtiger Personen neue Conqu^te zu
machen. (Schluss folgt.)
wendig: die Mackenzieechen Fälle eutaprechen wohl dem Puls,
irregul. respir.
Puls, irregul. respir. wurde besonders in der Rekonv^essens
nach fieberhaften Erkrankungen, bei Neurasthenie und bei Gebirn-
erkrankungen mit Reizung des Vaguszentrums beobachtet
Puls, irregul. respir. bei organischen Herzerkrankungen steht
mit diesen in keinem ursächlichen Zusammenhang. Bei zwei Patien¬
ten mit Mitralfehlern sah Hering die respiratorische Arrhythmie
auch während Atemstillstand stark ausgebüdet, nachdem infolge
Digalen- bezw. Strophantusverabreichung eine leichte Bradykartie
eingetreten war.
Die respiratorische Arrythmie bei der Rekonvaleszentenbrady-
kartie, sowie diese Bradykartie selbst, sind nicht als Zeichen einer
Herzschwäche aufzufassen.
Die klinische Bedeutung des Puls, irregul respir. besteht
darin, dass sein stärkeres • Hervortreten auf eine erhöhte Erreg¬
barkeit des ihn vermittelnden Nervensystems hindeutet. Ferner
beweist das Bestehen eines Puls, irregul respir. das Vorhandensein
eines Tonus der herzhemmenden Vagusfasem.
Die Funktionsprüfung dieser Fasern mittels des Nachweises
eines Puls, irregul respir. ist viel einfacher als die mittels des
Nachweises einer Erhöhung der Herzfrequenz nach einer Atropin¬
injektion.
2. Mit Rücksicht auf den Angriffspunkt des die Extrasystolen
auslösenden Reizes haben wir beim Menschen aurikuläre, atrio¬
ventrikuläre und ventrikuläre Elxtrasystolen zu unterscheiden. Die
Diagnose des Angriffspunktes wird ermöglicht durch die gleich¬
zeitig mit der Verzeichnung des Arterienpulses bezw. Herzstosses
vorgenommene graphische Aufnahme des Venenpulses, falls dieser
ein Vorhofvenenpuls ist.
Ventrikuläre Elztrasystolen können sich unter Umständen
zwischen zwei normalen Systolen einschieben, ohne den bestehenden
Rhythmus wesentlich zu stören (interpolierte Extrasystole). Mit¬
unter löst eine ventrikuläre Extrasystole rückläufig eine Vorhof¬
extrasystole (retrograde Extrasystole).
Nach ^ering8 Erfahrungen sind die ventrikulären und atrio¬
ventrikulären Extrasystolen häufiger als die aurikulären.
Dass die normalen Ursprungsreize unter Umständen als Extra¬
reize fungieren können, ist unwahrscheinlich.
Was die Natur der Extrareize anbelangt, so gibt es sicher
mechanische Extrareize. Wenn es bei Einwirkung chemischer
Stoffe auf das Herz zu Extrasystolen kommt, so muss man bedenken,
dass diese Stoffe auch die Anspruchsfähigkeit des Herzens erhöben
können. Nach Herings Erfahrungen am künstlich durchströmten
isolierten Sängetierherzen bedingen die Stoffe der Digitalisgruppe
sowie das Calcium das Auftreten von Extrasystolen in ähnlicher
Weise, wie dies die Erwärmimg des Herzens oder Akzeleransreizung
tut, nämlich wesentlich durch Erhöhung der Ansprachsfähigkeit
des Herzens.
Auf nervösem Wege können Extrasystolen nur insofern zu¬
stande kommen, als die Erregung vasokonstriktorischer Nerven
durch Erhöhung des Widerstandes für die Entleerung des linken
Ventrikels zum Auftreten von Extrasystolen führen kann.
Zwischen der kontinuierlichen Bigeminie und sporadischen
Bigeminie besteht kein prinzipieller Unterschied.
Das Auftreten zweier (Trigeminus) oder dreier (Quadrigeminus)
oder einer ganzen Reihe von Extrasystolen unmittelbar nadiein-
ander (extrasystolische Tachikardie) ist seltener zu beobachten.
Die Angabe Mackenzies, bei drei FäUen von paroxysmaler
Tachykardie Kammerveuenpuls beobachtet zu haben, scheint nicht
hinreichend begründet.
Die klinische Bedeutung der Extrasystole liegt weniger in
der durch sie gesetzten Funktionsstörung, als vielmehr darin, dass
sie bei gehäuftem Auftreten entweder eine grössere Wirksamkeit
ihrer Ursache oder eine grössere Reizbarkeit des Herzens verrät.
Ihre Kenntnis ist bedeutungsvoll, um Verwechslungen mit anderen
Unregelmäßigkeiten zu vermeiden.
. Dem Herzflimmem, bisher beim Menschen und am künstlich
wiederbelebten Herzen beobachtet, kommt vielleicht insofern für
die menschliche Pathologie eine Bedeutung zu, als man es nach
den experimentellen Erfahrungen als möglich bezeichnen muss,
dass mancher plötzliche Tod durch Herzlähmung durch Auftreten
von Herzflimmem bedingt sein könnte.
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1006.
MEDtCIKISCHfi WOCHE.
259
3. Unter Pulsos irregularis perpetuus versteht Hering „den
gewöhnlich andauernd unregelmäßigen Puls, welcher, ob das Herz
raschör oder langsamer schlägt, immer prinzipiell gleichartig ist,
nicht unter dem Einflass der Atmung entsteht und si<di weiterhin
dadurch auszoichnet, dass kürzere oder längere Pulsperioden in
solch unregelmäßiger Weise sich folgen, wie es bei keiner anderen
Unregelmäßigkeit der Fall ist.**
Bisher fand Hering den Puls. irreguL perpet. stets mit Eammer-
venenpuls kompiniert, ein Umstand, der die vollständige Analyse
dieser Herzunregelmäßigkeit verhindert. Es handelt sich beim
Puls, irregul. perpet. wahrscheinlich ausser um Extrasystolen vor¬
wiegend um eine zeitlich abnorme Bildung der Ursprungsreize.
Bei Erhöhung der Herzfrequenz nach Atropininjektion bleibt
er bestehen und während tachykartischer Anfklle war der Puls,
irregul. perpet. zwar schwächer ausgeprägt, aber immerhin noch
deutlich nachweisbar.
Bei an sich schon herabgesetzter, oder durch Digitalis ver¬
minderter Herzfrequenz erscheint der Puls, irregul. perpet. in prin¬
zipiell gleicher Form; nur pflegen im allgemeinen mehr lange als
kurze Perioden vorhanden zu sein.
Dass der Puls, irregul. poipet. sich bei Insufflzenz der Mitral¬
klappen ohne Insufflzenz der Trikuspidallklappen nicht beobachten
lässt, liegt vermutlich darin, dass sich normalerweise nur im rechten
Vorhoi die Ursprungsreize des Herzens entwickeln.
(Fortsetzungf folgt.)
35» Kongress der DetUschen OeseUschaft
fütr CMntrgie»
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Bardenhener-Köln: Zur Behandlung der Ge¬
lenk f rakturen.
Die Knochenfragmente unterliegen nach einer Fraktur der
elastischen Retraktion der an ihnen ansetzenden Muskeln. Da
diese in verschiedenen Richtungen wirken, so sei eine Extension
in longitudinaler Richtung ungenügend. Er hält 4 Elxtensionsarten
für notwendig: die laterale, die rotierende, die abhebende und die
longitudinale. Wie diese verschiedenen Extensionsarten wirken,
hat der Redner auf dem Projektionsabend an zahlreichen Licht¬
bildern demonstriert.
ln seinem Vortrage rühmt er vor allem die günstige Wirkung
der Extensionsbehandlung bei Schultergelenkbrüchen. Hier ge¬
stattet sie die Aufnahme einer g 3 rmnastischen Behandlung vom
ersten Tage an, ohne dass hierdurch die Heiltmg der Fraktur so¬
wie des traumatisch entzündeten Gelenks gestört wird. Durch
die frühzeitig eingeleitete Behandlimg werden alle Nachteile ver¬
mieden, welche die laugdauemde Fixierung eines Gelenkes im
Gefolge hat. Die Resultate der Extensionsbehandlung bei den
Schultergelenkbrüchen seien sehr gute und machten die blutige
Naht der Fragmente überflüssig, die nur für die Fälle der Schalter¬
brüche in Betracht kämen, bei denen das intraartikuläre Fragment
vollkommen umgedreht wäre, so dass die Knorpelfläche des Hu-
meruskopfes gegen die Bruchfläche des distalen Fragments ge¬
wendet wäre.
Hr. Lex er-Königsberg: Zur Behandlung der typischen
Radiusfraktur.
Die bisher l}evorzngten Methoden hätten den Nachteil, dass
sie entweder das Handgelenk zu lange fixierten, oder dass sie,
wie die Petersen’sche Methode, zu grosse Ansprüche an die
Intelligenz der Patienten stellten. Er empfiehlt den Arm in
staike Fronation und Flexion zu stellen und in dieser Stellung
durch eine nach bestimmtem Prinzip angelegte Flauellbinde zu
fixieren. Es genüge, diese Binde 5—7 Tage bei täglichem
Wechsel anzulegen, dann .sei die Fraktur meistens genügend
konsolidiert und könne dann mit Massage etc. weiterbebandelt
werden. Demonstration des Verbandes.
Hr. M. V. Brunn-Tübingen: Ueber das Schicksal des
Silberdrahtes bei der offenen Naht der gebrochenen
Patell a.
V. B. hat aus dem Material der v. Brun’sehen Klinik 12
Fälle von Kuiescheibenbrüchen, welche mit Silberdraht genäht
worden waren, einer Nachuntersuchung unterzogen, um festzu¬
stellen, wie äoh im Laufe der Jahre der Silberdraht verändert.
Es zeigte sich, dass er nur in einem einzigen Falle zur knöchernen
Heilung geführt hatte, ohne zu zerbrechen oder aus den Bruch¬
stücken auszureissen. ln einem Falle war er aus den Bruchstücken
ausgerissen, in allen übrigen Fällen zerrissen oder sogar meist in
zahlreiche Teile zerbrochen. In drei Fällen waren Drahtstttcke
ins Gelenk geraten und hatten sich hier zumeist entweder im
hinteren Recess oder in der Umschlagfalte der Gelenkkapsel auf
die Tibia abgelagert. Knöchern geheilt waren im ganzen drei
Fälle, bei zwei weiteren Hess sich nur noch durch das Röntgen¬
bild eine minimale Diastase feststellen. In allen übrigen Fällen
waren schon durch die äussere Untersuchung Diastasen nachweis¬
bar. Die Bruchstücke des Drahtes hatten in der Regel nicht zu
einer Beeinträchtigung des Heilerfolges geführt. Inunerhin klagten
eine Anzahl Patienten über stechende Schmerzen, darunter auch
zwei von denen, welche Drahtstücke in ihrem Kniegelenk be¬
herbergten. Die volle Streckfähigkeit war nur bei einem sehr
spät und wegen Refraktur genähten Falle bei gerissenen Drähten
nicht wieder hergestellt, bei zwei anderen, die ebenfalls beträcht¬
liche Diastase aufwiesen, bestand eine Streckschwäche bei starker
Belastung des Beines. Die Zerstückelung des Drahtes geschieht
wahrscheinlich nicht durdi Zerreissen, sondern durch Zerbrechen.
Di skussion.
Hr. Krönlein-Zürich hat mit der Naht bei Kniescheiben¬
brüchen gelegentlich schlechte Erfahrungen gemacht und ist da¬
her wieder zu den unblutigen Methoden der Behandlung der
Patellafrakturen zurückgekehrt.
Hr. Lex er-Königsberg: Ueber die Cysten der langen
Röhre nknoche n.
Die Pathogenese dieser Geschwülste sei noch nicht geklärt;
es gäbe eine Anzahl von Autoren, welche glaubten, dass es sich
in diesen Fällen nicht um eine echte GeschwulstbUdung handle,
dass vielmehr eine deformierende und destruierende Ostitis vor¬
liege. Redner berichtet über einen 14jährigen Knaben, bei dem
nach längerer Zeit nach einer Kontusion eine Auftreibung des
rechten Humerus auftrat. Lexer diagnostizierte eine Knochen-
cyste. Er legte den Knochen frei; da derselbe sehr verdünnt
war, wurde das erkrankte Stück in der Continuität reseziert. Der
Defekt wurde durch ein Stück einer Fibula, das durch Amputation
eines anderen gewonnen war, gedeckt. trat glatte Heilung
ein. Die mikroskopische Untersuchung ergab, das in dem restier-
enden Knochen an verschiedenen Stellen Knorpelinseln gefunden
wurden. Daraus glaubt Lexer schliessen zu dürfen, dass es sich
in seinem Falle um eine echte Geschwulst, und zwar um ein er¬
weichtes Chondrom gehandelt habe.
(Fortsetzung folgt).
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Wirtschaftliche Fragen verschiedenster Natur haben in der
jüngsten Zeit die ärztlichen Vereine und die ärztliche Presse
beschäftigt. Vielfache Beachtung findet die Denkschrift, in welcher
der Allgemeine Deutsche Knappschaftsverband zu den
Forderungen der Aerzte Stellung nimmi Dieser Verband
erstreckt sich über ganz Deutschland und umfasst mehr als
700000 Zwangsversicherte mit deren Familien annähernd 1*/» Million
kurberechtigte Personen. Begreiflich daher, dass es für die Aorzte-
schaft von hohem Interesse war, die Anschauungen des Verbandes
kennen zu lernen, zumal vor einiger Zeit wie wir auch in diesem
Blatte erwähnt haben, im Reichstage durch die Vertreter der
Bergarbeiter die freie Aerztewahl für diese gefordert worden war.
Der Verband fasst seine Ansichten in folgende Sätze zusammen:
Wir sind der Ansicht, dass die freie Aerztewahl im Sinne der
organisierten Aerzte für die meisten Krankenkassen namentlich
aber für die Knappschaftskassen undurchführbar ist, haben jedoch
kein Interesse daran, ihre Einführung bei anderen Krankenkassen
zu bekämpfen oder ihre Abschaffung bei denjenigen Kassen zu
erstreben, welche sie bereits eingeführt haben; wir-,^haltenjdie
Regelung der ärztlichen Leistungen nach den Mindestsätzen der
staatlichen Gebührenordnungen für eine Unmöglichkeit, bringen
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260
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 23.
aber den Bestrebungen der Aerzte auf Verbesserung ihrer wirt¬
schaftlichen Lage an sich volles Verständnis entgegen; wir wider¬
streben der gesetzlichen Einführung sog. Vertragskommissionen; für
einen derartigen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Kassen ist ein
ausreichender Grund nicht gegeben. Es ist uns unmöglich, auf die
Begründung dieser Stellungnahme hier näher einzugehen; wir wollen
nur hervorheben, dass die Denkschrift teilweise von einer bedauerns¬
werten Unkenntnis der Vorgänge des letzten Jahrzehntes aber auch
von einem erheblichen Mangel sozial-politischen Verständnisses zeugt.
Denkschriften wie die hier vorliegende liefern unseres Erachtens den
Gegnern der Selbstverwaltung der Kassen, die nicht gering an Zahl
sind, geradezu Waffen in die Hand,
Längst schon haben einsichtige SozialpoUtiker und Aerzte
erkannt, dass zum Ausbau der Gewer behy giene eine dauernde
und geregelte Mitwirkung der Aerzte bei derselben in selb¬
ständiger Stellung notwendig sei. Die Regierungen, namentlich
die preussische, haben sich leider dieser Forderung gegenüber stets
ablehnend verhalten. Nun hat die Kommission für Arbeiterhygiene
des Aerztlichen Bezirksvereins München eine Reihe von Leitsätzen
formuliert, die den bayrischen Ministerien unterbreitet worden sind
und doch eventuell den Ausgangspunkt weiteren Vorgehens bilden
dürften. l.>ie Leitsätze, welche sich mit der Ausbildung und der
Arbeitstätigkeit des Gewerbearztes befassen, lauteten wie folgt:
A. Ausbildung.
1. Es ist erforderlich, dass der Gewerbearzt aus der Reihe
der praktischen Aerzte gewählt wird, wobei eine mehrjährige
kassenärztliche Tätigkeit unbedingt nachgewiesen werden muss.
2. Es muss verlangt werden, dass der anzustellende Gewerbe-
ai-zt mindestens 1 Semester an einem hygienischen Institute Vor¬
lesungen über Gewerbebyglene gehört und an praktischen hygienischen
Kursen teilgenommen hat.
3. Aerzte, die bereits wissenschaftlich-literarisch auf dem Ge¬
biete der Gewerbehygiene hervorgetreten sind, erhalten den Vorzug.
4. Während der Ausbildungszeit soll den Kandidaten wenn
möglich Gelegenheit geboten werden, Fabriken in Begleitung des
Gewerbeaufsichtbeamten zwecks Orientierung zu besuchen.
5. Es wäre zweckmäßig, wenn die Anstellung zunächst probe¬
weise auf 1 — 2 Jahre erfolgen würde. Während dieser Probezeit
sollte der Gewerbearzt seine Ausbildung in technologischer und
nationalökonomischer Beziehung vervollständigen. Die abgelieferten
Berichte der Probezeit könnten als Maßstab für seine Beftlhigung
gelten.
6. Die weiter anzustellenden Gewerbeärzte sollen gehalten
sein, bei dem bereits im Amte befindlichen '/,Jahr zu hospitieren.
7. Wünschenswert wäre es, wenn in der Zukunft die Gewerbe¬
krankheiten einen besonderen Prüfungsgegenstand in der Prüfung
pro physicatu bilden würden.
B. Arbeitstätigkeit des definitiv angestellten Gewerbearztes.
1. Hauptaufgabe des Gewerbearztes ist die selbständige
Aufsicht über die Durchführung der in der Gewerbeordnung zum
hygienischen Schutze der Arbeiter getroffenen Maßnahmen,
insbesondere die Ueberwachung der Bestimmungen aus § 120a—e
des Gewerbegesetzes einschliesslich derjenigen Vorschriften, die
auf Grund des § 120e vom Bundesrate und anderen Verwaltungs¬
behörden erlassen sind, wie der die Wöchnerinnen (§ 137) und
die jugendlichen Arbeiter (139a) und Kinder betreffenden Be¬
stimmungen.
Soweit die vorhandenen Bestimmungen sich als nicht ausreichend
erweisen, ist er berechtigt, auf Gnmd des vorzulegenden Materials
in seinen Berichten Vorschläge zur Abänderung oder Erweiterung
der bis jetzt geltenden Bestimmungen zu machen.
2. Der Gewerbearzt hat das Recht, die Betriebe selbständig
nach eigenem Ennessen zu besichtigen und dabei auch eine körper¬
liche Inspektion der Arbeiter, sofern .sie sich dazu bereit finden
und die für eine solche Untersuchung üblichen Cautelen gewahrt
bleiben, vorzunehmen.
3. Er hat die Pflicht, auf Wunsch des Fabrikinspektors Be¬
triebe zu besichtigen und Gutachten zu erstatten.
4. Für seine Aufsichtstätigkeit gelten die für den Gewerbe-
aufsichtsbeamten ein.schlägigen Bestimmungen. Er ist verpflichtet,
über seine Beobachtungen an den Fabrikinspektor zu berichten.
Der Jahresbericht des Gewerbearztes hat als Anhang des
allgemeinen Jahresberichtes gesondert zu erscheinen.
5. Zu wichtigen Untersuchungen, die einen besonderen wissen¬
schaftlichen Apparat erfordern, ist er befugt, die Hilfe der dafür
geeigneten staatJichen Untersuchungsstellen in Anspruch zu nehmen.
6 . Da bei den vorgesehenen Aufgaben jede weitere ärztliche
Tätigkeit als prak. Arzt in Wegfall kommen muss und damit alle
die daraus resultierenden Einnahmen entfallen, andererseits nur
Aerzte mit mehrjähriger praktischer Tätigkeit für die Stellung
in Betracht kommen, so werden voraussichtlich nur dann geeignete
Persönlichkeiten gewonnen werden, wenn das Jahresgehalt auf ein
Anfangsgehalt von 6000 M. mit entsprechender Pensionsberechtigung
bei definitiver Anstellung normiert wird.
Vielfach geklagt wird über die wirtschaftliche Lage der
Schiffsärzte, die bei der deutschen Handelsflotte wesentlich
schlechter gestellt sind als bei anderen Nationen. Namentlidi
wird übel vermerkt, dass einzelne Gesellschaften den Schiffsärzten
neuerdings verboten haben, bei Kajütenpassagieren extra zu liqui¬
dieren, was uns allerdings auch nicht ganz eiuwandsfrei scheint.
Der angenblickliche Moment wird für günstig gehalten, um die
Lage der Schiffsärzte zu bessern, da gegenwärtig in Folge der
Einführung des praktischen Jahres die Zahl der sich für diesen
Dienst meldenden Gollegen eine kaum ausreichende ist. Auch
wird angestrebt, die ganze Vermittlung der Schiffsarztstellen dem
Leipziger Verbände zu übertragen. Auf dessen demnächstiger
Generalversammlung in Halle soll die Angelegenheit zur Beratung
kommen.
Unnütz viel Staub aufgewirbelt wird unseres Erachtens durch
eine langatmige Erörterung über die Honorierung der von
reisenden Aerzten erteilten Hilfe. Es ist zweifellos zu
verurteilen, wenn ein Arzt auf 'seiner Erholungsreise Praxis aas¬
zuüben sucht und dadurch die angesessenen CoUegen schädigt,
dieser Fall wird wohl aber höchst selten eintreten, denn welcher
Arzt wäre nicht froh, einige Wochen des Jahres wenigstens gar-
nichts von Patienten zu sehen und von Praxis zu hören? Nun
kommt es aber auch häufig vor, dass Aerzte sich an Orten aufbalten,
wo angesessene CoUegen schwer oder gamicht zu erreichen sind,
wo der einzige ansässige Arzt sei es mit Recht oder mit Unrecht
das Vertrauen der Bevölkerung und der Kurgäste nicht geniesat
oder sich verscherzt hat, es tritt namentlich oft im Auslande der
Fall eiu, dass dort sich aufhaltende Deutsche begründete Veran-
lassnng haben, sich von ihrem Landsmann beraten zu sehen. In
all den vorgenannten Fällen ist der reisende Arzt zweifellos berech¬
tigt, Honorar zu fordern resp. anzuuehmen; Arbeit und Verantwortung
olme Gegenleistung zu übernehmen, dazu liegt gar kein Grund
vor; zu solcher niemals sehr angenehmen und oft undankbaren'
Tätigkeit drängen wird sich wahrlich kein CoUege.
Als eine wirtschaftliche Frage möchten wir es auch betrachten,
wenn sich neuerdings die Aerzte vielfach mit den Modalitäten der
Verleihung des Sanitätsratstitels beschäftigen. Es wird
gerügt, dass absolut nicht zu ersehen ist, nach welchen Normen
dieser Titel verliehen wird, und gefordert, dass ebenso wie bei
Richtern und Rechtsanwälten mit der Verleihung des Alterstitels
streng nach der Anciennität verfahren wird. Diese Forderung er¬
scheint uns durchaus berechtigt, so lange man sich nicht entschliessen
kann, überhaupt die Abschaffung dieser Titel zu verlangen. So
gut es in anderen deutschen Bundesstaaten mit dem einfachen
Doktor geht, könnte es auch bei uns der Fall sein. Leider aber
dürften sich wohl die preussischen Aerztekammem, in welchen ja
die betitelten Herren die Majorität haben, zu einem solchen radi¬
kalen Vorgehen kaum entschliessen.
Vermischtes.
FrBiburg (Schweiz). Der Grosse Rat bat einen Kredit von
110000 Fr. bewilligt für Errichtung einer Augenheilanstalt. Die
Kosten sind auf 300 000 Fr. veranschlagt. Zwei Drittel davon
werden durch eine Gesellschaft gedeckt, die ein Kapital von
150000 Fr. besitzt. Die Augenklinik soll den Anfang bilden zur
Schöpfung einer Fakult«ät der Medicin.
VerauiwortUcher Redakteur: Dr. P. Meissner, BerlinW. Kurfürstenstr. 81. — Verlaj; ^on Carl Marhold, Halle a. S.
Ontek TOn der HejmeBann'tcben Bncbdruckerei, Gebt Wolff, Halle a.S.
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Medicinische Woche
Dcatsehmana, A. DBbrssen« A. Hotfa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg 1. Bt.
H. Senator* R. Sommer*
Berlin. Glessen.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen* K. Partscb, H. Rosln, H. Schlange.
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricbt, A. Vosslas*
Magdeburg. Glessen.
1
Verlag und Expedition
Carl Marhold in Halle a* 5*« Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Redaktion:
Berlin W* 62* KarfCrstenstrasse 81*
Dr. P Meißner.
Vn. Jahi^ang.
11. Juni 1906.
Nr. 24.
Die .Medicinische Woche* erscheint Jeden Montag mit der Utigigen Beilage BalnCOlOgiSChe Centralzeltung, Organ des Allgemeinen Deutschen
Bfiderverbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 2S PI. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a. S. entgegen. Inserate werden fUr
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit SO Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezellc 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmlSIgung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Cellotropiii (Monobenzoylarbutin)
als Tuberkulosenheilinittel.
Von Med. univ. Dr. Wilhelm Meithner,
Distriktarzt in Wostitz (Mähren).
(Fortsetzung.)
Das ist leider der Typus der wahnsinnigen Dummheit, die
am Lande die erdrückende Mehrheit der anscheinend oder auch
ersichtlich heilbaren Tuberkulosekranken dennoch in Bälde dem
verderblichen Ende zuführt, eine Dummheit, an der alle Ver>
suche mit Volksheilstätten für die „Tuberkulose im Volke“
etwas auszurichten, eitel scheitern werden und scheitern müssen,
es wäre denn, dass die Ausgangstüre aus dem Volksheilstätten¬
heim die Eingangstüre zu einem unter Bewachung stehenden
Versoi^ngsheime für Tuberkulöse aus dem Volke wäre.
me oftmals und wie lange im einzelnen derartige ver-
hän^svolle Irrungen von der Franken begangen wurden, das
erfahrt kein Arzt, auch von der Umgebung nicht. Schliesslich
gewöhnt man sichs ab, darnach zu fragen. Am 20. August
morgens wurde ich eilig zur Kranken gerufen, bei der nachts
heftigesSeitenstechen au^etreten war. Rechts lateral pleuritisches
Reiben, Fieber; bald ^udatbildung. Langsam, in Wochen
saugt sich das Exndat auf, aber unter Fieber bleibt besonders
rechts oben eine neuerlich verbreiterte Dämpfnn^szone, mit
Bronchialatmen, hellem Rasseln und allen Erscheinungen des
Wiederaufflammens der Tuberkulose. Herbstzeit; kühl, nass.
Die Kranke liegt in der Küche, in der auch fürs Vieh gekocht
wird; jede Ausrede ist gut genug sie dort zu halten und nicht
ins Zimmer zu betten; im November Exitus lethalis.
Also auch in diesem Falle, bei jener Form des manifesten
Tuberknloseanfanges, der — wenigstens nach meiner eigenen
Erfahrung — promostisch am ungünstigsten zu beurteilen ist,
wenn die ersten Tnberkulosesymptome im unmittelbaren An¬
schlüsse an aknt-febrile Erkrankungen des Respirationstraktes
manifest werden, die Tuberkulose also nicht eigentlich als
primäre Erkrankung sondern als ausgelöste erscheint, die dann
meist subakuten Verlauf mit ungünstigem Ende nimmt: also
auch in diesem Falle bat das Cellotropin nach 3 Monaten
Entfieberung bewirkt, Stillstand des Prozesses erzielt, Beschrän¬
kung und Aufhellung des Dämpfnngsgebietes beobachten lassen,
unter Verringerung des Hustens una des Auswurfes und gleich¬
zeitiger Sistierung der Nachtschweise. Subjektiv und objektiv
war die gewaltige Umänderung des Allgemeinbefindens kennt¬
lich und mikroskopisch zweifellos eine bedeutende Abnahme
der Tuberkelbazillen festzustellen.
Es ist eigentlich eigenartig, dass Besprechungen von Tuber¬
kuloseheilpräparaten sich so selten mit Beobachtungen des
Sputum in Bezug auf den Bazillengehalt befassen und weit
mehr nur mit der Beeinflussung der anderen subjektiven und
objektiven Krankheitssymptome, zweifellos auf Grund des in¬
vertierten Satzes: cessante effectu cessavit et causa, in meinem
Falle soweit zutreffend, dass die Juli-Augustpräparate eine
entschiedene Abnahme der Bazillen aufwiesen: aber Bazillen
waren stets darin.
In dieser Hinsicht waren andere Beobachter, die oft in
kurzer Frist bazillenfroie Sputa erlangten, so z. B. schon
Kapp (1. c.), weit glücklicher, vielleicht auch deshalb, weil
ich eben nur in diesem einzigen schweren Falle systematisch
auf Tuberkelbazillen untersucht, nachdem einmal durch die
erste diagnostische Untersuchung der Grund gelegt war und
weil das Sputum stets leicht zu beschaffen war. Bei dem vor¬
her besprochenen Knaben dagegen war, sobald er einmal am¬
bulant wurde, trotz mehrfacher Versuche ein brauchbares
Sputum nicht mehr zu erhalten.
Kapp sah wiederholt bei Patienten, selbst mit ursprüng¬
lich bazillenreichem Sputum, in nur mehrwöchentlicher Frist
die Sputa bazillenfrei werden. Dr. Wessling-Pinne sah einen
Kranken, der, seit mehreren Jahren leidend, erfolglos in einer
Volksheilstätte und auch in Gröbersdorf gewesen war, erfolglos
mit Zimmteäure, Sauerstoff, Tuberkuloalbuniin etc. behandelt
wurde. Auf Cellotropin allmählich in Monaten vollständiges
Verschwinden der Tuberkelbazillen aus dem Sputum. Auch
bei einem zweiten Fall von chronischer Tuberkulose sah Wess-
ling das Verschwinden -der Tuberkelbazillen. Die Volksheil-
stätte in Loslau, O.-S., hat in langer Verwendungszeit stets
sehr zufriedenstellende und günstige Erfolge vom Cellotropin
beobachtet.
Einen günstigen Erfolg in Bezug auf die krankhaften
Lungenerscheiuungen und die daraus hervorgegangeoen Symp¬
tome habe ich auch bei einem 18jährigen Dorfburschen beob¬
achtet. Im Herbste 1904, etwa getrennt durch anderthalb
Monate von der einen Genesung zur anderen Erkrankung,
zuerst linksseitige, dann rechtsseitige pleuritisch-exudative Er¬
krankung. Soweit sich nachweisen lässt, jedesmal völlige
Rückbildung des Exudates. Nach einigen Wochen, um die
Weihnachtszeit, bei dem gracilen, hochgradig abgemagerten
Patienten abendliche Temperatiirsteigerungen, Husten, Nacht-
schweiss. Auskultatorisch, in den Spitzen unbestimmtes Atmen,
angedeutetes Exspirium, einzelne Rasselgeräusche; keine nach¬
weisbaren Dämpfungsherde, sicher keine neue Exudation. Auf
Cellotropin verschwindet in 14 Tagen das Fieber, es legt sich
der Husten bald; Auskultation wie Perkussion ergeben normale
Verhältnisse. Die wirkliche Genesung bleibt aus. Bei stets
normalem Lungenbefunde treten, aber wieder erst nach Wochen,
Schmerzen in der r. Fossa illiaca auf, später Erscheinungen
eines Beckenabscessdurchbruches in den Darm, im April Exitus
an Marasmus, ohne dass es jemals noch zu Lungenersebei-
nungen gekommen wäre. Ich glaube nun mich niciit geirrt
zu haben, wenn ich die von abendlichen Fiebererscheinungeu
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262
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 24.
und Nacbtschweissen begleiteten Lungensymptome bei dem
gracilen, hereditär belasteten Burschen als Initialstadium einer
Tuberkuloseinfektion deutete, die, von Cellotropin günstig be¬
einflusst, in einer Wochenreihe derartig eliminiert wurde, dass
sie bis zu dem allerdings nicht viel mehr als 2 Monate darauf
an anderweitigen Nachkrankheiten der pleuritischen Exudate
erfolgten Tode ohne rezidivierende Symptome blieb, — objek¬
tiv ^soluk normaler Lungenbefund, subjektiv sozusagen auch
nicht eine Spur von Husten.
Gegenüber der günstigen Beeinflussung der tuberkulösen
Infektion in den gescnilderten 4 Fällen, von denen wohl jeder
einzelne sofort als sehr ernste Infektion und Erkrankung an¬
zusehen war, habe ich zwei Beobachtungen, bei denen Cello¬
tropin sich nicht wirksam erwies, soweit man nach dem Exitus
urteilen kann. Beide Fälle, ein 19jähriger Bursche und ein
24 jähriges Mädchen, waren von jener Art, die, wie ich schon
früher bemerkt, nach meiner Erfahrung a priori prognostisch
ungünstig liegen, die erste Manifestation der Tuberkulose¬
erscheinungen im nmittelbaren Anschlüsse an akute Erkran¬
kungen der Lunge. In beiden Fällen lag zwischen dem Krank¬
heitsausbruch und dem Exitus lethalis kaum eine zwei- be¬
ziehungsweise dreimonatliche Frist. Innerhalb dieser akutes
Fortscliieiten der linfiltration, rasche Cavemenbildung — akute
Phthyse. Wenn der Verlauf der Tuberkulose von der Schwere
der Infektion abhängig ist, was ich übrigens nicht glaube,
sondern weit mehr an individuell prädisponierende Momente,
und wenn die schwere Infektion den akuten Verlauf bedingt;
gegen die akut, verlaufende Tuberkulose hat sich mir Cello¬
tropin unwirksam erwiesen. Allerdings bin ich damals noch
nicht über 3 g pro die hinausgegangen.
In später Zelt habe ich das Cellotropin oft wochenlang
in Tugesdosen von 5 g nehmen lassen. Abgesehen von den
allerersten Tagen, in denen ich eventueller Nebenwirkung
wegen — die ich allerdings bisher auch bei den 5 g-Dosen
nie beobachtet habe — von 3 g ansteige, gehe ich derzeit
beim Erwachsenen unter 4 g pro die nicht herab und reiche
dem Vollerwachsenen meist 5 g. An diese Dosen halte ich
mich auch bei ambulanten, af^rilen Tuberkulotikem, deren
Spitzenkatarrhe ich in zwei Fällen in kurzer Zeit mächtig be¬
einflusst sah, beide gegen die Herbstzeit zu, wo der helfende
Faktor „Landluft“ für die Besserung kaum mehr in Betracht
kam. In dem einen Falle, Frau, Mutter zweier Kinder, Mattig¬
keit, Appetenzabnahme, Gewichtsverlust, Körperschwund (die
Kleider werden zu weit), Nachtschweisse und Husten. Objektiv
r. o. h. wenig, r. o. v. knapp unter der Clavicula, inneres Drittel,
deutlicher Dämpfungshera, darüber Atem sehr unbestimmt
Feuilleton.
StaEdeselire der Aerzte vor 100 .Jahren.
Von Dr. E. Roth.
(Schluss.)
Vornehme und berühmte medicos zu Zeuge seiner Raisonne-
ments zuziehen, kann bev vielen einen sonderlichen Eclat
macken, zumahl wenn geoachte medici noch am Leben und
aber von einer weniger zweiffelhaften Renommee sind, als die
bereits Verstorbenen. . . .
Weiss man eine oder die ansehnliche Historie von ihrer
Praxi zu erzehlen, dass man einen Assistenten oder kuriosen
Zuschauer abgegeben hat, so wird die Präsumption um ein
vieles, und zwar um soviel grösser werden, um wieviel
vorteilhaffter und plausibler man die Erzehlung von erwehnten
Concursen erudito einrichten kan. . . .
Hat man einen dergleichen renommirten präceptorem in arte
selbst gehabt, oder man ist bey einem berühmten practico im
Hause oder am Tische gewesen, so lässt es sich nicht unvor-
theilhafftig, wenn man seine gelehrten scripta facta bey alller
möglichen Gelegenheit citiret, ihn dabey allemahl mit einem
besonderen elogio allegiret und zum mindesten einen medicum
priucipem, atlantem orbis medici, communemnium om medi-
Exspir. Deutlich hörbar, wenig Rasseln. Sonst in den Spitzen
verschärftes Atmen. Nach 3 Wochen ist auf Cellotropin —
ohne jedes Opiat — der Husten „ganz weg“, die Nachtschweisse
verlieren sich, Allmählich Appetenzbesserung, leichte Gewichts¬
zunahme. Nach 10 Wochen, da Cellotropin ausgesetzt wird,
ist keine Spur des .Dämpfungsherdes und keine Spur von
Husten. Ähnlich nimmt auch im zweiten Falle, Mann, 28
Jahre, der Husten rasch ab, ebenso die Nachtschweisse. In
2 Monaten 4 kg Gewichtsgewinn und das Aussehen wesentlich
geändert.
Erkrankungsfälle von der Art der beiden letzt geschilderten,
zu chronischem Verlaufe einsetzende, afebrile Tuberkulose, die
ja naturgemäß der Therapie noch am leichtesten, raschesten
und sichersten zugänglich sind, mögen es sein, die die Grund¬
lage bilden für die raschen und überaus günstigen Berichte,
mit denen die Cellotropinwirkung von einzelnen Beobachtern
gerühmt wird. So konstatiert Dr. Bohn-Albishein rasch
eine Besserung seiner Patientin, die an beginnender Tuberku¬
lose litt. Dr. Zo6 pfel-Wiesbaden ist bald mit dem Erfolge
des Cellotropin bei seiner poliklinisch behandelten Patientin
„sehr zufrieden“. Dozent Dr. Curschmaun-Giessen sieht
bald eine Besserung verschiedener Symptome bei einem Falle
von rezidivierender Tuberkulose. Dr. Banger-Trier berichtet
über erfolgreiche Cellotropinbehandlung bei „fünf mehr oder
weniger weit fortgeschrittenen Tuberkulosen“. Ebenso Fischer-
Meissen.
Für Initialfälle afebriler Tuberkulose kann ich eben auch
das Rasche und Schnelle des Effektes hervorheben; bei febriler
Tuberkulose lehrte mich die Erfahrung Geduld, die Geduld
aber wird mit Cellotropin seltener enttäuscht werden.
Fasse ich nun vorläufig die Ergebnisse meiner in mehr als
Jahresfrist gemachten Beobachtungen über die Cellolropinwir-
kung zusammen, so kann ich sagen:
1. Cellotropin hat die Fähigkeit, auf Tuberkuloseerkran¬
kungen in günstiger Weise einzuwirken. Dabei erwies sich
Cellotropin, soweit mir bekannt ist, noch allen Beobachtern
frei von jeder Nebenwirkung. Auch Monate hindurch in Dosen
bis zu 5 g pro die genommen ist es ohne jeden schädigenden
Einfluss auf Appetenz, Verdauung, Stuhl und sonstiges All¬
gemeinbefinden.
2. Die günstige Einwirkung des Cellotropin wird um so
früher ersichtlich, je milder die die Erkrankung begleitenden
Symptome sich darbieton. Afebrile Spitzeokatarrhe mit geringen
Dämpfungsherden können in wenigen Monaten der Heilung
zugeführt werden. Fieberlos verlaufende Infektionen liegen
corum parentem und was dergleichen ist, nennet . . . und was
man bey andern als eine Prahlerey ansiehet, kann von einem
gelehrten medico unter die bei ihm so nöthige als angenehme
Experientz verstecket werden. . Wie schöne lässt es nicht, wenn
anstatt der Rose vom heiligen Feuer, an Stelle des Krampfes
vom Kriebel, anstatt der fallenden Sucht von den hinfallenden
Siechtagen, anstatt der gelben Sucht von der gelben Farbsucht
oder Gwbsucht geschrieben wird ? . . .
Ist ein Patient einer weichlichen Natur, oder will aus
anderen Ursachen mit Gewalt kräncker seyn als er ist, so kann
sich ein medicus in nicht geringen Credit bey ihm setzen, wenn
er die Grösse und Gefahr der Kranckheit nach seinem Sinn
herausstreichet, ihm recht giebt, dass er über Schmerzen klaget,
ja sich wundert, dass er deren nicht noch mehr fühlet, ihm
dahero einige Hoffnung zum Leben unter seiner guten Fürsorge,
die nicht minder gross als die Kranckheit sein müsse, machet,
und was für gelehrte Charlatanerie mehr in dergleichen Fällen
mag können erdacht werden. . . .
Arme Krancke, oder dergleichen kränckliche Personen, denen,
wo nicht alle Leute, doch die Umstehenden und Freunde, gerne
alle Augenblicke den Himmel für die Erde gönnen, allsobald
als unheilbar auszuschroyen und ihnen entweder alle Hülffe zu
versagen oder doch die benöthigte zu entziehen, ist zwar von
keinem Medico für Gott zu verantworten. Allein, weil man
sich dadurch nicht nur bei nutzbaren Gesunden msiuuiret, son¬
dern auch zuweilen, ab denegatum auxilium des gleich anfangs
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1906.
MBDIOSOSCHE
263
der Eiawirknng weit günstiger als solche, bei denen Fieber-
erscheintingen schon bestehen.
3. Aber auch schon mit Fiebererscheinungen komplizierte
Tuberkulosen sind dem günstigen Einflüsse des Cellotropin
unterworfen, wenngleich erst in längerer Frist.
4. Akut ■verlaufende Infektionen, die rasch zu Gewebszer¬
fall und Cavemenbildung führen, beeinflusst CeUotropin an¬
scheinend nicht.
5. Die CeUotropinwirkung beruht sicher nicht auf primärer
Appetenzsteigerung und ebensowenig auf schleimlösender oder
expektorierender Wirkung.
6 . Somit scheint die CeUotropinwirkung — entsprechend
der klinischen Beobachtung des primären Verschwindens der
Tuberkelbazillen aus dem Sputum und entsprechend den Er¬
gebnissen des Tierexperimentes — ausschbesslich oder vor-
■wiegend auf einem für die Tuberkelbazillen deletären Einflüsse
zu oeruhen. Abnahme des Hustens, der Sekretion und der
N^htschweisse, Zunahme der Appetenz und des Körperge¬
wichtes und die Besserung des Allgemeinbefindens sind nur
sekundäre Folgen der anderweitigen Cellotropin-wirkung.
(Schluss folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
GeseUaclutfi. für G^nMrtah&ffe und Gynäfaologie*
Sitzung vom 11. Mai 1906.
Vorsitzender: Herr Olshausen.
Nachruf des Vorsitzenden für Emannel.
Demonstration:
Herr Palm: Patientin mit Defectus uteri.
Bei der 22jährig6n Patientin fehlen Vagina, Uterus und
Tuben vollständig, Blase und Rektum liegen unmittelbar aufein¬
ander, an Stelle der Ovarien sind 2 erbsen- bis bohnengrosse harte
Körper zu fühlen. Aeussere Genitalien normal, Introitus vaginae
durch eine einstülpbare Membran verschlossen, Harnröhre verläuft
stark nach hinten. Linksseitiger Leistenbruch.
Das sonst gut entwickelte Mädchen zeigt ausgesprochen weib¬
lichen Habitus, empfindet sexuell normal, und übt auch seit längerer
Zeit den Gositus mit Befriedigung aus; sie kam zum Arzt, weil sie
sich sogar für schwanger hielt. Seit dem 17. Lebensjahre vier-
wöchentlich ausstrahlende Kreuzschmerzen, in den ersten 3 Jahren
gestellte praesaginm eines gewissen Todes zu der praesagientis
grossem Ruhme eintrifft; fehlet es auch an dergleichen medi-
cinischen Charlatans nicht, die in diesem Fall Gott und Ge¬
wissen ihrer eigenen Ehre nachsetzen. . . 1 Um wieviel Grad
ein gelehrter Indiens, der im Uringlase den ganzen Lebenslauf
der Patienten erblicken, oder aus dem gelassenen Blute ihre
ganze innere Beschaffenheit lesen will, von einem gemeinen
Quacksalber differire, weiss ich eben nicht zu determimren; so¬
viel weiss ich aber gewiss, dass er ihm sehr nahe verwandt
ist. . . .
Einen bereits genesenen Patienten gleichwohl noch fleissige
Visiten geben, mit grosser Weitläuffigkeit zur wiedererlangten
Gesundheit gratulieren und dabey seme viele und grosse Mühe
und Behutsamkeit, welche bey dieser verzweifelten bösen Kranck-
heit vom Anfänge bis zum glücklichen Ende von nöthen gewesen,
fein offt erinnern: ist, glaiK)e ich eine gelehrte Charlatanerie....
Ein Charlatan muss entweder ohn Noth von seiner Schuldig¬
keit viel Redens machen oder mit Dingen viel prahlen, die
niemals wahr sind. . —
Am allerschlimmsten ist ein rechtschaffener Medicus daran
wenn er mit einem dergleichen socio für ein Kranckenbette
concurriret. Denn lasset er ihm allein in der Cur den Willen,
so leidet der Patiente, oder der adjungirte medicus muss sich
bey Gelegenheit als einen unnützen unwissenden Jaherrn aus¬
tragen lassen. Lässet er ihm nicht den Willen, sondern will
entweder den Patienten besser rathen oder durch Fürschlagung
gleichzeitig Blutungen ans dem Mnnde. Seit dem Aufhören der
Blutungen stärkere Schmerzen, die solange sistierten, als sie sich
schwanger glaubte.
Diskussion: Herr Bumm fragt, ob nicht zur Verbesserung
der Gohabitationsmöglichkeit eine Plastik in Aussicht genommen sei.
Herr Palm hält dieselbe nicht für notwendig, da Patientin
bisher zufrieden war.
Herr Bumm: Die Frage ist vom operativen Standpunkt aus
interessant. Die Kanalbildung ist in derartigen Fällen sehr leicht,
die Epithelialisierung des Kanales sehr schwierig. Er bittet Herrn
Mackenrodt, der 2 mit Erfolg operierte Fälle beschrieben hat,
um nähere Angaben über sein Verfahren.
Herr Mackenrodt schildert sein Vorgehen in den beiden
Fällen, Die Epithelialisierung ist durch Transplantation kleiner
von einem frisch operierten Prolaps gewonnenen Hautstückchen,
die au einem Fadennetz befestigt wurden, gelungen,
Herr Bumm hat bei gleichem Vorgehen bisher nur Misser¬
folge erlebt.
Herr Saniter schlägt vor, die Epithelialieiernng ev. in der
Weise zu versuchen, dass man schmale lange Hautstreifen an der
vorderen Gircumferenz des Kanales annäht imd durch Tamponade
an die Wundfläche angedrüc^t hält.
Herr Strassmann macht auf das bei derartigen Defekten
häufig gleichzeitig beobachtete Vorkommen von Hernien aufmerk¬
sam.
Diskussion zum Vortrag des Herrn Knorr: Zur Diagnose und
Therapie der Gonorrhoe.
Herr Stöckel: Die Diagnose der Urethritis gonorrhoica ist
häufig sehr xmgenau. Nicht jeder Tropfen Sekret aus der Urethra
ist pathologisch, oft ist es das Sekret der Skeue'sehen Drüsen.
Nicht jeder chronische Urethritis ist gonorrhoisch; Staphylococcen,
Streptococcen und Bakterium Goli, die immer in der Harnröhre
zu finden sind, können auch die Entzündung erregen.
Spontane Assendenz der Gonococcen auf die Blasenschleimhaut
ist sicher selten, wenn man nicht zu früh lokal instrumentell
behandelt. Daher universelle gonorrhoische Gystitis sehr selten,
noch seltener die Pyelitis. Auch die häufige Gystitis ooUi braucht
nicht immer gonorrhoisch zu sein, häufig sind auch hier Mischin¬
fektionen die Ursache.
Mit der Cysteskopie kann bei Gonorrhoe sicher sehr viel ge¬
schadet und wenig genützt werden. Pyelitis wird oft mit ein¬
facher Bakteriurie verwechselt Therapeutisch in äusserste
Zurückhaltung ratsam. Bei akuter Urethritis zunächst interne
Behandlung — am besten mit Gonosan —, erst später Gosal mit
10%igea Protargolinjektionen.
einiger medicamentorum symbolizantium zeigen, dass er auch
was geleraet habe, so muss er seine Artzneyen und Artzney-
kunst auch wohl in Gegenwart der Patienten heruntergemachet
sehen, er wehre sich, so gut er wolle. . . .
Ich sa^ mit Fleiss, dass ein angehender Medicus in vielen
Fällen für Uollegen in acht nehmen muss, denn ausser dem,
dass die medici überhaupt solennis invidiae avaritiae et de-
tractionis maclua notiret sind, so hat man sich vor den älteren
insgemein einer grossen Unleidlichkeit zu versehen, wenn man
ihnen in Dingen, damit man sich beym Publico insinuiren kann,
vorgreiffen will. . . .
Am allermeisten mag ein medicus den andern bey dem
Patienten in gäntzliche Verachtung zu bringen,-wenn er den¬
selben adiungiret oder substituiret wird. Denn der erste medicus
muss nicht nur die confidence der Patienten mit ihm teilen,
sondern auch leiden, dass die Ursache solcher Theilung von
ihm justifleiret, und derKrancke dadurch imm er mehr vom erstea
medico abalieniret, auch selber endlich honorifice abgedanckt
■wird. ...
Kein medicus sollte des anderen Medikamente als zu starck
oder zu gelinde verwerffen, wenn sie dem morbo adäquat
wären, sondern nur befundenen Umständen nach zu einer
kleineren oder grösseren Dosi rathen. ...
Noch übler steht es einem medico an, seine Gollegeo oder
antecessoris Nachlässigkeit in Adhibirung solcher Hülffsmittel
zu taxiren, welche mehr um guter Intention der Krancken'
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264
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 24.
Bei Cystitis colli sind Aetzungen mit 6—10%igen Argent.
nitr. Ldsangen empfeUenswert. Die Curettage der Blase ist nur
sehr selten indiziert.
Herr Olshausen macht darauf aufmerksam, dass sich die
Pyelitis durch die Kcmbination von Fieber mit Druckempfindlich¬
keit der Niere sicher gegenüber der Bakteriurie kenntlich macht.
Therapeutisch empfiehlt er bei Pyelitis Acrek. benzoic. in Dosen
von 2—9 g pro die.
Herr Hüllerheim bestätigt, dass es cystoskopisch kein
charakteristisches Bild für gonorrhoische Cystitis gibt. Wichtig
kann die Cysteskopie für die Diagnose der seltenen und schwer
zu erkennenden gonorrhoischen Pyelitis werden. Er teilt einen
Fall aus seiner Praxis mit, in dem er nach der Operation einer
gonorrhoischen Pyosalpinx infolge Verletzung oder späterer Ne¬
krose des Ureters eine assendierende gonorrhoische Pyelitis und
Pyelonephritis gesehen hat.
Herr Bumm hat eine reine echte Pyelitis gonorrhoica ge¬
sehen. Oft ifct die mikroskopische Difierentialdiagnose gegenüber
intracellvllären Staphylococcen recht schwierig.
Herr Bröse, Müllerheim, Stöckel, Knorr (Schluss¬
wort).
Herr Olshausen: Zur Gonglutinatio oris uteri.
V. Bardeleben hat im vorigen Jahre 2 Fälle, ein sogen.
Gonglutinatio oris uteri beschrieben und zu deren Erklärung die
gleichzeitig bestehende Eiüberfüllung herangezogen in dem Sinne,
dass die prall gespannte Eiblase nicht erweiternd auf den äusseren
Muttermund wirken könne. Olshausen hält diese Deutung nicht
für richtig, da der erste Teil der Erweiterung des Muttermundes ganz
unabhängig von der Eiblase vor sich geht. Er glaubt vielmehr,
dass es sich in diesen beiden Fällen um eine echte Conglutinato
oris uteri gehandelt habe. Diese tritt fast ausschliesslich bei
Primiparen auf und ist folgendermaßen charakterisiert. Portio und
Mundermund sind gewöhnlich gamicht oder nur sehr schwer zu
finden. Da.s untere Uterinsegment ist aufs äusserste gespannt
und nach imten gedrückt, sodass man oft die Fruchtblase vor sich
zu haben glaubt. Nach Einfuhren einer Sonde in den Mutter¬
mund rapide Erweiterung derselben. Die Ursache ist wahrschein¬
lich eine echte Verklebung. Der in der Oravidät sehr stark ent¬
wickelte imd zu zäher Konsistenz eingedickte Cervicalschleimpropf,
der meist ausgestossen wird, bleibt in einzelnen Fällen bestehen
und bewirkt dann die Verklebung des an sich schon engen Mutter¬
mundes der Primiparen.
Diskussion: v. Bardeleben konnte in seinen Fällen eine
derartige Verklebung nicht nachweisen. Er glaubt doch, dass die
AmnionüberfUUung das Bild der Gonglutinatio hervorrufen kann.
Z.
Wärter und Conniventz der medicorum ihr Unschädlichkeit
halber als um einen besondern positiven Nutzen willen, in ge¬
wissen Fällen solemniter beybehalten werden...
Am wenigsten hat ein medicus Raison, den andern zu ver¬
unglimpfen, wenn er entweder dem Patienten von der Kranckbeit
Ursachen und Cur gar keine Nachricht geben will oder sieb
nicht so mechanisch, chymisch, physikalisch, astrologisch etc. ex-
plicieren kan wie er: Weil die Pflicht eines Patienten nicht
m einer accuraten Wissenschaft von seiner Kranckheit, sondern
darinn bestehet, dass er alle von Gott auferlegte Schmertzen
geduldig leide und den Verordnungen der medici gehorsam sey..
Gleichwie ein jeder gemeiner Marktschreyer um besondere
Atteste seiner Fürtreffiiehkeit bemühet ist, so unterlasset auch
ein gelehrter medicinischer Charlatan nicht, dergleichen Zeug¬
nisse zu suchen und zu erlangen, welche ihm von anderen
medicis den Credit einiger Praerogatio erwerben könne ....
die rühmlichsten Zeugnisse eines medici sind die atteste seiner
wohlcurirten Patienten. . .
Die Pfuscherey in der Medicin taugt partouts Nichts und
soll durchaus abgeschaffet werden. . . , Wer sich der armen
Krancken aus christlicher Liebe zu ihrer glücklichen Genesung
erbarmen will, kann sich ihrer zur Genüge durch christliche
medicos erbarmen und sein überflüssig Geld vernünfftigen me¬
dicis zu der Patienten wUrcklichcri Besten gönnen.
Mancher wird mit Vergnügen wohl die Schrift selbst zur
Hand nehmen und sie sei weiteren Kreisen empfohlen.
Verein tür innere Medicin.
Sitzung vom 30. IV. 1906.
I. Generalversammlung. Der alte Vorstand wird wieder¬
gewählt. ln den Ausschuss neugewählt werden die Herren:
Schwalbe, Goldscheider, Stadelmann, P. F. Richter,
Ewer I.
II. Herr von Leyden: Bericht über den Kongress in
München.
Tagesordnung:
I. Herr Wirsing: Ueber Myiasis intestinalis.
Diese Krankheit findetsich bei Pferden häufiger, beiMenseben ist
sie selten, nur in den Tropen etwas öfter beobachtet. Vortr. berichtet
über 3 Fälle von mehr oder minder heftigen Darmkivtarrhen, als
deren Ursache sich das Vorhandensein von Fliegenlarven im Stuhl
erwies. Es handelte sich um unsere gewöhnliche Stubenfliege.
Während in einem Falle die Affektion vom Anus her zweifellos
auftrat, ist sie in einem anderen Falle wahrscheinlich durch
Nahrungsmittel (Käse) verursacht worden. Vortr. bespricht die
Symptomatologie und Pathologie dieser äusserst seltenen Er¬
krankung und empfiehlt als Therapie Galomel oder Bitterwasser.
II. Herr Keinsheimer: Ueber fermentative Fett-
spaltung im Magen.
Die Angaben Volhards und seiner Schüler, dass im Magen
ein fettspaltendes Ferment produziert wird, sind von Meyer be¬
stritten worden. Meyer glaubt, dass es sich um Paukreasferment
handelt, welches mit dem Darmsaft in den Magen gelangt ist.
Demgegenüber konnte Vortr. beim Menschen stets das Vorhanden¬
sein eines fettspaltenden Magenferments nachweisen, das auch bei
saurer Reaktion wirksam war, also schon deswegen nicht das
Pankreasferment sein konnte. Bei Säuglingen findet es sich eben¬
falls, hier stärker als beim Erwachsenen. Tierversuche an Paw-
lowschen Fistelhunden bestätigten auch hier das Vorhandensein
des Fermentes.
Diskussion: Herr Langstein berichtet über Versuche in
der Kinderklinik, wonach bei Säuglingen stets ein solches Ferment
zu finden ist.
Herr Boas tritt nach seinen Erfahrungen ebenfalls gegen
die Behauptmig auf, dass es sich um Pankerasferment handeln
könnte.
Herr Keinsheimer: Schlusswort.
Sitzung vom 7. Mai 1906.
I. Diskussion zum Vortrag des Herrn Wirsing: Ueber
Myiasis intestinalis.
Herr Westenhöffer: erwähnt den Fall eines Mädchens,
dessen Gesicht durch Maden der grünen Schwoissfliege bis zur
Unkenntlichkeit entstellt worden war.
Herr Becker macht Bemerkungen über die Entwicklung der
Fliegen.
Herr Jastrowitz berichtet über einen Fall von Myiasis bei
einem Säugling.
Herr Wirsing: Schlusswort.
ir. Herr F. Blumenthal: Ueber Ly solvergi ftung.
Lysol ist als Nervengift anzusehen, die Aetzwirkung ist nur
gering und nie die Todesursache. Aus dem ausgeschiedenen Kresol
lässt sich die Menge des resorbierten und verbrannten Lysols be¬
rechnen und damit die toxische Dosis berechnen. Lysol wird von
der Magenschleimhaut schlecht resorbiert, wirkt offenbar anaes-
thesierend, daher Erbrechen selten ist. Bau mann nahm an, dass
die Kresole zuerst an Schwefelsäure, dann an Glyeusonsäure sich
lagern und so entgiftet werden. Es zeigt sich aber, dass beide
Synthesen zu gleicher Zeit vor sich gehen. Durch 'die Bildung
der Kresolglycuronsäure entsteht Linksdrehung des Harns, die
jedoch nicht parallel geht der Intensität der Vergiftung. Bei
Hunden zeigt sich bei der experimentellen Vergiftung Tod nach
8 Stunden. Das Blut ist völlig frei von Kresolen, in Muskeln,
Niere und Lungen finden sich ungeführ gleiche Mengen, erheblich
mehr jedoch in der Leber. In allen Organen findet sich das
Kresol noch überwiegend ungebunden, dagegen in der Leber fast
viülig bereits gebunden. Merkwürdig ist, dass die Nervensubstanz so
wenig Gift zeigt, obwohl es doch ein Nervengift ist. Es ist aber,
ähnlich den Vorgängen bei der Tetanustoxinwirkung, nur die
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1906.
AIEDICINISGIIE WüCUK.
265
Mengen von Bedentnng, die an das Nervens 3 ^tem gehen. Die
Paarlingee, Schwefelsäure und Glycusonsäure sind gewissermaßen
Antitoxine gegen Lysol und analog den Vorgängen bei der Imu-
nisiemng werden mehr Antitoxin (hier also die genannten Säuren)
gebildet. Eiweiss resorbiert wenig Kresole, dagegen Fett sehr er-
hebUch. Die Ausscheidung der Schwefelsäure ist herabgesetzt,
dagegen der neutrale Schwefel vermehrt, es handelt sich also um
Störungen in den Oxydationsvorgängen. Therapie: In erster
Linie Magenspülungen, ganz besonders erfolgreich Digalen intra¬
muskulär gespritzt.
Diskussion: Herr Barghart; Die Vergiftung ist nicht
immer so harmlos, wie der Vortragende meint. Allerdings ist die
Aetzwirkung nicht sehr stark. Am meisten geschädigt wird die
Lieber, er sah Glycosurie auftreten, allerdings nur in schweren
Fällen. Auch alimentäre Glycosurie und Lävolosurie wurden be¬
obachtet, was für die Schädigung der Leber spricht. Der Lysol¬
vergiftete scheidet auch viel Glycuronsäure bei Zuokerdarreichung
in der Beconvaleszenz aus.
Herr Westenhoeffer: Die Leberzellen sind nicht anatomisch
verändert, dagegen bestand immer trübe Schwellung der Nieren.
Herr Hirschfeld sah ähnliche Störungen beim Stoffwechsel
von Cholerakranken. Er glaubt, dass es sich um Niereninsufficienz,
nicht um Oxydationstörungen handelt.
Herr Brieger: Die Entgiftung der Kresole geht auch durch
Bildung von Hydrochinon vor sich. Die Analogie mit den Vor¬
gängen bei der Toxin- und Antitoxinbildung ist diskutabel, aber
nicht sehr wahrscheinlich.
Herr Brat fragt, ob in den Faeces Kresole untersucht wurden
und ob die Organe entblutet waren bei der Untersuchung.
Herr Hosse sah schwere Nephritis nach Lysol auftreten,
vielleicht könne man Natr. sulf. geben.
Herr Plehn sah wie Blumenthal bei den von ihm be¬
obachteten 40—50 Fällen einen relativ gutartigen Verlauf.
Schlusswort: Herr Blumenthal. Carl Levin.
AerxtHf^r Verein in JBamöurff,
Sitzung vom 15. Mai 1906.
Vorsitzender: Herr D e n e ke.
I. Demonstrationen: 1. Herr Wulf'stellt einen Patienten
vor, bei dem vor 4 Jahren wegen eines Blasenleidens die Sectio
alta gemacht war. Jetzt wird die Diagnose auf Pyonephrose ge¬
stellt, da der rechte Ureter völlig klaren Urin mit einer Spur
Albumen, der linke Eiter entleert; es wurde Nephrectomie aus¬
geführt, doch musste der Ureter wegen vieler Verwachsungen zu-
rückgelassen werden. 3 Wochen nach der Operation trat plötz¬
lich an der Einmündungsstelle des linken Ureters in der Blase
ein grosser weisser Schorf auf, der den Verdacht eines Carcinoma
erweckte, doch stellte es sich bei der 8 Tage darauf vorgenom¬
menen zweiten Sectio alta heraus, dass sich der Schorf von seiner
Unterfläche leicht abheben liess, und dass es sich um die selten
vorkommende Cystitis crouposa gehandelt hatte. Die Heilung
erfolgte ungestört. Ferner zeigt der Vortragende ein neues Urinal
für Frauen. Um das Nebenträufeln des Urins zu verhindern,
ist der Oberteil des neuen Urinals in hergebrachter Weise nicht
aus Weichgummi, sondern aus Hartgummi hergestellt, und es
tritt aus seiner unteren Partie eine schippenartige Rinne heraus,
die in die Vagina einzuführen ist, sodass bei richtiger Anlage des
Urinals der Harn zunächst auf diese Rinne läuft, welche den Ab¬
fluss in den unteren Behälter herbeiführt. Ferner zeigt er eine
durch Operation gewonnene Niere, die 2 Becken und 2 Harn¬
leiter besitzt, welch letztere kurz vor der Blase sich vereinigen.
Diese Anomalie konnte bereits vor der wegen Nephrolithiasis aus-
geführten Operation richtig diagnostiziert werden. 2. Herr A.
Franke stellt ein Kind mit Barlowscher Krankheit vor
und demonstriert die charakterischen Symptome.. 3. Herr Hönck
wurde zu einer seit 1’/s Tegen Kreissenden gerufen, die er
sterbend vorfand. Die schnell vorgenommene Untersuchung ergab,
dass der Leib tympanitisch aufgetrieben, und die Portio vor¬
handen war, und dass der Kopf beweglich über dem Becken stand.
Die Sectiou zeigte das Ei in toto in der mit Blut gefüll¬
ten Bauchhöhle infolge Uterusruptur am Fundus.
Ananmestisch ist von Interesse, dass die Frau c. vor 1 Jahr
wegen eines Umschlags aosgekratzt worden war. 4. Herr Nonne
zeigt im Anschluss an den vor 14 Tagen vorgestellten Fall von
Durahaematom, das keinen Betriebsunfall darstellte, und nach
dessen Operation der Patient bereits nach 4 Wochen wieder seinen
Tagelohn von 20 M. verdiente, eine grosse Reihe von Verstüm¬
melungen der oberen Extremität, die teils vor der Unfall-
gesetzgebung entstanden waren, teils keine Betriebsunfälle dar¬
stellten, die aber doch ihre Träger befähigten, volle Arbeit zu
vollem Lohn zu leisten. Die mittels Epidiascops vorgeführten
Bilder sind sehr instruktiv; so hat z. B. ein Arbeiter, der vor
Jahren eine Verstümmelung der rechten Hand und eine Fussver-
letzung, die ihn zeitlebens hinken machte, ihn aber doch seine
volle Arbeit machen liess (es war kein Betriebsunfall gewesen),
jetzt wegen einer Kopfcontusion, die im Betriebe entstanden war,
jedoch nicht die allergeringsten objektiven Symptome gemacht
hatte, die Berufsgenossenschaft auf Zahlung einer 100%igen
Rente verklagt! Ferner wird u. A. die linke Hand eines Ham¬
burger Arztes gezeigt, der trotz Fehlens des Zeigefingers einer
der geschicktesten Operateure ist. Es ist eben eine Lücke im
Gesetz, dass der Unfallverletzte stets appellieren kann, ohne
auch nur einen Pfennig Kosten davon zu haben; er kann also
immer nur gewinnen. Würde der Verletzte durch Abweisung der
Berufimg wenigstens einen gewissen Teil der Kosten selbst tragen
müssen, so würden nicht so häufig die höchsten Instanzen sich
mit einfachen Sachen zu beschäftigen brauchen. Vor allen Dingen
sei es die Lehre von der traumatischen Neurose, die eine unheil¬
volle RoUe bei Rentenansprachen spiele. 5. Herr Fraenkel
demonstriert Spirochaeten von einem 4 Tage alten Kinde, das
infolge von congenitaler Darmlues an eitrig-exsudativer und chro-
nisch-adhaesiver Peritonitis gestorben war. Die Spirochaeten waren
nicht nach Levaditi, sondern nach Bercarelli geerbt. 6. Herr
Wiesinger berichtet über die Excision eines Holzspahnos,
den er einem 10 jährigen Knaben aus dem rechten Hypochondrium
entfernt hatte, und demonstriert Röntgenaufnahmen einer sub-
cutanen Talusluxation, die blutig reponiert werden musste.
Diese seltene Verletzung ist meist mit äusserer Wunde kombiniert,
doch war in diesem Falle keine Weichteilverletzung vorhanden,
sondern es hatte sich nur der Talus um seine sagittale Achse und
zwar um 180® gedreht.
II. Vortrag des Herrn Fraenkel; ,Ueber Allgemein¬
erkrankungen durch den Pyocyaneus.“
Der 1882 entdeckte Bacillus pyocyaneus kann schwere AIl-
gemeinerkrankungen hervorrufen. So hat Wassermann 11 letal
verlaufene Fälle obduciert, bei denen die Infektion durch die
Nabelwunde erfolgt war; 1903 berichtete Soltmann über einen
Pyocyaneusfall, der klinisch sich als septische Pneumonie dokumen¬
tierte, und 1904 de la Camp über einen ebenfalls tötlich endenden
Fall bei einer 51jährigen Frau. Vortragender hat nun im Laufe
der Jahre 5 eigene Fälle beobachtet, in denen 4 mal der Bacillus
pyocyaneus kulturell nachgewiesen wurde. In allen Fällen trat
ein universelles, meist bullöses Exanthem auf mit trübem, später
mit haemorrhagischem Inhalt; mehrfach fanden sich infarctähnliche
Gebilde in den Nieren, die in einem Falle sogar die richtige
Diagnose auf Pyocyaneus macroscopisch auf dem Seziertisch stellen
liessen. Stets fand sich ein dichter Bacterienwall au der Grenze
zwischen Media und Adventitia eines grösseren Blutgefässes. Es
wird der genaue klinische Verlauf der einzelnen Fälle berichtet,
aus denen sich jedoch wenig Charakteristisches ergibt, selbst Milz¬
schwellung ist nicht konstant vorhanden. Die Prognose ist infaust,
ein spezifisches Mittel ist bisher nicht vorhanden.
Schönewald.
Kongressbericht.
23. Kan-gress für innere Medicln
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
2. Sitzungstag.
Die von Mackenzie bei Vorhofslähmung beschriebenen Un¬
regelmäßigkeiten , sowie die von ihm veröffentlichten Fälle, bei
denen er Kammer- bezw. Atrioventrikularrhythmus annimmt, dUrf-
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266
MEDICINISCBB WOCHE.
Nr. 24.
ten durchwegs Fälle von Pols, irregul, perpet. mit Kammervenen-
puls sein.
Eine dem Puls, irregul. perpet. ähnliche Unregelmäßigkeit
konnte Hering bei einer chronischen Nephritis beobachten. Es
handelte sich um eine Kombination von Herzaltemans mit zahl¬
reichen Extrasystolen mit der Besonderheit, dass die der Extra¬
systole folgenden Herzperioden auffallend länger waren.
Die klinische Bedeutung des Puls, irregul. perpet. Hegt in
seiner bisher stets beobachteten Kombination mit Kammervenenpuls.
4. Die Ueberleitungsstöruugen lassen sich in zwei Gruppen
sondern, in eine, bei der es sich um zeitweiligen Ausfall von
Kammersystolen, in eine zweite, bei der es sich um Dissoziation
handelt.
Bei den meisten Fällen der ersten Gruppe war Digitalis die
Ursache des Änsialles. In einem der Rihl’schen Fälle ist der
Nachweis erbracht, dass Vagusreizung Ausfall von Kammersystolen
bewirken kann. Der durch Digitalis verursachte Kammersystolen-
ausfall lässt sich, da Digitalis bekanntUch auf das Vaguszentmm
wirkt, in den betreffenden Fällen aber keine Herabsetzung der
Vorhofsfrequenz bestand, durch eine elektive Beeinflussung der
Ueberleitung durch den Vagus erklären.
Von Dissoziation spricht Hering, wenn zur Zeit vollständig
aufgehobener ErregungsUberlettung die Kammern unabhängig von
den Vorhöfen in ihrem eigenen Rhythmus schlagen, wie dies im
Tierexperiment nach Durchschneidung des Uebergangsbündels der
Fall ist.
Man sollte wohl unterscheiden zwischen Herzblock und Dis¬
soziation. Herzblock ist nichts anderes als Ueberleitungshemmung,
die beiden Gruppen von Ueberleitungsstörungen gemeinsam ist.
Während jedoch bei Kammersystolenausfall zur Zeit des Herz¬
blockes Kammerruhe besteht, besteht bei der Dissoziation Kammer-
automatie.
Die Kammerautomatie bei Dissoziation ist auch beim mensch¬
lichen Herzen nachgewiesen und zwar dadurch, dass die Karamer-
extrasystolen bei Dissoziation das fUr antomatisch schlagende Herz¬
abschnitte charakteristische Verhalten zeigten.
Bei den bisher anal 3 r 8 ierten Fällen vom Charakter der Adams-
S tokes’schen Krankheit erscheint nur die Dissoziation als erwiesen,
wenngleich das Vorkommen von Kammersystolenausfall bei jener
Krankheit wahrscheinlich ist.
Die Dissoziation ist stets als Folge einer Läsion des Ueber-
gangsbUndels anfzufassen, wählend Kammersystolenausfall sowohl
(lurch eine Läsion des Uebergangsbündels als durch Vagusreizung
hervorgerufen werden kann.
Für den pi'aktischen Arzt wird zur Diagnose der Dissoziation
w’ohl die Feststellung einer Kammerschlagzahl um 30 herum (eine
solche haben alle bis jetzt beobachteten klinischen Fälle durch¬
schnittlich gezeigt), die sich nach Atropininjektion und heim
Czermak’schen Vagusdruckversuch nicht wesentlich ändert, ge¬
nügen.
Bisher liegt nur eine einzige Beobachtung einer sicheren
Läsion des Uebergangsbündels beim Menschen vor, und zwar von
E. Schmoll. Es bestand wahrscheinlich in diesem Falle Dissozia¬
tion.
Da einerseits alle klinischen Fälle, in denen Dissoziation vor-
lag, zur Adams-Stokes’schen Erkrankung gehörten, andrerseits
unter dieser Erkrankung kein scharf umschriebener Symptomen-
komplex bisher verstanden wird, dürfte es sich empfehlen, unter
Adams-Stokes’scher Krankheit den Symptomenkomplex der
Dissoziation zu verstehen.
Während es für die Dissoziation nur eine allgemeine Ursache
(Läsion des Uebergangsbündels) gibt, sind die speciellen Ursachen
verschieden.
In einigen Fällen bestand die Dissoziation jahrelang unver¬
ändert, in anderen kam es, scheinbar unter dem Einfluss von
Medikamenten, zu einem vörübergehenden Verschwinden derselben.
Das Auftreten einer Dissoziation ist im allgemeinen als das
Zeichen einer schweren Erkrankung anzusehen.
5. ’Dass beim Menschen dem schon längst bekannten Pulsus
alternans ein Herzaltemans entsprechen kann, ist erst in der
jüngsten Zeit nachgewiesen worden.
Meist ist die dem kleineren Pulse entsprechende Herzkon¬
traktion nicht nachzeitig; eine Nachzeitigkeit derselben konnte bis¬
her nur in einem Falle konstatiert werden.
Die oft zu beobachtende Nachzeitigkeit der kleineren Puls¬
welle trotz Rechtzeitigkeit der ihr entsprechenden Systole rührt
von der wesentlich durch die Vergrösserung der Anpassnngszeit
bedingten Extrapulsverspätung her.
Alternans wurde beim Menschen bisher nur an der Kammer
nachgewiesen.
Auffallend ist eine Beziehung, die zwischen der Stärke des
Kammeralternans und der Herzschlagfrequenz besteht. Man kann
in der Frequenzerhöhung einen das Auftreten und die Verstärkung
des Alternans fordernden, ihn aber nicht allein auslösenden Um¬
stand erblicken.
Stellt man sich vor, dass eine Zustandsändemng des Herzens,
wenn sie stark genug ist, allein, wenn sie gering ist, erst bei Elr-
höhung der Schlagfrequenz einen Kammeralternans hervorruft, so
würde der Alternans eine um so stärkere Zustandsändenmg der
Kammern anzeigen, bei je niedrigerer Frequenz er auftritt.
Der Zustand des Herzens ist wohl um so ungünstiger aczn-
sehen, je kleiner die kleine Kontraktion beim Alternans ist.
Es spricht alles dafür, dass der Alternans einen gewissen
Grad von Herzschwäche anzeigt.
Die Unregelmäßigkeiten der beiden erstgenannten Gruppen
sind am häufigsten zu beobachten. Dissoziation und Alternans sind
seltener als der Pulsus irregularis perpetuus.
Extrasystolen können sich mit allen anderen Arten von Un¬
regelmäßigkeiten kombinieren.
Die Herzunregelmäßigkeiten zeigen eine Funktionsstörung an,
bei welcher meist das Herz der Angriffspunkt der die Funktions¬
störung hervorrufenden Ursache ist; beim Pulsus irregularis re-
spiratorius und bei gewissen, vom Vagus abhängigen Ueberleitungs-
störungen ist das Herz nur der Indikator einer extrakardial loka¬
lisierten Funktionsstörung.
In vielen Fällen geben die Herzunregelmäßigkeiten einen Auf¬
schluss darüber, welcher Herzabsclmitt als Angriffspunkt der je¬
weiligen Ursache anzusehen ist; manche Herzunregelmäßigkeiteu
geben auch Kenntnis über die Schwere der Erkrankung, insofern,
als der Pulsus irregularis perpetuus, die Dissoziation und der
Alternans, wenigstens der bei oder unter der Durehschnittsfre-
quenz bestehende, auf eine schwerere Erkrankung hinweisen. Die
jeweilige spezielle Ursache der Funktionsstömng geht aus der Art
der Unregelmäßigkeiten nicht hervor.
Die erwähnten Tatsachen auf dem Gebiete der Herzunregel¬
mäßigkeiten behalten ihre Giltigkeit unabhängig von jeder Herz¬
theorie.
Wenn auch gewisse Tatsachen, so z. B. die, dass Hering das
ganze schlaglose isolierte Säugetierherz durch Akzeleransreizung
zum Schlagen bringen konnte, zu Gunsten der neurogenen Theorie
in die Wagschale zu fallen scheinen, so ist doch auch Jetzt noch
die myogene Theorie als wesentlich besser gestützt anzusehen, und
zwar ist eine Hauptstütze der Nachweis, dass ein Muskelbündel
beim Säugetierherzen die Vorhöfe und Kammern funktionell ver¬
bindet.
Jedenfalls haben die Bemühungen, zu entscheiden, ob das
Herz myogen oder neurogen schlägt, viel beigetragen zum Fort¬
schritt in der Analyse der Herzunregelmäßigkeiten.
Diskussion: Herr Kisch-Marienbad: Die prognostische Be¬
wertung der Herzairhythomie ist eine sehr verschiedene. Die
günstigste Prognose haben diejenigen Herzunregelmäßigkeiten,
welche ein nicht seltenes Symptom der nervösen, funktionellen
Herzstörungen sind.
Die Charakteristika dieser ersten Gruppe Hegen darin, dass
die Unregelmäßigkeiten geringen Grades sind, dass sie ferner
kein konstantes Symptom vorstellen und endlich durch geringe
äussere Ursachen auftreten können. Elndlich sind fast immer auch
andere neurasthenisebe Symptome vorhanden. Arrhythmie von nicht
erheblicher prognostischer Bedeutung kommt z. B. auch vor bei
der Menarche, bei der Menopause, nach grossen Anstrengungen.
Diese Art von Unregelmäßigkeiten kann bei geeigneter Behandlung
völlig verschwinden. Von schwererer prognostischer Bedeutung
wird die Herzarrhythmie, wenn sie als konstantes Symptom auftritt
und hochgradiger Art ist.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
267
Herr Roos-Freiburg berichtet in Kürze über einen Fall von
AdamS'Stokes’scher Krankheit. Der betreffende Kranke batte
lange Zeit und zwar Jahr lang doppelt so viele Vorhofkon¬
traktionen, als Ventrikelkontraktionen,
Herr Adam-Hamburg teilt seine durch Experimente über die
Herzarrhythmio gemachten Beobachtungen mit, aus welchen her¬
vorgeht, dass eine im Vorhof entstehende Stauung von grossem
Einfluss auf die Entstehung der Herzarrhythmie ist.
Herr Gerhardt-Jena berichtet ober einen Fall von Nephritis,
welcher durch Puls, irreg. perpet. ausgezeichnet war.
Herr Vo 11 hard-Giessen hat Pulskurven in einem Pall
paroxysmaler Tachykardie aufgenomcnen. Es lag dabei eine Ver¬
doppelung der Herzfrequenz vor, während von Extrasystolen nichts
zu beobachten war. Die Differentialdiagnose zwischen Alternans
und Blgeminns ist eine schwierige, wie Redner des näheren dar¬
legt. Er ist zugleich der Anschauung, dass die prognostische
Wertigkeit des Puls, bigemin. nicht so hoch anzuschlagen ist, als
gewöhnlich angenommen wird.
Herr Hoffmann-Düsseldorf verbreitet sich ebenfalls über
die prognostische Bedeutung der Herzarrbythmie und bespricht die
von zwei Fällen von Herzjagen gewonnenen Pulskurven. Es gibt
sicher auch Fälle von nervös hervorgerufener Extrasystole. Zum
Beispiel zeigten sich solche stets bei einem Knaben, sobald der¬
selbe ein Rechenexempel zu lösen hatte. Es ist mittels des Riva-
Kocci'scheu Blutdruckmessers ermöglicht, einen Puls, altern, als
solchen zu erkennen, worüber H. sein Verfahren angibt. Der
Herzalternans ist an der Herzspitze meist nicht darstellbar. Puls,
irr. perp. hat H. beim Kropfberz beobachtet, ohne dass Mitralin¬
suffizienz bestand. Die Prognose und klinische Bedeutung der
Herzunregelmäßigkeiten schätzt Redner nicht allzu hoch ein.
Herr His-Basel: Der Begriff der Adams-Stokes’schen
Ki-ankheit muss modifiziert werden. Es liegt bei diesem Symptom
ni<-ht immer der Ausdruck einer Dissoziation, wie Hering an-
niinmt, vor. Das Symptom des ungleichzeitigen Schlagens von
Vorhof und Kammer kann auch bei Affektionen des Vagus, die
ihn ausserhalb des Herzens treffen, eintreten, z. B. durch Tumoren,
durch Erkrankungen an der Schädelbasis. H. schlägt vor, nur von
einem Adams-S tokes’chen Symptom, nicht von einer Krankheit
dieses Namems zu sprechen.
Herr A. Schmidt-Dresden teilt zwei einschlägige Beob¬
achtungen mit. Man kann bei Patienten ohne Herzklappenfehler
wahrnehmen, dass ganz vorübergehend ein lautes systolisches Ge¬
räusch auftritt, das schon beim nächsten Herzschlag wieder ver¬
schwindet und während einer Extrasystole nicht beobachtet wird.
Es handelt sich da wohl um eine momentane, für einen Herzschlag
entstehende relative Mitralinsuffizienz.
Herr Ortner-Wien berichtet über folgende Beobachtung:
Ein Mädchen fiel vom Tisch auf den Kopf, zeigte Schweissausbruch,
Fiebererscheinungen, verlangsamten Puls, typische Extrasystole.
O. machte eine Atropininjektion, worauf die Bradykardie, sowie
jede Extrasystole verschwand. Wahrscheinlich war die Beteiligung
des Vagus Ursache der Extrasystole gewesen.
In seinem Schlusswort bemerkt Herr Hering, in eine nähere
Erörterung der tmgeführten Fälle nicht eintreten zu können, da
hierzu die Vorlage der aufgenommenen Pulskurven notwendig sein
würde. Es ist richtig, dass Extrasystolen auch auf nervösem Wege
aasgelöst werden können. Die klinische Bedeutung derselben
schätzt er auch nicht zu hoch ein. Wenn man die Vagi durch-
schneidet und dazu das ganze extrakardiale Nervensystem, so kann
man trotzdem durch Eeizimg der Nasenschleimhaut Extrasystolen
hervorrufen.
Herr H. Lorenz-Graz: TJeberHerzerscheinungen bei
der akuten Polymyositis und deren Bedeutung für die
Diagnostik der letzteren.
Unter den verschiedenen MuskelentzUndungen beanspruchen
die akuten, nicht eiterigen Formen wegen der uns bisher noch
vollständig unklaren Aetiologie ein besonderes Interesse. Bakterien
konnten in den typischen Fällen, auch in den vorliegenden, nicht ge¬
funden werden.
Es kann die gesamte quergestreifte Muskulatur einschliesslich
des Herzens von der Erkrankung betroffen werden; dazu gesellen
sich in der Regel analoge Affektionen des subkutanen Gewebes
der Haut und zuweilen auch der Schleimhäute.
Während die Skelettmuskulatur und die Haut in den einzelnen
Fällen zwar in sehr verschiedener Verteilung und Intensität von
der Erkrankung ergriffen werden, aber in der Regel nicht ganz
frei bleiben, ist die Erkrankung des Herzmuskels nur bei einem
Teile der Fälle bekannt geworden und zwar bei jenen, in welchen
die Muskelentzündung gleichzeitig einen mehr oder weniger hä¬
morrhagischen Charakter trägt.
L. hat diese Fälle daher im Jahre 1898 von den übrigen
Dermatomyositisfällen mit dem von Wagner nnd ünverricht
geschilderten Krankheitsbilde als eigene Gruppe (Polymyositis häe-
morrhagica) abgetrennt.
Der geringen Zahl der damals bekannten Krankheitsfälle
kann L. noch drei eigene neue Beobachtungen hinzufügen. Diese
erweisen, dass die Herzmyositis bei der haemorrhagischen Form,
zumal bei der ganz akuten, fehlen kann (Struppler) und dass
ihr Auftreten, wie einer der neuen Fälle beweist, nicht an die
hämorrhagische Form gebunden ist.
Trotzdem glaubt L., das KrankheitsbUd der Polymyositis hae-
morrbagica vom klinischen Standpunkte aufrecht erhalten zu müssen.
Die Herzmuskelerkrankung kann demnach bei der Polymyo¬
sitis je nach dem Gmndprozesse eine hämorrhagisch-entzündliche
oder eine einfach entzündliche sein.
Die erstere charakterisiert sich schon makroskopisch durch
schwere Veränderungen im Herzmuskelfleisch, die nicht zu über¬
sehen sind.
Von einer Eiteransammlung ist nirgends die Rede. Der histo¬
logische Befund ergibt das typische Bild der Myokarditis.
Für die klinische Diagnose liefert namentlich die hämor¬
rhagische Form wichtige Anhaltspunkte. Bei der akuten Erkrankung
treten nach vorangehender Tachykardie oder Arrhythmie schwere
Attaquen von Angstgefühl mit hochgradiger Dyspnoe und allge¬
meinen Muskelkrämpfen bei durch mehrere Sekunden anhaltendem
Herzstillstand auf, die unmittelbar den Tod herbeiführen können,
andere Male vorübergehen und sich wiederholen können. Inweiteren
(abortiven) Fällen finden sich ähnliche Anfälle verschiedener In¬
tensität.
Jedenfalls gebührt der Herzmuskelerkrankung bei der Poly¬
myositis eine weitgehende klinische und pathologisch-anatomische
Bedeutung.
Herr P. Snyers-Lüttich: Ueber Adams-Stokes’sche
K rankh eit.
Die Adams-St okes'sche Krankheit ist ein pathologischer
Zustand, welcher sich erstens durch eine permanente und hoch¬
gradige Pulsverlangsamung, und zweitens durch AnfUlle von Ohn¬
macht mit apoplektiformen Erscheinungen ohne nachfolgende
Lähmung charakterisiert.
Symptomatologie. Die Pulsverlangsamnng, das
Hauptsymptom der Krankheit, geht in der Regel unter 50 Schläge
pro Minute. In einem Palle, den S. beobachtete, ging während
eines Jahres die Pulszahl von 50 auf 40, 35 und zuletzt sogar
auf 22 herunter. Die Pulsverlangsamnng ist kontinuierlich oder
paroxysmal.
Die Auskultation kann normal sein oder die Zahl der Herz¬
kontraktionen kann grösser sein, als diejenige der gefühlten Ar-
terienpulsationen. Die nervösen Symptome, welche das Bild der
Adams-Stokes’schen Krankheit vervollständigen, können nach
der wachsenden Schwere in vier Gruppen geteilt werden: Schwindel,
Synkopen-, Pseudoapoplektische, Koma-, Epileptiforme Anfälle.
Die Aetiologie ist noch wenig bestimmt. Hier kommen in
Betracht das Greisenalter, die Arteriosklerose, die Traumen, die
Veränderungen des N. vagus etc.
Die pathologische Anatomie ist noch unzureichend, und bieten
die verscMedenen Untersuchungen die grössten Abweichungen.
Ueber die Pathogenese finden sich drei Haupttheorien: Die
erste betrachtet die Entartung des Herzmuskels als direkte Ur¬
sache der beobachteten Symptome; nach der zweiten ist der Sitz
der Erkrankung in die Medula oblongata verlegt; endlich hat man
die Veränderungen der Gefässe in der MeduUa oblongata oder in
den Kranzarterien sowie diejenigen des N. vagus. oder die Urämie
beschuldigt.
S. schliesst: Der Pulsus lentus permanens ist ein Symptom¬
komplex, welcher in sehr verschiedenen pathologischen Zuständen
Vorkommen kann, welche die hemmende Tätigkeit des Nervus
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268
MEDICnnSCHE WOCHE.
Nr. 24.
vaguä, sei es iu seinem peripheren Verlaufe oder zentral erregen
können.
Die Einheit der Ädams-Stokes’schen Krankheit zeigt sich
weder vom anatomopathologischen noch vom pathogenetischen
Standpunkte.
Man ist also berechtigt, die Affektion vielmehr als ein
Symptom, denn als eine wohlcharakterisierte nosologische Einheit
zu betrachten. (Fortsetzung folgt.)
35. Kongress der Deutschen GeseUscha/t
für Chirurgie.
Vom 4. bis 7, April 1906.
Hr. Tietze-Breslau; ZurKenntuis der Osteodystro-
phia juvenilis cystica (Mikulicz).
Vortragender vertritt nach einem kurzen Bericht über den
augenblicklichen wissenschaftlichen Stand der Frage -die Meinung,
da.s8 in einer Reihe von Fällen ganz unzweifelhaft eine Ostitis
Hbrosa im Sinne von Recklinghausen die Ursache zur Cysten¬
bildung im Knochen abgäbe. Er sucht dies an der Hand einer
kurz mitgeteilten Beobachtung zu erweisen. Er will nicht leugnen,
dass solche Cysten auch aus erweichten knorpeligen Bildungen her¬
vorgehen können, hält es aber nicht für notwendig, aus dem Be¬
fund von Knorpel in der Wand oder in der Nachbarschaft der
Cysten den Schluss ziehen zu müssen, dass der Cystenbildung eine
Wucherung versprengter Knorpelkeime vorausgegangen sei. Es
kommen hierfür, abgesehen von der von vielen angenommenen
Recartilaginescenz des Knochens, Verhältnisse in Betracht, wie
wir sie bei der normalen Callusbildung, noch mehr aber bei den
sogenannten Callustnmoren finden. In der Sarkomstruktur, die
manchmal in der Wand von Cysten beqbachtet wurde, sieht Redner
Uebergänge zu den von Recklinghausen, Rehn, Schoenen-
berger etc. beschriebenen Fällen von Ostitis fibrosa mit Cysten-
und Tumorenbildung, so dass es ihm möglich erscheint, diese ver¬
schiedenen Zustände unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu
betrachten.
Diskussion zu den Vorträgen der Herren Lexer und
Tietze.
Hr. König-Jena bespricht einen Fall von Cyste des Schlüssel¬
beins, in dem Sarkomgewebe gefunden wurde.
Hr. Lexer-Königsberg bleibt gegenüber den Ausführungen
des Herrn Tietze dabei, dass es sich bei den typischen cystischen
Knochentumoren um erweichte Chondrome handelt.
Hr. G 0 e b el-Breslau tritt für die Mikulicz’sehe Auffassung
ein, dass die Cysten durch Dystrovia juvenilis cystica zustande
kommen.
Hr. V. Haberer-WTen hat einen Fall beobachtet, in dem es
sich um ein Cystosarkom gehandelt hat.
Hr. Schlange-Hannover, der diese Knochengeschwülste zuerst
beschrieben hat, glaubt, dass sie auf verschiedene Weise entstehen
können, sowohl durch entzündliche Vorgänge, als auch durch Er¬
weichung von Geschwülsten.
Hr. Körte-Berlin hat Fälle beobachtet, die er als Chondrome
ansprechen möchte.
Hr. König-Altona betont die Wichtigkeit des von Lexer
erhobenen Knorpelbefundes, glaubt aber nicht, dass diese als Chon¬
dromreste aufzufassen sind. Vielmehr möchte er meinen, dass es
sich um versprengte Knorpelreste von der Ossifikation her handelt,
aus denen bei einem eiutretenden Reiz die Cysten hervorgehen.
Diese versprengten Knorpelreste kommen im ganzen Knochensystem
vor, und daraus erkläre sich auch das multiple Vorkommen der
fraglichen Geschwülste.
Hr. Riedel-Jena schliesst sich dieser Auffassung an.
Hr. Wrede-Königsberg; Osteomyelitis durch Aktino-
mykose.
Die Knochenaktinomykose kommt fast ausschliesslich durch
Infektion per continuitatem von der Umgebung her zustande.
Metastasen im Knochensystem sind nur in wenigen Fällen beob¬
achtet worden, obwohl Einbruch der Aktinomykose in die Blut¬
bahn mit Metastasenbildung in den Weichteileu nichts Ungewöhn¬
liches ist. Demonstration eines Präparates von hämatogener Osteo¬
myelitis actbmmycotica im Femur. Die Metastatische Natur des
Aktinomykoseherdes ist unter anderem durch seine Beziehungen
zum Metaphysären Knochensystem erwiesen.
Hr. König-Altona: Ueber traumatische Osteome.
An Schaftknochen, besonders am Oberschenkel, kommen nach
heftigem Trauma ohne Fraktur Geschwülste vor, die 1—2 Wochen
nachher auftetend, innerhalb mehrerer Wochen bis 4 Monate stark
wachsen und mit periostalen Sarkomen verwechselt worden sind.
Ueber den Verlauf gibt d^r lokale Befund Anhalt für die Diagnose,
der Tumor, am oberen Ende diffus, höhrt unten wie abgeschnitten
auf, die Erklärung findet sich in einem Röntgenbild vom Ober¬
schenkel eines jungen Mannes. Auch wo der Knochenschatten
wie in einem zweiten Fall Königs weniger stark ist, ist die Diag¬
nose möglich.
Die Geschwülste bleil)en etwa vom 5. Monat ab in der Ent¬
wicklung stehen, können .auch fast ganz verschwinden.
Eine dritte Beobachtung setzte K. bis zur Sektion fort (Tod
an Rückenmarkverletzung). Das vorgelegte Präparat zeigt eine
dem unteren Femurende aufliegende, z. T. knöcherne, z. T. binde¬
gewebige Geschwulst, die bei intaktem Femur und unzerissenem
Periost von dem sehnigen Muskelansatz überzogen ist. Die innerste
Cambiumschicht ist in Wucherung, steht mit der Ossifikation im
Tumor in Verbindung. Im ganzen erinnert das Bild an den
„parostalen Gallus“, der bekanntlich Periost, Pasoien, Sehnen,
Muskeln ergreifen kann. In Analogie mit diesen Vorgängen bringt
K. die Wucherung, eine frakturlose Callusbildung; man soll aus
dieser Auffassung die Konsequenzen ziehen und nach richtiger
Diagnose die Tumoren nur bei sehr starken Beschwerden operieren,
nachdem man sicher ist, dass sie nicht zurUckgehen. Die keines¬
wegs einfachen Operationen haben häufig Recidive gehabt und für
die Unfallbegutachtuag sehr mäßige Erfolge gezeitigt. Wenn die
Operation nötig wird, so soll sowohl die einhüllende Kapsel, wie
das Periost und die in Wucherung geratene Gorticalisschicht mit
abgetragen werden.
Hr. Kausch-Schönberg demonstriert den grössten bis¬
her implantierten toten Knochen, der knöchern ein¬
heilte.
Das 9 cm lange, den vollen Umfang der Tibia umfassende
Stück wurde bei einer Amputation tags zuvor gewonnen, ausge¬
kocht, an Stelle des oberen Tibiaendes, welches wegen myelogenen
Sarkoms reseziert wurde, eingepfianzt; es wurde mittels ^fenbein-
stiftes mit dem abgesägten Femur und dem Tibiarest verbunden.
Primäre Einheilung. Nach V« Jahren Amputation wegen Recidivs.
Das implantierte Knochenstück ist vollständig fest beiderseits
verwachsen, ist angefressen, ist von einem neugebildeten Periost
bedeckt. Das Resultat der weiteren Untersuchung wird mitge¬
teilt werden.
Hr. Lossen-Frankfurt a. M.: Ueber rationelle ambu¬
lante Behandlung varicöser Unterschenkelvenen und
Heilung von Unterschenkelgeschwüren.
Da die Elntstehung der Varicen und varicösen Geschwüre der
durch die Blutstauung in ihnen bedingt wird, so muss eine Be¬
handlung der beiden trachten, diese Stauung zu beseitigen. Lossen
Hess zu diesem Behufe Patienten, die wegen der genannten Leiden
zu ihm kamen, unter Fortsetzung der bisherigen Arbeit gym¬
nastische Hebungen mit den Füssen machen; die Geschwüre
wimden mit geschlemmter gedörrter Kreide behandelt und heilten
in 4—6 Wochen. In leichteren Fällen gingen auch die Krampf¬
adern zurück.
Hr. Küster-Marburg: Die Silberdrahtnaht in ihrer
Anwendung als percutane Naht.
K. hat niemals ein Aufgehen einer Laparotomiewunde beob¬
achtet, seitdem er die ganze Bauchwand fassende Silberdrahtnähte
anlegt, zwischen denen die einzelnen Schichten der Bauchwand in
Etagen vernäht werden. Diese Naht wendet K. bei allen Lapa¬
rotomien an mit Ausnahme von der bei Tuberkulose. Hier werden
die Silberdrähte nur bis ans Peritoneum geführt.
Auch bei der Wanderniere werden percutane Silberdrahtnähte
gemacht, die den unteren Pol der Niere mitfassen.
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1906.
MIDICINISCHE WOGHi:.
969
Ferner fand die Naht Anwendung bei der Patell^naht, wo
die Drähte gekreuzt angelegt wurden.
Der Vorteil der Methode besteht darin, dass der Silberdraht
jeden Moment entfernt werden kann, wo die Situation es erfor¬
dert.
Hr. Braun-Göttingen; Ueber willkürliche Luxationen
des Hüftgelenks.
Braun sprach, durch eine eigene Beobachtung dieses Leidens
veranlasst, über die willkürlichen Luxationen des Hüftegelenks, da
ebensowenig über die anatomischen Veränderungen, welche zu ihrer
Entstehung nötig sind, als Uber ihre Behandlung etwas bekannt
ist. Die Beobachtung von Br. betraf ein etwa 18 Jahre altes
Mädchen, das sich sowohl beim Gehen als durch willkürliche An¬
spannung gewisser Muskeln das linke Hüftegelenk mit einem lauten
Krach und heftigen Schmerzen, allerdings warscheinlich nur un¬
vollständig, nach ausen verrenkte. Bei der wegen dieser Schmerzen
ausgeführten Operation zeigte sich, dass ein Labrum cartilngineum
fehlte, so dass in diesem Falle die Pfanne nicht so tief wie nor¬
mal war und die Verschiebung des Femurkopfes erlaubte. Zur
Heilung des Leidens meiselte Br, ein etwa 5—6 cm langes und
1—l^/a cm breites Stück des hinteren oberen Pfannenrandes ab,
verschob dies nach unten und fixierte es in dieser Stellung mittels
eines Gipsverbandes. Als dieser nach etwa 6 Wochen weggelassen
wurde, konnte das Mädchen ohne Schmerzen und den Krach im
linken Hüftegelenk gut gehen. Auch jetzt, etwa 2 Jahre nach
der Ausführung dieser Operation, ist das Leiden völlig beseitigt,
das Gelenk frei beweglich. Br. hofft, das auf dieselbe Weise
auch bei der habituellen Hüftgelenksluxation, die bis jetzt noch
nicht operativ in Angriff genommen wurde, die Heilung erzielt
werden könnte. (Fortsetzung folgt)
Periodische Literatur.
Allgemeine medicinische Central-Zeitung. 1906. Nr. 8.
Bemien: Das Isofom in der oto-rhinologisclien Praxis.
Bei ^/ijähriger Verwendung hat sich dem Verf. das Isofoeir
als sicher antiseptisches, baktericides, haemostatisches Wundsturm¬
pulver erwiesen. Isoformgazetampons lassen nach mehrtägigem
Liegen keine Zersetzimg erkennen; hei der Entfernung tritt keine
Naohblntung auf. Deshalb besonders za empfehlen zur Nach¬
behandlung bei Eesektionen in der Nase. Die Ausheilung der
wegen Empyem eröffneten Kieferhöhle erfolgte unter Tamponade
mit Jsoformgaze und Einblasen von Isoformpnlver prompt. Für
chronische Mittelohreiterungen erwies sich das Jsoform als wert¬
voll; in 25 von 32 Fällen gelang es damit, die Eiterung zu be¬
seitigen; musste radikal operiert werden, so erleichterte Jsoform
die Keinigung der Höhle und die Epidermisierung.
1906. Nr. 9.
Kalisky: Heber eine neue Ftmklionsprttfting des Magen-
Chemismus während der Yerdanungstätigkeit ohne Schlundsonde
(Sahli’sche Desmoidreaktion).
Verf. verwandte nach der von Schmidt angegebenen Modi¬
fikation Gummibeutelchen, die mit rohem Catgut verschlossen sind;
diese werden nur durch Salzsänre-Pepsin-Wirkung eröffnet; in
ihnen enthaltenes Methylenblau ist im Urin, Jodkalium als Jod
im Speichel nachzuweiaen. Nach Prüfung des Verfahrens durch
extrastomachale Experimente wurden Versuche an Gesunden und
Kranken angestellt. Diese ergal)en, dass die Methode eine vor¬
zügliche Reaktion von freier Salzsaure nach einer aus gemischter
Kost bestehenden Mahlzeit ist. Tiefblaue Verfärbung des Urins
schon nach 4—7 Stunden spricht für Hyperacidität, für normale
Acidität der Eintritt der Reaktion nach 7—12 Stunden, für Sub¬
acidität resp. motorische Insufficienz der Eintritt erst am nächsten
Tage. Negativ ist die Desmoidreaktion beim Magencarcinom;
aber auch bei Apepsia gastrica; eine Differentialdiagnose werden
hier andere Symptome (Blutungen, allgemeiner Körperzustand etc.)
ermöglichen.
Bücherbespreohans:.
Repetitorium der Aug^enliellknnde. Im Anijp.blHaa
an die neueren Lehrbücher dargestellt von Dr. med. W. Asher,
Augenarzt in Leipzig. (2. verb. und der äratluAen Prüfungs¬
ordnung vom Jahre 1901 entsprechend verm^irte Auflage.) Le^zig.
A. Dei«^ert. 1906.
Ob der in Examensnöten schwitz^de oand. med. dem Buche
mehr Geschmack abgewinnen wird als ich, bleibe dahingestellt.
Es ist ein Kompendium wie alle andern, jedenfalls nicht besser
als die andern. Seinem Zwecke entsprechend nimmt es häufig
Rücksicht auf besondere Steckenpferde beasnders gestrenger Exa¬
minatoren. Darin mag mancher einen Vorteil sehen. Dass viel
für den Staatsexaminanden Ueberflüssiges (z. B. maaidie ganz
irrelevant seltnere Beobachtungen des Verf.), darin steht, erhöht
die Handlichkeit des Baches nicht, dessen Stoff genau ^wie in
Fuchs’s klassischem Lehrbuch eiogeteilt ist. Letzteres -iriTd auch
der gehetzteste Kandidat mit grösserem Nutaenruad moter kaum
erheblicherem Zeitaufwande durcharbeiten als dieses -and ^-jedes
andere „Repetitorium**. Und was iCh ^eziell für den oand. med.
sagte, scheint mir auch für den vielbeschäftigten Praktiker :su
gelten, der sich schnell über irgend eine Tatsache der ihm ferner
gelegenen Ophthalmologie orientieren will.
Kurt Steindoirff.
Ersuchen
an die deutschen Aerzte.
Die Breslauer dermatologische Vereinigung hat
beschlossen, Schritte zu tun, um von den Unfallversicherungs-
gesellschaften bei
Syphlllslnftktlon hn Berufe
für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu erlangen,
als bisher.
Die zur Zeit gütigen Verslcherungsbedingungcn «nt^nreohen
gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den Interessen
der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedern der Vereinignag
Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berechtigt er¬
scheinende Eutschädigtmgsansprüche der Aerzte von den Versiche¬
rungsgesellschaften zuruckgewieseu wurden-oder nur unter Schwie¬
rigkeiten geltend gemacht werden konnten.
Bevor die Breslauer dermatologische Vereinigung mit Vor¬
schlägen hervortritt, in welcher Weise die Veraicherungsbeding-
ungen abzuändem wären, richtet sie an die deuts<^en Aerzte
dringend die Bitte, ihr diejenigen iluien bekannten Fälie mitzu¬
teilen, in welchen
1. die Anerkenn^ing von beruflicher Syphilisin¬
fektion als Unfallsursache vor Abschluss der Un¬
fallversicherung zurückgewiesen oder nur unter hohem
Prämienzuschlage bewilligt wurde;
2. eine Entschädigung für vorübergehenden Verlust der
Arbeitskraft nach dem 400. Tage seit der Entstehunig
des Unfalles beanstandet wurde;
3. die Anerkennung von voraussichtlioh lebensläng¬
licher Verminderung der Arbeitskraft, d. h.
von Invalidität auf Grund beruflicher SyiAilismfektion
verweigert wurde resp. erst erstritten .werden musste.
Die Vereinigung ersucht, die Mitteilung der einschlägigen
Fälle — sowohl der erfolglos als auch der erfolgreich geltend ge¬
machten Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit
den Gesellschaften und etwaiger Schied^eiic^tsverhandlnngen zu
ergänzen.
Nur auf Grund genauer Kenntnisse über das Verhalten der
Versicherungsgesellschaften in den einzelnen Fällen und auf Grund
eines reichhaltigen Materiales wird es möglieh sein, in dieser für
die gesamte Aerzteachaft wichtigen Angelegenheit eine Bessenrng
zu erreichen.
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270
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 24.
Die Vereinigung bittet, Zuecbriften an den Unterzeichneten
Dr. Chotzen zu senden, welcher die Bearbeitung dieser Frage
übernommen hat. Für strengste Geheimhaltung der mitgeteilten
persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet,
Breslauer dermatologische Vereinigung.
Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen,
Geh. Medicinalrat, Breslau XVIII,
derzeitiger Vorsitzender. Landsbergerstrasse 1.
Vermischtes.
Borlin. Robert Koch ist zum stimmberechtigten Ritter
des Ordens pour le Merite für Wissenschaft und Kunst ernannt
worden.
Borlin. Die im neuen Etat vorgesehenen vier Stellen als
Sanitäts-Inspektexire sind in folgender Weise besetzt worden;
Generalarzt Strick er-Cassel, Generalarzt Timann - Strassburg
i. Eis., Generalarzt Brodführer-Berlin, Generalarzt Villaret-
Posen. Ausserdem sind zu überzähligen Sanitäts-Inspekteuren er¬
nannt die Herren Generalarzt Kern, Subdirektor der Kaiser-
Wilhelms-Akademie, und Scheibe, ärztlicher Direktor der Charite,
welche in ihren bisherigen amtlichen Stellungen verbleiben.
Borlin. Priv.-Doz. Dr. Seiffer, Assistent an der Poliklinik
für Nervenkranke an der Charite, ist zum Professor ernannt worden.
Borlin. Am 31. Mai fand hier die 10. Generalversammlung
des Deutschen Zentralkomitees zur Errichtung von Heilstätten für
Lungenkranke, oder, wie es sich auf Antrag ß. Fraenkel’svon
jetzt an umfassender und bedeutungsvoller nennt, „Deutsches
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose“ statt. Die Ver¬
sammlung mxrde mit einer Ansprache des Grafen Posadowsky
eröffnet, worauf Kammerherr v. d, Knesebeck die Grüsse der
Kaiserin als der Protektorin des Zentralkomitees überbrachte. Den
Geschäftsbericht erstattete der Generalsekretär, Oberstabsarzt a. D.
Dr. Nietner, worauf Präsident Gäbel über Umfang, Ausdehn¬
ung und Erfolge der Heilstättenbehandlung bis 1906 sprach. Geh.
Rat Prof. Dr, Kirchner hielt einen Vortrag über Verbreitung
und Bekämpfung der Tuberkulose im Kindesalt '.Geh. Rat Pütter,
Verwaltungsdirektor der Charite, berichtete üoer die Tätigkeit der
Fürsorgestellen.
Patentnachrichten.
Gebrauchsmuster.
264 864. Hygienischer Warmwasserapparat, gekennzeichnet durch
einen aus Steingut bestehenden Wasserbehälter und einen durch Federdruck
scbliessosden Abflusshahn. Max Hersel, Hamburg.
264024. Mit in Scheiben aus isoliermatorial eingebetteten Sekundär-
leitungen versehener Hochfrequenztransformator für Heilzwecke. Werner
Otto, Berlin.
264025. Mit zu Flektrodeiibaltern ausgobildeten Armlehnen und
passenden Elektroden für die FUsse ausgestattete stublartigo Einrichtung zur
elektrotberapeutiscben Behandlung von Personen. Werner Otto, Berlin.
264194. Heissluft-Dusche, bei welcher vor und hinter jeder Flamme
ein Sieb Uber den lichten Durchmesser des Gehäuses gespannt ist. Arthur
Löwy, Berlin.
264 223. Einrichtung an Badewannen für koblensäurehaltige Bäder,
bestehend aus einem Säuregefäss und einem damit verbundenen, unten in der
Wanne ringsum geführten, perforierten Hohr. Willi Leopold, Berlin.
264 259. An Heissluftkästen zur Behandlung der menschlichen Glied¬
maßen mit heisser Luft aiisetzbarer elektrischer Heizapparat. Reiniger,
Gebbert &. Schall, Erlangen.
263 872. Flasche mit Meßgefäss als Stopfen. Engelbert Schlecht,
Berlin.
263874. Gebläse mit düseiiartigem Mundstück zum Aufblasen von
I’ulverdüten. Stotz & Cie., Eloklrizitäts-Qesellscbaft m. b. H., Mannheim.
263809. Etui für Englisches Pflaster, in Verbindung mit einer ßrochUre.
Ernst Friodeberg, Berlin.
A nmeldungen.
B. 37 403. Verfahren zur Herstellung von Leibbinden mit einem Becken¬
teil und zwei daran sitzenden Schenkelteilen. Dr. Guglielmo Bracco, Turin;
ü. 4924. Vorrichtung zum Teilen von Pulvern in gleiche Teile.
Stanislaus Oppl, Fulnek, Mähren.
L. 20332. Verfahren zur Herstellung nicht trocknender,luftabschliossendor
Pflaster- und Salbengrundlagen. Dr. Willy Loebell, Klein-Zschachwitz a. E.
F. 18267. Winklig zum Handgriff versiellbarer Bohrkopf fUr Zabu-
bobrmasebinen. Chester M. Freeman, Baltimore.
K. 29033. SaugvorrichtuDg für die Gaumenplatten kfinstlicher Gebisse.
Carl Kämpf, Düsseldorf.
Z. 4352. Liebtbadeapparat mit an drehbaren Ständern angebraebteo,
in senkrechten Reiben angeordneten verschiedenfarbigen elektrischen Lampen.
C. Richard Zumpe, Chemnitz.
P. 16705. Tampon, bei welchem das Heilmittel in einer löslichen
Kapsel auf einer elastischen Packung angeordnet ist. Edmund M. Pond.
Kutland.
Er te ilu ngen.
167 103. Schuheinlage für Plattfflsse. Johannes Freitag, Moritzbei^
b. Hildeeheim.
167161. Durch Schnürung zusammenziebbare Leibbinde. Auguste
Bielleit, geb. Siewert, Berlin.
167145. Bettenfabrer. Ernst Walter, Hamburg.
177146. Sarg mit Einrichtung zum öflnen durch wieder erwachte
Scheintote. Job. Müllenmoister, M.-Gladbach.
263801. Vorfilter für Desinfoktionsapparate, bestehend aus einem Des¬
infektions-Behälter mit in denselben eintauchender Saugleitung, sowie Steig¬
leitung Älr die desinfizierte ausgosaugte Frischluft. Geor. Schmidt, Weimar.
9. 9. 05.
263802. Desinfektions-Düsen-Apparat, welcher das mit Wasser ge¬
mischte Desinfektionsmittel aus einem Behälter durch an einer Robrleitnng
angeordnete Düsen auf kaltem Woge nach allen Richtungen hin aassprüht.
G^rUder Schmidt, Weimar.
268 797. Injektionsspritze mit Tnnenzylinder, welcher auf seinem
konischen Ende das Schraubgewinde für die Kanüle trägt. Ludwig Lieber-
kneebt, Berlin.
M. Rhelnholdt: ExperlmemtelleUotersnehvnffen Aber
den Einflnss der GewArse auf die Mageneaflblldiuic.
(Kgl. pathologisches Institut der Universität Berlin, experimentell biologische
Abt.). Aus „Zeitschrift für pbysikal. u. diätet. Tborapie*", 10. Band, 1
Heft, (April 06), Leipzig, Q. Thieroe.
Pawlow und seiner Schule verdanken wir die Erkenntnis, das es für
die rationelle Ernährung nicht gonUgt, eine gewisse Nahrungsmenge von
bestimmtem Nährwert und Volumen dom Ma^n zuzufUbren, sondern dass
ebenso wich^ die Genussmittel, namentlich die Gewürze, sind. Diese be¬
dingen den Wohlgeschmack der Nahrung und fördern den Appetit, wodurch
die Verdauung günstig beeinflusst wird. Davon ausgehend, wandte V'erfa.sser
auf Veranlassung von Herrn Frivat-Dozent Dr. A. Bickel
die Pawlow’sehen exporimonteU - biologischen Untersuchungs-Methoden auf
eines unser verbreiteston Würzmittel, die Soppen- und Spoisen-WQrzo von
Uaggi, an. Schon Liebreich hatte auf den diätetischen Wert dieses Prä¬
parates bingewiesen („Therapeutische Monatshefte'^ 2/1904) und gefunden,
dass es, selbst bei subkutaner Injektion, keinerlei unerwUnsebto Keizwirk-
ungen hervorruft, nicht einmal bei dem überaus drastischen Versuche dor
Einspritzung in die Jugularvene. Auch eine Verminderung der verdauenden
Kraft des Pepsins durch Maggi's Würze hat er nicht brobachten können.
Während Pawlow undSasaki die Wirkuog der Fleischbrühe und desFleisch-
extraktos auf die Sekretion dos Magensaftes nur an Hunden hatten feststellen
können, war es hier zum ersten male überhaupt möglich, den Einfluss
eines solchen täglichen Genus.smittels auf die Magensaft-Sekretion in ein¬
wandfreier Weise beim erwachsenen Menschen zu studieren. Die
Versuchs-Person, ein 23-jäbriges, gut genährtes Mädchen mit g esundem Ma¬
gen, Uber die Bickel bereits in der „Berliner klinischen Wochenschrift*'
(2/1906} berichtete, batte sich infolge einer Laugevergiftung vor 8 Jahren
eine Stricktur des Oesophagus zugezogen, weshalb ihr damals eine Ma^n-
fistel angelegt wurde. Aus therapeutischen Gründen batte dann kür^ich
Prof. Dr. Gluck die Oesophagotomie bei ihr vorgenommen und eine Fistel
der Speiseröhre am Halse gebildet. Da^ Mädchen verhielt sich demnach
analog dem Pawlow’schon Schoinfütterungshunde. Die Versuche mit
einer öligen Lösung von Maggi’s Würze in Brunnenwa^r eigabeii eine
erhebliche Vermehrung dor Sekretion dos Magensaftes, bei gloiunzeitig be-
bedcutender ErbObung des Säurewortes. Die Gesamtmenge dies sezemierten
Saftes betrug in 35 Minuten bei der M^gi-Würze-Lösung 28,3 ccm, gegen
16,7 ccm beim Kontroll-Versucli mit Wasser. Das auffallendste Resultat
bei diesen Versuchen war, dass durch die Maggi-Würze-Lösung die Sekre¬
tion viel länger andauerto (19 Vorsuebsperioden ä 5 Min. gegen _ll beim
Wasserversuch.) Die weiter vorgenommenen KontroU-Versuche mit Paw-
low'scben Hunden batten das nämliche Ergebnis: die Förderung der sekre¬
torischen Lebtung des Magens unter dem Einfluss der Mag^i-Würze.
Die Versuche verdienen, im Örginal nachgelesen zu werden. Rbeinboldt
fasst ihr Resultat dabin znsammon, dass durch die Untersuchungen 1. mit
SchoinfUtterung am Menschen, 2. mit direkter Einwirkung anf die mensch¬
liche Magenschleimhaut, 3. endlich mit dem „kleinen^ Magen am Hunde,
der Beweis erbracht ist, dass unter dem Einfluss der Maggi’sehen
Würze die Magonscblcinibaut mit einer intensiveren und
nachhaltigeren Produktion eines vordauungskräftigen und
in seinem .Säuregehalt höherwertigen Saftes reagiert, als es
ohne dieselbe der Fall ist. Die völlige Uebereinstimmung in der {ibysio-
logischen Wirkung und diätetischen Bedeutung der Maggi-Würze mit dem
Fleiscbextrakt ist somit erwiesen.
Meier,
Priv.-Ass. d. biol. Abtjg.
Veranlworllichcr Redakteur : Dr. P. Meis.sner, BerlinW. St, KurfQrttenstr. 81. — Verlag von Carl MarhoM, Halle a. S.
Dnirk von der Heynemann'tchea Buchdruckerei, Gebr WoKT. Halle a.S
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Medicinische Woche
Deotschmann, A. DQhrssen, A. Hofta« E. Jacobl,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg I. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Olessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a* S«, Uhlandstrasse 6.
Tcl.'Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppeo, K. Partsch, H. Roslo, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unrerricht, A. Voulns»
Magdeburg. Oiesaen.
Redaktion;
Berlin W» 62« Karfflmtenntrasse 81«
Dr. P MeiOner.
VII. Jahrgang. 18. Juni 1906. Nr. 25.
Die .Med i cinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalflCOlOgiSChe CCfltralzeitUtlgy Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pi. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzeite oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei Wiederholung tritt ErmIBigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Au4i fl^r Medie. Klinik
in Rom» Direktor Professor Raeceili»
Ein neuer Fall von Tetanus, behandelt und
geheilt nach der Baccelli’sclien Methode.
In einer, dem König Viktor Emanuel gewidmeten Ver¬
öffentlichung, die Prof. Baccelli vor kurzem erscheinen liess,
bespricht er den Tetanus, der allen bisherigen Versuchen und
Studien der besten Vertreter der Serumtherapie in Italien, wie
im Auslände solch hartnäckigen Widerstand entgegensetzt,
während eine vom Autor entdeckte, höchst einfache Therapie
die wunderbarsten Erfolge zu verzeichnen hat, wie die zahl¬
reichen, in der ganzen wissenschaftlichen Welt angestellten
Versuche beweisen. Der Fall, der von Prof. Baccelli in der
genannten Publikation zitiert wird, ist so wichtig und eigenartig,
dass er die Aufmerksamkeit und das Interesse aller verdient,
und deshalb will ich ihn hier wiedergeben.
Anamnese. M. G. Bauer aus Velletri, 80 Jahre alt. '
Vater und Mutter sind gestorben, als der Kranke sich noch im
jugendlichen Alter befand und er kann sich nicht entsinnen, an
welcher Krankheit. Von eigenen früheren Krankheiten weiss
er sich nur einer Anschwellung des linken Kniees zu erinnern,
au der er vor ungefähr sieben Jahren litt, und die ihm im
Krankenhaus aufgeschnitten wurde. Er hat nie syphilitische
Krankheiten geh^t.
Mit 22 Jahren hat er sich verheiratet und seiner Ehe ent¬
sprossen zehn Kinder, von denen sieben noch leben und sich
guter Gesundheit erfreuen; die Krankheiten, an denen die andern
drei starben, weiss er nicht anzugeben.
Die letzten 15 Tage vor seinem Eintritt ins Krankenhaus
hat der Patient in einem Garten io der Nähe der Kaserne des
Macao (in Rom) gearbeitet. Was er vorher gemacht hat, weiss
er nicht mehr, er erinnert sich auch nicht, sich irgend welche
traumatische Verletzung zugezogen zu haben. Lieber seine
gegenwärtige Erkrankung erzählt er, dass er vor ungefähr sieben
Tagen (am 23. November) zuerst einen gewissen Schmerz bei
den Bewegungen des Halses und Beschwerden beim Schlucken
verspürte. Er hielt es für ein vorübergehendes Uebel und
maente sich Umschläge von Leinsamen, aber die Sache wurde
immer schlimmer und zu den früheren Beschwerden kam ein
Gefühl der Unfähigkeit den Mund zu öffnen, zu kauen und
schliesslich Steifheit der unteren Extremitäten, die es ihm nnmög-
lich machte, das Bett zu verlassen. Er hatte Atembeschwerden,
aber kein Fieber. Er sagt, dass das Gefühl der Spannung aus
allen möglichen Anlässen sich steigerte, und dass diese Anfälle
von Muskelkontraktur sehr schmerzhaft waren. Deshalb ent¬
schloss er sich endlich Hilfe im Krankenhaus zu suchen, wo
er am 30. November eintrat. (Zwei leichte Hautverletzungen
die auf dem Vorderarm gefunden wurden, hat er sich, seiner
Angabe nach zngezogen, während er krank zu Hause lag.)
Objektives Examen vom 30. November 1905.
Regelmäßiges Skelett, allgemeine Ernährung verfallend,
Hautfarbe blass, leichte Cyanose am Wangenbein und den
Ohrmuscheln. Keine Oedeme. Weder an den Händen, noch
an den Füssen finden sich Spuren dauernder Verletzungen, doch
sind die Hände mit einer schwärzlichen Schicht, den Rück¬
ständen der Erde bedeckt. An der Anssenseite des linken
Vorderarmes zei^ sich eine, zirka 1 cm lange Verletzung mit
schwärzlicher lu-uste, aber nicht gerötet an den Rändern.
Andere kleine Verletzungen, Kratzwunden, finden sich am
gleichen Arm und am linken Oberarm eine zirka 2 cm lange
Wunde mit weicher Kruste, nach deren Entfernung sich eine
leicht blutige Flüssigkeit zeigt. Sonst ist am ganzen Körper
nichts zu entdecken.
Der Kranke nimmt im Bett die Rückenlage ein, die er
spontan nicht zu verändern vermag; der Kopf ist nach rück¬
wärts gebogen, die Stirne in tiefe Falten gezogen, die Kontrak¬
tur der Muskeln ist zwar nicht sichtbar, aber mittels Palpation
deutlich zu fühlen. Die Lippen sind leicht verzerrt und lassen
die Zähne sehen, die der Patient infolge Trismus nicht zu
öffnen vermag. Es fällt ihm daher auch s^wer, Speise zu sich
zu nehmen und muss ihm löffelweise Milch eingeflösst werden,
die er jedoch ohne Beschwerden schlucken kann. Die steruo-
cleido-mastoidei zeichnen sich deutlich unter der Haut ab und
fühlen sich hart an, die Nackenmuskeln sind steif und halten
den Kopf nach rüeWärts gebogen. Die Bewegungen der Aus¬
dehnung und der Drehung des Kopfes sind sehr beschränkt,
aber nicht unmöglich. Der Rumpf ist steif, das Rückgrat
bildet einen leichten Bogen, so dass man zwischen dem Bett
und dem Rücken bequem die Hand durchschieben kann. Auf
dem Torax zeichnen sich die Pettorali unter der Haut deutlich
ab, und fühlen sich hart an. Die Muskeln des Abdomen sind
straff gespannt, und der ganze Unterleib scheint ein Brett.
Obere Extremitäten. Die passiven Bewegungen zeigen
einen ziemlich bedeutenden Widerstand in allen Gelenken, be¬
sonders jenen der Schulter. Die Hände sind schwer zu biegen,
die Finger der rechten Hand sind gegen die Innenfläche ge¬
krümmt und diese Krümmung lässt sich nicht leicht lösen.
Die aktiven Bewegungen können alle ausgeführt werden, aber
durch eie werden alle Muskeln der Schulter, des Armes und
des Vorderarmes in tonische Kontraktion versetzt, und auch
der Trismus nimmt während dieser Krampfanfälle zu. Untere
Extremitäten. Die unteren Extremitäten sind vollständig
ausgestreckt, und es ist unmöglich, Bewegungen vorzunehmen,
sei es aktive oder passive. Die Muskeln befinden sich in
starker Kontraktur. Während der Untersuchung stellten sich
wiederholt tetanische Anfälle ein. • Die Palpation der Mnskel-
masse ist sehr schmerzhaft. Wenn man versucht, den Kranken
bei den Schultern oder an den Füssen zu erheben, hebt sich
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272
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 25.
der ganze Körper, nls ob er ein Brett wäre. Dieser Zustand
der Muskolsteife wird von Zeit zu Zeit durch allgemein wieder-
kehrende Krampfanfalle noch erschwert, die in unbestimmten
Zwischenpausen wiederkehren und durch die geringste Ursache
ausgelöst werden können.
Die Anfälle dauern gewöhnlich nur wenige Sekunden, der
Puls wird während dessen beschleunigt und nimmt cieich nach¬
her wieder den gewohnten R}i;hmus an. Auch die Atmung
ist während der Anfälle beschleunigt; sie steigt im allgemeinen
von lü bis 20 auf 24 bis 30 und die Respiration ist nur dia¬
phragmatisch. (Schluss folgt)
Cellotropin (Monobenzoylarbutin)
als Tuberkiüosenheilmittel.
Von Med. univ. Dr. Wilhelm Meithner,
Distriktarzt in Wostitz (Mähren).
(Schloss.)
Iiu letzten Satze ist schon die Wirkungsweise, in der das
Cellotropin bei der Tuberkulosebehandlung nützlich zur Gel¬
tung kommt, kurz vorweg genommen. Tritt man der Frage
näher, so möchte ich eine primär lytische, auflösende Wirkung
auf da.s Lungensekret, das Sputum, dem Cellotropin nicht nach-
saacn, obgleich Arbutin die Drüsensekretion anderer Organe
erwiesenermaßen anzuregen vermag. Die Beobachtung am
Kranken ergibt wenigstens gar keine positiven Anhaltspunkte
dafür. Ebensowenig möchte ich dem Cellotropin primäre,
appetonzanregende Fähigkeiten nachrühmeo, die etwa sekundär
die Tuberkulose günstig beeinflussen. Wohl zu beachten!
Crllotropin schädigt in keinem einzigen Falle die vorhandene
Appotenz oder ihren Rest. Weder ich selbst habe derartiges
gesehen, noch ist derartiges sonst in der Literatur erwähnt.
Dadurch unterscheidet sich die Cellotropintherapie wesentlich
von der Kreosottherapie, die einerseits mit ihrer günstigen
Wirkung nach der Anschauung vieler Aerzte einzig auf der
vVpjietenzsteigerung basiert, andererseits aber in Fällen dem
Kranken noch den Rest seiner Appetenz raubt und aufgogeben
worden muss. Cellotropin schädigt also nie eine vorhandene
Appetenz oder deren Rest, aber eben so sicher behaupte ich,
dass Cellotropin nicht primär Appetenzsteigeru^ hervorruft,
denn man sieht beim Cellotropingebrauch der Tuberkulotiker
Feuilleton.
Pariser Brief.
Da Paris unläugbar der Hauptknotenpunkt des derzeitigen
Weltverkehrs ist, so stellen sich auch bisweilen den Gelehrten
dieser Stadt Aufgaben und Vorwürfe, die in andern Orten fast
ganz undenkbar sind. Als Beispiel dafür mögen die folgenden
beitlen, höchst eigenartigen Mitteilungen aus den Pariser gelehrten
Gesellschaften dienen.
In der Sitzung der Acadomie dos Sciences vom 2. April
d.s. Js. sprach der Anthropologe Lortet über das Herz des
Königs Ramses 11. von Aegypten, der im Jahre 1258 vor
unserer Zeitrechnung gestorben ist. Einleitend erzälilte Lortet,
«lass die Verwaltung der Museen des Louvre in Paris, nach
tansen«! Schwierigkeiten, in den Besitz von vier altägyptischen
Urnen gelangt ist, welche auf ihren Verzierungen Inschriften
tragen, aus denen mit Sicherheit hervorgeht, dass sie die Ein¬
geweide jone.s Herrschers enthalten. Lortet wurde nun be¬
auftragt. den Inhalt der Urnen näher zu untersuchen. In drei
Urnen fanden sich in festangezogene und durch Soda und harzig-
aromatische Substanzen verklebte Leinwandstreifen eingehüllte
granulöse Massen, deren Natur zwar nicht mehr mit Sicherheit
lostzn.stellcn war, die aber Lortet die Ueberreste von Magen,
Darm und Leber zu sein schienen. Die vierte Urne, deren
niemals das Bild, das im Einzelfalle die rasche Appetenzstei-
gerung der Kreosottherapie gelegentlich bietet.
Wie wirkt also Cellotropin? Von den „gangbaren Wirkungs¬
arten“ bleibt da nur noch die „innere Desinfektion“ übng,
die, z. B. beim Kreosot, als „Sättigung des Blutes und der
Gewebsflüssigkeiten mit Kreosot“ definiert wird, welcher Zu¬
stand des erkrankten Organismus die Tuberkelbazillen in der
antiseptisch gemachten Umgebung kein weiteres Gedeihen Enden
lässt. Diese innere Antiseptik ist zweifellos mehr ein Schlag-
wort als eine Tatsache. Letztere halte ich überhaupt nur
möglich bei den vorübergehend grossen Kreosotaldosen, wie
sie in akuten Erkrankungen der Respirationsorgane vorüber¬
gehend gereicht werden Können, und auch da nur bei der
Kreosotalthorapie, bei der das Kreosot nicht nur in den Ge¬
websflüssigkeiten und im Blute schwimmt, sondern auch reich
durch die Lungen ausgeschieden wird, so dass es doppelt reich
immer den Krankheitsherd, den Sitz der Infektion, umwogt.
Hier also vielleicht! Sicher aber ist die innere Desinfektion
ein Schlagvvort bei der geistlosen, schematischen Sirolintherapie
und ähnlichem Wurzentum.
Aber die Ergebnisse der neueren Forschungen über jene
Vorgänge, welche das Wesentliche bei der Heilung infektiöser
Erkrankungen bilden, weisen überhaupt nicht mehr auf die
Notwendigkeit einer durch Zufuhr antiseptisch wirkender Sub¬
stanzen bewirkten Desinfektion des Organismus. Sie verweisen
ganz präzise nur mehr auf die Notwendigkeit, die im erkrankten
Organismus latent oder gebunden schon vorhandenen antibak-
tenellen Elemente frei werden und in den Kreislauf gelangen
zu lassen. Frei geworden genügen die natürlichen Schutzkräfte
für den erfolgreichen Kampf des Organismus gegen die einge¬
drungene Noxe. Wenngleich die einfache Ph^ocytenlehre
Metschnikoff's nicht mehr zu recht besteht, hat doch sie
den Anstoss zur Erkenntnis der Antikörper und Alexine ge¬
geben, die, in jedem Organismus vorhanden, wenn kreisend
im Blute, in ihrer Wechselwirkung die Noxe überwinden, die
Antikörper, indem sie durch ihren chemischen Einfluss die ein-
edrungenen Mikroorganismen zugängig machen dem auflösen-
en, also zerstörenden Einflüsse der bakteriolytischen Fermente,
die den Namen Alexine führen. Als eine der ersten Ursprungs-
uellon für die Alexine waren die Leukocyten erkannt, nnd
amit Metschnikoff's bedeutungsvolle Beobachtung auch
mit der neuen Lehre in Einklang gebracht, derzufoTge der
Leukocytose bei der Bekämpfung von Infektionskranloieiten
noch immer die ganze Vollwertigkeit zukommt.
Deckel mit einem Schakalkopfe geschmückt ist, enthielt, in der¬
selben Umhüllung wie die andern, eine ovale Platte, die 8 cm
laug und 4 cm breit w’ar. Sie war hart, wie von Hom. Nur
mit der Säge konnte ein Stück davon herausgetrennt werden.
Aus diesen gelang es, mit dem Rasiermesser Schnitte zur
mikroskopischen Untersuchung anzufertigen. Es zeigte sich
dabei ein guterkenntliches, den Histologen wohlbekanntes Bild,
nämlich Muskelfasern, die sich ineinander verzweigen. Solche
Fasern kommen bekanntlich nur im Herz und in der Zunge
vor. Da sich aber die Mumie jenes Königs in einem Museum
in Cairo befindet und ein als Zunge anzusprechendes Gebilde
besitzt, so kann also kein Zweifel darüber obwalten, dass die
Platte in der Urne tatsächlich aus dem durch die Einbalsamierung
eingetrockneten, geschrumpften und verhärteten Herzen des
vor 3164 Jahren gestorbenen Königs Ramses des Grossen, von
den Griechen Sesostris genannt, besteht.
Die zweite Mitteilung, die hier besprochen werden soll,
und die manche Aehnlichkeit mit der ersteren hat, war im
vergangenen Jahre ebenfalls in der Acadomie des Sciences in
Paris, gemacht worden. Auch hierfür muss die Vorgeschichte erst
erläutert werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten von
Nordamerika hatte dem Gründer ihrer Kriegsflotte, dem Admiral
Paul Jones, ein Grabdenkmal in der Kapelle der Marine¬
akademie in Washington errichtet und brauchte dazu den er¬
forderlichen Inhalt, d. h. die Leiche von Jones. Diese aber
ruhte seit 113 Jahren in Paris auf einen Friedhof, der längst
mit Häusern überbaut ist und dessen Einzelpläne bei der Nieder-
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lOüC.
MEDICIKISCÜE WOCHE.
27S
Von diesem Standpunkte aus habe ich in 3 Fällen meiner
Beobachtungen, das eine Mal drei Monate hindurch, die an>
deren Male durch 10 Wochen, regelmäßig Blotpräparate an¬
gelegt und von jedem Termine einzelne nach gleichen Methoden
gefärbt. Wenn auch keine mächtige Leokocytose, wie man
sie nach stärkeren Nucleindosen beobachten kann, anftrat: in
den späteren Bildern waren die weissen Blutzellen ganz un¬
zweifelhaft häufiger zu finden als vor und am Beginne der
Cellotropinbehandlung. Die Vermehrnng betraf namentlich die
polymorphen Leukocyten, daneben traten auch eosinophile
Leukocyten auf.
Die polymorphen Leukocyten sind als reiche Alexinträger
bekannt; die Beaeutung der eosinophilen Leukocyten habe ich
in meinen Behelfen nicht präzisiert finden können, nur Hof-
bauer*) bemerkt ihr Vorkommen bei starker Nucleinleuko-
cytose. Also mäßige Leukocytose bewirkt Cellotropin allmäh¬
lich. Mäßig und allmählich! Gibt es doch heute genug leuko-
taktische hßttel, die rasch eine starke Leukocytose bewirken.
Wenn diese aber in der Tuberkulosetherapie nicht siegreich
durcbzudringen vermochten, während die mäßig bewirkte Leuko¬
cytose bei einzelnen Mitteln, z. B. bei dem Guaiacetin, als der
wichtigste Eeilfaktor angesehen wird: so drängt sich natur¬
gemäß die Frage auf, ob die akut und stürmisch bewirkte
Leukocytose, die in akut verlaufenden Prozessen mit einer
günstigen oder deletären Entscheidung innerhalb weniger Tage,
ganz hervorragende Dienste leisten kann, auch in ewiger
Wiederholung auf jene Dauer sonst schadlos zu erzielen und
erfolgreich zur Geltung zu bringen ist, die ein Krankheitspro¬
zess von der notorisch chronischen Heilungsdauer einer schon
etwas eingerissenen Tuberkulose zu seiner Heilung unbedingt
braucht.
Neben der mäßigen Leukocytose kommt in Hinsicht auf
die Möglichkeit der Vermehrung der Alexine durch Cellotropin
noch die Tatsache in Betracht, dass die Alexine nicht einzig
im Blute und in den weissen Blutzellen ihren Entstehungsort
haben. Prof. Turr6-Barcelona**) bezeichnet sie ganz all¬
gemein als ein Produkt des Zellplasmas. Ihr Vorkommen
„wurde bisher experimentell nachgewiesen in der Schilddrüse,
der Nebennierenkapsel, dem Nierengewebe, in den Lymph-
*) Dr. S. Hofbauor: Zur Verwertung einer künstiicben Leukocytose
bei der Behandlung septischer Puerperalprozcsse. Zentralbl. f. Gynäkologie,
1896, Nr. 17.
*♦) Prof. R. T u r rö-Barcelona: Ursprung und Beschaffenheit der
Aioxine. Vortr. a. d. intern, medic. Kongr. 1903. Berl. klin. Wocbenschr.
190!i, Nr. 86.
brennuog des Pariser Rathauses durch die Kommune im Jahre
1871 zerstört worden waren. Jones war nämlich nicht nur
ein abenteuerlicher Seefahrer, sondern auch ein wenig Land¬
streicher gewesen. Von Geburt Engländer, war er als Schiffs¬
junge nach Amerika gekommen und hatte sich dort bei Aus¬
bruch des Freiheitskrieges anwerben lassen. Er wurde der
Gründer der amerikanis^en Kriegsflotte, als deren Admiral er
grosse Heldentaten vollbrachte. Nach Beendigung des Krieges
führte ihn sein unruhiger Geist nach Europa zurück, wo er zuerst
in französische und dann in russische Marinedienste trat. In
der letzteren Stellung hat er hauptsächlich an der Schaffung
der Kriegsflotte im Schwarzen Meer gearbeitet. Aber auch hier
war seines Bleibens nicht lange, es trieb ihn von da nach dem
unter dem frischen Eindruck der grossen Revolution stehenden
Paris. Wenige Monate nach seiner Ankunft starb er dort, im
Jahre 1792, krank und verlassen, erst 45 Jahre alt. Er wurde
auf dem Kirchhofe für ausländische Protestanten, der dicht
neben dem Hospital St. Louis sich befand, in einem Bleisarge
beerdigt.
Auf Veranlassung der Regierung der Vereinigten Staaten
wurden nun im letzten Jahre in Paris eifrige Nachgrabungen
nach diesem Sarge angestellt und eine ganze Häuserreihe neben
dem Hospital St. Louis zu diesem Zwecke unterminiert. Es
wurden dabei in der Tat auch einige Bleisärge gefunden. Die¬
selben trugen jedoch keine Namensangaben. Zwei Pariser
Aerzte Capitan und Pap illaut wurden nun von der ameri¬
kanischen Botschaft in Paris ersucht, festzustellen, ob einer
drtisen, den Muskeln, in Leber und Milz .... etc“. Wenn
also die mäßige Leukocytose allein nicht genügend ist zur
Aufklärung der Alexinvennehrung durch Ceuotropin, auf die
ebenso das Tierexperiment wie die klinische Beobachtung mit
dem allmählichen Verschwinden der Tuberkelbazillen aus dem
Sputum hinweist, so ist in der erwiesenen Einwirkung des
Arbutin anf die Funktionen mannigfacher anderer diesiger
Organe genügende Möglichkeit geboten, in ihnen vorhandene
Alexine frei zu machen. „Im Plasma der Parenchjrmzellen
werden sie geschaffen und dieses vermag sie in schier uner¬
schöpflicher Menge an die Körpersäfte weiter zu geben“ . . .,
„sie werden um so eher im Zustande potentieller Energie ver¬
harren , je weniger passende Mittel für ihre Lösung in den
Körpersäften vorhanden sind“, sagt Tnrrö. Wie weit im
einzelnen dieser Einfluss des Cellotropin reicht, sonst passende
Mittel für die Lösung der Alexine aus dem Plasma den Köiper-
säften aus den Drüsen zu erwirken, ist heute noch nicht zu
s^en. Aber heute schon weisen Experiment und Beobachtung
am Krankenbette auf die Tatsache, dass Cellotropin durch
Schädigung der eingedrungenen Noxe zur Tuberkulosebeilung
beitrage.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
AernftHcher Verein in Hamburg»
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 22. Mai 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne.
I. Demonstrationen: 1. Herr Hueter (Altona) demonstriert
eine Herzruptur am linken Ventrikel: ein myomalacischer Herd
hatte bereits Anlass zu einer grossen aneurysmatischen Aus¬
buchtung an dieser Stelle in vivo gegeben. 2. Herr Simmonds
hat Präparate, die bis zu 10 Jahren bereits in Kay s erlingscher
Lösung gelegen hatten, auf Spirochaeten untersxicht und konnte
stets solche nachweisen. Gefärbt wurde nach Levaditi, dann
5 Minuten lang in Saffraninlösung und Minute in Pikrinsäure.
Besonders viel Spirochaeten wurden bei den syphiHtischen Foeten
in der Darmwand und im Meconium gefunden; auch waren grosse
schwarze Haufen zu erkennen, die von Trümmern von Spirochaeten
herrührten. 3. Herr Paschen hat ein Präparat unter dem Mi-
dieser Särge die Leiche von Jones einschliesse. Als Anhalts¬
punkte für ihre Untersuchungen wurden ihnen mehrere histo¬
rische Angaben über die Körperverhältnisse des Admirals und
die Krankheiten, die er durchgemacht, mitgeteilt und insbesondere
ihnen der Abguss einer lebensgrossen Büste von Jones, die vom
Meissei des einst weltberühmten französischen Bildhauers Hou-
don herrührt, übergeben.
In einem der Särge fanden nun die beiden Aerzte eine
mumienhafte Leiche, die ungefähr der eines 45jährigen Mannes
entsprach. Sie war 170—171 cm lang und zeigte braune, im
Ergrauen begriffene Haare, was mit den allgemeinen Angaben
über Jones übereinstimmte. Es wurden nun die Gesichtszügo
der Leiche mit der Büste von Houdon verglichen. Die Linie
der Haarimplantation, die Form der Stirn, der Augenbrauen¬
bögen, der Nasenwurzel und des Kinnes, der Prognathismus
des Unterkiefers und die eigentümlichen Ohrwindungen stimmten
völlig überein. Die untersuchenden Aerzte nahmen dann yer-
gleicnende anthropometrische Messungen am Gesicht der Leiche
und der Büste vor, die nie um mehr als 2 mm differierten, so
war an der Leiche die Distanz von der Haarimplantation zum
Punctum subnasale und von hier zum Kinn 12,9 und 7,4 cm,
an der Büste betrugen diese Maße 12,7 und 7,5 cm. Auch die
Länge der Oberlippe, die Unterlippe mit Kinn und die Stirn¬
breite wurden bestimmt und nur wenig verschieden von den
entsprechenden Maßen der Büste gefunden.
Schliesslich wurde noch die pathologische Anatomie zur
Identitätsfeststellung mit herbeigezogen. Es war bekannt, dass
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274
MEDIOINISCHE WOCHE.
Nr. 25.
kroskop aufgestellt, bei dem die Spirocliaeten in Zellen ein¬
geschlossen liegen.
n. Vortrag des Herrn Umber (Altona): „Diagnostisches
und Experimentelles über die Fettverdauung im
Magendarmkanal.“ (Autorreferat.) Die Abänderung der nor¬
malen Vorgänge der Fettverdauung im Magendarmkanal hat Vortr,
auf seiner Abteilung des Altonaer Krankenhauses zusammen mit
Dr. Brugsch in quantitativen Ausnützungsversuchen bei ver¬
schiedenen Erkrankungen des Verdauungstractus systematisch ver¬
folgt, wobei sich bemerkenswerte diagnostische Gesichtspunkte er¬
geben haben. So spricht eine Wiederausscheidung bis zu 45%
des Nahrungsfettes im Kot eines Ikterischen für reinen Gallenab-
Bchluss, über 60% dagegen für Mitbeteiligung des Fancreas bei
der Blrkrankung der Gallenwege. Gehen bei einem Nicht-Ikterischen
mehr als 50% des Nahrungsfettes im Kot verloren, so ist damit
eine Pancreasstörung wahrscheinlich. Bei gleichzeitigem völligen
Abschluss von Galle und Bauchspeichel erscheinen bis zu 87 %
des Nahrungsfettes im Kot wieder. Trotz schwerster Schädigung
der Fettresorption kann bei isolierter Pancreaserkrankung die
Fettspaltnng völlig normal ablaufen, wie an quantitativen Aus-
nützungsversuchen gezeigt wird. Es müssen also im Darmkanal
ausser dem Pankreas noch andere fettspaltende Kräfte wirksam
sein, die eine fehlende oder schwer geschädigte pancreatische
Fettspaltnng vollständig ersetzen können. Welche sind das?
Auch bei Gallenabschluss vom Darm ist die Fettspaltung darin
normal, also bedarf es auch der Galle nicht zur Erhaltung der¬
selben. Das Vollhardsche Magensteapsin, dessen Existenz auch
Umber am menschlichen Fistelträger nachweisen kann, kann nicht
allein für die Erhaltung der normalen Fettspaltung verantwort¬
lich gemacht werden, auch nicht die zu geringe bakterielle Spaltung.
Deshalb hat Umber die aseptischen Fresssäfte von Fancreas,
Leber, Milz und Darmschleimhaut des entbluteten und mit phy¬
siologischer Kochsalzlösung durchspülten Hundes, ferner Galle und
Blut vergleichend geprüft auf ihre fettspaltende Wirkung gegen¬
über einer Eigelbemulsion von der Alcalecenz des Darminhaltes.
Sämtliche Säfte sind unter geeigneten Versuchsbedingungen einer
mehr oder weniger energischen Fettspaltung fähig, und zwar be¬
stehen Unterschiede zwischen den Säften eines nüchternen und
eines fleischfettverdauenden Tieres, welch letzteres reicher an
wirksamen fettspaltenden Enz 3 rmen ist, jenes dagegen zymogen-
haltiger. Durch zweckmäHige Kombinationen der Säfte (Demon¬
stration der Versuchsreihen) ergaben sich interessante wechsel¬
weise Aktivierungen und Hemmungen der enzymatischen Fett¬
spaltungen, die je nach dem Verdauungsstadlnm variieren. So
z. B. entfaltet die Kombination von Leber- imd Fancreassaft des
der Admiral lungenkrank und besonders seine linke Seite affi-
ziert gewesen war. Weiter wusste man, dass vor seinem Tode
eine allgemeine Anschwellnng eingetreten war, die an den
Füssen begonnen, allmählich sich nach oben ausgebreitet und
zuletzt den ganzen Bauch eingenommen batte. Die inneren
Organe der Leiche waren unter Einwirkung einer bei der Ein-
sargung angewendeten alkoholischen Lösung weich geblieben,
sie waren nur wenig geschrumpft und gebräunt. Man konnte
von ihnen mikroskopische Schnitte machen, fast wie von einer
frischen Leiche. Bei diesem Teil der Untersuchung hatte Prof.
Cornil, der pathologische Anatom der Pariser Medicinischen
Fakultät, mitgewirkt. Er konstatierte mikroskopisch eine aus¬
gedehnte Glomerulitis an den Nieren und stellte die Diagnose
auf vorgeschrittene chronische interstitielle Nephritis. Die
Leberstruktur war normal. Die Lungenuntersuchung hatte
schon makroskopisch bronchopneumonische Herde in der linken
Lunge ergeben. Anamnese und Leichendiagnose deckten sich
also. Die beauftragten Aerzte in Paris konnten somit, 113
Jahre nach dem Tode, ein positives Gutachten über die Iden¬
tität der Leiche abgeben.
Die amerikanisime Regierung hat dieses auch in vollem Maße
anerkannt. Ein grosses amerikanisches Kriegsgeschwader holte
darauf die Leiche in Frankreich ab und kürzlich wurde dieselbe
feierlich unter dem Grabdenkmal in Amerika, zur diesmal wohl
endgültigen Ruhe, niedergesenkt. P. Schober (Paris).
nüchternen Tieres eine weit höhere Fettspaltung als die Summe
der einzeln wirkenden Säfte beträgt. Beim verdauenden Tier
leistet dagegen die Kombination nicht mehr als die Summe. So
hemmt ferner der Darropresssaft des nüchternen Tieres die Fett¬
spaltung seines Pancreaspresssaftes, während er beim verdauenden
Tier seine Wirkung erhöht; der Milzpresssaft des verdauenden
Tieres, der selbst stark fettspaltet, aktiviert den Pancreaspresssaft
in auffälligem Maße usw. So erklärt sich also, warum beim
isolierten Pancreasausfall die Fettspaltnng durch alle di^e fett-
spaltenden Exäfte des Darmes auf normaler Höbe gehalten werden
kann trotz schwerer Schädigung der vom Fancreas abhängigen
Fettresorption, und dass sie erst dann notleiden muss, wenn sämt¬
liche Funktionen der Darmverdauung durch die Erkrankung in
Mitleidenschaft gezogen worden sind.
in. Diskussion: Herr Schümm fragt nach der Versiichsdauer
der Spaltungen und nach der Art des angewendeten Antiseptikums.
Herr Umber: Die absolute Versucbsdauer betrug 22 Stimden
bei 37^ C. Es wurde etwas Toluol zugesetzt und streng aseptisch
verfahren. S chön e wal d.
Kongressbericht.
23. Kon-ffress für innere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Gras sman n-München.
2. Sitzungstag.
Herr Albert Fraenkel-Badenweiler: Zur Digitalis¬
therapie.
Das Digalen verdankt wohl die Beachtung, die ihm von allen
Seiten geschenkt wurde, in erster Linie seiner intravenösen An¬
wendung. Es war aber von vornherein anzunehmen, dass jeder
wasserlösliche Körper der Digitalisgruppe zu dieser Art der An¬
wendung geeignet sei, der chemisch rein ist und daher konstanten
Wirkungswert besitzt. Allen Anforderungen genügt das Stro¬
phantin , deren Wirkung bei intravenöser Einführimg der Ver¬
fasser in etwa 50 Versuchen an der inedicinischen Klinik
zu Strassburg studierte. Die voll wirksame Dosis — etwa
15 ccm Digalen äquivalent — beträgt mgr und kann schon mit
®/4 ccm HzO in die Vene injiziert werden. Die Wirkung setzt
darnach schon nach 3 — 4 Minuten ein und unter den Augen des
Beobachters vollzieht sich die Umschaltung der Kreislaufverhält-
nisse zur Norm. Der Puls wird voller, die Dyspnoe verschwindet
und eine enorme Harnflut (bis 6 Liter) setzt ein. Schon durch
eine einzige Injektion können die schwersten Kompensations¬
störungen beseitigt werden. Keinesfalls darf man der ersten In¬
jektion rasch andere nachfolgen lassen, da das Strophantin wie
andere digitalisartige Substanzen kumulierende Wirkung besitzt.
Magen- und Darmstörungen treten nicht ein, jedoch hier und da
Teraperatursteigerungen.
Der Verfasser hat nun diese energische und rasche Digitalis¬
wirkung — das Strophantin ist ja pharmokologisch als Digitalis¬
substanz anzusehen — dazu benützt, um den Blutdruck und die
Piilsamplitude mit dem Recklinghausenschen Apparat zu unter¬
suchen ; der Blutdruck wird nicht wesentlich verändert, die Pulsam¬
plitude aber immer bedeutend vergrössert. Dann erst tritt Puls¬
verlangsamung ein und endlich die Diurese und die anderen
S^Tnptome der Kreislaufverbesserung. Es ist wichtig, dass eine
einzige Injektion die Stauung dauernd beheben kann, obgleich die
direkte Einwirkung des Strophantins 2—3 Tage nicht überdauert;
dadurch ist erwiesen, dass die günstigen Folgen auch nach dem
Abklingen der Arzneiwirkung selbst fortdauem und dass demgemäß
auch für die interne DigitsiUstherapie jene Darreichungsmethode
die rationellste ist, nach der man die Präparate nur solange fort¬
geben soll, bis die Kreialaufsymptome, vor allem Pulsfrequenz und
Diurese — der Verfasser nennt sie „Indikatoren der Digitalis¬
wirkung“ — deutlich verbessert sind. Praktisch wird die innere
Digitalistherapie immer obenan stehen. Die .subkutane Anwendung
ist für Strophantin wie für alle Digitalisköiq)er zu verwerfen, weil
sie sämtlich reizen. Die intravenöse Anwendung ko mm t bei be¬
drohlichen Graden der Herzinsuffizienz in Betracht und kann hier
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
275
lebensrettend wirken. Ferner kann sie versucht werden, wo die
interne Therapie versagt oder Magendarmstörungen ihre Anwen¬
dung unmöglich machen. Wegen der Heinheit des wasserlöslichen
Körpers, der stärkeren Wirksamkeit sowie Wohlfeilheit des Präpa¬
rates verdient die intravenöse Injektion des Strophantin Böhrin-
g e r (in sterilisierter Lösung zu 1 mg in Glastaben) vor dem
Digalen den Vorzug.
In der Diskussion bemerkte Herr Ewald-Berlin, dass er
von Digaleninjektioneu (intravenös) sehr gute Erfolge gesehen habe.
Einspritzungen ins TJnterhautzellgewebe sind zu vermeiden, da sie
Reizung mit heftigen Schmerzen machen, (Fortsetzung folgt.)
33. Kongress der DeutscJien Ges^lsf^iaft
für Chi/rurgie.
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Bardenheuer-Cöln stellt einige Fälle von Resektion
der Hüftegelenkspfanne vor, die sehr gut geheilt sind. Am
besten werden die Resultate, wenn es gelingt, den Trochanter zu
schonen und ihn am Becken einzuheilen. B. betont, dass die Ver¬
bindung zwischen Femur und Becken meist keine knöcherne, sondern
eine gelenkige sei. Der Verband muss in Abduktionsstellung
erfolgen,
Hr. Bosse-Berlin: Mikroskopisches und Radiolo-
gisches zur cangenitalen Gelenklues.
B. hat 3 Fälle mikroskopisch untersucht, und zwar Stücke,
die er durch Prcbeexcision aus congenital syphilitischen Gelenken
gewonnen hatte. Als Resultat fand er eine granulierende Ent¬
zündung der Synovia, welche meist die Innenschicht derselben be¬
trifft. Ferner haben seine Untersuchungen ergeben, dass eine eit¬
rige Gelenkerkrankung bei der Syphilis wohl Vorkommen könne.
Der Knorpel war nicht verletzt; hin und wieder wurden leichte
paunöse Auflagerungen gefunden; Zottenbildung wurde nicht kon¬
stant gefunden. Im parraarticulären Gewebe fand er keine Intima-
wuchening der Gefäase; ferner Veränderungen an den Muskeln;
die Muskeln atrophierten unter Auftreten von Sarcolemmwucherung.
Die Knochen wui*den radiologisch untersucht und zwar in 11 Fällen.
Als Ergebnis der Untersuchung führt B. an, dass verschiedene
Formen der Syphilis an den Knochen gefunden wurden: Osteochon¬
dritis epiphysaria, gummös osteomyelitische Prozesse sowie Perios¬
titis ossificans. In 3 Fällen war es ihm möglich, rachitische und
syphilitische Prozesse, welche an den Knochen kombiniert waren,
auf radiologischem Wege zu differenzieren.
Hr. Borchhardt-Posen demonstriert einen von den ober¬
flächlichen Venen des Unterschenkels aasgegangenen sarcoma-
t Ösen Tumor.
Hr. Rosenberger-Würzburg: üeber konservative
Behandlung eiternder Fingergelenke.
R. glaubt, dass die Schwierigkeit der Heilung solcher Eiter¬
ungen durch die bisher übliche Behandlung derselben bei den Ver¬
bänden bedingt ist; durch die Bewegungen, bei den Verbänden,
wie sie bisher üblich waren, wurden die Gelenke immer von neuem
gereizt. Er hat daher in neuerer Zeit feste gefensterte Ver¬
bände angelegt, welche nur das eiternde Gelenk frei lassen und
daher gestatten, die Verbände bei bestehender Fixation des Ge¬
lenks anzulegen. Dadurch hat er schnellere Heilung erzielt.
Hr. Hofmann-Graz: Zur Behandlung der knöchernen
Gelenksankylose n.
Redner hat in einem Falle von Ellenbogengelenksversteifung
nach Influenza das Radiumköpfchen mit Humerus und Olecranon,
soweit wie es zur Mobilisierung nötig war, reseziert, die Gelenk¬
kapsel entfernt. Dann hat er von der Tibia einen Periostlappen
entnommen, ihn auf den resezierten Humerus aufgesetzt und dort
mit Nähten befestigt. Naht der Wunde und Verband in recht-
winklicher Stellung. Wundverlauf gut. Nach 3 Wochen Ab¬
nahme des Verbandes. Es wurde mit passiven Bewegungen be¬
gonnen. 4 Wochen nach der Operation verliess der Operierte das
Krankenhaus und entzog sich der Behandlung. 8 Monate später
stellt er sich wdeder mit einem sehr gut beweglichen Gelenk vor;
die Pro- und Supination waren ausgiebig möglich, die Beugung
bis zu einem Winkel von 80®; die Streckung war vollkommen.
Ein ScMottergelenk bestand nicht. (Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 20 .
1 . Denker, Erlangen: Ein neuer Weg für die Operationen
der malignen Nasentumoren.
Submuköse Freilegung des Naseninneren nach Fortnahme der
fazialen und der medialen Kieferhöhlenwand. In zwei Fällen,
welche von der lateralen Nasenwand ihren Ausgang genommen
hatten, liess sich das Operationsgebiet in ganzer Breite frellegeii
und eine radikale Exstirpation vornehmen.
2. Küster, Freiburg i. Br.: Beitrag zur Frage des spora-
disohen Auftretens von Meningitis zerehrospinalis (Weichsel-
haum).
Mit Schottmüller ist K. der Ansicht, dass, je mehr klinisch
verdächtige Fälle von Genickstarre sofort mit der nötigen Technik
bakteriologisch untersucht werden, desto grösser wird die Zahl der
sicher sporadischen Fälle von Genickstarre. Zwar wird die leichte
Hinfälligkeit des Erregers zuweilen die Züchtung erschweren,
doch kann in solchen Fällen das Ausstrichpräparat häufig den
Verdacht unterstützen und zu einer wiederholten zweckmäßigeren
Materialentnahme führen.
3. V. Herff, Basel: Zur Verhütung der gonorrhoischen Oph-
thalmoblennorhoe mit Sophol.
Argentum nitricum reizt die Augen zu stark, deshalb müssen
andere Mittel gefunden werden, die bei mindestens gleicher Sicher¬
heit erheblich geringere Reizerscheinimgen verursachen. Im
Frauenspital Basel-Stadt wurde das Formonukleinsilber — nunmehr
im Handel als „Sophol“ geschützt, das von den Farbenfabriken
vorm. Friedr. Bayer & Co. in Elberfeld in den Handel ge¬
bracht wird, — erprobt. Bei grösserer Reizlosigkeit ist auf
gleichen Silbergehalt berechnet die desinfizierende Kraft des
Sophols derjenigen des Protargols mindestens ebenbürtig, während
sie, auf gleiche Gewichtsmengen bezogen, bei dem hochprozentigen
Sophol wesentlich grösser ist. Sophol wurde aiifhugs in 10®/o,
später in 5% Lösung, in grösserer Menge in das Auge der Kinder
eingebracht, bisher sind 1200 Kinder geschützt worden. Die
Reizlosigkeit des Sophol auch in stärkeren, eingeduusteten Lösungen
ist so gross, dass es unbedenklich jeder Laienhand anvertraut
werden kann. Das Argentum nitricum muss und wird zweifel¬
los aus der Vorbeugung der gonondioischen Ophthalmoblennorrhoe
verschwinden, möglich, ja wahrscheinlich, dass es durch Sophol
vollständig ersetzt wird.
4. Hohmann, München: Fortsekritte in der Flattfusshe-
handlung.
Nach einer genauen Technik des Gipsabgusses kommt o.s Verf.
auf die richtige Wahl und Einlage der Korkstahldrahteinlagon an.
H. beschreibt die Anfertigung der Korkstahldrahteinlagen, die
Lange seit mehreren Jahren mit Erfolg bei bestimmten Arten
von Fussachmerz anwendet.
5. Racine, Essen: Ueber Analgesie der Achillesferse bei
Tabes. (Abadiesohes Symptom.)
Wenn Abadie, seine Untersuchungen zusamraenfassend,
meint, die Analgesie der Achillesferse finde sich in gleicher Häu¬
figkeit in allen Stadien dre Tabes, auch im Anfangsstadium und
bei den anormal verlaufenden Fällen, wenn er ferner betont, sie
sei ein leicht zu prüfendes, frühzeitiges und ungemein häufiges
Symptom, so kann man dem im allgemeinen beipflichten. Jeden¬
falls ist es der Mühe wert, dem so leicht zu prüfenden Symptom
in jedem Falle von Rüokenraarkserkrankung seine Aufmerksam¬
keit zuzuwenden und es nachzuprüfen. Als wichtiger Beitrag za
den bei der Tabes vorkommenden Muskel-, Knochen- und Gelenk¬
analgesien ist es von gros.sem Interes.se. Dagegen kann R. ihm
einen so hohen Wert, dass man es als „Stigma“ der Tabes, gleich¬
wertig dem Aufhören des Kuiephänoraens oder der reflektorischen
Pupillenstarre, hinatellen könnte, nicht beimessen.
6 . Hartung: Warum sind die Lähmungen des Nervus
peroneus häufiger als die des Nervus tibialis ?
Die Lähmungen de.s Nervus pei*oneas sind, wie die klinische
Erfahrung lehrt, weit häufiger als die des Nervus tibialis. H.
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276
MEDlCmiSCHB WOCHE.
Nr. 25.
möchte folgende drei Gründe hervorheben: Erstena sind die vor-
aasgegangenen, oft in Vergessenheit geratenen Schädigungen an¬
zuschuldigen, welchen der Peroneus wegen seiner relativ ober¬
flächlichen Lage infolge lokaler Ursachen in höherem Grade als
der Tibialis ausgesetzt gewesen ist und dem Peroneus eine erhöhte
Disposition zur Erkrankung zurückgelassen haben. Zweitens muss
man daran denken, dass der Nervus peroneus leichter gequetscht
werden kann. Neben dieser grösseren Möglichkeit einer Quetschung
läuft als dritter Grund einher die grössere Möglichkeit einer Zer¬
rung. Der Nervus peroneus ist ein dünnerer Nerv als der Tibi¬
alis. Für die Praxis lohnt es sich nach dieser Auseinandersetzung,
bei Repositionsversuchen von Hüftgelenkslozationen den Unter¬
schenkel in gebeugter Stellung zu erhalten, um Läsionen durch
Zerrung oder Quetschung möglichst zu vermeiden.
7. Rosengart, Frankfurt a. M.: Einige Beiträge m den
klinischen Erscheinnngformen der abdominalen Arteriosklerose.
Für die Differentialdiagnose kommen in solchen Fällen eine
ganze Anzahl von Erkrankungen im Abdomen in Betracht. Je
nach der Auftreibung und ihrer Lokalisation, je nach den Angaben
des Patienten über seine Schmorzen werden wir an eine Gallen-
steinkoUk, eine Kolik von der Appendix aus, aber auch an die
Einklemmung eines Konkrements in einem der Ureteren denken
müssen. Besonders auch das letztere hält R. der häufigen Loka¬
lisation, der Höhe der Schmerzen und des grossen Meteorismus
wegen für möglich. Die Intuszeption muss ausgeschlossen werden
können, bevor im Sinne einer Kolik durch Arteriosklerose oder
Thrombose im Splanchnikusgebiet entschieden werden darf. Die
Entscheidung in dieser Richtung mit Sicherheit zu treffen, ist
überhaupt nur möglich, wenn uns die Arteriosklerose beim Patienten
am Herzen, an der Aorta, in den Nieren oder im Himbereich ent¬
weder schon zuvor bekannt ist oder nach Abklingen des Anfalls
von uns eruiert werden kann.
8 . Hagen, Nürnberg: Die Qasgemischnarkose mittelst des
Both-Dräger'sohen Sanerstoffapparates.
H. sagt darüber folgendes: Wir wenden, wie schon erwähnt,
fast ausschliesslich die gemischte Sauerstoff-Chloroform-Aether-
Narkose an, wobei wir jedoch den Aether im allgemeinen prä-
valieren lassen. Zur Herstellung der Toleranz ist ja freilich das
Chloi’oform kaum zu entbehren; aber sobald diese erreicht ist,
suchen wir, soweit nicht von Seite des Organismus irgendwelche
Kontraindikationen vorhanden sind, die Chloroformgaben immer
mehr einzuschränken und die Narkose in der Hauptsache mit
Aether weiterzuführen. Man muss dabei im Verhältnis die Aether-
dosen in gleicher Weise steigern als man mit dem Chloroform
herabgeht, bis man diejenige Menge ermittelt hat, welche eben
noch die Toleranz enthält, ohne die Narkose allzutief werden zu
lassen. Hierzu reichen oft erstaunlich geringe Mengen aus. Wir
geben z. B, manchmal in der Minute 5— 10 Tropfen Chloroform
mit 70—100 Tropfen Aether. Bei dieser Art des Verfahrens ist
ein sehr weiter Spielraum gelassen, der es gestattet, alle möglichen
Variationen im Verhältnis der Narkotika zu einander zur Au-
w'endung zu bringen. Wir sind damit in der Lage, bei der Nar¬
kose in weitgehendstem Maße zu individualisieren. Wir müssen
und können für jeden Patienten ganz gewiss eine Form der Nar¬
kose herausfinden, die, wenn ich so sagen darf, der Individualität
des Betreffenden angepasst ist. Die Vorzüge des Sauerstoff-
nurkosenapparates liegen nach H. einmal in der Möglichkeit relativ
genauester Dosierung und individualisierender Indikationsstellung.
Damit wird der Verbrauch der Narkotika wesentlich vermindert
und ausserdem die Konzentration derselben entsprechend herab¬
gesetzt, Zum zweiten wird eine Anhäufung von Kohlensäure im
Organismtis verhütet, wodurch eine Reihe von schädlichen Ein¬
wirkungen der Narkose ausgeschaltet werden. Endlich kommt
dem Sauerstoff eine nicht zu unterschätzende aktive Bedeutung
zu, indem er teils direkt, teils indirekt, die vitale Energie der
Zellen im Körper erhält und erhöht.
9. Martin, Togo: Symmetrische Handrtickenlipome bei
Togo-Hegern.
M. will auf eine Geschwulstart aufmerksam machen, die in
bestimmter typischer Anordnung bei Negern der afrikanischen
Westküste auftritt, die im allgemeinen nur geringe Beschwerden
macht und harmlos ist, die aber unter Umständen, wie der eine
hier beschriebene Fall zeigt, sich zu einem ernsten Leiden aus¬
bilden kann. M.’s bisherige Erfahrungen stützen sich nur auf
Beobachtungen, die in Togo angestellt sind; Uber die geographische
Verbreitung der symmetrischen Handrückenlipome kann er daher
keine näheren Angaben machen.
10. Jäger, Hof: Ein Tumor der linken Clesiehtahaifte,
ausgehend vom Bachendacke.
Ein ausserordentlich grosses weiches, sehr blutreidies Sarkom
der linken Gesichtshälfte, das von der Schädelbasis (Periost des
Keilbein») ausgehend in die linke Augenhöhle, Nasen- und Rachen¬
höhle durchbrach, bei einem 19 Vejährigen zurückgezogen lebenden
Bauernsohne.
Bücherbesprechung.
Taschenbuch für Augenärzte, m. Ausgabe, Jahr¬
gang 1906 — 1907. (Spezialärztliche Taschenbücher, herausgegeben
von L. Jankau. Verlag Max Gelsdorf, Leipzig.)
Das brauchbare Büchelcben, dem ein Kalendarium beigegeben
ist, umfasst einen allgemeinen und einen speziellen Teil, in dem
der Fachmann manches Datum findet, das ihm, wenn auch nicht
neu, so doch im Augenblick entfallen ist.
Das Verzeichnis der Spezialärzte Deutschlands macht das
Buch recht wertvoll, dagegen sehe ich unter den Personalien
Lücken und Ungenauigkeiten. Kurt Steindorff.
Vermischtes.
Berlin. Die Ortsgruppe Berlin der Deutschen Gesellschaft
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten wird nach Beschluss
des Ausschusses fortan jedes Jahr eine Reihe von Vortragsabenden
für bestimmte Berufsklassen veranstalten.
Der erste Abend wird im Laufe des Juni im grossen Saale
des Langenbeck-Hauses stattfinden und ist für die Studierenden
sämtlicher hiesigen Hochschulen gedacht. Den Vortrag, der das
Gebiet der Geschlechtskrankheiten umfassen soll, hat der Vor¬
sitzende der Ortsgruppe, Herr Sanitätsrat Dr. O. Rosenthal,
übernommen.
Der zweite Abend ist für Angehörige des Kaufmannsstandes
in der ersten Hälfte des Monats Juli geplant.
Bürlln. In der am 31. Mai im Kaiserin Friedrich-Hause für
das ärztliche Fortbüdungswesen unter Vorsitz des Geheimrats
Professor Dr. von Leyden stattgehabten Sitzung des Komitees
zur Veranstaltung ärztlicher Studienreisen wurde an Stelle des
im Februar verstorbenen Hofrat Dr. Gilbert, Baden-Baden,
Herr Dr. Albert Oliven, Berlin, Lützowstrasse 89/90, zum
Generalsekretär, und Herr Oberstabsarzt z. D. Dr. Bassenge
zum Schriftführer gewählt.
Holdolborg. Eine internationale Konferenz für Krebsforschong
wird im Anschluss an die Eröffnung des Institutes für Krebs¬
forschung in Heidelberg vom 24. — 27. September d. Js. statt-
fiuden. Die Einladungen hierzu ergehen von Exzellenz Professor
Czerny-Heidelberg, Geheimräten Prof. Ehrlich-Frankfurt a.M.,
Prof. V. Leyden-Berlin. Prof. George Meyer-Berlin fungiert
als Generalsekretär.
Dresden. Am 24. Mai tagte zum ersteumale die „freie Ver¬
einigung für innere Medicin in Sachsen“ zu Dresden in der Aula
des Kreuzgymnasiums unter dem Vorsitze des Herrn Prof. Cursch-
mann. Es waren etwa 250—300 Aerzte anwesend und folgende
Themata wurden durch Vortrag und Diskussion besprochen:
Prof. Koste r (Leipzig). Tropische Störungen nach Durchschneidung
der hinteren Wurzeln.
Lotze (Leipzig). Ueber congenitalen Hochstand des Zwerchfelles.
Unruh (Dresden). Ueber die sogenannte Schulanämie.
Prof. Pässler (Dresden). Wie beurteilen wir die Leistungsfähig¬
keit des Herzens in der Praxis ?
H. Meyer (Dresden). Ueber chronische Dysenterie und deren
Behandlung.
Riebold (Dresden). Ueber seröse Meningitis. (Lumbalpunction).
VertinlwortUch«r Redakteur: Dr. P. Meissner, BerlinW. CS, Kurfürttenstr. CI. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck voB der HeyaemaBn'KbeB Bocbdnickerei, Gebr- Wolff, Halle a.S.
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Medicinische Woche
Orlginalien.
Die Aufgaben des Aerztetages 1906.
Wer, wie der Verfasser dieser Zeilen, eine längere Reihe
von Jahren hindurch Gelegenheit gehabt hat, die Tagungen
des Deutschen Aerztevereinbundes aufmerksam zu beobachten,
wird sich der Ueberzen^ng nicht Terschliessen können, dass
sie in ihrer äusseren (^staltnng nicht minder, wie in dem
Wert der den Teilnehmern gestellten, bezw. von ihnen gelösten
Aufgaben sich wesentlich gehoben haben.
Wie sehr schon das äussere Bild sich verändert hat, mögen
einige Zahlen illnstrieren. Auf dem im Jahre 1896 in Nürn¬
berg abgehaltenen Aerztetage waren 132 Abgeordnete mit
12()06 Stimmen vertreten, an dem vorigen Aerztetage in Strass¬
burg dagegen nahmen 239 Dele^erte mit 21247 Stimmen teil.
Diese gewaltige Steigerung der BesuchsziSer ist nicht nur die
Folge der Zunahme der Aerzte im deutschen Reiche und der
neugebildeten oder dem Bunde neu beigetretenen Vereine —
letztere betr^ gegen das Jahr 1896 nur 31 —, sondern wesent¬
lich Folge des Interesses, das die deutschen Aerzte an den
Verhandlungen des Bundes nehmen.
Nach dieser Richtung hat der Inhalt der Verhandlungen
den allergrössten Einfluss ausgeübt. Die Wunden, die die
sonst so segensreiche Arbeiterversicherung dem Aerzte-
stande gescQagen hat, sie waren und sind es insbesondere,
die die Kollegen in ihrer Gesamtheit aufgerüttelt und aufge¬
rufen haben, mit vereinten Kräften Abwehr- und Vorbeugungs-
maßregeln zu versuchen, auf dem Wege der Selbsthilfe nicht
minder, wie auf dem der sozialen Gesetzgebung. Mit der
Gründung des Leipziger Verbandes, der mit erstaunlicher
Schnelli^eit dank der Energie seines V orsitzenden und seiner
Mitarbeiter die Mehrzahl der deutschen Aerzte zu tatkräftigem
Schutze geeinigt hat, ist ein frischer Impuls auch in die
Aerztetage gelangt Ünd wenn hie und da der Mut der Jungen
überschäumte, dann traten die Alten mit ihren mehr conser-
vativen Nei^ngen lindernd und beruhigend dazwischen und
zeichneten die mittlere Linie, auf der das Schifflein des Bundes
jetzt zielbewusst seine Pfade zieht
So wird auch in der bevorstehenden Tagung der Haupt¬
anteil der Verhandlungen den Arbeiterversicherungsgesetzen und
der Befestigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Standes
zufallen.
Wenn auch merkwürdig spät, so ist doch endlich die
Reichsregierung zu der Ueberzeugung der Reformbedürftigkeit
der Versicherungsgesetze gelangt Aber während wir
Aerzte danach lechzen, unsere dringenden Forderungen an die
Revision des Kran^nversicherungsgesetzes endlich erfüllt zu
sehen, hält die Reichsregierung den Augenblick für gekommen,
die ganze soziale Gesetzgebung durch Zusammenlegung bezw.
Vereinfachung in den Kreis ihrer Betrachtung zu ziehen. Ob
und wann dieses Ziel, das gewiss erstrebenswert ist, erreicht
werden wird, steht bei den Göttern. Der Ausschuss des Aerzte-
vereinbundes hat mit Recht geglaubt, dieser Strömung Rech¬
nung tragen und den sachverständigen Rat der deutschen Aerzte
auch nach sozialpolitischer Richtung mit in die Wagschale
werfen zu sollen. Der bekannte Vorkämpfer sozialhyrienischer
und ärztlich - wirtschaftlicher Bestrebungen Herr Geh. Rat
Pfeiffer wird als der Berufenstere einer me Zusammenlegung
der Versicherungsgesetze eingehend erörtern und es unterliegt
keinem Zweifel, miss die grosse Mehrheit der Delegierten die
Grundlagen seiner Auffassung sich zu eigen machen wird.
Aber auch bei dieser Gelegenheit wird betont werden müssen,
dass uns das Hemd näher ist als der Rock, und dass mit und
ohne Zusammenlegung der Versicherungsgesetze, die baldige
Erfüllung der ärztlichen Wünsche zur Beseitigung des durch
sie geschaffenen Notstandes ein dringendes Postulat ist. Sind
unsere wirtschaftlicbenVerhältnisse erst konsolidiert, dann werden
wir mit um so CTÖsserer Liebe und Hingebung der sozialen Ausge¬
staltung der Ärbeiterversicherung uns widmen können.
Dass auch der Selbsthilfe auf dem diesjährigen Aerzte¬
tage ein breites Feld eingeräumt wird, dafür wird das wichtige
Thema der Mittelstandskassen sorgen. Abgesehen von
der Krankenversicherung der Arbeiter nagt kein schlimmerer
Wurm an dem Erwerb und der Ethik des Standes, als der
Versuch, auf dem Wege genossenschaftlicher Versicherung
unser Niveau herabzudrücken. Gegen eine private Versicherung
auch potenter Kreise gegen Krankheit und Unfall wird kein
verständiger Arzt etwas einzuwenden haben. Wir leben in
dem Zeitalter der Koalition, und ebensowenig wie wir dulden
können, dass uns der Weg zur Koalition versperrt wird, sollen
wir unsem Mitbürgern das Recht bestreiten, auf dem Wege
enossenschaftlichen Zusammenwirkens gegen wirtschaftliche
chäden, die aus Krankheiten entstehen, durch aus¬
gleichende Maßnahmen sich zu schützen. Was wir aber
verlangen können und durchsetzen müssen, ist, dass die Koa¬
lition nicht dazu benutzt wird, um die ärztlichen Honorare
herabzudrücken und die Aerzte in wirtschaftliche Abhängigkeit
von Faktoren zu versetzen, die nur allzu geneigt sind, ihre Macht
zu missbrauchen. Die Vorschläge zur Abhilfe, die Herr
Kollege Dippe verteidigen wird, sind vielleicht geeignet, das
üebel, das sich überall im Deutschen Vaterlande und besonders
in zahlungsfähigen Bevölkerungskreisen breit macht, zu ver¬
kleinern. Um es vollends zu beseitigen, dazu reichen sie nicht
aus. Es ist deshalb mit Freude zu begrüssen, dass von Berlin
aus der Versuch gemacht werden wird, den Aerztetag zu einer
radikaleren Auffassung zu bewegen und den Beschluss zu ex¬
trahieren, dass mit privaten Vereinigungen ohne Aus¬
nahme keinerlei Verträge über ärztliche Behandlung
abgeschlossen werden dürfen. Und doppelt erfreulich
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278
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 26.
ist es, dass yon Berlin ans nicht nnr der Antrag gestellt,
sondern auch auf die vollendete Tatsache hingewiesen werden
wird, wonach daselbst Dank des Zusammenschlusses aller
Standes- und wirtschaftlichen Vereine ca. 97 pCt. der prakti¬
zierenden Aerzte sich unterschriftlich zur Erfüllung obiger For¬
derung verpflichtet haben. Hoffen wir, dass der Weg der
Selbsmilfe, der in Berlin so erfreuliche Früchte gezeitigt hat,
auch in allen andern Gauen des deutschen Vaterlandes zum
Erfolge fuhren wird.
Der deutsche Aerztevereinsbund hat es von jeher als seine
vornehme Aufgabe betrachtet, nicht einseitige und engherzige
ärztliche Wirtschaftspolitik zu treiben, sondern dem deutschen
Volke in den wichtigsten Fragen der Gesundheitspflege
ratend und helfend zur Zeit zu stehen. So wird auch diesmal
ein wichtiges Kapitel der Hygiene: die Unterweisung und
Erziehung der Schuljugend zur Gesundheitspflege
zur Debatte stehen und von dem bekannten Verfechter der
hygienischen Schulbestrebungen Herrn Prof. Hartmann inau¬
guriert werden. Bei der Schwierigkeit der einschlägigen Fragen
lässt sich nicht voraussehen, zu welcher Stellung der Aerzte-
tag gelangen, ob er sich überhaupt auf bestimmte Thesen fest¬
legen wird. Unseres Erachtens ist der Hauptwert bei Behand¬
lung hygienischer Angelegeuheiten weniger auf Beschlüsse als
auf die Diskussion zu legen, und dass diese sich lehrreich ge¬
stalten wird, dafür bürgt die Zahl von Sachverständigen, die an
dem Aerztetage teilnehmen werden.
Gegenüber der Bedeutung der genannten Themata treten
die übrigen Gegenstände der Tagesordnung an Wichtigkeit zu¬
rück, ja es ist fraglich, ob sie bei der Fiule von Verwaltungs¬
angelegenheiten die der Erledigung harren, zur Verabschiedung
gelangen werden. Wünschenswert wäre es, dass das Verhältnis
zu den Versicherungsgesellschaften, welches als er¬
freulich kaum bezeichnet werden kann, durch Reform der bis¬
herigen Verträge endlich geklärt würde. Wichtig wird, wie
immer, so auch diesmal die Ausschusswahlsein, ist sie doch
das Spiegelbild der Anschauungen und Wünsche der Deutschen
Aerzte.
Mit grossen Hoffiiungen, mit spannendem Interesse blicken
die Draussenstehenden, Kollegen und Nichtkollegen, auf die
bevorstehende Tagung. Möge sie unter der Leitung ihres
umsichtigen Vorsitzenden, den Deutschen Aerzten zum Segen
gereichen I —r.
Feuilleton.
Kant und Hufeland.
Von Dr. Paul Schenk.
Im Dezember 1796 schickt der 34irrige Hufeland, in
seinen jungen Jahren bereits Hofrat und Professor, sein soeben
erschienenes Buch „von der Kunst das menschliche Leben zu
verlängern“ an Immanuel Kant in Königsberg. Kant hatte
bereits 1794 sein 70. Lebensjahr vollendet — Ohne medicini-
schen Rat hatte er, von Natur schwächlich, die Kunst der
Makrobiotik wie kaum ein zweiter zu üben verstanden. — „Er
lebte ein mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzen-
leben. Ich glaube nicht, dass die grosse Uhr der Königs¬
berger Kathedrale leidenschaftsloser und regelmäßiger ihr
äusseres Tagewerk vollbrachte, wie ihr Landsmann Immanuel
Kant Aufstehen, Kaffee trinken, Schreiben, Kollegien lesen,
Essen, Spazierengehen, alles hatte seine bestimmte Zeit.“ —
Kants philosophischem Geiste konnte Hufelands „lehrreiches
und angenehmes“ Buch, wie er es nennt, naturgemäß wenig
Neues sagen. Immerhin machte er Hufeland das Kompliment:
Sitzungsberichte.
Österreich.
K. K. Ges^lschaft der Aerxte in Wien,
Sitzung vom 2. März 1906.
(Eigener Bericht).
V. Eiseisberg demonstrierte an einem jungen Mäddieu ohne
kosmetischen Effekt einer wegen Noma vorgenommenen Operation.
Er hat den mächtigen Defekt durch einen gedoppelten Hautlappen
geschlossen.
Gersung berichtet über seine Versuche, Muskellähmongen
durch Implantation des gelähmten Muskels in das Gebiet eines nicht
gelähmten zu beseitigen. Er stellte einen Fall von Deltoides-
lähmung vor, den er durch Vemähung des Deltoides mit dem
gleichseitigen Cucullaris vollständig geheilt hat.
Zuoke rkandl demonstriert 3 Patienten mit Nieren- und
üreterexstirpation wegenTuberkulose. Die Diagnose wurde
durch Palpation des verdickten schmerzhaften Ureters und die ein¬
seitige basale Cystitis gestellt; die Heilung per primam wurde durch
Totalexstirpation des Ureters gewährleistet.
Kornfeld führt einen durch Blaseuauswaschungen mit einer
Lösung von Hydrargyr oxycyanat. überaus rasch geheilten Pali von
Bacteriurie vor.
Marscbog zeigt einen Knaben nach endolaryngealer Ent¬
fernung einerStecknadel. Die Lokalisation des Fremdkörpers
wurde durch die Radioskopie erleichtert.
Spiegler stellt eine 24 jähr. Frau mit einem Atheroma
perforaus an der Innenfläche des Oberschenkels vor.
Pridelsko zeigt einen Fall von pulsierenden Varices.
Die Pulsation ist eine mitgeteilte.
Fabricius zeigt mehrere operativ erhaltene Präparate von
Extrauteringravidität.
Hausmann erstattete Bericht über seine Untersuchungen
über den Einfluss der Temperatur auf die Länge der Incu¬
ba tionszeit; die an Fledermäusen angestellten Versuche haben
gelehrt, dass winterschlafende Tiere gegen chemische Vergiftungen
uud Toxinwirkung resistent sind, dass jedoch das einverleibte Gift
nach dem Erwachen der Tiere so zu wirken beginnt, als ob die Ein¬
verleibung erst zur Zeit des Erwachens erfolgt wäre.
Sitzung vom 10. März 1906.
(Eigener Bericht.)
Tellky stellt 5 Fälle von Bleilähmun g bei Arbeitern vor
und machte darauf aufmerksam, dass diese Lähmungsart mit Vor¬
liebe diejenigen Muskelgruppen befalle, die bei der Arbeitsleistung
stärker beansprucht werden.
Hufeland habe, als gesetzgebendes Glied im Corps der Aerzte,
nicht nur mit Gescmcklichkeit das, was hilft, sondern auch
mit Weisheit das, was an sich Pflicht ist, verordnet und da¬
mit moralisch-praktische Philosophie geübt. Indessen schränkt
Kant seine Anerkennung der in der „Makrobiotik“ bekundeten
ärztlichen Kunst Hufelands sogleich wieder ein durch das
Hinznfügen: gegenüber der negativ diätetischen Kunst, Krank¬
heiten abzuhalten, sei die oberste diätetische Aufgabe die,
dass man durch den blossen festen^ Vorsatz Meister werde
über seine krankhaften Gefühle. Die Vernunft übe unmittelbar
Heilkraft aus. Dieses menschliche ^ Vermögen, diese Macht
des Gemüts ist die Vorbedingung für die „philosophische“ Heil¬
kunde. „Die Heilkunde ist alsdann philosophisch, wenn bloss
die Macht der Vernunft im Menschen, über seine sinnlichen
Gefühle durch einen sich selbst gegebenen Grundsatz Meister
zu sein, die Lebensweise bestimmt. Dagegen, wenn sie diese
Empfindungen zu erregen oder abzuwemen die Hilfe ausser
sich in körperlichen Mitteln (der Apotheke oder Chirurgie)
sucht, sie bloss empirisch und mechanisch ist.
An sich sind nach Kant die Aeizte genau so wie die
Geistlichen und Richter nur „Geschäftsleute“ der betreffenden
Fakultät.*) Denn sie müssen sich den Lehren der Universität
Kant: Der Streit der Facultäten in drey Abschnitten. Königsberg
1798. S. 27 und 32.
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19Ö6.
MSlDlCINtSCHfi WOCflfi.
279
Lotheissen demonstrierte einen Kranken nach Rissquetsck-
verletzung einer unteren Extremität durch Ueberfahren, durch
prophylaktische Injektion von Antitetanusserum ist
es in diesem Falle nur zu mäßigen Tetanuserscbeinungen gekommen
und so das Leben des Patienten gerettet worden.
Neurath zeigt einen 6jähr. Knaben mit alkoholischer
Lebercirrhose; der kleine Patient hat 4 Jahre lang täglich
1^/,—2 Liter Apfelwein mit einem Alkoholgehalte von fast 4%
zu Linken bekommen.
Spitzer stellte einen Fall von Exstirpation eines Unter-
kieferastes wegenSarkom vor imd berichtete über die Technik
der Prothesenconstruktion und die Korrektur der durch Narbenzug
veränderten Zahnstellung in den einschlägigen Fällen.
Haberer zeigt einen wegen Ileusersch einungen operierten
Patienten, dessen Occlusionssymptom durch Einklemmen eines
Qaliensteines im Ductus cystocus hervorgerufen worden waren.
Ha usmann spricht über „ Arsengewöhnung“. Er wies
an Hunden nach, dass man Arsen durch langsames Steigen der
Dosis in letaler Dosis geben kann, ohne dass die Tiere Schaden
nehmen, die Ausiuhr des Arsens im Ham und Faeces steigt nicht
in dem Maße der Zufuhr; man muss daher annehmen, dass das
Gift in irgendwelcher zunächst noch nicht nachweisbaren Form zur
Ausscheidung gelangt.
Baum garten und Popper berichten über Acetonausscheidung
im Harn bei Extrauteringravidität imd führen die Acetonurie
auf die Resorption von Blutextravasaten zurück.
C. Teleky hält einen Vortrag über die Tuberkulose¬
sterblichkeit in Oesterreich 1873—1904. Er hat an der
Hand seiner Statistik gefunden, dass die Tuberkulosemortalität
in Oesterreich relativ sehr hoch ist, dass sich dieselbe jedoch
in fast sämmtlichen Gressstädten in einer im grossen und ganzen
absteigenden Linie bewegt, die Industrie bedingt eine höhere
Tuberkulosesterblichkeit, doch zeigt sich mit einer gewissen Ent¬
wicklungsstufe der Industrie eine entschiedene Abnahme der Todes¬
fälle. Vortragender bringt diese Erscheinung zum Teile mit der
Einführung der Arbeiterversicherung in Zusammenhang, da sie sich
seit jener Zeit in stetig wachsendem Maße l>emerkbar macht.
Kongressbericht.
35* Kongress der Deutschen GeseUschaft
fHvr Chirtvrgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
Diskussion.
Hr. Hel fferich-Kiel erinnert daran, dass er eine Unterkiefer¬
ankylose durch Interposition eines Muskellappens in das Kieferge-
bezw. Autorität der Staatsbehörde fügen und sind insofern
nicht frei in ihrem Handeln. Wohl kann man die Fakultäten
der Theologie, Jurisprudenz und Medicin der Philosophie gegen¬
über in Bezug auf ihren Wert für den Staat als „obere“ Fakul¬
täten bezeichnen. Denn sie sind dazu bestimmt, für das ewige,
bezw. körperliche, bezw. leibliche Wohl der Untertanen zu
sorgen. Der „philosophische“ Arzt kann aus der Vernunft
nur die Vorschriften entlehnen:
sei mäßig im Genüsse,
sei geduldig in Krankheiten,
rechne vornehmlich auf die Selbsthilfe der Natur.
Das Volk dagegen macht an den studierten Arzt (weil
dieser doch mehr wissen muss, als bereits der gesunde Ver¬
stand zu sagen vermag) den Anspruch, dass er ihm zu Ge¬
sundheit und zum langen Leben selbst dort verhilft, wo die
körperlichen Kräfte missbraucht sind. Philosophische Weisheit
ist für das Volk zu hoch; es will von „Geschäftsleuten“ ge¬
leitet, d. h. betrogen sein, es will an „Wundermänner“ glauben.
„Daher ist es natürlicherweise vorauszusehen, dass, wenn sich
jemand für einen solchen Wundermann auszugeben nur dreist
genug ist, ihm das Volk zufallen und die Seite der Philosophie
mit Verachtung verlassen werde.“ Gegen diese Privatabsicht
des medicinischen Geschäftsmannes: das Volk nach seinem Be¬
lieben an dem Leitseil neuer Ideen zu gängeln, muss die
lenk geheilt hat. Sein Verfahren hat sich auch bei einem Fall
von Hüftgelenksresektion bewährt, scheint also auch da anwend¬
bar zu sein, wo die Gelenke eine starke Belastung auszuhalten
haben.
Hr. Bier-Bonn empfiehlt das Helfferich'sehe Verfahren
und bemerkt zu dem Rosen berge r’sehen Vortrage, dass es
mittels des Stauverfahrens gelingt, eiternde Fingergelenke schnell
und beweglich zu heilen.
Hr. Sprengel-Brauuschweig glaubt, dass das Barden-
heuer’sche Verfahren der Resektion der Hüftgelenkspfanne nur
bei jugendlichen Individuen aussichstvoll ist.
Demgegenüber betont Hr. Barden heu er-Cöln, dass er auch
bei Erwachsenen gute Resultate erzielt hat.
! Hr. Samter-Königsberg i. Pr. demonstriert eine jugendliche
Patientin, der beide Füase abgefahren worden waren. Zur Deck¬
ung der Stümpfe wurde nach Fortnahme der Malecolen ein Brücken¬
lappen aus der Haut des Unterschenkels gebUdet und steigbügel¬
artig über den Stumpf herabgezogen. Die Funktion war gut;
das Knochenwachstum nicht gestört.
Hr. ßrodni tz-Frankfurt a. M.: Osteoplastische Resek¬
tion des Fussgelenkes und Unterschenkels.
B. berichtet über eine neue osteoplastische Resektionsmethode
des Fussgelenkes, durch welche man grössere Teile der Tibia durch
den senkrecht gestellten Fuss ersetzen, kann.
Schnittführung: Längsschnitt im Verlaufe der Tibia und
Fibula bis in die Höhe des Talo-navicular-Gelenkes; Verbindung
der oberen Schnittenden durch einen hinteren bogenförmigen
Schnitt, der durch die Wadenmuskulatur bis auf die Knochen ge¬
führt wird, und der unteren Schnittenden durch einen ovalären
Schnitt, welcher dicht über der Tuberositas calcanei verläuft und
bis auf den Knochen dringt: schräge Durchtreniiung der Tibia
und Fibula mit der Gigü’schen Säge und des Calcaneus mit der
Stichsäge, dem Weichteilschnitte entsprechend. Ausschälxmg der
Tibia, Fibula, Talus und vorderen Fläche des Calcaneus aus den
vorderen Weichteilen; Fixation der Sägefläche des Calcaneus an
die der Tibia.
Die Operation wurde mit Erfolg ausgeführt bei einer ausge¬
dehnten Tuberkulose im unteren Drittel der Tibia, und des Fuss-
gelenkes. In geeigneten Fällen, besonders bei Tumoren im mittleren
und unteren Drittel der Tiba, ist diese Methode empfehlenswert.
Hr, Jaffe-Posen; Ueber den Wert der Milzexstir¬
pation bei Banti’scher Krankheit.
Der Redner gibt kurz eine Darstellung von der Entwicklung
der Banti’schen Krankheit. Im Symptomenkomplex (Milzver-
grösserung mit sklerotischen Veränderungen an der Milzvene, eine
gewisse Form der Anämie, Ascites, Lebercierrhose) ist als höchst
bedeutimgsvoll der Umstand hervorzuheben, dass der Milztumor
den übrigen Symptomen zeitlich voranzugehen hatte. Es beginnt
Philosophie als die in Wahrheit oberste Fakultät jederzeit auf
der Hut sein.
Hufeland sagt: die Kunst, das Leben zu verlängern, hat
andere Zwecke, andere Mittel, andere Grenzen als die gewöhn¬
liche medicinische Diätetik. Diese hat Gesundheit, jene hin¬
gegen langes Leben zum Zweck. Die Mittel der Medicin sind
nur auf den gegenwärtigen Zustand und dessen Veränderung
berechnet, die der Makrobiotik aber aufs Ganze. Wer
kann vom menschlichen Leben schreiben, ohne mit der mora¬
lischen Welt in Verbindung gesetzt zu werden, der es so
eigentümlich zugehört? Physische und moralische Gesundheit
sind genau so verwandt wie Leib und Seele“. In diesen
Punkten stimmte der „grösste“ Philosoph Kant dem Arzte
völlig bei. Er erklärt, dass ein hohes Alter als etwas Ver¬
dienstliches gilt und sogar verehrt wird. Der Nestor an Jahren
hat gewissermaßen der Unsterblichkeit etwas abgewonnen. In¬
dessen ist ein langes Leben keineswegs immer mit Gesundheit
verbunden. Mancher fühlt sich gesund und ist krank. „Jede
Ursache des natürlichen Todes ist Krankheit, man mag sie
fühlen oder nicht.“ Kant hat, wie er angibt, viele überlebt,
die sich einer völligen Gesundheit rühmten. Und was ermög¬
lichte dem Philosophen trotz seiner von Natur recht schwachen
Konstitution das Patriarchenalter in verhältnismäßig günstigem
Gesundheitszustände zu erreichen? Nicht allein das geordnete
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MfeDlClNISClBE WOCHE.
Nr. 26.
ferner die Auffassung des Ascites als eines mehr selbständigen
Symptoms, Und so erscheint die Beseitigung dieses Ascites (sonst
aufgefasst als symptomatische Therapie) in einer ganz anderen, viel
bedeutungsvolleren Gestalt.
Andererseits ist auch die Lehre von der atrophischen Leber-
cirrhosein einer Art Umwandlung begriffen, insofern, als die Bedeut¬
ung des regelmäßig vorhandenen Miiztumors und des Ascites als reiner
Stauungssymptome nicht mehr ganz anerkennt werden; also die
Vorstellung von mehr aktiven Prozessen in der Milz auch bei
Lebercirrhose tritt hervor.
Redner schildert alsdann kurz einen von ihm operierten aus¬
gesprochenen Fall von Banti’scher Kraiikheit, und zwar eines
Falles im letzten Stadium mit ungeheurem Ascites, in welchem
gegen alles Erwarten die Splenektomie einen ausserordentlich bessern¬
den, vielleicht heilenden Einfluss ausgeübt hat. Nach der Operation
ein Umschwung des ganzen Befindens mit einer Erholung des
Organismus trotz ausserordentlich vorgeschrittener, bei der
Operation konstatierter atrophischer Lebercirrhose!
So tritt für gewisse Formen der atrophischen Lebercirrhose die
Splenektomie in Konkurrenz mit der Talma’schen Operation,
welche letztere Operation vielleicht mehr durch eine Beeinflussung
der erkrankten Serosa, als durch Eröffnung von CoUateralbahnen
wirkt. Die Splenektomie könnte für manche Fälle von Lebercirr¬
hose überhaupt, wenn die Fortsetzung weiterhin solche Fälle zu
charakterisieren imstande sein wird, der Indicatio causalis genügen.
Hr. Bardenheuer-Cöln; Das Wesen und die opera¬
tive Behandlung der Neuralgie mittels Aufmeisselung des
Kanales, durch welchen der Nerv verläuft und Verlagerung des
Nerven in Weichteile.
Bardenheuer spricht als Ursache für die Entstehung der
Neuralgie das Bestehen einer venösen Hj^perämie in den Knochen¬
kanälen, durch welche die Nerven verlaufen, an.
Es entsteht nach dem Vortragenden infolge irgend einer
peripheren Ursache: Erkältung, Traumen, Entzündung etc. eine
periphere Hyperämie, welche entlang den Nervenästchen bis zu dem
ihm zugehörigen Knochenkanale hinaufsteigt, in welchem sie durch
die Unnachgiebigkeit der knöchernen Wand ständig wird und sich
zum Oedem, zur Perineuritis, zur Verwachsung mit dem Knochen¬
kanal weiter entwickelt.
Die venöse Hyperämie wandert bei längerem Bestehen auf¬
wärts bis zu den übrigen Aesten, bis zum Stamme bis zu den
Ganglien. Die venöse Hyperämie kann auch durch innere Ursachen,
die imBlute oderin denGefässwändenetc. liegen, allerwärtsentstehen,.
dementsprechend der auch in den betreffenden Knochenkanälen,
woselbst sie wiederum ständig wird. Aus diesem Grunde empfiehlt
er die Entfernung einer Wand des Kanals und die sanfte Hervor¬
hebung des Nerven aus dem letzteren, die Lagerung desselben in
einiger Entfernung von der entstandenen Knocbengrundfläche und
mäßige Leben, sondern vor allem jene dem Gemüte des Men¬
schen innewohnende Macht: durch den blossen festen Vorsatz
seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein. Sustine et abstine!
dieser Grundsatz des Stoicismus gehört unbedingt zur „philo¬
sophischen“ Heilkunde. Die Lebensweise muss beherrscht sein
von dem Regime: die Vernunft ist Herrscherin über die sinn¬
lichen Gefühle. Die Gemächlichkeit verwöhnt den Menschen
und schwächt durch den Mangel an Uebung die Lebenskraft.
Der Gesunde, welcher sein Leben verlängern will, soll Kopf
und Füsse nicht warm halten, soll nicht lange schlafen, soll
beim Ausgehen das schlimme Wetter nicht scheuen, soll sich
nicht von seiner Ehehälfte im Alter gewissermaßen in Watte
einwickeln lassen. Hier hören wir den alten Junggesellen
Kant sprechen: „Es möchte schwer zu beweisen sein, dass
sehr alt Gewordene meistenteils verehelicht gewesen sind. In
einigen Familien ist das Altwerden erblich, und die Paarung
in einer solchen kann wohl einen Familienschlag dieser Art
begründen.“ Hufeland, der selbst 74 Jahre alt wurde und
seine Makrobiotik seinem 87jährigen Grossonkel, einem Arzt
in Frankfurt a. M. widmete, scheint einer solchen „langlebigen“
Familie angehört zu haben. (Schluss folgt.)
an letzter Stelle die Ueberlagerung eines subkutanen, aus der
Nähe genommeuen Muskelperiostlappens über die Knochenwund¬
fläche unter den Nerven.
Bardenheuer gibt alsdann einen Bericht über 4 von ihm
selbst operierten Neuralgien des Trigeminus und einen gleichen
von Oberarzt Dr. Straeter-Düsseldorf und stellt ausserdem 2
geheilte Fälle vor.
Alle Fälle sind geheilt worden.
Nur in einem Falle ist ein Rezidiv nach 13 Monaten einge¬
treten, weil bei der Operation ein Bruch des Unterkiefers entstand
und nachträglich sich eine stärkere Phlegmone und sekundär eine
Nekrosis der Bruchenden entwickelte.
Es bestand ein Schmerzpunkt dort, wo der Nerv über den
Callas lief. Die nachgescbickte Exzision des Bindegewebscallus
um den Nerven heilte den Patienten (seil 6 Monaten).
Die Heilungsdaner beträgt in den übrigen Fällen 14, 7, 8,
3 Monate.
Das Leiden bestand in den 5 Fällen 3, 6. 10, (2 mal) 12
Jahre.
Bardenheuer glaubt daher, dieses Verfahren wenigstens
zum Versuche der Neurektomie resp. der Ganglionexziaion voraus-
schickeu zu dürfen, zumal da der Eingriff ein gefahrloser ist and
die event. nachherige Ausführung der andern Methoden nicht be¬
einträchtigt.
Hr. Wulstein-Halle a. S.: Eine neue Operations¬
methode der congenitalen Luxation der Patella.
Nachdem W. die bisher üblichen Operationsmethoden der
habituellen und congenitalen Luxationen der Patella kurz erwähnt,
beschreibt er knrz eine Methode, welche unter all den bisher üb¬
lichen einzig und allein als Kapselplastik bezeichnet werden kann.
Angewandt hat W. dieselbe bei einer irreponieblen congenitalen
Luxation der Patella, bei der die Patella fast unverschiebbar an
der Aussenseite des Kniegelenks stand.
Von der Ansicht ausgehend, dass bei solchen Luxationen Cir-
kumferenz der Kapsel nicht vergrössert ist, sondern nur ein grosses
Missverhältnis zwischen innerem und äusserem Kapselteil be¬
steht, hat W. den Ueberschuss des inneren Kapselteilea, der nach
Umschneidung der Patella und Reposition der Patella an ihre nor¬
male Stelle zurück blieb, benutzt und in den gleich grossen De¬
fekt, welcher nach der Reposition an der Aussenseite der Patella
resultierte, eiugenäht.
Zu diesem Zweck mobilisierte er Patella, Quadricepsansatz
und Ligamentum patellae, indem er die letzten beiden Gebilde
stampf von dem oberen und unteren Recussus der Kapsel abprä¬
parierte, Umschnitt die Kapsel, und zwar den aponenrotischen und
synovialen Teil an der äusseren Hälfte der Patella, ca. 6—7 mm
vom Patellarrand entfernt.
In gleicher Weise wurde die Kapsel an der Innenseite der
Patella durchschnitten und zwar so, dass dieser Schnitt oben hinter
der Mitte des Quadricepsansatzes und unten hinter der Mitte des
Ligamentum patellae in die Endpunkte der äusseren Umschneid¬
ung auslief. Dann legte er, dem Ueberschuss des inneren Kapsel¬
teiles entsprechend, einen dritten Schnitt an, welcher dieser eben
erwähnten inneren Umschneidung parallel verlief, oben und unten
bis zur Umschlagsfalte der Kapsel reichte und an dem Pnnkt
seiner grössten nach innen gerichteten Konvexität nngefübr über
die Mitte des inneren Condylus verlief.
So stellte der aus der Kontinuität gelöste Ueberschuss des
inneren Kapselteües einen konvex nach innen gerichteten Lappen
dar, welcher eine obere und untere Basis hatte. Dieser Lappen,
welcher genau in seiner Breite der Breite des Defektes an der
Aussenseite nach Reposition der Patella entsprechen musste, Hess
sich nun leicht hinter dem vorher mobilisierten Streckapparat, d. h.
Patella. Quadricepsansatz und Ligamentum patallae hindurch.-
ziehen und darauf an der Aussenseite der jetzt normal in ihrer
Fossa intercondylica gelegenen Patella einnähen.
Um den bisher als Beuger funktionierenden Quadriceps in
seiner neuen Funktion als Strecker zu unterstützen, nahm W. den
Sartorius aus seiner Scheide und nähte ihn tangential am inneren
Rande der Patella an. Da die.s6 Kapselplastik sich enorm leicht
ausführen Hess und zu irgend einer nachweisbaren Blutung itn
Kapselraum nicht führte, so empfielt W. diese Operationsmethode
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1906.
MEDICmiSCHE WOCHE.
281
für alle Fälle von congenitaler irreponibler Luxation der Patella
und überhaupt immer dann, wenn ein nennenswertes Missverhältnis
zwisdien innerem und äusserem Eapselteil besteht.
(Fortsetzung folgt.)
23. Kongregs für ivmere Medicfi/n
vom 28. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
2 . Sit zun gs tag.
Herr Dietlen-Giessen: üeber Grösse und Lage des
normalen Herzens.
Orthodiagraphische Untersuchungen herzgesunder Menschen
— mit dem M o r i t z sehen Horizontal-Orthodiagraph — haben er¬
geben ;
Die Herzgrösse geht im allgemeinen parallel dem Körper¬
gewicht; aus diesem Grunde haben unerwachsene Menschen bei
gleicher Körpergrösse kleinere Herzen als erwachsene Menschen.
Die Körpergrösse übt insofern einen Einfluss auf die Herz¬
grösse aus, als Leute, deren Grösse ihrem Gewicht nicht in dem
allgemein geltenden Ma6e proportional ist, grössere oder kleinere
Herzen besitzen, als sie nach ihrem Gewicht haben müssten.
Das Herz des Weibes ist durchschnittlich kleiner als das des
Mannes.
Es gibt eine physiologische — durch erhöhte Anforderungen
an das Herz auf Altersarteriosklerose entstehende —, allmählich
zunehmende AltersvergrÖsserung des Herzens.
Die topographische Lage des Herzens ist eine verschie¬
dene, je nach dem Stande des Zwerchfelles. Da dieses beim Weibe
durchschnittlich höher steht als beim Manne, liegt auch das Herz
des Weibes höher im Brustkorb; da ferner das Zwerchfell mit
dem zunehmenden Alter tiefer tritt, liegt das Altersherz, das sich
auch durch seine Form besonders charakterisiert, tiefer im Brust¬
korb als das Herz im mittleren und jüngeren Lebensalter.
Die in der Diastole gezeichnete Herzspitze liegt — da an
ihrer Bildung meistens auch der rechte Ventrikel beteiligt ist —
meistens tiefer als der fühlbare Spitzenstoss; dieser bezeichnet also
nicht immer den tiefsten Funkt des Herzens und auch nicht immer
genau die Ausdehnung des Herzens nach links.
Die Lagerung des Herzens im Brustkorb ist verschieden, je
nach den Raumverhältnissen im Brustkorb. Man kann schräg-,
steil- und quergestellte Herzen unterscheiden. Zu den letzteren
gehört das Altersherz und eine Herzform, die mmi häuflg bei
jungen Mädchen und Frauen findet, bei denen das Herz — durch
Hochstand des Zwerchfelles infolge der durch Schnüren veränder¬
ten Brustform — hoch und nach links gedrängt ist.
Als praktisch verwertbare Nor mal zahlen für die Herzgrösse
können die für einzelne Grössen - Klassen berechneten HerzmaÜe
gelten, wenn man gleichzeitig die durch Gewicht und Alter be¬
dingten Minimal- und Maximalzahlen berücksichtigt.
Diskussion: Herr Moritz-Giessen betont die Notwendig¬
keit, die Normalmaßzahlen für das gesunde Herz durch viele Unter¬
suchungen festzustellen. Gesunde Menschen haben auffallend gleich
grosse Herzen. M. hat wiederholt feststellen können, dass man mit
der Beurteilung solcher Herzen sehr vorsichtig sein müsse, welche
trotz anscheinend normaler Leistimgsiähigkeit grössere Maße als
die Normalzahlen aufweisen.
Herr N. Ortner-Wien: Klinische Wahrnehmungen
über Aorta-anonyma-Karotis-Pulse des gesunden und
kranken Menschen.
Man hört nach den Untersuchungen des Vortragenden viel¬
fach über der lucisura sterni (Aortenbogen, bezw. Anonyma) und
über der Ksu'otis im seitlichen Halsdreiecke, manchmal aber auch
höher über der Karotis 3 Töne, einen gespaltenen herzsystolischeu
und einen herzdia-stolischen Ton, mit der Betonung auf letzteren
und den zweiten Halbton als schwächsten Tone. Für diese Er¬
scheinung wählt der Vortr. den Namen „Triphonie“, Auf klinischem
Wege, durch Vergleich des zeitlichen Eintrittes des Herzspitzen-
stosses und des ersten Halbtones lässt sich ieststellen, dass diese
dem Eintritte der Bhitwelle in die genannten Arterien entspricht.
Dies lässt sich auch auf sphygmographischem Wege konstatieren
durch Aufnahme von Sphyginograinmen des Aortenbogen, der
Anonyma und der untersten Karotis; da solche Pulsbilder bis jetzt
noch von niemanden gemacht wurden, hat Vortragender zunächst
derartige Sphygmogramme von physiologischen Individuen ange¬
fertigt und gefunden, dass dieselben oft von jenen der peripheren
Arterien in 2 Punkten abweiohen. Der aufsteigende Schenkel der
Kurve verläuft sehr schräge und langsam, der absteigende fallt
oft unter die Abszissenachse ab. Die Ursache hiefür sieht 0. in
der Beeinflussung der Pulskurve durch das die Arterie deckende
Gewebe, ganz besonders die Venen.
An diesen Sphygmogrammen l^t sich weiteres nachweisen,
dass der zweite Halbton der Triphonie konstant der früher sogen,
ersten Elastizitätselevation oder jetzt ersten Reflexwellenelevation
entspricht, macht diese katakrot, in gleicher Höhe mit dem Kxirven-
gipfel, oder anakrot liegen. Gerade Anakrotie ist aber den Be¬
obachtungen des Vortragenden zufolge sehr häufig an den Kurven
der Aorta resp. der untersten Karotis häufiger als Katakrotie. Die
Ursache für diese Anakrotie und hiermit für die Triphonie ist eine
verschiedene. Nach den Beobachtungen des Vortragenden kann sie
— ganz in Uebereinstimmung mit dem Tierexperimente — bei
hohem und niederem Blutdrücke verkommen. Bei niederem Blut¬
drucke findet sie sich bei Vagusreizung, Bradykardien, kardio-mus-
kulären Ursprungs und allen möglichen Krankheiten, welche es
bewirken, dass während der Austreibungszeit mehr Blut in die
Aorta einströmt, als nach der Peripherie abfliesst. Dies kommt
nun vor z. B. bei akuten Infektionskrankheiten infolge Reduktion
der elastischen Substanz, bei beginnender Arteriosklerose infolge
Erweiterung der noch nicht starren Aorta, bei Aortenstenose infolge
der verlangsamten Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Blutwelle, bei
Neurosen etwa infolge Tonusverminderung der genannten Gefässe etc.
(Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 2 i.
1. Weil und Nakajama, Prag: lieber den Nachweis von
Antituberknlin im tuberkulösen Gewebe.
Es ist nicht au.szuscbliessen, dass sich durch Behandlung mit
Tuberkulin Antikörper bilden, die ja, da das Tuberkulin kein Toxin
ist, Ambozeptoren sein können.
2. Schikele, Strassburg i. E.: Zur Kenntnis und Beurtei¬
lung des kriminellen Abortes.
Interessante Casuistik und Aufzählung und Erörterung der
charakteristischen Merkmale, welche den Verdacht auf die krimi¬
nelle Unterbrechung der Schwangerschaft berechtigen.
3. Rosenstern, München: Untersnehnngen über den Stoff¬
wechsel bei Leukämie während der Böntgenbehandlnng.
Schluss folgt.
4. Walz, Stuttgart: Zur Diagnose der kongenitalen Dünn-
darmatresie, unter besonderer Berücksiohtignng der Untersuch-
ung des Mekoniums.
Ein Pall von kongenitaler Duodenalatresie, verbunden mit
Hufeisenniere auf entwicklungsgeschichtlicher Basis, ln jedem Pall
von beständigem Erbrechen Neugeborener ist in erster Linie das
Mekonium histologisch zu untersuchen, da eine operative Therapie
der Darmatresie nur auf Grund frühzeitiger Diagnose auf Erfolge
rechnen kann. Fehlt spontaner Abgang von Mekonium, so ist zu
versuchen, durch Klysma solches aus dem Rektum zu erhalten.
Auch bei völliger Duodenalatresie kann Mekonium abgehen.
5. Scheibe, München: Geber das therapeutische Verhalten
der akuten Mittelohrentzündungen mit Berücksichtigung ihrer
verschiedenen Aetiologie.
Kommt eine akute Mittelohrentzündung ohne Perforation des
Trommelfells zur Behandlung, so wird die Luftdusche, .sei es mit
dem Katheter, sei es nach Politzers Verfahren, gemacht. Bei
Druckempfindlichkeit des WarzenteiLs wird der Eisbeutel aufgelegt.
Ausserdem wird körperliche und geistige Ruhe angeordnet und
der Genuss von Alkohol verboten. Da bei Tieflage des Kopfes
die entzündlichen Erscheinungen im Ohr stärker werden, wird
Bettruhe nur bei höherem Fieber oder schlechtem Allgemeinbe¬
finden empfohlen. Besteht als Ursache ein akuter Nasen-Rachen ■
katarrh, so wird derselbe ebenfalls liehandelt. Machen sich An-
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282
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr 26.
Zeichen bemerkbar, dass die Mittelobrräume das Sekret nicht zu
fassen vermögen, wölbt zieh z. B. das Trommelfell vor, und
nehmen die Schmerzen und die Druckempfindlichkeit des Warzen¬
teils oder das Fieber zu, und sinkt das Oehör bis zu einem ge¬
wissen Grade, die Hörweite für Flüstersprache etwa unter m,
so wird mit einer nioht zu schmalen Lanze die Parazentese, und
zwar im hinteren unteren Quadranten gemacht. Der Parazentese
wird die Luftdusche angeschlossen, welche häufig noch weitere
Mengen von Sekret aus der Öffnung herausbefördert. Schh’esst
sich an die Parazentese Ausfluss an, oder besteht derselbe bereits,
wenn der Patient in Behandlung kommt, so wird ausserdem die
autiseptische Behandlung angewandt. Der Gehörgang wird täglich
einmal mit lauwarmer 4%iger Borsäurelösung ausgespritzt, Po¬
litzers Verfahren gemacht, der Gehörgang bis in seinen vorderen
unteren Rezessus sorgfältig mit einer feinen watteumwickelten,
entsprechend angebogenen Sonde ausgetrocknet, Borsäurepulver
insuffliert und der Gehörgangseingang mit lockerer Watte ver¬
schlossen. Um Sekretstauung zu verhüten, hat der Patient die
Watte so oft zu erneuern, als sich Eiter an derselben befindet.
Im übrigen sind die allgemeinen Verhaltungsmaßregeln (Ruhe,
Enthaltung von Alkohol usw.) die gleichen, wie sie bei der im-
perforativen Form gelten. Bildet sich bei länger dauernder pro¬
fuser Eiterung auf der Oefihung eine zitzenförmige Wucherung, so
wird dieselbe mit der Schlinge abgetragen. Auch die Hebung
des allgemeinen Kräftezustandes und die Behandlung der eventuell
zu Grunde liegenden AUgemeinkrankheit darf natürlich nicht ver¬
nachlässigt werden.
6 . Ger lach, Göttingen: Versuche mit Neuronal bei Geistes¬
kranken.
Neuronal stellt ein relativ ungiftiges Präparat dar, das in
Fällen von einfacher Schlaflosigkeit in Gaben von 0,5-—1,0 g und
besonders bei heftigeren Erregungszuständen in Gaben von 1,5
bis 2,0 bis 3,0 g eine prompte andauernde Wirkung hat und bei
guter Ueberwachung aller in Betracht kommenden Momente längere
Zeit hindurch gegeben werden kann. Dagegen kann das Neuronal
bei der Behandlung der Epilepsie das Bromkalium nicht ersetzen,
da hier die narkotische Wirkung gegenüber der spezifischen Brom¬
wirkung zu sehr in den Vordergrund tritt.
7. Lindemann, München: Zum Nachweis der Azetessig-
säure im Ham,
8 . Kuhn, Kassel: Technisches zur Biersehen Stauung.
Stauungsklammer für die Biersche Stauuugshiude und Saug¬
glocken znm Abnehmen und Auswechseln.
9. Laquer, Frankfurt a. M.: Earl Fttrstoer.
10. Vulpius, Heidelberg: Von der Aerztefahrt zum Lissa-
boner Kongress.
11. Uffenbeimer, München: Die medicinische Fsyohologie
mit Bezug auf Behandlung und Erziehung der angeboren
Schwachsinnigen.
12 . Beck: üm die Weihnachtszeit nach Florida.
13. Spaet, Fürth: Ist Wachsnggestion erlaubtt
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1906. Nr. i7.
1 . Eichhorst, Zürich: Heber Ezpektorantien.
E. bespricht die Anwendung der Narkotika, ferner lösender
Expektorantien, Jodkalium, kratzende Expektorantien (Radix Ipe-
cacuanhae, Acidum, benzoicum, Kampfer), die Verbindung von
kratzenden Expektorantien mit Narkoticis, die Balsamica und Des-
infizientien (Oleum Tfaerebinthinae, Oleum Pini Pumilionis, Myr-
thol, Benzosol, und Kreosot). Ferner ist zu halten auf Feucht¬
halten der Zimmerluft, die Lage der Kranken im Bette, auf rhyt-
mische Kompression des Bauches und der unteren Abschnitte des
Brustkorbes und schliesslich klimatische und eigentliche Badekuren.
2. Brauer: Marburg: Der therapeutische Pneumothorax.
Der therapeutische Effekt ist dabin zu resümieren, dass unter
dem Einfluss des Lungenkollapses eine prompte und längere Zeit
anhaltende Beeinflussung des Fiebers eintrat, ein Effekt, der in
der hier erreichten Form durch eine andere Behandlungsmethode
wohl kaum erreichbar gewesen wäre. Der künstliche Pneumo¬
thorax bedingt eine Entspanntmg der Lunge; sie bietet dann nicht
mehr zahlreiche ausgespannte Hohlräume, in welchen die infektiösen
Massen liegen bleiben, stetes Fortschreiten der Erkrankung be¬
dingend. Die Lunge wird ferner wie ein Sch^vamm ausgepreast,
speziell die im Verfall begriffenen Teile werden entleert, broncho-
pneumonische Herde dürften im gleichen Siime beeinflusst werden.
Klinisch erscheint dementsprechend eine vorübergeheode Ver¬
mehrung des Sputums.
8 . Krehl, Strassburg: Einige Bemerkungen über Behand¬
lung der Blinddarmerkrankungen.
In zweifelhaften Fällen bin ich für den operativen Eingriff
za früher Zeit, allerdings mit dem vollen Bewusstsein, dass ein¬
zelne unnötige Operationen gemacht werden. Ich befürworte sie,
weil ich die Verantwortung für ihre Unterlassung nicht zu tragen
wage. Schwanke ich, ob operativ vorzugeben sei oder nicht, so
habe ich mich stets für das erstere entschieden, und habe das nie
bereut, denn ich bin über die Beschaffenheit des Wurmfortsatzes
oft in hohem Grade erstaunt gewesen.
4. Wollenberg, Tübingen: Heber das psyohisohe Moment
bei der Neurasthenie.
Zwischen den Fällen, in denen uns das psychische Moment
bei der Neurasthenie lediglich in Form der elementaren Empfin-
dungsstörung entgegentritt, und jenen, in denen man mit Recht
von einer neurasthenischen Geistesstörung sprechen kann, liegen
aber Abstufungen aller Grade und sind also nur quantitative
Unterschiede vorhanden. Es wäre hiernach ein müssiges Beginnen,
zu untersuchen, wo hei der Neurasthenie die Neurose aufhört und
die Psychose anfangt, da es eine scharfe Grenze hier nicht geben
kann.
5. Axenfeld, Freiburg i. Br.: Heber traumatische reflek¬
torische PupiUenstane.
Erstens Lichtstarre bei vorhandener Konvergenzbewegung
der Pupille nach Kontusion infolge Läsion der Pupillenfasem im
Sehnerv und infolge von Irisveränderung, zweitens reflektorische
Pupillenstarre nach Schädeltrauma.
6 . Arneth, Würzburg: .Parallel laufende Magensaft- und
Blutuntersuohungen bei der Chlorose (nebst einigen therapeu¬
tischen Notizen).
Acht Fälle zeigten mit der Besserung des Blutbefundes, die
fast immer eine sehr starke war, ein meist ganz bedeutendes Fallen
der Gesamtaziditätswerte.
7. Hof meier, Würzburg: Heber seltenere Indikationen zur
Hnterbrechong der Schwangerschaft infolge innerer Krankheiten.
Schwangerschaft mit Herzfehler, Diabetes mellitus, Myelitis
und Schwangerschaft mit SchwaDgerscbaftspsychose.
8 . Rosthorn und Fraenkel, Badenweiler: Tuberkulose
und Schwangerschaft.
Die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft muss aber
auch nach diesen Erfahrungen so früh wie möglich erfolgen.
Jedenfalls erscheint es angebracht, dass die Tuberkulöse, die sich
schwanger fühlt, unverzüglich und so früh wie möglich in ärzt¬
liche Beachtung trete.
9. Loewenthal, Berlin: Hntersnehungen über die sogen.
Taubenpocke. (Epithelioma contagiosum).
Vorläufige Mitteilung.
10. Koranyi, Budapest: Heber die Wirkung des Jods auf
die durch Adrenalin erzeugte Arterionekrose.
Aus diesen Versuchen folgt ohne weiteres, dass die Adre-
nalin-Arterionekrose durch gleichzeitige^ Jodbehandlung wirksam
bekämpft werden kann.
11. Zesas, Lausanne: Zur Pathologie des periartikulären
Fettes am Knie.
12. Schüle r, Charlottenburg: Zur Frage der Wirkung von
GueokBilberdampflampen.
13. Werner, Berlin: Die Revision der Genfer Konvention.
14. Landsberger, Charlottenburg: Die Krankenversicher¬
ung im Jahre 1903.
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
288
15. Weitzel: Wachenbuchen: Fahrrad und Automolnl als
Fahrzeuge des praktisohen Arztes.
Nr. 18.
1. Hoffa, Berlin: Die spastischen Lähmungen der Kinder
und ihre Behandlung.
Die Äetiologie der Littleschen Krankheit, die ErscheinungS'
formen, der Verlauf, die Diagnose und die Therapie der Little¬
schen Krankheit.
2. Lewin, Berlin: üeber eine örtliche Giftwirkung des
Fhenylhydroxylamin.
Die näheren Bedingungen sind nicht bekannt, unter denen
gewisse Stoffe vorzugsweise in den Lymphwegen der Haut vor-
rilcken, wenn diese chemisch oder thermisch oder mechanisch ver¬
letzt worden ist. Es können hierfür in Frage kommen: die Be¬
schaffenheit des Giftes und die Art seines Eindringens. Wichtiger
als die Beschaffenheit der Gifte scheint L. der Ort ihres Ein¬
dringens zu sein. Es sind gewöhnlich die oberflächlichsten Kon¬
tinuitätstrennungen der Haut, die schon selbst längst geheilt sein
können, von denen aus die Ljmphangitis als ein Zeichen der
Weiterwanderung des Giftes sich entwickelt. So kann das Gift
eines feinsten, in das Epidermislager gedrungenen Raupenhaares
wirken, und so vermag Phenylhydroxylamin oder ein anderer
Körper, der die Elpidermis langsam chemisch verändert, seinen
Weg in irgend einer Form in die freigelegten Lymphspalten zu
nehmen.
3. Boas, Berlin: üeber die Prophylaxe der Magenblu¬
tungen.
In Fällen von Ulcus, auch mit kleinsten Blutungen, müssen
wir zunächst auf die L e ube-Ziemssensche Kur verzichten und
neben Milch nnd Chlorcalciuminjektionen besser entweder eine
Eisblase oder hydropathische Umschläge verwenden. Die Rege¬
lung des Stuhlganges in diesem Stadium würde dann besser durch
passende Eisläufe als durch Abführmittel zu erstreben sein. Die
eigentliche Domäne für die v. Leube-Zi emssen sehe Kur bilden
die nicht, oder vielmehr richtiger, nicht mehr blutenden Geschwüre;
und dass es deren gibt, gilt für B. als unumstössliche Tatsache.
Zugleich hat auch die Prüfung auf occulte Blutungen einzusetzen.
Solange die Untersuchung der Faeces ein positives Resultat er¬
gibt, dürfen wir in der Kost nicht weiter gehen. Unmittelbar
nach der neuen Kostordnung muss drei Tage lang regelmäßig auf
occultes Blut untersucht werden. Von dem Ausfall der Probe
kann es ferner erst abhängig gemacht werden, ob die Kost die
passende ist oder nicht.
4. Reinecke, Hameln: Vereiterter Echinococcus der Bauch¬
höhle.
Dieser Fall einer 36 jährigen Frau war insofern bemerkens¬
wert, als der sehr grosse, brettharte Tumor, der vom Zwerchfell
bis zum Beckeneingang reichte, dem letzteren fest und unbeweg¬
lich auflag und mit dem Biasenscheitel verwachsen war. Infolge¬
dessen war eine bimauuelle Untersuchung ausgeschlossen und die
Möglichkeit diagnostischer Irrtümer gross. Auch im vorliegenden
Falle war vor der Operation die Diagnose auf Echinococcus nicht
gestellt und das Vorhandensein eines Myoms angenommen worden.
5. Löhnberg, Hamm i. W.: üeber die Behandlung der
Mundatmnug und des chronischen Mundversohlnsses mit der
Gaumendehnung nach Schröder in Kassel.
Erfahrungen eines Rhinologen über die Eysell-Schröder-
schen Ideen mit dem Verfahren der Nasenerweiterung durch Gau¬
mendehnung. Die Gaumendehnung nach Schröder wirkt in
höchst rationeller Weise einer zentripetal gesteigerten Wachstums¬
tendenz genau entgegen. Sie erzeugt von der Intermaxillarlinie
ans einen zentrifugalen Druck, der das den Gaumen konstituierende
Knochenpaar voneinander drängt. Die Folge wird eine Hemmung
der knöchernen Konsolidierung der Gaumennaht und eine Auf¬
hebung und Ueberkompensierung des in der Gaumennaht vorhan¬
denen Drucks gegen das Septum sein. Es ist ganz plausibel,
dass am wachsenden Schädel nun die normale Waebstumskongruenz
zwischen Septum und Kiefer sich wiederherstellen und dem Re¬
dressement des Gaumens die Geradestreckung des Septums folgen
kann, namentlich wenn zu der Aufhebung dos Drucks in der
Intermaxillarlinie noch der einsetzende positive Luftdruck in der
Nasenhöhle hinzukommt.
6 . Ringleb, Berlin: Kystoskop nach Maisonnenveschen
Prinzip.
Das Nitzesche Instrument wie das Ringlebsehe sind als
Irrigations- resp. Evaknationskystoskop gleich brauchbar.
7. Heermann, Posen: üeber partielle Stauung nnd Dmck-
behandlnng bei Entzündongen.
H. konnte die Weiterverbreitung bei Phlegmonen, Sehnen¬
scheiden- und Lymphgefässentzündungen, Furnnkeln, Erysipel u. ä.
dadurch verhindern, dass er ihnen zentralwärts einen festeren
Gegenstand (z. B. eine festgerollte Binde, eine gefaltete Gips¬
binde, ein umwickeltes Brettchen oder dergleichen) in den Weg
legte und diesen mit einem Riemen, Gurt oder einer Leinenbinde
mäßig fest, aber unverrückbar andrückte, wobei jedoch dieser
Stauungskörper die Hautoberfläche überragte und für die all¬
gemeine Zirkulation seitlich etwas Platz Hess. Ebenso wandte er
lokalen gleichmäßigen Druck bei der Nachbehandlung von Entzün¬
dungen etc. und bei Fisteln und Abscesshöhlen an.
8. Pie sch, Budapest: Probebohnmg als diagnostisches
Hilfsmittel.
Der eine Probebohrer dient zur Diagnose der Knochen- und
yn nnhft nmfl rkArtr mnkiing pin. Der zweite Bohrer ist einer Probe¬
punktionsnadel ähnlich.
9. Marcus, Wien: Infusionsbomben.
Diese Infusionsbomben, die bezw. 1 1 steriler physiologi¬
scher Kochsalzlösung enthalten, werden in der C. Haubnersohen
Engelapotheke zu Wien hergestellt. Diese Bomben können un¬
mittelbar nach entsprechenden Abbrechen des Glases an den Teil¬
strichen verwendet werden, sie können sogar nach dem Wieder-
Zuschmelzen noch einmal gebraucht werden, so dass ihre Verwen¬
dung auch wohlfeil ist.
Nr. 19.
1. Wassermann, Neisser und Bruck, Berlin, Breslau:
Eine serodiagnostische Reaktion bei Syphilis.
Im Institut für Infektionskrankheiten gelang es W., N., und
Br. eine spezifische serodiagnostische Reaktion auf syphilitisches
Material zu erhalten, wobei als Kontrolle stets festzustellen war,
dass das betreffende Serum mit Körpersubstanzen nichtsyphilitischer
Menschen keine Reaktion gibt. Von der grössten diagnostischen
und therapeutischen Bedeutung wäre es, wenn es auch gelänge,
regelmäßig den Nachweis syphilitischer Stoffe oder Antikörper im
kreisenden Blute Lueskranker zu führen. Verf. verfügen zwar
bereits über einige Fälle, wo dieser Nachweis gelungen ist, in
anderen war dies aber noch nicht der Fall.
2. Hirsebberg: üeber Entzündung der Netzhaut und des
Sehnerven infolge angeborener Lues.
. Die frischen Fälle sind schwer zu beobachten. Denn die
Veränderung ist nicht leicht zu sehen, selbst wenn der Arzt schon
einige Uebung in Augenspiegeln besitzt, es gehört eine grosse
Geduld dazu. Endlich ist die richtige Beurteilung des Falles recht
schwierig. Die Krankheit ist meistens doppelseitig. Es besteht
feiu-ste, staubförmige Glaskörpertrübung. Zweitens ist der Seh¬
nerveneintritt durch eine bläulich-weisse Ausschwitzung ver¬
deckt , welche von hier aus nach allen Seiten in die Netzhaut,
also in deren dickeren Teil, sich ergiesst und in einigem Abstand
vom Sehnervenrande, d. h. mit zunehmender Verdünnung der Netz¬
haut, allmählich abnimmt und unerkennbar wird. Drittens zeigt
die Netzhautmitte eine bräunliche Färbung. Viertens kommt es
im ganzen Augengrund zu zahllosen hellen Stippchen, welche in
der Peripherie dichter gedrängt, nahe aneinander gerückt sind und
früher mit Pigment-Körnchen in der Mitte, Pigment-Streifchen am
Rande sich ausstatten. Das Heilmittel ist das Quecksilber, Säug¬
linge erhalten 0,5, kleine Kinder 0,75, grössere 1,0 grauer Salbe
einmal täglich; nur in Ausnahmefällen, die rasche Einwirkung er¬
heischen, zweimal täglich: so fünf Tage hindurch, dann ein Bad
und drei bis fünf Tage Pause. Nie lässt H. vor 100 Einreibungen
aufhören, und er sucht die Nachbehandlung 1—2 Jahre fortzu¬
setzen; öfters war er genötigt, wegen der Rüchfälle bis zu 300
Einreibungen zu verordnen.
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MBjDIGCOSCüEI T^OCmiJ*
Nr. 26.
3. Buschke nnd Fischer: Ein Fall Ton Hyocarditis
syphilitioa bei hereditärer Lues mit Spirochätenbefond.
Es handelt sich um ein drei Wochen altes Kind, dessen
Mutter nie syphilitisch krank gewesen sein will. Es zeigt sich
iutra vitam und ex autopsia, eine schwere, allgemeine, hereditäre
Syphilis, die ein besonderes Interesse durch die Beteiligung des
Herzmuskels bietet. Histologisch bestand an dem hier zur Ver¬
fügung stehenden Material eine sehr ausgebreitete interstitielle
Myocarditis; zwischen den erkrankten Partien fanden sich Inseln
von normalem Herzparenchyra.
4. Bettmann, Heidelberg: Pruritus als Initialersoheinung
des Herpes zoster.
Den zwei hier wiedergegebenen Beobachtungen waren folgende
Eigentümlichkeiten gemeinsam: 1. Bei den Patienten entstand ein
Pruritus von ganz besonderer („zoster-ähnlicher“) Lokalisation.
2. Dieser Pruritus bestand längere Zeit, bis schliesslich in dem
affizierteu Hautbezirke tatsächlich ein Herpes zoster auftrat.
3. Mit dem Ablauf des Herpes zoster verschwand der Pruritus.
5. Heinze, Beelitz-Berlin: Beitrag zur Behandlung des
Korbus Basedowii mit Antithyreoidin Möbius (E. Merck, Darm¬
stadt).
Neben der Verabreichung von Antithyreoidin erhielten die
Patienten reichliche Ernährung und wurden hydrotherapeutisch
behandelt. Vor allen Dingen erachtet H. aber gerade bei den
Basedowkranken die Sanatorienbehandlung für die psychisch so
leicht zu beeinflussenden Patienten als von der grössten Wichtig¬
keit: Entfernung aus der alten Umgebung und Lebensweise, reine
Luft, Ruhe, zweckentsprechende Diät und die psychische Wirkung
einer beständigen ärztlichen Aufsicht. In allen solchen Fällen,
die H. nach diesem Hauptpriuzip im Sanatorium Beelitz ohne
Serumverabfolgung behandelt hat, erhielt er mindestens die gleichen
Resultate, wie in den anderen Fällen,
6 . Treplin, Hamburg-Eppendorf: üeber die Besultate der
chirurgischen Behandlung der Blasentamoren.
T. teilt die papillären Geschwülste in gutartige Zottenge-
schwlUste und carcinomatöse Zottengeschwülste. Er beobachtet
auch ein Spindelzellensarkom, weiches an der vorderen Blasenwand
als wallnussgrosser Tumor gefunden und exstierpiert wurde. Ein
noch selteneres Vorkommnis stellt der Befund einer taubenei¬
grossen Cyste dar, welche sich an der Blasenwand einer 44jährigen
Frau entwickelt hatte. Die Prognose der gutartigen Blasenge-
schwülste, wenn sie mit sectio alta behandelt werden, ist als eine
recht günstige zu bezeichnen, das Schicksal der mit Carcinom be¬
hafteten Blasenkranken ist nicht schlimmer als das von Patienten
mit Carcinomen anderer Organe. Von den 30 Kranken mit ma¬
lignen Blasentumoren sind als geheilt über mehrere Jahre hinaus
sechs zu betrachten. Von diesen hatten fünf Zottenkrebse, einer
litt an einem Spindelzellensarkom. Es erscheint jedenfalls ge¬
rechtfertigt, bei jedem diagnostizierten Tumor, auch wenn er bös¬
artig imd bereits weiter fortgeschritten ist, operativ einzugreifen.
Denn einmal ist auch bei malignen Tumoren die Hoffnung auf
Dauerheilung vorhanden; eine Erleichterung kann man den schwer
Leidenden aber und sicher verlorenen Patienten doch in fast allen
Fällen schaffen.
7. Hoffa, Berlin: 'Die spastischen Lähmongen der Kinder
und ihre Behandlung.
Die cerebralen Hemiplegien. Den verschiedenen L i 111 e -
sehen Momenten ist auch eine verschiedene ätiologische Wertig¬
keit beizumeasen. Die Frühgeburt disponiert zu dem Syraptomen-
komplex, den wir Littl esche Krankheit im engeren Sinne nennen,
be.sonders; während die schwere Geburt häufiger Beziehung zur
allgemeinen Starre hat. Die Frühgeburt konnte auch hier niemals
als einziges ätiologisches Moment gelten. Entweder war der Ge¬
burt ein Trauma, das die Mutter erlitten hatte, unmittelbar vor-
ungegangen, oder es hatten abnorme intraabdorainale Raumver-
hältiiisse bestanden. In den übrigen Fällen lag gleichzeitig here¬
ditäre Lue.s vor. Wenn man nun die eben genannten konkur¬
rierenden Momente berücksichtigt, so kaun man sich des Ein-
flrucks nicht erwehren, dass vermutlich in diesen selbst die Ur¬
sache der Frühgeburt zu sehen ist. Ob sie auch gleichzeitig die
Hemiplegie verursacht haben, Lst nicht mit Sicherheit zu sagen.
Wahrscheinlich spielt die Frühgeburt nur die Rolle einer eine be¬
reits bestehende, anderweitig verursachte Schädigung (hämor¬
rhagische Diathese) unterstützenden Faktors. Aeusserst wichtig
für die ätiologische Betrachtung der cerebralen Kinderlähmung
ist, dass die Läsionen am häufigsten in der motorischen Zone des
Gehirns liegen, in dem Verbreitungsgebiet der arteria cerebri
media. Mag eine syphilitische oder akut entzündliche Gefässer-
krankung, eine auf verschiedene Weise entstandene hämorrhagische
Diathese, Embolien, Thrombose oder traumatische Hämorrhagie
Vorgelegen haben, immer ist ein vaskuläres Moment die eigent¬
liche Ursache, und alle sonstigen Erscheinungen sind sekundärer
Natur.
8 . Smit, Rotterdam: Die Fliegenkrankheit und ihre Be¬
handlung.
L e 8 b i n i behandelte seinen ersten Fall von Myiasis in Salto
(Uruguay). Er betraf eine Dame, die ein „Ulcus cruris“ hatte,
in das eine Fliege ihre Eier gelegt hatte. Der zweite Fall betraf
ein kleines Kind, das häufig an beiderseitigem Ohreofluss gelitten
hatte und wiederum über heftige Schmerzen im Ohre klagte. Bei
der otoskopischen Untersuchung fand sich eine Menge Larven,
welche er wegen ihrer grossen Lebhaftigkeit und wegen der Schmerz¬
haftigkeit der Patientin nicht fassen konnte. In einem dritten
Falle konnte Lesbini die Larven sehr leicht in der linken Nasen¬
höhle entdecken. Das 16jährige Mädchen beherbergte in der
kranken Nasenhöhle nicht weniger als 260 Larven, die in 16 Be-
handlung.stagon verschwanden. Smit behandelte eine junge Dame
bei Hautmyiasis mit Kalomel. Die Geschwüre werden gereinigt
und gleich darauf dick mit Kalomel bestreut und verbundem
Ebenso einen Fall von Myiasis naai. Es wird etwa iV* g Kalomel
in die Nasenhöhle geblasen, dann ein Gazetampon dick mit EAlomel
bestreut und die Nase damit tamponiert. Patient verblieb darauf
zwei Stunden im Wartezimmer. Während dieser Zeit kamen 56
Larven den so exakt wie möglich sohliessenden Tampon entlang
nach aussen gekrochen. Beinahe alle starben innerhalb einer halben
Stunde, Die Schmerzen hatten in dieser kurzen Zeit ganz nach¬
gelassen. Das ganze Verfahren wird nur noch zweimal wieder¬
holt. Die Kalomelmethode empfiehlt sich somit bei Myiasis von
selbst.
9. Schellenberg, Beelitz i. M.: Mitteilung über die Her¬
stellung plastisoh wirkender Böntgenphotographien.
Ausgehend von Versuchen in der allgemeinen Photographie,
erzielt Sch. durch Deckung eines Plattenpositivs und Plattennegativs
mit geringer Verschiebung Randschattenbildungen und dadurch ein
plastisches Hervortreten der photographierten Objekte. Die Schatten¬
bildungen können durch geringe Verschiebung modifiziert imd ein¬
zelne Teile der Objekte besonders plastisch herausgehoben werden
(besonders wertvoll für die Darstellung der Gelenkspalten!). Die
Versuche wurden zunächst mit Bromsilbergelatineplatten angestellt
und aus der allgemeinen Pliotographie in die Röntgenphotographie
übernommen.
Nr. 20.
1. Mendel, Berlin: Die Migräne.
Aus der Aetiologie der Migräne ergibt sich, dass die Migräne
in der grossen Mehrzahl der Fälle eine Krankheit ist, zu welcher
die Disposition auf Grund erblicher Anlage mit zur Welt gebracht
wird, dass die Entwicklung der Krankheit und die Häufigkeit der
Aufälle von den verschiedensten acoidentellen Ursachen bedingt
wird, von denen nur ein Teil bekannt ist. Der Verlauf der
Migräne zeigt In manchen Fällen das gleiohmaQige Eintreten von
Migräneanfällen von früher Jugend bis ins späte Alter. Oefter
sieht man statt des typischen Migräneanfalles ein Aeqnivalent
eintreten, welches lediglich in einem Magenschmerz, in einem
Skotom, einem Druck in den Schläfen besteht. In anderen Fällen
lokalisieren sich die Schmerzen überhaupt nicht im Kopfe., Zu¬
nächst gebe man einen speziellen Diätzettel für die einzunehmen-
den Mahlzeiten. Dabei wird in der Regel nur der einmalige Ge¬
nuss von Fleisch täglich (zum Mittagessen) zweckmäßig sein,
während Milch, Ol)St in den verschiedensten Formen und Gemüse
die Hauptsache der Kost zu bilden haben; als Getränk empfehle
man Biliner, Giesshübler, Fachinger etc. Durch eine solche Diät
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MEDICINISCHE WOCHE.
285
pflegt auch eine Begulierung des Stuhlgauges eiuzutreten. Für
den Sommer empfiehlt sich ein Aufenthalt in bergiger und wal¬
diger Gegend, während M. von dem Aufenthalt an der See in
der Mehrzahl der Fälle einen günstigen Einfluss auf den Verlauf
der Migräne nicht sehen konnte. Bade- und Brunnenkuren kann
M. nicht empfehlen; die letzteren verstärken sogar öfter die An¬
fälle. Von Medicamenten sind Arsenik (Acid. arsenicos. in Pillen
0,0005 bis 0,001 g, zweimal täglich), Chinin und Eisen (bei
Anaemie), besonders auch Nitroglycerin in Tabletten 0,0005 bis
0,001, zweimal täglich, oder in Tropfenform empfohlen worden.
M. verordnet mit Nutzen folgendes Rezept:
Natr. bromat. 2,5
^ Natr. salicyl. 0,25
Aconitin (Gehe) 0,0001,
er lässt 20 Tage hintereinander jeden Morgen nach dem ersten
Frühstück ein Pulver in einer grossen Tasse Baldrian- oder
Orangenblütentee nehmen, dann 10 Tage aussetzen, dann wieder¬
holen usf. ln Fällen, in welchen schlechter Schlaf besteht oder
die An^e schon beim Aufwachen früh in voller Heftigkeit da
sind, lässt M. die Pulver abends beim Zubettegehen nehmen. Ist
der Anfall da, so ist Ruhe das • Hauptsächlichste für die Kranken.
Man mache das Zimmer dunkel, der Kranke lege sich mit er¬
höhtem Kopfe hin. Der eine macht dann kalte, auch Eisximschläge,
dem andern sind warme (Kamiilenumschläge) lieber, der dritte
leidet überhaupt nichts auf dem Kopfe, während der vierte sich
ein Tuch fest um den Kopf bindet. In der Ruhe bleibt der
Kopfschmerz oft erträglich und geht schneller vorüber. Daneben
Kaltwasserkuren bei nicht Amaenischen und elektrische Behandlung.
2. Jochmann, Breslau: Versuche zur Serodiagnostik und
Serotherapie der epidemischen Oenickstarre.
Dieses Menigococcenserum ist polyvalent, was besonders
wichtig erscheint in Hinblick auf Erfahrungen an anderen Seris,
z. B. Pneumococcenseris, wo die gebildeten Immunkörper mitunter
so spezifisch sind, dass sie nur gegen den zur Immunisierung
verwendeten Stamm eine genügende Schutzwirkung entfalten. Die
antitoxische Wirkung des Serums gegenüber den in der toten
Leibessubstanz (enthaltenen) der Coccen enthaltenen Giften ,ist
gering. Die bactericide Wirkung aber und damit ein wachstum¬
hemmender Einfluss trat zutage, wenn man das Blutserum von
Meerschweinchen, die 24 Stunden vorher mit 2 ccm subcutan in¬
jizierten Meningococcenserums passiv immunisiert worden waren,
in stufenweise fallenden Verdünnungen auf gleiche Kulturmengen
einwirken Hess und danach durch das Plattenverfahren und Aus¬
zählen der Keimzahlen die Einwirkung veranschaulichte. Krömer
hat bisher 17 Fälle mit Serum behandelt, und zwar grösstenteils
solche Kinder, bei denen der Beginn der Erkrankung nicht länger
als höchstens 7 Tage zurücklag. Die Behandlung geschah in der
ersten Zeit in der Weise, dass man am ersten Tage 20—30 ccm
subcutan gab und am dritten und vierten Tage die Ein.spritzung
wiederholte. Bei 11 Fällen wurden nach einer anfänglichen sub-
cutanen Injektion in den nächsten Tagen Serumeinspritzungen in
den Lumbalkanal vorgenommen. An der Leiche hatte man sich
vorher durch Einspritzung von Methylenblau überzeugt, dass die in
den Spinalkanal eingespritzte Flüssigkeit bis zum Olfactorius hinauf
vordfingt. Das Verfahren am Kranken war so, dass nach voran¬
gegangener Lumbalpunktion und Ablassen von 30—50 ccm Spinal¬
flüssigkeit 20 ccm Serum mittels steriler Glaaspritze durch die
zur Punktion verwendete Hohlnadel hindurch injiziert wurden.
Die Verbindung zwischen Punktionsnadel und Spritze geschieht
am besten durch ein 4 cm langes Stück sterilen Gummischlauch.
3. Einhorn, New-York: Bemerkungen zu Sahlis Besmoid-
reaktion des Magens.
Sahlis Desmoidreaktion ist für die Prüfung der Magen-
fimktion vollständig ungeeignet, und zwar weil Catgut auch im
Darm verdaut werden kann.
4. Schirmer, Greifswald: Experimentelle und klinische
Untersuchungen über die Entstehung der Phthisis bulbi.
Die entzündliche Circulations.störung als Ursache der Hypo¬
tonie einerseits und das Zugrundegehen zahlreicher Gefässe in den
Ciliarfortsätzen andererseits kombinieren sich miteinander.
5. Mühlens, Berlin: Ueber Züchtung von Zahnspiroohaeten
und fusiformen Bacillen auf künstlichen (festen) N&hrböden.
Es ist M. gelungen, Zahnspirocbaeten auf künstlichen, nament¬
lich auch auf festen Nährböden (Pferdeserumagar 1 : 3 in hoher
Schicht (Schüttelkultur und Serumbouillonkultur) zu üppigem
Wachstum zu bringen und weiterhin erfolgreich zu übertragen.
M. hat in der vierten Generation in einem Serumagarröhrchen nur
feine Kolonien, die lediglich aus Spirochaeten bestanden, erhalten.
6. Bürgi, Bern; Ueber Lungensteiue.
In zwei Fällen wurden mit Schleim, Blut usw. Kalkkonkre¬
mente ausgehustet. In dem einen der zwei von B. beobachteten
Fälle war Tuberculosis pulmonum sicher nachgewiesen. Bei Fall 1
kann es sich auch um diese Krankheit gehandelt haben, weder
das negative Ergebnis der bacteriologischen Untersuchung, noch
der günstige Verlauf bewiesen das Gegenteil.
7. Hirsch, Berlin; Ueber einen Fall von Mediannsver-
letzung mit seltenen trophisohen Störungen.
Ausführliche Krankengeschichte. Schluss folgt.
8. Hoffa, Berlin: Die spastischen Lähmungen der Kinder
und ihre Behandlung.
Hoffa gibt über die cerebrale Hemiplegie und über deren
Aetiologie, Klinik und pathologische Anatomie und schliesslich
über die chirurgi.nch-orthopädische Behandlung sehr übersichtliche
Erörterungen, und er stellt kurz seine Thesen zusammen.
9. Schwalbe, Berlin: Der künftige Versammlungsort des
Kongresses für innere Medicin.
Es wäre wünschenswert, dass die Mitglieder des Kongresses
sich — zunächst! — für die Beibehaltung des bisherigen Ver¬
sammlungsmodus (Berlin, Leipzig, München, Wien) entscheiden.
Nr. 21.
1 . Ledderhose: Die Diagnose und Behandlung des Platt*
fusses.
Dem Verf. liegt es in seinem Vortrag daran, die Aufmerk¬
samkeit daraiif zu richten, da.ss man in allen Fällen, wo an be¬
liebigen Stellen der belasteten Füsse Schmerzen auftreten, zumal
wenn die Füsse eine Abweichung im Sinne der Vagusstellung auf-
weisen und wenn lokale krankhafte Prozesse nicht nachzuweisen
sind, an Bela.stungsschmerzen, bezw. Plattfussbeschwerden zu
denken hat, und dass, sobald .diese Diagnose berechtigt erscheint,
in der Mehrzahl der Fälle die Verordnung guten Schuhwerks und
die Hygiene des Fusses betreffende Ratschläge ausreichen, um die
Beschwerden zu beseitigen.
2. Herxbeimer, Wiesbaden: Panoreas und Diabetes.
H. hat eine zwischen den Extremen vermittelnde Anschauung
gewonnen. Nach dieser wohnt von Hause aus den Pancreasacinus-
zellen ausser der äussern Sekretion auch die den Koblehydrat-
stoffwechsel regtüierende innere Sekretion iune. Nun bilden sich
aus dem Pancreasparencbym die Zelleninseln, zunächst im embryo¬
nalen Leben und eventuell auch später; diese verlieren den An¬
schluss an die äussere Sekretion, und es bildet sich somit gerade
in ihren Zellen die innere um so stärker aus; sie sind dazii um
so befähigter, als sie besonders reichlichen Capillaren benachbart
liegen. Diabetes tritt nur dann ein, wenn ein Funktionsausfall
vorliegt, der sowohl den einen wie den anderen Bestandteil des
Pancreas oder auch — und wohl meist — beide treffen könnte;
der Verlust der Funktion der Langerhansschen Zelleninseln
wirkt dabei stärker. Die Neubildung der Zelleninseln etc. bei
Diabetes würde dann einen exquisit regeneratorischen Versuch be¬
deuten. Wie weit jeder von beiden Bestandteilen geschädigt sein
muss, damit Diabetes eintritt, wie weit einer von beiden f^ür den
andern vikarierend eintreten kann, lässt sich kaum bestimmen,
doch scheinen hierbei Unterschiede zwischen Mensch und Tier zu
bestehen.
3. Martin, Togo; Ueber einen Fall von gleichzeitigem Be¬
stehen von Typhus und Amoebendysenterie, kompliziert durch
Milz* und Leberabszesse.
Der Krankheitsfall eines 29 jährigen Landwirtes, bei dem die
Typhus- und Dysenteriesymptome teilweise so deutlich getrennt
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286
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 26.
nebeneinander bergingen, ohne sich gegenseitig zu verwischen,
dass die Diagnose in vivo keine erheblichen Schwierigkeiten bieten
konnte. Der Pall zeigt, dass es möglich ist, aus den Krankheits-
erscbeinungen bei genügend langer Beobachtung die richtige Diag¬
nose aufzufinden, er erweist aber auch klar den grossen Nutzen,
den uns die Agglutinationsreaktion in ihrer heutigen vereinfachten
Form bietet, indem sie uns die Möglichkeit gibt, in unklaren
Fällen schon zu einer Zeit die Entscheidung zu treffen, in der
wir früher lediglich auf Abwarten angewiesen w’aren.
4. Riese, Britz b. Berlin: Operation bei Barlowscher
Krankheit.
Bei einem 14 monatlichen Knaben öffnete R. über der rechten
Tibia und rechten Femur entstandene Haematome mit günstigem
Erfolge der sofortigen Schmerzstillung und Ausheilung. Wenn
operiert wird, sagt R., dann ist Incision und Tamponade zu em¬
pfehlen, nicht Punktion, da diese eine Nachblutung in die sub¬
periostale Höhle nicht sicher vermeiden lässt. Die Oertlichkeit
der Haematome an den langen Röhrenknochen gestattet, die
Operation selbst so gut wie blutleer zu gestalten. Nachblutung
ist durch kurze Tamponade leicht zu vermeiden. Eine Narkose
ist bei der Kürze des Eingriffs nicht notwendig, dürfte aber un¬
schädlich sein. R. hat sie ohne üble Folgen angewandt. R. em¬
pfiehlt die Operation aber nur bei ganz schweren Fällen mit sehr
ausgedehnten Haematomen, weil die Krankheit bisweilen auch so
heilen kann.
5. Puschmann, Britz b. Berlin: Fall von Kleinhimbrüoken-
winkelgeschwulst.
Das Sektionsresultat entsprach dem intra vitam supponierten
Tumor, wenn er auch in Wirklichkeit etwas grös.ser war als ver¬
mutet wurde. Er hatte den rechtsseitigen Bezirk zwischen Klein¬
hirn und Brücke eingenommen, und P. glaubt, ihn mit Recht den
Kleinhirnbrückengeschwülsten an die Seite stellen zu dürfen.
Punkenstein fasste den Begriff bereits mehr im klinischen
Sinne unter Betonung des durch den Sitz bedingten Krankheits¬
bildes. Daher rechnete er Endotheliomgliome, ja auch meta¬
statische Tumoren unter die Kleinhirnbrückengeschwttlste. P.
weist darauf hin, dass derartige Neubildungen auch Cholesteatome
sein können.
6 . Hirsch, Berlin: Heber einen Fall von Hedianasver*
letznng mit seltenen trophischen Stömngen.
Zweiter Teil.
7. Bussalla, Hannover: Heber ein seltenes Pnlsphänomen
bei innerer Blutung infolge von Tubenschwangersobaft.
8 . Matte, Köln: Labyrinthtrepanation und Auskratzung
des Vorhofes wegen qualvoller Geräusche bei sogenannter
„Kittelohrsklero8e“-OtospongioBe.
Nachdem seit der Labyrinthoperation über ein Jahr verflossen
ist, ist der Zustand seines Gehörorgangs ziemlich gleich geblieben,
die Hauptgeräusche sind nicht wiedergekehrt, das feine Siedege¬
räusch wird noch wahrgenommen, hat sich aber auch iu den letzten
Monaten noch weiterhin vermindert, da.s Hörvermögen ist durch
die Operation bislang weder verschlechtert noch verbessert. Ein
abschliessendes Urteil kann bei der Langsamkeit der sich hier ab¬
spielenden Heilungsvorgänge erst in zwei bis drei Jahren nach
der Operation abgegeben werden.
9. Edel, Wyk a. Föhr: Serviettenhüllen aus Celluloid.
Edel hat den Instrumentenmacher Ad. Krauth in Hamburg,
Gänsemarkt, veranhwst, Serviettenhüllen aus Celluloid herzustellen
und in den Handel zxi bringen. Es sind Behälter mit Boden und
überfallendem Deckel, und auch einfache offene, zylinderförmige
Röhren. Diese letzteren genügen durchaus, um den gewünschten
Zweck zu erreichen. Sie umhüllen die Serviette vollständig und
schützen sie vor der Berührung mit anderen Servietten.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 20.
1. V. Hanseman, Berlin: Heber den Einfluss der Domesti¬
kation auf die Entstehung der Krankheiten.
Die erste Folge, die sich aus der Domestikation ergab, war
die Erhaltung zahlreicher Individuen, die aus sieh heraus nicht
die Kraft besässen hätten, in der freien Natur zu existieren, die
mit allen möglichen ungünstigen Eigenschaften ausgestattet, un-
I zweifelhaft zugrunde gehen mmssten, die aber diesem Untergang
I durch die Maßnahmen der Domestikation bewahrt blieben und da¬
durch zur Fortpflanzung gelangten. Man hat schon wiederholt
die Frage aufgeworfen, ob durch die hygienischen Maßnahmen das
Menschengeschlecht im Sinne einer Degeneration übel beeinflusst
werden könne, und diese Frage ist zum Teil bejaht, zum Teil ver¬
neint worden. Aber man sollte das nicht auf die Hygiene al.s
solche beziehen, sondern auf das ganze Gebiet der Domestikation,
und dass es sich dabei nicht allein um eine Schwächung all¬
gemeinen Konstitution der Durchschnittsindividuen bandelt, son¬
dern zum Teil auch um wirkliche Krankheiten, lässt sich ohne
weiteres ersehen. Dahin ist z. B. die Kurzsichtigkeit zu rechnen,
die Zahncaries und die immer mehr abnehmende Fähigkeit der
Frauen, ihre Kinder selbst zu stillen.
2. Meyer, Berlin: Heber die bakterizide Wirkung des
Meliofozm.
Melioform enthält nach der Analyse von Jacobson als wirk¬
sames Agens Formaldehyd, und zwar 25% und essigsaure Ton¬
erde 15%, sowie einige konservierende indifferente Stoffe in
Lösung, und es stellt eine schön rot gefärbte, nach einem Ge¬
misch von Formalin und Parfüm nicht unangenehm riechende
Flüssigkeit dar. Aber nach den angesteliten Untersuchungen
kommt M. zu dem Ergebnis, dass Melioform noch nicht als ein
voUwertiges Desinfiziens anzusehen ist und keineswegs mit unsem
alten bewährten Desinflzientien konkurrieren kann.
3. Browning und Sachs, Frankfurt a. M.: Heber Antiam-
booeptoren.
Schluss folgt.
4. Rheinbold, Kissingen: Zur bakteriziden Wirkung
radioaktiven Hineralwassers.
Das künstlich emanationshaltige Wasser schädigte die Bak¬
terien nur zu Beginn'seiner Einwirkung und auch da nur vor¬
übergehend, so dass eine Erholung der Bakterien möglich war.
Im Gegensatz hierzu, batte das natürlich emanationshaltige Mineral¬
wasser seine schädigende Wirkung zu Beginn am schwächsten,
erst nach 4 Stunden sehr deutlich und mit der Zeit noch zu¬
nehmend entfaltet.
5. Deutschländer, Hamburg: Die fhnktionelle Behand¬
lung der Knoohenbrüche.
Be-sondera wichtig ist der funktionelle Reiz, den die Be¬
wegungen auf den Heilprozess ansüben. In Betracht kommen die
Massage und die Bewegungen, die ausser den allgemeinen, die
Massagewirkung steigernden Effekten die Heilungsvorgänge auch
hier sowohl im Bereiche der Frakturstelle als auch im Gebiete
der zur Versteifung disponierten Gelenke in ausgesprochener
Weise beeinflussen. Schluss folgt.
6 . Focke, Düsseldorf: Welchen Wert haben DigitaUs*Frosch-
versuche für die Praxis?
Froschversuche zur Kontrolle der Digitalis in den Apotheken.
Nr. 21.
1. Karewski, Berlin: Heber gebrauchsfertiges, dauernd
steriles aseptisches Catgut. #■
Die Sterilisation geschieht auch hier mit Alkoholdampf, deren
Sicherheit experimentell erwiesen wurde. Die im Alkoholgefäss
erkalteten Röhren werden unten zugeschmolzen, im Vacuum mit
absolutem Alkohol, dem je nach der Stärke der Fäden 1 — 3%
Glyzerin zugesetzt ist, gefüllt, alsdann oben zugeschmolzen und
nunmehr, um etwaige aus der Luft aspirierte Keime zu zerstören,
nochmals 1 Stunde lang auf 103® erhitzt. Auf diese Weise sind
alle nur in Betracht kommenden Vorsichtsmaßregeln getroffen. Das
Catgut ist gebrauchsfertig und unbegrenzt haltbar bis zu dem
Moment, wo die Tube durch Anritzen geöffnet wird. Röhren, die
geöffnet sind, mag derjenige, der nur selten Catgut benutzt, weg¬
werfen, man kann sie aber auch keimfrei erhalten, wenn man sie
mit dem Hals nach unten in 70®^ sterilen Spiritus versenkt.
Für Krankenhäuser und Kliniken, für welche die Konservierung
der Reste eine materielle Rolle spielt, hat K. durch die Firma
L. u. H. Löwenstein einen Kasten mit Gestell konstruieren
lassen, der auf die einfachste Weise die keimfreie Aufbewahrung
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1906.
MSDICmiSCHE WOCHE.
287
gewährleistet. Die Herstellung dieser gerade auch ihr den Prak¬
tiker sehr handlichen Catgutfäden geschieht in dem physiolog.-
chem. Laborat. Hugo Rosenberg, Berlin W. 50.
2. Heinsheimer, Baden-Baden: Das Experiment in der
Balneotherapie.
Verf. hat Tierexperimente zur Prüfung der Mineralwaaser¬
wirkungen herangezogen, und zwar für diejenigen Trinkkuren, mit
denen wir eine Beeinflussung der Magensekretionen herbeizuführen
suchen, entweder im Sinne einer Anregung von Saft-, Säure- und
Fermentproduktion oder im gegenteiligen Sinne eine Herabsetzung
der Drüsenarbeit. Zum Vergleich der Wirkungsweise wird ausser¬
dem der Einfluss verschiedener, zu den gleichen Zwecken gebräuch¬
licher medikamentöser Substanzen auf die Magensekretion gezeigt
(Natronbicarbonat, Calcium carbonicum, Soda, Bismutum subnitri-
cum, Magnesia usi», Bittersalz, Vich 3 rwa 88 er, Hunyadi Jdnos und
Karlsbader Mühlbninnen). Die Pawlow’sche Methode erweist
sich, wenn sie auch naturgemäß über die Einwirkung langdauern-
der Brunnenkuren nichts Entscheidendes aussagen kann, doch
zweckmäßig, insbesondere zur vergleichenden Prüfung solcher
Medikamente und Mineralwässer, deren Wirkung auf die Magen-
Sekretion wir studieren wollen.
3. Ehrlich und Apolant, Frankfurt a. M.: Erwiderung
auf den Artikel des Herrn Dr. Bashford: Einige Bemerkungen
zur Methodik der e]q>erimentellen Krebsforschung.
In Nr. 16 dieser Wochenschrift wendet sich Bashford gegen
die von E. u. Ä. vertretene Anschauung, dass die Sarkomentwick¬
lung bei fortgesetzten Garcinomimpfungen auf Mäuse, die sie nun¬
mehr dreimal beobachtet haben, und die in einem vierten Stamme
ihres Materials ebenfalls zu beginnen scheint, auf einer gesteigerten
Proliferation mit überpflanzter, in ihrer Virulenz durch irgend
welche Momente veränderter Stromazellen beruht. 6 a sh f o r d
lässt nur drei Erklärungsmöglichkeiten für diese Beobachtung zu,
über die seiner Ansicht nach eine Entscheidung noch aussteht.
Nämlich, dass von Anfang an Mischgescbwiilste bestanden, zwei¬
tens, dass sich ein infektiöses Granulom auf dem Boden eines
Carciuoms entwickelt hat, und drittens, dass ein wahres Sarkom
auf eingeführtem Stroma oder Reaktionsgewebe des Wirtes während
der Uebertragung des Carcinoms entstanden ist. E. u. A. aber
können keinen einzigen der von Bashford gegen sie erhobenen
Einwände eine Berechtigung zuerkennen.
4. V. Hansemann, Berlin: Heber den Einfluss der Domesti¬
kation auf die Entstehung der Krankheiten.
Zu den Degenerationszuständen ex domesticatione gehören
ferner noch die abnehmende Fähigkeit der Frauen, ihre Kinder
mit ihrer eigenen Milch zu ernähren, die Neurasthenie, die Hysterie
mit ihren verwandten neuropathischen Zuständen, eine Anzahl von
Verdauungsstörungen, z. B. die habituelle Obstipation mit ihren
konsekutiven Erscheinungen, die Chlorosen und Anämien, die
Lungenphthise und die Rachitis. Dazu kommen noch die ent¬
stellenden Deformationen des Körpers, denn auch diese können
sich zu störenden pathologischen Veränderungen steigern.
5. Browning und Sachs, Frankfurt a. M.: Ueber Antiam-
booeptoren.
Die Existenz von Antikörpern der hämolytischen Ambocep-
toren im Antiserum ist nicht zu bezweifeln. Es gelingt auch bei
gleichzeitiger Gegenwart von Eiweissantikörpem, sie in ihrer
Wirkung zu differenzieren und als hemmende Stoffe sui generis
zu erkennen. Dabei können die Eiweissantikörper durch Präzipitat¬
bildung die Wirkung der Antiamboceptoren unter Umständen mehr
oder weniger begünstigen, ohne aber bei den gewählten Versuchs¬
anordnungen an und für sich ihre komplementbildende Funktion
zu entfalten.
6. Deutschländer, Hamburg: Die fonktionelle Behand¬
lung der Knoohenbrüche.
Es widerspricht keineswegs dem Prinzip der funktionellen
Therapie, wenn man Schienen, abnehmbare Gipsverbände oder
Extensionsverbände anwendet, die direkt einen redressierenden
Einfluss auf die Bruchstücke ausüben, ja sogar die operative Naht
lässt sich mit der funktionellen Bebandlungsweise kombinieren.
Nur müssen alle angewandten Hilfsmittel so beschaffen sein, dass
sie leicht die regelmäßige Ausführung von Bewegungen imd
Massage gestatten. Für Knochenbrüche mit schwerer Dislokation
hält D. sogar die Anwendung derartiger Hilfsmittel nicht nur
für ratsam, sondern direkt für geboten; bloss muss man sich stets
darüber klar sein, dass es sich hierbei im Grunde genommen immer
nur um unterstützende Hilfsmittel handelt, und der Schwerpunkt
der Behandlung stets in der systematischen Anwendung der funk¬
tionellen Heüfaktoren beruht. In dieser Beziehung stellt auch
die so überaus leistungsfähige Bardenheuer’sohe Extensions¬
behandlung eine funktionelle Therapie dar.
7. Heilbron, Berlin: Die Behandlung des Hlous corneae
serpens.
Nr. 22.
1. Talma, Utrecht: Pyurie durch Xeucoeystose; Leuoo-
cytose-Py&mic.
„Kryptogene“ Pyämle; Pyurie durch Ausscheidung des Eiters
aus dem Blute, bei einem 34 Jahre alten Bleiarbeiter mit
Schrumpfnieren. Pyurie durch Leuoocytose bei acuter Exacerbation
chronischer Lungentuberkulose bei einem 59 Jahre alten Land¬
streicher.
2. Käst, Berlin: Experimenteller Beitrag zum Mechanismus
der Magensekretion nach Probefrühstück.
Schluss folgt.
3. Bauer, Berlin: Ueber den Nachweis der präzipitablen
Substanz der Kuhmilch im Blute atrophiscber Säuglinge.
B. glaubt einen einwandsfreien Beweis des Vorkommens ge¬
nuiner artfremder Eiweisskörper im Blute eines Säuglings ge¬
führt zu haben.
4. Kronthal: Ist Hysterie eine Nerrenkrankheitl
Hysterie ist eine leicht wechselnde krankhafte Reaktion der
das Individuum konstituierenden Zellen. Ist Hysterie eine leicht
wechselnde krankhafte Reaktion der Zellen, so wird therapeutisch
zu versuchen sein, dur<di Veränderung der Aussenwelt des Kranken
anderweitig auf die Zellen einzuwirken und durch Kräftigung der
Zellen ihre Reaktionsfähigkeit weniger labil zu machen. Hin¬
gegen wird ein Erfolg nicht zu erwarten sein, wenn wir auf die
zur Zeit erkrankten Stellen einwirken, selbst günstig einwirken.
Ein hysterisch Kranker, dem eine Lähmung beseitigt ist, indem
man nur auf diese wirkte, wird hysterisch bleiben und nach
Stunden oder Tagen neue krankhafte Erscheinungen zeigen.
Dauernde Erfolge aber werden wir zu erwarten haben, wenn wir
durch eine Versetzung des Kranken in eine möglichst nene Um¬
gebung seine Aussenwelt ändern, somit andere Reize als bisher
auf die Zellen einwirken zu lassen und wenn wir die Zellen gegen
Reize weniger widerstandsfähig resp. widerstandsfähiger gestalten,
also normal reagieren machen. Wir werden sie gut ernähren, da¬
bei alle die Speisen, Getränke, wie auch Arzeneien sorgfältig ver¬
meiden, die lähmend oder erregend wirken, durch Massagen,
Turnen, Bäder, etc. den Körper kräftigen. Funktionieren die
Körperzellen wieder normal, dann ist auch die Psyche wieder ge¬
sund.
5. Senator, Berlin: Ueber Sohleimhant-Lnpns der oberen
Luftwege.
Der Kehlkopf war dreimal beteiligt; zwei Fälle zeigten Er¬
krankung der Epiglottis, und zwar waren es Fälle von älterer Er¬
krankung, die Taschenfalten waren jedesmal und die Stimmlippen
wiederum zweimal beteiligt; die letzteren in wenig charakteris¬
tischer Weise. Die Prognose ist quod vitam ziemlich günstig,
quad sauationem dagegen schlecht, kann jedoch durch eine zweckmäßige
Therapie zum Besseren beeinflusst werden. Nicht unwirksam hat
sich die Milchsäure in Lösung von 50% und mehr erwiesen, doch
ist ihre Wirkung nur oberflächlich und daher sehr langsam, als
Ersatz für chirurgische Eingriffe bei operationsscheuen Patienten
oder bei anderen Gegengründen mag sie ihren Platz immerhin
behaupten.
6. Deutschlander, Hamburg: Die funktionelle Behand¬
lung der Knochenbrüche.
Der Schwerpunkt in der Frakturbehandlungsfrage liegt weit
weniger in der Modifikation und Konstruktion dieser oder jener
Schiene oder in der Bevorzugung dieses oder jenes Hilfsmittels,
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288
MKDICINISC5HB WOCHE.
Nr. 26.
als vielmehr in der sicheren Entscheidung darüber, ob im Prinzip
die Wege, die wir bisher gegangen sind, in der Tat auch noch
unseren modernen Anschauungen entsprechen. Das wichtigste
Moment in der funktionellen Therapie bildet die Bewegung; - die
Massage spielt nur eine sekimdäre Rolle, und nur im ersten
Stadium kommt ihr eine etwas grössere Bedeutung zu. Unter
Umständen würde sie sich sogar durch ähnUch wirkende Heil¬
faktoren ersetzen lassen, während dies bei den Bewegungen nicht
angängig wäre. Freilicdi darf man sich die Ausführung der Be¬
wegungen nicht ganz so einfach vorstellen. Nicht jede Bewegung
wirkt in funktionellem Sinne begünstigend auf den Heüungsver-
lauf, sondern nur eine solche, die mit Methode und mit richtigem
Verständnis den pathologischen Verhältnissen und dem Mechanis¬
mus der Gelenke angepasst ist.
7. Mohr, Berlin: Praktuehe Ergebnisse ans dem Gebiete
der inneren Hedioin. Einiges zur Pathologie und Therapie der
Arteriosklerose.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 19.
1. Velich, Prag: Stadien über den Einflnss des Nerven¬
systems auf den Pols.
Ejtperimentelle Erklärung der Ursachen der Pulsfrequenz-
änderungen bei der Atm un g . Das Auftreten der Pulsverlangsam¬
ung schon gegen Ende des Inspiriums kann fast regelmäßig nach-
gewieseo werden, wenn das Inspirium gewaltig verlängert wird, so
dass der von den sensitiven Nerven ausgehende Redex schon in
der Inspirationsperiode sich geltend machen kann. Wird aber das
Inspirium nicht allzu verlängert, so erscheint die Fulsverlangsam-
ung erst in der Ezspirationsperiode. Eine auffallend ausgesprochene
Pulsverlangsamung im Exspirium kann manchmal — besonders bei
Personen mit einem mehr reizbaren Nervensystem — beobachtet
werden, wie es schon von mehreren Autoren konstatiert wurde.
So pflegt die Pulsbeschleunigung während des Inspiriums bei
solchen Menschen oft überraschend zu sein. Diese Umstände
sprechen auch für die Richtigkeit der oben erwähnten Erklärung
der respiratorischen Aenderungen für Erscheinungen, welche durch
gesteigerte Reizung der den Herzpuls beherrschenden Zentren,
nicht aber durch Herabsetzung des Tonus des Vagus, wie es
Hering, Wertheimer und Meyer voraussetzten, hervorge¬
rufen werden. Bei den überhaupt reizbaren Zentren pflegt auch
der Effekt der gesteigerten Irritationen bedeutender zu sein. Wie
die sogenannte „expiratorische“ Pulsverlangsamung anstatt im Ex-
spirium schon im Inspirium auftreten kann, so kann auch die „in¬
spiratorische“ Pulsbeschleunigung im Exspirium erzielt werden.
2. Eolisch, Wien-Earlsbad: Zur Präge der Znokerbildung
ans Fett.
Aus Tierversuchen an Mäusen, bei denen durch Phlorizin
Glykosurie bervorgerufen wurde, ging die immerhin merkwürdige
Tatsache hervor, dass alle mit Fett gefütterten Tiere die Phlorozin-
vergiftung länger ertragen, als die hungernden oder mit fettfreier
resp. mit fettarmer Eost gefütterten.
3. Eephallinds, Eorfu-Graz: üeber akuten Gelenkrhen-
matismas, Chorea and Endokarditis der Sander.
Das Endokard bei Mädchen hat eine weit höhere Disposition
bezw. geringere Widerstandskraft gegenüber dem Gifte des Ge¬
lenkrheumatismus als bei Enaben, wogegen die Serosa der Gelenke
in beiden Geschlechtern gleich disponiert erscheint. Aus dieser
Darstellung ist ferner ersichtlich, dass die Endokarditis bei Enaben
etwas häufiger vorkommt, als bei Mädchen, dass sie aber bei
letzteren so gut wie immer, bei ersteren nur in einem verhältnis¬
mäßig kleinen Prozentsatz der Fälle auf polyarthritischer Basis
beruht. In analoger Weise ist zu konstatieren, dass sich beim
Veitstänze der Enaben die Polyarthritis als ätiologisches Moment
nur halb so oft nacbweisen lässt, als bei Mädchen, Nach dieser
Erfahrung schien es geboten, festzustellen, ob sich die Chorea der
Enaben auch in klinischer Hinsicht anders verhält, als jene der
Mädchen. Das klinische Zustandsbild liess aber bemerkenswerte
lind gesetzmäßige Unterschiede nicht erkennen.
4. Holup, Earlsbad: Zar Thyreoidbehandlang des Horbas
Basedowii und insbesondere seiner Kombination mit Hyxödem.
Die Eombioation dieser beiden Affektionen ist relativ selten
beobachtet. Zu den grössten Seltenheiten gehört es aber, wenn
ein mehr oder minder typisches M 3 ncödem dem Basedow voran¬
geht, sodass H. nur 3 Fälle in der diesbezüglichen Litteratur vor-
nnden konnte. Eine strikte Indikation zur Thyreoidbehandlang
von Basedowkranken scheinen Myxdematöse Begleiterscheinungen
zu ergeben, wie aus den mitgeteilten Fällen zu ersehen ist. Die
Tachykardie ist nicht als Eondraindikation gegen die Behandlung
von Strumen mit Thyreoidpräparaten zu betrachten. Sonst ist bei
Verwendung der Thyreoidpräparate beim Morbus Basedowii äusserste
Vorsicht unbedingt geboten.
ö. Sofer: Zar Alkoholfirage.
Der Eampf gegen den Alkohol kann nach S.’s Dafürhalten
nur prinzipiell und zwar auf dem Wege der Aufklärung geführt
werden, eine Aufgabe, die* vornehmlich dem Arzte zufällt. Nur
muss er eich dabei vor Augen halten, dass ihn die Resultate
enttäuschen werden, wenn er radikal darauf lossteuert, jeden zom
Abstinenten zu machen. Mau muss bei dem Eampfe diflerenziereo
und individualisieren; unsere Forderungen müssen verschieden sein,
je nach Beruf, Alter, sozialer Lage, nach der Individualität und
nach dem Elima.
No. 20.
1. JagiS.Wien: üeber Aietonfizierang von Blutpräparaten.
Die bisher gebräuchlichen Verwendungen des Azetons in der
Histologie veranlassten J., auch das Verhalten von in Azeton
fixierten Bluttrockenpräparaten zu den gebräuchlichen Farbstoff¬
lösungen zu untersuchen und die dabei erzielten farbetechnischen
Resultate mit denen zu vergleichen, die bei den bisher für die
einzelnen Färbungen üblichen Fixierungsmitteln erzielt wurden, Eis
zeigte sich nun, dass gerade bei der Färbung mit dem Ehrlicb-
schen Triazid, das ja anerkanntermaßen zur Darstellung 4er soge¬
nannten neutrophilen Granulationen die besten Resultate liefert,
Blutausstrichpräparate, die fünf Minaten in reinem Azeton (Eahl-
baum) fixiert worden waren, sehr schöne distinkte Bilder boten.
2. Füster, Wien: Experimentelle Beiträge zur Frage des
Vorkommens von Taberkelbasillen in Kolostrum and Hntter-
milch.
F. fand in der Milch tuberkulöser Frauen keine Tub. Baz-
und ist der Meinung, dass durch die Milch von sicher tuberkulösen
Frauen vollvirulente Tuberkelbazillen dem Einde nicht zugeführt
werden dürften und die Milch solcher wohl nur als akzidentelle
Infektionsgelegenheit betrachtet werden könne. Was die Ernährung
des Eiudes betrifft, so sieht P. in manifester florider Tuberkulose
der Mutter stets eine Eontraindikation gegen das Stillen und sorgt
in solchen Fällen ausnahmslos dafür, dass die Ernährung des
Kindes einer Amme übertragen wird. Handelt es sich jedoch nur
um deutliche Veranlagung der Mutter zur Tuberkulose, lassen sich
klinisch und physikalisch keine weitergehenden Veränderungen
Dachweisen, und bleibt vor allem auch der durch längere Zeit ante
partum schon beobachtete Sputumbefund stets ein negativer bezüg¬
lich des Vorhandenseins von Tuberkelbazillen, so sieht auch P.
keine absolute Eontraindikation gegen das Stillen.
3. Meller, Wien: üeber Rekto-Eomanoskopie.
Die Rektoskopie wird schonend, schmerzlos und gefahrlos für
den Patienten sein, leicht auszuführen ftir den Unteraucher, wenn
wir folgendes beherzigen: 1. Vorhergehende gründliche Reinigung
des zu untersuchenden Darmabschnittes (Irrigation); 2. Vorherge¬
gangene digitale Untersuchung; 3, Kniebrustlage; 4. Vermeidung
jeglicher Darmau (blähungspräparate; 5. Nur Vordringen bei offenem
Darmlumen: 6. Absolute Verwerfung jeder geringsten Gewaltan¬
wendung ; 7, Nicht auszuftthren: bei Fissura ani und Entzündungen
des Sphinkterbereiches wegen Schmerzen; bei Strikturen des Anus
und tiefliegenden Strikturen der Ampulle wegen Gefahr eventueller
Verletzungen; 8. Vorteilhaft: Verwendung mehrerer Rohrlängen.
4. Kern, Wien: Eia Fall von Gastroenteroanastomia spoii-
tanea.
Der Befund einer „ Gastroenteroanastomosis rectrooolica poste¬
rior spontanes“ auf Grund eines Ulcus chronicum pepticum als
Nebenbefund bei der Sektion eines an Arteriosklerose verstorbenen
Mannes.
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MEDlCrniSCHB WOCHBL
289
1906.
5. Fürth, Dervent: Die Sterüüation der Lftminaria and
ihre praktisohe fiedeatang.
Zunächst werden die wie gewöhnlich zubereiteten Laminaria-
stäbchen in dekalziniertes Wasser gebracht und darin eine voUe
Stande lang kochen gelassen. Hierauf werden die Stäbchen in
absoluten Alkohol gebracht, wo sie nahezu das ganze Wasser an
den Alkohol abgeben. Bringt man sie, nachdem man vorher einen
Druck ihrer ganzen Länge nach mit einer Pinzette ausgeübt hat,
in einen Trockenschrank und erhitzt diesen durch 10 Minuten auf
160 bis 170, so sind sie beinahe noch schmaler geworden, als sie
vor der Präparation waren, haben auch an ihrer Form nicht das
mindeste verloren und, was die Hauptsache ist, sie sind mindestens
ebenso aufsaugungs- und damit schwellfähig geblieben, wie vorher.
Für den praktischen Gebrauch müssten also die Laminariastifte
nach solcherart durchgeführter Sterilisation in aseptischen Ver-
sdilüssen — zugeschmolzenen Glasröbrohen — geliefert werden.
6 . Sofer, Wien; Die fiekämpfang der SäogUngMterbliohkeit.
„Eiine der wichtigsten Aufgaben einer zielbewussten sozialen
Medicin ist die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit. Speziell
in Oesterreich ist noch s^r viel in dieser Bichtung zu tim, da
wir Hand in Hand mit Ungarn den traurigen Buhm gemessen,
mit Bassland in der Skala der Säuglingssterblichkeit an höchster
Stelle zu stehen.“
No. 21.
1. Detre, Budapest: Ueber den Kaehweü von spesiflsohen
SypkiliBantitabstanäen and deren Antigenen bei Laetikem.
Die Untersuchungen werden weiter fortgesetzt und sollen dann
ausführlich publiziert werden.
2. Kraus und Volk, Wien: Weitere Stadien über Imma*
nität bei Syphilis and bei der Vakzination gegen Variola.
Verf. sind nicht imstande, heute schon Schlüsse aufBestehen von
Immunkörpern bei Syphilis des Menschen zu machen,, wie dies
Wassermann, A. Neisser und Bruck in einer'jüngst er¬
schienen Arbeit tun. Was das Vorkommen regionärer Immunität
anbelangt, so sind bei Vakzine die Besultate der Verf. zum Teil
als Bestätigung früherer Autoren, zum Teil als neue Gesichtspunkte
wiedergegeben.
3. Müller und Soherber, Wien: Weitere- Hitteilongen
über Aetiologie and der Balanitis erosiva circinata and
Balanitis gangraenosa,
Der stets gleiche bakteriologische Befund, sowie das gleich¬
zeitige Vorkommen und Ineinanderübergehen beider Formen bei
ein und demselben Individuum, brachten die Verf. zu der Annahme,
dass es sich bei den klinisch oft differenten Formen der spezifischen
Balanitis doch um ätiologisch gleiche Prozesse handelt. Ausser
diesem interessanten and gleichmäßigem bakteriologischen Verhalten
konnten die Verf. in ihren Fällen noch eine Eigentümlichkeit beob¬
achten, das ist die Tatsache, dass zeitweise eine grössere Reihe
von Fällen dieser Erkrankung zur Beobachtung gelangt, während
zu anderen Zeiten Fälle völlig fehlen oder nur vereinzelt auftreten.
4. Passini, Wien: Die bakteriellea Hemmangsstoffe Con-
radis and ihr Einfloss aof das Waohstom der Anaerobier des
Dannea
Wir befinden uns heute noch ferne von der Lösung der Frage,
warum von den Millionen von Mikroorganismen, die in einem Milli¬
gramm des Stuhles eines Erwachsenen enthalten sind und mikro¬
skopisch gesehen werden, nur ein sehr geringer Teil (0,017%
nach Strassburger) sich als lebensfähig erweist. In der Misch-
kultur von Bakterien, die in den Ingestis des Menschen anwächst,
sehen wir zahllose Keime der verschiedenen Arten, und es gelang
bisher nur wenige Indi-viduen einzelner besonderer Spezies zu kul¬
tivieren. Darf aber aus solchen Knlturerfolgen bereits der Schluss
gezogen werden, dass alle nicht züchtbaren Keime auch abge¬
storben seien? Diese Frage wird verneint.
ö. Bloch, Basel und Reitmann, Wien: tTntersaohongea
über den Stoffveohiel bei Sklerodermie.
Nach diesen Versuchen erscheint^es naheliegend und rationeller,
in geeigneten Fällen das Möbius’sche Serum, das bei Basedow
gute Resultate ergeben hat, zu verwenden und künftig auch dem
Hamsäurestoffwechsel bei Sklerodermie Beachtung zu schenken.
6 . Favarger, Wien und Aussee: Zar Frage der ehronisohen
Tabakyergiftong.
Dem Verf. lag daran, in Tierversuchen nachzusehen, ob bei
Tieren durch lange dauernde Fütterung mit Nikotin pathologische
Veränderungen am Herzen auftreten; er stellte schon aus diesem
Grunde in den Jahren 1889/90 einige Versuche an Hunden an,
die soweit verheissend erschienen, als bei einem derselben sich eine
fettige Degeneration des Herzmuskels fand. Weiterhin aber
wurden im Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie
bei zwei Kaninchen im Gewichte von 1050 g resp. 1000 g im
Zeiträume vom 26. September bis 19. Oktober 1905 (24 Tage)
in 17 Injektionen die Gesamtmenge von 5,1 g Brenzöles (25 kg
ordinären Rauchtabakes, welche mittels A^iration im Zeiträume
von acht Wochen langsam verraucht wurden, lieferten ungefähr
80 g dieses ätherischen Oeles) appliziert; anfänglich wurde bei der
Injektion von 0,3 oder 0,4 einigemale Dyspnoe, geringe Unruhe,
auch Zittern und Schwäche der Extremitäten wenige Minuten nach
der Injektion beobachtet; doch gingen die Elrscheinungen rasch
zurück. Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass auch dem Tsbaks-
brenzöl im allgemeinen dieselben geringen Wirkungen zukommen
wie den ätherischen Oelen überhaupt. Ferner waren einige Fütterungs-
versuche mit Nikotin an Hunden angestellt worden. Das Nikotin
wurde in wässeriger Lösung von 0,85% bis 6% steigend und in
steigender Tropfenzahl dem Futter beigemengt. Im grossen und
ganzen stehen die Versuche im Einklang mit den Resultaten, zu
denen Vas, der an Kaninchen experimentierte, gekommen ist: All¬
gemeine Störung der Elmährungsvorgänge im ganzen Organismus;
seine Versuchstiere verloren in zwei Monaten an Gewicht und es
fand sich eine beträchtliche Abnahme der roten Blutkörperchen
und des Hämoglobins und eine entsprechende relative Vermehrung
der weissen Blutkörperchen.
7. Moro, Graz: Ueber Oeüchtsrefiexe bei Säuglingen.
Die Gesichtsphänomene *<— einschliesslich des Fazialisphäno-
mens der Säuglinge in den ersten Lebenswodien — sind als Ge-
sichtsreffexe aufzufassen und sind nichts anderes als ein weiterer
Ausdruck der allgemein erhöhten Reflexerregbarkeit in diesem
Lebensalter. Am zweiten oder dritten Lebenstage treten zum
erstenmal die Gesichtreflexe auf und bleiben zumeist bis in den
zweiten, manchmal bis in den dritten Lebeusmonat erhalten, um
von da ab allmählich zu erlöschen. Ihre Kenntnis als psycholo¬
gische Reflexe im frühen Säughngsalter ist für die Diagnose der
Tetanie praktisch verwertbar. Ein weiterer typischer Gesichtsreflex,
der sich beim Neugeborenen und bei jungen Säuglingen regelmäßig
nach weisen lässt, ist der Lidschlussreflex. Auch bei den von
Escherich und Thiemich als Mund- und Lippenphänomen be¬
schriebenen Reflexen handelt es sich in beiden um wesentlich gleiche
Vorgänge.
8 . Fog es: Ueber Bekto-Bemanoskopie.
Bemerkungen zu dem gleichlautenden Vortrage des Regiments¬
arztes Meller; Verf. verwahrt sich gegen die scharfe Kritik seines
Proktoskopes.
Nr. 22.
1. Kraus, Wien: Ueber GKfte des Choleravibrio and ver¬
wandter Vibrionen.
Weder Pfeiffer noch anderen Untersuchem war es ge¬
lungen, in Bouillonkulturen des Choleravibrio ein lösliches Gift
nachzuweisen, welches im Experiment konstante Wirkungen er¬
geben hätte und gleiche KranÜieitserscheinungen ausgelöst hätte,
wie die Vibrionen selbst. In jüngster Zeit aber haben Brau
und Denier in einer kimzen Mitteilung der Pariser Akademie
berichtet, dass es ihnen gelungen ist, bei authentischen Cholera¬
vibrionen durch Züchtung auf besonderen Nährböden spezifische
lösliche Choleratoxie nachzuweisen und mit solchen auch Anti¬
toxine zu erzeugen. Auch K. konnte in Uebereinstimmung mit
Brau und Denier in sieben Tagen in allen Bouillonkulturen
lösliche Toxine nachweisen. Diese Befunde bringen den direkten
Beweis dafür, dass der Mechanismus der Krankheitserscheinungen
bei Cholera asiatica ebenso auf einer Intoxikation durch lösliche
Gifte bemht, wie die der Diphtherie, des Tetanus, der Dysen¬
terie. Dass durch diese Arbeiten weitere Ausblicke sich eröffnen,
und die Möglichkeit der Heilbarkeit der Cholera asiatica und
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^90
MfiDIcmiSCfiE WOCHB.
Nr. 26 .
der VibrionenkrankhelteD sehr nahe gerückt ist, dürfte kaum zu
bezweifeln sein.
2. Nobl, Wien: Beiträge sor Yakaneinunanität
Befremdend, unwahrscheinlich mutet unter den Folgerungen
Siegels jene an, welche das Vakzinevirus im Lichte eines vehe¬
menten, nach der Einbringung den tierischen Körper sofort in-
undierenden Giftes erscheinen lassen will.
3. Fischer, Prag: Veber einen eigenartigen ICarkfasem-
sohwnnd in der Hirnrinde bei Paralyse.
F. hat bis jetzt 25 Fälle mit dem Befunde der progressiven
Paralyse untersucht und fand Markausfall bei 13 Fällen in ganz
deutlich ausgesprochener Weise vor. Darunter gab es Fälle mit
sehr zahlreichen und grossen Herden neben Fällen mit nur ganz
kleinen und selteneren Markdefekten. Auch was die Lokalisation
in den einzelnen Gegenden anbelangt, gibt es wesentliche Unter¬
schiede, indem die Herde am häufigsten in den Zentralwindungen
sich finden, weniger häufig im Stirniappen, und nur sehr selten
in den anderen Hirnregionen.
4. Velich, Prag: Stadien über den Einflnss des Herven«
Systems auf den Puls.
Erklärung der Ursachen der Aenderungen von Pulsfrequenz
bei verschiedenen Körperstellungen. Die Irradiation bei gesteigerter
Innervation greift neben den beschleunigenden Bahnen auch die
vasokonstriktorischen Bahnen für die Blutgefässe der Bauchhöhle
und vielleicht auch die vasodilatorischen Bahnen für die peripheren
und Muskelgefhsse an (Stricker). Infolgedessen muss in den Fällen,
in welchen die beim Stehen den Blutdruck erniedrigenden EintlUsse
(Blutüberfüllung der Gefksse der Bauchhöhle und Erweiterung der
Muskelgefksse) durch die erwähnte Reizung der vasokonstriktorischen
Apparate paralysiert sind, der Blutdruck der gleiche bleiben;
nehmen die blutdruckemiedrigenden Einflüsse überhand, so sinkt
die Spannung in den Blutge^ssen, in den Fällen aber, in welchen
die auf die vasokonstriktorischen Nerven der Bauchköhle irra-
diierendmi Impulse überhand nehmen, kann eine Steigerung des
Blutdruckes beobachtet werden.
5. Ullmann, Znaim: üeber meine Erfolge mit Dr. Mar-
moreks Antitaberkaloseseram.
Das Antituberkuloseserum Dr. Marmoreks hat bei rektaler
Behandlung der Kranken absolut keine schädlichen Folgen. Bei
Behandlung selbst schlechter und vorgeschrittener Fälle erweist
es sich als ausgezeichnet wirkendes Mittel, da solche Fälle trotz
anderer langdauender Behandlung keine Fortschritte zur Besser¬
ung zeigten und erst von dem Augenblicke an, wo das Serum
zur Anwendung kam, in erfreulichster Weise zur. Heilung und zur
wesentlichen Besserung kamen. Die Anwendung der 5 ccm Fläsch¬
chen geschah rektabel, täglich 16—30 mal im ganzen.
6. Heil, Darnastadt: Kurzer Bericht über einen Fall von
Doppelbildung des weiblichen Genitales.
Die Doppelbildung ist als Uterus (bicornis) duplex cum vagina
septa zu bezeichnen.
7. Sofer: Die Hygiene anf der Wiener hygienischen Aus¬
stellung.
Berliner klinische Wochenschrift. Kr. 25. 1906.
1. Krause, Berlin: Zur Kenntnis der Meningitis serosa
spinalis.
Bei einem jungen Russen, welcher einem Attentat zum Opfer
gefallen war, hatte eine Revolverkugel die Processi spinosi und
Bögen mehrerer Halswirbel verletzt. Es kam zur Sequestrierung
und Necrotisierung. Die hierdurch entstandene ziemlich reichliche
Eiterung setzte sich auf die Aussenseite der Dura spinalis fort
und bewirkte eine oedematöse Schwellung und Flüssigkeitsver-
mehrung, welche das Bild der Meningitis serosa spinalis zeigte.
Die operative Freilegung des erkrankten Gebietes, sorgfältige Elr-
öffnung jeder Eiterhöhle führten im Laufe von Monaten zu voll¬
kommener Heilung und Restitution der Nervenausfallserscheinungen.
2. Warnekros, Berlin: Ueber die Ursachen des früh¬
zeitigen Verlustes der Zähne.
Verf. macht darauf aufmerksam, dass jeder Zahnverlust zu
einer mehr oder weniger bedeutenden Abnützung der übrigen
Zähne führt. Die Belastung und Kraftverteilung beim normten
Gebiss ist so vollkommen, dass schon das Fehlen eines Zahnes,
dieselbe stört. Mehrbelastung führt zur Abnützung und Lockerung,
Caries und Wurzeleiterungen sind die Folge. Daher sollte jeder
Mensch auch den Verlust eines Zahnes ersetzen. Zur Behandlung
vereiterte Wurzel empfiehlt Verf. warm die Anwendung der Elek¬
trolyse, durch welche eine sehr schnelle und gründliche Desin¬
fektion bewirkt wird.
3. Popper, Igls: Zur Behandlung der Impotenz beim
Manne.
Zur Behandlung der funktionellen Impotenz beim Manne hat
Verf. das neuerdings vielfach empfohlene Muiracithin in Anwend¬
ung gebracht. Das Präparat besteht aus einer Kombination der
Extraktivstoffe des Muira Puama, welche Holzart in Brasilien vor¬
kommt, und Ovolecithin. Das Präparat kommt in Pillenform in
den Handel und wird zu 3—6 Pillen pro die gegeben. Tierver¬
suche, sowie Beobachtungen am Menschen haben keinerlei schäd¬
liche Wirkungen erkennen lassen, dagegen scheint der thera¬
peutische Elrfolg ein durchaus guter zu sein.
4. Schlesinger: Strassburg: Der therapeutische und sympto¬
matische Wert der Lumbalpunktion bei der tuberkulösen Menin¬
gitis der Kinder.
Die Elrfahrongen des Verf. zeigen, dass die Lumbalpunktion
bei der so ungemein hoffnungslosen tuberkulösen Meningitis der
Kinder, einen nicht unerheblichen tfaerapentischen Wert besitzt.
Es gelingt mittels ausgibiger Punktion die Elntstehung von
Krämpfen gänzlich zu verhindern. Die bakteriologische Unter¬
suchung des Panktats kann Aufschluss über die Erreger und ihre
Virulenz geben. Uebele Zufälle hat Verf. nie gesehen, und steht
daher nicht an, die Lumbalpunktion bei MeningbasU. der Kinder
auch dem prakt. Arzt zu empfehlen.'
Vermischtes.
Berlin. Die Angelegenheit des Virohow-Denkmals wurde am
11. d. M. in einer Sitzung der städtischen gmnischten Deputation,
zu welcher Vertreter des Denkmalkomitees fainzugezogen waren,
unter Vorsitz des Herrn Oberbürgermeisters Kirschner beraten.
Die Diskussion drehte sich wesentlich um die Frage, ob die ein¬
gesetzte Jury berechtigt gewesen ist, nicht bloss die Preise zu
verteilen, sondern auch die Ausführung des Denkmals selbst zu
vergeben. Ueber diesen rein juristischen Streitpunkt konnte vor¬
läufig eine Einigung nicht erzielt werden, sodass die Sitzung zu¬
nächst vertagt werden musste.
Wien. Die Kgl. Akademie der Wissenschaften in Wien hat
den Professor der Anatomie in Wien Hofrat Dr. E. Zuckerkandl
und den Professor der medicinischen Chemie in Wien Hofrat Dr.
E. Ludwig zu wirklichen Mitgliedern, den Professor der allge¬
meinen und experimentellen Pathologie in Graz Dr. R. Klemen-
sievicz und den Professor der Histologie in Wien Dr. J. Schaffer
zu korrespondierenden Mitgliedern gewählt.
Greifswaid. Stabsarzt Prof. Dr. Uhlenhuth in Greifswald
wurde auf die neu geschaffene Direktorstelle der bakteriologischen
Abteilung im Reicbsgesundheitsamt berufen.
Marburg. Geh. Med.-Rat Prof. Manpkopff in Marburg
feierte am 5. d. M. seinen 70. Geburtstag.
Bonn. Priv.-Doz. Dr. Klapp in Bonn ist zum a. o. Honorar¬
professor daselbst ernannt worden.
ln Wioebaden ist durch Heim Dr. Stern ein Spezialinatitat
für Herzkranke eröffnet worden, in welchem alle für die Herzbe¬
handlung notwendigen Apparate, Bäder u. dgl. vorgesehen sind.
Schworin. Am 8. JuH findet bierselbst die Versammlung
des Vereins abstinenter Aerzte statt.
Verantwortlicher Redakteur ; Dr. P. Meiiiner, BerliaW. SS, Kurffirttenttr. Sl. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von der HeTnemann'sehen Bachdrnckerei, Cebr Wolff, Halle a.S
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Medicinische Woche
Deotsebmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacob!,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Olessen.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koe
ppen, K. Partech, H. Rosin, H. Schlange,
m. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverrlcht, A. Vostins,
Magdeburg. Qiesaen.
Redaktion:
Berlin W. 62« Kurtfirstenstrasse 81*
Dr. P. Meißner.
Vn, Jahrgang,
2. Juli 1906.
Nr. 27.
Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalneolOglSChe CetltralzeltUng, Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbfidertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pt. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel Wiederholung tritt ErmäSigung ein.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Die Entwickelung der Fettsncht
in ihrer Beziehung zur Fermentwirkung.
Von San.-Rat Dr. Scherk« Bad Homburg.
Studieren wir die verschiedenen Werke, in denen die
Autoren die Pathogenese der Konstitutionsanomalien beleuchtet
haben, so finden wir, dass der innige aetiologische Zusammen¬
hang der Zuckerkrankheit, Gicht und Fettsucht nicht genügend
erklärt werden konnte, da die gestörte Fermentwirkung als
gemeinsamer ursächlicher Faktor nicht berücksichtigt wurde.
Gehen wir dagegen von der Abwickelung minderwertiger fer¬
mentativer Prozesse bei unserer Betrachtung aus, so ist die
Coincidenz dieser geschwisterlichen Trias einleuchtend und
liefert uns sogar den Beweis, dass die Theorie der gestörten
Fermentwirkung als Kardinalfaktor bei der Entwickelung dieser
drei Krankheitsformen zu verwerten ist.
Wir wissen, dass bei der produktiven Funktion des Pan-
creas und der Leberzellen bald die Minderwertigkeit des einen,
bald des anderen Fermentes in den Vordergrund treten kann
und dass die hydrolytische Spaltung der Nährsubstanzen unter
pathologischen Bedingungen sowohl zur Entwickelung der
Zuckerkrankheit, als auch der Gicht und Fettsucht führen
kann.
Die Wirkungsweise der hydrolytischen Fermente, wie die¬
selben von den secretorischen Drüsenzellen geliefert werden,
ist leicht verständlich, da dieselben bei ihrer Activierung im
Intestinaltractus durch Wasseraddition direkt ein wirken, so dass
die Nährsubstanzen in ihrer Anordnung der Moleküle so um¬
geändert werden, dass sie leicht resorbierbar und oxydabei ge¬
schaffen werden.
Zu beachten ist jedoch, dass die Fermente selbst nicht
resorbiert werden, dieselben würden, wenn sie in den Blut¬
strom übertreten, wie H. Hildebrandt zuerst nachgewiesen
hat, einen toxischen Einfluss ausüben.
Die Annahme von L6pine, welcher bekanntlich die Ent¬
wickelung der Diabetes auf eine Aufnahme eines glycolytischen
Pancreasfermentes zurückzuführen suchte, ist aus diesem Grunde
nicht stichhaltig. Es werden die dem Organismus zugeführten
Kohlehydrate innerhalb des Intestinaltractus der hydrolytischen
Inversion unterliegen und erst später der Verbrennung aus¬
gesetzt.
Komplizierter liegt allerdings dieser Vorgang, wenn wir
die Funktion der intracellulären Fermente in den Kreis
unserer Betrachtung ziehen.
Wenn beispielsweise das Glykogen innerhalb der Leber¬
zellen durch Wasseraddition in Dextrose invertiert wird, so
haben wir auch hier wieder mit einer hydrolytischen Ferment¬
wirkung und zwar innerhalb der Zelle zu rechnen, während
andererseits die Oxydasen in ihrer Wirkung nicht an das
Innere der Zelle gebunden zu sein scheinen.
Der katalytische Prozess, die Sauerstoffubertragung, kann
sich sowohl innerhalb, wie ausserhalb der Zelle abspielen.
Die Ansichten über die Oxydationsverhältnisse bei der
Zuckerkrankheit, Gicht und Fettsucht sind nach neuen For¬
schungen von M. Salomon*) bis zu einem gewissen Grade
zu modifizieren.
Während bei der Gicht und der Zuckerkrankheit die Stoff¬
wechselprodukte ;auf einer niedrigen Oxydationsstufe stehen
bleiben, wie die Anhäufung der Dextrose und Harnsäure be¬
weisen (Paul Fried. Richter: Stoffwechselkrankheiten, 1906,
S. 364), sind die Oxydationsverhältnisse bei der Fettsucht da¬
gegen nicht herabgesetzt
Wenn wir andererseits die mangelhafte Verbrennung der
aufgestapelten Fettmassen, welche eine Folge der minder¬
wertigen hydrolytischen Spaltung sind, uns deuten wollen, so
sind wir, meiner Ansicht nach, wohl berechtigt anzunehmen,
dass die Quantität der oxydativen Faktoren im Organismus,
wie dieselben unter normalen Verhältnissen vorhanden sind,
nicht genügen wird, um die Oxydation der enormen Fettlager
zu bewältigen.
Eine herabgesetzte Oxydation im Vergleich zu den normalen
Verhältnissen ist demnach nicht unbedingt erforderlich und wir
können den Salomon’schen Befund mit dieser Deduktion in
Einklang bringen.
Immerhin wird bei der Pathogenese der Fettsucht die
gestörte hydrolytische Spaltung in erster Linie zu berücksich¬
tigen sein.
Die Produktion eines an Quantität und Qualität minder¬
wertigen Enzyms kann, wie ich schon verschiedentlich hervor¬
gehoben habe, eine neurogenetische Ursache haben. Wir müssen
auch bei der Fettsucht (Sesen nervösen Faktor in erster Reihe
anerkennen, schon die gemeinsame Heredität bei der Zucker¬
krankheit, Gicht und Fettsucht weist in erster Linie auf diesen
pathogenetischen Faktor hin und bestätigt den causalen Zu¬
sammenhang dieser drei Konstitutionsanomalien vom fermen¬
tativen Standpunkte aus.
Greifen wir zunächst auf die Spaltung und Resorbierung
der Fette unter normalen Verhältnissen im Intestinaltractus
zurück, so ist nicht zu bestreiten, dass wiewohl der grösste
Teil der Fette hydrolytisch gespalten wird, auch eine direkte
Aufnahme nicht von der Hand zu weisen ist.
Nach Pflüg er’s neueren Untersuchungen werden die
neutralen Nahrungsfette in ihre Komponenten hydrolytisch ge¬
spalten und durch Vermittelung des Gallensecretes von den
Darmzellenepithelien aufgenommeu. Die Resorption findet nur
in gelöster Form statt, aber schon während der Resorption
werden die Glycerine und Fettsäuren wieder zu Neutralfett
vereinigt und erscheinen im ductus thoracicus. Da das Olein
die Verflüssigung der Fette bedingt, werden die ©leinreiclien
üeber Durstkoren. Verl. Hirschwald, 1905.
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 27 ,
leichter resorbiert, ebenso die Fette, welche einen niedrigen
Schmelzpunkt aufweisen.
Hammelfett ist für den menschlichen Organismus leichter
resorbierbar, wie Schweine- und Rinderfett. Es müssen dem
spezifischen fettspaltenden Pancreasfermente bestimmte Angriffs¬
punkte der betreffenden Fettart zur Hydrolyse angeboten werden,
denn ganz fremde Fettarten unterliegen nicht der Spaltung,
sondern werden ungespalten aufgenommen, wie die Unter¬
suchungsresultate von G. Rosenfeld an Tieren neuerdings
beweisen. Derselbe hat beispielsweise konstatiert, dass bei
Hunden, die mit Hammelfett gefüttert sind, diese Fettart im
Hundeorganismus wieder nachzuweiaen ist. Dasselbe muss
demnach ungespalten resorbiert sein, denn es ist nicht anzu-
nehmen, dass die eigenartigen Komponenten des Hammelfettes
sich im fremden Organismus wieder synthetisch zu neutralem
Hammelfett verbinden. Auch das menschliche Fett im Orga¬
nismus hat eine andere Zusammensetzung wie die neutralen
Nabrungsfette der verschiedenen Tierarten, welche genossen
werden.
Die Untersuchungen von Lebedeff bestätigen, dass jede
Tierart ihr spezifisches Fett aufzuweisen hat, und es liegt auf
der Hand, dass die Lipasenwirkung sich jeder Fettart anpassen
muss, wenn eine vollständige Spaltung erfolgen soll.
Der Schmel^unkt der
Palmitinsäure liegt bei
Stearinsäure
Oelsäure
des menschl. Fettes
Hammelfettes
Ochsenfettes
Schweinefettes
Hasenfettes
Gänsefettes
der Butter
(Zeitschr. für physiol. Chemie, Bd. 35.
62«
69®
14®
41®
41—52 ®
41- 50®
42— 48®
26®
24—26"
37 «
Fischer, Levene und Aders.)
Wie bei den anderen Stoffwechselprozeduren ist neben der
Pancreasfunktion auch bei dem Fett^ffwechsel der Leber-
zellencheminmus mit in den Kreis der Betrachtung zu ziehen.
Abgesehen davon, dass der Gallensecretion bei der Resorp¬
tion der Fette innerhalb des Darmtractus eine hervorragende
Rolle zukommt, ist die intracelluläre Tätigkeit der Leber nach
dieser Richtung hin zu berücksichtigen.
Bei der Vielseitigkeit der Leberzellenfunktion, bei der
grossen Anzahl von differenten Fermenten, welche in den ein¬
zelnen Leberzellen nachgewiesen sind, wäre es auffallend, wenn
das fettspaltende Ferment dort nicht vertreten wäre, es findet
sich in den Leberzellen, ebenso wie es neben dem peptoni-
sierenden und invertisierenden Ferment in der Hefezelle zu
konstatieren ist, also stossen wir auch hier wieder auf eine
Analogie zwischen geformten und ungeformten Fermenten.
Immerhin ist zu beachten, dass die Leber ebenso einen
Stapelplatz für Fette darbietet, wie derselbe auch für die
Glykogenlager nachgewiesen ist.
Ueber me Fettwanderung in die Leber selber hat G. Rosen¬
feld exakte Untersuchungen angestellt. Vergiftet man Hunde
mit Phloridzin, so häuft sich 75®A Fett in der Leber an.
Dieses Fett kann nicht aus dem Eiweiss der Leberzellen
stammen, weil die Leber an Eiweiss nicht verarmt ist.
Das Fett ist dagegen von den Depots in die Leberzellen
gewandert.
Dieses Experiment wurde an Hunden ausgeführt, welche
nach langem Hungern fettfrei geworden und dann in ihren
Fettdepots mit einem fremden Fett, z. B. Hammeltalg, erfüllt
worden sind.
In solchen Hammelfetthunden wandert das Hammelfett
aus dem Unterhautbindegewebe bei Phloridzinvergiftung in die
Leber, so dass dann 50% Hammelfett dort zu finden sind.
Das Fett ist nur eingewandert, denn bei ganz fettarmen Tieren
ist durch Phosphorvergiftung keine Fettleber zu erzielen, da
die Fettdepots leer sind.
Diese Versuche sind insoweit von grossem Interesse, da
dieselben den Beweis liefern, dass bei der Fettdegeneration
das Fett nicht aus Eiweiss gebildet wird, wie früher ange¬
nommen wurde.
Die Fettdegeneration ist bekanntlich die Folge einer
Muskelerkrankung oder ein Alterssymptom. Es füllt sich in
diesen Fällen das Sarcolemna, dicht gedrängt mit Fettkörnchen
und Fettkügelchen, welche die Streifung der contractilen Sub¬
stanz zuerst undeutlich machen und zuletzt ganz verwischen.
Aus der Medie. Klinik
in Rom» IHrektor Rrofessor Raecelli,
Ein neuer Fall von Tetanus, behandelt und
geheUt nach der Baccelli’schen Methode.
(Schloss.)
Die Untersuchung der inneren Organe lässt nur einen
leichten Grad von Enphysem mit Sjunptomen von Bronchial-
Feuilleton.
Kant und Hufeland.
Von Dr. Paul Schenk.
(Schluss.)
Für das Schlafen hatte Hufeland als allgemeine Regel
aufgestellt: Niemand sollte unter 6 und niemand über 8 Stunden
schlafen. Auch hatte er auf den Grundsatz des Stifters des
Methodismus, Wesley, hingewiesen: Early to bed and early
arise makes the man healmy, wealthy and wise. Nicht im
baldigen Niederlegen, sondern im Frühaufstehen liegt das
wahre Mittel gegen das zu lange Aufbleiben des Nachts.“
Kant macht einige speziellere erwähnenswerte Ausführungen
über die richtige Art des Schlafens. Er meint, dasjenige, was
die Türken von ihrem Prädestinationsstandpunkte ans über
die Mäßigkeit sagen, gelte wie vom Essen so auch vom
Schlafen. Jedem Menschen ist im Anfänge der Welt die
Portion seines Essens und seines Schlafes zugemessen worden.
Nimmt er den ihm beschiedenen Teil in grossen Portionen zu
sich, so hat er im ganzen auf eine kürzere Zeit des Daseins
zu rechnen. Wer dem Schlaf als süssen Genuss viel mehr als
ein Drittteil seiner Lebenszeit einräumt, verrechnet sich sehr
in Ansehung seines Lebensquantums, teils dem Grade, teils der
Länge nach. Es gehört nach Kant unter die „krankhaften
Gefühle“ zu der gewohnten und bestimmten Zeit nicht schlafen
zu können. Hier hilft kein anderer diätetischer Rat, als beim
Bewusstwerden eines sich regenden Gedankens die Aufmerk¬
samkeit davon sofort abzuwenden — gleich als ob man mit
eschlossenen Augen diese auf eine andere Seite kehrte. Aus
em Abbrechen der Gedanken entspringt allmählich eine Ver¬
wirrung der Vorstellungen, die das Bewusstsein der körper¬
lichen Lage aufhebt. Wer trotz aller Ablenkung seiner Ge¬
danken noch ein spastisches Gefühl im Gehirn spürt, das ihn
am Einschlafen hindert, dem rät Kant, seine Gedanken auf
irgend ein gleichgültiges Objekt (Kant selbst wählte Cicero)
mit Anstrengung zu richten. Durch ähnliche Ablenkung ge¬
lingt es nach Kant mit Sicherheit selbst gichtischer Schmerzen
und epileptischer Krämpfe Herr zu werden.
Um gegen den krankhaften Hustenreiz mit Erfolg anzu¬
kämpfen, empfiehlt Kant mit besonderem Nachdrnck das Atem¬
holen mit geschlossenem Munde. Kant selber ist es sogar ge¬
lungen, bei Nacht sich einstellenden Durst durch kräftiges
Atmen durch die Nase zu stillen. Auch dieser nächtliche
Durst war ebenso wie der abendliche Hunger nach einer reich¬
lichen Mittagsmahlzeit für ihn ein krankhaftes Gefühl, das
durch die blosse Macht des Gemüts beseitigt werden kann.
Alle krankhaften Zufälle, deren man durch den blossen
festen Vorsatz Meister zu werden vermag, sind krankhafter
(spastischer) Art. Jedoch muss auch Kant zugestehen, dass
die Macht des Gemüts an einigen Krankheiten dieser Art zu
schänden wird. Dahin rechnet er eine Art Grippe, welche
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
293
katarrh im Atmnngssystem erkennen, ausserdem verbreitete
Arteriosklerose, aritmiacordis, der zweite Aortenton ist stark
und schallend. Pulsfre(^uenz 105 in der Minute; manchmal
arytmisch, voll und wenig hart. Bei Untersuchung des Urins
ergibt sich weder Albumin, noch Zucker, oder andere anormale
Bestandteile. Vorstehendes, klinisches Bild liess keinen Zweifel
an der Diagnose; nur war es nicht ersichtlich, wo der Tetanus¬
bazillus Eingang gefunden hatte und obwohl der Kranke be¬
hauptete, si^ ^e beiden obengenannten Verletzungen erst nach
Beginn der Krankheit zugezogen zu haben, machte man doch
den Versuch, die Kruste zur Injektion eines Kaninchens zu be¬
nützen. Aber das Experiment hatte ein negatives Resultat,
woraus hervorging, dass höchst wahrscheinlich die schreckliche
Infektion doch durch einen andern Weg sich Eingang in den
Organismus verschafft hatte.
Der Kranke wurde sogleich vollständig und in einer Weise
isoliert, dass auch jede Störung von aussen völlig ausgeschlossen
war. Die Behandlung wurde mit dem Antitetanusserum von
Tizzoni begonnen und zwar während 24 Stunden (30. Novem¬
ber) 3000000 U. unter die Haut injektiert. Da die Krampf¬
anfalle sehr häufig wiederkehrten, wurde auch eine Morphium-
injektion gemacht und innerlich Ghloral gereicht. Am 1. De¬
zember war der Zustand unverändert; die Anfälle sehr häufig,
man machte Seruminjektion von 2000000 U. Die Nacht vom
1. auf den 2. Dez. verlief sehr unruhig, die Krampfanfalle
wurden immer häufiger und verursachten dem Kranken spas¬
modische Muskelschmerzen, besonders an den unteren Extremi-
tätien; um ihn zu beruhigen, griff man zum Morphium. Am
2. Dez. weitere Injektionen von 2000000 U. Am 3. Dez. be¬
richtete der Krankenwärter, dass die tetanischen Anfälle häufiger
als je waren; die Nacht war völlig schlaflos verbracht worden
und auch Delirium eingetret'en. Bei der Untersuchung zeigte
sich erhöhter Trismus, so dass sich die Kinnbacken nur 1 cm
weit öffneten und die Ernährung sehr schwierig wurde. Der
Kranke vermochte nur kleine Schlucke zu nehmen, wenn man
versuchte, ihm eine grössere Quantität einzuflössen, trat die
Flüssigkeit wieder aus dem Munde aus. Die Hypertonicität
der Muskeln des Abdomen und der unteren Extremitäten hatte
zugenommen, ebenso die Cyanose, allgemeiner Kräfteznstand sehr
gesunken. Beschleunigter, arythmischer Puls (120 in der
Minute), schwerer Atem (28 in der Minute).
Dies alles bewies, dass die Serumtherapie nicht nur keine
Besserung gebracht sondern, dass sich der Zustand des Patienten
direkt verschlimmert hatte und man griff daher zur Behand¬
lung nach Prof. Baccellis Methode. Da schon geraume Zeit
ihn selbst in seinen siebziger Jahren befiel und eine Schwäch¬
ung der geistigen Fähigkeiten nach sich zog. „Da sich diese
Bedrückung auf die natürliche Schwäche des Alters geworfen
hat, wird sie wohl nicht anders als mit dem Leben zugleich
aufhören“, sagt Kant in philosophischer Resignation.
Für den reinen Philosophen, der im Vergleich zum Mathe¬
matiker seine Gegenstände gewissermaßen in der Luft schwe¬
bend vor das Nachdenken halten muss, war das Gefühl der
Unmöglichkeit, die Einheit des Bewusstseins auch im Alter
sich weiter zu erhalten, besonders schmerzlich. Doch er weiss
sich zu bescheiden. „Dahin führt die Kunst, das menschliche
Loben zu verlängern, dass man endlich unter den Lebenden
nur so geduldet wird, welches eben nicht die ergötzlichste
Lage ist. Hieran aber habe ich selber Schuld. Denn warum
will ich auch der hinanstrebenden jüngeren Welt nicht Platz
machen. Warum ein schwächliches Leben durch Ent¬
sagungen in ungewöhnliche Länge ziehen, die Sterbelisten, in
denen doch auf den Zuschnitt der von Natur Schwächeren,
und ihre mutmaßliche Lebensdauer mit gerechnet ist, durch
mein Beispiel in Verwirrung bringen und das alles, was man
sonst Schicksal nannte, dem man sich demütig und andächtig
unterwarf, dem eigenen festen Vorsätze unterwerfen? . . .“
Es muss zugegeben werden, dass eine philosophischere
Art, sich mit den Beschwerden des Alters abzufinden, als die
von Kant geübte, nicht wohl denkbar ist.
seit dem Beginn der Krankheit verstrichen war, schien es an¬
gebracht, sofort zu verhältnismäßig hohen Dosen zu greifen
und man begann deshalb am Mittag des 3. Dez. in Zwischen¬
räumen von zwei Stunden je einen ccm von der 4®/o Phenol¬
säurelösung zu injektieren; d. h. in 24 Stunden 48 cgr. Wie
auch in den vorhergehenden Tagen, unterstützte man die Be¬
handlung durch eine Morphiuminjektion und die Verabreichung
von Ghloral. Am 4. Dez. erklärte der Kranke, wenig geschlafen
zu haben und oft und in kurzen Zwischenräumen beklagte er sich
über Schmerzen in den Beinmuskeln, an denen sich häufige,
tetanische Anfälle zeigen. Im übrigen war der Zustand so
ziemlich unverändert; Trismus nicht erhöht. Puls 104, Respira¬
tion 24. Von Mittag 4. Dez. bis 12 Uhr 5. Dez. worden 60 cgr,
vom 5. bis zum 6. Dez. 72 cgr und vom 6. auf 7. Dez. eben¬
falls 72 cgr Phenolsäure imektiert
Im Tagebuch vom 7. Dez, heisst es: Allgemeiner Zustand
wie in den vorhergehenden Tagen, doch hat der Kranke
während der Nacht mehr Ruhe gehabt. Tetanische Anfälle
vermindert, auch den Mund vermag Patient etwas besser
zu öffnen. Unverändert besteht die Steife des Rück^ades, die
Hypertonicität der Muskeln des Abdomen und der Beine. Da
der Kranke ruhig war, wurde keine Morphiuminjektion gemacht,
sondern nur ein Klystier von Ghloral und Bromur gegeben.
Vom 7. auf 8. Dez. wurden 70 cgr Phenol injektiert; der
Zustand des Kranken war der gleiche, wie am vorhergehenden
Tag.
Vom 8. auf 9. Dez. 70 cgr Phenolsäure,
n 9- « 10. „ 70 „
„ 10. „ 11. „ id. „
n 11- « 12* n n n
V 12- n 1^* n *^-71 n
Während aller dieser Tage wurde eine allmählich zu¬
nehmende Besserung konstatiert, und im Tagebuch vom 13.
heisst es: Trismus fast verschwunden, Steife der Muskeln ganz
bedeutend zurückgegangen.
Der Kranke war wieder imstande die Beine zu bi^en, es
zeigten sich keine Krampfanfälle mehr und diö Palpation der
Muskeln war weit weniger schmerzend. Auch die Steife des
Rückgrades hatte sich vermindert. Der Patient zeigte Appetit
und verlangte nach kräftigeren Speisen und vermochte Brot,
Gehirn und Fleisch zu kauen. Während der Nacht schlief er
gut Am 14. Dez. konnte er zum ersten Mal im Bett aufge¬
setzt werden. Da die Besserui^ anhielt, wurde die tägliche
Dosis vermindert und in 24 Stunden, vom 14. auf 15. Dez.
wurden 49 cgr Phenol injektiert. In dieser Weise wurde din
Behandlung bis zum Mittag des 19. Dez. fortgeführt und dann
abgebrochen, weil der Patient als geheilt betrachtet werden
konnte.
Um noch einmal die ganze Behandlung zusammenzufasaen,
wurden vom 3. Dez. bis zum 19. Dez. folgende Dosen in-
jektiert.
Von 12 Uhr Mittag des 3. bis 12 Uhr Mittag des 4. Dez. 48 cgr.
id. 4. id. 0. „ 00 „
id. 5. id. 6. „ 72 „
id. 6. id. 7. „ 72 „
id. 7. id. 8. „ 70 „
id. 8. id. 0. „ 70 „
id. 9. id. 10. „ 70 „
id. 10. id. 11. . 70 «
id. 11. id. 12. „ 70 „
id. 12. id 13. „ 70 „
id. 13. id. 14. „ 70 „
id. 14. id. 15. „ 49 „
id. 15. id. 16. „ 49 „
id. 16. id. 17. „ 49 „
id. 17. id. 18. „ 49 „
id. 18. id. 19. „ 49 „
im Ganzen 987 cgr.
Vom 19. ab verbesserte sich der Zustand des Patienten
zusehends, so dass er aus dem Krankenhaus entlassen zu
werden wünschte. Fieber batte sich während des Verlaufes
der Krankheit nur in den Tagen vom 9. bis zum 12. Dez. ge-
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294
l^EDICCnSCHB wOG^ffi.
Nr. 26.
zei^, infolge einer entzündlichen Hötnng an den Oberschenkeln,
d. n. den Stellen, wo die Injektionen gemacht wurden. In dem
täglich untersuchten Urin wurde nie Albumin gefunden, auch
zeigte er nie die charakteristische Färbung der Phenolver¬
giftung.
Der vorstehende Fall bedeutet nicht nur eine Vermeh¬
rung der ja ohnehin schon recht stattlichen Anzahl von
Heilungen durch die Methode Baccellis, sondern er ist be¬
sonders deshalb interessant, weil es sich um einen 80jährigen
Greis handelt, weil als erschwerende Tatsache die Arterioscle-
rose in Betracht kommt und weil der Kranke die ersten drei Tage
lang ausschliesslich mit der Serumtberapie behandelt worden
war und diese nicht nur keine Besserung, sondern sogar ent¬
schieden Verschlimmerung gebracht hatte. Bemerkenswert ist
auch die grosse Quantität von Fhenolsäure, die injektiert wurde,
ohne dass sich die geringste Spur von Vergütung zeigte. Diese
Quantität ist übrigens m anderen Fällen auch noch über¬
schritten worden und man kann sagen, dass im allgemeinen
bei Tetanus die Quantität der ohne I^chteil ertragenen Phenol¬
säure ganz iin Verhältnis zur Schwere der Infektion steht. Die
Sterblichkeit beträgt bei der Behandluug nach Baccelli so¬
weit sich dies statistisch nachweisen lässt, zirka 9,10%, aber
diese ohnehin schon niedrige Ziffer würde sich sicher noch be¬
trächtlich vermindern, wenn wirklich alle geheilten Fälle ver¬
öffentlicht würden.
Prof. Giovanni Galli,
Assistent der Klinik.
Sitzungsberichte.
Österreich.
Verein deutsc^ier Aenete in Prtig»
Sitzung am 19. Januar 1906.
Herr Adler; Ueber Tuberkulinbehandlung.
Vor 4 Jahren hat A. gelegentlich eines Vortrages über Tuber-
kuUnbehandlong der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass es dem
Tuberkulin und seinen Anhängern bald gelingen wird, zum Segen
der Tuberkulosen sich durchzusetzen. Im Gegensätze zu anderen
Forschem weist A. aus der Litteratur der letzten Jahre die stei¬
gende Wertschätzung des Tuberkulins nach, das von Klinikern
(Arnuth, Leube), und von der Mehrzahl der Sanatorien mit günstig¬
stem Erfolge verwendet wird. Der Vortr. bringt nun seine neu¬
eren Erfahrungen, welche ihn dazu führen, nur einmal wöchentlich
langsam aufsteigende Dosen, ohne im allgemeinen irgend eine Reak¬
tion hervorzumfen, zu geben und jahrelang damit fortzufahren, da
sonst meistens Rezidiv auftritt. Das Tuberkulin wirkt hauptsäch¬
lich am locus morbi. Nachdem noch die guten und raschen Erfolge
bei lupus besprochen wurden, erwähnt A., dass das Tuberkulin
verlassen würde, weil es gefährlich schien und Rezidive nicht ver¬
hinderte. Die heutige Methode schliesst jedoch die Gefahr aus;
die Ausschliessung der Rezidive besorgt die Rücksichtnahme auf
das Allgemeinbefinden, und die jahrelange Dauer der Kur, die ja
bei chronischen Erkrankungen, ähnlich wie bei Lues selbstver¬
ständlich sei. Das Tuberkulin sei ein echt spezifisches Mittel, das
die natürlichen Heilwege des Körpers unterstützt; es sei in Ver¬
bindung mit hygienisch-diätetischen Maßnahmen unser bestes thera¬
peutisches Rüstzeug, in schweren Fällen, z. B. sogen. Mischinfek-
tionen, versagte es vollständig. 0. W—r.
Kongressbericht.
23. Koti-grees für innere MedieVn
vom 23, bis 26. April 1906 in München.
Referent; Dr. Grassmann-München.
2. Sitzungstag.
Herr D. Gerhardt-Jena: Zur Lehre von der Saug¬
kraft des Herzens.
G. versuchte eine exj)erimentelle Beantwortung der Frage, ob
die diastolische Saugkraft des Herzens für die Pathologie des Kreis¬
laufes eine Rolle spiele in dem Sinne, dass sie einer kompensatorisch
wirkenden Steigerung fähig wäre. An eine derartige kompen¬
satorische Steigerung wäre zu denken bei Zunahme des Schlag¬
volumens, bei Mitralstenose und bei Kompression des Herzens durch
Perikardialergüsse.
Vermehrung des Schlagvolumens durch Steigerung des Zuflusses
mittels Bauchmassage oder intravenöser Salzwasserinjektion ergab
zwar Gleichbleiben, oder (bei raschem Zufluss) eine nur geringe
Abnahme des negativen Druckes, also eine Adaption des Herzens
an die neuen Verhältnisse; es liess sich aber nicht ausschliessen,
dass die stärkere Ausdehnung einfache Begleiterscheinungen der
stärkeren systolischen Kontraktion sei; wenigstens findet man so¬
wohl bei reflektorisch (durch Erregung des Vasomotorenzentrums)
als pharmakologisch (Digitalis, Adreuidin) als mehr direkt (durch
Akzeleranareizung) bewirkter Steigerung der Systole regelmäßig
auch eine Zunahme der diastolischen Ansaugung.
Bei Verengerung des Mitralostiums (durch Auf blasen eines in
den Vorhof geführten Ballons) oder der ziemlich gleichwertigen,
technisch leichteren Verengerung des Stammes der Lungenarterie
konnte durch Druckmessung im linken Ventrikel mittels Minimum-
manometor keine Zunahme des negativen Druckes wahrgeuommen
werden.
Ebensowenig liess sich eine Verstärkung der Ansaugung im
rechten Ventrikel beobachten bei Einlassen von Salzwasser in den
Perikardialraum. Hierbei hoben sich die Druckminima im Ventrikel
ganz parallel zu der Zunahme des auf der Herzaussenfläche lasten¬
den Druckes.
Nach diesen Versuchen scheint es sehr zweifelhaft, dass der
Saugkraft des Herzens eine Rolle für den Ausgleich phathologischer
Zustände zukommt, und dieser Schluss wird um so wahrscheinlicher,
da bis jetzt noch keine einigermaßen eindeutige klinische oder
anatomische Beobachtung vorliegt, welche für eine kompensatorische
Zunahme der Saugkraft des Herzens spräche. (Fortsetzuog- folgt.)
35. K-ongrees der I>eut8chen ChaeUscfutft
fü/r Chirurgie.
Vom 4. bis 7. April 1906.
IV. Verhandlungstag
Die Verhandlungen werden durch die Diskussion über die
S taunngshyperämie bei akuten Entzündungen eingelei¬
tet. Herr Bier hat auf einen einleitenden Vortrag verzichtet.
Als erster Diskussionsredner spricht
Hr. Habs-Magdeburg. Er erwähnt zunächst, dass Erysipela
nach seiner Erfahrung unbeeinflusst bleiben, dass als Kontraindi¬
kationen der Behandlung mittelst Stauung Venenthrombose und
Diabetes zu gelten haben; bei Arteriosklerose jedoch könne man
ruhig stauen. In einem Falle von arteriosklerotischer Gangrän
sei der Brand nicht fortgeschritten, vielmehr habe sich die Gangrän
demakiert, so dass man mit einer relativ geringfügigen Operation
auskommen konnte. Zum Schluss empfiehlt er, die Stauung pro¬
phylaktisch bei allen solchen Verletzungen anzuwenden, bei denen
man einen reinen Wundverlauf nicht für wahrscheinlich hält, und
erklärt die Bier’sche Stauungshyperämie für die zurzeit beste Be¬
handlung der acuten Eiterungen.
Hr. Körte-Berlin hat im Gegensatz zu dem Vorredner bei
einem brandigen Panaritinm einer diabetischen Patientin einen
guten Erfolg erzielt.
Hr. Croce-Berlin i. V. von Herrn Rotter; Sie seien mit
der Bier’schen Methode bei allen acuten entzündlichen Prozessen
mit den Erfolgen zufrieden gewesen, nur bei der Osteomyelitis
seien die Erfolge wechselnd. In einem Falle sah er nach Anwen¬
dung der Stauung eine Nekrose der Wadenmuskulatur eintreten.
Immer müsste eine Stich incisiou gemacht werden, auch dann, wenn
noch kein Eiter vorhanden sei; die kleinen Jncisionen genügten
auch bei den Sehnenscheidenphlegmoneu. Weniger befriedigt bat
die Behandlung bei den ostalen Panaritien. Dagegen hatte er bei
Karbunkeln und Furunkeln sehr gute Resultate gehabt. Er führt
noch au, dass bei Stichkanaleiterungen nach Operationen sich die
Methode ebenfalls sehr bewährt habe. (Fortsetzung folgt.)
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1906.
\l rti ) Tni rl i3i » H Hj vVO f< H Hi -
296
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Chajlottenburg).
Sechste ordentliche Hauptvereammiung des Verbandes
der Aerzte Deutschlands zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen
Interessen zu Halle a. S. am 21. Juni 1906.
Die Hauptversammlung des „Leipziger Verbandes“, die all¬
jährlich die Einleitung des deutschen Aerztetages bildet, war zahl¬
reich besucht. Der Vorsitzende Hartmann (Leipzig) wies in
seinen Begrüssungsworten darauf hin, dass allerorts auch im Aus¬
lände gewerkschaftliche Vereinigungen der Aerzte in der Bildung
begriffen seien. Er schilderte kurz die Ereignisse des abgelaufenen
Geschäftsjahres, gedachte der verstorbenen 112 Mitglieder imd er¬
örterte besonders eingehend die Verhältnisse der Knappschafts¬
und Eisenbahnärzte, deren Besprechung auch in der Diskussion
den breitesten Raum einnahm. Die ganze Tätigkeit des Leipziger
Verbandes führt uns der gedruckte Geschäftsbericht des General¬
sekretärs Kuhns vor, der ein stattliches Heft von fünfzig Seiten
füllt. Ihm legt der Generalsekretär seinen Erläuterungen zu Grunde,
aus denen hervorgeht, dass der Mitgliederbestand mit der Ziffer
18723 jetzt eine gewisse Stetigkeit zeigt. Für den Umfang der
Geschäfte gibt den besten Anhalt die Tätigkeit des Verband¬
bureaus, das 18456 Eingänge und 40 310 Ausgänge zu verzeichnen
hatte. Der Verband hat für seine Mitglieder eine kostenlose
Rechtsauskunftsstelle und unter Leitung eines Fachmannes eine
eigene Buchhandlung errichtet, deren Benutzung seitens der Kollegen
noch nicht genügend stark ist und sehr empfohlen wird; äugen«
blicklich ist die Buchhandlung mit einer Herausgabe eines Äerzte-
verzeiohnisses im Anschluss an den Taschenkalender beschäftigt.
Immer mehr in den Vordergrund tritt die Tätigkeit des Stellen-
vermittlungsbiireaus; es wurden 1286 Vertreter-, 618 Assistenten-
und 354 Praxisstellen vermittelt; zum erstem Male Hessen sich
auch Medicinalpraktikanten durch den Verband Stellen besorgen,
es waren dies 87 Fälle. Grössere Kassenkämpfe haben im ver¬
gangenen Jahre nur in Königsberg und Münster stattgefunden.
Ausserdem aber kam es noch in 127 mittleren und kleineren Orten
zu Differenzen mit der Aerzteschaft; verloren wurden Forst i. L.
und Weissenfels. Mit grossem Nachdruck wendet sich der Gene¬
ralsekretär gegen die Absicht des deutschen Knappschaftsverbandes,
die Knappsohaftsärzte von der übrigen Aerzteschaft zu isolieren
und empfiehlt eine Verbindung sämtlicher Knappschaftärzte. Auch
die Stellung der Schiffsärzte, die im Gehalt und Rang nicht in
gebührender Weise behandelt würden, wird erörtert. Am Schluss
seiner von lebhaftem Beifall begleiteten Ausführungen empfiehlt
der Generalsekretär den Ausbau der Organisation.
Dem Berichte des Generalsekretärs folgte der des Kassenwarts,
der durchaus günstig war und die. Forderung nach Erhöhung der
Beiträge unberechtigt erscheinen liess, der des Aufsichtsrates, der
Nichts zu rügen gefunden hatte, und der Bericht über die Witwen¬
gabe, welcher bewies, dass es möglich gewesen war, mittelst der¬
selben vielfach dringende Not zu lindem.
Dann setzte eine umfangreiche Debatte ein, die sich nament 7
lieh beschäftigte mit dem Verhalten der Kgl. preussischen Eisen-
bahnverwaltxmg zu ihren Aerzten und mit der Stellung der Ver¬
mittlungsstelle des Verbandes zur Stellenvermittlung für Schiffs¬
ärzte in Hamburg; ein Zusammengehen beider Stellen wurde be¬
fürwortet ; auf dem Aerztetage ergab sich aber, wie wir später
berichten werden, dass davon wohl nicht die Rede sein kann.
Die preussische Eisenbahnverwaltung ist augenblicklich in eine
seltsame Sache verwickelt, die durch lebhafte Debatten erst klar¬
gestellt wurde. Zum 26. Juni hat diese Verwaltung verschiedene
Aerzte, darunter auch drei Mitglieder des preussischen Aerzte-
kammerausschusses, zu einer Besprechung in das Ministerium ge¬
laden, um zu erörtern, ob die freie. Aerztewahl für die Eisenbahn¬
bediensteten und deren Familien zunächst probeweise für zwei
Jahre in Frankfurt a. M. eingeführt werden könne. Gleichzeitig
aber haben die Bahnärzte im Direktionsbezirk Cassel ein Schreiben
des Geh. Sanitätsrat Schwechten (Berlin), Vertrauensarztes des
preussischen Eisenbahnministers erhalten, in dem sie aufgefordert
werden, sich bis zum 23. Juni zu erklären, ob sie bereit sind,
unter Austritt aus dem Leipziger Verband sich als halbe Beamte
anstellen zu lassen. Dieses Vorgehen, das wohl auf eine Sprengung
der Aerzteorganisation ausgeht, rief grosse Entrüstung hervor und
führte zur Annahme folgender Resolutionen:
a) „Seit einiger Zeit wird von einigen Behörden, Betriebs¬
direktionen und Krankenkassen der Versuch unternommen, Aerzte
zum Austritt aus dem Leipziger Verband zu veranlassen, in der
Absicht, gefügige und billige ärztliche Kräfte zu bekommen. Die
sechste Hauptversammlung des Leipziger Verbandes spricht die
Erwartung aus, dass diese Versuche auf einmütigen Widerstand
in der deutschen Aerzteschaft stossen werden.“
b) „Die sechste ordentliche Hauptversammlung stellt sich in
der Knappschafts- und Bahnarztfrage auf den früheren Standpunkt
des Endziels der freien Arztwahl und empfiehlt den betreffenden
Kassenärzten, mit ihren Behörden und Vorständen im Interesse
des deutschen Aerztestandes möglichst diesem Endziel zuzustreben.
Die Versammlung erwartet ferner von den Vertretern der preussi¬
schen Aerztekammern, in ihren Verhandlungen mit dem preussischen
Eisenbahnministerium diese Forderungen, soweit deren Durchführung
durch straffe ärztliche Organisation gewährleistet ist, mit aller
Energie zu vertreten.“
Den nächsten Punkt der Tagesordnung bildete der Bericht
über die Assistentenfrage. Es wird auf deren geringe
Besoldung, ihre oft nicht standeswürdige Stellung, insbesondere
auf die Stellung der Krankenhausärzte hingewiesen. In der Dis¬
kussion wird dringend empfohlen, dem Leipziger Verbände die
ganze Vermittlung der Assistentenstellen zu überlassen, dann würde
diese ganze Frage mit einem Schlage gelöst sein. Es gelangten
sodann die Thesen des Referenten Dr. Steinbrück (Stettin)
zur Annahme, welche lauteten:
1. Die Gründung eines besonderen Assistenten - Verbandes
neben dem wirtschaftlichen Verbände ist unerwünscht und
überflüssig. Dagegen kann in grösseren Ortsgruppen eine
besondere Assistentenvereinigung geschaffen werden. Der
Obmann dieser Assistentenvereinigung gehört zum Vor¬
stande der Ortsgruppe.
2. Die jüngeren, noch nicht selbständigen Aerzte sollen dem
wirtschaftlichen Verbände beitreten und sich io die Va¬
kanzen- und Vertreterliste des Verbandes eintragen lassen.
3. Die wirtschaftliche Lage der unselbständigen Aerzte —
Assistenten an Anstalten, Krankenhäusern und bei Privat¬
ärzten — bedarf vielfach der Aufbesserung.
4. Das Gehalt der Krankenhausärzte steht nicht im rechten
Verhältnis zu der aufgewandten Mühe und Zeit. Diese
Gehälter bedürfen in vielen Fällen dringend einer Erhöhung.
Nunmehr spricht Peyser (Berlin) über „Erfahrungen über
soziale Medicin als Gegenstand des Universitäts- und ärztlichen Fort¬
bildungsunterrichts. Er schilderte die Notwendigkeit sozialmedi-
cinischer Kenntnisse für den Praktiker und den angehenden Medi-
ciner und wies darauf hin, dass die Gründung eines Seminars für
soziale Medicin in Berlin durch die rege Inanspruchnahme, welches
dasselbe gefxmden habe, ihre Berechtigung erwiesen habe. Eine
angeregte Diskussion zeigte das Interesse der Versammlung für
diese Frage; die Ergebnisse wurden in folgenden Leitsätzen zu¬
sammengefasst.
1. Die Unterstützung von Bestrebungen oder Schaffung von
Einrichtungen, die auf bessere sozialmedicinische und ärztlichwirt-
schaftliche Ausbildung von Studierenden und Fortbildung von
Aerzten abzielen, gehört zu den Aufgaben des Verbandes. 2. Die
Schaffung von Lehrstühlen für soziale Medicin entspricht einem
Bedürfnis und ist für alle Universitäten zu erstreben; von den
akademischen Lehrern der socialen Medicin wird das Zusammen¬
wirken mit geeigneten ärztlichen Praktikern erwartet. 3. Für die
ärztliche Fortbildung erkennt der Verband die Notwendigkeit von
Einrichtungen an, die unter Beteiligung von ärztlichen und nicht¬
ärztlichen Lehrkräften aus den Gebieten sozialmedicinischer Be¬
tätigung in regelmäßiger Zeitfolge deren jeweiligen Entwicklungs¬
stand veranschaulichen und zugleich der theoretischen und prak¬
tischen Belehrung dienen (Seminare für soziale Medicin). 4. Für
alle derartigen Bestrebungen schafft der Verband eine Zentral¬
stelle, der auch die Verarbeitung sich ergebenden literarischen
Materials obliegt.
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296
MEDICINISGHB WOCHE.
Nr. 27.
Den Schluss der Verhandlungen bildet der Bericht über die
Gründung eines ärztlichen Genesungsheimes. Der Berichterstatter
Dr. Vogel (Heppenheim) wünscht die Uebemahme dieses Gedan¬
kens durch die Zentrale für das Unterstützungswesen, was auch
gebilligt wurde.
Nach fest achtstündiger Tagung wurde die Sitzung mit einem
Hoch auf den Vorsitzenden geschlossen.
Periodische Literatur.
Deutsche tnedicinieche Wochenschrift. 1906. Nr. 23.
1. Bosenheim, Berlin: Die Behandlung der chronischen
Darmkatarrhe.
Vier Hauptpunkte müssen bei chronisch-katarrhalischen Zu¬
ständen des Darmes beachtet werden. Die Ausdehnung und Lokali¬
sation der Darmerkrankung und die mit derselben verknUptten
funktionellen Störungen. Das Verhalten des Magens, eventuell vor¬
handene Komplikationen und schliesslich die Art und Intensität der
hervorgerufenen Folgezustände. Die Lokalisation der Erkrankung
ist oft sehr schwer festzustellen, man wird unterscheiden müssen
zwischen Dünndarmkatarrhen, diffusen entzündlichen Prozessen, welche
Dünn- und Dickdarm betreffen, und reinen Kolitiden. Bei jeder Art
von chronischen Darmkatarrh hält Verf eine Sondenuntersuchuug des
Magens für durchaus nötig. Man kann niemals wissen, ob nicht
bei vollkommenem Fehlen jedes Symptoms doch Magenerkrankung
besteht. Als Komplikationen kommen in Betracht die Appendicitis,
ferner katarrhalische Prozesse in der Leber, Affektionen des Panc-
reas und schliesslich gichtische Diathese und Nierensteine. Ist der
Dünndarm io der Hauptsache an der Erkrankung beteiligt, so pflegt
die Prognose ernster zu sein, da die Ernährung insgesamt erheb¬
lich leidet. Die Therapie muss sich daher vornehmlich auf die
Dünndarmerkrankung beziehen. Die Diät muss reizlos, aber leicht
assimilierbar sein. Eine Normaldiät aufzustellen ist nicht möglich.
2. Doutrelepont, Grouven Bonn: Ueber den Nachweis
von Spirochäte pallida in tertiär-syphilitischen Produkten.
Die Verff. haben vier Fälle tertiärer Lues untersucht und in
allen, wenn auch sehr spärlich, Spirochäten nachweisen können. Das
Anffiuden war sehr mühsam. Neben den typischen Spirochäten
fanden sich auch Scheinformen, welche bei stärkerer Vergrösserung
sich in Körnchen auflösten. Diese Untersuchungen bestätigen aufs
neue die jetzt wohl unzweifelhafte Annahme der Infektiosität tertiär-
syphilitischer Gebilde.
3. Moritz, Chemnitz: Hitbeteiligniig des Phreniäus bei
Duoheune-Erbsoher Lähmung.
Verf. hat einen Fall von typischer Duchenne-Erbscher Lähmung
bei einem 16 jährigen Hausburschen beobachtet, welcher eine deut¬
liche ZwerchfelUähmung der einen Seite aufwies. Dieselbe wurde
zwar, da ein sehr elastischer Thorax vorhanden war, ohne erhebliche
Störungen des Allgemeinbefindens ertragen. Der Fall spricht für
die Richtigkeit der Naunynschen Anschauung, dass der Phre-
nicus noch vom fünften bis siebenten Halsnerven Fasern erhält
und daher bei der Erbschen Lähmung häufig beteiligt sein musste.
4. Robbers, Gelsenkirchen: üeberPueumocooceuperitonitis.
Verf. hat drei Fälle von Pneumococcenperitonitis beobachtet,
operiert und geheilt. Der eine betraf ein 6 jähriges Mädchen, der
andere eine 24 jährige Frau im Puerperium und der dritte Fall
war eine 31jährige Frau. Die Entstehung der Pneumococcen¬
peritonitis ist noch nicht ganz zweiffellos festgestellt Verf. hält
eine Einwanderung der Krankheitserreger vom Magen - Darmkanal
nicht Jür ausgeschlossen. Pneumococcen finden sich in der Mund¬
höhle gesunder Menschen zweifellos. Bei Kindern ist die Prognose
nicht durchaus schlecht, bei Erwachsenen allerdings ungünstiger.
Die Behandlung besteht in Eröffnung und Drainage der Abszess-
hohle, Die Höhle kenn ohne Nachteil mit steriler Kochsalzlösung
ausgespült werden. \ ersuche mit Antipneumococcenserum dürften
angezeigt sein.
5. Jonas, Wien: Ueber Antiperigtaltik des Xi^ens.
Die Untersuchungen des Verf. haben folgende Resultate er¬
geben; Bei 6 Fällen beobachteter Antiperistaltik des Magens lag
5 mal Pylorusstenose vor. Auch im 6. Fall Hessen sich Befunde
erheben, die auf ein nicht normales Verhalten der pars pylorica
zu deuten waren. Demnach scheint die Antiperistaltik des Magens
fraglos mit einer Verengung des Pylorus zusammen zu hängen, da
aber viele Fälle von Pylorusstenose beobachtet werden, welche
keine Antiperistaltik zeigen, so dürfte wohl noch ein anderes
Moment hinzukommen, welches wir aber noch nicht kennen.
6. Diesing, Kamerun: Nene Beobachtungen bei der Jodo¬
formbehandlung der Lepra.
Im Jahre 1904 hat Verf. bereits über die Behandlung von
Leprakranken mit Jodoform günstig berichten können. Jetzt hat
er wieder bei drei Fällen ein recht gutes Resultat erzielt. In An¬
wendung gelangt 30% Jodoform-Olivenöl-Emulsion. Diese wurde
in täglichen Dosen von 2—8 ccm subkutan verabreicht. Die Dauer
der Behandlung erstreckt sich auf etwa 2 V 2 — 3 Monate. Die
ersten Injektionen erfolgten in der Umgebung der erkrankten Haut-
Partien, später an den für Injektionen am besten geeigneten Stellen.
Gewöhnlich pflegt sich nach 3—4 Tagen bereits an den erkrankten
Partien eine Einwirkung zu zeigen. Irgendwelche Intoxikations-
ersebeinungen konnte Verf. nicht beobachten.
7. Dammermann, Berlin: Ein Beitrag zur Behandlung von
Sohwarzwasserfieber
Die Beobachtungen des Verf. veranlassen ihn zu folgenden
Schlussfolgerungen. Bei Schwarzwasserfieber wird der Tod in der
Regel durch Verstopfung der feinen Harnkanälchen mit Methämo-
globin herbeigeiührt. Sowie Schwarzwasserfieber auftritt, ist durch
reichliche Zufuhr von Milch und Anwendung von Solut. Kal. acet.
4,0: 200, 1 — 2 stündlich ein Esslöffel für reichliche Diurese zu
sorgen. An Stelle von Milch kann Wasser auch in Form von
Eingiessungen treten. Da bei Malariakranken, welche einmal
Schwarzwasserlieber bekommen haben, die Anwendung von Chinin
ausgeschlossen ist, empfiehlt es sich statt dessen Decoct. fol. Com-
bret, 24,0 :1500,00 zu geben. Diese Pflanze (Folia Combreti) wird
von den Eingeborenen an der Westküste Afrikas und in Lagos
vielfach als Fiebermittel gebraucht. Aus diesem Grunde hält Verf.
die Einführung reichlicher Quantitäten der Folia Combreti Raimb.
für sehr wünschenswert.
Vermischtes,
Halle. Am 21. Juni fand in Halle a. S. im Anschluss an
die Hauptversammlung des Leipziger Verbandes eine Versammluog
von Assistenzärzten statt, zu der Vertreter aus einer grösseren Zahl
von Städten erschienen waren.
Es wurde beschlossen, von der Gründung eines besonderen
Assistenten-Verbandes Abstand zu nehmen, aber den Kollegen zu
empfehlen, sich in grösseren Orten oder Bezirken im engen An¬
schluss an den Leipziger Wirtschaftlichen Verband zu Assistentea-
Gruppen zusammenzuschliessen.
Ferner wurden folgende Forderungen aufgestellt:
1) ein Anfangsgehalt von mindestens 1200 M. ausser vollkommen
freier Station inkl. Getränke.
2) alljährlich eintretende Steigerung um 150 M. bis 200 M.
3) Anrechnung der an Krankenhäusern oder raedicinisch-wissen-
schaftlichen Anstalten zurückgelegten Dienstzeit.
4) Urlaub von 4 Wochen in jedem Jahre.
5) Uebemahme der Unfallversicherung durch die anstellende Be¬
hörde.
Nicht berührt werden hierdurch die weitergehenden oder ander¬
weitigen Forderungen der Aerzte au Irrenanstalten oder Lungen-
Heilstätten.
Greifswald. Da am 3. und 4. August das 450jährige Jubi¬
läum der Universität Greifswald gefeiert wird, ist der Fortbildungs¬
kurs für praktische Aerete in Greifswald auf die Zeit vom 19. bis
31. Juli vordatiert worden.
Veraniworüicher Redakteur: Dr. P. Meissner, BerlinW. 6t, Kurfürstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von der HeTnemann'tcben Buchdrudeerei, Gebr Wolff, Halle a.S.
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Herausgegeben von
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Rostock. ^rlin. Breslau.
H. lIoTerrieht, A. Voulnt,
Magdeburg. Giessen.
H. Roela,
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Redaktion:
Carl Marhold ln Halle a* S*« Uhlandstrasse 6.
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Tet.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Dr. P. Meißner.
VH. Jahi^ang. 9. Juli 1906. Nr. 28.
Die .Medicinische Woche-erscheint jeden Montag mit der Utagigen Beilage BalneologlSChe CeiltralzeitUng) Organ des Allgemeinen Deutschen
Baderverbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet Jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marbold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
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Originalten,
Die Entwickelung der Fettsucht
in ihrer Beziehung zur Femientwirkung.
Von San.-Rat Dr. Scherk, Bad Homburg.
(Schloss.)
Auch nach Arnold’s*) Untersuchungen wird das Fett bei
der echten Degeneration nicht aus Eiweiss gebildet, sondern
von aussen abgelagert.
Nach Lindemann’s**) Untersuchungen stellt sieb heraus,
dass das Fett des normalen und des fettig degenerierten Herz'
muskels wesentlich von einander verschieden ist
Die Frage, ob überhaupt Fett im Organismus aus Eiweiss
sich bildet, ist für die Emährungstherame resp. für die Depot¬
fettablagerung an praedilectionierten Kegionen eo ipso von
eingreifender Bedeutung. Unbestritten ist heutzut^e die An¬
sicht, dass sowohl Nahrungsfette als auch die ^fohr von
Kohlehydraten die Fettquellen für den Organismus darstellen,
da nun andererseits man annehmen könnte, dass das frei ge¬
wordene Eohlehydratmolekul des Eiweiss ebenfalls die Fett¬
bildung befördern könnte, so wäre hier auf indirektem Wege
eine Fettbildung ans Eiweiss zu beftirworten.
Demgegenüber ist zu beachten ^ dass das Kohlehydrat-
molekul des zerfallenen Eiweiss, wie dasselbe beispielsweise
bei kachektischen Zuständen der Diabetiker frei wird, sofort
als Calefaktor verwertet und nicht erst in Fett umgewandelt
wird.
Dass andererseits bei Eiweisszufuhr und gleichzeitiger
Kohlehydratverabreichung die Bildung von Mastfett mehr be¬
fördert wird, als bei alleiniger Kohlehydratnabrung, liegt auf
der Hand, wenn man erwägt, dass durch das Kohlehydrat-
molekul des genossenen Eiweiss die Menge des neiigebildeten
Fettes vermehrt wird.
Nach dieser Richtung hin sind demnach die Untersuchungs¬
resultate der Arbeiten vonPe ttenkofer, Voit und Pflüger***)
zu verwerten, nach denen sich das Mastfett nur dann bildet,
wenn ein Nahrungsüberschuss von Kohlehydraten bei gleich¬
zeitiger Eiweisszuiuhr vorhanden ist.
Eschlef) unterscheidet mit Rosenbach drei Haupt¬
gruppen von Fettsucht:
1. Plethora congostiva. Gesteigerte Einnahme und Aus¬
gabe.
♦) Virchow’s Arohiv, VII, 2.
••) Z. f. Biol. 38, 40r.-18.
•••) Pflügers Archiv, Bd. 52, H. 5 n. 6, 1892.
t) Tberap. Monatshefte I, 1906. Die Patbognnese der Fettsucht.
2. Plethora e functione minori s. Hypokinese. Gesteigerte
Einnahme, verminderte Ausgabe infolge von Inaktivität.
3. Plethora hypotonica, atonica et torpida, hydraemische
Korpulenz. Angeborene oder familiäre Anlage. Bei dieser
ist wirklich falsche Betriebsform in der Ausnutzung der Nah¬
rung vorhanden.
Wir ersehen, dass bei der Erörterung der Quellen, welche
die Fettsucht verursachen, bis zum heutigen Tage die minder¬
wertige hydrolytische Spaltung der Nahrungsfette nicht berück¬
sichtig wurde.
Meiner Auffassung nach ist dagegen die pathologisch modi¬
fizierte Fermentwirkung auch hier wieder, wie bei der Zucker¬
krankheit und der Gicht, als ursächlicher Cardinalfaktor zu ver¬
werten. , '
„Freilich“, so hebt Peter Bergeil*) hervor, „sind wir
noch nicht so weit, zu bestimmen, welche Stufe des successiven
fermenthydrolytischem Abbau der Eiweiaskörper, besonders im
pathologischen Spezialfalle, als das Optimum für die Resorption
anzusprechen ist“
Dieselben Schwierigkeiten wie bei der Resorption der Ei¬
weisssubstanzen treten uns bei den fermentativen Spaltungen
der Kohlehydrate und Fette entgegen, wir können die einzelnen
Etappen bis jetzt noch nicht exakt verfolgen, die Präzisierung
der intermediären Abbaustufen ist der Erforschung noch Vor¬
behalten. Immerhin müssen wir heutzuti^e die gestörte Fer-
mentwirkung bei den aetiolo^schen Faktoren der genannten
Stoffwechselanomalien auf die Wagschale legen und dürfen
diese Vorgänge nicht mehr unberücksichtigt lassen.
Da nicht zu bestreiten ist, dass lösliche Neutralfette auch
ungespalten oder minderwertig hydrolytisch beeinflusst, durch
die Darmzellen aufgenommen werden können, so ist die Folge¬
rung berechtigt, dass die ungespaltenen resorbierten Fette nicht
so leicht der Oxydation unterliegen, wie die Fette, welche
nach der Spaltung und Resorption sich synthetisch neu ge¬
bildet haben.
Die in toto resorbierten Fette werden sich demnach im
Organismus der selectiven Zellenfunktion gemäß regionäre
Lagerstätten aussuchen und erst bei dringender Nachfrage, bei
eventuellem Mangel an Calefaktoren der Intraorganoxydation
ausgesetzt werden.
Je weniger Fette gespalten werden, desto eher wird ein
Teil derselben direkt in den Chylus übertreten, ein anderer
Teil wird jedoch unresorbiert mit den Faeces ausgeschieden
werden. Deshalb finden wir bei Pancreasleiden, also bei einer
SteapsinwirkuDg, einerseits ausgedehnte Fettlager und anderer¬
seits fettreiche Faeces. Der I^ttgehalt der letzteren vertritt
keineswegs die Gesamtmenge des zugeführten Nahrungsfettes,
der grössere Teil ist stets durch die Darmzellen ungespalten
resorbiert. Während ohne Pancreaserkrankung etwa der
Kotfette gespalten werden, überwiegen nach Friedr. Mueller’s
*) lieber die Uotersuebungf der Eiweisspräparate. Mod. Elin. 41, 1905.
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300
MSDIGINISCHE WOCHB.
Nr. 28.
Schiff demonstriert Quecksilberiampen verschiedener
Konstruktion. Bei denselben ist Quecksilberdampf im luftleeren
Raume der Träger der intensiven, an roten Strahlen armen, jedoch
an ultravioletten Strahlen sehr rei<^en Lichtes. Die Strahlen dieser
Lampen erzeugen bei längerer Anwendung eine oberflächliche Derma-
litis und Beizung der Conjunktiva, ihre therapeutische Anwendung
dieser wohl nur bei oberflächlichen Hautaffektionen einen Erfolg
haben, während das Licht in der Technik wegen seines geringen
Stromverbrauches Anwendung Anden wird. H.
Kongressbericht.
23. Jß.<yngre88 für im/nere Medict/n
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassman n-München.
Herr R. v. d. Velden-Marburg a. L.: Die Saugkraft
des Herzens.
Nach Goltz und Gaule saugt das Herz im Kreislauf. Diese
mit Manometer und Minimumventil iestgestellte Saugung konnte
V. bei eröfEnetem Thorax am Katzenherzen nicht nachweisen,
wenn er den Blutzustrom zu dem rechten oder linken Herzen dui-ch
ein Blutreservoir ersetzte. Aus diesem floss nur nach den Gesetzen
der Hydrostatik das Blut ein. Daz Herz saugte nicht. Den Wider¬
spruch mit den obigen Resultaten konnte V. dadurch erklären,
(lass diese Saugung nach Goltz und Gaule nicht vom Herzen,
sondern vom einstrOmenden Blute (vergl. Bunsensche Wasser¬
strahlpumpe) hervorgerufen wird. Hebt man den Blutzustrom auf,
so hört auch diese Saugung wieder auf, um sofort wieder einzu¬
setzen, wenn man die Blutzufuhr freigibt.
2. Sitzungstag, Nachmittag.
Herr Gurschmann-Tttbingen: Zur Physiologie und
Pathologie der kontralateralen Mitbewegungen.
Die der primär bilateralen Anlage der motorischen Funktionen
(einer Seite) entspringenden kontralateralen symmetrischen Mitbe¬
wegungen an den Extremitäten (bei Willkürbewegungen der einen)
gehen durch „Uebung der Hemmung** nicht völlig zu Grunde,
sondern werden nur — in individuell wechselndem Umfang — latent.
Mit Zunahme von Alter, Ansprüchen und Uebung werden sie bei
Kindern progressiv eingeschränkt, bleiben aber bei koordinatorisch
unsere Betä tig ung in den kommenden Jahren, das ist unser
aufrichtiger Wunsch.
Und nun noch einige Worte über Halle selbst und über
den äusseren Verlauf der Tagung. Die Stadt Halle, welche
durch reichen Flaggenschmuck die Anwesenheit der Aerzte
ehrte, macht einen freundlichen, sauberen und wohlhabenden
Eindruck; stattliche und teilweise architektonisch hervorragende
Gebäude, reich ausgestattete Geschäfte und Warenhäuser, Denk¬
mäler bervorr^ender Persönlichkeiten, die in Halle geboren
sind oder dort gewirkt haben, verschönern das Strassenbild.
Ganz besonders imponierte uns das medicinische Viertel, das
alle Institute und Kliniken zu einem umfangreichen, durch schöne
gärtnerische Anlagen von einander getrennten Komplex vereinigt.
Vor der chirurgischen Klinik steht ein würdiges Denkmal (Jes
unvergesslichen Chirurgen Richard v. Volkmann, das in seiner
Durchführung dem Arzt und Poeten in gleicher Weise gerecht
wird. Eine gute Photographie dieses Denkmals schmückte die
erste Seite des den Delegierten gewidmeten Führers durch
Halle. Von diesem konnte wohl nur wenig Gebrauch gemacht
werden, da die bis in den Spätnachmittag sich ausdehnenden
Sitzongen den größten Teil des Tages in Anbruch nahmen
und sich an diese sehr schnell die östlichen Veranstaltungen
aoschlossen. Am ersten Tage fand das übliche gemeinsame
Essen statt, an dem sich auch die Hallenser Fakultät und
Aerzteaehaft zahlreich beteiligte; das Mahl ward durch viele,
teilweise auch recht gute Reden gewürzt; der nun schon tra¬
ditionell gewordene Damentoast von Dippe (Leipzig) erregte
Ungeübten bis jenseits der 20 er Jahre schon bei den ersten (be¬
fohlenen, nicht eingettbten) Bewegungen ohne alle Bewegimgser-
schwerung deutb'ch (infantiler Typus der kontraiateralen
symmetrischen Mitbewegungen auf Grund von physiologischer
HemroungsinsuAEizienz). Mit wachsender Koordination werden diese
Kitbeweguogen erst durch Ermüdung (bei wiederholten Beweg¬
ungen) und aus ihr resultierender Impulssteigerung frei (Ermttdungs-
typus der kontralateralen Mitbewegungen). Die symmetrischen
Mitbewegungen der Gegenseite persistieren — sichtbar — nur an
den Extremitäteneuden, Hand und Fass, und hier mit grösster
Konstanz bei Spreiz- und Adduktionsbewegungen. Reflexbeweg¬
ungen führen ph 3 rsiologiBcherwei 86 nur, solange noch Hemmungs¬
mangel (Typ. S. B.) besteht, zu symmetrischen kontralateralen
Mitbewegungen.
Periphere Bewegungshemmungen (arthrogene und peripher-
neurogene) zeigen, da der Inhibitionsapparat normal arbeitet, häufig,
in Andeutungen fast konstant kontralaterale Mitbewegungen des
physiologischen Ermüdungstypos, dementsprechend keine kontrala-
teralen Mitbewegungen auf Reflexbewegungen. Amputierte zeigen
— nur solange sie noch Bewegungsillasionen des amputierten
Gliedes haben — bei beabsichtigten Bewegungen mit diesem kolla-
terale Mitbewegungen der symmetrischen intakten Muskeln.
Bei supranukleären Läsionen, vor allem der infantilen Ze-
rebrallähmongen, führen auf der einen Seite Hemmungsfortfall
(Typ. S. B.), auf der anderen die notwendig werdende Impols-
steigerung zu intensiven kontraiateralen Mitbewegungen. Vortr.
empfiehlt das Prinzip der bewussten Förderung der paretischen
Willkürbewegung durch gleichzeitige Innervation der 8ymmetri8(dien
Bewegungen der Gegenseite zum Zweck der Uebungstherapie bei
organischen und besonders transkortikalen Bewegungsstörungen.
Bei Koordinationsstönmgen ohne Parese (Tabes, Chorea etc.) resnl-
tieren kontralaterale Mitbewegungen nur der durch das Ringen mit
der Irradiation resp. Inkoordination notwendig werdenden Impuls¬
steigerung. Charakteristische Züge zeigen die kontralateralen Mit¬
bewegungen bei Myasthenie, besonders bei Myotonie, weniger bei
Paralysis agitans.
Nur bei hysterischen Motilitätsstörungen jeder Art beob¬
achtete Vortr. stets das Fehlen der symmetrischen kontraiateralen
Mitbewegungen. Der rein transkortikale Sitz der Störung, der zum
Mangel oder zur Verminderung des Impulses führt (Vereinfachung
der Bewegung der Willkürseite, Fortfall der physiologischen Syner¬
gisten), erklären diesen Mangel der fifitbewegaiigen, der auch
diagnostisch wohl verwendbar ist. (Fortsetzung folgt.)
stürmische Heiterkeit Speisen und Getränke entsprachen be¬
rechtigten Ansprüchen; aer durch die große Hitze wohl ge¬
steigerte Konsum an letzteren brachte es zu Wege, daß am
Vormittage der zweiten Sitzung mancher bleicher ausschaute
als am Tage vorher, und manemes Organ die gewohnte Klar¬
heit und Frische vermissen ließ. Aber das besserte sich deut¬
lich bis gegen Abend, wo sich die Teilnehmer auf Einladung
der Hallenser Aerzte auf der Peißnitz, einer schön gelegenen,
bewaldeten Saaleinsel, zu gemütlichem Beisammensein vereinigten.
Von dort erfolgte dann auf blumengeschmückten Booten eine
Fahrt die Saale hinauf zur Saalschloßbrauerei, wohin die Stadt
Halle zu einem Bierabend geladen hatte. Bei prächtigem
Wetter glitten die schlanken Boote die lieblichen, burgenge¬
krönten Ufer entlang, manch überraschend schöner Ausblick
bot sich uns dar, und als wir den alten Giebicheustein vor
uns auftauchen sahen, als bei den Klängen der Musik manch
frohes Lied über das Wasser erscholl, als rings von den Ufern
die zahlreich herbeigeströmten Hallenser dur^ freudigen Zu¬
ruf uns grüßten, da bedauerten wir lebhaft, daß wir gezwungen
waren, schon früh am gleichen Abend die gastliche Stadt zu
verlassen und wir empfanden voll und ganz den Schlußvers
des so allgemein bekannten und beliebten Saaleliedes:
Und der Wand’rer zieht von dannen,
Denn die Trennungsstunde ruft;
Und er singet Abschiedslieder,
„Lebewohl“ tont ihm hernieder,
Tücher wehen in der Luft.
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1906.
MBDlCINlSCflB WOCHE.
301
35, Kongress der Deutschen GeseUschaft
für Chirurgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Sick-Hamburg spricht über 230 mit der Stauungsbinde
behandelten Fälle, welche alle nur möglichen Arten der acut ent¬
zündlichen Prozesse umfassen. In den meisten Fällen wurde der
entzündliche Prozess günstig beeinflusst; auch die schweren Phleg¬
monen, bei denen grosse Schnitte zu verwenden sind, geben gute
Resultate; immerhin sind einzelne Fälle vorgekommen, wo die
Eiterung fortschritt. Bei der schweren Osteomyelitis waren die
Resultate nicht gut. Kontraindiciert ist die Staubehandlung bei
Diabetes, bei brandigen Phlegmonen und Phlebectasien. Da die
Methode eine äusserst peinliche Überwachung erfordert, kann sie
ordnungsmässig nur in einer stationären Anstalt ausgeführt werden.
Sick glaubt, dass die Bi er’sehe Methode einen besseren funktio¬
nellen Erfolg garantiert als die bisher angewendeten Verfahren.
Hr. Stich• Breslau hat in der Breslauer Klinik (Garre) gute
Erfahrungen bei den Sehnenscheidenpblegmonen, Erysipelen und
Mastitiden gesehen; bei letzteren empfiehlt er die Saugbehandlung
nach Einbringang eines Drains. Bei der Osteomyelitis waren die
Resultate imgünstiger.
Hr. Da n i el s en-Marburg berichtet über die Erfahrungen
der Marburger Poliklinik, die sehr günstige gewesen sind. Nur
in 2 pCt. der behandelten Fälle hätte die Methode versagt. D.
führt die guten Resultate auf die von ihnen geübte Technik zurück
und erwähnt besonders, dass sie sich auch da nicht von der An¬
wendung der Methode hatten abschrecken lassen, wo sie zunächst
keinen Erfolg zu haben schien. Er rühmt die schmerzstillende
Wirkung der Hyperämie.
Hr. Bardenheuer-Köln ist ein begeisterter Anhänger der
Methode geworden, seitdem ein Assistent, der früher bei Bier
gewesen sei, die Methode in dem Kölner Hospital ausführt.
Hr, H eidenhain-Worms schliesst sich dem günstigen Urteil
der’Vorredner an. Bei der Hand und den Finger hat er die'
kleinen Incisionen quer angelegt, wodurch er die Entleerung des
Eiters besser zu garantieren glaubt. Mit Erfolg hat er auch von
der Stauung prophylaktisch Gebrauch gemacht.
Hr. Lexer-Königsberg kann sich dem allgemeinen Lob der
Methode nicht unbedingt anschliessen. Wohl hat sie ihm bei den
leichten Fällen grosse Erfolge gegeben, die hätte er aber mit
anderen Methoden auch erzielt. Bei den schweren Fällen habe
er gleichmässig z. B. Erfolge nicht erzielt; vielmehr habe er hier
Verschlechterungen, Fortschreiten der Phlegmone, ja in einem Falle
eine Allgemeininfektion gesehen. Er glaube bestimmt, dass er bei
Anwendung der alten Methode diese Verschlechterungen vermieden
hätte. L e X e r glaubt, dass bei der Staubehandlung eine vermehrte
Bakteriolyse eintrete, dass dadurch eine Anhäufung von Giftstoffen
in dem gestauten Bezirk auftrete, die sich dann auch über diesen
hinaus verbreiten könnte. Durch diese sich bildenden Giftstoffe
würden die Gewebe geschädigt; ganz besonders sei dies bei den
Streptokokkeninfektionen der Fall. So erklären sich der weit¬
gehende Zerfall der Infiltrate, das Weitergreifen der Eiterung, der
verschleppte Verlauf bei der Staubehandlung. Auch die diffuse
Rötung, die bei ihrer Anwendung auftritt, sei auf die Wirkung
solcher freigewordener Toxine zurückzuführen, nicht auf Erisypelin-
fektion. Er müsse daher bestreiten, dass in den schweren Fällen
die Methode Besseres leiste als die au der v. B erg mann’schen
Klinik übliche der breiten Incisionen und Tamponade. Die kleine
Incision reicht in den schweren Fällen bei der Staubehandlung
nicht aus, vielmehr müssten auch bei dieser Methode die schwere
Phlegmone mit grossen Schnitten behandelt werden. Mit grossen
Incisionen kombiniert leiste die Staubehandlung Ausgezeichnetes.
Dann sei sie aber nichts principiell von der alten Methode Ver¬
schiedenes mehr, sondern die Stauung diene dann auch nur dazu,
den Saftstrom in der erkrankten Extremität umzukehren , die schäd¬
lichen Stoffe aus dem Körper nach aussen zu entfernen; sie sei
dann nur als ein Ersatz der Tamponade anzusehen,
Hr. Per th es-Leipzig glaubt, dass nicht allein die Hyperämie
die günstigen Erfolge bei der Staubehandlung verursacht; er glaubt
vielmehr, dass eine Umkehrung des Saftstroms stattfindet Um
die Aspiration genauer dosieren zu können, als es bisher möglich
war, hat er einen Flascbenaspirator nach Bunsen angewendet,
den er der Versammlung demonstriert. (Fortsetzung folgt)
Standesfragen.
, Von Dr. M, Cohn (Berlin-Charlotteuburg).
XXXIV. Deutscher Aerztetag zu Halle a. S.
am 22. und 23. Jimi 1906.
In Anwesenheit der vollzählig erschienenen Delegierten, der
Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden nnd zahl¬
reicher Aerzte aus Halle und Umgegend, eröffnete der Vorsitzende
des Geschäftsausschnsses Professor Löbk er (Bochum) den Aerzte¬
tag. In seiner Begrüssungsrede führte er Folgendes aus; Dank
der immer fester werdenden Organisation hat die Regelung der
Arztfrage befriedigende Fortschritte gemacht. Ohne harte Kämpfe
ist es nicht abgegangen, aber oftmals ist durch Einigkeit der
Sieg errungen worden. Trotz aller Erfolge ist den Aerzten der
Kampf nicht erwüüscht. Sie wären gern bereit zu einer fried¬
lichen Verständigung unter voller Wahrung der Selbstverwaltung
der Kassen. Die Aerzte kämpften einen Verteidigungskampf und
hätten nicht den Wunsch, zu einem Angriffskampf überzugehen;
eine friedliche Lösung der Arztfrage liege im allgemeinen In¬
teresse. Das grosse geplante Reformwerk der Abänderung der
Versicherungsgesetze erfordere die Mitwirkung der Aerzte und zu
diesem Behuf deren Durchbildung in der sozialen Medicin. Alle
Bestrebungen in dieser Hinsicht, wie die Gründung des Seminars
für soziale Medicin in Berlin, seien freudig zu begrüssen. Aber
auch in der Oeffentlichkeit sollten die Aerzte aufklärend wirken
und sich daher bemühen, dass in den politischen Blättern ärztliche
Mitarbeiter ständig die Interessen der Aerzteschaft, die ja zugleich
die der Allgemeinheit seien, vertreten. Mit einem Hinweis auf
die Beziehungen der Praktiker zur Wissenschaft schloss Löbker
seine mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausführungen.
Es folgten die üblichen BegrUssungen: As oh enbor-n (Berlin)
überbrachte wie alljährlich die besten Wünsche seines hohen Chefs,
des preussischen Kultusministers, Regierungspräsident v. d. Recke
die der Regierung des Bezirkes, Oberbürgermeister Dr. R i v e
gab der Freude der Kommunaibehörde Ausdruck, den deutschen
Aerztetag in ihren Mauern zu sehen. Die Universität hatte zwei
Vertreter entsandt: Der Rektor, Professor der Augenheikunde Dr.
Schmidt-Rimpler sprach im Namen der Universität, deren
Stellung zu den Akademien für praktische Medicin er im Hinblick
auf die vorjährigen Verhandlungen des Aerztetages betonte, Pro¬
fessor Dr. Harn ack begrUsste die Aerzte in seiner Eigenschaft
als Dekan der medicinischen Fakultät. Alien Rednern dankte
der Vorsitzende und gab seinerseits noch der Freude Ausdruck,
zum ersten Male Delegierte ausländischer — österreichischer und
niederländischer — Aerzteverbände begrüssen zu können; axich
der Anwesenheit der Reiebstagsabgeordneten Dr. Becker und
Dr, M u g d a n wurde gebührend gedacht.
Nachdem sodann der Generalsekretär den Kassenbericht und
den Voranschlag zur Genehmigung unterbreitet hatte, wurde der
Antrag des Geschäftsausschusses, „die Geschäftsstelle des Deutschen
Aerztevereinsbundes nach Leipzig zu verlegen“, genehmigt, nach¬
dem zur Motivierung angegeben worden war, dass eine geplante
Erweiterung des Vereinsblattes es erforderlich mache, dass Re¬
dakteur und Verlag am gleichen Orte seien.
Der Vorsitzende gab nunmehr bekannt, dass auf dem Aerzte-
tage 294 Vereine durch 287 Delegierte vertreten seien, die ins¬
gesamt 20532 Stimmen repräsentierten. Dann begann die Beratung
des Hauptgegenstandes der diesjährigen Tagung: Forderungen und
Vorschläge der Aerzte zur Abänderung der deutschen Arbeiter¬
versicherungsgesetze. Referent Geh. Hofrat Prof. Dr. Pfeiffer
(Weimar). An der Hand der s. Zt. für den Wiener Kongress
für Arbeiterversicherung herausgegebenen Broschüre beleuchtete
Referent die Zusammenschliessung als feste Organisation, wie sie
für den ganzen Aerztestand durch die aufgezwungenen Kämpfe
notwendig geworden sei. Auf dem Boden der vom Königsberger
und Kölner Aerztetag gefassten Beschlüsse setzte er die Notwen¬
digkeit von Einigungskommissionen und Schiedsgerichten ausein¬
ander, hierbei auch der von Mugdan (Berlin) erhobenen Forderung
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302
MEDXCINISCHE WOCHE.
Nr. 28.
eines Notvertrages Rechnung tragend. Bei Besprechung der
Stellung zu den Orts» und Betriebskrankenkassen beleuchtete er
die Angriffe, wie sie namentlich von dem Verbände der rheinisch-
westfälischen Betriebskrankenkassen erhoben worden waren und
nahm Stellung zu den neuerdings erschienenen Darlegungen der
Aerzte des Knappschaitsverbandes. Er hoffe, dass durch die
wenig glückliche Fassung der dieser Denkschrift angefügten The¬
sen keine Erweiterung der bestehenden Kluft hervorgemfen werden
möge und dass ihnen gegenüber die Zusicherung genüge, dass der
Aerztevereinsbund nie in die Verhältnisse ohne Willen der Aerzte
eingreife. Die Durchführung der freien Arztwahl wird nochmals
in ihren Vorteilen auch für die Kassen dargelegt und namentlich
auch für die privaten und staatlichen Betriebskrankenkassen ge>
fordert. Zu l^grüasen sei, dass man endlich damit begonnen habe,
in der im Kaiserlich Statistischen Amte in Beriin im Januar 1905
stattgefundenen Konferenz bei Beratung der einheitlichen Formu¬
lare für die Krankenstatistik die Aerzte zu Worte kommen zu
lassen und ihnen Gelegenheit gegeben habe, ihre Wünsche geltend
zu machen. Die gemeinsamen Beratungen, bei denen auch Kassen-
vorstände zugegen waren, die bisher dem Aerztevereinsbunde
feindlich gegenüberstanden, seien zur Zufriedenheit aller Betei¬
ligten verlaufen und lassen hoffen, dass auch in Zukunft von den
Behörden bei der Abänderung des Krankenkassengesetzes den
Aerzten das gebührende Entgegenkommen gezeigt werde. Was
die Vorschläge für die Abänderung betreffe, so hätte die Kranken¬
kassenkommission nur das Praktisch-Erreichbare berücksichtigen
zu müssen geglaubt. Es sei nicht richtig, die Selbstverwaltung
der Kassen als leeres Schlagwort zu betrachten, vielmehr verdienten
die Erfolge der Selbstverwaltung auf dem Gebiete der Kranken-
fUrsorge rückhaltlose Anerkennung. Auch dabei werden die von
Mugdan gerügten Uebelstände in ihrer Wirkung beleuchtet.
Als dringendste Reform ist die Zusammenlegung aller im Bezirke
einer unteren Verwaltungsbehörde bestehenden Krankenkassen zu
einem einheitlichen Gebilde und ferner die Erweitenmg des Ver¬
sicherungskreises auf Dienstboten, landwirtschaftliche Arbeiter,
Heimarbeiter betrachtet worden. Auch der Arbeiterversioherung
wurde gedacht. Als Zusammenfassung des fast zweistündigen Re¬
ferates stellt Pfeiffer folgende Leitsätze auf:
I. Die Verschmelzung der drei Arbeiterversichungsgesetze
ist nicht dringlich, zurzeit nicht einmal ratsam, zum Teil bis auf
weiteres gar nicht durchführbar.
II. Der Verschmelzung der sozialen Veraicherungsgeaetze muss
eine Verbesserung und ein Ausbau der jetzt bestehenden Einzel¬
gesetze und eine Ergänzung derselben durch Errichtung einer
Arbeitslosenfürsorge-Versicherung vorausgehen.
UI. Am dringlichsten ist eine Reform des Krankeoversiche¬
rungsgesetzes, und zwar vor allem in folgenden Punkten:
a) Territoriale Zusammenlegung der bestehenden Krankenkassen.
b) Erweiterung der Versicherungspflicht zum Umfange der Ver¬
sicherung zur Invaliditätsversicherung.
c) Personen mit einem Einkommen von mehr als 2000 M. sollen
keinen Anspruch auf freie ärztliche Behandlung haben.
d) Die Beiträge sind nach Prozenten des wirklichen Arbeitsver¬
dienstes (Individuallobnes) zu erheben.
e) Die Bureaubeamten der Krankenkassen haben den Befähigungs¬
nachweis verwaltungstechnischer Ausbildung zu erbringen.
f) Der ärztliche Dienst erfolgt auf dem Boden der organisierten
freien Arztwahl, entsprechend den Beschlüssen des Königs¬
berger Aerztetages, welche lauten:
„Der Aerztetag erklärt es für eine Pflicht allen dem Aerzte¬
vereinsbunde angehörenden Aerzte, darauf hinzuwirken, dass
sich. die Aerzte den einzelnen Kassen gegenüber zu festen
Organisationen zusammenschliessen, welche als solche mit den
Kassen die Bedingungen für die kassenärzth'che Tätigkeit ver¬
einbaren.
Bei allen Vereinbarungen ist zu erstreben:
1. Dass jeder Arzt, welcher die Satzungen der ärztlichen
Organisation und die Vereinbarungen derselben mit den Kassen
anerkennt,^in die Organisation aufgenommen werden muss;
2. Dass die Kassenmitglieder die freie Wahl unter den
Aerzten der Organisation haben;
3. Dass die Pflichten der Aerzte den Kassen und Eassen-
mitgliedem gegenüber sowie die Gegenleistungen der Kassen
ausschliesslich durch die ärztliche Organisation mit den Kassen
vereinbart werden;
4. Dass die Organisation als solche die Verantwortung für
die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen seitmis der
einzelnen Aerzte übernimmt, nnd deshalb allein befugt ist, die
einzelnen Aerzte wegen Verletzung ihrer kassenärztlichen
Pflichten zur Verantwortung zu ziehen;
5. Dass die Kassen und die ärztliohe Organisation bei allen
Verhandlungen und Meinungsverschiedenheiten als gleichbe¬
rechtigte Parteien erscheinen.*^
g) Zur Vereinbarung der Vertragsbedingungen treten die Vor¬
stände der Krankenkassen zusammen mit Vertragskommissionen,
wel<flie von der Aerzteorganlsation gewählt werden.
Kommt eine Vereinbarung über den abzuschliessenden Ver¬
trag nicht zustande, so soll eine kollegial-zusammengesetzte
Behörde, nach noohmaliger Verhandlung zwischen den Parteien,
einen Vertrag höchstens für die Dauer des laufenden Geschäfts¬
jahres za verkünden das Recht haben, welcher Vertrag jedoch
ohne weiteres erlischt, sobald eine Einigung der Parteien zu¬
stande kommt. Auf Verlangen einer der Parteien müssen
solche Einigungsverhandlungen jederzeit wieder angeknüpft
werden.
Durch Gesetz müssen paritätisch-zusammengesetzte Eüugunga-
kommiasionen vorgesehen werden, denen die Beilegung von
Streitigkeiten, welche aas diesen Verh-ägen entstehen, obliegt.
Gelingt eine solche Beilegung nidit, so entscheidet endgültig
ein Schiedsgericht mit unparteiischem Vorsitzenden.
h) „Den Honorarbestimmungen seitens dieser Kommissionen“ (cf.
vorstehend sub g) „ist die staatliche Taxe zugrunde zu legen“
(Wortlaut des Beschlusses des Königsberger Aerztetages),
eventuell unter Festsetzung einer Höchstgrenze für die Gesamt¬
summe des von der Krankenkasse zu zahlenden Honorars.
i) In die Kassenvorstände ist ein ärztlicher Beisitzer mit beraten¬
der Stimme aufzunehmen.
IV. Für die Begutachtung in Invaliditäts- und Unfallsachen
sind folgende Gesichtspunkte mallgebend:
a) Zur Begutachtung sind alle Aerzte grundsätzlich berechtigt,
welche sich auf die vereinbarten Bedingungen verpflichten.
Andererseits ist gegen die Anstellung von Vertrauensärzten
seitens der Versicherungsorgane eine ESinwendnng nicht zu er¬
heben,
b) Die Vereinbarung der Verpflichtungen geschieht durch die
Vertragskommissionen.
c) Als letzte Instanz bei Differenzen in der Begutaditung ent¬
scheidet eine Gutachterkommission, die von der Aerzteschaft
gewählt wird.
V. Die in obigen Thesen gegebenen Grundzüge für die Mit¬
arbeit der Aerzte an der Abänderung der drei grossen Versicher-
ungsgesetze verlangen eine stärkere Beiteiligung der Aerzte ui
der sozialen Gesetzgebung, besonders nach der Richtung hin, dass
in Zukunft eine auf Erfahrung gestützte ärztliche Kritik recht¬
zeitig an den vielen neuen Fürsorgebestrebungen zur Geltung
kommen kann.“
Unmittelbar im Anschluss an das Referat vertrat Schön-
heimer (Berlin) folgende Anträge der Berliner ärztlichen Standes-
vereine:
1. „Als Maßstab der Versicherungspflicht ist das gesamte
steuerpflichtige Einkommen anzusehen.**
2. „Auch bei der Behandlung Unfallverletzter ist die freie
Arztwahl im Sinne von No. IV. einzuführen.“
3. „Die Regelung der ärztlichen Stellung bei den Kranken¬
kassen ist ein vitales Interesse der Deutschen Aerzteschaft
Sie darf nicht länger im Hinblick auf die Zusammenlegung der
Arbeiterversicherungsgesetze vertagt werden.“
Die Diskussion, die ausserordentlich lebhaft und umfang¬
reich war, ergab, dass es bisher nicht gelangen ist, die Gegen¬
sätze , die bei einer so umfangreichen Materie naturgemäß vor¬
handen sein müssen, auf einer mittleren Linie zu vereinigen.
Zahlreich eingegangene Anträge beweisen dies aufs Klarste. Eis
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im.
MKIi TfiINTSi,j H tc wOfi H
303
wird daher beschlosden, den Aerztetag auf bestimmte Forderungen
noch nicht festzalegen, vielmehr alle eingegangenen Anträge
nebst den Thesen des Referenten der Krankenkassenkommission
zu weiterer Beratung zu überweisen. Diese Stellungnahme wird
in folgender Resolution angenommen:
„Der 34. Deutsche Aerztetag beharrt auf den in Königs¬
berg, Köln und Rostock in der Krankenkassenfrage gefassten
Beschlüssen und erklärt sich nach Kenntnisnahme des von Herrn
Geh. Rat Pfeiffer erstatteten Referates mit den aufgestellten
Leitsätzen insoweit einverstanden, als er in ihnen eine geeignete
Grundlage für ein weiteres Vorgehen erblickt, ohne darum im
einzelnen der Beschlussfassung spätererer Aerztetage vorzu¬
greifen.“
Angeommen wurde ferner noch No. 3 der Berliner Anträge
sowie eine Resolution Bergest (München) betreffend die Zuziehung
sachverständiger Aerzte bei den Vorarbeiten für die Abänderung
der Arbeiterversicherungsgesetze. Damit fanden die Beratungen des
ersten Tages ihren Abschluss.
Die während der Sitzungen vorgenommenen Wahlen zum Ge-
schäftsausschuss ergaben als gewählt folgende Herren: Pfeiffer
(Weimar), Hartmann (Leipzig), Löbker (Bochum), Dippe
(Leipzig), Herzau (Halle), Lent (Köln), Winkelmann (Barmen),
Königshöfer (Stuttgart), Wen t sch er (Thom),Ka8tl (München),
Mugdan (Berlin), Mayer (Fürth). Von diesen wurden gemäß
der Satzungen folgende 9 Herren kooptiert: Krafft (Strassburg),
Brunk (Bromberg), Deahna (Stuttgart), Munter (Berlin),
Lindmann (Mannheim), Scherer (Ludwigshafen), Scheel
(Rostock), Hartmann (Hanau), Partsch (Breslau).
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. * 22 .
- .t. ■ . i.
1 . Dieudoune, München: Aktive Immunisienmg gegen
Infektionskrankheiten.
Nadi den seitherigen Erfahrungen eignet sich zur Cholera*
impfung am besten der ans Agarkulturen hergestellte Impfstoff
nach Pfeiffer-Kolle, da er leicht herzustellen, mit 0,5%
Phenol versetzt, lange haltbar ist und weil nur eine einmalige
Schutzimpfung notwendig ist. Wie die Massenimpfungen in Indien
uud in Japan zeigten, hat die Cboleraschutzünpfung sicher einen
gewissen Wert. Das Impfverfahren ist aber nicht etwa ein Er¬
satzmittel für die sonstigen prophylaktischen Maßnahmen, sondern
stellt in erster Linie ein Schutzmittel dar für Aerzte, Kranken¬
wärter uud sonstige beim Ausbruch von Epidemien gefährdete
Personen, ferner kann es in einem Krieg, wo die prophylaktischen
Maßnahmen nicht so leicht durchzuführen sind, von grosser Be¬
deutung werden. Als zweckmässigste Methode wurde bei Typbus
die Verwendung des Impfstoffes P feiffer-Kolle festgestellt und
damit die Impfung bei den deutschen nach Südwestafrilm gehenden
Trappen seit Januar 1905 durchgeführk Die Impfung war fakul¬
tativ und zwar mit Recht, da immerhin der Eingriff bei manchen
Menschen starke Reaktionserscheinongen mit sich bringt und der
Schutz kein absoluter ist. Sehr günstige Resultate erhielten
Kolle und Otto bei Pest im Tierversuch bei Verwendung von
abgeschwächten lebenden Kulturen. Die Abscbwächung erfolgt
durch mehnnonatliche Züchtung der Pestbazülen bei 41—43® C.
in Nährbouillon, der 0,6—1% Alkohol zngesetzt ist. Versuche
am Menschen wurden von Kolle und Strong in Manila durch-
gefuhrt; bis jetzt wurden 42 Personen mit einer ganzen Agar¬
kultur geimpR; wobei nur eine mäßige lokale und allgemeine
Reaktion eintrat: das Blutserum der Geimpften zeigte agglutinierende
und bakteriolytische Wirkung; die durch diese Pestvakzine erzielte
Immunität ist nach dem Ausfall der Tierversuche sehr beträcht¬
lich.
2. Fornet, Unter-Elsass: Ein Beitrag zur Züchtung von
Typhusbazillen aus dem Blut
Es konnte auch hier die Galle wegen ihrer blutauflösenden
Eigenschaft mit Vorteil verwendet werden zur Züchtung von
Typhnserregem aus dem Blutkuchen.
3. Loelo, Leipzig: Heber die Anwendung von Formalin
bei dem Uhlenhuth'sehen Verfahren.
Das biologische Verfahren zur Unterscheidung von Eiweiss-
Stoffen und Blut mit Hilfe der Präzipitine ist dnrch die Unter¬
suchungen von Uhlenhuth, Wassermann, Schütze u. a, in
den letzten Jahren ausserordentlich vervollkommnet worden. Dem¬
jenigen, der auf diesem Gebiete arbeitet, stellen sich zwei Schwierig¬
keiten in den Weg. Die eine ist in der Notwendigkeit begründet,
absolut keimfreies Material zur Injektion der Versuchstiere zu
verwenden, was bei den jetzigen Methoden immer mit einigen
Umständen verbunden ist, die zweite Schwierigkeit ergibt sich
aus dem schnellen Verderben der Blut- und Fleichauszüge, die
bei den bisherigen Verfahren mit physiologischer Kochsalzlösung
bergestelit werden. L. hat versucht, die beiden Schwierigkeiten
durch Anwendung von Formalin zu beseitigen.
4. Köster, Leipzig: Zur Kasuistik der Polyzythämie, zu¬
gleich ein Beitrag zur Aetiologie der Migräne ophthalmique.
Zunächst die Krankengeschichte.
5. Martin, Frankfurt a. M.: Ein Pall von Kaiserschnitt
bei Adhäsionsileus.
Die auf Adhäsionsileus und Peritonitis gestellte Diagnose
wurde durch die Operation (Professor Rehu) bestätigt.
6 . Bier, Bonn: Zur Qesohichte der Bftokenmarksanästhesie.
B. nimmt die Erhndnng und Einführung der Rückenmarks¬
anästhesie in vollem Umfange für sich in Anspruch, räumt aller¬
dings Quincke das weit grössere Verdienst ein. „Nicht nur
bin ich durch seine Lumbalpunktion auf die Idee des Verfahrens
gekommen, sondern dies ist überhaupt erst dorrh die Lumbal¬
punktion möglich geworden. Das blinde Einspritzen von Kokain
mit einer mit langer feiner Kanäle versehenen Pravazspritze, wie
es Corning in seinen >^enigen Versuchen übte, konnte nicht
zum Ziele führen, selbst wenn man nach Comings Vorschriften
die Entfernung von der Hautoberfläche bis zum Rückenmark
durch 'Messungen zu bestimmen sucht. Wir wissen jetzt durch
unsere sehr reiche Erfahrung, dass nur das Austropfen von Liquor
cerebrospinalis beweist, dass man sich im Lnmbaisack befindet,
und dass es ein grober technischer Fehler ist, ohne diese Erschein¬
ung überhaupt einzuspritzeu.“
7. Fink, Karlsbad: Liegehallen für Qallensteinkranke.
Galleasteinkranke, die nach schwachen, insbesondere aber
nach starken Ättaken kürzere oder längere Zeit an das Bett und
Zimmer gebunden sind; deren Nahrungsaufnahme herabgesetzt ist,
die sich matt und schwach fühlen, deren Psyche sehr gedrückt
ist, bedürfen nach dem Kurgebranch am Morgen, nach der Appli¬
kation des Moorumschlages, sei es in der Wohnung, sei es in
den gesperrten Räumen für Moorumschläge, in den schönen
Sommemachmittagen der Ruhe und Sonne, der erfrischenden und
belebenden Luft des Waldes. Es sollten daher mehrere solche
Liegehallen an verschiedenen, der Stadt nahe gelegenen, leicht
erreichbaren Punkten, mitten im Walde, an sonnigen, vom Ver¬
kehr abseits gelegenen Plätzen errichtet werden.
8 . Gebele, München: Jahresbericht des Ambulatoriums der
ohirurgisohen Klinik München.
9. Arneth: Einige weitere Bemerkungen zur Edntgeube-
Strahlung der Leukämie im Anschlüsse an die Arbeit von C.
Klieneberger und H. Zoepprik in Nr. 18 und 19 dieser
Wochenschrift.
!
10. Rosenstern, München: Untersuchungen über den
Stoffwechsel bei Leukämie während der Bön^enbehandlung.
Die Wirkung der Röntgenstrahlen kann auch bisweilen das
gewünschte Maß überschreiteo. Es erscheint deswegen bei der
Anwendung der X-Strahlen, besonders bei der wiederholten, in
der Behandlung der Leukämie dringende Vorsicht geboten: Neben
einer ständigen Kontrolle der Leukocythenzahlen wird man vor
allem die Erythroz 3 rtenwerte und den Hämoglobingehalt verfolgen
müssen und in ihrem Verhalten, sowie dem Allgemeinbefinden des
Kranken, das sicherste Mittel zur Entscheidung der Frage sehen,
wann man die Bestrahlong aassetzen soll. Auch die Harnsäure-
zahlen scheinen für diese Frage von Bedeutung zu sein: Wenn
sie trotz der allmählich zur Norm abfallenden Ijeukocyten keine
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304
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 28.
Tendenz zum Sinken zeigen, so wird man dies Zeichen eines all¬
zu reichlichen Zerfalls als eine Mahnnng zur Vorsicht anffassen
müssen.
11. V. Ranke, München: Die Entwicklung der k. ünivoT-
sitäts-Kinderklinik und des Er. ▼. Hanner’sohen Kindenpitals
in Httnoken in der Periode vom 24. November 1887 bis Früh-
jakr 1906.
12. Vnlpins, Heidelberg: Von der Aerstefahrt zom Lissa*
boner Kongress.
13. Ostwalt, Paris; Büokbliok auf den XIII. Intematio«
nalen medicinisoben Kongress.
14. Stölzel, München: SohiffsärztUche Verträge mit
Bbedereien.
Nr. 23.
1. Hahn, München: TTeber Cholera» nnd Tjphnsendotozine.
E.S soll durch eine solche Betrachtungsweise durchaus nicht
etwa die Existenzmöglichkeit eines spezifischen löslichen Cholera¬
giftes negiert werden. Und ebenso wenig soll die Mitwirkung
von Stoffwechselprodukten überhaupt, so auch der Nitrite, für
den Choleraprozess vollkommen geleugnet werden. Es sollte nur
gezeigt werden, dass trotzdem das Experiment die toxische Wirkung
der Bakterieninhaltssubstanz als eine nicht spezifische kennzeichnet,
damit doch ihre Bedeutung für den Krankheitsprozess durchaus
nicht von der Hand zu weisen ist, sondern dass im Gegenteil es
recht wahrscheinlich ist, dass ihnen eine wesentliche Rolle zu¬
kommt.
2. Wolff-Eisner, Berlin: Eie Biersche Staanngshyper»
ämie vom Standpunkt der Endotozinlehre.
Wie Lexer auseinandersetzt, werden schwere Fälle durch
die Biersche Stauungshyperämie ungünstig beeinflusst, dadurch,
dass zwar eine Bakteriolyse eintritt, dass diese aber nicht zur
Vernichtung der Bakterien führt, sondern dass neben der ßakterien-
auflösung eine Bakterienvermehrung einhergeht. Es sind die
bakteriolytischen Fähigkeiten des Normalserums nur begrenzte
und können durch Anstauung des Serums auch nur begrenzt ver¬
mehrt werden. Man kann aber in Fällen, in denen durch bakte¬
riologische Untersuchungen die Bakterien festgestellt worden sind,
welche die betr. Erkrankung veranlassen, durch Injektionen des
betr. bakteriolytischen Immunserums die bakteriolytischen Kräfte
des infizierten Organismus ausserordentlich erhöhen. So kann man
die Stauungsbehandlung voraussichtlich zu einer Methode gestalten,
die auch bei schweren Fällen zu günstigeren Resultaten führt, da
ja auf diese Weise das Moment in Wegfall gebracht wird, das
die ungünstigen Resultate verursacht. „Der Bakteriologie, der
Iromumtätslehre and Serumforschung wird also in der Biersohen
Stauung ein neues Gebiet erschlossen: Schon immer habe ich die
Anschauung vertreten, dass der Endotoxinlebre eine ausserordent¬
liche klinische Bedeutung zukomme; es mehren sich jetzt täglich
die Anzeichen, dass die Kliniker die Bedeutung dieser von R.
Pfeiffer geschaffenen Lehre einzusehen beginnen.“
3. Theilhaber: Ein Vezfahren zur Verminderong der In»
fektionsmögUchkeit bei Operationen in der Banohhöhle. Vor¬
läufige Mitteilung.
Bakterien, die in die Peritonealhöhle während der Operation
deponiert wurden, werden am leichtesten bei der Ligierung des
Stiels in denselben hineingebracht, oder der Faden, oder die Hände
des Operateurs selbst bringen Bakterien in die Stichwunde, also
ist nochmalige gründliche Desinfektion der Hände und ein neues
Instrumentarium vor der Stielunterbindung nötig.
4. Schilling, Nürnberg: Ueber Blutdruckmessungen.
Bei der Benutzung der 12 cm Riva-Roccischen Binde fand
Sch., richtige Versuohsanordnung vorausgesetzt, den Blutdruck des
normalen erwachsenen Mannes in den engen Grenzen von 110 bis
125 mm schwanken; das Mittel von 100 Fällen ergab den Druck
von 118,1 mm.
5. Rührig, Reinhard, Wildungen; Zur Behandlung der
Prostatahypertrophie.
Nach R.3 Erfahrung gibt es mit Bottinioperation durchweg
negative Erfolge nur bei Prostatahypertrophie gei-ingen Grades,
also bei Fällen, die für keine Prostataoperation geeignet sind.
Erfolge aber, die darin bestehen, dass die qualvollen Beschwerden
der Patienten, als da sind: Harnverhaltung, Tenesmns, erschwerter
Katheteriamus etc. völlig und dauernd schwinden, erzielt un¬
zweifelhaft die Bottmische Operation bei vorgeschrittenen Stadien
der Prostatahypertrophie. Alle Operationen führte R. mit dem
Original-Bottibrenner aus.
6. Lev Inger, München: Sehwaagenchaft und Kehlkopf¬
tuberkulose.
Feste Regeln, nach denen sich der Arzt mit seiner Ent¬
scheidung im Einzelfall zn richten hätte, werden sich niemals geben
lassen.
7. König, Altona a. d. E.: Bleibende Efiokenmarkslähmung
nach Lumbal-Anästhesie.
K. betont die Vorsicht, nie bei der entferntesten Möglichkeit
eine" Rückenmarksläsion Lumbalanästhesie anzuwenden. Vor
allen Dingen müssen wir aber den von Dönitz schon ans etwa
anderer Motivierung aufgestellten Grundsatz zur obersten Regel
machen, nur daun das Anästheticum zu injizieren, wenn klarer
Liquor sprudelnd hervorkommt Ohne das soll man lieber ver¬
zichten.
8 . Roeder, Berlin; Zwei Fälle von linksseitiger Abduzens¬
lähmung nach Süokenmarksanästhesie.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine toxische Wirkung des
Stovaios. Die Augenlähmungeu gingen bald wieder vorüber.
10. Heller, Salzburg; Ueber eine unaufgeklärte fieberhafte
Erkrankung mit den höchsten bisher gemessenen Temperaturen.
In der ganzen Literatur fand H. ausser einer Messung von
Wunderlich, der einmal ante mortem 44^ C ma£, keinen Fall
mit derartig hohen Temperaturen. Das besonders Merkwürdige an
diesem unaufgeklärten Falle bestand in dem absoluten Fehlen aller
Erscheinungen, die sonst Hoebfiebernde zeigen. Das Sensorium
war stets frei, die Zunge nie belegt und stets fencht, die Hers¬
tätigkeit verhältnismäßig ruhig und doch war die Temperatur 6
Tage lang in einer Höhe zwischen 44 und 45".
11. Frank, Flensburg: Ueber deu Abriss der Streokenapo-
neurose der Finger. Bemerkungen zu dem Aufsätze des Herrn
Dr. Selberg. ^Münch. med. Wochenschr. Nr. 14.)
Eine langsame Entstehung der Flexionsstellung des Endgliedes
nach einer Fissur des Knochens, die durch den starken Gegenzag
langsam aaseinandergezerrt wurde.
12. Köster, Leipzig; Zur B^uistik der Polyzythämie, zu¬
gleich ein Beitrag zur Aetiologie der Migraine ophthalmiqne.
Der Befund Kikuchis war für K. die Anregung, durch syste¬
matische Blutuntersucbungen bei Bronchietaktikem festzustellen, ob
hier ein zufälliges Zusammentreffen Vorgelegen hat, oder ob tat¬
sächlich mit Kikuchis Beobachtang eine neue Aetiologie der
Polyzythämie gefunden worden ist. Bisher geht aus den ver¬
schiedenen Befunden nur soviel hervor, dass die Aetiologie des
polyzythämischen Symptombildes nicht einheitlich sein kann, und
dass die Befunde selbst uns über das Wesen der eigenartigen
Bliitverändenmg bis heute nicht aufklären. Das einzige sicher
Feststehende ist bis jetzt nur die Erkrankung blutbildender Organe.
Worauf diese aber beruht, ob sie primär oder sekundär ist, wissen
wir nicht.
13. Vulpius, Heidelberg: Von der Aerztefahrt zum Lissa-
boner Kongress.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 23.
1. Pineies, Wien: Tetaniestar — Zuckerstar — Altersstar.
Der Tetaniestar verdankt seine Entstehung dem snpponierten
Tetaniegifte, das infolge Ausfalles einer Blntdriise — des Epithel¬
körperchens — seine schädliche Wirkung im Organismus entfaltet.
Enge schliesst sich ihm die zweite Form eines konstitutionellen Stars
an — der Star bei Diabetes, welche Krankheit ebenfalls innigen
Zusammenhang mit BlutclrUsen (Pankre^, Schilddrüse, Nebenniere)
zeigt. Das Alter hat auch mancherlei Beziehung zu Blutdrüsen
und tendiert in hohem Grade zur Starbildung. Es erscheint des¬
halb vom lieuristischen Standpunkte gerechtfertigt, bei Untersuch¬
ungen über den Altersstar auch diese Beziehungen zu den Blut¬
drüsen zu berücksichtigen.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
305
2. Reioher, Wien: Zur Kenntnis der Salomon’schen Kar-
zinomprobe.
R. kann nach Untersuchungen unter Ad. Schmidt bei 23
FäUen, welche im wesentlichen den Zweck hatten, die chemischen
Grundlagen der Salomen'sehen Probe klarzustellen, den Schluss¬
folgerungen Salomo ns hinsichtlich der diagnostischen Verwert¬
barkeit der Probe im grossen und ganzen sich anschliessen, möchte
aber auf einige Fehlerquellen aufmerksam machen. Die Patienten
dürfen in der Zeit zwischen den zwei Spülungen nicht nur nichts
essen, sondern auch keinen Speichel schlucken. Beim Spülen ist
mit Hilfe einer vorgehaltenen Schale darauf zu achten, dass der
durch das Sondieren übermäßig gebildete Schleim nicht in das
Spülwasser gelangt. Eine Spülflüssigkeit mit sichtbarem Schleim¬
gehalt, von welcher Quelle immer, mit wahrnehmbaren Speiseresten
oder mit deutlich gelbem Farbenton (Gallenmuzin) ist für die
Salomon’sche Probe absolut ungeeignet. Die Salomonische
Probe ist bei Befolgung der angeführten Vorsichtsmaßregeln und
im Zusammenhang mit anderen Rrankheitssymptomen ein wert¬
volles diagnostisches Hilfsmittel bei „exulzerierten^* Magenkarzinom,
sei dasselbe nun in vorher gesunder Magenschleimhaut oder auf
dem Boden eines Ulcus ventriculi entstanden. Die Probe fällt da¬
gegen negativ aus bei „nichtexulzeriertem^ Magenkarzinom — ist
daher für die Frühdiagnose desselben nicht geeignet — und eben¬
so bei der diffus infiltrierten, szirrhösen Foim des Magenkrebses.
Chronisches Ulcus ventriculi gibt leichte oder deutliche Trübung
ohne Niederschlag, niemals flockige Niederschläge mit Esbach-
Bchem Reagens. Bei akutem oder chronischem Magenkatarrh kann
gelegentlich eine Trübung mit Esbach’schem Reagens auftreten,
die dann von Schleim oder Nukleproteidon herrührt. Bleibt ein
Niederschlag aus, so ist ein ulzerativer Prozess im Magen durch¬
aus unwahrscheinlich (Salomon), bei positivem Ausfall der Probe
muss aber ein solcher nicht unbedingt vorhanden sein.
3. Feldmann, Budapest: Beiträge zu den durch Bac. fusi-
formis und Spirillnm dentium hervorgemfenen Infektionen mit
besonderer Berücksichtigung der Eiterungen.
Es ist sicher, daas die Spirillen und fusiforme Bazillen auch
in die Blutbahu eindringen können. Der Bazillus iusiformis und
das Spirillum dentium kommt nicht nur bei eigenartigen Gangränen,
sondern auch bei den sich an diese anschliessenden Eiterungen und
Abszessen häufig in riesigen Mengen vor.
4. Exner, Wien: Zur Behandlung der flachen Teleangie¬
ktasien mit Badinm.
Die Resultate der Behandlung waren in allen diesen Fällen
zufriedenstellend. Der Zustand liess sich soweit bessern, dass
früher scharlachrote Feuermäler nach der Bestrahlung bei hellem
Tageslicht nicht mehr auffielen und bei leichter Puderung nicht
zu sehen waren, das heisst nach Abschluss der Behandlung ist die
bestrahlte Haut stellenweise leicht atrophisch, jedoch ohne Narben,
stellenweise sieht man noch übrig gebliebene GeiUssverzweigungen
wegen ungenügender Bestrahlung.
5. V. Eisler, Wien: Zur Kenntnis eiweissartiger nnd U-
poider Antihämolysine im Semm.
6 . Delavilla, Wien: Klinische Erfahrungen über Laote.
Lacto ist ein teigartiges Produkt von hellbrauner Farbe, welches
leicht nach geröstetem Brot riecht und, in Wasser gelöst, etwa
den Geschmack einer Fleischbrühe besitzt. Es ist leicht löslich
in warmem Wasser und vollkommen keimfrei, weshalb es unbe¬
grenzt haltbar ist. Es wird nur aus Milch hergestellt u. zw. aus
dem Kasein und dem Serum entfetteter Milch. In den 20 Fällen
bei denen D. Gelegenheit hatte, Lacto zu verabreichen, wurde es
entweder in Lösung, in warmem Wasser oder in Fleischbrühe auf¬
gelöst, verabreicht oder vermischt mit grünem Gemüse etc.: die
tägliche Dosis betrug etwa zwei bis drei Kaffeelöffel des Prä¬
parates, was etwa an Menge 7—15 g entspricht. Es wurde in¬
folge seines angenehmen Geschmackes stets gern genommen und
erzeugte keine Obstipation und keine Verdauungsbeschwerden. Be¬
sonders zu bemerken ist die appetitanregende Wirkung des Lacto,
die von den Patienten in allen Fällen rühmend hervorgehoben wird.
Die praktischen Resultate der Anwendung des Lacto waren im
ganzen sehr günstig, und zwar was die Wirkung des Lacto auf
den Ernährungszustand der Patienten anbelangt, ln Bezug auf die
objektiven Symptome bei primärer und sekundärer Anämie, bei
Herzleiden und Nephritis; auch bei Verwendung des Lacto in
Form von Näbrklysmen gab es keinerlei lokale Reizerschoinungen.
7. Meller, Wien: üeber Bekto-Bomanoskopie. Antwort
auf die Bemerkongen des Herrn Br. Arthur Eoges za dem
gleichlautenden Vortrage.
M. muss bei seiner Ansicht bestehen bleiben, dass die Patien¬
ten bei auch noch so vorsichtig vorgenommener Insufflation häufig
über mehr oder weniger heftige, nicht genau lokalisierbare Bauch¬
schmerzen klagen.
No. 24.
1. Wiesel, Wien: TTeber Erkrankung der Koronararterien
im Verlaufe akuter Infektionskrankheiten.
Die Erkrankung der Arterien im Verlaufe akuter Infektionen
stellt einen wichtigen Faktor in der Pathologie dieser Krankheiten
dar. Wichtig wegen ihrer ungeheueren Häufigkeit und der Dignität
der befallenen Gewebe, aber wohl ebenso wichtig wegen der bleiben¬
den Veränderungen, die aus ihnen hervorgehen können. Die Ge¬
fäßerkrankung im Verlaufe akuter Infektionen ist sicher eine Haupt-
ursaohe der praktisch so hervorragend wichtigen Prozesse, die unter
dem Namen der Arteriosklerose zosammeiigefaast werden. Von
diesem Gesichtspunkte aus hält W. die akuten Infektionskrank¬
heiten für eine wichtige Ursache später Koronarsklerosen. Aber
diese Form wäre als ursprüngliche Mesarteriitis ebenfalls von der
primären Endarteriitis — falls es eine solche überhaupt gibt —
wenigstens anatomisch scharf zu sondern.
2. Wiesner, Wien: üeber Veränderungen der Koronarge-
fttsse bei Infektionskrankheiten.
W. sah bei den verschiedensten akuten oder chronischen infek¬
tiösen Erkrankungen (ebenso bei Eklampsie) in den Koronargefössen
Veränderungen sich ausbilden, die eine bald grössere, bald geringere
Aehnlichkeit mit den von Wiesel bei Scharlach und Diphtherie
geschilderten Gefässerkrankungen besitzen.
3. Scherber, Wien: Durch Syphilisimpfnng erzeugte Kera¬
titis parenchymatosa beim Kaninchen.
Um die Befunde von Siegel und Schulze nachzuprüfen,
unternahm es Sch. Ende des vorigen Jahres, Kaninchen durch Ein¬
bringung syphilitischer Produkte in die vordere Augenkammer
zu infizieren. Es entwickelte sich ungefähr um die sechste Woche
nach der Impfung, meist ohne besondere entzündliche Reaktion der
Iris, eine Keratitis, die in den zentralen Partien der Kornea mit
rauchiger Trübung und Rauhigkeit der bis dahin anscheinend ge¬
sunden Kornea begann.
4. Lothernsen, Wien: üeber prophylaktische Ii^ektionen
von Testanusantitoxin.
Behring hat seinerzeit erklärt, dass zur Verhütung des Tetanus
die prophylaktische Injektion von 20 A. — E. ausreiche. Dieses
Maß kann aber nur dann genügen, wenn die Einspritzung sofort
nach der Verletzung gemacht wird. Dazu hat man aber nicht
immer die Gelegenheit, oft gewinnt auch eine Wunde erst nach
einiger Zeit (Stunden, ja Tage) ein Aussehen, dass sie einer Tetanvis-
infektion verdächtig wird. Die zur Heilung nötigen Mengen wachsen
aber in geometrischer Progression; die Möglichkeit, durch erhöhte
Mengen überhaupt noch zu heilen, ist nur dadurch zu erklären,
dass infolge Massenwirkung die Antitoxinavidität erhöht wird. End¬
lich kommt aber eine Grenze, bei der das Antitoxin unwirksam
bleibt. Da man nun niemals die Menge des bei der Verletzung
eingeführten, resp. dadurch sich bildenden Giftes kennt, man also
den absolut richtigen Zeitpunkt für die prophylaktische Injektion
nicht bestimmen kann, zieht L. es vor, in allen Fällen 100 A. E.
zu injizieren. Da das Serum allmählich wieder ausgeschieden wird,
nimmt auch der Gehalt des Blutes an Antitoxin langsam wieder
ab. Kommt es zu Eiterung oder gar zu hohem Fieber, so ver¬
mindert sich die Schutzzeit (bestenfalls 2^/2 bis 3 Wochen) noch
bedeutend. Hier muss man also bald die Injektion wiederholen.
Bei bestehender Eiterung, besonders bei Fieber, gibt L. nach einer
Woche nochmals eine Injektion von 100 A. — E. Das Tetanusserum
zeigt zwar ähnliche Störungen wie das Diphtherieserum, doch sind
sie wesentlich geringer, da ja beim letzteren Gelenkscbwellungen
und Albuminurie nicht gar so selten sind. Auf alle Fälle sind die
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306
MEDIGLNISCIIE WOCHE.
Kr. 28.
Störungen nicht ao gross, dass deshalb eine prophylaktische In¬
jektion unterlassen dürfte, wo halbwegs die Indikation dafür ge¬
geben ist.
5. Friedjung, Wien: Das chronische .^diepathisohe“ Oe-
nitalödem junger Säuglinge.
In der Literatur konnte P. nur eine Stelle finden, an der des
klinischen Bildes von Zappert Erwähnung getan wird. Alle
diese (iründe bestimmten P,, einen Fall dieser Art in der Gesell¬
schaft für innere Medicin und Kinderheilkunde zu demonstrieren^
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 23.
1. Milchner, Wolff. Berlin: Bemerkungen zur Frage der
Leukotoxinbildung durch Böntgenstrahlen.
Nach den Beobachtungen von Linser und Helber sollen
die Röntgenstrahlen eine elektive Zerstörung der Leukocyten im
kreisenden Blute bewirken und aus diesen zerfallenden Leukocyten
soll sich ein spezifisches Leukotoxin bilden. Äehnliche Beobach¬
tangen haben Cursohmann und Gaupp bekannt gegeben. Von
diesen Angaben abweichende Resultate haben Keienberger und
Zöppritz erhalten. Um über diesen Widerspruch Klarheit zu
schaffen haben die Verff. ähnliche Untersuchungen unternommen.
Diese ergaben, dass allerdings die Leukocyten des kreisendes Blutes
durch Röntgenstrahlen elektiv zerstört werden. Ob es aber zur
Bildung eines Leukotoxins kommt, Hess sich bisher mit Sicherheit
nicht erweisen.
2. Holländer, Berlin: Zur Behandluag der Schleimhaut-
tuberkulöse.
Die 10jährigen Beobachtungen des Verf. haben ergeben, dass
die aszendierende Tuberkulose der Schleimhaut des Mundes und
der Nase viel häufiger vorkommt, sowohl in Verbindnng mit Lupus
als auch ohne diesen, wie man bisher dachte. Im Gegensatz zu
der deszendierenden Form, bei welcher der Zustand der erkrank¬
ten Lunge das Krankheitsbild beherrscht, ist die Lebensprognose
auch bei der vollentwickelten Form nicht ungünstig. Die aszen¬
dierende Form zeigt nach der Entfernung des primären Her¬
des entschiedene Neigung zur Ausheilung. Auch etwa entstandene
Lungenkomplikationen zeigen beningen Verlauf. Zur Heilung em¬
pfiehlt Verf. die von ihm inaugurierte kontaktlose Kauterisation.
3. Meyer, Berlin. Zur nasalen Behandlung der Epiphora.
Die Epiphora kann zwei Ursachen haben, welche mit der Nase
in Zusammenhang stehen. Elntweder ein von der Nasenschleimhaut
ausgehender reflektorischer Reiz oder ein mechanisches Hindernis,
welches den normalen Abfluss der Tränen erschwert oder unmög¬
lich macht. Verf. hat nun die Beobachtung gemacht, dass eine
besondere Form der unteren Nasenmuschel auch an der Epiphora
Schuld sein kann. Diese anormale Form besteht darin, dass die
Muschel nicht nach innen konvex sondern konkav gekrümmt der
parietalen Nasenhöhlenwand dicht anliegt. Die geringste Schwel¬
lung der Schleimhaut verschliesst dann die Oeffnung des Tränen¬
kanals. Verf. hält nun die hier und da vorgenommene Resektion
der unteren Muschel nicht für angezeigt, dagegen hat sich ihm
die Abknickung an der Ansatzstelle sehr gut bewährt. Die Muschel
wird mit einer Heymannschen Zange dicht an der Ansatzstelle ge¬
fasst und nach dem Lumen der Nasenhöhle zu abgeknickt. Da
eine Infraktur stattfindet, behält die Muschel die neue Stellung bei.
Die Blutung ist gering, ebenso die Schmerzen
F. Schaudinn f.
Ara 22. Juni starb nach kurzem aber schwerem Krankenlager
als Opfer seines Forscliungsdranges an einer septischen Infektion
Dr. F. Schaudinn, der Leiter der Abteilung für Protistenforsch¬
ung am Tropenhygienischen Institut zu Hamburg. Ein tragisches
Geschick hat den jungen Gelehrten zu einer Zeit abberufen wo
seine bedeutsamste Arbeit zu der Anerkennung führen sollte,
welche ihm im Beginnen, wie so Vielen versagt war. Die Ent¬
deckung der Spirochaete pallida als Erreger der Syphilis .stiess
zu Beginn zumal in Deutschland auf den heftigsten Widerstand,
ein Widerstand, welcher auch heute noch nicht allseitig anfge-
geben worden ist. Wenige Jahre werden genügen um auch die
letzten Zweifler zu überzeugen. Es war Schaudinn nicht ver¬
gönnt dies zu erleben. Er selbst ein bescheidener echter Ge¬
lehrter hat von Anfang an an seine Entdeckung geglaubt. Er
war Zoologe und ein Beobachter und Mikroskopiker wie selten.
Sein Name kann and wird nie vergessen werden, denn seinem
Forschertalent war es vergönnt, der grausamen Feindin des
Menschengeschlechtes den Schleier fortzureissen mit welchem sie
sich Jahrhunderte lang der med. Wissenschaft in ihrem wahren
Wesen verbarg.
Vermischtes.
Borlin. Vom 11. bis 16. September wird hier ein interna¬
tionaler Kongress für Versicherungsmedicin unter dem Ehren¬
präsidium Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Dr. Studt und
unter der Leitung des Herrn Geh. Med.-Rats Prof. Dr. Kraus
sowie der Herren Professoren Dr. Florsohütz und Dr. Unver-
rioht tagen. Aus dem Gebiete der Lebensversicherung werden
als Hauptgegenstände die Lungentuberkulose, Syphilis und Fett¬
leibigkeit zur Verhandlung kommen. Die Unfallversicherung wird
zum ersten Male auf diesen Kongressen in einer Reihe von Vor¬
trägen behandelt werden, namentlich die Verschlimmemng der
inneren Krankheiten durch Unfälle mit besonderer Berücksichtig¬
ung der funktionellen Neurosen und der organisc'hen Gi^hirn- und
Rückenmarks- wie der Geisteskrankheiten. Der Beitrag für Teil¬
nahme an dem wissenschaftlichen Teil des Kongresses einschliess¬
lich der Eongressberichte beträgt 16. M. Der Beitrag für gleich¬
zeitige Teilnahme an den zahlreichen Festlichkeiten 40 M. Für
letztere Teilnehmer wird eine Melduug nnr bis zum 16. Juli an¬
genommen werden können. 'Der Generalsekretär des Kongresses
Herr Dr. Manes, Spichernstr. 22, erteilt nähere Auskunft.
Augsbury. Die diesjährige Jahresversammlung des Deutschen
Vereins für OffentKche 'Gesundheitspflege wird in den Tagen vom
12. bis 16. September hier stattfinden, nnmittelbar vor der am
16. September beginnenden Versammlung Deutscher Naturforscher
und Aerzte in Stuttgart. Folgende Verhandlongsgegenstände situl
in Anssicht genommen: 1. Die Bek^pfong der Tollwut; 2. Die
Milchversorgung der Städte mit besonderer Berücksichtigung der
Säuglingsemähnmg; 3. Walderholungstätten und Genesungsheime;
4. Die Bekämpfung des Staubes im Hanse nnd auf der Strasse;
6 . Welche Mindestforderungen sind an die Beschaffenheit der
Wohnungen, insbesondere der Kleinwohnungen zn stellen.
Patentnachrichten.
Gebrauchsmuster.
263845. ScbeidonspQlor mit drehbarem Konus für eleicbzei^e oder
getrennte Anwendung eines kleinen Zu- und grossen Abflusses. Ermann
Rauch, Cassel.
263 848. Scheidenspiller, verbanden mit Scbeidentamponspekulum,
welcher gloicbzoitig als Spritze verwendbar ist. Adalbert Sebiepekamp,
Essen a. Ruhr.
264741. Mit Homschläuchen versehener Scball&nger mit nach vom
Torspringendew Rand. Evens & Pistor, Cassel. 21. 8. 05. E. 8336.
264279. Künstlicher Kiefer. Wilhelm Meyerholz, Hannover.
264359. Pinzette,'gekennzeichnet durch einen Hebel, welcher die
beiden Greifspitzen zusammondrUckt. August Herrmann, Remelfingen b.
SaargemUnd.
264608. Speigefäss mit Kapselframpe. Faul Wiederhold, Berlin.
266616. Instrnmentenkotfer für Zahnärzte, mit Fächereinteitnng und
Wandböblungen für Flaschen sowie Halteklemmen für Werkzeuge. Heinrich
Schmitt, SaargemUnd.
264739. Gewachste Zabnseidti in Reagenzgläschen mit Gipsverschloss.
Fa. L. A. Decker, Hannover-Kleefeld.
264 346. Zusammenlegbarer, in einem Gehäuse unterzubringender Hör¬
apparat für Schwerhörige, bestehend aus Telephon, Mikrophon mit An-
bängcbiigel und einer Batterie. W. Knobloch, Pankow b. Berlin.
264 353. Zusammenklappbare Hörvorriebtung, bestehend aus einem
Handgriff mit nach Art einer Tasebenmesserklinge Terstellbaren Schienen.
Eugen Pahl, Aalen, Württ.
264 554. Uonatsverband mit quer eingelegten Bandfedem. Fa. A. G.
Ludwig Schmidt, Hamburg.
Versnlwortlieher Redakteur: Dr. P. Meitioer, BerlinW. SS, Kurfürttenitr. 81. — Verlag vod Carl Marhold, Halle a. S.
Drock von der Heynemana'ichea Baehdrsekerei, Gebr- Wolff, Hall« a.S.
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Medicinische Woche
Deatschmann,
Hamburg.
A. Dfihrueo, A. Hoffa, E. Jacobl,
Berlin. Berlin. Prelburg 1. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Olessen.
r
i
Verlag und Expedition |
Carl Marhold in Halle a* S», Uhlandstrasse 6.
Tel.'Adr.: Matilold Veriag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Vn. Jahrgang.
Herausgegeben von
16. Juli 1906.
R. Kobert. M. Koeppen, K. PariKh« H. Roiin, H. Schlange»
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Haattover.
H. UaTerrlcht. A. VoMias,
Magdeburg. Glessen.
Redaktion:
Berlin W. 62t Knrffiratenstraase 81*
Dr. P. Meißner.
K
Nr. 29:
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneologiSChC Cefltralzeltung, Organ des Allgemeinen Deutschen
BBderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jlbrllch 10 M.. einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in H all e a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei grOBeren Aufträgen wird Rabatt gewShrt.
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet
Originalien.
Die Behandlung Augenkranker
durch den praktischen Stadt- und Landarzt.
Von Dr. Gastav Preytag (München).
Es muss leider zugegeben werden, dass für nicht wenige
praktisdie Aerzte das Auge — um ein etwas külmes Bild zu
gebrauchen — die Achillesferse ihrer Kenntnisse bildet, ein
Umstand, der ihnen jedoch nur zum Teil zur Last gelegt
werden kann. In der Tat gibt es kein zweites Organ von so
S rossep--Kompliziertheit und Empfindlichkeit wie das Auge.,
lur zu begreiflich, dass sein Studium von denen, die sich doch
nicht eingehend damit befassen können, lieber gemieden
wird als es in allen Fällen wünschenswert ist.
Später in der Praxis stellt sich dann oft ein Mangel heraus;
zu dessen Verminderung wenigstens ein Geringes mit beizu¬
tragen, war der Wunsch, der den Verf. leitete. Dem Augen¬
arzt freilich wird nichts neues gesagt werden können. Es smlen
nach einander zwanglos die praktisch wichtigsten Kapitel
und auch aus diesen nur das Nötigste besprochen werden,
ohne das Theoretische mehr zu berühren als unbedingt er¬
forderlich erscheint. Eine hierdurch vielleicht zuweilen ver-
anlasste Ungleichheit der Darstellung möge daher entschuldigt
werden.
1. Fremdkörper der Biode- nnd Hornhaut.
„Durch nichts wird das Vertrauen des Patienten zum
Arzte mehr erschüttert, als wenn ein Fremdkörper übersehen
wird“, so sagt treffend Praun in seinem bekannten Buche:
Die Verletzungen des Auges. Man könnte noch hinzufiigen:
Für wenig ist der Patient im allgemeinen dankbarer als für
die durch rasche und geschickte Entfernung eines Fremdkörpers
gewährte plötzliche Erleichterung.
So bekannt jedem, der in der Lage war, das Material
einer grossem Augenpoliklinik zu verfolgen, der Patient mit
dem schon von andrer Seite erfolglos gesuchten oder „bearbei¬
teten“ Fremdkörper ist, so wenig soll liieraus denjenigen Laien,
die zu helfen versuchten, ein Vorwurf gemacht werden. Die
meist sehr erheblichen Beschwerden der Verletzten bringen
es mit sich, dass jeder sein Heil probiert; auch ist der Patient
in der Kegel von der Harmlosigkeit der Sache (oft allerdings
fälschlich) überzeugt und gern bereit, sich von dem Nächsten
helfen zu lassen, und es ist schon viel, wenn ein Arzt aufge¬
sucht wird. Tut dies ein Verletzter, so ist es gewöhnlich die
letzte Zuflucht und sie muss helfen, wenn nicht das sowieso
geringe Vertrauen des grossen Publikums zur ärztlichen Kunst
weiter leiden soll.
Im Folgenden wird nur von den oberfläclilicheren Fremd¬
körpern des Auges die Rede sein, die ja bei weitem die häufig¬
sten sind, während die perforierenden sowie die Kalkverletz¬
ungen, die eigene Kapitel erfordern, später einmal be¬
sprochen werden sollen.
Die allbekannten subjektiven Beschwerden brauchen
wohl nicht näher erörtert zu werden, nur sei auf die h änfig
bestehende Inkongruenz zwischen ihnen und ihrer Ursache
hingewiesen. Man darf aus starken Beschwerden nicht ohne
weiteres auf Grösse oder Sitz des Fremdkörpers Schlüsse
ziehen; die verschiedene Sensibilität spielt eine gewiss«- ■ Rolle,
nicht immer sind Frauen die empfindlichsten.
Man versäume nicht bei beruflichen Verletzungen
Tag und Stunde derselben zu notieren und ob bereits von
anderer Seite am Auge manipuliert wurde, da dies später
unter Umständen Bedeutung gewinnen kann.
Diagnose. Es handelt sich natürlieh im wesentlichen
darum, wo der Fremdkörper sitzt Wir unterscheiden bei den
oberflächlichen F. des Auges (von der Aussenseite der Lider
abgesehen) solche der Binde- und der Hornhaut
Bei der Bindehaut kommt wieder gesondert in Betracht
die des Augapfels, der Lider und der Uebergangsfalten.
Von der Bindehaut des Augapfels sehen wir bei geradeaus ge¬
richtetem Blick nur 2 dreieckige Zipfel nach aussen und innen
von der Hornhaut Wir können in den meisten Fällen mit
blossem Auge erkennen, ob ein Fremdkörper vorhanden ist,
namentlich w'enn er dunkle Farbe hat Gute Beleuchtung
ist jedoch auf jeden Fall erforderlich, weshalb man den
Patienten mit dem Gesicht gegen das Fenster setzt. Zur
Inspizierung des inneren Augenwinkels lässt man die Person
nacn aussen, zu der des äussern nach innen (nasal) blicken,
hierbei ist es nötig, die Haut etwas schläfenwärts anzuspannen.
Lässt man nun nach oben sehen und zieht gleichzeitig mit
dem Daumen das Unterlid ziemlich kräftig nach unten, so
überblickt man die untere Augapfelbindeliaut, die Uebergangs-
falte und die Bindehaut des untern Lides. Nicht so leicht ist
die Sache oben; lässt man nach unten sehen und zieht mit
dem Daumen das Oberlid in die Höhe, so erscheint zwar der
grösste Teil der obern Augapfelbindehaut, aber nicht die Ueber-
gangsfalte und die Konjunktiva des Oberlides. Gerade letztere
sind jedoch der Lieblingssitz von Fremdkörpern. Namentlich
in der auf der Bindehaut des Oberlides vorhandenen leichten
Furche, die ungefähr dem untern Rande des sog. Lidknorpels ent¬
spricht und ca. 2 mm vom Lidrande entfernt ist (sulc. subtarsalis),
setzen sich mit Vorliebe kleine Partikelchen fest Um sich
diesen locus typicus für Fremdkörper sowie die Uebergangs-
falte zur Anschauung zu bringen, ist ein kleiner Kunstgnff,
nämlich das UmstiiTpen des Oberlides erforderlich.
Dies sollte durchaus jeder Arzt lernen. Es wird folgender¬
maßen ausgeführt: Man lässt den Patienten stark nach abwärts
blicken, legt den nach unten gerichteten Daumen der linken
Hand von oben her so auf das Oberlid, dass seine Kuppe die
Strecke zwischen oberm Orbitalrand und Lidrand ungefähr
halbiert, zieht mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand
das Oberlid an den Wimpern zunächst etwas straff nach unten
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308
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 29.
und vorn und stülpt mm das Lid ziemlich rasch um den als
Hypomochlion dienenden Daumen nach oben um, wobei man mit
letzerm einen leichten Druck auf die Umknickungsstelle des
Lides ausübt. Man gehe zart vor, da Manche (besonders Neu¬
rastheniker) ^egen Berührung und Druck auf das Äuge sehr
empfindlich sind und nachdem der Ektropionierungsversuch
einmal missglückt ist, nicht zu einem zweiten zu h^en sind,
event. sogar unter Protest das Sprechzimmer verlassen.
Es empfiehlt sich deshalb, die ersten Versuche an Be¬
kannten oder andern sicher geduldigen Leuten vorzunebmen.
Ist das Lid umgestülpt, so pfiegt der Patient nach einigem
Kneifen (wobei man das Lid durch leichtes Andrücken in
seiner Stellung festhalten muss) in den meisten Fällen die In¬
spektion zu ertragen, besonders wenn man ihn durch forciertes
Abwärtsblicken, das zugleich das Zurückschnappen des Lides
verhindert, beschäftig.
Es liegt jetzt die Konjunktiva des Oberlids bloss, aber
die obere Uebergangsfalte, in deren Wülsten sich gerade häufig
Fremdkörper befin^n, ist noch nicht sichtbar. Um sie her¬
vortreten zu lassen, muss man das umgedrehte Lid unter leicht
massierenden Bewegungen nach und nach weiter gegen den
Orbitairand hinaufzuschieben suchen und dabei den Patienten
mit aller Energie nach unten sehen lassen. Es ist nicht zu
verhehlen, dass diese Manipulation etwas schwierig ist und
selbst dem Spezialisten bei sensiblen Personen wohl einmal
nicht recht glückt (das sog. doppelte Umstülpen des Lides ist
ziemlich brutal und wird b^esser vermieden). Im Notfall kann
man mit einem angefeuchteten Haarpinselchen zwischen Lid
und Bulbus eingehen und versuchen, den Fremdkörper durch
Streichen in den innern Augenwinkel zu bekommen; natürlich
darf der Pinsel nicht haaren. (Fortsetzung folgt.)
Sitzungsberichte.
Medie^ische Gesellschaft in Giessen»
8 . Sitzung am 20. Februar 1906.
Vorsitzender: Herr Poppert. Schriftführer Herr Kias kalt.
I. Herr Geppert. Blutfett und Blutseifen.
II, Herr Poppert gibt einen kritischen Ueberblick über
die Frage der chirurgischen Behandlung des chroni¬
schen callösen Magengeschwürs und stellt im Anscliluss
hieran 3 Fälle vor, die durch Resektion geheilt wurden.
Fall 1, 45jähr. Landwirt. Seit Vi Jahren Sclnnerzon in der
Magoogegend, die mit Sodbrennen, saurem Auftstossen und fast
täglichem Erbrechen verbunden waren, in der letzten Zeit bis zu
6 mal des Tags. Bei der Aufnahme zeigt sich der Patient hoch¬
gradig abgeraagert, Gewicht 50 kg, während er früher 80 kg
wog. Die Untersuchung des Magens ergibt motorische Insufflcieuz,
Verringerung der Salzsäure und Spuren von Milchsäure; mikro¬
skopisch zahlreiche rote Blutkörperchen nachweisbar. Bei der am
20. XI. 05 vorgenommeuen Operation findet sich kein Carcinom,
wie erwartet worden war, sondern ein vorgeschrittenes callöses
Geschwür an der kleinen Curvatur, das zum grösseren Teil an
der hinteren Wand sass, aber auch auf die Vorderwand über-
gegriffen hatte und mit dem Pancreas fest verwachsen war. Nach
Eröffnung des Magens erscheint ein fünfmarkstückgrosses Ulcus
mit scharfen, indurierten Rändern, das in das Pancreas einge¬
drungen war. Umschneidung des Ulcus und Abtragung des Ge-
schwürsgnmdes vom Pancreas. An der grossen Curvatur des
Magens bleibt nur ein schmaler Streifen gesunder Magenwand
stehen, die kleine Curvatur erscheint nach Resection des Geschwürs
sehr verkürzt, sodass die Vereinigung des gewaltigen Defektes,
besonders an der kleinen Curvatur, schwierig ist. Der Wund¬
verlauf war reizlos, doch wurde die völlige Genesung durch Nei¬
gung zu Durchfällen etwas verzögert. Der Kranke, welcher sich
heute wiederum hier verstellt, hat sich jetzt bedeutend gekräftigt,
an Gewicht zugenommen und klagt Uber keine Beschwerden mehr,
doch besteht noch eine geringe motorische Insnfficienz (Sanduhr¬
magen?).
Fall 2. 39jähriger Bahnarbeiter. Seit 13 Jahren magen¬
leidend, litt öfters an Magenkrämpfen, besonders links unter dem
Rippenbogen. Ausserdem Klagen über saures Aufstossen und häu¬
figes Erbrechen. Die Schmerzen waren 'stets bis Stunde
nach der Mahlzeit am heftigsten und traten als Magenkrämpfe
auf. Bei der Untersuchung besteht Druckempfindlichkeit in der
Mittellinie; ein Tumor ist nicht zu fühlen. Die Untersuchung
des Magens ergibt mäßige Stenosenersebeinungen mit Hyper-
secretion und Hyperacidität. Bei der Operation am 15. XII. 05
findet sich ein Tumor dicht vor dem Pyloros, von dem ausge¬
dehnte Verwachsungen nach der vorderen Bauchwand ziehen, die
gelöst werden. Auf der Hinterwand des Tumors ist jetzt eine
kraterförmige Vertiefung deutlich zu fühlen. Im Netz und Meso-
gastrium zahlreiche vergrösserte Drüsen. Typische Pyloruaresection
nach Billroth II, die infolge der derben Ädhaesion mit dem kleinen
Netz und dem Pancreas erschwert ist. Dauer der Operation 2V*
Stunden. — Glatter Heüungsverlauf, — Patient, der bereits seit
Feuilleton.
Zur Geschichte der deutschen Nordseehäder.
Von Dr. Erich Ebstein in Göttingen.
Wie alt sind unsere deutschen Nordseebäder? Im folgenden
wird sich heraussteilen, dass man sie erst verhältnismäßig kurze
Zeit kennt. In dieser Richtung sind die hlngländer bahnbrechend
vorangegangen*)
Norderney darf sich rühmen, das älteste deutsche Nord¬
seebad zu sein. Die ersten Einriebtungen zum kurgemäßen
Gebrauch der Seebäder datieren aus dem Jahre 1799 und ver¬
danken ihre Entstehung einem Arzte, dem Dr. F. W. v. Halem.
Dieser hatte bereits 1801 ein kleines Büchelchen über Norderney
herausgegeben, das aber bald vergriffen war. Anno 1815 er¬
schien von demselben eine ausführliche „Beschreibung der zum
Fürstentum Ostfriesland gehörigen Insel Norderney und ihrer
Seebadeanstalten“ mit dem Motto:
Orane quod excellens opus, egregiumque futurum
Difficiles ortus habet, incrementaque tarda.
Es ist ein Vergnügen, das kleine Werk von von Halem
durchzublättern; uns sollen hier nur einige Bemerkungen intor-
*) Vergl. S. Q. Vog-ol, Uebor den Nutzen und Gebrauch der
Seebäder, Stendal 1794, S. 6 tf. So besitzt Brighton seit 1769 Einrichtungen
zu kalten und warmen Seebädern.
essieren: den warmem Seebädern wird hier bereits das Wort
geredet; ich werde später zu zeigen versuchen, dass wir diese
Einrichtung auch den Engländern verdanken. In Norderney
war die Einrichtung solcher Bäder noch ziemlich unbequem.
Das Meerwasser wurde in Tonnen in das vom Strande ent¬
ferntere Badehaus geschleppt. An den Badezimmern selbst
lag die Küche, in der mittelst eines eingemauerten Kessels das
Seewasser erwärmt und durch an der Seite durchlaufende
Rinnen kälter oder wärmer nach den Bedürfnissen des Badenden
in die Wanne geleitet wurde. Ein solches warmes Bad kostete
12 Groschen. Gegen die kalten Wannenbäder spricht sich
Halem entschieden aus.
Für die im Freien Badenden spielt die Badekutsche eine
grosse Rolle, bei denen man die Englische Eleganz nicht er¬
warten dürfe. Auf dom dem Buche beigegebenen Kupfer sind
zwei Norderneyer Badekutschen abgebiidet Die eine, zum
Gebrauch der Frauenzimmer, wird von vier Insulanerinnen be¬
dient, und stellt die Maschine vor, in dem Augenblicke, da sie
in die See geschoben wird. Die Bedienenden sind in ihrem
See-Kostüme, so wie sie bei dom besten Wohlbefinden den
ganzen Tag bis an die Knie in Wasser waten. Der Fallschirm
ist völlig heruntergelassen.
In der anderen, deren Schirm nur halb heruntergelassen
ist, wird eine Mannsperson von zwei Matrosen herausgezogen.
Letztere sind ebenfalls in ihrem Kostüme. Man sieht es ihnen
an, dass sie das Werk schon öfters getan haben und als wenn
sie sagen: „Den haben wir Gottlob wieder heraus!“
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
809
3 Wochen aus der klinischen Behandlung entlassen ist, besitzt
jetzt ein gesundes, frisches Aussehen, verträgt alle Speisen und
hat bislang keinerlei Beschwerden. Die Magenverdauung normal.
Fall 3. 48 jähriger Mann. Fühlt sich seit 3 Jahren krank
und ist seit */4 Jahren bedeutend abgemagert, angeblidi 30 Pfund.
Nach dem Eissen Gefühl von Völle und Druck in der Magengegend.
Die Untersuchung ergibt eine geringe Insufficienz und mäßige
Verringerung der Salzsäure. Operation am 12. II. 06: An der
kleinen Curvatur, in der Mitte derselben, aber mehr nach der
Rückwand zu, ist eine harte Geschwulst von Wallnussgrösse zu
fühlen, in deren Umgebung zahlreiche vergrösserte Drüsen sichtbar
sind. Nach Ablösung der Geschwulst vom kleinen Netz zeigt
sich auf der Hinterwand derselben eine narbige Einziehung, auch
ist jetzt ein charakteristischer rundlicher Defekt in der Mitte der
verhärteten Partie zu tasten. Keilförmige ElxcLsion des Ulcus und
Vemähung der so entstandenen Lücke, die relativ leicht gelingt.
Reaktionsloser Verlauf.
ITI. Herr Bötticher stellt eine Patientin vor, bei der er
wegen doppelseitiger Kniescheibenverrenkung mit bestem Erfolge
die Tendoplastik in zwei verschiedenen Sitzungen ausgeführt hat.
Und zwar liegt die erste, am rechten Knie vollzogene Operation
schon zwölf Monate zurück. Ein Recidiv ist nicht eingetreten,
obwohl das Mädchen schwere landwirtschaftliche Arbeiten ver¬
richtete. Bötticher bespricht im Anschluss an diesen Fall das
Vorkommen, die Aetiologie und die Behandlungsmethoden der
Affection. Er hält die Tendoplastik für eine schonendere, weniger
eingreifende und doch sehr guten Erfolg versprechende Methode
als die Operation am Gelenkapparat (Kapselnaht, Ekcision eines
Stücks der Kapsel) oder am Knochen (Osteotomie).
IV. Herr Löhrer. Ueber Behandlung von Pseud-
arthrosen und verspäteter Gallusbildung durch Blut¬
in j e c t ion.
Nach einleitenden Worten über die Bier 'sehen Anschauungen
und über die Technik des Verfahrens stellt Vortragender einen
Fall vor, in dem es gelang, einen veralteten Unterschenkelbmch
mit vollständig fehlender Callusbildung durch mehrmalige Blut-
injection zur Consolidation zu bringen.
Der 54jährige Tagelöhner G. Th. zog sich am 29. August
1904 einen Bruch beider Unterschenkelknochen zu. Nach vier
Tagen wurde draussen ein Gipsverband angelegt, der mit ein¬
maligem Wechsel angeblich sieben Wochen lang gelegen hat.
Nach Entfernung des Verbands war die Fraktur nicht fest; eine
weitere Behandlung fand nicht statt, bis Pat. etwa sechs Wochen
später von seinem Arzte der Klinik überwiesen wurde.
Eis handelte sich um einen mittelmäßig gebauten Mann. Die
Fraktur befindet sich am linken Unterschenkel an der Gb^nze des
mittleren und unteren Drittels. Das Röntgenbild (Demonstration)
ergibt Bruch der Tibia und Fibula; Die EVagmente reiten auf¬
einander (DIslocatio ad longitndinem cum contractione). Von
Callusbildung ist auf der Platte keine Spur zu sehen. Die Frag¬
mente sind bei den atrophischen Weichteilen deutlich palpabel.
Fast nach allen Richtungen hin besteht beträchtliche Beweglich¬
keit. Die Therapie bestand in der von Bier angegebenen Blut-
injection.
9. I. 05. Aus der Vena med. cub. sin. werden 20 ccm Blut
entnommen und an zwei Stellen zwischen die Knochenenden ein¬
gespritzt. Schienenverband.
In der Umgebung der Injectionsstellen trat in den nächsten
Tagen Oedem, Rötung, Schmerzhaftigkeit ein; kein Fieber.
1. II. An der Bruchstelle ist keine wesentliche Veränderung
wahrzunehmen. Zweite Injection von 20 ccm Blut. Die folgenden
Tage zeigen dieselben entzündlichen Erscheinungen.
15. II. Gipsverband. Patient geht umher.
8 . III. Entfernung des Gipsverbandes. Die Beweglichkeit
an der Frakturstelle ist merklich geringer geworden.
13. III. Pai selbst hat beim Umhergehen das Gefühl, „als
sei der Bruch fester geworden“. Dritte Injection von 20 ccm
Blut, die in derselben Weise wie früher lokale Reizerscheinungen
zur Folge hat. Eis ist bei dieser Einspritzung nicht mehr mög¬
lich , mit der Nadel zwischen die Fragmente zu gelangen, daher
möglichst subperiostale Injection.
23. in. Entlassung mit Gipsverband. Auf der Röntgen-
platte (Demonstration) ist jetzt deutliche Callusbildung zu sehen.
Vier Wochen später wurde in der Klinik der Verband entfernt;
die Fraktur erscheint jetzt fest; da man indessen glaubte, no(di
ein leichtes Federn feststellen zu müssen, wurde ein neuer Gips¬
verband angelegt, der nach weiteren vier Wochen entfernt wurde.
Die Fraktur war jetzt vollkommen consolidiert.
Ein am 1. H. 1906 hergestelltes Röntgenbild zeigt die Frag¬
mente vereinigt durch festei^ dic^t^j’ügten Ci^ln» (Demonstration).
V. Herr Ruschhaupt. Ueber Lumbal anaesthes ie
mi t Sto vai'n.
Vortragender referiert nach kurzem Rückblick über die ein¬
schlägige Literatur über 99 Fälle von Stovain-Lumbalanaesthesie,
die im Wintersemester 1905/06 in der chirurgischen Klinik Giessen
vorgenommen wurden.
Dib Lumbalanaesthesie ersetzte uns die Allgemeinnarkose in
allen Fäüen, wo ein operativer Eingriff an Körperteilen abwärts
Auf diese Art, d. h. mit herontergelassenem Fallschirm,
baden sich gewöhnlich „alle anständigen Frauenzimmer“ nur
die dreisteren Mannspersonen dürfen sich weiter aus der Bade-
kutsche entfernen! Ansserdem war das Herrn- und Damenbad
natürlich getrennt. Doch genug von Norderney!
Da ich die Bäder ihrem Gründungsjahr nach betrachte,*) so
kommt als das Zweitälteste Dangast in Betracht; die dortige
Badeanstalt wurde bereits 1803 eröffnet und wurde sowohl von
den Bewohnern der Umgegend, wie der Oldenburgischen Länder
benutzt; im Jahre 1820 kam zu dem Konversaüonshaus noch
ein ßadehans und ein Logierhaus hinzu. So sah es häufig
der Humorist Theodor von Kobbe, auf Ausflügen von Olden¬
burg ans, der uns manche nette Geschichten aus dem Seebad
in seinen „Humoresken aus dem Philisterleben“ (Bremen 1841,
S. 56 ff.) erzählt: Um 1840 war Dangast so unbekannt, dass
es in den wenigen Schriften, die es erwähnen, nicht einmal
richtig genannt wird, sondern bald als Ragast, bald als Dagast
vorkommt Dangast also, dem Reichsgrafen Bentink gehörend,
liegt nordwestlich vom Ausfluss der Jahde, an einem kleinen
Meerbusen der Nordsee, welcher um die Mündung der Jahde
sich gebildet hat, und daher auch wohl der Jahder Meerbusen
heisst. Kobbe, der bei seinen ersten Bädern in Dangast etwas
schlecht auf den schlammigen Badestrand zu sprechen war,
*) Sonderbarerweise fehlen Bemerkungen darüber u. a. auch in dem vom
Vorstand des Vorbandes deutscher Nordseebäder (Jahrgang 1906) herausge¬
gebenen offiziellen Führer (30 Pfennig) und sind auch sonst derart zerstreut,
dass ich es für nicht unangebracht hielt, einen derartigen Rückblick zu tun.
entsinnt sich später keines Bades, etwa in Norderney oder in
Helgoland, das ihn so gekräfti^ hatte, wie dies Dangaster.
„Wenn das Seebad recht wohltuend wirkt, so dehnt sich zuerst
das Herz. Es wird einem zu Mut, als habe man einige Edel¬
taten getan, eine Geliebte, die jetzt schläft, aus dem Feuer
gezogen, und als ob man noch heute für sie den Degen ziehen
müsse. Dann öffnet sich auch der Magen, ganze Portionen
Beefsteaks verschwinden unter den Augen, als wären es kleine
Leckerbissen, der St Estenhe wird zum St Julien, kurz, es über¬
kommt Einem ein ganz domberrliches Gefühl, dem ein fester,
erqnickender Schlummer folgt. — Kobbe kann sich gamicht
genug tun, in Lobpreisungen über Dangast: „Denn ich, der
tch fast alle Bäder DeutscUands mit allen ihrem Misere von
A bis Z kenne, gestehe, nie frohere Standen, als während
meines Aufenthalts in Dangast, selbst nicht später auf Helgo¬
land verlebt zu haben.“ (S. 81 f.) — „Am Strande war jedem
Mittag Gänseparade, und ich gestehe, dass ich nie zweibeinige
Wesen in solcher Ordnung, in so gleichem Schritt und Tritt
marschieren wie diese ges^en habe. —“
Heute ist Dangast ein Luftkurort ersten Ranges. Be¬
sonders hervorzuheben sei der starke Salzgehalt des Meer¬
wassers, und der Umstand, dass Dangast das einzige Nordsee¬
bad ist, welches Parkanlagen von solcher Ausdehnung mit alten
Beständen und das vorzüglichste Trinkwasser aufzuweisen hat.
(FortsetzQDg folgt.)
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310
IfBDIGINISCHE WOCHE.
Nr. 29.
vom Nabel geboten war imd Infiltrationsanaesthesie nicht auage-
reicht haben würde. Es worden alle Operationen von Leisten-
und Schehkelhemien, alle grösseren Operationen an den unteren
Extremitäten (Resektionen und Ampntationen) und den äusseren
Geschlechtsorganen, mehrere Fälle von Carcinoma recti^ dann
Amputationen des Wurmfortsatzes und Eröfihung appendicitischer
Abscesse unter Stovalnlumbalanaesthesie vorgenommen. Nicht nur
bei Bewachsenen, sondern auch bei Kindern (bis herab zu 6 Jahren)
wurde die Methode angewandt.
Die durchschnittliche Dosis betrug 0,04 — 0,06 g Stovain.
Benutzt wurden anfangs l^ige Stovainlösungen, zuletzt nur noch
die 4%igen von Billon in Paris oder von Riedel hergestellten
Lösungen.
Nach den benutzten Lösungen teilen sich die Fälle in drei
Gruppen:
1. mit l*’^iger Lösung behandelte Fälle: 28, davon 22, wo
gute Anaesthesie erzielt wurde, 5 Fälle versagten, 1 Fall war
insofern mangelhaft, als die Anaesthesie nicht hoch genug war
(Leistenbruchoperation). Allerdin^ hatten 19 Fälle Neben- oder
Nacherscheinungen (vgl. unten).
2. Bei dieser Gruppe wurde das französische 4%ige Präparat
angewandt: 33 Fälle, davon 29 positive Erfolge mit 9 Fällen von
Neben- und Nackerscheinungen; 2 Versager; 2 mangelhafte Fälle,
wo Uber erhebliche Schmerzen geklagt wurde.
3. Es wurde das RiedeF^e Präparat gebraucht; 38 Fälle;
32 positive Resultate mit Neben- oder Nachwirkungen bei 19
Fällen; 4 Versager; 2 mangelhafte Erfolge.
Was die Technik angeht, so wurde im allgemeinen die von
Sonnenburg, Tilmann, Bier-Dönitz angegebene befolgt.
Nur stechen wir zumeist seitlich ein. Mit der häufigeren Anwen¬
dung der Lumbalanaesthesie erzielten wir immer bessere Blrfolge,
sodass wohl die ersten Versager auf mangelhafte Technik zurttck-
zufUhren sind, wie das auch andere Operateure betonen.
Betreffs der Nach- und Nebenwirkungen ist zu bemerken,
dass sie in Erbrechen (sei es während, sei es nach der Operation),
in Kopfschmerzen, mitunter (im Anfänge der Anwendung) in Auf¬
treten von Fieber bestanden. Einigemale beobachteten wir das
Auftreten dieser Erscheinungen erst am 2., 3., ja 4. Tage nach
der Operation, ohne dass sich ein Grund hierfür finden Hess.
Einen länger dauernden Schaden sahen wir nie; die Methode er¬
setzt uns jetzt, wie oben gesagt, die Ällgemeinnarkose in allen
Fällen von chirurgischen Operationen im Bereiche der vom Nabel
abwärts liegenden Körperteile, welche sich unter Lokalanäesthesie
nicht ausführen lassen.
♦
Kongressbericht.
23. S.ofi'gress für iwnere Medidfln
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
Herr L. R. Müller: Klinische Beiträge zur Physio¬
logie des sympathischen Nervensystems.
Durch den Vortrag wurde nachgewiesen, dass der Einfluss,
den das Gehirn auf die Tätigkeit der inneren Organe ausübt, unter
Umständen recht gross ist, ja dass die Affekte peinliche Störungen
in deren Funktionen bedingen können (Erbrechen, DurchfäUe, Harn¬
drang, Schweisssekretion, Herzklopfen). Müller glaubt nicht, dass
den einzelnen Organen im Rückenmark bestimmte Fasersysteme
entsprechen, er vermutet vielmehr, dass durch die verschiedenen
Stimmungen (Freude, Angst, Kummer), welche das ganze Nerven¬
system „durchzittem“, immer eine bestimmte Gruppe der Ursprungs¬
zellen des 83 nnpathi 8 chen Nervensystems im Rückenmark ange¬
sprochen wird, welche die körperlichen Aeusserungen der seelischen
Vorgänge auslösen. So wäre zu erklären, dass der Schmerz z\ir
Sekretion der Tränendrüsen, die Scham zur fleckigen Rötung des
Gesichtes, die Furcht zur Gänsehautbüdung führen und dass bei
dem einen seelische Erregungen Durchfälle, bei dem anderen Schweiss¬
ausbruch, Erbrechen oder Herzklopfen bedingen.
Wenn also von physiologischer Seite neuerlich dara\if
hingewiesen worden ist, dass unsere inneren Organe, wie das Herz,
der Magen, der Darm, die Nieren und die Gebärmutter die Kraft
und die Anregung zur Tätigkeit und zur Arbeit in sich haben und
dass sie auch dann, wenn sie von allen nervösen Verbindungen
abgeschnitten sind, in völlig genügender Weise weiter arbeiten, so
glaubt Müller von klinischer Seite darauf aufmerksam nmchen zu
müssen, djvss lebhafte, wenn auch vielfach unbewusste Beziehungen
zwischen diesen Organen und dem zentralen Nervensystem bestehen,
ja dass stärkere Seelenbewegungen, wie sie unsere Affekte darstellen,
auf den Zirkulationsapparat, die Verdauung und die Tätigkeit
unserer Drüsen eine grössere Beeinträchtigung ausüben können als
auf die unserem Willen direkt zugänglichen Funktionen. Zur
Uebertragxmg dieser Beziehung zwischen den Vorgängen im Gehirn
und den inneren Organen dient das mit dem Rückenmark in Ver¬
bindung stehende sympathische Nervensystem, dessen Name ja schon
sagt, dass es dazu dient, den Körper an den seelischen Bewegungen
mitfUhlen, mitleiden <jvfxna.d^iXo zu lassen.
Diskussion: Herr A. Bickel-Berlin weist auf seine ge¬
meinsam mit Sasaki gemachten Untersuchungen hin, welche sich
mit dem Einfluss der Affekte auf den Magendarmkanal, speziell
auf die Sekretion des Magensaftes beschäftigten. Es konnte beim
Hunde durch eine Scheinfütterung eine lebhafte Magensaftsekretion
ausgelöst werden, welche durch einen beim Tier erzeugten Affekt
des Aergers fast momentan zum Versagen gebracht wurde. Damit
wurde der experimentelle Beweis für den Einfluss des sympathischen
Nervensystems auf diese Funktionen erbracht.
Herr Lommel-Jena hat mittels Röntgendurchleuchtimg die
Bewegungen des Magens und Darmes unter dem Einfluss bestimm¬
ter Affekte verfolgt und konnte auch die Beobachtung machen,
dass durch rasche Aenderung der Stimmung und dergleichen eine
vorher rege Peristaltik verlangsamt oder fast aufgehoben werden
konnte.
Herr Reinholdt-Kissingen hat vor 2 Jahren eine Beobach¬
tung veröffentlicht, welche hierher gehört. Eine alte Frau bekam
im Anschluss an Aerger wiederholt vorübergehend Glykosurie mit
Ikterus, so dass ein deutlicher Einfluss dieses Affektes auf die
Punktion der Leber festgestellt werden konnte.
(Fortaetnmg folgt.)
35. Kongress der J>eutschen GeseUschaft
für Chi/rv/rgie.
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. T h ö 1 e - Danzig macht B i e r ’ s Staunngsbehandlung den
Vorwurf, dass sie lediglich auf klinischem Probieren aufgebaut sei.
An und für sich ist das kein Vorwurf, denn so verfährt die Medizin
seit allen Zeiten und oft mit Glück. Bier ist aber nicht berech¬
tigt, seine Lehre für exakte Wissenschaft auszugeben. £<r selbst
hat keine einzige naturwissenschaftliche Erklärung gegeben. Psy¬
chische anthtropocentrische Momente lässt er in den Ablauf phy¬
sikalischer Vorgänge eingreifen. Er spricht von „Zweckmäßig¬
keit der natürlichen Heilungsvorgänge“, welche der Arzt nach¬
schaffen soll. Der Körper versteht es, den Blutetrom nach seinem
Bedürfnis zu beschleunigen und zu verlangsamen „durch un¬
bekannte Reize“. Seine Lehre ist von teleologisch-anthropomor-
phiscben Vorstellungen beherrscht, wie die heutige Medizin über¬
haupt.
Die Naturwissenschaft, Physiologie, studiert nur die physi¬
kalisch-chemischen Vorgänge im Tierkörper. Alle Wachstums- und
Rückbildungsvorgänge sind abhängig vom wechselnden Grade und
Charakter der Blutströmung, diese wieder von Beeinflussung der
Gefässnerven durch Reize. Davon ist bei Bier nie die Hede.
Seine ganze Lehre ist von einer mechanischen Betrachtungsweise
des Kreislaufs beherrscht, in welche sich unklare, nicht studierbare
teleologische Vorstellungen in unlogischer Weise hineinmischen.
Der Mangel physiologischer Erklärung wird an mehreren
Beispielen gezeigt: Bier weise nichts von der Hyperplasie des
Drüsenepithels durch aktive Hyperämie, von typischer Hyperplasie
z. B. eines Muskels bei vermehrter und beschleunigter Strömung.
Seine Deutung der entzündlichen Hyperämie als wesentlich passiver
entspricht nicht den Tatsachen. Die Hyperämie im funktionierenden
Muskel hat gar nichts mit passiver Hyperämie zu tun, wie B.
behauptet, aktive und passive Hj^erämie können unmöglich die
gleiche Wirkung haben, wie B. dargetan zu haben meint. Völlig
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1906.
MEDICINISGHE WOCHE.
311
nnverständlioh ist es, wenn B. aus der Ernährung des Fötus, aus
der Placeuta mit sehr verlangsamten Blut ström sohliesst, dass
langsam fliessendes Blut zur Ernährung ebenso gut tauge wie rasch
fliessendes. Gerade als ob der Fötus kein Herz hätte, das seinen
Kreislauf besorgt.
Gegen den praktischen Nutzen der Bier’schen Behandlung
will Vortragender nichts aussagen, sondern nur gegen die sogen,
wissenschaftlichen Erklärungen, welche keine sind.
Und was die praktische Anwendung der Bier’schen Stauung
anlangt, so glaubt er, dass wir noch lange nicht so weit sind,
bestimmte Indikationen für die Behandlung mit aktiver oder passiver
Hyperämie aufznstellen, geschweige denn, den Grad der Stauung
richtig zu bestimmen. Mit dem Probieren kommen wir nicht weiter.
Es werden noch viele Arbeit, viele Experimente, histologische und
bakteriologische Untersuchungen nötig sein, ehe für die Hyperämie¬
behandlung die naturwissenschaftlichen Grundlagen geschahen sind.
Diese, die Voraussetzung einer zuverlässigen Therapie, kann uns
nur ein systematisches, gründliches Studium der physikalisch-che¬
mischen Vorgänge schaffen. Zurzeit sind schwere Mißerfolge un¬
vermeidlich und keinem zum Vorwurf zu machen.
(Fortsetzung folgt.)
Standesfragen.
Von Dt. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
XXXIV. Deutscher Aerztetag zu Halle a. S.
am 22. und 23. Juni 1906.
II.
Der zweite Sitzungstag begann mit der Erörterung einer Frage,
die in den letzten Monaten die Aufmerksamkeit der Aerzte ausser¬
ordentlich stark in Anspruch genommen hat, der Frage der
Krankenkassen für nicht versicherungspflichtige Per¬
sonen bezw. Mittelstandskassen. Der Referent Dippe
(Leipzig) gab eine Uebersicht der Geschichte der Mittelstands¬
bewegung, schilderte dann, wie ungerechtfertigt die Forderung an
die Aerzte wäre, ihre Kräfte zu geringen Preisen zur Verfügung
zu stellen, und gab schliesslich ausführlich das Ergebnis einer im
Deutschen Reiche veranstalteten Umfrage über die Zahl derartiger
bereits bestehender Kaaeen wieder. Diese Umfrage hat mannig¬
fache sehr interesaants Ergebnisse gezeitigt, das kurioseste war
w(dil, dass es in Eschweiler eine Knappschaftskasse gibt, in der
hochgestellte Beamte mit 70—80000 M Jahreseinkommen gegen
Zahlung von 15 M. pro Jahr Familienbehandlung haben können.
Seine Ansohanongen und Forderungen fasste D ip p e in folgenden
Thesen zosammen:
1. Das Bestreben Derjenigen, die nicht dem Krankenver¬
sicherungsgesetze unterstellt sind, in ihren äusseren Verhältnissen
aber den Versicherungspflichtigen gleichstehen, einander gegen¬
seitig bei Erkrankungen vor gar zu grossen Geldausgaben zu be¬
wahren, ist als berechtigt anzuerkennen.
2. Diesem Bestreben wird am besten Genüge geleistet durch
die Gründung von Versicherungsvereineu, die dem von Krankheit
Betroffenen mit einer ausreichenden GeldunterstUtzung beistehen,
sieb aber in das Verhältnis des Versicherten und seiner Ange¬
hörigen zu dem Arzte nicht einmisohon.
3. Kassen, Vereine, Verbände, zu denen sich Leute aus ver¬
schiedenen Berufen und verschiedener sozialer Stellung zusammen¬
tun, lediglich zu dem Zwecke, für einen möglichst geringen Bei¬
trag freie ärztliche Hilfe, freie Apotheke und womöglich auch
noch Krankengeld zu bekommen, sind durchaus vom Uebel. Mit
solchen Kassen und Verbänden dürfen Aerzte und Aerztevereine
nicht Verträge abschliessen. Bestehende derartige Verträge sind
sobald als möglich zu kündigen, und es ist dahin zu wirken, dass
die Kassen aufgelöst oder in Versicherungsvereine im Sinne der
2. These umgewandelt werden.
4. Ausnahmsweise kann bei besonderen Verhältnissen, unter
einer abgeschlossenen Gruppe Gleichgestellter, z. B. unter den
Beamten einer Behörde, eines Betriebes etc., ärztlicherseits der
Gründung einer Krankenkasse zugestimmt werden, wenn folgende
Bedingungen erfüllt sind:
a) Es muss sichere-Gewähr dafür gegeben sein, dass niemand
in der Kasse ist oder bleibt, dessen jährliches Einkommen
über 2000 M. beträgt;
b) die Kasse muss einen Vertrag mit der Vertretung der im
Orte wohnenden Aerzte abschliessen, in dem &eie Arztwahl
und Bezahlung der Einzelleistung nicht unter den Mindest¬
sätzen der Gebührenordnung ausbedungen ist.
5. Der Zutritt Nichtversicherungspflichtiger zu den Kassen
Versicherungspflichtiger ist mit allen Mitteln streng zu überwachen.
Auch hier ist als Allermindestes ein zuverlässiges Einhalten der
Einkommengrenze von 2000 M. zu verlangen.
Zu derselben Angelegenheit waren von seiten der Berliner
sowie der Düsseldorfer Vereine folgende Anträge gestellt worden,
die von Hesselbarth und Moll (Berlin) bezw. von Pfalz
(Düsseldorf) vertreten wurden:
I. Antoag von 17 Vereinen in Berlin-Brandenburg:
Der Aerztetag wolle beschliesseu: „Die Aerztesebaft des
Deutschen Reiches bestreitet nicht die Berechtigung aller Klassen
der Bevölkerung, also auch des Mittelstandes, zum Zweck der
Versicherung gegen Krankheit genossenschaftliche Vereinigungen
za bilden, soweit diese den Mitgliedern eine Beihilfe für den Fall
der Erkrankung sichern.
Dagegen hält sie es für unstatthaft, dass ein Arzt oder eine
ärztliche Vereinigung mit irgend einer neu zu gründenden Ver¬
einigung, die andere als versicherungspflichtige Personen auf*
nimmt, z. B. einer Mittelstandskasse , ein Vertragsverhältnis über
Leistung ärztlicher Hilfe eingeht.
Bestehende Verhältnisse werden durch diese Resolution nicht
berührt“.
IL Antrag der Berliner ärztlichen Standesvereine:
„Behufe Verhinderung, bezw. Abwehr von sogen. Mittelstand¬
kassen wird den deutschen Aerzten dringend empfohlen, au allen
Orten, wo dies nicht bereits geschehen ist, möglichst umgehend
Schutz- und TrutzbUndnisse ad hoc zu schliessen“.
(Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 25.
1. Escherich, Wien: Die Verwendung der Pyosyanase bei
der Behandlung der epidemischen Säuglingsgrippe und der Menin¬
gitis cerebrospinalis.
Es handelt sich um die auf dem Wege der Autolyse aus Bak¬
terien gewonnenen bakteriziden Substanzen, auf deren Vorkommen
und Bedeutung zuerst Emmerich und Löw die Aufmerksamkeit
gelenkt haben. Sie bezeichnen dieselben als proteolytische Enzyme,
Nukleasen, denen die Fähigkeit zukommt, das Protoplasma derjenigeu
Bakterienart aufzulösen, durch welche sie erzeugt werden. Es
gibt aber auch Nukleasen, welche wie das proteolytische Enzym
des Bazillus pyoc 3 raneu 8 , das Protoplasma verschiedener Bakterien
aufzulösen vermag. Emmerich hat die bakterizide Wirkung der
Pyozyanase auf eine grosse Zahl von pathogenen Bakterien und
zugleich die relative Ungiftigkeit dieser Substanz in zahlreichen
Versuchen festgestellt. Das Lingnersche Laboratorium in Dresden
hat die Herstellung des Mittels im grossen übernommen, und es
liefert einen Spray-Apparat, der von Escherich angegeben wurde.
Zum Versuche bot eine auf der Wiener Säuglingsabteüung des
Kinderspitales herrschende Grippeepidemie die erwünschte Gelegen¬
heit. Aber auch die elektive Wirksamkeit des Mittels gegenüber
dem Meningococcus trat hervor, imd es erscheint nach den bis¬
herigen Versuchen wahrscheinlich, dass mit dem Verschwinden der
Meningococcen aus dem Nasensekret nicht nur der Infizierte vor
der drohenden Gefahr der Meningitis geschützt ist, sondern auch
die Umgebung des Kranken vor der Ansteckung behütet und die
Verbreitung der Seuche durch gesunde Zwischenträger verhindert
werden kann.
2. Jehle, Wien: Ueber das Entstehen der Qeniokstarre*
epidemie.
Eine Studienreise, welche J. auf Veranlassung von Prof. Esche¬
rich in Wien, imd mit Unterstützung des Geheimrat Lingner
in Dresden, zunächst aus therapeutischen und prophylaktischen
Gründen nach Orlau im Mai d. J. unternahm, brachte eine Anzahl
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312
MEDICmiSGHS WOCHE.
Nr. 29.
interessanter Beobachtungen. J. kam zu der Annahme, dass nur
die Erwachsenen, insbesondere die Eltern der Kinder als Zwischen¬
träger an der Weiterverbreitung der Krankheitsfälle schuld sind
und ihre eigenen oder fremde Kinder infizieren. Die Richtigkeit
dieser Annahme trat aufs deutlichste zutage, als J. sämtliche inner¬
halb von 15 Monaten im Orlauer Epidemiespitale aufgenommenen
Genickstarrefälle zeitlich und nach dem Orte der Beschäftigung
der Väter getrennt zusammenstellte. Es zeigte sich, dass in weitaus
überwiegender Mehrzahl nur Kinder erkranken, deren Väter in ein
und derselben Grube beschäftigt sind, während die vielen anderen
Kinder von Arbeitern anderer Schächte gesund bleiben, obwohl sie
innerhalb derselben Arbeiterkolonien oft räumlich ganz dicht mit
den Kindern der betroffenen Familien Zusammenleben und ver¬
kehren. Also die Grube spielt für die Genickstarre eine ähnliche
Rolle wie die Schule für die anderen Infektionskrankheiten, wie
Scharlach, Masern, Keuchhusten. Sie ist das Zentrum, von dem
die Erkrankungen ihren Ausgang nehmen. Ist in eine Grube von
irgendwoher ein Meuingococcenträger angelangt, so infiziert er durch
seinen Auswurf direkt und wohl auch indirekt seine Mitarbeiter
in derselben Grube, und diese bringen aus ihr, ohne selbst zu er¬
kranken, die Krankheitskeime in ihre Familien.
3. Pick: Ueber motorisch bedingte Mikrographie.
Der Patient hat vor einigen Jahren Lues durchgemacht;
vor Jahresfrist heftige Kopfschmerzen; August 1905 ohne Insult
linksseitige Hemiparese, die nach 14 Tagen zurückging; am 14.
Oktober schwerer apoplektischer Insult mit beiderseitiger Lähmung,
danach ausgesprochene Parese der linken Körperhälfte, Zwangs¬
ideen, zunehmende Verschlechterung der Sprache (Leiserwerden
derselben), Veränderung der Schrift, die bis dahin sehr schon ge¬
wesen war. Die Schrift setzt mit normaler oder nicht wesentlich
verringerter Grösse der Buchstaben ein, diese nimmt dann aber
rasch ab.
4. Doerr, Wien: Ueber Agressine.
Auf Grund der neueren Untersuchungen kommt D. zu dem
Schlüsse, dass die Aggressintheorie Bails experimentell nicht
hinreichend fundiert ist. Die infektionsbefordemden Wirkungen
steriler Exsiidate sind nicht spezifisch, beruhen nur znm kleinsten
Teile auf negativer Chemotaxis, meist dagegen auf ihrer Giftigkeit,
d. h. auf einer additionellen Schädigung des Tierkörpers und sind
zudem äusserst inkonstant wegen der Variabilität der individuellen
Resistenz. Die mit solchen Flüssigkeiten erreichte Immunität ist
spezifisch, weil sie durch die in Exsudaten enthaltenen gelösten
spezifischen Substanzen der Bakterienleiber hervorgerufen wird.
Nichts berechtigt also in den Versuchen Bails zur Annahme neuer
hypothetischer Stoffe. Nur gegen diese richten sich D.s Ausführ¬
ungen; anf andere Leukozytose hemmenden Substanzen, wie sie
die neueren Untersuchungen über die Opsonine wahrscheinlich
machen, geht D. nicht ein.
5. Stegmann und Just, Karlsruhe i. B.; Die Wirkungen
der Baden-Badener Thermen vom Standpunkte der Radioaktivität.
Es steht fest, dass bei Einführung von emanationshaltigem
Wasser in den Körper die Emanation sowohl vom Magen wie vom
Darme aus in die Blutbahn übergeht und von dort durch die Lunge
wieder ausgeschieden wird. Die Büttquelle steht mit etwa 10000
Volt. (Abfall pro Stunde und Liter) weit an der Spitze der radio¬
aktiven Quellen. Es ist wohl der erste derartig starke radioaktive
Trinkbrunnen, dessen sonstiger Salzgehalt es ermöglicht, das Wasser
ohne künstliche Beigaben zu trinken; aber S. imd J, sahen an einer
ganzen Reihe von Versuchspersonen bei rascherer Aufnahme grösserer
Quantitäten des Wassers Allgemeinbeschwerden auftreten, daher
drängte sich ihnen die Frage der Dosierung auf. Der Voltabfall
der Quelle beträgt z. B. pro Stunde und Liter 10000 Volt, für
Vz Liter 5000 Volt. Man dosiert am besten nach Volt und kann
die zu trinkende Quantität des Wassers leicht berechnen. Wieviel
Volt nun im einzelnen Falle auf den ganzen Tag zu bestimmen
sind, das ist eine Frage, die erst nach reichlicher Erfahrung ent¬
schieden werden kann. Trotzdem also die Dosierung an und für
sich eine ungemein leichtere ist als bei Röntgenstrahlen, muss sie
trotzdem durchaus dem Zustand des Einzelindividuums Rechnung
tragen. Derartige Trinkkuren sollen nur unter ärztlicher Kontrolle
ausgeführt werden.
6. Nespor, Fiselia b. Pola: Beitrag zur Bebandlniig akuter
Eiterungen und Verletsongen mit Pbenolkampfer (Chlumeky).
Bei der Anwendung des Phenolkampfers verfuhr N. folgender-
massen: Auf einen noch geschlossenen Entzündungsherd wurde eine
sterile in Chlumsky-Lösung getauchte Gazekompresse aufgelegt und
mit Binden locker befestigt. Chlumsky verwendet zur Behand¬
lung von Eiterungen eine Mischung reiner Karbolsäure, Kampfers
und absoluten Alkohols in folgendem Verhältnisse: Ac. carbolic.
3000, Camphorae trit. 6000, Alcohol. absol. 1000. Gewöhnlich
konnte N. schon am nächsten Tage den bereits ausgebildeten Absssess
spalten, nur selten imd zwar nur in ganz frischen Fällen ging die
^tzündung zurück. Nach dem Entfernen des Eiters aus der Biter-
höhle wurde ein Stückchen Vioform-Gaze in Oblumsky-Lösung
getaucht und dann noch von der Flüssigkeit triefend locker ein¬
gelegt. Darüber gab N. gewöhnlich noch eine dünne Lage steriler
Gaze und schloss den Verband. Wasserdichte Verbandstoffe hat
N. nie gebraucht. War die Umgebung des Entzündungsherdes
stark gerötet, üdematös und schmerzhaft, so verwendete N. statt
steriler Gaze Burrow-Kompressen. N. behandelte hanptsädilich
Abszesse und frische Verletzungen nach Ghlumskys Methode.
Besonders empfiehlt er die Kombinaticm von Phenolkampferverband
und Burrow-Umschläge.
Vermischtes.
Borlin. Folgende Wahlen fUr leitende Stellen am Virchow-
krankenhaus hat der Magistrat in seiner letzten Sitzung vollzogen:
Innere Abteilung Prof. L. Kuttner; Chirurgische Abteilung Prof.
M. Borchardt; G 3 mäkologische Abteilung Prof. Koblanck;
Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Prof. Artur Hartmanu;
Augenkrankheiten Dr. Fehr; Haut- und Geschlechtskrankheiten
Privatdozent Dr, Buschke und San,-Rat Wechselmann; Hydro¬
therapie Dr. Laqueur; Röntgenabteilung Dr, Levy-Dorn;
Pathologische Anatomie Prof. v. Hansemann ; Infekdonsabtoiliing
Dr. Jochmann.
Frankfurt a. M. Als Nachfolger V. Noordens ist Prof.
Hugo Lüthje in Erlangen zum Oberarzt des städtischen Krankeu-
hauses in Frankfurt a. M. gewählt,
GÖttingan. Prof. Wilhelm His- Basal ist als Nachfolger
Ebsteins nach Göttingen berufen worden.
Strassburg. Prof. Wollenberg-Tttbingen abernimmt als
Nachfolger Fürstners die Profeesur fUr Neurologie und Psy¬
chiatrie in Strassburg i. E.
Bsrlin. Bei der diesjährigen ärztlichen Studienreise,
welche am 2. September in Heidelberg beginnend die Orte Höfeo,
Schömberg, Wildbad, Teilnach, Freudenstadt, Rippold-sau, Peters-
tal, BadenweUer, Wehr, Schaffhausen, Konstanz, Triburg, Baden-
Baden berührt und am 15. September in Stuttgart endet, haben
ansser den in den zu besuchenden Orten praktizierenden Herren
Kollegen die Herren Prof. Kionka, Prof, von Krehl, Prof.
Strauss, Prof. Strassmann, Prof. Romberg, Prof. Kutner,
Geh. Rat Vierordt Vorträge zugesagt. Der Preis für die 15-
tägige Reise ist auf M. 225,— inkl. Fahrt, Verpflegung und
Quatiere festgesetzt. Da maximal nur 200 Teilnehmer zugelasseu
werden, dürfte sich baldige Meldung empfehlen. Anfragen sind
zu richten an das Komitee zur Veranstaltung ärztlicher Studien¬
reisen, Berlin NW., Luisenplatz 2/4 (Kaiserin Friedrich-Haus).
Halle a. S. Den prakt. Aerzten Dr. Max Gräfe und
Dr. Wilhelm Bäumler von hier ist der Charakter als Sanitäts-
rat verliehen worden.
Leipzig. Bekanntmachung. Laut § 7 A, Absatz 4
der Satzungen des „Verbandes der Aerzte Deutschlands zur
Wahning ihrer wirtschaftlichen Interessen“ hat sich der auf der
Hauptversammlung in Halle a. S. vom 21. Juni d. Js. gewählte
Vorstand konstituiert. Nach Zuwahl weiterer 4 Beisitzer gehören
ihm z. Zt. an die Herren: Dr. Hartmann, Dr. M. Goetz,
Dr. Hirschfeld, Dr. Dippe, Dr. Donalies, Dr. Streffer,
Prof, Dr. Schwarz, Dr, Mejer, Dr. Dumas, Dr. Vollert.
Kuhns, Generalsekretär.
Veraniwortlicher Redakteur : Dr. P. Meiasoer, BerlinW. 69, Kurfüritenitr. 81. — Vertag von Carl Marhold, Halle a. S.
Drtick von der HejBemaaB'sehen Bnchdruckerei, Gebr- Wolff, Halle a.S.
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Medicinische Woche
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Carl Marhald In Halle a. S*« Uhiandstrasse 6.
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Tcl.-Adr.: Marhoid Verlag Haliesaale. Fernsprecher 823.
Dr. P. Meißner.
-—__ J
VD. Jahi^ang.
23. Juli 1906.
Nr. 30.
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der 14tSglgen Beilage BalneolOglSClie Cetltralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen
Biderverbandes, des Schwarzwaldbidertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhoid In Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Rekiamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Orlginalien.
Die Behandlung Augenkranker
durch den praktischen Stadt- und Landarzt.
Von Dr. Gustav Preytag (Münclien).
(Schluss.)
Nicht immer reicht das diffuse Tageslicht zum Erkennen
kleiner Fremrlkörper aus, man muss es dann mittels einer Lupe
(von ca. 20 Diop.) auf die gewünschte Stelle konzentrieren
oder muss im verdunkelten Zimmer (Sehliessen der Vorliäuge
genügt gewöhnlich) bei künstlicher Beleuchtung arbeiten, wo¬
bei man die Lampe (ohne Schirm) oder Kerze seitlicli und
etwas nach vom von dem zu untersuchenden Auge ungefähr
in gleicher Höhe mit ihm aufstellt, während Arzt und Patient
sich gegenüber sitzen.
Man hält nun die Lupe in ihre Brennweite (ca. 5 cm)
vom zu beleuchtenden Punkte, wobei zu beachten ist, dass sie
sich auch auf der Verbindungslinie zwischen letzterm und
Flamme befindet. Anfänger sieht man nur zu häufig das Ge¬
setz von der geradlinigen Fortpflanzung des Lichtes souverän
ignorieren und mit der Lupe allerhand mystische Bewegungen
in der Augengegend ausführen, ohne das Jdcht auf die ge¬
wünschte Stelle zu zwingen. Also 1. die Lupe so halten,
dass sie mit Licht und Auge eine gerade Linie bildet, 2. die
Lupe dem Auge auf Brennweite nähern, 3. achte man
noch darauf, dass Lichtstralil und Ebene der Lupe möglichst
senkrecht auf einander stehen, wodurch das Maximum von
Liehtkonzentration erreicht wird: das ist das ganze Geheimnis
der sog. seitlichen oder fokalen Beleuchtung, die man
namentlich zur Diagnose der gleich zu besprechenden Horn-
haulfromdkörper häufig nicht entbehren kann.
Die Hornhaut kann durch geringes Auseinanderziehen
der Lider vollständig übersehen werden. Die erste Besicliti-
gnng erfolgt gleichzeitig mit der der Bindehaut bei Tageslicht.
Zuerst dnrehmustere man den sog. Hornhautfalz, in welchem
die Hornhaut in die Leder- bezw. Bindehaut übergeht; in ihm
setzen sich mit Vorliebe Fremdköi'per fest, die auch meist
leicht zn seluMi sind.
Die Deutlichkeit der auf der Hornhaut selbst befindlichen
Körper hängt einerseits von ihrer Grösse und Färbung, andrer¬
seits von der Farbe des Hintergrundes ab, der durch die
Hegenbogonliaut (Iris) und das Sebloch (Pupille) gebildet wird.
Es ist klar, dass sich von letzterm dunkle Teilchen, wie Metall,
Haramerschlag nsw. sehr wenig ablieben, gut dagegen von
einer hellen Iris, schwer von dunkelbrauner; aucli kann die
Zeichnung der Regenbogenhaut Irrtiimer verursachen. Lässt
man jedoch den Kranken in v6i*schiedeno Richtungen blicken,
so wird in vielen Fällen der Fremdkörper siclitbar. Ungeübte
pflegen übrigens die Wölbung der durchsichtigen Hornhaut zu
unterschätzen und ihr Auge auf das Niveau der Iris einzu¬
stellen, wodurch die Details der näher gelegenen Hornhaut
unscharf gesehen werden. Kleine und si^ wenig abhebende
Teilchen können nur im verdunkelten Raume mit seitlicher
Beleuchtung gesehen werden, hier ist es ganz besonders nötig,
den Lichtkegel genau auf das Niveau der Homhautoberfläche
zu richten und sorgfältig alle Stellen unter seitlichen Bewe¬
gungen der Lupe zu durchmustern. Eine Hervorragung wird
sich dann sicher verraten. Dasselbe Verfahren dient auch
zum Nachweise, dass kein Fremdkörper vorhanden ist, sowie
zum Erkennen von Kratzern (Erosionen), die von solchen hinter¬
lassen wurden.
So sehr es in einer eingehenden Abhandlung nötig wäre,
sich über die verschiedene Natur der Fremdkörper zu ver¬
breiten, .so kann doch hier darauf grösstenteils verzichtet werden.
In der Praxis fragt es sich meist: wo sitzt er und wie be¬
komme ich ihn heraus. Nur 2 Substanzen verlangen kurze
Erwähnung: Pulverkörner und Eisenteilchen.
Erstere heilen in vielen Fällen ganz gut ein und werden
dauernd vertragen. Man warte also, abgesehen von lose im
Bindehautsack oefindlichen, jedenfalls bis die bei Pulverver¬
letzungen gewöhnlich vorhandene Entzündung abgelaufen ist
und entferne dann nur die Kömer, die durch stärkere Promi¬
nenz mechanisch reizen. Das schwarze Pulver stört das Sehen
in der Regel weniger als zurückbleibende weissgraue Narben.
Die Eisensplitter der Hornhaut bilden einen kleinen Rost-
Iiof, d. h, verhalten sich dem Gewebe gegenüber nicht indiffe¬
rent, was bzgl. der Behandlung wichtig ist.
Therapie. Sie hat in erster Linie die Entfernung des
Fremdkörpers, ferner die Heilung der gesetzten Verletzung zur
Aufgabe.
Ganz oberflächliche, also die Mehrzahl der auf der
Bindehaut gefundenen Teilchen, werden am besten mit einem
spitzgedrehten, in Borwasser getauchten Wattestückchen ent¬
fernt. Bei zahlreichen Körnchen im Bindehautsack (Sand
u. dgl.) spült man letztem mit vorher zweckmäßig etwas er¬
wärmtem Borwasser aus. Man lässt den Pat. den Kopf zu¬
rückneigen lind einen Wattebausch an die Jochbeingegend an¬
pressen, der die Flüssigkeit vom übrigen Gesicht und der
Kleidung fernhält; dann füllt man entweder einen Tropfen¬
zähler oder Wattebausch mit Borwasser und spült in zartem
Strahle zunächst die obere und dann die untere Bindehaut-
tasche mit reichlicher Flüssigkeit aus, wobei man die Lider
abzieht und den Pat. nach unten bezw. oben blicken lässt.
Hierdurch werden auch unter Umständen der Hornhaut
ganz lose aufsitzende Teilchen entfernt.
Bei allen auf oder in der Hornhaut fester sitzenden
Freradkorpera ist es nötig das* Gewebe unempfindlich zu
machen.
Man träufelt hierzu einige Tropfen 5%iger Kokainlösung
ein, die vor Gebrauch einige Minuten durch Kochen sterilisiert
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314
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 30.
werden muss. Nach ca. 5 Min. tritt Anästhesie ein, wovon
man sich durch vorsichtiges Berühren mit der Fingerkuppe
überzeugt
Zur Entfernung der mehr oder weniger ins Gewebe ein-
f ebetteten Teilchen bedient man sich einer Nadel. In vielen
allen genügt eine gewöhnliche Stopfnadel, besser aber, nament¬
lich bei schon länger vorhandenen Fremdkörpern mit Infiltra¬
tionshof, ist eine richtige Fremdkörpemadel, die in einer vom
zugespitzten Hohlrinne besteht Die Nadel muss steril sein,
die Stopfnadel glüht man aus, die Hohlnadel wird, schonender,
einige Minuten ausgekocht Vor Gebrauch muss die Nadel
abkUhlen.
Man versuche nun, mit ihr seitlich zwischen Fremdkörper
und Gewebe zu kommen und erstem nach vom herauszu¬
hebeln, muss aber die Nadel nicht zu steil aufsetzen, um Per¬
foration zu vermeiden (Horahautdicke 0,9—1 mm). Zurück¬
bleibende Partikelchen sollen unter möglichster Schonung des
Gewebes weggekratzt werden. Bei Eisenteilchen, die heiss
auf die Hornhaut gelangen, pflegt der sog. Rosthof sehr fest
an dem Gewebe zu haftem Manche überlassen ihn der Selbst-
ausstossung, die gewöhnlich erst in einigen Tagen erfolgt.
Doch dürfte sich eher die — allerdings häufig etwas müh¬
selige — Entfernung durch successives Abkratzen empfehlen,
da so die Heilung nicht nur abgekürzt wird, sondern auch die
sporttane Abstossung in der Regel einen mindestens ebenso
grossen, häufig aber grössern Defekt und damit eine störendere
Narbe zurückTäs.st. Tiefsitzende Fremdkörper muss man erst
rings herum zu lockern suchen, ehe man sie herausnimmt
Wenn sie sehr weit nach innen ragen, sodass Gefahr besteht,
dass die Nadel in die Vorderkammer kommt, mu.ss ev. durch
Zug von vorn mittels einer feinen (sterilen) Pinzette gearbeitet
werden. Reicht der Splitter in die Kammer hinein, so über¬
weise man den Pat. Fieber dem Augenarzt und sorge nur für
Reinigung und antiseptischen Verband. — Nach völliger Ent¬
fernung des Fremdkörpers ist gleichfalls Ausspülung des Binde¬
hautsackes vorzunehmen.
Es bleibt jetzt noch die Frage des Verbandes. Nach
Bindehautfremdkörpern ist ein solcher nur nötig, wenn tiefere
Verletzungen gesetzt wurden; glücklicherweise ist die Nei¬
gung der Konjunktiva zu Wundinfektionen gering. Anders
bei der Hornhaut, die sehr zu Eiterungen disponiert ist. All¬
jährlich gehen viele Hunderte von Augen durch eitrige Ent¬
zündung (ulcus serpens) zu Grunde, ein beträchtlicher Verlust
für die Versicherungen und die Volkskraft, wie Römer kürz¬
lich in seinon^serumtherapeutischen Arbeiten genauer ausgo-
führt hat. Das eitrige Hornhantgeschwür stellt sich mit Vor¬
liebe nach kleinen, anfänglich oft nicht beachteten Verlet¬
zungen ein.
Wohl jeder Homhautfremdkörper ruft mindestens einen
mikroskopischen Epitheldefekt hervor; da sich aber ganz ober¬
flächliche Defekte, auch wenn sie ziemlich ausgedehnt sind,
überraschend schnell regenerieren, so darf man solche Augen
— sofern sie unter Kontrolle bleiben können —
event. ohne Verband lassen, wenn der Pat keine schmutzige
Arbeit vor hat
Bei allen nicht ganz oberflächlichen Verletzungen, sowie
namentlich dann, wenn 'der Splitter schon mehrere Tage im
Auge war und sich ein grauweisser Infiltrationsring um ihn
gebildet hatte, muss verbunden werden.
Man lege auf die geschlossenen Lider ein mit
essigs. Tonerde getränktes Läppchen, darüber etwas Billroth-
batlist, darauf noch eine dünne Schicht Verbandmull bezw.
Watte und .schliesse mit einem Monoculus unter Verwendung
einer ca. 5 mm breiten Mullbinde ab. Der Verletzte ist bei
stärkerer Reizung 2—3 Tage arbeitsunfähig, namentlich wenn
er beim Feuer zu tun hat. Bei geringerer Reizung kann man
sich mit einer ovalen, durch Bänder zu befestigenden Klappe
begnügen. Man streicht dann mit einem Glasstäbchen etvvas
gelbe Salbe (Hydr. oxyd. flav. v. h. p. 0,025, Vasel. flav. ad
5.0), die man auch zu andern Zwecken vorrätig hält, zwischen
die Lider, hierauf kommt Verbandmull bezw. Watte und dann
die Klappe. In dringenden Fällen darf gearbeitet werden,
doch ohne dass unter die Klappe gegriffen bezw. letztere
eigenmächtig entfernt w’ird. Verweigert Pat. den Verband, so
ist jede Verantwortung für die Folgen ausdrücklich abzu¬
lehnen.
Die Unfallmeldung ist bei Versicherungspflichtigen in
jedem Falle zu veranlassen, der über eine ganz oberfläcHiIiche
Erosion hinausgeht und auch dann noch, sobald eine Ueber-
wachnng des Pat. unmöglich ist, damit bei späterer eyent. Eil¬
busse an Sehvermögen (sei es durch die entstehende Narbe
oder gar durch Fhterung) die Veranlassung festgestellt ist So
verkehrt es wäre, für jede nach Fremdkörpern meibende kleine
Trübung gleich eine „Rente“ zu beantragen, wodurch nur die
Arbeitsscheuen vermehrt würden, so darf man doch nicht über¬
sehen, dass Manche beruflich sehr häufig Fremdkörper aqiii-
rieron und dadurch nicht unwesentlich im Laufe der Zeit im
Erwerb geschädigt werden können, wofür ihnen dann nichts
Feuilleton.
Zur Geschichte der deutschen Nordseebäder.
Von Dr. Erich Ebstein in Göttingen.
(Fortsetzung.)
Cuxhaven bat den Anspruch, das drittälteste deutsche
Nordseebad zu sein; im Sommer 1816 wurde der Anfang einer
Scebadeanstalt gemacht; der Gründer war der Hamburgische
Amtmann und Senator A. A. Abendroth. In dem von ihm
(Hamburg 1818) herausgegebenen Buche betitelt: „Ritzebüttel
und das Seebad zu Cuxhaven“ hat der zweite Badearzt zu
Cuxhaven, Dr. August Rüge über Seebäder im Allgemeinen
und besonders über das Seebad in Cuxhaven gehandelt.
Bei der Vorgeschichte des Seebades Cuxhaven mnss ich
vor allem eines Mannes gedenken, der nicht nur der geistige
Schöpfer dieses Nordseebades, sondern damit auch der aller
Nordseebäder ist: Georg Christoph Lichtenberg,
den wir als Naturforscher, Physiker, Astronom, verehren, der
voll lebhaften Interesses war für die Philosophie und Psychologie,
die .Aesthetik, Literaturgeschichte, sowie besonders auch für
Geographie und Ethnographie.
Denn er hat bereits im Göttingischen Taschenkalender auf
1793 (S. 92—109*) die berechtigte Frage aufgeworfen: „War¬
um hat Deutschland noch kein grosses öffentliches
Seebad?“, die er beantwortet und für die Einrichtung von
Seebädern nach englischem Vorbilde eintritt. Lichtenbergs
Bemühungen um ein deutsches Seebad reichen sogar bis in den
Sommer 1788 zurück und lassen sich bequem übersehen in
seinen Briefen an den Wasserbandirektor Woltmann (1757
bis 1837), auf die hier verwiesen werden muss. (Vergl-
G. C. Lichtenbergs Briefe. Bd. 8. Göttingen 1853, S.
338—344 und S. G. Vogel 1. c. S. 16 fiP.) Lichtenberg hat
sich auch noch weiter für diesen Gegenstand interessiert, und
zwar fragt er in einem ungedruckten, ebenfalls an Woltmann
gerichteten Briefe an, ob er ihm nicht Bücher über englische See¬
bäder schicken könne. Er habe in Johann Jakob Wolt-
mann’s „neueste Reisen durch England“ (Lpz. 1781 u. 1782) ge¬
lesen, dass in Harwich eine Einrichtung zu warmen Seebädern
existiere, und er bittet dringlich, ihm doch darüber nähere
Mitteilungen zu machen. Also auch diese Einrichtung der
warmen Seebäder, die zuerst Bromfleld vorgeschlagen hat, kam
aus England! (Vogel, S. 124 f.)
Auf Lichtenbergs Aufsatz hin, der Cuxhaven für den
passendsten Ort zum Seebade erklärt, wurde in der Hamburger
Gesellschaft zur Beförderung der Künste (Vgl. deren Verhand¬
lungen, 4. Bd. 1797, S. 369) verhandelt; allein Hinder¬
nisse und Zweifel mancherley Art vereitelten den Plan, und
der Gegenstand kam nicht weiter zur Sprache. (Vergl. auch
Vogel a. a. 0. S. 20 ff.) Dagegen ging man in Mecklenburg,
bald nach dem Erscheinen der Lichtenberg’schen Arbeit
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*) Wieder abgedruckt in dem Buch von Abendroth, S. 221—232.
1906.
MJ£DIGIN1SCH£ WOCHE!.
815
Tergütet wird, wenn nicht nachträglich nachweisbar ist, dass
die neben einer frischen schon vorhandenen alten Trübungen
ebenfalls von Betriebsunfällen herrühren.
Sitzungsberichte,
Vortr. führt aus, dass die Summe unserer physikalischen
. Untersuchungsmethoden durch die Orthodiagraphie um eine neue
wesentlich vermehrt worden ist, welche exakt wie keine andere,
ein Urteil über die tatsächlichen Lage- und Grössenverhältnisse
des Herzens gestattet. Im Verein mit allen klinischen Unter¬
suchungsmethoden und Erfahrungen ist sie ein unschätzbares diag¬
nostisches Hilfsmittel, dessen Technik verhältnismäüig rasch und
leicht zu erlernen ist.
Medidnlsche Ges^lschaft in Giessen*
9. Sitzung am 13. März 1906.
Vorsitzender: Herr Poppert. Sdiriftführer: Herr Kisskalt.
I. Herr Dietlen. Ueber normale Lage und Grösse
des Herzens.
Die Herzpercussion muss darauf ausgehen, neben der abso¬
luten Dämpfung (Lnngen-Herzgrenze) auch die wirkliche Grösse
des Herzens zu ermitteln. Um im Einzelfalle entscheiden zu
können, ob es sich um ein normal grosses oder vergrössertes Herz
handelt, ist die Kenntnis gewisser Normal-Herzmaße notwendig.
Solche lassen sich durch orthodiagraphische Untersuchungen exakt
ermitteln. Untersuchungen von 261 Personen haben ergeben,
dass die ortbodlagrapbisch messbare Herzgrösse in einem gesetz¬
mäßigen Zusammenhang steht zn Körpergrösse nud -gewicht und
Lebensalter. Die unter Beachtung ^eser Faktoren berechneten
Mittelzahlen lassen sich unter Berücksichtigung der Minimal- und
Maximalzahlen praktisch verwerten. Frauen haben unter gleichen
Bedingungen ein kleineres Herz als Männer.
Die topographische Lage des Herzens ist in erster Linie ab¬
hängig vom Zwerch fellstande. Da dieser mit dem zunehmenden
Alter tiefer wird, erfährt auch das Herz in zunehmendem Älter
eipe zunehmende Senkung. Das Frauenherz liegt im allgemeinen
höher im Brustkorb als das Männerherz.
Der Spitzenstoss darf nicht als der tiefste Punkt des Herzens
gelten, die Beziehnng der Herzgrenze auf die Mammillar- und
Parastemallinie muss durch Messung ihres Abstandes von der
Medianlinie ersetzt werden.
Die Lagerung des Herzens im Thorax und seine Form sind
vop den Baumverhältnissen im Thorax abhängig. Man kann
schräg-, steil- und quergestellte Herzen unterscheiden. Die per-
cutorische Bestimmung der wahren Herzgrenze ist bei geeigneter
Methode und entsprechender Uebung mit einer für praktische
Zwecke ausreichenden Sicherheit möglich.
II. Herr Schieffer demonstriert nach einer kurzen, ein¬
leitenden Besprechung der Technik der Orthodiagraphie den Moritz-
schen Horizontaldiagraphen.
Neben einer Menge von Vorzügen und Vorteilen für die
Herzontersuchung im allgemeinen bietet sie speziell für die
militärärztliche Praxis eine Reihe Annehmlichkeiten und nicht zu
unterschätzende Handhaben bei der Beurteilung herzkranker Leute,
bei der Dienstentschädigungsfrage, bei der Beobachtung vermut¬
lich herzkranker Mannschaften vor und während der Ausbildungs¬
zeit, bei der Frage acuter Dilatationen bei Ueberanstrengungen,
event. beim Aushebungs- und Musterungsgeschäft usw. Sie fördert
durch die Möglichkeit der häufigen Kontrolle der gefundenen Re¬
sultate ohne Zweifel die Uebung und Sicherheit in der Percussion,
ergänzt die Ausbildung in der Herzdiagnostik in kurzer Zeit.
Vortr. hat von 60 Leuten, die vor der Einstellung mehr
oder minder viel geradelt hatten, 40 mit z. T. erheblichen Herz¬
dilatationen gefunden, von denen nur 2 subjektive Beschwerden, nur
ein geringer Bruchteil einen nennenswerten pathol. aiiskultato-
rischen Befund aufweisen.
Er glaubt die Einführung der Orthodiagraphie in der Armee
warm empfehlen zu können.
Kongressbericht.
35, Kongress der Deutschen Gesellscha^
für Chi/rurgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Stettiner-Berlin bemerkt auf Grund von etwa 60 meist
ambulant mit Saugapparaten behandelten Fällen bezüglich der
Techuik, dass er die Anwendung von mehreren kleineren Sauggläsern
an Stelle eines grossen nicht für gleichwertig hält. Überhaupt
kommt es viel auf die Form und Grösse des Glases an. Der
Panaritiumsauger bewährt sich für den Daumen, nicht für die
anderen Finger. Er hat aber gerade bei Panaritien in Fällen,
in denen er früher die Endphalanx geopfert hätte, gnte Elrfahrungen
zu verzeichnen. Auch bei Mastitis hat er gute Resultate erzielt,
auch insofern, dass das Stillnngsgeschäft nur anf kurze Zeit unter¬
tätig ans Werk, und dem Hofrat Vogel in Rostock wurde der
Auftrag erteilt, anno 1794 bei Doberan an der Ostsee ein See¬
bad anzulegen. Lichtenberg schreibt darüber am 12. Dez.
1793. (1. c. S. 343): „Bei Rostock kommt ein Seebad zu Stande,
und zwar unter der Direktion des vortrefflichen Hofrats Vogel,
der mich vor einigen Monaten besucht hat. Er hat in Gesell¬
schaft eines Baumeisters die hauptsächlichsten Bäder Nieder¬
sachsens bereist, und die Sache ist schon völlig in Gang. Er
wird darüber schreiben“. Das Buch S. G. Vogels erschien 1794
in Stendal unter dem Titel „Ueber den Nutzen und Gebrauch
der Seebäder“.*) Auf S. 1—28 gibt er eine „Kurze Geschichte
der Seebäder“. Auf diese Weise ist Lichtenberg indirekt
auch geistiger Begründer der Ostseebäder geworden, ihr die er
kein grosses Tendre zeigte, da ihm einmal die ganze Küste der Ost¬
see unbekannt war, und zweitens, weil dort das unbeschreiblich
grosse Schauspiel der Ebbe und Flut, wo nicht fehlt, doch
nicht in der Majestät beobachtet werden kann, in welcher es
sich an der Nordsee zeigt“. Nach den Mitteilungen von Wil¬
helm Klobes (Berliner Tageblatt vom 20. Februar 1906 Nr. 92)
scheint Heiligendamm das älteste Ostseebad zu sein: denn
auf dem dortigen Kurplatz trägt ein viereckiger, errichteter
Granitblock von Uebermannshöhe die Inschrift, dass anno 1793
der Grossherzog Friedrich Franz I von Mecklenburg Heiligen-
*) Während der Korrektur gelangt zu meiner Kenntnis die Arbeit
von E. Kotb (Balneol. Zentralblatt 1905, Nr. 11 u. 12): „Über den Ge¬
brauch der Seebäder, bes. Doberans am Ende des 18. Jahrhunderts".
dämm gegründet habe. Darauf folgten 1813Rügenwalder-
münde, 1814 Swinemünde, ISlöPutbus, 1825 Herings¬
dorf, 1832 Kolberg, 1835 Misdroy, 1836 Crampas-
Sassnitz, 1844 Dievenow.
Nach dieser Abschweifung, die vergleichshalber gemacht
werden musste, kehre ich zu dem eben begründeten Seebad
Cuxhaven zurück, das vortrefflich reüssierte. Im Sommer 1817
kamen 600 Fremde; die Zahl der Badegäste war 295, welche 2743
Bäder nahmen. Eines solchen Zuspruches konnte sich Doberan,
wie Rüge bemerkt, erst im achten Jahre nach seiner Entstehung
erfreuen.
In Cuxhaven gab es ausser den kalten Seebädern (den sog.
Karrenbädern), auch sog. Badebassins zum kalten Bade; sie
waren 1000 Schritt vom Badehause auf der anderen Seite des
Hafens angelegt. Das Seewasser wird dort zu jeder Flutzeit
mittelst einer Schleuse gesammelt. Trotzdem für Erneuerung
des Wassers usw. gesorgt ist, so kann, wie Rüge selbst zugibt,
dieses Bassinbad das offene Seebad nicht ersetzen. „Es ist
daher mehr ein Seewasserbad als ein Seebad“. Es scheint
auch nur bei heftigen Sturm und zu hoher Flut benutzt worden
zu sein.
Weit beliebter ist das warme Seebad, das bereits vor¬
nehmer und praktischer eingerichtet ist, als das vorhin auf
Norderney erwähnte. So wird das Seewasser durch Pumpen
in einen grossen Behälter befördert. Ausserdem gab es in
Cuxhaven bereits Gelegenheit zu Tropf-, Regen-, Sturz- und
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316
MBDIGINISGHJfi WOuuB.
Nr. 30.
brochen zu werden brauchte. Schliesslich weist er darauf hin,
dass die Saugapparate in gewissem Sinne die Brainage ersetzen
können nach Operation, nach Entfernung des 24 Stunden eingelegten
Dochtes, aber auch bei allen Fisteln, von denen ein grosser Teil
durch zu lange Drainage oder Tamponade entstanden zu sein
pflegt.
Hr. Hofmann-Karlsrohe: Am städtischen Erankenhause zu
Karlsruhe wurde bei acuten Entzündungen mit gutem Erfolge die
Bier’sehe Stauung angewandt. Auch prophylaktisch wurde gestaut.
Bei einer Urinphlegmone wurde eine Bauchstauung vorgenommea,
Pat. genas. Bei Abscessen wie bei Fisteln wurde über einem
eingelegten Drain gesaugt, weil das Oedem der Öffnung die Drai>
nage erschwert.
Um Aufschluss Uber die histologischen Vorgänge zu erhalten,
wurden Granulationen nach phlegmonösen Entzündungen vor und
nach dem Stauen untersucht, und man gelangte zu ähnlichen Bildern,
wie dies H. bei der Saughyperämie beschrieben hatte. Im Vorder¬
gründe steht jedenfalls das seröse Transsudat.
Blutdruoknntersochungen ergaben einen gesteigerten Fulsdruck
bei der Stauung als Ausdruck einer vermehrten Herzarbeit. Diese
Mehrleistung stellt die therapeutische Forderung, bei ausgedehnten
phlegmonösen Prozessen die durch die Stauung noch vergrösserten
Hindernisse in der Cirkulation durch Kräftigung des Herzens zu
überwinden.
Hr. C anon - Berlin kommt auf Grund theoretischer Erwägungen
und praktischer Erfahrungen zu einer Empfehlung der Bier’schen
' Methode.
Hr. Blumberg-Berlin demonstriert einen Fremdkörper, den
er mittels Aspiration aus einem Finger entfernt hat.
Es sprechen noch die Herren Heller-Greifswald, Küster-
Marburg, Ranzi-Wien, Haassler-Halle, Gebele-München
über die Erfahrungen an den Kliniken, an denen sie tätig sind.
Sie haben alle im wesentlichen günstige Erfahnmgen gemacht.
(Fortsetzung folgt.)
23‘ Kongress für iwnere MedieVn
vom 23. bis 26. April 1906 in München. ,,
Referent: Dr. Grassmann-München.
Herr Pässler-Dresden: Beiträge zur Pathologie der
Nierenkrankheiten nach klinischer Beobachtung bei
Anurie.
P. beobachtete eine Frau, welche Jahr nach einer Total¬
exstirpation eine Hamsperre bekam, nachdem sie sich zuerst gut
Spritzbädem, zu der Klystier-Douche, zu Fussbädern, zu Dampf¬
bädern, nach dem Vorbild in der Charitö in Berlin usw. Auch
worden vereinigte See- und Schwefelbäder in hölzerner Wanne
verabfolgt.
Znm Schluss darf ich noch des innerlichen Gebrauchs des
Seewassers gedenken, der neuerdi^s wieder warm empfohlen*)
bereits damals u. a. bei manchen Formen der Skrophulose an-
ewandt wurde. (Vgl. auch Vogel 1. c. S. 137 £f.) Soviel aus
er Frühzeit des Seebades Cuxhaven, das neuerdings wieder
sehr in Aufnahme gekommen zu sein scheint. Es mag hier
erwähnt werden, dass der bekannte — leider zu früh ver¬
storbene — Literarhistoriker Eduard Grisebach, der ein
warmer Vertreter Lichtenbergs war, Cuxhaven häufig auf¬
gesucht und mit grossem Vergnügen davon erzählt hat.
Engen Reichel hatte den Vorschlag gemacht (Vossische
Zeitung, 1904, Nr. 245), es möge das Fest des 100jährigen
Bestehens von Cuxhaven anno 1916 Gelegenheit geben, dem
geistigen Gründer dieses Bades, Lichtenberg, ein Denkmal
oder doch wenigstens einen Denkstein zu setzen. Ebenso wie an
der Ostsee — wie erwähnt — sich ein erratischer Block erhebt, so
sollte auch an den Gestaden der Nordsee die Erinnerung an
Lichtenbergs Vorschlag zur Begründung von deutschen
Nordseebädem wachgehalten werden. Vielleicht würde es sich
empfehlen, dass die vereinigten Badedirektionen der deutschen
•) Vffl. Fodor in Abbazia, Ueber den innerlichen Gebrauch des Meer-
wassers. Blätter für klinische Hydrotherapie. 1904 Nr. 11.
erholt hatte. Bei dieser Kranken traten keine eigentlichen urä¬
mischen Erscheinungen auf. Auffallend war, dass sich bei der
Patientin Uringeruch aus dem Munde bemerkbar machte. Der
Blutdruck fand sich gesteigert. Trotz der Hamsperre traten
keine Oedeme auf, höchstens ein geringes Knöchelödem. Im An¬
schluss an diese Beobachtung geht P. auf mehrere Punkte der
Urämiefrage ein. Man könnte zunäohst sohliessen, dass das Urä¬
miegift eine gewisse Latenzzeit braucht, um, nachdem es eine ge¬
wisse Anhäufung erfahren hat, dann erst zu eklamptischen An¬
fällen zu führen. Wie schon Senator angibt, kommt das
Urämiegift im normalen Harn nicht vor. P. geht sodann bei der
Besprechung der Blutdrucksteigerung, welche bei dieser Kranken
beobachtet wurde, auf verschiedene Theorien ein, welche zur Kr-
klärung der Blutdrucksteigerung bei Nierenkranken aufgestellt
sind. Das Maßgebende für eintretende Blutdmcksteigenmg scheint
ganz im allgemeinen darin zu liegen, dass eine beträchtliche Stö¬
rung der eliminierenden Funktion der Nieren eintritt. Ferner er¬
örtert P. die Anschauungen einer Reihe von Autoren über das
Zustandekommen der Oedeme. Offenbar existieren ausserhalb der
Nieren noch andere Einrichtungen für die Registrierung des
Wassergehaltes des Organismus, In dem beobachteten Falle nahm
die Kranke während der Anurie an Körpergewicht zu. Es war
also zu erwägen, ob nicht das aufgenommene Wasser sich in den
Blutgefässen vorfinden würde. Doch ergab die Untersuchung des
Blutes, dass keine erhebliche Verdünnung desselben vorlag. Das
nicht ausgeschiedene Wasser müsste also in den Geweben irgend¬
wie aufgespeiehert werden, doch war dies offenbar in anderer
Weise der Fall, als wir das in der Form der Oedeme zu Gesicht
bekommen. Es gibt echte nephrogene Retentionsödeme and
andrerseits Aoasarka, das muss unterschieden werden.
Diskussion: Herr Talma-Utrecht: Auf Grund seiner
Untersuchungen muss Redner die Existenz eines urämischen Giftes
überhaupt in Abrede stellen. T. hat Blut- und OedemöUssigkeit
urämischer Menschen Kaninchen eingespritzt, es zeigte sich aber
nicht, dass die Lebensdauer abgekürzt wurde, sondern im Gegen¬
teil, sie wurde verlängert. Es ist also kein urämisches Gift vor¬
handen.
Herr Umber-Altona: Die Blutanalyse ergibt ebenfalls niobfs,
was für entstehende Urämie verantwortlich gemacht werden könnte.
Herr Soetbeer-Giesen hat an Hunden, welchen die Nieren
exstirpiert worden waren, Untersuchungen des Reststickstoffes
vorgenommen und berichtet über die Resultate seiner Versuche.
Herr Falta-Basel weist darauf hin, dass schon in kurzer
Zeit sehr viel Wasser Aufnahme in den Geweben finden kann.
Nordseebäder die Sache tatkräftig in die Hand nehmen. In
unserm Zeitalter der Ansichtspostkarte wäre in Erwägung zu
ziehen, ob man nicht solche Karten in den Nordseebädem zur
Verteilung kommen Hesse, die etwa mit einem Porträt Lich¬
tenbergs, und einer Abbildung vom ehemaligen Cuxhaven usw.
geschmückt sind. —
Drei Jahre später als Cuxhaven — im Jahre 1819*) —
wurde auf Veranlassung des Kreisphysikus Dr. Friedleb in
Husum und des Landvogts von Colditz in Wyk durch die
Bildung einer Gesellschaft von zwanzig Aktionären das Nord¬
seebad Wyk auf der Insel Fohr gegründet. Indess sollte
es sich nur langsam entwickeln; mit 61 Kurgästen im ersten
Jahr, zählte es 1856: 600 und 1888 bereits 3913 Fremde, eine
Zahl, welche seitdem noch gestiegen ist. (Vgl. die Jubiläums¬
ausgabe zur Feier des 75 jährigen Bestehens 1894). Iwan
Bloch hat gelegentlich eines Aufenthalts auf Wyk in seinem
„Föhringer Briefe“ überschriebenen Aufsatz (Deutsche Aerzte-
Zeitung, Heft 20, 15. Oktober 1903, Sonderabdruck 11 Seiten)
seine dort empfangenen Eindrücke und Stimmungen nieder-
gelegt, und ich kann an dieser Stelle nur auf seine Ausführungen
verweisen, (Fortsetzung folgt.)
*) Theodor von Kobbo (Wanderungen an der Nord- und Ostsee
Spz. 0 . Jahr. S. Ö2j gibt als Grilndaiigsjabr 1829 an.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
317
Bei Diabetikern ist zu beobachten, dass, während die Hammeoge
geringer wird, das Körpergewicht steigt, ohne dass irgendwie
Oedeme auitreten.
Herr Jak sch-Prag ist zur Ueberzeugung gekommen, dass
bei allen NierenafTektionen eine mehr oder minder grosse HamstofT-
retention auftritt.
Herr Weiss-Aachen betont, dass bei Nierenerkrankung Ver¬
ringerung des Bluteiweisses auftritt. Dass Wasser in den Ge¬
weben zurückgelassen wird, ohne dass Oedeme auftreteu, ist eine
seit langem bekannte Beobachtung.
Ferner nahm noch das Wort Herr Rosenberger-Heidelberg,
sowie der Vortragende. (Fortsetzung folgt.)
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
XXXIV. Deutscher Aerztetag zu Halle a. S.
am 22. und 23. Juni 1906.
(Fortsetzung und Schluss.)
III. Anträge des Vereins der Aerzte Düsseldorfs:
1. „Der XXXIV. Deutsche Aerztetag erkennt das Bestreben
aller nicht versioheruogspfiicbtigen Personen, sich gegen die wirt¬
schaftlichen Nachteile von Krankheiten, ebenso wie gegen die¬
jenigen von Unfällen, auf dem Wege der Versicherung zu schützen,
an sich als berechtigt an.
2. Jedes Bestreben nichtversicherungspflichtiger Personen je¬
doch, sich mit Hilfe von Versicherungsorganisationen verbilligte
ärztliche Hilfe vorweg zu verschaffen, würde nur dahin führen,
die ohnehin ungünstige wirtschaftliche Lage des Äerztestandes
noch weiter zu verschlechtern und ist deshalb einmütig zurUck-
zuweisen.
3. Mit Versicherungsorganisationen, welche Jedermann ohne
Rücksicht auf seine Einkommensverhältnisse Zutritt gewähren,
dürfen deshalb weder von einzelnen Aerzteii noch von ärztlichen
Vereinigungen Verträge abgeschlossen oder bereits abgeschlossene
weitergeiührt werden. Letztere sind zum nächstmöglicben Termin
zu kündigen.
4. Mit Veraicherungsorganisationen, welche lediglich solchen
Personen Zutritt gewähren, deren soziale Lage derjenigen Ver¬
sicherungspflichtiger gleich ist, können ausnahmsweise Verträge
geschlossen werden, wenn folgende Bedingungen dabei erfüllt
werden:
a) Es darf Niemand der Kasse beitreten oder ihr weiter ange¬
hören, dessen Gesamtjahreseinkommen 2000 M. übersteigt.
b) Die bedingt freie Arztwahl muss durch Vertrag mit den be¬
treffenden Aerztevereinigungeu gesichert und die Bezahlung
nicht unter den Mindestsätzen der Gebührenordnung seitens
der Versicherungsorganisation gewährleistet sein.
5. Der Beitritt nichtversicheruugspflichtiger Personen, deren
Einkommen 2000 M. übersteigt, zu den Kassen Versicheruugs-
pflichtiger oder ihr Verbleiben in solchen Kassen ist als Nachteil
für die wirtschaftliche Lage der Aerzte zu bezeichnen und die
gesetzliche Beseitigung dieses Zustandes zu fordern. Solange er
besteht, ist durch Verträge festzulegen, dass die Honorare bei
dieser Art von Kassenmitgliedem nach besonderen, ihrer wirt¬
schaftlich besseren Lage entsprechenden Grundsätzen bemessen
werden“.
Nach einer lebhaften Diskussion, in welcher die diesbezüglichen
grossstädtischen Verhältnisse von Munter (Berlin), Bauer (Mün¬
chen), Nenberger (Nürnberg), die der kleineren Städte ebenfalls
von verschiedenen Seiten geschildert waren, präcisierte der Vor¬
sitzende die Kernfrage der Materie, um über diese eine Abstim¬
mung herbeizuführen und dann die Feststellung des Wortlautes
dem Geschäftsausschuss zu überlassen. Es wird demgemäß ver¬
fahren und mit überwältigender Majorität das Folgende beschlossen:
Der Aerztetag erkennt das Recht des Mittelstandes, sich zu
Kassen zusammenzuschliessen, voll und ganz an; es soll aber
Aerzten nicht gestattet sein, mit Vereinigungen von nichtver¬
sicherungspflichtigen Personen Verträge zu schliessen; Ausnahmen
von dieser Regel sollen in Zukunft nicht erlaubt sein; die Ord¬
nung der bestehenden Verhältnisse soll deti örtlichen Organisa¬
tionen überlassen werden.
Nunmehr wird zur Beratung des zweiten Hauptthemas der
diesjährigen Tagung: Unterweisung und Erziehung der
Schuljugend zur Gesundheitspflege übergegangen. Der
Referent A. Hartmann (Berlin) führt aus, wie es durch hygie¬
nische Maßnahmen möglich sei, die MorbidiiäU- und Mortalitäts-
ziffem herunterzudrücken. Er zeigt, welche Verbesserungen sich
seit Einführung der Schulärzte an den Schulen ergeben haben,
und was durch ärztliche Mitwirkung in den Schuldeputationon
erreichbar sei. Er legt dar, welche bedeutsamen Aufgaben die
S<fliulärzte auch an den höheren Schulen zu erfüllen hätten, und
fordert dringend deren Einführung. Gesundheitspflege Hesse sich
nur durch die Schule im Volke verbreiten, für die Volksschulen
müsse der Lehrer der Unterweisende sein, für die oberen Kleissen
der höheren Schulen der Arzt. Hartmann fasst seine Dar¬
legungen in folgenden Thesen zusammen:
„1. Unser Volk muss mit den Regeln der Gesundheitspflege
bekannt gemacht und daran gewöhnt werden, gesundheitsgemäß
zu leben und die heranwachsende Jugend gesundheitsgemäß zu
erziehen.
2. Zu der Unterweisung in der Gesundheitspflege sind in
erster Linie die Aerzte berufen, welche durch ihre Ausbildung
und durch ihren Beruf die Gewähr dafür bieten, dass die Unter¬
weisung eine zweckmäßige ist.
3. Ausser der Belehrung, welche von Aerzten gelegentlich
der Behandlung von Kranken gegeben werden kann, erweist sich
zur Verbreitung der Grundregeln der Gesundheitspflege die Schule
am geeignetsten.
4. Die an der Schule angestellten Aerzte haben, neben der
Ueberwachung des Gesundheitszustandes der Kinder und der be¬
züglich der Gesundheit der Kinder in Betracht kommenden Ein¬
richtungen der Schule, dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder
mit der Gesundheitspflege vertraut gemacht und mit Hilfe der
Schule daran gewöhnt werden, gesundheitsgemäß zu leben.
5. Da der Arzt mit dem Schüler nicht in so enger und an-
daiicmder Berührung steht wie der Lehrer, müssen ausser der
direkten Unterweisung durch die Aerzte auch die Lehrer zu dieser
Unterweisung herangezogen werden.
6. Nicht nur in den Städten an den Volksschulen, sondern
auch auf dem Lande und an den höheren Schulen sind Aerzte als
Berater für die gesundheitsgemäße Erziehung der Kinder den
Lehrern beizugeben.
7. Ebenso ist es erforderlich, dass Aerzte den Provinzial-
schulkollegien, den Schuldeputationen und den Schulkonferenzen
als Berater beigegeben werden.
8. Sowohl die Lehrer der Volksschule als die Lehrer der
höheren Schulen müssen eine besondere Ausbildung in der Gesund¬
heitspflege erhalten.
9. Den Lehrern ist zur Pflicht zu machen, bei jedem Unter¬
richtsstoffe, der hierzu geeignet erscheint, auf die Gesundheits¬
pflege hinzuweisen und im Verkehr mit den Schülern und bei der
Beaufsichtigung derselben darauf hinzuwirken, dass die Grund¬
regeln der Gesundheitspflege von den Schülern beachtet werden.
10. Besonderer Unterricht über Gesundheitspflege ist haupt¬
sächlich für die älteren Schüler der höheren Schulen imd der Fort¬
bildungsschulen erforderHch. Dieser Unterricht ist am zweck¬
mäßigsten durch Aerzte zu erteilen“.
M. Cohn (Berlin-Charlottenburg) führt aus, dass die Er¬
ziehung der Jugend zur Gesundheitspflege nur durch die Schule
erfolgen könne. Die Schule müsse zunächst vorbildlich wirken;
das Kind dürfe in der Schule nichts unhygienisches kennen
lernen. Ein systematischer Unterricht aller Kinder von früh auf
in den Grundregeln der Hygiene sei notwendig, dürfe aber nur
durch Aerzte erteilt werden. Der Lehrer solle hygienisch vor¬
gebildet sein, aber nur die Anweisungen der Aerzte kontrollieren
und repetieren. Cohn stellt gegenüber Hartmann folgende
Thesen auf:
„1. Die Unterweisung der Schuljugend in den Lehren der
Gesundheitspflege muss durch die Schule geschehen.
2. Schulhaus und Schulbetrieb müssen den Anforderungen der
modernen Schulhygiene entsprechen.
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318
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 30.
3. Den Schulkindern sollen durch die für alle Schulen anzu-
stellenden Schulärzte bei Gelegenheit der Rlassenbesuche kurze,
leicht verständliche Vorträge über Gesundheitspflege gehalten
werden; im Pubertätsalter ist dabei in angemessener Weise die
sexuelle Hygiene zu behandeln.
4. Alle Lehrer müssen während ihrer Ausbildungszeit io der
Gesundheitspflege unterrichtet werden.
5. Die Lehrer sollen die Schulkinder bei jeder Gelegenheit
zur Beachtung der Regeln der Gesundheitspflege anhalten unter
Berücksichtigung der von den Schulärzten gegebenen Untex^
Weisungen“.
Schulten (Köln) und Stephany (Mannheim) wenden sich
unter Einbringung diesbezüglicher Anträge gegen den Unterricht
der Aerzte, worauf Eorman (Leipzig) scharf erwidert, vor An¬
nahme der Hartmannschen Thesen warnt und auf die Gefahren
hinweist, die entstehen würden, wenn man den Lehrern, die viel¬
fach der Naturheiikunde, Kurpfuscherei etc. huldigen, den Hygiene¬
untorricht überliesse. Bei der Divergenz der Ansichten beantragt
Cohn eine Verweisung der ganzen Materie an eine Kommission
zur Berichterstattung auf dem nächstjährigen Aerztetage, was
auch beschlossen wurde.
Den Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Chemnitz-Land:
„Der Deutsche Aerztevereinsbund wolle beim Reichskanzler
bezw. den verschiedenen Bundesregierungen dahin vorstellig werden,
dass gegen die Vertretung von praktischen Aerzten durch Medi-
ciner, die nach Vollendung ihres Staatsexamens das vorgeschriebene
praktische Jahr ableisten, nichts einzuwenden sei, besonders nicht
während der zweiten Hälfte dieses Jahres, sowie dass die Zeit,
während der er einen praktischen Arzt vertreten hat, dem Prak¬
tikanten auf sein praktisches Jahr angerechnet werde“
begründet Bornemann hauptsächlich mit der Schwierigkeit,
jetzt Vertreter zu finden. Nachdem verschiedene Redner darauf
hingewiesen haben, dass nach Ablauf des ersten Jahres, wo Medi-
cinalpraktikanten ausgebildet würden, der Mangel gehoben sein
würde, und dass der Aerztetag sich durch Annahme des Antrags
mit sich selbst in Widerspruch setzen würde, wird dieser ab¬
gelehnt.
Den Schluss bilden die Kommissionsberichte. Zuerst- be¬
richtet Davidsohn (Berlin) über die Arbeiten der Kommis¬
sion für das ärztliche Un t e r st ü tzung s- und Ver¬
sicherungswesen. Er gibt das Resultat einer im Vorjahre
von der Kommission an sämtliche ärztliche Standesvertretungen
Deutschlands gerichteten Umfrage, sich bereit zu erklären zu fol¬
genden Maßnahmen:
„1. Dass die Jahresberichte und Satzungen der in ihrem
Wirkungskreise vorhandenen Unterstützungs» und Versicherungs¬
kassen, Stiftungen und anderer ärztlicher oder für Aerzte und
deren Angehörigen in Frage kommenden Wohlfahrtseinrichtungen
an die Kommission in regelmäßiger Wiederkehr eingesandt oder
deren Einsendung veranlasst werden.
2. Dass ein Verzeichnis darüber angefertigt werde, welche
Wohlfahrtseinrichtungen für Aerzte und deren Angehörige aus¬
schliesslich oder auch für Aerzte neben anderen Berufsarten im
Wirkungsbereiche bestehen (Stiftungen, Krankeuanstalten, Waisen¬
häuser, Alters- und Siechenheime, Bonifikationen, welcher Art und
in welcher Prozenthöhe sie gewährt werden.
3. Dass örtliche Auskunftsstellen und Beschäftigungsnach¬
weise für Aerzte eingerichtet w’erden.
4. Dass für Hinterbliebene von Aerzten Einrichtungen ge¬
troffen werden,
a) zwecks Nachweises von Beschäftigung auf dem Gebiete der
Krankenpflege (Oberin, Verwalterin etc.), im Haushalte als
Stütze etc., im Kunstgewerbe, im kaufmännischen Berufe etc.,
b) zwecks Nachweises und Unterbringung in Stiften, Waisen¬
häusern, Familien, Anstalten.
5. Dass Vergünstigungen angestrebt werden für die verschie¬
denen Arten von Versicherung, für Badekuren, Krankenanstalten etc.,
und schliesslich, dass periodische Erhebungen angestellt werden
a) über die Zahl, das .Alter der Aerzte, ob ledig, verheiratet, ver¬
witwet, über das Altersverhältnis zur Frau, über die Zahl der
Kinder, b) über die Zahl und das Alter sämtlicher Arztwitwen
und Arztwaisen, soweit letztere zum Haushalt gehören, c) über
die Zahl der invaliden Aerzte“.
Die meisten Standesvertretungen haben sich dazu bereit er¬
klärt, Die Kommission erbittet die Ermächtigung, nunmehr im
nächsten Jahre weitere Vorschläge zu machen. Der Bericht von
Lind mann (Mannheim) über die Kurpfuschereikommission,
sowie von Hesselbartb (Berlin) über die V er sich e r u n g s-
kasse für die Aerzte Deutschlands boten nichts
Bemerkenswertes. Dagegen gab es bei dem Bericht über die
Auskunftsstellen in Hambiirg für Schiifsärzte und
Niederlassungen im Auslande noch eine angeregte De¬
batte, da der Generalsekretär des Leipziger Verbandes, Kuhns,
den Nachweis führte, dass die Auskuuftsstelle in ihrer gegen¬
wärtigen Gestaltung mehr ein Werbebureau für die Reedereien,
als eine Interessenvertretung der Aerzte darstelle. Eis wurde
demgemäß der Geschäftsausschuss beauftragt, ftlr eine Verlegung
dieser Auskunftsstelle nach Leipzig Sorge zu tragen.
Nachdem Löbker dann in seinem Schlusswort die Eindrücke
und Ergebnisse des Aerztetages zusammengefasst hatte, wurde die
Sitzung mit einem Hoch auf den allbeliebten Vorsitzenden ge¬
schlossen.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 24.
1. Alt: Uchtspringe-Altmark; Emähningstherapie der Base*
dow’sohen Krankheit.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die erhebliche Belastung
zu Nerven- und Geisteskrankheiten in vielen Fällen nicht aus¬
schliesslich oder vorwiegend auf einer von Haus aus mangelhaften
Anlage des Nervensystems beruht, sondern auch durch Funktions¬
schwäche des und jenes Stofifwechselorgans bedingt sein kann, das
bei zu starker Belastung versagt und eine das Nervensystem und
die Psyche schädigende chronische Eigengiftung setzt. In so ge¬
legenen Fällen ist eine erfolgreiche Behandlung nur dann zu ge¬
wärtigen, wenn das unterwertige Organ geschont and durch stärkere
Anspannung anderer StofPwech^selkomponenten entlastet oder durch
künstliche Einverleibung wirksamer Fermente ersetzt wird.
Ernährungsbehandlung mit Kontrolle des Stoffwechsels führte 'in
vier Fällen von Basedow günstige Resnltate herbei. Der Nieren-
insuffizenz wurde durch Verringerung der Kochsalzzufuhr auf etwa
4 g täglich und Beschränkung des Trinkens Rechnung getragen,
die Verabreichung von Kohlenhydraten entsprechend der jeweiligen
niedrigen Toleranzgrenze herabgesetzt, die Nahrung durch Eliweias
und namentlich viel Fett kalorisch sehr hochwertig gestaltet, wo¬
bei sich insbesondere Milch, Schlagsahne und ungesalzene Butter
als sehr wertvoll erwiesen. Unter solcher Ernährung gelang es
ganz ausnahmslos, eine durch Ansatz von Körpersnbstanz bedingte
und nicht auf Wasserzurückhaltung beruhende bedeutende Elrhöhung
des Körpergewichts, einen sehr beträchtlichen Rückgang aller
Basedowsymptome, was das erfreulichste ist, auch eine wesentliche
Steigerung der Leistungsfähigkeit der vordem insuffizienten Organe
zu erzielen.
2. Eppenstein und Körte, Breslau: Heber das Verhalten
der im Blute der Typhuskranken nachweisbaren Typhnsbazillen
gegenüber der bakteriziden Wirkung des Blutes.
Die Verfasser konnten in 6 klinischen Fällen beobachten, dass
das Blut der Typhuskranken, das man der Ader entnimmt, nidit
imstande ist, mit seiner ihm sonst gegen Typhusbazillen zukommen-
den bakteriziden Kraft diejenigen Tj^husbazillen aufeulösen, die
im Verlaufe der Infektion hineingelangt sind. Wie werden wohl
kaum fehlgehen, wenn wir diese in vitro beobachtete Erscheinung
auch für das zirkulierende Blut und andere Körpersäfte annehmen.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine im Laufe der Infektion
erworbene, vielleicht auch zum Teil schon ursprünglich vorhandene
Widerstandskraft eines Teils der infizierten Bazillen. Auf dieser
Widerstandskraft dürften wohl auch, worauf Stern schon in seinem
Vortrag auf der Breslauer Naturforscher-Versammlung hinwies, zum
Teil die mangelhaften Erfolge beruhen, die man bisher mit der
Serumtherapie beim Abdominaltyphus zu verzeichnen hatte.
3. Vandeweyer und Wy bauw, Brüssel: Heber die Wirkung
der Stahlwässer auf den Stoffwechsel.
Die Resorption des Stickstoffes wird hier deutlich vermehrt
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
319
Tlasselbe wird auclt für die Kohlehydrate beobachtet. Für Fette
findet aber das Gegenteil statt. Diese werden schlechter resorbiert.
Ea entsteht unter Einfluss des Stahlwassers eine deutliche Zunahme ,
des Eiweisszerfalles. Auch wird im Verhältnis zum Gesamtstick¬
stoff weniger Harnsäure ausgesohieden. Die Stahlwässer sind also
nicht als einfache Eisenpräparate zu betrachten. Sie üben noch
eine wichtige Wirkung auf den Stoffwechsel aus, welche vielleicht
erklärlich macht, warum die geringen Eisenmengen eine so deut¬
liche klinische Wirkung entfalten. Auch für die während der
Stahlkur vorzuschreibende Diät sind diese Angaben wichtig, indem
leichtsrerdauliche Eiweisstoffe nützÜch, Fette dagegen kontraindi-
ziert sind.
4. Jesionek, Giessen: Ueher Leokoderma bei Lues, bei
Psoriasis nnd bei Ekzema Seborrholcnm.
J. sah, wie bei Lues und bei Psoriasis vulgaris auch in einem
Falle seborrhoischen Ekzems leukodermatische Veränderungen an
der Haut auftraten.
5. Engel und Plaut, Dresden: Art und Menge des Pettes
in der Habmng stillender Pranen nnd die Wirkung seiner Ent¬
ziehung auf das Milchfett
Verf. kommen nach ihren Versudien zu der Forderung, dass
man für eine stillende Frau den Fettgehalt der Nahrung nicht
unter ein bestimmtes Minimum gehen lassen darf, falls man nicht
die Qualität des Sekretes gefährden will. Uebermässige Steigerang
der Fettznfnhr hat allerdings auch keinen Zweck, da sich hier¬
durch der Fettgehalt der Milch wenn überhaupt, so doch nur in
sehr engen Grenzen erhöhen lässt, oftmal aber ein sehr unliebsames
Nachlassen der Sekretion herbeigeführt werden kann.
6. Credö, Dresden: Prophylaktisohe Antisepsis.
Zur prophylaktischen Desinfektion kommt Kollargol in Betracht
und zwar erst als Strenpulver. Da die Benutzung reinen löslichen
Silbers eine enorme Verschwendung darstellen würde, wendet G.
ein Pulver an, welches aus drei Teilen Kollargol und 97 Teilen
feinsten, durchgesiebten Milchzuckers besteht. Dasselbe hält sich
se}^ gut trocken, stäubt leicht, sieht weissgrau aus, färbt sich
aber bei Berührung mit nässenden Flächen sofort braun. Es ist
absolut schmerz- und reizlos und äusserst billig. Der Rezeptur-
preis für Aerzte beträgt für 100 g höchstens 20 Pf., während
Jodoform 365, Dermatol 400, Chinosol 600, Airol 650, Vioform
740, Jodol 1000 und Protargol 1550 Pf. etwa kosten. Für aus¬
gedehnte, mehr flächenhafte Wunden ist es besonders geeignet.
Zweitens benutzt C. eine l%ige Lösung zum Eingiessen in tiefe
W unden, in Höhlen, in die Bauchhöhle, in die Blase in Mengen
bis etwa zu 50 g. Drittens verwendet C. KoUagoltabletten, welche
besonders energisch und dauernd desinfizieren, da sie niu* sehr all¬
mählich .schmelzen. Sie dienen z. B. zum Auflegen auf eine Schuss-
wande, zum Einlegen in die Nischen und Spalten einer kompli¬
zierten Fraktur, selbst mehrere Stücke davon können unbedenklich
mitten in zertrümmertes Gehirn hineingelagert werden. Entweder
werden sie nackt oder in steriler oder in Silbergaze eingeschlagen
angewandt. Mit ihnen bereitet man sich ferner rasch Lösungen
jeder Stärke zum Ansspülen, zum Auswaschen, zum Gurgeln, zn
Angenaufschlägen, zu feuchten Verbänden und zum Trinken bei
Verletzungen oder Geschwüren der Speiseröhre und des Magens,
sowie zu Klysmen und intravenösen Injektionen. Ferner kommt
Kollargol in den Handel in Form von Stäbchen für Blase, Uterus,
Fisteln usw., von kleinen Stiften für zahnärztliche Zwecke, Tränen-
flsteln, Samariterkästen nnd Hausapotheke, als Suppositorium usw.
Kollargol färbt die Zähne absolut nicht, wie es Silbersalze tan, so-
dass es jahrelang als Mundwasser zu benutzen ist, seine Flecken
waschen sich ohne weiteres wieder aus der Wäsche aus. Selbst¬
verständlich ist damit die Form seiner Anwendung nicht erschöpft
und kann sich jeder noch weitere Darreichungsformen zurechtlegen.
Dass die Verbände nicht täglich, sondern nur nach Bedarf zu
wechseln sind und dass bei noch vorhandenem Silbervorrat anf der
Wunde neues Kollargol nicht aufzutragen ist, liegt auf der Hand.
Das Auftreten von Argyrose ist ausgeschlossen. Das jetzt im
Handel befindliche, allein von der chemischen Fabrik von Heyden
dargestellte Kollargol ist äusserst haltbar, in jedem Wasser löslich,
hat auch intravenös injiziert keine unangenehmen Nachwirkungen
mehr, wie z. B. Fröste, sodass es auch aus die.sen Gründen sich für die
ärztliche Hausapotheke besonders eignet.
7. Heermann, Essen a. d. Ruhr: Zur konservativen Be¬
handlung der Kasennebenhöhleneiterungen.
Hierzu ist die von Soltmann eingeführte Saugbehandlung
in Verbindung mit der intranasalen Freilegung der Nebenhöhlen
in erster Linie berufen.
8. Uffenorde, Göttingen: Kritische Bemerkui^enüber die
Sondermann’sohe Saugmethode bei Erkrankungen der Nasen¬
nebenhöhlen.
Dass unter besonderen Verhältoissen eiomal der praktische
Arzt sich des Apparates aushilfsweise wird bedienen können, ist
natürlich, aber es wird nur eine Aushilfe bedeuten, bis von spezial-
ärztlicher Seite eine Behandlung möglich ist, da eine solche ge¬
wissermaßen blinde Therapie einmal fast immer unzulänglich, unter
Umständen auch bedenklich sein kann.
9. Hoffmeyer, Rethema. Aller: Beitragzu den angeborenen
Ankylosen der Pingergelenke.
Bei einem 25jährigen Maurermeister besteht eine Gelenkver-
steifuDg im Metakarpophalangealgelenke des Daumens an beiden
Händen; der Vater desselben und eine Tochter weisen dieselbe
Anomalie auf.
10. Büchner, München: Eine Methode, den Eiweissgehalt
eines Harnes mit hinreichender Genauigkeit für klinische Zwecke
in einer Stunde zu bestimmen.
Es ist sicher von grossem Wert für den Arzt, wenn sich der¬
selbe auf einfache Weise mit geringen Hilfsmitteln schnell über
die Grösse des Eiweissgehaltes eines Harnes mit für klinische
Zwecke hinreichender Genauigkeit orientieren kann. Zu diesem
Zwecke hat B. eine Methode ausgearbeitet und bringen die „Ver¬
einigten Fabriken für Laboratoriumsbednrf“, G. m. b. H., Berlin N.,
Chaussestrasse 3, den dazu nötigen Apparat unter der Bezeichnung
„Albuminimeter nach Georg Büchner, München“, in den Handel.
Dieser Albuminimeter ermöglicht, den Eiweissgehalt eines
Harnes in einer Stunde mit hinreichender Genauigkeit für die Zwecke
des Arztes, in einfacher Weise zu bestimmen. Diese Eiweissbe-
atimmung gründet sich auf die Beobachtung, dass, wenn man
filtrierten, eiweisshaltigen Harn zum Kochen erhitzt, sodann einige
Tropfen Salpetersäure und die nötige Menge gesättigte Kochsalz¬
lösung zusetzt, sich das koagulierte Eiweiss in einer Stunde so
dicht nnd gleichmäßig absetzt, dass sich daranf eine quantitative
Bestimmung gründen lässt.
11. Rühl, Turin: Cesare Lombroso.
No. 25.
1. Baumann, Metz: Beiträge zur Unterscheidung der
Streptokokken.
Aus seinen Untersuchungen am hygienischen Institute zu Halle
behufs Untersuchung der Streptokokken konnte B. folgendes fest¬
stellen:
Auf Schottmüller’s Blutagar bilden nur sicher pathogene
Streptokokken vom Typus des Strept. longus s. erysipelatos einen
deutlichen Resorptionshof, während die von B, aus Speichel, Stuhl
und Milch isolierten Stämme keine ausgesprochene Hämolyse auf
diesem Nährboden zeigen. 2. Die nicht hämolytischen Strepto¬
kokken bilden attf Blutagar teils grünen Farbstoff teils nicht.
Eine Gesetzmäßigkeit ist hierbei nicht festzusteilen. 3. In Bouillon¬
kulturen lässt sich bei pathogenen Streptokokken ebenfalls eine
starke hämolytische Wirkung nachweisen, während dieselbe bei
den nicht pathogenen Stämmen meist gering ist. 4. Die Hämo¬
lysine treten in den Bouillonkulturen meist schon nach 24 Standen
auf und erreichten nach 1 — 3 Tagen den höchsten Grad, um meist
nach 7—9 Tagen, zuweilen auch erst nach 14—20 Tagen zu ver¬
schwinden. 5. Zur Unterscheidung der Streptokokkenarten ist die
Züchtung auf Blutagar dem hämolytischen Versuch in Bouillon-
knlturen überlegen. 6. Durch Zerlegung von Zuckerarten (Trauben-,
Milch- und Rohrzucker) lassen sich keine Unterschiede zwischen
den verschiedenen Streptokokkenstämmen finden. 7. in den Bar-
siekow’schen Nährböden, sowie in Lakmnsmolke ist kein Wachs¬
tum der Streptokokken zu beobachten.
2. Ludloff, Breslau; Die Auskultation der Wirbelsäule, des
Kreuzbeins und des Beckens.
Mit dem Perkussionsbammer hat L. erst systematisch Dorn¬
fortsatz nach Dornfortsatz, Gelenkfortsätze, Kreuzbein und Kreuz-
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 30.
heinfuge in verschiedener Stärke perkutiert, um einwnndsfrei die
schmerzhaften Stellen genau herauszußnden und zu isolieren. Diese
schmerzhaften Stellen hat er darauf auskultiert, und er war er¬
staunt Uber den Äuskultationsbefimd, während die Palpation und
die Inspektion bei Ereuz- und Genickscbmerzen oft vollständig im
Stich Hessen. In diesen Fällen wurden der Äuskultationsbefund
unterstützt durch das Röntgenbild und durch bestimmten Inspek¬
tionsbefund, der aber bis dahin nicht oder falsch gedeutet war.
Während an der Kreuzbeindarmbeinfuge nur der Inspektionsbefund
den Äuskultationsbefimd unterstützte, können wir meistens bei der
Arthritis der Wirbelgelenke weder durch Palpation noch durch
Inspektion etwas Pathologisches nachweisen. Therapeutisch ist
dieser Auskultationsbefund natürUch nicht ohne Bedeutung. Wie
oft mag die Okzipitalneuralgie sich von so einer zirkumskripten
Arthritis in diesem oder dem nächst unteren Wirbelgelenk ableiten!
Die Knochenkrepitation ist manchmal so auffallend, dass man sie
leicht von den anderen Geräuschen, die hier durch Muskelkon¬
traktion, Schleimbeutel, Sehnenbewegungen entstehen, unterscheiden
kann.
3. Jolly, Berlin: Ueber die Wendung bei Plazenta praevia.
Wenn man sonst bei erweitertem Muttermund und stehender
Blase wenden will, so schont man die Blase möglichst lange, sprengt
die Eihäute eventuell erst, nachdem man mit der Hand über den
Muttermund hinanfgegangen ist, und tamponiert sofort mit dem
Arm, sodass nur wenig Fruchtwasser abüiessen kann. Dies ge¬
schieht zur Erleichterung der Umdrehung; das Ergreifen eines
Fasses macht keine Schwierigkeit, da ja die volle Hand bis hoch
hinauf in den Uterus geführt werden kann. Ganz anders liegen
die Verhältnis.se, wenn die Wendung bei nicht erweitertem Mutter¬
mund , wie bei Plazenta praevia erforderlich wird. Hier kann
el)en nicht die volle Hand in den Uterus eingeführt werden, son¬
dern man muss mit ein oder zwei Fingern den Fuss herunter¬
holen. Die Schwierigkeit der Operation liegt hier nicht in der Um¬
drehung der Frucht, sondern gerade in dem Ergreifen und Herunter-
holen des Fusses. Versucht man dieses, solange die Eihöhle noch mit
Fruchtwasser angefüllt ist, so wird der Fuss immer wieder ausgleiten,
da die Frucht sehr beweglich und auch durch äussere Handgriffe
schlecht zu fixieren ist. Hat man dagegen vor der Wendung das
Fruchtwasser ablaufen lassen, so entgleitet der einmal gefasste
Fuss nicht so leicht mehr und kann gerade durch äussere Hand¬
griffe fixiert und der inneren Hand und dem Muttermund ent¬
gegengedrückt werden. Man soll also nach Blasensprengung mög¬
lichst viel Fruchtwasser ablaufen lassen und dann erst den Fuss
zur Wendung herunterholen. Dabei darf man nicht erschrecken,
wenn beim Blasensprengen ein grosser Schwall Blutes hervorzu-
schiessen scheint; es handelt sich um das durch geringe Blutbei-
menguugen dunkel gefärbte Fruchtwasser. Die Methode, das
Fruchtwasser vor der Wendimg abfliessen zu lassen, bietet auch
eine be.ssere Prognose für das Kind. Denn es kommt vor allem
darauf an, dass eine gute Wehentätigkeit in kurzer Zeit den Zer¬
vikalkanal erweitert. Eine solche wird at)er hervorgerufen durch
rasche Verkleinerung des Uternsinhaltes, da-s heisst also durch Ab¬
lassen des Fruchtwa-sses vor dem Heranterholen des Fusses und
der Wendung. Unterlässt man dieses, so tamponiert der herunter-
gebolte Schenkel den Zervikalkanal, und das Fruchtwasser kann
garnicht oder doch nur langsam abfliessen. Die Verhältnisse liegen
ähnlich wie bei dem durch Hydramnion übermäßig au.sgedehnten
Uterus. Die Eröffnnngswehen sind hier meist schlecht, werden
aber regelmäs.sig besser, wenn das Fruchtwa-sser abgelassen und
damit die Gebärmutterausdehnung verkleinert wird. Je mehr
Fnichtwasser man ablaufen läs.st, um so besser ist der Erfolg:
man darf .sich niclit mit einer geringen Menge begnügen, sondern
muss <'ventnell den vorliegenden Teil zurückschieben, damit die
Passage für den Fi‘uchtwas.sf^rstrom ganz frei wird. Erleichterung
der Wendung und Be.schleunigung des Geburtsverlaufes werden
also die Folge sein.
4. Treutlein, Würzburg: Kriegschirurgisohes aus Japan*.
Eine selir interes-sante Erläuterung der Wirkung des Infanterie¬
geschosses der Rassen. Es sind Beobachtungen, die T. in den
Monaten Juli und August 1900 in den grossen Kriogsliospitälern
in Tokio, der japanischen Hauptstadt, machte. Als neue Ma߬
nahmen fielen folgende auf: die Operation traumatischer Aneurysmen:
die Erzielung tragfähiger Amutationsstümpfe durch Nachbehandlung;
der Ersatz zerstörter Nervenpartieen durch Kalbsarterien. Rück¬
haltslos wurde T. von japanischer Seite zugegeben, dass man die
Ideen hierzu zumeist aus der deutschen chirurgischen Literatur
geschöpft habe, die richtige Erkenntnis des Gaten und die prak¬
tische Durchführung im grossen Stil bleibt jedoch ungeschmälert
das Verdienst der Japaner. Das japanische Verbandpäckchen
hatte sich durch gute Belehrung der einzelnen Träger recht g:ut
bewährt. Die vorzüglichen Resultate der Japaner, sekundäre
Wundinfektionen und speziell Tetanus auf dem Schlachtfelde zu
vermeiden, dürften schliesslich einer rationellen Verwendung von
Perubalsam zuzuschreiben sein.
5. Spaether, München: Ein Beitrag zur Sänglmgsem&hnuLg
in Arbeiterkreisen.
Leider muss immer noch mit der Tatsache, dass es einem
grossen Prozentsatz der Mütter in diesen Kreisen infolge Krank¬
heit und Arbeit unmöglich ist zu stillen, gerechnet werden.
Lieferung einer guten Milch und Aufklärung allein hilft nicht.
Die Ueberlastung der Mutter mit anderweitiger Arbeit ist in die.sen
Kreisen oft so gross, dass es ihr schwer wird, die Milch zweck¬
mässig za behandeln und rationell darzareichen. Oft genug kommt
dazu noch eine schwer zu bekämpfende Indolenz. Ofienstehen-
lassen der Milch, .Stehenlassen am warmen Ofen; unreine Geschirre
können eben die beste Milch zu einer schlechten machen, ln Be¬
rücksichtigung dieser Verhältnisse dürften in Zukunft die ärztlich
geleiteten Milcbküchen, die für billiges Geld trinkfertige Kinzel-
portionen — aber nur auf Grund vorhergehender kontrollierender
ärztlicher Untersuchung — liefern, womöglich täglich direkt ins
Haus, in dem Bestreben nach einer rationellen künstlichen Er¬
nährung weiter Volkskreise eine Rolle zu spielen berufen sein.
Die einfache Vorschrift, dass die Flaschen sofort kühl, entweder
in Eis, in fliessendes Wasser oder in den Keller gestellt werden
sollen, dass die Flaschen vor dem Trinken in heissem Wasser an¬
zuwärmen ' und die Verschlüsse mit den von der Milchküche ge>
lieferten Saughütchen zu vertauschen sind, kann auch die l>e-
schäftigste Arbeiterirau ausiühren.
6. Köhler, Hosterhausen (Werden a. d. Ruhr): Ein Fall
von tranmatisebem Oedem.
Nach einer Verstauchung schwoll der ganze rechte Vorderarm
an, das Handgelenk, die Hand and allmählich der Unterarm zeigt
eine zyanotische, stellenweise inselförmige, hellrote Verfärbung, die
Temperatur des Armes ist herabgesetzt. Die Funktion bleibt
8 Wochen so gehemmt, dass Patient heim An- und Ausziehen den
rechten Arm kaum benutzt. Fieber ist niemals aufgetreten. Viel¬
leicht spielt die Tatsache mit hinein, dass der Kranke vor 4 Jahren
einen Hieb über die linke Kopfseite erhielt, infolgedessen er 2
Tage bewusstlos gewesen sein soll. Auffallend ist allerdings, dass
diese Verletzung bisher keine nachweislichen Störungen zu Tage
gefordert hatte. Immerhin ist nicht mit Sicherheit abzulehnen,
dass diese Verletzung im Zusammenhang mit der aufgetreteoen
Lokalnourose stehen könne.
7. Cohn, Mannheim: Heber Bebandlnng mit Hetol bei
Keratitis parenchymatosa.
Zwei Fälle erwiesen mit Deutlichkeit, dass Hetol schon bei
Einträufelung in die Konjunktivs einen günstigen Einfluss auf den
Verlauf von Keratiti.s parenchymatosa im akuten und subakuten
Stadium aasübt, auch wenn die Iris mit ergriffen ist.
8. Beck, Würzburg: Ein neuer Apparat zor Vornahme von
Sehprüfongen.
Eine Trommel, die sich selbsttätig bewegt untl in umschriebe¬
nem Felde selbsttätig die jeweilig gewünschte Sehproi>e hervor¬
treten lässt.
9. Eouschel, Graz: Die einfachste Methode der Anaeroben-
Züchtung in flüssigem Nährboden.
Sehr plau.sihle und leicht zn improvisierende Art!
10. Berger: Köln-Tjindenburg: Zur Färbung der Spiroohaete
pallida.
Man verdünnt 4 ccm konzentrierter Dalilialösnng mit 20 ccm
Aqn. dcRt. Diese Lö.sung erliält sich lange Zeit gut. Die Färbung
führt B. iu folgender Weise aus: Fixierung der luftti'ockenen,
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1906.
MEDlClNlSCfllS WOCHE.
321
möglichst dUnnen Ausstriche in Älcoh. absol. 5 —10 Minuten. Ab-
trooknen. Vorbehandlung mit einigen Tropfen Azur II>Lösung
(nach Giemsa) 1 Minute. Abspülen mit Leitungswasser, Ab¬
trocknen, kurzes Durchziehen durch die Flamme. Neutraler Ea-
nadabalsam. Da die roten Blutkörperchen in dUnnen Auastriohen
hell bleiben, braucht man bei dieser Färbung nicht so ängstlich
die Anwesenheit von Blut im Präparat zu vermeiden. Eine wässerig¬
alkoholische Lösung von Gentianaviolett in derselben Konzentration
(1 :5) leistet bei gleicher Anwendung dasselbe, gibt aber etwas
dunklere Bilder. Der Fortschritt dieser Färbung gegenüber der
früher angeführten Methode scheint neben grösstmöglichster Ver¬
hütung von Niederschlägen vor allen Dingen darin zu liegen, dass
hierbei die unsaubere und unbequeme Zugabe der konzentrierten
Lösungen zu dem Azur direkt auf dem Objekt vermieden wird.
11. Liepmann, Berlin: Der Wert der Statistik für die
Frage der Bchnellentbindnng bei der Eklampsie.
Die Hauptsache ist auch und bleibt auch Esch gegenüber die
möglichst schnelle Entbindung. »Wir wissen sehr wohl, dass die
Schnellentbindung kein Allheilmittel für die Eklampsie ist; wissen
wir doch niemals, wieviel Gift schon produziert, wieviel Gift schon
gebiinden ist, weil wir das aber nicht wissen können, anch durch
die klinische Beobachtung keinen absoluten Anhaltspunkt dafür
haben, deshalb müssen wir jede Eklamptische sofort entbinden und
deshalb glauben wir allerdings, dass jeder Praktiker, der wenigstens
nicht mit allen Mitteln sich bemüht, so gut er es kann, die Frau
zu entbinden oder entbinden zu lassen, wie Fehling es zuerst
aassprach: „eine Unterlassungssünde (um den Ausdruck Kunstfehler
zu vermeiden) begeht.“
12. V. Stubenrauch: Bas Theilhaber’sohe Verfalireii zur
Yermindenuig der Infektlonsmögliokkeit bei Operationen in der
Baachliöhle.
Die goldene Regel, von Peritoneum entblOsste Bauchorgane
nach Möglichkeit wieder mit Serosa zu decken, muss auch für
Stiele ligierter Organe gelten. „Theilhaber unterschätzt die
Vorzüge der Peritonisierung; aus seiner Darstellung muss man den
Eindruck gewinnen, dass er die Stiele lediglich ligiert, abschneidet
und versenkt.“ Mit dieser Schutzmallregel aber kann das Ab¬
waschen der Stiele, welches Tbeilhaber empfiehlt, nicht kon¬
kurrieren, und man soU nie die bakterientötende Kraft eines kurze
Zeit auf Wunden applizierten Antiseptikums überschätzen.
13. Heller: Uebereineiinaiifgeklärte fieberhafteErkrankimg
mit den höchsten bisher gemessenen Temperaturen. Naohträg-
liehe Bemerkung.
Teabe imd ünverricht berichteten von noch höheren
Temperaturen als 45'^ C, die auch vertragen wurden, imd zwar bis
49,9“ C.
14. Ebstein, Göttingen: Die Krankheit des Kaisers Sig¬
mund (1400—1437).
Man wird bei der letzten Krankheit des Kaisers Sigmund
daran denken müssen, dass er an einer senilen Gangrän, die sich
zunächst an einer grossen Zehe lokalisierte, gelitten hat, welche
sich allmählich weiterkriechend nach oben bis anf den Schenkel
erstreckte. Dabei ist sehr wohl möglich, dass die solche Brand-
fonnen vermittelnden krankhaften Veränderungen der Blutgefksse
auf gichtischer Basis entstanden sind.
15. Qniuke, Kiel: Heber ärztliche Spezialitäten and
Spezialärzte.
16. Bergeat, München: Der Aerztetag and die Arbeiter-
veriichemngBform.
Deutsche med. Wochenschrift. 1906, Nr. 24.
1. Bruck, Berlin: Zur biologischen Diagnose von Infek¬
tionskrankheiten.
Verf. hat mit Wassermann zusammen eine Methode ange¬
geben um in vitro das Vorhandensein kleinster Mengen gelöster
Bakteriensubstanz in KörperflUssigkeiten festzuztellen. Die Methode
beruht auf dem Phänomen derKomplementbildungbeimZusammentritt
von Antigen und Antikörpern. Die neueren Beobachtungen des
Verf. haben nun ergeben, dass es mit dieser Methode gelingt,
schon in den ersten Tagen einer akuten, allgemeinen Miliartuber¬
kulose den Nachweis spezifischer Substanzen der Tuberkelbazillen
im Blutserum zu erbringen und so die Diagnose serodiagnostiscb
zu einer Zeit zu sichern, wo dies mit den bisher zur Verfügung
stehenden Untersuchungsmethoden nicht möglich ist.
2. Foeppelmann, Coesfeld: Beitrag zor lyphozdiagnoBtik.
Verf. hebt hervor, dass die bakteriologische Sicherung der
Diagnose Typhus immerhin recht kompliziert ist und daher dem
prakt. Arzt nicht allzu nützlich sich erweist. Verf. hat daher eine
Methode ausgearbeitet um im Ausstrichpräparat die Typhusbazillen
im Blut nachzuweisen. Aus der gut gereinigten Fingerkuppe
wird mittels steriler tief eingestochener Nadel Blut entnoinraeu
und 2—4 Objektträger damit beschickt. Die Färbung geschieht
durch Eintauchen der Objektträger in R. May-Grünwal dsches
Farbgemisch. Mit Aq. dest abgewaschen, werden die Präparate
schnell getrocknet und bei 1000 facher Vergrösserung untersucht.
Es finden sich stets gute Bilder der charakteristischen Typhus¬
stäbchen.
8. Wilms, Leipzig: Heilong kysterisoher Kontraktoren
durch Lamball ähmnng .
Bei einem Fall von ausgeprägter hysterischer Kontraktur im
linken Bein hat Verf. eine Injektion von Stovain in dem Lumbal¬
sack gemacht und damit eine Lähmung der Extremitäten bewirkt.
Während dieser konnte das Bein gestreckt werden. Nach Auf¬
hören der Lähmung war Pat. im Stande zu gehn.
4. Pochhammer, Greifswald: Zar Technik and Indikations-
stellong der Spinalanalgesie.
Der Patient wird auf den Operationstisch gesetzt und beugt
den Körper nach vorn, so dass die Wirbelsäule gekrümmt ist.
Die Gegend der Einstichstelle wird in weitem Umfang desinfiziert
und dann eine Stelle zwischen den Dornfortsätzen des zweiten
und dritten Lendenwirbels mit Chloräthyl unempfindlich gemacht.
Die Oanüle wird langsam eingestochen und zwar genau in der Mittel¬
linie bis der Lumbalsack durchbohrt ist. Als Injektion8flü.ssigkeit
dientStovainlösung, dieselbe mischt maumitderangesogenen Gerebro-
spinaliiüssigkeit. Dies geschieht in besonders ausgedehnter Weise,
wenn man beabsichtigt eine sehr hoch hinaufreichende Anästhesie
zu erzielen. Es gelingt die Analgesie bis zur Höhe der Brust¬
warzen hinauf zu erreichen. Zu diesem Zwecke hat Verf. eine
Doppelspritze angegeben. Die Dauer der Analgesie ist verschieden
und geht kaum über 2 Stunden hinaus. Irgend welche bedenklichen
Nachwirkungen wurden nicht beobachtet.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 24.
1. Beitzke, Berlin: Heber Spirochaete pallida bei ange¬
borener Syphilis.
Verf. hat eine Reihe von Neugeborenen auf die angeblichen
Syphiliserreger untersucht und zwar teils in Ausstricht, teils in
Schnittpräparaten. Bei Anwendung des Silberimpräguationsver-
fahrens konnte er in jedem Falle von kongenitaler Lues Spiro-
chaeten uachweisen. Verf. hält daher die Annahme, dass die Spiro¬
chaete pallida als Erreger der Lues anzusehen sei, für begründet.
Cytorrhyktes nachzuweisen gelang mit Sicherheit nicht.
2. Lydia Rabinowitsch, Berlin: Die Beziehongen der
menschlichen Taberkulose zu der Perlsacht des Bindes.
Die Untersuchungen der Verfasserin haben folgende Resultate
ergeben: Die Infektionsmöglichkeit des Menschen durch die Perl-
suebt des Rindes ist erwiesen; die Grösse dieser Gefahr vermag
man zur Zeit nicht abzuschätzen. Die Bekämpfung der Rinder¬
tuberkulose ist dringend geboten, nicht allein im Interesse der
Landwirtschaft, sondern auch wegen der dem Menschen durch die
Perlsuoht des Rindes drohenden Infektionsgefahr. Bei der Be¬
kämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit ist in erster Reihe
die generalisierte Tuberkulose und vor allem die Lungenschwind¬
sucht zu berücksichtigen. Mithin kommen bei der Tuberkulose¬
bekämpfung vornehmlich die vom Menschen ausgehenden Tuberkel¬
bazillen in Betracht, gleichviel, ob die ursprüngliche Infektion
durch menschliche oder durch Perlsuchtbazillen bedingt ist.
3. Rheinboldt, Kissingen: Zar Fettsachtbehandlong mit
Schilddrüse.
Verf. unterzieht die Schilddrüsentherapie der Fettsucht einer
genauen Kritik und kommt zu dem Schluss, dass es nicht be-
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322
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 30.
rechtigt ist, diese Therapie a limine wegen ihrer Gefährlichkeit
abzulehnen. Selbstverständlich ist dies keine Therapie für den
Laien, aber in der Hand des Arztes und unter Beachtung ganz
bestimmter diätetischer Maßnahmen bei täglicher Beaufsichtigung
des Patienten können gute Resultate erzielt werden.
4. Ipsen, Kopenhagen: UnterBUchangen über primäre Tuber*
kulose im Yerdauungskanal.
Verf. hat im Verein mit Fibiger eine grosse Zahl von
Sektionen gemacht und dabei auf das Vorkommen primärer
Därmtuberkulose sein Augenmerk gerichtet. Bei 187 Sektionen
von Kindern bis zu 15 Jahren waren 58 Tuberkulöse und da¬
runter 10 primäre Tuberkulöse des Verdauungstraktus. Die pri¬
märe Därmtuberkulose kam bei 5—G% aller sezierten Kinder und
bei 17% aller tuberkulösen Kinder vor. Ueber die Ursache dieser '
primären Darmtuberkulosen war im Rahmen dieser Untersuchungen
nichts zu eruieren.
5. Huebschmapn, Genf: Spiroohaete pallida (Schaudiim)
und Organerkraukung bei Syphilis congenita.
Verf. bekam ein neugeborenes Mädchen zur Sektion, bei
welchem die Diagnose Lues congenita mit Sicherheit gestellt werden
konnte. Es bestand Milztumor, Osteochondritis syphilitica, inter¬
stitielle Pankreatitis und eine immerhin seltene Thyreoditis. Die
Untersuchung auf Spiroebaeten ergab ein negatives Resultat in
Lungo und Milz, in geringer Anzahl waren sie zu finden in den
Nieren, Nebennieren, Leljer, Placenta und Nabelschnur. Dagegen
fanden sich die Erreger in grosser, teilweise enormer Anzahl im
Pankreas und der Thyreoidea. Es bestand also ein deutlicher.
Parallelismus zwischen der Organerkrankung und dem Spirochaeten-
hefund. Was die nähere Lokalisation anlangt, so fanden sich die
Erreger vor allem im Bindegewebe, in den Gefäss- und Capillar-
waudungen.
Johansen, Dr. J. C., Kopenhagen: Heber einen neuen
Banchmasflage-Apparat.
Nach den Angaben von Dr. J. C. Johansen, Kopenhagen,
hat die bekannte Firma Reiniger, Gebbert Ä. Schall*) iu Erlangen,
einen Apparat konstruiert, der technische und therapeutische Vor- •
teile von gleich hohem Masse vereinigt und der bei der ausser¬
ordentlich wichtigeu Rolle, welche die Bauchmassage heute bei
Behandlung vieler Krankheiten der Verdauungsorgane, sowie der
Anomalien des Stoffwechsels spielt, sicherlich bald eingeführt sein
*) Filialen: Berlin, München, Hamburg, Köln, Wien und Budapest.
Wird. Der Apparat, der sowohl mit BettgesteU als mit Fussbodmi-
gesteli geliefert wird, besteht im Wesentlichen ans eii^ in der
Mitte des Bettgestelles; oder an
einem Querarm des Fussbodeo-
gostclles vertikal gelagerten Hohl-
achse, in wel<dier eine durch
Keil oder Längsnute versohieb-
l)ar geführte Aohse sich befindet,
die an ihrem nuteren Eu<^e den
durch Bajonnettyerschlass aofge-
stecktem Massierkörper • trä^.
Als .Massierkörper werden im all-
geitiviaen mit Filz beschlagene und
vernmdete Holzrollen, mit Flanell
bezogene rechteckige oder der
Hauohwölbung entsprechend ge-
l>ogene Eisenplatten benutz.
Der Hauptvorzug des Appa¬
rates dürfte neben seiner grossen
Billigkeit und der Gediegenheit
seiner Ausführung, seine ausser¬
ordentlich hohe Regulierfähigkeit
sein. So lassen sich mit dem
Ap[iarat Friktionsbewegungen und
Coloiistreichen ausführen, wobei
die Grösse der Bewegungen auf
das leichteste zu dosieren und
zu regulieren ist Durch Ge¬
wichte kann der Druck genau
bestimmt werden und die Dosis
kontrolliert werden, als bei der
Behandlung durch einen Masseur, wobei nooh der grosse Vorzug
dazu kommt, dass die Bewegungen gleichmässiger sind, als bei
der Massage durch die geschickteste Hand. Es ist demnach zu
erwarten, dass der Apparat sich nicht nur da, wo kein Masseur
zu bekommen ist, oder wo die Kosten eines Masseurs zu hohe
sind, sich rasch eioführen wird, sondern dass er Dank seiner gros^ri
Vorzüge, auch da wo diese beiden Fälle nicht zutreffen, die Hand-
massage stark verdrängen wird. "
Kongresse.
Der XIV. internationale Kongress fDr Hygiene und Demo¬
graphie findet vom 23.—29. September 1907 in Berlin statt.
Das Organisationskomitee unter dem Vorsitz des Präsidenten
des Kaiserlichen Gesundheitsamts Herrn Bumm hat die Vorar¬
beiten so weit gefördert, dass die Einladungen demnächst, ergehen
werden. Die Arbeiten des Kongresses, welcher voraussichtlich im
Reichstagsgebäude tagen wird, werden in 8 Sektionen erledigt
werden: Sektion I Hygienische Mikrobiologie und Parasitologie,
Sektion II. Emährungshygiene und hygieni^e Physiologie, Sek¬
tion III Hygiene des Kindesalters und der Schule, Sektion IV
Berufshygiene und Fürsorge für die arbeitenden Klassen, Sektion
V Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten und Fürsorge für
Kranke, Sektion Via Wohnungshygiene und Hygiene der Ort¬
schaften, Sektion VI b Hygiene des Verkehrswesens, Sektion VII
Militärhygiene, Kolonial- und Schiffshygiene, Sektion VIII Demo-
graphi. Die Organisation einer mit dem Kongress verbundenen
wis.senschaftlichen Ausstelhing hat Herr Geh, Medicinalrat Prof.
Dr. Ruhner, Berlin Nr. 4, Hessischestr. 4, übernommen. Die
Geschäfte des Kongresses führt der Generalsekretär Oberstabsarzt
a. D. Dr. Nietner. Die Geschäftsstelle befindet sich Berlin W.
9, Eichhomstr. 9.
Bsriin. Professor Dr. med. Dührasen, Lessingstr. 35,
ist von .seiner Reise zurückgekehrt und hat die Leitung seiner
Privatklinik für Frauenkrankheiten wieder übernommen.
Veraotwortlicher Redakteur : Dr. P. Meistner, BerlioW. CS, Kurfüratenatr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Dniek TOS der Hejmemans'ichea Bschdrsokerei, Gebr. Wolff, HsUe s.S.
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Medicinische Woche
Oeatschmtna, A. Dfihrssen, A. Hoffa. E. Jacob!,
Hamburg. Berlin. Berlin. Preiburg 1. Bi.
H. Senator. R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Herausgegeben von
R. Robert M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosin, H. ScManfe,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricbt A. Vossiita,
Magdeburg. Giessen.
'N
Verlag und Expedition
Redaktion:
Carl Marhold in Halle a* Sf UhlandstrasM 6.
Berlin W. 62« Knrtfirstenstrasse 81*
Tcl.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Dr. P. Meißner.
-—
Vn. Jahi^ang. 30. Juli 1906. Nr. 31.
Die »Medicinische Woche'erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BalflCOlOgiSChe Ceiltralzeitllflgy Organ des Allgemeinen Deutschen
BSderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original>Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Über die Wirkung des Urotropins.
Von E. W. Eistjakowski,’^)
MilitArarzt io Rassland.
Bei Erkrankungen der Hamwege wird neben der lokalen
ancli die interne Behandlung mit Substanzen angewendet, welche
durch die Nieren aosgeschieden werden und die erkrankten
Schleimhäute günstig beeinflussen. Am häufigsten werden
ätherisch-balsamische Mittel (Oleum Terebinthini, Oleum Santali,
Balsamnm copaivae) nnd Salicylsäurepräparate (Salol, Natrium
salicylicnm etc.) angewendet In der letzten Zeit haben die
Formaldehydderivate Helmitol, Citarin, Hetralin, insbesondere
aber das Urotropin grosse Verbreitung erfahren.
Das Urotropin, welches vor ungefähr 10 Jahren von
Nicolaier in die Praxis eingeführt wurde und nach den Unter¬
suchungen von Sachs durch seine baktericiden Eigenschaften
die anderen, früher im Gebrauch gewesenen Mittel übertiifft,
stellt ein weisses krystallinisches Pulver dar, das sich in Wasser
löst und dessen chemische Formel (CH,) 6 N 4 ist. Die thera¬
peutische Wirkung des Urotropins wird dadurch erklärt, dass
sich von ihm Formalin abspaltet, welches nach den Unter¬
suchungen von Keller dann im freien Zustande im Blute und
im Ham zirkuliert. Aus diesem Grunde ist es ratsam, unge¬
fähr 15 Minuten nach der Einnahme des Urotropins nicht zu
urinieren, damit das Formalin in der Harnblase in konzen¬
trierterer Losung verbleibe. Die übliche Urotropin-Dosis be¬
trägt 0,5—0,6 drei- bis viermal täglich. Es ist ratsam, das
Urotropin nach dem Essen einzugeben, um eine Reizung der
Magenschleimhaut zu verhüten. Im allgemeinen wird das
Urotropin vom Organismus gut vertragen, wenn auchKur-
kowsky und Milligan über Fälle von Hämaturie berichten,
die mit spastischen Kontraktionen des Blasenhalses einhergingen,
und Keller krankhaften Harndrang nach Urotropin -Gebrauch
beobachtet hat.
Das Urotropin hemmt die Entwicklung von Bakterien
in der Blase, mit Ausnahme der Tuberkelbazillen und der Strep¬
tokokken, erhöht die Löslichkeit der Harnsäure (1: 300 statt
1:38000), und macht den Harn, indem es mit der Harnsäure eine
Verbindung eingoht, sauer und hält auf diese Weise die ammonia-
kalische Gärung des Harns auf. Demzufolge ist die Anwendung
des Urotropins bei Entzündung der Nieren, der Harnblase
und der Harnröhre, bei Bakteriurie, bei Phosphaturie und bei
vermehrter Harasäure-Ausschoidung indiziert.
Auf die günstige Wirkung des Urotropins bei Bakteriurie
(Colibazillen, Typhusbazillen) weisen Fuchs, Caro, Leder¬
mann etc., bei chronischen interstitiellen Nephritiden Fenton,
*) Aus dem Russiecben von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf.
bei Phosphaturie Keller, bei Enuresis nocturna Orelino hin.
Als Prophylaktikum wird das Urotropin gegen Scharlach-
Nephritis, sowie gegen Cystitiden vorgeschlagen, die bei Typhus
infolge der Ausscheidung der TyphusWillen durch die Vieren
entstehen.
Ich habe das Urotropin bei akuten und chronischen go¬
norrhoischen Urethritiden, sowie bei Cystitiden verschiedener
Provenienz angewendet und niemals irgend welche Komplika¬
tionen erlebt.
Bei der Behandlung der Urethritis wurde neben dem Uro¬
tropin auch die lokale Behandlung angewendet. Infolgedessen
ist es schwer, sich kategorisch darüber zu äussem, welcher
Teil des Erfolgs auf Rechnung des Urotropins in jedem
einzelnen Falle gesetzt werden muss.
Vergleiche ich aber die Dauer der Behandlung bei zwei
Gruppen von Kranken, von denen die eine Urbtropin erhielt,
die andere aber nicht, so kann ich mich des Eindrucks nicht
erwehren, dass die Behandlung der ersten Gruppe rascher vor
sich ging und seltener von Komplikationen (Reizung des Blasen¬
halses, Epididymitis etc.) begleitet wurde, als die Behandlung
der zweiten Gruppe.
Bei Cystitiden war die günstige Wirkung des Urotropins
weit augenfälliger und hatte in manchen Fällen sogar den
Charakter und die Beweiskraft eines Experiments, da ich den
betreffenden Patienten nur Urotropin allein behufs präventiver
Desinfektion des Harns verordnete und mich jeder lokalen Be¬
handlung enthielt, ln der Mehrzahl der Fälle Hessen die
Schmerzen nach, der Harndrang wurde seltener und der Ham
wurde, indem sich dessen alkalische Reaktion in eine saure
verwandelte, reiner und klarer.
Ich möchte nun 3 Krankengeschichten kurz mitteilen, die
vorstehende Angaben bestätigen.
1. Fall. 15. Juli 1904. Der 29jährige Patient, Maler von
Beruf, leidet seit 2 Monaten an Blasenschmerzen und häufigem
Harndrang. Die Krankheit hindert ihn bei der Arbeit. Der
Patient gibt zu, vor 5 Jahren Urethritis überstanden zu haben.
Status praesens: Der Patient ist abgemagert und blut¬
arm. Von Seiten der inneren Organe liegt nichts besonderes
vor. Der Harn ist sehr trübe und von ammoniakalischem Ge¬
ruch. Die Prostata ist leicht vergrössert. Die Untersuchung
ergibt weder Striktur der Harnröhre noch Blasensteine. Es
wird Urotropin in Dosen von 0,5 vier- bis fünfmal täglich
verordnet. Nach 4 Tagen waren die Schmerzen fast vollständig
verschwunden, so dass der Patient seine Arbeit wieder auf¬
nehmen konnte. Der Harn blieb aber trübe. Nun wurde zur
Spülung der Harnblase mit Argentum nitricum-Lösung (1:100)
geschritten, aber auch diese Ausspülungen führten eine Besserung
nicht herbei. Da ich abreisen musste, verlor ich den Patienten
aus den Augen.
In diesem Falle hat das Urotropin den Krankbeitsprozess
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324
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 31.
selbst nicht beeinflusst*), wohl aber die Schmerzen dermaßen
verringert, dass der Patient, wie gesagt, seine Arbeit wieder
aufnehmen konnte.
2. Fall. 10. Februar 1905. Der Patient, von Beruf Ap^o-
thekor, 55 Jahre alt, sieht aber älter aus. Allgemeiner Er¬
nährungszustand angegriffen, Arteriosklerose stark ausgesprochen.
Der Patient leidet an chronischem Magen-Darmkatarrh: ab¬
wechselnd Diarrhoe und Obstipation. Vor 14 Tagen litt der
Patient an hochgradiger Diarrhoe (Stuhl ca. 20 mal täglich),
darauf Obstipation. Seit 2 Tagen besteht akute Cystitis. Der
Harndrang ist sehr frequent und geht mit schmerzhaften Tenesmen
einher. Der Harn ist trübe, enthält Schleimflocken und Blut¬
streifen. Harnreaktion schwach sauer. Behandlung; Rici-
nusöl, Milchdiät, Vichy, Salol 0,3 und Urotropin 0,5 dreimal
täglich.
12. Februar. Die Blutstreifen sind aus dem Harn ver¬
schwunden, die Harnfrequenz ist seltener geworden.
14. Februar. Der Patient diagnostizierte selbst, dass er
an Nephritis leide und brach den Urotropin-Gebrauch ab.
17. Februar. Harn gleichmäßig trübe. Reaktion neutral.
Im Ham Eiweissspuren. Hochgradiger und schmerzhafter Harn¬
drang. Diarrhoe. Temperatur 39,0. Behandlung: Salol nebst
Wismut und Urotropin.
18. bis 22. Februar. Die Tenesmen lassen allmählich nach,
der Harn wird reiner und klarer.
23. Februar. Temperatur normal, Harn vollständig klar,
Harndrang nicht gesteigert.
18. März. Harnblase vollständig gesund, es besteht aber
wieder Diarrhoe.
In diesem Falle bestand augenscheinlich ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen der Darmstöiung und der Entzündung
der Harnblase. Zunächst hat sich unter dem Einflüsse dei-
Urotropin-Behandlung der Zustand der Harnblase gebessert.
Kaum hatte aber der Patient den Uro tropin-Gebrauch ab¬
gebrochen, da stellte sich eine hochgradige Exacerbation der Ent¬
zündung ein, aber sclion nach 5 Tagen war unter dem Einflüsse
des wiederholten Uro’tropin-Gebrauchs vollständige Heilung
eingetreten. Wenn auch der Patient Salol und Wismut bekam,
so kann man doch kaum den günstigen Verlauf dos Krankheits¬
prozesses auf ihre Rechnung setzen.
3. Fall. 1. Februar 1905. Der Gemeine Tsch. wurde
vom Moskauer Militär-Hospital der Sanitätsstation zu Slawiansk
*) Hinsichtlich des durch das Urotropin unbeeiiidusst geblieben
sein sollenden Krankbeitsprozesses stellt in einer Kandbemerkung die Redak¬
tion der russischen Zeitschrift, in der diese Arbeit erschienen ist, (Wojenno
Mcdicinski Jonrnal) die durchaus triftige Frage, worauf der Autor seine
Annahme, dass der Rrankheitsprozess an und für sich unheeindusst go-
blicbeo ist, stützt.
Feuilleton.
Zur Geschichte der deutschen ^sordseehäder.
Von Dr. Erich Ebstein in Güttingen.
(Fortsetzung.)
Die Insel Wangeroog ist seit 1819 seiner Soebade-
«nstalt wegen bekannter geworden, bis im Winter 1854/55
die Sturmglocken die Insel und die Regierungsanstaltcn, be-
siinclers das Konvorsutionshaus, so sehr beschädigten, daSvS die
Regierung da.s Bad preisgab. Im Anfang der siebziger Jahre
des abgelaufonen Jahrluinderts bemühten sich die Wangerooger,
den Ruhm des alten Seebades wieder zu erreichen. (Vergl.
C. Berenborg, Die Nordseeinseln. Hannover 1872, S. 51.)
AufHe Igoland erfolgte die Gründung der Badeanstalt durch
Jacob A ndreas Siome ns im Jahre 1826. (Vgl. E. Lindo-
mann, Helgoland. Berlin 1888, S. 104.) Anno 1829 zählte
da.s junge Seebad etwas über zweihundert Gäste, meistens aus
Hamburg, Lübeck und Kiel; unter ihnen war auch Heinrich
Heine, der hier einen Teil seiner Nordseelieder dichtete. Es
überwiesen. Der Patient gibt an, dass er im Juli 1904 Ure¬
thritis acquiriert habe, in 14 Tagen aber genesen sei (?). Am
17. Dezember stellte sich nach reichlichem Schnapsgenuss
wieder Ausfluss ein. Am 24. Dezember wurde der Patient
während der Arbeit plötzlich bewusstlos und infolgedessen
nach dem Moskauer Militär-Hospital transportiert, wo Erschein¬
ungen von aktiter Cystitis konstatiert wurden. Der Patient be¬
kam Salol und Chinin. Während der letzten 2 Jahre vor der
Erkrankung hat er in der Buchdruckerei gearbeitet, wobei er
die Bleiformon für den Stereotjmdruck zu giessen hatte. Diese
Arbeit hat die Gesundheit des Patienten in hohem Maße ange¬
griffen: er wurde mager, es stellte sich Obstipation ein, der
Appetit verringerte sich.
Status praesens: Der Patient macht den Eindruck eines
Schwerkranken, ist ausserordentlich abgemagert und blutarm.
Herztöne dumpf, Atmungsgeräusch rauh, mit trocknen Rassel¬
geräuschen. Nlilz vergrössert und ragt eine Querfingerbreite
über den Rippenrand hinaus. Aus dem Uretliralkanal reich¬
licher eitriger Ausfluss. Harn trübe mit reichlichem rötlicliem
Niederschlag. Der Patient uriniert häufig, tropfenweise, unter
Schmerzen. Die Prostata erweist sich bei der Untersuchung
S er rectum als mittelmäßig vergrössert und schmerzhaft. Im
.am fand man Staphylokokken in grosser Anzahl und noch
eine Bakterienart, deren Charakter näher zu bestimmen leider
nicht gelang. Temperatur 38,7—39,0. Behandlung: Salol 0,6
vier Pulver und Chinin 0,3 zwei Pulver täglich; ausserdem
blande Diät.
2. bis 7. Februar. Keine besonderen Veränderungen. Tem¬
peratur morgens 37,5 bis 40,1, abends 37,3 bis 41,3.
8. Februar. Der Patient kann des Nachts wegen häufigen
und schmerzhaften Harndrangs nicht schlafen, so dass ihm
vor dem Schlafengehen Morphium (0,01) gegeben werden musste.
Temperatur 37,4 bis 39,9.
10. Februar. Schlaf dank dem Morphium besser. Die
Cystitis zeigt aber keine Veränderung. Infolgedessen werden
Salol, Chinin und Morphium ausgesetzt und statt dessen 0,5
Urotropin viermal täglich verordnet. Temperatur 37,4 bis 37,9.
11. Februar. Schmerzen bei der Harnentleerung geringer.
Temperatur 37,4 bis 38,9.
12. Februar. Unbedeutender Ausfluss aus der Harnröhre.
Harn vollständig klar, enthält Fäden. Schmerzen überhaupt
nicht vorhanden. Temperatur 36,5 bis 36,6.
13. Februar. Subjektives Befinden vorzüglich, Temperatur
normal.
19. Februar. In den Fäden wurden Gonokokken nicht
gefunden. Das Urotropin wird ausgesetzt. Kräftige Diät
und Ferrum lacticum.
ist bekannt, dass der Dichter jedesmal, so oft er ein Schiff be¬
stieg, seekrank geworden ist. Und dennoch liebte er das Meer
wie seine Seele. Heine ist ein eifriger Verehrer und Besucher
der deutschen Nordseebäder gewesen: wir wissen, dass er im
Sommer 1823 in Cuxhafen lebte, 1825 und 1826 in Norderney;
übrigens wollte Heine schon 1823 nach Helgoland gehen,
aber ein wilder Sturm brach los, in der Nähe der Insel musste
der Kapitän umkehren. Der Dichter hat uns bei dieser Ge¬
legenheit sehr drastisch seine erste Seekrankheit geschildert;
in der es heisst*): ,.Musik der Kotzenden in der Kajüte, Schreien
der Matrosen, dumpfes Heulen der Wogen, Brausen, Summen,
Pfeifen, Mordsspektakel, der Rogen giesst herab, als wenn die
himmlischen Heerscharen ihre Nachttöpfe ausgiessen, und ich
lag auf dem Verdeck und hatte nichts weniger als fromme
Gedanken in der Seele“. Weitere Einzelheiten über den
Aufenthalt Heines 1829 (2 Monate) und denjenigen im Sommer
1830 (6 M'oehen) mögen bei G. Karpeles, Heinrich Heine
(Lpz. 1899, S. 153—159) nachgelesen werden. Es wäre ver¬
lockend, an der Hand der so zahlreich erschienenen Bücher
und Aufsätze über Helgoland die Entwickelung desselben bis
auf den heutigen Tag fortzulühren. Ich muss mich indes da-
*) Auch Lichtenberg schreibt a, a. 0.: „Die VoniitiTcheo unterw^
verschwinden in dem Genuss dieses grossen Anblicks.“
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1906.
MBDICINISCHB WOGHB.
325
3. März. Der Patient hat in 3 Wochen 12 Pfund an
Körpergewicht zugenommen.
10. März. Kleiner Morgentropfen. Harn vollständig klar,
enthält grössere Fäden, in denen Gonokokken in geringer und
Sta^hyl(mokken in grosser Anzahl gefunden wurden. Der
Patient uriniert tagsüber viermal, des Nachts zweimal. Prostata
vergrössert, leicht schmerzhaft. Behandlung: Massage der Pro¬
stata und Argentum nitricum-Instillationen.
Welcher Mikroorganismus die Cystitis in diesem Falle
verursacht hat, konnte leider nicht festgestellt werden. Mit
gewisser Wahrscheinlichkeit kann man aber die im Harn ge¬
fundenen Bakterien als Colibazillen deuten, um so mehr als
die durch die Blei-Intoxikation herbejgeführte Obstipation das
Hinüborwandern der Colibazillen aus dem Darm in die Harn¬
wege begünstigt haben konnte. Die Cystitis, welche 7 Wochen
lang gedauert hatte, hat hohes Fieber verursacht und dadurch
Erschöpfung des Patienten herbeigeführt. Das Salol blieb ohne
Wirkung: das Urotropin aber hat sich in diesem Falle
als Specifikum erwiesen: 2Tage nach der Einnahme
von 6—8 Pulvern zu 0,5 Urotropin wu rde derHarnnor-
mal, das Fieber verschwand, und der Patient begann
sich rasch zu erholen.
Wenn auch die Wirkung des Urotropins nicht in allen
Fällen so glänzend war, so ist dessen N ützlichkeit doch ausser
jedem Zweifel, und infolgedessen ist es zu wünschen, dass das
Urotropin in die Zahl der Medikamente aufgenommen werde,
die nach dem Katalog des Kriegsressorts geführt werden müssen.
Sitzungsberichte.
AerxtlUher Terei/n in Hambu/rg,
Sitzung vom 29. Mai 1906.
Vorsitzender: Herr Kümmell,
I. Demonstrationen: 1. Herr Delbanco demonstriert
einen 37jährigen Patienten, dessen seltene Affection der Kopf-
und 6esi<^tshaut ein Lupus follicularis disseminatus (Lu¬
pus miliaris, Acne tuberculosa), vor einem Jahre gezeigt
worden war. Bettmann (Heidelberg) hat vor einiger Zeit aus¬
führlich über diese Affektion berichtet und ihr eine Mittelstellung
zwischen den anerkannten tuberkulösen Erkrankungen der Haut
und den sogenannten Tuberkuliden angewiesen. Die vielen, an die
Follikel gebundenen, kleinen, lupösen, nicht konfluierenden Herd-
chen waren einer versucbsreichen dermatologischen Therapie nicht
gewichen; hingegen brachte eine im Januar d. J. begonnene Neu¬
tuberkulin-Kur völlige Heilung. Der klinisch und anatomisch ge¬
nau studierte und für die AuiFassung der Affektion wichtige Fall
wird anderweitig publiziert werden. Delbanco nimmt Veran¬
lassung, seiner Meinung, dass die Haut ein Ausscheidungsorgan
des Tuberkelgiftes darstellt, Ausdruck zu geben. Wie die Haut
mittelst Talgdrüsen und Follikel Jod, Chrom und andere Gifte
ausscheide, vermag sie solches auch für die chemischen Gifte des
Tuberkuloseerregers. Seine Studien über die Hauttuberkulose haben
Vortr. zu dieser Auffassung gedrängt; er schliesst sich der kürz¬
lich von chirurgischer Seite geäusserten Ansicht an, dass der Schweiss
keine Bakterien ausscheide: die Schweiss- bezw. Knäueldrüsen sind,
wie Unna solches vor vielen Jahren bereits behauptet hat, gegen
Bakterien immun. 2. Ferner zeigt er einen 47 jährigen Patienten
mit Sklerodermie beider Füsse und Unterschenkel.
Das schon die atrophische Form zeigende Leiden besteht seit zwei
Jahren, ohne dass der als Oberfenerwehrmann fungierende Patient
in seinem Beruf irgendwie gestört wird. Vortr. demonstriert mittelst
Epidiaskops die cirkumscripte Form der Sklerodermie an der
Hand von Photographien und empfiehlt warm die Salioyltherapie,
die leider oft genug versagt. 3. Ausserdem demonstriert er einen
38jährigen Patienten mit der leichteren Form der Dermatitis
herpe tifo rmis D ühring. An symmetrischen Stellen des Stammes
und der Extremitäten erheben sich gruppierte Bläschenanhäufungen auf
urticarieller Grundlage. Grössere Blasen- und Papelbildungen fehlen.
Das viel verkannte Leiden, das eine dubiöse Prognose gibt, ist hier für
den Anfang, nachdem 3 Jahrelang dem Patienten die Nachtruhe geraubt
war, unter Salicyl gemildert worden. 4. Er berichtet endlich über einen
vonLeistikow und ihm beobachteten Fall von Lungengumma,
bei welchem Herr Edlefsen mit Entschiedenheit die Diagnose
gestellt hatte. Der gegen Jodkali sehr empfindliche Patient ver¬
trug mit glänzendem Erfolg die damals im Sommer 1904 von
Edlefsen empfohlene innerliche Verbindung von Jod und Queck¬
silber. Es handelt sich um eine alte Ricordsche Formel:
Bp. Hydrargyr. bijod. rubr. 0,1
Kalii jodat. 8,0
Solv. in decoct. Sassaparlll, 150,0
Sir. spl. 30,0
MDS. Mehrmals tgl. 1 EssL z. n.
An Stelle des Sassaparilladecoctes hatte Edlefsen — das Rezept
befindet sich in seiner Rezeptsammlung der Kieler Poliklinik —
Wasser gesetzt, sodass es lautet:
Rp. Hydrargyr. bijod. rubr. 0,2—0,25
Solut. Kalii jodat. 10,0,: 300,0
MDS. 1—3 X ^gl- I Essl. z. n.
Die ihnen bis dahin unbekannte Formel haben Leistikow und
Delbanco seitdem in vielen Fällen bei den Spätformen gern ver¬
ordnet ; wo die Diagnose gesichert, ans irgendwelchen Gründen
aber das in dem betreffenden Falle indizierte Quecksilber äusser-
lich oder in Form von Injektionen abgelehnt werden muss, ist
rauf beschränken, nur einige Bücher aufzuflihren, die mir ge¬
rade vorliegen*). Ich darf auch hier uns im Vorbeigehen an
Franz Dingelstedt’s Expektorationen (Wanderbuch, Berlin
1877, S. 119 ff.) über die Nordseebäder, bezw. über Helgoland
erinnern, die mit den Worten schliessen: „Zur Nacht singt Dich
die grosse Mutter See, in deren Armen Du Dich am Morgen
gewie^ hast, selbst in den Schlaf. Sie ist dir überall nahe,
allezeit“ — oder wie Dingelstedt einmal so schön singt:
„0 Meer, o heil’ges Meer! Nach deiner Frische,
Nach deinem Frieden lechzet meine Seele.“
Dingelstedt spricht sich in dem eben zitierten Auf¬
satz sehr richtig über die individuelle Eigenart jedes der Nord¬
seebäder aus: „ich kenne nur ein paar Nordseebäder, und die
sind alle ausnehmend verschieden, charakteristisch ausdrucks¬
voll . . . Helgoland — vom Besten anzuheben — Helgoland
ist ein echtes, rechtes Schiffer- und Fischerkind, eine wilde
Seejungfrau. Norderney ist eine flache, gespreizte,
leere Schönheit; sie gibt sich Airs und Manieren, weil sie sich
natürlicher Einfalt und Unbefangenheit schämt. Die Seejungfor
ist schon zur Städterin geworden“ usw.
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts standen offenbar
die Nordsee- gegenüber den Ostseebädern im Brennpunkt des
Interesses. Wenigstens erachtet kein geringerer als Rudolf
Virchow eine k^urze Mitteilung über die Ostseebäder von
Westpommem und Rügen usw. (Virchows Archiv, Bd 7, S.
541 n.) schon deshalb für „gerechtfertigt, weil durch die vor¬
wiegende Neigung zu den Nordsee- und atlantischen Bädern
selbst die Aufmerksamkeit der Aerzte etwas abgelenkt ist“
usw. Virchow hat im Jahre 1858 (Virchows Archiv, Bd.
15, S. 70) nochmals das Wort für die Ostseebäder genommen,
in seiner klassischen Arbeit: „Physiologische Bemerkungen
über das Seebaden, mit bes. Berücksichtigung von Misdroy.“* *)
(Schluss folgt.)
*) G. Salomon, firinnerun? an das Seebad auf Helgoland. In
Briefen. Hamburg 1834. — In: Th.Mfundt], Charaktere und Situationen.
II. Teil. Wismar und Leipzig. 1837, S. 3—24. „Die Helgolanderrinnen“.
— Ludolf Wienbarg, Tagebuch von Helgoland. Hamburg 1838. —
Theodor vonKobbe, Briefe Uber Helgoland. Bremen 1840. — Eduard
Boas, Loben und Weben auf Helgoland. Lpz. 1847. — Earl Rein¬
hardt, Von Hamburg nach Helgoland. Lpz. 1856.
•) 1871, Virchows Archiv, Bd. 52, S. 133 u. 432) „Wirkung kalter
Bäder und Wärmereguliorung.“
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326
MBDICINTSCHE ^^OGHS.
Nr. 31.
dieses innerliche treitement mixte am Platz. Delbanco hat für
Darm nnd Nieren keine nachteiligen Folgen erlebt. Penzoldt
gebührt das Verdienst, einen grösseren Aerztekreis mit der Formel
wieder vertraut gemacht zu haben: in der 1. Januar-Nummer der
Therapie der Gegenwart 1905 hat er in einem kurzen eindrucks¬
vollen Aufsatz über seine reichen Erfahrungen mit dieser Ver¬
bindung berichtet, 5. Herr König (Altona) stellt einen jungen
Mann vor, der viermal den linken Oberarm gebrochen hatte. Es
handelte sich um eine Knochencyste. Im Röntgenbild waren
in der Harkhöhle helle Felder zu erkennen, die in die Görticalis
hineinreichten. Bei der vorgenommenen Aufmeisselung zeigte es
sieb, dass der Cysteninh^t blutig war, und dass keine Geschwulst,
wie vermutet, vorhanden war. Jetzt ist völlige Heilung eingo-
treten. Solche Cysten, auf deren Entstehungstheoria Vortr. ein¬
geht, kommen meist bei jugendlichen Individuen vor und zwar mit
Vorliebe an der Tibia, am Femur und Humerus und veranlassen
häufig Spontanfrakturen. Die Resektion dabei ist besser als die
Auskratzung. 6. Herr Albers-Schönberg zeigt stereosko¬
pische Röntgenbilder. Auf dem letzten Chirurgen-Kongress
wurden bereits solche von Alexander vorgeführt, doch war er
nicht dazu zu bewegen, die Art der Anfertigung zu verraten.
Jetzt ist es Vortr. gelungen, sie nachzumachen und zwar mit
staunenswerter Ausführung. Für gröbere Objekte sind diese
Stereoskopbilder, die einen starken Schlagschatten zeigen, ausser¬
ordentlich geeignet, bei feineren geht die Struktur verloren. 7. Herr
Kümmell spricht über seine in diesem Jahre ausgeführten 102
Perityphlitisoperationen mit nur einem Todefall. Er tritt
warm für möglichst frühe Operation ein: „der akute Anfall ist,
wenn ich so sagen darf, schon der Schluss des Dramas.“ Die Re¬
sultate sind zwar im anfallsfreien Stadium günstiger, die Krank¬
heitsdauer ist jedoch viel länger und das Risiko viel grösser. 48
Stunden nach Beginn des Anfalls sind zur Operation schon zu vieL
Er demonstriert einige der von ihm innerhalb der ersten 48 Stimden
entfernten Wurmfortsätze, die schon rupturiert waren.
II. Diskussion über den Vortrag des Herrn Fraenkel:
„Allgern einerkrankungen durch den Pyocy aneus,“ Herr
Lauenstein hat zwar sehr häufig den Pyocyaneus, doch niemals
durch ihn hervorgerufene Allgemeinerkrankungen gesehen. Je
geringer die Hautpflege, desto häufiger der Pyocyaneus, am häufig¬
sten dort, wo starke Sekretion vorhanden ist. Als sehr gutes Des-
inficiens hat sich ihm Terpentin und Ichthyol bewährt. Herr
Kümmell sieht im Eppendorfer Krankenhause höchst selten auf
seiner Abteilung den Pyocyaneus. Herr König (Altona): Der
Pyocyaneus verliert z. B. im Urin seine Fähigkeit zu färben, ebenso
auch in essigsaurer Tonerdelösnng. Es ist daher schwer, ihn an
der Verfärbung zu erkennen, sodass man nur selten ihn in vivo
nachweisen kann. Herr Fraenkel erklärt im Schlusswort, dass
jeder Eiter im Eppendorfer Krankenhause bakteriologisch unter¬
sucht wird, der Pyocyaneus aber nur äusserst selten gefunden
wird. Herrn Königs Angaben bestätigt er, widerspricht jedoch
energisch Herrn Lauenstein, der den Pyocyaneus häufig ge¬
sehen haben will. Wie selten AUgemeiner^ankungen durch den
Pyocyaneus sind, gehe daraus schon hervor, dass er in vielen Jahren
nur 5 Allgemeinerkrankungen bei an und für. sich schon seltenem
Vorkommen des Pyocyaneus gesehen habe. —
Die Versammlung ehrt das Andenken des am 20. Mai 1906
verstorbenen Mitgliedes Dr. Julius Goldschmidt Altona, dem
Herr Kümmell einen warmen Nachruf widmet, durch Erheben.
III. Vortrag des Herrn Falk: „Üeber Phlebectasieen im
Bereich der weiblichen Genitalorgane.“ (Autoreferat.)
Vortragender bespricht die Wandlung, die sich von pathologisch¬
anatomischer Seite in der Auffassung der Pathogenese der Phle-
bectasie vollzogen hat und macht besonders auf das Widersinnige
der mechanischen Theorie der Entstehung der Varicen intra gravi-
ditatem aufmerksam. Er verbreitet sich über die Häufigkeit und
die Lokalisation der Phlebectasieen beim Weibe. Wenn es auch
bei der grossen Verbreitung der Varicen intra graviditatem seltsam
erscheint, immer entzündliche Veränderungen an den Venen an-
nehmen zu sollen, so ist doch zu bedenken, dass während jeder
Schwangerschaft toxische Produkte im Blute gebildet werden und
im Körper zirkulieren, die Alterationen der Gefässwände hervor-
rufen können. Falk führt dann einen selbstbeobachtoten, in Be-
auf die Aetiologie der Varicenbildung intra graviditatem lehr-
zug
reichen Fall an. Es handelt sich um Thrombenbildung in den
beiderseitigen, ektatischen, labialen Aesten des Plexus pudendalis
bei einer 24jöhrigen I. graviden Frau in der 32. Woche der Gravi¬
dität, welche bei 25*^ Hämoglobingehalt des Blutes das Bild der
Oligochromämie und Oligocythämie darbot. — F. bespricht die
sonstigen Begleiterscheinungen der Phlebectasien (Oedeme etc.), be¬
sonders ausführlich die Ruptur der ektatischen Venen, speziell die
der Vulva und der Vagina, ihre Bedeutung in der Geburtshilfe, da
dieses Kapitel in den gangbaren Lehrbüchern etwas kurz behandelt
ist. Er streift das Gebiet des Thrombus vulvae, da man die Phleb¬
ectasien in Zusammenhang mit der Entstehung desselben gebracht
hat, und führt einen selbstbeobachteten Fall von Haematoma vul¬
vae an, bei dem weder Gravidität noch Trauma mitspielte. Bei
der sehr ausführlichen Abhandlung der Phlebectasien des Uterus
und ihrer Bedeutung für den Geburtshelfer demonstriert er Prä¬
parate eines Von ihm früher beschriebenen Falles von teleangi-
ektatischer Tumorbildung der ganzen CJervix uteri einer 24 jährigen
Frau, 4 Monate post partum. Eis werden die einschlägigen Beob¬
achtungen von Heitzmann, Klob, Ed. Kaufmann und Hal¬
ben ausführlich mitgeteilt, und die klinische Bedeutung der Phle¬
bectasien des Uterus besprochen. Zum Schluss wendet sich Vor¬
tragender den Phlebectasien im Ligamentum latiim zu, zitiert die
Galaissche Arbeit aus der Hegarschen Klinik imd bespricht die
Symptome und die Therapie dieser Affektionen. Besonders macht
er auf die schon von Riebet beschriebenen, periodisch mit der
Menstruationswelle wiederkehrenden Schwellungen im Bereich des
Plexus utero-ovaricus aufmerksam. In einem solchen Falle musste
der Vortragende wegen der Intensität der Beschwerden und wegen
des Versagens aller konservativen Therapie die linken Adnexe
samt dem linken Ligamentum latum exstirpieren, und zwar mit
dem besten Erfolge. Bei der grossen Verbreitung der Phlebec¬
tasien im Bereich der weiblichen Genitalorgane, bei der hohen
klinischen Bedeutung, die dieser Gefksserkrankung zweifellos in
einzelnen Fällen zukommt — hat sie doch zu Uterus- und Adnex¬
exstirpationen, ja sogar zur Sectio caesarea Veranlassung gegeben
— ist die knappe Behandlung, die dieses Kapitel in den meisten
geburtshilflich-gynäkologischen Lehrbüchern erfährt, von vielen als
ein Mangel empfunden worden. Falk hofft, durch seinen Vortrag
zur Beseitigung dieses Mangels mit beigetragen zu haben. —
Scbönewald.
Kongressbericht.
35. Kongreaa der Deutschen GeseUschaft
f ür Chirurgie.
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Klapp-Bonn bemerkt, dass bei der Mastitis die Saug
behandlung möglichst lange fortgesetzt werden soll; ferner empfiehlt
er zur Fixierung der Staubinde die Aufrichtung derselben mit
Nähten. Dadurch erspare man alle komplizierten Befestigungs-
apparate.
Hr. Bier-Bonn hat 1500 Fälle von acuten eitrigen Entzün¬
dungen teils mit Stauung, teils mit Saugapparaten behandelt.
Darunter seien unter anderem 25 Fälle von schwerer Sehnenscheiden-
eiterung gewesen. Von diesen seien 17 Fälle mit völlig oder
annähernd normaler Beweglichkeit geheilt; in 8 Fällen sei Nekrose
der Sehnen aufgetreten; in allen diesen Fällen habe es sich um
ältere Erkrankungen gehandelt, die mehr als 7 Tage bestanden
hätten. Bier bestreitet, dass bei irgend einer früheren Methode
der Behandlung solch gute Resultate erzielt worden wären. Nicht
so gut seien die Erfolge bei der acuten Osteomyelitis gewesen;
das liege jedoch daran, dass die Behandlung zu spät begonnen
worden wäre. In den Fällen, in denen er die Behandlung mit
Hyperämie bereits am ersten Tage der Elrkrankung begonnen habe,
waren die Resultate gut. Allerdings müsse er zugestehen, dass
er für diese frühen Fälle nicht den unbedingten Beweis erbringen
könne, dass es sich wirklich um Osteomyelitis gehandelt habe.
Die Erfolge bei den Gelenkeiterungen sind nicht immer gleich¬
mäßig gewesen; besonders gut waren sie bei den acuten trau-
e
1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
327
matäscheii EiteruogeD, auch in den schweren Fällen, die zum grössten
Teil unter Erhaltung der Funktion zur Ausheilung gelangt sind.
Von Erkrankungen der Ohren habe er 28 Fälle behandelt,
darunter 17 acute, als welche er solche bezeichnet, die nicht länger
als 2 Monate bestanden. Davon sind 16 mit guter Gehörfunktion
geheilt, obwohl keine andere Operation ausgeführt wurde als die
einfache Inzision auf den Processus mastoideus.
Bei Erysipel sind die Erfolge schlecht gewesen; über Strepto¬
kokkeneiterungen habe er keine Elriahrungen sammeln könuen, da
sie in Bonn selten yorkämen.
Bier bestreitet dann die Richtigkeit der Lezer’sehen Äus-
führnngen. Die Phlegmonebehandlung Hesse sich nicht allein vom
bakteriologischen Standpunkt aus betrachten. Die Grösse der
Schnitte richte sich nach dem Fall. Käme man mit kleinen In¬
zisionen nicht aus, so müsse man eben grössere machen. Eine
Fixierung des erkrankten Gliedes sei bei der Staubehandlung nicht
Dötig, vielmehr seien aktive Bewegungen, namentlich im Bade
ausgefübrt, sehr geeignet, die Stau- und Saugbehandlung zu unter¬
stützen. Gegenüber Herrn Thöle bemerkt Bier, dass zu ver¬
schiedenen Zeiten sich verschiedene Auffassungen über das, was
Wissenschaft sei, geherrscht hätten. Und gegenüber den Philo¬
sophen, den Herrn Thöl e gegen ihn ins Feld geführt habe, könne
er, Bier, sich auf Kant berufen.
Für ihn stehe fest, dass die Hyperämie und ihre Folgozustände
die Beschwerden nicht hervorrufe, sondern sie lindere, dass sie
die Nekrose nicht mache, sondern sie hintenanbalte. Endlich
erwähnt er, dass nach seiner Meinung die Entzündung in den
meisten Fällen etwas Nützliches, ein gegen die Schädlichkeiten
gerichteter reaktiver Vorgang sei (Fortsetzung folgt.)
23. K.ongre88 für irmere Medicin
vom 23. bis 26., April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-Mtineben.
Herr Ed. Stadler-Leipzig: Experimentelle und histo¬
logische Beiträge zur Herzhypertrophie.
Die Pathogenese der Gewebsveränderungen im hypertrophischen
menschlichen Herzen erfährt vielfach eine recht verschiedenartige
Auffassung. Neuerdings erklärt A Ib r e c h t - Berlin die Hyper¬
trophie des Herzmuskels in jedem Palle für einen progressiven
entzündlichen Vorgang. Die Veränderungen des Bindegewebes
werden von einigen insgesamt als entzündlicher Natur, von anderen
als Folgen von Ernährungsstörungen, und schliesslich gewisse
Formen der Bindegewebsvermehrung als mechanisch bedingt auf¬
gefasst (Dehios Myofibrosis). Eine einwandfreie Beurteilung der
verschiedenen Veränderungen ist nur bei experimentell an Tieren
erzeugten Klappenfehlerherzen möglich, bei weichen ätiologisch
nur ein Moment in Betracht kommt, vor allem wahre entzündliche
Prozesse auszuschliessen sind.
Es wurden zu dem Zwecke im ganzen 18 Kaninchenherzen
mit experimentell erzeugten Aorteninsuffizienzen, Trikuspldalinsuffi-
zienzen und Aortenstenosen histologisch nach der K r e h 1 sehen
Methode untersucht. Ausser den bekannten hypertrophischen Ver¬
änderungen der Muskulatur fand sich im rechten Vorhof der Tri-
kuspidalinsuffizienzen und in den Papillarmuskeln zweier schwerer
Aortenfehler eine diffuse Vermehrung des interstitiellen Binde¬
gewebes.
Da für ihre Entstehung entzündliche Prozesse auszuschliessen
sind, so weist vor allem ihre Lokalisation in überdehnten Herz¬
abschnitten auf das mechanische Moment als ätiologischen Faktor
hin. Die Funktion des Bindegewebes besteht nach den Gesetzen
der physikalischen Anatomie daiin, mechanischem Druck und Zug
Widerstand zu leisten. Wie die Hypertrophie der Muskulatur
eine Folge gesteigerter kontraktiler Leistung ist, so ist die Binde¬
gewebsvermehrung eine Folge dauernder üeberdehnung der Herz¬
wand. Für beide Veränderungen gibt das mechanische Moment
der Funktionssteigerung den ersten Anstoss. Die Hypertrophie
der Muskulatur imd die Myofibrosis sind einander koordiniert.
Gegen die Auffassung Albrechts von der Hypertrophie
des Hei'zmuskels als eines progressiven entzündlichen Vorganges
spricht ausser diesen experimentellen Befunden namentlich die
ärztliche Erfahrung über lange dauernde, nahezu normale Leistungs¬
fähigkeit hypertrophischer menschlicher Herzen.
Diskussion: Herr De hi o-Dorpat erklärt zur Vermeidung
von Mißverständnissen seiner früheren Angabe, dass er den
elastischen Kräften des Herzbindegowebcs niemals eine Art die
Herztriebkraft vermehrenden Wirkung zugetraut habe; doch schützt
das Bindegewebe in gewissem Umfange vor zu weitgehender
Üeberdehnung. Auch an anderen Organen des Körpers kommen
analoge Vorgänge zur Beobachtung. Z. B. hat er bei einerFrau,
welche jahrelang einen gros.sen Bauchtumor gehabt habe, die Mus¬
kulatur der Bauchwand nach der Operation untersucht und hat
feststellen könuen, das.s dieselbe mehr Bindegewebe enthielt, als
die normale Bauchmuskulatur. (Fortaotzung folgt.)
Periodische Literatur.
Deutsche med. Wochenchrift. 1906. Nr. 25.
1. Aschoff, Marburg: Ist eine chronische EntzUndnng des
Wnrmfortsatzes die Vorbedingung für den akuten Anfall.
Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Re¬
sultat, dass im Gegensatz zu der Annahme Riedels, Ribberts
und Oberndorfers für das Auftreten des akuten Anfalls das
Bestehen einer chronisch obliternierenden Entzündung des Wurm¬
fortsatzes nicht notwendig ist.
2. Schiefferdecker, Bonn; Ueber einen Fall von ru¬
dimentärem grossen Netz beim Menschen und über die Bedeut¬
ung des Netzes.
Ein Fall von auffallender rudimentärer Bildung des grossen
Netzes, dasselbe bestand lediglich in einem schmalen Saum, ver¬
anlasst den Verf. Uber die physiologische Bedeutung dieses Or¬
ganes einiges beizubringen. Das Netz dient offenbar zur Regu¬
lation der Blutvei-sorgung der Eingeweide, ferner zur Absonderung
seröser Flüssigkeit, aber auch zur Resorption. Sehr interessante
Versuche haben ergeben, dass das Netz im Stande ist ein von
der Blutversorgung absichtlich abgeschlossenes Organ, wie z. B.
die Milz ohne Schaden für den Organismus zu resorbieren. Auf
diese Weise wirkt das Netz als Schutzorgan in sehr be¬
deutungsvoller Weise. Das Netz als Halt- und Haftorgan für
irgend welche Eingeweide anzusehen, hält der Verf. nicht für
richtig. Eine besondere Bedeutung gewinnt es durch die Produk¬
tion von Phagocyten, es nimmt den Charakter eines desinfizierenden
Organes an. Im Gegensatz hierzu kommt es wohl auch vor, dass
die Gefässe des Netzes sich au der Ernährung fremder Tumoren
beteiligen, an welche sich das Netz angelegt hatte.
3. Kowarski, Berlin: Eine vereinfachte Methode zur
quantitativen Bestimmung der Harnsäure im Ham.
Um unseren Lesern die Möglichkeit zu geben, diese Methode
zu prüfen, führen wir im Folgenden die vom Verf. gegebene
Originalvorschrift auf. Man misst mit einer Pipette genau
10 ccm Harn ab und bringt ihn in ein dünnwandiges, etwa
15 ccm fassendes Zentrifugenröhrchen. Jetzt fügt man zwei bis
drei Tropfen Ammoniak und 3 g gepulvertes Ammoniumchlorid
hinzu. (Das Ammoniumchloridpulver kann in Dosen zu je 3 g aus
der Apotheke bestellt werden). Man schliesst das Röhrchen mit
einem gut passenden Gummistopfen zu und schüttelt so lange, bis
das ganze Ammoniumchlorid sich aofiöst. Es scheidet sich harn¬
saures Ammon in Form eines flockigen Sedimentes ab. Die gleich¬
zeitig sich ausscheidenden Phosphate stören die Bestimmung nicht.
Zur vollständigen Ausscheidung des Ammoniumurats lässt man
das Röhrchen zwei Stunden stehen. Alsdann wird eine bis zwei
Minuten zentrifugiert, worauf dos Sediment sich in toto am
Boden des Röhrchens sammelt; die gewöhnlich wasserklare Flüssig¬
keit wird ohue Verlust an Sfuliment abgegossen. Beim Abgiessen
der Flüssigkeit soll das Röhrchen nur einmal geneigt werden,
denn beim wiederholten Neigen wird das Sediment aufgewirbelt,
wodurch Verluste entstehen können.
Hiei*auf werden zum Sediment fünf Tropfen konzentrierter
Salz.sänre zugesetzt imd vorsichtig über einer kleinen Flamme
erhitzt; das Ammonurat wird dabei aufgelöst, und es beginnt
sofort die Ausscheidung der freien Harnsäure in Form eines
kristallinischen Niederschlages. Zur vollständigen Ausscheidung
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328
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 31.
der Harnsäure bleibt das Röhrcheu eine Stunde steben. Die aus-
geschiedene Harnsäure wirbelt man hierauf durch Erschüttern auf,
setzt etwa 2 ccm Wasser zu und zentrifugiert, es genügen zehn
Umdrehungen der Zentrifuge, um das kristallinische Sediment voll¬
ständig am Boden zu sammeln; die Flüssigkeit wird jetzt abge¬
gossen, das Sediment wieder aufgewirbelt, mit 2—3 ccm Alkohol
ühergossen und wieder zentrifugiert. In derselben Weise wird das
Sediment noch zwei- bis dreimal mit Alkohol ausgewaschen, bis der
Alkohol auf Lackmuspapier neutral reagiert. Das ganze Aus¬
waschen des Sediments dauert höchstens drei bis fünf Minuten.
Nachdem der Alkohol zum letzten Male abgegossen ist, erhitzt
man in einem Reagenzglase einige Kubikzentimeter Wasser, über¬
giesst das wieder aufgewirbelte Sediment mit etwa 2 ccm heissen
Wassers, setzt einen Tropfen Phenol-Phthalein zu und titriert die
heisse Flüssigkeit mit einer V&o normalen Piperidinlösung. Die
Lösung wird unter Schütteln tropfenweise so lange zugesetzt, bis
eine auch nach Erhitzen der Flüssigkeit bleibende rosarote Färbung
eintritt. Multipliziert man die Zahl der verbrauchten Kubikzenti¬
meter der Piperidinlösung mit 3,36, so erhält man die Zahl für
die in 10 ccm Harn vorhandenen Milligramme Harnsäure. Wurden
z. B. 1,6 ccm Piperidinlösung verbraucht, so sind in 10 ccm Harn
3,36 X == Harnsäure vorhanden. In 100 ccm folg¬
lich 5,04 X 10 = 50,4 mg oder 0,0504 g, d. h. 0,0504%. Die
Piperidinlösung lässt sich gut aufbewahren. Ihre Brauchbarkeit
ist sehr leicht durch eine Vso normale Salz- oder Schwefelsäure¬
lösung zu kontrollieren.
4. Rosenberger, Heidelberg: UeberZuckeraosscheidimgim
Urin bei kmpöser Pneumonie.
Die Ausscheidung von Zucker bei akuten Infektionskrankheiten
gehört immerhin zu den Seltenheiten. Verf, hat zwei Fälle der¬
art bei krupöser Pneumonie beobachtet. Aus der Beobachtung
derselben kommt er zu folgendem Schluss: Im Verlauf akuter
Infektionskrankheiten werden zuweilen im Urin Kohlehydrate teil¬
weise noch nicht näher bestimmbarer Natur ohne äusserlich er¬
sichtliche Ursache, meist nur während ganz kurzer Zeit und in
geringer Menge, unabhängig von der Ernährung der Körper¬
temperatur und ohne bis jetzt feststellbare Abhängigkeit von dem
Krankheitsverlauf ausgeschieden. Weder Menge noch spezifisches
Gewicht oder Aussehen des Betreffenden verraten ihre Gegenwart,
es ist daher anzunehmen, dass sie öfter übersehen werden. Die
Prognose dieser Glycosurie scheint nicht schlecht zu sein.
Ersuchen
an die deutschen Aerzte.
Die Breslauer dermatologische Vereinigung hat
beschlossen, Schritte zu tun, um von den Unfall Versicherungs¬
gesellschaften bei
Syphilisinfektion im Berufe
für die Aerzte günstigere Entschädigungsbedingungen zu erlangen,
als bisher.
Die zur Zeit gütigen Versicherungsbedingungen entsprechen
gerade in derartigen, gar nicht so seltenen Fällen den Interessen
der Aerzte nicht. Es sind einzelnen Mitgliedera der Vereinigung
Fälle zur Kenntnis gekommen, in welchen sehr berechtigt er¬
scheinende Eutscliädigungsansprüche der Aerzte von den Versiche¬
rungsgesellschaften zurütkgewiesen wurden oder nur unter Schwie¬
rigkeiten geltend gemaclit werden konnten.
Bevor die Breslauer dermatologische Vereinigung mit Vor¬
schlägen hervortritt, in welcher Weise die Versiclierungsbediug-
ungen abzuändern wären, richtet sie an die deutschen Aerzte
dringend die Bitte, ihr diejenigen ihnen bekannten Fälle mitzn-
teilen, in welchen
1. die Anerkennung von beruflicher Syi)hilisin-
fektion als Unfallsursache vor Al)schluss der Un¬
fallversicherung zurückgewiesen oder nur unter hohem
Prämienzuschlage bewilligt wurde;
2. eine Entschädigung für vorübergehenden Verlust der
Arbeitskraft nach dem 400. Tage seit der Entstehung
des Unfalles beanstandet wurde;
3. die Anerkennung von voraussichtlich lebensläng¬
licher Verminderung der Arbeitskraft, d. h.
von Invalidität auf Grund beruflicher Syphilisinfektion
verweigert wurde resp. erst erstritten werden musste.
Die Vereinigung ersucht, die Mitteilung der einschlägigen
Fälle — sowohl der erfolglos als auch der erfolgreich geltend ge¬
machten Ansprüche — durch Zusendung des Briefwechsels mit
den Gesellschaften und etwaiger Schiedsgerichtsverhandlungen zu
ergänzen.
Nur auf Ginind genauer Kenntnisse über das Verhalten der
Versicherungsgesellschaften in den einzelnen Fällen und auf Grund
eines reichhaltigen Materiales wird es möglich sein, in dieser für
die gesamte Acrztoschaft wichtigen Angelegenheit eine Besserung
zu erreichen.
Die Vereinigung bittet, Zuschriften an den Unterzeichneten
Dr. Chotzen zu senden, welcher die Bearbeitung dieser Frage
übernommen hat. Für strengste Geheimhaltung der mitgeteilten
persönlichen Angaben wird Gewähr geleistet.
Breslaner dermatologische Vereinigung.
Prof. Dr. Albert Neisser, Dr. Martin Chotzen,
Geh. Medicinalrat, Breslau XVIII,
derzeitiger Vorsitzender. Laudsbergerstrasse 1.
Patentnachrichten.
Ge brauebsmuster.
264 605. Verstellbare Drückorpelottc, bei welcher die zum Festbalten
der UiDsteuerwoIle dienende Sperrklinke auf emotn Bügel befestigt ist, der.
auf der Platte der Pelottc aufgoniotet als Feder für die Klinke dionU
Gcbr. Weck, Grätratli b. Solingcii.
264749. Blockfbrmig komprimierte Monatsbinde. Fa. Paul Hartmaon
Berlin.
264755. Wäscheschutz-Tasche, bestehend aus einem Stück Stoff in
Verbindung mit einem auswechselbaren Suspensorium. Gebrüder Bandekow,
Berlin.
264414. Sargfuss mit besonderer Auflage. Alexander Recbenbcrg,
Berlin.
264476. Schutzträger für Tragbaren und dgl., bei welchem zwisebeo
den Tragscblaiifon und den Träger elastische Zwischenmittel eingeschaltet
sind. Robert Kerbusch, Honnef a. Rh.
264 58H. Massagoapparat, mit dessen starrer Welle eine biegsame
Welle und ein in radialer Richtung zu verstellender Kurbelzapfen für den
Antrieb einer Pumpe verbunden ist. Heinrich Buchheiro, Leipzig.
204180. Salbenbüclise mit Filzplatte zum Verreiben der Blasse.
Cbcmiscbe Fabrik Köthen. Inhaber Erail Musebe, Köthen i. Anh.
263715. Gelatine-Kapsel mit gelochtem Boden uud zugehörigem Boden-
deekel. Eduard Barthels, Frankfurt a. M.
264331. Verbandstoff, zusammengefügt aus einer inneren, mit Medi¬
kamenten imprägnierten und für Oase durchlässigen Schiebt und einer
äus.seren unimprägnierten und für Gase undurchlässigen Schicht. Dr. Leo¬
pold Sarason, Hirschgarten b. Berlin.
264432. Vorrichtung zum Bedienen dos Friechluftventils bei Desin-
foktioiis-Apparaton von der infizierten Seite. Blaschinon- und Apparate-Bau-
anstalt, Boy & Rath. G. m. b. H., Duisburg.
264 752. Verdampfer für Desinfcktionsanlagen. Maschinen- und
Apparate-B:iuanstalt, Boy & Rath 0. m. b. H., Duisburg.
264370. Mutterrohr, dessen Mundstück zur Hälfte abschraubbar, im
Innern einen kegelförmigen im Boden perforierten Teil dergestalt aufniiumt,
dass der Kogelknauf, in die konische MuiidscUckÖffnung bineinragend diese
verjüngt. Arthur Hohenstein, Berlin.
204402. Bougiespritze mit schraubenförmig gebogener Kanüle. Hein¬
rich Noffke, Berlin.
264403. Bougiespritze mit schaufelförmig ausgebildeter Kanüle.
Heinrich Xotlke. Berlin.
264 614. Fassung für Irrigatorgefässo, deren federnde, das Gefäss um¬
fassende Klemmstücke gelenkig mit dem Aufhänger verbunden sind.
Kasseler Gnmmiwarenfabrik H. Nickel & Co., Kassel.
264737. Zerstäiit'or-Mundstück für Flüssigkeiten mit Austrittsöffnung
in der oberen Deckplatte und seitlichen Durchgangsöffnongen in der ver¬
tieften Bodenplatte. Fa. H. Ziegler, Berlin.
VeraniwortUcher RedaVieur : Dr. P. Meitaner, Berlin W. SS, Kurfürstenstr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S,
Orack v«a der Hefnemanii'Bches Buchdruckerei, Gehr Wolff, Halle a. S.
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V--- J
Vn. Jahrgang. 6. August 1906. Nr. 32.
Oie .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utägigen Beilage BflltieolOgiSChC Cctltralzeitung* Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandcs, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
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Originalien.
Die Serodiagnostik der Syphilis.
Von Dr. von Niessen.
Es gibt immer noch Menschen, die den Hausbau mit dem
Dachfirst beginnen. Man hat den Erreger der Syphilis noch
nicht kulturell isoliert, — so behauptet „man“ wenigstens —
gleichwohl wird gegen ihn schon mit seinem Serum zu Felde
gezogen. Schon eine ganze Reihe Syphilissera*) neben vielen
anderen vom Greisendter-, Antialkohol-, bis zum Henfieber-
senim hat’s gegeben, — „wo seit Ihr zur Zeit mir, Ihr Lieben,
geblieben?“ „Ach weit“ . . . u. s. f.
' Wie eine alte Ahnfrau taucht das Gespenst der Syphili-
sation immer wieder zu Zeiten auf und da es Frauen stets
besonders mit der Mode halten, so hat sie sich bei ihrem
jüngsten Auftauchen in ein modernes Habit gehüllt, genannt
„Iso-Serum-aetiologische Therapie“, oder wie sonst die ein¬
zelnen Autoren und Anhänger dieser Richtung ihre Schmerzens¬
kinder getauft haben. „Die Worte hör’ ich wohl, allein mir
fehlt der Glaube“.
Von den über das Wesen der Syphilis, ihrer Feststellung
und Heilung unaufgeklärten Syphilisatoren um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts bis zu den Vertretern dieser Bestrebungen
in unserem „aufgeklärten Jahrhundert“ handelt es sich dabei
nämlich, wenn man dem ganzen Pudel auf den Kern geht, um
dasselbe Phantoni, ein unlösbares Problem: Um die in¬
terne Desinfektion, und künstliche Infektion, soll zur
Desinfektion führen. Was für ein Nonsens! Neue Mäntelchen
und neue Frisuren, allein „du bleibst doch, was du bist“
Man sollte meinen, dass die heutige Bakteriologie weiter wäre.
Leider ist dem nicht so. Der Hauptmangel dabei ist, dass sie
sich ihrer Kompetenzen nicht genügend bewusst ist. Zwar ist
Serodiagnostik nur eine Vorstufe der Serotherapie,
diese Disziplinen gehören aber organisch zusammen und mancher
ist von der Therapie auf die Diagnose gekommen. So auch
hier. Wie oft wurde das Fell schon verkauft, ehe man den
Hasen hatte! Ich will hier nicht erörtern, dass die Bakteriologen
weit mehr mykologisch, vergleichend und phylo- wie onto-
genetiscb studieren sollten, sondern ich möchte nur erneut
hervorheben, dass sie sich bewusst sein sollten, dass die Bakteri¬
ologie in erster Linie eine diagnostische Hilfswissenschaft
sein sollte und bislang nur sehr spärlich therapeutische
Bedeutung von Wert erlangt hat. Auch die Serodiagnostik
•) Werbraucht wohl die Syphilissera von Borrean und Wellkome,
von Pau Isen , R isso und Cipolln ia, Quiry und Champagne und
schliesslich das Pariser .Serum antisyphilitiquo* welches mit Serum gar
nichts zu tun bat?!
hat therapeutische Wünsche als Hintergedanken. Sie soll nicht
desavouiert werden, aber — welcher piaktische Arzt, der nicht
Kliniker, oder in der Lage ist, über geübte Bakteriologen zu
verfügen, oder selbst ein solcher zu sein, kann denn mit der
Sero^agnose*) etwas anfangen? Fast kommt es mir auch
vor, als wäre sie z. Z für die Praxis ein entbehrlicher Ballast,
wenigstens so lange sie nicht so leicht ausführbar ist, wie etwa
die Tromm er’sche Zuckerprobe.
Eine Krankheit, für die eine solche Probe bes. wertvoll
und nötig wäre, ist unstreitig die Syphilis mit ihren sogenannten
„dubiösen Fällen“. Solange der Syphiliserreger nicht Allge¬
meingut der Mediciner ist, ja solange selbst tonangebende
Bakteriologen und Syphilidologen noch nicht imstande sind,
ihn zu isolieren und den genetischen Zusammenhang seiner
verschiedenen Entwicklungsstadien und Erscheinungsformen,
darunter der bes. viel von sich reden machenden Spirochaeten-
wuchsform zu erkennen, wäre ein serodiagnostischer Notbehelf
sicher von praktischem Wert.
Es ist daher anerkennenswert, dass sich letzthin eine
Tripelallianz zur Ausfindigmachung eines Syphilisreagens
gebildet hat, darunter ein Syphilidologe und ein Bakteriologe
von Namen. — Kaum haben sie sich freilich zusammenge¬
funden, sieh’ da, so ist das Reagens auch schon fertig und
„wie einfach!“ konnte mancher beim Lesen der Mitteilung
sagen. Die Quintessenz ist ja: Man braucht nur das Serum
des fraglich Kranken mit dem eines nicht fraglichen Leidens-
enossen zu mischen und die Sache ist fertig. „Dass man
arauf nicht schon früher gekommen ist!“ ,jWozu noch die
Quälerei des Bazillensuchens?“ „Unbegreiflich, dass die Syphili¬
dologen mit anderen -logen — sich üBer die Syphilis so wenig
klar waren und gleichwohl ihrer „Beherrschung“ so sicher
zu sein glaubten“.
.Daus la matiere de la Vöroie tout est possible“ hat, ich
weiss eben nicht wer einst gesagt, es wäre also nicht grade
unrecht, wenn der Mediciner von seinem Recht des Zweifels
Gebrauch machte und mit nicht allzugrossem Optimismus der
neuen Mitteilung von Wassermann, Neisser und Bruck
in Nr. 19, 06 der Deutschen med. W. über „eine serodia¬
gnostische Reaktion bei Syphilis“ begegnete. — Sehen
wir uns also mal diese neue Syphilisreaktion und ihre Hand¬
habung etwas näher an. Da ein grosser Teil der Mediciner
auf das Gebiet der „höheren Bakteriologie“ indes kaum folgen
kann, — es kann einem in den hohen Regionen in der Tat
schwindlig werden und ich glaube, das selbst einige Olympier
hier nicht frei von Schwindel sind — so soll von den zur
*) Um ein Beispiel zu wählen, so ist z. Zt. allein die Sernmreaktion
der Typhnsdiagnose und deren Diiferentialdiagnose gegenüber .Paratyphus*
und .Coli-Gruppe* in der Literatur zu einem kaum tibersebbaren Spezial*
Studium angcscbwollen. Han spricht hier sogar schon von „Serum-
fes te n T yp hasst ämmon*. Wenn man nun grade auf solch einen sthsst!
Oder sind sie erst at^erichtet?
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MEDICimSCHB WOCHE.
Nr. 3Ö.
„Komplettiernng der hämoiytisclien Ambozeptoren*) fehlenden
Komplementen“ und von der „verankerten Antigone“, — pardon!
den „verankerten Antigenen“ resp. Komplementen möglichst
nicht die Rede sein.
Die genannten Autoren gehen so vor, dass sie „inaktives
Serum teils mit Virus infizierter, teils vorbehandelter“ (nämlich
„mit syphilitischem Material vorbehandelter“ Affen auf das in
seiner Art festzustellende „Material“ in vitro wirken lassen.
Ist das fragliche Material syphilitisch, so erfolgt eine Reaktion,
sonst angeblich nicht „oehandelt man Afien mit Blut von
sekundär syphilitischen Misnschen, fügt Komplement (Kaninchen*
serum)**) hinzu und mischt mit syphilitischen Organen, so ent¬
steht Hemmung der Hämolyse,“ ***) und im „durch Vorbehand-
*) ESs gibt jetzt sonr schon „Antiambocep toren“ (Browning
and Sachs, Berl. klin. W. 20. 06.). Da fehlen nar noch die Antianti-
kOrper. Um nnr eine kleine Masterkollektion der hier grassierenden
Teminopatbologie anzufUbren, so spricht man von „sensibilisierten Ambo¬
zeptoren'*, «^xateuren*, „von Toxin verankerten Ilezeptoren**, „toxophoren
and haptophoren Atorograppen“, „abgestimmten Rezeptorengruppen'*, „nn-
giftigen Toxoiden**, „Toxonen**, „Autotoxinen und Aiitiautotoxinen“,
„Eämolysinen, Anti- und Antohamolysinen“, „Zytotoxinen, Zytolysiiien and
Antizytolysinen'*, „Iso-, Auto* und Heterolysinen“, Autozytolysinen“ und
Apfelsinen, neben „^kteriolysinen**, „Sperroatoxinen“ und „Isosperma*
toxinen**, „Lenkotoxinen**, „Anti- and Zwisebenkdrpern**, „Komplementoiden“
und „Antikomplementen**, „dominanten Komplementen**, „Prilcipitinen** „Ag-
glntininen** und „Heteroagglutininen“, sowie „AntibSma^lutininen**. — Liest
man von der „Folge einer Verstopfung der Komplemento*pnilen Ambozeptoren*
firnppen des Hundeserums**, so fragt man sich je nach der „Aviditatsditrerenz“
Einzelnen, je nach der Menge seiner „Haytino** und „Uaptoforen** resp.
nach dem „Horror antotoxicua'*. Ehrlicbs, ob hier nicht bereits ein
cerebraler Auto* und Heterointoxikationszostand, ohne „Antikomplimonte“
gesagt, vorli^t.
**) cf. hierzu den Veranch Wechsel manns, der mit Blut eines Kanin¬
chens S;^ili8-ahn)icbe Erscheinungen am Affen erzeugte, D. m. W. 6. 06.
***) Woranf bernbt hier diese „Hemmung der Hämolyse“ ? konnte der
Lemb^erige in einer so wichtigen Frage wissen wollen. Ich muss als
keiner von der Zunft and als nicht „höherer Bakteriologe** die Antwort
Berufeneren überlassen. Nur ein Bedenken mOebto ich zu änssern nicht
unterlassen. So lange die Hämolyse kein absolut nntrUgllcbes differenzioll-
diagnoetisches Hil&mittel biologischer Reaktion ist, kann sio für eine Re¬
aktion, an welche die denkbar höchsten AnsprUcho der Präzision und Exakt¬
heit ans nabe liegenden Gründen gestellt werden müssen, ich meine
für die Syphilis di a gn ose nicht anbMingt in Frage'kommen. Keines¬
falls ist sie den anderen Diagnostizis und vor allem der bakteriologischen
Knltur Uberl^en, vielmehr ist und bleibt letztere noch das snveränste und
am meisten allgemeingiltige Mittel. Die Serodiagnose derart mag allenfalls
ein Hilfsmittel für Bakteriologie und Histologie, eine Reserve sein. Was
aber in erster Linie bei Beurteilung der Hämolyse zu berücksichtigen wäre,
das ist die von mir experimentell b^ründeto Tatsache, dass die Hämolyse
ein durchaus physiologischer Vorgang ist. Erythrocyten bersten,
lösen sich im eigenen, normalen Serum, z. B. durch schroffe Tempera*
turschwanknngen. Auftreten und Ausbleiben der Hämolyse ist also nur
ein sehr bedingt gütiger, spezifisch serodiagnostischer Indikator. Wo die
Hämolyse ein Zel^n besonderer Aviditfit ist, — und dieser Hunger braucht
nicht nur eia spezifischer, auf l^stimmte Gerichte gerichteter zu sein — da
wird sich dieselbe nicht nur gegen eine bestimmte Blut- resp. darin
Feuilleton.
Zur GescMclite der deutschen Nordseehäder.
Von Dr. Erich Ebstein in Göttingen.
(Schluss.)
In diese Zeit lallt die Begründung der Seebäder Wester¬
land undWennigstedt auf Sylt. Anno 1855*) unternahmen
Westerländer Anwohner den bescheidenen Versuch, ihren
Heimatsort in die Reihe der Nordseebäder zu stellen; der erste
Badearzt Dr. Ross aus Altona bat die Gründung des Bades
in sachgemäße Bahnen geleitet und dadurch unendlich viel zur
Entwickelung desselben beigetragen. Er war der erste, der
die Zukunft vVesterlands voranssah, sprach er doch schon ge¬
legentlich der Einweihung der Dünenhalle (1858), der ersten
besonderen Anlage im Interesse des Bades, die denkwürdigen
Worte: „Vieler Orten sind Seebäder begründet worden, aber
*) Nach Bereu borg (1. c. S. 86) erseb. 1867.
lung erzielten Immunserom“ sollen „Antikörper“ entstehen,
während „Antigene“, spezifische Gegensubstanzen vom er¬
krankten Organismns genuin gebildet werden, ein Unterschied,
der gar nicht vorhanden ist, denn unter „Antikörpern“ versteht
man „spezifische Gegensubstanzen,“ sonst musste es korrekt
„Alexine“ heissen und diese würden im Sinne der Reaktion
nicht wirksam sein.
Die „Entdecker“ dieser „neuen Methode,“ die eigentlich
nur eine Kombination bekannter Dinge ist, sagen aber nicht
nur „es wäre wichtig,“ wenn man damit den „Nachweis sy-
hilitischer Stoffe oder Antikörper im kreisenden Blnte Lues-
ranker“ erbringen könnte, sondern sie haben schon Aussicht
auf eine praktische Brauchbarkeit dieser Reaktion, — vorbe¬
haltlich eingehender hier nicht näher zu erörternder Kontrollen.“
„Hemmung der Hämolyse“ soll also der Beweis dafür sein,
dass sich in den untersuchten Extrakten spezifische, ^phili-
tische Substanzen befinden, oder für Spezimisten: „AntiKörper
und Antigene verankern Komplement, welches nun zur Kom¬
plettierung des liämolytischen Ambozeptors fehlt.“ Ist dann
das Komplement „verankert,“ was mit „inaktivem*) spezi¬
fisch hämolytischem Serum und den dazu gehörigen Blntkörpem“
geprüft wird, dann bleibt die Hämolyse „ganz oder teilweise*‘
aus. — Wem jetzt die Sache noch nicht einleuchtet und klar
ist, der braucht nicht an seiner Urteilsfähigkeit darob zu zweifeln.
Man sieht welche geistreichen Produkte das Ehrlich'sche
Verballhomungssystem, wie ein hervorragender Münchener
Hygieniker einst dessen „Seitenkettentheorie“ genannt bat, be¬
reits zu zeitigen beginnt. — Das „ganz oder teilweise“ könnte
übrigens für viele schon genügen. —
Wer nicht hören will, muss fühlen. Die Verhältnisse Rir
die Methodik der Syphilisdi^nose liegen für den, der sich nicht
prinzipiell derselben verschliessen will, so einfach, dass man
inter- und intracellulär enthaltene Bakterienart zu richten brauchen und
andererseits wird das Ausbleiben der Hämolyse ein Zeichen dafür sein
können, dass das aktive Tostserum — es ist stets a k ti v im Sinne der
„Immunität“, sei es nun, dass soio Lieferant genuin infiziert oder künst¬
lich infektiös vorbebandelt wurde — besetzt, Tn Anspruch genommen, enga¬
giert, kurz gesättigt ist, nm überhaupt hämolytische Potenzen zu änssern.
Diese Eigenschaft dürfte das spezifisch potente, abgeriebtete Sy.semm aber
mit anderen, z. B. dem Diphtberieserum, dem Pestserum etc. teilen, abge¬
sehen davon, dass das Komplementsernm eben auch „angesteckt** und so
spezifisch aktiv, sonst aber bämolytisch inaktiv wird. Das Ausbleiben der
Hämolyse wird also je nach den verschiedenen Umständen in denen sich
Solvensund Solvondum befinden, auch ohne Kompliment statthaben. Grade beim
Syphiliserom kommt es darauf an, ihm nicht nämo* oder vielmehr bakteri*
olytisebe Potenzen zu nehmen, sondern zn geben and letzteres kann nur
ein diätetisches Regime erzielen — gesundes Blut. Cf. hierza
Virchows Archiv, Bd. 141, 1895 u. Klin. therap. W. 17. 02 und 26. (B
und Med. Woche (balneol. Ctribl. 8.—14. 06).
*) Worin der Uutorschied zwischen aktivem und inaktivem spezifisch
hämolytischem Sy.serum beruht, ist nicht ersichtlich.
nicht das schlechteste wird dasjenige sein, wozu wir heute den
Grundstein legen, vielleicht das kräftigste von allen! Ein
grossartiges Meer, ein Strand meilenlang ausgebreitet wie der
köstlichste Sammetteppich, die hehre SchÖi^eit der ganzen
Insel, .... das ist eine so seltene Vereinigung von Vorzügen,
das sicherlich binnen wenigen Jahren Sylt zu den gesuchtesten
Nordseebädem zählen wird . . . “ Diese Prophezeiung des
ersten Sylter Badearztes ist vollauf in Erfüllung gegangen.
Zählte doch Sylt im Jahre der Feier seines 50jährigen Jubi¬
läums (1905) gegen 20000 Gäste.
Auf Langeoog wurden erst im Jahre 1856 zu Bade¬
zwecken die ersten zwei Badehäuschen am Strande errichtet;
die Anregung zur Einrichtung einer Seeanstalt wurde zwar
1830 durch den Amtsrichter v. Van gero w gegeben, der regel¬
mäßig jedes Jahr (bis 1877), nach der Insel kam. In der
ersten ^eit, da noch keine Badeeinrichtungen da waren, ver¬
trat ein altes am Strande liegendes Wrack die Stelle der Bade¬
kutsche ; die Entwickelung des Seebades ging indess recht
langsam; im Jahre 1863 existierten erst 7 Badehäuschenl Seit
1885 wird Langeoog vom Kloster Loccum aus verwaltet; seit¬
dem haben sich sowohl die Badeeinrichtungen als auch die
Frequenz gebessert. (H. J. Tongers, Die Nordseeinsel
Langeoog und ihr Seebad. 2. Aufl. 1892, S. 44 S).
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1906.
M itei)Tf»TWTSnrt K
äsl
sich tatsächlich.nur wundem kann, weshalb ein solcher Wust
von Umständen mit ihren Irrtümern und Fehlerquellen dran-
gesetzt wird. Damit wird die Syphilisdiagnose sicher nicht
zum Gemeingut der Aerzteschaft gemacht, wohl aber dieser
die Lust sich damit zu befassen und das Vertrauen zur mo¬
dernen Bakteriologie mehr und mehr verleidet. —
Versuchen wir, so gut es geht, auch hier etwas Klarheit
in den Wirrwarr zu schaffen, der in der Syphilidologie immer
noch herrscht. — Es ist zwar eigentlich verfrüht, hier zu ur¬
teilen, bevor der „Vorbehalt eingehender, hier nicht näher zu
erörternder Kontrollen“ beseitigt ist, aber vielleicht tragen
diese Ausführungen dazu bei, solche Kontrollen, die wenn irgend¬
wo dann hier näher erörtert werden sollten, rocht sorgfältig
von neuem vorzunehmen und auf Nachbargebiete aoszudehnen,
ehe weiter so unreife Produkte in praktisch so überaus wich¬
tigen, folgenschweren Fragen auf den literarischen Trödel¬
markt geworfen werden.
Ich möchte zum Zweck dieser Kontrollen einige wichtige
Vorfragen stellen und daran meine Reflexion über den Gegen¬
stand aphoristisch anknüpfen:
1. Welcher Unterschied besteht wohl für die Autoren des
tres faciunt collegium zwischen „Syphilitischerinfektion“
und „syphilitischer Vorbehandlung,“ was schliesslich
auf die oft von mir gestellte Frage herauskommt: Gibt es einen
Unterschied zwischen „Syphilisinfektion und Syphilisimmunität“?
Da ich entschieden einen solchen Unterschied im Prinzip nach
wie vor bestreite, wozu mich meine experimentellen Studien
auf diesem Gebiet, von Fall zu Fall, von Jahr zu Jahr immer
mehr bestärken, so besteht eine ,,syphilitische Vorbehandlung“
zum Zweck der Syphilis-Immunitätsentfaltung für Diagnose und
Therapie in nichts anderem, wie in mehr weniger systema¬
tischer Syphilissuperinfektion, also in der vermeintlich längst
abgetanenen Syphilisation, analog schliesslich dem Prozess, wie
• ihn jeder genuine Syphilisfall mit seinen Rezidiven, Paroxys-
men, seinem zyklischen, allmählich mehr und mehr zur Dia-
these führenden Verlauf jedem Eingeweihten Vormacht und
wie solches mit Sicherheit durch die bakteriologische Analyse
von Blut und Serum experimentell jederzeit nachweisbar
ist. —
Man lasse nur mal einen der „vorbehandelten“ Syphilis¬
affen ein paar Jahre am Leben, — die „Folgezustände“ werden
nicht ausoleiben.
2. Wasistdas für eine neue Reaktion, beiderdas, womit
geprüft werden soll, sich in nichts von dem unterscheidet, was
zu prüfen ist? — Reagens und Reagendum müssen hete¬
rogen sein, wenn ein Reaktum entstehen soll, das ist ein
chemisches und biologisches Grundgesetz des Stoffwechsels.
Wo bleiben denn die „Antigene“ in dem künstlich sj^hilitisch
Erst um 1860 fängt man an, sich in Borkum für ein
ev. einzurichtendes Seebad zu interessieren. G. Merkel sucht
in seinem dem Prof. G. Haussen in Göttingen gewidmeten
Büchlein (Hannover 1860) für Borkum Propaganda zu machen.
Man sollte von Borkum nichts wissen, da man eine Konkurrenz
für Norderney fürchtete! „Es ist nicht zu glauben, dass die
Kgl. Regierung einer solchen Krämerpolitik huldigen wird“,
heisst es dort (S. 45).
In dem zwischen Borkum und Norderney liegenden
Juist soll bereits im Jahre 1783 der Pastor Janus auf
Juist in einem Bericht an die ostfriosischen Provinzial¬
verbände für die Errichtung eines Seebades eingetreten
sein; seit ca. 1830 soll es auch bereits als Luftkurort gedient
haben; die wenigen Besucher fingen auch wohl an, zu oaden;
als Toilette diente ein geschütztes Dünental oder ein mitge¬
brachtes leichtes Zelt. Aber Kurtaxe und Badekarten waren
unbekannte Begriffe. Die Wogen der Nordsee rollten „noch
unbezahlt“ an den Juister-Strand. Erst 1866*) b^ann man
mit der Errichtung einer Badeanstalt auf Juist. (Vgl. C. F.
*) ln eben diese Zeit fällt offenbar die Begründung' des Seebades in
Langeoog und Spiekeroog. (Vgl, Berenborg l. c.); dagegen teilte mir
die Badeverwaltung von Spiekeroog mit, dass bereite um das Jahr 1840
hier das Bad eingerichtet sei.
infizierten, „vorbehandelten“ Organismus? Werden sie hier
von den Antikörpern so „verankert“, dass sie nicht mehr los
können? Wo viel Antikörper erzeugt werden, müssen doch
auch besonders viel Antigene, d. h. spezifische „Gegensub¬
stanzen“, auf deutsch Syphiliserreger vorhanden sein? Anderer¬
seits: Wo bleiben die Antikörper in dem genuin syphilitisch
infizierten Organismus? Bleiben sie hier dem Ausfall der
Reaktion zu Liebe versteckt? Sind sie nicht vielmehr gerade
bei „früher“ Syphilitischen in solcher Uebermacht vorhanden
dass „früher“ syphilitisch Infizierte nichts mehr von ihren und
fremden Syphiliserregem zu befürchten haben, weil sie nicht
nur „geheilt“, sondern sogar „immun“ werden? Sind sie
hier nicht in solchem Ueberschuss vorhanden, dass Neisser es
sogar wagen konnte, mit dem Serum „früher“ Syphilitischer
„immunisatorische“ Versuche am Menschen zu machen?
(Schluss folgt.)
Sitzungfsberichte.
Aenetl/icher Verein in Hambiu*g»
Sitzung vom 12. Juni 1906.
Vorsitzender: Herr Kümmell.
1. Demonstrationen: 1. Herr Lauenstein stellt einen
44jähr)gen Patienten vor, der angeblich an Gallensteinen litt und
wegen anhaltender Beschwerden von ihm operiert wurde. Bei der
am 18. XII. V. J. vorgenommenen Eröffnung der Bauchhöhle fanden
sich jedoch keine Steine. Als im Februar d. J. wiederum hohes
Fieber und schmerzhafte Koliken auftraten, wurde der Choledoohus
freigelegt, in dem dicker Eiter war, und der Hepatious drainiert.
Am 10. Tage nach der Operation kamen plötzlich 6 Echino-
ooccusblasen zum Vorschein, denen im Laufe der nächsten
Wochen noch weitere 30—40 folgten. Jetzt ist der Patient, der
aus Schwerin stammt und in seiner Jugend viel in nahe Be¬
rührung mit 2 Bernhardinerhunden gekommen war, völlig geheilt.
2. Herr Lauenstein zeigt ferner eine 78jährige Frau, die seit
ihrem 14. Lebensjahr, also jetzt seit 64 Jahren, einen linksseitigen,
polycystischen It^mmatumor ohne Metastasen oder DrUsönschwel-
lungen hat, der nach Punktion des hämorrhagischen Inhalts als
ein polycystisches Hammacarcinom gedeutet werden muss.
3. Herr Wiesinger demonstriert einen Kutscher, der ebenfalls aus
Mecklenburg stammt, und dem beim Äbladen ein Fass in die
Oberbauohgegend gefallen war. Er wurde mit gerötetem Gesicht,
flacher Atmung und anfgetriebenem Leib ins Krankenhaus gebracht.
Das Abdomen war druckempfindlich und zeigte in den abhängigen
Fartieen eine Flüssigkeitsansammlung; es bestand Singultus, Puls
120. Bei der sofort vorgenommenen Operation wurden 2 1 serös-
Scherz, Juist. Norden 1886, S. 1 u. 20.) Es ist seltsam,
dass auf der Insel, anf der der Gedanke zum Seebaden so früh
auftauchte, er erst so spät verwirklicht werden sollte.
Damit will ich die kurzen Bemerkungen schliessen, die
vielleicht einiges Material zur Entstehungsgeschichte unserer
bekannteren I^rdseebäder bringen*); dass die Reihe unserer
Nordseebäder noch nicht geschlossen ist, zeigt hier die Er¬
öffnung des jüngsten Nordseebades Lakolk, gwegen auf Röm,
der nördlichen der nordfriesiseben Inseln, das am 15. Juli 1898
eingeweiht wurde. (Vergl. J. Jacobsen, 1902.)
Zum Schluss darf ich vielleicht auf eine bemerkenswerte
Versuchsreihe zurückkommen, die anf Sylt im August 1903
von Prof. Dr. A. Loewy und Franz Müller in Berlin an¬
gestellt wurden. Sie betrifft „den Einfluss des Seeklimas
und der Seebäder auf den Stoffwechsel des Menschen“,
^flüeers Archiv. Bd. 103. (1904.) S. 450—475.) Soviel
über diesen Gegenstand in sämtlichen Bäderschriften des langen
und breiten zu lesen ist (vgl. u. a. die Bibliographie bei dem
Artikel: „Bains de mer“ in A. Dechambre, Dictionnaire
encyclopedique. Bd. 8. Paris. 1868, S. 252 f.), so lag merk-
*j Baltruro besass z. B. 1872 noch keine eigentliche Badeanstalt (Vgl.
Berenberg l. c., S. 37.)
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332
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 32.
eitriger Flüssigkeit entleert, in der unzählige Echinococcus-
blasen waren. An der Unterfiftohe der Leber war ein Sack, der
durch das Trauma eingerissen war: er musste zagenäht und in die
Hautwunde eingenäht wwden. Das Peritoneum wurde mit 60 1
physiologischer Kochsalzlösung gereinigt, und alle Recessus grUnd*
lic^t ausgetnpft. Später wm^e der Sack, der jetzt völlig verödet
ist, eröffnet; der Patient ist wieder wohlauf. 4. Herr Arning
demonstriert eine 32jährige Patientin mit Raynandscher
Krankheit. Differentialdiagnostisch kamen Lepra und SyringO'
myelie in Betracht. Die Patientin, deren Schwester das gleiche
Leiden hatte, die jedoch vor Jahresfrist an Herzschwäche gestorben
war, erinnert sich nicht, jemals gesunde Hände und Füsse gehabt
zu ^ben; der Prozess an den Händen, die jetzt nur StUmpf^e dar¬
stellen, sodass Fat. nur noch mühsam selbst einen Löffel zum
Munde führen kann, geht seit Jahren unaufhaltsam weiter, während
&n den Füssen die Krankheit zum Stillstand gekommen zu sein
scheint. Die Therapie ist machtlos. 5. Herr Scholtz spricht
über seine Erfahrungen bei 120, in Privathäusern ausgefUhrten
Morphium-Scopolamin Narkosen: es fehlt die psychische
Erregbarkeit, die Patienten schlafen nachher noch lange und kommen
so über den Wundschmerz hinüber; allerdings muss das Cor auf¬
merksam kontrolliert werden. 6. Herr Ringel spricht über zwei
von ihm operierte Fälle von Nabelbrüchen boi Säuglingen, bei
denen kein eigentlicher Bruchsack vorhanden war, sondern der von
der schon nekrotisch gewordenen Nabelschnur gebildet wurde.
Solche NabelbrUohe müssen stets operiert werden, da die Gefahr
einer völligen Eventeration vorliegt. Ein Fall endete in Genesung,
beim anderen trat der Tod nach 18 Tagen infolge einer durch die
Operation verursachten DOnndarmfistel ein; merkwürdigerweise trat
in beiden Fällen nach einigen Tagen ein Abszess in der Tunica
vaginalis des Hodens auf, der wohl dadurch zu erklären ist, dass
in der Bauchhöhle beim Operieren zurückgebliebenes Blut sich an
der tiefsten Stelle dem Gesetz der Schwere nach ansammelte.
II. Vortrag des Herrn Deutschländer: „Ueber die Für¬
sorge für jugendliche Krüppel.“ An der Hand der be¬
kannten Regierungsstatistiken erörtert der Vortragende zunächst
die soziale und die nationalökonomische Bedeutung der KrUppel-
fürsorgefrage und gibt sodann einen kurzen Ueberblick über die
Entwicklung und über die Ziele der Fürsorgebestrebungen auf
diesem Gebiete. Er weist besonders auf die bisher nicht so recht
zur Geltung gekommene ärztliche Bedeutung der Frage hin und
fordert die Aerzteschaft auf, an der Lösung dieses sozial-medi¬
zinischen Problems sich recht eifrig mitzubeteiligen.
Scbönewald.
würdigerweise darüber keine einzige von modernen Anschau¬
ungen ausgehende Untersuchung vor. *) ln Kürze kann hier nur
hervorgehoben werden, dass durch Selbstversuche die direkte
Wirkung des Seeklimas und der Seebäder auf den Sauerstoff¬
verbrauch und die Eohleusäureproduktion des Menschen fest¬
gestellt werden sollte Die Resultate haben in der Tat gezeigt,
dass die Anschauungen der Praxis über die Anregung des
Stoffwechsels an der See zu Recht bestehen. Es existieren
allerdinM, wie es auch zu erwarten war, individuell erhebliche
Unterschiede. Indes wurde entgegen der bisherigen Annahme
bewiesen, dass die Appetitsteigerung keine Folge der gesteigerten
Verbrennungsprozesse ist. Wie ges^t, konnten die Versuche
von Loewy und Müller nur die Tatsache hersteilen, „dass
das Seeklima Reize enthält, die geeignet sind, den Stoffwechsel
gewisser Individuen zu steigern, und dass auch das Seebad eine
nicht auf seine Dauer beschränkte Anregung des Stoffwechsels
lierbeiführt“.
*) Vgl. BoTieke, Ueber die Wirkung des Nordseebades. Güttingen
1855.
Kongressbericht.
Kongress für iwnere MeöA/dm
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassman n-München.
Herr Otfried Müller-Tübingen: Experimentelle Unter¬
suchungen über die Vasomotoren des Gehirnes.
Durch die Plethysmographie des Gehirnes, wie auch durch
die Bestimmung der aus demselben abfliessenden Blutmenge lässt
sich zeigen, dass nach Durchschneidung des Sympathikas beim
Kaninchen und des Vagosympatbikus beim Hunde eine andauernde
starke Gefksserweiterung im Gehirn auftritt, Nach Reizung des
zentralen Stumpfes des durchschnittenen Nerven verengern sich
Gehirnarterien beträchtlich.
Es verlaufen demnach im Sympathikus konstriktorische Fasern
für die Gehiragefässe, die einen bedeutenden Tonus besitzen. Das
Gehirn ist in der Lage, seine Durchblutung selbständig zu regu¬
lieren. Es ist nicht bedingungslos den Schwankungen des Blut¬
druckes preiagegeben.
Der Nachweis gleichartiger Verhältnisse beim MeuBchen ge¬
lingt durch die Methoden der Partialwägung des Kopfes und der
Lumbalpunktion.
Herr Otto Hess-Marburg: Ueber einen neuen Reflex
(Zwerchfellreflex).
Bei leichter Perkussion oder auch nur Berührung der Bmstr
Warze kontrahiert sich das Zwerchfell. Diese Kontraktion ist kurz,
blitzartig, unabhängig von der Respiration und dokumentiert sich
durch eine muldenförmige Einziehung des obersten Teiles des Epi-
gastriums, bedingt durch Rückwärtsbewegung des Processus ensi-
formis infolge Verkürzung der an seiner Rückseite sich ansetzenden
Pars stemalis des Zwerchfells. Der Reflex ist nur von der Haut
der Mammilla, dagegen nicht von den umgebenden Hautpartien
der Mamma, und nur bei jugendlichen Individuen, deren Processus
censiformis elastisch und einziehbar ist, auszulösen.
Herr Tuszkai-Ofen-Pest-Marienbad: Der Puls bei Herz¬
insuffizienz.
Nach langjährigen Beobachtungen an herzkranken Schwangeren
kam der Vortragende zu folgenden Ergebnissen:
1. Die Anzeichen einer Herzinsuffizienz, d. i. einer Inkon¬
gruenz zwischen Ärbeitsanforderungen und Arbeitskraft des Herzens,
sind aus der Labilitätsveränderung des Pulses schon sehr früh zu
diagnostizieren.
2. Der erste Schritt zur Inkongruenz der Herzarbeit ist eine
Volumsvergrösserung durch Stauuogsdilatation, dessen frühestes
Stadium durch eine auffallende Steigerung der Labilität des Pulses
zu erkennen ist.
3. Die normale Labilität, d. i. die Pulsdifferenz des Körpers
in vertikaler oder horizontaler Stellung, beträgt 12—20 Puls¬
schläge pro Minute nach T.s Beobachtungen.
4. Ist eine Verkleinerung dieser Differenz zu beobachten, und
zwar beiläufig unter 12 pro Minute, so müssen wir an eine Vo¬
lumsveränderung durch Hypertrophie des Herzens denken, den
Zustand als eine natürliche Reaktion auf die Mehranforderung an
Arbeit auffassen und werden alle sonstigen Erscheinungen einer
erhöhten Herzarbeit finden. Hierher gehören ein kräftiger grosser
Puls, welcher an Zahl eher vermindert als vermehrt ist, dib Stei¬
gerung des GelUsstonus etc.
5. Finden wir eine Pulsdifferenz beim Wechsel der Körper¬
stellung von nahe 20 oder mehr pro Minute, so dürfen wir ans
dieser Labilitätsvergrösserung auf eine Volumsveränderung durch
Dilatation schliessen und nach den übrigen Symptomen der Herz¬
schwäche fahnden. Diese sind: ein kleiner, leicht unterdrttckbarer
Puls, eine Verminderung des Blutdruckes, die Anzahl der Puls¬
schläge ist gewöhnlich vermehrt.
6. Eine Verlangsamung der Pulsschläge mit einer auffallenden
Vergrösserung der Labilität ist ein ominöses Zeichen bei Herz¬
insuffizienz und lässt in den meisten Fällen Thrombose und Em¬
bolie erwarten.
Diskussion: Herr Stern-Breslau bezweifelt, da.ss aus den
Beobachtungen des Vorredners solch bestimmte Schlüsse gezogen
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1906.
MBDICmiSCHE WOCHE.
333
werden können und erinnert an die bedeutsame Rolle, welche die
K^eurasthenie beim Zustandekommen der obigen Symptome spielen
(Fortsetzung folgt.)
33, Kongress der Deutschen Ges^lschaft
/ftr Chirurgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Elapp-Bonn: Behandlung der chirurgischen
Tuberkulose mit Saugapparaten.
Die Technik der Saugbehandlung bei tuberkulösen Erkrankungen
ist dieselbe wie bei den akuten Entzündungen. Indiziert ist sie nament¬
lich bei denjenigen Formen der Tuberkulose, welche zur Er¬
weichung neigen. Hier erzielt man mit der Saugbehandlung
erstens die wohltätige Hyperämie und zweitens bewirkt man eine
Abschwemmung infektiösen Materials. Die Saugbehandlung muss
täglich vorgenommen werden. Sehr gut bewährt sich die Methode
bei kalten Abszessen, die durch eine Stichindsion eröffnet und an-
gesaugt werden. Man verwendet auf diese Weise die sekundären
Infektionen. Auch bei den anderen Tuberkulösen erzielt inan
Besserungen und häufig Heilungen. Die für die Tuberkulose
charakteristisohen Veränderungen gehen an der behandelten Tuber¬
kulose verloren. Die Granulationen verlieren ihr schwammiges
Aussehen, werden rot und körnig; die Gelenke verlieren ihre
Spindelform. Die Synovitis tubercidosa wird sehr günstig beein¬
flusst, eventuell wird die Punktion der Gelenke mit der Saugbe-
handlung kombiniert. Als geeignetsten Apparat bezeichnet der
Redner grosse Schröpfgläser.
Hr. Wrede-Königsberg: lieber Ausscheidung von
Bakterien durch die Schweissdrüsen.
Die klinischen Untersuchungen über das Auftreten im Blute
kreisender Bakterien in den Schweiss haben bisher nur zu wider¬
sprechenden Ergebnissen geführt. Experimentell am Tiere ist die
Frage von Brunner geprüft worden, der Staphylococcuspyoohenes
aureus, Müzbrand und Prodigiosus, nach Injektion derselben in die
Blutbahn, im Schweiss wieder auffand. Krikliwy kam bezüg¬
lich des Milzbrandes in seinen Experimenten zu einem negativen
Ergebnis. Vortragender bezweifelt die Beweiskraft vonßrun ner’ s
Staphylococcusversuch und berichtet über Experimente mit Prodi¬
giosus in der Brunner’schen Versuchsordnimg, durch die er
Brunner’s Ergebnisse nicht bestätigen konnte.
Diskussion:
Hr. Brunner-Münsterlingen betont demgegenüber, dass er
Prodigiosus im Schweiss habe nachweisen können, nachdem er ihn
Schweinen eingespritzt und dann durch Pilocarpininjektionen eine
profuse Schweisssekretion hervorgerufen hatte.
Hr. Pochhammer-Greifswald: Zur Tetanusfrage,
Redner berichtet über einen Fall von schwerer Maschinenver¬
letzung, bei dem trotz einer prophylaktischen Einspritzung von
Höchster Tetanusserum der Tetanus zum Ausbruch kam. Er hält
danach die Injektion einer einzelnen Dosis nicht für ausreichend
und schlägt vor, die Schutzdosis nach 10 — 14 Tagen zu wieder¬
holen, wenn Verdacht auf Tetanusausbruch besteht. Bei den Symp¬
tomen des Starrkrampfs müsse man jedoch sofort mit der vollen
Heildosis einsetzen.
Diskussion:
Hr. Höcker-Stettin stimmt den Ausführungen des Vor¬
tragenden zu. Des weiteren erwähnt er, dass er durch Unter¬
suchungen hat foststellen lassen, dass in den meisten militärischen
Bekleidungsstücken lebensfähige Tetanuserreger vorhanden sind.
Er ist daher der Ansicht, dass man bei Schussverletzungen, bei
denen Kleiderteile in den Schusskanal mitgerissen worden sind,
prophylaktische Injektionen von Tetanusserum machen soll.
Hr. Riede 1-Jena bemerkt, dass das Serum bei wirklich
manifestem Tetanus niemals einen Erfolg erzielt hat; wohl aber
habe es sich ihm in einen Falle von prophylaktischer Anwendung
bewährt Er wirft daher die Frage auf, ob es nicht zweckmäßig
wäre, ausgedehntere Versuche mit dem Serum bei prophylaktischer
Anwendung zu inacheu.
Hr. Körte- Berlin würde sich zur prophylaktischen Anwendung
des Serums nur sehr schwer entscliliessen, um so mehr, als ihm
nach der Tätigkeit in seinem Wirkungskreise scheine, dass der
Tetanns in Berlin an Häufigkeit abgenommen habe.
Hr. Deutschländer-Hamburg berichtet über einen Fall von
Tetanus, der sich 14 Tage nach einer Beiuverletzung entwickelt
hat. Zwölf Stunden nach den ersten Symptomen Injektion einer
Heildosis von Höchster Serum, 10 ccm in das gesunde Gewebe
und 10 ccm in das verletzte und mit einer Staubinde versehene
Bein. Trotzdem Entwickelung eines schweren Tetanus. D. machte
eine Lumbalpunktion, entleerte 35 ccm Lig. cerebrospinalis, worauf
der tetanische Krampf sofort aufhörte. Die Lumbalpunktion wurde,
da immer wieder AnfUlle auftraten, 12 mal wiederholt. Bann trat
Heilung ein.
Hr. Friedrich-Greifswald: Der Tetanus ist territorial sehr
verschieden häufig; in Pommern habe man oft Gelegenheit, ihn zu
beobachten. Von den in der (rreifswalder Klinik prophylaktisch
behandelten Fällen sei nur der von Pochhammer mitgetoilte Fall
tetanisch geworden, die anderen seien gesund geblieben. Daher
rät er zur Anwendung der prophylaktischen Injektion.
Hr. Zoege v. Manteuffel-Dorpat hat sowohl französisches
als auch Höchster Serum während des russisch-japanischen Krieges
angewendet. Die Fälle sind alle gestorben. Die prophylak:tiscbcn
Injektionen hält er nicht für angebracht. (Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 26 .
1. Grashey, München: Fremdkörper und Böntgenstrahlen.
Da uns die Röntgenstrahlen so grosse Dienste beim Aufsuchen
von Fremdkörpern leisten, sollte man auch, wo es die äussoron
Verhältnisse nur irgend gestatten, dieselben gleich von Anfang an
zu Rate ziehen und womöglich auch während der Operation als
Wegweiser zur Seite haben. Es ist eine undankbare Sache, eine
Nadel unge^r zu bestimmen und daun gewissennaßen dafür ver¬
antwortlich zu sein, dass sie ein dritter nach deu gegebenen
Direktiven, die immer nur mangelhaft sein können und sich bis
zur Operation wieder ändern können, auch wirklich findet. Eine
Ausnaiime machen Fremdkörper, deren Lage man als ganz ober¬
flächlich anerkannt hat oder die man deutlich unter der Haut fühlt;
auch solche Nadeln soll mau prinzipiell durchleuchten, denn nicht
selten erweisen sie sich als gesplittert, in der Tiefe liegt noch ein
zweites Stück. Ganze Nadeln konnte ich wiederholt durch Druck
uud Entgegenmassieren der Haut ohne Schnitt entfernen. Manch¬
mal kommen Kranke, aus dereu Wunde noch der Faden heraus-
hängt. Das Röntgenbild zeigte mehrmals, dass das Oehr von der
Haut abgewandt war, und dass der Faden, der wertvolle Weg¬
weiser, bei Zug am Faden abreissen musste, wenn man nicht vor¬
sichtig die Stichwunde vom Faden . aus nach beiden Seiten er¬
weiterte. Fühlt man eine Nadel dicht unter der Haut, dem Ein¬
stich entsprechend (den man stets durch Abschneiden der ober¬
flächlichen Epidermis Anden kann), so kann man immerhin zunächst
sein Glück versuchen und auch die Schmerzempfindung des Kranken
als Anhaltspunkt nehmen. Fühlt man aber den Fremdköi*por nach
dem Hautstich im Fett nicht mehr, dann schädige man das Ge¬
webe nicht weiter, desinfiziere die Wunde mit Alkohol und nehrao
die Röntgenstrahlen als Wegweiser. Das Suchen von Fremdkörpern
auf gut Glück ohne ganz bestimmte Direktiven, ist eine höchst
undankbare Aufgabe.
2. Bingel, Tübingen: Veber die Messimg des diaetoUsohen
Blntdmoks beim Menschen. (Mit Demonstration eines neuen
Sphygmomanometers.)
Der Apparat ist im wesentlichen ein Quecksilbermanometer,
(las beim Steigen elektrische Stromkreise schliesst und öffnet und
dadurch einen Elektromagneten bewegt. Das Manometer markiert
automatisch die Druckhöhen von 10: 10 mm, ersetzt also den
zweiten Untersuoher. Universitätsmechaniker A Ibrech t, Tübingen,
Uhlandstrasse 8, liefert den Apparat für 70 Mark. Man erhält
durch die Methode der Messung des diastolischen Blutdruckes
neben dem systolischen, die eine Vereinigung von Sphygmographie
uud Sphygmomanometrie darstellt, einen tieferen Einblick in die
pathologische Physiologie des Kreislaufes, einen tieferen Einblick,
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334
Mku TCTNISCHB WOCHE.
Nr. 32.
als ihn die Sphygmographie für sich allein, als ihn die Sphygmo-
manometrie für sich allein gewähren kann.
3. Pincussohn, Berlin: Die Wirkung des Kaffees und des
Kakaos auf die Magensaftsekretion.
Ueber die Wirkung des Kaffees und des Kakaos auf die
Magensaftsekretion liegen exakte Versuche bisher nicht vor. Ueber
die Einwirkung des Tees arbeitete T. Sasaki in der experimentell¬
biologischen Abteilung unter Benutzung eines ösophogotomierten
Magenfistelhundes unter Scheinfütterung und fand hier eine Hemmung
der Sekretion, Den Einfluss von Tee und Kaffee auf die Pepsiu-
verdauung untersuchte P awlowsky, der eine hemmende Wirkung
auf die proteolytische Pepsinwirkung feststellte, stärker bei Tee,
schwächer bei Kaffee, die er jedoch nicht dem Koffeün, sondern
Nebenbestandteilen zuschiebt. Es schien interessant, den Einfluss
der obengenannten Getränke näher zu untersuchen, zugleich im
Vergleiche miteinander, mit Surrogaten und mit reinem Wasser.
Die Pa wlow’sche Methode des kleinen Magens war hierfür ausser¬
ordentlich geeignet. Die stärkste Einwirkung auf die Sekretion
haben Kaffee und fettarmer Kakao, also die Stoffe, die zugleich
das Alkaloid in konzentriertester Form enthalten. Bedeutend ist
diese Wirkung durch das Fett des fettreichen Kakaos abgeschwächt.
Malzkaffee steht dem echten Kaffee nur wenig nach und dürfte
dämm wohl als Ersatz gelten können, umsomehr, als ihm auch
nährende Eigenschaften innewohnen, wie auch Beobachtungen des
russischen Militärarztes Koljago zeigen. Im Gegensatz zu der
Kaffeewirkung beansprucht die hemmende Wirkung des Thees ein
ganz besonderes Interesse.
4. Gaupp, München: Die klinischen Besonderheiten der
Seelenstöningen unserer Orossstadtbevölkemng.
In der Münchner Klinik und Frankfurter Anstalt überwiegen
die alkoholischen, epileptischen und hysterischen Erkrankungen, die
Paralyse, die psychopathischen Zustände; auch die Zahl der or¬
ganisch Hirnkranken ist hier grösser, das neurologisch-psychiatrische
Grenzgebiet rückt mehr in den Vordergrund. Noch weit grösser
sind die Unterschiede zwischen Dziekanka oder Lauenburg und
München bezw. Frankfurt. (Schluss folgt)
5. Bruns, Leipzig: Zur Kasuistik der Poliomyelitis anterior
acuta adultorum.
Der erste Fall ist schon im Jahre 1894 von Curschmann
in seinem Atlas „klinischer Abbildungen‘* publiziert worden mit
der Diagnose Poliomyelitis ant acuta adultorum.
Der zweite Fall zeigt durch die Verteilung der Atrophie das
charakteristische Bild einer progressiven neurotischen Muskelatrophie
(Typus Hofimann) und ist ferner interessant durch das Einsetzen
einer spinalen progressiven Muskelatrophie, wohl infolge oiner nur
drei Jahre zurückliegenden, vorübergehenden Mitbeteiligung des
ZerTikalmarks an einer akuten Poliomyelitis des unteren Dorsal-
bezw. des Lendenmarks.
6. Krüger, Vetschau i. L.: Die Anwendung des Tuberkulin
neu bei der Behandlung von Lungenschwindsucht.
Bei der Anwendung des Verfahrens wird gemäss der Vor¬
schrift ^/lo g des in Fläschchen von 1 com Inhalt erhältlichen
Tuberkulins mit 1 g 20'yoigen Glyzerinwassers verdünnt, von dieser
10%igen Verdünnung wird wiederum ^/lo g mittels einer Messpi¬
pette entnommen und mit 10 g desselben Glyzorinwassers vermischt.
Man hat jetzt also eine Verdünnung von 1 :1000. Sowohl das
Glyzerinwasser, wie auch die Pipette und die für die Verdünnungen
bestimmten Fläschchen werden vorher durch Kochen sterilisiert.
Die so bereiteten Verdünnungen sind etwa 2 Wochen haltbar.
Nach der erwähnten Anleitung soll die Unbrauchbarkeit der Flüssig¬
keit au einem durch Schütteln nicht mehr zu feinster Verteilung
zu bringenden Bodensatz kenntlich sein. Von der letzten Ver¬
dünnung wird 0,2 g = 0,002 g Tuberkulin mittels einer keimfrei
gemachten Pravazspritze in den mit Spiritus abgeriebenen Ober¬
arm eingespritzt. An demselben, zuweilen auch noch am nächsten
Tage, klagen die Kranken über das Gefühl von Mattigkeit und
Gliederziehen, manchmal auch über Kopfschmerzen. In einem Palle
trat bei den grösseren Dosen regelmäßig Erbrechen auf. Sensible
Kranke lässt man bis zum Schwinden dieser Beschwerden im Bette
liegen. Fast regelmäßig tritt eine einige Stunden anhaltende
Temperatursteigerung um wenige Zehntelgrade auf. Die Reaktion
am Ort der Einspritzung ist nicht bedeutend, die Rötung und
Schwellung, welche nur nach Einspritzungen von 1—2 ccm Flüssig¬
keit einen grösseren Umfang erreicht, ist, wenn die Kranken am
zweiten Tage darauf zur Wiederholung der Injektion erscheinen,
bereits erheblich zurückgegangen. Nur die Schmerzhaftigkeit ist
meistens wesentlich, jedoch nur selten so stark, dass sie das Arbeiten
verhindert. Die Einspritzung wird anfangs jeden zweiten Tag
wiederholt und zwar wird, wenn keine Allgemeinreaktion (Mattig¬
keit, Temperaturerhöhung) erkennbar ist, die Dosis auf das Doppelte
gesteigert. Nach 3—4 Wochen, wenn die angewandte Dosis etwa
0,1—0,5 des unverdünnten Tuberkulin beträgt, wird wöchentlich
nur 1—2mal, später mit ein- bis mehrwöchentlichen Pausen 1 g
mehreremal eingespritzt, bis keine allgemeine Reaktion hervortritt.
Nur ausnahmsweise wurde eine Schlnssdosis von 2 g angewendet.
Hiermit findet die Kur ihren Abschluss und wird nötigenfalls nach
einem halben Jahre wiederholt. In den Fällen mit ganz geringem
Lungenbefund tritt eine völlige Heilung im klinischen Sinne ein,
bei vorgeschrittener Erkrankung blieben einzelne lokale Krank-
beitsmerkmale, wie gedämpfter Schall, verändertes Atemgeräusch,
geringere Elxkursionsfkhigkeit der betroffenen Lungenspitze in aller¬
dings beträchtlich verminderter Ausdehnung be.stehen. Die schönsten
Erfolge waren zu beobachten bei der mit dem Eintritt der Pubertät
beginnenden Tuberkulose. Drei hierher gehörende Fälle, nämlich
ein Mädchen von 14 und zwei Jungen von 14 V 2 und 16 Jahren
sind seit iV* bezw, l^/i Jahr gesund.
7. Hecht, Beuthena.S.: Zur OpiambehandloAg der Larynx-
stenose im Kindesalter.
Durch Abschwächung des Hustenreizes wird verhindert, dass
durch plötzliche Stauung in dem ergriffenen Gewebe die notwendig
folgende ödematöse Durchtränkung eine weitere Verengerung der
Passage bewirkt. Diese Erklärung 0. Rosenbachs kann, wie H.
neuerdings schon ausgeführt hat, nur für solche Fälle von dipbtbe-
ritischer Larynxstenose Geltung haben, welche nicht durch Mein-
branbildung, sondern durch ödematöse Schwellung der Kehlkopf¬
schleimhaut bedingt sind. Da dieses Oedem durch den Klebs-
Löffler’sehen Bazillus hervorgerufen ist, muss der Opiumbehaad-
lung die Anwendung des Behring’schen Heilserums vorangeben.
Kombiniert mit letzterer, vermag die Opiambehandlung in leichten
Diphtheriefällen, deren Häufigkeit seit Anwendung des Heilserums
entschieden zugenommen za haben scheint, die Tracheotomie zu
ersetzen.
8. Sachs-Muke, Magdeburg: Ein einfacher Apparat nr
Wiederanfflndnng bestünmter Stellen in mikroskopischen Prä¬
paraten.
In einem zum Objektivsystem angepassteu Gestell befinden
sich zwei zur Linsenachse parallel verschiebbare, mit scharfen, ge¬
nau zentrisch gearbeiteten Spitzen versehene Stifte, die nach Ein¬
stellung des Linsensystema auf den seitlich des Präparates mit
Papier, Glanzkarton oder dergl. beklebten Objektivträger herabge-
sclmiubt werden und dort bleibende Eindrücke binterlassen. Da
die Stifte sämtlicher Apparate gleichweit von einander entfernt
sind, so kann jeder Besitzer eines solchen Apparates bestimmte Stellen
eines ihm von ausserhalb zugesandten Präparates ohne Zeitverlust
finden. Der Absender hat nur nötig, zwei Punkte auf die bezeichnete
Weise zu markieren und höchstens eine kleine Skizze hinzuzufügen.
Trotz der Einfachheit des Baues und der Handhabung gestattet
der beschriebene Objektfinder doch ein leichtes, äusserst schnelles
und gewissermaßen matheinatLsch genaues Arbeiten für alle Zwecke
der Demonstration, einschliesslich der mikropliotographischen. Die
Herstellung des Objektivfinders hat die Firma Gebr. Mittelstruss,
Magdeburg, übeniommen. Preis 15 Mark.
9. Läufer, Luxor (Ober-Aegypten): Ueber den Abriss der
Streckaponeorose der Finger.
Ein Nachtrag i;nd neuer Fall zu Dr. Selbergs und Dr.
Franks Mitteilungen in dieser Wochenschrift No. 14 und 23.
10. P erutz, München: Medizinisches and Sozial-Hygienisches
von der Jabilänmsausstellung in Nürnberg.
11. Quiuke, Kiel: Ueber ärztliche Spezialitäten and Spezial¬
ärzte.
Eine sehr interessante Gruppierung aller der vielen Spezial¬
fächer, die sich vou der Medizin abgezweigt haben und alle auf
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
335
einen grünen Zweig gekommen sind. Anoh Qu. vertritt den Stand¬
punkt, dass die Kunst des Haus- und Famüienarztes aus alledem
lierausragen müssen, um ein geistiges Band zwischen den vielen
kunstgewerblichen Beschäftigungen zu halten.
1906. No. 27.
1. Anton, Halle a.S.: Symptome der Stirnhimerkranknng.
A. kommt zu folgenden diagnostischen Thesen: Das mensch¬
liche Stimhim (Präfrontalhirn) ist ein paariges Organ; die Stim-
anteile sind vielfach wieder mit einem paarigen Organe, dem Klein¬
hirn verbunden; in diesen Organen findet eine Supplierung und
Kompensation der Herderkrankung besonders häufig statt; deshalb
sind die Ausfallssymptome ausgiebiger verwischt, als bei anderen
Grosshirnanteilen, oder nur als quantitative Abnahme der Leistung
erkennbar. Von den Symptomen, die körperlich evident werden,
sind namhaft zu machen: die Störung der Eörperbalance beim Auf¬
rechtstehen und Gehen, ähnlich wie bei ^einhimerkrankung;
ausserdem Abänderung des Gangtypus und der Haltung (Hypo¬
tonie). Auch an den oberen Extremitäten scheint die „höhere
Koordination“ der Bewegungen gestört, insbesondere die richtige
Aufeinanderfolge derselben, das Zusammenfassen einzelner Beweg¬
ungsakte zu einer komplexeren Verrichtung (wie bei Paralyse).
Die Nähe der motorischen Region bewirkt häufige Komplikation
mit Paresen oder Krämpfen, sowie mit motorischer Aphasie. Bei
Herderkranknng des orbitalen Stimhimes ist Anosmie (gleichseitig
oder beiderseitig) für die örtliche Diagnostik von Bedeutung (die
Erkrankung des Septum pellucidum scheint dieses Symptom nicht
zu geben). Bei einseitiger Stimhimerkrankung sind wohl charakte¬
risierende psychische Symptome noch nicht eruiert. Die beider¬
seitigen Stimhimerkrankungen mit Beteiligung des Balkens scheinen
eine psychische Symptomatik hervorzurufen, die der Paralyse sehr
nahe steht. In vielen Fällen wird die Diagnose erst durch die
Kombination der obigen Körpersymptome mit diversen psychischen
Störungen ermöglicht; letztere hängen nicht allein von der Oert-
lichkeit, sondern von der Art und vom Verlaufstempo und von der
Intensität der Herderkrankung ab.
2. Leo, Bonn; Zur Kenntnis der Achylie des Magens.
Unter den Symptomen der Achylie sind besonders bemerkens¬
wert die Magenschmerzen und die Anomalien des Stuhlgangs. Ein
von allen Autoren als Begleiterscheinung resp. Folge der Achylie
beschriebenes S 3 nnptom ist schwere chronische Diarrhoe. Viel
häufiger ist der Stuhlgang regelmäßig, und ausser ^temierender
Diarrhoe und Verstopfung sieht man — was übrigens auch von
anderen Autoren (Boas, Einhorn, Martins, Faber) berichtet
wird — in einer nicht geringen Zahl von Fällen hai^äckigste,
jahrelang bestehende Obstipation. Der Stuhl wird dabei ganz auf¬
fallend hart, er besteht aus mehreren knoUigen, konkrementartigen,
steinharten Gebilden. Bei der Behandlung der Obstipation hat das
von A. Schmidt empfohlene Regulin wiederholt ausserordentlich
gute Dienste geleistet. Auch das von A. Schmidt empfohlene
Puraffinum liquid., welches als Pararegulin im Handel ist, hat sich
in mehreren Fällen bewährt. Bei einem Patienten mit Achylie
wirkte es noch besser als Regulin. Der Kot, der seit 15 Jahren
stets aus einzelnen harten Knollen bestanden hatte, erhielt weiche
.salbenartige Beschaffenheit. Natürlich müssen die Mittel ununter¬
brochen gebraucht werden, und da ist ihr hoher Preis leider sehr
zu bedauern. Was die sonstige Therapie bei Achylie anbetrifft,
so kennt L. kein Mittel, um die einmal erloschene Sekretion wieder
anzufachen. Die Achylie unterscheidet sich darin von blosser Sub¬
azidität resp. der sie veranlassenden Gastritis, welche wir oft ge¬
nug unter geeigneten Maßnahmen spez. Irrigationen mit Argentum
iiitricum wieder zur Norm, ja sogar zu gesteigerter Sekretion
fuhren können. Wo aber bei Achylie dyapeptische Beschwerden
bestehen, werden sie nicht selten, ebenso wie wirkliche Schmerzen
in der Magengegend günstig beeinflusst. Leo verordnete Pepsin¬
salzsäure (Acid. mur. dil. 10,0, Pepsin, sico. 10,0, Aq. destill. ad.
50,0 MDS. zu jeder Mahlzeit 1 Teelöffel auf 1 Weinglas Wasser).
3. Gerhardt, Jena: Zar Therapie der Oesophagosstenosen
Die Therapie der Oesophagusstenosen besteht in der Regel
zunächst in dem Bestreben, möglichst lange durch Beschränkung
auf flüssige Kost das Schluckvermögen zu erhalten, dann aber,
wenn auch Flüssigkeiten Schwierigkeit machen, in methodischer
Sondenbehandlung, allenfalls in Einlegen von Dauerkanülen, Ap¬
plikation von Nährklysmen bei günstig liegenden Fällen in der
Anlegung von Magenfisteln. Die von G. gegebenen Ausführungen
sollen darauf hinweisen, dass es noch auf andere einfache Weise
gelingen kann, das Schluckvermögen wesentlich zu bessern, näm¬
lich durch regelmäßige Verabreichung von Morphium.
4. V. Herff, Basel-Stadt: Zur Frage der Ka^^teteriUsation.
Aus diesen Untersuchungen geht hervor, dass jene Kollegen,
die keimfreies, ein^hes Katgut anwenden wollen, Kumolkatgut
wählen müssen. Wird keimfreies und zugleich keimtötendes Kat-
gut vorgezogen, so ist Jodkatgut nach Schmidt-Billmann in
wässriger oder in alkoholischer Lösung, jedenfalls aber in 95%igem
Alkohol aufbewabrt, vorzuziehen, zumal dieses auch in Bezug auf
Festigkeitsabnahme dem Kumolkatgut überlegen ist. H. kennt
keine Zubereitungsweise — und er hat fast ^le durchversucht —
die bei solcher Einfachheit in der Herstellung ein solch wider¬
standsfähiges Katgut liefern. Mit dem von Rosenberg in den
Handel gebrachten Katgut, das nach den Angaben Karewsky’s
mit Alkohol sorgfältig keimfrei gemacht in den Handel gebracht
wird, hat v. H. keine eigenen Erfahrungen. Doch scheint es für
den Hausarzt recht brauchbar zu sein, sofern er ein angebrochenes
Glas in einem mit Alkohol angefüllten dickwandigen Reagensrohre
aufhebt, um aUenfalledge Reste nicht wegwerfen zu müssen.
5. Gauss, Freiburg: Eine einfache Messung.
Die instrumentelle direkte Messung der Gonjugata obstetrica
allein ist imstande, das Fundament für eine objektive Becken¬
messung und eine allgemein gütige Lehre vom engen Becken zu
bUden, solange wir die anderen inneren Maße in einwandsfreier
Weise nicht feststellen können. Der neue Beckenmesser von G.
vereint in sich die VorteÜe eines exakt arbeitenden, leicht hand¬
lichen und preiswerten Instruments, das den klinischen Instituten,
dem geburtehüflichen Spezialisten und dem praktischen Arzte in
gleichem Maße zu dienen bestimmt ist; dies ganz handliche In¬
strumentarium ist zu beziehen vom Instrumentenmacher Fischer in
Freiburg i. Br.
6. Tomasczewski, Halle a. S.: Heber den Kaehweis der
Spiroohaete pallida bei tertiärer Syphilis.
In etwa 100 Primäraffekten hat T. nach 1 — 2 ständiger
Giemsafärbung im Durchschnitt nach 5—10 Minuten, oft schon
nach wenigen Sekunden regelmässig eine sichere Pallida gefunden.
Es ist ihm auch in einer grösseren Reihe von klinisch noch zweifel¬
haften Fällen gelangen, im Ansstrichpräparat Spirochaeta pallida
zu finden; und regelmäßig bestätigte der weitere klinische Verlauf
die mikroskopische Diagnose. nWir besitzen demnach im gefärbten
Ausstrichpräparat, namentlich für die Diagnose des Primäraffektes
ein wertvolles und rasch zum Ziel führendes Hilfsmittel.“
7. Simmonds, Hamburg-St.Georg: Ueber den diagnostischen
Wert des Spirochaetennachweises bei Lnes congenita.
Der Spirochaetennachweis in den Organen von Föten und
Säuglingen genügt völlig, um die Syphilisdiagnose zu rechtfertigen.
Ein negativer Befand würde bei mazerierten Früchten mit grosser
Wahrscheinlichkeit Syphilis ausschliessen lassen, bei Säuglingen
hingegen wäre ein negativer Befund nur mit Vorsicht zu verwerten.
8. Chotzen, Breslau: Einseitige Temperatarsteigerang in
der gelähmten Körperhälfte bei zerebraler Herderkranknng.
In Fällen, wie der hier angeführte eines 52jährigen Mannes,
mit einer rechtsseitigen Lähmung nach Apoplexie, wo die höchste
gemessene Temperatur nur 38,6® betrug, also eine Temperatur, wie
sie in der Aorta normal ist, könnte die ganze Störung nur als
vasomotorisch angesehen werden, da es denkbar ist, dass durch
veränderte Zirkulationsverhältnisse und gesteigerte Wärmeabgabe
durch die Gefässe die Temperatur der Haut der des Körperinneren
angenähert werden könnte. Allerdings bedürfte dann die starke
Differenz der Temperatur der anderen Achselhöhle mit dieser Innen¬
temperatur wieder einer Erklärung. Bei höherer Steigerung aber
müsste man doch eine vermehrte Wärmebildung annehmen. Den
Ort dieser könnte man in solchen Fällen dann wohl nur in den
Muskeln suchen, denn eine nicht halbseitige Quelle, wie etwa die
grossen Unterleibsdrüsen, brauchte für diese Verteüung doch auch
noch die vasomotorische Störung, und es wäre dabei noch weniger
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MBDICINISCHB WOCHB.
Nr. 32.
verständlich, dass auf dem Blutwege kein Ausgleich zwischen
beiden Seiten stattfindet nach dem bestwunteu Verhältnis zwischen
Bluttemperatur und Temperatur der Haut. Eine schlaffe Lähmung
der Muskulatur, wie im vorliegenden Falle, braucht nicht gegen
diese Annahme zu sprechen, denn es könnten auch in gelähmten
Muskeln lebhaftere Stoffwechselprozesse vor sich gehen, wozu die
veränderten Zirkulationsverhältnisse vielleicht gerade den Anstoss
geben.
9. Eohn, Prag: Qanglienielle und Herrenfaser.
Ganglienzelle und Nervenfaser stehen von allem Anfang an
und bleiben dauernd in anatomischer Kontinuität, aber sie gehören
nicht zu einem gemeinsamen Zellenindividuum zusammen. Sie sind
keine genetischen Zelleneinheiten, sondern zu funktionellen Ein¬
heiten verbundene vielzellige Gebilde, die sich mit besonderen Er¬
folgorganen zu funktionellen Systemen vereinigen können, So stellen
motorische Ganglienzelie, Nervenfaser und quergestreifte Muskel¬
faser ein funktionelles System (erster Ordnung) dar. Die Integrität
der Teile des Systems ist von dem unversehrten Zusammenhänge
des ganzen Systems abhängig. Die Ganglienzelle, ohne welche die
einzelnen Systeme ihrer notwendigen Verbindungen untereinander
beraubt wären, nimmt eine dominierende Stellung ein. Abgetrennt
von der Ganglienzelle sind die peripheren Teile des Systems ausser
Funktion gesetzt und verlieren ihre spezifische Struktur. Aber
auch an der übergeordneten Ganglienzelle geht die Trennung von
den peripheren Teilen nicht spurlos vorüber. Ist sie ihrer Erfolg¬
organe dauernd verlustig geworden, so geht auch sie, wenn auch
langsam, dem Verfalle entgegen.
10. Benedixund Schittenhelm: DasChromosaooharometer,
ein neuer Apparat zur quantitativen Znokerbestinimnng im ürin.
Mit dem Chromosaccharometer kann nur die Bestimmung von
Traubenzucker im Urin vorgenommen werden. Andere Zuckerarten,
z. B. Milchzncker, lassen sich damit nicht auf exakte Weise quan¬
titativ nachweisen. Aber dieser Chromosaccharometer gibt allen
anderen bisherigen, vom Praktiker angewandten Zuckerbestimmungs¬
methoden zu mindesten gleichwertige Resultate und besitzt infolge
seiner schnellen und leichten Handbarkeit, sowie seines billigen
Anschaffungspreises ganz entschiedene Vorteile, welche ihn be¬
fähigen, vor allem auch dem Praktiker schätzbare Dienste zu leisten.
Der Chromosaccharometer „Rapid“ wird von dem Schweizer Me¬
dizinal- und Sanitätsgeschäft A.-G. Hausmann in St. Gallen
(Schweiz) hergestellt und verkauft. Pi'eia des gesamten Apparates
M. 7,20 oder Fr. 9,50.
11. Theilhaber: Pie Behandlung der „Stiele“ hei gynäko¬
logischen Operationen.
Herr v. Stabenrauch (s. d. Wochenschr. No. 19, pag. 1210,
Juni 1906) meint, T.’s These, dass bei gynäkologischen Operationen
in der Bauchhöhle die lufektion meist an den Stielen, i. e. an den
Lig. latis beginnt, sei längst bekannt. Dem gegenüber konstatiert
T., dass keiner der von ihm befragten Chirurgen und Gynäkologen
eine Publikation kennt, in der dieser Satz enthalten ist.
12. Gaupp-München: Pie klinischen Besonderheiten der
Seelenstöningen unserer Orossstadtbevölkerung.
Der Vergleich zwischen dem Krankenmaterial der Gressstadt
und des flachen Landes zeigt im wesentlichen Verschiedenheiten,
die in der Verschiedenheit der Aufnahmebestimmungen und in der
Notwendigkeit der Versorgung öffentlich störender Elemente wurzeln;
weit geringer ist das Ergebnis hinsichtlich des Einflusses des
grossstädtischen Lebens auf die Erzeugung neuer Kraukheitsformen.
Diese Tatsache wird ohne weiteres verständlich, wenn man erfährt,
da.ss nach G.’s Münchener statistischen Berechnungen nur 20 bis
25®/oder Aufgenommenen eigentliche Grossstadtkinder sind. 75 bis
80% sind nicht in München geboren, nur wenige stammen aus
anderen Grossstädten, weitaus die grösste Zahl kommt vom Laude.
Woher das rührt, vermag G. nicht zu sagen, weil er noch nicht
fe.ststellen konnte, wieviel Prozent der erwachsenen Einwohner
Münchens überhaupt geborene Münchener sind. Sollten sich hier
ganz andere Zahlenwerte ergeben, so wäre dies vielleicht ein Finger¬
zeig dafür, dass die Grossstadt gerade für die, die nicht in ihr
aufgewachsen sind, besonders gefährlich werden kann. Doch
kann der Zusammenhang auch ein ganz anderer sein. Jedenfalls
sind diese statistischen Tatsachen geeignet, in allen ITragen der
vergleichenden Psychiatrie zur grössten Vorsicht zu mahnen.
13. Jacobsohn-Berlin: Allerlei Erfahrungen über das
praktische Jahr.
Deutsche mediclnieche Wochenschrift. 1906. Nr. 26 .
1. Zander, Königsberg i. Pr.: Peber das Wallersche Gesetz.
Das Wallersche Gesetz besagt etwa folgendes: Nach Dorch-
schneidung eines motorischen Nerven degeneriert der abgetrennte
periphere Abschnitt. Der proximale Abschnitt erleidet keine Ver-
ändörnng. Bei Dorchschneiduog eines sensiblen Nerven peripher-
wärts vom Spinalgauglien tritt dieselbe Veränderung im distalen
Abschnitt ein. Nach Durchschneidung der hinteren Wurzel zwischen
Rückenmark und Spinalganglien verändern sich die mit dem Spinal-
ganglien in Verbindung bleibenden Nervenfasern nicht, dagegen
verkümmern die von ihm abgetrennten in das Rückenmark ein-
tretenden Fasern, und diese Verkümmerung setzt sich in die
Hinterstränge nach oben fort. Nach Exstirpation eioes Spinal-
gangUons gehen alle von ihm ausgehenden Fasern nnter. Diese
Beobachtungen brachten Waller zn dem Schluss, dass die grossen
Nervenzellen in den Vordersäulen auf die motorischen Nerven, die
Nervenzellen in den Spinalganglien auf die sensiblen Nerven einen
nutritiven Einfluss ausüben. Diese Beobachtungen fasste Waller
zusammen in die Sätze: Nach Danhsohneidung eines Nerven de¬
generiert das peripherische NervenstUck, das zentrale Stück, die
Nervenzelle aber bleibt normal. Die Regeneration des durch¬
schnittenen Nerven erfolgt durch Hineiuwachsen der Achsenzylinder
aus dem zentralen Stumpf in die alten Bahnen im peripherischen
Stumpf. Die Nachprüfung dieses lange Jahre als richtig geltenden
Gesetzes hat die Notwendigkeit einer Korrektur ergeben. Nach
Durchschneidimg eines Nerven degeneriert sein peripherisches
Ende. Im Anschluss an die Degeneration beginnen — wenigstens
bei den peripherischen Nerven — regenerative Prozesse, die aber
nur dann zur völligen Regeneration führen, wenn eine Verbindung
des peripherischen Nervenabschnittes mit einem zentralen zustande
kommt. Unterbleibt diese Verbindung, so degeneriert das peri¬
pherische Nervenende vollständig. Beide Vorgänge verlaufen in
der Richtung von der Verwundungsstelie nach der Peripherie zu.
Der zentrale Abschnitt eines durchschnittenen Nerven bleibt, ab¬
gesehen von einem kleinen, unmittelbar an die Verletzungsstelle
anstossenden Gebiet, unverändert, falls nicht durch die Operation
die Nervenzellen so geschädigt worden sind, dass sie zugrunde
geben und infolgedessen nun auch die zugehörigen Fasern von der
Zelle an peripherwärts entarten. Nach der Durchtrennung des
Nerven treten Form- und Strukturveränderungen an seinen Ur-
sprungszellen auf, die nach einiger Zeit sich zurückbilden. Die
Nervenzelle ist das nutritive und funktionelle Zentrum der Nerven¬
faser. Der Untergang der Nervenzelle hat den Untergang der
Nervenfaser zur Folge. Eine von der Nervenzelle abgetrennte
Faser degeneriert und vermag nicht sich vollständig zu regenerieren.
2. Gräupner, Nauheim: Funktionelle Bestimmung der
Leistungsfähigkeit des Herzmuskels und deren Bedeutung für die
Diagnostik der Herzkrankheiten.
Verf. hat zur Prüfung der Leistungsfähigkeit des Myocards
die Blutdruckmessung herangezogen. Es hat sich dabei folgendes
gleichmäßige Verhalten ergeben:
1. Geringe Arbeit lässt den BD unverändert; auch grössere
Arbeit lässt zuweilen scheinbar den BD zunächst unverändert,
während die BD-Schwankungen erst nach einer halben Minute
beginnen.
2. Unmittelbar nach der Arbeit steht BD höher, fällt jedoch
rasch zur Norm. Durch „üebung“ kann die Rückkehr zur Norm
noch beschleunigt werden. Ist keine entsprechende „Anpassungs¬
fähigkeit“ vorhanden, so steht BD unmittelbar nach der Arbeit
noch höher, und es dauert länger, ehe BD zur Norm zurückkehrt.
3. Eine weitere Erhöhung des Arbeitsanspruches bewirkt,
dass BD noch während der Arbeit sinkt, jedoch nach der Arbeit
sofort zu steigen beginnt, um daun erst zur Norm zurückznkehren.
4. Steigern wir den Arbeitsanspruch noch höher, so werden
wir finden, dass BD mehr oder minder tief unter die Norm
sinkt, nach Arbeitsschluss gesunken ist, alsdann zu steigen be-
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1906.
MEDICIKISCHB WOCflE.
337
ginnt, die Norm erreicht, sie übersteigt, um dann erst zur
Norm zurüokzukehren. Diese sekundäre Steigerung, deren Höhe
und deren Dauer sind abhängig von der Grösse der (patho¬
logischen) Ge iässwide rs tände.
5, Eine weitere Steigerung des Arbeitsmaßes kann bewirken,
dass BD noch langsamer nach Arbeitsschluss ansteigt, jedoch
nicht mehr die Norm überschreitet. Es kann selbst minuten¬
lang nach kleiner Arbeit dauern, ehe der BD zur Norm sich em¬
por schlängelt Es fehlt die sekundäre „Steigerung“ und ihr
Ausbleiben bedeutet, falls trotz wiederholter Arbeitsleistung das
BD-Verhalten noch, ungünstiger wird, dass der Herzmuskel
durch die Grösse der Arbeit ermüdet ist —; gewöhnlich
werden wir alsdann auch die klinischen Zeichen der objektiven In-
sufficienz finden.
6 . Eintretende Dyspnoe kann zunächst nach Arbeitsschluss
den BD hoch erscheinen lassen auf Grund der COz Intoxikation
des Vasomotorenzentrums; nur tritt alsbald eine tiefe Senkung
des BD ein.
Aus diesem Verhalten des Blut-Druckes lassen sich wichtige
Schlüsse auf die vorliegenden Veränderungen ziehen.
‘ 3. Schlimpert, Dresden: Spiroohaetenhefunde in den Or¬
ganen syphilitischer Hengehorener.
Die Ergebnisse der vom Verf, angestellten Untersuchungen
sind folgendermaßen zusammenzustellen:
1. Die Spirochaete pallida wurde bei Lues congenita vom Verf.
zum ersten M^e nachgewiesen in; Magen, Mesenterium und Mesen-
terialdrüsen, Gallenblase, Ductus choledocbus, peripherischen Ner¬
ven, Schilddrüse und Thymus, Tonsillen, Zunge, Wangen- und
Rachenschleimhaut.
2. Die Spirochaete pallida vermag das intakte Zylinder- und
Plattenepithel intercellulär zu durchdringen.
3. Sämtliche Sekrete und Elxkrete des kongential syphili¬
tischen Neugeborenen sind als infektiös anzusehen.
Nr. 27.
1. Lassar, Berlin: Die VerhUtong und Bekämpfung der
Kahlheit.
Kahlheit ist nicht das Resultat seniler Veränderungen, sondern
die Folge allmählicher oft schon sehr früh beginnender Verödung
des Haardrüsenapparats. Wie weit die Kahlheit fortschreitet,
hängt im wesentlichen von der Lebensdauer ab. Normaler Weise
sollen überhaupt nie Haare ausgehen, meint der Verfasser, eine
Anschauung, die sich nicht ganz mit der kaum zu leiignenden
Tatsache des physiologischen Haarwechsels deckt. Kahlheit, welche
auf einer Verödung des HaardrUsenapparates und der Haarwurzeln
beruht, ist unheilbar, dagegen ist die Alopeci« welche im Gefolge
allgemeiner Infektionskrankheiten und durch Pilze verursacht ist, zu¬
mal im Beginn, wohl heilbar. Der Schluss dieser Veröffentlichung
bildet die Wiedergabe der Rezepte zur Lassarschen Haarkur.
2. Schlossmann, Engel, Dresden: Zur Frage der Ent¬
stehung der Lungentuberkulose.
Die Verfasser haben die in den letzten Jahren so viel um¬
strittene Frage nach der Entstehung der Lxmgentuberknlose einer
experimentellen Prüfung und Klärung unterworfen und sind zu
der Ueberzeugung gekommen, dass die Lungentuberkulose fraglos
durch eine intestinale lufektion mit Tuberkelbazillen herbeigeführt
werden kann. Wenige Stunden nachdem man jungen Meer¬
schweinchen Tuberkelbazillen in Milch oder Sahne verrieben in
den Magen gebracht hat, findet man sie bereits in der Lunge.
In der weitaus überragenden Mehrzahl der Fälle fällt die Infektion
mit Tuberkulose in das frühe Kindesalter. Die Verff. stehen
nicht an, die Tuberkulose als eine Kinderkrankheit zu bezeichnen.
3. Kutscher, Berlin: Heber Untersnchungen der Hasen¬
rachenhöhle gesunder Menschen auf Meningococcen.
Verf. hat die Nasenraohenhöhle gesunder Menschen unter¬
sucht und zwar kulturell. In 52 Fällen war das Resultat negativ,
in 4 Fällen dagegen fanden sich Diplococcen, welche sich von dem
Meningococcus nicht unterscheiden liessen. Ueber den Weg, auf
welcliem diese Gesunden ihre Coccen erhalten hatten, Hess sich
nichts Sicheres eruieren. Jedenfalls legen die Untersucbnngs-
resultate es nahe, auch weiter bei Gesunden im Nasensekret nach
Meningococcen zu suchen.
4. Doering, Göttingen; Die Behandlung des Caput ob-
stipnm.
An der Göttinger chirurgischen Klinik hat sich im Laufe
längerer Zeit ein einfaches operatives Verfahren herausgebildet,
welches durchweg gute Resultate gibt. Ein Querfinger breit ober¬
halb des stemmen und claviciularen Ansatzes des Kopfnickers,
wird ein wenige Zentimeter langer nach unten leicht convexer
Hantschnitt angelegt, der Hantlappen etwas abpräpariert und
unter Beugung des Kopfes nach der ge.sunden Seite sorgfältig
alle sich spannenden Fasern des Kopfnickers, des Platysma und
evtl, auch des Trapezius und die Halsfaser durchtoennt. Nach
Stillung der Blutung wird die Wunde vernäht und ein Stärke¬
bindenverband angelegt. Ist die Wunde geheilt, so wird für ein
halbes Jahr eine die Schultern, Kinn und Hinterhaupt umfassende
Cellnloidkrawatte getragen.
5. Zangenmeister, Königsberg: Ueber die Wirkung des
Antistreptococcenserums.
Die Beobachtungen und Untersuchungen des Verf. haben er¬
geben, dass das Antistreptococcenserum (Aronson) in seiner heu¬
tigen Form für die therapeutische Anwendung am Menschen noch
nicht brauchbar ist.
6 . Schindler, Siebert, Breslau: Ueber Obnosan und
Uonorrhoetherapie.
Bei der Gonorrhoetherapie kommt es nicht auf die Beseitigung
der subjektiven Symptome und die Verminderung der entzünd¬
lichen Erscbeinongen an sondern darauf, dass völlige Gonococcen-
freiheit erzielt wird. Die Verff. haben sich nun mit Untersuchungen
über die Wirksamkeit des Gonosans befasst nnd sind zu dem Re¬
sultat gekommen, dass das was der Wirkung des Gonosans nach¬
gerühmt wird, teilweise unsicher und inkonstant ist, während der
erfahrene und geübte Arzt durch frühzeitige und energische Lokal¬
therapie viel erreichen kann. Die Lokaltherapie beseitigt nicht
nur die Symptome sondern auch die Ursache des gonorrhoischen
Virus.
7. Sternberg, Berlin: Kartoffelspeisen für Diabetes und
Adipositas.
Verf. hat Versuche angestelit, aus entmehlten Kartoffeln
schmackhafte Speisen zu gestalten. Es gelingt das leicht, und gibt
es so die Möglichkeit, auch bei Diabetes und Adipositas Kartoffeln
zur Nahrung zu verwenden.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 26 .
1. Jacoby, Berlin; Die Oonorrhoehehandlong mit Stau-
nngshyperaemie.
Verf. hat, am die von Bier empfohlene Stauungshyperaemie
auch auf die Harnröhre anwenden zu können, eine Sonde konstruiert,
welche drei längs verlaufende Rinnen enthält, die mit dem Hohl¬
raum der Sonde kommunizieren. An der Sonde ist ein Saugeballon
angebracht, mittels welchen es leicht gelingt die Hamröhrenschleimhaut
an die Rinnen anzusaugen. Um alle Teile treffen zu können, wird
nach der ersten etwa 10 Minuten währenden Sitzung die Sonde
gedreht. In Betracht kommen nur Affektionen im vorderen Teil
der Harnröhre und zwar im subacuten und chronischen Stadium.
2. Kammann, Hamburg: Das Henfieber und seine Sernm-
behandlnng.
DerVerf. wendetsich im grossen und ganzen gegen die seiner Zeit
von Wolff in No. 4 dieser Wochenschrift veröffentlichten An¬
schauungen. W. war der Ansicht, dass das von Dunbar darge¬
stellte Toxin ein Kunstprodukt sei, während nach den Untersuch¬
ungen und ziemlich zahlreichen Erfahrungen des Verf. dieser Körper
als wahres Antitoxin aufzufassen ist. Jedenfalls scheint die von
Dunbar inaugurierte Pollentheorie die richtige zu sein.
3. Ewald, Berlin: Lenkaemie ohne lenkaemisohes Blnt.
Verf. hat einen Fall beobachtet, welcher während des Lebens
schwere Erscheinungen darbot, die sich aber in keiner Weise als
Lenkaemie deuten oder^diagnostizieren liessen. Nach kurzer Zeit
starb der Patient und die Sektion ergab die unzweideutigen Zeichen
einer Lenkaemie. Die während der Krankheit vorgenommenen
Blutuntersuchungen hatten zwar ganz ausserordentlich geringe
Zahlen von weissen Blutzellen ergeben, aber ein Befund, welcher
der Lenkaemie entsprochen hätte, war nicht zu konstatieren.
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das
M iteii TCPJlSUMK WOCHE.
Nr. 32.
4. Oppenheim, Borchardt, Berlin: üeber iwai Fälle von
erfolgreich operierter EüokenmarkS'Han^eschwriUt.
Es handelt sich bei dem ersten Fall am eine 33 jährige Frau,
bei dem zweiten um einen 49jährigen Mann. In beiden Fällen
konnte O. ans dem Nervenbefand und den Symptomen die Diagnose
auf extramedullären Tumor am Gervicalmark bezw. Dorsalmark stellen.
B. führte die Operation unter der nötigen Resektion der Wirbel¬
bögen aus. Der Erfolg war ein guter und der Operationsbefund
bestätigte durchaus die Diagnose. Beide Operationen wurden ein¬
zeitig gemacht, und weder eine Blutung noch Abfluss von Cere-
brospinalflüssigkeit führten zu irgend welchen bedrohlichen Er¬
scheinungen. Der klinische Erfolg war ein sehr guter.
No. 27.
1. Leo, Bonn: üeber Hyperaemiebehandlung der Lungen*
tuberkulöse.
Die glänzenden Resultate, welche bei der Behand¬
lung chirurgischer Erkrankungen mit der Bier’schen H 3 rp 6 raemie
erzielt worden sind, liessen es nahe liegend erscheinen, auch bei
der Lungentuberkulose ein ähnliches Verfahren zu versuchen. Die
Erfahrungen des Verfassers lassen sich in 5 Sätzen zusammeu-
fassen. 1. Das Bestreben, die Lungentuberkulose durch künst¬
liche Erzeugung einer Lungenhyperaemie zu bekämpfen, ist in
bester Weise rationell begründet. 2. Als hyperaemisierendes
Mittel kommt nur die Stauungshyperaemie in ^tracbt. 3. Wir
erreichen dieselbe am einfachsten durch eine Liegekur mit Tief¬
lagerung des Brustkorbes bei mäßiger Hochlagerang des Kopfes
und beträchtlicher Hochlagerung der Beine. Diese Behandlung ist
unter allmählicher Steigerung der täglichen Dauer möglichst konse¬
quent durchzuführen. Auch des Nachts soll der Oberkörper nicht
erhöht, sondern tief gelagert sein. 4. Absolut kontraindiziert ist
die Anwendung der Methode bei Neigung zu Blutungen. H. Ob
auch sonstige Maßnahmen spez. Bier’schen Saugapparate, thera-
peuthische Verwertung finden werden, muss durch weitere Beob¬
achtungen festgestellt werden, das gleiche gilt für die vom Verf.
in Aussicht genommene Kombination der Hyperaemiebehandlung mit
Tuberkulin.
2. Kümmel, Hamburg. Üeber moderne HierenoMmrgie,
ihre Diagnose und Besoltate.
Die letzten Jahre haben gewaltige Fortschritte auf dem Ge¬
biete der Nierenchirurgie gebracht. Die neuen Untersuchungs¬
methoden überheben uns der Notwendigkeit, immerhin eingreifende
und nicht ungefährliche Probeoperationen zu machen. Die moderne
Nierenchirurgie hat vor allen Dingen drei Explorationsmethoden,
welche vorzügliche xmd sichere Resultate liefern, die Röntgenunter¬
suchung, der Uretherenkatheterismus und die funktionelle Prüfung.
Heute ist die Röntgoskopie so weit vorgeschritten, dass ihre Er¬
folge kaum noch von der KörperbeschafFenheit des Untersuchten
abhängt. Man kann heute sagen, dass jeder Nierenstein mit Sicher¬
heit durch die Röntgographie nachgewiesen werden kann. Aller¬
dings gehört eine nicht unerhebliche Uebung zur richtigen Deutung
des Röntgenbildes. Der Uretherenkatheterismus ist die souveraine
Methode zur Eruierung der Funktion jeder einzelnen Niere. Alle
anderen Methoden den Harn der beiden Nieren zu trennen sind
mehr oder weniger gute Notbehelfe. Die Ausführung des Urethe¬
renkatheterismus ist durchaus nicht übermäßig schwer und bei
Einhaltung aller aseptischen Kautelen gewiss gefahrlos. Was die
funktionelle Prüfung anlangt, so steht bei dieser an aller erster
Stelle die von v. Koräny in die medizinische Wissenschaft ein¬
geführte Gefrierpunktsbestimmung, die Kryoskopie bei Ham und
Blut. Der Schluss der anregenden Arbeit folgt in der nächsten
Nummer.
3. Bernhardt, Berlin: Zur Pathologie der Basedowschen
Krankheit.
Verf. hat einen Fall von Morbus B. beobachtet bei einer 27-
jährigen Frau und entdeckte dabei das Vorhandensein von Hals¬
rippen. Da nun die Existenz von Halsrippen auch bei Syringo¬
myelie bekannt ist und dabei als Degenerationszeichen aufgefasat
wird, ist Verf. nicht abgeneigt, einen ähnlichen Zusammenhang
bei dem vorliegenden Fall von Basedow anzuuehmen. Ferner
konnte Verf. Basedowsche Krankheit bei Eheleuten beobachten.
Ob hier eine üebertragung dieses in erster Linie neuropathischen
Leidens stattgefunden, lässt sich natürlich nicht sagen.
Wiener klinische Wocbenechrlft. 1906. Nr. 26.
1. Ernst Wertheim: Üeberblick über die Leistnugen der
erweiterten abdominalen Operation beim Gebärmntterkrebs.
Die abdominale erweiterte Operation beim Rollumkrebs hat
sich einen bleibenden Platz in der operativen Gynäkologie er¬
worben. Dieselbe wird nicht mehr von der Bildfläche verschwinden,
selbst dann nicht, wenn die Bestrebungen, durch Mahnmfe an
Aerzte und Publikum, die Fälle in frühestem Stadium zur Operation
zu bekommen, bleibenden Erfolg aufwelsen sollten. Die vaginale
Uterusexstirpation ist technisch schwieriger als diejenige auf ab¬
dominalen Wege und nie kann sie dieselbe Zugänglichkeit schaffen,
wie sie der abdominale Weg gewährt^ das bezieht sich nicht nur
auf die regionären Drüsen, sondern auch auf das den Uterus um¬
gebende Zellgewebe.
2. Benjamin, v. Reu.ss, Sluka und Schwarz, Wien:
Beiträge zur Frage der Einwirkung der Böntgenstrahlen auf das
Blnt.
Aus ihren haematologischen Versuchen heben Benjamin und
Sluka hervor, dass es nicht nur durch Bestrahlung blutbildender
Organe möglich ist, die charakteristischen Veränderungen im Blute
hervorzurufen, sondern dass auch die isolierte Bestrahlung des
Blutes Hyperlenkozytose und Lymphopenie zur Folge hat. Eio
kardinaler UnterscÜed zwischen der Bestrahlung des gesamten
Tieres und der isolierten Blutbestrahlung besteht jedoch darin,
dass im letzteren Falle eine Regeneration mit erstaunlicher Leichtig¬
keit erfolgt und das Blutbild schon nach 24 Stunden zum Status
quo ante zurückkehrt, während bei Totalbestrahlungen zur Rege¬
neration 7 bis 10 Tage erforderlich sind.
Aus dem radiologischen Teil von Schwarz geht folgendes
hervor: Die Röntgenbestrahlung ganz im allgemeinen bewirkt als
Zeichen stattgehabter chemischer Zersetzung im Gewebe das Auf¬
treten eines Stoffes, dem gegenüber sich die polynukleären Leu¬
kozyten chemotaktisch positiv verhalten; Röntgenisierungsleukozy-
tose, ein initiales Symptom. Mit dem Entstehen dieses Stoffes im
bestrahlten Gewebe steht vermutlich die Röntgenotherapeutische
Vorreaktion (Holzknecht), mit der durch ihn bedingten Lieu-
kozytose der initiale Hamsäureanstieg im Zusammenhang. Scharf
von der vorübergehenden Leukozytose zu trennen ist die Röntgen-
leukopenie. Sie entsteht nur bei Einwirkung der K-Strahlen auf
die Leukoz 3 ftenbildungsstätten und wird hervorgemfen durch die
Beeinträchtigung, resp. Sistierung der Neuproduktion von weissen
Blutkörperchen.
Im chemischen Teile beschäftigen sich Benjamin und
V. Reuss mit der Spaltung der Lezithins. Die Resultate dieser
Versuche lassen sich dahin zusammenfassen, dass nach inteosiver
Röntgenbestrahlung im Organismus Cholin entsteht. Dabei ist
bemerkenswert, dass das Auftreten dieses Körpers im Blute mit
dem Auftreten der Hyperleukozytose zeitlich zusammenfkllt.
3. Finsterer, Wien: Ein Beitrag zur Kasuistik und
Therapie des Nabelschnorbraches.
F. operierte einen neuntägigen Säugling wegen ausgedehnten
Nabelschuurbruches und erzielte eine vollkommen glatte Heilung;
nach seinen Erörterungen aus der Literatur hält er an folgenden
Thesen fest: DerNabelschnurbruch stellt entweder eine Hemmung^
missbildung dar, bedingt durch Verweilen des Darmes ausserhalb
der Bauchhöhle (Bruch der Embryonalperiode), oder seltener ist
er ein echter Bruch (Bruch der Fötalperiode). Die Prognose hat
sich in den letzten 10 Jahren bei operativer Behandlung gebessert,
und betrögt die Mortalität jetzt 23,3% gegen 27,2% (Schramm).
Sie ist vor allem abhängig von einer möglichst frühzeitigen Opera¬
tion. Von der Radikaloperation können ausgeschlossen werden
ganz kleine reponible Brüche und Eventrationen. Dem extraperi¬
tonealen Verfahren nach Olshausen ist bei den irreponiblen
Brüchen wegen der Möglichkeit von Nebenverletzungen die Radi¬
kaloperation mit Eröffnung des Peritoneums vorzuziehen.
4. Torggler, Klagenfurt: Zweifadenuaht und Baacksohiutt-
schlnss.
T. bringt die von Zweifel vor nahezu 10 Jahren einge¬
führte Zweifadennaht zur Auerkeunung, nachdem sie auch Döder-
lein und KrÖnig in ihrem bekannten Lehrbuch „Operative
Gynäkologie“ gewürdigt und vereinfacht wiedergegeben und be-
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1906.
MfiDlCINlSCHfi WOCHE.
339
schrieben haben. ICs handelt sich um eine sogenannte ^Kettel-
stichnaht“, wie solche bei den ersten Nähmaschinen in Anwendung
kamen Zur Ausführung der Naht braucht man nur zwei Instru¬
mente: eine leichtgeUogene, gestielte Nadel, die ihr Oehr an der
Spitze trägt und einen Pfriem oder stumpfe Spicknadel. T. hat bei
säratlioheu Laparotomien ohne Unterschied die Haut stets, das Peri¬
toneum häußg mittels Zweifadonnaht vereinigt und ist mit dem
Ergebnis sowohl bezüglich der schnellen Ausführbarkeit, als der
Narbenfestigkeit äusserst zufrieden.
5.0esterreicher:£ine neue Befestignngsart anschraubbarer
Bougies filiformes.
Bei engen Strikturen der Harnröhre, welche bloss für eine
Filiforme passierbar sind, kommt man oft in die Lage, diese
Bougie als „sonde a demeure“ zu belassen: denn schon nach
kurzer Zeit tropft neben derselben der Harn aus der oft über¬
füllten Blase ab uud nach 24 Stunden ist die Striktur meistens
schon für die Leitsonde des Urethrotroms durchgängig gevvor<ien;
deswegen sollte man sich beim Sondieren enger Strikturen stets
aussch raubb are r Bougies filiformes bedienen. Dieses be¬
schreibt 0. an der Hand eines instruktiven Bildes.
6. Benedikt: Art und Wirkung der auglösenden Kräfte in
der Katar.
1906. No. 27.
1. V. Haberer, Wien: Experimentelle üntersuchnngen über
Kierenreduktion und Funktion des restierenden Parenchyms.
Aus den Tierexperimenten geht hervor, dass wiederholte Nieren¬
reduktion in kurzen Intervallen und in grösserer Ausdehnung von
Hunden im allgemeinen nicht gut vertragen werden. Eine Reihe
von Fällen kommt zwar durch, daneben aber kommt es bei vielen
Fällen mit genau derselben Versuchsanordnung zum Nierentod,
ohne dass man vor dem letzten operativen Eingriffe ein Kriterium
besitzt, ob der Nierenrest genügen wii-d oder nicht. Die Ver¬
suchsanordnung spielt eine grosse Rolle. Die Reduktion gibt
bessere Chancen, wenn man mit der Resektion auf der einen
Seite beginnt und erst nach einiger Zeit die zweite Niere exstir-
piert, als wenn man zuerst nephrektomiert und dann reseziert.
Es ist von grosser Bedeutung, ob man bei den Resektionen bis
ins Nierenbecken hineinreseziert, oder sich mit weniger tief reichen¬
den Exzisionen von Nierensubstanz begnügt. Beim Tierexperiment
war die Phloridzinmethode mit Vermeidung aller Fehlerquellen
ein wertvoller Gradmesser für die Funktion des jeweilig vor¬
handenen Nierenparenchyms. Sie konnte natürlich nicht für die
Frage in Betracht kommen, ob von dem heute funktionierenden
Parenchym noch unbeschadet etwas wegkommen darf, denn: Nicht
den kranken Herd in der Niere weist uns die Phloridzinprobe
nach, sondern nur die Funktionsstörung der Niere, den Herd nur
dann, wenn er bereits die Funktion der ganzen Niere stört.
2. S. Ehrmann, Wieden: Die Phagozytose und die Dege-
nerationsfomen der Spiroohaete pallida im Primäraffekt and
Lymphstrang.
In sehr dünnen Schnitten kann man sehen, dass sich Spiro-
chaetenbüschel oft an eine Zelle so anschliessen, dass sie mit einem
Teile ihres Zellleibes in der Zelle selbst sitzen und bis fast an
den Kern heranstreichen. Dabei sieht man, dass der intrazelluläre
Teil nicht mehr so distinkt ist, wie der extrazelluläre. Es ist
daher der Schluss vollkommen berechtigt, dass man es hier mit
einer Aufnahme von Spirochaetenbüscheln in die Zellensnbstanz,
von Bindegewebszellen und Leukozyten zu tun hat, die zu Dege¬
neration der ersteren innerhalb des Zellleibes führen. Auch in
den Lymphozyten der Peri-, sowie der Endolymphangitis-Büschel
fand E. solche Degenerationsformen. Auch hier sieht E. sie als
Produkte der Phagozyto.se an, wobei er vorläufig unentschieden
lässt, ob die freiliegenden Leukozyten aus den Zellen ausgetreten
sind, oder ob sie extrazellular degeneriert sind.
3. Robert Quest, Lemberg: Veber den Einfioss der Er«
nähmng auf die Erregbarkeit des Hervensystems im Säuglings-
alter.
Qu.s Untersuchungen haben gezeigt, dass wir die Erregbar¬
keit des peripheren Nervensystems durch eine kalkarme Ernähr¬
ung bedeutend steigern und dadurch äbolicbe Verhältnisse wie bei
der Tetanie schaffen können. Als Ursache dieses Zustandes mus.s
danach die mangelhafte Kalkzufuhr angesehen werden. Was für
Schlüsse konnten wir nun auf Grund der gefundenen Tatsachen
für die Therapie der funktionellen Krampfzustände im Kindesalter
ziehen? Auf diese Frage kann man nach dein heutigen Stande
der exakten Forschung keine wirklich befriedigende Antwort geben
und zwar aus dem Grunde, weil der Kalkstoffwechsel beim Menschen
noch nicht genügend bekannt ist. Vielleicht können wir nach
den Versuchen von Lange dem Phosphor insofern eine Wirkung
auf die Tetanie zuschreiben, als er vielleicht den Kalkstoffwechsel
günstig — im Sinne vermehrter Retention — zu beeinflussen ver¬
mag.
4. Franz Hamb nrger, Wien: Parasternale Dämpfung and
Aafhellong bei Flearitis.
Rauchfuss hat im Jahre 1904 über eine regelmäßig wieder¬
kehrende Dämpfungszone auf der gesunden Seite der Wirbelsäule
bei Pleuritis berichtet. Er ist auf Grund von üeberlegung und
Experiment zu dem Schlüsse gekommen, dass die von ihm so ge¬
nannte paravertrebrale Dämpfung nicht allein bedingt sein könne
durch eine Verschiebung des Mediastinums, sondern durch eine
Behinderung des Mitschwingens der unter erhöhtem Druck stehen¬
den Brustwand der kranken Seite. Zn ganz demselben Schlüsse
kamen zu gleiclier Zeit und unabhängig von Rauchfuss die
Italiener Baduel und Siciliano, welche die Ursachen der para¬
vertebralen Dämpfung einer experimentellen Untersuchung unter¬
zogen. Eine differentialdiagnostische Bedeutung der paravertebralen,
bezw. parasternalen Dämpfung und Aufhellung für die Unter¬
scheidung zwischen Pleuritis und Pneumonie kann aber vorder¬
hand noch nicht recht bewertet werden.
5. Detre und Seilei, Budapest: Sind die normalen Serum-
lipoide Träger oder bloss Vermittler von Antiwirkongent
Diese Frage ist eher durch eine echt chemische Reaktion zu
deuten und wäre es lobenswert, die sich hierbei abspielenden Vor¬
gänge vom chemischen Standpunkte aus einer weiteren Prüfung
zu unterwerfen.
6. Bail und Weil, Prag: üeber die Beziehungen von
Kaninchenlenkozyten znm Staphyloooccengift. Giftigkeit und
Agressivität können einer tierischen Flüssigkeit gleichzeitig zii-
kommen, sind aber, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, zwei ver¬
schiedene Funktionen dersellmn und lassen sich psychiologisch
trennen, sobald ein giftunempfindliches Tier zur Verfügung steht,
in dem eine durch Aggressive begünstigte Vermehrung der be¬
treffenden Bakterien erfolgen kann.
Josef WInterberg-Wien: Einige Erfabrangen mH Hygiama.
(Heilkunde 1905, Dezomber.)
Das Hyg'iama ist ein an Kakao erinaerodes Pulver, welches aus kon¬
densierter Milch bergestellt wird, wozu noch Zezalien, die nach einem
besonderen Verfahren präpariertsind, und teilweise entfetteter Kakao zugesetzt
werden Es enthält nach zahlreichen fast tlbereinstimniendon Analysen
Uber 97o Fett, an Eiweissstoffen 21,937», Kohlehydraten 647o*
Aus den von W. angestellten Stickstoffbestimmmigen ging deutlich
hervor, dass Hygiama auch bei bedeutendem Ansfatl von Nahrungseiweiss,
indem bei einen Versuch die Nahrung auf die Hälfte reduziert worden war,
den Stickstoilümsatz im Körper auf gleicher Hohe erhält, sodass dieser im
StickstoffgleichgewichC verharrt Man kann die von W. mit Hygiama
behandelten Kranken in drei Gruppen teilen, erstens in Rekonvaleszenten,
die infolge akuter fieberhafter Erkrankungen oder chronisch konsumierender
Storungen wie f^eumonie, Influenza, Typhus, Malaria, Syphilis etc. stark
heruntergekommen waren und nichts weniger als im SticksCoffgleichgewicht
sich befanden, zweitens in mehr oder weniger schwere Anäiirien und Chlorosen
und drittens in Kranke, die eine Störung des Magendarmkanals aufwieson
oder deren Verdauungstrakt ganz besonderer Schonung bedurfte, wie Ulcus,
veniriculi, Typhusrekonvaleszonz, Stauungskartairhe des Magens und Darmes
bei Vitien und chronischen Affektionen der Longe.
In allen diesen teilweise genau illustrierten Fällen erwies sich das
Hygiama als ein konzentriertes Nährpräparat, das erfahrungsgemäß den Magen
nur wenig oder gar nicht irritiert und das Qlcichgwicht des KOrporhaushaltes
vollkommen aufrecht zu erhalten imstande ist, selbst bei Entkräftigung und
Appetitlosigkeit. A R.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meissner, Berlin W. SS, Kurfiirttenstr. 81. — Verlag von Carl Marhoid, Halle a S.
Druck von der Heynenann‘sehen Bucbdrnckerei, Gebr Wolff, Halle a. S
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Medicliiische Woche
Deatschmann,
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Dr. P. Meißner.
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Vn. Jahrgang. 13. August 1906. Nr. 55.
Die .Medicinische Woche* erscheint leden Montag mit der UtSgigen Beilage BalfieolOgiSChC Cefltralzeitungy Organ des Allgemeinen Deutschen
BSderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold io Halte a. S. entgegen. Inserate werden für
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Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Die Serodiagnostik der Syphilis.
Von Dr. von Niessen.
(Schloss.)
Eine einfache Berücksichtigung dieser vielbesprochenen
Versuche musste dem ForschertrifoTium doch zu gewichtigen
Bedenken .Anlass sein, dass nämlich auch das künstliche, wie
das genuine Syphilisserum keineswegs „inaktiv“ und frei von
„Antigenen“ ist, wie das des „vorbehandelten Affen“. Was
soll dann aber die Reaktion nachweisen? Antigen, oder An¬
tikörper? In Re agens oder im Reagendum? Beide zugleich?
Beide sind nämlich in beiden enthalten, wenn auch in jeweilig
wechselnden Mengen. Nie fehlt eins davon ganz. Ja, das Reagens
kann mehr von den „spezifischen Gegensubstanzen“, alias Sy¬
philiserregern und deren Stoffwechselprodukten enthalten als das
Reagendum. — Wenn die Reaktion also was taugen soll, so
müsste sie sowohl im Reagens, wie im Reagendum bereits an
sich und vonselbst vor sich gehen, sich unter Umständen ver¬
brauchen, wenigstens in vitro, ohne dass die Reagentien erst
gemischt und ebenso überflüssigen wie umständlichen Behand¬
lungen gegenseitiger Einwirkungen erst künstlich unterworfen
zu werd^en brauchten. Mit anderen Worten: künstlich syphüi-
siertes Affenserum wie genuin syphilitisches Menschenserum
müssten an sich nach der Methode der Autoren „Hemmung
der Hämolyse“ geben. Eine „Reaktion“ findet in der Tat auch
im syphilitischen Körper stets statt, nur ist hier von Toxinen,
also von Bildung chemischer Antikörper — das Wort „Anti¬
toxine“ hat man schon vermieden — so gut wie nicht die
Rede. Die Syphilis ist keine Intoxikationskrankheit wie z. B.
die Diphtherie, und soweit überhaupt ein Chemismus mitspielt,
ist er dem Wesen des Erregers entsprechend überaus variabel.
Bei jeder Reaktion findet eine Wechselwirkung statt, reagieren
können aber nur heterogene Agentien. Hier kommt zwar noch
ein sehr gewichtiger Faktor in Betracht, das ist der individuelle,
der, man kann sagen jedem einzelnen Fall sein besonderes
Gepräge gibt; dass dieser aber, der vom jeweilig vorliegenden
mykologischen Stadium des Erregers mit abhängig ist, diese Art
biologischer Reaktion besonders erleichtert, oder exakt zu
machen geeignet ist, möchte ich bestreiten. Ich will auf diese
Art Reaktion und ihre erst zu erweisende absolute Zuver¬
lässigkeit und praktische Brauchbarkeit nicht näher eingehen,
aber die Frage 2 allein lässt ihren Wert für die Syphilisdiagnose
meiner Meinung nach sehr zweifelhaft erschienen.
3. Haben die Autoren, wie das jeder exakt arbeitende
Chemiker und Experimentator tut, vor der Reaktion Reagens
und Reagendum auf diese Eigenschaft und andere gründlich
geprüft? — Ich behaupte: Neinl Sicherlich haben sie die
Hauptsache verabsäumt: Die bakteriologische Analyse
der Reagentien, sie hätten sonst die längst gesuchte Wünschel¬
rute, u. z. die einzig und allein zuverlässige für den
S^hilisnachweis gefunden, nämlich den Syphilis errege r.
Nur mit diesem können weitere serodiagnostdsche Untersuch¬
ungen vorgenommen werden, wenn sie einigermaßen Anspruch
auf Zuverlässigkeit und Exaktheit, sowie Reinheit des
Arbeitens machen wollen und in letzter Instanz beruht auch
die Reaktion jener Triumvim lediglich auf der Gegenwart dieses
Contagium vivum in Reagens und Reagendum, sie Kann daneben
aber auch auf mancherlei anderem oeruhen. Jene Reaktion
kann, wie gesagt insofern keine qualitativ unzweideutige sein,
als allein die gesuchte Grösse X, der Syphiliserreger morpho¬
logisch und bimogiscb u. d. h. auch biochemisch ausserordentlich
variabel ist. Wird sie allein dadurch mindestens sehr kom¬
pliziert und vieldeutig, so kann ihre Technik sie erst recht
nicht akkreditieren, von der quantitativen Bewertung gar nicht
zu reden.
Auch dieser Umstand mahnt unabweisbar dazu, erst den
Gehalt imd das Wesen der Reagentien gründlich zu prüfen,
ehe man eigene und fremde Verblüffungsversuche macht, neque
in ipsorum, nec in aliorum medicorum majorem gloriam. —
Zu Frage 3 gehört genetisch damit verbunden die, ob die neue
Reaktion nicht auch bei anderen Erankheitszustanden und zu-
malbei den derSyphilis nahe verwandten Granulationsgeschwülsten
der Tuberkulose und Lepra, sowie dem Krebs versucht worden
ist*) und mit welchem Resultat? Ferner bei Vakzine, gonor¬
rhoischem Eiter, Laukozytose, ja bei einfacher PeptonlÖsung
und schliesslich bei irgend welcher peptonisierenden Bakterien¬
art? Bei all diesen kann nämlich Haemolyse vorhanden sein,
resp. nicht und welche Rolle die peptonisierenden Laukozyten,
abgesehen von den diese Eigenschaft auch bergenden Sypnilis-
erregem grade in der Syphilis mit ihrer Affinität zum Binde¬
gewebe**) und dem Drüsenapparat spielen, ist allbekannt.
Was die Reaktion aber vor allem als wissenschaftliche
Spielerei, wenn nicht unbrauchbar erscheinen lassen muss, ist
der Umstand, dass sie erstens nicht absolut eindeutig ist und
zweitens zu verhängnisvollen Fehlschlüssen verleiten muss.
Nehmen wir mal an, sie sei richtig und fehlerfrei ausgeführt,
so weiss ein jeder erfahrene Syphilidologe, dass die Syphilis
keine stabile und klinisch jederzeit manifeste Krankheit ist.
Das Suchen nach diagnostischen Hilfsmitteln ihrer Feststellung
dort, wo sie subjektiv symptomlos und objektiv unmerklich ist,
ist der beste Beweis dafür. Wie will man nun mit der empfind¬
lichsten biochemischen Reaktion feststellen, dass ein M^ensch
im Stadium seiner latenten, niemandem ausser durch das An-
* Allem Anschein nach nähern wir uns mehr und mehr einer pbjle-
tischen, d. h. vergleichend mykologischen Auffassung der Pathogenese der
Infektionskrankheiten und ..(iranulationsgeschwttlste'V Man denke an das
ans dem Karzinom wachsende Sarkom, (E hrlic h-Ap olan t in Berl. klin.
W. 21. 06) die nahen Beziehungen des Sarkoms zur Syphilis (Virchow),
die Beziehungen der Tuberkulose zu aktinomykotiscben Sklerosen etc.
•*) Auch die Beobachtung, dass der Syphiliserreger gern Kernplas¬
maparasit der Blutkörper isL aus denen er oft nur schwer zu isolieren ist,
durfte zur Beurteilung der Haemolyse nicht belanglos sein.
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342
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 33.
reicheruDgsverfahren der Keime im Blut, dem einzigen hier brauch¬
baren Mittel nachweisbarer Syphilis noch syphilitisch ist?
Selbst das potenteste Syphilin, um mal das supponierte
neue Syphilistestserum so zu nennen, wird hierzu nicht im¬
stande sein, denn die Syphiliserreger sind in dem zu unter¬
suchenden Serum oft so sporadisch verteilt, das sogar das
Anreicherungsverfahren bei zu kleinen Blutmengen zeitweilig
im Stich lassen kann, die Depots sind so ausser Kurs gesetzt,
dass der stärkste Exorzismus ihren Inhalt resp. dessen Aus¬
scheidungen nicht mit Sicherheit wird ans Tageslicht befördern
können, auch wenn noch soviel Antigene und Antikörper gegen
einander losgelassen werden. Andererseits kann das definie¬
rende Material an „Antikörpercehalt“ dem Testobjekt, das doch
auch niemals ein stabiles Objekt, also kein „Dauermaterial“
ist, wie bemerkt, weit überlegen sein. Die „Reaktion“ würde
also in diesem Fall nicht über die Beschaffenheit des zu unter¬
suchend e n Materials sondern vielmehr über die des unter¬
suchenden Aufklärung geben können, was gar nicht in der
Absicht liegt und Beweis für die Unbrauchbarkeit, zumal für
quantitative Bestimmungen ist, welche jene Autoren gleich¬
wohl schon jetzt in Aussicht stellen. Man sieht, in welch
einen circulus vitiosus man sich dabei begeben würde. — Die
Katze spielt mit ihrem eignen Schwanz. —
Una nun gar die praktische Seite der Frage. Würde
die Methode zu einem brauchbaren differenziell-diagnostischen
Hilfsmittel in vivo et vitro, also für Kliniker und praktische
Aerzte präzisiert, wer müsste da nicht alles einen — Affen
haben I Die Leiterder bakteriologischen Institute, der inneren,
dermatologischen und neurologischen Klinken mindestens je
einen, denn der Serumkonsum bei diesen zu Sj^hilisoxamina-
toren avanzierten Vorfahren des Menschengeschlechts würde
für die Prüfung ihrer gewaltig in der Zivilisation und Syphili-
sation steigenden Abkömmlinge ein ganz gewaltiger werden.
Die Syphilisaffen würden rare Artikel und es würde — die
„umgekehrte Welt“ sein.
Die „Syphilisation“ würde retrograd wirken, um Fortschritten
vorzubeugen, in Wirklichkeit aber denselben Vorschub leisten.
Sollte nämlich die Reaktion dann keine „Reaktion“ er¬
zielen, so könnte man nicht blos „in vitro“, sondern „in vivo“
mit dem syphilitischen Affenserum die Diagnose zu stellen
sich versucht fühlen, wenn man auch im „Immunisieren“
derart mit menschlichem Syphilisserum doch ein Haar ge¬
funden zu haben scheint, und dann würde sich die „Reaktion“
sicher einstellen u. z. etwas umfangreicher und intensiver als
in Stettin — wo die Syphilisisotherapie ein so trauriges
Fiasko erlebte.
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfung
übertragbarer Krankheiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krautwig^, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
Das preussische Gesetz vom 28. 8. 05 betr. die Bekämpfung
der übertragbaren Krankheiten ist mit dem 20. 10. 05 in Kraft
getreten. Dasselbe hat den doppelten Zweck: 1. dasselbe ent¬
hält die der landesgesetzlichen Regelung vorbehaltenen Aus¬
führungsbestimmungen zu dem Reichsgesetz betr. die Bekämpfung
gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. 6. 00, und 2. unterzieht
es, die in diesem Gesetz nicht genannten übertragbaren Krank¬
heiten nach ähnlichen modernen Grundsätzen einer gesetzlichen
Regelung. Bekanntlich richtet sich das Gesetz über die ge¬
meingefährlichen Krankheiten nur gegen die besonders gefähr¬
lichen, pandemischen Krankheiten, die uns gewöhnlich aus dem
Auslande eingeschleppt werden nämlich gegen Aussatz, Cholera,
Fleckfieber, Gelbfieber, Pest und Pocken. Das Gesetz über
die gemeingefährlichen Seuchen hatte zumal die Kosten- und
Entschädigungsfrage im einzelnen nicht gelost, vielmehr in den
Und die Pathologen und Gynäkologen? Werden sich ihre
Vertreter auch solche — Affen kaufen ? Die Syphilishistologie
ist ja ohne Bakteriennachweis und selbst mit den Spirochaeten
nocü recht im Hintertreffen, der Syphilissenimdiagnose post
artum dürfte sie aber immerhin gegenüber den sich grade
ier eo ipso ergebenden weiteren Fehlerquellen schon noch
gewachsen sein. — Die Plazenta gehört ja post partum wohl
schon zu Leichenteilen *). Sollten aber Gynäkologen und Patho¬
logen nicht auch jetzt schon eine syphilitische Plazenta von
einer nicht syphilitischen unterscheiden können ? Uebrigens hat
das Plazentabeschauen in dieser Richtung für den Praktiker
relativ geringen Wert. Eine Plazenta kann makro- und mikro¬
skopisch normal erscheinen und eine bakteriologische Blut-
resp. Serumanalyse bei Mutter und Kind Syphilis ergeben. Ob
hier die Syphilisserumdiagnose sicherer und sehne 11 er
zum Ziel führt, ist noch sehr die Frage, zum mindesten ist
sie weit umständlicher, bedarf eines wesentlich komplizierteren
Apparates, selbst vorausgesetzt, dass immer brauchoare Aflfen
für die Untersuchung zur Stelle sind und vor allem wird sie
durch die Blutanalyse überflüssig gemacht. Ebensowenig, wie
die Plazenta zur Sj’philisbazillenzüchtung erforderlich ist, ebenso¬
wenig braucht man sie unumgänglich zum Syphilisnachweis ihrer
Lieferantin und deren Frucht. — Was bleibt dann aber für diese
Art Diagnose übrig? Die dubiösen kutanen und operativ ent-
fernbaren Krankheitsprodukte sind, abgesehen davon, dass man
sich für diagnostische Zwecke nicht gern „schneiden“ lässt,
relativ recht selten und in der grossen Zahl der aetiologisch
unklaren Sypbilisformen, ihrer für viele fraglichen Fol ge zu¬
stande, der „Para-, Meta-, Hypo-, und Katasyphilis“ käme
eben nur das Serum contra Serum selbst in Frage und die
hier geltenden Einwände sind im Voraufgehenden angegeben
und erst zu widerlegen. Das eigene „Immunserum“ muss
hier „störend“**) auf das andere wirken und umgekehrt das
zu prüfende ebenso auf das prüfende. Sie haben sich beide
„nichts vorzuwerfen“, was sie nicht selbst innehätten: „Anti¬
körper und Antigene“, Syphiliserreger und deren „Substanzen“.
*) Von Leichooteilen isC aasser einigen sammariAchen Andeutungen
nichts bezüglich ihrer „Reaktion'^ berichtet.
**) ln dieser spezitischen Störung mag die Reaktion mit beg^rfindet
sein. Vermutlich geschieht das dann durch Befraebtungsvorgänge der
Syphiliserreger verschiedener Provenienz, wie man solche die Vitalität oft
ungemein existierende Vorgänge bei Vermengung und „Kreuzung“ hetergener
Syphilisbazillenstumme kulturell gut beobachten kann. Das ist ni^t nur gegen¬
seitige „Bakteriophagie“. Diese „Reaktion“ ist aber ganz etwas anderes,
wie Agglutination und Haemolyse. Wie Serum I nicht imstande ist, die
darin enthaltenen Syphiliserreger zu vernichten, und wenn der Affe noch
80 intensiv vorbohandclt wird, — eher konnte das den Gehalt an Bakterien-
elenienten steigern, — wie Serum II ebensowenig vOllig bakterizid auf die
§§ 34 und 37 ausdrücklich bemerkt, dass diese Fr^en dorch
landesreohtliche Regelung zu erledigen seien. Bezüglich der
übrigen übertragbaren Krankheiten hat das Gesetz von 1900
genauere Maßnahmen nicht vorgesehen. Ganz allgemein hatte
es nur in § 5 den Bundesrat ermächtigt, die Vors^riften über
die Anzoigepflicht auch auf andere als die genannten sechs
Krankheiten zu übertragen. Des weitem hatte es die Ge¬
meinden in § 35 verpflichtet, im Kampf gegen die übertrag¬
baren Krankheiten die dem allgemeinen Gebrauch dienenden
Einrichtungen für Versorgung mit Trink- und Wirtschaftswasser
und für Fortschaffung der Abfallstoffe zu treffen und im Stande
zu halten. Dass wir im vorigen Jahre die aus Russland in
das Stromgebiet der Weichsel eingeschleppte Cholera auf kleine
lokale Herde beschränken konnten, das verdanken wir nur der
schlagfertigen, umfassenden Organisation, welche die Sanitäts¬
behörden auf Grund des Gesetzes von 1900 ins Leben rufen
konnten. So bedeutungsvoll nun die gemeingefährlichen Krank¬
heiten auch sind, so spielen sie doch bei ihren glücklicherweise
seltenen Auftreten für das Gesundheitswesen des Staates eine
weit geringere Rolle als die in dem Gesetz vom 20. 6. 1900 ab¬
sichtlich übergangenen sogenannten übertragbaren Krankheiten.
Eine saniUitspolizeiliche Regelung ger^e dieser Seuchen,
die Jahr für Jahr viele tausende der Bevölkerung aufs Kranken¬
lager hinwerfen und einen grossen Teil der Erkrankten wieder
dem Tode überliefern, erscheint um so dringlicher, als die bis¬
herigen gesetzlichen Grundlagen in der Bekämpfung der an-
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190^.
MEDICINISCHB WOCHE.
343
Es könnte passieren, dass Serum I (Reagens), obwohl es „in¬
aktiv“ ist, resp. so irrtümlich von den Autoren bezeichnet wird,
nicht haemolytisch ist, Serum II (Reagendum) ebenfalls, wohl
aber I + II und doch Serum ll von einem noch Syphilitischen
stammt. Von neuem ein Beweis, dass der Syphilisnachweis
stets nur ein positiver sein kann, ein negativer Befund sagt
nichts Bestimmtes, ist nur Wahrscheinlichkeitsrechnung. Serum I
wie Serum II müsste dann logischer Weise schon w’ie gesagt
mit sich selbst die Reaktion geben, die erst von I-|-ll er¬
wartet wird. I ist = X, I +Il = X, ergo bekommt II dadurch
X, wenn es daselbe nicht schon mitbringt. —
Man dreht und windet sich, um den Syphilisbazillennach¬
weis, das einzige wirklich brauchbare Syphilisdiagnostikum
überflüssig zu machen, ihn womöglich mit seinem Vertreter
auszuschalten, kaltzustellen, da man dessen Ueberlegenheit
nicht zugeben möchte, und das Resultat ist, man beweist nolens
volens mit allen erdenklichen Mitteln immer unwiderleglicher
die Richtigkeit der Tatsache, dass ohne Syphiliserreger, kein
sicherer Syphilisnachweis in dubiösen Fällen möglich ist —
Schliesslich noch eine Frage. Konklusion 3. genannter
Forscher sagt: „Normales Affenserum wirkt weder auf Material
syphilitischer Menschen, noch Affen“. Warum ist hier nur
von „normalem Affenserum die Rede? Es wäre grade ganz
be.sonder8 wichtig festzustellen, wie sich hier „normales“ Men¬
schenserum im Gegensatz zu solchem von kranken Menschen,
Syphilitischen, Krebskranken, Tuberkulösen, Diabetikern etc.
verhält, ehe schon voreilig Schlüsse gezogen werden.*) Aller¬
dings dürfte es, da demnächst fast alle Mensolien geimpft NB
mit Vaczine infiziert sein werden, bald schwer hmten, über¬
haupt noch „normales“ Menschenserum zu bekommen.
eigenen Sjpbilisbazillen wirkt, so wäre cs erst recht falsch, ron einer
Mischung I und II solches zu erwarten. Ich habe nicht nur im Blut, son¬
dern auch im Serum Syphilitischer, das frei von Zellen war, Syphilis-
orreger in vivo kulturell nachgewiesen, zudem weiss jeder, dass sogar im
potentesten Diphtheriesernra der Diphtheriebazillus nicht untergeht. Wie
viel weniger der tozisch so impotento Syphiilsorreger im Syphilisserum. —
Diese Mischungsversucho werden indes das Gute haben, dass sie die Rein-
zUchtung des Sypbilisbazillas auch durch andere fördern müssen. Die
künstliche Syphilissteigerang wird sicher zur Kachentdeckung führen. — Dos
Syphilisseruni ist keine Chemikalie und vor allem keine von bestimmter
Konzentration.
*) Die Autoren sagen zwar, dass ,,als Kontrole stets festzustellen,
dass das Serum mit Körpersuhstanz nicht syphilitischer Menschen keine
Reaktion gibt“ Keine Reaktion kann aber auch eintreten, trotzdem
die „Kürpersubstanzen“ von syphilitischen Menschen stammen, von
„quantitativer Bewertung“ gar nicht zu reden. — Worauf wäre das Serum
nicht alles zur Kontrole zu untersuchen, wenn man einigermaßen sicher
gehen will! Im übrigen, wie gesagt, — wer hat denn immer gleich einen
— Affen und dazu einen syphilitischen?
Die ^nzeReaktion, soweit damit etwas anzufangen ist, kommt
meines Dafürhaltens auf das sogenannte Agglutinationsphä¬
nomen heraus. Schon in einer meiner ersten Arbeiten über
Syphilis (Wien. med. W. 11—14, 1899) habe ich betont, dass
das Serum Syphilitischer in der Eruptionsperiode deutlich
agglutinierend, auf den Syphiliserreger wirkt u. z. oft sehr
intensiv. Meine aetiologisch und kasuistisch - argumentativen
Studien haben mich inzwischen so absorbiert, dass ich dieser
Seite der Aufgabe meine Aufmerksamkeit nicht mehr widmen
konnte. Indes glaube ich auf Grund jener Versuche annehmen
zu dürfen, dass auch das Blut der Spätformen von Syphilis,
z. B. bei Dementia paralytica, bei Aneurismen*) und bei Paro-
xysmen der syphilitischen Diathese jeder Art dies Phänomen
als Ausdruck einerseits eines Ant^onismus von Phyto- und
Zooplasma und andererseits von Befruchtungsvorgängen der
Syphiliserreger verschiedener Provenienz erkennen lassen wird.
Es würde also keiner gegen oder vielmehr mit Syphilis abge¬
richteten Affen mit den grossen Umständen und Umkosten
dieser Art Dressur bedürfen, sondern jeder Paralytiker und
sonst florid Syphilitische, deren es ja leider bei uns so massen¬
haft gibt, — mehr als man glaubt und zugeben möchte —
würde dazu genügen, zumal einige Kubikeentimeter Serum
immer „frisch vom Fass“ ohne alle Vorbereitungen und Schwie¬
rigkeiten zu haben wären.**) —
Wozu also die erneute, kostspielige „Reichsexpedition“ nach
den Sundainseln? Wozu die unnütze und planlose Tierquälerei?
Die Verlegung des Schauplatzes der Täti^eit dorthin während
noch 80 wichtige Vorarbeiten hier im syphilitischen Europa zu
erledigen sind, zumal bei den ganzen isotherapeutischen Bestreb¬
ungen der Syphilis praktisch nichts für die Bekämpfung
dieser Seuche herauskommen wird, was dafür nicht schon ohne¬
dies längst zu Hause vorhanden und vergeblich empfohlen
*) Von besonderem Interesse war mir eine kürzlich vorgenommene
Blutuntorsuchung bei oinero grossen Aortenaneurisma auf syphilitischer
Basis 14 Jahre nach der Infektion und nach vielen, z. T. sehr energischen
spezifischen Kuren. Der Gehalt des Blutes bei diesem Fall eines quasi
intravasalen Syphilisaffoktes. der seine Erreger immer von neuem direkt
dem Blutstrom abgibt, war ein geradezu ungeheurer. — Meine Kasuistik posi¬
tiver Fälle nähert sich übrigens jetzt der Zahl 300.
**} Die Agglutinationsversuche bei Syphilis könnten dadurch in ihrem
diagnostischen Wert Einbusso erleiden, dass der Syphiliserreger in Rein¬
kultur wie innerhalb des Organismus je nach Provenienz resp. Stadium und
Art ein morphotiscb und wie anzunebinen auch biochemisch überaus variables
Wesen ist. Es könnte also negativer Ausfall wie umgekehrt bei den
baemolytischeii Experimenten keinen zuverlässigen Rückschluss auf das
Fehlen dos Kontagiums, resp. auf seine Uneebtbeit oder spozifische Im¬
potenz zulassen, ganz abgesehen von dem grossen quantitativen Wechsel
innerhalb syphilitischer Produkte inkl. Serum.
steckenden Krankheiten zum grösseren Teile veraltet und un-
zuläi^lieh geworden waren.
Welche gossen Verheerungen die ansteckenden Krankheiten
an Gesundheit und Leben, an Familienglück, an Nationalver¬
mögen im Gefolge haben, dass vermögen Sie gerade als Aerzte
am besten zu beurteilen. Nur einige Zahlen mögen uns kurz
den Umfang der Krankheiten in Erinnerung rufen.
Die Tuberkulose, gegen welche wir schon seit Jahren
systematisch den Kampf ausgebildet haben, hat zwar in den
letzten Jahren erheblich abgenommen, aber noch im Jahre 1904
starben im preussischen Staat fast 70000 Menschen an Tuber¬
kulose. In den Jahren 1890 bis 1899 betrug die durchschnitt¬
liche Sterbezabl für Tuberkulose jährlich 74050 Personen. Auf
den ersten Januar 1903 ausgerechnet bedeutet das, dass von
je 100000 lebenden Menschen 236,6 an Tuberkulose dahin¬
starben. Noch klarer drückt sich die Grösse der Sterblichkeit
aus, wenn man ausrechnen kann, dass von je 100 Todesfällen
nicht weniger als 10,6, also mehr als der zehnte Teil auf Tuber¬
kulose entfällt. Dass die Tuberkulose durch den bereits jetzt
in breitester Weise aufgenomraenen Kampf langsam an Terrain
verliert, ergibt sich daraus, dass von je 100000 am 1. Januar
Lebenden in Preussen an Tuberkulose starben:
in Köln betragen die absoluten Zahlen
der an Lungentuberkulose Gestorbenen:
933
871
1892 260,1 872
1893 249,6 855
1894 238,9 864
1895 232,6 865
1896 220,7 787
1897 218,1 764
1898 200,8 741
1899 207,1 782
1900 211,7 883
1901 781
1902 779
1903 792
1904 791
An Typhus, der ebenfalls in allen Teilen unseres Landes
vorkommt und in einzelnen Gegenden besonders schwer aus¬
zurotten ist, der gelegentlich auch explosionsartig grösseren
Umfang annimmt, starben in Preussen in den Jahren 1890 bis
1899 durchschnittlich jährlich 4971 Personen, demnach 15,9
von 100000 Lebenden.
In Köln starben an Typhus:
1890: 25 1895: 27 1900: 37
1891: 38 1896: 19 1901; 30
1892: 34 1897: 29 1902: 22
1893: 55 1898: 40 1903: 25
1894: 21 1899: 31 1904: 20
Digitized by
1890 281,1
1891 267,2
344
MBDICDTISCHB WOCHE.
Nr. 33.
wäre, — diese Expedition ist, ich will nicht sagen weggeworfenes
Geld, aber ein Zeichen falscher Strategie, schlechter Expertiese
und falscher Orientierung der „darüber befindenden“ Instanzen.
Das Geld könnte zunächst weit nützlicher hier für die Syphilis¬
erkenntnis und Syphilishygiene Verwendung finden. „Wozu
denn in die Feme schweifen?“ ...
Um Syphilis zu erzeugen genügt jedes Kaninchen und Serum
s^hilitischer Affen ist kein Syphilis-Heilmittel, sondern ein
Öypbilisinfektionsmittel. —
Das Gute wird die erneute Exkursion auf Reichskosten
hoffentlich bringen, und dann wäre eine Milliarde dafür
nicht schlecht angelegt, dass sie diesmal wenigstens mit greif¬
baren Resultaten für die Syphilisaetiologie und damit
für die Sjphilisdiagnose heimkehrt. Dies ist der Wunsch,
den ich ihr mit vielen anderen auf den Weg geben möchte,
wenngleich auch dieserhalb ein Verlassen der Heimat nicht
nötig wäre. Es könnte nämlich dazu kommen, dass meine
Syphiliserreger, die jederzeit hier für Fachgenossen umsonst
direkt und indirekt, von mir und von jedem Syphilitiker zu
haben sind, von der Expedition zum Vergleich und zur Iden¬
tifizierung mit den dann dort hoffentlich endlich auch anderer¬
seits isolierten und kultivierten verlangt würden, sei es auch
nur aus „übertriebenem Gerechtigkeitsgefühl“ und trotz der
,,Untorsuchung8fehler“, auf denen ihre Entdeckung meinerseits
beruht-
Wie wäre es, wenn man sie lieber gleich mitnähme, oder
noch besser hier damit einige Versuche und Nachprüfungen
vornähme, ehe man sich weiter und weiter von ihnen an der
Nase herum und zu endlosen Irrfahrten verführen lässt? —
Würde eine nichtzu schwer ausführbare und dabei absolut zu¬
verlässige biochemische Syphilisreaktion gelingen, so wäre
das für die Syphilisdiagnose zweifellos ein gewaltiger Fortschritt,
denn die bakteriologische Syphilisdiagnoso ist kein Kinder¬
spiel, sondern ein schwer erlerntes Meisterstück. Bis dahin
bleibt aber die Serodiagnose der Syphilis nur eine kulturelle,
diese bakteriologische Blut- und Serumuntersuch¬
ung aber auch dann das Non plus ultra.
Sitzungsberichte.
AerzUicher Veref/n in Hamburg.
Sitzung vom 19. Juoi 1900.
Vorsitzender: Herr Nonne.
I. Demonstrationen: 1. Herr Meixner: „Mikrosko¬
pischer Glykogennachweis.“ Nach kurzer Besprechung der
Demnach zusammen von 15 Jahren: 453 oder durchschnittlich
jährlich 30 Personen. Die Sterblichkeit beträgt im Durchschnitt
etwa 10% der Erkrankungen. Da aber der Typhus vielfach
gerade die Menschen im besten, erwerbsfähigsten Alter viele
Wochen aufs Krankenlager hinwirft, so ist die enorme-Schä-
digu^ der Volksgesundbeit durch den Typhus einleuchtend.
Eine fast noch grössere hygienische und volkswirtschaft¬
liche Bedeutung kommt der Bekämpfung des Kindbettfiebers
zu In den Jahren 1889 bis 1897 starben in Preussen von
100000 weiblichen Personen durchschnittlich je 29,2, von je
100000 entbundenen aber 92,8 im Kindbett. Nicht alle diese
Todesfälle, unter welcher die schwereren zu einer allgemeinen
Blutvergiftung führenden Formen der Wundinfektion zu rechnen
sind, sind zwar auf das eigentliche Kindbettfieber zurückzu¬
führen, aber doch bei weitem die meisten. Absolut gesprochen
sind es zwischen 4— 5000 Mütter, die in Preussen jährlich
dieser Wundinfektionskrankheit erliegen.
In Köln starben an Kindbettfieber:
1890:
1891:
1892:
1893:
1894:
Demnach in den
31
29
28
27
24
1895:
1896:
1897:
1898;
1899:
19
18
17
20
21
1900: 25
1901: 32
1902:
1903:
1904:
36
33
36
15 Jahren zusammen 382 Personen und im
Durchschnitt jährlich 25 Personen.
physiologischen Bedeutung imd des Vorkommens des Glykogens
gibt Vortr. die Methoden an, dasselbe nachzuweisen, und zwar
a) die Ehrlichsche, die jedoch nur bei grösseren Mengen positiv
ist, b) die Lubarsche, eine Modifikation der Weigertscheu
Fibrinfärbung, die absolut unzuverlässig ist, und c) die Besselsche.
Letztere hält er für die beste Methode und gibt ausführlich Aus¬
kunft über die Technik: die in Alkohol gehärteten Schnitte werden
in Celloidin oder Paraffin eingebettet, mit Hftontoxylin vorgefUrbt,
entwässert, 2 Stunden lang in alkalischer Garminlösung gefärbt
und dann differenziert in einer Lösung von 2 Teilen absoluten
Alkohols und 1 Teil Liqu. Ammon, caustia So entstehen pracht¬
volle Bilder, die Vortr. unter dem Mikroskop aufgestellt hat. Zur
Kontrolle, dass alles Rotgefkrbte wirklich Glykogen ist, wurden
die Schnitte mit filtriertem Speichel behandelt. Herr Fraenkel
bestreitet die Behauptung, dass die Ehrlichsche Methode nur
bei grösseren Mwgen von Glykogen anwendbar sei. Herr Unna
schliesst sich den Ausführungen des Vorredners an und übt Kritik
an den aufgestellten Präparaten; er hält es für undenkbar, dass
die Leberzellenkeme stark gequollen sein können, und dass trotz¬
dem noch Glykogen vorhanden ist; nach seiner Ansicht ist das
ein Kunstprodukt infolge des hohen Alkaleszenz der verwendeten
Carminlösung. Um die Ehrlichsche Methode dauerhafter zu
machen, hat er Stärke (bei Glykogen hat er damit noch keine Ver¬
suche angestellt) mit Gentianaviolett vorgefärbt und dann nach
Ehrlich behandelt: so erhielt er schöne und dauerhafte Bilder.
Herr Simmonds bezweifelt die Richtigkeit der Angabe des Vor¬
tragenden, dass man beim Experimentieren mit Glykogen die em¬
pfohlene Wasservermeidung ausser Acht lassen dürfe. Herr
Fraenkel hält bei der Besselschen Färbung nur das für Gly¬
kogen, was einer Kontrolle mit Ehrlichs Methode Stand hält.
Dieser Ansicht widerspricht Herr Simmonds; auch er hat anfangs
geglaubt, dass manches mitgefärbt ist, was gar kein Glykogen ist,
doch hält er die Kontrolle mit Speichel für völlig beweisend. Herr
Meixner beantwortet im Schlusswort noch einige Fragen. 2. Herr
Merk: Bei einem 36jährigen Manne, der an einer doppelseitigen,
croupösen Pneumonie zu Grunde ging, zeigte sich an der Aussen-
seite des linken Oberschenkels eine 25 cm lange und 15 cm breite,
blaugrüne Verfärbung, die tympanitisohen Schall abgab und beim
Einstechen übelriechendes Gas entweichen Hess. Die Musknlatur
sah schmierig-rot aus und Hess deutlich Gasblasen erkennen. Es
handelte sich um Gasphlegmone, und es werden die daraus ge¬
züchteten Kulturen des Bacill. phlegmon. emphysematos, herumge-
zeigt. 3. Herr Simmonds: „Elephantiasis congenita molTis
uni versalis.“ Totgeborenes Kind von 37 cm Länge, Mutter ge¬
sund. Hochgradiges Oedem der gesamten Körperhaut, mächtige
zystische Geschwulst im Nacken. Mikroskopisch: Lympbangiek-
tasieen der gesamten Unterbaut und der angrenzenden Muskulatnr,
Lymphzysten im Nacken. Es handelt sich also nicht um eioen
einfachen Hydrops, sondern um eine aus früher Foetalzeit stam¬
mende Missbildung des Lymphsystems. Ursache warscheinlich ein
diffuser Entzündongsprozess mit Verlagerung der Lympfawege:
kleinzellige Infiltrate noch vielfach nachweisbar. Derartige als
Hydrops congenitus meist bezeichnete Fälle beim Menschen selten,
beim Rindvieh öfter vorkommend und als Mondkälber bezeichnet:
Aetiologie unbekannt. Herr Unna glaubt, dass es sich bei diesen
lymphangiektatischen Bildungen ätiologisch nm Ge^ssthrombosen
handelt, und fragt an, ob das Gefässsystem daraufhin untersucht
sei. Nach einer kurzen Bemerkung des Herrn A. Franke an-
wertet Herr Simmonds, dass zwar alle grösseren Venen genau
nachgesehen seien, dass aber weder eine Thrombosierung, noch eine
Pigmentanhäufung gefunden werden könnt«. Schönewald.
Kongressbericht.
23. Kongress für innere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München,
Referent: Dr. Grassmann-München.
3. Sit zu ngs tag.
Herr Max Rothmann-Berlin: Ueber die anatomische
Grundlage der transkortikalen motorischen Aphasie.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
345
Das von Lichtheim zuerst aufgestellte, von Wernickeals
transkortikale motorische Aphasie bezeichnete Erankheitsbild ist
dem klinischen Bilde nach sehr unsicher, anatomisch stark ange>
zweifelt. Aufhebung der Spontansprache und der spontanen Schrift
bei intaktem Nachsprechen, Kopieren, Diktatschreiben und Laut¬
lesen ist das von Lichtheim geforderde Bild, für das er einen
Herd im Mark der 3. Stimwindung verantwortlich machte. Aber
weder von Lichtheim selbst, noch von einer Reihe anderer
Autoren, die über einschlägige Fälle berichtet haben, ist ein klinisch
reiner Fall beobachtet worden. Anatomisch sind bald Läsionen
der Binde der 3. Stimwindung selbst, bald diffuse Prozesse als
G-rundlage dieser Aphasieform geschildert worden. Es wird daher
die EMstenz einer selbständigen derartigen Aphasieform bald ganz
geleugnet, bald durch eine funktionelle Störung des Broca’schen
Zentrums zu erklären gesucht. Vortragender berichtet über einen
klinisch reinen derartigen Fall, bei dem die Sprachstörung als
BiOsiduum einer 6 Jahre vorher erlittenen Apoplexie bestand. Die
Sektion des 82 jährigen, an Pneumonie gestorbnen Mannes ergab
tatsächlich einen sklerotischen Herd im Mark am Fusse der 3.
Stimwindung. Ist damit die transkortikale motorische Aphasie als
ein klinisch und anatomisch fest umgrenztes Ejankheitsbüd zu be¬
trachten, so weist Vortr. weiter daraufhin, dass die „subkortikale“
motorische Aphasie auf Unterbrechung der Assoziationsfasem vom
Broca’schen Zentnim Operknlum beruht. Der Fall beweist, dass
die spontane Sprache direkt vom begrifflichen Denken („Begriflfs-
zentrum“) im Broca’schen Zentrum angeregt wird, ohne den Um¬
weg über das Wortklangzentram. Vortr. demonstriert ein diesen
Verhältnissen entsprechend abgeändertes Aphasieschema und schlägt
vor, den Namen „transkortikal“ zu streichen und die bisherigen
„transkortikalen Aphasien“ als Lichtheim’schemortorlsche Aphasie
zu bezeichnen. (Fortsetzung folgt.)
35» Kongress der Deutschen Gesettschait
für CMrvrgie»
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Heidenhain-Worms: Funktioneller Erfolg nach
Operation ausgedehnter Zungenkrebse vom Munde aus.
Redner stellt zwei Männer vor, welchen er vor 7 und 6^/2 Jahren
wegen ausgedehnten Garcinoms eines Seitenrandes die Zunge vom
Munde aus entfernt hat. Der Mundboden war in beiden Fällen
nicht ergriffen. Die Operation begann mit Ausräumung derLymph-
drüsen am Halse — in der Mitte, wie auf beiden Seiten, seitUch
hinunter bis zum" Schlüsselbein —, soweit Drüsen überhaupt auf¬
findbar waren, bei welcher Gelegenheit beiderseits die Art. lingualis
unterbunden wurde. Er erinnert dabei au die schönen Untersuch¬
ungen von Küttner über die Verbreitung des Zungenkrebses und
des Gesichtskrebes in den Lymphbahnen am Halse und bemerkt
dazu, dass er auch beim Lippenkrebs grundsätzlich eine derartig
ausgedehnte DrUsenausräumung mache. (Heilungsverhältnis von
93% — 13 von 14 Fällen — bei einer Beobachtungsdauer von
3 —8 Jahren bei Lippenkrebs.} Nach vollendeter Drüsenaus-
räomung wurde die Zunge mit einer Hakenzange an der Spitze
gefasst, stark hervorgezogen und mit der Cooper’schen Scheere
unter Erhaltung der gesunden Mundbodenschleimhaut horizontal
am Mundboden abgetrennt. Bei solchem Vorgehen lässt sich die
Zunge mit Leichtigkeit soweit hervorziehen, dass die Papillae
circumvallatae in die Ebene der Zähne kommen. Folgt die Zunge
nicht genügend, so trennt man den einen oder beide vordere
Gaumenbögen mit der Scheere. Die Zunge wurde unter Erhaltung
der Zungenbasis in der Ebene der Papillae circumvallatae ampu¬
tiert. Die Kranken haben in wahrhaft wunderbarer Weise gelernt,
den verbliebenen Zungengrund und die Reste der Mundboden¬
muskulatur zu bewegen und zu benützen. Sie strecken den Zungen¬
grund bis an die Zähne hervor. Bissenbildung und Schlucken sind
nicht gestört. Beider Sprache ist klar verständlich. Selbst die
Zungenlaute spricht der eine ganz rein, der ander fast rein.
Die vorgesteliten Fälle sollen zeigen:
1. Dass die Ausräumung aller auffindbaren Lymphdrüsen am
Halse gute Aussicht auf Dauerheilung gibt. Da Zungenkrebse in
Worms selten sind, hat H. seine Erfahrungen über den Lippen¬
krebs mit herangezogen;.
2. dass man, um ein örtliches Becidiv zu vermeiden, die Zunge
in ganzer Breite fortnehmen kann und soll, auch wenn es sich um
eine halbseitige Erkrankung handelt. Die Punktion des Zungen¬
restes wird dennoch gut. (Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906, Nr. 26 .
1 . Neisser, Baermann, Halberstädter, z. Z. Batavia:
Experimentelle Versuche über Framboesia tropica an Affon.
Bericht über die im März 1905 in Batavia begonnenen und
bis Ende Dezember 1905 (zuletzt von Baermann und Halber¬
städter allein) fortgeführten Tierexperimeute; dieselben wurden
nach 4 Richtungen hin gemacht:
I. Uebertragung der Framboesie vom Menschen zrun Affen.
II. Uebertragung vom Affen zum Affen,
in. Impfungen mit Organen von framboesiekranken Affen.
IV. Impfungen mit Framboesie und Lues auf dasselbe Tier.
Die Ergebnisse waren folgende: Die Framboesie ist vom
Menschen auf höhere wie auf niedere Affen übertragbar. Die
Framboesie ist vom Affen zum Affen übertragbar. Es tritt wie
die Drüsen- und Organimpfungen beweisen, eine Generation des
Framboesiegiftes im Körper ein. Mit Lues behaftete Tiere sind
für Framboesie empfUogUch. Lues und Framboesie müssen also
ätiologisch differente Erkrankungen sein.
2. Dönitz, Bonn: Wie vermeidet man Misserfolge bei der
lumbalanaestheBie ?
Ueber die Technik resümiert D. folgendes; Um die be¬
schränkte Zeit der Anaestbesio voll auszunutzen, wird vor der
Funktion alles zum Desinfizieren des (!)perationsfeldes zurecht ge¬
stellt, das Kopfbrett flach gestellt, die Kopfrollen entfernt Der
Kranke sitzt da mit stärkster kyphotischer Biegung der Brust- und
Lendenwirbelsäole, jede seitliche (skoliotische) Verbiegung oder Ver¬
drehung (Torsion) wird ausgeglichen. Ahäthern, Anaesthesieren mit
Aethylchlorid oder Schl eichscho Infiltration. Zwischen 1. und 2.
Lendenwirbel oder einen Raum tiefer wird zunächst nur die Haut
durchstochen; rutscht die Nadel auf dem Lig. interspinale ab, so
wird die Durchstechung seitlich von der Wirbelsäule vorgenommen,
und die Nadelspitze darauf nach der Mittelebene zu auf das gen.
Ligament verschoben. Die Kanüle wird genau median leicht
kopiwärts einige Zentimeter weit vorgeschoben, ohne zunächst in
den Rückgratskanal einzudringen. Nach nochmaliger Kontrolle,
ob die Nadel genau mediane Richtung hat, wird der Mandrin ent¬
fernt und die Nadel langsam verschoben, bis Liquor hervorquillt.
Die Spritze mit dem Anaesthetikum (0,04 Stovam; für hoch¬
gehende Anaesthesien 0,05 Tropakokain, wegen der Gefahr der
Atmuügslähmung) wird aufgesetzt und entleert. Darauf Plach-
lagerungen für Operationen am Damm, oder sofortige Beckenhoch-
lagerung, um so stärker, je höher die zum Operationsfeld gehörigen
Segmente liegen. Desinfektion desselben. 1—2 Minuten nach
Injektion werden die Reflexe geprüft; Knie- und Kremasterreflex
für Operationen unterhalb des Leistenbandes; die drei Bauchreflexe
für höhere Anaesthesien, für die Leistengegend soll der untere
und mittlere, eventuell auch der obere Bauchreflex verschwunden
sein. 2—3 Minuten nach der Injektion Prüfung auf Analgesie.
Man prüft nicht, ob die Analgesie bereits komplett ist, sondern
ob sie an der richtigen Stelle einsetzt, d. h. da, wo man operieren
will. Man frage nie: Fühlen Sie noch, dass ich Sie kneife ? Zu
dieser Zeit ist fast stets die Berübrungsempfindnng, wohl auch die
Schmerzempfindung noch nicht erloschen, und mit dieser zweck¬
losen Frage verängstigt man unnötig die Kranken (Veit). Man
stelle lediglich fest, ob das Kneifen am Bein usw. noch ebenso
schmerzhaft empfunden wird, wie z. B. am Hals. Nach dem Er¬
gebnis der Prüfung der Reflexe und der Hypalgesie wird dann
eventuell die Hochlagerung veretärkt oder verringert. Bei diesem
Vorgehen ist die Anaesthesie stets in 5 Minuten komplett
3. Deetz, Rostock: Erfkbnmgen anSSOLnmbalanaestbesien
mit Stovain-Ä^enalin (BiUon).
D. berichtet über zahlreiche Lumbalanaesthesien bei Opera¬
tionen der unteren Extremitäten (126 Fälle), an Bauch und Becken
Digitized by L^ooQie
346
BfBDlCIKISGEüE WOCHB.
Nr. 33.
(228 Fälle) ucd bei Brustoperationen (9 Fälle). Auffallend gut
buben 9 Thorazpatienten die Anaesthesie vertragen.
4. Becker, Hildeskeün: Operationen mit Bückenmarks-
anaesthesien.
Im* städtischen Eirankenhause zu Hildesheim bat B. erst das
französische Stovain von Billon, später regelmäßig das von der
chemischen Fabrik von Hiedei in Berlin hergestellte Präparat
benutzt. Es waren fertig sterilisierte Ampullen mit 2 ccm In*
halt. Die von Bier empfohlene Rekordspritze wurde von der
Firma Eschbaum in Bonn geliefert.
Die Bjinspritzung hat B. folgendermaßen vorgenommen: Nach
gründlicher Desinfektion des Rückens mit heissem Wasser und
Alkohol zieht man nach Jacobys Vorschlag eine Verbindungs¬
linie von einem Darmbeinkamm zum andern. Dieselbe trifft bei
etwas nach vom geneigtem Körper den Domfortsatz des 4. Lenden¬
wirbels oder den unter demselben gelegenen Raum. Von hier
zählt man nach oben die Dornen ab und spritzt zwischen dem 2.
und 3. Domfortsatz ein, nachdem die Haut vorher etwas seitlich
verbogen und eventuell mit Aethylchlorid eingefroren ist. Nach
der Einspritzung, bei der vorsichtig der Liquor ausgenutzt wird,
muss der Kranke sofort in Beckenhochlagerung gebracht werden.
Die Anästhesie trat einigemale fast momentan, meistens nach 2—3
Minuten, in seltenen Fällen erst nach einer Vi Stande imd später
wenige Male überhaupt nicht trotz einwandfreier Technik, im
Durchschnitt nach 6—7 Minuten ein. Sie erstreckte sich selten
nur bis zur Dammgegend, meist bis Nabelhöhe resp. bis zum
Rippenbogen, selten bis zur Brustwarze, einmal bis zur zweiten
Rippe und einmal sogar bis zum Jugulum. Die Stovainmenge
schwankte zwischen 0,02 und 0,04, im Durchschnitt wurden 0,05
verwandt. Teilt man die Art der Operationen in drei Gmppen,
so wurden bei Operationen an den unteren Extremitäten im
Durchschnitt 0,05, bei solchen am Damme durchschnittlich 0,04
und bei Bauchoperationen durchschnittlich 0,06 Stovain verwandt.
B. hatte bei 81 Operationen in der Bauchhöhle immerhin nur
10 Versager, wenigstens oberhalb des Nabels; bei Operationen
am unteren Rumpfende (0,04 Stovain) keinen Versager und bei
Operationen an den unteren Gliedmaßen (0,05 Stovain) 2 Ver¬
sager.
4. Assmann, Leipzig: üeber eine neue Methode der Bluts-
und Oewebsf&rbong mit dem eosinsanren Methylenblau.
Vorläufige Mitteilung über eine Färbungsmethode:
A. Für Trockenpräparate. I. Einlegen des mit dem zu
färbenden unfixierten Objekte beschickten Objektträgers in eine
saubere Petrischale und Uebergiessen desselben mit 40 Tropfen
der methylalkoholischen Farblösung derart, dass die letztere nicht
über den Band des Objektträgers überläuft; dieselbe verbleibt
dann zum Zwecke der Fixation drei Minuten auf dem Präparat.
2. Uebergiessen mit 20 ccm destillierten Wassers, denen zuvor
5 Tropfen einer 1 prom. Kalium-carbonicum-Lösung unter kräftigem
Schütteln beigemischt wurden, und Umschütteln der Schale solange
bis eine gleichmäßige klare, von Niederschlägen freie, hellviolette,
überwiegend wässerige Farblösung entstanden ist; 5 Minuten
langes Färben in der letzteren. 3. Herausnehmen und unmittel¬
bares Abtrocknen des Präparates ohne weitere Abspülung.
B. Für Gewebsschnitte. 1, Wie bei A., nur kann hier, da
die Fixierung entbehrlich ist, Teil 2 ohne Verzug ausgeschlossen
werden. 2. Ebenfalls wie bei A, nur füge man statt der alka¬
lischen Kalium-carbonicum-Lösung 5 Tropfen einer I prom. Essig¬
säurelösung hinzu und fUrbe statt 5 Minuten 15 Minuten. 3. Her¬
ausnehmen, kurzes Abspülen in absolutem Alkohol, Abspülen in
Xylol, Einbetten in neutralen Kanadabalsam. Der verwendete
Alkohol muss durch einen ständigen Bodensatz von ausgeglühtem
Kupfersulfat streng wasserfrei gehalten werden.
5. Gaehtgens, Strassburg i. E.: Beitrag zur Agglutina-
tionstechnik.
Vorläufige Mitteilung über eine möglichst schnelle Ausführung
der Agglutinationsreaktion,
6. Magnus: Die Tätigkeit der Niere.
Schluss folgt.
7. Dreyfuss, Heidelberg: üeber Yerkennong von geiati|r®n
Erkrankiuigen.
Das Erkennen von geistigen Erkrankungen kann für das
Individuum selbst von Bedeutung, und zwar von lebensrettender
Bedeutung bei Selbstmordgedanken sein.-
Auch im Interesse der Familie ist das Erkennen geistiger
Störungen oft von Wichtigkeit, namentlich bei Paralytikern, wenn
Urteilsschwäche vorliegt, die zu sinnlosen Handlungen veranlasst,
bei Manischen, die der Betätigongsdrang in immer neue Unter¬
nehmungen treibt Die sozialen Schäden der Geisteskranken sind
ebenfalls sehr grosse, z. B. bei Landstreichern auf Grund der
dementia praecox.
Fast die grösste Bedeutung gewinnt aber die Verkennung
geistiger Erkrankungen in forensischer Beziehung. Hier sind be¬
sonders hervorzuheben die schleichende Form der Hebephrenie
und die Zyklotymie.
Bei den Geisteskrankheiten ist die Erkennung des Krankseins
oft nnendlich schwer, und doch doppelt wichtig, da nicht nur das
Individuum, sondern die Allgemeiidieit betroffen wird, wenn nicht
rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden, um die Ausflüsse eines
kranken Gehirns unschädlich zu machen.
8. Grünwald, Reichenhall und München; Zur Entatehong
und Verhütung chronischer Diphtherie.
Gerade angesichts der neuen Bestrebungen, mit lokalen
Mitteln allein der Diphtherie auf den Leib rücken zu wollen und
damit das Diphtherieheilserum als überflüssig oder wenigstens als
Geschmacksache hinstellen zu wollen, ist die Schilderung Gr. recht
belehrend. So manche verschleppte und durch lokale Polyprag¬
masie verwilderte Diphtherie-Fälle zeigten deutlich genug die
prekären Folgen, welche durch die Unterlassung der wirksamen
Kausaltherapie (Serum) im Anfänge der Erkrankung entstanden
waren, sie zeigten ferner, wie die Anwendung lokaler oder gar
allgemeiner Mittel (Hg.) einen Reizzustand zu unterhalten oder
die an und für sich sc^on geringe Heilungstendenz zn lähmen
imstande ist.
„Daraus ergibt sich ohne weiteres, was wir zur Verhütung,
eventuell zur Behebung der Verschleppung tun können.“
9. Galewsky, Dresden: üeber Lippen- resp. Mnndwasser-
Ekzeme.
Ganz besonders scheinen die aromatischen Oele, wie es bereits
Neisser hervorgehoben hat, diese Ekzeme hervorzumfen, und G.
möchte insbesondere die Terpene, die in diesen ätherischen Oelen
enthalten sind, dafür verantwortlich machen. Allerdings sind
solche Ekzeme relativ sehr selten.
10. Gonradi: üeber das Verhalten der im Blute der
Typhnskranken nachweisbaren Typhusbazillen gegenüber der
bakteriziden Wirkung des Blutes.
Aus G. B Versuchen geht die antibakterizide Wirkung der
Galle zur gleichen Menge, die auch Eppenstein und Körte
nachgewiesen haben, unzweideutig hervor und diese Eigenschaft
erklärt die auch von Kays er bestätigte Anwendbarkeit der Galle
zur Züchtung der Typhusbazülen aus dem Blut.
11. CarlRosenthal,Berlin: Zum 70. Geburtstag J. Bosen-
thals-Erlangen.
13. Jesionek, Giessen: Syphilis und ünfallTersicherong
der praktischen Aerzte.
Deutsche medicinische Wochenschrift. i906. Nr. 28 .
1. Znckerkandl, Wien : üeber die Behandlung der Nieren-
tuberkulöse.
Die Indikationen für die Entfernung der tuberkulösen Niere
sind nach den heute geltenden Hegeln dann gegeben, wenn der
Prozess einseitig ist und wenn die Erkrankung der Niere tatsäch¬
lich der Ausdruck einer Lokalinfektion und nicht etwa die Teil-
erscheinung ausgebreiteter Tuberkulose ist. Küster, Wagner,
Kümmell sind der Ansicht, bei gesichteter Diagnose der Nieren¬
tuberkulose sobald als möglich zu operieren d. i. die kranke Niere
zu extirpieren. Erst seit Z. prinzipiell bei der Nephrektomie
wegen Tuberkulose den Harnleiter soweit als möglich extirpiert.
verfügt er Uber primäre Heilungen, während vor dieser Zeit jahre¬
lange Fistelbildungen zur Regel gehörten.
Digitized by i^ooQie
1906 .
MEDICINISCHE WOCHE.
347
2. Freund, Halle a. S. Weitere Erfahmogen mit der
Bückenmarksnarkoee.
In der Dosierung nimmt F. in der Veit sehen Klinik Bier-
Dönitz gegenüber insofern eine etwas abweichende Stellung ein,
als er nach langen Versuchen für alle grösseren gynäkologischen
Eingriffe, besonders für Laparotomien und längerdauemdeOperationen
zum Zustandekommen einer guten Änaesthesie bisweilen noch 8 cg
zum mindestens 7 cg Stovain benötigt. Seit längerer Zeit stellt
F. vor Beginn der Operation nicht mehr den Zeitpunkt des Ein¬
tritts und die Äusbreitungsweise der Analgesie fest, da ein grosser
Teil der psychisch leicht erregbaren Frauenwelt durch die zu
diesem Behufs vorgenommenen Stich- und Kneifproben auf Sensi¬
bilität, womöglich unter gleichzeitigem Befragen, mitunter erheb¬
lich zum Schaden der Narkose beimruhigt wird. Von Begleit¬
erscheinungen, die in gleichem Maße dem Stovain wie dem Novo¬
cain eigentünüich sind, sind als mehr nebensächlich zu erwähnen:
Brechreiz oder leichtes Würgen, ganz leichte Kollapserscheinungen,
Kopfschmerzen und leichte (nicht über 38,3) Temperatursteigerungen.
Wenn sich bei vaginalen Eingriffen hier und da die Lähmungen des
Äfterschliessmuskels mit der bisweilen reichlich erfolgenden Stuhl¬
entleerung bemerkbar macht, dann versuche mRn die Einführung
eines Opiumsuppositoriums.
3. Mühsam, Berlin: Ueber eine typische Verletzung der
Chauffeure.
Lucas ChampionniSre, Ohillini, Walther und von
Deutschen Madelung berichteten über Fälle von Fraktur des
unteren Radinsendes, welche Chauffeure sich beim Ankurbeln des
Motors zugezogen hatten. Beim Andrehen des Motors fasst der
Chauffeur, indem er sich gerade oder schräg vor die Kurbel stellt,
diese mit der rechten Hand und dreht sie so lange kräftig an, bis
die Maschine selbständig arbeitet. Tritt aber nun die Zündung
im Motor zu früh ein, so wird die Kurbel zurückgeschlagen, ein
Ereignis, das den Automobilisten wohl bekannt ist. Dieses sehr
starke Zurückschlagen der Kurbel ist die Ursache der Verletzung,
welche auch M. zweimal beobachtet hat. Beide Patienten waren
20jährige, kräftige Männer, welche beim Andrehen ihrer Maschine
infolge des Zurückschlagens der Kurbel einen heftigen Schmerz
oberhalb des rechten Handgelenks verspürten und daher ärztliche
Hilfe aufsuchten. Es handelte sich um eine Bissfraktur der
unteren Radiusepiphyse.
4. Kirchner, Döttingen: Welches ist der gefährliche
Moment für die Entstehung eines Mittelfhssknochenbmches beim
Gehen ?
Mehr als nuin glauben möchte, ist auch der zweite und dritte
Mittelfussknochen beträchtlichen Gewichten gewachsen. Um die
Zeit des Druckminimums in der Periode des Aufstebens des Fusses
mit der ganzen Sohle, um welche Zeit die Schwerlinie noch nicht
in den Mittelfuss hinein oder höchstens in sein proximales Ende
fällt, vermögen diese Knochen, wenn sie auf einer BodenerhöLung
aufruhen, den Druck bei unbelastetem Körper jedenfalls, vermut¬
lich auch den bei Feldmarschmäßiger Ausrüstung zu ertragen, die
Gefahr des Bruchs tritt erst ein beim Wiederansteigen des Drucks
gegen Ende der Periode.
5. Ehrmann, Wieden-Wien: Ueber Befunde von Spiro-
chaete paliida in den Herren des Präputiums bei syphilitischer
Initialsklerose.
Das Bindegewebe um die Nervenscheide zeigt teils streifen¬
förmige, teils knotige Infiltration mit mononukleären Leukozyten,
in den Inliltrationsherden sowie in den sie einschliessenden Binde-
gewebsbündeln schön ausgebildete, reichliche Spirochaeten. Es
ist schon jetzt anzunehmen, dass die Spirochaeten unter solchen
Umständen in den Nerven ziemlich weit zentralwärts gelangen,
und so wäre es nicht unmöglich, dass sie wie andere Krankheits¬
erreger (Lyssa, Tetanus) langsam längs der Nervenbahnen aszen-
dieren und später zu den parasyphilitischen Nervenerkrankungen,
namentlich der Tabes führen. Der Umstand, dass die Tabes in
den allermeisten Fällen im Lendenmark beginnt, würde für diese
Annahme um so mehr sprechen, als wir ja wissen, dass das Virus,
in einzelnen Depots lokalisiert, sich jahrzehntelang latent hält.
6 . Riebold, Dresden: Ueber Menstruationtfieber, meugtru-
elle Sepsis, und andere während der Menstruation auftretende
Krankheiten infektiöser, resp. toxischer Hatnr.
Eine interessante Arbeit, welche die Frage zu beantworten
sucht, ob man auch die Möglichkeit einer AUgemeininfektion des
Organismus von den menstruierenden inneren Genitalien ans zu¬
geben kann. Schlnss folgt.
7. Herzog, Heidelberg: Therapeutische Versuche mit Bio-
ferrin bei Anämien im Kindesalter.
Die Resnltate der Bioferrinmedikation in 19 Fällen waren
sehr zufriedenstellend. Bei allen Patienten war eine günstige Be¬
einflussung der Blutbeschaffenheit nnverkennbar; auch wo der
Hämoglobingehalt nur eine geringe Steigerung erfuhr, liess doch
die Zählung der Elrythrozyten erkennen, dass der Besserung der
subjektiven oder objektiven Beschwerden eine Besserung der Blut¬
beschaffenbeit zn Grunde lag. ln den meisten Fällen ist das An¬
wachsen des Eämoglobingehaltes als ein rasches und sehr erheb¬
liches zu bezeichnen. In allen Fällen, auch bei den Säuglingen
wurde das Mittel gern genommen und von den Verdannngsorganen
gut vertragen.
8 . Ruhemann: Bemerkungen zu dem Aufsatz von A. Ko-
warski in Nr. 25: Eine rereinfachte Methode zur quantitativen
Bestimmung der Harssäure im Ham.
Die Reaktion muss möglichst schnell und bis zur völligen
Entfärbung des Schwefelkohlenstoffes geführt werden.
9. Cohn, Berlin: Ueber den Wert plastiseh wirkender
Böntgenbilder.
Die plastische Höntgenphotographie ist ohne Zweifel berufen,
die bildliche Wiedergabe von Röntgenogrammen ganz erheblich
zu verbessern. Derselbe Nutzen erwächst dem klinischen Unter¬
richt; namentlich da, wo man sich bisher der Kästen, in denen
die Platte von hinten durch Glühbirnen beleuchtet wurde, bediente,
wird die plastische Röntgenphotographie, die bequem herumgegeben
werden kann, für den Beschauer das beste Demonstrationsmittel
sein.
10. Justi, Steglitz bei Berlin: Erfindung aus dem Gebiete
der Medioin und der öffentlichen Gesundheitspflege.
Vermischtes.
Zum Empfang der französischen Aerzte hat sich ans an¬
gesehenen Berliner Aerzten ein Komitee gebildet, das nachstehenden
Aufruf erlässt:
Kollegen! Am 16. d. M. treffen hier eine Anzahl französischer
Aerzte ein, nm die medicinischen Einrichtungen von Gross-
Berlin kennen zn lernen. Wir haben beschlossen, den frauzösischen
Kollegen einen festlichen Empfang zn bereiten, eingedenk der
herzlichen Gastfreundschaft, die den deutschen Aerzten jederzeit
im Auslande geboten worden ist. Die Unterzeichneten haben sich
für diesen Zweck zu einem Komitee vereinigt, und rechnen darauf,
dass die Berliner Aerzteschaft sie in ihrem Streben mit allen
Kräften unterstützen wird.
E. von Bergmann, E. von Leyden,
Ehrenvorsitzende.
Bassenge, Dollhardt, R. Lennhoff, Körte,
Kossmann, R. Kntner, Albert Moll, Albert Oliven,
H. Settegast, Sonnenburg.
Aschaffenburg. Laut Gesellscbaftsvertrag bezwecken die
Vereinigten Elektrotechnischen Institute Frankfurt-Aschaffenburg
m. b. H. die wissenschaftliche, technische und gewerbliche Be¬
arbeitung der technischen Physik, speziell der Radiologie (Böntgen-
und Radiumforschung) und des gesamten physikalisch-medicinischen
Grenzgebietes.
Das Elektrotechnische Laboratorium Aschaffenburg hat, wie
bekannt, jährlich den ganzen oder wenigstens einen Teil seiner
Reingewinne zu wissenschaftlichen Arbeiten und zur Unterstützung
solcher Arbeiten benutzt. Auch die V. E. 1. F. A. sollen einen-
Teil ihrer Erträgnisse zu solchen gemeinnützigen Zwecken ver¬
wenden.
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348
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 33.
Diese Aufgabe der wissenschaftlicb-tecbniacheii Bearbeitung
des piiysikalisch-medicinischen Grenzgebietes erfüllt das Institut
durch Unterhalt eines wissenschaftlichen Laboratoriums, in dem
grössere Versuchsreihen zur Durchführung gelangen, durch Ver*
anstaltung von ärztlichen Unterrichtskursen in Berlin, Frankfurt
a. M. und Äsohaffenburg (die bekannten Aschaffenburger Röntgen¬
kurse), durch eigene Publikationen und Unterstützung fremder
Arbeiten, durch Gewähren von Arbeitsplätzen für wissenschaftliche
und technische Arbeiten, durch Gutachten- und Sachverständigen-
tätigkeit.
Die Pabrikationsabteüungen stellen in den Werken zu Frank¬
furt a. M. und Aschaifenburg im engen Kontakt mit der wissen¬
schaftlich-technischen Abteilung alle Apparate und Gerätschaften
zur physikalischen Medicin, insbesondere zur Elektromedicin zum
Röntgenyerfahren und zur Radiumforschung her. Ausserdem haut
das Frankfurter Werk elektrische Messinstrumente (Ampöremeter,
Voltmeter, Wattmeter, Zahler, elektrische Präzisionsapparate) und
gehört auf diesem Gebiete, das seit 18 Jahren von dem Frank¬
furter Hause (früher Emil Braunschweig) gepflegt wird, zu
den ältesten deutschen Firmen.
Auch hinsichtlich der Elektromedicin, die seit dem gleichen
Zeitraum von 18 Jahren in Frankfurt und seit einigen Jahren in
Aschaffenburg gepflegt wird, verfügen die vereinigten Institute
über reiche Erfahrung, während im Röntgenverfahren die Erzeug¬
nisse des Elektrotechnischen Laboratoriums Aschaffenburg als gut
bekannt sind.
In enger Fühlung mit der Pariser Firma Lacoste & Go.,
einem der angesehendsten französischen Häuser für elektrischen
Automobilbedarf, wird die Pflege dieses Gebietes, insbesondere
die Fabrikation von Zündspulen in Anlehnung an den schon längst
in Aschaffenburg gepflegten Funkeninduktorenbau und nach den
Pariser Originalmodellen eine weitere Abteilung der Fabrikation
der Vereinigten Institute sein.
Zum Verkehr mit der norddeutschen Kundschaft unterhalten
die Veifa-Werke in Berlin N. 24, Friedrichstrasse 131A ein mit
reichlichem Lager ausgestattetes Ingenieurbureau, dessen Dienste
auch zur Beratung in allen technischen Fragen zur Verfügung
stehen und in dessen Räumen jährlich mehrmals Unterrichtskurse
für Aerzte in der Elektromedicin, besonders aber im Röntgenver¬
fahren, stattflnden.
In Paris 28, Boulevard de Strasbourg ist das mit den Ver¬
einigten Instituten verbundene Ha\is Lacoste & Co. der Repräsentant
sämtlicher eben aufgefUhrter Arbeitszweige. Diese Firma unter¬
hält ihrerseits Zweighäuser in New-York, Mailand und London.
In London übt die Firma Krupka & Jakoby E. C. 61 und 62
Watling Street, Stores Queen Victoria Street die Vertretung der
elektromedicinischen und radiologischen Erzeugnisse aus.
In Hinblick auf diese unsere Bestrebungen und die geschilderte
Organisation bieten wir Ihnen unsere Dienste an und versichern
Sie, dass wir bemüht sein werden, ihr Vertrauen zu rechtfertigen.
Bekanntmachung. Die zuständigen Ausschüsse des Reichs-
Gesundheitsrates werden sich in Verbindung mit dem Kaiserlichen
Gesundheitsamte demnächst mit den Vorarbeiten zu einer neuen
Ausgabe des „Arzneibuches für das Deutsche Reich“ zu befassen
haben. Hierzu ist erforderlich, zunächst das einschlägige Material
zu sammeln. Um es möglichst vollständig zu erhalten, richte ich
an die für die Angelegenheit sich interessierenden Herren Aerzte,
Tierärzte und Apotheker ergebenst das Ersuchen, ihre Wünsche,
die sich anf die Neu-Ausgabe des Arzneibucbe.s beziehen, bekannt
zu geben, insbesondere sich über die auf Grund ihrer Erfahrungen
empfehlenswerte Aufnahme neuer oder Streichung offizineller Arznei¬
mittel zu äussern. Die Einsendung bezüglicher Vorschläge nebst
Begründung an den Unterzeichneten würde mit Dank erkannt
werden.
Berlin, den 15. Juli 1906.
B n m m,
Präsident des Kaiserlichen Gesundheitsamtes,
Vorsitzender des Reichs-Gesundheitsrates.
Neu niedergelassen
Detmold. Dr. med. Manfred Fuhrmann. — Konstanz. Dr. mcd. Alfr.
Hiebcr. — Köln a. Ilh. Dr. mod. Heinrich Zenzes. — MUnebon. Dr. med.
Wilh. Stritzl. — Oberndorf a. N. Dr. med. M. Mauser.
Familien*Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Martha Braun mit Herrn Stabsarzt Dr. Horbach beide inBautzen.
— Frl. Honriette Nordmann mit Horm prakt. Arzt P. Herrmann beide in
Dortmund. — Frl. Monda Ublmann mit Herrn Dr. Fritz Schröpfer beide
in Gomsdorf i. Brzgob. — Frl. Olga Siegele mit Herrn Dr. med. Ehrich
Conrad beide in Hamburg. — Frl. Toni Volkmar in Charlottcnbui^ mit
HeimDr.med.TbeodorQUbmelinLautereckonz.Z.Bonn. —Frl. Martha Sack
in Leipzig-Connewitz mit Horm Dr. med. Otto Müller in Nanmbarg a. S.
Vermählt:
Herr Dr. med. P. Mohr mit Frl. Gertrud Weber in Bonn. — Herr
Dr. med. Schumacher mit Frl Martha Teuber in Bonn a. Rh. — Herr Dr.
med. Hermann Schröder mit Frl. Marie Grube in Düsseldorf. — Herr Dr.
med. Albrecbt Heine mit Frl. Tbea Burckhardt in Osterwaldo (Kr. Hameln).
— Hr. Dr. med. Hermann Koch mit Frl. Martha Bockmühl in Odenkireben.
Geboren:
Einen Sohn: Herrn Dr. med. Jakobs in Elberfeld. — Herrn Dr.
med. E. Sebwarzkopf in Stuttgart
Eine Tochter: Hr. Dr. med. Fritz Tooplitz in Breslau. — Herrn
Dr. med. Frej'or in Bunzlau. — Herr Dr. mod. S. Salzburg in Dresden.
— Herr Dr. med. H. Lange in Herford i. W. — Herr Dr. med. Babrmanu
in Leipzig. — Herr Dr. med. G. Coonemann in Leipzig-Lindenan.
Gestorben:
Dr. med. Emst Leopold Theodor Damm in Freibere. — Prakt. Arzt
Hegner in Buchboim b. Freiburg i. Br. — Dr. med. Johann Edmnnd
Schilling in Rocblitz. — Dr. med. Emil Haumann in Wangern.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adreeee: Aerztilohee Aiskanfto-Buraau de» Geoohäftt-AassobMäM der
Berliner irztllohen Staedeevereine !■ Medlololaehea Warenbaeae (Akt.-
fiea.), Berlia N., Friedriidiatraaae 1081.
Für persönliche Rücksprache ist Herr .Dr. JoMbla täelieh TOB Uhr im
Mediciniichen Warenhsuse anwesend. (Mit Kotiger Erlaubnis des Getcnkfts-Aiisschusses
der Berliner ärztlichen Standesvereine rom Auskunfts-Bureau der Med. Woche übermittelt.)
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter Nr. 1989
In Thüringen wird für sofort ein Assistent gos. Näh. u. Nr. 2007.
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. u. Nr. 2006.
In der Mark wird für sofort ein Assistent ges- Näh. u. Nr. 2013.
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gos. Näh. unter Nr. 2045.
In Pommern wird f. sofort ein Vortrot. gesucht. Näh. u. Nr. 2054.
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056.
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060.
Im Riesongeb, wird für sofort 2. Assist, od. Yolontärarzt ges. NSh.
unter Nr. 2061.
In der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063.
In Bezug auf das in Nr. 21 gebrachte Referat über ein Gärungssaccha-
romanoraeter nach Wagner aus der „Münchener modicinischen Wochenschrift“
worden uns bezüglich dos Lohnsteinschen Apparates von dem Fabrikanten
desselben folgende Mitteilungen gemacht mit der Bitte, dieselben zu verOffont-
lichon, was wir hiermit tun;
1. „Es ist unrichtig, dass „das Quecksilber durch die schmierige Hefc-
Üüsslgkeit Jedesmal verunreinigt wM“. Das ist schon deshalb ausge¬
schlossen, weil sich wässerige Flüssigkeiten mit Quecksilber nicht mischen,
sondern sich nur auf dessen Obei'flächc absetzen können. Es kann sich also
nur um eine Beschmutzung der Innenwand des Gärgefä.sse8 handeln, durch die
eine folgende Zuckorbestimmung in kölner Weise beeinträchtigt wird-
2. Es ist unrichtig, dass „infolge der besonderen Konstruktion des
Apparates nach jedem Gebrauch desselben eine Roiaigung notwendig wird.“
Gerade das Gegontoil ist der Fall, wie aus der dem Apparat beiliegen¬
den Gebrauchsanweisung hervorgeht. Der Apparat braucht nach einer Be¬
stimmung nicht Jedesmd gereinigt zu werden, sondern es ist nur das ver¬
gorene, auf dem Quecksilber behndlicbe Harn-Hefegemiscb abzusangen,
und der Uber dem Quc<'ksiIbor botindliche kleine Raum ein- bis zweimal
mit Wasser nachzuspUlen. Eino Reinigung des Apparates im strengen
Wortsinne ist Überhaupt nicht notwendig; sondern höchstens aus Gründen
der Aosthetik nach häufigerem Gebrauch wünschenswert.
Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meizsner, Berlin W. U, Kurfürstesstr. Sl. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von der Heynemann'acheB Buchdrttckerei, Gehr Wolff, Halle a. S
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Medicinische Woche
Dentschmann, A. DQhrasen, A. Hoffa, E. Jaeobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Hcrausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosln, H. Schlange»
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricbt, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
Verlag und Expedition
Redalction:
Carl Marhold ln Halle a* S*« Uhlandstrasse 6.
Berlin W. 62« Kurffirsfenstrasse $!•
Tel.-Adr.: Marhold Verlag HaJlesaale. Femaprecher 823.
Dr. P Meißner.
Vn. Jahrgang.
20. August 1906.
Nr. 34.
Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOgiSChe Centralzeitung» Organ des Altgemeinen Deutschen
BSderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
lieber die Technik der medullären Narkose
fftr den praktischen Arzt.
Von Prof. Dr. H. Graff-Bonn.
Sieben JaJire sind verflossen, seitdem Bier uns durch In¬
jektion von Narkoticis in den Lumbalsack einen neuen Weg
zeigte, schmerzlos an der unteren Köi-perhälfte zu operieren.
Diese neue Form der Anaesthesie ist jetzt von dem Erfinder
und seinen Schülern und zahlreichen andern Forschern so weit
ausgebaut, und ihrer anfänglichen Mängel beraubt, dass auch
der Praktiker sie ruliigen Herzens anweuden kann. Als absolut
g efahrlos kann sie natürlich auch nicht hingostellt werden.
'enn jedes Narkoticum ist ein Gift, das individuell verschieden
auf den Organismus wirkt und so darf man sich nicht wundem,
wenn auch mal bei der medullären Narkose ein Unglücksfall
vorkommt, ohne dass ein offenbarer Fehler Schuld an dem
Ausgang ist. Das Ideal einer vollkommen gefahrlosen Narkose
wird wohl kaum je erreicht werden. Bei den vielen Tausenden
Bückenmarksanaesthesien, die bis jetzt ausgeführt sind, hat sich
aber doch eine relativ so grosse Ungef^rlichkeit herausge¬
stellt, dass sie schon aus diesem Grunde den Vorzug vor der
allgemeinen Narkose verdient Ich habe selbst so viele Rücken-
marksanaesthesien gesehen und gemacht, dass ich sie aus
innerster Ueberzeugung nur warm empfehlen kann und daher
auch gerne dem Wunsche der Redaktion dieser Zeitschrift nach-
komme, in kurzen Worten dem Praktiker eine Anleitung zur
Ausführung der Lumbalinjektion zu geben. Ich beschränke
mich daher auf die Technik der Ausführung. Wer sich für
die wissenschaftlich hoch interessante Seite interessiert, findet
in den wissenschaftlichen Publikationen Biers und seines
Schülers Dönitz (Münchener med. Wochenschrift 1903/04/06
Chirurgenkongress 1905, alles Wissenswerte. Als Anaes-
theticum dient am besten Cocain oder Tropacocain in Ver-
bindui^ mit den Nebennierenpräparaten (Adrenalin, Supra-
renin Paranephrin) die die Intoxikationsgefahr verringern und
die Dauer der Anaesthesie verlängern oder das neuerdings von
dem französischen Chemiker Fourneau hergestellte Stovain.
Da dieses nicht nur wesentlich gefahrloser, sondern auch sicherer
und für die Praxis am bequemsten ist, empfehle ich dieses am
meisten, rate aber dringend nur Originalpräparate zu ver¬
wenden, da ich mit anderen Präparaten schlechte Erfahrungen
gemacht habe. Man bekommt das Stovain in gebrauchsfähigem,
d. h. sterilisiertem Zustande in kleinen zugeschmolzenen Glas¬
kolben, die 0,08 Stovain enthalten, mit Zusatz von Kochsalz
und Nebennierenextrakt in 2 ccm Flüssigkeit.
0,04 Stovain genügt in den meisten Fällen, doch kann
man wenn die Operation voraussichtlich lange dauert bis 0,06
injizieren, höhere Dosen sind in der Praxis nicht empfehlens¬
wert. Schwerere Intoxikation sind bei den gewöhnlichen Dosen
kaum beobachtet, vorübergehende Kollapserscheinungen (Blässe
des Gesichts, kleiner frequenter Puls, oberflächliche Atmung,
Erbrechen) kommen zuweilen vor, nehmen aber keinen be¬
drohlichen Charakter an. Zur Verhütung derselben ist es
zweckmäßig, wenn die Patienten vorher etwas gegessen haben
oder ein Analepticum in Gestalt von schwarzem starken Kaffee oder
schwerem Wein zu sich genommen haben. Reichliche Mahl¬
zeiten sind zu vermeiden, weil sonst leicht Erbrechen auf-
tritt. Als Instrumentarium dient das von der hiesigen Firma
F. A. Eschbaum nach den Angaben Biers zusammengestellte
Besteck. Die darin befindliche Spritze enthält 2 cbcm. Eine
halbe Spritze gibt also die gewöhrdiche Dosis von 0,04 Stovain.
Dass peinlichste Asepsis bei der Lijektion notwendig ist,
braucht wohl kaum besonders betont zu werden, weil jeder
Fehler in dieser Richtung eine tötliche Meningitis zur Folge
haben kann. Die Instrumente werden in Sodalösung oder besser
noch in Wasser ausgekocht, weil zurückbleibende Sodalösung
leicht Niederschläge macht und auch für die Nachwirkung
nicht ganz gleichgültig zu sein scheint. Hat man die Spritze
in Sodalösung mit den übrigen Instrumenten ausgekocht, muss
man sie besser mit Kochsalzlösung ausspritzen oder in Notfall
mindestens durch häufiges Hin- und Herziehen des Kolbens
trocken spritzen. Die Einstichgegend wird in grösserem Um¬
fange genau wie zu einer Operation in der üblichen Weise des¬
infiziert. Es ist praktisch, sich vor der Injektion die Einstich¬
stelle zu markieren, (am besten tagsvorher durch einen Höllen¬
stein- oder Jodtinkturstrich) damit man nicht beim Abzählen
der Domhortsätze versehentlich auf nicht desinfiziertes Terrain
kommt. Die Verbindungslinie zwischen beiden Darmbeinkämmen
trifft den Domfortsatz des 4. Lendenwirbels. Gewöhnlich
macht man die Injektion zwischen 2. und 3., doch kann man
ebenso zwischen 1. und 2. injizieren, wenn das Operationsfeld
hoch liegt. Höher heraufzugeben ist unstatthaft, weil sonst
das Rückenmark selbst verletzt werden könnte. Für ein leichtes
Hineingelangen in den Duralsack ist es von grösster Wichtig¬
keit, dass der Patient die Wirbelsäule stark krümmt, also einen
sogenannten Katzenbuckel macht, damit die Dorafortsätze
klaffen. Es ist interessant, wie schwer im allgemeinen die
Patienten in der Seitenlage diese einfache Forderung begreifen
und.zumeist, statt den Rücken zu krümmen, das Gesäss weit
vorstrecken. Ob man in horizontaler Lage oder in sitzender
Stellung die Injektion macht, ist Geschmacksache. Dem An¬
fänger empfehle ich letzteres als das bequemere und leichtere.
Durch Vornüberziehen des Kopfes kann man auch leichter dem
Rücken die gewünschte Krümmung geben. Man sticht nun
die Kanüle mit Mandrin genau m der Mittellinie zwischen
den beiden Dornfortsätzen ein. Die geringe Schmerzhaftig¬
keit beim Durchstechen der Haut kann man durch eine Schleich-
sche Quaddel oder durch Besprengen mit Aethylchlorid auf ein
Minimum reduzieren. Meist richtet sich der Patient beim Ein-
Digitized by
Google
350
MBDICmiSCHB WOCHE.
Hr. U.
stich auf nnd schafft damit wieder ungünstigere Verhältnisse
für das schnelle Hineingelangen in den Lumbalsack. Man wartet
daher zweckmäßig mit dem weiteren Vordringen einen Moment
bis er wieder die günstigere Lage eingenommen hat, weil das
weitere auch vollkommen schmerzlos ist Die Richtung ist
schräg nach oben. Je nach der Korpulenz des Individuums
muss man die Nadel 4—7 cm tief hineinstechen. Kommt man
mit der Spitze auf Knochen, muss man durch vorsichtiges Son-
dieren, Zurückzieben und Aendem der Richtung versuchen, am
Knochen vorbeizukommen. Nur keine Gewalt anwenden, weil
sonst die Spitze umgebogen wird. Mit Geduld gelingt es stets
das Hindernis zu vermeiden, weiter in die Tiefe vorzudringen,
und schliesslich mit einem gewissen Ruck in den Lumbalsack
hineinzukommen. Man hat es direkt im Gefühl, ob man darin
ist oder nicht Der Anfänger kann zuweilen Schwierigkeiten
haben, doch sind es keine unüberwindlichen, im allgemeinen
ist es leicht Glaubt man im Duralsack zu sein, zieht man
das Mandrin heraus und sieht ob Liquorflüssigkeit abfliesst.
Ist es nicht der Fall, zieht man die Nadel etwas zurück oder
schiebt sie noch weiter vor, steckt eventuell auch das Mandrin
noch einmal hinein, um eventuell Gewebsteile, die den Liquor¬
abfluss verhindern, beiseite zu schieben. Sehr häufig entleert
sich der Liquor im Strahl, meist mehr oder minder schnell-
tropfend, blutige Tinktion am Anfang ist nicht selten; unter
Umständen entleert sich auch reines Blut, wenn der starke
plexus venosus angestochen ist. Dies ist weniger angenehm,
weil dadurch unliebsame Spinalhaematome entstehen hönnen.
In diesem Falle zieht man me Nadel schnell zurück und sticht
in anderer Richtung vor. Bevor nicht deutlich reiner Liquor
abfliesst darf nicht mjiziert werden, weil sonst die Anaesthesie
unsicher ist.
Beweiset deutlicher Liqnorabfluss, dass die Nadel im Dural-
raum ist, setzt man die vorher schon gefüllte Spritze mit der
Stovainlösung auf, injiziert langsam 1 bis 1*/« ccm der Flüssig¬
keit, saugt langsam noch 1—2 mal Liquor an, damit die Mischung
eine vol&ommene ist und kein Rest zurückbleibt, und entfernt
dann durch schnellen Zug die Kanüle: die kleine Einstich-
Öffnung wird mit Gaze und Pflaster und mit Kollodium bedeckt.
Das Aufziehen der Stovainlösung aus dem Kolben geschieht, nach¬
dem die ausgezogene Spitze des Glaskolben abgebrochen ist, mit
aufgesetzter Kanüle, weil die Spitze der Spritze zu kurz ist. Nach
Beendigung der Injektion muss der ^anke die horizontale
Rückemage einnehmen und darf nicht auf einer Seite liegen,
weil sonst eine ungleichmäßige Verteilung des Anaestheticums
eintritt. Soll die Anaesthesie hocli heraufreichen .(Hernien,
Perityphlitis, Nabelgegend etc.) muss Beckenhochlagemng mit
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfong
libertragbarer Krankheiten
Tiefl^erung des Kopfes eingeleitet werden, damit die Lösung
mögli^st weit hinauffliesst. Man prüft mit einer Klemme die
Zeit und die Art des ersten Eintritts der Anaesthesie. Bei
Stovain ist es meist bereits nach 3 Minuten und nur selten
braucht man 14 Minuten zu warten. Eintretende Kollapser¬
scheinungen gehen meist ohne besondere Therapie vorüber,
und nur sehr selten dürfen Kampferinjektionen oder künstliche
Atmung bei Atemstillstand notwendig werden. Misserfolge d. h.
Ausbleioen der Anaesthesie kommen immer noch vor, sind aber
doch selten, wenn kein technischer Fehler die Ursache ist,
ebenso sind unangenehme Nachwirkungen nicht auszuschliessen.
Ausser Erbrechen, Rückenschmerzen namentlich Kopfschmerzen,
die sehr lästig sindundzuweilen die sonstigen Vorteile derRücken-
marksanaesthesie illusorisch machen. Die Kopfschmerzen treten
ewöhnlich schon am nächsten Tage auf, zuweilen erst am 4.
is 6., sind dann aber oft hartnäckig und durch Mittel schwer
zu beeinflussen. Antipyretica (Phenacitin, Pvramidin etc.) tun
zuweilen gute Dienste, ebenso auch Drastica (mcinusöl). Einige
Tage Bettruhe ist nach jeder Injektion unbedingt notwendig.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass je älter d^ Individuum
ist, um so geringer die Nachwirkungen. Für die Praxis ist es
ratsam, Kinder und junge Leute möglichst von der Rücken-
marksanaesthesie auszuschliessen, ebenso sehr ängstliche Indi¬
viduen. Am sichersten ist die Anaesthesie auch bei kleinen
Dosen am Damm, darum sind Mastdarmoperationen, Prosta¬
tektomien etc., kleine gynäkolog^che Operationen, auch die Do¬
maine für die Lumbafanaesthesie. Bei Knochenoperationen an
den Extremitäten wirken die Geräusche, die das Meissein und
Sägen macht, unangenehm auf die Patienten. Inwieweit die
Rückenmarksanaesthesie bei Entbindungen die Narkose ersetzen
wird, lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Ver¬
suche darüber sind noch nicht abgeschlossen.
Der Praktiker möge in der Auswahl der ersten Fälle vor¬
sichtig sein und nur besonders geeignete auswählen jedenfalls
aber Rückenmarksanaesthesie nur anwenden, wenn kein Hinder¬
nis für die absolute Asepsis bei der Ausführung der Injektion
vorhanden ist.
Sitzungsberichte.
AerxtHcher Verein in Hambwrg»
Sitzung vom 26. Jnui 1906.
Vorsitzender: Herr Deneke.
1. Demonstrationen: 1. Herr Wiesinger demonstriert
mittelst Epidiaskops verschiedene zu diagnostischen Zwecken mit
Erkrankungen:
Todesfälle:
1898: 1315
171
1899: 949
110
1900: 626
46
1901: 734 '
101
1902: 908
119
1903: 865
108
1904: 1057
114
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Fortsetzaog.)
Von Diphtherie und Scharlach sei nur kurz erwähnt,
dass erstere in den Jahren 1895—1899 durchschnittlich jähr¬
lich 21957 Personen als Opfer verlangte (etwa 48,1 auf je
100000 Lebende); *
In Köln kamen von Diphtherie vor:
Erkrankungen:
Todesfälle
1890: —
176
1891: —
255
1892: —
3B8
1893: —
517
1894: —
420
1895: —
173
1896: 1077
155
1897: 1151
150
Demnach in 15 Jahren 2959 Todesfälle an Diphtherie, oder
durchschnittlich jährlich 197. Die Zahlen ergeben die auch
anderwärts beobachtete Abnahme der Häufigkeit der Erkrank¬
ung, eine geringe Abnahme auch in der Mortalität-
Scharlach, dessen Charakter in Bezug auf Bösartigkeit be¬
kannt ganz erheblichen Schwankungen (10—30% Sterblichkrit)
unterliegt, forderte in den Jahren 1890 bis 1899 durchschnitt¬
lich jährlich 7586 Personen zum Opfer (entspricht 24,1 von je
100000 Lebenden.)
In Köln kamen an Scharlach vor:
Erkrankungen:
1890: —
1891: ~
1892: —
1893: —
1894: —
1895: —
Todesfälle:
26
30
19
17
68
23
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
351
Wismuthbrei gefüllte Magen. 2. Herr Voigt gibt einen
Ueberblick über die Ergebnisse der im Jahre 1905 im Ham-
burgischen Staate ausgefübrten Impfungen. Die aus England
stammende neue Chloroformlymphe wurde versucht: sie war tat¬
sächlich so gut wie keimfrei, doch waren die Resultate damit bei
Weitem nicht so gut. wie mit der gewöhnlichen Lymphe, nament¬
lich nicht bei der Revaccination. Vortr, empfiehlt dann noch die
Hasenlymphe, besonders für die Tropen, die ebenso kräftig wirke
wie unsere Kalbslymphe. 3. Herr Albers-Schönbe rg zeigt die
Rüntgenbilder der beiden Hände des vor 14 Tagen von Herrn
Arning vorgestellten FaUes von Raynaudschem Gangrän:
die Knochen sind teilweise transparent, die Enden der Phalangen
teilweise aufgefasert, auf der Corticalia befinden sich Auflagerungen.
4. Herr Preisen 25 jähriger Kommis ist bis auf angeblich Typhus
und Diphtheritis mit 7 Jahren bisher stets gesund gewesen; Lues
und Gonorrhoe werden geleugnet, hat 2 Jahre als Soldat gedient.
Vor zwei Jahren Rötung der Hände und der Füsse. Mai 1905
Platt fussbeschwerden beiderseits. Der Zustand besserte sich lang¬
sam; während der Massagebehandlung wurde eine Schwellung der
Grund- und Mittelphalangen des 2.—4. rechten Fingers entdeckt,
die sehr stark war ; Endphalangen normal. Der Hauptsitz schienen
die proximalen Interphalangealgelenke zu sein. Faustschluss un¬
möglich. Schmerzen nicht vorhanden, der Pat. hatte bisher noch
nichts davon bemerkt. Das Böntgenbild erg;ib auser einer Arthritis in
den Interphalangealgelenken erhebliche periostitische Osteophyf^n-
bildung längs der Grundphalangen des 2.— 4. Fingers. Anfangs
November 1905 schwoll plötzlich das rechte Handgelenk stark an
und wurde ankylotisch. Zugleich verschlimmerten sich die Füsse,
das linke Kniegelenk schwoll an und machte den Eindruck eines
sehr grossen Tumor albus; im linken Schultergelenk erschien eine
schwere Arthritis. Die Röntgenaufnahmen beider Füsse zeigten
mehrere ostitische Hyperplasieen an einigen Zehen, zugleich mit
zahlreichen Osteophyten und ossifizierenden Periostitiden an Pha¬
langen und Metatarsalknochen. Die knöchernen Gelenkteile am
Knie und an der Schulter ergaben keine Veränderung. Hier be¬
stand also Zunächst nur Synovitis und Schwellung der umgebenden
Weichteile. Zugleich kam es zu genau derselben Weichteilschwellung
und Gelenkentzündung am 2.—4. Finger der h'nken Hand mit
Freibleiben der Endplfalangen, nur ohne Osteophytenbildung. —
Der Prozess begann also an Phalangen, Metacarpen und Metatarsen
mit ossifizierenden Periostitiden, an den Gelenken mit Synovitis.
Fieber, sowie Schmerzen, waren nie vorhanden, und alle ^sebein-
ungen wurden vom untersuchenden Arzt, und nicht vom Pat. ent¬
deckt. Die Dififerentialdiagnose war sehr schwierig. Von Anfang
an musste man wegen der Schmerzlosigkeit und der Osteophyten¬
bildung die am meisten dem Bilde ähnelnde Polyarthritis rheumatica
Erkrankungen:
Todesfälle
1896: 297
25
1897: 174
8
1898: 144
8
1899: 301
18
1900: 602
34
1901: 1250
64
1902: 1495
129
1903: 1157
64
1904: 893 i
65
Demnach zusammen in 15 Jahren 500 Todesfälle oder jährlich
durchschnittlich 33. Im Gegensatz zu der Diphtherie lallt bei
Scharlach eine ganz erhebliche Zunahme an Erkrankungen auf.
Die Mortalität schwankte zwischen 4 und 8%. Nach dem
Urteil unserer meisten Aerzte hat der Scharlach an ßösa.rtigkeit
abgenommen.
Dass auch die übrigen vom Gesetz genannten Krankheiten:
Genickstarre, Körnerkrankheit, Rückfallfieber,
Ruhr, Milzbrand, Rotz, Tollwut, Fleischvergiftung,
Trichinose und Syphilis die Gesundheit des Volkes er¬
heblich schädigen, das brauche ich in diesem Kreise nicht
näher auseinander zu setzen. Die Notwendigkeit, das die be¬
rufenen Behörden gegen die Infektionskrankheiten einen plan¬
mäßigen, energischen Kampf aufnehmen, wird von jedem Ein¬
sichtigen zugegeben. Damm finden wir auch in allen zivili-
ankylopoetica und die Arthritis deformans ausschalten. Auch an
Marie’sche Osteoarthropathie bypertrophiante wurde gedacht: es
fehlten aber Lungen- oder eitrige Prozes.se, auch waren die End¬
phalangen normal, Tromraelschlägelfinger nicht vorhanden; für
Lepra konnte kein Anhaltspunkt gefunden werden. Das gleich¬
mäßige Auftreten der Prozesse an Händen und Füssen legte den
Verdacht auf spinale Einflüsse nahe: die Untersuchung des Nerven¬
systems ergab aber nichts Pathologisches, besonders konnte Syrin¬
gomyelie ausgeschlossen werden. Obwohl in allen Röntgenbilderu
primäre Knoebenatrophie nachweisbar war, die bei Lues bisher
nicht beobachtet wurde, und eine derartige direkte Ueberschwemmung
des Körpers mit Gelenk- und Knochenaffektionen bisher nicht be¬
schrieben ist, wurde doch 2 Monate Jodkali gegeben. Die Schwel¬
lungen nahmen ab, die O.steophyteo sind fast verschwunden, die
ankylotischen Gelenke werden beweglich, sodasa man trotz der
primären Atrophie der Knochen und der MultipUzität des Prozesses
eine Lues hereditaria tarda annehmen muss. Der Fall soll
jetzt mit einer Schmierkur behandelt und dann ausführlich in den
„Fortschritten auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen“ veröffentlicht
werden.
n. Herr Deneke widmet dem am 22. 6. 1906 vei*8torbenen
zoologischen Assistenten des Instituts für Sebifis- und Tropenhy¬
giene in Hamburg, Herrn Regierungsrat Dr. Fritz Schaudinn,
unter Hervorhebung seiner grossen Verdienste um die Medicin
warmempfundene Worte des Nachrufs.
III. Diskussion über den Vortrag des Herrn Deutsch¬
länder: „Ueber die Fürsorge für jugendliche Krüppel.“
Herr Jaffe definiert das Wort „Krüppel“ und bespricht die Or¬
ganisation der sog. Krüppelheime; die bestehenden sind teils nur
Schulen, teils nur Genesungsheime, es fehlt jedoch, dass sie gleich¬
zeitig eine orthopädische Klinik sind. Nach seiner Ansicht müsste
hier in Hamburg zunächst die Anregung und Gründung einer
solchen Musteranstalt von privater Seite in Angriff genommen
werden: später würde sie wohl dann der Staat übernehmen. Herr
Kellner stellt einen jetzt 20jährigen Krüppel vor, der u\ir mit
einem Bein und 2 Stümpfen statt der Hände geboren ist; an dem
linken Stumpf ist ein Daumen. Dieser junge Mann kam vor 11
Jahren m die Alsterdorfer Anstalten und ist seit einigen Jahren
jetzt im Bureau derselben als Schreiber beschäftigt und verdient
den voller Lohn der anderen Bureauangestellten. Seine Hand¬
schrift, die herumgezeigt wird, ist absolut nicht von einer gut aus¬
geschriebenen Schrift eines gesunden Mannes zu unterscheiden;
ausserdem stenographiert der Krüppel 120 Silben in der Minute
und hat sein Telegraphistenexameii gemacht. Irgend welcher Hilfe
beim Essen, Aus- oder Ankleiden bedarf er nicht. Herr Marr
hat Erhebungen in hiesigen Schulen über die Krüppel angestellt
sierten Ländern schon seit vielen Jahrzehnten entsprechende
Gesetze, die unter Zugrundelegung der neuesten Errungen¬
schaften der Wissenschaft den Seuchen zu Leibe gehen. Wir
in Preussen waren auf diesem Gebiete entschieden im Rück¬
stand; denn unsere einzigen gesetzlichen Handhaben mussten
dem alten Regulativ vom k 8. 1835 entnommen werden. Dieses
Regulativ, dessen Studium für den Arzt ausserordentliches Inter¬
esse bietet, war ohne Frage für seine Zeit ein Meisterstück.
Vorher hatte in Preussen eine umfassendere Gesetzgebung auf
dem Gebiete der Seuchenbekämpfung nicht bestanden. Es kam
nur gelegentlich einzelner schwerer Epidemien von Pest und
Pocken zu besondern Edikten, die auf Vorschlag des im Jahre
1725 eingesetzten Kollegium sanitatis erlassen wurden. Auch
<ias umfassende Regulativ von 1835 war die Frucht einer
grossen Cholera • Epidemie, die in den Jahren 1831 und 1832
den Osten Preussens verwüstet hatte.
Die Vorschriften, welche das Regulativ für die damals
bekannten ansteckenden Krankheiten erliess, waren für die da¬
malige Zeit mustergültig. In der Desinfektionsanweisung heisst
es, dass man unter Desinfektion die Anwendung von Mitteln
versteht, wodurch Ansteckungsstoffe (Contagien) fortgeschafft,
zerstört oder so verändert werden, dass sie nicht mehr schäd¬
lich sind. Eine bessere Definition würden wir auch heute kaum
bieten können, nur dass wir statt des unbestimmten Begriffes
„Contagien“ heute für die meisten Infektionskrankheiten den
nunmehr bekannten Erreger einzusetzen haben. Weiter heisst
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352
MEDfCmiSCHE WOCHE.
Nr. 34.
und findet die Fürsorge bei uns für ausreichend. Die Oberschul-
behörde habe einen Fonds von M. 2800 p. a., um Krüppel zu
Hause unterrichten zu lassen; in den letzten Jahren jedoch seien
nur 2 derartige Gesuche eingegangen. Feisier erwähnt er dio
Anstalt „Alteneichen“, die 5 Kinder auf Kosten der Allgemeinen
Armenanstalt verpflege; endlich nähme auch die sog. „Arbeiter¬
kolonie* männliche Krüppel auf. Die Krüppelfürsorge gehöre bei
uns zu den Aufgaben der Armenärzte, genau wie die „fortgesetzte
Kinderfürsorge“ und die „Lungenfüraorge.“ Eine Lücke sei nirgends
vorhanden, deshalb warne er vor der Gründung eines Krüppei-
beimes. Herr Deutschländer macht im Schlusswort darauf auf¬
merksam, dass „ Alteneichendas nur einmalig mit M. 5000 sub¬
ventioniert sei, zu Preussen gehöre. Bei der Krüppelfürsorge
lasse sich im Allgemeinen weit mehr erreichen, als bei der Lungen-
fursorge. Schliesslich beantragt er eine Resolution des Inh^ts,
dass der Aerztliche Verein der Gründung eines KrUppelheimes in
Hamburg sympathisch gegenüber stehe. Dieselbe findet einstimmige
Annahme.
Der angekündigte Vortrag wird der vorgerückten Stunde wegen
vertagt, und die Sitzungen des Aerztlichen Vereins werden vom
Vorsitzenden bis zum Herbst geschlossen. Schönewald.
Verband det* Aerzte I>eat8cfUanf1s *)
zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen.
Die VI. Hauptversammlung des Verbandes der Aerzte Deutsch¬
lands fand am 21. Juni zu Halle a. S. statt. Der Vorsitzende Dr.
Hartmann-Leipzig begrüs-st die zahlreich erschienenen Vertrauens-
iind Obmänner des Verbandes, besöndes herzlich Dr. Ellmann,
als offiziellen Vertreter der österr. Aerzteschaft. Er berichtet von
einem vertraulichen Schreiben der ps'eussischen Eisenbabnverwaltung,
in dem diese verlangt, dass die Aerzte, die als Bahnärzte angestellt
werden wollen, aus dem Wirtschaftlichen Verbände austreten
müssen. Die Verantwortung für die hieraus folgende mangelnde
Versorgung der Beamten und ihrer Familien mit ärztlicher Hilfe
trifft allein die Eisenbahnverwaltung. Aus dem umfangreichen
Geschäftsbericht des Generalsekretärs ist hervorzuheben, dass der
jährliche Mitgliederzuwuchs jetzt den Beharrungszustand erreicht
hat. Die Mitgliederzahl betrug am 1. Mai 1906 18 723 Aerzte.
Für den Umfang der Geschäfte gibt den besten Gradmesser die
Tätigkeit des Verbandsbureaus, das 42349 Eingänge und 126Ö26
Ausgänge zu verzeichnen hatte. Der Verband hat für seine Mit¬
glieder eine kostenlose Rechtsauskunftsstelle und unter Leitung
♦) Obwohl wir schon von unsorora Spezialberichtorstatter ausfübrlicho
Berichte gebracht haben, halten wir uns doch verpflichtet auch diesen offi¬
ziellen Bericht zu bringen. Die Red.
es, dass das beste Desinfektionsmittel das Feuer ist, nächst dem
Feuer die Luft, das heisst: die Auslüftung von Zimmern und
Gegenständen. Weniger zustimmen können wir heute der Em¬
pfehlung des Chlorgases, der Dämpfe von Salpetersäure und
Schwefel und des Essigs als Desinfektionsmittel. Die Desin¬
fektion von Genesenen durch gründliche Waschung unter Zusatz
von Seife wird auch heute genügen. Bei den einzelnen Krank¬
heiten ist natürlich die Desinfektion dem damaligen Stande
des Wissens entsprechend angegeben. Heute sind wir z. B.
bei Krätze, die damals als eine wichtige Infektionskrankheit
galt, nicht mehr so ängstlich. Damals wurde sorgfältige Rei¬
nigung von Türen und Fenstern, besonders der Klinken und
Schlösser sowie der Riegel und Treppengeländer mit lauge¬
haltigem Wasser verlangt. Dasselbe galt für Bettstellen, Tische
und Stühle. Strenge Vorschriften bestanden für Reinigung von
Bettzeug und Wäsche sowie von Kleidungsstücken, bei denen
besonders vorgeschrieben war, dass das untere Aermelfutter
durch neues zu ersetzen sei. Selbst Waren, die von Krätze¬
kranken gearbeitet waren, unterlagen der für die gefährlichen
ansteckenden Krankheiten vorgeschriebenen Desinfektion.
Beim Krebs wurde verlangt, dass die mit den Geschwüren
in Berührung gekommenen Verbandsstücke zu verbrennen waren.
Leib- und Bettwäsche, Ess- und Trinkgeschirre, Chirurgische
Intrumente mussten desinfiziert werden. (Fortsetzung' folg-t.)
eines Fachmannes eine eigene Verlagsbuchhandlang errichtet. Immer
mehr in den Vordergrund seiner Tätigkeit tritt die Zentralisation
seiner Stellenvermittlung. So hat er 1286 Vertreter-, 518 Assis¬
tenten- und 354 PraxissteUen vermittelt und zwar gleichfalls
kostenlos. Im vergangenen Jahre haben grössere Kassenkämpfe
nur stattgefunden in Königsberg i. Pr. und Münster, ausserdem
aber kam es noch in 127 mittleren und kleineren Orten zu DhSe-
renzen mit der Aerzteschaft, verloren wurden zunächst Forst i. L.,
Weibern i. Rhld. und Weillenfels a. S. Mit fasern Nachdruck
wendet sich der Berichterstatter gegen die Absicht des Deutschen
Knappsebaftsverbandes, die Knappschaftsärzte von der übrigen
deutschen Aerzteschaft zu isolieren, ebenso gegen die Gepflogen¬
heiten der grossen Schiffsrhedereien bei der Anstellung der Sebifis-
äi*zte, die zu gering honoriert und deren RangsteUung den höheren
Sebiffsoffizieren gegenüber nicht genügend gewahrt wird. Aus dem
von Dr. Hirschfeld-Leipzig erstatteten Kassenbericht, der auf
Antrag des Aufsichtsrates richtig gesprochen wird, wird der änsserst
günstige Jahresabschluss ersichtlich. Nach langdauemder Debatte
wird ein Antrag Donalies-Leipzig angenommen, der sich gegen
das Vorgehen der Behörden ausspricht, Aerzte zum Austritt aus
dem Wirtsch. Verbände zu zwingen. Ebenso wird ein Antrag
Hesselbarth-Berlin angenommen, mit Energie für die Ein¬
führung der freien Arztwahl auch bei den staatlichen Kassen zu
wirken. Die bisherigen Verbandsmitglieder: DDr. Hartmann.
Goltz, Hirschfeld, Dippe, Streffer und Donalies, sämt¬
lich in Leipzig und der bisherige Aufsichterat: Geh. Rat Dr.
P fei ffer-Weimar, San.-Rat Dr. Mug dan - Berlin und Dr. Herzau-
Halle werden wiedergewählt. Dr. Steinbrück-Stettin berichtet
über die sogenannte Assistentenfrage, er verlangt, dass diese
keinen eigenen Verband bilden, sondern sich an den Wirtschaft¬
lichen Verband auscbliessen und sich in die Vakanzeniiste ein-
tragen sollen, dass sie von den Anstalten, Krankenhäusern and
den Privatärzten, bei denen sie angestellt sind, besser als bisher,
und zwar steigend, mit der Dauer der Anstellung honoriert werden.
Generalsekretär Kuhns schildert die immer häufiger auftauefaenden
Beschwerden der Schifisärzte, die eine mit der Zahl ihrer Fahrten
steigende Erhöhung des Honorars und eine Gleichstellung mit den
höheren Deckoffizieren und die Zuweisung besserer Kabinen ver¬
langen. Es fällt bereits den SchifFsgesellSchaften schwerer, die
von den Behörden für jeden Persooendampfer benötigten SchifiFs-
ärzte zu erlangen. Der Verband wird deshalb in Verhandlungen
mit den Schiffsrhedereien zwecks Erfüllung der Wünsche der Aerzte
treten. Dr. Peyser-Berlin berichtet üW die Erfahrungen Über
soziale Medicin als Gegenstand des Universitäts- und ärztlichen
Fortbildungs-Untemchts; er verlangt eine bessere sozialmediciniscbe
Axisbildung der Studierenden wie der sozialen Fortbildung der
Aerzte, er wünscht die Schaffung von Lehrstühlen für soziale
Medicin und zur theoretischen und praktischen Belehrung der Aerzte
Seminare für soziale Medicin, und zwar soll der Verband eine
Zentrale für alle derartigen Bestrebungen schaffen, der auch die
Verarbeitung des literarischen Materials obliegen würde.
Dr. Vogel-Heppenheim a. B. gibt seinen Antrag auf Schaffung
eines ärztlichen Genesungsheims auf, wünscht aber der Zentrale
des ärztl. Unterstützungswesens diesen Gedanken zur weiteren An¬
regung als Material zu überweisen. Ueber alle Gegenstände der
Tagesordnung fand eine lebhafte Debatte statt, die zu erfreulicher
Uebereinstimmung in allen Hauptpunkten führte.
Kongressbericht.
23. Kongress für i/nnere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassman n-München.
Herr Adolf Schmidt-Dresden: I n tra pleura 1 e In¬
fusionen zu therapeutischen Zwecken.
Sch. spricht über die Behandlung von Rippenfellerkraakungen
und Lungenerkrankung mittels Eiuführuug von Gasen und Flüssig¬
keiten in den Brustfellraum. Der dieser Behandlungsmethode zu
Grunde liegende Gedanke ist der, einerseits die Bedingungen der
Aufsaugung von Ausschwitzungen in den Brustfellraum durch Ver¬
dünnung oder durch Verdrängung zu bessern, andererseits die er-
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1906 .
MEDICINISCHE WOCHE.
353
krankte Lunge ausser Funktion \ind gleichzeitig unter vermehrte
Blutzufubr zu setzten.
Sch. hat einen besonderen Troikart konstruiert, mittels dessen
Infusionen seihst in die intakte Brusthöhle gefahr- und schmerzlos
bewerkstelligt werden können, und hat auf diesem Wege zunächst
die Behandlung alter Brustfellausschwitzungen in Angriff genommen,
indem er einen Teil des Exsudates durch Oase, speziell durch
Sauerstoff ersetzte. Es wxirden bei 18 Fällen 24 Infusionen ge¬
macht. Tatsächlich wurde dadurch die Aufsaugung wesentlich ge¬
fördert. In zweiter Linie bat er nach dem Vorgänge von Murphy
einseitige Lungenschwindsucht mittels Kompression (Luft) zu heilen
gesucht. Die Erfolge waren ermutigend Am günstigsten waren
die Resultate der Behandlung von Bronchiektasien und verwandten
Zuständen. 3 dieser Fälle wurden geheilt, mehrere gebessert.
Hier wurde nur zum Teil mit Gasen, zum anderen Teil mit Wasser
und Oel komprimiert. Die Oelkompression hält längere Zeit an,
da das Oel durch Exsudation und Einwanderung von weissen Blut¬
körperchen zunächst in eine Emulsion verwandelt wird.
Herr Brauer-Marburg berichtet hierzu über seine eigenen
Erfahrungen, die er bei Anwendung einer anders gestalteten In¬
fusionstechnik erzielt hat. Er sucht bei den Infusionen die Lunge
selbst sorgffütig zu vermeiden, was nach dem Schmidt’schen
Verfahren weniger gut möglich ist. (Demonstration zugehöriger
Röirtgenanfnahmen.)
Herr Aronsohn-Ems-Nizza: Ueber Vorkommen und
Bedeutung des erhöhten Eiweissstoffwechsels im Fieber
und in fieberlosen Krankheiten (Carcinom, Morbus
Basedowii, Phosphorvergiftung, perniziöse Anämie,
Ueberhitzung usw.).
Redner stellt folgende Sätze auf: Die Erhöhung des Ei¬
weissstoffwechsels ist abhängig von Nerven- oder
Fermentwirkung. Die Annahme eines toxischen Ei¬
weisszerfalles ist unbegründet.
Eine Erhöhung des Eiweissstoffwechsels kommt nur vor bei
Verarmung der Körperzellen an Fett und Kohlehydraten, bei Fieber
und Kachexie.
Der erhöhte Eiweissumsatz im Fieber ist eine Folge der
dem Fieberprozesse zugrunde liegenden erhöhten Innervation der
Zellen (Beizung des Wärmezentrums).
Der erhöhte Eiweisszerfall im Fieber ist eine für den Fieber¬
zustand charakteristische Eigentümlichkeit.
Die Krebskrankheit geht nicht mit einer erhöhten Stick¬
stoffausscheidung einher; eine solche wird nur beobachtet bei Hin¬
zutritt von Fieber oder Verarmung der Körperzellen an Fett und
Kohlehydraten, oder wenn aus dem zerfallenden Carcinom Fermente
in die Zirkulation gelangen.
Die Basedowsche Krankheit verläuft mit völlig normalem
Stoffwechsel, wenn sie nicht mit Fieber oder exzessiven Nerven¬
erregungen kompliziert ist.
Die perniziöse Anämie zeigt normale Harnstoffaus-
scheidung. Ist die Krankheit mit Fieber verbunden, so steigt auch
die Hamstoffausscheidung.
Bei fieberlosen Phthisikern ist der Eisweissstoffwechsel
nicht erhöht.
Die erhöhte Ausscheidung bei Phosphorvergiftung hat
ihren Grund in der gleichzeitig vorkommenden Temperatursteigerungi
Bei Pyrodinvergi ftun g erklären die Schädigungen der
Nerven, Blutzersetzungen, Auftreten von fibrinöser Pneumonie und
Temperaturschwankungen den erhöhten Eiweisszerfall.
Nach PbloretinVergiftung tritt nur mit der Erhöhung
der Wärmeprodoktion eine Erhöhung des Gesamtstickstoffwechsels
auf.
Die bei Muskelarbeit und Aufenthalt des Körpers in einem
überhitzten Raume hin und wieder — sehr selten — beob¬
achtete Steigerung der Stickstoffausscheidung ist auf einen der
eingangs angeführten Gründe zurückzuführen.
Diskussion: Herr Loening-Halle wies auf Versuche hin,
die er auf v. Mering’s Anregung an hungernden Hunden ange¬
stellt hat. Aus diesen Versuchen ergab sich, dass im Fieber Kohle¬
hydrate und Fette eine eiweisssparende Wirkung — der Erhöhung
der Körperwärme gegenüber zeigen, und eine eiweissschützende
Wirkung — den Toxinen gegenüber.
Herr Hartmann-Graz: Ueber den Einfluss des Stirn¬
hirns auf den Bewegungsablauf.
H. schildert einen Pall, bei welchem das linke Stimhirn durch
einen tumorösen Prozess in mächtiger Ausdehnung zerstört worden
war. Aus der Lage des Herdes, welcher die Rinde intakt Hess,
und dem Gesamtbild der dadurch gesetzten Störungen der Motilität
wurde von dem Vortragenden der Schluss gezogen, dass auch für
die komplexen Leistungen in der Bewegungssphäre gewisse Zentra-
lisatioiisvorgänge angenommen werden müssen und dass der Rinden¬
bezirk , welcher durch den Tumor von seinen Verbindungen mit
anderen Hirnbezirken abgeschnitten wurde, sich in seiner Punktion
zur Zentralwindungszone der Extremitäten so verhält, wie sich die
Broca’scbe Windung zur Zone der motorischen Hirnnerven verhält
und dass jener Rindenbezük ein Zentrum für den Gebrauch der
Extremitäten darstelle.
Diskussion: Herr M. Rothmann-Berlin: So interessant
und bedeutungsvoll die Ausfühnmgen des Herrn Hartmann sind,
so möchte er er doch zn grosser Vorsicht in der Deutung des
Falle.s mahnen, da die Fernwirkungen eines so beträchtlichen Tumors
erfahrungsgemäß sehr weitreichende sind. Würde der gleiche Be¬
fund in einem Falle als Residuum einer Blutung oder Erweichimg
des linken Stimhirns zu erheben sein, so würde die Sicherheit
der Deutung wesentlich gesteigert werden.
Es hat nun Liepmann darauf hingewiesen, dass die linke
Hemisphäre nicht nur der Punktion der rechtsseitigen Extremitäten,
sondern dem gesamten Handeln verstände. Waren in dem Hart¬
man n’schen Fall die Funktionen der linksseitigen Extremitäten
intakt, so würde das gegen diese Auffassung sprechen: waren sie
geschädigt, so bedeutet das eine Stütze der Liepmann’schen
Auffassung.
Herr Hartmann-Graz weist im Schlusswort nochmals auf
die spezielle Art der Bewegungsstörungen der linksseitigen Extre¬
mitäten seines Falles hin.
Herr v. Jaksch-Prag: Ueber Amylosis pulmonum.
Wie schon von Gerb ardt-Berlin vermutungsweise geäussert
worden ist, kommt tatsächlich der als Amyl. pulm. zu bezeichnende
Krankheitsztistand öfter vor, als man meist annimmt. Redner
konnte einen solchen Fall beobachten. Dieser bot alle Zeichen
einer anscheinend tuberkulösen Lungenkrankheit dar, doch hatte
das Sputum eine eigenartige Beschaffenheit; es war rötlich, hatte
einen üblen Geruch, doch enthielt es keine Tuberkelbazillen. In
diesem Sputum war Jod nachzuweisen. Dieser Befund wurde auch
erhöhen, wenn der betreffende Kranke eine völlig kohlehydratfreie
Nahrung erhielt. Die Röntgenuntersuchung ergab kein positives
Ergebnis.
Herr Külbs-Kiel: Herzmuskel und Arbeit.
K. untersuchte experimentell den Einfluss regelmäßiger Körper¬
arbeit auf den Organismus des Hundes. Zu seinem Experimente,
bei dem der eine Hund mittels eines Laufbrettes reichliche Be¬
wegungen ausfübren musste, benützte er 2 Tiere von demselben
Wurf, Geschlecht und Körpergewicht. Er fand Folgendes: Der
arbeitende Hund hat ein erheblich muskulöseres und leistungs¬
fähigeres Herz, wie der 2. Hund, der nur wenig bewegt wird.
Das Herz wird so kräftig, dass es dem Herzen eines Rehes, eines
Tieres, welches ja grossen körperlichen Anstrengungen sich schnell
anpassen kann, nahe kommt. Ausserdem fand K. die überraschende
Tatsache, dass alle inneren Organe, vor allem aber die Leber, an
Gewicht zunehmen, die Leber wohl deshalb, weil sie im Stoffwechsel
des Körpers eine wesentliche Rolle spielen muss.
Die beim Tier nach Muskelarbeit auftretende Temperatur-
.steigerung gleicht sich bald aus. Interessant ist die von K. beob¬
achtete Wasseraufnahme de.s Hundes. Der Hund nimmt stets
genau die gleiche Menge Wasser auf, die er durch Laufen an
Gewicht verloren hat.
Diskussion: Herr Moritz-Giessen hat bei Soldaten, deren
Herzfunktion ganz normal schien, radiographische Herzmessungen
gemacht und bei einer Anzahl derselben zu grosse Herzmasse ge¬
funden. Die meisten dieser letzteren Fälle waren Radfahrer.
Herr Dr. Se li g-Frauzensbad berichtet anschliessend an frühere
Beobachtungen an Fussballspielern die Ergebnisse von Unter¬
suchungen an 21 Berufsringern. Nach der ganz enormen Muskel¬
arbeit war in sämtlichen Fällen eine sehr bedeutende Pulsbe-
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354
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 34.
schleunigung bia 185 in der Minnte, Blutdnicksenkung bis 40 mm
Gärtner, Respirationen bis 50 pro Minute, Verlagerung des Herz-
spitzenstosses und in fast allen Fällen das Auftreten von Eiweiss
im Ham nach dem Hingen zu konstatieren. Im Sediment findet
man nebst Epithelien, weissen und roten Blutkörperchen sehr
häufig auch hyaline und granulierte Zylinder. Die Eiweissmessungen
sind oft bedeutend, bis 1 Prora. Esbach, häufig schon nach kurzer
Muskelarbeit. Der Vortragende hält es für dringend geboten,
angesichts des Auftretens von Eiweiss schon nach relativ kurzer
Anstrengung Urinuntersuchungen auf Eiweiss stets nach längerer
Ruheperiode vorzunehmen, um Fehlschlüsse zu vermeiden. Die
orthostatische und Ermüdungsalbuminerie haben nicht die ernste
Bedeutung, wie der konstante Eiweissbefund bei pathologischen
Veränderungen der Nieren.
Herr Hering-Prag frägt, mit welchem Instnimente die Blut¬
druckmessungen gemacht worden seien, worüber Herr S. Aufschluss
erteilt.
Herr L e n n h of f-Berlin berichtet über seine früheren Unter¬
suchungen an Ringkämpfern betr. des Herzbefundes, Blutdmck,
Eiweiss- und Zylindergehalt des Harnes und betont speziel aucli
die häufig gefundenen Temperatursteigerungen,
35. Kongress der Deutschen Gesellschaft
für Chirurgie.
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Wullstein-Halle a, S.; Ein neues Operationsver¬
fahren bei der Hernia inguinalis.
W. hat bisher allerdings erst bei 10 Patienten, von denen
er mehrere demonstriert und von denen der älteste vor etwas mehr
als 1 Jahr operiert ist, eine Operationsmethodo angewandt, durch
die er den Leistenkanal völlig zum Verschwinden bringt und zwar
in einer Weise, bei der dem Samenstrang im Gegensatz zu Bassini
oder sonstigen Modifikationen der Bassinischen Operationsmethode
in seinem Verlauf ein beliebig grosser Spielraum gewährleistet ist.
Der Leistenkanal wird wie bei Bassini bis etwas über den ab¬
dominellen Leistenring hinaus gespalten in seinen 4 Schichten —
Aponeurose des Extemus, Internus, Transversus und Fascia trans¬
versa — und der Bruchsack möglichst hoch abgetragen. Nach
Reposition des Samenstranges in das lockere properitoneale Fett¬
gewebe werden die genannten 4 Schichten unter völligem Ver¬
schluss des abdominellen Leistenringes bis zur Gegend des sub¬
kutanen Leistenringes hin mit dem Poupartscheu Bande vernäht
und darauf unmittelbar über der Symphyse aus der vorderen Reo-
tusscheide und dem inneren Ringanteil des subkutanen Leistenringes
ein Lappen gebildet, welcher sich nach oben und aussen in die
aponeurotische Ausstrahlung des Externus, Internus, Transversus
und der Fascia transversa fortsetzt.
Dieser der vorderen Rectusscheide entnommene, aponeurotische
Lappen wird plastisch hinter dem Rectus und zwar zwischen die
Schicht des properitonealen Fettgewel)e.s und des hier ja hinten
.scheidenlosen Teiles des M. rectus plastisch verlagert und durch
3 Nähte fiixiert.
Der bis zum subkutanen Leistenring schon im properitonealen
Fettgewebe verlaufende Samenstrang verläuft io der gleichen
Schicht weiter bis zum inneren Rande dieses plastisch verlagerten
Lappens, d. h. ungefähr bis hinter die Mitte des betrefiendeu M.
rectus oder wohl gar noch etwas weiter medialwärts und zwar un¬
mittelbar oberhalb der Symphyse im prävesicalen Raum, schlägt
sich um den Rand dieses pla.sti.sch verlagerten Lappens herum und
kommt nun zwischen Lappen und Muskelsubstanz nach aussen zu¬
rück und am äusseren Rectusrand zum Vorschein.
Zum Schluss werden nun die 4 Gebilde, welche die seitliche
ßauchdeckenwand bilden — Aponeurose des Extemu.s, Internus,
Trau.sversus und Fascia transversa — resp. ihre aponeurotische
Ausstrahlung bis völlig zum Rectusrand hin mit dem Poupart-
sehen Bande vernäht.
Auf diese Weise ist der Leistenkanal in kompletter Weise
beseitigt und zwar, ohne dass der Samenstrang in seinem Verlaufe
an irgend einer Stelle irgend welche Kompression erleidet. Ja, es
sind noch idealere Verhältnisse ge.schaffen als bei der gleichen
Operation beim Weibe, wo man doch immerhin dem Ligamentum
otundum einige Rücksicht schuldig ist.
r
Hr. Graaer-Erlangen: Zur Technik der Radikalope¬
ration grosser Nabel-und Bauchwandhernien. (Fascien-
querschnitt nach Pfannenstiel-Menge.)
Das Problem ist ein sehr schwieriges; auch nach sorgfältig
ausgeführter, gut gelungener Operation folgt nicht selten oder
später ein Recidiv. Je grösser der Bruch, um so geringer die
Aussicht auf Dauerheilung. Busse aus der v. Eiselbergschen
Klinik in Königsberg berechnete 1901 noch 43% Recidive, bei
grossen Brüchen sind die Chancen noch schlechter. Auch die
überaus zahlreichen Vorschläge immer neuer Methoden und Modi¬
fikationen sprechen für die Unsicherheit der bisher erzielten Erfolge.
Mit den Resultaten unserer Baachnähte nach Laparotomien
können wir zufrieden sein, bei Nabelbrüchen liegen die Verhältnisse
ungünstiger wegen der grossen Spannung der Bauchwand bei den
meist sehr fetten Patienten und wegen des Zuges der seitlichen
Bauchmuskiilatur. Einen wesentlichen Fortschritt bedeutete die
1893 durch Gersuny eingeführte Freilegung und Vemähung der
Musculi recti, sie ist aber oft recht schwierig und die Spannung
bei gro.ssen Brüchen sehr hinderlich.
Die günstigen Resultate; welche Pfannenstiel in bezug auf
die Vermeidung von Bauchnarbenbrücken mit seinem Pascienquer-
schnitt erzielte, legten Pfannenstiel seihst schon frühzeitig die
Verwendung dieser Methode zur Beseitigung von Bauchbrüchen
nahe. Menge berichtet im Zentralblatt für Gynäkologie, 1^03,
No. 17, über einige „im Sinne Pf annenstie Is“ operierte Nabel¬
und Bauchbrüche, Er empfahl am Schlüsse dieser Mitteilung eine
Modifikation dahingehend, dass das Vorderblatt der Rectusscheiden
prinzipiell vor jeder Verletzung zu sichern sei und riet daher, die
hintere Rectusscheide einzuschneiden, um die Auslösung und Ver-
nähung der geraden Bauchmuskeln möglichst weit nach oben und
unten ausführen zu können.
Graser vollführte nun zum Teil mit Menge 4 derartige
Operationen bei sehr umfangreichen Nabel- und Bauchbrüchen imd
kann die Methode angelegentlich empfehlen.
Der Eingriff ist ein sehr grosser, die Operationen dauerten
bis zu 3 Stunden; es entstehen enorm grosse Wundflächen, die
zahlreichen versenkten Nähte bei den meist sehr fettreichen Bauch¬
decken sind eine strenge Probe auf die Aseptik, aber der Verlaof
und Erfolg war bei allen 4 Fällen ein über Erwarten ausge¬
zeichneter.
Der Hautschnitt wird quer über die grösste Höhe der Bruch-
geschwulst gelegt; die Länge des Querschnittes betrug zwischen
35 und 50 cm. Der Bruchsack wird bald eröffnet, die Eingeweide
von Verwachsungen befreit, Netz zum Teil reseciert, die verdünnten
Teile des Bruchsackes bis zum Bruchring abgetragen. Nun ist
eine Trennung der Rectusscheiden in ein vorderes und hinteres
Blatt unbedingt nötig. Da eine solche Trennung im Bereich des
narbigen Bruchringes kaum oder doch nur sehr schwer durchza-
führen ist, wird die vordere Rectusscheide in querer Richtung bis
an den äusseren Rand des Rectus beiderseits gespalten und nun.
dem inneren Muskelrand folgend, die ganze vordere Aponeurose in
einem zusammenhängenden Lappen von den Musculi recti abge¬
hoben , indem ängstlich jede Verletzung des Muskels vermieden
wird. Die Auslö.sung der Recti geschieht möglichst stumpf, manch¬
mal besonders au den Inskriptionen muss man mit der Scheere
nachhelfen, es ist mühsam und zeitraubend, aber es geht. Oben
und unten, wo die auseinandergewichenen Recti sich wieder nähern,
jedoch ohne sich zu berühren, kann die Auslösung nur vollendet
werden, indem die hintere Rectusscheide rechts und links von der
Linea alba in der Längsrichtung eingeschnitten wird; dadurch
wird die Vere'nigung hinten in der Mittellinie zwar etwas er¬
schwert, aber man gewinnt dafür einen ganz intakten vorderen
Laj)pen, der in der Mittellinie noch durch die Kommissur (die
frühere Linea alba) beträchtlich verstärkt ist (Menge). Die Be¬
fürchtung, es möchte die vordere Fascie zum Teil nekrotisch
werden, ist durch die Erfahrung widerlegt; auch die Sorge, es
möchten die zurückbleibenden Weichteile nicht zur Bedeckung
ausreichen, scheint nach dem Erfolge in diesen besonders schwierigen
Fällen grundlos zu sein. Es wäre ja ganz unmöglich, die Ränder
des Bruchringes unter Mitfassen der Musculi recti zusammenzu¬
ziehen; es ist aber etwas ganz anderes, wenn die durch chronische
Entzündung verdickten Fascien und Aponeurosenblätter wieder
entfaltet sind. Die Vereinigung gelang immer ohne besondere
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1906.
BOaJICINISCHB WOCHE.
355
Spannung; von der Haut wurde immer noch ein mindestens hand¬
breites Stück weggesohnitten, weil es überflüssig war.
Der Nahtverschluss der Bauchhöhle kann erst beginnen, wenn
die Musculi recti ausgehülst sind. Nun wird das Bauchfell am
besten zusammen mit der hinteren Rectusscheide vertikal vernäht
(Katgutknopfnähte); darüber folgt die Vereinigung der beiden
Musculi recti in der Mittellinie, wobei besonders auf Schonung
der Muskelfasern zu achten ist (ebenfalls Blnopfnähte). Nun werden
die Ränder der vorderen Fascie rechts exakt quer vernäht (Jod-
seideknopfnähte) und endlich das Fett und zuletzt die Haut durch
versenkte und fortlaufende Naht exakt vereinigt. Auf sorgfältigste
Blutstillung wurde besonders geachtet. Ein Glasdrain wurde nur
einmal seitlich durch eine Lücke der vorderen Bauchfascie einge¬
führt, die Wundhöhle ist aber so vielbuchtig, dass man von einem
Drain nicht viel erwarten kann. Stets wurde ein breiter Sandsack
aufgelegt.
Eine Vorbereitungskur von 4—5 Wochen, bestehend in täg¬
lichem Purgieren, schmaler Kost, Kompression mit Schrotsäcken
und Repositionsverfahren wurde bei den grössten Hernien voraus¬
geschickt. In dem Fall dessen Abbildung beiliegt, betrug der Um¬
fang vor der Operation 230 cm.
Bis zum Eintreten der ersten Stuhlentleerung war der Zu¬
stand der Patientinnen ein recht ernster; nach der Stuhlentleerung
waren alle Beschwerden und Sorgen verschwunden. Der Heilungs¬
verlauf der Wunden war stets ein ungestörter.
Der schlimmste Fall ist nun schon seit Jahresfrist in tadel¬
losem Zustand geblieben; nach dem Befund bei der letzten Unter¬
suchung erscheint ein Recidiv fast ausgeschlossen. Bei Anspannung
der Bauchpresse entsteht eine kreuzförmige Einziehung durch An¬
spannung der Recti und der Quemarbe.
Die Operation ist deswegen besonders zu empfehlen, weü sie
annähernd normale anatomische Verhältnisse schafft.
(Fortsetzung folgt).
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 29 .
1 . Müller und Jochmann, Breslau; Heber eine einfache
Methode zum Haohweis proteolytischer Fermentwirknngen (nebst
einigen Ergebnissen, besonders bei der Leukämie).
Beim Studium thermophiler Bakterien fiel es den Verff. auf,
dass Auswurf, der zum Zwecke bakteriologischer Untersuchung
auf sterile Löfflerplatten (Petrischalen die erstarrtes Blutsemm
und etwas Traubenzuckerbouillon enthalten) in grösseren Klümp¬
chen ausgesät und bei 60.—60® gehalten wurde, auf dem Nähr¬
boden mulden- und dellenförmige Einsenkungen erzeugte. Bringt
man z. B. Eiterklümpchen von Zystitis, Gonorrhoe, Furunkeln,
Phlegmonen etc. auf die bei 50® gehaltenen Löfflerplatte, so ent¬
stehen schon nach wenig Stunden rasch sich vertiefende und ver¬
breitende Löcher, sodass sich nach ein bb zwei Tagen der Ver¬
gleich des so veränderten Nährbodens mit der Schnittfläche des
Schweizerkäses aufdrängt. Dem sogen, tuberkulösen Eiter dagegen
kommt im allgemeinen keine Fermentwirkung auf die der Löffler-
platte zu. Eine stark verdauende Wirkung aber hatten das Blut
der myelogenen Leukämie und das Pankreas.
2. Jehle, Wien: Die Rolle der Grubeninfektionen bei der
Entstehung der Genickstarreepidemien.
Es handelt sich um epidemiologische Beobachtungen aus der
Neumühl (Kreis Ruhrort) und Mörs, über die in Fortsetzung von
Nr. 25 der Wiener klin. Wochensc^ift berichtet wird. Es er¬
gibt sich daraus: Die Genickstarre findet ihre epidemische Aus¬
breitung nur auf dem Wege der Gmbe. Diese ist der Herd,
wo sich die Bergleute infizieren und wo sie die Krankheitskeime
in ihre Familie schleppen. Die Ansteckung der Bergleute erfolgt
last ausschliesslich auf der Arbeitsstelle. Zur Verhinderung einer
Weiterverbreitung der Genickstarre ist es vor allem notwendig,
dass die Väter erkrankter Kinder von der Arbeit in der Grube
so lange femgebalten werden, bis sie durch eine entsprechende
Behandlung als Zwischenträger nicht in Betracht kommen. Berg¬
leute, wel(fäe aus infizierten Grubengebieten kommen, müssen als
Zwischenträger betrachtet und entsprechend behandelt werden.
Zur prophylaktischen Behandlung bat sich in allen Fällen die
Pyozyanase (Chemische Fabrik von Lingner, Dresden) als ein
ausgezeichnetes, rasch und sicher wirkendes und vollständig un¬
schädliches Mittel bewährt.
3. R 0 11 y, Leipzig: Pyozyaneussepsis bei Erwaohsenen. Es
handelt sich um eine 28jährig6 Arbeiterin, welche plötzlich, an¬
geblich zu gleicher Zeit mit dem Auftreten einer sehr starken
Menstruation, an Kopf- und Rückenschmerzen und Fieber erkrankte'
Am 4. Erkrankungstage kommt Pat. in die Klinik, und es konnten
sofort bei der Aufnahme die klinischen Symptome einer Menin¬
gitis neben Zeichen von allgemeiner septischer Infektion erkannt
werden. Es bestanden Nackensteifigkeit, Schmerzhaftigkeit der
Halswirbelsäule, der Wadenmuskulatur, Flecke auf der Haut, welche
wie hämorrhagische Hautembolien aussahen, hauptsächlich an den
distalsten Teilen der Extremitäten lokalisiert waren, ferner leichter
Ikterus, geringe katarrhalische Angina, starke Vergrösserung der
Milz, hohes Fieber usw. Eine am 5. Krankheitstage ausgeführte
Untersuchung des Blutes und der Lumbalpunktionsflüssigkeit klärte
das ganze Krankheitsbild auch ätiologisch auf, insofern bakteri¬
ologisch im Blut und der Lumbalpunktionsflüssigkeit der Bazillus
Pyozyaneus in Reinkultur gefunden wurde. Es konnten an diesem
Tage in 20 ccm bei derselben kulturellen Untersuchungsmethode
380 und am 10. Krankheitstage in 20 ccm 600 lebensfähige
Pyozyaneuskeime kulturell nachgewiesen werden. Auch in der
Lumbalpunktionsflüssigkeit wurden Pyozyaneusbazillen am 6. und
10, Krankheitstage in Reinkultur gefunden. Im weiteren Verlauf
der Erkrankung zeigten sich neue Flecke auf der Haut, die alten
wurden grösser, es traten Benommenheit, Delirien, Meteorismus
ohne Durchfälle hinzu, die anfangs geringfügige, anscheinend
katarrhalische Angina verschlimmerte sich, und es erfolgte am
11. Krankheitstage im tiefen Koma der Exitus letalis.
4. Spielmeyer, Freiburg L B.: Hemiplegie bei intakter
Pyramidenbahn (intrakortikale Hemiplegie).
In diesem Befunde einer Rindenerkrankung, bei der die
Zellen der motorischen Region in grosser Ausdehnung zu Grunde
gehen, die Ursprungszellen aber der kortikomotorischen Bahn ver¬
schont bleiben ist die Erklärung für das Zustandekommen der
Halbseitenlähmung dadurch gegeben, dass der Prozess, der in
diesem Palle zur Hemiplegie geführt hat, sich jenseits des zen¬
tralen motorischen Neurons, sich jenseits der unmittelbaren Ur¬
sprungszentren der Pyramidenbahn abgespielt hat.
5. Rumpf, Ebersteinburg (Baden-Baden): Zur Prognose der
Lnngentnberknlose.
R. benutzt die Schmidtsche Statistik aus Friedrichsheim
und berichtet über die Kurerfolge, die an 990 Kranken im Jahre
1900 und 1901 angestellt worden waren.
Davon waren im 4. Jahre nach der Elntlassung
noch arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben
541 = 54,7«Ä, 108 = 10,9%. 341 = 34,4®/o.
Bei der Entlassung aus der Heilstätte waren nirgends mehr
Rasselgeräusche zu hören bei 308 Kranken. Hiervon waren im
4. Jahre
arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben
276 = 89,6®/o, 18 — 6,8®/o, 14 =» 4,6®/o.
Es waren noch Rasselgeräusche (nicht klingend) zu hören bei
356 Kranken. Hiervon waren im 4. Jahre
arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben
223 = 62,6®/o, 53 = 14,5®/fe, 80 22,9®^.
Klingende Rasselgeräusche waren zu hören bei 326 Kranken.
Hiervon waren im 4. Jahre
arbeitsfähig nicht arbeitsfähig gestorben
42 = 12,9®^, 37 ll,3®/o, 247 = 75,8®^.
6. Rothfuchs, Hamburg; Heber Selbstmordversuche.
Was ist die Ursache des Anwachsens der Selbstmorde, und
ist es nicht möglich, dieser Zunahme zu steuern? Gestützt auf
die Erfahrung bei den in den letzten 6 Jahren in das Hafen¬
krankenhaus zu Hamburg noch lebend eingelieferten 375 Selbst-
mordkandidaten, versucht R. diese Frage zu beantworten. Eine
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356
MEDICmiSGHE WOGHB.
Nr. 34.
grosse Rolle spielt dabei der Alkohol. Unter den Selbstmord-
kandidateQ. die allen Ständen angebörten, befanden sich viele,
die durch chronischen Alkoholmißbrauch materiell und moralisch
verkommen, geistig und körperlich so geschwächt waren, dass sie
den Anforderungen, welche das Leben der drossstadt an den
Elinzeinen stellt, nicht mehr gewachsen waren, den Kampf ums
Dasein aufgaben und nun Hand an sich legten. Bei den 53
Selbstmördern, die zur Sektion kamen, fand R. in keinem Falle
eine akute Erkrankung, dagegen häufig Zeichen von chronischem
Alkoholismus und einige Male Lungen- und Darmtuberkulose. Die
Frage, ob es möglich ist, der Zunahme der Selbstmorde zu steuern,
möchte R. mit ja beantworten. Wenigstens ist dies bis zu einem
gewissen Grade möglich. Wir sehen, welch unheilvolle Folge
allein der Alkohol spielt. Hier wäre zunächst der Hebel anzu¬
setzen. Segensreich könnten hierbei alle die wirken, welche ver¬
möge ihres Beruis Einfluss auf das Volk besitzen, als Aerzte,
Geistliche, Lehrer. Ferner müssten die Behörden eingreifen
(Verringerung der Schnapskneipen und Errichtung von Trinker¬
asylen und Arbeitshäusern).
7. Grube, Bad Neuenahr; Die Anwendimg der Hyperämie
nach Bier bei einigen Erkrankungen der Diabetiker.
G. hat das Bier-Klappache Verfahren sowohl bei Zucker¬
kranken der schweren wie der leichten Form, sowohl bei ein¬
fachen wie bei schweren Furunkeln und bei Karbunkel und bei
diabetischem Fussgeschwür und diabetischem Gangrän angewendet.
8 . Raab, München: Die Elektrotiierapie der Kreislaufs*
erkrankungen.
Schluss folgt.
9. Viereck, Hamburg: Die Homanowskyfärbung nach
May.
Die May sehe Methode bedeutet keine Verbesserung der Ro-
manowskyfärbung.
10. Schmidt, Dresden: Ein Fall von Ganglion am Knie¬
gelenksmeniskus .
Ein gutartiger, in der Nähe eines Gelenks ohne Kommuni¬
kation mit diesem sitzenden Tumor, der in einem bindegewebigen
Stroma lange gewachsen war und keinerlei Entzüudungserschein-
ungen in der Umgebung zeigt. Im Innern enthält er zahlreiche
mit gallertartiger Flüssigkeit gefüllte Hohlräume, die durch ein
ziemlich kernartiges, weissliches Bindegewebe von einander ge¬
trennt sind. Das alles sind Merkmale, welche die Diagnose
,Ganglion“ rechtfertigen.
11. Hofmann, Karlsruhe: Vereinfachtes Exstensionsver-
fahren.
Ein Elxtensionsverfahren, welches durch den Wegfall des
ganzen Rollensystems eine wesentliche Vereinfachung darstellen
dürfte. Das Prinzip beruht darin, dass der Längszug in einen
queren Zug nach beiden Seiten hin utngesetzt wird.
12. Riehl, München: Beitrag zur Bierschen Stauung.
Ein alter Schäfer hatte zu Gunsten einer alten Beinquetschung
schon lange das Bi er sehe Stauungsverfahren geübt, um die
Schmerzen im Beine, die ab und zu auftraten, los zu werdea Er
schnürte dann mit einer Binde allemal das Bein ab.
13. Magnus: Die Tätigkeit der Hiere.
Magnus tritt für die Sekretionstheorie ein. Für die Filtra¬
tions- und Rückresorptionstheorie existieren erstens keine zwingen¬
den Beweise und zweitens stehen eine Reihe von Tatsachen und
experimentellen Ergebnissen zu ihr in direktem Widerspruch.
14. Thorei, Nürnberg: Wie schhtzeu wir uns und unsere
Diener bei Sektionen?
Im Sektionssaale des allgemeinen Krankenhauses zu Nürnberg
hängen gedruckte „Vorschriften für die Sektionsdiener zur Ver¬
meidung von Infektionen“ aus. Gummihandschuhe erfüllen nur
dann ihren Zweck und verringern die Infektionsgefahr, wenn die
Hände während der Sektionen unter den Handschuhen auch wirk¬
lich rein, völlig rein und trocken bleiben; ist das nicht der Fall,
so kann das Anbehalten der Gummihandschuhe während der Sek¬
tionen sogar die Gefahr zur Infektion vergrössem. Die Hand¬
schuhe (bezogen von Sohack undPearson, Hamburg, Matten-
twiete 2, Preis 3,30) leiden nicht; anch ist das handliche Steri¬
lisierkästchen für Handschuhe (bezogen von Max Hofmann.
Nürnberg, Museumsbrücke, Preis 19 M.) warm zu empfehlen.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 28 .
1. Bonhoeffer, Breslau: Veber die Bedeutung dar Jack*
BOUBoben Epilepsie fVur die topische Himdiagnostik.
Was sich zurzeit über die Bedeutung der Jackson sehen
Epilepsie für die Diagnostik sagen lässt, bedeutet im wesentlichen
eine Einschränkung früherer Auffassungen und lässt sich dahin zn-
sammenfassen: Die Jackson sehe Epilepsie ist ein häufiges
Symptom organischer Erkrankungen der Zentralwindnngen.
Sie findet sich aber auch als Fernsymptom eines von der
motorischen Rinde entfernt gelegenen Herdes derselben Hemis¬
phäre.
Rindenepilepsie von Herden der gegenüberliegenden Seiten
ausgelöst, scheint vor allen Dingen bei Kleinhirnaffektionen vorzu¬
kommen. Hier betrifft dann der Krampfanfall die Seite des Him-
herdes, und es handelt sich wohl um eine Reizübertragung durch
die kortikopetalen Kleinbirnbahnen. Bei allgemeiner Disposition
zu epileptischen Anfällen, sei diese durch genuine Epilepsie oder
durch chronischen Alkoholismus oder eine andere Intoxikation ge¬
geben, treten vor allem dann gelegentlich halbseitige Krampfanfälle
auf, wenn in der entsprechenden Himhälfte irgendwo ein alter
Herd sitzt. Diese halbseitigen Krampfanfälle zeigen oft dadurch
ihre Zugehörigkeit zur genuinen oder Alkoholepilepsie, dass das
Bewusstsein während des Anfalles völlig verlischt.
Es kommt Jackson sehe Epilepsie vor, ohne dass eine ana¬
tomische Grundlage auffindbar ist. Hier muss man vorläufig von
genuiner Jacksonscher Epilepsie sprechen. Rindenepilepsie kann
der Ausdruck eines Hydrocephalus internus sein. Gehäufte kor¬
tikale Anfälle in Verbindung mit anderen cerebralen Herd- and
Allgemeinerscbeinungen können klinisch die Diagnose auf Gehim-
abszess oder Gehirntumor stellen lassen, während der Obduktions¬
befund völlig im Stich lässt.
2. Hoffa, Berlin: Ueber Böntgenbilder nach Sanerstoffein-
blasnng in das Kniegelenk.
Nachdem H.s Assistent Dr. Wollenberg gemeinsam mit
dem bekannten Drägerwerk in Lübeck einen Sauerstoffeinblasungs¬
apparat konstruiert hat, durch welchen die — übrigens absolut
unschädliche — Sauerstoffinjektion auch zu einem technisch über¬
aus einfachen, schnell zu erledigenden Verfahren geworden ist,
findet die Methode in H.s Klin ik eine ausgedehnte Anwendung.
Das Prinzip des W ollen b er gsehen Apparates ist folgendes:
Der Sauerstoff wird in einem geschlossenen Gefässe durch Kata¬
lyse von chemisch reinem Wasserstoffsuperoxyd unter Druck ent¬
wickelt, und zwar dienen als Katalysator kleine Tabletten von
gepresstem Kalium permanganicum. Eine Anzahl von Bildern
lehren die grossen Vorzüge, welche die Sauerstoffinsufflationen für
Röntgenzwecke vor den gewöhnlichen Röntgenaufnahmen haben.
Die Methode ist nicht besonders schmerzhaft; sie lässt sich ambu¬
lant ausführen. Manche Pantienten, die an schmerzhaften Gelenk¬
affektionen litten, geben sogar an, nach der Einblasung eine
wesentliche Erleichterung ihrer Beschwerden gehabt zu haben.
3. Wolff-Eisner und Rosen bäum, Berlin: Heber das
Verhalten von Organrezeptoren bei der Antolyse, spes. der
tetannsbindenden Substanz des Gehirns.
Diese Versuche haben ergeben, dass die autolytische Ver¬
dauung ein Vorgang ist, der ebenso wie er die spezifischen prä-
zipitinatislösenden Eigenschaften des Eiweisses zerstört, wie er
die spezifische Giftigkeit aufhebt (oder wenigstens sehr wesentlich
heralisetzt), wie er die Giftwirkung der Leibesaubstanzen der
Bakterien vernichtet, in gleicherweise die Rezeptoren vernichtet,
welche an den Zellen sitzen und im Sinne der Ehrlichschen
Seitenkettentheorie die Giftbindung bewirken.
4. Käst, Berlin: Bttokläufige Strömung in der Speiseröhre
als Erklärung der belegten Zunge.
Der Belag der Zunge, vorausgesetzt, dass keine lokalen Er¬
krankungen der Mundhöhle oder Speiseröhre vorliegen und keine
ungewöhnliche Beschaffenheit der Zunge selbst vorliegt, hat die
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1906.
MEDIcmiSCHE WOCHE.
357
Bedeutung, dass daraus auf einen vermehrten Transport von Sub¬
stanzen resp. solchen abnormer Substanzen atis dem Magen ge¬
schlossen werden kann. Abgesehen von Momenten der Nahrungs¬
aufnahme (Kauen, Speichelsekretion und Blutfüllung etc.) kommen
uls Ursache hierfür motorische oder rein chemische Vorgänge oder
eine Kombination beider im Magen in Betracht, natürlich auch
die Qualität der Nahrung oder verminderter Verschluss des Magens
gegen die Speiseröhre (Neurasthenie, Atonie, Splanchnoptose etc.),
oder, und das dürfte das gewöhnliche sein, eine Kombination
mehrerer dieser Faktoren. Für diese Gründe ist es ganz gleich,
ob es primäre Störungen oder Magenfunktionen sind, oder sekun¬
därer Art (Kachexien, Darmerkrankungen, fieberhafte Krank¬
heiten etc.).
5. Rodari, Zürich: Zur Frage der Heilbarkeit der ohro-
uisohen Gastritis.
Von der Idee ausgehend, nicht nur peptisch die ungenügende
oder völlig fehlende Verdauung zu unterstützen, sondern auch
die Qärungs- und Fäulnisprozesse im Magen, die unter solchen
Umständen immer auftreten, einzuschränken, verordnet R. seit
etwa einem Jahre eine Komposition von Papain mit einem neuen
Magendesinfiziens, von dessen wirklich ausgezeichneter Wirkung
er sich schon in vielen verschiedenartigen Fällen hatte überzeugen
können, nämlich eine Superoxydverbindung der Magnesia usta, das
sogenannte Magnesiumsuperoxyd oder Magnesiumperoxyd. Dieser
Papain-Magnesiumsuperoxyd-Komposition ist noch Benzonaphthol
und Natrium bicarbonikum zugesetzt und die Firma Sauters
Laboratorium in Genf stellt das Präparat unter dem Namen Pep¬
sorthin her.
6. Kümmell, Hamburg-Eppendorf: Heber moderne Nieren-
Chirurgie, ihre Diagnose nnd Resnltate.
7. Kettner, Berlin: Heber Kleinkalibersohnssverietznngen.
Auch diesmal, sagt K., hat die konservative Chirurgie domi¬
niert und die erfreulichsten Erfolge gezeitigt, die uns lehren, dass
in Zukunft in der Front zeitraubende-Operationen immer seltener
werden dürften, dass vielmehr alles darauf ankommt, die ver¬
wundeten transportfähig zu machen und sie so schonend wie mög¬
lich nach rückwärts zu evakuieren. Können wir der Bewältigung
der ersten Aufgabe, die auch dem Nichtchirurgen mehr als bisher
ein helfendes Eingreifen bei den Verletzten ermöglicht, mit einer
gewissen Ruhe in einem Zukunftskriege entgegensehen, so dürfte
die Lösung des letzteren Problems, wozu ich auch das Äufsammeln
und Wegschaffen der Verwundeten vom Kampfplatze rechne, bei
den enormen Ausdehnungen moderner Schlacbtlinien und der kilo¬
meterweiten Distanz zwischen ihnen imd den Verbandplätzen noch
manche Schwierigkeiten bereiten.
Nr. 29.
1. Martin, Greifswald: Die Behuidlong des Puerperal¬
fiebers mit Antistreptocoooenserum.
Das Menzersche Serum wurde in der Greifswalder Frauen¬
klinik mit Erfolg gebraucht. Ein Nachteil für die Wöchnerinnen
durch die Serumbehandlung ist in keinem Falle beobachtet worden,
obgleich bis zu 120 ccm eingespritzt worden sind. Die event.
erythematösen und urticariaähnlichen Hautausschläge verschwanden
stets nach kurzer Zeit. Bei einer rektalen Temperatursteigerung
über 38,5, wird die Sekretentnahme gemacht. Haben sich im
Ausstrichpräparat Gonoooccen nicht finden lassen, so werden gleich
am ersten Tage der Temperatursteigerung 20 ccm Menzer ge¬
geben. Fällt die Kurve nicht am nächsten Tage dauernd unter
38,0® herunter, so werden wieder 20 ccm gegeben, event. am
3. Tage noch einmal. Dauert das Fieber bis zum 6. Tage nach
dem ersten Temperaturanstiege und länger, so wird vom 6. Tage
an wieder 3 mal je 20 ccm gespritzt.
2. Hirsch, Kudowa: Die Einwirkung des Vierzellenbades
auf den Blutdmok.
H. kann ihm doch nicht die Fähigkeit zusprechen, den Blut¬
druck nach Wunsch zu ändern, wie es Schnöe getan hat. H.
will damit aber den Wert des Vierzellenbades nicht schmälern.
3. Rosenfelcl, Breslau: Fett nnd Kohlenhydrate.
Wir haben das Fett zwar als Brennstoff nicht aber als Zünd¬
stoff anzusehen. Der Zündstoff für die Fette sind die Kohlen¬
hydrate. Die Kohlenhydrate spielen etwa die Rolle einer Art
Katalysatoren für die Fette. Wir müssen aber die Kohlenhydrate
keineswegs allein in der Nahrung suchen, nicht nur mit den
nativen Kohlenhydraten rechnen, sondern auch mit den aiis Biweiss
entstandenen. Die Mengen der Kohlenhydrate, welche zur Ver¬
fügung stehen, stehen in einem gewi.ssen Verhältnis zu der Fett-
verbfenmiug und dem durch ihren Ausfall bedingten Eiweiss-
Defizit.
4. Blume, Kopenhagen: Zur bakterioskopisohen Frühdiag¬
nose der Lungentuberkulose.
In dieser Mitteilung werden Fälle bakterioskopischer Diagnose
besprochen, wo die Kranken weder husteten noch spuckten. Mit
Hilfe eines kleinen Wattebausches auf dem Lar3mxstilett wurde
eiu wenig Schleim vom Kehlkopfinnem entfernt und sofort auf ein
Deckgläschen aufgerieben. Nach Doppelfärbung zeigten sich im
Präparate zahlreiche Epithelzellen, einige Eiterzellen und Schleim.
Bei genauem Nachsehen fanden sich oftmals vereinzelte Tuber¬
kulose. Die hier angegebene Methode bewährt sich auch in Fällen,
wo ein spärlicher Auswurf erhältlich ist. Die Untersuchung geht
leichter, wenn das Deckgläschen mit Larynxschleim beschickt
wird, indem man die zeitraubende Aufsuchung geeigneten Ma¬
terials vermeidet.
5. Kümmell, Hamburg-Eppendorf: Heber moderne Nieren-
obirurgie, ihre Diagnose nnd Resultate.
Seine Erfahrungen über die Kryoskopie des Blutes fasst K.
in folgende Schlussfolgerungen zusammen: Bei intakten Nieren ist
die molekulare Konzentration des Blutes eine konstante und ent¬
spricht im Durchschnitt einem Gefrierpunkt von 0,56. Einseitige
Erkrankung bedingt keine Störung des Gefrierpunkts des Blutes.
Der normale Gefrierpunkt beweist nur, dass soviel normales funk¬
tionsfähiges Nierengewebe vorhanden ist, als zur vollständigen
Ausscheidung der Stoffwechselprodukte notwendig ist. Der
Ureterenkatheterismus ist stets notwendig. Nach K.s zahlreichen
praktischen Erfahrungen deckt sich im allgemeinen ein normaler
Gefrierpunkt mit einer funktionsfähigen, wenn auch nicht gesunden
zweiten Niere. Bei einem Vorhandensein einer gesunden Niere
war der Blutgefrierpunkt stets normal. -Derselbe zeigte sich auch
normal bei einer nicht gesunden, jedoch wegen der grösseren
Menge normalen Nierengewebes funktionsfähigen einen Niere.
Eine Gefrierpunktserniedrigung des Blutes gibt an, dass beide
Nieren nicht vollkommen funktionsfähig sind. Sinkt J auf— 0,6,
so sollte man nach unseren bisherigen Erfahrungen von einer
Nephrektomie Abstand nehmen und nur eine Nephrotomie aus¬
führen, die Nephrektomie aber erst folgen lassen, wenn sich der
Gefrierpunkt gebessert hat und zur Norm gestiegen ist; falls dies
jedoch nicht eintritt, von einer solchen Abstand nehmen.
6. Friedemann, Berlin: Heber Staubbeseitlg^ang.
Als ein grosser Fortschritt in dieser Richtung ist der neuer¬
dings in den Handel gebrachte „Vakuumreiniger“ zu begrüssen.
Das Prinzip dieses Apparates besteht darin, dass durch eine Luft¬
pumpe in einem kesselartigen Raum ein starkes Vakuum erzeugt
wird. Verbindet man diesen Raum mit einem Schlauch, so wird
durch das Ende desselben, welches ein Mundstück trägt, Luft
angesaugt. Bei der Benutzung wird dieses Mundstück dem zu
reinigenden Gegenstand, Möbel, Teppiche etc. genähert und saugt
nun aus diesem den Staub heraus. In dem Kesselraum befindet
sich ein Filter, welches den Staub abfängt und die nunmehr ge¬
reinigte Luft in das Zimmer übertreten lässt.
Für grosse Fussbodenfiächen kommen im wesentlichen Oele
und Abfallsprodukte der Petroleumindustrie, die unter den ver¬
schiedenen Namen (Dustlessöl, Staubfrei, Stemolit, Westrumit etc.)
in den Handel kommen. Sie stellen meist die Form von Emul¬
sionen dar und bilden mit dem Staub zähe Massen, die fest am
Boden haften. Das Dustlessöl wurde vor längerer Zeit an der
bakteriologischen Abteilung des hygienischen Institutes zu Berlin
mit gutem Erfolge angewandt, insofern als die Zahl der Luftkeime,
welche durch unvermeidliche Luftinfektionen beim Arbeiten ent¬
stehen, wesentlich herabgesetzt wurde. Lode stellte vor einigen
Jahren Versuche mit diesen Stoffen an und fand, dass in einem
geölten Schulziinraer nach der Inanspruchnahme um 92 ®^ Luft-
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358
BIBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 34.
keime weniger nachzuweieen waren, als in einem nicht geölten
Zimmer unter den gleichen Verhältnissen. Dieser Effekt war noch
nach 7 Wochen zu konstatieren. Auch die in neuerer Zeit durch
das Kaiserliche Gesundheitsamt vorgenommenen Prüfungen ergaben
ein sehr günstiges Resultat. Das Verfahren verspricht daher für
Räume, die viele Menschen und den mit diesen hereingeschleppten
Strassenschmutz zu beherbergen haben, in Zukunft von grosser
Bedeutung zu werden.
Nr. 30.
1. Much, Eoemer, Marburg: Ueber belichtete Ferkydrase-
miloh.
Perhydrasemilch ist eine Milch, welche ohne Einbusse an ge¬
nuinen Eigenschaften absolut keimfrei gemacht wurde. Die Verff.
haben nun bei diesem von ihnen hergestelltem Präparat die auf¬
fallende Bemerkung gemacht, dass die Milch, wenn sie im Licht
steht, so schlechtschmeckend wird, dass sie garnicht mehr geniess-
bar ist. Genaue Untersuchungen auch au anderen Milchsorten
haben ergeben, dass Licht im Verein mit dem Sauerstoff der Luft
eine Zersetzung des Milch fettes bewirkt, ohne Anwesenheit von
Bakterien.
2. Veuema, Strassburg: üeber Agglutination von Bakterien
der Typhusgruppe durch Oalle.
Die Versuche des Verfassers haben durchweg negative Re¬
sultate ergeben. Es zeigte sich kein Unterschied zwischen Gallen,
welche mit Kochsalzlösung oder mit Typhus- uud Paratyphus-
bazillen versetzt waren, hinsichtlich des Agglutinationsvermögens.
Auch die baktericide Wirkung war gleich Null.
3. Weinstein, Odessa: Ueber die Grundlagen und An¬
wendung der Wright sehen Opsonintheorie.
Wright hat eine Methode angegeben, welche auf der An¬
nahme beruht, dass unter den bakteriotropischen Substanzen eine
besonders hervorzuheben sei, welche die Bakterien derart ver.-
ändert, dass sie eine leichte Beute für die fressenden Leucocyten
werden. Diese Substanz, welche Wright „Opsonine“ nennt, sch^igt
also die Bakterien. Die spezifischen Sera enthalten die Opsonine
und besitzen demnach eine opsonische Kraft. Wright fand nun,
dass es gelingt, durch gewisse Verfahren die opsonische Kraft des
menschlichen Serums zu erhöhen. Das therapeutLsche Verfahren
beruht nun darauf, dass man die opsonische Kraft des Serums
gegenüber der in Frage kommenden Bakterienart bestimmt und
eine entsprechende Vaccine zur Injektion benutzt. Die Resultate,
die Verf. in einigen Fällen von Akne und Furunkulose erzielt hat,
scheinen sehr für das Wright sehe Verfahren zu sprechen. Die
Einzelheiten lassen sich nicht referieren und müssen im Original
naohgelesen werden.
4. Spaether, Duisburg: Ein Beitrag zur Auffassung des
Diabetes insipidus und zu seiner Behandlung mit Strychnin.
Verf. hat bei einem 48jährigen Eisenarbeiter das Auftreten
von Diabetes insipidus nach Kopftrauma beobachtet und kommt
auf Grund dieses Falles und der sonst niedergelegten Beobacht¬
ungen zu der Auffassung, dass der Diabetes insipidus auf eine
Läsion des Bodens des vierten Ventrikels zurückzuführen ist und
dass die erfolgreiche Wirkung des Strychnin darauf beruht, dass
ein hemmender Einfluss auf die Vasodilatatoren der Niere ausge-
tibt wird.
5. Heller, Charlottenburg: Ueber Syphilis der Caruncula
sublingualis.
Verf. hat bei seiner Patientin neben breiten Condylomen der
Genitalien eine irritative Syphilis der Caruncula glandulae sublin-
gualis fe.ststellen können. Ein Befund, welcher immerhin zu deu
Seltenheiten gehört.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 28.
1. V. Pirquet, Wien: Die frühzeitige Reaktion bei der
Schutzpockenimpfang. So unzählige Bearbeiter die Histologie
und Bakteriologie der Vakzine interessiert hat, so wenig hat die
klinische Seite derselben angezogen, v. P. ist aus theoretischen
Gründen an die Impfung herangetreten; sie ist die einzige Infek¬
tion, die wir experimentell am Menschen erzeugen dürfen, und
dadurch bietet sie eine vortreffliche Gelegenheit zu pathologischem
Studium; ihm kam es darauf an, an der Impfung die theoretischen
Vorstellungen über das Wesen der Inkubationszeit zu erhalten, die
er aus der Serumkrankheit gezogen und mit Schick zu einem
System verarbeitet hatte.
Nach der Erstvakzination schlummert der vakzinale Keim
durch zwei bis drei Tage. Daun tritt eine Papel auf, die sieb
zuerst allmählich entwickelt, bis am 7. bis 8. Tage unter Fieber-
erscheinungen eine bedeutende Hyperaemle um die gereifte Impf¬
pustel erscheint. Am 9. bis 11. Tage findet ihr Wachstum einen
kritischen Abschluss. Bei der Vakzineentwicklung erscheint nur
ein Knötchen, das keinen scharfen Höhepunkt erreicht, und all¬
mählich wieder abtrocknet. Die andere Form ist der Erstvakzi¬
nation ziemlich ähnlich: Pustel, Areolabildung, manchmal sehr
starke Allgemeinerscheinungen. Dazwischen gibt es Uebergänge.
Aber das Merkwürdige an allen Formen ist, dass die Entwicklung
gegenüber der Erstvakzination durchweg beschleunigt ist. Alle
Phasen treten in kürzerer Zeit auf — also gerade das Gegenteil
von dem, was mau erwarten sollte. Dieses Verhalten der Revah-
zination ist allen Impfärzten bekannt, bisher ganz unbeachtet ist
aber jeder Impferfolg, den man erhält, wenn man die Re Vakzination
schon in den ersten Monaten nach einer Erstimpfung folgen lässt
Zur Demonstration der Reaktion bei ganz jungen Revakzinatiooen
hat V. P. seinen eigenen Arm als Versuc^feld eingerichtet: er
impfte sich in den letzten drei Jahren sehr hänflg und zeigte ganz
regelmäßig die frühzeitige Reaktion. Die einzelnen Impfungen
verlaufen hierbei ganz selbständig; sie beeinflussen sich in ihrem
zeitlichen und räumlichen Abläufe nicht, wie Sukzessivimpfungen
nach einer Erstvakzination. Die Vakzination bewirkt keine ab¬
solute Immunität, sondern sie verändert die Reaktionsfähigkeit
des Organismus in der Weise, dass er früher reagiert und die
wiederholte Infektion in kürzerer Zeit zum Abschlüsse bringt
2. Neumann und Wittgenstein, Wien: Das Verhalten
der Tuberkelbazillen in den verschiedenen Organen nach intra¬
venöser Injektion.
Die mit den verschiedenen Proben geimpften Meerschweinchen
wurden teils nach ihrem erfolgten Tode seziert und Organstück¬
chen von ihnen zwecks histologischer Untersuchung eingelegt,
teils nach ca. 70 Tagen getötet. Schon eine halbe Stande nach
der Injektion und ebenso in lückenloser Reihe auch noch nach
35 Tagen in allen zur Verimpfung gekommenen Organen konnten
Tuberkelbazillen durch den Impfversuch nachgewiesen werden;
doch nimmt dabei das Ovarium eine Sonderstellung ein, indem
nämlich von den 7 sofort nach der Entnahme erfolgten Impfungen
nur dreimal ein positives Impfresultat zu erzielen war. Dagegen
Hessen sich weseatliche Unterschiede feststellen, wenn Tuberkel¬
bazillen eingeschlossen in die verschiedenen Organe 22 bis 25
Tage lang bei 37® auf bewahrt worden waren. In Uebereinatimm-
ung mit den von Bartel und Neumann erhobenen Befunden
erwiesen sich auch hier die Tuberkelbazillen, suspendiert in Milz,
mesenterialen imd bronchialen Lymphdrüsen der Hunde, die eine
halbe Stunde, 24 Stunden, 3 Tage, 7 Tage und 11 Tage nach
der intravenösen Injektion getötet worden waren, nach diesem
Zeiträume ausser stände, eine allgemeine Tuberkulose der Impf¬
tiere hervorzurufen. Aber nicht nur diesen lymphoiden Organen,
auch der Leber und dem Ovarium kommt diese Eigenschaft zu,
auch hier erhielten N. und W. in keinem dieser Fälle durch Ver¬
impfung der aufbewahrten Proben eine Tuberkulose des Impf¬
tieres. Anders aber war das Verhalten des Lungengewebes. Es
scheint sich darin die auffallend geringe Widerstandsfähigkeit des
Lungenparenchyms einer Tuberkelinvasion gegenüber zu bekunden.
Ebenso bemerkenswert war denn auch der Obduktionsbefund eines
35 Tage nach intravenöser Injektion getöteten Hundes. Obwohl
hier alle Organe ein positives Impfre.sultat ergaben, Hessen nur
die Lungen makroskropLsch tuberkulöse Veränderungen erkennen.
3. Lucksch, Czernowitz; Ueber eine Dysenterieepidemie.
Im August des vorigen Jahres brach in der Czernowitzer
Landesirrenanstalt eine Dysenterieepidemie aus, und es herrschte
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1906.
MEDIGIKISCHE WOCHE.
359
ausserdem im ganzen Lande während der Monate August, Sep¬
tember, Oktober and November diese Seuche. Die Epidemie setzte
mit typischen dysenterischen Erkrankungen ein und befiel die
Kranken ohne Rücksicht anf ihren körperlichen Zustand (also
nicht bloss die marantischen). Sie führte nur bei vorher sehr
herabgekommeuen Patienten im akuten Stadium zum Tode. Be¬
züglich der Verbreitung der Epidemie hat wohl augenscheinlich
die Eontaktiniektion die grösste Rolle gespielt; die Kontaktinfek¬
tion, die schon unter geistig normalen Menschen, die in grosser
Zahl in ungenügend grossen Räumlichkeiten beisammen wohnen,
sehr leicht eintritt, wurde hier durch den geistig abnormalen Zu¬
stand der Patienten natürlich nur noch gefördert; dazu kam noch,
dass in der Anstalt stets eine grosse Üeberfüllung herrscht, da
dieselbe für 150 Patienten berechnet ist und durchschnittlich
320 Irre beherbergt. Das wirklich von einer Infektion gesprochen
werden kann, beweist der Umstand, dass stets dann, wenn
Patienten ans der Isolierabteilung auf ihre frühere Abteilung zu¬
rückgebracht worden, die Krankheit neu aufflackerte, welche Er¬
scheinung sich zwei- oder dreimal wiederholte. Für die Auffassung
der Erkrankung als einer epidemischen würde ferner sprechen,
dass ein Wärter sm Dysenterie erkrankte und dass die Herren
der Anstalt selbst sehr häufig an Durchfhllen mit schleimigen
Stühlen litten. Da die Dysenterie sonst immer als eine Trink¬
wassererkrankung katexochen hingestellt wird, die sofort mit der
Ausschaltung des schlechten Trinkwassers sistiert, scheinen die
bei der besprochenen Epidemie gewonnenen Erfahrungen deshalb
bemerkenswert, weil daraus hervorgeht, dass nicht immer das
Trinkwasser bei der Dysenterie die grösste Rolle spielt, sondern
dass der erkrankte Mensch als Hauptquelle der Infektion anzu¬
sehen ist; diese Ansichten haben ja auch bezüglich des Typhus
seit Kochs Untersnchungen in den Rheinprovinzen an Boden ge¬
wonnen und es ist deshalb von Wichtigkeit, festzustellen, dass
auch für andere Infektionskrankheiten in diesem Palle für Dysen¬
terie, dieselben Verhältnisse obwalten können.
4. Jangmann, Wien: Technisoh-therapeutisolieMitteilungen
zur Lupusbehandlung, spez. zum Finsenbetrieb.
J. berichtet über ein neues Modell einer manuellen Druck¬
linse, die in der „Heilstätte für Lupuskranke“ (Prof. E. Lang)
im Gebrauche ist; ferner über ein Modell automatischer Druck-
Imsen, über eine antomatische Zangendrncklinse und über Verein¬
fachungen beim Linsenwechsel.
5. Jellinek, Wien: Zur kausalen Thiosinammbehaudlung
des Malnm Dupuytren.
J, berichtet von einem Malum Dupuytren bei einem Patienten,
welcher an Atheromatose der Gefhsse (64 Jahre alt) und etwas
Lnngenemphysem litt, der aber sonst keinerlei nervöse oder kon¬
stitutionelle Krankheitserscheinungen darbot. Die Therapie,
welcher nur die linke Hand unterzogen wurde, war eine aus¬
schliesslich lokale. Es wurden zunächst in kleineren, später in
grösseren Intervallen Injektionen einer 15%igen alkoholischen
Thiosinaminlösung und zwar direkt in die kranke Palmarfascie
appliziert; zu den Einstichatellen wurden die verhärteten Knoten
und Stränge gewählt. Die Stellen wurden vorher entweder durch
Chloräthyl oder durch Kokaininjektion anaesthesiert, da die In¬
jektionen im allgemeinen schmerzhaft waren. Injiziert wurden
zwei bis drei, höchstens fünf Teilstriche einer Pravazspritze. In
den Zwischenzeiten hatte der Patient seine linke Palma in einem
Verband von 10% Thiosinamiupflastermull. Eine andere Therapie,
wie sie z. B. auch von Len ge mann verwendet wurde, (Bäder,
Massage etc.) wurde bei diesem Falle nicht geübt.
6 . Salus, Prag: Heber Aggressine.
Eine Erwiderung auf den in Nr. 25 dieser Wochenschrift
erschienenen Vortrag von Dörr.
7. Escherich: Der Verein „Bäugliugssobutz“ auf der
Lygienisohen Ausstellung iu der Rotunde 1906.
Eine ausserordentlich interessante Besprechung der Aua-
stellnng, welche der Verein „Säuglingsschutz“ im Vereine mit
den erzherzoglich Fried rieh scheu Domänen in der Gruppe III
veranstaltet hat und welche sowohl ihrem Umfange als ihrem In¬
halte nach die erste und bedeutendste derartige Schaustellung auf
österreichischem Boden darstellt. Bedeutet sie doch für Oester¬
reich den Anfang und hoffentlich den Ausgangspunkt einer grossen
und wichtigen Aktion, die zu den dringensten Aufgaben der mo¬
dernen Hygiene zählt: die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit
und der Prophylaxe des frühen Kindesaltera, das wie keine andere
Lebensperiode so für Infektion empfänglich ist. Die Ausstellung
sollte nicht nur die Ziele und die Leistungen der Vereinstätigkeit
zur Anschauung bringen, sondern auch durch Gegenüberstellung
zweckmäßiger unhygienischer Einrichtungen direkt belehrend und
erziehlich wirken.
Vermischtes.
Aerztliche Studienreise 1906. Seine kgl. Hoheit der Gro&s-
herzog von Baden hat den Teilnehmern der diesjährigen' Studien¬
reise den Besuch der Insel Mainau gestattet und den Wunsch ge-
äussert, die Teilnehmer auf der Insel Mainau zu sehen und das
Komitee zu empfangen.
In das Programm der diesjährigen Reise ist ferner der Be¬
such von Glotterbad, Salzburg, Sigmaringen, Donaueschingen und
Dürrheim aufgenommen worden, Meldungen werden noch bis zum
25, August angenommen und sind nach Berlin, Kaiserin Friedrich-
Haus, Luisenplatz 2—4 zu richten.
Nach der Eröffnungssitzung in Heidelberg am 2. September
vormittags 9 Uhr, für welche die Herrn Geh. Rat Prof. Dr. Vier-
ordt und Fieiner Vorträge übernommen haben, findet die Besich¬
tigung des neuen Institutes der medicinischen Poliklinik statt und
wird daselbst gleichzeitig eine Ausstellung der neuesten ärztlichen
Apparate von Seiten der Firmen, welche diese medicinische Poli¬
klinik eingerichtet haben, veranstaltet werden.
Heber Pyrenol von Dr. F. Walther, Leipzig. (Thorap. Neu¬
heiten No. 3, Leipzig 1906.)
In knapper gut übersichtlicher Form gibt Walther eine GesarotUbor-
sicht der bisher mit Pyrenol erzielten therapeutischen Resultate.
Die Wirkung des Pyrenol ist im wesentlichen expektorierend, sedativ,
antipyretisch und antirheumatisch Auf Blutdruck und Puls übt es nicht
wie fast sämtliche Salicylpräparato einen ungünstigen Einfluss aus, sondern
erweist sich im Gegenteil tonisierend und exzitierend. Magen und Darm
leiden auch bei längerem Gebrauch in keiner Weise, der Appetit bessert
sich. Ueberbaupt fehlen nach dem übereinstimmenden Urteil sämtlicher Au¬
toren irgendwelche schädlichen Nebenwirkungen vollständig. Am eklatan¬
testen ist die günstige Wirkung beim Asthma. Hier ruft es erhebliche Er¬
leichterungen, öfters sogar der Atemnot hervor. Die Absonderung wird ver¬
mindert, die Anfälle abgeschwächt, oft kupiert. Bei Pertussis wird es gleich¬
falls mit grossem Nutzen angewendet. P^nol verringert die Zahl der
Anfölle, nimmt ihnen ihren krampfartigen Charakter nnd kürzt im allge¬
meinen die Erankheitsdauer ab. ^hr günstig sind die Erfolge bei Influenza,
krapöser, katarrhalischer und Influenza-Pneumonie, bei akuten Bronchitiden
und beim Typhus abdominalis. Hier spielt neben der expektorierenden und
schmerzstillenden, auch die antipyretische Wirkung eine bedeutende Rollo.
Der Gehalt an Salicylsäure und deren chemische Bindung zu einem leicht¬
löslichen Salze endlich macht das Präparat zur Behandlung von Gelenk- und
Muskel-Rheumatismus, von Gicht und in grösseren Dosen auch gegen Non-
ralgien gut geeignet. Es sind besonders hei Muskelrheumatismus und Gicht
vorzügliche Resultate erzielt worden. Das Anwendungsgebiet ist auch
schon aus dem Grande ein ausvedehutes geworden, weil es auch bei woeben-
langer Verabreichung in der vollen Dosis die Herztätigkeit nicht beeinträchtigt
und deshalb auch bei Herzkranken und bei Arteriosklerose nnbed&nklicb ge¬
geben werden kann.
Znm Schluss erwähnt Walther noch, dass Pyrenol auch boi Herz-
neurosen and bei durch Herzleiden verursachten Störungen von guter
Wirkung ist.
Man verordnet Pyrenol entweder als Pulver oder in Lösung oder auch
in Form von Tabletten, die in der Fabrik (Chemisches Institut Dr. Horo-
w i t z, Berlin N. 24) bergestellt werden.
Die durchschnittliche Dosis für Erwachsene beträgt S mal tgl. 0,5—1,0.
Bei Pneumonien und beim Typhus abdominalis bewährte sich die dreistünd¬
liche Verabreichung von 0.5, mr grössere Kinder die Hälfte, für Säuglinge
ein Viertel davon, wobei zu beachten ist, dass Pyrenol nicht in warmen
Lösungen genommen werden darf, sondern in kaltem Tee, Kaffee, Milch,
Kakao, Wasser mit Syr Rub. Idaei, (besondere für Kinder) oder in Pfeffer¬
minztee.
Verknlwortlieher Redaktettr : Dr. P. Meiitner, Berlin W. 61 , KnrfOrttenttr. 81. — Verlag von Carl Marhold. Halle a. S.
Draek TOn der HeTneaunn’schen Bncbdmekerei, Oebr Wolff, Halle n. S
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Cölner flkademie für praktisclie Medicin.
Dreiwöchiger Fortbildungekursue für auswärtige praktische Aerzte in der Zeit vom 8. bis 27. Oktober 1906.
1. Ausgewählte Kapitel der inneren Mcdicin mit klinischen Demonstra¬
tionen; Prof, Dr. Hochhaus und Prof. Dr. Matthes abwechelnd, täglich von
12— l Uhr (Augusta-Hospital). — 2. Nervenkrankheiten nach Unfällen; Prof.
Dr. Hochhaus, zweistündig, Mittwoch von 11 —12 Uhr, zweite Stunde nach
Vereinbarung (Augusta-Hospital). — 3. Diätetik; Prof. Dr. Matthes, zwei¬
stündig, Samstag von 11 —12 Uhr, zweite Stunde nach Vereinbarung (Augusta-
Hospital). — 4. Ausgewählte Kapitel der Kinderkrankheiten mit klinischen
Demonstrationen; Prof. Dr. Sieger t, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag,
von 8—9 Uhr vorm. (Kinderhospital;. — 5. Physiologie, Pathologie und Therapie
der Säuglingscrnährung; Prof. Dr. Siegert, Montag und Donnerstag von
f)—7 Uhr nachm. (Kinderhospital) — h. Die Frühdiagnose der Tuberkulose,
Heilstätten und Organisation der ergänzenden Tuberkulose-Abwehreinrichtungcn;
Dr. Dautwiz, Montag und Donnerstag von 3—4 Uhr (Bürger-Hospital) und
eine Uebungsstunde nach Vereinbarung. — 7. Ausgewählte Kapitel aus dem
Gebiete der Chirurgie (Verletzung der Unterleibsorgane, Biersche Stauung,
Extensionsbehandlung); Geheimrat Prof. Dr. Bardenheuer, Montag und
Donnerstag von 10‘;, — 12 Uhr, (Bürger-Hospital). — 8. Chirurgische Demon¬
strationen mit klinischen Operationen; Prof Dr. Tilmann, Dienstag und
Freitag von 10‘/| —12 Uhr (Bürger-Hospital). — 9. Die chirurgischen Er¬
krankungen des Magendarmtraktus; Dozent Dr. Dreesmann, Mittwoch und
Samstag von 8 — 9% Uhr (Vinzenzkrankenhaus). — 10. Klinisch-chirurgische
Besprechungen und Operationen, zumal aus den Grenzgebieten der Chirurgie
und inneren Medicin; Dozent Or. Martin, Mittwoch und Samstag von 8 bis
9'/s Uhr (Evangelisches Krankenhaus). — 11. Erkrankungen der Speiseröhre
mit Uebungen in der Oesophagoskopie; Dozent Dr. Martin, einstündig nach
Vereinbarung(Evangelisches Krankenhaus). — 12. Technik der Extensionsverbände
bei der Behandlung der Knochenbrüche; Dozent Dr. Grässner, Mittwoch
von IP/t—1 Uhr (Bürger-Hospital). — 13. Röntgendiagnostik mit besonderer
Berücksichtigung der Bedürfnisse des praktischen Arztes; Dozent Dr. Grässner,
Samstag 11 Vs— 1 Uhr (Bürgcr-HospUal. — 14. Röntgenkursus mit praktischen
Uebungen (Teilnehmerzahl beschränkt); Dozent Dr Grässner, vierstündig
nach Vereinbarung. — 15. Demonstrationen und Operationen an der Leiche
unter Berücksichtigung der operativen Gynäkologie, der Bauchchirurgie und
der Chirurgie der Notfälle; Dozent Dr. Kayser, Mittwoch und Freitag von
3Vi~‘‘’ Chr (Augusta-Hospital). — 16. Unfallchirurgie mit praktischen L^ebungai
Dozent Dr. Gramer, Dienstag und Freitag von 5—6 Uhr (Bürger-HospitaJ.—
17. Oithnpädische Chirurgie: Dozent Dr. Gramer, Mittwoch von 4 — 5 L’hr
(Bürger-Hospital). — 18. Au.sgewähltc Kapitel der Gynäkologie, insbesonJer«
Therapie der Blutungen und Verlagerungen, gynäkologischer Diagnostik; Pref.
Dr. Füth, Dienstag und Freitag von 9 —10*/, Uhr (Bürger-Hospital). —
Geburtshilflicher Operationskurs, am Phantom; Prof. Dr. Füth, zweistündti
Dienstag von 3 —4 Uhr, zweite Stunde nach Vereinbarung (Bürger-Hospiul
20. Geburtshilfe, Dozent Dr. Frank, Montag und Donnerstag von 9—10*.', Uhr
(Hebammenlehranstalt). — 21. Untersuchungsmclhoden des Auges mit Uebunges
im Gebrauche des Augenspiegels; Dozent Dr. Pröbsting, Montag und
Donnerstag von 5V»~7 Uhr (Augenheilanstalt, Gereonswall 114). — 22. Vorträge
aus dem Gebiete der Nasen- und Halskrankheiten mit Uebungen im Gebrauch
des Na-sen- und Kopfspiegels; Dozent Dr. Hofmann, Montag und Donnerstag
von 9 —107t (Bürger-Hospital). — 23. Ausgewählte Kapitel der Ohrenheil¬
kunde; Prof. Dr. Preysing, Dienstag und Freitag von 4 —5 (Bürger-Hospital.
— 24. Klinische l’sychiatrie mit besonderer Berücksichtigung der Bedürfnis«
des praktischen Arztes; abwechselnd Prof. Dr. Aschaffenburg und Dozent
Dr. Fuchs, Mittwoch und Samstag von 8—9*/, Uhr (Lindenburg). —
Gerichtliche Psychiatrie mit praktischen Uebungen; Prof. Dr. Asch affenburg.
Mittwoch von 6 — 7 Uhr {Lindenburg). — 26. Ueber Haut- und Geschlechts¬
krankheiten; Dozent Dr. Zinsser, Mittwoch und Samstag von 9'/,—12 Uhr
(Lindenburg). — 27. Demonstrationen im Lichtinstitut; Dozent Dr. Zinsser.
Mittwoch von 5 —6 Uhr (Lindenburg). — 28. Pathologisch-anatomisclK
Demonstrationen; Prof. Dr. Jores, Montag und Donnerstag von 4 — 5’,
Uhr (Augusta-Hospital). — 29. Die Bakteriologie des praktischen Arztes, Dozeni
Dr. Czaplewski, Montag, Mittwoch, Donnerstag von 3 —4 Uhr (Augusta
Hospital). — 30. Untersuchungen des Wassers, der Luft, der wichtigsten
Nahrungsmittel; Dr. Grosse-Bohle, Montag und Donnerstag von 4 — 5 Uhr
(Augusta-HospiUl). — 31. Ueber soziale Medicin; Dozent Dr. Meder, Dienstag
und Freitag von 6—7 Uhr (Bürger-Hospital). —
E.S wird kein Honorar erhoben. Einschreibegebühr 5 Mark. Programm
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In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045.
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Die .Medicinische Woche” erscheint jeden Montag mit der Utagigen Beilage Balncologische Ceiltralzeltung» Organ des Allgemeinen Deutschen
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Nachdruck der OrlglnaNAufsatze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originaiien.
Aus dem physioloffisch-baMeriologischen Institut
von Dr* DiorkowaJH-Berlln,
lieber Asthmacarbon.
Von Dr. G. Zehden.
Die Aetiol^e des Bronchialasthmas ist bis auf den heu¬
tigen Tag der Gegenstand lebhafter literarischer Kontroversen
g eblieben. Nur insofern ist man im allgemeinen jetzt einig,
ass man die Trennung zwischen bronchialem und nervösem
Asthma gänzlich aufgegeben hat, und dass man den Krampf
der glatten Broncbialmuskulatur nur als den sozusagen physio¬
logischen Vorgang des asthmatischen Anfalls ansieht, der durch
die Vermittelung des Nervensystems und die Erregung des
Zentralorgans zustande kommt. Als Bedingung wird dabei
vorausgesetzt, dass die für die Atmung wichtigen Partioen des
Gehirns in dem Sinne verändert sind, dass Reize der ver¬
schiedensten Art auf sie asthmaauslösend einwirken können.
Es ist danach das Asthma als eine Reflexneurose aufzufassen;
d. h. irgend ein Nerv wird peripher gereizt, die Reizung geht
über auf das Zentrum und wird von dort übertragen auf die
glatte Muskulatur der Bronchien. Dann folgt der Bronchial¬
muskelkrampf i. e. der Asthmaanfall.
Nunmehr ist es leicht erklärlich, dass die eigentliche
Ursache des Asthmas eine recht verschiedene sein kann. Am
häufigsten entsteht das Asthma durch die Reizung eines Nerven¬
endes, in dessen Umgebung oder Bedeckung em Katarrh be¬
steht. Dieser Katarrh löst den asthmatiseben Anfall aus; je
chronischer er ist und je mehr seine Intensität schwankt, desto
häufiger kommt es zu Asthmaanfällen.
Das typische Beispiel hierfür ist der Katarrh der feinen
Bronchien. Hier tritt eine für den Kranken sehr unangenehme
Wechselwirkung ein: eine Verstärkung des Katarrhs bringt
einen Asthmaanfall ünd ein Asthmaanfall wieder eine Ver¬
stärkung des Katarrhes. Ebenso gut kann aber die Zerrung
eines Nerven in einer Narbe oder in einem in Organisation be¬
griffenen Exsudatrest, eine chronische Hypertrophie der Nasen-
schieimhaut, ebenso gut auch nervöse Störungen im Urogenital¬
apparat oder in den Verdauungsorganen das asthmaauslösende
Moment abgeben.
Nach dem Gesagten ergeben sich für die Therapie des
Asthmas selbst zwei Gesichtspunkte. Erstens — und das ist
das Wichtigste — muss man unter allen Umständen versuchen,
die Stelle im Körper festzustellen, wo der Reflex beginnt. Die
Behandlung der örtlichen Störung, die natürlich je nach den
Organen, m denen sie sich bemidet, eine verschiedene sein
muss, ist dann neben der allgemeinen Behandlung das wichtigste
Erfordernis, um das Asthma selbst zu bekämpfen.
Daneben handelt es sich um die Feststellung der Gelegen¬
heitsursache, die den Reflexreiz abgibt, welche also den Aus¬
bruch des asthmatischen Anfalles veranlasst oder begünstigt.
Dies ist oft nicht leicht anzugeben. Während bei dem einen
Kranken Umschlag der Witterung, starke Staubentwickelung,
Regen, bei dem andern der Genuss bestimmter oder zu vieler
Speisen die Ursache abgibt, so sind es bei andern schwer fass¬
bare und schwer festzustellende Veranlassungen, so z. B. ein
für viele kaum wahrnehmbarer Geruch, oder das unerwartete
Oeffnen einer Tür usw. Will man bei der Behandlung des
Asthmas Erfolg haben, so muss man auf die Beseitigung dieser
Imponderabilien besonderen Wert legen.
Der zweite ist die Bekämpfung des Asthmaanfalles selbst.
Wir wollen hierbei nicht näher auf die unzähligen Mittel ein-
gehen, die dagegen empfohlen und angewandt worden sind.
Von den eigentlichen Narcoticis hat si^ Chloralhydrat, be¬
sonders wenn es bei den ersten Anzeichen des Asthmas ge¬
geben wird, am besten bewährt. Aber beim Kranken, der bei
jeder Gelegenheit zum Chloralhydrat greift, besteht die Gefahr
der chronischen Vergiftung.
Erklärlicherweise wird auch mit dem Morphium, das an
sich noch am leichtesten über den Anfall hiuweghÜft, vielfach
Missbrauch getrieben, so dass ein chronischer Asthmatiker
häufig noch dazu ein unheilbarer Morphinist wird.
Nicht unbedenklich sind auch die zahlreichen Alkaloide,
die als Antiasthmatica Anwendung finden. Sie stammen meist
aus der Gruppe der zu den Solaneen gehörigen Giftpflanzen.
Man lässt den Dampf der brennenden Blätter einatmeii oder
daraus hergestellte Zigaretten rauchen. — Alle diese Alkaloide
sind mehr oder weniger starke Herzgifte. Es lässt sich nicht
von der Hand weisen, dass durch die häufige Anwendung
immer grösserer Mengen mit der Zeit eine Schädigung dos
Herzens eintreten kann.
Wenn uns daher ein alkaloidfreies Mittel zur Verfügung
gestellt wird, das imstande ist, den Asthmaanfall prompt zu
kupieren, so wird damit einem Bedürfnis entsprochen.
Das scheint der Fall zu sein bei einer von der Deutschen
Asthmacarbon-Gesellschaft eingeführten neuen Droge, die aus
Argentinien stammt. Sie ist bisher in Europa zu therapeutischen
Zwecken noch nicht verwertet worden; dagegen wissen wir
durch private briefliche Mitteilungen, dass die Eingeborenen
von Mendoza und Patagonien sie als Mittel gegen Asthma und
f egen die Bergkrankheit kennen und vielfa^ anwenden. Die
unaria Ascochingae ist eine sehr interessante und schöne
Pflanze; sie gehört zur Familie der Kompositen und zwar zum
Tribus der Tribuliflorae: .sie ist von einem argentinischen Forscher
vor einigen Jahren in der Sierra Chiga an den Abhängen des
Cerro Blanco in Cordoba zuerst gefunden und klassifiziert
worden. Sie wächst strauchartig, die Blumenkrone ist zwoi-
lippig mit dreiteiliger Unter- und zweiteiliger Oberlippe; der
Griffel ist unter den Narben pinselförmig behaart; die Blätter
sind ganzrandig, linealisch und zurück gerollt,
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362
MEDIGUnSCHE WOCHS.
Nr. 35.
Zu Heilzwecken wird sowohl das Kraut als auch die
Wurzel benutzt.
Herr Dr. Piorkowski und ich haben die uns zu Ver¬
suchen in grösseren Mengen zur Verfügung gestellte Pflanze
nach verschiedenen Richtungen hin verw'endet. Wir haben sie
zunächst in ihre chemischen Bestandteile zerlegt, dann die
einzelnen Produkte und die Pflanze als Ganzes auf ihren
therapeutischen Wert hin geprüft
Das kleingeschnittene Kraut wurde zunächst mit verdünntem
Alkohol extr^iert und das Filtrat behufs Beseitigung des
Alkohols einer Destillation unterworfen; sodann wurde der
Destillationsrückstand mit Wasser verdünnt, die Lösung mit
Bleiacetat versetzt, der Niedei schlag abfiltriert und das Blei
mit Schwefelwasserstoff gefällt. Nach dem Absätzen wurde
das Filtrat zur Sirupdicke verdampft, mit Sand und Kalkmilch
zur Trockene eingedampft und der Rückstand mit Aether im
Extraktionsapparat extrahiert. Der Verdunstungsrückstand wurde
zweimal mit absolutem Alkohol umkrystallisiert. Der so ge¬
wonnene Körper ist amorph, von weissgelblicher Farbe,
schmeckt bitter, riecht eigenartig aromatisch, löst sich in Al¬
kohol und Aether, nicht ^er in Wasser auf.
Durch weitere Reaktionen erwies er sich als eine Zucker¬
art und zwar ergaben 200 gr. des Krautes etwa 0,01 Glycosid.
Ein Alkaloid konnte nicht nachgewiesen werden, dagegen
reichlich Harz, das gleichfalls von dem Glycosid enthielt.
Wurde das Harz mit Wasser erschöpft und mit Sodalösung
gekocht, ferner mit Salzsäure neutralisiert, so resultierte ein
pulvriger Rückstand von Harzsäure. Einige andere Reaktionen,
die sich ergaben, sind hier belanglos.
Doch ist noch zu bemerken, dass kleine Mengen eines
ätherischen Oeles und eine beim Abdampfen flüchtige Substanz
beobachtet wurden. Sowohl das Kraut selbst wie auch der
alkoholische Auszug ergaben beim Verbrennen resp. Verdunsten
starke weissliche Dämpfe.
Unsere Versuche, die wir an einer grösseren Zahl von
Mäusen, Meerschweinchen und Kaninchen anstellten, ergaben,
dass das Kraut und die aus ihm hergestellten chemischen Pro¬
dukte für den Tierkörper völlig unschädlich sind.
Wir verfutterten einerseits das Ejaut, andererseits spritzten
wir von der Glycosidlösung. zunächst kleine Gaben, die wir
schliesslich auf '/* g hei Mäusen, auf 1 g bei Meerschweinchen
und 2 g bei Kaninchen erhöhten, unter die Haut. In der
Fresslust und dem Allgemeinbefinden machte sich irgend eine
Einwirkung bei den Tieren nicht bemerkbar, die Temperatur
bewegte sich nur innerhalb der Grenzen eines halben Grades.
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfung
übertragbarer Krankheiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krantwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Fortsetzung.)
Bei der Gicht, die man damals auch für eine ansteckende
Krankheit hielt, unterlag der Desinfektion die von den Kranken
gebrauchte, von ihrem Sebweiss durchdrungene Bettwäsche und
Kleidungsstücke, zumal auch Strümpfe, Socken, Stiefel.
Bei Tuberkulose, deren Erreger unbekannt war, wurde
verlangt: Reinigung der Lagerstelle des Kranken, des Bett¬
zeugs, zumal aber der Leibwäsche und der Kleidungsstücke,
die Gefährlichkeit des Sputums selbst hat man damals nicht
gekannt.
Besonders sorgfältige Maßnahmen verlangte das Regulativ
bei der Versorgung Infektionskranker in Hospitälern; es schrieb
hier ausreichende Absonderung vor, möglichst freiliegende Ge-
Von dem Harz wurden kleinere und grossere Mengen in Wasser
aufgeschwemmt und injiziert; das Harz blieb an der Injektions¬
stelle unverändert liegen. Schliesslich wurden noch grossere
Mengen des Glycosids an Kaninchen verfuttert; wir Hessen die
Kaninchen Pillen, die bis 5 Gr. Glycosid enthielten, verschlucken;
eine Veränderung im Befinden war nicht festzustcllen. Endlich
haben auch die Dämpfe, welche durch Verdampfen des Krautes
auf Kohlen oder des alkohoUschen Auszuges erzielt werden,
keinen nachteiligen Einfluss auf dieselben ausgeübt.
Es ist also als festgestellt anzusehen, dass die Pflanze keine
Bestandteile enthält, welche einen schädlichen Einfluss auf den |
tierischen Organismus ausüben könnten.
Die Pflanze kommt unter der Bezeichnung „Asthmacarbon“
in einer nach Namen und Form geschützten Aufmachung in
den Verkehr. Kraut und Wurzeln werden hierzu aufs feinste
pulverisiert, dann werden 6 g zu einer Tablette komprimiert,
die ungefähr die Grosse und Form eines MarkstücKes hat
Die Tablette ist auf einer zylindrisch gestanzten, feinporösen
Holzkohle befestigt.
Dieses ganze als „Asthmacarbon“ bezeichnete Antiasthma-
tikum wird in folgender Weise angewandt: Beim Beginn des
Anfalles wird die Kohle mittels eines Streichholzes auf dem
beigegebenen Blechuntersatz zum Glühen gebracht. An der
Kohle entzündet sich die Tablette. Sobald die charakteristisch
riechenden, weissen Dämpfe aufsteigen, wird das Asthmacarbon
in die Nähe des Kranken gebracht, der die Dämpfe langsam
aus einiger Entfernung einatmet. Die Wirkung macht sich
dann in eklatanter Weise bemerkbar, dass nach anfänglichem
leichten Hustenreiz die Atmung ruhiger wird imd sich vertieft,
dass die asthmatischen Beschwerden aufhören, und dass der
Krank© meist nach einiger Zeit in ruhigen Schlaf verfallt.
Diese Wirkung hatten wir auch schon beim Tierversuch
beobachtet: wir hatten Kaninchen, die mit Pneumococcen ge¬
impft waren und infolgedessen nach einiger Zeit eine erhöhte
Atraungsfrequenz aufwiosen, über die Dämpfe gehalten: nach
einiger Zeit wurden die Atemzüge tiefer und langsamer.
Ueber die Ergebnisse in der Praxis wird später ausführ¬
licher zu berichten sein. An dieser Stelle wollen wir nur ganz
allgemein anftihren, dass eine Reibe von chronischen Asthma¬
tikern durch das Asthmacarbon über ihre Anfälle schnell bin-
w’eggekommen sind.
Erwähnenswert scheint uns die günstige Einwirkung auf
die Atmungsbeschwerden der Phthisiker. Wir konnten mehr¬
fach konstatieren, dass starke nächtliche Hustenanfalle, die
sonst stets mit erheblichen asthmatischen Beschwerden ver¬
bunden waren, durch die Asthmacarbondämpfe aufs Günstigste
bäude, für jeden Kranken ein Luftraum von 540 cbm Fnss,
Trennung der Rekonvaleszenten von den Kranken, sorgföltig®
Reinigung der Kleider der Infektionskranken. Auch werdeu
heute noch die Aerzte mit besonderer Freude dem § 17 zu¬
stimmen, der verlangte, dass mit Strenge darauf zu achten sei,
dass keine unbefugten Personen mit der Behandlung ansteckender
Krankheiten sich befassen sollten, und dass von den Apotheken
keine Arznei zu ihrer Heilung ohne ärztliche Vorschrift ver¬
kauft werden dürfte.
Schon aus dem Angeführten wird man ersehen, dass die
Vorschriften des Regulativs, so vorzüglich sie für die erste
Hälfte des vorigen Jahrhunderts waren, unmögHch mehr auf
die heutige Zeit passen, die ja gerade auf dem Gebiete der
Infektionskrankheiten in den letzten Jahrzehnten so ausser¬
ordentliche Fortschritte erlebt hat. Man muss sich nur wundem,
dass es bei uns möglich war, mit Hilfe dieser Verordnung bis
hieran eine leidlich gut funktionierende SanitätspoHzei im Gange
zu halten. Zwar versuchte die Gesetzgebung, die Lücken des
Regulativs durch besondere Polizeiverordnimgen auszufüllen,
zumal die Vorschriften auszudehnen auf diejenigen Krankheiten,
die damals nicht bekannt waren, heute aber durch ihren Um¬
fang und ihre Gefährlichkeit ein energisches Eingreifen erfordern.
Es sind dies besonders Diphtherie, Genickstarre und Wochen¬
bettfieber. Die Diphtherie, die bereits im Altertum als Angina
maligna bekannt war, hatte lange Jahrhunderte wenig von
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i90ä.
MEDICINISCHE WOCHE.
363
beeinflusst wurden. Die Patienten gaben übereinstimmend an,
dass nach anfänglichem geringem Reiz die Expektoration er¬
leichtert wurde, dass die Atmungsbeschwerden nachliessen und
dass sicli auffallend schnell ein erquickender Schlaf einstellte.
Sitzungsberichte.
Verein für innere Mediein,
Sitzung vom 21. Mai 1906.
Vor der Tagesordnung:
1. Herr Jastrowitz: Nachruf auf Heymann.
2. Herr Fränkel: berichtet über den Protest gegen das
Virchow - Denkmal, dem sich die Berl. med. Gesellschaft ange¬
schlossen habe.
3. Herr Plehn berichtet über einen schweren Fall von
Schwarzwasserfieber mit Anurie, die durch subkutane Kochsalz¬
infusionen beseitigt wurde.
Herr Fränkel und Herr Hans Cohn richten einige Fragen
bezüglich der Therapie an den Vortragenden.
Tagesordnung:
Herr Gutzmann; lieber die Grenzen der sprachlichen Per¬
zeption. Vortr. hat bei Menschen Untersuchungen angestellt über
die Grenzen der Sprachperzeption, Dazu wählte er sinnlose Worte
und Silben, um die Kombination möglichst auszuscbalten. Die
Untersuchungen wurden mit gewöhnlicher Unterhaltungsstimme
im Wohnzimmer, im Freien und am Telephon angestellt. Sehr
interessant sind die Versuche, die Stimmgabelschwingungen be¬
stimmter Töne durch das Gefühl unterscheiden zu lassen, es ge¬
lang ihm, ganze Töne sicher unterscheiden zu lassen, bei halben
Tönen ist die Unterscheidung sehr schwer.
Die Herren Plehn und Rothmann, sowie Herr Jas-
trowitz richten einige Anfragen an den Vortr.
Schlusswort: Herr Gutzmann. Carl Lewin.
Sitzung vom 11. Juni 1906.
A. Demonstrationen:
1. Herr B. Lewy: Ein Fall von Megalosplenie ohne leu¬
kämischen Blutbefund. In der Milz finden sich Cbarcot-Leyden-
sche Kristalle.
2. Herr E. Schlesinger: Fall von passagerer traumatischer
Pupillenstarre.
B. Tagesordnung:
Herr Kuhn: Ueber die Behandlung der Lungentuberkulose
mit Bierscher Stauung.
sich reden gemacht; sie trat erst in den ersten Jahrzehnten
des 19. Jahrhunderts in grösserer Verbreitung auf und wurde
dann von Bretonneau im Jahre 1826 genau beschrieben;
immerhin war in der Aerztewelt zur Zeit des Erlasses des
Regulativs die Krankheit als Diphtherie noch nicht genügend
bekannt, und man sprach damals von der häutigen Bräune.
Auch die Genickstarre trat in grösserer Verbreitung erst nach
der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf. Das Kindbettfieber
wurde erst in den sechsziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
von Semmelweiss als eine übertragbare Krankheit genügend
erkannt. Alle Verordnungen, welche nun versuchten, diese
drei gefährlichen, im Regulativ nicht genannten Krankheiten
einer seuchenpolizeilichen Üeberwachung zu unterstellen, schei¬
terten an der Fesstellung der höchsten Gerichte, dass das Re¬
gulativ die ganze Materie der ansteckenden Krankheiten um¬
fassend und erschöpfend geregelt habe, so dass Ergänzungen
auf dem W^ege der Polizeiverordnungen rechtlich ungiltig seien.
Unter diesen Umständen wurde die Forderung, dass nun
endlich eine dem modernen Wissen entsprechende Seuchenge¬
setzgebung geschaffen würde, immer energischer erhoben. Aber
es dauerte bis zum Jahre 1900, ehe Reichstag und Bundesrat
zunächst dem Gesetz über die gemeingefährlichen Krankheiten
ihre Zustimmung gaben. Nunmehr konnte es nur noch eine
Frage der Zeit sein, dass auch die übrigen ansteckenden
Krankheiten eine gesetzliche Regelung erfahren mussten. Die
Ausgehend von der Tatsache, dass hyperämische Lungen, wie
wir sie z. B. bei Herzfehlern infolge von Stauung finden, sehr
selten tuberkulöse Veränderung zeigen, wollte Vortr. eine künst¬
liche Stauungshyperämie der Lungen schaffen, um die Phthise zu
bekämpfen. Er hat eine Atmungsmaske konstruiert, die durch
Behinderung der Einatmung eine künstliche Stauungshyperämie
verursacht. Die Anwendung der Maske hat schädliche Folgen
niemals ergeben; Vortr. regt zu Versuchen mit seiner Behandlung an.
Diskussion: Herr Max Wolff: Tiere, deren Lungen durch
Formaldehydeinatmung hyperämisch gemacht wurden, unterliegen
schneller der tuberkulösen Infektion.
Herr v. Leyden stellt einen Patienten vor, dessen Befinden
bei der Behandlung nach Kuhn sich gebessert hat.
Herr Kraus: Die Hyperämie nach Formaldehyd lässt sich
nicht mit der Stauungshyperämie vergleichea
Herr A. Fränkel bemerkt,• dass es gerade unser Prinzip ist,
Tuberkulöse der Freiluftbehandlung zu unterwerfen, deshalb spricht
er sich gegen die Kuhnsche Methode der Atembehinderung axis.
Herr Kraus und Herr v. Leyden betonen, dass das Atem¬
volumen bei der Kuhnschen Behandlung nicht kleiner werde.
Herr Westenhoeffer weist darauf hin, dass bei der
Hyperämie der Bauchorgane infolge von Pfortaderstauung doch
häufig Tuberkulose gefunden werde.
Schlusswort: Herr Kuhn. Carl Lewin.
Kongressbericht.
23. VLongress für innere Medidn
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
Herr Hoppe-Seyler-Kiel: Zur Kenntnis des Binde¬
gewebes in der Leber,
Redner berichtet über Untersuchungen, die er vorgenommen
hat, um die Menge des Bindegewebes in der Leber zu
bestimmen. Das Lebergewebe wurde dabei der typischen Ver¬
dauung unterworfen, wobei das Kollagen, der Hauptbestandteil
des fibrillären Bindegewebes ungelöst Weibt. Ausserdem wurden
Bestimmungen der Trockensubstanz und des Fettes vorgeuommen.
Da das feste, fibrilläre Bindegewebe die Funktion des Organs
durch den Druck, den es auf Parenchym, Bhitgefässe etc. ausüben
kann, stark zu schädigen im Stande ist, so wird der Nachweis
einer starken Vermehrung desselben mit entsprechender Reduktion
des Parenchyms für die Beurteilung pathologischer Störungen in
der Leber von Wichtigkeit sein. Bei Leberzirrhose fand sich im
verschiedenen Entwürfe, welche die Regierung vorlegte, machten
besondere Schwierigkeiten bezügl. der Kostenfrage. Auch
schien verschiedenen Parteien das Gesetz mit zu grossen Be¬
lästigungen und zu grossen Einschränkungen der persönlichen
Freiheit für die Betroffenen verbunden zu sein.
Die Regelung der Kostenfrage interessiert uns Aerzte
weniger, dagegen hat es Interesse, die Veränderungen des Ge¬
setzes, wie es schliesslich zustande kam, gegenüber dem ersten
von der Regierung mitgeteilton Entwurf kurz zu besprechen.
Während der Entwurf die Anzeigepflicht bei Tuberkulose nicht
nur in Todesfällen, sondern auch in vorgeschrittenen Fällen für
den Fall des Wohnungswechsels vorsah, beschränkt sich das
Gesetz auf die Anzeigepflicht eines jeden Todesfalles an Lungen-
und Kehlkopftuberkulose. Von einer weitern Anzeigepflicht
fürchtete man eine allzugrosse Belästigung der Erkrankten,
zumal auch für die Kranken eine allzugrosse Erschwerung in
der Erlangung geeigneter Wohnungen. Dazu wurde mit Recht
bemerkt, dass der Begriff „vorgeschrittener“ Fall zu dehnbar sei.
Bei Syphilis, Tripper und Schanker hatte der Entwurf die
Auzeigepflicht vorgesehen gegenüber Personen, die gewerbs¬
mäßig Unzucht treiben. Ferner verlangte er Mitteilung an das
Kommando der Truppe oder den bei demselben angestellten
Obermilitärarzt in jedem Falle, in dem ein Arzt oder eine sonst
mit der Pflege und Behandlung beschäftigte Person von ünter-
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MBDICHnSCHB WOCHE.
Nr. 35.
364
Gegensatz zu den Fällen. wo keine wesentlichen pathologischen
Veränderungen in der Leber nachweisbar waren, eine deutliche
Vermehrung des Bindegewebes, sowohl absolut als auch im Ver¬
hältnis zur Trockensubstanz, besonders wenn von dieser Fett,
dessen Gehalt in der Leber ja sehr starken Schwankungen unter¬
worfen ist, abgezogen wurde. Zugleich geht aus den gefundenen
Zahlen eine starke Reduktion des Parenchyms bei den Zirrhosen
hervor, wenn Fett und Bindegewebe von der Masse der Trocken¬
substanz in Abzug gebracht werden. Nur geringe Vermehrung
des Bindegewebes bei sonst gut erhaltener Menge des Parenchyms
zeigt eine Stauungsleber. Eine sehr grosse Masse Bindegewebe
war bei einer hereditär syphilitischen Leber vorhanilen.
Herr Lüthje-Erlangen:
Die durch die interessanten Arbeiten Löwis aktuell gewordene
Frage der Eiweissynthese im Tierkörper, die von Löwi
im positiven Sinn beantwortet wird, ist von L. einer neuen Be¬
arbeitung unterzogen worden, und zwar zunächst an Kaninchen
mit den Extrakten von Kartoffeln, die alle Bausteine des Ei-
weisses, aber kein Eiweiss mehr enthalten; es gelang jedoch nicht,
die Tiere ins N-Gleichgewicht zu bringen, vielmehr gingen sie
nach einiger Zeit zu Grunde, während ein anderes Kaninchen,
das den Gesamt-N in Form von Kartoffel eiweiss neben dem
übrigen Futter erhielt, ausgezeichnet existierte. B. zeigt dann
weiter, dass es nicht einmal gelingt, Kaninchen mit Kartoffeln
oder Buben allein am Leben zu erhalten (was schon Magen die
bekannt war); zwar erhalten dieselben Stickstoff genug, aber zu
je 50 Proz. davon in Amidfonn. Setzt man aber den Kartoffeln
reines Kartoffeleiweiss zu, so gelingt es sehr gut, die Tiere am
Leben zu erhalten.
L. hat dann weiter die Löwischen Versuche an Hund mit
Verfütterung abiureter Pankreasverdauungsprodukte nachgemacht
nud kann dieselben in allen Punkten bestätigen. Nur schliesst
er, dass das Auftreten der negativen N-Bilanz von dem Augen-
lilicke an, in welchem die Kohlehydrate durch Fett ersetzt werden,
nicht Zufall sondern offenbar Gesetz ist. Denn in zwei neu von
ihm angestellten Versuchen tritt ganz dieselbe Erscheinung ein:
bei Verfütterung von abiureten Pankreasprodukten zusammen mit
Stärke und Zucker Stickstoffgleichgewicht oder sogar Stickstoff-
retention, bei Verabreichung von Fett aber ausgesprochen negative
Bilanz. Da sich nun ähnliche Retention mit Asparagin und Glyko-
koll erzielen lassen, aber nur bei gleichzeitiger erheblicher Kohle-
hydratzufiihr, nicht aber bei Verabreichung von Fett, so hält L,
es für nicht unmöglich, daas die N-Reteutionen in den Löwi scheu
und seinen Versuchen nicht einen Eiweissaufbau, sondern nur eine
Verbindung von Kohlehydraten mit N-haltigen Substanzen im
Tierkörper bedeuten.
Offizieren und Mannschaften des aktiven Heeres zur Behandlung
der genannten Krankheiten zugezogon war. Auch diese Be¬
stimmungen sind glücklicherweise, wie man auch vom ärzt¬
lichen Standpunkte sagen muss, nicht ins Gesetz aufgenommon
worden. Abgesehen aavon, dass man einer Person nicht immer
gleich die Prostituierte ansieht, die Furcht vor der Anzeigepfliclit
nütte gerade bei Prostituierten und Soldaten das Aufsuchen
ärztlicher Behandlung erschwert, vielleicht sogar verhindert,
und damit wäre der öffentlichen Wohlfahrt sicher kein Dienst
geschehen. Es sei daran erinnert, dass auch die früheren Be¬
stimmungen des Regulativs, die in ähnlich scharfer Weise die
Anzeigepfiicht regelten, in der Praxis ohne Erfolg und meist
auch unangewandt geblieben sind. Das Regulativ verlangte
Anzeige bei erkrankten Soldaten und in denjenigen Fällen, in
denen nacli dem Ermessen des Arztes von dem Verschweigen
der Krankheit nachteilige Folgen für den Kranken s»dbst oder
für das Gemeinwesen zu befürchten sind. Solche chickanöse
und kautscliuckartige Bestimmungen passen gewiss nicht in die
iientigc Zeit, die im Kampf gegen die Prostitution und gegen
Goschleclitskranklioiten weniger die Hilfe der Polizei sucht,
als durch Aufklärung und Erleichterung der ärztlichen Be¬
handlung zum Ziele kommen will. (Fortsotzunsf foli't.)
In den hier auftretenden Beziehungen zwischen Kohlehydraten
und'Amidsubstnnzen siebt L. eine merkwürdige Analogie zu den
engen Beziehungen zwischen Stärke und Asparagin im Stoffwechsel
der Pflanze.
Diskussion: Herr Schlesinger-Wien. Herr Rosenfeld-
Breslau ; Dieser liestreitet die richtige Deutung der Untersuchungs¬
ergebnisse des Vortragenden, der daraufhin die erhobenen Einwände
zurückweist. (Fortsetzung folgt.)
35» Kongress der Deutsidien OeseUscha^
für Chirurgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Sprengel-Braunschweig: Zur Technik der opera¬
tiven Behandlung der Schenkelhernien.
Vortr. will gegenüber den bisher bekannten Methoden einen
prinzipiell neuen Weg in der Behandlung gewisser Schenkelhernien
der Frauen einschlagen, nämlich den operativen Veschluss der
inneren Mündung des Schenkelkauals von der Bauchhöhle aus. Die
Operation setzt sich aus folgenden Akten zusammen: 1. In flacher
Beckenhochlagerung Freilegung des Bruchsacks durch Längs¬
schnitt, Eröffnung und Revision desselben sowie Befreiung ver¬
löteter Coiitenta. 2. Laparotomie transcectnl, der Bruchseit© ent¬
sprechend. Aljdämmung der Baucheingeweide ausser den Organen
des kleinen Beckens. 3. Einführen einer Mikuliezschen Zange
durch den Schenkelkanal in den ßruchsack und Invagination des¬
selben in die Bauchhöhle. 4. Feste Zusammenrollung des Bruch-
.sacks uud Vernilhung vor dem Orificium internum unter Heran¬
ziehen und Mitvernähen des in unmittelbarer Nähe zum Leisten¬
kanal ziehenden Lig. rotundum uterl, 5. Verschluss der Bauch¬
wunde und des Längsschnitts über dem Schenkelkanal.
In fünf Fällen, von denen der älteste revidierte etwa 10
Monate zurückliegt, wurde ein tadelloses Resultat erzielt.
Iq dem einen derselben handelte es sich um doppelseitigen
Schenkelbruch bei gleichzeitigem beginnenden Prolaps des Uterus.
Der Uterus konnte durch das geschilderte Verfahren vorzüglich
gehoben werden. Die Methode findet nach S. nicht bei kleinen
frischen Brüchen, sondern bei allen Brüchen von grossem Umfange
und namentlich in recidivierenden Fällen ihre Anwendung. Sie
ist wahrscheinlich leichter und weniger gefährlich als die pro-
thetischen Methoden und die komplizierten Plastiken.
Diskussion.
Hr. Kau sch-Schöneberg wendet das Silberdrahtnetz zum
Verschluss grosser Bruchpforten nicht mehr an. Er hat Recidive
und Peritonitis danach gesehen. Er hat bei grossen Rauchwand-
brüchen so operiert, dass er die Hernie freilegt, den Bruchsack
exstirpiert und dann anfängt, in der Längsrichtung zu vereinigen.
Wenn das nicht mehr geht, dann schreitet er zur Quemaht. Aai
die.se Weise hat er den Verschluss in allen Fällen erzielen können.
Hr. Seefisch-Berlin empfiehlt gegen den nach der Oj>eration
grosser Baucliwanclbrüche auftretenden Meteorismus die Anwendung
von Pliysostiginin. (Fortsetzung folgt.)
Der Besuch der französischen Aerzte
in Berlin.
Von Dr. E. Singer, Berlin.
Die vor 7 Jahren von Carron in Paris zuerst aufgebrachte
Idee, ärztliche Studienreisen zu veranstalten, wurde 1901 von
Bazot, gleichzeitig mit dem deutschen Komitee zur Veranstaltung
ärztlicher Studienreisen in die Wirklichkeit umgesetzt. Während
sich diese.s aber bisher nur auf Rei.sen in Deutschland selbst be¬
schränkten, hatten'sich die Franzosen in diesem Jahre die Auf¬
gabe gestellt, wichtige Badeorte und Gressstädte Deutschlands in
den Kreis ihrer Studien zu ziehen. So trafen nach einer Rund¬
reise über Bonn, Köln, Wiesbaden, Nauheim uud Leipzig am
Mittwoch den 15. August nachts V*1 Uhr 35 Aerzte und 5 Damen
auf dem Anhalter Bahnhof ein, unter diesen auch einige Aus¬
länder, welche sich als ausserordentliche Mitglieder der Reisege-
.scllschaft ange.sclilossen hatten, nämlich 1 Italiener, 1 Egypter,
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
365
2 Belgier und 2 Brasilianer. Zu ihrer Begrüssung hatten sich
die Vertreter des Exekutivkomitees, Prof. Kossmann, Prof.
Ku tner, Oberstabsarzt Bassenge, Dr. Oliven undDr. Lennhoff,
eingefunden, welche die fremden Gäste nach kurzem Aufenthalte
nach dem Kaiserhotel, dem festlich geschmückten Standquartiere,
begleiteten. Das Ebrenkomitee zum Empfang der französischen
Kollegen besteht aus den Herren von Bergmann und v. Leyden,
während das eigentliche Komitee die Vorsitzenden der Aerzte-
kammer, der wissenschaftlichen und Staudesvereine bilden. Am
nächsten Morgen pünktlich ^<9 Uhr begann die Rundfahrt in
einem von der Allgemeinen Berliner Omnibusgesellschaft in libe¬
ralster Weise umsonst zur Verfügung gestellten, blumenge-
schmückten Automobilomnibus, sowie einigen Luxusautomobilen
der Bedag-Gesellschaft. Zunächst ging es in schneller Fahrt
nach dem städtischen Krankenhaus am Urban, woselbst die Herren
Körte, Fränkel, Plehn, Benda und Brentano die Teilnehmer
begrüssten und durch die Abteilungen des Krankenhauses führten.
Im grossen Operationssaale operierte sodann Herr Körte eine
Perityphlitis und eine Lungengangrän. Zur festgesetzten Zeit
begab man sich in das Kgl. Klinikum, um nach einer begrüssenden
Rede des Herrn v. Bergmann, in welcher er kurz auf die Ge¬
schichte der Anstalt einging, einer Operation eines Mammasarkoms
beizuwohnen. Nach einem kurzen Rundgang durch die Pavillons
und die Poliklinik nahmen die Teilnehmer im Sitzungssaale des
Langenbeckhauses Platz, um nach einer kurzen offiziellen Be-
grüssung namens der medicinischen Gesellschaften Berlins seitens
des Prof. Kossmann einem von demselben französisch gehaltenen
Vorträge zu folgen, welcher eine Charakterisierung des deutschen
Arztes, seiner Schulzeit, Studienganges, Examina, socialer Lage,
Kaasenwesen, freier Arztwahl und Aerztekaramerwesen gab und
zum Schluss die den Fremden gänzlich unbekannten Titel erklärte.
Bei dem seitens der medicinischen Gesellschaft dargebotenen
Frühstücke dankte Prof. Colleville aus Reims für die gute Auf¬
nahme ira Hause und Herr v. Bergmann trank auf das Wohl
der französischen 'Kollegen, indem er seinem Bedauern Ausdruck
gab, dass es so viele verschiedene Sprachen gäbe; bei einer Uni¬
versalsprache wäre die Wissenschaft weiter voraus. Vor dem
Verlassen des Langenbeckhauses demonstrierte in den Räumen
der Zentrale der Rettungsgesellschaft, deren Leiter Herr George
Meyer, das System der Bekanntmachung der täglich freien Betten
in den Berliner Krankenhäusern, ebenso wüe Herr Jacobsohn die
Einrichtung des Zentralkrankenpflegenachweises erläuterte. Beide
Institutionen wurden von den Fremden für mustergültig erklärt,
Ueber die Zeit von 2 — 4 Uhr erstreckte sich der Besuch der
Charitee unter Leitung der Direktoren Pütter und Scheibe, wobei
sämtliche neuen Gebäude besucht wurden, bei der grossen Hitze
eine ziemliche Anstrengung, so dass verschiedene ältere Herren
es vorzogen, in den kühlen Korridoren des pathologischen Institutes
eine kleine Ruhepanse zu machen. Die folgende Rundfahrt durch
Stadt, Tiergarten, Charlottenburger Chaussee bis zum Schloss, endigte
um 6 Uhr im Zoologischen Garten, woselbst nach einem längeren
Spaziergang um 7 Uhr das Diner begann. Auf der reservierten
prächtig mit Blumen und Bändern dekorierten Terrasse entwickelte
sich bald unter den etwa 100 Teilnehmern eine lebhafte Unter¬
haltung, welche begreiflicherweise fast ausschliesslich in mehr oder
minder gutem Französisch geführt wurde; Berliner Aerzte, welche
als Dolmetscher fungierten, waren zwischen den Fremden verteilt.
Die ganze Veranstaltung trug mehr den Charakter eines Familien¬
festes, nur die ziemlich zahlreich erschienenen Militärärzte, an ihrer
Spitze Generalarzt Dr. Stech o w, trugen durch ihre Uniformen einen
etwas mehr offiziellen Ton hinein. Die Begrüssung der Gäste in
französischer Sprache übernahm Herr von Bergmann, welchem
Herr Bernard aus Roubaix mit einer poetischen Verherrlichung
der Damen antwortete. Im Namen des verhinderten Generalstabs¬
arztes der Armee, Dr. Schj erning, hiess Generalarzt Dr. S techo w
die Gäste nochmals willkommen. Dr. Guyot-Genf toastete in
deutscher Sprache auf die Vereinigung der Wissenschaften und
der beiden Nationalitäten unter dem Banner des Roten Kreuzes.
Herr Schwerin widmete sein Glas den französischen Damen,
denen wir diesen Besuch verdankten, w'ährend Herr Lennhoff
sein Glas den fremden Teilnehmern der Studienreise aus Italien,
Egypten, Belgien und Brasilien widmete. Die von der Direktion
des Zoologischen Gartens veranstaltete Illumination des Sees ver¬
regnete leider, ohne dass die Stimmung dadurch beeinträchtigt
wurde. Am nächsten Morgen erfolgte zunächst ein Besuch des
Garnisonlazaretes 11 in Tempelhof, welches besonders durch seine
Sauberkeit allgemeine Bewunderung erregte. Im Kaiserin-Friedrich-
Haus für ärztliches Fortbildungswesen angekommen, wurden die
Teilnehmer im grossen Hörsaal durch den Direktor Prof. Kutner
begrüsst, welcher eine kurze Geschichte der Entstehung gab imd
den technischen Apparat erläuterte. Ganz nen war allen die Vor¬
führung des Ze iss sehen Epidiaskops, welcher eingeführte Gegen¬
stände stark vergrössert und scharf beleuchtet an der weissen
Wandtafel wiedergibt. Generalstabsarzt Dr. Schjerning, welcher
am Morgen in Tempelhof verhindert war, begrüsste sodann an der
Treppe die fremden Teilnehmer einzeln mit Handschlag. Bei dem
anschliessenden opulenten Frühstück gab Herr Colleville seiner
Bewunderung für das am Morgen Gesehene wärmsten Ausdruck
und dankte den als Uebersetzer fungierenden Aerzten herzlich für
ihre Mühe. Generalstabsarzt Dr. Schjerning führt deutsch aus,
dass Wissenschaft und Humanität im Arzte untrennbar sind und
die Aerzte aller Nationen verbinden. Beiden gelte sein Glas.
Prof. P i n i aus Bologna spricht italienisch sein Entzücken über die
Lichtfülle der Stadt und der Deutschen Wissenschaft aus; sein
Hoch gilt den Damen, die Licht über das Leben ausbreiten. Prof.
Kossmann feiert in seiner Antwort in fliessendem Italienisch
Italien als die Mutter aller Wissenschaften, Dr. Guyot dankt
dem Chef des deutschen Militärwesena für sein Erscheinen. Die
französischen Damen hatten als eine sinnige Huldigung Buketts
zu Füssen der Büste der Kaiserin Friedrich niedergelegt und es
wurde von dem Vorstande der Studienreisegesellschaft ein in
französischer Sprache verfasstes Huldigungstelegramm, welches diese
Tatsache erwähnte, an den Deutschen Kaiser nach Wilhelmshöhe
abgeschickt. Um 2 Uhr begann die Fahrt nach dem Rudolf-
Virchow-Krankenhaua, wo unter Führung der Herren Ohlmüller
und Hermes ein Rimdgang durch die ausgedehnten Anlagen mit
ihren grossartigen Einrichtungen stattfand; es wurde vielfach als
das Modellkrankeuhaug für Europa bezeichnet. Zum Schlüsse der
•wissenschaftlichen Arbeit dieses Tages begab man sich noch in
das gegenüberliegende Institut für Infektionskrankheiten, welches
von Prof. Gaffky in seinen einzelnen Abteilungen demonstriert
wurde. Abends 8 Uhr begann auf den Terrassen in Halensee das
offizielle Bankett, zu welchem sich etwa 160 Berliner Aerzte, unter
ihnen Namen wie Langerhans, Sohmidtmann, Waldeyer,
Mendel, Bär u. v. a. m., eingefundeu hatten. Herr Kossmann
bringt den Kaisertoast aus, begrüsst im Namen der Berliner Aerzte
die fremden Teilnehmer und spricht den Wunsch aus, dass sich
die Besuche der benachbarten Kollegen öfters wiederholen mögen.
Herr Bazot, der Begründer der internationalen Studienreisen,
dankt im Namen der Teilnehmer für alles was sie gesehen und er¬
fahren haben, insbesondere dem Exekutivkomitee, den ärztlichen
Dolmetschern, dem Chef der Militärraedicin, dem Vertreter des
Kultusministeriums und der Akademie der Wissenschaften, dem
Vorsitzenden des Kaiserin Friedrich-Hauses und dem Stadtver-
orduetenvorsteher. Herr Oliven verspricht im Namen des
Deutschen Komitees für ärztliche Studienreisen, den Besuch in
Frankreich zu erwidern. Herr Lifrange (Belgien) spricht im
Namen der fremden, der Studienreise angeschlossenen Aerzte,
indem er ausführt, dass die „confr^res“ auch ,freres“ und die
ältesten Söhne der Wissenschaft seien; er fordert durch Ver¬
einigung der Hände der beiden Vorsitzenden des deutschen und
französischen Komitees zu einer Verbrüderung der anwesenden
Nationen auf. Herr Langerhans knüpft diesen Faden weiter und
spricht einer öfteren Zusammenkunft der internationalen Aerzte-
Schaft das Wort, Herr Settegast begrüsst die französischen
Damen. Herr Posner spricht im Namen der internationalen
medicinischen Presse und wünscht eine internationale Vereinigung
der Aerzte; Herr Pini (Bologna) überbringt als Vertreter der
ältesten Universität die Grüsse seiner Heimat. Am Ende des
Festes traf, begeistert aufgenommen, eine Antwortdepesche des
Kaisers ein, in welchem für die freundliche Kundgebung der fran¬
zösischen Damen der Dank ausgesprochen wird. Der Vormittag
des letzten Tages endlich war der Besichtigung der Heilstätten
der Landesversicherungsanstalt Berlin in Beelitz gewidmet, Dr.
Schneiderlin führte in Vertretung des verreisten Leitei'S der
Anstalt, Dr. Pielicke. Da man in Frankreich die Einrichtung
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366
MEDfCINISCHE WOCHE.
Nr. 35.
einer staatlichen Versicherung nicht kennt, erregten naturgemäß
die einzig in der Welt dastehenden grossartigen Anlagen die un¬
geteilte Bewunderung, welche sich in der Rede des Herrn Colle-
ville bei dem von der Direktion dargebotenen Frühstück Luft
machte; die Heilstätte sei ein wahrer Palast und das soeben er¬
haltene Album mit den Photographien sämtlicher Gebäude werde
ein unvergessliches Andenken bilden. Elinige Zahlen über die
Kosten der einzelnen Einrichtungen erregten Erstaunen aber auch
Kopfschütteln, z. B. Bau und Installation des Zentralbadehauses
für eine Million, Jahresbudget der Gärtnerei 30 000 Mark. Herr
Schneiderlin antwortete namens der Anstalt und wünschte eine
entente cordiale der beiden Länder, indem er auf die wissenschaft¬
liche Vereinigung der beiden Nationen sein Glas leerte. Bereits
um ^/j 1 Uhr entführte der Zug die Gäste, welche zum grossen
Teile, in Begleitung der Damen, vom Bahnhof Priedrichstrasse
unmittelbar nach der Ankunft nach der Walderhoiungsstätte vom
Roten Kreuz für Kinder in Sadowa weiterfuhren, wo sie vom
leitenden Arzte Herrn Lennhoff empfangen und geführt wurden.
Um- •/,? Uhr fand im Kaiserhotel ein intimes Abschiedsessen statt,
welches die Franzosen mit den Herren und Damen des Empfangs¬
komitees noch einmal vereinigte; die von Herrn Colleville ge¬
feierten Aerzte versprachen den Besuch in Frankreich zu erwidern
und ihre Frauen mitzubringen. Einen künstlerischen Abschluss
fand der Abend durch die Festvorstellung in der Komischen Oper,
welche eine meisterhafte Darstellung der den Gästen nicht unbe¬
kannten OfFenbach’schen Oper: .Hoffraanns Erzählungen“ brachte.
Um den Kollegen noch einen Begriff von deutscher Gemütlichkeit
zu geben, war auf deren Wunsch zum Schluss ein Kommers in
Alt-Bayem veranstaltet worden, welcher erst gegen 2 Uhr endete.
Abwechselnd mit Studentenliedem wurden lateinische, französische,
deutsche und italienische Reden gehalten und die Stimmung er¬
reichte am Schlüsse ihren Höhepunkt, als auf Vorschlag von Herrn
Kutner ein provisorisches internationales Komitee zur Veran¬
staltung internationaler Aerztereisen gebildet wurde, bestehend
aus den Herren Kossmann als Vorsitzenden, Kutner, Bazot
für Frankreich, Pini für Italien, Guyot für die Schweiz und
Lifrange für Belgien, welche in jedem Lande Aerzte suchen
sollen, die das definitive Komitee konstituieren sollen. Dies war
das greifbare und erfreuliche Resultat des Besuches der franzö¬
sischen Aerzte. Hoffen wir, dass aus der Annäherung der Männer
der Wissenschaft aller Völker auch eine Annäherung der Völker
selbst resultiert.
Der Sonntag war noch einem Besuch von Wannsee und Pots¬
dam, sowie einer Dampferfahrt auf der Havel gewidmet und um
7 Uhr erfolgte die Abreise nach Dresden. Das Exekutivkomitee
war bei der Abfahrt zugegen und als der Zug sich in Bewegung
setzte, drängte sich der Ruf: „vLve la France“ von selbst auf die
Lippen, in welchen das nach hunderten zählende Publikum spontan
einfiel.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 30.
1. V. Herff, Basel-Stadt: üeber den Wert der HeiMwasser-
alkoholdesinfektion für die Oeburtshilfe wie für den Wundsohntz
von fianchwnnden.
Die Ergebnisse der Ahlfeldschen Heisswasseralkoholmethode
im Franenspitale Basel waren vorzügliche.
Iin Interesse eines weitgehenden Wundschutzes ist die Heisa-
wasseralkoholde.sinfektion, bei welcher die Haut einschrumpft und
eintrocknet, gewissermaßen gegerbt und die Keimabgabe für
lange Zeit erheblich, wenn nicht ganz erschwert wird, dringend
anzuraten.
2. Vulpius, Heidelberg: Erfabmngen in der Beliandlnng
der spinalen Kinderlähmung.
Auf die Wiederherstellung der Funktion gelähmter Muskeln
Lt die Sehnenüberpflanzung gerichtet, eine Operation, deren Idee
so ungemein nahe liegt und doch so auffallend spät verwirklicht
und aufgegriffen wurde. V. bevorzugt die von ihm als „al)steigende“
bezeichnete Transplantationsmethode, er bringt also den Kraft-
spender zu der in ihrer Kontinuität ungestörten gelähmten Sehne.
„Wir wählen zur Ueberpflanzung möglichst solche Muskeln,
welche mit dem Kraftempfäuger funktionelle Verwandtschaft auf¬
weisen, scheuen uns gegebenen Falles aber auch nicht, Antagonisten
zu verwenden, Beuger also auf Strecksehnen zu befestigen.
Fast immer nähen wir Sehne auf Sehne und verzichten auf
die periostale Fixation der übergepflanzten Sehne, weil wir uns
fast stets von der genügenden Widerstandskraft auch der gelahmten
Sehne überzeugt haben,“
3. Voit, Nürnberg: A. Schmidts „Regnlin-Bebandlimg'* der
chronischen habltnellen Yerstopfnng.
Das Regulin wurde fast ausschliesslich in Kartoffelbrei ge¬
mengt den Patienten gegeben, da das Präparat so gut wie völlig
geschmacklos ist, haben es die Patienten alle gerne genommen:
ausnahmsweise wurde es bei einigen Patienten abwechslungshalber
in Apfelbrei gereicht.
V. hat bei den meisten Patienten mit einem Esslöffel pro Tag
begonnen, und ist, wenn der Erfolg nach einigen Tagen nicht ein¬
trat, auf 2 gestiegen. Die zwei Esslöffel wurden teils auf einmal,
teils getrennt einer mittags, einer abends nach dem E^sen gegeben.
Meist erschien das Regulin am 3.—4. Tage im Stuhl, durch
Au.sschütteln einer Portion Kot, ira kalten Wasser fand man kleine
Agarstückchen wieder und zwar waren die voi’her braunen Stück¬
chen entfärbt und gequollen, sonst aber unverändert.
Anfangs musste bei mehreren Patienten noch mit Eingiessungea
und dergleichen nacbgeholfen werden; dann traten spontane Blnt-
leerungen ein, manchmal noch in Zwischenräumen von 1 selbst 2
Tagen und nach einiger Zeit batten die Patienten regelmäßig Tag
für Tag Agarausleerungen von der oben geschilderten Art; hatte
diese Regelmäßigkeit eine Zeit lang bestanden, 8—14 Tage, so
wurde auf 1 Esslöffel bis 1 Kaffeelöffel zurUckgegangen. Das
ZurUckgeben von 2 auf 1 Esslöffel vollzog sich stets, ohne dass
eine Aenderung in der Beschaffenheit der Stühle und der Regel¬
mäßigkeit der Entleerungen sich geltend gemacht hätte; wurde
dann nur ein Kaffeelöffel Regulin gereicht, so wurden die Stühle
etwas konsistenter und trockener, blieben aber noch immer feucht,
weich und wurden auch weiterhin regelmäßig entleert.
4. Salus, Prag; Zur Kenntnis der Diphtherie.
Der D.-B. ist ein Saprophyt von intensiver Giftigkeit, genau
so wie der Tetanusbazillus, auf dessen saprophytische Punktionen
Hueppe zuerst hinwies. Sein Gift gelangt von der Oberfläche
aus zur Resorption und bedingt die schweren Erscheinungen; lokal
erzeugt es Nekrose und ermöglicht dem Bazillus ein saprophytisches
Wachstum in den abgestorbenen Geweben. Daher kommt es, dass
man in den Auflagerungen und nekrotischen Schichten Bazillen-
häufchen findet, welche mit zunehmender Toxinwirkung in tieferen
Lagen auftreten ; darunter findet man wohl Elntzündung, aber keine
Bazillen. Nicht die Vermehrung der Bazillen bedingt sonach die
Schwellung, diese entsteht vielmehr lediglich durch die lokale Gift¬
wirkung.
In genialer Intuition hat Bretonneau vom „Herabfliessen“ der
Membran in den Kehlkopf gesprochen. Es ist auch kein Zufall, dass
Bazilleiibefunde in den inneren Organen zu den grössten Seltenheiten
gehören, damit ist auch klar, dass man von Verfahren,
welche sich gegen die Vermehrung derDiphtheriebazillen
richten,schwerlichgrosse Erfolge wird erwarten können
Das Diphtheriegift ist ein in den Bazillen vorgebildetes, ein Endotoxin.
Mit dem Beweise der Endotoxinnatur des Diphtheriegiftes er¬
gibt .sich auch die Unhaltbarkeit des allgemeinen Satzes, dass
Endotoxine keine Antitoxine bilden (A. Wolff).
5. v. Pirquet, Wien: Allergie.
Der Geimpfte verhält sich gegenüber der Lymphe, der Lue¬
tische gegenüber dem Syphilsvirus, der Tuberkulöse gegenüber dem
Tuberkulin, der mit Serum injizierte gegenüber dem Serum anders
als ein Individuum, welches mit dem betreffenden Agens noch nicht
in Berührung gekommen ist, er ist deswegen noch weit entfernt,
unempfindlich zu .sein. Alles, was wir von ihm sagen können, ist,
dass seine Reaktionsfähigkeit geändert ist. Für diesen allgemeinen
Begriff der veränderten Reaktionsfähigkeit schlägt v. P. den Aus-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
367
druck Allergie vor. Alles bezeichnet die Abweichung von der
xxrsprünglichen Verfassung, von dem Verhalten des Normalen, wie
im AUorhythmie, Allotropie.
Der Geimpfte, der Tuberkulöse, der mit Serum Injizierte
werden den respektiven Fremdkörpern gegenüber allergisch. Ein
Fremdkörper hinwiederum, welcher den Organmmus durch ein-
oder mehrmalige Einverleibung zu einer Veränderung der Keaktion
beeinflusst, ist ein Allergeu. Der Ausdruck ist — allerdings un>
philologischer Weise — an die Bezeichnung Antigen (Detre-Deutsch)
angelehnt, welcher eine Substanz bedeutet, die Antikörper zu er¬
zeugen vermag.
6. Anton, Halle. Veber Formen und Ursachen des In-
fantiUsmns.
Die einzelenen Ursachen und Typen des Infantilismus sind zu
vermerken als:
I. Generelle Infantilismen.
a) Infantilismus mit Myxödem und mit Kretinismus.
b) Mongolismus.
c) Infantilismus durch Fehlen oder durch Verkleinerung des
Genit^es.
d) Infantilismus mit primärer Erkrankung anderer viszeraler
Drüsen, insbesondere der Nebennieren, der Thymus, der Bauch¬
speicheldrüse.
e) Infantilismus dystrophicus mit folgenden ätiologischen Unter¬
arten :
Infantilismus bei Gefässaplasie (J. anangioplasticus).
ß) Infantilismus bei primären Gehimerkrankungen (einseitig
oder beiderseitig.)
y) Infantilismus nach erblicher Syphilis.
()) Infantilismus nach Alkoholismus und anderen Vergiftungen.
(Blei, Quecksilber etc.) der Eltern.
f) Infantilismus bei frühzeitig erworbenen anderweitigen Er¬
krankungen und Stoffwechselstörungen, wie Tuberkulose, Chlorose,
Herzfehler (Pulmonalis- und Mitralisinsuffizenz), Pellagra und an¬
dere Endemien.
^ Infantilismus durch Verkümmerung in schlechten hygie¬
nischen Verhältnissen und durch mangelhafte Ernährung des Kindes.
II. Partielle Infantilismeu.
a) Infantilismus, bestehend in Verkleinerung der Sexualorgane.
b) Infantilismus mit Mangel im Gebiete des kardiovaskulären
S3’’8tems.
c) Infantilismus der Stimme und der stimmbildenden Organe.
d) Ausbleibender Haarwuchs (Pehlen des Bartes und der Pubes,
aber auch der übrigen Körperhaare mit guten Körperproportionen.)
e) Reiner Infantilismus psychicus.
7. Kephallinös, Korfu: Ueber dfu Westphalisohe Phftp
nomen bei kruppöser Pneumonie der Kinder.
Bei 32 Kin dern mit kruppöser Pneumonie konnte K. fest¬
stellen, dass das Fehlen oder die Herabsetzung des Patellarsehnen-
reflexes ein die kruppöse Pneumonie der Kinder in ihren Anfangs¬
stadien sehr häufig begleitendes Zeichen und im positiven Falle
neben anderen Indizien im hohem Grade verwertbares diagnostisches
Kriterium ist.
8. Tischler, Deggendorf: üeber Mohnkapseln.
T. tritt nach seinen kasuistischen Betrachtungen für folgende
Forderungen ein:
1. der Verkehr mit Fr. Papaveris immaturi und maturi ist
zu verbieten, weil diese Drogen unkontrollierbar und wegen der
Unsicherheit über Giftgehalt gefährlich sind. j
2. Fr. Papaveris immaturi und Sir. Papaveris wollen in der
Pharmakopoe gestrichen werden. Sir. Papaveris wird aus unreifen
Früchten bereitet und dieser Syrup gilt allgemein als ganz unge¬
eignet zum rationellen Gebrauche. Die Pharmakopöe verlangt bei
Prüfung dieses Saftes einzig und allein, dass seine Farbe bräun¬
lich gelb sei. Weder bei Fr. Papaveris immaturis, noch bei Sir.
Papaveris wird nach Opium- bezw. Morfingehalt gefragt. Der
Apotheker braucht sich darum nicht zu kümmern, also ist das ein
ganz eigenartiger, unhaltbarer Zustand.
Da nickt angenommen werden darf, dass Morflngebalt nicht in
Betracht gezogen wurde, so könnte man glauben, dass der Mor¬
fingehalt als wirkungslos und unschädlich angesehen werde. In
letzterem Palle bestände aber erst recht keine Veranlassung zur
Fortführung dieser Droge im Ballaste der Pharmakopöe.
3. Die Abgabe von Fr. Papaveris sei nach Streichung aus
der Pharmakopöe sowohl in- als ausserhalb der Apotheken mit
Strafe zu belegen, und insbesondere sei die Verwendung von
Mohn zum Kinderschlafen, von inländischem und ausländischem
Mohn strafbar.
9. Landow, Wiesbaden: Ein Fall von doppelseitiger Ab-
dozenlähmting, verbunden mit aussergewöhnlioh heftigen und
lange anhaltenden Kaokenschmerzen nach Bückenmarkanästhesie.
Bei sehr nervösen Personen möchte L. die Rückeumarkanästhesie
beschränkt angewendet wissen.
10. Broer, Witten a. d. Ruhr: üeber zwei Fälle von epide¬
mischer Genickstarre.
Casuistik zweier Fabrikarbeiter, von denen der eine starb, der
eine ohne Folgeerscheinungen genas.
11. Schilling, Fellner jun., Pranzensbad, Rudinger,
Wien: Ueber Blutdruckmessungen.
12. Raab, München: Die Elektrotherapie der Kreislaufer¬
krankungen.
Alle die von R. ndt galvanischem Bade behandelten Fälle
zeigten die eine wichtige Grundtatsache der allmählichen Herzer¬
starkung, wie das objektiv aus der Abnahme der Herzarbeit und
in der Regel des Pulsdruckes nach dosierter Anstrengung, sowie
subjektiv aus der Abnahme der Ermüdung bei den Kniebeugen
einwandfrei hervorgeht, abgesehen natürlich von Aenderungen der
Herzfigur, der Pulskurven, der Herzgeräusche und der allgemeinen
Besserung des Befindens.
Zu dieser Kräftigung der Herzleistung gesellen sich jedesmal
in mannigfaltigster, aber für jedes Individuum besonderen Weise,
funktionelle Veränderuugen im GefUsssystem, sei es nun Abfall
oder Anstieg der arteriellen und kapillaren Druckes entweder in
gleicher oder entgegengesetzter Weise, bis das, jeder Person eigen¬
tümliche Blutdruckoptimum erreicht ist (die venvösen Druckver-
hältuisse müssen ja leider zur Zeit noch ausser Betracht bleiben
mangels geeigneter Untersuchungsmethoden).
13. Dürck, München: Wie sollen Untersnehnngsobjekte ein-
gesandt werden?
Eine ausgezeichnete Anweisung aus dem pathologischen In¬
stitut in München für Aerzte, die Präpararte, Sputum, Stuhl usw.
usw. versenden wollen.
14. Weinberg, Stuttgart: Die Beziebnngen zwischen Krebs
nnd Tnberknlose.
Eine solche lässt sich nicht finden.
Therapeutische Monatshefte. i906. No. 6.
1. Liebreich, Berlin: Ueber den Namedy-Inselspmdel.
Eine der interessantesten Erscheinungen bietet in geologischer
Beziehung der Namedy-Sprudel. In der im Rhein befindlichen
Insel Namedyer Werth bei Andernach zeigte sich bei starker
Kohlesäureentwicklung ein periodisches Erscheinen der Quelle.
Zuerst zeigt sich nur ein leichtes Ueberquellen, welches wieder
zorücktritt, dann wiederholen sich die Steigerungen von neuem, bis
sich schliesslich die Wassersäule bis zu einer Höhe von 30—40 m
erhebt. Der Vorteil eines solchen alkalisch-kalkarischen Wassers
wie der Namedy-Sprudel ist, beruht nun darauf, dass seinerseits
eine Reizmilderung der Schleimhäute eintritt, und andererseits
durch die dauernde Zufuhr von Alkalien eine Lösung oder Ver¬
minderung des Harngrieses statttinden kann, während bei Oxal¬
säuren Steinen nur die Herabminderung des Reizes auf die
Schleimhaut eintreten dürfte. Besonders ist diese reizmildernde
und in manchen Fällen lösende Eigenschaft von besonderem Wort
bei Abgang von Nierensteinen, welche häufig eine Reizung des
Ureters und des Nierenbeckens zurücklassen. Bei Dysenterie,
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368
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 35.
Intoxikationen oder tuberkulösen Erkrankungen des Darms kann
durch das Namedy-Wasser der häufig vorhandene Durst in ange¬
nehmer Weise beseitigt werden. Das milde Namedy-Wasser kann
auch bei Stuhlverstopfung und Verhärtung der Scybala nütz¬
lich sein.
2. V. K4tly, Budapest: Veber den tberapentisolien Wert
des Digalens.
Das Digalen, als derzeit bestes Digitalispräparat, ist dazu
destiniert, die galenischen Präparate vollkommen zu verdrängen.
Dies kann umsomehr angenommen werden, als die Verabreichung
per 08 in der Form, in welcher das Mittel in den Handel kommt,
sehr leicht durchführbar und das Mittel selbst nicht zu teuer ist.
Seine Vorteile den galenischen Digitalispräparaten gegenüber sind:
Es ist immer von gleicher Zusammensetzung und Wirkung. Es
wirkt viel schneller. Es hat keine kumulative Wirkung. Es ist
genau dosierbar. Es verursacht keine Iridtation des Magens. Es
ist am zweckmässigsten per os zu verabreichen, in Dosen von
V 2 —1 ccm 1—3 mal täglich, in Wasser oder Sirup. Die sub¬
kutane Verabreichung ist nicht sehr günstig,, da sie lokale Reiz¬
erscheinungen erzeugt und nicht schneller wirkt als die Verab¬
reichung per os. In sehr schweren Fällen kann es in der von
Kottmann angegebenen Weise und die Dosis auch intravenös ge¬
geben werden (in diesem Falle betrug die maximale Tagesdosis
0,2 bis 2,4 mg.).
3. Galli-Valerio, Lausanne: üeber die desinfizierende
Wirkung von Meliofonn.
Der Verfasser betrachtet das Melioform nicht als ein sehr
aktives Antisepticum, jedenfalls muss es in Lösungen nicht unter
0,.')% gebraucht werden; die 1 %ige Lösung ist sogar vorzu¬
ziehen. Als 0,2%ige Lösung kann Melioform als Mundwasser
gebraucht werden. Bei Individuen, welche für Forraalin empfind¬
lich sind, kann Melioform wie Lysoform Trockenheit der Haut
und Keizerscheinungen der Schleimhäute hervorrufen, welche je¬
doch mit schwachen Lösungen ohne bedenkliche Folgen sind.
4. Hoppe, Königsberg; üeber einige Fortschritte in der
Behandlung der Geisteskranken, nebst einem Bückblick über die
Entwicklung der Irrenbebandlong im 19. Jahrhundert.
Ihren Hauptwert haben die Wachabteilungen erst durch die
damit verbundene und durch dieselbe ermöglichte Bettbehandluag
der Geisteskranken bekommen, welche einen der grössten Fort¬
schritte der modenien Irrenbehaudlung bedeutet. Durch die Bett-
b(;handlung und Ueberwachungsabteilungen ist es, wie bereits an¬
gedeutet, ermöglicht worden, auch mit dem letzten Rest der alten
Zwangsbehandlung, den Isolierungen, aufzuräumen und die Isolier¬
oder „Tobzellen“ entbehrlich zu machen. In rascher Folge haben
sich in den allerletzten Jahren die Berichte aus Irrenanstalten
vermehrt, wo die zellenlose Behandlung mit Erfolg durchgeführt
worden ist, und in demselben Maße hat die Zahl der Gegner ab¬
genommen. Das Dauerbad hat sich für die unruhigsten Kranken
als der beste Ersatz der Zellen erwiesen in Fällen, in welchen
man sonst ohne Zelle sich nicht zu helfen wusste. Die tobsüchtig
erregten Kranken fühlen sich im Dauerbade, wo sie ihre Glieder
nach Herzenslust bewegen können, ausserordentlich behaglich, und
es ist keine Frage, dass dasselbe für viele der beste Aufenthalts¬
ort ist. Auch Widerstrebende gelingt es gewöhnlich mit Geduld
schliesslich an das Bad zu gewöhnen. Ein ßernhigungsmittel ist
noch sehr wichtig, das ist die Beschäftigung der Geisteskrankeu.
Neben Hand- und Handwerksarbeiten nehmen in den öffentlichen
Anstalten Garten- und Feldarbeiten mit Recht den breitesten
Raum ein. Einen weiteren Fortschritt in der freien Behandlung
der Geisteskranken bildet die Familienpflege, deren Entwicklung
in Deutschland erst den letzten 25 Jahren angehort. Die Insti¬
tution der Familienpflege stammt aus Belgien, wo ihre Anftlnge
ins sagenhafte Mittelalter zurückreichen. l3as Dorf Gheel ist als
Irrenkolonie seit vielen Jahrhunderten weltberülimt. In Deutsch¬
land ist in der neuesten Zeit ein Versuch gemacht woi'den, und
zwar von der Provinz Sachsen, welche auch sonst in der Ent¬
wicklung des Irrenwesens in erster Linie steht. Der sächsische
Provinziallandtag hat vor 6 Jahren gleichzeitig die Gründung von
zwei Landesasylen als Mittelpunkten von Irrenkolonien beschlossen.
5. Lublinski, Berlin: üeber das Sajodin.
Dieses in Wasser unlösliche Salz wird von den Höchster
Farbwerken Meister, Lucius und Brüning sowie den Elberfelder
Farbenfabriken in Tablettenform zu einem halben Gramm, je 20
Stück in gelblichen Glasphiolen, in den Handel gebracht und
kennzeichnet sich durch seine völlige Geruch- und Geschmacklosig¬
keit beim Einnehmen. Irgend eine üble Binwirkimg auf die Ver¬
dauungswerkzeuge scheint es in der Einzelgabe von 0,5—1,0 uud
in Tagesgaben von 2,0—3,0 in einzelnen Fällen selbst von 0, 5,0 g
nicht zu haben. Der Jodgeschmack reicht nicht an den metal¬
lischen unangenehmen Geschmack der früher genommenen Jod¬
präparate im entferntesten heran. Aus den klinischen Beobachtungen
ergibt es sich, dass das Sajodin den übrigen Jodpräparaten trotz
des geringeren Jodgchaltes an Wirksamkeit gleichkommt, dabei
gut vertragen wird, den Magen nicht schädigt und von üblen
Nebeneigenschaften eigentlich frei ist.
6. Lesser, Berlin; Ernährtmgsversuohe an atrophischen
Kindern mit einem neuen Halzpr¶t.
Das Präparat, um das es sich handelt, ist Candol, welches
von der Firma Deutsche Diamalt-Gesellschaft m. b. H., München,
in den Handel gebracht wird. Die Kinder erhielten zunächst
3mal täglich 1 Teelöffel Candol, später 6mal 1 Teelöffel Candol.
Bei dieser Nahrung gediehen die Kinder ausgezeichnet und nahmen
sehr stark an Gewicht zu.
7. Reicher, Berlin: Salimentbol.
Das Salimentbol ist flüssig, hellgelb, fast geschmacklos und
von angenehmem, schwachen Gerüche. Es besteht aus annähernd
gleichen Teilen Salizylsäure und Menthol und wird sowohl inn erlich
in Kapseln ä 0,25 als auch äusserlich in Form einer 25%igeD
Salbe „Samol“ genannt, angewendet (Salbengrundlage: Lanolin,
Oel, Wachs, Wasser, und eine Spor Sapo medic.). Da Salizyl¬
säure ebenso wie Menthol desinfizierend und schmerzlindernd ^virkt,
so ist die Eignung des Salimenthols für infektiöse und schmerz¬
hafte Erkrankungen vorauszusehen. Für alle Fälle kann R. das
Salimentbol als gutes Sedativum und Antisepticum sowohl äusser¬
lich als innerlich bestens empfehlen. Die innerlichen Dosen be¬
trugen 3—6 Kapseln ä 0,25 täglich, Präparat erhältlich bei Dr.
ehern. Bertrand Bibus, Wien I, Schottenring 14.
8. Saalfeld, Berlin: Die Behandlung der Hyperidrosis mit
Vestosol.
Es kam darauf an, nach einem Präparat zu suchen, das die
guten und wirksamen Eigenschaften des Formalins besitzt, ohne
gleichzeitig dessen unangenehme und destruierende Eigenschaft zu
zeigen. Diesen Anforderungen entspricht nach S.’s Untersuchun^n
ein von Dr. Lonner unter dem Namen „Vestosol“ hergesfolites
Präparat. Dasselbe stellt eine weisslichgelbliche Salbe dar, die
keinen stechenden Formalingeruch besitzt. Das wirksame Prndp
des „Vestosol“ ist der Formaldehyd, welcher bis zu 2®A bei
Gegenwart anorganischer Metalloxyde (Zink und Bor) an ein neu¬
trales Fettgemisch gebunden ist. Dem Salbenvehikel wird mit
Vorteil Fetron beigefügt. Die Flüchtigkeit des Formaldebyds ist
eine äusserst geringe, sodass selbst alte Präparate an Wirksamkeit
nichts einbüssen. Geeignete Geruchskorrigentien lassen ausserdem
den Geruch der Salbe als angenehm empfinden. Bei Pruritus ani
vermischte L. das reine Vestosol mit Fetron zu gleichen Teilen,
und er fand, dass der Pruritus ani und. die daraus resultierende
Entzündung nachliess.
9. Sachs, Frankfurt a. M.; Santyl im Vergleich mit anderen
Sandelpräparaten.
01. Santali oder Gonosan oder Santyl hat S. zum Vergleich
angewandt, und er betrachtet die Balsamica im allgemeinen als
Adjuvantien der lokalen Therapie. Man sieht aber gelegentlich
auch Fälle, in deneji die lokale Therapie versagt und ein inner¬
lich angewandtes Balsamicum Heilung bringt.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meirtner, Berlin W. SS, Kurfüritenstr. 81. — Verlag TOn Carl Marhold, Halle a. S.
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Hcrausgegeben von
R. Robert. M. Koeppea. K. Partseh. H. Rosln. H. Schlange.
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTenicht. A. Vosslas,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W* 62, Kurfurstenstrasse 81.
Dr. P Meißner
'•-——- /
Vn. Jahrgang. 3. September 1906. Nr. 36.
Die .Mediclnlsobe Woche* erscheint Jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneologlSChC CCfltralzeitUflg, Organ des Allgemeinen Deutschen
Baderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
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Originalien.
Zur Frage der Berechtigung und der Grenzen
des wissenschaftlichen Tierexperiments.
Es kann meine Absicht nicht sein, eine Lösung zu bieten,
aber schon die Diskussion über dieses Thema im Kreise der
Fachleute anzuregen, scheint mir wichtig genug. Denn bisher
haben sich wesentlich nur unsere Gegner damit beschäftigt
und meist in der Weise fanatischer Gegner: einseitig, gehässig
und maßlos! Wir haben zwar auch nicht immer stillgeschwiegen,
aber gerade unsere Antworten auf feindliche Angriffe zeigten
gewöhnlich, dass wir selbst diese Frage niemals in aller Tiefe
durchdrungen hatten. Es muss bedauernd festgestellt werden,
dass es einen auf Gründe gestützten Standpunkt zur Vivi¬
sektion bei ihren Ausübem schlechterdings nicht gibt. Zwar
wird dem Pathos der Gegner ein nicht minder klangvolles
Pathos entgegengestellt und die Würde der Wissenschaft
und das sicherleitende Verantwortlichkeitsgefühl des ein¬
zelnen Vivisektors dithyrambisch gefeiert, der tiefer Zu¬
schauende aber vermisst die Gründe hinter diesen wohl¬
lautenden Deklamationen. »Die Wissenschaft kann des Tier¬
experimentes nicht entraten“, ,die Persönlichkeit ihrer Ver¬
treter stehen zu hoch über niedrigen Anfeindungen“ . ., nach
diesem bequemen Schema pflegen die Angriffe der Antivivi-
sektoren gemeinhin zurückgewiesen' zu werden. Und damit
laubt man die Sache selbst erledigt, die sittliche Frage —
enn um eine solche handelt es sich — erschöpfend beant¬
wortet zu haben.
Aber das ist ein Irrtum, und ein Irrtum ebenso ist es,
wenn man glaubt, dieser Frage und ihrer prinzipiellen Beant¬
wortung sich überhaupt entschlagen zu können. Jede mensch¬
liche Handlung bedarf ihrer sittlichen Rechtfertigung, und
weder der Hinweis auf die Umstände, auf eine irgendwie ge¬
artete causale Bedingtheit, noch gar die Ausspielung des Triebes
— und sei es auch des vornehmen Triebes zur wissenschaft¬
lichen Erkenntnis — vermag diese innere Selbstforderung nach
sittlicher Begründung zu beschwichtigen. Sie ist da und sie
hat das allerhöchste Recht dazu, denn unser in theoretisches,
aesthetiscbes und sittliches Interesse geteiltes und doch einiges
Bewusstsein räumt ohne weiteres dem Sittlichen den Primat ein.
Diesem richtenden Vorsitz des Sittlichen unterliegen wir auch,
wenn wir wisenschaftlich arbeiten wollen.
Aber natürlich nicht der psychologischen Bedingtheit der
sittlichen Auffassung im Einzelbewusstsein kann die Entschei¬
dung anheim gegeben werden, vielmehr rilt es, eine prinzipielle
Entscheidung zu finden, welche dem Einzelnen als regulative
Vorschrift zur Nachachtang dienen mag.
Dass wir diese Dinge nicht einfach dem „sittlichen Takte“,
dem Verantwortlichkeitsgefühle des Einzelnen überlassen dürfen
und ebenso, dass dem Schlagworte „Wissenschaft“ unmöglich
die letzte Entscheidung zukommen kann, dafür sind jene satt¬
sam bekapnten Fälle traurig beweisend, in welchen die Hyper¬
trophie des theoretischen Interesses die feinen Richtlinien sitt¬
licher Erwägung unbedenklich überschreitend sogar zu einem
Absinken ins Kriminalistische geführt hat.
Gewiss, wissenschaftlich sehr interessant, mehr noch:
wissenschaftlich wertvoll sind zweifellos alle jene Versuche am
Menschen selbst gewesen, die dennoch ebenso zweifellos als
widersittlich und darum verwerflich bezeichnet werden müssen.
Ich will hier nur an die bekannten erfolgreichen Syphilisüber-
tra^ungen des Pfälzer Anonymus erinnern und an jene Tuber-
kulminjektionen an „liebenswürdigerweise zur Verfügung ge¬
stellten“ Neugeborenen der Königsberger Frauenklinik zu. einer
Zeit, da die W’^irkung dieses Mittels noch wenig genug be¬
kannt war.*) Dass es hier eine Grenze des Zulässigen geben
müsse, gezogen durch sittliche Forderungen noch vor dem
Machtbereiche des Staatsanwalts, leuchtet ein. Und ebenso
wird durch diese Fälle, die sich durch Beispiele bis in die
neuste Zeit hinein beliebig vermehren lassen, evident, dass
weder das „Im Namen der Wissenschaft“ die letzte Instanz
für die Feststellung des Zulässigen zu bilden vermag, noch
dass sittlicher Takt und menschliches VerantwortlichkeitsgefUhl
mit wissenschaftlichem Forscherdrange unbedingt verknüpft zu
sein brauchen.
Diese beiden Feststellungen behalten auch in der Vivi¬
sektionsfrage — so fern sie der Frage des Menschenversuchs
auch stehen mag — erhebliche Bedeutung, — für den Fall
wenigstens, dass sie überhaupt als eine sittliche Frage aner¬
kannt werden sollte. Darüber nämlich können nicht unbe¬
gründete Zweifel entstehen. Sittlichkeit hat für die Geltung
ihrer Gebote die Gemeinschaft gleichberechtigter, freiwollender,
d. h. vernünftiger Wesen zur Voraussetzung.
Nur für diese Gemeinschaft, in ihr und gegen sie ver¬
pflichten ihre Forderungen.
Dem Steine, dem Baume gegenüber besteht keine sitt¬
liche Verpflichtung, es sei denn, dass diese Dinge durch einen
menschlichen Anspruch an sie gewissermaßen geheiligt wurden.
Auch mit dem Tiere können streng genommen — obwohl
manche Verhältnisse zum Pferde, zum Hunde und zu anderen
tierischen Hausgenossen Einwendungen zu erheben scheinen —
sittliche Beziehungen nicht bestehen. Das Tier, das wir als
Wild und Schlachtvieh verspeisen, als lästiges Ungeziefer in
tausenden von Exemplaren vertilgen, kann sich auf keine sitt-
*) Das Experiment batte keine Schädigung zur Folge. Wie sehr je¬
doch dem Experimentator die bona fides gefehlt bat, beweist seine eigene
dramatische Darstellung. Er beschreibt seine Aufregung, wie er die
Kinder am nächsten Morgen mit geröteten Wangen, hochfiebemd anzutreffen
fürchtet und wie angenehm er enttäuscht ist, als sich keine bedenkliche
Einwirkung herausstellte.
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370
MUDICmiSCfifi WOCflfi.
Nr. 36.
liehe Gemeinschaft mit uns berufend Forderungen in Betreff
seiner Behandlung an uns stellen.
Aber eine solche direkte Beziehung ist auch gamicht
erforderlich, um die Frage der Vivisektion zu einer sittlichen
zu machen. Nicht so sehr, was das Tier unter unserer Hand¬
lung etwa fühlen mag, kommt in Betracht, als was wir selbst
und unsere Mitmenschen — wissend, dass wir freiwillig Leiden
verursachen — fühlen mögen oder doch fühlen müssten. Zwar
nicht dem Tier wohl aber uns selbst, der Menschheit sind wir
Rechenschaft schuldig über das, was wir hier beginnen.
Historische Entwickelung hat in erst langsamer und
dann immer schnellerer Zunahme das Tierexperiment in
alle Zweige medicin - wissenschaftlicher Praxis eingeführt.
Wissenschaftlicher Forscherdrang, dem keine gesetztlichen
Grenzen entgegenstanden und der in seiner Entflammung
andere als hartmaterielle nicht fühlte, hatte den ersten Schritt
getan und damit den Weg eröffnet, auf dem nachdrängend
eine immer wachsende Schar Wissens- oder Erfolgdurstiger
weitergegangen ist. So erklärt sich leicht der Mangel einer
sittlichen Begründung, so auch das Erstaunen der Fachleute,
wenn eine so lange ohne alle Bedenklichkeiten ^nz selbst¬
verständlich geübte Gepflogenheit auf einmal in Zweifel ge¬
zogen wird. Es erscheint ihnen sicher, dass nur Banausen,
unwissende, übelwollende und müssige Nörgler ihre stillen
Kreise stören können. Und doch haben sie wohl alle — und
darin wiederum liegt der Beweis für die Berechtigung der
Forderung nach einer prinzipiellen Grenzbestimmung —, sie
alle, soweit ihnen natürliches Empfinden nicht schon früher
abhanden gekommen war, mit innerlichem Unbehagen, mit
Scheu, Ekel und Aufregung, kurz mit dem deutlichsten Gefühl
einer Dissonanz ihre ersten vivisektorischen Eingriffe vollzogen.
Schliesslich aber hat die Routine, das Vorherrschen des sach¬
lichen Interesses, oft auch ein Stückchen Schneidigkeit, welches
alle sentimentalen Regungen als unwissenschaftlich und humani¬
tätsduselig verwarf, den Sieg über die anfänglichen Bedenken
davongetragen.
Seltsamer Gegensatz: das finstere Mittelalter im Scheiden
den Gedanken der Humanität erzeugend, die modernste Moderne
ihn verspottend im brutalen Sebmähwort Humanitätsduseleil
Bekundungen einfach natürlich menschlichen Gefühls wagen
sich in wissenschaftlichen Arbeiten nur selten ans Licht, und
wenn Albert üffenheimer gelegentlich einer CTösseren
experimentell-kritischen Arbeit (Arch. f. Hyg. Bd. LIV) zu
einem Tierversuch anmerkend sagt: «Der Versuch war mir
sehr unangenehm. Indess fehlte dem Tier sicher jede Empfin-
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfung
übertragbarer Krankheiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Fortsetzung.)
Bezüglich des Gesetzes selbst kann ich mich kürzer fassen
und Sie auf die Ihnen zugegangenen Auszüge aus dem Gesetze
hinweisen. Das Gesetz über die übertragbaren Krankheiten
ist im Wesentlichen in derselben Weise aufgebaut, wie das
Gesetz über die gemeingefährlichen Krankheiten. Ich möchte
nochmals zur Klarheit darauf hinweisen, dass durch die offizielle
Benennung der Gesetze zur gegenseitigen Verständigung nun¬
mehr daran festzuhalten ist, dass die im Gesetz von 1900 be¬
nannten Krankheiten: Aussatz, Cholera, Fleckfieber, Gelbfieber,
Pest, Pocken nunmehr den terminus technicus führen: „gemein¬
gefährliche Krankheiten“, dagegen die im Gesetz von 1905 be¬
nannten Krankheiten den terminus technicus: „übertragbare
Krankheiten“. Das Gesetz gliedert sich in die Bestimmungen
düng“ . . ., so bildet er damit eine seltene, aber nicht unerfreu¬
liche Ausnahme.
Solche Ausrufe beleuchten die Situation! Wenn selbst
dem Bewusstsein des problemgefesselten Experimentators solche
Bedenken kommen können, dann ist das Bedürfnis einer prin¬
zipiellen Grenzbestimmung wohl klar erwiesen. Sache der
Fachleute wird es sein, mehr vielleicht noch Sache der Philo¬
sophen, die geübte Praxis zu begründen und — zu korrigieren!
In der Tat, eine Korrektur erscheint notwendig. Denn
auf diesem Gebiete des Tierexperimentes hat sich die Freiheit
der Forschung in reine Anarchie verwandelt. Jeder experi¬
mentiert, und das tierische Material wird fast ohne eine Grenz¬
absteckung (abgesehen von der des Geldbeutels) in Bezug auf
Zahl der Opfer, Art der Verwendung und voraussichÜichen
Wert des Versuchsergebnisses verbraucht. Wer speziell die
hygienische Literatur mit Aufmerksamkeit verfolgt, wird nicht
selten Arbeiten finden, deren m^eres Ergebnis — fast voraus
erkennbar — mit einer wahren Hekatombe von Schlachtopfem
erkauft werden musste, andere wieder, bei denen die (Srau-
samkeit des notwendigen Eingriffes die Frage wachrufb: Wie
beschaffen muss wohl das Gemüt eines Menschen sein, der
selbst imstande ist, solche Tierquälereien (mag ihr Zweck auch
ein noch so wichtiger sein) auszuführen?
Zufällig stehen mir gerade die Weichardtschen Arbeiten
über Ermüdungstoxin und Antitoxin in besonderer Erinnerung.
Sicherlich von höchstem Interesse, theoretisch wertvoll, in
Fragestellung, Fleiss und Genauigkeit der Beantwortung gleich¬
mäßig ausgezeichnet! Aber dennoch! „Weh dem, der zu der
Wahrheit geht durch Schuld!“
Sind hier wirklich nicht Grenzen überschritten, die nie¬
mals hätten überschritten werden dürfen? Deckt wirklich der
wissenschaftliche Fortschritt den humanitären Verlust?
Allerdings behauptet Weichardt verschiedenen Angriffen
gegenüber (Nr. 26, 1905, Münch, medicin. W.), dass sein ur¬
sprünglicher Ermüdungsmodus (stundeni^ges Rückwärtsziehen
des an einer Hautfalte festgeklemmten Tieres über einen rauhen
Teppich bis zum Brmüdungstode) durchaus human und ohne
Schmerzempfindung für das Versuchstier gewesen sei, und er
beruft sich zum Beweise darauf, dass die benutzten Meer¬
schweinchen, die doch meist bei jeder Unbequemlichkeit ein
lautes Gequieke auszustossen pflegten, die Prozedur völlig laut¬
los ertragen hätten.
Demgegenüber muss natürlich festgestellt werden, dass
Tierquälerei nicht schlechthin mit Schmerzerregung identisch
ist. Auch Furcht und Schrecken sind Qualen haum weniger
über die Anzeigepflicht, über die Ermittelung der Krankheit,
über die Schutzmaßregeln, über die zuständigen Behörden, über
die Entschädigungen und Kosten, sowie endlich über die Strafen.
Bei der Anzeigepflicht ist als besonderer Unterschied
gegen früher einmal zu bemerken, dass sich der Kreis der an¬
zeigepflichtigen Krankheiten erheblich verändert hat. In Weg¬
fall gekommen sind Masern, Röteln, Syphilis, Krätze, Weichsd-
zopf und Gicht. Bösartiger Kopfgrind, Krebs und Gicht, für
die zwar früher eine Anzeigepfli^t auch nicht bestand, aber
doch gewisse sanitätspolizeiliche Maßregeln nach Lage des
Falles möglich waren, sind in dem heutigen Gesetze überhaupt
nicht mehr benannt Die Begründung des Gesetzes mit
Recht, dass wenn auch Masern und Köteln in grosser Aus¬
dehnung auftreten und die Masern erheblichen Schaden für
Gesundheit und Leben stiften, doch eine Anzeigepflicht nicht
S Taktisch sei, da sie im Verhältnis zu dem zu erwartenden
utzen zu grosse Belästigungen der Bevölkerung zur Folge
haben würde. Ueber die Anzeigepflicht bei Syphilis habe ich
bereits vorhin das Nötige ausgeführt. Krätze ist nach heutiger
Auffassung kein bedenkliches Allgemeinleiden, sondern eme
leichte Hautkrankheit, die verhältnismäßig einfach zu beseitigen
ist Dem Weichselzopf kann man heute überhaupt nicht nur
als Krankheit sui generis auffassen. Dasselbe gilt von bös¬
artigem Kopfgrind, unter dem man früher zweifellos eine Reihe
von Krankheitszuständen zusammenfasste, die heute genauer
differenziert und gewöhnlich auch mit gutem Erfolge in ein-
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1966.
MJJÖlCINlSCSfi WOCHfi.
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für das Tier als für den Menschen. Dass aber das fortstrebende
Meerschweinchen hingenommen von seiner Widerstands- und
Fluchtbewegung selbst auf den Schmerz der zerrenden Klemme
nicht wie gewöhnlich mit lautem Schrei quittiert, lässt sich
durchaus begreifen, auch ohne die etwas willkürliche (weil
nicht gehörig begründete) Annahme des Nichtschmerzempfindens.
Immerhin, vielleicht hat Weichardt Recht, es lässt sich
weni^tens denken, dass die beschriebenen Prozeduren die ver¬
wendeten Tiere über ein wollüstig prickelndes Gefühl hinweg
(wie es in der Tat starke Ermüdung zuwege bringen kani^
ins Reich der Bewusstlosigkeit geführt haben. Trotzdem ver¬
liert dieser Fall durchaus nichts von seiner pathognomischen
Bedeutung. Wie, wenn die Erlangung jenes Zieles nicht auf
so harmlos humanem Wege zu erreichen gewesen wäre, wenn
nur mit ärgster, stundenlanger, vollbewusster Schmerz- oder
Qualempfindung jenes köstliche Toxin erlangt werden konnte?
Würden dann wohl solche humanen Rücksichtnahmen einer
ferneren Betätigung entflammten Forscherstrebens nach dieser
Richtung hin Schranken gesetzt haben? Würde nicht die
wissenschaftliche Wicht^keit des Zieles alle Bedenken be¬
schwichtigt, der hohe ^eck das peinliche Mittel geheiligt
haben ?
Ans der Denkungsart unserer Forscherkreise heraus ver¬
mag ich mir kaum vorzustellen, dass solche nLappalien‘* den
freiwilligen Verzicht auf ein nahes wichtiges Resultat wirklich
bedingt haben sollten. Und so ansteckend wirkt diese An¬
schauungsweise, so faszinierend das Schlagwort Wissenschaft,
dass ich selbst ganz unwillkürlich jene Verachtung im Worte
Lappalie mitempfinde, dass ich alle Eingriffs* und Einscbrän-
kungsbestrebungen von anderer Seite gewissermaßen als Tempel¬
schändungen ansehe — und dass ich mich erst durch einen
bewussten Akt in einfach menschliche Denkweise wie in ein
fremdes Medium zurückversetzen muss!
So wird am Weichhardtschen Ezempel, mag es selbst
der Verdammnis anheimfallen oder nicht, das lösungheischende
Problem klar. Ist Wissenschaft ein Schrankenbrecher über¬
all oder gibt es auch für sie moralische Grenzen noch vor den
physisch-materiellen und kriminalistischen — und wenn ja:
wo liegen sie?
Das Ziel, der Zweck alles menschlichen, also auch alles
wissenschaftlichen Strebens kann immer nur der Mensch selber
sein. Der Mensch im bestverstandenen Gesamtinteresse, in
seiner leibgeistigen Ganzheit, nicht in den Teilinteressen der
Gesundheit, der Kraft, der aesthetischen Kultur der wissen¬
schaftlichen Erkenntnis!
Im Mittelpunkte dieses Menschheitsideales steht aber der
sittliche Mensch! Humanität, vollkommene, vor allem sittliche
Menschwerdung als all unserer Arbeit Endzweck, muss daher
auch unsern Weg wie unsere Mittel maßgeblich bestimmen!
Es darf keinen mderspruch zwischen Zweck und Mittel geben,
dem Ziel entsprechend muss die Methode seiner Erstrebung
estaltet sein. Wissenschaft als eine Wurzel und ein Zweig
er Humanität, Wissenschaft zugleich als die bewussteste,
darum verantwortungsvollste menschliche Betätigung — muss
sich dieses Zusammenhanges auch in allen Einzelleistungen
gewärtig bleiben. Es darf nicht geschehen, dass sie in ihrer
Praxis die Grenzen der Humanität überschreitet und unein-
gedenk ihrer dienenden Stellung dem grossen Ganzen gegen¬
über hyperthrophierend zum Selbstzwecke entartet.
Es kann nicht bestritten werden, dass gerade unserem
Wissensgebiete und besonders in der Gegenwart diese Gefahr
sehr nahe liegt. Die neuen Errungenschaften auf dem Gebiete
der Immunitätslehre haben ein wahres Entdeckungs- und Ex-
perimontierfieber in allen Zweigen medicinischer Forschung
hervorgerufen. Welche Hochflut von Literatur — schier un¬
übersehbar! Viel Wertvolles, aber auch Arbeiten darunter,
denen man ihren Zweck, Veröffentlichung zu sein, von vorne
herein ansieht, Arbeiten so dürftig an Erfolgen, ja Erfolgsmög¬
lichkeiten. dass eigentlich nur die Inkongruenz zwischen Aus¬
beute und aufgewendetem Material gerechte Bewunderung er¬
regt. All dieser Arbeiten Kern ist das Tierexperiment. Und
da liegt freilich die Befürchtung nahe, dass allzugrosser, nicht
immer wissenschaftlicher, manohmal nur neugieriger oder nur
ehrgeiziger Eifer die gebotene sittliche Besinnung ausser Augen
lässt. Jedenfalls aber kann es nur wünschenswert sein, wenn
die berufenen Fachleute, die sich praktisch tagtäglich mit dem
Tierexperimente beschäftigen und andere sogar untergeordnete
Organe damit beschäftigen lassen, auch einmal theoretisch und
nicht in allgemeinen Phrasen zu dieser Frage Stellung nehmen!
Dass ihre Beantwortung nicht gar so einfach ist, wie es zu¬
nächst scheinen könnte, werden meine Ausführungen wohl
deutlich gemacht haben.
Aber noch eins: Wir dürfen in diesen Dingen auch die
Kritik von Laien nicht hochmütig ablehnen. Ueber die wissen¬
schaftliche Bedeutung eines speziellen Experiments kann selbst¬
verständlich nur der Fachmann maßgeblich befinden, bezüg¬
lich der allgemein-menschlichen Grundlage aber, auf welcher
die Zulässi^eit dieser Forschun^methode überhaupt erst be¬
ruhen kann, steht auch dem dei^enden, fühlenden und natür¬
lich — objektkundigen Laien ein beachtenswertes Urteil zu.
facher Weise zu behandeln sind. Der Krebs ist deshalb aus
dem heutigen Gesetz herausgelassen, weil seine Natur noch zu
wenig feststeht und damit auch die Zweckmäßigkeit der im
Einzelnen anzuordnenden Maßregeln. Die Gicht wird heute
nicht mehr als Infektionskrankheit, sondern als Stoffwechsel¬
krankheit angesehen.
Hinzugek^ommen sind g^en früher Dmhtherie, Genickstarre,
Wochenbettfieber, Pleisch-, Fisch- und Wurstvergiftung, Trichi¬
nose. Bezüglich der zuerst genannten drei Krankheiten habe
ich bereits ausgeföhrt, dass sie zur Zeit des Regulativs nicht
genügend bekannt waren, während heute ihre Gefährlichkeit
unzweifelhaft feststeht. Die Trichinose, Fisch-, Fleisch- und
Wurstvergiftungen, die ebenfalls neu hinzugekommen sind, sind
streng genommen Krankheiten, die nicht von Mensch auf Mensch
übertragbar sind; sie entstehen bekanntlich nach dem Genuss
gewisser Nahrungsmittel und können durch ihren bösartigen
Verlauf und oft auch durch ihr explosionsartiges, auf grössere
Kreise sich erstreckendes Auftreten gewiss das Interesse der
Sanitätspolizei erwecken. Unter die Fisch-, Fleisch-, und Wurst¬
vergiftungen fallen verschiedene Krankheitsbilder; einmal solche,
die mit Schwindel, Muskellähmungen an Augen, Schlund und
Kehlkopf einhergehen Sie sind die Folge von Vergiftung
durch organische Substanzen, die unter dem Einflüsse von
Fäulnisbakterien in verdorbenen Fleischwaren entstehen. Bei
einer andern Gruppe von hierher gehörigen Krankheiten ent¬
stehen schwere Durchfälle, Fieber, Hinfälli^eit. Hier sind wohl
charakterisierte Bakterien als Ursache nachzuweisen. In diese
Gruppe sind auch die Fülle von Parafyphus einzureihen.
Im Einzelnen ist gegen früher noch geändert, dass Schar¬
lach auf alle Fälle meldepflichtig ist, nicht nur dann, wenn er
bösartig oder epidemisch auftritt. Dasselbe gilt von der Ruhr.
Ebenso ist neu eingefUhrt die Anzeigepflicht für jeden Todes¬
fall von Lungen- und Kehlkopftuberkulose. Der Ausdruck
Lungen- und Kehlkopftuberkulose ist zweifellos dahin zu ver¬
stehen, dass sowohl ein Todesfall an Lungen- wie an Kehl¬
kopftuberkulose, also nicht nur Fälle mit beiden Todesursachen
zugleich anzuzeigen sind. Besonders wichtig für die Aerzte ist
die Bestimmung des § 1, dass bei allen genannten Krankheiten
(mit Ausnahme der ISiberkulose) nicht nur der Erkrankungs¬
fall, sondern auch jeder Todesfall besonders anzuzeigen
ist. Diese Anzeige des Todesfalls berührt die bisher schon
übliche, dem Standesamt vorzulegende Beurkundung des Todes
durch den Totenschein in keiner Weise. Die Bestimmung, dass
die Todesfälle anzuzeigen sind, ist. wohl aus der Erwägung
hervorgegangen, dass durch diese Anzeige einmal die Behörde
den richtigen Zeitpunkt für die Desinfektion bestimmen kann,
des weiteren aber auch aus der Erwä^ng, dass erst auf diese
Weise ein hinreichendes statistisches Material zur Beurteilung
der Sterblichkeit der einzelnen Krankheiten gewonnen werden
kann.
Noch in einem dritten Falle ist der Arzt zur Anzeige
verpflichtet, nämlich dann, wenn der Erkrankte die Wohnung
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372
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 36.
Ich habe es deshalb auch für geboten erachtet, gegenüber
einer Aufforderung aus Laienkreisen zur Unterzeichnung einer
antivivisektorischen Petition meine ablehnende Stellungnahme
mit Gründen zu belegen. Das in Form und Inhalt leidlich
emäßigte, nur eine Beschränkung des Tierexperiments fordernde
chriftstück zeigte unter ca. 600 Unterschriften eine grosse
Reihe glänzender Namen von Universitätslehrern, Abgeordneten,
Offizieren, Fürstlichkeiten u. a. m. Auch einige Aerzte waren
unter den Petenten zu finden.
Meine Antwort, die den Ausdruck meiner persönlichen
Stellungnahme zu dem angeschlagenen Thema enthält, lautete
folgendermaßen:
Geehrte Frau, obgleich ich an humaner Gesinnung nicht
tief zu stehen hoffe, bin ich doch nicht in der Lage Ihre
Petition zu unterzeichnen. Und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens und vornehmlich: Ich kann einer Aktion nicht
zustimmen oder gar daran teilnehmen, die sittliche Forderungen
strafrechtlich erzwingen will! Und weder die Tatsache, dass
unser gesamtes Recht auf dieser Zwangsmethode beruht, noch
auch die Schwierigkeiten, welche sich praktisch aus einem
Abweichen von dieser Methode zu ergeben scheinen, können
dem, welcher grundsätzlich die Anwendung von Gewalt ver¬
wirft, hinreichende Gründe sein, in solchem Einzelfalle eine
Ausnahme zu machen.
Zweitens: solange nicht die Tötung und der Gebrauch
von Tieren zur Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses als mit
menschlicher Würde für unvereinbar erklärt wird, solange
wird sich auch gegen das Tierexperiment nichts grundsätzliches
Vorbringen lassen. Diese beiden Fragen gehören untrennbar
zusammen. Der Kampf aber lediglich gegen die Missbräuche
der Vivisektion erscheint mir, wenn er nicht sittlich sondern
gesetzlich geführt wird, abgesehen von den eben skizzierten
prinzipiellen Bedenken zu völliger Aussichtslosigkeit verdammt.
Gesetze sind immer umgangen worden und werden sich immer
umgehen lassen, auch in diesem Falle; sintemalen doch nur
Fachleute über den Wert oder Unwert eines geplanten vivi-
sektorischen Experimentes befinden könnten.
Derartige Gesetze würden die ernste wissenschaftliche
Forschung nur knebeln, ohne den Ausschreitungen der wissen¬
schaftlichen Neugierde oder Tintensucht wirksam steuern zu
können.
Zu diesen beiden Hauptgründen gesellen sich zwei andere
weniger entscheidende, nämhch:
Drittens: die Form Ihres Aufrufes, welcher im 5. Absatz
sehr stark ins Schauerromantische verfällt. Dieser Absatz
oder den Aufenthalt wechselt Die Anzeige ist 24 Stunden
nach erlangter Kenntnis bei der Polizeibehörde, bei dem Wechsel
des Aufenthaltsortes bei derjenigen des neuen Aufenthaltsortes
zur Anzeige zu erstatten. Diese Bestimmung gebt sogar weiter
als die entsprechende des Gesetzes über die gemeingefährlichen
Krankheiten, welche nur die Anzeige des Welchsms des Auf¬
enthaltsortes, nicht die der Wohnung an demselben Orte vor-
schreibt. Im wesentlichen wird diese Bestimmung für den
Arzt ausser bei Ueberführung ins Hospital nicht so oft eine
f iraktische Bedeutung erlangen. Schliesslich ist eine schrift-
iche Meldung auch noch dann nötig {siehe § 8 Nr. 3), wenn
Aerzte zur Behandlung einer an Kindbettfieber Erkrankten zu¬
gezogen werden. Sie müssen dann unverzüglich die bei der¬
selben tätige oder tätig gewesene Heb^me benachrichtigen.
Ich hoffe, dass Ihnen auch hier durch Bereitstellung geeigneter
Karten ihre Aufgabe erleichtert werden kann.
Der Kreis der zur Anzeige verpflichteten Per¬
sonen ist durch § 2 bestimmt, der in erster Linie den Arzt,
in zweiter Linie den Haushaltungsvorstand, drittens jede sonst
mit der Behandlung oder Pflege des Erkrankten beschäftigte
Person, viertens demjenigen, in dessen Wohnung oder Behau¬
sung der Erkrankungs- oder Todesfall sich ereignet hat, fünftens
den Leichenschauer zur Anzeige verpflichtet. Da der Para¬
graph ausdrücklich von dem zugezogenen Arzt spricht, so kann
JO nach Lage des Falles ausser dem behandelnden Arzt auch
der konsultierende Arzt oder der obduzierende Arzt, der eben
fälscht das Bild der Wirklichkeit (die, wie ich zugebe, be¬
denklich genug ist), indem er zum Teil ganz seltene Aus¬
nahmen oder gar Unica zusammeohäuft und den Eindruck er¬
weckt, als handele es sich hier um die Photographie täglichen
vivisektorischen Wirkens. In einer so ernsten Angelegenheit
müsste jede tendenziöse Entstellung aufs strengste vermieden
werden; und nicht an den leicht beeinflussten Instinkt sondern
einzig an Vernunft und Sittlichkeit dürfte der Appell sich
richten.
•Viertens: Ich scheue ein wenig die Gesellschaft der Unter¬
zeichner: teils Laien, die ein feines Empfinden leiten mag,
denen aber so gut wie jede praktische Kenntnis des Tatsäch¬
lichen fehlt, teiL Aerzte, die entweder in diesem Punkte den
Laien gleichzuachten sind und weder Leistungen noch erheb¬
liche Erfahrungen auf den einschlägigen Gebieten aufzuweisen
haben — oder gar solche, die nur, weil sie Opponenten der
sog. Schulmedicm sind, auch hier opponieren, ohne, wie bei¬
spielsweise jener ^homöopathische Naturarzt“, der Unverein¬
bares in seinem Titel reklamehaft vereinigt, die sittliche oder
logische Qualifikation zu solchem Unternehmen zu besitzen.
Ueber meine eigene Stellungnahme zur Vivisektion möchte
ich Ihnen kurz aus eigener praktischer Beschäftigung als ehe¬
maliger Assistent eines hygienischen Universitätsinstituts das
Folgende sagen:
Ich bin von allem Anfang an Gefühlsgegoer der Vivisektion
gewesen.
Ich bin auch heute der Meinung, dass viel zu viel, nicht
immer genügend motiviert und ebenfalls nicht immer genügend
rücksichtsvoll an Tieren experimentiert wird.
Ich verwerfe die Vivisektion zu blossen Demonstrations¬
zwecken, des ferneren, wo sie zur Befriedigung blosser wissen¬
schaftlicher Neugierde oder gar aus Artikel- und Titelsucht
geübt wird; emilich in allen den Fällen (und das sind nicht
wenige), in denen das zu erwartende Resultat in auffallendem
Missverhältnis zu den notwendigen Opfern steht.
Ich fordere ausnahmslos Narkose (habe natürlich von
dieser Forderung — abgesehen von ganz kleinen, Sekunden
dauernden Eingriffen — persönlich auch niemals abgewichen).
Versuche, welche nur unter längerer, Sekunden überschreiten¬
der bewusster Schmerzempfindung auszuführen sind, sollten
ganz — auch wenn ihr mögliches Ergebnis von höchstem
wissenschaftlichen Werte sein könnte — unterlassen werden
— aus Rücksicht (nicht etwa auf das Tier, das ja .Speise¬
sache“ ist, mit uns also nicht in sittlicher Gemeinschalt steht)
auf die in ihrer Sittlichkeit bedrohten ausübenden Menschen.
den Infektions-Charakter der Krankheit erst erkennt, zur An¬
zeige veroflichtet sein. Erst wenn kein Arzt bei der Krank¬
heit beteiligt ist, treten die weiter genannten Personen in der
angegebenen Reihenfolge als Anzeigepflichtige ein. Unter
Nr. 3 sind nur diejenigen zu verstehen, die berufsmäßig be¬
handeln oder pflegen, nicht solche, die gelegentlich dem
Kranken nur einen kleinen Dienst erweisen. Hier rangiert
also auch der Kurpfuscher, der erst anzeigepflichtig und daher
verantwortlich ist, wenn der HaushaltungsVorstand als Ver¬
pflichteter nicht vorhanden ist, ein Fall, der kaum Vorkommen
wird. Inwiefern Kurpfuscher durch das Gesetz doch von der
Behandlung Infektionskranker ausgeschlossen werden können,
werde ich nachher zu besprechen Gelegenheit haben.
Der § 3 ist besonders wichtig für unsere Kranken-, Ent-
bindungs-. Gefangenen- und ähnliche Anstalten. In erster
Linie ist nach der geltenden Auffassung als Vorsteher der An¬
stalt der leitende Arzt anzusehen, der ja auch in den bereits
bestehenden Dienstanweisungen als diejenige Instanz bezeichnet
ist, welche der Aufsichtsbehörde für die Erfiillung hygienischer
und gesetzlicher Pflichten verantwortlich ist. Es besteht aber
für ihn nach dem Paragraphen die Möglichkeit, dass an seiner
statt auch ein von der zuständigen Stelle (bei städtischen
Krankenhäusern: ist diese die städtische Verwaltung, bei pri¬
vaten: der Vorstand, das Kuratorium oder dergl.) damit oe-
auftragte Person, etwa der Verwalter des Hospit^s die An¬
zeigepflicht übernimmt. (Furtsetzung folgt.)
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
373
— Es darf keine Hvpertropliie des theoretischen Interesses
auf Kosten des sittlichen geoen. Nicht Wissenschaft ist das
letzt und unbedingt Verpflichtende, ihre Herrschaft darf viel¬
mehr nur soweit gehen, als Sittlichkeit keine Schranke setzt!
Ernst Thesing.
Sitzungfsberichte.
Berliner ophthalmologische GeseUschaß*'
Sitzung vom 18. Mai 1906.
Hr. Pollack: Filaria loa unter der Bindehaut.
Ein jetzt 32 Jahre alter deutscher Polizeimeister in Kamerun
bemerkte vor 5 Jahren am linken Auge unter der Bindehaut den
Wurm, dessen schlängelnde Bewegungen ihm Kribbeln verursachten.
Der Wurm verschwand dann für Jahre, trat audi sporadisch wieder
auf, wunderte auch einmal unter der Nasenhaut unter die rechte
Bindehaut und wurde sogar einmal unter dem Handrücken ge¬
fühlt. Seit 1 Jahre war er unbemerkt geblieben, kam aber jetzt
plötzlich wieder zum Vorschein und konnte durch Cocain und
Adrenalin sichtbar gemacht und mittels eines Schieihakens aus
einer kleinen Bindehautwunde hervorgezogen werden. Der Wurm
ist 3 cm lang.
Hr. Feilchenfeld: Fall von Tarsitis specif.
Hr. Helbron: Ueber ungestielte Lappen in der
Ophthalmologie.
G^tielte Lappen sind aus kosmetischen und mechanischen
Gründen nicht immer anwendbar. Ungestielte Lappen sind nur
dann brauchbar, wenn die Konstitution des Pat. gut ist (keine
Anaemie), und wenn in der Umgebung des zu deckenden Defektes
akute und chronische Eiterungen fehlen. Sie schrumpfeu sehr
leicht und müssen auf guter Unterlage ruhen, also nicht auf
Narben oder lockerem Unterhautzellgewebe, sondern auf
glatter Unterlage, wie Tarsus oder Knochen. Statt Einheilung
tritt oft trockene oder feuchte Gangraen, Abstossung nach Eite
mng im Stich-Kanal oder unter dem Lappen, Binschmelzung
selbst des schon angeheilten Lappens durch torpide Geschwüre
ein. Es kommen 3 Methoden in Anbetracht; 1. Uebertragung
des Lappens in seiner ganzen Dicke (Le Fort-Wolfe); 2. Trans¬
plantation Thiersdischer Läppchen; 3. Ueberpflanznng von Schleim-
hantlappen zur Deckung von Defekten im Bindehautsack und in der
Augenhöhle. Für Lidplastiken kommen nur die beiden erstge¬
nannten Verfahren in Frage, do<h muss man wegen der drohenden
Sdirumpfung stark überkorrigieren. Innerhalb der Orbita handelt
es sich meist darum, bei Sym- oder Ankyloblepharon das Tragen
einer Prothese zu ermöglichen. Zu diesem empfahl als erster
Stellwag (1872) Schleimhautplastiken, ihm folgte Wolfe, der
Schleimhaut vom Mund oder der Scheide des Menschen und des
Kaninchens benutzte, und neuerdings bildete Axenfeld mit
dieser Methode einen neuen guten Bindehautsack. Die Lappen
heilen zwar leichter ein als nach den andern Methoden, schrumpfen
aber stärker, so dass ein grosser Effekt nicht zu erwarten ist.
Um das Wundwerden der oberflächlichen Blätter zu vermeiden
und das Verwachsen beider Oberflächen zu hindern, ging man
zu den beiden ersteren Methoden über. 1899 empfahl May die
Ueberpflanzung Thier sch scher Läppchen, Einlegen einer Glas-
prothese und Vernähen des Lides darüber. Die sub. 1 erwähnte
Methode wurde nicht viel beschrieben. Helbron löst den Binde-
hautsack los, ezzidiert die Hautbrücke nicht, sondern lässt sie
zur Fixation der Hautlappen stehen, stillt die Blutung gut. Die
Haut soll zwecks Vermeidung zu starken Druckes und besserer
Einpassung von dünnen Hautstellen entno mm en werden (Innen¬
fläche des Oberarms, Brust), aber ohne subkutanes Fett, ev. ver¬
dünnt. Der ovalaer exzidierte Lappen wird am besten halbiert,
mit nach oben und unten gerichteten Enden eingepasst und die
Basis am zentralen Bindehautlappen angenäht (nicht nur eingelegt).
Die Uebergangsfalte wird uidit mehr durch festes Einbringen
mit Sonde und Zügelnähten gebildet, weil dieses Verfahren leicht
mit Eiterung kompliziert ist, sondern durch sofort eingelegte Blei¬
platten oder noch besser durch das dauernde Tragen von Glas¬
prothesen. Beide Bindehautsäoke, der obere und der untere,
werden in einer Sitzung gebildet. Bald, d. h. 8—10 Tage nach
der Anheilung, stösst sich die Epidermis des Lappens ab, dessen blass¬
rote Farbe seine erfolgte Anheilung anzeigt. H. hat bisher
10—12 Fälle auf diese Weise erfolgreich behandelt, von denen
er 4 vorstellt. Das Endresultat ist erst nach 4—6 Monaten zu
beurteilen.
Diskussion: Herr Pollack betont die Wichtigkeit guten
Gesundheitzustandes der Patienten und guter Unterlage für die
Anheilung der Lappen. Zeigt die Photographie eines von Prof.
Silex mit Erfolg operierten Falles.
Hr. Seeligsohn: Krankenvorstellungen.
a) Eine 39 Jahre alte, sonst gesunde Frau erkrankte im
Juli 1903: sie war plötzlich beiderseitig erblindet und ertaubt,
die Pupillen waren starr, und der Augenhintergrund zeigte das
Bild der Verstopfung der A centr. ret. Patientin hatte tags zu¬
vor von dem ihr gegen nervöse Kopfschmerzen verordneten Chinin
3,5 g auf einmal genommen. Unter Bettruhe, Bädern und Schwitzkur
besserte sich der Zustand. Das Hörvermögen kehrte schnell, die
Sehkraft nur langsam zurück; nach 8 Tagen S = , nach zwei
Monaten wurde S == Ve. Das anfangs nur schlitzfbrmige Gesichts¬
feld wurde schliesslich ganz normal. Jetzt sind die Papillen
atrophisch, die Gefässe infolge Peri- und Endovasculitis weiss ein-
gescheidet oder obliteriert. S * •/ 12 , Gf. für Farben beträchtlich
geschädigt; der Lichtsinn (Nagels Adaptometer) zeigt eine Herab¬
setzung der Dunkeladaptation auf ^/lo. Die Pathogenese, deren
Erklärung infolge des Fehlers von Sektionen auf das Tierexperi¬
ment angewiesen ist, lässt als primäres eine Ischaemie und nicht
eine Aflektion der Ganglienzellen wahrscheinlich erscheinen.
b) 21 Jahre altes, nie vorher krankes Mädchen erkrankt an
einer hochfieberhaften Angina lacunaris, nach 14 Tagen bekommt
sie Muskelschmerzen, Gelenkschwellungen und Eiweiss, nach einigen
Tagen bds. Rötung und Schwellung des Lides, Exophthalmus, Gyclitis
mit starken Glaskörpertrübuugen und Stauungspapille. Nach und
nach besserte sich der Zustand, und es zeigte sich beiderseits eine
zwischen margo supraorbitalis und Bulbus palpabele, die Augäpfel
verdrängende, aus mehreren Knoten bestehende und mit den
Tränendrüsen nicht zusammenhängende Geschwulst; ophthalmos¬
kopisch erkennt man helle Aderhautherde. Die Blutuntersuchung
ergab, dass es sich um pseudoleukaemische Tumoren bandelte.
As. wirkte gut; jetzt ist der Exophthalmus gering, S. und Gf.
normal, die Tumoren sind erheblich verkleinert, die Stauungs¬
papille besteht noch. Kurt Steindorfif.
AeneiUcher Verein M/wnehen,
Sitzung am Mittwoch, den 9. Mai 1906.
I. Hr. Gebele: Ueber Nierenchirurgie.
G. verbreitet sich ausführlich über die Anwendung der sog.
funktionellen Diagnostik vor Nierenoperationen, wie sie in der
Münchener chirurgischen Universitätsklinik gehandhabt wird. Er
hält den Ureteren-Katheterismus für das wertvollste Diagnostikum.
Den Urinseparator hat er ebenfalls angewendet und kann sich
dem ungünstigen Urteil, das darüber gefällt wurde, nicht au-
schliessen. Die Blut-Kryoskopie wurde mit dem Beckmannschen
Apparat ausgeführt. Es zeigte sich der Blutgefrierpunkt
schwankend. Sie erscheint besser als die Ham - Kryoskopie.
Harastoffbestimmungen (nach Esbach) wurden bald wieder aufge¬
geben. Farbstoffprüfungen wurden mehrfach, die übrigen funktio¬
nellen Methoden nicht angewandt. Von 1896 bis zum Herbst
1902, d. h. vor Anwendung der funktionellen Diagnostik war die
Operationsmortalität 20%, vom Herbst 1902 —1906 betrug sie
13% (die Prozentzahlen sind aber aus sehr niedrigen Operations-
ziffera abgeleitet. D. Ref.).
Diskussion:
Hr. Pr. Müller: Das kryoskopische Verfahren ist sehr gut
weil ein Tod sofort nach einer Nierenoperation durch Kranksein
der anderen Niere verhindert wird. Die Gefahren eines Ureteren-
Katheterismus sind nicht zu unterschätzen. Die funktionelle
Diagnostik wird erst wertvoll durch das Zusammenarbeiten der
verschiedenen Methoden.
Eine bedeutende Erhöhung von J im Blut ist ein ernstes
Symptom; daun ist vielleicht die Nephrotomie der Nephrektomie
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374
MBD ffiTTJTRl./ H 16 Ofi H IC .
Nr. 36.
vorzuziehen. Auch schwere Nephritiker können normalen Ge¬
frierpunkt des Blutes zeigen, (z. B. bei den mit Oedemen einher¬
gehenden Nierenkraukheiten). Bei den Gefrierpunktsemiedrigungen
spielen die anorganischen Salze die wichtigste Rolle. Die Mehylen-
blaumethode ist nicht so schlecht, wie man zu meinen pflegt,
zweckmässiger ist die Benützung von Indigokarmin. Die Harn-
stoffbestimmung wird zumeist mit ungenauen Methoden vorge¬
nommen (20% Fehler). Diese haben keine Berechtigung. Die
Niere, welche der dünnem Ham sezeraiert, ist gewöhnlich die
kranke. Sezeraieren beide Nieren dünnen Harn, so ist damit
noch nichts gesagt (nervöse Zustände etc.).
Hr. Schlagintweit hat die Kryoskopie fast völlig aufge¬
geben. Er nimmt den Ureteren-Katbeterismus vor und hat keine
Schädigungen durch denselben gesehen. Er hat hierbei ausge¬
zeichnete diagnostische Resultate.
Hr. Gebele: (Schlusswort).
II. Hr. Schloesser: üeber die Behandlung der
Neuralgien mit Älkoholinje ktionen.
Ein ausführliches Referat über diesen Vortrag ist nicht mög¬
lich, da in demselben grossenteils die Technik der Alkoholein¬
spritzungen bei den verschiedenen in Betracht kommenden Nerven
geschildert wird. Schl, verwendet fast ausschliesslich 80%igen
Alkohol, wenn er besonders vorsichtig sein will, (bei motorischen
Nerven — Facialis) 70%igen. Das Anwendungsgebiet ist der
Tic convulsif und die Neuralgieen (bis auf 5% aller Fälle sitzen
die letzteren im Trigeminus und Ischiadicus). Der Erfolg ist
beim Trigeminus keine Heilung, sondern nur eine „temporäre
ResektionMan miiss infolgedessen die Einspritzungen wieder¬
holen. Beim Ischiadicus treten dagegen keine Recidive auf. Bei
diesen Nerven zeigt sich auch deutlich, dass die motorischen Fasern
weniger leicht durch den Alkohol irritiert werden als die sen¬
siblen. Die Ischiadicus-Neuralgie ist gewöhnlich eine Plexus-
Neuralgie; desshalb müssen noch die entsprechenden Nerven mit¬
behandelt werden. Aehnliche Verhältnisse bestehen auch bei den
Gesichtsnerven. Dr. Albert Ufifenheimer.
Mxx/¥i/fihei/nier Aentsteverei/n.*
Sitzung vom 30. IV. 1906.
Escholein: lieber Kindermilchversorgung und Milchküchen.
Die Reform der Milchversorgung bildet zurzeit besonders im
Interesse der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit eine der
wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege. Die
hohen Zahlen unserer Säuglingssterblichkeit sind ohne Zweifel
zum Teil durch Momente bedingt, wie schlechte Wohnungen,
mangelhafte Pflege usw.; Zust&nde, auf denen eine Besserung nur
Schritt für Schritt durch soziale Hygiene im grössten Stile erhofft
werden kann. Aus der Tatsache jedoch, dass etwa zwei Drittel
aller Todesfälle im ersten Geburtsjahre auf Ernährungsstörungen
direkt oder indirekt beruhen, dass hiervon aber Brustkinder selbst
unter den erbärmlichsten äusseren Verhältnissen so gut wie völlig
verschont bleiben, geht hervor, dass der Ernährung, und zwar im
Grunde dem Ersätze der Mutterbrust durch die Flasche, eine aus¬
schlaggebende Rolle unter den Ursachen unserer hohen Säuglings¬
sterblichkeit zukommt. Die traurigen Ergebnisse der künstlichen
Ernährung haben im wesentlichen ihre Ursache darin:
1. dass das Ausgangsmaterial der gewöhnlichen künstlichen
Ernährung, die Kuhmilch, schon häufig im Handel eine für den
kindlichen Organismus schädliche Beschaffenheit besitzt,
2. dass bei der Behandlung der Milch im Haushalte und der
Darreichung der Nahrung die einfachsten hygienischen und diäte¬
tischen Grundregeln nicht beobachtet werden,
3. dass überhaupt die künstliche Ernährung meist nicht nach
irgend welchem Schema, nach Laienerfahrungen bei anderen
Kindern, oder Reklaraeschriften von Nährmittelfabrikanten, sondern
nur unter genauer Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse
nach sachverständigem ärztlichen Rate durchgeführt werden k«.nn,
dieser aber vielfach überhaupt nicht oder erst viel zu spät aufge¬
sucht wird.
Der verhängnisvolle Einfluss der Marktmilch muss im wesent¬
lichen zurückgeführt werden auf ihren Gehalt an Bakterien und
deren Zersetzungsprodukten. Die Grundbedingung für hygienische
Milchgewinnung ist peinlichste Reinlichkeit schon vom Knhstall
ab. Gutes Patzen der Kühe, Reinigung der Euter vor dem
Melken, reine Hände des Melkpersonals sind dafür die nötigen
Voraussetzungen. Die weitere Behandlung der Milch muss darauf
bedacht sein, die Entwickelung der Keime zu ungezählten Massen
zu verhüten. Hierfür ist das beste Mittel die Kälte. Die Hitze,
die Pasteurisation und Sterilisation, vermag gerade die gef^r-
lichsten Keime nicht zu vernichten. Ebensowenig zuverlässig sind
die zur Konservierung der Mittel vorgeschlagenen Ghemiekalien.
Die Durchführung dieser hygienischen Massregeln ist unter den
jetzigen Verhältnissen sehr schwierig. Als dringendste Aufgabe
vom ärztlichen Standpunkte aus, ist die Beschaffung einer billigen,
für Kinder durchaus einwandfreien Milch zu bezeichnen. E. l'ührt
dann die Massnahme der Berliner Gesellschaft zur Bekämpfung
der Säuglingssterblichkeit an. E. schlägt die Einrichtung einer
Milchzentrale vor. Sämtliche anfgelieferte Milch musste zunächst
geprüft und dürfte erst dann au den Händler zur weiteren Be¬
handlung, d. h. zum Abfallen in die womöglich sterilisierten
Flaschen freigegeben werden. Die gefüllten Flaschen wären so¬
fort mit einem Datumstempel zu plombieren. Mustergiltig ist die
Eopenhagener Milchversorgung wie die ,L’oeavre philanthropique
du lait‘‘ in Paris. Die Finanzierung sollten die Stadtgemeinden
womöglich ganz oder teilweise übernehmen, im übrigen ist auch
eine finanzielle Beteiligung der Milchproduzenten wünschenswert.
Viel kann auch durch Aufklärung des Publikums über die hygie¬
nischen Anforderungen, die an den Milchbandel zu stellen sind,
erreicht werden, und hierdurch könnten besonders viel Aerzte
schon jetzt das Pablikum zur Selbsthilfe erziehen. Es muss ftir
eine entsprechende Behandlung der Milch im Haushalte Sorge ge¬
tragen werden. Für die Fälle, in denen eine solche aus irgend
welchen Gründen nicht möglich oder besondere, im Haushalt
nicht herzustellende Gemische nötig sind, ist die Gründung von
Milchküchen erforderlich. Sie kann von der privaten Wohltätig¬
keit erfolgen. Keine Milchküohe ohne ärztliche Ueberwachnng
der Pfleglinge, womöglich aber nicht durch eine Poliklinik, sondern
bei gänzlich freier Aerztewabl. Dr. Max Jacoby.
Schlesische CreseUschaft für vaterländische Kultur»
(Med. Sect.) Sitzung vom 25. Mai 1906.
Vors. Hr. Uhthoff, Schriftf. Hr. Partsch.
Hr. Ludloff: Ueber Kreuzbeinbrüche.
Der Vortragende hat an der Hand von 5 Fällen die Symp¬
tomatologie und Diagnostik der Kreuzbeinbrüche genau zu er¬
forschen gesucht. An einem der vorgestellten Fälle, dessen
typische Krankengescbichto erzählt wird, demonstriert L. die
charakteristischen Symptome, die die Diagnose sichern. Die Unter¬
suchung im Stehen des Patienten ergibt Schiefstand des Beckens
bei teilweiser Lordose beziehungsweise Scoliose der Wirbelsäule.
Die linke Spina tritt etwas mehr hervor. Beim Spreizen der
Beine (Hoffa) ist keine Ungleichheit vorhanden. Beim Heben des
linken Beines hebt sich das Becken normal in die Höhe, beim
Heben des rechten Beines fällt das Becken herunter (Trendeln-
burgsohes Phaenomen). Das Percutieren der Wirbelsäule ergibt
an der Bruchstelle Schmerzhaftigkeit, das Auscultieren mit dem
Schlauchstetoskop crepitierende Geräusche. Die Untersuchung mit
dem Mikuliczschen Kreuzmaf in der Rückenlage ergibt gleiche
Länge der Beine. Die Reflexe sind links gesteigert, die Prüfung
der Sensibilität weist Hyperaestbesie der linksseitigen Penisgegend
anf. Bei der Untersuchung in der Knieellenbogenlage steht die
linke Spina posterior höher als die rechte. Im Warmwasserbade
fühlt man den letzten Lendenwirbel rechts mehr vorgelagert als
links. Die Röntgenhüder zeigen Asymmetrie des Beckens in Bauch-
und Rückenlage und geben einen Einblick in den Mechanismus
der Entstehung der Fraktur. Dieselbe ist in dem vorgestellten
Falle in der Nähe der linken Synchordrosis zu suchen. Die dem
entstandenen Schlottergelenk entgegenwirkende Therapie ist An¬
legung eines Stützkorsetts.
Hr. Partsch stellt einen Fall vor, bei dem er eine direkte
Verletzung des Hüftgelenks ohne Kreuzbeinverletzung annimmt,
während Hr. Ludloff auch bei diesem Fall das besonders wichtige
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
375
und entscheidende Trendeinburg sehe Fhaenomen als vorliegend
erachtet, das ihm für eine Ereuzbeinfraktur zu sprechen scheint. —
Feritz.
Sitzung vom 22, Juni 1906.
Vors. Hr. Uhthoff, Schriftf. Hr. v. Strümpell.
Der Vors, widmet Hm. Sanitätsrat Bröer einen Nachruf.
1. Mende (Gottesberg): Demonstration eines Desin>
fektionsschrankes. Der Vortr. bat bereits vor Jahresfrist
in einer Zeitschrift (Ther. Monatshefte) darüber geschrieben, hat
aber wenig Beachtung gefunden, und zwar, wie er glaubt, weil
die Resultate nicht von einem Fachmanns nachgeprüft worden
sind. Dies ist nun inzwischen durch einen Bakteriologen geschehen,
wobei die _ früheren Befunde vollauf bestätigt wurden. Der
Schrank bängt an der Wand und bat einen Boden ans Schwarz¬
blech. Er hat den Zweck, die Kleidungsstücke des Arztes rasch
und sicher zu desinfizieren, um Uebertragung von Infektionskrank¬
heiten zu verhüten und ängstliche Gemüter im Foblikum zu be¬
ruhigen. Der Vortr. benutzte eine Schering sehe Lampe aus
Ponnalin-Fastillen, und zwar verwandte er, wiewohl nach den Ver¬
suchen 5—6 Stüc^ genügt hätten, jedesmal 10, denen 120 ccm
Wasser zur Verdunstung beigefügt wurden. Die Keime der
Testobjekte (Bakt. coli, Milzbrandbazillen etc.) wurden ausnahms¬
los in 3—5 Stunden abgetötet. Nur wo die Keime tief in die
Sachen eingedrungen waren, wie es in praxi gar nicht vorkommt,
genügten die Formalin-Dämpfe nicht; hier könnte nur strömender
Wasserdampf von Erfolg sein. — Der Formalin-Geruch lässt sich
durch schwache Ämmoniakdämpfe leicht beseitigen.
2. Hr. Glogner: „Ueber die Ursache und Bekämpf¬
ung der Malaria.“ Die Erwerbung der Kolonien nnd der ge¬
steigerte überseeische Verkehr haben das Interesse für die Tropen¬
krankheiten nnd besonders für die Malaria erhöht. Erst in den
letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts hat man die Wege, wie
die Keime in den Körper eindringen, erkannt und ist dadurch zu
neuen Behandlungsmethoden gelangt. Laveran, der die Farasiten
entdeckt hat, nahm nur eine Form für die verschiedenen Er¬
krankungsarten an; jetzt unterscheidet man allgemein eine tertiana,
quartana und tropika. Grashej fand, dass die Uebertragung der
Krankheit durch die Änophelis-Mücke erfolge. Im Magen dieses
Insekts findet die Kopulation der Farasiten statt. — Bezüglich
der Recidive hatte Koch angenommen, dass Sporen im Körper
znrückblieben und erst später zur Entwicklung kämen. Dagegen
wandte der Vortr. ein, dass dann die Gleichmässigkeit' des Auf¬
tretens nicht erklärlich wäre. Aufklärung brachte erst eine Ent¬
deckung Grashejs. Er fand, dass ausser der Kopulation auch
eine asexuelle Schizogenie stattfinde. Diese Fathogenese des
weiblichen Gameten, tritt immer nach bestimmten Zeiten ein und
bewirkt dann im Körper des Menschen ein Rezidiv. Bei der
sexuellen Fortpflanzung entstehen im Mückenmagen zuerst kleine
Würmchen (Ookineten). die wandern in die Tunica elastica muscu-
laris des Magens und entwickeln sich zu Oocysten, durch Keim-
teilung, Frotoplasma-Verdichtung und -Verdünnung entstehen die
Sporoblasten, dann platzt die Cyste und die Sporozoiden gelwigen in
das Blut und sammeln sich in den Speicheldrüsen. Beim Stich
der Mücke gelangen dann die Farasiten mit dem Speichel in den
Körper des Menschen. — Da aber auch Malaria-Epidemieen in
Gegenden beobachtet sind, wo wenig Anophelis-Mücken vorhanden
waren, muss wohl noch eine Verbreitungsmöglichkeit bestehen. —
Bei der Behandlung gibt» es 3 Wege, 1. durch Chinin, 2I durch
Drahtnetze an Türen und Fenstern, 3. durch Abtöten der Larven
in Wasser und Luft.
1. Bei der Chinin-Behandlung muss man schon bei Gesunden
prophylaktisch Vorgehen und jeden 4.—8. Tag eine grössere Dosis
verabfolgen. Treten Intoxikations-Erscheinungen auf, dann gibt
man täglich 0,2 Chin. mur. Ist Infektion erfolgt, dann 4 Stunden
vor dem Anfall eine grosse Dosis (1,0). Bei der Recidiv-Frophy-
laxe gibt man in fieberlosen Zeiten am 9. und 10. Tag je ein
Gramm Chinin. Diese Behandlung ist aber oft erfolglos, dann
müssen Fat. ins Gebirge oder nach Europa geschickt werden.
2. Drahtnetze in den Tropen meist nicht durchführbar, weil die
Häuser aus Bambus bestehen, und die Mücken durchdringen.
3. Die AbtOtung der Larven im Wasser, gelingt oft durch Fetro-
leum, dagegen nicht in der Luft; auch die Ausrottung durch
Libellen hat sich nicht bewährt. In der Diskussion wurde durch
Herrn Schmeidler erwähnt, dass auch in Breslau nach Ueber-
schwemmungen häufig Malaria-Epidemieeii aufgetreten sind, und
fragt an, ob auch hier in unserer Gegend die Anophelis-Mücke
angetroffen wurde. Herr Glogner erwidert, dass er das Insekt
alle Tage in grosser Zahl zu Gesicht bekomme. Dr. Feritz.
Klinischer Abend.
Sitzung vom 22. Juni 1906.
1. Hr. Hartung stellt einige Fälle von Tuberculosis
verrucosa cutis vor. Die Krankheit war von ostalen Frozessen
ausgegangen und verbreitete sich annulär. Hauptbehandlung ist
die Excision.
2. Hr. Michalke: Myositis bei Abdominaltyphns
Fat. (ein Schiffer) hatte viel ungereinigtes Oderwasser getrunken
und war an Thyphus erkrankt. Am 10. Tage trat unter Schüttel¬
frost am linken Unterschenkel, besonders in der Wadenmuskulatur
Schwellung nnd Schmerzhaftigkeit auf; nach 2 Tagen hörte es
auf. Nach 7 Tagen ein Recidiv. Am 21. Tage am Oberschenkel
dasselbe Krankheitsbild, am meisten bei den Adduktoren und Ex¬
tensoren. Gegen eine eitrige Erkrankung spricht der schnelle Ab¬
lauf der Symptome.
3. Hr. Steinberg: Lähmung des musc. serratus anti-
cus. Fat. (eine Hausmeisterin) musste in einer kalten Januamaoht
aufstehen und angestrengt bis zum Schweissausbruch arbeiten.
Nach einigen Tagen merkte sie Schmerzen und eine Lähmung am
rechten Arm. Bei der Untersuchung findet man, dass das Schulter¬
blatt der erkrankten Seite 3 cm tiefer und 2 cm näher an die
Wirbelsäule reicht. Bei Bewegung des Armes nach vom steht
Scapula fiügelförmig ab (pathognomonisch). Die Erhebung des
Armes über die Horizontale ist zwar etwas erschv )rt, aber doch
gut ausführbar. Früher glaubte man, dass der Dt Itoideus bis zur
Horizontalen wirke und dann der Serratus eintretc. Daher hielt
man pathogn. für Serratns-Lähmung, dass Fat de n Arm nur bis
zur Horizontalen heben könne. Dies ist aber nidit richtig. Die
Muskeln treten vikariierend für einander ein. Frogoose nicht sehr
günstig, da Zustand schon V> Jahr besteht. Therapie: Heissluft¬
behandlung, Salizylpräparate und Chinin.
4. Hr. Tietze bespricht im Anschluss an ein operiertes
Magen-Carzinom seine Resultate in der Magen-Chirurgie.
5. Hr. Goldenberg demonstrierte einen Fall von Faraf-
fintumor, den sich ein junger Mann aus Russland zum Zweck
der Befreiung vom Militärdienst am horizontalen Ast des Unter¬
kiefers hatte anlegen lassen. Der Tumor war mit dem Gewebe
innig verwachsen, und daher die Entfernung sehr erschwert. In
der Diskussion werden von den Herren Uhthoff, Reinbach,
Tietze und Göbel ähnliche Fälle berichtet.
6. Hr. Görke stellt ein Kind vor, das seit einigen Tagen
dadurch den Eltern auffiel, dass es mit der linken Gesichtshälite
Grimassen schnitt. Es hatte rechts Facialis- und Abducens-Läh-
mnng und mittelschwere Mittelohrentzündung. Anfangs wurde
angenommen, dass der Ohrbefund die Ursache der Lähmungen
sei, aber es fehlte Fieber und die sonst immer wirksame Lumbal-
Funktion blieb ohne Erfolg. Bei der Faracentbese wurde keine
gespannte Membran vorgefunden. Nach einiger Zeit brachen
Folypen (Fibrosarcome) in die Schädelhöhle durch und es traten
auch Lähmungen der anderen Nerven auf. Dadurch wurde das
ganze Krankheitsbild erklärt.
7. Hr. Stern und Hr. Eppenstein: Ueber Perment-
wirkung der Leukocyten. Der Eiter hat verdauende Wirk¬
ung, und zwar nicht nur durch Bakterien, sondern auch durch
Fermente. An 2 Fällen von myeloider und einem Fall von
lymphoider Leukaemie wurden Untersuchungen angestellt. Bei den
ersteren ist Ferment im Blut, dies wirkt daher verflüssigend auf
Gelatine, bei letzterem ist dies nicht der Fall.
Hr. Müller aus der Med. Klinik berichtet über ähnliche
Versuche mit gleichem Resultat.
Auch tubercul. Eiter verdaut nicht.
8. Hr- Janssen bespricht die guten Erfolge die sie in der
Hauptabteilung des Allerh. Hospitals bei der Behandlung der
Epididymitis gonorrh. mit Bierscher Stauung erzielt haben.
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376
MBDICmiSGHB WOCHB.
Nr. 36.
Der Giimmischlaach bleibt 3—4 Stimden (in einem Falle 13
Stunden) liegen; der Verlauf ist dann viel rascher, die Schmerzen
hören bald auf.
Diskussion: Hr. Schindler berichtet, dass er in der
Bonner und in der Meisserschen Klinik die Stauung 20—22
Stunden angewandt habe, die Schmerzen verschwanden auch,
kehrten dann aber wieder. Er selbst wende die Funktion mit
sehr gutem Erfolge an, die man auch in der Sprechstunde resp.
Poliklinik ausführen könne.
Hr. Hartung hält die Punktion für zu schmerzhaft, um
sie allgemein anwenden zu können.
9. Hr. Tietze stellt eine junge Dame vor, der er wegen
Tuberkulose ein Rnochenstück aus dem Metacarpus entfernt und
ein Stück aus dem Metatarsus implantiert hatte. Heilung ist fast
vollständig eingetreten.
10. Hr. Asch: Badikaloperation bei Sepzis nach
Abort ohne Befund. Er bespricht einen Fall, wo Elzitus ein¬
trat , weil Patientin zu spät in Behandlung kam. Es bestand
Endocarditis und doppelseitige Nephritis.
11. Hr. Winkler zeigt Präparate von Perforation der
Gallenblase nach Beptus und Hr. Ne iss er demonstriert einen
Lungenstein. Dr. Peritz, Breslau.
Kongressbericht.
23. Kongress fO/r 'hvnere Medidn
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
Determann hat mit veränderter Methode Untersuchungen
über die innere Reibung des menschlichen Blutes, ge¬
macht, deren Resultate er in folgende Sätze zusammenfasst:
1. Viskositätsbestimmungen des menschlichen Blutes haben
hohes klinisches Interesse, a) weil zur Beurteilung der Hämody¬
namik neben der Prüfung der Triebkraft und der Widerstände
im Kreislauf die Kenntnis der „Flüssigkeit“ des Blutes unerlässlich
ist, b) weil wir dem Verständnis der osmotischen Spannung des
Blutes durch Eindringen in das Wesen der inneren ^ibung näher
treten, c) weil in der Beeinflussung der Viskosität durch gewisse
Massnahmen möglicherweise ein neuer wichtiger therapeutischer
Faktor gegeben ist.
2. Die Vikosität ist eine physikalische Eigenschaft des Blutes
für sich und nur in lockere Beziehungen zu andern Eigenschaften
des Blutes zu bringen.
3. Die Eigenschaft des Blutes als Suspension von Formelementen
in Flüssigkeit, also das Aneinandergleiten von Formelementen, be¬
einflusst der Brauchbarkeit der Viskositätsprüfungen vermittels
Glaskapillaren, wahrscheinlich nicht in nennenswertem Grade. Bei
Gebrauch von engen Glaskapillaren, in denen das Durcheinander-
i'ollen der Formelemente eher die relative Durchflussgeschwindigkeit
vermindern könnte, ist die Viskosität des Blutes nicht grösser wie
bei dem von weiten. Lackfarbenes (also zu homogener Flüssigkeit
gemachtes Blut) ist sogar visköser als deckfarbenes.
4. In den Blutkörperchen sind wahrscheinlich bochviköse Sub¬
stanzen enthalten, die bei Auflösung der Formelemente den Vis¬
kositätskoeffizienten des Gesamtblutes erhöhen.
5. Als einfachere und einwandsfreiere Methode der Viskosi¬
tätsbestimmung ist zu empfehlen: Gewinnung des Blutes durch
Ohrläppchenstich und direkte Ansaugung in ein kleines Viskosi¬
meter von 0,2 c-cm Inhalt des Massgefässes, nach Himdinzusatz
zum Blut in trockener Form. Im Uebrigen Prüfung der Viskosität
in der früheren Weise mit einigen technischen Aenderungen.
6. Die mit der neuen Methode vorgenommenen Untersuch¬
ungen der Viskosität an Gesunden und Kranken ergaben:
a) Die Viskosität bei Gesunden schwankt je nach Tageszeit,
Nahrungsaufnahme, hknäbrungsart, Muskelarbeit. Schwere Muskel¬
arbeit erhöht die innere Reibung, vegetarische Blrnährung scheint
sie zu vermindern.
b) Bei Bluterkrankungen findet man erhebliche Veränderungen
des Viskositätsgrades, meistens eine Herabsetzung. Bei Kohlen¬
säureüberladung des Blutes steigt die innere Reibung, in einer
Reihe von Fällen mit erhöhtem Blutdruck war sie relativ niedrig.
c) Kalte Bäder mit guter Reaktion steigern, warme Bäder
und Einpackungen setzen die innere Reibung herab. Nach elek¬
trischen Lichtbädern mit Schweissbildung steigt sie, jedoch erfolgt
durch den folgenden Kälteeingriff sofort ein Ausgleich. Venöse
Stauung eines Armes verursacht ein lokales Zunehmen der Vis¬
kosität.
i Diskussion: Herr Reiss-Aachen erhebt Bedenken dagegen,
dass aus der Messung der Viskosität des Blutes in der angegebenen
Weise Schlüsse auf die Mechanik des Kreislaufes gezogen werden
können.
Herr Stern-Breslau berichtet über von Herrn Winter aus¬
geführte Viskositätsuntersuchungen in einem Falle von Polyzy¬
thämie. Es fanden sich bei demselben 11—13 Millionen rote
.. Blutkörperchen, die Durchströmungszeit des Blutes durch die
Kapülare der Messvorrichtung war aufs Vierfache gestiegen. Es
zeigt sich, dass die Zahl der Blutkörperchen von Einfluss auf die
Viskosität sein muss. Bei Oligozythämie sinkt die betreffende
; Durchströmungszeit. Bei den untersuchten Fällen von Leukämie
fand sich eine Steigerung der Viskosität des Blutes.
Herr Lommel-Jena berichtet über den Fall enorm gesteigerter
. Viskosität des Blutes, welche übrigens auf die Mechanik des Kreis¬
laufes ganz ohne Einfluss zu sein schien. Es bestand dabei keine
Blutdrucksteigerung, das Herz war nicht vergrössert und war suffi¬
zient.
Herr His-Basel kann kritische Bedenken gegen die Ausdeutung
der Viskositätsimtersuchungen nicht unterdrücken. Das Blutmaterial,
das Herr Determann verwendet hat, ist etwas zweifelhaft, da
es wohl mit Lymphe gemischt gewesen ist. Bekanntlich sind die
Viskoaitätsuntersuchnngen durch Heubner jun. scharf angegriffen
und sind diese Angriffe noch nicht widerlegt worden. Vor allem
ist es nötig, die Viskosität des Blutes bei einem und demselben
Menschen längere Zeiträume hindurch zu verfolgen, um ein¬
mal Einblick in die regulären Schwankungen dieser Bluteigenschaft
zu erhalten. Bei kurzer Dauer einer rein vegetarischen Diät tritt
keine Aenderung der Blutviskosität auf. Auf Viskositätsunter¬
suchungen können nicht zu grosse Hoflhimgen gesetzt werden,
jedenfalls dürfen noch keine Schlüsse praktÜKflier Art daraus
gezogen werden.
Herr Determann äussert sich über die gegen seine Unter-
snchungsmethode vorgebrachten Bedenken und seine Schlussfolge¬
rungen, gibt aber die Berechtigung, mit Schlüssen betr. der Vis¬
kosität zurückzuhalten, durchaus als berechtigt zu.
Theodor Schilling-Nürnberg: Günstige Beeinflussung
der chronischen Bronchitis durch Röntgenstrahlen.
Eine Reihe von Patienten mit chronischer Bronchitis wurde
mit meist harten Röntgenröhren bestrahlt. Bis auf einen Fall
trat stets eine mehr oder weniger sterke Verminderung der Bron¬
chialsekretion ein. Selbst in Fällen, wo der Beginn der Erkrankung
monateweit zurücklag, zeigte sich dicht im Anscnluss an die Be¬
strahlung Nachlassen und in einigen Fällen allmähliches völliges
Versiegen des Auswurfs ohne störende Nebenerscheinung. Auch
sonst verbesserte sich der objektive Befund und besonders die
asthmatischen Beschwerden der Patienten.
Diskussion: Herr St eff an-München hat Fälle von Asthma
bronchiale mit Erfolg mittels Bestrahlungen behandelt.
Herr v. Jaksch warnt vor jedem Optimismus betr. interner
Röntgentherapie. Die von ihm bestrahlten Magenkarzinome zeigten
auffallend starke Verjauchung. Eine Dauerheilung von Bluterkran¬
kungen hat V. J. nicht gesehen.
Der Vortragende hält dem entgegen, dass es sich bei
seinen Versuchen um ganz andere Zellen handle, als jene bösartiger
Geschwülste und das erstere daher wohl anders von den Röntgen¬
strahlen beeiuflusst werden könnten.
Herr v. Jaksch hat auch Asthmaanfälle damit behandelt,
sie wurden anscheinend besser, doch kamen die Anfälle später
wieder.
Herr Jul. Baer-Strassburg; Ueher den Abbau von Fett¬
säuren. (Nach mit Dr. Blum gemeinschaftlich ausgeführten
Untersuchungen.)
Der Vortrag kann nicht kurz referiert werden.
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1906.
MSDICOTISCHB WOOilS.
377
Diskussion: Herr Ebstein-Göttingen, Herr Blumen-
thal-Berlin, Herr Bär-Strassburg.
Herr Embden-Frankfurt a. M.: Beitrag zur Lehre vom
Abbau des Fettes im Tierkörper.
£. führt aus, er und Neuberg seien vor mehreren Jahren
auf Grund von Oxydationsversuche an einem Eiweisskörper, näm¬
lich Gelatine, später an anderen Eiweisskürpem, der Ansicht von
Schwartz und anderen gegenübergetreten, dass aus Eiweiss
keine Azetonbildung statthabe. Denn sie erhielten bei Oxydation
von Eiweiss mit H, O^ xmd Eisensalz Azeton und Isovaleraldehyd.
Sie hätten damals behauptet, dass das Leuzin die Quelle des Alde¬
hyds sei, und vermuteten, dass auch Azeton aus Leuzin entstehen
könne. Neuerdings hätten sie die Versuche mit Leuzin und Allanin
vorgenommen. Dabei hätten sie bisher nur den Aldehyd, aber
nicht Azeton erhalten.
35, 'Kongress der Deutschen GeseUsohaft
fO/r CMrwrgie,
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Wnllstein-Halle a. S.: Demonstration von patho¬
logisch-anatomischen Präparaten, welche nach der
Eislerschen Methode konserviert sind.
W. demonstriert Präparate, und zwar Knochengelenkpräparate,
Hirnschnitte, Schnitte von Nierentumoreu, Pyonephrose mit Nieren¬
steinen und Medianschnitte von Becken mit den Beckenorganen,
welche nach entsprechender Härtung in Glyzeringelatine eingelegt
sind.
Diese Methode ist besonders geeignet zur Konservierung von
Präparaten, welche, wie das Gehirn, leicht auseinanderfallen, und
bei denen es, wie bei Nierensteinen oder wie bei Hohlorganen,
der Gelenkkapsel, dem Blasenlumen usw., auf die Erhaltung der
Form ankommt.
Wenn die Methode auch umständlich und etwas teuer ist und
die exakteste' Ausführung voraussetzt, so werden damit für den
Dnterrioht doch Demonstrationsobjekte erreicht, mit denen keine
andere Methode der Konservierung und Fixierung in Konkurrenz
treten kann. Die Medianschnitte von Becken, welche W. ange¬
fertigt hat, veranschaulichen
1. die physiologische Impression der Blase durch den Uteims,
2. eine Impression der Blase durch ein Sarkom des Mesocolon,
3. eine Impression bei einer durch Rententio urinae infolge
von Prostatahypertrophie vergrösserten Blase, welche durch
das Promontorium bedingt ist, und
4. eine doppelte Impression an der Blase, welche einerseits
durch eine linksseitige dystopiscbe Niere und andererseits
durch das nach rechts verlagerte Rectum bedingt ist.
Die genaue Beschreibung der Methode würde in einem kurzen
Referat zu weit führen.
Hr. Riedel-Jena demonstriert einen in toto ex-
stirpierten Ductus thyreoglossua
Hr. Bunge-Königsberg empfiehlt, da die bisherigen Resultate
der Uranoplasi^ noch zu wünschen übrig lassen, eine fortlaufende
Naht mit Silberdraht, die er in 16 Fällen erprobt hat.
Diskussion.
Hr. Kuhn-Kassel rät, bei der Gaumennaht die perorale
Intubation anznwenden.
Auf diese Weise gelänge es, die Narkose ruhig zu gestalten,
die Aspiration zu verhindern und die Operation sauber auszu¬
führen,
Hr. Zond ek-Berlin demonstriert zwei Fälle von Miku¬
liczscher Erkrankung der Speichel- und Tränendrüsen,
von denen der eine durch Arsenik sich erheblich ge¬
bessert hat.
Zur Diskussion bemerkt Hr. Ranzi-Wien, dass in der
V. Eiselsbergschen Klinik ein Fall von Mikulicz’scher Er¬
krankung, der die Parotis betraf, durch Bestrahlung mit Röntgen¬
strahlen geheilt wurde.
Hr. Steiner-Berlin zeigt einen Fall von Facialislähmung,
bei dem er den Accessorius auf den Facialis aufgepfropft hat.
Die Patientin vermag dadurch bei der Erhebung des linken Armes
Bewegungen der linken Gesichtsmuskulatur auszuführen.
Hr. Eckstein-Berlin: Beiträge zur Nasenplastik,
Hartparaffininjektion und Implantation.
iHe Erfolge, die E. an einem Material von fast 200 Nasen¬
deformitäten in einem Zeiträume von etwa 5 Jahren mit Parafßn-
plastiken erzielte, waren in jeder Hinsicht befriedigend. Unglücks-
^le sind bei Verwendung von Hartparaffin vom Schmelzpunkt
50—58® C., wie E. es vorschlug nicht vorgekommen, dagegen bei
Verwendung von niedriger schmelzenden Paraffinen ^ein 13
Amaurosen und andere mehr oder weniger fatale Zufälle. Bei
stark geschrumpfter oder narbiger Haut empfahl E. subkutane
Ablösung und nachherige Injektion. In noch schwierigeren
Fällen ist er aber seit mehreren Jahren dazu übergegangen, statt
der Einspritzungen Paraffin vom Schmelzpunkte 75® vorher in
Form von Keilen, Plättchen etc. zurechtzuschneiden, dann die
Haut nach Inzision von der Seite mit gekrümmter Scheere g^ründ-
lich zu mobilisieren und das Paraffin zu implantieren. Um Spannung
zu vermeiden, wird auch der laterale Wimdrand unterminiert, so
dass die Wangenhaut mit verwandt wird. Die Erfolge sind vor¬
züglich. Das Verfahren lässt sich mit den Injektionen sehr gut
kombinieren, soll aber nur für die schwereren Fälle reserviert
bleiben.
Hr. Rehn-Frankfurt a. M.: Thymusstenose und Thy¬
mustod.
Früher wurde die Thymusdrüse sehr häufig als Ursache einer
Tracheostenosis angeschuldigt. Dann verfiel man in das entgegen¬
gesetzte Extrem und sprach der persistierenden Thymusdrüse jede
Bedeutung ab. Neuerdings hat sich jedoch herausgestellt, dass
zweifellos Fälle von Tracheostenosis Vorkommen, welche auf Druck
der Thymusdrüse zurückzuführen sind. Rehn macht zunächst
einige anatomische Bemerkungen, aus denen hervorznheben ist,
dass die Thymus eine feste fibröse Kapsel hat, welche bindege¬
webige Septa in die Substenz der Drüsen entsendet; dass die
Drüse mit der Umgebung ziemlich verwachsen ist, dass sie ihre
Getessversorgung durch die Thyreoidea inferior und die Mammaria
interna erhält. 28 mal hat Rehn bei Sektionen Druckmarken
an der Trachea gefunden, welche von der Thymusdrüse herrührten.
Die am meisten dem Druck ausgesetzte Stelle der Trachea ist da
gelegen, wo die Thymusdrüse von der Arteria anonyma gekreuzt
wird. Die Stenose bei Druck durch die Thymus ist meist eine
inspiratorische, weil bei der Inspiration die Drüse tief in den
Thorax eingezogen wird und alsdann raumbeengend wirkt. Es
gibt aber auch Fälle, wo die Thymus fest auf einer Stelle der
Trachea lastet, und endlich eine dritte Art von Fällen, wo es zu
einer Beengung des Mediastinums kommt. Diese letzteren Fälle
kommen meistens durch akute Anschwellung der Thymus infolge
passiver Hyperämie zustande.
Die Therapie dieser Erkrankung muss eine operative sein;
und zwar muss die Operation die Thymus selbst angreifen, die
Tracheotomie hilft nichts. Es wird ein Schnitt in der Mittellinie
über das Jugulum geführt, die Thymus drängt sich bei der Ex¬
spiration vor; man fasst die Kapsel, zieht die Thymus hervor.
Dann wird die Kapsel gespalten \ind das Thymusgewebe intra¬
capsulär enucleiert. Die extrakapsuläre Exstirpatioü ist unmöglich.
In manchen Fällen macht auch die Enucleation noch Schwierig¬
keiten. Zu bemerken ist noch, dass man nicht die ganze Drüse
zu entfernen braucht, dass es vielmehr auch genügt, Teile der¬
selben zu enucleieren.
Diskussion.
Hr. König-Altona hat zweimal wegen Thymusstenose mit
Erfolg operiert; einem jetzt 9jährigen Knaben, dem er im Alter
von 4 Monaten die Thymus resecierte, stellt er vor. Pat. hat
eine im Operationsjahre begonnene schwere Rachitis durchgemacht,
ist sonst gesund. Das zweite Kind operierte K. in diesem Winter
im Alter von 7 Monaten.
Beide Male bestanden schon bald nach der Geburt Atembe¬
schwerden, die sich steigerten, schliesslich zu heftigen Anfällen
führte, die einen Eingriff erforderten. Es bestanden inspira¬
torische Einziehungen xind keuchendes Exspirium; man fühlte die
Thymus im Jugulum. K. ist der Ansicht, dass eine mechanische
Kompression der Trachea durch die zwischen ihr und dem Manu-
brium gelegene Drüse allein die Atemnot nicht erklärt; da im
zweiten Falle auch die von der unteren Tracheotomie eingeführtc
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378
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 36.
Kanüle den Zustand nicht änderte. Er glaubt aber, dass der
Druck auf die Nerven indirekt die Erscheinungen hervorruft
Therapeutisch verwirft er die Totalexstirpation der Drüse, ihre
Funktion sei doch noch nicht festgestellt; in Bezug auf den mut¬
masslichen Zusammenhang mit dem Enochenwachstum gäbe die
bei dem vorgestellten, partiell resecierten Knaben aufgetretene
Knochenerkrankung vielleicht zu denken. Uebrigens hält er, wie
Herr Hehn, eine Totalezstirpation für unwahrscheinlich, dagegen
ist der linke Lappen leicht zu enucleieren, was ihm im zweiten
Falle gelang. Dieser Operation fügte K. aber, weil sie noch nicht
völlig genügte, noch eine bogenförmige Besektion des
Manubrium sterni hinzu, wodurch ein freier Zugang ins obere
Mediastinum geschahen und eine weitere Kompression der Trachea
unmöglich gemacht wird. Dieses Verfahren, zusammen mit Ab¬
tragung des oberen Zipfels der Thymus, möchte K. am meisten
empfehlen.
Periodische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 29 .
1 . Reis: Die Immnnitfttslehre in der Aogenheilkünde.
Während bei der Therapie des Ulcus serpens corneae die Be¬
strebungen dahin gerichtet waren, eine allgemeine Reaktion des
Organismus und eine Gegenwehr vor dem Weiterschweifen der
Infektion in Form der Bakteriolyse herbeizuführen, so sollte die
diesen biologischen Symptomen verwandte Hämolyse als heilsames
Mittel bei der Therapie der rezidivierenden Glaskörperblutungen
dienen.
Römers Anschauungen über die Pathogenese der Cataracta
senilis können zum Verständnis des Selbstheilungsprozesses des
Altersstarea führen.
Römer hat die Methode der Immunitätsforschungen auch zur
Erklärung der Pathogenese des Altersstares angewandt und kam
dabei zu ganz neuen Ansichten über seine Entstehung. Die Hypo¬
these Römers, die ein Wirken spezifischer Zytotoxine auf die Linse
annimmt, welche durch die Immunitätsforschungen entdeckt wurden
— bildet eine grundliegende Wendung in der Pathogenese des
Altersstai'es.
Diese Untersuchungen Römers führen notwendig zu dem
Schlüsse, dass man für die Entstehung der senilen Katarakte das
ätiologische Moment weder in den Veränderungen der Linse, in
der Sklerosierung ihrer Fasern (Becker, Deutschmann), noch in den
osmotischen Störungen (Peters) oder in ungenügender Zufuhr der
EmährungsstoiFe (Michel, Deutschmann, Vossius, Groenow u. a.)
erblicken kann — sondern man muss annehmen, dass die Linse
im Alter der aktiven Wirkung der Serumbestandteile ausgesetzt
ist, welche analog den anderen Zytotoxinen das Linsenprotoplasma
schädigen. Auch bezüglich der sympathischen Augenerkrankung
brachte Römer wieder die alte Theorie Berlins zum Ansehen,
welcher die sympathische Ophthalmie als eine Metastase aufifasst.
In den Forschungen Römers kann man einen stufenweise sich
entwickelnden Fortschritt bemerken. Von biologischen, am wenigsten
komplizierten Prozessen, wie die Wirkung der Toxine und Bakterie-
lysine, geht Römer zu Untersuchungen der bisher nicht entschie¬
denen Frage der sympathischen Ophthalmie und der Pathogenese
des Altersstares über, und benutzt dieselbe Methode zur Ergrün-
düng der Lebensverhältnisse der wichtigsten internen Membran des
Auges, der Netzhaut.
2. Müller, Wien: üeher den Haohweis von Antikörpern
im Serum eines an Arthritis gonorrhoica Erkrankten mittels
Komplementablenknng.
Die Hemmung der Hämol 3 r 8 e beweist die Gegenwart eines
spezifischen Antikörpers im Serum eines an Arthritis gonorrhoica
Erkrankten.
. 3 . Ottolenghi, Siena: üeher die Konservierung der präzipi-
tierenden Sera.
Die präzipitierende Sera oder wenigstens das für das Eigelb
spezifische nimmt bei Konservierung mit Aether oder auf
Lüschpapier eingetrocknet, bedeutend und ziemlich rasch an Wirk¬
samkeit ab; hiernach bleibt jedoch das Präzipitationsvermögen fast
unverändert und stark genug, um auch einige Jahre nach der
Herstellung des Serams eine gute Präzipitationsprobe zu gestatten.
4. Glaessner, Wien: Diabetes und Pneumonie.
G. schildert den Verlauf des Palles einer 34jährigen Tage¬
löhnerin, der einen mächtigen Einfluss der durchgemachten Pneumonie
auf die Zuckerausscheidung im günstigen Sinne erkennen Hess.
Dieser Einfluss der Infektionskrankheit war aber kein vorüber¬
gehender, sondern wenigstens für die drei Monate dieser Beob¬
achtungszeit ein bleibender. Vor dem Auftreten der Lungenent¬
zündung schied die Patientin trotz möglichst kohlenhydratfreier Kost
Uber 130 g Zucker p. d. aus; G. musste daher den Fall als eine
zu mindestens mittelschweren, wahrscheinlich aber schweren Fall
von Diabetes auffassen. Das Eintreten der Pneumonie ändert mit
einem Schlage das Bild. Die Hammenge wird geringer, die Zucker¬
ausscheidung kleiner, Azeton verschwindet. Nach der abnormen
kurzen Fieberperiode kommt nicht — wie in anderen Fällen —
der Zucker wieder zum Vorschein, sondern bleibt dauernd ver¬
schwunden, ja tritt nicht einmal nach einer Gabe von 100 g Trauben¬
zucker wieder auf.
Ueber die Ursachen, welche bei diesem merkwürdigen Einfluss
einer akuten Infektion auf den Diabetikerstoffwechsel maßgebend
sein können, lässt sich vorläufig nidits aassagen und auch die
experimentellen Untersuchungen geben keine Anhaltspunkte für
eine auch nur halbwegs haltbare Erklärung. Immerhin ist es ver¬
lockend, irgend ein Kriterium zu finden, das imstande wäre,
grössere Unterschiede im Stoffhaushalt bei Diabetes und Pneumonie
aufzudecken, um so eine Möglichkeit einer Erklärung zu gewinnen.
5. Engel, Plaut, Dresden: üeber dai Kilchfett stillender
Frauen bei der Ernährung mit spezifisohen Fetten.
Da der Fettwechsel bei manchen Ernährungsstörungen der
Säuglinge eine ganz besondere Rolle spielt, das Frauenmilchfett
anderseits selbst von solchen Säuglingen leidlich vertragen wird,
deren Fettassimilation der Kuhmilch gegenüber gestört ist, so
wäre gewiss ein Versuch lohnend, im prophylaktischen Sinne auf
das Fett der Kuhmilch durch die Art der Fütterung einzuwirken.
£. und P. glauben nicht, dass es erhebliche Schwierigkeiten
haben könnte, eine Kindermilch herzustellen, deren Fett dem der
Frauenmilch ähnelt. Die vielen besonderen Anforderungen, welche
an eine Säuglingsmilch gestellt werden, machen ja immer mehr
den Betrieb besonderer EHndermilchwirtschaften no^endig und im
Rahmen solcher tierärztlich \md ärztlich geleiteter Anstalten könnte
es auch keine Schwierigkeiten haben, die Fütterung nach E. und
Ps. Vorschlägen so zu gestalten, dass das Milchfett dauernd beein¬
flusst wird.
6. Gioseffi, Istrien: Zur Kenntnis des perniziösen Kalaria-
fiebers im sttdliohen Istrien,
Veröffentlichung eines Falles von perniziösen Malaiiafiebers,
weil derselbe der erste Fall eines in Istrien konstatierten, durch
die Autopsie und den Parasitenbefund sichergestellten perniziösen
Malariafiebers ist, mithin für diese Region ein gewisses epidemio¬
logisches Interesse erregt, um so mehr jetzt, wo man daran geht,
die Malaria in Istrien und sonst in der Julischen Region syste¬
matisch zu bekämpfen.
Nr. 30.
1. Schwarz, Agram: 1000 medulläre Tropakokain• Anal¬
gesien.
In der Frage, ob die medulläre Analgesie als Anästhesierungs-
methode für praktisch-operative Zwecke zulässig sei, neigt die Ent¬
scheidung, wenigstens im Prinzip zugunsten der genialen Coming-
Bier’achen Entdeckung. Der Gegner werden immer weniger, der
Anhänger immer mehr.
Im ganzen sind über 3000 Fälle medullärer Tropakokainanalgeaie
bekannt (die von Slajmer, Neugebauer, Preindlsberger, Stoltz, Füster,
Colombani, Völker und Defranceschi, um nur die Träger grösserer
Ziflern zu neuneu), darunter kein auf die Injektion zu beziehender
Todesfall. Dieses Resultat ist jedenfalls nicht entmutigend.
2. Glaessner, Wien: üeher Abkühlungs-Glykosurie.
Zum Anschluß an 4 Fälle mit schweren Abkühlungen bei
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1906.
MlBDtCttnSCfiA WOCfiA.
379
Sturz ins Wasser erörtert G. die interessante Tatsache, dass er¬
hebliche Mengen von Milchsäure zur Ausscheidung kommen, sowie
nannentlich den Umstand, dass Glykosurie und Milchsöureausfuhr
miteinander streng parallel gehen, es ist dies ein Zeichen, sagt G.,
dass diese beiden Symptome eine gemeinsame Stoffwechselstörung
zur Ursache haben müssen.
Bs ist immerhin möglich anzunehmen, dass beide Prozesse:
abnorm gesteigerte Muskeltätigkeit und Sanerstoffinangel bei der
Abküblungsglykosurie ätiologisch eine Rolle spielen.
3. Neumann, Wien-Gleichenberg: üeber die Temperatur«
empfindliehkeit des Magens.
Da durch eine Kälteeinwirkung vom Magen aus die Temperatur¬
empfindung der Haut nicht aufgehoben worden ist, wovon man
sich auch jederzeit bei dem Vei'suche überzeugen kann, so muss
die Möglichkeit, vom Magen aus Temperaturunterschiede wahrzn-
nehmen, ein dem Magen eigenes Vuunögen sein. Wir finden aber
häufig Abweichungen von dieser Norm, sei es in Form von voll¬
ständiger Anästhesie, sei es als eine Art von paradoxer Temperatur¬
empfindung, sei es einfach als Hyperästhesie für Temperaturreize
im Magen.
4. V. Aldor, Karlsbad: üeber die Fettrerdauung im Hagen.
Cs ist sehr unwahrscheinlich — wenn im Magen wirklich ein
fettspaltender Ferment vorhanden ist — dass sich dieses ganz un¬
abhängig von den übrigen Faktoren des Mageuchemismus geltend
machen sollte. Dass die zustande kommende Fettspaltung nicht
das Resultat einer Fermentwirkung, sondern einer bakteriellen
Tätigkeit sei, diesbezüglich liefern zwar diese Versuche keine posi¬
tiven Beweise, jedoch wird die Berechtigung dieses Standpunktes
klinisch durch Tierversuche bewiesen, welche in Kunkels Würz¬
burger Institute von ihm selbst und von Jnouye ausgeführt wurden.
5. Kikuchi, Osaka (Japan): üeber die passive A^^essinim-
munität gegen Pestbazillen.
Cs handelt sich bei dieser vorläufigen Mitteilung nur um die
K-onstaiierung, dass eine passive Immunisierung mittels Serums
von Tieren, die mit keimfreien Pestaggressiuen vorbehandelt sind,
möglich ist. Das ist zweifellos gelungen und es wird sich darum
bandeln, höhere Schutzwerte zu erzielen. Berücksichtigt mau die
relativ sehr geringe Vorbehaudluag des aktiv immunisierten Kanin¬
chens, so lassen sich wohl mit Recht noch viel günstigere Ergeb¬
nisse erwarten.
6. Kraus, Dörr, Wien: Das Dysenteriesemm.
Aus den Versuchen ergeben sich folgende Schlüsse;
1. Die Versuche bezieheu sich auf die Darstellung der Toxine
durch Filtration von BouiUonkulturen oder Agarkochsalzextrakten.
Diese letzte Methode hat auch Besredka in seiner Mitteilung:
Des endotozines solubles typhique, pesteuse et d^enterique,
ignoriert.
2. Auf die Wirksamkeit der Toxine und das Verhalten der
verschiedenen Versuchstiere.
3 . Die Unmöglichkeit, aus Flexner-Kulturen typische Toxine
zu isolieren.
4. Die Herstellung, die verschiedene Avidität der antitoxi-
nischen Sera, mit denen K. und D. nicht nur kurative Wirkungen
bekamen, sondern schon erkrankte (paretische) Tiere zu retten
vermochten.
ö. Die Festsetzung einer einheitlichen Wertbestimmung für
Heilsera, die am Menschen angewandt werden sollen.
Die Erfolge der antitoxischen Therapie bei menschlicher Ruhr.
7 . Die prophylaktische Anwendung dieses Serums.
Nr. 31.
1. Herz, Wien: üeber Ersobeinungen von EieiBlaofs*
gtönmgen bei Miliartuberkulose.
Mit der Anschauung, dass in erster Linie die Gefasslähmang
• ursächlicher Beziehung zu den Störungen des Kreislaufapparates
bei einer Anzahl von Infektionskrankheiten, darunter auch bei der
k ten Miliartuberkulose zu setzen sei, steht Ortner auf dem
dounkte der durch die experimentellen Untersuchungen von
B mberg 'Pässler, Bruhns und Müller begründet wurde.
Während aber diese Autoren neben der zentralen Lähmung der
Vasomotoren nur eine indirekte Beteiligung des Herzens durch die
verminderte Blutzufuhr infolge der Vasomotorenlähmung annehmen
und Ortner hierzu noch ^ine schliesslich toxische Herzlähmung
auftreten lässt, messen andere wie v. Stejskal der direkten
Schädigung des Herzens am Zustandekommen der Kreislaufsstörung
grosse Bedeutung bei. Einen vermittelnden Standpunkt nimmt
mit anderen Antoren Krehl ein. Er betrachtet „die schwersten
und dann in der Regel wohl tötlichen Zirkulationsscbädigungen“«
bei den Infektionskrankheiten der Menschen durch zentrale Gefäss-
lähmungen hervorgerufen, nachdem lokale Schädigungen voraus¬
gingen. In der ^gel ist aber auf der Höhe der Krankheit auch
das Herz geschädigt, nicht nur in sekundärer Weise. Es leidet
durch Infekte häufig der ganze Kreislaufapparat. Bald treten die
Erscheinungen von seiten des Hei zensbald die von seiten der
Gefässe in den Vordergrund“.
H. glaubt durch seine Beobachtungen für die pulmonale Form
der Miliartuberkulose gezeigt zu haben, dass neben der durch die
Infektion bewirkten Schädigungen sämtlicher Teile des Kreislauf¬
apparates, der Sitz der Erkrankung in den Lungen für ein Vor¬
herrschen der Erscheinungen von seiten des Herzens maßgebend
werden kann.
2. Lüdke, Würzburg: üeber den Hachweis von Tuberkel-
bazillen im Blut bei der Longentaberkolose.
Der direkte Nachweis von TuberkelbazUlen im Blute, den L.
in drei Fällen erbringen konnte, kann zur Stütze des hämatogenen
Ursprungs der Lungentuberkulose herangezogen werden, wenn in
weiteren Untersuchungen, speziell auch leichterer Fälle, sich die
positiven Blutbefunde mehren lassen werden. Nachdem die direkte
Züchtung der Tuberkelbazillen aus dem Blut von Phthisikern ge¬
lungen ist, erscheint der hämatogene Ursprung der Lungentuber¬
kulose möglich, indem von den verschiedensten lokalen Ursprungs¬
herden aus ein Uebertritt der Bazillen ins Blut stattfindet und
zur Infektion der Lunge führen kann.
3. Wechsberg: üeber den Naohweu von Azeton bei £x-
tranteringravidität.
Aus den Untersuchungen auf Azeton bei Graviditas extraute-
rina geht für den Kliniker hervor, dass es sicher Fälle gibt (nach
den bisherigen Resultaten in nicht unbeträchtlicher Zahl), bei
denen Azeton nicht nachweisbar ist, daher nach den bisherigen
Erfahrungen von einem diagnostisch verwertbaren Symptom nicht
gesprochen werden kann.
4. Franke, Lemberg; üebez die Wege der KompenBation
bei Fehlern der Trikiupidalklappe.
Die Trikuspidalklappenfehler sind für eine längere Zeit kom¬
pensierbar nnd die Prognose bei diesen Fehlern ist nicht so un¬
günstig, wie Romberg und Krehl behaupten, zweitens sind bei
der Trikuspidalinsuffizienz drei Agentien besonders wichtig und
zwar die Tätigkeit der rechten Kammer, die Elastizität und passive
Resistenz der Venenstämme und des rechten Vorbofes und die
selbständige Tätigkeit des peripheren Kreislaufes und zwar in erster
Linie der Leber.
5. Fein: Die Oz&na and die Stannngstberapie nach Bier.
Feins Versuche, die Stauungstherapie auch auf die Behand¬
lung der Ozäna anzuwenden, sind nach den geschilderten Um¬
ständen im grossen und ganzen resultatlos geblieben; doch hofft
F., dass es anderen Versuchen gelingen kann, auf anderem Wege
den von ihm vergeblich angestrebten Zweck zu erreichen.
Therapeutische Monatshefte. 1906. No. 5.
1. Boas, Berlin: üeber die Behandlung der Hyperaoidit&t.
Es wird bei der Behandlung der Hyperacidität und Hyper¬
sekretion immer der Hauptwert gelegt werden müasen auf die
Femhaltung irritierender Noxen im weitesten Sinne desWortes. Da¬
zu gibt B. ein übersichtliches und für den Praktiker wertvolles
diätetisches Regime und die Auswahl brauchbarer Medikamente
und Wässer.
2. Hoppe, Königsberg: üeber einige ForUohritte in der
Behandlung der Geisteskranken, nebst einem Rückblick Über
die Entwickelung der Irrenbehandlung im 19. Jahrhundert.
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380
MEDICINISGHE WOOHfi.
Nr. 36.
Eine höchst interessante geschichtliche Skizze, hier in ihrem
ersten Teile zunächst vorliegend, bringt uns die Befangenheit nahe,
mit welcher die Irren neben Zuchthäuslern und G-escblechtskranken
misshandelt wurden. Kein Wunder, wenn vor Tollhäusem jeden
der Jammer erfasste. Oonolly wagte es, das Norestraint-System
einzuführen, damit wurde dem Offenthür - System die Wege ge¬
ebnet und der Franzose Parchappe richtete planmäßig Wachab¬
teilungen ein.
3. Dreyfuss, Heidelberg: ErÜEÜiraiigen mit Henronal bei
Psychogen.
In der Universitätsklinik zu Heidelberg wurde im Jsdire 1905
insgesamt 17 Patienten Neuronal (Bromdiäthylacetamid, von Fuchs
& Schultze eingeführt), teils als Beruhigungsmittel bei schwerer
Erregung, teils als Schlafmittel wegen andauernder, nur medikamen¬
tös zu bekämpfender Agrypnie gegeben. Das Einschlafen dauerte
je nach dem Grade der Erregung, resp. nach der Intensität der
Agrypnie verschieden lang. Ruhige, nur schlaflose Patienten
schliefen im allgemeinen —Vj Stunde nach Verabreichung des
Mittelsein, erregte Kranke brauchen längere Zeit, 1—3 Stunden.
Der Schlaf war durchschnittlich tief und meist ununterbrochen.
0,5 genügte bei einfacher, 1,0 g bei hartnäckiger Schlaflosigkeit.
Bei Erregungen 1,5 g als Minimum, im Durchschnitt jedoch 2,0 g,
manchmal auch 2,5 g. Ueber diese Dosis ging D. innerhalb
24 Stunden nie hinaus. In 2 Fällen beobachtete D. unangenehme
Nebenwirkungen; sonst aber gab es keine unangenehmen Neben¬
wirkungen, weder Störungen des Kreislaufs, der Nervenfunktion,
der Verdauung noch des Allgemeinbefindens. Bei vielen Patienten
gab D. es in verschieden hohen Dosen, 1,0—1,5 g. 3— 4 Wochen
hintereinander. Neuronal ist in Pulver- oder Tablettenform ganz
gleich in der Wirkung.
4. Neumann, Potsdam: Die Diphtherie in meiner Praxis
vom 1. Januar 1898 bis 31. Deaember 1903.
Nachdem N. auf Löfflers Empfehlung des Metakresol Anytol
mit grossem Nutzen in der Behandlung von Gesichts- und Wund¬
erysipel schon seit 1900 angewendet hatte, ging er 1901 dazu
über, in geeigneten Fällen auch bei Diphtherie das Metakresol
Anytol zu gebrauchen; allerdings nicht, wie Löffler angibt, mit
1 —3 % Lösungen, sondern pur. Die Behandlung gestaltet sich
nämlich, ohne jeden Nachteil, dadurch viel einfacher, indem statt
der öfteren Pinselungen nor überhaupt eine einzige oder höchstens
eine zweite noch am nächsten Tage für ein günstiges Resultat
erforderlich war. Als geeignet erscheinen N. diejenigen Fälle,
welche erst frisch erkrankt waren und nur kleine Beläge an der
einen oder der anderen Mandel, an der hinteren Rachenwand, an
den Seitensträngen zeigten. Diese Beläge und ihre nähere Um¬
gebung, besonders in den Vertiefungen hinter und zwischen den
Gaumenbögen, wurden vermittelst Wattepinsel recht energisch be¬
pinselt. Bei grösserer Ausbreitung der Membranen oder bei schon
längere Zeit Erkrankten hat N. das Metakresol Anytol noch nicht
gebraucht. Die besten Erfolge scheinen sich zu zeigen, sagt im
Anschluss hieran N., wenn man die moderne mit der bei den
meisten Aerzten schon antiquierten Methode, je nach der Eigen¬
art des Falles, mit einander kombiniert. Im übrigen ist N. der
Meinung, dass dem Arzte nicht seine wirksamen Mittel, sondern
immer noch der auffallend milde und alljährlich noch milder
werdende Genius epidemicus morb. diphth. einerseits und die
grössere Sorgfalt des Publikums andererseits zu statten kommt.
m 5. Meissner, Berlin: Beitrag zur Verwendung des Sana-
togens bei sexueller Neurasthenie.
Bei 17 Fällen von sexueller Neurasthenie verordnete M. das
Sanatogen in folgender Weise: täglich dreimal einen Esslöffel
Sanatogen verrührt, in zwei Esslöffel Wasser, eventuell unter Zu¬
satz von etwas Zitronensaft während der Mahlzeiten zu nehmen.
Der Erfolg war ein über Erwarten guter. Die Patienten berichte¬
ten sämtlich ohne Ausnahme, dass sie eine günstige Einwirkung
des Nährpräparates auf das Allgemeinbefinden deutlich konstatieren
könnten, und die bei einigen Patienten über ein Jahr fortgesetzte
Beobachtung hat ergeben, dass ohne jede weitere lokale Behänd- ,
lang, die M. absichtlich unterlassen hatte, die neurasthenischen I
Beschwerden schwanden.^^M. konnte sämtlinhe Patienten als ge¬
heilt entlassen.
6 . Sonnemann, Berlin: Eisentropon.
Eisentropon (Mühlheimer Troponwerke) ist empfehlenswert
durch seinen Geschmack nach Schokolade, weshalb es von den
Kindern überaus gern genommen wird. Es kann wochenlang ge¬
braucht werden, ohne Widerwillen, Ekel oder üeberdruas zu er¬
regen; im Gegenteil, je mehr sich die Kranken daran gewöhnen,
um so schwerer können sie es nachher entbehren. Seine Wirkung
ist eine ausserordentlich intensive.
Vermischtes.
Neu nieder£:elassen
haben sich in:
Buckau. Dr. med. Hoffmann. — Budwethen. Dr. med. Herber
Krüger. — Elberfeld. Dr. med L. Qrüneberg. — Kiel. Dr. med. Karl
Pansch. — Bad Liebwerda. Dr. med. Hermann Schmidt. — Neisse. Dr.
med. Jantzen. — Nürnberg. Dr. med. Loebinger. — Solingen. Dr. med.
Hax Scheuer. — Wiesbaden. Dr. med. Karl ^lake.
Familien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Erna Weil in Hetz mit Hm. Dr. med. Alfons Jaffe in Berlin. —
Frl. Margarethe Raphael in Breslau mit Hrn. Dr. med. August Wrobel in
Alt-Berun. — Frl. Betty Dukaa mit Hm. Dr. med. Georg Krotoschiner,
beide in Breslau. — Frl. Margarethe Tscbocke in Breslau mit Hru. Dr.
med. Karl Kentrup in Langnau, Kreis Habelschwerdt. — Frl. Johanne
Qiese in Leipzig mit Hm. Dr. med. Johannes Zi^^ner in Mockau.
Vermählt;
Hr. Dr. med. Christian Gerlacb mit Frl. Agnes Metzger in Berlin. —
Hr. Dr. med. Franz August Schmidt mit Frl. Adele Soeding in Dortmund.
— Hr. Dr. med. Max Paul mit Frl. Berta Peltz in Düsseldorf. — Hr. Dr.
med. Jos. Keller mit Frl. Aenne Holbeck in Golsenkircben. — Hr. Dr.
med. Erich Liebert mit Frl. Rose Veithusen in Halle a. S. — Hr. Dr. med.
Otto Fischer mit Frl. Jenny Bergner in Leipzig.
Geboren:
Ein Sohn: Hm. Dr. med. Langemak in Erfurt. — Hrn. Dr. med.
Kurt Froeblich in Len^efeld (Erzgeb.}. — Hrn. Dr. med. H. Hintze in
Pyritz. — Hm. Dr. med. Theo in Stolzenau a. W.
Eine Tochter: Hrn. Dr. med. Herst Michalsky in Dresden. — Hrn.
Dr. med. A. Ostermann in Esslingen.
Gestorben:
Sanitätsrat Dr. Hirsch in Darmstadt. — Dr. med. Josef Schuster in
München. — Geheimer Medicinalrat Dr. Philipp Wagner in Salzungen. —
Dr. med. Skriba in Wiesbaden.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adreate: Aerztllche« Auakunfla-Bnrean de« fieschäfta-AiiMehusse» der
Berliner irztlicben Sttndeevereine In Medlclnlsohen Warenhaoee (Akt.-
fiee«), Berlin N., Frledriohetraeee 108 I.
Pür p«rt3nliche RQcksprache ist Herr Dr. JoaeUm ttfflleh TOB UkT tm
Medicinischen Warenhsuse anwesend. (Mil gütiger Erlaubnis des Deschafts-Ausschusses
der Berliner Ärztlichen Standesvereine vom Auskunfts-Bureau der Med. Woche Sbermitteli.)
In der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter Nr. 1989.
In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2007.
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. u. Nr. 2008.
ln der Mark wird ^ sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013.
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045.
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2054.
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056.
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060.
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Volontärarzt ges. Näh.
unter Nr. 2061.
ln der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063.
VeraotwortUchcr Redakteur : Dr. P. Meitsuer, Berliu W. 69, ^urfüratenztr. 81. — Verlag von Car) Marhold, Halle a. S.
Druck von der Heynenann'iehen Bucbdruckerei, Debr WoUT, Halle a. S
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Medicinische Woche
Deatschmann, A. Dflbrtsen, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
f "*
Verlag und Expedition
Carl Marhold in Halle a« LItdandslrasse 6 .
Tcl.-Adr; Marhold Verlag Hallesaalc. f-oriispri.iher 823.
Herausgegeben von
R. Kobert, M. Koeppea, K. Partscb, H. Roiin, H. Sehlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerricfat, A. Vosilos*
Magdeburg. Glessen.
itedakliuii:
Berlin W. 62« Kurfürstenstrasse 81*
Dr. P Meißner.
VD. Jahrgang. lO. September 1906. Nr. 37.
Die .Medlclnlsche Woche* erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BaltlCOlOgiSChC CClltralzeltung) Organ des Allgemeinen Deutschen
Biderverbandes. des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet JährUcb 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fOr
die 4gf8paltene Petttzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. ReklamezeUe 1,50 M. Bel gröfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Über Keratitis e lagophthalmo.
Von Dr. R, Halben, Privatdozent in Greifswald.
Obwohl die Keratitis e lagopbthalmo eine Augenkrankheit
ist, die dem Augenspezialisten ziemlich selten begegnet, er¬
scheint es mir der Mühe wert, sie von Zeit zu Zeit dem
praktischen Arzt in Erinnerung zu bringen. Denn in der
Mehrzahl der Fälle sehen wir diese Keratitisform unter den
Angen des praktischen Arztes entstehen und fortschreiten, ob¬
wohl der Arzt ihr Kommen hätte vorhersehen können und
durch ausserordentlich einfache prophylaktische Maßnahmen
ihrer Entstehung hätte Vorbeugen können. Wenn diese Keratitis
auch zu allermeist nicht zum Untergang des Auges führt,
hinterlässt sie doch in der Mehrzahl der Fälle dauernde Be¬
schädigung des Sehvermögens und dauernde Entstellung. Das
ist um so oetrüblicher, als wie gesagt ihr Auftreten verhindert
wäre, wenn der behandelnde Arzt überhaupt nur an die Ge¬
fährdung der Hornhaut durch (dauerndes) Offenstehen des Auges
gedacht hätte.
Für die optische und anatomische Integrität der Hornhaut
ist eine gleichmäßig Befeuchtung ihrer Oberfläche unerläss¬
liche Bedingung. Die erforderliche Feuchtigkeit liefert das
Bindehaut- und Tränendrüsensekret. Tags, bei geöffnetem Auge,
wird der Flüssigkeitsverlust infolge Verdunstung im Lidspalten¬
bereich durch reflektorische Neuproduktion von Tränensekret
ersetzt, und der reflektorische Liaschlag sorgt für eine gleich¬
mäßige Verteilung der Feuchtigkeit über die Hornhautober¬
fläche. Nachts, wo im Schlaf die Tränendrüse ihre Produktion
einstellt, schützt der Lidschluss das Auge vor Verdunstung.
Gleichzeitig wird der Bulbus im Schlaf aufwärts rotiert. Durch
diesen als Bell’schcs Phaenomen bekannten Vorgang wird die
gewölbte Hornhaut vor dem straff-elastischen Druck der ge¬
schlossenen Lidknorpel in den sicheren Schutz des ihrer Wöl«
bung Raum gebenden oberhalb der Tarsi befindlichen weichen
Lidabschnitts gebracht. Leidet die erforderliche Befeuchtung
der Hornhautoberfläche aus irgend welchem Grunde Not, so
erfolgt zunächst eine Eintrocknung der oberflächlichsten Horn-
hautschicbten. Durch diese Eintrocknung wird die Oberfläche,
die in der Norm als festgefügte, glatte \Vand geformten und
lebenden Schädlichkeiten keine Ansiedlungsgelegenheit bietet,
rissig und zerklüftet. In diese Risse und Nischen können bei
längerem Bestand der Störung die stets im Bindehautsack
vorhandenen Mikroorganismen um so leichter eindringen, als
einmal gleichzeitig je nach der Ursache der Trockenheit ent¬
weder die Tränen mit ihren baktericiden Eigenschaften oder
der Lidschlag und der Tränenstrom mit ihren mechanischen
Schutzwirkungen die Hornhaut im Stich lassen und ausserdem
doch wahrscheinlich die Homhautepithelien selbst mit zu¬
nehmender Vertrocknung in ihren vitalen Verteidigungskräften
Einbusse erleiden, auch schon ehe sie einer völligen Ver¬
trocknungsnekrose anheimfallen.
Zu oberflächlicher Eintrocknung der Hornhaut können
die verschiedensten Momente führen.
Es kann die Produktion der Ersatzflüssigkeit durch Atro-
hie der Tränendrüse und Bindehaut vermindert oder aufge-
oben sein; ein solcher Zustand fuhrt schliesslich zum Xeroph-
thalmus. Oder die Ersatzflüssigkeit wird zwar in ausreichender
Menge produziert, sie kann aber am primärerkrankten Epithel
nicht haften, wie bei der Xerose und der Keratomalacie, oder
sie wird durch Ausbleiben des normalen Lidschla^es infolge
Anaestbesie der Hornhaut nicht regelmäßig über die Hornhaut
verteilt und in geringer Menge produziert Das spielt eine SpUe
bei der Cocainkeratitis und der Trigeminuslähmung mit Kera¬
titis neuroparalitica.
Oder schliesslich wird bei normaler Tränen* und Binde*
bautsekretion, normaler Sensibilität und Epithelbeschaffenheit
lediglich durch Insuffizienz des Lidschlusses me Hornhaut nachts
nicht vor Verdunstung geschützt und tags die Ersatzflüssigkeit
infolge Hemmung des Lidschlages nicht ausgiebig genug der
Hornhaut zugefünrt. Das ist der Fall bei dem uns inter¬
essierenden Lagophthalmus. Nur bei diesem erklären sich alle
übrigen Erscheinungen lediglich aus der Austrocknung; bei
allen andern eben aufgeführten Erkrankungen kommt der Ver¬
trocknung nur eine unterstützende Rolle zu. Alle diese Krank¬
heiten sind deshalb nicht so einfach zu bekämpfen wie die
Keratitis e lagopbthalmo, zu deren sicherer Verhütung lediglich
ein Schutz gegen Verdunstung ausreicht.
Der Lagophthalmus kann verschieden bedingt sein, mecha¬
nisch oder nervös. Jenes ist der Fall, wenn entweder bei
normaler Form und Lage des Bulbus die pathologisch ver¬
kürzten oder fixierten Lider zu seiner Bedeckung nicht ansreichen
(angeborene Kürze der Lider, operative Verkürzung, besonders
nach Entfernung maligner Tumoren des Lides, narbige Ver¬
kürzungen und Fixationen nach Verbrennungen, Verätzungen,
Traumen, Lupus, Lues und Caries des Orbitalknochen), oder
wenn die Lider bei normaler Form und Motilität nicht ans-
reichen, um den pathologisch vergrösserten oder vorgetriebenen
Bulbus zu bedecken. (Hochgradiger Buphthalmns, Morbffs Base*
dowi, retrobulbäre Tumoren, Blutungen oder entzündliche
Prozesse). Bei normaler Form und Lage von Bulbus und Lidern
ist der Lagophthalmus aus nervösen Ursachen zu erklären,
einseitig bei Fazialislähmung und doppelseitig bei soporösen
oder comatösen Schwerkranken, bei denen der Lidschlag- und
Lidscblussreflex nicht mehr zustandekommt. In allen Fällen
von Lagophthalmus, wo nicht, wie beispielsweise durch starke
Protrusion, der Augapfel in seiner Beweglichkeit behindert ist,
findet im Schlaf und bei jeder Lidschlussintention eine energische
Aufwärtsrollung des Bulbus statt. (Bellsches Phaenomen.)
Diese Aufwärtsrollung genügt, um bei geringgradigem Lagoph-
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382
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 37.
thalmus, bei welchem die Lider noch einigermaßen einander
genähert werden können, die Hornhaut noch völlig unter Lid¬
schutz zu bringen. Es liegt dann im Lidspaltenbereich nur
unterhalb der Hornhaut gelegene Augapfelbindehaut frei. Diese
wird durch den Austrocknungsreiz hyperaemisiert, rötet sich
und schwillt an und schützt sich gegen die Vertrocknung durch
vermehrte Sekretion resp. Exsudation. Das Exsudat trocknet
an ihrer Oberfläche zu gelblichen Borken ein, welche zur Ver¬
klebung mit den Lidrändem neigen. Erst in höheren Graden
von Lagophthalmus reicht das Bellsche Phaenomen nicht aus,
um die Hornhaut völlig unter dem Oberlid in Sicherheit
zu bringen. Der unterste Hornhautabschnitt, bei normaler
Lid- und Bulbusanatomie wohl selten mehr als das unterste
Homhautdrittel, bleibt frei in der weit geöffneten Lid^alte der
Verdunstung ausgesetzt. Entsprechend treten in der Regel alle
Eintrocknungseracheinungen nur in einem untersten Homhaut-
segment auf, das nach oben mit horizontaler gerader Grenz-
lime abschneidet. Zunächst wird in diesem Bereich die Horn¬
haut oberflächlich matt, uneben, trocken und grau getrübt.
Infolge der durch Eindunstung an der Oberfläche zunehmenden
Salzkonzentration muss aus den tieferen Homhautschicbten
Flüssigkeit an die Oberfläche gezogen werden. Diese eiweiss¬
reichere Ausschwitzung kann dort zu Borken eintrocknen, die
kontinuierlich mit den die blossliegende Bindehaut bedeckenden
Borken Zusammenhängen. Bei unbehandelten Fällen wird es
nun in der Regel durch Einwanderung pathogener Mikro-
o^anismen in das geschwächte und zerklüftete Epithel in
diesem vertrockneten Abschnitt zu echter Geschwürbildung
kommen. In Ausnahmefällen kann die Infektion ausbleiben
oder eine harmlose Infektion leicht überwunden werden. Es
kann unter der Borke und der eingesunkenen oberflächlichen
nekrotischen Partie der Defekt durim Narbengewebe und neu¬
gebildetes Epithel ersetzt werden. Da bei Fortbestand des
Lagophthalmus diese unter erschwerenden Umständen rege¬
nerierte Partie immer wieder der gleichen Schädlichkeit aus¬
gesetzt bleibt, so schützt sich schliesslich der Organismus gegen
die Ansteckungsgefahr durch Produktion einer epidermisartigen
Schwiele.
Für gewöhnlich kommt es aber zu echter Geschwürs¬
bildung. In dem eingetrockneten blossliegenden Segment der
Hornhaut kommt es zunächst zu grauer entzündlicher Infil¬
tration des Parenchyms und demnächst zu mehr oder weniger
tiefgreifender gelber geschwüriger Einschmelzung des Gewebes.
Die Regenbogenhaut beteiligt sich in ganz leichten Fällen nur
mit Hyperaemie, in allen schwereren mit exsudativer Iritis.
Die hmteren Synechien und Pupillarmembranen, die oft nach
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfong
übertragbarer Krankbeiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krantwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Fortsetzung.)
Der § 5 gibt die Möglichkeit auch für solche Krankheiten,
die in dem ^ 1 nicht genannt sind, im Bedarfsfälle die Än-
zeigep^cht einzuführen. Es lässt sich z. B. denken, dass ge¬
legentlich Keuchhusten, Masern, Influenza so bösartig oder in
solcher Verbreitung auftreten, dass auch hier schleunigst ein¬
gegriffen werden muss. Dasselbe Recht, welches hier der § 5
dem Staatsministerium für Preussen verleiht, hat bereits der § 5
des Reichsgesetzes auch dem Bundesrat bezüglich der sämt¬
lichen Bundesstaaten eingeräumt.
Der zweite Abschnitt des Gesetzes betrifft die
Ermittelung der Krankheiten, welche vorgeschrieben ist
für Erkrankungs- und Todesfälle an Genickstarre, Rückfall¬
fieber, Ruhr, Milzbrand, Rotz, Tollwut, Bissverletzungen durch
tolle oder der Tollwut verdächtige Tiere, Fleisch-, Fisch-,
Wurstvergiftung, Trichinose; weiter aber bei Kindbettfieber
einer solchen Zurückbleiben, bedeuten immerhin eine recht
ernste Beschädigung, ja es kann bisweilen eine völlige Seclusio
pupillae mit nachfolgendem Sekundärglaukom das Auge zu
Grunde richten. In manchen Fällen wird auch ohne Therapie
und selbst ohne Rückgang des verursachenden Lagophthalmus
das Ulcus corneae, nachdem es eine gewisse Tiefe erreicht hat,
zum Stillstand und zur Selbstheilung mit Narben- und eventl.
Schwielenbildung kommen. Es kann aber auch das Ulcus die
Hornhaut perforieren. Meist wird zwar mit der Perforation
beschleunigte Heilung eingeleitet. Vor allem die durch die
Bulbuserömiung bewirkte mächtige Hyperaemie des Ciliarkörpers
wirkt dabei als Heilfaktor. Ein viel reichlicheres und an
Schutzstoffen reicheres Kammerwasser wird produziert und
durchströmt das entspannte Homhautgewebe, schwemmt die
Keime mechanisch hinaus, tötet sie und bindet ihre giftigen
Produkte. Trotzdem bringt solche Perforation das Auge in
eine Reihe neuer Gefahren. Die Regenbogenhaut fällt in die
Perforationsöffnung vor und verwächst mit der Narbe; es
kommt also zum mindesten zur Bildung eines breiten peripheren
Leucoma adhaerens, bisweilen infolge Ektasierung der schwachen
Stelle der Bulbnswandung zum Staphyloma corneae.
Beide bedingen wieder eine gewisse Disposition zum ver¬
derblichen Seknndärglaukom. Und schlies8li<m kommen, wenn
auch selten, Fälle vor, in denen die Perforation dem Prozess
nicht Einhalt tut, sondern das Auge durch fortgeleitete Panoph-
thalmie schneller Zerstörung anheimfallt.
Die Krankheit ist also durchaus nicht leicht zu nehmen.
Sie ist mit Sicherheit zu verhüten durch einen dauernden ein¬
mal täglich zu wechselnden Verband. Bei doppelseitigem
Lagophmalmus empfiehlt sich ein durchsichtiger Unrglas-Ver-
band. (Ebenso wenn das einzige sehtüchtige Auge befallen
ist) Zur Befestigung des Uhrglases dient Heftpflaster und
koÜodiumgetränkte Watte. Bei guter Prognose des Lagoph-
thalmos genügt diese prophylaktische M^nahme. Ist aber
keine Heuu^ des Lagophthalmus mehr zu erwarten, z. B. bei
irreparabler ^cialislähmung, so soll man einen Angenspezialisten
zor operativen Beseitigung des Lagophthalmus zuzienen.
Ist bei Unterlassung der erforderlichen Prophylaxe bereits
eine Keratitis e lagophthalmo eingetreton, so genügt in leichten
Fällen oberflächlicher Keratitis ein einfacher Verband, um
schnelle Heilung herbeiznführen. Vor dem Verbinden ist na¬
türlich das Auge sorgsam zu säubern und alle eingetrockneten
Borken sind schonend abzuwischen. Zweckmäßig kombiniert
man mit dem Ocnlusivverband antiseptische Behandlung, Be¬
streuen des Geschwürs mit feingepulvertem Jodoform oder Ein-
und Typhus ausser bei Erkrankungs- und Todesfällen auch bei
Verdacht der Erkrankungen. Es fallt gerade bei den letzten
Erkrankungen die Inkonguenz des § 6 zu dem § 1 auf, inso¬
fern die F^e von Verdacht an Typhus und Kindbettfieber zwar
ermittelung^flichtig aber nicht anzeigepflichtig sind. Die Er-
mittelungspflicht setzt aber eigentlich die Anzeigepflicht voraus,
und so sind wir nur dann in der Lage, unsere Aufgabe zu er¬
füllen, wenn Sie uns auch die Verdachtsfälle mitteilen. Dass
gerade bei Typhus die weniger scharf ausg^rägten Fälle, wie
sie meist unter dem Begriff des gastrischen Fiebers zusammen-
efasst werden, in Bezug auf die Weiterverbreitung der Kränk¬
elt die gefährlichsten sind, werden Sie zugeben.
Allein schon aus der Tatsache, dass zum Beispiel für 1903
in Köln 128 Typhusfälle gemeldet wurden, die eine Mortabilität
von 20,2% hatten, geht deutlich hervor, dass bei Zugrunde¬
legung der durchschnittlich zu rechnenden Typhusmortabüität
von etwa 10% etwa die Hälfte der Erkrankungen nicht ange¬
meldet wurden. Ebenso ist es bei Kindbettfieber sehr wichtig,
schon den Verdachtsfall zu kennen und dann für die Hebamme
die nötigen Vorsichtsmaßregeln anzuordnen, damit auch hier
nicht die ausserordentlich gefährliche Krankheit auf viele Fa¬
milien verschleppt wird. Es ist ja zuzugeben, dass gerade die
Diagnose des Kindbettfiebers im Anfang grosse Schwierigkeiten
verursachen kann; der Arzt wird sich selbst und die Hebamme
aber nur dann vor unberechtigten Vorwürfen, vor strafrecht¬
licher und zivilrechtlicher Verantwortlichkeit schützen können.
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1906.
MSDICINISCSE ^^OCHS.
383
streichen von Sublimatsalbe {Hydrarg, bicblorat. 0,003, Aq.
dest. 9.5. Vaselin, flav. ad. 10,0).
In allen schwereren Fällen, die mit ausgesprochener Iritis
einhergehen, ist ausserdem Anwendung von Atropin und
warmen Umschlägen zu empfehlen. In sehr schweren Fällen,
wo Perforation droht, oder wo die Iritis mit sehr reichlicher
Exsudation oder gefahrdrohender Synechiebildung einhergeht,
sollte stets ein Spezialist zugezogen werden.
Zur Erläuterung der gegebenen Darlegung scheint es mir
f eeignet, zum Schluss einen knappen Bericht über die drei
alle aus anderen hiesigen Kliniken anzufügen, die ich kürz¬
lich im Lauf eines Monats gesehen habe, und die den Anstoss
zu dieser kleinen Publikation gegeben haben.
Am 22. 1. 06 wurde ich zu einer an Katatonie leidenden 47jälir.
Schneiderin in die psychiatrische Klinik gerufen. Es bestand rechtsseitige
Fazialislähmung, die wahrscheinlich noch von einer vor 25 Jahren operativ
behandoltenMlttelohrentzündungheirQhrto; das rechte Auge war weit geöffnet,
das untere Lid hing schlaff und leicht aosgekrempolt herab, die freiliegende
Lid- und Au^apfelbindehaut war stark ges^weUt und gerötet. Das unterste
Viertel der Hornhaut war eingesunken und dichtgrau infiltriert, bei Lid*
scblussversucb bleibt das Auge etwa 1 cm weit offen, der Bulbus rollt dabot
nach aufwärts, der grau infiltrierte nach o^n scharfiinig horizontal abgesetzte
Abschnitt bleibt gerade noch in der Lidspalte. Erhebliche Borkenbildung
bestand nicht, da der Patientin reichlich Umschläge gemacht waren. Die
Iris war stark hyperaemUch. Das Ulcus heilte schnell unter Behandlung
mit zweimal täglich Jodoform und l®/oAtropinsublimatsalbo (Atropin sulfer).
(IJydrarg biclorat0,003, Aq. dest. 9.5 Vaselin flav. ad. 10,0) und dauerndem
Borsalbenverband. Mitte Februar war das Ulcus schon in eine solide Narbe
umgowandelt. Weil die Fazialislähmung eine ganz schlechte Prognose gab,
infolgedessen auch auf eine Zurückbildung des Lagopbtbalmus nicht zu
rechnen war, und weil das Verbinden der Augen bei der sehr widerspen¬
stigen Patientin mit gar zu viel Mühe verknüpft war, beseitigte ich am
20. II. den Lagophthalinus durch Tarsoraphie nach Fuchs in Narkose. Von
26. II. an konnte die Patientin ohne weitere Gefahr für das Auge voröand-
frei bleiben; die Hornhaut wurde jetzt bei Lidschluss völlig- unter dem
Oberlid geboigen. Das Kosmetische Resultat war gut. Am 23. HI. starb
die Patientin an Schluckpnoumonio.
Der zweite Fall betraf einen 24 jäbr. Knecht, der wegen beiderseitiger
chronischer Cholesteatom-Eiterung vom 7. i. 06. —3. III. 06- auf der hiesigen
Ohrenabteilung behandelt wurde. Seit einigen Jahren bestand reclitssoitigo
Gesichtslähmung. Er kam mit leichter Keratitis o lagophthalmo. Die
quantitative Bestimmung der TrUnensokretion nach Schirmer lieferte den
Beweis, dass die Bescbäaigung des Fazialis peripher vom Abgang dos Nervus
petrosus superficialis major, welcher die lacrimosecretoriscben Fazialisfascrn
durch Anghedorung an den nervus zygomaticu-fazialis zur Tränendrüse leitet,
ihren Sitz haben musste und also höchst wahrschoinlieh durch das Ohronleidon
veranlasst war. Die Keratitis heilte in wenigen Tagen unter Verband und
Sablimatsalbo. Da die Prognose der Fazialislähmung schlecht war (Ent¬
artungsreaktion), so wurde einer Wiederkehr des Leidens durch Tarsoraphie
vorgebeugt.
Der dritte Fall ist der schwerste gewesen. Ein löjähr. Tischlergosolle
beging am 10 I. 06 conamon suicidii durch Schuss in die rechte Schläfe.
Er batte das leider hierbei nicht seUeno Missgeschick, sich durr.h beide
Sehnerven und damit doppelseitig blind zu schiessen. Anfang Februar
sah ich den Patienten. Beiderseits bestand totale Amourose und Liebtstarre
der sehr weiten Pupillen. Das rechte Auge war durch retrobulbäre Blutung
stark protrudiert und immobilisiert. Bei Lidscblussintontion wurde nur
etwas mehr als die obere Hälfte der Hornhaut bedeckt. Der blosslicgondo
Teil war von einem intensivgelben tiefen nach oben geradlinig abgegrenztoii
Ulcus eingenommen, das durch schwerlüslicho dicke gelbe Burken bedeckt
und mit den den Unterlidrand und die freiligendo stark geschwollene Binde¬
haut bedeckenden Borken fest verklebt war. Der untere Teil der vorderen
Kammer war von einem hohen Hypopyon eingenommen; die weite Pupille
war durch graues Pupillarexsudat getrübt und durch zahlreiche hintere Syno-
chieen an die Linsenvorderflächo geheftet, was bei der Weite der Pupille
einen merkwürdigen Anblick bot. Von rotem Licht keine Spur.
Lago und Beweglichkeit des linken Auges war normal; ausser zahl¬
reichen massigen Netzhautblutungen, die die Pupille vordockten. Weite und
Liebtstarre der Pupille bot das Auge nichts bemerkenswertes.
Es wurde vorsichtige Abweichung der Borken, 2 x tgl. Jodoform und
4®/u Atropinsublimatsalbo, tgl. 4x1 Stunde warme Umschläge und inzwischen
Verband angoordnet. Das Ulcus ist unter dieser Behandlung zwar langsam
ohne Perforation zur Vernarbung gekommen, aber nicht ohne dass die Pupille
vollständichvon Pupillenmombran verlegt und der Augapfel durch raässiggradigo
Schrumpfung seiner ganzen vorderen Hälfte und durch die narbige Weiss¬
färbung der unteren % der Hornhaut sehr entstellt wäre.
Sitzungsberichte.
GeseUsc^iafl f ür Geburtshi'dfe und Gynäkologie
»u Herlin,
Sitzung vom 25. Mai 1906.
Vorsitzender: Hr, Keller.
Bericht des I. Schriftführers über das vergangene Ge¬
schäftsjahr.
Vorstandswahl: Zum 1. Vorsitzenden wird Herr Keller,
zum 1. stellvertretenden Vorsitzenden Herr Orthmann, zum 2.
stellvertretenden Vorsitzenden Herr Bröse gewählt.
Dem ü n s t rati o n :
Hr. Hochoisel demonstriert eine 31jährige Patientin, bei
der vor einigen Wochen infolge einer vor längerer Zeit ausge-
fuhrten Ventrofixation eine schwere Geburtsstörung aufgetreten
war. Der Muttermund stand hinten oben in der Höhe des II.
Lendenwirbels und war für den Finger kaum erreichbar, daher
Wendung unmöglich. Von einem klassischen Kaiserschnitt wurde
Abstand genommen, weil das Fruchtwasser schon vor längerer
Zeit abgeflossen, die Infektionsgefahr daher zu gross war. Ausser¬
dem war das Leben der Frucht nicht sicher zu konstatieren.
Desgleichen schien eine Ablösung und Aufrichtung des Uterus
wenn er frühzeitig den Fall wenigstens als Verdacht mitteilt.
An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass die Hebamme bei
Kindbettfieber oder Verdacht desselben neuerdings durch den
§ 481 des Hebammenlehrbuchs folgende Pflichten hat:
I. sie hat auf die Hinzuziehung eines Arztes zu dringen:
1) wenn im Wochenbett die Temperatur über 38® steigt,
2) bei jedem Schüttelfrost,
3) - wenn die Zahl der Pulsschläge sehr in die Hohe, z. B.
auf 120 geht, und eine auffallend niedrige Temperatur
besonders am Abend vorhanden ist, z. B. 36® oder 35,5®,
was auf bestehende Herzschwäche hindeutet,
”4) sobald ein Geschwür an den äußeren Geschlechtsteilen,
P; das sich oft hinter einer Anschwellung der Teile ver-
trJ birgt, entdeckt wird, selbst wenn kein Fieber bestehen
sollte.
II. sie hat bei jedem Fieber im Wochenbett von mehr als
38® dem Kreisarzt ungesäumt Anzeige zu erstatten.
Da die amtliche Ermittelung der Kranldieit durch den be¬
amteten Arzt stattzufinden hat, so wird sich ein gedeihlicher
Erfolg, welcher sowohl die Interessen des behandelnden Arztes
wie die der öffentlichen Gesundheitspflege befriedigt, nur durch
kollogialisches, vertrauensvolles Zusammenarbeiten des be¬
handelnden und beamteten Arztes erzielen lassen. Gerade in
Köln, wo der beamtete Arzt von der Privatpraxis losgelöst
ist, wird das leicht zu erreichen sein, zumal der beamtete Arzt
durch seine Amtspflicht gehalten ist, gute kollegiale Beziehungen
zu den andern Aerzten zu pflegen. Der praktische Arzt kann
darum meines Erachtens dem beamteten Arzt mit vollem Ver¬
trauen entgegenkommen. Der Kreisarzt, der die Art, den Stand
und die Ursache der Erkrankung fostzustellen hat, wird im
wesentlichen die Aufgabe haben, den Weg der Einschleppung
und der Verbreitung der Krankheit zu untersuchen, Vorsichts¬
maßregeln anzuordnen gegen die weitere Verbreitung, also Aus¬
schliessung der Kinder von der Schule, Desinfektionsmaßregeln,
eventuell Ueberführung in das Krankenhaus, Beseitigung sani¬
tärer Missstände in die Wohnung usw. Dass der beamtete Arzt
die Diagnose, welche der behandelnde Arzt gestellt hat, so gut
wie immer als richtig annimmt, werden Sie aus Ihrer praktischen
Erfahrung heraus wissen. In Zweifelsfällen wird er gewiss
auch seinerseits zumal durch Bereitstellung bakteriologischer
Hülfsmittel die Diagnose gemeinsam mit aufzuklären suchen.
Zu der Erklärung, ob von dem Zutritte des beamteten
Arztes eine Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens dos
Kranken zu befürchten ist, ist Ihnen durch einen entsprechenden
Vermerk auf der gelben Karte Gelegenheit gegeben. Ebenso
können Sie auf dieser Karte die durch die Ausführungsbe¬
stimmungen zu § 6 gewünschte Mitteilung machen, ob Sie bei
den Ermittelungen des beamteten Arztes zugegen sein wollen.
Ist somit der beamtete Arzt, wenn er seine Aufgabe
richtig erfüllen soll, auf Ihr Entgegenkommen nach dem Ge¬
setze angewiesen, so wird ihm bei Ermittlung des Kindbett¬
fiebers oder Verdachts desselben noch eine weitere Schranke
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Goog e
384
MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 37.
per laparotomiam za gefährlich. Es wurde daher von Herrn
Bumm ein vaginales Verfahren eingeschlagen. Mit einem ge¬
knöpften Messer wurde der tief hinabgedrückte Sporn der vorderen
Uteruswand vom Muttermund nach abwärts ohne Ilücksicht auf
etwaige Blasenverletzung gespalten , worauf die Extraktion eines
noch lebenden Kindes leicht gelang. Die Blase blieb glücklicher¬
weise unverletzt. Die Rekonvaleszenz war glatt , nur besteht bei
der Patientin dauernd ein breit klaffender Spalt in der vorderen
Uteruswand. Wie nachträglich in Erfahrung gebracht wurde, war
die Ventrofixation nach Czerny-Leopold mit Tamponade der
Bauchwunde gemacht worden.
Diskussion:
Hr. Olshausen: In keinem Falle, der nach seiner Methode
ventrofixiert worden ist, ist bisher eine nachträgliche Geburts-
Störung beobachtet worden.
Hr. BrÖse hat einen Fall von Geburtsstörung nach 01s-
hausenscher Ventrofixation gesehen. Allerdings war in dem
Falle gleichzeitig eine Ovariotomie gemacht worden, der ev. die
festen Verwachsungen mit der Bauchwand zur Last fallen.
Hr. Bumm: Derartige Geburtsstörungen sind die unange¬
nehmsten , die es gibt. Die Diagnose ist häufig recht schwer.
Der vaginale Kaiserschnitt ist unmöglich, weil man den Mutter¬
mund nicht mit Speculis freilegen kann. Es bleibt daher eigent¬
lich nur die oben beschriebene Spaltung der vorderen Uteruswand
ohne Rücksicht auf die Blase übrig. Eine ev. Blasenverletzung
ist weniger zu fürchten, als eine Infektion nach klassischem
Kaiserschnitt.
Hr. Olshausen hält in derartigen Fällen doch den klassi¬
schen Kaiserschnitt für das beste und sicherste Verfahren; er
hat ihn in 3 ähnlichen Fällen mit gutem Erfolg ausgeführt.
Hr. Nagel hat in einem derartigem Fall vollständige Quer¬
lage des Uterus beobachtet und die Geburt durch Wendung in
Seitenlage beenden können.
Vortrag des Herrn Stöckel: Ueber die Anwendung der
Nitze sehen Cystoskopie bei Luftfüllung der Blase. Kniebrust¬
lage.
Die normaler Weise in Steissrückenlage bei flüssigkeitge¬
füllter Blase ausgeführte Cystoskopie ist in vielen Fällen nicht
möglich, so z. B. bei Fisteln, bei Inkontinenz, bei erhfihter Reiz¬
barkeit der Blase (Steinbildung, Tuberkulose), bei Pyelitis infolge
der dauernden Trübung der Flüssigkeit etc. Für alle derartigen
Fälle empfielt St. die Cystoskopie bei luftgefüllter Blase in Knie¬
ellenbogenlage, eine Technik, deren sich schon Pawlik und
Kelly zur Endoskopie der Blase bedient haben. Das Verfahren
soll natürlich keine Konkurrenzmethode, sondern nur eine Er¬
gänzung der klassischen Cystoskopie darstellen. Die Erwärmung
der Luft in der Blase durch die Lampe wird sehr gut vertragen,
hingegen erfordert die Vermeidung der sehr schmerzhaften Ver¬
brennungen der Blasenwand eine vollkommene Beherrschung der
cystoskopischen Technik. Die bisher erzielten Erfolge sind sehr
zufriedenstellend. Insbesondere ist die Aktion der Ureteren ganz
überraschend gut zu beobachten. Man sieht aus der rüsselförmig
vorspringenden Ureterenmünduug in kurzen Intervallen einen fast
bleistiftdicken Urinstrahl herausspritzen. (Demonstration.)
Verein für PsgcKiatrie und NervenkremkheUen*
Sitzung vom 11. Juni 1906.
Hr. Rothmann, Bemerkung zu der Demonstration des
Herrn Ziehen vom Mai 1906. Postoperative Facialislähmung
rechts mit automiraetischer Kontraktur links. Er habe die Pat.
vorher gesehen, die Operation war lediglich auf Schmerzen im
Ohr erfolgt, die Rothmann für Hysterie hielt, umsomehr, als
zugleich Hemihypaesthesie rechts bestand.
1. Hr Henneberg anatomische Bemerkung zum Vortrag
des Herrn Jaoobsohn über Cysticercus cerebri.
2. Diskussion zum Vortrage des Herrn Rothmann.
Demonstration einer Opticusatrophie mit tabesähnlicher Afifektion
beim Affen. Dazu spricht
Hr. Jacobsohn und macht darauf aufmerksam, dass auch
andere Prozesse in Frage kämen, besonders die Wurzelerkrank¬
ungen fehlten und die oberen Teile des Rückenmarks, die Goll-
schen Stränge vorwiegend erkrankt waren, es müsse sich daher
um eine intraraedulläre Erkrankung gehandelt haben.
Schlusswort Herr Rothmann hat seinen Zweifeln schon
dadurch Ausdruck gegeben, dass er von einer tabesartigen
Erkrankung sprach und nicht von tabes dorsalis beim Affen.
Nach seinen Präparaten waren doch Wurzelerkrankungen deutlich,
sodass es sich doch um einen extramedullären Prozess auch
handelt.
3. Diskussion zum Vertrag des Herrn Liepmann über
linksseitige Apraxie bei linkshimigen Herden:
Hr. Jacobsohn fragt, ob schon Antopsien vorliegen, die
dartun, dass in der Tat nur ein Herd vorliegt.
Dazu ferner Herr Oppenheim: Er konnte eine Beobachtung
machen, bei welcher die bekannte Hypothese des Herrn Liep¬
mann ihm die Deutung eines Falles erleichterte. Es handelte
sich um Erscheinungen bei einem jungen Manne, die auf einen
Tumor der linken motorischen event. noch der hintern Zentral-
windung und der lobus parietalis deuteten. Dabei bestand merk¬
würdiger Weise eine Andeutung von links.seitiger Astereoguosis.
Oppenheim vermutet, dass ebenso wie die linke Hemisphäre
f ezogen; denn hier ist ihm der Zutritt zum Kranken nur mit
ustimmung des Haushaltungsvorstandes gestattet. Handelt
es sich um einen Todesfall, bei dem der Verdacht des Typbus
oder des Rotzes ausgesprochen ist, so kann sich die Ermittelung
auch auf eine Obduktion erstrecken, ähnlich wie nach dem
Reichsgesetz bei Cholera — Gelbfieber — und Pestverdacht;
dieselbe soll aber nach den Ausfiihrungsbestimmungen nur
dann stattfinden, wenn die bakteriologische Untersuchung der
Absonderungen und des Blutes zur Feststellung nicht ausreicht
oder nach Lage des Falles nicht ausführbar ist.
Der beamtete Arzt wird nicht in Anspruch genommen
werden bei Fällen von Diphtherie, Kömerkrankheit und Schar¬
lach. Hier hat die Polizeibehörde, genau wie nach den Vor¬
schriften des Regulativs, nur die ersteren Fälle feststellen zu
lassen und zwar auch nur dann, wenn sie nicht von einem
Arzt mitgeteilt werden. Dieser Fall wird in einer grösseren
Stadt kaum eintreten. Die einzigen Fälle, wo eventuell bei
Diphtherie und Scharlach ein beamteter Arzt zngezogen wird,
wären etwa die, dass vorher ein Kurpfuscher behandelt hätte
oder dass Erkrankungen in Schulen, Herbergen etc. in grösserem
Umfange aufträten. Bei den übrigen Krankheiten sollen nach
den Ausführungsbestimmungen auch nur in den sogon.annten
ersten Fällen amtliche Ermittelungen angestollt werden. Es
ist aber bereits jetzt von dem Herrn Regierungspräsidenten in
Köln in Ergänzung des Gesetzes verfügt, dass die Ermittlungs-
ptlicht bei Typhus sich auf alle Fälle erstreckt.
Der dritte Abschnitt betrifft die Schutzmaß-
regeln. Bei jeder einzelnen Krankheit ist anzugeben, welche
Schutzmaßregeln in Betracht kommen können; aber die an¬
gegebenen Maßregeln sind nicht immer alle anzuordnen, viel¬
mehr bezeichnen dieselben das höchste Maß dessen, was poli¬
zeilich angeordnet werden darf. Die Polizeibehörden haben
hier genau das gleiche Interesse, wie der praktische Arzt, dass
nämlich nicht mit unnötiger Beunruhigung und mit unnötigen
Kosten hervorgegangen wird, sondern dass jedesmal nur das
Nötige herausgewählt wird.
Wenn wir die Maßregeln bei den einzelnen Krankheiten
genauer übersehen, so erscheint Folgendes besonders er¬
wähnenswert.
In erster Linie wird bei den übertragbaren Krankheiten
eine genügende Absonderung der kranken Perso.üön verlangt,
die derartig zu erfolgen hat, dass der Kranke mit andern als
dem zu seiner Pflege bestimmten Personen, dem Arzt oder
dem Seelsorger, nicht in Berührung kommt. Angehörigen und
Urkundspersonon ist, soweit es zur Erledigung wichtiger An¬
gelegenheiten geboten ist, der Zutritt zu dem Kranken unter
Beobachtung der erforderlichen Maßregeln gegen eine Weiter¬
verbreitung der Krankheit gestattet. Aus dieser Erklärung des
Begriffes „Absonderung“, welche der § 14 des Reichsgesetzes
gibt, werden Sie ei-sehen, dass wir imstande sind, bei allen
übertragbaren Krankheiten, soweit wir sie erfahren, den Kur¬
pfuscher fern zu halten. (Furtsetzung folgt.)
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
385
die Sprache und das Handeln beherrscht, sie auch die Erkennung
der Gegenstände beherrscht, sodass also eine linkshirnige Er¬
krankung auch die Stereognosis der Unken Hand beeinträchtigen
kann.
Schlusswort Herr Liepmann konnte durch Sektionsbe¬
funde nachweisen, dass kein rechtsseitiger Herd vorlag.
4. Hr Schuster: VorsteUung eines neuen Falles von Alexie.
Diesmal besteht zugleich Agraphie. Patientin, 65 Jahre alt, er¬
krankte vor einem Jahr, zur Zeit ist nur geringe PiipillendifFerenz
nachweisbar. Die motorische und sensorische Sprache ist unge¬
stört. Sie kann spontan keine Buchstaben ohne Hilfe lesen.
Einzelne bekannte Worte liesst sie, kann aber Theile nicht er¬
kennen.
Schreiben kann sie weder spontan noch nach Diktat. Daneben
besteht eine amnestische Aphasie.
Zeichnungen erkennt sie nicht immer, keine Hemianopsie.
Schliesslich besteht noch eine auifälUge doppelseitige apraktisohe
Störung.
Schuster meint, dass hier ein doppelseitiger Herd vorliegt,
und fügt noch hinzu, dass hier eine Beeinträchtigung der optischen
Vorstellungen vorliegt, was ihn gerade zu dieser Annahme ver¬
anlasst, der Herd wird in der Rinde sitzen, dafür sprechen
Fehlen der Hemianopsie und die Agrapliie.
5. Hr. Klempner: 3 Fälle von Athetosis bilateralia, es
handelte sich um ungewollte Bewegungen langsamen Charakters
auf beiden Seiten. Mitbewegungeu beim Sprechen. Saug- und
Kaubewegungen beim Berühren der Lippen. Spasmen fehlen,
ebenso Lähmungserscheinungen, in allen Fällen Ueberstreckung
der Phalangen. Die Bewegungen sind von ungleicher Intensität.
Intelligenzstömngen fehlen fast ganz. Die Bewegungen bestehen
seit Jahren, alle Patienten zeigen den 0 pp enheim sehen Fress¬
reflex in modifizierter Form. Gerade dieser Reflex macht es
sicher, dass es sich um ein cerebrales Leiden handelt, es handelt
sich um die Athetose double der Franzosen, die ohne Lähmungs-
ersoheinungen auftreten kann. Die Fälle des Vortragenden zeigen
allerdings mancherlei Abweichungen.
6 . Cassirer stellt ein Kind mit ausgebreitetem Naevus der
linken und rechten Gesichtshälfte vor, vorhandene leichte rechts¬
seitige Reiz- und Lähmungserscheinungen deuten darauf, dass auch
in cerebro Gefasserweiternngen vorhanden sind, die wie ein Him-
herd wirken. Dr. G. Platau. Berlin.
Kongressbericht.
23. Kongre98 für in/nere Medici/n
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent; Dr. Grassmann-München.
3. Sitzungstag, Nachmittags.
1. Herr Köhler-Jena: Die Untersuchung unge¬
färbter Gewebe mit ultraviolettem Lichte.
2. Herr Selling-München und Herr Edelmann-München:
Experimentelle Untersuchungen über den Perkus¬
sionsschall.
Herr Edelmann erläutert und demonstriert mittels Projek¬
tionsapparates die für die Untersuchung in Verwendung gewesenen
physikalischen Instrumente und Apparate.
Herr Selling führt sodann folgendesaus: Entsprechend der
bekannten Skodaschen Einteilung des Perkussionsschalles in „hoch
und tief“, «hell und dumpf“, „voll und leer“, „tympanitisch und
nicht tympanitisch“ wurde zunächst die bei Perkussion in Be¬
tracht kommende Tonlage festzustellen versucht. Mittels kegel¬
förmiger Resonatoren wurde gefunden, dass die untere Grenze
der im Perkussionsschall der Lunge enthaltenen Töne beim Kind
höher ist als beim Erwachsenen, dass sie beim Uebergang aus der
Ausatmungsstellung dos Bru.stkastens in die Einatmungsstellung
sich nach unten verschiebt. Diese untere Grenze entspricht der¬
selben Tonhöhe, in welcher man bei der Prüfung des Pektoral-
fremitus die Patienten intonieren lässt (oberer Teil der grossen
Oktave). Um den Pektoralfremitus in Einatmungsstellung maxi¬
mal zu erzeugen, ist ein tieferer Ton des Stimmregisters nötig, als
in Ausatmungsstellung. Dieses Tonintervall ist ebenso, wie die
Verschiebung der unteren Grenze bei der Perkussion ein Maß für
die G^esamtexkursionszeit der Lunge. Für die Auflassung des Pek¬
toralfremitus als Reaktion der Thoraxwand auf den mit der Stimme
erzeugten Eigenton des Thorazinnem spricht unter anderem die
jedem Arzt geläufige Erscheinung, dass bei Frauen der Pektoral-
fremitus weniger gut diagnostisch zu verwerten ist, als bei Männern,
offenbar deshalb, weil weiblichen Individuen der Gnmdeigenton
ihres Thoraxinnem in ihrem Stimmregister nicht zur Verfügung
steht. Die obere Grenze der ün Perknssionsschall der Lunge ent¬
haltenen Töne hängt ab von der Perkussionsart und wird gebildet
beim hellen wie beim gedämpften Schall vom Eigenton des Plessi¬
meters, bezw. des Fingers. Der „helle" Lungenschall zeichnet sich
gegenüber dem gedämpften durch seinen Reichtum an tiefen Tönen
aus, weshalb er auch lauter ist und weiter gehört wird, da die
längeren Schallwellen der tieferen Töne sich weiter fortpflanzen
(tiefes Rollen des fernen Donners, weitere Hörbarkeit der Bass¬
töne). Man hört deshalb den charakteristischen Unterschied des
hellen und gedämpften Schalles aus einer entfernten Zimmerecke
besser, als in der Nähe der Schallquelle.
Eine praktische Darstellung des Perkussionsschalles wurde
ermöglicht durch das Edelmannsche Saiteugalvanometer, welches
von Herrn Edelmann jun. (Dr. phil.) kurz erläutert wird.
Vortragender demonstriert dann verschiedene mit diesem In¬
strument aufgenommene Kurven als Diapositive. Der Lungenschall
zeigt grö.ssere Intensität, wie der gedämpfte bei gleicher Schlag-
inteusität und längere Dauer; er ist also „voller“ wie der ge¬
dämpfte Schall, der „leerer“ ist. Der tympanitisohe Schall zeigt
einen „Schallbeherrscher“ und hohe Obertöne.
Dann demonstriert der Vortragende noch Aufnahmen des
Perkussionsschalls mittels des Phonographen, die das gleiche Re¬
sultat gaben. Er hatte dann noch Gelegenheit, in einem Neben¬
lokal eine akustische Wiedergabe der verschiedenen Schallquali-
läten mittels des Phonographen zn geben und die praktische An¬
wendung der Resonatoren an Patienten zu zeigen.
Der Vortrag wurde durch Vorführung zahlreicher Diapositive
erläutert.
In der Diskussion macht Herr Bäumler-Freiburg darauf
aufmerksam, dass die Perzeption des Perkussionsschalles davon
beeinflusst wird, ob mitten im Zimmer oder nahe den Wänden
perkutiert wird; ferner davon, ob der Perkutierende vor oder
hinter dem Untersuchten steht.
35. Kongress der Deutschen Gesellschaft
für Chimrgie.
Vom 4. bis 7. April 1906.
Hr. Holländer-Berlin: Beiträge zur Rhinoplastik.
Eine neue Operationslagerung.
Eis wird eine Reihe von totalen Rhinoplastiken im Lichtbilde
gezeigt, die alle nach der vom Autor angegebenen Methode aus¬
geführt sind, bei welcher die Nasenspitze durch die herunterge¬
schlagenen Nasenbeine gestützt wird. Das Profil hat sich bei den
schon zum Teil 6 Jahre alten Fällen tadellos erhalten. Es wird
vom Vortragenden dann eine neue Methode angegeben, ohne den
Stimhautlappen die verloren gegangene Nasenspitze dadurch neu-
zubildeu, dass man die Nasenscheidenwand in toto herausnimmt
und nach Keilexoision aus ihr die Nasenspitze knöchern formiert.
Die Resultate waren zum Teil befriedigend.
Hr. Wullstein-Halle a. S.: Experimentelles aus der
Magenchirurgie.
W. berichtet über seine Experimente, welche den Zweck
hatten, speziell der Therapie des Ulcus Tentriooli zu dienen. Er
hat die Resektion ohne Eröffnung des Magen- und Darmlumens,
d. h. durch Invagination zu machen versucht. Am Pylorus ge¬
lang ihm das erst, nachdem er sich nur auf den Pylorusring als
solchen beschränkte. Bei grösseren Invaginationen in der Konti¬
nuität hatten die Experimente erst dann ein positives Resultat,
als er begann, an dem ganzen zu invaginierenden Teile mit dem
Paquelin die Serosa und Muscularis wegzunehmen und die Mucosa
zu verschorfen.
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386
MEDICnnSCHB WOCHE.
Nr. 37.
Bei dem Versuche, die Pyloroplastik von Mikulicz durch
Einnähung einer uneröffneten Darmschlinge in die Pylorus-Schnitt-
wunde zu komplettieren, gewann W. interessante Resultate über
die Selbstverdauung. Er beobachtete nämlich, dass, wenn er
irgend eine uneröfFnete Darmschlinge in die Magenwand einnähte
und so der Wirkung des Magensaftes aussetzte, schon nach
wenigen Tagen die eingenähte Partie der Darmwand verdaut
wurde.
Diese durch den Magensaft bewirkte Selbstverdauung des
Darmes hat W. dann dazu benutzt, die Gastroenterostomie ohne
Eröifnung des Magens und Darms in der Weise herzustellen, dass
er das Stück in der Magenwand durch Durchschneidung der Serosa
und Muscularis mit dem Paquelin und flächenbafte Verschorfung
der Mucosa zur Abstossung brachte und den danach vorliegenden
Darm der verdauenden Wirkung des Magensaftes überliess.
Die nach der Literatur häufig beobachteten Verengerungen
der Anastomosen bei der Gastroenterostomie haben W. veranlasst,
auch in dieser Richtung Elxperimente zu unternehmen. Um die
Wirkung der primären, d. h. sofort nach der Operation auftretenden
Verengerung bei der Gastroenterostomie zu verhindern, hat W.
bei mehreren Patienten sowohl mit Gastroenterostomie als mit
Resektion des Pylorus ein nach seinen Angaben gefertigtes und
noch ca. 20 cm in den Darm hineinreichendes Dauerschlundrohr
für 10—12 Tage eingelegt imd durch dasselbe sofort nach der
Operation forciert ernährt.
Gegen die sekundäre Verengerung, welche ja, wie in der
Literatur beschrieben, zuweilen Monate nach der Operation zum
völligen Verschwinden der ursprünglich angelegten Auastomose
führen kann, will W. eine Gastroenterostomie in Anwendung
bringen, welche er als trichterförmige Gastroenterostomie be¬
zeichnet. Die Technik derselben muss im Original nachgeleseu
werden.
Zum Schluss erwähnt W. ganz kurz, dass er die Operationen,
soweit der Darm in Betracht kam, ebenso wie andere Experimente
an der Milz, Leber usw. unter Blutleere ausfübrte, und diese
Blutleere wurde in möglichst schonender Weise durch ein Instni-
ment bewirkt, welches W. demonstriert und als pneumatische
EJemine bezeichnet.
Hr. Holländ er-Berlin: Ueber die Arthroplastik des
späteren Mittelalters. Ueber eine neue Operations¬
lagerung.
Der Vortragende weist unter Demonstration von 7 Originalien
ans dem 15. bis 17. Jahrhundert auf den technischen Entwick¬
lungsgang der Mechanik der eisernen Glieder hin. Es ergibt sich
aus der grossen Anzahl dieser, dass der künstliche Ersatz verloren
gegangener Gliedmassen im 16. Jahrhundert zu einer bedeutsamen
Entwicklung gelangt war und dass mit diesen künstlichen Gliedern
namentlich einfachere Handgriffe, wie sie zum Reiten und Schwert¬
halten erforderlich sind, gut ausgeführt werden konnten. Zu
Ende des 17. Jahrhunderts erfolgte ein Verfall dieser Kunst,
deren alter Höhepunkt auch heute noch nicht erreicht ist.
Demonstration der Kantonlagerung für Nierenoperationen.
Pneumatische Nierenrolle.
Die Vorrichtung ist an jedem Operationstisch mit Seitenbe-
wegung anzubringen. Der Patient liegt dabei nicht auf dem
Kücken, sondern auf der Seite, sodass des Körperumfangs für
(las Messer angreifbar sind. Die Nierenrolle wird je nach Wunsch
durcli rus.sgehläse liocli oder niedrig gestellt. Beide Vorrichtungen
sind vom Medicinischeu Warenhaus zu beziehen.
Hr. Gara-Pistyan demonstriert seinen Universalkorrektor,
der eine vielseitige Verwendbarkeit besitzt. Er ermöglicht die
Korrektur zahlreicher angeljorener oder erworbener Deformitäten
im Bereiche Her langen Röhrenknochen leicht, bequem und mit
genau dosierbai-er Gewalt unter grösster Schonung der Weichteile;
ferner gestattet er nach erfolgter Korrektur die sofortige Anlage
des fixierenden Kontentivverbandes ohne Veränderung der Lage
chu* Patienten. Bei seiner Anwendung wird die unsichere manu¬
elle Assistenz durch die unnachgiebige Fixation mittels Binden-
tonren ersetzt. Endlich gestattet der Apparat die leichte und
sieliere Anlage eines Kontentivverbande.s bei Frakturen. Die am¬
bulante Behandlung der Kontrakturen wird durch den Apparat
sehr erleichtert.
Hr. Kölliker-Leipzig und Glücksmann-Berlin: Oeso¬
phago skop isebe Bilder.
Die Demonstration erstreckt sich auf eine Anzahl farbiger
Diapositive, welche das Gebiet der Speiseröhrenerkrankungen, ge¬
sehen durch das Gl ückma n n sehe Oesophagoskop, darstellen,
und zwar wurden vorgefuhrt: die normale Speiseröhre, Veränderung
der Lumenweite derselben im Sinne der Dilatationen und Ver¬
engerungen aus verschiedenen Ursachen, traumatischo Vorgänge
in Form von Narben und Fremdkörpern, die Infektionskrankheiten
der Speiseröhre (Diphtherie, Herpes), sowie eine etwas grös.sere
Reihe der verschiedenen Manifestationen des Carcinoms in seinem
ersten wandständigen und seinem zweiten circularen Stadium. Die
Bilder sind sämtlich durch das Instrument nach der Natur ge¬
zeichnet. Der Vortragende (Glücksmann) schliesst mit dem
Hinweis auf die praktische oesophagoskopische Demonstration,
welche die beiden Vortragenden gemeinschaftlich während der
folgenden Kongresstage abzuhalten beabsichtigen. Bei diesen
praktischen Demonstrationen zeigte Herr Kölliker einen von
ihm neu angegebenen doppelten oesophagoskopischen Tubus mit
besonderer Einführvorrichtung, Herr Glüoksmann einen be¬
sonders für Auswärtsuntersuohungen geeigneten leichten (3 Pfund)
und billigen (27 M.) Akkumulator für Licht und Kaustik.
Periodische Literatur.
Therapeutische Monatshefte. 1906. Nr. 7.
1 . Jacob, Kudowa: Pathologie and Therapie des Morbus
Basedowii.
Ein lebhaft und anregend geschriebenes Resume über die
vielen Theorien und Kontroversen des „Basedow“ und Heraus¬
heben der Moebiusschen Deduktionen und Ansichten.
2. Siegel, Reicheuhall: Ueber die Behandlung von Asthma
und asthmaähnlicher Zustände.
Eine sehr wertvolle Zusammenstellung von alledem, was man
in jedem Hause in der täglichen Praxis anwendeu kann. Zunächst
kurz das kardiale Asthma! Regelung der Lebensweise; Regelung
der Dannfunktion; Jodkali und in schweren Fällen von Arterio¬
sklerose empfehlen sich täglich IV*—2,0 g, nach geraumer Zeit
kann man aber auf 1—0,5 g herabgehen. Für nicht allzuweit
fortgeschrittene Arteriosklerobiker der Gebrauch künstlicher kohlen¬
saurer Bäder. Man tut gut, anfangs recht vorsichtig zu sein, die
Temperatur zwischen 34—35® C. (thermischer Indiflferenzpunkt)
zu wählen und die Dauer auf 10 Minuten zu beschränken. Bei
drohendem Asthma greife man zu Digitalis mit oder ohne Coffein.
Rp. Pulv. Foliorum Digitalis 0,1
Coffeini 0,2
D. tal. dos. X.
S. 2stündlich ein Pulver!
In dem Digalen Cloetta besitzen wir ein rasch wirkendes
Digitalispräparat, das neben dem Mangel kumulierender Wirkung
noch den Vorzug subkutaner Verabreichung hat, allerdings auch
ziemlich teuer ist. Im Anfall selbst heisse Hand- und Fussbäder
und Tropfen einer Lösung täglich 0,2—0,5 Nitroglyc. auf 20,0
Alkob. abs. tägl.
Von eminenter Bedeutung beim bronchialen Asthma von
allem Anfang ist die physikalische Behandlung. Morgens und
abends kalte Waschungen des Körpers, in der Weise, dass man
einen grossen Schwamm mit Wasser von Zimmertemperatur (14
bis 15" C.) energisch benutzt und mit Frottiertuch nachtrocknet.
Für die Nacht empfehlen sich Priessnitzumschläge. Ein weiteres
Hilfsmittel zur Bekämj)fung dieser chronischen Zustände geben
die methodischen Turnübungen. Treten die Erscheinungen von
Seiten des Herzens mehr in den Vordergrund, so tun die CO^-
Bäder vorzügliche Dienste; man lässt von Zeit zu Zeit eine Digi¬
taliskur durchmachen, und zwar gelie man am besten kleine
Dosen, etwa 0,3 pro die im Infus ca. 10 Tage lang.
Die Senatorschen Asthmatropfen (Tinct. Stramon. Liq.
ammon. annis., Tinct. op. benz. ää, nach Bedarf 20 Tropfen zu
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1906.
MEDIGINTSCHB WOCHE.
387
nehmen) werden sehr gerühmt, ebenso Koffein mit Äntipyrin
(Koffein 0,2, Antipyr. 0,8 f. pulv., nach Bedarf 1—2 Pulver).
S. gebraucht dabei die Vorsicht, die Bezeichnung Äntipyrin
durch den chemischen Namen Pyrazolonum phenyl.-dimethyl. zu
ersetzen, einmal, weil es dann etwas billiger ist, dann aber, weil
das Äntipyrin in Laienkreisen zu bekannt ist, als dass es in den
Augen eines Schwerleidenden von .entsprechender Wirkung sein
könnte.
3. Scherf, Bad Orb: Einiges ttber Bad Orb.
Bad Orb besitzt 2 kohlensäurereiche Solsprudel, die Philipps¬
und Ludwigsquelle, welche pro Minute ca. 600 Liter Sole in
hohem milchweissem Strahle zutage fördern. Die Quellen ver¬
danken ihren Auftrieb dem starken Gehalte an Kohlensäure,
welche als letzte vulkanische Aeusserung des benachbarten Vogels¬
berges, des deutschen Aetnas, anzusehen ist. Die chronischen
Störungen am Herzen werden durch eine Trinkkur mit einem
Kochsalzwasser, wie es die Martinusquelle darstellt, günstig be¬
einflusst, die vorteilhafte Zusammensetzung der Salze bedingt mit
der Kohlensäure einen lebhaften diuretischen Effekt, welcher sich
in einer auffallenden Steigerung der Hammenge kundgibt; die
dioretische Wirkung erklärt oft das rasche Verschwinden von
Oedemen, welches in der Wirkung der Bäder aUein sich nicht
begründet.
Die Lage und das Klima von Orb machen das Bad zu einer
Erholungsstätte für Herzkranke. Es liegt in den Ausläufern des
Spessarts, welcher sich durch seine ausgedehnten Nadelholzbestände
anszeichnet, inmitten eines von allen Seiten geschützten und doch
die Windbewegungen in genügender Stärke gestattenden Tales, auf
durchlässiger Buntsandsteinformation.
4. Naegeli-Ackerblom, Genf: Hintere Tamponade bei
Hasenblnten.
„Länger als höchstens 24 Stunden darf man wegen der Ge¬
fahr der Infektion den Tampon nicht liegen lassen; man entfernt
ihn, indem man den Knoten durchschneidet und den Tampon
mittels des Mundfadens aus der Choane und dem Munde heraus-
zieht.“ Das war aber nicht in dem von N.-A. beobachteten Fülle
beachtet worden, denn der übrigens 68jährige Kranke hatte bei
schwerem Nasenbluten die Tamponade mit ganz dünnem Seiden¬
faden erhalten; da derselbe nicht störte, blieb er lange liegen
(2^/2 Tag), und die Folge war, der Tampon war nur mit grossen
Schwierigkeiten herauszuholen. Vergleiche die interessante Tech¬
nik! Jedenfalls ist es anzuraten, dass man sehr starke Seide
oder Faden anwende, sodass der Patient selbst nach 24 Stunden die
Entfernung des Tampons verlangt; denn ein dicker Faden oder
ein entsprechender Bindfaden stört den Patienten (und auch den
Arzt) in seiner Buhe und verhindert zu langes Warten.
5. Maas, Berlin: Die lokale Anästhesie.
Eine geschichtliche Zusammenstellung über die Phasen der
Liokalanästhesie in ihrem Entwicklungsgänge.
6. Pollak, Prag-Weinberge: Somatose and Furo.
Da W. N. Clemm die Somatose nur als Stomacbicum und
Abführmittel anerkannte, so sieht sich P. veranlasst dies Präparat
in Schutz zu nehmen und ihm im Verein mit Puro massgebende
Indikationen zuzuweisen. Aus den Erfahrungen über Somatose
(Farbenfabriken vormals Friedr. Bayer & Co.) und Puro (Med.-
Chem. Institut, Dr. H. Scholl, München) ist folgendes Beachtens¬
werte kurz hervorzuheben: Die Somatose wird — obwohl eine
Albumose — sehr gut ausgenützt. Sie befördert die Ausscheid¬
ung der Milch. Auch das Puro ist ein ganz vorzügliches Nähr¬
mittel , mit besonderer Zusammensetzung und mit besonderen
Indikationen. In vielen, insbesondere chronischen Fällen, ist die
abwechselnde Anwendung beider Mittel angezeigt. In vielen
Fällen insbesondere bei akuten schweren Infektionskrankheiten —
vorzüglich Typhus abdominalis — erscheint die kombinierte An¬
wendung beider Mittel vorteilhaft.
Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 24.
Weissmaun, Lindenfels: Neues über Hetolbehandlnng der
Tnberknlose nach Länderer.
Auf dem 54. mittelrheinischen Äerztetag zu Koblenz am 10.
Joni 1906 berichtet W. zunächst darüber, dass ihm aus dem
literarischen Nachlasse Länderers ein Entwurf zu einer Arbeit
über ein „Hetolsemm“ in die Hände gekommen wäre, der über
das refraktäre Verhalten einzelner Patienten gegen Hetol aufzu¬
klären vermöge. Mit dem Hetolsemm werden zur Zeit von
Guttmann-Berliii, von Schräge-Timmel und von W. Versuche
gemacht. Diese Versuche sind noch nicht abgeschlossen, aber W.
glaubt sagen zu dürfen, dass sie sehr aussichtsreich erscheinen
und dass sie die Hoöhnng rechtfertigen, in dem Hetolserum eine
wertvolle Verbesserung der Hetolbehandlung als ein Vermächtnis
Länderers empfangen zu haben. Der Gedankengang Lände¬
rers, der ihn zur Erfindung des Hetolsemms brachte, ist fol¬
gender: Bulloch hatte festgestellt, dass durch Hetolinjektionen
nicht nur eine künstliche Leukozytose, sondern auch eine ent¬
schiedene Erhöhung der Menge des Komplements hervorgerufen
wird. Dagegen zeigte sich keine Zunahme des Immunkörpers.
Wahrscheinlich bereiten die Leukozyten das Komplement oder
die Alexine. Demnach kann man also die Hetolwirknng als
Alexinwirkung Im Sinne Büchners auffassen. Auch Dieudonne
hat sich dahin ausgesprochen, dass es bei der Anwendung der
bakteriolytischen Immnnsera vor allen Dingen darauf ankomme,
dass diese im menschlichen Körper ein passendes Komplement
finden. Man darf nur annehmen, dass durch intravenöse Hetol¬
injektionen in einfacher und unschädlicher Weise im Blute selbst
die Komplementbildung gesteigert wird. Bei einer unkomplizierten
Tuberkulose wird meist Hypolenkozytose gefunden, ein Umstand,
der dahin gedeutet werden kann, dass bei der Tuberkulose ein
Mangel an Komplement besteht. Unter den gewöhnlichen Um¬
ständen werden nun bei der Tuberkulose Antitoxin und Immun¬
körper ^^hI gebildet, aber sie können nicht zur Wirkung gelangen,
wegen Mangels an Komplement. Hier greift nun die Hetolinjektion
helfend ein. So kam Länderer auf den Gedanken, nicht nur
durch Hetolinjektionen eine Komplementvermehrung herbeizu-
führen, sondern zu versuchen, auch die beiden anderen notwendigen
Stoffe, das Antitoxin und den Immunkörper dem Organismus zu¬
zuführen. Länderer kombinierte die Hetolbehandlung mit der
Serumbehandlung und entnahm das Serum Tieren, Rindern, die
auf natürlichem Wege tuberkulös erkrankt waren, und die durch
intravenöse Hetolinjektionen zur Heilung gebracht waren. Auf
Grund klinischer Erfahrungen hielt Länderer die Rindertuber-
kulose für ausgesprochen virulent für den Menschen und nimmt
daher an, dass das Serum von Rindern nach erfolgter Heilung
der Tuberkulose für dt n Menschen einen genügend hohen Heil¬
wert habe und reichlich Antitoxin und Immunkörper enthalte.
A. R.
Nr. 25.
1. Kühner, Koburg: Die Zitronalknr in prophylaktischer
und therapeutischer Beziehnng.
Wesentlich unterscheidet sich die Zitronalknr von der schon
von altersher beliebten und berühmten Zitronenkur, die infolge
der grossen Quantität der zu konsumierenden Zitronen auf Magen
und Zähne ungünstige Nebenwirkungen äussert. Die Zitronalkur
bietet in Form von leicht zu nehmenden Pillen die wirksamen
Bestandteile der Zitrone in konzentrierter Form, frei von üblen
Nebenwirkungen unter Zusatz von zwei für die Bluternenerungs-
kur sehr wirksamen Komponenten, ein diuretisch, die Folia myrtil-
lorum und eia diJnierend, evakuierend wirkendes, die Cortex
frangulae. Erstere, die Heidelbeeren, werden infolge ihres Ge¬
haltes an Zucker, Frnchtsäuren, Pektin, Gummi u. s. f. von
Winternitz in zahlreichen Fällen als wertvolles Heilmittel —
aiw der Küche — in unserem Sinne empfohlen. Die Faulbaum¬
rinde ist den Aerzten und Pharmazeuten als ein diluierend, ge¬
linde evakuierend wirkendes Mittel schon längst bekannt. Daher
sind die von dem Chemisch-pharmazeutischen Laboratorium
„Bavaria“ München, Apotheker R. Schoellkopf, hergestellten
Zitronal-Pillen den Aerzten zum allgemeinen Gebrauch bestens
empfohlen.
2. Klautsch, Halle a. S.: Beitrag zur künstlichen Er¬
nährung der Säuglinge.
Ein Präparat, welches sich im Laufe der Zeit bei der künst¬
lichen • Ernährung der Säuglinge gerade als Dauemahrung be¬
sonders gut bewährt hat, ist der S o x h 1 e t sehe Nährz^icker.
Dieser Nährzucker, ein weisses, staubfeines, etwas hygroskopisches
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388
MEDICINISCHE! WOCHE.
Nr. 37.
Pulver, welches sidi in Wasser leicht zu einer schwach gelblich
gefärbten, etwas opalisierenden Flüssigkeit von schwachem Halz-
geruch und Malzgeschmaok löst, und etwas süsser als Milch¬
zucker, aber nur V« mal so süss als Rohrzucker ist, ist eine
durch Umwandlung der Stärke des Weizenmehls hergestellte
Mischung von Dextrin und Malzzucker, und zwar zu gleichen
Teilen, welcher einmal ein geringer Säuregrad verliehen und dann
zur Beseitigung der Ghlorarmnt der Kuhmilch, der Ursache der
unzureichenden Salzsäureproduktion im Magen des Säuglings, noch
eine geringe Menge von Kochsalz (ca 2%) beigefügt ist. Mit
Hilfe des Näbrzuckers ist man imstande, das durch die Verdün¬
nung der Kuhmilch mit Wasser in ihr entstehende Defizit an
Fett durch dem Fett isodyname Mengen eines für den kindlichen
Organismus leicht resorbierbaren und assimilierbaren und dabei
von erwünschten oder gar schädlichen Nebenwirkungen freien
Kohlehydrats vollkommen zu ersetzen. Wenn ja auch der Milch¬
zucker, ebenfalls ein Kohlehydrat, als Fettersatz benutzt werden
kann, und vielfach nach Heubner-Hoffmann auch benutzt
wird, so hat dieser doch den grossen Nachteil, dass er in den
Mengen, in welchen er eigentlich zu einer annähernd richtigen
Ausgleichung der unterschiedlichen Verhältnisse der Kuhmilch zu¬
gesetzt werden müsste (ca. 450 g pro Liter), stark abführende
Wirkungen entfaltet, ganz abgesehen von der nicht zu unter¬
schätzenden Gefahr der Milchsäuregärung in dem so überaus
empfindlichen Darmkanal des Säuglings. Was die Meegen Nähr-
zucker angeht, die sich nicht nur als ein zweckmässiger, sondern
auch hinreichender Zusatz zu der mit Wasser verdünnten Kuh¬
milch erwiesen haben, so hält K. 50—60 g pro Liter der fertigen
Milchmischung auf die Dauer für vollständig ausreichend f wenn
auch grössere Mengen bis 100 g unbedenklich verwendet werden
können, so tritt dabei doch in manchen Fällen eine Verstopfung
ein, die nicht gerade sehr erwünscht ist. Die Lösung erfolgt am
besten im heissen Wasser, welches dann der Milch zugesetzt und
mit ihr sterilisiert wird. Die Nahrung wurde in jedem Lebens¬
alter, selbst in den ersten Monaten, ausgezeichnet vertragen, ohne
den Darm zu reizen oder Gärungen in ihm hervorzurufen. Die
Dejektionen, welche im Säuglingsalter den sichersten Gradmesser
für die Zweckmässigkeit des gewählten Emährungsmodus abgeben,
erfolgten regelmässig und schmerzlos, waren von graugelber Farbe,
wasserarm, trocken, von neutraler bis alkalischer Reaktion und
enthielten keinerlei Beimengungen unverdauten Materials. Die
mit Nährzuckerlösung verdünnte Kuhmilch reichte quantitativ so¬
wohl wie qiialitativ vollständig als Nahrung für den Säugling aus,
sie entsprach dem Nabrungsbedürfnis desselben einerseits und
förderte seine körperliche Entwicklung andererseits in befriedi¬
gender Weise, was sich namentlich durch Zunahme des durch
Rundung der Körperformeu sich manifestierenden Fettpolsters, so¬
wie dur^ blühende Gesichtsfarbe zu erkennen gab. A. R.
Nr. 26.
Althen, Wiesbaden: ITeber Bauerinhalationen von äthe-
riBchen Oelen bei Blatarrhen der Atmnngswege.
Neben dem vielfach verwandten Eukalyptusöl wird das Oel
der Zitrone und das der krausen Minze resp. eine Kombination
dieser 3 am längsten vertragen und zwar in folgender Formel ge¬
braucht ;
Rp. Olei Eucalypti 30,0
Olei Citri 10,0
Olei Menth, crisp. 10,0
Mds. Zur Inhalation.
Hiervon giesst A. auf ein zweimal zusammengelegtes Taschen¬
tuch, das er über Mund und Nase legt und mit zwei seitlich an¬
gebrachten Gummischleifen, ähnlich wie eine Schnurrbartbinde, an
den Ohren in seiner Lage halten lässt, dreimal täglich 5 Tröpfen
und lässt jedesmal eine halbe Stunde lang das verdunstende Oel
eiimtraen. Ausserdem lä.sst er vor dem Schlafengehen dieselbe
Prozedur noch einmal vornehmen und das Tuch möglichst lange,
manchmal sogar die ganze Nacht, über Mund und Nase liegen.
Durch diese Anordnung beabsichtigt A. auch eine Vertiefung der
einzelnen Atemzüge und damit eine bes.sere LiingengjTnnastik.
Denn durch die etwas behinderte Atmung muss wegen Wieder¬
einatmung eines Teils der kohlesänrereichen Ezpirationsluft die
Inspii’ation eine tiefere werden, damit die Lunge auf das ihr un¬
umgänglich nötige Sauerstoffquantum kommt. A. R.
Nr. 29.
Kühner, Koburg: „Mein System'* der Behandlung interner
ohronisoher Erkrankungen. ,
K. empfiehlt ein Sei fe-Prottier-Heisswa8ser-(Licht)-Luftbad mit
MuskelUbung. Hierzu dient ein einfaches Wasc^efäss, in welchem
man, bald stehend, bald sitzend, den ganzen Körper bei Zimmer¬
wärme mit Wasser von gleicher Temperatur, noch besser bei
kühler Witterung, welche von kalten Anwendungsformen zurück¬
schreckt , mit heissem Wasser unter ständigem Abseifen wäscht.
Das Frottieren kann für sich, vor, während und nach der Wasser-
anwendung mittels eines rauhen Handtuches, Frottiertuches iind
dergl. stattfinden. Das Frottieren des glanzen Körpera wirkt
kräftiger als ein Massage, um so mehr, als die ganze Schwitz-
prozednr — insoweit es der Kräftezustand des Kranken ge¬
stattet — von ausgiebigen Muskelübungen nach den allgemeinen
Grundsätzen der Haus- und Zimmergymnastik zur Anregung der
Haut- und Lungenatmung begleitet wird.
lieber Perbydrolmiuidwasaer. (Haltbares S%ige8 chem.
reines Mercksches Wasserstoffsuperoxyd).
Auf Koerners-Halle Anregung bin machten v. Meri n g sowie Hein-
rici Versuche mit Mitteln, welche imstande sind, verdünnte wässerige
Lösungen von B, 0, in der gewünschten Weise haltbar zu machen,
fonden nämlich, dass verdünnte, wässerige Lösungen von H, 0, dauernd
haltbar gemacht werden können durch Zusätze minimaler Mengen (z. B.
0,05 "/n und weniger) von neutralen Körpern aus der Klasse der Acylamide,
Acylimide der Acylderivate der aromatischen Basen etc., Stoffe, die in der
ang<^ebenen Verdünnnng absolut indifferent sind. Bin Zusatz von 0,(^V»
eines zu dieser Gruppe gehörigen Körpers genügt, um eine dauernde Halt¬
barkeit ohne besondere Vorsichtsmaßregeln und ohne Schädigung für Schleim¬
haut und Zähne zu erzielen. Ferner wurde darauf geachtet, dass ein auf
die eben angegebene Weise bereitetes H, 0, im barten, möglichst alkaliarmen
Glas aufbewärt wird, da sonst eine geringe Abnahme von H, 0, eintritt.
Das von der Chem. Fabrik Krewel & Co., Köln ln den Handel gebrachte
Perbydrolmundwasser ist nach K. ungiftig, ja indifferent für den Gesamt-
Organismus; es vorßrbt nicht im geringsten die Zähne; und besitzt auch
in 1 Vo iß^en Lösungen ausreichende deeinfizierende B^nschaften. Denn
Perhydrolmandwasser, welches 37qi?ce säurefreies Wasserstoffsuperoxyd
ist, soll zum gewöhnlichen Gebrauch als Mundwasser mit zwei Teilen Wasser
verdünnt werden, also als 1% ige Lösung zu Mundspülungen benutzt werden.
Auf K.8 Veranlassung hatte cand. med. dent. Schm i dt im Hallescben Hygie¬
nischen Institut (Dir. Geh. Med.-Rat ProfFraenkeLunterAu^ebt von nof.
So herb ei m eingehende Versuche mit haltbar gemacQten3%igen Merckseben
Wasserstoffsuperoxyd veranstaltet. Die Resultate dieser Arbeit (Hyg.
Rundschau, 1906, Nr. 10) sind kurz folgende: Beim Spülen der Mundhöhle
mit lOVoig[@ni haltbaren Merckseben Wasserstoffsuperoxyd (15ccm) wurde
die Zahl der Mikroorganismen der Mundhöhle nach 1 Minute meist bis etwa
auf die Hälfte, nach 3 Minuten noch mehr und nach 5 Minuten unge&hr
auf den 4. bis 5. Teil reduziert.
Versnebe mit Reinkulturen des Bac. acidi lactici ergaben, dass stark
konzentrierte Anfschwemmungen des Mikroorganismus in die Mundhöhle
gebracht, durch H,0,-Spülungen (S^/oige Lösung) eine sehr energische nnd
nach 3 Minuten nahezu vollständige Abtötung erfuhren. Dur^ l^/.ige
Lösung war die Zahl der Keime nach 5 Minuten ungefilhr auf ein tausendstel
vermindert. Bei Reagensglasvcrsucben mit Reinkulturen des Bac. acidi
laciti, bei denen das Versucbsmaterial während des ganzen Versuchs ge¬
schüttelt wurde, wurden durch H,0, (17o) Kenne nach 5 Minuten
abgetOtet.
Durch H, 0,-Zusatz zu Milchzucker- und TraubenznckerlOsungen,
sowie zu einem in besonderer Weise bereiteten Brotspeicbelgemiscb konnte
eine deutliche Verringerung der Gärungswirkung erreicht werden. Dieser
gärungshemmende Effekt trat schon bei verhältnismäßig schwacher Konzen¬
tration von H, 0. zutage. Hervorragend ist die desodorierende Wirkung
des Perhydrolmunawassers. Schliesslich wirkt Perhydrol auch stark mechanisch
reinigend, durch seine Scbaumbildung. Was nun die Art und Weise des
Gebrauchs des Perbydrolmundwasser anbelangt, so rät K. (Acrztl. Viertel¬
jahresrundschau 1906, 1. Januar) nach erfolgter sorgfältiger und gründlicher
Reinigung des Mundes und der Zähne mit Wasser; Bürste mit Zahnstocher,
Znhnseifo oder Pulver — eine Reinigung, die am besten nach jeder Mahl¬
zeit, mindestens aber früh und abends ausgefUbrt werden sollte — das
Porhydrolmundwasser mit 2 Teilen Wasser zu verdünnen (vielleicht 1 Tee¬
löffel in 2 Teelöffel Wasser). Diese Menge ist auf einmal in den Mund
zu nehmen und unter den gewöhnlichen starken Spülbewegungen möglichst
lange, mindestens aber 2—3 Minuten in dem Munde zu lassen. £s wird
eine sehr starke Schaumbildung erfolgen, welches zur Erzielung des vollen
Erfolges nötig ist. Es ist klar nnd einleuchtend dass je länger man sich
gewöhnt, das Mundwasser im Mundo zu behalten, um so stärker die Wirkung
des HjO, sich entfalten wird. A. R.
Verantirortlicher Redakteur: Dr. P. Meittner, Berlin W. U, ^urfürttentlr. 81. — Verlag Ton Carl Marhold, Halle a. R.
Oroek von der Heynemaan'tchen Buehdrvdcerei, Gefar WolfT, Halle a. S
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Medicinische Woche
Dentsebmann, A. Dfibmen, A. Hoffa« E. jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bt.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a. Sf UUandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Matbold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 623.
Herausgegeben von
R. Kobert, M. Koe
ppen, K. Partsch, H. Roalo, H. Schlange,
ln. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricht, A. Vosslosi
Magdeburg. Glessen.
Redaktion:
Berlin W. 62, Knrfflrstenstrasse 81.
Dr. P Meißner.
vn. Jahrgang.
17. September 1906.
Nr. 38.
Die .Medicinische Woche'erscheint Jeden Montag mit der Utagigen Beilage Balneologische Ceiltralzeitung, Organ des Allgemeinen Deutschen
Blderrerbandes, des Schwarzwaldbadertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebfider, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4gespaitene Petitzeile oder deren Raum mit 60 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bel gröfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Origlnalien.
Die Indikation und die Technik der Paracentese
in der Praxis.
Von Dr. Max Hagodoril) Hamburg.
Der Arzt, welcher in einer kleineren Stadt oder auf dem
Lande AUgemeinpraxis ausübt, muss vorkommenden Falles im¬
stande sein, lebensrettende Operationen, wie Tracheotomie und
Hemiotomie, oder die Sinnesorgane rettende, wie Iridektomie
zu machen. Beiden Anforderungen — eine Leben und Sinnes¬
organ erhaltende Operation auszuführen — wird er sogar zu
gleicher Zeit gerecht, wenn er in die Lage kommt, die Para¬
centese des Trommelfells vorzunehmen. Wenn es auch heute,
bei der Ueberschwemmung unseres Vaterlandes mit Ohrenärzten,
nicht mehr so schwierig ist, einen solchen zu erreichen, als bei¬
spielsweise vor 20 Jahren, so gibt es doch Fälle, in denen im
gegebenen Augenblick sofortige Eröffnnng des Trommelfells
notwendig wird und eine Verzögerung bis zur Hinzuziehung
eines Spezialisten sogar Lebensgefahr für den Kranken mit
sich bringen kann. Daher erscheint es wohl wichtig genug,
dem medicus practiens die Indikation und die Technik des
Trommelfellschnittes ins Gedächtnis zurückzurufen.
Es gibt für den allgemeinen Praktiker nur eine Indi¬
kation für die Paracentese: Drucksteigerung und Spalt¬
pilzinfektion durch Retention von Flüssigkeit hinter
dem Trommelfell. Diese Erscheinung kann bei verschiedenen
Erkrankungen des Mittelohres eintreten, wobei dann manchmal
die Drucksteigerung, und manchmal die Infektion überwiegt und
das Krankheitsbild beeinflusst: so die erstere bei dem serös-
schleimigen Mittelohrkatarrh, die letztere bei den schleimig-
eitrigen Exsudaten der akuten Mittelohrentzündung und bei
der rein eitrigen otitis media suppurativa acuta; ebenso bei
chronischen Eiterungen, wenn bei sehr kleiner oder hochge¬
legener Perforationsöfihung eine Stockung des Ausflusses und
Retention des Eiters eintritt. Es spielt natürlich dabei die Be¬
schaffenheit des Trommelfelles eine hervorragende Rolle: bei
festem, verdicktem, wenig beweglichem Trommelfelle werden
die reinen Druckerscheinungen in den Vordergrund treten,
während bei nachgiebiger Membran mit verdünnten Teilen die
Infektiosität des Exsudates wichtiger sein wird, als die Re¬
sistenz der Hant.
Die alarmierenden Erscheinungen, welche zur Paracentese
nötigen, verlaufen unter dem Bilde der Cerebralirritation resp.
der beginnenden Meningitis. Auch beim einfachen exsudativen
Mittelonrkatarrh treten, besonders bei erethischen Personen,
hauptsächlich Kindern, die Symptome der Cerebralirritation,
welche auf conseoutiver Gehirn- und Labyrinthhyperämie be¬
ruhen und sich in gesteigertem Kopfschmerz, Schwindel, Sopor,
Delirien, auch Fieberbewegungen äussem, auf. Ja, da nach
solchen akuten Paukenhöhlenkatarrhen bei intaktem Trommel¬
fell und serösem oder serös-blutigem Exsudat von Schwartze
und Zaufal Todesfälle durch Meningitis beobachtet worden
sind, so muss man die Indicatio vitalis bei der Erwägung, ob
Paracentese nötig, wohl im Auge behalten.
Selbstverständlich tritt die Gefahr der Meningitis in viel
höherem Maße auf, wenn der Exsudat eitrig ist. Hier ist von
vornherein schon das ganze Krankheitsbild ein viel ernsteres:
vor allem sind die Schmerzen viel heftiger, bis zu unerträg¬
licher Höhe sich steigernd, besonders wieder bei erethischen
Personen, vorzüglich Kindern; hochgradiges Fieber, schliesslich
ein rein cerebraler Symptomencomplex - Schwindel, Erbrechen,
furibunde Kopfschmerzen, Delirien und Consulsionen, träge
Pupillen, kurz, das Bild der beginnenden Meningitis! Dass
hier eine sofortige Coupierung des Krankheitsprozesses erforder¬
lich, liegt auf der Hand: dafür ist die Paracentese das sicherste
und harmloseste Mittel.
Genau in der gleichen Weise, wie die akuten Exsudations¬
prozesse hinter dem Trommelfell, bringen die chronischen
Lebensgefahr, sobald bei sehr kleiner oder sehr hochgelegener
Perforationsöffiinng der Eiter nicht abfliessen kann: allgemeine
Retentionserscheinungen treten auf, Schwindel, Schmerzen,
Resonanzerscheinungen, Parakusis, O^ression, Aprosexie, Kopf¬
schmerzen, Fiebersteigerungen usw. Wird hier nicht schleunigst
durch Erweiterung der Perforationsöffhung oder Anlegung
einer neuen an der tiefsten Stelle für Eiterabfluss Sorge ge¬
tragen, so sind die Meningen durch Verbreitung der Eitercoccen
längs der sutura petroso-sq^uamosa gefährdet und indicatio vi¬
talis kann eintreten und vielleicht ist es dann schon zu spät.
Wie erkennt nun der Operateur, wenn die allgemeinen Er¬
scheinungen bei einem Kranken auf ein schleuniges Handeln
hindrängen, aus der Besichtigung der Ohren, ob eine der an¬
geführten MittelohrerkrankuMen vorliegt und ob der Zeitpunkt
für den Eingriff da ist? Das ist natürlich für Jemand, der
viel Trommelfelle gesehen hat, nicht gar so schwer — obwohl
auch dem Spezialisten Bilder verkommen, die beim ersten An¬
schauen irreführend sind — von dem aber, .4er nur selten ein
Trommelfell zu sehen Gelegenheit hat, muss es gelernt werden,
die Zeichen der Entzündung, Secretanhäufnng- una Zurückhaltung
zu sehen und zu verstehen. Erste Regel ist natürlich, in jedem
Falle von Cerebralsymptomen bei akuter Erkrankung die Ohren
zu untersuchen, auch wenn keine Ohrenschmerzen geklagt
werden, da die Toleranz der Kranken an und für sich eine in
sehr grosser Breite wechselnde zu sein scheint und ausserdem
durch die Gehimerscheinungen die Aufmerksamkeit leicht von dem
Ohre abgelenkt werden kann — ebenso leicht sollte aber auch
das Vorhandensein oder Eintreten akuter Meningealreiznng eine
wohl zu beherzigende Aufforderung zur Untersuchung der
Ohren seinl Findet man nun bei dieser Untersuchung ein ab¬
normes Trommelfellbild, so wird der Verdacht auf Meningeal-
irritation ex otitide nur bestärkt, was zu genauerer Untersuchung
auffordert; man fahndet auf das drucksteigernde Exsudat.
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m
ICSDIClKlSCHB WOCHB«
_ t _
Nr. 38.
Da ist es non auffällig — wenn auch sehr erklär¬
lich — dass man eine Flüssigkeitsansammlung hinter dem
Trommelfell bei den hier in Betracht kommenden Fällen häufig
genug nicht direkt erkennen kann, sei es dass die Transparenz des
Trommelfelles getrübt ist und dieses durch Imbibition, Schwellung
und Verdickung vollkommen undurchsichtig geworden, besonders
wenn starke Rötung desselben und Gefässüberfüllung auftritt,
sei es, dass die Stellung desselben sich geändert hat. Man
sollte hier nun annehmen, dass sich ein stärkerer Flüssigkeits¬
erguss hinter dem Trommelfell immer durch Vorwölbung
desselben, sei es im ganzen, sei es nur teilweise, anzeigen
werde. Das ist aber in vielen Fällen nicht so: ^rtielle ^r-
wöibungen, insbesondere Blasenbildung auf dem Trommelfelle
findet man fast häufiger bei der akuten Myringitis als bei der
akuten otitis media, und starke Auswärtswölbungen des
Trommelfells im ganzen sind erst recht selten zu sehen. Auf¬
fälligerweise ist in solchen Fällen häufiger das Trommelfell
nach innen gedrückt, eingezogen und concaver erscheinend,
als man es für möglich halten sollte. Ob diese Stellung durch
die völlige Aufsaugung der Luft hinter dem Trommelfell oder
durch eine entzün<fiiche Reizung des tensor tympani, der sich
infolge dieser Irritation stark contrahirt, oder durch beide Um¬
stände veranlasst wird, scheint mir noch nicht sicher ent¬
schieden zu sein. In solchen Fällen ist es mitunter schwer,
sich von dem Vorhandensein eines Trommelfelles, zumal der
Hammergriff stark verkürzt ist, zu überzeugen, bis man den
Prozessus brevis gefunden hat. Vereinigt sich nun dieses Bild
starker Retraktion mit starker Rötung der Membran und
Füllung der radiär in der Oberhautschicht des Trommelfelles
verlaufenden Gefässe, so liegt sicher ein Exsudationsvor¬
gang entzündlicher Natur in der Paukenhöhle vor. Ob aber
ein eitriger oder nicht eitriger Prozess da ist, kann erstens mal
von relativer Auffassung abhängig sein, vielleicht aus der
Schwere der Allgemeinerscheinungen geschlossen werden, auch
nur quoad diagnosin von wert sein: die Therapie, schleunige
Paracentese des Trommelfells, wird lediglich durch die Cere¬
bralerscheinungen, höchstens noch durch excessive Schmerzen
angezeigt und muss schleunigst vollzogen werden.
Es ist nun aber die Ausfühmng des Trommelfellschnittes,
besonders in den letzt geschilderten Fällen, gar nicht so leicht,
als man genemt ist, anzunehmen, weil die Tiefe, in der man
operiert, die E^mmung des Gehörgangs, die Einziehung des
Trommelfells und die zur Axe des Gehörgangs stark geneigte
Stellung der Membran eine grosse Rolle spielen; man muss
seiner Hand und der Accommodationsfähigkeit seiner Augen ab¬
solut sicher sein, um die Paracentese des Trommelfells machen
zu können.
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfung
übertragbarer Krankheiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Fortsetzung.)
Werden nun auf Erfordern der Polizeibehörde in der Be¬
hausung des Kranken die nach dem Gutachten des beamteten
Arztes zum Zwecke der Absonderung notwendigen Einrichtungen
nicht getroffen, so kann, falls der beamtete Arzt es für uner¬
lässlich und der behandelnde Arzt es ohne Schädigung des
Kranken für zulässig erklärt, die Ueberführong des Kranken in
ein geeignetes Krankenhaus oder in einen anderen geeigneten
ünterkunftsraum erfolgen.
Bei Dyphtherie und Scharlach darf eine üeberführung
von Kindern ins Krankenhaus gegen den Willen der Eltern
nicht angeordnet werden, wenn nach Ansicht des beamteten
Arztes oder des behandelnden Arztes (für gewöhnlich kommt
ja nach dem vorher mitgeteilten nur der b^andelnde Arzt in
Man muss sich daran erinnern, dass das Trommelfell in
seinem oberen und seinem hinteren Quadranten dem Gehör-
f angsei^ang viel näher liegt, als im unteren und vorderen
eile. Wenn man also den üblichen Schrägschnitt quer zu
den Radiärfasern der Haut von hinten unten nach vom an-
legen will, so muss man mit der Spitze der Paracentesennadel
allmählich etwas tiefer gehen, weil man sonst nur die Haut
ritzen oder aber aus ihr vollständig herauskommen würde.
Umgekehrt muss man bei einem Längsschnitt von unten nach
oben (etwa in der Membrana Shrapnelli) die Nadel etwas an
sich heranziehen, damit man nicht zu tief in die Paukenhöhle
gelangt, die gegenüberliegende Schleimhaut verletzt oder gar
in den Knochen gerät und die Spitze abbricht — nebenbei
bemerkt, ist das letztere Ereignis zwar beschämend, aber durch¬
aus nicht gefährlich, weil die aseptische Nadelspitze immer
ohne Reaktion in den Knochen einbeilt. Zur Ausführung der
Operation ist erstens Antisepsis erforderlich — asepsis ist wohl
nur für das Instrumentarium, nicht aber für den Gehörgang
selbst zu erreichen. Die Desinfektion des Gehörgangs ge¬
schieht nach meinen Erfahrungen am einfachsten und sichersten
durch Eingiessen einer warmen 10% Carbolglycerinlösung,
welche ja so wie so zur Schmerzstillung vor der Operation
angewendet worden ist und welche auch die Sensibilität des
Trommelfells genügend herabsetzt, sodass Narkose kaum er¬
forderlich erscheint. Es ist bei der Ordination nur ein wesent¬
licher Punkt zu beachten, nämlich der Umstand, dass eine
10% CarbollÖsung in Wasser ein starkes Aetzmittel dar¬
stellen würde. Daher ist jede Spur von Wasser bei der Lö¬
sung zu perhorrescieren, ich verschreibe aus diesem Grunde:
Rp. acid. carbol. pur. i,0 glycerini anhydric. ad 10,0 und
mcht acid. carbol liquefact, wozu Wasser benutzt wird und
nicht einfach Glycerin, welches auch immer wasserhaltig ist.
Das Carboiglycerin möglichst wasserfrei gemacht, ist kein
Aetzmittel sondern ein vorzügliches Anaestheticum und Des-
inficiens, welches für die Antisepsis des Gehörgangs aus¬
reichend ist. Die Hände und das Instrumentarium des Arztes
werden in der üblichen, jedem Praktiker bekannten Weise
aseptisch gemacht (ich ziehe die Paracentesennadel immer un¬
mittelbar vor dem Einstich durch eine Spiritusflamme). Dazu
muss beste Beleuchtung mittels Stirnspiegels vorhanden sein,
damit man beide Hände frei bat. Der Kopf des Patienten
muss gehalten werden, indem je nach dem Allgemeinbefinden
der Kranke im Bette liegt oder auf einem Stuhle sitzt Nur
bei stark delirirenden od^er an und für sich sehr unbändigen
Kranken ist Narkose von nöten.
Welches Instrument man benutzt, ist gleichgiltig: Das am
wenigsten praktische ist ein solches, welches unter der Spitze
Frage) eine ausreichende Absonderung in der Wohnung sicher
gestellt ist. Hier möchte ich besonders darauf hinweisen, dass
man in Familien, welche Lebensmittelgeschäfte betreiben, zu¬
mal auch Miichhandlungen, ärztlicherseits möglichst darauf
halten möge, dass die Erkrankten ins Hospital überführt werden.
Andernfalls gestatten die angegebenen Schutzmaßregeln be¬
sondere Ueberwachung, Beschränkungen, ja selbst Untersagung
des Geschäfts. Z. B. würde eventuell in einem Milchgeschäft
jeder Handel mit Milch untersagt werden können, so lange die
Mutter gleichzeitig diesen Handel besorgt und etwa an Schar¬
lach erkrankte Kinder zu pflegen hat
Das geringste Maß der Ueberwachung ist die vom Gesetz
vorgeschnebene Beobachtung, mit der für gewöhnlich keine
Verkehrsbeschränkung verbunden ist Dieselbe bedingt nur,
dass die Behörde gelegentlich durch Nachfr^e sich über den
Gesundheitszustand des Betreffenden orientiert. In welchen
Fällen im Einzelnen eine Beobachtung oder Absonderung ver¬
langt werden kann, ergibt sich aus den Ausfühningsbestimmungen
zu § 8. Da hierbei ebenso wie im Reichsgesetz, kranke, krank¬
heitsverdächtige und ansteckun^verdächtige Personen unter¬
schieden werden, so sei auf die hierzu gegebene Definition
hingewiesen: Krank im Sinne des Gesetzes sind solche Per¬
sonen, bei welchen eine der im § 1 aufgeführten Krankheiten
festgestellt ist
Krankheitsverdächtig sind solche Personen,!welche
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1906.
MBDICINISCHB WOuuB.
391
eine Verdickung hat, damit die Spitze nicht zu tief hinein’
dringe; diese rarazentesennadeln beeinträchtigen durch ihr
Volum sehr das Gesichtsfeld in dem ohnehin durch Schwellung
der Gehörgangswände meist verengerten Operationsgebiet.
ln welcher Weise man mit einer solchen Paracentesen-
nadel den Schnitt anlegt, hängt von den Umständen des Falles
ab. Liegen Vorwölbungen des Trommelfelles vor, so wird man
in der grössten Ausdehnung dieser einschneiden, ob vertikal
oder horizontal, ist gleichgiltig. Hat man die Wahl, so bevor¬
zugt man allgemein den hintern untern Quadranten, weil der
der Hand näher liegt als irgend ein anderer und macht einen
schrägen oder horizontalen Schnitt, weil ein solcher die Ra*
diärfasem durchtrennt und ein längeres Offenbleiben der Oeff-
nung gewährleistet Denn das ist die Cruz des Trommelfell*
schmttes, dass die angelegten Oeffnungen unerwünscht schnell
wieder verheilen, während man sie gerne solange offen halten
möchte, bis die Sekretbildung aufgehört hat; man muss also
nach 24 Stunden mit einer Knopfsonde oder einem geknöpften
Messerchen wieder in den Schmtt hineingehen und me Wund¬
ränder trennen. Nach Anlegung des Trommelfellschnittes unter¬
lasse man alle Manipulationen, wie Ausspritzen des Gehörgangs
oder Luftdouche — sie sind meistens schmerzhaft und bringen
die Gefahr der Infektion mit sich, besonders die Luftdouche —
sondern tamponiere den Gehörgang mit lockerem Jodoform¬
gazestreifen, wenn man nicht etwa eine stärkere Blutung durch
eine feste Tamponade zu beseitigen hat Nach 12 Stunden
Revision des Ohres und Entfernung der tamponierenden Gaze.
Von üblen Zufallen, welche sich bei der Paracentese er¬
eignen können, sind beobachtet worden Ohnmacht, Schwindel,
E^rechen, Verletzung der Labyrinthwand der Paukenhöhle,
Verletzung der Chorda t 3 nupani, schliesslich stärkere Blutungen.
Der erste Erscheinungskomplex von Ohnmacht, Schwindel, Er¬
brechen pfle^ nur bei sehr reizbaren Kranken aufzutreten und
hat, abgesehen von dem üblen, resp. alarmierenden Ein¬
druck aiif die Angehörigen, kaum etwas zu bedeuten. Ebenso¬
wenig die Verletzungen der hinteren Paukenhöhlenwand. Es
sind wohl schwerlich üble Zufälle danach vorgekommen, selbst
wenn die Nadelspitze abbrach, was bei Anfängern ab und zu
passieren soll. Auch die Verletzung des Chorda tympani führt
nur zu unerheblichen und vorübergehenden Beschwerden. Die
durch die Durchschneidu^ hervorgebrachten abnormen Em¬
pfindungen (prickeln im ^ngenrande der betreffenden Seite,
saurer Geschmack, vermehrte Speichelabsonderung) pflegen in
einigen Wochen nach Zusammenheilung des Nerven ver¬
schwunden zu sein, sind auch meistens nur bei genauerem
Nachfragen dem Patienten bemerklich.
Bedenklich können unter gewissen Umständen die gewöhn¬
lich nicht bedeutenden Blutungen werden, sei es, dass man
unglücklicherweise einen Haemophilen operiert hat, oder dass
infolge einer anatomischen Anomalie der Bulbus venae jugularis
verletzt wurde. Der letztere Fall, welcher zu den erheblichsten
Blutungen geführt hat, wird sich wohl meistens durch die tief¬
blaue Verfärbung im hinteren untern Trommelfellquadranten
anzeigen, wenn noch genügend Transparenz vorhanden ist, und
kann dann ja die Inzision an einer ungefährlichen Stelle an¬
gelegt werden; meistens hat sich die Blutung durch Tampo¬
nade stillen lassen.
Erfährt man durch die Anamnese, dass Haemophilie vor¬
liegt, so wird man natürlich die Paracentese nicht mit dem
Messer, sondern mittels des Galvanokauters machen, um der
Blutungsgefahr aus dem Wege zu gehen.
Sitzungsberichte.
Berliner medielndsche QeseUschaft,
Sitzung am 23. Mai 1906.
Tagesordnung:
Munter: Ueber Hydrotherapie bei fieberhaften Infektions¬
krankheiten.
Das Fieber ist als ein Heilfaktor zu betrachten; es ist nach¬
gewiesen, dass durch gesteigerte Temperatur die Antitoxinbildung
gefördert wird, dass die Alkalescenz des Blutes gesteigert wird.
Fieber als solches braucht also nicht bekämpft zu werden. Lang-
dauernde, hohe Temperatursteigerungen dagegen haben eine un¬
günstige Einwirkung; sie führen zur Sdiwäche des Herzens and
des Vasomotorensystems. Gegen exzessive Fiebersteigemngen soll
man vorgeben; namentlich ist zu erstreben, eine continua conti-
nuens zu unterbrechen und plötzliche hohe Temperaturanstiege zu
verhüten. Eine erhöhte Wäxmeprodnktion wird ausgeglichen durch
vermehrte Wärmeabgabe. Diese physilogische Reaktion ist bei
Bekämpfung des Fiebers zu unterstützen. Bei mäßig hohen Tem-
peratursteigerungen genügen kühle Waschungen des Körpers 16
bis 24^ morgens und abends. Soll mehr Wärme entzogen werden,
greift man zu allmählich abgekühlten Bädern; dieselben sollen
eine Dauer von 15—25 Minuten haben; der Kopf ist dabei zu
schonen. Kalte Vollbäder von 10—15 Minuten sind bei dauernder
Continua angebracht; doch ist hierfür Vorbedingung ein kräftiger
Puls, um vor einem Kollaps gesichert zu sein. Ein Verfahren,
das dem Stamme Wärme entzieht, den Extremitäten dagegen
Wärme zuführt, ist besonders für mit Schüttelfrost einhergeliende
Infektionen geeignet.
unter Erscheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch einer
im § 1 anfgeführten Krankheiten befürchten lassen.
Ansteckungsverdächtig sind solche Personen, bei
welchen zwar solche Erscheinungen noch nicht vorliegen, bei
denen aber infolge ihrer nahen Berührung mit Kranken die
Besorgnis gerechtfertigt ist, dass sie den Anstecknngsstoff einer
der in § 1 aufgeführten Krankheiten in sich aufgenommen haben.
. Während das Reichsgesetz bei Anstecknngsverdächtigen
die Beobachtung bezüglich aller Krankheiten, die es nennt, er¬
möglicht, beschränkt sich die Beobachtung im preussischen Ge¬
setz auf solche ansteckungsverdächtige Personen, die von einem
tollen- oder tollwutverdächtigen Tiere gebissen worden sind.
Der § 8 gibt auch die gesetzliche Grundlage für die
üeberwachung der Prostitution, und zwar genügt schon der
Ansteckungsverdacht, der ja wohl bei allen Prostituierten vor¬
liegt, zur Beobachtung, d. h. zur sittenpolizeilichen Kontrolle,
w^rend für die Absonderung, die hier wohl zumeist in Ueber-
führung ins Hospital bestehen wird, das Vorhandensein der
Geschlechtskrankheit Erfordernis ist.
Wenn auch bei Typhus und Rückfallfieber nach Möglich¬
keit dafür zu sorgen ist, dass bei ungenügenden Wohnungs-
verhältnissen der Erkrankte ins Hospital überführt wird und
das Gesetz sogar in diesen Fällen die Möglichkeit zur gänz¬
lichen oder teilweisen Räumung von Wohnung und Gebäuden
gibt, so ist doch auch der Fall denkbar, dass gelegentlich der
Transport eines Typhus- oder Ruhrkranken aus seiner Wohnung
heraus unmöglich ist. In solchen Fällen können Wohnungen
oder Häuser kenntlich gemacht werden durch gelbe Tafeln
bezw. gelbe Laternen. Aebnlicbes bestimmt das Eeichsgesetz
im § 14.
Bezüglich der Vorsichtsmaßregeln der Hebammen sei nur
kura bemerkt, dass dieselbe bei Fällen von Kindbettfieber oder
Verdacht desselben während der Dauer der Beschäftigung bei
der Erkrankten und innerhalb einer Frist von 8 Tagen, die
jedoch nach Lage des Falles vom Kreisarzt verkürzt werden
kann, jede anderweitige Tätigkeit als Hebamme oder Wochen¬
bettpflegerin unterlassen müssen.
Eine kurze Besprechung erfordert noch das ärztliche Ver¬
halten in Fällen von Inmktionskrankheiten gegenüber der
Schule; bisher waren die zu beobachtenden Vorschriften gegeben
durch den Erlass des Ministers der Medizinal-AngeWenheiten
vom 14. 6. 1884, bezw. vom 20. 5. 1898. Unter ^grunde-
leguDg einiger ^äteren Ergänzungen bestimmen dieselben Fol¬
gendes: Zu den Krankheiten, welche vermöge ihrer Ansteckungs-
fähigkeit besondere Vorschriften für die Schule nötig machen,
gehören a) Cholera, Ruhr, Masern, Röteln, Scharlach, Diphtherie,
Pocken, Flecktyphus, Rückfallfieber, für den Bezirk Köln auch
Unterleibstyphus und Keuchhusten; letzterer, sobald und so¬
lange er krampfartig auftritt; b) kontagiöse Augenentzündung,
Krätze. Bei den beiden letzteren sind nur die Erkrankten, bei
e
392
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 38.
Israel: Demonstration eines Falles von Rhinoplastik.
Es handelt sich um die Deckung des Defektes der total zer¬
störten Nase. Anfangs hat man dies mit Hautlappen von der
Stirn verursacht; die Resultate waren schlecht; manchmal gute
Resultate ergaben Hautperiostlappen. Besser waren dieselben
noch bei Haut-Knochenlappen; jedoch hat diese Methode den Miss¬
stand, dass sich eventuell eine sehr entstellende Narbe auf der
Stirn bildet. Dies hat man zu vermeiden gesucht, dadurch, dass
man den Hautknocbenlappen von anderswoher nahm, nach der
sogenannten italienischen Methode, von der Ulnarseite des Vorder¬
arms. Dies Verfahren bietet technisch grosse Schwierigkeiten.
Er selbst ist nun in letzter Zeit so vorgegangen, dass er von
Tibia oder Rippen einen Knochenlappen entnahm, diesen ln die
Armhaut transplantierte und nach der Einheilung dann diesen
Hautknochenlappen auf den Nasendefekt übertrug. Diese Operation
hat er mehrmals mit bestem Erfolg ausgeführt.
Sitzung vom 30. Mai 1906.
Tagesordnung:
Oppenheim und Borchardt: Ueber Diagnose und Ope¬
ration von Rückenmarkstumoren.
Der erste Fall, über den Oppenheim berichtet, betraf eine
Frau, die bei der ersten Beobachtung das Bild der Brown-Sequard-
schen Lähmung bot. Die Diagnose wurde auf einen das Rücken¬
mark komprimirenden Tumor gestellt. Zu der angeratenen Ope¬
ration konnte sich die Patientin nicht entschliessen. V« Jahr
später stellte sie sich wieder vor; die Erkrankung hatte wesent¬
liche Fortschritte gemacht; die Eompressionserscbeinungen besonders,
namentlich die von Seiten der langen Leitungsbahnen der unteren
Extremitäten, hatten zugenommen, während die Schmerzhaftigkeit
bedeutend nachgelassen hatte. Die jetzt vorgenommene Operation
ergab an der entarteten Stelle im Cervicalmark den Tumor, ein in¬
tradural, extra median gelegenes, längsgestelltes Fibrom. 2 Wirbel¬
bögen mussten entfernt werden. Das Mark war stark bei Seite
gedrängt und bandartig komprimiert. Nach der Operation wan¬
delte sich die spastische Lähmung in eine schlaffe; bald nachher
konnten die ersten Bewegungen gemacht und spontan Urin ent¬
leert werden; nach 2 Monaten waren die ersten Gehversuche mög¬
lich. Jetzt ist die Patientin in ihren Bewegungen kaum noch be¬
hindert. Nur in einem Arm sind anscheinend dauernde Störungen
geblieben; die am längsten komprimiert gewesenen Rückenmarks¬
stellen haben sich eben nicht mehr völlig restaurieren können;
eine Mahnung, mit der Operation in solchen Fällen nicht zu lange
zu warten. Der zweite Fall bot im Anfänge kein eindeutiges
Bild; die Diagnose schwankte zwischen einer Neubildung im mitt¬
leren Dorsalmnrk und einer kombinierten Strangerkrankung. Bei
den unter a) genannten ausser den Erkrankten aber auch die
gesunden Kinder vom Schulbesuch auszuschliessen, wenn in
ihrem Hausstande ein Fall der genannten Erkrankungen vor¬
kommt. In ähnlicher Weise wird verfahren, wenn eine im
Schulhause wohnhafte Person an einer der unter a) und b) ge¬
nannten Krankheit und eine ausserhalb des Schulhauses aber
zum Hausstand eines Lehrers gehörige Person einer der unter
Nr. a genannten Krankheiten verfällt Bezüglich der Augen¬
krankheiten, die vermöge ihrer Ansteckungsfähigkeit besondere
Vorschriften für die Schule nötig machen, sind unterschieden,
a) Blennorrhoe und Diphtherie der Augenlid-Bindehäute, b)
akuter und chronischer Augenlid-Bindehautkatarrh, Follikulär-
katurrh und Körnerbrankheit.
Blennorrhoe und Diphtherie sind unter allen Umständen
von der Schule fern zu halten; Kinder mit Erkrankungen der
Gnippo b dagegen nur, wenn und solange sie deutliche Eiter¬
absonderungen haben; jedoch sind Schüler mit den Krankheiten
1 b, sowie solche Schüler, die gesund sind, die aber einem
Haushalt angehören, in der ein Fall von ansteckender Augen¬
krankheit aufgetreten ist, wenn sie am Unterricht teilnehmen,
auf von den gesunden Schülern genügend weit entfernte Plätze
hinzusetzen. (Fortsetzung folgt.)
weiterer Beobachtung nahmen die Bewegungsstörungen der Beine
und die Störungen der Sensibilität zu, sodass sich die Diagnose
eines das Rückenmark komprimierenden Tumors sicherte und die
Operation angeraten werden konnte. Bei derselben wurde die Ge¬
schwulst an erwarteter Stelle gefunden, ein intradural gelegenes
Fibrosarkom, zu dessen Beseitigung 3 Wirbelbögen entfernt werden
mussten. Das Rückenmark war komprimiert, stark nach vom ge¬
drängt. Die Operation hatte sofortigen Erfolg, die Schmerzen
schwanden, Urin wurde spontan entleert. Schnell fortschreitende
Besserung bezüglich der Beweglichkeit, der Reflexe, der Sensibi¬
lität. S^on nach wenigen Wochen konnten Gehversuche gemacht
werden; jetzt besteht nur noch geringe Ataxie, sonst keinerlei
subjektive Beschwerden mehr. Die Neubildung hatte das Rücken¬
mark nicht wie gewöhnlich seitlich verdrängt, sondern bei dem
medianen Sitz von hinten nach vorn; dadurch war die Kompression
der Hinter- und Seitenstränge gleichzeitig erfolgt, woraus sich die
Besonderheiten der Erscheinungen, ihre mangelnde Eindeutigkeit
erklärt.
Borchardt: der die Operation bei diesen Fällen vorgenommen,
ergänzt die Mitteilungen durch Erläuterung der chirurgischen Ver¬
hältnisse. Bei den RUckenmarksoperationon drohen zwei Gefahren :
die starke Blutung und der Liquorabfluss. Was den letzteren be¬
trifft, so hat derselbe in den von ihm operierten Fällen keinerlei
Komplikation verursacht. Wegen der Heftigkeit der Blutungen
ist vorgeschlagen worden, zweizeitig zu operieren; dagegen spricht
sich B. energisch aus; er operiert einzeitig; bei schnellem Ope¬
rieren mit geübter Assistenz lässt sich die Blutung gut beherrschen.
Die temporäre Resektion der Wirbelbögen verwirft er. Nach
glücklicher Ueberstehung des Eingriffs drohen den Rückenmarks¬
operierten noch weitere Gefahren. In erster Linie die secundäre
Infektion; dieselbe kann leicht zustande kommen, da eine Tampo¬
nade der Wunden nicht zu umgehen ist und dabei in den ersten
Tagen dauernd Liquor abfliesst und die Patienten unter sich
machen. Häufiger Wechsel des Verbandes, 2—3 mal am Tage
ist unter Umständen erforderlich. Weitere Gefahren sind Decu¬
bitus und Cystitiden. Nach der Statistik der in der Literatur
mitgeteilten Fälle beträgt die Mortalität bei solchen Rücken¬
marksoperationen 50%. Er selbst hat 3 Fälle hintereinander
mit vollem Erfolg operiert; ein solch günstiges Resultat ist neben
dem glücklichen Zufall wohl der ausgezeichneten frühzeitigen
neurologischen Diagnose und der vorzüglichen Pflege zu danken.
Diskussion:
Oppenheim: glaubt, dass unter den zahlreichen Fällen von
chronischen Rückenmarksleiden, Myelitiden, sich wohl noch manche
Fälle von Tumoren verbergen, die, rechtzeitig erkannt, wohl
durch Operation geheilt werden könnten.
Fick erörtert die anatomischen Verhältnisse nach den Elr-
gebnissen einer grösseren Reihe von Sektionen solcher Rücken¬
markstumoren, die er ausgeführt hat. Es gibt fünf Lokalisations¬
möglichkeiten der Rückenmarkstumoren 1) subperiostal, 2) epi*
dural, 3) subdural, 4) intramedullär (Gliome), 5) in der Arachnoidea.
Für jede der Arten gibt er anatomische Präparate. Bei dem
letzten von ihm gesehenen Fall fanden sich multiple, von der
Arachnoidea ausgehende, melanotische Tumoren; sonst war nirgends
im Körper ein melanotischer Tumor zu finden, so dass dieser Fall
wohl als sicherer Beweis für das bisher vielfach bestrittene Vor¬
kommen primär von den Rückenmarkshäuten ausgehender mela¬
notischer Geschwülste gelten kann.
Orth hat in letzter Zeit einen Fall von multiplen melanotischen
Tumoren im Gehirn seziert. Hier fand sich ein melanotischer
Knoten in der einen Nebenniere, der wohl als der primäre Tumor
anzusprecheu ist.
Krause hat 19 mal die Operation von Rtickenmarkstumoreu
ausgeführt; von diesen Füllen hat er 6 verloren, davon einen durch
sekundäre Meningitis, Die Lokalisationen der Geschwülste waren
sehr verschieden, sodass er alle Wirbelbögeu bis zum Epistropheus
entfernt hat; am gefährlichsten sind die Operationen am Halsmark.
Bezüglich der Technik stimmt er mit Borchardt überein; er ver¬
wirft auch die zweizeitige Operation sowie die temporäre Resektion
der Wirbelbögen.
e
1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
393
Sitzung vom 13. Juni 1906,
Vor der Tagesordnung:
Heymann: demonstriert einen Fall von Abducenslähmung
nach Rückenmarksstovainisation. Der Fall ist dadurch bemerkens¬
wert, dass die Symptome erst spät nur allmählich sich einstellten,
und dass nur die Hälfte der gewohnten Dosis vom Stovain-Riedel
zur Verwendung gekommen war.
Tagesordnung: Richter:
Ueber Verhütung und Behandlung von Fingerinfektionen
der Aerzte.
Elr empfiehlt eindringlich die ausgiebige Verwendung von
Condoms. £r hat solche anfertigen lassen aus einem Stoffe, der
sehr schwer zerreisslich ist und doch das Gefühl in keiner Weise
beeinträchtigt.
Rosenberg: Ueber Zuckerbildung im Harn,
Abgesehen vom Zucker finden sich gelegentlich reduzierende
Körper im Ham, die sein spezifisches Gewicht erhöhen und einen
positiven Ausfall der Trommerschen Probe ergeben, und die somit
bei oberflächlidier Untersuchung zu der irrtümlichen Diagnose
Diabetes Anlass geben können. Solche Körper sind: die Harn¬
säure; doch dürfte diese selten zu Irrtümera führen. Häufiger ist
der Befund von Pentosen; ihre Bedeutung wird eine immer grössere
werden mit der Verallgemeinerung des Genusses alkoholfreier Ge¬
tränke. ln den alkoholireien Obstweinen sind reichlich Pentosen
enthalten, die leicht in den Urin übergehen, ln einem solchen
Falle kann leicht die Fehldiagnose Diabetes gestellt werden, wie
das jüngst in der Literatur mitgeteilte Krankengeschichten beweisen.
Weiter von Bedeutung ist die Glycuronsäure, besonders ihre
Verbindungen mit therapeutisch verwandten Substanzen : Campher,
Chloralhydrat, Myrrhentinktur. Solche reduzierenden Substanzen
können entweder allein auftreten, oder sie kombinieren sich im
Ham mit Zucker; alsdann ist die Reduktionsprobe besonders
stark. Es erhellt daraus die grosse Schwäche der klinischen Nach¬
weismethoden, die nur mit der Reduktion arbeiten. Die Reduktions¬
methode gibt immer nur die Summe der im Harn enthaltenen re¬
duzierenden Substanzen. Will man den Zuckergehalt bestimmen,
so muss man titriren, dann vergäbren und alsdann nochmals
titrieren. Die einwandsfreie Zuckerbestimmung im Ham mit der
Reduktionsmethode erfordert also wesentlich mehr Zeit als bisher
üblich. Was die andern Zuckerbestimmungsverfahren betrifft, so
ist die Bestimmung durch optische Apparate auch nicht so einfach,
wie gemeinhin angenommen. Viele Barne enthalten zu viel Ghro-
mogen; die gewöhnlich empfohlenen Klärmittel: Tierkohle, Bleiessig
sind zu verwerfen, da sie auch Zucker wegschaffen; nur der Blei-
Zucker klärt, ohne den Zucker des Harns anzugreifen. Im ge¬
klärten Harne können nun neben dem Traubenzucker noch andere
rechtsdrehende Substanzen vorhanden sein, z. B. Rohrzucker, häufig
infolge Verunreinigung des Gefässes, in dem der Harn aufbewahrt
wurde, Milchzucker bei Wöchnerinnen. In solchen Fällen gibt die
polarimetrische Bestimmung natürlich ungenaue Resultate. Ein¬
wandfrei ist das polarimetrisch gewonnene Resultat nur dann,
wenn man nach der Polarisation, den Harn vergährt, dann noch¬
mals polarisiert und nun die Rechtsdrehung geschwunden findet.
Eine andere Schwierigkeit bei der Polarisation ergibt die Anwesen¬
heit von links drehenden Körpern; in solchem Falle ist der Links-
drebgrad zu dem Rechtsdrehgrad znzuzählen, um ein richtiges
Resultat zu erhalten. Bei der Bestimmung des Zuckers durch
Vergährung mit Hefe sind verschiedene Momente zu beachten; die
Hefe kann Selbstgährung zeigen; oft ist dieselbe verdorben, ihre
Gährkraft herabgesetzt; von Bedeutung ist auch die Temperatur,
bei der die Vergährung vorgenommen wird; bei Zimmertemperatur
erhält man meist zu niedrige Werte. Alkalische Harne binden
Kohlensäure, deren Vergährung gibt also auch zu niedrige Resul¬
tate. Werden diese Momente mit Vorsicht berücksichtigt, so ergibt
die Gährungsmethode gute Resultate, und ist das einfach zu hand¬
habende Saccharimeter Lohnstein wohl zu empfehlen. Jedenfalls
erfordern alle Methoden der Zuckerbe.stimmung ganz besondere
Cautelen, und deshalb fordert R. entschieden, dass nur der Arzt,
der die Verantwortung zu tragen hat, die Zuckerbestimmung vor¬
nehmen soll.
Sitzung vom 27. Juni 1906.
- Vor der Tagesordnung:
Schönstedt: demonstriert eine 72jährige Patientin mit einer
Hemia ischiadica. Seit 1 Jahr etwa klagte die Pat. über ischias¬
artige Schmerzen; erst in letzter Zeit entwickelte sich ein Tumor
von elastischer Konsistenz, der beim Husten stärker vortritt imd
sich leicht reponieren lässt. Da eine Bandage erfolglos getragen
wurde; ist Operation beabsichtigt.
Heymann: zeigt ein junges Mädchen mit multiplen Osteo¬
men am Schädel. Die ersten sind schon in den ersten Lebens¬
jahren entstanden. Osteome am Schädel sind seltener; meist
werden sie an den laugen Röhrenknochen gefunden. Eine Be¬
seitigung der Tumoren ist für gewöhnlich nicht erforderlich. Beim
vorliegenden Fall soll aber ein vom nasalen Teil des Orbitalrandes
des Stirnbeins ausgehender Tumor entfernt werden, da bei weiterem
Wachstum eine schwere Beeinträchtigung des Auges zu be¬
fürchten ist.
Türk: demonstriert einen Patienten, der sich eine Verletzimg
des Auges durch einen Stahlsplitter vor 1^/2 Jahren zugezogen,
und der diese ganze Zeit den Fremdkörper im Auge getragen.
Der Sitz desselben Hess sich bei der starken Trübung der Medien
und der hochgradigen Rostftlrbung nicht genauer feststellen. Die
Entfernung des StablspHtters gelang leicht mit Hilfe des Magneten |
nachher wurde noch die Discision der getrübten Linse vorgenommen.
Pat. hat jetzt wieder fast halbe Sehschärfe. Die Rostfärbung ist
nur noch an der Iris zu erkennen.
Heymann: demonstriert noch einige Schädelpräparate aus
dem patbologischeu Museiim mit multiplen Osteomen.
Bergmann: bemerkt dazu, dass solche Osteome öfters aus
den Kephalhaematomen entstehen.
Z au deck: stellt eine Patientin vor, die vor längerer Zeit
einen Stoss gegen die- eine Stirnseite erlitt, ohne, abgesehen von
vorübergehendem Schwindel, irgend welche Folgeerscheinungen zu
bemerken. Erst mehrere Wochen später bemerkte sie plötzlich
beim Bücken, dass sich in der Gegend des entsprechenden Ohres
eine schmerzhafte Geschwulst bildete. Demonstration des beim
Bücken prall hervortretenden, elastischen Tumors in der Parotis-
gegend; derselbe zeigt keine Pulsation, man hört keine Venen¬
geräusche, er ist leicht kompressibel. Jedenfalls handelt es .sich
um eine starke sinuöse Erweiterung der Vena jugularis externa.
Eine Kommunikation mit den intracraniellen Venen ist anzunehmen.
Die Entstehung ist vielleicht auf das Trauma zu beziehen, trotz¬
dem damals keinerlei Symptome einer Schädelbasisverletzung vor¬
handen waren. Möglich ist auch das VorUegen einer congenitalen
AnomaHe. Therapeutisch ist das Tragen einer Pelotte imd Ver¬
meidung einer mit Bücken verbundenen Beschäftigung zu em¬
pfehlen. Wegen der Verbindung mit den intracraniellen Venen
ist von einer Unterbindung oder Injektionen zur Gerinnung ab-
znsehen.
Bockenheimer: erläutert unter Demonstration mehrerer
Fälle die anatomischen und operativen Verhältnisse bei der Spina
bifida. Nicht lebensfähig sind die Fälle von Rhachichisis mit to¬
taler Spaltbildung bis in den Centralkanal. Bei der Myelocele ist
die Spaltbildung ebenso tief reichend, aber nur auf wenige Wirbel
beschränkt. Durch Hydrops der ventralen Partieen kommt es hier
zu einer Geschwmlstbildung, auf deren Höhe man den offenen
Centralkanal findet. Eis findet eine starke Verzerrung der Nerven¬
stränge statt, weshalb diese Fälle meist kolossale Lähmungser-
scheinungen zeigen. Weitere Veränderungen entstehen erst nach
der dritten Woche des Embryonallebena. Die Myelocystocele und die
Meningocele zeigen Geschwulstbildung mit intakter Haxit; nur im
Knochen besteht eine Spaltbildung, durch die sich die hinteren
Teile des Rückenmarks infolge des Hydrops des Zentralkanals
vorwölben. Man kann die fluktuierende Geschwulst komprimieren
und bei der Myelocystocele ihre Kommunikation mit dem Zentral¬
kanal alsdann durch fühlbare Fluktuation an der Fontanelle nach-
weisen, eventuell sogar Himdruebsymptome hervorrufen. Die ab¬
gehenden Nervenstränge sind hierbei viel weniger gezerrt, deshalb
bestehen keine Lähmungen. Diese Formen sind der Operation, die
wie eine Bruchoperation vorzunehmen ist, zugänglich. Die Menin¬
gocele kommt eds gestielte Geschwulst in der Sakralgegend vor,
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394
MJ&üICQOSGliJS ^^OGHS.
Nr. 38.
wo kein Rückenmark mehr vorhanden ist, nur die Cauda equina.
Auch diese Fälle bieten günstige Chancen für die Operation. Eine
Spina bifida occulta entsteht ans einer der beiden letzten Formen.
Von 108 in den letzten 25 Jahren in der kgl. Xlinih zor Be>
obachtung gekommenen Fällen waren 20 Cystocelen, von denen
14 zum Teil dauernd operativ geheilt wurden, 6 Meningocelen, die
sämtlich durch Operation geheilt wurden.
Coenen; stellt einen Patienten mit multiplen Carcinomen im
Gesicht vor. Derselbe litt seit langem an hartnäckigem Gesiohts-
ekzem. Seit zehn Jahren bat auf dem Boden des Ekzems sich ein
carcinomatöses Geschwür der Wange entwickelt; in jüngerer
Zeit hat sich ein Krebsknoten an der Unterlippe gebildet. Die
Unterlippencardnome entstehen aus den obersten Epithelschichten,
sie zeigen deshalb eine sehr starke Verhornung; die flachen
Wangenkrebse dagegen entwickeln sich aus den tieferen Epithel'
schichten, wahrscheinlich stehen sie mit den Talgdrüsen im Zu¬
sammenhang. G. nimmt auch für den vorliegenden Fall solche
getrennte und differente Entwicklung der Tumoren an und hofft
die mikroskopischen Beläge nach Vornahme der Operation bringen
zu können.
Golischer: demonstriert zwei Frauen mit isolierten Luxationen
des Talus. Bei beiden ist die Verletzung durch Sprung und Fall
entstanden. Im ersten Falle gelang die Reposition leicht und führte zu
prompter Heilung. Beim zweiten, der mit äusserer Wunde kom¬
biniert war, war die Reposition auch in Narkose nicht möglich;
es musste deshalb blutig reponiert werden. Der Heilungsverlauf
wurde durch Eiterungen schwer gestört, die schliesslich dazu
zwangen, den völlig aus alle seinen Verbindungen gelösten Talus
zu extrahieren. Die unblutige Reposition bei Talusluxationen ge¬
lingt nur in etwa einem Drittel der Fälle; in den übrigen wird
die blutige Reposition vorzunehmen sein, deren Erfolg abhängt von
der Vermeidung sekundärer Infektion, hauptsächlich von der Seite
komplizierender äusserer Wunden.
Feilchenfeld: zeigt neue Wundklammem zur rascheren
Vereinigung grösserer und tieferer Wunden, z. B. nach Exartiku¬
lationen, Amputatdonen, Bauchschnitten, besonders zu empfehlen
bei mangelnder Assistenz.
Sitzung vom 4. Juli 1906.
Vor der Tagesordnung:
Lissauer: demonstriert einen durch Operation gewonnenen
retropharyngealen Tumor, ein Pibrosarkom.
Holländer: berichtet über einen bemerkenswerten Fall von
Perforationsperitonitis. 10 Stunden nach Auftreten der ersten
Krankheitserscheinungen war der Zustand schon ein so schwerer,
dass er die Operation vomahm. Nach Eröfihung der Bauchhöhle
entleerte sich reichlich trübseröse Flüssigkeit und Blutcoagula.
Der Prozessus vermiformis wurde aufgesucht; derselbe zeigte Re¬
siduen eines alten, abgelaufenen Entzündungsprozesses, konnte aber
nicht die Ursache der vorliegenden schweren Erkrankung sein.
Nach längerem Suchen fand H. endlich zwischen Dünndarmschlingen
versteckt eine nekrotische Darmstelle. Es bandelte sich um ein
Meckelsches Divertikel; in demselben lagen mehrere Gallensteine,
die offenbar die Nekrose der Wand herbeigeführt hatten. Der
Heilungsverlauf wurde anfangs durch eine hartnäckige Darmatonie
gestört, die erst nach forzierter Magenspülung wich.
Coenen: demonstriert miskroskopische Präparate von den
in voriger Sitzung vorgestellten multiplen Carcinomen des Gesichts.
Wie angenommen, ist der Tumor von der Lippe ein Homkrebs,
während der von der Wange drüsigen Bau zeigt.
Tagesordnung:
Halle: Externe oder interne Operation der Nebenhöhlen¬
eiterungen.
Bei der Respiration wird ein negativer Druck auf die Schleim¬
häute der Nasenhöhlen ausgeübt, wodurch eine Aspiration von
Sekreten aus denselben herbeigeführt wird; dazu gesellt sich eine
austrocknende Wirkxmg der Luft, die bei der Ausheilung von
Nebenhöhlenkatarrhen eine grosse Rolle spielt. Oft genug kann
man veraltete Katarrhe allein durch Besserung krankhafter Ver¬
änderungen der Respiration zur Ausheilung bringen. Ganz be¬
sonders ist das austrocknende Prinzip für die Behandlung der
chronischen Empyeme heranzuziehen. Die Anbohrung der Ober¬
kieferhöhle vom Oberkiefer aus gibt sehr oft recht schlechte Re¬
sultate. Bei diesem Wege wird zwar eine Ableitung des Eiters
vom untersten Punkte der Höhle aus erreicht; aber durch den
Obturator wird sie immer wieder in eine geschlossene verwandelt;
und häufige Spülungen können schwere Reizzustände verursachen.
Die Radikaloperation von der Fossa canina aus mit Auskratzung
sollte nur vorgenommen werden, wenn die Schleimhaut stark ver¬
ändert ist. In allen anderen Fällen ist die Eröffnung der Ober¬
kieferhöhle vom unteren Nasengang aus vorzunehmen. Die Troikart-
behandlung hat den Vorzug der Leichtigkeit und ermöglicht Spü¬
lung und Ausnutzung der Austrocknung; aber neben der
Schmerzhaftigkeit hat sie den Nachteil, dass die gesetzte Oeffnung
nicht konstant bleibt und deshalb eine Dauerdrainage nicht ge¬
währleistet ist. Deshalb empfiehlt es sich, vom unteren Nasengang
aus eine grössere Oeffnung, eventuell mit Resektion der \mteren
Muschel anzulegen. Damit ist ein guter Abfluss des Eiters von
einem tiefen Punkt der Höhle aus gegeben und eine ausgiebigste
Ausnutzung des Prinzips der Austrocknung.
Dasselbe Verfahren der breiten Eröffnung von innen empfiehlt
sich auch für die anderen Höhlen. Damit sind absolut einwand¬
freie Ausheilungen möglich; Schwierigkeiten bieten sich hierbei
für die Stirnhöhlen. H. hat hierfür ein neues, von amerikanischen
Autoren angegebenes Verfahren mit einem elektrischen Bohrin-
stniment ausgebaut. Mit Hilfe einer Sonde, die immer leicht in
die Stirnhöhle einzubringen ist, führt er einen Schützer ein, der
eine Verletzung der hinteren und seitlichen Wand verhütet, da¬
nach das Instrument und beseitigt mit diesem den Knochenvor¬
sprung an der vorderen Wand, der in erster Linie den Ausführungs-
gang einengt. Damit ist eine hinreichend weite Oeffnung gegeben,
von der aas auch die eventuell noch erforderliche Ausräumimg
der Siebbeinzellen ohne Schwierigkeit vorgenommen werden kann.
Diese innere Methode lässt die häufig nicht unbedingt notwendige
Radikaloperation von aussen, die immer zu kosmetischen Defekten,
oft genug zu Entstellungen führt, vermeiden und gibt doch beste
Erfolge, wie H. an einer grossen Zahl von Fällen erzielen konnte.
Er demonstriert einige Patienten, die alle extrem schwere Fälle
darbieteu und zum grösseren Teil schon lange vergeblich nach
verschiedenen Methoden behandelt waren, und erst durch seine
Methode prompt definitiv geheilt wurden.
Diskussion:
Senator: Die innere Operationsmethode mit dem elektrischen
Instrument ist eine grobe; sie gibt keine glatten Wunden der
Schleimhaut und der Knochen. Es ist ein iG-beiten im Dunkeln,
wobei eine sichere Führung des Instrumentes nicht möglich ist.
Für die Kieferhöhlen sind die Gefahren von geringer Bedeutung;
bei den Stirnhöhlen und den Siebbeinzellen dagegen sehr grosse,
und bei Benutzung dieser Methode sind schon die unangenehmsten
Vorkomnmisse beobachtet worden.
Ritter: Die Eröffnung der Stirnhöhle mit dem elektrischen
Instrument ist zu verwerfen. Gegenüber der oft unsicher bleibenden
Diagnose einer Stimhöhleneiterung ist die Operation nicht hin¬
reichend gefahrlos; auch der Gebrauch des Halleschen Schützers
sichert eie nicht genügend. Gelingt es nicht durch Freilegung
des Infnndibulum und Abtragung der vorderen Siebbeine den Pro¬
zess zu bessern, dann ist die Aussenoperation angebracht, die im
allgemeinen bessere kosmetische Resultate gibt, als H. annimmt.
Peyser: Bei dem oft abnormen Verlauf der Stirnhöhlen, ist
die Sondierung derselben keineswegs immer einfach. Bei der
nicht garantierten Gefahrlosigkeit der Operation dürfte bezüg¬
lich der Notwendigkeit der Vornahme derselben eine schärfere
Trennung zwischen leichteren und schwereren Fällen zu fordern
sein. Einen Nachteil der inneren Methode sieht P. darin, dass
dabei maligne Tumoren der Nebenhöhlen, die mit einem Empyem
beginnen, übersehen werden können.
Halle: Schlusswort.
Verein für irmere Mediein.
Sitzung vom 25. Juni 1906.
Vor der Tagesordnung hält Herr von Leyden einen Nach¬
ruf auf Schaudinn und den Statistiker Hirschberg.
Demonstrationen:
1) Herr von Leyden berichtet über einen Fall von Mitral-
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
395
Stenose kombiniert mit Lungentnberknloee. Bemerkenswert ist,
dass die Tuberkulose sicher vor dem Äusbrncb des Herzfehlers
bestand und dass die Mitralstenose den Ausbruch einer floriden
Phthise verhinderte.
Diskussion.
Herr Kuhn: Dieser Fall ist eine Stütze für die von ihm
aufgestellte Theorie, freilich könne die Stauung in den Lungen
nicht eine schon sehr lange bestehende Phthise zum Schwinden
bringen.
Herr Kraus: Die Seltenheit der Tuberkulose gerade bei
Mitralstenose ist auffallend. Alle die Fälle, die er gesehen, zeigten
keine sehr erhebliche Vergrösserung des rechten Herzens, also keine
grosse Hyperaemie. Die Häufigkeit der Tuberkulose bei den an¬
geborenen Pulmonalstenosen lässt sich vielleicht ebenso wie bei
Diabetes durch eine grosse Trockenheit der Lunge erklären.
Herr Westenhoefer fragt, ob sich keine frische Tuber¬
kulose in der Lunge gefunden habe.
Herr von Leyden glaubt an dem Vorhandensein einer
grossen glatten Caveme auf eine alte Erkrankung schliessen
zu müssen.
Herr Möller macht Herrn Kraus gegenüber darauf aufmerk¬
sam, dass doch bei der Tuberkulose trockenes Klima zur Behand¬
lung empfohlen werde.
Herr Kraus: Die Vorstellung, die er geäussert hat, rührt
von Traube her. Er selbst glaube im Uebrigen nicht, dass durch
trockenes Klima eine Austrocknung der Lunge bewirkt wird.
n. Tagesordnung; Diskussion zum Vortrag des Herrn Kuhn.
Herr Bickel verweist auf die Angaben Leos, der nach
ähnlichen Prinzipien, wie Kuhn, die Behandlung der Tuberkulose
betreibe. Er selbst habe in Göttingen durch Schräglagerung bei
Tuberkulose und bei Bronchiektasie gute Resultate erzielt.
Nach einigen Bemerkungen der Herren Schwalbe, Kraus
und Apolant hat Herr Kuhn das Schlusswort.
IL Herr Feilchenfeld (a. G.); Ueber Anaesthesie als Heil¬
faktor bei Augenerkrankungen.
Der Schmerz wirkt sowohl heilend als auch andererseits für
das Leben schädlich. Die Heilwirkung beruht auf seiner Eigen¬
schaft als Abwehr der Schädlichkeit oder auch durch die von ihm
erzeugte Hyperaemie im Sinne Biers. Bei entzündlichen Vor¬
gängen am Auge, wo Schmerzen besonders lästig sind, hat Vortr.
die Anaesthetica ln weitem Umfange angewandt imd viele Erfolge
gesehen. Er spricht sich gegen die Annahme aus, dass der
Schmerz, wie Spiess aunimmt, die hauptsächliche Ursache der
Entzündung sei.
Diskussion: Herr Wessely jun., Herr Feilchenfeld.
Sitzung vom 2. Juli 1906.
I. Herr Manasse: Ueber Ileus.
Vortr. beschreibt einen Pall von sogenannter Gassperre des
Dickdarms, wo durch Abknickung an der Flexura coli sin. eine
so erhebliche Stauung im Coecum verursacht wird, dass es zu den
bedrohlichsten Erscheinungen konamt. Ein eigentliches Hindernis
ist an der Abknickungsstelle nicht zu finden, man kann nur an¬
nehmen, dass die beiden, durch Herabsinken des Colon transversum
zu einem abnorm spitzen Winkel verzogenen Schenkel den Flexus
durch bindegewebige Verwachsungen zu dem Hindernis Veran¬
lassung gaben.
Diskussion; Die Herren Kraus, A. Fränkel.
II. Herr C. 8. Engel: Entstehung und Neubildung des Blutes.
Nach einem historischen Ueberblick wird auf den Satz Bemaks
verwiesen, dass die ersten Blutzellen nicht weisse Blutkörperchen
sind, dass also rote nicht aus weissen Blutkörperchen entstehen.
In den ersten 3 Monaten finden wir bei menschlichen Foeten
grosse Blutzellen mit grossem Kern, die dann plötzlich im vierten
Monat den Normoblasten weichen, mit oder ohne Kern. Dieser
Wechsel fällt in die Entwicklung des Knochenmarks, während die
Leber anscheinend ohne Einfluss ist. Die grossen embryonalen
Blutzellen existieren nur so lange, bis der Knochenmark sich
bildet. Wir müssen also zwei Stadien der Blutbildung annehmen:
Das erste, ein praemedulläres, das bis zum 3. Monat reicht. Das
zweite Stadium, das medulläre, beginnt mit der Bildung des
Knochenmarks. Carl Lewin.
Sitzung vom 16. Juli 1906.
Demonstrationen: Herr von Leyden.
a) Fall von Bleiniere, ausgezeichnet durch das Ueberwiegen
der interstitiellen Bindegewebswuoherung ohne wesentliche Ent¬
zündung. Dazu Hypertrophie des Herzens mit wandständigem
Thrombus.
b) Fall von ausgedehnter Carcinose, 2 Jahre nach Operation
eines Mammacareinoms, die völlig gut verheilt war und lokal keine
Spur von Erkrankung hinterlassen hat. Die Metastasen waren in
beiden Äugen, massenhaft im Gehirn, Knochen, Nieren etc. zu
finden, besonders auch in den Ovarien.
Diskussion: Herr Beitzke: . Die Ausbreitung geschah durch
die Unke Jugularvene. Auch von den Supraolaviculardrüsen nach
den Bronchialdri^sen wanderte das Carcinom,
Herr Westenhoeffer: Ist dieser letztere Gang wahr-
scbeinUch?
Herr Beit zke: Offenbar handelt es sich um retrograde
Wanderung. Die Metastasen im Äuge sind hämotogener Natur.
Herr Westenhoeffer und Herr Beit zke erörtern die
Möglichkeit der Verbindung der Supraclavicular- und Bronchial¬
drüsen.
Herr Davidsohn: In der Bleiniere sind einige Kindzellen-
infiltrationen gefunden worden.
II. Herr Theodor Meyer demonstriert Apparate zur An¬
wendung der Bierschen Stauung bei Erkrankungen des Urethra.
Tagesordnung: Herr Mosse; Unsere Kenntnisse der Er¬
krankungen des Blutes.
Vortr. gibt einen Ueberblick über unsere Kenntnisse auf
diesem Gebiete. Insbesondere beschäftigt er sich mit der Ein¬
teilung der Blutkrankheiten in Rücksicht auf die Veränderimgen
der normalen Bestandteile des Knochenmarks. Er teilt die Blut¬
krankheiten ein in circiimscripte und diffuse Erkrankungen des
Knochenmarks. Erstere sind die sogenannten Myelome, letztere
sind Veränderungen der roten Blutkörperchen: a) Polycythaemie,
b) Anaemie und Chlorose und c) pemiciöse Anaemie, oder wenn die
weissen Blutkörperchen verändert sind;
a) Leucocytose, myelogene, l 3 nnphatiscbe Leucaemie und
Pseudoleucaemie. Carl Lewin.
AerzHicher Verein Mjiinehen*
Sitzung vom 13. Juni 1906.
Vor der Tagesordnung wurden geschäftliche Mitteilungen er¬
ledigt. Hiervon ist nur die Besprechung des Entwurfes zu einer
Dienstanweisung für die Schulärzte der Stadt München hervorzu¬
heben, in der beschlossen wurde, speziell gegen folgende §§ Front
zu machen: „Die Untersuchung der Mädchen der 7. bezw. 8. Klassen
ist im allgemeinen Schulärztinnen zuzuweisen. Sind geeignete
Kräfte hierfür nicht vorhanden, so kann die Untersuchung nur mit
Genehmigung und in Gegenwart der Eltern stattfiuden“. Weiter¬
hin: „Die ärztliche Untersuchung ist mit grösster Rücksichtnahme
auf das Zartgefühl der Kinder vorzunehmen; daher ist insbesondere
die Untersuchung des entkleideten Oberkörpers des Mädchens nur
statthaft, wenn die Kinder das 10. Lebensjahr nicht überschritten
haben.“ Gtegen die Anstellung von Schulärztinnen wurde natürlich
im Prinzip nichts eiugewendet, sie aber für Untersuchungen anzu¬
stellen, die den Schulärzten nicht gestattet seien, wurde als unan¬
nehmbar bezeichnet. Herr Grassmann wurde mit der Vertretung
dieser Beschlüsse in der fünfgliedrigen Kommission der ärztlichen
Vereine beauftragt.
Vor der Tagesordnung demonstriert Herr Pregowski zwei
Fälle von mit Termophorkompresse behandelter Spina bifida.
Darnach stellt Herr Oberndorfer einen sehr exquisiten
Fall von Steinherz vor.
Diskussion: Herr Sittmanu, Herr Oberndorfer.
1. Herr L. Seitz; Zur Frage der Hebotomie.
S. demonstriert zunächst die verschiedenen zur Vornahme der
Operation angegebenen Instrumente nnd bespricht dann die durch
die Kgl. Frauenklinik vorgenommenen Operationen. Von 8 zum
Teil recht ungünstig gelegenen Fällen starb 1, nur 3 hatten
ein völlig ungestörtes Wochenbett; ungefähr 3,6 ist die Mor¬
talität der in der Literatur niedergelegten Fälle. Eine der
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396
Kl i Tfil IC wOGUJfi«
Nr. 38.
ernstesten Komplikationen sind die verschiedenen Verletzungen;
es handelt sich dabei nicht um eine Knoohenwunde, sondern um
einen komplizierten Ejiochenbruch. Auch Blasenrisse sind sehr zu
fürchten (2 von den 8 Fällen). Ob der Vorschlag, bei den Erst¬
gebärenden die Hebotomie nicht vorzunehmen, Berechtigung hat,
lässt Vortragender unentschieden. S. glaubt, dass die untere
Grenze zur Vornahme der Hebotomie 7 cm (Conjugata vera) sein
soll. Er stimmt denjenigen Autoren bei, welche die Operation
auch noch bei infiziertem Geburtskanal vornehmen. Die Voraus¬
setzung ist, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass im Verlauf
der Geburt keine Scheidenverletzung vorkommt Eine generelle
Regel, ob gleich nach der Durchsägung die Geburt vorgenommen
werden soll, lässt sich nicht aufstellen. Ob man Zange oder
Wendung machen soll, ist Sache der Indikation. Eine knöcherne
Konsolidierung der Knochenwunde findet oft lange Zeit nach der
Operation nicht statt. Dabei pflegt aber das Gehvermögen in der
Regel ein sehr gutes zu sein. S. halt es für verirüht, die Operation
jetzt schon für die Praxis zu empfehlen. Er hält aber die Operation
unter günstigen Umständen für geeignet, den Kaiserschnitt und
die Perforation des lebenden Kindes in einer Anzahl von Fällen
zu ersetzen.
Diskussion: Herr A. Müller, Herr Grashey, Herr
Fe uchtwanger, Herr B. von Hösslin, Herr L. Seitz
(Schlusswort),
2. Herr P. Pregowski (als Gast):
Physikalisch-therapeutische Mitteilungen:
P. bespricht die Wirkung der Luftdouche auf den mensch¬
lichen Körper und weiterhin die Einwirkung des erwärmten Bettes
auf die Herbeiführung von Schlaf.
3. Herr G. Trautmann:
Erythema exsudativum multiforme und nodosum
der Schleimhaut in ihren Beziehungen zur Syphilis.
Nach ausführlicher Schilderung der Literatur zählt T. 7 Fälle
der genannten Art aus seiner Beobachtung auf, welche bei Lue¬
tischen vorkamen. Er betrachtet diese Erscheinung als nicht zur
Lues gehörig, glaubt aber, dass letztere Krankheit den Boden für
den Ausbruch der neuen Affektion vorbereitet.
Diskussion: Herr Uffenheimer hat in einer verhältnis-
mäßig grossen Anzahl von Fällen der beiden Erythemarten bei
Kindern (60—70) Schleimhautersclieimmgen nie zu Gesicht be¬
kommen. In dem grössten Teile seiner Beobachtungen trat das
Erythema eim. wie nod. sekundär auf, oft im Anschluss an ganz leichte
Krankheiten, wie Bronchitiden. Es ist wohl zumeist toxischer
Natur, in manchen Fällen aber auch durch Hineinwandern von
Bakterien ins Blut zu erklären. Was die ulzerösen Erscheinungen
bei den Erythemerkrankungen der Mundhöhle betrifft, so dürfte
hier Spirochaete und Fusiformis die direkte Veranlassung für das
Zustandekommen der Geschwüre sein, ebenso wie sie es bei den
sekundären Erscheinungen der Lues und bei der Angina ulcerosa-
membranaoea selbst sind. Auf normaler Schleimhaut aber kommt
diesen Mikroben offenbar keine pathogene Wirkung zu.
Herr Trautmann: (Schlusswort). Albert Uffenheimer.
Sitzung vom Mittwoch, den 4. Juli 1906.
1. Herr Craemer: begründet ausführlich den Antrag Craemer-
Krecke: „Der Aerztliche Verein München wolle beim
Ministerium dahin vorstellig werden, dass das Recht
Medicinalpraktikanten aufzunehmen, auch den prak¬
tischen Aerzten zugebilligt werde.“
Diskussion: Herren Müller, May, Loewenfeld,
Krecke, von Hoesslin, Craemer,
Es wird eine Kommission gewählt, die vor der endgiltigen
Beschlussfassung das Thema gründlich durchberaten soll.
2. Herr Friedr. Müller: Die Frage der nervösen
Herzkrankheiten.
M. gibt zunächst eine Uebersicht über die modernen Ansichten
von den Herzbewegungeu und von der Rolle, die das Nerven¬
system dabei spielt und betont hierbei besonders die Untersuchung
von Deneke am herausgenommenen Herzen des eben Hingerichteten.
Dasselbe schlägt, von Ernährungsflüssigkeit durchströmt, regel¬
mäßig weiter, genau ebenso wie das Frosch- und Säugetierherz.
Die sogenannte refraktäre Pause (in der das Herz unempfindlich
ist gegen neue Reize) erstreckt sich über die Systole und noch
eine Zeit lang in die Diastole hinein. Digitalis verlängert die
refraktäre Pause. Jeder Teil des Herzens ist reizbar, am leich¬
testen ist es der Sinus, und es ist anzunehmen, dass von hier aus
die Schlagfolge des Herzen? reguliert wird. Vom Sinus geht der
Reiz nach dem Vorhof, von hier aus verteilt er sich auf den
ganzen Muskel, aber er wird verlangsamt, da er nun durch das
His’sche Bändel, das aus embryonaler Muskulatur besteht, weiter
geleitet wird. Der Muskel selbst ist der Ort der Reizung und
das Substrat für die Weiterleitung. Die Adams-Stookessche
Krankheit besteht darin, dass eine Unterbrechung des Hisschen
Bündels stattfindet und infolgedessen eine Dissoziation in der
Sohlagfolge des Vorhofes und des Ventrikels eintritt. Extrasystole
des Ventrikels kann erzeugt worden durch einen Reiz, der den
Ventrikel isoliert trifft. Die Erhöhung des Widerstandes, gegen
den das Herz arbeitet, kann Extras 3 rstoIe erzeugen. Auch eine
abnorme Reizbarkeit bei Erkrankung des Herzmuskels kann die
gleiche Erscheinung verursachen. Von den Vagusfasem haben nur
diejenigen Einfluss auf die Schlagfolge, welche zum Sinus gehen.
Die Vaguswirkung (hemmende) ist viel energischer als die
des Sympathicus (augmentierend). Diese Nerven wirken auf den
ganzen Tonus der Schlagfolge ein, im ganzen verlangsamend
oder beschleunigend, aber nicht auf den einzelnen Schlag des
Herzens. Der Nervus depressor überträgt Erregungen von der
Aorta auf das Zentralnervensystem. Der Splanchnicus ist der
Vasokonstriktor des Darmsystems, es kann von ihm aus die Blut¬
verteilung mächtig beeinflusst werden.
Die Muskeltätigkeit erzeugt jedesmal eine Beschleunigung der
Herzfrequenz, wahrscheinlich auf der Bahn des Sympathicus.
Ebenso beeinflusst die Drüsentätigkeit und die Tätigkeit des Gross¬
hirns selbst dieselbe.
Dies gab Vortragender als die Voraussetzungen zum Ver¬
ständnis der nervösen Herzkrankheiten. Dieselben sind in der
neuen Zeit sehr eingeschränkt worden. Beispielsweise kann das
Raucherherz nicht ids nervöse Herzkrankheit aufgefasst werden,
sondern das Nikotin wirkt toxisch auf gewisse Ganglien ein.
Aehnlich verhält es sich mit Coffein, Jod, Schilddrüse usw. Herz¬
beschleunigungen und leichte Erregbarkeit des Herzens bleiben oft
für lange Zeit zurück nach akuten Infektionskrankheiten (Influenza),
sie finden sich bei der Tuberkulose. Auch die Herzen der Un¬
geübten zeigen solche abnorme Erregbarkeit, Aus dem gleichen
Grunde scheuen wir uns, Kranke zu lauge Zeit im Bette liegen
zu lassen (beispielsweise bei einer Schenkelhalsfraktur). Die ganze
Gruppe der reizbaren Herzen ist streng zu trennen von den eigent¬
lichen nervösen Herzkrankheiten. Vom Magen und vom Darm,
vom Uterus aus können Reizungen des Herzens ausgehen (Myom¬
herz usw.). Das erregbare Herz der zu schnell Entfetteten, all
das rechnet man nicht zu den nervösen Herzkrankheiten. Die
nervösen Herzkrankheiten gehen meist einher mit Steigerung der
Frequenz. Aber es findet sich nicht eine ständige Beschleu¬
nigung der Schlagfolge. Es zeigt sich besonders ein Einfluss auf
die Atmung. Es kann wohl auch Extrasystole auftreten, sei es
durch abnorme Erregbarkeitsvermehrung des Herzens oder durch
andere Umstände. Vor allem hervortretend sind auch die Klagen
über abnorme Sensationen am Herzen. Das Gefühl des Herz¬
klopfens ist teils hypochondrisch, d. h, es entspricht nicht der Tatsache,
teils stammt es von zu steilen Kontraktionen des Herzens. Weiter
sind zu erwähnen Schwankungen im vasomotorischen System (kalte
Hände und Füsse usw.). Diese können schliesslich zu schweren
Schädigungen führen, zu Arteriosclerose, zum Absterben der
Extremitäten usw. Die Pseudo-Angina pectoris hält M, wohl für
möglich, hat sie aber noch nie gesehen; er betont Krehls Aus¬
spruch: „Zur Diagnose eines nervösen Herzleidens ist nötig, dass
man nachweisen kann, dass das Individuiim auch sonst nervös ist.“
Aus nervösen Herzerkrankungen können dauernde Schädigungen
des Herzens entstehen. Die paroxysmale Taohycarchie entsteht
aus neuen Reizen, die auf ein reizbares Herz einwirken (im An¬
schluss an organische Erkrankungen des Herzens, ebenso bei Er¬
krankungen des Zentralnervensystems).
Die rein nervösen Krankheiten sind nicht mit Digitalis zu be¬
handeln, sondern es ist der ganze nervöse Mensch in Behandlung
zu nehmen (Wasser, Elektrizität nsw.).
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1906.
MKDIGINXSGHE WOCHE.
397
Diskassion: Raab, Grassmann, Perutz, Hirt,
Wassermann, von Hoesslin, Müller. (Schlusswort).
Albert Uffenh e i m e r.
Kongressbericht.
23. Kongress für imnere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Herr H. Adam - Hamburg: Ueber denWertröntgenolo-
gischer Untersuchungen für die Frühdiagnose der
liungenspitzentuberkulose.
Herr Adam demonstriert Röntgeuplatten von Lungenspitzen¬
erkrankungen, die im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in
Hamburg von Herrn Albers-Schöneberg angefertigt wurden.
Der Vortragende hat die physikalische Untersuchung der Kranken
vorgenommen. Beim Vergleich der unabhängig von einander auf¬
genommenen und schriftlich festgelegten Befunde ergab sich fol¬
gendes :
Bei allen Fällen, bei denen physikalisch Schallveränderungen
oder Veränderungen des Atmimgstypus sich fanden, zeigte die
Röntgenplatte mehr oder weniger ausgedehnte diffuse oder zir¬
kumskripte Trübungen. Diese fanden sich auch bei einem Teil
der Fälle, wo physikalisch nur katarrhalische Symptome nachweis¬
bar waren, oder überhaupt an der Lungenspitze ein abnormer Be¬
fund nicht zu erheben war, wo nur der Verdacht auf eine be¬
ginnende Spitzenafifektion durch das allgemeine klinische Krank¬
heitsbild erweckt wurde.
Der Vortragende schliesst daraus, dass neben dem Katarrh
bei der einen Gruppe beginnende Infiltrationserscheinungen vor¬
handen sind, dass diese der Röntgenstrahl etwas früher aufdeckt,
als es die physikalische Untersuchung vermag, dass der frische
Katarrh auf der Röntgenplatte nicht zum Ausdruck kommt und
bei der zweiten Gruppe, dass in den selteneren Fällen von Lungen¬
spitzenerkrankung, die chronisch infiltrierend und ohne katarrhalische
Symptome verlaufen, die Röntgenplatte früher als die physikalische
Untersuchung über die Erkrankung Aufschluss gibt.
Weiterer Untersuchungen und längerer Beobachtung der Un¬
tersuchten bedarf es, um festzustellen, ob die einmalige oder in
bestimmten Zeitabschnitten wiederholte röntgenologische Unter¬
suchung über den mehr oder weniger progredienten Charakter der
Lnngenspitzentuberkulose Aufschluss gibt.
Herr Siegert-Köln: Die Frühlingsdiagnose des
Mongolismus und des Myxödems.
S. bespricht die Differentialdiagnose des Mongolismus und
infantilen Myxödems. Nach kurzen ätiologischen und anatomischen
Bemerkungen schildert Vortragender die angeborenen Symptome,
das charakteristische Gesicht, die Haltlosigkeit des überfetten
Säuglings, den im Gegensatz zum Myxödem fehlenden, erst später
einsetzenden Zwergwuchs, die im Gegenteil beim Mongolismus oft
sehr langen und schlanken Extremitäten, die zimächst normale,
gewöhnlich erst im 4. Lebensjahr rissige Zunge, das Verhalten des
Skeletts, der Gelenke, des Schädels, des Respirations-, Zirkulations¬
und Digestionstraktus. An der Hand zahlreicher Projektionen er¬
läutert er die charakteristischen Merkmale. Er betont das apa¬
thische, somnolente Verhalten im Beginn im Gegensatz zum später
auftretenden ruhelosen Gebahren, die wie beim Myxödem vor¬
kommende Temperaturerniedrigtmg und Wirksamkeit der Schild-
drüsenmedikation, welche von manchen Seiten für Myxödem, gegen
Mongolismus verwertet werden. Vorhandene Lymphozytose (Exter),
Myxödem, stark vergrösserte Zunge, hochgradiger Zwergwuchs,
fehlende Mongolenaugen schliessen den Monogolismus aus, sprechen
für infantiles Myxödem; vorhandene Schilddrüse, gleichzeitige
Rachitis, normale Schweissbildung, früh- oder gar vorzeitige Skelett¬
entwicklung schliessen letzteren aus. Die Schilddrüsenbehandlung
beseitigt Obstipation, Hängebauch, Nabelhemie, Adipositas, Kon-
jugktivitis, stertoröse Atmung, Appetitlosigkeit des Mongolen,
führt auch zu geringer Wachstumsbeschleunigung. Die so ekla¬
tanten Umwälzungen im psychischen und somatischen Verhalten
des infantilen Myxidioten aber bewirkt sie beim Mongolen nie.
Bei ihm ist die Organtherapie viel beschränkter nach ln- und
Extensität.
Herr Ehret-Strassburg: Ueber die Bedeutung des
Fiebers für die Diagnose des Infektes der Gallen¬
wege.
Auf Grund von systematischen Untersuchtmgen an einem
grösseren klinischen Krankenmaterial — aus der Naunynschen
und Madelungschen Klinik —, sowie auf Grund von bakterio¬
logischen und experimentellen Untersuchungen kommt Ehret zu
folgenden Sätzen;
1. Das Vorhandensein von Fieber bei Krankheitserscheinungen
von Gallensteinen spricht an und für sich mit Bestimmtheit für
das Bestehen von infektiösen Prozessen in den Gallenwegen.
2. Aus dem Fehlen von Fieber bei Gallensteinmanifestationen
darf nur dann mit einiger Sicherheit auf das Fehlen von infek¬
tiösen Prozessen in den Gallen wegen geschlossen werden, wenn
entweder feststeht, dass bei den betreffenden Kranken die Gallen¬
steine überhaupt noch keine Krankheitserscheinungen gemacht
haben, oder dass vereinzelte vorausgegangene Krankheitserschei¬
nungen sicher ganz fieberlos verlaufen sind.
3. Hochinfektiösc, von ansehnlichen Veränderungen der Gallen¬
wege und ihres Inhaltes begleitete Prozesse sind nicht immer
dori am wahrscheinlichsten, wo-gerade hohes Fieber besteht; sie
finden sich häufig auch bei fieberlosen oder gering fiebernden
Kranken, bei welchen fieberhafte, von Gallensteinen ausgelöste
Krankheitserscheinungen schon früher gespielt haben.
4. Die klinischen Beobachtungen scheinen ihre Erklärung
darin zu finden, dass durch Infekte, die in den Gallenwegen spielen,
Abwehrkräfte wachgerufen werden. Diese Abwehrkräfte scheinen
allgemeiner und lokaler Art zu sein. Einmal scheint der Gesamt¬
organismus gegen die Keime, die wiederholt Cholezystisis und
Cholangitis gemacht haben, immunisiert zu werden; zweitens scheinen
durch die Infekte Vorrichtungen lokaler Art zu Stande zu kommen,
die den üebergang der Keime und wahrscheinlich auch den Ueber-
gang der Keimprodukte in das Blut verhindern oder doch er¬
schweren.
Somit erscheint das Fieber bei Gallensteinkrankheiten nur
als Ausdruck eines wirksamen, d. h. eines durch die Abwehrkräfte
des Organismiis noch nicht kompentierten Infektes der Gallenwege.
Herr Emil Reiss-Aachen: Die Messung der elek¬
trischen Reizung sensibler Nerven.
Die Messungen wurden mit Wechselströmen angestellt.
Durch die Versuche musste zunächst die Gültigkeit einer von
Nernst theoretisch abgeleiteten Formel erwiesen werden. Vor¬
aussetzung hierfür war, dass mit reinen Simusströmen gearbeitet
wurde, denn nur für solche ist die Formel mathematisch entwickelt
worden. Dieser Bedingung wurde durch die vom Vortragenden
verwendete Versuchsanordnung entsprodxen.
Zu den Versuchen an den sensiblen Nerven des Menschen
wurden die Fingerspitzen benutzt.
Aus dem Vergleich der bei den verschiedensten Wechsel¬
frequenzen erhaltenen Konstanten wurde auf die Gültigkeit der For¬
mel geschlossen. Ihre Richtigkeit war für den Muskel und den
motorischen Nerv des Frosches bereits in früheren Versuchen er¬
wiesen worden.
Inwieweit sich die Formel für die praktische Bestimmung
der Reizbarkeit der sensiblen Nerven des Menschen eignet, wurde
in dem Vortrag eingehender auseinandergesetzt.
(Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
1906. Nr. 3.
von J a ksch-Prag); Veber einen
der unter den Erscheinungen der
Prager med. Wochenschrift.
Dr. X. R 0 1 k y, (Klinik
Fall von Knochenkarcinose,
pemixiösen Anaemie verlief.
Mepaloplastische Regeneration des Blutes wird ausser durch
den unbekannten zum Bilde der perniziösen Anaemie führenden
Reiz verursacht, durch Parasiten (Botriocephalus latus, Bacterium
coli) und in seltenen Fällen, durch maligne Tumoren. Den letzt¬
bezüglich publizierten Fällen von Freese und Epstein fügt
Verf. einen Dritten hinzu. Die klinische Diagnose lautete: Auae-
mia gravis (e causa ignota). Icterus (Diathesis haemorrhagica).
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396
MEi^ICQflSCHS WOCHK.
Nr. 38.
Die Sektion ergab ein fibröses Carcinom der Mamma mit ausge¬
breitetem sekundären Carcinom des Enochensystems und der
Lympbdrüsen.
Nr. 7.
Dr. Arthur Seelig-Franzensbad (Klinik von Jaksoh-Prag):
Blatdrnokapparate nnd Blntdmckmessangen.
Verfasser vergleicht auf Grund von 1000 Messungen die
Apparate von Riva-Kocci, Gaertner und Sahli auf ihre
Verwendbarkeit und Fehlerquellen. Am weitaus empfehlenswertsten
ist nach ihm das Riva-Roccische Sphygmomanometer; dem
Gaertnerschen Tonometer haften eine ganze Reihe von Fehler¬
quellen an; bei tadellosem Zustande und strenger Befolgung aller
Kautelen bietet es genügende Vorzüge schon wegen der be¬
quemen Handhabung. Das Sahli sehe Instrument zeichnet sich
durch die leichte Transportierbarkeit aus.
Für wissentschaftliche Arbeit ist Riva-Rocci, für die
Praxis sind die Apparate von Gaertner und Sahli vorzuziehen.
mit Erbrechen einsetzenden Analen, in demi einen Fall gleich¬
zeitig unter den Symptomen der Tetanie, in dem anderen unter
Auftreten eines epüeptiformen Krampfes. Ursache war eine durch
den Geruch der Atemluft schon konstatierbare Vergiftung mit
Aceton und Acetessigsäure. Keine Zuckerausscheidung. Magen¬
erweiterung fehlte. Obstipation trat erst nach Einsetzen der Er¬
krankung ein. Indikan war beim schweren Anfall nicht vor¬
handen, trat aber beim Schwinden der Erscheinungen auf. Verf.
glaiibt, dass Pankreas, welches spontan und auf Druck sehr em¬
pfindlich war, ein abnorm beschaffenes Ferment abgesondert habe,
das zur Bildung des Acetons aus dem Eiweiss führte.
Aerztliches Fortbildungwesen.
Unentgeltliche Fortblldungekuree fOr praktische Aerzte
in Berlin und Provinz Brandenburg.
Nr. 12.
Prof. Chiari-Prag: Ueber die diagnostisohe Bedeutung
der MesaortitU productiva.
Verf. weist an der Hand eines Falles auf die Bedeutung des
Befundes von Mesaortitis für die nachträgliche Diagnostizierung
eines sonst rätselhaften Zustandes hin.
Ein angeblich, früher stets gesunder, nie syphilistisch infi¬
zierter 28jähriger Mann erkrankt plötzlich an Amentia, wird
aggressiv und daher in eine Irrenanstalt aufgenommen. Nach 10
Tagen beginnt hier eine zunehmende Nekrose des rechten Unter¬
schenkels und Fusses. Nach weiteren 7 Tagen Exitus. Bei der
Obduktion findet sich ein grosser parietaler Thrombus der ab¬
steigenden Aorta, eine Embolie der rechten Poplitea und der
oberen Mesaraica, anämische Infarcte in Milz und Nieren. Die
mikroskopische Untersuchung der auffälligen Aortenaffektion er¬
gibt das deutliche Bild einer rezenten Mesaortitis productiva.
Der hieraus gezogene Rückschluss auf eine syphilitische Aetiologie
der Erkrankung erweist sich berechtigt. Angestellte Nachforsch¬
ungen ergeben, dass Pat. vor 4 Jahren Lues mit Exanthem ge¬
habt bat.
Nr. 13.
Dr. Gustav Eckstein: Der menschliche Bronchialbaum im
Röntgenbilde.
Eckstein hat zur besseren Sichtbarmachung der Bronchial-
verzweigungen Röntgenaufnahmen im suspiratorischen Atemstill¬
stand unter Benutzung des von Robinsohn und Wermdorf in
die Röntgentechnik eingeführten Sauerstoffs gemacht. Die Ver¬
öffentlichung der genaueren Ergebnisse in Aussicht stellend, hebt
Verf. hervor, dass es ihm gelungen sei, den Bronchialbaum in
einer unserer gemeinsamen Wissenschaft Nutzen bringenden Weise
sichtbar zu machen.
Nr. 16.
Dr. G, Jassler, Assistent an dem Ambul. d. Vereins:
„Kinderambulatorium und Krankenkrippe in Prag,“: „Zur Tuber-
kulinbehandluug“.
Nach durchweg schlechten Ergebnissen mit Tuberculin
recens im Jahre 1897 hat das Ambulatorium seit 4 Jahren Tuber¬
culin. vetus injiciert. Ob bei jungen Säuglingen trotz bestehender
Tuberkulose die Reaktion ausbleibt, ob eine Verbreiterung der
Bronchialdrüsentuberkulose verhindert und endlich ob ostitische
Prozesse günstig beeinflusst werden, diese 3 praktisch wichtigen
Fragen können erst nach längerer Erfahrung beantwortet werden.
Einstweilen fällt Verf. ein freilich nicht mehr als ein subjektiv
günstiges Urteil über die Behandlung.
Dem Auftreten der lokalen Reaktion misst Verf. eine diag¬
nostische Bedeutung nicht zu.
Nr. 21.
Dr. P. Palma>Reichenberg: Ein Beitrag zur Autointozi-
kation durch Aceton.
Ein 29jähriger Buchhalter erkrankt im Verlaufe eines Viertel¬
jahrs 3 Mal ganz plötzlich infolge Autointoxikation an schweren
1. Vorträge.
Die nachstehenden Vorträge bilden eine Vortragsreihe und betreffen
das Gebiet: Elektrizität und Liebt in der Medizin. Die einzelnen Vor¬
träge sind:
1. Gegenwärtiger Stand der Röntgendiagnostik bei inneren Erkiunk-
ungen. Vortrag von Prof. Dr. Grunmacb am 9. Not.
2. Das Böntgenrerfabren in der Chirorgie. Vortrag von Dr. Alters-
SchöDeberg, Hamburg am 13. Not.
3. Technik der Mn^anologie in der Praxis. Vortrag tob Dr. Lotj.
Dorn am 16. Not.
4. Das Licht als Heilmittel. Vortrag Ton Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
Lesser am 20. Not.
5. Elektrochemie und ihre Beziehungen zur Medizin. Vortrag Ton
Prof. Dr. ßredig-Heidelberg am 23. Not.
6. RadioaktiTe Stoffe, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung
für die Heilkunde. Vortrag Ton Prof. Dr. Marckwald am 27. Not.
7. Die wissenschaftlichen Grundlagen der elektromedizinischenMethoden.
Vortr^ Ton Prof. Dr. Braun-StrassboM am 30. Not.
8. Die bisherigen Methoden der Elektrotherapie und ihre praktische
Anwendui^. Vort^ tod Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bernhardt am 7. Doz.
9. Die Verwendung hochgespannter Ströme und des Blektromagnetis-
mns für Heilzwecke. Vortrag Ton Prof. Dr. Boruttau-Göttingen am 11. Dez.
10. Demonstration der Erscheinungen hoebge^annter und frequenter
Ströme (Experimental-Vorti^). Vortrag Ton Dr. Donath am 13. Dez.
Die Vorträge finden im Hörsaal des Kaiserin Friedrich-Hauses statt
und h^innen pünktlich abends 8 Uhr.
Vortrag 10: am 13. Dezember im Saale der Urania, Taubenstr. 48/49,
Ton pünktlich 6—‘/i® Uhr.
II. Fortbildungskurse.
Allgemeine Gebiete:
1. Innere Medizin. Lehrer: Geb. Med.-Etat Prof. Dr. Ewald. Orc;
Augustahospital. Jeden Mittwoch Ton 12—1'/« Uhr. Beginn am 7. Nor.
2. Chirurgie. Lehrer: Prof. Dr. F. Krause. Ort: Augustahospital
(Medikomechamkum). Jeden Dienstag tou 12—U/, Uhr. Beginn am
6. Not.
Sondergebiete:
3. Augenleiden. Lehrer: Dr. Döus. Ort: Poliklinik, Chausseestr. 114.
Jeden Sonnabend Ton 1*/*— 3 Uhr. Beginn am 3. Not.
4. Blutuntersuchungen (mit praktischen Uebungen. Lehrer: Dr. Pappen¬
heim. Ort: Kaiserin Friedrich-Uaus, bakteriol. Lt^uratorium. Jeden Mon¬
tag Ton 12 — VL Uhr. Beginn am 5. Not.
5. Frauenleiden. Lehrer: Dr. Czempin. Ort: Kaiserin Friedrich-Hans.
Jeden Donnerstag Ton 6—7*/, Uhr. B^inn am 1. Not.
6. Hals- und Nasenleiden. Lehrer: Prof. Dr. A. Rosenberg. Ort:
Poliklinik, Elsasserstr. 331. Jeden Dienstag Ton 1— 2'/, Uhr. Beginn am
6. Not.
7. Hantloiden und Syphilis (mit besonderer Berücksichtigung der
neueren Forschungen Uber die Aetiologie der Syphilis). Lehrer: EfrWat-
dozent Dr. Busebke. Ort: Dermatologische Abteilung dos Rudolf Virchow-
Krankenhauses. Jeden Freitag tou 12—1'/. Uhr. Beginn am 9. Not
8. Kinderkrankheiten (ausgewäbltes Kapitel). Lebror: PriTatdozent
Dr. Neumann. Ort: E’oliklinik, Blumenstr, 78. Jeden Mittwoch Ton V/,
bis 3 Ubr. Beginn am 7. Not.
9. Klinische Chemie und Mikroskopie (mit praktischen Uebungen, ins¬
besondere Harnuntersuchungen). Lehrer: l’rof. Dr. Kosin. Ort: ICaUeriD
Friedrich-Haus, >')aal für Chemie und Mikroskopie. Jeden Sonnabend Ton
1'/,—3 Uhr. Beginn am 3. Not.
10. Magen- und Darmleidon. Lehrer: PriTatdozent Dr. Albu. Ort:
Poliklinik, Ziegelstr. 26. Jeden Mittwoch 6—7*/* Uhr. Beginn am 7. Nov.
11. NerTenleiden und Psychiatrie. Lehrer: Geh. Med.-Rat Prof. Dr.
Ziehen. Ort: Charitö, Psych. und NerTenklinik. Jeden Donnerstag Ton
6'/» — 8 Uhr. Beginn am 8. Not.
12. Ohrenloiden. Lehrer: Oberarzt Dr. Lange. Ort: Ohronklinik der
Kgl. Cbaritö, Louisenstr. Jeden Donnerstag Ton 12—U/, Ubr. Beginn am
1. Not.
13. Orthopädie und Massage. Lehrer: Dr. Helbing. Ort: UniTersi.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
399
tätspoliklinik für orthof^ische Chirargie, Am Zirkus 9. Jeden Dienstog von
6Vt—8 Uhr. Beginn am 13. Nov.
14. Röntgen•üntersuchun^n (mit praktischen Uebungen.) Lehrer:
Dr. Immelmann. Ort: Kaiserin ^iednch-Haos, Röntgen-Laboratorium.
Jeden Freitag von 6*/,—8 Uhr. B^nn am 2. Nov.
Bemerkungen für die Teilnehmer.
1. Berechtigung zur Teilnahme. Zur Teilnahme an den Fortbildungs¬
kursen und Vorträgen ist jeder Arzt des Stadtkreises Berlin und der Provinz
Brandenbnig gegen Losung nicht Übertragbarer Karten berechtigt. Jede
Karte nlt mr einen einzelnen Fortbildungskurs oder für die gesamte Vor¬
tragsreihe und wird gegen eine Einschreibegebühr von je M. 2.— verab¬
folgt. Diese Binscbreib^bübr wird, sofern die Karte aus iigend welchen
Gründen unbenutzt bleibt, nicht zurückerstattet
2. Art der Meldung. Die Karten, sowie die Verzeichnisse der Fort¬
bildungskurse und Vorträge sind im Bureau des Kaiserin Friodrich-Sauses
für das ärztliche Fortbildungswesen zu erhalten, wo auch Auskunft über die
Kurse erteilt wird (nur schriftlich, oder wochentäglich 9—2 Uhr persönlich).
Schriftlichen Bestellungen sind ein frankiertes Couvert mit der Adresse des
Bestellers und die Einschreibgebühr für die gewünschten Karten beizu-
fügen (in Briefmarken zu 5 oder 10 Pfennigen oder durch Postanweisung,
nicht in Metallgeld im Couvert). Alle schriftlichen Bestellungen und
eh^ge Postanweisungen sind zu richten: an Herrn 0. Zfirtz, Kaiserin
Priednch'Haus HW. 6. Luisenplatz 2—4. Persönliche Meldungen werden
wochent^lich von 9 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachmitt^ angenommen.
Hierbei ist ein offenes frankiertes Couvert abzugeben, welches mit der
Adresse des Bestellers versehen ist und die schriftliche Bestellung enthält;
zugleich ist die Einschreibegebühr zu erlegen. Telephonische Bestellungen
von Karten und Verzeichnissen können nicht berücksichtigt werden.
3. Termine der Meldungen a) bei Vormerkungen. Es haben diejenigen,
welche sich bei einem früheren Zyklus von Fortbildungskursen für eine be¬
stimmte Disziplin vorgemerkt haben, für dieselbe in der Zeit vom 20. bis
28. September (inkl.) das Vormeldungsrecht, .b) Beginn der neuen Meld¬
ungen am 24. ^;^tember. c) Schluss der Meldungen und Vormerkungen am
I. November. Die Vormerkungen gelten stets für den neuen Zyklus, in
welchem die betreffende Disziplin vertreten ist.
4. Art der Kartenausgabe. Vom 24. September an werden täglich ans
allen bis 2 Uhr nachmitt^ eitmelaufenen schriftlichen und persönlichen
Meldungen durch Auslosung die Teilnehmer fes^esiellt, welchen hierauf die
Karten zugeeandt werden. Die Uobrigbleibenden (nach Erreichung der je¬
weiligen Maximalzahlen) werden für den nächsten Kurszyklus vorgemerkt
und erhalten die Einschreibegebühr zurück.
5. Zuschriften für das Zentralkomitee. Alle Zuschriften sind zu richten
an das: Bureau des Zentralkomitees, HW 6, Luisenplatz 2—4 (Kaiserin
Friedrich-Haus für das ärztliche Fortbildungswesen).
Zentralkomitee für das ftntliehe Fortbildungswesen ln Preussen.
E. von Bergmann, R. Kutner,
Vorsitzender. Generalsekretär.
Patentnachrichten.
Patent-Anmeldungen:
B. 40561. Vorrichtung zum Befeuchteu vou Schleifeteinen oder Schleif¬
scheiben für zahnärztliche Bohrmaschinen. Harry Sanford Burton, Oxford,
England.
W. 23794. Kissen als Unterlage für Kranke und Kinder. Herta
Winkler, geb. Kempfer, Chemnitz.
G. 20592. Verfahren und Vorrichtung zum Betriebe eines Vibrations-
a^paratee mit in einem Gestell o. dergl. drehbar geleertem Schwungkörper
mit ungleichmässig verteilter Schwungmasse. Dr. ^bert Gross, Rasten¬
berg i. Th.
K. 28418. Ptenra-Punktionsvorricbtung. Dr. Georg KrOnig, Berlin.
W. 23780. Trokar. Sebastian Wiedauer, Berlin.
L. 19 789. Lichtbadeapparat zur radiotherapeutischen Behandlung des
menschlichen Körners mit Fluoreszenzlicht. Marian Lukowski, Posen.
L. 21136. Verfahren zur Herstellung von Gipsbinden oder dergl.
Lüscher & Bömper, Berlin und Fahr, Rhld.
St 9218. Aus einer oder mehreren mit Vioformpulver od. dgl. be¬
streuten Verbandstofflagen bestehender Verband. Kaspar Stubner, Basel,
W. 24214. Bettenfabrer; Zus. z. Pat. 167145. Emst Walter, Hamburg,
Erteilungen.
169181. Fahrbarer Laufstahl für Kranke zum Wiedererlemen oder
Erleichtern des Gehens. Richard Fiedler, Berlin, Wilbelmstr. 6. 5. 10. 04.
169046. Zerstäuber für ätzende Flüssigkeiten mit metallfreiem
Mundstück. Alcide Bellot des Mioidree, David Capdeville und Pierre Cap-
deville, Ldo^an, Gironde, Frankr.
169337. Verfahren zur Herstellung von Leibbinden mit einem Becken¬
teil in zwei daran sitzenden Schenkelteilen. Dr. .Qugiiotmo Bracco senior,
Turin, Ital.
169 415. Vorrichtang zum Teilen von Pulvern in gleiche Teile.
Stanislaus Oppl, Fulnek, Mähren.
169446. Verfobren zur Herstellung haltbarer Lösungen der wirk¬
samen Nebennierensnbstanz. Dr. Walter Stranb, Marburg a. L.
169862. Ringpessar mit einem Stiel zor Handhabung des Pessars.
Dr. Ludwig Cohn, Mrlin.
Gebrauchsmuster.
268782. Pinzette mit Federvorriebtung zum Feetbalteu von Wund-
klammem und selbsttätiger Öffnung nach Anlegung der Wondklammera.
Dr. Max Samuel, Berlin.
268970. Vorrichtung zum Behandeln von Hühneraugen, bestehend ans
einer über die Zehe zu ziehenden elastischen Hülse, die mit einem ver-
Bcbliessbaren Ansatz zum Einfüllen von Medikamenten versehen ist. Emst
Harms, Magdeburg.
269 222. Zange zum Quetschen des Magens oder Darmes zwecks Aus¬
führung einer Verschlnssoaht, mit Längsscblitz in beiden Schenkeln. G. A.
Kleinknecbt, Erlangen.
269234. Pneumatischer Nasenspiegel mit im Querschnitt ovalem An-
satztricbter. Dr. Siegfried Levinger, München.
269047. PressvorricbtuDg, durch welche metallene Gaumen- bezw. Oe-
bissplatten für zahntechnische Zwecke mit in die Form zu pressendem Über¬
zug von Rohgummi oder dergl. Masse hergestellt werden. C. Rauhe,
Düsseldorf.
268728. Schutzvorrichtung für Rennfahrer, welche aus federndem
Sturzhelm und federnden Rücken, Brust, Arme und Beine bedeckenden
Binden besteht. Christoph Pütz, Mühlheim a. Rh.
269040. Wanderaierenbinde, bei welcher die Pelotte an einer durch
Taillengurt und Scbenkelriemen gehaltenen Platte sitzt. Reinbold Wurach,
Berlin.
269077. Fussscboner, welche das Wundreiben durch das Schubwerk
verhindern soll und aus zwei beweglich verbundenen, um SoUe und Kappe
g eführten Metallbügeln, sowie über den Spann geführtem Riemen besteht,
•tto Emil Schott, Chemnitz i. Sa.
269257. Stoffgürtel zur Befestigung einer Monatsbinde, welcher durch
seine Form den Unterleib stützt und znruckbält. Frau Clara Conrad, Köln.
269211. Fahrbare Uriniervorrichtung mit Schlauchverbindung zwischen
Urinierglas und im Kasten untergebra^tem Sammelgeüiss, weldie am
Ständergestell lösbar befestigt wird. Gustav Sommer, l^orzheim.
269214. Operationstisch mit sieb kreuzenden untereinander verbondenen
Beinen, deren Stellung zu einander durch eine Kur^lbewegung verändert
werden kann. Evens & Pistor, Cassel.
Meyers Grosses Konversattons-Lexlkoti.
Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neu¬
bearbeitete und vermehrte Aufli^e. Hehr als 148000 Artikel und Ver¬
weisungen auf Übor 18240 Seiten Text mit mehr als 11000 Ahbildnngen,
Karten und Plänen im Text und auf über 1400 Illastrationstafeln (darunter
etwa 190 Farbendrticktafcln und 300 selbständige Kartenbeilagen) sowie
130 Textbeilagen. 20 Bände in Halbleder gebunden zu je 10 Mark oder in
Praebtband zu Je 12 Mark. (Verlag des Bibliograpfaisuben Instituts in
Leipzig und Wien.)
Mit der Pünktlichkeit eines Uhrwerks ist noch im alten Jahr wieder¬
um ein Band erschienen, der dieses Monumentalwerk seiner nun nicht mehr
fernen Vollendung entgegenführt. Der neue Band (L—Lyra) bringt aus
allen Gebieten eine solche WiseensfQlIe, dass die Wahl schwer wtrt, das
beste berauszogreifen. Allgemeines Interesse haben die Artikel „Lebens¬
versicherung“ mit einer übersichtlichen „Statistik der Lebensversicherungs-
gesellscbaften“, „Lehrling und Lehrlingswesen“, „Lotterie“, „Landkarten“,
-Lithographie“, letztere beiden mit trefflichen bunten Tafeln. Ans dem
Reiche der Naturwissenschaften erwähpen wir eine Reihe wichtiger Artikel
über „Licht“ und „Luft“; über „Luftdruck“ und,,Lufttemperatur' werden
wir durch instruktive Karten aufgeklärt. Der Artikel „Lurtschiffahrt“ zeigt
uns die Eutwicklung dieses Verkehrsmittels der Zukunft vou den ersten
Anfängen an bis zu Zeppelins und Santos Dumonts Luftschiffen ib Wort
and Bild. Von den zahlreichen Beiträgen aus dem Gebiete der Medizin und
Hvg^ene heben wir die aasführlichen Artikel „Liebttberapie“ und „Lungen¬
schwindsucht“ hervor. Das letztenn beig^febene Verzeichnis: ,DeQtscbe
Heilstätten für Lungenkiunke im Frülyahr 1905“ (einscbliesslicb der Heil¬
stätten für skrofulöse Kinder) besitzt eminent praktischen Wert, da bei den
einzelnen Kuranstalten sogar die Tageskosten beigefügt sind. Von den
grossen St^te-Artikeln seien die über Leipzig mit treilicheD Tafeln her¬
vorragender Bauten, London und Lübeck (mit gründlich erneuerten Plänen)
genannt. Dass auf dembeig^benen Stad^lan von Leipzig schon der projek¬
tierte Hauptbabnbof (der ja der grösste Deutschlands werden soll) einge¬
zeichnet ist, sei nur nebenbei erwähnt. Einen breiten Raum nimmt in
diesem Bande die „Landwirtschaft“ mit einer Reibe einschlägiger Artikel
(Landwirtschaftliche Betriebsfonnen, Betriebssysteme, Maschinen, Wirt¬
schaftserträge etc.) ein, während die i^rar-politischen Bestrebungen der Ver¬
gangenheit und der Gegenwart im Artikel „Landwirtschaftspolitik“ ein¬
gehend beleuchtet werden. Dass die technolc^ischen Artikel (Lampen,
elektrische Läutwerke, Leuchta^bereitong, Lokomobile, Lokomoti)re etc.)
auch in diesemBande wieder mit Vorliebe behandelt und man möchte sagen: ver¬
schwenderisch illustriert sind, braucht beim Grossen Meyer eigentlich nicht
mehr betont zu werden. Eine gewiss hochwillkommene Übemsebung für
viele bringen die dem Artikel „Litteratur“ beigehefteten vier Porträttafeln
,.Klassiker der Weltlitteratori', auf denen man nach authentischen Vorlagen
die Bildnisse der fremdländischen Ritter vom Geist versammelt findet —
von Dante, Petrarca, Shakespeare etc. bis zu unsem berühmten Zeitge¬
nossen IbMn, Eolstoi, d'Annunzio, Rudyard Kipling u. a. Alles in allem:
dieser 12. Band mit seinen 34 schwarzen und 4 Farbentafeln, sowie 14
Karten und Plänen reiht sich seinen Vorgängern würdig an. Vivat seqnens!
Vttnatwonliehw R«d«kte«ir: Dr. P. Meitner, Berlta W. St, Knrffirttentir. 81. — yeriif von Ctrl Marbold, Helle
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Heft 1 . DarmerkraDkuDgen.
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in Berlin. — Frl. Clara Sigle in Essen (Ruhr) mit Hm. Dr. med. Paul
Steffens, Augenant in Kola a. Rh. — Frl. Trude Lippert iu Pirna mit
Hrn. Dr. med. Richard Zink in Leipzig. — Frl. Älma Grün in Blumberg
b. Berlin mit Hm. Dr. med. Paul Mennert in Schwedt a. 0. — Frl. Marie
Schenk in Oelsnitz i. V. mit Hm. Dr. med. Reinhard ROrig, Badearzt iu
Wildungen.
Vermählt;
Hr. ür. med. Hans Cölle mit Frl. Martha Hagen in Burgdorf. —- Hr.
Dr. med. Ettore Santangelo mit Frl. Helene Frederich in Bad Kissingen.
— Hr. Dr. med. Felix Sieglbauer mit Frl. Käthe Schirmer in Leipzig. —
Hr. Dr. med. Franz F. Krusius mit Frl. Elisabeth von Bombard in Leipzig.
— Hr. Dr. med. G. Gessler mit Frl. D. Schutz in Leipzig-Gohlis. — Hr.
Dr. med. Hans Boeschen mit Frl. Lucy Ashoff in Lesum.
Geboren:
_ Ein Sohn: Hm. Assistenzarzt Dr. Wilhelm August Gerhard Gilbert
in Bonn. — Hrn. Dr. med. Jos. Boden in Köln a. Rh.
Eine Tochter: Hm. Dr. med. Rudolf Lorenz in Berlin. — Hm.
Dr. med. Hermann Winkler in Breslau. — Hm. Dr. med, Dieckerhoff in
Köln. — Hrn. Dr. med. Josef Grötschel in Neisse.
Gestorben:
Sanitätsrat ]>. Siegfried Sorauer in Berlin. — Sanitätsrat Dr. med.
Förster in Bigge i. Westf. — Geh. Hofrat und o. ö. Professor der inneren
Medicin Dr. Oswald Vierordt in Heidelberg. — Dr. med. Hermann Pierer
in Neuhofen an der Kremstalbahn. — Medicinalrat Dr. Georg Teicbner in
Nürnberg. — Dr. med. Adolf Weil in Offenbacb. — Dr. med. Matthias.
Luger in Pilsen. — Bezirksarzt Med.-Rat Dr. Reinbold Findeisen in Ronne¬
burg. — Stabsarzt a. D. Dr. Victor Rinke in Taraowitz. — Dr. med.
Gerdes in Oldenburg. — Dr. med. Friedrich Zenker in Schlegel (Kr. Neu¬
rode).
R I * Extract. Thymi saceharat.
U A KV 11A A I N Xaeschner (Name in allen
r U|| IIVVIII Staat, ges. gesch.). — Ünschäd-
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asse 6.
■ 823. 1
VU. Jahrgang.
24. September 1906.
Nr. 39.
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utäglgen Beilage BalnCOlOglSChe CcntralzeltUng, Organ des Allgemeinen Deutschen
Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne
Nummer 25 PI. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet*
Originalien.
Die Heilwirkung des Blutes.
Von Dr. Hans Lungwitz-Hallo.
.Blut iat ein ganz bosondorer Sufi“
(Sdupbi.stoplieles.)
Die Erkenntnis, dass der Körper bei allen Erkrankungen
möglichst grosse, ja bisweilen zu grosso Anstrengungen macht,
die erlittene Schädigung zu kompensieren, ein Vorgang, den
man im Gegensatz zur Allo* und Homöopathie mit Autopathio
bezeichnen kann, und dass in der Phamakopöo der Natur die
Blutflüssigkeit einen integrierenden Bestandteil ausmacht, ist
ebenso alt wie die medicinische Wissenschaft, und es hat nie
eine historisch, zugängliche Zeit gegeben, in der man dieser
Tatsache bei der Behandlung von Krankheiten nicht instinkt¬
mäßig Rechnung getragen hat. Wie au! vielen Zweigen des
Baumes der Erkeuntnis die Knospen der theoretischen Einsicht
erst blühen, nachdem sie lange als „Augen^ geschlummert und
ganz allmählich durch den nährenden Saftstrom der praktischen
Erfahrung zum Spriesseu gebracht worden sind, so eilte auch
in der Beurteilung und Wertschätzung der natürlichen Heil¬
kräfte des Organismus, insbesondere des Blutes die Praxis der
Theorie weit voraus.
ln den ältesten Zeiten (und noch jetzt neigen manche Me-
diciner und — Sozialpolitiker dazu) überliess man die Heilung
untätig der Natur, einfach deshalb, weil es an Mitteln gebrach
und wohl auch weil man die Krankheiten als böse Geister an¬
sah und jede Berührung mit ihnen fürchtete; man vertraute
so die Entscheidung über Leben und Tod dem auswählenden
Prinzip der Natur an, und dieses garantierte zweifellos für
eine Sichtung der Menschen nach ihrer Widerstandsfähigkeit
gegen Krankheiten, d. b. aber nach ihrem körperlichen Worte
für die erzeugte Generation. Aber auch zu Zeiten, da man
schon gelernt hatte, die Natur durch allerlei Mittel in ihrem
Heilbestreben zu unterstützen, verfiel man gelegentlich — häu¬
fig als Abschluss einer Periode medikamentöser Vielgoschäftig-
keit — verzweifelnd an der Macht der Mittel immer wieder
in den therapeutischen Nihilismus. Immerhin ist im allge-
gemeinen von jeher das Charakteristikum der ausübenden Me-
mcin das Bestreben gewesen, durch Verordnung von bestimmten
Mitteln und Maßnahmen den Körper in seinem Kampfe gegen
Schädlichkeiten zu unterstützen; man merkt das Gefünl heraus,
dass etwas geschehen müsse, dass es roh wäre, einen Kranken
seinem Schicksal zu überlassen, und dass man die Krankheit
angreifen müsse selbst mit Waffen, die zu führen und deren
Wirkung man nicht verstand.
Dieser Zug hat zwar die eigenartigsten Blüten gezeitigt:
vom „Besprechen“ der Krankheiten und der „Sympathie^^ bis
zur Homöopathie und ähnlichem Blödsinu, aber auch den
ganzen Apparat der heutigen Heilmethoden. Indem man zu¬
nächst rein empirisch fcststellte, was sich als zuträglich
erwies und was nicht, gelangte man — per aspera ad astra —
nicht ohne Opfer zu einer I^uistik der verschiedenen Krank¬
heiten und zu einer Encyklopädie ihrer therapeutischen Mittel.
Natürlich mussten sich alsb^d die wirkliclien Heilmittel von
den pharmakologischen Mitteln streng differenzieren, und in
der ersteren Gruppe wiederum eine Scheidung eintreten zwischen
den symptomatisim wirkenden, d. h. nur die Aeusserungen der
Krankheiten (Schmerz, Husten usw.) bekämpfenden und be¬
seitigenden — und den die Krankheit selbst und ihre Erreger
angreifenden Mitteln, die mit den die Autopathie unterstützenden
allgemein-therapeutischen Methoden identisch sind. Während
die ersteren in dieser Untergruppe häufig wechseln, der Mode
unterworfen sind und ihr Wert dadurch genügend gekennzeichnet
ist, liegt in den letzteren ein ewiges Prinzip, das sich nie hat
unterdrücken lassen, wenn es auch Kranke und Aerzte zeit¬
weise vergessen hatten, das sich stets von neuem zur Geltung
bringt und dann oft genug in seinen einzelnen Phasen als
„neue Entdeckung“ gepriesen wird.
Diese allgemein-therapeutischen, die Autopathie fördernden
Methoden haben an Bedeutung unendlich gewonnen, seit die
theoretische Wissenschaft, mit Seziermesser, Mikroskop und
Retorte ausgestattet, uns die Geheimnisse der empirisch fest¬
gestellten Wirkung der Mittel vielfach enthüllte. Dies ist
nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, die Praxis profitiert
davon besonders deshalb, weil eine genaue Dosierung der ap¬
plizierten Mittel möglich gemacht ist, ferner weil häufig die
Wirkung eines Mittels ohne „Haufen von Opfern“ theoretisch
zu erschliossen ist, endlich weil Methoden, denen ein richtiges
Prinzip zu Grunde liegt, die aber we^en falscher Ausführung
geschadet haben und verlassen worden sind, wiederum zu Ehren
gebracht werden. Dass die physikalisch-diätetische Behandlungs¬
weise, dass die arititoxische Therapie der Infektionskrankheiten
(Pocken, Diphtherie) ihre Triumphe feiern, will schon viel
sagen, noch mehr aber, dass uns eine so merkwürdige und
schier transzendente Erscheinung wie die suggestive und hyp¬
notische Tlierapie kein Rätsel mehr ist, sofern wir nur bereit
sind, uns im Bannkreise menschlicher Unvollkommenheit zu
bescheiden und „letzte Fragen“ nicht lösen zu wollen.
War bisher nur von den die Autopathie fördernden Me¬
thoden die Rede, so drängt sich nun die Frage nach den na¬
türlichen Heilkräften des Organismus auf. Es ist bekannt, dass
ein Körper, je kräftiger er entwickelt ist, um so weniger in
Gefahr geräU einer Krankheit zu erliegen. Die mehr oder
weniger kräftige Konstitution offenbart sich in Krankheitsfällen
durch die verschieden heftige Reaktion auf das Eindringen des
schädigenden Kraokheitsstoffes: je energischer diese ist, desto
mehr ist auf Genesung zu hoffen. Diese Reaktion, in der sich
die natürlichen Heilkräfte des Körpers zu erkennen geben,
äussert sich vornehmlich in drei Erscheinungen.
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402
BIEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 39.
Das Fieber, dem schon Hippokrates (um 400 vor Christo)
eine dem kranken Orp^anismus nutzenbringende Wirkung zu¬
schrieb, wird erst neuerdings wiederum auf Grund der Ergeb¬
nisse bakteriologischer Forschungen als natürlicher Heilfaktor
gewürdigt, nachdem eine sehr la^e Zeit hindurch die Medicin
mit verblüffender Blindheit jede Temperatursteigerung als ein
an sich höchst schädliches Ereignis angesehen nat, zu dessen
Bekämpfung ein Heer von chemischen Mitteln auf den Markt
gebracht worden ist. Noch heute stehen zahlreiche Aerzte auf
diesem falschen Standpunkte, und ein anständiger Mensch muss
eigentlich immer ein Quantum Phenacetin, Antipyrin, Salipyrin
usw. in der Westentasche mit sich herumtragen.
Die Erhöhung der Temperatur wird durch einen vermehrten
Stoffwechsel infolge bakterieller Einflüsse hervorgerufen und
steht in engem Zusammenhänge mit der Bildung der sogenannten
Antikörper im Blute, das sind Stoffe von unbekannter che¬
mischer Zusammensetzung, welche die von den Bakterien aus¬
geschiedenen und ins Blut resorbierten Gifte dadurch unschäd¬
lich machen, dass sie chemische Verbindungen mit ihnen ein-
gehen. Sobald diese Schutzstoffe in einer zur Bindung sämtlicher
Giftstoffe genügenden Menge im Blute kreisen, fällt das Fieber
ab. Die Bedeutung des Fiebers besteht also darin, dass es ein
Zeichen für den Beginn und das Fortschreiten einer Infektion
und ein Maßstab' für den im Organismus stattiindenden Kampf
gegen das eingedrungene Gift ist Es ist also an der Zeit, die
Anwendung der Antipyretica auf die Fälle von excessiver, an
sich lebensgefährlicher Temperatur (41®—42® C und mehr) zu
beschränken, besonders wenn man bedenkt, dass durch die
chemischen Fiebermittel die eigentliche Krankheit nicht im
geringsten günstig beeinflusst wird und sich der Arzt durch
fliro prinzipielle Anwendung eines der wichtigsten Kriterien
des jeweiligen Standes einer Krankheit begiebt.
Schon lange währt auch der Streit über den Wert der
Entzündung. Während schon im Jahre 1797 der englische
Arzt Hunter darlegto, dass die Entzündung ein Vorgang sei,
mit dem die Natur den Körper zu seiner Selbstverteidigung
ausgestattet habe, hatte sich in neuerer Zeit die Auffassung der
Entzündung als einer an sich deletären Erscheinung einge¬
bürgert, und sie spukt noch jetzt in zahlreichen Köpfen, ob¬
wohl sie durch theoretische Ueberlegung und Erfahrung am
Krankenbett widerlegt genug ist.
Die Entzündung äussert sich abgesehen von dem Schmerz
und der Erschwerung oder Behinderung der Funktion des be¬
fallenden Körperteiles in drei Erscheinungen. Die erste ist die
Störung der Zirkulation und zwar im Beginn ein ver¬
mehrter Blutzu- und abfluss (aktive Hyperämie), darauf eine
Verlangsamung des Blutstromes im Entzündungsgebiet (passive
Hyperämie). Während der Verlangsamung des Blutstromes
flndet eine Auswandemi^ von weissen Blutkörperchen durch
die Gefässwände in das Entzündungsterrain statt, ein Vorgang,
den man treffend mit dem Transport von Truppen nach einem
vom Feinde occupieiten Gebiete vergleichen kann. Weitere
Hilfe wird diesen Verteidigern des Körpers durch die mit
bakterienfeindlichen Eigenschaften ausgerüstete Gewebsflüssig¬
keit, deren Menge durch Exsudatmassen aus den feinsten Blut¬
gefässen so erh^lich vermehrt werden kann, dass es zu einer
brettharten Spannung oder zu einer teigigen Schwellung der
infiltrierten Partie kommen kann.
Als zweiter Faktor bei der Entzündung macht sich eine
allmähliche Degeneration, ein Absterben der direkt ge¬
schädigten Gew^spartieen bemerkbar, hervorgerufen je nach
der entzündungserregenden Ursache durch die zell töten de Wir¬
kung der Bakterien und ihrer Produkte oder auch der che¬
mischen, thermischen, mechanischen Schädlichkeiten, wohl auch
durch die angeführten Zirkulationsstörungen. Das abgestorbene
Gewebe wird so bald als möglich vom gesunden scharf abge¬
grenzt und verfällt der Tätigkeit der weissen Blutkörperchen
und ihrer Fermente, durch die es eingeschmolzen oder wenig¬
stens gelockert und zur Abstossung frei gemacht 'wird.
An diese Nekrotisierung schliesst sich der Regene¬
rationsprozess an, durch den die entstandene Gewebslücke
wieder ausgefüllt wird. Rings um den Entzündungsherd
sammeln sich zahllose Scharen von Zellen an, lebendige Ele¬
mente zur Bildung des Granulationsgewebes, das zu gleicher
Zeit mit neugebildeten feinen Blutgefässen reichlich versorgt
wird und mlmählich unter Abbmasung in Narbengewebe
übergeht.
Weniger Widerspruch hat die der Neuzeit ausschliesslich
angehörende Entdeckung der dritten Schutzmaßregel des Körpers
gemnden, die sich nur auf die Abwehr von Infektionserregern
richtet: die angeborene und erworbene Immunität. Ueber
den chemischen Mechanismus der Bildung der Antikörper, die
schon normalerweise in geringer Menge im Blute vorhanden
sind, beim Einsetzen einer Infektion aber mit einer überaus
intensiven Lebhaftigkeit an Menge zunehmen, ist man trotz
einiger höchst geistreicher und mteressanter Theorien noch
nicht zu völliger Klarheit gekonuuen. Die Bedeutung der Tat¬
sache aber, dass durch die schädigenden Bakterien die Bildung
der sie abtötenden und ihre Produkte paralysierenden Schutz¬
stoffe im Blute angeregt wird, entgeht auch dem Laien nicht;
kein Mensch kann daran zweifeln, dass in dieser Relation mit
absoluter Deutlichkeit eine Mobilmachung der Streitkräfte des
Körpers gegen feindliche Macht zu erblicken ist. Uebrigens
basieren darauf die prophylaktische und die therapeutische
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfung
übertragbarer Krankheiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Erautwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Fortsetzung-.)
Es ist nur die Frage schon häufiger aufgeworfen, ob diese
Bestimmungen der Ministerial - Verordnungen, welche weiter-
gohon als die Bestimmungen dos Gesetzes (siehe § 8 Nr. VIII der
Ausführungsbestimmungeil) nicht auch durch den § 37 des
Preussischen Gesetzes aufgehoben seien. Dann würden die Be¬
stimmungen der Verordnungen über die Ausschliessung gesunder
Kinder, falls Masern, Röteln und Keuchhusten in demselben
Haiislialto auftreten, hinfällig sein. Indessen ist daran festzu¬
halten, dass das vorliegende Gesetz mehr polizeilichen Charakters
ist. Wenn es auch hier die Materie erschöpfend regeln will,
so können doch neben dem Gesetz Verwaltungsmaßregeln, die
seitens der Schulbehörde für richtig gehalten werden, ruhig
bestehen bleiben. Demnach liegt kein Grund vor, an dem
bisherigen Zustande vorläu^ etwas zu ändern.
Von ganz besonderer Wichtigkeit für die Aerzte sind die
Desinfektionsvorschriften. In der Begründung des Gesetzent¬
wurfs sagt die Regierung, dass die Desinfektion mit Ausnahme
von Syphilis, Tripper, Schanker, Tollwut, Fisch-, Fleisch-,
Wurstvergiftung und Trichinose, bei keiner der übertragbaren
Krankheiten zu entbehren ist. Sie ist auszuführen als fort¬
laufende Desinfektion während der Krankheit und als
Schluss-Desinfektion nach der Ueberführung ins Kranken¬
haus, nach der Genesung oder nach dem Tode. Die Schluss-
Desinfektion wird wie bisher durch die städtische Desinfektions¬
anstalt ausgeführt werden. Eine von privater Seite ausgeführte
Desinfektion wird nur g^z ausnahmsweise als gültig zuge¬
lassen werden können. Besonders wichtig ist die ausdrücklich
ausgesprochene Verpflichtung zur fortlaufenden Desinfektion,
welche auch nicht in beliebiger Weise, sondern nur nach Ma߬
gabe der dem Gesetz beiliegenden Desinfektionsanweisung aus-
gefiihrt werden darf. Abgesehen von der Wäsche, den Kleidern,
den persönlichen Gebrauchsgegenständen und dem Wohnzimmer
des Kranken sind bei der Desinfektion besonders zu berück¬
sichtigen: der Nasen- und Rachenschleim sowie die Gurgel-
wässor bei Diphtherie, Genickstarre, Lungen- oder Kehlkopf¬
tuberkulose und Scharlach.
Die Stuhlentleerungen bei Ruhr und Typhus, Urin bei
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
403
Wirkung der Schutzimpfaug gegen Focken bezw. der Injektion
von Behringschein Semm bei Diphtherie, zwei Maßnahmen, die
leider immer noch von den Laien unterschätzt, ja vielfach ver¬
worfen werden und die doch ihren ungeheueren Wert schon
erwiesen haben, noch ehe sie historisch geworden sind.
Bei der Betrachtung dieser natürlichen Schutzmaßregeln
tritt es auffällig hervor, dass das Blut für die Autopathie
die wichtigsten Dienste leistet, einmal im speziellen sozusagen
als Vehikel, das die weissen Blutkörperchen an Ort und Stelle
befördert, ferner als Bildungsstätte und Herberge der Anti¬
körper, sodann im allgemeinen als Emährungsflüssigkeit. Mit
vollem Rechte ist das Blut von Alters her als „Safft vor allen
Säfften“*) gepriesen worden. Man hat unbewusst, vielfach auf
grundfalschen Vorstellungen aufbauend, von den angegebenen
Eigenschaften bei allerhand therapeutischen Maßnahmen be¬
sonders in der Wasserheilkunde Nutzen gezogen und so der
Natur ein Geheimnis abgelauscht, die bei allen wichtigen
Lebensprozessen wie bei der Tätigkeit der Organe, beim
Wachstum, der Regeneration, der Zeugung, der Fortpflanzung
usw. einen Ueberschuss von Blut an die entsprechende Körper¬
stelle beordert. Im Volke spielt denn auch die Angst vor
-schlechten Säften“ und das Verlangen nach deren Säuberung
durch die mannigfachsten Blutreinigungsmittel, also der Ge¬
danke, dass ein gutes Blut Hauptbedingung zur Gesundheit
ist, eine gewichtige Rolle. Aber auch für den Mediciner be¬
steht kein Zweifel, dass das Blut das wichtigste Selbst¬
heilmittel der Natur darstellt.
Von dieser Erkenntnis ausgehend hat Prof. August
Bier die Therapie um einen neuen Zweig bereichert, indem
er die Art und Weise, wie die Natur mittels des Blutes heilt,
aufs genaueste beobachtete und nachahmte. Das Neue daran
ist R’eilich nicht das Prinzip. Schon lange wendet man in der
Medicin Eataplasmen, Umschläge, Bäder, Packungen, Eisbeutel
usw. erfolgreich an, und die „ableitenden“ Mittel (Derivantia und
Revulsiva) hat man von jeher mit Vorteil appliziert, freilich
ohne sich bewusst zu sein, dass es die Hyperaemie ist, welche
man durch die angewandten Maßregeln erzeugt bat, und die
an der Heilung Schuld trägt. Gerade das Gegenteil davon
nahm man z. B. zur Erklärung der Wirkung des Eisbeutels
an. In diesem Wirrwarr von Meinungen hat Bier durch seine
Untersuchungen Licht gebracht; ausserdem gebührt ihm und
seinen Schülern das grosse Verdienst, zuerst Apparate zur Er¬
zeugung der heilenden Hyperaemie für alle Teile des Körpers,
auch solche, durch die es möglich ist, mehrere Personen zu-
*) In Christian Heinrich Posteis Sin^piel „Die Gross Mutbige Tha-
lestris* 1690.
gleich den hyperaemisierenden Faktoren auszusetzen, angegeben
zu haben.
Man hat zwei Arten von Hyperaemie zu unter¬
scheiden: eine aktive, wenn in einen Körperteil mehr ar¬
terielles Blut zuströmt und abfliesst, als es normalerweise der
Fall ist (arterielle Hyperaemie), eine passive, wenn der Ab¬
fluss des Blutes durch die Venen gehemmt wird (venöse
oder Stauungshyperaemie). Um eine aktive Hyperaemie her-
vorznrufen, braucht man nur die Muskeln anzustrengen, zu
reiben, massieren oder zu elektrisieren oder „hautrötende“ Mittel
zu applizieren, doch tritt bei letzteren, da sie entzündungser¬
regend wirken, nur im Anfang eine aktive, später eine passive
Hyperaemie ein. Das Mittel par excellence, eine arterielle
Hyperaemie zu erzielen, ist die von alters her dazu angewandte
Wärme, sei es in Form von Priessnitzschen-, Brei-, Moor¬
oder Schlaramumschlägen, als heisses Sandbad, durch Belich¬
tung, durch Thermophore, sei es als heisse Luft. Es ist theo¬
retisch klar und von Bier praktisch erwiesen, dass die Appli¬
kation der heissen Luft das beste Mittel zur Erreichung des
vorliegenden Zweckes ist, da man in dieser Form die weitaus
höchsten Wärmegrade (über 100® C.) auszuhalten vermag.
(Fortsetzung folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medidnisi^ Gesellsehaft.
Sitzung vom 11. Juli 1906.
Vor der Tagesordnung:
Muskat: berichtet über einen Fall von isolierter Fraktur
eines Sesambeins der grossen Zehe.
Lassar: demonstriert einen Patienten, bei dem ein be-
ginnende.s Cancroid der Nase allein durch innere Arsendarreichung
zur völligen Ausheilung gebracht worden ist.
Weiter zeigt er ein Kind mit generalisierter Vaccine. Die
Impfung war vorgenommen worden bei nicht völlig abgeheiltem
Ekzem. Die Generalisation erfolgt nur in der ersten Woche, wo
die Immunität noch nicht eingetreten ist. Therapeutisch hat sich
ausgezeichnet die Behandlung im rot belichteten Zimmer bewährt.
Eine weitere Demonstration betrifft einen Fall von Xeroderma
pigmentosum. Wie gewöhnlich bei dieser Krankheit, ist auch bei
dem vorgestellten Mädchen eine familiäre Disposition vorhanden.
Die Haut des Gesichts und der Hände und Arme zeigt zahlreiche
Gefässectasien und brännliche Pigmentflecke. Auf dem Boden
Typbus, die eiterigen Absonderungen und Verbandmittel bei
Kindbettfieber, Körnerkrankheit, Milzbrand und Rotz.
Da der Polizeiverwaitung die Pflicht auferlegt ist, regel¬
mäßig nnd sorgfältig über die Desinfektion zu wachen^ so ist
in Aussicht genommen, im Einverständnis mit den Aerzten evtl,
einen Desinfektionsanfseher mit der Ueberwachung der Des¬
infektion zumal bei kleinem und unwissenden Leuten zu be¬
auftragen. Eventl. würden auch geeignete Desinfektionsmittel
umsonst an bedürftige Leute abgegeben werden.
Da auch für die Aufbewahrung nnd Bestattung der Leichen
das Gesetz bei Diphtherie, Ruhr, Scharlach, Typhus, Milzbrand
and Rotz die Möglichkeit besonderer Vorsichtsmaßregeln zu¬
lässt, 80 werden in geeigneten Fällen Leichen von Infektions-
kranke schleunigst aus der ..engen Wohnung weggeschafft, die
Ueberfuhrung von solchen Leichen aus dem Hospital in die
Wohnung verhindert und schliesslich den Schulkindern der
Zutritt zum Sterbehaus und die Beteiligung an dem Begräbnis
in geeigneten Fällen verwehrt werden können. Als notwendige
Ergänzung zu diesem polizeilichen Einschreiten wird es erfor¬
derlich sein^ dass wir demnächst in Köln über würdige und
geeignete Leichenhallen verfügen. Es sind zwei solcher Leichen¬
hallen bereits im Plane begriffen.
Die weiteren Bestimmungen des Gesetzes betreffen die
Regelung des Verfahrens und die Angabe der zuständigen Be¬
hörden, weiter die Frage der Entschädigung und Kosten, die
durch das Gesetz veranlasst werden, und zum Schluss die
Strafvorschriften.
Bezüglich der Kosten mag nur soviel als für die Aerzte
besonders interessierend mitgeteilt werden, dass die Kosten der
Ermittlung der Krankheiten der Staatskasse zufallen; darunter
fallen hauptsächlich die Entschädigungen für die amtsärztlichen
Ermittlungen und die eventl. erforderliche bakteriologische
Untersuchung.
Den Gemeinden fallen zu: die Bereitstellung geeigneter
Transportmittel und geeigneter Krankenräume für Infektions¬
kranke; ferner die Kosten der Desinfektion und die Kosten der
besondern Vorsichtsmaßregeln für Aufbewahrung, Einsargung,
Beförderung und Bestattung von Leichen, falls der Betroffene
bezw. der für ihn Zahlungspflichtige ohne Beeinträchtigung des
für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten
nicht tragen kann. Wohlhabende werden aber auf alle Fälle
selbst die Kosten der Desinfektion und der besondern Vor¬
sichtsmaßregeln gegenüber Leichen und die Kosten einer
eventuellen Absonderung zu tragen haben. Die Gemeinden
haben ferner die Entschädigung für vernichtete oder infolge
der Desinfektion beschädigte Gegenstände auf Antrag zu ge¬
währen mit der Einschränkung, dass der Anspruch auf Ent¬
schädigung wegfällt, wenn der Antragsteller den Verlust ohne
Beeinträchtigung des für ihn und seiner Familie notwendigen
Unterhalts zu tragen vermag. (§ 14 und 34.) (Schluss folgt.)
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404
MBDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 30.
der degenerierten Haut entwickeln sich meist maligne Tumorert,
im vorliegenden Falle multiple Carcinome. In letzter Zeit hat
sich die Radiumbehandlung ausgezeichnet bewährt gegen die se¬
kundären Tumoren. Die Pigmentflecke werden in der Weise be¬
handelt, dass sie ganz leicht und fast schmerzlos mit dem eben
erwärmten Paquelin bestrichen werden; dabei werden die Flecke
wie wegradiert.
Diskussion:
Baginsky: betont, dass auch Ekzeme bei Geschwistern zu
impfender Kinder zur Vorsicht mahnen; gelegentlich kann auch
durch deren Vermittlung eine Generalisation erfolgen. Die Ver¬
breitung der Impfpusteln auf die Genitalien bei kleinen Mädchen
kann zu gewaltigen Geschwärsbildungen führen.
Tagesordnung:
Nagelschmidt: Heber lokale Blutbefunde.
Eine Aenderung der lokalen Veränderung der Blutmischung
kann durch chemische Reize, Hitze, Kälte, Stauung etc. herbeige-
lührt werden. Er hat die Veränderungen bei pathologischen Ver¬
hältnissen studiert, in letzter Linie beim Lupus. Im Lupusknoten
findet sich eine starke Vermehrung der Lyinphocyten, während die
Zahl der eosinophilen Zellen normal ist. Die Grösse der roten
und weissen Blutzöllen ist im allgemeinen und lokalen Blutbefund
gleich. Beim Lupus erythematodes findet sich in gleicher Weise
eine Vermehrung der Lymphocyten. Der Herpes zoster zeigt eine
lokale Polynucleose. Die Lepra bietet keine charakteristischen
Veränderungen. Ebensowenig der Primäraffekt bei Lues. Dagegen
findet sich bei Lues II und III eine Vermehrung der mononucleären
Elemente und die Lymphocyten erscheinen grösser. Nach der
Behandlung mit Finsenlicht zeigt der Lupusknoten eine Abnahme
der Lymphocyten. Die Uebereinstimmung von lokalen und allge¬
meinem Blutbefund besagt nichts. Lokale Lymphooytenvermehrung
spricht für eine tuberkulöse Erkrankung, lokale Vermehrung der
grossen mononucleären Zellen für Lues. Gegebenenfalls können
diese Verhältnisse differential diagnostischen Wert bekommen.
Manuil Perosner (a. G.): Ueber die sekretorische Funktion
der Bauchspeicheldrüse.
I. Elxperimentelle Untersuchungen über den Einfluss seelischer
Vorgänge auf die Sekretion des Pankreas.
Die Versuche wurden angestellt an einem Hunde mit einer
Pankreasfistel nach Pawlow. Hielt man dem Hunde nach einer
längeren Hungerszeit ein Stück Fleisch vor, ohne es ihm gleich
zu geben, so geriet er in grosse Unruhe. Dabei erfolgte eine
sehr reichliche Sekretion des Pankreassaftes. Während einer reich¬
lichen Mahlzeit sezemierte das Pankreas dauernd Saft; die Se¬
kretion versiechte aber bald, wenn man dem Hund während des
Fressens eine Katze nahe brachte, und zwar war die Sekretions-
Störung eine so gründliche, dass auch eine neue Mahlzeit sie nicht
wieder anzuregen vermochte innerhalb einer längeren Zeit. Ebenso
bewirkte sexuelle Erregung eine absolute Hemmung der Sekretion;
und hier dauerte dieselbe erhebliche Zeit, wenn dem sexuellen Be¬
dürfnis keine Befriedigung geboten wurde. Diese Versuche zeigen
den dominierenden Einfluss seelischer Vorgänge auf die Drüsen¬
funktion.
II. Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss ver¬
schiedener Mineralwässer auf die Sekretion des Pankreas.
Die Versuche wurden an einem Hund mit Fistel nach Paw¬
low mit verschiedenen Wässern, Vichy, Wiesbadener, Friedrichs¬
haller etc. angestellt. Im Vergleich zu Leitungswasser wirken die
Kochsalzwässer stark fordernd auf die Sekretion des Pankreassaftes,
ebenso kohlensäurehaltige wie Selters. Karlsbader Sprudel hatte
dieselbe Wirkung wie Leitungswasser. Einen deutlich hemmenden
Einfluss üben die alkalischen Wässer wie Vichy und die Bitter¬
wässer wie Hunyadi Janos. Die vermehrten Saftmengen bei den
Koch.salzquellen haben eine geringere fermentative Kraft.
F r an k: Ueber Behandlung von Frakturen nach Bardenheuer.
Bei der Frakturenbehandlung ist die anatomische und funk¬
tioneile Wiederherstellung zu erstreben. Dass die erstere sehr oft
zu wüQ.schen übrig lässt, haben die ausgedehnten Röntgenunter¬
suchungen ergeben. B. vertritt den Standpunkt, dass eine sofortige
Reposition der Bnichenden nur in einer beschränkten Zahl von
Fällen möglich ist; durchgängig ist ein Ausgleich der Verschiebung
der Bruchenden, deren Grad abhängig ist von der Entstehnngsart
des Bruches, von der Schwere des peripheren Bruchgliedes, vom
Muskelzug nur allmählich möglich. Diese allmähliche Reposition
wird am besten gewährleistet durch die Extension; sie muss aber
frühzeitig einsetzen, bevor die elastische Retraktion der Muskulatur
zu stark geworden ist. B. übt die Extension aus mittels Heft¬
pflasterverbänden; der Zug wird ausgeübt durch Gewichte, die
aber wesentlich schwerer genommen werden, als sonst üblich (beim
Oberschenkel z. B. 40—50 Pfd.) und durch Federvorricktungen.
Wesentlich ist weiter, dass der Zug in verschiedenen Richtungen
je nach Form der Dislokationen der Brucbenden, einwirkt. Diese
allmähliche Reposition ermöglicht eine genaue anatomische Adap¬
tierung der Fragmente und eine Heilung mit geringer Callusbildung
und Verhütung einer Pseudarthrose. Bei Gelenkbrüchen bietet
der Zug die beste Entlastung des Gelenkes und sichert damit die
gute Wiederherstellung der Funktion. Der Erfolg dieser Be¬
handlungsmethode wird an einzelnen Patienten demonstriert. Eine
Reihe von Bildern zeigen die verschiedene Anordnung der Ver¬
bände, und Röntgenbilder den allmählichen Fortschritt der Adap¬
tierung der Fragmente bei der Zugbehaudlung.
Österreich.
Verein deutscher Aenete in ^ag.
Sitzung am 26. Januar 1906.
Alfred Kohn: „Nervenzellen und Nervenfaser“.
Der Kernpunkt des Neuronenlebens besteht darin, dass das
gesamte Nervensystem aus genetisch und anatomisch getrennten
Zellindividuen aufgebant sein soll, deren jedes sich aus Nerven¬
zelle, Nervenfaser und Endbäumchen zusammensetzt. Der Vortragende
schilderte zunächst den Entwicklungsgang der Neuronlehre. Ihre
Grundlagen sind: der direkte Zusammenhang von Ganglienzeile
mit Nervenfaser; die Bidder-Kupffersche Ausbruchtheorie (ftlr die
motorischen Nervenfasern); das Wallersche Gesetz; His - Lehre
von der einzelligen Entstehung der sensiblen Nervenfasern; die
Golgibilder der nervösen Elemente. Darauf folgt die Kritik der
Neuronenlehre.
Gegen die Diskontinuität (Kontakt) der nervösen Elemente
kehren sich die Ergebnisse der Fibrillenmethoden. Wenn sie auch
die Kontinuität nicht einwandsfrei beweisen konnten, haben sie
doch die „Endbäurachen“ als Trugbilder entlarvt und damit der
Neuronenlehre eine ihrer Hauptstützen entzogen.
Gegen dio Lehre von der genetischen Einheit des Neurons,
gegen die Ausläuferbheorie, wendeten sich die Anhänger der Zell¬
kettenlehre. Alle peripherischen Nerven enthalten vor allem An¬
fänge der Zellen nervösen Ursprungs. Diese sind als Bildungs-
zellen der Nervenfasern anzusehen und bleiben als sogenannte
„Schwannsche Kerne“ dauernde Bestandteile der einzelnen Nerven.
Auch die Neubildung abgetrennter peripherischer Nerven wird
von diesen Zellen (Neurocythen) angebahnt. Sie bauen das ana¬
tomische Substrat auf, aus welchem durch die funktionelle Inan¬
spruchnahme (na(fli wiederhergestellter Verbindung mit dem Zen¬
trum) der vollkommen differenzierte Nerv hervorgeht.
Die Regenerationsfähigkeit zentraler Nervenfasern dürfte auf
das Pehlen der Neurocythen zurückzuführen sein. Ferner spricht
das Vorhandensein peripherischer (motorischer) Nerven bei hoch¬
gradigem Defekte der entsprechenden Rückenmarksabschnitte
(Amyelie) für die „trophische“ Unabhängigkeit der peripherischen
Nerven.
Der Vortragende kommt zu dem Schluss, dass die Neuronlehre
unhaltbar sei. Den willkommenen Namen „Neuron* mag man
für die funktionellen nervösen Einheiten, als welche sich Ganglien¬
zelle und Nervenfaser erweisen, immerhin gebrauchen. Die Phy¬
siologie und Pathologie bleiben von den geschilderten Wandlungen
theoretischer Anschauungen über den elementaren Aufbau des
Nervensystems vorläufig ganz unberührt.
Sitzung am 9. Februar 1906.
G. Salus.’ „Erfahrungen über Diabetes und Glyko-
surie“*
Nach einleitenden Worten über die bei Anwendung der Ny¬
landerproben gebotenen Vorsicht, be.spricht Verf. den Unterschied
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1906.
ICEDICINISCHE WOCHE.
i05
swischen Diabetes and Glykosurie nnd entwickelt an der Hand
yon 283 Fällen seine Auffassung vom hereditären Diabetes der
Zuokerausscheidnng in der Schwangerschaft und von der Bedeutung
der konkomittirenden Älbuminurie, besonders in prognostischer Hin¬
sicht Zum Schluss wird die Frage der topischen Diagnostik der
Krankheit, sowie die Heilbarkeit des Diabetes besprochen.
0. W—r.
^ericM über üie XV» Versammlung der Deutschen
otologischen Gesellschaft»
Die Versammlung der Dentsohen otologischen Gesellschaft fand
in diesem Jahre unter dem Vorsitz yon Prof. Hartmann-fierlin
am 1. und 2. Juni in Wien statt. Die Präsenzliste wies die Zahl
von 153 Teilnehmern auf. Fürdie nächstjährige Versammlung, welche
in Bremen stattfinden wird, wurden Geh, Rat Prof. Fassow-
Berlin zum Vorsitzenden, Prof. Denker-Erlangen zum stellver¬
tretenden Vorsitzenden, Prof. Kümmel-Heidelberg zum Schrift¬
führer erwählt.
Das Referat über die Laby rintheiterungen erstattete
Herr Prof. Hinsberg -Breslau.
Nach kurzen statistischen Bemerkungen berichtet der Vor¬
tragende zunächst über die pathologische Anatomie der Labyrinth-
eiterungen, speziell der für die Otochirnrgie in Betracht kommenden
InfektioDsarten der Erkrankungen des liabyrinths, welche einer¬
seits vom Mittelohr aus nach traumatischer oder durch entzündliche
Prozesse hervorgerufener Zerstörung der Labyrinthwand, oder an¬
dererseits durch Einbruch eines tiefen Eztraduralabscesses von der
hinteren Pyramidenfläche ins Labyrinth zustande kommen.
Als Prädilektionsstellen für den Einbruch vom Mittelohr ins
Labyrinth haben sich die beiden Paukenfenster, das Promontorium
und der Wulst des horizontalen Bogenganges herausgestellt.
Vortr. glaubt auf Grund seiner Beobachtungen, dass Arrosion
am Bogengang allein als Infektionsweg nicht so stark überwiegt
wie das früher angenommen wurde, dass sie aber doch eine der
häufigsten Infektionsweisen bildet. Von den übrigen Infektions-
stellen scheint ein Durchbrach durch das ovale Fenster am häu¬
figsten vorzukommen, dann eine Zerstörung des runden Fensters
und endlich eine Fistel am Promontorium. Die Vorgänge, die zu
Zerstörungen an der medialen Faukenhöhlenwand führen, sind meist
cariöser Natur, seltener sind anscheinend Nekrosen der Labyrinth¬
wand.
Für die Ausbreitung der Infektion im Labyrinth sind ma߬
gebend Art und Virulenz der Infektionserrreger, Widerstands¬
fähigkeit des Organismus, Lokalisation des Durchbruchs und Ab-
flussbedingungen für den Eiter. Es kann danach zu diffuser oder
zu cirkumskripter Labyrintheiterung kommen. Häufig schreitet
der Krankheitsprozess vom Labyrinth auf die Meningen, und zwar
in der Regel auf dem Wege präformierter Bahnen fort. Als solche
kommen in Betracht: 1. spotane Dehiscenzen an der Kuppe des
hinteren oder oberen Bogengangs, 2. der Nervus acusticus und 3.
die Apuaeducte.
Vortr. bespricht sodann bei der Klinik der Labyrintheiter¬
ungen die Reizsymptome von seiten des statischen Organs sowie
die Ausfallerscheiaungen, welche nach Zerstörung desselben auf-
treten und entwirft ein Bild von dem Verlauf und dem Ausgang
der Erkrankung. Bei der Besprechung der Diagnostik wird die
Untersuchung der statischen Funktion durch statische und dyna¬
mische Prüfungen, sowie die unter allen Umständen vorzunehmende
exakte Hörprüfung genau geschildert.
Was die Prognose anbetrifft, so schätzt Vortr. die Mortalität
der diffusen Labjuinthelterung auf mindestens 15—20Vo'
Bei der Therapie muss das Bestreben jedes auf die Bekämpf¬
ung der Labyrintheiterung gerichteten Eingriffes sein, den im
Labyrinth vorhandenen Entzündungsprodukten möglichst freien
Abzug nach aussen zu verschaffen und andererseits dem Nach¬
schub neuer Infektionserreger vom Mittelohr aus vorzubeugen,
und zwar ist Vortragender der Ansicht, dass man sich in einer
Reihe von Fällen nicht mit einer breiten Freilegung der Mittel-
ohrräume begnügen dürfe, sondern eine möglichst weite Elröffnang
der Labyrinthräume selbst vom Mittelohr aus vornehmen müsse.
Ans einer statistisohen Zusammenstellnng (unter 70 operierten
Fällen 67 Heilungen und 3 Todesfälle) geht nach Ansicht des
Vortr. hervor, dass durch die operative Eröffnung der Labyrinth¬
hohlräume die Sterblichkeit wesentlich vermindert wird und dass
die Operation an sich nur geringe Gefahren mit sich bringt.
Zum Schluss werden die Operationstechnik, die unmittelbaren
Folgen der Labyrintheröffnung und die Nachbehandlung geschildert.
Hr. Herzog-München: Tuberkulöse Labyr intheiter-
ung mit Ausgang in Heilung.
Tuberkulöse Mittelohreiterungen greifen häufig auf das innere
Ohr über. Untersuchungen an tuberkulösen Personen stellten fest,
dass 5 aller männlichen Patienten mit Labyrintheiterungen
behaftet waren. Der Vortr. teilt nun Beobachtungen mit über
den seltenen Verlauf einer tuberkulösen Labyrintheiterung. Es
bandelt sich um einen 43jährigen, hochgradigen Phthisiker mit
doppelseitiger, tuberkulöser Mittelohreiterung. L.: Taubheit, R.:
hochgradig herabgesetztes Hörvermögen; eine begleitende Mastoi¬
ditis erfordert Eröffnung des Warzenfortsatzes rechts. 4 Monate
nach der Operation Ertaubung auch auf diesem Ohre. Nach einiger
Zeit Wiedererscheinen von Hörresten auf dem rechten Ohre; zu¬
erst stückweise, so dass das Hörfeld typische Lücken aufweist;
schliesslich Auftreten einer kontinuierlichen Hörstrecke von der
kleinen Oktave bis nahe an die normale obere Grenze. Subjektive
und objektive Erscheinungen von seiten des Vestibularapparates
fehlten vollkommen. Die klinischen Erscheinungen im Zusammen¬
hänge mit dem makroskopischen Sektionsbeiimde nötigen zu der
Annahme eines Durchbruches der Mittelohreiterung in das Laby¬
rinth durch die Promontorialgegend. — Die histologische Unter¬
suchung steht noch aus.
Hr. Rudolf Pa ns e-Dresden-Neustadt woist von neuem auf
die Wichtigkeit und Möglichkeit der Erkenntnis von Erkrankungen
einzelner Labyrinthteile hin, belegt deren Vorkommen mit mikro¬
skopischen Präparaten. Er empfiehlt, ein von ihm ausgearbeitetos
Schema zur Prüfung zu benutzen xmd möglichst viel genau ge¬
prüfte Qe^ör- und Gleichgewichtsorgane histologisch zu untersuchen.
Hr. Denker-Erlangen: Demonstration einer neuen
Operationsmethode für die malignen Tumoren der
Nase.
Das Vorgehen ist folgendes: Horizontaler Schleimhautschnitt
1 cm oberhalb des Zabnfleischsaumes über dem Weisheitszahn be¬
ginnend, nach vom durch das Frennlum labii superioris hindurch
etwa 1 cm über dasselbe hinaus verlaufend, dann sich nach oben
zum unteren Rande der Apertura piriformis wendend. Zurück-
schiebung der Weichteile nach oben bis zum unteren Orbitalrand,
BO dass die Superficies facialis des Oberkiefers einschliesslich der
Apertura piriformis freiliegt. Von dem Rande der letzteren aus
Abhebolung der Mucosa der lateralen Wand des unteren und
mittleren Nasenganges, Abtrennung der unteren Muschel an
der Crista turbinalis mit starker Schere. Nun Resektion der
facialen Kieferhöhlenwand, eventuell Ausräumung der Kieferhöhle,
Entfernung der knöchernen lateralen Nasenwand.
Bis zu diesem Funkte der Operation lässt sich das Eindringen
von Blut aus der Operationswunde in die Nasenhöhle fast voll¬
ständig vermeiden. Darauf in raschem Vorgehen Ausschneidung
der noch stehenden Mucosa der lateralen Nasenwand einschliesslich
des Tumors, Ausräumung dor Siebbeinzellen und Eröffnung der
Keilbeinhöhle. Tamponade mit Vioforrogaze und primäre Naht
der ovalen Wunde; Nachbehandlung von dem Naseneingang aus.
Vorzüge des Verfahrens: Bei gründlicher Freilegung
de 8 Opera tionsterrains lässt sich die Gefahr derAspi-
rationspneumonie sowie jegliche Entstellung gänzlich
vermeiden.
(Eine eingehende Mitteilung über die Operationsmethode so¬
wie über die operierten Fälle findet sich in der Münchener med.
Wochenschr. 1906, No. 20).
Hr. Zimmermann-Dresden wendet sich gegen die den bis¬
herigen , Lehren zugrunde liegenden Voraussetzungen, dass der
Knochen, in dem das Endorgan liegt, garnicht oder wenig ge¬
eignet sei, Schall aufzunehmen und abzugeben xmd dass immer
nur aus dem Labyrinthwasser die percipierenden Fasern ihre letzten
Impulse erhalten könnten.
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406
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 39.
In diesem Sinne werden zunächst die neuerdings wieder in
einigen Variationen von Bezold vorgebrachten Stimmgabelversuche
besprochen und dann die von Bönuinghaus am Walohr gemachten
Schlussfolgerungen als nicht beweisend abgelehnt. Bönninghaus
hatte ausserdem die von Nagel und Samoyloff angestellten
Versuche als Stütze für. die bisherigen älteren Theorien verwendet
und übersehen, dass diese Versuche schon früher von Zimmermann
in ihren Schlussfolgerungen als unhaltbar zurückgewiesen worden
waren.
Es wird dann näher definiert, wie die Vorgänge bei Massen¬
bewegungen und Molekularbewegungen in beliebigen Punktsystemen
sich vollziehen und daraus nachgewiesen, dass bei der Schallfort-
pfianzung es sich um rein molekulare Bewegxmgen handelt, die als
solche gar keine Verschiebung eines Knöchelchens gegen das an¬
dere oder eines Knöchelchens gegen den Knochen, in den es ein¬
gelassen ist, hervorrufen. Die Kette wird messbar an der Steig-
bügelfussplatte nicht mehr bewegt als der Knochen des Promon¬
torium. Dieser ist in letzter Instanz immer die letzte Etappe des
zu den Fasern zutretenden SchaUs.
Es wird dann noch daran erinnert, dass dieser Weg bei direk¬
ter Zuleitung des Schalls auf den Knochen selbstverständlich
noch mehr der einzig wirksame ist, dass aber überdies beim Äui-
setzen einer tönenden Stimmgabel auf die Schädelkapsel in dieser
noch stehende Schwingungen ausgelöst werden.
Der zweite Teil des Vortrags beschäftigt sich mit den
Leistungen des Labyrinthwassers, das nur die notwendige
Elnbettuugsflüssigkeit ist und für die Schallzuleitung gar keine
Rolle spielt, besonders nicht wie Bezold sich die Spiral¬
bewegungen zwischen den beiden Fenstern denkt. Ausserdem
bietet das Labyrinthwasser die Möglichkeit, die Druckzustände im
Labyrinth auf das Feinste zu beeinflussen. Jede Erhöhung des
hydrostatischen Druckes führt zu einer Schwingungsdämpfung der
Fasern und nicht zu einer Schwingungsanregung, wie man sich
das früher vorstellte. Es werden diese Wirkungen kurz skizziert.
Hr. G. Alexander-Wien demonstriert an 70 Diapositiven
die Entwicklung, normale, vergleichende und pathologische Ana¬
tomie (mit Ausschluss der entzündlichen Erkrankungen) des Vesti-
bularapparates. (Fortsetzung folgt.)
Kongressbericht.
23. Konffre»8 für itmere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Herr Schlay er - Tübingen: Experimentelle Studien über
toxische Nephritis.
Schlayer hat beim lebenden, nephritisch gemachten Tier
die Punktionsfähigkeit der Nierengefässe, die Diurese und den
Blutdruck geprüft und zwar in allen Stadien von durch verschiedene
Gifte erzeugter Nephritis unter Berücksichtigung des pathologisch-
anatomischen Befundes. Es zeigt sich, dass die funktionelle Prüfung
ermöglicht, zwei scharf voneinander getrennte Formen des funk¬
tionellen Ablaufes bei akuter e-xperimenteller Nephritis zu unter¬
scheiden: eine vaskuläre, primär an den Nierengefässen — nicht
nur den glomerulis — angreifende, und eine tubuläre, primär
an den Kanälchen-Epithelien einsetzeude, mit vermehrter Nieren-
getässtätigkeit verbundene. Bei letzterer tritt sekundär ebenfalls
eine funktionell nachweisbare Gefässschädigung auf, die jedoch
fast nur die Dilatationsfähigkeit betrifft.
Zur ersten Art gehören Diphtherietoxin, Arsen, Cantharidin;
zxir zweiten Art Chrom, Sublimat.
Zylinderbildung hat nichts mit Gefässschädigung zu tun.
Ei Weissausscheidung kommt auch ohne Nierengefässalteration
zn stände.
Die Wasserausscheidung ist völlig abhängig vom Zu¬
stand der Gefässe und zwar auch hoi tubulären Nephriditeu. Die
\ erstopfimg der Harnkanäluhen durch Zylinder spielt daneben so
gut wie keine Rolle.
Der Blutdruck ist in den Endstadien der tubulären Nephri-
diten hoch, in denen der vaskulären niedrig.
Herr Franz Groedel m-Nauheim; a) Demonstration
einer neuen Zeichenvorrichtung für Orthodiagraphen.
An dem zu demonstrierenden Orthodiagraphen ist ein mit der
Marke des Normalstrahles zwangsläufig verbundener Schreibstift
angebracht, mit welchem man das Orthodiagramm direkt auf eine
Ebene aufzeichneu kann, welche ausserhalb des zwischen Röhre
und Leuchtschirm befindlichen Raumes angebracht ist. Ferner
kann man nach der eigentlichen Orthodiagrammaufnahme ein parallel
projiziertes Schattenbild des Oberkörpers und die wichtigen Orien¬
tierungspunkte desselben auf das nämliche Zeichenpapier über¬
tragen, zu welchem Zweck der Schirm resp. die Marke durch einen
Pührungsstift ersetzt wird.
Diskussion: Herr Moritz-Giessen: Technische Bemer¬
kungen.
b) Demonstration einer Vorrichtung zur Ruhig¬
stellung des Patienten während der Orthodiagramm¬
aufnahme.
Bei der Aufnahme eines Orthodiagrammes ist es nötig, dem
zu Untersuchenden gewisse Stützpunkte zu geben, um jede Ver¬
änderung der einmal eingenommenen Lage zu vermeiden. Bei
dem vorzuführenden Apparat wird dies durch dem Brustkorb direkt
anliegende Pelotten erreicht. Um das Instrumentarium möglichst
zu vereinfachen, sind diese Bruststützen an einem Gestell ange¬
bracht, welches gleichzeitig auch als Stuhl oder Tisch dient
Herr Thilenius-Soden a. I.: Demonstration einer neuen
Zentrifuge mit hoher Tourenzahl und zuverlässigem Tourenzähler
und ihre Anwendung.
Herr Weisz-Karlsbad: Die Untersuchung des Dick¬
darms bei Neugeborenen.
Herr G r e m e r - München demonstrierte im Physiologischen
Institut unter Anwendung eines neuen Verfahrens der Ableitung
(cf. die Mitteilung in der Festnummer der Med. Wochenschr.) die
Aktionsströme des menschlichen Herzens mif Hilfe des grossen
Einthovenschen Saiten vanometers. Die Ableitung geschah
derart, dass die Versuchsperson (ein Degenschiucker von Beruf)
zwei passende Elektroden aus Feinsilber verschluckte und im
Oesophagus in bestimmter Höhe einstellte. In den Stromkreis
waren sehr grosse Kapazitäten (ca. 50 Mikrofarad) eingeschaltet,
die als automatischer Kompensator für die Ungleichartigkeiten
der Elektroden wirkten. Das Fadenbild wurde bei etwa 1000-
facher Vergrösserung auf einem weissen Schirm projiziert, Ausser¬
dem wurden vom Vortragenden mehrere Arten von ableitenden
Elektroden, ein besonders einfaches Modell des Seitengalvanometers,
ein Transformator für Aktionsströme etc. vorgeführt.
4. Sitzungstag.
Herr A. Bickel-Berlin: Experimentelle Untersuch¬
ungen über die Magensaftsekretion beim Menschen.
Der Vortr. teilt neue Beobachtungen über die Magen¬
saftsekretion beim Menschen mit. Derselbe hatte Gelegenheit
ein 23jähriges Mädchen, dem eine Magenfistel und obendrein eine
Speiseröbrenfistel angelegt worden war, zn untersuchen. Er fand
dabei, dass der Magen auf verschiedene Reize, besonders aber auf
Geruch- und Geschmacksreize bereits mit einer Bildung von Magen¬
saft antwortete. Bei der sogen. Scheinfüttening, bei der die Speisen
gekaut und geschluckt werden, aber nicht in die Magenhöhle ge¬
langen, sondern durch die Speiseröbrenfistel nach aussen entleert
werden, überdauert die Magensaftbilduug die Scheinfütterung lange
Zeit.
In dem reinen menschlichen Safte konnte Bickel die früher
von ihm im Hundemagensaft entdeckten kleinsten Körperchen
aachweisen, die nur mit dem Ultramikroskop sichtbar zu machen
sind. Ferner fand er, dass der menschliche Magensaft einen sehr
viel höheren prozentualen Salzsäuregehalt hat, als man früher
annabm. Dieser; Salzsäuregebalt ist ausserdem relativ konstant.
Im Gegensatz dazu ist die Menge des produzierenden Saftes grossen
Schwankungen unterworfen. Die Sekretmenge hängt von ver¬
schiedenen Momenten: Wasser- und Chlorgehalt des Körpers,
psychische und gewisse andere nervöse Momente u. dergl. m. ab.
Alle diese Beobachtungen deuten daraufhin, dass das Krankbeits-
bild der Hyperazidität, d. h. die zu grosse Säurebildung im Magen,
auf andern Ursachen beruht, als man bisher annahm. Wahr-
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1906.
MEDlCHTISCHE
4OT
scheinlioh liegen ibm Störongen in der Qoantit&t des sezernierten
Saftes und Bewegungsstörungen des Magens zu Grunde, Auch
die Lehre von der Subazidität, d. h. zu geringer Säurebildung im
Magen, bedarf einer Revision, denn im Hinblick auf diese Krank¬
heit konnte Bickel feststellen, dass die Magenschleimhaut unter
gewissen pathologischen Verhältnissen mit einer erstaunlichen
Zähigkeit an dem normalen prozentualen Salzsäuregehalt des von
ihr gebildeten Saftes festh^t und eine Verminderung desselben
nicht zulässt.
Diskussion: Herr £ b s t e i n - Göttingen stellt die Frage, ob
bei den Untersuchungen die histologischen Verhältnisse der l^en-
drösen hinlänglich verfolgt worden seien, und weist auf seine und
Heidenhains frühere Untersuchungen der MagendrOsenzellen
hin. Der Vortragende bejaht dies.
Herr Raab-München: Beitrag zur f unktionellenDiag-
nose beginnender Kreislaufstörungen.
Der Vortragende schildert zunächst die Unmöglichkeit aus
dem Orthodiogramme eine Herzerweiterung erkennen zu können,
da auch innerhalb der als normal angegebenen Herzgrössen Er¬
weiterungen bestehen können. Auch seine Versuche, die nach
Anstrengung (Kniebeugen) auftretende Herzumfangsvergrüsserung
als untrügliches Zeichen der Herzschwäche festzustellen, misslangen,
da aus näher erörterten physiologischen Gründen auch kranke
Herzen sich nach Anstrengung nicht erweitern, ja sogar verengern
können, wie gesunde. Redner betrachtet als normales Maß der
individuellen Herzgrösse die rechte Faust, welche er in der Figur
einzeichnet. Er fand dabei, dass Ueberschreiten der Faustgrösse
seitens des Herzumfanges um 1 cm nach beiden Seiten keinen
völlig normalen Verhältnissen mehr entspricht, also entweder
Hypertrophie oder Dilatation bedeutet. Beide Zustände ausein-
ander zu halten ist nur daun möglich, wenn man berücksichtigt,
dass die Hypertrophie an sich einen abgeschlossenen Krankheits¬
prozess, sofern ein solcher vorhanden war, verstellt und ihre Träger
oft zu enormen körperlichen Leistungen befähigt, für die Diagnose
also nicht wesentlich in Betracht kommt, während nach dem Satze
Albrechts: „Keine Dilatation ohne motorische Insofßziens*^, bei
Herzschwächezuständen, sofern solche nachzuweisen sind, die vor¬
handene Herzumfangsvergrössemng sicher zum Teile einer Herz¬
erweiterung entspricht. Die weiteren Erkennungszeichen der Herz¬
schwäche findet Redner in der Betonong der 2. Herz- und Ge-
fässtöne (Untersnohung im Liegen und Stehen unbedingt erforder¬
lich) in den gezogenen I. Tönen, den akzidentellen Geräuschen, be¬
sonders auch, wenn sie nach dosierter Anstrengung (Kniebeugen)
anftreten usw., ferner in den Pulsbildem, welche sich namentlich
nach Anstrengung präsentieren, als auffallendes Unregelmäßig werden,
Kleinerwerden der Fulshöhe statt Grösser-, Ungleichmässigwerden
des sistolischen, ja auch des diastolischen Kurvengipfels oder Auf¬
treten von starker Dikrotie (Schleuderpuls) usw. Redner geht auf
die Blutdruckmessung über als zahlenmäßiger Ausdruck für den
motorischen Kraftaufwand des Kreislaufapparates und die Mög¬
lichkeit, Einsicht zu gewinnen in die richtige oder unrichtige Blut-
verteüung, mittels Messung, mit Gärtner und Riva Rocci zu gleicher
Zeit, wobei Gärtner den Kapillardruck (Nachweis Münch, med.
Wochenschr. 1905, No. 50) Riva Rocci den Aortendruck angibt.
Unter Angabe der für seine Instrumente gefundenen normalen
Blutdruckdurchschnittswerte gibt Redner kurze Beispiele allge¬
mein erniedrigten und allgemein erhöhten Blutdruckes (Hochdruck¬
stauung nach Sahli), erwähnt ferner Fälle, in denen abnorm er¬
höhter Kapillardruck und abnorm erniedrigter Aortendruck besteht
oder umgekehrt als Zeichen gestörter Blutverteilung, beziehungs¬
weise als Anzeichen von BlutgefäUsstÖrungen aus dem arteriellen
in das kapillare Gefässgebiet. Die Messungen der Pulsdruckhöhe
vor und nach dosierter Arbeit mittels Riva Rocci haben ergeben,
dass bedeutende Herzschwäche geringe oder keine Drucksteigerung
ergab (ja selbst Absinken des Druckes), die mit der Besserung
der Insuffiziens zunahm, dass dagegen geringe Insuftiziensgrade
mit gut erhaltenem Herzmuskelzustand starke Steigerungen der
Druckhöhe gaben, welche mit Besserung des Zustandes sukzessive
abnahmen. Die Bestimmung des systolischen nnd diastolischen
Blutdruckes nach Strasburger vor und nach dosierter Arbeit
und die Berechnung des sogen. Blutdruckquotienten orientieren in
erster Linie über die Abflusswiderstände in das Kapillargebiet
imd lassen Herzarbeit und Ge^swiderstände in ihrer Teilnahme
an der Herstellung der maximalen Blutdruckswerte differenzieren.
Redner hat nun gerade aus dem Kleinerwerden statt Grösserwerden
des Quotienten durch dosierte Anstrengung die abnorme Vermehrting
der peripheren Abflusswiderstände als TJrsadie beginnender
Kreislaufstörungen feststellen können, wobei auch als weiteres ob¬
jektives Zeichen eine Verkleinerung der Polskurve statt Ver-
grösserong derselben sich nidit nachweisen liess. Die Messungen
werden vorgenommen im Stehen, links Armschlauch von Riva
Rocci, rechts Jaquets Pulszeichner nnd Untersuchung vor und
nach 20 Kniebeugen.
Beispiele mit Fulskurven erklären zum Schlosse die ganze
Art der oben geschilderten Diagnoseustellong. (Fortsetzung folgt.)
Bücherbesprechung.
Maximilian Bresgen -Wiesbaden. Die Knrmittel Wies¬
badens bei Erkrankungen der Atemwege auch
während der Wintermonate. Dritte Auflage. Wies¬
baden, Moritz und Münze!, 1906.
Verf., der durch seine zahlreichen verbreiteten Schriften über
Nasen-, Rachen- und Halskrankheiten und deren Erscheinungen
und Bedeutung schon viel bekannt ist, will in diesem kleinen, kaum
zwei Druckbogen umfassenden Vademecum eine Erklärung der
Kochsalzbrunuenkur in ihrer Wirkung au Ort und Stelle geben;
er lässt jede überflüssige Arabeske weg und begnügt sich mit der
objektiven Wiedergabe der bisherigen zahlreichen Befunde der
Wiesbadener Kur-Geschichte und mit der Wiedergabe seiner lang¬
jährigen Erfahrungen, ohne jemals zu eindringlich zu werden.
Bloss dort, wo es gilt, den Deutschen an die reichen Gaben seines
eigenen Bodens zu erinnern, wo es gilt ibm den reichen Schatz
gerade der Wiesbadener Quellen für die Winterkur und den winter¬
lichen, ausgesuchtesten und den jedem einzelnen Geldbeutel an¬
gepassten Komfort Wiesbadens ins rechte Licht zu rücken, da
greift er mit lebhafter Ueberrednng ein, nnd das mit vollem Rechte,
denn sicherlich ist es an der Zeit, dass erstens das Vorurteil zn-
rUcktritt, man müsse bei Katarrhen, namentlich der Atmungswege,
erst auf den sonnigen Frühling warten nnd zweitens, dass endlich
die Deutschen durchweg mehr und mehr von der zweifellos über¬
triebenen und mehr auf Ueberlieferung und Einbildung beruhenden
Gewohnheit abkommen, den „Winterbummel nach dem Süden** zu
richten.
Wie sich Bresgeu rein empirisch und rein deduktiv die Wirkung
des Kochbrunnens und seiner Methodik, wohlverstanden seiner Metho¬
dik, denkt, das nachzulesen, dürfte ein nettes Stück Kurzweil nnd
Belehrung sein; darum hat dieses Schriftchen ein weitgehendes
Interesse. A. R.
Hoffa, Albert Lehrbuch der orthopädischen
Chirurgie. Fünfte Auflage. 880 S., 870 Abb. Stuttgart,
Enke, 1905.
An dem dauernd wachsenden Lehrbuche, das wohl in allen
Aerztekreisen als Nachschlagewerk und nicht minder als grund¬
legender Bericht über den jeweiligen Stand der Orthopädie ange¬
sehen und hochgeschätzt ist, kann man die Fortschritte ersehen,
den die an sich noch junge Specialwissenschaft von Jahr zu Jahr
macht. Eine besondere Empfehlung dem vortrefflichen Werke
auf den Weg zu geben, erscheint wohl überflüssig, wünschenswert
wäre es, dass jeder Praktiker dem Inhalt, im Interesse seiner
Klientel, regste Anteilnahme zeigen würde. Die neuen Operations¬
methoden, welche zu weiteren Versuchen ermutigen, werden unter
Innehaltung strengster Kritik, zu guten, segensreichen Erfolgen
führen. Muskat-Berlin.
Fr. Quermonprez. Etndes snr le traitement des
fractures des membres. Paris, J. Rousset, Editeur, 1906.
Das umfangreiche Werk, das einen Teil Unfallschirurgie dar¬
stellt, behandelt die verschiedenen Behandlungsmethoden der Frak¬
turen mit besonderer Berücksichtigung ihrer historischen Entwick¬
lung. Höchst anschauliche zahlreiche (235) Abbildungen schmucken
den Text. Eine Uebertragung des Werkes ins Deutsche wäre
zu wünschen. H. E., Berlin.
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408
IfEDIGINISCHE WOCHE.
Nr. 89.
Vermischtes.
Einweihungs-Feier des Instituts für Krebsforschung zu
Heidelberg uud Frankfurt a. M. am 25. bis 27. September.
Heidelberg, Montag, den 24. September, abends
9 Uhr: Zwanglose Zusammenkunft der Teilnehmer in Heidelberg
im Arturshof (Hotel Lang).
Dienstag, den 25. September, vormittags IOV 2 Uhr:
Festsitzung in der Aiila der Universität (Gesellschaftsanzug). Zu
dieser Festsitzung haben die Höchsten Herrschaften ihr Er¬
scheinen zugesagt. Ansprache des Prorektors Prof. Dr. Troeltsch.
Ansprache des Vorsitzenden des Zentralkomitees für Krebs¬
forschung, Geh. Medicinalrat Prof. Dr. v.Leyden. Begrtissung der
Teilnehmer durch Exzellenz Prof. Dr. Czerny. Bericht über
die Internationale Konferenz für Krebsforschung von Prof. Dr.
George Meyer. Ansprache der Vertreter der Behörden. Be¬
sichtigung des neuen Institutes für Krebsforschung.
Nachmittags 3 Uhr: Vorträge (Sitzungssaal wird noch be¬
kannt gegeben): Geh. Medicinalrat Prof. Dr. v. Leyden: Ueber
dasProblem der kurrativeoBehandlung derCarcinome des Menschen.
Exzellenz Prof. Dr. Czerny: Ueber unerwartete Krebsheilungen.
Dr. Freiherr v. Dungern-Heidelberg: Verwertung spezifischer
Serumreaktionen für Carcinomforschung. Dr. R. Werner-Heidel-
berg: Zur Genese der Malignität der Tumoren. Dr. Fromme-
Halle: Demonstration über das Verhalten der Mastzellen beim
Carcinom (mit Projektionen). Prof. Dr. Gol dm a nn-Freiburg :
Die Beziehungen der Carcinome zu den Geftlssen (mit Projektionen).
Prof. Dr. Völeker-Heldelberg: Demonstration von Magen- und
Darmkrebsen. Dr. v. Wasiel e wski-Heidelberg: Thema Vor¬
behalten. Dr. Le w isohn-Heidelberg: Zur Behandlung maligner
Tumoren mit Röntgenstrahlen.
Abends: Bengalische Beleuchtung der beiden Brucken sowie
der Neckarufer, daun 8*® Uhr: Fahrt nach Frankfurt, Ankunft
daselbst 9®® Uhr (oder Abfahrt am 26. September morgens 8® Uhr,
Ankunft in Frankfurt 9*® Uhr).
Frankfurt amMain. Mittwoch, den 26. September,
vormittags 10 Uhr: Begrussung der Teilnehmer durch Geh. Med.-
Rat Prof. Dr. Ehrlich. Bericht über die Untersuchungen des
Institutes für experimentelle Therapie. Demonstration der Prä¬
parate der Sammlung des Instituts für experimentelle Therapie (in
Gemeinschaft mit Dr. Apolant). Vorträge: Prof. Dr. Herx-
heimer und Dr. Hübner-Frankfurt: Ueber die Röntgentherapie
der Hautcarcinome mit Demonstrationen behandelter Fälle aus dem
Lichtheilinstitut der Hautkrankenstation. Prof. Dr. Spiess-
Frankfurt: Experimentelle Heilversuche an Mäusecarcinomen.
Nachmittags 3 Uhr: Prof. Dr. Henke-Charlottenburg: Zur
pathologischeu Anatomie der Mäusecarcinome. Prof. Dr. Lubarsch-
Zwickau; Ueber destruierendes Wachstum und Bösartigkeit der
Geschwülste. Dr. Haaland-Cbristiana: Ueber Metastasenbildung
bei transplantierten Sarkomen der Maus (mit Demonstration).
Dr. Zimmermann-Budapest: Die Entstehung des Krebses; Histo-
geuese multipler Hautkrebse. Prof Dr. Albrecht-Frankfurt;
Vorschläge zu einem natürlichen System der Geschwülste. Demon¬
stration seltener Geschwülste. Dr. Leaf-London: The cause of
Cancer of the Breast (clinical) with some remarks upon the Connec¬
tion between in-itatiou and the production of malignant growth
(experimental).
Donnerstag, den 27. September, vormittags 9 Uhr;
Prof. Dr. Blu mentha 1 - Berlin; Die chemische Abartung der
Zellen beim Krebs. Dr. L. Michaelis-Berlin: a) Ueber Ver¬
suche zur Erzielung einer Kreb.simmunität bei Mäusen; b) Trans¬
plantierbares Rattencarcinom. Dr. W. Loewenthal-Berlin: a)
Untersuchungen über die Taubenpocke; b) Demonstration von
Zellen mit Kernveränderungen in der Karpfenpocke. Dr. Bergell-
Berlin: Zur Chemie der Krebsgeschwülste. Dr. Carl Lewin-
Berlin: Ueber Versuche, durch Uebertragung vom menschlichen
Krel).smaterial verimpfbare Geschwülste bei Tieren zu erzielen.
Dr. A. Sticker-Berlin: Ueber endemisches Vorkommen des
Krebses. Geh. Medicinalrat Dr. Be h la-Stralsund : Ueber Be¬
ziehungen zwischen Wasser und Krebs mit kartograj)hischen
Demonstrationen. Dr. Prinzing-Ulm; Das Gebiet hoher Krebs¬
sterblichkeit im südlichen Deutschland und in den angrenzenden
Teilen Oesterreichs und der Schweiz, Prof. Dr. Dollinger-
Budapest: Ein Ergebnis der vom Komitee für Krebsforschung des
Budapester Königlichen Aerztevereins veranstalteten Sammel¬
forschung. Prof. Dr. George Meyer-Berlin: Ueber die Ver¬
sorgung Krebskranker. Schluss der Sitzung 12 Uhr. (Aender-
ungen der Reihenfolge der Vorträge bleiben Vorbehalten.)
E. V. Leyden, P. Ehrlich, V. Czerny,
Berlin. Frankfurt a. M. Heidelberg.
George Meyer, Generalsekretär.
Berlin, Bendlerstr. 13.
Wien. Dem ausserordentlichen Universitätsprofessor Herrn
Dr. Anton Elschnig, Privatdozent der Augenheilkunde an der
hiesigen Univei-sität, wurde das Ritterkreuz des Franz Josefs-
Ordens verliehen.
Szeged, Ung. Mit dem Bau des Augenspitals wii^ dem¬
nächst begonnen.
Patentnachrichten.
Gobraucbsniuster.
2(>9285. Loicbenbaltcr in Särgen, bestehend aus Bändern, die an der
Sargwand befestigt, kreuzweise Uber die Leiche geführt und durch Gurt-
baher festgeklemmt werden. Eduard Grusebke, Sarlouis.
269264. Druckglashaltcr fUr Lichtbehandlung nach Finsen. Inter¬
nationale Gesellschaft für satinären Bedarf LUtgenao & Co. G. m. b. H.,
Düsseldorf.
269044. Dampferzeuger, bestehend aus einem Koebgefäss mit am
oberen Deckel seitlich angeordnetem, dampfdicht aufschraubbarem Leitungs-
robr. Bartholomeus Justus Hendriks, Liendon, Holl.
269 262. In einer hermetisch zn verschliessenden GlashUlse unteige-
brachter, im Querschnitt gewellter hohler Wickelstab fUr Catp^ut, der auf
den Wellenbergen und am unteren Ende durcblocht und mit emem Gummi-
verschlnsspfropfcn der AussonbUlso rerbundon ist. Ludwig Barthels, Hamburgf.
269180. Glasbcbälter mit Gummi-Membran und eingeschliffener Glas¬
glocke. Dr. Ernst Smreker, Wien.
264 394. Mit Ausschnitten versehene oder anatomische Hakenpinzette.
Dr. Josef Hertzka und Th. Neos, Hamburg.
269421. Halter für in den Körper eingcfUbrte Instrumente. Georg
Haertel, Breslau.
2^792. .Elektrischer Ofen zum Vulkanisieren künstlicher Gebisse,
mit am Kcsscläussoren vorgosobenen Heizwiderstandsrin^n, sowie am Ofeo-
mantol angeordneton EontuktstUcken. Heinrich Scholl, Edenkoben, Rheinpf.
269 351. Gipsblockhaltcr für kUnstlicben Zahnersatz, mit Übereinander
angeordneton konischen Spitzen und diese schräg durchdringenden Stiften.
Arthur Folsch, Elberfeld,
269411. Amalgamstopfcr für zabnärzliche Zwecke, mit senkrecht vom
Handgriff abzweigonder FUhrungsbUlse für das Stopferonde. Dr. Lndwig
Wachtl, Wien.
269419. Halter für Farbonproben von Zahnfüllungen. C. Ash &Sods,
Berlin.
269608. Einrichtung, um eine Poliermasebine als Bobnnaschine be¬
nutzen zu können. Paul Bogdoll, Simianowitz, O.-S., bei LaurahQtte.
269672. Zahnbobror mit vertikalen Scheidnuten. Emil Schütz,Breslau.
269 573. Schlingenleiter mit in einer Scheide verschiebbarer Bügoifeder
als Operations-Hilfsgerät. Fa. H. Hauptnor, Berlin.
269339. HOrtrommel mit Membran. Alfred Plobner, München.
269382: Durchlöchertes Kautschuk-Nabel- und Bruchpflaster mit
durebtränkter Polotte. Adolf Hofmann, Ebmath i. V.
269390. Seitlich mit abknöpfbaren elastischen Gurten versehener
waschbarer MonatsgUrtel. Fa. Paul Hartmann, Heidenbeim a. Brenz.
WarzmiUel and IWagenverdaanng. Das Kgl. pathol. In¬
stitut der Universität Berlin zählt nicht nur zu den grössten der Welt,
sondern besitzt auch den Vorzug einer eigenen experimentell-biologischen
Abteilung. Deren Vorsteher, der bekannte Physiologe Bickel, bat u. a. die
Untersuchungs-Methoden des mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Peters¬
burger Gelehrten Fawlow weiter ausgobildet, und namentlich auch durch
zahlreiche Arbeiten um die Erforschung der Verdauungs-Vorgänge sich ver¬
dient gemacht. Auf seine Veranlassung und unter seiner Leitung wurden
kürzlich interessante Versuche mit einem unserer beliebtesten Genassmittel,
der Maggi-Würze, angestollt. Es war hier zum erstenmale überhaupt mt^-
lich, den Einfluss eines solchen täglichen Würzmittels auf die Magenver-
dauung am gesunden erwachsenen Menschen zu studieren. Datei
ergab sich nun, dass die Maggisebo Würze einer der mächtigsten Förderer
des Appetits und der Verdauung ist. Unter ihrem Einfluss reagiert die
Magonscbloimhautmit einer intensiveren u.Dacbhaltigereo Produktion eines ver-
dauungskräftigcreii und in seinem Säurogobalt höherwertigen Saftes. Die
exakte Wissciiscbaft bestätigt damit das günstige Urteil, das die kulinarische
Praxis Uber dieses bewährte, praktische und appetitliche Gonussmittel längst
gefällt hat.
Vertotwortlicher Redakteur : Dr. P. Meisiner, Berlin W. 6S, Kurfüretenttr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Hall« a. S.
Druck von der HejBoauksn'ichen Bnekdrackorol, Oobr. Wolff, Halle a. S.
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Medicinische Woche
Deotschmann. A. Dfihmen, A. Hofft, E. Jacobi,
Hambu^. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Oieasen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold la Halle a« S** Uhfandstnuse 6.
Tel.*Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Kobcrt, M. Koeppen. K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverrlcht, A. Vosslos,
Magdeburg. Qiesseo.
Redaktion:
Berlin W, 62* Kurfflrstenstrasse 81,
Dr. P Meißner.
Vn. Jahrgang.
1, Oktober 1906.
Nr. 40.
Die .Med 1 clnlsche Woche* erscheint jeden Montag mit der Utlgigen Beilage BfllnCOlOgiSChC CCIltralzeltting) Organ des Allgemeinen Deutschen
Blderverbandes, des SchwarzwaldbSdertages, des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 PF. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzelle oder deren Raum mH 50 Pf. Iwrechnet Beilagen nach Uebereiokunft. Reklamezelle 1,50 M. Bel größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Zur Frage
der epidemischen Meningitis cerebrospinalis.
Von Dr. G, N. Magakjan*}.
Die epidemische Meningitis cerebrospinalis oder die Genick¬
starre war, wie aus der Literatur ersichtlich, schon im Mittel-
alter bekannt (Biedert), und es ist sehr wohl möglich, dass
die Krankheiten, die unter den Namen cephalalgie öpid^mique,
cephalea, typhus cerebralis, fiövre c6r6bral, cerebrospinitis u. a.
Synonyme sind. Zum ersten Mal ist eine Epidemie von zweifel¬
loser Meningitis cerebrospinalis im Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts in Genove und deren Umgebung von Vieussens
beobachtet worden.
Hirsch unterscheidet vier Perioden in der Entwicklungs¬
geschichte der Meningitis cerebrospinalis. Die erste Periode
dauerte von 1805 bis 1830 und wurde in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika, sowie in verschiedenen Orten Europas
in Form von zersprengten Epidemien beobachtet. Die zweite
Periode dauerte von 1837 bis 1851 und zeichnete sich dadurch
aus, dass bedeutende Epidemien nicht nur in Amerika, sondern
auch in Europa beobachtet wurden, während in Frankreich
die Epidemie sogar den Charakter einer Pandemie angenommen
hatte. Hierauf hat die Krankheit, nach einer kurzen Ruhepause,
ihre höchste Ausbreitung in der dritten Periode (1854— 1875)
erreicht. Sie erstreckte sich damals auf einen grossen Teil
Europas, darunter auch auf Russland, desgleichen verbreitete
sie sich damals wieder mit bedeutender Intensität in den Ver¬
einigten Staaten von Nordamerika und in Südamerika. Nach
Russland kam die Krankheit zum ersten Male im Jahre 1863.
Seit I876(viertePeriode nachHirsch) waren bedeutende Epide¬
mien von Meningitis cerebrospinalis bereits nicht mehr aufgetreten.
Indem sich die Krankheit in Europa und in Amerika als ende¬
mische Krankheit etabliert batte, ruft die Meningitis cerebro¬
spinalis ab und zu mehr oder minder bedeutende Epidemien her¬
vor, von denen wir in dem soeben verflossenen Jahre auch in
Russland eine erlebt haben. Die letzte Epidemie in Deutsch¬
land hat Ende 1904 begonnen und ihr Maximum im März und
April 1905 erreicht. Wie intensiv die Epidemie war, kann man
schon daraus ersehen, dass die Zahl der an Meningitis cerebro¬
spinalis zu Grunde gegangenen Personen schon im Mai 1905
2200 betragen hat. Ebenso heftig war die Epidemie in Oester¬
reich und Amerika; in Russland ist die Epidemie im allgemeinen
ziemlich schwach aufgetreten.
Während sporadische Fälle von Meningitis durch gewöhn¬
liche Bakterien wie Staphylococcen, Streptococcen, Influenza-
Aus dem Russischen von M. Lubowsky, Berlin-Wilmersdorf.
Bazillen, Colibazillen, Koch’sche- und Eberth’sche-Bazillen
bedingt sein können, hat man bei epidemischer Meningitis cere¬
brospinalis hauptsächlich zwei Mikroorganismen nachgewiesen,
und zwar den intracellulären Diplococcus oder Meningococcus oder
den FraenkePschen Diplobazillns; teilweise kommt hier auch
der Streptococcus von Bonome in Betracht, der Diplococcen
darstellt, die sich nach Gram nicht entfärben.
Der Meningococcus wurde zum ersten Mal von Weichsel¬
baum im Jahre 1887 bei einer Kinderepidemie entdeckt, dann
von Jäger genau erforscht und bestätigt. Nach Jäger hat
Petersen über eine ganze Reihe von Fällen berichte^ die er
in Berlin beobachtet natte, und in denen der Weichsel¬
baum 'sehe Coccusgefunden wurde (Sclipttmüller). Heubner
hat in seinen Fällen den Meningococcns nicht nur nach dem
Tode der Kranken, sondern auch zu Lebzeiten derselben zu
isolieren vermocht. Ausserdem hat er, indem er Bonillon-
Kulturen von Meningococcen in die Höhle der harten Hirnhaut
Tieren (Pferden und Ziegen), bei denen auch spontane Er¬
krankung an Meningitis beimachtet wird, injizierte, nachgewiesen,
dass man bei diesen Tieren eine typische Meningitis cerebro¬
spinalis hervorrufen kann. Ferner wurde der Meningococcus
als Krankheitserreger im Jahre 1898 bei GMegenheit einer
Epidemie in Berlin von Berdach, Councilmann, Mallory,
Wreigt beschrieben. Das Vorhandensein des Weichsel-
baumschen Coccus in der Cerebrospinal-Flüssigkeit wurde von
einer Reihe von Autoren, darunter auch von mir bei der
letzten Epidemie (1904/1905) .nachgewiesen. Der Meningo¬
coccus, oder der intracelluläre Diplococcus, lagert sich grössen-
teils paarweise, manchmal auch vierweise innerhalb der weissen
Blutkörperchen, teilweise auch ausserhalb derselben. Er hat
die Form von zwei oder drei einander mit der konkaven Seite zu¬
gekehrter Kaffeebohnen, die durch einen hellen Zwischenraum
voneinander getrennt sind (Günther). Vom Gonococcus, der
dieselbe Form hat, unterscheidet er sich durch seine mehr
rundliche Form, sowie dadurch, dass er sich in den Zellen in
weit grösserer Anzahl lagert. Der Meningococcus gedeiht am
besten auf Agar bei 37,5. Die angelegten Kulturen zeigen
rasches und üppiges Wachstum. Auf Blutserum von Menschen,
sowie auf Bouillon wächst der Meningococcus schwach, auf
Gelatine mangelhaft, wobei er, im Gegensatz zum Staphylo-
coccus, die Gelatine nicht verflüssigt (Jäger). Auf Kartoffel
wächst der Meningococcns überhaupt nicht. Das Vorhanden¬
sein von Pneumococcen bei epidemischer Meningitis wurde zum
ersten Mal von Fraenkel und Weichselbaum sowohl bei
sporadischen, wie auch bei endemischen Formen nachgewiesen,
und zwar sowohl mit fibrinöser Pneumonie komplizierter, wie
auch bei einfacher Meningitis. Während einer kleinen Epidemie
in Böhmen ist es Weichselbaum nicht gelungen, den Meningo¬
coccus nachzuweisen; die Ursache der Epidemie war der
Fraenkelsche Diplococcus. Im Jahre 1894 haben Flexner
und Barker eine bedeutende Epidemie von 200 Fällen mit
einer Mortalität von 40% beobachtet, wobei als Krankheits-
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410
MEDICmiSCHB ‘WOCHE.
Nr. 40.
erregerder Fraenkel’sche Diplococcus fungierte (Schottmüllor).
Als KrankheitseiTeger bei Meningitis cerebrospinalis ist der
Fraenkersche Diplococcus ausser von den vorgenannten Autoren
auch von Panienski, Quadu, Bonome u. a. ausgesprochen
worden (Stadelmann, Schottmüler).
Wenn auch, führt M. J. Breitmann aus, das Vorhanden¬
sein der oben bezeichneten Bakterien bei Meningitis cerebro¬
spinalis nachgewiesen ist, so verdunkelt doch der Umstand,
dass die epidemische Meningitis häufig zugleich mit irgend einer
anderen zur Zeit herrschenden Krankheit vorkommt, die Auf¬
fassung des Wesens dieser Krankheit in bedeutendem Grade.
So kennt man beispielsweise das gleichzeitige Vorkommen von
Meningitis und Influenza (Epidemie zu Lissabon von 1902—03),
von Meningitis und Abdominaltyphus (Epidemie zu Rastatt
von 1864), von Meningitis und Flecktyphus, Masern etc. Alles
in allem kann man somit sagen, dass die Frage der Aetiologie
der Meningitis immer noch offen bleibt, und dass die Worte
Dieulafoy’s: „es gibt keine cerebrospinale Meningitis, sondern
cerebrospinale Meningitiden“ vielleicht immer noch Recht behalten.
Die Art und Weise, wie sich die Meningitis ausbreitet, ist noch
dunkler. Während manche Autoren behaupten, dass die Aus¬
breitung der Krankheit ausschliesslich auf miasmatischem Woge
vor sich geht, behaupten andere, dass die Krankheit kontagiös
ist. Mag es aber an dem sein wie es will, so bleibt doch die
feste Tatsache bestehen, dass die epidemische Meningitis im
Gegensatz zu Typhus, Scharlach usw. niemals Massenerkrankungen
hervorruft. Die Zahl der Erkrankten ist gewöhnlich sehr mäßig.
Wodurch ist dann aber dieser fast panische Schrecken zu er¬
klären, der im Publikum beim Auftreten der epidemischen
Meningitis Platz greift und sogar zu wirklicher Meningophobie
führt? Die Meningitis ist nicht schrecklich durch die Zahl der
Erkrankungen, sondern durch ihren schweren, raschen Verlauf
und den traurigen Ausgang. Der Mortalitäts-Prozentsatz der
epidemischen Meningitis beträgt mindestens 50, wobei sich
natürlich, je nach dem Charakter und nach der Heftigkeit der
Epidemie, Schwankungen nach der einen oder der anderen
Seite geltend machen. Die von der Epidemie am meisten
bevorzugte Jahreszeit ist Frühlings- und Winteranfang. Die
Epidemie hält einige Monate bis einige Jahre an, wobei sie in
der heissen Jahreszeit nachlässt. Am meisten zeigen sich
Kinder besonders prädisponiert.
Als Eingangspforten des Infektionsstoffes lassen manche
die Nasenhöhle gelten. Von einer ganzen Reihe von Autoren
(Jäger, Heubner, Councilmann u. A.) wurde im Nasen¬
schleim der Meningococcus gefunden. In der Tat beginnt die
Krankheit häufig mit Schnupfen. Desgleichen fand man
Meningococcen auf den Mandeln, im Blute, im Harn und im
Stuhle. Man kann also annehmen, dass diese Sekrete bezw.
Exkrete unmittelbar oder mittelbar den Infektionsstoff verbreiten.
Das pathologisch-anatomische Bild, welches das Gehirn dar¬
bietet, besteht in einer mehr oder minder diffusen Affektion
der Hirnhäute. Zwischen der Arachnoidea und der Pia findet
man Exsudat, welches in der ersten Zeit gewöhnlich trübe,
bisweilen auch serös ist. Später wird das Exsudat serös-eitrig,
fibrinös eitrig oder rein eitrig. Die Eiterung nimmt selten
diffuse Formen an, gewöhnlich sammelt sich der Eiter entweder
in Form von einzelnen Plaques, oder den Gefässen entlang
(Biedert) und breitet sich auf die Hirnsubstanz selbst aus.
Das Gehirn selbst wird infolge des Oedems etwas weicher. Im
Rückenmark sind Veränderungen, denjenigen im Gehirn ähnlich,
vorhanden und finden sich stets bis zu einem gewissen Grade
als Begleiterscbeinungen dieser letzteren. Die Ventrikelchen des
Gehirns und des Zentralkanals des Rückenmarks sind ziemlich,
stark mit serösem oder eitrigem Exsudat gefüllt. Von Affek¬
tionen der übrigen Organe findet man am häufigsten Schwellung
der Milz, ferner Pneumonie, Pericarditis, Nephritis etc.
Vorboten werden bei Meningitis cerebrospinalis selten beob¬
achtet. Sie bestehen aus allgemeinem Unwohlsein, Zerschlagen¬
heit, Appetitlosigkeit und Schnupfen. Gewöhnlich beginnt die
Krankheit plötzlich, wie der Blitz ausheiteremHimmel, mitheftigem
Schüttelfrost oder Krämpfen, Fieber, starkem Kopfschmerz und
Erbrechen. Dann stellen sich, je nach dem Fortschreiten des
Krankheitsprozesses Delirien, Somnolenz, Trübung des Bewusst¬
seins, Schmerzen im Nacken, Halse, Rücken, Extremitäten etc.
ein. Eine der konstantesten und wichtigsten Erscheinungen
bei epidemischen Meningitis cerebrospinalis ist Störung der
Sensibilität, die hauptsächlich in Form von Hyperaesthesie und
Hyperalgesie auftritt. Im Zusammenhang mit dieser Hyperae¬
sthesie stehen die Muskelkrämpfe, von denen die Kontraktur
des Nackens durch ihre Beständigkeit für die epidemische
Meningitis fast pathognomonisch ist. Tonische Spannung wird
auch in den Extremitäten, hauptsächlich in den unteren, und
zwar in Form des Kernigschen Symptoms beobachtet. Bis¬
weilen werden Störungen von seiten der Cerebralnerven, am
häufigsten in der Gegend der NN. oculomotorii in Form von
Schielen, Nystagmus, Lidersenkung beobachtet. Bisweilen
bestehen auch Störungen von seiten des Gehörs in Form von
Taubheit und Ohrensausen. Fast in der Hälfte der Fälle tritt
an den Lippen und am Gesicht ein Blasenausschlag auf (herpes
labialis et facialis). Von seiten der Verdauungsorgane besteht
ausser dem Erbrechen fast stets Obstipation, seltener Diarrhoe.
Feuilleton.
Das Gesetz betr. die Bekämpfung
übertragbarer Krankheiten
vom 28. August 1905.
Von Dr. P. Krantwig, ärztl. Beigeordneter der Stadt Köln.
(Schluss.)
Im Ucbrigen sind die Vorschriften über die Kosten¬
verteilung, die ganz besonders für kleine Gemeinden auf dem
Lande von Bedeutung sind, ausserordentlich kompliziert.
Wie ernstlich die Verpflichtungen sind, die das_ Gesetz
allen Beteiligten auferlegt, möge aus den Strafbestimmungen
des § 35 und 36 ersehen werden.
§ 34.
I\Iit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe
bis zu sechshundert Mark wird bestraft:
1. wer wissentlich bewegliche Gegenstände, für welche
auf Grund der §§ 8 und 11 des gegenwärtigen Gesetzes eine
Desinfektion polizeilich angeordnet war, vor Ausführung der
angeordneten Desinfektion in Gebrauch nimmt, an andere über¬
lässt oder sonst in Verkehr bringt;
2. wer wissentlich Kleidungsstücke, Leibwäsche, Bettzeug
oder sonstige bewegliche Gegenstände, welche von Personen,
die an Diphtherie, Genickstarre, Kindbettfieber, Lungen- und
Kohlkopfstuberkulose, Rückfallfieber, Ruhr, Scharlach, Typhus,
Milzbrand und Rotz litten, während der Erkrankung gebraucht
oder bei deren Behandlung und Pflege benutzt worden sind,
in Gebrauch nimmt, an andere überlässt oder sonst in Verkehr
bringt, bevor sie den von dem Minister der Medizinal-Ange-
legenheiten erlassenen Bestimmungen entsprechend desinfiziert
worden sind;
3. wer wissentlich Fahrzeuge oder sonstige Gerätschaften,
welche zur Beförderung von Kranken oder Verstorbenen der
in Nr. 2 bezeichneten .Art gedient haben, vor Ausführung der
polizeilich angeordneten Desinfektion benutzt oder anderen zur
Benutzung überlässt.
§ 35 .
Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit
Haft wird bestraft:
1. wer die ihm nach den §§ 1 bis 3 oder nach den auf
Grund des § 5 des gegenwärtigen Gesetzes von dem Staats-
ministeriura erlassenen Vorschriften obliegende Anzeige schuld¬
haft unterlässt. Die Strafverfolgung tritt nicht ein, - wenn die
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
411
Die Milz ist gewöhnlich vergrössert, wenn es auch nicht immer
gelingt die Vergrösserung zu Lebzeiten der Kranken festzu¬
stellen. Die Harnorgane werden selten in Mitleidenschaft
gezogen. Bisweilen findet man im Ham Eiweiss und Zucker.
Im späteren Krankheitsstadium wird auch Polyurie beobaclitet,
die wahrscheinlich zentralen Ursprungs ist. Lungenerkrankungen
(Bronchitis, lobuläre Pneumonie) Otitis, Perikarditis, multiple
Gelenkschwellung, PyUmie etc. kommen als Komplikationen
hinzu. Der Puls wird bedeutend beschleunigt, bleibt aber regel¬
mäßig. Die Temperatur zeigt gewöhnlich eine hochgradige
Steigerung, zugleich aber einen ausserordentlich unregelmäßigen
Typus. Es sind sogar bösartige Formen von epidemischer
Meningitis beschrieben worden, die selbst bei subnormaler
Temperatur verlaufen (Richter).
Nach der Schwere des Krankheitsverlaufes unterscheidet
man folgende Formen von Meningitis:
1. Meningitis acutissima. siderans, welche unter hoher
Temperatur, sofortiger Trübung des Bewusstseins verläuft und
schon in den ersten Tagen zu Tode führt.
2. Akute und subakute Form. Bei der ersteren treten
heftige Anfälle mit Temperatnrsteigerung über 39,0® auf, die
nach einigen Tagen kritisch aufhören, oder einen intermittierenden
Charakter annehmen, indem sie wiederholte Rezidive geben,
und auf diese Weise mehrere Wochen anhalton. Die zw’eite
subakute Form verläuft weniger stürmisch und ohne Unter¬
brechungen.
3. Abortive Formen, die sich durch schwache Steifheit
der Nackonmuskeln äussem; sonst fühlen sich die Kranken
vollständig wohl und setzen ihre Arbeit fort. Diese Formen
kann man nur dann diagnostizieren, wenn eine Epidemie be¬
steht; in einigen Tagen sind sie gewöhnlich abgelaufen.
4. Protrahierte Form, die von 2—6 Monate dauert. Am
eingehendsten hat diese Form Heubner beschrieben. Sie
zeichnet sich dadurch aus, dass in deren Verlauf wiederholt
Rezidive nach scheinbarer Genesung der Patienten beobachtet
werden.
Nach schw’eren Formen von Meningitis bleiben nicht
selten verschiedene Nacherkrankungen in Form von Störung
des Gehörs, des Sehvermögens, Gedächtnisschwäche, Kopf¬
schmerz , namenthch Kopfschwindel zurück. Nicht selten
bleiben stabile Lähmungen sowohl cerebralen, wie auch spinalen
Ursprungs bestehen.
Die Differential - Diagnose der Meningitis cerebrospinalis
ist ziemlich schwer, namentlich wenn es sich um einen spora¬
dischen Fall handelt. Als charakteristisch für Meningitis cere¬
brospinalis ^It der plötzliche Beginn der Krankheit mit Kopf¬
schmerzen, Erbrechen, Steifheit der Nacken- und Rückenmuskcln
und Muskeln der Extremitäten, namentlich der unteren, mit
Trübung des Bewusstseins und Auftreten eines Blasenausschlages
an Gesicht und Lippen usw. Aber selbst dort, wo alle diese
Erscheinungen deutlich ausgesprochen sind, kann man die
Diagnose nur durch Ausschliessung sämtlicher anderer Formen
von Meningitis und derjenigen Erkrankungen, die meningitische
Erscheinungen hervorrufen können, stellen. Eitrige Meningitis
kann man ausschliessen, wenn in der Anamnese eine bezüg¬
liche bestimmte Aetiologie, wie Schädelverletzungen, Otitis,
eiterige Parotitis, Erysipel usw. fehlt. Um Meningitis cerebro¬
spinalis von tuberkulösen Erkrankungen der Hirnhäute unter¬
scheiden zu können, muss man die Anamnese des Kranken
genau studieren und ganz besonders diejenigen Umstände be¬
rücksichtigen, die für die Eventualität einer tuberkulösen Er¬
krankung sprechen. Die bei Kindern nicht selten vorkommende
grippöse Meningitis kann in den gleichzeitig bestehenden hoch¬
gradigen katarrhalischen Erscheinungen der oberen Luftwege
erkannt und durch den Nachweis von Influenzabazillen in der
Cerebrospinal-Flüssigkeit festgestellt werden. Die übrigen
Krankheiten, mit denen man die Meningitis cerebrospinalis ver¬
wechseln kann, wie fibrinöse Pneumonie, namentlich bei Kindern,
Tj^ihus, Sumpffieber, Tetanus, Pyämie usw. kann man schon
leichter ausschliessen, wenn man sämtliche charakteristischen
Momente der Fälle genau bewertet.
Die Prognose ist bei Meningitis cerebrospinalis eine sehr
schlechte, da der Mortalitätsprozentsatz im Durchschnitt 50
betrag.
S^pezifische Mittel gegen Meningitis cerebrospinalis gibt es
leider vorläufig nicht. Die Behandlung bleibt eine rein symp¬
tomatische, sodass der Erfolg mehr von der Krankheitsform,
als von den zur Anwendung gelangenden Mitteln abhängt.
Das Quecksilber, welches man früher bei der in Rede stehenden
Erkrankung häufig anwendete, bat man jetzt fast vollständig
verlassen, da die therapeutische Wirksamkeit des Quecksilbers
hier sehr zweifelhaft ist. Manche wollen von Credescher Salbo
und von intravenösen Injektionen von Collargol, desgleichen
von Collargolclysmen Erfolg gesehen haben. Fiebermittel sind'
nur bei übermäßig hoher Temperatur anzuwonden. Zur Lin¬
derung der Kopfschmerzen, der Schlaflosigkeit und des Er¬
brechens werden narkotische Mittel angewendet. Die im Jahre
1904 von Aufrecht empfohlenen heissen Wannenbäder von
22® R. sollen gleichfalls gute. Resultate ergeben haben. So
hat beispielsweise Roschanski heisse Wannenbäder bei 51
Fällen von epidemischer Meningitis angewendct, und einen
Anzeige, obwohl nicht von dem zunächst Verpflichteten, doch
rechtzeitig gemacht worden ist;
2. wer bei den in dem § 6 Abs. 1 des gegenwärtigen Ge¬
setzes aufgeführten Krankheiten, sowie in den Fällen des § 7
dem beamteten Arzte den Zutritt zu dem Kranken oder zur
Leiche oder die Vornahme der erforderlichen Untersuchungen
verweigert;
3. wer bei den übertragbaren Krankheiten, auf welche
die Bestimmungen des § 7 Abs. 3 des Reichsgesetzes, betreffend
die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, für anwend¬
bar erklärt worden sind (§§ 6 Abs. 1, 7 des gegenwärtigen Ge¬
setzes), diesen Bestimmungen zuwider über die daselbst be¬
zeichnenden Umstände dem beamteten Arzte oder der zuständigen
Behörde die Auskunft verweigert oder wissentlich unrichtige
Angaben macht;
4. wer den auf Grund der §§ 8 und 11 des gegenwärtigen
Gesetzes in Verbindung mit § 13 des vorbezeichneten Reidis-
gesetzes über die Mmdepflicht erlassenen Anordnungen zu¬
widerhandelt.
§ 36 .
Mit Geldstrafe bis zu einhundertundfünfzig Mark oder mit
Haft wird, sofern nicht nach den bestehenden gesetzlichen
Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt ist, bestraft:
1. wer bei den in dem § 6 Abs. 1 des gegenwärtigen
Gesetzes bezeichneten Krankheiten sowie in den Fallen des § 7
den nach § 9 des Reichsgesetzes, betreffend die Bekämpfung
emeingefährlicher Krankheiten, von dem beamteten Arzte oder
em Vorsteher dor Ortschaft getroffenen vorläufigen Anordnungen
oder den nach § 10 des vorbezeichneten Reichsgesetzes von
der zuständigen Behörde erlassenen Anordnungen zuwider¬
handelt;
2. wer, bei den in dem § 8 des gegenwärtigen Gesetzes auf¬
geführten Krankheiten sowie in den Fällen des § 11 den nach § 12,
§ 14 Abs. 5, §§ 15, 17, 19 und 21 des vorbezeichneten Reichsge¬
setzes getroffenen polizeilichen .4nordnungen zuwiderhandelt;
3. wer bei den in dem § 10 des gegenwärtigen Gesetzes
aufgeführton Krankheiten den nach § 24 des vorbezeichneten
Reichsgesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt;
4. Aerzte, sowie andere die Heilkunde gewerbsmäßig be¬
treibende Personen, Hebammen oder Wochenbettpflegerinnen,
welche den Vorschriften in dem § 8 Nr. 3 Abs. 2 xmd 3 des
gegenwärtigen Gesetzes zuwiderhandeln.
Nur die schuldhafte, absichtliche oder fahrlässige Unter¬
lassung der Anzeige einer meldepflichtigen Krankheit ist straf¬
bar. Kenntnis der Krankheit ist aber die Vorbedingung der
Anzeigepflicht. Wer eine Krankheit nicht erkannt hat, kann
demnach wegen Verletzung der Anzeigepflicht nicht bestraft
werden.
Es ist zu hoffen, dass das Gesetz, welches die übertrag¬
baren Krankheiten auf Grund unserer neuesten wissenschaft-
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412
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 40.
Mortalitätsprozentsatz von nur 35,5 verzeichnen können.
Woroschilski hat im Jahre 1895 zwei Fälle beschriebeo,
in denen er gleichfalls mit Erfolg heisse Wannenbäder ange-
wendet hatte. Die ableitende Behandlung der Meningitis ist
jetzt fast vollständig verlassen. Besondere Beachtung verdient
die von Quincke vorgeschlagene Lumbalpunktion. Eine
spezifische Wirkung von dieser Behandlungsmethode kann man
natürlich nicht erwarten, es unterliegt aber auch keinem
Zweifel, dass die Entleerung des Transsudats den intracraniellen
Druck herabsetzt und dadurch die quälendsten Symptome der
Meningitis cerebrospinalis, namentlich die Nacken- und Rücken¬
schmerzen lindert. Ausserdem wird das Transsudat nach der
Punktion höchstwahrscheinlich rascher aufgesaugt, als dies bei-
^ielsweise nach der Entleerung des Exsudats bei Pleuritis der
Fall ist. In Uebereinstimmung mit Lenhartz bin ich auch
der Meinung, dass die Punktion das beste Mittel bei der Be¬
handlung der epidemischen Meningitis ist. Die Punktionen
müssen wiederholt werden. Unangenehme Nebenerscheinungen
habe ich bei der Anwendung der Punktion nicht beobachtet,
während Quincke selbst in einigen Fällen sogar eine reich¬
liche Blutung verzeichnet hat. Während der Lissaboner Epi¬
demie in den Jahren 1902—03 hat Franca in den Kanal der
Wirbelsäule eine l%ige Lysollösung injiziert und ziemlich gute
Resultate erzielt, wenn auch die Epidemie selbst im allgememen
keine schwere war. Desgleichen hat man die Behandlung mit
Antistreptococcenserum, Diphtherie - Heilserum vorgeschlagen,
letzteres auf Grund der Untersuchung von Wolf, der nachge¬
wiesen hat, dass zwischen dem Meningococcus und dem
Löfflerschen Bazillus ein Antagnonismus besteht, wobei der
letztere den Meningococcus tötet (M. Breitmann). Trotzdem
aber eine so grosse Reihe von Mitteln vorgeschlagen worden
ist, sind wir in der Hälfte der Fälle dieser KranÄeit gegen¬
über vollständig machtlos. (Schluss folgt.)
Die Heilwirkung des Blutes.
Ton Dr. Hans Lnngwitz-Halle.
(Fortsetzung.)
Die von Bier und seinen Schülern angegebenen Heiz¬
apparate sind in ihrer einfachsten Form Holzkästen, die zum
Schutze vor dem Zerspringen durch Hitze und vor dem An¬
brennen mit Wasserglas getränkt und mit Packleinen, das
gleichfalls mit Wasserglas imprägniert ist, überzogen sind. Je
liehen Erfahrung nach Maßgabe des wirklich vorhandenen Be¬
dürfnisses in ziemlich erschöpfender und wohl auch muster¬
gültiger Weise regelt, eine erhebliche Verbesserung gegen den
bisherigen Zustand bedeutet, sodass nunmehr durch einen
energischen Kampf gegen die Infektionskrankheiten die allge¬
meine Wohlfahrt des Volkes erheblich gefördert wird.
Es wird zum Erfolg des Gesetzes nötig sein, dass alle Be¬
teiligten das Gesetz nicht nach den Buchstaben sondern dem
Geiste nach auffassen, und das jeder an seiner Stelle pflicht-
mäßig zum Wohle des Ganzen mitwirkt. Maßvoll und ohne
Ueberstürzung, das gilt auch für den Kampf gegen die an¬
steckenden Krankheiten. Mögen die Aerzte, die sich für ge¬
wöhnlich mit Gesetzen und Anordnungen nicht besonders Be¬
freunden können, gerade im vorliegenden Falle sich der Er¬
kenntnis nicht verschliessen, dass hier ein Erfolg doch nur auf
Grundlage eines umfassenden Gesetzes, welches Pflichten und
Rechte der Beteiligten genau bestimmt, zu erzielen ist.
Literatur: Ausser dem Text des ersten Entwurfs und
des Gesetzes selbst: A. Schmedding: Die Gesetze betr. Be¬
kämpfung ansteckender Krankheiten (Verlag von Aschen¬
dorf in Münster.
nach dem Orte der Erkrankung zeigt ein solcher Kasten einen
oder zwei Ausschnitte, durch die das Glied hinein- bezw. hin¬
durchgesteckt werden kann. Der Abschluss wird durch feuer¬
feste Asbestwatte erreicht, die zwischen Glied und Holzaus¬
schnitt eiogestopft wird. Oben sind in den Kasten mehrere
Löcher gebohrt; ein Thermometer zeigt die Temperatur im
Innern an. Seitlich trägt der Kasten einen kurzen eisernen
Ansatz, ein Rohr, durch das die erwärmte Luft eintreten kann,
und an dessen innerer Mündung ein mit Wasserglas über¬
zogenes Schutzblech angebracht ist, damit die einströmende
heisse Luft die Haut nicht direkt treffen kann. Die Erwärmung
findet so statt, dass man an einem Stativ auf- und absebieb-
bar einen Teller anbringt, auf den ein Gasbrenner (zu Hause
Spiritusbrenner) gestellt wird. Nachdem die Flamme ange¬
zündet worden ist, schiebt man in das Ansatzrohr den ge¬
bogenen Schornstein, dessen untere Oeffnung sich dicht ober¬
halb der Flamme befindet und der die erwärmte Luft in den
Kasten leitet. Durch die Löcher in der oberen Wand des
Kastens wird ein lebhafter Luftzug unterhalten, der dazu dient,
die verdunstenden Mengen Schweiss abzuführen. — Diese Ap¬
parate sind vielfach mehr oder weniger zweckmäßig modifiziert
worden; eine besondere Erwähnung verdient der Tallermansche
Apparat.
Bringt man nun den Arm in einen solchen Heissluftkasten
und heizt an, so beginnt alsbald die Haut sich zu röten, bei
ca. 50® C auch zu schwitzen, stärker noch bei 60—70® C;
bei 100® C läuft der Schweiss in Tropfen herab, während bei
noch höherer Temperatur (114® C) die Schweissabsonderung
wieder geringer wird — entsprechend der experimentell er¬
wiesenen Tatsache, dass es ein Temperaturoptimum für die
Schweisssekretion gibt. Die Rötung, von hellem, arteriellen
Blute erzeugt, nimmt mit der Temperatur und der Dauer der
Sitzung (bis zu einer Stunde) zu. Dabei hat der Patient ein
wohltuendes Gefühl im Arm, das auch noch längere Zeit nach
der Prozedur anhält. Während der Sitzung ist streng darauf
zu achten, dass der Kranke nicht ein brennendes, schmerz¬
haftes Gefühl empfindet; doch kommen imm erhin geringfügige
Verbrennungen vor, die keinen Schmerz verursachen und sich
nur durch vorübergehende braune Verfärbung der Haut infolge
Austritts von Blutfarbstoff verraten. Bei blutarmen und
schwächlichen Personen steilen sich nach der Behandlung
Kopfschmerzen, Herzklopfen, Mattigkeit usw. ein, doch lassen
sich derartige Beschwerden durch Auflegen einer kalten Kom¬
presse auf den Kopf, durch Abkürzung der Sitzungen Ter¬
meiden. Häufig sind wohl daran die Gase schuld, die sich bei
der Verbrennung des denaturierten Spiritus entwickeln, be¬
sonders die Pyridinbasen, die sehr zum Nachteile des Wohlbe¬
findens und der Gesundheit der Konsumenten leider dem
Spiritus zugesetzt werden, um ihn ungeniessbar zu machen. —
Die meisten Personen aber leiden nicht nur nicht an so üblen
Folgen, sondern befinden sich vollkommen wohl, viele enmfinden
sogar einen ausserordentlich gesteigerten Appetit und Hunger.
Die zweite Form der Hyperaemie, die venöse, passive
oder Stauungshyperaemie, spielt von jeher in der Medicin eine
grosse Rolle. Schröpfköpfe und Saugapparate gehörten schon
früher und werden künftig wieder in das Armamentarium des
Arztes gehören, und das Abbinden der Glieder zum Zwecke
der Blutstillung ist schon lange im Gebrauch. Auch zur Hei¬
lung von Knochenbrüchen und zu Ernährungsversuchen hat
man schon vor Bier absichtlich die Stauungshyperaemie ange¬
wendet, im übrigen aber haben die Aerzte ängstlich jede Blut¬
stauung vermieden, ja in ihr, wenn sie physiologisch zustande
kam, eine Schädigung des Organismus erblickt und durch
antiphlogistische Mittel gegen sie vorzugehen gesucht. Noch
heute sind die meisten Mediciner dieser falschen Ansicht.
Das Verfahren ist einfach: man wickelt oberhalb der zu
behandelnden Stelle z. B. um den Oberarm eine Gummibinde
in mehreren Touren so fest um, dass eben nur die schwach-
wandigen Venen, nicht aber die dickwandigen Arterien kom¬
primiert werden. Hierdurch schwellen alsbald die Hautvenen
unterhalb der gewickelten Stelle zu hervortretenden Strängen
an, und die Haut beginnt eine mit zahlreichen weissen Flecken
untermischte Blaufärbung zu zeigen, die nach etwa drei Stunden
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MfiDlCIKtSGfiE WOCfi^
413
völlig gleichmäßig wird. Liegt die Binde sehr lange, so findet
natürlich ein Austritt von Serum aus den Blutbahnen und ein
Anschwellen der gestauten Partie statt. Bei entzündeten
Gliedern kann man während der Stauung eine ziemliche Tem¬
peraturerhöhung nachweisen, bei gesunden dagegen bleibt sie
normal.
Zieht man die Gummibinde sehr fest an, so tritt eine viel
intensivere Stauung mit Austritt von Blut, Anschwellung, hef¬
tigen Schmerzen und starker Herabsetzung der Hauttemperatur
ein. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass diese letzte Form,
die sogenannte kalte Stauung, durchaus zu vermeiden und
nur die oben beschriebene „heisse Stauung“ für Heilzwecke
in Betracht zu ziehen ist.
Stauungshyperaemie erzeugt man auch durch trockne
Schröpfköpfe, die in zierlicher kleiner wie in Riesenform
angewendet werden, je nach den Körperstellen, denen sie auf¬
gesetzt werden müssen. Auch für die Behandlung mancher
Ohren- und Nasenleiden sind sie von Bedeutung, ln früheren
Zeiten ist der Schröpfkopf ein in der Vielseitigkeit seiner An¬
wendung unübertroffenes Instrument gewesen, z. B. ist er seit
den ältesten Zeiten zum Aussaugon von Schlangenbisswunden
usw. benutzt worden, wobei sich im Notfälle als natürlichster
Schröpfer der Mund bewährte. Während man in jenen Tagen
Tierhömer, ausgehöhlte Kürbisse und Bambusstäbe in Schröpf-
köpfe umwandelte, deren Handhabung ziemliche Kuustfertigkeit
und gute Lungen erforderte, liefert uns jetzt die Technik ebenso
elegante als zweckmäßige Instrumente: Glasglocken von ver¬
schiedener Grösse laufen in stark verengte Hälse aus, über die
man Gummiballons stülpen oder die man mit einer Saugspritze
in Verbindung setzen kann. Drückt man den Ballon zusammen,
nachdem man den Glasrand mit Fett bestrichen hat, setzt
diesen Rand auf die Haut auf und lässt den Ballon los, so
haftet der kleine Apparat infolge der Luftverdünnung fest, die
oberflächlichen Venen werden komprimiert, und der Bezirk
steht unter venöser Hyperaemie. Natürlich kann man die Luft
unter der Glasglocke auch mittels einer Saugspritze verdünnen.
Auf gleichem Prinzip beruhen die zur Hyperaemisierung
von Gliedmaßen benutzten grösseren Saugapparate, das
sind gläserne, einseitig offne Zylinder, durch deren Hals das
zu behandelnde Glied gesteckt wird. Der luftdichte Abschluss
wird durch eine an der Oeffnung angebrachte Gummistulpe er¬
reicht, die sich beim Verdünnen der Luft mittels einer Säug¬
pumpe fest an den Arm anlegt, die Venen komprimiert und so
venöse Stauung macht. Wirksam in dem gewünschten Sinne
ist auch die Luftverdünnung, infolge deren die feinen Haut-
gefässe und die Venen sich erweitern. Obwohl durch die
Erweiterung der Blutbahnen der Widerstand für den Blutstrom
so stark herabgesetzt wird, dass sich eine regere Zirkulation,
also eher eine arterielle Hyperaemie einstellen könnte, ist doch
in der Tat die Hyperaemie eine venöse, eben deshalb, weil der
Abfluss des Blutes durch die Stulpe gehindert wird. Auch
hierbei ist streng darauf zu achten, dass der Patient sich wohl
befindet und weder Kribbeln und Prickeln, noch gar Schmerz
empfindet.
Die Saugapparate eignen sich vorzüglich dazu, versteifte
Gelenke zu mobilisieren; der Luftdruck, der das Glied in das
Gefäss mit gleichmäßig zunehmender Gewalt hineinpresst, ist
die Kraft, die steife Gelenke unwiderstehlich beweglich macht,
sonderbarerweise ohne dass die Patienten Schmerz dabei em¬
pfinden. Die Wirkung dieses Verfahrens ist so vorzüglich,
dass durch Konstruktion von Apparaten, die für die ver¬
schiedenen Gelenke passen, eine ganze Reihe orthopädischer
Instrumente in den Schatten gestellt und unnötig gemacht
werden.
Nachdem so io ganz kurzen Zügen das Wichtigste über
die Arten der Hyperaemie und die zu ihrer Erzeugung ange¬
wandten Instrumente angeführt worden ist, soll im folgenden
die Wirkung der Hyperaemie besprochen werden. Der
Laie und der Arzt staunt, wie intensiv und vielseitig die
Hyperaemie auf den behandelten Körperteil einwirkt, und kann
der Natur nur dankbar sein, dass sie ein solches Heilmittel
dem Körper zur Verfügung gestellt hat. Vor allem fallt die
schmerzstillende Wirkung auf. Ein Gelenk, das von
chronischem Rheumatismus oder jvon gonorrhoischer Gelenk¬
entzündung befallen seinem Besitzer die grössten Schmerzen
bereitet, ist schon nach einstündiger Behandlung freier beweg¬
lich und fast schmerzlos. Diese überaus günstige Einwirkung
der Hyperaemie ist verschieden erklärt worden. Während
Ritter meint, dass durch die Stauung eine Durchtränkung
des Gewebes eintrete und dass diese die Empfindlichkeit
herabsetze, weisen andere Autoren darauf hin, dass z. B. bei
Stauung von Gelenkerkrankungen eine Ansammlung von Flüssig¬
keit im Gelenk bewirkt wird, durch die die Geienkfiäcben von
einander abgehoben werden. Wie dem auch sei, es ist jeden¬
falls Tatsache, dass die alte Ansicht, die Hyperaemie, die sich
bei Entzündungen physiologischerweise einstellt, errege Schmer¬
zen, grundfalsch ist; diese werden vielmehr durch die von den
Entzündungserregern ausgehende Schädigung der Zellen und
Nervenendigungen verursacht, durch die i^^ieraemie aber herab-
f esetzt. Bier zeigt auch folgerichtig, dass die Hochlagerung
er Gliedmaßen, die man noch jetzt in der Chirurgie zur
Schmerzstillung anwendet, auf einer völlig falschen Ansimauung
beruht und dass gerade die dadurch erzeugte Blutleere
Schmerzen macht, während diese durch Hyperaemie sofort ge¬
lindert werden. Ein besonderer Vorteil der Verringerung der
Schmerzen ist der, dass versteiften Gliedern dadurch zur freien
Beweglichkeit verhelfen wird, die anfangs zwar nur während
der Hyperaemie, allmählich aber auch mit fortschreitender
Besserung der Erkrankung (Entzündung, Kontraktur usw.) auf
die Dauer erhalten bleibt. Die sich gegen Versteifungen (z. B.
infolge lange liegender Gypsverbände) richtenden orthopädischen
Uebungen sind meist wirkliche Quälereien, und mancher ver¬
zichtet lieber auf die normale Gebrauchslahigkeit seiner Glieder,
als dass er die Schmerzen bei der Mobilisierung über sich er¬
gehen lässt. Die Hyperaemie leistet hierbei geradezu ideale
Dienste.
Da man die Erfahrung gemacht hat, dass sich Infektions¬
krankheiten durch die Behandlung mit Stauungshyperaemie in
überraschend kurzer Zeit bessern, kaun kein Zweuel bestehen,
dass durch die Hyperaemie die Bakterien in ihrer Virulenz ge¬
schädigt oder abgetötet werden. Diese Wirkung ist denn auch
von verschiedenen Seiten experimentell bestätigt worden. Man
hat dafür eine Erklärung zu geben gesucht, indem man die
bakterientötenden Elemente im Blute (die weissen Blut¬
körperchen, Immunkörper) verantwortlich gemacht hat; andere
meinen, dass durch dje Hj^eraemie die giftigen Stoffwechsel¬
produkte der Bakterien an Ort und Stelle zurückgehalten
werden und mit ihren Erzeugern den Tod bringen; wieder
andere führen den bei der Stauung vermehrten Kohlensäure-
reichtum des Blutes als maßgebend an usf. Wie dem auch
sein mag, die bakterizide Wirkung der Hyperaemie
steht ausser Frage und hat sich bei zahlreichen akuten wie
chronischen infektiösen Erkrankungen aufs glänzendste bewährt.
Dadurch ist uns auch das Mittel in die Hand gegeben, einen
schwachen Organismus, der spontan nicht imstande ist, eine In¬
fektion durch Entsenden einer grossen Blutmenge an die be¬
troffene Stelle abznwehren und entweder ohne Hilfe unter¬
liegen oder doch jahrelang daran kranken würde, in der denkbar
günstigsten Weise zu unterstützen. Ein passendes Beispiel
bietet der chronische Gelenkrheumatismus, der sehr häufig mit
einem abnormen Kältegefühl in den befallenen Gelenken einher¬
geht, bei dem also die natürlichen Hilfskräfte des Körpers
offenbar unzureichend sind. Gerade auf diese Krankheit ver¬
mag die aktive wie passive Hyperaemie einen ausserordentlich
günstigen Einfinss auszuüben, einen günstigeren als sonst eine
Heilmethode. Natürlich muss sie in der nchtigen Weise her¬
beigeführt werden; die kalte Stauung ist streng zu vermeiden;
nur an Fehlem in der Technik liegt es, wenn keine Erfolge
erzielt werden.
Die Entdeckung Biers, dass gerade auf Infektionskrank¬
heiten, die von der Medicin bisher nur antiphlogistisch be¬
handelt worden sind, die Hyperaemie eine heilsame Wirkung
ausübt, wird hoffentlich bald überall bekannt und anerkannt
werden — sehr zum Vorteil der Patienten, die unter der Irr¬
lehre der Antiphlogose bisher den meisten Schaden erlitten
haben. Nach den Erfahrungen Biers empfiehlt sich für akute
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414
MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 40.
Fälle in erster Linie die Stauungshyperaemie mit Binde oder
Saugapparat, was dadurch erklärt wird, dass diese den natür¬
lichen Heilungsvorgang der Entzündung mit der nach kurzer
Beschleunigung eintretenden Verlangsamung und Verbreiterung
des Blutstromes am besten nachahmt, während die aktive Hype-
raemie sich mehr für die Behandlung chronischer und nicht¬
bakterieller Krankheiten eignet. — Unter Iniektionskrankheiten
sind hier übrigens natürlich solche zu verstehen, deren Be¬
handlung dem Chirurgen obliegt, alo Infektion von Wunden,
Furunkel, Carbunkel, Rotlauf, Phlegmone und andere eitrige
Prozesse, Milzbrand usw.
Auf der durch zahlreiche Experimente bewiesenen Tatsache
aufbauend, dass die Aufsaugung von Wasser und wässrigen
Lösungen stets durch die Blutgefässe und nicht durch die
Lymphbahnen erfolgt, kam Bier zum dem Schlüsse, dass die
aktive Hyperaemie mit seiner erhöhten Durchblutung auch
die Resorption in hohem Grade befördern müsse. Die
Praxis hat diesen Gedanken bewahrheitet. Chronische Gelenk¬
erkrankungen, Knochenbrüche, elephantiastische Wucherungen
usw. gehen häufig mit Oedem einher, also mit einer Ver¬
mehrung des Gewebssaftes und einer teigigen Schwellung des
Gewebes, sodass nach Druck mit dem Finger Eindellungen
Zurückbleiben. Bei allen diesen Erkrankungen hat Bier mit
der Heissluftbehandlung die grossartigsten Erfolge errungen:
die Oedeme verschwanden schon nach wenigen Sitzungen.
Dagegen erschwert natürlich die Stauungshj'peraemie die Re¬
sorption, so lange die Binde liegt; jedoch tritt nach dem Lösen
der Binde eine so vermehrte Aufsaugung ein, dass der endgiltige
Zustand doch eine Abnahme der Schwellung bedeutet. Um
auch dann, wenn ein längeres Liegenbleiben der Binde aus
anderen Gründen erforderlich ist, dieses Resultat zu erzielen,
ist es zu empfehlen, die Stauung mit Massage zu vereinigen.
{.Suhiuss folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
OesellschMtt für Gefmrtshiklfe und Gynäkologie
zu Ber1/i/n»
Sitzung am 15. Juni 1906.
Vorsitzender: Herr Keller.
Demonstrationen:
Herr Bröae: Hernia ovarica inguinalis.
Bei der Operation eines irreponiblen Leistenbruches wurde
in dem Bruchsack, der gegen die Bauchhöhle vollkommen abge¬
schlossen war und sich ohne Eröffnung derselben exstirpieren liess,
ein wallnusgrosses, abgesohnürtes Ovarium und ein 3 cm langes
abgeschnürtes (abdominales) Tubenende gefunden.
Herr Flaischlen: a) Beginnendes Carcinom: Bei 30-
jähriger Frau halbmondförmiges Ulcus der hinteren Lippe. Cervix
intaot. Mikroskopisch: Beginnendes Carcinom neben Erosion, Va¬
ginale Exstirpation, Heilung. Mutter der Patientin ist mit
39 Jahren an Carcinom gestorben.
b) Ovariotomie in der Gravidität: Kindskopfgrosser
Ovarialtumor bei 21jähriger gravida Mens. VI. Ovariotomie,
Rekonvaleszenz fieberfrei, aber kompliziert durch eine 3 Wochen
lang andauernde Parotitis.
c) Carcinom und Myom: Malignes Adenom in Carcinom
übergehend in myomatösem Uterus. 56 jährige Frau mit lang
anhaltendem blutigem Ausfluss. Zunächst Probecurettement, dann
vaginale Ex.stirpution des Uterus.
d) Diffuse fibromatöse Degeneration des Uterus:
Vaginale Exstirpation wegen profuser Blutungen.
Diskussion: Herr Olshauseu hält die bei Fall b er-
wälmte Parotitis wegen des fieberfreien Verlaufes für sympathischer
Natur. Die häufig vorkommende Kombination von Carcinoma cor¬
poris mit Myom beruht seiner Ansicht nach nicht auf Zufall,
sondern auf einem Abhängigkeitsverhältnis.
Herr ßab zeigt ein ähnliches Präparat wie in Fall c. 46-
jährige Frau mit Carcmoma cervicis. 3 Tage post. Laparot. ge¬
storben. Uterus ausgefüllt mit Carcinommassen (Cancroid) und
durchsetzt von grossen solitären Kugelmyomen, die sich mikros¬
kopisch als maligne degenerierte Adenomyome erweisen.
Herr Arnos: a) Malignes Adenom und Myom.
b) Cystisches Adenomyom.
Herr Koblank: Malignes Adenom und multiple Myo¬
me. Herr Strassmann und ebenso Herr Eoblank besprechen
in der Diskussion den von Olshausen erwähnten ursäch¬
lichen Zusammenhang zwischen Myom und Carcinom.
Herr Strassmann: 1. Zur Mjomenucleation.
a) St. hat bei 35jähriger Patientin 24 hanfkorn- bis apfel¬
grosse Myome mit Erhaltung des Uterus vaginal enucleiert.
b) Vaginale Enuoleation eines über kindskopfgroasen Oervix-
myoms ohne Eröffnung des Peritoneums.
c) Enucleation eines apfelgrossen Myoms der Scheide bezw.
des Septum recto-vaginale.
2) Demonstration von zufällig in der Tube gefundenen Con-
crementen. Wahrscheinlich verkalkte Tuberkulose,
Diskussion: Herr Bröse hält die unter Pall a beschriebene
Enucleation vieler Myome ohne gleichzeitige Sterilisierung wegen
der Rupturgefahr bei eventueller Gravidität für unzulässig.
Herr Olshausen warnt vor der vaginalen Enucleation intra¬
ligamentärer Myome wegen der Gefährdung der Ureteren.
Herr Heimsius, Herr Strassmann: Schlusswort.
Disk US sion zum Vortrag des Herrn Stoeckel: Üeber
die Anwendung der Nitze’schen Cystoskopie bei Luft¬
füllung der Blase in Kniebrustlage (mit Demonstration).
Herr Ringleb (als Gast): Die Luftfüllung der Blase, die
schon Nitze verworfen hat, bietet seiner Ansicht nach keine Vor¬
teile, sondern nur Nachteüe. Sie ist ein schönes Schaustück, aber
technisch schwierig und wegen der Kniebrustlage für die Patienten
unbequem.
Herr Knorr hält die Luftfüllung für eine wertvolle Be¬
reicherung der cystoskopischen Technik in allen den Fällen, in
denen eine Wasserfüllung schwierig oder unmöglich ist, ferner zur
Lokalbehandlung und zur Demonstration.
Herr Stöckel macht in seinem Schlussworte Ringleb gegen¬
über nochmals darauf aufmerksam, dass die Luftfüllung keine
Koukurrenzmetbode gegentiber der klassischen Cystoskopie. sein
solle, sondern nur eine Ergänzung derselben für gewisse, ganz
bestimmte, wie die von Herrn Knorr nochmals erwähnten Fälle
darstelle.
Herr Bröse: Zur Pflege der Bauchdeckeu nach der
Entbindung (mit Demonstration einer Woohenbettabinde).
B. beklagt es, dass in Deutschland der Pflege der Bauch-
decken post partum viel zu wenig Aufmerksamkeit von seiten der
Praktiker geschenkt wird. Es entstehen dadurch in unzähligen
Fällen Hängebäuche mit allen den Folgeerscheinungen der £n-
teroptose, die sich durch eine zweckectprechende Bandagierung im
Wochenbett leicht vermeiden lassen. Er wendet seit längerer Zeit
eine unter den Namen Idealbinde im Handel befindliche breite
porös-elastische Binde an, die nach unten bis unterhalb der
Trochanteren, nach oben bis zum Rippenbogen angelegt und ca.
alle 48 Stunden gewechselt wird. Er hält diese für die beste der
zur Zeit existierenden Binden und ist mit den Erfolgen sehr zu¬
frieden.
Sitzung am 29. Juni 1906.
Vorsitzender: Herr KöHsr.
Demonstrationen:
I
Herr Olshausen: 1) Patientin, 21 jährig, L para, die am
17. Juni nach 3 eklamptischen Anfällen in die Klinik eingeliefert
wurde, wo sie nach 2 weiteren Anfällen durch Forceps nach Cervix-
incisionen entbunden wurde. Einige Stunden p. partum 6. An¬
fall. In den folgenden Tagen stieg die Urinmenge dauernd, der
Eiweissgehalt fiel bis V 2 ®/oo, nur blieb Patientin immer noch etwas
benommen. Vom 4. Tage an innerhalb 20 Stunden weitere 56
Anfälle, die dann nach Verabreichung eines Clysmas von 6 g Brom
sibtierten. 36 Stunden lang bestand noch eine Psychose, dann
wurde die Kranke nach spontanem 6 stündigem Schlaf allmählich
klar. Die im Beginn vollständige Amaurose hat sich langsam er.
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1906.
MEDICINISCHB WOCHE.
415
heblich gebessert. Auffallend an dem Fall ist das bisher über¬
haupt noch nicht beschriebene Auftreten der Anfälle nach 4 tägiger
Pause und ferner der günstige Verlauf trotz der massenhaften
Anfälle.
2) Chorionepithelioma malignum.
48 jährige Patientin, vor l>/j Jahren Blasenmole. Bei der
Aufnahme erhebliche Macies, vergrösserter Uterus, Blutung. Der
Uterus wurde exstirpiert, Rekonvaleszenz normal. In der Folge¬
zeit trat jeden Morgen massenhaftes Blutspeien auf. Im Sputum
wurden keine syncytialen Zellen gefunden, die Untersuchung
der Lungen ergab nur an einer kleinen Stelle Dämpfung und
Rhonchi. Auffallend ist das späte Auftreten des Chorionepithelioms
(1^/, Jahr nach der Blasenmole) sowie der regelmäßige reichliche
blutige Auswarf ohne die Möglichkeit dos sicheren Nachweises
von Lungenmetastasen.
Herr v. Bardeleben: 36jährige Pat., die mit 10 Monaten
laufen gelernt hat und in ihrem 2. Lebensjahre an spinaler Kinder¬
lähmung erkrankte. Beide Arme und Beine sowie die Rumpf-
musknlatur, der erector trunci, sind völlig gelähmt. Patient kann
nicht sitzen und sich nicht aufrichten. Der Rumpf lagert auf
der rechten Beckenhälftc, sodass der senkrechte Rumpfdruck fehlt.
Das Röntgenbild zeigt, dass die Lendenwirbelsäule last horizontal
an das Kreuzbein ansetzt. Die Folgeerscheinungen sind: 1. Das
Promontorium ist nicht zur Ausbildung gelangt, es ist nicht tiefer
getreten, die Lumbosakralverbindung steht ca. 1,5 cm über der
linea innominata. 2. Das Becken ist nahezu rund, die Quer-
spannung ist nicht ausgesprochen. 3. Der Beckenausgang ist
trichterförmig verengt. Die Beckeuschaufeln sind gering ent¬
wickelt. Es sind das alles Eigentümlichkeiten des infantilen
Beckens. Der Fall ist ein Beleg dafür, dass das reife Becken
ein Produkt mechanischer Momente, speziell des Rumpfdruckes
ist. Bei der Entbindung, gelegentlich der v. B. die Patientin
sah, trat der Kopf im geraden Durchmesser ein; die Geburt ging
spontan bis zur Beckenweite vor sich, dann Stillstand, wahrschein¬
lich infolge Vei-sagens der atrophischen Bauchmuskulatur. Forceps.
Diskussion: Herr Olshausen fragt, ob starker Hänge¬
bauch vorhanden war. Herr v. Bardeleben: Ja. Herr Ols¬
hausen: Dieses war jedenfalls die Ursache für die fehlerhafte
Einstellung.
Diskussion über den Vortrag des Herrn Bröae: Zur
Pflege der Bauchdecken nach der Entbindung (mit De¬
monstration einer Wochenbettsbinde).
Herr Stöckel demonstriert die Bumm’sche Wochenbettsbinde,
sowie eine zweite, die er selbst seit längerer Zeit mit gutem Ei'-
folg verwendet.
Herr Olshausen ist der Ansicht, dass seit ca. 2 Dezeunien
die Anwendung der Wochenbettsbinden eine ganz allgemeine ge¬
worden ist. Er wendet die Schnallenbinden an, die — richtig
angelegt — recht gute Dienste leisten. Gegen die Wickelbinden
ist einzuwenden, dass die Wöchnerinnen bei dem Anlegen und
Wechseln zu viel bewegt werden müssen.
Herr Keller ist ebenfalls der Ansicht, dass die Rollbinden
zu unbequem sind. Bedenklich ist auch die Gefahr der Verun¬
reinigung bei der Defäkation etc. Er verwendet breite dach¬
ziegelförmig angelegte Heftpflasterstreifen, die den Rücken frei-
lassen und 8 Tage liegen bleiben. Es kommt nur selten vor dass
sie schlecht vertragen werden, Ekzeme auftreten etc. In diesen
Fällen empfiehlt er auch eine Schnallenbinde, die weit genug
herabreicht.
Herr Bröse: Schlusswort. B. glaubt, dass die Praktiker
doch noch sehr wenig Binden verwenden. Die Schnallenbinden
hält er den elastischen Rollbinden nicht für gleichwertig. Die
Bumm’scbe Binde ist seiner Ansicht nach zu schwer. Gegen die
Heftpflasterstreifen spricht die Möglichkeit der Ekzembildung.
Ein zu häufiges Bewegen der Wöchnerinnen glaubt er nicht be¬
fürchten zu müssen, da die Binde nur alle 2 Tage gewechselt zu
werden braucht.
Herr Keller: Die Nabelinfektion in der Säuglings¬
sterblichkeit der Jahre 1904 und 1905 nach den Auf¬
zeichnungen des statistischen Amtes derStadt Berlin.
Vortragender ist der Ansicht, dass die Nabelheilung, obwohl
in den letzten Jahren fraglos besser geworden, doch noch nicht
so gut ist, wie man a priori annehmen sollte. Die bisher be¬
kannten Statistiken stammen aus Kliniken und ergaben relativ
schlechte Resultate. Ueber die Verhältnisse aus der allgemeinen
Praxis ist wenig bekannt. Die Praktiker behaupten zwar oft, dass
die Nabelinfektton in der Privatpraxis gar keine Rolle spiele; da
aber bekanntlich 75®/o aller Geburten nur von Hebammen ge¬
leitet werden, so ergiebt sich für die Allgemeinheit daraus kein
greifbarer Anhalt. Zur Klärung dieser Frage hat daher K. den
Weg beschritten, mit Hilfe des statistischen Amtes einen Ueber-
blick wenigstens über die tätlich verlaufenen Fälle zu gewinnen,
indem den amtlichen Totenscheinen mehrere vom Arzt anszn-
füllende Rubriken über den Verlauf der Nabelheilung und die Be¬
schaffenheit des Nabels angefügt wurden. K. berichtet nunmehr
über die statistisch verarbeiteten Ergebnisse aus den Jahren 1904
und 1905. Die aus einer grossen Reihe interessanter Zahlen be¬
stehenden Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden.
Das Gesamtergebnis ist das, dass in Berlin jährlich noch Hunderte
von Neugeborenen an Nabelinfektion zu Grunde gehen, schwere
Nabelinfektionen also durchaus keine Seltenheit sind. K. bespricht zum
Schluss noch die allgemeinen Grundsätze der Nabelbehandlang und
empfiehlt warm die Verwendung des Alkohols bei der Nabelpflege.
Herr Odebreoht demonstriert einen myomatösen Uterus.
Herr Robert Meyer demonstriert 1. einen Uterus, bei
dem nach Amputation der Portio ein Carcinom des Gartnerschen
Ganges diagnostiziert wurde. Darauf Totalexstirpation. 2. Einen
Uterus, der vollständig mit Cysten durchsetzt ist. M. ist der An¬
sicht, dass dieselben nicht vom Uterus, sondern vom Ovarium aus¬
gehen (Kystom oder Teratom).
Sclileniache GeseUschaft filr v<Uerländi8cTie Kultur.
(Med. Sect.) Sitzung vom 23. Februar 1906.
1. HerrKüstner: Operation der Nabe 1 schnurheruie
mit Demonstration. K. stellt ein 3 Wochen altes Kind vor,
das in den ersten Lebenstagen wegen Nabelschnurbruch operiert
worden ist. Der Verlauf war glatt, Fieber nicht vorhanden; vom
4. Tage au nahm das Gewicht wieder etwas zu und beträgt heut
etwas mehr, als bei der Geburt. Die Nabelschnurhemie ist etwas
sehr seltenes; bei den 15000 Neugeborenen, die K. beobachten
konnte, hat er sie nur 6 mal vorgefunden (also 1: 2500), davon
hat er 4 operiert, 1 ist ihm echappiert und 1 war inoparabel.
Charakteristisch ist, dass die Amnion-Bekleidung kontinuierlich
auf die Hernie übergeht und dann schroff gegen die Epidermis
des Nabels absetzt. Bezüglich der Aetiologie herrscht keine ein¬
heitliche Auffassung. Am plausibelsten erscheint die mechanische
Erklärung von Ahlfeld: Derselbe Zustand, wie er bis zur 10. Woche
beim Embryo bestanden hatte, wird durch eine Entwicklungs¬
hemmung stabilisiert. Während normalerweise der Nabelschnur¬
ring unter Zerreissung des Ductus omphalomesentericus sich immer
mehr zusammenzieht, und die Dünndarmschlingen, die vorher in
der Nabelschnurhülle gelegen hatten, allmählich zurückgedrängt
werden, bleibt hier, vielleicht infolge übermäßiger Dicke der
Ductus omphalomesentericus, der Nabelring offen und der Darm
draussen, und es entsteht eine Hernie. Da aber in etwa 30%
der Fälle auch Teile der Leber den Inhalt der Hernie bilden,
sucht Aschhoff nach einer anderen Erklärung und glaubt sie in
einer falschen Anlage der Leber zu finden. Was die Prognose an¬
langt, so geht ein grosser Teil dieser Kinder an anderen Miss¬
bildungen (Schädel, Gehirn etc.) zu Grunde. Bei den kleinen
Hernien ohne Komplikationen vertrocknet die Amnionhülle und
das sehr dünne Gewebe des Peritoneum zeireisst oder lässt In¬
fektionskeime hindurchtreten, wodurch der Exitus herbeigeführt
wird. Nur selten bei allerkleinsten Hernien erfolgt eine spontane
Schliessung der Bruchpforte, Daher ist strengste Indikation für
ein operatives Eingreifen. Vor 30 Jahren ist die Operation zum
ersten Mal gemacht worden, und zwar Resektion und Naht, wie
bei Laparotomie. Später empfahl Olshausen extraperitoneal zu
operieren; er schälte die Hernie aus und stülpte das Peritoneum
ein. Während bei der anderen Methode doch ein gewisser Pro¬
zentsatz zu Grunde geht, hat 0. bei seinen 6 Fällen keinen Ver¬
lust gehabt. Der Vortr. konnte in einem früheren Falle die sehr
grosse Leber erst nach Resektion eines Stückes reponieren; ein
anderes Mal trat nach erfolgter Reposition der vergrösserten Leber
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416
MEDICINISCHE WüCnE.
Nr. 40.
durch Kompression der rechten Lunge Asphyxie und der Tod ein.
Aus diesem Grunde empfiehlt er die Resektion der Leber.
Herr Tietze bemerkt, dass er vor kurzem bei einem 14-
tägigen Säugling die Radikaloperation gemacht hat; das Kind
starb aber nach 5 Tagen.
2. Herr Göbel: a) Fall von Dysenterie und nicht
d iagnostiziertemLeberabszess. Tod nach über 4jähriger
Krankheit. Ein Chinakrieger erkrankte 1900/01 an Ruhr und
wurde als GanzinvaUde in die Heimat entlassen. In den nächsten
Jahren kam er in die verschiedensten Krankenhäuser, und zumeist
wurde eine Infiltration des rechten unteren Lungenlappens diag>
nostiziert; einige Monate vor seinem Tode wurden auch 300 ccm
Eiter aus der Pleura entnommen. Die Sektion ergab aber einen
fast 2 kg Eiter enthaltenen Abscess in der Leber, während die
Lunge und Pleura frei waren. Der Vortr., der in mehrjähriger
ärztlicher Tätigkeit in Aegypten die Tropenkrankheiten gründlich
kennen gelernt hat, glaubt, dass die angenommene Lungen-In-
filtration der Leberabscess gewesen sei, und fasst seine Ansicht
dahin zusammen, dass man in allen Fällen von chron. Amoeben-
Dysenteria mit langem Siechtum, gleichgültig ob mit oder ohne
Fiebersteigerung, und auch ohne Vergrösserung oder Druckempfind¬
lichkeit der Leber an einem Leber-Abscess denken muss.
b) Fall von hysterischer vasomotorischer Neurose.
G. stellt ein junges Mädchen vor, bei dem nach Gla-tsplitter-
Verletzung der linken Hand noch nach Monaten ödematöse An¬
schwellungen des linken Armes und abendliche Fiebersteigerungen
auftreten. Bei einer Inzision wurden Glassplitter nicht gefunden.
Unter Behandlung mit Bierscher Stauung, heiasen Kompressen und
Oollargol Hess die Schwellung etwas nach, trat aber immer wieder
von neuem auf, bis durch einen Zufall entdeckt wurde, dass Pat.
sich durch Konstriktion das Oedem künstlich erzeugte. Durch
einen Gipsverband wurde dies verhindert, und der Zustand wurde
zusehends besser. Hysterische Stigmata waren nicht vorhanden,
nur gesteigerte Reflexerregbarkeit und fast vollständige Anaesthesie
des linken Armes; dies Letztere konnte aber auch auf die dauernde
Oedemi.sierung der Haut zurückgeführt werden. In der Frage, ob
die Schwellung von vornherein artifiziell war, oder ursprünglich
spontan auf hysterischer Basis entstand und bei dem ärztlichen
Interesse von der Patientin künstlich erhalten wurde, neigt der
Vortr. mehr zu der letzteren Annahme.
Diskussion: Auf die Frage des Herrn Förster, ob es
sich nicht um Syringomyelie handeln könne, antwortet Herr
Göbel, dass dies ausgeschlossen sei, da der Temperatursinn voll¬
ständig intakt sei.
Herr Tietze hat einen ganz ähnlichen Fall auch auf hyste¬
rischer Basis beobachtet.
3. Herr Klingmüller; Ueber Xeroderma pigmen¬
tosum mit Krankendemonstration.
K. stellt 2 kleine Mädchen (Schwestern; vor mit dieser sehr
seltenen Affektion, die er selbst vorher noch nie gesehen hatte.
Die Kinder, deren Eltern Geschwisterkinder sind, waren normal
bei der Geburt; als sie zum ersten Mal an die Luft kamen, wurde
die Haut glänzend, schuppend, und dann bräunlich verfärbt; in
der Sonne wurde es immer schlimmer, und zwar besonders an
Händen, Füssen und im Gesicht. Dann bilden sich noch Blasen
und Krusten und andererseits atrophische Zustände (Sklerodermie).
Die Prognose, die an und für sich nicht schlecht ist, wird dadurch
ungünstig, dass sich alle Formen von Tumoren, Carcroide, Sarcome,
Angiome oder auch Ulcus rodens entwickeln können, und die
Kinder an Kachexie zu Grunde gehen.
Anamnestisch richtig ist, dass meist Geschwister gleichen Ge¬
schlechts erkranken, und die Eltern in verwandschafllichem Ver¬
hältnis zu einander stehen. Früher hielt man die Krankheit für
eine angeborene Anomalie, jetzt für eine Idiosynkrasie, wie
Sommersprossen etc. Dr. Peritz.
Österreich.
Bericht i'iher die XV, Veraa/mvnlung der Deutschen
otologischen Ges^lschaft,
Hr. V. Frankl-H*ochwart-Wien: Die Diagnose und
D ifferentialdiagnose des Meniereschen Schwindels.
Vortr. bespricht in der Einleitung seine Einteilung des
Meniereschen Symptomenkomplexes. Auf der einen Seite steht
die klassische apoplektische Form bei Individuen, die früher ohr-
gesund waren, die ohne Trauma oder nach Trauma auftreten kann.
Ihr gegenüber steht die accessorische Form — jener Schwindel,
wie er sich bei bereits vorhandenen Ohrenleiden entwickelt, so
namentlich bei akuten und chronischen Mittelohr- und Labyrintb-
prozessen, seltener bei Erkrankung des äusseren Ohres und des
Nervus acusticus. Hieran schliesst sich noch der Schwindel bei
Eingreifen in das Ohr und bei Schaukelbewegungen. Anhangs¬
weise sind noch die pseudomeniereschen Attacken zu erwähnen:
paroxymales Auftreten von Schwindel, Ohrensausen und Erbrechen
bei intaktem Ohre, bei Neurosen — als Aura des hysterischen und
epileptischen Anfalles.
F.-H. schildert nun die Hauptsymptome des Anfalles mit seinem
fürchterlichen Drehschwindel, der Hörstörung, dem entsetzlichen
Ohrensausen, der Ataxie, dem Nystagmus und dem Erbrechen; vaso¬
motorische Begleiterscheinungen, Pulsanomalien, Diarrhoeen, Kopf¬
druck sind nicht selten zu beobachten. Weniger markant sind die
interparoxysmalen Zustände; bis auf die Hörstörung ist der Be¬
fund meist völlig negativ, es sei denn, dass man geringe Grade
von Ataxie und Nystagmus nachweisen kann.
Leicht ist meistens die Erkenntnis der Men i^re-Apoplexie,
da die cerebralen Insulte mit ganz anderen Symptomen, wie z. B.
schweren Bewusstseinsverlusten und Lähmungen etc. einhergehen,
während gerade bei diesen Fällen plötzliches Ertauben für gewöhn¬
lich nicht beobachtet wird.
Schwieriger ist es, die Vertigo auralls der accessorischen Form
zu erkennen, besonders, wenn man die Patienten ausserhalb des
Paroxysmus zu sehen Gelegenheit hat. Der Internist ist ver¬
pflichtet, bei jedem Patienten, der über Schwindel klagt, das Ohr
zu untersuchen. Wo keine Schwerhörigkeit, da ist der Vestibular-
schwindel sehr unwahrscheinlich, wenn auch nicht völlig ausge¬
schlossen. Wo Schwerhörigkeit, da ist Verdacht auf den Ursprung
ex aure laesa, doch ist selbstverständlich, dass Schwerhörige leicht
auch Schwindel anderer Proveniens haben können.
Vortr. bespricht nun die Differentialdiagnose mit den anderen
Schwindelformen; wenig Aehnlicbkeit hat der Schwindelbei Augen¬
muskellähmungen und Refraktionsanomalien sowie der bei akuten
Infektionskrankheiten und der Lues. Mehr Aehnlicbkeit hat die
Vertigo es tomacbo laeso wegen des dabei oft beobachteten heftigen
Erbrechens, Schwieriger ist die Diagnose bei Arteriosklerotikern.
da dieselben nicht schwerhörig sind. Die Differentialdiagnose
von den eigentlichen Gehirnerkrankungen, wie z. B. Blutungen,
Erweichungen, Tumoren, Abscessen, ist nicht so schwierig als
man a priori denken sollte, da nach den Erfahrungen des
Autors bei den genannten Affektionen selbst, wenn sie den
Acusticus ergreifen, typischer Drehschwindel mit Ohrensausen
nur ganz vereinzelt vorkommt. Aehnliche Erwägungen haben
auch bei den cerebrospinalen Erkrankungen statt; besonders
ist da nur die Tabes zu erwähnen, bei welcher Affektion
bisweilen via der Erkrankung des Labyrinthes und des Acus¬
ticus echte Paroxysmen auftreten können. Ferner erinnert Vortr.
an die von ihm zuerst beschriebene Polyneuritis cerebralis meniöre-
formis. Das akute Auftreten dieser Rankheit, die Kombination
von nervöser Hörstörung, Ohrensausen, Drehschwindel mit Herpes
und totaler Facialislähmung macht die Erkennung sehr leicht.
Der neurasthenische Schwindel hebt sich dadurch von der
auralen Form leicht ab, dass er selten ein typischer Drehschwindel
ist, dass die Leute sich nicht niederlegen, nicht Zusammenstürzen,
dass sie kein Ohrensausen haben und nicht erbrechen.
Mehr Schwierigkeit macht die Differentialdiagnose bei der
Hysterie und Epilepsie. Gerade bei diesen Erkrankungen kommt
es zu Pseudomeniere im Sinne des Vortragenden; zu Anfällen von
Drehsohwindel, Ohrensausen und Erbrechen.
Der negative Ohrenbefund in diesen Fällen, die Beobachtung
der anderen bekannten Begleitsymptome, wie Bewusstlosigkeit, all¬
gemeine Konvulsionen, Inkontinenzen etc., werden die Sache bald
zur Klarheit führen.
Ferner erwähnt F.-H. noch der Schwierigkeit, die dadurch
entsteht, dass es Formes frustes der Meniereanfälle gibt. An einem
sehr markanten Beispiele wird gezeigt, dass es Vertiga auralis
ohne Schwerhörigkeit gibt — vermutlich beruhend auf Läsion des
Vestibularapparates bei freiem Kochlearapparate. Nicht unwichtig
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1006.
MEDICmiSCHE WOCHE.
417
ist es auch, dass bei EinzelfäUen in Fu’ozysmns die subjektiven
Geräusche nicht nur nicht zunehmen, sondern sogar verschwinden;
ja, es kommen vereinzelte Fälle vor, bei welchen die Leute über¬
haupt frei von Tinnitus sind. Ferner gibt es Äequivalente des
grossen Anfalles, bei welchen nur ein gewisses Taumelgefühl
(kein Drehschwindel) auftritt, bisweilen sogar nur Kopfdruck mit
Verdunkelung vor den Augen.
Hr. Kreidl-Wien demonstriert nach einleitenden Worten
über die Funktion des Bogengangapparates die Einwirkung der
Rotation auf die Erhaltung des Gleichgewichts bei Tanzmäusen
und bei gewöhnlichen weissen Mäusen; ferner werden die Störungen
des Coordinationsvermögens bei labyrinthlosen Tauben und
Fröschen demonstriert.
Hr. Bruehl-Berlin: Beiträge zur pathologischen Ana¬
tomie d es G ehörorgans. (Demonstration mit dem Projektions¬
apparat).
Vortr. demonstriert
1. Diapositive von einem im Lauie von Tabes ertaubten
Kranken, bei deinsich neben Degeneration in den Wurzelgebieten
des Hömerven hochgradige atrophische Veränderungen in der
Schnecke (besonders Ganglion spirale) zeigten;
2. Präparate von einer Ankylose des Hammers mit dem
cariösen Ambos, Obliteration der Fossula fen. cochleae durch Binde¬
gewebe, Atrophie des Ganglion spirale bei enormem Hoclistand
der Bulla jugularis, die klinisch als Stepesfization mit nervöser
Schwerhörigkeit (cat. Adhaesivprozesse) angesehen wurde;
3. Schneckenpräparate einer in vivo diagnostizierten „nervösen
Schwerhörigkeit“ mit Atrophie des Spiralganglions und des N.
co 5 :hleari 8 , besonders in der ersten Windung der Schnecke;
4. Schneckenpräparate einer in vivo diagnostizierten profes¬
sionellen Schwerhörigkeit bei einem Schmiede mit Atrophie des
Spiralganglions, des N. cochlearis und Defekt des Gor tischen
Organs in der Basalwindung.
Hr. Na er-Basel demonstriert mikroskopische Präparate Uber
Erkrankungdes innerenOhres bei Genickstarre, Tuberkulose, Syphilis,
Cholesteatom, ferner über angeborene und erworbene Taubstumm¬
heit, letztere nach Meningitis und Trauma.
Hr. Passow-Berlin: Das Trommelfellbild, das wir beim
Spiegeln erhalten, entspricht nicht der Wirklichkeit. Selbst unter
günstigen Verhältnissen ist es verzerrt, um so verzerrter, je enger
der äussere Gehörgang ist und je mehr die Membran in derselben
Ebene liegt wie die obere Wand des Gehörganges. — Diese Ver¬
zerrung des Troromelfellbildes ist dem Ohrenarzt bekannt, sie
wird aber in praxi vielfach übersehen und in den Lehrbüchern
fast gar nicht berücksichtigt. Vortr. zeigt eine Reihe von Trommel-
fellbUdem. — An Leichen ist das durch den Spiegel gewonnene
Bild gemalt und dann nach Herausnahme des Felsenbeins und
nach Abtragung der vorderen Wand des äusseren Gehörganges
das freiliegende Trommelfell gezeichnet.
Es geht aus den Bildern hervor, dass Narben, Reste, Per¬
forationen, Verkalkungen in Wahrheit eine ganz andere Gestalt
haben, als es durch den Trichter scheint. Manche Narben, sind
beim Spiegeln überhaupt nicht erkennbar.
Wichtig ist, dass man die Trommelfelle ganz frisch unter¬
sucht. Durch Leichenveränderung tritt sehr schnell eine Ver¬
änderung der Wölbungsverhältnisse des Trommelfells ein, und
Farbe und Glanz der Oberfläche verändert sich.
Weitere Untersuchungen haben gelehrt, dass unsere jetzige
Trommelfelleinteilung in Quadranten besonders dann zu fehlerhaften
Bezeichnungen Anlass gibt, wenn durch krankhafte Veränderungen
der Hammer retrahiert ist. Die jetzt vorwiegend angenommene
Einteilimg entspricht auch nicht der anatomischen Einteilung und
ist deshalb unhaltbar.
Die Einteilung Politzers, der vom Umbo aus eine Senkrechte
nach der Peripherie zieht und eine Wagerechte durch den Umbo
legt, um die Quadranten zu gewinnen, ergibt richtigere Resultate.
Mängel hat diese Einteilung ebenfalls, sie ist aber zweifellos besser
als die jetzige.
Vor allen Dingen aber ist nötig, dass wir uns über eine ein¬
zige Einteilung einigen, jetzt herrscht Verwirrung. — Es handelt
sich nicht nur um theoretische, sondern auch um praktisch wich¬
tige Erwägungen. Beim Unterricht erwachsen dem Studenten
unnütze Schwierigkeiten, wenn der Lehrer ihm eine andere Ein¬
teilung beibringt, als in den Lehrbüchern angegeben ist.
Das verschiedene Lokalisationsbezeichnungen zu Unklarheiten
in Gutachten führen, liegt auf der Hand.
Hr. V. Schroetter-Wien demonstriert Röhren für die
Oesophagoskopie und Bro nchoskopie. Dieselben bestehen
aus einer äusseren Metall- und inneren Glasröhre, die auf der, der
Lichtung zugekehrten Fläche einen dunklen undurchsichtigen An¬
strich erhält. An dem oberen verbreiterten Ende des Apparats
sind kleine Glüblämpchen so angebracht, das sie beim Hereinblicken
von oben her nicht gesehen werden, das Licht aber die innere
Glasröhre entlang an dem unteren Ende des Rohres erstrahlen
lassen. Es wird dadurch nicht das Rohr in seinem ganzen Ver¬
lauf, sondern nur am unteren Ende belichtet und ein besonderes
Elektroskop wird überflüssig.
Hr. A. Be hm-Wien-Mödling hält einen interessanten Experi¬
mental-Vortrag über Akustotechnik und Schallmessung. Die von
dem Vortr. konstruierten exakten Schallmessinstrumente gestatten
an einer Skala direkt die Schallstärke eines beliebigen Tones ab¬
zulesen; ferner kann vermittelst der Apparate eine Analyse des
Schalles vorgenommen und z. B. ziffermäßig festgestellt werden,
wieviel Schall durch eine Wand hindurchdringt und wieviel
Schall dabei von anderen Konstruktionsteilen übertragen worden
ist. Mit dem von dem Vortr. konstruierten Schallmesser können
Schallwellen jeder Tonhöhe in Luft oder festen Körpern ihrer In¬
tensität nach gemessen werden; ferner kann mit demselben die
Schwingungszahl einer jeden Schallwelle bestimmt werden, und
endlich ist es möglich, mit Hilfe des Schallmessers die Schwingungs¬
vorgänge in Luft lind festen Körpern zu untersuchen, sowie die
Schwingungsform derselben sichtbar zu machen.
Die Ausführungen des Vortr. werden durch die Vorführung
exakter Experimente erläutert.
Hr. Gut zmann-Berlin: Ueber die Bedeutung des
Vibrationsgefühls für die Stimmbildung Taubstummer
und Schwerhöriger.
Der Vortr. untersuchte zunächst die Unterschiedsempfind¬
lichkeit für das VibrationsgefOhl, indem er zwei elektrisch be¬
triebene Stimmgabeln ihre Vibration auf eine Luftkapsel über¬
tragen Hess und bald die eine, bald die andere Zuleitung unter¬
brach. Indem er die Fehlerquellen nach Möglichkeit ausschaltete,
fand er, dass die Differenz eines ganzen Tones von dem tastenden
Finger meist ohne Schwierigkeit wahrgenommen wird. Die Be¬
deutung derartiger systematischer Untersuchungen für die Sprach-
stimme der Taubstummen und Schwerhörigen sieht der Vortr. in
dem Nachweise, dass das Vibrationsgefühl für Tonhöhen und Ton-
dififerenzen in den geschilderten Grenzen einzuüben ist. Während
beim Hörenden die Kontrolle der StimmhOhe und Stimmstärke
durch deis Ohr geschieht, lässt sich durch systematische Entwicke¬
lung und bewusste Einübungen der Vibrationsempfindungen viel¬
leicht eine exaktere Kontrolle der eigenen Sprecbproduktion des
taubstummen Kindes mittels des Vibrationsgefühls erzielen, als
dies bisher der Fall war. G. schlägt zu diesem Zweck vor, dass
bei den ersten Stimmentwickelungsversuchen bei taubstummen
Kindern hörende Kinder des gleichen Alters als „adäquate* Vor¬
bilder für die Vibration genommen werden sollten, und dass die
ersten Einübungen so früh wie möglich, jedenfalls schon im vor-
schulpfiichtigen Alter, beginnen müssen. Bei genügender und früh¬
zeitiger Einübung des Vibrationsgefühls werden dann auch die in
den Hohlräumen des Sprechapparats entstehenden Vibrationen besser
zum Bewusstsein gelangen und als Ersatz für die fehlende Hör¬
kontrolle dienen können, so dass Stimmhöhe, Stimmstärke und
Stimmeinsatz auch bei der Spontanspraohe des taubstummen Kindes
unter Selbstkontrolle gemacht werden.
G. hofft, dass durch diese Vibrationskontrolle eine wesent¬
liche Besserung der Stimmproduktionen der Taubstummen erzielt
werden kann.
Hr. Blau-Görlitz; E xp e rimenteller Verschluss des
runden Fensters. Fortsetzimg der im Vorjahre mitgeteilten
Versuche der Plombierung des runden Fensters.
Tiere sind völlig reaktionslos dem Schall gegenüber, sobald
sie doppelseitig operiert sind.
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418
MEDlCmiSCHE WOCHE.
Nr. 40.
Nie Eiterangen, nie Exsudate in Bulla oder Pauke oder
Labyrinth.
Mikroskopisch: Bindegewebiges Gewebe bis (na(^ 6 Monaten)
Narbengewebe im untersten Schneckenteil, Verklebungen der Mem¬
brana Reisneri mit Membrana Gorti, Membrana reticularis, Cortis
Organ zusammen geknickt, zum Teil coUoidal entartet oder nicht
mehr nachweisbar.
N. cochleae nach 6 Monaten stark degeneriert, Ganglien spirale,
Ganglien vermindert bis zum fast völligen verschwinden.
Hr. B1 au• Görlitz: Form der Ohrmusch el bei Geistes¬
kranken und Verbrechern.
Messungen, bezw. Untersuchungen an 206 Normalen, 210
Geisteskranken, 243 Strafgefangenen. Messungen ergeben, dass
die Lamina auris bei Geisteskranken und Verbrechern durchschnitt¬
lich weit grösser ist, also funktionell vollkommener; „wahre Ohr¬
breite“ und „wahre Ohrlftnge“ grösser. (Schluss folgt.)
Kongress bericht.
23- Kongress für innere Meäidn
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Herr Leon Asher-Bern: Ueber physikalisch-che¬
mische BindungsVerhältnisse der Stoffe im Blute
und deren Bedeutug für Transsudationen und Sekre¬
tionen.
Die einzelnen Sekrete und Transsudationen unterscheiden
sich unter anderem durch ihren verschiedenen Gehalt an krystal-
leiden Substanzen. Die Untersuchung der Gründe dieser Unter¬
schiede fuhrt auf eine Reihe prinzipiell wichtiger, und trotz schein¬
barer Einfachheit, schwieriger Probleme.
Eine neuere Auffassung über die eventuellen Bedingungen
der verschiedenen Ausacheidungsverhältnisse einzelner Stoffe ist
die, dass gewisse im Blute frei gelöst seien, andere hingegen mehr
oder weniger fest gebunden. Frei gelöste Substanzen könnten
nun bei ihrem Durchtritt durch die Zellen einfachen Filtrations-
gesetzen folgen, hingegen bedürften die kolloid gebundenen Sub¬
stanzen erst einer Lösung diirch besondere Kräfte.
Von Zuntz und Gürber ist der Nachweis geführt worden,
dass die Alkalien des Blutes zum Teil festgebunden sind, denn
auf dem Wege der Diffusion lässt sich nur teilweise das Blut al¬
kalifrei machen. Der Mechanismus, durch welchen die Freimachung
oder Bindung der Alkalien reguliert wird, ist gegeben durch den
im Stoffwechsel entstehenden wechselnden Eohlensäuregehalt des
Blutes.
Die Diffusionsmethode angewendet auf den Zucker des Blutes
lehrt, dass der normale Blutzucker im Plasma frei gelöst ist.
Der Vortragende weist kurz auf die Vorsichtsmaßregeln hin,
welche bei diesen Diffusionsversuchen innegehalten werden müssen.
Die Ursache, weshalb beispielweise im Ham und im Speichel kein
Zucker auftritt, ist die, dass die Nieren- und Speicheldrüsenzelle
ein spezifisches Auslesevermögen für Zucker haben. Bei normalem
Blutzuckergehalt ist die Nierenzelle noch impermeabel für Zucker,
die Speicheldrüsenzelle bleibt es noch bei sehr hohem, künstlich
gesteigerten Zuckergehalt des Blutes.
Da die Niere bei Kochsalzhunger kein Kochsalz ausscheidet,
ist die Vermutung geäussert worden, das bei Kochsalzhunger das
Kochsalz im Blute zum Teil festgebunden kreise. Es wird der
Nachweis geliefert, dass auch im Kochsalzhunger das Kochsalz
frei gelöst im Blute sei.
Die vorgetragenen Tatsachen enthalten schwerwiegende Stützen
für die sekretorische Theorie der Harnabsonderung. Es wird da¬
rauf hingewiesen, dass die Erforschung der physikalisch-chemischen
Prozesse in der Zelle selbst das Verständnis für normale und
pathologische Ausscheidungsvorgänge zu fördern geeignet sei.
Herr S. We b e r - Greifswald: Ueber dieBeeinflussung
der Resorption durch Diuretika.
Vortr. untersuchte die Frage, ob die Purinkörper neben ihrer
Nierenwirkung auch direkt die Aufioahme von Lösungen in das
Blut beeinflussen. Kaninchen mit abgebundenen Nieren erhielten
subkutane Injektionen physiologischer, bezw. hypertonischer (9,5
proz.) Kochsalzlösungen. In Parallelversuchen wurde Theophiliin
intravenös injiziert. Die Blutuntersuchungen (Tr S Asche, NaCl)
vor und 1 Stunde nach den Injektionen ergaben, dass durch
Theophiliin die Resorption isotonisoher Lösung erheblich beschleuniget
wird (stärkere Abnahme der TrS, erhebliche Zunahme von Asche
und Na CI). Die Aufnahme hjT)ertoni8cher Lösungen wurde durch
Theophiliin so verändert, dass beträchtlich mehr Salz, aber weniger
Wasser in das Blut aufgenommen wurde. Die Injektionsflüssig-
keit wurde durch Theophillinwirkxmg schneller verdünnt als ohne
Diuretikum. Dieses Verhalten spricht für eine aktive Funktion
der Angiothelien. Die Kapillarwand ist keine passive osmotische
Membran.
Herr Paul Krause-Breslau: Ueber Lipämie im Coma
diabeticum.
Der Vortragende erwähnt zuerst, das er das vor 2 Jahren
von ihm und Heine beschriebene Symptom der „Hypotonia
bulbi“ bisher in 19 Fällen von Coma diabeticum beobachtet
habe, so dass er nicht ansteht, da sie bei anderen Erkrankungen
vermisst wird, sie als ein typisches Symptom des Coma diabetikum
zu bezeichnea In den beiden letzten Fällen wurden zu gleicher
Zeit sehr auffällige Veränderungen im Augenhintergrunde beob¬
achtet: die Gefässe repräsentierten sich als weissliche Stränge,
Arterien waren von den Venen nicht zu unterscheiden. Diese
seltene Veränderung wurde von ophthalmologischer Seite im ersten
Falle auf Gefässveränderungen zurückgeführt.
Die Blutuntersuchung lehrte, dass die Ursache in hochgradiger
Lipämie zu suchen war. Der Fettgehalt des Blutes betrug im
ersten Falle im Durchschnitte 8 Proz., im zweiten Falle 7 Proz.,
auch das Cholestearin war im ersten Falle etwas vermehrt.
Die histologische Untersuchung der Organe ergab einerseits
eine starke Verfettung der Zellen fast sämtlicher Organe, anderer¬
seits Ausfüllung einer Anzahl von Kapillaren und kleineren Ge¬
lassen, wie bei Fettembolien.
Wie kommt die Lipämie zustande? Es wäre möglich, durch
sehr stu’ke Fettaufnahme, doch trifft dies hier nicht zu. ^ kann
ferner die fettverbrennende Kraft des Blutes gelitten haben, das
lipolytische Ferment (Fischer) kann verschwunden sein. Die
Lipämie entsteht bei Alkoholismus (diese kann zur Heilung kommen;
oder bei Diabetes (diese Formen enden tödlich).
Diskussion: Herr Hahn-München spricht sich dabin aus,
dass er der Annahme eines lipolytischen Ferments entschieden
widersprechen müsse.
Herr Rosenfeld-Breslau erklärt das Auftreten der dia¬
betischen Lipämie dadurch, dass bei Diabetes die Oxydation der
Kohlehydrate, welche sonst für die Fettverbrennung sorgt, im
Wegfall kommt oder bedeutend reduziert ist. Es tritt daher ein
Fettabbau nur in geringem Grade ein, so dass das Fett sich im
Blute anbäufen kann.
Herr H. Winternitz-Halle a. S.: Ueber subkutane
Fettzufuhr.
Die Resorption subkutan injizierter Fette erfolgt, wie W.
früher gezeigt hat, so ausserordentlich langsam, dass die Ver¬
wendung der Fette zur subkutanen Ernährung nicht geeignet er¬
scheint. W. teilt weitere Versuche mit, welche diese Beobachtungen
sicherstellen und erläutert den Resorptionsvorgang. Beobachtungen
bei Sektionen legten ihm den Gedanken nahe, dass der Resorption
aus dem Unterhautzellgewebe eine Emulgierung der Fette voran¬
geht. Fette, die mit Gelatine emulgiert sind, werden nun in der
Tat um das 2 bis 5 fache rascher resorbiert, aber einerseits bleiben
die absoluten Mengen trotzdem sehr gering und anderseits be¬
steht die Gefahr einer Zellgewebsentzündung, so dass von einer
Uebertragung der Versuche auf den Menschen abgesehen werden
musste. Auch durch Zusatz von Pankreasferment wird das an¬
gestrebte Ziel nicht erreicht und W. hält daher den Schluss für
endgültig, dass die Fette zur subkutanen Ernährung vom thera¬
peutischen Standpunkte nicht geeignet sind.
Herr GeorgRosen feld - Breslau: Ueber experimentelle
Verfettung der Niere.
Er berichtet über Versuche, welche die experimentelle Ver-
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1906.
\i mii TfjITrrSO Nic wOCllB.
419
fettong der Niere erörtern. Da die mikroskopische Schätzung des
Fettbestandes in der Niere unmöglich ist, so ist die quantitative
chemische Bestimmung maßgebend. Sie hat bei allen untersuchten
Giften u. ähnl. keine Zunahme des F ettbesta ndes in der
Niere ergeben. Um diese Resultate zu sichern, wird versucht,
ob durch Exstirpation einer Niere vor der Vergiftung ein Test¬
objekt für den Zustand der anderen — zu vergiftenden — Niere
gewonnen werden kann. Zuerst wird festgestellt, dass beide Nieren
(gleichzeitig entnommen) annähernd gleichen Fettgehalt jhaben,
dass ausserdem die Exstirpation der einen Niere beim normalen
Hund am Fettprozentgehalt der zweiten trotz kompensatorischer
Hypertrophie nichts ändert. Die Vergiftung mit Alkohol sowie
mit Phloridzin ändert nichts am Fettgehalt der Niere: es findet
also keine Nierenver fettun g im Sinne einer Vermehrung des
Alkohol-Chloroformextraktes statt, ein* Verhalten, das in gleicher
Weise von Rubow für den Phosphor nachgewiesen worden ist.
Herr Martin Engländer-Wien: Diagnostische Be¬
deutung des prozentischen Eiweissgehaltes und des
spezifischen Gewichtes der Aszitesflüssigkeit.
Die araeometrische Bestimmung des spezifischen Gewichtes
ohne Berücksichtigung der Temperatur der zu bestimmenden Flüssig¬
keit ist, wie E. schon früher nach wies, physikalisch fehlerhaft.
Die Grösse des begangenen Fehlers kann 5, 6 und 7 Araeometer-
grade betragen.
Die von mancher Seite empfohlene Methode, die Flüssigkeit
abkühlen zu lassen bis auf die Temperatur von lö, 16 bis 170C,
für welche die gebräuchlichen Araeometer gleich sind, ist — trotz
des physikalisch unanfechtbaren Prinzipes —> wegen der massigen
Fibrinausscheidung mancher Ergüsse schon bei 20^ C nicht allge¬
mein durchführbar. Aus diesen Gründen empfahl E. die Messung
bei der natürlichen Temperatur der Ergüsse vorzunehmen und gab
dazu ein Araeometer an, das von der Firma Geissler in Bonn zu¬
erst angefertigt wurde.
E. untersuchte nun an grösserem klinischen Material die Frage,
ob der Eiweissgehalt der Ergüsse, von dem das spez. Gewicht
haupt^hlich abhängt, als diagnostischer Mitbehelf angesehen
werden Va.Tin oder nicht.
Betrachtet man diejenigen Fälle von Portalstase, bei wel¬
chen das Peritoneum sich vollkommen frei erwies, so ergaben so¬
wohl E.S eigene Untersuchungen als auch die Fälle der Literatur,
dass das Maximum des Eiweissgehaltes bei der Portalstase 2,6 Proz.
beträgt. In den allermeisten Fällen liegt der Eiweissgehalt unter
2 Proz. Die Fälle mit über 2 Proz. sind schon selten und die
Fälle mit der maximalen Grenze kommen bloss zweimal unter 50
Beobachtungen vor. Ueberschreitet in einem Falle von Leber¬
zirrhose der Eiweissgehalt der Punktionsflüssigkeit 2,6 Proz. wesent¬
lich, so kann mit Sicherheit neben der Leberzirrhose ein entzünd¬
licher Prozess angenommen werden. Ist hingegen keine Leber¬
zirrhose vorhanden, bewegt sich jedoch der Eiweissgehalt der Punk¬
tionsflüssigkeit innerhalb der Grenzen der Portalstase, so kann,
falls der Ascites nicht anders erklärbar ist, eine Kompression der
Vena portae angenommen werden.
Die Untersuchungen bezüglich der allgemeinen venösen Stase
ergaben^ dass diese Gruppe zu den eiweissreichsten der Transsu¬
date gehöre und dass unter Erwägung aller Umstände der Eiweiss¬
gehalt diagnostisch dahin verwertet werden kann, ob neben einem
Herzfehler noch eine Peritonitis bestehe.
Exsudate. Bezüglich der Peritonitis carcinomatosa kann
der Eiweissgehalt wegen der grossen Schwankungen von 7 Proz.
bis unter 2 Proz. zu diagnostischen Zwecken nicht verwertet werden.
Hingegen ergibt das Minimum der Gruppe der cnronischen,
exsudativen und tuberkulösen Peritonitis einen brauchbaren
diagnostischen Anhaltspunkt. Das Minimum beträgt 3 Proz.
Die Fälle der allgemeinen Serotitis müssen in eine geson¬
derte Gruppe gereiht werden, weil in denselben stets neben den
Bedingungen der Exsudation auch diejenigen der Transsudation
bestehen und bald die eine Komponente, bald die andere den Er¬
guss mehr beeinflusst.
Die Zahl der untersuchten Einzelfälle beträgt 36, die der
Eiweissbestimmungen über 70. Alle Bestimmungen wurden im
med.-ohem. Universitätsinstitute des Hofrat E, Ludwig gewichts¬
analytisch durchgeführt.
E. hat auf Grund dieser Arbeit die Ueberzeugung gewonnen,
dass der prozentiache Eiweissgehalt insbesondere bei den Ascites¬
flüssigkeiten diagnostisch in den meisten Fällen gut verwertet
werden kann, ja dass derselbe in manchen Fällen direkt ausschlag¬
gebend für die Diagnose ist.
Die noch offene Frage, ob man berechtigt ist, aus dem spez.
Gewichte den Eiweissgehalt durch Rechnung zu ermitteln, muss
nochmals auf Grundlage einer grösseren Untersuchungsreihe ducch-
geprüft werden.
Behufs genauer Erhebung des spez. Gewichts mittels Araeo¬
meter schlägt E. vor;
I. Allgemeiner Vorschlag. In den Angaben der Kranken¬
geschichte sei stets ersichtlich sowohl die Temperatur der Flüssig¬
keit, bei welcher gemessen wurde, als auch die Temperatur, für
weldie das Araeometer geeicht ist. Die stereotype Formel sei
T
folgende: Spez. Gewicht bei—®C= so und soviel: z. B. Spez.
16 T
Gewicht beiT^®C= 1017, oder im Ausnahmfalle, wenn die Ab¬
kühlung auf die Temperatur des Araeometers nicht erfolgt ist,
34
z. B. Spez. Gewicht bei — ®C = 1018«
16
IL Spezieller Vorschlag. Das spez. Gewicht werde ein¬
heitlich nach E.S Prinzipe mittels des von ihm angegebenen Araeo¬
meters bei 36® C gemessen, ein Vorgang, der in 2 bis 3 Minuten
durchführbar ist. Die Formel lautet dann:
36
Spez. Gewicht bei — ®C =* X.
63
Herr Jochmann-Breslau; Ueber Versuche zur Sero¬
diagnostik und Serotherapie der Genickstarre.
Angeregt durch Beobachtungen bei der Schlesischen Genick¬
starre-Epidemie im Jahre 1905, widmete er sich der Aufgabe, ein
ho(fiiwertiges Immunserum gegen den Diplococcos intracellularis
Weichselbaum herzustellen. Bei der Firma E. Merk in Darm¬
stadt wurden auf seine Veranlassung Pferde, Hammel und Ziegen
in der Weise immunisiert, dass in langsam steigenden Dosen
Meningococcenstämme; verschiedener Herkunft intravenös einge-
spritzt wurden. Man gewann dadurch ein Serum, das echte Me-
ningococcenstämme in Verdünnungen von 1:1500 agglutiniert
(geprüft an 32 echten Stämmen), während unechte Gram-negative
Coccen überhaupt nicht agglutiniert wurden (geprüft an 23 Me-
ningococoen ähnlichen Kulturen). Von Interesse ist, dass die
Jägersche Grampositive Modifilmtion des Meningococcus von dem
Serum nicht agglutiniert wird, ein Beweis dafür, dass dieser Coc-
cus völlig artunterschieden von dem Weichselba um sehen
Coccus ist. Das Serum hat sich als Testsernm zur Unterscheidung
von Meningococcen ähnlichen Gram-negativen Coccen bei der
Untersuchung von Lumbalflüssigkeiten, sowie von Nasenschleim¬
und Rachensekret gut bewährt. Es wird als solches schon seit
Monaten im Breslauer hygienischen Institut verwendet.
Der Schutzwert des Meningococcenserums wurde an Mäusen
und Meerschweinchen geprüft und zwar mit Kulturen, von denen
eine Oese einer Maua von 20 g Gewicht intraperitoneal injiziert,
in 20 Stunden den Tod herbeiführte. 0,5 ccm prophylaktisch sub¬
kutan injiziert schützt Mäuse vor der sechsfachen, intraperitoneal
injizierten tödlichen Dosis, 0,2 vor der vierfachen, 0,1 vor der
doppelten Dosis letalis. Meerschweinchen schützte 0,5 vor der
doppelten tödlichen Dosis.
Die Schutzwirknng des Serums beruht nicht auf Virulenz-
abschwächung und nur in geringem Maße auf antitoxischen Eigen¬
schaften. Dagegen scheinen bakterizide Kräfte und bakteriotrode
Substanzen eine grosse Rolle zu spielen.
Die Versuche, am Menschen eine Heilwirkung zu erzielen,
gestatten noch kein abschliessendes Urteil. Der Vortragende re¬
feriert über 17 im städt. Krankenhause zu Ratibor behandelte
Fälle, wo an einem grösseren Material nach gleichen Prinzipien
vorgegangen wurde. Wo frische Fälle möglichst frühzeitig in
Behandlung kamen und von Anfang an mit grösseren Dosen ge¬
spritzt wurden, hatte man wiederholt den Eindruck, als ob die
Serumbehandlung eine Wendung zum Besseren bewirkte und den
weiteren günstigen Verlauf gefördert habe. Die Behandlung ge¬
schah in der ersten Zeit in der Weise, dass man am ersten Tage
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420
MEDlCmiSCHE WOCHE.
Nr. 40.
20—30 ccm subkutan injizierte und am 3. und 4. Tage die Ein¬
spritzung wiederholte. Bei 11 Fällen wurde nach einer anfäng¬
lichen subkutanen Injektion in den nächsten Tagen Serumein¬
spritzungen in den Lumbalkanal vorgenommen. Man verfuhr da¬
bei so, dass nach vorangegangener Lumbalpunktion und Ablassen von
30 bis 50 ccm Spinalflüssigkeit 20 ccm Serum mittels Spritze durch
die zur Punktion verwendete Hohlnadel injiziert wurde. Diese intra-
spinalen Injektionen wiederholte man bei erneuter Fiebersteigerung
noch 1—3 mal. Von 17 Patienten sind 5 gestorben, darunter 3 mit
starkem Hydrocephalus, die erst im späteren Stadium der Krankheit
in Behandlung kamen. Von den übrigen hatten 9 Fälle nach der In¬
jektion, und zwar 6 Fälle nach intraspinalen Injektionen mit schnellem
Fieberabfall und dauernder Fieberfreiheit, reagiert. Im übrigen
bemerkte man Nachlassen der Kopfschmerzen und der Nacken¬
starre und Freiwerden des vorher schwer benommenen Sensoriums.
Irgendwelche schädigende Wirkungen des Serums sind weder bei
subkutaner noch bei intralumbaler Injektion beobachtet worden.
Nach den bisherigen Erfahrungen scheint neben der subkutanen
Injektion die intralumbale Injektion von 20 ccm, die bei erneutem
Fieberanstieg event. in den nächsten Tagen noch 1—2 mal wieder¬
holt werden kann, in Verbindung mit häufigeren Lumbalpunktionen
den meisten Erfolg zu versprechen. Das Serum ist bei £. Merck
in Darmstadt zu beziehen.
Herr Landmann-Darmstadtspricht eingehend über die Her¬
stellung der Sera seitens der Firma Merck und berichtet
über einen mit Serum behandelten Fall, wo er 30 ccm Serum mit
gutem Erfolge injiziert hat. Das Serum wünscht er besonders bei
den „chronischen Bazillenträgern“ in Anwendung gebracht.
Herr Türk-Wien weist auf die Fehlerquellen bei der Be¬
urteilung von Serumerfolgen hin. Er hat bei 3 Fällen von Ge¬
nickstarre wiederholte Lumbalpunktionen mit Erfolg augewendet.
Auf eine diesbezügliche Frage von Ebstein -Göttingen betr.
der Mortalität der Genickstarre bemerkt Herr Jochmann - Breslau,
dass dieselbe an verschiedenen Orten 70—80 Proz. betragen habe.
Herr Krause-Breslau führt an, dass in Oberschlesien ca.
6000 Fälle von Cerebrospinalmeningitis beobachtet worden, dass
eine Therapie mit allen möglichen Mitteln Cz. B. Kollargo', Hy-
drargyrum, sogar chirurgische Eingriffe etc.) versucht worden sei,
aber ganz fruchtlos. Die Mortalität sei an manchen Orten bis
90 Proz. angewachsen.
Herr Jamin-Erlangen: Ueber Stand und Bewegung
des Zwerchfelles.
Orthodiagraphische Aufnahmen der Lungenfelder zeigen, dass
der Stand des Zwerchfelles, vorwiegend durch den Einfiuss der
Belastung seitens der Leber, sich bei Lagewechsel auf der rechten
Seite in anderer Weise ändert als auf der linken. In gleicher
Weise sind die Exkursionen bei der Atmung verschieden, wie an
dem Beispiel eines jungen Mannes gezeigt wird, bei dem im Liegen
die rechte, im Stehen die linke Zwerchfellskuppe grössere Exkur¬
sionen macht. Aufnahmen in frontaler Richtung und bei dorso-
ventralem Strahlengang in rechter und linker Seitenlage zeigen
den Einfluss der Brustkorbbewegung und der abdominellen Druck¬
verhältnisse auf die Verschiebungen des Zwerchfellschattens bei
der Atmung.
Man ist daher nur dann berechtigt, aus dem Verhalten der
Bewegung der Zwerchfellskuppen im Röntgenbild diagnostische
Schlüsse zu ziehen, wenn man ausser dem röntgenologischen Be¬
fund noch das Verhalten der Brustatmung, der Bauchwand und
des Bauchinhaltes, sowie der Körperlage sorgfältig berücksichtigt.
Herr Herrn, Schridde-Marburg: Ueber Myelo b las ten
und Lymp hoblasten.
Schon die vom Vortr. früher bewiesene Tatsache, dass man
niemals in einem normalen Keimzentrum eines Lymphfollikels die
Vorstufe von neutrophilen Leukozyten trifft, spricht gegen die
Lehre, dass Lymphoblasten und Myeloblasten identisch sind. In
mjrphologi.sch6r Hinsicht treten die Unterschiede dieser beiden
Zellarten besonders bei der Schnittfärbung mit Azur Ü-Eosin-
Azeton und Pyronin, Methylgrün hervor. Ausser dem Kerne, der
deutliche Differenzen zeigt, bietet auch das Verhalten des Proto¬
plasmas grosse Unterschiede. Das Plasma des Myeloblasten ist
bei Azur II-Eosin tief blaurot, das des Lymphoblasten rein hell¬
blau. Bei Pyronin zeigen die Myeloblasten karmoisinrotes Proto¬
plasma, während die Lymphoblasten in ihrem Plasma nur ganz
schwach blassrot fingiert sind. Bei der Schridde-Altmann-
schen Methode — und das ist der letzte Beweis — findet man
immer in den Lymphoblasten, auch in den in Teilung begriffenen
typische Granula, während in den Myeloblasten niemals ein Alt-
mannsches Granulum zu finden ist. Endlich beschreibt Vortr.
noch grosse, mittel-basophile Zellen, welche er in den Keimzentren
einer hypertrophischen TonsiUe gefunden hat. Diese Zellen be¬
sitzen ganz den gleichen Kern wie die Lymphoblasten. Sie weisen
einen ausgesprochenen hellen Hof um den Kern herum auf, welcher
niemals bei den Myeloblasten vorhanden ist. Dieser helle Hof
erweist sich bei der Schridde-Altmannschen Färbung in ähn¬
licher Weise wie bei den lymphozytären Plasmazellen als perinu¬
kleäre Granulaanhäufung. .Diese Zellen werden von Sch. als lym-
phoblastische Plasmazellen bezeichnet, welche den lymphozytären
Plasmazellen gegenüber gestellt werden. Der auch diesen Zellen
eigene helle perinukleäre Hof ist ein typisches Attribut der lympho-
zytären Elemente. Daher beweisen auch diese Zellen, wie über¬
haupt die ganzen Untersuchungen, dass die Ehrlichsche Lehre
von der strengen Trennung der Lymphozyten und Leukozyten zu
Recht besteht.
Herr Otto Naegeli-Naef-Zürich: Beiträge zur Em¬
bryologie der blutbildenden Organe.
Die erste Blutbildung erfolgt, nicht an ein Organ gebunden,
überall im Organismus in Beziehung zu Kapillaren und Blutsinus.
Extrakapilläre Genese ist sicher.
Die Ekytropoese geht der Leukopoese lange voraus. Beide
Bildungen sind wohl prinzipiell verschieden.
Mit der Entstehung der embryonalen Leber erfolgt die Ery-
tropoese in einem Organe. Gleichzeitig werden auch myeloide
Leukozyten gebildet. Die Leber des menschlichen Fötus von 2,7 cm
Länge enthält massenhaft Leukozyten, auch eosinophile nnd
neutrophile Myelozyten, also zu einer Zeit, zu der andere blut¬
bildende Organe noch fehlen. Die selbständige Leukopoese der
embryonalen Leber ist damit sichergestellt.
Auch später ist die Leber eine mächtige Quelle von Leuko¬
zyten der Kuochenmarksreihe, eine Funktion, die erst gegen den
9. Embryonalmonat verloren geht; nie aber zeigt die embryonale
Leber lymphoide Bildungen; sie ist nur myeloides Organ.
Seit dem 3. Embryonalmonate tritt die Thymus als lym-
phoides Organ in Funktion. Sie zeigt nie myeloide und erythro¬
poetische Tätigkeit.
Im 4. Embryonalmonat ist die Milz myeloides und erythro¬
poetisches Gewebe. Zu gewissen Zeiten (27—30 cm Fötuslänge)
ist die Bildung der Myelozyten intensiv, verliert sich dann aber
langsam.
Die Erythropoese dauert nur ganz kurz und ist schon bei
27 cm Fötuslänge gering. Diese Bildung ist also nur eine kurze
und unbedeutende Phase im Vergleich zur Tätigkeit der Leber.
Lymphoides Gewebe (Follikel) zeigt sich erst spät, erst bei
24 cm Fötuslänge deutlich.
Lymphdrüsen entstehen im 3. Embryonalmonate, werden
erst später grösser und haben wohl nie eine stärkere Punktion,
weil Keimzentren fehlen. Normale myeloide Bildungen fehlen.
Das Knochenmark entsteht im 4. Embryonalmonate. Ery¬
thro- und Myelopoese erfolgen zunächst völlig getrennt. Die Ery¬
throzytenbildung ist anfänglich gering und wird erst erheblich
später bedeutender.
Die Embryologie der blutbildenden Organe lässt deutlich zwei
verschiedene Systeme der Leukopoese erkennen. Die Erythropoese
ist stets mit den Gebieten der myeloiden Zellformen verbunden
und geht den lymphoiden ganz ab.
Autogenetisch und phylogenetisch ist das myeloide System
das ältere.
Die embryologische Forschung bestätigt den Ehrlichschen
Dualismus. (Schluss folgt.)
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1906
MBDICINISCHE WOCHE.
421
Wilhelm Czennak f.
Am 8. September 1906 verschied plötzlich Dr. Wilhelm
Czermak, o. ö. Professor der Augenheilkunde an der k. k.
deutschen Karl-Ferdinands-Universität in Prag. Wir verlieren
in ihm einen modernen, hochstehenden Forscher, einen genialen
Operateur, einen unübertrofienen Lehrer. Ein kluger und edler
Mensch ist gestorben.
Geboren am 12. Oktober 1856 zu Brünn, wo sein Vater,
der nachmalige Professor der Psychiatrie in Graz, Arzt an der
Landesirrenanstalt war, studierte Czermak in Graz und er¬
langte daselbst auch den Doktorgrad. Seine okulistische Tätig¬
keit begann er bei Stellwag in Wien. Die Jahre 1883—87
brachte er als Sekundärarzt an der Grazer Augenklinik zu,
1887—1892 war er Assistent von Fuchs in Wien. Nachdem
er sich 1886 als Privatdozent habilitiert hatte, wurde er 1892
ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Innsbruck, und
nahm 1895 den Ruf als Nachmlger Schnabels nach Prag an,
wo er bis zu seinem jähen Tode wirkte.
Sein größtes Werk ist „Die augenärztiichen Operationen“,
dessen letzte Lieferung im Vorjahre erschienen ist. Seine
ganze Genialität kommt in diesem Buche zum Ausdruck und
es ist kein Wunder, wenn die erste Auflage schon während
des Erscheinens vergrifien war. Seinen Plan, eine zweite neu
durchgearbeitete Auflage erscheinen zu lassen, hat er leider
nicht verwirklichen können. Von weiteren Arbeiten — im
ganzen 40 — sind älteren Datums: Die Arbeiten über die
Zonula (1885), die ergebnisreichen Untersuchungen über das
Glaukom (1885 —188^, die er gemeinschaftlich mit Birn¬
bach er ausführte. 1888 erschien die „Semiotik und Diagno¬
stik der äußeren Augenkrankheiten“, welche mehrere Auflagen
erlebte. Aus dem Jahre 1891 stammen die Untersuchungen
über „Fadenkeratitis* und „Homhautfisteln“, aus dem Jahre
1894 „Ein kurzer Beitrag zur Lehre vom Glaukomanfall“.
1894 übergab er seine neue Staaroperation („Die subkonjunkti-
vale Extraktion mit unterer ßindehauttasche“) der OefFentlich-
keit, eine Methode, die er selbst mit Meisterhand übte und
die den erheblichen Vorteil des Erhaltens einer runden Pupille
bringt. Eine Reihe von Arbeiten hinterließ er unvollendet
ln der Vollkraft seines Schaffens ist er nun von uns ge¬
gangen, plötzlich ist er uns entrissen worden, betrauert und
beweint von den Seinen, betrauert und beweint von seinen
Freunden und Schülern. W—r.
Periodische Literatur.
Deutsche med. Wochenschrift. No. 38. i906.
1. V. Bruns, Tübingen: XTeber die EadikalopeTation des
Kehlkopfkrebses mittels Kehlkopfspaltang.
Die Chirurgie des Kehlkopfcarcinoms hat in den letzten Jahr¬
zehnten ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Es gelingt heute,
in einer durchaus nicht geringen Zahl von Fallen, Dauerheüungen
zu erzielen. Verf. tritt warm für die Kehlkopfspaltnng ein und
zwar bei Initialfällen. Der Eingriff wird unter Lokalanaesthesie
vorgenommen, meist sehr gut ertragen and verursacht so gut wie
gar keine Gefahren. Von Tracheotomie oder Einlegen einer Kanüle
in die Wunde kann Abstand genommen werden. Die Heilung
dauert 10 bis 14 Tage, das Schlucken ist schon vom ersten Tage
an möglich.
2. Romborg, Tübingen: Bemerkungen über Kenraethenie
und ihre klimatische und balneotherspeutisohe Behandlung.
Dieser auf der sechsten ärztlichen Studienreise in Bad Femach
gehaltene Vortrag beschäftigt sich in seinem ersten Teil ausführ¬
lich mit dem Begriff der Neurasthenie. Der oberste Grundsatz
bei der Behandlung der Neurasthenie muss der sein, dem erschöpften
Nervensystem in der geeigneten Weise Ruhe zu verschaffen. Von
Interesse ist ein Zitat aus dem Lehrbuch der Nervenkrankheiten
des alten Romberg, des Groasvaters des Verfassers, welches
deshalb hier wiedergegeben sei
„Vor allem entfremde man sich nicht, das Zutrauen durch der
Laien sinn- und trostlosen Zuruf: eingebüdete Leiden! Die Sen¬
sationen des Kranken sind zwar eingebildet, allein vom Geiste in
die Leiblichkeit. Im Empfinden macht es keinen Unterschied, ob
die Reizung am peripherischen oder zentralen Ende der Nerven¬
faser stattfindet, ob sie durch die Intention oder durch einen
mechanischen, chemischen, organischen Anlass bewirkt wird. Der
Arzt zeige sich stets dem Kranken als Kenner seiner Sensationen,
ebenso frei von höhnischem Tadeln, als von niederer Schmeichelei
und von bemitleidendem Wortkram. Auch die Umgebungen der
Kranken müssen instruiert werden: sie tragen oft eine grosse Schuld
am Misslingen der Kur. Ungehörige, übertriebene Besorgnis schadet
ebenso sehr als kaltes, liebloses Vernünfteln.“
„Eine andere Warnung ist nicht minder zu beachten: man
hüte sieb als stürmiseber Reformator aufzutreten. Der Kranke
hat sich nicht bloss in seine Bmpfindimgen, auch in alle Handlungen
bat er sich hineingearbeitet, welche auf sein Wohl und Wehe
Bezug haben. Davon sich mit einem Schlag trennen zu sollen,
verträgt sich nicht mit seiner qualvoll erworbenen Einsicht,“
Für die balneotherapeutische Behandlung ist schon die Ver¬
schiedenheit des Klimas oft von grosser Bedeutung. Das Flach¬
land bis zu 1200 m dürfte sich eignen, grössere Höben wären zu
meiden. Vom Seeklima dürfte die Ostsee bessere Resultate geben,
als die Nordsee. Für den Winter kann auch das Höhenklima in
Betracht kommen. Von ganz besonderer Bedeutung für den Erfolg
sind die äusseren Verhältnisse. Zweckmäßiges Leben, Anwendung
von Preiluftliegekuren geben gute Erfolge. Die Anwendung von
Luft und Wasser soll auch anfänglich schonend, später energischer
geschehen. Von grosser Bedeutung ist die Temperatur des ange¬
wandten Wassers. Von sehr günstiger Wirkung ist das Luftbad.
Ferner kommen in Betracht koblensäurehaltige und elektrische
Bäder. Niemals soll bei der Behandlung der Neurasthenie zu viel
getan werden.
3. Gurschmann, Tübingen: üeber vasomotorische Krampf-
znstände bei echter .^gina pectoris.
Verf. macht auf die peripheren vasomotorischen Störungen
aufmerksam, wie sie bei gleichzeitig bestehender Angina pectoris
beobachtet werden und welche nach Ansicht des Verf. erhöhte Be¬
deutung gewinnen. Die vom Verf. beobachteten und eingehend
wiedergegebeneu Fälle beweisen, dass das ganze SymptombUd der
Angina pectoris vasomotoria auch auf dem Boden, oder besser, als
Begleiterscheinung einer echten coronarsklerotischen Angina pectoris
auftreten kann und dass es nicht immer der Annahme Notn agels
entgegen eine harmlose Neurose der peripheren Gefässe darstellt,
welche erst sekundär zu einer Alteration des Herzens führt.
4. Doederlein, Tübingen: XTeber den Kampf wider das
TTtemsoaroinom.
Verf. unterzieht die bisherige Statistik der Garcinomoperationen
einer scharfen Kritik. Diese Statistik ist vielfach irreführend.
Wenn von einer 30—40% betragenden Dauerheüung die Rede ist,
so wird meist nicht beachtet, wieviel Fälle überhaupt in die be¬
treffenden Kliniken kamen, ferner wieviel Fälle Gorpus- und wie¬
viele Gollum-Garcinome betrafen. Die letzteren sind bei weitem un¬
günstiger, ihre Dauerheüung beträgt kaum 10%, während bei Gorpus-
carcinome bei einigen Operateuren eine Dauerbeilung bis zu 100%
vorkommt. Verf. wendet sich energisch gegen die vaginale
Operationsweise und zieht die abdominale deshalb bei weitem vor,
weÜ viel gründlicher operiert werden könne.
5. Sarwey, Tübingen: Ist die Verkleinerung der Ovarial¬
tumoren zwecks operativer Entfernung zulässig.
Gegen die Verkleinerung von Ovarialgeschwülsten durch Ent¬
leerung ist geltend gemacht worden, dass die Gefahr einer In¬
fektion oder Inplantation bei Beschmutzung der Wunde oder Bauch¬
höhle mit Tumorinhalt vorliege. Nur mit einer Verkleinerung ist
aber die Verwendung der sectio minor und die vaginale Entfernung
unter Umständen möglich. Verf. hat nun bei 190 Fällen gar
keinen schädlichen Einfluss der Entleerung bemerken können.
6. Baisch, Tübingen: Die Lumbalauaesthesie in der Oynae-
kologie und Oeburtshilfe.
Gerade für die Gynaekologie scheint die Lumbalanaestbesie von
souverainer Bedeutung zu sein, da bei geringer Hebung des
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422
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 40.
Beckens die in Frage kommenden Nerven mit getroffen werden.
Nach den Elrfahrungen stellen sich die Vorzüge und Nachteile der
Lumbalanaesthesie gegenüber der Vollnarcose folgendermaßen:
1. Will man mit Sicherheit Unglüoks^e vermeiden, so muss
man sich bei der Spinalanaesthesie anf eine niedere Dosis beschränken
und als Maximum von Novokain 0,1, von Stovain 0,05 und von
Tropacocain ebenfalls nur 0,06 g verwenden. Dabei tritt aber eine
auch für länger als V«—1 Stunde dauernde Laparotomien und für
vaginalo Cöliotomien ausreichende Empfindungslosigkeit nicht immer
mit Sicherheit ein. Dagegen genügen diese Quantitäten, ja schon
etwas geringere Mengen, vollkommen für alle Operationen am
Damm, an den äusseren Genitalien imd der Scheide.
2. Die Nachwirkungen in Gestalt von Kopfweh und Erbrechen
sind in einzelnen Fällen so ausserordentlich unangenehm und trotzen
so sehr jeder Behandlimg, dass sie für die Betroffenen eine schwere
Schädigung bedeuten.
3. Die Erhaltung des vollen Bewusstseins ist bei Laparotomien,
besonders bei länger dauernder Beckenhochlagerung, ein Nachteil
der Methode. Das empfinden auch diejenigen Autoren, die em¬
pfehlen, den Kranken während der Operation durch Unterhaltung
zu zerstreuen, den Narkotiseur durch den Causeur zu ersetzen.
An der Tübinger Klinik wird nun mit Vorteil folgende Com-
bination geübt: Zwei Stunden vor der Operation wird die Patientin
in ein verdunkeltes, ruhiges Zimmer gebracht und bekommt eine
Injektion von 0,0003 Scopolamin und 0,01 Morphium in getrennten
Lösungen. Diese Injektionen werden nach einer Stunde wieder¬
holt. Unmittelbar vor der Operation werden in sitzender Stellung
der Patientin 0,06 g Tropacocain zwischen zweiten und dritten
Lendenwirbel in den Duralsack injiziert. Die Wirkung dieser
Methode ist eine vollkommen ausreichende und vorzügliche.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. No. 3i.
E. R. W. Frank, Berlin: Ueber Arrhovin. Verf. steht
auf dem berechtigten Standpunkt, dass mit einer rein internen
Therapie bei der Gonorrhoe keine Heilung zu erzielen ist, dass
man aber durch geeignete interne Mittel den Heilungsvorgang
unterstützen kann. Verf. hat Versuche mit Arrhovin gemacht.
Diese Versuche sind günstig ausgefallen, das Medicameut wirkt
reiz- und schmerzstillend. Vor allem rühmt Verf. gegenüber den
anderen Balsamicis die völlige Unschädlichkeit für den Verdauungs¬
apparat.
Nr. 39. 1906.
1. Casper, Berlin: Ueber gewöhnliche Nierenblntnngen.
An der Hand von vier Fällen bespricht der Verf. die Frage
der Nierenblutungen. Bei zwei Fällen handelt es sich um lange
Zeit sjmptomlos verlaufenden Morbus Brightii, bei welchem ein¬
seitige schwere Blutungen auftraten. Bei den beiden anderen
Fallen konnte die pathologisch-anatomische Untersuchung der durch
Operation gewonnenen Nieren gar keinen Anhalt für die klinisch
beobachteten Blutungen geben. Verf. kommt sodann zu einer
Präzisierung des Begriffes Nephritis. Er fasst diesen als identisch
mit Morbus Brightii auf und verlangt, dass er stets doppelseitig
und diffus über das ganze Organ ausgebreitet seL Für die Diagnose
der erwähnten Nierenblutungen ist die getrennte Untersuchung
beider Nieren nötig. Nach den Befunden wird man aber zu der
Ansicht gedrängt, dass es essentielle Nierenblutungen gibt, für die
sich eine materielle Grundlage nicht findet. Entsprechend der
oben gegebenen Charakteristik der Nephritis wünscht Casper die
Einführung anderer Bezeichnungen xmd zwar Pyelonephrose,
Nephrosis metastatica, Nephrosis arteriosolerotica.
2. Weinstein, Odessa: Ueber die Heilung postoperativer
Fisteln der Bauchhöhle duroh Vaocinebehandlung nach dem
Wrightschen Prinzip.
Verf. hat nach dem Wrightschen Prinzip in der Landausclien
Klinik vier Fälle postoperativer Fisteln behandelt. Verf. teilt die
Fisteln der Bauchhöhle in drei Gruppen ein und zwar nach ihrer
Entstehimgsgeschichto.
I. Solche Fisteln, die dadurch entstehen, dass bei einer
Laparotomie in der Bauchhöhle zu viel Gewebe zur Unterbindung
kam und dadurch in seiner Ernährung erheblich gestört wurde.
Dieses absterbende Gewebe gibt einen ausgezeichneten Nährboden
für Bakterien ab, die, von aussen (d. h. nicht aus dem Tumor
selbst) eindringend, zur Vereiterung Veranlassung geben und nach¬
träglich, selbst wenn die Bauohwunde schon zur Verheilung ge¬
kommen war, Fistelbildung verursachen.
II. Pistelbildung durch Infektion der Bauchwunde durch Bak¬
terien, die sich schon vorher in dem kranken Organismus befanden.
Das sind Fälle, in denen die Laparotomie wegen Eitergeschwülsten
(Pyosalpinx, Ovarialabscess, Appendicitis purulenta, Peritonitis,
tuberkulöse Erkrankungen der inneren Bauchorgane etc.l ge¬
macht wurde.
III. Eine dritte Art von Fistelbildung betrifft solche Fälle, bei
denen die Bauchhöhle zwecks Drainage offen gelassen wurde, und
bei denen durch sekundäre Infektion der Drainagegänge sich Fisteln
bilden, die persistieren.
Nach genauer bakteriologischer Untersuchung und Feststellung
des opsonischen Index wurde die „individuelle“ Serumbehandlung
begonnen. Das Resultat der Behandlung lässt sich kurz folgender-
massen zusammenfassen:
Der Fall 1 betraf eine Fistel, die dadurch entstanden w'ar,
dass bei der Operation sehr viel Gewebe zur Unterbindung kam,
dabei Seide verwendet wurde und das nekrotisch gewordene Ge¬
webe das Wachstum von Bakterien begünstigte. In den Fällen 2
und 3 haben wir eine Vereiterung auf tuberkulöser Basis, wobei
schon bei der Operation selbst die Wunde infiziert wurde. Der
Fall 4 gehört in dieselbe Kategorie, d. h. auch hier muss die Pistel¬
bildung nicht auf das eingeschlagene Operationsverfahren, sondern
auf die Grundursache des Leidens zurückgeführt werden. Der 1.
und 2. Fall sind vollständig geheilt. An Stelle der Fistel sieht
man jetzt eine feste, etwas eingezogene Narbe. Der Fall 3 ist der
Heilung sehr nahe. Es existiert zurzeit nur eine sehr kleine, kaum
bemerkbare Fistel, die während einer Woche nur wenige Tropfen
secemiert, während vorher der Fistelverband sogar zweimal täg¬
lich gewechselt werden musste und die Umgebung der Fistel leb¬
haft entzündlich gereizt und mit leicht blutenden, schwammigen
Granulationen schmierig belegt war. Im Falle 4 trat bis jetzt trotz
vieler Impfungen keine Heilung auf. Die Operation bestand ja
hier nur in einer Inzision und vermochte nicht in radikaler Weise
die kranke perforierte Appendix mit zu entfernen, deren Anwesen¬
heit wahrscheinlich die Kotfistel unterhält.
Bei der Behandlung ergab sich eine Uebereinstimmung in den
Schwankungen des opsonischen Index mit dem Zustand der Fistel.
3. Rosenberg, Neuenahr: KUnisohes und Experimentelles
über Uastroptose.
Loening hat bei der Untersuchung ptotischer Mägen in fast
allen Fällen eine Beschleunigung der motorischen Tätigkeit fest¬
gestellt. Verf. kann sich nach seinen Untersuchungen diesen Be¬
funden nicht anschliessen. Allerdings kann bei Gastroptose be¬
schleunigte Motilität Vorkommen, in der Mehrzahl der Fälle aber
findet sich Atome. Damit bestehen also die alten Anschauungen
über Motilitätsverhältnisse bei Magensenkung zu Recht und man
hat keine Veranlassung, von der bewährten Therapie abzugehen.
4. Dunin, Warschau: Ueber den Begriff der Nenraathenie.
Der Verf. gibt eine sehr erschöpfende und zutreffende Defi¬
nition des Begriffs Neurasthenie. Es handelt sich um eine reine
Psychose, deren Hauptcharakteristicium die Autoobservation ist.
Aus dieser dauernden Selbstbeobachtung ergeben sich alle einzelnen
Symptome, die wir an den Neurasthenikern zu finden gewohnt sind.
Was die letzte Ursache dieser krankhaft gesteigerten Selbstbeob¬
achtung ist, lässt sich sicher kaum sagen. Eine sehr häufige Ent¬
stehungaursache ist fraglos eine falsche Erziehung. Der Aufsatz
ist höchst interessant geschrieben und für jeden, vor allem für
Erzieher, sehr lehrreich.
Zeitschrift für experimentelle Pathologie u. Therapie, 2. Bd.
H. Kionka-Jena: Zur Pathogenese der Gicht.
Es war auffallend, verhältnismäßige schwere degenerative
Veränderungen (Kochmann) an Leber und Nieren nach Pleisch-
fütterung bei Hunden zu finden, bei Tieren, welche doch gemein¬
hin als echte Carnivoren aufgofasst werden und deren normale
Nahrung zum überwiegenden Teil Fleisohnahrung ist. Man musste
deshalb bei anderen Tierarten, welche normalerweise kein oder
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
423
nar wenig Fleisch geniessen, nach ausschliesslicher Fleischfüttemng
noch früher vielleicht und schwerere Schädigungen erwarten, als
bei den camivoren Hunden.
Um dieses festzustellen, fütterte E. zunächst Kaninchen aus¬
schliesslich mit Fleisch, welche Nahrung diese Tiere ganz gern
nehmen.
K. sah in allen Fällen bei den fleischgefütterten Kaninchen
immer wiederkehrende Veränderungen gleicher Art in den ver¬
schiedenen Organen, namentlich in der Leber. Da aber die Mög¬
lichkeit bestand, dass infolge der Kotstauungen vom Darm aus
giftige Produkte der Fäulnis resorbiert werden, denen dann viel¬
leicht die beobachteten Organschädigungen zur Last zu legen
waren, so wiederholte K. die blosse Fleischnahrung bei der Haus¬
maus. Diese „domestizierte** Mäuseart und ihre weisse Spielart
sind zu ausgesprochenen Omnivoren geworden, und es war daher
zu erwarten, dass gerade dieses Tier sich eher einer ausschliess¬
lichen Fleischnahrung gegenüber widerstandsfähig erweisen würde.
Mikroskopisch gaben Leber und Nieren bei allen sechs Mäusen
übereinstimmend andere Bilder, als die Organe bei den KontroU-
mäusen. „Auch hier begegneten wir,** sagt Kionka, „in jedem
Schnitte Stellen, welche gegenüber den verschiedenen angewandten
Färbungsarten gleicbmäGig eine schlechte Tingierbarkeit aufwiesen.
Die Zellengrenzen und Kerne waren in solchen Partien undeutlich
und gamicht zu sehen. Zuweilen war das Protoplasma stark ge¬
körnt, imd die Zellen (der Leber) sahen trübe und geschwollen
aus. In manchen Organen fanden sich deutlich verfettete Herde, in
denen die Zellen ganz mit Fetttropfen angefüllt waren. Auch grössere
nekrotische Herde waren manchmal zu sehen, in deren Inneren
nur Zelltrümmer und Blutfarbstoff, aber keinerlei Skruktur mehr
zu erkennen war. Zuweilen erschien an derartig veränderten
Stellen das Bindegewebe gegenüber der Umgebung vermehrt.“
„Im Allgemeinen waren die pathologischen Veränderungen in
der Leber häufiger und intensiver als in den Nieren.“
Auf diese' Befunde stützt K. folgende Analogie: „So könnte
es, da auf der einen Seite durch die Art der Nahrung die Harn¬
säureproduktion stark vermehrt, auf der andern Seite durch die
Schädigung der beiden Organe die Zerstörung und Ausscheidung
unter die Norm vermindert wären, leicht zu einer Hamsäure-
stauung im Organismus kommen, als deren Folgen beim Menschen
die Uratablagerungen auftreten“. A. B.
Therapeutische Neuheiten.
Neues Rönigen-Schutz-
hauS. Einen praktisch
vollkommenen Schutz
gegen Röntgenverbrenn¬
ungen und deren schwere
Schädigungen garantiert
nur eine mit Bleiblech be¬
kleidete Schutzwand, hin¬
ter welcher d er die Bestrah-
lungen und Aufnahmen
ausfiihrende Arzt Platz
nimmt. In der nebenste¬
henden Abbildung ist
Schutzwand und Aufstel¬
lungsort des kompletten
Instrumentariums verei¬
nigt. Zum Elinschalten der
Röntgenröhre muss sich
der Arzt in das Innere des
Schutzhauses begeben und
hält sich dort bis zum
Ausschalten der Röntgen¬
röhre auf. Das Schutz¬
haus besteht aus einem
rechteckigen Gehäuse, des¬
sen Wände innen mit 1 mm
dickem Bleiblech beklei¬
det sind. Ein grosses
Fenster aus Bleiglas ge¬
stattet h*eie Uebersicht über das Röntgenzimmer. Auf einer Schmal¬
seite befindet sieh eine Türöffnung zum ungehinderten Ein- und
Ausgang des Arztes. An der Rückseite des Schutzhauses ist das
Reguliertableau aufgehängt. Der, bezw. die Unterbrecher befinden
sich zur Dämpfung des lästigen Geräusches in einem vollständig
geschlossenen Glasschrank unter dem Tableau; damit ist der Vor¬
teil verknüpft, den Unterbrecher unter Kontrolle zu haben und be¬
quem regulieren zu können. Auf der Decke des Schatzhauses be¬
findet sich Induktor, Kondensator und EHmkenstrecke, letztere von
unten einstellbar. Das Schutzhaus steht frei, ohne Befestigung an
Fussboden und Wand. Man ist also nicht gehindert, mit der
ganzen Einrichtung den Platz zu wechseln. Firma: Reiniger, Geb-
bert & Schall, Erlangen.
Vermischtes.
Zur Berichtigung.
In Nr. 36 dieser Zeitschrift wird meinen „Ermüdungsstudien**
die Ehre einer Kritik seitens des Herrn Ernst Thesing zu teil.
Es ist ausserordentlich schmeichelhaft für mich, dass er diese Studien
als von höchstem In teresse, für theoretisch wert voll, in
Fragestellung, Fleiss und Genauigkeit der Beant¬
wortung für gleich ausgezeichnet hält.
Um so erstaunlicher ist es, dass er seine volle schriftstelleri¬
sche phantasiereiche Begabung einsetzt, den einfachen, von mir
wiederholt in Gegenwart von durchaus nicht kritiklosen, wissen¬
schaftlichen Koryphaeen aasgeführten Ermüdungsmodus: Rück¬
wärtsziehen der IHere, zu einer der haarsträubendsten Quälereien
anszugestalten, sodass den ferner stehenden Leser ein gelindes
Gruseln packen muss.
Dieses sein Bemühen ist um so merkwürdiger, da ich doch in
eben der Nummer der MüncK medizin. Wochenschr., die ihm
Vorgelegen hat (Nr. 26, 1905), ausdrücklich den nach den ganz
unentbe hr lieh en dabe imitgr öS stmö gl ich er Schonung
ausgeführten grundlegenden Versuchen baldigst wesent¬
lich verbesserten Ermüdungsmodns wörtlich so beschrieben habe:
,Das zu ermüdende Meerschweinchen wird in eine Glasglocke
gebracht, die mit einem, reines Kohlenoxyd entwickelnden Apparate
verbunden ist. Ganz unmerklich gerät das Tier in einen
Zustand von schwerer Betäubung, sodass ihm die mm folgende
Ermüdung mittels Faradisierung seiner Gesamtmuskulatur im luft-
verdünnten Raume mit überaus schwachen faradischen Strömen
schmerzhafte oder auch nur unangenehme Sensationen flberhaupt
nicht hervorrufen kann,“
Herr Thesing wird es mir freilich ebensowenig glauben, dass
die Tiere durch Kohlenoxyd wirklich betäubt und unempfindlich
werden, genau so, wie er ja auch bezweifelt, dass ein mit
in seinem Organismus entstehendem Ermüdungstoxin schwer ver¬
giftetes Tier soporös, daher unempfindlich wird. Doch vermag ich
die Gewissensqualen, welche ihm offenbar meine Meerschwein¬
chenermüdungen verursachen, vollkommen zu beseitigen.
Denn schon seit Jahresfrist ist es überhaupt nicht mehr nötig,
zwecks Herstellung von Elrmüdungstoxiu Tiere zu ermüden. Das
Tierexperiment hat mir sehr bald den Weg erschlossen znr
Herstellung des Ermüdungstoxins in vitro, aus Eiweiss (cf. Nr. 1
u. Nr. 35 d. Münch, med. W. 1906).
Dr. Wolfgang Weichardt,
Privatdozent a. d. Univ. Erlangen.
Brsslau. Geheimrat Neisser unternimmt mit Unterstützung
des Deutschen Reiches eine zweite Expedition nach Batavia zur
Fortsetzung seiner Syphilisforschuugen. Mitarbeiter sind die Herren
Halberstedter, v. Prowacek, Bruck und Siebert.
Stuttgart. Auf der Naturforscher-Versammlung ist von der
Neurologischen Sektion der Beschluss, eine Gesellschaft deutscher
Nervenärzte zu gründen, im Prinzip gefasst worden und sind die
vorbereitenden Schritte einer vorläufigen Kommission unter dem
Vorsitz von H. Oppenheim-Berlin Vorbehalten worden.
Stuttgart. Die Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Aerzte wählte als Ort der nächsten Tagung Dresden, als Geschäfta-
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424
.MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 40.
ftihrer v. Meyer .und Leopold. Erster Vorsitzender der Gesell¬
schaft wird Nannyn.
Stuttgsrt. Am 16. September konstitmerte sich in einer
Versammlung unter Oberlander’s Vorsitz die Deutsche Ge¬
sellschaft für Urologie. Die Kongresse sollen alie zwei
Jahre, abwechselnd in Berlin und Wien, stattfinden. Vorsitzende
y. Erisch-Wien und Posner-Berlin, Stellvertreter Zucker-
kandl-Wien und Casper-Berlin, Schriftführer Kapsammer-
Wien und Wossidlo-Berlin, Schatzmeister Löwenhardt-Breslau.
Die erste Tagung wird 1907 in Wien stattfinden.
Suhtenburg. Am 4. September d. J. wurde das erste deutsche
Seehospital für 80 skrophulöse und tuberkulöse Kinder eröffnet.
Der Bau hat die Summe von 665000 M. beansprucht. Bau und
Betrieb werden aus den Mitteln der Nordheim-Stiftung bestritten,
die von den Testamentsvollstreckern des verstorbenen Hamburger
Kaufmanns Marcus Nordheim mit einem Kapital von iVa Millionen
errichtet ist. Die Anstalt ist als vollständiges Krankenhaus mit
allen hygienischen und chirurgisch • orthopädischen Einrichtungen
versehen und wird im Sommer und Winter betrieben werden. Die
Verpflegungsdauer der Patienten richtet sich lediglich nach ärzt¬
lichen Gesichtspxmkten. Leitender Arzt ist Herr Dr. Treplin.
Hochschuinachrichten.
Berlin. Exz. v. Bergmann feiert am 16. Dezemberseinen
70. Geburtstag.
Breslau. Dem ausserord. Prof, der Augenheilkunde, Dr.
Magnus, ist der Titel Geheimer Medioinalrat verliehen worden.
Neapel. Der Privatdozent an der medicinischen Fakultät zu
Palermo Dr. L. Ferrannini habilitierte sich als Privatdozent für
Kinder-Augenheilkunde.
Breslau. Der a. o. Professor der Augenheilkunde, Geheimer
Medicinalrat Dr. Hermann Cohn ist am 11. September im
68 . Lebensjahre hierselbst gestorben.
In Lans bei Innsbruck ist am 8. v. Mts. der ordentliche Professor
der Augenheilkunde an der Prager deutschen Universität Dr. Czer-
mak gestorben, cf. Nekrolog.
Geresbach-Baden. Als ein Opfer seines Berufes starb
am 10. V. Mts. Dr. Hermann Vögelin, Bezirksassistenzarzt, im
Alter von 35 Jahren,
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adresse: Aerztllohes Auskanfts-Bureau des Gesohlfts-Aussohusses der
Berliner Irztliohen Staidesvereine In Medlolnlsoben Warenhaaee (Akt.-
Bes.), Berlin li, Frledriohstrasse 108 I.
FSr persönliche RQcksprache ist Herr Dr. JoMhln SAarlleh TOB IThi» im
Medicinischen Warenhsuse anwesend. (Mit gütiger Erlaubnis des Uescnifts-Ausschusses
der Berliner Ikrztlichen Siandesvereine Tom Auskuntts-Bureau der Med. Woche übermittelt.)
Id der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter Nr. 1989.
In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2(X)7.
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. n. Nr. 2(X)8.
ln der Mark wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013.
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045.
Tn Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2054.
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056.
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060.
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Volontärarzt ges. Näh.
unter Nr. 2061.
In der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063
Neu niedergelassen
haben sich in:
Crenzburg a. W. Dr. med. Erers. — Dortmund. Spezialrat Dr.
Jos. Kraus. — Dresden-A. Dr. med. Hans Lehmann. — Essen. Spezial-
rat Dr. Lüsebrink. — Franzburg. Dr. med. Fechtner. — Hannover.
Dr. med. Burdach. — München. Dr. med. H. Wirth. — Rottwerndorf.
Dr. med. Matthes. — Ulm. Spezialarzt Dr. Franz Hirsch.
Pamilien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Marie Schweiger mit Hm. Dr. med. Hermann Goetz, beide in
Aachen. — Frl. Marie Kaufmann mit Hm. Dr. med. E*aul Haendlj, beide
in Berlin. — Frl. Bertha Blankenstein mit Hrn. Dr. med. Otto Schild,
beide in Dortmund. — Frl. Johanna Freischem mit Hrn. Dr. med. Wilh.
Vossen, beide in Düsseldorf. — Frl. Hedwig Richter in Philadelphia mit
Hm. Dr. med. Eonrad Mertens in Mei^nde. — Frl. Henriette Wester-
boff in Bocholt mit Hm. Dr. med. Wilhelm von Laak in Ringenbei^.
— Frl. Toni Hermann in Berlin mit Hm. Dr. med. Emil Nawratzki in
Heilanstalt Waldbaus b. Wanosee.
Vermählt:
Hr. Dr. med, Robert Cohn mit Frl. Helene Alexander in Berlin.
— Hr. Dr. med. Jo-sef Piwowarski mit Frl. Elsa Stiebler in Rbeydt-
Breslau. — Hr. Dr. med. Gottlieb Hoestermann mit Frl. Elisabeth Lebn-
bof in Gummersbach. — Hr. Dr. rood. Justus Hoff mit Frl. Martha
Wilhelmi in Hannover. — Hr. Dr. med. Otto Reichel mit Frl. Mathilde
Goller in Münchberg. — Er. Dr. med. Carl Banmeister mit Frl. Fran¬
ziska Damm in Tann (Rböngebirge).
Gehören:
Ein Sohn: Hm. Dr. med. Alex ßosenberg in Hamburg. —
Hm. Stabsarzt Dr. Josef Laogheld in Krotoschin-Sacrow b. Eleinglinike.
— Hm. Dr. med. R. Bretscbueider in Leipzig. — Hrn. Dr. med. &thcke
in Rostock i. M.
Eine'Tochter: Hm. Dr. med. A. Ludewig in Langewiesen. —
fim. Dr. med. Carl Prausoitz in London-Harrow. — Hrn. Dr. med. Leb¬
küchner in Neuenstadt a. K.
Gestorben:
Dr. med. Eugen Wierrer in Bamberg. — Prakt. Arzt Martin Ja-
cohj in Bayreuth. — Dr. med. Gustav Hahn in Berlin. —- Dr. med.
Hermann Heller-Goelzenleucbter in Frankfurt a. M. — Dr. med. Karl
Neustadt in Höxter. »= Dr. med. Heinrich Färber in Kattowitz. — Dr.
med. Richard Vogel in Köln. — Bezirksarzt a. D. Dr. Rottenbäuser io
Lohr. — Dr. med. Eugen Fricker, Oberarzt des evang. Hospitals io
Odessa.
Patentnachrichten.
Paten t-Anmeldungen:
E. 10 437. Verfahren zur Entwicklung von Kohlensäure für Bäder.
Max Elb, G. m. b. H., Dresden.
F. 20289. Verfahren zur Herstellung neutraler konzentrierter Eisen¬
karbonatpaste. A. Flügge, Hannover.
R. 11568. LeibgUrtol aus verschieden elastischem Gewebe. Edooard
Abadie-Leotard.
E. WSrner-Beriin: Ovoieal, ein nenea. zaverlfiaalees Cbo-
lagorana. (Med. Klinik, 1906, No. 21).
Dass Galle ein vorteilhaftos Cbolagojnm sein kann, ist bekannt; nur
kam es bisher immer zur Belästigung des M^ens durch die Gallensäuren,
die nach ihrer Lösung iro Mag^ensaft schwere ^nktionsstörungen machten.
Nur dann, wenn es gelang, die Gallensäuren unverändert durch den Magen
zu bringen und sie erst im alkalischen Darmsaft zur Geltung kommen za
lassen, nur dann konnte man von einer Verwendung der Galle als gallen-
treibendes Mittel Erfolge erwarten. Dieses Problem ist anscheinend W. in
der Verbindung der Rindergalle mit Hübnereiweiss voll und ganz gelangen
Eine solche Gallensäure-Eiweissverbinduog ist das Ovogal, das von der
Chemischen Fabrik J. D. Riedel in Berlin in den Handel gebracht wird.
Das Ovogal ist ein grünlich-gelbes, schwach nach Galm riechendes und
fast geschmackloses Pulver; weuigstons dann kommt der Geschmack nicht
zur Geltung, wenn das Ovogal nicht erst Gelegenheit hat, sich im alka¬
lischen Speichel zu lösen, sondern wenn es (am besten mit verdünnten Fracht*
säurenl im Löffel verrührt, bald binuntergespült wird.
An Galleufistelbunden zeigten sich überraschende Ergebnisse; Die
Flüssigkeitsmenge nicht nur, sondern auch die Monge der Gallensalze nahm
nach Ovogal in ganz tabellarisch-gesetzmäßiger Weise zu; ebenso waren die
PrUfungsergebnisse an einer inkompleten Gtulenfistel einer operierten FWu.
Da somit die anregende Wirkung auf Gallenblase und Leber auch im
Experiment erwiesen war, so lässt sich von vornherein das Indikationsgebiet
dieses zuverlässigen Cbolagc^ums leicht feststellen.
Zunächst wurde das (Jvogal von Strauss und Zinn bei Gallen¬
steinkranken geprüft, und zwar mit anscheinend besten Ergebnissen. Das
Präparat wurde anscheiaenddurchsebnitt]. gut vertragen (dreimal tägl. iMesser-
spitze), die Beschwerden Hessen bald — in einigen Fällen sogar aufiällig
bald — nach. , A. R.
Ueber die wohl schon in Aerzte-Kreisen bekannten, höchst eleganten
und praktischen Inatrameiiten- (Jalousie-) Schranke der Firma
R.Neubauer &Co. inDresdon-A. 21. (gegr. 1894) liegt in der heutigen
Nummer ein Prospekt, speziell Ober die Marke »Kies“ bei, welcher eine
höchst vorteilhafte Vorzugsofferte für die Herren Aerzte enthält.
Je eher man eine Bestellung gegen Barzahlung au^ibt, desto höher ist
die angebotene Ermässignng. Man lese den Prospekt recht sorgfältig durch
und man wird finden, dass die Firma R. Neubauer & Co. auch gegen monat¬
liche Teilzahlungen von ä M. 6,— allerdings nicht zum Vorzugspreise —
diese herrlichen Instrumenten- (Jalousie-) SiHiränke liefert.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. MeUener, Berlin W. tt, Knrfürttenttr. 81. — Verlag Ton Carl Marhold, Halle a. S.
Druck TOD der Meynemana'echen Bochdnickerei, Gebr Wolff, Halle a. 8.
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Medicinische Woche
Deatschmann, A. DShrssen, A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl Marfaold ln Halle a« 5.« Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K« Partech, H. Rosln, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unrerricbt, A. Vosslos.
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W. 62, Kurfflrstenstrasse 81«
Dr. P Meißner.
Vll. Jahf^ang.
8. Oktober 1906.
Nr. 41.
Die .Medicinische Woche“ erscheint jeden Montag mit der Utigigen Beilage BalneolOglSChe Cetltralzeltung, Organ des Allgemeinen Deutschen
Biderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes der Deutschen Nordseebäder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet Jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröBeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Origjnalien.
Zur Frage
der epidemischen Meningitis cerebrospinalis.
Von Dr. G. N. Magakjan.
(Schluss.)
Non möchte ich die von mir beobachteten Fälle beschreiben.
1. Fall: Th. M., 18 Jahre alt, wurde am 30. Juli 1905 in
bewusstlosem Zustande in das Krankenhaus eingeliefert. Der
Begleiter des Kranken erzälilte, dass letzterer plötzlich bei der
Arbeit erkrankte: Er habe über Kopfschmerzen geklagt, einige
Male erbrochen und dann nach einigen Stunden sei er bewusst¬
los geworden. — Ich fand den Kranken in sehr schwerem Zu¬
stande. Im Krankenhause trat Erbreclien nicht auf. Sensorium
getrübt. Stuhl einmal, regelmäßig. Herztöne rein. Puls ziem¬
lich guter Füllung, regelmäßig. In den Lungen hört man
unter dem Winkel des Schulterblattes spärliche subkrepitierende
Rasselgeräusche. Steiflieit der Nacken- und Rückenmuskeln,
Kemigsches Symptom. Pupillen normal, reagieren auf Licht.
Mittels Punktionen zwischen dem 4. und 5. Wirbel wurde ca.
10 ccm trüber Flüssigkeit gewonnen, in der die mikroskopische
und bakteriologische Untersuchung Meningococcen ergab.
Vom 1. Tage der Erkrankung wurden heisse Wannenbäder
von 30” zweimal täglich und desgleichen Einreibungen von
Credöscher Salbe in Dosen von 2,0 gleichfalls zweimal täglich
verordnet. Nach zwei Tagen wurde die Punktion wiederholt und
eine intravenöse Injektion von 3,0 Collargol gemacht. Am
5. T^e Sensorium vollständig klar, Steifheit der Muskeln und
des R^ückens geringer. Die Punktion wurde noch dreimal
wiederholt, wobei man beobachten konnte, dass sich das Ex¬
sudat mit jedem Mal immer mehr und mehr aufklärte. Vom
4. Krankheitstage begann der Patient über Abnahme des Ge¬
hörs zu klagen; im Rekonvaleszenten-Stadium klagte er über
Sausen im Kopfe und Schwindel. Die Untersuchung der Obren
ergab linksseitige eitrige und rechtsseitige katarrhalische
Otitis. Nach 2 Monaten wurde der Patient als vollständig
geheilt entlassen.
2. Fall: A. K., 19 Jahre alt, wurde am 1. August, und
zwar am 2. Krankheitstage in das Krankenhaus aufge¬
nommen. Er klagte über Kopf- und Rückenschmerzen, so¬
wie über Schmerzen in den Extremitäten. Obstipation. Herz¬
töne dumpf, in den Lungen hört man vereinzelte trockene
Rasselgeräusche. Steifheit der Rücken- und Nackenmuskeln.
Kemigsches Symptom. Schnupfen nicht vorhanden. Am
5. Krankhoitstage Schwäche und Schmerzen im linken Arm,
hierauf Schwäche des rechten Armes; von Interesse ist der
Umstand, dass am rechten Bein und am linken Arm die Parese
stärker ausgesprochen war, als am linken Bein und am rechten
Arm. Kniereflexe, Achillessehnenreflex und Fusssohlenrefiex
nicht vorhanden. Gesicht und Gehör normal. Lumbalpunktion
nach Quincke am 8. Krankheitstage, wobei 20 ccm Exsudat
zu Tage gefördert wird. Ausserdem wurden dem Patienten
gleich zu Beginn heisse Wannenbäder, dann Einreibung von
Credöscher S^be verordnet. Am Tage nach der Punktion war
die Steifheit der Muskeln bedeutend weniger ausgesprochen.
Am 20. Krankheitstage war der Patient imstande, olme Schwie¬
rigkeiten Rückenlage einzunehmen. Kopf- und Rückenschmerzen
nicht vorhanden. Im weiteren Verlauf begannen zwar die
paretischen Erscheinungen nachzulassen, vollständige Besserung
ist aber nicht eingetreten, und man wird wohl kaum auf eine
solche rechnen können. Der Patient kann zwar gehen, sein
Gang ist aber unsicher und hinkend; jedenfalls geht er, auf
einen Stock gestützt, besser. Die linke Hand und das rechte
Bein vollständig hochzuheben vermag der Patient nicht. Auch
ist die Kraft dieser Extremitäten geringer als diejenige der
entsprechenden Extremitäten der anderen Seite. Die Knie¬
reflexe sind zwar vorhanden, aber bedeutend herabgesetzt.
Diese Veränderungen werden wahrscheinlich dauernd bleiben.
In der bei der Lumbalpunktion gewonnenen Flüssigkeit ergab
die bakteriologische Untersuchung 2 Arten von Mikroorganismen:
Meningococcen und Bazillen, die durch ihre Form in hohem
Grade an die Pfeifferschen Bazillen erinnerten, sich aber von
diesen dadurch unterschieden, dass sie auf gewöhnlichem Agar
Wachstum zeigten.
3. Fall; S. M., 18 Jahre alt, aufgenommen am 2. August.
Krank seit 4 Tagen. Er erkrankte plötzlich an Kopfschmerzen,
Nacken- und Rückenschmerzen. Zunge belegt. Obstipation.
Herztöne rein. Puls frequent, regelmäßig. Von seiten der
Lunge nichts Abnormes. Auf den Lippen Blasenausschlag.
Diplopie; linke Pupille enger, als die rechte. Gehör normal.
Steifheit der Nacken- und Rückenmuskeln. Kerni^ches Symp¬
tom. Knie-, Sohlen-Reflexe, sowie Achillessehnen-Reflex herab¬
gesetzt. Allgemeine Hyperaesthesie und Hyperalgesie. Die am
3. und 5. Ta^e nach der Aufnahme des Kranken vorgenommene
Lumbalpunktion ergab ein negatives Resultat. Am 11. Tage
wurde die Punktion wiederholt, wobei 15 ccm leicht trüber
Flüssigkeit entleert wurden. Am 4. Tage wurde wiederum
unktiert und etwas Flüssigkeit entleert. Ausser der Diplopie
estand während der Krankheit noch Herabsetzung des Ge¬
hörs. Andere Komplikationen waren nicht vorhanden. Nach
der letzten Punktion sank die Temperatur kritisch und der
Patient erholte sich. Am 2. November wurde der Patient als
vollständig geheilt entlassen. Ausser den Punktionen bekam
der Patient heisse Wannenbäder und Einreibungen von Cred6-
scher Salbe. In der bei der Lumbalpunktion entleerten Flüssig¬
keit ergab die bakteriologische und mikroskopische Untersuchung
Meningococcen.
4. Fall: Th. E., 22 Jahre alt. Aufgenommen am 14. August,
am 6. Erankheitstage, in bewusstlosem Zustande. den
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 41.
Angaben des Vaters erkrankte der Patient am 9. Augast plötz»
lieh unter Kopfschmerzen; nach 2 Tagen begann er sich besser
zu fühlen und sogar zu arbeiten. Am 14. August trat Ver¬
schlimmerung ein und der Patient wurde bewusstlos. Die
Pupillen reagierten nicht auf Licht; die linke Pupille ist er¬
weiterter, ^8 die rechte. Die Kniereflexe sind erhalten. Steif¬
heit der Nacken- und Rückenmuskeln. Herztöne rein. In den
Lungen diffuse Rasselgeräusche. Obstipation. Am 5. Krank¬
heitstage wurde die Lumbalpunktion ausgeführt, wobei 5 ccm
leicht trüber Flüssigkeit entleert und dann in den Kanal der
Wirbelsäule 10 ccm enier l®/oigen Lysollösung injiziert wurden.
Um 3 Uhr nachts wurde das Sensorium Idarer, sodass der
Patient auf die an ihn gerichteten Fragen Antwort gab. Puls
und subjektiTes Befinden schienen besser zu sein. Die Steifheit
der Nacken- und Rückenmuskeln liess jedoch nicht nach. Am
folgenden Tage Sensorium wieder trüber. Der Patient stöhnt;
Puls schwach. Wiederum Lumbalpunktion, Entleerung von
15 ccm Flüssigkeit und Injektion von 10 ccm einprozentiger
Lysollösung.
22. August. Hochgradige Schwäche. Der Patient stöhnt
ununterbrochen. In den Lungen rauhe Atmungsgeräusche,
Rasselgeräusche. Tod an demsmben Tage.
Ausser der Lumbalpunktion und der Lysoliniektion be¬
stand die Behandlung in Anwendung von Wannenbädern und
Credöscher Salbe. Die bakteriologische Untersuchung der
Flüssigkeit ergab in derselben Meningococcen.
Sektion: Beginnende akute cerebrale Leptomeningitis,
Hyperaemie und Oedem des Gehirns und des Rückenmarks.
Di^se eitrige Leptomeningitis des Rückenmarks.
5. Fall: A. S., ;17 Jahre alt. Krank seit einer Woche.
Die Krankheit begann mit Kopfschmerzen. Am 7. Krankheits¬
tage wurde der Patient bewusstlos. Rechter Augapfel etwas
vorgestülpt. Beiderseitige Parotitis. Obstipation. Am 2. und
3. Tage nach der Aufnahme in das Krankenhaus Lumbal¬
punktion, sowie Entleerung von 10 bezw. 20 ccm etwas trüber
Flüssigkeit. Sensorium nach wie vor trübe. Frequente, tiefe
Inspiration; schwacher Puls. Im Harn Eiweissspuren. Am
24. August Tod. In der bei der Lumbalpunktion gewonnenen
Flüssigkeit ergab die bakteriologische Untersuchung Meningo-
und Staphylococcen. Ausser den Punktionen wurden noch
heisse Wannenbäder und Einreibung von Cred6scher Salbe
angewendet
Sektion: Zerstreut liegende metastatische Abszesse in
beiden Lungen; eitrige Leptomeningitis in der Gegend des
türkischen Sattels, der Sehnerven und der beiden NN trigenimii;
Feuilleton.
Medicinisches aus der schönen Literatur.
Id zwangloser Folge mitgetcilt von
Dr. Leopold Hirschberg (Berlin).
1. Gedanken eines humoristischen Arztes über
Krankenbehandlung.
Ehrliche Leser! Hand aufs Herz! Wie viele von Ihnen
haben ein anerkanntes Meisterwerk der deutschen Literatur,
den „Münchhausen“ von Karl Immermann, wirklich mit
Aufmerksamkeit gelesen? Vielleicht haben Sie in früher Jugend¬
zeit einmal hereingeblickt, wohl auch den „Oberhof“, der ja
bekanntlich einen Teil des vierbändigen Werkes bildet, mit den
hübschen Vautierschen Holzschnitten fein eingebunden in der
guten Stube der Grosseitem durcholättert. Kommen Sie mir
nicht mit der Entgegnung, dass Sie als Quintaner genügend von
den Abenteuern des edlen Freiherrn zu Wasser und zu Lande
kennen gelernt hätten! Davon ist in dem Immermannschen
Werke natürlich keine Rede; es gibt darin wohl eine Luftver¬
dichtungsaktienkompagnie, aber kein Reiten auf der Kirchturm¬
spitze und kein aus der Kanone Sichherausschiessenlassen. Der
Phlegmone der rechten Augenhöhle; beginnende akute eitrige
Leptomeningitis des Rückenmarks; akute Myelitis, Septiko-
Pyaemie.
6 . Fall; A. Sch., 35 Jahre alt Aufgenommen am 28. Oktober
1905 in bewusstlosem Zustaude. Die anwesende Frau des
Patienten berichtete, dass letzterer am 29. Oktober plötzlich
unter Kopfschmerzen und Kräi^fen erkrankte, während er
früher etwas gehustet hatte. Im Krankenhaus wurden klonische
Krämpfe am ganzen Körper beobachtet. Herztöne rein. Puls
regelmäßig. Von seiten der Lunge wurde, sofern eine Unter¬
suchung in Anbetracht des schweren Zustandes des Patienten
überhaupt möglich war, nichts Abnormes gefunden. Im Harn
Eiweiss. Der Patient ist Maler von Beruf. Steifheit des
Nackens, des Rückens und der Arme; das Kemigsche Symptom
ist hochgradig ausgesprochen. Allgemeine Hyperalgesie. Am
30. Oktober wurde nach Quincke ca. 20 ccm klarer Cerebro-
spinal-Flüssigkeit entleert. Die Bewusstlosigkeit hielt an, und
in der Nacht auf den 2. November starb der Patient.
Ausser der Lumbalpunktion wurden noch Einreibungen
von Cred^seber Salbe, sowie Wannenbäder angewendet.
Die bakteriologische Untersuchung ergab in der entleerten
Flüssigkeit Meningococcen.
Sektion: Hyperaemie und Oedem der weichen Hirn- und
Rückenmarkshaut; chronische Tuberkulose der linken Lungen¬
spitze; tuberkulöse Geschwüre im Ileum, sowie Erscheinungen
von cirkumskripter Peritonitis an den entsprechenden Stellen
des Bauchfells; akute Tuberkulose der Nieren und der Milz (?).
Die makroskopischen Veränderungen im Gehirn waren Jedoch
so geringfügig, dass der Arzt (Dr. Korowin), der die Sektion
auslührte, sich nicht entschliessen konnte, dieselbe als tuber¬
kulöse Meningitis zu bezeichnen, bevor die Organe nicht mikro¬
skopisch untersucht sind. Die mikroskopische Untersuchung^
ergab Tuberkulose im Anfangsstadium. Es wurden also in
diesem Falle Meningococcen und Erscheinungen von beginnender
Tuberkulose nachgewiesen.
7. Fall; S. M., 17 Jahre alt Aufgenommen am 5. No¬
vember 1905 in bewusstlosem Zustande. Die Krankheit begann
plötzlich am 5. November morgens mit heftigem Schüttelfrost
und Kopfschmerz, sowie mehrmaligem Erbrechen: unmittelbar
darauf stellte sich Bewusstlosigkeit ein Die Pupillen reagieren
auf Licht Rigidität und Schmerzhaftigkeit der Nacken- und
Rückenmuskeln. Es besteht das Kerningsche Symptom. Noch
am selben Tage entleerte ich nach Quincke ca. 40 ccm trüber
Flüssigkeit, in der die bakteriologische Untersuchung Meningo¬
coccen ergab. AuSser der Lumbalpunktion bekam der Patient
Immermannsche Münchhausen erfordert zu seinem völligen Ver¬
ständnis nicht nur eine ganz intime Bekanntschaft mit der
Literatur der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts, son¬
dern vor allem auch einen wirklich ausgereiften männlichen
Geist.
Ich nehme mir solche Bücher ungefähr alle fünf Jahre vor;
man findet, je älter und nachdenklicher man wird, immer wie¬
der etwas Neues und Belehrendes heraus. Und so muss ich
gestehen, dass ich in den letzten Wochen, wo ich den „Münch¬
hausen“ wieder einmal von A bis Z in der unverkürzten Ori¬
ginal-Fassung gelesen habe, höchst genussreiche und unterhal¬
tende Stunden von dieser Lektüre hatte. Dabei stiess mir aber
auch eine Stelle auf, von der ich glaube, dass sie allen meinen
ärztlichen Berufsgenossen von grossem Interesse sein wird. Sie
gibt nämlich einige noch heutzutage äusserst beherzigenswerte
Regeln für die allgemeine Krankenbehandlung. Es ist ganz gut,
in unserer Zeit, wo so viel vom Komfort des Krankenzimmers
und ähnlichen Dingen die Rede ist, auch einmal einer längst
verhallten Stimme zu lauschen, zumal wenn diese in dem
feinsten Stil, den man sich nur wünschen kann, ertönt.
Die Situation ist die denkbar einfachste. Ein junger Graf
hat einen Blutsturz bekommen und wird von dem sehr ge¬
scheuten, humoristischen Arzt im wesentlichen durch eine Not¬
lüge geheilt. Während der Patient nämlich bereits völlig
ausser Gefahr ist, erklärt unser Hippokrates denselben noch für
höchst bedenklich krank, nur um den Schwarm der liebenden
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1906
MEDICINISCHE WOCHE.
427
Wannenbäder und Einreibungen von Credöscher Salbe. Er
starb am 6. November.
Sektion: Erscheinungen von aknter Meningitis cerebrospinalis.
8 . Fall: N. J., 17 Jahre alt Aufgenommen am 7. No¬
vember. Krank seit 3 Tagen. Kopfschmerzen, allgemeine
Schwäche, wiederholtes Erbrechen; reichlicher Blasenausschlag
auf den Lippen; Schnupfen nicht vorhanden. Zunge belegt
Zweimal Stuhl, flüssig. Von seiten der Lunge nichts Abnormes.
Der Patient klagt über Hals- und Rückenschmerzen. Leichte
Rigidität der Naekenmuskeln; das Kernigsche Symptom ist
nicht besonders stark ausgesprochen. Die Kniereflexe sind ge¬
steigert. Am folgenden Tage wurden nach Quincke ca. 50 ccm
vollständig klarer Flüssigkeit entleert.
9. November. Einmaliges Erbrechen, Kopfschmerzen,
Schwindel. Rigidität der Muskeln, sowie Schmerzhaftigkeit im
Nacken und Rücken geringer. Subjektives Befinden besser.
10. November. Enmaliges Erbrechen, Schwindel. Pupillen
mäßig erweitert Der Patient sieht und hört gut. Lumbal¬
punktion mit negativem Resultat.
11. November. Vom Abend bis 12 Uhr war der Patient
unruhig und phantasierte. Der Patient ist schlaff und etwas
apathisch. Muskelrigidität, sowie Nacken- und Rückeoschmerzen
fast nicht vorhanden, ln den folgenden Tagen begann der
Patient sich rasch zu erholen, aber am 18. November stellte
sich plötzlich Verschlimmerung ein: Kopfschmerzen, Erbrechen,
Erweiterung der Pupillen, aber fast keine Rigidität der Nacken-
muskeln. Dieser Zustand dauerte 4 Tage, worauf sich der
Patient erholte und am 27. November beschwerdefrei entlassen
wurde. Ausser der Lumbalpunktion bekam der Patient Chinin,
Morphium und Wannenbäder. In der entleerten Flüssigkeit
ergao die bakteriologische Untersuchung Meningococcen.
Alle diese Patienten wohnen in Petersburg schon seit
längerer Zeit, sodass die beschriebene Epidemie zweifellos eine
lok^e war. Ich muss bemerken ^ dass nach den ersten vier
Kranken, die innerhalb eines Monats nacheinander eingeliefert
wurden, eine ziemlich grosse Pause von über 2 Monaten
eingetreten ist, worauf innerhalb einer Woche wiederum vier
äh^che Fälle eingeliefert wurden. Das neue Aufflackem der
Epidemie fiel zeitlich mit dem Eintritt kalter Witterung zu¬
sammen, also mit einer Zeit, die als eine für die Entwickelnng
der Epidemie sehr günstige bezeichnet wird. Die Fälle 2, 5
and 6 sind besonders interessant und beachtenswert. Die
bakteriologische Untersuchung ergab im Fall 2 ausser Meningo¬
coccen noch einen Bazillus, der dem Influenzabazillus ähnlich
war, im Fall 5 Meningococcen und Staphylococcen. Diese Be¬
funde sprechen dafür, dass auch eine gemischte Infektion mög-
Verwandten von ihm fernzuhalton. Erst an dem Tage, wo er
ihn zum erstenmal spazieren gehen lässt, gibt er die Wahr¬
heit kund und wird natürlich mit Heftigkeit zur Rede gestellt.
Lassen wir ihn jetzt selbst reden und beherzigen wir das, was
er so jovial vorbringt:
„Eine Notlüge, gnädige Frau und liebe Herren, eine Not¬
lüge, ohne welche der rechtschaffenste Mann, absonderlich aber
der Arzt, nicht durch dieses Jammertal kommt. Denn wollte
der Arzt immer die Wahrheit sagen, so würfen sie ihn zum
Hause hinaus.
Wenn man wie ich eine Reihe von Jahren doktert, wenn
man seine von vielen Rezepten nicht mehr abhängende Praxis
hat, so beginnt mau ohne Scheu einzugestehen, dass die Natur
doch zuletzt der Geheime Medicinalrat oder Öbermedicinalrat
ist. Wir Aerzte sind nur schärfere Zeugen der Natur, hören
feiner, was sie flüstert und wispert, als andere Menschen, sonst
aber sind wir keine Hexenmeister. Der Natur, wenn sie leise
sagt: Bitte! bitte! die Bitte zu gewähren, Alles fern zu halten,
was sie in ihrem Gange stört, das ist unsere ganze Kunst. Die
Krankheiten werden meistenteils nur gefährlich durch Gelegen¬
heitsursachen, welche das Walten der Natur stören. Auch dieser
Blutsturz wäre bei der vortrefflichen Konstitution des Herrn
Grafen wahrscheinlich ganz von .selbst geheilt, das Blutgefäss,
welches sich ergossen hatte, hätte sich mit Ruhe und höch-
tens etwas zusammenziehend Säuerlichem von Natur geschlossen.
lieh ist Solche Beobachtungen sind auch in der Literatur
vorhanden. So fanden Gaffky und Lingelsheim Meningo¬
coccen samt Staphylococcen und Strej^ococcen; Osler fand
Pneumococcen mit Meningococcen. Hnnter und Nuttal
Meningococcen mit Influenzabazillen und Kochschen Bazillen
usw. (M. Breitmann). Noch interessanter ist Fall 6, in dem
die mikroskopische Untersuchung der Organe einerseits zweifel¬
lose Symptome von beginnender Tuberkulose ergab, während
die bakteriologische Untersuchung andererseits mit ebensolcher
Sicherheit das Vorhanden‘;ein von Meningococcen feststellen
Hess. Dass ein Tuberkulöser wie jeder andere an Meningitis
cerebrospinalis erkranken kann, nnterliegt natürlich keinem
Zweifel. Man muss sich diesen Fall folgendermaßen vorstellen:
Der Patient litt an chronischer Tuberkulose; zu dieser gesellte
sich nun Meningitis cerebrospinalis hinzu, welche eine Exacer¬
bation des alten Prozesses bewirkt hat
Auf Grund meiner Fälle glaube ich nun folgende Schlüsse
aufstellen zu können:
1 . Von sämtlichen Mitteln, die zur Behandlung der Menin-
f itis cerebrolspinalis vorgeschlagen sind, ist die Lnmbalpunktion
as beste; einerseits, weil sie die quälendsten Symptome der
Krankheit, nämlich die Schmerzhaftigkeit und die Rigidität der
Nacken- und Rückenmuskeln mindert, andererseits, weil sie
dadurch, dass zugleich mit der Flüssigkeit eine Menge In-
fektionsstoff aus dem Organismus entfernt wird, wahrscheinlich
auch den Kampf des Organismus mit der Krankheit erleichtert
und die Aufsaugung des Exsudats beschleunigt
2. Das gleichzeitige Vorkommen von zwei verschiedenen
Mikroorganismen bei Meningitis cerebrospinalis, bestätig die
Ansicht Dienlafoy’s, dass es keine Meningitis cerebrospinalis,
sondern cerebrospinale Meningitiden gibt
Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflieht, dem Chef
des Krankenhauses, Herrn A. A. Netschaew, für die liebens¬
würdige Ueberlassung des Materials zu dieser Arbeit an dieser
Stelle meinen verbindlichsten Dank zu sagen.
Literatur:
1. Aufrecht. Fälle von Meningitis cerebrospinalis. Deutsche med.
Wochenschrift, 1880.
2. Baginsky. Lehrbuch der Kinderkrankheiten.
3. Biedert. Lehrbuch der Kinderkrankheiten.
4. M. I. Breitmann. Epidemische Meningitis cerebrospinalis. Gratis¬
beilage zur Wratschebnaia Gazetta 1905. Nr. 25.
5. J. S. W oroschilski. Wratsch 1895.
6. Qrinther. Zur Bakteriologie.
7. Dioulafoy. Lehrbuch der inneren Pathologie. Band 8, Seite 4.
8 Heubner. Zur Äetiologie und Diagnose der epidemischen cerebro-
spinalmoningitis. Deutsche med. Wochenschrift, 1896. Nr. 27.
Meine Weisheit hat nur darin bestanden, dass ich die der Natur
feindliche Gelegenheitsursache entfernt zu halten wusste.“
„Welche Gelegenheitsursache meinen Sie?“
„Ihre und der übrigen verehrten Anwesenden Liebe, Freund¬
lichkeit, Besorgnis und Teilnahme an meinem Patienten. 0
meine geschätzten Freunde, Sie glauben nicht, wie viele Kranke
dem Arzte durch Liebe und Teilnahme der Angehörigen zu
Grunde gerichtet werden! Zwar in den ersten Tagen lässt
man den Leidenden wohl ruhig liegen und behandelt ihn ver¬
nünftig, aber späterhin, wenn es nun heisst, er bessere sich,
oder er sei Rekonvaleszent, da beginnt ein wahrer Kultus
des Krankenzimmers, in den Augen des gewissenhaften
Arztes der schlimmste Teufelsdienst. V ergebens rufen die müden
und zitternden Nerven: Lasst uns in Fnedenl Umsonst sehnt
sich das in Unordnung gebrachte Blut nach Stille, fruchtlos ist
es, dass die letzten Kohlen der Entzündung in sich verglimmen
möchten — es hilft Alles nichts, besucht wird, gefragt wird
nach dem Befinden, unterhalten wird, vorgelesen wird, soge¬
nannte kleine Freuden werden bereitet und voll Verzweiflung
sieht man das Sch lach topf er der Liebe, was man gestern
voll guter Hoffnung verliess, heute elend wieder. Deshalb
sterben auch in Privathäusem verhältnismässig mehr Menschen
als in wohlbeaufsichtigten Lazaretten, und darum pflege ich
auf Kranke mit Umgebungen voll Liebe und Teilnahme, die
ich nicht abhalten kann, von vorne herein doppelt so viel Zeit
zu rechnen, als auf Kranke ohne liebevolle Umgebungen.
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M^D ICTNTSCHB WOCHE.
Nr. 41.
9. Jaeger. 'Epidemiologisches und Bakteriologisches Uber Cerebrospinal-
meningitis. Ibidem, 1699. Nr. 29.
10. Lenhartz. Ueber die epidemische Genickstarre. Deutsches Archir f.
klin. Medicin, 1905. Band 84.
11. Rojanski. Heisse Wannenbäder bei der Behandlung der epidemischen
Meningitis cerebrospinalis. Medicinskoe Obosrenio 1904. 6oito 08.
12. SchottmUller. UeberMeninffitiscerebrospinalisopidemk'a. Münchner
med. Wochenschrift, 1905. Nr. 34, 36.
13. Stadelmann. Ueber sporadisch und epidemische eitrige Cerebrospinal¬
meningitis. Deutsche med. Wochenschrift 1899. Nr. 29.
14. StrUmpel. Spezielle Pathologie und Therapie.
15. Felatow. Semiotik und Diagnostik der Kinderkrankheiten.
Die Heilwirkung des Blutes.
Von Dr. Hans Lungwitz-Halle.
(Schluss.)
Interessant sind ferner die Versuche mehrerer Autoren, die
sie unternahmen, um festzustelien, welchen Einfluss das An¬
legen einer starkschnüreuden, die Zirkulation völlig hindernden
Binde oder eines Gummischlauches z. B. am Oberschenkel auf
die Resorption und Verbreitung von Giftstoffen habe, die man
unterhalb von der Binde injizierte. Die Versuche ergaben,
dass, solange die Binde lie^, keine Vergiftungserscheinungen
eintreten, ebenso dann nicht, wenn die Binde nach einigen
Stunden gelöst wird, da das Gift durch das lebendige Gewebe
unterdes irgendwie paralysiert worden ist. Es bat also die
gute, alte Sitte, sich vor den Folgen von Bissen giftiger Tiere
durch Abbinden der verletzten Glieder zu schützen, volle Be-
rechti^ng. Das Vorbild hierzu liefert wiederum die Natur,
die in Körperteilen, welche von Schlangenbissen verletzt worden
sind, alsbald eine absolute Zirkulationsstockung eintreten, um
den Körper vor dem Gift zu schützen, und lieber ein Glied
brandig werden und absterben lässt, ehe sie den ganzen Menschen
opfert
Ein weiterer Beweis für die Resorptionskraft des Blutes
liegt darin, dass bei infizierten Wunden, bakteriellen Er¬
krankungen das Fieber durch Anlegen der Stauungsbinde so¬
fort abföllt, beim Abnehmen wieder steigt, weil wiederum
bakterische Giftstoffe in den Kreislauf gelangen konnten und
durch ihre Verbrennung die Temperatur gesteigert wurde.
Aber nicht nur wässrige und wasserlösliche Stoffe vermag
die Hyperaemie zn beseitigen, auch feste Gebilde wie Sehnen¬
knoten, Gelenkwucherungen und -Versteifungen, Blutgerinnsel,
Narbenzüge unterliegen ihrer heilenden Wirkung, oft
Hier nun sah ich einen ganzen Herd von Liebe und Teil¬
nahme, als ich zum Grafen berufen wurde. Edle Empfindungen,
über die mir nicht einfällt zu spotten, welche mir aber als
Arzt nur als ebenso viele widrige Gelegenheitsursachen und
Indikationen erscheinen mussten, dass der Patient, befragt, be¬
sprochen, unterhalten, durch Vorlesungen aufgeregt und durch
kleine Freuden im entzündlichen Stadio verzögert, leicht seine
paar Monate abliegen könne. Deshalb griff ich zu der Not¬
lüge, dass er in grosser Gefahr sei, dann folgte die einfache
Gefahr, dann die langsame Hebung der Kräfte, und auf heute
endlich wurde die Wirkung einer entscheidenden Krise ver¬
brochen. Er war aber nie, verehrte Anwesende, in grosser
Gefahr und kehrte nach den ersten zehn Tagen schon mächtig
zu. Einem Kranken tut Niemand Not, als Einer, der
ihm zu den bestimmten Stunden die Arznei reicht
und allenfalls ein verschobenes Kissen zurecht¬
legt; und dann Langeweile, o du nicht genug zu
preisende Göttin des Siechbetts! Man sollte Hygieen
gähnend darstellen, denn es ist nicht auszusagen, welche Riesen¬
schritte die Besserung macht, wenn der Leidende weiter gar
nichts zu tun hat, als zu gähnen.“
2 . Ein Laien-Urteil über „Nervosität“ aus dem
Jahre 1836.
Nach dieser Ueberschrift könnte die vielgeliebte Neurasthenie,
die man im allgemeinen ja als ein Nesthäkchen unter der ge-
dann noch, wenn der Arzt keine andere Hilfe mehr weiss als
eventuell die operative Entfernung. Dass im Zustande der Ent¬
zündung eine Einschmelzung von Gewebe stattfindet (Auto¬
digestion oder Autolyse), ist schon oben erwähnt worden; es
kann uns also diese Wirkung der Hyperaemie, die den Vorgang
der Entzündung getreulich nachahmt, gar nicht wundernehmen.
Von der Mobilisierung chronisch versteifter Ge¬
lenke kann man schon nach kurzer Behandlu^ die über¬
raschendsten Erfolge sehen. Bier führt diese Wirkung der
Hyperaemie, die übrigens bei aktiver wie passiver gleich ist,
auf die lösende Kraft des Blutes zurück; welche Bestandteile
des Blutes diese lösende Kraft haben oder ob bei der Hyperaemie
Fermente oder Enzyme, die vorher an Zellen gebunden waren,
frei werden und diese schmerzlose und vollständige Beseitigung
von Wucherungen, Verwachsungen usw. bewirken, das zu er¬
örtern, gehört nicht in den Kähmen dieser Mitteilungen.
Haben wir so gesehen, dass aktive und passive Hyperaemie
schmerastillend und auflösend, dass die venöse heilend auf
chirurgische Infektionskrankheiten einwirkt, dass die arterielle
die Aufsaugung befördert, so ist noch eine Frage offen, die
von Bier in klarer und überzeugender Weise experimentell
f elöst worden ist; ist die Hyperaemie imstande, Umfang und
!raft eines Körperteiles zu heben und anderseits die Ausfüllung
von Gewebslücken mit lebendigem Material zu befördern, mit
andern Worten; hat die Hyperaemie ernährende Wir¬
kung? Aus den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts
sind uns einige Fälle überliefert, wo nach Verstopfung von
Venen durch Blutgerinnsel eine erhebliche Massenzimahmo
(Hypertrophie) des betroffenen Gliedes eintrat; freilich zeigten
die übermäßig dicken Muskeln eine viel geringere Kraft als
die dünneren gesunden, und dies lässt vermuten, dass es sich
wohl um eine beginnende Degeneration der Muskelfasern ge¬
handelt hat. Jedenfalls lehrt uns die Betrachtung dieser Fälle,
dass eine derartig hochgradige Stauung, wie sie bei Verstopfung
der Blutadern statthat, künstlich nicht angewandt werden darf.
Dass eine mäßige Steigerung der Durchblutung einen
Reiz auf das Wachstum ausübt, sehen wir z. B. im Sommer
an unseren Haaren und Nägeln; auch in der Nähe von Ge¬
schwüren entzündlicher Natur macht sich, wie oben erwähnt,
ein lebhaftes Wachstum der zelligen Elemente und des Binde¬
gewebes (Regeneration) bemerkbar. Pflanzt man den Sporn
eines Hahnes in das äusserst blutreiche Gewebe seines Kammes
ein, so wächst es zu stattlicher Grösse heran.
Besonders deutlich ist der ernährende Einfluss der Hype¬
raemie auf die Knochen. Schon Langenbeck stellte im
Jahre 1869 den Satz auf, dass Krankheitsursachen, die Reizung
waltigen Kiiiderschaar der Madame Pandora betrachtet, in
diesem Jahre ihren siebzigsten Geburtstag feiern. Gratulor.
Derselbe deutsche Dichter, der uns soeben in ausgezeich¬
neter Weise über Krankenbehandlung aufgeklärt hat, Karl
Immerraann, nimmt in seinen zweiten, hochberühmten, leider
auch gar nicht mehr gelesenen Roman „Die Epigonen“ Ge¬
legenheit, einen Arzt sich über Nervenübel ausseru zu lassen.
Das Auftreten eines Arztes in beiden Werken, und zwar in
bedeutender Rolle, legt die Vermutung nahe, dass Immer¬
mann vielleicht ein verunglückter Mediciner gewesen sei. Das
war nun keineswegs der Fall; Immermanns Lebensstellung
- denn vom Dichten allein konnte man dazumal noch weniger
leben als heute, wo unsterbliche Meisterwerke wie „Charleys
Tante“ und ähnliche noch etwas einbringen — war die eines
Landgerichtsrats. Wir haben also einen ungemein geistvollen
medicinisclien Laien vor uns, der ernst über Probleme allge¬
meinen Interesses nachgedacht hat. Und so legt er dem Arzte
in den „Epigonen“ folgende inhaltsschweren Worte in den
Mund: „Der Arzt hat eine grosse Axifgabe in der Gegenwart
zu lösen. Krankheiten, besonders die Nervenübel, wozu seit
einer Reihe von Jahren das Menschengeschlecht vorzugsweise
disponiert ist, sind das moderne Fatum. Was in frischeren,
kurzer angebundenen Zeiten sich mit einem Dolchstosse, mit
andern raschen Taten der Leidenschaft Luft machte, oder
hinter die Mauern des Klosters flüchtete, das nagt jetzt in¬
mitten scheinbar erträglicher Zustände langsam an sich, unter-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
429
und Hyperaemie des Knochengewebes veranlassen, eine Zu¬
nahme des Knochens an Länge und Dicke, so lange er über¬
haupt noch wächst, zur Folge naben. In der Folgezeit hat sich
erwiesen, dass nur die dauernde venöse Hyperaemie eine solche
Wirkung auszuüben vermag, und dass deren Anwendung in
der Praxis durchaus zweckmäßig ist, z. B. wenn es gilt, im
Wachstum zurückgebliebene Knochen zum Länger- und Dicker¬
werden anzuregen. Die Hyperaemie wurde früher durch Ein¬
schlagen von Elfenbeinnägeln, durch Brennen und Aetzen der
Knochenhaut herbeigeführt, Eingriffe, durch die künstlich ein
Entzündungsreiz gesetzt werde. Das harmloseste Verfahren ist
auch hier die Stauungshyperaemie: sie erreicht den gleichen
Effekt und ist doch bei weitem nicht so eingreifend wie die
genannten heroischen Methoden.
Während die ernährende Beeinflussung des Knochens, der
Haare, der Nägel und anderer epithelialer Gebilde, d. h. also
passiv fungierender Gewebe durch Hyperaemie zweifellos er¬
wiesen ist, ist es bisher noch nicht gelungen, Muskeln, Nerven,
Drüsenepithelien, Gefässe, also aktiv fungierende Gewebe zur
wahren Hypertrophie zu bringen. Es ergibt sich daraus, dass
es nicht möglich ist, durch Hyperaemie fertig entwickelte
Glieder zu weiterem Wachstum anzuregen. Wenn bisweilen
ein derartiger wunderbarer Fall beschri^en wird, der dieser
Ansicht zu widersprechen scheint, so ist das wohl so zu er¬
klären, dass durch Hebung der Grundkrankheit ein bisher im
Wachstum zurückgebliebener Knochen oder Körperteil das
Versäumte nachgeholt hat.
Was den zweiten Teil der behandelten Frage angeht, so
ist der Einfluss der Hj'peraemie auf die Regeneration von Gewebe
eine allgemein anerkannte Tatsache. Bei Knochenbrüchen, die
keine Tendenz zur Heilung zeigen oder Pseudarthrosen bilden,
ferner bei akut entzündeten Gelenken, bei tuberkulösen Granu¬
lationen, dann auch bei Erfrierungen hilft die Hyperaemie mit
geradezu verblüffender Schnelligkeit, und zwar ist es, wie durch
zahlreiche Experimente erwiesen ist, gleichgiltig, ob man arte¬
rielle oder venöse Hyperaemie anwendet. Auch hierbei tritt der
Unterschied im Verhalten der Gewebe mit aktiver und passiver
Funktion in dem oben angegebenen Sinne zu Tage. Von dieser
Wirkung hat man im verkleinertem Maßstabe ebenfalls schon
lange durch Applikation von warmen Priessnitz- oder Breium-
semägen oder von chemischen Reizmitteln (Terpentinöl, Höllen¬
stein usw.) unbewusst Gebrauch gemacht.
Es berührt uns eigentlich, wenn durch die Tatsache, dass
die venöse Hyperaemie ebenso ernährend wirkt oder vielleicht
noch stärker als die arterielle, unsere bisherige Meinung um-
gestossen wird, dass das arterielle, mit Sauerstoff gesättigte
gräbt sich von innen aus, zehrt unbemerkt an seinen edelsten
Ijebenskünsten, bis dann jene Leiden fertig und ausgebildet
dastehn.
Zwischen diese verlarvten Schicksale ist nun der Arzt ge¬
stellt. Er muss, will er seinen Beruf mit Weisheit erfüllen,
ein Eingeweihter sein, Gott und die Welt im Busen tragen,
er muss gewissermaßen das Amt eines Priesters und Hiero¬
phanten üDen. Mittel und Wege hat er aufzufinden, wozu ihm
me materia medica keine Anleitung gibt.
Unsrer Wissenschaft steht überhaupt eine Umbildung be¬
vor, und wenn es erlaubt ist, der Entwicklung der Dinge vor¬
zugreifen, so möchte ich sagen: Wir werden uns der antiken
Richtung wieder näher anschliessen. Lange genug haben wir
mit Pulvern und Pillen die Natur zu zwingen gewähnt, oder
den Leib an das Kreuz des Systems geschlagen, in Zukunft
werden wir mehr beobachten. Selbst der Auswuchs der jetzigen
Heilkunde, die Homöopathie, deutet schon diesen richtigeren
Weg an, wenn sie verschmäht, die sogenannten innem Ursachen
analysierend sich zur Anschauung zu bringen, in welcher
isolierten Analysis auch eigentlich nichts mehr vorhanden ist,
was dem Arzte einen Fingerzeig geben könnte.“
Inwieweit sich diese Prophezeiung bewahrheitet hat, das
zu entscheiden, bleibt jedem der freundlichen Leser selbst über¬
lassen. (Schluss folgt.)
Blut für die Ernährung und das Wachstum viel wertvoller als
das venöse sein müsse. Und doch brauchen wir nur die
Beispiele zu betrachten, die uns Unsere Lehrmeisterin Natur
wiederum gibt, um die richtige Anschauung zu gewinnen.
Welch mächtiger Gewebsaufbau vollzieht sich oei der Mensch¬
werdung, bei der Entwicklung des Embryo zum lebensfähigen
Kinde! Und diese dazu notwendigen gewaltigen Mengen N^r-
material entzieht der Fötus einem viel eher venös als arteriell zu
nennenden Blute; hier flndet, wie Bier sagt, die „grossartigste
Stauungshyperaemie statt, welche wir irgendwo am menschlichen
Körper zu sehen bekommen.“ *) Freilich leistet der Embryo
keinerlei Arbeit. Wo Arbeit verrichtet wird, ist ein entsprechen¬
des Quantum Sauerstoff nötig, den wir nur aus dem arteriellen
Blute beziehen können, und ist ein raschfliessender Blutstrom
erforderlich, der die bei der Verbrennung im tätigen Organ
f ibildeten Zersetzungsstoffe vollständig und bald entfernt
it überzeugender Deutlichkeit folgt hieraus, dass die funk¬
tionelle Hyperaemie eine arterielle, die den Aufbau, die Er¬
nährung der Körpersubstanz unterhaltende, eine venöse {ist.
Anderer Meinung sein Messe blind den alten Traditionen an-
hängen, die freilich allein durch ihr Alter vielen sanktioniert
zu sein scheinen.
Man wird sich überzeugt haben, dass die „Entdeckung“
der Hyperaemie als Heilprinzip einen hochwichtigen Fortschritt
in der Therapie bildet Es sind in vorstehenden Zeilen bei
weitem nicht alle Krankheiten erwähnt worden, die durch die
Hyperaemie günstig beeinflusst und geheilt werden können.
Um eine annähernd umfassende Vorst^lung von der gewaltigen
Ausdehnung der Wirkungsweise der Hyperaemie zu geben, seien
im folgenden die Erkrankungen mit generellen Namen an¬
geführt, bei denen die Hyperaemie erfolgreich angewandt worden
ist: lokale Infektionskrankheiten (infizierte Wunden, Furunkol,
Carbunkel. Pflegmone usw.), Tuberkulose in ihrer chirurgischen
Form (Gelenk-, Hauttuberkulose usw.), akute Entzündungen,
akute Eiterungen an den Gliedern und am Kopf (Stauungsbinde
um den Hals), chronische Versteifungen der Wirbelsäule, der
Gelenke (chronischer Rheumatismus, deformierende Gelenk¬
entzündung, gonorrhoische, traumatische Gelenkversteifung;
Wirbelsäulenverkrümmung), frische subkutane (nicht offne)
Verletzungen, Gelenkergüsse, Oedeme, Elephantiasis, Neuralgieen
und andere Schmerzen, Gefässerkrankungen, Aderbeine, „wunde
Füsse“, Erfrierungen.
Bei der Bedeutung des Blutes als Heilmittel wie überhaupt
als „flüssiges Organ“ für den Körper ist die Mahnung sehr
am Platze, für die normale Beschaffenheit dieses „besonderen
Saftes“ so sehr als möglich Sorge zu tragen. Kreiste nicht so
vielen Menschen ein scnlechtes, krankes Blut in den Adern, so
wäre der Prozentsatz der Tuberkulösen, Rheumatiker und
anderer chronisch Infizierter viel geringer. Mit der ungesunden
Beschaffenheit des Blutes ist eine Herabsetzung der Wider¬
standsfähigkeit gegen bakterielle Invasion sowie ein Unvermögen,
die vollzogene Infektion zur Ausheilung zu bringen, verbunden.
Eine Verbesserung des Blutes und damit einer jeden Zelle des
Körpers kann nach unsern bisherigen Erfahrungen nur durch
eine Allgemeinbehandlung eraielt werden, d. h. durch physikalisch-
diätetiswie Methoden, durch deren instinktive Hochschätzung
das Laienpublikum manchem Arzte an Einsicht weit überlegen
ist, und denen ohne Zweifel die Zukunft gehört. Die Allge-
meinbehandluDg gibt als Therapie den Kranken, als Pro^y-
laxe den „Gesun&n“. In ihren Bereich gehören sanitäre Ein¬
richtungen aller Art, gehört die Hygiene des Säuglings- wie
das Mannesalter, gehört eine vernünftige Lebensauffassung,
gehört mehr Annäherung an die Natur. Solange wir glauben,
dass wir von Gott als fertiges Produkt in die Welt gesetzt
worden sind, solange wir nicht stolz darauf sind, das vorläufige
Endglied in der Entwicklungsreihe der organischen Wesen dar¬
zustellen, solange wir das Natürliche verpönen und es für un¬
anständig halten, uns damit zu befassen, wird es uns kaum
elingen, uns den Reichtum, den ein gutes, gesundes Blut und
amit ein gesunder Körper und Geist repräsentieren, zu ge¬
winnen.
*) A. Bier, Hyperaemie als Heilmittel, 2. Aufl. 1905, pag. 222. y
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MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 41.
Sechste ärztliche Studienreise.
Von B. Singer, Berlin.
Mit einem tragischen Ereignis begann die diesjährige Stu¬
dienreise der Deutschen Aerzte, welche etwa 130 Teilnehmer
umfasste: Der während der Eröffnungssitzung in den Vorräumen
der medicinischen Klinik zu Heidelberg ganz plötzlich und
allen unerwartet eingetretene Tod von Prof. Vierordt, kurz
vor dem Beginn seines Vortrages, warf düstere Schatten auf
die Versammlung und Hess an diesem Tage keine rechte
Stimmung mehr aufkommen. Und mit einer ernsten, würde¬
vollen Trauerfeier für den anfangs dieses Jahres verstorbenen
Begründer und Generalsekretär der Studienreisen, Hofrat Gil¬
bert, endete in Baden-Baden die Reise. Aber was zwischen
dem trüben Anfang und dem ernsten Ende lag, die ganze
Reise war ein voller harmonischer Klang, war ein ungetrübter
Genuss an den Heblichen Schwarzwaldlandschaften, die wir in
den tagelangen Wagenfahrten über den Kamm des Gebirges
zu sehen bekamen, war Freude über das fast andauernd herr¬
liche Wetter, über die überall gefundene herzliche Aufnahme,
Wohlgefallen an den Einrichtungen und den Fortschritten der
von uns besuchten Kurorte und Sanatorien, Freude über den
heiteren Sinn der Einwohner, nicht zuletzt aber auch Freude
darüber, dass man oft genug unter gleichgesinnten Kollegen
den ernsten Mann der Wissenschaft beiseite legen und Mensch
unter Menschen sein durfte, und dass man so manchmal inter
pocula, beim Biere, nach den anstrengenden offiziellen Diners
sich wieder in die alte fröhliche Studentenzeit versetzt fühlte.
Aber es wurde auch fleissig gearbeitet Nulla dies sine linea,
kein Tag ohne zwei, drei und noch mehr Vorträge; an jedem
Kurorte, Sanatorium oder Lungenheilanstalt hielten die dort
ansässigen Badeärzte Vorträge über Indikationen und Kurmittel.
Aber damit nicht genug, hatte das Komitee diesmal die ausser¬
ordentlich dankenswerte und mit grossem Beifall be^üsste
Einrichtung getroffen, dass einige Universitätslehrer aus Berlin,
Jena, Heidelberg, Tübingen und Strassburg zusammonfassende
Vorträge aus ihrem Spezialgebiet hielten, welche die das Gros
der Teilnehmer bildenden Aerzte aus kleineren und mittleren
Orten besonders interessierten. Die Namen von Krehl,
Strauss, Strassmann, Romberg und Kionka zeugten
davon, dass das Komitee die richtigen Männer gefunden hatte.
Auch sonst hatte das Komitee seine auf fünf vorhergehenden
Studienreisen gewonnenen praktischen Erfahrungen wieder
bestens verwertet und zum Teil noch ausgebaut, so dass
wirkHch, was Bequemlichkeit und Komfort des Reiaens, sowie
Organisation anbetrifft, nicht viel zu wünschen übrig blieb.
Dass kleine, nahezu unvermeidliche Fehler vorkamen, dass
nicht alle Teilnehmer immer in den größten und neuesten
Hotels untergebracht werden konnten, lag häufig an dem in
mdem Ort konstituierten Lokalkomitee und an den durch die
Besuchsfrequenz bedingten beschränkten Unterkunftsverhält¬
nissen.
Den Nutzen der ärztlichen Studienreisen leugnet wohl
heute kein vernünftiger Mensch mehr, und die Zahl derjenigen
Aerzte, welche schon an mehreren derartiger Reisen teilge¬
nommen haben, wächst immer mehr und beweist, dass ge¬
meinschaftlich ausgeführte Reisen, zumal bei derartig guter
Organisation, nicht bloss bequemer, sondern auch weit instruk¬
tiver sind, als das Besuchen der Kurorte durch einzelne Aerzte.
Ihre Bedeutung ist auch durch die maßgebenden Behörden an¬
erkannt worden und sie sind nicht nur, als wichtiger Faktor
im ärztlichen Fortbildungswesen, dem Kaiserin Friedrich-Haus
als selbständige Abteilung angeschlossen worden, sondern zwei
Behörden, das Reichsgesundbeitsamt und das Reichsmarineamt,
haben auch zum ersten Male je einen Vertreter als Teilnehmer
an der Reise entsandt.
Mit der Besichtigung der drei württembergischen Lungen-
heilanstalton in Schömberg begann die eigentliche Studien¬
reise. In einer hochgelegenen flachen Talmulde gelegen, kann
man den Ort nur als günstig gewählt bezeichnen; von den
Anstalten kann aber nur die „Neue Anstalt“ durch ihre Lage
unmittelbar am und im Walde befriedigen. Am selben Abend
wurde noch das altberühmte Wildbad erreicht, dessen heil¬
kräftige Bäder durch ihre geschmackvolle Anlage, Gesell¬
schaftsbäder mit Flusssand, in prächtigem maurischen Kuppel¬
bau, bei allen Teilnehmern viel Zuspruch fanden. Ein einfacher,
sehr schön gelegener Kurort ist Teinach, der eine gut einge¬
richtete Kaltwasserheilanstalt besitzt, in deren Keller die er¬
frischende, kohlensäurehaltige Hirschquelle entspringt. Höher
hinauf, nach den Höhen des Kniebis, brachten uns am nächsten
Tage die Wagen, bis wir abends das noch stark besuchte
Rippoldsau erreichten. Seine natürlichen Kohlensäurestahlbäder
und seine (von ausserhalb importierten) Moorbäder ziehen
immer ein sehr gutes Fremdenpuolikum an, umsomehr, als die
in einer Hand vereinigten durchaus modernen Hotels keinen
Luxus und Komfort vermissen lassen. Ueber die Höhe (lOOO m)
des Gebirges führt der Pass des Kniebis, und jenseits liegen
die weniger bekannten einfacheren Bäder Petersthal und Freiers¬
bach. Eine längere Fahrt durch romantische Täler abwärts,
dann eine zweistündige Eisenbahnfahrt und wir waren in Denz-
Hngen, wo eine lange Reihe von Wagen bereit standen, welche
uns zu dem erst vor kurzem eröffnetcn Glotterbad brachten,
welches man wohl gern als eine Musteranstalt bezeichnen darf.
Die Güte der Verpflegung, nebenbei auch der berühmte, etwas
schwere Glottertäler Wem, lässt nichts zu wünschen übrig,
wovon wir uns zu überzeugen Gelegenheit hatten. Etwas
müde kamen wir am Abend in dem alten Römerbad Baden¬
weiler an, dessen alte Baderuine, sowie modernes Marmorbad
mit durchsichtigem, blauen Wasser grosse Anziehungskraft
ausübten. Auch der Besuch der durchaus modernen Lungen¬
heilstätten Friedrichsheim und Luisenheim (700 m hoch gelegen)
und des Militärgenesungsheimes des 14. Armeekorps in Sulz¬
burg bot viel Interesse. Die nächsten Tage wurden durch
längere Wagenfahrten durch die herrlichen Täler der Alb und
der Wehra und Besuch der Kurorte St. Blasien und Todtmoos
ausgefüllt. Ersteres hat eine altbekannte Wasserheilanstalt,
verbunden mit einem geradezu ideal gelegenen Luft- und
Sonnenbad, die Sandersche Lungenheilstätte und das neue
Sanatorium Luisenheim, während Todtmoos durch seine den
Gipfel der Sauberkeit und Hygiene erreichende Lungenheil¬
anstalt Wehrawald bekannt geworden ist. Hier vereinigte die
Teilnehmer am Abend ein grosses Festessen zu Ehren der
Feier des achtzigsten Geburtstages des Grossherzogs von Baden.
Bei unfreundlichem, nasskalten Wetter erreichten wir am folgen¬
den Tage den Rhein und die Dampferfahrt bisKonstanz war, unter¬
brochen durch einen Besuch der Heilstätte für Herzkrankheiten,
Schloss Marbach, ein etwas ungemütliches Vergnügen. Der
Besuch des Konstanzerhof, prächtig, mit Ausblick auf den
Säntis, am See gelegen, sowie der Binswangerscben Nerven¬
heilanstalt Bellevue füllten den nächsten Vormittag aus, daran
schloss sich eine Rundfahrt auf dem Bodensee, während welcher
das Komitee, bestehend aus den Herren von Leyden, Ott, Oliven,
Meissner und Bassenge vom König von Württemberg im Fried¬
richshafen empfangen wurde. Den Glanzpunkt des Tages
bildete aber der Empfang sämtlicher Teilnehmer durch das
greise Grossherzogspaar auf der Insel Mainau, welcher wohl
allen eine unvergessliche Viertelstunde sein wird. Die un¬
gezwungene Liebenswürdigkeit, Leutseligkeit und gänzlich un-
ceremonielle Einfachheit, mit der die Unterhaltung geführt
wurde, die wirklich rührenden Worte, welche der Gros^erzog
nach einer begeisterten Ovation zum Abschied an uns richtete,
machten auf alle einen tiefen Eindnick und lassen das herzliche
Einverständnis zwischen Volk und Herrscherpaar, welches die
soziale Fürsorge seinem „Ländle“ gegenüber auf das Höchste
ausgebaut hat, leicht begreifen. — Nun ging es wieder nord¬
wärts; ein kurzer Besuch in Siegmaringen mit seinem alten
hochgelegenen Schloss, dann wurde die Donauquelle bei Donau-
eschingen besichtigt und der Abend fand uns in dem höchst¬
gelegenen Soolbade Deutschlands (700 m) Dürrheim, welches
auch eine der stärksten Soolen (27%) besitzt. In einer Tiefe
von 100 Meter stösst man auf eine 30 Meter mächtige Schicht
Steinsalz, welches, durch das ablaufende Grundwasser in Soole
verwandelt, durch eine mächtige Pumpenanlage direkt in das
Badehaus und in das neueröffnete Kindersoolbad, eine Anstalt
des Badischen Frauenvereins, geleitet wird. Diftr Höhenlage
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1906.
MBDICmiSCHB WOCHE.
431
bedinge bei unserem Aufenthalte, am 12. September, bereits
eine Wachttemperatur von — IVa Grad Celsius. Die letzte
Tagereise: die unvergleichlich schöne Schwarzwaldbahn, wohl
die schönste Gebirgsbahn Deutschlands, die der Semmering-
und Gotthardbahn wohl wenig nachsteht. In Triberg wurde,
zum Besuche der romantischen Gutachfälle, des städtischen
Schwimmbades und des Sanatoriums Dr. Kuhnemann, noch
einmal Pause gemacht und dann näherten wir uns dem Ziele
unserer Peise, dem schönsten und vornehmsten Bade Deutsch¬
lands, Baden-Baden. Die Badeeinrichtungen sind ja weltbekannt
und in ihrer vornehmen Pracht unübertroffen; auch Sanatorien,
wie das von Frey-Gilbert und Heinsheimer gibt es wohl wenige.
Das Panorama vom alten Schloss bis zum blinkenden Rhein
wird wohl als eines der herrlichsten in aller Erinnerung bleiben.
Ein Abschiedsdiner, [eine anschliessende Fidelitas und Ex-
Fidelitas: die Reise war zu Ende. Der grössere Teil der Teil¬
nehmer begab sich zur Naturforscherversammlung nach Stuttgart.
Auf fröhliches Wiedersehen bei der nächstjährigen Studienreise!
Sitzungsberichte.
Deutschland.
GeseUschfxft für G^mrtshülfe und Gynäkologie
zu Berlin»
Sitzung vom 13. Juli 1906.
Vorsitzender: Herr Olshausen,
Herr Stöckel demonstriert eine Patientin mit grosser Blasen¬
scheidenfistel und Prolaps der Blasenwand durch die Fistel hin¬
durch. Entstehung durch protrahierte mit Forceps beendete Ge¬
burt. Während des fieberhaften Wochenbetts wurde ein Teil der
Blasenwand nekrotisch ausgestossen. Eis fehlen der ganze Blasen-
IxKlen, ein Teil der Scheide und die Harnröhre. Besprechung der
in Betracht kommenden Operationsmethoden.
Diskussion: Herr Koblauk, Herr Stöckel.
Herr Olshausen berichtet über den weiteren Verlauf des
in voriger Sitzung vorgestellten Falles von Chorionepithelioma
malignum. Patientin ist, nachdem Lähmung beider Beine einge-
treten war, an Hirnmetastasen gestorben. Bei der Sektion fanden
sich Metastasen in Niere, Lunge, Leber und über dem Scheiden¬
gewölbe. Demonstration der rechten Lunge.
Herr Hocheisen: Ueber Geburten unter Scopolamin-
Morphium. Aus der Krönigschen Klinik wurde vor einiger Zeit
von Gauss über 120 Fälle von Anwendung des Scopolamin-Morphium-
Dämmerschlafes während der Geburt äusserst günstig berichtet
und derselbe als absolut ungefährlich für die allgemeine Verwen¬
dung empfohlen. H. berichtet nunmehr über die bei einer Nach¬
prüfung an 100 Fällen in der Charitee gewonnenen Resultate.
Die Injektionen wurden genau nach den Vorschriften von
Gauss ausgeführt, nur wurden geringere Dosen verwandt. Die
höchste Dosis Scopolamin betrug 1,3 mg. Die Höchstdose Mor¬
phium 2,5 cg. Injiziert wurde nur bei fest im Beckeneingang
stehendem Kopf, verstrichener Cervix und FünfmarkstUck grossem
Muttermund.
Die sohmerzlindemde Wirkung versagte in 18 Fällen völlig,
in 21 Fällen war sie gering, in 55 Fällen gut. 6 mal trat völlige
Schmerzlosigkeit ein, 6 mal bestand völlige Amnesie.
Nebenwirkungen wurden in 70% der Fälle beobachtet:
Das Gesicht wird gedunsen, bläulich, die Pat. klagen über
starkes Dorstgefühl, oft treten Kopfschmerzen, Erbrechen,
SchwindelSchweissausbruch, motorische Unruhe, bisweilen auch
Delirien auf. Der Gesamteindruck ist ein sehr unangenehmer,
der einer Vergiftung. Nie kann man die Patientin verlassen, ein
für die Privatpraxis sehr wichtiger Faktor.
Die Wehen wurden 64 mal nicht beeinflusst, 21 mal in der
Eröfinung, 15 mal in der Austreibung bedeutend abgeschwächt
(Wehenpausen von 3, 4—6 Std.); 3 mal hörten sie völlig auf,
4 mal wurde künstlicher Blasensprung notwendig. Die einzelne
Wehe ist auf der Höhe nicht so kräftig wie normaler Weise.
Die Bauohpresse w&r 15 mal erheblich, 4 mal sehr stark
abgeschwächt, 4 mal völlig aufgehoben.
6 mal wurden wegen der langen Geburtsdauer — Verlang¬
samung der kindlichen Herztöne — Beckenausgangszangen not¬
wendig.
Die Geburtsdauer war in 50% erheblich verzögert, besonders
die Austreibungszeit (bis zu 18 Std.).
Während der Placentarperiode wurde 5 mal Atonie (da¬
von 1 tötliche) beobachtet. 13 mal dauerte die Placentarlösung
über 1 Std. Dabei bestand eine gewisse Neigung zu ElrschlafPung
des Uterus und Blutung. Im Wochenbett häufig Subinvolutio
und in 20% Unregelmäßigkeiten in der Herzaktion, die sich in
einem Fall von Mitralstenose zu bedenklichen Zuständen steigerte.
Kontraiodiziert daher sicher in allen Fällen von Herz- und
Zirkulationsstörungen, sowie stets daun, wenn eine Verzögerung
der Geburt bedenklich werden könnte.
Die Kinder sind meist zuerst lebensfriscb, bekommen aber
dann oft eine starke Gysnose mit sehr schlechter Atmung (Oli-
gopnoe). In 18% der Fälle. 3 Kinder sind nach der Geburt,
1 in der Geburt gestorben.
Auf Grund dieser Resultate kommt H. zu dem Schloss, dass
der Skopolamin-Morphium-Dämmerschlaf durchaus nicht zu em¬
pfehlen ist, insbesondere nicht für die allgemeine Praxis.
Diskussion: Herr v. Bardeleben schildert seine Eindrücke
bei der Beobachtung des Dämmerschlafes, die ganz mit denen des
Herrn Hocheisen übereinstimmen, und beschreibt noch ausführlich
den oben erwähnten Fall von tötlicher Atonie 4 Stunden post partum.
Herr Gauss (a. G.) vermag sich den Widerspruch zwischen
den eben beschriebenen relativ ungünstigen Beobachtungen und
seinen ausserordentlich günstigen Resultaten nicht zu erklären und
glaubt auf Grund seiner Erfahningen doch bei der Empfehlung
des Skopolamin-Dämmerschlafes beharren zu können.
Herr Bumm bestätigt die Beobachtungen der Herren
Hocheisen und v. Bardeleben.
Herr Hooheisen: Schlusswort. Dr. G. Z.
Schlesische GeseUschctft fü/r vaUrW/ndAsche Kultu/r,
Klinischer Abend vom 16. März 1906.
I. Herr Garre: a) Unterkieferresektionen:
1. Junge mit wallnussgrossem Tumor in der Gegend des
linken unteren Eickzahns wird vorgestellt; die Geschwulst ist seit
6 Wochen langsam ohne Schmerzen gewachsen und ist auf starkem
Druck etwas eindrückbar, wie eine Cyste. Nach Elxtraktion
zweier kariöser Zähne entleerte sich nichts vom Tumor. Bei der
vorzunehmenden Resektion soll eine schmale Spange des Unter¬
kiefers erkalten bleiben.
2. 17jähriges Mädchen, bei dem wegen 5 Jahre lang be¬
stehender ebensolcher Geschwulst der Unterkiefer reseziert worden
ist. Es handelte sich um ein Osteo-Sarcom. Zum Ersatz des
Knochens war eine durchlöcherte biegsame Metallspange durch
Naht an den Knochenenden befestigt worden und vollständig ein¬
geheilt. Um ein gutes Heilresultat zu erzielen, muss man darauf
achten, dass die Zahorelhen genau aufeinander passen. Schwieriger
ist es, wenn, wie bei Fall 3, der ganze linke Unterkiefer mit
dem Gelenkköpfchen entfernt werden musste, Elrsatz zu schaffen.
G. nimmt dann ein doppelt zusammengelegtes Stück Klavierdraht,
das er in die richtige Form bringt und mit den stampfen Elnden
in der Gelenkhöhle einheilen lässt. Das vorliegende Resultat ist
ein sehr gutes.
Im Anschluss daran stellt Herr Anschütz einen Studenten
vor, der wegen Vogelgesicht operiert worden war. Das Kinn trat
vorher sehr zurück und war stark nach der linken Seite gezogen.
Der rechte Kieferast, der eigentümlich geformt war, wurde durch¬
trennt und wieder zusammengenäht, wobei das ^nn nach der
anderen Seite hin verschoben, und ein guter kosmetischer Erfolg
erzielt wurde.
b) Herr Garre spricht dann über Resektion tuberku¬
löser Gelenke. Er ist im allgemeinen bezgl. der Resultate
sehr skeptisch und bevorzugt daher die orthopädische Behandlung,
nur beim Ellbogen- und Fussgelenk ist er für die Radikaloperation.
Er stellte n. a, ein lOjähriges Mädchen vor, bei dem er wegen
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432
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 41.
Tuberkulose des Sprunggeleuks den Talus exstirpierfc und das
ganze Fussgelenk nach König reseziert hatte. 14 Tage nach der
Operation war das Kind beschwerdefrei; jetzt läuft es sehr gut
und springt sogar vom Stuhl; ein Erfolg, der doch auf unblutigem
Wege zum mindesten nicht so schnell zu erzielen gewesen wäre.
c) Herr Gar re stellt darauf einen Mann vor, um zu zeigen,
wie weit man bei der Lungen-Resektion gehen kann, ohne das
Leben zu gefährden. Pat. war 1901 an Fieber und Husten mit
Auswurf erkrankt; im Juni 1901 wurde er operiert, indem links
3 Rippen reseziert und die gangränösen Herde aufgesucht und
nach aussen geleitet wurden. Der linke TJnterlappen wurde aus¬
geschält, um ihn zur Vernarbung zu bringen; da dies nicht ge¬
lang, wurde er nach Resektion einer weiteren Rippe vollständig
weggenommen. Das Zwerchfell ist links ganz in die Höhe ge¬
gangen. Zur Zeit besteht noch eine kleine Fistel.
d) Bei einem Pat. waren durch Röntgen-Aufnahme 2 Steine
im Nierenbecken festgestellt worden, bei der Pyelotomie fand
dann Herr Garr6 aber nur einen; erst später entdeckte er den
anderen im Urether, 5 cm von der Niere entfernt.
TT . Herr Czerny; Pylorusstenosen: Typische Symptome
sind 1. unstillbares Erbrechen, 2. sichtbare Peristaltik des Magens,
3. leeres Abdomen bei bestehender (scheinbarer!) Obstipation.
Spontanheilung tritt zuweilen ein, oft aber gehen die Kinder
an Inanition zu Grunde. Ein Kind kann langsam bis 34% des
Körpergewichts abnehmen, aber bevor dieses Minimum erreicht ist,
muss an eine Operation gedacht werden. Bei dem einen der zwei
vorgestellten Kinder wurde die Gastrostomie mit gutem Erfolge
ausgeführt. Das zweite etwas ältere und stärkere Kind hatte vom
ersten Tage an (sonst tritt es erst nach 14 Tagen auf) unstill¬
bares Erbrechen, während die anderen genannten Symptome
fehlten. Da das Erbrechen auf keine Weise zu beseitigen, und
das Kind schon sehr abgemagert war, wurde eine Probe-Laparotomie
gemacht, und dabei wurden zahlreiche strangförmige Verwachsungen
zum Teil unterhalb des Pylorus entdeckt, die, soweit als möglich,
gelöst Wurden. Nach der Operation hörte das Erbrechen nicht
ganz auf, wurde aber geringer, und das Körpergewicht ging nicht
weiter herunter. Ueber die Prognose lässt sich nichts Sicheres
aussagen.
TTT. a). Herr Strümpell stellt einen Mann vor, der seit
8 bis 10 Tagen an einer schmerzhaften Schwellung in der Gegend
der II. und III. Phalangen der rechten Hand litt, nachdem vorher
auch die Knie- und Fussgelenke erkrankt waren. Da der Mann
Maler ist, handelt es sich nach St. um Arthralgia saturnina, Blei¬
gicht.
b) Akute Poliomyelitis: Die Krankheit, die sonst nur bei
Kindern bis zum 5. Lebensjahre vorkommt, befiel hier einen schon
erwachsenen Mann von 18 Jahren. Schmerzen fehlten anfangs
ganz, traten dann sehr heftig auf (bes. am Ileopsoas) und ver¬
schwanden bald wieder. Rechts ist Bewegung gut möglich, Streckung
unmöglich; nur in Zehen ist geringe Bewegung.
c) Chronische Poliomyelitis: Die subakute oder chro¬
nische Poliomyelitis wurde früher häufig diagnostiziert, aber meist
handelte es sich um polyneuritische Fälle. Strümpell stellte
einen Mann vor mit sicher festgestellter Diagnose. Es fing vor
2 Monaten mit einer starken Darmaffektion an, die vielleicht durch
Aufnahme toxischer Stoffe entstanden war. Dann trat allmählich
eine Schwäche der Arme und Beine auf, die seit 4 Wochen zum
Stillstand kam. Schmerzen waren nur ini rechten Arm. Pathog-
nomonisch ist, dass die Refiexe erloschen, während die Sensibilität
erhalten blieb.
2. Syringomyelie: St. stellte einen 34 Jahr alten Lehrer
vor, bei dem sich seit 4 Jahren eine Beeinträchtigung der Be¬
weglichkeit an Händen und Füssen bemerkbar machte. Das linke
Bein war stark verdickt, sowohl im Knochen, wie in der Haut;
das rechte war beweglicher, zeigte aber deutlichen Spasmus und
erhöhte Reflexe; am Kreuzbein bestand Dekubitus. An Armen
und Händen (Tenar und Hypotenar etc.) Muskelatrophie. Die
linke Lidspalte imd Pupille sind eng; rechts nicht (Halsmark¬
lähmung). Sensibilitätsstörungen sind sehr ausgesprochen; Ther-
malanaesthesie und Analgesie. Es ist also ein Fall von zentraler
Gliose (Syringomyelie).
IV. Herr Kolaczek: Fall von Conus-A ffektio n.
Ein 37 Jahr alter gesunder Mann fiel 9 Meter herab auf den
Rücken. Er konnte anfangs beide Beine nicht bewegen. Der
Zustand besserte sich langsam, doch blieb beiderseits eine Atrophie
bestehen: Anaesthesie war nur streckenweise (sogen. Reithose);
Refiexe waren aufgehoben; Urin war anfangs retiniert, jetzt besteht
Inkontinentia urinae, dünner Stuhl kann nicht zurückgehalten
werden. Es muss eine Verletzung der Wirbelsäule und des
Rückenmarks an der untersten Spitze (Conus) angenommen werden.
V. Herr Perls demonstriert einen Fall von Sklerodermie
Haut ist derb, Gelenke wenig beweglich. Lues wird zugestanden.
Behandlung: Quecksilber, Schwitzbäder, Massage. Dr. Peritz.
Österreich.
Bericht über die XV* Vet'samnUting der Deutschen
otologischen Ges^lschaft,
(Schluss.)
Hr. G oerke-Breslau: 1. Labyrinthveränderungen
bei Genickstarre.
Histologische Untersuchungen von 19 Schläfenbeinen von an
Genickstarre verstorbenen Individuen ergab in 17 Fällen ausge¬
dehnte Veränderungen entzündlicher Natur in den verschiedenen
Teilen des Labyrinths, meist mit bindegewebiger und knöcherner
Konsolidierung des Exudats. Fast in allen Fällen waren einzelne
Teile des Labyrinths von der Erkrankung verschont geblieben,
in allen Fällen ausnahmslos die einzelnen Teile in verschiedener
Stärke beteiligt. Infektionsweg: Dreimal Aquaeductus cochleae,
einmal Aquaeductus vestibuli, elfmal der Nerv, in den übrigen
Fällen ungewiss. Demonstration der Präparate.
2. Demonstration mikroskopischer Präparate von:
a) Empyem des Saccus endolymphaticus bei Labyrintheiterung.
b) Isolierte Fistel des horizontalen Bogengangs.
c) Völlige bindegewebige und knöcherne Verödung des Laby¬
rinths bei Mittelohrtuberkulose.
Hr. W. Hölscher-Ulm; Ueber eine Erweiterung des
Operationsgebietes des Ohren-, Nasen- und Halzarztes.
Dem praktischen Bedürfnis folgend, werden Oto-, Rhino- und
Laryngologie in der Praxis meist zu einem Spezialgebiet vereinigt.
Der modern ausgebildete operierende Ohren-, Nasen- und Halsarzt
beherrscht heute faktisch den grössten Teil der Kopf- und Hals¬
chirurgie — intracranielle Komplikationen der Ohreiterungen, ent¬
zündliche Erkrankungen und Geschwülste der Nebenhöhlen der
Nase, Carotis- und Jugularisunterbindung, grosse Kehlkopfopera¬
tionen einschliesslich der bösartigen Neubildungen usw.
Hölscher hat seit 4 Jahren zuerst die Chirurgie der nicht
otogenen Schädel- und Gehirnerkraukungen und später der Ge¬
schwülste des Halses (insdesondere Kröpfe) usw. mit hinzugenommen,
was er durch Vorlage einer grösseren Anzahl von Präparaten ver¬
anschaulicht.
Er empfiehlt das gleiche Vorgehen auch den anderen ope¬
rierenden Ohren-, Nasen- und Halsärzten für die Praxis. Die ge¬
samte Kopf- und Halschirurgie bilde ein in sich abgeschlossenes
Operationsgebiet, das sich zweifellos noch sehr gut entwickeln
lasse.
Den ersten Anspruch auf dieses Sondergebiet habe der Ohren-,
Nasen- und Halsarzt, der heute schon den grössten Teil desselben
beherrsche.
Eine Berechtigung für sein Vorgehen findet Hölscher ausser
•anderem auch darin, dass sich in der allgemeinen Chirurgie immer
mehr Bestrebungen nach einer weiteren Teilung des zu gross ge¬
wordenen Gebietes zeigen, wodurch z. B. in neuester Zeit die
chirurgische Orthopädie (umfassend die gesamte Chirurgie der Glied¬
maßen) entstanden sei.
Hr. Kirchner-Würzburg: Apparat zu Operations¬
übungen am Schläfenbeine.
Der von dem Vortragenden demonstrierte Apparat verfolgt
den Zweck, die schwierigen Operationen am Ohre, wie Aufineisselung
des Proc. mastoid., Radikaloperation, Eingriffe am Trommelfelle
und an den Gehörknöchelchen auf bequeme und einfache Weise,
der natürlichen Lage am Lebenden möglichstangepasst, an Schläfen¬
beinpräparaten einzuüben.
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1906.
MEDIGmiSGHE WOCHE.
433
Der Apparat, aus starkem Eisenblech gefertigt, lässt sich wie
ein Schraubstock an eine Tischplatte befestigen, ist 15 cm hoch,
die obere Platte 36 cm lang, 28 cm breit, die quadratische OefP*
nnng in -der Mitte beti'ägt 12 cm.
Durch eine Schieber* und Schraubenvorrichtung lässt sich das
Präparat, das auf einer verstellbaren Platte eine feste Stütze hat,
in dem Ausschnitt so unbeweglich fixieren, dass man Meisseiungen
nnd alle nötigen Fräparierungen bequem vornehmen kann. Durch
Aufrichtung der oberen Platte mittels einer BUgelvorrichtung kann
man das Präparat aus der horizontalen Lage in eine mehr oder
weniger aufrechte, vertikale Stellung bringen, auf diese Weise
ähnliche Ijagerungsverhältnisse wie bei der Operation am Lebenden
herrichten tmd auch mit Stirnlampe oder anderen Beleuchtungs-
mitteln arbeiten.
Der Apparat empfiehlt sich nicht bloss für den klinischen
Unterricht, sondern besonders auch für Spezialärzte, welche sich in
den schwierigen Operationen am Schläfenbeine einUben wollen. —
Auch für andere Präparier- und OperationsUbungen lässt sich
dieser Apparat verwenden, nach Bedarf auch in grösseren oder
kleineren Dimensionen herstellen.
Bj. Schönemann>Bem: Demonstration mikrosko¬
pischer Präparate über die pathologische Anatomie der
Rachenmandel-Hyperplasie.
Vorläufige Mitteilung über mikroskopische Befunde, welche
zeigen, dass bei den lymphadenoiden Organen des Rachens die
Lymphocyten auch durch Zerstörung des Epithels an die Oberfläche
gelangen können.
Hr. Schönemann-Bem: Zur Erhaltung des schall¬
leitenden Apparates bei der Radikaloperation.
An der Hand von 2 Fällen, bei welchen Sch. in der gleichen
Narkose, auf der einen Seite die typische Radikaloperation, auf
der anderen dagegen die Radikaloperation mit Schonung der Qe-
hdrknöchelchenkette (nach einem von Sch. beschriebenen Ver¬
fahren) aasführte, wird, neben diesem Operationsveriahren selbst,
die Frage der Metaplasierung der Paukenhöhleaschleimhaut be¬
sprochen.
Hr. Habermann-Graz: Zur Lehre von der professio¬
nellen Schwerhörigkeit.
H. berichtet über die Ergebnisse teils klinischer, teils patho¬
logischanatomischer Untersuchungen über diese Krankheitsform.
Elftere umfassten 107 Fälle, die durch langdauernde Einwirkung
starker Geräusche auf das Ohr schwerhörig geworden waren. Es
fand sich bei genauer Prüfung des Gehörs, dass zunächst besonders
das Gehör für die hohen Töne abnahm, die Schwerhörigkeit aber
nie einen solchen Grad erreichte, da.ss Flüsterstimme nicht mehr
gehört worden wäre.
Der zweite Teil der Untersuchung umfasste die genaue klini¬
sche und histologische Untersuchung von 5 Fällen, von denen
zwei ausserdem an Arteriosklerose, einer an Neuritis acustica in¬
folge septischer Meningitis und zwei an Tabes gelitten hatten.
Bei allen fand sich Atrophie des Cortischen Organs fortschreitend
auf die Nerven der Lamina spiralis, während die Ganglienzellen
im Spiralkanal meist gut erhalten waren. Bei mehreren war auch
die SteigbUgelbasis mit dem hinteren Teil stark nach innen gerückt.
Eine umschriebene Atrophie und Cysteubildung in der Stria vas-
cularis in den ersten 2 Fällen wird auf die Arterio.sklerose zurück¬
geführt, ebenso wie die Infiltration mit Rundzelleu im Nerven und
einmal auch in der Stria auf die Tabes in den beiden letzten
Fällen. Bemerkenswert war, dass in dem einen Fall von Tabes,
bei dem während des Lebens Schwindel mit Erbrechen und Auf-
und Abschweben der Gegenstände vor den Augeu beobachtet worden
waren, nach dem Tode eine starke Infiltration mit Lymphocyten im
Nervenzweig der hinteren Ampulle gefunden wurde.
Hr. Bloch-Preiburg i. Br.: Ueber Schwerhörigkeit bei
Retinitis pigmentosa.
Kurze Mitteilung von 8 Fällen von Pigmentdegeneration der
Netzhaut. Bei allen konnte durch die genaue otologische Funk¬
tionsprüfung eine, mitunter nur unerhebliche, nervöse Schwer¬
hörigkeit ermittelt werden.
Nur in einem Falle war sie wahrscheinlich mit Hyperostose
der Labyrinthkapsel (Politzer) und beginnender Stap^ankylose
kompliziert. In den vorgeschrittenen Fällen bestand, ähnlich der
konzentrischen Einengung des Gesichtsfeldes der Retinitis pigmentosa
eine konzentrische Einengung des Hörfeldes, jeweils ohne Er¬
krankung des Schallleitungsapparates.
In zwei Fällen war Consanguinität der Ehen der Ahnen zu er¬
mitteln, in drei weiteren Erkrankungen des Sehorganes Blutsver¬
wandtschaft.
Hr. Kümmel-Heidelberg: Bakte riolo gisch-klin ische
Beobachtungen über akute Otitis media.
Die bisher gebräuchliche Einteilung der akuten Mittelohrent¬
zündungen nach der Beschaffenheit des bei ihnen gebildeten Ex¬
sudates (v. Troeltsch) ist heute nicht mehr haltbar.
Nach Ansicht des Vortr. muss man unterscheiden:
a) Den einfachen Tubenkatarrh, ohne eigentliche Ent-
zUndungserscheinungen an der Paukenhöhle und ihren Nebenräumen,
Sekret steril.
b) Die mesotympanische Otitis media, bei der die Ent-
zUndungserscheinungen sich ausschliesslich oder doch wesentlich
im Hauptraum der Paukenhöhle („Mesotympanum“) abspielen und
die charakterisiert ist durch das Fehlen umschriebener Vorwölbungen
und Entzündungen an der Trommelfellmembran.
c) Die epitympanische Otitis media, bei der von vorn¬
herein die Nebenräume der Paukenhöhle wesentlich miterkrankt
sind; charakterisiert durch erkennbare Entzündungserscheinungen
am Warzenfortsatz, gewöhnlich noch früher durch umschriebene
Entzündung und Verwölbung am Trommelfell, regelmässig lokali¬
siert im hinteren oberen Quadranten, selten an der Shrapnell-
schen Membran.
Die Prognose der Otitis media ist abhängig von ihrem Typus,
gefährlich quoad Warzenfortsatzaffektion ist fast nur die epitym¬
panische Form, und bei dieser sind die gefährlichsten EntzUndungs-
erreger der Streptococcus pyogenes und mucosus, während Staphy-
lococcus aureus sich bei meinen (rund 50) Abimpfungen trotz grosser
Virulenz nur bei relativ leicht verlaufenden Erkrankungen fand.
Operationen erfolgten nur bei den Streptococcenotitiden, nur in
einem Falle handelte es sich um Symbiose mit Pneumococciis
Fränkel-Weichselbaum. Genaue Mitteilung der Abimpfungs¬
technik wie der bakteriologischen Befunde und der anatomischen
Gründe für die Unterscheidung der unter a) und b) aufgeführten
Typen.
Hr. R. Hoffmann-Dresden: Zur Kenntnis des Fiebers
und seiner Ursache beim otitischen Hirnabscess.
Der Vortr. berichtet über 3 Fälle von Hirnabscess, in deren
Verlauf hohes Fieber und meningitische Symptome auftraten, die
beide vorObergingen. Als Ursache dieser klinischen Erscheinungen
sieht der Vortr. auf Grund der Lumbalpunktionsbefunde eine eit¬
rige Meningitis an.
Hr. Wanner-München; Ein Fall zur Illustration des
Verhältnisses von Ton- und Sprachgehör.
W. fand bei seinen Untersuchungen einen erwachsenen Patienten,
auf dessen linkem Ohr in der Tonskala die Strecke von 16 Doppel¬
schwingungen — gis' gehört wurde, dann kam eine Lücke, dann
wieder von g‘" bis Galton 10,51® gehört. Die Schwerhörigkeit des
rechten Ohres war so hochgradig, dass ein Hinüberhören auf das
andere Ohr ausgeschlossen war.
An verschiedenen Hörreliefs von Fällen mit sicher vorhandener
Taubheit wird nachgewiesen, dass mindestens die Töne g"" und
cV von dem linken Ohre perzipiert werden.
Auf einer Tabelle, welche den gesamten Tonbereich des mensch¬
lichen Ohres umfasst, ist die von dem kranken Ohre perzipierte
Strecke eingetragen, ausserdem die Lage der Vokale und Konso¬
nanten nach Bezold; ferner der Konsonant R nach der Fest¬
stellung von 0. Wolf.
In die Lücke fällt gerade das nach Bezold für die Sprache
notwendige Gebiet von g'—b" ; ebenso die Grundtöne aller Vokale
und Konsonanten ausser von M, N und R. Diesem Defekte ent¬
sprechend wird von sämtlichen Vokalen und Konsonanten nur R
perzipiert. Dieser Fall beweist somit einerseits die Richtigkeit
von B e z o 1 d s Untersuchungen an Taubstummen, andererseits
aber auch die Feststellung des Konsonanten R nach 0. Wolf.
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434
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 41.
Auok die Behauptung Bezolds, dass ein Ohr für Sprache
taub ist, wenn eine unbelastete a'—Stimmgabel durch Luftleitung
nicht mehr gehört wird, wird durch diesen Fall neuerdings be¬
stätigt. Denker-Erlangen.
Kongressbericht.
7S. yersamnilung deutscher Naturforscher und
Aerxte in Stuttgci/rt»
Stuttgart, den 17. September 1906.
Zum 78. Male seit der Begründung der Gesellschaft deutscher
Naturforscher und Aerzte, zum zweiten Male in Stuttgart trat
heute der Kongress zusammen, der berufen ist, den einzelnen
Zweigen der gesamten Naturwissenschaft und der Medicin als
Stamm zu dienen, aus dem sie entspringen und von dem aus sie
immer neue Nahrung finden. Die Stadt Stuttgart hat festliches
Gewand angelegt. Von einer grossen Anzahl staatlicher und pri¬
vater Gebäude wehen Fahnen.
Nachdem am Abend vorher die Teilnehmer der Tagung sich
zu einem zwanglosen Begrüssungsabend vereinigt hatten, wurde
heute Vormittag der Kongress in Anwesenheit Sr. Majestät des
Königs feierlich eröffnet.
Zuerst betrat der erste Geschäftsführer Obermedicinalrat v. B u r k-
hardt die Rednertribüne, um nach dem Dank an den König den
Kongress zu begrUssen. Es folgten nun die üblichen offiziellen
Begrüssungsreden des Kultusministers, des Oberbürgermeisters, der
Rektoren der technischen Hochschule, der Tierarzneischule usw.
Als Letzter ergriff der erste Vorsitzende Prof. Dr. Chan
aus Leipzig zu einer Dankrede das Wort. In geistvoller und
zündender Rede sprach er über die Bedeutung der naturwissen¬
schaftlichen Erkenntnis im verflossenen Jahrhundert und gedachte
der Grossen, die uns das 19. Jahrhundert beschert hatte. Zum
Schluss betonte er die Forderung, in unseren Schulen dem mehr
receptiven philosophisch-historischen Wissen eine stärkere Aus¬
bildung in den induktiven Wissenschaften an die Seite zu stellen.
Rauschender Beifall folgte seinen Worten. Nun erhielt Pro¬
fessor Dr. Gutzmer, der Vorsitzende der Unterrichtskommission,
das Wort, der etwa ausführte:
Die Schulkonferenz und der Allerhöchste Erlass vom 28. XI.
1900 hatten durch ihre Anerkennung der prinzipiellen Gleichwer¬
tigkeit der Gymnasien, Realgymnasien und Realschulen die Basis
für die seither in grossem Umfang disputierte Unterrichtsfrage ge¬
schaffen. Auch die Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte
hat ihr durch Einsetzung einer besonderen Kommission Rechnung
getragen. Diese hat das Resultat ihrer erstjährigen Tätigkeit in
dem „Meraner Bericht“ niedergelegt, in dem eine erweiterte Durch¬
führung des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unter¬
richts ira Rahmen der allgemeinen Bildungsaufgabe gefordert wird.
Die Kommission hat nun bezüglich der humanistischen Gymna.sien
die in dem Meraner Bericht niedergelegte einfache Konstatierung
eines [argen Missstandes dahin verbessert, dass dem biologischen
Unterricht in den oberen Klassen bei voller Wahrung der philo¬
sophischen Eigenart der Anstalt mehr Raum gegeben werden müsse.
Die in den letzten Jahren in grosser Zahl entstandenen Reform¬
schulen teilen sich nach einem dreijährigen gemeinsamen lateini¬
schen Unterricht in zwei Zweige. Der Meraner Bericht hätte
dieser Teilung nicht genügend Rechnung getragen. Die Unterrichts-
kommissiou findet auch hier eine Vernachlässigung der mathema¬
tischen und naturwissensf’haftlichen Fächer, der entgegengetreten
werden müsse. Sei doch gerade der Anstoss zur Gründung von
Roformschulen von Vertretern der exaktwissenschaftlichen Fächer
ausgegaugen. Sowohl der mathematische wie der naturwissen¬
schaftliche Unterricht müs.se durch eine Vermehrung der Wochen¬
stunden erweitert werden. Auch der Lehrplan der sechskiaasigen
Realschulen bedürfe hinsichtlich der Mathematik und der Natur¬
wissenschaften einer selbständigen Ausgestaltung. Gerechtfertigt
werde dieses Verlangen sowohl durch das ständige Zunebmon der
Zahl die.ser Schulen als vor allem dadurch, dass eben aus ihnen
eine breite Schicht des mittleren Beamten- und Bürgerstandes,
und namentlich ein grosser Prozentsatz derjenigen hervorgehe, die
sich in Handel und Gewerbe und in der Industrie betätigen wollen.
Eine Vermehrung der naturwissenschaftlichen Unterrichtsstunden
sei dringend geboten, selbst auf Rechnung der allgemein sprach¬
lichen Ausbildung. Auch in den Volks-, Fortbildungs- imd Fach¬
schulen, sowie in den Lehrerseminaren müsse in derselben Rich¬
tung gearbeitet werden. Mit Rücksicht auf die grosse Rolle, die
die Naturwissenschaften im Haushalt und in der Hygiene des
Hauses und der Familie spielen, müsste diesen in den Mädchen¬
schulen sogar ein relativ grösserer Platz gegönnt werden. Doch
müsse man die Verschiedenheit der Veranlagung der Geschlechter
durch eine verschiedene Darbietung des Lehrstoffs zur Geltung
kommen lassen. Auch mit der Frage der Schulhygiene hat sich
die Kommission beschäftigt und allgemein formulierte Vorschläge
aufgestellt, so besonders „dass die Lehrer planmäßig mit den
Grundzügen der Schulhygiene und der Lehre von der geistigen
Entwicklung des Menschen und deren Variabilität bekannt ge¬
macht werden“. Um den Klagen über Ueberbürdung zu begegnen,
hebt die Kommission die Vorzüge des 40 Minuten-Betriebes her¬
vor und betont die ausserhalb der Schule liegenden Ursachen der
Ueberbürdung, wie dasUebermaß von Privat- und Nachhilfestxmden,
unzureichenden Schlaf, unzweckmäßige Lektüre, die nur im Eltem-
hause rationell bekämpft werden könnten. Von einer allgemeinen
sexuellen Aufklärung will die Kommission absehen. Hier müsste
durch geeignete Persönlichkeiten eine individuelle Auslese unter
den Schülern getroffen werden. Zu diesem Zweck hat die Kom¬
mission ein „Merkblatt zur Handhabung der sexuellen Aufklärung
an höheren Schulen“ ausgearbeitet. Um die wirkliche Lage des
naturwissenschaftlichen Unterrichts kennen zu lernen, hat die
Kommission mit Genehmigung des preussischen Unterrichtsministe¬
riums Fragebogen au die höheren Schalen Preussens verschickt,
über deren Ergebnis in der nächsten Versammlung berichtet wer¬
den soll.
Nun ergriff Prof. Lipps, der Münchener Psychologe, das
Wort zu einem Vortrag über Naturwissenschaft und Welt¬
anschauung.
Das naturwissenschaftliche Erkennen ist die Durchdringung
des in der sinnlichen Wahrnehmung Gegebenen mit und durch
den Geist. Dies kann aber nur eintreten durch eine Umdenkung
des Gegebenen, bis es sich für uns in einen gesetzmäßig geord¬
neten Zusammenhang des Wirklichen einfügt, und wir stellen dies
als das objektiv Wirkliche gegenüber dem unmittelbar Gegebenen,
dem Subjektiven.
ln diesem Sinne erscheinen der Naturwissenschaft alle spezi¬
fischen sinnlichen Qualitäten subjektiv. Untergebracht werden sie
und begrenzt durch die raum-zeitlichen und Zahlbestimmungen.
Infolge dieses Strebens der Naturwissenschaften, alles Wirk¬
liche in ein System zu ordnen, besteht heute die naturwissen¬
schaftliche Erkenntnis nicht in der Erkentnis des Wirklichen, son¬
dern nur der Gesetzmäßigkeit des Wirklichen.
Die Begriffe der Maße, Ki'aft, Energie, die man geprägt
hat, sind nichts als Anthropomorphismen, und man könnte, so wenig
Aufschluss geben sie über das wirklich Reale, sie ebensogut mit
E oder W oder X bezeichnen. Ebenso ist es mit einer Reihe
anderer Technicismen in der Naturwissenschaft. „Streben, Ten¬
dieren, Wirkung, Arbeit, Spannung“, alle diese Worte bezeichnen
nur Bestimmungen unseres Ich. So hat im Grunde die Natur¬
wissenschaft, da sie ihrem ganzen Sinne nach nicht auf das Wesen
des Wirklichen geht, mit Weltanschauung schlechterdings nichts
zu tun.
Die Naturwissenschaft ist die Darstellung der Gesetzmäßigkeit
des Wirklichen in einer bestimmten Frage.
Erst jenseits der Naturwissenschaften beginnt die Frage nach
dem Quäle des Wirklichen.
Und dies ist die Aufgabe der Naturphilosophie. Zu deren
Lösung ist nötig die Einsicht in das Wesen der Erkenntnis. Hier
setzt nun als einzige Lösung der absolute Idealismus ein, d h.
einzig das Bewusstsein, das Ich, der Geist. Zum allumfassenden
einheitlichen Weltbewusstsein, zum Welt-Ich, zum Welt-Geist er¬
weitert, kann die von der Naturwissenschaft gelassene Lücke, die
das Quäle des Wirklichen betrifft, ausfüllen. Diese Weltanschauung
ist auch zugleich die einzig denkbare monistische Weltanschauung.
Bei dem materialistischen Monismus haben wir neben der Materie
immer noch das Geistige.
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1906.
MEDICmiSCHE WOCHE.
435
Auf diesen absoluten Idealismus scheinen aber auch die gegen¬
wärtigen naturwissenschaftlichen Bewegungen hinzuzielen; Die
Rede, dass die naturwissenschaftliche Erkenntnis Erscheinungen
zum Gegenstand habe, der Dynamismus, der Energetismus, der
Vitalismus, auch der Umstand, dass der Name Naturphilosophie
wiederum zu Ehren gekommen ist. Vielleicht auch schon dies,
dass in dieser Naturforscherversammlung ein Philosoph hat sprechen
dürfen.
Dem Redner wurde für seine zum Teil sehr schwierigen
Deduktionen reicher Beifall zuteil. Fritz Rosenfeld-Stuttgart.
Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Referent: Dr. R. Gli tsch-Stuttgart.
Sitzung vom 17. September 1906, nachmittags 3 Uhr.
Vorsitzender Herr Peter Müller.
Hr. Fehling-Strassburg: Pubiotomie und künstliche
Frühgeburt.
F. zeigt zunächst das Bild einer fünfköpfigen Geschwister¬
schar, die sämtlich durch künstliche Frühgeburt zur Welt befördert,
was lebenskräftige Entwickelung anbelangt, nichts zu wünschen
übrig lassen. Von HO künstlichen Frühgeburten der Strassburger
Klinik wurden 80% Kinder lebend geboren, 78% lebend entlassen.
Von diesen waren am Ende des 1. Lebensjahres 82% noch am
Leben, nach dem 15. Jahr noch 52%. Vergleiche mit Kaiser¬
schnittkindern ergaben: Von 27 Fällen innerhalb 15 Jahren wurden
lebend geboren 92%, lebend entlassen 80%. Weitere Nach¬
forschungen ergaben: Am Ende des 1. Lebensjahres waren von den
lebend Elntlassenen übrig 63%. Eine Erklärung für die grössere
Sterblichkeit dieser Kaiserschnittkinder, liegt in der Unehelichkeit,
schlechteren Fürsorge. Die künstliche Frühgeburt gibt beachtens¬
werte Resultate auch hinsichtlich der Lebensfähigkeit der Kinder.
Was die Pubiotomie betrifft, so ist dieselbe kein Strohfeuer in die
Symphysektomie. Die Versuche werden zu einem bleibenden Re¬
sultat führen, da die Pubiotomie ungefährlicher für die Mutter ist,
als letztere. Auch die Blutung ist bei der Pubiotomie geringer.
Die Heilresultate sind ausgezeichnet, sicher und rasch. Die Mor¬
talität von 5% bei der grossen Serie von 100 Pubiotomien beweist
noch nichts, dagegen ist die Mortalität der Kinder geringer als
bei künstlicher Frühgeburt. Nach der Pubiotomie soll man so¬
lange als möglich abwarten, eventuell Ausgangszange machen.
Zweckmäßig ist die Verbindung von künstlicher Frühgeburt und
Pubiotomie. Dem praktischen Arzt kann die Operation bei weiterer
Vervollkommnung überlassen werden. Die Pubiotomie ist berufen,
an Stelle der Perforation der lebenden Kinder sowie des Kaiser¬
schnitts aus relativer Indikation zu treten. Indiziert ist die Pubio¬
tomie bei Erstgebärenden mit engem Becken mittleren Grade.s bei
sonst abwartendem Verfahren, sodann bei Mehrgebärenden, die
den relativen Kaiserschnitt ablehnen oder wenn Gefahr für Mutter
und Kind auftritt. Die künstliche Frühgeburt bleibt dem prak¬
tischen Arzt Vorbehalten, besonders bei Mehrgebärenden, die schon
Kinder verloren haben.
Hr. P fannenstieI-Gies.seu: Die Ind ikationsstelluug
zur Behandlung der Geburt bei Beckenenge.
Pf. wendet sich in der Klinik mehr der operativen Praxis zu
und glaubt nicht, dass die Pubiotomie in der Praxis gute Resultate
haben wird. Die künstliche Frühgeburt dagegen kann ruhig dem
Praktiker überlassen werden, und deshalb muss sie in der Klinik
gelehrt werden. Auch aus sachlichen Gesichtspunkten darf man
die künstliche Frühgeburt nicht fahren lassen. Technisch ist die
Pubiotomie wesentlich leichter und günstiger als die Symphysek¬
tomie. Die Perforation des lebenden oder abgestorbenen Rindes
lässt sich auf ein Minimum berabdrücken. Höhere Grade der
Beckenenge und gewisse Formen sind nicht geeignet, gute Re¬
sultate bei künstlicher Frühgeburt zu geben. Die Mortalität bei
künstlicher Frühgeburt ist verschwindend gering gegenüber den
5% Mortalität bei Pubiotomie. Auch der praktische Arzt wird
bei besserer Asepsis bessere Resultate haben. Auch die Resultate
bezüglich der .Kinder sind günstig. Die Sectio caesarea wird nicht
viel an die Pubiotomie abgeben. Hinsichtlich der Indikations¬
stellung kommt es besonders auf die Formen der engen Becken an,
die bezüglich der Resultate sich sehr verschieden verhalten. Die
relativ günstigstem Chancen bei exspektativen Verfahren bietet 1
das allgemein verengte Becken, sodann das einfach platte, endlich
das allgemein verengte platte Becken. Die Zange gibt bei plattem
Becken die schlechtesten Resultate, bei den beiden anderen Formen
etwas bessere. Dagegen gibt die Wendung bei platten Becken
(NB. nicht die prophylaktische Wendung I) günstige Resultate, bei
allgemein verengten und allgemein verengten platten Becken sind
die Resultate schlecht. Die Zange soll nur im Notfall, die pro¬
phylaktische Wendung nur bei hinreichend dehnbaren Weichteilen
ausgeführt werden. Die Pubiotomie besteht zu Recht; auch für
sie kommt die Becken form in Betracht. Hierbei ist zwischen
Pubiotomie und Kaiserschnitt abzugrenzen, letzterer tritt bei all¬
gemein verengtem platten Becken in sein Recht. Bei höheren
Graden von Beckenenge gibt die künstliche Frühgeburt noch an
die Pubiotomie ab. Doch soll man nicht unter 7V8cm Conj. vera
heruntergeben. Hinsichtlich der Technik der künstlichen Früh¬
geburt ist beim .platten Becken prinzipiell die prophylaktische
Wendung angezeigt nach vorheriger Hystereuryse. Beim allge¬
mein verengten Becken benützt Pf. nicht den Hystereurynten
wegen der Verdrängung des Kopfes, sondern ist hier dem Bougie-
verfahren treu geblieben. Hier lässt sich gelegentlich die Pubio¬
tomie anfügen. Hinsichtlich des vaginalen Kaiserschnitts bei Pubio¬
tomie verhält sich Pf. ablehnend wie Fehling.
(Fortsetzung folgt.)
Periodische Literatur.
Fortschritte der Medizin. Nr. 21, i906.
Bergner, Dr. Hans: Veber „7iivit‘* ein neues Nähr*
mitteL
Visvit ist ein neues Nährpräparat, das die beiden, den Stoff¬
wechsel am stärksten belebenden Körper, Lecithinphosphor und
Haemoglobineisen, innig gebunden enthält an die unentbehrlichen imd
wichtigster Nährstoffe: Eiweiss (80,14%) und Kohlehydrate
(15,20%) ohne Zusatz von Extraktstoffen und ohne
irgend welche Geschmackskorrigentien. Dem Dar¬
stellungsverfahren, das darauf gerichtet war, das Eiweiss in
nativer Form zu erhalten und es mit den übrigen Elementen in
natürlicher Bindung zu vereinen, gelang es nach vielen Mühen,
die Mängel der bisher bekannten animalen oder vegetabilen Ei¬
weissverbindungen zu beseitigen und ein hochprozentiges Eiweiss¬
nährpräparat zu gewinnen, das in erster Linie hervorragend im
Geschmack ist, im Gebrauch niemals Widerwillen erregt und
gleichzeitig eine hohe Ergiebigkeit in der Ausnutzung gewährleistet.
Der hohe Eiweissgebalt ermöglicht es leicht, eine Ablagerung von
Eiweiss in der einzelnen Zelle zu erzielen, die diese zu höherer
Leistung befähigt und dient, was von ausschlaggebender Bedeutung
ist, besonders zur Vermehrung des Muskelfleisches. Der niedrige
Gehalt an Kohlehydraten macht Visvit zu einem vorzüglichen
Kräftigungsmittel auch für Diabetiker, für die es sich infolge
seiner Reizlosigkeit und seines Freiseins und Extraktivstoffen noch
besonders gut eignet. Eisen von Phosphor sind in organischer
und so leicht assimilierbarer Form enthalten, dass jede Belästigung
des Magens ausgeschlossen ist: ihr Prozentgehalt ist ausreichend,
um eine volle blut ver besse rnde und nerventonisierende
Wirkung zu entfalten. Die Salze sind nicht künstlich zugesetzt,
sie sind die natürlichen Bestandteile der Urstoffe des Präparates
und demnach, im Gegensatz zu künstlich zugesetzten Extraktiv¬
stoffen, ohne jede Reizwirkung auf Herz oder Niere. Der
hohe Wohlgeschmack des Präparates, seine rationelle Zosammen-
setzimg und vorzügliche Bekömmlichkeit lassen gute Resultate in
der Behandlung erwarten. B. fasst seine an 128 Patienten ge¬
sammelten Erfahrungen dahin zusammen, dass Visvit
1. das Körpergewicht hebt: bei Unternährung, Anaemie,
in der Rekonvaleszens, bei mit Gewichtsverlusten verbundenen
Krankheiten 2 Arteriosklerose, Phthisis plum. Skrophulosis chron.
Nephritis. In einem Falle von Spitzentuberkulose wurden 18 Pfd.
Zunahme in zwei Monaten erzielt;
2. die roten Blutkörperchen vermehrt, denHaemo
globingehalt steigert. Erhöhung von 50 auf 90% und
ähnliches zwar öfters beobachtet Chlorose, primärer und sekundäre.
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436
liffiDIülNISCHB WOCHE.
Nr. 41.
Anaemie, Ulo. ventriculi. Hand in Hand ging Beseitigung der
Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen und zahlreicher anae-
mischchlorotischer Beschwerden;
3. im Verlauf schwerer eiweisskonsumierender
Krankheiten (Typhus, Pneumonie. Influenza etc.) dem Kräfte¬
verfall vorbeugt. Vom ersten Tage an kann man dieser Gefahr
durch hohe Visvitgaben entgegentreten. Kontraindikation ist hier¬
bei nicht vorhanden;
4. das Knochenwachstum befördertund ein gerade¬
zu ideales Mittel gegen Hhachitis ist, weil es die Muskelsohwäche,
Anaemie und Knochenweichheit gleichzeitig bekämpft;
5. die Nerven tonisiert. Es ist mit glänzendem Erfolg
gegen Neurasthenie, in verschiedenster Form, Abspannung, beruf¬
liche Ueberarbeitung, allgemeine Nervenschwäche angewandt
worden. B. erscheint Visvit von allen bis jetzt vorhandenen
Nährpräparaten dasjenige zu sein, welches der Patient am
leichtesten nimmt, mit welchem der Arzt bei richtiger
Indikationsstellung die sichersten und schnellsten Erfolge er¬
zielen kann, ein Präparat, welches mit hohemN ähr wert starke,
Muskeln und Nerven tonisierende und stimulierende Eigenschaften
verbindet, dabei frei ist von allen Herz und Nieren reizenden
Extraktivstoffen.
Visvit wird vom Chemischen Institut Dr. Horowitz-Berlin in
den Handel gebracht.
Schmidts JahrbQcher der gesamten Medizin. Nr. 7, 1906.
Fürst, 8. San.-Rät Dr.: Die ünterernfthrongund deren
rasche Heilung.
Die Erhaltung der „vis vitae“ ist im Grunde eine Er¬
nährungsfrage. Sie wird erleichtert, wenn es gelingt, dem Organis¬
mus eine leicht assimilierbare, von jeder Einseitigkeit freie, also
sämtlich für eine Erhaltung notwendigen Nährstoffe enthaltende
Kost heizubringen. Dies kann nur eine gemischte, d. b. dem
Tier- und Pflanzenreich entstammende Kost sein. Es war deshalb
ein glücklicher Gedanke, dass Dr. Horowitz (Berlin) bei Dar¬
stellung eines neuen Nährmittels den von der Ernährungslehre
anerkannt, einzig richtigen Weg einschlug, die gemischte Kost
nachzimhmen und Stoffe io konzentrierter, leicht assimilierbarer
Form dem animalen, wie pflanzlichen Gebiete zu entnehmen; er
gab seinem neuen Nährpräparat im Anklange an das Wort „vis
vitae“ den Namen Visvit, um damit anzudeuten, dass das Präparat
die Aufgabe erfüllen soll, die „Lebenskraft“, die vitale Energie
des gesamten Organismus zu heben.
Visvit ist ein feines voluminöses Pulver von hellgelblichem
Aussehen, leichtem Malzgeruch und recht angenehmen indifferen¬
tem Geschmack, es erregt selbst bei längerem Genuss in Milch,
Thee, Kakao. Kaffee oder Suppe keine Spxir von Widerwillen.
Man rührt es kaffeelöffelweise mit etwas Wasser zu einem Brei
an, und setzt dann das betr. warme Getränk unter Umrühren zu.
Kein Patient refüsierte diese Nahrung; es lag auch, da sie keinen
spezifischen Geschmack hat und sich kaum bemerkbar macht, hier¬
zu kein Grund vor. Das Präparat reizt auch, da es keine Extraktiv¬
stoffe enthält, weder den Magen noch die Nieren,
Aus einer Zusammensetzung (80,14% Eiweiss, 15,26% lös¬
liche Kohlehydrate, 1,85% Haemoglobin-Eisen-Eiweiss, 0,24% Leci¬
thin, 1,34% natürliche Nährsalze) geht deutlich hervor, dass das
Visvit nicht einseitig der Fettmast dient, sondern ebenso die
Blut- und Muskelbildung, die Regeneration der Nervensubstanz
vermittelt, und die Konsolitatiou des Skelets fördert. Das Präpa¬
rat ist ganz besonders geeignet für das normale Wachstum und
bei entkräftenden, pathologischen Zuständen des Kinde-salters. Der
hlisengehalt befindet sich in natürlicher Bindung, belästigt also
den Magen in keiner Weise, bewährt sich vielmehr gerade als
Zusatz zu der, das Eisen entbehrenden Kuhmilch bei anaemischen
Säuglingen.
Seine Erfahrungen fasst F. dahin zusammen: in erster Linie
ist Visvit ein Nährmittel, das bei Unterernährung, bei fieber¬
haften oder konsumierenden Krankheiten, bei Entkräftungszustäiiden
und in der Rekonvaleszens gute Dienste leistet, ln zweiter Linie
bietet es aber die Möglichkeit, energisch zu stimulieren und zu
touisieren, wenn es sich um Erschlaffungszostände nach körper¬
licher oder geistiger Erschöpfung handelt.
ßücherbesprechung.
Dl*. Hans Preitz. Ein Beitrag zur Kenntnis der
angeborenen Cystenniere. Leipzig, Benno Konnegen, 1906.
Ausführliche Schilderung der Operation, des klinischen Ver¬
laufes und des mikroskopischen Befundes bei einem Fall von
Cystenniere, der mittels Nephrectomie geheilt wurde.
Dr. J. Boas -Berlin. Beiträge zur Kenntnis der
Bectnmcarcinome nebst Bemerkungen zur Früh¬
diagnose. Verlag von S. Kanger-Berlin, 1906.
Zu.sammeDfassende Schilderung des heutigen Standes der Frage
der Rectumcarcinome. Boas betont die Notwendigkeit, nicht blo.ss
bei Symptomen, die mit Evidenz auf das rectum als Sitz des
Leidens hinweisen, eine Mastdarmuntersuchung vorzunebmen, son¬
dern auch in solchen Fällen, deren Beschwerden scheinbar auf die
höheren Darmpartieen hinweisen.
Dr. Riedingen- Würzburg. Ueber Schlottergelenke.
Würzburger Abhandlungen. VI. Band, 3. Heft. A. Stübers
Verlag, 1905.
Eine erschöpfende Behandlung aller die Schlottergelenke be¬
treffenden Fragen, die namentlich für diejenigen, die mit Unfall¬
heilkunde zu tun haben, nutzbringend ist.
Prof. Adolf Cluss. ,,Die Alkoholfrage“ vom phy¬
siologischen, socialen und wirtschaftlichen Stand-
pnnkte. Berlin, Verlagsbuchhandlung Parey.
Etwas zu machen, sagt Leopold v. Ranke, dazu gehört dreier¬
lei. Gesunder Menschenverstand, Mut und Redlichkeit. Der erste,
um seine Sache einzusehen; der zweite, um vor den Resultaten
nicht zu erschrecken; die dritte, um sich nicht selber etwas vor
zu machen. Sodass die einfachsten moralischen Eigenschaften auch
die Wissenschaft und Kunst beherrschen. Von diesen Eigenschaften
kann man in Rankes Sinne unbedingt die zweite Prof. Cluss für
seine Leistung zusprechen. Denn den Gedanken zu fassen, dass
„die Bestrebungen Abstinenzfanatiker eine mindestens ebenso
grosse social und wirtschaftliche Gefahr in sich tragen, wie der
Alkoholismus selbst,“ eine solche Behauptung niederzuschreiben
und in die Welt zu schicken, dazu gehört allerdings Mut, wenn
auch kein beneidenswerter. Dieser Satz ist allerdings des ganzen
Buches würdig. Wenn schon die neuere Literatur, die gegen
die Abstinenz gerichtet ist, das Tatsachenmaterial nicht beherrscht
oder verfälscht und die grossen socialethischen Gesichtspunkte der
modernen Abstinenzbewegung gar nicht kennt oder nicht zu be¬
werten vermag, so steht das Buch von Cluss unter dem Nullpunkte.
Die berühmten Kraepelinschen Versuche werden damit abgetan,
dass behauptet wird, dass die Versuchspersonen zum mindesten
75, vielleicht auch 80—90 absoluten Alkohol bekommen
haben. Tatsächlich haben Kraepelin und seine Schüler erwiesen,
daas 30—45 ocm Alkohol eine Erschwerung sämtlicher geistigen
Vorgänge hervorrufen. 70—100 ccm werden von Kraepelin schon
als „Rauschdosen“ bezeichnet. Dr, Meinerst Worte: „Bei täglichem
Alkoholgenuss habe ich übrigens im hohen Alter keine Gesundheit
getroffen“, paraphrasiert Cluss dahin „unter den sämtlichen Personen,
welche das 80. Lebensjahr überschritten hatten, fand sich nicht
ein einziger abstinent, wohl aber mehrere recht starke Trinker“;
übrigens wiederholt hier Cluss Hueppe, den ich bereits widerlegt
habe. Geraeinnützlich wirkende Frauen werden „Sittlichkeitstante,
Kleiderreformtante, Abstinenztante“ apostrophiert. Dem segens¬
reich wirkenden Guttemplerorden, von dem Frenssen sagt „da.ss
er manchen erloschenen Herd wieder angezündet habe“, werden
die schranken- und skrupellosesten Heisssporne zugezählt. Die
Verwirklichung der Ideen der Abstinenzfanatiker würde nach
Cluss eine Vermehrung der Unsittlichkeit eur Folge haben.
Sapienti sat. Dr. Otto Juliusburger.
Verantwortlicher Redakteur: Dr. P, Meiisuer, Berlin W. 61, Rurfüratenitr. 81. — Verlas *on t^^rl Marhold, Halle a. S.
Druck von der Meyneniann'Khen Bachdmdcerei, Gebt Wolff, Halle a.. S
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Medicinische Woche
Dcntschmann, A. DQhrssen, A. Hoffa, E. Jacobi,
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H. Senator« R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
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Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partsch, H. Rotln, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerrlcht, A. Voisins,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W* 62« Kurffirstenstraase 81*
Dr. P Meißner.
V---.w'
Vn. Jahrgang. 15. Oktober 1906. Nr. 42.
Die .Med i cinische Woche“ erscheint Jeden Montag mit der UtSgigen Beilage Baln60]Ogi8Ch6 Cdltralzeltung« Organ des Allgemeinen Deutschen
Biderverbandes, des SchwarzwaldbXdertagcs, des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne
Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden für
die 4 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Original len.
Nicht chronischer Psendorheumatismus,
sondern primärer
progressiver chronischer Gelenkrheumatismus,
sogenannte rheumatoide Arthritis,
nach einer Lungenentzündung entstanden.
Von Dr. Äug. Beisheim , Badearzt in Bad Salzschlirf.
Bei dem mannigfachen und bunt zusammengewürfelten
Material, das in einem „Gichtbad“ zusammenströmt, gibt es
für den Arzt mancherlei Klippen, die in differentialdiagnostischer
Beziehung umschifft sein wollen: echte Gicht, chronischer
primärer und sekundärer Gelenkrheumatismus, deformierende
Osteoarthritis, chronische Pseudorheumatismen im Anschluss
an Gonorrhoe, Influenza, Scharlach, Masern, Pneumonie, Typhus
and dergleichen Infektionskrankheiten mehr; der neuropathi-
schen Arthropathien gar nicht zu gedenken!
Diesen Rattenschwanz von Krankheiten zu entwirren ist
oftmals der Arzt beim besten Willen und Können nicht in
der Lage, und zwar dann, wenn es sich um Zeitpunkte han¬
delt, die dem Anfang des Leidens möglichst nahe liegen, in
denen sich die Symptome über die Phase des Vagen noch
nicht hinausentwickelt haben. Ein weiterer Hemmschuh für
schärfere Differenzierung dürfte manchem die uniformierte
Therapie fast aller in Rede stehenden Krankheiten sein, die
ja doch für alle so ziemlich gleich, es gar nicht der Mühe
wert erscheinen lässt, den umständlichen Wissensapparat in
Szene zn setzen.
Das Maß voll machte aber bislang die Verworrenheit in
der Nomenklatur, die es gestattete, dass dieselbe Krankheit
bald unter diesem bald unter jenem Namen abgehandeit wurde.
Und wenn es nur immer dieselbe Krankheit gewesen wäre in
pathologisch-anatomischer Hinsicht! Aber auch hier war wieder
der Willkür Tür und Tor geöffnet, indem z. B. für die defor¬
mierende Osteoarthritis bald die osseären Veränderungen bald
die der Synovialis und .des fibrinösen Bandapparates in An-,
sprach genommen wurden.
Da ist es denn kein geringes Verdienst Pribram’s, in
diesem Wust aufgeräumt und auf Grund klinischer Beob¬
achtungen reine Balm gemacht zu haben. Er erhebt den pri¬
mären progressiven chronischen Gelenkrheumatismus zu einer
Krankheit sui generis und definiert ihn als einen chronischen
Prozess, der in den distalen Gelenken beginnend, womöglich
symmetrisch, in proximaler Richtung auf die Gelenke des
Stammes weiterschreitet und allgemein bekannte Veränderungen
setzt: Verdickung und Schwellung der Finger- und Hand-
elenke, Deviation der Finger im Metacarpo-Phalangealgelenk,
achziegellörmig nach der ulnaren Seite, Kontrakturen und
Muskelatrophien. Pathologisch ist der Knorpel- und Band¬
apparat ergriffen, nicht der Knochen, wenigstens nicht in
früheren Stadien, im Gegensatz zur Osteoarthritis deformans;
diese ist pathologisch charakterisiert durch Knochenneubildung
und Knochenschwund und ergreift umgekehrt wie der primäre
progressive chronische Gelenkrheumatismus zuerst proximale
Gelenke (Hüft-, Schultergelenk) und tritt auch überwiegend
monartikulär auf.
Die chronischen Gelenkerkrankungen im Anschluss an
akuten Gelenkrheumatismus zeitigen in der Regel fibröse
Formen. Ihre Signatur hat auch noch zwei weitere Eigen¬
heiten :
a) Häufigkeit von Herzklappenfehlern;
b) öfterer Stillstand und öfteres Ausheilen des Krankheits¬
prozesses trotz aller Malignität.
Die chronischen Pseudorheumatismen im Anschluss an
Gonorrhoe, Influenza usw. dürften ira allgemeinen keinen allzu
grossen differentialdiagnostischen Schwierigkeiten begegnen,
mit einer Ausnahme, nämlich der mehr gutartig und nicht
rapid verlaufenden Influenza. In ihrem protrahierten Verlauf
ist es möglich, dass sich Gelenkaffektionen selbständig etablieren.
In Bezug auf die Pseudorbeumatismen äussert sich Pribram
wörtlich;
„Wenn im Verlauf einer dieser Affektionen, beziehungs¬
weise nach Ablauf derselben, auch ohne Üazwischentroton eines
akuten Stadiums, Gelenkaffektionen nicht purulenter Art ein¬
getreten sind, welche einmal entstanden, in denselben Gelenken
nach Erreichung eines gewissen Grades der Ankylose oder der
Gelenksdeformität stationär geblieben sind, wenn vollends diese
Affektion etwa nur das Kniegelenk, das Hüftgelenk, das Ellen¬
bogengelenk, die Schulter u. dergl., oder ein oder das andere
Fingergelenk betrifft, so wird man nicht fehlgehen, einen auf
Grundlage jener früheren Infektion entstandenen chronischen
Pseudorheumatismus anzunehmen.
Wenn dagegen nach längerem oder kürzerem
Intervall nach jener Infektionskrankheit sich das
typische Bild der in sämtlichen Fingern beginnen¬
den nnd allmählich deformierenden progredienten
Gelenkaffektion entwickelt hat, so kann mit oder
ohne Vorbereitung durch die vorausgegangene In¬
fektionskrankheit eine rheumatoide Arthritis ein¬
getreten sein, beziehungs weise ist eingetreten, und
befindet sich dann nicht in unmittelbarem Kausal¬
nexus mit jener Infektionskrankheit. Es ist uns
unbekannt, ob solche Fälle existieren usw.“
Nun, solche Fälle existieren, und ich kann den Beweis da¬
für erbringen. Es handelt sich um eine jetzt fünfzigjährige
Frau, die verheiratet mehrere normale Geburten durchgemacht
hat und bis zu ihrem 37. Lebensjahre stets gesund gewesen
ist In diesem Alter aquirierte sie eine schwere kroupöse
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438
MteDICINlSCHB WOCHB.
Nr. 42.
i.
Pneumonie, die mit Pericarditis kompliziert war, von der sie
sich nur langsam erboien konnte
Hatte die Kranke auch ab und zu vor dieser akuten Er¬
krankung an unangenehmen Empfindungen in Händen und
Füssen gelitten, so entwickelten sich nun, wie die Frau sich
ausdrückt, „Schlag auf Schlag“, chronische, sehr schmerzhafte,
mit leichten Temperaturschwankungen verbundene Gelenkaffek¬
tionen, sodass nach einem Zeitraum von 8 Wochen fast alle
Gelenke incl. der der Halswirbelsäule befallen waren. Analog
deöi vonPribram für den primären progressiven chronischen
Gelenkrheumatismus vorgesehenen Typus entwickelte sich die
Erkrankung symmetrisch in den distalen Fingergelenken und
schritt proximal auf die Gelenke des Stammes fort dergestalt,
dass die Hüftgelenke am stärksten affiziert wurden. Die
Affektion besteht heute 13 Jahre und kann als klassisches
Paradigma einer rheumatoiden Arthritis gelten, die sich selbst¬
ständig, nicht in unmittelbarem Causalnexus mit der vorauf¬
gegangenen Lungenentzündung, auf einem Körper eingenistet
hat, der durch die FränkeFschen Pneumoniecoccen äteriert
war. Ob deren Arbeit der rheumatoiden Arthritis den Weg
geebnet hat, mag zweifelhaft sein, ebenso wie die andere
Version, ob durch die Lungenentzündung der Schlummerzustand
der dem Körper von irgend einer Seite vererbten Disposition
zur rheumatoiden Arthritis aufgeweckt, die Krankheit zum Aus¬
bruch gebracht hat.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medictniaclie Gesellschaft,
Sitzung vom 18. Juli 1906.
Diskussion über die Appendicitisbehandlung.
V. Bergmann schlägt vor, aus dem grossen Gebiet zwei
der wichtigsten Fragen zu diskutieren: 1. Die frühzeitige Diagnose
des akuten Anfalls, 2. die Notwendigkeit der Operation im Intervall.
Kraus: Grosse Schwierigkeit bietet die Beurteilung des Ver¬
hältnisses der anatomischen Veränderungen zu den klinischen Er¬
scheinungen. Die frühzeitige Diagnose der Erkrankung an sich
ist möglich; über die Intensität der Krankheit aber kann man
dauernd im Unklaren bleiben, und oft ist das Moment der Gefahr
schwer zu erkennen. Zur rechtzeitigen Erkennung des akuten
Anfalles ist es wichtig, auch die abortiven Fälle zu berücksichtigen
und die Vorlaufserscheinungen in Rechnung zu stellen. Schmerzen
und Verdauungsstörungen unbestimmter Art und Lokalisation be¬
gleiten oft die chronischen Fälle als Vorläufer von akuten Ver¬
schlimmerungen. Von grösster Wichtigkeit ist es, eine Unter¬
scheidung von leichten und schweren Fällen zu treffen. Die
eichten stellen sich häufig dar als chronische EnterokoUtiden, anl
denen der Prozessus teilnimmt. In solchen Fällen geben zeit¬
weilige Auftreibungen, Gasgeschwulst und die Defense musculaire
diagnostische Anhaltspunkte. Weiter können die Schmerzen ein
Leitphaenomen abgeben. Sie werden verursacht durch Spasmen
des Prozessus, neuralgiforme Momente, reflektorische enteralgische
Koliken; deren Lokalisation ist unbestimmt, sie treten auf unab¬
hängig von der Nahrungsaufnahme. Von wesentlichster Bedeutung
ist der Lokalschmerz, der keineswegs immer am Mao Bumeyschen
Funkt lokalisiert ist. Abgesehen vom Druck kann er ausgelöst
werden durch Lageveränderungen, Bewegungen, Erschütterungen.
Die differentielle Diagnose zieht noch Begleiterscbeinangen herbei;
dazu gehören Durchfälle, die seltener sind bei Gallenstein- etc.
Koliken. Schwierigkeiten machen oft die Genitalerkrankungen;
für solche spricht der doppelseitige Schmerz, Beeinflussung durch
Menstruation, tiefere Lokali-sation. Grosse Schwierigkeit kann auch
die Hysterie verursachen. In der Mehrzahl der Fälle von Appen-
dicitis setzt die schwere Attaque nicht aus heiterem Himmel ein;
meist geht ihr ein chronisches Stadium voraus, in dem die Gas¬
blähung, Defense muskuläre imd die anderen praemonitoriscben
Momente wichtige diagnostische Elemente darstellen. Die Colica
appendicularis, die Appendioite a rechutes, die Blinddarmreizung
sind von der schweren Attaque zu trennen; sie charakterisieren
sich durch das Fehlen des Erbrechens, der Pulsbeschleunigung,
des Fiebers und der Zunahme der fixen Druckschmerzstelle. Aber
es handelt sich hierbei um unausgeprägte Anfälle, und man muss
darauf gefasst sein, dass der abortive Anfall plötzlich in die
typi.sche Attaque übergehen, dass innerhalb weniger Stunden die
gefährlichste Aenderung der Situation eintreten kann. Bei der
Blinddarmreizung kann ein konservatives Verfahren eingehalten
werden, die Operation wäre hier mehr eine prophylaktische Ma߬
nahme. Die Hälfte der Fälle der Appendicitiden verläuft leicht
und bedarf nicht des operativen Eingriffs. Alle schweren Fälle
aber sind sofort dem Chirurgen zu überweisen; nur die Chirurgie
vermag deren hohe Mortalität berabzudrücken, niemals die kon¬
servative Behandlung. K. regt zum Schluss zur Klärung noch
vieler Fragen eine genauere Morbiditätsstatistik von Staatswegen an.
Heubner betont die hohe Mortalität bei der Appendiciti^
Feuilleton.
Sanctorius über das Luftbad vor 300 Jahren.
Von Dr. Heinrich Pudor.
In den medicinischen Lehrbüchern heisst es über die Ent¬
deckung der Hautatmung gewöhnlich, dass dieselbe in der
zweiten Hcälfte des 18. Jahrhunderts durch den Franzosen
Lavoisier erfolgte. Das ist indessen nicht richtig; in
Deutschland erfolgte sie früher, in England noch früher und
in Italien erfolgte sie, also die eigentliche Entdeckung der
Hautatmung, vor zirka 300 Jahren. Und zwar kann man das
Jahr 1614 als das Entdeokungsjahr ansehen, denn in diesem
Jahre erschien in Venedig die Schrift des Sanctorius „De
statica medicina“ über die unmerkliche Ausdünstung der Haut.
Und Sanctorius nimmt im Vorwort das Recht der Entdeck¬
ung für sich selbst in Anspruch: „Es ist etwas neues, wovon
man in der Medicin bisher nichts gehört hat, dass jemand
fähig sein sollte, das exakte Gew'icht der unmerkliclien Haut¬
ausatmung zu bestimmen, und keiner von den Phüo.sophen und
Aerzten hat versucht, etwas auf diesem Gebiete der Medicin
zu tun: Ich bin der erste, welcher es versucht hat, und
welcher, w’onn ich mich nicht irre, diese Kunst durch Vernunft
und eine Erfahrung von 30 Jahren zur Vollendung gebracht
hat.“ So schrieb Sanctorius im Jahre 1614; da er 30 Jahre
experimentiert hat, gehen also die Versuche einer Entdeckung
der Hautatmung bis in das Jahr 1584 zurück, d. h. also bis
in die Blütezeit der italienischen Renaissance, als der grösste
Baumeister Alberti, zugleich der grösste Athlet war, unter dem
die wildesten Pferde schauderten und zitterten, der den Leuten
mit geschlossenen Füssen über den Kopf weg sprang, der im
Dom ein Goldstück so hoch warf, dass man es an der Kuppel
anklingen hörte*), als die Leute sich kleiden durften, wie es
ihnen gefiel**), als Lorenzo de Medizi, „der Prächtige“, selbst
unter das Volk ging, die Lieder des Volkes mitsang und die
Tänze des Volkes mittanzte, als Cäsar Borgia einem Pferde
mit einem Schwertstreich den Kopf vom Rumpfe trennte, als
Titian den hundertjährigen Ludwig Cornaro malte und selbst
noch mit 99 Jahren unsterbliche Meisterwerke schuf. Es ver¬
lohnt sich bei diesem Italien der Renaissancezeit etwas zu
verweilen, bevor wir zu Sanctorius selbst übergehen. Der
erwähnte Lud^vig Cornaro schrieb in seinem 81. Lebensjahre
eine Schrift „über den Nutzen eines nüchternen und mäßigen
Lebens“ (Trattafo de la vita sobria, Padova, 1558). Diese
S chri ft fand in Deutschland grosse Verbreitung und wurde
*) Sein Xatursinn war so ausgebildet, dass ihn, wie gesagt wurde,
mehr als einmal, wenn er krank war, der Anblick einer scuüncn Gegend
gesund machte.
**) Jacob Burkhardt, der beste Kenner der italienischen Renaissance,
schreibt in seiner Kultur der Renaissance: „Noch bis tief ins 16. Jahr-
hundert gab cs bedeutende Leute, die den Mut hatten, eine eigene Mode
zu tragen.“
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1906
MEDICINISCHE WOCHE.
439
der Kinder. Die Diagnose der chronischen Form bei Kindern
bietet grosse Schwierigkeiten. Subjektive Angaben sind wenig
zu verwerten; die isolierte Muskelspannung an umschriebener Stelle
ist wichtig. Plötzlicher Beginn, schelle Erhöhung der Pulsfrequenz
bedingt sofortige Operation. Er erläutert dies an einem konkreten
Falle, wo sich bei der Operation eine haemorrhagische Appendicitis
fand.
Orth hebt hervor, dass für anatomische Untersuchungen des
Blinddarms sorgfältigste Konservierung Bedingung ist. Bei einer
grösseren Serie von untersuchten Processus, die wegen Appen¬
dicitis entfernt waren, fanden sich in etwa 9% keinerlei anatomische
Veränderungen. Bei andern war die Veränderung am Appendix
nicht primär; öfters Hessen sich ältere Veränderungen, so Residuen
von Blutungen nachweisen. Ein Teil der gefundenen frischen
Blutungen ist sicher durch die Operation bedingt. Bei Leichen
finden sich oft schwere Veränderungen des Appendix, ohne dass
die Anamnese irgend etwas Uber eine überstandene Appendicitis
ergibt; so Obliteration, die nur möglich nach Verlust des EpiÜxels,
der wieder nur auf Grund schwerer Entzündung entstehen kann,
und Schwielenbildungin der Wand, die ihrerseits eine granulierende
Entzündung als sekundäre Erscheinung nach Eiterung oder pseu¬
domembranöser Ausschwitzung ins Lumen zur Voraussetzung hat.
Dies» zeigt, dass selbst schwerste Appendicitiserkrankungen glatt
ausheileu können. Andrerseits aber finden sich auch häufig
chronische Veränderungen, die zu akuten Prozessen führen können.
Das erste würde gegen das zweite für prinzipielle Operation nach
dem I. Anfall sprechen. Vom anatomischen Standpunkt ist danach
die Frage nach der Notwendigkeit der Intervalloperation nicht zu
entscheiden.
Sitzung vom 25. Juli 1906.
Fortsetzung der Diskussion.
Israel: Die Frage nach der Notwendigkeit der Intervall¬
operation ist generell nicht zu beantworten. Sie hängt ab vom
Befinden und den Befunden in der anfallsfreien Zeit. Zwei Gruppen
von Patienten sind zu uutirsebeiden. Die I. umfasst die Fälle,
wo der 1, Anfall nachweisbare Residuen hinterlassen hat. Hier
sind die Indikationen zur Operation leicht zu stellen: Bestehen
chronische Warmfortsatzbeschwerden, Schmerzen in der Ileococcal-
gögend mit oder ohne Gasauftreibung, mit oder ohne Verdickung
des Prozessus, so ist die Operation indiziert. Bleibt eine lokale
Druckempfindlichkeit ohne sonst subjektive Beschwerden, so soll
bei längerem Bestehen, etwa drei Monate, operiert werden. Bei
schwieliger Verdickung des Wurmfortsatzes kann die Operation
grosse Schwierigkeiten bieten; deshalb soll man hier nur operieren,
vor ein paar Jahren in England von E. Carpenter, dem
bekannten Anhänger der Naturheilkuude und des Vegetarismus,
neu herausgegeben. Im Jabre 1560 erschien Cornaros Ab¬
handlung über das Wasser.
Das war die Zeit, als in Italien die Natur vergöttert
wurde und die italienischen Naturphäosopben, vor allen
Giordano Bruno (1548 —1600) lebten und wirkten. In dieser
Naturvergötterung wurzelt die ganze italienische Renaissance
mit ihrer ganzen hehren Kunst.
Noch weiter zurück liegt das Wirken des herrlichen
Vittorino da Feltre, der am Hofe des Giovan Francesco Gon-
zago zu Mantua (1407 bis 1444) lebte, und dem der Fürst
einen prachtvollen Palast, die berühmte La Casa Giocosa, er¬
baute, in der Vittorino eine Erziehungsreformanstalt an¬
legte. Von ihm wird berichtet; „Wie das Geistige, so pflegte
er auch körperliche Übungen, wurde ein ausgezeichneter Reiter,
Tänzer*) und Fechter, kleidete sich im Winter ebenso wie im
Sommer, trug selbst während der härtesten Kälte nur Sandalen
und lebte so einfach und mäßig, dass er bis in sein hohes
Alter niemals krank wurde. Seine Leidenschaften, Neigung
zur Wollust und Zorn bekämpfte er so, dass er sein ganzes
Leben hindurch keusch blieb (das letztere wurde ihm auch
von dem berühmten Naturforscher Newton gesagt) und selten
durch ein liartes Wort jemand verletzte.‘‘ \'on diesem Vitto¬
rino da Feltre gibt es heute noch ein Bild, das zu seinen
*) Die Italiener tanzten damals noch im Freien.
wenu besondere Beschwerden dazu zwingen; auf jeden Fall aber
möglichst lange mit der Operation warten. Bei inneren Fisteln,
Durchbruch in Blase, Darm etc., kann man lange spontanen Schluss
abwarten. Aeussere Fisteln sollen bald operiert werden. Bei der
II. Gruppe, die die Fälle umfasst, bei denen nach dem 1. Anfall
keine subjektiven und objektiven Residuen gebHeben sind, ist eine
individuelle Indikationsstellung nicht mögUch. Was der Gesamtheit
frommt, soll auch das Handeln für den Einzelnen bestimmen.
Bei der Operation rechnet man hier nur mit einer möglicher Weise
in Zukunft entstehenden Gefahr, sie richtet sich nicht gegen Be¬
stehendes. Unser Handeln hängt hier von der Beantwortung
dreier Fragen ab: 1. können wir die Fälle anssuchen, die ein
Rezidiv annehmen lassen; wenn nicht, soll man dann 2. in jedem
Fall operieren oder 3. einen zweiten Anfall abwarten, um diesen
sofort zu operieren ? Die erste Frage ist mit nein zu beantworten;
ob ein Rezidiv eintreten wird oder nicht, ist niemals vorauszu¬
sagen. Nur zwei Ausnahmen gibt es: nach Anfällen, die mit
Eiterung einhergegangen sind, sind Rezidive selten, und weiter ist
ein solches unwahrscheinlich, wo der Patient zwei Jahre völHg
frei geblieben ist. In diesen beiden Fällen kann also die Inter-
valloperatifin unterbleiben. Zar Entsoheidnng von Frage 2 und 3
sind 4 Unterfragen zu beantworten: 1. Wie gross ist die Zahl
der Rezidive nach Appendicitis simplex? 2, Wird das Rezidiv
gewöhnlich gefährlicher als der erste Anfall? 3. Wie gross ist
die Gefahr der Rezidivoperation im Vergleich zur Intervalloperation ?
4. Können wir stets darauf rechnen, bei einem zweiten Anfall den
Patienten frühzeitig zur Operation zu bekommen? Rezidive nach
Appendicitis simplex treten etwa bei 50% der Fälle auf. Die
zunehmende Gefahr der Rezidive ist durchaus unsicher. Die Ge¬
fahr der Intervalloperation nach mehreren grösseren Statistiken
drückt sich in einer Mortalität von 0,5% aus; wogegen die Mor¬
talität der Frühoperation in den ersten 48 Stunden des akuten
Anfalles 2% beträgt. Diese Differenz mag zu klein erscheinen,
um daraus die Notwendigkeit der Intervalloperation abzuleiten.
Man muss aber berücksichtigen, dass das Desiderat der Früh¬
operation beim 2. Anfall keineswegs immer zu erfüllen ist. Das
wird bedingt durch diagnostische Schwierigkeiten auf Seiten der
Aerzte, besonders bei Kindern, Mädchen, Frauen, durch Indolenz
und Stupidität des Publikums, durch die Unmöglichkeit stets einen
Chirurgen zur Hand zu haben, auf dem Lande, in kleinen Städten,
auf Reisen. Dadurch kommt es, dass die Mortalität des 2. An¬
falles auf fast 12% erhöht wird. Die Differenz von 12% zu
0,5% ist aber sicherlich gross genug, um zu sagen, dass die All¬
gemeinheit besser fahrt mit der Intervalloperation, und um diese
prinzipiell zu fordern. Für dieselbe können dann noch einige
Lebenszeiten von dem berühmten florentinischen Maler Pisano
gemalt wurde.
Trotzdem also dem Sanctorius der Boden eigentlich
gut vorbereitet war, scheint er doch gegen grosse Vorurteile
zu kämpfen gehabt zu haben. Denn er sagt in seiner Wid¬
mung: „Ich habe lange hin und her überlegt, ob ich diese
meine Lehre Vom Gewicht, die ja neu ist und vor mir von
niemand behandelt wurde, an die Oeffentlichkeit bringen sollte.
Auf der einen Seite war die lange Reihe von unwissenden
und übelwollenden Leuten, welche neues nicht fassen und sub¬
tile Dinge nicht verstehen können, und welche die gewisser¬
maßen göttliche Kunst verdammen würden, und auf der an¬
deren Seite fühlte ich mich zur Veröffentlichung veranlasst
durch das Drängen meiner Freunde und die Sache selbst,
wie sie durch so viele Experimente gestützt war. Und den¬
noch wären die Schwierigkeiten zu gross gewesen, wenn es
mir an dem erlauchten Schützer gefehlt hätte“ etc. „Du bist
es, dessen erhabenen Schutz ich genossen habe, seitdem ich
mich der Gelehrtenlaufbahn gewidmet, der mich seit 40 Jahren
mit Liebe überhäuft hat. Für dieses einzig dastehende Wohl¬
wollen empfange, erlauchter Senator, diese Frucht vieler Jahre,
welche durch Deinen erhabenen Schutz vor allen anmaßenden
Anfeindungen bewahrt bleiben wird.“
Im Vorwort verschmäht er die Vernünftelei der Ungebil¬
deten, denen alle Dinge, welche ungewohnt sind, lächerlich er¬
scheinen, glaubt aber an die grossen Vorteile der Entdeckung,
da es bekannt ist, wie gross die Bedeutung der Kenntnis der
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440
MEDIGINISGSIB WOCHE).
Nr. 42.
weitere Momente sprechen, so die Möglichkeit der Gravidität and
wirtschaftliche Gründe, die es wünschenswert erscheinen lassen,
nicht dem Zufall das Einsetzen eines 2. Anfalles zu überlassen,
sondern im selbst gewählten Moment dem vorzubeugen. Zu-
sammenfassend lassen sich folgende Indikationen aufstellen; Die
Intervalloperation ist unnötig nach eitriger Appendicitis, die ohne
konsekutive Krankheitserscheinungen abgelaufen ist, und nach
zweijährigem Freisein nach Appendicitis simples; sie ist strikte
indiziert bei äusseren Fisteln, bei mehrfachem Anfall im Laufe
eines Jahres, bei Schwangeren, bei Kindern; bedingt bei inneren
Fisteln, bei Druckschmerz des Coecum; empfehlenswert bei Er¬
wartung der Schwangerschaft, aus wirtschaftlichen Gründen, bei
Rezidivfurcht.
Krause: Wenn die Frage nach der prinzipiellen Notwendig¬
keit der Intervalloperation mit ja oder nein zu beantworten wäre,
würde er sie mit nein beantworten. Er hält sie für unnötig nach
leichteren Anföllen, die keine Beschwerden und keine objektiven
Symptome hinterlassen haben. Nach eitriger Appendicitis operiert
er stets. Sonst ist die Indikation durchaus inviduell unter Be¬
rücksichtigung von Alter, Beruf, Körperbeschaflfenheit zu stellen.
Sehr weit ist sie zu stellen bei jungen Leuten, an deren Körper
hohe Anforderungen gestellt werden, bei Leuten, die grössere
Reisen unternehmen wollen, bei Kindern wegen der oft sehr
schweren Rezidive; wesentlich zurückhaltender aber bei älteren
Leuten mit Adipositas, Alkoholismus, bei bestehenden anderen
krankhaften Aflfektionen der Luftwege, des Herzens, der Nieren;
hier verzichtet er sogar auf die Intervalloperation auch bei Vor¬
handensein leichter Residuen.
Rotten Die prinzipielle Frühoperation hat einen Wendepunkt
in der Behandlung der Appendicitis gebracht* ihr ist die Herab¬
schraubung der Mortalität von 12 auf 2% zu danken. Bedingung
dafür ist die Frühdiagnose, die mit ausreichender Sicherheit ge¬
stellt werden muss, dass nicht Gesunde operiert werden. Bei
einem grösseren Material haben sich nach den anatomischen Unter¬
suchungen 4^2% Fehldiagnosen gefunden. Dieselassen sich nach
seinen neuen weiteren Erfahrungen auf 2% herabmindem; und
diese Sicherheit erscheint bei der so oft lebensrettenden Bedeutung
der Frühoperation ausreichend. Die Frühdiagnose muss damit
rechnen, dass in 15—20% der Fälle der Anfall mit unauffälligen
Erscheinungen unter dem Bilde einer Indigestion, Appetitlosigkeit,
unbestimmter Leihschmerz, beginnt. Dieses Vorstadium ist von
grosser Bedeutung, nur wenn man dieses zum akuten Anfall zu¬
zählt, ergibt sich eine Mortalität von 2%. Der klassische Anfall
beginnt mit Peritonealgefühl, Erbrechen, Schmerzen rechts oder
in der Magen- oder Nabelgegend. Die subjektiven Symptome
reichen aber zur Diagnostik nicht aus; dazu muss der objektive
Druckschmerz am Mac Burneyschen Punkt treten. Um diesen
festzustellen, beginne man mit der Untersuchung links, drücke erst
allmählich stärker und tiefer ein, um sich an Resistenz der Bauch¬
wand und den Patienten an den Druck zu gewöhnen imcl zu be¬
ruhigen, gehe langsam nach oben und erst zuletzt nach der
rechten Seite, Bei solchem Vorgeben allein ist es möglich, ob¬
jektive Angaben zu erhalten. Ist kein Druckschmerz vorhanden,
so ist mit den subjektiven Symptomen nichts anzufangen, man warte
ab; ist er deutlich nachweisbar, so operieie man. Unterstützende
Momente für die Diagnose sind: Kleine Temperatursteigerungen,
die Muskelspanuung an Ort und Stelle, die aber meist erst später
einsetzt. Bei noch akuteren oder schon vorgeschritteneren Fällen
lässt oft die Ausdehnung des Druckschmerzes auf Ausdehnung des
Prozesses schliessen. Der Puls ist von geringerer Bedeutung;
Steigerung über 110 lässt Schwere annehmen. Schwere und leichte
Fälle zu unterscheiden, ist nur in etwa 70®/o möglich; deshalb soll
man lieber alle frühzeitig operieren.
Beck (New York) betont, dass die Diagnose im Frühstadium
doch oft erhebliche Schwierigkeiten bietet. Bei der Unsicher¬
heit der Diagnostik und Prognostik — schwerste lokale Verän¬
derungen können ohne irgendwie alarmierende Symptome vorhan¬
den sein — soll man lieber öfter operieren, als unbedingt notwendig.
Gegenüber der zu späten Operation ist die Fehldiagnose das kleinere
Uebel. Er freut sich, dass die deutsche Chirurgie sich jetzt auch
zu dem unbedingten Prinzip der Frühoperation bekennt, wie es die
amerikanische schon lange getan hat.
Landau: Die Prozesse in der Tube sind denen im Prozessus
in vieler Beziehung gleiohzusetzen; nur bietet der letztere in er¬
höhtem Maße die gefahrvolle Möglichkeit der Fortpflanzung der
Infektion und der Perforation. Gegenüber dem Pyosalpinx, der
Tubargravidität, der Stieldrehung beim Ovarialtumor und auch der
Hysterie sind die objektiven Symptome nicht immer differential-
diagnostisch zu verwerten. Fehldiagnosen sind möglich; trotzdem
ist die Frühoperation notwendig. Die Intervalloperation ist nur
nötig, wenn Symptome vorhanden sind. Sehr oft kommen Fehl¬
diagnosen beim chronischen Blinddarmschraerz vor.
Olshausen hält die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis
und Salpiügitis meist für leicht. Eine falsche Diagnose wird meist
in dem Sinne gestellt, dass eine Appendicitis angenommen wird,
wo eine tubare Erkrankung vorliegt. Er selbst kann sich nicht
einer Fehldiagnose entsinnen. Ein häufigeres Vorkommnis, das Be¬
achtung verdient, ist ein adhaerenter Prozessus bei tubarer Er¬
krankung und eine gleichzeitige Erkrankung beider Organe. Am
leichtesten ist eine Fehldiagnose bei retroperitonealem Exsudat, vom
Hautatmung in der Medicin ist. Die Schrift selbst ist einge¬
teilt in folgende 7 Kapitel:
1. Von dem Gewicht der unmerklichen Ausdünstung.
2. Von der Luft und dem Wasser.
3. Von Speise und Trank.
4. Vom Schlafen und Wachen.
5. Von der Leibesübung und der Ruhe.
6 . Von der Geschlechtsliebe.
7. Von den Leidenschaften.
Aus dem hier allein in Betracht kommenden ersten Kapitel
möge folgendes wiedergegeben werden:
„Die Ausatmung vollzieht sich entweder durch die Aus¬
atmung der Poren der Haut — da der Körper transpi-
rabel in allen seinen Teilen ist und in die Haut
eingehüllt ist wi e in ein Netz — oder durch den Mund,
welcher an einem Tage durchschnittlich ein halbes Pfund aus¬
atmet. denn das kann man sehen an dem tauigen Niederschlag
des Atems auf einem Spiegel, wenn man mit dem Mund nahe
daran kommt.
„Schweissige Ausdünstung ist nicht gut*), denn das
S<'hw'itzen schwächt den Körper, wenngleich es manchmal den
Körper von einem noch grösseren Uebel befreit. Je weniger
feucht die Ausatmung ist, desto gesünder ist man.“
*) Der gleichen Ansicht war der englische Philosoph Bacon, der des¬
halb das hiUitigo Salbon und Oelen des Körpers, namentlich nach dom Bade
anoinpfuhl.
„Wenn ein Mensch sich leichter fühlt, als er in Wirklich¬
keit ist, so ist dies ein Zeichen einer ausserordentlichen ge¬
sunden Konstitution.“*)
„Jedes, selbst das geringste Kältegefühl, das wir in der
Nacht während des Schlafes haben, verhindert die Hant-
atmung“ (und erzeugt infolgedessen Erkältung, wie wir hinzu¬
fügen können).
„Wer Medicin einnimmt, bereitet der Hautatmung
Hindernisse.“
„Die Kleidung ist ein Hindernis für die Hautatmung und
schwächt die Lebenskraft des Menschen.“
Auf die Experimente des Sanctorius bezüglich des Ge¬
wichtes der unmerklichen Hautausatmung einzugehen, fehlt uns
hier der Raum. Es genügte derHinw'eis, dass er sie während
eines Zeitraumes von 30 Jahren gemacht hat, dass dieselben
dann später in England durch James Kei 11 fortgesetzt wurden,
und dass also der Italiener Sanctorius, nicht der Franzose
Lavoisier, der eigentliche Entdecker der Hautatmung ist.
Sanctorius Vaterland ehrte sein Verdienst durch Er¬
richtung einer marmornen Bildsäule; sein Jahrhundert erkannte
in ihm einen zweiten Hippokrates. Der Gelehrte Boerhave
sagt (Seite 40C, method, stud. med. London 1726) von seiner
Schrift: «Kein Buch der Medicin ist mit gleicher Vollendung
geschrieben".
*) Erhebende Gefühle, Begeisterung, Idealismus etc. sind also nur
einem Menschen inüglieb, dessen Leih nicht verschmutzt ist.
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1906,
^ icTl TfiTW T^ ((j WW WOCHE.
441
Appendix ausgehend, namentlich wenn es bis zum Beckenboden
reicht. DiiFerentialdiagnostisch ist hier die Anamnese wichtig, die
beim Pyosalpinx meist eine Gonorrhoe im Beginn ergibt; weiter
die Doppelseitigkeit bei tubaren Prozessen. Fühlbare Adnexe bei
biraanueller Palpation vor dem Exsudat sicheren seinen Ausgang
vom Appendix, desgleichen die grössere Lüngen- als Breitenaus¬
dehnung.
Sitzung vom 1. August 1906.
Fortsetzung der Diskussion.
Guttstadt gibt eine Reihe interessanter statistischer Daten.
Baginsky hebt einige Punkte der Appendicitis bei K^indern
hervor. Die Appendicitis ist seltener eine akute Krankheit; meist
geht sie aus einer chronischen Darmerkrankung hervor. Wichtig
sind chronische Blinddarmentzündungen, die nie zu akuten Anfall
führen; merkwürdige Fieberkurve mit häufigen Untertemperaturen,
Abmagerung, gelegentliches Erbrechen, unbestimmte Schmerzen sind
ihre Zeichen; ein operativer Eingriff ist hier nötig. Bei der Unter¬
suchung auf Druckschmerz kaun man objektive Resultate nur er¬
zielen bei dem von Rotten hervorgehobenen Vorgehen. Ganz akute
Fälle von Appendicitis ohne jedes praemonitorische Moment kommen
vor; sie erinnern io ihrem plötzlichen Einsetzen an bestimmte
Formen von Anginen und machen den Eindruck einer Tonsillitis
abdominalis. Zwischen Lokalbefund und Allgemeinerscheinungen
besteht kein Parallelismus. Trotz der Möglichkeit von diagnostischen
Irrtümern ist er prinzipieller Anhänger der Frühoperation und auch
der Intervalloperation geworden.
Me ge rer: Die bei den anatomischen Untersuchungen so oft
am Prozessus gefundenen Blutungen sind zum grösseren Teil als
Effekt der Operation anzusehen, wie sich das auch durch das Experi¬
ment nachweisen lässt. Sicher gehören hierher die punktförmigen
Haemorrhagien; die grösseren können als pathognomisch ange¬
sprochen werden, wenn sich Veränderungen des Blutfarbstoffs nach¬
weisen lassen.
Neu mann hebt hervor, dass in der allgemeinen Praxis doch
eine grosse Zahl von frischen, aber leichten Appendicitiden Vor¬
kommen, die bei Bettruhe, antiphlogistischer Behandlung, Opium
glatt und auch ohne Recidiv ausheilen. Diöse Fälle kommen nur
selten vor das Forum des Chirurgen und figurieren deshalb auch
nicht in den von diesen aufgestellten Statistiken. Für die Praxis
spielen sie eine grosse Rolle; die Frühopej-ation ist bei diesen ab¬
solut nicht erforderlich. Die Intervalloperation ist vorzunehmen,
wenn objektive Residuen dauernd bleiben.
Ewald: Der plötzliche Anfang der Appendicitis erscheint ihm
häufiger als ein praemonitori.sches Vorstadium. Schwerer ist es,
Medicinisches aus der schönen Literatur.
In zwangloser Folge mitgeteilt von
Dr. Leopold Hirschberg (Berlin).
3. Was eine Dichterin vor 100 Jahren über den
Aderlass dachte.
ln den Jahren 1804—1806 unterhielten zwei der inter¬
essantesten Frauengestalten der deutschen Literatur einen
langen, ausgiebigen Briefwechsel, der von einer derselben, der
Bettina Arnim, unter dem Namen der anderen „Die Günde-
rode“ im Jahre 1840 zweibändig veröffentlicht wurde. Die
„Bettina“ (so wird sie gewöhnlich genannt) ist allen Literatur¬
freunden als das berühmte „Kind“ bekannt, welches in dem
wundervollen Buche „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“
die Hauptrolle spielt. Zweifellos eine der genialsten Frauen,
die je gelebt haben, ist Bettina in ihren meist aphoristisch ge¬
haltenen Werken allen möglichen Fragen der Philosophie, Ethik
und Aesthetik nahegetreten. Die Günderode (dieser Name hat
sich im Gegensatz weit mehr eingebürgert als ihr Vorname
Caroline) war eine begabte Dichterin, doch scheuen, melancholi¬
schen Temperaments, die durch einen gegen das Herz geführten
Dolchstoss aus dem Leben schied; am 26. Juli 1906 jährte
sich ihr Todestag zum 100. Male. In einem ihrer Briefe er¬
wähnt die Günderode, dass sie zur Ader lassen müsse. Es ist
männiglich bekannt, dass solche Aderlässe zur Reinigung des
die Prognose als die Diagnose zu stellen. Puls, Temperatur, Leu-
cocytose geben keine sicheren Anhaltspunkte. Viele Fälle heilen
glatt aus; deshalb soll man nur operieren bei dringenden Symptomen.
Dieser Zeitpunkt ist mit ausreichender Sicherheit zu erkennen,
wenn man den Patienten dauernd in Beobachtung hat. Nur bei
Kindern ist prinzipiell früh zu operieren, da hier oft überraschend
plötzlich das leichte Bild sich in ein schweres wandelt. Unnötige
Operationen zu vermeiden, bedingt auch die nicht völlige Gefahr¬
losigkeit der Operation (Narkose, Folgeerscheinungen). Die Indika¬
tion zur Intervalloperation ist nach individualisierenden Erwägungen,
wie es Krause ausgeführt, zu stellen. Er glaubt, dass das Streben
nach der Frühoperation ersetzt werden wird durch das Streben
nach dem operativen Eingreifen zur rechten Zeit.
Albu: In 80—90®/o der Fälle von Appendicitis wird die Früh¬
diagnose des akuten Anfalls sicher möglich sein; der Lokal¬
schmerz, lokale Druckempfindlichkeit, Plötzlichkeit der Verdauungs¬
störungen etc. sind zu verwerten. Viel richtiger aber erscheint es,
die leichten von den schweren Fällen zu unterscheiden. Die er-
steren sind im allgemeinen Praxismaterial entschieden häufiger.
Die Schwere eines Falles muss rechtzeitig erkannt werden. Ein
sicheres Symptom gibt es dafür nicht; aber einen Symptomen-
komplex: anhaltendes Fieber, Pulsfrequenz im Missverhältnis zur
Temperatxir, Fortdauer des Erbrechens, steigende Dmokempfind-
lichkeit, Allsdehnung derselben, der Dämpfung, Rötung der Haut,
Defense musculaire, Drucksymptome von Blase und Rectum, Sin-
gultus, allgemeine Verfallenbeit. Diese Symptome zusammen oder
in einzelnen Kombinationen lassen die wachsende Schwere des
Krankheitsbildes gut erkennen und rechtzeitig den Termin für die
Operation bestimmen. Plötzliche Umwandlung eines anscheinend
leichten Falles in einen sehr schweren ist ein höchst seltenes Er¬
eignis. Prinzipielle Frühoperation ist nicht nötig; die Operation
ist nur nach genauen Indikationen vorzunehmen.
Hermes fordert die Frühoperation nidit prinzipiell, sondern
nur für die Fälle, die von vornherein schwer sind oder als schwer
verdächtig erscheinen. Für Difierentialdiagnose gegenüber Genital¬
affektionen ist die Anamnese wichtig; auch ist der meist weniger
stürmische Beginn bei genitalen Peritonitiden zu berücksichtigen.
Der Leucocytose misst er eine grössere dififerentialdiagnostische Be¬
deutung zu als sonst meist angenommen.
Hencke macht auf die Häufigkeit des Befundes von Kot-
steinen aufmerksam. Wenn auch die anatomische Untersuchung
die nicht seltene spontane Ausheilung selbst schwerer Veränderungen
des Prozessus dartut, so glaubt er doch, dass im ganzen die Er¬
gebnisse der pathologischen Anatomie im Sinne der Frühoperation
zu verwerten sind.
Geblütes früher ganz regelmässige Prozeduren waren, die be¬
sonders Frauen von ihren Hausärzten mit einer gewissen Feier¬
lichkeit vornehmen Hessen. Der gesunde Sinn Bettinens sträubte
sich stets gegen diesen willkürlichen Eingriff in den Kreislauf
des Lebens; wie sie sich über Alles, selbst das Geringste, ihre
Gedanken macht, so äussert sie sich auch über die Venäsektion
so originell, dass eine Wiederauffrischung dieser Zeilen immer¬
hin auf einiges Interesse rechnen kann. In ihrer entzückenden
Schreibweise, deren Charakteristikum unter anderen eine ge¬
wisse Formlosigkeit des Satzbaus und eine ganz willkürliche
Interpunktion ist, wendet sie sich folgendermaßen an die ab¬
göttisch geliebte Freundin:
„Ach lasse doch ja nicht zur Ader, aus tausend Gründen,
denn (vielleicht): wenn einer nur einmal zur Ader gelassen
hat, so kann er kein Soldat mehr sein, kein Held! man kann
gar nicht wissen was so ein Eingriff in die Natur für Ver-
ändrung im menschUchen Geist macht, und wozu er all die
Fähigkeit verlieren kann. Ich bitte Dich, lasse nicht zur Ader,
im Kloster, da, wenn der Tag kam wo das Aderlassmännchen
im Kalender steht, ich glaub es war grad in der heissen Zeit
wie jetzt, da Hessen die Nonnen alle am linken Fuss zur Ader,
da Kam ein Chirurg, ich war immer in Anstaunen seiner
Hässlichkeit verloren, er hiess Herr Has. — Eine alte Nonne
sagte einmal, man könne in seine Pockengruben, in denen sehr
viel erdiger Schmutz war, Kresse säen, so würde er einen
grünen Bart bekommen, ich hielt also immer Kresse bereit und
passte auf die Gelegenheit ihm den Samen einzustreuen, und
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442
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 42.
Seefisch spricht sich bei der Schwierigkeit der Beurteilung
bleibender Residuen nach Appendicitisattaquen für möglichst radi¬
kalen Standpunkt bezüglich der Intervalloperation aus. Ausnahmen
will er nur bei Alkoholikern und Fettleibigen gelten lassen.
Bet'liner ophthalmologisclie Gesellschaft,
Sitzung vom 21. Juni 1906.
1. Herr Köllner: Ueber Gesichtsfelder bei typischer
Eigmentdegeneration der Netzhaut,
Die erste bei der Pigmentdegeneration der Netzhaut auf¬
tretende Gesichtsfeldstörung ist die ringförmige. Vortragender
konstatierte dies an 18 Fällen, die mit dem von Michelscheu elek¬
trischen Perimeter untersucht wurden. Gewöhnlich fällt erst die
obere Hälfte aus, meist liegt der Defekt zwischen 20 und 60 Fast
bei allen hochgradigen Fällen lässt sich das Ringskotom konstatieren,
selbst wenn am Perimeter eine rein konzentrische Einengung fest¬
gestellt wird. Rein zentrale Skotome kommen nur sehr vereinzelt
vor. Das ophthalmoskopische Bild geht diesem Befunde bis zu
einem gewissen Grade parallel, denn nach dem Zentrum, wie nach
der äussersten Peripherie nehmen die Pigmentherde ab. Die Ge-
sichtsfeldstörungen rühren von dem anatomischen Verhalten der
Ciliararterien, bez. des anastomosenarmen ringförmigen Gebietes der
Aderhaut her.
2. Herr Lichtenstein: Hypermetropie und Diabetes
mellitus.
Ein iTjähriger Gärtner erklärt, dass sein Sehvermögen in
letzter Zeit abgenommen hätte, S = Ve, dabei völlige Akkommo¬
dationslähmung (+ 12,0 D.). Linke Pupille ist erweitert, normales
Gesichtsfeld. Bei einer Menge von 6 Litern Urin und 1026 sp. Gew.
4,5 ®/o Zucker. Wie häufig bei Diabetes schwache Kniereflexe. Pat.
benötigt am Tage nach der 1. Untersuchung für die Ferne -j- 2,5,
nach 5 Tagen + 3,5, nach 8 Wochen wieder 1,5, während
die Lähmung auf 5,0 zurückgegangen war. Dieser Befund liess
sich stets objektiv mittels des Augenspiegels kontrollieren. Es han¬
delte sich also um eine transitorisehe Hypermetropie. Au-sgeschlossen
war latente Hypermetropie, so dass Vortr. sieb genötigt sah, Groe-
nouw und Schmidt - Rimpler zu widersprechen, die diese Fälle auf
das Manifestwerden einer bis dahin latenten Hyi^ermetropie zurück¬
führten. Es ist vielmehr eine Veränderung der ßrechkraft der Linse
durch vermehrte Wasserabgabe infolge der Zuckerkrankheit als Ur¬
sache anzunehmen. In der Diskxission stellt Herr Ko wale w sky
einen Fall von Ophthalmoplegia interna bei chronischer Nierenent¬
zündung (7 ®/oo Eiweiss) vor, der akut aufg etreten war.
3. Herr von Michel: Ueber syphilitische Augen-
gefässverändernngen.
habe auch einen Augenblick wo er über dem Warten auf die
Nonnen eingeschlafen war, benutzt, und Du magsts glauben
oder nicht, die Kresse hatte einen sehr günstigen Boden, sie
begann mit Macht emporzuschies.sen, man brauchte ihn nur
mit Essig und Oel einzuseifen, so hatte man den trefflichsten
Salat von seinem Bartschabsei. Aber gelt Du glaubest
nicht? — Aber hör, da fällt mir ein, esse doch eine recht
tüchtige Schüssel voll Salat, das kühlt das Blut ab, aber wenn
Du bei einer Entzündung noch Blut verlierst, so wird natürlich
diese verstärkt, denn wenn Du ein Dippen mit Wasser kochend
hast, und schüttst einen Theil davon weg, so kochts viel
stärker. —
Ich dacht auf was, was Dir recht gut war, da dacht ich
gleich die Aprikosen in der Grossmama ihrem Garten müssten
Dir gesund sein; da ging ich um die Bäum herum und er¬
spähte die besten, und lernte sie alle auswendig wo sie hingen,
und so spazierte ich einem Wiederholen meiner Lection, bis
die Sonne unterging, denn bei Tag könnt ich sie nicht stehlen,
ich musste warten bis alles am Spieltisch sass, es war Dir das
schönste Plaisir, diese Aprikosen zu stehlen, erstens die Angst
ist ein wahrer Spass, das Herz klopfte mir so, ich musste so
lacbcii vor Freud; Herzklopfen ist so was angenehmes, und
denn wars grud als Hessen sie sich recht gern stehlen, sie
fielen mir in die Hand, ich hatte mir ein Tuch um den Hals
gebunden da warf ich sie hinein, zwanzig! — ich war recht
froh wie icli sie all iiatte, und glücklich auf meiner Stube war,
da hab ich sie alle in die jungen Weinblätter gepackt, die sind
Es handelt sich meistens um eine sehr zellreiche, herdförmige,
proliferierende Entzündung der Intima und Adventitia; die Er¬
krankung der Media ist meistenteils sekundär. Bei Untersuchung
des wegen schmerzhaften, absoluten Glaukoms entfernten Aug¬
apfels eines 38jährigen Syphilitikers, fand Vortr. die episkleralen,
ciliären und retinalen Gefässe krank (Endarteriitia und Perivas-
culitis), besonders am Cirkulus arteriosus maior.
Im Strahlenkörper Knötchen. Durch gleichmäasige Infiltration
verdickte Aderhaut, Netzhautgefässe auf der Papille und in der
Lamina cribrosa erkrankt. Gumma auf der Papille, am Sehnorven-
stamm Leptomeningitis. Keine Spirochaeten; zahlreiche epidiasko-
pische Erläuteningen. Kurt Steindorff.
Kongressbericht.
23. Kongress für innere Medicin
vom 23. bis 26. April 1906 in München.
Referent: Dr. Grassmann-München.
(Scäluss.)
Herr Türk-Wien: Ueber die Beziehungen zwischen
myeloidem und lymphoidem Gewebe im Verlaufe von
Leukämi en.
T. berichtet über mehrere klinische Beobachtungen chronischer
myeloider Leiikämie, in deren Verlaufe sich in Spätstadien oder
unter dem anscheinenden Einflüsse therapeutischer Massnahmen
(Arsen, Röntgen) eine mehr oder weniger akut einsetzende und
verlaufende leukämische Wucherung lymphoiden Charakters ent¬
wickelte. Diese lymphoid - leukämische, sekundär entstandene Er¬
krankung be.stand dann eine Zeit lang neben der noch fortdauernden
myeloiden Leukämie, verdrängte diese aber in dem einen Falle
so vollkommen, dass schliesslich im Blut und in den blutbereitendeu
Organen nur mehr äusserst spärliche granulierte Zellen neben der
überwiegenden Zahl der lymphoiden Elemente gefunden wurden.
Leider fehlt in den 3 zur Sektion gekommenen Fällen die histo¬
logische Untersuchung von Schnitten der blutbereitenden Organe;
es wurden bisher nur Ausstrichpräparate untersucht und diese zeigen
in den ersten zwei Fällen in i^ochenmark, Milz und Lymphdrüsen
beinahe ein Ueberwiegen lymphoider Zellen gegenüber den Granu-
lozyden; im letzten Falle sind, wie erwähnt, überhaupt nur mehr
vereinzelte neutrophil granulierte Zellen zu sehen.
Ein vierter Fall wurde vom Vortragenden nur vorübergehend
selbst untersucht, ist sonst hämatologisch nicht genau beobachtet
und verlies kurz vor dem Tode das Spital, so dass keine Sektion
vom zweiten Schuss und haben einen so weichen Sammet auf
der linken Seite. Da liegen sie in der Schachtel und gucken
mich an als hätten sie Appetit auf einen Biss von meinem
Mund, aber da wird nichts draus, sie sind all für Dich, sie
müssen sichs vergehen lassen von mir gespeist zu werden.
Esse sie Günderod, sie sind gut, Gott hat sie geschaffen für
Entzündungen damit die aus dem Blut wieder in den Geist
zurückgehen soll, aus dem sie eigentlich nur ausgetreten war
ins Blut. Lass nur nicht zur Ader, denn wie gesa^ es ahnt
mir, dass dadurch etwas im Menschen zu Grunde g^en könne,
vielleicht das echte Heldenthum; wer weiss, ob nicht einer, der
einmal Ader gelassen hat, hierdurch nicht seine ganze Nach¬
kommen um die Tapferkeit gebracht hat, und dass diese Jugend
eben darum jetzt so rar ist. — Das Aderlassmännchen ist der
Teufel, der hat sich so ganz sachte in den Kalender ge¬
schlichen, um die Menschen um das einzige zu betrügen was
ihm Widerstand leisten kann, um den Stahl im Blut, der
übergeht in den Geist, und den fest macht dass er thun kann
was er will.“
Heiliger Rabbi Ben Akibal Also auch einer der grössten
Clous der modernen Blumenläden, das bewachsene Glücks-
schw^ein, war schon vor hundert Jahren da!
(Soll fortgesetzt worden.)
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1906.
MEDICmiSCHB WOCHE.
443
vorgenommen werden konnte. Es bestand zunächst eine mjeloide
Leukämie mit einem dem chronischen Verlaufstypus entsprechenden
Blutbefunde; doch waren schon anfangs etwa 13 Proz. lymphoide
Zellen vorhanden, von denen die meisten nicht lymphoide
Markzellen sein dürften (ungünstige Färbung). Terminal ent¬
standen (nach Arsen und Röntgenbehandlung) akut wachsende
Drüsentumoren und es erfolgte ein rapider neuerlicher Leukozyten-
anatieg, wobei scheinbar besonders die lymphoiden Zellformen Zu¬
nahmen. Bei' guter Triazidfarbung zeigte jedoch ein Teil dieser
sonst sehr atypisch aussehenden Elemente eine minimale Andeutung
neutrophiler Granulation, während ein anderer bedeutender Teil
auch diese Andeutung vermissen Hess. Jedenfalls bestand hier
terminal eine weitgehende Entdifferenzierung der rapid wuchernden
neutrophilen Myeloeiten, doch glaubt der Vortragende, dass auch
noch separat eine von Anfang schon angedeutete lymphoid-leukä-
mische Wucherung terminal sich weiter ausbildete. In diesem
Palle ist jedoch ein sicherer Schluss nicht möglich, weil die lym¬
phoiden Zellen nicht wie in den früheren, besonders im ersten
und zweiten Falle, typische kleine und grosse Lymphocyten, sondern
atypisch gebildet waren, und weil die Sektion fehlt. In den ersten
3 Fällen wurde dagegen niemals in den lymphoiden Elementen
auch nur eine Spur neutrophiler Granulierung gefunden und des¬
halb nimmt der Vortragende für sie mit Sicherheit die sekundäre
Entwicklung einer lymphoiden Wucherung neben der ursprünglichen
myeloinen Leukämie an.
Diskussion.
Hr. E. Meyer-München hat bei schweren Anämien in der
Leber und Milz, in den Lymphdrüsen Veränderungen gefunden,
welche sich decken mit dem Befunde an diesen Organen, wie
man denselben ln bestimmten Zeiten des embryonalen Lebens
findet.
Hr. Schritte-Marburg hat in zwei Brustdrüsen zwei ausge¬
dehnte Entwicklungsherde für Brutkörperchen nachweisen können.
Hr. Königer-Erlangen weist darauf hin, dass die Röntgen¬
behandlung den Uebergang der myeloiden Leukämie in eine
scheinbar lymphoide Form begünstigt. Wahrscheinlich handelt e.s
sioh dabei aber lediglich um eine Verfügung der lymphoideu
Wucherung,
Zu kurzen Bemerkungen ergreifen noch das Wort der Vor¬
tragende zu einer Entgegnung gegenüber E. Meyer sowie Nae-
geli' Zürich.
Hr. Achelis-Marburg: Kurze Mitteilung über die
Hervorrufung der Entartungsreaktion durch Er¬
müdung.
Experimentell-physiologische Untersuchungen haben gezeigt,
dass man durch Ermüdung mit dem faradischen Strom am Nerv-
Muskelpräparat vom Frosch wie auch vom Warmblüter momentan
die Erscheinungen der Entartungsreaktion hervorrufen kann.
Durch Latenzbestimmungen und durch Parallelversuche an Tieren,
bei denen durch Nervendurchschneidung Eiitartungsreaktioii her¬
vorgerufen war, Hess sich ferner eine völlige Ueljereinstiinmung
der durch Ermüdung und der durch Nervendurchschneidung ent¬
standenen Entartungsreaktion darlegen.
Diese Resultate sind geeignet, einmal speziell die Umkehr der
Zuckungsformel zu erklären, zweitens aber auch zu zeigen, dass
die Entartungsreaktion beim Menschen wohl nicht auf die degene-
ralive Atrophie der Muskulatur zurückzuführen ist, sondern wohl
lediglich durch den Fortfall der spezifischen Wirkung der Nieren
auf den Muskel zu erklären ist.
Mit kurzen Dankesworten des Vorsitzenden, Herrn Strüm¬
pell-Breslau wird der Kongress um 12 Uhr geschlossen.
Dem Kongresse, der nach jeder Richtung hin sshr befriedigend
verlaufen zu sein scheint, war eine Aus-stcllung technischer, pharma-
ceutischer, buchhändlerischer und anderer medicinischer Neuheiten
in herkömmlicher Weise angegliedert. Besondere Erwähnung ver¬
dient jedoch die von Prof. Dr. G. Klein-München arrangierte
Ausstellung von Originalwerken zur Geschichte der medicinischen
Abbildungen, die gewiss die Bewunderung jedes Kenners wachge¬
rufen hat.
Die Erinnerung an einen ganz reizenden, dem feinsten Kunst¬
genüsse geweihten Abend aber weiden alle Kongressteilnehmer
mit nach Hause genommen haben, die der Festvorsteilung in
unserem prächtigen Residenztheater anwohnten. Die Herausgeber
der Münchner med. Wochenschrift hatten sie dahin eingeladen, um
im Mozart-Jahre 1906 sich an des Meisters Cosi fan Tutte zu er¬
quicken.
78» Versammlung deutacTiet* Naturforscher und
Aerzte in St^Utgart.
Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Hr. v. Herff-Basel: Zur Behandlung der engen
Becken.
Man kann zwei Richtungen in der Geburtshilfe unterscheiden!
Die abwartende und die vorbeugende. Erstere nennt sich kon¬
servativ , weil sie sich nicht zur künstlichen Frühgeburt versteht.
Sie schätzt das Leben des Kindes höher ein und mutet der Mutter
schwierige, langdauemde, häufig operative Geburt zu. Die zweite
Richtung vertritt das Interesse der Mutter als des kostbaren
Lebens und ihr vornehmstes Mittel ist neben der prophylaktischen
Wendung und der äusseren Wendung die künstliche Frühgeburt.
Unter 10 000 Geburten der Baseler Klinik sind 413 enge Becken
mit einer geschätzten Conj. vera unter 10 cm; dieselben verteilen
sich auf die Zeit unter Bumm und v. Herff. Bei vorbeugender
Behandlung konnten hierbei 87,8% Kinder lebend entlassen werden,
welch Resultat hauptsächlich auf Rechnung der künstlichen Früh¬
geburt zu setzen ist. Nimmt man unter 10 000 Geburten mit
Gönner 700 enge Becken an, so beträgt der Verlust an Kindern
in Basel 8%. Die künstliche Frühgeburt hat die Resxütate für
die Kinder nicht verschlechtert, sondern verbessert, da sie haupt¬
sächlich schwerere Fälle betriffc. Die Verluste der Mütter betrugen
unter 700 Geburten bei Beckenenge rund 1,3% (9 Todesfälle).
Von diesen wurden aber 4 nach erfolgter Uterusruptur, 2 infiziert
eingeliefert. Damit reduzieren sich die Verluste auf 0,4%, wovon
2 auf Atonie entfallen. Ein Fall von Bakteriaemie nach Scham-
fugensclmitt aus dem Jahr 1897 bleibt übrig. Die mütterliche
Sterblichkeit in Basel ist dieselbe wie in Leipzig und Tübingen.
Die künstliche Frühgeburt ist auch heute noch ein vollberechtigter
und segensreicher Eingriff.
Hr. Hofmeier-Würzburg: Ueber die Berechtigung
einer aktiven Behandlung in der Geburtshilfe.
Unter den Todesursachen der Kinder (im ganzen 3,3% Tot¬
geburten an der Würzburger Klinik) stehen die engen Becken mit
71 Todesfällen = 43,6%. An exspektativer Behandlung sind 29
Kinder, infolge der sogenannten prophylaktischen Operationen 24
Kinder gestorben. Die Zahl der an künstlicber Frühgeburt ge¬
storbenen Kinder ist in Würzburg sehr gross; 16 Todesfälle auf
115 künstliche Frühgeburten. Hofmeier neigt deshalb immer
mehr dem relativen Kaiserschnitt zu; er würde seine entbindenden
Verfahren ohne weiteres ändern, wenn es etwas Besseres gäbe,
Die Chancen für die Kinder sind bei operativem Vorgehen sehr
gute. Die Mortalität der Mütter betrug unter 163 Fällen mit
während der Geburt gestorbenen Kindern 7, die mit der Leitung
der Geburt nicht in Zusammenhang stehen (Eklampsie, Placeuta
praevia, fibrinöse Pneumonie). Bei gemäßigt aktiven Prinzipien
hat H. keinen Todesfall der Mütter, dagegen nur bei solchen
Operationen, die zur Rettung des Kindes unternommen wurden.
Ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz der durch aktive Operation
geretteten Kinder ist kurz nach der Entlassung zu Grunde gegangen.
Deswegen ist H. einem gemäßigt aktiven Vorgehen, auch hin¬
sichtlich der Art der Operation, an sich nicht abgeneigt.
Diskussion.
Hr. Wal eher-Stuttgart pflichtet dem Vortitigenden im all¬
gemeinen bei, besonders hinsichtlich der künstlichen Frühgeburt,
scbliesst eventuell auch noch die Pubiotomie an, doch soll inan
möglichst lange warten. Er legt zunächst die Säge sukutau an
und sägt den Knochen nur im Notfall durch, wenn die Geburt
in Hängelage nicht gelingt. Unter 8 Pubiotomien hat er 1 Todes¬
fall (Infektion eines Scheidenrisses bei einer Eklamptischen).
Hr. Herzfeld-Wien: Die Frage der Pubiotomie ist für
Klinik und Arzt noch nicht spruchreif. Man muss mit der Pubio¬
tomie so lange als möglich warten. Die Einteilung der Becken
nach Pfannenstiel ist sehr zweckmäßig. Die künstliche Früh¬
geburt kann bei Becken bis 8 cm angewandt werden. Doch ist
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444
"M fcD TfilN iSC j H K ^VOCllJfi.
Nr. 42.
auf die Zustimmung der Mutter zum betreffeuden Eingriff Rück-
eicht zu nehmen.
Hr. W. Freund-Strassburg: lieber das Schicksal-der ent¬
lassenen Kinder wissen wir gar nichts. Prinzipielle Abmachungen
hinsichtlich der Indikationsstellung dürfen wir nicht machen, doch
sollen möglichst viel lebende Kinder erzielt werden. Immerhin
geht man heute darin wohl aber zu weit. Eine gute Beobachtung
während der Geburt ist für den guten Verlauf derselben das
Wesentlichste.
Hr. Krönig-Freiburg i. B. ist mit allen Vorrednern gar
nicht einverstanden, er will keine sozialen Indikationen gelten
lassen. Das Leben der einzelnen Kinder ist mehr zu wägen. Die
Zahl der lebenden Kinder hat Kr. mit aktivem Vorgehen ent¬
schieden erhöht und glaubt an eine noch weitergehende Besserung
der Verhältnisse. Die Operationsfrequenz im ganzen ist natürlich
gestiegen, doch ist in der Freiburger Kliuik unter 1000 Geburten
nur 16mal wegen engen Beckens eingegriffen worden, darunter
13 Hebotomien und 3 Kaiserschnitte. Kr. verwirft prinzipiell die
prophylaktische Wendung, die hohe Zange und die künstliche
Frühgeburt, auch wären bei seinem Material die letzten nur ein¬
mal möglich gewesen. Die künstliche Frühgeburt wird in den
meisten Fällen unnötigerweise gemacht. Die Hebotomie ist nie¬
mals durch dieselbe zu ersetzen.
Hr. Veit-Halle a. S: Die künstliche Frühgeburt lässt die
Perforation der lebenden Kinder noch nicht vermeiden, dagegen
können wir die Pubiotomie noch nicht in die Praxis übersetzen;
deshalb können wir die künstliche Frühgeburt vorläufig noch nicht
entbehren.
Hr. Baisch-Tübingen: Bezüglich der Mortalität der Kinder
müssen die Todesursachen getrennt betrachtet werden. Eine
Kombination von künstlicher Frühgeburt und Pubiotomie ist zu
verwerfen, da sie die Nachteile beider kumuliert, die Vorteile aber
eliminiert. In solchen Fällen empfiehlt sich der Kaiserschnitt.
Hr. M e n g e - Erlangen; Weder künstliche Frühgeburt noch
prophylaktische Wendung haben fest umgrenzte Indikationen, sind
somit unwissenschaftlich und haben keine Berechtigung. Dies sei
besonders unter dem didaktischen Gesichtspunkte gesagt.
Hr. Everke-Bochum verwirft die Perforation der lebenden
Kinder zugunsten des Kaiserschnittes. Als Praktiker darf man
die künstliche Frühgeburt nicht ganz über Bord werfen.
Hr. Gutbrod-Heilbronn spricht sich ebenfalls für die künst¬
liche Frühgeburt aus.
Hr. Hofmeier betont, dass die künstliche Frühgeburt keine
unwissenschaftliche Operation ist. Die soziale Stellung der Frau
ist nicht maßgebend.
Hr. v. Herff: Die Pubiotomie ist nur Notoperation. Erbe¬
kennt sich als Freund der hohen Zange, die er früher oft ge¬
macht hat. Die Indikation zur künstlichen Frühgeburt beruht
nicht auf den Beckenmaßen, sondern auf dem Verhältnis zwisdien
Kopf und Becken. Dies ist eine wissenschaftliche und umschriebene
Anzeige.
Hr. Pfannenstiel betont gegenüber Kronig den didak¬
tischen Standpunkt; der Praktiker müsse die künstliche Frühge¬
burt beherrschen.
Hr. Krönig hält die Frage für noch nicht genügend geklärt,
um didaktisch vergehen zu können.
Sitzung vom 18. September, vormittags 11 Uhr.
Vorsitzender: Herr Hofmeier.
Hr. Veit-Halle a. S.: Tuberkulose und Schwanger¬
schaft.
Die Auffassung der inneren Medicin, dass die tuberkulöse
Frau sich in der Schwangerschaft wohl fühlt und dass sie im
Wochenbett schnell zu Grunde geht, trifft nicht zu. Wie Veit
schon in Cassel vorgeschlagen hat, ist das Wesentlichste bei der
Beurteilung der tuberkulösen Schwangeren die Kontrolle des Körper¬
gewichts. Regelmäßige Gewichtszunahme kontraindiziert den künst¬
lichen Abort, ebenso eine regelmäßige Abnahme, da hier nichts
mehr zu gewinnen ist. Bei Fieber allein ist die Einleitung des
künstlichen Aborts diskutabel. Die Tuberkulose an sich ist noch
keine Indikation, sondern die Reaktion des Körpers, und dies bezieht
sich auch auf Fälle von Kehlkopftuberkulose sowie von Erbrechen.
In letzterem Falle hat Veit kein einziges Mal Grund zur Ein¬
leitung des künstlichen Aborts gefunden.
Diskussion.
• Hr. Weinberg-Stuttgart hat mit Hilfe der württembergischen
Familienregister sowie der sächsischen Statistik gefunden, dass ein
Einfiuss der Tuberkulose auf die Sterblichkeit im Wochenbett nicht
existiert. Am 1. Tage des Wochenbetts starben ebenso viele
Frauen an Tuberkulose, wie an den 7 Tagen der 6. Woche zu¬
sammen. Das Wochenbett kann also in den meisten Fällen nicht
die Ursache dieser Sterblichkeit sein, sondern es wird durch die
häufige vorzeitige Unterbrechung der Schwangerschaft übermäßig
mit Todesfällen an Tuberkulose belastet.
Hr. Neu-Heidelberg: Gewichtsbestimmungen allein können
nicht ausschlaggebend sein, die Beobachtung der Temperatur ist
ebenfalls sehr wichtig, besonders bei belasteter Anamnese. Tem¬
peraturen von 37,7 im Rektum sind schon suspekt. Nur auf
Grund streng individualisierender Beobachtung, womöglich unter
Zuziehung eines Internisten, dürfen therapeutische Entschlüsse ge¬
fasst werden.
Hr. E ve r k e - Bochum: Maßgebend ist auch die Gemüts*
Stimmung der tuberkulösen Schwangeren, Unter Umständen ist
die vaginale Sterilisierung angezeigt.
Hr. W. Freund-Strassburg teilt den Pessimismus der inneren
Mediciner hinsichtlich der Komplikation von Schwangerschaft und
Tuberkulose nicht. Bei Fortschreiten der Tuberkulose mit fort¬
schreitender Gravidität ist der Abort diskutabel, ist aber trotzdem
sehr gefährlich. Günstig liegen die Verhältnisse dagegen bei
beginnender Kehlkopftuberkulose.
Hr. Krön ig-Freiburg wünscht eine möglichst grosse Kasuistik,
hält aber den Pessimismus der Internisten doch für berechtigt.
Eine Dame war 6 Jahre gesund, verheiratete sich dann mit einem
Arzt, konzipierte, und trotz künstlichen Aborts im II. Monat trat
ein schweres Recidiv auf,
Hr. Schaffer-Heidelberg: Statistiken nützen wenig, die
eigenen Fälle sind am wichtigsten. Bei Erstgebärenden haben
Aborte meist sehr schlechte Prognose. Bei Mehrgebärenden mit
progressiver Verschlechterung in den einzelnen Graviditäten liegt
die Sache anders. Eine Frau aus gutem Mittelstand hatte 5 Kinder
in 6 Jahren, 3 lebten, waren aber kränklich, dabei trat eine
progressive Verschlechterung auf. Dann Abortus arteficialis, Besser¬
ung. Nach 4 Jahren ausgetragene Schwangerschaft bei bester
Gesundheit, bat selbst gestillt. Frau und Kind jetzt ganz gesund.
Hr. P fan nenstiel-Giessen: Frauen mit schwerer Tuberkulose
werden durch den künstlichen Abortus oft vor ernsthafter Ver¬
schlimmerung bewahrt, mit dem Wägen kommt man oft zu spät.
Zu den Indikationen gehören ausser Fieber Hämoptoe, Larynx-
und Darmtuberkulose, ferner Komplikationen mit Vitium cordis.
Hr. Veit-Halle a. S. (Schlusswort): Nicht wegen der Tuber¬
kulose allein ist einzuschreiten, sondern wegen des Einflusses, den
die Schwangerschaft axif den tuberkulösen Prozess ausübt. Des¬
wegen ist die Gewichtsbestimmung ein wertvolles Mittel, um fest¬
zustellen, wie es steht.
Hr. Everke-Bochum: Die Osteomalaoie in Westfalen.
In 20jähriger gynäkologischer Tätigkeit hatte E. 32 Fälle von
Osteomalaoie, alle bis auf 2 in Bochum oder nächster Umgebung
und fast alle in guten Nabrungs- und Wohnungsverhältnissen. Die
schwersten Formen zeigten 2 Frauen, eine mit zahlreichen Spontan¬
frakturen, die andere auf 20 kg abgemagert und nur 112 cm gross.
Durchgehends waren es Mehrgebärende mit zunehmender Osteomalaoie,
alle waren absolut arbeitsunfähig, eventuelle Geburten mussten
durch die schwersten Operationen beendet werden. E. hat in
15 Fällen im Anschluss an Sectio oder auch für sich die Kastration
ausgeführt und in allen Fällen, welche die Operation überstanden
(11), Heilung erzielt. In frischen, leichten Fällen mag eine Phosphor¬
therapie versucht werden,
Diskussion.
Hr. Peter Müller glaubt nicht, dass die Heilung eine dauernde
ist, da er immer nach 3, einmal nach 4—5, einmal nach 7 Jahren
Recidiv gesehen hat.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
445
Hr. Frank'Cöln weist auf die Arbeit yon Beanoamp hin,
wonach die Besserung nach Kastration auch nur eine Zeitlang anh<.
Bür. Krönig-Freiburg berichtet über einen Fall von Osteo-
malaoie in jugendlichem Alter mit Reimplantation der Ovarien. Es
trat erhebliche Besserung ein, solange die Menses ausblieben, mit
Wiedereintritt derselben wieder erhebliche Verschlechterung, dann
aber auf Phosphorlebertran deutliche und anhaltende Besserung.
Hr. W. Freund-Strassburg spricht sich ebenfalls für kon¬
servative Behandlung aus. Er versuchte in einem Falle, nur das
Corpus luteum graviditatis zu entfernen; da dies nicht gelang,
entibmte er das betreffende Ovarium für sich mit bisher sehr
befriedigendem Erfolg.
Hr. Waloher-Stuttgart hat unter 20 Kastrierten bisher noch
keine Kenntnis von Recidiven erworben. Das Ovarium ist kein
regulierendes Organ für die Schwangerschaft; er hat dasselbe zwei¬
mal während der Schwangerschaft exstirpiert, mit dem Erfolge, dass
die Beschwerden sofort aufhörten und die Frauen auch nach normaler
Geburt gesund blieben.
Hr. Hofmeier-Würzburg hat nach seinen reichen Erfahrungen
in Würzborg nach 16—17 Jahren nie ein Recidiv in einem Falle
von Kastration oder Porro - Operation auftreten sehen. Unter¬
suchungen von Hoenicke haben in auffallender Weise Kompli¬
kationen mit Schilddrüsenerkranknngen ergeben.
Hr. Peter Müller-Bem glaubt nicht an einen Zusammen¬
hang zwischen Kropf und Osteomalacie, da in Bern die Kröpfe ja
sehr häufig, Osteomalacien dagegen selten Vorkommen.
Hr. E V e r k e (Schlusswort) erwähnt noch, dass osteomalacische
Mütter häufig rachitische Kinder gebären. Hinsichtlich der Dauer
der Heilung hat er solche in Verbindung mit Arbeitsfähigkeit noch
nach 16 Jahren konstatiert, viele nach 8—10 Jahren.
Sektion 16 für innere Medioin, Pharmakologie, Balneologie und
Hydrotherapie.
Referent: Dr. Weinberg-Stuttgart.
Sitzung vom 17. September, nachmittags 3 Uhr.
Vorsitzende: Hr. Naunyn-Baden-Baden und Hr. Moritz-Giessen.
1. Hr. Senator: Ueber den Stoffwechsel bei der
Erythrocythaemia splenica (Plethora polyeythaemica rubra).
Bei dieser Krankheit, die mit Milzschwellung verbunden ist,
sind die roten Blutkörperchen bis auf 10 Millionen pro Kubikmilli¬
meter vermehrt, man findet im Blut Normoblasten. Die Leuko-
cytenzahl ist normal, aber das Verhältnis der einzelnen Arten ist
verschoben, die Lymphocyten sind vermindert, die Myelocyten
vermehrt, was auf vermehrte Tätigkeit des Knochenmarkes zurück¬
geführt wird, die eosinophilen und Mastzellen sind vermehrt. Das
spezifische Gewicht des Blutes ist erhöht, sein Trockeurückstand
vermindert. Nach den Untersuchungen von Hirschfeld handelt
es sich um eine Plethora vera, also Vermehrung des Blutes. Der
Stickstoffwechsel ist nicht gestört, der Gasstoffwechsel dagegen
ist wesentlich erhöht, das Atmun^volumen gesteigert. Entweder
bildet die Zunahme der roten Blutkörperchen einen Reiz auf die
Gewebe oder wirkt ein besonderer Reiz ein, der durch stärkere
Blutbildung überhaupt zu vermehrter Atmung führt. Der respira¬
torische Quotient schwankt nach 0,7 und 1,0. Ein verminderter
Verbrauch von Blutkörperchen ist als Erklärung der vermehrten
Blutkörperchenzahl nicht wahrscheinlich, einzig die beobachtete
Herabsetzung des Urobilins im Ham würde dafür sprechen. Für
die Annahme einer gesteigerten Blutkörperchenbildung spricht die
Hypertrophie des Knochenmarks in den wenigen untersuchten
Fällen, die Eisenausscheidung ist gesteigert. Von ständigen Be¬
fanden an der Milz kann man nicht sprechen. Blutentziehungen
bewirken vorübergehende Besserung des Zustandes des Kranken.
Diskussion.
Hr. Mohr-Berlin; Elr glaubt in der Erhöhung des Sauerstoff¬
gehaltes des Blutes bei der in Frage stehenden Krankheit keinen
Beweis gegen die Richtigkeit der Pflüger-Voitscheu Theorie
zu sehen. Injizierter Sauerstoff hat dieselbe Wirkung wie ein¬
geatmeter; möglicherweise wirken auch andere Momente auf den
Sauerstoffwechsel erhöhend ein, namentlich ist das Atmungsvolum
erhöht. Bei dieser Krankheit hat ferner die Blotbewegung grössere
Hindernisse zu überwinden, was auch Einfluss auf den Ghtsverbranch
haben kann. Ueber den Einfluss des Knochenmarks wissen wir
gar nichts, es hat vielleicht unter pathologischen Verhältnisseu
einen Einfluss, wie ihn die Schilddrüse unter normalen Verhältnissen
besitzt.
Hr. Senator (Schlusswort): Er hat die Gültigkeit des Pflu-
ger-Voitschen Gesetzes nicht bestritten. Die Viscosität des
Blutes ist erhöbt und damit muss allerdings die Herzarbeit steigen,
man hat dann andi in manchen Fällen Herzhypertrophie gefunden.
2. Hr. Hoffmann-Düsseldorf: Ueber die klinische Be¬
deutung der Herzarhythmie.
Früher sah man in jeder Störung der rhythmischen Herz¬
aktion das Zeichen einer organischen Affektion, erst seit kurzem
ist Dachgewiesen, dass solche Störungen häufig nur funktioneller
Natur sind. Die verschiedenen Formen der Arhythmie sind von
verschiedener klinischer Bedeutung. Man beachtet jetzt nicht bloss
die Pulsform, sondern auch die verschiedenen Formen der Herz¬
tätigkeit selbst. H. bat 183 Fälle von Arhythmie, die grössten¬
teils ambulant behandelt wurden, beobachtet:
Pulsus respiratorius iiregularis (48 Fälle). Ein auffallender
Einfluss der Atmung auf die Pulsfrequenz kann auch bei Gesunden
Vorkommen, besonders bei Neurasthenikern (29 Fälle). Nur
10 mal wurde organische Affektion des Herzens iräobachtet, die ju-
cunde Form 5 mal Eine Abart ist die orthostatische Herz¬
irregularität (11 Fälle), die im Moment des Aufstehens ent¬
steht und beim Niederlegen ebenso schnell verschwindet. Ihre
klinische Bedeutung ist die gleiche wie beim Pulsus respiratorius
iiregularis. *
Eztrasystolische Irregularität, bei der sich in den regulären
Rhythmen zeitweise Systolen einschieben. 64 Fälle, darunter
18 mal andauernde Irregularität (18 mal Arteriosklerose). Bei
Schwangeren von vorübergehendem Charakter indiziert sie keine
operativen Eingriffe. Bei fieberhaften Krankheiten, auch bei Pneu¬
monie, ist ihre Prognose nicht immer ungünstig. 19 mal bestand
sie bei Neurasthenikern. Sie kann sich an jede Phase der Herz¬
aktion anscbliessen.
Der Pulsus irreg^ularis perpetuus stellt keine bestimmte kli¬
nische Form dar, besondere Formen sind die paroxysmale Arhyth¬
mie, die das Wohlbefinden wenig alteriert, und das Delirium cor-
dis. Oft fehlt der Venenpuls. Er ist nicht ein Zeichen der
Tricuspidalinsufficienz, sondern eines auf Kammer und Vorkammer
gleichzeitig zur Kontraktion wirkenden Reizes.
Pulsus altemans kann manchmal bei anscheinend regelmälligeüi
Puls durch Kompression des Oberarms sphygmographisch nach¬
gewiesen werden. Er ist ein Zeichen der nachlassenden Kontrak¬
tilität des Herzens.
Diskussion.
Hr. Hering verwahrt sich dagegen, dass er den Pulsus irre-
gularis perpetuus als eine besondere Form aufgefasst habe. Pur-
kinjewsche Fasern kommen in den Vorhöfeu nicht vor. Zu den
Ueberleitungsformen vom Vorhof zum Ventrikel kommt als weiterer
Befund Ueberleitung von den Venen zum Vorhof.
Schlusswort des Vortragenden: Herr Hering hat
seine Ansicht über die Ueberleitungsformen geändert. Er selbst
hat nur von einem ähnlichen Verhalten in den Vorhöfen gesprochen,
wie es die Purkinjewschen Fasern im Ventrikel bedingen.
3. Hr. Minkowski-Greifswald: Zur Deutung von
Herzarhythmie mittels des Kardiogramms.
Für die Beurteilung der pathologischen Herztätigkeit ist es
wünschenswert, nicht nur die peripheren Arterien, sondern auch
die Tätigkeit des Herzens und seiner verschiedenen Teile, nament¬
lich aber auch den Venenpuls zu registrieren. Dieser ist oft
äusserlich nicht zu konstatieren. Seine Untersuchung trägt wesent¬
lich bei zur Erklärung der verschiedenen Formen der Herzarhyth¬
mie. Bei fehlendem Venenpuls lässt sich die Bewegung der Vor¬
höfe durch Einführung einer an ihrer Oeffnung mit einer Gummi-
membran geschlossenen Schlundsonde unter Kontrolle des Röntgen-
bildes feststellen. M. demonstriert das Verhältnis zwischen Arte¬
rien- und Vorhofpuls an verschiedenen, gleichzeitig gewonnenen
Kurven. (S. Diskussion.)
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446
fi4£iUlCINISCHS WOCHE.
Nr. 42.
4. Hr. Bingel-Tübingen: lieber den systolischen und
diastolischen Blutdruck bei Herzkrankheiten.
Für die Pathologie des Herzens ist nicht nur die Kenntnis
des maximalen systolischen Blutdrucks, sondern auch die des
minimalen diastolischen Blutdrucks und der Unterschied beider
Werte, der Pulsdruok, von Bedeutung. B. hat die Methode von
Sahli in einer Weise modifiziert, dass ein zweiter Beobachter
zur Ablesung des Druckes nicht mehr nötig ist; deulurch wird der
Beobachtungsfehler verringert An Stelle des relativen Sphygmo-
gramms tritt die absolute. B. demonstriert die Bedeutung dieser
Untersuchungsmethode an einer Beihe von Kreislaufstörungen.
Während normal der systolische Blutdruck 100—110, der diasto¬
lische 40—50, der Pulsdruck 40—50 mm beträgt, bewirken Kälte¬
reize am anderen Arm grössere Steigerung des diastolischen wie
des systolischen Drucks, also Verminderung des Blutdrucks. Bei
Dilatatio cordis ist der Pulsdruck vergrössert, bei Pulsus alternans
schwankt er zwischen 45—50 mm. Bei dekompensierter Mitralin¬
suffizienz ist der Pulsdruck vermindert, indem der systolische Blut¬
druck sinkt. Bei der Herstellung der Kompensation steigt der
systolische Blutdruck allein. Aorteninsuffizienz und Herzneurosen
erhöhen den Pulsdruck. Bei Lösung von Pneumonien geht der
hohe Pulsdruck auf die Norm zurück. Bei Arteriosklerose ist der
systolische Blutdruck hoch, der Pulsdruck gering. Bei Nephritis
chronica ist der systolische Druck enorm erhöht, der diastolische
weniger. Das bewirkt eine grosse Vermehrung der Herzarbeit.
Sicher beteiligen sich daran neben der Hypertrophie des Herzens
auch die Arterien.
Hr. Lustig-Meran: Ueber die Bedeutung der Blut¬
druckmessungen für dje Diagnostik.
Im wesentlichen historischer Vortrag. L. weist daraufhin,
dass hei Arteriosklerose und chronischer Nephritis die Messung des
systolischen Drucks genüge.
Hr. Rosenfeld-Stuttgart: Ueber die Therapie der,
Aorten an eurysm en.
Im Gegensatz zu der herrschenden, absolut ungünstigen Auf-
fassxmg der Prognose des Aortenaneurysmas findet man in der
Literatur nicht selten lange Zeit stationär gebliebene oder geheilte
Fälle. Die unmittelbare Ursache des Aneurysmas ist stets die
Steigerung des Blutdrucks, mittelbare Ursachen tragen zur Ent¬
wicklung des Aneurysmass bei. Unter diesen ist in erster Linie
(in ca. 50% der Fälle) die Syphilis zu nennen. Bei tertiärer
Syphilis ergibt die antimercurielle Kur günstige Erfolge, bei ge-
heiltor Lues ist damit nicht viel zu erreichen. Die Syphilis wurde
bei ca. 90% der sackförmigen Aneurysmen gefunden, bei den zylin¬
drischen Formen bringt Gerinnung, am besten durch Gelatine herbeizu-
fuhren, Heilung. Sie wurde unterstützt durch Ruhe, Kälte und Diät.
Bei den sackförmigen Aneurysmen liegt die Gefahr in der Per¬
foration, bei den cylindrischen Formen in der Embolie, bei dieser
Form ist daher die Gerinnung zu verhüten; dies bewerkstelligt
man durch Jodkali und Stagnin, die die Viscosität des Blutes und
den Blutdruck herabsetzen. Wegen der verschiedenen Art der
Behandlung ist zeitige Feststellung der Art des Aneurysmas not¬
wendig.
Hr. Schick 1 er-Stuttgart: Ueber Blutentziehnng.
Der Haupteffekt der Blutentziehung ist die Verdünnung des
Blutes, Herabsetzung der Vlscoaität des Blutes und die Herab¬
setzung des Blutdrucks, Verminderung des Blutvolums, die Er¬
weiterung der Kapillaren. Sch. übt die Blutentziehung seit 15
Jahren. Blutegel verwendet er an zum Zweck der Verminderung
der Extravasate bei Frakturen, bei Aortitis, Angina, Diphtherie,
Myocarditis, Mittelobreiterung, Augenkrankheiten, Parametritis, Kar¬
bunkel etc., den Aderlass bei Bronchitis capillaris, Pneumonie,
drohendem Lungenödem, Perityphlitis, Pericarditis, Eklampsie
parturientium, Uraemie, Nephritis, drohender Apoplexie, Arterio¬
sklerose und Haemorrhoiden. Auch Schröpfköpfe wendet er bei
verschiedenen Krankheiten an.
Diskussion.
Hr. Burwinkel-;Nauheim bestätigt die guten Erfolge,
namentlich bei Arteriosklerose.
Hr. Weinberg-Stuttgart vermisst für eine Reihe der ange-
geführten Indikationen den Nachweis, dass die abwartende Be¬
handlung weniger geleistet hätte und kritisch gesichtete Kranken¬
geschichten. Speziell bei der Pneumonie war der Aderlass all¬
gemein üblich, bis 1846 Dietl in Wien durch seine Parallelver¬
suche nachwies, dass die Ergebnisse der exspektativen Behandlung
wesentlich günstiger sind. Wenn man heutzutage keine Uebung
mehr im Aderlass hat, so liegt die Ursache darin, dass man in
Erkenntnis seiner Gefahren und häufigen Nutzlosigkeit seine Indi¬
kationen eingeschränkt hat.
Hr. Burwinkel-Nauheim erwartet bessere Resultate, wenn
nicht bloss in extremis der Aderlass bei Pneumonie angewandt
wird.
Abteilung fttr Chirurgie.
1. Sitzung, Montag, 17. September 1906, nachm.
Referent: R. Grashey-München.
1. Hr. Gluck-Berlin: Die Verhütung der Schluck¬
pneumonie bei Operationen.
Um die Gefahr der Aspiration von Wundsekret während und
nach Operationen an den Luftwegen auszuschalten, hat Vortr. mit
Zeller plastische Methoden ausgearbeitet und an einem grösseren
Material mit Erfolg angewandt. Reseziert man die Trachea und
näht das untere Stück in ein Knopfloch im Jugulum ein, so kann
man am hängenden Kopf vollkommen sicher weiteroperieren. Bei
Hemilaryngektomie schlägt man einen Hautlappen in den Wund¬
raum ein; bei Operationen im Zungengrund büdet man einen or¬
ganischen Gewebswall in Gestalt eines Brückenlappens, den man
in den Kehlkopfeingang bineinlegt und rings festnäht, an der
Schleimhaut des Sinus pyriformis, an Trachea und Oesophagus.
G. kam stets ohne Unterkieferresektion aus, mit einem Schnitt
quer über die Regio infrahyoidea. Wurde der Pharynx mit ent¬
fernt, so geschieht die Ernährung mittels eines oben trichterförmig
sich erweiternden, eingesetzen Gummischlauches per os. G. zeigt
einen Kranken, dem Zunge, Pharynx, Larynx, Tonsillen und Hals-
drüsen, also alles bis auf die Wirbelsäule entfernt wurde wegen
einer hyperplastischen ulcerösen Tuberkulose. G. hat auch bei
malignen Tumoren Dauerre-sultate von 6 und mehr Jahren.
In der Diskussion äussert sich Czerny-Heidelberg aner¬
kennend im Hinblick auf die technischen Schwierigkeiten. Die
Kuhnsche perorale Intubation hält er für aussichtsvoU.
2. Hr. Wossidlo zeigt ein Ureterenoystoskop, das die
Wegnahme des Cystoskops ohne Verschiebung der eingelegten
Ureterenkatheter gestattet und (mit einem Verschlussapparat) aus-
kochbar ist.
3. Hr. Jordan-Heidelberg. Erfahrungen über die
Tropfnarkose mit Chloroform und Aether.
Die Tropfmethode ist die sicherste Anwendung des Narko¬
tikums, man kommt mit viel geringeren Mengen aus, insbesondere,
wenn man vorher Morphium, Skopolamin gibt; auch Vorbereitung
des Herzens durch Digaleu empfiehlt sich. Auch Potatoren ge¬
lingt die Narkose mit Aethertropfmethode, Bei Kindern muss
man sie event. mit einem Aetherrausch einleiten. Aether verdient
den Vorzug, ist auch bei leichten Lungenafliektionen nicht kon-
traindiziert. Mit ihm allein lässt sich aber nicht auskommen.
Bei absoluter Indikation, ferner wenn die gewünschte Anaesthesie
ausbleibt, tritt die Chloroformtropfnarkose dafür ein. Ereignet
sich ein Chloroformtod, so wäre vom Arzt der Nachweis zu ver¬
langen, dass er Aether vorher versuchte oder aus wichtigen Gründen
vermied (Widerspruch).
4. Hr. Defranceschi-Rudolfswert (Krain): Bericht über
weitere 200 Fälle von Lumb alanaesthesie mit Trope¬
cocain.
D. verwendete auch letztes Jahr seine hohen Dosen (minde¬
stens 15 cg, bei Kindern 7—10 cg), glaubt aber, dass die Steri¬
lisation in trockener Hitze sein Präparat abschwächt. Unange¬
nehme Nachwirkungen waren sehr selten, man soll aber nicht mehr
Liquor ablassen als 16 g. Unter jetzt 420 FäUen war nur ein
Versager. Kehrt die Schmerzempfindung zu früh wieder, so wird
die Injektion wiederholt.
Diskussion: Herr Hirsch-Wien findet, man müsse bei
entsprechender Technik mit 6—7 cg, auskommen, bestreitet, dass
Tropaoocain in der Hitze zerlegt werde. Lichtenstern-Wien
beobachtete bei Prostataoperierten (nach Lumbalanaesthesie) auf.
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1906
MEDICINISCHE WOCHE.
447
Mlige Temperaturateigenmgen. Brenner-Linz hat über 500
Fälle lumbal anaesthesiert, ist sehr zufrieden, seit er von 6 cg Tropa-
kokEiinlösung auf 12 cg stieg. Die Lösung wird in den Phiolen
ausgekocht, also vielleicht auch verändert. Für Operationen über
Nabelhöhe bewährt sich die Lumbalanaesthesie (Beckenhochlagerung)
nicht. Steinthal -Stuttgart beobachtete bei einer Hemiotomie unter
Novokainadrenalin trotz exakter Blutstillung eine schwere Nach¬
blutung und nach einer Novokainadrenalin-Morphiumnarkose heftiges
Erbrechen. Ein schwächlicher Prostatiker starb nach Stovain-
injektion, war tags zuvor mit Novokainadrenalin und 2 Tage vorher
mit Stovain anaesthesiert worden. Katholicky-Brünn glaubt, dass
Narkosentodesfälle oft auf Unvorsichtigkeit und Ueberdosierong
zurückzuführen sind, nimmt Billrotsche Mischung, vorher 1 cg
Morphium.
Sektion tfir innere Medicin.
Referent Dr. F. Rosenfeld-Stuttgart.
Gesamtsitzung beider Hauptgruppen am 20. Sept. 06.
Als gemeinschaftliches Thema für den Vormittag war Re¬
generation und Tansplantation gewählt worden. In dieses
Thema hatten sich drei Redner geteilt. Prof. Korschelt-Mar-
burg sprach über Regeneration und Transplantation im
Tierreich, Prof. Spemann-Würzburg, ein geborener Stuttgarter,
über embryonale Transplantation, als dritter sprach Prof.
Garre-Breslau über Transplantationen in der Chirurgie
Hr. Korschelt führte in seinem iVastündigen Vortrag etwa
folgendes aus:
Regeneration ist die Wiedererzeugung von verloren gegangenen
Teilen des Tierkörpers. Diese Regeneration ist natürlich bei allen
einzelligen Organismen eine einfache. Bei manchen Protozoen ge¬
nügt */ 2 oo des ganzen Körpers, um eine Regeneration zu ermög¬
lichen. Beim Stentor bedarf es V«4 des ganzen Organismus zur
Wiederherstellung. Einige auch höher organisierte Tiere haben
die Fähigkeit, verloren gegangene Teile zu ersetzen durch von
andersartigen Körperpartien gebildete Teile. Andere, z. B. Regen¬
würmer, können auf gewisse äussere Reize hin freiwillig in ein¬
zelne Teilstücke zerfallen oder bei Gefahr bestimmte Partien ihres
Körpers abstossen, wie z. B. Blindschleichen das Schwanzende.
Diese abgestossenen Teile werden dann durch Regeneration wieder
ersetzt. Daraus geht hervor, dass die Regeneration eine äusserst
zweckmässige Anpassungserscbeinung ist.
Nun können aber auch neue Organe und Gewebe entstehen,
und zwar von ganz andersartigen Organen und Geweben aus.
Dabei finden dann weitgehende Umgestaltungen, Reduktionen,
Einschmelzungen der vorhandenen Teile statt und erst daraufhin
die Neubildungen.
Hierher gehört auch die aus der Pflanzenphysiologie bekannte
Tatsache der komp ensatorischen Regulation. Verloren ge¬
gangene Teile werden durch andere ersetzt, die schon vorhanden
sind, die aber für den neuen Zweck umgebildet werden müssen.
Ab und zu tritt diese Erscheinung auch bei Tieren auf.
Noch eine zweite Tatsache fordert zum Ersatz verloren ge¬
gangener Teile bei Tieren und Pflanzen heraus. Das ist die Be¬
ziehung der Regeneration zur Polarität des Tierkörpers. Der
Tierkörper wie die Pflanzen sind beide polar diflferenziiert, d. h.
die Pflanze liefert am apikalen oder Sprosspol nur Sprosse, am
basalen oder Wurzelpol nur Wurzeln. Auch beim Tier gilt dieses
Gesetz. Aber auch hier keine Regel ohne Ausnahme. Bei der
Pflanze gelingt es experimentell, aus dem nach oben gekehrten
Wurzelpol Sprosse zu erzeugen und vice versa. Auch beim Tier
gelingt es Heteromorphosen, d. h. Köpfe am Hinterende, Schwänze
am Vorderende zu erzeugen.
Aber die experimentellen Versuche haben noch andere Resul¬
tate gezeitigt. Seit Jahrhunderten hat man Versuche gemacht,
die in der Uebertragung und Vereinigung von Teilstücken ein¬
zelner Tiere bestanden. So vermag man z. B. durch Zusammen¬
fügen zweier ungefähr gleich grosser Teilstücke, etwa einer
vorderen oder hinteren Hälfte ein vollständiges lebeusfkhiges Tier
zu bilden. Man hat dies mit Amphibienlarven und Regenwürmem
gemacht. Solche Vereinigungen verheilen so gut, dass sie die
Zusammensetzung aus mehreren Teflstücken gar nicht mehr er¬
kennen lassen.
Hr. Spemann-Würzburg führt aus:
Als embryonale Transplantation bezeichnet Born die
Verpflanzung von Keimteilen an andere Stellen desselben oder
eines anderen Organismus, ln den 10 Jahren, die seit B.s grund¬
legender Arbeit verflossen sind, hat sich diese experimentelle
Methode als ein wertvolles Hilfsmittel der biologischen Forschung
erwiesen, durch welches wichtige und schwierige Probleme der
Embryologie und Physiologie ihrer Lösung näher geführt wurden.
In Fragen der beschreibenden Embryologie, die in der Regel
durch reine Beobachtung zu lösen sind, kann das Experiment
manchmal aushelfend eintreten, wo jene spezifische Methode der
beschreibenden Wissenschaft versagt. So entziehen sich nament¬
lich Lageveränderungen, die Zellen oder Zellprodukte während
der Entwicklung im Organismus erfahren, nicht selten der direkten
Beobachtung; man kann dann nach Fertigstellung irgend eines
Organs nicht genau sagen, ob seine einzelnen Teile noch ungefähr
die gleichen Lagebeziehungen aufweisen, wie die Anlagen, aus
denen sie entstanden sind, oder ob sich die mit den verschiedenen
Entwicklungsfähigkeiten begabten Zellen aus vielleicht weit von¬
einander entfernten Regionen des Keimes zum Aufbau des Organs
zusammengefunden haben.
Mittels der embryonalen Transplantation kann man hier
manchmal die Entscheidung bringen. Man trennt entweder die
Hauptanlage des betreffenden Organs und die vermutete Quelle
der zuwandemden Zellen voneinander und beobachtet daun event.
den Ausfall bestimmter Teile, etwa der Nerven. Oder aber, man
macht die Einwanderer dadurch kenntlich, dass man den Teil des
Keimes, in dem man den Ursprung vermutet, durch den ent¬
sprechenden Teil einer anderen Spezies ersetzt, die etwa durch
andere Färbung oder sonstwie verschieden ist.
So fügte Harrison Frosohlarven aus der dunklen Vorder¬
hälfte und der hellen Hinterhälfte zweier nahe verwandter Arten
zusammen und fand, dass die Sinnesorgane der sogen. Seitenlinie,
die vom Kopf bis zur Schwanzapitze reichen, als Strang, der jetzt
durch seine dunklere Färbung schon im Leben unterscheidbar ist,
in das helle Hinterende einwachsen.
Braus verpflanzte Gliedmassenanlagen von Amphibien an
den Kopf und fand, dass sie sich hier normal entwickeln, auch
mit den Nerven. Daraus schloss er, dass diese letzteren schon
in der transplantierten Anlage enthalten waren und nicht vom
Rumpf aus in sie eingewachsen sind.
Leichtverständlich ist die Bedeutung der embryonalen
Transplantation für die Entwicklungsphysiologie. Wird ein be¬
stimmter Bezirk des Keims aus seiner normalen Umgebung in
eine neue gebracht, so muss sich aus der Natur der entstehenden
Abnormitäten ersehen lassen, ob und inwieweit die einzelnen Ent¬
wicklungsprozesse abhängig oder unabhängig voneinander ver¬
laufen.
Spemann und später Lewis haben so die Entwicklung der
Linse des Wirbeltierauges studiert. Ursprünglich entsteht das
Wirbeltierauge aus einer Wucherung der Epidermis an der Be¬
rührungsstelle mit der vom Grosshim auswachsenden Netzhaut-
wis hat nun diesen augenbildenden Himbezirk unter die
Bauchhaut transplantiert und gefunden, dass auch hier eine Linse
entsteht, ln anderen Experimenten ersetzte L. den linsenbildenden
Hautbezirk durch ein Stück Bauchhaut, wieder mit dem Erfolg,
dass eine Linse entstand. Es hat also die vom Hirn kommende
Netzhautanlage die Fähigkeit, an irgend einer Stelle der Haut,
die sie berührt, die Bildung einer Linse zu veranlassen.
Spemann selbst hat an jungen Frosohlarven Versuche ge¬
macht, einen Situs viscerum inversus zu erzeugen. Er schnitt
diesen Larven ein Stück der Darmanlage aus und brachte es um¬
gedreht zur Einbeilung. Interessant ist, dass dadurch auch das
Herz invers werden kann, obwohl seine Anlage durch den Ein¬
griff in keiner Weise direkt betroffen wurde.
In einer Reihe anderer Versuche hat Sp. an Frosohlarven
das Organ des statischen Sinnes in seiner ersten Anlage heraus¬
genommen und umgekehrt wieder eingeheilt. Diese Larven zeigen
beim Schwimmen „Reitbahn“bewegungen.
Es kann somit auch eine Aufgabe der embryonalen Trans-
pläntation sein, Veränderungen in den Lebenserscheinungen der
anlage.
Le
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i48
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 42.
Larven oder erwachsener Tiere hervorzamfen, aus deren Natur
Rückschlüsse auf die Funktion der verlagerten Organe gezogen
werden können.
Experimentell gelingt es auch, Tiere mit 2 Köpfen und 4
Augen, einen Kopf mit 4 Augen zu erzielen.
Hr. Garrö-Breslau, der über Transplantation in der
Chirurgie sprach, führte aus:
Das Gebiet der Gewebsverpflanzung’ oder Gewebspfropfung
war ursprünglich nur auf die Haut beschränkt. Mit der Ein¬
führung und Vervollkommnung der anti- und aseptischen Opera¬
tionsmethode ist die Methode auf Gewebe, ja auf Organe ausge¬
dehnt worden. Man kann heute jedes beliebige Gewebe, Teile
von Organen, ja ganze Organe teils von demselben Individuum,
teils von einem anderen stammend zur Einheilung bringen. Der
Heilzweck ist aber erst erreicht, wenn das transplantierte Gewebe
auch zu funktionieren vermag.
Dazu sind nötig; 1, gute Emährimgsbedingungen. 2. Auch
die Grösse resp. Masse der Transplantation kommt in Betracht.
3. Das transplantierte Gewebe muss lebensfähig und regenerations-
fkhig sein. Hierfür sind die ersten 4 Tage nach der Operation
ausschlaggebend. 4. Die Transplantation muss im Sinne einer
strengen Asepsis vor sich gehen. Antiseptica schädigen die
Zellen. Eine Eiterung ist fast gleichbedeutend mit einem Miss¬
erfolg.
Am besten gelingen Verpflanzung und Einheilung von Ge-
websstüoken derselben Person, in zweiter Linie unter Blutver-
wandten, in dritter Linie unter derselben Gattung, also von Mensch
auf Mensch, Hund auf Hund etc. Thiersoh-Leipzig war einer
der ersten, der Transplantationen in grösserem Umfange vornahm.
Wie sehr sich die überpflanzten Teile dem Gesamtorganismus ein-
fügen, geht aus einem Beispiel Thierschs hervor. Derselbe
tauschte Hautstücke zwischen einem Neger und einem Weissen
aus. Nach einigen Monaten war beim Neger das eingepflanzte
weisse Hautstück schwarz, beim Weissen das schwarze Stück
weiss geworden.
Die Hauttransplantation ist eine sehr einfache Methode. Die
auf eine frische, nicht mehr blutende Wundfläche aufgelegten
Hautläppchen verkleben durch Blut- und L 3 rmphgerjnnsel auf dem
neuen Mutterboden und werden die ersten Tage durch ausge-
sickerte Lymphe ernährt. Junges Bindegewebe, durchsetzt von
Gefäss-Sprossen, wächst in die Lücken und Buchten des Läppchens
hinein und schon am 3.—4. Tage ist in dem neuen Gewebe die
Blutzirkulation vorhanden.
Ebenso wie die äussere Haut, lässt sich auch die Schleimhaut
transplantieren. Am meisten machen die Ophthalmologen davon
Gebrauch.
Auch die Transplantation grosser Hautlappen gelingt dank
der aseptischen Wundbehandlung und der Krauseschen Methode
leicht. Die Hautdrüsen und die Haare bleiben erhalten, und mit
der Zeit wachsen auch von den Rändern her die Hautnerven als
Träger der Sensibilität hinein.
Auch Knorpel und Knochenteile werden überpflanzt. So kann
man das untere Augenlid durch ein Stückchen des Ohrläppchens
ersetzen. Auch gelingt es, auf verstümmelte Finger Zehen zur
Anheilung zu bringen und so die Funktion zu verbessern.
Fettge webe wird selten und nur zu kosmetischen Zwecken
transplantiert. So ist bei einer Sängerin die Wölbung einer ampu¬
tierten Bnist durch eine transplantierte Fettgeschwulst erhalten
worden.
Sehnenstücke zu verpflanzen ist zwecklos; sie sind zu un¬
genügend ernährt und werden durch Bindegewebe ersetzt.
Eine Muskelverpflanzung ist nur dann erfolgreich, wenn die
Blutversorgung, die Innervation keine Unterbrechung erleiden.
Dagegen fusst auf der Knochentransplantation heute ein
wichtiges Kapitel der konservativen Extremitäten-Chirurgie. So
hat z. B. von Bergmann ein 12 cm langes Stück des Schien¬
beins durch ein entsprechend grosses des Wadenbeines ersetzt
und glatte Heilung erzielt, Knochenstücke heilen überhaupt leicht
ein. Wenn man sie mit ihrem Periost verpflanzt, so wachsen sie
sogar mit. Auch Pseudarthrosen sind durch Knochenverpfropfong
heflbar.
Ein Schädeldeckenfragment kann man durch ein ausgemeisseltes
Stück des Schienbeins ersetzen.
Man hat jetzt auch gelernt, einen Zahn zu implantieren, so
dass er featwädist.
Auch au die Verpflanzung von Organen, entweder ganz oder
teilweise, ist man mit gutem Erfolg gegangen. Bekannt sind die
Transplantationsversuche der Schilddrüse, die ihre Triumphe feiert
beim Kretinismus jugendlicher Personen, besonders wenn man
nach dem Vorschläge von Payr die blutreiche Milz als Einpflan¬
zungsstätte für die Schilddrüse nimm t, deren für die psychische
und physische Entwicklung des Individuums unentbehrliche Aus-
Bcheidungsprodukte direkt durch die Lymph- resp, Blutgefässe
aufgenommen werden.
So hat Payr im verflossenen Winter einem 4jährigen Kinde,
das ein Kretin war, ein Stück der Schilddrüse der Mutter in die
Milz verpflanzt, uncl jetzt nach ^f^ Jahren beginnt das Kind sich
geistig zu entwickeln, lernt gehen und sprechen.
Um Drüsen mit äusserer Absonderung zu transplantieren,
bedarf es vor allem der Sorge für einen genügenden Blut-Zufluss
und -Abfluss. Dazu bedarf es einer ausserordentlich guten Naht¬
methode der Blutgefksse, damit an den genähten Stellen kein
Thrombus sich entwickelt. Es gelang nun G., Blutgefksse von
nur mm Durchmesser zusammenzunähen, ohne dass Gerinnung
eintrat. Es gelang G. weiter, Gefkssstücke von einem Tier auf
das andere zu verpflanzen, sogar wenn die Tiere seit 1 Stunden
tot waren.
Fernerhin gelang es ihm, starkwandige Arterien mit dünn¬
wandigen Venen zu vereinen, so dass keine Hemmung der Blut¬
zirkulation eintrat.
Auch ganze Nieren hat G. verpflanzt. Zunächst nähte er
die Niere eines Hundes in den Hals desselben Tieres ein, ver¬
nähte die A. renalis mit der A. carotis und die V. renalis mit der
V. anonyma, ohne dass eine Störung der Nierenfunktion eintrat.
In einer zweiten Versuchsreihe nähte er die Niere eines Hundes
an die Stelle der exstirpierten Niere eines anderen Hunde» und
verband die zu- und ableitenden Gefksse miteinander xmd den
Harnleiter mit der Blase. Auch hier sonderte die transplantierte
Niere Ham ab.
Die praktische Bedeutung all dieser Versuche lässt sich heute
noch nicht ermessen. Doch werden die Versuche fortgesetzt.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Alljährlich, wenn der Aerztetag seine Beratungen gepflogen
hat, pflegen die ärztlichen Standesorganisationen und Vereine in
einen mehrmonatlichen Sommerschlaf za versinken, ans dem sie
erst das Bauschen der herbstlichen Winde zu erwecken vermag.
Dann bewähren zunächst einige Kongresse und grössere Versamm¬
lungen ihre Anziehungskraft und regen zu Debatten an and schliess¬
lich — so ungeftlhr, wenn der Oktoberumzug beendet ist — öfihen
erst wieder die Vereinslokale ihre gastlichen Pforten und von
neuem beginnt der Redekampf, wie dem ärztlichen und mensch¬
lichen Elend abzuhelfen sei.
Der Kongressmonat September brachte diesmal fast allzuviel
des Guten: Naturforscherversammlong und Tuberkuiosekonferenz,
Kongress für Versicherungsmedicin und für Kinderforschung. Die
nunmehr schon altehrwürdige Naturforscherversammlucg
tagte heuer in Stuttgart und erfreute sidi auch dort der ge¬
wohnten Beliebtheit. Mehr und mehr bricht sich aber die Er¬
kenntnis Bahn, dass die bisher gültige Organisation dieser Ver¬
sammlung nicht mehr zeitgemäss ist und dass sie einer Reform
in der Richtung bedarf, dass statt der vielen kleinen Sektionen
und Sektiönchen nur mehrere Hauptgruppen gebildet werden, in
denen dann bedeutendere, allgemein interessante Fragen eine
gründliche Erörterung erfahren können. Ein glücklicher vielver¬
sprechender Anfang zu solcher Umwandlung wurde unter allge¬
meinem Beifall in Stuttgart gemacht. Ueber den Aufenthalt dort,
herrschte allgemeine Befriedigung; Staat, Stadt und Kollegen wett¬
eiferten in edler Gastfreundschaft. Das Medizinische Correspondenz-
blatt des Wörttembergischen ärztlichen Landesvereins gab eine
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
449
iFestoummer mit reichem Inhalt heraus; wir heben aus demselben
^hervor die Mitteilung der Pläne einer neuen Volksheilstätte für
Lungenkranke bei Calmbach, eine geplante Walderholungsstätte
Stuttgart, sowie die recht interessante Uebersicht über den
Alkoholgehalt der Stuttgarter Biere, aus der heiworgeht, dass die
Stuttgarter Brauereien bestrebt sind, den Alkoholgehalt herabzu¬
setzen, die Extraktivstoffe zu vermehren.
Ein internationaler Kongress für Versichernngs-
medicin tagte in Berlin. Er bot Aerzten wie Versicherungs¬
gesellschaften viel bedeutsames Material; besonders eingehend
wurden die Unfallversicherung und die Unfallskrankheiten be>
sprechen. Auch der gleichzeitig tagende Kongress für Ver¬
sicherungswissenschaft wurde von zahlreichen Kollegen besucdit.
Ebenfalls in unseren Mauern fand der erste Kongress für
Kinderforschnng und Jugendfürsorge statt, an dem sich
Aerzte, Juristen, Lehrer und Verwaltungsbeamte in erstaunlich
grosser Menge beteiligten, die Frauenwelt aber die überwiegende
Majorität der zahlreichen Besucher bildete. Dieser erste derartige
Kongress muss als ein voller Erfolg bezeichnet werden. Es wurde
eine Fülle von anregenden Vorträgen aus dem Gebiet der psycho¬
logischen Pädagogik, derKinderhygiene, der Jugendfürsorge gehalten,
und es steht zu hoffen, dass dieser Kongress zu einer bleibenden
Einrichtung werden und reiche Früchte tragen wird.
Wenden wir uns nun wieder unseren Standesinteressen im
Speziellen zu, so sind es zunächst gewohnter Weise die Orts¬
krankenkassen, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.
Ihr Zentralverband hat auf der Jahresversammlung in Düssel¬
dorf einen Antrag angenommen, der eine Aenderung des jetzigen
Zustandes bezweckt, bei der für die Krankenkassen ein Zwang
ärztlicher Hilfeleistung besteht, den Aerzten aber die Freiheit ge¬
geben ist, den Kassenmitgliedem gegenüber die Hilfeleistung zu
verweigern. Der angenommene Antrag lautet wie folgt:
„Die Krankenkassenvertreter eraditen eine Aenderung der
sich auf den ärztlichen Beruf erstreckenden Bestimmungen der
Gewerbeordnung für geboten, da die Krankenkassen gesetzlich zur
Gewährung ärztlicher Hilfeleistung gezwungen und somit den
Aerzten gegenüber wehrlos gemacht sind. Der Staat, der den
Eirankenkassen die Gewährung dieser Leistungen direkt auferlegt,
muss auch gesetzlich für die Möglichkeit ihrer ErfüUhng dadurch
Sorge tragen, dass er die Aerzte gegen die Bezahlung staatlicher
Taxen zur ärztlichen Hilfeleistung gegenüber den Krankenkassen-
mitgliedem verpflichtet. Da jedoch von der grossen Majorität
der Aerzteschaft die Forderung auf Kurierzwang für Kassenkranke
als Eingriff in die Gewerbefreiheit bekämpft wird, erklärt die
Jahresversammlung der Ortskrankenkassen es als Konsequenz der
Ablehnung des Knrierzwanges, dass bei einer Neuordnung
des Ar beiter Ver si cherungs wesen s die Organe der
Krankenversicherung von derGewährung freier ärzt¬
licher Behandlung und freier Arznei entbunden
werden. Diese früher bei den Hilfskassen bestehende Regelung
hat sich bei diesen bewährt. Die für die Krankenversioherang
erforderliche Aufsicht ist durch Ausbau des Instituts der Ver¬
trauensärzte und durchgreifende Krankenkontrolle durchzufUhren.
Die von der Aerzteschaft verlangte freie Arztwahl kommt in voll¬
endeter Form zur Durchführung, die Differenzen zwischen den
Kassen, Aerzten und Aufsichtsbehörden verlieren ihre Unterlage.**
Dieser eigentümliche Schritt der Ortskrankenkassen wird
sicherlich die Aerzteschaft noch vielfach beschäftigen, ln Berlin
hat sich eine aUgemeine Aerzteversammlung mit dem Thema befasst
und nach Hinweis auf densozialhygienlschen Rückschritt, welchen die
Verwirklichung dieser Forderung mit sich bringen würde, in einer
motivierten Resolution dazu Stellung genommen.
Mit einer Angelegenheit, der die Berliner Aerzteschaft durch¬
aus sympathisch gegenübersteht, beschäftigt sich die Zentral-
kommission der Berliner Krankenkassen, nämlich mit der
Frage der Zentralisation der Kassen. Die Kommission hat
beim Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg die Zusammen¬
fassung der Ortskassen zu einer Zentralkasse beantragt. Der Ober-
präsident bat diesen Antrag abgelehnt, da er diese Maßregel für
undurchführbar hält. Nunmehr beantragt die Zentralkommission
eine Zentralisierung nach Industriegruppen, wodurch die jetzt be¬
stehenden 55 Ortskrankenkassen in deren acht zusammengefasst
würden. Die Kommission hat beschlossen, die Durchführung dieses
Planes zu empfehlen. Sie kann sich bei diesem Vorgehen der
Unterstützung der Aerzte versichert halten. Wir wmsen zwar
wohl, dass wir bei etwaigen Kämpfen in Zukunft einer grösseren
und machtvolleren Organisation gegenüberstehen würden. Wir sind
aber von der wirtschaftlichen und hygienischen Bedentung des
Zustandekommens dieses Planes so durdidrungen, dass wir, wie so
oft, alle Standesinteressen in den Hintergrund treten lassen und
gern mitarbeiten wollen an einer gedeihlichen Lösnng der für
unsere Klienten hodiwichtigen Frage.
Periodische Literatur.
Mflnchener med. Wochenschrift. 1906. Nr. 40.
1. Rieder, München. Heber den Wert der Thorax-Dnroh-
lenehtnng bei der Pneomonie, namentliob bei xentraler Lekali-
sation. Nicht abgeschlossen.
2. Spiess, Frankfurt a. M. Therapentisohe Versnobe znr
Heilnng von ^ebsgescbwülsten durch die Methode der Anaes*
tbesimng.
Die Experimente wurden vorgenommen an Krebsmänsen ans
dem Ehrlich’schen Institut; die Behandlung bestand in Injektionen
von hauptsächlich Novocain in die Tumoren. Die Versuche er¬
gaben das bemerkenswerte Resultat, dass Karzinome, die Mäusen
eingeimpft werden, durch Injektionen anaesthesierender Mittel
günstig zu beeinflussen sind, unter bestimmten Bedingungen
— langsames Wachstum und flrühzeitiges Einsetzen der Behand¬
lung — geheilt werden können. Es sind dann Versuche an
menschlichen Tumoren gemacht worden; dazu wurden inoperable
Fälle ausgewählt oder solche, bei denen der richtige Zeitpunkt
für die Operation nicht versäumt werden konnte. Die Kranken¬
geschichten von 11 so behandelten Fällen werden auszugsweise
mitgeieilt. Eine kritische Besprechung lehnt Sp. selbst ab.
3. Kayser, Strassburg. Weiteres Über die Verwendung
der Typhnsgalleröhre snr Blnticnltnr.
In Ergänzung früherer Mitteilungen berichtet K. über weitere
75 Fälle, bei denen er Gelegenheit hatte, das Blut von Typhus-
und Paratyphuskranken nach dem Anreioherungsverfahren mit der
Galleröhre auf die Anwesenheit der Bakterien zu untersuchen.
Bei 47 Typhen in der ersten Woche ergab die Blutanreicherung
ein positives Resultat, das sind 100 Prozent; in der 2. Woche ge¬
langen von 92 Typhen ca. 58 Prozent der Blutkulturen, in der
3. bis 6. Woche von 56 Typhen und Paratyphen ca. 40 Prozent,
insgesamt von den 200 im Ganzen zor Verfügung stehenden
Fällen ca. 65 Prozent. 37 mal glückte die Blutkultur, während
die Ägglutinationsprobe negativ war: in 18,5 Prozent. Die Blut¬
untersuchung nach dem Anreicherungsverfahren mit der Galleröhre
ist danach als ein sehr wichtiges diagnostisches Hilfsmittel, ganz
besonders im Typhusbegiun zu betrachten.
4. Stieda, Königsberg, üeber die Sesambeine der Metv
tarsophalangealgelenke.
Kurze Mitteilungen Uber einige in Röntgenbildem gefundene,
noch nicht beschriebene Sesambeine.
5. Hornung, Marbach. Beitrag znr Lehre Tom Fnlsos
altemans.
Interessante kardiosphymographische Kurven von einem Fall
von echtem Alternans. Als Grand für die alternierende Herztätig¬
keit wird mit Wenckebach das Vorhandensein einer Kontraksili-
tätsschädigung angenommen. Die Verspätung der kleinen Welle
au der Radialis glaubt H. mit einer Atonie des Gefässsystems er¬
klären zu sollen.
6. Giovanni Galli, Rom. Folsns altemans mit purtiell
alternierender Herztätigkeit.
G. begründet an Kurven des vorher beschriebenen Falles und
nach dem auskultatorischen Herzbefund die Annahme, dass eine
funktionelle alternierende Mitralinsufiicienz vorliege. Als Erklärung
für diese nimmt er an, dass die als Grund des Pulsus altemans ange¬
sehene Störung des Kontraktionsvermögens hier sich auf die
Papillarmuskel beschränkt hat.
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IM ici i TftTWTSi i H IC VVOGHBi
Nr. 42.
7. ÄgSron, Hamburg, üeber erfolglose Hineralwasser-
trinkkuren bei Magenkrankheiten.
Misserfolge von Trinkkuren bei Magenkrankheiten sind in den
Fällen zu erwarten, die unter dem gemeinsamen Namen der
Atonie bekannt sind, als bei den Formen, wo als objektives Symp¬
tom die motorische InsufGcienz im Vordergründe der Krankheits¬
erscheinungen steht. Hier steht die heute übliche, traditionell ge¬
wordene Art der Trinkkur im umgekehrten Verhältnis zu den aus
der Auffassung von dem Wesen der motorischen InsufFicienz des
Magens sich ergebenden therapeutischen Absichten. In Bezug auf
die Trinkkuren müssen zwei prinzipielle Forderungen aufgestellt
werden: erstens soll vor dem Beginn der Trinkkur der Tonus
und die motorische Leistungsfähigkeit des Magens sorgfältig ge¬
prüft und nachher regelmäßig kontrolliert werden, und zweitens
muss da, wo erhebliche Störungen der Mechanik und Dynamik
des Magens konstatiert werden, die Art des Trinkens, d. h. die
Belastung desselben mit dem Quantum des Wassers, modifiziert
werden. Hier muss die bisher übliche Form der Verabreichung
gewisser Mengen Mineralwassers innerhalb kurz bemessener
Zeit eine Einschränkung erfahren und die einseitige Belastung der
grossen Kurvatur des Magens durch horizontale Lagerung des
Patienten ausgeschaltet werden.
8. Hoppe, Köln. Heber den Einfiuu der Saughyperaemie
auf das gesunde Auge und den Verlauf gewisser Augenkrank¬
heiten.
Durch gelinde Saugwirkung lässt sich eine ausgiebige venöse
Hyperaemie der Lider erzielen; die Veränderungen schliessen etwa
an den Uebergangsfalten ab, so dass der Augapfel mit seinem
Ueberzug makroskopisch völlig unverändert bleibt. Auch bei
länger fortgesetztem Saugen trat keinerlei Funktionsstörung ein.
Bei der therapeutischen Verwendung wurden gute Erfolge erzielt
bei Hordeoien, Schmerzen und SpannungsgefUhl schwanden bald;
die Kranken konnten ausserhalb der Sitzung (etwa 2 am Tage
von 15—30 Minuten Dauer) unbelästigt bleiben und schmerzfrei
der Arbeit nachgehen. Beginnende Hordeoien gingen meist
schnell und restlos zurück. Gute Erfolge wurden weiter erzielt
bei Vereiterungen der Meibom’schen Diüsen, bei Furunkelbildung
der Augenbrauen; weniger befriedigend waren die Resultate bei
Chalazien. In der Hand des fachkundigen Arztes ist die Saug¬
behandlung frei von Schädigungen und wird in Gesellschaft oder
Ersatz anderer Maßnahmen viel Gutes wirken können.
9. Schubert, Breslau. Ein Narkosenapparat mit Dosinrngs-
vorriohtimg.
Die technischen Einzelheiten des anscheinend einfachen
Apparates sind im Orginal einzusehen. Erprobt wurde derselbe
mit gutem Erfolg bei etwa 50 Narkosen (meist Laparotomien) mit
Aether.
10. Brenner, Heidelberg. Ein Fall von Fnbotomie ans
der Präzis.
Wegen Verzögerung der Geburt bei mäßig plattem Becken
und Bedrohung des Lebens des Kindes wurde die Pubotomie aus¬
geführt, und durch nachfolgende Zange ein lebendes Kind ent¬
wickelt. Trotz grösseren Scheidenrisses glatte Heilung. Längere
Zeit blieb eine Gangabnormität, für die eine Erklärung nicht zu
finden war, bestehen. Trotz der Einfachheit der subkutanen
Pubotomie warnt B. wegen der Möglichkeit schwerer Kompli¬
kationen, die unter primitiven Verhältnissen eine beträchtliche Ge¬
fahr für das mütterliche Leben bringen können, vor der Aus¬
führung der Operation von nicht geübter Hand in der Praxis.
11. Burk. Frankfurt. Fnsshaltor zur Fiziemng des Fusses
bei Verbandanlegung.
12. Maas, Heidelberg. Eine neue waschbare Bauchbinde.
13. Prüsmanu. Dresden. Uterushadtezange.
14. Wieck, Halensee. Ein Apparat zur Entnahme kleiner
Blutmengen.
15. Zahnarzt Brejtung. Gesichtsschutzmaske nach An¬
gabe des Zahnarztes Eichentopf.
Die Apparate, resp. Bandagen sind an der Hand von Ab¬
bildungen beschrieben.
16. Silbergleit, Kissingen. Vorsehläge zur praktisches
BurchfOhrung einer individuellen Verpflegung in Badeorten.
Abdruck der auf Veranlassung des ärztlichen Bezirksvereins
für Kissingen nen aüfgestellten Speisekarte mit den für Patienten
und Wirte bestimmten Begleitworte.
Berliner klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 40.
1. Quincke, Kiel: Heber Hydrops tozicus.
Es wird die Krankengeschichte eines Mannes mitgeteilt, bei
dem sich im. Verlaufe einer hochgradigen perniciösen Anaemie
unklaren Ursprungs, unter Gewichtszunahme von 9 kg, ein allge¬
meiner Hydrops entwickelte, während das Allgemeinbefinden un¬
gestört blieb und die Besserung in Blutbeschaffenheit und Er¬
nährung kontinuierlich fortschritt. Ansteigen und Abklingen des
Hydrops währten etwas über zwei Wochen; in der dritten Woche
stellte sich eine Abschuppung der Epidermis wie nach einem
Scharlach ein. Im Anschluss daran werden die Entstehungsbe-
dingangen der Wassersucht besprochen und ein Hydrops mechani-
cns, neuroticus und toxicus unterschieden, klinisch der cardiale,
renale, kachektische und essentielle Hydrops. Bei dem letzteren
ist an eine Giftwirkung zn denken; und zwar bieten sich Ent¬
stehungsmöglichkeiten 1. durch örtliche Wirkung des Giftes, a) auf
die Gefässwandungen, b) auf das Gewebe selbst, c) auf beide;
2. durch Giftwirkung auf die Nerven; dies können sein a) Gefäss-
nerven, b) „trophische“ Nerven, welche auf das Gewebe selbst
wirken, o) beide,
2. Mayer und Milchner: Heber die topographiBcho Per-
koBsion deB kindliohen Herzens.
Unvollendet.
3. Saito: Ezperimentell-kritiBclie Hnteranohnng über die
SshliBobe Desmoidreaktion.
Die Versuche, die mit Verdauungssäften, welche von Hunden
gewonnen waren, denen nach den Pawlowschen Methoden die entr
sprechenden Dauerfisteln angelegt waren, angestellt wurden, zeigten,
dass die Sahlische Reaktion für die funktionelle Magenprüfung
von einer ganzen Reihe von Momenten abhängig ist, dass auf sie
die sekretorische und motorische Funktion des Magens in gleicher
Weise Einfluss gewinnen können, und dass endlich dabei auch die
Darmverdauung eine entscheidende Rolle zu spielen vermag. Die
diagnostische Bedeutung der Sahlischen Desmoirreaktion ist des¬
halb nicht hoch einzuschätzen, ihr Ausfall ist von zn vielen, am
Krankenbett oft unübersehbaren Faktoren abhängig.
4. Funck, Köln; Znm Verständnis der BesBemng der
Leokaemie dnrch intercnrrente Infektionen.
F. gibt die Krankengeschichte eines Falles von Myelaemie,
bei dem im Verlaufe der Krankheit eine Verstopfung des einen
Urethers durch Massen von Hamsäurekrystallen, als Folge davon
Hydronephrose und Infektion derselben eintrat. Unter dem Ein¬
fluss der Infektion stellte sich nun eine auch anderweitig schon
beobachtete wesentliche Besserung der leukaemischen Erscheinangen,
Schwinden der Milz- und Drüsenschwellimg, Besserung des Blutbe¬
fundes, ein. Genaue Blutuutersuchungen nach der Aruethschen
Methode, die der Kernmorphologie der Leukocyten, speziell der
neutrophilen, besondere Beachtung schenkt, erlauben eine Erklä¬
rung für diese auffallende Erscheinung zu geben. Ameth vindi-
ziert den neutrophilen polynucleären Leukocyten eine besondere
Bedeutung im Kampfe gegen Infektion; sie werden in Massen
zur Bildung von Antikörpern verbraucht. Bei den Abwehrbe¬
strebungen des Organismus werden zuerst die ältesten Neutrophilen,
also die mit mehrfach geteilten Kern, als die geeignetsten zur
Antikörperbildung verwandt, sie schwinden zuerst aus dem Blut¬
bild, und im Verlaufe der Infektion findet bald eine Verschiebung
zur Klasse der ein- und zweikemigen, also der jüngeren Formen,
statt. Im vorliegenden Falle setzte mit der Infektion eine Ueber-
schwemmung des Blutes mit polynucleären neutrophilen Leukocyten
ein, die aber nach wenigen Tagen wieder schwand und einer
Leukopenie Platz machte. Dieses plötzliche, überwiegende Auf¬
treten polyuucleärer Neittrophylen findet nach F. seine Erklärung
in dem Verschwinden der Drüsen, der Verkleinerung der Milz.
Diese sind von myeloiden Wucherungen durchsetzt, die als Meta-
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1906.
MEDICINISCHB WOGHB.
451
stasen der vom Knochenmark produzierten Leukocyten solche in
allen Entwicklongsstuien in Massen, also gleichsam als Vorräte
enthalten. Von hier aus geht bei Bedarf ein Schub älterer, zur
Abwehr der Infektion geeigneter Zellen in das Blut über, und so
entsteht die Verbesserung des Blutbildes, begleitet von deutlichem
Abschwellen der Drüsen und der Milz.
5. Dinger, Amsterdam: Beitrag zur Behandlung des
Trachoms mit Badixun.
Die Behandliing wurde vorgenommen mit 6 mg Radium, das
zweimal w&chentlich bis zu fünf Minuten einwirkte, später mit
dem doppelten Quantum einmal wöchentlich. Nachteilige Folgen
wurden niemals beobachtet. Von 16 Patienten wurden bei 7 die
Traohomkömer völlig zum Schwinden gebracht. Die Heilung trat
nman schneller und vollkommner ein, je jünger die Patienten
waren. Aber auch in älteren Fällen, bei Komplikation des
Trachoms mit Pannus, gelang es,- wenn auch langsam, Pannus
und Trachomkömer zum Schwinden zu bringen und die Patienten
wieder arbeitsfähig zu machen. Diese Behandlungsweise ist der
mit Causticis und der mechanischen vorzuzieheu, weil die Heilung
nicht nur schneller erfolgt, sondern die Patienten dabei auch
keinerlei Schmerzen empfinden.
6. Westenhoeffer: Heber den gegenwärtigen Stand
unserer Kenntnisse von der übertragbaren Genickstarre. (Schluss.)
So wertvoll die Ergebnisse der neueren Untersuchungen für
die Aetiologie sind, betr. die Krankheitserreger, ihre Eintritts¬
pforte, die Coocenträger, für die Epidemiologie haben sie erst den
Boden gegeben. Die wichtigen Fragen, warum meistens aus den
sporadischen Fallen keine Epidemieen werden, warum dagegen in
den grossen Kohlenrevieren Deutschlands die Krankheit wieder¬
holt so schwere epidemische Ausbreitung gefunden hat, harren
noch der Beantwortung. Namentlich werden weitere Forschungen
ontersuchen müssen, ob nicht die hohe Feuchtigkeit, die erhöhte
Temperatur in den Bergwerken, die Abwesenheit des Sonnen¬
lichtes ein saprophytisches Wachstum des Meningococcus in den
Tiefen der Bergwerke ermöglicht. Was die Entstehung der
Meningitis betrifft, so ist bei aufmerksamem Suchen stets ein
primärer Herd extrakranlell, fast stets in Gestalt der Meningo-
coccen-Pharyngitis zu finden; die Meningitis selbst ist secundär.
Eine lymphogene Infektion der Hirnhäute, insbesondere den
Nervenbahnen entlang nach aufwärts, durch in wandernde Leuko¬
cyten eingeschlossene Meningococcen, ist nicht ausgeschlossen;
wahrscheinlicher dagegen ist die haematogene Infektion. Die
Disposition scheint gegeben zu sein in dem Vorhandensein grosser
lufektionsreceptoren, wie sie in den Tonsillen und dem lymphati¬
schen Apparat dargestellt werden. Die besondere Empfänglich¬
keit der Kinder für Genickstarre liegt im kindlichen Organismus,
der einen wohl ausgeprägten, zum Teil hypertrophischen lympha¬
tischen Nasenrachenring, insbesondere eine Rachentonsüle aufweist.
Die an Genickstarre gestorbenen Erwachsenen hatten fast alle
ausgeprägte Rochentonsillen, in diesem Sinne also einen kindlichen
Habitus. Die Rachentonsille tritt so zum Meningococcus in ein
gleiches Verhältnis, wie etwa die Gaumentonsille zum Strepto¬
coccus und der Peyersche Haufen zum Typhus- und Tuberkel-
bacUlus; sie gehört zu den spezifischen Eintrittspforten. Was die
Therapie betrifft, so haben weder die Bäderbehandlung, noch die
Lumbalpunktion, noch die sonst empfohlenen Maßnahmen das ge¬
halten, was man von ihnen erwartet hat. Insbesondere hat die
Lumbalpunktion, ausser vorübergehender Besserung, niemals nach¬
weisbar den Krankheitsverlauf wesentlich beeinflusst. Von einer
wirksamen Therapie sind drei Dinge zu verlangen: 1. Bekämpfung
der Infektion (der Coccen und ihrer Gifte); 2. Emtfemung des
Eiters aus den Hirnhäuten und Höhlen; 3. Verhütung oder Be¬
seitigung des Hydrocephalus. Zu 1 und 2 ist die Lumbalpunk¬
tion und vielleicht die Incision und Drainage des Lig. atlanto-
occipitale beranzuziehen; das wirksamste wäre freilich die Behand¬
lung mit einem Heilserum, Solange hier aber noch keine befrie¬
digenden Resultate erzielt sind, wird man sich in erster Linie
bemühen müssen, das Stadium hydrocepbalicum zu verhindern
oder zu beseitigen. Hier bietet sich eine noch nicht bervorge-
hobene Schwierigkeit. In den Plexus, besonders des Unterhorns,
hält sich der Eiter am längsten, von diesen Stellen aus findet
eine dauernde Reizung der Plexns und des Ependyms statt, die
znm Hydix)cephalns führt. Um hier einzugreifen, ist die Behand¬
lung der Meningitis in die Hand des Chirurgen Zu legen. Trepa¬
nation des Schläfenbeins und Punktion und Drainage des Unter¬
horns sind vorzunehmeu. Nach Versuchen an der Leiche empfiehlt
W. hierzu eine relativ einfache und zuverlässige Operations¬
methode.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 39.
1. Fischer. Semmelweis’ Vorläufer.
Historische Darlegung der Entwicklung der Anschauungen
über die Aetiologie des Puerperalfiebers, Namentlich englische
Forscher waren es, die die Lehre von der Contagiosität des Puer¬
peralfiebers begründeten. Ihre Anschauungen bewiesen gegenüber
den kontinentalen Ansichten Über die Natur des Kindbettfiebeis
eine bedeutend vorgeschrittenere Erkenntnis und die Semmelweis-
sche Lehre ist nur ein weiterer, aber entscheidender Schritt auf
derselben Bahn.
2. Löwy, Prag: Heber die Bedeutong der Beaktion des
BigitaUsinfases für seine Wirksamkeit.
Als Ursachen der von praktischer Seite oft beobachteten Un¬
sicherheit und Unregelmäßigkeit der Digitaliswirkung sind heran¬
gezogen worden die Droge, mit ihrea^ vom Alter, Standort, Auf¬
bewahrungsart etc. abhängigen Gehalt an wirksamen Bestandteilen,
und die individuellen Verhältnisse des Patienten, wie Schwankungen
der Resorption, Füllung des Magens, des Darmes, schädigende
Wirkung der freien Salzsäure. In letzterer Hinsicht hat Deuseler
eine beträchtliche Abschwächung der Wirksamkeit des Digitalins
durch die Magenverdauung nachgewiesen. L. hat nun experimentell
zu prüfen versucht, von welchen Umständen die Wirk^mkeit des
klinisch wichtigsten Digitalispräparats, des Digitalisinfoses, ab¬
hängig ist, und kommt zu folgenden Ergebnissen: Ein Digitalis-
infus wird durch Salzsäure in Konzentration der Magensalzsäure
in allen Fallen abgeschwächt; die Gegenwart von l^epsin ist ohne
Bedeutung. Ein Stehenlassen bei Zimmertemperatur genügt, um
im Verlaufe von 24 Stunden ein Infus fast auf die Hälfte seiner
ursprünglichen Wirksamkeit zu bringen. Diese letztere Schädigung
des Infuses wird durch eine in ihm vorkommende organische Säure,
deren genauere Bestimmung noch nicht möglich war, hervorge¬
rufen und kann durch Neutralisation in der Mehrzahl der Fälle
beseitigt werden. Eine vorratsweise Herstellung von Digitalisin-
fusen ist deshalb zn verwerfen; die frisch hergestellteu sollten in
neutralisierter Form am Krankenbett zur Verfügung gestellt werden.
3. Urbantschitsch: Heber „Beflexepilepsie.**
Um in der strittigen Frage der „Reflexepilepsie^ eine Einigung
herbeizuführen, sind scharf zu trennen: die echte Epilepsie, wenn
die einzelnen Krampfanfälle von einer entfernten Körpersteile aus¬
gelöst werden, und die epileptiformen Anfälle, die zeitweise durch
einen krankhaften Zustand einer bestimmten Körperregion zur
Auslösung gelangen. Nur die letzteren sind als ,R«fiexepilepsie‘*
zu betrachten und wohl besser als „reflektorisch-epileptiforme An¬
fälle“ zu bezeichuen. Diese Scheidung ist sehr wichtig bezüglich
der Prognose, da die wahre Epilepsie in der Regel als eine un¬
heilbare, wenn auch bedeutend besserbare Erkrankung aufzufassen
ist, während die „Reflexepilepsie“ durch geeignete Maßnahmen
heilbar ist, und somit anch der Therapie, indem die Behandlung
der echten und Reflexepilepsie eine verschiedene ist, insbesondere
was die Brommedikation betrifft, die meistens bei der ersten einen
günstigen Einfluss ausübt, bei der letzteren oft wirkungslos bleibt,
wogegen gerade hier die Behandlung der peripheren Stelle, von
wo die Anfälle ausgelöst werden, die Hauptrolle spielt. Freilich
wird die Unterscheidung von „Reflexepilepsie“ und echter, beson¬
ders, wenn eine „epÜeptogene Zone“ besteht, oft grossen Schwierig¬
keiten begegnen und häufig erst der Dauererfolg eine Entscheidung
zu gunsten der ersteren bringen. Das Forschen nach „epilepto-
genen Zonen“, auch bei wahrer Epilepsie, soll keineswegs ver¬
nachlässigt werden. Der Begriff ist aber wesentlich zu erweitern
and neben den gewöhnlich mit diesem Namen belegten Hautzonen
alle inneren Organe in Betracht zu ziehen, insbesondere der Darm-
traktus. Interessante Krankengeschichten erläutern dies und zeigen,
wie die gründliche Erforschung, ob nicht gewisse Körperpartien
zu den Anfällen in Beziehung treten, es oft ermöglicht, einen
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452
MEDlCmiSCHB WOOHE.
Nr. 42.
grösseren Eini^nss anf den 'Krankheitsverlauf zu gewinnen, als
durch die vielfach angewandten .iNervenmittel“.
4. Teleky. Die Sterhliohkeit an Tuberkulose in Oester-
reiob a873—1904).
Die interessanten Statistiken ergeben bei den Eronländern,
Bezirken und Städten immer das bemerkenswerte Phänomen, dass
Orte mit hoch entwickelter Industrie eine hohe Tuberkulosenmor¬
talität zeigen, dass aber gerade Orte mit hoher industrieller Ent¬
wicklung auch die grösste Besserung der Tuberkulosesterblichkeit
in den letzten Jahrzehnten aufweisen. Dieses Sinken der Tuber-
kulosesterblichkeit mit fortschreitender Entwicklung der Industrie
scheint durch Kräfte verursacht, die im allerengsten Zusammen¬
hang mit der industriellen Entwicklung stehen oder durch diese
erst hervorgerufen werden. Die wichtigsten Faktoren in dieser
Hinsicht dürften sein: die wirtschaftliche und politische Organi¬
sation der Arbeiterklasse, die ihre Lebenshaltung durch kürzere
Arbeitszeit und höheren Lohn gehoben hat, und die staatliche
Fürsorge, Axbeiterschntzgesetze und Arbeiterversicherungsgesetze.
5. R4thi, Wien: Die Ozaena und die Stauungstherapie.
Bericht über Versuche mit Saugbehandlung und Stauung
durch Tamponade der Choanenöffnung, womit aber nur temporäre
Erfolge erzielt wurden.
Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 38.
1. Ziegenspeck, München: Heber Pessarien.
Als Grundsätze für die Pessarbehandlung werden ältere Thesen
von Schulze und Prochownick in Erinnerung gebracht: 1. das
Pessar darf keine Stütze am Knochen suchen; 2. sein Querdurch¬
messer darf nicht grösser sein, als sein Längsdurchmesser und der
grössere Durchmesser muss mit der Längsachse der Vagina zu¬
sammenfallen ; 3. es darf keine Kommunikation mit der Atmosphäre
unterhalten; 4. es darf in der einmal der Vaginalwand gegebenen
Anspannung nicht durch latente Elastizität reizend wirken, muss
runde, glatte, leicht gleitende Flächen ohne freie Binden besitzen;
5. es darf nicht durch Eigenschwere aus der gegebenen Lage
sinken oder lästig werden, und weiter hinzugefügt 6. durch das
Pessar darf kein grösserer Hohlraum in der Vagina geschaffen
werden; 7. es darf die Trägerin nicht kohabitatlonsunfähig machen.
An der Hand dieser Leitsätze werden die verschiedenen Pessar¬
formen einer Kritik unterzogen und eine Reihe von Modifikationen,
die sich bei Z. in langjähriger Praxis bewährt haben, empfohlen.
2. Strebei, München: Die ärztliche Kunst auf dem Gebiete
der Kosmetik.
Skizzierende Darstellung der wesentlichsten in Betracht kom¬
menden Veränderungen und der wichtigsten therapeutischen Ma߬
nahmen und Verfahren.
Nr. 39.
1. Goebel, Bielefeld: Heber die syphilitische Aetiologie
und Therapie der Tabes dorsalis.
Die Beweiskraft der grossen Statistiken (Erb) wird bestritten.
Neben der Lues kommen noch zahlreiche andere Faktoren als
aetiologische Momente in Betracht: Potus, Trauma, Ueberarbei-
tung, Sorgen, Veranlagung. Vielleicht führt ein Zusammenwirken
mehrerer, in verschiedenster Kombination, zum Ausbruch der Tabes;
vielleicht geben sie auch nur den Anlass zur Entwicklung der
Tabes, deren Bedingungen vorhanden waren; die oft bei Tabikern
nachzuweisenden Degenerationszeicheu legen diesen Gedanken nahe.
Die Edingersche Hj’pothese von der funktionellen Ueberanstreng-
ung und die umgekehrte Lotssche von der angeborenen Schwäche,
infolge des Fehlens oentripetaler Erregungen, werden erwähnt.
Als sehr verführerisch zur Erklärung der Entetehung der Tabes
werden die Toxintheorien herangezogen. Aber auch gegen diese
sprechen manche Momente: die auffällige Tatsache, dass bei der
Tabes vorwiegend sensible Neurone, hei der Paralyse motorische
ergriffen sind; die nicht seltenen gutartigen, lange Zeit andauern¬
den Fälle; die Seltenheit der Tabes bei Ehegatten; die Seltenheit
von Tabes und Paralyse in exotischen Ländern, wo Lues als
Volksseuche auftritt. Wenn nun auch bezüglich der aetiologischen
Bedeutung der Lues noch keine Entscheidung zu treffen ist, so
ist doch bezüglich der Therapie mit Entschiedenheit ein Verzicht
auf eine merkurielle Behandlung zu fordern.
2. Kurrer, Horb: Heber Helaena vera neonatomm.
2 Fälle, spontan geborene, kräftig entwickelte Kinder be¬
treffend. Während der eine mit Genesung endete, trat beim
andern der Exitus schon 36 Stunden nach Einsetzen der Darm¬
blutung ein. Die Autopsie ergab capilläre Blutungen, rein anf
den Dickdarm beschränkt. Irgend eine Ursache war nicht auf¬
zufinden.
Pamilien-Nachrichten.
Verlobt:
Frl. Elsa Becker io Naamborg (Saale) mit Hm. Dr. med. Rudolf
Heinrich in München, — Frl. Paula Birnbaum in Giessen mit Hrn. Dr.
med. Ernst Unger in Berlin. — Frl. Henriette Joski in Cbarlottenbiirg mit
Hm. Dr. med. Adolf Schlesinger in Berlin. — Frl. Klara Mareks mit Hm.
Dr. med. Bruno Henske in Heidelberg. — Frl. Stephanie Josten in Kempen
(Rhein) mit Hrn. Assistenzarzt Dr. Hoffmans in Metz. — Frl. Margarete
Stohrmann mit Hrn. Dr. med. Joseph Meyer, beide in Breslau.
Vermählt:
Hr. Dr. med. Heior. Bisping mit Frl. Johanna Kammann in Bredeney.
— Hr. Dr. med. E. Brame mit Frl. Clara von Winniog io Mühlrüdlitz
i. Scbles. — Hr. Dr. med. Karl BlUmel mit Frl. Margarete Oeitel in Stendal.
— Ur. Dr. med. Paul Diepgen mit Frl. Gerda Schmitz in Malmö (Schweden).
— Hr. Dr. med. Herrn. Feinberg mit Frl. Hedwig Picard in Eizgen (Schweiz).
— Hr. Dr. med. Arthur Honneth mit Frl. Auguste Rüken in Essen-Ruhr.
— Hr. Dr. med. Emst Otto Kracht mit Frl. Gertrud Elisabeth Frieda
Kuhn in Körenberg. — Hr. Dr. med. Ai^ost Mau mit Frl. Fränzel Sievers
in Heyerswerda. — Hr. Dr. med. Theo Sebommertz mit Frl. Marie Rüken.
in Troisdorf. — Hr. Dr. med. Max Walch mit Frl. Melanie Keller in
Leipzig. — Hr. Dr. med. Johannes Ziegner mit Frl. Johanne Giese in
Mockau b. Leipzig.
Geboren:
Ein Sohn: Hm. Dr. med H. Hirsch in Trier. — Hm. Dr. med
Freies in Königsberg i. Pr.
Eine Tochter: Hm. Dr. med. Rieh. Frank in Stuttgart — Hrn
Dr. med. Galinsky in Fitschen OS. — Hm. Dr. med. Kitsche in Niemberg
b. Halle a. S.
Gestorben:
Dr. med. David Bloch in Breslau. — K. K. D- Sanitätsrat Dr. Adolf
Eisl in Graz. — K. and K. Oberarzt Dr. Friedrich Lackoer in Graz. —
Dr. med. Christian Brich Müller io Grimma. — Geh. Sanitätsrat Dr. med.
Paul Wilhelm Richter io Berlin. — Dr. med. Loois Stadtier io Bremen.
— Dr. med. Albert Voss in Berlin.
Neu nieders^elassen
haben sich in:
Boebom. Spezialarzt Dr. Reckzeh. — Berlin. Spezialarzt Dr. Schindler.
— Berlin. Dr. med. Leopold Sternberg. — Braonschweig. Dr. med T^t-
meyer. — Bremen. Dr. med. Schomburg. — Darmstadt. Dr. med. C. Hof.
— Dresden-A. Dr. med. Georg Riebold, — Essen. Spezialarzt Dr. Steiner.
— Fermersleben. Dr. med. Sebmeisser. — Frankfurt a. M. Dr. med. August
Hombuiger. — Frankfort a. M. Arzt Dr. Gostav Löffler. — Frankfurt a. M.
Dr. med. Arthur Stein. — Gettorf. Dr. med. Leoschau. —> Grimma. Dr.
med. Rudolf Kindt. — Halensee. Dr. med. Max Willner. — Halle a. S.
Dr. med. Gaezkowski. — Höxter. Dr. med. Bremer. — Jena. Dr. med.
Krütze. — Karlsruhe. Dr. med. Otto Bloos. — Kiel. Dr. med. Völkel.
— Leipzig. Dr. med. Adolf Rauscher. — Leipzig-Gohlis. Augenarzt Dr.
Seetelder. — Leipzig-Stötteritz. Dr. med. Quinger. — Mannheim-Waldbof.
Dr. med. Treiber. — Kümbeig. Dr. med. Heinrich Bräutigam. — Remda.
Dr. med. Krachen. — Sulau. Prakt. Arzt Johann May. — Weisser Hirsch.
Dr. med. Loebell. — Wiesbaden. Dr. med. Georg Hünerfauth.
Tafel für ärztliche Stellenvermittlung.
Adresse: Aerztliohee Ayskanfle-Bureau des fieeehSfts-Aaseohueeee der
Berliner Irztlioben Standeevereine Im Mediolnlschea WarenliaBee (Akt.-
GesOi Berlin N., Frledriohetraeee 1081.
rUr persönliche Rücksprache ist Herr Dr. JomIÜh tAaltek TOm Vlur in
Medicinischen Warenhause anwesend, (Mit gütiMr Erlaubnis des Geschafts-Ausachusse*
der Berliner arxtlichen Stsuidesvereine Tom Auskunfit-Bureau der Med. Woche Übermittelt.)
Io der Mark wird für sofort ein Assistent gesucht. Näheres
unter Nr. 1989.
In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. n. Nr. 2007,
ln Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. n. Nr. 2006.
ln der Mark wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013.
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 20^.
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. n. Nr. 2054.
In der Mark wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056.
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060.
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Yolontärarzt ges. Näb.
unter Nr. 2061.
ln der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063,
Varantwonlicber Redakteur : Dr. P. Meiaaner, Berlin W. SS, KnrfÜratenttr. 81. — Verlag Ton Carl Marhold, Halle a. S.
Druck Ton der HeTsemaiiB'acheB BBchdmcicerei, Gebr- Wolff, Halle a. S.
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Medicinische Woche
Deottehniann, A. Dflhnsen. A. Hoffa, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bt,
H. Senator, R. Sommer,
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Tei.'Adr: Marbold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Robert. M. Koe
ppen, K. Partscb, H. Roslo, H. Schlange,
In. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricht, A. Vosslas,
Magdeburg. Glessen.
Redaktion;
Berlin W. 62, Kurfflrstenstraaac 81»
Dr. P Meißner
Vn. Jahrgang.
22. Oktober 1906.
Nr. 43.
Die .Medi cinische Woche« erscheint jeden Montag mit der UtSgigen Beilage BalneolOgiSChe CefltralzeltUng, Organ des Schwarzwaldbadertages,
des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Hall e a. S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum
mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei größeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Zur Therapie des Favus des behaarten
Kopfteües.
Von Dr. L. L. Sinis, Ekatherioodar*).
Gegen Favus des behaarten Kopfteiles gibt es bekanntlich
keine geringe Anzahl von Mitteln, darunter auch ziemlich zu¬
verlässige, wie beispielsweise Chrysarobin, Pyrogallol etc.
Jedoch üben selbst die besten dieser Medikamente, wie
wir gleichfalls sehr wohl wissen, auf den favösen Prozess nur
dann einen günstigen Einfluss aus, wenn neben der medi¬
kamentösen Therapie eine systematische Auszupfung der er¬
krankten Haare, d. h. die Epilation vorgenommen wird.
Da aber diese Epilationsprozedur mit grossem Zeitverlust
verknüpft ist, und nicht selten auf Widerstand seitens der
Kranken, namentlich der Kinder, welche an Favus am meisten
erkranken, stösst, haben sich die Dermatologen schon relativ
lange zur Aufgabe gemacht, nach einem Mittel oder Heil¬
verfahren zu suchen, mit dem man den Favus heilen könnte,
ohne zur Epilation greifen zu müssen.
Wenn man die hierher gehörige Literatur einer Durchsicht
unterzieht, findet man tatsächlich auch Empfehlungen von
Mitteln dieser letzten Kategorie. Als Beispiel möchte ich nur
die Pirogowsche Jod-Teer-Salbe, das Kupferoleat, Jodtinktur,
graue Quecksilbersalbe, Formalin etc. nennen.
Leider ist es weder mir, noch den übrigen Aerzten, die
über ihre bezüglichen Erfahrungen publiziert haben, gelungen,
durch die Anwendung der soeben genannten Mittel dauernden
Erfolg zu erzielen, wenn nicht zugleich auch die Epilation an¬
gewendet wurde.
Wir vermissen somit bis auf den heutigen Tag ein Mittel
gegen Favus, welches ohne Epilation mit Erfolg angewendet
werden könnte.
Von dieser Erwägung ausgehend, erachte ich es für an¬
gebracht, über ein Mittel zu berichten, oder richtiger, an ein
Mittel zu erinnern, durch dessen Verwendung ich selbst
schwere Fälle von Favus ohne jegliche Epilation zur Heilung
bringen konnte.
Dieses Mittel ist bei weitem nicht neu, sondern im Gegen¬
teil sehr alt und wird von den Aerzten larga manu angewendet.
Es ist das gewöhnlich Jod. Das Wesen der Sache liegt
nur in der Form, in welcher diese Substanz angewendet werden
muss, damit ein Erfolg erzielt werden kann.
In meinen Fällen verwendete ich eine Salbe, welche aus
metallischen Jods und 30,0 Gänseschmalz bestand. Diese
« ■
*) Aus dem Rassischen von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf.
Salbe wurde vor einigen Jahren von einem ausländischen Arzte,
dessen Namen ich leider nicht behalten habe, empfohlen, wo¬
bei angegeben wurde, dass das Jod in der bezeichneten Appli¬
kationsform in die Gewebselemente der Haut tief eindringt.
Ich kann den Kollegen nur diese letztere Form der Jod¬
applikation für die Behandlung des in Rede stehenden Leidens
empfehlen, weil sämtliche übrigen jodhaltigen Mischungen oder
Lösungen, wie die oben erwähnte Pirogowsche Salbe, Jod¬
tinktur etc., bei meinen mit Favus behafteten Patienten ohne
Epilation nichts fruchteten.
Anbei einige Beobachtungen aus meiner Praxis.
I. 4jähriges Mädchen von schwachem Körperbau und
ebensolchem Ernähningszustand mit skrophulöser Erkrankung
der Halslymphdrüsen, Kam in meine Behandlung am 14. Fe¬
bruar 1002. Bei der Besichtigung des behaarten Kopfteües
wurde eine ziemlich bedeutende Quantität von geblichen Borken
bemerkt, die verschiedene Grösse zeigten und von Haaren
durchbohrt waren; die grösste Borke nahm die Mitte des
Kopfes ein und hatte die Dimension eines silbernen Fünfmark¬
stückes. Diese Borke war über dem Niveau der übrigen Haut
erhaben, wobei man unter der Borke das Vorhandensein von
Flüssigkeit wahmehmen konnte, denn es bestand deutliche
Fluktuation. Durch Befragen wurde festgestellt, dass die
gegenwärtige Erkrankung sich bei dem Kinde im Dezember 1901
in Form einer kleinen Borke am Scheitel eingestellt hatte.
Der Arzt, dem man das Kind zunächst gezeigt natte, deutete
die Krankheit nicht als Favus, sondern als Ekzem. Er ver-
ordnete die verschiedensten Salben, jedoch ohne Erfolg; der
Krankheitsprozess griff immer mehr und mehr um sich. Als
der behandelnde Arzt die Fluktuation unterhalb der in der
Mitte des Kopfes befindlichen Borke entdeckt hatte, schlug er
eine Inzision vor, in welche die Mutter des Kindes jedocli nicht
einwilligte. Das geschah an demselben Tage, an welchem sich
die Mutter an mich wandte. Die favöse Natur der Affektion
konnte man schon auf Grund des klinischen Bildes feststellen;
um aber sicher vorzugehen, habe ich Haare und Borken mi¬
kroskopisch untersucht und das Vorhandensein der spezifischen
Favuspilze konstatiert.
Ich verordnete die oben erwähnte Jodsalbe, welche fol¬
gendermaßen appliziert wurde; Stücke weicher, alter Leinwand
wurde gleichmäßig mit der Salbe bestrichen (die frisch herge¬
stellte Salbe ist von ziemlich flüssiger Konsistenz, später wird
sie aber dicht, namentlich wenn sie der Kälte ausgesetzt ist)
und einzeln auf jede Borke aufgelegt, worauf sie mittels einer
Gazebinde oder eines Kopftuches befestigt wurden. Zweimal
täglich wurde der Verband gewechselt. Stellte sich Reizung
ein (Schmerz, Jucken), so wurde die Jodsalbe auf 1—2 Tage
ausgesetzt und durch eine 25prozentige Ichthyolsalbe, die mit
gelber Vaseline hergestellt war, ersetzt; falls Jucken bestand,
wurde zur Salbe 2 prozentigo Menthol zugesetzt. Beim abend¬
lichen Verbandwechsel wurde der Kopf mit warmem Wasser
und grüner Seife gewaschen.
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454
MBDICINISCHl WOCHE.
Nr. 43.
Auf den entfernten Leinwandstücken fand man Häufig er¬
krankte Haare. Beim Verbandwechsel empfand das Kind keine
Schmerzen.
Drei Wochen nach Beginn der Behandlung waren die affi-
zierten Stellen rot und haarlos. Hierauf wurde die Behandlung
für eine gewisse Zeit unterbrochen, um festzustellen, ob an
diesen Stellen wieder kranke Haare erscheinen würden. In
der Tat zeigten sich favöse Haare, aber nicht auf allen,
sondern nur auf einigen haarlosen Gebieten. Letztere wurden
zum zweiten Mal der oben erwähnten Therapie unterzogen.
Nach einer Behandlungsdauer von 2 Monaten, das Kon-
trollstadium mit eingeschlossen, war von einem Recidiv der
Krankheit nichts mehr zu sehen. Ende Mai desselben Jahres
sah ich das Kind wieder und konnte mit Vergnügen feststellen,
dass sämtliche erkrankt und haarlos gewesenen Stellen nun
wieder mit normalem, dichtem Haarwuchs bedeckt sind.
Auch in diesem Jahr sah ich das Kind und kann be¬
zeugen, dass dasselbe wohl für immer von ihrem Favus ge¬
heilt ist.
II. 5 jähriger Knabe, blutarm, mit rachitischem Körper¬
bau und chronischer Milzschwellung infolge von Malaria. Auf
dem behaarten Kopfteil sah man, namentlich in der Hinter¬
hauptgegend, ziemlich grosse, graue, trockene Borken, in denen
die mi&oskopische Untersuchung das Vorhandensein von
Achorion Schönleinii ergab. Ich verordnete die oben erwähnte
Jodsalbe und gab die Weisung, in der geschilderten Weise zu
verfahren. Während der Behandlung bot sich mir keine Ge¬
legenheit, den kranken Knaben zu sehen. Ich sah ihn erst
nach 3 Monaten und fand bei sorgfältiger Besichtigung der
Kopfhaut an sämtlichen Stellen, die früher favös erkankt
waren, absolut normalen Haarwuchs.
Die Behandlung wurde, wie die Mutter des Patienten ver¬
sicherte, genau nach meinen Angaben gehandhabt. Ichthyol¬
salbe brauchte nicht an gewendet zu werden, da Reizerscheinungen
nicht vorhanden waren. Die ganze Behandlung hat, zwei Kon-
trollperioden mit eingeschlossen, ca. 2^/2 Monat gedauert.
HI. Sjähriges Mädchen von mäßigem Körperbau und
ebensolchem Ernährungszustand. Der Vater des Kindes ist
52 Jahre alt und gibt zu, in der Jugend syphilitisch erkrankt
gewesen zu sein. Die Besichtigung des beharrten Kopfteiles
ergab zahlreiche charakteristische favöse Scutula. Die Krank¬
heit besteht bereits seit 8 Monaten. Die Diagnose wurde auf
Grund der mikroskopischen Untersuchung der Borken und
Haare, die den affizierten Stellen der Kopfhaut entnommen
waren, und in denen spezifische Favuspillen gefunden wurden,
gestellt Die Behandlung mit der oben erwähnten Salbe wurde
am 18. Oktober 1903 begonnen.
Feuilleton.
Etymologisches zu den Krankheitsnamen
„Ilens“ und „Mserere“.
Von Dr. Erich Ebstein {Göttingen).
Der klinische Begriff des Wortes „Ileus“ ist in verschie¬
denen Zeiten verschieden weit gefasst worden. Daher schlug
Nothnagel*), und ihm beistimmond, A. Pribram und H.
Braun, vor, den Ausdruck, der zur Verständigung überflüssig
und veraltet sei, gänzlich fallen zu lassen, da man ohnehin
im einzelnen Falle genötigt sei, die spezielle Diagnose, warum
Ileus eingetreten sei, zu machen. Pribram scheint, wenn
man schon selbst die Diagnose nicht machen kann, für den
gegebenen Fall der Ausdruck Darmundurchgängigkeit, Darm-
occlusion mit oder ohne Koterbrechen, zur Verständigung voll¬
kommen hinreichend zu sein. „Höchstens“, fährt Pribram
fort, „könnte man die Kürze desselben als einen Vorzug an-
*) Vgl. A. Pribram in Ebstoin-Schwalbo, Handbuch der praktiacben
Medicin. 1. Auflage ßd. 2, S. 624 f und S. 1143 Anmerkung 1.
27. Dezember. Borken sind nicht mehr vorhanden. Die
erkrankten Partien sind rot und etwas kahl. Geringer Schmerz
bei Berührung und mäßiges Jucken. Drei Tage wurde infolge¬
dessen Ichthyol-Menthol-Salbe angewendet. Dauer der Be¬
handlung 7 Wochen. Vollständige restitutio ad integrum, nebst
Wiederherstellung der normalen Dichte und Färbung der Haare
wurde nach einer Behandlungsdauer von 3'/2 Monaten erzielt.
IV. 4jähriges Mädchen von schwachem Körperbau und
ebensolchem Ernährungszustand. Das Kind erkrankte häufig
an Urticaria infolge von Malaria. Am 6. Mai 1904 wurde das
Kind in meine Sprechstunde wegen seit 6 Monaten bestehenden
Borken am Kopfe gebracht. Die Besichtigung ergab auf den
behaarten Kopfteil eine bedeutende Quantität von gelblich-
grauen Borken, in denen die mikroskopische Untersuchung das
Vorhandensein von Favuspilzeu ergab. Dieselbe Behandlung,
wie in den vorstehenden Fällen. Dauer der Behandlung sechs
Wochen. Ausgang: Genesung nebst Wiederherstellung eines
normalen Haarwuchses.
V. 7jährigos Mädchen von mittelmäßigem Körperbau und
ebensolchem Ernälirungszustand. Auf dem behaarten Kopfteile
befinden sich grau-gelbliche, trockene Borken, die bereits seit
8 Monaten bestehen sollen. Auch in diesem Falle wurde die
Favus-Natur der Affektion mikroskopisch sicher gestellt. Unter
dem Einflüsse der oben geschilderten Behandlung mit Jodsalbe
trat innerhalb eines Zeitraumes von ca. 3 Monaten vollständige
Genesung mit Wiederherstellung des Haarwuchses ein.
Ausser den vorstehenden Fällen verfüge ich über weitere
sieben gut beobachtete Fälle, in denen gleich günstige Resultate er¬
zielt worden sind. Ich nehme aber von einer Mitteilung dieser
Fälle Abstand, um den Leser durch die Wiederholung ein¬
förmiger Krankengeschichten nicht zu ermüden.
Die im Vorstehenden geschilderte Methode der Favus-Be¬
handlung hat bis jetzt die Aufmerksamkeit der Aerzte noch,
nicht in vollem Maße auf sich zu lenken vermocht, während
sie doch, wie wir gesehen haben, die weiteste Verwendung
verdient.
Von enormer Bedeutuug sind hier folgende Momente:
1. die Möglichkeit, ohne die zeitraubende und ziemlich un¬
angenehme Epilationsprozedur auszukommen und 2. vollständige
Genesung nebst Wiederherstellung des normalen Haarwuchses.
Es versteht sich von selbst, dass zur endgültigen Ent¬
scheidung der Frage der Spezifizitat der von mir vorgesc^agenen
Salbe noch weitere Beobachtungen erforderlich sind.
sehen und deshalb ist der Name ^Heus“ wohl bis auf den
heutigen Tag nicht aus der klinischen Nomenklatur ver¬
schwunden.“
Ileus kommt von o (iX€6g und bedeutet „eine durch Ver¬
wickelung der dünnen Därme entstehende schwere Krankheit,
Darmverschlingung“.*) Wie Pribram {1. c. S. 573) angibt**),
hiess die Krankheit des Dünndarms nach Diokles Carystins,
dem dXXog 'JnnoxQdxtig (zwischen 400 und 350 v. Chr.)
die des Dickdarms nach demselben c/Afd?; doch wurde zu
Celsus’ Zeiten (f 20 p. Chr.) vielmehr die erstere €?Afdf, die
letztere als tcxpXtxüg bezeichnet.
Bereits Hippocrates und Galenos (geb. ca. 130 p. Chr.)
nannten diejenige Entzündung der Gedärme Ileus, welche die
Höhle derselben so verschliesst, dass nichts hindurch passieren
kann. Alexander von Tralles nennt den Ileus „colici
affectus intensionem et incromentum“.
Im Gegensätze zu Diocles Carystius und Celsus,
die wie wir eben sahen, den Namen von dem Sitze der Krank-
*) Vgl. Franz Passow, Hatidwörterbucb der Griechischen Sprache. Bd.
I, S. 6:33. Leipzig 1831 und W. Prellwitz, Ebyiuolo^ Wörterbuch der
Griech. Sprache. Göttingen 1905, (S 130) wonach das wort eih-öi schon
bei Hipponates verkommt, und sich ableitet von {'dlro drohe wickle.
**1 Vgl. auch Fr. Aug. Forcke, Historische Untersuchungen und prak¬
tische Beobachtungen über den Ileus, die Invagination und die croupartige
Entzündung der Gedärme. Leipzig 1843, S. 3, der fiilschlich schreibt.
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1906.
MEDICINISCHK WOCÖB.
455
Sitzungsberichte.
Deutschland.
AeneUicher Verein in Hamburg*
Sitzung vom 2. Oktober 1906.
Vorsitzender Herr Kümmell.
1. Herr Kellner demonstriert:
a) Einen 3^/j jährigen Mikrocephalen Die Schädelmaße be¬
tragen: Umfang 37 cm, Längsdurchmesser 12,5 cm, Quordurch-
messer 9,5 cm, Höhe 6,4. cm. Das Kind ist völlig idiotisch und
entsprioht in seiner Schädelform dem Aztekentypus (hochliegende
Nasenwurzel, fliegende Stirn, Vogelgesicht).
Infolge der ausserordentlich schwach entwickelten Muskulatur
ist an eine normale Fortbewegung nicht zu denken; nach Art eines
Wurmes ist es jedoch im Stande, indem es sich zunächst zu-
sammenkrümmt und dann auseinmider schnellt, sich fortzubewegen.
b) Einen Hydrocephalenschädel, wo der Kopf mehr als der
gesamte übrige Körper wog.
2. Herr Krieg demonstriert das von Klapp inaugurierte
Verfahren zur Mobilisierung der Wirbelsäule bei Verkrümmung
an einer Reihe von Patienten. Insofern bedeutet das von Krieg
benutzte Verfahren eine Erweiterung, als er es mit Atemgym¬
nastik kombiniert. Die erzielten Erfolge glaubt Krieg mit anderen
Methoden nicht erreichen zu können.
3. Herr Denecke demonstriert einen 48jährigen Mann, bei
dem beiderseits kein Radialpuls nachweisbar, an der Art. bra-
chialis nur schwache Pulsation zu fühlen; ausserdem war der
Carotispuls rechts stärker wie links. Herz und Lungen boten
keine Erklärung für diesen Befund.
Die Diflferentialdiagnose konnte zwischen einem intratorakalen
Tumor, Eutarteriitis obliterans und Aneurysma schwanken. Das
ßöntgenbild zeigte das Vorhandensein eines Aneurysmas am
Aortenbogen. Bei darauf gerichteter Aufmerksamkeit waren jetzt
noch einige andere Symptome zu finden; geringe Pulsation be¬
sonders bei erregter Herzaktion, vom oben links am Thorax und
das Oliver-Cardarelli’sche Symptom.
Die Bestimmung des Blutdruckes ergab Werte, die um mehr
als die Hälfte hinter den normalen zurückblieben.
Herr Nonne spricht über „Myelitis und kom>
binierte Systemerkrankungen bei Alkoholismus chro-
n icus
Der ausführliche, durch historische Bilder illustrierte Bericht
lässt sich dahin zusammenfassen, dass ausser den bereits früher
von anderen Autoren und N. selbst gefundenen Veränderungen am
Rückenmark beim chronischen Alkoholismus primäre kombinierte
heit in den Dünn- oder Dickdärmen abhängig machten, ver¬
einigten Hippocrates, Aretaeus, Galen u. a. unter dem
Begriffe Ileus diejenigen Formen von Kolik, in denen der
Durchgang der Faeces durch den Darmkanal völlig versperrt
ist, und meistens auch Erbrechen stattfindet.*)
Soweit ich die Sache übersehe, hat Aretaeus von Kappa-
dozien (2 Jahrhundert v. Chr.) den Symptomenkomplex des
Ileus zuerst schärfer gefasst, bezw. erkannt und deutlicher be¬
schrieben**), obgleich M. E. A. Naumann***) der Ansicht ist,
dass für Aretaeus f?A«o'?, die Darmentzündung selbst sei,
was mir nach der klaren Beschreibung von Aretaeus nicht
recht einleuchtend erscheint.
Die Synonomik des Wortes Ileus hat Naumann (1. c-
S. 755 f.) wohl am ausführlichsten und gründlichsten behandelt,
und doch vermisse ich bei ihm eine hinreichende Erklärung,
wie das Wort Ileus zu dem Synonym „Miserere“ und „Miserere
mei“ kommt; Naumann sagt, nur „wegen der jämmerlichen
Lage der Kranken“ habe man dasselbe so genannt. Forcke
gedenkt des Synonymes „Miserere“ in seinem sonst so sorg¬
fältigen Buche überhaupt nicht.
Eine weit plausiblere Erklärung, die ich für recht wahr-
*) Forcke 1. c. S. 2 f.
*•) Vgl. A. Mann, Aretams. Halle 1858 S. 29 f.
***) Handbuch der medic, Klinik. 4. Bd. Berlin 1834 S. 753.
Systemerkrankungen Vorkommen, die auch dann einer klinischen
Diagnose zugänglich sind, wenn die Seitenstränge mit ergriffen
sind.
Somit rückt der chron. Alkobolismus, falls weitere Unter-
suohimgen die Angaben Nonnes bestätigen, ein in die Reihe aetio-
logischen Momente für die Entstehung von primären Systemer¬
krankungen, als welche wir bisher Ergotin, Pelagra und in letzter
fast nach Rothmanns Untersuchungen auch das Pyrodin kennen.
Blank.
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 9. Oktober 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne.
Herr Schümm demonstriert die Krystalle aus einer Mesente¬
rialcyste und mikroskopische Präparate des Cysteninhaltes. Die
Krystalle bestanden aus den Kalksalzen einer höheren Fettsäure.
Herr Paschen spricht über die Uebertragung von Vaocine-
pusteln bei Exzem. Es handelt sich im vorliegenden Falle um
ein 4*/* jähriges Kind, bei dem ein Eczem bestand und das bisher
nicht geimpft war. Ein jüngerer Bruder des Bandes war gerade mit
Erfolg geimpft; von diesem, mit dem es zusammenschlief, hatte
es sich inoculiert.
Von den auf dem Eczem entstandenen Pusteln wurden Ueber-
tragungen auf Kanincben-Comea mit Erfolg vorgenommen. Zwei¬
mal wiederholte Impfung bei dem Kinde war erfolglos.
Herr Simmonds hält einen Vortrag „über Form und
Lage des menschlichen Magens“, der durch Projektions¬
bilder ergänzt wurde.
Die Untersuchungen wurden so vorgenommen, dass von der
geöffneten Leiche eine photographische Aufnahme mit vertikal ge¬
stellter Kamera gemacht wurde.
Simmonds hat bei seinen Untersuchungen gefunden, dass
weder der von Rieder aufgestellte Typus des Magens mit der
Hubhöhe, noch der von Holzknecht als normal angesprochene,
als der wirklich normale aufzufassen ist, beide können normal sein;
die von Rieder und Holzknecht angegebenen Zeichen reichen
nicht aus, um einen Normaltypus daraus zu konstruieren.
Simmonds meint, dass die kleine Curvatur und der Pylorus
auf alle Fälle beim normalen Magen vom linken Leberlappen be¬
deckt sein müssen, dass dagegen die Lage der grossen Curvatur
nicht für eine Normallage heranzuziehen sei, da sie zu sehr von
dem FUllungszustand der Därme beeinflusst sei.
Auch auf die Ungenauigkeiten, die bei der Herstellung von
Röntgen-Aufnahmen des Magens nach Füllung mit Wismuth-Broi
durch die Projektion entstehen, weist Simmonds hin .
Diskussion: Jolasse, Lauenstein, Engelmann.
Blank.
scheiiilich halte, ist von keinem geringeren als von Georg
Christoph Lichtenberg (1742 — 1799) in dem Göttinger
Tascbenkaleiider von 1788, S. 181 ff., gegeben worden: „Der
Name der bekannten, fürchterlichen Krankheit, des Miserere,
rührt wohl von einem Missverstände her. Ei).i6g, welches die
griechische Benennnng für dieselbe ist, und bloss die Idee
von Verwickelung (der Eingeweide) und nichts weiter aus¬
drückt, ist vermutlich einmal von jemandem mit welches
Erbarmen heisst, verwechselt worden.“ Wer der Jemand ge¬
wesen ist, hat uns leider Lichtenberg nicht verraten, aber
ich halte es durchaus für sehr wohl möglich, dass wir auf
diese Weise zu der Bezeichnung „Miserere“ gekommen sind,
die sich auch bis auf den heutigen Tag mit Ileus den Rang
streitig macht in der medicinischen Terminologie. Zedier
(Bd. 21, Leipzig und Halle 1739, S. 462), das Lexikon von
St. Blancard*), von E. Kraus und andere, lassen in dieser
Frage im Stich. Nur in M. Höfler’s Deutschen Krankheits¬
namenbuch (Münclien 1899, S. 417) finde ich die Notiz, dass
das Wort „Miserere“ „ein seit Rhazes durch die mittelalter¬
lichen Aerzte und deren Handlanger volkstümlich gewordener
Ausdruck“ für „Ileus“ w’ar. In Khazes Werken selbst habe
ich allerdings das Wort „Miserere“ nicht finden können**),
•) Leipzig 1777, S 647.
♦*) Ich benutzte eine auf der Kgl. Bibliothek in Berlin Torhandene
Ausgabe (Abubetri Rhazae a. s. w. Basileae in officina (o. J.) Hourichi Petri.,
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456
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 43.
Kongressbericht.
78, Versamtnlung deutscher Naturforscher und
Aerxte in Stuttgart,
Abteilung fbr Cbirargie.
2. Sitzung, Mittwoch, 19. September 1906, Nachm.
5. Hr. Bade-Hannover: Zur Lehre von der angebornen
Hüftverrenkung.
B. zeigt Röntgenbilder, welche für eine schleichende Er¬
krankung in Kopf und Pfanne als Ursache des Leidens in
manchen Fällen sprechen, und stellt fünf Kinder vor zum Beweis, dass
man mit der Behandlung individualisieren muss, ln manchen
Fällen ist ein Kniekappenzug und starke Erhöhung der anderen
Sohle nötig, um den Kopf in der Pfanne zu halten. In anderen
Fällen steht der Kopf nur richtig, wenn in leicht flektierter
Stellung eingegipst wird. In einzelnen Fällen kann man auch
Destruktionsluxationen zur Heilung bringen. Doppelseitige Luxa¬
tionen behandelt er zweizeitig, wenn die Kinder sehr jung und
die primäre Stabilität ungleich, einzeitig bei älteren Kindern.
6. Bbr. Hirsch-Wien: Ueberisolierte subkutane Frak¬
turen einzelner Handwurzelknochen.
Am häufigsten wurde Fraktur des Navikulare beobachtet. H.
unterscheidet a) die intrakapsuläre Fraktur des Körpers; sie
kommt durch Kompression, Biegung oder Riss zustande, ist diag¬
nostizierbar, heilt fast immer pseudartbrotisch und hinterlässt be¬
trächtliche Funktionsstörungen, während b) die extrakapsuläre Ab-
rissfraktur der Tuberositus sehr günstige Prognose hat. Fraktur
Os lumatum wurde dreimal beobachtet.
Diskussion: In der Münchener Chirurg. Klinik wurden
ausser den genannten beobachtet: isolierte Fraktur des Hamatum,
Fraktur des Triquerum kombiniert mit Fraktur des Proc. styl,
uln. Bei einer der drei Lunatumfrakturen konnte der Unfallkranke
nur allgemein über Anstrengung, dagegen nicht den Moment
der Fraktur angeben. — Letzteres wurde auch im Stuttgarter
Kathar. Spital einmal beobachtet; hier war öfters Veranlassung
zur blutigen Entfernung von Karpalknocbenbruchstücken gegeben.
7. Hr. Guradze-Wiesbaden: Behandlung des Genu
v algum.
Röntgenbilder sprechen für die Albertsche Ansicht, da-ss
an den pathologischen Veränderungen bei Genu valgum auch die
Epiphysen wesentlich beteiligt sind. Ferner sind die Torsionen
sehr wichtig. Die Osteoklasie verwerfend, möchte Vortr. die In¬
dikationen zur Osteotomie erweitern und auch starre rachitische
X-Beine einbeziehen. Als Beleg dient ein erfolgreich nach
vielleicht kommt es erst bei einem Pseudo-Rhazes oder einem
späteren Rliazes-Kommentator vor.*)
Danach dürfte „Miserere“ für „Ileus“ erst ums Jahr 1000
nach Christus in die medicinischo Terminologie übergegangen
sein.
Zum Schluss will ich der Vollständigkeit halber hierher
setzen, wie Lichtenberg in der oben ang(?gebenen Notiz
W’eiter fortfährt: „Ich führe dies nicht an, um damit jenem
Uebel das Mindeste von seinem Erbarmungswürdigen nehmen
zu wollen, das sich ihm nicht nehmen lässt, sondern nur
ausser dieser Berichtigung des Sprachgebrauchs, anzuzeigen,
dass wenn das Erbarmungswürdige einmal den Namen
einer Krankheit bestimmen soll, leider! in diesem Jammertal
die Wahl sehr schwer werden möchte. Der Jammer, heisst
aucli schon die fallen Je Sucht an mehreren Orten**), und,
wie mich dünkt, mit beträchtlichem Uebergewicht über das
Miserere, das zwar mit fürchterlichen, aber doch immer
nur kurzen Leiden verbunden ist.“
Kapitel 49 „de colica“, wo uns «iliaca alfectio“ i'boi (Uber IXj und
vorkonimt.
*) Brieflicbe Mitteilung dos Herrn Dr. M. Höflor vom 9. .Tannar 19u6.
**) Vgl. Höflor 1. c. S. 248 und Griiunrsches Würterbiich IV, 2, 2253.
Maeewen doppelseitig osteomierter Fall von hochgradigem Genu
valgum.
Diskussion: Herr Lorenz-Wien erinnert an einem noch
höhergradigen Fall, geheilt durch Osteotomia supracondyhea linearis,
welche L. von der Aussenseite her vomimmt. Beide Unter¬
schenkel kreuzten sich im rechten Winkel. — Herr Schulze-
Duisburg empfiehlt ebenfalls quere Durchmeisselung von aussen,
dann aber zunächst Fixation in der pathologischen Stellung und,
erst nach 10 Tagen Korrektur. — Herr Bade-Hannover findet,
dass man zwar mit der lineären Osteotomie alles machen kann,
dass man aber die Osteoklasie öfter machen würde, wenn man
bessere Instrumente hätte. Ti Ilmanns-Leipzig bemerkt, dass
man den Knochen schwer da brechen kann, wo man grade will.
8. Hr. Haasler-Halle: Zur Chirurgie der Gallenwege.
Bei partieller Hepatoptose mit Gallenstein oder Cholezystitis,
ferner wenn der mobile Leberlappen die Choledochus- oder Hepa-
tikosdrainage stört, empfiehlt H., die Gallenblase mit Längsschnitt
auszuhülsen und den gut ernährten Serosasack als festes, neues
Aufhängeband durch die Leber, an der Gallenblaseninzisur hin-
durchzuführeu und am Thorax zu fixieren
9. Hr. Pochhammer-Greifswald: Experimentelle Stu¬
dien über Euteroanastomose und Darmresektion.
P. hat deu Gedanken der Anastomosenbildung mittels elasti¬
scher Ligatur wieder aufgenommeu und mit Erfolg bei Hunden
modifiziert. Die Oeffnung blieb durchgängig. Versuche, auch bei
Anlegung des Murphyknopfs die freie Eröffnung des Darms dnrdi
elastische Ligatur, galvauokautische Schlinge u. a. zu umgeben,
waren ermutigend.
10. Hr. Wichmann-Hamburg: Beitrag zur Behand¬
lung inoperable r Geschwülste mittels Röntgenstrahlen.
Eosinisierte Speiseröhren- und Magenschleimhaut des Kanin¬
chens reagierte viel stärker auf äussere Bestrahlung, als die des
Kontrolltiers.
11. Hr. Glück-Berlin: Probleme und Ziele der pla¬
stischen Chirurgie.
G. gibt einen Ueberblick über seine aaf diesem Gebiet ge¬
leistete, vielfältige Arbeit, erinnert an die spontane Degeneration
des peripheren Stücks nach Nervendurchschneidung (Neuroblasten-
bildung), an seine Akzessorins-Fazialis-Plastik; an die Gewebs-
züchtung durch Einschaltung homologen oder heterologen Materials,
das als Reiz wirkt und dem sich regenerierenden Gewebe den
Weg weist; an Arthroplastik durch gestielte Hautlappen, welche
eine S 3 rnoviametaplasie eingehen können u. a.
Diskussion: Herr Hofmeister-Stuttgart fragt, wie lange
es nach Akzessorius-Fazialis-Plastik dauert, bis die Mimik koordi¬
niert und frei von Mitbewegungen sei. (Herr Gluck: 5 Jabre,
unter mühevollen systematischen Uebungen.) Herr Tilmann-
Köln empfiehlt, lieber den Hilfsnerven zu opfern und zwar den
Hypoglossus ganz zu duichtrennen; man kommt rascher zu einem
befriedigten Resultat.
12. Hr. Kathollcky-Brünn: Ueber Pagets Knochen-
erkrankung.
Ein schöner Fall mit Raefizierung und Zystenhildung in den
Knochen, tumorartiger Auftreibung des Unterkiefers, Spontanfrak¬
turen, Verbiegungen, Anaemie (Präparate).
Sektion fUr innere Medioin.
Referent Dr. F. Rosenfeld-Stuttgart.
Sitzung vom 21. September 1906.
Die Hörer der Vormittagsvorträge hatten kaum Zeit zum Mittag¬
essen.
Um 2^/2 Uhr war eine Sitzung der medicinischen Haupt¬
gruppe, auf deren Tagesordnung stand: Die chemischen Korre¬
lationen im tierischen Organismus.
Als erster Redner sprech Herr Starling-London, einer der
hervorragend.sten Vertreter der englischen biologischen Wissenschaft
Organisches Leben, so führte er aus, ist nur möglich, wenn
alle Teile eines Organismus Zusammenwirken. Wenn irgend ein
Teil verloren geht, so muss der Verlust, wenn es zu keinem
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19UG
JilEDlCINISCHE WOCflfi.
457
Schaden fUr den Organismus kommen soll, gedeckt werden. Gedeckt
wird er aber durch die Bildung chemischer öul)statizen, die unseren
Heilmitteln ähnlich in ihrer Wirkung sind. Diese Stoffe üben
einen gewissen Beiz auf die anderen Organe aus, zu denen sie in
einem Verhältnis der chemischen Korrelation stehen. Deswegen
nennt sie Sterling Hormone. Hierher gehört z. B. die CO 2 -
Spannung des Blutes, die den Ätmungsprozess und dadurch die
Muskeltätigkeit bedingt. Hierher gehört ferner die Steigerung
der Sekretion der Leber und des Pankreas, wenn man gewisse
Reizstoffe in das Duodenum einführt.
Am deutlichsten tritt diese Tätigkeit der Harmone bei den
Wechselbeziehungen zwischen Brustdrüse und Geschlechtsorganen
zutage. So beginnen die Brustdrüsen zu wachsen mit der beginnenden
Funktion der Ovarien. Entfernt man die Ovarien, so hört das
Wachstum der Mammae auf.
Ein weiteres Wachstum der Mammae tritt ein mit dem Ein¬
tritt der Gravidität. Es beginnt allmählich Colostrumabsonderung.
Mit der Ausstossung der Frucht hört das Wachstum der Mammae
auf. Es beginnt die Milchabsonderung. Der Beiz, der dies alles
bewirkt, geht wohl von dem Fötus selbst aus, nicht von der
Placenta uad nicht von den Chorionzotten.
Injizierte man weiblichen Kaninchen Embryoneneztrakt, so
steUte sich. Wachstum der Brüste, in einem Falle sogar Milch¬
absonderung ein.
Mit einem Ausblick auf den Zeitpunkt, wo die Aerzte im
Besitz vollständiger Kontrolle über die Funktionen unseres Orga¬
nismus, die Herrschaft über den menschlichen Körper wirklich
antreten werden, schloss der Redner seine interessanten Aus¬
führungen.
Nach ihm sprach Herr v. Kre hl-Strass bürg.
Das Zusammenwirken der Funktionen der einzelnen Organe
findet nicht allein durch die Vermittelung der Nerven, sondern
auch durch chemische Stoffe statt. Diese Beziehung kommt besonders
fär den auf chemischem Wege sich vollziehenden Auf- und Abbau
der Gewebsbestandteile in Betracht. Die Fragestellung lantet nach
der Beeinflussung der Funktion von Organen durch chemische
Substanzen, die von anderen Organen gebildet werden. Unsere
Methoden zur Bearbeitung dieser Frage sind das Tierexperiment
und die Beobachtung am Krankenbett. Doch muss man bei der
letzteren sehr scharfe Kritik üben,
’ Denn bei einer Organerkrankung fällt dies Organ nicht ganz
aus, jedenfalls nicht auf einmal. Dann kann ein Teil des aus¬
fallenden Organs in seiner Wirkung kompensiert werden durch
Reizung des erkrankten Organs.
Am meisten studiert ist der Ausfall der Geschlechtsdrüsen.
Je länger sie bestanden, haben, desto weniger Schaden vermag
der Ausfall anzurichten.
Die schon unter physiologischen Bedingungen während der
Periode auftretenden Veränderungen des körperlichen und geistigen
Lebens sind auf chemische Wirkungen, die von den Geschlechts¬
drüsen ausgehen, zu beziehen.
Für die Eklampsie scheinen solche von dem Kinde oder der
Placenta ausgehenden Gifte eine Rolle zu spielen, deren Wirkung
sich wie eine Fermentintoxikation äussert.
Wenn man einem gesunden Individuum SchilddrUsen-
sobstanz in übermässiger Menge darreicht, so entwickeln sich Puls¬
beschleunigung, Zunahme der Schweissaekretion, auffallende Auf¬
geregtheit, alles Symptome, denen wir beim Morbus Basedowii
auch begegnen, den man deshalb mit Recht als Ausdruck einer
quantitativen Vermehrung des ScbilddrUsensekrets angesehen hat.
Dagegen hängt die Tetanie wohl mit einer Erkrankung, resp.
einem Aasfall der Nebenschilddrüsen zusammen. Mit der
Schilddrüse hat sie sicher nichts zu tun.
Redner bespricht nun die blutdrucksteigemde Wirkung der
Nebenniere, auf deren Einfluss vielleicht der ständige Tonus der
Gefässe zurückzuführen sei. Der Morbus Addisonii, den man früher
als Ausdruck der Erkrankung der ganzen Nebenniere ansab, wird
heute zurUckgeführt auf die Erkrankung des chromaffinen
Syst ems der Nebenniere.
Redner streift die Beziehungen der Hypophysis zur Akrome¬
galie. Alle diese Drüsen haben aber auch Beziehungen zum Zucker¬
stoffwechsel. Doch ist uns eine klare Einsicht in diese Verhältnisse
noch verwehrt.
Liegt die Deutung dieser Verhältnisse im Tierexperiment
schon schwierig genug, so sind sie beim Menschen wegen ihrer
Variabilität noch viel schwieriger zu erklären.
Denn man darf nicht ausser Acht lassen, dass jedes Individuum
seinen eigenen Zellaufbau und seinen eigenen intermediären Stoff¬
wechsel hat, die zwar im ganzen ähnlich, im einzelnen aber
recht verschiedenartig sein können.
Früher hat man all dies einfacher anfgefasst, nach der Art
der Glykogenbildung z. B., das, von der Leber produziert, als
Energiequelle den Muskeln zugeführt wird. Bei den obenerwähnten
Drüsen liegen die Verhältnisse viel verworrener. Aktivierungen,
Hemmungen, Sekretionen spielen daher eine grosse und oft gegen¬
sätzliche Rolle. Hierher gehören die interessanten Versuche
Gohnheims, Stocklasas, Blumenthals u. a. über die
Glykolyse. Aber ein definitiver Abschluss ist auch hier noch
nicht erfolgt.
Alles in allem kann man sagen: Für eine Betrachtung vom
chemischen Standpunkt aus sind die zurzeit vorliegenden Resultate
und Tatsachen völlig unzureichend, da über die wirksamen che¬
mischen Substanzen nur wenig bekannt ist. Andererseits ergibt
sich daraus, dass die Beziehungen der einzelnen Organe zueinander
sehr verwickelte sind. Der Arzt aber soll daraus den Schluss
ziehen, bei Erkrankungen eines einzelnen Organs vor allem den
AUgemeinzustand zu berücksichtigen.
Literarische Monatsschau.
Augenheilkunde.
Wie sehr die Augenheilkunde an den in anderen Disziplinen
gemachten therapeutischen Fortschritten teilnimmt, zeigt eine Reihe
von Arbeiten, die letzthin über die auf ophthalmologischem Gebiete
mit der Biersohen Stauung gewonnenen Erfahrungen ver¬
öffentlicht worden sind. Hesse konstmierte eine schröpfkopfartige
Saugglocke, mit der er die gewünschte Wirkung genau lokalisieren
und graduell abstufen konnte; er benutzte eine Druckdifferenz von
20—50 Tnm Hg. Wurde der Sauger auf die geschlossenen Lider
aufgesetzt, so zeigte sich am vorderen Bulbusabschnitt Rötung und
Oedem, dagegen beteiligten sich die tieferen Teile des Anges erst
dann, wenn die Glocke bei geöffneten Lidern verwendet wurde,
aber auch hier blieben Linse, Glaskörper und Netzhaut unbeein¬
flusst. Hesse hat selbst zwar bei pathologischen Fällen das Ver¬
fahren noch nicht eingehend erprobt, glaubt aber, dass es bei allen
entzündlichen Prozessen der Lider, der Bindehaut und Hornhaut
(Ulcus corneae) event. auch bei Iritis und Cyclitis gute Dienste leisten
werde. Bei Lidabszessen, Gerstenkörnern und Tränensack-Eiterungen
sah er günstige Beeinflussung durch die Stauung, ebenso bei einem
grossen Ulcus corneae serpens.
Renner^) hat Stauung durch Umlegen einer elastischen Binde
um den Hals erzeugt und so jüngere Leute mit äusserlich sicht¬
baren Augenleiden behandelt, bei denen das Augeninnere, zumal
der Uvealtraktus, gesund war. Er sah bei 5 ELranken mit un¬
komplizierter Keratitis parenchymatöse, die er 2—4 Wochen hin¬
durch täglich 6—12 Stunden staute, nicht unbeträchtliche Besserung.
Im Gegensatz zu Hesse konnte er das Ulcus corneae serpens nicht
sicher beeinflussen, was er auf die Virulenz der infizierenden Keime
zurüokführt; immerhin verliefen auch seine Fälle rasch und günstig,
und die Ziliarschmerzen wurden durch die Stauung beseitigt.
Ekzematöse und katarrhalische Geschwüre der Hornhaut wurden
durch das Verfahren nicht beeinflusst, ebensowenig ältere, ohne
Gefässentwickelung bestehende Trübungen der Hornhaut. Weder
das Auge noch das Allgemeinbefinden wurden durch die Biersche
Stauung irgendwie gestört.
Auf der altehrwürdigen Tagung der Deutschen Ophthalmolo-
gischen Gesellschaft in Heidelberg besprach Wessely®) die Wirkung
der Bierschen Kopfstauung auf das Auge am Tierexperiment, Er
erzielte bei Kaninchen Exophthalmus und Chemosis der Bindehaut,
dagegen keine Hyperaemie der inneren Gefässe. Diese Erscheinungen
Centralbl. f. prakt. Augenbeilkande, Juni 1900.
^ Münch, med. W.. 1906. Nr. 2.
*) Ophtbalm. Klinik, X, 17.
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458
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 43.
sind bei Verwendung der Saugglocke nach dem Vorgang von Hesse
(s. 0 .) erheblich stärker, der Binnendruck des Auges steigt enorm,
macht aber bald einem Weicherwerden Platz; erst bei den höchsten
Graden der Ansaugung tritt eine leichte innere Hj'peraemie auf.
Wessely glaubt, dass die Anwendung des Verfahrens am Kranken¬
bette stets nur eine beschränkte bleiben und die gefahrloseren,
lokale Hyperaemie erzeugenden Methoden nicht verdrängen wird.
In der an diesen Vortrag sich anschliessenden Diskussion berichtete
Augstein über 30 verschiedene pathologische Fälle, bei denen er
gestaut hatte (Iritis, Iridocyclitis, Keratitiden, Granulöse, Pantr
Ophthalmie); nur bei den 3 Fällen von Pantophthalmie sah er
günstige Wirkung, so dass ein operatives Eingreifen unnötig wurde.
Während Bahr und Hummelsheim auch bei intensiver und lang-
dauernder Anwendung, selbst bei äusseren Augenerkrankungen,
keinen Einfluss von der Kopfstauung sahen, glaubt M&yweg nach
seinen therapeutischen Versuchen an eine günstige Einwirkung aut
Infektionen in der Tiefe des Augapfels.
Jedenfalls liegen augenblicklich die Verhältnisse so, dass der
Augenarzt mit grosser Reserve und möglichst geringem Optimis¬
mus an die Anwendung der Bierschen Stauung schreiten sollte.
Er wird so seine Kranken und sich selber am besten vor unange¬
nehmen Enttäuschungen bewahren, wie sie in letzter Zeit Chirurgen
mehrfach erlebt haben, die nach Anwendung der neuerdings so
vielbeliebten Rückenmarksanaesthesie Lähmungen der Augenmuskeln
beobachten konnten. So berichtete Loeser*) in der Berliner
Ophthalmologischen Gesellschaft über eine linksseitige Trochlearis-
parese nach Einspritzung von Novokain in den Rückenmarkskanal
und Uber 2 linksseitige Abduzenslähmungen nach Stovainanaesthesie;
einen den letzteren analogen Fall schilderte in der Diskussion
Sohoeler. Loeser hält die Paresen für den Ausdruck direkter Gift¬
wirkung der benutzten Anaesthetica. In der nächsten Sitzung der¬
selben Gesellschaft schilderte Feilchenfeld ®) zwei fernere Fälle links¬
seitiger Abduzensparese nach Lumbalanaesthesie durch Stovain,
einen analogen Fall teilte Adam®) mit: nach Rachistovainisation
linksseitige Abduzensparese, die aber nicht auf Kontaktwirkung des
Mittels auf den Nerven oder seinen Kern zurückgefuhrt wird, son¬
dern auf eine Kemblutung als Folge der Druckherabsetzung durch
die abgeflossene Spinalflüssigkeit. Dass gerade der N. abducens
bezw. sein Kemgebiet ausserordentlich empfindlich gegen Stovain ist,
beweisen die von Boeder’) veröffentlichten beiden Fälle, in denen
die Lähmung am 12. Tage nach dem Eingriff einsetzte; auch hier
war sie eine nur vorübergehende. In der Deutung der Fälle
stimmt Boeder der Ansicht Loesers bei. Diesen sieljen Beobach¬
tungen schÜesst sich endlich noch die von Landow gemachte an®):
neben aussergewöhnlich heftigen und lange anhaltenden Nacken¬
schmerzen trat eine doppelseitige Abduzensparese auf, die allmäh¬
lich zurückging. Die Lumbalanaesthesie wurde mit 3,5 ccm 6 ®/o
Novokain - Suprareniulösung (Höchst) nach vorhergegangeuer Sko-
polamin-Morphiuminjektion bewirkt, da sie aber ungenügend blieb,
mussten noch 26 gr Chloroform gegeben werden.
Einer andern, von chirurgischer Seite lebhaft empfohlenen
Medikation werden die Ophthalmologen mit Zurückhaltung begegnen
müssen: der Thiosinamin-Behandlung, über die Grunert in Heidel¬
berg berichtete, ®) ohne aber in der Gesellschaft viel Anklang zu
finden. Er spritzte bei 13 Kranken mit postneuritischer Atrophie des
Sehnerven anfangs täglich, später seltener, lOproz. Thiosinaminlösung
in die Armmuskulatur ein und beobachtet ein 9 Fällen „erhebliche Bes¬
serung“. Als Kontraindikation des hyperaemisierenden, lymph¬
stauenden Mittels gelten Netzhautablösung, Glaskörpertrübungen,
frische Entzündungen an einem oder am andern Auge. Soll die
Behandlung Erfolg haben, so muss die Entzündung mindestens
schon Monate lang abgelaufen sein. In der Diskussion trat keine
grosse Vorliebe für diese Behandlungsform zu Tage: Uhthoff ver¬
sagte sie bei Trachomnarben, und Nieden teilte mit, dass Ein¬
spritzung des Medikaments in unmittelbarer Nähe der Narben
Gangraen herbeiführen kann.
*) Zeitschrift für Augenheilkunde, XV, 4, pag. 370; vgl. auch Med.
Klin. II, p. 289.
*) Ibid., pag. 372.
®) Münch, med. W., 106, Nr. 8.
5 Wiener Klin. therap. W, 1906, Nr. 25.
Münch, med. W., 1906, Nr. 30.
Klin. Monatabl. f. Augenheilkunde, September 1906.
In seiner ausgezeichneten Biog:raphie Albrecht von Graefes’®)
teilt Hirschberg die, Graefes Doktordissertation („De Bromo ejusque
praecipuis praeparatis“, Berlin 1847) angehäugten Thesen mit,
deren erste lautet: „Je vollkommener die Therapie, desto geringer
die Zahl der Arznei-Mittel“. Dieser Satz gilt heute ebenso, wenn
nicht mehr, als vor 60 Jahren. Wird gegen irgend ein Leiden,
dem wir bisher nur schwer beikommen konnten, ein neues Mittel
empfohlen, so werden bald enthusiastische Lobeserhebungen laut,
bis die Skeptiker sich vernehmen lassen, worauf die neue Medika¬
tion sang- und klanglos verschwindet, bis eine andere auf der Bild¬
fläche erscheint, der kaum ein besseres Schicksal beschieden sein
dürfte. Ob es der von Koster^*) gegen akute und chronische
Bindehautentzündungen empfohlenen Verwendung von 3proz. KaUum
chloricum-Lösungeu anders ergehen wird? Koster sah damit gün¬
stige Wirkung auf akute Exazerbationen von Trachom, foUikulaere
Bindehautentzündungen, chronische Entzündungen-mit kleinen Ero¬
sionen und Geschwüren am Hornhantrande, besonders auf Con-
iunctivitis catarrhalis chronica. Natürlich dürfen dabei die allgemein
gültigen hygienischen Vorschriften nicht ausser acht gelassen wer¬
den. Ueble Nachwirkungen sah Koster von dem Mittel, dessen
Wirkung er für eine adstringierende und desinfizierende hält, nie.
Ref. freilich hat bisher in einer Reihe von Fällen, in denen er
Kal. chlor, verordnete, keine Erfolge erzielt; vielleicht haben an¬
dere Beobachter mehr Glück damit. (Schluss folgt.)
‘®) Leipzig, Wilhelm Weicher, 1906.
") Zeitschr. f. Augenheilkunde, XV, 6.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. Nr. 4i. 1906.
1. Seitz, München. Zar Frage der Hebotomie. Nicht
abgeschlossen.
2. Manteuffel, Halle. Heber das Verhalten der Agglnti-
nine im passiv immimisierten Organismus.
Die Forschung nach den Ursachen, die das relativ rasche
Verschwinden der Bakterienantikörper aus dem passiv immunisierten
Organismus bedingen, bat zunächst ergeben, dass im lebenden
Organismus Antitoxin durch eine dabei gleichzeitig auftretende,
für das gleichzeitig dabei eingeführte Arteiweiss spezifische
Präzipitinreaktion ziemlich bald dem Nachweis entzogen wird; wenn
dagegen das antitoxische Serum einer homologen Tierart ein¬
verleibt wird, so tritt eine Präzipitinreaktion nicht ein, und die
passive Giftimmunität ist dementsprechend länger nachzaweisen.
betreffs der Agglutinine wurde nun ein gleiches Verhalten an¬
genommen. M. hat aber in ausgedehnten Experimenten nachweisen
können, dass dem nicht so ist. Die Versuche ergaben kein zeit¬
liches Zusammengehen des Agglutiationsschwundes und der auf-
tretendeu Präzipitinreaktion, derart, dass das letztere als Ursache
de.s ersteren hätte angesproohen werden können; auch bei Ver¬
wendung arteigenen Serums liess sich kein längeres Verweilen der
Agglutinine im Serum des passiv immunisierten Tieres erzielen.
Unter den Bedingungen des lebenden Organismus ist also die
Auslösung einer Präzipitinreaktion nicht als Ursache für das rasche
Verschwinden passiv einverleibter Agglutinine anzusehen. Die
Agglutinine verhalten sich in dieser Hinsicht anders wie die
Antitoxine.
3. Moro, Graz: Natürliobe Barmdesinfektion.
Die Einfuhr desinfizierender Medikamente in den Darm kann
nur eine beschränkte Wirkung haben. Das Antiseptikxun ver¬
nichtet wahllos alle Bakterien seines Wirkungskreises, sowohl
die sch.ädigenden, als auch die nützlichen, und der natürlichen
Reparation ist in der zeitweisen Schwächung der sesshaften Dann¬
flora die mächtigste Waffe entzogen; denn in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle führt der Kampf offenbar in der Weise zum
Siege, dass die autochthonen Darmbakterien die fremden Keime
allmählich überwuchern, bis das normale Bild sich wieder einge¬
stellt hat. Das Ideal einer natürlichen Darmdesinfektion liegt in
der Veränderung der elektiven Entwicklung aktiver, normaler
Darmbakterien. Diesen klassischen und in seiner Art einzig da-
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1906.
MBDiClNlSCHE WOCHE.
459
stehenden Versuch führt tagtäglich die Natur am Brustkind aus.
Die Dannflora des Brustkindes ist eine einheitliche und konstante.
Sie setzt sich vorwiegend nur ans einer Bakterienart zusammen,
dem B. bifidus von Tissier. Er wandert mit anderen Bakterien
schon in den allerersten Lebenstagen in den Darm ein und wird
durch das Erscheinen der ersten Frauenmilchreste im Darm, und
allein durch diese zu einer elektiven und stürmischen Entfaltung
seines Wachstums veranlasst. Daran ändert sich nichts, solange
der Säuirling natürlich ernährt wird. Seine unausgesetzte, ein¬
seitige Entwicklung schützt den Darm des Brustkindes vor mani¬
festen und ernstlichen Infekten. Deshalb ist in jedem Darm, der
den Bifidus, wenn auch in verschwindender Zahl, beherbergt, eine
wirksame Desinfektion mittels Frauenmilch möglich. Beim künst¬
lich ernährten Säugling, beim älteren Kinde, ja auch beim Er¬
wachsenen lässt sich eine reine Bifidusvegetation im Darme er¬
zielen, sobald die Ernährung mit Frauenmilch durch mindestens
2—3 Tage fortgeführt wird. Die Verabreichung von Frauenmilch,
als ideales, natürliches Darmdesinficiens erscheint deshalb sowohl
beim Säugling, als auch beim Erwachsenen angezeigt. Ob die
Frauenmilch als Ganzes, oder ob nur gewisse Bestandteile als
gBifiduswecker“ fungieren, ist weiteren Untersuchungen Vorbe¬
halten.
4. Jochmann und Müller, Breslau: Weitere Ergebnisse
unserer Methode zum Nachweis proteolytischer Fermentwir-
kungen.
I. Ueber Unterschiede im Fermentgehalt der Leukocyten bei
Warmblütern. Vergleichende Untersuchungen, die sich auf Affen,
Camivoren, Nagetiere, Paarzeher und Unpaarzeher erstreckten, er¬
gaben, dass das proteolytische Ferment der Leukocyten, abgesehen
vom Menschen, nur noch beim Affen und in geringerer Menge
beim Hunde vorzukommen scheint. Die Frage nach dem zeit¬
lichen Auftreten des Leukocytenfermentos in der Ontogenie konnte
bisher nur dahin beantwortet werden, dass es beim Neugeborenen,
uud sogar schon im achten embryonalen Monat, in annähernd der¬
selben Menge wie beim Ei^vachsenen nachweisbar ist. Normale
Lymphdrüsen, die Brutstätten der Lyinphocyten, besitzen ebenso¬
wenig ein proteolytisches Ferment wie die Lymphocyten; dagegen
können entzündlich geschwollene oder vereiterte Lymphdrüsen in¬
folge der Zuwanderung polynucleärer Leukocyten eine erhebliche
Verdauungskraft erlangen. Die Annahme, dass Lymphocit und
Leukocit aus einer gemeinsamen Mutterzelle stammen, wird durch
den Nachweis ihrer funktionellen Differenz erschüttert.
II. Ueber den Nachweis eines eiweissverdauenden Fermentes
im menschlichen Kolostrum.
In den letzten Wochen der Schwangerschaft und in der ersten
Zeit nach der Geburt findet sich in der aus der Brustdrüse aus¬
gepressten Flüssigkeit ein sehr wirksames eiweissverdauendes Fer¬
ment, Nach mehrtätigen Stillen verliert sich die Fermentwirkuug,
tritt aber vorübergehend noch einmal auf nach dem AbstiUen. Der
Befund kann nicht überraschen, da die Kolostrumkörperchen Leuco-
cyten darstellen, die aktiv in die Brustdrüsenräume einwandern.
Das eiweisslösende Ferment des Kolostrums ist identisch mit dem
proteolytischen Ferment der Leucocyten des kreisenden Blutes,
nur tritt bei den Kolostrumkörperchen die fermentative Wirkung
gleich stark bei 37® wie bei 50® ein, während die Leucocyten
erst bei letzterer Temperatur intensiv verdauen; das beweist, dass
die Kolostrumkörperchen Zellen sind, die im Absterben begriffen
sind. Die Leucocyten des Kolostrums vermögen als Träger eines
proteolytischen Fermentes die Eiweissstoffe der stagnierenden Milch
abzubanen und der Resorption wieder zugänglich zu machen; doch
dürfte ihre biologische Aufgabe damit noch nicht erschöpft sein.
5. Ritter, Charlottenburg: Beiträge zum Nachweis der
Spirochaete pallida in syphilitischen Produkten.
Bei den vielen Mängeln der Färbung der Spiroebaeten in
Ausstrichpräparaten bedeutet die Bertarelli-Levaditi sehe
Silberfärbung, die den Nachweis.s der Spirochaeten im Gewebe er¬
möglichte, einen grossen Fortschritt. R. hat eine Reihe von Fällen
untersucht; bei 3 von 6 klinisch sicheren Luesfällen wurden reich¬
lich Spirochaeten im Gewebe gefunden; bei 8 klinisch zweifel¬
haften nur einer, der sich im weiteren Verlauf auch als Lues er¬
wies. Von Produkten tertiärer Syphilis Lst der Nachweis ganz
vereinzelter Spirochaetenexemplare nur in 2 Fällen gelungen. Er¬
strebenswert ist eine Abkürzung der für praktische Zw’ecke noch
ziemlich langwierigen Methode der Stückförbung.
6. Sudeck, Hamburg: Zur Teohnik des Aetherrausohes.
Die filiher übliche, wegen des heftigen Erstickungsgefühls
quälende Methode ist zu modifizieren. Nachdem alle Vorbereitungen
zur Operation getroffen sind, lässt man den Patienten durch die
vorgehaltene Maske tiefe Atemzüge tun, giesst dann einen Tropfen
Aether auf, nach einigen Atemzügen einen weiteren, bald bei
jedem Atemzuge einen Tropfen und dann, je nach der Toleranz
der Atmungswege steigend, bis man zum raschen Tröpfeln ange-
langt ist. Der Eintritt der Analgesie wird durch Nadelprüfung
festgestellt; wird stumpf und spitz nicht mehr unterschieden, wird
operiert. Zur Ausführung des Aetherrausches ist jede Maske ge¬
eignet, die Sauerstoffzufnhr ermöglicht. S. benutzt eine mit dem
Roth-Trägerschen Ansatz konstruierte und eine Tropfflasche
mit einem mit einer Schraubenvorrichtung versehenen Stöpsel, wo¬
durch eine genaue Regulierung der Tropfung möglich wird. Der
ideale Verlauf des Aetherrausches ist so, dass der Patient bei Be¬
ginn der Operation noch so weit bei Bewusstsein ist, dass er
etwaigen Aufforderungen des Operateurs gehorcht, den Vorgang
der Operation bemerkt, aber keine Schmerzen, sondern nur Tast¬
eindrücke hat und sofort nach der Narkose bei völligem Wohl¬
befinden aufsteht. Einen Misserfolg wird der Geübte nur haben
bei einer Kategorie von Menschen, die so von Angst beseelt sind,
dass sie fest entschlossen sind, nichts an sich machen zu lassen,
solange sie noch etwas bemerken. Da ist am besten, gleich die
volle Narkose einzuleiten.
7. Waelsch, Frag: üeber die Indoratio penis plastica.
Das Krankheitsbüd der plastischen Induration des Penis ist
charakterisiert durch das Auftreten umschriebener, derber Knoten
oder Stränge oder plattenformiger Gebilde an der Dorsalfläche
des Gliedes. Die Knoten selbst sind sehnenlos, verursachen aber
häufig dadurch Beschwerden, dass die Erektionen schmerzhaft
werden und sich bei der Erektion an der Stelle der Knotenbildung
eine Knickung des Penis, eine Chorda, einstellt. Die Krankenge¬
schichten dreier Fälle werden mitgeteüt. Für die Entstehung von
Indurationen des Penis sind die verschiedensten Ursachen verant¬
wortlich gemacht worden; schwere Allgemeinerkrankungen (Leu-
kaemie, Diabetes, Gicht, Infektionskrankheiten), traumatische
Blutungen, Gonorrhoe, tertiäre Syphilis, Neubildungen. Für die
Fälle typischer Induratio penis plastica verweist W. auf die Er-
klärungsmöglichkeit, dass eine zunächst von den Venen ausgehende
Bindegewebsneubildung, um eine chronisch verlaufende Phlebitis
und Periphlebitis handelt. Damit würde der Prozess in eine ge¬
wisse Analogie gesetzt zu der Dupuytren’schen Fingerkon¬
traktur. Die Krankheit wurde bisher als unheilbar betrachtet;
bei einem seiner Fälle konnte W. komplette Heilung durch Fibro-
lysininjektionen bei V 2 jähriger Behandlung erzielen.
8. Assfal g, Frankfurt: lieber Behaadlnng mit QueokBÜber-
licht.
Nur die Behandlung mit chemisch wirksamen, aktinischen
Strahlen verdient den Namen Lichtbehandlung. Neben der Kohlen¬
bogenlampe F i n s e n 3 und der Eisenlampe B an g s liefert die Queck-
süberlampe ein an aktinischen Strahlen reiches Licht; sie wird in
zwei Formen in den Handel gebracht, die Heraeussche Quarzlampe
und die Schottsche Uviollampe. Mit letzterer hat A. zahlreiche
Versuche angestellt und bei den verschiedensten Hautaffektionen:
Alopecia areata, Acne vulgaris, Furunkulose, Acne roseola, Pso¬
riasis, chronischem Eczem, Ulcus cruris sehr gute Heilerfolge er¬
zielt. Die Behandlung ist äusserst einfach, der Patient bedarf
kaum der Beaufsichtigung bei der Bestrahlnng; die Anschaffungs¬
kosten der Lampe sind nicht hoch und der Betrieb ist relativ
billig. Im Vergleich mit dem FinsensUcht geht aber der Uviol¬
lampe die Tiefenwirkung ab, weshalb sie zur Behandlung des
Lupus nicht geeignet erscheint.
9. Mayer, München: Beitrag zur Histologie der Cbondro"
Sarkome.
Eingehende Beschreibung der Kranken- und Operationsge¬
schichte, sowie des pathologisch-anatomischen Befundes eines Falles
von Chondrosarkom des Oberarmes. Der histologische Aufbau der
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460
MJfiüIClKlSCUE WOCHE.
Nr. 43.
Geschwulst zeigt manche Aehnlichkeiten mit den Vorgängen bei
der normalen enohondralen Ossifikation. Danach ist die Entstehung
des Tumors wohl durch die Cohnheim-Ribbertsche Theorie die
Geschwulstgenese zu erklären, nach der anzunehmen wäre, dass
wohl im embryonalen Leben Knorpelzellen aus dem Verbände der
Schwesterzellen ausgeschieden und die natürliche Entwicltlung ver¬
loren haben, dagegen spät (Pubertätszeit) zu starker Proliferation
angeregt wurden und hier nicht nur ein indifferentes, zellreiches
Gewebe gebildet haben, sondern die meisten Stadien ihrer natür¬
lichen Reifung, wenn auch in verworrener Weise, durchgemacht
haben.
10. Weckerle, Freising: Hernia diaphragmatica sporia.
Zuf^ger Sektionsbefund. Durch eine 4 cm breite Oefihung
im Zwerchfell ist, von diesem bedeckt, ein grosser Teil des Magens
in die Brusthöhle eingestülpt, wo er die Lunge entsprechend ver¬
drängt hat. Die Hernie dürfte kongenital nicht traumatischen Ur¬
sprungs sein.
11. Palmer, Biberach: Ein Fall von akuter Entaftndung
der Hirn- und Büokenmarkshänte.
Neben mäßigem Fieber bestanden als hervorstechendste Symp¬
tome Starre der erweiterten Pupillen, Ptosis, Schluck- und Blasen¬
lähmung. Genickschmerz und -Steifigkeit bestanden nicht, die
Lumbalpunktion ergab gesteigerten Druck; in der Flüssigkeit
wurden keine Meningococcen gefunden. P. betrachtet den Fall
als rheumatische Gehirn- und Rückenmarksbautentzündung.
12. Rieder, München: XTeber den Wert der Thorax-Duxch-
leuohtung bei der Pneumonie, namenüioh bei zentraler LokaU-
sation (Schluss).
Die Methodik wird erläutert und der Befund bei den unter¬
suchten Fällen an der Hand von instruktiven Bildern beschrieben.
Der Sitz eines pneumonischen Herdes zeigt sich röntgenologisch
in einem charakteristischen Schatten im hellen Lungen teld; häufig
ist er bei noch fehlendem perkutorisch-auskultatorischen Befunde,
namentlich bei zentraler Entwicklung, nachzuweisen und so die
Diagnose Pneumonie differential-diagnostisch gegenüber anderen Er¬
krankungen, z. B. Typhus, Meningitis, fieberhaftem Ikterus, zu
stellen. Der röntgenologische Befund eines Lungensohattens ist
natürlich nicht allein ausreichend zur Diagnose „Pneumonie“; aber
in Verbindung mit einzelnen klinischen Symptomen kann ein solcher
Nachweis von grösster Wichtigkeit sein. Interessant ist der Nach¬
weis, dass alle Arten der fibrinösen Pneumonie, die zentrale, die
an der Oberfläche fortschreitende, die wandernde, selbst die des
Oberlappens, als Hiluspneumonieen beginnen. Die einzelnen Stadien
des pneumonischen Prozesses sind röntgenologisch nicht sicher von
einander zu trennen. Von Komplikationen der Pneumonie dürfte
der Nachweis eines pleuritischen Exsudates mit Hilfe der Röntgen¬
strahlen wohl stets gelingen. Und bei einiger üebung ist zu er¬
warten, dass die Röntgenuntersuchung auch bei katarrhalischen,
bezw. lobulären Pneumonieen, sowie bei den Bronchopneumonieen im
Verlaufe von Typhus, Influenza, Masern, Pertussis, den Sitz der
Erkrankung erkennen lässt. Die Röntgenuntersuchung gibt am
sichersten Aufschluss über die Lokalisation eines pneumonischen
Herdes, seine Ausdehnung und die Art seiner Ausbreitung; es ist
ihr deshalb ein beachtenswerter Einfluss auf Prognose und Therapie
einzuräumen.
13. Kuhn, Kassel: Eatgut vom gesunden Sohlachttier.
Es wird gefordert die Verwendung von gesunden Därmen von
amtlich kontrollierten Schlachttieren. Die Därme sollen unmittelbar
nach der Schlachtung unter aseptischen Kantelen entnommen, ge¬
reinigt und in alkalischen oder anderen Flüssigkeiten „geschleimt“
werden. Erst die auf ihre Keimfreiheit geprüften Elementarfäden
des Darmes sollen zu Katgut werden, das dann einer Schlussbe¬
handlung unterzogen und als steriler Faden dem Handel übergeben
wird.
Deutsche med. Wochenchrift. Nr. 4i. 1906,
1. Goldscheider, Berlin. TJeber die Untersnohung des
Herzens in linker Seitenlage.
Die Untersuchung des Spitzenstosses in linker Seitenlage bei
einem grossen Material von Arteriosklerotikern, Herzkranken und
Herzgesunden hat gezeigt, dass bei der Mehrzahl der Herzge¬
sunden eine Verlagerung des Spitzenstosses um 2—8 cm ein tritt;
in mehreren Fällen, bei denen weder im Liegen noch im Sitzen
oder Stehen ein Spitzenstoss sicht- oder fühlbar war, wurde der¬
selbe in linker Seitenlagemng deutlich. Bei x^rteriosklerotikern
fand sich durchweg eine beträchtliche Verlagerung in Seitenlage;
bei 76 derselben bot der verlagerte Spitzenstoss ein ausge¬
sprochenes Resistenzgefühl dar; bei einigen Fällen, welche auf
andre Weise keine Hypertrophie erkennen liessen, zeigte sich in
Seitenlage dieses Resistenzgefühl. Bei Herzklappenfehlem trat
fast durchweg Verlagerung des Spitzenstosses auf. Die linke
Seitenlage bietet danach sowohl für das nicht veränderte wie in
besonderem Maße für das hypertrophische und dilatierte Herz be¬
sonders günstige Bedingungen zur Manifestierung des Spitzenstosses
dar. Bei starken Dilatationen und Hypertrophien ist dieses Ver¬
hältnis weniger auffällig, weil die Verschieblichkeit des Herzens
hierbei eine geringere ist. Wo aber die Verschiebung zustande
kommt, da ist auch gewöhnlich die Stärke des Spitzenstosses in
linker Seitenlage in bemerkenswerter Weise ausgeprägt. Am
prägnantesten ist das Phänomen bei geringen und mäßigen Hyper¬
trophien des linken Ventrikels und, wie es scheint, bei gleich¬
zeitigen leichten IDilatationen. Unter Umständen ist erst bei der
Untersuchung in linker Seitenlage die Hypertrophie festzustellen.
Bezüglich der letzeren kommt es nicht auf die Höhe des Spitzen¬
stosses, sondern auf die Resistenz desselben an. Die Unter¬
suchung in nach vom geneigter Haltung ist bei weitem nicht so
günstig für die Erkennung der Hypertrophie. Ganz besonders
bei der Arteriosklerose fördert die Untersuchung in linker Seiten-
lage sehr oft einen resistenten und eventuell auch hebenden
Spitzenstoss zutage, während derselbe in Rückenlage nicht oder
eben bemerkbar und auch im Sitzen und Stehen nicht deutlich
hebend ist. Wichtig für die Technik der Untersuchung in Links¬
seitenlage ist die Berücksichtigung der Atmung; man muss tief
aus- und einatmen lassen, wenn der Spitzenstoss nicht sofort in
mittlerer Atmungsstellung merklich ist. Des weiteren ist darauf
zu achten, dass der Patient die Muskeln erschlafft, sich passiv
sinken lässt.
2. Pfannenstiel, Giessen. Die IndikationuteUung zur
Behandlung der Geburt bei Beokenenge.
Die Behandlung der Gebart ist in den letzten Jahren in ein
neues Stadium getreten durch Einführung der Pubiotomie. P. er¬
scheint es aber mehr als fraglich, ob die Pubiotomie sich leicht
und sicher in die allgemeine ärztliche Praxis einbürgern wird, und
vor allem, ob sie in der privaten Geburtshilfe bessere Resultate
zu zeitigen imstande sein wird, als die bisherigen Behandlungs¬
methoden beim engen Becken. Die Pubiotomie ist wie der Kaiser¬
schnitt dazu berufen, zur Rettung des kindlichen Lebens beizu¬
tragen, darf aber die Mutter nicht ohne Not geftlhrden. Sie wird
die durch Symphyseotomie und Kaiserschnitt bereits stark ver¬
drängte Perforation des lebenden Kindes fast vollkommen be¬
seitigen, sie wird der künstlichen Frühgeburt Abbmch tun, diese
aber nicht ganz zu Falle bringen. Mit fortschreitender Asepsis
dürfte der Kaiserschnitt an Gebiet zu gewinnen befugt sein,
namentlich für die nicht seltenen Fälle einer Komplikation von
engem Becken mit starren Geburtsnarben in Cervix- und Scheiden-
gewölbe. Trotz aller Verschiebungen muss auch für die moderne
Geburtshilfe der Grondsatz obenan bleiben, den natürlichen Ver¬
lauf nicht zu stören. Die Indikationsstellung zu geburtshilflichen
Eingriffen wird wie bisher zu berücksichtigen haben: den Grad
der Beckenverengerung, bezw. die Relation zur Grösse des Kindes,
die Weite und Elastizität der Weichteile, die Intaktheit des
Kindes wie der mütterlichen Gewebe, das Allgemeinbefinden, und
nicht zuletzt die Form des Beckens. Die Zange, ein beim engen
Becken überhaupt ungeeignetes Hilfsinstrument, gibt die schlech¬
testen Resultate beim platten Becken. Die Wendung mit nach¬
folgender Fussextraktion gibt schlechte Resultate beim allgemein
verengten platten Becken, bei straffen WeiohteUen, beim allgemein
gleichmäßig verengten Becken, die relativ besten beim platten
Becken. Sie eignet sich vor allem fllr Mehrgebärende mit
plattem Becken, wenn die spontane Einstellung des Kopfes in das
Becken ausbleibt. Die Pubiotomie kommt in Betracht, wenn am
Ende der Schwangerschaft oder bei nicht ganz ausgetragenen, aber
lebensreifen Kindern das Missverhältnis so gross ist, dass eine
Perforation des Kindes notwendig wäre. Als untere Grenze dürfte
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1906
MEDICINISCHB WOCHE.
461
bei plattem Becken nnd reifem Kinde etwa eine G. v. 7, beim
allgemein verengten Becken eine solche von 7 Vs zu gelten haben.
Was darunter liegt, gebührt dem Kaiserschnitt, ebenso die Fälle
mit narbiger Cervix nnd mangelhafter Aufschliessbarkeit des
Beckens. Für die künstliche Frühgeburt eignen sich die ver¬
schiedenen Beckenverengernngen geringeren Grades, besonders die
platten Becken bis herab zur C. v. von 7^/2 om, die allgemein
verengten bis zur Grenze von 8 cm. Bezüglich der Ausführung
der künstlichen Frühgeburt ist beim platten Becken prinzipiell
die prophylaktische Wendung anzuwenden und deshalb für diese
Fälle die Hystereuryse geeignet, beim allgemein verengten Becken
dagegen Spontanverlanf anzustreben und in Ermangelung eines
besseren Verfahrens die Bougiemethode anzuwenden.
3. Franke, Braunschweig. XTeber die primäre Tnberka*
lose der Kils.
F. exstirpierte einer Patientin wegen zunehmender Beschwerden
die stark vergrCsserte Milz, für deren Wachstum sich eine Ur¬
sache nicht hatte eruieren lassen. Die mikroskopische Untersuchung
ergab Tuberkulose. Da, abgesehen von einer sekundären Tuber¬
kulose der Leber, keine tuberkulösen Veränderungen an andern
Organen nachweisbar waren, rechnet F. den Fall zu den primären
Milztuberkulosen, die in geringer Zahl beschrieben sind. Die
Diagnose am Krankenbett ist bisher noch nicht gestellt worden.
In Fällen von Milztumor, in denen die bisher bekannten Ursachen
der Entstehung wie Lues, Malaria, Alkoholismus, Leukaemie,
Pseudoleukaemie ausgeschlossen werden, ist eine Tuberknlin-Probe-
einspritznng berechtigt, eventuell auch die Probelaparotomie, um
bei Nachweis von Tnberkulose die Exstirpation der Mil?; vorzu-
nebmen.
4. Maacesse, Berlin. IleiiB durch Obturation derFlexura
ooli sinistr&.
Es handelte sich um einen Fall von Ileus, der durch eigen¬
tümliche Obturation der Flexura coli sinistra, nämlich durch Gas¬
sperre zustande gekommen war. Die Operation ergab hochgradigste
Auftreibung des Coecums, geringe des Colon descendens und trans-
versum bis zur Flexura sinistra, völlige Leere und Abplattung
des Colon descendens und der Flexura sigmoidea, ohne dass ein
gröberes Hindernis für die Passage des Darminhaltes hätte ge¬
funden werden können. Wahrscheinlich hat infolge älterer ent¬
zündlicher, peritonealer Prozesse eine streckenweite Verlötung der
beiden Schenkel der Flexura coli sinistra stattgefunden, wodurch
eine Art Spombildung eintritt, die bei Gasblähung des zuführen¬
den Schenkels zu einer Verlegung des Darmlumens führen kann.
Äoffallend ist der maximale Metorismus des Coecmus, der die
Prognose der Erkrankung sehr ernst gestalten kann. Die Opera¬
tion muss eine Eliminirung der Flexor durch Vereinigung des
Colon transversum und ascendeus erstreben eventuell bei schweren
Erscheinungen sich zunächst auf Anlegung einer Darmfistel be¬
schränken.
5. Oberndorf, München. Gibt es eine ohronisobe Appen-
dicitisl
Während die Frage über die Entstehungsweise und die patho¬
logische Anatomie und Histologie namentlich durch die Arbeiten
AschofiTs als geklärt gelten kann, herrscht noch Uneinigkeit über
die Fragen, ob in der Appendix nur akute Entzündungen be¬
stehen, die sich in ganz normalem Gewebe entwickeln, oder ob
sie auf dem Boden chronischer Reizzostände entstehen, oder ob
es von vornherein chronische Erkrankungen der Appendix gibt,
die mit der akuten Form nichts zu tun haben. Aschoff vertritt
den Standpunkt, dass eine chronische Äppendicitis als Krankbeits-
form sui generis nicht vorkommt, dass alle chronisch-entzündlichen
Veränderungen in der Appendix als Polgezustände, Heilungspro¬
zesse einer akuten Äppendicitis aufgefasst werden müssen. 0.
hält demgegenüber auf Grund seiner Untersuchungen an ausge¬
dehntem Leichemoaterial, die er in neuerer Zeit ergänzt hat,
durch solche an irischem Operatlonsmaterial, daran fest, dass
chronische Entzündungen des Wurmfortsatzes Vorkommen, deren
Entstehung er so erklärt, dass Bakterien die intakte Schleimhaut
passieren, zuerst in den lymphatischen Apparaten Reizzustände be¬
dingen, die allmählich Neigung zur indurativen Umwandlung des
Gewebes, Auftreten von Bindegewebe, ergeben und schliesslich
Obliteration herbeiführen.
6. Tilliss, Berlin: Beitrag zur Behandlung der Herzmuskel-
schwäche mit elektrisoben Strömen.
Der Wirksamkeit dieser Behandlung sind zwei Einwendungen
gemacht worden: I. die Einschränkung, dass die Behandlung mit
„Wechselströmen“ bei manchen Patienten gute Erfolge gehabt,
bei andern aber sieb als ungeeignet erwiesen habe; 2. dass durch die
übliche Behandlungsmethode viele Patienten zu stark angegriffen
würden. Zu 1 bemerkt T., dass, wenn auch die Einführung der
Wechselströme in die Herztherapie als ein grosser Fortschritt zu
betrachten ist, neben ihnen doch der faradische Strom als gleich¬
berechtigter Faktor bestehen bleiben muss, und dass es Sache ist,
festzustellen, welche Stromart für den einzelnen Patienten die
richtige ist. Ad. 2 ist zu bemerken, dass man mit der Verwendung
der allerscbwäcbsten Ströme am weitesten kommt; die bei den
Patienten verschieden erforderliche Strommenge lässt sich durch
Aenderung der Sitzungsdauer, die von 1—5 Minuten variieren
kann, erzielen. Zur Unterstützung der elektrischen Behandlung
ist die Vibrationsmassage und gymnastische Uebnng heranzuziehen.
7. Rastner, Berlin. Therspeutisoke Erfahrungen Über die
Verwendbarkeit des Bomyvals bei funktionellen Besobwerden
unterleibskranker Frauen.
Bornyval wurde solchen Patientinnen verabreicht, die neben
der g 3 niaekologischen Erkrankung noch eine Reihe allgemeiner
funktioneller Beschwerden darboten, die trotz eingehender lokaler
Behandlung und auch bei Rückgang der organischen Beschwerden
bestehen blieben. Eine günstige Beeinflussung bei Verabreichung
von 2—4 Bomyvalperlen täglich wurde beobachtet bei den un¬
definierbaren subjektiven Beschwerden während der Menses, hei
klimakterischen und dysmenorrhoisohen Beschwerden, Störungen
in der Menopause, bei Kreuz- und Rückenschmerzen ohne nach¬
weisbare Ursache, Herzpalpitationen, Magenschraerzen, Oppressions-
gefühl, Agrypnie, Schwindel, Angst und Erregungszuständen,
letzteres auch vor grösseren operativen Eingriffen. R. gewann
den Eindruck, dass die Erfolge der Therapie sicherlich nicht allein
einem suggestiven Einfluss zuzuschreiben waren. Gerühmt werden
die gute Haltbarkeit des Präparats, die gleichmässig gute Ver¬
träglichkeit, das Fehlen jeglicher idiosynkrasischer Reaktion, der
Gewöhnung und der Beeinträchtigung des Appetits, so dass das
Präparat als wertvolles Sedativum, Antih 3 r 8 tericum und Antineurha-
stenicum zu begrüssen ist.
8. Uumt, Dresden. Die sogenannte Sohnlanaemie.
Unter dieser Bezeichnung werden sehr zu Unrecht verschiedene
Erkrankungsformen zusammengeworfen. U. greift als besonders
wichtig 4 Gruppen heraus. Die 1. umfasst die Kinder mit ein¬
fach anaemiachen Erscheinxmgen, für die die Schule wenigstens
bis zu einem gewissen Grade verantwortlich zu machen ist; die
2. Kinder mit deutlichen Zeichen einer Myocarditis, die gar nicht
so selten nach schwereren oder leichteren Infektionskrankheiten
sich entwickelt; hier kann natürlich die Schule nicht zur Ver¬
antwortung herangezogen werden; die 3. bilden Kinder mit einer
Hypoplasie des Herzens und der grossen Gefässe, die entweder
angeboren oder als Wachstumsstörungen anzusehen sind. Für ihre
Entstehung kommt die Schule ebensowenig in Betracht wie bei
der 4. Gruppe, die die an Albuminurien leidenden Kinder umfasst.
Die Häufigkeit der Myocarditis und der Wachstumsstörungen wird
gemeiniglich wesentlich unterschätzt; trotzdem bleibt eine grosse
Zahl von Erkrankungen, für die der Ausdruck Schulanaemio gerecht¬
fertigt bleibt. Die aus diesen Tatsachen sich ergebenden Konse¬
quenzen sind für die Behandlung sehr wichtig. Ein vollständiger
Äusschlnss vom Sdiulbesuch kann beim lediglich Anaemischen und
bei dem mit einer Wachstumsstörung Behafteten nicht gefordert
werden; das Vorhandensein einer Myocarditis erfordert ohne
weiteres Sperrung des Schulbesuchs auf längere Zeit. Albuminurien
schliessen im Einzelfalle Schulbesuch nicht aus, erfordern aber
grosse Vorsicht; Entscheidungen werden hier neben medicinischen
Erwägungen durch Alter und Geschlecht, Stand der Kenntnisse,
Befähigung und soziale Lage der Eltern zu berücksichtigen haben.
Wichtiger noch als die Frage des Schulbesuchs im allgemeinen
erscheint die Frage der Beteiligung an der Mmskelübung, am
Turnen, Sport, dem man in letzter Zeit immer grösseren Raum
als Gegengewicht gegen angebliche geistige Ueberbürdung gegeben
hat. Hier dürfte in der Regel das Prinzip der Schonung am
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462
MEDlCINlSCflB WOCHE.
Nr. 43.
Platzo sein, die im Einzelfall eventuell erforderliche Uebung aber
nie dem schematischen Verfahren der Schule überlassen werden.
9. Mayer, Berlin. Ueber sohmerzloBe Injektion löslicher
Qneokailbersalze.
M. hat, um der selbst bei tadelfreier Injektionstechnik oft
geklagten Schmerzhaftigkeit nach Vornahme löslicher Hg-Salz-
Einspritzungen zu begegnen, mit den neueren Anaestheticis Ver¬
suche angestellt und empfiehlt auf Grund derselben die Kombina¬
tion Sublamin-Novocain:
Sublamin (Schering) 1,12,
Novocain 0,45,
Aq. dest. ad. 30,0,
für Männer,
oder in Modifikation eines Vorschlages von Hirsch die Kombination
von Hydrargyrum cyanatum mit Äcoin nach folgender Formel:
1. Hydrargyr. cyanat. 1,0,
Solve leni calore in
Aq. reot. dest. cont. Ac. boric. 1% 30,0, refrigera;
n. Aooini Heyden“ 0,4,
Solve in aq. dest. frigid, cont. Ac. boric. 1% 70,0,
M. D. i. V. fusco.
S. 2 ccm (bezw. 1 Cc:a für Frauen) zu injicieren.
Sublamin 0,56,
Novocain 0,30,
Aq. dest. ad. 30,0,
für Frauen,
Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 41. 1906.
1. Baumgarten, Tübingen: Experimente über haematogene
Lymphdrüsentaberknlose.
Analog dem Verhalten von ins Blut infundierten Farbstoff¬
körperchen, die sich mit besonderer Reichlichkeit gerade in den
Ijymphdrüsen und lymphatischen Geweben ablagern, ist anzu-
uehmen, dass auch Tuberkelbacillen, wenn sie ins Blut gelangen,
sich mit besonderer Vorliebe in den Lymphdrüsen niederlassen
werden. Um diese Frage zu klären, hat B. direkte experimentelle
Untersuchungen über das Verhalten der ins Blut eingeführten
Tuberkelbacillen zu den Lymphdrüsen angestellt. Kaninchen
wurden homogene Suspensionen von Reinkulturen, teils mensch¬
licher Tuberkelbacillen, teils Perlsuchtbacillen, in der Menge von
1—2 Pravazapritzen in die Vena jugularis oder die Arterie carotis
communis injiciert. Die Untersuchung der nach 12—20 Tagen
gestorbenen IHere ergab: Bei allen waren sämtliche Lymphdrüsen,
inclusive der Peyersohen Haufen und Sollitärfollikel der Darm¬
wand, tuberkulös erkrankt; zum Teil schon makroskopisch, teils
erst mikroskopisch. Die Tuberkelbildung begann stets in der
Drüsenperipherie, wie bei lymphogener Infektion. Die Bronchial¬
drüsen waren stets starker als die anderen Drüsen erkrankt, be¬
sonders nach intravenöser Injektion. Je früher die Tiere gestorben
waren, umsomehr prävalierte die Lymphdrüsen tuberkulöse über
die tuberkulöse Erkrankung der anderen Organe; je später die
Tiere gestorben waren, umsomehr trat die Lungentuberkulose in
den Vordergrund der Gesamterkrankung, besonders ausgesprochen
wieder nach intravenöser Injektion. Bei den mit Perlsuchtbacillen
inficierten Tieren waren ceteris paribus die tuberkulösen Prozesse
bedeutend stärker entwickelt. Die Beobachtung, deiss die Lymph-
drüsentuberkulose anfangs der Lungentuberkulose vorauseilt, später
aber von ihr überflügelt wird, wird folgendermaßen erklärt: Die
im Blut kreisenden Bacilleu werden zunächst besonders reichlich
in den Lymphdrüsen, weniger reichlich in den Lungen und andern
Organen abgelagert; so entsteht eine generalisierte Lymphdrüsen-
tuberkulose, während die Lungentuberkulose noch im Rückstand
begriffen ist. Wuchern später die in den Geweben sesshaft ge¬
wordenen Bacillen, so dringen sie, die Lymphdrüsenfilter über¬
schreitend, in die Blutl)ahn, speziell die Venenblutbahn, ein und
sammeln sieb .so überwiegend in den Lungen, die ja das gesamte
Venenblut de.s Körpers aufnehmen, an. Auf diese Weise erlangt
schliesslich die Lungentuberkulose das Uebergewiebt über die
Tuberkulose der Drüsen und der andern Organe. Die stärkere
Ausbildung der Bronchialdrüsentuberkulose hängt wohl damit zu¬
sammen, dass diese Drüsen nicht nur wie die andern vom Blute
aus, sondern auch von der an haematogener Tuberkulose schwer
erkrankten Lunge auf lymphogenem Wege besiedelt werden. Die
.so l'cstgestellte Tatsache der grossen Geneigtheit des Lymph-
drüsenapparates, auf haematogenem Wege tuberkulös zu erkranken,
fordert dazu auf, diesen Infektionsweg bei der Beurteilung der
Genese von Fällen menschlicher Lymphdrüsentnberkulose mehr als
bisher zu beachten. Selbst wenn neben den Lymphdrüsen auch
ihre Quellgebiete tuberkulös erkrankt sind, kann nicht ohne weiteres
eine direkte äussere Infektion angenommen werden; noch mehr
Zurückhaltung in dieser Ausnahme ist angezeigt bei LymphdrÜsen-
tuberkulose ohne tuberkulöse Erkrankung der entsprechenden
Lympbwnrzelgebiete. Ein schadloses Passieren infektionstüohtiger
Tuberkelbacillen durch Haut, Schleimhäute etc. hält B. für aus¬
geschlossen. Die BerÜcksichtigrmg des haematogenen Infektions-
weges dürfte namentlich für die Fälle von primärer generalisierter
Lymphdrüsentuberkulose, besonders im ersten Kindesalter, von Be¬
deutung [sein. Eiine spontane extrauterine Infektion wird wohl
keinen Bacillenimport ins Blut zu Wege bringen; dagegen stellt
die spontane intrauterine (plaoentare) Infektion eine spontane pri¬
märe Blutinfektion par excellence dar, bei der in der Regel nur
wenige Bacillen ins embryonale Blut gesandt werden. Dieser In¬
fektionsmodus kann ans das Auftreten wirklich primärer isolierter
Tuberkelerkrankungen von Lymphdrüsen verständlich machen.
2. Cohn-Kindborg, Bonn: Heber Heisslofttherapie bei
Emphysem, ebron. Bronchitis imd Asthma bronchiale.
Gelegentlich von durch Leo angestellten Versuchen einer
Hyperaemiebehandlung der Lungentuberkulose durch Heissluft^
applikation auf den Thorax, zeigte sich eine Besserung von Be¬
gleiterscheinungen , die nicht durch eine Beeinflussung des tuber¬
kulösen Prozesses in der Lunge erklärt werden konnte. Es er¬
schien überhaupt zweifelhaft, ob durch die angewandte Methode
eine Hyperaemisierung der Lunge, oder nicht vielmehr eine Blut¬
entlastung des Organs durch die auf der Thoraxoberfläche erzeugte
Hyperaemie erreicht wurde. Experimentell liessen sich die Zweifel
lösen in dem Sinne, dass die Erhitzung der Thoraxoberfläche eine
intensive Blutableitung von den Langen zu stände brachte. C.
ging dann daran, diese Erfahrungen therapeutisch auszunutzen
und die Heissluftbehandlung bei Fällen einzuleiten, bei denen Blut¬
en tlastung der Lunge angezoigt erschien, bei Emphysem, chronischer
Bronchitis und Asthma bronchiale. Er konstruierte einen, den ganzen
Thorax umfassenden Heissluftkasten, mit durch Füz abgedichteten
Oeffnungen für Kopf und Arme, der in, bei den Atembeschwerden
der Kranken erforderlichen, sitzender Stellung anzulegen ist. Die
damit erzielten Erfolge sind äusserst ermutigend. Von 12 Fällen
von Emphj^em und chronischer Bronchitis wurden 11 in günstig¬
ster Weise beeinflusst, einige bis zu völliger Wiederherstellung
der Arbeitsfähigkeit. Ebenso trat schnelle Besserung bei 5 Fällen
von schwerem Asthma ein. Die Erleichterung der Atemnot machte
sich schon nach einer Sitzung geltend, Husten und Auswurf liessen
nach, der Stridor schwand, die Nachtruhe wurde wiedergewonuen;
objektiv Hess sich das Zurückgehen des Volumen pulmonum nach-
weisen xind eine Zunahme der Vitalkapacität der Lungen konsta¬
tieren.
3. Lewinson, Moskau: Barberios Reaktion aof Sperma.
Das Wesen der Reaktion besteht darin, dass dem Sperma
oder seiner konzentrierten wässrigen Lösung Pikrinsäure zugesetzt
wird (z. B. Esbachs Reagens), wodurch gelbliche, rhombische
Kristalle ausfallen. Die Reaktion scheint im Gegensatz zu der
allgemein üblichen Florenceschen Probe für menschliches Sperma
spezifisch zu sein. Ausgedehnte Nachprüfung ergab stets positives
Resultat bei samenfädenhaltigem Sperma; von einer Reihe von
Fällen mit Azoospermie ergaben die Mehrzahl gleichfalls einen
positiven Ausfall, einzelne mangelhafte Kristallbildung, wenige
ein völlig negatives Resultat. Für die forensische Untersuchung
von Samenflecken, die gegenwärtig ausschliesslich auf dem Nach¬
weis von Samenfäden basiert, ist die Tatsache, dass das in Fällen
von Azoospermie beim Coitus ausgeschiedene Sekret die Barberio-
sche Reaktion geben kann, bei der relativen Häufigkeit der Azoo¬
spermie von grosser Bedeutung.
4. Br Öse, Berlin; Zur Pflege der Banehdecken nach der
Entbindong.
B. plädiert für systematische Wicklung des Leibes der Wöch¬
nerinnen, wie sie in England und Amerika schon lange üblich.
Durch zweckmäßiges Wickeln des Leibes nach der Entbindung
kann der Erschlaffung der Bauchmuskulatur und den Folgezu¬
ständen, Enteroptosen, Bauchbrüche — die einzelnen Formen der
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
463
letzteren werden eingehend erörtert —, vorgebengt werden. B.
hat breite Binden, nach Art der Idealbinden, anfertigen lassen;
der Stoff ist eine Art Exepp, sehr elastisch, gnt porös und wasch¬
bar. Damit lässt sich eine gute Compression aasüben, ein Wechsel
ist nur alle 24 bis 48 Stunden erforderlich; ein eventuelles Herauf¬
ratschen lässt sich durch Anlegung einer Menstruationsbinde ver¬
hindern. Die Bandagierung des Leibes der Wöchnerin soll gleich
nach Beendigung der Nachgeburtsperiode vorgenommen werden.
Nach dem Aufstehen empfiehlt sich noch das Tragen einer Leib¬
binde für 8 bis 12 Wochen,
5. Mayer und Milchner, Berlin: üeber die topographische
Perknuion des kindlichen Herzens. (Schluss aus Nr. 40.)
Bei den eigentümlichen Beziehungen der einzelnen Herzteile
zu einander, zum gesamten Herzen, zur Brusthöhle, wie sie im
kindlichen Organismus gegeben sind, ist beim Bande, auch wenn
man es mit normalen Verhältnissen zu tun hat, mit der Perkussion
der oberflächlichen Dämpfung, also des von der Lunge nicht be¬
deckten Teiles der vorderen Herzwand, noch erheblich weniger zu
leisten, als beim Erwachsenen. Nur die Perkussion, die die absoluten
Grenzen des Organs ermittelt, gibt befriedigenden Aufschluss über
die funktionelle Tüchtigkeit und den organischen Zustand des
Herzens. Dies wird ermöglicht durch die von Goldscheider an¬
gegebene Schwellenwertsperkussion oder die leiseste Sagittalper-
kussion, deren wesentlichste Momente bestehen in allerleisester
Perkussion, Erschütterung eines möglichst kleinen Bezirks, sagit-
talOj also nicht, wie bisher, eine der Thoraxwand senkrechte Per¬
kussion. An zahlreichen Fällen wurde diese Methode geübt und
durch röntgenoskopische Untersuchung die grosse Genauigkeit der
Perknssionsbefunde konstatiert.
6. Kutscher: Praktische Ergebnisse ans dem Gebiete der
Bakteriologie.
Aetiologie und Epidemiologie der übertragbaren Gehirn*
hantentzündnng (Genickstarre).
Dass in dem Weichselbaumschen Meningococcus der Er¬
reger der übertragbaren Oerebrospinalmeningitis zu sehen ist, ist
heate nicht mehr zu bezweifeln. Derselbe ist als obligater Parasit
des Menschen anzusehen. Der eigentliche primäre Ansiedlungs¬
ort des Meningococcus ist der Nasenrachenraum; für den einwand¬
freien Nachweis im Schleim kommt nur das Kulturverfahren in
Betracht. Die Verbreitung der Krankheit erfolgt im wesentlichen
durch gesunde Coccenträger. Die individuelle Disposition für die
Krankheit ist in der lymphatischen Konstitution zu suchen. Die
Prophylaxe erfordert strikte Anzpigepflicht und muss bestrebt sein,
die gesunden Coccenträger unschädlich zu machen. Da eine Iso¬
lierung derselben nicht möglich ist, müssen sie durch Belehrung
über die Gefahr, die sie für die Umgebung bedeuten, zu mög¬
lichster Einschränkung des Verkehrs angehalton werden. Die Des¬
infektion kann eine beschränkte sein, nur die Umgebung des
Krankenbettes und die abgesonderten Sekrete betreffend.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 40.
1. Zelenski, Krakau: Heber das Verhalten des „neutrophilen
BlntbUdes** bei gesunden und kranken Säuglingen.
Eingehende Darlegung der Ergebnisse ausgedehnter Unter¬
suchungen, die die Resultate und Ansichten Ameths vielfach be¬
stätigen, sie aber um wichtige Befunde im Säuglingsblutbild er¬
weitern.
Einzelheiten entziehen sich einem kürzeren Referat.
2. Pollak, Wien: Heber paravertebrale und parasternale
Perknssionsbefonde bei Pneumonie.
P. hat die bei pleuritischem Exsudat erhobenen Perkussions-
befunde, paravertebrale und parasternale Aufhellung auf der kranken,
Abschwäcbung auf der gesunden Seite, auch bei Pneumonie er¬
heben können, so dass diese Phänomene kein differentialdiag¬
nostisches Moment zwischen Pleuritis und Pneumonie abgeben
können.
3. Kurt, Wien: Zar praktischen Verwertung der Sohall-
stärke des ersten Herztones.
Die wichtige Abschätzung der Schallstärke des ersten Herz-
tones ist Sache der Uebung. Ueber dem Spitzenteil des linken
Herzens präsentiert sich der erste Ton zumeist voller und kräftiger,
als in der unmittelbaren Nachbarschaft des rechten Herzens. Der
charakteristische systolische Ton ermöglicht nicht selten, die Herz¬
spitze auch da zii eruieren, wo direkte und indirekte Palpation
im Stich lassen, was bei dei Wichtigkeit der Lage der Spitze von
wesentlicher praktischer Bedeutung ist. Der systolische Ton ist
über dem rechten Ventrikel stärker zu hören, als über dem rechten
Vorhof. Dadurch ist eine ziemlich genaue Abgrenzung dieser Herz¬
abschnitte möglich und eine dilatative Hypertrophie des rechten
Ventrikels auch geringeren Grades nachweisbar. Ueber dem
oberen Teil des linken vorderen Herzabschnittes ist der systolische
Ton schwächer, als über dem entsprechenden rechten Herzab¬
schnitt; ein Wachsen der Schallstärke lässt auf Hypertrophie des
linken Ventrikels schliessen.
4. Volk, Wien: Schwere Nierenerkrankong nach änsser*
Hoher Chrysarobinapplikation.
Es wird die Krankengeschichte eines Mannes mitgeteilt, bei
dem wahrscheinlich wegen Proriasis eine ausgedehnte Chrysarohin-
applikation stattgefunden hatte, die zu einer Dermatitis exfoliativa
und zu einer chronisch-parenchymatösen Nephritis, bei der es zu
mehrfachen Nachschüben mit Haematurie kam, führte. Das mahnt
erneut zur Vorsicht bei der Chrysarobintherapie, bei der bei
längerer Verabreichung nie die kumulative Wirkung ausser Acht
gelassen werden darf.
5. Rosenbacb, Berlin: Einige Bemerkungen über wissen*
schaftliohe Methodik und die Berechtigung des opportunistischen
Prinzips in der Wissenschaft.
Im Anschluss an eine Besprechung seiner Schrift „Das Pro¬
blem der Syphilis“ durch Finger verteidigt R. die induktive
Forsohnngsmethode der reinen Beobachtung des Studiums natür¬
lichen Geschehens gegenüber der experimentierenden Laboratoriums¬
wissenschaft, und bekämpft energisch die Geltendmachung von
opportunistischen Gesichtspunkten, Rücksicht auf Feind der Wissen¬
schaft, Kurpfuscher etc.; bei der Bewertung von Forschungs¬
ergebnissen, die nicht im Einklang stehen mit den landläufigen
Lehren der Wissenschaft.
6. Salles, Frag: Die biologische Aeqniyalenz von Bakt.
coli et typhi.
7. Zupnik, Prag: Zur Frage der biologischen Aeqnivalenz
von Bakterinm coli et typhi.
Richtigstellungen von Behauptungen in einer Arbeit Doews
zu dieser Frage in No. 36 der Wochenschrift.
Allgemeine mediclnieche Central-Zeitung. 1906. Kr. 22 .
DDr. Theodor und Rudolf Lohnsteiu, Berlin: Der
Gärungs-Saooharometer mit Glycerin*Indikator.
Th. Lohnstein hat vor etwa 6^/2 Jahren ein Präzisions-
Gärungs-Saccharometer angegeben, das in kurzer Zeit Eingang in
die Praxis gefunden hat, denn es ermöglicht, in der denkbar ein¬
fachsten Weise eine genaue .^'lantitative Zuckerbestimmung und
setzt dabei keinerlei besondere Vorbildung oder Uebung in chemi¬
schen Arbeiten voraus.
B. Wagner hat vor kurzem ein modifiziertes Gärungs-Sac¬
charometer angegeben, bei welchem der Glasteil auf einem Holz¬
rahmen montiert, und das zur Aufnahme der gärenden Flüssigkeit
dienende Gefäss von dem Quecksilber getrennt und abnehmbar
eingerichtet ist.
Wenn man aber die gärende Flüssigkeit im Saccharometer
von der Messfiüssigkeit trennt, so meinen Th. und R. Lohnstein,
ist man nicht genötigt, Quecksilber als Messflüssigkeit zu ver¬
wenden; dies zeigt schon der Apparat von Lyons. Von diesem
Gesichtspunkte ausgehend, haben Th. und R. Lohnstein ein neues
Gärungs-Saccharometer konstruiert, welches sich in den Grund¬
prinzipien seiner Konstruktion an das frühere Präzisions-Gärungs-
Saccharometer von Th, Lohnstein anlehnt, aber sich von diesem
dadurch unterscheidet, dass die gärende Flüssigkeit nicht in der
Kugel des Apparates, sondern in einem an diesen sich anschlies¬
senden U-Rohr Platz findet. Das neue Gärungs-Saccharometer ist
folgendermaßen konstruiert: Es besteht aus einem grösseren U-
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464
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 43.
Rohre, dessen einer hohe Schenkel zylindrisch ist, während der
kleinere Schenkel die Gestalt einer Engel hat. Diese Engel setzt
sich nach oben durch ein kurzes umgebogenes Rohrstück in ein
zweites kleines U-Bohr fort, dessen äusserer Schenkel durch einen
eingeschlififenen Stöpsel gasdicht verschlossen werden kann. Dieses
kleine U-Rohr ist an seiner unteren Umbiegungsstelle leicht bauchig
erweitert und dient zur Aufnahme der Flüssigkeit, deren Zuckerge¬
halt durch Verjährung bestimmt werden soll Das grössere U-
Rohr nimm t die MessflUssigkeit auf. Diese wird vom grösseren
Schenkel aus bis zum Nullpunkt eingegossen. Als Messllüssigkeit
haben Th. und R. Lohnstein Glycerin gewählt, und zwar aus dem
Grunde, weil es so gut wie gar nicht Eohlensäure absorbiert. Die
meisten leicht zugänglichen organischen Flüssigkeiten, wie die
Paraffine, fetten Gele, Mineralöle, Petroleum etc. erwiesen sich als
ungeeignet, weil sie, wie wenig bekannt ist, COs in ziemlich er¬
heblichem Maße absorbieren. So ist z. B. der Absorptionscoeffi-
cient von Olivenöl bei 18® 151, und ähnlich verhält es sich mit
den übrigen genannten Flüssigkeiten. — Wie bei dem alten
Gärungs-Saccharometer kommt auch bei dem neuen Gärungs-Sac¬
charometer ein Volumen von 0,5 ccm Urin zur Vergärung, welches
mittels einer geeichten Spritze oder einer Messpipette eingefüUt
wird. Die Teilung ist bei dem neuen Apparat direkt auf dem
Messzylinder eingraviert. Der Apparat ist für 20® C berechnet.
Es empfiehlt sich, die Gärung im allgemeinen im Wasserbad
bei erhöhter Temperatur, etwa 35®, vor sich gehen zu lassen und
nach Beendigung der Gärung, d. h. wenn bei der konstanten
Temperatur von 35® die Glycerinsäule im längeren Schenkel nicht
mehr steigt, den Apparat für Stunde auf 20® abzukühlen. Die
Gärung ist bei hohem Zuckergehalt (6—8%) meist in 6 Stunden
beendigt, bei geringerem Zuckergehalt geht die Gärung entspechend
schneller vor sich. Ist die Bestimmung beendigt, so wird der
Apparat dadurch gereinigt, dass man das kleine Gärungsgefäss mit
einem um einen Eupferdraht umgewickelten Wattebausch aus¬
wischt und mittels einer kleinen Pipette oder Spritze mehrere
Male Wasser nachspült. Die Reinigung ist also sehr einfach.
Als wesontlicher Vorzug des neuen Saccharometers ist der
Umstand zu betrachten, dass in ihm das Quecksilber durch Gly¬
cerin ersetzt ist, wodurch der Apparat weniger zerbrechlich, für
Ungeübte angenehmer im Gebrauch und schliesslich billiger wird.
Subowsky, Berlin: Bornyval und dessen therapeutische
Bedeutung.
Das Bornyval ist ein synthetisch dargestelltes Präparat, das
die beiden wirksamsten Bestandteile der Baldrianwurzel vereinigt;
es ist künstlich in absoluter chemischer Reinheit gewonnener Iso-
valeriarsäureester des Bomeols. Für seine therapeutische Ver¬
wendung sind die bewährten Indikationen, die für die Baldiian-
therapie in Betracht kommen, zu acceptieren. Eis ist von ver¬
schiedenen Seiten mit vollem, zum Teil überraschendem Erfolg
angewandt worden bei krankhaften Erscheinungen von seiten des
Nervensystems, bei Hysterie, Neurasthenie, Epilepsie, bei nervöser
Agrypnie, bei traumatischen Neurosen, bei Sexualneorasthenie;
des weiteren bei krankhaften Erscheinungen des Circulationsappa-
rates, bei den Herz- und Gefkssneurosen, in der Gynaekologie
bei gewissen mit der Menstruation und der Menopause in Zu¬
sammenhang stehenden Erscheinungen, ferner bei Neurosen mit
Erscheinungen von seiten des Magendarmkanals, bei der nervösen
D 3 '^spepsie; schliesslich in vereinzelten Fällen bei Diabetes mellitus
und incipidus, bei Enuresis nocturna und diuroa.
Bücherbesprechung:.
Haudek, Max. Orundriss der orthopädischen
Chirurgie, 356 S., 198 Abb. Stuttgart, Enke, 1906.
In dankenswerter Weise hat Verf. in dem vorliegenden Buche
den Versuch gemacht, den praktischen Aerzten und Studierenden
in kurzer, präciser Darstellungsweise die Fortschritte und den
augenblicklichen Stand des orthopädischen Specialgebietes darzulegen.
Die übersichÜiche Anordnung des Stoffes, die Hervorhebung der,
besonders für den Praktiker wichtigen differentialdiagnostischen nnd
therapeutischen Momente und das Weglassen der noch so unge¬
klärten mannigfachen Erörterungen über die Theorieen der Ent¬
stehung der einzelnen Defermitäten werden das Buch für den ge¬
dachten Zweck empfehlenswert machen. Die Ausstattung des
Buches ist besonders hinsichtlich der Abbildungen eine ausserordent¬
lich gute. Maskat.
HofTa- Blencke. Die orthopädische Literatur.
446 S, Stuttgart, Enke, 1905.
Mit einem Aufwande von bewundernswertem Fleisse haben die
beiden Verfasser einem dringenden Bedürfnisse abgeholfen. Schon
seit Jahren war die Literatur über die Orthopädie, und die vielen
ihm nahestehenden Grenzgebiete, derartig gewachsen und in so
verschiedenartigen Erscheinungsstellen verteilt gewesen, dass es
für den wissenschaftlich arbeitenden Arzt ebenso wie für den
Praktiker beinahe unmöglich war, sich über die augenblicklich be¬
stehende Meinung Uber irgend eine Erkrankung oder Theorie
wirklich genau zu informieren. Aus diesem Grunde ist dieses
Werk von allen Beteiligten mit grosser Freude zu begrüssen.
Es wäre erwünscht, wenn in regelmässigen Zeitabschnitten £r-
gänzungshefte herausgegeben würden, falls nicht bald eine zweite
Auflage erscheinen kann. Muskat.
Richard von Hippel -Eassei. Ueber Perityphlitis und
ihre Behandlung. Sammlung klinischer Vorträge, No. 406.
Leipzig, Breitkopf und Härtel.
H. schildert in anschaulicher Weise den heutigen Stand der
PerityphUtisfrage und belegt seine Ansichten mit persönlichen Er¬
fahrungen aus seiner Praxis. Eine scharfe Abfertigung lässt er
Allen zu teil werden, dessen Heilplan, eine chronische Appendidtis
in das Latenzstadium zu überführen, er in extenso vorfuhrt, um za
zeigen, zu welch unmöglichen Consequenzen die Wasserscheu führt.
Hofp. Dp. Suchlep, Freiburg i. B. Der Orden der
Trappisten und die vegetarische Lebensweise. Zweite
vermehrte und verbesserte Auflage. (Verl, der ärztl. Rundschau,
Otto Gmelin, München 1906).
In ausserordentlich anregender Weise verteidigt Verf. zu¬
nächst auf theoretischem Wege den Standpunkt des absoluten
Vegetarismus. Die praktischen Ergebnisse fasst er in die Schluss¬
folgerung zusammen, dass die Fleischnahrung für den Menschen
überflüssig sei. Eine Schilderung des Lebens der Trappisten (ab¬
soluter Vegetarianer) zeigt vor allem an dem durchschnittlich
hohen Lebensalter dieser Mönche die gesundheitliche Zuträglich¬
keit der vegetarischen Lebensweise. Die in der Abhandlang ge¬
gebenen allgemein gültigen hygienischen Lehren sind gewiss be¬
herzigenswert.
Vermischtes.
BoPlin. Im Eaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche Fort-
bildungswesen finden im Monat Oktober an jedem Sonnabend,
abends 8 Uhr, technische Demonstrationen in der Dauer-
Ausstellung für die ärztlich-technische Industrie statt Am
Sonnabend, den 6., wurden Apparate und Instrumente aus dem
Gebiete der Elektromedicin und Optik gezeigt. Für die nächsten
Demonstrationen sind in Aiissicht genommen: Am Sonnabend, den
13. Oktober: Chirurgische Instrumente aller Art (allgemeine Chirur¬
gie und Sondergebiete), Operationsmöbel und Bekleidung, Vorrich¬
tungen und Apparate für Sterilisation, Desinfektion, Inhalation.
Am Sonnabend, den 20. Oktober: Erankenmöbel, Vorrichtungen
und Apparate für Orthopaedie und Gymnastik, Bandagen, Prothesen,
Verbandmittel. Am Sonnabend, den 27. Oktober: Medizinische
Chemie, insbesondere neuere pharmazeutische Erzeugnisse, Bäder-
einrichtungen und -Produkte. Ferner: Tropenmedioin, sowie plastische
Nachbildungen und Präparate (zu Lehrzweoken). Der Eintritt
steht jedem Arzte ohne weiteres frei.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. MeUtner, Berlin W. 6S, KurfQntenitr. 81. — Verlnc von Carl Marhold. Halle a. S.
Drsek von der Heyn ea eann’ache« Buchdrticfcerei, Oebr Wolff, Halle a. S.
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Medicinische Woche
Dcotscfamann, A. Dflhrssea, A. Hoffa« L Jacobi,
Hamburg. BerUn. Berlin. Freiburg 1. Bt.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Veriag und Expedition
Carl Marhold In Halle a. S.« Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 623.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Uovenieht.
A. Vossias,
Magdeburg.
Oiesseo.
'
Redaktion:
Berlin W« 62« Kurffirstenstrasse 81.
Dr. P Meißner.
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_ )
Vn. Jahi^ang.
29. Oktober 1906.
Nr. 44.
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der MtSgigen Beilage BflltieolOglSChe CefltralzeitUflg, Organ des Schwarzwaldbadertages,
des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badelrzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Hall e a. S. entgegen. Inserate werden fdr die 4gespaltene Petitzeiie oder deren Raum
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeite l^iO M. Bei grSfieren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Zur
Pathologie des sympathischen Nervensystems.
Von San.-Rat Dr. Scherk, (Bad Homburg).
Wiewohl die Fortschritte, welche die Neurologie vornehm¬
lich in der Dia^jnostik und Therapie in den letzten Jahren auf¬
zuweisen hat, in hohem Grade anzuerkennen sind, muss man
zugeben, dass auf diesem Gebiete immer noch ein grosses Ar¬
beitsfeld unbestellt vor uns liegt und namentlich die Pathologie
des Sympathicus anderen Nervenleiden gegenüber zurüc.ksteht,
in dem n.icht nur die Symptomatologie, sondern auch die The¬
rapie dieses Systems, dicht verschleiert unserer Erkenntnis bis
in die jüngste Forschungsperiode hinein entzogen wird.
Nehmen wir die Werke anerkannter Autoritäten zur Hand,
so beschränken sich die Angaben über die Erkrankungen des
Nervensystems sympathischem auf die Pathologie des Cervical-
ganglions, welche durch die Einwirkung auf die Pupille, Lidspalte
und Schweisssekretion erläutert werden; die Pathologie der ande¬
ren Ganglien wird dagegen mit Stillschweigen übergangen.
Es erscheint mir demgemäss durchaus zeitgemäß, zu er¬
gründen, inwieweit wir heutzutage berechtigt sind, durch Beob¬
achtung subjektiver und objektiver Symptome, auf die Affek-
tionen anderer Ganglien näher einzugehen, die aetiologischen
Faktoren zu berücksichtigen und therapeutische Maximen zu
befürworten.
Bei der grossen Ausdehnung und den mannigfachen Ver¬
bindungen des Sympathicus mit den anderen Nervensystemen
im Organismus, scheint mir eine Klärung der Funktionslehre,
wenn dieselbe auf anatomische Forschungen sich stützen lässt,
wohl geeignet, nach dieser Richtung hin Wandel zu schaffen
und zu versuchen, den Schleier zu lüften, um in der Erkenntnis
fortzuschreiten.
Gehen wir von der trefflichen Schilderung der feineren
Anatomie und der physiologischen Bedeutung des sympathischen
Nervensystems aus, welche uns Koelliker auf der 66. Natur¬
forscherversammlung geliefert hat, aus, so müssen wir aller¬
dings über die Vielseitigkeit der Funktionen dieses Systems
staunen und die grosse Bedeutung für die Bestreitung der
psychischen, als auch somatischen Faktoren im Zellenleben un¬
bedingt anerkennen.
Schon allein der Einfluss des Sympathicus auf die Vaso¬
motoren würde genügen, um die Wertschätzung dieser Funk¬
tion für die biologischen Umsetzungen zu würdigen. —
Nach Koellikers Ausführungen stellt das sympathische
Nervensystem eine reich gegliederte Kette vieler sich berühren¬
der motorischer und sensibler Einheiten dar, welche von den
cerebrospinalen Nerven ausgehen. Wie das Cerebrospinal¬
system, besteht auch das sympathische System aus vielen psychi¬
schen und somatischen, centriiugal und centripetal wirkenden
Einheiten oder Nervenbäumchen. Letztere stellen Nervenzellen
nebst Nervenfasern dar, die Zellen sind einesteils unipolar, d. h.
nur mit einem weitreichenden Fortsatze versehen, andernteils
multipolar, so dass, ein nervöser Fortsatz länger als ein kurzer
(Dendriten) ist. Alle diese Fortsätze sind physiologisch als
Leitungsapparate zu bezeichnen, in denen die Dendriten zu¬
leiten oder centripetal, die langen Fortsätze ableiten, also oentri-
fugal wirken.
Die Beziehungen des Cerebrospinalsystems und des Sympa¬
thicus zu einander, sind nicht nur direkte, sondern auch in¬
direkte , in dem Erregui^en cerebrospipaler sensibler Fasern
Reflexe im Gebiete des Sympathicus erzeugen und umgekehrt,
solche auch von den Eingeweiden aus in der cerebrospinalen
Sphäre veranlasst werden können. Auch auf den Chemismus
bestimmter Drüsen üben die sympathischen Fasern einen
wichtigen Einfluss aus. Dieselben innervieren nicht nur die ge¬
samte glatte Muskulatur des Körpers, indem sie auf Tonus und
Contractur wirken, sondern können auch eine Erschlaffung der
Muskulatur, der Gefässe, des Herzens und der Dannwand er¬
zeugen. — Die Einwirkung des Sympathicus auf die sekre-
tonische Drüsenfunktion geht aus dieser Darstellung deutlich
hervor, diese spezifische Einwirkung ist durch physiologische
Experimente klar bewiesen und die Streitfrage, nach welcher
einzelne Forscher neben den sensiblen und motorischen Fasern,
noch sekretorische oder trophoneurotische Fasern als maßgebend
hinstellen, ist immer noch nicht entschieden, uns genügt zu¬
nächst die Tatsache, dass die vermehrte oder verminderte Tätig¬
keit der Drüsen auf die Innervierung des Sympathicus zurück¬
zuführen ist.
Bekannt sind die interessanten Untersuchungen, wie die¬
selben vor 40 Jahren von Heidenhain, Bayliss, Bradford
und L an g 1 e y über die Physiologie der Speichelsekretion an¬
gestellt sind.
Während Haidenhain zu beweisen versuchte, dass die Zellen
einer sezernierenden Drüse von Nerven versorgt werden, welche die
chemischen Prozesse im Protoplasma anregen und von sekreto¬
rischen Nerven, welche die Absondernng bewirken, wurden diese
Untersuchungsresultate andererseits von Langley bekämpft.
Nach Heidenhains Forschungen enthält die Chorda der Sub-
maxillardrüsedes Hundes viele sekretorische und wenig trophische
Fasern, die Folge davon ist, dass der durch Reizung dieses
Nerven sezemierte Speichel sehr reichlich und wässerig ist.
Dem gegenüber enthält der Sjnnpathicus viele trophische und
wenig sekretorische Fasern, die Reizung des Sympathicus
liefert demnach spärlich zähen, dicken Speichel.
Diese These über die beiden verschiedenen Fasergattungen
wurde durch die physiologischen Experimente von Bayliss
und Bradford bestätigt, welche ausserdem nachwiesen, dass
die elektrische Wirkung der Chordareizung durch Atropin auf-
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466
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
ehoben, die elektrische Wirkung der Sympathicusreizung je-
och nur wenig herabgesetzt werde.
Andererseits konstatierte Langley, dass durch Anwendung
sehr kleiner allmählich verabreichter Atropindosen alle sezer-
nierenden Fasern gleichmäßig und gleichzeitig gelähmt werden.
Derselbe führt die Sekretion auf die Einwirkang der Vaso¬
motoren zurück, das relative Lumen der Gefässe, also die Vaso-
constrictoren und Vasodilatoren, sind allein maßgebend für die
sekretorische Funktion, es wurde demnach auch hier wieder
dem sympathischen System die Hauptrolle bei der Sekretion
zu erteilen sein. (Halliburton: Chemische Physiologie und
Pathologie.)
Anologe Verhältnisse, wie bei der Speicheldrüse, finden
auch bei den anderen drüsigen Organen statt, welche sich
durch ihre sekretorische Funktion auszeichnen. Aber auch die
interne Sekretion der Drüsenzellen wird sich auf dieselben
Faktoren zurückführen lassen, da die metabolischen, als
auch anabolischen und katabolischen Prozesse im Zellenleben,
mit Anregung, resp. Hemmung der Sympathicusfunktion in engem
Zusammenhang hängen. Es liegt nun auf der Hand, dass
wir zunächst die drüsigen Organe, welche sich durch Produktion
hydrolytischerFermente kennzeichnen, von diesem Gesichtspunkte
aus, in den Kreis unserer Betrachtung zu ziehen suchen. Wenn
bei den drei Constitutionsanomalien der Gicht, Fettsucht
und Zuckerkrankheit beispielsweise die hereditären Momente
nicht zu bestreiten sind, so sind wir, meiner Ansicht nach, voll¬
kommen berechtigt, die Afifektionen des Sympathicus in erster
Linie als aetiologischen Faktor zu berücksichtigen. Wie ich
in verschiedenen Arbeiten den Lesern dieses Fachblattes aus-
g^eführt habe, ist eine minderwertige Enzymwirkuug bei der
Entwicklung dieser drei Geschwisterkrankheiten nicht ausser
Acht zu lassen.
Ist die spezifische ümprägung der Nucleine, die Spaltung
der Fette und Kohlehydrate fehlerhaft, so werden schwer
resorbierbare und iuoxydable Substanzen als Endprodukte des
intermediären Stoffwechsels geliefert, welche zum Zellenhaus¬
halte keine Verwendung finden, teilw’eise im Blutstrome sich
ansammeln, teilweise niedergeschlagen werden oder als un¬
verwertbarer Ballast durch die Nieren ausgeschieden werden.
Die Bildung von hamsauren Salzen und deren Niederschlag
im Knorpelgewebe, die Aufstapelung der Fette in praedilektio-
nierten Regionen und die Ausscheidung der Dextrose illustrieren
diese pathologischen Vorgänge zur Genüge.
Dass die Veranlassung dieser Prozesse durch einen neuro-
genetischen Faktor geliefert werden kann, ist heutzutage
nicht mehr zu bestreiten, als maßgebend müssen wir nach dieser
Feuilleton.
Geschichte der Geburtshilfe*)
Von Dr. E. Roth.
Erfreulicherweise hat sich die Lust an historischen Forsch¬
ungen auch in dem grossen Reiche der Medicin und der ihr
verwandten Wissenschaften vermehrt und eingehende Forsch¬
ungen haben uns hervorragende Werke auf diesem Gebiet be-
scheert, von denen an die auch an dieser Stelle besprochene
Geschichte der Pharmacie von Hermann Schelenz erinnert sei.
Nunmehr liegt eine neue Geschichte der Geburtshilfe in
deutscher Sprache vor, nachdem Rudolf Dohm den alten Ver¬
such einer Geschichte der Geburtshilfe von Eduard von Sie¬
bold vor kurzem bis zum Jahre 1880 weitergeführt hatte.
Lag also über die Neuzeit ein brauchbares Buch vor, so
mußten doch naturgemäss die früheren Zeitabschnitte in der
Darstellung als veraltet erscheinen, zumal neueiitdecktes wich¬
tiges Material manche Teile jetzt in einer ganz anderen histo¬
rischen Beleuchtung erscheinen Hess.
*) H. Fasbender. Gcschi(thte der Geburtshilfe, detta lOOh, G'istav
Fischer. Gr. 8® XVI. 1028 S. 25 M.
Richtung hin die Erkrankungen des Sympathicus anerkennen,
andererseits können aber auch andere Momente, wie direkt
destruktive Prozesse in bestimmten Drüsen, oder Störung der
Katalyse, resp. der Sauerstoffübertragung als Ursache ange¬
sprochen werden.
Schon früher haben englische Autoren die Ursache der
Gicht auf eine primäre Neurose zurückgeführt. In erster Linie
hat Duckworth diese Ansicht energisch vertreten. Auch
Lauceraux nimmt an, dass die Gicht durch eine Tropho-
neurose verursacht werde und von deutschen Forschern hat
der geniale Anatom Jakob Henle schon vor 50 Jahren ana¬
loge Anschauungen veröffentlicht.
Welchen Einfluss das sympathische Nervensystem auf die
Entwickelung des Diabetes hat, das beweisen die Experimente,
welche seiner Zeit Claude Bernard ausgeführt hat.
Danach wissen wir, dass die Zerstörung des oberen und
des unteren sympathischen Halsganglions, des ersten Brust-
ganglions, der Öauchganglion und anderer sympathischer Nerven
Dextrosurie zur Folge hat:
Eine Störung des Zellenchemismus des Paukreas, der Leber
oder der Intestinaldrüsen ist auf eine fehlerhafte Einwirkung
des sympathischen Systems zurückzuführen und die Folge der
mangelhaften Innervierung wird eine minderwertige Produktion
spezifischer Enzyme darstellen. In diese Rubrik sind auch die
Dextrosurien zu rechnen, welche nach Verabreichung bestimmter
Gifte, die einen paralytischen Einfluss auf die sympathische
Funktion ausüben, zu rechnen.
Von demselben Standpunkte aus müssen wir bei der Ent¬
wicklung der Fettsucht eine Affektion des Sympathicus als
aetiologischen Faktor ansprechen, zumal die ausgesprochene
Heredität der Fettsucht nicht zu bestreiten ist. Durch die Pro¬
duktion eines minderwertigen fettspaltenden Fermentes werden
die Fette, welche dem Verdauungskanale einverleibt sind, nicht
in ihre Komponenten gespalten, wie unter normalen Verhält¬
nissen, bei denen Glycerin und Fettsäuren durch Synthese sich
zu neuen Fetten verbinden. Unter pathologischen feedingungen
werden die Neutralfette zum Teil in toto durch die Darmzotten
resorbiert, zum Teil durch die Faecalmassen exportiert. Die
in dieser Weise resorbierten Fette sind schwerer verbrennbar,
als die Fette, welche eine neue Synthese überstanden haben,
und stapeln sich massenhaft auf, zumal die oxydativen Elemente
im Organismus an Quantität nicht ausreichen, um die Verbrenn¬
ung der umfangreichen Reservefeitlager zu bewerkstelligen. Die
Entwicklung der Fettsucht wird die unmittelbare Folge sein.
Dass bei den sogenannten funktionellen Herz-, Magen-
und Darm-Neurosen das sympathische System beteiligt ist, dass
Bereits aus dem Inhaltsverzeichnis vermögen wir die Grund¬
linien einer Geschichte dieser Wissenschaft zu entwickeln, da
Fasbender in genialer Weise den Kapitelüberschriften kurze
Bemerkungen hinzugefügt hat, welche den Hauptinhalt der
jeweiligen Darstellung enthalten. So heisst es in: „Die Ge¬
schichte der alten Aegypter“. Die spärlichen Angaben über
piierperale Vorgänge gehören zu den lältesten der Geschichte.
Eine Stelle im Papyrus Berolinensis (Brugsch) ist fast wörtlich
mit einer Hippokratischen übereinstimmend.
Die Geburtshilfe der alten Hebräer. Die Geburtshilfe des
Talmud, die keineswegs die weiter entwickelte althebräische
ist, kennt den Kaiserschnitt an der Toten, wahrscheinlich auch
den an der Lebenden usw.
Natürlich kann es sich in den folgenden Zeilen nur da¬
rum handeln, etwa das Hauptgerippe des Werkes vorzuführen
und in Zusammenfassungen zu zeigen, was in den einzelnen
Zeitenläufen oder bei einzelnen Völkern an Fortschritten zu
verzeichnen war. Nur ausnahmsweise kann auf kleinere Ab¬
schnitte oder besonders interessierende Einzelheiten einge¬
gangen werden.
Von vornherein ist als ausgeschlossen zu betrachten, dass
die spärlichen schriftlichen üeberlieferungen der ältesten Kultur¬
völker alles wiedergeben, was in jener Zeit ihre Geburtskunde
umfasste. Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, dass der
Niederschrift einer so hoch entwickelten Geburtshilfe, wie der
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1906
BIEDICINISCHB WOCHE.
467
ebeDso die Symptome der Neurasthenie und Hysterie mit
dem Sympatnicus in Verbindung stehen, wird von keiner Seite
mehr bestritten.
Nach den Ausführungen von Fr. Kraus*), werden fol¬
gende Organe vom Sympathicus versorgt:
1. Herz, Blutgefässe, Milz, Lymphdrüsen (Knochenmark?),
2 . der ganze Verdauungstraktus,
3. teilweise die äusseren und die inneren Geschlechtsorgane,
4. das uropoetische System.
Es liegt auf der Hand, dass der ganze Symptomenkomplex,
wie derselbe uns bei der Neurasthenie, als auch bei der Hysterie,
in kaleidoskopischer Abwechselung vor Augen tritt, mit der
vielseitigen Tätigkeit des sympathischen Systems in Zusammen¬
hang zu bringen ist-
Jendrassik**) hebt neuerdings die erbliche Dispo¬
sition als aetiologischen Kardinalfaktor der Neurasthenie mit
Nachdruck hervor und geht sogar soweit, dass er die Ent¬
wickelung dieser Krankheit direkt von einer hereditären Dia-
these abhängig binstellt.
Dunin***) neigt sich zu der Auffassung, dass die Neura¬
sthenie eine Psychose sei, deren Hauptcharakteristik die Aulo-
observation darstellt.
E Hoenk+) führt sowohl die Neurasthenie, als auch die
Hysterie auf eine Erkrankung des sympathischen Systems zurück,
derselbe stützt sich auf die Arbeiten von Freund, Buck, Gas-
keil, Langley und Rüdinger.
Es wurde zu weit gehen, auf alle neuen Veröffentlichungen
über die Ursache und das Wesen der Neurasthenie und Hysterie
hier näher eingehen, beachten müssen wir jedoch, meiner An¬
sicht nach, dass wiewohl die Ursachen der Neurasthenie und
Hysterie beiden auf die Pathologie des Sympathicus zurückzu¬
leiten sind, wir mit differenten Momenten zu rechnen haben,
denn die Symptome der Neurasthenie sind meistens die Folge
von Irritationsznständen, die der I^sterie dagegen lassen, auf
Depressionen, resp. paralytische Affektionen schliessen.
Dass Komplikationen Vorkommen können, ist andererseits
nicht zu bezweifeln. In diesem Sinne hebt Binswanger in
seiner „Hysterie“ auch hervor, dass bei dieser Krankheit häufig
auch neuraathenische Symptome auftreten.
*) Einiges Uber die funktionelle Herzdiagnostik. Deutsebe medici-
nische Woc-bonsebrift 1.05.
**) .SammluDg klin. Vorträge 4*26/427 üeber Neurasthenie.
**•) Ueber den Begriff Neurasthenie. Berl. klin. Wochensebr. 31.06.
t) Ueber Neurasthenie bysterica und die Hysterie der Frau. Abhandl.
aus dem Gebiete der Fraiienlioilkiinde u Geburtshilfe, \'I Bd. H. 6 190.'».
Bekanntlich bilden die Schmerzempfindungen und Neu¬
ralgien ein Hauptsymptom der Neurasthenie.
Nach Jendrassiks Ausführungen (1. c.) kommen echte
Neuralgien eigentlich ausschliesslich im Gesichte vor:
nEs sind dies die echten Trigeminus neuralgien und diese
haben mit der Neurasthenie nichts zu tun, ferner gibt es noch
eine zu den Neuralgien gezählte Affektion — die Ischias —
diese sollte aber eigentlich im Kapitel über Neuritis behandelt
werden. Mit Ausnahme dieser beiden Neuralgien sind nahezu
alle vorkommenden Schmerzen mit neuralgischem Charakter
n eurasth enischer Natur, nur in den allerseltensten Fällen
kommen auf dem Gebiete der übrigen sensiblen Nerven echte
Neuralgien vor, hingegen beobachten wir sowohl im Gesicht,
wie auf dem Gebiete des Nervus ischiadicus ziemlich häufig
neurasthenische Neuralgien.
Charakteristisch für diese letzteren ist, dass man den
Schmerz objektiv nicht beobachten kann. Die neurasthenischen
Schmerzen treten nicht anfaUsweise auf, sie sind unablässig
vorhanden, ihre Intensität wechselt kaum, höchstens zeigen sie
den Tageszeiten entsprechend geringe Schwankungen.“
Es ist eioleuchtend, dass die neurasthenischen Schmerz¬
empfindungen, die Kopfschmerzen, die Schlaflosigkeit, die Herzpal-
pitationen etc. auf abnorme Initationszustände des sympathischen
Systems zurückzuleiten sind, während die Hautanaestnesien, die
Analgesien und Hemianaesthesien der Hysterischen deutlich auf
Depressionszustände hinweisen.
Auch die therapeutischen Erfolge, welche wir bei der Be¬
handlung der Neurasthenie und der Hysterischen zu verzeichnen
haben, bestätigen diese Differenz im Auftreten der verschieden¬
artigen Krankheirserscheinungen.
Denn die Erfahrung lehrt uns, dass wir bei den Hyste¬
rischen mit Brompräparaten beispielsweise wenig erreichen, dass
dagegen dieser Sedativum bei Neurastheriieen stets einen gün¬
stigen Einfluss ausübt, da wir pathogenetisch mit Erregungs¬
zuständen hoi diesen Kranken zu rechnen haben, welche zu be¬
kämpfen sind.
Zu demselben Resultat führt die Beobachtung, welche ich
schon im vorigen Jahre*) veröffentlicht habe, nach welcher,
durch die Anwendung der elektromagnetischen Bestrahlung wir
bei Hysterischen keinen Erfolg erzi^en, dagegen bei neuras¬
thenischen Kranken diese Energieform eine sedative Wirkung
bei abnormer Erregbarkeit des Neurasthenie sympathicus aus¬
übt. Die Anschauungsweise, dass bei genannten Nervenleiden
molekular-chemische Veränderungen zu Grunde liegen, bricht
1005 ,
Zur Kritik dor oloktromagnetiscbon Behandlung. Mod. klin. 4 u.
hippokratischen, ein langes Studium planmässiger Förderung
vorangegangen ist. Ursprünglich beobachtete man wohl zu¬
erst bei Opferungen oder auf der Jagd, wie der Foetus den
Tod der Mutter überleben kann.
In kurzen Worten schildert Fasbender den Gang der Ge¬
schichte in der Geburtshilfe wie folgt, wobei nur die wesent¬
lichsten Punkte hervorgehoben werdeu:
Sehr hoch steht die Geburtshilfe der Hippokratiker. Die
des Soranus ist die griechische in der noen höheren Blüte,
zu der sie, um den Beginn der christlichen Zeitrechnung nach
Rom verpflanzt und deshalb römische genannt, ebenfalls von
Griechen geführt worden. Nach der Glanzepoche im Anfang
des 2. Jahrhunderts n. Chr. folgt eine lange Periode des Rück¬
schritts. Die Byzantiner vermochten nicht die Geburtshilfe auf
der früheren Hohe zu halten, ähnliches galt für die Araber.
Im 16. Jahrhundert beginnt das Wiederaufleben unserer Wissen¬
schaft durch die Wiedereinführung und Vorbereitung der seit
dem 6. christlichen Jahrhundert in Vergessenheit geratenen
Wendung auf die Füsse seitens französischer Chinirgen. Es
folgt ein weiteres Fortschreiten auf dieser Bahn, doch wesent¬
lich nur für die praktische Seite, für die Hebammenkunst.
Allmählich macht sich der Aufschwung der Anatomie in einer
besseren Kenntnis der Geburtswege geltend, wie auch bereits
um die Mitte des 17. Jahrhunderts, vielleicht unter dem Ein¬
fluss der induktiven Metliode der Baconschen Philosophie,
die Beobachtung dor Natur im Vertrauen auf deren Kräfte
durch William Harvey von der Geburtsleitung gefordert wird.
So tritt die exspektative Richtung auf hundert Jahre nach der
von Frankreich inaugurierten chirurgischen. So gebührt Eng¬
land der Ruhm, die ersten Anfänge eines genaueren Studi¬
ums der mechanischen Verhältnisse des normalen Geburtsvor¬
ganges verfolgt zu haben, dort setzt die Lehre vom Geburts-
mechanismus ein.
Die eigentlich wissenschaftliche Geburtshilfe beginnt aber
mit einem Deutschen, mit Ignaz Philipp Semmelweis, dessen
Verdienste neuerdings erst in stetig höherem Grade gewürdigt
worden, dann mit Gustav Adolf Michaelis und seinem unsterb¬
lichen Werk über das enge Becken, um in Lister ungemeine
Förderung zu erlangen, bis Robert Koch die moderne Bakteri¬
ologie schuf; so erhielten manche Abschnitte der Geburtshilfe
in dem kurzen Zeitraum weniger Dezennien eine völlig neue
Gestalt.
Wie bereits hei vorgehoben, sind von den Zeiten der alten
Aeg.vpter uns nui* spärliche Angaben über die Geburtshilfe und
die Kenntnisse derselben erhalten. Was die alten luder betrifft,
so bestehen zwischen ihrer Geburtshilfe und der hippokra¬
tischen bei vielfacher Uebereinstimmung immerhin fundamentale
Unterschiede. Der Kaiserschnitt an der Toten war ihnen be¬
reits bekannt, doch beschreibt Fasbender ihre Kenntnis von dem
engen Becken und der Wendung auf die Füsse.
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468
MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 44.
sich immer mehr Bahn, in diesem Sinne hat sich auch Deter¬
mann*) kürzlich ausgesprochen.
Es ist einleuchtend, dass die Anordnung der Moleküle, wie
dieselbe unter normalen Verhältnissen in den Nervenzellen statt¬
findet, für die chemischen Umsetzungen von einschneidender
Tragweite ist. Denn wie ich schon (1. c.) hervorgehoben habe,
sind die Oxydationsprozesse von der Molekülekonfiguration ab¬
hängig und die Schlussfolgerung ist vollkommen berechtigt,
dass nach gewaltigen Traumen, nach Eisenbahnkollisionen etc.
eine Verschiebung der Nervenmoleküle durch die Erschütterung
des ganzen Organismus stattfinden kann; wie wir diese Wirk¬
ung beispielsweise bei der Commotio cerebri schon lange aner¬
kennen.
Dass ausserdem, durch Zirkulationsstörungen, welche auf
Neubildungen zurückzuführen sind, die sterochemischen Ver¬
hältnisse eine Aenderung erleiden und abnorme Druckverhält¬
nisse zur Entwicklung von Erregungszuständen, resp. zu Her¬
ausbildung einer neurasthenischen Sjmptomenreihe führen kann,
dafür diene beifolgende Krankengeschichte zur Illustration, zu¬
mal dieselbe durch den günstigen Erfolg, welcher durch die
elektromagnetische Behandlung erreicht wurde, von besonderem
Interesse sein wird.
J.-Nr. 103.
Am 17. Februar 1906 unterzieht sich Patient der elektro¬
magnetischen Behandlung. Derselbe ist 47 Jahr alt, früher ge¬
sund gewesen, jedoch als Bataillonsführer vor 8 Monaten mit
dem Pferde gestürzt. Ein Bruch der Schädelbasis war die
Folge dieses Unfalls, nachdem P. 14 Tage lang besinnungslos
gelegen, entwickelten sich allmählich die Symptome einer trau¬
matischen Neurasthenie. Schwindelanfälle, Schlaflosigkeit, trau-
palpitation, Gehbeschwerden (Breitbeinigkeit). Schmerzempfin¬
dungen in den Schultern, im Rücken, im Kreuz, Pulsfre¬
quenz erhöht, Selmenreflexe gesteigert, rechte Pupille bedeu¬
tend erweitert. Gewicht des Körpers 78,3 kg.
Gegen dieses Leiden hatte Patient bis dahin den Gebrauch
von Fichtelnadel-, Luft- und Vierzellenbäder ohne jeglichen Er¬
folg angewendet.
Die elektromagnetische Bestrahlung wurde auf die Gegend
des Halsganglions ausgeführt und zwar 2 Amp. 2 Cont anfangs
einmal täglich, nach 10 Applikationen wurden zwei Sitzungen ge¬
halten, jede von 20 Minuten Dauer und die Zahl der Umdreh¬
ungen des Elektromagneten allmählich vermehrt. Schon nach
Verlauf von 15 Tagen zeigten sich Besserung einzelner Symp¬
tome. Der Schlaf wird zunächst ruhiger, die Schwindelanfälle
nehmen ab, die Herzpalpitationen beängstigen den Kranken
*) Neurasthenie und Hysterie. (Handb. der phys. Therapie von Qold-
sehoidor-Jacob. Bd. II. S. 5,ö4.
weniger und die verschiedenen Schmerzempfindungen bessern
sich zunehmend.
Dementsprechend nimmt die Erweiterung der rechten Pu¬
pille ab, der Puls wird regelmäßig und die gesteigerten Sehnen¬
reflexe verschwinden. Nacli 65 Applikationeu wird Patient als
gesund entlassen. Die Gewichtszunahme beträgt 2 kg. Zehn Tage
nach der Entlassung wird der erste Reitversuch mit gutem Er¬
folge ausgeführt und während des letzten Manövers hat P. sein
Bataillon tadellos geführt.
Wenn mir von Geguero der elektromagnetischen Behand¬
lung der Einwand entgegengehalten werden sollte, dass eine
Besserung auch ohne Anwendung der elektromagnetischen Ener¬
gie einfach durch allmählichen Schwund der Callusmasse erzielt
werden können, so ist demgegenüber zu erwidern, dass durch
die sedative Wirkung der elektromagnetischen Bestrahlung die
Irritationszustände des sympathischen Systems in kurzer Zeit
beseitigt wurden, ein Erfolg, welche durch andere Behandlungs¬
methoden vorher nicht erreicht wurde. Dafür spricht in erster
Linie die Abnahme der Pupillenerweiterung auf dem rechten
Auge. Dieselbe muss auf ein Uebergewicht, als einen Erre¬
gungszustand des Sympathicus gegenüber der Oculomotorius
Wirkung, angesehen werden. Es bleibt fraglich, ob dieser Er¬
regungszustand durch den Druck der Callusmasse und infolge¬
dessen durch Zirkulationsstörungen hervorgerufen ist, oder ob
eine molekuläre Verschiebung der Moleküle innerhalb der
Nervenzellen direkt durch das Traumen veranlasst wurde.
Dass Tumoren jeglicher Art, wie Aneurysmen, Carcinoma
etc. durch den Druck, welchen sie auf das umliegende Gewebe
ausüben, und durch diesen mechanischen Einfluss die Ganglion¬
knoten in ihrer Funktion beeinträchtigen können, ist nicht zu
bezweifeln. Auch bei der Entwicklung des Morbus Basedowii
werden wir mit analogen Momenten zu rechnen haben.
Immerhin hoffe imi durch diese Darstellung Anknüpfungs¬
unkte zur Diskussion zu stellen, von welchen ausgehend, wir
ie Pathologie des sympsthischen Systems tiefer ergründen
können, um auch auf diesem Pfade nach und nach mehr Klar¬
heit zu schaffen.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Aerxtlicher herein MüncTien.
Sitzung vom Mittwoch den 10. Oktober 1906.
1. Arthur Müller demonstriert eine Frau, welche die
Pubiotomie gut überstanden hat.
Bei den Griechen ist bereits von einem attischen Heb¬
ammenwesen zu berichten. Die Angaben des Aristoteles haben
auf viele Jahrhunderte Gültigkeit. Bereits ein Aristoteles be¬
beschreibt den jetzt als Schultzescher Mechanismus bezeich-
neten Austrittsmodus der Nachgeburt. Zuerst wird von diesem
Volke auf eine von Skelettanomalie hergeleiteten Dystokie hin¬
gewiesen; auch dürfte zuerst dort auf Weiber mit schmalen
Hüften aufmerksam gemacht sein.
Die sogenannte römische Geburtshilfe lässt vor allem einen
Soranus in den Vordergrund treten. Stellen wir anstatt der
Personen mehr die erzielten Fortschritte in den Vordergrund,
so wurde in dieser Periode die angebliche Einmündung der
Samengänge oder Eileiter in die Harnblase richtig gestellt und
der Scheide eine selbständige Position gegeben. Verworfen
werden dann beispielsweise die alten hippokratischen Lehren
von der Entwickelung der Knaben in der rechten, der Mädchen
in der linken Seite der Gebärmutter. Die ersten Spuren der
Lehre vom engen Becken tauchen auf; Soranus kennt eine
zu feste Verwachsung der Schambeine als Geburtshindernis,
was den Anfang einer jahrhundertelang herrschenden falschen
Beckenpathologie bildete. Die römische Geburtshilfe erwähnt
zuerst die Wendung auf einen Fuss, zunächst bei abgestorbenen
Früchten, dann bei lebenden Kindern. Auch die Wendung auf
den Kopf muss hier eine Erwähnung finden, die Reposition eines
vorgefallenen Armes, der Armlösung bei Fussgeburt. Das Ab¬
lösen des Mutterkuchens mit gespreizten Fingern ist auf diesen
Zeitabschnitt zurückzuführen. Die Darstellung der Pflege der
Neugeborenen bei Soranus ist in vieler Hinsicht mustergiltig.
Neu ist dann in der arabischen Geburtshilfe des Mittel¬
alters die bis dahin von keinem Autor erwähnte Anwendung
von Schlingen zur Extraktion der Kinder, sowie das Ver¬
fahren den Durchtritt des Foetus unter Umständen in Steiss-,
bezw. Knielage zuerst zu heben. Dagegen ist die Wendung auf
die Füsse total in Vergessenheit geraten. Zum ersten Male
wird hier zur Vornahme eines geburtshilflichen Eingriffes die
Hängelage empfohlen.
Aus der abendländischen Geburtshilfe bis zum 16. Jahr¬
hundert sei zunächst der ersten Hebammenordnung, der von
Regensburg, gedacht. Die Wiedereinführung der Zergliederung
menschlicher Leichen beginnt, eine durchaus notwendige Vor¬
bedingung zur Hebung der Geburtshilfe. Dann fangen Aerzte
an mehr in Beziehung zum Geburtsbett zu treten, obwohl zu¬
erst noch zu rein medizinischer Tätigkeit. Zum eisten Male
wird zweifellos die Wendung auf den Kopf durch direkten
inneren Handgriff geübt, zuerst tritt die Vorstellung eines in
seiner primären Formation engen Becken auf, der Kaiserschnitt
an der Toten wird der Vergessenheit entrissen, Abortus-Provo-
kation in einer Pariser Hebammenordnuug mit Todesstrafe be¬
droht.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
469
2. Ueber die Beziehungen zwischen Larynztuber-
kulose und Gravidität und Qber die Berechtigung zur
Einleitung der künstlichen Frühgeburt bei dieser Er¬
krankung.
Referent; Herr Neumayer.
N, bespricht zunächst die verschiedenen Arten der Kehlkopf¬
tuberkulose und die üblichen therapeutischen Methoden, unter
ihnen besonders die Tracheotomie und Lai:ynxfissur. Seine
Schlusssätze bezüglich der Dignität der Kehlkopftuberkulose
während einer Gravidität sowie der Indikation zur Einleitung des
Abortes entsprechen im grossen Ganzen völlig denen des Kor¬
referenten.
Korreferent; Herr J. A. Amann.
Im allgemeinen ist die Kehlkopftuberkulose keine primäre
Erkrankung, sondern sie. ist vergesellschaftet mit einer Lungen¬
tuberkulose. ln 0,8 bis 1,4% liegt nach verschiedenen Statistikern
eine Komplikation der Schwangerschaft mit Lungentuberkulose
vor. Die Fälle, in denen Kehlkopftuberkulose schon vor der
Schwangerschaft bestanden hat, sind nicht sehr häufig. Wahr¬
scheinlich lässt die schwere Allgemeinerkrankung Konzeption nur
selten zu Stande kommen. Der Beginn der Kehlkopftuberkulose
fällt meist in die ersten Schwangerschaftsmonate. Oft wird die
Schwangerschaft spontan unterbrochen.
A. trennt die mehr lokalisierte Kehlkopftuberkulose von der
sofort mit schweren Lungenerscheinungen einhergehenden Kehl-
kopftuberkolose. Die mehr lokalen Fälle sollen vor der Einleitung
des Abortes unbedingt chirurgisch behandelt werden. (Tracheo¬
tomie und Larynxfissur).
Für die zweite Art von Fällen kommt die möglichst früh¬
zeitige Ausführung des künstlichen Abortes in Betracht. Eine
peiolichst genaue Untersuchung des einzelnen Falles muss die
richtigen Fälle, die noch chirurgischer Behandlung zugängig sind,
aassuchen. Denn es darf selbstverständlich durch längeres Zu-
warten infolge der vorher versuchten therapeutischen Eingriffe
keine Zeit versäumt werden. Auch der künstliche Abort bringt
natürlich gewisse Schäden, die aber nicht so schwer sind wie die
Schäden der Schwangerschaft selbst. Die Unterbrechung der
Schwangerschaft vom 7. Monat ab gibt eine ganz schlechte
Prognose. Hier ist bis auf wenige Ausnahmen die künstliche
Frühgeburt abzulehnen. Das Kind selbst ist ebenfalls bei zu
später Frühgeburt sehr geföhrdet (nur 2 von 80 lebten mehrere
Jahre). Bei der Einleitung des Abortes soll man von Inhalations¬
narkosen absehen. (Laminariadehnung, Ausräumung.) Bei eventl.
Frühgeburt soll der vaginale Kaiserschnitt vorgenommen werden.
(Lumbalanaesthesie bei diesen Operationen.)
Diskussion: Herr Hör mann.
Herr Mirabeau will in jedem Falle von Kehlkopftuber-
Hatte Regensburg die erste Hebammenordnung gezeitigt,
so gab es in dieser Stadt bereits um die Mitte des 16. Jahr¬
hunderts Bestimmungen über Alters- und Invaliditätsversorgung
von Hebammen, während sonst namentlich Frankreich an einer
Aufbesserung des Hebammenwesens arbeitete. Daneben begann
ällmählicb die männliche Geburtshilfe an Boden zu gewinnen
und die Anatomie der weiblichen Genitalien gefördert zu werden.
Erste Erwähnung des vorliegenden Mutterkuchens und des
äccouchement forcö sind Ruhmeszeichen dieser Periode.
Im 17. Jahrhundert und dem ersten Drittel des darauf
folgenden Säculums nimmt vor allem das Interesse für eine
Besserung des Hebammenstandes auch bezüglich des Unter¬
richts zu. Offenbar findet, durch das Material des Hötel-Dieu
iä Paris angeregt, die männliche Geburtshilfe weitere Verbrei-
tung, es entwickelt sich aus dem Chirurgen der Geburtshelfer.
Ein Mauriceau behauptet zuerst für das Weib, im Gegensatz
Zürn Tier, die zeitliche Unabhängigkeit der Konzeption von
dem Eintritt der menstruellen Blutung. Die Entdeckung der
Spennatozoen ruft eine Umstürzung der Ansichten hervor;
zuerst finden wir erwähnt, dass von den vielen „Millionen“ in
einer geringen Samenmenge befindlichen „Würmern“ nur ein
einziger die eventuelle Beinichtung herbeiführe.
(Schloss folgt.)
kulose möglichst &üh den künstlichen Abort eingeleitet wissen,
bespricht einen hierher gehörigen Fell.
Herr Kraemer sohliesst sich der Meinung des Letzteren
an, macht nur eine Ansnahme bei dem tuberkulösen Tumor.
Herr Amann (Schlusswort).
Zum ersten Vorsitzenden für das neue Vereinsjahr wurde
Herr Professor A. Seitz gewählt.
(Albert Uffenheimer-München.)
Ferein fUr i/n/nere Medid/n in Berlin,
Sitzung vom 15. Oktober 1906.
Tagesordnung: Herr Kraus: Ueber Kropfherz.
Man muss das Kropfherz im engeren Sinne streng scheiden
sowohl von den durch mechanische Atembehinderung als auch den
diu'ch Druck auf die herzregulatorischen Nerven hervorgerufenen
Herzstörungen. Letztere z. B. zeigt gegenüber den durch Thy-
reoidismus hervorgerufenen Herzstörungen, auch keine Hypertrophie,
es fehlen die Stoffwechselstörungen. Das Kropfherz ün engeren
Sinne wird durch die veränderte Schilddrüsenfnnktion hervorge¬
rufen ohne mechanische Einflüsse, es zeigt mäßige Tachycardie,
die Pulskurve zeigt herabgesetzten Gefässtonus. Ezophthedmus ist
nur angedeutet. Partielle Strumektomie wirkt oft günstig ein,
ebenso Jodbehandlung. Herzvergrössemng ist nicht sehr häufig. Es
ist das alles in allem der Symptomkomplez der von Charcot-Marie
aufgestellten Forme fruste des Morbus Basedowii. Die Gardiopathie
ist fortschreitend, Exophthalmus und trophisohe Störungen fehlen.
Vortr. glaubt, dass die gestörte Schilddrüsenfunktion nicht allein
ausreichend ist für die Theorie des Basedow. Es muss ein das
Sympathicussystem alterierendes unbekanntes Etwas hinznkommen.
Diskussion: Senator, Brieger, Burghart, Kraus.
Carl Lewin.
Kongressbericht.
78, Versammlung deutscher Naturforscher und
Aerzte in 8tkdtga/rt,
Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Sitzung vom 19. September, vormittags 8 Uhr.
Vorsitzender: Herr Veit.
1. Demonstrationen.
Hr. L. Seitz - München: Ueber Hypersekretion der
Schweiss- und Talgdrüsen in der Achselhöhle während
des Wochenbetts, echte Milchsekretion vortäuschend.
S. demonstriert Abbildungen von vier gänseeigrossen Schwel¬
lungen der Achselhöhle, die in der Schwangerschaft auftraten und
auf Druck ein milchähnliches, auch mikroskopisch das Aussehen
fertiger Milch bietendes Sekret entleerten. Es handelt sich um
eine Emulsion des Talgdrüsensekrets in dem reichlichen Schweiss.
S. weist auf die genetische und morphologische Aehnlichkeit der
Milch- und Talgdrüsen hin.
Diskussion.
Hr. Welcher glaubt, dass es sich um accessorische Milch¬
drüsen gehandelt habe, die er in 5 ®/q aller Fälle konstatiert hat.
Hr. Seitz erwidert, dass ihm nur ein einziger Fall von
accessorischer Mamma in der Achsel bekannt sei und dass hier die
Milch aus mehreren kleinen Oeffhuogen, nicht ans einer einzigen
sich entleerte.
Hr. Herzfeld-Wien hat ähnliche Anschwellungen bemerkt,
beidemal kam es zu einer Vereiterung. Die Inzision ergab, dass
es sieb nicht um accessorische Milchdrüsen handelte.
Hr. Polano-Würzburg demonstriert eine Missbildung,
deren Abnormitäten (multiple Spaltbildungen, Verwachsung der aus
diesen Organen prolabierten Organe mit den Eihäuten, Verkümmerung
der Oberextremitäten, Verkrümmung der Wirbelsäule) sich ledig¬
lich auf die obere Fruchthälfte besohränkeiu Dies spricht für
mechanische, exogene Entstehungsursachen, vielleicht Haltungs-
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470
MBDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
anomalien der Frucht und Schädigung der normalen sekretorischen
Fähigkeit des Ämnionepithels.
Diskussion. Hr. Veit>HaUe fragt, ob hier nicht auch die
Deutung durch Persistenz ursprünglicher Verbindungen zwischen
Ghorion und Frucht möglich sei.
Hr. W. Freund-Strassburg: 1. Drei Fälle yon Kompli¬
kation von Myom und Schwangerschaft.
Zweimal wurde die Diagnose richtig gestellt, im 1. Fall aus
der sehr charakteristischen Auflockerung im Collum und allgemeinen
Intoxikationserscheinungen infolge Zersetzung der Myome (durch
die Operation bestätigt); im 2. Fall war der Tumor intraligamentär,
von dem deutlich vergrösserten aufgelockerten Uterus gut al^grenzbar.
Der 3. Fall mit sehr hartem Fibromyom wurde erst bei der
Operation (Amputatio uteri) diagnostiziert.
2, Uterus unicollis bicornis bei 20jährigem Mädchen.
Daneben grosses Carcinoma coli transversi, Ovarialtumor vor¬
täuschend. Resektion, primäre Heilung, später Elxitus an allgemeiner
Carcinose.
Hr. Gutbrod-Heilbronn demonstriert 1. das von ihm schon
beschriebene Präparat von Totalexstirpation des kreissenden
Uterus.
2. Macerierten Fö tus einer verj suchten Extrauterin¬
gravidität im sechsten Monat.
Exspektative Behandlung wegen Verweigerung der Operation.
Im siebenten Monat Abgang der Decidua. Vom neunten Monat
an normale Menses. Ein Jahr später spontane Geburt, dann
plötzlich rapider Verfall und hohes Fieber infolge Bakterium coli-
Infektion des extrauterinen Fruchthalters. Laparotomie, Exitus
an Sepsis.
Hr. E. Kehrer-Heidelberg: 1. Acardiacus completns
bei hochgradigem Hydramnion.
Geburt im achten Monat, vorher Abgang einer normal gebil¬
deten toten Frucht.
2. Kombination von Mediastinal- und doppel¬
seitigem Ovarialtumor, deren ersterer wahrscheinlich der
primäre war, trotzdem zuerst die beiden Ovarialgeschwülste zur
Operation gelangten. Histologisch vielleicht Sarkom.
3. Adenocarcinom des Corpus uteri, das sich in einem
submucösen Myomknoten entwickelt hatte und denselben fast völlig
substituierte.
4. Heissluftapparat, in dem die Glühlampen durch
Metallplatten ersetzt sind, um eine bessere Graduierung zu ermög¬
lichen. Der Apparat ist durch Dröll-Heidelberg zu beziehen.
Hr. Hofmeier-Würzburg: Missbildung, die wegen unge¬
wöhnlicher Auftreibung des Abdomens die grössten Geburts¬
schwierigkeiten machte. Durch Flüssigkeit kolossal ausgedehnte
doppelte Scheide sowie doppelter und getrennter Uterus. Blase
und Urethra vorhanden, dagegen fehlt Anal- und Vaginalöffnung
gänzlich. Einmündung des Rektums mit feinerem Gang im Septum
beider Scheiden, die mit feiner Oeffnung kommunizierten. Beide
Nieren und Ureteren dilatiert, letztere obliteriert an beiden Seiten
der ausgedehnten Scheide. Entstehung: die Müllerscben Gänge
haben den Sinus urogenitalis nicht erreicht, frühzeitige Flüssigkeits¬
ansammlung in denselben infolge Kompression von Rektum und
Urethra, Hydronephrose, Ascites und Hydramnion.
Hr. Schottländer-Heidelberg: Fall von Uterus bicornis
(subseptus) unicollis mit Vagina subsepta und Cystenbildung, mit
Drüsenwucherung im Gebiet des linken cervikalen und vaginalen
Gartner-Gang-Abschnittes und gleichzeitig vorhandenen doppel¬
seitigen Tuboovarialcysten. Sch. will seinen Fall mit Hilfe der
Fränkischen Erklärung deuten (Klin. Beitr., N. F., Nr. 363),
ebenso kann die Kermaunersche Hypothese (Archiv f. Gynäkol.,
Nr. 78) hier vielleicht Klarheit schaffen. (Wird ausführlich ver¬
öffentlicht.)
Hr. Gauss-Freiburg i. B. demonstriert seinen neuen Becken¬
messer zur direkten Messung der Conjugata obstetrica.
Sektion 16. Ihr innere Medicin, Pharmakologie, Balneologie und
Hydrotherapie.
Sitzung vom 19. September, nachmittags 3 Uhr.
Vorsitzender: Herr Meyer-Wien.
1. Hr. Romberg-Tübingen: Ueber die Diagnose der
beginnenden Schrumpfniere.
Ueber den Beginn der Schrumpfniere kann die anatomische
Untersuchung allein Aufschluss ge^n, es bleibt fraglich, ob der
Untergang der GlomeruU oder die Bindegewebswucherung das
Primäre ist. Die experimentelle Forschung hat bis jetzt keine
wesentlichen Resultate gefördert, experimentell hat bis jetzt
Schrumpfniere nicht erzeugt werden können. Schlayer zeigte,
dass die akute Nephritis bald Gefksse, bald Epithelien zuerat trifft,
später verwischt sich der Unterschied. Glomeruli und intersti¬
tielle Gewebe verhalten sich bei der Schrumpfniere stets in der¬
selben Weise, während das Verhalten der Epithelien verschieden
ist; dieser Umstand weist anf Gefässveränderungen als erste Ur¬
sache der Schrumpfniere hin, welche zuerst die GlomeruK zum
Schwund und später das interstitielle Gewebe zur Wucherung
bringen. Von diesem Standpunkt aus erscheint die Abgrenzung
der arteriosklerotischen Schrumpfniere als besondere Form nicht
gerechtfertigt, auch die tiefere Einziehung der Nierenoberfläche
stellt keinen wesentlichen Unterschied dar. Im Beginn ist die
Trennung der genuinen und arteriosklerotischen Schrumpfoiere
überhaupt schwierig. Die Arteriosklerose bewirkt lediglich eine
starke Disposition zur Schrumpfniere durch ihren ungünstigen Ein¬
fluss auf die Ernährung der Gewebe, sie folgt nicht selten erst
der Scbrumpfhiere. Wichtig ist die Zusammenfassung klinischer
und anatomischer Befunde, wie sie Romberg an 16 Fällen durch-
geführt hat. Eis handelt sich hauptsächlich um Untersuchung
früher Stadien, solche fludet man hauptsächlich bei frühem Tod
an Herzschwäche. Dies tritt häufig ein, weil das Schrumpfnieren¬
herz infolge der Notwendigkeit, grosse Widerstände zu überwinden,
leicht ermüdet. Je früher das Herz versagt, desto mehr wiegen
die kardialen Symptome gegenüber den direkt von der Niere aus¬
gehenden im Krankheitsbilde vor, während in späteren Stadien
die urämischen Erscheinungen in den Vordergrund treten. Bei
frühen Stadien weisen auf die gleichzeitig bestehende Schrumpf¬
niere Drahtpuls, erhöhter Blutdruck und Herzhypertrophie, niederes
spezifisches Gewicht des Urins hin. Der Blutdruck braucht aber
nicht immer erhöht zu sein, er kann sich bei Herzschwäche der
Norm nähern. In noch früheren Stadien ist das Krankheitsbild
ein reich kardiales, nur der Arteriendruck ist abnorm hoch, der
zweite Arterienton akzentuiert, der Ham kann lange eiweiss- und
zylinderfrei sein. Die anatomische Untersuchung solcher Fälle
zeigt makroskopisch normales Verhalten, höchstens Stauung, mi¬
kroskopisch Verödung zahlreicher Glomeruli in ungleicher Ver¬
teilung auf die einzelnen Teile der Niere, das Bindegewebe ist
gewuchert imd kleinzellig infiltriert, es lässt sich also nur durch
die mikroskopische Untersuchung die Diagnose auf Schrumpfniere
stellen. Die Anschauung, dass die Schrumpfniere durch Störungen
des Kreislaufs entsteht, wird durch Untersuchung verschiedener
Stadien bestätigt. In den Fällen von Romberg lagen weder
Splanchnicusreizung, noch zentrale Erhöhung des Blutdrucks, noch
Darmstörungen vor. die Differentialdiagnose war daher gesichert.
Dass es sich bei diesen Fällen nicht um Stauuugserscbeinuugen
handelt, beweisen 6 Fälle, in denen die Patienten nicht an Herz¬
schwäche starben and die gleichen Elrscheinungen aufwlesen. Ein e
weitere Zahl von Fällen an fieberhaften Krankheiten gestorbener
Personen, bei denen eine Erhöhung des Blutdrucks nicht bestand,
ergab bei der Autopsie charakteristische beginnende Sohrumpfhiere.
Die starre Wandbeschaffenheit der Arterien ohne Blntdrucksteige-
rung hatte in diesen Fällen auf die richtige Diagnose geführt.
Dieselbe fand sich auch in einem Fall Addisonscher Krankheit.
Die Blutdrucksteigerung kann auch bei ausgebüdeten Fällen fehlen.
Das wichtigste Prühsymptom ist also der Drahtpuls und Verände¬
rungen am Herzen, der Blutdruck braucht nicht gesteigert zu sein.
Diskus sion.
Hr. Vollhard-Dortmund: Die Ursache des erhöhten Blut¬
drucks ist die Gefässerkrankung, die Schrumpfung ist das Sekun¬
däre, die Erkrankung der Glomeruli ist das Charakteristische.
Man sollte daher von einer chronischen Glomerulonephritis und
nicht von einer Schrumpfniere sprechen; gerade die Schrumpfung
kann man ja nicht nachweisen.
2. Hr. Mankiewicz-Berlin spricht über Borovertin, ein
neues Harnantiseptikum. Es soll das Urotropin und seine Surro¬
gate ersetzen und deren Nebenwirkungen nicht besitzen. Es ist
ein borsaures Hexamethylentetramin, und zwar ein Triborat. Aut
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1906.
MEDIGINISCHS WOGHB.
471
die Anfrage, ob es sich um ein natürliches Salz handelt, antwortet
M. mit ja, da die Borsäorefärbnng der Flamme nicht nachweisbar sei.
3. Hr. Lustig'Meran: Ueber Arteriosklerose und
deren Beziehungen zur Schrumpfniere.
Die Ursache der Arteriosklerose ist üppige Lebensweise, be¬
sonders wenn sie mit Alkohol-, Kaffee-, Tee- und Tabakgenuss ver¬
banden ist. Die Arteriosklerose ergreift besonders diejenigen Or¬
gane, an deren ph 3 rsiologische Leistungen besondere Ansprüche
gemacht werden und darum auch die Nieren. Die Kardinalsymp-
tome sind erhöhter Blutdruck und Hamveränderungen. (Hier wird
der Vortrag wegen abgelaufener Vortragsfrist unterbrochen.)
4. Bb*. Lenhartz-Hamburg: Ueber akute und chro¬
nische Nierenbeckenentzündung.
Die Hamnntersuchung gestattet nicht immer zwischen Pyeletis
und Cystitis zu entscheiden; es ist daher wünschenswert, neben
dem eingreifenden Mittel der Cystoskopie auch klinische Symp¬
tome kennen zu lernen, welche die Diagnose erleichtern. Bei
seinen Untersuchungen an 60 Fällen von Pyelitis hat er sein Augen¬
merk hauptsächlich auf die Temperaturverhältnisse gerichtet. Das
vorwiegende Auftreten der Pyelitis beim Weibe spricht für deren
Entstehung durch Ascension von der Blase her. Von 60 Fällen
wiesen $0 im Urin Reinkulturen von Bacterium coli, 3 Faratyphus,
and 2 MilcbsäurebazUlen auf. Die Ansicht der Lehrbücher, dass
die Temperatur keinen charakteristischen Verlauf habe, konnte L.
nicht bestätigen. Heubner hat auf charakteristische Anfälle bei
Kindern hingewiesen, die sich jahrelang hinziehen können, bei den
Erwachsenen sind sie bis jetzt nicht genügend studiert. Unter
seinen 60 Fällen waren 10 mit geringer Temperatursteigerung,
14 hatten kurze, 4 —14 tägige einmalige FieberanfUlle oder leichte
Remissionen, bei 20 Fällen traten typische Bückfälle mit hohem
Fieber und Kolik auf, ohne dass eine Verlegung des Nierenbeckens
bestand; in einem dieser Fälle waren beide Nieren erkrankt und
die Kolik beiderseitig, was gegen Verlegung spricht, jeder dieser
Anfklle war mit einer Vermehrung der Bakterien und mit Ver¬
mehrung des Harns verbunden. Nach seiner Auffassung handelt
es sich bei diesen Rückfkllen also nicht um einen mechanischen I
Vorgang, sondern um bakterielle Veränderungen des Nierenbeckens.
Namentlich wenn der Druckschmerz nicht deutlich ausgesprochen
ist, können derartige cyklische Anfhlle die Diagnose sichein. Auch
sollte man mehr auf die Trübung des Harns und seinen Bak¬
teriengehalt achten. Die Entstehung der Rückfälle ist ähnlich
wie bei den Gallensteinkoliken, bei denen auch das Bacterium
coli eine grosse Rolle spielt, ohne dass es sich um Verlegung
handeln muss, sondern nur eine gewisse Schwierigkeit der Passage
durch den langen Kanal besteht. Die Art der Bakterien scheint
bei den Anfällen belanglos zu sein. Jeder Pall wurde vor seiner
Entlassung nochmals bakteriologisch untersucht, es ergab sich, dass
meist wenige Fälle nicht ausheilen. Bei zwei Fällen trat Pseudo¬
rheumatismus auf, einmal mit steril serösem Erguss in beide Knie¬
gelenke. Klinisch geheilt wurden 40 Fälle, von denen die grössere
Anzahl bei späterer Kontrolle noch Bakteriurie aufwies. Der me¬
chanischen Behandlung zieht Lenhartz die Ausspülung mit Mine¬
ralwasser oder Lindenblütentee vor.
Disk ussion.
Hr. Müller-München: Verstopfung und Erkältung spielen
eine Hauptrolle bei der Entstehung der Pyelitis, ersteres scheint
gegen die ausschliessliche Entstehung durch Ascension von der
Blase her zu sprechen. Die Therapie muss mit der Hebung der
Verstopfung beginnen. Er fand ebenfalls häufig das Bacterium
coli in verschiedenen Varietäten, die zum Teil meist gegenseitig
agglutinierten. Die Bakteriurie ist eine Ausgangsform der Pye¬
litis, Sie kann zu Blutdrucksteigerung und zu Schrumpfniere
führen. Verwechslung mit Typhus ist nicht selten und durch die
Aehnlichkeit seiner Erreger mit dem Colibazillus begründet.
Hr. Nauny n-Baden-Baden : Die Pyelitis ist auch bei Männern
nicht selten. Die Beziehung zur Nephritis äussert sich in häufiger
starker Albuminurie bei anscheinend reiner Pyelitis, sie deutet auf
starke Schädigung der Niere hin. Die Atrophie der Niere ist nach
Pyelitis und chronischer Cystitis häufig.
Hr. Goldberg-Wildungen: Wenn die Fälle katheterisiert
wurden, so kann es sich um Katheterfieber gehandelt haben, das
ganz ähnliche Fieberanfälle macht. Auch er sah auf Bakteriurie
Schrumpfhiere folgen. Die Schwierigkeit der Diagnose liegt bei
den chrönischen Fällen, wo das Hilfsmittel des Fiebers wegfällt.
Die einmalige Cystoskopie ist nicht ergreifender als zahl^iohe
Katheteranwendungen.
Hr. Mohr-Berlin: Nicht selten liegen Entwicklungsanomalien
in Form von schiefer Insertion des Ureters vor, der sich bei ver¬
schiedenem Gh*ad abknicken kann.
Hr. Lenhartz-Hamburg (Schlusswort): Der Gehalt an Albu¬
min übertraf mehrfach den Gehalt an Eiter, aber auch solche Fälle
zeigten einen Rückgang auf Spuren. Der Fall mit Kniegelenk-
erguss führte zu starker chronischer Veränderung der Niere mit
Andeutnug vou Scbrumpfniere. Wegen der aetiologischen Be¬
deutung der Verstopfung behandelt auch er dieselbe mit salinischen
Mitteln, sieht aber in der Verstopfung keinen Beweis gegen die
Ascension und für die Ueberwandemng vom Darm her. Die Rolle
der Entwicklung und die Bakteriurie als Ausgangsform erkennt
er ebenfalls an. Seine Fälle wurden fast nie katheterisiert. Auch
war Bakteriaemie selten, die bei Katheterfieber die Regel darstellt.
Die Blasenspülung ist meist zwecklos, reichliches Trinken genügt.
Die Rolle der Anomalien der Lage ist ihm bekannt.
5. Hr. Clemm-Darmstadt: Ueber die Behandlung von
Magen- und Darmerkranknngen mittels Kohlensäure-
masaage.
Die in den Darm oder Magen vorgenommene Einblasung von
Kohlensäure vermittelst eines Apparates, der eine bestimmte und
allmählich gesteigerte Dosierung zulässt, wirkt erweiternd auf die
Blutgefässe, anregeud auf die Nervenendigungen und als Mitskel-
reiz. Die Einblasung vemraacht behagliches Wärmegefühl und
hebt den Appetit. Io Verbindung mit Massage ist die Kohlen-
säureeiüblasung bei den verschiedensten Magen- und Darmerkran¬
kungen, selbst bei Appendicitis und Typhus von Nutzen, bei Atonie
hebt sie das Gefühl des Schlottems der Därme auf. In Ver¬
bindung mit dem Heftpfiaatergürtel .Enterophor“ ist sie auch als
Mittel gegen Seekrankheit zu empfehlen.
6. Hr. Sick-Tübingen: Experimentelles zur Prüfung
der Magenfunktionen.
Die Fortbewegung des Speiaebreis konnte beim Tiere experi¬
mentell längst genan studiert werden; die Röntgendurchleuchtung
hat diese Untersuchungen auch beim Menschen gefördert. Grütz-
ner hat weiterhin durch verschiedene Färbung der verschiedenen
Mahlzeiten nachgewiesen, dass sich der Speisebrei der neuen mit
demjenigen der alten Mahlzeiten noch im Magen mischen kann.
Je nach der Lage der Sonde mnss also ein verschiedener Speise¬
brei genommen werden, entsprechend werden die Befunde der
Acidität und fermentativen Kraft verschieden aasfallen. Diese
Fehlerquellen veranlassten Sick zur Untersuchung der sekreto¬
rischen Verhältnisse beim Gesunden und Kranken mit einer Aspi¬
rationsmanometersonde, welche in einer Sitzung den Druck ab¬
zulesen und Darminhalt zu aspirieren gestattet. Im Pylorus und
Fundus waren von vornherein verschiedene Ergebnisse zu erwarten.
Die Sonde gelangt in den Pylorus durch rechte Seitenlage und
Verwendung einer sehr langen weichen Sonde. Kontrolliert wird
die Lage der Sonde ferner durch Messung des Drucks, der im
Pylorus und Fundus verschieden ist.
Bei einfacher Superacidität herrschen ebenfalls Druck-Gegen¬
sätze zwischen Pylorus und Fundus. Bei Atonie des Magens sind
die Druckverhältnisse weniger verschieden. Die fraktionierte Aus¬
hebung des Magensaftes ergab beim Gesunden, selbst bei dick¬
flüssiger Kost, eine auffallende Schichtung und Sedimentierung des
Mageninhaltes. Der Pylorus ist im Anfang völlig frei von Sekret,
später ebenso der Fundus. Die Magensekretion beginnt im Fundus
und hat stets hohe Werte im Pylorus, selbst gegen Ende der Ver¬
dauung ergeben. Bei Superacidität und Supersekretion steigt
die Acidität im Pylorus noch, während sie im Fundus bereits nach¬
gelassen hat. Das pathologische Moment dieser Störungen ist
darin zu suchen, dass der Speisebrei zu sauer in den Pylorus und
in den Darm gelangt. Der Satz, dass die Magendrüsen überall
gleichzeitig stark secemieren, lässt die bisherigen Anschauungen
über Superacidität und Supersekretion hinfllUig erscheinen. Bei
Krebs findet man keinen durchgreifenden Gegensatz zwischen
Pylorus und Fundus, ebenso bei Atonie.
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
7. Hr. Weiss-Karlsbad: Die Arbeit des gesunden und
kranken Dickdarms.
Die Arbeit des Dickdanns geht streckenweise vor sich, die
Grösse der Arbeitsstrecke ist um so geringer, je kräftiger der
Muskel arbeitet und umgekehrt. Die Arbeitsstrecken des Dick¬
darms sind bei denselben Individuen gleich gross, was auf eine
Bestimmung ihrer Grösse durch das Nervensystem hinweist. Die
Innervation ist doppelseitig.
Abteilung f&r CliiniTgie.
3. Sitzung, Donnerstag, 20. September 1906, nachm.
13. Hr. Lorenz-Wien: lieber die Behandlung der
Arthritis deformans cozae.
Das Leiden, im wesentlichen ein Oberflächenprozess, eine
Ausleierung des Gelenks darstellend, ist klinisch gekennzeichnet
durch Adduktionshinken, leichte Beugekontraktur, iliakle Luza-
üonstendenz, d. h. gewissermaßen perpetuiertes Trendelenburg-
sches Phänomen. Ausser Schmerz durch Reibung besteht auch
Zerrungsschmerz, indem das Gelenk den Belastungswiderständen
keine genügende innere Festigkeit entgegensetzt. Anstatt der
schablonenhaften Eztension Supension, welche das Gelenk seiner
Funktion entzieht und zu Knochen- und Muskelatrophie führt, ist
das Gelenk in überstreckter, mechanisch günstigerer Stellung zu
fixieren in einem Gipsverband, der Abduktionsübungen und Gehen
gestattet und nach 4—8 Wochen durch eine Koxitishülse ersetzt
wird, neben Massage und aktiven und passiven Abduktions- und
Hyperextensionsübungen. Nur bei ankylotisch gewordener Ab¬
duktionskontraktur entschliesse man sich zur Operation und zwar
zur subkutanen subtrocbantem Osteotomie.
Diskussion: Herr Bade-Hannover erinnert an seine früher
gegebene p^hologisch-anatomisehe Einteilung der Arthritis defor¬
mans in hypertrophische und atrophische Formen, deren jede
konzentrisch oder exzentrisch sein kann. Hülsenapparate verwendet
B. seit 6 Jahren nicht mehr dafür, sah Gutes von Bewegungsüb¬
ung, z. B. Radfahren. — Herr Tilmann-Köln erzielt mit Heiss¬
luftbehandlung (60—140®), nebenBewegung, Abnahme der Schmerzen
und Zunahme der Beweglichkeit.
14. Hr. V. Aberle-Wien: Ueber das modellierende
Redressement des Klumpfusses Erwachsener.
Vortr. erläutert die Leistungsfähigkeit des Osteoklasten an
erfolgreich korrigierten Füssen. Am vertikal eingespannten Fuss
wird erst die Inflexion beseitigt, dann in horizontaler Lage die
Varusstellung und dann mit dem Schulz eschen Hebeldruckbrett
die Spitzfussstellung; wichtig ist die Nachbehandlung.
Diskussion: Herr E. Müller-Stuttgart bevorzugt die
Keilexzision mit event. offener Tenotomie der Weichteile. Statt
4 bis 6 Monate braucht man nur 6 bis 8 Wochen zur eigent¬
lichen Behandlung. Der Fuss wird, ohne Nachteil, etwas verkürzt,
kann aber vor allem dann gut abgewickelt werden. — Herr
V. Aberle betont, dass seine Patienten während eines grossen Teiles
der unblutigen Behandlung umhergehen können.
15. Hr V. Truhart-Dorpart: Aetiologie und Patho¬
genese der Pankreashämorrhagien.
Vortr. hält die Pankreasblutungen für keineswegs selten und
für sehr bedeutungsvoll. Ein unbedeutendes Trauma könne eine
unbedeutende Hämorrhagie verursachen und das Trypsin greife
dann die geschädigten Blutgefässe an: das führe dann zu Zer¬
störungen und grösseren Hämorrhagien.
16. Hr. Samter-Königsberg: Zur traumatischen Ent¬
stehung und zur operativen Behandlung derSerratus-
lähmung.
Der N. thoracicus longus wird zwischen Proc. coracoideus und
Rippe anscheinend leicht lädiert, d. h. eingeklemmt. Bei einem
Kind mit Serratuslähmung (nur die obersten Zacken reagierten)
verpflanzte S. die abgelöste Sehne der kostosternalen Pektoralis-
portion an den unteren Skapulawinkel (Bohrlöcher); am 12. Tag
war bereits regelrechte Bewegung möglich. Bei der Nachbehand¬
lung nach der Operation muss der Arm eleviert werden zwecks
Entspannung des Nerven und Verhütung von Narbenkontraktion.
Die Operation käme event. auch bei manchen Formen von Schulter¬
blatthochstand in Betracht. S. rät den Neurologen, bei ihren
Serratuslähmungen frühzeitige Elevation des Arms, wenigstens
nachts, anzuordnen.
Sitzung der naturwiMensohaftliohen Hauptgruppen
vom 20. September 1906.
Referent Dr. F. Rosenfe Id-Stuttgart.
Auf Nachmittag 4 Uhr wareine Sitzung der naturwissen¬
schaftlichen Hauptgruppen gelegt worden. Redner waren
Zsigmondy-Jena über Colloidchemie mit besonderer
Rücksicht der organischen Golloide und Wolfgang
Pauly-Wien über Beziehungen der Colloidchemie zur Physio¬
logie.
Hr. Zsigmondy führte aus: Die Grundlagen der Colloid¬
chemie hat Thomas Graham in zwei Arbeiten gegeben, welche
die erste umfassende Charakteristik der colloidalen Stoffe ent¬
halten, und in welchen auf die Unterschiede zwischen Kristall-
oiden und Colloiden, „den zwei verschiedenen Welten der Materie“,
mit Nachdruck hingewiesen wird.
Der Colloidziistand ist aber nicht bloss auf die organische
Materie beschränkt; es existieren auch zahlreiche anorganische
Colloide, die für die Erforschung des Colloidzustandes besondere
Bedeutung gewonnen haben. Fast jedes Colloid existiert iu
zweierlei voneinander verschiedenen Formen : als Hydrosol (colloidale
Lösung) und als Hydrogol, von gallertartiger oder schwammiger
Beschaffenheit, eine Zwischenstufe zwischen festem und flüssigem
Zustand darstellend. Die Bedeutung der Colloidchemie für die
Biologie ergibt sich daraus, dass alles Leben an den CoUoidza-
stand gebunden ist, für ^e Landwirtschaft daraus, dass der
Ackerboden Colloiden die Fähigkeit verdankt, Nährsalze zurückzu¬
halten und der Pflanze zuzuführen.
Redner hebt hervor, dass die Anwendung physikalisch-che¬
mischer, insbesondere physikalischer Methoden, einen tieferen
Einblick in die Natur der CoUoide gewährt habe. So konnte mit
Hilfe der von Siedentopf und Zsigmondy ausgearbeiteten
Methoden der Sichtbarmachung und Grössenbestimmung ultra¬
mikroskopischer Teilchen nicht nur die von vielen Forschem vor¬
ausgesetzte Heterogenität der Hydrosole erwiesen werden, es war
auch mit Hilfe derselben möglich geworden, zahlreiche interessante
Aufschlüsse über die Grösse, die Farbe, das Verhalten dieser
Teilchen zu erhalten. Es konnte aber auch gezeigt werden, dass
die optische Inhomogenität der Materie mit zunehmender Zer¬
teilung immer mehr abnimmt, und dass bei Teilchengrössen, welche
den molekularen gleichkommen, alle Zerteilungen homogen er¬
scheinen müssen. Teilchen, welche im Ultramikroskop noch ein¬
zeln sichtbar gemacht werden können, werden als Submikronen,
andere dagegen, die nicht mehr einzeln zu sehen sind, als
Ämikronen bezeichnet.
Nun bespricht der Verfasser die Publikationen van Bemme-
len’s, der das Gebiet der Absorption erschlossen hat. Von van
Bemmelen und anderen ist dann gezeigt worden, dass viele
Körper, die früher für chemische Verbindungen gehalten waren,
in Wirklichkeit innige Mischungen oder „Absorptionsverbindungen“
sind. Ein typisches Beispiel für eine derartige Absorptionsver¬
bindung bietet der Cassiussche Purpur, der selbst von Ber-
zelius für eine chemische Verbindung gehalten worden war, von
anderen aber für ein Gemenge von Gold mit Zinnsäure, was
Redner bewiesen hat.
Die Colloidteilchen sind meist elektrisch geladen, und ihre
Ladung spielt bei den Reaktionen der Colloide eine hervorragende
Rolle. Entgegengesetzt geladene Teilchen fällen einander aus
unter Bildung von Niederschlägen, und ahmen hierin chemische
Reaktionen oft täuschend nach.
Für die Auffassung der Ferment- und Enzymwirkungen als
heterogene Katalyse sind die Untersuchungen Bredigs wichtig
geworden, der mit seinen Schülern zeigen konnte, dass colloide
Metalle gerade so wie Fermente das Wasserstoffsuperoxyd zu
katalysieren vermögen, Reaktionen, die so weitgehende Analogie
untereinander zeigen, dass starke Blutgifte sich auch als starke
Platingifte erwiesen haben.
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1906.
MEDICn^ISCHB WOCHE.
473
Redner bezeichnet den von der CoUoidforschung erbrachten
Nachweis der Diskontinuität colloidaler Lösungen als einen wesent¬
lichen Fortschritt in der Naturerkenntnis, dessen Wert durch die
Existenz zahlreicher Uebergangsformen zwischen colloidalen und
kristalloiden Lösungen noch erhöht wird.
Bt. Pauly will sich auf die allgemeinen Gesichtspunkte be¬
schränken, möglichst wenig Hypothetisches bringen.
Die lebendige Substanz stellt sich als ein Komplex ver¬
schiedenartiger gelöster oder verquollener Stoffe dar, so der lipoiden
Lecithine und Cholesterine, der colloidalen Proteine, Enzyme und
gewisser Salze, an deren richtiges Verhältnis und Zusammenwirken
die Lebenstätigkeit geknüpft ist. Erst indem sich in diesem
Komplex die Hauptgruppen trotz ihrer innigen Beziehungen zu
einander eine nicht unbeträchtliche physiko-chemische Selbständigkeit
bewahren, ist jener Parallelismus in den Eigenschaften toten und
lebenden colloidalen Materials möglich.
Ausser den Zeilen kommt aber auch der festen oder flüssigen
Zwischensubstanz eine eminente physiologische Bedeutung zu als
Träger von Emähmugsmaterial oder als Vermittler mechanischer
Aufgaben. Zustandsänderungen der colloidalen Stoffe dieser
eztracellularen Bestandteile bewirken auch Zustandsänderungen
der in sie eingebetteten Zellen.
Die Colloide des Organismus sind durch einen verwirrenden
Reichtum vom physikalischen Zustandsänderungen ausgezeichnet.
Zur Gruppe der Colloide gehören z. B. auch die Eiweisskörper.
CoUoidale Zustandsänderungen im Tierkörper gehen mit Hilfe
von Enzymen vonstatten. Entweder werden sie von ihrer Resorption
oder Verteilang in diffusibles Material zerlegt, oder kristalloide
Substanzen im colloidaler Form aus dem Stoffwechsel heraus in den
Zellen deponiert.
P. stellt nun drei Leitsätze auf, die er dann einzeln bespricht.
1. Eiweiss weicht im Verhalten gegen Elektrolyts von den
anorganischem Colloiden ab und zeigt besondere Gesetzmässigkeiten.
2. Gegen anorganische Colloide verhält es sich hingegen
ähnlich wie diese untereinander.
3. Durch verschiedene Einwirkungen können den Eiweisskörpern
bis zu einem gewissen Gh’ade die Eigenschaften anorganischer
Colloide gegen Elektrolyte erteilt werden.
Die Proteinkörper sind gegen Neutralsalze der Alkalimetalle
und alkalischen Erden ziemlich unempfindlich. Vergleicht man die
Fällung des Eliweisses durch Elektrolyte mit der des Calciumchlorids
z. B., so ist das Eiweiss fast 100000 mal weniger empfindlich als
das colloidale Metall. Ferner zeigt gereiuigtes Eiweiss keinerlei
merkliche elektrische Ladung. Man kann ihm aber durch die
positiven H-Ionen verdünnter Säuren eine elektropositive (und
vice versa) Ladung erteilen, ohne dass das Eiweiss ausfällt Erst
bei hohen Konzentrationen von Salzen der Alkalien tritt Eiweiss¬
fällung auf. Bei näherem Studium zeigt es sich nun, dass die
beiden Salz-Ionen antagonistisch wirken, die Metall-Ionen fUUend,
die Säure-Ionen hemmend. So kommt die Reihe zustande Fluorid,
Sulfat, Tartiat, Acetat, Chlorid, Bromid, Jodid, Rhodanid. Die
Fluoride usw. sind starke Eiweissfäller, die Jodide, Rhodanide
etc. hindern diese Fällung. Der Angriffspunkt dieser Fällungen
liegt nach Hofmeister und Spiro in dem Lösungsmittel.
Dieselbe lonenreihe erscheint auch bei den eigenartigen Zu-
standsändemngen von Leim und Agar. Und zwar machen die
Sulfate etc. die Gelatine fester, während die Rhodanide etc. den
Gelatinierpunkt erniedrigen.
Proteinlösungen werden auch durch Schwermetallverbindungen,
Fe-, Ca-, Zn-, Pb-, Hg-Ag-Salzegefällt, und zwar in sehr niederen
Konzentrationen. Parallel mit dieser grossen Empfindlichkeit der
Eiweisskörper geht auch die Empfindlichkeit vieler Pflanzen and
Tierzellen gegen diese Verbindungen, welche als Gifte wirken.
Infolge des colloidalen Charakters der Schwermetallprotein-
verbindnng und ihrer Irreversibilität bei der Verdünnung mit
Wasser wird das Schwermetall auch aus grossen Verdünnungen
allmählich von den Zellen aufgenommen und kann sich, ohne dass
der Zutritt von neuem Schwermetall gehemmt oder das bereits
hn Plasma deponierte wieder in Freiheit gesetzt wird, schliesslich in
den Zellen bis zur schwersten Vergiftung anhäufen. So kommt
es, dass hochgradige Verdünnungen der Ca-, Ag- und Hg-Salze
(1; 1000 Millionen) genügen um Mikroorganismeu zu schädigen
und schliesslich zu töten, während z. B. Strychninnitrat in Ver¬
dünnungen unter 1 : 10000 für Pflanzenzellen harmlos ist.
Dem Charakter einer Colloidreaktion entspricht es auch, dass
ein Ueberschuss von Mikroorganismen (Spirogyren) die übrigen
vor der Einwirkung der verdünnten Schwermetalllösung bewahrt,
und dass der gleiche Schutz von verschiedenen anderen, erfahrungs-
gemäss Colloide leicht aufnehmenden Substanzen aasgeübt wird,
so von Kohle, Schwefel, Torf, Braunstein u. a. m.
Aus dem colloiden Charakter der Immunkörperreaktion lassen
sich auch ihre allgemeinen Gesetzmässigkeiten herleiten. So wird
z. B. die Agglutination dadurch bewirkt, dass die Bakterien, welche
sonst die colloidalen Merkmale ihrer Eiweisskörper besitzen, unter
Aufnahme von Agglutinin, einem spezifischen colloidalen Bestandteil
des Serums der vorbehandelten Tiere, durch geringe Salzzngaben
ausgefällt werden.
Wie colloidales Material von lebenden Zellen aufgenommen
wird, beweisen Versuche von Douwe, der künstliche Zellen mit
festen Eiweisswänden hergestellt hat, in welche Pepsin ans der
Umgebung durch Absorption eindringt.
P. bespricht dann die Einwirkung der Neutralsalze der Al¬
kalien in vitro und im Organismus. Er unterscheidet Ionenpro-
teide und solche, die ihr Analogon besitzen in der reversiblen
Salzeiweissfällung.
Die lonenproteide spielen eine Rolle bei der künstlichen Par¬
thenogenese J. Loeh’s etc. Doch sind sie im allgemeinen noch
wenig erforscht. Jedenfalls lässt alles Vorgetragene erkennen,
dass die Colloidcbemie, wie kaum ein zweites Gebiet, den Forscher
in ständiger Berührung mit den verschiedenartigsten Problemen
der Biologie erhält, offenbar weil sie nahe heranreicht an die
Fundamente der Lebenserscheinnngen.
Oemeinsame Sitzung der Abteilungen fbr innere Medizin, Chi¬
rurgie, Gynäkologie, Henrologie, Ohrenheilkunde nnd Militär-
sanitätswesen.
Dienstag, den 18. September 1906.
Referent: R. Grashey-München.
Ueber den Einfluss der neueren deutschen Unfall¬
gesetzgebung auf Heilbarkeit und Unheilbarkeit der
Krankheiten.
Herr Nonne-Hamburg: ftir posttraumatische Erkrankungen
im Rückenmark.
Herr Ganpp-München: für Psychiatrie.
Herr Baisoh-Tübingen: für Gynäkologie.
Herr Thiem-Cottbus: für Chirurgie.
Herr Nonne hat seit 1903 aus Eppendorf und Privat¬
praxis 667 einschlägige Begutachtungsfälle gesammelt. Bei den
Unfallsneurosen fiel ihm, im Gegensatz zur Mannigfaltigkeit des
Materials, die Monotonie des Symptomenkomplexea auf: Subjektiv
Kopf-, Rüokenschmerz, Schwindel, allgemeine motorische Schwäche,
Schlafstörung, oft Herzbeschwerden; Energie- und Mutlosigkeit,
Streben nach Rente; objektiv sehr wenig, meist lebhafte Sehnen¬
reflexe, mehr weniger Erhöhung der vasomotorischen Erregbarkeit
an Peripherie und Herz, vage Sensibilitätsstörungen, inkonstante
Gesichtsfeldeinschränkung massigen Grads u. a.; es fehlen in der
Regel die sonst bei Neurasthenie zu findenden Zwangsvorstellungen,
Magen-, Darm- und Sexualbeschwerden. Ebenso ist klassische
Hysterie selten Grandlage. Alle diese neurasthenischen
Unfallhypochonder verraten schon in ihrem Gesichtsausdrnck
eine gewisse Familienähnlichkeit, wie Vortr. an Lichtbildern an¬
schaulich macht. Er zeigt ferner eine grosse Anzahl von Hand¬
verstümmelungen und Versteifungen, deren Träger (ohne Renten-
anspnich) volle Arbeit leisten, erwähnt ferner einen Pall von
Kopftranma mit Trepanation und Ausräumung eines extraduralen
Haematoms, der rasch wieder voll arbeitsfähig wurde — im Gegen¬
satz zur subjektiven Arbeitsbeschränkung unbedeutend verletzter
Rentenbewerber. Das Rentensystem wirkt nachteilig insofern,
als die Leute nicht selten Alkoholisten werden. Die Möglichkeit
einer einmaligen Abfindung sollte gesetzlich erweitert werden;
bei Berufungen, die als ungerechtfertigt abgewiesen werden, sollte
der Bewerber einen Teil der Kosten des Appelationsverfahrens
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474
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
trageo. Durch langsame stufenweise Herabsetzung der Heute
kann man oft viel erreichen, durch schroff aberkennende Beurteilung
dagegen sehr schaden. Ein Missstand ist, dass der Kranke eine
Abschrift der Obergutachten eingehändigt bekommt.
Von traumatischen organischen Rilckenmarkskrankheiten beob*
achtete Vortr. vier Fälle sicher luesfreier Tabes; ferner Myelitis
chronica, Poliomyelitis anterior, amyotropbische Lateralsklerose,
ferner zwei eindeutig traumatische Fälle von multipler Sklerose.
Herr Gaupp hebt hervor, dass anerkanntermaßen die trau¬
matischen Neurosen keine Bilder von absoluter klinischer Selbst¬
ständigkeit abgeben, und dass diese Neurosen nach Uni^llen ver¬
schiedenster Art (hinsichtlich Ort und Stärke) auftreten. Es ist
doch merkwürdig, dass man nach Mensuren, nach Kopfverletzungen
mit Bierkrügen etc. diese Neurosen nicht beobachtet. In ihrer
Häufigkeit und Hartnäckigkeit kennt man sie erst seit Inkraft¬
treten der Unfallgesetzgebung. Die geringen objektiven Symptome
kann man bei vielen sonst Gesunden beobachten. Es müssen
seelische Vorgänge dazukommen, um das Bild der ünfallneurose
zu erzeugen. Der Kranke hat die Ueberzeugung, dass er nicht mehr
arbeiten könne. Begünstigend auf Entstehung dieser Vorstellung
wirken chronischer Alkoholismus, Monotonie der Arbeit, gespanntes
Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber. Es liegen durch¬
aus nicht etwa bloss unmoralische Motive, sondern auch falsche
Auffassungen vor, vermeintlicher Anspruch auf eine Rente als
Schmerzensgeld. Sehr \ingünstig wirken auf den Arbeiter der
Einblick in die Uneinigkeit der Aerzte, deren widersprechende Gut¬
achten er zu lesen bekommt, die häufigen Untersuchungen, die
ihn immer in Spannung erhalten. Man setze die Rente nicht zu
hoch an; psychische Beruhigung und Hebung des Selbstbewusstseins
sind Aufgaben des Arztes. Eis ist ein Kunstfehler, dem Kranken
zu sagen, sein Zustand sei aussichtslos. Die Unfallgenossenschaft
sollte das Recht haben, 2—3 Jahre nach dem Unfall, nach An¬
hörung eines Kollegiums von Aerzten, die zum Teil den Fall schon
vorbegutachteten, den Pat. mit einer Summe abzufinden, wenn die
Verletzungen selbst völlig geheilt sind und die übrigen Störungen
objektiv sich nicht verschlimmerten, und (eventuell) wenn nach
Ausspruch der Aerzte die endgültige Erledigung auch im Interesse
des Kranken selbst gelegen ist. — Direkt nach jedem Unfall
sollte eine genaue Feststellung des Befundes ärztlicherseits erhoben
werden.
Herr Baisch stellt fest, dass die früher seltenen Unfall¬
begutachtungen seit Einführung der Unfall- und der Invaliden¬
versicherung auch auf gynaekologischem Gebiet immer häufiger
werden. Obwohl der Zusammenhang von Hysterie und Neurasthenie
mit Genitalerkrankungen zu negieren ist und auch die Verschlim¬
merung eines gynaekologischen Leidens durch Trauma selten Wahr¬
scheinlichkeit hat, gelingt es Kranken, die ihr Ziel beharrlich
verfolgen, nicht selten, hohe Renten herauszuschlagen. Auch
Laparatomieu wurden ausgeführt, um die scheinbaren traumatischen
Veränderungen zu beseitigen; sie wurden nicht gefunden und die
Beschwerden nicht beseitigt. Es. ist eben schwer, bei geringem
Untersuchungsbefund eine anatomische Veränderung sicher aus-
zuschliessen. Man muss zum mindesten versuchen, den Begehrungs¬
vorstellungen der Versicherten durch Gegenvorstellungen entgegen¬
zutreten.
Herr Thiem bedauert, dass die Unfallversicherung sich des
Verletzten erst von der 14. Woche an annehmen muss, dass man
eine primäre und eine Nachbehandlung voneinander trennt. Die
erste chirurgische Behandlung ist entscheidend und
leider oft mangelhaft, sie sollte in Unfallkrankenhäusem oder in
besteingerichteten Kliniken erfolgen; die Karenzzeit sollte beseitigt
werden; namentlich bei Landarbeitern, die sich solange selbst
versorgen müssen, zeigt sich deren schädliche Wirkung. Der
medikomechanischen Behandlung, die nur ein wertvoller Faktor
neben vielen anderen ist, wird vielfach zu grosse Bedeutung bei¬
gemessen. Unsere Kenntnis bezüglich der Unfallverletzuugen ist
durch die geregelte ärztliche Kontrolle der Kranken sehr gefördert
worden, auch die Therapie wesentlich beeinflusst worden (Verzicht
auf allzu konservative Behandlung von Hand Verletzungen, auf
anatomische Heilung der Brüche etc.). Ebenso haben sich unsere
Kenntnisse seit Einführung der Unfällgesetze erweitert hinsichtlich
der Wechselwirkung von Trauma und Krankheit. Wo derZusammen-
hang unklar (z. B. Leukaemie), sollten w'ir unsere Unkenntnis ruhig
eingestehen und lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs
zugeben.
Diskussion: HerrRumpf-Bonn beklagt dieQualitätmancher
Unfallgutachten und betont die Notwendigkeit geeigneten Unter¬
richts. Zu bedauern ist ferner, dass Arbeitswillige so schwer
Arbeitsgelegenheit finden, und dass die Rentenbewerber solang
mit den Entscheiden hingehalten werden. Er beobachtete von
anatomischen Erkrankungen 6 Wirbelbrüche, ferner traumatische
Verschlimmerung von Syringomyelie, Tabes dorsalis, multipler Skle¬
rose, dann verhältnismäßig häufig Schädelbasisfrakturen mit bleiben¬
den Folgen, neben anderen Genesenen. Man solle bei der Renten¬
abmessung nicht rigoros vorgehen, die Rente ganz langsam mindern
und die psychische Behandlung nicht ausser acht lassen. — Herr
Oppenheim-Berlin findet einen Widerspruch darin, dass einer¬
seits unbedeutende Traumen schwere Erscheinungen nach sich
ziehen und andererseits bei Entstehung der traumatischen Neurosen
nicht das physikalische Moment, sondern sekundäre psychische
Faktoren als eigentliche Erzeuger des Leidens betrachtet werden
sollen. Das mechanische Moment des Traumas scheint doch in
allen Fällen wesentlich zu sein, wenngleich psychische Faktoren
hinzutreten. Das ganze Nervensystem bildet anatomisch und funk¬
tionell eine Einheit, und auch ein Trauma, das am Fuss angreift,
kann auf dem Wege der mechanischen Erschütterung das Zentral¬
nervensystem tangieren. — Herr Bruns-Hannover betont, dass
die moralischen Minderwertigkeiten nicht nur bei Arbeitern, sondern
auch bei Privatversicherten zu beobachten sind. Werden die
Hoffnungen der unbegrenzt Begehrenden getäuscht, so sieht man
nicht selten schwere Herzstörungen. Bei der Rentenbemessung
ist B. im Laufe der Zeit strenger geworden. Der Wille macht
ungemein viel aus, das sieht man bei verunglückten Offizieren,
die über die hemmenden Vorstellungen hinwegkommen. Einseitige
mechanische Behandlung ist nicht zu befürworten. Es wäre
anzustreben, dass das Produkt der wieder geleisteten Arbeit für
den Arbeiter direkt Geldeswert bekommt, dadurch würde er ange¬
spornt, seine Arbeitskraft besser zu entwickeln. Es ist schade,
dass man — nach Reichsversicherungsentscheidung — die Rente
nicht lediglich zu dem Zwecke kürzen darf, um manche Patienten
zur Arbeit zu bringen. Andererseits sollte niemals ein Versicherter
ab irato beurteilt werden.
Literarische Monatsschau.
Augenheilkunde.
(Schloss.)
Besser ergeht es offenbar dem neuesten Ersatzpräparat des
Kokains, dem Alypin. Castresana berichtet aus de Madrider Uni¬
versitäts-Augenklinik^*) sehr Günstiges: Operationen an den Lidern,
Staroperationen, Sphinkterektomleen, Enukleationen (ohne Chloro¬
form!), Spaltung des Tränenkanals lassen sich mit 4proz. Alypin-
lösimg absolut schmerzlos ausführen. Auch Castresana rühmt dem
Alypin gegenüber dem Kokain völlige Ungiftigkeit, gute Sterilisier-
barkeit und vorzügliche anaesthesierende Kraft nach; Brennen beim
Einträufeln beobachtete er nicht. Haass^®) sagt dem Alypin die¬
selben Vorzüge nach: völlige Ungiftigkeit und absolute Zuverlässig¬
keit bei allen Operationen am Bulbus und seinen Adnexen, so dass
er Kokain gar nicht mehr benutzt. Ebenso enthusiastisch äussert
sich Zimmermaun der u. a. mit subkonjunktivaler Alypin-Adrenalin-
Einspritzung einen Bulbus schmerzlos enukleieren konnte. Wenn
sich neben diesen lobenden Stimmen auch tadelnde hören lassen,
so kann dies doch wenig ins Gewicht fallen, da sie in der Minder¬
zahl bleiben. Die Gewohnheit an ein altes, bewährtes Präparat wie das
Kokain, eine daraus resultierende, in diesem besonderen Falle freilich
grandiose Skepsis gegen neue Mittel, ein vielleicht nicht ganz ein¬
wandsfreies Präparat, nicht genügendes Vertrautsein mit der Anwen¬
dung des neuen Mittels und seine Dosierung, und schliesslich die nir¬
gends behauptete und auch nicht zu erwartende Tatsache, dass auch
'*) El sig-lo medico, 19. 5. 06; vgl. Wochenschr. für Ther. und Hygiene
des Auges. IX, 49
1^) 'Wochenschr, L Therapie und Hyg. des Auges, IX, 60.
Elin. Uonatsblättcr f. Augenheilkunde, Septbr. 1906.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
475
dem Aljrpin Mängel (aber weniger als dem Kokain nnd allen'seinen Er¬
satzmitteln) anhaften — all das mag der Grund fOr die Tadel sein,
wie sie z. B. Sommer geäussert hat’®). Zu denen, die der Ver¬
wendung des Alypin das Wort reden, gehörtauch Fischer^*): hält
man nach dem Einträufeln die Lider auseinander und sorgt dafür,
dass der Kranke das Mittel durch Kneifen mit den Lidern nicht
herauspressen kann, so genügen 1—3 Tropfen einer 3proz. Lösung,
um Fremd körpereztraktionen aus der Cornea, Inzision von Cha-
lazien etc. und auch Bulbusoperationen schmerzlos ohne die dem
Kokain anhaftenden störenden Nebenwirkungen auszuführen.
So viel erscheint nach den zahlreichen, in den letzten 1^/s Jahren
über Alypin erschienenen Veröffentlichungen sicher, dass wir es
hier mit dem zukunftsreichsten aller Kokain - Ersatzmittel zu tun
haben.
Schliesslich möchte idi noch über eine rein theoretische Arbeit
referieren, die vielleicht berufen ist, unsere Anschauungen über
das Zustandekommen der Farbenemphndungen auf ganz neue Bahnen
überzuleiten, nämlich die geistreiche Abhandlung von Raehlmann
(Weimar): Eine neue Theorie der Farbenempfindung auf anatomisch-
physikalischer-Grundlage (Arch. f. d. ges. Phys., Bd. 112).
Weder die Young-Helmholtzsche noch die Heringsche Farben¬
theorie halten sich an die anatomischen Einrichtungen der Netz¬
haut; diese Theorieen beruhen mehr auf philosophischen Speku¬
lationen und erklären zwar die Abhängigkeit der Gesicbtsempfin-
dung von der Qualität des Reizes, aber nicht das Zustandekommen
der Elmpfindung und die Reizübertragung auf die Nervensubstanz.
Man kann sich nicht vorstellen, dass eine Stelle der Netzhaut, die
kleiner als ein Zapfeuquerscbnitt ist, die qualitativen Differenzen
aller sichtbaren Lichtwellen empfinden kann; diese Vorstellung ist
nur möglich, wenn dieselbe Bewegungsphase der Lichtwelle stets
denselben Zapfenteil erreicht, wenn Maximum und Minininm der
Schwingung für dieselbe Lichtart an der gleichen Stelle des Zapfens
liegen. — Die Lagerung der perzipierenden Schicht des Sinnes-
epithels an der hinteren'Seite der Membran ist unzweckmäßig,
da die Lichtwellen nun entgegengesetzt zur Richtung der Leitung
auftreffen; dieses weitere Missverhältnis zwischen Anatomie der
Netzhaut und physiologischer Funktion wird nur dann verständlich,
wenn an der Aussenschicht der Retina eine Reflexion erfolgte, die
Lichtstrahlen also von rückwärts her in eine entsprechend der Leitungs¬
richtung in die perzipierende Schicht gelangen. Die Erregung der
Endorgane wtmde dann verständlich, wenn die Lichtstrahlen durch
diese Reflexion derart vereinfacht wurden, dass der entstehende
Erregungsvorgang dadurch mehrfach bestimmt wurde. Nun ist aber
dieser hier theoretisch postulierte Reflektor anatomisch in den
Aussengliedem des Stäbchen und Zapfen gegeben. Raehlmann
wendet nun die Lehre von den stehenden Wellen, die bei der
Lippraannschen Photographie in natürlichen Farben zur Anwendung
gelangt, auf die Netzhaut an. Durch teilweise Reflexion an den
Aussengliedem der perzipierenden Netzhautelemente kommt es zur
Bildung stehender Wellen; die Reflexfläche wird durch phototrope
Pigmentwanderung aus dem Pigraentepithel nach den Stäbchen und
Zapfen zu isoliert, so dass seitliches Licht die Funktion benach¬
barter Zapfen nicht stören kann. Die bei Belichtung erfolgende
Wanderung des Pigments nach innen ist bekannt. Der Reflex ist
namentlich bei brünetten Individuen auch ophthalmoskopisch sicht¬
bar, zumal in der Gegend der Netzhautmitte, weniger in der
Peripherie, was an der anatomischen Lagerung der Grenzflächen
zwischen Innen- und Aussengliedem der Stäbchen und Zapfen liegt.
Die, die Aussenglieder zusammensetzenden Plättchen führen durch
die Reflexion an ihren Grenzflächen zu Interferenz der Lichtwellen
und zur Bildung stehender Wellen, und damit zu der phisiologisch
so notwendigen Richtungsänderung des Lichtreizes. Verf. entwirft
nun für die Einwirkung der stehenden Wellen auf die Nerven¬
substanz von Innenglied und Kern des Zapfens folgendes topo¬
graphische Schema: 1. Reizlicht: weisses, gemischtes Licht erzeugt
durch starkes Ansteigen der Wellen aller farbigen Lichter direkt
innen von der Grenzfläche der Äussenglieder, Reizung der Innen¬
glieder nnd damit die Empfindung für Weiss. 2. Einfarbig homo-
genes Licht. Stehende Wellen zerlegen das ganze Innenglied in
gleich grosse Reizungsabschnitte gleich der halben Wellenlänge des
'*) Wochenachr. £. Therapie und Hyg. d. Auges, iX, Nr. 41 und 45.
'*) Qyozyaagat, 1906, Nr. 7; vgl. W. t Therapie etc., IX, 29.
Reizlichtes, so dass an den Knotenpunkten der Wellen die Reizung
fehlt. Analog der Lippmannschen Photographie werden in den
Zapfen-Innengliedem (Re erregten Felder entsprechend der Wellen¬
länge der verwendeten farbigen Lichter verschiedenen Abstand
haben, für dasselbe farbige Reizlicht aber gleichen. 3. Gemischt-
farbiges Reizlicht. Die Reizungsfelder beider Lichter liegen in
relativ typischen, aber ungleichen Abständen, bei denen schwächere
und stärkere Reizstellen wechseln. Die Anzahl der durch die
Schwebungen erzeugten Maxima und ihre räumliche Verteilung auf
die Innengliedfiäche hängt von der WeUendiflerenz der gemischten
Lichter ab. 4. Reizlicht: Mischung komplementärer farbiger Lichter.
Kumulative Wirkung des Ansteigens der Wellen beider Lichter
dicht einwärts vor der Reflexfläche; im übrigen Innenglieder, Reiz¬
felder von bestimmtem Abstande. Empfindung weiss. — Das
Licht bewirkt an den Sehzellen ausser der erwähnten Pigment¬
wanderung eine Verkürzung der Stäbchen und Zapfen, der eine
Wiederausdehnung im Dunkeln entspricht. Das Zustandekommen
der Farbenempfindung ist folgendermaßen zu erklären; Das von
den Reflexflächen der Äussenglieder reflektierte farbige Licht in
stehenden Wellen versetzt das Protoplasma je nach der Lage der
Maxima und Minima der verschiedenen Wellenlängen in verschie¬
dene Erregungsbezirke, denen wieder bestimmte, für jede Erregungs¬
phase konstante Kontraktionsgrade entsprächen. Diese (vielleicht
auch die direkten Schwingungen der Lichtwellen) gehen entweder
durch direkte Uebertragung der Protoplasmabewegung oder der
durch sie erzeugten Druckdifferenzen auf die Kerne über. Diese
Theorie erklärt die Anomalieen des Licht-, nicht des Farbensinns
bei Erkrankungen des retinalen Pigmentepithels, erklärt die Nach¬
bilder durch allmähliche Wiederausdehnung des Zapfeninnen-
gliedes im Dunkeln, bezw. bei Äenderungen der Reizqualität, wo¬
bei auf die Körner wirkende und subjektive Empfindungen auslösende
Spannungsgrade des Protoplasmas durchlaufen werden. Die Theorie
erklärt auch die Anomalieen des Farbensinns und die Farbenblind¬
heit mit der Annahme eines veränderten Dickendurchmessers der
Plättchen der Äussenglieder, wodurcii andere Interferenzphasen der
stehenden Wellen und damit veränderte Farbenempfindungen ent¬
stehen. Kurt Steindorff.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. Nr. 42 . i906.
1. Fischer, Bonn: Die experimentelle Erzeng^nng atypisoher
Epithelwnchenmgen und die Entstehung bösartiger Geschwülste.
Fussend auf der von Ribbert hervorgehobenen Bedeutung
subepithelialer entzündlicher Infiltration des Bindegewebes für die
Krebsgenese, hat F. den Einfluss experimentell erzeugter ent¬
zündlicher Prozesse in der Kutis auf die unverletzte Epidermis
studiert. Durch möglichst subepitheliale Injektion von Olivenöl
mit Scharlach-R. (oder Sudan III) brachte er an Kaninchenohren
Veränderungen des Bindegewebes, bestehend in zelliger Infiltration,
Hyperaemie, Zell Vermehrung, Riesenzellenbildung, zu stände. Im
Anschluss daran stellten sich nun bemerkenswerte Veränderungen
am Epithel ein: Vermehrung der Mitosen der Keimschicht, sowohl
im Deckepithel, wie an Haarbälgen und Talgdrüsen, atypische
Mitosen, gesteigerte Hornbildung, Einwachsen von Epithelzapfen
in die Tiefe, und zwar auf die Oeltropfen zu, die in regelmäßigster
Weise umwachsen werden. Schliesslich ist das Bindegewebe von
Epithelzapfen, -strängen und -nestern, Kankroidperlen, durch¬
wachsen und bietet ein Bild, das sich histologisch vom Platten¬
epithelkrebs des Menschen nicht mit Sicherheit unterscheiden lässt.
Ist das Scharlachöl allmählich verschwunden, so beginnen die
Epithelhaufen stark zu verhornen, und es entstehen zuletzt cho¬
lesteatomähnliche Bildungen, die nach aussen durchbrechen können.
Das angeregte Wachstum ist also kein destruierendes und unbe¬
grenztes. Für diese eigenartige Epithelwucherung kann der ent¬
zündliche Prozess im Bindegewebe allein nicht verantwortlich ge¬
macht werden — Versuche mit anderen Gelen ergeben dieselben
Entzündungserscheinungen, aber keine Epithelveränderung. — F.
nimmt vielmehr an, dass von dem Scharlachöl eine starke chemo¬
taktische Wirkung auf das Epithel ausgeübt wird; dieses folgt
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476
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
dem Zuge und wächst durch das entzündlich gelockerte Binde*
gewebe hindurch zu dem Scharlachöl hin. Und zwar scheint nach
bisherigen Versuchsergebnlssen diese chemotaktische Wirkung des
Scharlachöls eine spezifische für das Plattenepithel der Haut zu
sein.
Nach diesen Versuchen lässt sich der Satz aufstellen, dass es
Stoffe — vielleicht Attraxine zu nennen — gibt, die eine spe¬
zifische starke chemotaktische Wirkung auf fixe, ruhende Zellen
im Gewebe, auf eine bestimmte Epithelart ausUben und dieses
Epithel dadurch zu raschem, atypischem Wachstum veranlassen.
Daraus lassen sich neue Anhaltspunkte für das Verständnis des
Wesens und Wachstums der malignen Geschwülste gewinnen.
Nach der Cohnheim-Ribbertschen Theorie gehen alle Geschwülste
aus Gewebskeimen hervor, die — embryonal oder postembryonal
— aus dem physiologischen Zusammenhang des Organismus heraus¬
gelöst sind. Jetzt findet man die Erklärung für das Wie einer
solchen Gewebsverlagerung oder Keimveraprengung: die Ansamm¬
lung von Attraxinen im Gewebe — embryonal oder postembryonal
— hat die Zellverlagerang, Epithelabschnürung zur Folge. Wenn
man nun annimmt, dass sich im Organismus Substanzen, Attraxine,
anhäuien und dauernd entstehen, welche auf die Zellen eines aus¬
geschalteten oder verlagerten G^ewebsteiles eine hinreichend starke,
spezifische, chemotaktische Wirkung ausüben, so ist die Folge da¬
von notwendigerweise ein dauerndes, schrankenloses Wachstum
dieser Zellen: die maligne Geschwulst. Diese Theorie setzt eine
grosse Vielheit spezifisch chemotaktischer Substanzen voraus, was
aber keine Schwierigkeit macht, seitdem die Serumforschung ge¬
zeigt hat, dass die Zahl spezifischer Substanzen eine geradezu un¬
endlich grosse ist. Die neuen Anschauungen über Geschwulst¬
entstehung und -Wachstum führen eine Reihe von Tatsachen der
Geschwulstlehre dem Verständnis näher, für die bisher eine Er¬
klärung fehlte. Es erscheint danach selbstverständlich, dass eine
Geschwulst im allgemeinen nicht übertragbar ist. Geschwulst-
Übertragungen bei Tieren sind am besten gelungen bei blutsver¬
wandten, derselben Zucht entstammenden. Da gerade Stoffwechsel-
erkraiikungen vorzugsweise erblich sind, so ist wohl zu schllessen
erlaubt, dass die Tiere der gleichen Zucht eine gleiche Alteration
ihres Stoffwechsels, spezifische Attraxine gleicher Art darboten,
daher die Möglichkeit der Geschwulstübertragung. Die erbliche
Disposition zur Geschwulstbildung würde danach in einem neuen
Lichte erscheinen. Es wird verständlich, weshalb nicht aus allen
versprengten Keimen bösartige Geschwülste hervorgehen, warum
nur ein kleiner Teil diesem Schicksal verfällt. Näher gerückt dem
Verständnis wird auch die willkürlich anmutende, wechselvolle Meta¬
stasenbildung durch die Annahme, dass die Attraxine nicht in allen
Organen sich gleichmäßig finden, dass sie vielleicht in einzelnen
produziert, in anderen zerstört werden. Eingehendere Begrün¬
dung der interessanten Hypothesen muss weiterer Forschung Vor¬
behalten bleiben.
2, Wiehern und Loening, Leipzig: Heber Verlagerung
des Kehlkopfs und der Luftröhre bei verschiedenen Erkrankungen
der Brustorgane.
Eine Verlagerung des Kehlkopfs und des Halsteiles der Luft¬
röhre kann sowohl durch Druck als auch durch Zug innerhalb
des Brustkorbes zustande kommen. Beide Möglichkeiten werden
durch Mitteilung von Krankengeschichten von Fällen, Aorten¬
aneurysmen , Mediastinaltumoren, Pleuraexsudate, Pneumothorax,
Cavernen betreffend, belegt. Die Bedeutung des Symptomes liegt
darin, dass schon bei der ersten Betrachtung des Kranken die
Aufmerksamkeit auf einen im Inneren des Thorax vorhandenen
Krankheitsvorgang gerichtet werden kann, der sonst vielleicht
kaum beachtete Erscheinungen macht.
3. Saathoff, Augsburg: Bas Aortenaneurysma auf syphi¬
litischer Grundlage und seine Frühdiagnose.
In Ergänzung der Hellerschen Lehre von der Aortitis
luetica sieht S. die Vasa vasorum als die eigentlichen Träger des
pathologischen Prozesses, das Primäre in einer Lues der Vasa
vasorum. Diese charakterisiert sich als eine Vasculitis proliferans,
die unter Granulationsbildung mit plastischen Vorgängen und
regressiven Veränderungen zu einer Vasculitis obliterans führt.
Diese leitet eine allgemeine regressive Metamorphose ein, die in
erster Linie die elastischen Fasern und Muskelzellen der Media
trifft, durch deren Verlust die Aortenwand der Hauptstütze gegen
die Last des Blutdrucks beraubt und der Aneurysmabildung aus-
gesetzt wird. So charakterisieren sich Mesaortitis luetica und das
Aortenaneurysma als Stadien ein und desselben Prozesses. Was
nun die Diagnose des Aortenaneurysma betrifft, so ist zu fordern,
dass es nicht nur in seinen ersten Anfängen diagnostiziert wird,
sondern dass in geeigneten Fällen die Diagnose sich schon auf das
Vorstadium, auf die Aortitis luetica, richtet. Der Zusammenhang
zwischen Aneurysma und Lues ist stets im Auge zu behalten.
Drückendes Gefühl auf der Brust, das je nach dem Sitz der Eir-
krankung verschieden lokalisiert wird, ausstrahlende Schmerzen in
einem oder beiden Armen, perkutorisch feststellbare Verbreiterung
des Gefässstammes, Ungleichheit der Pulse, seitliche Verschiebung
der Trachea weisen auf die Aortenerkrankung hin. Die Röntgen¬
durchleuchtung kann weitere Sicherheit schaffen. Das wichtigste
S 3 rmptom aber ist eine eventuell nachweisbare Aorteninsuffizienz.
Jede Aorteninsuffizienz, die in verhältnismäßig jungen Jahren —
solange man noch Arteriosclerose mit grosser Wahrscheinlichkeit
ausschliessen kann — ohne vorhergehenden Gelenkrheumatismus
oder Endokarditis aufgetreten ist, muss den Verdacht auf Aortitis
luetica in hohem Grade erwecken. Besonders wertvoll kann dieses
Symptom deshalb werden, weil es die Aortitis luetica anzeigt,
ohne dass schon ein Aneurysma zu bestehen braucht, und dass es
deshalb ein Mahner ist, das Aneurysma zu verhüten oder im
Keime zu unterdrücken. Vier Krankengeschichten werden mit-
geteilt, die zeigen, wie auf diesem Wege das Aneurysma in ver¬
schiedenen Stadien des Beginns festgestellt werden konnte. In
günstigen Fällen ist unter Zuhilfenahme aller Mittel nicht nur das
Aortenaneurysma frühzeitig zu diagnostizieren, sondern auch der
Prozess, auf dessen Grundlage es erwächst, die Aortitis luetica
ist unter Umständen bis zu einer grossen Wahrscheinlichkeit der
Diagnose zugänglich zu machen, und schon hier hat die Therapie
einzusetzea Die Prophylaxe des Aortenaneurysmas muss in der
Behandlung der Aortenlues liegen.
4. Rothfuchs, Hamburg: Heber Gasphlegmone.
Zwei Fälle werden mitgeteilt, die im Anschluss an kompli¬
zierte Frakturen entstanden waren. Als Erreger wurde der
Bacillus phlegmonis emphysematosae Fraenkel nachgewiesen. Der
eine endete trotz Amputation letal. Die Therapie besteht im He-
ginn in Inzisionen, Spülungj, Tamponade mit H^Og, subkutaner
Sauerstoffzufuhr, in vorgeschrittenen Fällen kommt einzig und
allein die Absetzung des betreffenden Gliedes in Frage.
Ö. Waljaschko, Charkow: Zur Teohaik der Hauttrans¬
plantation nach Thiersoh.
Bei der Technik der Hauttransplantation ist die] Anlegung
des Verbandes ein wichtiger und schwerer Moment. W. empfiehlt,
die transplantierten Hautstückchen mit undichtem Tüll, der in
Sodalösung ausgekocht und zwischen sterilen Gazekompressen aus¬
gepresst war, in der Weise zu bedecken, dass die Ränder des
Tifilstücks auf die umgebende gesunde Haut kommen und hier
mit Kollodium angeklebt werden. Darüber kommt ein gewöhn¬
licher Gazeverband, der täglich gewechselt werden kann. Auf
diese Weise wird eine ziemlich vollendete, vom Verbände ganz
unabhängige Immobilisation der übertragenen Hautläppchen erzielt
6. Asbeck, Harburg: Bio Behandlimg frischer Wunden
mit durch Wärme zum Austrooknen gebrachten Verbänden«
Bei mehr als 500 Fällen frischer Verletzungen hat A. folgen¬
des Behandlungsverfahren mit gutem Erfolg ausprobiert. Die
frische Verletzung wird ohne Desinfektion der Umgebung, ohne
Berührung mit den Händen mit Jodoform- oder Xeroformgaze
bedeckt, darüber einige Lagen MuU, dann Watte, Fixation mit
Binde. Bei Brandwunden wurde dieser Verband nach Entfernung
der Blasen, mit Sebeere und Pinoette, angelegt. Die so Verbun¬
denen werden alsdann auf Vj bis Stunden der strahlenden
Glut eines Kesselfeuers, des Herdes, eines Bunsenbrenners aus¬
gesetzt, wodurch eine intensive Austrocknung erreicht wird. Unter
diesem Verband heilten alle Wunden schnell und reaktionslos.
Dieser Verband schliesst die Wunde nach aussen bakteriendicht
ab, ohne die Ausdünstung zu hemmen. Die in der Umgebung
der Wunde befindlichen pathogenen Bakterien werden am Ein-
wandern in den Wundbezirk verhindert. Ein Teil der oberfläch¬
lich gelegenen Bakterien wird durch die intensive Hitze in der
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MEDICINISCHE WOCHE.
477
Lebensfähigkeit gehemmt. Schliesslich wird dprch die erhöhte
Temperatur der, der Hitze ausgesetzten Gewebe die Blutzufuhr
nach diesen Gegenden vermehrt und damit die Heilkraft erhöht.
Der Verband zeichnet sich durch grosse Einfachheit aus, ist spar¬
sam und erfordert in der Nachbehandlung wenig Mühe.
7. Elaussner, München: Znr Kasuistik der angeborenen
Hernien der Linea alba.
Die Hemia epigastria ist nach den Leistenhernien die häufigste
von allen ßrucharten; angeboren kommt sie aber sehr selten vor.
Zwei solcher Fälle werden mitgeteilt. Entgegen den Nabelbrüchen
der Kinder, die oftmals unter Verbänden heilen, zeigt die ange¬
borene Hernie der Linea alba keine derartige Heilungstendenz; es
ist deshalb hier frühzeitige operative Behandlung zu erstreben.
8. Doerfler, Weissenburg. Darmokklusion durch Murphy«
knöpf nach Pylorusresektion.
Nach einer sonst gut verlaufenen Pylorusresektion und Gas¬
troenterostomie mittels Murphyknopf wurde der Abgang des
Knopfes vermisst. Nach 8 Tagen machten sich Stuhlbeschwerden
geltend, die allmählich an Intensität Zunahmen. Die Patientin be-
zeichnete eine Stelle unterhalb des Nabels als Ort des Wider¬
standes; hier war eine, auf Druck empfindliche, von Zeit zu Zeit
sich steifende Darmschlinge zu fühlen. Die Zunahme der Ileus-
erscheinungen machte nach 6 Monaten die Relaparotomie not¬
wendig. Dabei wurde der Murphyknopf in einer frei beweglichen
Dünndarmschlinge unterhalb des Nabels gefunden; er war in der¬
selben oral- und analwärts etwa 5 cm verschiebbar, dann aber
peripher- und zentralwärts durch eine unnachgiebige, für den
Finger nicht fühlbar, aber völlig wirksame Kontraktur der Darm¬
muskulatur am Weiterrutschen verhindert. Die Eutfemung gelang
leicht und brachte prompte Heilung. D. nimmt an, dass der
Knopf einen bestimmten Nervenast des Darmes gereizt hat, dass
darch diese Reizung in der betreffenden Darmpartie ein leichter
Kontraktionszustand der Darmmuskulatur sich einstellte, der durch
deu Lumenunterschied an der Grenze zwischen dem Bezirk des
gereizten Nervenastes und dem Bezirke der beiden benachbarten
oralen nnd analen nicht gereizten Nervengebiete das Weitergleiten
des Knopfes verhinderte. Ausgesprochen psychopathische Be¬
lastung und hochgradige sensitive Reizbarkeit der Patientin unter¬
stützen diese Annahme der Möglichkeit eines Heus infolge eines
nervösen Darmkrampfes durch einen Fremdkörper.
9. Federschmidt, Dinkelsbühl. Ein Fall von Phosphor«
veigiftnng mit tödlichem Ausgang.
Der betreffende Patient nahm die vielfache tödliche Dosis;
erst nach 15 Stunden trat Erbrechen ein; am 2. Tage ging er
wieder seiner Arbeit nach. Erst am 3. Tage stellten sich bei
ausgesprochener Euphorie schwerere Vergiftungserscheinungen ein,
am 11. Tage erfolgte der Exitus. Der Sektionsbefund ergab das
charakteristische Bild der Phosphorvergiftung.
10. Seitz, München. Znr Frage der Hebotomie. (Fort¬
setzung aus Nr. 41.)
Das Material umfasst acht Fälle, die eingehend mitgeteilt
werden; dabei ein Exitus. Die ernsteste Komplikation bei der
Hebotomie ist die Scheidenverletzung, durch die bei infiziertem
Gebnrtskanal eine gefährliche Infektion der Knoohenwunde er¬
folgen kann. Von praktischem Interesse sind weiter die Blasen¬
verletzungen, die Haematombildungen und von Folgeerscheinungen
die Gehstörungen und Lähmung.serscheinungen. Der Grad der
Beckenverengerung, bis zu dem die Hebotomie mit gutem Erfolg
für Mutter und Kind ausgeführt werden kann, ist auf 7 cm C. v.
als untere Grenze zu normieren. Bei infiziertem oder infektions¬
verdächtigem Geburtskanal sollte bei Erstgebärenden mit engen
Weichteilen die Hebotomie nur aus ganz besonderen Gründen
vorgenommen werden, während ihr bei Mehrgebärenden mit weiten
Genitalien auch in diesem Falle nichts im Wege steht. Die Frage,
ob nach Durcbsägung sogleich die Entbindung angescblossen
werden soll, ist nicht generell zu entscheiden. Die Pseudarthrosen-
bildong am durchsägten Schambein ist als harmlos zu betrachten;
meist kommt durch die.selbe eine dauernde Vergrösserung der
Conjugata zustande. S. fasst sein Urteil dahin zusammen, dass
bei richtiger Auswahl der Fälle, aseptischer Geburtskanal, nicht
zü enge Genitalien (Mehrgebärende) und nicht zu starke Becken¬
verengerung (nicht unter 7 cm C. v.) die technisch sehr einfache
Operation vorzügliches leistet und geeignet ist, den Kaiserschnitt
aus relativer Indikation, die künstliche Frühgeburt und die Per¬
foration des lebenden Kindes nicht zu verdrängen, aber erheblich
einzuschränken.
11. Wolfiberg, Breslau. Hermann Cohn. Biographie.
Deutsche med. Wochenchrift. Nr. 42. 1906.
1. Euderlen, Basel. Behandlung desFnrnnkels, Karbunkels
und der Phlegmone.
Für Furunkel und Karbunkel wird im wesentlichen die Saug¬
behandlung, für Phlegmonen die heisse Stauung empfohlen.
2. Ribbert, Bonn. Znr Kenntnis des Carcinoms.
R. hält die Aussichten der Erreichung des Zieles bei experi¬
mentellen Krebsuntersuchungen; die künstliche Erzeugung des
Carcinoms bei Tieren für sehr gering. Die Genese des Krebses
findet ihren Ausdruck nicht darin, dass ein beliebiges Epithel von
sich aus auf unbekannte Veranlassung hin in das genetisch un¬
beteiligte Bindegewebe hineinwüchse; die Entstehung des Tumors
ist der einer Drüse zu vergleichen, dass das Epithel durch primäre
zellige Umwandlung des Bindegewebes dahin gebracht wird, in
die Tiefe, in die vorher veränderte Bindesubstanz einzusprossen,
dass es mehr und mehr selbständig wird, sich schliesslich ganz
ausschaltet und so das fertige Carcinom erzeugt. Der Verlauf
der Ausbreitung des Krebses zeigt, dass das Epithel hei beständig
abnehmender Beteiligung des Bindegewebes immer selbständiger
und rascher sich ausbreitet. Von einer Immunisirung des Organis¬
mus durch den Tumor kann nicht die Rede sein. Der Umstand,
dass die Bindegewebswucherung nur anfangs dem Epithel vor-
ausgeht, später bei zunächst noch vorhandener zelliger Infiltration
nur nachfolgt, um endlich ganz nachzulasseu, zeigt, dass es sich
bei dem geänderten Wachstum um einen mehr und mehr hervor¬
tretenden Nachlass der Reaktion des Körpers, um eine zunehmende
Angewöhnung der Gewebe an das Gift handelt. Danach ist anzu-
nehmen, dass die nach längerem Bestehen eines primären Tumors
eintretende Durchsetzung des Körpers mit metastatiaohen Knoten
nicht darauf beruht, dass die Geschwulattoxine die Widerstands¬
kraft des Organismus unter das normale Niveau herunterdrücken,
sondern dass die Gewebe" sich an^ die^^Gifte gewöhnen und die
Carcinomepithelienruhig wachsen lassen. Die zunehmende Geschwulst¬
proliferation verträgt sich mit der experimentell festgestellten
Möglichkeit der Immunisierung eines bis dahin gesunden Tieres
durch Implantation lebenden Tumorgewebes. Denn es ist etwas
anderes, ob mit einem Male ein Körper unter die Einwirkung von
Geschwulstgewebe und seinen Produkten |gesetzt wird, oder ob
eine Neubildung sich aus kleinsten Anfängen allmählich entwickelt.
Im ersteren Falle wird der Organismus auf den raschen Angriff
mit der Bildung von Gegengiften antworten, im andern sich ohne
diese Reaktion au die sich allmählich vermehrenden Toxine ge¬
wöhnen.
3. Ohm, Berlin. Einiges über die diagnostische Bedentnng
des Blntgehaltes and der Lymphooytose im Liquor cerebrospinalis
(zugleich ein Beitrag znr Kasuistik der basalen Hirnaneuiysmen).
Der Blutgehalt der Cerebrospinalflüssigkeit findet seine häu¬
figste Ursache in einem Durchbruch von Hirnblutungen in die
Ventrikel und an die Oberfläche des Gehirns; bei der Apoplexie
kann er wesentliche Bedeutimg für die anatomische Diagnose und
die Prognose gewinnen. Das Symptom ist aber stets mit Vorsicht
zu beurteilen, und zur Entscheidung, ob ursprüngliche oder durch
den Eingriff verursachte Blutung vorliegt, ist mehrmalige Liimbal-
punktion erforderlich. An der Hand einer Krankengeschichte
wird gezeigt, wie der Blutgehalt der Lumbalflüssigkeit die Diag¬
nose eines intrakraniellen Aneurysmas an der Hirnbasis ermöglichte
und die Bedeutung dieses Symptoms für die Differentialdiagnose
zwischen basalem Hirnaneurysma und Tumor, resp. meningealen
Prozessen ad basin erörtert. Die Lymphocytose des Liquor cere¬
brospinalis lässt auf einen tuberkulösen oder luetischen Prozess
schliessen und kann im letzteren Falle zu einer erfolgreichen spe¬
zifischen Behandlung anregen, wie an einem Beispiel gezeigt wird.
Auch bei der Dlfferentialdiagnoae „vomitua nervoaua“ speziell
„periodisches Erbrechen“ und gastrische Krise“ kann die Lympho-
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
cytose der Lumbalilüssigkeit für letztere entscheidende Bedeutung
haben.
4. Messe, Berlin. Ueher unsere Kenntnisse von den £r-
krankni^en des Blntes.
Bei der Einfachheit und Leichtigkeit der Technik der Blut¬
färbung sollte die Blutuntersuchuug verbreitetere Anwendung
finden; Fixation und Färbung geschieht am besten in einem Akt
mit der Jenner-May-Grründwald’schen Lösung. Bei den Erkrank¬
ungen des Knochenmarks sind die circumscripten — Myelome,
selten — von den diffusen zu unterscheiden. Die diffuse V^ermeh-
rung der Knochenmarkaelemente ist die anatomische Grundlage
des Bildes der Polycythämie mit Cyanose und Milztumor. Wi(di-
tiger sind qualitative und quantitative Veränderungen der einzelnen
Bestandteile des Marks. Was die Veränderung der haemoglobin-
haltigen Anteile betrifft, so ist die wichtigste Erkrankung die
pemieiöse Anaemie, die anatomisch in einer megaloblastischen De¬
generation des Knochenmarks besteht, d. h. darin, dass an Stelle
des normalen Blutbildungstypus, wie bei der posthaemorrhagischen
Anaemie, der embryonale Typus tritt. Gewöhnliche Anaemie und
Chlorose, die im Blutbilde durch Abnahme der Zahl der Erythro-
cyten, resp. des Haemoglobingehaltes charakterisiert sind, bieten
keinen besonderen Knochenmarksbefund. Was die weissen Blut¬
körperchen betrifft, so ist eine Zunahme der neutrophilen multi-
nncleären und ihrer Vorstufen, der Myelocyten das Charakteristikum
der neutrophilen Leucocytose, die wir bei den meisten Infektions¬
krankheiten finden. Eine Vermehrung aller weissen granulierten
Elemente, der neutrophilen Zellen, ihrer Vorstufe, der Myelocyten,
der Vorstufe dieser, der Myeloblasten, der eosinophilen, der Mast-
zellen gibt das Bild der myelogenen Leukaemie, die wahrschein¬
lich dadurch zustande kommt, dass die Myelocyten in die Zirku¬
lation gelangen und in den Organen, Müz, Lymphdrüsen, Leber,
Metastasen erzeugen. Eine Hyperplasie des lymphatischen Anteils
des Knochenmarks führt zur lymphatischen Leukaemie; dabei bleibt
die Hyperplasie nicht aufs Knochenmark beschränkt, sondern er¬
greift alle die Organe, in denen Lymphocyten vorhanden sind,
Müz, Lymphdrüsen, die lymphatischen Apparate des Verdauungs¬
und Bespirationstraktus. Bei den Pseudoleukaemien sind die mye-
loide und lymphatische zu unterscheiden und diese wieder zu
trennen von der Hodgkin’schen Krankheit und dem Lymphosarkom.
Im grossen und ganzen ist das Bild, das die Ehrlich’sche Schule
entwickelt hat, in seinem Grundcharakter bestehen geblieben.
5. Ahlfeld, Marburg. Weitere Beweise ihr die dauernde
Tiefenwirkung der Heisswasser-Alkohol-Händedesinfektion.
Gegenüber den Angriffen von Opitz und Baiscb verteidigt
A. auf Grund seiner Statistik, die gegenüber anderen die Vorzüge
bat, dass sie mit grossen Zahlen rechnet, keine Fälle ausnimmt
und auf exakter Temperaturmessung beruht, die präliminare Scheiden¬
desinfektion vor Operationen, die den Gebärenden nach keiner
Richtung Mn einen Schaden bringt, vielmehr eine Besserung der
Wochenbettsverhältnisse sichert. Weiter berichtet er über neue
Experimente, die eine ausgesprochene Tiefenwirkung des Alkohols
bei der Händedesinfektion erweisen und führt als Beweis für den
Wert der Heisswasaer-Alkohol-Händedesinfektion seine Morbiditäts-
atatisiik an, nach der bei peinlichem Gebrauch dieser Methode die
Zahl der fieberhaften Wochenbetten nach 1—15 Untersuchungen
nahezu gleich geblieben ist. Die Mahnung anderer zur strikten
Abstinenz von geburtshilflicher Tätigkeit nach Berührung infektiösen
Materials und die Behauptung, der Verlass auf seine Desinfektions-
methode bedeute einen „grossen Rückschritt“ weisst A. danach
energisch zurück.
6. Tintemanu, Güttingen. Zui Kasuistik der Blausäore-
vergiftung.
Mitteilung eines Falles von Vergiftung nach kurzem Einatmen
von Blausäuredämpfen. DieErscheinungen entsprachen dem — nach
Husemann — asthmatischen Stadium der Vergiftung, Schwindel,
motorische Unruhe, Kopfschmerz, Atemstörungeu, beschleunigte
Herzaktion, Cyanose; besonders bemerkenswert, weil im klinischen
Symptombild der akuten Blausäurevergiftnng bisher wenig beachtet,
waren Degenerationserscheinungen von Seiten der Nieren, starke
Eiweissausscheidung und hochgradige Cylindrurie, und Temperatur¬
steigerungen.
7. Ehrlicl\, Stettin. Biliöser Typhus.
Zwei Fälle, bei denen sich an eine Gallensteinkolik eine hooh-
fieberhafte Erkrankung mit Bronchitis, Milzschwellong, Meteoris-
mus, Pulsverlangsamung anschloss, und die bei positivem Widal
als eine typhöse gedeutet wurde.
8. Borgnis, Mannheim. Zur Entfernung des im Btems
snrttokgehaltenen Kopfes nach Ahreissen des Rumpfes.
B. empfiehlt, den Kopf mit einer gut fassenden Kngelzange
oder einem ähnlichen Instrument anznhaken, daran eine Schnur zu
befestigen, die über die Fusswand der Bettstelle geleitet und be¬
lastet wird; dadurch wird die Wehentätigkeit angeregt, und durch
leichten Zug an der Zange kann nach einigen Standen der Kopf
entfernt werden. Die Infektionsgefahr hat sich als sehr gering
erwiesen. Der Eingriff empfiehlt sich als höchst einfach und
schonend dem Praktiker für alle Fälle, wo die sonst gebräuch¬
lichen operativen Maßnahmen scheitern, oder deren Anwendung
aus irgeud einem Grunde, wie z. B. Erschöpfung der Kreissenden,
nicht ratsam erscheint.
9. Sternberg, Berlin. Heber Bnloinol*Schokolade.
Als Ersatz der Saccharin- und Laevulose - Schokolade für
Diabetiker, die hauptsächlich wegen ihres schlechten Geschmacks
sich als wenig brauchbar erwiesen haben, bat St. eine Schokolade
mit dem Süssstoff Mannit hersteilen la^en. Diese Dnlcinol-Schoko-
lade gibt eine wohlschmeckende Ess- und Trinkschokolade und
zeichnet sich weiter durch einen sehr geringen Gehalt an Kohle¬
hydraten aus.
10. Rosenhaupt, Frankfurt. Pflegekinderwesen und natftr-
liohe Ernährung.
Es ist zu fordern, dass Säuglinge, die der direkten Kontrolle
der Behörden imterstehen, nur bei stillenden Pflegemüttern iinter-
gebracht werden. Eine Umfrage bei den Verwaltungen der grö¬
sseren Städte hat ergeben, dass in dieser Hinsicht nur ganz ver¬
einzelt Versuche gemacht worden sind. Pflegekinderwesen und
natürliche Ernährung sollten nicht mehr getrennte Begriffe sein.
11. Horstmann, Berlin. Wilhelm Czermak. Nekrolog.
Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 42. 1906.
1. Vulpius, Heidelberg: Hisserfolge der SehnenfLherpflan-
zimg.
Für eine erfolgreiche Sehuentransplantation sind verschiedene
Grundbedingungen erforderlich. Voraussetzung ist zunächst, dass
es sich um eine umschriebene Lähmung handelt. Je enger be¬
grenzt das Lähmungsgebiet, desto besser die Heilungsanssichten.
Des weiteren ist der Zustand der nicht durch die Lähmung ver¬
nichteten Muskeln von grösster Wichtigkeit. Liegen neben den
fettig degenerierten Muskeln oder in einer die Operation nicht
hindernden Distanz intakte Nachbarmuskeln, dann sind günstige
Bedingungen für die Ueberpflanzung gegeben; sind aber nur ein¬
zelne, mehr oder weniger paretische Muskelreste, die einer energi¬
schen Kontraktion nicht mehr fähig sind, übrig, dann können diese
den allgemeinen Funktionsbankrott nicht beseitigen, dann muss
ihre Verwertung zur Transplantation ein zweckloses Bemühen sein.
Raschen Erfolg versprechen Fälle, die durch die Lokalisation des
eng begrenzten Lähmungsbezirks die Ueberpflanzung des gesunden
Nachbarmuskels mit weitgehender Funktionsverwandtschaft ermög¬
lichen; doch können oft auch mit gutem Erfolg Antagonisten der
Transplantation zugänglich gemacht werden. Nach diesen allge¬
meinen Erörterungen gibt V. einen eingehenden üeberblick über
das Indikationsgebiet der Sehuenüberpflanzung, im speziellen bei
den. peripheren Lähmungen, bei den schlaffen und spastischen
Lähmungen infolge von spinalen und zentralen Aflfektionen. Von
wesentlicher Bedeutung für einen guten Erfolg ist die Operations-
technik. Strengste Asepsis, Operation bei Blutleere, ausgiebige
Freilegung der Sehne bis zum Muskelbauch, solide Nahtvereinignng
der Sehnen, am besten mit Seide, Energie der Nachbehandlung
sind wichtige Faktoren.
2. Hudovernig, Budapest: Die Verwendbarkeit des Methyl*
atropinnm bromat. bei Erkrankungen des Nervensystems.
Das Methylatropin, bromat. ist ein neues, von Merck-Darm-
stadt in den Handel gebrachtes Atropinderivat, das sich durch
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MEDICINISCHE WOCHE.
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wesentlich geringere toxische Wirkung vor dem Atropin, snlfur.
aaszeicbuet. E. hat es bei 37 KrankheitsfUUen geprüft. Es hat
sich als schätzenswertes schmerzstillendes Mittel erwiesen, welches
bei lanzinierenden Schmerzen der Tabiker, bei spinalen Wurzel¬
schmerzen , bei Kopfschmerzen verschiedener Natur und bei
schmerzlichen hysterischen Sensationen fast ausnahmslos mit Er¬
folg angewandt werden kann. Oute Dienste leistet es auch bei
nervösen Hypersekretionen. Bei Neuralgieen und neuralgischen
Schmerzen wirkt es nicht bloss schmerzstillend, sondern auch hei¬
lend. Bei Epilepsie ist die Wirkung nur gering, bei motorischen
Beizzuständen, Paralysis agitans, Tic convulsif, fehlt diese gänz¬
lich. Gewöhnung und unangenehme oder toxische Neben- und
Nachwirkungen wurden nicht beobachtet. Als Einzeldosis genügen
1—2 mg, 2—3mal täglich; die zweckmäfiigste Darreichung erfolgt
in Pulvern oder in Lösungen; durch Kombination mit antineural-
gischen oder antirheumatischen Mitteln kann die Wirkung des
Methylatropin, bromat. gesteigert' werden.
3. Danziger, Frankfurt: Zur Frühdiagnose des syphiliti-
lohen Prim&raffekts.
Es werden fünf Fälle mitgeteilt, bei denen es sich um Ulce-
rationsbildungen an den Genitalien, völlig unbestimmten Charak¬
ters, handelte, und bei denen die Diagnose auf Syphilis nur durch
den Nachweis der Spirochaete pallida in den Sekreten möglich
war. Das allmähliche Eintreten der klinischen Charaktere des
syphilitischen Primaraffekts, die prompte Heilung unter Hg-Allge-
meinbehandlung, oder das Auftreten von Allgemeinsymptomen,
sicherte nachträglich diese Diagnose. Diese Erfahrung lässt hoffen,
dass in absehbarer Zeit auch bei banal aussehenden Afifektionen
ein Zweifel an der Diagnose nicht möglich sein wird.
4. Engel, Berlin: Ein Beitrag cnr Semmbehandlnng der
Syphilis.
In der Voraussetzung, dass im Blute von Syphilitischen Stoffe
zirkulieren, die sich im Blute Gesunder nicht finden, hat E. Blut¬
serum von Syphilitikern Kaninchen häufig intraperitoneal einge¬
spritzt nnd nach wochenlanger Behandlung derselben, unter den
geeigneten Kautelen, den Tieren Blut entnommen und das frische
Serum den syphilitischen Blutgebern allein, oder gleichzeitig mit
menschlichen Normalserum wiederholt injiziert. Es traten nach
diesen Injektionen des „Autoimmunserums“ bei den Kranken Ver¬
änderungen auf, die bei Einspritzungen von Normalkaninchenserum
allein weder bei Gesunden noch bei Syphilitikern zu beobachten
sind. An den Stellen, wo schuppige Papeln sich befanden, trat
eine starke Rötung der sonst braunroten Flecke auf; kleinere
solcher roten Flecke wurden an Stellen sichtbar, an denen bis da¬
hin nichts Krankhaftes zu sehen gewesen war; nach wiederholten
Einspritzungen schwanden die Schuppen ganz, unter Hinterlassung
stark roter Stellen. Gelegentlich traten intensivere Reaktionen
mit starker SchweUung der Injektionsstellen auf, in deren Verlauf
sich an erkrankt gewesenen Hautstellen geschwürige Prozesse mit
Elterabsondernng entwickelten, die allmählich unter Hinterlassung
von braunroten Pigmentflecken abheüten. Danach ist die Ver¬
mutung , dass das auf die beschriebene Weise gewonnene Kanin-
chenserum spezifische Eigenschaften besitzt, nicht von der Hand
zu weisen. Die Reaktionen erinnern in gewisser Beziehung an
die Lokalwirkungeu des Tuberkulins und dürften sich erklären
durch einen lokalen Reiz positiv chemotropischer Art, durch welchen
auch die auffallenden Ulcerationen die einfachste Erklärung finden
würden. Mit der Behandlung wurde aufgehört, wenn nach den
Injektionen keine Reaktionen mehr auftraten. Danach sind keine
Recidive aufgetreten, bei dem einen der drei so behandelten Fälle
in einem Zeitraum von drei Jahren. Die Methode ist sehr ein¬
fach und ganz schablonenhaft durchführbar und hat sich als völlig
nnschädlich erwiesen.
5. Leva di ti, Paris: Bemerknngen zu dem Aufsatz „Die
SUberspiroohaete*' , von W. Schulze, in Nr. 37 der Wochen¬
schrift.
Den von Schulze gegenüber den Silberspirocbaeten er¬
hobenen Einwaud, dass diese Gebilde als Nervenfasern oder
elastisches oder Bindegewebe anzusehen seien, macht L. durch
den Hinweis hinfällig, dass die Spirochaete pallida und das ihr
verwandte SpiriUum gallinarum und Spirillum des Tik-Fever in
dem Befand im Ausstrichpräparat adaequaten Mengen im Gewebe
gefunden werden, dass sie dort am dichtesten liegen, wo die
pathologisch anatomische Läsion am stärksten ausgesprochen ist,
und dass sie verschiedentlich in Blutgefässen mitten zwischen
Blutkörperchen imd in der die Lymphräume ausfUUenden Flüssig¬
keit gefunden worden sind.
6. Halle, Berlin: Externe oder interne Operation der
Nebenköhleneitemngen.
Nicht abgeschlossen.
7. Martens, Berlin: Ueber den Bau und die Einrichtung
moderner Operationsränme.
Eingehende Beschreibung der neuen Operationsräume des
Krankenhauses Bethanien-Berlin,
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 4i.
1. Jelliuek, Wien: Zur Hygiene der elektrisohen Hans-
einriohtnngen.
Nach Erörterung der Momente, die die Gefährlichkeit des
Stromes bedingen, \md nach eingehender Besprechung der in
letzter Zeit vorgekommenen Unfälle, werden folgende Forderungen
bezüglich der elektrischen Hauseinrichtungen gestellt: Im Wohn¬
haus muss zwischen „stromsicheren'' und „stromgefährlichen"
Räumen unterschieden werden; zu letzteren gehören diejenigen,
deren Fusaböden gute Ableitung zur Erde, keine Isolation, haben,
z. B. Keller, Waschküchen, Badezimmer. In stromgefäbrlichen
Räumen sind die Elektrizitätsaclagen mit besonderer Vorsicht durch¬
zuführen; Keller, Baderäume sollten am zweckmäßigsten nur
Deckenbeleuchtung erhalten. Für die Leitungskabel im Hause
empfiehlt sich die Montage auf Putz; soll auch das Kabel unter
Putz liegen, so muss der Verlauf an der Wand genau vermerkt
werden. Die Konstruktion der aUgemein in Verwendung stehen¬
den Glühlampen (Gewindefassung) ist zu verbessern. Alle Schalter,
Stechkontakte, Taster sind in solcher Höhe anzubringen, dass sie
nur Erwachsenen erreichbar sind. Um bei besonderen Anlässen
ein Haus rasch stromlos machen zn können, sollte jedes einen
versperrbaren Generalausschalter haben. Der Benutzung von
Wechselstrom vor Gleichstrom ist vom hygienischen Standpunkt
der Vorzug zu geben.
2. Doerr, Wien; Das Dysenterietoxin.
Die Mitteilung betrifft die Erzeugung experimenteller Dysenterie
bei Tieren durch das Toxin der Kruse-Shigaschen Bacillen. Am
empfänglichsten erwiesen sich Kaninchen, in zweiter Linie Affen
und Katzen; widerstandsfähiger waren Hunde, völlig refraktär
Meerschweinchen. Die empfänglichen Tierspezies reagieren am
intensivsten auf intravenöse Injektion; doch wirkt das Gift auch
von der Subkutis, vom Peritoneum und Gehirn; unwirksam ist es
vom Darmlumen aus. Die Krankheitserscheinungen sind teils
nervöser Natur (Lähmungen, Krämpfe), teils intestinaler (blutige
Diarrhoeen). Die Obduktion ergibt bei Affen, Hunden, Katzen
haemorrhagische Entzündung des gesunden Darmes. Ganz anders
liegen die Verhältnisse bei Kaninchen; hier sind die Veränderungen
nicht nur schwerer, sondern auf bestinunte Darmpai’tieen, das
Goecum und Anfangsteil des Colon, beschränkt, während Dünn¬
darm und Appendix stets frei bleiben. Beim Kaninchen ist der
Prozess wohl als reine Intoxikation anzusehen, und es ist anzu-
nehmen, dass die Dünndarmschleimhaut ein toxinzerstörendes Fer¬
ment besitzt.
3. Kren, Wien: Ein Beitrag zur Kenrofibromatosis Beok-
linghansen.
Eingehende Beschreibung der Krankheitserscheinungen bei
einem Fall, bei dem sich finden: Ausgedehnte Pigmentationsano-
malien und Fibrome der Haut, Fehlen des hinteren Teiles des
Alveolarfortsatzes des rechten Oberkiefers, Fehlen des Knorpels
im Tragus und Gehörgang, partieller Defekt des Os sphenoidale,
Haemangiom und dadurch bedingte Usur des Jochbeins und
Atrophie .des Musculus temporalis, Neurofibrom mit Usur des
Unterkiefers, Skeletasjrmmetrie des Schädels. Die Neurofibro-
matosis ist eine hereditäre, oft in mehreren Generationen — und
da bisweilen als forme fruste auftretend — zu verfolgende Krank¬
heit und mit ihren Tumorbildungen am Nervenapparat und den
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480
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 44.
begleitenden nävusartigen Bildungen der Haut, sowie den Hem-
mungs- und Missbildungen an inneren Organen im weiteren Sinne
selbst als Missbildungskrankheit aufzufassen.
4. Felix, Baden: Ueber ein neues Verfahren snr Unter«
suchung des Patellar- und Achillessehnenreflexes.
Bei dem häufigen Versagen des Jendrassikschen Handgriffs
empfiehlt F. die Untersuchung des Patellarreflexes in Seitenlage
mit leichter Beugung im Hüft- und Kniegelenk vorzunehmen (in
sogenannter Schlafstellung). Diese Art der Untersuchung hat den
Vorteil, dass dabei völlige Erschlaffung des Extensor quadriceps
und der Wadenmuskulatur erzielt wird und eine willkürliche
Spannung dieser Muskelgruppen, weil für den Untersuchten un¬
bequem, nicht zu erwarten ist; ferner kann in ein und derselben
Lage der Patellar-, Achillessehnen- imd auch der Glutealreflex
ausgelöst werden; schliesslich kann durch gleichzeitiges Schliessen-
lassen der Augen und durch den Umstand, dass das Untersuch¬
ungsfeld von jeder vorzeitigen Berührung durch den Untersucher
frei bleibt, jeder Einfluss von seiten des Kranken auf den Gang
der ärztlichen Untersuchung ausgeschaltet werden.
5. V. Preuss; Das CoUyrimu adstringeiiB luteum (Aq.Horsti).
Historische Studie.
Allgemeine medicinische Central-Zeltung. 1906. Nr. 40.
Lewin: Ein Fall von ausserordentlich profusem Abgang
von cerebrospinaler Flüssigkeit aus dem äusseren Gehörgang bei
unverletztem Trommelfell.
Der Fall betrifft ein junges Mädchen, das, nach einem Pall
aufs linke Ohr, einige Tage Kopfschmerzen, Stechen im Ohr und
Kopfschwindel verspürte, während das Bewusstsein erhalten blieb
und kein Blut aus dem Ohr entleert wurde. Am dritten Tage
nach der Verletzung stellte sich Flüssigkeitsabgang aus dem Ohr
ein, der anfangs spärlich war, dann aber zeitweilig bis zu 2 1
in 24 Stunden betrug und nach etwa drei Wochen wieder auf¬
hörte. Die Flüssigkeit erwies sich als Cerebrospinalflüssigkeit.
Eline Verletzung des Trommelfells war nicht nachzuweisen, wahr¬
scheinlich sickerte die Flüssigkeit durch eine Stelle ün Gehörgang.
Anzunehmen war eine isolierte Fraktur desjenigen Teils der Schädel¬
basis, der die obere Wand des Gehörgangs bildet und diesen von
der mittleren Schädelgrube trennt. Sehr lehrreich ist das fast
indifferente Verhalten des jugendlichen Organismus einem so ge¬
waltigen Verlust von Cerebrospinalflüssigkeit gegenüber.
Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 40.
Silberstein; Ueber eine neae VerordnangBform des Leci¬
thins.
Das Präparat ist Lecithovanadin (Apoth. Hadra), eine chemische
Verbindung von Ovolecithin mit einem Gehalt von 4% Phosphor
mit Vanadium. Es wird am besten in Pillenform verordnet, als
Ovolpillen, die 0,025 Lecithovanadin pro Pille enthalten. Davon
erhält der Erwachsene dreimal tägl. 2 — 3, am besten nach dem
Essen, Kinder entsprechend weniger, am besten die zerkleinerten
Pillen in Milch oder Suppen. Das Präparat ist den andern Leci¬
thinpräparaten zum mindesten gleichwertig und hat befriedigende
Resultate gegeben bei geistigen Erschöpfungszuständen, bei Neu¬
rasthenie, sowie bei rhachitischen und andern Eutwicklungsstörungen
im Kindesalter.
Bücherbesprechung:.
Dr. Kleintjes. Hygiene in den Bergen. (Verl, der
ärztl. Rundschau, Otto Gmelin, München 1906).
Die grosse Lust unserer Zeit an Bergsport und Hochgebirgs-
reisen macht das Erscheinen der Broschüre zu einem förmlichen
Bedürfnis. Die Erklärungen des Verfassers über die Wirkung des
Gebirgsklimas auf den menschlichen Organismus, die Ratschläge
für gesundheitsgeinässes Verhalten in den Bergen (Kleidung,
Nahrung etc.) und über Massregeln bei eventueller Erki'ankung
(Bergkrankheit, Erfrierung etc.) sind treffend und unterhaltend
geschrieben. Das Heftchen gehört in den Toumister jedes Hoch¬
touristen.
Dr. 0. Burwinkel in Bad Nauheim. Die Herzleiden,
ihre Ursachen und Bekämpfung, Gemeinverständliche
Darstellungen. 7.—9. vermehrte und verbesserte Auflage. (Verl,
der ärztl. Rundschau, Otto Gmelin, München 1906).
Das Erscheinen der Broschüre in 9. Auflage beweist am
besten ihren grossen und anerkannten Wert. Es ist eine be¬
sondere Gabe des Verfassers, die Kenntnisse seiner Wissenschaft
in leicht verständlicher und treffender Form wiederzugeben. Da¬
bei ist das kleine Buch nicht etwa eine blosse Zusammenfassung
landläufiger ärztlicher Anschauungen über Herzleiden und ihre Be¬
handlung, sondern stellt vielmehr ein höchst individuelles Urteil
dar und schlägt zum Teil neue Wege ein, zu denen offenbar grosse
und langjährige Erfahrung geführt hat. Die Broschüre sollte von
jedem Herzkranken gelesen werden.
Runge, Goettingen. Die Krankheiten der ersten
Lebenstage. Ferd. Lutze in Stuttgart 1906. Dritte Auflage.
Das vortreffliche, allen Rungeschen Schülern ganz besonders
wertvolle Buch liegt in dritter Auflage vor. Der Verfasser
hat mit Rücksicht auf die neuesten Forschungen sein bereits in
der zweiten Auflage ganz erheblich erweitertes Werk umgearbeitet,
so dass es heute den modernsten Anforderungen entspricht. Das
Gebiet, welches eigentlich den Paediatern zugehört, ist von R. in
80 klarer und verständlichef Weise abgehandelt, dass jeder Arzt,
der sich mit Geburtshilfe und Wochenpflege zu befassen hat,
grossen Nutzen und reiche Belehrung aus der Lektüre wird ent¬
nehmen können. M.
Vermischtes.
Kissingen. Der „Ständige Ausschuss für die gesundheit¬
lichen Einrichtungen in den deutschen Kur- und Badeorten“ hat
seine dritte Zusammenkunft am 13. Oktober in Kissingen abge¬
halten.
Das K. Gesundheitsamt, das preuss. Kultus- und das Land-
wirtschaftsministorium, die bayerische und die hessische Regierung
hatten Vertreter entsandt. Die erneuten Beratungen über die
Mindestforderungen für Wasserversorgung und Beseitigung der
Abfallstoffe gelangten nach den Ausführungen des Vorsitzenden,
Hofrat Dr. Röchling - Misdroy, zum Abschluss. Eine Reihe von
Vorschlägen für bau- und gesundheitspolizeiliche Verordnungen in
den Kurorten, Referent Dr. Siebelt-Flinaberg, wurde in zweiter
Beratung endgültig angenommen.
Wie 60 vieles Andere, was den Anspruch auf Handlichkeit für den
praktischen Gebrauch machen kann, verdanken wir den praktischen Amerikanern
seit längerer Zeit die Ideen der komprimierten Arzneimittel. Für längere
oder kürzere Reisen, bei denen alle Bedürfnisse für den täglichen Gebrauch
und die Bequemlichkeit mitgefUhrt werden sollen, dabei aber nur den ge¬
ringsten zur Verfügung stehenden Platz einnehmen dürfen, wurde dieser
Gedanke bald auch auf andere Erzeugnisse dos Handels und der Industrie
ausgedehnt. So hat die bekannte Fabrik medic. Verbandstoffe von Max
Arnold in Chemnitz, welche schon lange komprimierte Verbandstoffe unter
der Bezeichnung „Earawanen-Packung“ in den Handel brachte, neuerdings
einen Gebrauchsmuster-Schutz auf eine komprimierte Damenbinde genommen,
welche nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in England berechtigtes
Aufsehen erregt. Die Binde kommt unter dem eingetragenen Namen „Pari-
siana-Damenbinde“ zum Verkauf und erfreut sich grosser Beliebtheit bei
der kaufenden Damenwelt, da das Päckchen in jeder Tasche zu verbergen
ist, es nimmt nicht mehr Raum ein, wie etwa eine Viertel-Tafel Schokolade.
Eine feste Papiervorpackung, gehalten durch einen schmalen Streifen, schützt
die Binde vor jeder Berührung, geöffnet nimmt sie mit einigen helfenden
Griffen sofort die ursprüngliche Form an, da der Inhalt nur aus elastischer,
"ut saugender weissor Watte, der echten von Bruns'sehen Cba^iebaumwolle
besteht. Ein wesentlicher Vorteil der Parisiana-Damenbinde ist ferner der,
das.s der Uoberzug aus einem ganz eigenartigen netzartigen Gewebe besteht,
welches an den Enden in Schlaufen oder Üesen ausgent; auf diese Weise
kommt ein Abreissen der Schlaufe, wie bei den angenähten so häufig zu
beobachten ist, nicht vor. Neben dieser komprimierten Form der einzelnen
Binde wird die Parisianabindo auch dutzend- und halbdutzendweise in den
Apotheken und jedem besseren Sanitäts- und Drogenhause abgegeben.
Veraolwortlichcr R«dakt«ur : Or. P. Meissner, Berlin W. SS, Kurfürsteostr. 81. — Verlag von Carl Marhold, Halle
Druck von der Hegneiunn'schen Bucbdrackerei, Gebr Wolff, Halle a. S.
a. S.
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Medicinische Woche
Deatscbmaoo, A. Dfibrsseo. A. Hofft, E. Jtcobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Prelburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Glessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold ln Halle a* Uhlandstrasse 6.
TeL-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosln, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerricht, A. Vossloi.
Magdeburg. Glessen.
Redaktion;
Berlin W« 62, Karfflratenstranse 81*
Dr. P. Meißner.
Vn. Jahrgang.
5. November 1906.
Nr. 45.
Die »Med Icinische Woche* erscheint jeden Montag mit der IdtSgigen Beilage BaltlCOlogiSChC CctltralzeitUtlgy Organ des SchwsrzwaldbSdertages,
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet JBhrlicb 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen Jede
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fflr die 4gespalteae Petitzeile oder deren Raum
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bel gröberen Aufträgen wird Rabatt gewSbrt.
Nachdruck der Original-AufsStze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Aus dem neuen Städtischen Krankenhause zu Odessa.
Heber die Methylen-Blau-Reaktion,
Von Dr. L. P, Dmitrenko *).
Im vorigen Jahre hat Russe (Riforma med. 1905, Nr. 19)
die Methylen-Blau-Reaktion als Ersatz der Diazoreaktion bei
der Diagnose des Abdominaltyphns vorgeschlagen. Um diese
Reaktion auszuführen, setzt man vier Tropfen einer einprozentigen
Methylen-Blau-Lösung (Methylen-Blau Merck) zu 4— 5 ccm Harn,
wobei der Ham typhöser Kranken sich CTün bis smaragden
färbt. Eine ebensolche Reaktion erhielt Verfasser bei Masern,
Pocken, bei fortgeschrittenen Formen von Lungentuberkulose,
bei tuberkulöser Pleuritis, bei Empyen und Peritonitis. Die
Vorzüge dieser Reaktion vor der Diazoreaktion erblickt Russe
in ihrer einfacheren Technik, zweitens darin, dass ihr An¬
wendungskreis enger ist, als derjenige der Diazoreaktion.
Ich habe die Beobachtungen von Russo innerhalb der Zeit¬
periode vom 9. Oktober 1905 bis 19. Januar 1906 dadurch ge¬
prüft, dass ich den Harn sämtlicher Kranken, die in meine Ab¬
teilung aufgenommen wurden, auf die Methylen-Blau-Reaktion
hin untersuchte; ausserdem verfolgte ich bei 14 typhösen Kranken
systematisch Tag für Tag die Entwicklung und den Gang dieser
I^aktion im Harn.
Die 400 Kranken, deren Harn auf mit Methylen-Blau-
Reaktion hin untersucht wurde, umfassen folgende Erkrankungen:
Typhus abdominalis.23 Fälle
Typhus recurrens. ^ n
Variola. 2 „
Influenza.22 „
Pneumonia crouposa.n
Tuberculosis pulmonum.44 „
Andere tuberkulöse Erkrankungen. 7 „
Polyarthritis rhenm. acuta.12 „
Gonorrhoea acuta und ihre Komplikationen . , 5 „
Malaria. 9 „
Andere Infektionskrankheiten. 6 „
Karzinom verachiedener Organe. 9 „
L^phosarcomatosis. 1 „
Würmer. 3 „
Bronchitis.10 „
Kmphysema pulmon.39 „
Bronchopneumonia ehr. 4 „
Pleuritis rheumat. w
Andere Erkrankung der Atmungswege. 4 „
M^enerkrankungen. 6 „
*) Aus dem RoBaischen voo M. Lubowski, BerliD-Wilmeradorf.
Darmerkrankungen. 6 Fälle
Icterus catarrhalis. ^ n
Cirrhosis hepatis atroph. 1 „
Peritonitis acuta. 1 „
Nephritis acuta. 4 „
Nephritis parech. chron. 3 „
Nephritis mterstitilalis. 4 „
Amyloides rennm.. . 1 „
Herzerkrankungen.13 „
Gefässerkrankungen.26 ^
Erkrankung des zentralen Nervensystems ... 7 „
Erkrankungen des peripherischen Nervensystems 8 „
Funktionelle Nervenkrankheiten.• . 10 „
Kontusionen, Frakturen und Hernien.22 „
Vergiftung mit Ammoniak. ^ n
Diabetes mellitus. 1 „
Chronische Gelenkrheumatismen.14 „
Myositis rheumatica.13 „
Phlegmone. 2 „
Hautkrankheiten. 7 ,,
Marasmus senilis.16 „
Es wurde gewöhnlich die morgendliche Hamportion bei
Kranken, die mindestens zwei Tage lang keine Medikamente
erhielten, untersucht.
Vor allem musste man sich überzeugen, dass die Aus¬
führung der Reaktion, die in ihrem Prinzip so einfach ist, doch
einer gewissen Sorgfältigkeit benötigt ist, weil die geringste
Vergrösserung oder Verringerung der Menge des zugesetzten
Reagens den Farbenton des Harns in hohem Maße beeinflusst
Um möglichst präzise vorzugehen und gleichartige Resnltate
zu erzielen, graduierte ich sowohl das Reagensgläschen, in
welches ich den Ham goss, wie auch das schmme Röhrchen
mit lang gezogenem Ende, mit dem ich das Reagens hinzusetzte.
Eine weitere Schwierigkeit, die ich noch zu überwinden
hatte, war die Bestimmung der Farbe des Harns nach Schluss
der Reaktion. Eine absolut genaue Skala für die Farbennuancen
festzustellen, ist nicht möglich. Ich begnügte mich infolge¬
dessen mit folgender Einteilung der sich darbietenden Farben
des Harns: grüne Reaktion, blaugrüne Reaktion, unbestimmte,
smaragdene und olivenblaue ins gelbliche schimmernde Reaktion.
Als unbestimmte Reaktion bezeichnete ich diejenige, wo man
bei sichtbarer smaragdener Farbe des Harns einen etwaigen
Stich ins Bläuliche nicht mit absoluter Sicherheit ansschliessen
konnte.
Auf 400 Proben erhielt ich:
olivenfarbene Reaktion 34 mal
smaragdene „ 137 „
unbestimmte „ 13 »
blaugrüne „ 138 „
blaue „ 73 „
Die smaragdenfarbene Reaktion wurde in folgenden 137 Fällen
beobachtet:
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MJjiDlCCnSiJiiJfi WOC^K«
Nr. 45.
48ä
Typhüs abdominalis (15), Typhus recurrens (3), Variola (1),
Influenza (7), Pneumonia crouposa (10), Tuberculosis pulmo¬
num (13), Tuberculosis milliaris (1), Pleuritis tbc. (l), Perito¬
nitis tbc. (1), Polyarthritis rh. acuta (4), Dysenteria (1), Gonor-
rhoea acuta (2), rolyarthr. gonorrh. ehr. (1), Malaria (3), Erysi-
pelas (1), Carcinoma ventriculi (2), Bronchitis acuta (3), Emphy-
sema pulmonum (15), Pleuritis rheum. (4), Gastritis acuta (2),
Atonia intestinorum (1), Perityphlitis ehr. (1), Enteritis acuta (1),
Angina follicularis (1), Icterus catarrhalis (1), Cirrhosis hepatis
atrophica (1), Amyloides renum (1), Vitium cordis (4), Myocar-
ditis (1), Arteriosklerosis (7), Alcoholismus ehr. (1), Paralysis
progressiva (1), Paralysis agitans (1), Myelitis ehr. (1), Ischias (3),
rolyarthr. rh. ehr. (7), Osteomyelitis ehr. (1), Fractura costa-
rum (l), Haemothorax träum. ^1), Phlegmone (1), Carbunculus (1),
Psoriasis vulgaris (1), Tintoxicatio liq. ammon. caust. (1). .
Die olivenfarbene Reaktion wurde an folgenden 34 Fällen
beobachtet:
Tuberculosis pulmonum (4), Tj^phus abdomin. (6), Pneu¬
monia crouposa (2), Pleuritis tbc. (1), Peritonitis tbc. (1),
Polyarthr. rh. acuta (1), Carcinoma oesophagi (1), Carcinoma
hepatis (2), Emphysema pulmonum (5), Gangraena pulmonum (1).
Gastritis acuta (1), Icterus catarrhalis (3), Nephritis parench,
ehr. (1), Myocarditis ehr. (1), Arteriosclerosis (1), Varices ani (1),
Myositis rh. (1), Marasmus senilis (1).
Zugleich beobachtete ich die blaue Reaktion in folgenden
73 Fällen;
Influenza (7), Pneumonia crouposa (1), Tuberculosis pulmon.
(6), Polyarthr. rh. acuta (1), Dysenteria 1), Carcinoma ventri¬
culi (2), Lymphosarcomatosis (1), Parasiten (2), Bronchitis (2),
Emphysema pulm. (9 , Pleuritis rh. (3), Angina catarrhal. (1),
Ulcus rotundum ventriculi (1), Colitis ehr. (l), Nephritis inter-
stitialis (4), Herzerkrankungen (5), Gefässerkrankungen (6),
Tabes dorsalis (1), Neurasmenia (3), Diabetes mellitus (1),
Arthritis deform. (1), Polyarthr. rh. ehr. (1), Moysitis rh. (2),
Contusiones (2), Haemothorax träum. (1), Psoriasis (1), Maras¬
mus senilis (7).
Als positives Resultat betrachtete ich den positiven Aus¬
fall der smaragdfarbenen oder olivenfarbenen Reaktion.
Meine Beobachtungen haben mich überzeugt, dass die Farbe
des Harns an der Entstehung der smaragdenfarbenen Reaktion
überhaupt und der olivenfarbenen insbesondere eine grosse
Rolle spielt. Ich habe die erzielten Resultate je nach der
Farbe des Harns in vier Abteilungen eingeteilt, die ungefähr
vier Grundfarbennuancen des Harns dokumentierten: dunkel¬
orange, orange, zitronenfarben und hell - zitronenfarben. Ich
habe dabei fmgende Zahlen erhalten:
Feuilleton.
Empfehlung der Schutzpockenimpfung
durch einen Arzt im Jahre 1762.
Von Dr. Gätjen.
Wir können wohl mit Recht behaupten, dass es infolge
des Impfzwanges, wie er seit dem Inkrafttreten des Impfge¬
setzes vom Jahre 1874 besteht, im deutschen Reiche keine
Pocken mehr gibt, abgesehen von einer verschwindenden Zahl
meistens aus dem Auslande eingeschleppter Fälle. Trotzdem
gibt es auch jetzt noch in allen Schichten der Bevölkerung,
auch unter den Aerzten, heftige Gegner der Schatzpocken¬
impfung. Umsomehr müssen wir uns wundern, wenn wir von
einem Manne, einem zu seiner Zeit berühmten Arzte, hören,
der schon im Jahre 1762 mit der ganzen Kraft seiner Autorität
und Ueberzeugung für die Schutzpockenimpfung, oder wie er
sie nennt, die „Einpfropfung der Pocken“ eingetreten ist. Die
Art und Weise, wie er diese Einpfropfung vornimmt, kommt
einem jetzt im Zeitalter der Asepsis und speziell der animalen
Lymphe allerdings bedenklich genug vor. Aber es ist von
grossem Interesse, zu sehen, wie dieser Arzt schon damals
Auf 400 Hamportionen entfielen solche mit
dunkel orangefarbener Nuance 42 Portionen,
orangefarbener Nuance 196 „
zitronenfarbener „ 135 „
hell-zitronenfarbener Nuance 27 „
Wenn wir nun jetzt genau nachzählen, wie oft die eine
oder die andere Farbe der Methylen-Blau-Reaktion bei der
einen oder der anderen Farbe des Harns beobachtet wurde, so
erhalten wir folgende Verhältnisse:
Harntarbe Farbe der
oHren-
smaragfden-
unbe¬
grün¬
blaue
Reaktion.
farbonc
farbone
stimmte
blaue
dunkel-orangefarben
15
21
1
5
0
orangefarben
17
97
17
63
2
zitronenfarben
2
19
0
66
48
hell-zitronenfarben
0
0
0
4
23
Aus dieser Tabelle ersehen wir beispielsweise, dass die
olivenfarbene Reaktion bei zitronen- und hell-zitronenfarbenen
Nuancen des Harns fast nicht vorkommt (auf 162 Harnportionen
nur zweimal, und zwar beide Male bei Abdominaltyphus). Im
Gegenteil die Harnportionen haben dunkel-orangefarbene und
orangefarbene Nuance, was die Zahlen von olivenfarbenen und
smaragdenfarbenen Reaktionen ergeben. Die blaue Reaktion
wird D^ei dunkel-orangefarbenen und orangefarbenen Nuancen
des Harns fast nicht beobachtet (zweimal auf 238 Fälle), wohl
aber sehr häufig bei zitronenfarbenen und hell-zitronenfarbenen
Nuancen. Letztere Farbentöne des Harns geben fast stets blaue
Reaktion (23 mal auf 27 Fälle). Die blaugrüne Reaktion als
Uebergangsreaktion nimmt die mittleren Teile der Tabelle ein:
kommt selten bei dunkel-orangefarbenen und hell-zitronen¬
farbenen Nuancen des Harns und sehr häufig bei orangefarbenen
und zitronenfarbenen vor (9 bezw. 129 auf die Gesamtzahl von
138 Fällen).
Man kann also als feststehend betrachten, dass die Methylen-
Blau-Reaktion zwar nicht die direkte Folge des Farbentons
des Harns ist, nichtsdestoweniger von diesem Farbenton in
hohem Grade abhängt
Nun möchte ich die Frage erörtern, bei welchen Krank¬
heiten die Methylen-Blau-Reaktion beobachtet wird, und zu
diesem Zwecke einige der in Vorstehendem angegebenen ziffer-
mäßigen Resultate näher ins Auge fassen, wobei ich die Er¬
hebungen, welche sich auf Abdominaltyphus beziehen, an letzter
Stelle betrachten werde.
Die erste Stelle nimmt natürlich die Lungentuberkulose
ein. In 44 Fällen von dieser letzteren wurde die Methylen-
Blau-Reaktion 17 mal beobachtet (4 olivenfarbene und 13
mit weit vorausschauendem Blicke die Impfung als die ein¬
zigste Möglichkeit der Bekämpfung der früher so überaus stark
grassierenden Pocken erklärt. Dieser Mann war der Doctor
der Medicin und Professor S. A. D. Tissot in Lausanne, ein
Franzose von Geburt.
In dem vom Züricher Stadtarzt Hirzel 1762 übersetzten
Buche von Tissot: „Anleitung für das Landvolk in Absicht
auf seine Gesundheit“, also einem populär geschriebenen Werke,
äussert sich der Verfasser folgendermaßen über die Pocken:
„Es ist unter allen Krankheiten keine so allgemein als die
Pocken, da von hundert Personen nur vier oder fünf davon
befreyt bleiben. Indessen ist es wahr, dass dieselbige, obgleich
sie alle Menschen angreift, doch nur einmahl angreife, und
wenn man sie einmahl gehabt, man derentwegen für immer
gesichert seye. Die zum zweytenmale kommenden Pocken,
von welchen man zwar einige erwiesene Fälle’ anführt, sind so
selten, dass sie kaum eine Ausnahme dieser Regul machen.
Die Krankheit ist zugleich unter denjenigen zu zehlen, welche die
grösste Anzahl Menschen tödten; und wenn sie oft sehr ge¬
linde ist, so ist sie anderemahl beynahe so verheerend als die
Pest. Es ist erwiesen, dass wenn man die Verheerungen der
schlimmen und guten Epidemien zusammennimmt, diese Krank¬
heit den siebenten von denen, die davon ergriffen werden,
tödte.“ Er gibt dann allgemeine Verhaltungsmaßregeln bei
Pocken, vor allem der Kinder, und apostrophiert dann am
Schlüsse des Kapitels die Bauern in folgender drastischen aber
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
488
smaragdenfarbene). Die 44 Fälle von Lungentuberknlose lassen
sich nach dem Krankheitastadium in drei Groppen einteilen;
I. Stadium 18 Fälle; davon Methylen-Blau-Reaktion 5 Fälle,
n. „ 19 „ „ „ „ „ 10 „
n
Die Methylen-BlaU’Reaktion wurde also im II. Stadium der
Lungentuberkulose häufiger beobachtet als im L Stadium; aber
wider Erwarten seltener als im III. Stadium.
Es ist somit klar, dass ein Zusammenhang zwischen dem
Auftreten der Methylen-Blau-Reaktion und der Schwere der
Erkrankung nicht vorhanden ist.
Bei krupöser Pneumonie wurde die Methylen-Blau-Reaktion
12 mal in 18 Fällen beobachtet, wobei ein Zusammenhang
zwischen der Schwere der Erkrankung, bezw. dem Ausgang
derselben einerseits, und dem Auftreten der Methylen-Blau-
Reaktion andererseits, auch hier nicht festgestellt werden konnte.
Von 22 Fällen von Influenza zeigte die Methylen-Blau-
Reaktion sieben Fälle.
Febrile, so wie afebrile Myositiden gingen gleichfalls häufig
mit positivem Ausfall der Methylen-Blau-Reaktion des Harns
einher (8 von 13); desgleichen chronische Gelenkrheumatismen
(7 von 14). Akute rheumatische Polyarthritiden unterscheiden
sich in dieser Beziehung von chronischen nur wenig (5 von 12).
Von den senilen Erkrankungen geht das Emphysem am häufig¬
sten (20 von 39), seltener die Arteriosklerose (8 von 21) mit
positivem Ausfall der Methylen-Blau-Reaktion im Harn einher.
Das Vorhandensein von Gallenpigment erzeugt, indem es
den Farbenton des Harns beeinflusst, die Methylen-Blau-Reaktion,
sämtliche vier Fälle von katarrhalischer Gelbsucht gaben diese
Reaktion, und zwar drei olivenfarbene und eine smaragden¬
farbene. Dasselbe wurde in zwei Fällen von Leberkrebs beob¬
achtet, die mit Gelbsucht einhergingen, und in denen der Harn
die olivenfarbene Reaktion gab.
Der Einfluss der Farbe des Harns machte sich auch bei
interstitieller Nephritis geltend: nämlich vier Fälle gaben die
blaue Reaktion.
Aus dieser kurzen Uebersicht geht klar hervor, dass die
Methylen-Blau-Reaktion nicht nur keine vomehmliche Reaktion
auf Abdominaltypbus ist, sondern überhaupt bei der Diagnose
der verschiedenen Kranl^eiten jeglicher Bedeutung entbehrt.
Wenn wir die 23 Fälle von Typhus aus der Gesamtzahl
der Fälle ausschliessen, erhalten wir folgendes Resultat: die
Methylen-Blau-Reaktion wurde bei 377 verschiedenen Er¬
krankungen 150 mal, d. h. fast in der Hälfte der Fälle beob¬
achtet.
Ich möchte nun die Bedeutung der Methylen-Blau-Reaktion
bei Abdominaltyphus erörtern.
Von 23 Fällen von Abdominaltyphus habe ich nur in 14
Fällen den Ham systematisch untersucht. In diesen Fällen
machte ich im ganzen 130 Analysen, die folgendes Resultat
ergaben:
olivenfarbene Reaktion kam
19 mal
vor,
smaragdenfarbene Reaktion kam
70 „
B
nnbestimmte „ „
7 „
71
blaugrüne , „
21 „
M
blaue „ „
13 B
»
Ein regelmäßiges Nachlassen der Methylen-Blau-Reaktion
je nach dem Fortschreiten oder dem Erlöschen des typhösen
Prozesses konnte nicht nachgewiesen werden. Die blaue Reak¬
tion wurde, wenn auch selten, in der Mitte des Typhusverlaufes
bei sehr blassem Harn beobachtet; die olivenfarbene wurde
hauptsächlich bei dunkler Harnfarbe angetroffen. Der Farben-
toD des Harns hat auch hier auf die Nuance der Methylen-
Blau-Reaktion einen starken Einfluss.
Hier die Tabelle der Wechselbeziehungen der Farben-
nuancen:
Harnfarbe. Farbe der
oliv«'n-
smaragden-
unbe¬
blaa-
blau
Methylon-Blau-Heaktion
farbon
farten
stimmt
grün
dunkel orangefarben
1
1
0
0
0
oraogefarben
13
50
4
6
0
zitronenfarben
5
19
3
14
3
hell-zitronenfarben
0
0
0
1
10
Der Abdominaltyphus spielt bei dem Auftreten der Methylen-
Blau-Reaktion zweifellos eine Rolle, indem diese Reaktion hier
fast stets beobachtet wird und dabei so intensiv ausgesprochen
ist, dass man sie bemerken kann, und zwar beispielsweise nach
der Häufigkeit des Auftretens der olivenfarbenen Reaktion:
während ich die olivenfarbene Reaktion bei zitronenfarbenem
Ham bei nicht typhösen Kranken niemals beobachtet habe,
fand ich diese Reaktion ceteris paribus bei typhösen Kranken
fünfmal auf 44 Hamportionen; während die olivenfarbene Reak¬
tion bei orangefarbenem Harn bei nicht typhösen Patienten
elfmal auf 196 Fälle (d. h. in 5,6 ®/o) beobachtet wurde, wurde
sie bei typhösen Kranken in 13 Fällen von 73 (d. h. in 17,8 ®/o
der Fälle) angetroffen.
Um den Wert der Methylen-Blau-Reaktion und der Diazo-
reaktion zu vergleichen, braucht man nur einige der vorange-
gangenen Zahlen der ersteren mit denjenigen der letzteren zn
vergleichen.
auch manchmal noch heute wahren Weise: „Wenn der Bauer
allemahl, so oft die Pocken herrschen, diesen Anleitungen,
welche sehr leicht und seinen Umständen angemessen sind,
folgen wollte, ich bin versichert, die Verheerungen derselbigen
würden sich ungemein verringern. Es werden sich viele der¬
selbigen zu nutz machen; es giebt unter ihnen solche, die sehr
venraüftig und mit einer wahren väterlichen Zärtlichkeit er¬
füllet sind; es giebt aber auch andere, welche zu dumm sind,
den Nutzen zu begreifen, und allzu viehisch (!), dass sie auf
ihre Kinder einige Sorgfalt verwenden sollten.“
Das wirksamste Vorbeugungsmittel aber nennt er die
„Einpfropfung der Pocken“. In eigenartiger Weise sucht er
seine Leser von der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der
Schutzpockenimpfung zu überzeugen, nämlich durch ein vor¬
trefflich gewähltes Gleichnis.
Er schreibt: „Ein unwiederrufliches Schicksahl unterwirft
die Einwohner eines Landes einem Gesetze, dass ein Jeder
einmahl in seinem Leben über ein sehr schmales Bret gehen
soll, unter welchem ein tiefer Waldstrom mit grossem ün-
gestühm und Schnelligkeit durchfliesst. Die Erfahrung von
10 Jahrhunderten hat gelehrt, dass von 10 Personen, welche
dieses thun, wenigstens einer fällt und ertrinkt; derjenigen zu
geschweigen, welche zwar fallen, aber noch errettet werden,
inzwischen aber sich an den Felsen stossen, mit welchen der
Waldstrohm angefüllt ist, und oft ihr ganzes Leben durch
Schwacliheiten behalten, welche ihnen das Schicksal der Er¬
trunkenen beneidungswerth machen. — Die nämlichen Beob¬
achtungen , welche die Gefahr dieses Ueberganges bewiesen
haben, entdeckten auch die Ursachen der Gefehr. Man sähe,
dass viele durch die Furcht zum Fallen gebracht wurden;
andere weil sie zu schwehr waren und dem Bret eine falsche
Bewegung beybrachten; die dritten, weil sie bei dem Ueber-
gang von einem Schwindel, oder einer Ohnmacht oder der
Epilepsie überfallen worden; die vierten, weil das Bret mit
Eis überzogen war; die fünften wurden durch einen heftigen
Windsturm von dem Bret geworfen; andere giöngen zu Grunde,
weil sie diese Reise zu Nacht unternahmen; verschiedene
schwangere Weiber fielen, weil es Ihnen schwer ward, den
Körper im Gleichgewicht zu erhalten, und auf den Ort zu
sehen, wo sie die Füsse absetzeu sollten. Eine grosse Anzahl
ward ein Opfer der vielen Einschlägen, welche von guten
Leuten aus den besten Gesinnungen, aber ohne Einsichten,
dergleichen sich nur gar zu viel finden, empfohlen worden.“
„Es machte Jemand darüber seine Anmerkungen und
sprach: Da doch der üebergang nicht notwendig tötlich ist,
sondern nur durch zufällige Umstände so gefährlich wird, weil
wir doch alle diesen Weg einmahl nehmen müssen, und wenn
wir ihn einmal gemacht, solchen sehr selten ein zweytes Mal
nehmen müssen; so wollen wir zu einem Gesetze annehmen,
dass jedermann nur in einer gewissen Zeit, wenn alle ungün¬
stige Umstände abwesend sind, den Weg vornähme und zwar
1. ehe man die Gefahr kennen gelernt f 2. Ehe man gar zn
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484
i TQINIR^» HK wOCHJil.
Nr. 45.
Bei typhösen Kranken wurde die
Methylen-Blau'Keaktion 150 mal in 377 Fällen beobachtet,
Diazoreaktion 31 „ „ 377 „ .
d. h., die Diazoreaktion wurde fast fünfmal seltener beobachtet.
Die 31 Fälle, in denen die Diazoreaktion beobachtet wurde,
entfallen auf folgende Krankheiten:
Variola (1 von 2), Pneumonia crouposa (1 von 18), Tuber¬
culosis serosarum (2 von 4), Tuberculosis miliaris (1), Tuber¬
culosis articularis (1 von 2), Tuberculosis pulmonum (25 von 44).
Auf 44 Kranke:
in der
» n
tt w
I. Periode wurden auf 18 Fälle
n. « « « 19 »
ni. « . . 7 .
DR.
4
16
5
MR.
5 beobachtet.
Bei gleichzeitigem Vorhandensein von Diazoreaktion wurde
Methylen-Blau-Reätion bei Tuberkulösen viermal beobachtet
Eine prognostische Bedeutung hat Methylen-Blau-Reaktion bei
Lungentuberkulose, ebenso wie die Diazoreaktion nicht. Diazo¬
reaktion ohne Methylen-Blau-Reaktion wurde in folgenden 16
Fällen beobachtet:
Wenn wir jetzt aus der Gesamtzahl von 377 Kranken die
44 Tuberkulosen ausschliessen, so erhalten wir folgende Zahlen:
die Methylen-Blau-Reaktion wurde 133 mal auf 333 Fällen beob¬
achtet, die Diazoreaktion wurde 6 mal auf 833 Fällen beob¬
achtet, d. h., bei sämtlichen Krankheiten, die auf die 333 Fälle,
d. h. auf die Zahl, die nach Abzug der Typhus- und Tuber¬
kulose-Fälle zurückbleibt, entfallen, wurde die Methylen-Blau-
Reaktion 22 mal so häu6g beobachtet, wie die Diazoreaktion.
Was die einzelnen Erkrankungen betrifft, bei denen die
Methylen-Blau-Reaktion und die Diazoreaktion am häufigsten
beobachtet werden, so sind es eben der Abdominaltyphus und
die Lungentuberkulose, namentlich der erstere.
Bei 23 Fällen von Typhus wurde die Diazoreaktion 23 mal,
die Methylen-Blau-Reaktion 21 mal beobachtet.
Auf 89 Fälle von positivem Ausfall der Methylen-Blau-
Reaktion ans 130 Harnportionen (bei eingehend untersuchten
14 typhösen Kranken) wurde Diazoreaktion nur in 69 Fällen
beobachtet; in den üorigen 20 Fällen war Diazoreaktion nicht
mehr vorhanden (im Endstadium des Typhus), so dass die
Methylen-Blau-Reaktion im Ham der Typhösen länger bestehen
bleibt, als die Diazoreaktion. Nur in sechs Harnportionen von 75
(aus der Gesamtzahl von 130) war Methylen-Blau-Reaktion nicht
vorhanden, während Diazoreektion bestand. Mit anderen Worten:
wenn Diazoreaktion vorhanden ist, so ist fast stets auch Methylen-
Blau-Reaktion vorhanden, während das Umgekehrte bei weitem
nicht der Fall ist. Eine regelmäßige Kurve zeigt die Methylen-
Blau-Reaktion, wde bereits erwähnt, im Gegensatz zu der Kurve
der Diazoreaktion bei Typhuskranken nicht.
Was die Lungentuberkulose betrifft, so wurde auch hier
die Diazoreaktion häufiger beobachtet, als die Methylen-Blau-
Reaktion, wobei der Zusammenhang zwischen der Intensität
der Reaktion und der Schwere der Erkrankung bei Diazoreaktion
unvergleichlich stärker ausgesprochen war, als bei Methylen-
Blau-Keaktion.
schwer worden. 3. In einer Zeit, in welcher man auf dem
Weg keinen Anfall einer Krankheit zu besorgen hat. 4. Wenn
das Bret nicht gefroren ist und kein Sturmwind bläset. 5. Am
hellen Tag. 6. Für das Frauenzimmer: wenn sie sicher sind,
dass keine Schwangerschaft vorhanden. 7. Jedermann soll sich
eines Führers bedienen, welcher die Zeit des Ueberganges be¬
stimmen soll. Alle vernünftigen Menschen und redlichen Bürger
werden den Nutzen dieses Vorschlags fühlen; man wird ihn
in Ausübung bringen und finden, dass er die glücklichsten
Folgen haben werde, so dass anstatt, da bisher von 10 einer
zu Grunde gegangen, nur ein einziger von 200 zu Grunde
gehen wird.“ (Schluss folgt.)
Typhus abdominalis (2), Tubercul. pulm. I (2), Tuberculosis
pulmon. U (8), Tuberculosis pulm. III (2), Pneumonia crouposa
(1), Gonitis tbc. (1).
Von diesen 16 Fällen war Diazoreaktion sehr gut in acht
Fällen ausgesprochen; statt der smaragdenfarbeneo Reaktion
wurde 13 mal die blaugrüne, zweimal die unbestimmte und ein¬
mal sogar die blaue Reaktion beobachtet.
Auf Grund des im vorstehenden erörterten Materials glaube
ich, folgende Schlüsse aufstellen zu können:
1. Die Ausführung der Methylen-Blau-Reaktion ist nicht
einfacher, als diejenige der Diazoreaktion.
2. Es ist häufig sehr schwer, die richtige grüne Farbe von
den bläulich grünen Nuancen bei Methylen-Blau-Reaktion zu
unterscheiden.
3. Der Farbenton des Harns übt auf das Resultat der
Untersuchung bei der Metliylen-Blau-Reaktion einen Farben-
einfiuss aus.
4. Die Methylen-Blau-Reaktion wird bei den verschiedensten
Erkrankungen beobachtet und kann keinen Anspruch auf Be¬
deutung in differential-diagnostischer Beziehung erheben.
5. Die Methylen-Blau-Reaktion wird am häufigsten bei
Abdominaltyphus beobachtet, gibt aber bei demselben keine
regelmäßige Entwicklungskurve.
6. Die Methylen-Blau-Reaktion wird bei Lungentuberkulose
seltener als die Diazoreaktion beobachtet und steht auch in
geringerem Zusammenhang mit der Entwicklung des Krank¬
heitsprozesses, als die Diazoreaktion.
7. Die Methylen-Blau-Reaktion kann nicht nur hoher als
die Diazoreaktion gestellt, sondern nicht einmal mit derselben
verglichen werden.
Allgemein ist in diesem Zeitraum die künstliche Dilation
der Geburtsw^e und das Blasensprengen; nach de la Motte
wird für die Erhaltung des Dammes der langsame Durchtritt
des Kindes durch die Schamspalte als besonders wichtig erkannt.
Der Geburtsstuhl ist vielfach in Gebrauch, auch die Stellung
der Niederkommenden auf dem Schosse einer anderen Frau,
der sogenannte lebendige Geburtsstuhl. Die Gesichtslage dürfte
in dieser Zeit zuerst erkannt sein.
Mauriceau ist der erste, welcher den Wochenfluss als
Wundsekret erkennt, bezüglich dessen alle seine Vorgänger
einen dem hippokratischen Standpunkt mehr oder weniger ähn¬
lichen beibehalten hatten; derselbe bildet die Tubarachwanger-
schaft zuerst ab, denkt sie aber als geplatzte hemeinartige Aus¬
dehnung einer Stelle der Uteruswand.
Geschichte der Gehiirtshilfe.
Von Dr. E. Roth.
(Fortsetzung.)
Die Physiologie des Foetus wird gewaltig gefördert, als
Beispiel seien die foetale Respiration und die vita propria des
Foetus, die eigene Wärmebildung desselben herangezogen. Die
hochgradige Beweglichkeit des gross gewordenen schwangeren
Uterus, besonders oei engen Becken, wird erkannt und die erste
Anregung einer Lehre von der Beckenachse gegeben, wie die
Anfänge der Lehre vom Geburtsmechanismus aufgestellt.
In der Operationslehre widmete man das grösste Interesse
dem Ausbau der Wendung auf die Füsse. Die Frequenz ver¬
letzender Eingriffe wird im Vergleich mit der Gepflogenheit
früherer Zeiten vermindert. Vom künstlichen Abort ist nicht
mehr die Rede. Die Ausführung des Kaiserschnitts an der
Lebenden muss für das 17. und den Beginn des 18. Jahrhun¬
derts als sehr selten bezeichnet werden; selbst die Sectio
cae.sarea an der Toten findet nicht allgemeine Anerkennung.
Der Eintritt der unschädlichen Kopfzange und des geburts¬
hilflichen Hebels in die allgemeine Praxis bereitet sich vor.
Ein weiterer Abschnitt reicht yojpTzweiten Drittel des 18.
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1906.
MBU TfjTtJTflfl H K WOOÜJfl.
485
Sitzungfsberichte.
Deutschland.
AerzUicher Ferein in Harnburg»
Sitzung vom 16. Oktober 1906.
Vorsitzender Herr Kümmell.
I. Demonstrationen: 1. Herr Lauensteinberichtetüber
eine an einer 79 jährigen Patientin mit Ausgang in Heilung vor*
genommene Operation wegen Volvulus coeci; es handelte sich
um eine seit 8 Tagen bereits bestehende Drehung des Coecuins um
die Längsachse noch aussen. 2. Herr Schmilinsky spricht über
die Schwierigkeit der Diagnose des Sanduhrmagens, wenn der
Pylorus von der Leber verdeckt wird, und stellt eine Patientin
mit Syringomyelie vor, bei der differential-diagnostisch Lepra
und Raynaudsches Gangraen in Betracht gezogen werden musste.
8. Herr Haemisch demonstriert das Röntgenbild dieses Palles.
4. Herr Liebrecht bespricht die Resultate seiner weiteren Unter¬
suchungen von Sehnervenschädignng bei Schädelbrächen, die
er im Hafenkrankenhaus angestellt hat. 5. Herr Mond berichtet
über zwei von ihm operierte Fälle von Extrauteringravidität.
6. Herr Albers-Sohönberg führt einen 65jährigen Patienten
vor, dessen Nasencarcinom durch Röntgenbestrahlung in 46
Einzelsitzungen von je 6 Minuten Dauer ansgeheilt ist. 7. Herr
Preiser stellt die Bilder eines 44jährigen Mannes mit einer
Kombination von „schnappender Hüfte“ mit willkürlicher
anscheinender Subluxation beider Hüften vor. Der Patient
kann willkürlich ein schnappendes Geräusch an den Hüften hervor¬
bringen; zugleich treten beide Trochanteren seitwärts, um unter dem
gleichen Geräusch dann wieder zurückzuschnappen. Klinisch handelt
es sich um eine willkürliche Subluxation beider Schenkelköpfe nach
hinten; im Röntgenbilde siebt man in beiden Phasen einen deut¬
lichen "Unterschied in der Entfernung des Kopfpols vom Pfannen-
boden, ein Teil des Kopfschattens bleibt aber im Pfannenschatten
noch zurück. Anatomisch durfte also der Kopf beiderseits teilweise
auf dem hinteren Pfannenrand treten. Gleichzeitig tritt auf beiden
Seiten im Moment der Subluxation die Sehne des Musculus glutaeus
maximns auf die Aussenseite des Trochanter major, bietet also das
Bild der schnappenden Hüfte. Auch die Mutter des Patienten soll
dasselbe Phänomen geboten haben.
TT. Diskussion über den Vortrag des Herrn Nonne:
„Myelitis und kombinierte Systemerkrankungen bei
Alkoholismus chronicus“. Es beteiligten sich kurz die Herren
Liebrecht, Saenger, Cimbal und Nonne. Schönewald.
bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Nur für wenige Ab¬
schnitte reicht mehr und mehr die Nennung eines Namens aus,
um die Vorstellung der wesentlichsten Förderung des betreffen¬
den Gegenstandes wacbzurufen.
Als neue Operationen müssen zunächst die Symphyseotomie
in Frankreich und die künstliche Frühgeburt, welche in England
ihre Geburtsstätte hatte, erwähnt werden. Auch in der Lehre
vom Kaiserschnitt ging ersteres Land bahnbrechend voran.
Wenn im allgemeinen auch neben dem Studium des Ge¬
burtsmechanismus die Operationen in erster Linie das allgemeine
Interesse in der Geburtshilfe beherrschten, so sind doch auch
grosse Fortschritte auf anderen Gebieten zu verzeichnen. So
müssen anatomische Arbeiten über den schwangeren Uterus
und den Plazentarbau genannt werden, wie wichtige Unter¬
suchungen zur Beckenlenre einen Platz finden.
Im grossen und ganzen ziehen sich hippokratische Lehren
noch durch das ganze Jahrhundert hindurch. Die Lehren vom
Stürzen und von der Selbstgeburt des Kindes treten aber all¬
mählich zurück.
Zu betonen ist die Einführung des klinischen geburtshilf¬
lichen Unterrichts für Studierende im 18. Jahrhundert, und die
erste Entstehung einer geburtshilflichen Zeitschrift, wie die
Gründung der ersten Gesellschaft für Geburtshilfe.
(Schiass folgt.)
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 23. Oktober 1906.
Vorsitzender Herr Paschen.
1. Nach einer kurzen Demonstration des Herrn Fahr, zu der
noch Herr Fraenkel, Simmonds und Engelmann sprechen,
berichtet 2. Herr Umber (Altona) über seine Erfahrungen mit
Veronal und über einen Fall von Veronalvergiftung. Der
Vortragende hat in den letzten drei Jahren im Altonaer Krankenhaus
im Ganzen 2800 g Veronal verordnet, ohne jemals üble Nach¬
wirkungen beobachtet zu haben, ausser einer ab und zu am nächsten
Tag noch vorhandenen gewissen Schlaftrunkenheit. Er hat dabei
das Mittel als Hypnoticum und als Sedativum schätzen gelernt,
als letzteres besonders bei drohenden Delirien der Alkoholiker
während Pneumonie und Cirrhose; er gab dabei bis zu 4,0 pro
die und würde event. bis zu 10,0 gehen. In der Literatur sind bis
jetzt zwei Fälle von tötlicher Veronalvergiftung niedergelegt worden,
einen dritten Fall zu beobachten hatte Vortr. diesen Sommer Ge¬
legenheit. Eine 25 jährige Frau hatte in selbstmörderischer Absicht
20,0 Veronal genommen. Cyanose, tiefes Coma, Reflexe völlig er¬
loschen, Puls 110 klein, aber regelmäßig, Temperatur 36,4®. Der
Magen war bei der Ausheberung völlig leer; Kochsalzinfusionen,
Coffein, Camphor. Am zweiten Tag Trachealrasseln, moribund,
Pupillen reagierten träge; nachmittags die Reflexe, die früh noch
völlig erloschen waren, deutlich gesteigert. Am dritten Tag keine
Cyanose mehr, die Reflexe wieder erloschen, Temperatur 39,5®;
Pneumonie im rechten Unterlappen; Blutdruck normal, systolisch
123 mm, diastolisch 112 mm. Am fünften Tag abends exilus letalis,
nachdem die Temperatur bis 42,3® in die Höhe gegangen war.
Die Sektion ergab ausser der Lungenentzündung nichts. Da die
Kranke anurisch war, wurde der Urin gesammelt; mit dem Leichen-
ham waren es im ganzen 4590 g Urin, aus dem 10,94 g Veronal
gewonnen werden konnte. Während im Gehirn kein Veronal nach-
gewiesen werden konnte, wurden aus der Leber noch 0,036 g
extrahiert. Herr Fraenkel fragt nach der Ansicht des Vor¬
tragenden über diesen Fall in forensischer Beziehung, nach dem
Urin und dem mikroskopischen Nierenbefund. Herr Saenger be¬
handelt z. Zt. einen starken Morphinisten, der in den letzten Tagen
unbekannte Veronalmengen genommen hat; der Kranke ist tief
soporös und augenblicklich moribund. Herr Caro sah nach 10 bis
12,0 g Veronal Doppelbilder auftreten. Herr Umber: In foren¬
sischer Beziehung ist zweifellos das Veronal Schuld am Tod der
Patientin, denn hätte sie das Veronal nicht genommen, wäre wohl
keine Pneumonie eingetreten. Der Urin zeigte Spuren Albumen,
die mikroskopische Untersuchung steht noch aus. Von Doppel¬
bildern bei Veronalvergiftung hat er bisher noch nichts gehört
gehabt; in seinem Fall war infolge des tiefen Comas der Patientin
hiervon nichts nachzuweisen. 3. Herr Saenger berichtet über
einen Fall von Morbus Addissonii, bei dem vor 13 Jahren
wegen Bauohfelltuberkulose die Laparatomie ausgeführt war. Die
Sektion ergab rechts eine echte Nephrophthise, links eine compen-
satorische Nierenhypertrophie, beide Nebennieren waren tuberkulös
entartet. Herr Simmonds teilt mit, dass bei der Laparatomie
damals eine Tube wegen tuberkulöser Erkrankung entfernt werden
musste. 4. |Herr Saenger spricht über einen tötlich verlaufenen
Pall von retrobulbärer Opticusneuritis, dessen Diagnose
in vivo richtig gestellt war. Am neunten Tag trat plötzlich der
Exitus ein, olme dass die Sektion die eigentliche Ursache desselben
ergab. Am Canalus opticus war eine circumscripte Entzündung
vorhanden, die in drei Tagen zu völliger Erblindung geführt hatte.
Die Rückenmarksuntersuchnng steht noch aus, möglicherweise
handelt es sich um eine Myelitis im Dorsal teil. Schönewald.
Kongressbericht.
VeraamrrUung deutscher Naturforscher und
Aerxte in Stuttgart»
Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie.
der
2. Vorträge.
Hr. Gau88 - Freiburg i. B.: Typische Veränderungen
Blase, Harnleiter und Nierenbecken in der
Digitized by
Google
486
MEDlCmiSCHE WOCHE.
Jfr. 45.
Schwangerschaft an der Hand von oyatoskopischen
and röntgenographischen Bildern.
Die Schwangerschaft ruft in der Blase drei Kardinalveränder¬
ungen hervor: 1. Ausgedehnte aktive und passive Hyperaemie der
Schleimhaut; 2. Hypertrophie gewisser Gebilde, besonders der dem
Ureter zugehörigen Teile der Blasenwaud; die Veränderungen sind
hier sehr mannigfaltige; 3. eigenartige Abweichung der Blase von
ihrer sonstigen Form mit charakteristischer Schattenzeichnung, Ver¬
kleinerung des medianen Sagittaldurchmessers der Blase, so dass
gegen Ende der Schwangerschaft ein oder zwei hohe und schmale,
schwer zu besichtigende Spalträume entstehen. — Retroflexio uteri
gravidi, Descensus und Prolapsus vaginae rufen ebenfalls charak¬
teristische Bilder hervor. Nach der Geburt zeigen sich Schwellungs¬
zustände des Schliessmuskels und Trigonums, typische Schleimhaut-
blutungen, eventuell Drucknekrosen und Fisteln, die zu einer
Cystitis disponieren können. Röntgenographisch betrachtet, zeigt
der Blasenschatten in den ersten Schwangerschaftsmonaten die
Form einer mehr oder weniger tief eingekerbten Bohne, später zieht
er sich zu einer Mondsichel aus. Im Wo>'henbette ähnelt er anfangs
der mittleren Schwangerschaftszeit, kehrt aber nach sechs Wochen
zur normalen Form zurück. Lageanomalien des Uterus, Hebotomie
geben ebenfalls charakteristische Bilder, Knickungen, Schleifen-
bildungen und Dilatation des Ureters, Veränderungen des Nieren¬
beckens und der Nierenkelche sind ebenfalls deutliche Schwanger¬
schaftsveränderungen.
Hr. Frank-Köln: Ist der Kaiserschnitt ver b esser ungs-
fähig?
Die Infektionsgefahr macht die Liebe zum Kaiserschnitt zn
einer platonischen. Der Nachteil des bisherigen Verfahrens besteht
darin, dass die Uterushöhle bei geöffneter Bauchhöhle geöffnet,
und die Üteruswunde in die Peritonealhöhle zurückversenkt wird.
F. hat in 10 Fällen, die vorher mehrfach untersucht und wahr¬
scheinlich infiziert waren, den Kaiserschnitt nach seiner Methode
gemacht, die darin besteht, dass die Bauchhöhle mittels supra¬
symphysären Querschnitts geöffuet und sodann die Umschlags¬
falte mit dem Peritoneum parietale vereinigt wird. Die Resultate
waren durchaus gut.
Diskussion.
Hr. Herzfeld-Wieu: Statt einer Infektion des Peritoneums
hat die Franksche Methode bei infizierten Fällen eine Becken¬
phlegmone zur Folge, da die Eröffnung der Uterushöhle tief zu
erfolgen bat.
Hr. Krönig-Freiburg i. B. hält auf Grund von Leichen¬
versuchen die extraperitoneale Operatiou filr sehr praktisch. Die
Infektion des Beckenbindegewebes ist nicht so ins Gewicht fallend.
K wird bei infizierten Fällen nach Frank operieren.
Hr. Everke-Bochum hält die Methode nicht für eine Ver¬
besserung bezüglich des primären Resultats. Viele Kinder werden
an der schwierigen Entbindung zu gründe gehen. Beim klassischen
Kaiserschnitt kommt es hauptsächlich auf die gute Naht der
Üteruswunde und schnelles Operieren an. E. hat einen Fall mit
Fieber und hohem Puls operiert, an dem sich schon Rötung des
Peritoneums und Verklebung der Darmschlingen zeigte. Konser¬
vatives Verfahren, glatte Heilung. Bei der folgenden Sectio keine
Verwachsungen, glatte Narbe.
Hr. Gutbrod-Heilbronn hält die Vernähung des Peritoneums
nur für einen Aufenthalt der Operation. Mit Rücksicht auf
spätere Entbindungen ist die alte Methode besser.
Hr. Peter Müll er-Bern fürchtet Kollisionen mit der Harn¬
blase. Zur Vermeidung der Infektionsgefahr scheint ihm die alte
Porrooperation mit extraperitonealer Stielversorgung besser zu sein
als das Franksche Verfahren.
Hr. Veit- Halle a. S. erinnert an das Schicksal der Gas-
troelytrotomie. In dem Everkeschen Falle kann es sich um
eine Saprophyteninfektion gehandelt haben.
Hr. Frank (Schlusswort) hält an seiner Methode fest. Die
Entbindung der Kinder macht keine Schwierigkeiten, da die Um¬
schlagsfalte beim kreisseoden Uterus über dem Beckeneingang
liegt. Deshalb macht auch die Blase keine Schwierigkeit. Blasen¬
beschwerden treten keine auf, ebenso auch keine Hernien.
Hr. Polano-WOrzburg; Die Blasenfüllung mit Sauer¬
stof f.
In Fällen von Cystitis mit starken Blutungen oder eiti’iger
Sekretion hat sich die Sauerstofffüllung ausgezeichnet bewährt.
Sie gibt klare, leicht übersehbare Bilder, so dass Fälle schwerster
Cystitis, Tuberkulose, Zottenkrebs sogar gezeichnet werden konnten.
(Demonstration.) AuffaUend ist auch die schmerzlindernde Wirkung
des Sauerstoffs, die den Erfahrungen der Chirurgen entspricht.
Auch die Ueberlegenheit der Röntgenaufnahme bei Sauerstoff-
füllung der Blase liess sich an Leichenversuchen nacbweisen. P.
verwendete anfangs den D räger-Wollenbergschen Apparat, der
aber kompliziert und teuer ist, und bedient sich jetzt einer ein¬
fachen 100 g-Flasche, die mit 3 proz. Wasserstoffsuperoxydlösmig
gefüllt, bei Zusatz einer Kalium hypermanganicumpastille lebhaft
Sauei*8toff entwickelt. Durch Drehung des Pfropfenkopfes lässt
sich diese Entwicklung regulieren.
Diskussion.
Hr. Gauss-Freiburg i. B. hält die alte Lufteinblasung für
einfacher, billiger und ungefährlicher.
Hr. Polano hält Luftembolien für möglich.
Hr. W. Freund-Strassburg: Zur Entstehung von Em-
bry Omen.
Die Genese der ovulogenen Tumoren ist noch nicht gelöst-
Sicher ist nur ein reifes Ei entwicklungsfähig, es fragt sich aber,
ob ein bestimmter Zustand des reifen Eies Vorbedingung zur
Entwicklung von Embryomen ist, ob letztere an eine gewisse
Lebensepoche gebunden und welches der Reiz ist, der ein reifes
Ei treffen muss. Nach Bonuet entstehen die Embryome aus dein
Teilstück eines befrachteten, sich furchenden Eies und sind dem¬
nach angeboren. Nach F. Hesse sich denken, dass der Vorgang
der Weiterentwicklung einer dislozierten oder in der Teilung
zurückgebliebenen Blastomere anch im späteren Leben verkommen
könne, d. h. dass es auch erworbene Embryome gibt. F. demon¬
striert die Präparate von 6 Fällen, bei denen sich stets Lutein¬
gewebe in den Tumoren nacbweisen liess, bei einem waren
Scheide und Uterus aufgelockert, letztere vergrössert, einmal auch
Colostrum- und Milchbildung vorhanden, so dass an eine Schwanger¬
schaft gedacht werden musste, obgleich sich der Uterus als leer
erwies. In einem Fall handelte es sich um perforierende Scheiden-
ruptur intra partum, hervorgerufen durch ein eingekeiltes Embryom.
Auch in ihm Luteingewebe, im anderen Ovarium, kein Corpus
luteum. Man kann aunelimen, dass nach einem reifen befruchteten
Ei ein zweites befruchtet worden ist, dass aus irgend einer Ver¬
anlassung nur ein Teilstück, eine Blastomere hat zur Entwicklung
kommen lassen. Die von Schottländer beschriebene Dilatation
der Lymphbahnen Hesse sich dann als Reaktion des Ovarialrestes
auf die Implantation der Blastomere ansehen, ähnlich gewissen
Schwangerschaftsvorgängen am Uterus. Die Befruchtung eines
(vielleicht geschädigten) Eies in dem atrophischen Stromarest einer
Eierstockscyste könnte also nach P. zur isolierten Entwicklung
einer Blastomere und so zur Embryombüdung führen.
Diskussion.
Hr. Pfannenstiel-Giessen: Die Theorie Bonnets ist
gewiss sehr geistreich, aber nicht beweisend. Eis ist durch ihn
nicht bewiesen, dass nicht auch andere Reize als die Spermie im¬
stande wären, die Eizellen zur Teilung zu veranlassen und wenigstens
Ansätze embryonaler Entwicklung zu produzieren, Pf. nimmt nach
wie vor an, dass das Follikelei imstande ist, ohne Spermienbeteiligimg
Geschwülste hervorzubringen.
Hr. Schottländer-Heidelberg: Nach der Fischelschen
Urgeschlechtszellentheorie muss die Frage nach der Entstehung
der Dermoide und Teratome noch immer in suspenso bleiben.
Lymphangiektasien im Eierstock sind für Dermoide nicht so
charakteristisch wie die Wucherung des Endothels neben der
Erweiterung der Lymphgefksse.
Hr. Halban-Wien: Zur Anatomie und Aetiologie der
Genitalprolapse.
Die Genitalprolapse sind nichts als eine Hernie im Hiatus
genitaHs, unter dem wir die im Levator ani, zum Teil vom Trans-
versus profuudus bedeckte Lücke zu verstehen haben. Die Band-
Digitized by ooQ e
1906.
MSDICIKlSCSlB WOG^X.
487
apparate des Uterus spielen besüglioh dessen Lage nicht diejenige
Rolle, die man ihnen bisher zugewiesen hat. Wichtig fdr die
Lage sind die Wirkung der Bauchpresse und die Funktion des
Beckenbodens, bezw. der hier befindlichen Spalte und ihrer Schliess-
Organe. Der Druck der Bauehpresse wirkt auf alle Eingeweide,
also auch den Uterus, senkrecht ein, somit wird dieser unter nor-
maleu Verhältnissen in der Richtung gegen die Symphyse gepresst.
Ist der Hiatus genitalis nun infolge Geburtstraumas oder Lähmungen
nicht mehr schlussfähig, so stellt er eine Bruchpforte dar, durch
welche der Uterus oder ein Teil von ihm in dem Augenblick
hindurchgepresst wird, wo er in dessen Bereich gelangt. Elon*
gationen werden dadurch hervorgerufen, dass nur die Cervix in
der Bruohpforte liegt, während das Corpus durch den Bauchhöhlen-
dmck an die Beckenwand angepresst wird. Tritt der Uterus in
toto in die Bruchpforte, so entstehen Totalprolapse, wobei es
gleichgültig ist, ob eine Retro- öder Auteversio vorlag. Die
Schrödersehe Lehre vom Zug der vorderen und hinteren Vaginal¬
wand ist demnach hin^Ilig, da auch Oystocelen ihre Ursache
lediglich dem Bauchhöhlendruck verdanken. Im Fall von abnorm
tiefem Douglas entstehen Prolapse der hinteren Vaginalwand mit
hypertrophischer Elongation des Uterus bei Anteversionsstellung
dadurch, dass das Corpus in verstärkter Auteversio gegen die
Symphyse gepresst wird, während die Cervix-innerhalb des Hiatus
liegt. H. demonstriert diese Verhältnisse an einem sehr sinnreich
ansgedachten Beckenphantom.
Diskussion: Hr. Ziegenspeck-München bemerkt, dass
die Ausführungen H.’s sich mit seinen eigenen Auffassungen decken.
Was H. heute Bruchpforte nenne, habe er in Würzburg schon
die Stelle des Durchtritts der Vagina durch den Levator oder
auch die Grenze der Druckdifferenz zwischen Bauchhöhlen- und
.^tmosphärendruck genannt.
Hr. Krö nig» Freibiu'g i. B.: Weitere Erfahrungen
über die Kombination des Scopolamin-Morphium-
Dämmerschlafs mit der RUckenmarksanästhesie bei
Laparotomien.
Wie bei der Inhalationsnarkose, so hat sich bei der Ii^jektions-
narkose das Bestreben geltend gemacht, Kombinationen von
verschiedenen Narcoticis anzuwenden. Ain meisten bewährt haben
sich dabei Scopolamin und Morphium. Kümmell hat die Ver¬
bindung des Scopolamin-Morphiums mit der Chloroform-Aethemarkose
warm befürwortet, besonders zur Herabsetzung der Häufigkeit der
postoperativen Bronchitiden. K. kann dem nur beipflichten; ebenso
haben Franz, v. Rosthorn und Rotter, was geringe Reizung
der Atmungsorganeund ruhige Narkose betrifft, sehr gute Erfahrungen
gemacht. Wenn nun K. die Rückenmarksanästhesie mit der
Scopolamin-Morpbinminjektion bei gynäkologischen Operationen
verbunden hat, so hat ihn hierzu hauptsächlich die Rücksicht auf
das psychische Verhalten der Operierten gefühi't. Hinsichtlich des
letzteren sind aber die einzelnen Teile des Deutschen Reiches sehr
verschieden; der Süddeutsche ist im allgemeinen sensibler, nervöser
als der Norddeutsche. Die Technik wird folgendermaßen ge-
handhabt: 2 Stunden ante operationem 0,0003 Scopolamin plus
0,01 Morphium. Nach einer Stunde eventuell Wiederholung der
gleichen Dosis. Ausschaltung störender Gehörs- und Gesichts¬
empfindungen durch Lagerung iu geschütztem Zimmer, schwarze
Brillen, Antiphone und Gehörmuscheln über die Ohren. Nach einer
weiteren Stunde, wenn nötig, nochmals 0,00016 Scopolamin allein,
bei dekrepiden Frauen gewöhnlich als zweite Dosis 0,00015 Scopo¬
lamin ohne Morphium. Hierauf B i e r sehe Rückenmarksanaesthesie
in folgender Weise: Die Punktion und Injektion wird unter
Kontrolle des Arztes mit dem G. Kroenigschen Apparat aus-
geiührt (zu haben bei Fischer-Freiburg). K. vermeidet die sofortige
Beckenhochlagerung zur Vermeidung von Atemstörungen, nimmt
aber dafür grössere Dosen als Bier, Stovain-B i 11 o n bis zu 0,1—0,12.
Tierversuche von Gauss und Spielmeyer lassen die Beckenhoch¬
lagerung als nicht unge^hrlich erscheinen, so dass K. davon wieder
Abstand genommen hat. — Vorteile des K.sehen Verfahrens:
Die kombinierte Narkose ist die humanste aller Narkosen, die
Gefahr der postoperativen Bronchitis ist verringert und dadurch
die Lebenssicherheit der Laparotomien erhöht. Ferner werden
die Bauchde^ken besser entspannt, abgekürzte Rekonvaleszenz, so-
dass K. seine Laparotomierten bereits am 1. bis 3. Tage post
operationem aufstehen lässt. Erbrechen tritt nur in 12 % aller
Fälle ein, und dann nur vorübergehend. Nachteile: Der Mangel
der Möglichkeit einer langsamen Einverleibung des Mittels, be¬
sonders bei der Lumbalinjektion. K. hat unter 300 Fällen zwei
Narkosentodesfklle erlebt, die wohl auf zu hohe Dosierung zurfick-
znführen sind. Ein weiterer Nachteil sind endlich die Kopf¬
schmerzen, die von verschiedener Intentität in 31,4% der
Fälle eintreten. Ein Mittel zu ihrer Verhütung haben wir noch
nicht. Weitere Komplikationen sind Abducenslähmungen (3 mal),
von Koenig ist ein Fall von dauernder Parese der unteren Extre¬
mitäten beschrieben worden.
Diskussion:
Hr.Franz-Jeua gibt mehr Scopolamin und weniger Morphium,
bis zu 0,00015 Scopolamin-Böhrin ge r. Dieses bleibt nach
Kionka konstant. Bei 0,15 Novocain bleibt der Puls besser.
Pneumonien hat F. ebenfalls nicht erlebt. Kopfschmerzen sieht
er wenig.
Hr. Neu-Heidelberg: Die Heidelberger Klinik geht prinzipiell
individualisierend hinsichtlich der Narkose vor. Die Novocainlösung
ist verschieden, je nachdem, ob man Tabletten oder fertige Am¬
pullen nimmt. Frisch bereitete Lösungen sind bessetv. Auch mit
Stovain wurden gute Analgesien erzielt, doch treten hier post
operationem hohe Temperatursteigerungen (bis 39,5) auf, die aber
wieder rasch abklingen. Sehr angenehm ist bei Stovain die abso¬
lute Entspannung der Bauchdecken, doch kommen auch Sphinkter*
lähmungen vor. Inhalationsnarkosen anzuschliessen ist misslich
wegen der starken Zwerchfellbewegnngen.
Hr. Walcher-Stuttgart bemerkt, dass hinsichtlich der Ver¬
breitung des zur Lumpalpunktiou verwendeten Mittels dessen
spezifisches Gewicht im Verhältnis zu dem der Cerebrospinal¬
flüssigkeit von Einfluss sein wird.
Hr. Veit-Halle a. S. findet keinen Unterschied zwischen
Nord- und Süddeutschen,
Hr, Kröuig (Schlusswort) hält doch an dem Unterschied fest
und schliesst sich ün übrigen Herrn Neu an. Die Lumbalanäs¬
thesie wird es auch sicher ermöglichen, dass der Pfannenstiel-
sche Schnitt eine noch viel weitere Ausdehnung finden kann.
Sektion 16 für innere Medioin, Pharmakologie, Balneologie und
Hydrotherapie.
Sitzung vom 20. September, morgens 8 Uhr.
Vorsitzender: Hr. Moritz-Giessen.
1. Hr. Mager-Brünn: Ueber das Facialisphänomen bei
Enteroptose.
Das zuerst bei Tetanie beobachtete Facialisphänomen, Zuckung
des ganzen Facialisgebietes oder von Teilen desselben bei Beklopfen
einer Stelle, wurde seither auch bei anderen Krankheiten gefunden.
Redner hat es bei 40 Fällen von Enteroptose beobachtet, und
zwar in allen unterschiedenen Graden und meist doppelseitig. Bei
24 Fällen von Enteroptose hat er den Stuhl nach der von Schmidt
angegebenen Methode untersucht, dabei fand er 22 mal vermehrte
Gasbildung, die in 13*Pällen über Vs des Röhrchens betrug, neben
sonstigen Störungen, Bei drei Tetanusfällen fand er ebenfalls ge¬
störte Darmfunktion, er führt das Facialisphänomen, ebenso wie
die Tetanie auf eine durch Darmstörungen hervorgerufene Auto¬
intoxikation zurück. Bei reiner Hysterie besteht kein Facialis¬
phänomen, wenn der Stuhl in Ordnung ist. Durch therapeutische
Beeinflussung des Darms kann man das Facialisphänomen zum
Verschwinden bringen. Die Darmstörung ist bei J^teroptose das
Primäre, die nervösen Erscheinungen und das Facialissymptom
das Sekundäre. Die Frage, warum bei denselben Dannstönmgen
einmal Facialisphänomen, ein anderes Mal Tetanie eintritt, beant¬
wortet Mager damit, dass zur Tetanie ausserdem noch eine Insuf-
ficienz der Epithelkörperchen der Thyreoidea notwendig ist.
Diskussion.
Hr. Moritz-Giessen ist nicht überzeugt, dass ein Ergebnis
von über ein Drittel Gasentwicklung nach der Schmidt’sehen
Methode immer auf Störungen der Dannfunktion hinweißt, er hat
solche Befunde auch bei gesundem Dann erhoben.
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488
IfBDICDTISC^X WOuHE.
Nr. 45.
Hr. Mager (Schlusswort): Die Stühle seiner Patienten zeigten
nur 13 mal saure Gährung. Er hält die Methode von Schmidt
für zuverlässig.
2. Hr. Lange-Leipzig: Therapeutische Beeinflussung
der Ischias und anderer Neuralgien.
L. spritzt bei Ischias 100—150 ccm einer Lösung von 1 proz,
Eucain und 8 prom. Kochsalz an die auf Druck schmerzhafte Stelle
der Nerven ein. In manchen Fällen hat eine einzige Einspritzung
Besserung herbeigeführt. Die Folgeerscheinungen der Ischias,
Atrophie des Beins, Muskelkontrakturen und Skoliose, schwinden nur
allmählich. Der Erfolg war aber auch bei chronischen Fällen
auffallend. Im Ganzen wurden 86% der 36 Fälle geheilt.
Gering ist der Erfolg bei Hysterischen und Neurasthenikern, gut,
wo Erkältung die alleinige Ursache der Ischias bildet. In einem
Falle von Neuralgie des Nervus cruralis hat er diesen freigelegt
und direkt injiziert, worauf die Schmerzen verschwanden. Ein
Zeichen dafür, dass der Nerv direkt getroffen ist, ist der blitz¬
artige Schmerz bei der Einspritzung und das Herausspritzen eines
Teiles der Injektionsflüssigkeit nach Herausnahme der Nadel in¬
folge des hohen Drucks der straffen Nervenscheide. Kochsalzlösung
ist nicht gleich wirksam. Die Nebenwirkungen sind unbedeutend.
Die Heilung trat oft in 3 Tagen ein.
Di skussion.
Hr. Leo-Bonn weist auf den guten Erfolg der unblutigen
Dehnung des Nervus ischiadicus hin, diese könnte mit Eucainein-
spritzung kombiniert werden. Er hat mit der Dehnung ebenfalls
bei chronischen Fällen gute Kesultate gehabt.
Hr. Moritz-Qiessen bestätigt die Erfolge der Injektionen und
selbst nach der Anwendung der Methode auf kleinere Nerven.
Hr. Lange (Schlusswort): Bei kleineren Nerven spritzt er
etwa 50 ccm in die Nähe der Nerven ein.
3. Hr. Rumpf-Bonn: Zur Therapie der Herzkrank¬
heiten.
R. hat oscUlierende Ströme, welche zwischen Tesla- und In¬
duktionsströmen stehen, die durch eine Glasplatte unterbrochen
sind, und bei denen der eine Pol bei schwacher Anwendung mit
der Erde verbunden werden kann, zur Behandlung von Herz¬
kranken, leichten Insufhcienzen des Herzens und Emphysem ver¬
wendet und dabei eine Verkleinerung namentlich des rechten
Herzens erzielt. Die Wirkung ist nicht durch einen Reiz der
Atmungsorgane bedingt, sondern es scheint durch Erweiterung der
Lungengefhsse eine Entlastung des rechten Herzens einzutreten;
ausserdem scheint eine direkte Reizung der Herzmuskulatur ein¬
zutreten. Er demonstriert an einer Anzahl von Röntgenbildem
die Wirkung der Ströme.
4. Hr. Ri chartz-Homburg: UeberdenWert des Schleim¬
befundes für die Bestimmung der Lokalisation der
Enteritis.
Die herrschende Lehre, dass eine feine Verteilung des Schleims
auf hohen Sitz der Enteritis hinweist, ist unhaltbar. Sie stützt
sich teilweise auf theoretische Ueberlegungen, teils auf Autopsien;
Schmidt hat dieses Dogma zuerst bezweifelt. R. hatte Gelegen¬
heit, mehrere Fälle von Sprew zu beobachten und fand Schleim
nur bei den mit Diarrhöe verbundenen Fällen. Diese Beobachtung
legt den Gedanken nahe, dass in den nicht mit Diarrhöe verbun¬
denen Fällen der Schleim resorbiert wurde. Bei der Schleimver¬
dauung ist die Konsistenz des Stuhles, die Verteilung des Schleims,
die umgebende Temperatur, die Länge des Weges und die Dauer
des Verweilena im Darm und die Art der Nahrung von Bedeutung.
Er machte Versuche mit künstlichen Schleimgemischen, mit natür¬
lichem eigenem Schleim der Versuchsindividuen und fremdem
Schleim. Schleimlösende Wirkung fand er auch bei schleimfreien
Personen. Bei der Schleimhaut spielen sowohl Fermente wie
Bazillen, darunter auch Colibazilien u. a. eine Rolle. Thymollösung
verlangsamt oder sistiert die Schleimlösung. Daraus ergibt sich,
dass je höher die Ursprungsstelle des Schleimes sitzt, um so mehr
Aussicht auf feine Verteilung derselben vorhanden ist, damit aber
auch um so mehr Aussicht auf Resorption des Schleimes besteht.
Je tiefer im Darm die Schleimbildung sitzt, um so geringer ist
die Aussicht auf Resorption. Da mau die ursprüngliche Konsi¬
stenz des Schleims nicht kennt, so ist der Sitz nicht zu diagnosti¬
zieren, lediglich Proktitis kann man bei vorhandenem Schleim aus-
Bchliessen. Bei hochsitzendem Elatarrh braucht kein Schleim auf¬
zutreten; eine kurze Zeit des Verweilena im Darm lässt den Schleim
nicht zur Lösung gelangen, wird ihn daher im Stuhl erscheinen
lassen. Bei normaler Darmfunktion findet man Bilirubin nicht jen¬
seits der rechten Flezur, bei pathologischen Prozessen ist dies
wohl möglich. Die Farbe des Stuhles spricht dann für hohen Sitz
der Schleimbüdung, wenn auf Hydrobilirubinstubl direkt Bilirubin¬
stuhl folgt.
Im Rektum sind die Bedingungen der Vermischung des Schleims
nicht gegeben. Der Stuhl nimmt das wenige Rektumsekret auf,
es bleibt an seiner Oberfläche und wird grossenteils verdaut, ein
Teil bleibt unverdaut, und deshalb hat jeder Stuhl etwas Schleim.
Bei sehr hartem Stuhl wird mehr Sekret gebildet; daher ist ganz
harter Stuhl stets von unregelmäfiig verteiltem oder seifenförmigem
Schleim begleitet und mit glänzender Lackfarbe überzogen. Bei
Residnalscybalis findet man äusserlich keinen Schleim. Die Bildung;
von Rektalschleim ist eine Vorbedingrmg der Defkkation, ihr
Mangel eine Ursache der Verstopfung. Feiner Schleim im Innern
von Scybalis kann vom oberen Darmteil herrühren, braucht aber
nicht pathologisch zu sein, sondern kann in einen bereits einge¬
dickten Kot hineingeraten sein.
Sitzung der naturwisBensohaftlichen Hauptgrnppen.
Sitzung vom 21. September.
Heute fand die zweite allgemeine Versammlung der 78. Ver¬
sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte statt. Auf der
Tagesordnung standen drei Vorträge der Herren Bälz-Stuttgart,
früher Tokio, Lehmann-Karlsruhe und Penck-Berlin.
Hr. Bälz sprach über Besessenheit und verwandte
Zustände.
Die Vorstellung, so führte er aus, dass Krankheiten überhaupt,
aber namentlich das scheinbare Auftreten einer neuen Persönlichkeit
im Menschen — das sogenannte Besessenaein — auf dem
Einfluss böser Geister beruhen, ist so alt wie die Menschheit selbst.
Bekanntlich wurde beides, sowohl Krankheit als auch Besessenheit
auf die Wirkung von Dämonen zurückgeführt. Und noch heute
gibt es Geistliche, katholische und protestantische, die den Teufel
als die Ursache der Besessenheit betrachten. Der moderne Mensch
aber steht dem Dämonenglauben skeptisch gegenüber. Für ihn
werden jene Erscheinungen verständlich durch die Wirkung der
Suggestion — Auto- und Alterosuggestion — der Hypnose und
der psychischen Ansteckung.
Immer wird dabei der in der Regel stark prädisponierte
Mensch durch fremde oder eigene Suggestion in einen hypnostischen
oder hysterischen Zustand versetzt mit Ausschaltung, resp. Ein-
engimg einiger Gebiete des Nerven- und Seelenlebens und abnormer
Verschärfung anderer. In dieses Gebiet gehören die Medicinal-
männer und die spiritistischen Medien nicht minder, als die Lehre
vom Stigmatismus, die Taten der Säulenheiligen usw.
Bei der eigentlichen Dämonbesessenheit erscheint plötzlich im
Körper des Menschen ein neues feindliches Ich, das durch den
Mund dieses Menschen redet usw.
Der Mensch besteht also ans einem Körper und zwei Seelen.
Diese beiden Seelen widersprechen und bekämpfen sich.
Während nun bei den Christen dieser Dämon der Teufel ist,
ist es in Ostasien der Fuchs, der dort als Gottheit selbst verehrt
ist. Interessant ist bei diesem Besessensein die Intelligenz und
die Redefertigkeit des Dämons, die weit über denen des besessenen
Menschen zu stehen scheinen. Zur Erklärung dieser Erscheinung
zieht er das Unterbewusstsein heran, das eine viel höhere
und viel geordnetere Tätigkeit entfalte als man gewöhnlich an¬
nehme. Beim Wegfall von Hemmungen und bei gewissen Reizen
greife es manchmal plötzlich in die Sphäre des normalen Bewusstseins
ein, wobei es wahrscheinlich überwiegend die eine gewöhnlich
ruhende Hirnhälfte benützend den Anfall von Besessenheit hervor-
rufe. Die Behandlung erfolgt durch Suggestion. Nur bei sehr
chronischen Fällen ist sie oft ohne Erfolg. Der Redner weist
darauf hin, dass man diesen interessanten psychischen Fällen mehr
Aufmerksamkeit als bisher schenken ^oUip.!
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1906.
MBr)TflTNTRfih k WOC^X.
489
Als zweiter Bedner sprach Hr. 0. Lehmann über flüssige
und scheinbar lebende Kristalle.
Hr. ErnstHaeekel hat die Meinung ausgesprochen, zwischen
Kristallen und niedrigsten Lebewesen bestehe eine nahe Verwandt¬
schaft. ^ Es besteht sicherlich in dem Verhalten beider eine Reihe
von Analogien, besonders für den, der die Kristalle während ihrer
Bildung beobachtet.
Schon die Fähigkeit zu wachsen an sich ist eine solche Ana¬
logie, denn amorphe Körper, wie Harz, Glas, wachsen nicht. Den
Kristallen kommt auch Begenerationsfkhigkeit zu. So ergänzen
sich z. B. Kristalltrümmer von naphthionsaurem Natrium, in wässeriger
Lösung erwärmt, bis sie sich auf wenige gerundete Reste aufgelöst
haben, beim Abkühlen zu scharfkantigen Tafeln. Jedes noch so
kleine Fragment wirkt als Kristallisationskern vergleichbar dem
Kern bei Organismen. Erwärmt mau, bis alle diese Kerne ver¬
schwunden sind, so tritt kein Kristall mehr auf, die Lösung ist
übersättigt. In einer übersättigten Lösung können aber auch von
selbst wieder Keime auftreten, von denen dann die Auskristallisierung
wieder anznheben pflegt.
Ebenso wie Lebewesen können sich auch Kristallformen gegen¬
seitig aufzehren. Auch fremde Stoffe können Kristalle in sich
aufhehmen. Setzt man z. B. einem Salmiakpräparat Eisenchlorid
zu, so ziehen die Kristalle den Farbstoff durch Absorption an sich
heran und färben sich dunkelgelb. Aber sie vermögen dann nicht
mehr so schön zu kristallisieren. Es ist eine Art Vergiftung
eingetreten.
Es bestehen aber auch Unterschiede zwischen OrganismeD
und Kristallen. Jene sind weiche, manchmal eiweissartige, flüssige
Gebilde, diese gelten als starie Körper. Aber zu Unrecht. Schon
1876 hat der Vortragende beobachtet, dass die oberhalb 146®
beständige Modifikation des Jodsilbers, die man bis dahin für eine
zähe Flüssigkeit gehalten hatte, in Wirklichkeit aus äusserst weichen
Kristallen besteht, die ohne die geringste Aenderung ihrer Eigen¬
schaften fliessen können wie eine Flüssigkeit. Auch andere Autoren
haben ähnliches beobachtet. Interessant ist Gattermaous
Paraazoxyphenetol, das ebenso wie Wasser in kugelförmigen
fliessenden Tropfen kristallisiert. Diese Tropfen besitzen als Aus¬
druck der LichtbrechuDg im Centrum einen dunklen Kern.
Wenn sich zwei derartige Tropfen berühren, so fliessen sie
ineinander. Sie haben ursprünglich noch zwei Kerne und schliess¬
lich nur noch einen Centralkem.
Bringt man zwei verschiedene flüssige Kristalle zusammen, so
vereinigen sie sich unter der Bildung von Mischkristallen.
Alle diese interessanten Erörterungen begleitet der Redner
mit zahlreichen Lichtbildern. Er schliesst mit den Worten: Welche
Wirkungen lediglich durch Kraft und Stoff in toter Materie hervor¬
gebracht werden, und wo das eigentliche Leben beginnt, lässt sich
nicht genau präzisieren. Nur durch gründliche Untersuchung der
Erscheinungen ist es möglich, weitere Aufklärung über die Wirkung
der Molekularkräfte und die Molekularkonstitution der Stoffe zu
«•hoffen.
Als dritter Redner sprach Hr. Fenck über Südafrika und
Samb es ifälle.
Südafrika ist eines der grossen Hochländer der Erde. In der
Mitte eine Hochfläche von 1000—1500m Höhe, fällt es seewärts
verhältnismäßig rasch ab. Ueberall steigt der Weg ins Innere
steil, häufig stufenförmig an und führt schliesslich zu einem jäh
abfallenden Plateaurande. Ist dieser erstiegen, so steht man auf
verhältnismäßig ebenem Boden. Der seewärtige Abfall dieses
Hochplateaus ist von Tälern durchfurcht, zwischen denen, namentlich
im östlichen Natal, ein Ueberrest der ehemaligen Rumpffläche sich
befindet. Der Steilabfall dieses Plateaus hat viel Aehnlichkeit
mit dem der schwäbischen rauhen Alb.
Von der inneren Hochfläche aus führen nur zwei Flüsse zum
Meer, der Oranjefluss und der Sambesi, beide mit grossen Wasser¬
fallen.
Der geologische Aufbau Südafrikas bietet eine ausserordentlich
bemerkenswerte Tatsache, nämlich das Auftreten von Moränen
und Gletscherschliffen beim 20. Breite^ad südlich vom Aequator.
Es handelt sich um Spuren eines grossen Inlandseises, das der
Redner nicht auf eine Verschiebung in vertikaler, sondern in
horizontaler Richtung bezieht. Es handelte sich offenbar um
horizontale Verschiebungen der Erdkruste infolge des Schrumpfungs¬
prozesses bei der Abkühlung der Erdrinde.
Zahlreiche wohlgelimgene Lichtbilder erläuterten die Worte
des Redners.
Nach einer kurzen Rede des 2. Geschäftsführers, Herrn v.
Hell-Stuttgart, dankte noch einmal der Vorsitzende, Herr Chun-
Leipzig, allen Vortragenden, Ganz besonderer Dank gebühre der
Geschäftsleitung. Niemals in den letzten Jahren sei man ähnlich
gut gebettet gewesen, wie diesmal in Stuttgart, alles habe sich
nach einem fein durchdachten Plan geregelt. Unter herzlichem
Beifall schloss der Redner mit den Worten: „Wir danken Euch,
die Tage in Stuttgart bleiben uns unvergesslich.“
Literarische Monatsschau.
Gynäkologie.
Die Pubiotoraie, die nunmehr schon seit mehreren Jahren
eine ständige Rubrik in der gynäkologisch-geburtshilflichen Lite¬
ratur bildet, steht noch immer im Vordergründe der Diskussion
der Fachkollegen. Während aber in der ersten Zeit nur die Frage
ihrer Berechtigung und ihres Wertes im allgemeinen erörtert
wurde, handelt es sich jetzt um die Festlegung einzelner Indi¬
kationen und die Diskussion technischer Einzelfragen, — der beste
Beweis dafür, das.s die Operation als solche allgemein anerkannt
und als eine dauernde, wertvolle Bereicherung unserer thera¬
peutischen Tätigkeit betrachtet wird. Aus der Fülle der Publi¬
kationen, in denen sich naturgemäß vieles Gleichartige wiederholt,
lassen sich einzelne Hauptgesichtspunkte zu einem ziemlich ein¬
heitlichen Gesamtbild herauskristallisieren. Die Indikationsstellung
ist das schwierigste und erfordert grosse Erfahrung, da es sich
in jedem einzelnen Falle, namentlich bei den Beckenverengerungen
höheren Grades, um eine genaue Beurteilung der Grösse und Stärke
des kindlichen Kopfes im Verhältnis zum Becken handelt, und
eine Pubiotomie, der nachher doch noch die Perforation ange¬
schlossen werden muss, selbstverständlich einen vollen Misserfolg
bedeutet. Als unterste Grenze wird im allgemeinen eine Coujugata
vera von 8—7 cm angegeben. Die sanguinischen Hoffnungen
einzelner Autoren, dass durch die Pubiotomie die künstliche Früh¬
geburt und die Perforation des lebenden Kindes völlig verdrängt
werden wird, dürften sich wohl kaum verwirklichen, wenn auch
ihr Anwendungsgebiet, besonders das der letzteren, sicher auf ein
Minimum reduziert wird; in verschleppten, fieberhaften Fällen
wird sie jedoch immer noch das schonendere und ungefährlichere
Verfahren darstellen.
Die z. Z. noch ziemlich hohe Mortalitätsziffer der Mütter
(ca. 6—7®^) ist sicher auf Rechnung der zahlreichen Anfang.sf'ällo
der einzelnen Operateure zu setzen und dürfte mit der zunehmenden
technischen Ausbildung undUebung rasch erheblich niedriger werden.
Bezüglich der Technik sind im wesentlichen drei Operations-
typen zu unterscheiden: die von Gigli angegebene, vollkommen
offene Pubiotomie, die Doederleinsche halb-subkutane Methode
und das von Bumm und Stoeckel empfohlene völlig subkutane
Verfahren. Die offene Pubiotomie Giglis mit ihrer grossen, als
überflüssig erkannten Weichteilwunde, ist jetzt wohl von fast allen
Operateuren verlassen. Das Bummsche Verfahren, bei dem die Säge
völlig subkutan von unten nach oben um das Schambein hemmgeführt
wird, hat viel Bestechendes an sich dadurch, dass es keine anderen
Wunden setzt, als die punktförmigen Ein- und Ausstichöffnungen.
Es ist fraglos der kleinste Eingriff, der bei technisch korrekter
Ausführung auch sicher gute Resultate erzielt. Dem stellen aber
andere Autoren, so besonders in letzter Zeit Rissmann, als
schwerwiegende Bedenken die Gefahren der postoperativen Haema-
tombildung mit eventuell späterer Senkung und Vereiterung, so¬
wie die Möglichkeit von Blasenverletzungen gegenüber, Bedenken,
die ihn zu der strikten Forderung führen, stets nach dem Vorgehen
von Doederlein von einer am oberen Schambeinrand angelegten
Incision aus Blase und Periost abzuhebeln und die Säge unter
Leitung des bis zum unteren Schambeinrand eingeführten Zeige¬
fingers um den Knochen herumzuführeu. Zur Verminderung der
Haematombildung empfiehlt er, unter aUen Umständen zu drainieren.
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490
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr, 45.
Als Beweis fflr die Richtigkeit seiner Forderungen gelten ihm
auch die Erfahrungen, die Kannegiesser auf Grund von 23
Pubiotomieen aus der Leopoldschen Klinik veröffentlicht hat.
Acht nicht subkutan operierte und grösstenteils mit Drainage be¬
handelte Fälle zeigten keine der obigen Komplikationen, bei 15
subkutan operierten FäUen ^vurden viermal, d. h. in über 25%,
Blasenverletzungen, dreimal Haematome und dreimal Thrombosen
beobachtet. Zweimal wurde trotz Kontrolle von der Vagina aus
das foramen obturatorium angesägt, zweimal der Knochen nicht
völlig durchtrennt.
Eine neue Modifikation der Technik gibt Henkel zur Ver¬
meidung von Weichteilverletzungen beim Sägen an, indem er die
mit einem Faden armierte Nadel an der Vorderfläche des Scham¬
beins bis zu dessen unterem Rand durchführt und den Faden mit
dem an der Hinterfläche subperiostal herabgeführten Zeigefinger in
Empfang nimmt. Der Knochen wird dann von unten nach oben
durchsägt.
Von den bei der Operation auftretenden Komplikationen be¬
anspruchen die ziemlich starken, im wesentlichen aus dem crus
corpor. cavernos. clitorid. stammenden venösen Blutungen keine be¬
sondere Bedeutung, da sie sich fast immer durch Kompression
stillen lassen und nur selten Umstechungen notwendig machen.
Die eventuellen Nebenverletzungen der Blase veranlassen, wie
oben erwähnt, einen Teil der Autoren zu der Forderung des halb-
offeuen Operierens, während andere, wie Bumm und Stoeckel,
ihnen geringere Bedeutung beimessen, da sie sich in den meisten
Fällen spontan schliessen dürften und bei sorgfältiger Technik ver¬
meidbar sind.
Die Bildung postoperativer Haematome wird in einer grossen
Anzahl der Fälle beobachtet. Auch ihnen wird von einem Teil
der Autoren geringe Bedeutung beigemessen, während andere
wegen der Gefahr der Vereiterung und Senkung der Drainage
das Wort reden. (Schluss folgt.)
Periodische Literatur.
Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 43. 1906.
1. Maragliano, Genua. Die spezifische Therapie der
Tuberkulose. Nicht abgeschlossen.
2. Rautenberg, Königsberg. Hethaemoglobinvergiftung
durch SesamöL
In Ergänzung einer früheren Mitteilung über Fälle von Ver¬
giftung nach Darmirrigationeu mit Sesamöl, deren Haupterschein¬
ungen in Schwächegefühl, Erkrankung der peripheren Körperteile,
Cyanose, Scbwarzfärbung des Blutes bestanden, wird über einen neuen
derartigen Fall berichtet. Nach zwei Darmeinläufen von ca. */2 1
setzte ein sehr schwerer Krankheitszustand ein: zunehmende
Schwäche, Bewusstlosigkeit, Reaktionslosigkeit der Pupillen, zeit¬
weiliger Atmungsstillstand, Lungenoedem; das Blut zeigte ein
kaffeebraunes Aussehen, im Spektrum fanden sich die charakteri¬
stischen Methaemoglobin-Absorptionsstreifen. Es handelte sich also
um eine Methaemoglobinvergiftung, die ohne Zweifel durch das
Sesaniöl herbeigeführt worden war. Woran die Giftwirkung im
Sesaraol gebunden war, lie.ss sich nicht sicher feststellen; wahr¬
scheinlich ist es aber nicht das Oel an sich, sondern irgend welche
Verfälschungen, wie sie im Handel üblich zu sein scheinen. Trotz
der lebhaften Em|)fehlung des Sesamöles durch v. Noorden als
Nahi-nngsmittel und Mittel zur Behandlung chronischer Obstipation
i.st also vor uneingeschränkter Benutzung zu warnen.
3. Ilojas, ]3erlin: Zur Atrophie der Darmschleimhaut.
Die Untersuchung der Dünndarmschleimhaut eines an chro-
ni.schem, zunehmendem Ileus verstorbenen Mannes ergab eine
typische Atrophie der Schleimhaut, wie sie bei der pemiciöseu
Anaeinie betrieben worden ist. Irgend eine Blutveränderung hatte
al)er intra vitam nicht bestanden. Darnach kann die Darmatrophie
bei permciri.ser Anaemie nicht mehr als absolut spezifisch für diese
Krankheit angesehen werden. Vielmehr ist dieser Zustand wohl
als eine Folge der schlechten Ernährung zu betrachten.
4. J a n s e n, Kopenhagen: lieber Wftrmewirkung hei Fuuieii-
behandlung.
Von anderer Seite angestellten Elzperimenten gegenüber, die
auf eine bedeutende Erwärmung in der Tiefe der „Pinsenbehan-
delten“ Gewebe schliessen Hessen, hat J. versucht, direkt mit
Hülfe von Thermonadeln die Temperatur innen in den einer Finsen¬
behandlung unterzogenen Geweben festzustellen. Dabei ergab sieb,
dass in der Tat eine Erwärmung stattfindet, dass diese jedoch
nicht 80 hohe Grade erreicht — als Maximum wird 40,8® gemessen —
dass sie nennenswerten Einfiuss auf Bakterien oder Gewebe haben
kann. Dass eine schädliche Erwärmung der tiefer liegenden Gewebe
nicht eintritt, konnte auch durch eine Reihe histologischer Unter¬
suchungen bekräftigt werden. Die Finsenbehandlung als eine
Wärmebehandlung aufzufassen, ist man danach nicht berechtigt
5. Posner, Berlin: Zur Histologie des gonorrhoischen
Eiters.
Die Untersuchungen, denen ein Material von 204 Fällen männ¬
licher Urethritis zugrunde lag, ergaben folgende Resultate: 1. Va-
cuolen finden sich in polynucleären und uninucleären Leucocyten,
und zwar in allen Stadien. Sie sind ein Zeichen stattgehabter
Phagocytose; für Gonococcen sind sie nicht allein spezifisch; diag¬
nostische Schlüsse erlauben sie nicht. 2. Uninucleäre basophile
Zellen trifft mau ebenfalls in jedem Stadium der Gonorrhoe an,
auffeillend zahlreich aber meist nur in den ersten Tagen der Er¬
krankung und in sehr chronischen Fällen. 3. Auch Elosinophile
kommen vereinzelt immer vor; der Höhepunkt ihres Auftretens
fällt in die vierte und fünfte Krankheitswoche. Ihr zahlreiches
Auftreten spricht für echte Gonorrhoe. 4. Der Befund von soge¬
nannten Kugelkernzellen legt den Gedanken nahe, dass entweder
nie eine echt gonorrhoische Infektion bestanden hat, oder dass die
Eiterung nicht mehr durch die Gonococcen allein, sondern durch
andere Mikroorganismen oder Toxine im Gange gehalten wird.
6. Halle, Berlin: Externe oder interne Operation der
Kebenhöhleneiternngen. (Schluss aus No. 42.)
Die längeren Ausführungen sind kurz dahin zusammenzufassen,
dass 1. in jedem Falle von rhinogenem Empyem in erster Linie
die physiologische Atmung herzustellen ist; dass 2. in jedem Falle
versucht werden muss, durch eine breite AbflussöflFnung nach der
Nase zu eine Heilung herbeizuführen; dass 3. auch die Stirnhöhle
in einer grossen Anzahl der Fälle, vielleicht in der Mehrzahl, be¬
quem und gefahrlos von innen her eröffnet werden kann, nach
einer eingehend dargelegten Methode (dabei wird eine elektrisch
betriebene bohrende Fräse, die mit einem besonderen Schützer
armiert wird, benutzt); dass 4. bei gleich profus bleibender, bezw.
lange persistierender Eiterung, ebenso bei vitaler Indikation die
Operation von aussen auszuführen ist, dabei aber die Weiterbe¬
handlung auch zweckmäßig von innen geleitet wird, wenn nicht
eine völlige Verödung der Höhle durch Zugranulierung erstrebt
wird.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 42.
1. von Noorden, Wien. Ueber die Aufgaben des Unter¬
richts in der medicinischen Klinik.
Rede, gehalten bei Eröffnung der I. medicinischen Klinik
in Wien.
2. Bartel, Wien. Ueber die Beziehungen zwisehen Organ-
zelle und Tuberkuloseinfektion.
Studien über den Aufbau und die Entwickelung des lympha¬
tischen Gewebes, über die Schutzwdrkung des lymphoiden Gewebes
gegenüber der Tuberkuloseinfektion, Impfversuche mit Tuberkel-
bacillen, die durch verschiedene organische Substanzen in ihrer
Virulenz abgeschwächt waren, haben gezeigt, dass die manifest
tul^erkulüsen Prozesse im Organismus durch mehrere Momente be¬
dingt sind. Einmal ist der Grad der Virulenz des Infektions¬
trägers zu beachten, zum zweiten die Resistenz der infizierten
Organismen; auch im Einzelorganismus sind Stellen mit höherer
oder geringerer Widerstandskraft gegenüber dem tuberkulösen
Prozess, gegeben durch den Grad der Entwicklung, die Art der
Zelle und Schädigung des Gewebes, anzunehmen. Speziell erscheint
die Lunge mit ihrem zugehörigen lymphatischen Apparat als ein
„locus minoris resistentiae“ geeignet, die häufige, manifest tuber-
oogle
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
491
kaldse Erkrankung daselbst zu erklären, auch ohne die zwingende
Annahme, dass gerade an dieser Stelle die häufigste Eintrittspforte
des tuberkulösen Virus zu finden sei. Ein Standpunkt, der bei
Beurteilung der häufigsten Invasionspforten das alleinige Gewicht
auf die manifest tuberkulöse Erkrankung legt, ist abzulehnen,
vielmehr das Hauptgewicht, nicht das alleinige Gewicht, auf ein
früheres Stadium, das der Inkubation, zu verlegen.
3. Pfeiffer, Graz. XTeber Antolyse leukämischen und
leukosytotisohen Blutes.
Von dem Gesichtspunkte aus, dass die weissen Blutkörperchen'
leukozytotischen Blutes sich nach Eermentgehalt und -bindung nicht
von! normalen unterscheiden, möglicherweise aber durch ihre Menge
Wirkungen erkennen lassen, welche im normalen Blute keine i
messbare Grösse erreichen, wurde dio Autolyse des Blutes von
Leukozytosen mit jener von Leukaemien verglichen. Die Versuche
ergaben, dass die Autolyse keine charakteristische Eigenschaft
leukämischen Blutes ist. Vielmehr enthalten wenigstens die neu¬
trophilen, polymorphkernigen Leukozyten regelmäßig ein eiweiss-
spaltendes (nicht nur spezifisch autolytisches) Ferment: je grösser
ihre Zahl in der Volumeinheit Blut ist, desto ausgiebiger verläuft
die Bildung „incoagulablen“ Stickstoffs; nur deshalb ist sie im
leukämischen Blute am grössten, geringer im leukozytotischen, am
kleinsten im normalen Blute; doch wird sie auch in letzterem bei
genügend langer Versuchsdauer deutlich.
4. Zirkelbach, Budapest. Ein Fall von orthostatischer
Albnminnrie.
Der Kranke, ein 22jähriger Mann, schied im Stehen und
Gehen Albumen bis zu 0,S°/oo aus, während in der Ruhe, meist
schon nach einer halben Stunde die Ausscheidung sistierte; gleich¬
zeitig im Stehen bemerkenswerte Erhöhung des Blutdrucks. Die
onliostatische Albumiüurie wird als eine physiologische betrachtet.
Sie bat ihren Grund wohl in gemeinsamen Störungen des Nieren¬
parenchyms und der Zirkulation. Die Ursache der Parenchym-
veränderung ist wahrscheinlich in einer ererbten oder zugezogenen
Schwäche zu sehen. Als Ursache für die Zirkulationsstörung
kommt als Hauptfaktor der nervöse Zustand in Betracht; bei den
meisten Kranken ist der Habitus neurasthenicus nachweisbar.
Die Prognose quoad vitam ist absolut gut, quoad restitutionem
günstig, da Heilung meist, wenn auch erst nach Jahren eiatritt.
Die Therapie hat imi wesentlichen eine vorbeugende, Schädigungen
femhaltende zu sein.
5. Grossmann, Wien. Die Bebandlnng der Tobias mit
perineuralen KoobBaMnfiltrationen.
Unter peinlicher Asepsis wird mit einer Spritze, die mit 8 cm
langer Nadel armiert ist, in der Mitte einer Trochanter major und
Tuber isohii verbindenden Linie eingestochen, bis der Nerv erreicht
ist, was sich durch Schmerz und Paraesthesien kundgibt, und dann
50 bis 100 ccm 0,6 % Koch^lzlösung injiziert. 15 Fälle wurden
auf diese Weise behandelt. Das auffälligste war die unmittelbare
Wirkung auf den Schmerz; Patienten, die vorher fast unbeweglich
gewesen waren, stiegen nach der Injektion ohne Unterstützung
vom Operationstisch, üeble Nebenwirkungen wurden nie beobachtet.
11 Patienten wurden geheilt, 3 gebessert, nur 1 blieb unbeeinflusst.
Die perineurale Infiltration ist kein absolutes Heilmittel der Ischias,
aber in Kombination mit andern physikalischen, besonders thermo-
therapeutischen Einflüssen ein Verfahren, das in den meisten Fällen
zum Ziel führt. Als schmerzstillendes Mittel verdient der einfache
und gefahrlose Eingriff in erster Linie empfohlen zu werden.
6. Mann, Triest. Das Serum Harmorek bei Lungentuber*
kulose.
Benutzt wurde die rektale Einverleibungsmethode: 5 ccm pro die
21 Tage lang, dann mit je 8 Tagen Pausen noch 2 solcher
Perioden. Die Versuche worden an 23 Kranken angestellt, mittel-
schwere Fälle (ein- oder beiderseitige Spitzen- resp. Lappen¬
affektionen, Enteritis tuberculosa, Tabes mesaraica); bei allen war
die Anwesenheit des Kochscben Bacillus festgestellt. Die End¬
resultate waren: 1 Fall geheilt, 2 gebessert, aber nach kurzer
Zeit wieder verschlimmert, 7 ungebessert, 3 sichtlich verschlimmert,
8 gestorben, davon 2 während der Behandlung, 6 im Laufe der
Zeit. Bei 5 zur Autopsie gekommenen ergab sich eine sehr anf-
filllige Ausbreitung des tuberkulösen Prozesses auf der Lnngen-
oberfiäche, mit kavernöser Einschmelzung der Infiltrate und
peribronchitischen Abszesschen, ein Bild, das den Eindruck machte,
als ob das Serum, statt die Wirkung der Bacillen zu hemmen,
ihrem spezifischen Zerstörungsprozesse Vorschub geleistet hätte.
Das Resultat der Versuche mit dem Marmorek-Serum ist also als
ein absolut negatives zu bezeichnen.
7. Stein, Budapest. Eine Universalblende.
An der Hand von Zeichnungen wird eine Blende für Röntgen¬
untersuchungen beschrieben, die sowohl den Untersucber gegen die
Röntgenstrakleu schützen soll, als auch Durchleuchten und alle
Aufnahmen ermöglicht.
Bücherbesprechung.
Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen. Her¬
ausgegeben von Dr. med. Magnus Hirschfeld. VII. Jahrgang,
I. und II. Band,
Eingeleitet wird der neue Band des Jahrbuches mit einer
juristischen Studie über den § 143 des preussischen Strafgesetz¬
buches, der als § 152 im Entwürfe des Str. G, B. für den Nord¬
deutschen Bund erscheint. Zur besseren Kenntnis des anonymen
offenen Briefes (der dem Schriftsteller Kertbenz zugeschrieben
wird) an den Justizminister Leonhardt, wird zunächst der § 143,
später 152, die Motive dazu und ein Gutachten der wissenschaft¬
lichen Deputation von 1869 angeführt. Der offene Brief legt die
Gründe dar, aus denen der § 143, welcher die widernatürliche
Unzucht unter Personen männlichen Geschlechtes oder Menschen
mit Tieren bestraft, im neuen Gesetzbuch fallen sollte.
Die erbliche Belastung des Zentralnervensystems bei
Uraniem, geistig hemmenden Menschen und Geisteskranken be¬
handelt von Römer, Amsterdam.
Er kommt zu einer Reihe von zehn Thesen, die durch Tabellen
unterstützt werden, es ergeben sich dabei recht merkwürdige Ge¬
setzmäßigkeiten , die aber noch sehr der kritischen Nachprüfung
bedürfen.
Höchst anfechtbar scheint nur Max Kattes Aufsatz über
„visile Homosexuelle“. Er will nachweisen, dass die Abneigung
der Homosexuellen gegen die H,—S. sich auf mangelhafte Kennt¬
nis der letzteren stützt, sie hätten immer nur die feminiren H. S,
im Auge, während es eine grosse Zahl visile H. S, gebe, bei denen
das Verhältnis der männlichen zu den weiblichen Eigenschaften
näher am ersten liege, als bei den feminiren. Der visile H. S.
sei deswegen namentlich hervorragend als feinsinniger Dichter,
Künstler, Philosoph, während dem hervorragenden Homosexuellen
sich nach den Gebieten sein fnännlichen Können auszeichnet.
Eine Charakteristik des visil Homosexuellen schreibt ihm männ¬
lich charakteristische, abgerundete Bewegungen zu, Neigung zu
Beschäftigung männlichen Charakters, entwickelte Logik neben
Verständnis für Musik und Poesie, im Verkehr bevorzugter Jüng¬
linge zarten anschmiegenden Wesens; ist ihnen Führer und Er¬
zieher.
Dr. 0. Kiefer entwickelt die Stellung Platos zur Homo¬
sexualität, ohne etwas wesentlich Neues zu sagen.
Dr. Anne Rülings Rede: „Welches Interesse hat die Frauen¬
bewegung an der Lösung des homosexuellen Problems“ hat bereits
ihre Besprechung im Bericht über die Jahresversammlung von 1904
gefunden und es wird hier auf diese verwiesen.
Bertz sucht den Amerikaner Walt Whitmann (Dichter)
als Edel-Uranier zu erweisen.
Die Beschuldigung der Paederastie des Reformators Jean
Calwin wird durch H, J, Sohonten-Utrecht als eine Ver¬
leumdung durch seine Gegner nachgewiesen.
Die Biographie der vierge rouge Louise Michel,
von Karl Frhr. v. Levetzow, wird jeder mit Interesse lesen.
V. Beulwitz wundert sich, dass Zola, der doch alle sexuellen
Beziehungen in seinen Romanen ei^ähnt, an dem homosexuellen
Problem schweigend vorübergeht, nur an einer Stelle tut er eines
homosexuellen Vorkommnisses Erwähnung. Aufklärung gibt ein
j Schreiben Zolas an Dr. Laupt in Lyon, in dem er sein hohes
I Interesse an dem Gegenstand bekundet und erwähnt, er freue
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492
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 45.
sich, dass ein Gelehrter sagen dürfe, was er nicht gewagt habe
zu sagen.
Entwarf zu einer reizphysiologischen Anal3'se der erotialen An¬
ziehung unter Zugrundelegung vorw'iegend homosexuellen Materials
von Benedikt Friedläuder, betitelt sich ein Aufsatz, der zunächst
die Berechtigung der modernen Reizphysiologie für viele tierische
Funktionen erweist, dann aber dazu Übergeht, die Wurzeln der
Erotik in bestimmten Reizen nachzuweisen; eine Enquete ergab,
das.s die Gesichtswahrnahme der am meisten wirksame Reiz
ist; die Geruchswahrnahme ist bekanntlich ebenfalls von grosser
sexueller Bedeutung j Homosexuelle bezeichnen den Geruch des
Weibes aks widerwärtig; es handelt sich in der menschlichen
Erotik um positive oder negative Chemotaxis.
Eines der schwerwiegendsten Bedenken gegen die legale Frei¬
gabe und die soziale Anerkennung de.s homosexuellen Verkehrs be¬
steht in der Befürchtung der Verweichlichung der Rasse und des
Eintretens kriegerischer Untüchtigkeit. Benedikt Friedländer weist
an dem Beispiel der Hellenen, der Japaner die Unhaltbarkeit dieser
Befürchtung nach.
Neugebauers Zusammenstellung der Literatur über den
Hermophoditiam beim Menschen w'cist 2072 Nummern auf.
Band VI enthält die Bibliographie der Homosexualität für
1904 von Anne Praetorius und den Jahresbericht 1904—05 von
Dr. M. Hirschfeld selbst. Dr. G. Flatau, Berlin.
Vermischtes.
Die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts¬
krankheiten, Ortsgruppe Berlin, veranstaltet am Freitag, den
2. November, abends 8 Uhr, im Arclntektenhause einen öffent¬
lichen Vortragsabend. Auf der Tage.sordnung steht ein Vortrag
des Geh. Med.-Rats Prof. Dr. A. Eulenb\irg über Geschlechts¬
leben und Nervensystem. Der Zutritt ist jedermann gestattet.
Der Verband der Aerzte Deutschlands zur Wahrung
Ihrer wirtschäfllichen Interessen teilt folgende Anstellungs¬
bedingungen für Schiffsärzte, welche den Rhedereien zur
Richtschnur dienen sollen, mit:
1. Gehalt: a) Monatliclies Mindestgehalt für überseeische
Fahrten: im 1. Jahre: 175 Mark, im 2. Jahre: 200 Mark, im
3. Jahre: 250 Mark; b) Monatliches Mindestgehalt für Küsten-
fahrten (z. B. China uff.): 1. Halbjahr: 250 Mark, 2. Halbjahr:
300 Mark. Bei erfolgreichem Absolvieren eines Kursus im Tropen-
hygienischen Institut-Hamburg erhöben sich die Sätze um je 25
bis 50 Mark.
2. Barauszahlung der üWichen Getränkekompetenzen von zwei
Mark täglich.
3. Wegfall der Bestimmung, „Schiffsärzte nicht länger als
drei Jahre im Dienste zu laasen“, und Gewährung regelmäßiger
Zulagen bei längerer Dienstzeit.
4. Behandlung von Kajütpassagieren: Der Schiffsarzt hat das
Recht, von Kajiitpa.ssagieren 1. Klasse für ärztliche Behandlung
angemessene Bezahlung zu verlangen.
5. Alle reklamenhaften Hinweise auf die „Verpflichtung des
Arztes zur unentgeltlichen Behandlung und Abgabe von Arzneien“
sind aus den Passagierlisten wegzulassen, weil geeignet, über¬
mäßige Ausnutzung de.s Arztes zu veranlassen und sein Ansehen
zu schädigen. Ebenso sind auf den Schiffen alle Plakate, Aus¬
hänge oder anderweitige Hinweise auf die Kostenlosigkeit der ärzt¬
lichen Behandlung und Arznei zu entfernen.
6. Rangstellung an Bord. Der Schiffsarzt hat den Rang
eines 1. Offiziers; er verzichtet aber auf die äusseren Abzeichen
eines solclien. Besteht Uniforinzwang, so trägt er nur Aeskulapstab
(keine Streifen) und Samtkragen. (Vorschlag von seiten des „Deut-
sclieii Schulschiff-Vereins“: Blauer Samtkragen und Aeskulapstab.)
Besteht kein Uniformzwang, so entfällt die Frage der äusseren
Abzeichen von selbst („Nordd. Loyd“): in diesem Falle ist Dienst¬
mütze zu tragen.
7. Wegfall des Rechtes des Kapitäns, dem Arzt in fremden
Häfen den Landurlaub zu verweigern. Beim Verlassen des Schiffes
hat der Arzt dem Kapitän oder seinem Stellvertreter Meldung zu
erstatten. Er verlässt das Schiff unter voller eigener Verant¬
wortung.
8. Bei Uniformzwang ist von den Rhedereien ein angemessener
Zuschuss zur Anschaffung der Uniform zu leisten.
9. Arztkabine. Dem Arzt ist eine seinem ,Rang entsprechende“
— in Lage, Grösse und Ausstattung nicht hinter den Kabinen der
Schiffsoffiziere gleichen Ranges zurückstehende — Kabine an¬
zuweisen.
10. Apotheke. Das Unterbringen der Apotheke im Arzt¬
zimmer ist aus hygienischen und anderen Gründen unzulässig.
Für die Apotheke ist ein besonderer Raum in einer Grösse, die
das Abhalten der ärztlichen Sprechstunden gestattet, einzurichten.
Bdriin. Herr Geheimrat Bernhard Fraenkel ist zum
Ehrenmitgliede der Berliner medicinischen Gesellschaft erwählt
worden. Damit haben die grossen Verdienste, die Fraenkel sich
während der 2öjährigen Periode seiner Tätigkeit als geschäfts¬
führender Schriftführer um die Entwickelung und das Gedeihen
der Gesellschaft erworben hat, die gebührende Würdigung und
Anerkennung gefunden.
Zur Feier des 70. Geburtstages der Professoren Waldeyer
und Exz. V. Bergmann findet am 13. Dezember ein vom Aka¬
demischen Verein für Naturwissenschaft und Medicin an der
Universität Berlin veranstalteter Festkommers statt.
Anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Dr. Immelmann’s
trefflich geleitetem Institut für Röntgenstrahlen und orthopaedische
Therapie hielt die Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins da¬
selbst am 22. d. M. eine Festsitzung ab, in welcher Herr Immel-
mann zahlreiche Patienten, Röntgenaufnahmen imd Apparate
vorführte. HerrHoffa beglückwünschte ihn namens der Spezial¬
kollegen zu den schönen, von ihm erzielten Erfolgen, über welche
eine reich illustrierte Festschrift „Zehn Jahre Orthopädie und
Röntgenologie“ in Übersichtlicher Darstellung berichtet.
Bochum. Prof. Dr. Loebker, Vorsitzender des Deutschen
Aerztevereinsbundes und Chefarzt des Krankenhauses Bergmanns-
heil zu Bochum, ist zum Geheimen Medicinalrat ernannt worden.
Drei Millionen Merkblätter. Eine Aktion grossen Stils hat
neuerdings die Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten ausgeführt. Durch die wider¬
spruchsvolle Rechtsprechung, welche den Krankenkassen Ausgaben
zu hygienischen und prophylaktischen Zwecken hier gestattete,
dort versagte, und durch das rigorose Vorgehen einzelner Ver¬
waltungsbehörden sind bei den Kassenvorständen vielfach Bedenken
über die Zulässigkeit derartiger Ausgaben, wie sie früher von den
Behörden nicht nur nicht beanstandet, sondern sogar ausdrücklich
gutgeheissen wurden, entstanden. Die Deutsche Gesellschaft
zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten bat nun
nach Uebereinkunft mit der Zentrale für das deutsche Kranken-
kassenwesen, welcher zurzeit 1450 Kassen mit über drei Millionen
Mitgliedern angeschlossen sind, dieser zur Verteilung an ihre Mit¬
glieder ebensoviele Exemplare des „Merkblattes“ und des „Prauen-
merkblattes“ unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Selbstver¬
ständlich kann es nicht Aufgabe einer mit bescheidenen Mitteln
arbeitenden Gesellschaft sein, eine solche Massenverbreitung, die
einen Kostenaufwand von ca. 8000 Mark erfordert, zu einer
dauernden Institution zu machen, doch wird einstweilen bis zur
definitiven Regelung dieser Frage durch die in Aussicht stehende
Reform des Krankenkassengesetzes ein momentanes dringendes
Bedürfnis befriedigt.
Ueber die wohl eeboa in Äerzte-Ereisen bekannten, höchst ele^nten
und praktischen Instramenten-(Jalousie«) Schränke der^rma
R. Neubauer & Co. inDreedon-A. 21 (goer. 1894) liegt in der heutigen
Nummer ein Prospekt, spezieil über die Marke .Eios*' toi, welcher eine
höchst vorteilhafte Vo rzugsofferte für die Herren Aerzte enthält.
Jo eher man eine Bestellung gegen Barzahlung aufgibt, desto hoher ist
die angebotene Ermäßigung. Man lese den Prospekt recht sorgfältig durch
und man wird finden, dass die Firma R. Neubauer & Co. auch gegen monat¬
liche Toilzahlungeu von k M. 6,— allerdings nicht zum Vorzugspreise —
diese herrlichen Instrumenten- (Jalousie-) Schränke liefert.
Verantwortlicher Redakteur : Dr. P. Meisiner, Berlin W, 69, Kurffiratenttr. Sl. — Verla( tob Carl Marhold, Halle
Draek tob *ier HevBoniBna’teheB Bnchdmdcorei, Oebr. Wolff, Balle b. S.
B. S.
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Medicinische Woche
Deotscbmann, A. Dflhnseo, A. Hotta, E. Jacobi,
Hamburg. Berlin. Berlin. Freiburg 1. Bt.
H. Senator, R. Sommer.
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl Marhold la Halle a» 5*« Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Mailiold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppeo, K. Partseb, tt. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unverricht, A. Votsins,
Magdeburg, Giessen.
Redaktion:
Berlin W. 62, Karfflratenstraane 61*
Dr. P. Meißner.
VIL Jahrgang.
12. November 1906.
Nr. 46.
Die .Mediclniscbe Woche* erscheint jeden Montag mit der Utflgigen Beilage BalnCOlogiSChe Ccntralzeitung, Organ des SchwarzwaldbSdertages,
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jlbrlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a. S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum
mit so Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezelle 1,50 M. Bei grSberen Aufträgen wird Rabatt gewibrt.
Nachdruck der Origlnal-Aufsltze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originalien.
Heber therapeutische Verwendung von
Tuberkulin*).
Von Dr. Koch, Marine*Stabsarzt a. D.,
Chefarzt des Sanatoriums fOr Lungenkranke.
Von den spezifischen Mitteln, welche in Deutschland gegen
die Tuberkulose angewandt werden, komiuen zur Zeit wohl nur
die drei Koch sehen Tuberkulin-Präparate, das Alt-Tuberkulin
(A. T.), das T. R. und das Neu-Tuberkulin, die Bazillenemulsion
(B. E.) in Betracht.
Das neue Behringsche Mittel, die Tulase, ist nur an
einige wenige Kliniken abgegeben worden, in welchen seine
Anwendung von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig
gemacht worden ist; es wird aus Tuberkelbazillen gewonnen,
soll aber von dem Kochseben Tuberkulin prinzipiell ver¬
schieden sein. Wie Behring den französischen Aerzten kürz¬
lich bei ihrem Besuche in M^burg mitgeteilt hat, ist es ihm
geglückt, mit Hilfe dieses neuen Mittels Tiere gegen eine In¬
fektion mit virulenten Tuberkelbazillen zu schützen; die Ge¬
winnung eines Serums, etwa ähnlich dem Diphtherie-Serum,
sei bisher nicht gelungen, sei auch für die Zukunft zweifelhaft.
Es sei nicht unmöglich, dass durch Verfütterung der Tulase
Schutz- und Heileffekte erzielt würden. Durch Einspritzungen
unter die Haut seien skropbulöse und tuberkulöse Erkrankungen
von Kindern beeinflusst worden.
Das Spenglersche Perlsucht-Tuberkulin, das Marmo-
reksche Heilserum, das Denyssche und Beranecksche Tu¬
berkulin sind bis jetzt in Deutschland nur in vereinzelten Fällen
angewandt worden.
Das Alt-Tuberkulin (A. T.) wird aus Tuberkelbazillen¬
kulturen bereitet, welche 6 Wochen lang auf Kalbfleischbouillon
mit Pepton und Glyzerin gewachsen, durch Tonfilter filtriert
und auf '/lo ihres Volumens eingedampft sind; es stellt ein
dickflüssiges braunes Extrakt dar.
Das T. R ist die untere Schicht der nach dem Zentri¬
fugieren ‘in destilliertem Wasser aufgeschwemmten Bazillen-
leiber; zur Herstellung werden vollvirulente Tuberkelbazillen-
kultoren im Achatmörser zerrieben. Auf diese Weise sollten
die Tuberkelbazillen resorbierbar gemacht werden. Die beim
Zentrifi^eren entstehende obere Schicht wurde von Robert
Koch T. 0. genannt.
Das Neu-Tuberkulin, die Bazillenemulsion (B. E.), ist eine
Aufschwemmung pulverisierter Tuberkelbazillen in Wasser mit
Zusatz gleicher Teile Glyzerin. Es enthält sowohl die Bestand¬
teile des früheren T. R, d. h. die zerriebenen Bazillenleiber, als
auch diejenigen des T. 0., d. h. die löslichen und toxischen
*) .Vvrtrftg, gehalten auf der YI. äTztlichen Studienreue.
Bestandteile der Bazillen. Es soll im Gegensatz zum A. T.,
welches auf das tuberkulöse Gewebe direkt ein wirkt, immuni¬
sierende Eigenschaften besitzen und eine unmittelbare Abtötung
der Tuberkelbazillen durch neugebildete lmmunstofi“e bewirken.
1 ccm B. E. enthält 5 mg der pulverisierten Tuberkelbazillen.
Während nach Robert Koch das A- T. sich nur für ganz
fieberlose Fälle mit einer Maximaltemperatur von 37® eignet,
bildet bei der B. E. Fieber keine Kontraindikation; er en^fiehlt
es auf Grund seiner ßehandlungsresultate auch bei Fieber¬
kranken des zweiten und dritten Stadiums.
Die Ansichten über den therapeutischen Wert dieser Tu¬
berkulinpräparate sind noch sehr geteilt.
De la Camp verwirft das Tuberkulin als Therapeutikum
wegen der unabsehbaren Schädigungen des Kranken und weil
die Heilwirkung eine ungewisse sei, ebenso Schröder.
Köhler steht den Berichten über die erfolgreiche An¬
wendung sehr skeptisch gegenüber; er sagt, bis auf weiteres
läge kein Grund vor, von imn seither bewährten Prinzipien der
in den Lungenheilstätten geübten physikalisch-diätetischen Be¬
handlung zugunsten der ihr nicht überlegenen und dabei nicht
einmal als ungefährlich zu erklärenden wiederanftauchenden
Tuberkulin-Therapie abzuweichen.
Lüders warnt vor dem Gebrauch der Tuberkulin-Prä¬
parate bei kombinierter Tuberkulose der Lungen und des Kehl¬
kopfes.
Weischer hat im Anschluss an eine Pleuritis sicca nach
Injektion von 2 mg eine schwere exsudative Rippenfellent¬
zündung auftreten sehen, die er auf das Tuberkulin zurückführt.
Krapf erwähnt zwei Fälle, die schwer durch Tuberkulin
geschädigt worden seien: schnelles Fortschreiten der Phthise
m dem einem Falle; im anderen, der an Nierentuberkulose litt,
brach nach Beendigung der Tuberkulinkur eine akute Miliar¬
tuberkulose aus.
Wegner sah keinen Nutzen davon, ihm ist die Kurdauer
zur Dur(3iführung einer erfolgreichen Tuberkulinkur zu kurz,
was auch Ritter bedauert, der dem Mittel sonst sympathisch
gegenüber steht.
Rumpf will es angewandt wissen bei allen Fällen, die
durch die physikalisch-diätetische Methode allein nicht recht
weiterkommen.
Röpke nennt es ein sicheres Heilmittel bei der Kehlkopf¬
tuberkulose; er sah bei leichter Larynx und leichter Lungen¬
tuberkulose besonders gute Erfolge, aber auch bei schweren
Fällen von Larynxtuberkulose, kompliziert mit leichter Lungen¬
tuberkulose, gute Erfolge.
Nach Amreim, welcher 24 Fälle mit A. T. und einzelne
mit T. R. behandelt hatte, beeinflusst es im allgemeinen den
Krankheitsprozess und die ganze Konstitution günstig.
Lüdke erklärt, wenn er auch eine Tuberkulose-Heilung
nie habe konstatieren können, so vermöge er doch, soweit ihn
die Mehrzahl seiner Beobachtungen lehre, im Verein mit einer
Linderung der Beschwerden der Tuberkulösen eine Kräftigung
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 46.
4 )4
ihies Allgemeinzustandes, die sich im Gefolge der Tuberkulin-
Injektion einstellte, zu konstatieren, und darum gäbe er der
Tuberkulin-Ther^ie den Vorzug vor jeder spezifischen Be¬
handlungsweise der Lungentuberkulose.
Nach Philippi haben von 28 Patienten, welche Tuberkel¬
bazillen im Auswurfe hatten, 12 = 42,9% ihre Bazillen durch
Tuberkulin verloren, während von den Nichtgeimpften nur 11
von 98 = 11,270 so glücklich waren.
Mo eil er konnte in allen Fällen, in welchen er Tuberkulin
zu therapeutischen Zwecken anwandte, einen guten Verlauf der
Kur, d. h. stetig fortschreitende Besserung des Lungenbefundes
bei gutem Allgemeinbefinden beobachten; er sah bei der kom¬
binierten Behandlung 36,8% Heilungen, bei der hygienisch-
diätetischen Methode allein 10,9%.
Ganghofner ist vom Werte des A. T. bei Anwendung
im Eandesalter fest überzeugt.
Nach Sahli sind mit allen Tuberkulinen recht schöne Er¬
folge zu erzielen; es komme nicht auf das Spezifikum, sondern
die Art seiner Anwendung an. Eine Tuberkulinkur soll mög¬
lichst mild und reaktionslos sein. Seine Erfahrungen beziehen
sich auf das alte und neue Eochsche, sowie auf das Denys-
sche und Beranecksche Tuberkulin.
Kraemer kommt in seinen Studien über Heilung und
Ausrottung der Tuberkulose zum Schluss, dass eine klimatisch¬
hygienisch-diätetische Kur unter den ide^sten Bedingungen im
Hochgebirge oder anderen Klimateu nur bei gleichzeitiger Tu¬
berkulin-Behandlung eine völlige anatomische Heilung gewähr¬
leisten könne.
Im Gegensatz zu allen Anderen, welche Fieber für eine
Kontraindikation halten, hat Aufrecht hartnäckiges Fieber im
vorgerückten Stadium durch kleinste Dosen günstig beeinflusst.
Andere, zum Teil begeisterte Anhänger der Alt-Tuberkulin-
therapie sind Biedert, Petruschky, Roemisch u. a. m.
Ueber günstige Erfolge mit B. E. berichtet Krause. Er
hat Patienten, welche aus irgendwelchen Gründen der Heil¬
stättenbehandlung nicht teilhaftig werden konnten, der Tuber¬
kulintherapie unterzogen und hatte in allen Fällen günstige
Wirkung zu verzeichnen. In den meisten Fällen verschwanden
die subjektiven Beschwerden und katarrhalischen Erscheinungen,
und in vielen Fällen wurde auch eine wirkliche Heilung er¬
reicht. Das Fieber wurde ausnahmslos für die Dauer beseitigt.
Holdheim erzielte ebenfalls gute Erfolge bei ambulanter
Behandlung.
Feuilleton.
EmpfehliiBg der Schntzpockenimpfimg
durch einen Arzt im .Jahre 1762.
Von Dr. Gä1;jen.
(Schluss.)
„Da die Sache sich so verhält, ist es zu vermuthen, dass
ein vernünftiger Vater, der seine Kinder wahrhaftig liebt,
nicht glauben sollte, seine Pflichten zu erfüllen, und den Be¬
wegungen einer erleuchteten Zärtlichkeit zu folgen, wenn er
sie über das Bret in der Einstigsten Zeit gehen lässt, wenn
schon einer von 200 in Gefahr kommt und nicht lieber warten
wdll, bis sie von den Schicksal geführt werden, wo alleinahl
von 10 einer zu Grunde gehet. Wenn dieses Gleichnis richtig
ist, 80 dünkt mich, es seye sehr schwehr dem Schlus.s zu
widerstehen.“
Doch er begründet seinen Lesern auch mit wissenschaft¬
lichen und historischen Beweisführungen seine Ansicht von
der grossen Nützlichkeit der Impfung. Er beschreibt ihnen
kurz, was man unter Einpfropfung versteht, erzählt ilmci), dass
„diese Art zu handeln in China und in den grossen Indien
von undenklichen Jahren her in Uebung gewesen“, ebenso in
Krüger hat die schönsten Erfolge gerade bei der mit
der Pubertät beginnenden Tuberkulose ges^en.
Elsaesser hat besonders gute Erfolge gesehen, was die
Entfieberung betrifft, konnte aber auch an den Lungen teilweise
ganz entschiedene Besseiningen konstatieren.
Bandelier empfiehlt die B. E. warm; er sah bei allen
Stadien günstige Enolge, nachdem die hygienisch-diätetische
Methode allein keine Fortschritte hatte erkennen lassen.
Nagel berichtet eingehend über 183 von Bandelier mit
B. E. behandelte Kranke und gibt an, dass die B. E. gerade bei
offener Tuberkulose mit unleugbarem Vorteile angewandt worden
sei; es handle sich hierbei, wie aus den Nachuntersuchungen
hervorgehe, fast durchweg um Dauererfolge.
Pickert teilt mit, dass er Besserungen erzielt habe, wie
er sie bei der hygienisch-diätetischen -Methode allein nicht an¬
nähernd hätte erwarten dürfen.
Schräder hat Erfahrungen gemacht, welche ihn zum
Fortsetzen seiner Versuche ermutigen; er ist aber ein Gegner
des A. T.
Moeller hat noch kein abschliessendes Urteil über die
B. E., sondern meint, es. bedürfe noch weiterer Beobachtungen,
um festzustellen, in welchen Fällen At, T. und in welchen N. T.
indiziert sei.
Ein begeisterter Anhänger ist Poeppelmann; nach ihm
heilt die Tuberkulinkur doppelt soviel Fälle beträchtlich gründ¬
licher, als die Freiluftbehanmung allein.
Dagegen haben Jürgens und Kraus Verschlimmerungen
nach der Anwendung von B. E. gesehen; letzterem bestätigten
seine Tierversuche die Kochschen Versuche, während er mit
der klinischen Anwendung schlechte Erfahrungen machte.
Kremser ist von dem Mittel abgekommen wegen der
häufig auftretenden starken Reaktionen.
Nach dem letzten Jahresbericht des deutschen Zentral¬
komitees zur Bekänmfung der Tuberkulose werden die Tuber¬
kulinpräparate zur Zeit in 33 deutschen Heilstätten therapeu¬
tisch verwertet.
Das T. R. ist in der letzten Zeit wiederholt von den Oph¬
thalmologen angewendet worden.
von Hippel empfiehlt es mit grosser Wärme bei Tuber¬
kulose des Auges.
Schleich hat in einem Falle von Cborioideal-Tuberkel
einen ganz vorzüglichen Erfolg gesehen; bei der Mehrzahl
seiner Fälle ist ein sichtbar günstiger, zum Teil ganz ausser¬
ordentlich guter Erfolg erzielt worden.
Georgien, Cirkassien Constantinopel und einigen Provinzen von
Afrika.
Nur die Art und Weise der Einpfropfung sei verschieden
gewesen. Er erwähnt auch, dass die bekannte Lady Wortley
Montague, die Gemahlin des englischen Gesandten in Constan-
tinopel, im Jahre 1712 die Impfung in ihrer Heimat eingetdhrt
habe. Von London aus habe sich dann die Einpfropfung
durch ganz England, die amerikanischen Kolonien und einzelne
Staaten von Europa verbreitet. ^Fast allenthalben musste sie
Widersprüche erfahren, ein Schicksal, welches sie mit allen
nützlichen Erfindungen zu allen Zeiten gemein hat. An einigen
Orten hat sie solche überstiegen und sich festgesetzt; in
einigen andern ist sie noch schwankend. Es giebt Oerter, wo
man sie wieder verworfen hat, nachdem sie durch Unklugheit
in der Ausübung in einen schlimmen Ruf gefallen; man darf
also nur von der Zeit, dem einzigen Zerstörer der Vorurtheilen,
eine allgemeine Einführung derselben hoffen.“
Von einer „allgemeinen Einführung“, wie Tissot sie von
der Zeit erhoffte, kann auch jetzt, am Anfang des XX. Jahr¬
hunderts, nicht die Rede sein, wenn auch die zwangweise
Schutzpockenimpfung mit animaler Lymphe in den meisten
Kulturstaaten im Wege der Gesetzgebung eingeführt worden ist.
Er verkennt nicht die Regungen des Zweifels vieler Men¬
schen, ob es denn richtig sei, einem gesunden Körper eine
Krankheit beizubringen und er meint, es müssten ohne allen
Zweifel sehr wichtige Gründe sein, welche diesen Entschluss
zeitigten. Diese Gründe findet er in dem Charakter der Pocken,
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
495
Elsaesser berichtet über eine geheilte doppelseitige Iris*
Tuberkulose; der Lungenbefund wurde vollständig normal.
Dahingegen warnt Michel vor dem Gebrauche der Tuber-
kuli^räparate bei Augentuberkulose, und nach anderen sind
die Erfolge recht ungewisse und zweifelhafte.
Renn er t teilt einen mit T. R. geheilten Fall von Ton-
silJartuberkulose mit; Drüsenschwellungen und Milzschwellung
gingen während der Behandlung zurüt^.
Während meiner Falkensteiner Assistentenzeit wurde eine
rössere Anzahl von Patienten mit dem damals gerade aufge-
ommenen T. R. behandelt; eine Beeinflussung des Lungen-
befundes konnten wir nicht feststellen. Die Beobachtungs- und
Behandlungszeit war allerdings zu kurz, denn nachdem bei
einigen Kranken starke Reaktionen aufgetreten waren, lehnten
alle andern die weitere Behandlung ab, wie ja auch heute noch,
nachdem die Hochflut der Tubereulinbegeisterung verrauscht
war, im Publikum und auch unter den Aerzten ein nach meiner
Ansicht unberechtigtes Misstrauen gegen die Tuberkulinpräparate
herrscht.
Ich habe späterhin keine Lungenkranken mehr mit T. R.
behandelt, habe vielmehr hauptsächlich das A. T. und in einigen
wenigen Fällen die B. E. angewandt.-
Bei letzterer begannen wir die Behandlung mit subku¬
taner Injektion von 0,0025 mg der Bazillensubstanz, also mit
dem 2000. Teil eines ccm des Präparates; die Verdünnungen
wurden mit physiologischer Kochsalzlösung und ’/»% Karbol¬
wasser hergestellt. ln Zwischenräumen von 3—4 Tagen wurde,
je nachdem die Einspritzung vertragen wurde, mit der gleichen
oder höheren bis zur doppelten Dosis fortgefahren. In zwei
Fällen gelang es uns, das Fieber, das vorher durch nichts zum
Schwinden zu bringen war, dauernd zu beseitigen. Reaktionen
haben wir stets zu vermeiden gesucht.
Bei A. T. wurden die Verdünnungen ebenfalls mit
Karbolwasser hergestellt und mit Einspritzungen von 0,0025 mg
A. T. begonnen. Anfangs wurde sehr langsam gesteigert; so¬
bald sich eine Temperaturerhöhung einstellte, wurde auf eine
kleinere Dosis zurückgegangen oder dieselbe Dosis so lange ge-
eben, bis keine Reaktion mehr erfolgte. Von 25—30 mg an
ann man schnell. aufsteigen, da dann erfahrungsgemäß nur
selten Reaktionen eintreten. Bei den Reaktionen unterscheiden
wir die lokale Reaktion: Veränderung des Atmungsgeräusches,
Auftreten oder Zimahme von Rasselgeräuschen, eventuell Zu¬
nahme der Dämpfung, und die allgemeine Reaktion: mehr oder
wenig heftige Störungen des Allgemeinbefindens, verbunden mit
einer Temperatursteigerung von mindestens Grad über das
Temperatur-Maximum der letzten Tage.
Bei 200 oder 300 mg empfiehlt es sich, eine Pause von
einigen Monaten zu machen und dann eine zweite, bezw. dritte
Kur mit kleinen Dosen wieder beginnend, anzuschliessen (Pe¬
trus chkys Etappenkur).
Behandelt wurden nur absolut fieberfreie Kranke, d. h.
solche, welche längere Zeit hindurch bei Mundmessung nicht
höher als 37,0® C gemessen hatten.
Lokale Reaktionen traten nur selten auf; Schädigungen
unserer Kranken haben wir nie beobachtet. Bei einer Patientin,
welche bis dahin die Injektionen gut vertragen hatte, musste
bei 50 mg die Kur abgebrochen werden, weil dann jedesmal
sehr starke Schmerzen „in der Magengegend“ auftraten. Da
wir keinen Grund für diese einige Stunden nach der Injektion
auftretenden und mehrere Stunden anhaltenden Schmerzen zu
entdecken vermochten, glaubten wir, dieselben beruhten viel¬
leicht auf Einbildung und machten daher wiederholt eine In-
jectio vacua, d. h. eine Einspritzung von physiologischer Koch¬
salzlösung oder sterilem Wasser, die wir, beiläufig bemerkt,
bei den probatorischen Impfungen zu diagnostischen Zwecken
stets einschieben. Darnach verspürte die Patientin niemals
Schmerzen und freute sich, dass mit der Kur fortgefahren
werden könnte; sobald aber wieder Tuberkulin eingespritzt
wurde, traten die Schmerzen wieder auf. Es wird sich wahr¬
scheinlich um eine tuberkulös erkrankte Mesenterialdrüse ge¬
handelt haben; der Patientin geht es übrigens sehr gut. In
einem Falle wurde die Kur wegen Auftretens einer Mittelohr¬
eiterung abgebrochen; Tuberkelbazillen waren im Sekret nicht
nachzuweisen.
Leichte, rasch vorübergehende Störungen des Allgemein¬
befindens, Unlust zum Essen, Kopfschmerzen haben wir wieder¬
holt am Tage nach der Einspritzung beobachtet; höhere Tempe¬
ratursteigerungen kamen nie vor, geringere Steigerungen gingen
meist in wenigen Stunden zurück. VorausgegangeneBlutungen
betrachten wir nicht als Kontraindikation.
In mehreren der von uns mit A. T. behandelten Fällen,
welche bei der hygienisch-diätetischen Methode allein wochen-
und monatelang auf demselben Standpunkt stehen geblieben
waren, ohne irgend eine Veränderung im Allgemeinzustande
oder im Lungenbefunde zu zeigen, konnten wir nach Einleiten
einer TuberkuUnkur eine beträchtliche Besserung des Allgemein¬
zustandes und einen wesentlichen Rückgang der Krankheits¬
der Allgemeinheit, der grossen Sterblichkeit und andererseits
wieder in dem ersichtlichen Verteil und geringfügigen Nach¬
teil der Einpfropfung. Auch zu Zeiten, wo die Pocken-Epi¬
demien in leichter Art auftreten, empfiehlt er die Einpfropfung,
um die Menschen von den immerhin auftretenden Folgen der
Krankheiten — ernennt: „Ungestaltenheiten, oder Lähmungen,
oder Schleichkrankheiten“ — zu bewahren.
Er erzählt .uns ferner von einem interessanten Versuch,
indem man die Verzeichnisse von zwei Krankenhäusern in
London, von denen das eine für die Kranken an den natür¬
lichen Pocken, das andere für die Kranken an den einge¬
pfropften bestimmt war, verglichen hat. Die ausgezogenen
Summen aus den Registern von 20 Jahren zeigen, dass in
dem Spital für die natürlichen Pocken von neun Kranken
zwei starben, hingegen in dem Spital für die eingepfropften
von dreihundert und fünfundvierzig nur einer!
Er selbst hat bei Erscheinen seines Buches seit mehr als
12 Jahren die Einpfropfung ausgeübt und gibt folgenden
kurzen Bericht: „Ich habe keinen einzigen Kranken gehabt,
bey welchem die Krankheit auch nur die geringste Gefahr
gezeigt hätte; nicht einen einzigen, bey welchem sich schlimme
Folgen gezeigt hätten; und nicht einen einzigen, der nicht
immer sehr vergnügt gewesen, dass er sich habe einpfropfen
lassen.“ Leider verschweigt er uns die Anzahl aller von ihm
geimpften Patienten.
Wenn wir nun lesen, wie er die Einpfropfung bei seinen
Patienten vorgenommen hat, so müssen wir uns wirklich
wundern, wie alles immer so gut, wie er behauptet, abgelaufen
ist. Er macht mit einem ,jBi8torie“ zwei „15 —16 Linien“
(etwa einen Zoll) lange Schnitte an den Schenkeln, sodass in
der Tiefe des Einschnittes eben das Blut zum Heraussickern
kam. Dann legte er in diese Einschnitte einen Faden, welcher
mit dem Eiter von den Pocken getränkt war und bedeckte
die Wunden dann mit einem „Diapalmapflaster“, Kompresse
und Binde. Den Faden liess er 24—48 Standen liegen, nahm
ihn dann, wenn die Eitemng beträchtlich war, heraus und
stopfte in die Wunde Charpie. Diese Manipulation ereuerte
er alle 24 Stunden. Den Faden, den er zu der Einpfropfung
benutzte, legte er vielfach zusammen, drehte ihn mehrmals
und zog ihn durch mehrere Blattern hin und her. Zu diesem
Zwecke wählte er Blattern, welche gross und „wohl zeitig“
waren, von einer „guten Art“, d. n. von einem gesunden
Körper. Solche präparierte Faden wickelte er in Schreib¬
papier (!) und bewahrte sie in einer wohl verschlossenen Blech¬
büchse auf bis zum Gebrauch. Manchmal benutzte er Faden,
die er auf diese Weise monatelang, ja bis zu 26 Monaten auf¬
bewahrt hatte, noch mit gutem &folg.
Bei dieser Art der Einpfropfung sah Tissot gewöhnlich
zwischen 50—400{!) Pocken entstehen, manchmal auch weniger
als 50.
Es ist begreiflich, dass Tissot zu seiner Zeit einen scharfen
Kampf mit den Gegnern der Einpfropfung zu führen hatte.
Aber alle auch noch so plausibel vorgebrachten Gründe konnten
ihn nicht in seiner üeberzeugung von dem unendlichen Nutzen
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496
MEDlCmiSCHE WOCHE.
Nr. 46.
erscheinangen auf den Lungen, Abnahme der Rasselgeräusche
etc. nachweisen.
Unsere Beobachtungen über die therapeutische Wirkung
des Tuberkulins können wir dahin zusammenfassen:
In Fällen, in welchen die hygienisch-diätetische Kur allein
nicht zu dem gewünschten Ziele führt, kann durch Zuhilfe¬
nahme des Tuberkulins eine wesentliche Besserung des Allge¬
meinzustandes sowohl als auch des Lungenbefundes herbeige¬
führt werden; bei vorsichtiger Anwendung bringt dasselbe
keinen Nachteil,
Sitzungsberichte.
Deutschland.
BerU/ner medidniache Gea^lschaft.
Sitzung vom 24. Oktober 1906.
Vor der Tagesordnung:
Schlesinger demonstriert einen Fall von Sarkoid,
Lehr zeigt einen Patienten, bei dem mittels Bronchoskopie
ein Enochenstück aus einem der unteren Bronchi entfernt wurde.
Meyer stellt einen Fall von Rhinosclerora vor, der schon vor
einigen Jahren in der Gesellschaft mit geringen äusseren Erschei¬
nungen gezeigt worden war. Inzwischen hatte die Krankheit
enorme Fortschritte gemacht; grosse ulcerirte Tumoren hatten die
Oberlippe und die Nasenflügel ergriffen; im Gaumen und Pharynx
hatten sich grosse Geschwulstknoten gebildet. Jede Therapie war
bisher erfolglos geblieben. Deshalb wurde zu einer energischen
Röntgenbestrahlung gegriffen. Darunter trat schnelle Reinigung
der Ulcerationen, Epithelialisierung und dann allmählicher Schwund
der Tumoren ein.
Tagesordnung:
Senator. Ueber Erythrocytosis (Polycy thaemia
rubra) megalosplenica.
Die Krankheit, deren Hauptsymptome eine Zunahme der roten
Blutkörperchen, Rötung der Haut und Schleimhäute, Milzschwellung
sind, ist in den letzten Jahren öfters beschrieben worden. S, hat
in letzter Zeit zwei Fälle beobachtet und dabei Gelegenheit genommen,
die Blutveränderungen und Stoffwechselverhältnisse zu studieren.
Das Blut zeigte eine Vermehrung der roten Blutkörperchen in der
Raumeinheit, 6—10 Millionen; Form und Gestalt boten keine
Abweichungen von der Norm; Geldrollenbildung und Blutplätt¬
chen zeigten normales Verhalten; der Haemoglobingehalt war ent-
der Einpfropfung wankend machen. Wir wollen den Artikel
schliessen mit den "Worten, die er an seine Widersacher
richtete:
.Man hat einen starken Band herausgegeben, den man
das Marterbuch oder auch die Todtenliste der Einpfropfung
nennen könnte, in welchem man mit vieler Mühe alle Zufälle
gesammelt hat, welche als eine Folge der Einpfropfung anzu¬
sehen, oder welche nach der Einpfropfung vorgefallen, denn
man hat in demselben diesen so nötigen Unterschied nicht
beobachtet. Es sind es aber die Werke der Einpfropfer selbst,
welche fast alle Materialien zu diesem Buch geliefert haben;
indessen muss man sich dadurch nicht erschrecken lassen, ob¬
gleich es bestimmt zu sein scheint, diese Würkung herfür zu
bringen. Es beweist nur, dass die Einpfropfung die Gefahr
der Pocken nicht völlig wegräume, es hat aber dieses auch
kein vernünftiger Einpfropfer behauptet; vielleicht mag es
einem Enthusiasten entfallen seyn, denn die Einpfropfung hat
eben sowohl ihre Enthusiasten als ihre Feinde: allein dieses
schwächt auf keinerley Weise die von mir festgesetzte Wahr¬
heit, nämlich, dass sie diese Gefahren ausserordentlich ver¬
mindere, eine Wahrheit, die unwidersprechlich erwiesen ist,
und mit welcher sich die Einpfropfer nur nicht mehr beschäf¬
tigen: Das Gebäude ist, wenn ich so reden darf, unter Dach
gebracht, und man siebet, ohne Furcht, öfteren Stürmen zu,
welche auf dasselbige anstossen, wovon aber keiner dasseibige
zu erschüttern vermag 1“
sprechend der vermehrten Zahl der roten Blutkörperchen wesent¬
lich erhöht. Die Leucocyten waren wenig zahlreicher; es fanden
sich darunter Myclocyten, Eosinophile, Mastzellen; die L 3 rmpho-
cyten waren vermindert. Das speziflsche Gewicht des Blutes hielt
sich in normalen Grenzen; desgleichen die molekulare Konzentration.
Der Blutdruck zeigte eine Erhöhung; dementsprechend fand sich
in dem einen Falle eine Herzhypertrophie. Die Untersuchung des
Stoffwechsels ergab Stickstoffgleiobgewioht. Interessant war das
Verhalten des Gaswechsels; es fand sich eine wesentliche Erhöhung
des Ätemvolumens, eine Erhöhung der Werte des aufgenommenen
Sauerstoffs und der ausgeschiedenen Kohlensäure. Eine sichere
Erklärung für diese Erhöhung des Gaswechsels ist nicht zu geben.
Was die Ursache der Vermehrung der Erythrocyten betrifft, so
kann dem eine Steigerung des "Verbrauchs oder eine vermehrte
Bildung zu Grunde liegen. Für ersteres spricht nichts; für letzteres
der Befund von hyperplastischem Knochenmark bei einzelnen
Autopsien; auch das Auftreten der Mylolocyten, der eosinophilen
■und Mastzellen würde auf das Knochenmark hinweisen. Möglich ist
auch, dass eine Beeinträchtigung der Funktion der Milz vorliegt,
wodurch die vermehrte Biutbildung bedingt wird. Die Therapie
bestand in Blutentziehungen, Sauerstoffeinatmungen, vegetabilischer
Diät. Die Krankheit ist in das Gebiet der alten Plethora vera za
rechnen.
Diskussion.
Kraus. Der Nachweis der Erhöhung des Gaswechsels ist
von grosser Wichtigkeit. Die Vermehrung der Erythrocyten dürfte
wohl durch Erhöhung der Tätigkeit der Blutdrüse, des Knochen¬
marks bedingt sein. Der Begriff der alten Plethora bekommt durch
die Ausführungen von 8. eine handgreifliche Unterlage.
Grawitz. Ob Stauungen im Gefäassystem oder vermehrte
Bildung der roten Blutkörperchen die Erhöhung der Zahl be¬
dingen, dürfte schwer zu entscheiden sein. Gegen vermehrte
Bildung durch Hyperplasie des Knochenmarks spricht entschieden
der Befund von nur normalen Erythrocyten. Bei der Hypertrophie
der Milz ist es denkbar, dass in dieser sich erythroblastische Herde
entwickeln.
Ferner Hirsohfeld, Milcher, Senator (Schlusswort).
SUmingabeHcht der OeaeUschaftfür Qetmrtahilie und,
Qynctekologie zu Berlin,
Sitzung vom 26. Oktober.
Vorsitzender; Herr Olshausen.
Herr Rapin, Lausanne (als Gast) demonstriert ein von seinem
Vater angegebenes neues Zangenschloss, dessen Prinzip
Geschichte der Geburtshüfe.
Von Dr. E. Roth.
(Schluss.)
Die Jahrhundertwende bringt den alten Gegensatz zwischen
der operativen oder französischen zu der exspektiven oder
englischen Richtung in Form eines Kampfes zwischen der Ent-
bindungskunst und der natürlichen Geburtshilfe auf deutschem
Boden zum Ausdruck.
In der Geburtshilfe verlangte man nach der allgemeinen
Anschauung mehr und mehr nur eine Zugwirkung und dem
früher so verbreiteten Hebel, dessen Unentbehrlichkeit vielfach
hervorgehoben war, billigte man im wesentlichen nur nock ein
historisches Interesse zu. Tempora mntantur . . .
Dafür wurde 1804 von Karl Wenzel die erste künstliche
Frühgeburt ausgeführt, und 14 Jahre später stellte Francois
Isaak Mayor zuerst die foetalen Herztöne mittelst Auskultation
am Unterleibe von Schwangeren fest.
Es mehren sich die wichtigen Gedenktage für die Geburts¬
hilfe, doch dürfte es für weitere Kreise genügen, wenn wir hier
nur die wichtigsten erwähnen und nur die hervorheben, welche
auch für Laien einen grossartigen Fortschritt darstellen.
So brachte das Ende der 4üer Jahre die Lehren von Holmes
und Semmelweis über die Ursache des Puerperalfiebers. Um
dieselbe Zeit fällt die Einführung des Chloroforms in die ge¬
burtshilfliche Praxis. 1842 wurde im Allgemeinen Krankenhaus
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
497
darin besteht, dass sich eine rechten Blatt befindlicdie rundliche
Platte beim Schluss der Zange zwischen zwei gleiche, parallel ge¬
stellte Platten am linken Löffel schiebt Bei geschlossener Zange
sind Bewegungen der Löffel nur in. der Ebene der Griffe möglich,
Verschiebungen in der Längsrichtung unmöglich. Ein weiterer
Vorzug ist die leichte Reinigung des Instrumentes. Das neue
Schloss lässt sich an jedem Forceps anbringen.
Herr Olshausen! Indikationen bei TJterusmyom.
Die Unsicherheit und Willkür in der Indikationsstellung zur Myom¬
operation erhellt am besten aus der Tatsache, dass ein Teil der
(^erateure nur in 15%, ein anderer dagegen in über 60% aller
MyomAille operativ eingreifen zu müssen glaubt. Herr Olsbausen,
der sich als entschiedenen Anhänger der conservativen Richtung be¬
kennt, präzisiert seine Indikationsstellung folgendermaßen: Es gibt
vitale Indikationen, wie Peritonitis, Ascites, Stieltonsion, Hydro-
nephrose, Uraemie etc., über die eine Diskussion selbstverständlich
überflüssig ist; diese sind aber sehr selten. Nicht zu den vitalen,
aber doch zu den sicher begründeten Indikationen gehören
die schweren Blutungen, die zwar niemals direkt, aber häufig
doch sekundär durch Anaemie, Embolie, Thrombose etc. das Leben
bedrohen und zu völliger Invalidität führen können. In die Kategorie
der sicheren Indikationen gehören, wenn auch in seltenen Fällen,
auch die Schmerzen, fernerhin ezcessive Grösse der Tumoren,
bezw. oystische Degeneration, endlich Störungen der Urin-
exkretio n mit den event. Folgeerscheinungen der Cystitis und
Pyelitis und in sehr seltenen Fällen Neurosen. In allen diesen
Fällen wird aber genau zu erwägen sein, ob die Beschwerden wirk¬
lich von dem Myom abhängen und im entsprechenden Verhältnis zu
der Gefahr der Operation stehen. Entschieden Front macht 0.
gegen die Operateure, welche in allen möglichen Komplikationen,
wie kleincystischer Degeneration der Ovarien, Pyosalpinx etc., In¬
dikationen zur Operation sehen und auf diesem Wege schliesslich
dahin gelangen, fast jedes Myom zu operieren.
Was endlich die malignen Degenerationen anbelangt, so
wird die sarcomatöse ziemlich häufig, d. h. in ca. 3—4%
beobachtet. Die Hauptsymptome sind Blutungen, Schmerzen und
abnorm rasches Wachstum, die klinische Diagnose ist nur selten
mit Sidierheit zu stellen.
Bei der Kombination von Myom mit Caroinom ist besonders
beachtenswert das auffallend häufige Auftreten von Corpuscarcinomen
— ca. 15mal so häufig als unter normalen Verhältnissen —, eine
Tatsache, die entschieden für einen inneren Zusammenhang zwischen
Myom und Carcinom spricht; wahrscheinlich zunächst gutartige,
dann maligne werdende Schleimhautwucherung.
zu Prag die erste gynäkologische Klinik eingerichtet. 1851 ist
denkwürdig durch das Werk von Michaelis über das enge
Becken. Nur 3 Jahre später erschien die erste Mitteilung
Credos über seinen berühmten Handgriff zur Herausbeförderung
der Nachgeburt, an dessen Stelle namentlich Ahlfeld seine ab¬
wartende Methode setzen will usw.
Die erste Hilfe der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts ist
vor allem dadurch in der Geschichte der Geburtshilfe ausge¬
zeichnet, dass die Lehren von Semmelweis auf Grund der Er¬
fahrungen, welche die Chirurgie mit der Listerschen Wundbe¬
handlung errungen, anfingen in die geburtshilfliche Praxis all¬
gemein Eingang zu finden. Es entwickelte sich die Antiseptik,
aus welcher die Aseptik hervorging.
Dieser Abschnitt ist so wichtig, dass Fasbender für ihn
eine Teilung in die äusseren Verhältnisse der Geburtshilfe und
die spezielle Geschichte für angebracht hält.
In dem ersteren Teile hat naturgemäß das Hebammen¬
wesen und der Unterricht für dieselben einen weiten Raum
inne. Wir erfahren dabei beispielsweise unter anderem, dass
Joh. Jac Fried in Strassburg als der erste klinische Lehrer der
Geburtshilfe anzusehen ist, aber nicht einmal dem Verbände
der Universität angehörte. So geschehen im Jahre des Heils
Jedenfalls aber haben wir in der bereits 1728 von Fried
eröffneten Strassburger Hebammenschule die Musterpflanzstätte
aller der Anstalten zu erblicken, welche später in Deutschland
in 80 grossem Umfange errichtet wurden. Auch hat diese alte
Ebne Indikation zur Operation symptomloser Myome geben
auch diese Feststellungen nicht. Man würde ca. 95 % unnütz
operieren und auf diese Weise — da die Mortalität der radikalen
Operationen z. Zt. noch mindestens 5—6 % beträgt — mehr
Menschenleben verlieren als retten.
Diskussion: Herr Bröse erklärt seine völlige Ueber-
einstimmung mit dem Standpunkt des Vortragenden und möchte
nur darauf aufmerksam machen, dass bisweilen auch ganz kleine
Myome infolge sehr heftiger, krampfartiger Schmerzen eine Indi¬
kation zur Behandlung, ev. auch zur Operation abgeben können.
UrinretentioD hat er besonders oft bei grossen Cervixmyomen be¬
obachtet.
Herr Bokelmanu dankt dem Vortragenden für seinen ener¬
gischen Protest gegen das zu häufige Operieren und pflichtet ihm
besonders darin bei, dass die Möglichkeit einer Kombination mit
Carcinom unsere allgemeine Indikationsstellung nicht beeinflussen
darf.
Auch Herr Flaischlen gibt seiner Freude über die präcise
konservative Indikationsstellung O.'s Ausdruck. Bezüglich der Urin¬
retention macht er darauf aufmerksam, dass man häufig durch Re¬
position der hindernden Myome die schweren Symptome beseitigen
und event. eine Operation umgehen kann.
Herr Czempin erkennt im wesentlichen nur eine Indikation
— die schweren Blutungen — an; doch muss dabei streng indi¬
vidualisiert werden. Entscheidend ist, ob die Frauen bei längerer
Beobachtung mit Unterbilanz im Stoffwechsel arbeiten. So können
bisweilen auch kleine Myome zum operativen Eingriff drängen.
Häufig machen Myome gerade in frühen Entwicklungsstadien starke
Blutungen, die dann naehlassen, wenn die Tumoren aus der Sub¬
stanz des Uterus herauswachsen, subserös werden. Von der Abrasio
zur Bekämpfung der Blutungen hält C. nichts, er hat wenig Er¬
folge, dagegen oft rascheres Wachstum der Myome danach gesehen.
Ebenso, wie ein Myom Urinverhaltung verursachen kann, wo¬
gegen auch er die Reposition häufig für vorteilhaft hält, kann es
auch gelegentlich Inkontinens veranlassen. Endlich erwähnt C.
noch einen Fall, in dem ihn eine rasch entstehende Necrose eines
kleinen Myoms mit begleitender akutester Metritis zum operativen
Vorgehen zwang.
Herr Straßmann fragt den Vortragenden an, wie er sich
bei gleichzeitigen Herz- und Gefässveränderungen verhält (Dilatation,
Angina pectoris, Asthma cordiale etc.). Er ist der Ansicht, dass
eine Anzahl Patientinnen an diesen Komplikationen zu Grunde gehen,
die durch rechtzeitige Operation hätten gerettet werden können.
Häufig auftretende Ohnmächten sind nach seiner Erfahrung ein
Reichsstadt, wenn sie damals auch unter französischer Ober¬
hoheit stand, dadurch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung
erlangt, dass ihr die Aufgabe einer Vermittelung zwischen der
französischen und der deutschen Geburtshilfe zufiel.
So sehen wir denn, wie allmählich der Hebammenstand,
für dessen Ausbildung und Entwickelung durch zwei Jahrtau¬
sende der historischen Geburtshilfe hindurch nichts geschehen
war, vom 16. bis zum 18. Jahrhundert Ordnungen, Bücher und
Unterrichtsanstalten erhielt, dessen Einzelheiten man im Werke
selbst studieren möge.
Aber trotzdem ertönten stetig lauter die Klagen über die
Hebammen, am lautesten seit dem Beginn der antiseptischen
Aera. Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass etwa 95 %
aller Geburten durch Hebammen allein geleitet werden. Zum
Vergleich werden namentlich in den 80er Jahren die wesent¬
lich besseren Statistiken der Kliniken in Bezug auf das Kind¬
bettfieber herangezogen, als sie die Privatpraxis aufzuweisen
hatte. Um reinen Tisch zu machen, zog man auch die opera¬
tiven Befugnisse der Hebammen in den Kreis der Erörterungen,
die Kontrolle derselben durch die Meldepflicht, ihre Tagebuch¬
führung und last not least — die Nachprüfungen.
Die Frage der Wöchnerinnenasyle wurde namentlich von
Brennecke in Magdeburg angeschnitten, während man anderer¬
seits die materielle Lage des Hebammenstandes zu heben
trachtete.
Höchst interessant sind die Ausführungen Fasbenders über
den geburtshilflichen Unterricht für Studierende der Medicin,
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498
MBDICINISCHB WOCHE.
Nr. 46.
prognostisch sehr nngünstiges Symptom. Die Emboliegefahr ist
bei stark aasgebluteten Frauen eminent gross. Zur Behandlung
auskeimender Myome hält er Ergotinkuren {10—20 g. pro anno)
für sehr geeignet.
Herr B. Meyer macht auf die Häufigkeit der Myrosarkome
aufmerksam, die Imum in der Hälfte der Fälle klinisch diagnostiziert
werden.
Herr Nagel fragt den Vortragenden an, wie er sich bei der
Komplikation von Myom und Gravidität verhalte.
Herr Keller erwähnt als Beispiel einer seltenen Indikation
zur Myomoperation einen Fall von Abort M. IV. bei bis über den
Nabel reichendem Myom, in dem die Grösse des Uterus eine voll¬
ständige Ausräumung der Flacenta unmöglich machte. Ein infolge¬
dessen sich entwickelnder, mit profusen Blutungen einhergehender
Placentarpolyp machte schliesslich die Operation notwendig.
Herr Olshausen: Schlusswort. Die Abrasio ist sehr ge¬
eignet, um Frauen mit mäßig grossem Myom über die Operation
hinwegzuhelfen, allerdings nur bei nicht zu stark vergrössertem
und glattwandigem Uteruscavum. Wachstum nach dem Klimakterium
spricht meist für cystische Degeneration der Myome und indiziert
dann die Operation. Ueber das Verhalten bei gleichzeitiger Gravi¬
dität lassen sich keine allgemeinen Regeln aufstellen, da je nach
der Art des Falles alle möglichen Verfahren in Betracht kommen;
nur soviel lässt sich als Regel aufstellen, dass subseröse Myome
im allgemeinen keinen Eingriff indizieren und dass Enucleation nach
Möglichkeit zu vermeiden ist.
In der Diskussion zu der Demonstration des Herrn Rapin
sprechen: Herr Olshausen, Herr Flaischlen, Herr Rapin.
G. Z.
Kongressbericht.
78. Ver8a/m/nU%mg deutscher Naturforscher und
Aenete in Stuttgart.
Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Sitzung am 19. September, nachmittags 3 Uhr in der
Kgl. Landeshebammenschule.
Vorsitzender: Herr Pfannenstiel.
Herr Walcher-Stuttgart: Ernährung der Wöchne¬
rinnen und Still vermögen.
W. berichtet, dass er schon Ende der 80 er Jahre Versuche
damit angestellt hat, ob und inwieweit die Ernährung auf das
über die geburtshilflichen Universitäts-Kliniken, und die Univer¬
sitäts-Frauenkliniken wie die Biographien hervorragender Ge¬
burtshelfer, doch dürften diese Seiten immerhin mehr an die
Fachkreise als an das grosse Publikum sich wenden.
Aehnliches gilt von dem Abschnitt über die geburtshilflichen
Zeitschriften wie die geburtshilflichen-gynaekologischen Gesell¬
schaften.
Die spezielle Geschichte der Geburtshilfe dieses Zeitab¬
schnittes setzt dann mit der Geschichte der Physiologie und
Diätetik der Schwangerschaft ein, um dann dieselben Verhält¬
nisse bei der Geburt zu behandeln, woran sich das Wochen¬
bett reiht. Des weiteren wird die Pathologie und Therapie der
Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes besprochen.
Umfassend (S. 842 bis 1010) gestaltet sich die Geschichte der
geburtshilflichen Operationen, welche mit dem Absatz schliesst:
Angesichts der neuesten Statistiken erscheint die Frage be¬
rechtigt, ob man heute noch ein lebendes Kind perforieren dürfe.
Jedenfalls müssen die Zahlen dazu auffordern, das Gebiet der
relativen Indikation des klassischen KaiserschniUes in geeigneten
Fällen zu erweitern.
Jedenfalls hat sich Fasbender mit dieser Gesamtgeschichte
der Geburtshilfe ein grosses Verdienst um seine Spezialwissen¬
schaft erworben. Möge das Werk verdienterweise auch ausser¬
halb seines Spezialfaches die ihm gebührende Anerkennung
ßnden.
Befinden und besonders die Stillfkhigkeit der Wöchnerinnen Ein¬
fluss habe. Er teilte damals seine Wöchnerinnen in zwei Abteilungen
ein, und zwar eine solche, die mit der bisherigen, damals noch
üblichen Hungerdiät ernährt wurde, während die andere eine aus¬
gesucht kräftige Kost erhielt. Die Folgen dieses Verfahrens
zeigten sich bald: Während die Wöchnerinnen mit kräftiger Kost
sich rasch erholten, frisch und rotbäckig am 13. Tag das Haus
verliessen, mussten aus der Hangerabteilung hohlwangige blasse
Frauen entlassen werden. Besonders fiel aber in die Augen die
Tatsache, dass statt 27,5 % Wöchnerinnen, wie noch im Jahre 1879
berechnet worden war, nunmehr auf der gut genährten Abteilung
79 % ihre Kinder ohne Beinahrung selbst ernähren konnten. Die
Stilifkhigkeit hat sich im Laufe der Jahre noch bedeutend erhöht,
so dass heute 100%, d. h. alle Wöchnerinnen, sofern sie gesund
sind, ihre Kinder selbst und ausschliesslich stillen. Doch muss
auch hier gesagt werden, dass die Indikation zum Nichtstillen
ausserordentlich selten ist und dass auch ein durch Komplikationen
gestörtes Wochenbett durch das Stillen nur günstig beeinflusst
wird. Wie wichtig das Stillen für die Kinder ist, beweist die
Tatsache, dass die Brustkinder am 13. Tage ihr Anfangsgewicht
um 9,6 überschritten, während die Kinder mit Beinahrung ein
Minus von 31,9®/oo zeigten. Von grosser Bedeutung für die Still-
fldngkeit ist aber auch der suggestive Einfluss, der sich direkt
in einer vermehrten Milcbsekretion zeigt. Frauen, die nicht den
Glauben an diese Stillfähigkeit haben, bleiben zurück in der
Milchabsonderung, während bei wilUgen Frauen, wenn sie nur ihr
Kind wimmern hören, auch schon „die Milch einschiesst*^. Um
diese Ueberzeugung von der Stillfähigkeit zu erlangea, dazu hilft
aber ganz besonders eine kräftige Ernährung mit. Die einmal
gewonnene Stillfähigkeit kann sich über Monate hinaus erstrecken,
wenn sich keine gegenteiligen suggestiven Einflüsse geltend machen.
Das zunehmende StUlungvermögen ist einer psychischen und
moralischen Erkrankimg unseres Volkes gleich zu achten, der mit
allen Mitteln entgegengearbeitet werden muss. Darum ist auch
hoffentlich die Zeit nicht mehr fern, wo die knappen Speisezettel
für Wöchnerinnen in der historischen Rumpelkammer ein ehrliches
Begräbnis finden.
Diskussion.
Hr. Krönig-Freiburg i. B. ist ebenfalls Anhänger der reichen
Diät, wünscht aber nach dem Vorgänge von Küstner, dass die
Wöchnerinnen nicht mehr so lange liegen. K. lässt nach 12,
spätestens nach 16 bis 18 Stunden aufstehen, dadurch wird die
motorische Funktion des Darmes erhöht. Im allgemeinen wird die
knappe Diät nicht mehr so streng eingehalten, wie Herr Wel¬
cher meint.
Hr. Freund-Strassburg: Es ist nicht hoch genug anzu-
schlagen, dass Walcher endlich einmal dem Pessimismus der
Lehrbücher entgegengetreten ist. Auch der Alkoholismus der
Mütter hat keinen Einfluss auf die Stillfkhigkeit. Trotzdem gibt
es aber tatsächlich Fälle, die nicht stillen können. Auch kann
Walcher nur über die 13 Tage des Anstaltsaufenthalts urteilen.
Kommen die Frauen unter schlechte Ernährung, so versiegt die
Quelle. F. wendet sich gegen das frühzeitige Aufstehen; die
Blutungen, Hängebäuche und Retroflexionen dieser Frauen kommen
uns nicht zu Gesicht.
Hr. Fehling-Strassburg bemerkt, dass sich seine Still¬
resultate gegenüber seiner Stuttgarter Zeit bedeutend gebessert
haben, in Strassburg hat er bis zu 80 ®/o völliger Stillfahigkeit
erreicht. Die ausgezeichneten Stillresultate Walchers rühren
wohl auch von der ausreichenden Pflege her (jede Wöchnerin hat
eine Schülerin zur Pflege). Die Frauen der ärmeren Stände
haben ihr frühes Aufstehen zu büssen, wie wir an dem Material
unserer Polikliniken zur Genüge sehen.
Hr. Krönig hat in dieser Beziehung Nachprüfungen vorge¬
nommen.
Hr. Walcher (Schlusswort) hält nicht streng die Rücken¬
lage ein, sondern lässt auch auf der Seite liegen. Die Hebammen¬
schülerinnen sind kein Vorzug vor den Kliniken, namentlich in
der ersten Zeit, wo sie mit grossen Vorurteilen behaftet sind.
Hr. Walcher zeigt dann noch seine künstlichen Dolicho- und
Brachycephalen, über die er in der Abteilung für Anthropologie
ausführlich gesprochen hat.
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
499
Hr. Labhardt'Basel: Ueber die Extraktion nach
Müller,
Bei Beckenendlagen wird im allgemeinen zu hänfig einge-
grifPen. Oberster Grundsatz hierbei muss sein: Möglichstes Ab*
warten der spontanen Gebart bis zum Erscheinen der Spitze der
Scapula. Im Gegensatz zu der allgemeinen üblichen Armlösung
hat A. Müller 1898 die Entwicklung bei Beckenendlagen ohne
Armlösung wieder empfohlen, und zwar brauchen nach ihm auch
die nach oben geschlagenen Arme nicht gelöst zu werden, da sich
die Schulterbreite hierbei verschmälert. Wichtig ist nur, dass die
Schultern in richtiger Weise den Beckeueingang passieren, was
dadurch erreicht wird, dass das Kind, bis zur Scapula geboren,
sehr stark nach unten gezogen und nach Geburt der vorderen
Schultern unter gleichzeitigem Zug gehoben wird. Dadurch er¬
übrigt sich die „Lösung“ der Arme. Vorteile des Verfahrens:
1. Zeitersparnis durch Wegfall der Armlösung. 2. Die Gefahr
der Humerus- und Clavicularfraktur ist gleich Null. 3. Ver¬
minderung der Infektionsmöglichkeit. 4. Auch die Hebamme kann
sich im Notfall des einfachen Handgriffs bedienen. L. demonstriert
sodann die Vorzüge des Verfahrens am Material der Basler Klinik.
Diskussion.
Hr, Herzfeld-Wien hält die Verletzungen nach Ärmlösungen
in Basel für auffallend hoch. Die Unterlassung der Armlösimg
öffnet dem unberechtigten Eingreifen der Hebammen Tür und Tor.
Die Lösung allein beeinflusst die Rotation des Kopfes günstig.
Hr. Znegenspeck-München: Der Müllersche Vorschlag
ist alt. Di« Arme vermehren das Volumen des Kopfes.
Hr, L»bhardt (Schlusswort): Die hohe Zahl von Frakturen
rührt von Studenten her. Die Hebamme soll und muss in gewissen
Fällen eingreifen zum Wohl der Kinder, und dafür ist das Ver¬
fahren günstiger.
Hr. E. Kehrer-Heidelberg: Ueber physiologische und
pharmakologisehe Versuche an den überlebenden und
lebenden inneren Genitalien.
K. brachte die von den Ligamenten abgetrennten inneren
Genitalien verschiedener Versuchstiere und die exstirpierte mensch¬
liche Gebärmutter in die von Sauerstoff durchströmte, auf Körper¬
temperatur erwärmte Ringersche Flüssigkeit und registrierte die
Bewegungen mit Hilfe des Kymographions. Noch 12 Stunden
nach der Exstirpation waren die Bewegungen noch so stark wie
am Anfang, und die einzelnen Abschnitte des Genitaltraktus ver¬
halten sich hierbei ganz verschieden. Charakteristisch sind die
Bewegungen des schwangeren Uterus: energische, plötzlich begin¬
nende, aber langsam sich lösende Kontraktionen mit langen Pausen.
Die Bewegungen lassen sich durch vermehrte Sauerstoffzufuhr,
Temperaturveränderungen beeinflussen. Pharmakologische Unter¬
suchungen ergeben: Pilocarpin, Physostigmin, Chlorbaryum und
Strychnin, Aether wirken erregend, Atropin und Strophantin in
kleinen Dosen erregend, in grossen lähmend. Morphium wirkt in
erster Dosis anregend, in zweiter lähmend. Bei Nikotin xmd Sup-
rarenin erfolgt beim trächtigen Tier eine Umkehr der Reaktion.
Ferner hat K. die Wirksamkeit der einzelnen Ergotin-, Hydrastis-
ond Cotaminpräparate festgestellt. Am lebenden Tier fielen die
Versuche gleich aus.
Diskussion.
Hr. Labhardt -Basel: Die Uteruskontraktionen sind myo-
genen Charakters, die Uterussubstanz enthält keine Ganglien.
Hr. Franz-Jena: Die Frage nach der myogenen oder neu¬
rogenen Entstehung der Uteruskontraktionen ist noch offen. Auto¬
matische Bewegungen können nur neurogenen Ursprungs sein.
Hr. Kehrer: Wenn keine Ganglien gefunden werden, so
beweist das nichts. Die Frage, ob myogeu oder neurogen kann
Überhaupt noch nicht entschieden werden.
Hr. Franz-Jena: Ueber Careinom-Recidiv-Opera-
tionen.
F. führt dieselbe jetzt grundsätzlich bei allen einigermaßen
operablen Fällen aus, er verfügt zurzeit über 12 Frauen mit 16
Recidivoperationen. Eine Patientin ist gestorben an einer Phlegmone,
sieben sind beschwerdefrei entlassen worden, zwei mit Blasenscheiden¬
fisteln, eine mit einer Blasen- und Rectumscheidenfistel, eine mit
gleichen Fisteln ist noch in Behandlung. Wenn die Recidivoperationen
auch nur in seltenen Fällen Danerheilung bringen, so halten sie
dock für längere Zeit die Krankheit auf und ersparen den Frauen
viele Schmerzen. Natürb'ch ist genaue palpatorische, cysto- und
rektoskopische Diagnose notwendig. Statt der Unterbindung der
Ureteren macht F. lieber die Nierenexstirpation.
Diskussion.
Hr. Krönig-Freiburg i. B. hat mit der Ureterimplantation
gute Resultate gehabt.
Hr. Franz hält die Implantation für wichtig zur Verhütung
von Hydronephrosen. Fast alle Fälle scheinen Beckenzellgewebs-
recidive zu sein, deren anatomischer Sitz dicht unterhalb des Ureters
liegt.
Hr. Fromme-Halle a. 8.: Macht Blut in der Bauch¬
höhle Adhaesionen?
Baisch vindiziert dem Blut die Hauptursache bei der Ent¬
stehung der Adhaesionen. F. hat darüber Tierversuche angestellt
mit folgendem Resultat: 31 unter 35 Kaninchen hatten nach Er¬
öffnung eines mittleren epigastrischen Gefässes keine Spur von
Adhaesionen in der Bauchhöhle. Das Blut war regelmäßig nach
6 —10 Tagen vollständig resorbiert. In den vier anderen Fällen
war wohl eine Infektion mit im Spiel, wie KontroUversuche mit
infiziertem Blut ergaben. Auch hier waren nicht in allen Fällen
Adhaesionen entstanden. Es scheint auch auf die grössere oder
geringere Menge Blutes anzukommen. Drei mit Bacillus subtilis infi¬
zierte Tiere batten keine oder nur wenig Adhaesionen. Man kann
demnach Blut ruhig zurücklassen; Adhaesionen macht dasselbe nur
dann, wenn es stark und virulent infiziert ist.
Hr. Pankow-Freiburg i, B,: Zur Frage der perito¬
nealen Wundbehandlung.
P, kommt auf Grund von Tierversuchen zu folgenden Resul¬
taten: 1. Bei oberflächlichen Läsionen des visceralen oder parietalen
Peritonexxms ohne Blutaustritt erfolgten keine Verwachsxmgen. 2.
Bei Verschorfung des visceralen oder parietalen Peritoneums bleiben
in der Regel, doch nicht immer, die Verwachsungen aus. 3. Bei
tiefgehendem Abschabeu des parietalen Peritoneums bis zur diffusen
punktförmigen Blutung traten in der Hälfte der Fälle Verwach¬
sungen ein, 4. Bei gleicher Behandlung und Stillung der Blutung
durch Verschorfung, resp, Alkohol fand sich einmal bei ersterem
Verfahren leichte Ädhaesionsbildnng. 5. Infektionsversuche mit
Staphylococcus aureus ergaben, dass die Widerstandsfähigkeit des
Organismus durch die Läsion des Peritoneums beträchtlich herab¬
gesetzt wurde. Am ungünstigsten waren die Resultate bei den
Tieren, bei welchen das wundgemachte Peritoneum unbehandelt
blieb, während nach Verschorfung mit Glühhitze oder Alkohol die
Resultate etwas besser oder ungefähr die gleichen waren.
Standesfragen.
Von Dr. M, Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Sitzung
der Berlin-Brandenburger Aerztekammer am 27. Oktober 1906.
Die Herbstsitzung unserer Aerztekammer wurde vom Vor¬
sitzenden Becher mit einem warmen Nachruf für die verstorbenen
Kammermitglieder Wolf Becher und Jarislowsky eröffnet. Nach
einigen geschäftlichen Mitteilungen, aus denen wir eine Zuschrift
des Sanitätsamtes des Garde-Korps erwähnen, welche die Aerzte um
Zusendung spezialisierter Liquidationen nach Behandlung von
Militärpersonen bittet, wird zum Ehrenrichter an Stelle von Thiem
(Kottbus), der das durch lange Jahre von ihm verwaltete Amt
niedergelegt hat, Sohultze (Fürstenwalde) gewählt.
Erster Gegenstand der Beratung war folgender Antrag Pistor:
„Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Städte
kreis Berlin wolle beschliessen, den Aerztekammer-Ausschuss zu
ersuchen, dass er nach Anhörung der übrigen Aerztekammem den
Herrn Minister der Medicinal-Angelegenheiten bitte, bei Seiner
Majestät dem Könige
1. die Leitung der wissenschaftlichen Deputation für das
Medicinalwesen durch ein ärztliches Mitglied derselben als
Direktor, und
2. die Leitung der Medicinal* Abteilung des Ministeriums durch
einen ärztlichen vertragenden Rat als Ministerial-Direktor
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500
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 46.
zu erwirken, sobald eine dieser Stellen durch das Aus¬
scheiden ihres jetzigen Inhabers erledigt wird.
Der Antragsteller gab eine Uebersicht der Entwicklung des
preussischen Medicinalwesen, schilderte die eigentümlichen Verhält¬
nisse, die sich unter juristischer Leitung entwickeln können und
wies darauf hin, dass leitende Stellen im Gesundheitswesen ebenso
durch Mediciner zu besetzen seien, wie solche in der Justiz durch
Juristen. Seinen Ausführungen schloss sich Exz. von Bergmann,
der fast ein Vierteljahrhundert Mitglied der wissenschaftlichen
Deputation ist, voll und ganz an; die Kammer votierte einstimmig
die Annahme des Antrages.
Ein Antrag der rheinischen Aerztekammer, der eine Verein¬
fachung der Wahlen zum Vorstand der Kammer, den Ausschüssen
etc. durch Zulassung der Akklamation bezweckt, bildete den zweiten
Gegenstand der Tagesordnung. Auch er gelangte zur Annahme,
doch mit der Einschränkung, dass für die Wahl des Vorsitzenden
und der Ehrenrichter die Wahl durch Stimmzettel obligatorisch
bleiben soll.
Nunmehr erstattete Kossmann (Berlin) den Bericht über
den Pariser Kongress zur Unterdrückung der ungesetzlichen Aus¬
übung des Heilgewerbes und über Anträge der Kommission zur
Bekämpfung der Kurpfuscherei. Der Bericht über den Pariser
Kongress lag gedruckt vor; er bietet ein interessantes Bild der
französischen Zustände, welche trotz des Bestehens eines Kur¬
pfuschereiverbotes noch traurigere sind als bei uns. Nachdem in
der Diskussion darauf hingewiesen worden war, dass nur durch
sy.steraatische Aufklärung unseres Volkes, insbesondere der heran-
wachsenden Jugend, sowie durch das Ausschalten des verderblichen
Beispiels, das hohe und höchste Kreise durch Begünstigung der
Kurpfuscher geben, deren verderbliches Treiben eingedämmt werden
könne, gelangten folgende Anträge der Kurpfuschereikomission zur
Annahme:
V Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den Stadt¬
kreis Berlin erklärt, in anbetracht, dass
1 . durch das Urteil des Königlichen Preussischen Oberver¬
waltungsgerichts vom 22. April 1895 im Widerspruch mit
den Motiven zu. dem § 6 der Reichsgewerbeordnung ent¬
schieden worden ist, dass die zum Schutze der Volksge¬
sundheit erlassenen Landes-Medicinal-Ordnungen, insonder¬
heit die §§ 17 und 72 des Preussischen Sanitäts-Regulativs
vom 8. August 1835, durch die Reichsgewerbeordnung
aufgehoben seien, wogegen die bei Annahme der Reichs¬
gewerbeordnung von den Volksvertretern widerspruchslos
für erforderlich erklärte Reichsmedicinal-Ordnung bis heute
nicht geschaffen worden ist;
2. dass auch die Absieht der Gesetzgeber, durch den § 29
der R. G. 0, das Recht zur Führung des Arzttitels von
dem Besitze einer Approbation abhängig zu machen, durch
die Auslegung, die das Reichsgericht dem § 137 ^ R. G. 0.
in seinem Erkenntnis vom 21. September 1905 gegeben
hat, vereitelt worden ist;
3. dass hierdurch auf allen Gebieten des Medicinalwesens
Missbräuche eingerissen sind, die die Volksgesundheit und
die Moral in hohem Grade schädigen; und dass sich die
vereinzelten Verordnungen und Gesetze, die zur Abhülfe
dienen .sollten, gegen diese fortdauernd steigenden Miss¬
bräuche «als völlig unzureichend erwiesen haben,
eine zusammenhängende Regelung des gesamten Medi¬
cinalwesens durch eine alle seine Teile umfassende
Reichs-Medicinal-Ordnung für dringend erforderlich.
Sie bittet den Herrn Reichskanzler, anzuordnen, da.ss das
Reichsamt des Innern die Ausarbeitung einer solchen Keichs-
Medicinalordnurig unter Zuziehung von Hilfsarbeitern aus dem
Aerztestande unverzüglich in die Hand nehme, und dass der aus
dieser Arbeit hervorgehende Entwurf, bevor er dem Reichstage
und clem Bundesrate vorgelegt wird, den vom Staate eingesetzten
Vertretungen des Aerztestandes zur Begutachtung mitgeteilt werde.
Sie beschliesst, von Vorstehendem dem Ausschüsse der Preussi-
.schen Aerztekammern Kenntnis zu geben, um eine zustimmende
Erklärung der übrigen preussischen Aerztekammern herbeizuführen.
(Schluss folgt.)
Literarische Monatsschau.
Gynäkologie.
(Schluss.)
Allgemein als schwerwiegende Komplikation anerkannt sind
die häufig beobachteten grossen Scheidendammrisse, die oft mit der
Pubiotomiewunde kommunizieren und infolge der dauernden Verun¬
reinigung mit infektiösem Lochialsekret leicht zu schweren In¬
fektionen führen können. Zu ihrer Vermeidung werden ausgiebige
prophylaktische Scheidendammincisionen empfohlen. Henckel geht
sogar soweit, dass er bei Erstgebärenden mit sehr enger und
rigider Scheide die Pubiotomie für kontraindiziert hält und durch
den klassischen Kaiserschnitt ersetzt wissen will.
Ueber die Frage, ob man in Fällen, in denen der Zustand
von Mutter und Kind eine schleunige Entbindung nicht erforderlich
machen, nach Durchsägung des Schambeins abwarten oder sofort
entbinden soll, gehen die Meinungen noch auseinander, ebenso
darüber, ob Zange oder Wendung das geeignetere Entbindungs-
Verfahren darstellen.
In der Nachbehandlung ist man jetzt allgemein von den
früher verwandten festen Beckenverbänden abgekommen, weil man
es ftir wünschenswert hält, dass die Knochenenden nicht durch
einen knöchernen, sondern durch einen fibrösen Gallus mit einer
gewissen Diastase verheilen. Man erzielt hierdurch eine dauernde
Erweiterung des knöchernen Beckens mit einer Verlängerung der
Conjugata vera um ca. */*—V* cm (Sellheim), ohne bisher jemals
eine Störung der Gehfunktion beobachtet zu haben.
Einen interessanten und praktisch bedeutsamen Beitrag zur
Behandlung von Blutungen in der Nachgeburtsperiode liefern die
experimentellen Untersuchungen Kurdinowskis über die
Physiologie der Uteruskontraktionen. Er konnte expeiimentell nach-
weisen, dass, wie das auch schon Range festgestellt hat, die Kälte
ein viel besseres kontraktionserregendes Mittel ist, als die allgemein
angewandte Hitze und zwar genügen ganz kurze, nur wenige
Sekunden dauernde kalte Douchen (9—10 ®C.), um eine dauernde
Kontraktion des Uterus herbeizuführen. Damit werden die Be¬
denken Runges, der in der Anwendung kalter Ausspülungen bei
entbluteten Frauen eine Gefahr im Sinne einer Wärmeentziehung
sah, hinfällig. Heisse Douchen, die in der Wirkung erheblich
schwächer sind, müssen, wenn sie wirksam sein sollen, eine Tem¬
peratur von mindestens 39 ® haben und ebenfalls von kurzer Dauer
sein. Protrahierte heisse Spülungen rufen event. Atonie hervor!
K. empfiehlt die heissen Douchen zur Anwendung während der
Geburt (schwache Wehen, Blutungen), die kalten zur Behandlung
der Atonie post partum. Wichtig ist ferner die Feststellung, dass
es durchaus nicht notwendig ist, die Douchen intrauterin anzu-
wenden, sondern dass eine die Portio treffende Scheidenspülong
vollkommen genügt, da sich der Kontraktionsreiz rasch über den
ganzen Uterus fortpflanzt.
Nach seiner Meinung müsste auch die Kiwis chsche Scbeiden-
doucbe ein durchaus zweckmäßiges Mittel zur Einleitung der künst¬
lichen Frühgeburt sein. Er glaubt, dass ihre bisher beobachtete
geringe Wirksamkeit ihre Ursache darin habe, dass man statt
Wasser von 39® und darüber nur solches von 34® verwandt hat.
Dem Fieber erkennt er eine kontraktionseiregeude Wirkung,
mithin eine für die Aetiologie der Frühgeburt wichtige Bolle zu.
Seine Untersuchungen über den Einfiuss mechanischer Reize
auf die Kontraktionsfhbigkeit des Uterus führen ihn zu einer ernsten
Warnung vor dem besonders bei Hebammen beliebten Kneten und
Massieren des Uterus post partum, das nur geeignet ist, zu einer
völligen Erschöpfung des Organs zu führen, während lediglich kurze,
schwache, in entsprecbendenZwischenpausenangewandte mechanische
Reize zweckentsprechend sind.
Durch eine Erschöpfung infolge langdauernden Reizes erklärt
er auch das häufige Versagen der Krausesohen Bougiemethode
und die Fälle von missed labour. Den elektrischen Reiz hält er
in seiner Wirkung für wesentlich mechanischer Natur; der Anaemie
spricht er jegliche kontraktionserregende Wirksamkeit ab.
Der Atmokausis, die sich in der letzten Zeit ein, wenn
auch kleines, so doch gesichertes Indikationsgebiet erobert zu haben
schien, ist ein gewichtiger Gegner in Pfannenstiel erstanden,
der auf Grund von 60—70 eigenen Fällen zu einem ziemlich ver-
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1906.
BfEDIClNISGHE WOCHE.
501
Dichtenden Urteil koDimt. Trotz sorgfältigster Aasführung des
Verfahrens können nur ca. 40% der Fälle als geheilt oder wesentlich
gebessert erscheinen, ln sechs Fällen erwies sich eine nachträg¬
liche Totalexstirpation des Uterus als notwendig. Die so ge¬
wonnenen Präparate boten ein geeignetes Material zum Studium
der Atmokausiswirkung. Pfannenstiel resümiert: DieWirkung
der Vaporisation auf das Endometrium ist trotz aller Sorgfalt
der Technik eine nicht zuverlässige. Der primäre Erfolg ist nicht
vorhanden, der Dauererfolg bleibt häufig aus. funduscavum und
Tubenecken können leicht intakt bleiben, es ist daher verfehlt,
Obliteration anzustreben. Eine sorgfältige Abrasio leistet dasselbe.
Ferner: Die Atmokausis ist nicht frei von unerwünschten Neben¬
wirkungen; dazu gehört vor allem die Stenosierung der Cervix
mit Schleimcysteubildung. Folge: Dysmenorrhoe und sonstige
Schmerzen. Viel bedenklicher ist die trotz aller Asepsis nicht
immer vermeidbare Infektion. Folge: Exsudate, schwere Aduex-
erkrankungen etc.
Versagen lokale und innere Mittel, so ist die vaginale Total¬
exstirpation oder Elxcision der Uterusschleimhaut der Atmokausis
vorzuziehen. Dr. G. Z.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. Nr. 43. 1906.
1. Fehling, Strassbarg. Pnbeotomie und kttnstliohe Früh¬
geburt.
Gegenüber den Behauptungen Zweifels und Krönigs, die ■
Erfolge der künstlichen Frühgeburt seieu trügerische, weil von den
durch dieselbe erzielten Kindern am Schlüsse des ersten Lebens¬
jahres kanm noch eins am Leben sei, zeigt F. an der Hand von
Statistikern, dass die künstliche Frühgeburt die Prognose für das
Leben des Kindes ganz wesentlich bessert und sogar bessere Re¬
sultate gibt als der Kaiserschuitt, welcher immerhin mehr Gefahren
für die Mutter in sich birgt als die künstliche Frühgeburt, und
nach welchem am Ende des ersten Lebensjahres weniger Kinder
leben als nach der Frühgeburt. Die Pubeotomie ist indiziert: 1. bei
allen Beckenverengungen mittleren Grades, sowohl bei plattem als
bei allgemein verengtem Becken Erstgebärender, welche erst intra
partum in die Beobachtung gelangen. Macht der Zustand von
Matter oder Kind die Vollendung der Geburt wünschenswert und
ist die Wendung oder Zange nach den gewöhnlichen geburtshilf¬
lichen Regeln nicht am Platze, so ist die Pubeotomie auszuführen.
Dadurch entgeht man dem Dilemma, das lebende Kind perforieren
za müssen, oder zum Schaden der Mutter abzuwarten, bis dasselbe
abgestorben ist. 2. Bei Mehrgebärenden, welche den Kaiserschnitt
aus relativer Indikation von vornherein ablehnen, oder wo sich im
Verlaufe der Geburt Schwierigkeiten ergeben, durch die Grösse
des Kindes, Einstellnng des Schädels etc., welche im Interesse des
Kindes eine Erweiterung des Beckens verlangen. Die künstliche
Frühgeburt wird man danach von jetzt ab bei Erstgebärenden mit
engem Becken möglichst vermeiden. Ihr Gebiet in der Praxis sind
die Entbindungen Mehrgebärender, wo bei der ersten, eventl. auch
zweiten Geburt, spontane Totgeburt, schwere Zange oder Per¬
foration vorkamen. Die Devise des Geburtshelfers soll also nicht
lauten: Pubeotomie oder Frühgeburt, sondern Pubeotomie und
Prühgebort.
2. Pässler, Dresden. XTeber akute Barmtuberkulose unter
dem Bilde einer schweren allgemeinen Infektionskrankheit.
Es werden ausführlich die Krankengeschichten zw’eier Fälle
mitgeteilt, die unter dem Bilde einer schweren allgemeinen In¬
fektionskrankheit verliefen, ohne dass es möglich gewesen wäre,
irgend eine Lokalisation festzustellen, und die nach einigen Wochen
letal endeten. Die Differentialdiagnose schwankte zwischen Typhus,
akuter Miliartuberkulose — bei dem einen Falle wurden zuletzt
vereinzelt Tuberkelbazillen im Sputum gefunden — und krypto¬
genetischen Sepsis — in beiden Fällen gelang es, Staphylococcen
im Blute nacbzuweisen. Elrst die Autopsie ergab Aufklärung und
zeigte in beiden Fällen hochgradigste ulceröse Darmtuberkulose,
während sonst nur geringere tuberkulöse Veränderungen — alte
Herde in den Spitzen der Lungen und mäßige Aussaat frischer
miliarer Tuberkel in verschiedenen Organen — sich fanden. Dass
es sich hier um eine primäre Darminfektion mit besonders viru¬
lenten Tuberkelbazillen gehandelt hat, erscheint bei dem Befunde
älterer Herde in den Spitzen sehr zweifelhaft. Vielleicht spielt
eine Mischinfektion mit Eitererregern für den schweren Verlauf
einer tuberkulösen Darmaffektion dieselbe verhängnisvolle Rolle wie
bei der Lungentuberkulose. Jedenfalls muss der Verdacht auf
eine akute Darmtuberkulose geweckt werden, wenn sich eine
schwere fieberhafte, die Körperkräfte konsumierende Krankheit ohne
befriedigenden Organbefund und ohne sichere Zeichen für Sepsis,
Typbus oder allgemeine akute Miliartuberkulose nach allmählichem
Beginn über eine Anzahl Wochen hinzieht. Bei schweren fieber¬
haften Infektionskrankheiten dunkler Genese könnte vielleicht das
Sueben nach Tuberkelbazillen im Stuhl gelegentlich der Diagnose
den Weg weisen.
3. Jochmann und Ziegler, Breslau, lieber das Lenoo-
oytenfennent in Milz, Lympkdrttsen und Knochenmark bei
Lenkaemie und Fseudolenkaemie.
Die Tatsache von der Verdauungskraft der Leucocyten im
Gegensatz zur Unwirksamkeit der Lymphocyten, die durch Unter¬
suchung des Blutes bei myelogener und lymphatischer Leukaemie
festgestellt war, findet eine Bestätigung durch die Untersuchung
der Organe, die für die Bildung der weissen Blutelemente in Be¬
tracht kommen. Beim normalen Menschen „verdaut“ Knochenmark
stark, dio Milz in geringerem Grade, Lymphdrüsen gar nicht, ent¬
sprechend dem Gehalt an Leucocyten, resp. Lymphocyten. Bei
myelogener Leukaemie fanden sich in Knochenmark und Milz ausser¬
ordentlich stark verdauende Kräfte, in verschiedenem Grade auch
bei den Lymphdrüsen, je nachdem sie myeloid entartet waren.
Diese bei einem frischen Pall myelogener Leukaemie gemachten
Beobachtungen Hessen sich auch an einer Reihe von bereits früher
sezierten Fällen bestätigen; in einem hatte sich das Ferment 7
Monate lang in den in Fonnalinlösung konservierten Organen un¬
versehrt gehalten. Das zeigt, dass das autolytische Ferment durch
den Zusatz von Antisepticis in seiner Wirksamkeit nicht beein¬
trächtigt wird. Bei lymphatischer Leukaemie zeigte das Knochen¬
mark mittelstarke Verdauung, dagegen ergab die stark vergrösserte
Milz keine Fermentwirkung und ebensowenig die hyperplastischen
Lymphdrüsen irgendwelche Verdauungsersebeinungen. Die Unter¬
suchungen bringen einen weiteren Beweis für die Richtigkeit der
Lehre, dass die Zellen der myeloiden Reihe Träger bestimmter
fermentativer Eigenschaften sind, welche denen der lymphatischen
Reihe fehlen. Ihr Inkrafttreten bei Untersuchungen von Gewebs-
teilen der hämo- und lymphopoetischen Organe spricht stets für
die Anwesenheit zahlreicher myeloider, resp. leucocytärer Zellen.
Dieses Verhalten kann auch als gute Stütze der Ehrlichschen
Lehre von der Spezifität der lymphatischen und myeloiden Zellen
gelten.
4. Tiedemann, Strassburg. Poliomyelitis acuta und
Meningitis cerebrospinalis.
Krankengeschichte eines Mädchens, bei dem sich im An¬
schlüsse an eine akute Infektionskrankheit, wahrscheinlich Influenza,
eine mit ausgesprochen meningitischen Erscheinungen einhergehende
Monoplegia brachialis einstellte. Eine von Anfang an deutliche
Neuritis optica Hess den Sitz des Krankheitsherdes im Hirn ver¬
muten. Die Diagnose wurde deshalb zuerst auf akute Encephalitis
oder mit Rücksicht auf frühere Drüsenerkrankuugen auf eine tuber¬
kulöse Meningitis, worauf auch die Mononucleose der Spinalflussig-
keit hinwies, gestellt. Fehlen der Tuberkelbazillen und vor allem
rasche Besserung machten aber diese Diagnose hinfällig. Da in
der Folgezeit sich im gelähmten Glied keine Spasmen zeigten, die
Sehnenreflexe völlig erloschen waren, keine Sensibilitätsstürungen
beobachtet wurden, konnte die Erkrankung nicht ihren Sitz in der
motorischen Rindenregion haben; es blieb nur die Region der
grauen Vorderhömer übrig; das spätere Auftreten der Entartungs¬
reaktion sicherte schliesslich die Diagnose Poliomyelitis. Die Kom¬
bination einer akuten Poliomyelitis mit meningitischen Erscheinungen
ist eine seltene und bisher noch wenig beschrieben.
5. Liefmann und Nieter, Halle. Ueber Eubr bei Irren.
Das Material für die bakteriologischen Untersuchungen stammt
aus einer Irrenanstalt Mitteldeutschlands, in der seit längerer Zeit
Ruhr herrscht. In weit überwiegender Zahl wurden die Irren selbst
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502
MEDIGINISGSB
Kr. 46.
befallen, insbesondere in einem Gebäude, in dem die abgelaufenen
Fälle mit solchen Irren untergebracht sind, die die Ruhr bisher
nicht überstanden batten. Es kamen aber auch gelegentlich Er¬
krankungen unter dem Pflegepersonal vor; auch einer der Aerzte
blieb nicht verschont. Die klinischen Erscheinungen waren die
einer nicht allzu schweren Dysenterie. Ein Todesfall im akuten
Stadium trat nicht ein; dagegen stellten sich häufig Recidive ein,
und ein chronischer Ausgang der Krankheit war nicht selten. In
einem Zeitraum von 2^/2 Monaten konnten acht akute Fiüle genauer
beobachtet werden. Bei sieben von diesen wurden Bazillen gefunden,
die sich als zur Gruppe der Pararuhrbazillen gehörig herausstellten.
Echte Ruhrbazillen, vom Shiga-Kruseschen Typus, konnten in keinem
Falle nachgewiesen werden. Bei 22 Irren (darunter auch abge¬
laufene Fälle), die, ohne sichtlich krank zu sein, Schleim in ihren
Entleerungen hatten, und ebenso bei 240 körperlich Gesunden war
die Untersuchung der Faeces auf Ruhr- und Pararuhrbazillen absolut
negativ. Die biologische Prüfung der gefundenen Stämme ergab,
dass dieselben zum Typus a der Pararuhrbazillen gehören. Die
Verbreitung der Krankheit geschah sicherlich durch Kontakt. Die
Bekämpfung muss deshalb vornehmlich in der möglichst recht¬
zeitigen Isolierung aller Infektionstüchtigen bestehen, also nicht nur
der Erkrankten, sondern auch aller leichten und leichtesten Fälle,
bei deren Auffindung die bakteriologische Untersuchung zu Hüfe
genommen werden muss. Ein grosser Mißstand ist, dass es nur
bei akuten Erkrankungen gelingt, die Bazillen in den Faeces zu
finden, doch wird es auch ohne diesen Nachweis wohl berechtigt
sein, einen Irren zu isolieren, wenn er Schleimspuren in den Faeces
hat, und sein Serum Pararuhrbazillen hoch (1 : 400 und mehr)
agglutiniert.
6 . Trautmann, München. Erythema exsudativum multi-
forme und nodosum der Schleimhaut in ihren Beziehungen zur
S3rphili8.
Eine Reihe von Erkrankungen, deren Domäne für gewöhnlich
die äussere Decke ist, wie Pemphigus, Herpes, Psoriasis, vor allem
aber das Erythema exsudativum multiforme et nodosum, können
gleichzeitig sekundär, primär und sogar solitär die Mundhöhle und
die oberen Luftwege befallen. Alsdann können gelegentlich, speziell
bei Vorangehen einer syphilitischen Infektion, grosse Verwechselungs-
möglichkeiten mit den Schleimhautefflorescenzen dieser Krankheit
sich ergeben. Bei der Folgenschwere, die die Diagnose „Syphilis“
in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht, namentlich bei lang¬
jährig zurückliegendem Infektionstermin und nach als genügend an¬
zusehenden und sorgfältig ausgeführten Kuren, hat, ist gerade in
solchen Fällen ein genaues Erwägen und Beobachten wichtig. T.
schildert von sieben Patienten mit luetischer Anamnese Befunde von
Uloerationen, Errosionen, Tumorbildungen an den Tonsillen, Uvula,
Wangenschleimhaut, Zunge, Pharynx und Larynx, die alle lues¬
verdächtig aussahen, sich aber doch als erythematöse erwiesen und
prompt auf eine einfache Salicylsäurebehandlung schwanden.
7. Fränkel, Berlin. Ueber FseadarthroBenheilung und
kttnstliohe Pseudürthrosenbildung.
Die Zahl der Pseudarthrosen bei Schaftbrüchen des Vorder¬
arms ist keine geringe, relativ sogar grösser als am Oberarm, Ober¬
und Unterschenkel. Dies wird begreiflich, wenn man die rota¬
torischen Verschiebungen ins Auge fasst, die hier leicht an der
Bruchstelle eintreten können und zur Aufhebung des Kontaktes und
damit zur Pseudarthrose führen. Dies ist wohl zu beachten bei
den Kontinuitätsresektionen aus den Vorderannknochen, wie sie
vorgenommen werden bei den durch ischämische Muskellähmxmg
entstandenen hochgradigen Muskelverkürzungen, bei Flexionskontrak-
turen der Hand infolge cerebraler Hemiplegia, bei den nach Ent¬
zündungen und Verletzungen zustande kommenden Kontrakturen.
Hier, wie bei der Pseudarthrosenbehandlung ist tadellose Adaption
und Fixation bis zur Heilung zu erstreben. Für die Knochen¬
vereinigung empfiehlt sich keilförmige Anfrischung, derart, dass die
Läilgskante des Keiles am Radius frontal, an der Ulna senkrecht
dazu sagittal verläuft. Bei einer von F. vorgeuommenen Konti¬
nuitätsresektion trat feste Verwachsung am Radius ein, während
an der Ulna ein falsches Gelenk sich bildete; dieser Zufall war
aber als erfreulicher zu begrüssen, da dadurch der Patient in den
Stand gesetzt wurde, die Hand zu pro- und snpinieren, was früher
wogen Ankylose des unteren Radiouluar-Gelenks nicht möglich ge¬
wesen war.
8 . Herz, Meran. Die Lioht*Laft8trombehandltmg der ohro«
niscben Herzkrankheiten.
Die Hebung der Widerstandskraft gegenüber atmosphärischen
Einflüssen ist für den Herzkranken ebenso wertvoll, wie für den
Gesunden. Dabei muss es sich bei der Abhärtung nicht nur um
Gewöhnung an thermische Kontraste handeln, sondern um Ertragung
einer Reihe von Faktoren, unter denen besonders die Luftbewegung
zu erwähnen ist. Abhärtung gegen Einflüsse des Wetters wird
wirksam nur durch Einwirkung von Licht und Luft erzielt. H.
verwendet hierzu nicht das freie Licht - Luft - Bad, das von den
Launen des Wetters, von den Jahreszeiten abhängig ist, sondern
ein künstliches Licht-Luftstrom-Bad nach einer Versuchsanordnung
von Kühner. Seine Wirkung ist in vieler Beziehung dem COa-Bad
zu vergleichen, ermöglicht, wie dieses, intensivere Kältereize und
bedingt eine bedeutende Erhöhtmg der Atmungsgrösse. Die steigende
Dosierung wird erreicht durch allmähliche Steigerung der Differenz
zwischen Strahlungs- und Scbattentemperatur und Intensität der
Luftströmung. Durch starke Strahlung in Verbindung mit einem
Luftstrom von 30—34 ° ist eine intensive Entwässerung zu erzielen,
wobei die unangenehmen Erscheinungen des Schweissausbruchs ver¬
mieden werden.
9. Wätzold, Freiburg. Leberruptnr mit tötliober Blutung
infolge Berstens eines oberflächlichen Aneurysmas.
Ein Mann mit verhältnismäßig geringen klinischen Erschein¬
ungen — Hydrops, Ascites, Leberschmerzen — kollabierte plötz¬
lich und ging an einer intraabdominellen Blutung in IV 2 Stunden
zu Grunde. Die Autopsie ergab an der Leber die Ruptur einer
oberflächlichen Höhle, die bei den intensiven Veränderungen am
Bindegewebs- und Gefassapparat der Leber als Aneurysma, wohl
auf luetischer Grundlage, das in verschiedenen Schüben zur Ent¬
wicklung gekommen war, angesprochen werden konnte.
10. Mennacher, München. Ein Fall vou chronischer Lympho«
cytenleukaemie bei einem llmonatlichen Kinde.
Der Blutbefund zeigt starke Herabsetzung des Haemoglobin-
gebaltes bei nicht verminderter Erythrocytenzahl, starke Vermehrung
der kernhaltigen roten Blutkörperchen, wesentliche Erhöhung der
Zahl der weissen Blutkörperchen, dabei prozentuales Ueberwiegen
der Lymphocyten (74%), Verminderung der polynucleären Leuoo-
cyten (20 %). Der Sektionsbefund ergab schwere Knochenmarks-
Veränderungen, starke Beteiligung der Lymphdrüsen und der Leber,
dabei bedeutendes Ueberwiegen der Lymphocyten in diesen Organen.
Danach ist das Krankheitsbild wohl von der Anaemia pseudo-
leukaemica zu trennen und der lymphatischen Leukaemie zuzuzählen.
Die Erkrankung als angeboren zu betrachten, liegt kein Grund vor;
chronische Störung des Verdauungskanals infolge falscher Er¬
nährungsweise, sonstige hygienische Schädlichkeiten in Verbindung
mit florider Rhachitis haben vielleicht den für das Zustandekommen
einer Leukaemie zu fordernden spezifischen Reiz auf das Knochen¬
mark ausgeübt; es ist aber nicht auszuschliessen, dass die Ver¬
dauungsstörungen schon Folgeerscheinungen der Leukaemie waren.
11. Bettmann, Leipzig. Portativer Apparat ftir Behand¬
lung von Finger- und Handgelenksversteifongen.
12. Wiesner, Aschaffenburg, Zur Technik der Röntgen-
therapie-Schutzapparate.
An der Hand von Abbildungen werden die technischen Einzel¬
heiten dargelegt.
13. Grisson, Hamburg. Praktische Vorschläge zur Hygiene
der Frauenkleidung.
Die vorgeschlagene Kleidung wird an Zeichnungen beschrieben.
Sie bezweckt: 1. den Uebergang von der Korsettkleidung zur
korsettlosen ohne grosse Aenderung der im Gebrauch befindlichen
Kleidungsstücke zu bewerkstelligen; 2. unterscheidet sie sich äusser-
lich fast gar nicht von der bisher üblichen; 3. sie ermöglicht jede
Ausgestaltung von elegantester Machart bis zum schlichten Öeid
der Arbeiterin; 4. sie ist praktischer und ökonomischer als die
Reformkleidung, da alle Teile gegen einander ausgewechselt werden
können; 5. sie nutzt die Reibung aus, um die Last der Kleider
auf eine möglichst grosse Fläche wirken zu lassen, sucht den Ueber-
schuss an Gewicht möglichst gleichmäßig auf Schultern und Becken
zu verteilen, und so eine Ueberls^tung der Taille, wie bei der
Korsettkleidung, und der Schultern, wie bei der Reformkleidung, zu
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
503
vermeiden. Sie beengt den Rumpf an keiner Stelle, nur den
knöchernen Beckenring, der einen leichten Druck wohl ver¬
tragen kann, umschliesst sie ringförmig, aber beliebig lose, und
empBehlt sich deshalb auch für Frauen in der Gravidität, da sie
nicht auf dem wachsenden Uterus lastet; 6. sie ist durchaus weib¬
lich, ohne irgendwelche an filännerkleider gemahnende und deshalb
Frauen unkleidsame Zutaten. Nach G.’s Erfahmngen gewinnt
eine Frau durch Anlegting der empfohlenen Kleidung ganz wesent¬
lich an Wohlbefinden und Leistungsfkhigkeit; für eine erfolgreiche
Kur bei Bleichsucht, Magengeschwür, chronischer Verstopfung,
Wanderniere, manchen GenitaUeiden betrachtet er sie als Vor¬
bedingung.
Deutsche med. Wochenschrift. Nr. 43. 1906.
1. Böhme, Marburg: ErnähnmgtTersaehe mit Ferhydrase*
milch.
Der von verschiedenen Seiten erstrebten Einführung der
Rohmilchemährung in die Praxis steht eine grosse Schwierigkeit
entgegen, die Beschaffnng einer einwandfreien Rohmilch. Römer und
Much haben ein Verfahren angegeben, das die Gewinnxmg einer
sterilen, besonders von lebenden Tuberkelbazillen freien, in ihren
Eigenschaften sonst unveränderten Milch ermöglichen soll. Da¬
nach wird die Kuhmilch durch Wasserstoffsuperoxyd sterilisiert,
dessen unzersetzter Ueberschuss nach der Sterilisation durch eine
Katalase, d. L durch ein aus tierischem Gewebe gewonnenes,
Wasserstoffsuperoxyd zerlegendes Ferment zersetzt wird. B. hat
die Verwendung der so gewonnenen „Perhydrasemilch“ für Säug-
linge geprüft. Es hat sich ergeben, dass die Perhydrasemilch für
Kinder und Säuglinge (auch kränkliche) über Jahr eine ge¬
eignete Säuglingsemährung darsteUt, die einer gekochten Milch
bester Beschaffenheit mindestens ebenbürtig ist. Die grössere
Gewichtszunahme mancher Kinder und das Schwinden der Rhachitis
scheinen sogar für eine direkte Ueberlegenheit der Perhydrasemilch
za sprechen. Ganz junge, schwächliche Säuglinge scheinen die¬
selbe weniger gut als gekochte Milch zu vertragen; und eine
spezifisch günstige Beeinflussung chronischer Verdauungsstörungen,
wie sie für rohe Milch behauptet worden ist, liess sich nicht nach-
weisen. Jedenfalls aber dürfte, sobald es gelingt, die noch be¬
stehenden technischen Schwierigkeiten zu beseitigen und die Her¬
stellungskosten zu verringern, die Perhydrasemilch, die der bis¬
herigen Marktmilch bei weitem vorzuziehen ist, eine grosse prak¬
tische Bedeutung für die Mildiversorgungsfrage gewinnen.
2. Rolly, Leipzig: Experimentelle XTntersnohimgen über
das biologisohe Verhalten der Bakterien im Diokdarm.
Dem Bakterienwacbstum im Dickdarm sind gewisse Grenzen
gezogen, insofern einerseits die Menge der Mikroorganismen ein
gewisses Maß scheinbar nicht überschreiten kann, und andrerseits
nur ganz bestimmte Bakterienarten unter normalen Verhältnissen
gefimden werden, so dass man von einer spezifischen Bakterien¬
flora im Diokdarm sprechen kann. Das von andrer Seite behauptete
Vorkommen von Autotoxinen und deren Bedeutung für das Wachs¬
tum der Bakterien im Dickdarm wird nach eingehenden Versuchen
bestritten, vielmehr angenommen, dass die Menge der im Dickdarm
befindlichen Keime in erster Linie von der Grösse und Art der
in ihm vorhandenen und für die Bakterien förderlichen Nahrungs-
bestandteile abhängt, dass daneben die Reaktion, die Peristaltik
entweder im Sinne einer Vermehrung oder Verminderung der
Bakterienanzahl eine Rolle spielt. Für das starke Prävalieren
des Bakt. coli im Dickdarm ist wohl der Gehalt der Faeces an
Kohlehydraten verantwortlich. Die normale Tätigkeit der Dick-
dannscUeimhaut hat einen grossen Einfluss auf die Zusammen¬
setzung der ganzen Vegetation im Dickdarm; eine Erkrankung
derselben kann allein schon hinreichen, eine abnorme Bakterien¬
vegetation hervorzubringen.
3. Huismans, Cöln; Ein Fall von Tay-Saohssoher famili¬
ärer amanrotischer Idiotie. Es handelt sich um ein 3jähriges
Kind, das sich bis zum 6. Monat annähernd normal entwickelt
hatte; von da bildeten sich allmählich die Störungen heraus, die
zu dem jetzt vorhandenen Zustande führten. Rhachitiacher Schädel,
Zahnbildung etwa dem 15. Monat entsprechend; dauernd grim-
massierende Gesichtsbewegungen, sonst völlige Teilnahmlosigkeit;
absolut idiotischer Eindruck; im Augenhintergrund keine Veränder¬
ung der Macula, wie sonst meist beobachtet, sondern eine Atrophie
des Opticus. Spastische Starre der Extremitäten mit allseitiger
Erhöhung der Reflexe. Bezüglich der Aetiologie liess sich nichts
Klärendes eruieren.
4. Bradt, Berlin: Zum Kapitel der EalBverletzangen.
B. gibt die Krankengeschichte eines Mannes, der mit der
linken Halsseite auf den Rand einer Holzkiste anfschlug, worauf
sich Schmerz, Atem- und Schluckbeschwerden, Bluthusten und
Sprachstörung und ein Hautempbysem am Halse einstellten. Ein
genauerer Befund am Pharynx wegen vieler Blutgerinsel zunächst
nicht zu erheben. Eine Untersuchung am 4. Tage ergab völliges
Intaktsein der Gebilde des Kehlkopfs, dagegen einen Tumor an
der hinteren Pharynxwand mit oberflächlicher Ulceration. Es
war also durch ein akutes, von aussen einwirkendes Trauma ohne
Läsion der Umgebung eine isolierte, indirekte Verletzung, Zer-
reissung des Plmrynx zustande gekommen, wahrscheinlich in der
Weise, dass der hintere Rand der Sobildknorpelplatte bei dem
Unfall gegen die Pharynxwand gepresst wurde und diese durch¬
quetschte.
5. Scheib, Frag: Ueber die Heilung der Wunden nach
G^luchem Sohambeinsohnitt.
Nicht abgeschlossen.
6 . Boesser, Chemnitz: Das Eelmholtzsehe Verfahren gegen
Henfieber, modi^ert.
Helmholtz hat nach Erfahrungen an sich selbst zur Be¬
handlung des Heuflobers Nasenspülungen mit Chininlösungen
empfohlen. Dies Verfahren kann nur da wirksam sein, wo die
HeufiebererscheiuuDgen nur auf die Nase beschränkt bleiben, was
aber nur in vielleicht 31% der Fälle der Fall ist. Wo dagegen
die örtlichen Symptome zuerst an der Augenbindehaut auftreten
und diese erheblich katarrhalisch affiziert ist, da muss die örtliche
Chinintherapie von der Bindehaut aus einsetzeu. B. benutzt dazu
eine 1 % Corticinlösung (Corticin = salzsaures Chinin-Coffein), von
der er, wenn das typische Jucken im inneren Augenwinkel beginnt,
einige Tropfen in den Conjunktivalsack träufelt; der Patient legt
sich darauf hin: vermehrte Tränenabsonderung setzt ein, und die
corticinhaltige Tränenflüssigkeit fliesst in reiohJichem Strom durch
den Tränennasenkanal durch die Nase über Gaumensegel und Schlund,
so dass mit Ausnahme der Highmorshöhle alle Schleimhäute, von
denen die Reflexsymptoine des Heuflebers ausgehen können, mit
corticinhaltiger Flüssigkeit bespült werden. Der Anfall wird auf
diese Weise koupiert, die Wirkung hält mehrere Standen an.
7. Schoengut, Krakau. Zur Therapie der Otitis externa
oironmsoripta und verwandter Affektionen.
Sch. empfiehlt für Gehörgangsfurunkulose eine Dmckbehand-
lung durch feste Tamponade des Gehörganges mit in Lösungen
von essigsaurer Tonerde oder Alaol getauchten Gazestreifen. Er¬
zielt man den individuell richtigen Grad von Druck, so lassen die
Schmerzen bald nach, die Furunkel öffnen sich ohne Incisiou, in
5—7 Tagen ist in mittelschweren Fällen bei täglichem Tampon¬
wechsel Heilung zu erzielen. In neuerer Zeit hat er mit noch
besserem Erfolg die Stauungshyperaemie, Umlegen der Staubinde
um den Hals nach der Bierschen Vorschrift, ausgeübt. Damit er¬
zielt man promptesten Nachlass der oft sehr erheblichen Schmerzen,
gute Nachtruhe; Furuukel im Infiltrationsstadium kommen nicht
zur Vereiterung; abscedirende brechen schnell auf. Streng indivi¬
dualisierendes Vorgehen ist erforderlich; dann ist die Methode in
ihrer Einfachheit allen anderen Heilmethoden überlegen und ausser
bei den akut entzündlichen Prozessen des äusseren Gehörganges
wohl auch erfolgreich bei Dermatitiden der Ohrmuschel, perichon-
dritischen Prozessen und Othaematomen zu verwenden.
8 . Zernik, Steglitz. Neue Arzneimittel, Spezialitäten, Ge¬
heinunittel.
Es werden besprochen: Hartmanns Nervennabnmg Antineu-
rasthin, Brandol, Capsula duplex stomachlca Bouri, Formosasprudel,
Kaiserborax, Müglitzol, Polveri antigottose delle R. R. Madri Bene¬
dictine di Pistoia, Steges Kräuterwein, Sulfopyrin, Urecidin Stro-
schein, Winthers nature health restorer.
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504
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 46.
9. Lewin. Die Hilfe fUr Oiftarbeiter.
Ein allgemeines Belehmngsblatt für Giftarbeiter,
10. Selter, Bonn. Die wesentlichen Fortschritte auf dem
Gebiete der Schulhygiene während der letzten Jahre.
Berührt werden die Schularzteinrichtnng, die hygienischen
Einrichtungen des Schulhauses, die Hygiene des Unterrichts.
No. 44. 1906.
1. Wassermann und Flaut. Deber das Vorhandensein
syphilitischer Antistoffe in der CerebrospinalfftLssigkeit von
Paralytikern.
Wassermann und Bruck haben eine Methode ansgearbeitet,
mittel» deren es gelingt, in Körpersäften einerseits geringe Mengen
vorhandener gelöster Bakterienstoffe, andrerseits deren Reaktions¬
produkte, d. h. die Antikörper, nachzuweisen. Die Methode be¬
ruht darauf, dass beim Zusammentreffen von Antigen und zuge¬
hörigem Antistoff Komplement gebunden wird, wodurch die Hae-
molyse roter Blutkörperchen, die hinzugefügt werden, gehemmt
wird. Ausbleiben, i. e. Hemmung der Haemolyse bedeutet also
bei einem entsprechenden Versuch, dass bei der Mischung einer
Körperflüssigkeit x mit einem bekannten Antigen, z. B. Extrakt
aus syphilitischen Orgaiien, in der Körperflüssigkeit x auf das
Antigen einpassende Antistoffe, i. e. Syphilisantistoffe vorhanden
sind. Nach dieser Methode wurde die Lumbalflüssigkeit einer
Anzahl von Paralytikern und zur Kontrolle die einer Anzahl von
Nichtparalytikern, bei denen keinerlei Anhaltspunkte für das Vor¬
handensein einer Syphilis vorlag, untereucht. Von 41 Lumbal-
flüssigkeiten, die von Paralytikern stammten, ergaben 32 bei der
Mischung mit dem Elxtrakt von luetischen Organen deutliche
Hemmung der Haemolyse, während die verwendeten Extrakte, bezw,
die Lumbalflüssigkeiten allein die Haemolyse nicht hemmten; in
den neun übrigen Fällen trat die Hemmung undeutlich oder
gamicht auf. Dieselben Lumbalflüssigkeiten, mit Extrakten aus
Organen nicht syphilitischer Foeten gemischt, ergaben keine
Hemmung der Haemolyse. 19 Lumbalflüssigkeiteii von Individuen
ohne Syphilis ergaben mit den Extrakten syphilitischer Organe,
mit welchen die Spinalflüssigkeiten von Paralytikern stark hemmten,
keine Hemmung. Es unterscheidet sich also durch diese Reaktion
die grösste Zahl der Lumbalflüssigkeiten von Paralytikern in
spezifischer Weise von derjenigen der nicht luetischen, bezw. nicht
paralytischen Personen. Weitere Kontrollversuclie sicherten die
Feststellung, dass in der Lumbalflüssigkeit der meisten Paralytiker
spezifische Antistoffe gegenüber dem Syphilisaetigen vorhanden
sind, woraus zu schliessen ist, dass diese Individuen früher Lues
hatten, bezw. noch haben. Um den Schluss zu ziehen, dass die
Paralyse direkt mit der Lues kausal zusammenhängt, reichen diese
Untersuchungen nicht aus; dieser Nachweis ist weiteren Versuchen
Vorbehalten.
2. Litten und Lovy, Berlin: Deber atypische Aktinomy*
kose.
In einem Falle, dessen klinische Beobachtung am ehesten an
Tuberkulose denken liess, fanden sich bei der Autopsie in Lungen,
Leber, Tuben, Gehirn multiple Abze.sse, deren Eiter kleine, weisse,
makroskopisch erkennbare Körnchen enthielt, die an Aktinomykose
erinnerten. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Eiters in
Abstrichpräparaten und Organschnitten wurden jedoch die hierfür
charakteristischen typischen Drusen und keulenförmigen Auftreib¬
ungen durchweg vermLsst; vielmehr bestanden die Körnchen aus
Haufen von Mikroorganismen, welche ganz kurze Stäbchen, zu
kimuelförmig verschlungenen Ketten aiieinandergereiht, darstellen,
so da.ss meist der Eindruck von Streptococctui hervorgerufen wurde.
Durch Reinkultur wurde ein Fadenpilz gezüchtet, der aerob auf
allen Nährböden gedieh, morphologisch weitgehende Pleomorphie
von kurzen, coccenartigen Stäbchen zu langen, verzweigten Fäden
mit sporonartigt'ii Bildungen zeigbj und sich patliogen für Mäuse
und flleerschweiiichen, für Kaninchen nur bei ijitraperitonealer
Einverleibung erwies. Trotz der im menschlichen Eiter gefundenen
Küniclien iiiiterschei'let sieh der Mikroorganismus we.sentlich von
dom typischen Aktinomyces bovis Harz durch das Fehlen der
typisclicii Dnisfii mit iliren kolliigcn Anschwellungen im mensch-
liclien Eiter, ilnrch mannigt'altige Abweichungen in Wachstum und
Morphologie und endlich durch seine im Laufe der Weiterzüchtung
erlöschende Pathogenität für Tiere. Die meiste Aehnlichkeit hat
er mit dem von Eppinger beschriebenen Aktinomyces asteroides.
3. Schlesinger, Berlin: Zur Differeutialdi^nostik swiichen
Hierenerkrankungen und Ferityplüitis.
Es werden mehrere Krankengeschichten von Fällen besprochen,
bei denen die Differentialdiagnose zwischen Appendicitis und Nieren¬
leiden, Ureterstein, in Frage kam, und die zu diagnostischen
Irrtümem, einmal auch zu überflüssiger Appendektomie Anlass
gaben. Der Befund von roten Blutkörperchen im Urin, der bis¬
her als sicheres differentialdiagnostisches Merkmal angesehen wurde,
kann diese Bedeutung nicht beanspruchen, da auch bei chronischer
Perityphlitis nicht allzuselten das Auftreten von roten Blutkörper¬
chen (frischen und ausgelaugten) im Urin zu beobachten ist.
Wichtig gegenüber den Erkrankungen der Nieren oder des Ureters
für die Diagnose sind Ausstrahlungen der Schmerzen in Hüfte,
Oberschenkel, besonders in den Hoden; absolut maßgebend sind
sie aber nicht. Eis ist daran zu denken, dass auch bei nephriti-
Bcheu Zuständen die Erscheinungen von Seiten des Darmes im
Vordergründe des Krankheitsbildes stehen können.
4. Bloch, Kattowitz: Deber willkttrlieke Erweiterung der
Pupille.
B. berichtet über einen Patienten, Morphinist, der imstande
war, seine Pupillen willkürlich zu erweitern. Solche Fälle müssen
zu einer Modifikation der Anschauungen über die Lokalisation des
Pupillenzentrums und der Lehre von der willkürlichen (querge¬
streiften) und unwillkürlichen (glatten) Muskulatur führen.
5. Heüman, Göteborg: ElektromedikamentÖBe Therapie.
Die therapeutische Verwendung der elektrochemischen Methode
kommt zunächst in Betracht bei der lokalen Behandlung lokalisierter
Hautleiden. Hier gibt sie uns Mittel an die Hand, hakterien-
tötende, adstringierende oder gewebetötende Ionen in genauer
Dosierung der Haut einzuverleiben. Am besten nim mt man die
Behandlung so vor, dass man unter einer biegsamen Metallplatte
ein hydrophiles Gazelager mit der Lösung durchtränkt, deren Ion
man einführen will. Zur Anodenplatte ist Platin oder Alnminium
zu verwenden. Wenn man Zink-, Kupfer- oder Silberionen ein¬
führen will, kann man Platten aus diesen Metallen anwenden.
Zur Kathodenplatte eignet sich am besten Blei. Günstige Re¬
sultate »ind mit dieser Methode erzielt worden bei Hautcarcinomen,
tuberkulösen Herden und chronischen Geschwüren. In zweiter
Linie ermöglicht die elektromedikamentöse Methode Einführung
medikamentöser Stoffe in Blut- und Ljonphwege durch die unver¬
sehrte Haut; weiter die Einführung der Ionen durch die Haut
auf darunterliegende kranke Gewebe (so Morphium auf einen
schmerzhaften Nerven, Salicyl auf rhenmatische Muskeln und Ge¬
lenke, Jod auf die Schilddrüse bei Basedow). Für die Dosierung
der Ionen wird eine Tabelle angegeben.
6 . Geissler, Schöneberg. Daher Taherknlose der Mamioa.
Die Tuberkulose der weiblichen Brustdrüse ist eine seltene
Krankheit. G. hat drei Fälle untersucht. Vor der Pubertät tritt
die Krankheit nicht auf, betrifft fast ausschliesslich Frauen. Zwei
Hauptformen sind zu unterscheiden: der kalte Abscess und die
disseminierte Tuberkulose. Im ersteren Fall ist die Brustdrüse ver-
grössert, die prallelastiscbe Geschwulst kann fluktuieren. Durch
fortschreitende Einschmelzung erfolgt Durchbruch durch die Brust
und Ffstelbildungen. Bei der disseminierten Form fühlt man in
der Drüse mehrere derbe Knoten. Die Drüse ist wenig vergrössert,
auf der Unterlage verschieblich, die Warze gewöhnlich eingezogen;
auf dem Durchschnitt sieht man die isolierten Knoten durch nor¬
males Gewebe getrennt. Mikroskopisch findet sich bei kalten Ab-
.soessen keine Veränderung des an der Peripherie gelegenen DrUsen-
gewebes; bei der disseminierten Form liegen die Tuberkel in und
zwischen den Acini. Differentialdiagnoatisch kommt wohl am
häufigsten bei Tuberkulose der noch in situ befindlichen Brustdrüse
die Verwechslung mit Carcinom in Betracht, besonders wo eine
Einziehung dos Mamille stattgefunden hat, so auch in dem einen
der beschriebenen Fälle. Bei der mikroskopischen Diagnose kann
die Differenzierung gegenüber der Syphilis Schwierigkeiten machen.
7. Schmidt, Leipzig. Beiträge zur Diagnostik der schweren
Banchqnetschnngen; ihre Indikation zur Laparotomie.
Es wird über vier Fälle von Bauchquetsohungen mit inneren
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MEDICINISCHE WOCHE.
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Verletznngen berichtet. Der erste wurde dxxrch breite Gewalt-
einwirkung, Stoss yon eiuem durcbgehecden Gespann veranlasst.
Nach anfänglichen schweren Shockerscheinungen entwickelte sich in
der Folge das Krankheitsbild der chronischen Peritonitis; eine nach
Wochen vorgenommene Laparotomie zeigte, dass eine Verletznng
der Gallenwege stattgefunden und durch die ins Abdomen fliessende
Galle eine chronische adhaesive Peritonitis sich entwickelt hatte. Die
drei andern waren Verletzungen durch Hufschlag und zeigten bei der
Laparotomie im. ersten extraperitoneale; Ruptur des Duodenum,
im zweiten totale Zerreissung einer DUnndarmschlinge, im dritten
Einriss des Duodenum bis zur Muoosa. Die beiden letzten wurden
durch die Operation gerettet. Für die Diagnose ergeben sich aus
den Beobachtungen nicht unwichtige Folgerungen. Nicht zu ver¬
werten für die Diagnose ist der Shock. Normale Temperatur und
kräftiger Puls von regelrechter Frequenz lassen nicht eine schwere
innere Bauchverletzung ausschliessen; ebenso wenig das Fehlen des
Erbrechens. Eine nachweisbare Dämpfung gibt meist Klarheit über
die Sachlage und kann häuflg schon recht frühzeitig die Verlegung
eines Bauchorgans durch den Erguss von Blut, Galle, Hagendarm-
inhalt, Ham signalisieren. Das wichtigste Symptom bei inneren
Bauchverletzungen ist die Bauchdeckenspannung; bei den be¬
schriebenen Fällen fehlte sie niemals, im schwersten war sie am
deutlichsten ausgesprochen. Sie ist keineswegs als eine direkte
Folge der Quetschung der Bauchmuskeln zu betrachten; meist wird
sie erst nach einer grösseren Zahl von Stunden, als Folge der Zu¬
nahme des Ergusses in die Bauchhöhle nachweisbar. In - gleicher
Weise ist der Druckschmerz des Leibes zu verwerten. Wenn nach
einem Trauma, das die Bauchdecken getroffen hat, eine aus¬
gesprochene Spannung der Bauchdecken und eine deutliche Druck-
empflndli<3ikeit des Bauches sich einstellt, so ist die Annahme einer
schweren Verletzung der Bauchorgane gerechtfertigt, und wenn
diese Erscheinungen nicht schnell abnehmen, ist es indiziert, ohne
Säumen die Laparotomie vorzunehmen.
8 . Scheib, Frag. Heber die Heilung der Wunden nach
Oiglischem Schambeinsohnitt. (Schluss aus Nr. 43.)
Wie die Röntgenuntersuchungen ergeben haben, sind meist
schon 3—4 Wochen nach dem Schambeinschnitt die Knochenenden
durch straffes Bindegewebe fest vereinigt, das nach wenigen Monaten
eine mehr oder minder vollständige Verknöcherung zeigt. Das Er¬
halten einer möglichst weiten ^ochenspalte im Interesse einer
dauernden Erweiterung des Beckens dürfte vielleicht zu erstreben
sein; nicht zu festes Anlegen des Beckenverbandes nach der
Operation, frühzeitiges Aufstehen könnten vielleicht in diesem Sinne
empfohlen werden. Die Befürchtung, dass die gewonnene Er¬
weiterung durch einen mächtigeren Gallus aufgewogen oder über¬
kompensiert werden könnte, ist nach den bisherigen Beobachtungen
unbegründet. Die Seltenheit der Nebeuverletzungen bei der Hebo-
tomie sichert dieser den Vorzug vor der Symphyseotomie. Von
Nebenverletzungen kommen als ernstere Komplikation zunächst
Blasenlaesionen in Betracht; ihre Entstehung beim Herumführen
der Nadel um das Schambein lässt sich hei genauer Befolgung der
Technik (unter präziser Leitung der andern Hand von der Scheide
aus) auch beim subcutanen Verfahren immer vermeiden; ebenso
eine Zerreissung der Blase infolge zu brüsken Auseinanderweichen
des Knochens nach der Durchsägung durch prinzipielle sorgfältige
Fixation des Beckens durch einen Gummischlauch. Blasenlaesionen,
die sich erst nach dem Durchtritt des kindlichen Körpers kund¬
tun, sind wohl als Quetschungen der Blasenwand von seiten des
durch tretenden Kopfes gegen die scharfkantigen Sägeflächen zu
betrachten. Des weiteren können Scheidenverletzungen, welche mit
der Knochenwunde kommunizieren, von besonderer .prognostischer
Bedeutung werden. Aetiologisch dürfte für dieselben die Enge
des Scheidenrohres bei Erstgebärenden, rasches Auseinanderweichen
der Knochenenden und vielleicht auch der veränderte Geburts¬
mechanismus des Kopfes nach der Beckendurchsägung in Betracht
kommen. Nach 11 an der Klinik ausgeführten Pubeotomien wurden
die Mütter alle mit voller GehfUhigkeit und ohne jede Beschwerde
entlassen; die Kinder wurden lebend geboren, nur eins starb, aber
nicht infolge der Pubeotomie, sondern weil diese zu spät vor¬
genommen wurde. Fasst man die bei den etwa 170 publizierten
Fällen gemachten Erfahrungen zusammen, so treten die ganz be¬
sonderen Vorzüge dieser Methode, speziell was die Heilung der
Knochenwnnden anbetrifft, klar zu Tage. Betreffs der mitunter
beobachteten Blasen- und Scheidenverletzungen ist zu sagen, dass
sie die Rekonvaleszenz zwar verlängern können; aber die ersteren
sind bisher stets spontan ausgeheilt, und die Scheidenrisse sind,
selbst wenn sie mit der Knochenwunde kommunizieren, und selbst
wenn sie infiziert werden, einer glatten Ausheilung fähig, wenn
für regelmässigen Abfluss der Wundsekrete gesorgt wird. Aus
Rücksicht auf die Möglichkeit dieser Verletzungen erscheint es des¬
halb nicht angebracht, das Feld für diese so segensreiche Operation
einzuschränken.
9. Stephani, Mannheim. Heber KOrpermesnmgen und
einen neuen Körpermessapparat.
Beschreibung eines Sitzmessstuhles, der besonders die Er¬
mittlung der Grössenverhältnisse der einzelnen Körperteile er¬
möglicht.
Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 44. 1906.
1. Hoffa, Berlin: Heber das Marmorek-Serum in der
Therapie der ohirorgischen Tuberkulose.
H. berichtet über seine Erfahimngen mit dem Marmorek-
schen Serum bei der Behandlung tuberkulöser Knochen- und Ge-
lenkerkrankungen. Niemals wurde ein irgendwie ernstlicher nach¬
teiliger Einfluss auf das Befinden der Kranken beobachtet. Cha¬
rakteristische Serumreaktionen traten öfters bei den Injektionen
auf, dagegen hörten die Nebenerscheinungen völlig auf bei An¬
wendung der rektalen Applikationsmethode. Subkutane Injektionen
wurden in den einzelnen Fällen zwischen 19—48 gemacht von je
2—10 ccm Inhalt, jo nach Empfänglichkeit und Verlauf des
Heilungsprozesses; die dem einzelnen Patienten gereichten Semm-
mengen schwankten zwischen 50 und 200 ccm; zwischen je 8 bis
10 Injektionstagen wurden achttägige Pausen eingeschaltet. Auf
diese Weise wurden 11 Fälle behandelt und dabei erzielt zwei
Heilungen, eine wesentliche Besserung und bei den übrigen acht
schnelle Besserung des AUgemeinbeflndens, des Appetits, Abkürzung
des Heilungsprozesses im Vergleich zu den sonst gewohnten Be¬
obachtungen. Bei rektaler Einführung erhielten die Patienten im
Anfang täglich 5 ccm, später 10 ccm Serum 3—4 Wochen hin¬
durch; nach fünf bis achttägiger Pause event. eine zweite Serie.
Die Ergebnisse waren bei 11 Fällen zwei Heilungen, drei wesent¬
liche Besserungen, vier günstige Veränderungen, zweimal keine
Beeinflussung. Bei den 22 Fällen im Ganzen sind also 18% ein¬
wandsfreie und schnelle Heilungen und 18% auffällig günstige
Beeinflussungen zu verzeichnen, während nur wenige der Serum¬
therapie unzugänglich waren. Speziell bei der rektalen Methode,
die voraussichtlich in der Zukunft vorherrschend sein wird, ergab
sich Heilung in 18%, wesentliche Besserung in 27%, günstige
Einwirkung in 36%, keine Beeinflussung in 18%. Dem Anti¬
tuberkuloseserum Marmorek ist danach in einer Reihe von Fällen
eine spezifisch zu nennende, heilende Einwirkung auf den Verlauf
des Tuberkuloseprozesses zozuspreohen, und, bei der völligen ün-,
Schädlichkeit und der leichten und einfachen Technik der An¬
wendung, sollte ihm der ihm gebührende Platz im Kampfe gegen
die Tuberkulose nicht länger vorenthalten werden.
2. Krönig, Berlin: Ein einfacher Kunstgriff zur Erzengimg
des Knie-Phänomens.
Als Ersatz des Jendrassikschen Kunstgriffs, dessen erfolg¬
reiche Anwendung oft genug an dem Unverstand oder der Un¬
geschicklichkeit der Patienten scheitert, empfiehlt K. eine dem all¬
gemeineren Fassungsvermögen angepasste Methode. Auf das
Kommando „jetzt“ hat der Patient möglichst schnell eine einmalige
forcierte Inspiration bei gleichzeitigem Hinaufblicken nach der
Zimmerdecke auszuführen. Mit dem Inspirationsakt hat dann die
Beklopfung der Sehne genau zusammenzufallen.
3. Hoffmann, Berlin: Heber die diagnostische Bedentnng
der Spirochaeta paUida.
Gegenüber der von Danziger in No. 42 d. W. mitgeteilten,
nur auf fünf Fälle gestützten Erfahrungeu zur Frühdiagnose des
syphilitischen Primäraffektes verweist H. auf seine bei verschiede¬
nen Gelegenheiten zu dieser Frage gemachten Aeusserungen, die,
ebenso wie bei anderen Autoren, auf einem wesentlich ausge¬
dehnteren Beobachtungsmaterial basierten. Des weiteren verweist
er darauf, dass bezüglcih der wichtigen Frage der frühzeitigen
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506
M HiTl TfirNTSO H K WOGiUfi-
Nr. 46.
Quecksilberbehandlung erst jetzt, wo mit dem Spirochaetennach-
weis die frülizeitige ErkennuDg eines syphilitischen Schankers er¬
möglicht ist, sich sichere Erfahrangen werden gewinnen lassen. Gegen¬
über den von Schulze und Saling betreffs der Silberspirochaeten
gemachten Einwänden verweist er auf die völlig negativen Er¬
gebnisse zahlreicher Kontrolluntersuchungen, auf den Nachweis frei
gelegener Spirochaeten im Lumen von Blut- und Lymphgefässen,
Bronchien, Drüsen und schliesst sich der von Levaditi gegebenen
vernichtenden Kritik an.
4. Morgenroth und Oarpi: üeber ein Toxoleoitliid des
Bienengiftes.
Die Versuche ergaben, dass die haemolytische Wirkung des
wässrigen Extraktes des Giftapparats der Biene auf verschiedene
ßlutarten durch Lecithinzusatz eine sehr erhebliche Verstärkung
erfahrt. Durch Einwirkimg von Lecithin auf die Giftlösung lässt
sich eine in Alkohol lösliche, durch Aether fällbare und in Koch¬
salzlösung leicht lösliche Substanz von charakteristischer haemo-
lytischer Wirkung darstellen. Das Produkt der Einwirkung von
Lecithin auf die Giftlösung hat im Gegensatz zu der in der Gift¬
lösung ursprünglich enthaltenen giftbildenden Komponente einen
ziemlich hohen Grad von Thermostabilität. Cholesterin hemmt die
Haemolyse durch Bienengift und Lecithin. Das Bienengift enthält
also — analog den'Schlangengiften und dem Skorpiongift—eine
Substanz (Prolecithid) von toxin- resp. amboceptorartigem Charakter,
die sich mit Lecithin zu einem eigenartigen, haemolytisch wirken¬
den Toxolecithid vereinigt-.
5. Cohn, Berlin; DieLtmgenanthrakosenndihreEatstehong
vom Barm aas. Nicht abgeschlossen.
6 . Maragliano, Genua: Bie spezifische Therapie der Tu¬
berkulose. (Fortsetzung aus No. 43.) Nicht abgeschlossen.
7. Simon: Eine neue Reaktion auf freie Salzsäure im
Uageninhalt.
Für die Reaktion wird verwertet die Fähigkeit der salpetri¬
gen Säure, alkoholische Guajacharzlösungen zu bläuen. Man löst
eine Messerspitze Guajacharz in 5 ccm einer Mischung von Spirit.
Aetheris nitros. 10,0 Spirit, vini 40,0; einige ccm der Lösung
werden im Reagenzglase über 5 ccm filtrierten Mageninhalts ge¬
schichtet; an der Grenze beider Flüssigkeiten bildet sich ein grau-
weisser Ring, der bei Anwesenheit freier Salzsäure bald (eventuell
zu beschleunigen durch vorsichtiges Erwärmen) blaue Färbung an-
niramt. Der Ablauf der Reaktion vollzieht sich so, dass die freie
Salzsäure aus dem Aethylnitrit des Spirit, aether. nitros. salpetrige
Säure freimacht, die das Guajacharz zu blauem Guajaconsäureozonid
oxidiert. Organische Säuren, z. B. Milchsäure, können auch aus
Aethylnitrit salpetrige Säure abscheiden, aber erst in Konzentra¬
tionen, wie sie im Mageninhalte nicht Vorkommen können. Die
Empfindlichkeit der angegebenen Reaktion gegen freie Salzsäure
reicht für die gewöhnlichen Aufgaben der klinischen Diagnostik
völlig aus und steht den andern Salzsäureproben in keiner Beziehung
nach.
8 . Laqueur, Berlin: Zur hydrotherapeutischen Behandlung
der Tabes dorsalis.
Die Ansichten über die Besserungsfähigkeit der Tabes dorsalis
haben sich unter dem Aufschwung der physikalischen Heilmethoden
wesentlich geändert. Neben der kompensatorischen Uebungstherapie
spielen hydrotherapeutische Maßnahmen eine wichtige Rolle, L. be¬
richtet über die Erfahrungen mit der Hydrotherapie bei 162 in
der Poliklinik ambulant behandelten Tabe.skranken. Die hydriati-
scbc Therapie bestand in Halbbädern mäßiger Temperatur (von
340 —28'*), verbunden mit gelinden Friktionen und Begiessungeu,
von 3—5 Minuten Dauer. Die günstige Einwirkung dieser Bäder
zeigte sich in einer Hebung des Allgemeinbefindens, Besserung der
Gehfähigkeit, Bo.sserung resp. Be.seitigung der Blasen- und Mast-
dannstörungen, Nachlassen der lancinierenden Schmerzen und Paraes-
thesien. Schwächliche auaemische Tabeskranke vertragen manch¬
mal kühle liydrotlierapeutische Anwendungen schlecht; für die.se
Fälle empfiehlt sich die Applikation von Kohlensäure-, event. auch
Sarasonschen Sauerstoflbädern. Auf diese Weise liess sich liei
69% der länger beobachteten Kranken eine we.sentliche Besserung
erzielen.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. No. 43.
1 . Wagner von Jauregg. Beber marinen Kretiniimue.
Die Hirsch sehe These, dass nur die Seeküsten sich einer
Immunität von Kropf und Kretinismus erfreuen, ist bisher nicht
widerlegt; man kann ganz entschieden von einer kröpf- und kretinis¬
muswidrigen Wirkung der Meeresküste sprechen; vielleicht ist der
Jodgehalt der Luft der Faktor, der die Entstehung der beiden
Krankheiten hindert, dem die Meeresküsten ihre Immunität ver¬
danken. Der Tatsache, dass nirgends Kretinismus endemisch vor¬
kommt, wo nicht auch der Kropf endemisch herrscht, scheint die
österreichische Sanitätsstatistik zu widersprechen; denn während
Dalmatien so gut wie kropffrei nach den Ergebnissen der Re¬
krutierung ist, wird in diesem Lande doch jedes Jahr eine gewisse
Anzahl von Kretins ausgewiesen. W. hat nun die betreffenden
Landstriche aufgesucht und daselbst 15 Individuen gefunden, die
zunächst als richtige Kretins imponierten. Genauere Untersuchung
zeigte aber gewisse Besonderheiten: die Individuen waren alle
kropffrei; der Grad der Wachstumsstörung war stets ein sehr be¬
deutender, alle waren als Zwerge zu bezeichnen; die Hemmung
der Entwickelung der Genitalorgane zeigte stets extreme Grade;
keiner zeigte erheblichere Gehör- und Sprachstörungen: die Beein¬
trächtigung der Intelligenz war nur eine verhältnismäßig geringe.
Danach scheint dieser Kretinismus etwas vom echten endemischen
Kretinismus Verschiedenes zu sein, vielleicht ein Produkt der in
jenen Landstrichen verbreiteten hochgradigen Inzucht, er vermag
also auch die Hirscbsche Lehre nicht zu entkräften.
2. Bail, Prag. Morphologische Terändenmgen der Bak¬
terien im Tierkörper. ^
Die Untersuchungen erstrecken sich auf Milzbrandbazillen und
sollen die Bedingungen für das Auftreten tierischer, kapseltragen¬
der Bazillen klarlegen.
3. Picker, Budapest. Wachstum des Oonocooous auf seinen
freien Nährböden. Wert des Gramschen Verfahrens in der
differentiellen Biaguose des Oonococcus.
Positive Züchtungsversuche des Gonococcus auf dem serum-
freien Thalmannschem, d. h. bis zu zwei Dritteln der Gesamt¬
acidität neutralisiertem, Agar, sowie Weiterzüchtung auf gewöhn¬
lichem und Glycerinagar. Die Versuche tragen dazu bei, die Un¬
haltbarkeit der N e iss ersehen These: „alles was auf gewöhnlichem
Agar wächst, sind sicher keine Gonococcen“ zu beweisen. Ebenso
wie sich das für den Pneumococcus und Tuberkelpilz ergeben hat,
ist auch für den Gonococcus das Gedeihen ausserhalb des Organis¬
mus nicht streng an das Vorhandensein von unkoaguliertem, mensch¬
lichem, resp. tierischem Eiweiss gebunden. Damit erhält der
Gonorrhoecoccus auch eine neue Stellung im Bakteriensystem; er
kann nicht mehr in die Klasse der streng obligaten Parasiten ein¬
gereiht werden, der „paratrophen“ Bakterien, deren Gedeihen
ausserhalb des menschlichen Organismus an das Vorhandensein von
Serum gebunden ist, sondern zeigt vielfache Uebergänge zu der
nächst niederen Klasse, den metatrophen Bakterien, die im Pepton
das zu ihrem Fortkommen erforderliche Eiweiss finden. Die
Gram sehe Färbung hat sich als zuverlässiges Unterscheidungs¬
merkmal der Gonococcen erwiesen. Nur müssen die Zeitausinaße
für das Eiuwirkoii der einzelnen Reagentien genau eingehalten
werden (für Anilinwassergentianaviolettlösung eine halbe Minute,
für Gramsche Lösung eine Minute, für den Alkohol absolutus, der
stets frisch sein mu.ss, zwei Minuten).
4. AU. Ein Beitrag zur operativen Behandlung der oto¬
genen Facialislähmung.
Bericht über einen Pall, wo eine langwierige Ohreiterung zu
einer Nekrose des Labyrinths geführt hatte und bei Ausräumung
des nekrotisierten Lal)yrinthgehäu.se.s ein mehrere Zentimeter langes
Stück des Nervus facialis mitentfeint werden musste, und w-o
dann nachher mit gutem Erfolg eine Facialia-Hypoglossus-Anasto-
mose angelegt wurde. Anschliessend stellt A. die einschlägigen
in der Literatur uiedergelegten Fälle zusammen, hinsichtlich der
Ursache der Lähmung, der Dauer des Bestandes derselben, der
Art der Operation, des weiteren V^erlaufs und des Erfolges. Diese
zeigen, da.ss die Lälimuugsorscheinungen im Gebiete des Hypo-
glo.ssns, bozw. Accessorius, welche postoperativ auftreten, zu keiner
dauernden Schädigung führen, deshalb nicht als Kontraindikatioii
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1&06.
MEDICINISCHE WOCHE.
507
ftir die Operation gelten können. Die Herstellung der Nerven-
anastomoae ist frühestens sechs Monate nach der Ohroperation ge¬
rechtfertigt, wenn bis dahin keinerlei Zeichen einer beginnenden
Restitution der Facialisfunktion trotz elektrischer Behandlung und
Massage eingetreten sind; frühzeitiges Operieren ist indiziert, wenn
das Labyrinth sequestriert war und ein Stück Facialis mit dem
Sequester entfernt werden musste. Der Verlauf der mit gutem
Erfolg operierten Fälle beweist, dass Willensimpulse auf dem
Wege des Accessorius, bezw. Hypoglossus auf den Facialis geleitet
werden können, dass zunächst aktive Bewegungen der Gesichts¬
muskulatur nur bei Mitbewegungen der Schulter, hezw. der Zunge
möglich sind, dass aber nach langer Uebung eine Dissoziation der
Bewegungen eintritt.
5. Braun- Femwald. üeber einen günstig verlaufenen Fall
▼on Hydramnios und Lungenembolie am 24. Tage post partum.
Der Fall betrifft eine 35jährige Xpara; infolge starken Hydram-
nios verzögerter Geburtsverlauf: Menge des abgegangenen Frucht¬
wassers auf 6—7 1 geschätzt; schliesslich spontane Ausstossung
der Frucht. Völlig normal verlaufendes Wochenbett; nach Rück¬
bildung des Uterus Aufstehen am 18. Tage; völliges Wohlbe¬
finden. Am 24. Tage während leichter Tätigkeit schwerer Ohn-
noachtsanfall mit starken Collapserscheinungen; in den nächsten
Tagen stellen sich die deutlichen Zeichen eines embolischen Lungen¬
herdes ein. Allmähliches Abklingen der schweren Krankheitser¬
scheinungen mit völliger Heilung. Ein so spätes Eintreten einer
Embolie nach völlig afebrilem Wochenbett und der Ausgang in
Heilung sind selten beobachtet.
Deutsche
Gesellschaft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten.
Die Ortsgruppe Berlin der Deutschen Gesellschaft zur
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten hielt am Freitag, den
2. November, im Architektenhause einen Vortrag ab, zu dem der
berühmte Nervenarzt, Herr Geheimrat Prof. Eulenburg den Vor¬
trag iVbernommen hatte. Zuvor erledigte der Vorsitzende, Herr
Sanitätsrat Dr. 0. Ro.se nthal noch einige geschäftliche Ange¬
legenheiten, insbesondere wurde an Stelle des Herrn Dr. Bern¬
stein, der sein Amt als Schriftführer niedergelegt hatte, Herr
Dr. P. Schück, der bereits seit einigen Monaten provisorisch das
Amt versehen hatte, definitiv zum Schriftführer gewählt. Nun¬
mehr nahm Herr Geheimrat Eulenburg das Wort zu seinem an¬
gekündigten Vortrage „Geschlechtsleben und Nerven¬
system*. Derselbe erinnerte zunächst daran, dass die Deutsche
Gesellschaft, obwohl erst 5 Jahre alt, durch ihre Vorträge und
verschiedenartigen Veröffentlichungen es doch schon zu Wege ge¬
bracht habe, dass vor gebildeten Männern und Frauen solche
Themata jetzt frei und ohne Prüderie besprochen werden können,
denen man früher mit verständnislosem Kopfschütteln begegnet
wäre. Das ermutige ihn, sein Thema mit möglichster Ausführlich¬
keit zu behandeln. Die Beziehungen zwischen Geschlechtsleben
und Nervensystem sind auch im Tierleben ausgeprägt, beim Menschen
aber natürlich viel gewaltiger und umfassender, andererseits aber
auch zarter und intimer. Das Nervensystem, insbesondere das
eigentliche Seelenorgan, die Grosshimrinde, ist der Träger der
Persönlichkeit, des Ichwesens, der Individualität; folglich, da dieses
Ichwesen auch Geschlechtsweseu ist, werden auch alle Lebens¬
äusserungen durch NerveneinfiUsse angeregt und vermittelt, ge¬
hemmt und gefördert. Gleichwohl gab und gibt es auch Ge¬
schlechtsleben ohne Nerven System, nämlich bei den niedersten
Lebewesen, ja, man kann sogar von einem Geschlechtsleben
ohne Geschlecht sprechen, denn der geschlechtlichen Fort¬
pflanzung geht bei den niedersten Tieren und Pflanzen der Vorgang
der ungeschlechtlichen voraus. Diese Art der Fortpflanzung hängt
mit der Nahrungsaufnahme der Organismen zu.sammen und bekundet
sich dadurch, dass bei dem durch Ernährung gesteigerten Wachs¬
tum aus den überschüssigen Wachstumsprodukten ein Teil des
früheren Organismus abgespalten wird und selbständig sich noch
weiter entwickelt. Die elementaren Anfänge der Geschlechts-
trennnng und -Vereinigung sind ebenfalls schon im niedersten
Tierleben nachzuweisen. Aber erst bei den höheren Tieren findet
man einen wirklichen Geschlechtsakt, und zwar in dem Maße, wie
die Keimzellen und Geschlechtsapparate sich differenzieren. Damit
geht eine chemische Veränderung der Keim8ub8tanzember(Haeckels
„sexuelle Chemotaxis“ und „erotischer Chemotropismus“). Alles,
was die Natur in der Folge hinzugeschaffen hat, besonders die
Verknüpfung des Seelenlebens und Nervensystems mit der sexu¬
ellen Sphäre, verfolgt den Zweck, das GescWechtsleben dem Ge¬
fühlsleben unterzuordnen und so den Geschlechtsakt zu einem
intensiv gefühlten Bedürfnis, zu einer Art Naturtrieb zu erheben.
Der Geschlechtssinn als Ausdruck einer spezifischen Sinnesenergie
entsteht auf Grund örtlicher Erregungen der Nerven-Endigungen,
die reiz-wirksamen Stellen bilden eine erogene Zone, welche die
wirklichen Reize aufnehmen und durch das Nervensystem fort¬
laufen zum Zentralorgan. Der Reiz kann nun eine vollständige
Wirkung ausüben und eine unvollständige. Eine vollständige ist
vorhanden, wenn eine TJebertragung. von den sensiblen Nerven
auf die Bewegungsnerven stattfindet. Die unwillkürliche, unbe¬
wusste Auslösung der Bewegung heisst Reflex, die dabei zu
Stande kommende Aktion Reflexbewegung, wie Anhäufung, Keim-
ausstossung, Blutanhäufung usw. Werden die höheren Stellen des
Nervensystems in Anspruch genommen, dann entstehen durch die
intimeren Seelenkräfte Triebe, Impulse, auf welche dann wieder
regulierend und hemmend eingewirkt werden kann. Die Einflüsse des
Trieblebens sind für die Gesamtheit der sexuellen Erscheinungen und
Beziehungen von nahezu unumschränkter, tief ein greifender Bedeutung.
Der Geschlechtstrieb, der Trieb der Arterhaltung, ist der mächtigste
der Triebe hinter dem Nahrungstriebe. Die Prüfung dieses Triebes
führt oft in die geheimsten Tiefen dos Seelenlebens. Tjeider hat
man hierbei vielfach mit unbewussten Vorstellungen zu tun, deren
Erforschung ungemein schwierig ist. Erst in letzter Zeit hat die
Analyse des Geschlechtstriebos gezeigt, dass er aus verschiedenen
Arten von Einzeltrieben besteht. Der berühmte Frauenarzt Hegar
unterschied zwei von einander getrennte Soudertriebe: den Be-
gattungs- und den Fortpflanzungstrieb. Der letztere scheine immer
mehr bei dem Manne zurückzutreten, bei dem Weibe aber sei er
zwar durch unsere Ueberzivilisation stark zurückgedrängt, gleich¬
wohl aber noch wirksam genug. Daraus hat sich später die Auf¬
fassung ergeben, dass bei dem Weibe geringere sexuelle Sensibilitäts-
erscheinungen (geschlechtliche Unterempfindlichkeit) bestehe. Be¬
sonders Lorabrose und Ferrero stehen auf diesem Standpunkt.
Nach Eulenbnrg ist diese Auffassung jedoch sehr anfechtbar, viel¬
mehr sei das Gebahren des Weibes durch konventionelle Rück¬
sichten und die Erziehung leicht erklärlich. Nach Lombrose soll
das Weib durch seine sexuelle Hingabe stets nur ein Opfer bringen
und nur zur Befriedigung seiner Mutterschaftsgefühle den sexuellen
Genuss pflegen, es liebe in dem Mann nur den Gatten. Dies ist
aber zum Teil richtig, denn auch beim Weib kommt viel häufiger,
als gemeinhin angenommen wird, die Erotik in Betracht. Dem
Recht auf Mutterschaft, wie es in unserer modernen Frauen¬
bewegung neuerdings gefordert wird, müsste eventuell auch die
Pflicht der Mutterschaft gegenübergestelit werden. Und doch
ist bekannt, dass die Zahl der von der Frau angewandten anti¬
konzeptionellen Mittel und Methoden immer mehr zimimmt. Guy
de Maupassant malt uns in „Notre-Coeur“ in vortrefflicher Weise
das Grauen der modernen Weltdame vor der Mutterschaft, die sie
verhindere, die Freuden des Lebens und der Liebe ungestört nach
Wunsch zu geniessen. Derartige Frauentypen sind aber auch bei
uns in Deutschland zahlreich und jedem Arzte, besonders aber dem
Nervenärzte, wohl bekannt. Zu einer ganz bestimmten Zeit sind
die Geschlechtsempfindungen und -Aeusserungen heim weiblichen
und männlichen Geschlecht wesentlich verschieden: das ist in dem
Pubertätsalter und der darauf folgenden Lebensperiode. Nach der
Auflassung von S. Freud, Wien, entbehrt aber auch schon das
früheste Kindesalter nicht der sexuellen Antriebe, was sich beim
Trinken an der Mutterbrust durch das Lutschen des Kindes kund¬
geben soll. Beim männlichen und weiblichen heranwachsenden
Kinde seien gleichmäßig Verdrängungserscheinnngen (Ekel, Scham,
Angst) zu verzeichnen. Während dann bei den Jünglingen ein
Vorstoss der Geschlechfcstriebe und -Aeusserungen sich in der
Pubertät zeige, sei eine Verdrängung der sexuellen Empfindungen,
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508
SiEüicönsoHi: wochs.
Nr. 46.
eine Verstärkung der sexuellen Hemmung bei Jungfrauen vor-'
banden. Gerade dies letztere reize nun das männliche Individuum
zur.Liebesäusserung gegenüber der Jungfrau. Bei dieser befinde
sieb das Geschlechtsleben in einem Zustand der Latenz, ihre
dauernde Verdrängung könne schliesslich auch einmal zur Hysterie'
führen. Die Richtigkeit dieser Auffassung erkennt Eulenhurg im
allgemeinen an und geht alsdann auf die Analyse des Geschlechts*
triebes über, über den vor einigen Jahren der Berliner Nervenarzt
Moll eine ausgezeichnete Studie veröffentlicht hat. Nach dem'
letzteren habe der Geschlechtstrieb zwei Hauptkomponenten; d^^
Contrectationstrieb und den Detumescenztrieb. Der erstere zeitige
den Drang nach dem. andern Individuum in Form der seelischen
Annäherung, der zweite das rein körperliche sinnliche Verlangen
und die unmittelbare Auslösung der geschlechtlichen Spannung.
Das letztere war natürlich das Fxühere in der Tierwelt; erst im Bunde
mit. der reicheren Ausgestaltung des Nervensystems kam es dann auch
zur Aeusserung des Contrectationstriebs. Unerreicht schön hat dies
Wilhelm Bölsche in seinem „Liebesleben in der Natur“ dargestellt.
So wird aus dem Geschlechtstrieb allmählich das Wunderphänom
der Liebe geboren. Die individuelle Forschung hat nun ergeben,
dass die Liebe in der Pubertät für sich besonders betrachtet
Wörden muss. Max Dessoir will drei Stadien oder Perioden aner-'
kannt wissen: ein neutrales Entwiokelungsstadium des Kindes,
eine Periode des noch undifferenzierten Geschlechtstriebes, und.
drittens das Stadium des differenzierten Geschlechtstriebes. Auf
demselben Standpunkt steht auch Moll. In der Tat findet man
bei Eintritt der Pubertät, dass der Geschlechtstrieb zwar offenbar
geworden ist, aber noch keine bestimmte Richtung verfolgt, so
dass das .Individuum sich öfters sowohl zu dem gleichen als zum
andern Geschlecht hingezogen fühlt. Deshalb kommen in diesem
Zwischenstadium auch ohne besondere pathologische Veranlagung
durch, gelegentliche zufällige Momente (Verführung, geselliges Zu*
sammenleben) Abirrungen besonders homosexueller Natur vor.
Erst im weiteren Verlauf der Pubertät macht sich dann allmählich
der natürliche Trieb zum andern Geschlecht immer stärker und
bleibend bemerkbar. Dass die Aeusserungen des Geschlechtslebens
beim Weibe an eine gewisse Periodizität gebunden sind, ist all¬
gemein bekannt; aber dass dieselben in ähnlicher Weise auch
beim Mann vorhanden sind, hat Havelock Ellis gezeigt, welcher
fand, dass der Geschlechtstrieb des Mannes zweimal im Jahre
Steigerungen, resp. ein Maximum erfahre, ausserdem mit 8 bis
14tägigen Schwankungen. Die neuerdings von Dr. Wilhelm
Fliess aufgesteDte Behauptung, dass bei jedem Individuum ur¬
sprünglich eine doppelte Lebenssubstanz vorhanden sei, sowohl
eine männliche als auch eine weibliche, dass alle lebenden Wesen
doppelgeschlechtlich veranlagt waren, ja sogar während ihres ganzen
Lebens doppelgeschlechtlich fühlten, ist nach Eulenburg fach¬
wissenschaftlich noch nicht erhärtet. Dieselbe Frage der Bi¬
sexualität ist neuerdings auch von Freud, Weininger und be¬
sonders von Magnus Hirschfeld studiert worden, welcher ge¬
zeigt hat, dass zwischen beiden Geschlechtern vielfach Zwischen¬
stufen existieren, wobei der Mann mehr weibliche, das Weib mehr
männliche Erscheinungen und Eigenschaften zeige und dass die
Idee der individuellen Doppelgeschlechlichkeit schon seit den ältesten
Zeiten bekannt ist. Leider ist noch nicht recht aufgeklärt, wie
die Beziehungen zwischen Geschlechtsleben und Nervensystem an¬
geregt und vermittelt werden. Ursprünglich nahm man an, dass
die Geschlechtsprodukte selbst die Rückenmarks- und Gehirnzentren
erregen und dadurch die geschlechtliche Spannung auslösen. Diese
Erklärung bedarf aber noch weiterer Ergänzung, denn die Ge¬
schlechtlichkeit beruht noch auf andern Dingen als auf der Tätig- i
keit der spezifischen Keimdrüsen. Auf dem Wege der inneren
Absonderung von gewissen Drüsen — u. a. kommt vielleicht die
am Halse gelegene Schilddrüse hier in Betracht — können in
sehr geringer Menge Stoffe in die Blutbahnen und zum Nerven¬
system gelangen, die dort als spezifi-sch geschlechtlicher Reiz
wirken. Die durch derartige sogenannte „Enzyme* hervorgerufenen
eigenartigen Reaktionen und Auslösungen beanspruchen höchst
wahrscheinlich eine Bedeutung für die Aeusserung des gesunden
und kranken Geschlechtslebens. Ob aber Störungen in der Ab¬
sonderung und Beschaffenheit dieser Enzyme auch für die Ent¬
stehung gewisser mit dem Geschlechtsleben zusammenhängender
Nervenerkrankungen, der Neurasthenie und Hysterie, verantwort¬
lich gemacht werden können, entzieht sich vorläufig noch unserer
Beurteilung. Es ist häutig angenommen worden, dass andauernde
geschlechtliche Enthaltsamkeit allein ohne vorausbestehende krank¬
hafte Veranlagung und ohne weitere Schädlichkeiten bei ge¬
sunden Individuen Neurasthenie oder Hysterie heryorrufen könne.
Dies ist aber nach Eulenborgs Erfahrungen nicht der Fall. Das¬
selbe bestätigt Forel. Der Nervengesunde wird die Abstinenz
ohne Schaden ertragen, der Belastete allerdings nicht immer. Hier
kommen Einflüsse der Erziehung und des Milieus als ungünstige
Momente noch in Betracht. Es sind auch von Eulenburg wirkliche
Schädigungen des Nervensystems bei solchen Personen beobachtet
worden, welche, neuropathisch veranlagt, aus religiösen, moralischen
oder anderen aesthetischen Skrupeln sich selbst zu uneingeschränktem
Gölibat bei auch sonst unbygienischer Lebensweise verdammten.
Wenn aber im Volk und vielfach auch noch bei Gebildeten die
Ansicht besteht, dass geschlechtliche Abstinenz sogar Epilepsie und
Geisteskrankheiten hervorrufen könne, so ist das ein sehr bedaner-
licher Irrtum, der zu der geradezu gemeingefährlichen Forderung
geführt hat, man solle epileptische Männer und Mädchen im ver¬
meintlichen Interesse ihrer Genesung möglichst rasch heiraten
lassen. Denn daraus entstehen nicht nur die verderblichsten
Folgen für die Ehescbliessenden selbst, sondern auch für ihre
Nachkommenschaft. Gleiche Gefahren können bei der Verhei¬
ratung von schwer Neuraathenischen und Hysterischen auftreten,
und deshalb sollte in solchen Fällen stets erst das Urteil des Arztes
eingeholt werden. Was den ausserehelichen Verkehr betrifft, so
ist das der Männerwelt so bequeme Gesetz der „doppelten Moral“
gegenüber beiden Geschlechtern leider noch immer anerkannt.
Freilich machen sich bei uns bereits seit einiger Zeit vernünftige
Gegenbestrebungen bemerkbar, und zwar mit Unterstützung der
Aerzte. Eulenburg hat bereits an anderer Stelle ausgesprochen,
dass, statt immer blos auf die vermeintlichen Gefahren der sexuellen
Abstinenz aufmerksam zu machen, man lieber stets von neuem
hygienische Lebensordnung, Bekämpfung schädlicher Neigungen
und Gewohnheiten, vor allem des überflüssigen Rauchens und
Trinkens unserer männlichen Jugend predigen solle und auch diö
D. G. z. B. d. G. hat in einem ihrer Merkblätter darauf binge-
wiesen, dass Enthaltsamkeit im geschlechtlichen Verkehr nach dem
übereinstimmenden Urteil der Aerzte, im Gegensatz zu einem viel
verbreiteten Vorurteil, in der Regel nicht gesundheitsschädlich ist,
und dass nüchternes Lelwn und fleissige Arbeit sowie körperliche
Bewegung im Freien (Wandern, Turnen, Schwimmen, Rudern,
Schlittschuhlaufen usw.) ein gutes Gegengewicht bilden gegen ein
Ueberhandnehmen des Geschlechtstriebes. Leider sind erschöpfende
Aufklärungen über die Beziehungen zwischen Geschlechtsleben
und Nervensystem nicht möglich; wir können nur auf die Pro¬
bleme hinweisen, ihre weitere Lösung muss späteren Zeiten über¬
lassen bleiben.
Eine zahlreiche Zuhörerschaft, die den Saal schon lange vor
Beginn bis auf den letzten Platz gefüllt hatte, lohnte mit leb¬
haftem Beifall die geistreichen Ausführungen des Redners.
Tafel für ärztliche Stellenvermlttluns.
Adresse: Aerztllches Aiskunfls-Bureaii des Gesohifts-Aassohusses der
Berliner ärztlichen Staideevereine Im Medloinisohen WarenhauM (Akt.-
Gee.), Berlia N., Friadriohstrasae 108 I.
Für pprsönKche Rücksprache ist Herr Dr. JomUm täarUell Vtl~*/s^ Tfca» in
Medicinischen Warenhause anwesend. (Mit aütiaer Erlaubnis des Gesch&fu-Ausschusse»
der Berliner Antlichen Standesvereine vom AuKunfts-Bureau der Med. Woehe fibennittelt.)
In der Mark wird für sofort ein Assistent eesneht. Näheres
unter Nr. 1989.
In Thüringen wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u, Nr, 2007.
In Berlin wird für sofort ein Assistent gesucht. Näh. u. Nr. 2008.
In der Mark wird für sofort ein Assistent ges. Näh. u. Nr. 2013.
In Berlin wird für sofort ein Assistent ges. Näh. unter Nr. 2045.
In Pommern wird f. sofort ein Vertret. gesucht. Näh. u. Nr. 2(^4.
In der ^rk wird für sofort ein Assist, ges. Näh. unter Nr. 2056.
In Berlin wird für sofort ein Assist, gesucht. Näh. unter Nr. 2060.
Im Riesengeb. wird für sofort 2. Assist, od. Volontärarzt ges. Näh.
unter Nr. 2061.
In der Mark wird für sofort ein Vertreter ges. Näh. u. Nr. 2063.
Verantwortlicher Redakteur s Dr. P. Meiatner, Berlin W. St, Kurfüritenatr. 81. — Verlag von Carl Marheld, Halle a. S.
Oniek von der HeTneaann'ichea Bttdidmckerei, Gebr Welff, Halle a. S.' ' '
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Medicinische Woche
Deatschmann, A. D&hrssen. A. Hoffa, E. Jacobi,
Hatnbura. Berlin. Berlin. Freiburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Giessen.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen. K. Partsch, H. Rosin, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Unvenicht, A. Vossins,
Magdeburg. Giessen.
Verlag und Expedition
— .vC-
Redaktion:
Carl Marhold in Halle a« S«« UhUndstrasse 6.
Berlin W. 62, Kurffirstenstrasse 81.
Tel.'Adr: Marhold Vertag Hailesaale. Fcmst>recher 823.
Dr. P Meißner.
_
Vn. Jahrgang.
19. November 1906.
Nr. 47.
Die .Medicinische Woche'erscheint jeden Montag mit der Utflgigen Beilage BalneolOgiSChC CentralzeitUtlg) Organ des SchwarzwaldbSdertages,
des Verbandes der Deutschen Nordseeblder, sowie des Vereins der Badefirzte der Ostsee und kostet jihrlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
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Nachdruck der Orlglnal-Aufsitze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet-
Originalien.
lieber Benzosalin, ein neues Antirheumaticum.
Von Dr. Carl Ganz.
Der Wert der Salicylsäure als Antirhenmaticum steht
schon seit seiner Einführung in die Therapie durch Kolbe im
Jahre 1874 unbestritten da; die Intoxikationserscheinungen
nach Salicylsäuregebrauch aber haben die Anwendung derselben
in Misskredit gerächt und beschränkt. Obzwar über die
Wirkungsweise der Salicylsäure bei Gelenk- und Mnskelrheu-
matismus nichts Genaueres bekannt ist. muss doch wegen seiner
prompten Beeinflussung der Dauer und Schwer© der (ielenks-
affektionen an eine spezifische Wirkung auf die Krankheits¬
ursache gedacht werden. Die Erkenntnis der ausgezeichneten
Wirkung der Salicylsäure bei rheumatischen und febrilen Krank¬
heiten und das Bestreben, die Toxicität derselben zu paraly¬
sieren, brachten die Chemie dazu, Ersatzmittel der Salicvlsäure
zu schaffen, denen die spezifischen Eigenschaften der Salicyl-
säure ohne dessen schädliche Nebenwirkungen zukommen.
Unter den zahlreichen auf diese Weise entstandenen Salicyl-
derivaten, die den an sie gestellten Erwartungen zu entsprechen
und Vorzüge gegenüber anderen ähnlichen zu besitzen scheinen,
gehört auch das von der Firma K. Hoffmann-La Roche & Cie.
in Basel in den Handel gebrachte Benzosalin, der Methylester
der Benzoylsalicylsäure. Das Benzosalin ist im kalten und
warmen Wasser unlöslich, goruch- und geschmacklos, erst
bei längerer Einwirkung des Mundspeichels tritt geringer
Benzoesäuregeschmack auf. Die mit Benzosalin gemachten
Erfahrungen am Krankenbette haben ergeben, dass das¬
selbe nicht nur ausgezeichnet antirheumatisch wirkt, sondern
anch die Fiebererscheinungen günstig zu beeinflussen vermag;
dabei belästigt es nicht im geringsten den Magen, was damit
Zusammenhängen mag, dass das Benzosalin den Magen unzersetzt
passiert, um erst im Darmsaft in seine beiden Komponenten,
feenzoe- und Salicylsäure, zerlegt zu werden, ein Vorteil, der
dasselbe für eine weitere Medikation sympathisch macht. Seine
Domäne sind die acuten rheumatischen Affektionen, bei denen
ausnahmslos günstige Ergebnisse aufzuweisen sind; die spe¬
zifische Wirkung liess sich bald nach Einnahme konstatieren,
indem das Fieber abfiel, die Schmerzhaftigkeit der befallenen
Gelenke nachliess und die Schwellungen zurückgingen. Hand
in Hand damit besserte sich auch der übrige Zustand, ohne
dass dabei Appetenzstörungen auftraten; der Schweissausbruch
war gering, Collapserscbeinungen wurden nicht beobachtet.
Im folgenden seien einige Krankengeschichten kurz wieder¬
gegeben :
1. Fall. Ä. L., Kaufmann, 40 J. alt. Diagnose: Rbeuma-
tismuB articulorum acutus. Pat. gibt an, dass er vor fünf Tagen
Schmerzen in beiden Kniegelenken nnd Schwellungen in den¬
selben bekam, die sich dann später auf beide Knöchel- und
Handgelenke verbreiteten. Schüttelfrost mit Kopfschmerzen
und Mattigkeit zwangen ihn, das Bett aufzusuchen. Status
praes.: Mittelgross, von starkem Knochen- und Muskelbau;
Lungen- und Herzbefund normal. Beide Knie- und Knöchel¬
gelenke, sowie rechtes Handgelenk, mäßig geschwollen und
gerötet, bei Druck äusserst schmerzhaft. Temperatur 38,7,
Atmung beschleunigt, Puls 108, Sen.sorium frei. Therapie:
Fixierung der Gelenke, zweiNtündlich Benzosalin a 0,5 g. Am
nächsten Tage haben die Schmerzen un i Schwellungen bedeu¬
tend nachgelassen, Temperatur abends 37,5; nach weiteren
zwei Tagen ist Patient vollständig fieberfrei, und wird ihm
noch, behufs Verhinderung von Uecidiven, i'- 2 g Beuzosalin
täglich verabreicht. Nach i^echs Tagen vollständige Herstellung
der Beweglichkeit sämtlicher Gelenke; Pat kann das Bett
wieder venassen und seiner Beschättigung nachgehon.
2. Fall. B. D.. 23jähriges Dienstmädchen. Diagnose: Poly¬
arthritis rheumaticii acuta. Die Anamnese ergibt, dass Pat.
be-eits zweimal Gelenkrheumatismiis durchgemacht und seit
dieser Zeit an Herzklnpfen leidet. Seit einer Woche neuerliches
Auftreten von Schmerzen in beiden Hand- und sämtlichen
Fingergelenken, im rechten Ellbogen- und beiden Schulter-
gelenken, so dass Pat. infolge der dahei entstandenen Schwel¬
lungen ganz steif daliegt und jede Bewegung der Arme nur
mit äusserster Kraftanstrengung ausführen kann. Sämtliche
von der Krankheit befallenen Gelenke sind gerötet und druck-
schmerzhaft. Herzauskultation ergibt ein blasendes systolisches
Geräusch an der Herzspitze und Accentuierung des zweiten
Pulmonaltonos. Temperatur 39,2“, Puls 120; Therapie: 4 g
Benzosalin täglich, rat. hat in der ersten Nacht besser ge¬
schlafen, die Ilütung ist am nächsten Tage unverändert, die
Schmerzhaftigkeit der Gelenke aber bedeutend geringer. Tempe¬
ratur: 38,5. Am folgenden Tage leichter Schweissausbruch.
Die Schwellungen am rechten Arme bedeutend weniger, der
rechte Arm kann bereits ohne Schmerzen bewegt werden,
beide Arme zeigen keine Rötung mehr. Linker Arm noch ein
wenig geschwollen. Temperatur 37,2. Nach Verlauf von drei
Tagen ist Pat. vollständig fieberfrei, die Schwellung der Ge¬
lenke des linken Armes ebenfalls verschwunden, so dass Pat.
als vom Rheumatismus geheilt betrachtet werden kann. Trotz
des bestehenden Herzfehlers konnte Pat das Benzosalin ohne
Schaden für das Herz vertragen.
3. Fall. K. R., :^0 Jahre alte Arbeiterin. Diagnose: Rheu¬
matismus acutus und Aiwina. Vor drei Tagen Fieber und Hals¬
schmerzen , seit zwei Tagen Schwellung und Schmerzen im
rechten Knie- und Fussgelonk, die Haut derselben gerötet und
geschwollen, bei Berührung äusserst schmerzhaft. Temperatur:
38,3°, Therapie: fünfmal täglich je Vs g Benzosalin, Gurge-
lungen mit Kalium chloricum. Ajh folgenden Tage ist Pat.
fieberfrei, die Schwellung besteht noch, Schmerzen und Rötung
haben nachgelassen, Schluckbeschwerden geringer. Nach drei
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510
BfEDIGINISGHE WOCHE.
Nr. 47.
Tagen Angina geheilt, keine Schwellung mehr wahrnehmbar.
Therapie <lieselbe. Am achten Tage seit Beginn der Krank¬
heit vollständige Genesung.
4. Fall. S. T., Fleischer, 33 Jahre alt. Diagnose: Akuter
fieberhafter Gelenkrheumatismus. Pat. hat einmal eine Pneu¬
monie durchgemacht, war sonst stets gesund. Seit fünf Tagen
fühlt er sich krank und klagt über Schmerzen und Spannungs¬
gefühl sämtlicher Gelenke beider unteren Extremitäten, sowie
des rechten Armes. Objektiv lassen sich Schwellung, Rötung
und grosso Empfindlichkeit der befallenen Gelenke nachweisen.
Sonstiger Körperbefund normal. Temperatur 38,6, Puls 108.
Auf Benzosalindarreichung, und zwar einstündlich je 0,5 g (im
f ;anzen 4 g), sofort Nachlassen der Schmerzen und Schwel¬
ungen; allmählicher Abfall der Temperatur nach je 3 g täg¬
licher Benzosalinmedikation. Am sechsten Tag ganz fieber-
und schmerzfrei, Schwellungen nicht mehr vorhanden. Pat.
verlässt das Bett.
5. Fall. D. Z., 21 jähriger Taglöhner. Diagnose; Rheuma¬
tismus acutus articulorum. Beginn vor acht Tagen. Pat. klagt
über Schmerzen io beiden Hand- und Fussgelenken. die ge¬
schwollen und gerötet sind. Temperatur 38,1'’. Umschläge
mit essigsaurer Tonerde und Natr. salicylicum, dreimal täglich
je 1,0g. bringen bloss vorübergehende Besserung; nach drei
Tagen Recidive. Nach dreimal täglich je 2 Benzosaliopastillen
a 0,5 g tritt prompter Temperaturabfall und sofortiges Ver¬
schwinden von Rötung, Scliraerzen und Schwellung der Ge¬
lenke binnen drei Tagen ein, so dass Pat. geheilt entlassen
werden kann.
6 . Fall. B. F., öOjähriger Schneider. Diagnose: Ischias.
Pat. datiert die Krankheit seit acht Tagen, angeblich nach
einer Verkühlung. Starke Schmerzen im ganzen rechten Bein,
hauptsächlich des Nachts, so dass Pat. nicht schlafen kann;
jede Bewegung im Bett verursacht ihm Schmerzen. Objektiv
im ganzen Verlaufe des Nervus ischiadiens Druckschmerz¬
haftigkeit, hauptsächlich in der Glutäalgegend und am Köpf¬
chen der fibula. Pat. erhält fünfmal täglich je V 2 g ßenzo-
salin, nach welchem geringer Schweiss eintritt. Bereits am
zweiten Tag kann Pat. das Bein besser bewegen, die Schmerz¬
haftigkeit ist geringer; nach fünf Tagen hat sich unter fort¬
laufender Benzosalinmedikation der Zustand soweit gebessert,
dass Pat. seiner Arbeit nachgehen kann.
7. Fall. S. G., 42 jährige Taglöhnerin. Diagnose: Rheu¬
matismus acutus articulorum. Pat. leidet seit mehreren Jahren
an rheumatischen Beschwerden, die sich angeblich bei Regen¬
wetter verschlimmern. Vor zehn Tagen erkrankte sie aber¬
mals mit Schmerzen im rechten Bein; ^eichzeitig traten Rötung
Feuilleton.
Valparaiso.
Aus dem Tagebuche eines Schiffsarztes.
Von Dr. M. Brenning.
Wie die meisten Reisenden, welche zu Schiff nach Neapel
kommen, infolge des Mangels an Vegetation in der näheren
Umgebung der Stadt ein wenig enttäuscht zu sein pflegen und
keineswegs daran denken, zu sterben, nachdem sie Neapel
gesehen haben, so dürfte auch beim Anblick von Valparaiso
eine gewisse Enttäuschung die Regel sein. Rio de Janeiro,
diesen, seiner Lago nach, unvergleichlich schönen Hafenplatz,
über welchen die Natur die ganze Fülle ihrer Pracht ausge-
gosson zu haben scheint, und andere kaum weniger schöne
Häfen in allen Teilen der Welt, kannte ich bereits; wie musste
nun erst jenes „Tal des Paradieses“, von welchem ich so viel
gehört hatte, beschaffen sein!
Die Sonne war eben hinter der fernen Gebirgskette der
Anden emporgostiegen, als wir vor Valparaiso anlangten. Er¬
wartungsvoll spähte ich nach den Schätzen des Paradieses
aus. welche sich nach meiner Vorstellung alsbald meinen
staunenden Blicken darbieten mussten. Doch je näher wir
und Schwellung der Gegend des rechten Sprung- und Knie-
t elenkes ein. Interner Befund normal; rechtes Sprung- und
Kniegelenk aktiv bewegungsunfähig, leicht geschwollen und
auf Druck äusserst schmerzhaft. Temperatur: 38,5®. Therapie:
Umschläge mit essigsaurer Tonerde, zweistündlich je '/a g
Benzosalm. Unter stetiger Zunahme der Besserung war Pat.
in sechs Tagen beschwerdefrei, die Schmerzen bei aktiver und
assiver Bewegung waren vollkommen geschwunden, die
chwellungen verliefen sich unter Massage. Nach weiteren
fünf T^en konnte Pat. arbeitsfähig entlassen werden.
8 . Fall. K. N., 35jähriger Kommis. Diagnose: Polyarthritis
rheumatica acuta. Pat., der an Bronchitis vor vier Tagen er¬
krankte, klagt über Fieber und Schmerzen in beiden Knie-
und Fussgelenken und im rechten Handgelenk; sämtliche von
der Krankheit befallenen Gelenke sind gerötet, geschwollen
und äusserst druckempfindlich. Temperatur: 39'’. Therapie:
4 g Benzosalin in g - Dosen einstüudlich. In der darauf¬
folgenden Nacht hat Pat. besser geschlafen und leicht ge¬
schwitzt. Die Gelenke noch immer geschwollen, dagegen dio
Schmerzen bedeutend geringer. Therapie: Dieselbe wie tags
vorher. Die Rötung der Hand verschwunden, ebenso beider
Kniegelenke, die Schwellungen überall geringer, die Schmerzen
mäßiger. Unter weiterer Benzosalintherapie war Pat. nach
einer Woche vollkommen hergestellt und arbeitsfähig.
Aber auch subakute und chronische Rheumatitiden wurden
mit ersichtlichem Effekt von Benzosalin beeinflusst.
9. Fall. A. E., 25jährige Bäckersfrau. Diagnose: Rheu¬
matismus articulorum subacutus. Pat. klagt über Schmerzen
im rechten Ellbogengelenk, das bei Inspektion nicht gerötet
erscheint; leichte Schwellung. Temperatur: 37,2®. Therapie;
Jodpinselungen, fünfmal täglich je g Benzosalin, das drei
Tage hindurch gegeben wird. Die Schmerzen Hessen allmäh¬
lich nach, Temperatur sinkt zur Norm. Nach acht Tagen voll¬
kommene Heilung.
10. Fall. H. Z., 41 jähriger Schneider. Diagnose: Rheuma¬
tismus chronicus. Pat. hat bereits dreimal im Verlaufe von
fünf Jahren Gelenkrheumatismus durchgemacht, erkrankte vor
14 Tagen neuerdings mit Schmerzen in beiden Hand- und
sämtlichen Fingergelenken ohne Schwellung und Rötung. Sali-
pyrin und Einreibungen bringen gar keine Erleichterung. Auf
Benzosalin, fünf Tage lang fünfmal täglich je V« lassen die
Schmerzen vollständig nach, nach weiteren drei Tagen war
Fat. schmerzfrei und konnte die Arbeit wieder aufnehmen.
In 2 Fällen von Pleuritis exudativa auf rheumatischer Basis
war die antirheumatische und resorptionsbefördernde Wirkung
des Benzosalins ähnlich der der S^icylsäure zu konstatieren,
dem Hafen kamen, desto mehr erkannte ich, dass ich mich
gründlich getäuscht hatte, so gründlich, wie später nur noch
einmal, und das war eben bei meinem ersten Besuche Neapels.
Wie viele Hafenstädte, so zieht sich auch Valparaiso,
welches an einer nahezu halbkreisförmigen, nach Norden zn
ziemlich offenen Bucht gelegen ist, amphitheatralisch die Berg¬
abhänge hinauf. Doch diese Abhänge entbehren, abgesehen
von einigen kleineren Gärten und vereinzelt stehendem Busch¬
werke, eigentlich jeglicher Vegetation, und die Gipfel der die
Stadt wie einen Kranz umgebenden Berge sind sogar völlig
kahl und bilden in ihrem eintönigen, gelbbraunen Kolorit einen
nichts weniger als malerischen Hintergrund. Dass ein von der
Natur so wenig bevorzugter Ort „Tal des Paradieses“ genannt
wurde, ist ohne Zweifel nur dadurch zu erklären, dass die
spanischen Eroberer auf ihrem Zuge von Peru aus nach Süden
gezwungen waren, zunächst das nördliche Chile zu passieren,
eine Gegend, welche auf einer Strecke von gegen 1000 km so
gut wie vollständig vegetationslos ist, und wohl das ödeste
und traurigste Gebiet darstellt, welches überhaupt auf der
Erde existiert.
Während im Süden der Bucht der schmale Uferstreifen
nur Raum für eine oder zwei Strassen übrig lässt, entfaltet
sich im Norden, wo die Berge ein wenig zurücktreten, die
Stadt zu grösserer Breite, so dass hier etwa 5 bis 6 Strassen
parallel zu einander und zu dem Ufer der Bucht angelegt
werden konnten. Von diesen Strassen und ihrem dichten
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1906.
MBDIOINISCHE WOCHE.
611
ohne daraus einen Schluss auf Verlässlichkeit bei derlei
Krankheiten zu ziehen.
11. Fall. Ch. E., 45 Jahre alt, Private. Diagnose: Pleuritis
exudatira. Anamnese ergibt, dass Pat. vor 7 Monaten Lungen¬
entzündung durchgemacht habe; seither besteht Husten. Seit
3 Wochen klagt Pat. über Stechen in der rechten Seite, das
stetig zunahm, bis ein Schüttelfrost vor 3 Tagen sie zwang,
das Bett anfzusuchen und ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Stat. praesens: kräftig gebaute und gutgenänrte Person von
mittelgrosser Gestalt. Rechte Brustseite Weibt bei der Atmung
zurück und ist auf Druck schmerzhaft; Percussion links hell
und voll, rechts vorne vom oberen Rand der 3. Rippe nach
abwärts gedämpft tympanitisch, hinten von der Spina scapulae
an ebenfalls dumpfer Schall. Auskultatorischer Befund links
normal, rechts im Bereiche des veränderten Schalles vollkommen
aufgehoben. Temperatur 38,5®, Puls und Atmung beschleunigt.
Therapie: Digitalisinfus, das später mit Digalen vertauscnt
wurde, Dunstumschlä^e, 4 g Benzosalin tägli^. Unter dieser
Behandlung bessert sich der Zustand immer mehr, Schmerzen
und Atmungsbescbwerden lassen nach; Pat. ist nach 6 Tagen
vollkommen fieberfrei, die pleuritischen Erscheinungen treten
zurück. Nach 15 Tagen ist der Percussionsschall rechts noch
ein wenig gedämpft, auskultatorisch einige Rasselgeräusche und
pleurales Reiben. Pat. fährt zur weiteren Behandlung in einen
Kurort.
In weiteren 3 Fällen von typischer Influenza weichen nach
je 3 g täglich Benzosalin alle krankhaften Symptome.
Aus den nach obigen Versuchen mit Benzosalin gemachten
Erfahrungen bewährt sich dasselbe in erster Linie als Spezifikum
bei allen Arten von Rheumatismus unter Vermeidung jeglicher
unangenehmen Nebenwirkungen; neben dieser antirheumatischen
Wirkung kann das Benzosalin auch als Antipyreticum Ver¬
wendung finden, so dass dasselbe geeignet erscheint, das Na¬
trium und Acidum salicylicum vollständig zu ersetzen, weshalb
seine Einführung in die Therapie eine beachtenswerte Be¬
reicherung unseres Arzneischatzes bedeutet.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medicinische Gese^ehaft*
Sitzung vom 31. Oktober 190G.
Vor der Tagesordnung:
Stabei demonstriert einen Patienten mit einem Ecchymoma
conjunctivae, das nach Stoss gegen das Abdomen, das selbst
keinerlei Verletzungen aufwies, entstanden war.
Krause zeigt einen Patienten, bei dem er den Ersatz des
Daumens durch die grosse Zehe mit vorzüglichem kosmetischem
Erfolg vorgenommen hat. Es besteht eine gute passive Beweg¬
lichkeit; eine aktive durch Uebung erzielen zu können, ist zu er¬
warten. Die nrspntn^ich beabsichtigte Verkleinerung der trans¬
plantierten Zehe trat spontan durch Nekrose in der Narbe ein.
V. Bergmann stellt einen Patienten mit einem grossen
Knochensarkom der Nase vor.
Tagesordnung.
Saul: Demonstration zur Aetiologie der Tumoren.
S. bespricht zunächst einige Statistiken, aus denen sich Mo¬
mente für die parasitäre Natur des Krebses ziehen lassen. Als¬
dann demonstriert er eine Reihe von Bildern, die Amoeben als
Erreger des Koblkrebses darstellen sollen.
Türk: Ueber eine Strömung in der vorderen
Augenkammer.
Die interessanten Experimente, die eingehend besprochen
werden, haben ergeben, dass in der vorderen Augenkaramer bei
Kaninchen eine eigenartige Strömung besteht, die an der hinteren
Wand aufwärts, an der vorderen nach abwärts gerichtet ist. Sie
entsteht wahrscheinlich infolge der Temperatardifferenzen der
Wandungen, höhere an den hinteren, niedere durch Abkühlung an
der vorderen. Es erscheint wahrscheinlich, dass die Ehr lieh sehe
Pluoresceinlinie durch eine solche Strömung bedingt ist. Vielleicht
lassen sich durch dieselbe auch gewisse Ablagerungen an der
hinteren Eammerwand bei Iritis erklären.
Diskussion:
Wessely berichtet von Experimenten, die das Auftreten von
Fluoresoeinlinien auch bei Anssdiluss von Temperatnrdifferenzen
erkennen Hessen. Er hegt deshalb Zweifel bezüglich der Richtig¬
keit der von Türk seinen Experimenten gegebenen Deutung.
Hamburger schliesst sich den Bedenken au. P.
GeaeUschaft der Aerzte isu Ma/miheim,
Sitzung vom 22. Oktober 1906,
Hanser: Ueber Thomlsensche Krankheit. Demonstra¬
tion eines Falles.
Das Wesen der Thomsenschen Krankheit besteht in der
Myotonie. Jeder willkürlich oder passiv bewegte Muskel, der vor¬
her eine Zeit lang in Ruhe war, verfällt bei seiner Kontraktion
in einen mehr oder weniger langen andauernden Kontraktionszu-
Häusermeere aus zielien sich nun etwa 15 bis 20 schmale,
mehr oder weniger tiefe, häufig von einem kleinen Bache
durchflossene Schluchten, die sogenannten „Quebradas“, die
Abhänge hinauf und bilden gewissermaßen die Querstrassen,
da auch sie mit nach oben mn immer spärlicher steheuden
Häusern, welche oft wie Schwalbennester an den Felswänden
kleben, besetzt sind. Nur wenige Gebäude, wie die hoch ge¬
legene Marineschule, treten schon von weitem unter den übrigen
Häusern in auffallender Weise hervor. Sonst bietet sich eigent¬
lich nichts, was das Auge besonders fesseln könnte.
Bei dem Versuche, an Land zu gehen, wartete meiner
eine neue Enttäuschung. Ich hatte als selbstverständlich an¬
genommen, dass man in dem weitaus bedeutendsten Hafen an
der ganzen Westküste von Süd-Amerika bequem und sicher
an Land steigen könnte. Statt dessen fand ich eine hölzerne,
halb verfallene, halbkreisförmige Treppe, deren unterste Stufen
beständig vom Wasser überflutet und daher schlüpfrig waren;
ein Geländer war erst an den oberen Stufen angebracht.
Wollte man daher nicht Gefahr laufen, auszugleiten und ins
Wasser zu stürzen, so war man gezwungen, von dem Boote
aus jene Treppe buchstäblich hinaufzukriechen, bis man das
Geländer erreicht hatte. Dass man danach in nicht gerade
salonfähigem Zustande oben anlangte, lässt sich denken.
Hatto man sich durch die grosse Schar der dort herum-
lungernden Müssiggänger und Neugierigen hindurchgewunden,
so gelangte man auf einen weiten Platz, die Plaza Sotomayor,
an welchem die Station der Santiago-Bahn, das Gouvernements¬
gebäude, die Post und die Haupt-Feuerwache gelegen sind.
Keines dieser Gebäude verdient indessen eine besondere Be¬
achtung. Ueber einen kleineren Platz, die Plazuela de Justicia,
auf welchen dem Wanderer das erste deutsche Firmenschild,
nämlich das der grossen Droguenhandlung und Apotheke von
Teicbmann & Co., in die Augen fallt, kommt man in die Calle
Arthuro Prat, die Haupt-Verkehrsstrasso von Valparaiso. Es
ist dieses eine schmale, in mehrfachen Windungen nicht weit
vom Strande entlangfübrende Strasse, in welcher, ebenso wie
in ihrer Fortsetzung, der Calle Esmeralda, die wichtigsten Ge¬
schäfte, Hotels, Banken, Versicherungs-Gesellschaften etc. ihren
Wohnsitz aufgeschlagen haben. Auch hier fielen mir die vielen
deutschen Namen, besonders an den grössten Läden, auf, ein
Zeichen, dass unsere Landsleute auch in Valparaiso eine be¬
deutende Rolle im Verkehrsleben spielen. Ein ähnliches Aus¬
sehen haben weiterhin noch die Calle Condeil und die Calle
Victoria, womit allerdings die Geschäftsstrassen der Stadt
nahezu erschöpft sein dürften. Eine angenehme Unterbrech¬
ung dieser Strassenzüge mit ihrem recht lebhaften Verkehr
bildet die kleine Plaza Victoria mit schönen schattigen An¬
lagen, welche sonst in Valparaiso leider recht spärlich sind,
wie sich auch Bäume nur in sehr wenigen Strassen, wie in
der schon erwähnten Calle Victoria, finden. An der Plaza
Victoria erheben sich die Kirche „Espirito Santo“ und das
„Victoria-Theater“. - (Schluss folgt.)
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512
BISDIGIKISCSB WOüliB.
Nr. 47.
stand, einem Tetanus vergleichbar. Es ist dem hetrefiPenden Indi¬
viduum unmöglich, den einmal kontrahierten Muskel sofort wieder
erschlaffen zu lassen. Erst nachdem dieselbe Bewegung mehrmals
hintereinander ausgefUhrt ist, werden die Widerstände leichter
überwältigt und dadurch die Bewegungen leichter und gelenkiger.
Die Muskeln zeigen eine ungewöhnliche Entwickelung, sodass man
fast von einer echten Muskelhypertrophie sprechen kann. Die
elektrische Erregbarkeit der Nerven imd Muskeln zeigt ebenfalls
interessante Abweichungen. Bei andauernden faradiscben wie
galvanischen Reizen tritt eine Nachdauer der Zuckungen auch
nach Aufhören des Reizes auf. Die Muskeln sind faradisch sehr
leicht-erregbar. Auch zeigen sich bei anhaltenden Reizen eigen¬
tümliche wogende oscilliereade Muskelkontraktionen. Die mechanische
Erregbarkeit der Muskeln beim Beklopfen ist gleichfalls meist er¬
höht. Als anatomische Grundlage für diese Krankheit ist wohl
eine angeborene Anomalie des Muskelsystems anzusehen. Erb
konnte eine Volumzunahme der einzelnen Muskelfasern, eine feine
und undeutliche Querstreifung, reichliche Kernvermehrung und
Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes konstatieren. Die
Krankheit ist häufig familiär; so beobachtete sie Thomson an
sich selbst und an zahlreichen Mitgliedern seiner Familie. Die
Therapie ist ziemlich machtlos. Psychische Erregungen müssen
vermieden werden; desgl. wirkt Abkühlung sehr ungünstig.
Der von Hanser vorgestellte Fall weicht doch in manchen
Punkten wesentlich von diesem Bilde ab, wie es Thomson für
diese Krankheit beschrieben hat. Während das Leiden in der
Regel im frühen Kindesalter sich schon bemerkbar macht, traten
hier die Erscheinungen erst im frühen Mannesalter auf. Der
Patient war früher Athlet gewesen und merkte erst, nachdem er
einige .Tahre diesem Gewerbe angehört, die ersten Symptome.
Auch ist neuerdings ein Pall beschrieben worden, wo sich die
ersten Symptome der Krankheit zeigten, als das betreffende Indi¬
viduum zum Militärdienst eingezogen war. Das Leiden wurde
erst nach vielfacher Untersuchung als solches erkannt, war vorher
immer für Simulation gehalten worden. Was nun den Hanser-
schen Fall besonders auszeichnet, ist der Umstand, dass die be¬
fallenen Muskeln sämtlich eine hochgradige Atrophie zeigen. Trotz¬
dem möchte Hanser diesen Fall auch für eine Thomsensche
Erkrankung halten. Dieselbe Beobachtung ist auch von anderen
Autoren festgestellt worden und diese, wie auch H., neigen der
Ansicht zu, dass die Atrophie das primäre sei. Bei dem vorge-
stellten Patienten waren besonders die Extremitäten, Hals- und
Kaumuskeln befallen. Neuerdings ist auch das Befallensein von
glatten Muskeln konstatiert worden. Dr. Max Jacohy.
Kongressbericht.
7Ä. VeraamniUing deuineher Nainrforscher und
Aerzte in Stuttgart,
Sektion für Geburtshilfe und Gynäkologie.
Sitzung vom 2i}. September 1906, vormittags 8 Uhr.
Vorsitzender: Herr Fehling
1. Demonstrationen.
Hr. Schic ke 1 e-Strassliiirg : 1. O va ri al grav idität. Das
Ei sass in der Peri|)herie des <U-;inums, in nächster Nähe des
letzten Corpus luteum. Die Bititgcrmiisel , denen das Ovarium
aufliogt und mit denen di« Eimole in V^ertiindung stand, siud von
einer derhen Haematoceleiimi-Mnljraii »iingcbon (s. unten).
2 . Geplatzte 3 Vz m o n af 1 i c li e Tu 1) e n s ch w an g er sch a f t
mit multiplen Usuren der Eiwand. Der Fötus zeigt einen
tiefen Riss in der Brusthölilo, der nicht arleticiell, sondern wahr-
.schoinlich dadurch entstanden i<t. das.s beim Platzen des Frucht-
sai-ks der Fötus corniuplicato corpore geboren und an seiner Kon¬
vexität iil)erd(dmt worden ist.
Hr. Seil aller-Stuttgart demonstriert eine si e be n m o n a t-
liehe M issgebur t mit totalem Defekt der Nabelschnur, ausserdem
inultiplcii Missbildungen (Hydreuceplialocele posterior, rechtsseitiger
All iplitliidnius, Hasenseharte, Wolfsrachen msw., komplette Tlioraeo-
gastroschisis).
Hr. Schäffer -Heidelberg demonstriert intraligamontär
entwickeltes Kystomyxofibromyöm.
2. Vorträge,
Hr. Sch ick el 6-Strassburg! Ueberdie Implantationder
Eier im Ovarium.
Nach unseren heutigen Kenntnissen lassen sich zwei Arten von
Eiimplantation im Ovarium unterscheiden, die intrafol’ikuläre, für
die C. van Tussenbrock ein typisches Beispiel beigebracht
hat, und die intraovariale, wie im Palle von Franz. Sch. kann
hierzu einen weiteren Beitrag liefern mit einem Fall, wo das Ei
wie bei Franz neben dem Corpus luteum peripher von ihm lag.
Das wachsende Ei bat einen cirkumskripten Abschnitt des Corpus
luteum stark ausgedehut, jedoch derart, dass der übrige Teil des
Corpus luteum und seine Höhle unverändert geblieben sind. Dies
lässt sich nur dadurch erklären, dass sich das befruchtete Ei in
einer Falte der dünnen geborstenen Follikelwand niedergelassen
hat. So entwickelte sich das Ei zwar intraovarial, ist aber auf der
einen Seite von den sich weiter ausbildendeu Luteinzelleu umgeben.
Man kann diese Art der Eieinbettung als epovariale bezeichnen.
Hr. Sip pel-Frankfurt a. M.; Ueber einen neuen Vor¬
schlag zur Bekämpfung sch we rst er E kla m psie forme n.
Die aktive, auf möglichst i*asche Beseitigung der Schwanger¬
schaft gerichtete Therapie genügt nicht in allen Fällen. In vielen
Fällen ist die Ausscheidung des Giftes auch nach der Entbindung
noch gehemmt, und hier kommt der zweite therapeutische Weg in
Betracht: Die Entfernung der im Körper vorhandenen Toxine.
Die hierzu angewandten bekannten Mittel reichen nicht aus, oft
genug gehen die Kranken im Couia zugrunde. Dies hat seine
Ursache in einem Versagen der Niorenfunktiou, die ihi-erseits wieder
auf degenerativen Vorgängen infolge von Stauung beruhen. Diese
koranit in einer Voluinvergrö.sserung des Organs zum Ausdruck,
Einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Stauung haben die
Kouvulsiouen selbst. Die intrakapsuläre Drucksteigerung lässt
sich durch Spaltung der Kapsel, bezw. Nephrotomie beseitigen. S.
schlägt vor, in Fällen, in denen nach der Geburt trotz ent¬
sprechender Hilfen die Nierensekretiou nicht in Gang kommt, die
beiderseitige Spaltung der Nierenkapsel vorzunehmen, ein Vorschlag,
den er bereits im Jahre 1900 gemacht hat. Edebohls hat diese
Operation zwar schon mit Erfolg gemacht, jedoch ohne weitere Be¬
gründung, speziell jede pathologisch-anatomische Unteilage.
Diskussion.
Hr. K rön i g-Freiburg i. B.: Von chirurgischer Seite wird
die W^irksamkeit der Dekapsulation bei akuten Nierenerkrankungen
bezweifelt. K. wird aber im gegebenen Palle nach dem Vorschlag
von Sippel operieren.
Hr. Schaffer-Heidelberg macht auf eine Mitteilung von
Körte weg aufmerksam, nach der die einseitige Dekapsulation
genügt, um Wiederbor.stellung der Diurese zu erzielen,
Hr. Pankow-Preiburg i. B.: Ueber R eimplant atio n
der Ovarien beim Menschen.
Mau unterscheidet autoplastisclie (Umjifianzung der eigenen)
und homofilastische (Einpflanziiug der Ovarien anderer Frauen)
Transplantationen. P. berichtet über neun eigene Fälle, und zwar
sieben autoplastische und zwei homoplastische. Die sieben ersteren
wurden ausgeführt einmal wegen Blutungen und Dysmenorrhoe,
einmal wegen Dysmenorrhoe allein. Die Ovarien wurden in eine
Bauclifelltasche zwischen Blase und Uterus eingenäht und Einheilung
in fünf Fällen beobachtet. Die Resultate sind noch zweifelhaft:
Dysmenorrhoe und Blutungen zeigten keine odernur geringe Besserung.
Bei der Osteoinalacie trat anfangs rasch Besserung, nach Wieder¬
eintreten der Periode aber erneute Verschlechterung ein, erat auf
Allgemeinbehandlung mit Solbädern und Lebertran erfolgte völlige
Heilung. Die beiden Fälle von homoplastischer Transplantation
hatten keinen Erfolg, vielleicht lässt sich dieser mit einer Modifi¬
kation des Verfahrens erreichen, etwa durch Verwendung der
Ovarien von Neugeborenen.
Diskussion.
Hr. Kronig-Freiburg i. ß. pflanzt kleine Stücke von Ovarien
von Neugeborenen ein, er glaul>t, dass die Weismannsche
Theorie durch zahlreiche hninnpla,stische Transplantationen gelöst
werden könnte.
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
513
Hr. Pankow: Die implantierten Ovarien passen eiuU in ganz
knrzer Zeit ihren neuen Funktionen an.
Hr. Scballer-Stuttgart: Zur Vaporisationsfrage.
Auf Onmd von 26 Fällen kommt Sch. zu folgenden Resultaten:
3. die Vaporisation kann die AI}rasio in gewissen Fällen wirksam
ergänzen. 2. Eine exakte Do^erung ist nicht möglich, deshalb die
Misserfolge. 3. Bei jugendlichen Frauen in gebärfähigem Alter
ist die Vaporisation wegen der Gefahren der Menopause und Obli¬
teration zu verwerfen. 4. Bei Myomen ist die Vaporisation kon¬
traindiziert. 5. Auch lange bis zu 6 Minuten dauernde Vaporisation
ist häufig nicht imstande, radikale Maßnahmen zu ersetzen. 6.
Partielle Obliteration und Haematometrabildung kann nicht sicher
vermieden werden. 7. Bei hartnäckigen, nicht infektiösen, gegen
andere. Behandlungsmethoden refraktären, häufig mit Pruritus ver¬
gesellschafteten Katarrhen kann das Obliterationsverfahren gute
Dienste leisten.
Hr. Ziegenspeck-Müneben: lieber Pessarien.
Z. rekapituliert kurz die Geschichte der Pessare und beschreibt
dann die von ihm augewendeteu Formen, gegen Retroflexion das
Gabelpessar und das verbesserte Thomaspessar, gegen Prolaps und
Descensus das Zungen-Bügelpessar (bei Cystokolpocele mit Retro-
fiexion) und das Schleifenpessar (bei Proctokolpocele).
Abteilang ftr Chirurgie.
4. Sitzung, Freitag, 21. September 1906, nachm.
17. Hr. Lichtenstern-Wien: lieber Funktionsstör¬
ungen der nach Nephrektomie restierenden Niere.
Bei nacbuntersuchten nepbrektomierten Patienten fand L., in
Ilebereinstimmung mit seinen früheren Tierexperimenten, beträcht¬
liche Schwankungen In der Zuckerausscheidung nach Phloridzin-
darreichung, wonach also die Phloridzinprobe kein exaktes Reagens
auf die Funktionsfähigkeit der Niere darstellt.
18. Hr. V. Hovorka-Wien: lieber die Wichtigkeit
der Ausfüllung hohler RäQiud in der Chirurgie.
Vortr. wünscht der v. Mosetigschen Jodoformknochenplombe
grössere Beachtung. Misserfolge fallen der Technik zur Last.
Sie muss gut anliegen, alles Kranke muss entfernt, die Höhle
selbst absolut trocken sein; dann wird sie resorbiert und durch
echtes Knochengewebe ersetzt. Vergiftungen wurden nicht be¬
obachtet. Fisteln sind kein Hindernis. Auch die erweiterte An¬
wendung der Plombe auf Weichteilhöhleu bewährte sich.
Diskussion: Herr Hirsch-Wien würdigt die Bedeutung
der Plombe bei Gelenkresektionen. Man kann viel mehr von
der Kontinuität des Knochens erhalten, wenn man die auf der
Sägefläche sichtbaren Herde ausmeisselt und plombiert.
19. Hr. Rosenfeld-NUrnberg: lle ber Krü ppel fürsorge.
In Deutschland leben mindestens 360 000 Krüppel, davon
zwei Drittel in ärmlichen Verhältnissen, 15 Proz. fallen der
Armenpflege zur Last. Die Krüppel fürsorge in Deutschland ist
noch sehr zurück, die jetzt neu organisierte Münchener Anstalt
ist die einzige staatliche. Eine Anstalt müsste zugleich Heilanstalt,
Erziehungsanstalt, gewerbliche Fortbildungsschule und Versorgungs-
heim für Erwerbsunfähige sein. Durch mangelhafte Ausbildung
and Versorgung der Krüppel erwächst dem Land beträchtlicher
Schaden, da es sie unterhalten muss. In Deutschland gibt es
nur 33 Institute mit zusammen über 2600 Betten. Die Haupt¬
sache wäre entsprechende spezialärztliche Hilfe in entsprechenden
Kliniken; denn 80 Proz. der Krüppel werden nach Lange durch
orthopädische Hilfe erwerbsfähig. Die Aerzte sollten sich mehr
für diese Frage interessieren.
Diskussion; Herr Bade-Hannover bedauert, dass vieler-
cn’ts die KrUppelfürsorge in der Hand der Geistlichkeit liegt, an¬
statt in der des Staates. Der Arzt muss zeigen, was unsere Kunst
für den Kranken leisten kann, dann findet er am ehesten Unter¬
stützung; das hat B. wenigstens iu seinem Wirkimgskreis erfahren.
20. Hr. Ri tter-Greifswald :DieNeubildungvonLymph-
drüsen im Fettgewebe bei Karzinom und Sarkom.
R. zeigt Präparate von solchen Lymphdrüsen, z. B. aus der
Axilla bei Mammakarzinom, bei welchen Fett- und Lymphdrüsenge-
webe ganz unvermittelt ineinander übergeben. Es handelt sich
dabei nicht um fettige Entartung der Drüse, denn das Fett liegt
peripher, nicht zentral iu den Drüsen.’ R. glaubt, dass das Kar¬
zinom erst sekundär in die neugebildeten Lymphdrüsen hinein¬
wächst.
21. Hr. Arnsperger-Heidelberg: Die Diagnose des
funktionellen Ikterus.
Es gibt Fälle von Ikterus, welche ohne Hindernis in den
Gallenwegen einhergehen, also auf eine Funktionsstörung der
Leber zu beziehen sind; sie sind klinisch erkennbar, selbst wenn
ein mechanisches Moment noch hinzukommt: chronischer Verlauf,
Abmagerung ohne Kachexie, Ikterus, gleichmäßige Lebervergrösser-
ung, Fehlen von Milztumor oder Aszites, gleichmässige Färbung
der Fäzes, Urobiliuurie, oft mit Albuminurie, Hämoglobiumangel
sind bezeichnend für das Leiden. In 2 Fällen wurde die Diagnose
gestellt und der Zustand durch Jodkali gebessert (Lues). Die
Operation wirkt in solchen Fällen meist schädlich.
Sektion 16 für innere Medioin, Pharmakologie, Balneologie und
Hydrotherapie.
Nachtrag zu dem Vortrag von Minkowski vom 17. Sep¬
tember; Zur Deutung von Herzarythmien mittels des
„oesophagealen^^ Kardiogramms.
An der vom Oesophagus aus aufgeuommenen Kurve kommen
sämtliche Phasen der Herzbewegung zum Ausdruck. Bei jeder
Verkleinerung einer Herzhöhle wird die Wand des Oesophagus
nach vom gezogen. Man erkennt in der Präsystole die anfangs
schneller, dann langsamer verlaufende Entleerung des Vorhofs.
Dann folgt ein steiles Ansteigen der Kurve bei der Erschlaffung
des Vorhofs und der gleichzeitigen Anspannung des Ventrikels,
bis zur Eröffnung der arteriellen Klappen. Die Entleerung des
Ventrikels in der Austreibungszeit führt mit der Verkleinerung
des Herzeus wieder zu einer stärkeren Senkung der Kurve. Dieser
folgt die diastolische Füllung des Herzens, bei der die Oesophagus-
wand allmählich nach hinten gedrängt wird, bis die wiedereinsetzende
Vorhofskontraktion sie abermals nach vorn zieht.
Bei einem Fall von Herzarythmie sieht man eine stärkere
Erhebung mit nachfolgender tieferer Senkung in der Mitte der
langen Pulsperiode, welche am Arterienpuls absolut nicht bemerkbar
ist. Der nachfolgenden am Pulse bemerkbaren Ventrikelsystole
scheint eine Vorhofskontraktion nicht unmittelbar vorauszugehen.
Die tiefe Senkung während der Pulsinterraission entspricht der zu
der folgenden Ventrikelsystole gehörenden Vorhofskontraktion. Es
handelt sich um einen verzögerten Ablauf einzelner Herzkontrak¬
tionen durch Störung der Reizleitung bei Pulsus retardatus. Die
Störung beruhte vermutlich auf einer Vaguswirkung, da nach
Atropin die langsamen Pulse seltener wurden. In gleicher Weise
wie die Insuffizienz der TriouspidHÜs am Venenpuls sich bemerkbar
macht, kommt die Schlussuufahigkeit der Mitralis au den Beweg¬
ungen des linken Vorhofs zum Au.sdruck. An einem Palle von
Insufflzienz und Stenose der Mitralis zeigt sich an Stelle der
Senkung der Kurve bei der Entleerung des Ventrikels während
der ganzen Systole, indem durch ^urückströmen von Blut in den
Vorhof dieser am Schluss der Ventrikelsystole den höchsten Grad
der Füllung zeigt und nur in der Präsystole sich entleert. Bei
muskelschwachem Herzen können verübergehend auftretende systo¬
lische Geräusche aut vorübergehende Schlnssuntähigkeit der Mitralis
zurückgeführt werden. Das Vorkommen von muskulärer „Mitralis-
insuffizienz** ist damit erstmals bewiesen.
Nachruf für Wilhelm Czermak in Prag.
Auf der Höhe des Lebens, noch nicht 50 Jahre alt, verschied
plötzlich an einer Hirnblutung am 8. September in Lans bei Inns¬
bruck, wo er von schwerer Arbeit Erholung suchte, der Direktor
der Augenklinik an der k. und k. Universität zu Prag, Professor
Dr. Wilhelm Czermak, ein ausgezeichneter Lehrer und Forscher,
ein hervorragender Operateur, ein liebenswürdiger Kollege, dem
die Wissenschaft eine Reihe bedeutender Arbeiten verdankt.
Seine bekanntesten Werke sind seine Habilitationsschrift über
die Zonula, ein kleines Lehrbuch der Semiotik und Diaguostik der
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514
MBDICINISCHB W0C5HB.
Nr. 47.
äusseren Äugenkrankheiten, 4as znerst im Jahre 1888 erschienen
ist, und die augenärztlichen Operationen, mit deren letztem Heft
er erst im Jahre 1904 nach elfjähriger Arbeit das grosse Werk
beendigt hat. Mit Fug und Hecht kann man diese grosse Arbeit
sein Lebenswerk nennen. In diesem Werk hat er nicht nur eine
für alle Zeit mustergültige Geschichte der Augenoperationen in
Wort und Bild, sondern auch eine Reihe eigener Modifikationen
und neuer Operationen mit seinen reichen Erfahrungen geliefert.
Das Buch ist für jeden Augenoperateur unentbehrlich. In den letzten
Jahren hat er sich noch besonders mit der subconjunktivalen
Extraktion der Katarakt bescliäftigt und sein Verfahren in Heidel¬
berg besproclien. Ausser diesen grösseren Werken besitzen wir
noch eine Reihe kleiner gediegener Arbeiten aus Czermaks Feder
in verschiedenen Zeitschriften, die teils klin'sche Beobachtungen,
teils histiologische Untersuchungen betreffen. Der Verstorbene war
Mitarbeiter an verschiedenen ophthalinologisehen Zeitschriften.
Auch der von dem Unterzeichneten herausgegebenen Sammlung
zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Augenheilkunde
hatte er bereitwilligst seine Unterstützung zugesagt. Durch die
grosse Arbeit, die er in Prag zu bewältigen hatte, sowie durch
die Mühe, die ihn die Herausgabe der augenärztlichen Operationen
machte, und durch seinen unerwarteten, frühzeitigen Tod ist ihm
leider tlio Erfüllung seines Versprechens unmöglich geworden.
Wilhelm Czermak wurde geboren in Brünn am 12. Oktober
1856. Er studierte Medicin in Graz und promovierte daselbst im
Jahre 1882. Nachdem er seine augenärztliche Ausbildung bei von
StelKväy in Wien begonnen hatte, wirkte er als Assistenzarzt an
der Augenklinik in Graz von 1883 bis 1887 und bei Fuchs in Wien
von 1887 bis 1892. Im Jahre 1886 habilitierte er sich in Graz,
1892 wurde er als ordentlicher Professor und Direktor der Augen¬
klinik nach Innsbruck berufen. Von hier siedelte er im Jahre 1895
in gleicher Eigenschafc an die Deutsche Universität nach Prag über,
an der er bis zu seinem Tode gewirkt, im Jahre 1899 die neue,
nach seinen Angaben erbaute Augenklinik eingeweiht und eine
Reihe tüchtiger Schüler herangebildet hat. Ehre seinem Andenken!
A. Vossius.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
Sitzung
der Berlin-Brandenburger Aerztekammer am 27. Oktober 1906.
(Schluss.)
Nunmehr wandte sich die Beratung einer Vorlage zu, die vom
Aerztekammerausschuss ausgeht und eine einheitliche Organisation
der Vertragskommissionen aller Aerztekammern bezweckt. Die Vor¬
lage zerfallt in drei Teile, einen allgemeinen, der die vorbezeichneten
Ziele enthält, einen speziellen mit den Ansfübrungsbestimmungen
und einen letzten, der einen Revers vorschlägt, auf den sich die
preussischea Aerzte verpflichten sollen. Die Vorlage ist in der
Vertragskommission unserer Kammer vorberatenworden. Deren Vor¬
sitzender Munter (Berlin) trägt die dort gefassten Beschlüsse
vor, die sich in vielen Beziehungen mit denen des Aerztekammer-
ausschusses nicht decken. Er empfiehlt folgenden Beschluss zu
fassen, welchem die Kammer auch zustimmt;
Die Aerztekammer Berlin-Brandenburg tritt den Vorschlägen
des Aerztekammerausschusses insoweit bei, als eine Einheitlichkeit
in der Organisation der Vertragskommissionen in ganz Preussen
gefordert wird, dagegen sieht sie von einer Annahme des Gesamt¬
entwurfes ab und zwar wogen abweichender Anschauungen in einer
Reihe wichtiger Bestimmungen, insbesondere bei der Verpflichtung
zur Unterzeichnung eines Reverses.
Den letzten Gegenstand der Beratung bildeten Anträge des
Vorstandes der Aerztekammer, die sich auf die Geschäftsführung
dc.s Au-s-scliusses der preussischen Aerztekammern beziehen. Der
Referent Kos.smanu zeigte an der Hand der Verhandlungen des
Aerztekammerausschusses seit dessen Bestehen, dass derselbe fast
in jeder Sitzung seine Befugnisse überschritten habe, dass seine
Vo,rhandlangen und seine Geschäftsführung in keiner Weise in der
üblichen Form gehalten seien und begründete folgende Anträge:
Die Aerztekammer für die Provinz Brandenburg und den
Stadtkreis Berlin wolle beschliessen, das Verlangen auszusprechen:
I. dass der Ausschuss der preussischen Aerztekammern sich
fortan streng auf dem Boden des § 2 der Verordnung
vom 6. 1. 1896 halten und auf die vermittelnde Tätigkeit
zwischen den einzelnen Aerztekammern oder zwischen
diesen und dem Herrn Minister der Medicinalangelegen-
beiten beschränken möge)
II. dass der Ausschuss der preussischen Aerztekammern, ab¬
gesehen von ausserordentlichen Sitzungen, die im Palle
dringenden Bedürfnisses angesetzt werden können, zwei¬
mal im Jahre zu einer einfürallemal festgesetzten Zeit zu-
sammentreten möge, damit es den preussischen Aerzte¬
kammern möglich sei, die auf der vorher zu veröffent¬
lichenden Tagesordnung des Ausschusses stehenden Gegen¬
stände rechtzeitig zu beraten;
III. dass ein ausführliches Protokoll der Verhandlungen des
Kammerausschnsses aufgenommen und publiziert werde,
aus dem der Gang der Verhandlungen und die Abstimmung
jedes einzelnen Mitgliedes ersichtlich ist.
Die Anträge fanden die Billigung der Kammer; es wnirde
beschlossen, sie direkt dem Ministerium zu übersenden und den
.-Kerztekammerausschuss davon in Kenntnis zu setzen.
Der letzte Punkt der Tagesordnung, der die Herausgabe eines
Commentars zu don für die Aerzte wichtigen Paragraphen des
Bürgerlichen Gesetzbuches, der Zivilprozessordnung, der Gewerbe¬
ordnung u. a. m. betraf, wurde vertagt.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. Nr. 44. 1906.
1. von den Velden, Marburg. Intravenöse Digitalisthe-
rapie mit Strophantin.
Strophantin, die wirk.same Substanz aus dem Strophantussamen
kommt in steriler wässriger Lösung 1 : 1000 io den Handel (von
der Firma Boehringer-Waldhof). Die optimale Dosis für den Er¬
wachsenen ist 1 ccm (= 0,001 Strophautin); 1 ccm Strophantin ent¬
spricht ungefähr 15 cciu Digalen; dabei stellt sich dieses auf 3,20 M.,
jenes auf 25 Pfg. Die Injektion kann in jede Hautvene ohne be¬
sondere Stauungsmanipulationen vorgenommen werden. Das
Strophantin wirkt wie alle digitalisartigen Substanzen auf Herz,
Gef^se und nervöse Zentralorgane; im therapeutischen Stadium
verstärkt es Systole und Diastole, hebt Arbeitskraft und Aus-
wurfmenge des Herzens, reguliert und verlangsamt die Herz¬
tätigkeit, verschiebt die pathologische Blutverteilung zur Norm
und bringt dadurch den Blutdruck wieder zur Norm. Erprobt
wurde es bisher an 19 Patienten bei 30 Injektionen; dabei wurde
die volle Dosis von V* — 1 ccm sofort in ca. 30 — 50 Sekunden
injiziert. Damit war in den meisten Fällen, ohne dass stärkere
lokale Reizerscheiuungen auftraten, ein vollständiger therapeutischer
Digitaliserfolg zu erzielen. In den günstigsten Fällen erreicht
man schon nach Minuten eine Uraschaltung der pathologischen
Kreislautverbältnisse zur Norm, und selbst in Fällen, in denen
jede andere Digitali.stherapie im Stich gelassen hatte, war noch
ein vollständiger Erfolg zu erzielen. Wie alle Digitalispräparate
unterliegt auch das Strophantin der Reservatio, dort wo der
Herzmuskel stärker erkrankt ist, unter Umständen gar nicht an-
zusprechen oder sogar ungünstig einzuwirken. Die Indikationen
für die intravenöse Digitalistherapie sind bedeutend präziser zn
fassen, wie für die sonst übliche, langsamer wirkende interne.
Nur wenn man das Verhalten der einzelnen Kreislauffaktoren,
namentlich den Zustand des Herzmuskels sorgfältigst analysiert,
kann man mit Strophantin auf eklatante, durch keine andere Form
der Medikation zu erreichende Erfolge rechnen.
2. Veiel, Nürnberg. Heber Digalen (Digitozinnm solubile
Cloetta).
Bei chronischen Herzerkrankungen wurde das Digalen per bs
verabfolgt; sechs Krankengeschichten werden mitgeteilt, die zeigen,
dass namentlich im Hinblick auf Versager quoad Diurese und auf
gastrische Störungen hier dem Digalen ein wesentlicher Vorzug
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1906
MBDICINISCHB WOCHE.
616
gegenüber den alten Digitalispräparaten nicht zuzueprechen ist.
Bei akuten HerzinsufifizieDzen wurde das Mittel intravenös in
14 Fällen gegeben. Dabei erwies sich das Digalen als ein hocb-
einzuschätzendes Mittel, das ganz besonders den grossen Vorzug
hat, dass es bei Infektionskrankheiten unmittelbar vor der Krise
gegeben werden kann.
3. Schlüpfer, Bern. Die biologische Bedeutnng der
Photoaktivität des Blutes und ihre Beziehung zur vitalen Lieht-
und Wäimewirkung.
Die Experimente, die sich einer kürzeren Wiedergabe ent¬
ziehen, ergeben, dass die Photoaktivität resp. Lumineszenz des
Blutes sich als ein biologischer Faktor charakterisiert, der dem
Wesen nach dem Lichte sehr ähnlich ist, auch chemisch und in¬
direkt vital wirkt mit Beeinflussung der Oxydation und sich hierin
durch seinen geringen Euergiewert vom Lichte unterscheidet.
Vielleicht lassen sich daraus auch neue Gesichtspunkte für die
Erklärung der grossen Aktivität des im Oxyhaemoglobin aufge¬
stapelten Sauerstoffs, des Wesens der Entzündung, des Sehaktes
gewinnen.
4. Wolff-Eisner, Berlin, üeber Komponenten des
Tetanustoxins bei Anwendung von wasserfreiem Salzsäuregas
bei der Temperatur der flüssigen Luft.
Tetanustoxin, von dem 1 ccm einer Verdünnung 1 : 1000000
eine Maus von 16 g schon am zweiten Tage tötet, wurde nach
der Bergell’schen Methode behandelt, die darin besteht, dass man
die auf Toxin und Bakterien einwirkenden Reagentien wasserfrei
anwendet, also an Stelle der bisher üblichen wässrigen Lösung
wasserfreie Gase, z. B. wasserfreie Salzsäure, die bei 86 ® siedet,
bei der Temperatur der flüssigen Luft einwirken lässt. Von so
hydrolysiertem Tetanustoxin erhielten Meerschweinchen */2 ccm
1:50 000, 1 ccm 1:100000 und blieben, nachdem sie einen
mittelschweren Tetanus durchgemacht hatten, am Leben. Mau
würde daraus den Schluss ziehen können, dass durch die Be¬
handlung mit Salzsäure die Toxinwirkung abgeschwächt worden
ist, wenn nicht bei den gleichen Versuchen bei einer Dosis von
1 ccm 1:1000000, d. i. eine zehn mal kleinere Dosis, die
tetanuserzeugende Wirkung erhalten geblieben wäre. Eine
Wiederholung der Versuchsreihe ergab die gleichen Verhältnisse:
1 ccm 1 : 700000 und 1 ccm 1 : 740 machten das Tier tetanisch
und führten beide nicht zum Tode. Das der Hydrolyse nach
Bergell unterworfene Tetanustoxin zeigt also die merkwürdige
Eigenschaft, dass es seine tötliche Wirkung verloren, seine
tetanuserzeugende aber vollkommen beibehalten hat. Die Unter¬
suchungen ergeben also die wichtige Tatsache, dass es beim
Tetanustoxin möglich ist, die todbringende Wirkung von der
krampferregenden zu trennen. Für eine praktische Verwertung ist
ein Ausbau der Methodik, die es erlaubt, diese Trennung in jedem
Falle sicher vorzunehmen, Vorbedingung.
5. Lengfellner, Berlin. Ueber Versuche von Einwirkung
von Bön^enstrahlen auf Ovarien und den schwangeren Uterus
von Meerschweincken.
Lange Bestrahlung ist imstande, die Frucht zu töten; kürzere
hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensfähigkeit der Frucht.
Es ist nicht aasgeschlossen, dass kurze Bestrahlungen, öfters vor¬
genommen, den allmählichen Tod der Frucht bedingen, ohne der
Mutter Schaden zu bringen. Das könnte für die Frage der
künstlichen Abtreibung von Bedeutung werden. Veränderungen
in den Ovarien Hessen sich in jedem Fall von Bestrahlung bei
Meerschweinchen naohweisen. Das lässt es als möglich erscheinen,
dass bei Frauen, abgesehen von der Tötung der Frucht, bleibende
Sterilität die Folge von kürzeren, öfters wiederholten Beleuchtungen
werden kann. Jedenfalls dürfte bei der Röntgendurchleuchtung
grössere Vorsicht empfehlenswert sein.
6 . Meyerstein, Köln. Zur Frühdiagnose des Typhus.
Die typhusanreichemde Wirkung der Galle ist durch die
gallensauren Salze bedingt; wesentliche Unterschiede bezüglich
der anreichemden Wirkung bestehen zwischen dem glykochol-
sauren und dem taurocholsauren Natron nicht. Für den praktischen
Gebrauch genügt also vollkommen das Gemisch beider Salze, wie
es sich aus der Galle kristallisiert darstellt, bezw. dessen Lösung
in Glycerin (in den Handel gebracht durch Kahlbaum - Berlin).
Es empfiehlt sich, zuerst einige Tropfen der Lösung ins Reagens¬
glas zu bringen, darauf das durch Veuenpunktlon erhaltene Blut
zuzufügen und zu schütteln; gelangt das Blut erst geronnen zur
Untersuchung, so zerkleineri man den Blutkuchen im Reagensglase
mit einem Glasstab, wenige Tropfen der Gallensalzlösung bewirken
dann völlige Verflüssigung. Nach längerem Stehen bei 37° ist
die Anreicherung so ausgiebig erfolgt, dass es ein Leichtes ist,
in mit Methylenblau gefärbtem Ausstrichspräparat die Typhus¬
bacillen aufzufinden. Um sich vor einer Täuschung durch Ver¬
unreinigungen zu schützen, bedient man sich, abgesehen von der
Aussaat auf charakteristische Nährböden, der Gramfärbung; die
in Betracht kommenden Verunreinigungen sind meist Gram-positiv,
Bac. typhi deutlich Gram-negativ. Die Anreicherungsmethode für
die Frühdiagnose des Typhus erfordert also nichts als ein Mikro¬
skop, die Gallensalzlösung und eine Temperatur von 37°, dürfte
also auch für den Praktiker leicht zu benutzen sein. Im Aus-
strichpräparat des angereicherten Blutes ist die Unterscheidung
von T 3 T)hus und Paratyphns nicht zn treffen; diese Differenzie¬
rung muss dem Kulturverfahren im geeigneten Institut Vorbe¬
halten bleiben. Wo der Nachweis der Typhusbacillen im ange¬
reicherten Blute nicht gelingt, greift man auf die Agglutinations¬
probe zurück, die ohne weiteres statt mit Serum mit dem durch
die Gallensalze verflüssigten Blute angestellt werden kann. Die
Tatsache des Verschwindens der Typhusbacillen aus dem Blute
lässt den Typhus im Beginn als echte Bakteriaemie erscheinen
und rechtfertigt die therapeutischen Bestrebungen, durch früh¬
zeitige und energische Einverleibung von Antiseptizis, die ins
Blut übergehen (Jod, Quecksilber, Chinin) die Krankheit zu be¬
kämpfen. Nicht unmöglich erscheint es auch, mit der Anreiche¬
rungsmethode die Typbusbacillen schon der Inknbationszeit im
Blute zu entdecken (z. B. bei Personen, in deren Umgebung
T 3 rphuserkrankungen vorgekommen sind) und durch energisches
Eingreifen den ganzen Krankheitsverlanf zu koupieren.
7. Baer, Strassburg. Ueber proteolytische Wirkungen
intrazellulärer Fermente.
B. macht auf Fehlermögliehkeiten bei den Untersuchungen
von Jocbmann und Müller über die proteolytischen Fermentwir¬
kungen aufmerksam und fordert Erweiterung der Versuche, ehe
weitgebende Schlüsse daraus gezogen werden.
8. Fock, Hamburg. Beitrag zur Alkoholanwendung bei
der Pneumonie.
F. hat an eine grosse Zahl von Professoren, in erster Linie
innere Kliniker, und andere Aerzte in Deutschland, Oesterreich,
Schweiz, Dänemark, Schweden, England einen Fragebogen gesandt
bezüglich der therapeutischen Verwendung des Alkohols bei der
Pneumonie mit folgenden Hauptfragen: Wird Alkohol verordnet
in jedem Palle von Pneumonie oder nur in besonderen Fällen?
In welcher Form und in welcher Menge wird Alkohol gegeben?
Erfordert Pneumonie bei Potatoren Alkoholdarreichung? Welche
Wirkung wird vom Alkohol erwartet? Inwieweit erfüllt er diese
Erwartung? Würde sich die erwartete Wirkung auch durch
andere therapeutische Maßnahmen erzielen lassen? Die zahlreichen
Antworten zeigen die auch heute noch bestehende kolossale
Divergenz der Anschauungen in dieser Frage,
9. Eckersdorff, München. Scheinbare Stenosiemug des
Fylorus durch ein chronisches suprapapilläres Duodenalgeschwür;
postoperative Parotitis.
Die klinische Beobachtung des Falles stellte eine Erweiterung
des Magens fest; bezüglich der Ursache Hessen die Symptome
zwischen einem chronischen Ulcus oder einem Carcinom schwanken.
Bei der Laparotomie fanden sich entzündliche Verwachsungen in
der Nachbarschaft des Magens; die Eröffnung des Magens ergab
auch keine nachweisbaren Veränderungen; in der Annahme von
Narbenstönmgen wurde die Gastroenterostomie vorgenommen.
Der Exitus erfolgte durch postoperative Pneumonie und Parotitis.
Die Autopsie ergab: Stenosierung des Anfangsteils des Duodenums
durch ein altes, vernarbtes Duodenalgeschwür, Retentionscyste des
Duktus pankreaticus, partielle Peritonitis, putride Bronchitis und
Gangrän beider Lungen, eitrige Parotitis beiderseits, chronischer
Katarrh des Magens und Darms, ausgeheilte Spitzentuberkulose.
Danach ist der Krankheitsprozess dahin zu deuten, dass das ur¬
sprüngliche der Magen-Darm^tarrh auf Grund des Potatoriums
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MEDIGINIBCHB WOCHE.
Nt. 47.
war; auf Gh'uad des Katarrhs entstand das Duodenalgeschwür,
das zur Verwachsung der Dünndarmserose und des Pankreas-
bindegewebes führte; die narbige Schrumpfung des neugebildeten
Bindegewebes führte zur Verengerung des Darmlumens, zur Ab¬
schnürung grösserer Aeste des Duktus pankreaticus mit folgender
Cystenbildnng, die nun ihrerseits das Darmlumen noch weiter ver¬
engte. Danach hätte die vorgenommene Gastroenterostomie eine
Heilung herbeiführen können, wenn nicht Parotitis und Pneumonie
das Resultat verdorben hätten.
10. Riehl, München. AnenryBma der hinteren Ventrikel«
wand des linken Herzens.
Herzaneurysmen der linken, hinteren Ventrikelwand sind sehr
selten, das erklärt sich daraus, dass die Hinterwand des linken
Herzens im Gegensatz zur vorderen zwei vasa nutnentia besitzt.
Der beschriebene Fall betrifft einen SOjähr. Mann; das hühnereU
grosse Aneurysma wurde bei der Autopsie gefunden. Eine Diag¬
nose intra vitam wäre nicht gut möglich gewesen; die seit langem
vorhandenen Herzbeschwerden und objektiven Symptome waren
auf Arteriosklerose zurUckghführt worden.
11. Peters, Magdeburg. ' Pie Tätigkeit der Choleraüber*
wachungsstelle Kttstrin in den ' Monaten September—Kovem-
ber 1906.
Die eingehende Darstellung soll zeigen, inwieweit es möglich
ist, die in den Bundesratsbestimmungen festgesetzte Anweisung
zur Bekämpfung der Cholera, soweit sie sich auf die Ueberwachung
des Binnenschifführts- und Flössereiverkehrs bezieht, praktisch
durchzufuhren.
12. .Schuberg, Heidelberg. Zur Beorteilnng der nach
0. Schmidt in malignen Tumoren aoftretenden protozoenähn-
Uchen Mikroorganismen.
Für die Protozoennatur seiner Gesohwulstmikroorganismen
hatte Schmidt die Autorität von Schuberg ins Feld geführt.
Schuberg sieht sich deshalb veranlasst, sein Urteil über die ihm
von Schmidt vorgelegten Präparate darzulegen. Die Gebilde aus
den Reinkulturen des aus Tumoren gezüchteten Mukors hält er
für nichts anderes als Fetttröpfchen. In den Präparaten aus
malignen Geschwülsten hat er nur zweimal Gebilde gesehen, die
protozoenähnlich waren; bei dem öfteren Befunde von Bakterien
in den i-*räparaten sind sie aber wohl sicher als Verunreinigungen
anzusprechen. Alle anderen Gebilde, die ihm als Parasiten vor¬
gelegt wurden, konnte er nicht als solche gelten lassen, vielmehr
handelte es sich wahrscheinlich um isolierte und in Zerfall
begriffene Geschwulstelemente. Pen Schmidtschen Präparaten ist
danach keinerlei Wert als Beweis für die Richtigkeit seiner
Theorie der Entstehung der Geschwülste durch Protozoen znzu-
sprechen. Dagegen verdient die Angabe, dass durch Injektion
der Mukorkulturen in gesunde Mäuse und Ratten echte Tumoren
an der Impfstelle entstehen, eine Nachprüfung,
13. Lindemann, Bochum. Sind die Steiokohlengruben die
Verbreiter der Genickstarre?
Die Richtigkeit dieser These bestreitet L. auf Grund von
Erfahrungen, die er bei der letzten Epidemie im Ruhrkohlenge¬
biet gemacht hat, und glaubt nicht, dass die vorgeschlagene
prophylaktische Maßregel, beim Auftreten der Genickstarre in der
Familie eines Bergmanns ausschliesslich den Vater als Träger der
Infektion anzusehen und von der Arbeit unter Tage auszu-
schliessen, einen Erfolg versprechen kann.
No. 45. 1906.
1. Fraenkel. Heber die MöUer-Barlowsehe Krankheit
(Infantiler Skorbut).
Nicht abgeschlossen.
2. Bechtold, Würzburg: Heber zeitweises gehäuftes Vor-
Kommen von Endokarditis bei Muskelrheumatismns.
Eine epidemieartige Häufung der rheumatischen Erkrankungen,
speziell auch des Muskelrheiimatismus wurde während der regueri-
schen Monate des letzten Sommers beobachtet. Dabei musste es
atiffallen, dass bei nicht weniger als sechs von den beobachteten
Muskolrheuinatisiriusfällen sich während der Spitalbebnndlung endo-
karditische Symptome zeigten. Eine Prüfung älterer Kranken¬
geschichten Kess noch weitere solcher Fälle auffinden; die Kranken¬
geschichten von elf werden im Anszage mitgeteilt. Die Prognose
der den Muskclrhenmatismus kompHzierenden Endokarditis ist
qnoad functionem nicht absolut günstig; in drei Fällen blieb eine
ansgebildete Mitralinsuffizienz, in zwei ein systolisches Geräusch
zurück. Das zeitweise gehäufte Auftreten, Temperaturateigerungen,
Störungen des Allgemeinbefindens, die Komplikation mit Endokar¬
ditis sprechen für eine infektiöse Natur des MuskelrbeumatiMius.
Dass die Erreger des Muskel- und GelenkrhettiaatiMMis nicht
schlechthin identisch sind, scheint sich aus dem Verhalten der
beiden Erkrankungen gegenüber den Salizylpräparaten zu ergeben,
prompte Reaktion beim Gelenk-, sehr mäßige beim Moskelrhen-
matismus. Nahe verwandt mit dem Muskelrheumatismns erscheint
die infektiöse Myositis, diese ist viellei<^t nur ein stärkerer Grad
des ersteren; beide sind wohl ebenso wie der Gelenkrheumatismus
unter die Reihe der septischen Erkrankungen zu rechnen, weli'be
nicht durch einen spezifischen Erreger, sondern durch alle Bakterien,
die gelegentlich Eiterung bervorrufen können, verursacht werden.
Als Eintrittspforte dürfte neben kleinen Hautverletzungen und
den Tonsillen wohl vor allem der Darm in Frage kommen.
3. Eppenstein, Breslau: Heber das proteolytisohe Ferment
der Lenkocyten, insbesondere bei der Lenkaemie, nnd die
fermenthemmende Wirkung des Blutserums.
Der biologische Unterschied zwischen den bei myeloider Leu-
kaemie einerseits, bei Lymphaemie andrei'seits vermehrten Leu-
kocyten lässt sich durch einen einfachen Reagensglasversuch
demonstrieren: isoliert man Leukocyten aus leukaemischem Blut
und prüft die proteolytische Wirkung, indem man abgemessene
Mengen zu schwach alkalischer Gelatine zusetzt und diese dann
im Brütofen bei Körpertemperatur stehen lässt, so beobachtet
man, dass die Leukocyten bei myeloider Leukaemie (polynucleäre
Leukocyten und Myelocyten) die Gelatine verdauen, die Lympbo-
cyten dagegen nicht. Für ein oxydatives Ferment der weissen
Blutzellen ist der gleiche Gegensatz zwischen diesen beiden Len-
kocytengruppen gleichfalls bekannt. Diese biologischen Befunde
geben der von Ehrlich auf Grund histologischer Befunde ver¬
tretenen Ansicht, dass die genannten Arten von Leukocyten prin¬
zipiell von einander zu scheiden sind, eine neue Stütze. Die Leu-
kocytenaufschwemraung von myeloider Leukaemio zeigt auch noch
bei stärkerer Verdünnung verdauende Wirkung auf Gelatine, die
Fermentwirkung nimmt bei längerem Stehen erheblich zu, wahr¬
scheinlich infolge des Zerfalls der Zellen und Freiwerden des ver¬
dauenden Ferments; die Aufschwemmung von Lymphocyten dagegen
bleibt auch bei tagelangem Stehenlassen im Biutschrank ohne
Wirkung. Das proteolytische Ferment der Leukocyten wirkt am
besten bei schwach alkalischer Reaktion; seine Wirkung ist bei
50“ erheblich stärker als bei 37 ®, beiTO^wirdsieabgesohwächt, bei 75 ®
aufgehoben. Diese Eigenschaften stimmen etwa mit denen des
tryptischen Verdauungsfermentes überein. Wie gegenüber dem
Trypsin, Pepsin, und andern Fermenten, z. B. dem bei der Auto¬
lyse der Organe wirksamen, wirken Blutplasma und Blutstfum
hemmend auf das verdauende Leukocytenferment Diese hemmende
Wirkung des Blutplasmas lässt sich durch ^jistiXndiges Erwärmen
auf ca. 58® absohwächen.
4. Blum, Strassburg: Heber einen Fall von gekeilter
Arteriitis typhosa.
Die Arteriitis gehört zu den seltenen Komplikationen des
Typhus, Beschreibung eines Falles, bei dem, wie in der Mehrzahl
der Beobachtungen, die komplizierende Gefässerkrankung in der
Deferveszenzperiode des Typhus einsetzte und, wie meist die Arteria
femoralis betraf. Unter den Symptomen der Erkrankung ist mit
am wichtigsten der Schmerz, der den Kranken jede Bewegung
schenen lässt; weiter von Bedeutung ist die Abnahme der Pul¬
sation in den Arterien; die betroffenen Glieder sind etwas ge¬
schwollen, aber nie oedematös; kommt es zur Gangrän, so stellt
sich Cyanose, Herabsetzung der Temperatur, Anaesthesie ein.
Besonders wichtig ist das Auftreten eines Stranges, der dem Ver¬
lauf der Arterie entspricht. Im vorliegenden Fall trat völlige Heilung
ein, vielleicht bedingt durch einen günstigerweise zustande ge¬
kommenen Kollateralkreislauf. Differentialdiagnostisch ktonen im
Beginn in Betracht kommen die Myositis typhosa, Nenritis, Phleg¬
masia. Die Ursache der Arteriitis ist eine Erkrankung der Ge-
fässwand selbst; da das jugendliche Alter mit Vorliebe befallen
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1906.
MEDICINISGEE WOCHE.
517
wird, dürften arteriosklerotische Verändeningen der Gefässwände
keine Bedentang haben. Der Typhusbazillos selbst scheint bei
der Gntstehnng die Hauptrolle zu spielen, was sich aus dem Be¬
fand von Typhosbazillen in der Gefässwand und den Thromben
ergibt.
5. Grassmann, Hünchen: Seltene Verlaufsweisen von
Klappenfehlern.
Der erste Fall betrifft ein hjUbriges Mädchen, das bei einem
Gelenkrheumatismus eine Euducarditis acquirierte, die zu einer aus¬
gesprochenen Mitralinsufhcienz führte. In den nächsten Monaten
gute Kompensation des Klappenfehlers und weiterhin völliges
Schwinden jeglichen klinischen Symptoms, so dass wohl von einer
Ausheilung des endocartischen Klappenfehlers gesprochen werden
konnte. Trotzdem nach einem Jahr Rezidiv der Endocarditis mit
letalem Ausgang. Der zweite Fall betrifft einen Patienten mit
hochgradiger Mitralstenose und Aorteninsufficienz. bei dem im
Stadium der Dekompensation der Exitus durch eine Darmblutung
herbeigeführt wurde, für die eine Erklärung auch durch die
Autopsie nicht zu hndeu war.
6. Schöppler, München: Keber Sarkomatose des Epikards.
Eingehende makroskopische und mikroskopische Beschreibung
eines Falles von ausgedehnter Sarkomatose des Epikards. Eine
Zusammenstellung der in Frage kommenden Literatur ergibt: Zu
den seltensten Ijokalisatlonen primärer Geschwülste gehören die
des Perikards; primäre Tumoren des Herzens sind relativ selten,
die Hanptrolle spielen Fibrome und Myxome, das Sarkom kommt
erst ao zweiter Stelle. Der häufigste Sitz der Tumoren ist der
linke Ventrikel. Männer werden häufiger l)efallen als Frauen;
das Alter gibt keine für die Aetiologie zu verwertenden Anhalts¬
punkte. Ein eigenes Krankbeitsbild wird durch Herzgeschwülste
nicht hervorgerufen.
7. Besold, Falkenstein: Die bildliche Darstellung von
Longenbefnnden.
Beschreibung eines Schemas, das sich durch Einfacbheit aus¬
zeichnet, nur einen einfarbigen Stift erfordert; die Zeichen inner¬
halb der erforderlichen Gruppen entwickeln sich auseinander, so
dass wenig dabei auswendig zu lernen ist; es ermöglicht die Dar-
steUung von allem, was irgend wie von Wichtigkeit ist und wahrt
trotzdem die Klarheit und Uebersiclitlichkeit dos Bildes, so dass
eine lange Reihe verschiedener Befuude mit einem Blick über-
zehen werden kann. Einzelheiten sind im Original einzusehon.
8. Watlart, St. Ludwig. Heber gleichzeitige Darstellung
von Fettkömem, eisenhaltigem Pigment nnd Zellkernen in Oe-
Merschnitten.
Die Methode erstrebt die Färbung dieser drei Faktoren, die
sonst getrennt, nacheinander vorzunehmen ist und viel Zeit er¬
fordert, in einem Akt. Zur Verwendung kommen folgende Lös¬
ungen: I. 2 g Karmin in 10 ccm Wasser und 8 Tropfen Salzsäure
unter Kochen gelöst, mit 10 ccm Alkohol absolut verrührt, filtriert
und das Filtrat mit absolutem Alkohol auf 50 ccm aufgefüllt.
II. Gesättigte Lösung von Sudan III oder Scharlach R in 80—90%
Alkohol, ni. 5% Ferrocyankaliumlüsung. Man mischt 2 ccm von
Xjösung I mit 1,2 ccm von II mit 2 —3 Tropfen Salzsäure, fügt daun
2 ccm von III hinzu. Die in Wasser aufgefangenen Gefrierschnitten
von in Formol gehärtetem Material kommen nach einer Passage
durch 50—70% Alkohol in die Mischung, in der sie 3—15 Minuten
bleiben, werden kurz in Alkohol 50—70%, dann in Wasser abge¬
spült und in Glycerin konserviert. Kerne erscheinen karminrot,
Fettgranula gelb, eisenhaltiges Pigment blauschwarz.
9. Sondermann, Dieringhau.sen. Zur Saugtherapie bei
Hasenerkrankungen.
Die Anwendung des Saugens bei Nasenerkrankuugen vermag
die Diagnostik besonders der Nebenhöhlenaffektionen wesentlich zu
erleichtern. Die Untersuchung muss bei verschiedenen Haltungen
des Kopfes vorgenommen werden, dann kann .sie wertvolle Anhalts¬
punkte für differentielle Diagnose geben. Bezüglich der thera¬
peutischen Verwendung ist wohl zu individualisieren; nicht jeder
Patient eignet sich für diese Behandlung. Ohne weiteres müssten
die Falle ausscheiden, über deren operative Behandlung ein Zweifel
nicht obwalten kann, bei ausgedehnter Curies oder Nekrosen, Neu¬
bildungen, abnormer Erweiterung der Höhlen, bei Gefahr des Ueber-
gangs auf Nachbarorgane. Bei den übrigen Fälieu i»t zu unter¬
scheiden zwischen akuter und chronischer Plrkrankung. Erstcre
dürfte wohl stets für die Saugbehandlung geeignet sein; zweifelhaft
bleibt es bei letzterer. Je länger ein Nebenhöhlonleiden besteht,
um so geringer ist die Aussicht, es durch Saugen allein zu bessern.
Wenn beim Saugen reichliches Sekret entleert wird, es an Menge
allmählich abnimmt, den eitrigen Charakter verliert, wenn die Be¬
schwerden nachlassen, ist ein guter Erfolg zu erwarten; bleibt
das Sekret dagegen reichlich und eitrig, so ist durch Saugen höch¬
stens eine vorübergehende Besserung der Beschwerden zu erzielen.
Das Ansaugen muss, namentlich im Anfang, ein- bis zweistündlich
fünf Minuten lang ausgeübt werden, wenn ein Erfolg erreicht werden
soll. Eine neue Olive, die ein Eindringen von Sekret in den Stiel
verhüten soll, wird beschrieben.
10. Grosse, München. Schutzmittel, gegen Öeschlechte-
krankbeiten. (Nachtrag zu der in Nr. 21 1905 d. W. erschienenen
Arbeit.)
Die bakteriologische Prüfung des von G. angegebenen Prophy-
Jaktikuras „Selbstschutz“, welches Hydrargyrum oxycyanatum in
Mischung mit Gelatine und Glycerin enthält, hat ergeben, dass
Gonococcen in Kulturen sowohl bei ganzer Konzentration der Flüssig¬
keit, als auch bei halber in kurzer Zeit sicher vernichtet werden.
Deutsche med. Wochenschrift. No. 45. looe.
1. llabiuuwitsch, Berlin: Neuere experimentelle Unter¬
suchungen über Tuberkolose.
Die Erreger der sogenannten Geflügeltuberkulose sind als Va¬
rietäten der Säugetiertuberkulosebazilleu zu betrachten. Was die
Beziehungen der einzelnen Vertreter dieser letzteren untereinander
betrifft, so wird, um zu einer Differenzierung zu kommen, von
Wichtigkeit sein, die einzelnen Tierspezies auf das Vorkommen
verschiedener Tuberkelbazillenl'ormeii zu uuter.suchen; auf Grund
dieser Ergebnisse wird sich die Möglichkeit der üebertragung der
Tuberkulose einer Tiors()ezies auf eine andere beurteilen lassen. Die
Tatsache, dass der Meusch für die Erreger der Rinciertuberkulose
empfänglich ist, hat R. in neuen Versuchen bestätigen können.
Aus tuberkulösen Milchproben lies.sen sich, neben anderen, Kulturen
gewinnen, die im kulturellen Verhalten, wie in ihrer Virulenz in
keiner Weise von mensclilichen Tuberkulosestämmen abwichen, da¬
neben solche, deren kulturelles und tierpathogenes Verhalten
weder den Eigenschaften der Rinderstämme, noch denen der mensch¬
lichen Bazillen entsprach. Solche sind am besten als Uebergangs-
formen zu bezeichnen in dem Sinne, dass eine Tuberkelbazillcn-
form bei längerem Verweilen im heterogenen Organismus diuch
allmähliche Anpassung sich den Eigenschaften derjenigen Tuberkol-
bazillenform nähert, die für die betreffende Tierspezies als spe¬
zifisch gilt. Es ergibt sich also, dass sowohl beim Menschen, wie
beim Rind, die beiden mit verschiedener Virulenz begabten Ver¬
treter der Säugetiertuberkulose sich vorfinden, dass mithin, falls
wir uns nach diesen Eigenschaften die Herkunft der Bazillen zu
bestimmen für berechtigt halten, die Rindertuberkulose auf den
Menschen und die menschliche Tuberkulose auf das Rind über¬
tragbar ist. Eine Stütze findet diese praktisch wichtige Schlus.^-
folgerung in bei Affen mit spontaner Tuberkulose angestellten
Untersuchungen, die ergaben, dass bei der Mehrzahl Tuberkulose-
stämine von der Virulenz menschlicher Bazillen, in einigen Rinder¬
stämme, in anderen Uebergangsformen, einmal auch Geflügeltu-
berkulosebazilleu gezüchtet wurden. Danach erscheint eine be¬
sondere Disposition für die eine oder andere Form der Tuberkel-
bazilleu bei den einzelnen Tierspezies zweifelhaft. Vielmehr dürfte
der Gelegenheitsursache für die Spontan-Infektion eine grös.sero
Bedeutung heizumessen sein. Dafür sprechen auch Beobachtungeu
an Papageien; während bei Hauspapageieii meiston.s die Infektion
durch menschliche Tuberkulose bedingt war, wurden bei den Papa¬
geien des Zoologi.schen Gartens bisher nur Geflügeltuberkulose-
baziUen gefunden. Für den Menschen ist die hauptsä<‘hlichste In¬
fektionsquelle der tuberkulöse Mensch selbst. Doch dürfte auch
die Infektion mit Perlsuchtbazillen nicht so selten sein, wie es
bisher den .4nschein hatte, und der Fütterungsiiifektiou dürfte eine
grössere Rolle zuzuerkennen sein.
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518
MEDIOINISCHB WOCHE.
Nr. 47.
2. Herz, Meran: Zur physikalischen Therapie der chroni¬
schen Nierenerkranknngen.
Die Thermotherapie bei den Erkrankungen der Niere besteht
in 1. systematisch betriebener Hautpflege, 2. Einwirkung von
trockener warmer Luft, 3, Schwitzprozeduren, 4. Maßnahmen zur
Erzielung einer Wasserretention, 5. Maßnahmen zur Anregung des
Herzens. Es wird ausgeführt, wie all diesen Prozeduren durch
variierte Verwendung des Lichtluftbades genügt werden kann.
3. Lindenstein, Nürnberg: Erfahnmgen mit der Lumbal-
anaesthesie.
Dieselben erstrecken sich auf 100 Fälle mit 13 Versagern,
die aber wohl auf Fehler der Technik zu beziehen sind. (Ein
Nachtrag bei der Korrektur weist bei 50 neuen Fällen nur drei
Versager auf.) Verwandt wurde anfangs Stovain, später nur No¬
vocain (2 — 2,5 ccm einer 5% Lösung); letzteres übt keinerlei
nachteilige Wirkung auf die Gewebe aus, während sonst ein wesent¬
licher Unterschied in der Wirkungsweise beider Mittel nicht be¬
steht. Nach- und Nebenwirkimgen schwerer, störender oder länger-
dauemder Art kamen nicht zur Beobachtung; einzig Kopfschmerz
von wechselnder Intensität und Dauer und häufigeres Erbrechen
traten manchmal auf, ohne aber je einen bedenklichen Charakter
anzunehmen. Dem Verfahren unterworfen wurden alle geeigneten
EingriflFe an den unteren Extremitäten, Operationen am After, den
Genitalien, Hernien, eine Appendicitis und eine Ovariotoroie. Die
Anaesthesie trat meist nach 5—10 Minuten ein und war dann eine
vollständige. Bezüglich des Alters dürfte nach oben dem Ver¬
fahren keine Grenze zu setzen sein; der älteste der so operierten
Patienten war 82 Jahre alt. Nach der Operation empfiehlt sich
eine kleine Morphiumgabe zur Linderung des ersten Wundschmerzes.
Eine Kontraindikatioii für die Lumbaianaesthesie ist in einer im
Körper vorhandenen Eiterung zu erblicken, ebenso in Lues des
ersten und zweiten Stadiums.
4. Goebel, Breslau: Heber Thoracoplastik.
G. beschreibt kurz die Operation von zwei Lungenfisteln nach
in der Lunge durchgebrochenem Leberabszess und ausführlich die
eines Empyems und erläutert dabei eine Modifikation der Thoraco¬
plastik. Das Neue besteht in der prinzipiellen Verwendung der
vom Thorax und der überliegenden Haut abgelösten Muskulatur
zur Ausfüllung der trotz Rippenresektion noch verbleibenden, toten
Räume. Diese lassen sich so sicher vermeiden, so dass Nach-
Operationen unnötig werden; weitere Vorteile dieser Modifikation
liegen in der rascheren Heilung — der Empyemkranke konnte
schon nach drei Wochen das Hospital verlassen — und in der
Bedeckung der Rippenstümpfe durch die Haut, so dass Nekrosen
der Stümpfe leichter vermieden werden.
5. Dietrich und Arnheim, Rixdorf: Fomysol, ein neues
Händedesinfektionsmittel.
Formysol ist eine flüs.sige Kali-Formalinselfe mit starkem
Alkoholgehalt und Zusatz anderer desinfizierender und desodorie¬
render Stoffe, und wird mit 10 und 25% Formalingehalt herge¬
stellt (Hahn, Schwedt a. 0.). Die bakteriologischen Untersuchungen
haben ausgiebige Einwirkung auf Bakterien bei den gebräuch¬
lichen Losungen ergeben, und diese können zu inteusiven Wasch¬
ungen der Hände benutzt werden, ohne dass die Hand zu sehr
angegriffen wird.
G. Velhagen, Chemnitz: Ueber die familiäre Hornbaut-
entartnng.
Drei Fälle dieser erst in den letzten 15 Jahren öfters be-
obacliteten Erkrankung. Es handelt sich dabei um eigenartige
Trübungen der Hornhaut, die ohne irgend welche entzündliche
Erscheinungen auftreten. Die Affektion kommt meist erst im
mittleren Alter zur Beobachtung; es ist aber wahrscheinlich, dass
sie schon in der Jugend entsteht, aber so langsam fortschreitet,
da.ss sie erst iin reiferen Alter Selrstörungen verursacht, gegen
die die erste ärztliclio Hilfe in Anspruch genommen wird. Be¬
züglich der Aetiologie kann als festgestellt gelten, dass diese Horn-
hautaftektion eine ausgesjtrochen hereditäre Affektion ist. Sie be-
tritl't fast immer mehrere Geschwister, ohne Unterschied des Ge-
sclilechts in überraschend gleichmäßiger Form; so auch die drei
mitgeteilten Fälle.
7. Wolff, Leipzig. Heber eine neue Anwendungswoise der
konzentrierten Karbolsäure in der externen Therapie, vor allem
bei Bubonen und Fnrunknlose.
Das Verfahren besteht darin, dass bei geschlossenem Bubo die
Haut im Bereiche der Schwellung mit einem Vs—1 cm breiten An¬
strich von reiner Karbolsäure (am besten in Alkohol absolut gelöst)
versehen wird, was in den nächsten Tagen wiederholt wird; der
fluktuierende Bubo wird ebenfalls 2 — 3 Tage bestrichen, ist dann
die Fluktuation nicht geschwunden, so wird eine kleine Incision
gemacht, der Eiter abgelassen und die Höhle mit Karbolsäure aus-
gestrichen, dann verbunden und das Verfahren alle 2—3 Tage
wiederholt, bis die Höhle granuliert. Beim aufgebrochenen Bubo
ist die Behandlung die gleiche. Besonders gute Erfolge wurden
bei der Furunkulose erzielt; je nachdem es sich um harte oder
erweichte Knoten handelte und je nach der Ausdehnung wurde ein¬
fach betupft oder Stich- resp. Incisionsöffnungen angelegt und
nachher touchiert mit der Karbolsäure; daneben wurden Umschläge
mit einer Lösung Acid. boric. 4,0 Liq. Alum, aoetic. ad 100,0
verordnet, später indifferente Salben. Auszüge aus Krankenge-
sohichteu illustrieren die guten Heilerfolge. Vereinzelt wurden
dann in ähnlicher Weise noch behandelt ulceröse Stomatitiden,
scrophulöse und tuberkulöse Drüsen und Panaritien.
8. Gessner, Olven.stedt. Heber das Verhalten nengeborenei
Tiere bei parenteraler Zufuhr von artfremdem Eiweiss.
G. hatte jungen Tieren verschiedener Gattung Kuhblutserum
und rohe, unverdünnte Kuhmilch injiciert und dabei keinerlei
toxische Wirkungen gesehen, ein Ergebnis, das namentlich den Ton
Schlossmann und Salge bei menschlichen Säuglingen mit Injektionen
artfremden Eiweisses gemachten Erfahrungen widerspricht.
9. Adler undHensel, New-York. Heber intravendse Nikotin-
einspritznngen and deren Einwirkung auf die Kaninchenaorta.
Von einer Verdünnung 1: 200 chemisch reinen Nikotins wurde
Kaninchen Va ccm (= l'/a mg Nikotin) intravenös injiciert, worauf
einige Miijuten dauernde Konvulsionen eintraten; dieselben wieder¬
holten sich in gleicher Weise bei jeder erneuten Injektion;
Zeichen einer sich allmählich einstellenden Toleranz oder Ge¬
wöhnung an das Gift waren nicht zu beobachten. Schon nach
18 Injektionen waren vereinzelt geringe Veränderungen an der
Aorta zu sehen, die nach 38 Einspritzungen sich fast durchgängig
in grosser Ausdehnung eingestellt hatten. Die pathologischen Er¬
scheinungen stellten sich als aneurysmat^he Erweiterungen und
Bildung von Vorsprüngen, Rauhigkeiten’, Plaques dar; mikro¬
skopisch zeigte sich als primäre Laesion hauptsächlich eine Er¬
krankung der Media, Nekrotisierung der Muskelfasern mit nach¬
folgenden Zerstörungen der elastischen Elemente, sekundär Prolife¬
ration der Intima. Die Veränderungen erinnern in vielem an die
durch Adrenalininjektioneu erzielten, und sind auch in mancher
Beziehung denen der menschlichen Arteriosklerose analog.
10. Ogata, Tokio. Vorläufige Mitteilung über die Aetio¬
logie der Tsutsugamushi' (Kedaui*) Krankbeit (Ueberschwemmungs-
fieber nach Baelz). Nicht abgeschlossen,
Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 45. 190G.
1. Bernhard, Berlin. Beitrag zur Lehre vom Status
hemiepilepticus.
B. berichtet über eine Patientin, bei der kürzere Zeit be¬
stehenden Kopfschmerzen und vorübergehendem linksseitigem
Schwächegefübl, heftige epileptische Krämpfe einsetzten, die in
wenigen Tagen an Intensität so Zunahmen, dass sie nicht mehr zu
bekämpfen waren. Dauernder Bewusstseinsverlust trat ein, der
Puls stieg auf 140 Schläge in der Minute, die Temperatur auf
39 Da die Anamnese ein freilich Jahre zurückliegendes Ohr-
Iciden ergab, die Krämpfe hauptsächlich die linke Seite betrafen,
und bei dem schweren Ergriffensein ein tötJicher Ausgang gewiss
erschien, so wurde als letztes Mittel eine Eröffnung der rechten
Schädelhällte vorgenommeu, in der Hofi’nung, hier an Rinde oder
subkortikalem Gewebe eine Ursache des Leidens zu finden. Das
Ergebnis war ein absolut negatives. Auch die Autopsie Hess
keine pathologisch-anatomisch nachweisbare Schädigung j am Ge¬
hirn aulfinden. Im Anscblu.ss daran bespricht B. die wichtigsten
neueren Arbeiten über den Status hemiepilepticus, die zeigen, dass
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190S.
MBDICmiSCHS WOGHB.
519
für die Praxis die Schwierigkeit bestehen bleibt, diese Fälle
klinisch so vor den übrigen herauszuheben, dass man dem
Chirurgen widerraten kann, die als ultimum refugium anzusehende,
lebeosrettende Operation zu unterlassen. Trotz der unleugbaren
Fortschritte, die die Forschungen gebracht haben, erscheinen die
Schwierigkeiten einer das weitere Handeln bestimmenden Diagnose
für den Praktiker eher noch grösser. Nur das eine erscheint als
Gewinn für den Praktiker, dass einmal bei Operationen, die unter¬
nommen wurden, um eine höchstwahrscheinlich im motorischen
Bezirk der Hirnrinde vermutete Neubildung, Ahscess etc. zu ent¬
fernen, absolut kein zu eliminierendes pathologisches Produkt ge¬
funden wurde, dass andrerseits selbst bei verzweifelten Fällen
einseitiger Epilepsie der Zustand sich nach einigen Tagen trotz
anhaltendem Status hemiepilepticus so gebessert hat, dass ein
relativer Gesundheitszustand resultierte.
2. Dege, Berlin. Zur Aetiologie der L&hmong des Nervus
laryngeos inferior.
Vier Fälle von einseitiger, peripherischer Recurrenslähmung
mit verschiedener Aetiologie; 1. infolge einer Fraktur der Clavicula,
2. infolge eines Aneurysmas der Ärteria subclavia, das sich nach
einem Trauma entwickelte, 3. Durchschneidung des Recurrens bei
einer Schilddrüsenoperation, 4. nach einer fibrinösen Pneumonie,
hier bedingt entweder durch Toxinwirkung, oder Druck von ge¬
schwollenen Lympbdrüsen oder von pleuritischen Schwarten über
der Lungenspitze.
3. Hübner. Zur Lehre von der Lues nervosa.
Während in neuerer Zeit bezüglich des durch zahlreiche
statistische Erhebungen erwiesenen Zusammenhangs zwischen Ta¬
bes und Paralyse einer-, der Syphilis andererseits, die Ansicht
vorherrschend geworden ist, dass als aetiologische Momente für
Tabes und Paralyse neben der Lues entweder eine ab ovo vor-
h:\ndene Disposition oder erworbene Schädlichkeiten in Betracht
kommen, die beiden genannten Erkrankungen der nervösen
Zentralorg.ine also nicht Produkte der Syphilis allein, sondern
mehrerer gleichwertiger Faktoren sind, ist in den letzten Jahren,
namentlich von Frankreich ans, eine neue Hypothese propagiert
worden, die Lehre von der Lues nervosa, nach der es Formen der
Syphilis geben soll, welche mit ihrer Schädigung vorzugsweise das
Nervensystem heimsucht. An der Hand von Beobachtungen führt
H. dagegen aus, das es klinische und anatomische Tatsachen gibt,
die man ungezungener ohne die Annahme einer Lues nervosa
erklären kann; ferner zeigten, dass das Material, welches die Au¬
toren als beweisend für ihre Theorie ansehen, hauptsächlich die
Fälle von infantiler und juveniler, von konjugaler und familiärer
Tabes und Paralyse und die Qruppenerkrankungen von diesen
Neurosen, auch unter anderen Gesichtspunkten betrachtet werden
können, vielleicht sogar betrachtet werden müssen.
4. Sei lei, Budapest. Die Behandlung der Cystitis mit
Alkohol.
5. empfiehlt Blasenspülungen mit 5 —15 prozentigen Lösungen
von Alkohol von kurzer bis zu Vzstündiger Dauer. Besonders
bei Cystitiden, die sich zu Prostatahypertropliie gesellen, und bei
sich an gonorrhoische Urethritiden anschliessenden hat er sehr
gute Heilerfolge erzielt. Für den therapeutischen Effekt dürfte
neben der antiseptischen, bakterientötenden Wirkung der stark
adstringierende Einfluss des Alkohols von Bedeutung sein.
5. MaragUano, Genua. Die spezifische Therapie der Tuber¬
kulose. (Schluss aus Nr. 43 und 44.)
An der Hand einer Reihe von Thesen werden die Funda¬
mentalpunkte, die für die spezifische Therapie der Tuberkulose in
Betracht, kommen, erläutert. Diese Thesen lauten: 1. Die leben¬
den Tuberkelbazillen, sowie die Leiber der Bazillen erzeugen, so¬
bald sie experimentell in den tierischen Organismus eingeführt
werden, spezifische Schutzsubstanzen. Bis sind das antitoxische,
bakteriolytisohe und agglutinierende Substanzen, welche zu demon¬
strieren imd ziemlich genau zu dosieren sind. 2. Die autituber-
kulösen Substanzen, welche man experimentell mit verschiedenen
bazillären Stoffen erhält, verdanken stets ihre Herkunft dem
gleichen Verteidigungsvorgang, welches auch ihre Form sei, welchen
Namen man ihnen auch geben mag. 3. Um antituberkulöses, für
die Therapie beim Menschen verwendbares Material zu erhalten,
ist die Anwendung lebender Bazillen absolut ausgeschlossen 4. Die
antituberkulösen Substanzen befinden sich in den Zellelementen
der Gewebe, den Leucocyten, im Blutserum, in der Milch der be¬
handelten Tiere, in den Eiern der behandelten Hühnchen, in den
tuberkulösen Eutzüudungsprodukten, welche experimentell mit den
Bazillensubstanzen erzeugt wurden, ö. Die tuberkulöse Infektion
beim Menschen ruft die Produktion spezifischer Schutzsubstanzen
hervor, analog denen, die man experimentell bei Tieren erhält,
6. Die Tuberkuline und die anderen Tuberkelgifte können bei dem
von Tuberkulose ergriffenen Menschen die Produktion spezifischer
Schatzstoffe hervorrufen. 7. Die antituberkulösen Stoffe, welche
sich im Organismus der behandelten Tiere befinden, können auf
verschiedenen Wegen auf neue Organismen übertragen werden
und dort ähnliche Schutzsubstanzen erzeugen. 8. Man kann eine
spezifische Therapie der Tuberkulose mit zwei Arten von Mitteln
insWerk setzen: mit den Tuberkulinen und andern Tuberkelgiften;
mit den im Organismus gesunder Tiere erzeugten antituberkulösen
Substanzen. 9, Man besitzt jetzt in der Tat eine spezifische The¬
rapie der Tuberkulose und dtr menschlichen Tuberkulosen; aber
sie wird so lange keinen Glauben in der Praxis finden, bis nicht
die Aerzte davon überzeugt sind, das-s es absurd ist, von ihr ejne
Heilung bei zerstörten Geweben eines in Auflösung begriffenen
Organismus zu erwarten. 10. Es ist möglich, dahin zu gelangen,
beim Menschen eine Prophylaxe der Tuberkulose mittels einer
spezifischen Impfung auszuüben.
G. Cohn, Berlin: Die Lnngenanthrakose and ihre Entstehung
vom Dam ans. (^Schluss aus No. 44.)
Die Frage nach Ursprung und Herkunft des Lungenpigmentes
war durch die Arbeiten Am olds , nach denen die Schwarzfärbung
der Lungen durch Kohlenstaubpartikelchen verur.sacht ist, die mit
der Atemluft inhaliert werden, zu einem Abschluss gebracht. In
jüngerer Zeit ist nun von Van.steenberghe und Grysez die
Behauptung aufgestellt worden, die Lungenanthrakose sei inte.sti-
nalen Ursprungs, die Absorption des Staubes erfolge vom Darm
au.s, was im Hinblick auf die Behringsche Tuberkulosetberapie
besondere Beachtung verdient. C. hat die Experimente der betr.
Forscher einer Nachprüfung unterzogen mit dem Ergebnis, dass
von einer Fütternngsanthrakose keine Rede sein kann.
7. Finder, Berlin: Kehlkopfontersaohang and einige haupt¬
sächliche Kehlkopfkrankheiten hei Kindern.
Bei vielen Kindern erweist sich eine Spiegeluntersuchung des
Kehlkopfs als unmöglich; in solchen Fällen empfiehlt sich die
autoskopische, direkte Besichtigung nach Killian entweder mit
dem Kirsteinschen Spatel oder dem K illian sehen röhrenförmigen
Instrument. Einige Kehlkopfkrankheiten der Kinder, die in pädi¬
atrischen Lehrbüchern stiefmütterlich bedacht sind und den Praktikern
meist nicht genügend vertraut sind, werden besprochen: die an¬
geborene Membranbilduug im Kehlkopf, der kongenitale Larynx-
stridor, die akute Laryngitis der Säuglinge, die chronische Laryn¬
gitis, Laryngitis tuberosa oder nodosa, Noduli lymphatici, die Kehl-
kopfpapillorae.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 44.
1. Mosetig, Moorhof: Die Aasschaltong von Hohlräomen
in Operationswanden.
Eine Ausschaltung sogenannter toter Räume in Operations¬
wunden ist stets aozustreben, um Eiterung und deren Folgen zu
verhindern und raschere Heilungen zu erzwingen. Am zweck-
mäCigsten wird die Ausschaltung, wenn andere Verfahren nicht
ausführbar sind, durch hermetische Ausfüllung der Räume bewerk¬
stelligt. Bedingung zur Ausführung der bezweckten Ausfüllung
oder Plombierung bei Kuochenhohlräumen sind: von Seiten des
Cavums Entfernung alles Krankhaften, Neuformung der Höhle
durch Abtragung im Gesunden behufs Herstellung der Asepsis,
Trockenlegung der Höhle; von Seiten der Füllmasse Bereitung
unter antiseptischen Kautelen, Bereitung der Plombe mit einem
Dauerantiseptikum als wesentlichstem Konstituens, die Möglichkeit,
die Füllmasse in flüssiger Form einzuführen, damit sie erst in
der Höhle erstarrt und so hermetischen Abschluss zustande bringt.
Diese Bedingungen erfüllt die Jodoformplombe. Dieselbe besteht
aus Walrat (Cetaceum), Sesamöl und feinstpulverigem Jodoform,
im Verhältnis des letzteren zu den beiden andern zu gleichen
Teilen genommenen Konstutituentien von 40:60. Der Schmelz¬
punkt liegt zwischen 45® und 48®; auf 50® im Wasserbade er-
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520
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 4 , 1 .
hitzt, kann die Emulsion flüssig eiugegossen werden und erstarrt
bald. Die Jodoformplombe soll nur als Platzhalter dieneu und so¬
lange in der Höhle bleiben, bis sie durch die Granulation ent¬
weder ganz verzehrt oder nur teilweise resorbiert und zum Teil
nach aussen verdrängt wird. Resorption oder Verdrängung er¬
folgen nur langsam, entsprechend dem Aufbau der Granulations¬
masse, welche die bleibende organische Ausfüllung besorgt. Jodo¬
formintoxikationen sind bei der äusserst langsamen Aufnahme und
Ueberlührung in den Kreislauf nicht zu besorgen, selbst nicht
bei grossen Höhlen und entsprechendem Quantum der Füllmasse.
Der Wundverlauf nach Anwendung der Jodoformplombe ist, wenn
sie richtig gemacht wird, stets aseptisch. Bei vollkommenem
Wundverschluss sind Heilungen prima inteutione die Regel. Die
Endresultate sind die bestmöglichen, auch vom kosmetischen
Standpunkt betrachtet, weil tief eingezogene Narben, dank dem
regen organischen Ersatz, dabei vermieden werden.
2. Weiss, Alland: Beobachtungen über die Ehrlichsohe
Biazoreaktion bei Lungentuberkulose.
Für Ausführung der Reaktion wird die Verwendung von
Paramidoazetophenon an Stelle der Siilfanilsäure empfohlen. Nicht
unwichtig für den Auställ kann die Konzentration dos Harnes sein;
die die Reaktion verursachende Substanz kann in zu geringer
oder in zu starker Konzentration im Harne Vorkommen; dann
sind die Harne auf entsprechende Volumina einzudampfen oder zu
verdünnen. Bei 257 Patienten wurden systematische Prüfungen
des Harnes auf Diazoreaktion vorgenommen und mehr als 1000
Einzeluntersuchungen gemacht. Dabei ergab sich, dass die Inten¬
sität der Reaktion keinen sicheren Schluss auf die Intensität des
Krankheitsprozesses zulässt, wenn auch im Allgemeinen die stärkere
Reaktion einer schweren Erkrankung entspricht. Die Reaktion
fand sich immer nur bei Fällen mit zweifelhafter oder schlechter
Prognose, niemals bei Fällen mit guter Prognose. Die sichere
Konstatierung der Diazoreaktion kann daher die Stellung der
Prognose in diesem Sinne beeinflussen. Wenn während einer
längeren Beobachtungszeit, trotz eingeleiteter entsprechender
Therapie, die Reaktion bestehen bleibt, so berechtigt dies zu
einer schlechten Prognose. Auf die längere Bcobachtuugszeit ist
ein besonderer Nachdruck zu legen. Das Fehlen der Diazoreaktion
bei sonst schlecht zu stellender Prognose kann in günstigem Sinne
aufgefasst werden. Das vorübergehende .Auftreten der Reaktion
kann nicht als Signum mali ominis aufgefasst werden, bleibt aber
ein Symptom, das einen Fingerzeig gibt, dass die Prognose des
Falles ernst ist, schliesst aber nicht immer eine Besserung aus.
Ein Zusammenhang der Diazoreaktion mit dem Fieber war nicht
festzustellen. Interessant ist die Feststellung, dass im Anschluss
an Tuberkulinbehandlung Diazoreaktion auftreten kann. Versuche,
mit dem Blutserum von Kranken die Diazoreaktion anzustellen,
ergaben ein negatives Resultat.
3. Marcovich, Trle.st: Meningococcen im kreisenden Blut.
Bei einem klinisch eigentümlich verlaufenden Fall von Menin¬
gitis cerebrospinalis — es fehlten die hohen Temperatursteiger-
ungen und die Nackenstarre, dagegen war ein ausgesprochenes
Exanthem vorhanden — wurden aus dom Blute in vivo Weichsel¬
baum sehe Meningococcen gezüchtet. Pathologisch-anatomisch fand
sich die Lokalisation des Exsudate.s, in dem die gleichen Erreger
nachgewieseii wurden, nur am Gehirn. Es liegt die Annahme
nahe, dass im vorliegenden Falle die Meningococcensepsis die primäre
Läsion war, und die Lokalisation des Krankheitserregers auf die
Hirnhäute auf dein Blutwege zustande kam.
4. Klautz, Wien: üeber Cholecystis typhosa.
Bei der Patientin wurde nach 14 tägigem, mäßig fieberhaften
Unwohlsein, eine Cholecystis purulenta acuta diagnostiziert und
durch die Operation bestätigt. In der Gallenblase fand sich neben
Steinen eitrige Flüssigkeit, in der Typhusbazillen in Reinkultur
nachgewiesen wurden. Der positive Ausfall der Widalschen
Reaktion 1:30 lie.ss einen vorangegangenen Typhus annehmen.
Die Üntersuchung der Steine auf Typhiisbazillen ergab ein nega¬
tives Resultat.
5. Liehtenstern, Wien: Ueber Fonktionsprüfangen der
nach Nephrektomie restierenden Nieren.
L. hat bei einer Anzahl nephrektomierter Patienten teils
gleich, teils Jahre nach der Operation das Auftreten des Pboridziu-
diabetea beobachtet. Diese Beol^chtungen zeigten, dass bei
Menschen, die nur eine arbeitende Niere besitzen, die die Funktion
für den Gesamtorganismns in einwandsfreier Welse übernommen
hat, und dieser Arbeit auch völlig gewachsen ist, dieses Organ
Atypien in der zeitlichen Zuckerausscheidung aufweisen kann.
Damit ist die Behauptung gerechtfertigt, dass das zeitliche Auf¬
treten des Phloridzindiabetes kein sicheres Reagens für Nieren¬
arbeit ist.
6. Ludwig, Panzer, Zarek: üeber die St. Bnpertus-
Quelle in Bad Abtenau (Herzogtum Salzburg).
Eingehende Darlegung der Ergebnisse der Analysen der
Quelle, nach denen dieselbe als eine Kochsalztrinkerquelle und
zugleich leichte Bitterquolle zu bezeichnen ist, die durch ihren
Gehalt an kohlensaurem Eisen noch besonderer therapeutischer
Wirkung befähigt erscheint.
Allgemeine medicinieche Central-Zeitung. 1906. Nr. 4i.
R a 11 n e r, Berlin: Das Biersche StaunngSTsrfahren, eine
allgemeine Betrachtung mit besonderer Würdigung der gegneri¬
schen Kritik.
Gegen die im allgemeinen sehr günstige, zum Teil sogar
begeisterte Aufnahme des Bi ersehen Stauungsverfahrens haben
hauptsächlich zwei Autoren, Lexer und Thoele, ihre warnende
Stimme erhoben und gegen diese Behandlungsmethode die prak¬
tische Unzulänglichkeit einerseits, und den Mangel einer theoretisch¬
wissenschaftlichen Begründung andrerseits ins Feld geführt. Diese
Einwendungen werden eingehender dargelegt; aber trotz derselben
ist wohl daran festzuhalten, dass Bier uns mit seiner Methode
eine wesentliche Bereicherung unseres therapeutischen Schatzes
gegeben hat.
No. 42. 1906.
Dmitrenko, Odessa: BelatiTe Stenose der Hitraliz.
Die Stenose des Ostium venosum sinistram kann ohne jeden
auskultatorischen und palpatorischen Befund verlaufen; es können
aber auch charakteristische Zeichen dieses Klappenfehlers, prae-
systolisches oder diastolisches Geräusch an der Herzspitze, vorhanden
sein, ohne dass anatomisch eine Stenose der Mitralis vorliegt. D.
berichtet über einen solchen Fall; bei einer Mitralinsufflzienz war
intra vitam ein lautes diastolisches Geräusch an der Herzspitze
zu hören, die Autopsie ergab keine absolute Verengerung der
Mitralis, aber eine starke Dilatation des linken Ventrikels. In
solchen Fällen muss an der Entstehung der praesystolischen oder
diastolischen Geräusche an der Herzspitze das Verhältnis der Zu¬
nahme desUmfanges der Höhle zur Zunahme der Grösse des Lomens
der zuführenden Öffnung, und zweitens die Differenz des Druckes
in den mit einander kommunizierenden Höhlen und folglich die
Beschleunigung des passierenden Blutstromes beteiligt sein. Das
diastolische Geräusch bei der Mitralinsuffizienz bedarf also für
eine Entstehung gewisse Bedingungen und ist für einen be¬
stimmten Zustand des Herzens, in diesem Falle für eine Über¬
mäßige Dilatation des linken Ventrikels, charakteristisch. Und
weil jedes Geräusch nur unter gewissen physikalischen Bedingungen,
die nur durch Veränderungen eines Organs (des Blutes, der Ge-
fässe, des Herzens) gegeben werden, auftreten kann, ist die Unter¬
scheidung der Geräusche in organische und anorganische fallen zu
lassen. Ausser bei Mitralinsuffizienz wird das praesystolische oder
diastolische Geräusch an der Herzspitze auch bei Chlorosen, Neu¬
rosen, Myocarditis, Aorteninsutfizieuz beobachtet; den Erscheinungen
liegt immer der gleiche Mechanismus zu Grunde, weshalb D. vor-
schlägt, alle hierher gehörigen Fälle unter der gemeinsamen Bezeich¬
nung der relativen Mitralstenose zu vereinigen.
Der heutigen Nummer liegt ein Prospekt über ,,Vlberon**der Firma
G. Sartori in Berlln-SchÖneberg 1 bei. Auf einem Teil dieser
Prospekte befindet sich ein Druckfehler; das Werk «Die Vibrationsmaaeage*
von Dr. med. Arno Hohnbaum-Hannover kostet M. 2,50, nicht M 1,50. —
Der *Viberon“ wird ,auf Wunsch“ gegen 50®/# Barzahlung und 50®/,
monatliche Ratenzahlungen (ä 5 bis 10 M.) geliefert. — Einzelne Apparate
werden auch leihweise gegen monatliche Vergütung — nach Vereinbarung
— abgegeben.
V«r*niwnrtlich«r Redmkt^nr : Dr. P. Meiiiner, Berlin W. SS, Knrfflrttenttr. 81. — Verleg von Cerl Merheld. Helle e. S.
Drvek *on 'ler HeTveneDn'echee Racbdmckarei, Gebr WoUr, Helle e. S
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Medicinische Woche
Deatschmano, A. DfthrtMO, A. Hofft, L Jacobi,
Hanbarg. Berlia. Berlin. Prelburg i. Bi.
H. Senator, R. Sonner,
Berlin. Oleeten.
Verlag und Expedition
Carl Marhold In Halle a. 5*« Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hatleuale. Fernsprecher 823.
Herausgegeben von
Jahrgang.
5t,
R. Robert, M. Koeppen, K. Partecb, H. Rosln, H. Schlange.
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerrlcht, A. Vosaias,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion;
Berlin W. 62« Kurfflrstenstrasse 81.
Dr. P Meißner
26. November 1906.
Nr. 48.
Die .Med icinlsche Woche-erscheint Jeden Montag mit der Utaglgen Beilage BalneolOgiSChe Centralzeitung, Organ des Schwarzwaldbadertages,
des Verbandes der Deutschen Nordseebader, sowie des Vereins der Badearzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Buchbandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold in Halle a.S. entgegen. Inserate werden für die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum
mit 50 P(. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezelle 1.50 M. Bei gröSeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originaiien.
Zur Frage der experimentellen Anaemien.
VorlänBge Mitteilung von Dr. A. A. Wyssotzki,*)
ordinierender Arzt an der Tberapeiitischeu Fakult&taklinik zu Mo.skuii.
Die Aetiologie der sogenannten essentiellen pcrniciösen
Anaemie beschäftig schon seit jeher die Forscher, und trotz¬
dem kann man ni^t sagen, dass seit der Beschreibung dieser
eigenartigen Krankheit durch Biermer die Aetiologie der¬
selben in mehr oder minder ausreichender Weise erforscht wäre.
Die bakterielle Theorie ist nach vielen misslungenen Ver¬
suchen, im Blute den Erreger der perniciösen Anaemie zu finden,
heutzutage fast vollständig verlassen worden. Die allgemeinen
Ursachen, wie schlechte hygienische Verhältnisse, mangelhafte
Ernährung, übermäßige Anstrengung etc. können gleichfalls
das Wesen der Krankheit nicht erklären, wenn es andererseits
auch keinem Zweifel unterliegt, dass alle diese Momente im
Sinne einer prädisponierenden Ursache eine gewisse Holle
spielen können.
Die Ursache der Anaemie in früher überstandenen Er-
krankangen, wie Malaria, Lues, Geburt etc. zu suchen, ist
gleichfalls nicht ganz angebracht, da alle diese Krankheiten sehr
verbreitet sind, während die perniciöse Anaemie eine relativ
seltene Erkrankung darstellt Es unterliegt keinem Zweifel, dass
diese Erkrankungen auf den Allgemeinznstand des Organismus
einen hochgradigen Einfiuss auszuüben vermögen; immerhin ist
es nicht möglich, einen direkten Zusammenhang zwischen diesen
Erkrankungen und der perniciösen Anaemie nacbzuweisen.
Eine ganz besondere Stellung nehmen in dieser Beziehung
die Störungen von seiten des Magendarmkanals ein, die bei der
perniciösen Anaemie beobachtet werden und, wie zahlreiche
Untersnchungen lehren, zu hochgradigen Veränderungen der
Magendannschleimhaut bis zu vollständiger Atrophie derselben
führen. Hier entsteht allerdings die Frage, ob die perniciöse
Anaemie die Folge dieser Veränderungen des Magendarmkanals
ist, oder ob umgekehrt diese Veränderungen der Magendarm¬
schleimhaut die Folge der tiefen Störung der allgemeinen Er¬
nährung durch die Erkrankung des Blutes sind.
Eine gewisse Beleuchtung hat das Wesen der perniciösen
Anaemie durch das Studium der einen Form derselben, der so¬
genannten anaemie bothriocephalica erfahren. Wie die klinischen
Beobachtungen von Wiltschur, Schapiro, Schaumann
und Neubecker ergeben haben, verliefen diejenigen Fälle von
perniciöser anaemia bothriocephalica am schwersten, in denen
man den Bothriocephalus tot und in zersetztem Zustande oder
überhaupt nicht fand, trotzdem die Stühle des Patienten Eier
*) Aus dem Russiscbcn von M. Lubowski, Berlin-Wilmersdorf.
dieses Parasiten aufwiesen, d. h, der Parasit resorbiert war.
Dieser Umstand Hess diese Autoren die Vermutung aussprechen,
dass aus dem Körper des Bothriocephalus in den Organismus
ein gewisses Gift gelangt, welches schädlich auf das Blut ein¬
wirkt. Diese Vermutung fand Bestätigung in den Untersuchungen
von Schaumann und T a 11 q u i s t; diese Autoren haben
aus dem Bothriocephalus einen Auszug in physiologischer Koch¬
salzlösung gemacht, denselben einem Hund eingespritzt und bei
dem Tiere nach 14 Tagen eine Abnahme der Zahl der roten
Blutkörperchen von 7 200000 bis 3400000 und das allgemeine
Bild von schwerer Anaemie hervorgernfen. Auf diese Weise
ist der toxische Ursprung der perniciösen anaemia bothrio¬
cephalica aufgeklärt worden.
Weder in klinischer Beziehung, noch im Sinne der be¬
stehenden Blutveränderungen unterscheidet sich die perniciöse
anaemia bothriocephalica von der progressiven perniciösen
Anaemie ohne bestimmte Aetiologie; diese Tatsache bringt einen
unwillkürlich auf den Gedanken, ob nicht bei der progressiven
perniciösen Anaemie irgend eine Intoxication eine dominierende
Rolle spiele, die zu Zerstörung der Blutkörperchen führt und
im Resultat so schreckliche Veränderungen gibt.
Zu den Autoren, welche die Ursache der perniciösen Anaemie
in einem im Blute zirkulierenden Toxin erblicken, gehören
Brandburg, Silbermann, Birch-Hirschfeld und
Taylor; Hunter, Mott und Rüssel beschränken die
Wirk ungssphäre dieses Toxins auf das Gebiet der Pfortader.
Pepper, Hayem, Cohnheim, Rindfleisch, Ehrlich,
H. Müller, Engel, Ricklin und Selvestre erblicken die
Ursache der perniciösen Anaemie in einer Erkrankung des
Knochenmarks; Quincke, Eich hörst, Mackenzie, Hoff-
mann, Ransom, Grawitz und Lazarus glauben, die Ur¬
sache der perniciösen Anaemie sowohl im Blute wie im Knochen¬
mark suchen zu müssen; Fenwick, Ewald und Hansemann
betrachten das Verschwinden der Magendrüsen als Ursache der
in Rede stehenden Erkrankung. Sasaki führt dieselbe auf eine
Degeneration der Meissnerschen und Auerbachschen
Plexus zurück. Breadbent und ßanti suchen die Krank¬
heitsursache im Nervensystem, Stockmann in der fettigen
Degeneration der kleinen Gefässe und nachfolgenden zahlreichen
Blutungen.
Ich möchte mich auf eine Erörterung aller dieser Theorien
nicht einlassen, da dies nicht der Zweck meiner Mitteilung ist
und zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte; ich mochte nur
darauf hinweisen, dass ein und dieselben Tatsachen von ver¬
schiedenen Autoren verschieden gedeutet werden und somit als
Grundlage für verschiedene Theorien dienen. So erblicken bei¬
spielsweise Hunter und L i m b e c k in der Siderosis der Organe,
in der Urobilinurie, in der Gelbsucht Beweise für eine inner¬
halb der Gefässe stattfindende Haemolyse, während Stockmann
dieselben Erscheinungen als Beweis für eine ausserhalb der
Gefässe stattfindende Haemolyse betrachtet. Nach Ehrlich
lässt sich die perniciöse Anaemie durch megaloblastische De-
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522
MSDICINISCHE) W OCHS.
Nr. 48.
generation des Knochenmarks erklären, welche eine unregel¬
mäßige R^eneration des Blutes bewirkt und das Bild emer
schweren Bluterkrankung entstehen lässt.
Nach der Ansicht von Silbermann wird die perniciöse
Anaemie durch das Vorhandensein von gelöstem Haemoglobin
im Plasma, d. h. durch Haemoglobinaemie,bedingt; nach Hunter
findet bei dieser Krankheit eine Zerstörung der roten Blut¬
körperchen im Gebiete der Pfortader statt. Die perniciöse
Anaemie kann durch mangelhafte Bildung der roten Blut¬
körperchen, durch gesteigerte Zerstörung derselben, oder durch
diese beiden Ursachen zusammen hervorgenifen werden.
Zu Gunsten des Zerfalles von roten Blutkörperchen sprechen
folgende Tatsachen: 1. die dunkle Färbung der Excrete, wie
des Harns, der Galle, der Stühle; 2. die Veränderung des Harns:
Steigerung der täglichen Hamstoffmenge, Peptonurie, Uro-
bilinurie, das Vorhandensein von Blutfarbstoffkömchen; 3.*ge-
steigerterEiweisszerfall; 4. Veränderung des Blutes: Poikylocy-
tose und Mikrocytaemie, endoglobuläre Nekrose nach Marag-
liano, weniger stabiler Zusammenhang zwischen dem Haemo¬
globin und dem Gerüst der Blutkörperchen, Herabsetzung der
Alkalinität des Blutes; 5. Pigmentation und Siderosis der Organe
und Gelbsucht.
Die Veränderung des Blutes weist darauf hin, dass die
roten Blutkörperchen zweifellos stark gelitten haben; der
Mechanismus dieser Verletzung bleibt aber unaufgeklärt; man
weiss nicht, ob sich die kranken Blutkörperchen im Knochen¬
mark gebildet haben und, nachdem sie in den Blutkreislauf ge¬
langt sind, schon unter dem Einflüsse geringfügiger Ursachen
zu Grunde gehen, oder aber die roten Blutkörperchen ursprüng¬
lich gesund und schon innerhalb des Blutkreislaufes durch em
unbekanntes Agens beschädigt worden sind.
Von wesentlicher Bedeutung ist die Frage, warum Haemo-
globinaemie relativ selten beobachtet wird, wenn wir an eine
Zerstörung der roten Blutkörperchen unter der Einwirkung
irgend eines Giftes denken.
Das aus den roten Blutkörperchen ausgetretene und im
Plasma gelöste Haemoglobin wird von gewissen Organen, be¬
sonders von der Leber und der Milz festgehalten und je nach
der Funktion dieser Organe in Bilirubin, Haemosiderin und Fuscin
zerlegt. Das Haemosiderin und das Fuscin führen zu Pigmentation
und Siderosis der Organe, das Bilirubin zur Pleiocbromie der
Galle: die pleiochrome Galle ist dichter als normale Galle,
passiert schwer den duct. choledochus, staut sich in den Gallen¬
wegen, wird teilweise absorbiert und ruft, indem sie in das
Feuilleton.
Valparaiso.
Aus dem Tagebuche eines Schifi’sarztes.
Von Dr. Bf. Brenning.
(Schluss.)
Das von den erwähnten Strassen gebildete Stadtviertel
unterscheidet sich eigentlich in nichts von dem Geschäftsviertel
einer europäischen, speziell einer deutschen Grossstadt. Die
Strassen sind dort gepflastert, wenn auch nicht besonders gut,
und verhältnismäßig sauber. Die höchstens dreistöckigen Häuser
sind alle massiv, jedoch ziemlich einförmig und ohne architek¬
tonischen Schmuck. Unter den Passanten fallen höchstens die
Chileninnen durch ihre schmalen, marmorbleichen Gesichter
auf. Ganz anders wird jedoch das Bild, wenn man nur einige
hundert Schritte eine der Querstrassen, welche in die anfangs
erwähnten Schluchten, die „Quebradas“, auslaufen, hinaufgeht.
Hier befinden sich die ärmeren Stadtteile mit Häusern aus
Lehm oder Holz, welche teilweise auf Pfählen erbaut sind und
im buntesten Durcheinander, kreuz und quer an den Abhängen
jener Schluchten zerstreut liegen. Nur sehr schmale, schlechte
und oft sehr steile Woge führen zu ihnen hinauf. Manche
dieser Häuser, oder vielmehr Hütten, sind hier von kleinen
Blut gelangt, Bilirubinaemie und sogar Gelbsucht hervor. Trotz
der partiellen Absorption enthält die in den Darm gelangte
Galle doch noch mehr Pigmente als in der Norm und verleiht
den Stühlen eine dunkle Färbung; im Harn wird viel Urobilin
ausgeschieden.
Das Vorhandensein einer ziemlich grossen Anzahl von
klinischen Tatsachen, die sich am leichtesten vom Standpunkte
der Haemolyse erklären Hessen, veranlasste die Forscher, zum
Experiment zu greifen und durch haemolytische Gifte bei Tieren
der Bierm er sehen Krankheit ähnliche Zustände hervorrufen
zu suchen. Zu diesen Tatsachen gehören der meistenteils
remittierende, stossförmige Verlauf der Krankheit, das Auftreten
von Urobilin, bisweilen auch von Bilirubin im Harn, leichte
Gelbsucht der Haut und der Schleimhäute, das Auftreten von
Bilirubin nach den Beobachtungen von Syllaba, bisweilen
auch von Haemoglobin im Blutserum, Pigmentation und Siderosis
der inneren Organe. Wenn auch Lazarus die Möglichkeit
des Auftretens von Haemoglobinaemie bei pemieiöser Anaemie
in Abrede stellt, so sprechen doch die Beobachtungen von
Fürbringer, Gusserow und Syllaba dafür, dass das Auf¬
treten von Haemoglobinaemie bei pemieiöser Anaemie möglich
ist. Ausserdem gibt es in der Literatur eine ganze Reihe von
Fällen von pemieiöser Anaemie, die unter Erscheinungen von
hochgradiger Gelbsucht verlaufen und sogar zur Verwechslung
der Kränkelt mit katarrhalischer Gelbsucht, Neubildungen der
Leber, Gallensteinen usw. Anlass gaben. Hierher gehören die
Beobachtungen von Krieg, Scheby-Buch, Quincke,
Strümpell, Laache, Georgi, Ewald, Bristowe, Bartels,
F. Müller, Grawitz, Linbeck, Dieballa, Syllaba u. a.
Nach den Beobachtungen von Copemann und Schau¬
mann war das Semm ihrer Patienten dunkelgelb gefärbt.
Syllaba hat in fünf Fällen die Beschaffenheit des Serums
studiert, welches sich in allen Fällen von goldgelber Farbe er¬
wiesen und Bilirubin enthalten hat. Nach der Meinung von
Syllaba ist die Bilirubinaemie ein ständiges Symptom der
pemieiösen Anaemie und gibt, wenn sie in hohem Grade aus¬
gesprochen ist, Gelbsucht. Die Menge von Symptomen, die ver¬
muten Hessen, dass bei der pemieiösen Anaemie eine Auflösung
der roten Blutkörperchen stattfinde, haben einige experimentelle
Arbeiten gezeigt, welche sehr wertvolle und interessante Be¬
funde haben erheben lassen.
Bignani, Dionisi, Mazzoni, Battistini, Rover,
Tall<^uist, Kaminer und Syllaba haben sämtlich in ihren
Experimenten mit toxischer Haemolyse nach der Anwendung von
Gärten umgeben, häufiger jedoch sieht man ringsum nur wüstet
mit allerlei Unrat gefüllte Plätze. Man fühlt sich, nach der
verhältnismäßigen Vornehmheit in der unteren Stadt, hier oben
plötzlich wie m eine andere Welt versetzt Dazu kommt ein
unerträglicher Staub, da die nach oben führenden Strassen
und Wege nur in ihrem Anfangsteile gepflastert sind, und auf
der Höhe fast stets ein mehr oder weniger heftiger Wind weht
Alle durch die „Quebradas“ führenden Wege enden schliess¬
lich oben an dem „Camino Cintura“, einer breiten, ungepflaster-
ten Strasse, welche sich, stets in gleicher Höhe und allen
„Quebradas“ bis zu deren Ende in zahllosen Windungen fol-
g end, in einer Länge von etwa 2 Vt Stunden längs der ganzen
[ügelkette, welche den Hintergrund der Stadt darstellt, ent¬
lang zieht. Von dort bietet sich dem Auge ein allerdings
prachtvolles Panorama. Tief unten erblickt man das Häuser¬
meer der Stadt, dahinter den Hafen mit den winzig klein
erscheinenden Schiffen, und auf der anderen Seite in weiter
Feme die schneebedeckten Gipfel der Cordilleren. Leider
sind aber die Abhänge zu beiden Seiten jener Strasse fast
überall völlig kahl, und die steilen Lehmwände, die hier und
da aufragen und die glühenden Sonnenstrahlen zurückprallen
lassen, machen die Wanderung auf dem staubigen, schatten¬
losen Wege auch nicht gerade angenehm. Mehr nach Süden
zu gestaltet sich das Bild jedoch etwas freundlicher. Während
anfangs nur sehr vereinzelt kleine Gärtchen ein kümmerliches
Dasein fristeten, treten später an dem Camino Cintura mehr
und mehr schöne Villen und grössere, wohlgepflegte Gärten
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MtolCINISCHE WOCHE.
523
im.
Pyridin und Pyr^allol Anaemie, bei kleinen Dosen Plethora
im Sinne einer Steigerung der Haemo^lobinmenge, sowie der
Anzahl der roten Blutkörperchen konstatiert Tallquist äussert
sich in seiner Monographie über die Resultate seiner Experimente
dahin, dass man durch kleine, wiederholte Gaben von haemo-
Ijtischen Giften — Pyridin, Pyrogallol — bei Hunden progressive
Anaemie erzeugen kann, die zum Tode des Tieres rührt. Die¬
selbe Dosis, welche ursprünglich eine Verringerung der Anzahl
der roten Blutkörperchen und des Haemoglobin-Gehalts bewirkte,
wird früher oder später unwirksam, und die Anzahl der roten
Blutkörperchen verringert sich nach andauernder Anwendung
derselben Dosis nicht mehr, oder erfährt im Gegenteil eine
Steigerung. Infolgedessen muss man, wenn man will, dass die
Anaemie bestehen bleibt und Fortschritte macht, die ursprüng¬
liche Dosis immer mehr und mehr vergrössern. — lieber
Experim. Blutgiftanaemien. Berlin 1900, Seite 191.
Bignani und Dionisi erklären diese Erscheinung durch
eine Art Immunität der roten Blutkörperchen, Tallquist durch
kompensatorische Funktion der blutbildenden Organe.
Syllaba hat durch Einführung von haemolytischen Giften
ein Bild erzielt, welches in vieler Beziehung mit der Biermer-
schen Krankheit Aehnlichkeit hat; schwere Anaemie, Gelbsucht,
Urobilinurie, Pigmentation und Siderosis der inneren Organe,
sowie kompensatorische Reaktion der blutbildenden Organe.
Nach der Ansicht von Syllaba lag der Unterschied zwischen
der experimentellen Anaemie und der Biermerschen Krankheit
in den untergeordneten Erscheinungen; was aber die Haupt¬
sache ist, so ist es die Tatsache, dass diese Anaemie einen
megaloblastischen Charakter nicht hat, der nach Ehrlich für
die pemiciöse Anaemie eigentümlich ist. Bignani und
Dionisi, Voss und Tallquist sind zu denselben Schlüssen
gelangt
Eine besondere Stellung nehmen in Bezug auf die erzielten
Resultate die experimentellen Arbeiten von Kaminer, Rohn-
stein und Reckzeh ein. Die ersteren Autoren arbeiteten mit
Phenyl-Hydrazin, der letztere mit Pyrogallol. Das von Emil
Fischer im Jahre 1875 entdeckte Phenyl-Hydrazin ist eine ein-
säurige Base, welche die Formel Cg H 5 NH NH 2 hat und eine
sehr reaktionsfähige Substanz ist, welche gegenwärtig in der
Industrie eine grosse Rolle spielt, und zwar dank der so¬
genannten Pyrozolon-Reaktion, die von Knorr entdeckt wurde,
und in deren Resultat das Antipyrin gewonnen wird; desgleichen
spielt diese Substanz auch in der Chemie eine Rolle, und zwar
dank ihrer Affinität zu Aldehyden und Ketonen.
auf. ln dieser Gegend ist auch das deutsche Hospital und
der Friedhof gelegen. Dieser ist auf drei Seiten von einer
1Y 2 ni dicken Mauer umgeben, welche, wie man das vielfach
in romanischen Ländern sehen kann, die Leichen der ärmeren
Leute beherbergt, während die Wohlhabenderen in der Mitte
des Friedhofes unter mehr oder weniger prunkvollen Sarko¬
phagen, Monumenten und Marmorplatten ruhen. Eine Treppe
von gegen 100 Stufen führt von hier schnell wieder nach
der Unterstadt und der Hafengegend hinab.
So batte ich in wenigen Stunden einen Rundgang durch
die ganze Stadt gemacht und meine Neugierde zunächst be¬
friedigt. Doch jetzt sollte auch die Wissenschaft zu ihrem
Rechte kommen* Zu diesem Zwecke durchquerte ich noch
einmal die ganze Unterstadt und sammelte an den Abhäi^en
der „Quebradas“ und weiter oben an denen des „Camino Cin-
tura“ alles, was sich an Pflanzen dort vorfand, und das war
leider nicht allzuviel, um sie später an Bord einznlegen und
für das Botanische Museum in Berlin mitzunehmen. Mehr
Glück hatte ich am folgenden Tage, an welchem ich die
Gegend am südlichsten Ende der Bucht besuchte und auf den
Bergabhängen in der Nähe des Leuchtturmes, woselbst auch
ein grosser, schattenloser, mit geschmacklo.sen Figuren ver¬
sehener Park angelegt war, eine grosse Menge sehr inter¬
essanter, mir bis dahin völlig unbekannter Pflanzenformen fand.
Es handelte sich aber auch hier fast ausschliesslich um niedrige
Kräuter; Bäume und Sträucher fehlten vollständig.
Das nächste Mal führte mich mein Weg nach der eot-
Bald nach der Arbeit von Fischer ist im Jahre 1875 eine
Mitteilung von Hoppe-Seyler erschienen, der bei der Ein¬
führung von Phenyl-Hydrazin unter die Haut Tiere unter Er¬
scheinungen von tiefer Blutzersetzung zu Grunde gehen sah.
Hoppe-Seyler wies nach, dass das Phenyl-Hydrasin mit den
Blutpigmenten eine besondere Verbindung gibt, welche scharfe
Absorptionslinien im Spektrum aufweist und sehr leicht in eine
andere spektral-inaktive Substanz übergeht.
Ausser der Arbeit von Hoppe-Seyler gibt es in der
Literatur nur wenige Mitteilungen über die Wirkung des Phenyl-
Hydrasin: hierher gehören die Mitteilungen von Tal lens (Ann.
d. Chem.), von Husemann (Real. Enc. Eulenburg) und in der
Toxikologie von Lewin, der nach einer zufällig bei ihm statt-
S ehabten Absorption von Phenyl - Hydrazin durch die Haut an
'urchfall und allgemeinem Unwohlsein erkrankte, wobei in
seinem Blut Methaemoglobin gefunden wurde. Der Direktor
einer chemischen Fabrik teilte Kaminer mit, dass die Arbeiter,
nachdem sie eine gewisse Zeit mit Phenyl-Hydrasin zu schaffen
hatten, an irgend emer Intoxikation erkrankten, welche mit dem
Aufhören der Arbeit verschwand und mit der Wiederaufnahme
derselben wieder auftrat; ausserdem wurden hartnäckige Aus¬
schläge und Symptome, die der Beschreibung von Lewin ähn¬
lich sind, bemerkt. (Fortsetzaog folgt.)
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berli/ner fnedici/nische Ges^Zsehaft.
Sitzung vom 7. November 1906.
Vor der Tagesordnung:
Rotschild zeigt einen Patienten, bei dem sich, angeblich
mich einem Bade, eine sehr schwere Cystitis mit mächtigem Harn-
dreng, blntigem Urin und den heftigsten Schmerzen eingestellt
hatte. Trotzdem es durch Blasenspülungen gelang, den Urin zu
klären und den dauernden Harnabgang aufhören zu lassen, blieben
die heiligsten Schmerzparoxysmen bei Harnentleerung und Deiae-
kation bestehen, so dass dauernd Morphium gegeben weiden
musste. Eine nochmalige Anamnese förderte schliesslich das Ge¬
ständnis des Patienten, dass er sich masturbationis causa einen
mit Wachs armierten Gummischlanch in den After eingeführt
hatte, von dem sich beim Herausziehen das Wachs abstreifte und
gegengesetzten Richtung, nämlich nach Norden. Von der un¬
mittelbar an Valparaiso sich anschliessenden Vorstadt Baron
gelangt man mit der Eisenbahn nach dem etwa 4 km ent¬
fernten Vina del mar. Saubere, mit schattigen Bäumen be¬
pflanzte Strassen, schöne Landhäuser und Villen, sowie im
üppigsten Blütenschmucke prangende Gärten und Parks ver¬
rieten, dass hier die vornehme Welt von Valparaiso ihren
Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Auch hier machte ich eine
reiche Ausbeute an interessanten Pflanzen. Den Rückweg trat
ich, um die Gegend noch besser kennen zu lernen, zu Fuss
an, doch war me Wanderung auf der staubigen Landstrasse,
welche bejgauf und bergab in der Nähe des Meeresufers durch
völlig wald- und buschloses Terrain führte, alles andere eher,
als ein Vergnügen.
Nach der Botanik kam die Zoologie an die Reihe. Mir
war vom Berliner Museum für Naturkunde der Auftrag zu teil
geworden, mich in Chile nach den dort vorkommenden Vogel¬
arten umzusehen. Während nämlich in Chile die Tierwelt im
allgemeinen auffallend arm an Arten ist, sind ausser den
Crustaceen nur die Vogelarten ausserordentlich zahlreich. Nun
hatte ich erfahren, dass in einer höheren Lehranstalt in Val¬
paraiso, dem Lyceum, ein gutes Museum für Naturkunde vor¬
handen sei. Der Direktor des Lyceums, ein Deutscher, nahm
mich in liebenswürdigster Weise auf und stellte mir bereit¬
willig die Sammlungen des Museums zur Verfügung. Diese
waren in der Tat so reichhaltig, dass ich zwei Tage brauchte,
um mir die darin enthaltenen, in Chile gefangenen Vögel auf-
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524
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 48.
auch später nicht wieder zu Tage trat. Das Röntgenbild zeigte
das Vorhandensein eines steinartigen Fremdkörpers, dessen Ent¬
fernung mit Naht der Blase leicht gelang. Danach Heilung.
Der Stein zeigte einen Kern von Wachs mit dicken Concrement-
schichtungen aus Kotbestandteilen.
Diskussion:
Fürbringer hat den Patienten auch gesehen und bestätigt
die Hochgradigkeit der Schmerzparoxysmen. Psychologisch inter¬
essant ist, dass derselbe trotz der bösen Erfalirungen die Mastur¬
bation nicht unterlässt.
Bergmann berichtet kurz über einen Fall von Paraffinstein
der Blase, dessen Entstehung darauf zurückzuführen war, dass
der Patient sich zur Heilung einer Harnröhrenstriktnr von einer
Kurpfuscherin Paraffin in die Urethra hatte einführen lassen, wo¬
bei dann Teile in die Blase geraten waren.
Sch Öler demonstriert eine Patientin mit einer Keratitis
parenchymatosa, bei der nach langen vergeblichen therapeutischen
Versuchen eine Heilung mit dem galvanischen Strom erzielt
worden war; die spitzen Elektroden wurden mit Quecksilber resp.
Jodtinktur armiert und in die Hornhauttrübung eingeführt, wo¬
rauf in 14 Tagen Aufhellung erfolgte. Das Verfahren dürfte für
circumscripte Trübungen zu empfehlen sein. Aetiologisch kam
liues nicht in Betracht, vielleicht Tuberkulose.
Tagesordnung;
Crzellitzer; üeber eine Massen verle tz ii n g durch
elektrische Strahlen.
In einer hiesigen Fabrik wurden elektrische Schwei-wungen
mit einem Strom von 450 Ampere 65 Volt vorgenommen; etwa
5 m von der Stelle entfernt führte ein Weg vorbei. Von Ar¬
beitern, die hier vorbeigegangen waren während der Schweissungen,
erkrankten eine grössere Zahl, während die direkt beteiligten in¬
takt blieben. Zwölf von den 32 Erkrankten hat C. behandelt.
Alle hatten zuerst nicht das Geringste gespürt; erst in der Nacht
bekamen sie heftige Aiigenschmorzen, LiJsohwellungen, Rötung,
Tränenfluss. Der Befund am nächsten Morgen war überein¬
stimmend: Schwellung der Konjunktiven, Rötung, intakte Hornhaut
und Iris, prompt reagierende Pupille, keine Beeinträchtigung der
Sehschärfe, ebensowenig dos Gesichtsfeldes. Das Bild ist das
der Ophthalmia electrica. Der Verlauf war wie gewöhnlicli;
rasche Heilung in wenigen Tagen. Interessant bei dieser Beob¬
achtung ist die Aetiologie; während bisher nur die mit dem
Bogenlicht Arbeitenden gelegentlich erkrankt waren, wurden dies¬
mal in grosser Zahl unbeteiligte Passanten betroifen. Plötzlich
einsetzeude Augenaffektionen mit entsprechenden Symptomen
zuschreiben. Dann führte mich der Direktor des Lyceums
noch nach einer Quebrada, der „Quebrada Jaime“, welche mir
bis dahin unbekannt geblieben war, und welche sich dadurch
vorteilhaft von den übrigen derartigen Schluchten auszeichnete,
dass ihre Abhänge mit reicher Vegetation ausgestattet waren
und stellenweise eine recht romantische kleine Gebirgsland¬
schaft darstellten. So konnte ich liier zum Schlu.sse noch
eine reiche Ausbeute an Pflanzen machen und einen etwas
angenehmeren Eindruck von Valparaiso und seiner nächsten
ümgebung mitnehmen, als es sonst der Fall gewesen wäre.
Gern hätte ich noch weitere Stroifzüge in das Innere des
Landes unternommen und besonders auch die Hauptstadt San¬
tiago besucht. Doch die Zeit unseres Aufenthaltes in Valpa¬
raiso war abgelaufen, und so musste ich mich darauf be¬
schränken, wenigstens den Haupthafen des Landes kennen
gelernt zu haben.
Nahezu 11 Jahre sind verflossen, seitdem ich Valparaiso
besuchte. Vieles hat sich sicher in dieser Zeit daselbst ver¬
bessert, noch mehr aber ist durch die jüngste Erdbeben-Kata-
stroplie vernichtet worden. Wie nach den früheren Erdbeben,
welche die Stadt lb22 und 1851 hoimsucliten, so wird sie
ohne Zweifel ancli dieses Mal noch schöner, als sie vorher
war, aus den 'IVürnnieni eniporblühen, ein wirkliches „Tal des
Paradieses'* wird sie jedoch niemals werden.
sollten immer daran denken la-sen, das.s die Betroffenen vielleicht
l)ei elektrischer Fuukeubüdung (z. B. bei Kurzschluss) vorbeige¬
kommen sind. Einige grössere Vorsicht bei der Betrachtuug
solcher V^orkommnisso (so beim elektrischen Strassenbahnverkehr)
wäre angebracht. Für die Entstehung der Ophthalmia können
in Betracht kommen die ultraroten Wärme-, die roten-violetten
Licht-, oder die ultravioletten chemischen Strahlen. Die beob¬
achteten Fälle machen es wahrscheinlich, dass die Wärme nicht
in Frage kommt; das Pehlen einer Netzhautwirkung, wie sie bei
der Sonnenblendung beobachtet wird, spricht auch gegen eine
Wirkung der Lichtstrahlen. Bleiben also die ultravioletten
Strahlen, die wahrscheinlich solche Verletzungen herbeiführen.
Mit der Ausbildung von Schutzvorrichtungen gegen solche Strahlen
ist 0. beschäftigt.
Diskussion:
Hirschberg hat nicht selten solche Fälle gesehen, dabei
auch schwerere Hoinhautlaesionen. Er glaubt, dass alle Strahlen
zur Wirkung kommen können.
Oppenheim und Krause: Ein operativ geheilter
Tumor des Occipitallappens mit Krankenvorstellung.
Der 35jährige Patient, der sonst gesund gewesen, erkrankte
mit intermittierenden Kopfschmerzen, besonders im Nacken, die
trotz aller Mittel sich allmählich steigerten; Befund am Nerven¬
system negativ. Bald darauf erweckte der Nachweis einer Netz¬
hautblutung den Verdacht auf eine Neubildung; nach kurzer Zeit
Hess sich eine Neuritis optica, Pulsverlangsamung naebweisen, und
nach wenigen Wochen eine Stauungspapille, viele Netzhaut-
blutungen; dabei rechtsseitige Hemianopsie, optische Halliicina-
tionen, Erbrechen, weiter Störungen beim Schreiben und Lesen.
Danach wurde die Diagnose auf Neubildung im Occipitallappen
gestellt. Jod- und Quecksilbertherapie blieben ohne Erfolg; und
da sich weiter Ausfaller.scheiuungen, Hemiataxie, Hemiparese,
rechts einstellten, wurde die Operation beschlossen mit grosser
Reserve bezüglich der Lokalisation und Prognose. Die Operation
wurde in zwei Akten vorgeiiommen. Die Verhältnisse erwiesen
sich als sehr günstig. Die Neubildung fand sich im Lohns occi-
pitalis und konnte leicht stumpf herausgeschält werden. Der Er¬
folg war bi.s auf vortibergehende Steigerung der optischen Er¬
scheinungen ein .sofortiger; Kopfschmerzen schwanden, Sensorium
wurde frei. Nach 17 Tagen waren die Veränderungen des Augen-
hiiitergrund.s, die Ausfallserscheinungen geschwunden, die Hemia¬
nopsie gebessert, und nach weiteren wenigen Wochen war eine
restlose Heilung zu konstatieren. Eine so ideale Heilung wird
nur aiisnahmswei.->o zu erzielen sein; sie muss aber für viele Miss¬
erfolge entschädigen. Weitere allmäliliclie Fortschritte auf dem
scliwierigen Geiiict werden gemacht werden, und die Prognose
der Tmnoreii des Zciitj-alnerveusysteras verspricht eine bessere zu
werden.
Krause l)erichtet. al.sdann an Her Hand von Lichtbildern
iibf r den Verlauf der intere.ssanten Operation. Der Tumor war
ein Spiiid'H/.elien.sarkotn, seine Mas.se waren 6 : 5V2 : 3. Sofort
nach der Operation trat hochgradige Temperaturerhöhung und
Steigerung der Pulsfrequenz ein, was bei dem Arbeiten in der
Nähe betreffenden Centren nicht verwunderlich erscheint.
Sticker: Üebertragung von Tumoren bei Hunden
durch den Geschlechtsakt.
Spontane Üebertragung von Tumoren bei Tieren ist bisher
nicht beobachtet. Von dem ulcerierten Vaginalsarkom einer
Hündin abge.stricliene Tumormassen übertrug St. auf andere Tiere
mit Erfolg und konnte damit die Infektionstüchtigkeit der von der
Ulceratioiisfläche stammenden Tumorzellen beweisen. Er Hess als¬
dann diese Hündin decken und l)ei zweien der betreffenden
Hunde entwickelte sich danach ein Sarkom des Penis. Demonstra¬
tion. Danach erscheint aucli die si)ontane Kontaktübertragung
bei menschlichen malignen Geschwülsten nicht unmöglich. P.
GeseUaehaft der Aet'iste »a Mamtheim.
Sitzung vom 5. November 1906.
M. Kaufmann; Moderne Bestrebungen in der Bc-
liiindliing der Nephritis.
Drei Methoden haben lici der Behandlung der Nephritis in
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y
1906
MEDICmiSCHB WOCHE.
525
der letzten Zeit eine grössere Rolle gespielt. Die eine bezieht
sich auf das chirurgische Gebiet; sie besteht in der Nephrotomie,
also der Entpannungsschnitt, und iu der Entfernung der Kapsel,
die Decapsulation, Operationen, die sowohl bei der akuten wie auch
chronischen Nephritis zur Anwendung kamen. Die Resultate dieser
chirurgischen Behandlung sind wenig gttnstig ausgefallen. Die
beiden anderen Methoden sind interner Natur. Es handelt sich
1. um die Organotherapie der Nephritis, also die Behandlung mit
Nierenpräparaten und 2. um die Anwendung einer kochsalzarmen
Diät.
Der Begründer der Organotherapie ist Brow n-Sequard.
Er kam zu der Ueberzeugung, dass allen Drüsen, ausser ihrer
lange bekannten äusseren, noch eine innere Sekretion zukominen
müsse. Die Symptome der schweren Nephritis, speziell der Uraemie,
sollten nicht sowohl dem Ausfall der äusseren Sekretion, der
Abscheidung der Hambestandteile, als vielmehr dem Wegfall einer
inneren Sekretion zuzuschreiben sein. Brown-Sequard wies
experimentell nach, da.ss bei nepbrektomierten Tieren diejenigen
Tiere, denen Nierenextrakt injiziert war, für eine Zeit die uraemi-
.schen Symptome verloren. Das Resultat der Injektionen mit
Nierenextrakt, die jetzt vielfach vorgenommen werden, ist dahin
zusammenzufassen, dass den spezifischen Nephrotoxinen und Nephro-
lysinen eine spezifische Giltigkeit nicht zukommt, dagegen ist
sicher die Einverleibung artfremden Eiweisses mit Umgehung der
Darmschleimhant ein keineswegs gleichgiltiger und unschädlicher
Eingriff.
Um das therapeutisch wirksame Prinzip der inneren Sekretion
der Niere bei der Behandlung der Nephritis nutzbar zu machen,
hat man versucht, a) die subkutane Injektion eines Glyzerinextraktes
der Niere (Nephrin), b) die subkutane Injektion von defibriniertem
Nierenvenenblut, c) die Verabreichung von Nierenpräparaten ver¬
schiedener Art und Darstellung per os.
Die subkutane Injektion des Nephrins ist kein gleichgiltiger
Eingriff; sie wirkt vielmehr deutlich toxisch, ebenso wenig günstig
sind die Resultate mit der Injektion von defibriniertem Nieren-
venenblut ausgefallen. Als vollkommen unschädlich hat sich er¬
wiesen die Darreichung von Reuaden (Knoll), eines pulverförmigen
Nierenpräparates. In Frankreich hat gute Erfolge gezeitigt die
Verabreichung einer Nieren-Maceration nach Profi Reiiaut in
Lyon.
Die Anwendung einer kochsalzarmen Jtiät bei Nephritis stützt
sich auf die Erfahrung, dass man Nierenkranken neben Alkohol
und stark gewürzten Speisen auch stark gesalzene Zubereitung der
Nahrungsmittel verbietet. Es steht heute fest, dass es in zahl¬
reichen Fällen von Nephritis zu wesentlichen Chlorretentionen
kommt und dass letztere enge Beziehungen zu der Oedembildung
haben. Die erkrankte Niere ist für Kochsalz relativ schlecht durch-
gängig und zeigt grosso Neigung, das zugeiührte Kochsalz im
Körper zurückzuhalten. Das retinierte Kochsalz kann sich entweder
im Blute anhäufen — Seroretention — oder in den Interstitien
der Organe verbleiben — Histcreteution —; beide Möglichkeiten
sind nachgewiesen. Die Beziehungen der Kochsalzretention zur
Oedembildung haben H. Strauss und F. Widal begründet und
ausgebaut. Sie wiesen in zahlreichen Fällen die Undurchlässigkeit
der Niere für Chloride und deren Retention in den Körperflüssig¬
keiten als Ursache der Oedeme nach. In zahlreichen Arbeiten sind
die Resultate dieser Forscher nachgeprült worden und alle Autoren
kamen zu demselben Endresultat; man glaubte, in der Dechloru-
ration ein Heilmittel in der Behandlung der Nephritis gefunden
zu haben. v. Noorden hat dann darauf aufmerksam gemacht,
dass es sehr kritiklos sei, die Retention von Chloriden als einzigen
oder auch nur wichtigsten aetlologischen Faktor hinznstellen und
die ganze Ernährung der Nierenkranken nach osmotischen Grund¬
sätzen zu regeln.
Die Diät ist in der Weise zu regeln, dass man den Kranken
zunächst auf eine von jedem Kochsalzzusatz freie Kost setzt. Unter
regelmäßiger Wägung verfolgt man nun den Gang der Dechloruration.
Im Falle des Gelingens darf man die Kur nicht mit dem Verschwinden
der Oedeme abbrechen, sondern muss sie bis zur Gewiehtskonstanz
fortsetzen. Ist man soweit, so setzt man alhnaldich etwas CI Na
zu; man beginnt mit 3 g und steigt [)is 10 g; jedenfalls muss man
stets unterball) der Tolcranzgrenze bleiben. Als Beispiel einer
Dechlorurationskost lür einen im Bette liegenden Kranken sei an¬
geführt: 200 g salzlreies Brot, 200 g Fleisch, 250 g Gemüse,
50 g Butter, 40 g Zucker, l^/a 1 Wasser, 0,3 1 Wein, 0,3 1 Kaffee;
ist der Kranke ausser Bett, so muss man natürlich mehr geben.
Dr. Max Jacoby.
Österreich.
K, K» Gesellscfiaft der Aerzte in Wien»
Sitzung vom 12. Oktober 1906.
(Eigener Bericht.)
In der ersten Sitzung nach den Sommerferien zeigte Hoch¬
sin ger ein neun Monate altes Kind mit enormen Hydro-
cephalus, Spina bifida und wuchernden Condylomen an den Ober¬
schenkeln, Labien und Aualfalten. Wahrscheinlich besteht ein
Zu-sammenhang mit Lues.
Zappert betont die Seltenheit des Zusammenhanges zwischen
Lues und Hydrocephalus. Knöpfe 1 macher hat einen analogen
Fall von W’asserkopf durch zahlreiche (67) Lumbalpunktionen zur
völligen Ausheilung gebracht.
Moskovicz demonstriert an zwei Patienten mit inter¬
mittierendem Hinken und beginnender Gangraena pedis einen
Versuch zur toxischen Feststellung des Gefü-ssverschlusses; An
normalen Extremitäten tritt nach Anlegung und Entfernung der
Es march-Binde eine reaktive Hautrötung auf, die sich in wenigen
Sekunden die ganze Peripherie entlang aasbreitet; am erkrankten
Bein bleibt die reaktive Hyperaemie an einer bestimmten Stelle
— entsprechend dem Gefässverschlüsse — stehen oder sie breitet
sich überaus langsam erst in Minuten bis zu den Zehen hin aus.
Der Ausfall des Versuches kann natürlich für die Wahl der
Operatioihsstelle von Bedeutung sein.
Schnitzler empfahl aus prinzipiellen Gründen immer ober¬
halb des Knies zu amputieren.
Schwarz betonte, dass die Gefässe der Kranken mit inter¬
mittierendem Hinken oft keinerlei anatomische Veränderungen auf-
weisen, was die Bedeutung des Moskoviczschen Versuches
immerhin eiuschränke.
Clairmont demonstrierte einen 19jährigen Patienten, der
nach einem Trauma zwei grosse Schädeldefekte erlitten hat, deren
einen Clairmont mit einem subapoueurotisclien Perioslknochen-
lappen, den anderen mittels einer Zelluloidplatte gedeckt bat.
Operativer und funktioneller Effekt sind tadellos.
L. Teleky stellte zwei Fransenknüpferinnen mit Bleiver¬
giftung vor. Die Intoxikation kommt dadurch zu Stande, dass
mau das Seidenzeug, um das Gewicht derselben zu vergrössern,
mit Bleizucker beschwerte. Fadenknüpferinnen sind Heimarbeiter¬
innen; diese Art der Bleivergiftung ist nun sehr verbreitet, da
si<’h ganze Familien, auch die Kinder, an der Arbeit beteiligen.
Ein demnächst in Kraft tretender Ministerialerlass wird das Be¬
schweren der Seide durch Blei verbieten.
Sitzung vom 19. Oktober.
(Eigener Bericht.)
Ehrmann stellte einen Mann mit Atherom der Haut-
arteriolen und einem tuberösen Syphilid, fernerein Kind mit
Pityriasis lichenoides chronica vor; diese Affektion be¬
ruht vielleicht auf einer Stoffwechselstöriing.
Schnitzler demonstrierte zwei operierte Fälle von per¬
foriertem Ulcus ventriculi. Er vertritt infolge seiner Er¬
fahrungen über den Vei'lauf des Magengeschwürs nach dessen
chirurgischer Behandlung den konservativen Standpunkt.
Riehl führte fünf Fälle von Adenoma sebaceum vor.
Die Affektion besteht in der Einlagerung von blutreichen, binde¬
gewebigen Knötchen unter dem Papillarkörper.
Urbantschitsch hielt einen Vortrag über „Gedäohtnis-
bilder“. Er teilt dieselben in Erinnerungs- und anschauliche Ge¬
dächtnisbilder ein, welche letztere nur bei geschlossenen Angen ein-
treten ixnd oft schärfer sowie treuer sind als der ursprüngliche
Sinnesausdruck. Verschiedene Reize, unter anderem akustische
Eindrücke, sind imstande, sie zu modifizieren, ebenso können sie
durch subjektive W'illensarten abgeändert werden, die Schärfe des
Gedächtnisbildes wird bisweilen durch Konzentration der Aufmerk¬
samkeit erhöht.
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526
MEDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 48.
Gesellschaft für i/n/nere Medici/a und Rinderheil-
künde in Wien*
Sitzung vom 18. Oktober 1906.
(Eigener Bericht.)
A* Fuchs stellt einenFall von idiopathischem chroni¬
schem Hydrocephalus der Erwachsenen vor, Die 30 jährige
Patientin erkrankte vor zwei Jahren an Kopfschmerzen, Erbrechen
und hatte zeitweise ein besonderes Geräusch im rechten Ohr. Nach
Vz Jahr begann Pat. am rechten Auge schlecht zu sehen und die
Menses blieljen auch drei Monate aus. Nach einer Entbindung
verloren sich alle Beschwerden bis auf das Kopfgeräusch und die
Augenstörung.
Flesch demonstrierte das anatomische Präparat eines Falles
von Tumor der Schädelbasis.
von Frankl-Hochwart stellt ein 26jähriges Dienstmädchen
mit M. Basedowii und pseudomenierschen Schwindel vor.
Baumgarten demonstriert eine Probe auf Lysol im Harn.
Im Harn tritt nach Lysoleinnahme eine Substanz auf, welche sich
durch Salzsäure und Schwefelsäure blau und durch Alkalien schön
rot färbt. Die Reaktion ist durch den Gehalt des Lysols von
Kresolen bedingt. Man kann selbst geringe Mengen von Lysol
im Ham nachweisen.
Weinberger zeigt eine Frau mit Bronohorrhoe, welche
durch ein Aortenaneurysma hervorgerufen ist.
Bauer hielt einen Vortrag über Untersuchungen über ali¬
mentäre Galaktosurie. Vortr. hat bereits früher nachgewiesen,
dass bei einzelnen Menschen nach Einnehmen eines geringen Quan¬
tums von Galaktose diese Zuckerart im Ham auftritt. Alle diese
Fälle betrafen Patienten mit Lebercirrhose. Der Gesunde scheidet
nach 20 g Galaktose noch keinen Zucker aus, bei 30 g nur eine
Spur von Zucker. Leichte Diabetiker verhalten sich wie Gesunde,
schwere Diabetiker scheiden Dextrose aus. W. H.
Kongressbericht.
7S, Versammlung deutscher Ndturferscher tmd
Aerzte in St'kdtgart,
Sektion für Oeburtshilfe und Gynäkologie.
Sitzung vom 21. September, vormittags 8 Uhr.
Vorsitzender: Herr Sippel.
Hr. Lewith-Wien: Ueber Stauungsbehandlung bei
gynäkologischen Affektionen.
L. bedient sich eines mit Gummipfropf geschlossenen und mit
einem Manometer versehenen Glasröhrenspekulums. Angewandt
wurde das Verfahren bei Erosionen, Decubitus, Cervixkatarrh,
Endometritis und Metritis, chronischer Parametritis mit Endome¬
tritis, Hypoplasia uteri mit dys- und amenorrhoischen Beschwerden.
Gesaugt wird 5—15 Minuten jeden 2. bis 3, Tag, im ganzen 3 bis 6
Wochen lang. Resultate: Bei Erosionen und Decubitus kein Er¬
folg, bei Cervixkatarrh, Endometritis und Metritis momentan rasche
Besserung, nach Aufhören der Behandlung Wiedei-Einsetzen der
Beschwerden, ln Fällen von chronischer Parametritis wirkt die
Saugbehandlung analog der Massage. In Fällen von Hypoplasie
endlich verbunden mit Dys- und Amenorrhoe wurden keine günstigen
Resultate erzielt.
Sektion 16 für innere Medicin, Pharmakologie, Balneologie und
Hydrotherapie.
Sitzung vom 21, September, vormittags 8 Uhr.
Vorsitzender: Herr Rumpi'-Bonn.
1. Hr, Wo 1 ff-Elberfeld: Tub erkulin behan dlung, ins¬
besondere Perl s ucht th erap ie.
Redner weist auf die von Spengler nachgewiesene anta¬
gonistische W’irkung des menschlichen und Perlsuchttizberkulins
hin. Gegen menschliches Tuberkulin stark reagierende Personen
reagieren schwach auf Perlsuohttnberkulin. Hierauf gründet sich
die Behandlung mit Perlsuchtbazillensnbstanz, Bazillenpräparaten;
das Verfahren ist der Vaccination bei Pocken analog. Man be¬
ginnt vorsichtig mit Perlsuohtbazillenextrakt, erst später werden
die Bazilleupräparate angewandt. Daneben verwendet er nach
Spengler auch Jod, das die Tuberkulintherapie nicht nur unter¬
stützt, sondern den Erfolg derselben erst vorbereitet, oft aber die
Anwendung des Tuberkulins überflüssig macht. Die Methode er¬
möglicht ambulante Behandlung. Die spezifische Behandlung ist
der Hochgebirgsbehandlung überlegen. Perlsnchttuberkulin bewirkt
Heilung, wo das Hochgebirgsklima versagt hat. Blutungen sind
keine Kontraindikation, vielmehr sistieren sie während der Behand¬
lung mit Perlsuchttuberkulin. Der Vorzug dieser Methode liegt
in der erweiterten Indikationsstellnng, selbst schwere Fälle werden
mit Erfolg behandelt, Schluck- und Sprechbeschwerden schwinden.
Bestehende Albuminurie steigt nach der Injektion, daher sind bei
solchen Fällen längere Pausen zwischen den Injektionen nötig.
Auch bei Jodmedikation ist tägliche Urinuntersuchung nötig.
2. Hr. Volland-Davos: Ueber die Verwendung des
Kamphers bei Lungenkranken.
Es gelang V o 11 a n d, einen Patienten mit grosser Herz¬
schwäche mit subkutanen Kampherinjektionen sehr lange am Leben
zu erhalten. Nachdem der Kampher bei akuter Phthisis sich wirk¬
sam gezeigt hat, war eine günstige Wirkung auch bei chronischer
Herzschwäche zu erwarten. Pulsus altemans und andere Störungen
des Herzrhythmus bei Phthise sind häufig die Folge von Atonie
des Magens und verschwinden daher häufig bei Regelung der Diät.
Die gewöhnlichen Herzmittel lassen bei anderen Fällen der
Arhythmie die Phthisischen im Stich, da sie auf die Däner den
Magen schädigen. Bei einigen Fällen von chronischer Tuberkulose
erfolgte erst nach Anwendung des Kamphers ein deutlicher Um¬
schwung. Auffallend war rasche Aufhellung einer Unterlappen¬
infiltration; daher sind auch ständige Anfhellungen der Dämpfung
auf den Kampher zu beziehen; bei ganz schweren Fällen ver¬
längert er das I/eben. HUne giftige Wirkung wurde nie beobachtet.
Magenblutungen kontraindizieren den Kampher nicht, in 6 Fällen
von Magenblutnng stand diese auf Kampheranwendung. Die
günstige Wirkung bei Phthisis liegt in der Beeinflussung der Herz¬
tätigkeit, die auch die Verdauungsorgane wieder günstig beein¬
flusst, aber auch die erkrankten Organe werden direkt beeinflosst.
Der objektiven Besserang geht subjektive oft lange voraus. Die
eingespritzten Mengen betrugen bei einem Patienten bis zu 2000 g
in 15 Monaten. Anch bei Erbrechen der Schwangeren scheint der
Kampher günstig zu wirken.
3. Hr. Weissmann-Lindenfels: Die Hetolbehandlung
der Tuberkulose.
Ira Gegensatz zu den Universitätskreisen haben zahlreiche
praktische Aerzte eine günstige Wirkung des Hetols bei Tuber¬
kulose konstatiert; eine Reihe von Krankengeschichten beweist,
dass das Mittel weiterer Prüfung wert ist.
4. Hr. Arnsperger-Heidelberg: Zur Frühdiagnose der
Lungentuberkulose.
Der Wert der Röntgenbilder bei der Untersuchung fortge¬
schrittener Fälle von Lungentuberkulose ist bekannt, sie geben
genauere Auskunft über die Ausdehnung des Prozesses, als der
perkutorische Befund. Das Röntgenbild der normalen Lunge ist
sehr konstant, daher lassen schon geringe Abweichungen vom nor¬
malen Röntgenbild das Vorhandensein einer Krankheit leichter er¬
kennen, als Abweichungen vom normalen Perkussionsbefund. Das
Wichtigste für die Technik der Untersuchung ist eine Blende,
welche die sekundären Strahlen vom Auge des Untersuchenden
femhält und Veränderungen der Stellung leicht ermöglicht. Die
Durchleuchtung ist hier wichtiger als die Radiographie. Die von
manchen Autoren als erstes Symptom der Tuberkulose im Röntgen¬
bild gefundene verminderte Exkursionsweite des Zwerchfells auf
der befallenen Seite infolge von pleuritischen Exsudaten oder von
Verminderung der Elastizität der Lungen und von Läsionen des
Nervus phrenicus hat A. nur selten gesehen, obgleich sie wegen
des t 3 rpischen Befundes nicht gut zu übersehen ist; in vorge¬
schrittenen Fällen kommt dieses Symptom meist auf Rechnung der
Pleuritis. Bei fast allen frühen Fällen werden Verschiedenheiten
des Spitzenfeldes in bezug auf Grösse und Helligkeit festgestellt.
J
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1906.
MKIjTfjTTTTWiHlc
527
Bei tiefem Atmen sieht man die Trübung siob nur unbedeutend
einstellen. Bei vorgeschrittenen Fällen kann man Herdbildung
mit Zusammenfallen mehrerer Herde konstatieren.
Diskussion zu Vortrag 1 — 4.
Hr. Rumpf-Bonn wendet sich gegen die Unterscheidung von
Universität und praktischen Äerzten in wissenschaftlichen Fragen.
Auf den Universitäten herrschen ebenso grosse Meinungsver¬
schiedenheiten.
Hr. Nolda-St. Moritz hat ebenfalls gute Erfolge von der
Spenglerschen Methode gesehen.
Hr. Nonrney-Mettmann: Die Dosierung des Tuberkulins
muss sehr niedrig sein.
Hr. Eoch-Freiburg: Der Kampher ist ein gutes Adjuvans
bei Tuberkalose, besonders in Verbindung mit Prävalidinsalbe.
Hr. Schichler-Stuttgart verwendet den Kampher bei Pneu¬
monie, häufig kombiniert mit Sauerstoff, auch bei Osteomyelitis.
Bei Kindern empfiehlt er rektale Anwendung <Jes Kamphers.
Hr. Weinberg-Stuttgart: Langdauemde Kampherbehand-
Inng bei Sepsis und Woohenbettfieber wurde schon früher em¬
pfohlen, er hat damit ebenfalls Erfolge bei diesen Krankheiten ge¬
habt. Wenn die Mehrzahl der Aerzte dem Hetol skeptisch gegen¬
über steht, so ist dies nach den Stuttgarter Erfahningen durch
die kritiklose Behandlung aller, selbst der schwersten Fälle- und
die häufigen Misserfolge, die die Stuttgarter Aerzte bei von Län¬
derer selbst behandelten Fällen feststellen konnten, vorläufig be¬
rechtigt.
Hr. Scheerer-Bromberg: Die physikalische Diagnostik ist
bei der Lunge der Röntgendiagnostik überlegen. Mit Hetol hat
er ganz negative Ergebnisse gehabt.
6. Bb*. Gol dsohmidt-Reichenhall: Ueber recidivierende
PI eu ritis.
Redner hat 3 Fälle von Pleuritisrecidiven mit kurzer Dauer
und völligem Verschwinden der subjektiven und objektiven Symp¬
tome in mehrwöchentlichen Intervallen beobachtet. Auffallend war
besonders die tiefe gemütliche Verstimmung der Patienten.
Diskussion.
Hr. Rumpf-Bonn: Solche Fälle sind stets auf Tuberkulose
verdächtig, er hat auch Melancholie darauf folgen sehen.
Hr. Goldschmidt-ReichenhaU (Schlusswort): Salioylpräparate
hatten guten Elrfolg.
6. Hr. Biberfeld-Breslau: Pharmakologisch e Eigen¬
schaften eines synethisch dargestellten Suprarenins
und einige seiner Derivate.
Der Vortrag wurde unverständlich schnell vom Blatte abge¬
lesen, scheint sich auch sonst nicht zu auszugsweiser Wiedergabe
zu eignen. Das neue Präparat kann in weit stärkeren Lösungen
angewandt werden, als die bisherigen Präparate, und soll nur ge¬
ringe Nebenwirkungen haben.
7. Hr. Borchar d t-Wiesbaden : Studien über die Be¬
ziehungen der Fettsäure zur Aceton- und Zucker¬
bildung.
Aceton und Acetessigsäui'e werden im Körper nach Naunyn
aus Oxybuttersäure gebildet; daher wäre es richtiger, sie Ozy-
buttersäurekörper zu nennen statt Acetonkörper; Acetonkörper und
Traubenzucker kommen häufig aber nicht immer gleichzeitig vor,
die Verbrennung von Traubenzucker im Körper setzt die Bildung
der Acetonkörper herab. Die Bildung beider im Organismus ge¬
horcht gemeinsamen Gesetzen. Acetonkörper treten nur bei einer
gewissen Disposition auf, wenn diese besteht, vermehrt Einführung
von Oxybuttersäure deren Ausscheidung, gleichzeitig treten aber
auch die anderen Acetonkörper auf.
Die Derivate der höheren Fettsäuren können an der Stelle
abgesprengt werden, wo ein H durch irgend ein Radikal ersetzt
wird. Ist nun bereits ein H einer Fettsäure in der Alphastellung
substituiert, so verhält sich die Substanz wie die nächst niedere
Fettsäure, die Aminovaleriansäure wie die Buttersaure, die Amino-
isovaleriansäure wie Isobnttersäure, Aminoisocopransäure (Leucin)
wie Isovaleriansäure. Wie aus Butter- und Isovaleriansäure dürfte
daher auch das Leucin Acetonkörper bilden, dafür spricht, dass
Embden, Salomon und Schmidt tatsächlich bei Leberdurch¬
blutung mit Leucin, Pick und Blum bei Cocainfütterung bei
Gesunden und Diabetikern Aoetonkörperausscheidung konstatierten.
Die Vorgänge der Bildung von Oxybuttersäure aus der Fettsäure
sind also 1. Substituierung von NHa- und GHs-Gruppen durch HO,
2. Absprengong der Kette aus Getön, wo ein H durch eine andere
Gruppe ersetzt wurde und 3. Oxydation des /^-C-Atoms. Aceton-
körper entstehen also aus ^-Oxybuttersäure, ,tf-Aminobuttersäure,
Buttersäure, Kopransäure, Isovaleriansäure, Leucin,
Traubenzuckervermehrung entsteht beim diabetischen Hunde
durch Fütterung mit Milchsäure, Alanin, Asparagin, Glykokoll.
Die Milchsäure, a-Oxypropionsäure, bildet daher vermutlich durch
/^-Oxydation Dioxypropionsäure (Glycerinsäure), deren Aldehyd be¬
reits den einfachsten Zucker, eine Triose, darstellt; durch Zu¬
sammenlegung zweier Triosen könnte der Traubenzucker entstehen.
Unter Zugrundelegung der für die Oxybuttersäure gefundenen
Vorgänge (Gesetze) kommt man von einigen Fettsäure-Derivaten
zur Milchsäure und damit zur Traubenzuckerbildung. Alanin z. B.
geht in Milchsäure über, ebenso Isobuttersäure, die ebeufalls beim
Diabetiker den Zucker vermehrt und deren ElinfühmDg Milchsäure
im Urin auftreten lässt. Derselbe Vorgang darf für die Aminoiso-
valeriansäure und Isokapronsäure vermerkt werden, bei welcher
die Zwischenstufe zur Milchsäure die Isobuttersäure darstellt. Serin,
Isoserin, vielleicht auch Gystin und Dipropionsäure, gehen nicht in
Milchsäore, sondern gleich in Glycerinsäure über. Nun hat B. bei
Ernährung mit Protamin Acetonkörpervermehnmg gefimden, das
Protamin aber enthält 70—80% Argiuin (Guanidin-o-aminoiso-
valeriansäure). Dieses ist leicht in Ornithin überzuführen, aus dem
durch Abspaltung der Aminogruppe in d-Stellung Aminoisovalerian-
säure entstehen könnte, damit ist der Uebergang zu Butter- und
Oxybuttersäure gegeben. Ebenso enthält das Thymussiston viel
Ärginin. Die Ableitung des Zuckers und der Acetonkörper aus
Eiweissderivaten wäre somit hergestellt. Alle Substanzen, welche
als Zuckerbildner auftreten, setzen nach Hirschberg und Rosen-
fe 1 d die Acetonkörperbildung herab, ebenso die zur Zuckerbildung
in Beziehung stehenden Oxysäuren und nach neueren Versuchen
von Borchardt und Lange auch Alanin, Asparagin, Glutamin¬
säure. Eine chemische Verbindung, aus der gleichzeitig Aceton¬
körper und Traubenzucker entstehen kann, ist andrerseits nicht
bekannt, auch bezüglich des Leucins ist dies nicht nachgewieaen.
Standesfragen.
Von Dr. M. Gohn (Berlin-Gharlottenbnrg).
Je ungünstiger sich die Lage der Aerzte gestaltet und je
mehr ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten bekannt werden, desto
häufiger kommt es zu gerichtlichen Streitigkeiten zwischen Aerzten
und Publikum. So werden auch jetzt wieder in den Blättern für
Rechtspflege (1906, Nr. 11) zwei Entscheidungen veröffentlicht,
die eine gewisse prinzipielle Bedeutung haben; die eine stellt den
Grundsatz auf, dass Spezialärzte nicht ohne weiteres berechtigt
sind, sich nicht an die Gebührenordnung zu halten; die andere
stellt fest, dass Nichtkassenärzte, die Kassenmitgliedem in dringen¬
den Fällen Beistand leisten, von der Kasse direkt ihr Honorar
verlangen können. Wir lassen den Wortlaut beider Urteile, die
für weite Kreise der Aerzteschaft von Interesse sein dürften, folgen.
1. „Mit Recht hat der Vorderrichter ausgeführt, dass die
Gebührenordnung für approbierte Aerzte und Zahnärzte vom
15. Mai 1896 nur dann zur Anwendung gelangt, wenn zwischen
Arzt und Patient keinerlei Vereinbarung über die Höhe des zu
entrichtenden Honorars getroffen ist. Und ebenso unterliegt es
keinem Zweifel, dass in diesem Falle auch für die Honorarberech-
Dung der Spezialärzte, wie es Kläger ist, die Sätze der Gebühren¬
ordnung maßgebend sind. Denn die Gebührenordnung spricht
ganz allgemein von approbierten Aerzten. Zu diesen gehören aber
auch die Spezialisten. Das Gegenteil ist nirgends angedeutet,
vielmehr sind bei der Aufstellung der Taxen für bestimmte ärzt¬
liche Verrichtungen in hervorragendem Maße solche operative Ein¬
griffe in Organe des menschlichen Körpers berücksichtigt, welche
im allgemeinen nur von Spezialisten vorgenommen werden. Auch
der ausserordentlich weite Spielraum zwischen der Mindest- und
der Höchstgrenze ihrer Taxen, welcher dem Spezialisten diese
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528
MBDICmiSCHE WOCHE.
Nr. 48.
Möglichkeit gewährt, • sein Honorar auch ohne ausdrückliche Ver¬
einbarung in einer seinen lieistungen angemessenen Höhe zu be¬
rechnen, spricht für die Annahme, dass die Gebührenordnung auch
für Spezialisten maßgebend ist.
Es fragt sich nun, ob demnach im vorliegenden Falle die
Gebührenordnung Anwendung findet oder nicht. Diese Frage ist
vom Vorderrichter verneint worden, mit der Begründung, dass
durch eine allerdings stillschweigend getroffene Vereinbarung
zwischen den Parteien die Anwendung der Gebührenordnung für
die Berechnung des vom Kläger zu fordernden Honorares ausge¬
schlossen worden sei. Dieser Entscheidung ist das Berufungs¬
gericht nicht beigetreten. Es ist allerdings festzustellen, dass der
Beklagte im Laufe seiner Behandlung erfahren hat, dass Kläger
Spezialarzt für Ohrenkrankheiten ist, sei es, dass Kläger es ihm
selbst gesagt, oder er es auf andere Weise erfahren hat, und
bezw. weil er die ihm in der ersten Instanz vom Kläger hierüber
zugeschobenen Eide verweigert hat und dadurch zu verstehen ge-
gegeben hat, dass er diese Tatsache gekannt hat. Das Berufungs¬
gericht nimmt auch ferner keinen Anstand festzustellen, dass Be¬
klagter auch von vornherein gewusst hat, dass er es mit einem
Spezialarzt zu tun habe, da ihn ja sein Hausarzt gerade um des¬
willen an den Kläger venviesen hatte, weil derselbe die schwierige
Operation nicht selbst vornehmen wollte. Im Anschlüsse hieran
hat nun der Vorderrichter als allgemein gütige und bekannte
Tatsache die Regel aufgestellt, dass Spezialärzte in der Regel
höhere als tarifmäßige Honorare fordern und erhalten, und daraus
den Schlmss gezogen, dass der Beklagte, wenn er einen Spezial¬
arzt aufsuchte, ohne mit ihm ein Honorar ausdrücklich zu verein¬
baren, sich stillschweigend der höheren Forderung des Klägers
unterworfen habe, eine Annahme, welche auch dadurch gerecht¬
fertigt erscheine, dass Beklagter trotzdem von dem Anerbieten zu
unentgeltlicher Behandlung in der Poliklinik des Klägers keinen
Gebrauch gemacht und sich auch nicht nach dem Preise für seine
Behandlung erkundigt habe. Wenn es nun auch dahingestellt
bleiben kann, ob es richtig ist, dass Spezialärzte in der Regel
höheres Honorar fordern und erhalten, und ob in dem Angehen
eines Spezialarztes in Kenntnis dieser Tatsache die stillschweigende
Erklärung zu finden ist, dass der Patient sich der höheren Honorar-
fordening des Spezialisten unterwerfe, für das Vertragsverhältnis,
bei der die Gebührenordnung also ausgeschaltet erscheint, so ist
doch in keiner Weise dargetan, dass der Beklagte es gewusst
hat, dass Spezialärzte, und im besonderen der Kläger, in ihren
Honorarforderungen über die Gebührenordnung hinausgehen, und
cs liegt nichts vor, da.ss diese Annahme rechtfertigen könnte.
Aus der Tatsache, dass er es vorzog, in der Privatklinik des
Klägers zu bleiben, und dass er das Anerbieten unentgeltlicher
Behandlung nicht annahm, kann nicht der Schluss gezogen werden,
wie es vom Vorderrichter geschieht, dass er damit sein Einver¬
ständnis zu erkennen gegeben habe, dass er ein höheres Honorar
zahlen wolle als es die Gebührenordnung vorschreibt. Berück¬
sichtigt man ferner noch den Umstand, dass er für Aufenthalt
und Verpflegung in der 3. Kla.sse der Privatklinik des Klägers
3 Mark pro Tag bezahlte, ein Preis, der durchaus nicht hoch
bemessen ist, so ist jedenfalls für die Annahme nichts erbracht,
dass der Beklagte es wusste, dass der Kläger höhere Honorare
als nach Maßgabe der Vorschriften der Gebührenordnung ver¬
langen würde. Dieser Schluss kann auch aus der luxuriösen Aus¬
stattung der Klinikräume nicht ohne weiteres gezogen werden.
Ist demnach die Annahme einer zwischen den Parteien ge¬
troffenen stillschweigenden Vereinbarung über die Höhe des
Honorars nicht gerechtfertigt, so kommen für die Berechnung der
klägeriscben Ansprüche ausschliesslich die Bestimmungen der Ge-
Inihrenordnung zur Anwendung. Nach § 2 Geb.-O. gelangen aber
hierbei die niedrigsten Sätze zur Anwendung, wenn nachweislich
Unbemittelte die Verpflichteten sind. Dass zu diesen Personen
auch der Beklagte gehört, ist ganz unzweifelhaft. Er ist Bureau¬
diener mit einem jährlichen Einkommen von ca. 1200 M., Familien¬
vater und daher zweifellos unbemittelt im Sinne der Gebühren¬
ordnung. Die in der Gebührenordnung festgesetzten niedrigsten
'faxen für das Honorar für die dem Beklagten zuteil gewordene
lleliaiidlung sind also maßgebend. Die.selben sind aber ganz be-
d*ntend geringer als die vom Kläger in Ansatz gebrachten Be¬
träge. Unter Zugrundelegung der Minimalsätze ist Kläger für
die Ausmeisselung des Ohres gemäß § 65 Geb.-O. nicht 200 M.
bezw. 100 M., sondern 15 M. und gemäß Nr. 77 das. für die Er¬
öffnung der ^hädelhöhle 30 M. zu fordern berechtigt. Für jede
Beratung des Kranken in seiner, des Klägers Klinik, darf derselbe
nur je 1 M. und für den ersten Besuch beim Beklagten 2 M. und
die folgenden je 1 M. liquidieren. Nr. 1, 2, 3 Geb.-O., für die
Operation der Rachenmandel steht ihm gemäß Nr. 46 das. 2 M.,
und für die Operation im Rachenraum gemäß Nr. 66 das. 10 M.
zu. Hiernach stellt sich die Forderung des Klägers auf 115 M.,
so dass derselbe, da er bereits 128 M, erhalten hat, nichts mehr
zu beanspruchen hat. Demnach musste unter Abänderung des
Vorderurteils die Klage kostenpflichtig — § 91 ZPO. — abge¬
wiesen werden.“ (Schluss folgt.)
Periodische Literatur.
Münchener medicinische Wochenschrift. Nr. 46. 1006 .
1. Gau pp, Tübingen: Der Einfluss der dentsohen Unfall-
gesetzgebung auf den Verlauf der Nerven- und Geisteskrank¬
heiten.
Die wissenscha Etlichen Kämpfe um das Wesen und die klini¬
sche Stellung der traumatischen Neurose haben zwei Tatsachen als
sicher festgestellt: 1. die traumatischen Nervenkrankheiten sind
keine besonderen Krankheiten von klinischer Selbständigkeit,
sondern sie gehören den bekannten Neurosen an; eigentümlich ist
ihnen nur die besondere Entstehung nach einem Unfall. 2. Die
traumatischen Neurosen kommen nach Unfällen der verschiedenen
Art vor. Ort der Gewalteinwirkung, Stärke der Schädigung, Um¬
fang der objektiv eingetretenen Verletzung sind fast völlig belang¬
los. Erst seit dem Inkrafttreten der Uufallversicherungsgesetze
entstehen die traumatischen Neurosen häufig und dauern lange.
G. sucht die Gründe für diese verhängnisvolle Wirkxmg der Un¬
fallversicherungsgesetzgebung zu erklären. Er verweist auf die psy¬
chischen Einwirkungen auf den Arbeiter, welche Rolle für ihn nicht
die Verletzung als solche, sondern der entschädigungspflichtige
Unfall spielt. Das Rentenfestsetzungsverfahren dauert zu lange;
der Unfallkranke kommt nach erstmaliger Festsetzung der Rente
nicht zur Ruhe; er erfährt den wesentlichen Inhalt der über ihn
erstatteten Gutachten und vertieft sich immer mehr in seine krank¬
haften Stimmungen und Vorstellungen. Die Uneinigkeit der Aerzte
in ihren Begutachtungen wirkt schädlich ein auf den im Renten¬
kampfe stehenden Verletzten. Ein gut Teil der Prophylaxe gegen
die Zunahme unglücklicher Traumatiker und den schlechten Ver¬
lauf der Neurosen liegt bei den Aerzten selbst. Die Aufnahme
eines genauen Status sofort nach dem Unfall ist erforderlich; alle
schädlichen Suggestionen gegenüber dem Verletzten sind von An¬
fang an zu meiden, vielmehr auf psychische Beruhigung hinzu¬
wirken. Man soll nicht auf häufige Kon troll Untersuchungen
drängen. Das Unfallgesetz selbst sollte nach einigen Richtungen
modifiziert werden ; schriftliche Fixierung des Befundes nnmittel-
l)ar nach dem Unfall sollto gefordert werden. Die Behandlung
und Fürsorge sollte von Anfang an in die Hände der Berufs¬
genossenschaften gelegt werden; häufige Nachuntersuchungen sollten
verboten werden, sobald die unmittelbaren Unfallfolgen abgeteilt
und nur noch nervöse Symptome vorhanden sind. Vor allem sollte
in weit grösserem Umfange als bisher von der einmaligen Kapitals¬
abfindung Gebrauch gemacht werden; ja für gewisse Fälle gerade¬
zu bestimmt werden.
2. Harrass, Greifswald. Zur Frage der aärobeu Züohtuiig
sogenannter obligat-anerober Bakterien.
Tarrozzi und Wrzosek war es gelungen, strenge Anae¬
roben in völlig aerober Wei.se zu züchten in Bouillon, in die sie
bei der Impfung ein steril entnommenes Organ.stück brachten.
H. hat diese Versuche mit dem Bac. but 5 Ticus, Bac. botulinns,
den Bazillen des Rausebstrand.s und malignen Oedems nachgeprüft
und das gleiche Resultat erhalten. Danach ist der Begriff der
strengen Anaerobiose fallen zu la.ssen, zum mindesten eine grosse
Zahl der bisher als obligate Anaerobier geltenden Keime aus
diesem Kreise ausziischeiden. Bei der Kompliziertheit der Zücbt-
ungsmethüde bemühte sich H., einen Nährboden ausfindig zu
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1906.
MEDICmiSCHE WOCHE.
529
machen, der einfach herzustellen ist, dessen Bereitung keine be¬
sondere Uebung und Sachkenntnis erfordert und der jederzeit
gebrauchsfehig vorrätig zu halten ist. Nach längeren Versuchen
fand er einen solchen in einem Gemisch von frischer Kalbsleber
oder Kalbshirn mit Leitungswasaer, das in Erlenmeyersche
Kölbchen verteilt und in diesen in strömendem Dampf sterilisiert
wird. Stets trat in diesen üppiges Wachstum der Anaerobier in
Reinkultur ein, ein Versagen wurde bei vielen Versuchen nicht
beobachtet. Weiter wurde versucht, einen festen Nährboden zu
finden, auf dem die aerobe Züchtung der Anaerobier in Reinkultur
sicher nur einfach gelang, in der Hoffnung, so ein praktisch
brauchbares Verfahren zur Isolierung von Anaerobiern aus Misch¬
kulturen zu gewinnen. Eiu endgiltiges Ziel wurde nicht erreicht,
aber das bemerkenswerte Ergebnis gezeitigt, dass mit einem Brei
aus Kartoffeln und Leber oder Gehirn zwar kein circumscriptes
Wachstum in gut begrenzten Kolonien erzielt wurde, aber ein
diffuses, den Nährboden nach allen Richtungen durchsetzendes.
Was die Virulenz betrifft, so ging dieselbe für Bazillen des
Rauschbrand und malignen Oedem bei aerober Züchtung verloren,
während dem Botulimus die Fähigkeit, sein Gift zu bilden, er¬
halten blieb. Das dürfte zu berücksichtigen sein bei Botulismus-
erkrankungen, in Fällen, wo die Bedingungen für anaerobes Wachs¬
tum des Botulimus nicht gegeben waren und bisher zur Erklärung
des aeroben Wachstums die Symbiose mit anderen Keimen her¬
angezogen wurde.
3. Riehe, München: Makroskopisoke Ästhmaspiralen.
Nicht abgeschlossen.
4. Ewald, Heidelberg: Lnngentaberknlose und pheriphere
XTnfallverletzimg.
Ein völlig erwerbsfähiger, anscheinend gesunder Mann erlitt
eine schwere Verletzung an der Hand, die eine melirwöchentliche
Krankenbehandlung notwendig machte. Gleichzeitig trat eine
Lungentuberkulose in Erscheinung, die sich von Monat zu Mouat
verschlimmerte, in etwa 2V2 Jahren zu völliger Erwerbsunfähig¬
keit und bald darauf zum Tode führte. Eine Entscheidung des
Reichsversicherungsamtea in diesem Falle erachtete als hinreichend
wahrscheinlich, dass das zur Zeit des Unfalls offenbar vorhandene,
aber noch schlummernde Lungeuleiden durch den Unfall ausgelöst
und verschlimmert worden ist, mithin mit dem Unfall in ursäch¬
lichem Zusammenhang steht, und legte der Berufsgenossenschaft
Entschädigung für den Verletzten und die Familie nach dem Tode
auf. E. kritisiert eingehend diese Entscheidung und verweist auf
die grosse Gefahr einer Verallgemeinerung, die dahin führen
würde, dass jede Lungentuljerkulose, die nach einer peripheren
Verletzung, die einen Krankenhausaufenthalt bedingt, in Erschein¬
ung tritt oder sich verschlimmert, entschädigungspflichtig wird,
ja, dass jede mit einem Unfall zeitlich zusammeufallende innere
Erkrankung hinsichtlich ihrer Entstehung und ihres Verlaufs mit
dem Unfall in unmittelbaren Zusammenhang gebracht und der
Berufsgenossenschaft zur Eutschädigungsleistung au fgebürdet
werden kann.
5. Birch-Hirschfeld, Leipzig: Ein neues Instrument zur
ünterbindnng tiefliegender Gefässe.
Bei Anlegung von Ligaturen in der Tiefe, namentlich bei
Operationen in der Orbita, kann das Vorschieben des geschlungenen
Fadens über die Klemmpinzette und das Zusammenziehen der
Schlinge zum Knoten oft sehr unliebsame Schwierigkeiten bereiten.
Um diese zu beseitigen, hat ß. ein Unterbindungsinstrument kon¬
struiert, das an der Hand von Abbildungen beschrieben wird.
Die Handhabung dieses Tiefeuunterbinders erscheint sehr einfach
und dürfte sich namentlich für Operationen mit mangelhafter
Assistenz empfehlen.
6. Roth, Jägerndorf: Ein Fall von eobter Angina erysi-
pelatosa.
Von den Halsorgaiien wanderte das Erysipel durch die Nase
und zog auch da.s Gesicht in Mitleidenschaft. Therapeutisch be¬
wahrten sich Kollargolpinselungen sowohl des Gesichtes wie des
Mundes.
7. Fraenkel: üeber die MöUer-Barlowsehe Krankheit (In¬
fantiler Skorbnt). Schluss aus No. 45.
Bezüglich der klinischen Diagnose ergibt sich, dass nur eine
Minderheit der Fälle die klassische Symptomentrias, Blutungen am
Zahnfleisch, event. der Schleimhäute, Nieren, Schmerzhaftigkeit
bei Bewegungen, Auftreibung und Deformierung der Röhren¬
knochen, besonders der unteren Extremitäten, aufweist. Eine
nicht geringe Anzahl anderer lässt eins oder das andere dieser
in ihrer Gesamtheit pathognomischen Merkmale vermissen, und,
neben der als klinisch wichtig anzusehenden Blässe, sind es mehr
Störungen allgemeiner Art, Abnahme der Essluat, Abneigung
gegen aktive und passive Bewegungen, kurzdauernde Temperatur¬
steigerungen, die die Vermutung des Ausbruchs der Krankheit
erwecken. Im Gegensatz zu den nicht geringen Schwierigkeiten
der klinischen Diagnose in manchen Fällen ist die anatomische
Diagnose leicht. Die der Krankheit ihren Stempel aufdrückende
Skeletterkrankung, die namentlich an den Rippen und den Ex¬
tremitätenknochen in die Erscheinung tritt, ist im wesentlichen
auf eine bestimmte, sich vor allem an der Knorpelknocbengrenze
abspielende Affektion des Knochenmarks zurückzuführen, auf eine
Umwandlung des Lymphoidmarkes in ein „Gerüstmark“ mit kon¬
sekutiver Storung der Knochenbildung, aus der ein mit dünner
Kortikalis versehenes, abnorm brüchiges und aimh geringfügigen
Traumen gegenüber haltloses Schäftende resultiert, das leicht die
schwersten Veränderungen, Infraktionen, Frakturen, Haemorrbagien,
erleidet. Diese letzteren sind, so gross ihre klinische Bedeutung
ist, nicht das Wesentliche der Krankheit, sondern nor ein Zeichen
der für die Krankheit charakteristischen haemorrhagischen Diaetliese.
Was dasVerbältnis der M oll er-Barlowschen Krankheit zurRhachitis
betrifft, so zwingt der Nachweis von nicht als rhachitisch aufzu¬
fassenden Verändenmgen und gänzlich unabhängig von Rbachitis
entstandenen Fällen zu einer strikten Trennung beider Erkrank¬
ungen. Dagegen schliesst sich F. den Forschern an, die die
Möller-Barlowsche Krankheit als inaetiologischer, symptomato-
logischer und pathologisch-anatomischer Beziehung vollkommen
identisch mit dem klassischen Skorbut betrachten, und befürwortet
deshalb die Bezeichnung der Krankheit als „infantiler Skorbut“.
B. Budhof: Zar Grandsteinlegong des Deatschen Maseoms
von Meisterwerken der Naturwissenschaft nnd Technik.
9. Hammer; Oswald Vierordt. Nekrolog.
10. Lenhartz: Für das Eppendorfer Krankenhaas.
11. Böhm: Die Sekämpfang der Weiterverbreitong von
Infektionskrankheiten mittels Desinfektion.
Es wird der Erlass oberpolizeilicher Vollzugsbestimmungen
von Infektionskrankheiten für die Desinfektion gefordert.
Berliner klinische Wochenschrift. Nr. 46. 1906.
1. Claus und Kalberlah: üeber chronischen Ikterns.
Die Beobachtung betrifft zwei Brüder, deren Vater öfters au
Gelbsucht erkrankt ist, und bei deren Verwandten mütterlicher¬
seits anscheinend chronische Gelbsucht und Milzerkrankung vor-
gekomraen ist. Der ältere maclite als Kind eine mit Fieber ver-
luindenc Erkrankung durch, an die sich ein zunächst mit Milz-
tiimor, später auch mit beträchtlicher Leberschwellung und Auae-
mie verbundener Ikterus anschliesst, während bei dem jüngeren
erst während seiner Militärzeit im anscbluss an eine Verdauungs¬
störung ein mäßiger Ikterus sich ausbildete. Der Harn enthielt bei
dem älteren nur anfangs Bilirubin, später keine Gallenfarbstoffe
mehr; bei dem jüngeren wurden solche nie im Harn gefunden;
der Stuhl zeigte immer normale Färbung. Nach diesen Fällen,
zusammen mit 30 weiteren in der Literatur niedergelegten ist mit
Sicherheit auzunehmen, dass eine gemeinsame gleiche Grundur¬
sache heim cliroiiischen Ikterus nicht vorhanden ist; man gewinnt den
Eindruck, dass bei den sicher angeborenen Ikterusfällen meist
eine primäre Veränderung der Milz, eine mangelhafte Funktion
derselben mit sekundärer Anomalie im Umsätze des Blutfarb¬
stoffes, vielleicht auch gelegentlich eine angeborene Kommunikation
zwischen I^ymph- und , Gallenwegen resp. eine angeborene In.suffi-
cienz der Leberzellen zu Grunde liege, dass dagegen für die
später entstandenen Ikterusiälle eine primäre krankhafte Verände¬
rung der Leherzellen — vielleicht bisweilen infolge infektiöser
oder toxischer Schädigung —, eine mangelhafte Tätigkeit der¬
selben und eine sekundäre Beteiligung der Milz in Betracht
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530
MäDICtKtSCHfi WOCfitt.
Nr. 48.
kommen. Ihre klinische Stütze findet diese Annahme in der
Häufigkeit des Milztumors, dem öfteren Fehlen der Leberschwellung,
dem geringen Hervortreten subjektiver Störungen beim kongeni¬
talen Ikterus, im Gegensatz zu der regeren Beteiligung der Leber
an dem Krankheitsprozesse, dem stärkeren Intensitätswechsel und
der damit verbundenen häufigeren Erschütterung des Allgemein¬
befindens bei den Fällen von später entstandener chronischer
Gelbsucht. Danach dürfte eine Trennung der beiden Formen des
chronischen Ikterus, des angeborenen und später entstandenen an¬
gebracht sein. Dabei ist im Auge zu behalten, dass in manchen
Familien, wie zu Gallensteinen, so auch zur chronischen Gelbsucht
eine gewisse Disposition besteht, und dass die letztere sich sowohl
durch ihren familiären Charakter wie durch die mäßige Anaemie,
durch Gefärbtsein der Stühle, relativ geringe Störung des Allge¬
meinbefindens, durch Milz- und Leberschwellung auszeichnet, und
dass bei Beachtung des stärkeren oder schwächeren Hervortretens
der letztgenannten Symptome zwischen einem kongenitalen und
einem später entstandenen unterschieden werden kann.
2. Wimmer, Kopenhagen. Ein Fall von aosgedelmter
Thrombosierong der Hixusmas.
Bei dem 52jährigen Patienten stellte sich ohne vorange¬
gangene Krankheitserscheinungen eine in einzelnen Schüben er¬
folgende Hemiplegie ein, begleitet von intermittierenden Krampf¬
anfällen nach dem Jackson’schen Typus; Exitus nach wenigen
Tagen. Bei dem Alter des Patienten, der Rigidität seiner
Arterien wurde eine Embolie mit folgender Thrombosierung im
Gebiet der Arteria fossae Sylvii angenommen. Die Sektion zeigte
nun, dass wohl eine Gefässobliteration vorlag, nicht aber eine
arterielle, sondern eine ausgedehnte Thrombosierung der Hirnsinus.
Im Gehirn selbst fanden sich im Bereich der Zentralgyri der einen
Seite grössere Blutungsherde, aus mehreren grösseren, total throm-
bosierten Venen bestehend, und über das ganze Gehirn zerstreut
miliare Blutaastritte. Eine direkte Ursache der Venenthrombose
war nicht zu finden; bei dem Bestehen phthischer Lungenver¬
änderungen war sie vielleicht als marantische zu betrachten. Die
Erörterung der Diagnostik solcher „autochthonen“ Thrombosen
zeigt, dass derselben unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen-
stehen.
3. V. Aldor, Karlsbad, üeber eine auf natürliche Art
ohne Verwendung des Hsgenschlaaohs vorznnehmende Unter-
snohnng des Magenohemismos (Sahli’sche Desmoidreaktion).
Durch Reagensglasversucbe wurde zunächst festgestellt, dass
für den positiven Ausfall der Desmoidreaktion unerlässliches Er¬
fordernis ist, dass sowohl Salzsäure als auch Pepsin in gehöriger
Menge vorhanden ist. Der Ausfall ist stets negativ, wenn die Unter¬
suchung nur mit Salzsäure oder nur mit einer Pepsinlösung ge¬
schieht; weitere Versuche zeigten, dass die Desmoidreaktion nicht
als ein Reagens auf freie Salzsäure zu betrachten ist. Zahlreiche
Untersuchungen wurden dann an Patienten angestellt unter
Kontrolle der Ergebnisse durch Untersuchung des ausgeheber¬
ten Magensaftes. Dabei ergab sich, dass die Desmoidreaktion
als ein Index der proteolytischen Kraft des Magens zu betrach¬
ten ist, welcher uns bezüglich der proteolytischen Fähigkeit des
Magensaftes nur im allgemeinen Sinne des Wortes Aufklärung
gibt. Dei- positive Ausfall der Reaktion sagt nur, dass der Magen
Salzsäure und Pepsin seceriert, nicht aber, ob auch in ausreichen¬
dem Maße; hinsichlich der Hyperchlorhydrie ist keine Aufklärung
zu erwarten. Bei negativer Reaktion war stets eine wesentliche
Sekretionsinsufficienz des Magens zu konstatieren; bei negativem
Ausfall ist an eine funktionelle Störung des Magens zu denken,
aber nur im allgemeinen, ohne dass es erlaubt wäre, Schlüsse auf
die nähere Natur dieser Stonmg zu ziehen; der negative Ausfall
kann eintreten bei der mit Hypermobilität verbundenen Hyper¬
chlorhydrie, bei einer nicht allzu ernst zu nehmenden Subacidität,
wie auch bei der auf karzinomatüsem Boden zustande gekommenen
Acliylie etc. Mit Hilfe der Desmoidreaktion ist danach auch nicht
eine Funktionsstörung des Magens bestimmt festzustellen; die
Methode ist deshalb nur als Notbehelf zu empfehlen, wo der Ein¬
führung der Sonde eine Kontraindikation entgegensteht.
4. Rosenbach, Berlin; Gibt äs jetzt eine Ausnahme von
der Begel, dass bei intensiver Affektion der Nn. rekurrentes
vagi die Abduktoren der Stimmb&nder früher Funktionsstörungen
zeigen als die Adduktoren?
Diese Frage wird nach Erörterung einiger für den Mechaius-
mus der Innervation der Stimmbänder wichtigen Punkte und unter
Kritisierung eines in dieser Hinsicht herangezogenen Falles von
Saundby und Hewetson verneint,
5. Neumark, Berlin: Plastische Induration des Penis und
Dupuytren sehe Kontraktur.
Kombination dieser beiden Leiden bei einem Patienten, viel¬
leicht auf gichtischer Grundlage.
6. Loewenthal, Braunschweig: üeber die Wirkung der
Kadiumemanation auf den menschlichen Körper.
Die radioaktiven Stoffe produzieren neben den Strahlen noch
eine gasförmige Materie, die sogenannte Emanation, die, im Gegen¬
satz zu den Strahlen, durch einen Luftstrom fortgeleitet und, wie
andere Gase, in einem Glasgefhss aufgefangen und aufbewahrt
werden kann. Diese Emanation besitzt ebenfalls Radioaktivität,
indem sie Strahlen aussendet, die im wesentlichen den von fester
Substanz ausgesandten gleichen; aber diese Aktivität ist eine vor¬
übergehende. Die Emanation ist in biologischer Beziehung noch
wenig gekannt und gewürdigt. Der Nachweis der Radioaktivität
der Thermalquellen legte den Gedanken nahe, dass in der Emana¬
tion das spezifische Agens zu suchen sei, das den natürlichen Heil-
wässem ihre Wirksamkeit verleiht. Ein Weg zur Prüfung dieser
Verhältnisse wäre der, zu untersnehen, ob die Emanation für sich,
unter Ausschluss der übrigen physikalischen und chemischen Heil¬
potenzen, ähnliche Heilwirkungen zustande bringe, wie die Ther¬
malwässer; dieser Weg schien L. wenig erfolgversprechend. Eh*
ging deshalb davon aus, die für den Gesunden unschädliche Menge
der Radiumemanation festzustellen und sodann zu Untersachen, ob
dieselbe Dosis bei gewissen Kategorien von Kranken regelmäßig
gewisse Erscheinungen horvomift, wie sie auch von Tbermal-
wässern hervorgerufen werden. Als Träger der Emanation wurde
Leitungswasser genommen, und sein Gehalt an Emanation mittels
des Elster-Ge itelschen Elektroskops bestimmt. Der grösste
Teil der vom Menschen aufgenommenen Emanation verlässt den
Körper mit der Atmungsluft, ein Teil wird mit dem Urin ausge¬
schieden; vor Ablauf von 24 Stunden ist die Ausscheidung be¬
endet. Bei Aufnahme von 10—15000 Einheiten pro Tag traten
bei gesunden Versuchspersonen weder objektive noch subjektive
Störungen ein; auch Tierversuche zeigten die Unschädlichkeit der
Aufnahme bis zu einer gewissen Grenze. Andersartig verliefen
die Versuche an kranken Menschen. Zwölf Patienten mit chroni¬
schem Gelenkrheumatismus, deren Znstand annähernd stationär
war, erhielten einmal oder fortlaufend täglich Emanationswasser
mit 10—15000 Einheiten. Bei elf trat am Tage der Einverleibung
oder am nächsten eine Reaktion auf, die bestand in starker Ver¬
mehrung der bisher bestehenden Schmerzen, Auftreten von
Schmerzen in allen frilber einmal erkrankten Gelenken, öfters be¬
gleitet von Anschwellungen der Gelenke und sonstigen Zeichen
einer Gelenkentzündung. Diese Reaktion erinnert ausserordentlich
an die sogenannte Badereaktion, die bekanntermaßen bei Bade-
und Trinkkuren in den Kurorten mit natürlichen Heilquellen auf-
tritt und als günstiges, der Heilnng voraufgehendes Zeichen ge¬
deutet wird. Weitere Versuche zeigten, dass auch der Zusatz
der Emanation zum Badewassor die gleiche Reaktion auslöste, und
hier liess sich zeigen, dass die Aufnahme der Emanation vorwiegend
oder ausschliesslich durch die Lungenatmung, nicht aber durch die
äussere Haut geschieht. Diese Resultate dürften, falls die spezi¬
fische Wirkung der Thermalquellen wirklich an die Emanation ge¬
bunden ist, von grosser Bedeutung sein für die Technik der Ther¬
malbäder und verwandter Prozeduren (Moor- und Fangoumschläge,
Gasbäder). Mit weiteren Versuchen zur Beanl^wortung einer Reihe
von Fragen, die sich auf Grund dieser interessanten Untersuch¬
ungen erheben, ist L. beschäftigt.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. Nr. 45.
1. Mayen dorf; üeber eine direkte Leitung vom optiBcben
znm kinaeatbetisohen Bindenzentnun der Wort- und Bnehstaben-
bilder.
M. berichtet Uber einen eigenartigen Fall von Aphasie, bei
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
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dem das spontane Sprechen, das Nachsprechen, die Fähigkeit des
Benennens vorgehaltener Gegenstände durch verbale und literale
Paraphrasie vernichtet schien, während das Vermögen lauten Lesens
erhalten war, so dass es nur selten durch Verstümmelung oder
Verwechseln eines Wortes gestört wurde. Eine eingehende Ana¬
lyse führte M. zu der Annahme, dass eine direkte physiologisclie,
wenn auch nicht anatomische Verbindung zwischen dem kortikalen
Zentrum der optischen und kinaesthetischen Wort- und Buch¬
stabenvorstellungen besteht, und dass die Klangbilder für die
optische Wahrnehmung der Worte und Buchstaben belanglos sind.
2. Wintersteiner: Cocain und seine Ersatonittel (Tropa*
ooeain, Holooain, Sneain , Stoyain, Alypin, Novocain) in der
Augenheilkunde.
Es wurden zunächst die dem Cocain zum Vorwurf gemachten
üblen Eigenschaften eingehend erörtert, seine Giftigkeit, und dem¬
zufolge die Gefährlichkeit seiner Anwendung, seine Unwirksam¬
keit an entzündetem Gewebe, seine Einwirkung auf Pupille und
Accomodation, bestehend in Mydriasis und Accomodationsparese,
seine Schädlichkeit gegenüber dem Homhautepithel, die Beein¬
flussung des intraokularen Druckes, die Schwierigkeit der Sterili¬
sation seiner Lösungen. Bei der Beurteilung neuer, zum Ersatz
des Cocains bestimmter Mittel sind aber nicht immer nur die ver¬
meintlichen und wirklichen Fehler des Cocains zum Vergleiche
heranzuziehen, sondern in erster Linie seine Vorzüge: seine hohe
anaesthesierende Kraft, seine beschwerdelose, leichte und bequeme
Anwendung. Betrachtet man so das Tropacocain, Holocain, Eucain,
Stovain, so fällt der Vergleich durchaus zu Gunsten des Cocains
ans; diese Ersatzmittel rufen beim Einträufeln in den Bindehaut¬
sack immer mehr oder minder starke Reizerscheinungen hervor,
und sie wirken erweiternd auf die Blutgefässe, hyperaemisieren,
während das Cocain verengert, anaemisiert. Einer genaueren Prü¬
fung wurden Novocain und Alypin unterzogen. Ersteres zeigt
eine sehr unsichere anaesthesierende Einwirkung auf die Binde¬
haut und ist deshalb nicht geeignet, das Cocain in der Augen¬
heilkunde zu verdrängen; das Alypin dagegen erscheint als ein
sehr schätzenswertes Präparat, welches mit dem Cocain mit Erfolg
in Wettstreit treten kann, allerdings auf einem begrenzten Gebiet,
den subkutanen Injektionen, wegen seiner geringeren Giftigkeit
und leichteren Sterilisierbarkeit. Alles in allem ist trotz aller
Ersatzmittel das Cocain das souveräne Lokalanaesthetikum in der
Augenheilkunde geblieben.
3. Schiffmann, Wien: Zur Histologie der Hühnerpest.
Der Erreger der Hühnerpest, einer Infektionskrankheit des
Geflügels, ist bisher nicht bekannt; der Ansteckungsstolf ist aber
filtrierbares Virus, das nach Untersuchungen bei der Gans im An¬
fänge im Blut enthalten ist, nach einiger Zeit aber in das Zentral¬
nervensystem einwandert. In Qehirnschnitten von Gänsen, die an
Hühnerpest verendet sind, hat nun Sch. in der Grossbirnrinde in
grosser Menge eigenartige Körperchen gefunden, die in vieler Be¬
ziehung an die Negrischen Körpereben, die bei Lyssa gesehen
werden, erinnern. Gesunde Gänse wiesen sie nicht auf, ebenso¬
wenig aber auch an Hühnerpest eingegangene Hühner. Die Deu¬
tung dieser Körperchen, ob Degenerationsprodukte oder Protozoen,
lässt sich vorläufig mit Sicherheit nicht geben.
4. Lapinsky, Krakau: üebor Oipskristalle im menschlichen
Ham.
Die Beobachtung betrifft einen an Tumor cerebri erkrankten
Knaben. Sein Harn zeigte zeitweilig eine sofort nach der Ent¬
leerung einsetzende Trübung, die sich nach der mikroskopischen
Untersuchung durch zahlreiche Prismen und Rosetten von schwefel-
saurem Kalk bedingt erwies; der Ham war bei der jedesmaligen
Untersuchung stark sauer. Für die Entstehung des Gipssedimentes
im Ham ist wahrscheinlich die Verminderung der Alkalibasen
schuldig zu machen, in der Weise, dass die Menge der letzteren
nicht ausreicht, um die gesamte Schwefelsäure neben Chlor und
Phosporsäure zu bindeu; infolgedessen geht der ganze Ueberschuss
der freien Schwefelsäure mit dem auch in abnorm grosser Menge
vorhandenen Kalk in Verbindung. Dem Befund von Gipskristallen
im menschlichen Ham kann bisher eine grössere klinische Bedeu¬
tung nicht zugesprochen werden: sie gesellt sich nur manchmal
zu etwaiger grösserer Ernährungsstörung im Organismus.
5. Landsteiner und Mucha, Wien: Zur Technik der
Spirochaetennntersaehimg.
Für die Untersuchung auf Spirochaete pallida ei'scheint be¬
sonders geeignet die Beobachtung bei Dunkelfeldbeleucbtung, wie
sie von Siedentopf und Zsigmondy zur Darstellung ultra¬
mikroskopischer Teilchen angegeben wurde. Verwandt wurde ein
Kondensor, ein mittelstarkes Trockenobjektiv mit Kompensations¬
okular, als Lichtquelle eine 20 Ampere-Bogenlampe; das zu prüfende
Sekret wird in dünner Schicht zwischen Objektträger und Deck¬
glas ausgebreitet und gegen Eintrocknung geschützt. Die Spiro-
chaeten zeigen sich als helibeleuchtete, nicht zu übersehende Ob¬
jekte, so dass auch vereinzelte Exemplare leicht zu finden sind.
Untersucht wurden Abstriche von Sklerosen, ulcerierten Papeln,
Punktionssaft von Lymphdrüsen und innere Organe von heredi¬
tärer Lues. Die eigenartige Gestalt und Bewegungsart Hessen
die Spirochaete pallida leicht von anderen Spirochaetenformen
untei"8cheiden. Für die Untersuchung der biologischen Eigen¬
schaften der Spirochaete pallida und ihres Verhaltens gegenüber
verschiedenen Agenzien dürfte die Methode von beträchtlichem
Nutzen sein.
6. Pfeiffer: Die «teierUoke Taberkalose-Heilst&tte.
An der Hand von Abbildungen und Plänen wird diese dritte
Heilstätte Oesterreich-Ungarns beschrieben.
Allgemeine med. Zentral-Zeltung. Nr. 44. 1906.
Storbeck, Magdeburg-. Ein Beitrag ^ Perityplilitisbe-
bandlnng.
St. berichtet über Erfahrungen, die er bei der Behandlung
von 120 Fällen von Perityphlitis sammeln konnte. Einen Todes¬
fall hatte er dabei nicht, so dass er der Behauptung von Krauss
„die Statistik der inneren Therapie ist schlecht“ nicht beistimmen
kann. Einen Zusammenhang zwischen Zunahme der Perityphlitis
und den Influenzaepidemien hat er nicht beobachten können. Für
die Prophylaxe kommt als Hauptpunkt die Regelung der Darm¬
tätigkeit in Betracht. Der akute Anfall kann plötzlich einsetzen;
doch können ihm auch leichtere Erkrankungen vorangeben. Unter
günstigen Umständen können auch die schwersten Krankheitsfälle
ohne unser Zutun zur Heilung kommen; so sah er in zwei Fällen
grosse Abszesse, intraperitoneal resp. extraperitoneal gelegen, mit
Durchbruch nach aussen spontan heilen, nachdem eine Operation
strikte abgelehnt war. Was die Therapie des akuten Anfalls be¬
trifft, so befürwortet er neben streng durchgeführter Körperruhe
und beschränkter, flüssiger Nahrungszufuhr, energische Opium¬
therapie, eventuell auch Atropin; die Eisblase verwirft er völlig.
Rezidive sah er verhältnismäßig selten; treten sie häufiger anf,
so ist zu operieren. Im ganzen reklamiert er nach seinen Er¬
fahrungen möglichst grossen Spielraum für die interne Behand¬
lung.
Nr. 45. 1906.
Neumann, Bautzen; Ueber einige Erfolge mit fieta-
Snlfopyrin bei Jodismns und akuten Erkrankungen der Atmungs¬
organe.
Dem vor kurzer Zeit von der Firma Ebert und Meincke
in Bremen herge-stelltcn Sulfopyrin, dem eine sehr günstige Wirk-
ung gegen Migräne zugeschrieben wird, folgte alsbald ein modi¬
fiziertes Sulfopyrin aus ca. 50% Sulfanilsäure und ca. 50% Pyra-
zolonum phenyldimethyl bestehend, das Beta-Sulfopyrin, ein Spezi¬
fikum gegen Jodismus. Das Mittel kommt in Tablettenform, älg
in Glasröhren zu 10 Stück verpackt, zum Preis von 1 Mark in den
Handel, löst sich leicht in lauwarmem Wasser, schmeckt angenehm
säuerlich, wird gut vertragen, auch von Kindern, rasch assimiliert
und ruft keinerlei Beschwerden hervor. Verfasser hat dies Mittel
bei einer Reihe von Patienten versucht und rühmt die günstigen
Erfolge bei Jodismus, allen Katarrhen der Atmungsorgane, Nasen-
Rachenkatarrh, beginnender Angina, Influenza. Besonders hervor¬
zuheben ist die coupieremde Wirkung beim Beginn der Erkrankung,
sowie die sekretmindemde, calmierende und fieberherabsetzende,
Aerztliche Rundschau. 1906. Nr. 42,
Koch, Freiburg: Kampfer in der Behandlung der Lnngen-
schwindenoht.
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MEDICmiSCHB WOCHE.
Nr. 48.
K. empfiehlt ernent seine Innunktionskur mit Prsevalidin,
einer Salbe aus Kampfer mit der Salben^undlage Perkutiian.
An der Hand einer ^ankengeschiohte legt er den Gang und
die günstigen Effekte einer solchen Behandlung dar. Die Kampfer-
resp. Praevalidintberapie soll keine spezifische sein; sie ist ein
Adjuvans. Sie wirkt in erster Linie diirch die Kräftigung des
Herzens und Förderung der Expectoration; indirekt kommt damit
Verminderung der Nachtschweisse, Hebung des Appetits, Besserung
des Schlafes, Nachlass des Fiebers zustande. Auch bei bronchiti-
schen Prozessen und bei Emphysem ist die Behandlungsmethode
mit Erfolg zu verwenden.
Nr. 43.
1. Esch, Bendorf. Allopathie, Homöopathie, Isopathie.
Ein Nachtrag zu dem Referat über Heppes gleichbetitelte
Arbeit. E. fordert, dass die modern denkenden Anhänger der
Homöopathie ihre Sonderstellung aufgeben und sich, wie das auch
bereits mehrere bisherige Anhänger der „Naturheillehre“ getan
haben, mit denjenigen Schulmedicinem, die nach biologischen
Grundsätzen vorgeben wollen, unter dem Banner der biologischen
Heillehre vereinigen.
2. Krüche, München. Psyehologisches znr Affaire von
Köpenick.
K, berichtet von den merkwürdigen Streichen eines an
periodischer Manie leidenden Mannes, die der Köpenicker Affaire
würdig an die Seite zu stellen sind, und zeigt, wie gerade der
Maniakalische, der keinerlei Hemmung.svorstellungen kennt, eine
ungeheure Macht über „gebildete“ d. h. formell gebildete, dabei
aber psychologisch unerfahrene Menschen ausüben kann.
Bücherbesprechung.
Bömberg, Tübingen. Lehrbuch der Krankheiten
des Herzens und der Blutgefässe. Ferd. Lutze, Stutt¬
gart 1906.
Das vorliegende Werk ist die erweiterte Sonderausgabe des
allgemein bekannten, vom Verfasser bearbeiteten Abschnitts in dem
Ebstein-Sohwalbeschen Handl:)uch. Die Vorzüglichkeit dieser kurz
behandelten Kapitel ist so anerkannt, dass man so zu sagen auf
die Ausgestaltung und Sonderausgabe in Gestalt eines Lehrbuches
wartete. Die Erwartung ist voll erfüllt worden. Das Gebiet ist
erschöpfend behandelt, neben dem empirischen Dasein hat die
wissenschaftliche Seite reiche Beachtung gefunden. Die Literatur
i.st voll berücksichtigt, und dabei jede Nutzbarkeit oder Weit¬
läufigkeit vermieden. Sehr gute Abbildungen fördern das Ver¬
ständnis. M.
Frauze, Nauheim. Orthodragraphische Praxis. Otto
Neumich, Leipzig 1906.
Dieser kurze Leitfaden befasst sich mit der Methode der
Orthodragraphie des Herzens. Die Vorteile und Nachteile der
vertikalen und horizontalen Aufnahmestellung werden durchge¬
sprochen und gewisse wichtige Fingerzeige gegeben. Das Büchelchen
mag für die Kollegen, welche in der glücklichen Lage sind, ein
Uöntgenlaboratorium ihr Eigen zu nennen, von erheblichem Nutzen
sein. Der Inhalt gibt die Erfahrung und Anschauungen des Ver-
fa.ssevs wieder.
Brühl, Berlin. Ohrenheilkunde. J. F. Lehmann,
München 1905. Zweite Auflage.
Dieser XXII. Band der Lehmannscheu Handatlanten liegt
4 Jahre nach der ersten Ausgabe in neuer Gestalt vor uns. Der
Verfasser hat vieles neu bearbeitet, vieles hinzugefügt. Der In¬
halt ist in erster Linie für den praktischen Arzt bestimmt und
hat, das hewciisen die in so kurzer Frist sich folgenden Auflagen,
offen l)ar .seinen Zweck voll erfüllt M.
Schlampp, München. Die Verhindemng der Milch*
Verderbnis durch Schmutz und Bacterien. Ferd,
Lutze, 1906.
Dieses eigentlich für Landwirte und Tierärzte bestimmte
V«rantworilicher Rrdaicteur : Dr. P. Meiitoer, Berlin W. U, Kurfüratenatr. 81. -
Oriicli TOD dar HeTnemaaii'acbeD Bt
Buch soll deshalb hier erwähnt werden, weil es in kurzer, knapper
Form eine solche Fülle wichtiger Daten gibt, die auch dem Arzt,
zumal dem Kreisarzt von grossem Nutzen sein werden. Wir möchten
das letztere Werk eingehender Beachtung empfehlen. M.
Patentnachrichten.
Erte ilungen.
269572. Bandwickelmascbino. Frau Marie Keck, Manoheim.
269593. Bandage, welche wollartig-e, als Kissen dienende Stellen ent¬
hält. Walter Innes Hadden, Nottingham, Engl.
269745. Spracbbeilapparat für Stotterer, bestehend aus einem napf¬
artigen, mit Ooffnung im Boden versehenen Körper, der zwischen den
Zähnen liegt und durch eine Gaumenplatte festgebalten wird. Hermann
Joolsobn, Berlin.
269H97. Handkurbel, verbunden mit Steuervorrichtung für Invaliden-
Fahrräder. R. Ässmaiin, Mannheim.
269620. Scbutzblockhalter für die Kopfstützen von Operationsstflhlen,
Friseurstlihlen oder dergl. Wilhelm Brandes, Essen a. Ruhr.
269378. Beim Elektrisieren an Händen und Füssen zu tn^nde Hüllen
mit biegsamen Metalltuch-Elektroden. Ludwig Hartmann, Ludwigshafen
a Rhein.
269396. Aus einem Kasten mit Stablmagneten, Kupferspiralen und
Kupfergliederketten bestehender Apparat zur Erzeugung von Magnetismus
für Heilzwecke. Max Bade, Hannover.
269 59Ö. Aus zwei, die Elektroden filr die Arme tn^nden Ständern
und auf einer Bodenplatte angeordneten Elektroden für die r Üsse bestehende
Einrichtung zur Behandlung des Körpers mit Elektrizität. Gebbert&Schall,
Erlangen.
269380. Klammer für Saugflaschen, bestehend aus einem eine Feder¬
schleife bildenden Draht, dessen Enden Oeson zeigen, deren eine senkrecht
abgebogen ist Robert Karst, Berlin.
269420. Quadratische Verpackung einer Pillenscbachtel mit der woissen
Gebrauchsanweisung mit einem roten Verschlussstreifen. Fritz Augsbergor,
Strassbuj^ i. E.
Odda bei magendannkranken Kindern und
Odda IVI.oR. bei Lungenkranken.
Uebor Odda bei Ernährung chroni.sch kranker Kinder hatte Hermann
Schlesinger schon im .Tuni 1905 (Med. Klinik) berichtet; in letzter Zeit
kam OS ihm darauf an, Odda als Säuglingsnahrung bei Magen-Darmerkrank¬
ungen (Kinderarzt 1906, Nr. 6) zu prüfen. Schl, verfügte Uber 7 Fälle von
akuter Gastritis, 13 Fälle von akuter Enteritis und Gastroenteritis, 6 Fälle
von subakuter Gastroenteritis und 9 Fälle von chronischer Obstipation. So¬
bald die akuten Erscheinungen der Gastritis usw. abgeklungen waren, be¬
währte sich Odda ausserordentlich gut zur Regulierung der Ernährung,
und nach kurzer Zeit konnte man zur Milch-Odda-N(mrang übergehen.
Namentlich in den subakuten Fällen war es ohne weiteres indiziert, und
boi der chronischen Obstipation wurde durch Odda mit wechselndem Zusatz
von Milch die Darmentloerung in verbältnismäflig kurzer Zeit — etwa
8—14 Tage — geregelt, wobei nur im Anfänge einige Oel- oder Wasser-
klystiero notwendig waren.
Dass Odda während dos akuten Stadiums der Magen-Darm-Erkrank-
ungen kontraindiziert ist, gilt auch für andere Kindermenle.
W. V. Stoutz und H. Ulrici versuchten in Dr. Weickers Lungen-
beilanstalt in Qörbersdorf die Leistiingsfllhigkeit der „Odda M.-R.“ als
loicbtverdaulicho Kraft- und Krankennahrung Irai Lungenkranken. (Deutsche
medicinische Wochenschrift 1906, Nr. 37). Die Verfesser gingen von dem
Gesichtspunkte aus, dass auch eine rationell bereitete Krankenkost nicht
immer die gewünschten Erfolge haben kann, sondern vielmehr der Unter¬
stützung technischer Präparate oftmals bedarf. Von den zur Verwendung
angezeigten künstlichen Nährpräparaten kämen zwei Gruppen in Frage, näm¬
lich eiiiboitlich zusammengesetzte Präparate, die in der Hauptsache aus
Fett oder Eiweiss bestehen, oder Präparate, die für sich eine kom¬
plette Nahrung darstellen, also im Sinne des t^lichon Nahrungsbedarfs
ziisammengesotzt sein müssen. Ein solches Präparat ist „Odda M. R.“ für
Magonloidonde und Kekonvaleszenten, ein Abkömmling der v. Professor
Mcringschen „Odda‘‘-Kindemalirung, vor welcher sie sich durch einen höheren
Gehalt an Eiweiss und Fett auszeichnet, während sie im übrigen der „Odda“-
Kindernabrung gleicht und darum die Bezeichnung „Odda M. R.** erhielt,
weil sie in erster Linie für Magenleidende und Rekonvaleszenten bestimmt
war.
Bei den Versuchen selbst handelte es sich meist um schwere, fortgfo-
schrittene Phthisen, teilweise sogar mit Lungenblutungen oder Nephritis
kompliziert, auch bei Larynxtuberkuloso wurde die fein aurchgeseibto Odda-
suppo gut vertragen, v. Stoutz und Ulrici schliessen ihr Urteil dahin
ab. dass wir in Odda M.-R. ein theoretisch allen berechtigten Anforder¬
ungen geniigonde.s Präparat be-'^itzen, welches auch praktisch den Erwartungen
bezüglich leichter Verdaulichkeit und Assirnilierbarkeit, sowie Schmackhaftig¬
keit entspricht und uns deshalb in der Phihiseothorapie wegen der hier im
Vordergrund stehenden Wichtigkeit und Schwierigkeit der Ernährung von
grossem Nutzen sein kann. Der Preis von Odda M.-R. ist mäßig; 480 g
kosten 1,80 M. A. R.
Veiautwgrtlich fOr deu luserktenteU: Der Verlag von Carl Uarhold. Halle a R.
kdmelterei. (.ebr Wolff, Halle a. S
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Medicinische Woche
Deatschmann, A. DAhnsen» A. Hofft, E. Jtcobi,
Hamburg. Berlio. Berlio. Preiburg 1. Bi.
H. Senator, R. Sonmer,
Berlin. Giessen.
Verlag und Expedition
Carl JAarhold in Halle a« S», inilandstnuse 6.'
Tel.-Adr.: Marhold Vertag Hallesaale. Fernsprecher
Herausgegeben von
R. Robert M. Koeppen, K. Partseh, H. Rosln, H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Uarenicht A. Voatlai,
Magdeburg. Giessen.
Redaktion:
Berlin W* 62, Knrfflrstenatrasse 81.
Dr. P Meißner.
^ - ^
vn. Jahrgang. 3. Dezember 1906. Nr. 49.
Oie .Med 1 cinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utflglgen Beilage BalnCOlOglSChe CeiTtralzeitUng, Organ des Scbwarzwaldbldertages,
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Bnchfaandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold io Halle a. S. entgegen. Inserate werden für die ^gespaltene Petitzeile oder deren Raum
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröSeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet-
Originalien.
Zur Frage der experimentellen Anaemien.
Vorläufige Mitteilung von Dr. A, A. Wyssotzki,
ordinierender Arzt an der Therapeutischen Fakaltätsklinik zu Moskau.
(Schluss.)
Kamin er machte Experimente an Kaninchen, denen er
unter die Haut 0,15—0,01 Phenyl-Hydrazin einführte und
nach der Dosis mehr oder minder stark entwickelte Anaemie
erzielte.
Bei akuter Vergiftung (0,15—0,125 Phenyl-Hydrazin) ent¬
wickelte sich rasch ein Blutbild, welches mit dem Blutbilde bei
S emiciÖser Anaemie ungewöhnlich grosse Aehnlichkeit zeigte:
ligocytaemie, Leukogenie, Auftreten von Makrocyten, Normo-
und Megaloblasten, Polychromatophilie und Fehlen von Poiki-
locytose. Bei chronischer Vergiftung stieg zumeist die Anzahl
der Leucocyten, sank aber später. In den roten Blutkörperchen
zeigten sich Plehn-Grawitzsche basophile Körnchen, die
unter dem Einflüsse der verschiedensten schädlichen Faktoren
auftreten.
Megaloblasten, dieser wichtigste Befund Kaminers, traten
bei akuter Vergiftung nach 10 Stunden auf.
Reckzeh (Zeitschr. f. klin. Medicin, Bd. 64, H. 3—4)
verwandte beim Studium der experimentellen Anaemien Pyro-
gallol in 20 % igen Lösungen an Hunden verschiedenen Alters.
Die Quantität des eingespritzten Pyrogallols betrug 5,1—l,4gr.
Reckzeh hat gleichfalls die allmähliche Gewöhnung an das
Gift konstatiert, so dass man einem Hunde, um einen Effekt
zu erzielen, eine viermal grössere Dosis, als die ursprüngliche, ein-
spritzen musste. Die Ällgememerscheinungeu sind dieselben
wie bei schweren Anaemien: die Tiere wurden schlaff, magerten
ab, verloren den Appetit, zeigten gesteigerten Durst und er¬
müdeten sehr leicht. Temperatursteigerungen beobachtete
Reckzeh nicht Reckzeh konstatierte nach der Einführung
von 1,4—5,1 Pyrogallol ausser hochgradiger Herabsetzung der
Haemoglobinmenge und der Anzahl der roten Blutkörperchen
am 25., 6., und 4. Tage Megaloblasten; im übrigen waren die
Veränderungen des Blutes denjenigen in den Beobachtungen von
Tallquist, Syllaba und Kaminer ähnlich.
Die Ansicht von Ehrlich, dass die Megaloblasten für die
perniciöse Anaemie spezifische Gebilde sind, kann man somit
faktisch als haltlos bezeichnen, da das Auftreten derselben im
Blute auch durch Phenyl-Hydrazin und durch Pyrogallol bei
Hunden und Kaninchen hervorgerufen werden kann.
Das gewaltige Interesse, welches die Frage der Ursache
der pemiciöseu Anaemie, dieser, wie mau sagen kann, rätsel¬
haften Erkrankung, bietet, die grosse Aehnlichkeit des Bildes
der Blutverändenmgen bei der perniciÖsen Anaemie mit dem¬
jenigen bei den experimentellen Anaemien der Tiere, die Aehn¬
lichkeit der klinischen Symptome der Biermerschen Krankheit
mit dem klinischen Bilde, welches mit haemol 3 rtischen Giften
künstlich anaemisierte Tiere darbieten, veranlassten mich, die
Phenyl-Hydrazin-Anaemie der Kaninchen, bei der man das am
meisten typische Bild der Blutveränderungen hat, näher zu er¬
forschen.
Ich erachte es für meine angenehme Pflicht, vor allem
Herren Prof. W. D. Scherwinski und A. I. Taljanzew für
die liebenswürdige Unterstützung, die sie mir bei meiner Arbeit
haben zuteil werden lassen, meinen verbindlichsten Dank
zu sagen.
Bis mtzt ist die Blutuntersuchung an vier Kaninchen voll¬
ständig abgeschlossen. Die Tiere wurden ca. 5—8 Tage laug
im Institut für allgemeine Pathologie gehalten, bis sie sich so¬
zusagen an die neue Umgebung gewöhnt hatten, was sich durch
Kompensation des Gewichts und der Zusammensetzung des Blutes
kundgab. Die Haemoglobin-Quantität schwankte bei den ge¬
sunden Kaninchen zwischen 75 und 80®^. Die Zahl der roten
Blutkörperchen betrug 4500000—5000000, die Zahl der weissen
Blutkörperchen von 8000—20000.
I. Experiment: Kaninchen von 2000 g Körpe^ewicht.
Haemoglobinquantität vor dem Versuch 75—80%. Zahl der
roten Blutkörperchen 4600000—5000000, Temperatur morgens
37,0, abends 37,5. Am 8. November subcutane Injektion von
0,15 salzsauren Phenyl-Hydrazin. 9. November. 10 Stunden
nach der Injektion Haemoglobinquantität 48 %, Anzahl der
roten Blutkörperchen 3090000, diejenige der weissen 14000.
Die Untersuchung des frischen Blutes ergab: Makrocyten wenig,
fast sämtliche roten Blutkörperchen zeigen veränderte Form,
einige Ponficksche Schatten. 16 Stunden nach der Injektion
Haemoglobinquantität 40 %; Anzahl der roten Blutkörperchen
2 770000, der weissen 18000. Temperatur am 9. November,
morgens 39,5, abends 38,5. Am 10. November, abends, ging
das Kaninchen zu Grunde.
H. Experiment: Kaninchen von 1600 g Körpergewicht.
Haemoglobinquantität 75%. Anzahl der roten Blutkörperchen
4670000, der weissen 12000. Am 8. November subkutane In¬
jektion von 0,125 salzsauren Phenyl-Hydrazin. Am 9. November,
10 Stunden nach der Injektion, Haemoglobinquantität 50%,
rote Blutkörperchen 3 250000, weisse 18000; Blut dunkel, im
frischen Zustande ziemlich viel Megaloblasten, Ponficksche
Schatten. Nach 16 Stunden Haemoglobinquantität 45%, rote
Blutkörperchen 2 800000, weisse 18000. 10. November; 34
Stunden nach der Injektion Haemoglobinquantität 30%, rote
Blutkörperchen 2670 000, weisse 20000. Megalocyten und
Ponficksche Schatten in grösserer Quantität. 38 Stunden nach
der Injektion Haemoglobinquantität 30 %, rote Blutkörperchen
2 000000, weisse 20000. 11. November, morgens, Haemoglobin-
quantität 28%. Das zimmtfarbene Blut wurde rot.
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534
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 49.
Zahl der roten Blutkörperchen 1710000, Megalocyten 500000
(ca. 28%), weissen Blutkörperchen 14000. Um 1 Uhr nach¬
mittags Haemoglobinmenge 23 %. roter Blutkörperchen 1590000,
Megalocyten 4600000, weisser Blutkörperchen 30000. 12. No¬
vember: Haemoglobin 20%, rote Blutkörperchen 805000,
Megalocyten 160000, weisse Blutkö^erchen 34000. 13, No¬
vember: Haemoglobin 20%, rote Blutkörperchen 1035000,
Megalocyten 260000, weisser Blutkörperchen 22000. 15. No¬
vember: Haemoglobin 32%, rote Blutkörperchen 1060000,
Megalocyten 400000 (40 %), weisse 10000. 16. November:
Haemoglobin 35%, rote Blutkörperchen lüOOOOO, Leukocyten
4000. 17. November: HaemogloW 36%, rote Blutkörperchen
1985 000, Megalocyten 370000, weisse Blu^öroerchen 6000.
18. November: Haemoglobin 36%, rote Blutkörperchen
1815000, Megalocyten 480000, weisse Blutkörperchen 10000.
Am 19. November ging das Kaninchen zu Grunde.
in. Experiment: 0,09 salzsauren Phenyl-Hydrazin. Kanin¬
chen von 1500 s Körpergewicht. Haemoglobinquantität 80 %,
rote BlutkÖrper(men 5 000000, die der weissen 8000. 17. No¬
vember: Injektion von 0,03 salzsaurem Phenyl-Hydrazin. 18. No¬
vember : Haemoglobinquantität 55 %, Anzahl der roten Blut¬
körperchen 3770000, weisse lOOOÖ, etwas Makrocyten und
Ponficksche Schatten. Injektion von 0,03 salzsaurem Phenyl-
Hydrazin. 19. November: Haemoglobinquantität 30 %, Anzahl
der roten Blutkörperchen 2500000, Megalocyten 3330000, An¬
zahl der weissen Blutkörperchen 3000. Das Blut wurde zimmt-
farben. Ab und zu sind enorm grosse Megalocyten und zahl¬
reiche Ponficksche Schatten zu sehen. Injektion von 0,03 salz¬
sauren Phenyl-Hydrazin. 20. November: Haemoglobinquantität
17%, Anzahl der roten Blutkörperchen 1245000, Megalocyten
215000, Anzahl der weissen Blutkörperchen 5000. 21. November:
Haemoglobinquantität 15%, Anzahl der roten Blutkörperchen
610000, Me^ocyten 220000 (ca, 29%), weisse Blutkörper¬
chen 4000. Das Kaninchen ging zu Grunde.
YI. Experiment: Kaninchen von 1650 g Körpergewicht.
Injektion von 0,08 salzsauren Phenyl-Hydrazin. Haemoglobin¬
quantität 75%, Anzahl der roten Blutkörperchen 4200000, der
weissen 10000. 0,02 salzsauren Phenyl - Hydrazin subkutan.
18. November: Haemoglobinquantität 63%, Anzahl der roten
Blutkörperchen 3590000, der weissen 8000. 0,02 salzsaureo
Phenyl - Hydrazin subkutan. Ziemlich viel Megalocyten und
Ponficksche Schatten. 19. November: Haemoglobinquantität 35%,
Anzahl der roten Blutkörperchen 2 395000, der Makrocyten
4450 000, der weissen Blutkörperchen 7000. 0,02 salzsauren
Phenyl-Hydrazin. 20. November: Haemoglobinquantität 26%,
rote Blutkörperchen 2000000. Makrocyten 290000, weisse
Blutkörperchen 12000. 0,02 Phenyl-Hydrazin. 21. November:
Feuilleton.
Aus feindlichen Lagern.
Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung.
Von Oberstabsarzt Dr. Neainailil-Bromberg.
Der alte Satz: Et ab hoste doceri scheint mir eine der
wichtigsten praktischen Lebensweisheiten zu enthalten. Gerade
die moderne Medicin, die im Spiegel gegenwärtiger Kultur¬
betrachtung ihren Platz an der Sonnenseite des Öffentlichen
Interesses behaupten muss, hat Veranlassung, sich von Zeit zu
Zeit umzuschauen im Lager der Feinde. Diese Feinde der
Medicin und des Aerztestandes teilen sich in zwei Gruppen;
zu der einen gehören die Kurpfuscher und die diesen gleich¬
stehenden Naturheiler, zur zweiten gehören die medicinischen
Aussenseiter, die unter Verlassung der wissenschaftlichen
Wege sich den Kurpfuschern und Naturheilem dienstbar ge¬
macht haben.
Das Buch: Praktische Naturheilkunde von Gerling und
Köhler, dessen zahlreiche Irrtümer ich s. Z. in der Zeitschrift
des verdienstvollen österreichischen Kollegen Dr. Kanto r, einem
Haemoglobinquantität 15%, Anzahl der roten Blutkörperchen
845000, Makrocyten 285000, weisse Blutkörperchen 14 000.
Das Kaninchen ging zu Grande.
Bei der Sektion sämtlicher Kaninchen fand man Vei^össer-
ung der Nieren, Erscheinungen von akuter Nephritis mit Ab¬
lagerung von Blutpigment in der Rindenschicht, bedeutende
Vergrösserung der Leber und der Milz, sowie lymphadenoide
Degeneration des Knochenmarks der Röhrenknochen. Der Harn
war von dunkelbrauner Farbe und enthielt Eiweiss, zahlreiche
Zylinder und ausgelaugte rote Blutkörperchen; Absorptions¬
streifen waren im Spektrum nicht zu sehen.
Sämtliche Tiere haben an Körpei^jewicht verloren. Das
Kaninchen Nr. 2, welches elf Tage gelebt hatte, hat 390 g
an Körpergewicht eingebüsst.
Eine Temperatur-Reaktion wurde in hohem Grade bei den
Kaninchen Nr. 1—4 beobachtet, und zwar beim ersteren stieg
die Temperatur von 37,8 auf 39,5, beim letzteren von 37,3 all¬
mählich auf 39,5. Vor dem Tode sank die Temperatur auf 35
und darunter.
Die schnellste Verringerung der Haemoglobinquantität und
der Anzahl der roten Blutkörperchen wurde beim Kaninchen
Nr. 1 beobachtet, und zwar betrug die Verringerung innerhalb
zehn Stunden für das Haemoglobin 27 %, während die Anzahl
der roten Blutkömerchen sich um 1710000 verringert hatte.
Die niedrigsten Zahlen der Blutzusammensetzung zeigten die
Kaninchen Nr. 3 und 4, und zwar 15% Haemoglobin und
610000 rote Blutkörperchen beim ersteren und 15 % Haemoglobin
und 845000 rote Blutkörperchen beim letzteren. Die Anzahl
der Megalocyten stieg beim 2. Kaninchen bis 40 %. DerHaemo-
globin-fndex, oder, wie die Franzosen sagen, richesse globulaire
stieg beim zweiten Kaninchen bis 1,75.
Die interessantesten Blutveränderungen zeigt das Kanin¬
chen Nr. 2, welches nach der Injektion von 0,125 salzsaurem
Phenyl-Hydrazin noch 11 Tage gelebt hatte, und bei dem die
Blutzersetzung in den letzten Tagen zu steigen begonnen hatte.
Zehn Stunden nach der Injektion treten Megaloblasten in
grosser Quantität auf. Der normale durchschnittliche Durch¬
messer des roten Blutkörperchens beträgt beim Kaninchen
maximum 4—5 hier aber erlangten viele Makrocyten eine
Grösse von 9 in grosser Quantität, bisweilen 4—5 Stück im
Gesichtsfeld, kommen Megaloblasten vor; sowohl die Makro¬
cyten, wie ^e Megaloblasten sind nicht selten polychromatophil.
In ziemlich grosser Anzahl kommen körnige, runde Gebilde,
Ueberreste von zerfallenen roten Blutkörperchen vor. Viele
rote Blutkörperchen färben sich mit Eosin und zeigen Erschein¬
ungen von Fragmentation. Von seiten der Leukocyten kann
der Bekämpfung der Kurpfuscherei gewidmeten Blatte „Gesund-
heitslehrer*^, auf Schritt und Tritt, Zeile für Zeile eingehend nach¬
gewiesen habe, führt 108 approbierte Aerzte auf, die in dem Buche
unter der Rubrik „Naturärzte“ figurieren. Von bekannteren
Namen finden sich u. a. verzeichnet: Jaerscbky-Berlin,
ZiegeIroth-Berlin, Koerner-Breslau, Disque-Chemnitz,
Spohr - Frankfurt a. M., Schweninger - Gr. Lichterfelde,
Paczo wski-Köln, Klimaczewski-München, Labmann -
Dresden, Kleinschrodt - Baden-Baden, Appelius - Berlin,
Kahnt-Berlin, Thure-Brandt-Berlin, Burkhart- Chemnitz,
Bil f in ge r-Eisenach, Emmel-Gräfenberg, Hinz-Neusalz a. O.,
Winternitz - Wien, Diehl - Stolzenberg, Baumgarten-
Wörishofen. Ich habe diejenigen Namen der Aerzte genannt,
die durch ihre Publikationen der Oeffentlichkeit bekannter ge¬
worden sind. Ein Teil dieser Aerzte hatte sich unter dem
Ehrenvorsitz von Schweninger zu einem Verein physikalisch-
diätetischer Aerzte zusammengeschlossen, wie ich dem April¬
heft 1904 der Zeitschrift „Der Naturarzt“ entnehme. Es ist
damals zu einem Verbände deutscher Aerztevereine für phy¬
sikalisch-diätetische Therapie gekommen, der als ein in Klammern
beigefügter Zusatz die Bezeichnung „Naturheillehre“ trägt.
Dieser Verband hatte s. Z. im „Naturarzt“ ein mit Emphase
und Wortschwall verquicktes Programm losgelassen, hatte ,,das
ominöse Wort Naturheillehre“ als „Ehrentitel“, wie es hiess,
angenommen und die „Bundesleitung der Naturheilvereine“ batte
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1906.
ÄtBDlCmiSCHE WOCHE.
535
man das Auftreten von Myelocyten hervorheben. Dann steigt
die Zahl der Makrocyten, selbst werden sie grösser, so dass
35 Stunden nach der Injektion Makrocyten und Meg^oblasten
von 10—12 fl angetroffen werden. Die Polychromatophilie, die
Präsentation und die Yacuolisation der Erythrocvten werden
stärker; die Anzahl der Makrocyten ist so gross, dass man im
Gesichtsfeld bei Obj. Nr. 8 Ocul. N. 2 des Leitzschen Mikro¬
skops bis 30 Makrocyten mit einem Durchmesser bis 12 ft sehen
kann. Megaloblasten gibt es gleichfalls sehr viel. Ihr Durch¬
messer erreicht bis 12 fi. Normoblasten sind in geringer An¬
zahl zu sehen.
59 Stunden nach der Injektion erreichen die Makrocyten
die Grösse von 14 /<; die Zahl derselben ist sehr gross. Die
Erscheinungen von Zerfall der Erythrocyten sind wenig wahr¬
nehmbar. Die Foikolicytose und die Polychromatophilie werden
schärfer. 76 Stunden nach der Injektion sind von seiten der
roten Blutkörperchen Veränderungen nicht mehr zu sehen. Von
seiten der weissen Blutkörperchen kann man das Auftreten von
Zwergformen^ von polynucieären Zellen von 5— 5,5 fi bei einer
Durcbschnitt^össe von 8—8,5 fi bemerken. Diese Gebilde
werden nicht selten bei Leukaemie beobachtet.
100 Stunden nach der Injektion wird die Zahl der Makro¬
cyten so gross, dass man im Gesichtsfeld nicht mehr als 3—4
normale Körperchen sieht, während alle anderen Makrocyten
sind. Die Polychromatophilie und die Fragmentation der Eryüiro-
cyten sind ausserordentlich scharf ausgesprochen. Mikrocyten
smd fast nicht vorhanden. Die Erythrocyten sind sehr ungleich-
mäfiig gefärbt, die Minderzahl ist stark violett-rot, die Mehr¬
zahl schwach blau-rosa gefärbt
Am Lebensende der Kaninchen begann die Zahl der
Megaloblasten sich zu verringern, wenn man sie auch zu
mehreren Exemplaren in jedem Präparat finden konnte. Die
Polychromatophilie und die Ungleichmäßigkeit der Färbung
waren sehr stark ausgesprochen.
Die Untersuchungen der Biutpraparate in den Experimenten 1,
3 und 4 ergaben dieselben Resultate. Man muss bemerken,
dass in dem untersuchten Blute sehr wenig Makrocyten waren,
und die Poikilocytose schwach ausgesprochen war.
Von seiten der weissen Blutkörperchen war die Zunahme
der Anzahl der eosinophilen Zellen, sowie das Auftreten von
Myolocyten und kleinen polinucleären Zellen im Blut zu sehen.
Die Untersuchung von Trockenpräparaten des Knochen¬
marks der Röhrenknochen ergab das Vorhandensein einer grossen
Anzahl von Megaloblasten bis 16 d. h. die Ehrlichsche
megaloblastische Degeneration.
sich mit dem naturärztlichen Programm als solidarisch erklärt
Ob der Verband noch besteht, ob und welche Fortschritte er
emacht, habe ich nicht verfolgt. Es genügt aber festzustellen,
ass dieser Verband sich in einen bewussten Gegensatz zur
allgemeinen ärztlichen Anschauung stellen muss, „wenn er ein-
mm den Namen „Naturheillehre^^ zu seinem Titel setzt, und
wenn zweitens sich die Bundesleitung der Naturheilvereine,
deren Zeitschrift der „Naturarzt“ chronisch von den heftigsten
persönlichen Angriffen gegen die Medicin, die Aerzteschaft
und einzelne Aerzte strotzt mit dieser Outsiderorganisation
solidarisch erklärt.
Die Verbindung dieser medicinischen Aussenseiter, die
nach dem Muster von Schweninger handeln, dem die poli¬
tische Zeitschrift „Die Zukunft“ bekanntlich ihre Spalten für
seine pseudo-medicinischeu Expektorationen öffnete, die Ver¬
bindung dieser Aerzte mit der sogenannten Naturheilkunde geht
aus einer Reihe von Veröffentlichungen hervor, wie sie teils
in den naturheilerischen Zeitschriften, teils in Buchform er¬
schienen sind. So hat Ziegelroth, einer der Säulen der so¬
genannten Naturheilmethode, im Verlag des Bundesvorstandes
der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise eine kleine
Schrift erscheinen lassen: Was muss der Arzt von der Natur¬
heilmethode (physikalisch-diätetischer Therapie) wissen?
Wenn Ziegelroth in dieser Broschüre sagt, dass die
deutsche Naturheilbewegung in einem Maße angewachsen sei,
Bei der Betrachtung der im Vorstehenden geschilderten
Blutveränderungen fällt einem unwillkürlich die Aehnlichkeit
zwischen den Veränderungen des Blutes des Kaninchens bei
Vergiftung mit grossen und mittleren Phenyl - Hydrazindosen
mit der perniciösen Anaemie des Menschen auf.
Die Megaloblasten, die von der Mehrzahl der Haematologen
als charakteristisch für pemiciÖse Anaemie betrachtet werden,
sind bei der Vergiftung mit Phenyl - Hydrazin in gewaltiger
Quantität zu sehen. Diese Tatsache beweist, dass die meg^o-
blastische Degeneration des Knochenmarks keineswegs, wie
Ehrlich glaubt, etwas Spezifisches ist, sondern auch bei Ver¬
giftung mit Phenyl-Hydrazin und Pyrogallol beobachtet wird;
sie erscheinen vielleicht als Symptome der überanstrengten und
kompensatorischen Tätigkeit des Knochenmarks, welkes be¬
strebt ist, die in der Blutbahn zur Auflösung gelangten Blut¬
körperchen zu ergänzen. Das Phenyl-Hydrazin ist, wie Hoppe-
Seyler gezeigt^at, vor allem ein Gift für das Haemoglobin,
mit dem es im Beisein von Sauerstoff eine Verbindung emgeht.
Es findet dabei eine Zerstörung von zahlreichen Blutkörperchen
statt, es entwickelt sich Haemoglobinaemie, welche, wie in dem
zweiten Experiment, verschwinden kann, und das ^ochenmark
antwortet auf diesen ungeheuren Verlust an roten Blutkörper¬
chen, der innerhalb 10 Stunden die Höhe von 1710000 erreicht,
mit einer gewaltigen Produktion von Makrocyten und Megal-
oblasten. Der Haemoglobin - Index stieg dabei bis 1,75, die
Zahl der Makrocyten auf 40 %; der Durchmesser der roten
Blutkörperchen vergrösserte sich um das Dreifache und auch
mehr.
Von seiten der Leukocyten wurde bald Leukocytose, bald
Leukaemie beobachtet.
Die von Kaminer und Reckzeh beobachteten und auch
in meinen Experimenten au^etretenen Blutveränderungen zeigen,
dass man dem sorgfältigen ^udium der experimentellen Anaemie
mehr Beachtung entgegenbringen muss, da es auf diese Weise
vielleicht gelingen wird, in me dunklen Winkel der Haemo-
Pathologie, deren es leider so viele gibt, Licht zu bringen.
Die e^erimentellen Anaemien, welche bei Tieren (Kanin¬
chen und Hunden) durch Vergiftung mit Phenyl-Hydrazin und
Pyrogallol erzeugt werden, sind von sehr grossem Interesse, da
es bei diesen Anaemien gelingt, im Blute Megaloblasten zu
finden, die für die pemiciöse Anaemie die am meisten typischen
Gebilde sind. Natürlich muss man die bei der perniciösen
Anaemie auftretenden klinischen Erscheinungen nur mit grosser
Vorsicht mit den Erscheinungen von Anaemie bei den künst¬
lich anaemisierten Tieren vergleichen; die Erforschung des Ver¬
laufs des haemolytischen Prozesses und sämtlicher bei experimen-
dass sie von seiten der Aerzteschaft die ernsteste Aufmerk¬
samkeit verdiene, so stimme ich mit ihm überein. Ich bin der
Ansicht und habe dieser bereits an verschiedenen Stellen den
weitgehendsten und ener^chsten Ausdruck verliehen, dass es ab¬
solut falsch ist, wenn me Aerzte diese Bewegung ignorieren
oder gar als quantitö n6gligeable betrachten. Nicht durch vor¬
nehmes Ignorieren dieser Aftergebilde, dieser Auswüchse, dieser
medicinischen Sekten, sondern durch energische Zurückweisung
und Belehrung werden wir diesen Feinden der Medicin ent¬
gegenzutreten haben.
Die Nichtbeschäftigung der Aerzte mit der in der Tat
ewaltig gewachsenen Bewegung hat es ja zu Wege gebracht,
ass öffentlich in der Naturheilpresse aller Arten behauptet
wird, dass das Einschlagen der modernen therapeutischen
Richtung, d. h. der sogenannten physikalisch-diätetischen durch
die Aerzte, lediglich und allein das Verdienst der Natur¬
heilbewegung sei. Das spricht Ziegelroth ans, das spricht
Kühner aus, der die Naturheilmethode unverblümt als „wahre
neue Heilkunde“ empfiehlt, das spricht Sturm aus, das spricht
Erhard aus in seinen „ketzerischen Betrachtungen eines
Arztes“, das spricht Esch aus, alles praktische Aerzte, die
mehr oder weniger, ganz oder halb auf dem Boden der soge¬
nannten Naturheilkunde stehen, deren Worte natürlich lebendiges
Wasser auf die Naturheilmühle unserer Feinde sind.
Es ist ganz interessant, wenn man sich näher mit dem
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536
MSDICINISCHB WOGHB.
Nr. 49.
teller Anaemie auftretenden Verändernngen des Blutes und des
Knochenmarks sind durchaus der Beachtung wert.
Jedenfalls ist die Spezifität der megaloblastischen Degene¬
ration des Knochenmarks für die perniciöse Anaemie als wider¬
legt zu betrachten.
Ich setze meine Versuche mit der Phenyl-Hydrazin-Anaemie
fort und werde darüber demnächst in einer besonderen Arbeit
berichten.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
AenifUicher Verei/n in MaMiburg,
Sitzung vom 30. Oktober 1906.
Vorsitzender Herr Kümmell.
I. Demonstrationen: 1. Herr Andereya zeigt 2 Fälle von
Fistula auri congenita. 2. Herr Wiesinger demonstriert
einen Patienten, den er wegen eines grossen Tumors operiert hatte,
der, unter der Dura mater gelegen, 4 cm breit und 5—6 cm lang war
und die FrontaUappen platt drückte. Auffallend war, dass nach der
Operation mehrere Wochen lang nur eine Pulsfrequenz von 40—60 be¬
stand, dabei war ein eigentümlicher Dämmerzustand an dem jungen
Manne wahrzunehmen, als wenn es sich um eine gehemmte Leitung
der Sinneseindrücke handelte. Jetzt ist die Wunde gut geheilt,
die Schädelhaut jedoch, da der Knochen in grosser Ausdehnung
entfernt werden musste, mit dem Gehirn verwachsen; es besteht
die Absicht, in einiger Zeit den Knochendefekt des Stirnbeins zu
decken. Es handelt sich um ein Sarcom.
n. Vortrag des Herrn Sudeck; „Ueber die Muskel-
atrophie.“ (Reflex theorie und Inaktivitätstheorie.)
(Autoreferat.) Da die normale Funktion des Muskels von dem
intaktsein vieler Umstände abhängig ist (Gelenkapparat, Inner¬
vation von der Gh’osshimrinde über die grauen Vorferhömer in
die Endausbreitungen der Nerven, Muskeltonus, Gefässapparat), so
ist von vorne herein zu erwarten, dass Störungen der Funktion
und somit des Muskelbestandes von mehreren Seiten kommen
kann. Die Inaktivitätstheorie braucht also nicht die Reflextheorie
auszuschliessen und umgekehrt. Die Reflextheorie (Vulpian-Pagel)
besteht in ihrer Grandmeinung, d. h. wenn man zunächst von Einzel¬
heiten absieht, sicher zu Recht aus folgenden Gründen:
1 . Die als reflektorisch bezeichnete Art der Muskelatrophie
tritt nicht allmählich auf, sondern sie beginnt wenigstens in den
prägnantesten Fällen akut mit Atonie der Muskulatur, und
schon nach 8 Tagen kann eine messbare Atrophie bestehen. Die
Stadium der antimedicinischen Literatur befasst, wenn man
die Schriften der sogenannten Naturheiler näher studiert, wie
jedes, aber auch jedes einzelne gegen die mediciniscbe Wissen¬
schaft, gegen die sogenannte Schulmedicin, gegen die Aerzte
von Aerzten geprägte Diktum sofort von der gegnerischen
Presse ausgebeutet wird. Wenn es in den Kram paßt, wird
jeder aus dem Zusammenhang rücksichtslos gerissene Satz zu
einem Menetekel vor der arzneilichen Therapie gestempelt und
die arzneilose, d. h. angeblich ohne Gifte heilende sanfte, nie
schadende, bloss nützende Naturheilmethode wird als das thera¬
peutisch einzig Wahre dargestellt! Dass mit dieser tenden¬
ziösen gehässigen Darstellung, wie es u. a. der Arzt Klima-
czeWSki-München in seiner Schrift: Gesundheitspflege und
neuere Heilmethoden tut, nicht bloss das grosse Publikum, das
diese Schriften kritiklos verschlingt, direkt verdreht gemacht
wird, dass das Vertrauen zum Arzte, dieses zarte, pflegebe¬
dürftige Imponderabile direkt untergraben wird, das sollte uns
Aerzte der Schulmedicin, d. h. uns Vertreter wahrhafter Wissen¬
schaftlichkeit doch endlich veranlassen, diesen Dingen nach¬
zugehen, und aetiologisch zu forschen unde causa! Mieux tard
que jamais. (Fortsetzung folgt.)
Funktionsverminderung ist nicht proportional der Verminderung
des Muskelvolums, sondern viel hochgradiger: sie kann fast bis
zu einer wirklichen Lähmung gesteigert werden. Auch die Re¬
aktion gegen den elektrischen Strom kann fast aufgehoben sein.
Wir haben es also nicht mit einer einfachen Verminderung
der kontraktilen Substanz zu ton, sondern mit einer ausge¬
sprochenen Innervationsstörung, deren eigentliches Wesen in der
atonischen Schlaflheit des Muskels beruht, und die wohl erst
sekundär zur Atrophie führt.
2. Die Inaktivität ist ein konstanter Faktor, der sich in
jedem Falle, wo er vorliegt, auch konstant äussern müsste. Die
akute Muskelatropbie tritt aber nicht konstant auf. Zwar scheint
sie sich bei endzündlichen Aifektionen der Gelenke einigermaßen
regelmäßig mehr oder weniger hochgradig einzostellen; nach
leichten Verletzungen aber sehen wir sie meistens ausbleiben und
nur in besonderen Fällen eintreten.
3. Die akute Moskelatrophie tritt mitunter auch in solchen
Fällen auf, bei denen überhaupt keine irgendwie nennenswerte
Ausserfunktionssetzung stattgefonden hat; die betroffenen Ex¬
tremitäten sind gamicht inaktiv gewesen und können deswegen
auch nicht infolge der Inaktivität atrophisch sein.
4. Wenn die Muskelatropbie durch Inaktivität entstanden
wäre, so müsste sie durch methodische Uebong mit einiger Sicher¬
heit gebessert werden können; es gibt aber Fälle, die jeder
Uebung, Massage, elektrischen Behandlung hartnäckig Trotz bieten,
die Jahre lang bestehen bleiben, ja sogar auf die zu energische
Behandlung eine unverkennbare Verschlechterung zeigen.
5. Es gibt ein vollkommenes Analogon der akuten Muskel¬
atrophie an den Knochen, nämlich die sogenannte akute Knochen-
atrophie. Gleichzeitig pflegen Veränderungen an der Haut (Gyanose,
Glossy skia, Hypertriohosis, Nagelrissigkeit) aufzntreten. Diese
Veränderungen an den Muskeln und Knochen und der Haut ge¬
hören zusammen: sie sind eine den verschiedenen Organen ent¬
sprechende verschiedene Aeusserung auf dieselbe Schädigung.
Die akute Knocbenatrophie beruht sicherlich nicht auf In¬
aktivität, denn diese kann weder so rasch einsetzen, noch so inten¬
sive Veränderungen des Knochens hervorrufen, wie wir sie bei der
akuten Knocbenatrophie Anden. Bereits nach einer Woche sind
ausgesprochene Resorptionen radiographisch nachweisbar. Auch
sind die Knochenveränderungen viel hochgradiger, als wie wir sie
selbst nach vollkommener Ausschaltung der Nerven (Durchschnei-
dung usw.), geschweige denn bei der Inaktivität sehen. Ferner
tritt die akute Knodienatrophie auch dort auf, wo keine nennens¬
werte Inaktivität stattgefunden hat, und umgekehrt bleibt sie bei
zweifelloser, jahrelang fortgesetzter Inaktivität aus. I'emer
werden die angedeuteten Veränderungen der Haut, der Unterbaut,
der Haare und der Nagel allgemein als vasomotorische Trophoneu-
rose angesehen, jedenfalls fällt es niemandem ein, sie auf In¬
aktivität zu schieben. Wenn nun die obenerwähnte Auffassung
von der genetischen Gleichwertigkeit dieser Erscheinungen an
den Muskeln, den Knochen und der Haut richtig ist, so hegt
hierin ein Argument mehr für die Annahme, dass auch die akute
Muskelatrophie eine truphoneurotische oder wenigstens nervöse Er¬
scheinung ist.
Die Folgen reiner Inaktivität kann man nnr sehr selten be¬
obachten. Es handelt sich bei Fällen, in denen die Inaktivitäts¬
atrophie auftritt, fast stets um Immobilisation oder verringerte
Punktion der Gelenke und der Muskeln (Ankylose der (relenke,
immobilisation durch Verbände, Bewegungseinschränkung durch
mechanische Gelenksschäden, Fixation der Gelenke durch Ent¬
zündung), wodurch notwendigerweise die Veränderungen ein¬
treten müssen, die wir als funktionelle Anpassung bezeichnen.
Wenn man aber im Hinblick darauf, dass ja in der Tat ein
Muskelschwund eintritt, die übliche Bezeichnung „Atrophie*^ an¬
wenden will, so würde es den Tatsachen vielleicht mehr entsprechen,
wenn man von Immobilisationsatrophie, und nicht von Inaktivitäts¬
atrophie sprechen würde. Diese Art der Atrophie zeigt lange
nicht so hochgradige Umfangsverminderong, wie die atonische
Atrophie. Reine, unkomplizierte Inaktivität, d. h. Funktionsausfall
ohne Immobilisation, sehen wir nur bei hysterischen Lähmungen.
Bei diesen braucht aber keine Atrophie aufzutreten. Durch ver¬
minderte Aktivität (Schonung) kann keine erkennbare Atrophie
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1906
M Kl i Tf»ITJTSr» H w wOf TH l^i -
537
hervorgerafen werden, also durch Simulation eines Gelenkleidens
entsteht niemals Hoskelatrophie.
Für die PraxiB ist es von Bedentong, welche Aoffassnng man
in diesen Fragen eümimmt, und zwar sowohl bei der Begutach¬
tung von Unfallverletzten, als auch bei der Behandlung, ad Be¬
gutachtung : Objektiv vorhandene Zeichen der Mnskelatropbie sind
ein sicheres Zei<^en von vorhandener oder abgelaufener anatomischer
Erkrankung. Fehlen der Atrophie bei angeblichen Gelenk¬
seiunerzen muss die Aufmerksamkeit des Untersuchers in Bezug
auf Simulation verschärfen, ad Behandlung; Bei der atonisohen
Mnskelatrophie ist die Uebungstherapie und medico - mechsnisohe
Behandlung meistens nutzlos und in der Uebertreibung schädlich,
bei der einfachen Atrophie nützlich.
m. Diskussion: Herr Hasebrock hat einen 13jährigen
Knaben mit Skoliosis lumbalis in Behandlung gehabt, bei dem er
als zufäUigen Befand eine Differenz von 2,5 cm am linken Bein
gegen das rechte feststellen konnte: trotz eifrigen Turnens ist
diese Atrophie nur um 0,6 cnn gewichen. Nach seiner Meinung
ist also die Atrophie nicht immer durch Aktivität zu beseitigen;
auch bei essentiellen Kinderlähmungen hat er vom Tomen wenig
Gutes gesehen. Er erinnert sich ferner eines Unfallverletzten, der
erst jetzt — der Unfall liegt mehrere Jahre zurück — eine
Atrophie des verletzten Armes von 1,5—2 cm bekommen hat, ob¬
wohl der Mann im letzten Jahre den Arm wieder tadellos ge¬
brauchen konnte. Herr Deutschländer zieht eine Parallele
zwiscähen der Abmagemng bei fieberhaften Erkrankungen und der
Atrophie nach Entzündungen und Verletzungen, die auf dem ge¬
steigerten Stoffwechsel beruhten. Herr Preiser weist auf die
oft schon nach drei Tagen auftretende Deltoidesatrophie bei
Hnmerusluxation hin, die Herr Kümmell auf Ernährungsstörungen
zurückfübrt; deshalb mache er bei Scbulteraussetzung sofort Be-
wegangen. Herr Saenger: Bei halbseitig Gelähmten und Hysteri¬
schen tritt meist keine Atrophie ein, und doch sind diese Kranken
inaktiv. Der dironisclie Reiz der Gelenknerven wirkt derart ein,
dass trophische Störungen in der Muskulatur auftreten. Es gibt
nur reflektorische und neuritische Atrophieen, nur ganz selten
cerebrale. Nach seiner Meinung findet durch Tomen doch eine
Volomszunahme statt. Herr Böttiger erinnert an die subjektiven
Beschwerden, die häufig nach Kontusionen mit nachfolgender
Atrophie auftreten, und glaubt ebenfalls, dass diese Atrophie von
den verletzten Gelenkkapselnerven ausgehe; guten Erfolg hat er
mit dem galvanischen Strom gehabt. Herr Sudeck Schlusswort
Schonewald.
Oea^lscha^ der Aerxte zu Mtmnhefui,
Sitzung vom 12. November 1906.
Preller: Erfahrungen über die Anwendung von
Morphium-Scopolamin in der Geburtshilfe.
Das Bestreben, der Frau in ihrer schwersten Stande Linder¬
ung zu verschaffen, ist sehr alt. Bei den niederen Völkerschaften
waren es Zaubertränke, Heilsalben', mystisch-sympathetische Be¬
schwörungen, die als geburtsfbrdemd und schmerzlindernd eine
grosse Bolle spielten. Von Narkotica hat sich zuerst das Chloroform
Eing an g in die Geburtshilfe verschafft, ohne jedoch die auf dasselbe
gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Der nicht zu berechnenden
Dauer der Geburt stand die Giftigkeit des Mittels gegenüber.
Ebenso ist es den anderen Narkotica ergangen. Steinbüchel
führte das Scopolamin-Morphium in die Geburtshilfe ein. Die
Frauenkliniken in Jena, Giessen, Budapest, Klagenfurt und Frei¬
burg bemächtigten sich des Mittels, die Resultate fielen sehr günstig
aus. P. berichtet über 230 Fälle ans dem Wöchnerinnen-Asyl zu
Mannheim, deren Verlauf er zum grossen Teil selbst beobachten
konnte. Ethische Bedenken gegen die Einleitung einer Skopolamin-
Morphium-Halbnarkose bei normalen, wie bei pathologischen Ge¬
burten sind nicht berechtigt; es kann auch für den Arzt nur
human sein, einer Kreissenden ihre Schmerzen zu lindem, voraus¬
gesetzt natürlich, dass das angewandte Mittel keinen Schaden an-
richtet. Es muss also die Scopolamin-Morphium-Anwendung weder
den mütterlichen noch kindlichen Organismus schädlich beeinflussen,
noch darf der regelmäßige Fortgang der Geburt in Frage gestellt
werden. Diese Bedingungen hat das Scopolamin-Morphium bei
richtiger Anwendung erfüllt. Die Frauen be^t nach Injektion
des Mittels zuerst eine Müdigkeit, die sehr bald in einen mhigen,
durch die Wehenpause anhaltenden Schlaf übergeht. Die Wehen
werden als Schmerz empfanden, derselbe ist aber erheblich herabge¬
setzt. Das Bewusstsein ist völlig erhalten, die Pat. erinnert sich jeder
an ihr vorgenommenen Manipulation. Eine geringe Vertiefung
dieser Halbnarkose reicht aus, um die Pat. in einen künstlichen
Dämmerschlaf zu versetzen, bei dem eine völlige, sich über den
ganzen Geburtsvorgaug erstreckende Amnesie herrscht. P. ist es
nun in 70% aller Fälle gelangen, bei jedesmaliger individuell ver¬
schiedener Dosierang des Mittels, die Kreissenden in einen Dämmer¬
schlaf zu bringen; in 18% der Fälle bestand mehr dem ersten
Stadium, das der Hypalgesie; in 12% war ein Misserfolg zu ver¬
zeichnen. Als Anfangs-Dosis wurden in der Regel 0,0003 Scopo-
lamin und 0,01 Morphium injiciert. Ueber diese Anfangsdosis
wurde selten hinausgegangen. Die Wirkung trat fast stets nach
‘/i — 3 Stunden ein. Bei ausbleibendem Erfolge wurde dann eine
zweite Scopolamin-Iojektion, in der Regel weniger als zuvor, nötig.
Morphium wurde oft erst bei der dritten Injektion beigefügt. Eine
Fortsetzung des so eingeleiteten Dämmerschlafes, d. h. alle 2—4
Stunden eine neue Injektion, ist nach P.’s Elrfabrangen ohne Schaden
über mehrere Tage Ün ausführbar, zumal bei einiger Sorgfalt und
Uebung die Gefahr einer Ueberdosierung leicht zu vermeiden ist.
Die Operations-Frequenz hat sich seit Einführung des Dämmer¬
schlafes um 1% vermindert. Wegen der genauen Ueberwachung
solcher Kreissenden eignet sich die Methode nur für das Kranken¬
haus. TodesfUlle bei Müttern oder auch sonst irgend welche be¬
sonderen Schädigungen worden nicht beobachtet. Ein Kind kam
tot zur Welt, ohne dass jedoch die Ursache der Methode zuge¬
schoben werden konnte. Oft werden die Kinder leicht asphyktisch
geboren, stets konnten sie aber selbst ohne Anwendung der
Sohultzeschen Schwingungen zum Leben gebracht werden. Als
Kontraindikation gelten primäre Wehenschwäche, Schwächezu¬
stände, fieberhafte Erkrankungen, Anaemien, Erkrankungen der
Zirkulationsorgane. Nierenerkrankungen scheinen nicht schädlich
beeinflusst zu werden, andererseits werden bei Eklampsie die Anfälle
nicht beseitigt. Dr. Max Jacoby.
Kongressbericht.
78, Versemimhmg deutsedier Natu/rforseher und
Aerzte in Stuttgart,
Sektion 16 für innere lledioin, Pharmakologie, Balneologie und
Hydrotherapie.
Sitzung vom 21. September 1906, nachmittags 3 Uhr.
Vorsitzender: Herr Leo-Bonn.
1. Hr. Reichert-Wien; Ueber einen Spiegelkon¬
densor zur Sichtbarmachung ultramikroskopischer
Teilchen.
G. Reichert in Wien hat einen neuen Beleuchtungskondonsor
ausgearbeitet, welcher vor dem von Abbe infolge Wegfalls der
Blenden einen Vorteil grösserer Lichtintensität hat und der es er¬
möglicht, Ultrateilchen sowohl in ungefärbten wie gefärbten Prä¬
paraten sichtbar zu machen. Er eignet sich besonders zur Unter¬
suchung frischer ungefärbter Präparate.
2. Hr. Müller-Wien: Ueber Folgeerscheinungen nach
Entfernung von Muskulatur des Verdauungstraktus.
M. hat bei einer grossen Reihe von Tieren, namentlich Hunden,
Muskulatur des Magens oder Darms entfernt; bei grösseren Darm-
streckeu war dies zirkulär nicht völlig möglich, sondern es wurden
Längsstreifen entfernt; so gelang es, grosse Darmstrecken zu entr
muskeln. Der grössere Teil der Tiere überstand die Operation.
Im ganzen blieb der Stuhl dabei normal und erfolgte innerhalb
24 Stunden nach der Operation. Die Autopsie ergab Verwachsung
der operierten Schlingen, und dass mit Ausnahme des mesenteralen
Ansatzes fast überall die Muskulatur beseitigt war. Die Kraft des
oberhalb der operierten Darmstrecke liegenden Darms genügte, um
den Stuhl durchzutreiben. Auf Grund dieses Befundes bedarf die
Theorie und Klinik des paralytischen Ileus der Revision. Ferner
wurden sowohl an den vorderen, wie den hinteren Flächen des
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538
UBDIGINISCHE WOCHB.
Nr. 49.
Magens grössere Partien der Muskulatur abgetragen; nach der
Operation sank die Motilität und Resorption, es kam zu Atonie
und schwerster Insufficienz des Magens, dabei bestand mehrfach
Hypersekretion, noch ehe Rückstände im Magen nachzuweisen
waren, dabei trat die sonst beim Hunde fehlende freie Salzsäure
auf. Der Mechanismus der Sekretionsstörung ist no<‘.h nicht klar,
offenbar sind die Motilitätsstörungen das Primäre.
3. Hr. Laves-Hannover: Ueber das Erhitzen der
MilchimHaushaltundeinendazuverwendeten Apparat.
Der Apparat besteht aus zwei ineinander passenden Koch¬
töpfen, von denen der innere niedriger ist. Der Raum zwischen
beiden wird mit Wasser gefüllt, dessen Dampf über den durch¬
lochten Deckel des kleineren mit Milch gefüllten Kessels hinweg¬
strömt. Das Wasser darf nur 3—5 Minuten sieden. Die Milch ist
sehr gut haltbar und von gutem Geschmack.
4. Hr. Laves-Hannover: Ueber die Vorzüge eines ge¬
schmacklosen Liquor ferri albuminati in der Eisen¬
therapie.
Das Eisenpeptonat nimmt unter den organischen Eisenver¬
bindungen eine Sonderstellung insofern ein, als es im Magen zu¬
nächst zu einer sehr voluminösen 15—25proz. schwammigen Eisen¬
albuminmasse wird, die erst langsam zur Resorption gelangt, des¬
halb kann es nicht ätzend auf die Schleimhaut des Magens wirken.
Das von ihm hergestellte neutrale Präparat Lecin hat einen ange¬
nehmen Geschmack und muss in grossen Mengen gegeben werden.
Im Handel wird statt des von dem Gesetz geforderten Hühner-
eiweisses vielfach Blutserum verwendet, das unappetitlich und nicht
sterilisierbar ist.
5. Hr. Schit ten h e Im-Berlin; Theo re tisches über die
Gicht.
Das Unbefriedigende der bisherigen Theorien liegt darin, dass
den theoretischen Ueberlegungen experimentelle Ergebnisse nicht
sofort gefolgt sind. Das Wesentliche bei ihr ist das Auftreten
von Harnsäure im Blut, sie ist eben nur eine besondere Form der
Uricaemie. Es steht fest, dass die Harnsäure nur aus den Purin¬
basen entsteht. Zu unterscheiden ist zwischen endogener und exo¬
gener Hamsäurebildung. Das Auftreten von Harnsäure im Blut
(Uricaemie) kann verschiedene Ursachen haben. Obwohl wir bei
purinfreier Kost die Harnsäure verschwinden sehen, kommt doch
keine Harnsäure in das Blut, vermutlich, weil sie in kleinen
Quantitäten schwer nachweisbar ist.
An Formen der Uricaemie sind zu unterscheiden 1. die ali¬
mentäre, durch Verfütterung bedingte; 2. die funktionelle, durch
gesteigerten Zerfall der Nucleine entstehend, wie sie bei Leukaemie
vorkommt; 3. die Rententionsuricaemie bei Nierenschrumpfung.
Von diesen drei Formen ist die Gicht völlig verschieden, sie kann
sich jedoch mit der Rententionsuricaemie komplizieren. Der Ham-
säurestoflfwechsel wird durch mindestens vier Fermente eingeleitet,
durch die Nuolease, das Desamin, das aus Adenin und Guanin
Oxypurine bildet, ein Ferment, das aus Xanthin und Hypoxanthin
Hippursäure bildet, und durch das harnsäurezerstörende (urico-
lytische) Ferment. Zwischen Bildung imd Zerstörung der Harn¬
säure bestehen normal bestimmte Proportionen, welche bei nor¬
malem Stoffwechsel Harnsäure im Urin nicht auftreten lassen. Bei
Gicht muss eine Störung namentlich des Gleichgewichts zwischen
Hamsäurebildung und -Störung bestehen, und zwar handelt es sich
lediglich um Störung des endogenen Stoffwechsels, denn die meisten
eingeführten Nucleine werden bei Gicht im selben Verhältnis um¬
gesetzt, wie beim normalen Organismua Analogien hat die Gicht
in der Cystinurie, wo auch nur das aus dem Stoffwechsel hervor¬
gehende Cystin im Urin nachgewiesen wird, ebenso vermehrt bei
Peutosurie Aufnahme von Pentosekörpern die Pentosen im Ham
nicht. Eine weitere Analogie bildet die Hiauingicht der Schweine,
bei der es auch zur Ablagerung in die Gelenke kommt, beim nor¬
malen Schwein wird aufgenommenes Hianin völlig verbrannt. Die
von Minkowski aufgeatellte Theorie einer Parung der Harnsäure
mit Nucleinsaure ist nach seinen und Burians Untersuchungen
nicht haltbar. Der gichtische Anfall selbst ist durch das Vor¬
handensein lokaler Prozesse mit Veränderungen zu erklären, welche
zur Ablagerung der Harnsäure aus dem Blut führen.
6. Hr. Ebstein-Eisenach: Die medicinische Bedeutung
von Eisenach.
Eisenach, als Luftkurort schon länger bekannt, besitzt drei
auf dem Gute Wilhelmsglück entspringende Kochsalzquellen. Die
1902 von Hintz untersuchte Grossherzogin-Karolinen-
Quelle wurde 12 km weit nach Eisenach geleitet, ohne an Ge¬
schmack, Kohlensäure und Wirkung zu verlieren. Sie nimmt eine
Mittelstellung zwischen Glauber- und Bittersalzquellen ein und hat
ausserdem einen hohen Kochsalz- und Lithiongehalt. Indiziert ist
ihr Gebrauch bei akuten und chronischen Katarrhen der oberen
Luftwege, der Verdauungsorgane, bei Fettsucht, Diabetes und
Gicht, ferner bei entzündlichen Residuen, Schwartenbildungen,
Neuritis, Darmkrankheiten, Rhachitis, Skrophulose, Entzündungen
der Nieren und Harnleiter. Die beiden anderen Quellen sollen
ebenfalls nach Eisenach geleitet und die nahen Moorfelder thera¬
peutisch aasgebeutet werden.
7. Hr. Sch warz-Stuttgart: Das Karlsbad-Mergentheim.
Redner berichtet über die Erfolge der Mergentheimer Kur
bei Diabetes mellitus tmd Gholelithiasis und verweist im übrigen
auf die der 78. Versammbmg deutscher Naturforscher und Aerzte
vorgelegte Broschüre. Der Nachweis, dass der Diabetes vom
Mergentheimer Wasser direkt beeinflusst wird, ist dadurdli er¬
bracht, dass bei gemischter Kost in Mergentheim der Zucker zu-
rückging und längere Zeit in geringen Mengen ausgescbieden
wurde. Bei der Gholelithiasis werden leichte Anfalle herbeige¬
führt und der Katarrh der (Gallenblase günstig beeinflusst.
8. Hr. Stark-Marienbad: Ein Versuch zur Erklärung
der mechanischen Moorwirkung.
Redner wendet sich gegen die Lehre vom hohen Druck als
Ursache des therapeutischen Effektes der Moorbäder; der Druck
ist nicht viel grösser als derjenige des reinen Wassers. Wohl
aber ist der Reibungswiderstand bei Bewegungen im Moorbad
wesentlich erhöht. Er beträgt im klaren Wasser 0,06 mkg, im
dünnen Moorbad 0,2, im mitteldicken 4,3, im dicken 21,4 mkg.
Die Bestimmungen werden mit einem nach dem Prinzip der
Astmondschen Fallmaschine konstruierten Apparat gemacht Jede
Bewegung bedarf eines grossen Kraftaufwandes, daher die grosse
Ermüdung durch das Moorbad bei schwächlichen Personen. Die
geringe Wärmekapazität führt zur Abkühlung, die zu Bewegungen
führen muss; diese regen den Stoffwechsel kräftig an.
Diskussion.
Hr. Leo-Bonn: Dies mechanische Moment erklärt die Wirkung
der Moorbäder nicht zur Genüge, daneben kommen thermische und
chemische Faktoren in Betracht.
Br. Stark-Marienbad hat die Wirkung des chemischen und
thermischen Faktors nicht bestritten, er hat aber nur für die
mechanische Komponente der Wirkung eine andere Erklärung ge¬
sucht.
Hr. Schmincke-Elster weist auf die geringe Wärmekapa¬
zität der Moorbäder hin, die primäre Temperaturerhöhung tritt im
Gegensatz zum Wasserbad im Moorbad nicht ein, weil der Kälte¬
reiz bald in Wirkung tritt.
Hr. Stark -Marienbad: Die Wärmekapazität beträgt die Hälfte
derjenigen des Wassers, auf das Volum bezogen nur Vi. Das
spezifische (Gewicht des Moors schwankt zwischen 1040 und 1094.
Standesfragen.
Von Dr. M. Cohn (Berlin-Charlottenburg).
(Schloss.)
Das zweite Urteil lautet;
„Die Kläger, obschon sie nicht zu den von der Beklagten
für ihre Mitglieder ausgewählten Aerzten gehören, erachten diese,
da ein dringlicher Fall vorlag, zur Bezahlung ihrer für
die J Beklagte der Frau H. geleisteten Dienste verpflichtet und
halten ihren Anspruch aus dem Gesichtspunkte der Geschäfts¬
führung ohne Auftrag und der ungerechtfertigten Be¬
reicherung für begründet.
Mit Rücksicht auf die gegen eine derartige Begründung der
klägerischen Forderungen der Beklagten gemachten Rechtsaus-
führungen hat das Berufungsgericht die zur Entscheidung stehende
Rechtsfrage von neuem eingehend geprüft und dabei keine Ver-
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1906.
MEDICD^ISCHS WOCHE.
539
anlassung gefandeo, von seiner in zahlreichen anderen ähnlichen
Streitfällen bereits vertretenen Rechtsansicht abzuweichen.
Das Landgericht teilt dabei in rechtsgrundsätzlicher Beziehung
den vom Vorderricbter eingenommenen Standpunkt, dass der An¬
spruch des Arztes, der ein der Versioherungspflicht des Kranken-
kassengesetzes unterliegendes Mitglied behandelt, ohne Arzt der
Kasse zu sein, obschon diese bestimmte Aerzte für die Behand¬
lung ihrer Mitglieder bestellt hat, und ohne einen Auftrag zur
Behandlung von der Kasse erhalten zu haben, bei dem Vorliegen
der Voraussetzungen des in§ 26a Abs. 2, Ziff. 2 b geregelten Aus¬
nahmefalls an sich nicht aus dem Gesichtspunkte der Geschäfts¬
führung ohne Auftrag zu beurteilen ist. Denn Voraussetzung für
diese bleibt immer, dass ein fremdes Geschäft besorgt wird und
dass der Geschäftsführer seinen Willen, das von ihm besorgte
Geschäft zu einem solchen zu machen, in erkennbarer und
zuverlässiger Weise äusaert. Es liegt daher eine Ge¬
schäftsführung ohne Auftrag nicht vor, wenn jemand
ein fremdes Geschäft als sein eigenes besorgt (vergl.
§ 687 Abs. 1 B. G. B., Prot. 2, 742). Der Arzt, der ein Kranken¬
kassenmitglied behandelt, wird in den seltensten Fällen den Willen
haben, namens der Kasse ihm seine Hilfe zu gewähren, sondern
in der Regel ausschliesslic^h aus eigenem Interesse oder aus Rück¬
sichten, die in der Person des Kranken liegen, diesem seine Dienste
leisten. Auch ist zu berücksichtigen, dass er an sich überhaupt
nicht im Interesse der Kasse tätig wird, sondern nur die Ver¬
richtungen des Kassenarztes wahrnimmt, welcher sonst die von
dem ausserhalb der Kasse stehenden Arzte besorgten Geschäfte
zu verrichten gehabt hätte.
Können nach vorstehenden Ausführungen die Grundsätze der
Geschäftsführung ohne Auftrag an sich nicht ohne weiteres An-
wendtmg finden, so muss der Anspruch jener aus demRechts-
grunae der ungerechtfertigten Bereicherung für zu¬
lässig angesehen werden. Denn eine Bereicherung liegt auf
Seiten der Beklagten insofern vor, als die ihrem Kassenmitgliede
von den Klägern gewährte ärztliche Hilfe einen Vermögensvorteil
darstellt, welchen ihr, da sie an sich dem Mitgliede die Hilfe zu
verschaffen hatte, sonst, ohne eine Gegenleistung ihrerseits dafür
aafzuwenden, znfiiessen würde. Hierbei ist es ohne Belang, dass
die Bereicherung an sich auf dem Willen der Kläger beruht, in¬
dem diese ihre Dienste der Frau H. aus freien Stücken gewidmet
haben; denn dieser Vorgang steht an sich der Annahme einer auf
Seiten der Beklagten bei dem Fehlen einer Gegenleistung dennoch
^undlosen Bereicherung nicht entgegen. Auch wird der Be¬
reicherungsanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Kassen-
mitglied, welches den Klägern gegenüber aus dem Dienstvertrage
verhaftet ist, seinerseits einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte
hat, von dem es in Hinblick auf § 10 der Statuten Übrigens
zweifelhaft ist, ob derselbe an die Kläger überhaupt könnte ab¬
getreten werden. Denn der Bereicherungsanspruck ist kein subsi¬
diärer, der erst dann erhoben werden könnte, wenn auf andereWeise
Ausgleich des entstandenen Vermögensnachteils nicht zu erlangen
ist. Vielmehr ist, wie auch das R.-G. 48, 143 annimmt, der Be-
reichernngsanspruch ein selbständiger, dessen Geltendmachung dann
statthaft ist, wenn der für ihn vorausgesetzte Tatbestand ge¬
geben ist.
Da Gegenstand der Bereicherung endlich jedes einen Ver¬
mögenswert besitzende wirtschaftliche Gut bilden kann, dieses
Merkmal auf die geleisteten ärztlichen Dienste zutrifft, die dafür
beanspruchte Vergütung der Höhe nach auch nicht bemängelt ist,
war in Uebereinstimmung mit dem Vorderrichter aus den von ihm
ausgeführten Gründen der Anspruch der Kläger für begründet zu
erklären und die Berufung der Beklagten, wie geschehen, zurück¬
zuweisen.“
Periodische Literatur.
Wiener klinische Wochenschrift. 1906. i^o. 46.
1. Chrobak: Zar Frage der Drainage.
Es ist zu unterscheiden zwischen der Röhren- und Stoff¬
drainage. Die erstere ist immer eine Ableitungs-, also eine wirk¬
liche Drainage, während bei der zweiten die Ableitung von Flüssig¬
keit zurücktritt und es sich meist um Sickerung vor Blutung,
Ausfüllung toter Räume handelt, wobei natürlich auch die Ab¬
leitung der Sekrete berücksichtifirt werden muss, weshalb nur
Stoffe zur Verwendung gelangen, die das vermöge ihrer Kapillari¬
tät zu tun vermögen. Diese Drainage ist am besten als Tampon¬
drainage zu bezeichnen. Das Vertrauen auf die keimtötende und
resorbierende Tätigkeit des Peritoneums hat veranlasst, dass die
Drainage des Peritoneums immer mehr eingeschränkt worden ist.
Man bemüht sich, ins Becken eingeführte Gaze gegen das Peri¬
toneum durch Vereinigung der Serosa abzuscbliessen, wodurch
freilich tote Räume geschaffen werden, die Tampondrainage er¬
fordern ; hierfür eignet sich in hervorragender Weise die vaginale
Drainage. Uebereinstimmend mit der seinerzeit von Olshausen
ausgesprochenen Meinung hält Ch. die Drainage für überflüssig
bezw. schädlich, wenn es sich um Zurücklassung von Resten nicht
eitrigen Gewebes handelt. Ebenso ist die Drainage zu unterlassen
bei malignen, nicht völlig exstirpierbaren Tumoren, vorausgesetzt,
dass sich an denselben nicht gerade eitrige Partien finden. Meist
handelt es sich da nm Blutungen, zu deren Beherrschung die Aus¬
stopfung angewandt werden soll; da ist vorübergehende Kom¬
pression vorzuzieben, weil die Tamponade nicht wirksam herzn-
stellen ist, da in dem zerfallenden Gewebe der notwendige Druck
nicht herzustellen ist, und da die Anwendung der Gaze bei Gar-
cinomen gefährlich, weil den Zerfall begünstigend, ist. Die eigent¬
liche Drainage durch Röhren oder durch Gaze, bezw. Dochte,
findet Verwendung bei eiterenthaltenden oder -produzierenden
Höhlen und Geweben; sie dient nicht nur der Portschaffang der
infektiösen Stoffe, sie gestattet auch die Anwendung von desinfizie¬
renden Injektionen. Die Verwendung der Gaze als Material zur
Ausstopfung (Tampondrainage) mit gleichzeitiger Sicherung der
Sekretableitung kommt häufiger in Betracht; ihre Domäne ist die
Ausfüllung toter Räume, Stillung von Blutung aus Parenchymen,
Höhlenwunden etc. Grosse Vorsicht ist angezeigt bei der Behand¬
lung der nach der Röhren- und Stoffdrainage öfter übrigbleibenden
fistulösen Gänge; oft sind ihre Wandungen sehr dünn, nur von
Darm oder Blase -gebildet, und bei energischem Eingreifen können
diese Organe leicht verletzt werden.
2. Knapp, Prag: TTeber einige pathologuoh-anatomische
Befände an Longen asphyktisoli Geborener.
In den Lehrbüchern der pathologischen Anatomie und der
gerichtlichen Medicin findet sich bezüglich der Befunde an Lungen
asphyktisch verstorbener Neugeborener überall das makroskopische
Verhalten in den Vordergrund gestellt; Darstellungen des mikro¬
skopischen Verhaltens, welches vor allem, hinsichtlich der Aetio-
logie des Zustandes der Atelektase, Aufklärung zu verschaffen ge¬
eignet ist, werden gänzlich vermisst. K. stellt eine Reihe von
nach mikroskopischen Bildern gefertigten Zeichnungen solcher
Befunde zusammen. Sie betreffen: fötal-atelektatische und Juft-
haltige Lungen Neugeborener, einen Fall intrauteriner Aspiration
von Pruchtwasserbestandteilen, einen solchen von Blutaspiration,
einen Pall von Lungenoedem (gleichzeitig mit Emphysem kombiniert),
einen solchen von Bronchitis mit konsekutiver fiyperaemie und
interstitiellem Emphysem, endlich je einen Fall von Aspirations¬
pneumonie und kongenitaler Pneumonia alba.
3. Fleisckmann, Wien: Zar Indikatioader Seotio caesarea.
Bei der geburtshilflichen Indikationsstellung verdient nicht
nur die Narbenstenose nach unbehandelten oder operierten Blasen¬
scheidenfisteln als solche Berücksichtigung, sondern auch die Fistel
selbst. F. berichtet über einen Fall, bei dem es gelungen war,
eine fixierte Blasenscheidenfistel durch acht operative Eingriffe
zum völligen Verschluss zu bringen, und wo dann die nach einigen
Monaten erfolgende Entbindung durch Sectio caesarea vorgenommen
wurde, um nicht die junge Narbe einem derartigen Tranraa, wie
es die Dehnung durch den Kindesschädel darstellt, auszusetzen.
4. Gioseffi, Polar Zur Halariaepidemiologie im südlichen
Istrien im Jahre 1906.
Für die Beurteilung der Schwere, die ein Epidemiejahr er¬
reicht, sind drei Momente von epidemiologischem Wert heranzu-
ziehen, 1. die Perniciosität, d. h. die Zahl der während eines Jahres
beobachteten pernieiösen MalariafUlle, 2. die Rezidivität, 3. die
Proportion zwischen dem schweren Tertianafieber (Aestivo-autumnal-
Fieber) und dem leichten (Frühlingstertiana). Die Beobachtungen
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 49.
in Pola ergaben im Jahre 1905 bei 136 akuten Malariafällen
einen perniciösen Fall. Rezidive an Frühlingstertiana kamen in
den meisten Monaten vereinzelt vor; für die schwere Tertiana lag
die intensive Periode von August bis November, für Quartana im
Oktober und November. Bezüglich der Neuinfektionen (dahin
wurden gerechnet Fälle bei Neugeborenen und bei Personen, die
aus malariafreien Gegenden stammten oder bestimmt eine frühere
Erkrankung verneinten) kamen auf 32 Fälle von Frühlingstertiana
2, auf 77 der schweren 21. Das Verhältnis der Frühlingstertiana
zu den Aestivo-autumnalfieber-Fällen stellte sich auf 40 : lOÖ. Das
männliche Geschlecht überwog bei den Erkrankungen um ein Be¬
deutendes. Die relativ hohe Zahl der Neuinfektionen, Hartnäckig¬
keit der Rezidive, die ftlr das schwere Tertianafieber hohe Pro¬
portion und der Fall von pemiciöser Malaria stempelte das Beob-
achtungsjahr als das einer schweren Malariaepidemie. Das zeigt,
dass die in den letzten Jahren in Istrien vorgenommenen As-
sierungsverauche nur von geringem Erfolg gewesen. Für eine er¬
folgversprechende Wiederaufnahme des Bekämpfungswerkes dürfte
Vorbedingung sein, eine viel strengere sanitäre Ueberwachung aller
aus Malariagegenden stammenden und zugereisten Personen und
dann eine viel genauere Kenntnis über die Intensität, die die
Malariainfektion in den einzelnen Gegenden erreicht, und über die
geographische Verbreitung der Malariaparasiten, Kenntnisse, die
nur zu erlangen sind bei Einführung der obligatorischen Anzeige¬
pflicht, die jeden auch nur malariaverdächtigen Fall zur Anzeige
bringt und genaue Untersuchung ermöglicht.
5. Weisz, Alland: Die Kombination von Hilohsänrebe-
handlung und Sonnenbeliohttmg bei einem tuberkulösen Geschwüre
der Unterlippe.
Es wird über einenjPatienten berichtet, bei dem ein tuber¬
kulöses Geschwür im Kehlkopf durch Sonnenbelichtung prompt zur
Heilung kam, dagegen eine tuberkulöse Ulceration an der Unter¬
lippe durch diese Behandlungsmethode gar nicht beeinflusst wurde;
ebensowenig vermochte eine Behandlung mit Milchsäure diesem
kontinuierlichen Wachstum Einhalt zu tun. Erst die Kombination
beider Faktoren, Sonnenlicht und Milchsäure, bnichte auflallend
rasche Besserung. Eine Erklärung dafür ist wohl darin zu sehen,
dass die Milchsäure die Reinigung des Geschwürsgrundes von
seinem eitrigen Belag bewirkt, und nun die Sonnenstrahlen ihre
Wirkung auf den unmittelbar blossliegenden Grund des Geschwüres
entfalten können.
Zypkin, Moskau: üeber psendoohylöse Erg^üsse.
Entgegnnng auf den Artikel Joachims in No.39 dieser W.
Aerztliche Rundschau. Nr. 45. 1906.
Adamkiewicz, Wien: üeber die Umwandlung des Krebses
in Bindegewebe unter dem Einfluss des Kankroins.
A. erachtet es als festgestellt und nunmehr allgemeiner aner¬
kannt, dass die Krebszelle ein Tier, ein Protozoon ist, dass sie
durch bestimmte Gifte getötet werden kann, und dass der Krebs
durch sein Kankroin heilbar ist. Die anatomischen Veränderungen,
die den Krebstod begleiten, sollen in dem EIrsatz des Krebsgewebes
durch Bindegewebe bestehen. Diese bisher nur durch mikro¬
skopische Untersuchung von während des Lebens gewonnenem
Material bewiesene These glaubt er jetzt durch einen Sektions¬
befund an der Leiche erhärten zu können. Der Fall betrifft eine
Patientin, die wegen Rezidivs nach Amputation der carcinomatösen
Mamma angeblich von dem Chirurgen aufgegeben war, und bei
der dann A. ein carcinomatöses Infiltrat in der oberen Schlüssei-
beingrube durch Kankroininjektionen zum völligen Schwund brachte
und damit Heilung der Kranken herbeiführte. Die Patientin starb
nach V 4 Jahren an allgemeiner Kachexie. Die Autopsie soll nach
einem Briefe des Mannes der Patientin, der ausführlich wörtlich
als wissenschaftliches und menschliches Dokument mitgeteilt wird,
ergeben haben: beginnende Lungenentzündung und Embolie der
Lungenarterie, Carcinomknoten in einem Halswirbel, der da.s
Rückenmark komprimierte, und am Schlüsselbein eine Schwiele,
die aus gewöhnlichem Bindegewebe bestand. Die Heilbarkeit des
Krebses dorch Kankroin, ohne natürlich die Möglichkeit von Rezi¬
diven auszuschliessen, nnd die Verwandlung des geheilten Krebses
in Bindegewebe sind a. damit bewiesen.
Patentnachrichten.
Erteilungen.
269621. Milchflasche mit flurchBajonettverschlusekappe gebaltenemSaog-
bütchen. Fa. H. Steinberger, Leipzig.
269039. Aus Schalldämpfer, DnnkelbriUe und Fesseln für Bände und
Füsse bestehende Heilvorrichtang für Nervöse. Dr. Fritz Eleiosorgen,
Elberfeld.
269392. Saugglocke mit auswechselbarem, elastischem Aufsatzring.
Dr. Hans Blokusewski, Niederbreisig a. Rh.
269407. Pumpzerstäuber mit bajonettartig verstellbarem Verschluss.
Gehr. Seidel, Marburg a. Lahn.
270374. Binokulares Pupillometer (Apparat zum Vergleichen und
Messen der Papillen). Dörflel & Faerber, Berlin.
270373. Arbeitsspindel mit kugelförmigem Ansatz, der in entsprechend
^taltetem Lager eines zahnärztlichen Hand- oder Winkelstückes ruht.
Weber & Hampel, Berlin.
270636. Veranschaulicbungsapnarat zahnärztliche Zw^ke, be¬
stehend aus zwei, den Ober- und Unterkiefer darstellenden , die Zähne
tragenden Platten, welche an einem Stativ gelenkig befestigt sind. Richard
Bmnzlow, Brüssel.
270655. Instrumententisch mit in denselben eingebauten, die Tisch¬
platte samt Instrumenten erwärmenden Heizkörpern. The Dental Manu-
lacturing, Companv, Limited, London.
270662. Zahnstocher mit zum Schaft unter stumpfem Winkel äuge-
ordneter Spitze. Earl Zuscbneid, Erfurt.
270792. Vulkanisier-Apparat mit nebeneinander an^ordneten, zur
Aufnahme der zu vulkanisierenden Gebisse dienenden Küvetten. Carl
Höppner, Rostock.
270480. Gestrickte Leibbinde mit in den Rückenteil eingearbeiteten
Gummifllden. C. A. Roscher Nachf., Markersdorf b. Bnrgstädt i. S.
270527. Monatsverband mit vom breiter, hinten durob Scbenkelriemen
gehaltener Gummitascbe. Zittaner Bandagen&brik Max Wilke, Zittau.
270650. Verscblusspflaster mit Durcblassöffaung für die HamrOhren-
mUndung. Dr. Hugo L. E. Petersen, Hamburg.
Ueber Plttylen« ein neues Teerpräparat. Von Dr. Max Joseph.
(Dermatol. Centralbl. 9. Jahrg. No. 3.)
Im Pittylen ist der Formaldebyd durch Kondensation mit dem oKzinellen
Holzteer (Pix liquida) vereinigt. Durch diese Vereinigung ist zunächst der
Teer-Gerucb aufgehoben worden, die juckstillende und ebenso die kerato-
plastiscbe Wirku^ aber sind vollkommen erhalten geblieben. Gerade die
keratoplastische Wirkung setzte oft bei den bisherigen Teerpräparaten aus,
dieselbe war bisher eigentlich nur bei dem Liquor carbonis detergens anglicus
gut wahrzunebmen; daher betont J. bei dem Pittylen nicht zum mindesten
den Vorteil der keratoplastiscben Wirkung.
Sobald die ersten entzündlichen Erseneinungen g^bwunden sind, tritt
beim subakuten und in Sonderheit beim chronischen Ekzem das Pittylen in
Geltung, entweder in einer 2—10 Vollen Paste oder einer lOVoi^o Schüttel¬
mixtur. Namentlich kommt hier auch das impetiginöse Ekzem der Kinder in
Betracht.
«Eine unbedingte Ueberlegenheit“ nimmt J. für das Pittylen bei den
80 ausserordentlich hartnäckigen chronischen tylotiformen Ekzemen, und be¬
sonders dem Eeratom an Handteller, Fusssohleo, sowie dem Lichen chroni¬
cus Simplex in Anspruch.
Die von Unna eingefiihrten Paraplaste (10—60®/otF) bewährten sich
bei Nagelekzemen und bei Lieben ruber verrucosus.
Das S^/gige Pittylen-Aceton empfiehlt J. besonders für das Ekzem se-
borrhocium corporis und die Pityriasis rosoa, die 8 ®/oige Pittylentinktur bei
der Pityriasis versicolor, bei den urticariellen Prozessen und bei Strophulus
infantnm; für den Herpes tonsurans vesicnlosus zeigte sieb die Verwendung
des 5—10 Pittyleu-Collodiams empfehlenswert.
Eine bequeme Anwendungsform ergeben die ebenfalls vom Dresdener
Chemischen Laboratorium Lingner hergestellten Seiten, von denen drei Arten
im Handel erscheinen: Eine harte Pittylenseife (Pittylen - Natronseife 2, 5
und 10®/oig), eine Kali-Pittylenseife (sogen. Pittikaseife 2, 5 und IO®/oig), und
eine flüssige Pittylen-Ealiseife (10®/(4g)-
Diese drei Arten benutzte J. bei der Akne vulgaris je nach der Haut-
Reaktion. Die Pittylen-Natronseife genügte bei einfachen Unreinheiten
und als Toilettesoife; der Schaum der Kaliseife wurde Abends aufgetragen
und somit die Knötcbonbildung zur Erweichung gebracht; und bei der
hartnäckigen und indurierten Form wurde die flüssige Kaliseife eingepinselt
Diese Proceduren liessen bei den zahlreichen Fällen der Akne verschiedenen
Grades nicht im Stieb. A. R.
Berlehtigiing.
In der Arbeit von Dr. L. L. Einis in Nr. 43 des laufenden Jabrga^es
der Mediciniseben Woche ist die .Todquantität, welche der Autor zur Her¬
stellung seiner Salbe verwendet, irrtümlich mit 0,4 angegeben: es soll 4,0
heissen.
Veraatwortlicher Redakteur: Dr. P. Meistner, Berlin W, 61, KarfüritenatT. 81. — Veiantwortlich fUr den Inseratenteil: Der Verlag von Carl llarkold, Halle a. S.
Dmek von Har Hevnemann’schen Buchdmckerel, Gebr Wolff, Halle a. S
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Medicinische Woche
f
Oeatscbmann, A. Dflfansen, A. Hoff«, E. Jacob!«
Hamburg, Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Qiessen.
Herausgegeben von
R. Robert, M. Koeppen, K. Partscb, H. Rosio, H. Sehlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. UnTerricht, A. Votiias,
Magdeburg. Glessen.
* >
Verlag und Expedition
Redaktion:
Carl Marhold in Halle a« S*« Uhlandstrasse 6.
Berlin W. 62, Knrfflrstenatraaae
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Dr. P Meißner.
Vn. Jahrgang. lO. Dezember 1906. Nr. 50.
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der HtSgigen Beilage BalflCOlOgiSChC CCfltralzeitUngy Organ des Schwarzwaldbldertages,
des Verbandes der Deutschen NordseebBder, sowie des Vereins der BadeSrzte der Ostsee und kostet jSbrllcb 10 M., einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold In Halle a.S. entgegen. Inserate werden fOr die 4gespaltene Petitzeile oder deren Raum
mit 50 Pf. berechnet Beilagen nach Uebereinkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei größeren AuftrSgen wird Rabatt gewährt. ,
Nachdruck der Original-Aufsätze ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originaiien.
Uebcr die Wirkung des alten KocLsclien
Tuberkulins*).
Von Dr. med. G. Schröder, leit. Arzt, Schömberg.
Meine Herren!
Leider ist es mir nicht möglich. Ihnen bei der Kürze
Ihres Aufenthalts in Schömberg einen umfassenden Bericht
über irgend eine aktuelle Frage ans dem weiten Gebiete der
Tuberkuloselehre zu geben. Wir müssen uns beschränken,
skizzenhaft möglichst nur das Wichtigste vorzutragen.
Das alte Kochsche Tuberkulin spielt in der Phthiseo-
therapie wieder eine bedeutende Rolle. Es ist interessant, die
Wandlungen der Anschauungen über den Wert oder Nichtwert
dieses Mittels als Heilmittel gegen tuberkulöse Prozesse zu
verfolgen.
Im ganzen können wir feststellen, dass man mit der An¬
wendung des Tuberkulins beim Menschen — wir wollen hier
nur von dem sogen, alten Tuberkulin Kochs reden — viel
vorsichtiger geworden ist
Früher liebte man kräftige Reaktionen, sowohl allgemeine,
als auch lokale, jetzt halten die meisten nur die Lokalreaktion
für nötig, einige, unter ihnen Sahli, behaupten, dass jede
Reaktion schädlich sei, nur allerkleinste Dosen könnten Nutzen
stiften.
Die Begründung der Heilwirkung des Mittels ist in zwei
wesentlichen Punkten unvollkommen: 1. fehlt die einwand¬
freie anatomisch-pathologische Grundlage, welche
durch Sektionen behandelter Phthisiker und durch
Versuche an tuberkulösen Tieren hätte gewonnen
werden können; 2. ist die Theorie der Tuberkulin¬
wirkung überhaupt noch durchaus unsicher und
nicht feststehend. — Die Statistik über Heil- und
Dauererfolge kann allein nie zu Gunsten des Tuber¬
kulins entscheiden. Jede Statistik über Phthisiker
ist mehr oder weniger subjektiv und nach allen
Richtungen hin dehnbar.
Sie erinnern sich jedenfalls der lebhaften Debatten über
Tuberkulinwirkungen aus den 90er Jahren des vorigen Jahr¬
hunderts. Besonders denkwürdig waren sie auf dem Kongress
für innere Medicin in Wiesbaden im Jahre 1891. — Die patho¬
logischen Anatomen standen dem Mittel im ganzen skeptisch
gegenüber.
Ich nenne nurVirchow, Ziegler, Ackermann, Orth,
H ansemann, Israel. Man stimmte darin im allgemeinen
•) Vortra^f gehalten auf der VI. ärztlichen Studienreise.
überein, dass das Tuberkulin in der Ümgebnng d,er tuber¬
kulösen Herde akutere Entzündungen erregte, die ihrerseits zu
schnellerer Verflüssigung, Einschmelzungen und Ausstossnng der
Herde führen konnten. Darin lagen die Tnberkulinschäden
offen vor Äugen. Die Tuberkelbazillen selbst wurden weder
getötet, noch in ihrer Virulenz geschwächt, was auch Koch
nicht behauptet hatte. Er fasste vielmehr die Wirkung als
eine nekrotisierende auf und sah darin die spezifische Heil¬
kraft.
Eine Immunisierung der Behandelten gegen Tuberkulose
konnte auch nicht festgestellt werden. Nur Kitasato wollte
eine beschränkte Immunisierung von Meerschweinchen ermittelt
haben.
Unter den Autoren, die günstige Heilerfolge mit dem
Tuberkulin bei tuberkulösen Tieren erzielten, nehmen die
Schüler Kochs die erste Stelle ein. Wir erinnern an die
Versuche C. Spenglers, Kitasatos u. a. — Demgegenüber
lauteten die Urteile anderer Experimentatoren geradezu ver¬
nichtend. Französische Forscher, Baumgarten und seine
Schüler Roloff, Walz, Czaplewski, erzielten nur negative
Resultate bei tuberkulösen Meerschweinchen und Kaninchen.
Baumgarten und Walz drücken sich sarkastisch kurz so
aus: „Kleine Dosen bringen keinen Vorteil, und je grösser
man die Dosen nimmt, umso grösser wird der Nachteil.** Man
fand in der Regel eine stärkere Propagation und einen rapi¬
deren Verlauf des tuberkulösen Prozesses.
Wie stellt man sich nun überhaupt die Wirkungen des
Tuberkulins auf den menschlichen Körper vor?
Es sind darüber' die verschiedensten Theorien anfgestellt,
die wir hier nicht alle vorfuhren können.
Köhler hat sie in seinem Buche „Tuberkulin und Orga¬
nismus“ erst kürzlich eingehend geschildert. — Die Albumosen-
theorie von Matthes und Krehl hat vieKach Anklang ge¬
funden.
Weder eine Spezifizität der Reaktionskurven nach Tuher-
kulininjektionen. noch die Theorie von der spezifischen Ueber-
empfindlichkeit hat der Kritik standgebalten. Köhler glaubt,
„dass die fiebererregende Wirkung des Tuberkulins bei Tuber¬
kulösen im wesentlichen auf der Einverleibung fiebererregender,
eiweissartiger Substanz (Albumosen) basiert, die sich m Ver¬
bindung mit gleichartigen oder verwandten fiebererregenden
chemischen Substanzen, welche die tuberkulöse Infektion an-
gebäuft bat oder welche durch die freien Bazillen eliminiert
werden, kumuliert und allgemeines Fieber erzeugt“.
Alle diese Theorien treten neuerdings in den Hintergrund
durch die Versuche von Wassermann und Bruck.
Sie glauben durch Komplementbindung nachgewiesen zu
haben, dass in den tuberkulösen Organen Antituberkulin vor¬
handen ist. „Die spezifische Reaktion des tuberkulösen Ge¬
webes tritt ein. weil das Tuberkelbazillenpräparat durch seinen
Antikörper in das Gewebe hineingezogen wird und bei diesem
Vorgänge die gewebseinschmelzenden Kräfte des Organismus
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U2
lliiDlClNlSCäE WOCflE.
l^r. 50.
an dieser bestimmten Stelle konzentriert werden. Die Ab¬
stumpfung tritt ein, weil durch die Vorbehandlung mit Tuberkel¬
bazillenpräparaten Äntistoffe gegen diese im freien Blute auf-
treten, welche durch vorheriges Abfangen jene Präparate
hindern, in das tuberkulöse Gewebe zu gmangen.‘*
Für Bandelier*) ist diese Theorie ausserordentlich be¬
weisend für die spezifische Heilwirkung des Tuberkulins.
Lüdke**) hält dagegen das Mittel trotzdem noch nicht für ein
direktes Heil-, sondern cur für ein Unterstützungsmittel der
Heilkraft des Organismus.
Auffallend bleibt es, dass es Wassermann und Bruck
nio gelang, in irgend einem Stadium der chronischen Tuber¬
kulose des Menschen im Blute Antituberkulin nachzuweisen,
sondern nur in den tuberkulösen Geweben; wohl aber gelang
es Bruck bei der akuten Miliartuberkulose.
Tuberkulininjektionen können also das bei tuberkulösen
Menschen verursachen, was die Natur nur in den schlimmsten,
akutesten Formen der Tuberkulose hervorzurufen scheint.
Sollte in der Produktion und Ausschwemmung von Antituber¬
kulin überhaupt eine nützliche Einrichtung des Organismus
erblickt werden müssen? Diese Frage wollen wir offen
lassen.
Die Wassermann-Brucksche Theorie ist durch die
Untersuchungen von Weil und Nakaiama***) erschüttert
worden.
Diese Autoren glauben an der Hand von einschlägigen
Experimenten, dass in den tuberkulösen Herden sich nur
Extraktivstoffe von Tuberkelbazillen finden, die allein und zu¬
sammen mit dem injizierten Tuberkulin komplementbindend
wirken können.
Antituberkulin braucht also gamicht in den tuberkulösen
Geweben vorhanden zu sein.
Wir wollen zum Schluss noch erwähnen, dass eine durch
Tuberkulin gesteigerte Agglutininbildung durchaus nicht als
ein besonderer Heilfaktor angesehen werden darf. Auch wissen
wir noch zu wenig darüber, ob die nach Tuberkulinein-
spritzuogen beobachtete Vermehrung der Opsonine Wrights,
welche die Tuberkelbazillen zur leichteren Verdaulichkeit für
die Leukozyten vorbereiten sollen, wirklich eintritt und ihre
angenommene Bedeutung hat.
Wichtiger erscheinen uns die Blutuntersuchungen Arneths.
Dieser Autor fand eine deutliche Besserung des Bildes der
*) Brauers Beitr. z. Klin. d. Tab., Bd. 6, Heft 1 a. 2.
**) Ebenda.
•••) MUnch. med. ‘W’ochonschr. Nr. 21, 1906.
Feuilleton.
Aus feindlichen Lagern.
Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung.
Von Oberstabsarzt Dr. Neuinailll-Bromberg.
(Fortsetzung.)
Glücklicherweise fehlt es in den Reihen der unentwegten
Nalurheiler nicht an Stimmen, welche Wasser, ein den Natur-
heilern ja sehr adaequates Remedium, in den schäumenden
Wein der siegesfrohen naturheilerischen Phrase und Jubel¬
stimme giessen. So sagt der bekannte politische Publizist
Carl Jentsch — eine Säule der Naturheilkunde nach den
Worten Philos von Walde — in der Zukunft folgendes:
„Die Naturheilvereine haben den grossen Fehler begangen,
dass sie sich nicht, ihren eigenen Grundsätzen gemäß, auf das
Amt von Gesundheitsräten beschränkt, sondern selbst auf die
Heilkunst verlegt haben, was dann natürlich zur Kur¬
pfuscherei geführt hat und manchmal in einen mit gross-
artiger Reklame betriebenen ,Schwindel‘ ausgeartet ist.“
Dass die gegenwärtige Kurpfuscherei fast ausschliesslich
unter dem Bild und im lernen der Naturheilmethode auftritt,
ist eine Tatsache, deren Existenz die Naturheilzeitschriften gern
neutrophilen Leukozyten nach Tuberkulinbehandlung. — Diese
Untersuchungen bedürfen noch einer eingehenden Nachprüfung.
So ist momentan der Stand der theoretischen und experi¬
mentellen Tuberkulinforschung.
Ich möchte Ihnen nun mit wenigen Worten noch über
einige eigene Tierversuche Mitteilung machen. Ich beab^i^
tigte, zu prüfen, ob wir es bei der Tuberkulinwirkung h^^p
sächlich mit einer Albumosenwirkung zu tun haben. Tch^iP
handelte in den letzten zwei Jahren zu dem Zwecke eine Reihe
von Meerschweinchen und Kaninchen, die mit möglichst
gleichen Dosen Infektionsstoff infiziert waren, z. T. mit dem
alten Kochschen Tuberkulin, z. T. mit einer reinen Deutero-
albumose nicht bakteriellen Ursprungs.
Die Dosierung der beiden Mittel war stets gleich.
Im allgemeinen wurde mit den Dosen langsam ange¬
stiegen, in einzelnen Fällen kamen grössere Dosen nach dem
Vorgänge Spenglers zur Verwendung.
Die Ergebnisse waren folgende:
Vor allem bei den behandelten Kaninchen, sowohl bei
den mit Tuberkulin, als auch bei denjenigen, die mit Deutero-
albumose behandelt waren, zeigte sich der tuberkulöse Prozess
in einem vorgeschrittenen Stadium. Die Verkäsung, die pneu¬
monische Verdichtung, die Neigung zur Einschme^ung, kalk-
einlagernngen traten mehr in den Vordergrund.
Die Lebensdauer der behandelten Tiere war nicht wesent¬
lich grösser als diejenige der Kontrolltiere. Von einer Heil¬
wirkung konnte keine Rede sein.
Das Bild der allgemeinen schweren Tuberkulose war im
Gegenteil bei den behandelten Tieren noch ausgesprochener,
die Krankheit machte bei ihnen einen noch bösartigeren Ein¬
druck als bei den Kontrolltieren. Besonders bemerkenswert
ist, das.s die gesunden Teile der Lunge oftmals Anzeichen von
Entzündung zeigten.
Die Organe der Versuchstiere und eine Reihe histologi-
sclier Präparate habe ich zur Einsichtnahme in dem Labora¬
torium meiner Anstalt aufgestellt und werde sie dort demon¬
strieren lassen. — Interessant ist die Tatsache, dass die Deutero-
albumose auch ähnliche deletäre Wirkungen auf die Versuchs¬
tiere gehabt hat, als das alte Tuberkulin. Wir können also
hier von einer schädigenden Einwirkung fremdartiger Eiweiss¬
stoffe auf die tuberkulösen Tiere sprechen.
Ein Unterschied war aber in der Tuberkulin- und Albn-
mosenwirkung zu ermitteln. Spritzten wir den Tieren, die
mit Tuberkulin behandelt waren, die jeweilig erreichte
höchste Dosis Deuteroalbumose ein und den mit Albumose
ableugnen möchten. Gerade die Bücher, für welche nach der
bekannten Keissigschen Statistik das deutsche Volk in
wenigen Jahren 14 Millionen ausgegeben hat, wie die Werke
vonBilz, Platen, Fischer-Dünkelmann usw., segeln alle
unter dem vielverheissenden Motto: Neue Heilmethode, die
Schulmedicin, so heisst es frech und kühn, hat abgewirtschaftet,
eine neue Heilaera ist angebrochen usw. nsw. und wenn man
Gelegenheit gehabt hat, als stiller Beobachter Versammlungen
der Naturheiler beizuwohnen, so erfahrt man als Fachmann za
seinem grössten Erstaunen, dass alle die neuen Errungen¬
schaften der Medicin, die moderne Hygiene, die Prophylaxe,
der Kampf gegen den Alkoholismus, gegen die Säuglingssterb¬
lichkeit, die Hygiene der Wohnung usw. lediglich, aber nur
lediglich, der Naturheilkunde zu verdanken seien 1! Die Aerzte,
so wurde z. B. in Breslau auf einer Naturheilerversammlong
behauptet, verschreiben lediglich Rezepte; Hygiene ist ihnen
unbekannt usw.
Es ist das Verdienst des Deutschen Vereins für Volks¬
hygiene und der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des
Kurpfuschertums gewesen, dass sie darangegangen sind, durch
Aerzte, die auf dem Standpunkt der „sogenannten Schulmedicin“
stehen, eine Aufklärung des Volkes zu schaffen.
Die Mehrzahl der Aerzte hat diesem danaidenhaften Be¬
ginnen und dieser Sisyphusarbeit teils teilnahmslos, teils
achselzuckend zugesehen, teils hat sie ihr feindlich gegenüber¬
gestanden. Indes tempora mutanturl Man hat aOmählich
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1906.
MEDICmiSCHE WOCHE.
549
behandelten Tieren die entsprechende Tnberkulindosis. so
zeigten die Albumosentiere keine wesentliche Aügewöhnnng
an Tuberkulin, umgekehrt die Tuberkulintiere fast keine
^aktion auf Denteroalbumose. Die Kontrolltiere reagierten
jedesmal stark auf die betreffende Tuberkulindosis.
Die Allgemeinwirkung der beiden Stoffe ist also nicht
gleich. Die lokale Beeinflussung des tuberkulösen Prozesses
dagegen zeigt Aehnlichkeiten.
Genaueres über unsere Versuche werden wir in Brauers
Beiträgen zur Klinik der Tuberkulose mitteilen. Heute bitte
ich Sie, mit diesen kurzen Andeutungen vorlieb zu nehmen.
Bei der noch durchaus unsicheren theoretischen Begrün¬
dung d^r Heilwirkung des Tuberkulins und der völlig fehlen¬
den Heilwirkung bei tuberkulösen Tieren ist der skeptische
Standpupkt diesem Mittel gegenüber jedenfalls berechtigt. Wir
haben ihn stets geteilt. Schädigungen des Kranken sind bei
der 80 ausserordentlich verschiedenen individuellen Empfind¬
lichkeit dem Mittel gegenüber nie auszuschliessen, auch nicht
bei Torsichtigster Dosierung, Ob es einen Sinn hat, einen
Phthisiker durch Anwendung kleinster Dosen nach Sahli gift¬
fest zu machen, ist deshalb fraglich, weil diese Giftgewölinung
nur kurze Zeit dauert, und wir durchaus nicht wissen, ob mit
ihr irgend ein Heileffekt verbunden ist. Nach den Untersuch¬
ungen und Beobachtungen Lüdkes bleibt es ungewiss.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medidnische Gesdlachofl,
Sitzung vom 14. November 1906.
Vor der Tagesordnung demonstriert Pick Präparate von
intestinalem Milzbrand. Der betreffende Patient war unter dem
Bilde einer schweren Intoxikation, das am meisten dem einer
Embolie der Mesenterialgefässe glich, verstorben. Die Autopsie
ergab starke blutige Infarcierung des Mesenteriums; nach einer
Embolie der Arterien wurde aber vergeblich gesucht. Aufklärung
gab dann die Sektion des Darmes; im Jejunum und Ileum wurden
zahlreiche auf der Höhe der Schleimhautfalten sitzende Anthraxkar-
buukel gefunden. Der seltene Befund ausgedehnterer Nieren-
blutungen und einer nur wenig vergrosserten Milz mit einer knoten¬
förmigen haemorrhagischen Nekrose wurde weiter erhoben. Nach¬
doch in Aerztekreisen, bei den ärztlichen Behörden, bei den
maßgebenden ärztlichen Persönlichkeiten, die an der Spitze
angesehener ärztlicher Korporationen stehen, eingesehen, dass
das kleine Samenkorn, das einige beherzte ärztliche Männer
— ich nenne Reissig-Hamburg, Alexander-Breslau, Beer¬
wald-Berlin, Kantor-Warnsdorf streuten, doch der Pflege
wert sei. Sehr angesehene Aerzte, wie Leyden, Bergmann,
Hübner, Ewald, Waldeyer, Ortli, Kurscbmann,
Schottelius, Schrötter, Grawitz, Hausemann, Gruber,
Eichhorst u A verschmähten es nicht, in Buch und Zeit¬
schrift „populär'‘ zu schreiben: es entstanden die ,.Blätter für
Volksgesundheitspflege“, das Organ des Deutschen Vereins für
Volkshygiene, die Bibliothek der Gesundheitspflege im Ver¬
lag von Ernst Heinrich Moritz in Stuttgart, die Witt-
hauersche Sammlung, es erschien das Reissigsche ärztliche
Hausbuch, von mir der Autibilz, s. Z. genannt, weil es im
Gegensatz zu den Bilzbüchern wahre Aufklärung verbreitete,
es erschienen die Bücher von Kersten {die beiden Geschichten
der Medicin), von Vorberg (Kurpfuscher, eine zeitgemäße
Betrachtung), von Rubner (Üeber Volksgesundheitspflege und
medicinlose Heilkunde), von Tschlenoff (Naturheilkunde und
wissenschaftliche Medicin), ferner von Lobedank (Ist die
wissenschaftliche Medicin zünftig? eine Antwort an das
Phrasentum), die Bücher von Ebstein (Charlanterie und Kur-
fuscher im Deutschen Reich) usw. Henry Graack gab eine
ammluDg von deutschen und ausländischen Gesetzen und Ver¬
träglich fand sich noch ein abgebeilter Karbunkel am Hals. Ob
hier die Eingangspforte filr die Infektion war, oder Haut- und
Darmanthrax gleichzeitig entstanden waren, liess sich nicht sicher
feststellen.
Neumann gibt einige Erläuterungen bezüglich der klinischen
Diagnose des Falles und hinsichtlich seiner Nachforschungen über
die Aetiologie, die volle Klarheit schaffen.
Rothschild und Rumpel demonstrieren Querschnitte von
Wachs- resp. Paraffinstemen der Blase, über die in der vorigen
Sitzung berichtet wurde.
Tagesordnung:
Landau: Ueber den primären Krebs der Appendix.
Bei einer Myomoperation entfernte L. die krank erschei¬
nende Appendix mit und fand in derselben ein erbsgrosses Carcinom.
Solcher Fälle sind bisher 58 beobachtet, fast immer als zufälliger
Befand bei Autopsien oder als Ueberraschung bei Operationen.
Viele waren sehr klein, von knotiger oder ringförmiger Gestalt;
sie sitzen meist an der Spitze. Metastasen sind selten beobachtet.
Histologisch bieten sie die gewohnten Typen, am häufigsten das
Carcinoma Simplex. Eine Periappendicitis wurde meistens dabei
beobachtet. Eine eigene Symptomatologie hat das primäre Appen-
dixcarcinom nicht; das klinische Bild ist identisch mit dem der
Appendicitis. Recidive sind bisher nicht beobachtet. L. plaidiert
dafür, bei jeder das Abdomen eröffnenden Operation die Appendix
zu revidieren und sie, wenn sie irgendwelche Veränderungen zeigt,
zu entfernen.
Lewin: Ueber Acokanthera Schimperi als Mittel
bei Herzkrankheiten.
Der grösste Teil der Pfeilgifte sind Herzgifte. Ein in Ost¬
afrika weit verbreiteter Baum ist die Acokanthera. Daraus wird
ein Gift gewonnen, das von enormer Wirksamkeit ist und schon
in kleiner Menge die grössten Urwaldtiere durch jähe Herzlähmurg
tötet. Ein französischer Forscher hat daraus ein Glycosid, Ouabain
in krystallinischer Form hergestellt. L. selbst hat aus ostairika-
nischem Pfeilgift und der Acokanthera Schimperi das Ouabain in
amorpher Form gewonnen, in der es noch wirksamer als in kry¬
stallinischer ist. Es ist chemisch verwandt dem Strophantin. Sein
Wirkungswert ist aber bedeutend höher als der des Strophantin
und der Digitalisprodukte. Es verlangsamt die Pulszahl, erhöht
den systolischen Austrieb und bewirkt eine kräftigere Füllung der
Gefässe. Bei Herzkrankheiten, wo Digitalis und Strophantus ver¬
sagen, dürfte es als Ersatzmittel zu verwenden sein. P.
Ordnungen, die Bekämpfung der Kurpfuscherei und die Aus¬
übung der Heilkunde betreffend, heraus, die er durch die
eingehende Schrift: Kurpfuscherei und Kurpfuschereiverbot
(Gustav Fischer, Jena, 1906)neuerdings wesentlich ergänzte.
Dieses Buch fasst eigentlich alles über Kurpfuscherei Wissens¬
werte zusammen. Der Ortsgesundheitsrat Karlsruhe liess
eine amtliche Sammlung seiner öffentlichen Warnungen gegen
die Kurpfuscherei und den Heilmittelschwindel erscheinen, die
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung des Kurpfuschertums
gab sieben Vorträge heraus (Verlag von W. Back, Strass¬
burg i. E.), die in trefflicher Weise das Kurpfuschertum und
die mit diesem identische Naturheilmethode bekämpften, die
Veröffentlichungen des Deutschen Vereins für Volkshygiene
(Oldenbourg, München) widmeten sich in eingehender Weise
der Bekämpfung der Kurpfuscherei, des Aberglaubens und
suchten Aufklärung auf dem medicinischen Gebiete zu ver¬
breiten. Die Zeitschrift: „Die Gesundheit in Wort und Bild“,
herausgegeben von Dr. med. Weissbein und Dr. med. Lip-
liawsky in Berlin (Verlag von Ad. Haussmann, Berlin,
Kochstr. 67) schuf eine Belehrungsquelle, zu welcher die ersten
ärztlichen Autoritäten Beiträge stifteten. So hat der bekannte
medicinische Publizist, Sanitätsrat Dr. L. Fürst, Berlin, in der
letzten Monatsnummer in einem Artikel: „Volksgesundheitslehre,
praktische Hygiene und Staatswohl“, sehr interessante Studien
angestellt. (Fortsetzang folgt.)
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544
MfiDICiNiSCHÄ WOCHB.
Nr. 60t
ÄenttliA^r Verein i/n Sa/n^mvrg*
(Biologische Abteilung.)
Sitzung vom 6. November 1906.
Vorsitzender: Herr Nonne.
1. Herr Friedrich: „Ueber Aortenrupturen und eine
Ruptur der Arteria ooronaria.“ An der Hand dreier Falle
auf traumatischer Basis — ein Fall war mit doppelseitiger Coronar-
zerreissung kombiniert — bespricht der Vortragende das Zustande¬
kommen dieser Verletzung und demonstriert Präparate. Herr
Fraenkel weist auf die Spontanrupturen hin und erinnert an
die Aortenspontanruplur durch Erhöhung des Blutdrucks, infolge
psychischer Erregung: ein junger, kräftiger Arbeiter, der wegen
einer leichten äusseren Verletzung im Eppendorfer Krankenhaus war,
wollte gern entlassen werden; als ihm seine Entlassung nicht so¬
fort gewährt wurde, ging er auf das Bureau und fiel dort plötz¬
lich während des Wortwechsels tot um. Die Section ergab eine
Sp-jutanruptur der sonst gesunden Aorta. Ferner sah er vor
kurzer Zeit bei einer Section multiple Spontanrupturen, die teil¬
weise geheilt waren.
2. Herr Fraenkel; „Ueber Gascysten im Hirn.“ Die
Cysten im Hirn sind meist apoplectische; eine andere Art entsteht
durch cystische Tumorbildung, primär sowohl als metastatisch.
Diese Hohlraumcysteu, in deren Umgebung massenhaft Bakterien
gelunden werden, wurden 1870 von Clark zuerst beschrieben
(Schweizerkäsehirn). Experimentell hat F. nachgewiesen, dass sich
diese Hohlräume auch postmortal entwickeln können. Herr Nonne
weist auf die Analogie im Rückenmark hin, bei der sogenannten
Caissonkrankheit, die auftritt, wenn die Caissonarbeitor zu schnell
au die Oberfläche kommen. Es handelt sich dabei um multiple
Nec.robiosen; die Gefäße thrombosieren, um sie herum bilden sich
Necrosen. Die Thromben entstehen stets nur in der weissen
Substanz und da nur in den Seitensträngen; es ist also eine Myelitis
dorsalis transversa.
3. Herr Hirschstein berichtet über eine im Laboratorium
der inneren Abteilung des Altonaer Krankenhauses (Prof. Umber)
durchgeführte Untersuchungsreihe, betreffend die „Beziehungen
des Gly kokolls zur Harnsäure mit besonderer Berück¬
sichtigung der Gicht.“ Nachdem Vortragender kurz den
Stand der Aminosäurenforschung zu Beginn der Versuche skizziert,
die es wahrscheinlich gemacht hatte, dass das bei der Gicht, der
Leukaemie und der Pneumonie in der Krise gefundene Glykokoll
nicht einemi Eiweisskörper, sondern der Harnsäure entstamme, geht
er auf die eigenen Versuche ein, die auf experimentell-pathologi¬
schem Wege den Zusammenhang zwischen Harnsäure und Glyko¬
koll aufklären sollten. Es wurde in drei Reihen an gesunde, bei
purinfreier Kost gehaltene Personen, mehrere Tage lang bis zu
18 g Harnsäure per os verfüttert; als Folge davon erschienen regel¬
mäßig am zweiten bis vierten Tage nach Beginn der Harnsäure¬
fütterung grössere oder geringere Glykokollmengen im Harn, um
allerdings, trotz fortgesetzter Harnsänrezufuhr, später wieder zu
ver.schwinden. Auch die Fütterung mit in Form von Kalbsthymus
zugeführten Nukleinsubstanzen ergab einen positiven Ausschlag.
Ein in gleicher Weise durchgeführter Versuch bei einem Gichtiker
Hess die eigentümlichen Beziehungen des Glykokolls zur Harnsäure
bei dieser Erkrankung klar erkennen. Hier sowohl wie in späteren
längere Zeit durchgeführten Beobachtungsreihen von Gichtikem
zeigte sich die auffallende Erscheinung, dass bei purinfreier Er¬
nährung Glykokoll- und Harnsäureausscheidung in den meisten
Fällen von Gicht entgegengesetzt verlaufen, dass der Hamsäure-
retentionsperiode eine Glykokollausscheidung enUprioht, während
bei der reichlichen Harnsäureausschwemmung im Anfall das Glyko¬
koll aus dem Ham verschwindet. Bei der Leukaemie und Pneu¬
monie ging die Ausscheidung beider Körper dagegen im wesent¬
lichen parallel.
Auch auf rein chemischem Wege konnte der Zusammenhang
von Harnsäure und Glykokoll erbracht werden und zwar dadurch,
(lass es durch Alkalieinwirkung schon in der Kälte gelang, aus
reiner Harnsäure nicht unerhelfiiche Mengen von Glykokoll abzu¬
spalten.
Damit ist der Beweis erbracht, dass das im Harn bei patho¬
logischen Zuständen erscheinende Glykokoll ein Spaltprodukt der
Harnsäure and als Ausdruck der HarnsäureUberladung des Organis¬
mus anfzufassen ist, eine Tatsache, die eventuell für die Gicht¬
diagnose von Bedeutung sein kann.
Die näheren Einzelheiten sind in der in der „Zeitschrift ftir
experimentelle Pathologie und Therapie“ erscheinenden Original¬
arbeit nachzulesen (Autoreferat).
In der Diskussion bemerkt Herr Umb er, dass, da wir heute
über die Gesetze des HarnsäurestofFwechsels bei der Gicht genügend
orientiert sind, wir auch die Aufgabe haben, auf dieser Grundlage
in konsequenter Therapie der bei dieser Erkrankung bestehenden
Harnsäureüberladung entgegen zu wirken. Eine Uber längere oder
kürzere Zeiträume sich erstreckende individuell angepasste parinfreie
Ernährung ist zweifellos imstande, die gichtischen Erscheinungen
in günstiger Weise zu beeinfiussen. Schönewald.
Gesetlschaft der Aerzte zu Mannheim,
Sitzung vom 19. November 1906.
Adolph: Neues zur Lehre vom Glaukom.
Das Wesen dieses verderblichen Augenleidens ist bisher noch
sehr wenig bekannt. Küsel in Königsberg hat eine neue Theorie
aufgestellt, nach der sich die Erscheinungen des Glaukoms in un¬
gezwungener Weise erklären und sich insbesondere seine verschie¬
denen Formen zueinem einheitlichen Krankheitsbilde vereinigen lassen.
Nach V. Graefe lassen sich die Symptome des entzündlichen und
des nichteiitzündüchen Glaukoms auf die Drucksteigerung zurück¬
führen, deren Ursache eine Vermehrung des Zuflusses sein sollte.
Eine andere Theorie führt als Ursache eine Behinderung des Ab¬
flusses an. Die KUselsche Theorie geht davon aus, dass die
Ursache der Drucksteigerung in einer nicht ausreichenden Filtration
durch das Lig, pectonatum liegt Eine Erleichterung der Filtration
bewirkt in der Hauptsache der zirkuläre Teil des Ciliarmuskels.
Wenn er stark genug ist, so kann er mehr oder weniger lange
den Abfluss regulieren. Versagt er dann aber aus irgend einem
Grunde, so erscheint das Bild des plötzlich einsetzenden entzünd¬
lichen Glaukoms. Ist der Müllersche Muskel nicht fähig, eine
genügende Filtration zu unterhalten — entweder weil er, wie im
myopischen Auge, überhaupt zu schwach ist oder dadurch, dass
der Krankheitsprozess von vornherein eine in anderen Fällen mög¬
liche Erleichterung des Abströmens ausschliesst —, so erscheint
der grüne Star unter dem Bilde des schleichenden Glaucoma
Simplex gemäß des langsamen Wirkens der Krankheitsursache.
Welcher Art diese eigentliche Krankheitsursache ist, bleibt zur
Zeit noch ungewiss. Unwahrscheinlich ist es, dass ein zu starker
Zufluss die Flüssigkeitsüberfüllnng verursacht, wahrscheinlich ist
es eine Wirkung auf das Lig. pectinatum, die den erforderlichen
Abfluss verhindert. Für beide Möglichkeiten erklärt die Theorie
von Küsel die beobachteten Erscheinungen. Unerklärt bleiben
nur jene Fälle von Glaucoma Simplex, welche trotz typischer Ex-
cavation der Papille doch niemals eine Erhöhung das intraokuläreu
Druckes erkennen lassen. Es sei dahingestellt, ob in solchen Fällen
nicht doch eine Spannungsvermehrung besteht, die genügt, die
Excavatiou auszubilden. Die Küsel sehe Theorie hält A. für
besonders wertvoll, weil sie die Ophthalmologen in den Stand setzt,
das Glaucoma Simplex und inflammatorium nicht für zwei dem
Wesen nach verschiedene Krankheiten, sondern nur für zwei Er¬
scheinungsformen der gleichen Krankheit aufzufasaen,
Dr. Max Jacoby.
Verein für innere Medicin,
Sitzung vom 19. September 1906.
I. Diskussion zum Vortrage des Herrn Katzenstein.
Herr Bickel: Die Aciditätschwankungen des Magensafts
beruhen auf der Verschiedenheit der abgesonderten Saftmengen.
Der Einfluss von Alkali beschränkt die Sekretion, ebenso hat die
Diätform grossen Einfluss. Dabei ist theoretisch die Forderung
Katzensteius, bei Carcinom und Ulcus häufiger die Qastro-
Entero-stomie zu machen, berechtigt,
Herr Elsner: Es gibt Fälle von Ulcus/ die jeder internen
Therapie trotzen. Hier könnte die Gastro-Enterostomie helfen.
Das sind aber sehr seltene Fälle.
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im
\i ^ Si 1 sn H WOClib.
645
Herr Faid: Durch die von Katzensteiu geforderte Diät
konnten wir vielleicht ebensoviel erreichen wie durch die Operation.
Herr Fedor Krause tritt auf Grund seiner chirurgischen
Erfahrungen bei der Gastro-Enterostomie bei einer möglichst
grossen Zahl von Carcinom oder Ulcuskrahken für die Opera¬
tion ein.
Herr Litten: Grosse Magenblutangen kommen auch ohne
Ulcus, 2 . B. bei Leberciirbose vor.
Herr Ewald bemerkt allerdings gegenüber Herrn Bickel,
dass der Prozentsatz an H Gl unabhängig ist von der Saftmenge.
Herr Lewin tritt ebenfalls für häufigere Operationen ein auf
Grund seiner Erfahrungen an der Krebsabteilung.
Herr Bickel hält Herrn Ewald gegenüber seine Anschauung
aufrecht.
Schlusswort: Herr Katzenstein.
IL Herr "Wolff-Eisner; Erfahrungen über Heu¬
fieber im Jahre 1906.
Da die Vegetation früher sich einstellte, trat auch das Heu¬
fieber früher als gewöhnlich auf. In leichten und mittelschweren
Fällen bewährt sich die Serumtherapie, in schweren versagt sie.
Bei hartnäckigem Schnupfen im Frühjahr soll man auf Pollen¬
empfindlichkeit prüfen, da es sich dann häufig um Heufieber han¬
delt, doch muss man verschiedenartige Pollen nehmen und nicht
nur die Nase, sondern auch die Konjunctiven prüfen,
Diskussion:
Herr Hey mann hat von der Darreichung von Thyreoidea¬
tabletten erhebliche Erfolge erzielt Schlüsse zu ziehen wäre noch
verfrüht. Carl LewIn.
BcMesiache OeseUschaft für vaterländische Kidtur,
Med icinische Sektion.
Sitzung vom 11. Mai 1906.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gedenkt der Vorsitzende
Herr Geh,-Rat Uhthoff der verstorbenen Mitglieder Jänicke
und Lewald und erteilt Herrn Anschütz das Wort zur Demon¬
stration eines Falles von palliativer Operation bei einem Hirntumor.
Pat. hat schon seit 5 Jahren Symptome von Himdruck, aber eine
Lokalisation war durch die Untersuchung nicht möglich. Da nun
die Krankheitserscheinungen immer bedrohlicher wurden, mußte
zur palliativen Operation geschritten werden. Hierbei wird ein
kleineres oder grösseres Loch im Sdiädel gemacht, um den Tumor
zu suchen; findet man ihn nicht, so wird eine Punktion in einen
Ventrikel vorgenommen, um durch Ablassung von Flüssigkeit eine
Dmckentlastung herbeizuführen. Da sich nach Öffnung der
Schädelhöhle ein Teil des Gehirns vorwölbt, macht man die Ope¬
ration gewöhnlich am Parietallappen, wo keine wichtigen Zentren
liegen.
Beim vorgestellten Palle hatte sich eine etwa doppelfaust¬
grosse Beule vorgewölbt, die aus Hirn und Flüssigkeit bestand;
da nun sofort alle Hirndrucksymptome, wie Kopfschmerz, Erbre¬
chen, Pulsverlangsamung nachliessen, wurde von einer Punktion
Abstand genommen. Dagegen war es nicht mehr möglich, dem
Pat. das Augenlicht zu erhalten; es besteht nach wie vor Amau»
rose infolge Atrophie des nerv. opt. Wäre die Operation zeitiger
gemacht worden, so wäre sie auch bezügl. des Sehvermögens von
Elrfolg gewesen.
Herr Bosenfeld: Fett- und Kohlehydrate: Der
Vortragende berichtet über seine Versuche, die Kohlehydrate der
Nahrung durch Fette zu ersetzen, und zwar wurde der Ersatz
nur teilweise vorgenommen, indem für 330 g Kohlehydrat 180 g
Butter gegeben wurden. Hierbei entsteht zunächst ein Defizit,
welches immer geringer wird, bis am 9. Tage Gleichgewicht in
der N.-Ausscheidung eintritt. Dies ist ebenso beim Alkohol, der,
als Zulage gegeben, eiweissersparend wirkt, als Ersatz dagegen
zuerst zu einem Eiweiss-Defizit führt und erst allmählich zu einem
Eiweisssparer wird. — Das Fett ist also ein viel schlechteres
Sparmittel als Kohlehydrat. Sonst vertreten sich die Mittel im
Verhältnis ihrer Kalorien; hier ist dies aber nicht der Fall. Man
nahm an, dass daran die Talkausscheidungen der Haut Schuld
haben; es ist aber durch Versuche widerlegt. Wenn man einen
Hand mit Fett überfüttert, wird in der Leber sehr viel Fett de¬
poniert; dies muss auch beim Menschen angenommen werden.
Es tritt aber nur ein bei Abwesenheit von Zucker. Schon ge¬
ringe Mengen Kohlehydrat genügen, um das ganze Fett auszu¬
treiben ; and zwar wird es nicht einfach mechanisch herausgedrängt,
sondern es verbrennt. Der gesunde Mensch bekommt, wenn Fett
unvollständig verbrennt, Aoetoniuüe; bei Anwesenheit von Kohle¬
hydrat verschwindet das Aceton. Der Zucker ist der Katalysator
oder die Entfiammungssubstanz der Fette. Daher auch Lipaemie
beim Koma diabeticum. Auch der toxische EiweisszerfaU ist andera
als man dachte, bes. bei Phloridzin, Phosphor, Arsen, Chloro¬
form etc. Die Gifte bewirken Schwund der Kohlehydrate, dadurch
weniger Fettverbronnung; darum muss Eiweiss zerfallen, um die
Fettverbrennung zu ermöglichen. Peritz.
Kongressbericht.
Versammlung deutscher Naturforscher und
Aenste in Stuttgart,
Sektion für innere Medicin, Chirurgie and Henrologie.
Gemeinschaftliche Sitzung vom 19. September 1906.
Ueber Hirn- und Rückenmarkschirurgie*) .
Vorsitzender: Herr Bruns-Hannover.
Hr. Saenger-Hamburg: Ueber Palliativtrepanation
bei inoperablen Hirntumoren.
Trotz der grossen Fortschritte in der Chirurgie und Neurologie
ist doch noch bei weitem der grössere Teil aller diagnostizierten
Himgeschwülste operativ unzugänglich. Andererseits gibt es auch
eine recht grosse Zahl von Hirntumoren, die nach unseren gegen¬
wärtigen Kenntnissen nicht lokalisiert weiden können. Wie sollen
wir uns nun solchen Tumorkranken gegenüber verhalten? Schon
1902 hat Vortr. diese Frage auf dem Chirurgenkongress zn
Berlin behandelt. Da ersterer gegenwärtig über eine grössere
Erfahrung verfügt, und da die Ansichten über die Behandlung
der inoperablen Tumorkranken noch nicht übereinstimmen, so
kommt er auf diesen wichtigen Gegenstand zurück. Vortr. teilte
nun im einzelnen seine klinischen Erfahmngen mit, die anderen
Ortes veröffentlicht werden sollen. Vortr. verfügt jetzt im ganzen
über 19 Fälle, bei denen die Palliativtrepanation des Schädels
ausgeführt worden ist. In zwei Fällen trat erst ein Erfolg ein,
als die Trepanationsöffhung erweitert worden war und mehr Ijiquor
cerebrospinalis abfiiessen konnte. In zwei anderen Fällen hatte
die Trepanation keinen Erfolg. In einem Falle von Basistumor
trat unmittelbar nach der Trepanation Sopor ein, in dem der
Exitus erfolgte. In allen anderen Fällen war die wohltätige
Wirkung der Trepanation evident: Kopfschmerz, Erbrechen,
Krämpfe und andere Symptome, die durch den erhöhten Druck
im Schädelinnern hervorgerufen waren, so die Stauungspapille,
Hessen nach und verschwanden völlig in einem Teil der Fälle.
Harvey Cushing empfiehlt, den Schädeldefekt in der Temporal¬
und Occipitalgegend mittelst Muskulatur zu decken. Diese Methode
wurde von Herrn Dr. Wiesinger bei der Trepanation über dem
Kleinhirn schon seit vielen Jahren mit Erfolg angewendet. Als
Zeitpunkt des operativen Einschreitens ist der Beginn der Herab¬
setzung des Sehvermögens zn empfehlen. Trepaniert man später,
so bleibt sehr leicht eine Opticusatrophie zurück. Was den Ort
der Trepanation betrifft, so ist in erster Linie diejenige Stelle der
Hirnschale ins Auge zu fassen, unter welcher man den Tumor
vermutet. Ist eine Lokaldiagnose gar nicht zu stellen, so dürfte
sich empfehlen, über dem rechten Parietallappen zu trepanieren,
da von dieser Gegend am wenigsten Ausfallsymptome zu befürchten
sind. Die Trepanation über den Kleinhirnhemisphären ist nach
den Erfahrungen des Vortr. nicht so gefährlich, wie man früher
angenommen hat. Man muss nur sehr vorsichtig zu Werke gehen
und nach Freilegung der Dura eine zeitlang warten, bevor man
dieselbe eröffnet. Die Lumbalpunktion und die Punktion der
Seitenventrikel können sich in bezug auf Wirksamkeit nicht mit
*) Unter freandlichst gestatteter teilweiser Benutzung des Referats
in Nr. 20 des Neurologischen Centralblattes.
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54B
BIEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 50.
der Trepanation des Schädels messen, Vortr. resümiert auf Grund
seiner erweiterten Erfahrungen seine Ansicht dahin: die Palliativ'
trepanation des Schädels ist bei dem heutigen Stande der Chirurgie
in den Händen eines geübten Operateurs eine nahezu ungefähr¬
liche, ungemein segensreiche Operation, die bei jedem inoperablen
Hirntumor zu empfehlen ist, um die Qualen des Patienten zu er¬
leichtern und um denselben namentlich vor der drohenden Er¬
blindung zu bewahren. (Autoreferat.)
Hr. Pedor Krause-Berlin: Ueber die operative Be¬
handlung der Hirn- und Rückenmarkstumoren.
Um das sehr umfangreiche Gebiet in möglichster Kürze voll¬
ständig zu behandeln, beschränkt sich K. in seiner Darstellung
nur auf eigene Erfahrungen und führt Beispiele aller in Betracht
kommenden Operationen in Projektionsbildem vor. An der Hand
dieser bespricht er zunächst die Geschwülste der sensomotorischen
Region, des klassischen Ortes für die Chirurgie der Hirntumoren.
Nach Aufzeichnung der Rolandoschen und Sylvischen Furche
auf dem rasierten Schädel werden mit Hilfe der osteoplastischen
Lappenbildung grosse Trepanationsöffnungen mit der Dahlgreen-
schen Zange angelegt. Die Blutung aus den Weichteileu wird
durch die Heidenhainsche Umstechungsnaht wesentlich ge¬
mindert oder aufgehoben. Kortikal sitzende Geschwülste sind nach
lappenfbrmiger Duraleröffnung meist leicht zu erkennen, bei sub¬
kortikalen leistet die faradische einpolige Reizung mit sehr schwachem
Strome ausgezeichnete Dienste, wie überhaupt diese Methode auch
im Operationssaal für den Chirurgen unentbehrlich ist. Ebenso
wie Tumoren müssen Gumata, Solitärtuberkeln und Cystenbildungen
behandelt werden. Von letzteren gibt K. ein Beispiel an einer
grossen Cysticerkusblase der vorderen Zentralwindung. Zunächst
gelang die operative Heilung, später ging der Kranke an multiplen
Cysticerken der Himbasis zugrunde.
Doch die Chirurgie der Zentralwindungen stellt heute nur
ein recht kleines Gebiet der Hirnchirurgie dar. Als Beispiel für
einen Tumor der Parietalregion zeigt K. die Operationsbilder eines
von H. Oppenheim diagnostizierten pflaumengrossen, an zwei
Stellen eitrig geschmolzenen Solitärtuberkels, der in toto exstirpiert
wurde. Wegen der Eiterung musste die Wunde zwölf Tage tam¬
poniert und offengehalten werden; der eintretende grosse Hirn¬
prolaps liess sich durch Zurückkappen des Dural- und Haut-
knocbenlappens sowie durch exakte Vernähung der weithin ab¬
gelösten umgebenden Haut beseitigen, so dass Heilung eintrat.
Der Kranke ging später an Lungenphthise zugrunde; die Autopsie
zeigte im Gehirn vollkommene Heilung und hier auch an keiner
anderen Stelle einen Tuberkelherd.
Weiter wird eine gleichfalls von Oppenheim diagnostizierte
Geschwulst des Occipitallappens bei einem 35jährigen Manne als
Beispiel vorgefUhrt. Die Exstirpation erfolgte in zwei Zeiten und
führte zu vollständiger Heilung, so dass selbst die Hemianopsie
verschwunden ist.
Dann ging K, auf die Operationen am Stirnlappen und in
der vorderen Schädelgrube über und im Anschluss daran besprach
er die Freilegung der Hypophyse von vorn her nach Bildung
eines Stirnlappens. Dieser Operation wesentlichen Teil hat er mit
vollständigem Erfolge vor sechs Jahren ausgeführt, um eine schwere
Symptome verursachende Revolverkugel aus der Gegend des
Chiasma zu entfernen. Der Operierte ist vollkommen gesund ge¬
blieben.
Die Geschwülste der mittleren Schädelgrube werden in ana¬
loger Weise entfernt, wie K. bei der Exstirpation des Ganglion
Gasseri vorgeht. Die letztere Operation hat er 51 mal mit sieben
Todesfällen ausgeführt und niemals innerhalb eines Zeitraumes von
14 Jahren ein Rezidiv der Trigeminusneuralgie beobachtet. Diese
radikale Methode wendet er aber nur in den schwersten Fällen
an, wenn die ungefährlichen Resektionen der peripheren Trigemi-
nusäete erfolglos geblieben sind; dann aber ist die Exstirpation
des Ganglion Gasseri durchaus zu empfehlen.
Bei den Eingriffen in der hinteren Schädelgrube und am
Kleinhirn bildet es einen Unterschied in der Technik, ob beide
Seiten oder nur eine froigelegt werden sollen. Letzteres Verfahren
kommt vor allem bei den sogenannten Akustikustumoren, den Ge¬
schwülsten des Kleinhirnbrückenwinkels in Betracht. Durch
Freilegen und vorsichtiges Verschieben der betreffenden Klein¬
hirnhemisphäre medianwärts oder nach innen und oben kann man
die hintere Felsenbeinfläche und den hinteren Abschnitt der
Schädelbasis sowie die hier liegenden Himnerven (Acosticus,
Facialis, Glossopharyngeus, Vagus, Accessorius) zu Gesicht bringen
und die in dieser Tiefe liegenden Tumoren, zumal sie meist ab¬
gekapselt und ausschälbar sind, entfernen. Eine derartige operativ
geheilte Kranke ist in der neurologischen Gesellschaft zu Berlin
vorgestellt worden. Im ganzen hat K. zehn solche Operationen
ausgeführt; einen genauen Bericht Uber neun Fälle hat er auf
dem diesjährigen Chirurgenkongress geliefert.
Im Anschluss an die Technik für die Freilegung beider
Kleinhirnhemisphären bespricht K. die Punktion des vierten Ven¬
trikels als einen unter Umständen unmittelbar lebeosrettenden
Eingriff. Weiter erörterb er die Prognose aller erwähnten Hirn¬
operationen. Die wirkliche Heilung einer Hirngeschwulst durch
den Chirurgen gehört immer noch zu deu Seltenheiten. Bedenkt
man aber, dass jeder Kranke sonst verloren ist und zumeist unter
den allergrössten Qualen, so findet die Operation doch ihre Be¬
rechtigung. Gelingt die radikale Entfernung nicht, so bedeutet
die Trepanation mit Duraleröffnung als druckentlastende Operation
eine grosse Erleichterung für den Kranken und häufig eine Ver¬
längerung seines Lebens. Einen solchen palliativen Eingriff darf
man mit demselben Recht vornehmen, wie z. B. die Gastrostomie
beim Speiseröhrenkrebs und dergleichen mehr. Die Hauptgefahren
der Operation sind Blutung und Shook, während die Infektion mit
einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit aaszuschalten ist.
Wenigstens hat K. unter allen Operationen wegen Hirngeschwulst
und Epilepsie, sowie bei den 51 Exstirpationen des Ganglion
Gasseri keinen Kranken an Meaingitis verloren. Man muss immer
auf die einzeitige Vollendung der Operation gefasst sein, da die
Verhältnisse dazu zwingen können. Wenn aber die Wahl offen
bleibt, so ist das zweizeitige Verfahren am Gehirn vorzuziehen.
Man verteilt damit die Gefahr und vermindert sie für jeden der
beiden Eingriffe.
Ganz anders bei der Entfernung der Tumoren der Rücken-
markshäute ; hier ist das einzeitige Verfahren das richtige, ausser¬
dem sollen die Wirbelhögen nicht erhalten, sondern geopfert
werden. Die Wundverhältnisse werden dadurch vereinfacht, zu¬
dem haben die Bögen für die Stützfähigkeit der Wirbelsäule keine
Bedeutung. K. hat 19 derartige Operationen mit fünf Todesfällen
ausgeführt. Die älteste Patientin ist vor 6 Jahren operiert und
lebt — 72 Jahre — noch jetzt; es handelte sich um ein Psammon
in der Höhe des 7. Brustwirbels, das von Dr, Böttiger diag¬
nostiziert worden war. Am gefährlichsten sind die Eingriffe am
oberen Halsmark; von drei derartig Operierten sind zwei im
Kollaps gestorben; bei einem dritten musste der Bogen des Epi-
stropheus, des dritten und vierten Halswirbels entfernt und nach
Spaltung der Dura der untere Teil der Medulla oblongata freige¬
legt werden, die Kranke ist geheilt und hat sich 2 Jahre nach
der Operation in guter Gesundheit vorgestellt.
Von besonderen Schwierigkeiten, die sich bei Rückenmarks-
Operationen heraussteilen, sind zu erwähnen: inoperable Geschwülste;
dann Verwachsungen im Aracbnoidalraum, die Tumorsymptome
Vortäuschen oder oberhalb der wirklich vorhandenen Ges -hwulst
weit hinaufreichend zu einer falschen Segmeutdiagnose Veran¬
lassung geben; endlich die sogenannte Meningitis ex Aracbnitide
chronica,' die, bereits von Oppenheim betont, von K. in mehreren
Fällen bei der Operation gefunden wurde. Für alle diese Vor¬
kommnisse werden operative Erfahrungen an Diapositiven vorge¬
führt.
Selbst bei Rückenmarksgeschwülsten können also noch dia¬
gnostische Schwierigkeiten mancherlei Art erwachsen; und doch ist
hier die Diagnostik dank der Segmentierung des Organs so viel
leichter und so viel weiter ausgebildet als beim Gehirn. Schon
aus diesem Grunde sind die operativen Erfolge bei Rückenmarks¬
tumoren viel besser als bei Hirngeschwülsten; dazu kommt noch
die geringere Gefahr des Eingriffs. Wenn es aber dermaleinst
gelingen sollte, die von vornherein inoperablen Hirntumoren als
solche zu erkennen und dann höchstens der druckentlastenden
Trepanation zu unterziehen, so werden die operativen Ergebnisse
auf diesem Gebiete bessere werden. Die grossen Fortschritte der
neurologischen Diagnostik io den letzten Jahren, namentlich auf
dem Gebiete der Tumoren in der hinteren Schädelgrube, berechtigen
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1906.
MBDICINISCHE WOCHE.
547
zu den begründeten Hoffnungen auch für die Chirurgie des Gross«
hima. Die Fortschritte der Neurologen sind es, welche auch die
Chirurgen vorwärts bringen; denn diese sind ihre ausfahrende
Hand. (Selbstbericht.)
_ (Fortsetzung folgt.)
Qynaekologische Monatsschau.
Winter hat es verstanden, der Pathologie der Myome
manniglache neue, interessante und anregende Gesichtspunkte ab-
KUgewinnen. Als Fortsetzung seiner in der Festschrift für 01s-
hausen publizierten Arbeit, die sich die verdienstvolle Aufgabe
stellt, streng wissenschaftlich begründete Indikationen für die
Myomoperationen zu schaffen, veröffentlicht er jetzt eine fesselnd
geschriebene Studie über die malignen und benignen Degene¬
rationen der Myome, die wiederum manches Neue und Interessante
bringt und im wesentlichen vier grosse Themen behandelt:
I. Myom und C arc i n o m: Die relativ häufige Kombination von
Myom mit Carcinom (Corpuskrebse in 1,2 Vo, Collumkrebse in
ca. 2 ^/o aller MyomihUe) deutet mit Sicherheit auf einen inneren
Zusammenhang im Sinne einer gesteigerten Carcinomdisposition
des myomatösen Uterus hin. Die Diagnose des Collumkrebses
wird selten Schwierigkeiten machen, für die Diagnose der Kombi¬
nation eines Corpuscarcinoms mit Myom müssen sorgfältig alle
die Symptome verwertet werden, die bei einem Myom selten, bei
Carcinom aber häufig sind, wie Kohabitationablutungen, Blutungen
in der Menopause, sanguinolenter Ausfluss, starke von der
Menstruation unabhängige Schmerzen etc. Wird ein Carcinom
nacbgewiesen, so hängen Indikationsstellung und Operationsmethode
selbstverständlich von diesem ab. Die supravaginale Amputation bei
Myom braucht aus Furcht vor Stumpfcarcinom nicht aufgegeben
zu werden.
H. Myom und Sarkom: Die sarkomatose Degeneration der
Myome tritt io ca. 4 % aller Myomfälle auf und zwar bei den
einzelnen Entwicklnngsformen der Myome in verschiedener Häufig¬
keit :
Bei den subserösen und subperitonealen in 2 den inter¬
stitiellen in 4,4% und den submucösen in fa.st 9%.
Die klinische Diagnose ist sehr schwierig und nur bei den
weit vorgeschrittenen Fällen mit einiger Sicherheit zu stellen.
Den sichersten Anhaltspunkt gewähren noch die anamnestischen
Angaben — schnelles Wachstum des Tumors, rasche Abmagerung —
und die Störungen des Allgemeinbefindens — Kachexie,
Von lokalen Befunden und Symptomen kommen als diagnostisch
verwertbar in Betracht; Bei den submucösen direkt palpablen
Tumoren die gelappte, knollige Beschaffenheit der Oberfläche, die
bröcklige Konsistenz und besonders ev. die Möglichkeit einer
mikroskopischen Untersuchung, bei den interstitiellen: abnorme
Blutungen, Schmerzen in der Geschwulst, serös - sanguinolenter
Ausfluss und ev. die Weichheit des Tumors (unsicher); endlich
bei den subserösen und subperitonealen ev. Ascites und Netzadhae-
sionen.
Die operative Entfernung aller Myome ist durch die Furcht
•vor sarkomatöser Entartung nicht zu begründen.
Von den benignen Degenerationen sind die atrophischen
Zustände ohne erhebliche Bedeutung, die infectiösen (Abscessbildung,
Jaucbung) hinlänglich bekannt und erforscht. Lückenhaft sind
dagegen unsere Kenntnisse über die Totalnekrose und die cystische
Erweichung.
III. Totalnekrose; .Die Totalnekrose der submucösen
Myome ist bekannt und leicht zu diagnostizieren, die der subse¬
rösen gleicht in Symptomatologie und Behandlung völlig der
Stieltorsion der Ovarialtumoren. Für die bisher klinisch fast noch
völlig unerforschte Totalnekrose der interstitiellen Myome
fixiert Winter an der Hand von 17 eigenen Fällen folgendes
Krankheitsbild.
Häufigkeit; ca. 6—8 % aller interstitiellen Myome.
Aetiologisch wichtig sind vor allem vorhergegangene Ge¬
burten oder Aborte: Entblössung des Myoms von der Schleim-
bautdecke (namentlich bei manueller Flaceutalösung), mangelhafte
Ernährung infolge der starken Kontraktionen in Geburt und
Wochenbett.
Ferner; Torsion des Uterus, Sklerose der Uterusgefässe,
langdauemde Ergotinbehandlung.
Symptome: Abnorm starke und unregelmäßige Blutungen
(Metrorrhagieeu), anfallsweise anftretende reissende, kneifende
Schmerzen in der Geschwulst. Besonders wichtig sind die All¬
gemeinsymptome als Zeichen einer von dem nekrotischen Myom
ausgehenden Autointoxikation wie: Kopfschmerz, Uebelkeit, Brech¬
reiz, Frösteln, Anorexie, Schwindel, Schlaflosigkeit etc. Bei lang¬
dauernden Fällen Abmagerung, rapider Verfall.
Prognose: Bei fehlender Behandlung treten nacheinander
Einschmelzung, Sequestration, Durchbruch und Vereiterung mit
schweren septischen und den oben erwähnten Intoxikationser-
scheinungen auf, daher bedeutet die Totalnekrose fraglos eine
ernste Komplikation, die unbedingt zur Entfernung des myomatösen
Uterus durch supravaginale Amputation oder Totalexstirpation
auffordert.
IV. Primäre cystische Erweichung; stellt anatomisch
einen Degenerationsprozess dar, der entweder in der Muskelzelle
oder im intermu-skuläreu Gewebe seinen Anfang nimmt.
Häufigkeit ca. 15%.
Aetiologie: Alle schlecht ernährten Myome (dünngestielte,
subseröse, intraligamentäre) können leicht cystisch degenerieren.
Das Alter der Gesohwulatträgerin und der Geschwulst steigert
die Neigung zur Degeneration. Der Generationsvorgang hat keine
aetlologische Bedeutung. Stauungen im Venensystem können
Oedeme der Myome erzeugen.
Symptome: Fast regelmäßig starke Blutungen, ausserdem
aber weder besondere lokale noch allgemeine Erscheinungen noch
auch Störungen in der Ernährung des Gesamtorganismus. Daher
ein rein lokaler Prozess ohne erhebliche Bedeutung.
Die Diagnose ist schwierig, da der objektive Befund meist
im Stiche lässt und nur in den hochgradigen Fällen durch die
palpable Erweichung und das ev. schnelle Wachstum des Tumors
einigermaßen charakteristisch wird.
Für die Indikationsstellung zur Operation ist die cystische
Erweichung ohne Bedeutung, d. h. dieselbe wird sich wie die der
Myome überhaupt nach den jeweiligen Symptomen richten; die
starken Blutungen können ev, zu einem aktiven Eingreifen
drängen.
In einer Arbeit: „Ueb'er Nieren- und Blasentuberku¬
lose bei Frauen“ kommt Mirabeau zu folgenden Ergeb¬
nissen :
Die Blasentuberk'ilose bei der Frau ist ausnahmslos ein
sekundärer, von der Niere deszendierender Prozess und steht mit
der Genitaltuberknlose in keinerlei direktem Zusammenhang.
Die Nierentuberkulose ist in mindestens 50% aller Fälle ein¬
seitig.
Die Diagnose kann mit Hilfe der Cystoskopie und des
üreterenkatheterismus mit absoluter Sicherheit gestellt werden.
Für den Praktiker erscheint die Palpation des verdickten Ureters
vom Scheidengewölbe aus als wertvollstes diagnostisches Symptom.
Bei einseitiger Erkrankung ergibt sich die Funktionsfäbigkeit der
nicht erkrankten Niere mit genügender Sicherheit aus der
klinischen Beobachtung und der chemischen und mikroskopischen
Untersuchung des isoliert aufgefangenen Urins; doch soll nicht
geleugnet werden, dass in einzelnen zweifelhaften Fällen die
funktionelle Nierendiagnostik wertvolle Aufschlüsse geben kann.
Als Therapie bei einseitiger Erkrankung kommt einzig die
frühzeitige Exstirpation (Nephrektomie) in Betracht, wobei auch
bestehende Schwangerschaft keine Kontraindikation abgibt.
Als einen neuen Beweis dafür, dass die Tuberkulose schon
im utero von der Mutter auf das Kind übergehen kann, mithin
eine im strengsten Sinne hereditäre kindliche Tuberkulose anerkannt
werden muss, beschreibt Jung einen neuen Fall von Tuberkulose
des schwangeren Uterus und der Placenta (den 20. bisher
veröffentlichten), in dem die Placentartuberkulose in Form einer
rasch verkäsenden Rundzelleninfiltration der Decidua basalis mit
Durchbruch in die Placenta foetalis und den intervillösen Raum
auftrat, (Schluss folgt.)
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548
MEDICn^ISCHB wOCHS.
Nr. 50.
Periodische Literatur.
Deutsche med. Wochenschrift. No. 46. i906.
1. Kutscher, Berlin. Ein Beitrag zur Agglutination der
Heningooocoen.
Verfasser beschreibt einen Fall von Cerebrospinalmeningitis,
der durch seinen klinischen Verlauf sowohl wie durch Sektions¬
befund sichergestellt ist. Die aus der Lumbalfiüssigkeit in Rein¬
kultur gewonnenen Diplococcen verhielten sich morphologisch und
kulturell wie echte Weichselbaumsche Meningococcen, die Differen¬
zierung von ihnen nahestehenden Bakterien aber mittels der Agglu-
tinationsprobe bot Schwierigkeiten, da eine Zusammenklumpung
einem spezifischen Meningococcenpferdeserum gegenüber bei 37®
und vienindzwanzigstündiger Dauer nicht erfolgte. Erst bei 55®
und vierundzwanzigstündiger Dauer erfolgte die Agglutination in
einem spezifischen Meningococcenserum von 1 : 500 deutlich, bei
1: 1000 noch andeutungsweise. Für die Praxis ist es daher nach
Ansicht des Verfassers notwendig, aus Genickstarre-verdächtigen
Fällen gewonnene Kulturen, welche alle kulturellen Merkmale
der echten Weichselbaumschen Diplococcen zeigen, ohne bei 37®
von einem hochwertigen spezifischen Serum agglutiniert zu werden,
durch die Agglutinationsprobe bei 55® weiter zu prüfen.
2. Uffenheimer, München. Weitere Stadien über, die
Dorchlässigkeit des Magendarmkanales für Bakterien.
Durch eine Reihe sinnreicher und sorgfältig ausgeführter Ver¬
suche wird die Richtigkeit des Fickerschen Satzes erwiesen: Die
Verdauungs- und Atmungswege kreuzen sich, sie anastomosieren,
am Ende des Weges können wir gar nicht mehr sagen, aus welcher
Richtung vor der Kreuzungstelle der Keim gekommen ist. Prodi-
giosuskeime, die unter den grössten Vorsichtsmaßregeln mit mög¬
lichster Vermeidung aller irgendwie später in Betracht kommenden
Fehlerquellen bei Kaniuchen in das Rectum eingefübrt wurden,
waren nach kurzer Zeit in beiden Lungen, im Herzblut und anderen
Orten nachweisbar. Eis handelt sich also hier um ein echtes ak-
tive.s Emporwandern des Bacillus entgegen der Peristaltik. Nach
doppelter Unterbindung de.s Oe.sophagus und Durchtrennung des
dazwischenliegeoden Stückes selbst fand sich bei zwei Experimenten
in Herzblut, Mesenteraldrüsen, Leber, Milz und beiden Lungen,
allerdings nicht überall sondern nur in einzelnen Stücken, Prodi-
giosus vor, bei drei anderen Versuchen blieb Lunge und Trachea
frei, in den übrigen Organen aber waren die Keime gut nach¬
weisbar. Aus der Ewaldschen Klinik ist für Lycopodiumjwllen
der ähnliche Beweis am Menschen erbracht.
Bei neugeborenen Meerschweinchen kann der Micrococcus
tetragenas, ^er Milzbrandbacillus und der Bacillus prodigiosus
die Magendarmwand nicht passieren, nur die Tuberkelbacillen bei
alten wie bei neugeborenen,
3. Weichardt und Pil tz,Erlangen. Experimentelle Stadien
über die Eklampsie.
Die Autoren gelangen zu dem Schluss, dass die Eklampsie
durch toxische Substanzen veranlasst wird, welche durch Cytolyse
in die Blutbahn gelangender Placentarbestandtcile gebildet wurden,
und zwar bei Frauen, in deren Blute antiendotoxische oder hem¬
mende Bestandteile ia genügender Menge nicht vorhanden sind.
Es gelang ihnen, ein fast aseptisches Placentargift herzustellen,
nach dessen Injektion bei Kaninchen zwei differente Teilgifte der
PlacentarondotoxinedurchihreWirkungen in die Erscheinung treten:
erstens eine Hytogel bildende Komponente, also ein Blutgerinnung
hervorrufendes Gift — Thrombosierungen und deren Folgezustände
wurden stet.s bei der Sektion Eklamptischer gefunden — und
zweitens ein das Atemzentrum afficierendes, die eigentliche Todes¬
ursache. Durch Injizierung kleiner Mengen eines Testtoxins in
die Mesenterialvene wurde es allmählicb möglich, das deletär
wirkende Gift zu hemmen, und eine protahierte Sommolenz
trat ein; mau hatte es hier mit der Wirkung eines Hemmungs-
kürpers zu tun, mit dem — künstlich hergestellt — Kaninchen
])as'!iv immunisiert worden konnten Die bisherigen Versuche am
Menschen haben seine Unschädlichkeit erwiesen, es wäre ein
leichtes, ihn versuchsweise anzuwenden, wenn man eine Eklampsie
vor Ausbruch bestimmt erkennen könnte.
4. Wiehern, Leipzig. Ueber einen Fall von BronohioliÜe
diffnsa aonta bei einem Erwachsenen.
Verf. beschreibt einen typischen Fall von Bronchiolitis diffusa
auf Grund einer Infektion durch Pneamocoocen, der anfangs ein
der Miliartuberkulose sehr ähnliches Krankheitsbild bot. Besonders
hervorgehoben zu werden verdient die exspiratorisohe Dyspnoe,
alle Hilfsmuskeln waren aufs äusserste angestreugt. In der Nacht
vom 5. zum 6. Tage erfolgte kritische Entfieberung und dann
allmähliche Heilung.
5. Riebold, Dresden. Heber seröse Meningitis.
Als Ursache der akuten serösen Meningitis können alle ent¬
zündungserregenden Momente eine Rolle spielen. Sie tritt häufig
bei Masern, Typhus, Pneumonie, Lungentuberkulose, Influenza,
Otitis media auf, nach Fiedler kann sie durch rheumatische In¬
fektion bedingt sein, auch toxische Einflüsse, Fänlnistoxine bei
Obstipation, Menstruation und Traumen können dabei eine Rolle
spielen. Das Exsudat, das selber blutig sein kann, ist dabei steril
und als eine Toxinwirkung von den primär erkrankten Organen
aus aufzufassen. Die Prognose ist fast immer günstig, therapeu¬
tisch kommt vor allem die möglichst frühzeitig vorgenommone und
öfters ev. wiederholte Spinalpunktion in Frage, die auch über die
Diagnose in zweifelhaften Fällen die besten Aufschlüsse gibt.
Wahi^oheinlich sind seröse Meningitiden als Komplikationen bei
anderen das Krankheitsbild beherrschenden Erkrankungen, wie
Typhus, Angina, hartnäckige Obstipation etc. nicht selten.
Die chronische seröse Meningitis führt oft zu Entstehung
eiires chronischen Hydrocephalus internus, in leichten Fällen mit
unbestimmten und wechselnden Symptomen, in schweren das Bild
eines Hirntumors vortäxischend, und so ist in manchen Fällen von
hartnäckigem Kopfschmerz und verwandter Zustände vielleicht eine
chronische seröse Meningitis schuld und nicht Neurasthenie.
6. Schwerin, Höchst a. M. Vorläofige Mitteilung über
Erfolge bei der Behandlong der septiBohen Ferityphlitu mit
StreptoooocenBerom (Höchst).
Nach Darreichung dieses Serums sah Verfasser eine sehr
günstige Wirkung auf das Herz selbst in anscheinend hoffnungs¬
losen Fällen, Herabgehen der Temperatur, Schwinden der Schmerzen
und des Meteorismus, Beginn normaler Darmfunktion, Besserung
des Allgemeinbefindens, Wiederkehr ruhigen, tiefen Schlafes und
Erwachen des Bewusstseins. Selbst bei foudroyant septischen
Fällen war das Hineingiessen von 50 ccm Streptococcenserum in
die eröffnete Bauchhöhle und event. spätere subkutane Injektionen
ebenso wie bei postoperativer Darmlähmung von lebensrettender
Wirkung.
7. Barth, Berlin. Zar Diplacoflis duharmonioa.
Barth teilt einen Fall mit, der geeignet ist, den ausschliess¬
lichen Standpunkt, welcher nur eine Diplacusis und zwar immer
eine harmonica, infolge von Mittelohrerkrankungen annimmt, zu
widerlegen und das Bestehen einer wirklichen labyrinthären
Diplacusis disbarmonica zu beweisen.
8. Agata, Tokio. Vorläofige Mitteilong über die Aetiologle
der Tsatsagamashi- (Kedani-) Krankheit, (TTeberflohwemmangs-
fieber nach Baelz.) Schluss aus Nr. 45.
Verfasser zieht aus seinen mikroskopischen, kulturellen und
tierexperimentellen Befunden bei Tsutsugamushi- oder Kedani-
krankheit folgende Schlüsse:
1. In pathologisch vei’änderten Stellen und Organen, sowie im
Blut der Tsutsugamushikranken findet man eine Art amoeboider
Protozoen, resp. Sporozoen von verschiedener Form und Grösse
sowie deren Sporozoiten und Cysten.
2. Die amoeboiden Protozoen resp. Sporozoen vermehren sich im
Blute, in Geschwüren, Lymphdrüsen und anderen Organen
und zeigen verschiedene Entwicklungsformen.
3. Wir konnten durch die Geschwürmasse und das Blut der
Tsutsugamushikranken auf Versuchstiere dieselbe Krankheit
übertragen und in diesen wieder die gleichen amoeboiden
Protozoen erkennen und rein kultivieren.
4. Die Reinkultur jener amoeboiden Protozoen, sowie die durch
Reinkultur entstandenen käsigen Massen sind höchst pathogen
für Kaninchen, ferner übertragbar auf Affen und Mäuse, schwer
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MEDICINISCHB wocöe.
549
xm-
dagegen auf MeerschweincbeD, wobei sich eine aus der Tsutsu-
gamushikrankbeit identische Erkrankung entwickelt.
5. Ich nenne die von mir bei der Tsutsugamushikrankheit ent*
deckten amoeboiden Protozoen Tsutsugamushisporozon (Kedani-
eporozou).
6. Tsutsugamushikrankheit ist eine durch die Sporozon verur¬
sachte Infektionskrankheit.
7. Die Vermittelung der Uebertragung der Tsutsugamushisporozon
auf Menschen scheint nur durch junge Milben zu geschehen,
welche auf Pflanzen des Infektionsortes verkommen.
8. Im Körpersaft der achtbeinigen Milbe, welche ich auf
Artemisia in der Nähe des Intektionsherdes gefunden habe,
habe ich koiilenfbrmige, bewegliche, sporozoitenähnliche Gebilde
sowie amoeboide Zellen und Cysten gefunden.
9. Die von uns bei Tsutsugamushikranken gefundenen Bakterien
scheinen keine nähere aetiologlache Beziehung zur Tsutsu-
gamushikrankheit zu haben.
10. Die Sporozon sind bei Tsutsugamushikrankheit und Kedani-
krankheit identisch.
Berliner klinische Wochenschrift No. 47. (ß. Fränkel zu
seinem 70. Geburtstage gewidmet.)
1. Semon, London. Über den therapentisohen Wert voll¬
ständiger Stimmmhe bei der Anstaltsbehandinng der Kehlkopf-
tuberkulöse.
Während die nRuhigstellung des Kehlkopfs“ durch Tracheo¬
tomie oft mit Erfolg für die Behandlung der Kehlkopftuberkulose
herangezogen wurde, sahen die meisten von der ^Stimmruhe“
durch Befolgung langen, vollständigen Schweigens wenig Erfolg.
Das kam wohl daher, dass unter den Verhältnissen des täglichen
Thebens eine strikte Befolgung nur in den seltensten Fällen durch-
gefohrt wurde und mehr eine unzureichende Stimmschonung er¬
reichbar war. In der Verallgemeinernng der Anstaltsbehandlung
der Lungentuberkulose ist jetzt der Methode der Stimmriihe ein
wichtiger Bundesgenosse erstanden. Jetzt finden sich genug
Kranke, die in den Frühstadion schon sich entschliessen, einige
Monate alle andern Rücksichten beiseite zu lassen und nur der
Qesundheit zu leben; mit dem Eintritt in eine Anstalt fhllt die
' Notwendigkeit und meist auch die Versuchung, das schonungs¬
bedürftige Organ unnötig zu gebrauchen; Schädlichkeiten, wie
Reizung der Luftwege durch Staub, Tabak, unzweckmäßige
Speisen und Getränke werden hier gänzlich vermieden. Die
Stimmmhe soll nnn die lokale Behandlung keineswegs verdrängen,
sie soll mit dieser kombiniert werden und vermag sie dann treff-
licli zu imterstützen. Auch erscheint sie nicht ausnahmslos in
allen Fällen von Kehlkopftuberkulose angezeigt, speziell indiziert
erscheint sie in Fällen entzündlicher Reizung des Kehlkopfs bei
der Lungentuberkulose, bei hartnäckigen Katarrhen des Kehlkopfs,
Kongestion der Stimmbänder, Relaxation der Taschenbänder und
— in weiter vorgeschrittenen Fällen — bei umschriebener Ulce-
ration der Stimmbänder, Geschwüren in der Interarytaenoidfalte,
allgemeine Infiltration und Bewegungsstörungen des Crico-Arytae-
noidgelenks. In solchen Fällen hat S. mit der „Stimmruhe“ allein
oder mit Lokalbehandlung kombiniert Resultate gesehen, wie sie
ihm früher kaum je zu Gesicht gekommen sind, und die Besser¬
ungen und Heilungen erwiesen sich in einer Reihe dieser Fälle
auch als dauernde.
2. V. Schrötter, Wien. Eine neue Belenohtniigsart von
Kanälen und Höhlen.
Das Verfahren beruht auf dem Prinzip der Fortleitung des
Lichtes durch einen Glaastab; bringt man an dem konisch ge¬
stalteten Ende einer Glasröhre Glühlämpchen an, so erscheint das
andere Ende, selbst bei 40 cm Länge der Röhre, schön leuchtend;
das Licht des Lämpchens muss für das in die Röhre blickende
Auge abgeblendet werden, weiter ist es zweckmäßig zur Kon¬
zentrierung des Lichtes, in der Röhre die Innenfläche derselben
nach aussen zu versilbern, nach innen zu schwärzen, dadurch wird
auch erreicht, dass das Auge durch ein dunkles Rohr blickt und
nur am distalen Ende desselben Licht erscheint. Bei Einfübmng
irgend eines Instrumentes durch das Rohr arbeitet der Unter¬
suchende immer im vollen Lichte. Da das Instrument in seinem
untern Teile nicht warm wird, entfällt die diesbezügliche Be¬
lästigung des Patienten. Die Technik des Einführens von Instru¬
menten, im Besonderen des Operierens wird durch diese einfachere
Befeuchtungsweiso wesentlich erleichtert, und dadurch dürfte das
endoskopische Verfahren einer grösseren Anzahl von Aerzten er¬
möglicht werden. Im Vergleich mit den nach Art eines Schein¬
werfers wirkenden Panelektroskopen ist zu bemerken, dass diese
grössere Strecken auf einmal bestrahlen, deshalb eine allgemeinere
Uebersicht ermöglichen und so für klinisch-diagnostische Zwecke
vorzuziehen sind, während die neue Beleuchtuogsweise beschränk¬
tere Strecken intensiver belichtet und deshalb für operative Ein-
grifie, Extraktionsarbeit u. dgl. wesentlich im Vorteil ist. Natur¬
gemäß sollen sich die beiden Verfahren ergänzen. Das neue Be¬
leuchtungsverfahren wurde von S. bisher für Trachealinstrumente
herangezogen; selbstverständlich ist es aber auch verwendbar für
Ohr, Nase, Rachen, Harnröhre, Blase etc.
3. Killian, Freiburg. Die Gnmdlage der modernen Rhino-
Laryngologie.
Zu den allgemeinen Grundlagen der modernen Rhino-Laryngo-
logie sind in erster Linie die endoskopischen Untersnebungs-
methoden zu rechnen; sie haben die historische Entwicklung und
Abgrenzung der Rhino-Laryngologie ermöglicht und mit den ana¬
tomisch-physiologischen und klinischen Grundlagen die moderne
Lehre von den Erkrankungen der Luft- und oberen Speisewege
zu einer fest fundierten und einheitlichen gemacht. Bezüglich der
speziellen Grundlagen wird ausgeführt, wie jeder Teil seine eigen¬
artigen Erkrankungen aufweist, anch Erkrankungen gleicher Art
sich bei jedem Abschnitt verschieden verhalten und so eine ausser¬
ordentliche Mannigfaltigkeit in diagnostischer und prognostischer
Hinsicht sich, geltend macht und die Behandlungswelse eine sehr
vielgestaltige, feinspezialisierte und die mannigfachsten Fähigkeiten
voraussetzende wird. Was die Grenzgebiete der modernen Rhino-
Laryngologie betrifft, so wird gezeigt, wie die topographischen
Verhältnisse und die Ausbreitungsmöglichkeiten durch mechanische
Momente, durch Fortpflanzung in zentrifugaler oder zentripetaler
Richtung, durch Nah- und Pernbeziehungen ausserordentlich zahl¬
reiche und mannigfaltige Krankbeitsbilder bedingen, die in eng¬
ster Beziehung zur Otologie, Ophthalmologie, Dermatologie, Zahn¬
heilkunde, Neurologie, Paediatrie, Gynaekologie, am häufigsten zur
Chirurgie und inneren Medicin stehen.
4. Chiari, Wien. Zur Kasuistik der direkten oberen
Bronchoskopie nach Killian behufs Extraktion von Fremd¬
körpern aus den Bronchien.
Bei dem ersten Fall wurde ein dreieckiges Stück eines
Röhrenknochens vom Rind, 28 mm breit, 8 mm dick, aus dem
rechten Hauptbronchus extrahiert. Der Fremdkörper hatte trotz
zwölftägigen Verweilens in den Bronchial wegen nur geringe
katarrhalische Erscheinungen verursacht. Im zweiten Falle
handelte es sich um aspirierte Stücke eines Kokosnusskernes.
Trotz frühzeitiger Extraktion entwickelte sich ein schweres Krank¬
heitsbild, Pleuritis und SpitzenaSektion; die erstere dürfte wohl
auf den aspirierten Fremdkörper zurückzuführen sein; und zwar
ist anzunebmen bei dem kurzen Verweilen derselben im Bronchial¬
baum, dass mit den KokosnusstUckchen aus der Mundhöhle
pathogene Keime eingeschleppt wurden; daraus ergibt sich die
Notwendigkeit, auch noch so kleine Fremdkörper so bald als mög¬
lich aus dem Bronchialbaum zu entfernen.
5. Lermoyez, Paris. La eontagion de l’ozöue.
Die Fraenkelsche Definition der Ozaena als selbständige
Krankheit der Nase, charakterisiert durch eine loetide Sekretion
mit trockener Membranbildnng und durch eine Atrophie der
Schleimhaut, die sich auf die darunter gelegenen Knochen er¬
streckt, wird acceptiert. Sechs Beispiele von Uebertragung der
Ozaena bei Ehegatten, von Mutter auf Kind und unter Ge¬
schwistern werden angeführt, um die Kontagiosität der Krankheit
zu beweisen. Des weiteren wird ausgeführt, dass keine der nicht-
kontagionistischen Theorieen des Ozaena, weder die der Erweite¬
rung des Nasenlumens, noch die der epithelialen Metaplasie, noch
die der Trophoneurose, noch die osteomalacische die klinischen
Fakten zu erklären vermag, dass dies allein die infektiöse Theorie
kann. Als wahrscheinlicher Elrreger wird der Cocco-Bacillus von
Perez angesprochen. Der Gang der Infektion wird in Parallele
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550
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 50.
gesetzt zur urethralen Gonorrhoe und die Forderung erhoben, dass
Ozaen^kranke zur grössten Vorsicht in ihrer Familie, namentlich
den Xindem gegenüber, anzuhalten sind,
6. Massei, Neapel. Üeber die Bedeutung der „Änaesthe*
sie des Kehlkopfeingangs'^ bei der Hecurrenslähmung.
Die Anaesthesie des Kehlkopfeingangs ist ein fast konstantes
Begleitsymptom der Recurrenslähmung. Die Anaesthesie kann als
frühzeitiges, prämonitorisches Symptom der Recurrenslähmung Vor¬
kommen und bleibt auf den Kehlkopfeingang beschränkt. Die
Anaesthesie ist immer allgemein, nie halbseitig, wie die motorische
Lähmung. Es kann einfache Hypanaesthesie oder allgemeine
Anaesthesie vorhanden sein. Die Sensibilitätsstörungen sind
stärker, wenn der linke Recurrens befallen ist, was darauf hin-
deutet, das er wirklich sensible Fasern führt, und da er grösser
und länger ist als der rechte, dürfte er auch zahlreichere sensible
Fasern enthalten. Dass die Anaesthesie auf den Larynxexngang
beschränkt bleibt und dass bei Berührung der Stimmbänder
Husten ausgelöst wird, legt die Vermutung nahe, dass vom sub¬
glottischen Raum, vielleicht von den Stimmbändern ab, nur der
Laryngens inferior die Sensibilität versorgt.
7. Onodi, Budapest. Beiträge zur Lehre der durch Er¬
krankung der hintersten Siebbeinzelle und der Keilbeinhöhle
bedingten Sehstörung und Erblindung.
Die anatomische Grundlage in der Aetiologie der canaliculären
retrobulbären Neuritis und Atrophia optica nasalen Ursprungs
bildet das innige Verhältnis des Sehnerven und des Chiasma zu
den hintersten Siebbeinzellen und der Keilbeinhöhle, die papier-
dünne Kiiochenscheidewand zwischen Sehnerven und Nebenhöhlen,
der eventuelle lange Verlauf des Canalis opticus in diesen Hohlen.
An der Hand von lehrreichen Abbildungen in natürlicher Grösse
nach photographischen Auinahmen werden die wichtigsten Form-
verhältnisse erörtert und in elf Gruppen 35 verschiedene Form¬
verhältnisse zusammengefasst.
Nr. 48. 1906.
1. Krause, Berlin: Ersatz des Daumens aus der grossen
Zehe.
Dem Patienten war in der Kindheit durch eine Häcksel¬
maschine der Daumen in der Mitte der Grundphalanx abgeschnitten
worden; durch den Defekt war er in seinem Erwerb wesentlich
beeinträchtigt. K. ging zum Ersatz desselben so vor, dass er
den angefrischten Daumenstumpf in einer am Dorsnm der grossen
Zehe angelegten Weichteil- und Knochenmulde annähte und in
dieser Stellung durch einen grossen Gipsverband obere und untere
Extremität unverrückbar fixierte; nach 17 Tagen waren die dorsalen
Teile von Daumen und grosser Zehe so weit aneinander geheilt, dass
nun die plantaren Verbindungen der grossen Zehe durchtrennt und
mit den entsprechenden Weichteilen des Daumens vernäht werden
konnten. Der Patient hat einen von der normalen Form sehr
w^enig abweichenden Daumen bekommen; durch eine beschränkte
Nekrotisierung der Haut ist eine ursprünglich geplant gewesene
Verkleinerungsoperation überflüssig geworden. Passiv beweglich
ist der Daumen sowohl im Basal- als Interphalangealgelenk; bei
geeigneten Hebungen, die der Patient bisher versäumt hat, dürfte
auch gute aktive Beweglichkeit erzielt werden.
2. Zupnik. Fleischvergiftang und Paratyphus.
Polemische Bemerkungen gegenüber Arbeiten von Traut-
mann zu dieser Frage.
3. Gengou, Brüssel: Zur Kenntnis der antituberkulösen
Sensibilisatoren,
Die Experimente waren darauf gerichtet, mit Hülfe des Nach¬
weises der Sensibilisatoren die Beziehungen zu studieren, die
zwischen den verschiedenen säurefesten Bazillen, Saprophyten und
den für die kaltblütigen bezw. warmblütigen Tiere pathogenen
Arten, existieren. Sie ergehen, dass im allgemeinen die am Meer¬
schweinchen gemachte Injektion säurefesterBazillen. sei es saprophyti-
seher, sei esderTuherkulo.se kaltblütiger Tiereoder auch noch homogener
Tuberkulose Arloing, die Bildung von Sensibilisatoren veranlasst, die
nicht allein gegen die homologen Mikroben aktiv sind, sondern auch
noch andere säurefeste Bazillen, die saprophyt oder für kaltblütige
bezw. für warmblütige Tiere pathogen sein können, und im be¬
sonderen gegen die Menschen-, Rinder- und Hühnertuberkulose.
Die Regel hat nur wenige Ausnahmen und steht in vollkommener
Uebereinstimmung mit einer gewissen Immunität gegen Tnberkel-
bazillen, die von Klemperer schon früher beim Meerschweinchen
durch im Voraus gemachte Injektionen von säurefesten 8 aproph 5 ^en
Bazillen erzeugt wurde. Bevor irgendwelche Schlussfolgerungen
in Betreff der Verwandtschaft der verschiedenen säurefesten
Bazillen gezogen werden können, erscheint es notwendig, die Ex¬
perimente zu erweitern und besonders die Erscheinung der Anti¬
körper bei den injizierten Tieren näher zu verfolgen.
4. Fein, Wien: Beitrag zur Lehre Ton der primären Tuber¬
kulose (Lupus) der Kasenschleimhaut.
Bei einer Patientin, Krankenpflegerin, die wegen seit Jahren
bestehender Lymphome unter dem Unterkiefer zur Untersuchung
kam, fand sich als einzig nachweisbares Krankhafte eine eigen¬
artige Veränderung an der Schleimhaut der einen unteren Muschel
mit kleinen Knötchenbildungen. Der Verdacht einer tuberkulösen
Erkrankung wurde durch die mikroskopische Untersuchung exzi-
dierter Partikel und durch das Tierexperiment bestätigt. Eine
Aenderung des Krankbeitsbildes wesentlicher Art ist in 2Vs-
jähriger Beobachtung trotz geeigneter Behandlung nicht zu be¬
obachten gewesen. Die Monolokalisatiou der Tuberkulose in der
Nasenschleimbaut ist selten, die ausschliessliche Affektion einer
Nasenmuschel kaum beobachtet. Interessant ist auch das Auf¬
treten dieser anscheinend primären Krankheit bei einer Person,
deren Beschäftigung alle günstigen Bedingungen für die direkte
Aufnahme des Krankheitserregers an einer besonders exponierten
Stelle liefert.
5. Apfelstedt, Berlin-Friedenau: Dammschntz und Damin-
naht.
Nach eingehender Erörterung der anatomischen Verbältnisae
des Beckenbodens, dessen physiologischer Funktion, des Geburts¬
mechanismus der Austreibungsperiode, speziell des durchtretendon.
Kopfes beschreibt A. eine rationelle, diesen Faktoren Rechnung:
tragende Dammschutzmethode, die eine Kombination der Fritsch-
schen und Ri tgenschen Verfahren darstellt. Des Weiteren gibt
er eine Nahtmethode an, die einer von Fritsch vorgeschlagenen
ähnlich ist, die die Mängel, welche der dreiseitigen Knopf-, der
fortlaufenden Catgatuaht oder einer Vereinigung beider anhaften,
vermeidet und ganz besonders für den Praktiker, dem geeignete
Assistenz fehlt, zu empfehlen ist. Die genau ausgeiührten tech¬
nischen Details des Dammschutzes sowie der Dammnaht entziehen
sich kürzerer Mitteilung.
6. Munter, Berlin: üeber Hydrotherapie bei fieberhaften
Infektionskrankheiten.
Die Aufgaben, die die Hydrotherapie bei der Behandlung der
fieberhaften Infektionskrankheiten erfüllen kann, werden folgender¬
maßen zusammengefasst: 1. Ein nicht zu hohes Fieber mit mäßiger
Rückwirkung auf Gehirn und Herz erfordert in der Regel ein
antipyretisches Eingreifen nicht; hier genügen Teüwaschungen mit
Wasser von 15—24® C, früh und abends. 2. Excessiv hohe und
andauernde Temperaturen von 40—41 ", die Herz und Gehirn
adynamisch machen, sind künstlich zu erniedrigen; aber auch eine
Continua continuens mittlerer Höhe, 39—40® ist zu unterbrechen;
die beste Zeit hierfür ist nach der abendlichen Exacerbation.
Dies geschieht bei robusten, jungen Leuten mit gutem Herz- und
Gefässsystem nach Brand und Liebermeister durch das kalte
Vollbad von 20—25 ® C, 10—20 Minuten Dauer; diese Bäder ver¬
binden mit der temperaturherabsetzenden Wirkung, mit dem ther¬
mischen Nervenreiz zugleich eine stoffwechselerhöhende Wirkung
behufs Bekämpfung der Infektion. Soll schonender verfahren
werden, wo man es mit weniger kräftigen Individuen zu tun hat,
so ist das allmählich abgekühlte Voll- resp. Halbbad von 30 ® C
auf 20® mit mechanischer Reizung durch Waschen und Reiben
von 15—30 Minuten Dauer zu verwenden; der hierbei fortfallende
Nervenreiz muss durch intercurrente Begiessungen mit kälterem
Wasser 15 — 20® er.setzt werden. 3. Dauer und Temperatur der
Bäder sind zu variieren je nach Höhe der Körperwärme, ihrer
Hartnäckigkeit und der Konstitution des Kranken. Einwirkung
auf Herz, Gefässe, Nerven findet durch dieselben Maßnahmen statt;
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MEDICINISCHE WOCÖE.
551
id 06 .
der kurze Kältereiz ist eia Nervenreiz; auf Atmung und Herz
wirken sowohl der kurze Kältoreiz als auch die Herabsetzung der
Eigenwärme ein. 5. öfters gewechselte Einpackungen wirken mild
temperaturherabsetzend und besonders nervenberuhigend; letztere
Wirkung hat auch das indifferent laue Vollbad; bei sehr aufge¬
regten Kranken empfiehlt es sich, ein solches morgens und abends
zwischen die antipyretischen Bäder als Beruhigungsmittel einzu*
schieben. 6. Temperaturherabsetzend, nervenanregend, herzstärkend,
doch schonender wirken auch kohlensaure Soolbäder von 28^ und
20 Minuten; besonders geeignet sind sie für Kranke, die leicht im
Bade frieren. 7. Durch lokale Kälteapplikation auf Kopf, Herz,
Nacken, Bauch kann die hjdriatische Antipyrese unterstützt werden.
8 . Zu ^ufige Kältereize können nervöse Reizerscheinungen ver-
ursaohen. 9. Die Anzahl der Bäder hat sich nach der Schwere
des Falles zu richten, 2—3 dürften meist für 24 Stunden aus¬
reichen; kalte Begiessungen dabei sind indiziert bei schweren
Nervenaffektioneu, bei comatösen und soporösen Zuständen. 10.
Bei ungleicher Wärmeverteilung ist es oft indiziert, an einer
Stelle Wärme zn entziehen, an andrer, besonders Extremitäten,
solche znzuführen. 11. Strikte Kontraindikationen für Anwendung
der Hydrotherapie in der Behandlung akuter Infektionskrankheiten
gibt es nicht, da der thermische Reiz individuell angepasst
werden kann. Nur wo absolute Ruhe geboten, ist allgemeine
Eälteanwendnng zn vermeiden, z. B. bei Peritonitis, Embolien,
Thrombosen, Neigung zn CoUaps, Fettherz, Arteriosklerose etc.
Hier kann lokale Kälteapplikation noch manche Indikation erfüllen.
12. Die Medikamente können häufig den thermischen Reiz unter¬
stützen, also oft mit ihm kombiniert werden.
7. Rosenthal, Wien: Erfalinmgen mit dem neuen Nähr¬
präparat Visvit.
Das Präparat wurde verwandt bei verschiedenen Fällen von
Auaemie, Arteriosklerose, Hysterie, Phthisis pulmonum, weiter bei
Rekonvaleszenten nach Pneumonie, Influenza und andern Infektions¬
krankheiten, zum Teil in Kombination mit einer Eisenkur. Ausser
rascher Körpergewichtszonahmo zeigte sich regelmäßig eine Ver¬
mehrung der roten Blutkörperchen and auffallende Steigerung des
Haemoglobingekaltes. Danach erweist sich Visvit als beachtens¬
werter Zuwachs des ärztlichen Dispensats und wird dem Prak¬
tiker weitgehendste Anwendung empfohlen.
8 . Br ahn s, Berlin. Fraktisoke Ergebnisse aus dem Oe-
biete der Sypbilidologie.
Die bisherigen Resultate der experimentellen Syphilisimpfung.
Nicht abgeschlossen.
Allgemeine med. Zentrai-Zeitung. Nr. 43. 1906.
1. Ströll, München: Aus der Praxis fttr die Praxis.
St. gibt für einige Krankheiten eine Reihe von Rezepten und
Behandlnngsarten, die sich ihm in langjähriger Praxis vollständig
bewährt haben.
2. Brenning, Berlin: üeber Fheuyloform.
Das Präparat ist eine geruchlose, ungiftige Verbindung der
Carbolsäure und des Formaldehyds in Pulverform. Es wurde ge¬
prüft bei Bubonen nach der Inzision oder Exstirpation und be¬
wirkte hier schnelles Nachlassen der Eiterung, gute Desodorierung
der Wunde and meist eine auffallend rapide gute Granulations-
bildnng; bei längerem Gebrauch stellte sich bisweilen eine die
Wnndheilong störende Aetzwirkung ein, weshalb es sich empfehlen
dürfte, das Phenyloform in Wechsel mit andern antiseptischen
Strenpulvem zu verwenden. Uneingeschränktes Lob verdient das
Phenyloform bei der Behandlung der Ulcera mollia; dieselben
reinigten sich in wenigen Tagen und verheilten in verhältnismäßig
sehr kurzer Zeit, ira Durchschnitt innerhalb von 9 Tagen. Viel¬
leicht übt das Präparat auf die Erreger des Ulcus molle eine
spezifische Wirkung aus. Phenyloform kann als brauchbares Er¬
satzmittel für Jodoform empfohlen werden.
Nr. 46.
Stadelmann, Dresden: üeber Hamsäurebefnude bei genui¬
ner Epilepsie.
St. hat bei 30 genuin-epileptischen Kindern systematische,
durch Monate und Jahre fortgesetzte Harnanalysen betr, der
Hamsänreausscheidong angestellt. Das Ergebnis war, dass Stunden
und Tage vor dem epileptischen Symptom die Harnsäure im Ham
geringer war, als es der individuellen Normalität entsprach; dass
sie nach dem Symptom in ebenso vermehrter Weise sich fand.
Nach dem Quantum der fehlenden Harnsäure und der Zeitdauer
des Fehlens konnte ein Schluss gezogen werden auf die Stärke
des epileptischen Symptoms. Blieb die Harnsäure zwei bis drei bis
vier Tage lang und länger aus, so traten eine Reihe von epilepti¬
schen Anfällen während der folgenden Tage auf; sofort nachdem
ersten Anfall erschien die Harnsäure meist wieder vermehrt; wenn
sie nur wenig vermehrt in bezug auf die vorausgegangene Ab¬
nahme auftrat, konnte mit Sicherheit auf einen zweiten, dritten
Anfall geschlossen werden. Während der Tage, an denen die
Harnsäure im Harn nur in sehr geringem Maße oder überhaupt
nicht nachzuweisen war, stellten sich vielmals epileptische Früh¬
symptome ein; soweit diese Zeichen psychischerseits auftraten,
waren es die Erscheinungen, die man bei ermüdeten Kindern an-
trifft. Die Abnahme der Harnsäure hat nicht stets einen Anfall
im Gefolge; mitunter bleibt es bei Früh- und Vorsymptomen des
epileptischen Anfalls, verschieden nach dem individuellen Krank¬
heitsfälle, die im allgemeinen den Ausdruck einer gesteigerten
Reizbarkeit aufweisen. Die Zeichen der Epilepsie bei Kindern
werden in Analogie gebracht zu denen der Ermüdung, und der
Gedanke ventiliert, da^s gewisse Beziehungen bestehen, in den
inneren physioo - chemischen Vorgängen bei der Ermüdung und den¬
jenigen der genuinen Epilepsie und in weiterem Verfolg die
Frage erörtert, ob und inwieweit die physico-chemischen Vorgänge
in der Muskulatur als anslösendes Moment für den Krampfanfall
in Betracht zu ziehen sind.
Aerztliche Rundschau. Nr. 46. 1906.
1. Weissmann, Lindenfels. Randglossen zur sechsten
ärztlichen Studienreise.
Bei voller Anerkennung des Geleisteten macht W. auf einige
Punkte aufmerksam, für die eine Verbesserung wünschenswert er¬
scheint.
2. Gedanken eines Laien über Heilkunde.
Ein Auszug aus H. Lhotzkys ,,Geheimnis der Genesung“,
zusammengestellt von Esch.
Bücherbesprechung.
Dr. Ferdinand Karewski-Berlin. Moderne ärztliche
Bibliothek. Verlag von Leonhard Simion Nf., Berlin.
Die medicinische Literatur dürfte heutzutage in bezug auf
Qualität, ganz besonders aber in bezug auf die Quantität kaum
etwas zu wünschen übrig lassen. An erster Stelle sehen wir
eine gewaltige Anzahl von Wochen-, Monats-, Vierteljahrsschriften,
Archiven, Beiträgen, Mitteilungen, Centralblättem usw. allgemein
raedicinischcr, bezw. begrenzt specialistischer Richtung. Diese in
bestimmten oder unbestimmten Fristen periodisch erscheinenden
Organe bringen in zwanglosem Durcheinander Abhandlungen, Be¬
richte über die verschiedensten Themata aus allen Gebieten der
heutzutage schier unermesslichen medicinischen Wissenschaft oder
richtiger der medicinischen Wissenschaften, bezw. sofern es sich
um ein Specialorgau handelt, aus dem Gebiete des betreffenden
Specialfaches. Es soll hier, indem vorausgesetzt wird, dass die
Leser mehr oder minder au courant des augenblicklichen Standes
der medicinischen Wissenschaft sind, eben nur das Neue featge-
halten, bezw. das Actuelle diskutiert werden — mag es sich um
theoretische oder praktische Fragen handeln. Es sollen hier die
verschiedenen Ansichten, Erfahrungen einander gegenübergestellt
werden, damit sich jeder ein eigenes Urteil bilden kann. Kurz,
die Zeitschriften - Literatur ist berufen, einerseits das Wissen und
Können des Mediciners, welches, wie gesagt, vorausgesetzt wird,
durch Hinzufügung neuer interessanter Momente zu bereichern,
andererseits dem späteren Forscher, der sich die Erforschung einer
bestimmten Frage vorgenommen hat und objektiv genug ist, um
nicht seine eigene Ansicht, bezw. Erfahrung als die maßgebende
zu betrachten, das nötige Material zu liefern.
An zweiter Stelle sehen wir eine fast nicht minder grosse
Anzahl von Lehrbüchern. Wenn in bezug auf die Quantität
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552
MfiDICmiSGHB WOGäfi.
80 .
(keineswegs aber Qualität) der medicinischen Zeitschriften Deutsch¬
land vielleicht nicht an der Spitze marschiert und die erste Stelle
Frankreich und besonders Amerika mit seinen zahllosen „Blättern“
einräumen muss, so reicht, was Lehrbücher anbetrifift, kein Land
der Welt auch annähernd an Deutschland heran. Die Ijehrbücher,
die zum grössten Teil für Aerzte und Studierende bestimmt sind,
verfolgen, wie schon der Name zeigt, didaktische Ziele und führen
den Leser, bei dem nur eine gewisse Elementarvorbildung voraus¬
gesetzt wird, succesive durch ein bestimmtes Gebiet oder durch
ein bestimmtes Specialfach der Medicin. Ein Lehrbuch, an dem
der Autor Jahre, ja bisweilen Jahrzehnte lang arbeitet, und in dem
der Autor seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, sowie
die Beobachtungen und Erfahrungen aller anderen Forscher, die
auf diesem Gebiete gearbeitet haben, und deren Beiträge in der
periodischen Literatur zerstreut sind, niedergelegt hat, ist nicht
zum Lesen, wie ein Zeitschriftenaufsatz, sondern zum Studieren,
bezw. zum Wiederholen der einstigen Studien bestimmt.
In dritter Linie kommen die Monographien. Diese Publi-
katiousform ist seit jeher eine zieralicli beliebte und verbreitete
gewesen. Sie wird von Autoreu gewählt, die sich zu eingehend
mit einem bestimmten Kapitel oder mit einer bestimmten Frage
beschäftigt haben, um ihre langjährigen Studien in den engen
Rahmen eines Zeitschriftenaufsatzes hinein zu zwängen, und von
Lesern bevorzugt, die sich über ein bestimmtes Kapitel oder über
eine bestimmte Frage scbnellerliand orientieren wollen. Kurz,
die Monographie nimmt gleichsam eine Mittelstellung zwischen
der medioinischen Zeitschrift und dem medicinischen Lehrbuch ein
und ist namentlich für den vielbeschäftigten praktischen Arzt, dem
es nicht möglich ist, sich in die umfangreichen Lehrbücher zu
vertiefen, dem aber anderseits in gewissen Fällen ein kurzer Zeit¬
schriftenaufsatz nicht genügt, ein wahres Bedürfnis. Diesem Be¬
dürfnisse Rechnung tragend, sind verschiedejie Vertreter der ärzt¬
lichen Wissenschaft seit jeher bestrebt, diese Form der medici¬
nischen Literatur zu fördern und vor allem zu systematisieren.
Zu den älteren Erscheinungen auf diesem Gebiete gehören: Volk*
mann’s Sammlung klinischer Vorträge, Berliner Klinik, Wiener
Klinik, von denen bereits zahlreiche Serien erschienen sind. Mit
grossem Erfolg hat sich vor einiger Zeit die von v. Leyden und
F. Klemperer begründete „Deutsche KUuik“ eingeführt; diese
teilt aber auch mit den vorerwähnten Editionen den Nachteil, eine
ausgesprochen klinische Tendenz zu verfolgen. Infolgedessen
ist es mit Freuden zu begrüssen, dass die neue Gründung auf
diesem Gebiete, nämlich die von Ferdinand Karewski ins
Leben gerufene „Moderne ärztliche Bibliothek* sich irgend
eine Schranke überhaupt nicht gezogen hat und sämtliche Gebiete
der medicinischen Wissenschaft in gleichem Maße berücksichtigt.
War schon unter diesen Umständen der Erfolg dem neuen Unter¬
nehmen, welches einem wahren Bedüi*fnis entsprach, a priori sicher,
so kann man es jetzt, nachdem bereits eine Anzahl von Heften
erschienen ist, erst recht behaupten. Der Herausgeber versteht
es einerseits, gerade diejenigen Themata herauszugreifen, die die
ärztliche Welt jeweilig interessieren; und weiss andererseits für
die Bearbeitung dieser Themata die geeignetsten und maßgebeusten
Autoren zu gewinnen. Es genügt, wenn ich als Beispiel an¬
führe, dass das Heft 9 (Erkrankungen der Gallenblase und Gallen¬
gänge mit besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehungen zu den
Erkrankungen des Magens und des Darmes) keinen geringeren als
C. Ä. Ewald, das Heit 4—5 (Bedeutung der Kryoskopie für die
Diagnose und Therapie von Nierenerkrankungenj H. Strauss,
Heft 7 (Ueber Becquerelstrahlen und radioaktive Substanzen) W.
Marckwald, Heft 13—14 (Moderne Hydrotherapie) L. Brieger,
Heft 8 (Die Erzeugung und die physikalischen Eigenschaften der
Rüutgenstrahlen) P. Spies zu Verfassern haben.
Ich w'orde es mir angelegen sein lassen, im referierenden Teil
dieser Zeitung über die einzelnen Hefte, die ausnahmslos von be¬
rufener Feder herrühren, mehr oder minder ausführliche Referate
zu briugen. Jetzt möchte ich noch mit dem Bemerken schliessen,
dass die ,Moderne ärztliche Bibliothek“ auch in technischer Be¬
ziehung wegen des überaus schönen Druckes alles Lob verdient.
M. Lubowski.
Vermischtes.
Herr Prof. Giov. Galli hat dieser Tage.in Rom, Viole Poli-
clinico 139, eine Privatklinik für innere Krankheiten eröffnet.
Die Klinik befindet sich in einer Villa mit grossen sonnigen Räumen,
schönem Garten, in bester, gesündester Lage Roms und ist allen
Anforderungen der modernen Therapie entsprechend eingerichtet.
von BerQinann-Foiar. Das Komitee, welches am siebenzigsten
Geburtstage Prof, von Bergmanns ein Festbankett veran¬
stalten will, ersucht uns um Aufnahme nachstehender Mitteilung:
Das Festessen (nur Herren) findet am Sonntag, den 16. Dezember
d. J., abends 7 Uhr, im Mozartsaal des Neuen Schauspielhauses
am Nollendorfplatz statt. Der Preis des Gedecks, einschliesslich
sämtlicher Kosten, ist auf Mk. 12,— (ohne W’ein) festgesetzt
worden. Besondere Einladungen werden seitens des Komitees
nicht ergehen, vielmehr sind Teilnehmerkarten an folgenden Stellen
zu eutnebmeu:
1. Kai.ser Wilhelms-Akademie, Friedrichstrasse 140,
2. Kaiserin Friedrich-Haus, Luisenplatz 2/4,
3. Laagenbeckhaus, Ziegelstrasse 11/12,
4. Zentral-Ausschuss der industriellen Vereine, Jägerstr. 22.
Etwaige Wünsche hinsichtlich der Plätze (Tischordnung) sind bei
der Entnahme der Karten anzugeben.
Der 28. Balneologen-Kongress wird unter Vorsitz des
Geheimrats Liebreich anfangs März 1907 in Berlin statt-
fiuden. Anmeldungen von Vorträgen und Demonstrationen sind
spätestens bis zum 15. Januar 1907 zu richten an den General¬
sekretär, Geheimrat Dr. Brock, Berlin NW., Thomasius-Strasse
24, oder an den Sekretär der Baineologischen Gesellschaft, Privat-
dozeuten Dr. Rüge, Berlin W., Magdeburger Strasse 31.
Die Formalin-Zimmerdeslnfektion war die Quintessenz
der Vorschläge, wol> be Auge re r-Woilheim (Zeitschr. f. Medicinalbeamte,
19. .fahrg. Nr. 19, Beilage) im Anschluss an das Referat Vanselows
.Zur Verhütung der Weiterverbreitung ansteckender Krankheiten“ machte.
Ein Formalin-Apparat kann leicht angc.schaft't und leicht bedient werden.
Um aber einen Üel)erblick in der inimorhin noch neuen und wenig bekannten
Frage zu bieten, hat sich Ange ro r selbst ao den einzelnen Apparaten in¬
struiert, und er zeigt dieselben im Modell; es sind dies folgende Apparate:
Breslauer Apparat,
Apparat nach Roepke,
Berolina,
Rapid-Desinfektor von Schneider,
Kombinierter Aeskulap,
Karboformal-G lUbblocks,
Festoform-Raumdesinfektor und
Lingners Desinfektiunsapparat.
Die Apparate sind verschieden in ihrer Wirkung, Aus-lehnnng, ver¬
schieden im Preis, verschieden in der Zuverlässigkeit. Der Breslauer Apparat
z. B. wurde von Flügge angegeben, doch ist dieser Apparat nicht gerade
billig und dennoch wenig sauber montiert.
Der Roepke sehe Apparat braucht viel Brennspiritus, ist nicht explo¬
sionssicher, sogar feuergefährlich und verlangt 7 Standen der Desinfektion.
Berolina ist schwer tiansportierbar.
Der Schneiderscho Apparat beachtet das Verhältnis der Formalinmenge
zum Rauminhalt des Zimmers zu wenig.
Colonia ist schlecht transportierbar, und es liegt bei ihm die Gefahr
vor, dass die Düsen sich verstopfen.
Bei dem kombinierten Aeskulap ist die Gefahr der Polymerisation des
Formaldebyds nicht ausgeschlossen.
Die Verwendung der Karboformal-Glühblocks ist mit Feuersgefahr
verbunden.
Das Festoform dient nicht mehr zum Versprayon.
Das günstigste PrUtungKcrgcbnis bot der Lingner'sche Desinfektions¬
apparat; derselbe ist nicht wesentlich teurer, enthält alle nur nötigen Bei¬
gaben, er ist sehr subtil gearbeitet, Feuorsgefabr und Explosion sind aus¬
geschlossen, ebenso eine Polymerisation des Formaldebyds; der Apparat ist
leicht, handlich und in einem festen Kasten bequem transportierbar.
Die Kosten der Desinfektion eiues Raumes von lOOebra bei St/fStUn-
diger Einwirkungsdauer betragen bei Lingner's Desinfektions-Apparat:
für 2,0 1 Formaldehyd 2,00 M.
. 0,5 1 Brennsi'iritus 0,20 M.
Zu jedem Apparate gehört noch ein kleiner Ämmoniakvergaser.
Angorer scbliesst seinen Demonstrations-Vortrag mit folgenden
Worten;
.Ich inüchte zum Schluss nur nochmals kurz betonen, dass nach meinen
Erfahrungen der Liiignerscho Apparat nach allen Richtungen hin die grössten
und meisten Vorzüge autweist, so dass die Ansebatfung dieses Apparates
wohl vor alloD anderen zu empfehlen ist, dies umsomehr, als Uber die des-
iiifektoriscbe Wirkung des Apparates nur das beste bekannt ist.“ Der
Lingnerscho Desinfektiensapparat wird borgostellt vom Dresdouor Chemischen
Laburutoriutn Liiigner. A. R.
V«raniwordick«r Redakteur: Dr. P. Meittner, Berlin W. 91, Kurfürilenitr. 91. — Veiantwortlicli lUr den loBerateDtell: Der Verlag eon Carl Marhold, Halle «. S.
Druck voa der HevBeaana'tebM Bnchdruckerel, Gebr Welff, Halle a. S.
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Medicinische Woche
Ocatocbmaaii, A. Dfihnieo, A. Hofft, E. Jacobi,
HAmburs. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bt.
H. Senator, R. Sommer,
Berlin. Qietsen.
Herausgegebeo von
R. Kobert. M. Koeppen, K. Partich. H. Roiin, H. Scblan«.
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover
H. Unverrlcht, A. Voiiias,
Magdeburg, Glessen.
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Carl Marhold ln Halle a. S.« Uhlandsfnuse 6.
lel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
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Redaktion:
Berlin W. 62* KorMrstenstmese 81.
Dr. P Meißner.
-::::::- j
Vn. Jahrgang.
17. Dezember 1906.
Nr. 51.
...---- ... m.. ....asiKcu uaiiicviv{(isviic vciiiraixciiuilgy urgsn des schwartwaldbsdertages,
des Verbandes der Deutschen NordseebSder, sowie des Vereins der BadeSrite der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 PI. Bestellungen nehmen iede
Buchhandlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhold ln Hall e a. S. entgegen. Inserate werden für die 4gespaltene Petitzelle oder deren Raum
mit SO Pf. berechnet Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei gröBeren Aufträgen wird Rabatt gewährt
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet
Originalien.
Ernst von Bergmann.
Zu des Meisters siebzigsten Geburtstage
am 16. Dezember 1900.
Von Dr. med. Hermann Engel, Berlin.
Ein heller Wintertag war es, der 16. Dezember 1836, als
die Kirchenglocken Rigas es in die Welt hinausklangen, dass
dem V. Bergmannschen Hause ein
Sohn, Ernst, geboren sei, dessen
Leben und Wirken der Mitwelt ein
reicher Segen werden sollte. Erst
achtzehnjährig, bezog der frische,
fröhlich dreinblickende Student die
Hochschule Dorpat, deren Lehrstuhl
er selbst dereinst zu zieren berufen
war. Am 13. November 1860 promo¬
vierte er mit einer Dissertation: „De
balsamo copaivae cubebarumque in
nrinam transitu“ znm Doctor der
Medicio und wurde bald darauf,
seinen Neigungen und seiner glän¬
zenden Veranlagung folgend, Assis¬
tent an der dortigen chirurgischen
Universitätsklinik, die sich abwech¬
selnd der Leitung eines v. A dclmann
und eines v. Oettingen erfreute.
Im Jahre 1864 durfte sich der junge
Gelehrte auf Grund einer Arbeit
„UeberFettembolie“ als Privatdozent
habilitieren. Seinem ungostümen
Wissensdrange konnte das Unter¬
richtsmaterial der heimatlichen Hoch¬
schule nicht genügen, und so begab
er sieb auf Reisen zu weiteren Studien
nach Berlin und Wien, das damals
die Hochburg der medicinischen
Wissenschaften bedeutete. Da ent¬
zündete das Jahr 1866 die Kriegs¬
fackel zwischen Preussen und Oester¬
reich; stracks eilte der junge Chirurg
auf den Kriegsschauplatz, wo er unter Leitung des Königsberger
Professors und Generalarztes Wagner zu Königinhof an den
zahlreichen Verwundeten erwünschte Gelegenheit fand, den im
chirurgischen Sehen bereits geübten Blick zu weiten. Hier
schaffte er das Fundament zu dem stolzen Gebäude seiner
Kriegschimrgie, deren unbegrenzte Vorzüge sich erst jüngst
im südafrikanischen Kriege, im russisch-japanischen Kriege
und bei unseren Kämpfen in China und Südwestafrika in
deutlichster Weise bewährt haben. Der deutsch-französische
Krieg fand unseren v. Bergmann auf den Schlachtfeldern
von Weissenburg und Wörth, sowie in den Kriegslazaretten
in Mannheim und Karlsruhe, wo er zu Volkmann und Bill-
roth in nahe Beziehungen trat.
Der Ruf seines unvergleichlichen Könnens war ihm nach
Dorpat voraufgeeilt, und so war es nur natürlich, dass ihm
die Nachfolge v. Adelmanns im chirurgischen Ordinariat zu
Dorpat übertragen wurde. Das freundschaftliche Band zu dem
eliebten Lehrer wurde noch inniger gestaltet durch die Ehe mit
essen Tochter, der es ein früher Tod missgönnte, die unauf¬
haltsam aufsteigende Ruhmesbahn des Gatten zn verfolgen.
Derrussisch-türkisebe Krieg im Jahre
1877 entführte ihn wieder seiner
Lehrtätigkeit und bannte ihn als kon¬
sultierenden Chirurgen der Donaii-
armee an das Hauptquartier des
Grossfürsten Nikolai Nikolajewitsch.
Mit seiner fast Wunder wirkenden
ärztlichen Tätigkeit, der auch hier
manches schon verloren gegebene
Menschenleben seine Wiederher¬
stellung verdankte, verband er die
wissenschaftliche der streng objek¬
tiven Beurteilung des Wund Verlaufes,
und es ist allgemein bekannt, dass
wir in der angestrengten Arbeit dieser
Zeit den Keim der aseptischen Wund¬
behandlung zu begrüssen haben.
In der pathologisch-anatomischen
Sammlung der chirurgischen Uni¬
versitätsklinik zu Berlin befinden sich
Geschosse, die v. Bergmann wäh¬
rend dieses Krieges ans den Körpern
Verwundeter mit glänzendem Erfolge
entfernt hat, und wer diese mnssigen,
scharfkantig und unregelmäßig ge¬
formten Bleiklumpen sieht, kann sich
eine Vorstellung machen von der
verheerenden Wirkung, die diese
mörderischen Geschosse auf den
menschlichen Körper ausüben muss¬
ten; er gedenkt aber auch voller
Bewunderung der gesegneten helfen¬
den Hand, die diese Schäden mit
den Mitteln der damaligen Zeit zu heilen vermochte.
Wieder verbreitete sich der Ruhm seiner grossen Kunst,
und Petersburg, Kiew und Würzburg bestrebten sich, den
Chirurgen v. Bergmann in ihre Mauern zu ziehen. Er ent¬
schied sich für Würzburg, wohin er am 15. April 1878 als
Nachfolger Linhardts zog. Nur vier Jahre sollte er hier
weilen. Als im Jahre 1882 v. Langenbeck die Leitung der
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554
WOCfifi.
Nr. 51.
chirur^ischeD Universitätsklinik zu Berlin niederlegte, da war
es V. Bergmann, der allein würdig schien, den von dem Alt¬
meister der Chirurgie verlassenen Platz auszufüllen.
Zu zahlreichen Ordensauszeichnungen trat im Jahre 1877
die Ernennung zum k. russ. wirklichen Staatsrat. In Würzburg
wurde er Bayerischer Generalarzt, um 1882 als Generalarzt
ä la suite der Armee mit dem Range eines Generalmajors in
das Königlich preussische Sanitätskorps übernommen zu werden.
Gleichzeitig wurde er Geh. Medicinalrat. Im Jahre 1901 wurde
er Wirkl. Geh. Medicinalrat mit dem Titel Exzellenz. 1905
wurde v. Bergmann durch den König in das preussische
Herrenhaus berufen. Er ist Ehrenmitglied der Kaiserlich
russischen medico-chirurgischen Akademie, Ehrenpräsident der
Berliner medicinischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der chirur¬
gischen Gesellschaft Nord-Amerikas, der Londoner klinischen
Gesellschaft, der schwedischen Akademie in Gothenburg und
zahlreicher anderer gelehrter Körperschaften der verschieden¬
sten Nationen.
Was V. Bergmann in der Gehirnchirurgie und als Vater
der Asepsis geleistet hat gehört der Geschichte an. Von seinen
zahlreichen wissenschaftli^en Arbeiten sei hier nur eine An¬
zahl wiedergegeben: Die Lepra in Livland (Petersburg 1867).
— Das putride Gift (Dorpat 1868). — Die Fieber und Ent¬
zündung erregenden Wirkungen der Produkte des fauligen und
entzündlichen Gewebszerfalls (Petersburger medicin. Wochen¬
schrift). — Das Sepsin (Zentralblatt für die medicin. Wissen¬
schaften, 1868). — Zur Lehre von der putriden Intoxikation
(Zeitschrift für Chirurgie, 1872). — Die gegenwärtigen Forsch¬
ungen in der Krebslehre (Rede zum Stiftungsfest der Dorpater
Universität, 1876). — Die Lehre von den Kopfverletzungen
(Deutsche Chirurgie, 1881). — Ueber die Endresultate der
Gelenkresektionen im Kriege. — Die Behandlung der Schoss
wunden des Kniegelenks im Kriege. — Die Fermentintoxikation
(gemeinsam mit v. Angerer, Festschrift zum 300jährigen
Jubiläum der Universität Würzburg. 1882). — Die Unterbin¬
dung der Vena femoralis. — Die Krankheiten der Lymph-
driison. — Die Schicksale der Transfusion im letzten Dezen¬
nium (Berlin 1883). — Ein Vorschlag zur Behandlung ver¬
alteter Querbrüche der patella (Berlin 1887). — Ueber einige
Fortschritte in der Hirnchirurgie (Berlin 1895). — Die anti¬
septische Wundbehandlung in der Königl. chirurg. Universitäts-
Klinik zu Berlin (Klinisches Jahrbuch, I). — Ueber den Him-
druck. — Statistik der Krebse und Krebsheilungen. — Die
Operation des widernatürlichen Afters. — Ueber Nierenexstir¬
pationen. — Ueber Echinococcen der langen Röhrenknochen.
— Die chirurgische Behandlung von Hirnkrankheiten. — Ueber
den Oesophagusdivortikel und seine Behandlung. — Reposition
Feuilleton.
Aus feindlichen Lagern.
Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung.
Von Oberstabsarzt Dr. Neutnailll-Bromberg.
(Fortsetzung.)
Wenn er in diesem Artikel z. B. einen Satz aus dem Pro¬
gramm des Deutschen Vereins für Volkshygiene, an dessen Spitze
jetzt der GeheimeObermedicinalrat Dr. Schmidtmann-Berlin
steht, zitiert: „Schon längst hätten wir, die berufenen Vertreter
der praktischen Medicin in enge Fühlung mit dem Laientum
treten müssen, um Aufklärung und Belehrung in sanitärer Be¬
ziehung zu bringen“, so de(^t sich dieses Bekenntnis, das
nostra culpa etwas verabsäumt worden ist, durchaus mit den
Wünschen unserer Feinde, der Naturheiler. Aber si duo faci-
unt idem, non est idem; es ist nicht gleichgültig, von wem
das Volk aufgeklärt wird.
Ist eine hygienische Belehrung des Volkes überhaupt not-
w’endig, so soll nicht der Laie in Gestalt des ärztefeindlichen
Naturheilers, der gegen die staatlichen Gesundheitsgesetze,
des Inxierten Talus von einem Schnitte aus. — Zur Kasuistik
der arthrogenen Kieferklemme. — Zur Kasuistik der Leber-
chirurgie. — Anleitende Vorlesungen zum Operationskurs. —
Die Diagnose der Meningitis. — Himverletznogen mit lokalen
und allgemeinen Symptomen. — Die tuberkulöse Entzündung
der oberen Halswirbel. — Die Behandlung des Lupus mit
Tuberculin.
Zahlreich sind seine kasuistischen Mitteilungen in den ver¬
schiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften, so über blaue
Schweisse, akute Osteomyelitis, cartilaginöse Exostosen, infek¬
tiöse Pneumonie, Anheilung völlig gelöster Knochensplitter,
Kehlkopfexstirpationen, erste Anwendung der Sublimatlösungen
und Sublimatverbände in der Chirurgie, Durchstichfrakturen,
Trepanationen. Auch seine Diskussionsreden auf wissenschaft¬
lichen Kongressen bilden eine schier unerschöpfliche Fund¬
grube ärztlichen Wissens. Ein Teil seiner und seiner Schüler
Arbeiten ist in dem umfangreichen Werke: „Arbeiten aus der
chirurgischen Klinik der Königlichen Universitäten Berlin“
niedergelegt. Mit v. Bruns und v. Mikulicz-Radecki gab
er das klassische „Handbuch der praktischen Chirurgie“
heraus, das heute in III. Auflage erscheint v. Bergmann
redigiert die „Volkmannsehen Vorträge“ mit Erb nnd
V. Winckel, das „Zentralblatt für Chirurgie“ mitKoenig und
Richter, mit Körte das „Archiv für klinische Chirurgie“,
mit V. ßrnns die „Deutsche Chirurgie“.
Was alle seine Arbeiten in höchstem Grade schmückt,
das ist die erschöpfende Gründlichkeit und helllenchtende Klar¬
heit, mit der jeder Stoff behandelt ist. Hierzu gesellt sich
eine seltene und ungewöhnliche Schönheit der Sprache, die
das Stadium seiner Arbeiten zu einem ebenso belehrenden
wie genussreichen stempelt. Geradezu klassisch sind seine
Reden, sei es eine Gedäentoisrede auf einen Dahingeschiedenen,
sei es ein launiger Toast bei frohen Festen, Reden, die den
Zuhörer schon durch den Klang seiner Stimme gefangen,
nehmen und ihn durch den begeistert vorgetragenen und oe-
geistemden Inhalt unwiderstehlich mit sich fortreissen.
Schon das Maß der oben z. T. angegebenen Arbeiten ist
geeignet, das Leben eines arbeitsamen Mannes vollständig aus>
zufüilen. Welche ungemessenen nnd vielseitigen Obll^en-
heiten hat unser Jubilar, dessen 70. Geburtstag jetzt die Welt,
nicht nur die wissenschaftliche, feiert, von jeher zu erfüllen
gehabt.
Da ist zunächst die Leitung der chirurgischen Universi¬
tätsklinik und Poliklinik. Erstaunlich ist das Gedächtnis des
Meisters für jeden Fall, der auf der Abteilung liegt, erstaun¬
lich die Sicherheit, mit der er sich erinnert, was in denn
betreffenden Semester den Studierenden bereits vorgestellt wurde
gegen die Impfung, gegen die Sernmtherapie, gegen die bakte¬
riologischen Grundsätze bewusst und agitatorisch hetzt, diese
geben, sondern der berufene Fachmann, der Arzt, als hygie¬
nischer Lehrer and Erzieher seines Volkes I Das ist seine
Aufgabe.
Die hygienische Aufklärn^ und das Verlangen nach: ihr
liegt im kulturellen Zuge der ^it; das hygienis^e Interesse
in die richtigen, natürlichen Bahnen lenken, ist unsere, der
Aerzte Aufgabe: ist unsere Kultaraufgabe!
Ich stelle fest, zu behaupten, dass die Ziele, die der
Deutsche Verein für Volkshygiene, als der berufene Vertreter
anf diesem Gebiete, die richtigen sind: Aufklärung, lediglich
durch approbierte Aerzte, H^ten von Lehrvorträgen, ohne
Laiendebatte, Vermeidung des Besprechens der Therapie, An¬
schluss der örtlichen Aerztevereine als korporative Mitglieder
des Deutschen Vereins für Volkshj^giene, weil dadurch das
Odium wegfällt, als halte der einzelne Arzt lediglich der
Reklame halber ärztlich-populäre Vorträge.
ln solchem Geiste geleitete Zweigvereine des Deutschen
Vereins für Volkshygiene sind ein Bollwerk gegen die soge¬
nannten Naturheilvereine.
Wenn man mit kritischem Auge die Naturheilliteratur be¬
trachtet, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass sie ihre Spalten
zum Teil mit persönlichem Gezänk füllt. Von Interesse ist es,
dass keineswegs Einigkeit im Natnrheillager herrscht So'b«-
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
555
QDd was noch demonstriert werden muss, um den Lernenden
einen möglichst abgeschlossenen Ueberblick über den jeweiligen
Stand der Chirurgie und ihre Leistungsfähigkeit in dem engen
fiahmen eines klinischen Semesters zu verschaffen. Wie ne-
fruchtend wirkt sein Wissen und Können auf seine nähere
Umgebung, auf den Stab seiner Assistenten! Bald hilft er
dem über das Mikroskop Gebeugten in der Deutung schwieriger
Präparate, dem teilt er eine neue originelle Idee für eine ex-
penmentelle Arbeit mit, jenem hilft er in der Ergründung
eines seltenen und schwer zu deutenden Krankheitsbildcs; dem
jungen Arzte, der seine erste grössere klinische Operation
amXebenden unternimmt, leistet er selbst geduldig und be¬
ratend Assistenz. Für jeden Patienten hat er ein sorgsames
und treu wachendes Auge, für den Schwerkranken ein liebe¬
volles aufrichtendes Wort des Trostes. Täglich von 2—4 Uhr
hält er in dem dicht gefüllten Auditorium die Klinik ab, und
für jeden, der zu seinen Füssen als Lernender gesessen hat,
bedeutet noch im späteren Leben die Erinnerung an jene
Stunden eine Quelle reinster Freude. Hierzu tritt eine um¬
fangreiche Privatpraxis, die ebenfalls einen grossen Teil des
Tages durch Operationen, Besuche und Konsultationen in An¬
spruch nimmt. Eine Praxis, wie sie ein zweites Mal in der
Welt nickt zu finden ist. Zu seiner Klientel gehören Kaiser
und Könige wie die einfache Frau aus dem Volke, die von
dem Rnhm des Meisters hörte und durch seine stets hilfs¬
bereite Hand Behebung ihrer Leiden erhofft.
Unvergessen ist die Zeit, da Ernst v. Bergmann dem
unglücklichen Kaiser Friedrich seine Kunst lieh, wie er als
erster die richtige Diagnose auf Carcinoma laryngis stellte, zu
einer Zeit, da die von ihm geplante Operation noch Rettung
versprach. Wir begrüssten im Jahre 1896 einen Fabrikbesitzer
aus St Petersburg, dem der Meister durch eine im Jahre 1886,
also 10 Jahre vorher, vorgenommene Totalexstirpation des
carcinomatös erkrankten Kehlkopfes das Leben bewahrt hatte.
Und dieser Fall war so weit vorgeschritten, dass dem Patienten
bei seiner Abreise ans Petersburg wegen Erstickungsgefahr die
Tracheotomie gemacht werden musste. Leider vermochte der
Einfluss einer englischen Autorität — Mackenzie — die von
V. Bergmann bei dem kaiserlichen Dulder für dringend er¬
achtete Operation hinauszuschieben, bis es zu spät war. Es
S ehört die gigantische Natur und der unbeugsame Geist unseres
leisters dazu, um alle die gehässigen und hämischen Eifer¬
süchteleien zu vertr^en, die der in der Wahl seiner Mittel
völlig bedenkenfreie Engländer in Szene setzte, um unbe¬
kümmert durch all den Schmutz zu waten, mit dem ihn, den
hervorragenden deutschen Arzt, ein Teil der sogenannten deut¬
schen Tagesblätter bewarf. Der Fackelzug, den ihm s. Z.
kämpfen z. B. die von Max König-Hannover redigierten Reform¬
blätter, ein illustriertes Monatsblatt für alle hygienischen Re¬
formen, sehr energisch den „Naturarzt“, vor allem den be¬
rühmten Herrn Gerling.
Die letzte Hauptversammlung des Vereins der Naturbeil¬
kundigen, die Anfang September in Leipzig tagte, stellte den
„Reformblättem“ zufolge u. a. folgende Leitsätze auf:
Die Gleichberechtigung der Mitglieder des Deutschen
Vereins der Naturheilkundigen mit allen Mitgliedern und
Aerzten im Vereins wesen des Deutschen Bundes ist fest-
znstellen.
Ferner:
Die Natnrheilkundigen sind die Vertreter der fortschritt¬
lichen Heilkunde und alleinigen Verfechter der Knrierfrei-
heit.
Den Naturheilvogel in der Literatur schiesst aber Herr
Spohr, Oberst a. D., ab. Im „Naturarzt“ schreibt er im Jahre
1904 Heft 9 u. ff. am Schluss wörtlich folgendes:
„Die heutige Medicin stellt eine Wissenschaft und
Kunst der verwegensten und heillosesten Flickschneiderei
dar, ein System, dem, wenn es nicht schon in allen Jahr¬
hunderten, namentlich aber in neuester Zeit, auf den
energischsten aktiven und passiven Widerstand der noch
nicht ganz verdummten Laienwelt gestossen wäre, die
die Berliner Studentenschaft darbrachte, hat dem zu Unrecht
in erbärmlicher Weise Geschmähten einen Beweis des uner¬
schütterten Vertrauens seitens der deutschen Intelligenz gegeben.
Diese ausgedehnte Klientel zwingt den gesuchten Retter heute
zu einer Konsultation nach Moskau zu reisen, um in kurzer
Zeit in Madrid zu operieren, oder der erkrankten Tochter des
Sultans am Bosporus seine Hülfe angedeihen zu lassen. Zu
den Reisen selbst wird hauptsächlich die Nacht verwandt, da
die Tageszeit, die dem wirklichen Schaffen gehört, hierfür zu
kostbar ist. Auf die Frage, ob denn diese ausgedehnten Reisen
nicht zu strapaziös seien, erklärte er einst, dass dies die ein¬
zige Gelegenheit sei, ungestört zu denken und zu arbeiten, da
ihn im Eisenbahnwagen niemand abrnfen und stören könne.
Für ihn bedeutet Arbeit Erholung, und so sahen wir ihn seine
Besuche bei seinen Patienten morgens um 6 Uhr beginnen,
wenn die Zahl der Kranken in der Stadt Qine gar zu hohe
geworden ist, oder die Sitzungen der wissenschaftlichen Depu¬
tation für das Medicinalwesen, oder andere dringende Kome-
renzen einige Tagesstunden in Anspruch nahmen. Zu seiner,
den Kranken und dem Lehren gewidmeten Tätigkeit tritt noch
die Vorbereitung der Sitzungen der Berliner medicinischen
Gesellschaft, die er nach Virchows Tode leitet, und die um¬
fangreiche literarische Betätigung, die wir oben skizzierten.
Der Grundzug seines Wesens ist Vornehmheit, mit der
sich eine natürliche bestrickende Liebenswürdigkeit und reich¬
licher Sinn für Humor verbindet. Seine imponierende Er¬
scheinung, sein Fühlen und Handeln prägt sich in geradezu
bezaubernder Weise allen denen ein, die das grosse Glück
hatten, ihm in der Arbeit oder im täglichen Leben näher zu
treten. Ihn trägt das Vertrauen seines Königs, der unausge¬
setzt darauf sinnt, dem von ihm dankbar verehrten Manne
Aufmerksamkeiten zu erweisen und ihn auszuzeichnen. Zahl¬
reiche Bilder mit persönlichen Widmungen des Monarchen
schmücken v. Bergmanns Arbeitszimmer; eine hohe Lieb¬
lingspalme, die im Sommer seinen Garten ziert, wird auf Be¬
fehl des Kaisers den Winter über in den kaiserlichen Gewächs¬
häusern gepfle gt. Als der Kaiser sich vor lauerer Zeit eine
Cyste an der Wange von der kunstgetibten Hand v. Berg¬
manns exstirpieren Hess, brachten die Tagesblätter Betracm-
tungen über die Gefahr unbeabsichtigter Facialisdurchtrennung
bei diesem Eingriff, die dem Herrscher natürlich zu Gesicht
kamen. Er fragte daher seinen Helfer, welche Bedeutung der
Facialis habe und welche Wirkung seine Durchschneidung
hervorbringe. Als die Antwort lautete, dass die Verletzung
eine entst^lende Lähmung des Gesichtes bewirke, sagte der
Kaiser lächelnd: Dann wäre ich Ihnen aber höchst böse geworden,
mein lieber Geheimrai Ja, das habe ich eben befürchtet,
zivilisierten Völker der Erde schon längst zum Opfer ge¬
fallen sein würden.“
So sagt Spohr, der vielgewandte Apostel der Aufklärung!
In seiner Schrift „Die Naturheilkunde und ihre Gegner“,
Betrachtungen über Wesen und Ursachen der Krankheiten,
über Bakteriologie und Biologie, kommt dieser fruchtbarste
aller Naturheilapostel, der seine Expektorationen vor allem in
der Zeitschrift: „Deutsche Warte“ niederl^, zu folgendem,
für uns Aerzte total niederschmetterndem Ergebnis: Er sagt,
nachdem er sich in laienhaftem Gewände ohne jede wissen¬
schaftliche Unterlage Über die Wertlosigkeit der Diagnose,
der Bakteriologie, des Serums, der Impfung sattsam ausge¬
sprochen, dass es der Aufklärungsarbeit der Reform, der Natur¬
heilkunde gelingen werde, dem Giftbeilmittelaberglauben ein
völliges Ende zu bereiten.
Meine Schrift, sagt er am Schlüsse des Buches (Leipzig
1905, Verlag Karl Lentze), wird einen Erfolg sicher haben, sie
wird dem Verfasser „die grimmigste Feindschaft zahlreicher
bazillenfürchtiger Laien und bazillensüchtiger Charlatane zu¬
ziehen“. (Schloss folgt.)
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556
MEDICINISCHB WOCHE.
Nr. 51.
antwortete dieser heiter, und deswegen habe ich ihn so sorgfältig
geschont.
Einen Mann, dessen kostbare Zeit so gemessen ist, kann
nichts so in den Harnisch bringen, als wenn er mit mtissigen
Fragen belästigt wird. So war er wegen einer Bagatelle als
Sachverständiger vor Gericht geladen und der Vorsitzende
war unerschöpflich im Stellen von zwecklosen Fragen, die der
Sache in keiner Weise dienten. „Ein Vorsitzender kann mehr
fragen, als zehn Sachverständige beantworten“, schloss von B.
seine Aussagen, worauf der Fragesteller verstummte. Als ihn
eine Behörde unter Hinweis auf bureaukratische Vorschriften
und Gesetzesregeln mit allen möglichen Anfragen bestürmte,
schrieb er unter eine Antwort: „Vernunft wird Unsinn, Wohl¬
tat Plage“ und weitere Anfragen unterblieben.
Unvergessen ist die ritterliche Art, mit der v. Bergmann
im Jahre 1806 vor dem Gericht zu Braunschweig als Sachver¬
ständiger für den unglücklichen Chirurgen Seidel seine Lanze ein¬
legte, und allbekannt ist es, wie er durch den Vorwurf an¬
geblich gemachter Kunstfehler bedrängte Aerzte mit der Wucht
seiner Autorität zu schützen weiss, Dass ihm, dem auf der
Höhe ärztlichen Ansehens stehenden, ein unvergleichlich kolle¬
gialer Sinn innewohnt, das erkennt man aus seiner Zugehörig¬
keit zur Berliner Aerztekammer, an deren Sitzungen der Viel¬
beschäftigte teilnimnit, um seinen Kollegen auch auf anderem,
als nur wissenschaftlichem Gebiete, ein liebevoller Förderer zu
sein. Der Drang, der Aerzteschaft zu helfen und sie vor
materiellen Schäden zu bewahren, veranlasste ihn im Jahre
1897 zur Gründung der Berliner Rettungsgesellschaft, die sein
Organisationstalent zur höchsten Blüte und allseitiger An¬
erkennung brachte. Dass er seinen Assistenten ein fürsorg¬
licher väterlicher Freund auch in Fragen des täglichen Lebens
ist, erscheint hiernach selbstverständlich.
Neben dieser umfangreichen Tätigkeit findet er aber doch
noch Zeit, sich in seinem Hause, das die fein- und kunstsinnige
Gattin, geborene v. Porbeck, für ihn zu einem Erquickung
spendenden Born zu gestalten wei.ss, seiner Familie und seinen
Freunden in fröhlicher Geselligkeit zu widmen. Zwei blühende
Töchter führten ihm Offiziere als Schwiegersöhne ins Haus,
und sein Sohn, der sich auf dem Gebiete der inneren Medicin
Lorbeem zu holen anschickt, brachte eine liebliche Rheinlands-
tochter als Gattin zu den Eltern.
Alle Welt wetteifert heute, dem allverehrten Meister ihren
Dank abzustatten, und schier unmöglich erscheint es, für ihn
noch neue äussere Ehren zu ersinnen. Auf ihn erfleht die
zitternde Hand der Greisin, der er den Sohn errettete, des
Himmels Segen herab, für ihn steigen aus dem Herzen des
Kindes, dem er den Vater wiedergab, dankerfüllte Gebete zu
Gott. Er selbst — aliis inserviendo cunsiiinitur — sieht seinen
Lohn in der Mühe und Arbeit, die nach seiner Auffassung es
allein sein muss, wenn das Leben köstlich sein soll.
Heil, Ernst v. Bergmann!
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medicinUclie Gesellschaft.
Sitzung vom 28. November 1906.
Vor der Tagesordnung;
Ilosenstein demonstriert eine Patientin, bei der nach Ent¬
fernung der einen Niere Steinbildung in der gebliebenen zu Uraemie
führte. Die Steine — 32 an der Zahl, aus Cystin bestehend —
wurden durch Nephrotomie entfernt, nur so gelang es, das noch
voihaudene Nierenparenchym zu retten.
von Bergmann zeigt einen Fall von Zwergbildung.
Joseph stellt einige Fülle von Nasenplastiken vor. Eine
starke Höckerbildung durch Hypertrophie des viereckigen Knorpels
hat er beseitigt durch endonasale Resektion des Knorpels, eine
angeborene Sattelnase durch endonasale Transplantation eines
Tibiastückea und eine erworbene Sattelnase durch Verpflanzung
eines resezierten Knorpelstücks.
Cohn zeigt eine Patientin mit einem Primäraffekt der
Mamma und einem zweiten, später entstandenen, anf dieselbe In¬
fektionsquelle zurückzuführenden Primäraffekt an der Lippe.
Tagesordnung:
Stadelmann: lieber Acocanthera Schimperi als
Mittel bei Herzkrankheiten.
Auf den Vorschlag Lewin s bat St. das Mittel in Anwendung
gezogen. Von dem Holz wurde ein Infus hergestellt 1,0—1,5:160,0
Aqua, 30,0 Sirup, 10 aq. Menth, piperit. Davon wurden 4—5
Flaschen verbraucht. Der bittere Geschmack wurde öfters unan¬
genehm empfunden, vereinzelt zwang Erbrechen zum Aussetzen.
29 Fälle, die sich bezogen auf Nephritis mit Herzschwäche, Arterio¬
sklerose, Aorten- und Mitralinsuffizienzen, Myocarditis, Vitium
complicatura wurden so behandelt. Die Erfolge waren nicht gleich¬
mäßig; keine, mäßige, ausgezeichnete Wirkung wechselten in den
verschiedenen Fällen. Bei Aorteninsuffizienz zeigte sich keine
Bessernng des Pulses, bei Mitralfehlern wurde derselbe günstig
beeinflusst, aber nicht regelmäßig. Auch der Blutdruck blieb oft unbe¬
einflusst, gelegentlich setzte eine Steigerung ein, bisweilen wurde
aber auch eine Senkung beobachtet Eine Einwirkung auf den Puls
wurde nach sehr verschiedenen Quantitäten des Mittels beobachtet.
Eine Vermehrung der Urinmenge blieb öfters aus; häufig war sie
eine sehr reichliche, manchmal überraschend schneU, schon bei der
ersten Flasche einsetzend. Damit einhergehend war die vorzüg¬
liche Besserung des Allgemeinbefindens, Schwinden der Oedeme,
Cyanose, Dyspnoe; und zwar trat diese gelegentlich auch in
Fällen ein, wo eine Regulierung des Pulses nicht erfolgt war.
Auszüge aus einzelnen Krankengeschichten illustrieren den Verlauf
der Behandlung. Im ganzen ist die Wirkung der Acocanthera
der der Digitalis, auch in ihrer Unregelmäßigkeit, an die Seite
zu setzen; manchmal wirkt die eine, manchmal die andere besser.
Auf jeden Fall ist die Acocanthera ein schätzenswertes Herzmittel,
das weitere Anwendung verdient. Das Holz behält lange seine
Wirksamkeit, das für die Versuche benutzte hatte jahrelang ge¬
lagert ; es eignet sich deshalb für den Import. In der langen
Haltbarkeit liegt ein wesentlicher Vorzug gegenüber der Digitalis.
St. hat dann weiter Versuche mit der wirksamen Substanz der
Acocanthera, dem Ouabain, angestellt, das sehr leicht löslich ist.
Es wurden von einer Lösung 0,003:10,0 subkutane Injektionen ge¬
macht und schon nach 3—4 Injektionen bemerkenswerte Erfolge
erzielt. Wegen Mangels an Material konnten die Versuche nicht
fortgesetzt werden; sie verdienen aber umsomehr eine Erweiterung,
als keinerlei lokale Reizwirkung der Injektionen sich einstellte.
Diskussion:
Brieger verweist darauf, dass es verschiedene Acocanthera-
arten gibt und ebenso verschiedene Ouabaine. Er bezweifelt die
Reinheit des Lewinschen Präparats and hält es für bedenklich,
mit amorphen Substanzen, die nicht wie die kristallinischen genau
charakterisiert und dosierbar sind, klinische Versuche anznstellen.
Bickel berichtet über Tierversuche mit Ouabain.
Lewin: Schlusswort: Er weist energisch die von Brieger
geäusserten Bedenken zurück. P.
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur.
Sitzung vom 12. Oktober 1906.
Vorsitzender: Uhthoff, Schriftführer: Strümpell.
Rosenfeld: Hauttalg und Diät:
Die bisherigen Versuche von Krukenberg und Leubnscher
Uber die Menge des täglich aasgeschiedenen Hauttalges konnten
nickt befriedigen, da von dem untersuchten Flächenranm von
4 qcm auf die 16000 qcm betragende Gesamtoberfläche geschlossen
werden musste. Es kamen dabei auch unwahrscheinliche Zahlen
von über 40 g p. d. heraus. R. ging nun so vor, dass er den
Versuchsmenschen WoUwäsche tragen Hess, die während einer
ganzen Beobachtungsreihe nicht gewechselt wurde. Dann wurde
durch Extrahieren die Menge des aufgesogenen Hauttalges fest¬
gestellt. Es wurde dabei auch untersucht, in welcher Weise die
Qualität der Nahrung auf die Talgmenge von Einfluss ist. Das
Ergebnis war folgendes: Bei viel Fett und wenig Kohlehydrat
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1906.
MBDICINISCHB WOCHE.
657
betrag die tägliche Menge 0,9i g, bei wenig Fett und viel
Koiüehjdrat 2,3 g. Daraufhin wurden auch bei 2 Diabetikern
Versuchsreihen angestellt und fast identische Zahlen (0,95 und
1,1 p. d.) gefunden. R. nimmt an, dass die Kohlehydrate direkt
in Hauttalg nmgewandelt werden. Personen, die wenig Kohle¬
hydrat oxydieren (Diabetiker) haben daher wenig Hauttalg, und
da dieser als Schutzvorrichtung der Haut anzusprechen ist, wird
die Neigung zu Fnrunkelbildung verständlich. Auch bei Brom-
gebrauch sinkt die Talgausscheidung, und es entsteht Acne. Bei
Entfettungskuren mit vermehrter Koblehydrat-Zuiuhr verschwindet
die vorher bestehende Acne und Furunculosis. Bei Fettmast ent¬
steht Furunculose; ebenso bei Kindern mit fettreicher Nahrung,
and zwar nach Annahme des Vortragenden durch Verminderung
des Hauttalges.
An der Diskussion beteiligten sich ROhmann und
Neisser.
U h t h o f f demonstriert Abbildungen von doppelseitig in mul¬
tiplen Herden auftretenden Metastasen von Cardnom der Aderhaut.
Pe ritz.
Kongressbericht.
79« Versammlung dewtseher Naturftyrscher und
Aerxte in Bhdtgart*
Sektioa fhi innere Medioin, Chirurgie und Neurologie.
Hr. Steinthal-Stuttgart stellt einen Patienten vor, bei dem
die Palliativtrepanation gemacht worden ist. 37jähriger Mann,
bei dem ohne vorausgegangene anderweitige Erkrankung am
1. Mai d. J. eine Jacksonsche Epilepsie der linken Körperseite
auftrat. Nach mehreren Anfällen blieb zunächst nur eine Läh¬
mung der linken Oberextremität und nach weiteren Anfällen eine
Lähmung der linken unteren Elxtremität zurück. Keine Allgemein¬
symptome von Himdruck, speziell keine Stauungspapille. Zwei Tage
nach letztem Anfall zunehmende Somnolenz, Sinken der Pulszahl,
aach jetzt keine Stauungspapille. Wegen steter Verschlechterung
des Allgemeinzustandes Trepanation über der rechten motorischen
Region. Weder kortikal noch subkortikal Tumor gefunden, deshalb
Schluss der Lücke unter Wegnahme des Knochenstückes. Am
Abend des Operationstages kehrt das Bewusstsein wieder. Im
Laufe der nächsten Wochen stete Besserung. Jetziger Zustand:
darchaus normales psychisches Verhalten, von Hirnnerven nur noch
im linken Facialis leichte Parese in sämtlichen Zweigen. Links¬
seitige zerebrale spastische Paralyse der oberen Extremität, an
der unteren Extremität keine motorische oder sensible Störung,
nur leichte Erhöhung der Sehnenreflexe, Babinski positiv. Opera¬
tion war indiziert durch die zunehmende Somnolenz und die vor-
ansgegangene typische Jacksonsche Epilepsie. Ob der Tumor
nur nicht gefunden wurde oder, ähnlich wie in den bekannten
Fällen von Nonne, überhaupt nicht existiert, ist eine Frage der
Zukunft. (Autoreferat.)
Hr. Oppenheim-Berlin verliest zunächst Tür den durch
Krankheit am Erstatten seines Referats verhinderten Geh. Rat
Schultze-Bonn folgendes*von demselben eingesandte Resümee:
„1. Von 97 Gehirntumoren wurden im ganzen 19 operiert:
a) nur einmal wurde eine Heilung konstatiert, die ein
paar Jahre nach der Operation noch festgestellt wurde,
und zwar bei einem Kleinhimtumor;
b) einmal wurde durch Ventrikelpunktion nach dem
Neisserschen Verfahren eine sehr erhebliche Besser¬
ung erzielt, so dass Stauungspapille und starke Ambly¬
opie nebst Kopfschmerz schwanden. Diese Besserung
dauerte etwa */4 Jahre, dann trat rasch der Exitus
letalis ein;
c) nur in wenigen Fällen wurde durch Palliativtrepanation
eine monatelange Besserung erzielt.
Das Ergebnis ist also leider trübe.
2. Dagegen t wurden bei insgesamt elf Geschwülsten der
Rückenmarkshaut vier völlige Heilungen und eine dauernde wesent¬
liche Besserung konstatiert.
In den letzten vier noch nicht publizierten Fällen vmrde
jedesmal der Tumor an der richtigen Stelle lokalisiert, war aber
zweimal entgegen der Wahrscheinlichkeitsdiagnose maligner
Natur, und lag ein drittes Mal so hoch am oberen Halsteil, dass
der Operateur ihn nicht zu operieren wagte. Im vierten Falle
folgte vollständige Heilung. In den beiden ersten Fällen wurde
die Operation selbst gut Überstanden.“ (Fortsetzung folgt.)
Gemeinsame Sitzung der Gruppe 16, Innere Hedioin etc., mit
den Gruppen 17, 18, 19, 21, 24, 25, 27, 29, 31.
Dienstag, den 18. September 1906.
Vorsitzender: Herr Blaschko-Berlin.
Hr. Neisser-Breslau: Ueber die Errungenschaften
der modernen Syphilisforschung.
Die Syphilisforschung war seit längerer Zeit insofern an einem
toten Punkt angelangt, als man den Syphiliserreger nicht kannte
und den Krankheitsverlauf nicht experimentell feststellen konnte.
Metschnikoff und Roux stellten die Verwendbarkeit des Affen
als Versuchstier fest. Die von Schaudinn gefundeneSpirochaete
hält er mit Bestimmtheit für den Erreger der Syphilis. Wenn
auch bei anderen Tieren, z. B. Kaninchen, die schon früher zu
Versuchen verwandt wurden, Spirochaeten gefunden wurden, so
sind doch die Affen das gegebene Versuchsobjekt. Han kann bei
ihnen nicht nur mit dem syphilitischen Produkt Affensyphüis er¬
zeugen, sondern auch hereditäre S 3 ^hilis. Ein Unterschied zwischen
der Virulenz primärer und sekundärer Produkte besteht nicht. Die
höheren Affen sind empfänglicher für das Syphiliskontagium; sie
können an jedem Teil des Körpers geimpft werden. Die niederen
Affen nur an Lippen und wenigen anderen Körperteilen. Sub¬
kutane Impfung ist nicht möglich, auch intravenöse nicht, trotzdem
die hereditäre Syphilis für ihre Möglichkeit spricht. Das Ergebnis
ist wertvoll für die wissenschaftliche Diagnostik, weniger für die
praktische. Wichtig ist es aber, wenn es sich um die Differential¬
diagnose zwischen frischer Infektion und tertiärer Form handelt,
auch das Vorhandensein des Giftes im Körper na<;hzuweisen ist
wichtig. Die Frage, wann Syphilis geheilt ist, wird erst nach
Kenntnis der Schutzimpfung zu lösen sein. Nur die höheren
Affen bekommen sekundäre allgemeine Syphilis, bei den niederen
Affen, die anscheinend konstitutionell gesund sind, findet man das
Gift in Nieren, Rücken- und ELiochenmark. Die Frage, wie schnell
die Verseuchung eintrat, wurde damit beantwortet, dass innerhalb
6 Stunden nach der Impfung vorgenoramene Entfernung des
Primäraffekts allgemeine Infektion verhindert, bei nach 8 Stunden
vorgenommener Excision trat Syphilis auf. Auf chemischem Wege,
wie dies zuerst Metschnikoff versuchte, kann der Primäraffekt
verhindert werden, aber nicht sicher. Bei scheinbar erfolgreicher
Elxcision des Primäraffekts schliesse man daher nicht auf Heilung.
Die lebenslängliche Immunität nach einmaliger Durchseuchung be¬
steht nicht; Personen, die nicht zum zweiten Mal infiziert werden,
können Giftherde im Körper haben, die letzteren konstitutionell
beeinflussen. Die Versuche, ein Serum zu gewinnen, haben noch
kein Resultat gezeitigt. Das Quecksilber ist nicht entbehrlich,
ebensowenig die Prophylaxe durch Aufklärung.
Hr. Hoffmann-Berlin: Aetiologie der Syphilis.
Redner schildert die mit Schaudinn nach einem gemein¬
samen Plan angestellten Versuche, welche zur Entdeckung der
Spirochaete pallida durch Schaudinn führten, demonstriert die¬
selbe an zahlreichen Lichtbildern. Sie ist in allen Stadien der
Sj'philis, auch bei hereditärer Syphilis zu finden, ihre Entwicklungs¬
geschichte ist aber noch iinbekannt.
Qynaekologische Monatsschau.
(Schloss.)
Am Schlüsse einer das Thema „Tuberkulose und
Schwangerschaft“ erörternden Ahandlung bespricht von
Rosthorn die praktisch bedeutsame Frage der künstlichen Unter¬
brechung der Gravidität. Unter allen Umständen gibt er dem
künstlichen Abort als dem weniger eingreifenden Verfahren den
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558
BQiDIClNISGHE WOCHS.
Nr. 51.
Vorzug vor der künstlichen Frühgeburt. Für diskutabel und be¬
rechtigt hält er den künstlichen Abort in folgenden Fällen:
a) bei allen floriden, destruktiven, fieberhaften Prozessen,
gleichzeitig ob frischeren oder älteren Datums,
b) bei leichteren und selbst ganz leichten Prozessen, wenn
Komplikationen vorliegen wie: Erkrankungen des Herzens, Er¬
krankungen des Urogenitalsjstems, Erkrankungen des Darmtraktus
und namentlich Larynxtuberkulose,
c) bei relativ geheilten Fällen dann, wenn trotz geeigneten,
hygienisch-diätetischen Verhaltens ausgesprochene und fortschreitende
Abmagerung eingetreten ist.
Die Entscheidung über Berechtigung und Zeitpunkt des Ein¬
griffes soll im Einzelfalle, wenn möglich, von dem Gynaekologen
im Verein mit einem auf dem Gebiet der Lungenkrankheiten er¬
fahrenen Internisten getrofien werden.
Von praktischem Interesse sind auch zwei Arbeiten aus der
Pathologie der Schwangerschaft, die eine von Gramer, der,
fussend auf den neuen Forschungen über die Pathologie der
Nephritis und eigenen sehr günstigen Erfahrungen für die Be¬
handlung des Hydrops graviditatis, vollkommene Entziehung
des Kochsalzes in der Nahrung empfiehlt und die andere von
Zickel, der auf die ev. Schwierigkeit der Diagnose der
Pyelonephritis gravidarum hinweist. In dem von ihm
beschriebenen Fall kam die Erkrankung unmittelbar vor dem
Partus ohne Prodromalsymptome zum Ausbruch und verlief völlig
unter dem Bilde einer puerperalen Sepsis ohne jegliche Symptome
von seiten der Niere und Blase. Er rät deshalb, in schwer er¬
klärbaren Wochenbettsfieberfällen der Palpation der Nieren und
der mikroskopischen Untersuchung des Urins erhöhte Aufmerk¬
samkeit zuzuwenden.
In einem Aufsatz über „schmerzlose Geburtswehen“
beschreibt Bruno Wolff-Berlin einen interessanten Fall, dessen
Eigenart darin bestand, dass die vollkommen gesunde — im
speziellen keinerlei Nierenleiden aufweisende — Kreissende
während einer ziemlich schweren, sich über zwei Tage hinzieben-
den Entbindung überhaupt keinen Wehenschmerz empfand, ja dass
sie die deutlich nachweisbaren, zweifellosen und dem Fortschritt
der Geburt förderlichen Uteruskontraktionen überhaupt nicht in
irgend einer Weise wahmahm. Auffallend war das gleichzeitige
völlige Fehlen der reflektorischen Aktion der Bauchpresse. Die
Ursache für diese letzte Erscheinung sieht Wolff eben in dem
Ausbleiben des Wehenschmerzes, dessen physiologische Aufgabe
in einem die Bauchpresse reflektorisch anregenden Beiz zu suchen
ist, während die Frage nach der Ursache der Schmerzlosigkeit
der Wehen zur Zeit nicht mit Sicherheit zu beantworten ist. Ein
besonderes Interesse bieten derartige Fälle auch insofern, als in
ihnen vielleicht eine der Ursachen für die sogen. Starzgeburten
zu erblicken ist.
Ueber die vielumstrittenen Beziehungen zwischen Laktation
and Menstruation hat Heil an 200 Stillenden systematische
Untersuchungen angestellt, die zu folgenden Resultaten führten:
Unge^hr die Hälfte aller stillenden Frauen sind menstruiert;
das Auftreten der Menstruation während der Laktation gibt an¬
sich keinen Grund zum Absetzen des Kindes ab, die menstruierenden
Stillenden sind im Gegenteil nicht den Gefahren der Folgen einer
Laktationsatrophie ausgesetzt. Bei Verlängerung des Stillgeschäftes
über den vierten Monat hinaus nimmt die Zahl der Menstruierten
zu. Eine Stillende kann während der einen Laktation menstruiert
sein und während der andern nicht. Eine ursächliche Erklärung
für das Auftreten oder Ausbleiben der Menstruation während der
Laktation im Einzelfalle kann nicht gegeben werden. Es liegt
der Gedanke nahe, dass nicht die amenorrhoischen, sondern die
menstruierten Stillenden die gesunde Norm repräsentieren.
Um anatomische Grundlagen für die Leistungsfähigkeit der
weiblichen Brustdrüse zu gewinnen, hat Engel die Brustdrüsen
von post partum gestorbenen Frauen mikroskopisch untersucht und
folgende Befunde erheben können: für die geringere Stillfähigkeit
mancher Frauen findet sich ein anatomisches Substrat in der
mangelhaften Elntwicklung des spezifischen Drüsenparenchyms bei
gleichzeitiger voller Ausbildung des fibrösen corpus mammae.
Aeussere Gestalt und Tastbefund gestatten keinen zuverlässigen
Schluss auf die Punktionsfähigkeit einer Brustdrüse. Alle
Mammae, auch schlecht entwickelte, enthalten secemierendes
Parenchym, das auf jeden Fall der Säuglingsemährung nutzbar
gemacht werden muss.
Einen Beitrag zu dem Thema „Gonorrhoe und Wochen¬
bett liefern die Untersuchungen Mayers aus der Heidelberger
Frauenklinik, die ihn zu der Anschauung führon, dass die puer¬
perale Gonorrhoe durchaus nicht immer die ungefährliche Er¬
krankung ist, als die sie allgemein gilt. Sie kann hohes Fieber
(bisüber40°)undschwereAllgemeimnfektionmit Schüttelfrösten ver¬
ursachen und das Allgemeinbefinden derart beeinträchtigen, dass
das klinische Bild dem einer septischen Erkrankung gleicht und
das Leben ernstlich bedroht erscheint. Grosse Remissionen, resp.
Intermissioneo in der Temperaturkurve und der Wechsel zwischen
hohem Fieber und mehrtägigen fieberfreien Perioden sind vielleiobt
ein auf Gonorrhoe hinweisendes, aber kein für sie beweisendes
Zeichen, ebenso wie die Annahme, dass für die Gonorrhoe das
Spätfleber charakteristisch sei, durchaus nicht rückhaltlos anzuer-
kennen ist. Inwieweit an der Allgemeininfektion eine Tozinwir-
kung oder Gonococceninvasion ins Blut schuld ist, lässt sich noch
nicht feststellen. Dr. G. Z.
Periodische Literatur.
Therapeutische Monatshefte. November 1906.
1. Morin, Tuberkulose-Behandlung im Höhenklima: Erfolg
der Sanatorien vom Leysin im Jakre 1906.
Die vor 15 Jahren gegründete klimatische Station von Le 3 rsin
ist auf Grund stetig fortschreitender Elrfolge auf sieben Sanatorien
mit elf Aerzten angewachsen. Vier dieser Anstalten sind Eigentum
der klimatischen Gesellschaft von Leysin, eine ist im Bau, während
zwei derselben, die Volksbeilstätte und ein Kindersanatorinm unter
Leitung von Dr. Robier zur chirurgischen Behandlung der Tuber¬
kulose, Wohltätigkeitsanstalten sind.
Die Angaben beziehen sich nur auf Kranke der vier ersten
Anstalten, aus wohlhabenden Kreisen, ohne strenge Vorschrift ftir
die Aufnahme der schwer Erkrankten. Nach der Einteilung von
Turban befanden sich 126 Kranke » 33% im I., 162 = 42%
im II. und 97 = 25% im III. Stadium. Was die Behandlung
anbetrifft, so spielte das regelmäßige und ärztlich geleitete Leben
in geschlossener Anstalt und die Höhen-Luftkur die Hauptrolle.
Die kräftigende und die Widerstandskraft stärkende Wirkung des
Höhenklimas ergibt sich schon aus der Seltonheit der Tuberkulose
und der allgemeinen guten Gesundheit der Bewohner in hohen
Alpengegenden. Die Reinheit, Verdünnung, Trockenheit der Luft,
besonders die Sonnenbestrahlung — ultraviolette Strahlen — sind
von hervorragender Bedeutung für die Behandlung. Arthritiden,
Adenitiden, tuberkulöse Peritonitiden wurden in so wunderbarer
Weise beeinflusst durch direkte Sonnenbestrahlung, dass die Be¬
handlung der Lungen- und Kehlkopftuberkulose auf dieselbe Weise
ausgeführt wurde. Daneben wurden alle gebrä.achlichen Medi¬
kationen angewandt, es wurden öfters vorsichtige Versuche mit
Tuberkulinen angestellt, die aus verschiedenen Quellen herstammten,
so von Koch, Klebs, Denys, Spengler, Beraneck. Letzteres scheint
beachtenswerte Vorteile zu haben, da es die Gesamtmenge der
tuberkulösen Texine, aus den Kulturbazillen und den Bazillenkörpem
enthält mit Aossch'uss der schädlichen Toxine, die sich ausserhalb
der Bazillen entwickeln (Peptone). Ausserdem erlauben seine
Stadinni
b. Eintritt
Geheilt
Prozent
Gebessert
Prozent
Stationär
1
Prozent
9
S 1 §
>3 S
O
Prozent
Gestorben
Prozent |
3
e
I.
82
65,1
41
23,5
3
2,4
_
. .
126
n.
43,
26,5
103
63,6
5
3,1
7
4,3
4
2,5
162
HI.
1
1,0
39
40,2
25
25,8
16
16,5
16
16,5
97
126 i
; 32,8!
00
47,5
33
8,5
23
20
5,2
385
verschiedenen Verdünnungen ein langsameres Fortachreiten als
mit gleichartigen Produkten, Auf eine vor kurzem von Prof. Sahli
in Bern über dieses Tuberkulin verfasste Arbeit sei hiermit hin¬
gewiesen. Es geht daraus hervor, dass Tuberkulinbehandlung
zweckmäßig nur Anstaltsbebandlung sein darf,
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MBTi Tfjll ^^ i » H Hi WOfi lH rt .
559
1906
lieber die in Leysin erzielten Resultate gibt eine Tabelle
Anfechlnss; je f^her die systematieche Behandlung der Tuberkulose
im Sanatorium beginnt, um so aussichtsreicher ist sie, bei 92%
der Kranken hat sich die Heilung noch nach 5 Jahren bewährt.
2. Martin, Togo: Der Iitülnshmnnen bei Tropenkrankheiten.
Dauernder Aufenthalt in den Tropen führt eine Vermin¬
derung der Hammenge unter Erhöhung des spezifischen Ge¬
wichte herbei. Den Nieren erwächst daraus kein Vorteil,
sie verfallen dadurch der Inaktivitätsatrophie. Bekannt sind die
furchtbaren Zustände der Anurie bei Schwarzwasser- und Gelb¬
fieber. Der Darmtractus wird ähnlich beeinflusst, eine Neigung
zur Koprostase besteht selbst beim, gesunden Europäer. Sehr
häufig sind die Störungen des galleproduzierenden Apparates und
der Pankreas. Allen diesen Erkrankungen ist eigentümlich, dass
sie nach Ablauf des akuten Stadiums ihren schädigenden Einfluss
noch lange geltend machen; hauptsächlich sind es die grossen
Drüsen des Unterleibes, die betroffen werden. Bei Malaria ist es
die Milz, die bei nicht gründlicher und rationeller Behandlung
geschwollen bleibt, oft auch die Leber, in schwereren Fällen tritt
Albuminurie und Ascites auf. Mattigkeit, Schlafsucht, Reizbarkeit,
erhöhte Schweissabsonderung, Blutarmut und ihre Folgen sind
häufige Begleiterscheinungen. Chinin bringt in solchem Falle keine
Hilfe, je nach den Erscheinungen, die im Vordergründe stehen,
ist eine Stahl- oder Bitterwasserquelle am Platze. Für die Folge-
zustände nach überstandenem Schwarzwasser- oder Gelbfieber ist
eine ädinliche Medikation angezeigt. Die tropische Dysenterie hat
die Neigung chronisch zu werden, die eben ausgeheilten Geschwür-
steilen vertragen nicht den Reiz stagnierender Massen, sie zerfallen
leicht wieder und bluten von neuem. Auch hierbei sind neben
der üblichen Behandlung leicht abführende Mineralwässer angezeigt,
ebenso bei den Folgeznständen der Dysenterie, sei es Obstipation,
latenter oder geheilter Leberabscess oder Leberschwellung.
Zur Ausheilung der Tropenkrankheiten sind Kuren in Karls¬
bad und Marienbad üblich und in der Regel erfolgreich. Verfasser
hat in diesen Fällen den jetzt wieder erschlossenen und zu ratio¬
neller Verwendung hergerichteten Lullusbrunnen angewandt und
zwar mit sehr gutem Elrfolg. Zwei verschiedenartige Wässer
sind dabei zu unterscheiden, der alkalisch-salinisohe Brunnen, dem
Karlsbader Wasser in seiner Zusammensetzung sehr nahestehend,
und die Stahlquelle, die zu Trink- und Badekuren verwandt wird.
Nor die Trinkkuren kommen bei Verfassers Versuchen in Betracht.
3. Bökelmann, lieber die Behandlung des Status epi-
leptieus und von Zuständen verwandter Art.
Zwei verschiedene Abschnitte des Status epilepticus, dieser
schweren Aenssernngsform der Epilepsie, sind nach Bonrneville,
Browne, Levy, Ferö und Obersteiner zu unterscheiden. Auf die
konvulsivische Phase, die plötzlich einsetzt oder einige Zufälle mit
Unterbrechungen als Vorläufer Imt, die bald durch eine fortdauernde
Reihe von Anfällen (attaques imbriquöes, dachziegelförmige Anfälle,
Daneranfall), bald durch Anfälle von wechselndem Abstand mit
völliger Bewusstseins-Ausschaltung und Temperatursteigerung bis
40^ und darüber ausgezeichnet ist, tritt, falls nicht schon die
Katastrophe erfolgt ist, eine schnelle physische und psychische
Erholung ein. Meistens aber besonders nach tagelangen Krämpfen
folgt der zweite Abschnitt, „das Erschöpfungsstadinm“ mit tief¬
gehender Prostration der körperlichen und seelischen Kräfte und
ge^hrlich durch die Schwierigkeit der Nahrungsaufnahme. Mono-,
Hemi-, Paraparesen, Aphaaien etc. können als Folgen noch lange
Zeit fortbestehen. Neben diesen ausgesprochenen Bildern des
Status epilepticus sind nidit selten fast ununterbrochen aufein¬
ander folgende Streckkrämpfe, die den Körper in dauernd tetani-
former Eretarrung erscheinen lassen, beobachtet worden; sie sind
ebenso geflthrlich wie die Vollattaqnen und erfordern dieselbe
Therapie. Der Status epilepticus vertiginosus (Fere) ist eine
leichtere Form, gefährlich aber durch Uebergang in Dämmer¬
zustand nnd Coma. Weber bezeichnet als Status psychicus Zu¬
stände von hallnzinatorischer Verwirrtheit und Erregung mit hohem
Fieber bei konvulsivischen Anfällen. Die schwereren und leichteren
Formen unterscheiden sich durch die Abstände und die Dauer der
Bewusstseinsaufhellnngen. Die Hysterie bietet nicht selten die
gleichen Bilder. Binswanger stellt zwar in der exzessiven Temperatur¬
steigerang ein Kriterium der epileptischen Natur, allein Basie hat
bei hysterischen Anfallsserien Temperatursteigerungen bis 40—410
C. beobachtet.
Was die Aetiologie des Status anbetrifft, so sind unmittelbare
Ursachen bei der Mehrzahl der Fälle nicht nachweisbar, als „Agents
provocateurs“ sind körperliche oder seelische Reize anzusehen, Ueber-
ladung des Magens, Verstopfung, sexuelle oder alkoholische Ex¬
zesse, Schreck etc., plötzliche oder rasch erfolgte Entziehung der
gewohnten grösseren Bromdosis.
Für die Behandlung empfehlen sich die Brompräparate. Brom
(in grossen Dosen per rectum) soll bei schwereren F^len versagen
(G 0 w u s). Zweckmäßig sind Chloroforminhalationen mit nach¬
folgenden Klystieren. Eine Kombination von Brom mit Chloralhydrat
(3,0 bis 4,0; 1,5 bis 2,0) tut oft gute Dienste, and als wertvolles
Mittel gilt die subkutane Injektion von Hyoscinum hydrobromicum
(0,0004—0,0006 — 0,001 event. in 4—6 Stunden wiederholt). Von
Wildermnth wird Amylenhydrat (5,0—8,0 pro die) angewandt.
Binswanger bevorzugt Chloralhydrat und rät zu grossen Dosen.
Alt empfiehlt hohe Einläufe in den Darm neben rektaler Appli¬
kation von 3—6 g Amylenhydrat in 100 ccm Wasser; bei beson¬
ders schweren Fallen Chloroformnarkose mit Sauerstoffeinatmnng.
Von Hoppe ist auf die günstigen Resultate mit Dormiol (1,5 bis
3,0 p. rectum) bingewieseo. Bei Fieber leisten kühle Bäder gute
Dienste, Femhalten aller Gelegenheitsursachen ist notwendig, z. B.
Obstipation, Diätfebler, psychische Reize etc. Schuelles, resolutes
Eingreifeu ist vor allem erforderlich, Senfpapier, Reinigung des
.Darmes zur Aufnahme des medikamentösen Clysmas, event. Cbloro-
formnarkose, sind zunächst notwendig. Je energischer das Vor¬
gehen, desto grössere Aussichten auf Erfolg; vor 30 g Dormiol
soL oder 9 g Chloral innerhalb 24 Stunden darf man nicht zurück-
schrecken. Bei Herz- oder Atemschwäche gebe mau Kampfer
subkutan, Digitalis oder Stropbantus im Clysma und wende Sauer-
stofi^halationen an. Mit dem Beginn der Erschöpfungsphase tritt
die Ernährung und Kräftigung in den Vordergrund. Mehrere
Liter Milch und Ei und etwas Wein werden gut vertragen. Bei
Coma und Sopor muss die Schlnndsonde angewandt werden. De¬
kubitusgefahr ist stets zu berücksichtigen. Herzkranken, Ärterio-
sklerotikem und Fettleibigen ist Dormiol statt Chloral zu geben.
Von 29 mal beobachteten Status und Anfallsserien schwerster Art
an 23 Patienten in 7 Jahren gingen 21 in Genesung über, nur acht
verliefen letal. Die Aetiologie war bei einem kleinen Bruchteil
Bromentziehung, bei dem anderen nicht festzusetzen. In zwei Fällen
war die Störung iondroyant, dass es nicht mehr zu einem Eingriff
kommen konnte, zwei gingen in der Erschöpfungsphase an Schlnck-
pneumonie, die übrigen an Herz- bezw. Atemlähmung zu Grunde.
Frozentnal also etwa 72% Genesung und über 27% letale Aus¬
gänge. Morphium ist stets kontraindiziert.
Bei manchen Fällen von puerperaler Eklampsie, die dem Status
epileptious symptomatisch und vielleicht auch aetiologiscb nahe¬
stehen, dürfte sich ebenfalls diese Behandlung empfehlen, wie sie
auch von Winkel bereits angewandt worden ist, während Veit
Morphiominjektionen benutzt. Dasselbe gilt von der Eklampsie
der Kinder; Alt schlägt warme Clysmata mit 15 g Oplumtinktur
vor, eine Behandlung, mit der er überraschende Erfolge erzielt hat.
4. Mende, aus dem Kinderkrankenhause „Kinderheim-Frauen-
hilfe“ zu Gottesberg: Die Bülausche Heberdrainage bei Behand¬
lung einer schweren Spondylitis tuberkulosa.
Die Heberdrainage wurde angewandt bei einem sehr schweren
Fall von Spondylitis tuberkulosa bei einem jungen Mann mit ge¬
sunden Eltern und lebenden gesunden Geschwistern, der aber be¬
reits zweimal eine Lungenentzündung durchgemacht hat. Es be¬
stand eine vermehrte Dorsal-Kyphose und eine Totalskoliose ge¬
ringen Grades nach rechts. Zwischen den Schulterblättern eine
bandtellergrosse Vorwölbung, in Höhe des 6. und 7. Proo. spinosus
je eine pfenniggrosse Fistel Die Operation wird vorgenommen
und dabei eine grosse Granulationsfläche freigelegt, die von einem
früheren Abscess herrübrte, der fast die ganze Rückenfläche ein-
nabm. Beim Verbandswechsel am nächsten Tage wurden zwei
kleine Fistelgänge entdeckt, die auf einen praevertebralen Herd
deuten, einer links, der andere rechts von der Wirbelsäule, letzterer
endigt blind. Durch Kathetereinfähren wird festgestellt, dass
der Fistelgang im oberen Niveau eines abwärtsführenden Abscesses
einmündet, eine Entleerung ist also nur durch Ansaugen möglich,
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MBTiTfilWTSi’Hic wOCHB«
Nr. 61.
wozu die Bü lausche Heberdrainage geeignet ist. Ein Nelaton-
katheter wird luftdicht abschliessend in den Fisteigang eingeführt,
fixiert, ein Glasrohr mit Gummirohr wird angeschlossen, der ganze
Apparat ist mit Borsfture gefüllt und abgeklemmt und mündet in
ein Glasgefäss. Mit der Entfernung der Klemmen beginnt die
saugende Wirkung. Die Besserung geht sehr schnell vor sich,
Fieber verschwindet, Allgemeinbefinden vorzüglich, der Patient
kann bald das Gipsreklinationsbett verlassen und ohne Schmerzen
längere Zeit aufrecht sitzen. Er erhält jetzt ein Stoffkorsett, der
Drainageapparat wird unter geeigneten ledernen Schutz am Kürper
entlang geführt, eine Flasche mit 200 g Inhalt f^gt am linken
Fuss in einer Lederhülse den Eiter auf, Patient kann sich damit
frei bewegen. Unter dieser Behandlung ist der Patient schnell
geheilt und sein Gewicht gestiegen. Leider zeigten sich später
über der rechten Lungenspitze tuberkulöse Erscheinungen.
Auf einen Pnnkt weist Verf, besonders hin. Eine Heilung
war kaum denkbar, da der Elter unter hohem Sekretionsdruck
stand — vergrössert durch sein Eigengewicht — ohne Abfloss-
möglichkeit. Gelenk- und Knochentuberkulosen aber bieten nur
dann günstige Heilnngsaussichten, wenn sie vor jedem Druck mög¬
lichst geschützt sind. Hier aber bestand die Gefahr der Ver-
grösserung des Abszesses und damit der Knochenkaries, dadurch
aber wieder des Eiterdruckes u. s. f. Während vor der Einleitung
der Heberdrainage das den Abszess umgebende Gewebe unter
zentrifugalem Druck stand und dadurch anaemisch wurde, so wurde
nach ihrer Einführung der Druck zentripetal und eine Hyperaemie
ähnlich der Bierschen entstand, regnlierbar durch die Flüssig¬
keitssäule in den Heberarmen. Bereits vor der Stauung bestand
infolge chronischer Entzündung erhöhter Druck. Hach Einleitung
der Bierschen Stauung wird der Druck erhöht, aber nicht die
Richtung desselben; er bliebe hier zentrifugal. Erst die B ülau-
scbe Heberdrainage hat die zentrifugale Druckwirkung in die zentri¬
petale umgewandelt; ohne Pressung durch Gummibinden ist eine
natürliche dauernde Hyperaemie entstanden, die nicht erst den
durch die Entzündung entstandenen Druck in den Geweben zu
überwinden braucht.
5. Saworski, Krakau: Bemerkung über die ÄnsBohaltung
des Hägens vom direkten Einflüsse der Arzneimittel durch An¬
wendung von Sebum ovüe.
Einerseits um den Magen zu schonen, andererseits um Arznei¬
mittel in unverändertem Zustande auf den Darm wirken zu lassen,
hatte man Pillen mit Keratinüberzug hergestellt. Die Wirkung
indessen ist unsicher, die Pillen verlassen den Darm oft ungelöst.
Verf. benutzt Hammeltalg, der bei 45®—50® C schmilzt, als Pillen¬
masse oder Ueberzug mit sehr gutem Erfolge. Sie bleiben un¬
verändert im Magen, schwimmen auf dem Mageninhalt imd kommen
so leicht und schnell in den Darm, wo sie sich leicht lösen. Die
purgative Wirkung von Substanzen in Talgpillen ist etwas lang¬
samer, als der reinen Substanzen, die Dosis ist daher um Vs zu
erhöhen.
Für diese neue Form der Medikation eignen sich besonders
Arsenpräparate, alle Quecksilber-, Jod- und Aluminiumpräparate,
Acid. benzoicum, carbolicum, salicylicum, tannicum, Kreosotum,
Guajacolum, Baisamum Copaivae u. a,, vor allem alle Präparate,
die erst im Darm wirken sollen.
In jeder Pille darf nur 0,1 Sebum ovüe und höchstens eben¬
soviel von der zu verordnenden Substanz enthalten sein, bei ge¬
ringeren Quanten wirksamer Substanz muss ein indifferentes Pulver,
z.B. Pulv. Liquiritiae, Magnesia ustanoch zugesetzt werden. Um ein
Zusammenklebeu zu vermeiden, muss ein Streupulver angewendet
werden, z. B. Pulvis Lycopodi, Magnesia usta etc.
6. Loew, Abbazia-Ischl; Zur Allgemeinbehandlung der
Syphilis.
Der früher allgemein üblichen Schmierkur haften viele Nach¬
teile an. Eine sorgfältige sachkundige Einreibung ist fast nur in
geräumigen und gut ventilierbaren Räumen eines Spitals möglich.
Oft bieten starke Behaarung, ein stark entwickelter Panniculus
adiposus, schlaffe welke Haut oder ein Hautleiden schwer über¬
windbare Hindernisse, Zuweilen war das Quecksilber überhaupt
nicht re.sorbiert, oder es entsteht ein schweres Exanthem, das ein
Äussetzen der Kur erfordert. Bei der Injektionskur fehlen dieee
Erscheinungen. Schwere Stomatitiden sind äusserst selten, ebenso
Blässe des Gesichts, Abmagenmg und Nierenaffektionen. Hinder¬
lich für die weitere Verbreitung der Injektion der löslichen Queck¬
silberpräparate waren bisher die öfters auftretenden Reizerschein-
nngen, Schmerzen an der Injektionsstelle, Infiltrat- und Abscess-
bildung; selbst ein Zusatz von Kokain konnte sie nicht verhindern.
Dem Enösol, einer organischen Qaecksilber-Arsenverbindung, haften
diese Nachteile in nur geringem Grade an. Ein neues Präparat
„Injektion Hirsch“, reine lösliche Verbindung von Hydrargyrum
Oxcyanatnm und Akoin, ein Ersatzpräparat des Kokain, wird vom
Verfasser wegen seiner völligen Reizlosigkeit und üugefährlich-
keit gerühmt. Spritze und Kanüle sind mit Paraffinnm liquidiom
zu reinigen und darin am besten aufzubewahren. Karbol und
Sttblimat geben eine Trübung des Akoins.
7. Stephan, Mühlhausen i. Th.: üeber Phenyform.
Phenyform, ein sehr leichtes, weisses, geruchloses Pulver, löst
sich nur in Alkalien und Ammoniak, ist eine Verbindung der
Karbolsäure mit dem Formaldehyd. Das ungiftige Präparat be¬
sitzt austrocknende, granulationsbefördemde, antibakterielle Eigen¬
schaften, ähnlich dem Jodoform. Seine desodorisierende Kraft und
seine Billigkeit sind ein besonderer Vorzug.
8 . W. Koch, Freiburg i. Br.: TTeber die Verwendang des
Kampfers bei Langenkranken. (Bemerkungen zu dem Artikel
von Herrn Hofrat Dr. R ol la nd - Devos in Nr. 2 der Therapeutischen
Monatshefte und zu seinem Vortrag auf dem Kongress in Stutt¬
gart.)
Koch hält Kampfer für ein schätzbares Adjuvans, aber nicht
bei geschlossener Tuberkulose, das Fieber wirkt nicht, es stellt
sich kein Auswurf ein, aber der Husten wird quälender, so daas
oft za den sonst gemiedenen Narkotids gegriffen werden muss.
In solchen Fällen beschleunigt Kampfer eher den Tod. Gegen
die Art der Anwendungen erhebt er ebenfiiUs Einspruch. Zwei-
bis viermalige tägliche Einspritzungen seien belästigend und ge¬
fährlich, zumal wenn der Patient ohne die nötige Antisepsis sie
selbst vernimmt, ausserdem seien sie für die Kassenpraxis zu teuer;
er empfiehlt Einreibungen mit Prävalidin.
9. Volland, Devos-Dorf: Erwidernng auf Vorstehendes.
Es sei ein Unterschied in der Behandlnng, ob sie im Tief¬
oder Hochland geschehe, wo Narkotica nicht zu fürchten seien.
Quälender Husten in schlaflosen Nächten müsse gehoben werden.
Kampfer schade niemals, aber vielfach die Taberkulinbehandlang.
Er habe nur mit reinlichen Patienten zu tun, die ohne Schaden
bisher die Spritze in die Hand bekommen haben, Prävalidin be¬
lästige die Kranken oft, was anch Philipp! zugibt.
10. Weissmann, Lindenfels: Ueber die Wirkung der
Zimmtsänre.
W. wendet sich gegen die schiefe Darstellung Winterbergs
(Augustnummef der Therapeutischen Monatshefte) Uber die Auf¬
fassung Länderers bezüglich der Wirkung der Zimmtsänre bei
Tuberkulose; er habe keineswegs diese durch die sich abspielen-
den histologischen Vorgänge zu erklären versucht. Möglich sei
bei der Darreichung von zlmmtsaurem Natrium, dem Hetol, einem
übrigens sehr zu empfehlenden Präparate, die Bildung und Wirk¬
ung eines Alexin, hervorgerufen durch die neu entstandenen mehr-
kernigen Leukocyten.
11. Brügelmann: TTeber die Behandlimg von Asthma und
asthmaähnlicher Zustände.
(Erwiderung auf den gleichlautenden Aufsatz von Dr. W.
Siegel in Reichenbach.)
12. Siegel, Reichenbach: Erwiderung an Herrn Sanitätsrat
Br. Brügelmann.
Bieten nichts besonders wissenschaftlich Interessantes.
Verantwortlich«! Redakteur : Dr. P, Meieioer, Berlin W. a. Korfürttenitr. Sl. — Veiantwortlicb fHi den lueratenteU: De* Verla« tob Carl Marhold, HaU« a. S.
Dnek tm dar HayB«»aBB'tcheB Bnchdrvcfcarai, Oobr- Welff, Ball« a. S.
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Medicinische Woche
Deatfchnaon. A. Dfihnsen, A. Hofft, E. Jtcobi,
Hafflbnrg. Berlin. Berlin. Preiburg i. Bi.
H. Seoator, R. Sonmer,
Berlin. Qietten.
Verlag uod Expedition
Carl Mariiold In Halle m» S*« Uhlandstnuse 6.
TeL-Adr.: Marhoid Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823.
Herautgegeben von
R. Robert, M, Koeppen, K. Partseh, H. Rosia. H. Schlange,
Rostock. Berlin. Breslau. Berlin. Hannover.
H. Uovenicht, A. Voisios,
Magdeburg. Qiessen.
Redaktion:
Berlin W, 62, Kurfuratenstrasse 81*
Dr. P Meißner
vn. Jahl^ang. 24. Dezember 1906. Nr. 52.
Die .Medicinische Woche* erscheint jeden Montag mit der Utfiglgen Beilage BalnCOlogiSChe Ceiltralzeltung, Organ des Schwarzwaldbädertages,
dea Verbandes der Deutschen Nordseebider, sowie des Vereins der Badeärzte der Ostsee und kostet jährlich 10 M.. einzelne Nummer 25 Pf. Bestellungen nehmen jede
Bnchhaodlung, die Post, sowie die Verlagsbuchhandlung von Carl Marhoid in Hall e a. S. entgegen. Inserate werden fOr die dgespaltene Petitzeile oder deren Raum
mit 50 Pf. berechnet. Beilagen nach Ueberelnkunft. Reklamezeile 1,50 M. Bei grÖSeren Aufträgen wird Rabatt gewährt.
Nachdruck der Original-Aufsätze Ist ohne vorherige Genehmigung nicht gestattet. — Nachdruck der Rundschau und der Mitteilungen Ist nur mit Quellenangabe gestattet.
Originallen.
Die Behinderang der Nasenatmung und
ihre Bedeutung für die Militärdieustfähigkeit.
Vortrag aaf der 78. Vorsaiumlang deutscher Naturtorscher und Aerzte
in Stuttgart
in der gemeinsameD Sitzung von den Abteilungen fUr Militärsanitätswesen
und fUr Obrenbeilkunde.
Von Stabsarzt Dr. Hölscher in Ulm*).
Dm den grossen Anforderungen zu genügen, .welche heute
beim Militär an die Leislungs^higkeit des Mannes gestellt
werden müssen, braucht der Soldat vor allem gesunde Atmungs-
Organe und ein kräftiges Herz. Wie sehr gerade diese Organe
unter den Anstrengungen und unvernie dlichen Schädigungen
des Dienstes zu leiden haben, zeigt die grosse Zahl der Er¬
krankungen. Im Berichtsjahr 1902 03 erkrankten z. B. 43 361
Mann = 82,3®/oo der Kopf.'tärke an Erkrankungen der Atmungs¬
organe und 1522 Mann an Erkrankungen ries Herzens. Als
invalide und dienstunbrauchbar, einschliesslich der unmittelbar
nach der Einstellung wieder Entla<>enen, schieden in dem
gleichen Zeitraum 3989 bezw. 220u Mann wegen der genannten
Erkrankungen aus dem Heere aus.
Ausser der hierdurch bedingten Schwächung der Wehr¬
kraft sind es Unsummen, die der Staat alljährlich für Behand¬
lungskosten und Invalitienrenten aufwen<len muss.
Dasf die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des
Mannes beim Militär geringer werden, ist ausgeschlossen, im
Gegenteil ist wohl eher noch eine Steigerung zu erwarten und
hieraus ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, dass die ein¬
zustellenden Leute gesunde Atmungsorgane und ein genügend
kräftiges Herz haben müssen, um nicht den Anstrengungen
des Dienstes zu erliegen. Um dies zu erreichen, ist neben
einer rationellen körperlichen Ausbildung, die leider auf unseren
Schulen immer noch viel zu wünschen übrig lässt, die Fern-
haltung und Beseitigung von Schädigungen notwendig, welche
einen ungünstigen Einnuss auf die Entwicklung der genannten
Organe ausüben, bezw. eine Disposition zu Erkrankungen der¬
selben schaffen können.
Mit zu den häufigsten und gefährlichsten dieser Schädi¬
gungen gehören die Dauerstörungen der Nasenatmong.
Die Nasenatmun^ allein ist die normale physiologische
Form der Atmung, bei welcher Luft in genügender Menge und
zuträglicher Form bei geringster Anstrengung der beteiligten
*) ÜDser verehrter Mitarbeiter Herr Br. Bblscher stellt uns dieses
loteres^te Autoreferat zur Verfügung.
Muskulatur in die Lungen gelangt. Die Aufgabe der Nase ist
die Atmungsluft vorzuwännen, ihr den nötigen Feuchtigkeits¬
gehalt zu geben und sie von mechanischen Verunreinigungen
möglichst zu befreien. Ausserdem hat die freie Nasenatmung
eine nicht geringe Bedeutung für den Blutabfiuss aus dem Ge¬
hirn, der z. T. durch die Venen der Nasenhöhle erfolgt.
Die meisten dauernden krankhaften Veränderungen in der
Nase und in dem zugebörig^n Nasenrachenraum sind vorwiegend
nach dem Grade der durch sie hervorgerufenen Störung der
Nasenatmung zu bewerten. Die wichtigsten die Atmung be¬
hindernden Erkrankungen sind: die Vergrösserung der Rachen-
maniel, Verknickungen und Auswüchse der Nasenscheidewand,
Daueranschwellungen der Schleimhäute und Polypenbildungen.
Je früher im Kindesalter die Erkrankung beginnt, umso schwerer
sind die Entwicklungsschädigungen. Bei einer Verengerung
der Nase und in noch höherem Grade bei der durch Verlegung
des Nasenluftwegs erzwungenen Mundatmung ist die Atmung
kürzer, oberflächlicher und beschleunigter als die normale
Nasenatmung. Die Lunge wird hierdurch weniger durchlüftet,
der gründliche Gasaustausch, insbesondere die genügende Sätti¬
gung des Blutes mit Sauerstoff wird erschwert, wodurch alle
Organe, denen infolgedessen die nötige Sauerstoffzufuhr fehlt,
in ihrer Entwicklung auf das Schwerste geschädigt werden.
Die Lunge selbst kann sich infolge der flachen Atmung nicht
genügend in ihrem oberen Teil entwickeln, der Brustkorb er¬
hält dadurch nicht die nötige Wölbung, sondern bleibt platt,
wodurch eine grosse Aehnlichkeit mit dem Brustkorb von
Schwindsüchtigen entstehen kann. Auch das Herz leidet unter
der ungenügenden Sauerstoffzufuhr und durch die seine Tätig¬
keit ungünstig beeinflussenden, häufigen raschen Druckschwan*
kuDgen im Brustkorb, sowie durch die Mehrarbeit, welche es
auch infolge der vermehrten Anstrengung der gesamten At-
mungsmuskulatur leisten muss.
Die empfindlichen Auskleidungen von Rachen, Kehlkopf
und LuftiÖhre werden durch die kalte, trockene und staub-
haltige Mundatmung.sluft andauernd gereizt, wodurch schliess¬
lich hartnäckige chronische Katarrhe entstehen. Durch den
Abschluss des Nasenrachenraums werden auch Sprachstörungen
verscliiedenster Art bedingt. Besonders wird auch das Ohr
in Mitleidenschaft gezogen, indem Eiterungen oder Katarrhe
hervorgerufen werden können. Ebenso leidet auch das Auge,
Flimmern, rasche Ermüdung usw. treten auf. Durch das Ver¬
schlucken des oft massenhaft abgesonderten Schleims und Eiters
treten auch Erkrankungen des Magens auf, und bekanntlich
wird durch die Rachenmandelvergrösserung nicht selten auch
das ekelhafte Bettnässen hervorgerufen.
Neben physischen tritt auch eine psychische Schädigung
durch die andauernde Behinderung der Nasenatmung ein, Kopf¬
druck, nervöse Kopfschmerzen, leichte Ermüdung der Denk¬
tätigkeit. Unfähigkeit der Gedankenkonzentration usw. sind da¬
bei häufige Erscheinungen, die schon im Kindesalter auftreten
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MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 52.
können. Bekannt ist, dass solche Kinder oft kaum imstande
sind, den Anforderungen der Schule zu genügen.
Die Erkrankungen des Nasenrachenraums bilden auch häufig
den Ausgangspunkt von Infektionskrankheiten, z. B. die Rachen¬
mandel für die epidemische Genickstarre und Tuberkulose.
Die durch die dauernde Behinderung der Nasenatmung
hervorgerufenen Schädigungen sind so gross, dass dadurch eine
körperliche und geistige Minderwertigkeit des Individuums be¬
dingt wird. _
In zahlreichen Fällen von unbeachtet gebliebenen schweren
Früherkrankungen leidet die ganze Entwicklung des Mannes so,
dass er dadurch schon wegen allzugrosser Schwächlichkeit für
den Heeresdienst untauglich ist, oder es haben sich bis zum
Eintritt des wehrpflichtigen Alters schon Folgeerkrankungen
von Lungen, Herz und Ohren eingestellt, die ebenfalls seine
Einstellung ausschliessen.
Eine grosse Anzahl von Rekruten aber wird alljährlich
eingestellt, die an Behinderung der Nasenatmung leiden. So¬
bald die Anstrengungen grösser werden, beginnen die Störungen,
die Sauerstofizuiuhr reicht bei der behinderten Atmung nicht
aus, die Atmung wird beschleunigt und angestrengt, der Mann
bekommt Herzklopfen und Seitenstechen. Bei Andauern der
Anstrengungen, oft auch schon bei einmaliger Ueberanstreng-
ung, kommt es zu einer Schwächung des Herzens, die schliess¬
lich zur Entlassung als invalide führt. Auch die Entstehung
von Hitzschlägen wird zweifellos durch Behinderung der Nasen¬
atmung begünstigt. Die Atmungsorgane müssen ebenfalls unter
den vielen Schädigungen, denen der Mundatmer während seiner
Dienstzeit in erhöhtem Grade ausgesetzt ist, leiden. Durch den
Nasen-Rachenkatarrh werden Mittelohrerkrankungen hervorge¬
rufen.
Dass ferner die meistens vorhandene wechselnde Schwer¬
hörigkeit und die schon erwähnten psychischen Störungen die
Brauchbarkeit des Mannes herabsetzen und seine Ausbildung
erschweren, bedarf keiner besonderen Hervorhebung.
Zur Verhütung von Schädigungen während der Dienstzeit
wird empfohlen, bei jedem eintretenden Rekruten die Nase
enau zu untersuchen und alle Leute mit behinderter Atmung
en Korpsohrenstationen zur spezialärztlichen Behandlung zu¬
zuweisen. Die Leute unterziehen sich gerne auch grösseren
Operationen, um von ihren Beschwerden befreit zu werden,
und die Zeit, die sie dadurch dem Dienst entzogen werden,
ist meist nur kurz.
Feuilleton.
Aus feindlichen Lagern.
Eine zeitgemäße medicinische Betrachtung.
Von Oberstabsarzt Dr. NounXftlin-Bromberg.
(Schluss.)
Mein reger Briefwechsel mit diesem Vertreter der Natur-
heilmothode hat weder ihn noch mich von der Richtigkeit der
gegenteiligen Ansichten überzeugen können; auch ein persön¬
licher Meinungsaustausch in Meran, als Herr Oberst a. D. Spohr
die von der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung des Kur¬
pfuschertums hergestellte Ausstellung besuchte, und ich ihm
diese demonstrieren durfte, hat nicht dazu geführt, ihn zu be¬
lehren, noch mich dazu veranlasst, ein Titelchen aufzugeben
oder Konzessionen zu machen.
Ich führe dies nur an, weil ich es als nutzlos und zweck¬
los, ja als verkehrt und völlig verfehlt erachten muss, wenn
approbierte, auf dem Standpunkt der Schulmedicin stehende
Aerzte sich etwa iu Naturheilvereinen, oder an öffentlichen
Versammlungsorten mit den Naturheilern in Debatten einlassen.
Alle diese \’ersuche, wie sie ja gemacht worden sind, um
durch die .Macht des Wortes, der Persönlichkeit, der ärztlichen
Autorität Bekehrung zu schaffen, sind gescheitert: hier zu
Die Hauptsache ist aber auch hier, wie überall, die Prophy¬
laxe. Die Eltern müssen über die Bedeutung der genannten
Krankheiten aufgeklärt und zur Behandlung ihrer Kinder ver¬
anlasst werden. Zur Ergänzung der oft ungenügenden elter¬
lichen Fürsorge hat in der Schule eine andauernde Ueberwach-
ung durch entsprechend ausgebildete Schulärzte zu erfolgen.
Es wird sich aann zweifellos ein grosser Teil der jetzt so
häufigen Schädigungen verhüten lassen.
Sitzungsberichte.
Deutschland.
Berliner medicinische Gesellschaft,
Sitzung vom 5. 12. 06.
Tagesordnung:
Hildebrand: Erfahrungen über den Kropf und
seine Behandlung.
Die Beschwerden, die ein Kropf verursacht, hangen nicht
immer von seiner Grösse ab; während seiner Tätigkeit in der
Schweiz sah H. viele Patienten mit excessiv grossen Kröpfen, die
nur aus kosmetischen Gründen die Entfernung derselben wünschten.
Die Beziehungen zu den benachbarten Organen sind es, die die
Beschwerden bedingen. Am meisten bekannt sind die Beein¬
trächtigungen der Trachea und die dadurch verursachten Atem¬
beschwerden; nicht selten sind aber auch beträchuliche Ver¬
schiebungen des Oesophagus und starke Dislokationen der Qefässe,
besonders der Karotis. Von besonderer Wichtigkeit ist der unter
das Sternum wachsende Kropf, der bis zum Aortenbogen reichen
und die Lungenspitzen verdrängen kann; die Deutung der bei
diesem Wachstum entstehenden Beschwerden begegnet olt grossen
Schwierigkeiten, da nicht selten der Kropf äusserlich nicht zu
konstatieren ist. Die Atembescbwerden können hierbei die größten
Grade erreichen; nicht selten besteht gleichzeitig eine hochgradige
Bronchitis. Von sonstigen durch den Kropf verursachten Er¬
scheinungen kommen in Betracht die Schluckbeschwerden, Venec-
tasien am Kopf, Herzstörungen, Irregularität und Frequenz
des Pulses; von seiten der verdrängten Nerven werden seltener
Erscheinungen ausgelöst; Lähmungen des Kehlkopfs werden nicht
häufig beobachtet; dagegen findet sich oft eine eigentümliche
Sprache, die allein schon die Diagnose Kropf erlaubt. Die ver¬
wirken ist verlorene Liebesmühe, Diskussionen der Laien sind
nur schädlich und schaden dem Ansehen der Aerzte selbst.
Es ist vorgeschlagen worden, dass Meister des lapidaren
Wortes, etwa wie ein Exzellenz Bergmann, öffentlirh auf-
treten sollten! Vergebene Mühe! Das Publikum solcher Natur-
heilversammlungen ist praokkupiert, das Ende des Iftedes ist
Radau und Skandal!
Sollte es zu einem Gesetz gegen die Kurpfuscherei kommen
— so muss die sogenannte Naturheilmethode, die nichts ist
als Kurpfuscherei, so sehr sie sich auch Mühe gibt, Leute
wie Ast, Gössel, Felke von ihren Schössen abzuschütieln, mit
inbegriffen sein.
Unsere, der Aerzte Sache ist es, die von der Bevölkerung
gewünschte sanitäre Aufklärung in die Hand zu nehmen. Diese
Aufklärung ist nur zu geben auf hygienischem, auf prophylak¬
tischem Gebiet, nicht auf dem der Therapie. Kranke heilen,
ist Sache lediglich des Arztes; das rechtzeitige Aufsuchen des
Arztes muss immer wieder als Leitmotiv in den Vordergnind
gestellt werden I
Unsere Sache ist es, sich anf dem uns feindlich gesinnten
Gebiet auf dem Laufenden zu erhalten; durch vornehmes Igno¬
rieren, lassen wir den Feind nur wachsen; ihn tapfer bekämpfen,
sei es in Zweigvereinen für Volkshygiene, sei es in den Tages-
zeitschriften, deren Spalten uns zum Zweck der Belehrung ge-
öffuet sein müssen, das ist unsere Aufgabe.
Der Zug der Zeit, die soziale Seite der Medicin, stellt
den Arzt heut in die Oeffentlichkeit; wir kämpfen für unsere
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
563
BciiiedeneQ BeBchwerden werden dorch meohanische Momente aus*
gek>st; aut' die anatomische Form- des Kropfes erlauben die Klagen
des Patienten keinen Rückschluss. Bei jugendlichen Individuen
handelt es sich gewöhnlich um die tolliculftre Form, bei älteren
um Kolloiddegeneration, Bindegewebshypertrophie, nicht selten
starke Gethssvermehmng. Die Therapie kann zwei Wege gehen.
Jodbebandlnng oder Operation. Äeusserlicbe Jodapplikation ist
wirknngslos; Jod innerlich kann einen günstigen Effekt, Zniück-
geben des Kropfes, herbeiführen; doch ist dies wesentlich nur bei
jugendlichen Individuen zu erwarten. Dasselbe gilt für die
Sohilddrüsenpraparate. Jodoforminjektionen sind nichtzu empfehlen,
da sie nicht ungefährlich sind und einen sicheren Erfolg nicht
erwarten lassen. Wenn danach bei juge tdlichen Individuen ein
Versuch mit der Jodmedikation für einige Zeit angebracht er¬
scheint, so bleibt für ältere Personen mit kolloiden, cystischen
Kröpfen nur die Operation, die entweder in einer Enucleation
oder Exstirpation besteht. Erstere dürfte nur in Frage kommen
bei gut abgesetztem Kropfknoten; die Erkennung der Grenzen der
degenerierten Partieen ist oft nicht leicht; deshalb sind Recidive
nach der Enucleation nicht selten; auch kann die Operation sehr
blutig sein. Die Normaloperation ist die Exstirpation, und bei
guter Technik ist sie eine sehr sichere Operation. Bei cbema-
tiscbem Änisuchen der Gefksse kann sie ziemlich blntlos verlaufen,
ein wichtiger Faktor ist die Schonung des Nervus laryngeus; um
sie zu sichern, empfiehlt sich die Operation ohne Narkose, die
auch den Vorteil bietet, dass dann das Erbrechen sicher vermieden
wird, und umso leichter vorgenominen werden kann, als dabei
keine eigentlichen Schmerzen entstehen, sondern mehr nur unan¬
genehme Empfindungen ausgelöst werden. Nicht selten sind
postoporative Temperatursteigerungen, wohl als Au.sdriick leichter
Infektionen. Die Resultate der Operationen sind ausgezeichnete;
nach mehreren Statistiken beträgt die Mortalität nur 0,3—0,5 %;
für ungünstigen Ausgang kommt meist eine Pneumonie (die nicht
selten als Steigerung der vorhandenen Bronchitis entsteht) oder
eine Nachblutung in Betracht. Wenn daher bei einem Erwachsenen
ein vorhandener Kropf Beschwerden macht, so soll man den Rat
geben, denselben operieren zu lassen; kosmetische Rücksichten
sollen nicht als Indikation zur Operation gelten. Was die malignen
Strnmen (Carcinome oder Sarkome) betrifft, so wachsen sie meist
rasch, bilden sehr feste Tumoren; man findet sie nicht selten
auch bei jugendlichen Individuen, die oft noch blühend gesund
erscheinen, trotzdem die Geschwulst schon weit vorgeschritten.
Die maligne Struma gebt sehr früh auf die Umgebung über, be¬
sonders macht sie auffallend früh Gefässchrombosen. Ihre Prognose
ist deshalb sehr ungünstig; die Fälle kommen in den seltensten
Sache und wir dienen der Volksgesundheit, wenn wir als die
allein Berufenen dem Volke Wegweiser sind und Führer auf
dem hygienischen Gebiet; wenn w'ir seine gesundheitlichen
Erzieher sind. Tun wir Aerzte das, dann entwinden wir
unseren Gegnern, den Naturheilern und Kurpfuschern ihre
wichtigste Waffe; wir pflügen den Boden und wir brauchen
diese wichtige, für die Volksgesundheit so segensreiche und so
notwendige Beackerung nicht fremden Pflügern zu überlassen.
Dass diese von den Aerzten gegebene Aufklärung nicht
sofort wirken, dass diese Saat nicht sofort axifgehen und Früchte
zeitigen kann, ist selbstverständlich. Aufklärung ist eine lang¬
sam reifende Frucht, die grosser Pflege und vieler Mühe bedarf.
Der Anfang ist aber gemacht, ja wir können sogar von
einer literarischen Ueberproduktion auf dem Gebiete sprechen,
so dass die Spreu vom Weizen noch zu sondern ist.
Dass im Lager unserer Feinde dieser Wettbewerb um
Aufklärung einen empfindlichen Schmerz verursacht hat, davon
gibt die natnrheilerische Presse Zeugnis.
Sie warnt vor dem Sirenengesang der Volkshygieniker,
deren Ä und 0 sei: geht bei jedem Unwohlsein zum Arzt! Sie sieht
ein, dass das Volk sich bei den echten Propheten Kat erholen will!
Unsere, der Aerzte Sache ist es, die Naturheilbewegung
nicht zu unterschätzen; unsere Sache ist es, nicht nur durch
unsere Heilerfolge, sondern auch durch Wort und Schrift uns
das Vertrauen zu erhalten, was wir haben müssen, wollen wir
den stolzen Namen: Hüter der Gesundheit, verdienen. „Drum
werde Schulmeister deinem Volk“, sagte Sonderegger, Vor¬
Pällen früh genug zur Operation. Von 20 malignen Strumen, die
H. operiert hat, ist nur eine über 1 Jahr recidivfrei geblieben.
Die.se sehr ungünstige Prognose bei malignen Kröpfen sollte um¬
somehr dazu treiben, frühzeitig einen Kropf zn operieren.
Diskussion:
Levy-Dohrn: macht auf die Behandlung des Kropfes mit
Röntgenstrahlen aufmerksam.
Ewald: hat die Thyreoideatherapie bei jugendlichen Indivi¬
duen bis zu einem gewissen Grade wirksam gesehen, nie eine
völlige Heilung; bei älteren Individuen ist kein Effekt zu erzielen.
Unger; hat in der Bergmannschen Klinik 30 Kropffklle mit
Röntgenstrahlen behandelt und dabei bei jüngeren Patienten
mäßige Erfolge, bei älteren und malignen Kröpfen gar keine
Effekte erzielt.
Hansemaun glaubt, dass für die interne Therapie wohl die
anatomische Struktur des Kropfes Berücksichtigung verdient.
Eine Resorption durch Jod dürfte w'ohl nur bei colloidalen Kröpfen
zu erwarten sein, dagegen nicht bei fibrösen und parenchymatösen
(Basedowsche Krankheit).
Mendel: warnt vor der Thyreoideatherapie bei Basedow.
Ewald, Cohn, Hildebrand Schlusswort.
Wessely: Experimentelle Untersuchungen über
die Wirkung der Bierschen Stauung auf das Auge.
Therapeutische Versuche am Menschen mit der Bierschen
Stauung sind noch nicht zahlreich gemacht; die Zurückhaltung er¬
scheint bei dem Bau des Auges auch angebracht. W. hat non
Experimente an Tieren (Kaninchen, Katzen, Hunden) mit der
Binden- ond Saugstauung angestellt, um festzustellen, ob die
Stauung dem Auge schaden kann und ob überhaupt eine Hyperaemie
des inneren Auges zu erzielen ist. Sowohl die Bindenkopfstauung
als auch die Saugung bringen eine hochgradige Hyperämie der
äusseren Augenteile hervor (Schwellung der Lider, Chemosis,
Exophthalmus), dagegen bleibt das innere Auge ohne merkliche
Einwirkung. Genaue manometrische Messungen des Augendrucks
ergaben kaum eine Erhöhung bei der Kopfstauung, eine beträcht¬
liche Steigerung beim Saugen, aber nur im Beginn, besonders
beim Kaninchen; immerhin dürfte danach mit der Saugbebandlung
beim Menschen vorsichtig zu verfahren sein. Es ergibt sich die
praktische Schlussfolgerung, dass eine Hyperaemisierung des inneren
Auges mit der Stauung nicht zu erreichen ist, dass dies nur für
die äusseren Teile möglich ist. Es liegt aber kein Anlass vor, bei
Erkrankungen dieser von den alten bewährten Methoden ab-
zuweichen.
posten der Gesundheitspflege, „und sei nie müde, dir selbst
und anderen die Augen aufzutun für das, w^as vor uns und
um uns liegt und uns erfüllt.“ Wir Aerzte sind als Lehrer be¬
rufen, und dieser Beruf gehört mit zu unserer sozialen ärzt¬
lichen Aufgabe.
In seiner, für die Aerzte so hochinteressanten Schrift:
Grundriss eines Systems der medicinischen Kulturgeschichte,
sagt Pagel, dass eine hygienische Aufklärung der Völker
nicht durch staatliche Bevormundung, sondern von unten her
zu beginnen habe.
Wenn das Volk lernen soll, sich ohne Staatskommando,
sagt Pagel, auf eigene Füsse zu stellen, so muss es Führer
und Lehrer haben auf diesem Gebiete, das sind die Aerzte.
Sehen wir uns in dem uns feindlichen Lager um, so finden wir
einmal eine Minimalzahl von sogenannten Aerzten, die sich
mit Haut und Haar der Naturheilmethode verschrieben haben,
zweitens eine durch Fanatismus, Beschränktheit, Anmaßung
irregeleitete Naturheilherde von, dem Bericht nach, 2501)00
Anhängern, die 6t* Zeitungen mit sanitärem Futter versorgen!!
Lernen wir von unseren Feinden; organisieren wir uns in
Zweigvereinen des Deutschen Vereins für Volkshygiene gegen
unsere Feinde; ich bin der festen Ueberzeugung, dass dies ein
gangbarer Weg ist. unsere Kulturmission als Führer und Lehrer
des Volkes zu erfüllen, unser Ansehen zu heben und der Volks-
gesnndheit in Wahrheit zu dienen. Dort, in solchen Zweig¬
vereinen , ist der Ort, mit unseren Gegnern abzurechnen und
unsere Feinde kennen za lernen.
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MEDICINISGHB WOCHB.
Kr. 62.
Diskussion:
Hamburger empfieblt bei äusseren Äugenaffektionen die
Verwendung der Saugbehandlung, während Outmann davor
warnt. P.
Schlesische Ges^lschaft für vcUerländische Kultur,
Sitzung vom 19. Oktober 1906.
H.Härthle: Über die Struktur des quergestreiften
Muskels im ruhenden und tätigen Zustand, über sei¬
nen Aggregatzustand und über die Hypothesen zur
Erklärung der Muskelkontraktion, mit Demonstra¬
tionen.*
In allen Fragen über Beschaffenheit und Tätigkeit des Mus¬
kels besteht Meinungsverschiedenheit, so z. B. ob der Muskel eine
chemodynamische oder thermodynamische Maschine ist. Ebenso
ist auch die morphologische Struktur noch unklar. Der Vortragende
hat eine eigene Methode zu ihrer Erforschung angewandt, u. zw.
die Momentphotographie im Sonnenlicht bei 200 facher Vergrbsse-
rung und 0,01 Sek. Beleuchtung mit Heliostat. im einfachen und
polarisierten Licht. Während man bisher nur den fixierten toten
Muskel untersucht hat, zeigte H. Bilder des lebenden Organs und
konnte auch durch kinematographische Aufnahmen die Wellen¬
bewegung des kontrahierten Muskels demonstrieren. Im Kon-
traktionszustand sieht man Längs- und Querstreifung wie im
Schema. Beim Absterbungsprozess wird das normale Bild ver¬
ändert; in der dunkeln Schicht tritt ein heller Streifen auf.
Bei der Kontraktion wird Querstreifung deutlicher und ganz
parallel; die doppelbrechenden Teile werden schmäler, die einfach
brechenden bleiben gleich oder werden etwas breiter; daher die
Querstreilüng deutlicher. Ob das Sarkoplasma aktiv oder passiv
bei der Kontraktion bleibt, muss am fixierten Muskel untersucht
werden. Es zeigt sich, dass durch Vereinigung vieler Fibrillen
mit einander zu Inseln das Sarkoplasma verdrängt wird.
Der Aggregatzustand des Muskels ist ebenfalls strittig. H.
untersuchte den Muskel in der Zentrifuge und fand, dass auch bei
größter Geschwindigkeit der Inhalt an beiden Binden gleich blieb.
Er glaubt daher, dass der Inhalt nicht fiüssig sein kann. — Was
die Erklärung der Muskel-Kontraktion anlangt, so wendet H. sich
gegen die Engelmannsche Qnellungstheorie, wonach die doppel¬
brechende Substanz auf Kosten der einfach brechenden zunehme.
Das stimmt nicht mit den Belunden am lebenden Muskel überein,
da die doppelbrechende Substanz schmäler wird. Auch die Theorie
der Oberflächenspannung nach Jensen und Bernstein erscheint
ihm unhaltbar, da die Zahl der Fibrillen 26 mal so gross sein
müsste, als er beim lebenden Muskel konstatieren konnte (nämlich
auf 1 qmm V«—1 Million). Peritz.
Kongressbericht.
18, VersamnUung deutscher Naturforscher und
Aerzte in SUdtgart,
Sektion fkr innere Medicin, Chirurgie und Neurologie.
(Fortsetzung und Schluss.)
Hr. Oppenheim-Berlin- Ueber die operative Behand¬
lung der Hirn-Rückenmarkstumoren. (Referat mit be¬
sonderer Berücksichtigung der gemeiuscbaftlich mit F. Krause
angestellten Beobachtungen.)
Der Vortragende beschränkt sich auf die Mitteilung persön¬
licher Erfahrungen, die dank seiner Beziehungen zu der v. Berg-
mannsclien Klinik utid einer Reihe anderer Chirurgen auf diesem
Gebiete unverhältnismäßig grosse sind. Zunächst ergänzt er die
Krausesche Kasuistik, soweit sie sich mit der seiiiigen deckt,
durch die Schilderung der klinischen Verliälttn.s.se und die Motivier¬
ung der Diagnose in einzelnen, besonders dringenden Fällen von
Tumor cerebri. Dahin gehört einer, in dem es gelungen ist, durch
die Entfernung einer Ge.-»chwulst aus dem linken Lobus occipitalis
vollkommene Heilung herheizufuliren, ein geradezu ideales Resultat,
wie es nur ausnidmiswei.-ie erzielt wird.
Ein zweiter gibt Anlass, die Diagnose der Tumoren der
hinteren Zentralwindongen des Scheitellappens auf Grund von üinf
eigenen Operationsfällen dieser Art mit jedesmal zutreffender
Diagnose zn besprechen. Von einem erfolgreich Operierten (Prof.
Boohardt) dieser Kategorie zeigt 0. das stereoskopische Bild
des Operationsbefondes und den herausgenommenen Tumor. Dean
bespricht er eingehender die Geschwülste der hinteren Sohädel-
grube und des Kleinhimbrückenwinkels unter Demonstration der
Präparate von mehreren, teils mit Krause, teils mitBorohardt
behandelten Fällen. Er hat in den letzten Jahren acht dieser
Patienten dem Chirurgen überwiesen. Davon ist nnr einer geheilt,
ein zweiter vorübergehend gebessert worden, während bei sechs
die Operation mittelbar oder unmittelbar den Exitus veranlasst
hat. Aber es handelt sich immer um Gewächse von enormen
Umfang.
Der Vortragende gibt dann eine Bilanz seiner seit Anfang
1903 operierten Fälle von Tumor cerebri. Ela sind 27. Davon
sind drei (ll*yo) geheilt, sechs vorübergehend gebessert (22,2%),
16 gestorben (55,5%), wobei allerdings zn berücksichtigen, dass
es sich zwölfmal um Gewächse der hinteren Schädelgrube handelte.
Drei Palliativoperationen mit zum Teil unsicherem Ergebnis. In
23 von den 27 Fällen war sowohl die allgemeine wie die lokale
Diagnose eine zutreffende. Einmal wurde statt des erwarteten
Kleinhirntumoren ein Hydrocephalus gefunden, bei einem anderen,
bei welchem Hydrocephalus für wahrscheinlich gehalten wurde,
fand sich ausser diesem ein Tumor des Lobus temporalis. Einmal
schwankte di» Diagnose zwischen Tumor lobi frontalis und corporis
striati; im Bereich des ersteren wurde er bei der Operation nicht
gefunden, der Kranke ging in andere Behandlnng über, ln dem
vierten Fall, in welchem 0. eine Neubildung im Bereich der
motorischen Region diagnostizierte, war der dort bei der Operation
erhobene pathologische Befund nicht sicher als Tumor zu deuten.
Diesen Patienten hat 0. aus den Augen verloren. Im ganzen
hat nach seiner Erfahrung von zehn oder neun für die chirurgische
Behandlung sorgfältig ausgesuchten und fast durchweg richtig
diagnostizierten Fällen nur einer Aussicht auf volles Heilresultat.
Die chirurgische Behandlung der Hirntumoren bildet also trotz
einzelner blendender Erfolge immer noch eine der schwierigsten
und undankbarsten Aufgaben ärztlicher Tätigkeit. Wenn es sich
auch meist um ein ohne diese Therapie tötliches Leiden handelt,
verlangen doch die Erfahrungen mit der Meningitis serosa, der akuten
Himscbwellung und dem sogenannten Pseudotumor cerebri volle
Berück>icbtigung. Die Lehre v. Bergmanns, dass die Hirn-
Chirurgie eine Chirurgie der Zentralwindungen sei, hat nach den
neueren Ertahrungen ihre Gültigkeit verloren. Von O.s Geheilten
gehört kein einziger diesem Gebiete (im Bergm annsehen Sinne) an.
Weit günstiger sind die Ergebnisse der chirurgischen Therapie
der Rückenmarkshautgeschwülste. Der Vortragende gibt
hier zunächst eine Statistik der eigenen Beobachtungen, wobei er
die Wirbelgeschwülste ausscbaltet. In acht von elf seiner Fälle
war sowohl die allgemeine, wie die lokale Diagnose eine zutreffende,
so dass der Tumor an der erwarteten Stelle gefunden wurde.
(Demonstration der Präparate.) In zweien lag eine lokalisierte
Meningitis, bezw. Meningitis serosa spinalis vor, in dem letzten die
Kombination eines intramedullären Prozeases mit lokalisierter
Meningitis am Orte des Eingriffs, Was die therapeutischen Be-
sultate aulangt, so ist die Operation in den fünf von den elf
Fällen eine glückliche, erfolgreiche g'wesen. In sechs bat sie
mittelbar oder unmittelbar den tötlichen Ausgang herbeigeführt.
Dazu kommen noch vier weitere Fälle, in denen die Operation
von vornherein als explorative ausgeführt war und gerade diese
Frage, die Berechtigung der explorativen Laminektomie be¬
darf der eingebends'en Erörterung. Nur in einem dieser Fälle
ist der Exitus der Operation zur Last zu legen, in einem zweiten
hat sie Nutzen gebracht, in den beiden anderen ist sie fUr den
Verlaut irrelevant gewesen.
0. gibt eine Schilderung der klinischen und diagnostischen
Verhältnisse, wie sie in den vier Beobachtungen Vorlagen und fasst
seine Anschauungen über die chirurgische Behandlung der Rücken-
markshantgeschwülste zu folgenden The.sen zusammen: 1. Es unter¬
liegt keinem Zweifel mehr, dass bei den Krankheitszuständen, dis
die typische Symptomatologie der Rückenmarkstixmoren bieten,
die cbimrg’.sche Behandlung dringend indiziert ist. Beschränkt
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\m
MEDICINISCHE WOCHE.
man sich auf diese Fälle, so ist schon nach den jetzigen Er-
iahrnogen in oa. 50% auf einen Heilerfolg zu rechnen, der nm
BO Tollkommener sein wird, je frhher der Eingriff yorgenommen
wird. 2. Aach bei typischer Symptomatologie sind diagnostische
Fehler möglich, indem das Bild des extramedullären Tumors ein>
mal durch WirbelgeschwOlste vorgespiegelt, als auch ausnahmsweise
doroh einen lokalisierten meningitischen Prozess oder durch die
intramedolläre Nenbildung vorgetäuscht werden kann. Dass die
Differentialdiagnose zwischen dem extramedullären Tumor einerseits,
dem intramedullären and den Wirbelgewächsen andererseits noch
keine ganz sichere ist, wird besonders durch die Kasuistik Nonnes
(Sterts) bewiesen. 3. Unter den Formen der lokalisierten Menin¬
gitis, die das Krankheitsbild des extramedullären Tumors täuschend
nachahmen können, verdient die von Oppenheim und Krause
beschriebene Meningitis serosa spinalis ein besonderes Interesse.
Es muss aber hervorgehoben werden, dass es sich um einen noch
nicht genügend fundierten Begriff handelt, dass es noch an ab¬
geschlossenen Beobachtungen fehlte, die die Existenz und die
Pathogenese dieses Leidens dartun und seine Beziehungen zur
Symptomatologie in durchsichtiger Weise erläutern. 4. Die Symp¬
tomatologie der extramedullären RückenmarksgeschwfUste ist sehr
häufig eine atypische. Eine grosse Zahl der chirurgisch heil¬
baren Nenbildungen würde also dieser Behandlung entzogen werden,
wenn die Grenzen der Indikationen nicht weiter gesteckt würden.
Es muss somit die Berechtigung der explorativen Laminektomie
xmbedingt anerkannt werden. Gewiss soll sie nur ausnahmsweise
auf Grund sorgiältigster Erwägungen bei deutlicher Progredienz
des Leidens in differentialdiagnostisch schwierigen Fällen, und
zwar dann vorgenommen werden, wenn unter den verschiedenen
Mögliclikeiten die Annahme einer extramedullären Geschwulst ein
gewisses Mall von Wahrscheinlichkeit besitzt. Es muss aber dann
verlangt werden, dass bei unsicherer Allgemeindiagnose die Niveau¬
diagnose eine möglichst bestimmte ist, damit der probatorische
EUngriff ein möglichst beschränkter bleibt und kein 'wesentliches
periculum vitae mit sich bringt. 5. Die explorative Laminektomie
soll nicht an der Dura mater Halt machen 6. Die Annahme
eines sogenannten Psendotumor des Rückenmarks schwebt noch in
der Luft, desgleichen die der spontanen Rückbildung. 7. Es ist
sehr wünschenswert, dass von dieser Versammlung die Anregung
zu einer Sammelforschung auf dem Gebiet der Hirn- und Rücken-
markschimrgie aosgeht.
Hr. Bruns-Hannover hat bisher noch keinen vollen Erfolg
bei Himtnmoren gehabt, ist trotzdem auf dem Standpunkt, dass
wir weiter operieren mu^en and auch dass wir das Gebiet, in
dem wir operieren, möglichst weit ausdehnen. Lokal zu dia¬
gnostizieren und operabel sind auch Geschwülste im linken Scbläfen-
Uppen, wie ein von ihm schon 1898 beobachteter Fall bewies.
Er hat in den letzten Jahren zwei Tumoren der einen Kleinhtrn-
hemispbäre und zwei des Eleiuhirnbrückenwinkels nach richtiger
Diagnose zum Opfer gebracht. Sie sind aber alle bald nach der
Operation gestorben. Im letzten Fall war Oppenheims Areflexie
der Cornea sehr deutlich, dazu noch Areflexie von Nasenloch und
Gaumen auf der Tumorseite. Den palliativen Operatiouen steht
er sehr güustig gegenüber, hat sie auch schon früher wiederholt,
ebenso wie jetzt Saenger empfohlen (Versammlung niedersächsi¬
scher und westfälischer Irrenärzte 1903 und Eulenburgs Eeal-
encyclopädie 1906). In den letzten Tagen hat er einen Fall zur
Operation gebracht unter der Diagnose Tumor der Häute am
oberen Cervicalmark, bei dem zunächst nur eine lokale mit Serum
gefüllte Ausdehnung der Meningen gefunden wurde. Differential-
diagnostisch kommt hier auch manchmal die multiple Sklerose in
Betracht. Schliesslich erwähnte B. zwei Fälle, deren Symptome
alle für Tumoren im Rückenmark sprachen, aber alle oder teil¬
weise wieder znrückgingen: Psendotumor medullae spinalis.
Hr. Nonne-Hamburg tritt auch für die PalUativtrepanatiou
bei inoperablen and nicht genau zu lokalisierenden Hirntumoren ein.
Fünfmal hat N. die Operation ausführen lassen, viermal mit er¬
heblichem Rückgang der quälendsten subjektiven Symptome. N.
berichtet über zwei neue Fälle von „Pseudotumor cerebri“, von
denen einer unter Cerebellum-, der andere unter Halbseitensymp¬
tomen verlief; bei beiden nicht der geringste Anhalt für Syphilis,
keine sonstige Aetiologie; zunächst unter QaecksUberbehandlung
progressiver Verlauf, dann Rückbildung der Symptome bis zu rest¬
loser Heilung. N. betont für sein Hirntumorenmaterial die grosse
Seltenheit der Pulsverlangsamung; er warnt an der Hand
eines neuen vierten Falles aus seinem Material aufs neue vor Lumbal¬
punktion bei Tumor cerebri. Dass bei extraduralem, kompri¬
mierendem Rückenmarkstumor jeder wesentliche Schmerz fehlen
kann, erläutert N. an der Hand eines eigenen Falles, in dem
wegen Fehlens der Schmerzsymptome die Gelegenheit zur Ent¬
fernung eines gutartigen extraduralen Cystofibroms versänmt wurde.
Er tritt für die häufigere Ausführung der Probelaminektomie ein.
Auch bei multipler Sklerose können heftige Schmerzparoxysmen
auftreten, wie N. dies exquisit in einem Fall sah, in dem die
Obduktion multiple kleine Gliawucherungen an den hinteren
Wurzeln zeigte. (S. einen Fall von Dinkler.)
Weiter beteiligten sich an der Diskussion die Herren De*
franceschi-Rudolfswert, Schüller-Wien, Saenger-Hamburg,
V. Monakow-Zürich, Schwarz-Leipzig, Bayerthal-Worms,
Frankl - Hochwart-Wien, Wildermuth-Stuttgart und Til-
mann-Leipzig.
Periodische Literatur.
Münchener med. Wochenschrift. Nr. 48. 1906.
1. Erb; Heidelberg: Zur Statistik des Trippers beim Mann#
und seiner Folgen für die Ehefrauen.
E. hat bei dem Material seiner Privatklientel, die wesentlich
die höheren und höchsten Stände aus alleu zivilen und militärU
scheu Berufskreisen und vielen Nationen, bis zu Subaltembeamten,
Lehrern, vor allen Dingen aber zahlreichen Kaufleuten in den ver¬
schiedensten Stellungen umfasst, genaue Aufzeichnungen über die
Häufigkeit des Trippers gemacht und findet, dass bei 2000 Männern
noch nicht in 50% ein Tripper vorhanden gewesen ist, eine Zahl,
die in überraschendster Weise absticht von den ungeheuerlichen
Zahlen anderer Beobachter (80—100%) Was die Altersperiode,
in welcher der Tripper zumeist erworben wird, betrifft, so ergab
sich, dass fast 85% aller Tripperkranken ihr Leiden bis zum
25. Lebensjahr erwerben, fast 11,5% in dem folgenden Lustrum
(26—30 Jahren) und kaum 4% jenseits dieser Altersgrenze.
W^eitere Untersuchungen galten den Folgen des Trippers der
Männer für die Frauen, die Ehe, die Kinderzahl. In 400 Fällen,
über die entsprechende Notizen vorliegen, blieben über 93% der
Frauen gesund, nur 6V4% erkrankten an Unterleiheaffektionen,
von denen 4^/4% als sicher gonorrhoisch anzusprechen waren.
Unter 370 Ehen früher tripperkranker Männer, in welchen die
Frauen anscheinend gesund blieben, sind nahezu 68% mit zwei
und mehr Kindern, darunter sogar 25% mit vier und mehr. Bei
den 74 Einkinderehen dieser Gruppe siud 17. die wegen zu kurzer
Dauer der Ehe die Einzahl noch nicht überschreiten konnten, bei
13 wurde mit Absicht weiterer Kindersegen vermieden, bei 44
blieben die Gründe unbekannt. Kinderlose Ehen weist die Gruppe
44, also nur 13% auf, davon vier absichtlich hei beigeführt, vierzig
aus anderen oder unbekannten Gründen. Der Zeitabstand zwischen
dem Tripper des Mannes und der Heirat schwankt zwischen 1
und 22 Jahren; dass die Ehen mit geringem Zeitabstand beson¬
ders gefährdet seien, Hess sich nicht erweisen. Was die Kinder¬
zahlen der erkrankten Frauen betrifft, so waren von 25 elf kinder¬
los, zehn hatten ein, zwei hatten zwei, eine Frau drei Kinder.
Die Statistik ergibt also das überraschende Ergebnis — wenigstens
für bestimmte Bevölkerungsschichten ~ dass der Tripper auch
nicht entfernt die grosse, die Gesundheit der Ehefranen, das Glück
der Ehen und die Vulksvermehrung aufs schwerste beeinträchtigende
Bedeutung hat, die man ihm von manchen Seiten zoschreibt und
zu agitatorischen Zwecken proklamiert
2. Krehl: TTeber nervöse Eerserkrankangen und den Be*
griff der „Herzschwäche**.
Die Pathologie versteht unter „Herzschwäche** die mangel¬
hafte Fähigkeit des Organs, den an seine Leistungsfähigkeit ge¬
stellten Anforderungen naohzukommen, also eine Funktionsinsuffi¬
zienz Als Grundlage davon sind bekannt verschiedene Erkrank¬
ungsformen der Herzarterien und des Herzmuskels; weiter kommt
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566
MEDlcmiSCHfi WOCHK.
Nt. 62.
sie vor bei emigen aetiologisch umschriebenen Krankheitszoständen;
die pathogenen Momente liegen dabei auf der einen Seite in
mechanischen Einwirkungen (Ueberdehnung, Aufnahme grosser
Flussigkeitsmengen, Ueberanstrengung, Ermüdung), auf der andern
in Vergiftungen (Bier, Wein, Gifte von Infektionskrankheiten)
oder Infektionen ; hier bestehen Beziehungen zur Myocarditis, indem
in manchen dieser Fälle entzündliche Prozesse im Herzmuskel als
Grundlage der Herzinsuffizienz angesehen werden können. Weiter
aber kann die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit entweder
auf chemischen, bezw. molekular-chemischen Veränderungen der
Herzmuskelfasern zurückgeführt werden (das, was man gewöhnlich
funktionell nennt), oder es handelt sich um Störungen anderer
Gewebe (Nervensystem). Zu den ^nervösen Herzkrankheiten** ge¬
hören allgemein diejenigen Störungen der Herztätigkeit, die nicht
auf Veränderungen der Funktion des Myocards zu beziehen sind.
In dies Gebiet gehören vor allem psychogene Zustände, sie machen
die Hauptmasse aus; sie können in Analogie gesetzt werden patho¬
genetisch mit hysterischen Störungen; oft geschieht ihr Auftreten
in offenbarer Verbindung mit psychischen Störungen, während man
nicht selten diese erst mühsam ergründen muss; nicht selten ver¬
binden sie sich mit Störungen myopathischen Ursprungs, speziell
bei der Eorouarsklerose. Das Charakteristische bei diesen psy¬
chischen Herzstörungen liegt in den subjektiven Beschwerden und
in den Störungen der Herzaktion. Aber neben den myokardialen
und den psychisch vermittelten Erscheinungen auf dem Gebiete
der Herzkrankheiten bleiben noch eine Reihe von Symptomenkom-
plezen übrig, die sich nicht ohne weiteres in das gegebene Schema
einrechnen lassen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie aetio¬
logisch keine einheitliche Grundlage haben; die Symptome erinnern
teils an die myokardialen, teils an die psychogenen Krankheiten j
eigentliche Insuffizienz fehlt in der Mehrzahl der Fälle. Vielleicht
spielen hier Veränderungen an den Nervenzellen und Nervenfasern
des Herzens eine Bolle. Sie sind von den psychogenen zu trennen,
wie man sich auch bei den Krankheiten des Nervensystems be¬
müht, die psychogenen, funktionellen von den eigentlich cerebralen,
spinalen, bezw. neuralen Erkrankungen zu untei*scheiden. Gewisse
Intoxikationen, so die Körper der Puringruppe, können solche
Symptomenkomplexe. erzeugen; weiter dürften hierhin zu rechnen
sein die zahlreichen, von den Genitalien abhängigen imd besonders
in der Menopause auftreteuden Herzatömugen, ferner die reflektorisch
vom Magendarmkanal aus erzeugten. An eine isolierte Erkrankung
der Herzganglien und -Nerven lassen schliesslich Fälle denken, wo
die Kranken häufig durch plötzlich eintretende Herzempfindungen,
die zuweilen ganz das Bild der Angina pectoris erreichen, ohne
dass sonst Zeichen geringerer Leistungsfähigkeit des Herzens, Elr-
müdung bei der Arbeit, Kurzatmigkeit, Schwächegefühl auftreten.
3. Baumgarten, Tübingen; Experimente Über die Wirkung
der Bier sehen Stauung auf infektiöse Prozesse.
Die Experimente wurden hauptsächlich an Kaninchen ange¬
stellt, bei denen genau nach den Bierschen Vorschriften heisse
Stauung erzeugt wurde; als Infektionserreger wurden Tuberkel¬
bazillen, Staphylococcen und Milzbrandbazillen verwendet; die In¬
fektion geschah teils subkutan, teils intraarticulär, und zwar ge¬
lang es bei der letzteren, einen der menschlichen Gelenktuberkulose
völlig entsprechenden Prozess beim Versuchstier hervorzurufen.
Am günstigsten waren die Resultate bei den Milzbrandversuchen,
hier gelang es, die Infektion durch die Stauung vollständig zu
unterdrücken, wenn die verimpfte Bazillenmenge ein gewisses
Quantum nicht überschritt und sofort nach der Impfung mit der
Stauung eingesetzt wurde. Weniger günstig waren die Ergebnisse
der Stapbylococcenversucbe; eine Heilung kam mit Hilfe der
Stauung rascher zustande, als ohne dieselbe; aber nur in Fällen
kleinerer Haut- oder Gelenkeiterungen, die keine Neigung zu
schnellerer Ausbreitnng zeigten; ansgedehntere Abscedierungen er¬
fuhren eher eine Verschlimmerung unter der Stauung, und bei
einigen der Fälle trat nach Lösen der erstmalig gelegten Binde
rascher Tod der Versuchstiere ein; von Bedeutung ist weiter der
Befand von virulenten Coccen in den Geleakmembranen der an¬
scheinend unter Stauungsbehandlung geheilten Gelenke. Fast
wirkungslos blieb die Stauungsbebandlung in den Tnberkulosever-
sueben; zwar kam es vor, dass der Gelenktumor der behandelten
Seite gegen den der unbehandelten an Grösse zurückblieb; aber
ähnliche Grössendifferenzen der Geleoktumoren beider Seit^
zeigten sich auch an nicht behandelten Tieren; histologisch war
nichts von irgendwelchen Heilungsersebeinungen in unter der
Stauung kleiner gebliebenen tuberkulösen Gelenktomoren zü kon
statieren. Eine von der tuberkulösen Lokalinfektion ausgöhetide
Allgemeintuberkulose durch frühzeitige Stauungsbehaudlung zu
unterdrücken, gelang nicht, weder bei Impfung mit Porlsucht-
bazUlen, noch mit Menscbentuberkelbazillen. Für die bedingt
günstige Wirkung der Stauungsbebandlung bei den akuten lu-
fektionsprozessen dürften mehrere Faktoren in Betincht kommmi.
Das baktericide Vermögen des Stauongstranssudates dürfte weniger
im Sinne einer stärkeren baktericiden Kraft gegenüber dem Blut¬
serum, als vielmehr durch die reichlichere Ansammlung einer
bakterioid wirkenden Flüssigkeit im Gewebe zur Geltung kommeü;
bei kleineren Bakterienmengen, also bei beginnenden and leichteren
Infektionsprozessen, dürfte der Vorteil der durch das Stauunge-
transsudat bewirkten verstärkten Bakterientötung den Nachteil der
vermehrten Giftentladung durch Freiwerden der Endotoxine beim
Absterben der Bazillen weit überwiegen, und somit in solobma
Fällen die Stauungsbebandlung den Heilungsvorgang anbahnen und
iördem; doch ergibt sich auch hieraus, dass die Leistong^ähig-
keit der vis medicatrix naturae, die das Biersche Heilverfahrmi
unterstützen will, nicht überschätzt werden darf. Eine Rolle
dürfte weiter spielen die Hemmung der Resorption durch die
Binde und weiter die Verdünnung der Toxine, und zwar der von
den lebenden Mikroben abgesonderten; nicht ohne Bedeutung er¬
scheint weiter die durch die Zirkuiationsverlangsamong und ver¬
minderte Blutzufuhr bedingte Herabsetzung des Sauerstoffqnantums,
was namentlich für aörobe Mikroorganismen von Belang sein muss.
Schliesslich ist zu verweisen auf die pathologische Veränderung
des Gewebsstoffwechsels, die auf die Bakterien in viel höherem
Grade schädigend einwirkt, als die Gewebszellen.
4. Spielmeyer, Freiburg: Experimentelle Tabee bn
Hunden (Trypanosomentabee).
Von der. Tatsache ausgehend, dass ach die histopathologiflehmi
Bilder bei der sogen. Schlafkrankheit und bei der progressiven
Paralyse in manchen Funkten berühren, hat S. expedment^
Uebertragungsversuche mit einem Stamm von Trypanosoma Bruoei
bei Tieren, besonders bei Hunden vorgenommen, und bei letzteren,
wenn es gelang, sie 9—10 Wochen nach der Impfung am Leben
zu erhalten, bemerkenswerte Befunde erzielt. Bei sollen Hunden
gelang es, mit Hilfe der Marchischen Chromosmiummethode
frische Degenerationen im Gebiete der hinteren Rückenmarks-
worzeln, der sensiblen Trigeminuswnrzel Tind im Opticus nachzu¬
weisen. Mit Rücksicht auf die Lokidisation der degenecativen
Vorgänge — die Erkrankung der Hinterwurzelsysteme und die
Beteiligung des Opticus — und mit Rücksicht auf die Eigenart
der degenerativen Prozesse — die primäre Fasereckrankung
— erscheint es gerechtfertigt, von einer tabischen Erkrankung bei
den Hunden zu sprecheu: die „Trypanosomentabes** der Hunde
stimmt in ihrem histologischen Verhalten prinzipiell mit der post-
syphilitischen Tabes des Menschen überein, ein Befund, der bei dM*
nahen Verwandtschaft der Trypanosomen mit den Spiroohaeten ein
ganz besonderes Interesse gewinnt.
5. Fehling, Strassburg; Zur Beraehtigiuigder konservativen
Myomoperationen.
Da das Myom eine gutartige Geschwulst ist, so ist ein mög¬
lichst konservatives operatives Vorgehen zu erstreben, womöglioh
nur die Neubildung zu entfernen, Uterus und Adnexe zu belassen,
wenn sie nicht krankhaft entartet sind. Eine konservative Ope¬
ration ist dann am Platze, wenn es möglich ist, die durah das
Myom verursachten Symptome, Druckschmerz, Ranmbeengnng,
Blutungen und infolge dieser entstandene Anaemie mit ihren Ge¬
fahren für das Herz, durch die Operation dauernd zu beseitigan.
Konservativ kann man verfahren bei den subserösen Myomen^ und
hier kann man auch den abdominalMi Weg wählen. SchmifiEiger
wird die Entscheidnng bei den interstitiellen Myomen; von ainm*
abdominellen Enukleation dürfte in den meiatea Fällen, abausehsn
sein und in den Rahmen der konservativen Myomopezatmn nur die
Fälle zu rechnen sein, in denen es möglich erscheint, das inter¬
stitiell sitzende Korpusmyom auf vaginalem Wege mitt^ Hysttfo.
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ÜM.
MBDICINISCHB WOCHE.
567
fiVBMMite mb besten te Narkose, ist
w Benrts*i«ng «^MderBdi.
6. OöDitz, Bonn: Die H ihsaa s s flnb iB g der fl^tMtlewU-
«Nie.
Bei tec^niedi riohtig aosgefOhrter Spinalponktlon sind eine
Anssftl TOn Faktoren von Einfluss anf die HObenausdehnung der
Anaesthesie; 1. die Lageftnderung, 2. die Blutdruokrerbftltnisse im
Sf^tAdelinnem, 3. die Menge dt'S Lösungsmittels für das Anaesthe-
ticom. Ad 1: Es kommen in Betracht Injektionen im Liegen mit
Ueibender Horizontallagerung, die Anaestbesie wird auf die Gegend
des Oennes bescbrftnkt bleiben; Injektionen im Sitzen, darauf
horizontale Lagerung, die Anaestbesie steigt fast stets über das
Leistenband; Injektion im Sitzen, daran! starke Beckenbocblagerung,
die Anaestbesie wird mindestens bis NabelhObe geben. Ad 2:
Von OTOSser Bedeutung erscheint die Wechselbeziehung zwischen
Venenrülhing im Scbadel und Liquordruck. Venöse Blutstauung
im Sob&del, z. fi bei Herzkranken, hindert ein Emporsteigen des
Liquor, Verminderung des Blutdrucks in der Schädelhöhle lässt
den L«i<iaer in erhöhtem Mafle cerebralwärts fliessen; tritt die Him-
anaemie erst nach der Injektion ein, so nimmt der aufsteigende
L!qaorstr(W das Anaestheticnm mit, die Folge muss eine höhere
Anaestbesie sein. Um kdnstlicb eine Blutabsaugung aus dem
Schädel zu erzeugen, bieten sich zwei Möglichkeiten: Man führt
vor der Injektion eine venöse Stauung durch Umlegen einer Hals-
staubinde herbei; oder man benutzt den Einfluss der Atmung, in¬
dem man gewaltsam inspirieren lässt und dabei den Eintritt der
Luft d«r^ teilweises Zuklemmen der Nasenflügel erschwert. Ad 3;
Je grösser die Liquormenge ist, in der das Anaestheticnm gelöst
wird, desto höher die Anaestbesie; man kann Liquormengen bis
«a 10 ccm verwenden. Die unter Einfluss dieser Faktoren er-
«MgäsB hohen Anaesthesien haben erkennen lassen, dass die Ur¬
sache numcher aiiangraehmen Begleiterscheinungen, Erbrechen,
Sehsoiahe, SehweissaaslMrach etc., nicht eine direkte Vergiftung des
Gehirns und verlängerten Marks ist, sondern die Aufnahme des
GiftM in die Blutbahn, also eine Allgemeinvergiftung. Die £r-
tahraog, dass alte Leute die spinale Analgesierung besser ver-
tsagea als junge Leute, ist nur im allgemeinen zutreffend, was
die akuten Get^ren anlangt, so ist bei alten Leuten die untere
Hälfte des Lumbalsackes, bei jüngeren Menschen die obere für
die liombalaaaestbesie geeigneter; Nacherscheinungen sind in beiden
FüIImi bei allen Leuten durohsobnittUch geringer. Die jetzt an
der Biers(^en Klinik übliche Technik ist kurz folgende: Für
Oper at i o aep am Damme wird nicht mit Liqnor verdünnt, es genügt
die B^kord^ritse von 2 ccm, soll ein höheres Hinaufsteigen der
Anaasthesie vermiedmi werden, wird im Liegen injiziert. Für
OpenUkmen am Bein werden 3—6 ccm Liquor angesaugt, für
Hsrniotosaie, Appendioitis-, Nierenoperationeu 6—10 ccm und dann
Bschsnhoohlagenmg vorgenoamen. Für höchste Anaesthesien wird
eme Halastanbinde angelegt, dann 5—6 cg Tropacocain in 10 ccm
LiquOT' injiziert, darauf die Binde abgenommen, stärkste E ad e rsche
Lagerung vor genommen und ersehwerte, gewaltsame Inspiration. Das
Tropaoccain, das jetzt an Stelle des Stovain verwandt wird, hat
vor dicaem den Vorzug, dass es einen bedeutend geringeren Ein¬
fluss anf die Atmuugtnnaskulatar hat, dass es nicht zu Augen-
iBoskellähmungen führt, dass die Begleit- und Nacherscheinungen
mildere and seltenere sind; für die Geburtshilfe dürfte es sich
b eson ders empfehlen, weil es wegen seines geringeren Einflusses
anf die Muskelkraft die Wirkung der PrMswehen weniger beein-
trttehtigt.
7. Hammer, Heidelberg: Die XaberknUnbehaadlnng der
Lungentnberkolose.
Bei dem exquisit chronischen Verlauf der Tuberkulose, bei
den polymOTpben anatomiaohen Formen, bei der Unsicherheit in
der Beurteilung der anatomischen Ausbreitung des Krankheits¬
prozesses, bei dem oft jähen Wechsel im klinischen Verlauf, dür en
an ein Heilmittel vcm vornherein nur bescheidene Ansprüche ge¬
stellt werden, ^n Ekfolg wird im wesentlichen nur in den An-
ämgsstadien zu erwarten sein. Die H’schen Erfahrungen über die
BahiMMllaag der Lungentuberkulose mit Tuberkulin erstrecken sich
über 6 Jahre; zur Anwendung kam meist das alte Koch sehe
Tuberkulin, vereinzelt auch das T. R. and Neutuberkulin; die In¬
jektionen wurden ausschliesdich im Supra- oder IntersoapuUar-
raum gemacht, abwechselnd rechts und links. Irgendwelche in
Betracht kommenden Schädigungen wurden nie beobacktet. Der
wichtigste und schwierigste Punkt ist die Frage der Dosierung
des Tubsrkniias, mehr wie bei jedem andern Mittel ist s^ngste
Individualisierung erforderlich. Das Prinzip bei der B^aadlui^
ist die Bestimmung der Beaktkmsgrenze, die ^mittlong der Dosis,
bei der eine Reaktion eben noch vermieden wird. An dieser Re-
aktionsgrenze, die, entbrechend der Gewöhnung des Organismus
an das Mittel, stetig eine andere wird, muss num sich während
der Kor halten; dauernde genaue Kontrolle des subjektiven Be¬
findens des Patienten und der Temperatur — vier Messungen am
Tage genügen meist — ist dazu erforderli(flt und wird erheblichere
Reaktionen, die mit Sebädignngen verbunden sein können, ver¬
meiden lassen. Zn berücksichtigen ist auch, dass eine Kumulation
des Mittels eintreten kann. Bei günstig gelegenen Fällen wird
man gewöhnlich mit Vioo mg beginnen können, bei weniger günstig
erscheinenden mit ^/looo mg; die Steigerung der Dosen soll eine
gauz allmähliche, am besten nnr einen Teilstrich der Pravazspritze
bei jeder Injektion sein; am Anfang kann man event. etwas s<^neller
steigen, bei den böbem Dosen dafür etwas langsamer. Die Kur
soll frühestens beendet werden, wenn 1 g reinen Tuberkulins
erreioht ist, erstreckt sich also Uber mehrere Monate, je nach
der Häufigkeit der Injektionen. Am geeignetsten für die
TubeHcnlinkur sind die unkomplizierten Fälle von Lungentuber¬
kulose, die ungefähr dem Turban scheu ersten, höchstens zweiten
Stadium entsprechen, eine Kontraindikation bietet kein Fall. Das
H’eche Material umfasst 100 Fälle, von denen bei 60 die Kur zu
einem Abschluss gebracht werden konnte; es handelte sich dabei
um leichte, mittelschwere und auch ganz schwere Fälle; die Diagnose
war durch Bazillenbefnnd oder Tuberknlinreaktion möglichst ge¬
sichert. Sämtliche Fälle worden ambulatorisch behandelt, blieben
also in ihren mehr weniger schlechten häuslichen Veihältnissen,
zum Teil sogar bei ihrer gewohnten Beschäftigung. Ein Eirfolg
wurde in allen Fällen erzielt, ohne dass derselbe immer in voller
Heilung zum Ausdruck gekommen wäre. Die günstigsten Resultate
gaben die geschlossenen Tuberkulosen, und zwar waren die Er¬
folge, wie Nachuntersuchungen ergaben, auch dauernde. Noch
bessere Resultate werden sich erzielen lassen bei einer Kombioation
der Tuberkulintherapie mit der hygienisch-diätetisebeB Behandlung.
8. Kellner, Hamburg: Die Erfolge der Opiam-Brom-KuT
bei der Epilepsie.
Verf. hat seit 10 Jahren die Opium-Brom-Badekur in folgen¬
der 'Weise angewandt: Der Kranke bekommt während ÖO Tagen
täglich eine dreimalige Dosis Extractum Opii, die, beginnend mit
0,05, an jedem zweiten Tage nm 0,01 steigt: am 51. Tage ist die
Dosis 0,3 erreicht, die nur einmal gegeben wird. Daran schliesst
sich die Brombehandlung in der Weise, dass mit 2 g beginnend in
acht Tagen auf 9 g gestiegen wird und dann diese Menge einer
Mischung von Bromnatrium, -Kalinm und -Ammonium im Verhält¬
nis 1 : 1 : lange Zeit täglich genommen wird. Während der
Opiumkur muss der Patient seinen Beruf aufgeben, sich viel in
frischer Luft aufhalten, eine leichte, vorwiegend vegetabilische
Diät einhatten, er erhält etwas Salzsäure, bei, übrigens selten ein-
tretender, Verstopfung Karlsbader Salz. Weiter werden während
dieser Zeit täglich Bäder appliziert von allmählich gesteigerter
Kühle (24®—17® 0) und entsprechend regulierter Dauer (zehn bis
drei Minuten). Die angegebene Opiumdosis bezieht sich auf einen
erwachsenen, sonst gesunden Menschen; nach dem Alter der
Patienten ist sie event. zu variieren. Das Material, das K. dieser
Behandlung unterzogen hat, umfasst Patienten der Privatpraxis
nnd Pfleglinge der Alsterdorfer Epileptikeranstalt, leichte und
schwerste Fälle, im Ganzen 80. Bei 16 musste die Kur unter¬
brochen werden, weil Opium nicht vertragen wurde; ohne jeden
Erfolg blieb sie bei 7,5®^: eine Verminderung der Krampfanfälle,
wie sie auch nach einfacher Brombehandlung einzutreten pflegt,
zeigte sich bei 29 ^; eine wesentliche Besserung in der Art, dass
die Krampfanfälle nur in Pausen von vielen Monaten auftraten
oder statt ihrer sich nur epileptische Schwihdelanfälle einstellten,
trat ein bei 16%; in 27,5% sind die Kranken seit der Km von
Krampfan^Uea frei geblieben, und zwar handelt es sich hier um
Zeiträume bis zu 6 Jahren.
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598
MXDICINISGHB WOCHE.
Nr. 62.
9. Oeigel, Würzborg: Bttekttamuig des XTrins nach dem
Hierenbecken.
Mitteilung eines Falles, bei dem mit Wahrscheinlichkeit dieser
Vorgang anzunehmen ist.
10. Boseok, Stolp: Myositis ossifioans progressiva, gekeilt
durch Thiosinamin.
Bei der Patientin entwickelte sich im Anschluss an eine In¬
fluenza ein Krankheitsbild, das wohl als Myositis ossifioans anzu¬
sprechen war, und das sich trotz Massage, Röntgenbestrahlung und An¬
wendung von Hitze fortschreitend verschlimmerte. Nach sechs
Injektionen von Thiosinamin 1, Glyzerin 2, Aq. dest. ad 10,0, täg¬
lich eine Pravazspritze, trat eine wesentliche Besserung ein, nach
weiteren 10 Injektionen völlige Heilung.
11. Hackländer, Giessen: Vorschläge >u einer den Eeil-
nngsprozeso nicht retardierenden Unterstützung der Unfallver¬
letzten.
Um gewissen Schäden der Unfallversicherung — psychogene
Faktoren der Arbeitsunfähigkeit der rentenberechtigten Unfallver¬
letzten — entgegenzuwirken, sind verschiedene Vorschläge gemacht
worden: gesetzliche Erweiterung der Möglichkeit einer einmaligen
Abfindungssumme, langsame Minderung der Rente, Psychotherapie,
Unfallkrankenhäuser; am besten erscheint der von Bruns, anzu¬
streben, dass das Produkt der wiedergeleisteten Arbeit für den '
Arbeiter direkt Geldeswert bekommt, um ihn anzufeuem, seine
Arbeitskraft wieder zu entwickeln. Bei quantitativ herabgesetzter
Arbeitsleistung beispielsweise um die Hälfte, soll der Arbeitgeber
die Einzelleistung doppelt bezahlen. die andere Hälfte lässt er
sich von der Bernfsgenossenschaft zahlen; bei qualitativ herabge¬
setzter Arbeitsfähigkeit gibt der Arbeitgeber leichtere, weniger
Geschicklichkeit erfordernde Arbeit bei einem Lohn, der dem Ver¬
dienst der gesunden Tage gleich kommt; die Bernfsgenossenschaft
ersetzt ihm den Ueberlohn. Der Arzt soll den Verletzten der
Berufsgenossenschaft gegenüber begutachten, aber in erster Linie
mit dem Arbeitgeber zusammen die „Arbeitsbehandlung“ bestim¬
men. Der Arbeitgeber wird die nächstliegende psychische und
finanzielle Stütze des Unfallkranken.
12. Diendonnö: Faohausdiücke aus der neueren Lumuni-
tätslehre.
Es wird eine Zusammenstellung der kurz erläuterten häufigsten
und wichtigsten Ausdrücke aus dem Gebiete der Immunitätslehre
gegeben, die dem Femerstehenden eine rasche Orientierung er¬
möglichen soll.
Deutsche med. Wochenschrift. Nr. 47. 1906.
1. E. Kraus, Berlin: Ueber Kropfherz.
Seit Bose und Schrunz unterscheidet man Schilddrüsenaflek-
tionen abhängig von Zirkulationsstörungen und Cardiopathien durch
Strumen verursacht. Zur ersten Gruppe gehören Bevilliod’s ,,Goitre
cadiaque“, eine perivenöse interstitielle Tbyreoditis mit langsamem
Schwund des sezerniereiiden Drüseoparenchyms infolge eines
Tricu-spidalfehlers mit p. sitivem Venenpuls, und der Stauungskropf,
d. h. die Modifikation, welche eine gewöhnliche Struma intolge
Abklemmung der V. cava sup. durch einen Schilddrüsentumor erfährt,
so dass zuweilen eine Struma vascularis mit Venenpuls zu Tage
tritt. Dadurch scheint die Annahme gerechtfertigt, dass derartig
starke venöse Kreislaufstörungen in Strumen ein weiteres cardio-
pathieerzeugendes Moment bilden, um so mehr, als sich gewisse
klinische Symptome des Kropfthyreoidismus iTumor, Tachycardie)
hinzugesellen. Bezüglich der Arteriosklerose lässt sich nicht sagen,
ob sie in der Glandula thyreoidea eine Parenchymschädigung
verursacht, und wie weit sie als thyreogenes (thyreoprives) Aequi-
valent anzusehen ist.
In die zweite Gruppe gehört das Bosesche Kropfberz, eine
Schädigung der Herztätigkeit durch gewöhnliche Kröpfe aut rein
mechanischem Wege, und das .jdyspnoische“ „pneumische“ Kropf¬
herz mit Behinderung der Atmung, durch Bronchiektasie und
Emphysem das Herz beeinflussend und dadurch eine Vergrösserung
der rechten Kammer verursachend bis zu schwerer Insuffizienz
und Myodegeneration. Selten nur dürfte mechanische Einwirkung
auf die herzregulierendeu Nerven allein funktionelle Abweichungen
der Herztätigkeit hervorrufen.
K. will unter Kropfherz speziell die thyreogenen (thyreo-toxisohen)
Cardiopathien verstanden wissen, d. h. das cardiovesiculäre Syndrom,
welches dnrch abweichende Funktion der Glandula thyreoidea viel¬
fach unter Mitwirkung der herzregulatoriseben Nerven entsteht.
Nach seiner Ansicht bilden die cardialen Störungen bei allen
Hypothyreosen nicht nur nicht das Hauptsymptom, sondern
sie treten auoh nicht progressiv hervor. Unter die Gruppe der
cardio-vasculären Störungen durch Hyperthyreose wahr.>chein-
lich bedingt gehören die Struma basedowiana, basedowificata, das
thyreotoxische Eropfherz, der arteficielle Thyreoidtsmus.
Bei der Struma basedowificata bietet der Stauungskropf oft
das Aussehen einer Struma vascularis venosa (Kocher). Der nach
der Operation nicht selten auftretende Thyreoidismus wäre viel¬
leicht auf ein Uebertreten reichlichen Schilddrüsensekretes in die
Säitemnsse zu erklären. Beim thyreotoxischen Kropfherzen lassen
sich zwei Intensitätsstofen des cardiovascnlären Syndroms fest-
steilen, bei der ersten sind die bervorspringenden Symptome ver¬
stärkte Herztätigkeit, vermehrte Pulsfrequenz, Glanzangen, weite
Pupillen, beiderseitiger Exophthalmus fehlt meistens, einseitiger ist
als mechanische Schädigung eines der Halssympatid aufzufassen,
bei der zweiten sind die Symptome stärker ausgesprochen, Exacer¬
bationen mit längerer Dauer folgen, die Verbreiterang der Herz¬
dämpfung wechselt dann, Schwierigkeiten kann die Differential-
diagnose machen, ob Atemnot das Primäre ist und ob es sich um
„ sekundärenBasedow handelt oder nicht. Typischer Basedow ist
in Kropfländem selten. Der Tremor des Thyreoidismus bei ein¬
fachem Kropf ist meist auf Finger and Zunge beschränkt und
nicht so intensiv wie bei leichten Fällen von Basedow, ebenso
fehlt die Beteiligung der Augen und schwere trophische Störungen;
aber die Cardiopathie tritt bei Thyreoidismus stark hervor.
Warum verursacht ein an gewöhnliche Kröpfe sich an¬
schliessender Thyreoidismus verhältnismäÜig oft ein einseitiges
mitigiertes Krankheitshild gegenüber dem im ganzen progressiven
und schweren Basedowsyndrom ? Die Ursachen können innerhalb
und ausserhalb der Glandula tb 3 a'eoidea liegen.
Für eine Ueberfunktion .*<precbeu 1. dör Gegensatz zwischen
Basedow-Syndrom und Myxoedem, 2. die Wirkung der operativen
Behandlung, 3. die Analogie zwischen dem spontanen pathologischen
Zustand, welcher dem Basedow-Syndrom, der Struma basedowificata
und dem „thyreotoxischen“ Kroptherzen zu Gmnde liegt, und dem
artificiellen Thyreoidismus, 4. die vermeintlich direkt durch das
Kreislaufexperiment nachweisbare, physiologische Aktivität der
SchilddrUsenstoffe, ihre Wirkung speziell auf das Herz und die
regulatorischen Herznerven, 5. die pathologisch • anatomische Kon¬
stanz, der speziBsche Charakter der Struma bssedowiana, 6. der
Nutzen und Schaden der Substitutionstherapie. Ueber die Quanti¬
tät der Sekretion bei normaler Glandula thyreoidea lässt sich
nichts Bestimmtes aussagen. Ebenfalls ist die Frage noch unent¬
schieden, ob die Jodarmut der adenoid-hyperplastischen Strumen
auf eine herabgesetzte Speicherungsfähigkeit für Jod oder eine
Unterwertigkeit der Glandula thyreoidea zurückzu führen ist; über
den Jodstoflwecbsel beim artefiniellen Thyreoidismus ist auch noch
keine Klarheit vorhanden. Der „akute“ Kreislaufversuch ergibt
nur die Tatsache, dass unter bestimmten Bedingungen die Glan¬
dula thyreoidea nur Etwas liefert, das den vernichteten Vagus-
tonus wiederherstellt, den das Fehlen bezw. die Unterwertigkeit
der Schilddrüse nicht vernichten kann. Es muss also beim
Thyreoidismus eine Alteration des Nervensystems vorliegen derart,
i dass die Herzregulatoren zurücktreten und der Sympathikus stärker
erregt wird. Was den spezifischen Charakter der Struma base¬
dowiana anbetrifft, so handelt es sich in frischen Fällen um eine
diffuse Struma „pulsans acuta“, vascularis, telangiectodes (mit
leicht zerreisslichen Getässen).
Der Grund, warum der Thyreoidismus bei älteren gewöhn¬
lichen Kröplen mitigiert bleibt, liegt vielleicht darin, dass Hyper¬
plasie und Degeneration innerhalb des funktionsfähigen Teiles der
Glandula thyreoidea neben- oder durcheinauderliegen.
Manches spricht aber dafür, dass die Gründe für das Rudimen¬
tärbleiben des Kropfthyreoidismus auch ausserhalb der Glandula
thyreoidea liegen. So hat B. Ewald bereits nachgewiesen, dass
saugende Hündchen an den Folgen der Schilddrüsenexstirpatlon zu
Grunde gehen. Das Jod tritt aber erst im extrautetinen Leben
und zwar langsam in den infantilen Organismus Uber, Erkrankte
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1906.
WETlTflTNTflfiH K ^rOCHBt
669
Schilddrüsen sind oft viel jodArmer, msnobmal jodfrei, adenoid-
ityperplastisohe Strumen enthalten kleine Jodmengen, die carcino-
matöee Schilddrüse aber wird jodfrei. Trotzdem treten nicht
immer StOningen im Sinne eines Myxoedems auf, and die Reaktion
aaf Schilddrflsenstoffe ist nngleich.
2 . Erb, Heidelberg: Klinische Kasniitik ans der Praxis.
L Poliomyelitis anterior acuta superior.
Die Diagnose macht oft Schwierigkeiten, Verwechslungen mit
Meningitis, akuter Bulbärparalyse, Landrysche Paralyse, Polyneuri-
tis, auch oervikale Poliomyelitis kommen vor, besonders bei Kindern,
bei denen die Schmerzen in den Vordergrand treten, Blasen-
stürongen und leichte Sensibilitfitsstörungen nidit selten sind, ist
der Verdacht einer Polyneuritis gerechtfertigt. Nach Oppenheim
werden die unteren Eiztremit&ten öfter betroffen als die oberen,
ganz ausnahmsweise aber einer der motorischen Himnerven.
Cowers und andere sind derselben Meinung. Diplopie ist selten,
ebenso Schwache der Kackenmuskel und Beschwerung des
Schluckens. Verf. berichtet über mehrere Fälle mit Beteiligung
der Hirnuerven. Im ersten Falle waren Erscheinungen von seiten
des Herzens und der Respiration, die auf Beteiligung der bol-
bären Zentren deuteten, und eine partielle Zerstörung des linken
Accessorinsgebietes nachweisbar. Im zweiten eine Läsion beider
Äccessorii, ausserdem eine Lähmung des Diaphragma, Nystagmus
und eine Paresis eines Abducens, und im ditten Fall ergab die
Sektion ebenfalls den Nachweis der Poliomyelitis acuta in den
oberen Partien des Cervicalmarks.
II. Zum Kapitel der angiosklerotischen Störungen der unteren
Extremitäten (intermittierendes Hinken etc.).
Die Untersuchung der Fusipulse ist äusserst wichtig, um vor
falschen Diagnosen zu schützen, wie Neuralgie, Is;:hias, Spinal*
leiden, Piattfussbeschwerden etc. Aus dem Fehlen oder der
Schwäche der Fusspulse ergibt sich leicht das Vorhandensein
zirkulatoriscber Störungen. Es kommen aber auch Fälle vor, in
denen die Fusspulse unverändert erscheinen. Französische Forscher
(Dezerine, Gounet) haben neuerdings den Versuch gemacht, diese
Fälle auf analoge Störungen der Zirkulation im zentralen Nerven¬
system Zurückzufuhren, wie sie beim typischen intermittierenden
Hinken in den Muskeln und Nerven der Unterschenkel gefunden
wurden. Sie sprechen von intermittierendem Hinken des Rücken¬
marks, des Mittelhims und der Obloogata, des Grosshirns etc.,
wie Angina pectoris als intermittierendes Hinken des Herzens dar-
gestellt. wird. Für die Behandlung kommen Jodpräparate in
Frage, Sajodin innerlich und Jodthionsalben äusserlich.
3. Stadelmann, Berlin: Die Behandinng dei Typhus ah-
dominalu.
SpeziBsche Therapie ist erstrebenswert, doch sind die Ver¬
suche bis beute wenig erfolgreich gewesen. Bessere Resultate
haben die prophylaktischen Impfungen ergeben, allein es empfiehlt
sich noch nicht, Angehörige von Typhnskranken präventiv mit
Typhusserum zu behandeln, wie etwa bei Diphtheritia Nach
Liebermeister kommt für die sogenannte Abortivbehandlung
Jod und Jodkalium in Frage, auch eine Kalomelkur ist bei frischen
Fällen angezeigt, und es ist wohl denkbar, dass infolge reichlicher
Stuhlgänge viel infektiöses Material aus dem Darme entfernt und
eine gewisse Desinfektion erzielt wird. Naphthalin, Naphthol,
Bismuth. salicyl. sind wirkungslos. Die Hauptsache beim Typhus
bleibt regelrechte Pflege und eine richtige Diät. Letztere muss
flüssig, leicht verdaulich und leicht resorlnerbar sein, da Fieber
und die resorbierten Toxine schwere Stoffweohselstörungen, mangel¬
hafte Absonderung wenig wirksamer Verdauungssäfte zur Folge
haben. Vor Fleisch, auch in leichtester Form, ist zu warnen,
Kohlehydrate und Fette sind geeignet, den Zerfall der Körper-
suhstanz einzuschränken. Milch, event. mit Zusätzen, Fleischbrühe,
Haferschleim etc., vor allem aber die Leimsubstanzen (Gelees),
Butter in der Suppe, Zucker und Sahne, Malzpräparate geben ge¬
nügende Abwechslung und werden gern genommen. Kleinere aber
öftere Mahlzeiten (idle 2 Stunden) sind angezeigt. Als Getränke
kommt Wasser zuerst in Frage, event. Zusätze von Frachtsäften
und kalter, dünner, süsser Tee. Mineralwässer sind schädlich wegen
ihrer meist abführenden und auftreibenden Wirkung. Alkohol in
nur ganz kleinen Dosen mag zulässig sein, am besten meidet man
ihn ganz, da andere gute Medikamente genügend bekannt sind.
I. Die antipyredsohen Behandlungsmethoden.
a) Die Hydrotherapie.
Nicht die Höhe des Fiebers ist entscheidend, sondern der
Allgemeinznstand, das Sensorium, die Nahrungsaufnahme, das Herz
und die Lungen. Kalte Bäder von 16—10^ Rund in 2—Sstttnd-
licher Folge, wie sie Liebermeister, Brand und Vogel u. a.
angewandt haben, wirken zwar günstig im allgemeinen, sind aber
heute nicht mehr gebräuchlich. 2 — 3 laue Bäder von 30—32^C
und 10—20 Minuten Dauer leisten dasselbe find werden als Wohl¬
tat von den Kranken empfunden. Dabei bleibt das Fieber nicht
mehr konstant hoch, sondern zeigt remittierenden Charakter, Bis
zur völligen Entfieberung werden die Bäder fortgesetzt.
Von kalten Uebergiessungen ist abzusehen, nasse Einpackungen
haben geringen Effekt. Wo Bäder aus irgend einem Grunde nicht
anwendbar sind, empfehlen sich Abwaschungen mit kaltem Wasser
oder Essigwasser (1:4) von 12 ^R alle 2—3 Stunden. Bei Säufern
und aufgeregten Kranken führen protrahierte warme Bäder von
25—27^R oft zum Ziel. Die von Krönig empfohlenen Bettbäder
sind kaum geeignet zur Anwendung.
Die Bäderbebandluug ist ausgeschlossen bei Darmblutungen,
Blutungen ans der Lunge, Tuberkulose, Bronchieotasien, Lungen-
empbysem, liei fetten Leuten, Blutarmut, Peritonitis und allen
Herzaffektionen. Dagegen bilden Puerperium, Laktation, Menses
keine absolute Gegenindikation. Vor Wasserkissen mit kaltem
Wasser oder Eis oder Kältemischnng ist zu warnen; Friessnitz-
sche Einpackungen aber sind recht empfehlenswert.
4. Schmidt, Dresden: Heber die Behandlung des Magen-
gesohwürs.
Leube empfiehltdie ^diätetische Ruhekur" bestehend in strenger
Bettruhe auf 14 Tage bis 3 Wochen, heissen Umschlägen auf den
Magen, strenger Diät, in vier Formen eingeteilt, und den Ge¬
brauch kleiner Mengen Karlsbader Mineralwasser. Nur bei Blut¬
ungen ist der Eisbeutel augezeigt, Eispillen oder eisgekühlte Milch
und Nährklystiere. Lenhartz bekämpft diese Unterernährung,
zumal Blutarmut und Hyperacidität beim Ulcus ventriculi eine
Rolle za spielen pflegen; er gibt sehr schwach steigend konzen¬
trierte eiweissreiche Kost, event. unmittelbar nach der Blutung.
Senator will die Vorteile dieser beiden Methoden vereinen und
ihre Nachteile beseitigen durch eine Kombination von Glutin, Fette
und Zucker mit geringen Mengen Eiweiss, wie Kalbsiuss und
Huhngelee, Sahne, Mandelmilch, gefrorene Butterküchelchen. Der
Vorzug der Lenhartzschen und S enatorsehen Vorschläge liegt in
dem Verlassen des Schemas des Lenbeschen Speisezettels. Das
Schonungsprinzip bleibt bestehen, wo der Kräftezustand es er¬
fordert, sind die Zulagen angebracht. Mit Fleischkost sei man
aber vorsichtig; denn das rohe Bindegewebe stellt an die Ver-
dauungskraft des Magens die grössten Ansprüche. Ausser dem
Karlsbader Mühlbrunnen kommt die Kussmaulsche Wismutbe-
haudlung und das Argentum nitricum von arzneilichen Mitteln in
Betracht; Belladonna, Oodein, Opium sind bei heftigen Schmerzen
kaum zu entbehren. Bei schweren, resp. wiederholten Blutungen
ist Ernährung per rectum angezeigt, arzneiliche Mittel versagen
in der Regel, Plumbum acetioum oder Adrenalin, besser aber Er-
gotininjektionen sind zu versuchen, Kochsalzinfusion oder Auto¬
transfusion bilden die ultima ratio. Beim Versagen dieser Be¬
handlungsmethode, bei häufigen Rückfällen und drohender Per¬
foration bietet die Operation einige Aussicht auf Erfolg, ebenso
bei Fassagebehinderung als Folgezustand des Geschwürs. Schwierig¬
keiten in der Diagnose bieten die sogenannten perigastrischen Ad-
baesiouen, die ebenfalls operativ zu behandeln sind, da die Ver¬
suche mit Thiosinamineinspritzungen völlig versaget haben.
5. König, Berlin-Gmnewald: Welchen EinflxuM hat das
Böntgenverfahren auf das Handeln des Arztes bei Knochen-
brüchen ausgeübtt
K. kommt zn dem Schluss, dass in vielen Fällen bei ein¬
fachen Brüchen die alten Versuchungsmethoden völlig ausretchen,
die Röntgenaufnahme ist entbehrlich dabei, in anderen Fällen bat
das Röntgenverfahren unsere Kenntnisse über die pathologische
Anatomie und Mechanik der Knochenbrüche vertieft und unser
diagnostisches Können erweitert, das Auge ist geschärft für die
Formveränderung am Körper, die zu einer bestimmten Fraktur
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670
Nr. 5ß.
gehört. In vi^en koffiplixierten F&Uen wt das Ver&hran das
einzig sichere Mittel für die Stellung der Diagnose and die Be>
handlang; daher müsste es obligatorisch gemaoht werden, wo nicht
unUbersteigliche Hindernisse vorliegen. Eine weitere Anzahl von
Frakturen sind uns durch das Verfahren aufgedeokt worden, und
oft ist es das Mittel, das die Direktive für eine, nonaale Ver¬
hältnisse herstellende Operation ergibt.
6. Hegar, Freiburg i. B.: Diätetik der Wdohaerin.
Die Disposition* zu Erkrankungen ist im Wochenbett, das im
weiteren Sinne bis zur völligen Rückbildnng 42 Tage dauert,
gross. Deshalb sollten die hygienischen Vorschriften streng be¬
folgt werden, soweit es die Vermögenslage gestattet. Eine tüchtige
Pflegerin ist notwendig. Das Wochenzimmer soll bell, geräumig,
leicht zu reinigen, vor Staub und Lärm geschützt, lekht ventilier¬
bar, nicht zu warm und nicht zu kalt (17—18^0) sein. Die
Ausstattung sei möglichst einfach, Bett (mit Rosshaarmatratze mod
Decke) und Nachttisch aus Eisen. Hemd und Jacke bildet die
Bekleidung, als Unterlage ist ein wasserdichter Stoff zu empfehlen,
zusammengelegte Leintücher werden darüber gebreitet, als Vorlage
vor den Genitalien, die morgens und abends sowie nach Stuhl-
und Urinentleerung vorzunebmen ist, dient sterilisierte Watte.
Nur im Notfall ist ein Katheter zu gebrauchen. Die früher üb¬
liche spärliche Kost ist unzweckmäßig; nur Fleisch in grosser
Menge, schwere Speisen, Wein und Bier sind wegen den Folgen
unangebracht. Zwischen dem zehnten und zwölften Tage darf
die Wöchnerin, falls keine Komplikationen vorliegen, aufstehen;
eine gewisse Freiheit der Bewegungen im Wochenbett ist er¬
wünscht. Körpertemperatur, Uterus und Lochien sind zu über¬
wachen. Thrombosen in den Beckenvenen und der Vena saphena
nnd cruralis sind nicht selten, teils sind mechanische Momente,
Regelwidrigkeiten des Blutumlaufs, z. B. bei Chlorose und starkem
Blutverlust, teils Infektionen die Ursache. Durch Lageweohsel,
leichte Massage, Streichungen kann man dem ersteren Uebel Vor¬
beugen. Die Muskeln der Bauchdecken und des Beckenbodens
sind durch gymnastische Uebungen zur normalen Funktion zu
bringen. Die Einleitung und Regulierung des Stillens ist von
grösster Bedeutung, da Brustkinder widerstandsfähiger sind als
Flaschenkinder. Viele Frauen können nicht stillen, da Brust oder
Warze verkümmert ist, ein Erbfehler, der in mehreren Generationen
beobachtet werden kann. Eine passende Zuchtwahl wäre geeignete
Hilfe. Andere haben die VerkUmmernng erworben durch Ent¬
wicklungsstörungen infolge künstlicher Auffütterung, Krankheiten,
beengende Kleidung etc. Bei manchen Wöchnerinnen muss der
Versuch gemacht werden, das Kind zu stillen, wenn auch nur auf
wenige Monate. Schon während der Schwangerschaft muss Brost
und Warze abgehärtet und zum Saugen tauglich gemacht werden,
kalte Waschungen, Spirituspinselnngen sind gute Mittel, durch
Saugglas ist die eingezogene Warze emporzuheben usw. Nach
etwa 2 Stunden ist das neugeborene Kind zum ersten Mal anzu-
legen, in der Nacht sind längere Pausen notwendig. Rasch soll
eine Brust ausgetrunken werden, bei der zweiten Mahlzeit die
andere, besonders wenn Schmerzen vorhanden sind, wo Warzen*
hüteben oder Borsäure notwendig werden. Wenn beim Anlegen
Blut kommt, ist mit dem Stillen aufzuhören. Beim plötzlichen
Versiegen bringt zuweilen ein anderes kräftig saugendes Kind die
Sekretion wieder in Gang. Das Stillen wirkt günstig auf die
Rückbildung des Sexualapparatea; bei einer Verzögerung und lang-
hestehendem Lo.-hialfluss ist oft Utemsmassage, Ausspülungen, selbst
das Kurettement angezeigt, wodurch die Sekretion besser wird.
Selten^ verträgt ein Säugling die Muttermilch nicht; die Ursachen
sind völlig unbekannt.
7. Schinidt-Rimpler, Halle: Bemerkungen zur ärztlichen
Begntachtong des Einflnsses der Sehschärfenverringenmg anf
die Erwerbsfähigkeit.
Der Maßstab für die Beurteilung der Verringerung der Er¬
werbsfähigkeit durch körperliche Leiden infolge Krankheit oder
Alter ist unzulässigerweise meist derselbe, wie er bei der Ab¬
schätzung von Unfallrenten angewandt whd. Bei Unfällen kommt,
ausser den reellen Folgen, die Plötzlichkeit der Schädigung und
die Verringerung der Konkurrenzfähigkeit in Betracht, während
bei der vorzeitigen Invalidenrente diese Schäden keine Rolle
spielen, langsam und allmählich tritt meist die Versohiechterung
ein, oft wird sie erst nfäUig eetdeokt, was Ve rfasse r es 'Bsi-
eptdea kUu' macht, an maem Altersstu* and dem plötsliehen'Ver¬
last des Sebeas auf einem Auge. Bezüglich der Ertiöhang 4er
Rente für Verringerung der Konkurrenzfähigkeit, die vcm vieleii
Faktoren abhängig ist, sind verschiedene Anmchten ausgesprodiMi.
So nach den optischen Aaspr&<flien, die an die Arbeiter gestellt
werden, schwankt die Rente zwischen 25—33V*%, ja50%. Der
Schaden, der bei Verlast eines Auges zugefttgt wird, besteht vor¬
zugsweise in dem Aufhören des schnellen und exakten Körperlich-
Sehens, wozu eine Einengung des Gesichtsfeldes kommt, die aber
beim Sehen in der Nähe von keiner grossen Bedeutung ist. Dann
ist es von höchster Bedeutung auch in solchen Fällen, wo nicht die
volle Sehkraft verloren gegangen ist, sondern nur eine Herabsetz¬
ung der Sehschärfe stattgefunden hat, oder ein Auge aphakisch
geworden ist, auf das Vorhandensein des Körperiiehsehens zu
untersuchen, z. B. durch Distanzabschätznngen. Dass die grössere
Gefahr voller Erblindung für den Verletzten in der bewilligten
Rente gleichzeitig eine gewisse Berücksichtigung Anden müsste,
ist unzutreffend. Die Rente soll sofort und dauernd festgesetzt
werden, wenn auch durch Uebung und Gewöhnung eine Besserang
eintritt. Eis sei auf Schielende und Einäugige aufmerksam ge¬
macht, die den vollen Verdienst haben; Uhrmacher arbeiten auch
nur mit einem Auge und der Lupe die feinsten Dinge, und Opena-
tionen im Kehlkopf werden mit Benutzung des SpiegelÜldes
ausgeführt. Wenu ein Auge durch Unfall bei normalem Sehen
des anderen und erhaltenem binocularen Sebakt eine Sehsohärfsn-
herabsetzung erleidet, die aber noch höher oder gleich der normalen
ist — ohne andersartige Funktionsstörungen — so wird keine
Herabsetzung der Erwerbsfähigkeit angenommen. Sie entsteht
erst nach Schleich bei S. 0,4; nach anderen beim Sinken unter
0,1. Nach Magnus betrüge die Verringerung der Erwerbsfähig¬
keit bei qualifizierten Arbeitern etwa 3 %, bei gewöhnlichen 1 %.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass die prozentuale Abschätzung
der Erwerbsfähigkeit durch den Arzt das beste Verfahren ist; die
Invalidenrente wird erst znerkannt bei einem Sinken der Erwerbs-
fäbigkeit unter S3Vs%, was mit einem Sinken der Sehschärfe
nach Goernouws Ansicht unter'/lo erreicht wird. Auch hierbei ist
der Unterschied der Schätzung gegenüber dem bei Unfallen ein¬
gehaltenen beträchtlich. Für den Arzt ist in seinem Gutachten
über die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers nur der objektive
Befand maßgebend; Erwägungen, die dem Mitleid entspringen, sind
unangebracht und können leicht Unannehmlichkeiten verursachen,
da der Gutachter bezüglich gezahlter Renten event. regresspflichtig
gemacht werden kann.
8. Denker, Elrlangen: Die Behandlung der Erkrankungen
des äusseren Ohres.
Hemmungsbildungen, wie Fehlen der Ohrmuschel oder Rudi¬
mentärbleiben ist selten; Ezcessbildungen, Polyotie, abstehende
oder sehr grosse Ohrmusobeln sind chirurgieoh zu behandeln, eben¬
so die Fistnla anris oongenita, die meisten mechanischMi Verletz¬
ungen, das Othaematom, die Perichondritis und Phlegmone. Er¬
frieren wird durch Ohrklappen verhütet, sonst sind Tinot jodi und
Salbenverbäade angezeigt. Erysipel, Herpes, Lupus, LichM rubor,
Pityriasis, Psoriasis, Syphilis erfordern die übliche Behandlung.
Höchst selten ist die Noma, die s^ir bald zum Tode fahrt, WMin
nicht frühzeitig eine totale EIxstirpation des Herdes vorgenonaaMn
wird. Häoflg sind Elczeme, im kindlichen Alter E. mbmm et kn-
petiginoeom, beim Elrwachsenen das £1 squamosum am Meatosein-
gang und in der Oonoha. Wichtig für die Behandlung ist eine
etwaige Trommelfellperforation und Mittelolu^tterung, mit dMon
Schwinden auch das Eozem gewöhnlich ver8<^windet. Die Be¬
handlung ist die übliche auch hier; erinnert eei an die Sezeae,
die durch Medikamente bervorgerufen werden können, z. B. Jodo¬
form, Orthoform, Sublimat, selbst Borsäure. Na^ NeurosMi
kommen Anaesthesie, Hyperaestbesie, Pruritus und Neuralgie vor,
die mit Beseitigung der Ursachen meist schwinden. V<m den
entzündlichen Erkrankungen ist der Furunkel zu nennen, der
wohl zu nntersoheiden ist von einer Erkrankung des Warzenf<^
Satzes. Frühzeitig sind Alkoholverbände, auch lO^ige Löeungen
von essigsaurer Tooerde genügen dazu, sehr angebracht, bei Eiter¬
bildung muss mögliobst tief incidiert worden. Otitis externa dHfass
entsteht infolge mechaniscbM', tbormisober und ohomisoher Rebe,
durch Hineingelangen von Wasser, das die Haut maeeria^ und eo
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1906.
MEDICDnSCHB WOCHE.
571
fOr die GrkraDknng gOoatigea Boden aohafffe. Die Behandlung ist
wieder die gewöhnliche, ebenso bei Otitis externa bullosa nach Eröff¬
nung der Blasen und der cronpoaa nach Entfernung der Membranen
und des Sekretes. Bei der Otomykosis, hauptsächlich durch pflanz¬
liche Parasiten hervorgemfen nach Einträuflung von Oelen etc.,
einpfehlea sieh warme Borsäurelösungen oder Salicylspiritus (2%),
Ceraminalpfrö( fe, die Schwerhörigkeit verursachen, entfernt man
nach Erweichen durch eine Lösung von Kal. carbonic; Choles¬
teatome jedoch nach Äufweicbeu durch Spiritus, da durch Wasser
das ^itbel quellen würde. (Schloss folgt)
9. Ganghofer, Prag nnd Langer, Graz: üeher die
Verwertbarkeit dei PbänomeBs der Komplementablenkung'nun
Haehweua von artfremdem EiweiM im Blute.
Auf Grund eingehender Versuche kommen die Verf. zu dem¬
selben Besaitet wie Uhlenbuth, näoilioh, dass man der Ab-
lenkongsmethode eine för experimentelle Arbeiten und insbesondere
für klinieohe Untersuobnngen weeentlioh ins Gewicht fallende
Ueberlegenheit über die Praezipitierongsmetbode nicht zuerkennen
kann. Von der Menge des Praezipitats ist das Elintreten und Aus¬
bleiben dar Haemolyse abhängig; dieZeitdaum* aber der Praezipitat-
bildung ist bestimmend für den Ausfall der Reaktion. Sehr sinnfäUigist
das Phänomen der Komplementablenkung, es ist leicht und sicher
zu beurteilen, ob Haemolyse eingetreten ist; aber äussere Schwierig¬
keiten and mne Anzahl von Fehlerquellen machen die Anordnung
dieser Methode schwierig, z. B. die Anschaffung von Sera nnd
Blutkörperaafschwemmung in stets frischem Zustand, der notwendig
ist. Zn den komplementablenkenden Stoffen gehört, nach Uhlen-
huth, da» Tuberkulin.
Asrztllelie Rundschau. Nr. 47. 1906.
1. Viett, Horneburg: Omorel bei Angina.
Omorol ist ein völlig ungiftiges, dabei hochgradig baktericides
Silberpräparat, das eioh leicht in den Körpersäften löst. Seine
Verwendung bei Anginen erfolgt durch Aufpinselnng auf die
Tonsillen und Einblasung in den Bachen and event. durch die
Nase. Einige Krankmigeachichten lassen gute Erfolge dieser Be¬
handlung erkennen.
2. Rahn, Dresden: BoniUta nad Fleisohtaft.
R. betont die Bedeutung der Booillon für die Diätetik; ihre
Wirkang wird wesentlich ergänzt durch Zusatz von Fleiscbaäften.
E. empfiehlt in dieser Hinsicht dasRobur (Chamnitzer, MUndien),
das reich an Extraktivstoffen und Näfarsalzen ist und sich durch
hohen Eiweissgehalt auszeichnet. Bouillon mit Robur bis 1
Teelöffel pro Tasse) ist ein anregendes Tischgeträuk, geeignet bei
Appetitlosigkeit, Ersohi^fung, bei grossen Anstrengungen, als
Diätehonm und Boberans bei Chlorose, Tuberkulose, Magen- nnd
Darmkatarrben, io der Beconvalescenz nach Infektionskrankheiten.
No. 48. 1906.
1. Malert, Waren: Xine Bemerkong snr Begntachtug
UafiiUsaclatstec.
M. weist auf die Schwierigkeiten hin, die sich für die Beur¬
teilung mancher Krankheiten Uufallfolgen, besonders bei Tu-
msran. Diabetes und traomatiecber Neurose, daraus ergeben, dass
keios genaoen Angaben über den früheren Gesondheihaustand au er-
haheo mnd, und macht den Vorschlag dass für jeden in einem ver-
aicbsrang£q>flichtigen Betriebe Beschäftigten bei seiner Annahme
ein Fonnalac ausgefüllt wird, das kurz den Befund der einzelnen
Ocgaae enthält, oad das dann durch etwa jidirliohe Nachunter-
saehaagen za einem brauchbaren ärztlichen Curricolnm vitae aus¬
gestaltet werden könnte.
2. Zu dem in No.85 dieses Blattes von Adamkiewiczch
vert^entlichten Artikel: Ueber die Hmwandlnng des Krebset, in
B Udtg i w e bn nntec dam Buiflut des Kaakroina. gibt Weinert,
Jsiia> eine ffh* Adamkiewiozoh veraiobtende Riohfdgstellnng.
3. Soböpler, Münohen: Bk AMSta dmr freien Reiebstiadt
Vttnbexg nnd; Rtr Kasnpf gegen daa Knrpf as d x ertnm. Historische
Studie.
Bücherbesprechung.
Die Gesundheit, ihre Erhaltung, ihre Störungen, ihre
Wiedertiereteliung. Ein Hand- und Nuchschlagebuch für jeder¬
mann. Unter Mitwirkung von 52 ersten ärztlichen Autoritäten
(Professoren und Privatdozenten der Universitäten des Deutschen
Reichs, Oesterreich-Ungams, der Schweiz etc.) herausgegeben
von Prof. Dr. R. Kossmann in Berlin und Privatdozent Dr,
Jul. Weias in Wien. 1044 Seiten Text mit 293 Abbildungen,
12 mehr- und 6 einfarbigen Tafeln. 2 Bände in Leinwand ge¬
bunden 24 Mark, in Halbfranzband 26 Mark. Union Deutsche
VerlagsgeseUschaft in Stuttgart.
In allen Sdiichten der Gebildeten besteht der Drang nach
Aufklärung über die Vorgänge am eigenen Leibe in gesunden und
kranken Tagen. Leider wird dieser Wissensdurst oft aus recht
trüben Quellen gestillt. Ein Werk, welches diesem nun einmal
vorhandenen Bestreben nach Selbetbelehruog auf hygienischem
Gebiete, mit dem der moderne Arzt nun einmal rechnen muH, in
wirklich einwandfreier und auch vom Standpunkte des Arztes und
der medicinischen Wissenschaft zu billigender Weise entgegen-
koaunt, darf also von vornherein auf den Beifall der Aerzte
rechnen. Dae oben angezeigte, in einem der renommiertesten
Verlage erscheinende Werk stellt sich als ein Hand- und Nach-
sohlagbuch für die Familie im besten Sinne des Wortes dar. 54
der hervorragendsten Aerzte der Gegenwart — Professoren und
Dozenten der Universitäten Deutschlands, Oesterreich-Üngaras und
der Schweiz — haben sich vereinigt, um ein Werk za schaffen,
das, auf gründlichstem Wissen aufgebaut, der strengsten, wissen¬
schaftlichsten Kritik standbält, and gleichzeitig in leicht verständ¬
lichem, fliessenden Stil geschrieben, die Laien davor bewahrt, vor¬
witzig den Arzt ersetzen zn wollen, wo dessen Elingreifea er¬
forderlich ist. Nicht die Ansichten und Erfahrungen eines einzelnen
bietet dieses neue hygienische Buch, vielmehr haben die Heraus¬
geber im Hinblick auf die ungeheuere Ausdehnung des Gesamt¬
gebietes der medicinischen Wissenschaft, für jeden besonderen
Zweig einen anderen auf seinem Gebiet als Autorität bekannten
Mitarbeiter gewonnen, und auf diese Weise ein Werk geschaffen,
welches auch für denjenigen wertvoll ist, der bereits ähnliche
Werke besitzt. Jeder Arzt sollte es als solches in den Familien
seiner Praxis empfehlen.
Der illustrative Teil des Buches ist ebenso gelungen wie der
ärztliche.
Todesanzeige.
Am 16. Dezember starb unser langjähriger verehrter Mitar¬
beiter und lieber Kollege Dr. A. Rahn in Dresden, nach welcher
Stadt er erst seit kurzer Zeit tibergesiedelt war. Wir verlieren
in ihm einen stets arbeitsfrohen, von hohem Streben nach Wissen¬
schaft und Hebung des ärztlichen Standes beseelten Mitarbeiter.
Zahlreiche selbständige Arbeiten, eine ausgedehnte referierende
Tätigkeit haben ihn in weiten ärztlichen Kreisen auf das vorteil¬
hafteste bekannt gemacht. Jetzt bat die unerbittliche Hand des
Todes den noch in jungen Jahren stehenden Arzt hinweggerafft.
Seit längerer Zeit leidend, mag ihm der Tod wohl als Erlöser ge¬
kommen sein. Wir verlieren viel an ihm und werden stets seiner
in treuer Anhänglichkeit gedenken.
requieacat in pace.
Die Redaktion.
Vermischtes.
B6rlin. Die Angenheilanstalt für Arme der Provinz Branden¬
burg, konnte auf ein 25 jähriges Bestehen zurückblicken. Gründer
der Anstalt ist der verstorbene Albert v. Levetzow. Ihm and
Digitlzed by VjOOQie
572
MEDICnnSCHE WOCHE.
Nr. 52.
seiner Oattin zu Ehren soll die Anstalt hinfort den Namen
Albert-Gharlotte'Heim führen.
Harburg. Der Charakter als Sanitätsrat ist dem Augenarzt
Dr. med. Rischmüller verliehen worden.
Therapeutische Neuheiten.
Das Golsnklichtbad. Von vielen Autoren sind schon die
günstigen Eigenschaiten des Olühlichtbades betont worden. Genaue
Untersuchungen haben ergeben, dass die Wirkung eine viel inten*
sivere ist, als bei jeder anderen Schwitz- oder Heissluftprozedur,
dass die strahlende Wärme merkwürdige Eigentümlichkeiten be¬
sitzt. Diese Einwirkungen überragen in aller Hinsicht diejenigen
der trockenen Hitze, welche bekanntlich SchmerzstUlung, Anbahnung
zum Verschwinden der Entzündungsprodukte, hervorruft.
Deshalb haben auch diese Methoden als Nachbehandlung aller
Gelenkerkrankungen eine grosse Beliebtheit erworben.
Wenn es sich um lokalisierte Krankheitsprozesse handelt,
kann die Umständlichkeit des Glühlichtvollbades umgangen werden,
indem ein Gelenklichtbad als Ersatz dafür gewählt wird. Die
Folgeerscheinung ist dann dieselbe, wie in einem Volllichtbad; es
tritt, neben der Wärme, eine bedeutende Sohweissabsonderung auf.
Wie schon erwähnt, ist diese Wirkung der strahlenden Wärme zu
verdanken, welche, gemessen an einem Thermometer mit berusster
Quecksilberkugel, sehr hohe Werte erreichen kann, während die
Lufttemperatur, gemessen durch ein einfaches, blankes Quecksilber¬
thermometer, viel niedriger bleibt.
Aber nicht nur bei Gelenkentzündungen, sondern auch bei
vielen Hauterkrankungen, wurde die heilende Wirkung der Licht¬
wärme beobachtet.
Erfolge bei Acne, Furunkulosis, Ekzem, Ulcus cruris wurden
in kurzer Frist erzielt
Das hier abgebildete Gelenkbad ist nun speziell zur Behand¬
lung von Gliedmaßen bestimmt. Es besteht aus einem hölzernen,
cylindrischen Aufbau, in dessen Inneren acht Glühlampen kreis¬
förmig angeordnet sind. Sie genügen vollständig, um die nötige
Wärme zu erzeugen. Beide seitlichen Oeffnungen müssen dann
zugedeckt werden. Das Gelenklichtbad lässt sich in der Mitte
auiklappen. Bein oder Arm werden bequem in der runden
OelTnung gelagert.
Das Gelenklichtbad von der Firma Reiniger, Gebbert &
Schall in eleganter Ausführung hergestellt, entspricht einem Be¬
dürfnis in allen Fällen, wo bettlägerige Patienten sich einer allge¬
meinen Schwitzprozedur nicht unterziehen können, wo wegen
heftiger Schmerzen eine sitzende Stellung auf die Dauer uner¬
träglich wäre. Das Gelenklichtbad ist auch entsprechend billiger,
als ein VollglUblichtbad. Diese Vorzüge werden ihm ohne Zweifel
eine grosse Beliebtheit verschaffen.
Patentnachrichten.
Erteilungen.
160863. Sargverscblass mit mehrfach gezahntem Haken und einer
Oese. Mathias Jacobs, Goch.
160733 Verfahren zur Herstellung künstlicher kohlensaurer Bäder.
Dr. Wilhelm Maiort, Berlin.
169864. Verfabren zar Herstellung fast eescbmackloser und reizlos
wirkender Arzneimittel Chemische Fabrik Heffenberg, Akt.-Ge8., vorm.
Eugen Dieterich, Hclfenberg bei Dresden.
169865. Apparat zum keimfreien Abziehen von sterilisierten Flilssig’-
keiten auf sterilisierte evakuierte Eugelröbrcben oder GlaskOlbchen. Edwin
Maynard, London.
Anmeldungen.
L. 20813. Eisboutelverscblnss. Leonhardt & Dietz, Frankfurt a. M.
B 37:383. Hassiervorricbtung mit einem in Richtung der Antriebe¬
welle angeordneten, einen Kegelmantel beschreibenden Massierorganträger.
James Barker, Philadelphia
F. 10436. Fahrbarer Laufstubl für Kranke zum Wiedererlemen oder
Erleichtern des Gehens. Richard Fiedler. Berlin.
0. 4556. Vorrichtung zur Behandlung begrenzter Eörporstellen mit
Heissluft Dr. Franz Osswalt. Paris.
Sch. 23678. Verfahren und Vorrichtung zum Desinfizieren von Büchern.
August Scherl, Berlin.
Gebrauchsmuster.
270 783. Monatsbinde aus oinem Stück rbombenfOrmigzugescbnittenem,
mehrfach dnrc-bnäbtem und zusammenfaitbarem Hnllgewebe mit zur Be¬
festigung dienenden Gummibändern. Frau Clara Conr^. Cöln a. Rh.
270640. Für ()pc>rationsinstrnmente bestimmtes Tischchen mit trapez¬
förmiger Platte. Georg Haertvl, Breslau.
270379. Mit einer vom Handgriff aus ihrem Hub verstellbaren Kurbel
versehenes Handstück für Vibrationsmassageapparate. W. Otto, Berlin.
270515. Als Bidet zu benutzender Toilotteneimer. Gnstav Ihle, Wil¬
mersdorf bei Berlin.
270567. Percolator mit einem das Abnebmen beim Anfüllen ver¬
meidenden FlUssiekeitsbebälter. Dr. Hermann Morstatt, Cannstatt-Stuttgart.
270061. Ventilschaltstück für uiodizmische Spritzen zur Umwandlung
derselben in LuftsaugpamTOU. Karl A. Müller, Harbarg a. E.
270375. Aus dem Etui herausnehmbare^ wellenförmige Lagenmge-
vorrichtung für ärztliche Spritzen. Evens & Plstor. Cassel.
H. Leorand. Ueber die galaktogeRen ElgeMchaftei de« Baaiiwoll-
«•■enextrakte. (Deatsche Medizlaai-Ztg., 1906, Ne. 15)
Verf. bat den Baumwollsaraeneztrakt, und zwar dasjenige Präparat,
welches in Frankreich sowohl wie in Dentschland (hier von der Vasogen-
Fabrik Pearson & Co. unter dem Namen Laktagol dargestollt wird,
nnd ein feines, leichtes, gelbliches, gernch- und gescbmacklosea. in Wasser
nnlöslicbes, ab^r leicht amzusebwemmendes Pulver darstellt, in Dosen von
3—4 Kaffeelöffeln täglich, angernhrt in einer Tasse Milch, verordnet. Die
Darreichung des Laktagols batte eine fast konstante bedeutende Zn-
nabme der Milchsekretion zur Folge, die sich im allgemeinen nach einer
Bebandlungsdauer von 3—4 Tagen, seltener am zweiten Tage and nor
einige Male nach 5—6 Tt^en einstellte. Die stillende fflnlt das Bin-
sebiessen der MiU-b, die Brüste beginnen zn schwellen, werden immer praller
and können schliesslich sogar überlaufen. Dnrcb direktes Abwiegen der
vom Sängling beim Saugen aufgenommenen Milebportion, sowie indirekt
durch die Tatsache der Körpergewicbtsznnabme des Säuglings kann man
sich ebenfalls leicht Überzeugen, dass die Milch in weit grteserer Menge ab¬
gesondert wird. Ana den fünf Boobaebtnngen, die Verf in seinem Artikel
beschreibt, gebt hervor, dass die Milcbsekretion unter der Wirkung des
Baumwollsamenextrakts eine Steigerung erftbrt, dann aber, sobald man das
Mittel aussetzt, sieb entweder sofort oder nach 2 Tagen wieder verringert.
Um eine reguläre und pormanente Milchsekretion zn erzielen, muss man, selbst
nachdem die Wirkung des Mittels bereits eingetreten ist, die Anwendung
desselben einige Tage lang in Dosen von zwei oder sogar einem TeelOffm
täglich fortsetzen, welche Dosis die Milcbsekretion erhält, ohne sie flber-
m^ig in die Höbe zn treiben. Die Veränderungen der Milcbsekretion,
welche unter dem Einflüsse des Gebranebs des Baumwollsamenextrakts ein-
tritt, erstreckt sich nicht nnr auf die Quantität, sondern aoeh auf die Qualität
der Milch, welche letztere weisser wird nnd dichter erscheint. Als eine
weitere interessante Erscheinung mnss noch das Verschwinden des Hfldtg-
keitsgefübls and der Rückensebmerzen, sowie die Besserung des Allgemein-
Zustands bei den durch das andauernde Stillen erschuften Frauen bervuige-
hoben werden. Bezüglich der Wirkungsweise des Baamwollsameoextrakts
stimmt Verf. mit Beckmann darin Uberein, dass es eich hierbei um eine
durch das im Banmwollsamenextrakt enthaltene Edestln (albuminoider Körper)
bewirkte Hebnng des allgemeinen Ernährungszustandes der stillenden Frau
bandelt, durch welche eine Erhöhung der Milcbsekretion herbeigetUhrt wird.
Ausserdem glaubt Verf in Anbetracht des Umstandes ^ dass io manchen
Fällen eine so beträchtliche Steigerung der Milchsekretion schon nach dem
Konsum von verhältnismäßig kleinen Mengen des Mparats bMbachtet ^rd,
annehmen zu dürfen, dass der Banrawollsamenextrakt neben seiner nutritiven
sicher auch eine blondere spezifische Wirkung auf die Brustdrüsen aus¬
übt. M. Lnbowskt
V «raaiwortlielMr RedakMor: Dr. P. Meütoer, Bariia W. «1, KnrfOrtwattr. Sl. — VMa&twortlich (Oj dan InaeraianUil: Der Verlag vea Carl Halle a. i.
Dtock vaa dar Bayaaaaaa'aehaa BackdraAerel, Oebr. WoUIi Halle a, 8.
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Sach-Rejister
Ofiginalartlkel.
Aerzte, contra Apotheker. 188
Aerztetaf?, Bie Aufgaben des — 1906. 277
Alkohol und Kaffee, die grössten Feinde
sozialer Kultur. Rahn 285
Alter, Der Einfluss des Alters auf ortho-
paedische Maßnahmen. Hoffa 28
Anaemien, Zur Frage der experimentellen
—. W^ssotzki 521, 533
Anaesthetica, Die neueren lokalen — in
der Augeisheilkunde. Best 107
Astbmacarbon, lieber Zehden —. 361
Atropin, lieber den Gebrauch und Miss*
braa<^ von — in der Augenheilkunde.
Deutschmann 62, 47
Augeukranker, Die Behandlung — durch
^n prakt. Stadt- und Landarzt Frey¬
tag 307, 313
Benzosalin, ein neues Antirheumaticnm,
lieber —. Ganz 509
Bergmann, Emst von, Engel 553
Blut, Die Heilwirkung des —. Lungwitz
428, 401, 412
Carcinome, Zur Diagnose der —. 24
Cellotropin (Monobenzoylarbutin) als
Tuberkulosenheilmittel. Meitner 255,
261, 272
Centrifuge, Eine neue — mit hoher
Tourenzahl und zuverlässigem Touren¬
zähler und ihre Anwendung. Thile-
nius 165
Gytorrhyctes oder Spirochaete pallida? 37,
48
]>iät und deren Behandlung zur Ver¬
hütung von Krankheiten, Die —.
Müller 211, 221
Degitalisbehandlung, Die — der Herz¬
schwäche bei Infektionskrankheiten.
Freund 187
Favus des behaarten Kopfteils, zur Thera¬
pie des — Einis 453
Fermentwirkung, Die Entwicklung der
Fettsucht in ihrer Beziehung zur —.
Scherk 291, 297
Fettsucht Die Entwicklung der — in
ihrer Beziehung zur Fermentwirkung.
Scherk 291, 297
Fussabdriicke. Die verschiedenen Methoden
— herzustellen. Maskat. 151
SetolbehandluQg, Die Indikation und die
Technik der — für den praktischen
Arzt. Franck. 35
Kaffee und Alkohol, die grössten Feinde
sozialer Kultur. Rahn 235
Kaiserin Friedrich-Haus für das ärztliche
Fortbildungswesen. Meissner 117
Keratitis lagophthalmo, lieber —. Halben
381
Kliniken für p^chische' und nervöse
Krankheiten. Sommer 4
Knorpel und Nierengicht, Zur Aetiologie
der —. Scherk 87, 97
Meninntis cerebrospinalis. Zur Frage d.
epidemischen —. Mag^jan 410, 425
Methylen-Blau-Reaction, Ueber die —.
Dmitreuter 481
Milch, Gekochte oder rohe Milch.
Glomm 173
Karkose, lieber die Technik der medullären
Graff — für den taktischen Arzt 349
Nasenatmung, Die Behinderung der —
und ihre Bedeutung für die Mihtärdienst-
fähigkeit Hölscher 561
Nervensystem, Patologiedessympathischen
—. Scherk 475
Neurosen, Die Frage der Simulation bei
d. traumatischen Neurosen —. Flatau 75
Nierengicht, Zur Aetiologie der Knorpel-
und —. Scherk 87, 97
Paracentese, Die Indicationen und die
Technik der — in der Praxis. Hage¬
dorn 309
Principiis obeta. 17
Pseudorheumatismus, Nicht chronischer
— sondern primärer, progressiver chron.
Gelenkrheumatismus nach einer langen
Entzündung entstanden. Beisheim 437
Pupillenuntersuchung, Die Bedeutung der
für die Diagnostik einseitiger Erblindung
durch Sehnervenläsion. Yossius 2
Schädelverletzungen, Ueber einige —.
Minin 197, 212
Serodiagnostik der Syphilis. 329, 341
Skoliosenbehandlung, Zur modernen —
nach Klapp. Stehr 245
Spermathanaton-Pastillen, Ueber einige
mit den — gemachten Erfahrungen.
Braun 141
Studienreise, VT. ärztliche —. Singer 430
Syphilis, Die Serodiagnostik der —. von
Niessen 329
Tetanus. Ein Fall von — behandelt und
geheilt nach der Bacellischen Methode.
Bacelli 271, 292
Tierexperiment, Zur Frage der Berech-
tigang und die Grenzen des wissen-
sdiaftlicben —. 369
Tuberkulin, Die diagnostische Bedeutung
des — nach den neuesten Erfahrungen
Mohr 153, 127, 143
Tuberkulm, Ueber die therapeutische
Verwendung von —. Koch 493
Tuberkulin, lieber die Wirkung des alten
Koch’schen —. Schröder 541
Ulcus serpens corneae, Zur Behandlung
des — mit Berücksichtigung des Pneu¬
mokokkenserum (Römer). Vossius 61
Urotropins, Ueber die Wirkung des —.
Eds^akowski 323
Uteruscarcinom, Der praktische Arzt und
das Dünsen 13
Feuilleton.
Aderlass, Archimontanus. 188, 198
Aerztetag in Halle, Allerlei vom —.
Cohn 298
Aerztliche Standesfragen. Höniger 24
Aus feindlichen Lagern. Neumann 534
542, 554, 562.
Cholera, Wie kam die — im Jahre 1892
nach Hamburg—. 3, 14
Etymolonsches zu den Krankbeitsnamen
„Heus" rmd „Miserere“. Elbstein 454
Ckburtshülfe, Geschichte der —. Roth
466, 484, 496
Gesetz, betr. die Bekämpfung übertr^-
barer Krankheiten. Krantweg 342,
350, 362, 370, 382, 390, 402, 411
Goethe, Medicinisches von und über —.
222, 236, 246
Hnfeland und Kant Schenk 292, 278
Kant und Hnfeland. Schenk 278
Kurorte an der Riviea Levante. Cohn
174
liadislaus von Neapel, Die Krankheit des
Königs —. Ebstein 88
Medicinisches ans der schönen Literatur
Hirschberg 426, 441
Veumeister, Richard. Klemm 152
Nordseebäder, Zur Geschichte d. deutschen
—. Ebstein 308, 314, 324, 330
Pariser Brief 166
Pariser Brief 272
Placentophagie, Ueber—. Gross 212
Russische Arzt und dessen Bedeutung
für die kulturelle Entwicklung Russ¬
lands, Der —. 48, 62
Sanctorius über das Luftbad vor 300
Jahren. Pudor 438
Schutzpockenimpfung, Empfehlung der
— durch einen Aixt im Jahre 1762.
Gätjen 482, 484
Standesehre 'der Aerzte vor 100 J^ren
Roth 256, 262-
Tuberkulose, Ueber Verhütung der —
(Schwindsucht). Kraus 98, 108, 118,
128, 142
Valparaiso. Brenning 510, 522
Volksmedicin und Kultur. Roth 36
Nekrolo£:e.
Czermak, Wilhelm 421, 513
Gilbert, Dr. W. H., Baden-Baden 89
Nitze, Max 108
Schaudinn, F. 306
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574
MBDICTTJTSu dK ^VOCHB.
Nr. 53.
Bficherbesprechungen,
Jklkoholfraee vom physiol. sozialen und
wirtschaftlichen Standpunkte. Cluss
436
’Cjstenniere, Ein Beitrag zur Kenntnis der
angeborenen —. Preitz 436
JFractures des membres, Etudes sur le
traitement des —. Quermonprez 407
‘Oesundbeit, Die, ihre Erhaltung, ihre
Störung, ihre Wiederherstellung. Koss-
mann 571
Gvnaecologia Helvetica. Beuthner 85
Herzleiden, ihre Ursachen und Bekämpf¬
ung, Die —. Burwinkel 480
Herzschwäche und Nasenleiden. Cholewa
413
Hysterie im Kindesalter, Die, Bruns 428
Hyperaemie als Heilmittel. Bier 95
Hygiene in den Bergen. Kleintjes 480
•Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen 491
Hadavervemichtungsanlagen, Die. Heepke
210
Klinik für psychische und nervöse Krank¬
heiten. Sommer 234
Krankheiten der ersten Lebenstage, Die
—. Bunge. 480
^Lehrbuch der Krankheiten des Herzens
und der Blutgefässe. Romberg. 532
Lehrbuch der Physiologie des Menschen,
V. Bunge 254
Leicht abnorme Kinder. Weygandt 230
Milch Verderbnis, Die Verhinderung der
— durch Schmutz und Bakterien.
Schlampp 532
Moderne ärztl. Bibliothek. Karewski 551
Repetitorium der Augenheilkunde. Asher
269.
Ohrenheilkunde. Brühl 532
Organisierung der Geistesschwachen-Für-
sorge, Zur —. Gundel 137
Orthodragraphische Praxis. Franze 552
Orthopaedische Chirurgie, Grundriss der
—. Haudek 464
Orthopaedische Chirurgie, Lehrbuch der
—. Hoffa 407
Orthopaedische Lite ratur. Hoffa-BIenke
464
Perityphlitis, Ueber — und ihre Behand¬
lung. V. Hippel 464
Rechtshändigkeit, Ursachen und Folgen
der —. Weber. 234
Rectumcarcinome, Beiträge zur Kenntnis
der — nebst Bemerkungen zur Früh¬
diagnose. Boas 436
Schlottergelenke, Ueber. Riedingen 436
Sprache des Kindes, Entwicklung der —
und ihre Störungen. Maas 220
Taschenbuch für Augenärzte. Jankan 276
Trachombehandlung, Ein Vorschlag zur,
Hirsch 234
Trappisten, Der Orden der — und ihre
vegetarische Lebensweise. Suchier 464
Ueber Vioform Wehrle 185
l^iesbaden bei Erkrankungen der Atera-
wege auch während der Wintermonate,
Die Kurmittel —. Bresgen 407
Congresse und Ausstellungen.
AafftoUnag.
Ausstellung für Säuglingspflege in Berlin.
Cohn 171
Gongretie.
36. Congress der deutschen Gesellschaft
für Chirurgie. 4.-7. IV. 1906. 191,
215, 227, 251, 259. 268,275,279. 294,
300, 310, 315, 326, 333, 345, 354, 364,
377, 385, 406, 418, 442.
23. Congress iUr innere Medicin. 23. bis
26. IV. 06. 240, 249, 258, 265, 274,
281, 294, 300, 310. 316. 327, 332, 344,
352, 363, 376, 385. 397.
Deutsche Gesellcbaft zur Bekämpfung der
Geschlechtskrankhoiten 507
XIV. internationaler Congress für Hygiene
und Demographie 322
XV. internationaler Congress zu Lissabon
33
II. Congress der Deutschen Röntgengesell-
schaR Berlin 73
n. Congress der Deutschen Röntgengesell-
schaft zu Berlin 178
78. Versammlu^ Deutscher Naturforscher
und Aerzte ^uttgurt. 434, 443, 456,
469, 385, 498, 512, 537, 545, 557, 564.
Sitzungsberichte.
Berlin.
Berliner medicinischo Gesellschaft. 10. 1.
06 S. 41. 17. I. 06 S. 51. 24. I. 06
S. 67. 31. I. 06 S. 80. 7. IL 06 S.
89. 14. II. 06 S. 99. 21. H. 06 S.
109. 28. II. 06 S. 130. 7. Hl. 06 S.
145. 14. III. 0 i S. 156. 21. HI. 06 S.
175. 2. V. 06 S. 238. 9. V. 06 S. 257.
16. V. 06 S. 257. 23. V. 06 S. 391.
30. V. 06 S. 392. 13. VI. 06 S. 393.
27. VI. 06 S. 393. 4. VII. 06 S. 394.
II . VII. 06 S. 403. 18 . Vir. 06 S. 438.
25. VII. 06 S. 439. 1. VIII. 06 S. 441.
31. X, 06 S. 511. 7. XI. 06 S. 523.
14. XL 06 S. 543. 28. XI. 06 S. 556.
5. XII. 06 S. 562.
Berliner opthalmol. Gesellschaft. 16. XI.
05 S. 26. 21. XH. 06 S. 68. 18. I. 06
S. 118. 15. II. 06 S. 176. 18. V. 06
S. 373.
GesellschaftfürGeburtshilfe undGynaekolie
zu Berlin. 12. I. 06 S. 51. 26. I. 06
S. 79. 9. III. 06 S. 157. 9. III. 06
und 23. III. 06 S. 224. 27. IV. 06 S.
239. 11. V. 06 S. 263. 25. V. 06 S.
383. 15. VI. 06 S. 414. 29. VI. 06 S.
414. 13. VII. 06 S. 431.
Gesellschaft für Psychiatrie und Nerven¬
krankheiten. 8. I. 06 S. 40. 5. HI. 06
S. 157. 11. VI. 06 S. 384.
Gynaekologische Gesellschaft Berlin. 9. H.
06 S. 101.
Otologische Gesellschaft. Bericht über
die XV. Versammlung der Deutschen.
405, 416, 432.
Physiologische Gesellschaft zu Berlin. 19.
1 06 S. 79.
Verein für innere Medicin- 7. I. 06 S.
40. 15. I. 06 S, 41. 22. I. 06 S. 68.
5. n. 06 S. 90. 19. II. 06 S. 118. 5.
III. 06 S 146. 19. III. 06. S. 156.
2. IV. 06 S. 189. 30. IV. 06 S. 264,
7. V. 06 S. 264. 21. V. 06 S. 363.
11. VI. 06 S. 363. 25. VI. 06 S. 394.
2. VII. 06 S. 395. 16. VII. 06 S. 395.
15. IX. 06. S. 544. 15. X. 06 S. 469.
Breflan.
Schlesische Gesellschaft für vaterländische
Kultur. 12. I. 06 S. 66. 19. 1. 06 S.
67. 2. I. 06 S. 132. 9. IL 06 S. 225.
23. U. 06 S. 414. 16. IH. 06 S. 431.
11. V. 06 S. 545. 25. V. 06 S. 374.
22. VI. 06 S. 374. 12. X. 06 S. 554.
19. XI. 06 S. 564.
Frdibnrg.
Naturforschende Versammlung in Freiburg.
j^7. II. 06 S. 101.
Oletten.
Medicinische Gesellschaft za Giessen.
Dezember S. 6. 28. XL 05 S. 52. 12.
Xtl. 05 S. 100. 9. L 06 S. 100. 30.
1. 06 S. 201. 6.11. 06 S. 203. 13. IH.
06 S. 315.
Hamburg.
Aerztlicher Verein Hamburg. 16. 1. 06
5. 65. 23. I. 06 S. 65. 30. I. 06 S.
90 6. II. 06 S. 99. 13. II. 06 S. 109,
20. II. 06 S. 119. 27. 11.06 S. 130.
6. m. 06 S. 145. 13. Hl 06 S. 157.
20. HI. 06 S. 177. 27. HL 06 S. 190.
10. IV. 06 S. 200. 17. IV. 06 S. 214.
24. IV. 06 S. 225. l. V. 06 S. 239.
8. V. 06 S. 248. 15. V. 06 S. 265.
22. V. 06 S. 273. 29. V. 06 S. 325.
12. VI. 06 S. 331. 19. VI. 06 S. 344.
26. VI. 06 S. 350. 2. X. 06 S. 455.
9. X. 06 S. 455. 16. X. 06 S. 485.
23. X 06 S. 385. 30. X. 06 S. 536.
6. XI. 06. S. 544.
Mannheim.
Gesellschaft der Aerzte zu Mannheim. 22.
X. 06 S. 511. 5. XI. 06 S. 5i4. 12.
XI. 06 S. 537. 19. XI. 06. S. 544.
Mannheimer Aerzteverein. 29. I. 06 S.
91. 19. II. 06 S. 132. 26. III. 06 S.
226. 30. IV. 06 S. 374.
München.
Aerztlicher Verein München. 7. IL 06 S.
131. 24. n. 06 S. 158. 7. III. 06 S.
177. 31. III. 06 S. 215. 9. V. 06 S.
373. 13. VI. 06 S. 395. 4. VH. 06
S. 396. 10. X. 06 S. 468.
Oeeterreiob.
Gesellschaft für innere Medicin und Kinder¬
heilkunde. 16. XI. 05 S. 7. 14. Xn.
05 S. 53. 21. xn. 05 S. 53. 11. I.
06 S. 133. 19. I. 06 S. 158. 18. X.
06 S. 526.
K. K. Gesellschaft der Aerzte in Wien.
15. XII. 05 S. 6. 12. 1. 06 S. 133.
9. II. 06 S 159. 16. II. 06 S. 159.
2 HL 06 S. 278. 16. III. 06 S. 296.
12. X. 06 S. 525. 19. X. 06 S. 525.
Verein Deutscher Aerzte in Prag. 2. XH.
05 S. 80. 12. I. 06 S. 178. 19. I. 06
S. 294. 26. I. 06 S. 404. 9. H. 06 S.
404.
Literarische Monatsschau.
Augenheilkunde. 18, 28, 159, 457, 474
Oynaekologie. 112,119,489, ö'jo, 547,557
Hygiene, Bakteriologie. 42
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1^.
MEDICINISGHE WOCHE.
575
Aerztliches Portbildungswesen.
Akademien für praktische Medicin. 11
Aerztliches Fortbildnngswesen. 10
ünentgeltliche Forbildun^skurse. 149, 398
Vorträge über Grenzgebiete der Medicin.
56
Standesfragen
Aerztekammer Berlin-Brandenbnrg. Cohn
69, 81
Aerztetag, XXXIV. Bentscber — zn
Halle a. S. Cohn 801, 311, 317
Aerzte nnd Sozialpolitik, Die —. Cohn 91
Organisation der schnlärztlichen Tätig-
keit in Berlin. Cohn 27
Prenssische Ehrengerichtshof Der —.
Cohn 102, 110
Physiologie des Menschen, Lehrbuch der
—. V. Bunge 254
Sitzung der Berlin-Brandenbui^er Aerzte¬
kammer 27. X. 1906. Cohn 499, 515
Standesfri^en. Cohn 7, 18, 42, 167, 192,
203, 252, 269, 448, 527, 538
Verband Deutscher Aerzte, VI. ordentl.
Hauptversammlung des —. Cohn 295
Diverses.
Berichtigung, Zur —. Weichardt 423
Besuch der französischen Aerzte in Berlin,
Der —. Sinpr 364
Deutsche GeseJlschnft zur Bekämpfung
der Geschlechtskrankheiten. 492, 57u
Ersuchen an die Deutschen Aerzte. 269
Volkshygiene, Aus dem Gebiet der —.
Cohn 229
Verband der Aerzte Deutschlands zur
Wahrung ihrer wirtschaftl. Interessen..
352,492:
Technische Neuheiten.
Anschlussapparat, Neuer —. 139
Gelenklichtoad 572
Instrumententisch mit elektr. Anschluss¬
apparat. 139
Leitzonde für Cystoskope 149
Motortransformer, Neuer Universal - An-
Bcblussapparat mit —. 139
Böntgen-ScbutZ'Haus, Neues 422
Schlingeniübrer, Ein neuer —. 140
Taschen- Injektions -Besteck, Asept. —.
139
Periodische
A.
AbdazenzläbmuDg, Ein Fall von doppelseitiger - mit ausser-
gew. heftigen und lange anbalt. NackenBchmerzen nach Rücken-
marksanaesthesie. I/andow 367. — Abduzenzlähmnng, Ein Fall
von - Dach Lumbalanaestbesiemng. Adam 114. — Abduzenzläh-
mung nach BUckenmarksanaestbesie. Boeder 304. — Abküblnngs-
Olykoenrie, Ueber. Glässner 878. — Abort, Znr Kenntnis und
Beurteilung des kriminellen. Schickele 281. — Ahoncbement, Un
cas d* - anormal de Tanus. v. Baelst 209. — Abtenan, Ueber
die St. Bupertus-Quelle in Bad Abtenau. Ludwig, Panzer, Zarek
520. — Acetessigsäure, Neuere Reaktionen auf. Biegler 184.
— Aceton, Ein Beitrag zur Autointozikation durch, Palma 398.
— Acetonbestimmung, Eine neue Bdethode der quantitativen.
Blnth 71. — Achillesferse, Ueber Analgesie der - bei Tabes.
Racine 275. — Achillessehne, Eine typische Erkrankung der.
Drebmann 219. — Acbillessebnenerkrankung, Tendovaginitis acbillea
artherica, als eine besondere Form der -. v. Bavach 219. —
Achylie des Magens, Zur Kenntnis der -. Leo 385. — Acne
cacbecticorum (Hebra), Zur Kenntnis der -. Kren 106. — Aero-
vaporo-thermotherapie en gdneral le traitement de l’ozene essentielle
vrai. Simionescu 209. — Aerzte der freien Reichsstadt Nürnberg
und ihr Kampf gegen das Kurpfuschertum. - Schöpler 571. —
Aerztetag und die Arbeiterversicherungsform, Der -. Bergeat
321. — Aetherrausches, Zur Technik des -. Sudeck 459. — Ag-
glutinine, Ueber das Verhalten der • im passiv immunisierten
Organismus. Manteuffel 458. — Agglutination, Die - in den
Händen des praktischen Arztes. - Loele 71. — Agglutination und
Komplemeutschwund. Browning 195. — AgglutinatioDste<dmik, Bei¬
trag zur Gaehtgens 346. — Agglutination von Bakterien der
Typhusgruppe durch Galle, Die Veuema 358, — Aggressine,
Ueber. Doerr 312. — Aggressine, Ueber. Salus 359. — Aktino-
mykose, Ueber atypische. Litten u. Levy 504. — Aktinomykcse,
Ueber - des Kehlkopfes und des Kopfnickers. Hoffmann 134. —
Albuminurie, Ein Fall von orthostatischer. Zirkelbach 491. —
Alexander-Adamsche Operation, insbesondere über ihr Verhältnis
zu den Leistenbrttchen, Bemerk, zur. Schickell 148. — Alkaloid¬
basen in der Therapie, Die quaternären. Schütze 148. — Alkohol-
anwendung, Beitrag zur - bei der Pneumonie. Fock 515. — Alko¬
holfrage , Zur. Sofer 288. — Alkoholgenuss, Ueber Verbreitung
und Wirkung des - bei Volks- und Mittelschülern. Hecker 160.
— Alkobolismus in München, Der. Kraepelin 204. — Alkohol-
Cocain- oder Alkohol-Stovain-Injectionen bei Trigeminus u. anderen
Neuralgien. Ostwald 19. — Alkobolsilbersalbe, Ueber den thera¬
peutischen Wert der. Ganz 184. — Allergie, v. Pirquet 3>‘6. —
Allerlei Erfahrungen über d. praktische Jahr. Jacobsohn 336. —
Allopathie, Homöopathie, Isopathie. Esch 532. — AJtersstar.
Pineles 304. — Alveolarechinococcus, Die Stellung des. Posselt
160, 169. — Al 3 rpin, Ueber - in d. rhino-laryngologischen Praxis.
Finder 72. — Alypin in der urologischen Praxis, Ueber. Lohen¬
stein 170. — Amaurose, Transitorische doppelseitige - mit erhaltener
Pupillenreaktion. Schmidt 195. — Ambulatorium, Jahresber. d. - d.
chir. Kl. München. Gebele 303. — Aminosäurenbestimmung i. Ham,
Literatur
Ueber. Hirscbstein 253. —Anaemien, Kl. Erfahrungenü. RoUio 72.
Anaemien, Ueber schwere - ohne Regeneration des Knochenmarkes.
Hirschield 231. — Anaerobenzüchtung, Die einfachste Methode
der - in flüssigem Nährboden. Beuschel 320. — Anaesthesiereode
Mittel, Warum und in welchen Grenzen sind - bei entzündlichen
Prozessen wirksam. Rosenbach 230. — Anaesthesie des Kehlkopf-
eingaoges, bei der Recnrrenzläbmung, Ueber die Bedeutung der.
Massei 550. — Anaesthesie, Die lokale. 387. — Anaesthesie in
der kleinen Chirurgie, Die. Zur Verth 253. — Anaesthesie, Die
Bedeutung der - in der Entzündungstherapie. Spiess 113. —
Aneurysma der hinteren Ventrikelwand des linken Herzens. Riehl
516. — Angina erysipelatosa, Ein Fall von echter. Roth 529. —
Ankylosen, Beitrag zu den angeborenen - der Fingergelenke.
HoflFmeyer 319. — Antefixatio Uteri, Uebertragung. Ahlfeld 104.
— Antiamboceptoren, Ueber. Browning a Sachs 287. — Anti-
haemolysiue. Zur Kenntnis eiweisshaltiger und lipoider - im Serum.
V. Eisler 305. — Antisepsis, Prophylaktische. Crede 319. — Anti-
streptococcenserum, Ueber prophylaktische und therapeutische An¬
wendung des. Fromme 30. — Antistreptococcensemm, Die Wir¬
kung des. Zaugemeister 337. — Antituberkulin, Ueber den Nach¬
weis von - im tuberkulösen Gewebe. Weil u. Nakajama 281. —
Antituberkuloaeserum Marmorek, Das. BofTa 105. — Antituber-
kuloseserum Marmorek, Behandlung der Tuberkulose mit dem.
Levin 55. — Antituberkuloseserum, Ueber meine Erfolge mit
Marmoreks. Ullmann 290. —^ Aortenaneurysma, Das - auf syphü.
Grundlage und seine Frühdiagnose. Saatboff 475. — Aorten¬
erkrankung bei congenitaler Syphilis, Ueber. Bruhns 105, 115. —
Appendicitis, Gibt es eine chronische. Oberndorf 461. — Appen-
dikostonne. Lanz 70. — Appendicitis, Beitrag zur Prophylaxe und
Therapie der. Welsch 161. — Appendicitisfklle, Können wir die
schweren, die sofortige Operation erfordernden - erkennen. Krecke
193. — Appetitlosigkeit und appetitanregende Mittel bei Lungen¬
tuberkulose, Ueber. Haedicke 183. — Arrhovin, Ueber. Frank 422.
— Arsenic neuritis, Ueber. Coenen 72, — Arteriitis typhosa,
Ueber einen Fall von geheilter. Blum 516. — Arterionekrose,
Ueber die Wirkung des Jods auf die durch Adrenalin erzeugte.
Koramyi 282. — Artieriosklerose, Die Steigemng des arteriellen
Druckes bei der • und deren Behandlung. Erlenmeyer 104. —
Arteriosklerose, Die - in der Chirurgie. Siegel 168. — Arterio¬
sklerose, Kritische Betrachtungen Uber Wesen und Therapie der.
Hotys 184. — Arteriosklerose, Einige Beiträge zu den klinischen
Erscheinungsformen der abdominalen. Rosengart 276. — Art¬
fremdem Eiweiss, Ueber das Verhalten neugeborener Tiere bei
parenteraler Zufuhr von. Gessner 518. — Arthritis gonorrhoica,
üeb. d. Nachweis von Antikörpern im Serum eines an - Erkrank¬
ten mittels Komplemeutablenkung. Müller 378. — Arzneimittel,
Spezialitäten, Geheinunittel, Neue. Zemik 503. — Asthma, Ueber
die Behandlung von - und asthmaähnlicber Zustände. Siegel 386.
Asthma und astbmaähnliche Zustände, Ueber die Behandlung von.
Brügelmann 560. — Asthmaanialles, Das Verhalten der weissen
Blutzellen während des. Heinecke und Deutscbmann 217. —
Asthmaspiralen, Mikroskopische. Riehl 529. — Atmungsbeweguugen,
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576
Nr. 26.
zur Physiologie and Pathologie der > (Pneomographie), Gatzman
32. — Aafbrauch, Beitrag zur Lehre vom - durch Hyperfunktion.
Lilienstein 205. — Augenärztl. Frage, Beitrag zu einer wichtigen.
Goldbaum 231. — Aageneatzünduag der Neugeborenen und 6iu>
prozentige Höllensteiniösang. Leopold 230. — Auskultation der
Wirbelsäule, des Kreuzbeins and des Beckens, Die. Ludloff 319.
— Auslösende Kräfte, Art u. Wirkung der - in der Natur. Bene¬
dikt 339. — Autointozication bei Pylorusstenose. Michaelis 231.
— Autointozication durch Aceton, Ein Beitrag zur. Palma 398.
— Autolyse, lieber - leukaemischen und leukozytischen Blutes,
Pfeiffer 491. — Autolyse, Ueb, d. Verhalten von Organrezeptoren
b. d. - spez. d. tetanusbindenden Substanz des Gehirns. Wolff-
Eissner u. Rosenbaum 356. — Automobil u. Fahrrad als Fahrzeuge
des praktischen Arztes. Weitzel 283. — Äzetessigsäure, Zum Nach¬
weis der - im Harn. Lindemann 282. — Azeton, lieber den Nach
weis von - bei Eztrauteringravidität. Wechsberg 379. — Azeton-
fizierung von Blutpräparaten, lieber. Jagie 288. — Azetonkörper,
lieber Ausscheidung von - bei Erkrankungen des weiblichen Geni¬
tales. Baumgarten u. Popper 163. — Azetonkörper, Heber die Wir¬
kung des Alkohol auf die Ausscheidung der. Neubauer 217.
B.
Bakt. coli u. typhi, Die biol. Aequivalenz von. Salles 463.
— Bacterien, Experiment. Unt. Üb. d. biol. Verhalten der - im
Dickdarm. Rolly 503. — Bac. fusiformis und Spirillum dentium,
Beiträge zu den durch - hervorgerufenen Infectionen. Felcimann
305. — Bakterien, Morpholog. Veränderungen der - im Tierkörper.
Bail 506. — Bacterien, lieber den Nachweis von - im Blute und
seine Bedeutung. Beitzke 47. — Bakterien, Weitere Studien für
die Durchlässigkeit des Magendarmkanales für. Uffenheimer 548.
— Bakterien, Zur Frage der aeroben Züchtung sogen, obligat-
anerober. Harrass 528. — Bacteriologie, Prakt. Ergehn, aus dem
Gebiet der. Kutscher 463. — Baden-Badener Thermen, Die Wir¬
kung der - vom Standpunkte der Radioaktivität. Stegmann und
Just 312. — Balanitis erosiva u. Balanatis gangraenosa, Weitere
Mitteilungen über A.etiologie und Klinik der. Müller u. Scherber
289. — Balneotherapie, Das Experiment in der. Heinsheimer 287.
— Balneotherapie bei Cor adiposum (Fettherz). Fisch 242. —
Balsamica, Untersuchungen und Beobachtungen über ältere und
neuere. Wieth, Ehrmann 47. — Balsamtherapie der Gonorrhoe
mit besonderer Berücksichtigung des Gonosans und Santyls, Die.
Boss 232. — Bauchhöhle, Ueber die Heilung postoperat. Fisteln
der - durch Vacciuebehandl. nach dem Wrightschen Prinzip.
Weinstein 422. — Bauohoperation, Ueber die Anlegung der
Schnitte bei der. Heusner 193. — Barberios-Reaktiou auf Sperma.
Lewinson 462. — Bardenheuerscher Extension, Ueber die Behand¬
lung der Buprakondylären Fraktur des Humerus und Femur mit.
Schreiber 53. — Barlowscher Krankheit, Operation bei. Riese 286.
— Basedowschen Krankheit, Zur Pathologie der. Bernhardt 338.
— Basedowsche Krankheit, Ernährungstherapie der. Alt 318.
— Bauchcontusion, Zur weiteren Casuistik der. Riedel 124. —
Bauchhöhle, D. Theilhaberschen Verf. z. Verm. d. Infektionsgef. b.
Operat. i. d. - v. Stubenrauch 321. —Bauchmassage-Apparat, Ueb. ein.
neuen. Johansen 322. — Bauchdecken, Z. Pflege d. - n. d. Entbindung.
Brose 462. — Bauchhöhle, Ein Verfahren z. Verminder d. Infektions¬
möglichkeit bei Operationen in der. Theilhaber 304. — Bauch-
quetschungen, Beitr. zur Diagnostik d, schweren ihre Indication
zur Laparotomie. Schmidt 504. — Beckenenge, Die Indications-
stellung z. Behandl. d. Geburt bei. Pfanneustiel 460. — Beitzke,
Berlin 47. — Beleuchtnngsart von Kanälen und Höhlen, Eine
neue. v. Schrötter 549. — Benzinvergiftung, Ueber tötliche innere
— und insbesondere über den Sektionsbefund. Burgl 124. — Be¬
ratungsstellen, Ueber die Errichtung von - für Mütter von Säug¬
lingen in München. Oppenheimer 135. — Bienengift, Ueber das
Toxolecithid des, Morgenroth, Carpi 506. — Biersche Hyperaemie,
Zur Technik der - f. d. Behandl. des Mastitis nebst vorläuflgen
Bemerkungen über die Anwendung ders. z. Anregung der Milch-
sekretion. Moll 219. — Biersche Stauung, Technisches zur. Kuhn
282. — Biersche Stauungstherapie, Ueber den Blutbefund bei der.
Stahr 126. — Biersche Stauung mit bes. Berücksichtigung der
postoperativen Behandlung u. d. Altersgangrän. Frommer 115.—
Biersche Stauung bei akuten Ohreiterungen. Stenger 93. — Bier¬
sche Stauungshyperaemie, Beobachtungen nnd Betrachtungen über
die Behandlung acut eitriger Prozesse mit. Colley 92. — Biersche
Stauung, Beitrag zur. Riehl 356. — Biersche Stauung, Experi¬
mente über die Wirkung der - auf infektiöse Prozesse. Baum-
garten 566. Bimanaelle gynäkologische Untersuchuag, Vor¬
läufige Mitteilung über eine neue Methode. Profanter 94. —^
Bioferriu, Therap. Versuche mit - bei Anaemien im Kindesalter,
Herzog 347. — Blasenspalte, Zur Therapie der angeborenen,
Hinterstoisser 33. — Btasentumoren, Uebsr die Resultate der
chirurgischen Behandlung der. Treplin 284. — Blausäurevergiftung,
Zur Kasuistik der. Tiutemanu 478. — Blinddarmerkrankungen,
Einige Bemerkungen über. Krehl 282. — Biitzkatarakt, Zwei
Fälle von. Guzmann 208. — Blutes, Ueb. unsere Kenntnis von den
Erkrankungen des. Mosse 478. — Blutan, Erfahrungen über -
einen alkoholfreien Liquor Ferro-Mangani peptonati. Kaiser 209.
— Blutdifferenzierung, Die forensische - durch antihaemolytiscbe
Wirkung, Neisser, Sachs 47. — Blntdruckapparate und Blutdruck¬
messungen. Seelig 398. — Blutdruckmessungen, Ueber. Schilling,
Fellner jr. 367. — Blutdruck, Ueb. die Messungen des diastoli¬
schen - beim Menschen. Bingel 333. — Blutdruckmessungen,
Ueber. Schilling 304. — Blutkörperchen, Ueb. den Farbenindex
der roten. Meyer u. Heinecke 217. — Blutmengen, Ein Apparat
zur Entnahme kleiner. Wieck 450, — Blutpräparat, Das native
— in seiner Bedeutung f. d. praktischen Arzt. Krönig 207. —
Blutstilluagsmittel, Ein neues externes - (Styptogan). Sobaedel71.
— Blut, Studien über die farblosen Zellen des menschlichen.
Schridde 70. — Blutbilde«^ Ueb. d. Verh. d. neutroph. — b. ges. u. kr.
Säugl. Zelenski 465. — Bluttupferröhrch. z. Erleichterung d. Gruber-
Widalschen Reaktion. Gzaplewski 147. — Blut- und Blutungen
bei Verdauungskrankheiten» Ewald 125. — Bougies filiformes,
Eine neue Befestigungsart anschraubbarer. Oesterreicher 399. —
Bornyval, Die Behandlung nervöser Leiden mit. Peters 123. —
Bornyval und dessen therapeutische Bedeutung. Subowsky 463. —
Bornyvals, Ther. Erfahrungen üb, d. Verwendbarkeit des - bei
funktionellen Beschwerden unterleibskraoker Frauen. Rastner 461.
— Bomyval, Ueber weitere therapeutische Erfahrungen mit.
Merzbaoh 55. — Bottinisohe Operation, Zur Würdigung der, Cohn
195. — Bouillon und Pleischsaft. Rahn 571. — Brom-Exanthem
bei Morbus Basedowii, Ueber einen Fall von echtem, üblich 182,
— Bronchoscopie, Zur Kasuistik der directen oberen - nach
Killian behufs Extraktion von Fremdkörpern aus den Bronchien.
Chiari 549. — Bronchiolitis diffusa acuta, Ueber einen Fall von -
bei einem Erwachsenen. Wiehern 548. — Bronchialbaum im Rönt¬
genbilde, D. menschliche. Ekksteln 398. — Brustorgane, Erkrankun¬
gen der. Wiehern und Loeniug 475.
iO.
Caput obstipum, Die Behandlung des. Doering 337. —
Carcinom der Prostata, Die operative Behandlung der Hypertrophie
und des. Kümmel 182. — Caruncula sublingualis, Ueber Syphilis
der. Heller 358. — Catgut, Ueber gebrauchsfertiges, dauernd
steriles aseptisches. Blarewaki 286. — Catgutsterilisation, Z. Frage d.,
V. Herff 335. — Catgut v. ges. Schlachttier. Kuhn 460. — Cerebro¬
spinale Flüssigkeit, Ei n Fall v. ausserordentl. profusem Abgang von -
ans d, äusseren Gehörgang bei unverletztem Trommelfell. Lewin 479.
— Cerebrospinalflttssigkeit, Ueber das Vorhandensein syphil. Anti-
Stoffe in der - von Paralytikern. Wassermann, Plaut 504. — Cere-
brospinalmeningitis, Das jodsaure Natrium und die. Eldlefsen 72.
— Cervicodörsalskoliose und Halsrippe, Ueber. Drehmann 137. —
Chauffeure, Ueber eine typische Verletzung der. Mühsam 347. —
Chlorose, Parallellaufende Magensaft- und Blutuntersuchungen bei
der, Arneth 282. — Cholecystis typhosa, Ueber. Klautz 520. —
Choledochussteine. Zur Diagnostik der. Ehret 53. — Cholerafölle,
Ueber die diagnostische Sonderung echter - von choleraähnlichen
Erkrankungen. Berger 168. — Choleraüberwachungsstelle, Die
Tätigkeit der - Küstrin in den Monaten September bis November
1905. Peters 516. — Choleravibrio, Ueber Gifte des * und
verwandter Vibrionen. Kraus 289. — Cholera- und Typhusendo¬
toxine, Ueber. Hahn 304, — Chondrosarkome, Zur Hystologie der.
Mayer 459. — Chorea, Ueber chronische progressive - (Hunting¬
ton) im jugendl. Alter. Lange 84. — Chrnmosaccharometer, eia
neuer Apparat zur quantitativen Zuckerbestimmung im Urin.
Benediz u. Schittenhelm. — Chronische Erkrankungen, Mein System
der Behandlung interner. Kühner 388. — Clarin, Ueber. Labhardfc
53. — Cocain und seine Ersatzmittel in der Augenheilkunde.
Wintersteiner 531. — Cökumüberdehnung bei Dickdarmatenosen,
Der Mechanismus der. Silbermark 195. — CoUargolbehandlung,
Oasuistisohe Mitteilungen über. Rau 9. — Colonoaroinome, Zur
1906.
MEDICINISCHE WOCHE,
577
Badicalbehandlang der. Neumann 182. — Cyanose parozystiqoe
chez nn dpüeptiqne. Ferä 209. — Cystitis, Die Behandlung der
• mit Alkohol. Sellei 619. — Czermak, Wilhelm. Horatmann 478.
D.
Dammschatz und Dammnaht Äpfelstedt 560. — Dämpfongs-
grenze, Ueber das Verhalten des medialen Abschnittes der hinteren
oberen - bei pleuralen Flttssigkeitsansammlangen. Krönig 162. —
Dampfdouche als Ezpektorans. Lissauer 104. — Darmdesinfektion,
Natürliche. Moro 458. — Darmkatarrhe, Die Behandlung der
chronischen. Rosenheim 296. — Darmrupturen, Zur Kasuistik
und Therapie der - durch stumpfe Gewalt Hoerschmidt 161. —
Darmschleimhaut, Zur Atrophie der. Bcjas 490. — Danntuber¬
kulose, Ueber akute • unter dem Bilde einer schweren allgemeinen
Infektionskrankheit. Paessler 601. — Darmzerreissung, Fall von
subkutaner > mit operativer Heilung. Hoepfl 70. — Dauerin¬
halationen, Ueber - von aetherischen Oelen bei Katarrhen der
Atmungswege, Althen 388. — Daumen, Ersatz des * aus der
grossen Zehe. Krause 560. — Decanulement, Ueber das erschwerte.
Schmieden 46. — Desmoidreaktion, Bemerk, zu Sahlis - des
Magens. Einhorn 286, — Desmoidreakticn, Experimentell-kritische
Untersuchung über die Sahlisscbe. Saito 460. — Deutschen Museums,
Zur Grundsteinlegung des. Sudhof 629. — Diabetes und Adipo¬
sitas, Kartoffelspeisen bei. Stemberg 337. — Diabetes und Pneu¬
monie. Glaessner 378. — Diabetis insipidus, Ein Beitrag zur Auf¬
fassung des - und zu seiner Behandlung mit Strychnin. Spaether
368. — Diabetes und Pankreas. Herxheiner 285. — Diaphragma
der Trachea in Anschluss an Diphtherie und erschwertes, bezw. un¬
mögliches Decanulement. Strohl 194. — Digalen, Einige Erfahrungen
über. Grassmann 63. — Digalens, Ueber das therap. Werk des.
V. Kötly 368. — Digalen, Ueber. Veiel 514. — Digitalis-Frosch-
versuche. Welchen Wert haben die - für die Praxis. Pocke 286.
— Digi^isinfuses, Ueber die Bedeutung der Reaktion des - für
seine Wirksamkeit. Louvy 461. — Digitalisprftparate, Ueber
moderne. Freund 9. — Digitalistherapie, Intravenöse - mit Stro¬
phantin. V. d. Velden 614. — Diphtherie, Znr Ehitstehung und
Verhütung chronischer. Grünwald 346. — Diphtherie, Zur Kenntnis
der. Salus 866. — Diphtherie, Epidemie de - ä Corbelin. Bemard
203. — Diphtherie in meiner Praxis vom 1. Januar 1898 bis
31. Dezember 1903, Die. Neumann 880. — Diphtherie, Ueber-
tragung von - durch dritte Personen. Sittler 231. — Diphtheriebe¬
handlung, Ueber die gegenwärtige, ßourget 65. — Diphtherie-
Serumtherapie und ihre Statistik, Die. Rahn 96. — Diphtherie-
aerum, Behrings - und Homöopathie. Stüve 124. — Diphtherie, Die
Bekämpfung der - mit Berücksichtigung der bei einer Epidemie
in einem Automatenrestaurant gemachten Erfahrungen. Fischer
104. 92. — Diplacusis disharmonica, Zur. Barth 548. — Domesti¬
kation, Ueber den Einfluss der - auf die Entstehung der Krank¬
heiten. V. Hansemann 286. 287. — Doppelbildung des weiblichen
Genitales, Ein Pall von. Knotz 126. — Doppelbildung des weibl.
Genitale. Heil 290. — Douglaseiterung, Ueber die. Moriau 53.
— Drahtnetze an Türen und Fenstern vom Standpunkt der Hygiene
und Prophylaxe, Die. Galli-Valerio 55. — Drainage, Zur Frage der.
Chrobak 539. — Dulcinol-Schokolade, Ueber. Stemberg 478, —
Dünndarmatresie, Zur Diagnose der kongenitalen - unter besonderer
Berücksichtigung der Untersuchung des Mekoniums. Walz 289. —
D 3 rsenterieepidemie, Ueber eine. Lnoksch 358. — Dysenteriesemm,
Das. Kraus, Dörr 379. — Dyseuterietoxin, Das. Doerr 473.
E.
Echinococcus, Vereiterter - der Bauchhöhle. Reinecke 283. —
Echinococcus der Leber, Ein Fall von - perforiert in der Lunge,
aasgeheilt durch Rippenresektion, Stein 161. — Einklemmung,
Eine seltene Ursache innerer. Huber 114. — Einftldeln, Finger-
freies. Hertzka 124. — Eisentropon. Sonnemann 380. — Eisen-
Verordnung, Ueber eine neue Form der. Ehrmann 9. — Eiterungen,
Ueber die Behandlung akuter - mit Stanungsbyperaemie. Ranzi
72. — Eiweissgehalt, Eine Methode, den - eines Harns mit hin¬
reichender Genauigkeit für klinische Zwecke in einer Stunde zu
bestimmen. Büchner 319. — EHweissdifFerenziernng, Zur forensi¬
schen - auf Grund der haemolit. Methode mittels Komplementab-
lenknng nebst Bemerkung über die Bedeutung des Präzipitatis für
dieses Phänomen. Friedberger 205. — Eklampsie, Das Gift der
— und die Konsequenzen f. o. Behandlung. Zweifel 103. — Eklamp¬
sie, Experimentelle Studien über die. Weichardt und Piltz 548.
— Eklampsie, Zur geburtshilflichen Therapie der. Esch 193. —
Elektromagnetische Therapie, Ueber - System Ti-üb. Krefift 183.
— Elektrische Hauseinrichtungen, Zur Hygiene der. Jellinek 479.
— Elektromedikamentöse Therapie. Heiiman 604. — Elektrothe¬
rapie der Kreislauferkrankungen, Die. Raab 356, 367. — /J-Eucain,
Ein Pall von Vergiftung mit. Kraus 46. — Endocarditis bei Tuber¬
kulose, Ueber. Sargo Suess, Alland 106. — Endometritis, Ein
Beitrag zur Aetiologie der. Müller 231. — Endocarditis, Ueber
zeitweise gehäuftes Vorkommen von - bei Mnskelrheumatismus.
Bechtold 516. — Endoskopie der Harnröhre, Die. Goldschmidt
84. — Entferuung des im Uterus zurüokgebaltenen Kopfes nach
Abreissen des Rumpfes. Borgnis 478, — Entzündungstherapie, Die
Bedeutung der Anaesthesie in der. Spiess 113. — Epididymite,
blennon'hagique Pathogenie und traitement de. Lefur 84. — Epi¬
lepsie, Ueber Harnsäurebefunde bei genuiner. Stadelmann 551. —
Epiphora, Zur nasalen Behandlung der. Meyer 306. — Epithel-
wucherungen. Die exper. Erzeugung atypisdier - und die Ent¬
stehung bösartiger Geschwülste. Fischer 475. — Epityphlitis, Zur
Frühoperation bei. Gunkel 71. — Eppendorfer Krankenhaus, Für
das. Lenhartz 529, — Erbliche Belastung, Einiges über. W’aguer
V. Jauregg 33. — Erfindung aus dem Gebiet der Medicin und der
öffentlichen Gesundheitspflege. Jnsti 347. — Ergüsse, Ueber
pseudochylöse. Zypkin 540. — Ermüdungstoxin und dessen Anti¬
toxin, Ueber. Weichardt 30. — Ernährung, Ueber den Einfluss
der - auf die Erregbarkeit des Nervensystems im Säuglingsalter.
Quest 339. — Ernährung, Beitrag zur künstl. Ernährung der.
Klautsch 387. — Erste Hilfe und künstliche Atmung. Kuhn 95.
— Erwiderung an Herrn San.-Rat Brügelmann. Siegel 660. —
Erwiderung auf den Artikel des Herrn Dr. Bashford: Einige
Bemerkungen zur Methodik der exper. Krebsforschung. Ehrlich,
Apblant 287. — Erwiderung auf; Ueber die Verwendung des
Kampfers bei Lungenkranken. Vollend 560. — Erysipel, Ueber
Beeinflussung von Blutkrankheiten durch. Stadler 46. — Erythema
exsudativum multiforme und nodosum der Schleimhaut in ihren
Beziehungen zur Syphilis. Trautmann 502. — Erythrocyten, Ueber
punktierte. Meyer und Speroni 217. — Euchinin und Aristochin
gegen Keuchhusten, Ueber. Binz 182. — Expektrantien, Ueber.
Eichhorst 282. — Extensionsverbände, Umsetzung der Längs¬
richtung bei - in queren Zug. Hofmann 93. — Extensionsver¬
fahren, Vereinfachtes. Hofmann 356, — Extrauteringravidität
durch Röntgenstrahlen, Zur Diagnose der. Lichtenstein 146. —
Extrauteringravidität, Zur Diagnose und Therapie der. Schliep
209. — Exzitation, Gegen die Elxzitation in der Narkose. Gersung 55.
F.
Facialislähmiing, Ein Beitrag zur operativen Behandlung der
otogenen, Alt 506, — Fachausdrücke aus der neueren Immunitäts¬
lehre. Dieudonnö 568. Fahrrad und Automobil als Fahrzeuge
des praktischen Arztes. Weitzel 283. — Formentwicklungen, Ueber
eine einfache Methode zum Nachweis proteolytischer. Müller,
Jocbmann 365. — Fermente, Ueber proteolytische Wirkungen
intracellurärer. Baer 515. — Fermente, Ueber die Wirkung des
Lichtes auf - (Invertin) bei Sauerstoffabwesenheit. Jodlbauer,
V. Tappeiner 181. — Fennentwirkung. Weitere Ergebnisse unserer
Methode zum Nachweis proteolytischer. Jochmann, Müller 459. —
Fett und Kohlenhydrate. Rosenfeld 357. — Fett, Zur Pathologie
des periartikulären - am Knie. Zesas 282. — Fett, Art und Menge
des - in der Nahrung stillender Frauen und die Wirkung seiner
Entziehung auf die Milchdiät. Engel und Flaut 3l9. — Fett¬
probe, Eiue klinische - für die Faeces. Hecht 103. — Fettsucht,
Die individualisierende Therapie der - und des Fettherzens. Eschle
208. — Fettsucht, Die Pathogenese der. Eschle 56. — Fettsucht-
behandluDg mit Schilddrüse, Zur. Rheiubold 321. — Fettver¬
dauung. Aldor 379. — Fieberhafte Erkrankung, Ueber eine un¬
aufgeklärte - mit den höchsten bisher gemessenen Temperaturen.
Heller 304, 321. — Fievre typhoide, Cousidbrations cliniques sur
la - chez Tenfant. Pater et Hsdbron 233. — Finger- und Hand¬
gelenksversteifungen, Portativer Apparat für Behandlung von.
Bethmann 502, — Fingerkontraktur, Zwei durch Thiosinamin
bezw. Fibrolysioinjektionen erfolgreich behandelte Fälle von
Dupuytrenseber - bei Diabetikern. Teschenmacher 56. — Finsen¬
behandlung, Ueber Wännewirkung bei. Jansen 490. — Fisuren,
Ueber isolierte, snbeutane - der langen Röhrenknochen. Giese 124.
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578
M RPTCTNISCHB WOCHB.
Nr. 53.
Flasche für Säuglinge, Eine neue. Aufrecht 9. — Fleischmilch¬
säure und Blut, Urin und CerebröspinalflUssigkelt eklamptischer
Frauen, üeber den Nachweis von. Lockemann 103. — Fieischver-
gifcung und Faratyphus. Zupnik 550. — Fliegenkrankbeit und
ihre Behandlung, Die. Smit 284. — Fliegenlarven, Die Zerstörung
beider Augen eines Menschen durch. Schultz-Zehden 125. —
Formalin, Ueber die Anwendung von - bei dem Uhlenhuth’schen
Verlähren. Loele 303. — Formamints, Üeber den Desinfektionswert
des. Rbeinbold 206. — Formysol, ein neues Händedesinfektions-
mittel. Dietrich und Amheim 518. — Framboesia tropica an
Affen, Exper. Versuche über - Neiser, Baermann, Halberstädter
345. — Framboesia tropica (Yaws) Untersuchungen über. Castel-
lani 71. — Frauenkleidung, Praktische Vorschläge zur Hygiene
der. Grisson 502. — Fremdkörper, Zur Extraktion von - aus den
Bronchilen. Hinsberg 253. — Fremdkörper im Magen- und Darm-
katial. Weiasbart 194. — Fremdkörper und Röntgenstrahlen.
Grashey 333. — Freund’sche Operation, Erfahrungen mit der er¬
weiterten. Veit 105. — Fürstner, Blarl. Laquer 282. — Furunkel,
Karbunkel und der Phlegmone, Behandlung des. Enderlein 477. —
Fiisshalter zur Fixierung des Fusses bei Verbandanlegung. Burk
450. —
o.
Gallenfarbstoffe, Eine sehr empfindliche Reaktion auf.
Prjkiewicz 146, — Galleuröhre, Ueber die einfache - als An¬
reicherungsmittel und die Bakteriologie des Blutes bei Typhus
sowie Paratyphus. Kayser 218. — Gallensteinkranke, Liegehallen
für. Fink 303. — Gallensteinkrankheit, Zur Therapie an Gallen¬
steinkrankheit mit Probilinpllleu. Bauermeister 184. — Gallen-
steinileus, Zum. Fink 219. —Galopprythmus des Herzens, Ueber,
Müller 217. — Ganglienzelle und Nervenfaser. Kolm 336. —
Ganglion am Kniegelenksmenismus, Schmidt 356. — Gangrän,
Symmetrische - beider Lider nach Verletzung an der Stitne.
Apetz 253. — Gärungs-Saocharometer mit Glycerin-Indicator, Der.
Lohnstein 463. — Gasmischuarkose, Die - mittels des Roth-
Drägerschen Sauerstoffapparates. Hagen 276. —• Gasphlegmone
nach Perforation einesMei-kelschen Divertikels, v. Kaatzjnn. 195. —
Gasphleginone, Ueber. Rothfuehs 476. — Gastritis, Zur Frage der
Heilbarkeit der chronischen. Rodari 357. — Gastroenteroanastomia
spontanea, Ein Fall von. Kern 288. — Gastrophose, Klinisches
uni Experimentelles über. Ho.senberg 422. — Gebärmutterkrebs,
Ueberblick über die Leistungen der erweiterten abdominalen Ope¬
ration beim. Wertheim 338. — Geburtsverletzungen, Zur Kennt¬
nis der - des Neugeborenen. Dorf 125. — Gefrierschnitte, Ueber
gleichzeitige Darstellung von Fettkörnern, eisenhaltigen Pigment
und Zellkernen in. Waliart 517. — Geisteskranke, Ueber einige
Fortschritte in der Behandlung d. - nebst einem Rückblick üljer
die Entwicklung der Irrenbehandlung im 19. Jabrhu;* lert. Hoppe
368, 378. — Gehirnchirurgie, Zwei bemerkenswerte Fälle von,
Amberger 182. — Gehirnhautentzündung, Aetiologie und Epidem-
ologie der übertragbaren - (Genickstarre). Kutscher 463 — Ge¬
lenkrheumatismus, Ueber akuten - Currea, und Endokarditis bei
Kindern, Ueber. Kephalliuds 2S^. — Gelenkrheumatismus, Die
Anwendung der physikalischen Heilmethoden in der Therapie des
akuten. Laqueur 136. — Gelenksehüsse, Erfahrungen über - aus
dem russisch-japanischen Krieg, Brentano 180. — Gelenktuberku-
lü.se, Ueber die Behandlung von - Lebele, Ebermayer 169. —
Gelbfieberkranker, Ueber Parasitonbefunde in Blutpräparaten eines.
Schüller 94. — Genfer Konvention, Die Revision der. Werner
282. — Genickstarre, Versuche zur Serodiagnostik u. Serotherapie
des epidemi.schen. Jochmann 285. — Geniokstarreepidemie, Ueber
das Entstehen der, Jehle 311. — Genickstarreepidemien, Die
Rolle der Grubeninfektion bei der Entstehung der. Jehle 355. —
Genickstarre, Ueber d. gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse v.
der übertragbaren. Westenhoeffer 451. — Genickstarre, Sind die
Steinkohlengmben die Verbreiter der. 516. — Genickstarre, Ueber
zwei Fälle von epidemischer. Broer 367. — Genickstarre, Ueber
perlhypophyseale Eiterung und einige andere bemerkenswerte Be¬
funde hei. Westenhoeffer 83. — Genitalödem, Das chronische idio-
pathusche - junger Säuglinge. Priedjung 306. — Geschlechtskrank¬
heiten, Schutzmittel gegen. Grosse 517. — Gesichtsfurunkel -
meta-statische Eiterungen. Manasse 254, — Gesichtsreflexe bei
Säuglingen, Ueber. Moro 289, — Ge-sichts-schutzmaske nach An¬
gabe des Zahnarztes Eichentopf. Breitung 450. — Gicht, Zur
Pathogenese der. Kionka. — Giftarbeiter, Die HÜfe der. Lewin
504. — Gipskristalle, Ueber - im menschlichen Ham. Lapinsky
531. — Gonorrhoe, Bemerkungen zur internen Behandlung
der. Deutsch 65. — Gonorrhoischer Eiter, Zur Histologie des.
Posner 490. — Geissein bei Hühner- und Recurrensspirochaeteo.
Zettnow 138. — Gonocoocus, Wachstum des • auf seinen
freien Nährböden. Wert des Gramschen. Verfahrens in der
differentiellen Therapie des Gonococcua. Picker 506. — Gonor¬
rhoische Lymphangitis und Gonokokkenmetastasien ohne nach¬
weisbare Schleimhaut-Gonorrhoe. Schulz 32. — Gonosan- und
Gonorrhoetherapie, Ueber. Schindler, Siebert 337. — Gonor¬
rhoe, Verhaltungsmaßregeln bei akuter. Schaedel 135.
H.
Haarfärbemittel, Ueber ein neues. Tomasezewski, Erdmann
114, — Halsverletzungen, Zum Kapitel der. Bradt 503. - Hand-
rückenlipome, Symmetrische - bei Togo-Negern. Martin 276. —
Harnblase, Ueber Perforation der - bei Ausschabung derselben.
Stern 205. — Harnsäure, Eine vereinfachte Methode zur quantita¬
tiven Bestimmungen der - im Harn. Kowewski 327. — Harnsäure,
Eine vereinfachte Methode zur quant, Bestimmung der - im Harn.
Ruhemann 347. — Harnsäure und Harnstoff, Ueber das Verhalten
der - bei Gicht. Falkenstein 106. — Harnsäure- und Xanthin-
basenausscheidung, Ueber - während der Behandlung zweier Leu-
kämiker und eines Falles von Pseudoleukäemie m. Röntgenstrablen.
Rosenberger 82. — Harnwege, Zur Behandlung der entzündlichen
Erkrankungen der oberen. Meyer 184. — Hautkranke, Zur externen
Behandlung von. Steuer 136. — Hautsarcom, Ein. Albers-Schön-
berg 219. — Hauttuberkulose, Experimentelle - bei Affen. Baer¬
mann, Halberstädter. — Hauttransplantationen, Sind - ein Heil¬
mittel? Landgraf 181. — Hauttransplantation, Zur Technik der -
nach Thiersch. Waljasoliko 476. — Haut, über die Behandlung
entzündlicher Prozesse der - mit heissen Bädern. Richter 194. —
Heberdrainage, Die Bülausebe - bei Behandlung einer schweren
Spondylitis tuberkulöse. Mende 559. — Hebotomie, zur Frage
der. Blumenreich 114. — Hebotomie, Zur. Seligmann 231. —
Hebotomie, Zur Frage der, Seitz 477, 458. — Heilkunde, Ge¬
danken eines Laien über. 551. — Heisslufttherapie bei Becken¬
entzündungen, Beiträge zur. Jung 8, — Heisslufttherapie, Ueber-
bei Emphysem, chronischen Bronchitis und Asthma bronchiale.
Colm-Kiiidborg 462. — Heisswasseralkoholdesinfektion, Ueber
den Wert der - für die Geburtshilfe, sowie für den Wundschutz
von Bauchwunden, v. Herff 366. — Heisswasser-Alkohol-Hände-
desiiifektion, Weitere Beweise für die dauernde Tiefenwirkung
der. Ahlfeld 478. — Hemiplegie bei intakter Pyramidenbahn.
Spielmeyer 355. — Hemmungsstoffe, Die bakteriellen - Conradis
und ihr Einfluss auf da.s Wachstum der Anaerobier des Darmes.
Passini 289. — Hemmungsstoffe, üeber bakterielle - des Säug-
lingsblutos. Moro und Murath 171. — Hernia diaphragma spuria.
Weckerle 460, — Hernia uteri inguinalis, Zur Kenntnis der.
Hilgenreiuer 136, — Hernien, Zur Kasuistik der angeborenen -
der linea alba. Klausner 477. —• Herz, üeber die direkte Ablei¬
tung der Aktioiisströme des men.schlichen Herzens vom Oesophagus
und über das Elektrodiagramm de.s Foetus. Cremer 218. — Herz,
üeber das Zusammenfällen von Volumveränderungen des - mit
Veränderungen des Pulses. Heitler 125. — Herzens, Unters, d. •
in linker Seitenlage. Goldacheider 460. — Herzerkrankungen, Ueb.
nervöse - und den Begriff der Herzschwäche. Krehl 565. — Herz
und Magen-Darmleiden, Ueber die Wechselbeziehungen zwischen.
Schmidt 170. — Herzkrankheiten, Ueber die moderne Therapie d.
chronischen. Hoffmann 170, — Herzmuskel, FunktioneUe Bestim¬
mung der Leistungsfähigkeit des - und deren Bedeutung für die
Diagnostik der Herzkrankheiten. Gräupner 336. — Herzmuskel-
sohwäche, Beitrag zur Behandlung der - mit elektrischen Strömen.
Tilliss 461. — Herzneuroseu, Die Behandlung von. Rumpf 20. —
Herzneurose und Arteriosklerose nach Trauma, Pall von. Gold¬
scheider 207. — Herzschlag. Mangold 147. — Herzschlag, Die
neurogene und myogene Tlieorie des. Mangold 134. — Herzstör¬
ungen, Ueber die Beziehungen von seelischen Empfindungen zu.
Müller 30. — Herzstörungen, Ueber die Beziehungen von seeli¬
schen Empfindungen zu. Veiel 103. — Herzton, Der erste. Gligel
218. — Herzton, Zur praktischen Verwendung der Schallstärke
des ersten, Kurt 463. — Herztuberkulose, Ein eigenartiger Ver-
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- iyo6.
MEDICINISCHE WOCHE.
579
laaf and Obduktionsbefond t. chronischer. Knaath 205. — Hetol,
Ueber die Behandlung mit - bei Keratitis parenchymatöse. Cohn
320. — Hetolbehandlung der Tuberkulose nach Länderer, Neues
über. Weissmann 387. — Hetralins, Die Verwendbarkeit des -
gegen sexuelle Neurasthenie. Birnbaum 254, — Heuasthma, Zur
Diiferentialdiagnose des - gegen die anderen Asthmaformen. Wolff-
Eisner 71. — Heufieber, Das Helmholtzsche Verfahren gegen -
modifiziert. Bresser 503. — Heufieber, Zur Behandlung des. Ber¬
liner 170. — Heufieber und seine Serumbehandlung. Kammann
837. — Himaneurysma. Ohm 477. — Himdiagnostik, Ueber die
Bedeutung der Jacksonschen Epilepsie iUr die topische. BonhoefPer
356. — Hirn- und RUckenmarksbäute, Ein Fall von akuter Ent¬
zündung der. Palmer 460. — Himsinus, Ein Fall von ausgedehn¬
ter Thrombose des. Wimmer 530. — Hirschsprungsche Krankheit,
Die. Zesas 219. — Hirschsprungsche Krankheit, Ueber Volvulus
der fiexura sigmoidea bei. Delkeskamp 70. - Höhenschielen. Miller
53. — Hornhautentartung, Ueber die familiäre. Velhagen 518. —
Hornhauttrübung, Die gittrige. Freund 83. — Hospitfller, Ge¬
schichte der - im Altertum und Mittelalter. Roth 76. — Hühner¬
pest, Zur Hystologie der. Schiffmaun 531. — Hydramnios, Ueber
einen günstig verlaufenen Fall von - und Lungenembolie am 24.
Tage post partum. Bram 507. — Hydrops toxicus, Ueber. Quincke
450. — Hydrotherapie bei fieberhaften Infektionskrankheiten.
Munter 550. — Hygiene auf der Wiener hyg. Ausstellung, Die.
Sofer 290. — Hyperacidität, Ueber die Behandlung der. Boas 379.
— Hyperaemiebehandlung der Lungentuberkulose, Ueber. Leo 338.
— Hyperaeinie, Die Anw. der - nach Bier bei einigen Erkrank,
der Diabetiker. Grube 356. — Hyperfunktion, Beitrag zur Lehre
vom Autbrauch durch. Lilienstein 205. — Hyperhidrose desextre-
mites dite essentielle, De. Bonygues 163. — Hypertrophie, Die
operative Behandlung der - und des Carcinoms der Prostata.
Kümmel 182. — Hysterie, Ist - eine Nervenkrankheit? Krontbal 287,
1 .
Ictere infectieux aigue par angiocbolite, seule manifestation
d’un caucer du pancreas. Etienne 254. — Ictus laryngis, Ueber.
Fleischl 233. — Idiotie, Ein Fall von Tay - Sachsscher familiärer
amaurotischer. Huismans 503. — Ikteriw im Verlauf von Schar¬
lach. Kaupe 104. — Ikterus, Ueber chronischen. Claus und Kalber¬
bach 529. — Ileocoekalschmerz, Ueber die Indikation zur Appen¬
dektomie beim. Hochenegg 8. — Ileus, Die beim postoperativen
Leus wirkenden mechanischen Momente. Wilms 70. — Ileus dureh
Obturation der Fiexura coli sinistra. Mancesse 461. — Imraunitäts-
lehre in der Augenheilkunde, Die. Reis 378. — Immunitätslehre,
Weiteres aus der modernen. Weichardt 205. — Impotenz, Zur Be¬
handlung der - beim Manne. Popper 290. — Induratio penis plastica,
Ueber die. Waelsch 459. — Infantilismus, Ueber Formen und
Ursachen des. Aiiton 3G7. — Infektion, Die Bedeutung
der - für die Neugeborenen und Säuglinge. Salge 125. —
Infektionskrankheiten, Aktive Immunisierung gegen. Dieudonne
303. — Infektionskrankheiten, Die Bekiimptung der Weiterver¬
breitung von - mittels De.sinfektioD, Böhm 529. — Infektions¬
krankheiten, Zur biologischen Diagnose von. Bruck 321. — Infas-
sionsbomben. Marcus 283. — Inhalationsmethode. Heryng. 148. —
Inbalationsvorrichtung, Eine neue. Gernsheimer 124. — Inhalations-
methoden und neue Inhalationsapparate, Ueber. Heryng 136. —
Injektionen, Eine neue Sicherheitsvorrichtung für subkutane und
intravenöse. Weinberg 181. — Innere Medicin, Prakt. Erf. aus
dem Gebiete der. Mohr 288. — Instrument zur Unterbindung
tiefliegender GefÜsse, Ein neues. Birch-Hirschfeld 529. — lustni-
mententisch m. elektr. Ansohlussapparat für Hals-, Nasen- und
Ohrenärzte. Helbing 103. — Internationalen medicinischen Kongress,
Rückblick auf den XIII. Ostwalt 304. — Irrigationen und Kly-
stiere, Ueber. Sternberg 105. — Ischias, Die Behandlung der -
mit peiineuralen Kochsalzinfiltrationen. Grossmaun 491. —
Ischias, Ueber chirurgisclie Behandlung der. Pers 205. —
Isoform, Das - in der oto rlnnologischen Praxis. Remieii 269. —
Isopral, Ueber ein neues Schlafmittel. Mobilia 20. — Jod, Ueber
die Einwirkung von freiem - auf Azteessig und deren Nachweis
im Ham. Bondi, Schwarz 47. — Jodismns acutus und Thyreoditis
acuta. Luhlinski 114. — Jodoformbehandlung, Neue Beobachtungen
bei deu - der Lepra. Diesing 296. — Jubiläumsausstellung in
Nürnberg, Medicinisches und Sozial-Hygienisches von der. Perutz
334. —
K.
Kaffee iind Kakao, Die Wirkung des - auf die Magensaft-
sekretioD. Fincussohn 334. — Kahlheit, Die Verhütung und Be¬
kämpfung der. Lassar 337. — Kaiser Sigmund, Die Krankheit
des. Ebstein 321. ~ Kaiserschnitt, Der „vaginale“ - und die
chirurgische Aera in der Geburtshilfe. Hofmeier 83. — Kaiser¬
schnitt, Ein Fall von - bei Ädhäsionsileus. Martin 303. — Kaiser¬
schnitt, Ueber den Verlauf von Schwangerschaft und Geburt nach
vorausgegangenem vaginalem. PrUhl 147. — Kammervenenpuls,
Ueber die häufige Kombination von - mit Pnlsusirregularis per-
petuus. Hering 94. — Kampher bei Lungenkranken, Ueber die
Verwendung des. Koch 560. — Kampher, Ueber die Verwendung
des - bei Lungenkranken. VoUand 95. — Kaninchenleukozyt« n,
Ueb. die Beziehungen von - zum Staphylococcengift. Beil, Weil 339.
Kankroin, Ueber die Umwandlung des Krebses im Bindegewebe
unter dem Einfluss des. Adamkiewicz 540. —~ Kankroin. Ueber
die Umwandlung des Krebses im Bindegewebe unter dem Einfluss
des Kankroin 571. — Karbolsäure, Ueber eine neue Anwendungs-
weise der konzentrierten - in der externen Therapie, vor allem
bei Bubonen und Furunkulose. Wolff 518. — Karbunkel, Be¬
handlung des. Enderlen 477. — Kartoffelspeisen bei Diabetes und
Adipositas. Sternberg 337. — Karzinomprobe, Zur Kenntnis der
Salomonschen. Beicher 305. — Katalysatoren, Sind die baemolyti-
scben Innenkörper oder die Komplemente - also Fermente, v.
Liebermann 104. — Katgut vom gesunden Schlachttier. Kuhn
460. — Katgusterilisation, Zur Frage der. v. Herff 335.
— Kefyrzysteu, Ueber. Kronheimer 105. — Kehlkopf, Ueber
Verlagerung des - und der Luftröhre bei verschiedeueu Erkrank¬
ungen der Brustorgane. Withern und Loming 475. — Kehlkopf¬
krebs, Z'ir Frühdiagnose und Behandlung des. Bagincsky 147 und
161. — Kehlkopfkrebs mittels Kehlkopfspaltung, Ueber die Radi¬
kaloperation des. V. Bruns 421. — Kehlkopftuberkulose, Ueber
dou therapeutischeu Wert vollständiger Stimmruhe bei der Anstalts-
behandluQg der. Semon 549. — Kehlkopftuberkulose, Zur Sonnen¬
lichtbehandlung der. Baer 149. — Kehlkopfuntersuchung uud
einige hauptsächliche Kehlkopfkrankheiten bei Kindern. Finder 519.
Klystiere und Irregatoreu, Ueber. Sternberg 94. — Kenititis pa-
renchymatosa, Durch Syphilisimpfung erzeugte - beim Kaninchen.
Scherber 305. — Keuchhusten, Ein Fall von - mit schweren
Symptomen bei einem Erwachsenen. Clajjsen 207. —Kieferhühleii-
erapyem, Die Erfolge der DesaultscLen Operation des. Kalkreut ttr
123. — Kieferhöhlenempyem, Ueber die Therapie der chronischen.
Cohn 95. — Kinderklinik und Hamersches Kinderhospital, Die
Entwicklung der k. Uuiversitäts. v. Rauke 3ü4. — Kinderlähmung,
Erf. i. d. Beh. d. spinalen. Vulpius 366. — Kinderpneumonie,
Zur Kasuistik der zerebralen. Bittorf 231. — Kinderspitalbett
Ein neue.*». Hutzier 161. — Klappenfehlern, Seltene Verlaufsweisen
von. Grossmann 517. — Kleinhinibrückenwinkelgeschwulst, Fall
von. Puschmann 286. - Klinische Kasuistik aus der Praxis. Erb
569. — Klystiere und Irregationen, Ueber. Sternberg 105. — Knie,
Eine seltene Erkrankung am. v. Lcsser 162. — Knie-Phänomen,
Ein einfacher Kunstgriff zur Erzeugung des. Krönig 505. — Knie-
scheibeniiabt, Beitrag zur Technik der. Schaefer 113. —Kuoclien-
brüche, Die funktionelle Behandlung der. Deutschläuder 286, 287.
Knochencarcinose, Ueber einen Pall von — der unter den Er-
.scheinungen der perniziösen Anaemie verlief. Rotky, v. Sacksch
397, — Kochsalzarme Ernährung, Ueber die praktische Ausführung
der. Fischler 2U8. — Kohlenhydrate. Rosenfeld 357. — Koltns-
verletzungen, Ein weiterer Beitrag zur Kasuistik der. Zikinund 72.
— Kollargolbehandlung, Ueber - bei Puerperalfieber. Buberl 149.
— Kollision von Zwillingen bei der Geburt. Frankenstein 135 —
Kongress für innere Medicin. Ueber den künftigen. Schwalbe 285.
— Koronararterien, Ueber Erkr. der - im Verlaufe akuter Infek¬
tionskrankheiten. Wiesel 305. — Koronargefässe, Ueber Verän¬
derungen bei [nfektioiiskrankheiteu. Wiesner 305. — Kürjier-
messungen, Ueber - uud einen neuen Korpermessapparat. Stephan
505. — Koreett und Schule. Lange 168. — Kosmetik, Die ärztl.
Kunst auf dem Gebiete der. Strebei 452. — Krampfzustände,
Ueber vasomotorische - bei echter Angina pectoris. Curscbmann
421. — Krankenversicherung im Jahre 1903, Die, Landsberger
282. — Krebsgeschwülste, Therapeutische Versuche zur Heilung
von - durch die Methode der Anaesthesierung. Spiess 449. —
Krebs und Tuberkulose, Die Beziehungen zwischen. Weinberg 367.
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580
MEülClNISCHE WOCHB.
Nr. 53.
Erebsfordchang, Einige Bemerkungen zur Methodik der experimen¬
tellen. Bashford 194. — Kreosot - Formaldehydverbindung, Ueber
den - einer - auf den Stoffwechsel. Bickel, Pincessohn 207. —
Kretinismus, Ueber einen Fall von. Göllner 20. — Kretinismus,
Ueber marinen. Jauregg 506. — Elriegschimrgischen Bedeutung
der neuen deutschen Infanterie - Munition, Zur. Kranzfelder,
Oertel 169. — Kriegschirurgisches aus Japan. Treutlein 320. —
Kropfherz, Ueber. Krems 568. — Kuhmilchpräzipitin im Blute
eines 4 V 2 Monate alten Atrophikers. Moro 82. — Kystoskop,
Eine Leitvorriohtung zu Nitzes. Posner 125. — Kystoskop nach
Maisonneuveschem Prinzip. Ringleb 114. — Kystoskop nach Mai-
sonneuveschem Prinzip. Ringleb 283.
L.
Labyrinthtrepanation und Auskratzung des Vorhofes wegen
qualvoller Geräusche bei sogen. „Mittelohrsklerose“ - Otospongiose.
Matte 286. — Lacto, Klinische Erfahrungen über. Delavilla 305.
- Lähmungen, Behandlung der. Stintzing 31. — Lähmungen,
Die spastischen - der Kinder und ihre Behandlung. Hoffa 283,
284, 285. — Lähmungen, Eine Operation bei motorischen. Gersung
149. — Lamscheider Stahlbrunnen, Ueber den. Liebreich 208. —
Larynxsteuose, Zur Opiumbehandlung der - im Kindesalter. Hecht
334. — Larynxtuberkulose, Zur Heilung der. Alexander 115. —
Leberruptur mit tötlicher Blutung infolge Berstens eines ober¬
flächlichen Aneurysmas. Wätzold 502. — Lecithins, Ueber eine
neue Verordnungsform des. Silberstein 479. — Lenicet, Weitere
Erfahrungen mit - insbesondere dem 10% igen Lenicet - Vaselin.
Amente 206. — Lepra maculo - tuberosa, Ein geheilter Fall
von. V. Neumann 72. — Leukämie ohne leukämisches Blut. Ewald
337. — Leukämie, Untersuchungen über den Sauerstoflfwechsel bei
- während der Röntgenbehandlung. Rosenstem 281. — Leukämie,
Untersuchung über den Stoffwechsel bei - während der Röntgen¬
behandlung. Rosenstern 303. — Leukämie, Zum Verständnis der
Besserung der - durch intercurrente Infektion. Funok 450. —
Leuhocyten, Ueber das proteolytische Ferment der. Eppenstein
516. — Leukocytenferment, Ueber das - in Milz, Lymphdrüsen u.
Knochenmark bei Leukämie und Pseudoleukämie. Jochmann und
Ziegler 501. — Leukoderma bei Lues, bei Psoriasis und bei Ek¬
zema Seborrhoicum, Ueber. Jesionek 319. — Leukotoxine, Beiträge
zur Frage der Bildung spezifischer - ein Blutserum als Folge der
Röntgenstrahlen, der Leukomie und des Lymphosarkoms. Kliene-
berger, Zoeppritz 230 und 253. — Leukotoxinbildung, Bern, zur
Frage der - durch Röntgenstrahlen. Milchner, Wolff 306. —
Ligamentverkürzung, Intraperitoneale - nach Menge. Steinbüchel
82. — Licht-Luftstrombehandlung bei chronischen Herzkrankheiten,
Die. Herz 502. — Liebt, Ueber die Wirkung des - auf Formente
(Invertin) bei Sauerstoffabwesenheit. Jodlbauer, v. Tappeiner 181.
- Linea alba, Zur Kasuistik der angeb. Hernien de* . Klaussner
477. — Lippen- resp. Mund-Ekzeme, Ueber. Galewsky 346. —
Liquorcerebrospinalis, Einiges über die diagnostische Bedeutung d.
Blutgehaltes und der Lymphocytose im. Ohm 477. — Lissaboner
Kongress, Von der Aerztetahrt zum. Vulpius 304. — Lokalanaes-
tbesie, Die Leistungen der. Braun 31. — Lokalanaesthesie in
der Ohrenheilkunde, Zur, Hechinger 170. — Lombroso, Cesare.
Rühl 319. — Lues congenita im Bilde lymphatischer Leu-
kaemie bei einem Neugeborenen. Stuhl 207. — Lues ner¬
vosa, Zur Lehre von der. Hübner 519. — Lullusbrunnen bei
Tropenkrankheiten, Der. Martin 559. — Lnmbalanaesthesie, Die
- in der Gynaekologie und Geburtshilfe. Baisch 421. — Lumbal-
anaesthesie, Wie vermeidet man Misserfolge hei der. Dönitz 345.
Lumbalanaesthesie, Erfahrungen mit der. Lindenstein 518. —
Lumbalanaesthesien, Erfahrungen an 360 - mit Stovain-Adrenalin.
Deetz 345. — Lumbalanaesthesie, Ueber - mit Novokain bei gy¬
näkologischen Operationen. Opitz 230. — Lumbalanaesthesie im
Morphium Skopolamin - Dämmerschlaf. Peukert 180. — Lumbal¬
punktion, Der therap. und symp. Wert der - bei der tuberk.
Meningitis der Kinder. Schlesinger 290. — Lumballähmung, Hei¬
lung hysterischer Kontrakturen durch. Wilms 321, —- Lungen-
Abscesse, Ein Beitrag zur kUnischen Diagnose der. Rieder 218.
Lungenanthrakose und ihre Entstehung vom Darm aus, Die. Oolm
506, 519. — Lungen asphyktisch Geborener, Ueber einige pathol.
- anat. Befunde an. Knapp 539. — Lungenbefunden, Die bildliche
Darstellung von. Besold 517. — Lungenentzündung, Zum Verhalten
des Pektoralfremitus bei der kroupösen - einige Bemerkungen
über das Knistern bei derselben. Ameth 218, 231. — Lungen¬
entzündung, Zur Serumbebandlung der croupösen. Tauber 149. —
Lungenkranke, Ueber die Verwendung des Kampfers bei. Koch
560. — Lungenphthise, Zur Behandlung der • in künstlichem
Pneumothorax. Schmidt 169. — Lungenschwindsucht, Kampfer in
der Behandlung der. Koch 531. — Lnngensteine, Ueber. Bürgi
285. — Langentuberkulose, Beobachtungen Uber die Ehrlichsche
Diazoreaktion bei. Weiss 520. — Lungentuberkulose, Das Serum
Marmorek bei. Mann 491. — Lungentuberknlose und periphere
Unfallverletzung. Ewald 529. — Lungentuberkulose, Zur Frage
der Entstehung der. Schlossmann, Engel 337. — Lungentuberkulose,
Zur Prognose der. Rumpf 355. — Lungentuberkulose, Zur bakto-
rioskop. Frühdiagnose d. Blume 357, — Lungentuberkulose, Ueber
den Nachweis von Tuberkelbacillen im Blut bei der. Lüdke 379.
Lungentuberkulose, Ueber die Verbreitungswege der - vom klini¬
schen Standpunkte. Fraenkel 124. — Lungentuberkulose, Zur
medicamentösen Behandlung des Fiebers bei. KUhnel 47. — Lungen¬
tuberkulose, Zur Pathogenese der. Hofbauer94. — Lungentuberkulose,
Die - im schulpflichtigen Alter. Reeder 162. — Lupusbehandlnng,
Techn. therap. Mitteil, zur - spez. zum Finsenbetrieb. Jungmann
369. — Lupus, Ueber Schleimhaut - der oberen Luftwege. Senator
287. — Luxation metacarpo-phalangienne du cinqui^me doigt,
Quelques remarques ä propos d’une Observation de. Pichon 163. —
Lymphangiektomia auriculi, Ueber - (Othaematoma spurium). Vörner
123. — Lympbdrttsentoberkulose, Elxp. Uber haematogene. Baum¬
garten 462. — Lymphocytenleukämie, Ein Fall von ebron, - bei
einem elfmonatl. Kinde. Mennacher 502. — Lymphosarkom, Ein
Beitrag zur Operabilität des. Kraft 231. — Lymphosarkom, Rück¬
bildung des - auf nicht operativem Wege. Ruff 232. — Lysoform,
Der Desinfektionswert von - bei mässig erhöhter Temperatur.
Schneider 94. — Lysolvergiftnng, Zur Kenntnis der. Wohlgemuth
307. — Lysolvergiftung, Ueber. Puppe 148.
u.
Magenaffektionen, Indikation zur Operation gutartiger - und ihrer
Folgezustände. Garrö 254. — Magenchemismus, Ueber eine auf
natürliche Art ohne Verwendung des Magenschlauchs vorzunehmende
Untersuchung, v, Aldor 530. — Magenchemismus, Ueber eine
neue Funktionsprüfung des • während der Verdauungstätigkeit
ohne Schlundsonde. Kalisky 269, — Magen darmkanales. Weitere
Studien über die Durchlässigkeit des - für Bakterien. Uffenheimer
548. — Magengeschwür, Ueber die Behaodlung des. Schmidt 569.
— Magen, Ueber Antiperistaltik d©s. Jonas 296. — Magen, Ueber
den Einfluss der Amara auf die Magenverdauung bei verschiedenen
Erkrankungen des. Liefschütz 137. — Magen- und Darmkanal,
Zur Kasuistik des Fremdkörpers im. Weissbadt 194. — Magen,
Ueber die Pettverdauung im. v. Aldor 379. — Magengeschwür,
Ueber die diätetische Behandlung des. Senator 54. — Magen-
Lungen-Fistel, Ein Fall von. Loeb 82. — Magen, Ueber die
Temperaturempfindlichkeit des. Neumann 379. — Magenblutungen,
Ueber die Prophylaxe der. Boas 283. — Magencaroinome, Ueber
radiologische Befunde bei. Schütz 182. — Magenchemismua, Ueber
eine neue Traktionsprüfung des während der Verdanungstätigkeit
ohne Anwendung der Schlundsonde (Sahlische Desmoidreaktion).
Kaliski 82. — Magen u. Pankreas, Bemerkungen üb. Operationen am.
Koerte 71. — Magenperforation, Ein Pall von geheilter, v. Zezsch-
witz 146. — Magensekretion, Experimenteller Beitrag znm Mechanis¬
mus der - nach Probefrühstück. Kash 287. — Magnesiumsalze,
Die hemmenden und anaesthesierenden Eigenschaften der. Melker
47 . — Main de Prädikateur bei multipler Sklerose. Selling 219
Malariaepidemiologie im südl. Istrien im Jahre 1905, Zur. Gioseffi
539. — Malariafiebers, Zur Kenntnis des pemiciosen - im südl.
Istrien. Gioseffi 378. — Malariafieber, Ueber den Einfluss des -
auf die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett. Lowros
46. — Malariafieber, Bekämpfung des. Friedmann 106. — Malz¬
präparat, Emährungsversuche an atrophischen Kindern mit einem
neuen. Lesser 368. — Maretin, Erfahrungen mit. Elsaesser 93. —
Maretin, Ueber. Sommer 183. — Markfasernschwund, Ueber einen
eigenartigen - in der Hirnrinde bei Paralyse. Fischer 290. —
Marmoreks Semm, Erfahrungen über die Behandlung der Lungen¬
tuberkulose mit. Stadelmann, Benfey 55. — Marmoreks Sernm,
Erfahrungen mit - bei Lungenphthise. Prokiawicz 149. — Mar-
morek-Serum, Ueber das - in der Therapie der Chirurg. Tuberku¬
lose. Hoffa 505. — Masturbation, Ein Beitrag znm Raffinement
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1906.
MEDICINISCHE WOCHE.
581
der. Wild 147. — Medianusverletzung, Ueber einen Fall von -
mit seltenen trophischen Störungen. Hirsch 285, 286. — Mediasti*
naltumor, Ueber einen Fall von malignem - mit aussergewöhnlich
schnellem Verlauf. Voltolini 125. ~ Melaena vera neonatorum,
Ueber. Karrer 452. — Melioform, Versuchsergebnisse mit - als
Desiniektionsmittel für Hände und Instrumente. Lindemann 114.
— Melioform, Ueber die desinficierende Wirkung von. Ghdli-Vale-
rio 368. — Melioform, Ueber die bactericide Wirkung des. Meyer
286. — Meningitis (cerebrospinalis, Beitrag zur Frage des spora¬
dischen Auftretens der - (Weichselbaum). Küster 275. — Menin¬
gitis, Prognose der otogenen. Heine 55. — Meningitis, Ueber
seröse. Riebold 548. — Meningitis serosa spinalis, Zur Kenntnis
der. Krause 290. — Meningococcen, Ein Beitrag zur Agglutination
der. Kutscher 548. — Meningococcen im kreisenden Blut. Marco*
vich 520. — Meningococcenserura, Versuche zur Gewinnung und
Wertbestimmung eines. Kolle, Wassermann 206. — Mesaortitis
productiva, Ueber die diagnostische Bedeutung der, Muari 398. —
Metatarsopbalangealgelenke, Ueber die Sesambeine der. Stieda 449.
Methodik, Einige Bemerkungen über wissenschaftliche. Bosenbach
463. — Methaemoglobinvergiftung durch Sesamöl. Rautenberg 490.
Methylatropinum bromat., Die Verwendbarkeit des - bei Erkr. d.
Nervensystems. Hudovernig 478. — Methylenblau, Ueber eine
neue Methode der Blut- und Gewebsfkrbung mit dem eosinsauren.
Assmaon 346. — Meningococccen, Ueber Unters, der Nasenrachen¬
höhle gesunder Menschen auf. Kutscher 337. — Meningococcen-
pharyngitis, Die - als Grundlage der epidemischen Genickstarre.
Ostermaon 147. — Menstruationsfieber, menstruelle Sepsis und
andere während der Menstruation auftretende Krankh. infektiöser
resp. toxischer Natur. Riebold 347. — Messung, Eine einfache.
Gauss 335. — Mettsche Verfahren, Ueber eine Verbesserung des -
znr Bestimmung der verdauenden Kraft der Flüssigkeiten. Meier
148. — Migräne, Die. Mendel 284. — Mikrographie, Ueber mo¬
torische bedingte. Pick 312. — Mikrosedimentator, Ein - für kli¬
nische Blutuntersuchungen. Biernacki 232. — Mikroskopische Prä¬
parate, Ein einfacher Apparat zur Wiederaufhndung bestimmter
Stellen in. Sachs-Müke 334. — Miliartuberkulose Ueber Erschein¬
ungen von Kteislau(Störungen bei. Herz 379. — Miliartuberkulose,
Ueber die. Ribbert 31. — Milchfett stillender Frauen bei der Er¬
nährung mit specif Fetten, Ueb, das. Engel, Plaut 378. — Milch,
Statistische Erhebungen über die Bedeutung der sterilisierten - f.
d. Bekämpfung der Säugliugssterblichk. ManteufiPel 103. — Milch,
Ueber die Gewinnung einwandfreier - für Säuglinge, Kinder und
Kranke. Hempel 103. — Milchleukocytenprobe, Die. Trommsdorff
160. — Milchsäurebehandlung und Sonnenbelichtung bei einem
tuberkulösen Geschwür der Unterlippe. Wein 540. — Milzbrand
des Kehlkopfes. Glas 146. — Milzruptur, Zwei Fälle von. Georgi
194. — MUzruptur, Subcutane. Friedheim 46. — Mineralwässer,
Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der - auf die
sekretorische Magenfunktion. Bickel 32. — Mineralwassertrink-
kuren, Ueber erfolglose - bei Magenkrankheiten. Ageron 450. —
Mitralis, Relative Stenose bei. Dmitrenko 520. — Mittelfuss-
knochenbruch. Welches ist der gefährliche Moment für die Ent¬
stehung eines - beim Gehen? Kirchner 347, — Mittelohreiterung,
Die Diagnose und Prophylaxe der Labyrinthentzündung bei der
acuten. Ostmanu 193. — Mittelohrentzündung, Ueber die acute
exsudative - und ihre Behandlung. Klan 56. — Mittelohrentzünd¬
ungen, Ueber das therapeutische Verhalten der acuten - mit Be¬
rücksichtigung ihrer verschiedenen Aetiologie. Scheibe 281. —
Möller-Barlowsche Krankheit, Ueber die - (Infantiler Skorbut).
Fraenkel 516, 529. — Mohnkapseln, Ueber. Tischler 367. —
Morbus Basedowü, Pathologie und Therapie des. Jacob 386. —
Morbus Basedowü, Bemerkung zur Behandlung des - mit Röntgen¬
strahlen. Stegmanu 54, 208. — Morbus Basedowü, Bemerkung zur
Behandlung des. Hirschl 149. — Morbus Basedowü, Beitrag zur
Behandlung des - mit Antithyreoidin Möbius. Heinze 284. —
Morbus Brightii, Ueber traumatischen. Posner 161. — Morphium-
entziehung, Ueber - bei schweren chronischen Leiden. Scheimpflug
20. — Mundatmung, Ueber die Behandlung der - und des chro¬
nischen Mundverschlusses mit der Gaumendehnung nach Schröder
Löhnberg 283. — Murphyknopf, Darmokklusion durch - nach Py-
lomsresektion. Doerfler 477. — Myeloma und Leucaemia lympha-
tica plasmO'Cellularis. Gluzinski, Beichenstein 163. — Myocarditis
syphilitica. Ein Fall von - bei hereditärer Lues mit Spirochaeten-
befund. Buschke, Fischer 284. — Myomoperationen, Zur Berech¬
tigung der conservativen. Fehling 466. — Myomoperationen, Zur
Frage der conservativen. Hengge 205. — Myositis ossificans pro¬
gressiva, geheilt durch Thyosinamin. Boseck 568.
N.
Nabelschnurbruches, Ein Beitrag zur Kasuistik und Therapie
des. Finsterer 338. — Namedy-Inseisprudel, Ueber den. Liebreich
367. — Narkosenapparat, Ein mit Dosierungsvorrichtung, Schubert
450. —Nasenbluten. Naegeli-Aokerblom 387. —Nasenerkrankungen,
Zur Saugtherapie bei, Sondermann 517. — Nasennebenhöhlen-
eiterungeu. Zur konservativen Behandlung der. Heermann 319. —
Nasennebenhöhlen, Kritische Bern, über die Sondermannsche Saug¬
methode bei Erkrankungen der. Uffenrode 319. — Nasensauger,
Ein neuer. Leuwer 135. — Nasentumoren, Rin neuer Weg für
die Operationen der malignen. Deuker 275, — Nebenhöhleneite¬
rungen, Ekteme oder interne Operation der, Halle 490. — Neben¬
höhleneiterungen. Halle 479. — Nebennierenextrakt, Adrenalin,
Kritisch experimentelle Beiträge zur Wirkung des. Möller 95, —
Nebennierenkystom, Operativ geheiltes. Schilling 93. — Nephrek¬
tomie, Ueber Funktionsprüfungen der nach. Testierenden Nieren.
Lichtenstern 520. — Nephritis, Zur Therapie der. Strasser, Blumen¬
kranz 170. — Nephritis, Ein Fall von artefizieller, acuter - nach
Gebrauch von Perubalsam. Richard 253. — Nerven- und Geistes¬
krankheiten, Der Einfluss der deutschen Unfallgesetzgebung auf
den Verlauf der. Gaupp 528. — Nervensystem, Studien über den
Einfluss des - auf den Puls, Velich 288, 290, — Nervöser Schmerzen,
Zur Therapie. Lots 183. — Nervosität, Ueber - im Anschluss an
gynäkologische Operationen. Kaiserling 171. — Nervus laryngues
inferior, Zur Aetiologie des. Dege 519. — Nevus peroneus, Warum
sind die Lähmungen des - häufiger als die des Nervus tibialis?
Hartimg 275. — Netz, Ueber einen Fall von rudimentärem grossen
beim Menschen und über die Bedeutung des Netzes. Schiefler-
deoker 327. — Netzhaut, Ueber Entzündungen der - und der
Sehnerven infolge angeborener Lues, Hirschberg 283. — Netzhaut¬
ablösung, Ueber eine durch Operation geheilte 23 Jahre lang geheilt
gebliebene. Cohn 8, — Netztorsion, Ueber abdominale - und retro¬
grade Incarcseration bei vorhandenem Leistenbruch, Litthauer 182. —
Neuralgien, Die Hydriatik der - peripherischen Lähmung, Neuritis
und Polineuritis, Sadger 56. — Neuralgien, Zur Behandlung der -
durch Alkoholeinspritzungen. Schloesser 47. — Neurasthenie, Bemer¬
kungen über - und ihre klimatische und baineotherapeutische Be¬
handlung, Romberg 421.— Neurasthenie, Neuralgie Tabes dorsalis,
Trauma und chronischem Rheumatismus, Verwechslung zwischen -
Schreiber 232. — Neurasthenie, La eure definitive de la - pour
la reeducation psychyehique. Levy 233. — Neurasthenie,
Ueber den Begriff der - Dumin 422, — Neurasthenie, Ueber das
psychische Moment bei der - Wollenberg 282. — Neuritis alco-
halico, Ueber - Kom 254. — Neurofibromatosis Recklinghausen,
Ein Beitrag zur - Kren 479. — Neuromyelitis optica, Ueber
Kerschensteiner 218. — Neuronal, Erfahrungen über - bei Psy¬
chosen. Dreyfuss 380, —- Neuronal, Versuche mit - bei Geistes¬
kranken. Gerlach 282. — Neuritis, Ueber uraemische Dünger
205. — Neutuberkulin, Ueber Tonsillartuberkulose, ein weiterer
Beitrag zur Behandlung mit. Rennert 54. — Niere, die Thätigkeit
der. Magnns 346, 356. — Nierenblntung, Ein Fall von essentieller.
Rlges 135. — Nierenblutungen, Ueber gewöhnliche. Casper 422. —
Nierenchirurgie, Was ergiebt sich für den praktischen Arzt aus
den Fortschritten der. Kümmell 46. — Nierenchirurgie, Was ergibt
sich für den praktischen Arzt aus den Fortschritten der. Kümmell
54. — Nierenchirurgie. Kümmell 357. — Nierenohirurgie, Ueber
moderne - ihre Diagnose and Resultate. Kümmell 338. — Nieren¬
erkrankung nnd Perityphlitis, Zur Differentialdiagnose zwischen.
Schlesinger 504. — Nierenerkraukungen, Schwere - nach äusser-
licber Chrysarobinapplication. Volk 463. — Nierenerkrankungen,
zur physik. Therapie der chronischen, Herz 518, — Nierenreduktion,
Experimentelle Untersuchung über - und Funktion des Testierenden
Parenchyms. Haberer 339. — Nierentuberknlose, Ueber die Behand¬
lung der. Zuckerkandl 346. — Nikotineinspritzongen, Ueber intra¬
venöse - nnd deren Einwirkung auf die Kaninchenaorta. Adler
und Hensel 518. — Normalflasche für die Säugüngsernäbrung,
Eine. Gramer 253. — Novokain-Supreranin, Ueber Lokalanästhesie,
mit. Liebe 82. — Nystagmus, zur Kenntnis des associerten, Strans-
ky 72. —.
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582
MEDICINISCHB WOCIIK.
Nr. 53.
0 .
Ober Schenkel varizen, Ueber zwei Fälle pulsierender. Fridezko
183. — Obstipation, Die physikalische Behandlung der habituellen.
Tobias 84. — Obstipation, Die Therapie der habituellen Opstipation.
de la Camp 19. — Ochronose, Zum Chemisums der. Längstem
265. — Ochronose, Ueber die. Pick 266. — Ochronese, lieber.
Pick 208. — Ochronose, Ueber die. Pick 195. — Oculomotorius¬
lähmung, Rezidivierende - als Komplikation bei Typhus abdominalis.
Jochmann 206. — Oedem, Ein Fall von traumatischem Oedem.
Koehler 320. — Oelklystiere, Ueb. d. Anweud. von — bei der
chronischen Obstipation der Brustkinder. Wunsch 148. — Oeso¬
phagus, Beitrag zur Kenntnis der tuberkulösen Erkrankungen des.
Kümmel 134. — Oesophagusstenosen, Zur Therapie der. Gerhardt
335. — Ohr, Behandl. der Erkranhg. des äusseren Ohres. Denker
570. — Omorol bei Angina. Viett 571. — Operationsräume, Ueber
den Bau und die Einrichtung mod. Markus 479. — Operations¬
wunden, Die Ausschaltung von Hohlräumen in. Mosetig 519. —
Operationswunden, Ein neuer Vorschlag zur Erzielung keimfreier.
Doederlein 205. — Ophthalmoblenorrhoe, Zur Verhütung der gonor¬
rhoischen - mit Sophol. V. Herff 275. — Opiuin-Brom-Kur bei der
Epilepsie, Die Erfolge der. Kellner 567. — Opportunistischen
Princips, Einige Bern, über wissenschaftl. Methodik und die Berech¬
tigung des - in der Wissenschaft. Rosenbach 463. — Opsonin¬
theorie, Ueber die Grundlage und Anwendung der Wrightschen.
Weinstein 558. — Orb, Einiges über Bad. Scherf 387. — Organo¬
therapie, Die Vorzüge der Kombination der - mit den physikalisch-
diätetischen und baineotherapeutischen Mitteln und einige Beweis¬
methoden dafür. V Poehl 231, 253. — Organotherapie, Das neueste
über. Hager 194. — Orthodiagraphie, Zur Ausgestaltung der.
Groedel 218. — Orthopädie des Bauches. Bracco 114. — Otitis
externa circumscripta, Zur Therapie - u. der verwandter Afiektion.
Schoengut 503. — Otochirurgie, Ueber Lokalanaesthesie in der.
Neumann 205. — Otosklerose, Ueber Phosphorbehandlung der.
Sugär 195. — Ovarialtumoren, Ist die Verkleinerung der - zwecks
operativer Entfernung zulässig, Sarwey 421. — Ozaena und die
Stauungshyperaemie. Rethi 452. —Ozaena und die Stauungstherapie
nach Bier, Die. Fein 379. — Ozöne, La contagion de 1’. Lermoyez
549. —
P.
Pancreas und Diabetes. Herxheimer 285. — Pankreaser¬
scheinungen während des Diabetes, Ueber. Hirschfeld 9. — Para¬
lyse, Akute aufsteigende - nach Typhus abdominalis mit Ausgang
in Heilung. Schütze 95. — Paralyse, Progressive. Knauer 114.
— Paralysis agitans zur Symptomatologie der. Messe 126. — Para¬
sternale Dämpfung und Aufhellung bei Pleurit.i.s. Hamburger 339.
Patellar - und Achillessehnenreflexes, Ueber ein neues Verfahren zur
Untersuchung des. Felix 480. — Penis, Plastische Induration des
— und Dupuytren’schen Kontraktur. Neumark 530. — Pellagra in
frühester Kin dheit, Merk 208. — Pemphiques traites par la de-
chloruration, Sur deux cas de. Cassaet und Micheleau 209. —
Percussionsschalles, Graphische Darstellung des. May und Linde-
maun 218. — Perhydrasemilch, Die belichtete. Much, Roemer 358.
— Perhydrasemilch, Ernährungsversnehe mit. Böhme 503._ — Peri-
artikulären Fettes, zur Pathologie des - am Knie. Zo.sas 282, —
Peritonitis, Ueber diftuse eitrige. Bosse 32. — Peritonitis, Die
Prophylaxe der eitrigen. Bosse 148. — Perityphlitis, Ueber die
hohe Mortalität der - während der Schwangerschaft, Füth 123.
— Perityphlitisbehandlung, Ein Beitrag zur. Storbeck 531. —
Peritj'phlitis, Ueber das Auftreten isolierter Ab.szesso in den Spät¬
stadien der. Jaffe 231. — Perithyphlitis zur Frage der Frühope¬
ration der, Bail 73, — Perityphlitis, Bemerkungen zur Tlierapie
der akuten. Graser 70. — Pessarien, Uel>er, Ziegenspeck 452. —
Peritj’phlitis, Weitere Mitteil. über Erfahrungen b. d. ßeliandlung
d. se|)tiselieu - m. Strcptococcenserum. Schwerin 548, — Perkus¬
sion, Uei)er die topogr, - des kindl. Herzeus. Meyer und Milchner
450, 46:i. — Pc.stbazillen, Uel)er die passive AggressinImmunität
gegen. Kikuclii 379. — Pe.stvaccination. Kölle 147. — Pflege-
kin<ierwesen und natürliche Eruälirutig. Ro.senhaupt 478, —
Pliiignzytüse, Die - und d, Degenerationsfurmen d. Spirochaete
pallida im Primäraffekt und Lymphstrang. Ehnnann 339. —
Phenolkampfer, Beitrag zur Behandlung akuter Eiterungen und
Verletzungen mit. Nespor 312. - Phenolkampfer, Die Behandlung
akuter und chronischer Eiterungen mit. Ehrlich 146, — Phenyl¬
hydroxylamin, Ueber eine örtliche Giftwirkong des. Lewin 283.
Phenyfonn, Ueber. Stephan 560. — Phenyloform, Ueber. Brenning
551. — Phlegmone, Behandlung d. Enderlen 477. — Phlegmon
souBihyroldien m4dian cons4cutif ä la discision amygdalienne.
Dubar 242. — Phosphorvergiftung, Ein Fall von - mit tötlichem
Ausgang. Federschmidt 477. — Photoaktivität, die biologische
Bedeutung der - des Blutes und ihre Bez. zur vitalen Licht- und
Wärmewirkung. Schlüpfer 515. — Phrenieus, Mitbeteiligung des -
bei Duohenne-Erbscher Lähmung. — Moritz 296. — Phthise-
enstehung, Die Erbdispoaition in der - , ihre Diagnose und Be¬
handlung. Spengler 206. — Phthisis bulbi. Experimentelle und
klinische Unters, über die Entstehung der. Schirmer 285. —
Phyreoidbehandlung, Zur - d. Morbus Basedowii und insbesondere
seiner Kombination m. Myxödem. Holup 288. — Placenta praevia,
Ueber die Wendung der. Jolly 320. — Plattfussbehandlung, Fort-
sshritte in der. Hohmann 275. — Plattfussdiagnose, Zur Methodik
der. Schümann 45. — Plattfusses, Diagnose nnd Behandlung des.
Ledderhose 285. — Pleuraempyems, Die Behandlung des. Braun
187 — Pleuritis, Ueber paravertebrale Dämpfung und Auf¬
hellung bei. Hamburger 183. — Plötzlichen Tod der Tabischen,
Ueber. Hirschberg 72. — Pneumatische Kammer, Bericht über die
ersten in der - der Breslauer Klinik ausgeführten Operationen.
Sauerbruch 30. — Pneumokokken oder Stauungsgangrän. Robbers
207. — Pneumokokken-Peritonitis, Ein Fall von - mit Heilung.
Daxenberger 81. — Pueumokokkenperitonitis, Ueber. Robbers 296.
— Pneumonie, Die Behandlung der fibrösen - mit Römers Pneu¬
mokokkenserum, Winkelmann 31, — Pneumonie, Ueber das West¬
falische Phänomen bei kruppöser Pneumonie der Kinder. Kep-
halUnd 367, — Pneumonien, Ueber eintägige. Loeb 231. — Pneu¬
monie, Ueber den Wert der Thorax-Durchleuchtung, bei der. 460.
— Pneumonie, Ueber paravertebrale und parasternale Perkus¬
sionsbefunde bei. Pollak 463. — Pneumothorax, der therapeu¬
tische. Brauer 282. — Pneumothorax, Ein Apparat zur Nachbe¬
handlung des offenen. Seidel 114. — Pockenverdächtige Formen
der Varizellen, Ueber. Ebstein 253. — Poliomyelitis acuta und
Meningitis cerebrospinalis. Tiedemann 501. — Poliomyelitis
anterios acuta adultorum, Zur Kasuistik der. Bruns 334. —
Polypeptiden, Die Untersuchungen von Prof. Emil Fischer und
seiner Schüler über die Synthese der. Sieber 194. — Polyzy-
thaeroie, Zur Kasuistik der. Köster 303. — Polyzythaemie, Zur
Kasuistik der, zugleich ein Beitrag zur Aetiologie der Migraine
ophtalmique. Kösten 304. — Praxis, Aus der - für die Praxis.
Ströll, 551. — Prävalidin, Ueber die Wirkung des Koch’schen.
Juhl 242, — Präzipitabli Substanz, Ueber den Nachweis der -
der Kuhmilch im Blute atrnphisn'her Säuglinge. Bauer 287. —
Praezipitierende Sera, Ueber die Konservierung Ottolenghi 378. —
Probefrühstüok oder Probemittagessen. Doerner 135, — Pi*oponal,
Bericht über die Versuche mit. Mörchen 204, — Proponal, Ueber
ein neues Schlafmittel. Lilienfeld 125. — Prostatis, Beitrag zur
Kenntnis nnd Therapie der unkomplizierten chronisch-gonorr¬
hoischen, Steukzel 232. — Prostatahypertrophie, Zur Behandlung
der. Röhrig 304. — Protozoeublutkrankheiten, Ueber - bei
Mensch und Tier in Indien und Deutsch-Ost-Afrika. Treutlein
230. — Prurigohämorrhagica, Ueber. Voerner 161. — Probe¬
bohrung als diagnostisches Hilfsmittel. Plesch 283. — Probi-
Hnpillen, Zur Therapie der Gallensteinkrankheit mit. Bauermeistcr
184. — Pruritus als Initialerscbeinung des Herpes zoster. Bett¬
mann 284. — Psendarthrosenheilung und kunstl. Pseudarthrosen-
bildung, Ueber. Fränkel 502. — Pseudobulbärparalyse; Beitrag
zur Kenntnis der. v. Hoestlin und Jelling 218. — Pseudo-Osteo-
malacie, Syphilitische nnd hysterische. Schlesinger 31. — Psychi¬
atrie, Zur Geschichte des Deutschen Vereins für. Pelman 205. —
PsychologLsches zur Affaire von Köpenick. Krüche 532. —
Psychopathie.s. Les - chez le paysan. Terrien 243. —
Pubeotomie, Ein Fall von - aus der Praxis. Brenner 450.
— Pubeotomie und künstliche Frühgeburt. Fehling 501. —
Pubeotomie, Ein weiterer Fall von. Doerfler 134. — Pubeotomie,
Die - eine neue Methode zur Erweiterung des verengten Beckens.
Stöckel 72. — Puerperalfiebers, zur Aetiologie des. Beer 83. —
Puerperalfieber. Die Behandl. d. - mit Antistreptococcenserum.
Martin 357. — Pulsphänomen, Ueber ein seltenes - bei innerer
Blutung infolge von Tubenschwangerschaft. Busalta 286. — Pulsus
alteruans mit partiell alteraierender Herztätigkeit. Galli 449. —
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MED1CIN18CHK WOCHE.
583
Fulsns alternans, Beitrag zur Lehre vom Hornung 449. — Funk¬
tion , Die diagnostische - des Bauches. Salomon 32. — Pupille,
Ueber willkürliche Erweiterung der. Bloch 504. — Pupillenatarre,
Ueber traumatische reflektorische. Axenl'eld 282. — Pupillenstarre,
Ueber traumatische. Dreyfus 113, — Pupillenstarre im hysteri- ■
sehen Anfall, Ueber. Brunkel 204. — Pyelographie (Röntgeno-
graphie des Nierenbeckens nach Kollai'golfÜllung. Voelker, Lichten¬
berg 53. — Pyelonephritis, Ueber - in der Schwangerschaft.
Ruppanner 92. — Pylurus, Scheinbare Stenosierung des - durch
ein chronisches suprapapilläres Duodenalgeschwür, postoperative
Parotitis. Eckersdorff 515. — Pyozyanase, Die Verwendung der -
bei d. Beh. d. epidem. Säuglingsgrippe u, d. Meningitis cerebro¬
spinalis. Escherich 311. — Pyozyaoeussepsis bei Erwachsenen.
Rülly 355. — Pyurie durch Leucocystose. Talma 287.
Q-
Quantimetrische Verfahren, Das. Kienboek 183. — Quecksilber¬
behandlung bei Augenkrankheiten, Die. Schmidt-Rimpler 32. —
Quecksilberdamptlampen, Zur Frage der Wirkung von. Schieler
282. — Queoksilberlicht, Ueber Behandlung mit. Assfalg 459. —
Qiiecksilbersalze, Ueber schmerzlose Injektion löslicher. Mayer 462.
Quecksilberwasserlampen zur Behandlung von Haut und Schleim¬
haut. Kromayer 135.
B.
Rachenreflex, Ueber den. Baumann 168. — Rachitis, Ueber - als
Volkskrankheit, v. Hanseinann 115. — Radikaloperation des
Schenkelbruchs, Zur. Berndt 113. — Radiumbehandlung, Erfahr¬
ungen mit. Blaschko 105. — Radiumbehandlung, Zur - des Tra¬
choms. Jacoby 46. — Radiumemanation, Ueber die Wirkung der
- auf den menschlichen Körper. Loewenthal 530. — Radium¬
strahlung, Wirkungsweise und Anwendbarkeit der - tind Radio¬
aktivität auf die Haut mit besonderer Berücksichtigung des Lupus.
Wichmann 170. — Rauschzustände, Ueber die forensische Beur¬
teilung akuter - vom Standpunkt des Militärstrafgesetzbuches.
Mattauschek 219. — Reflexe, Einige Studien über - bes. an
Hemiplegikern. üraeffiier 146. — Reflexepilepsie, Ueber. Urban-
tschitsch 451. — Regulin, Erfahrungen über. Mollweide 183. —
Regulin-Behandlung, A. Schmitz - der chrou. habituellen Verstopf¬
ung. Voit 366. — Reizmittel, Bedarf der menschliche Organismus
künstlicher? Zunker 8.3. — Rekto-Romanoskopie, Ueber. Meller
288, 305. — Rekto-Romanoskopie, Ueber. Foges 289. — Rekur-
renz, Ueber afrikanischen. Koch 94. — RctrecLs.semeiit tricuspidien
et cyanose, Hirtz, Lemaire 163. — Return cases, Ueber sogenannte
d. h. durch entlassene Geschwister angesteckte, dem Spital zu¬
rückgeschickte Fälle, bei Scharlach. Sürensen 183, — Rbino-
liaryngologie, Die Grundlagen der modernen. Killian 549, — Rhino-
Laryngologie, Praktische Ergebnisse aus dem Gebiete der. Finder
115. — Rindenzentrum, Ueber eine direkte Leituug vom optischen
zum kinaesthetischen der Wort- und Buchstabenbilder. Mayendorf
530. — Romanowskyfärhung, Die - nach May. Viereck 356. —
Romanowskyfärbung, Eine neue Methode der. May 113. — Rosenthal,
Zum 70. Geburtstag. J. Rosenthal 346. — Röntgenaufnahmeu, Das
Wasser als Feind der. Lichtenstein 134. — Röntgenbehandlung, Die
Indicationen der - bei Hauterkrankungen. Bruhns 84. — Röntgenbe-
bandhing bei Leukämie, Zur Frage der. Flesch 206. — Röntgen¬
bestrahlung der Leukämie, Einige weitere Bern, zur - im Anschluss
an die Arbeit von Kliencberger u. Zoepprik. Arneth 303. — Rönt¬
genbilder nach Sauerstoffeinblasnng in das Kniegelenk, Ueber.
Hoffa 356. — Röntgenbilder, Ueber den Wert plastischer. Cohn
347. — Rbntgenphotographien, Mitteilung über die Herstellung
plastisch wirkender. Schellenberg 284. — Röntgenstrahlen, Bei¬
träge zur Einwirkung - der auf das Blut. Benjamin v. Reuss,
Sluka, Schwade 338. — Röntgenstrahlen. Ueber Versuche von
Einwirkung von - auf Ovarien und den schwangeren Uterus von
Meerschweinchen. Lengfelluer 515. — Röntgenstrahlen, Die Be¬
deutung der - für die Behandlung der lymphatischen Sarkome.
Cohn 19. — Röntgenstralileti und Radium bei Epitheliom. Schiff
93. — Röntgentherapie-Schutzapparate, Zur Technik der. Wiesner
502. — Röntgenuntersuchungen des Magens und Darms. Rider 53.
Röntgenuntersuchung, Ueber die • der Trachea bei Tumoren und
Exsudat im Thorax. Pfeifer 113. — Röntgen verfahren, Welchen
Einfluss hat das - auf das Handeln des Arztes bei KnochenbrUchen
Äusgeübt. König 569, — Röntgenverfahren, Die kriegschirurgische
Bedeutung des - and die Art seiner Verwendung im Kriege.
Colmers 180. — Rückenmarksanaesthesien, Operation mit. Becker
346. — Rückenmarksanaesthesie, Neurologische Beobachtungen
und Untersuchungen bei der - mittels Kokain and Stovain.
Finkelnburg 123. — Rückenmarksanaesthesie, Zur Geschichte der.
Bier 303. — Rückenmarka-Hautgeschwulst, Ueber zwei Fälle von
erfolgreich operierter. Oppenheim, Borchardt 338. — Rückenmarks-
lähraung nach Lumbal-Anaesthesie, Bleibende. König 304. —
Rückenmarksnarkose, Weitere Erfahrungen mit der. Freund 347.
Ruhr bei Irren, Ueber. Siefmann, Nieter 501.
s.
Sach Verständigkeit, Ueber den Einfluss naturwisseuschaftl.
Erkeuntnisse auf die ärztliche. Pfeiffer 219. — Sajodin, Ueber.
Lublinski 368. — Salimeathol. Reicher 368. — Saht. Schmidt 54.
— Salzsäure, Eine neue Reaction auf freie - im Mageninhalt.
Simon 506. — Sanatogen, Beitrag zur Verwendung des - bei
sexueller Neurasthenie. Meissner 380. — Sanatorien, Erfolge der
— von Leysin im Jahre 1905. Morin 558. — Santil im Vergleich
mit and. Sandelpräparaten. Sachs 368. — Sarkomatose, Ueber -
des Epikards. Schöppler 517. — Saughyperaemie, Ueber den Ein¬
fluss der - auf das gesunde Auge und den Verlauf gewisser Augen¬
krankheiten. Hoppe 450. — Säuglingsernährung, Arzt und Mutter
in der. Rahn 184. — Säugliugsernährung in Arbeiterkreisen, Ein
Beitrag zur. Spaether 320. — Säuglingsblut, Ueber bacterielle
Hemraungsstoffe des. Moro u. Murath 171. — Säuglingssterblich¬
keit, Die Bekämpfung der. Sofer 289. — Säuglingsschutz, Der
Verein - auf d. hyg. Ausstellung. Escherich 358. — Scbädelver-
letzungen, Die Prognose und Therapie der • durch die modernen
Kriegsfeuerwaffeu. Hildebrandt 162. — Schalldämpfer, Küppers
205. — Schambeinschnitt, Ueber die Heilung der W’^unden nach
Giglischem. Scheib 503, 505. — Scharlachtherapie und Scharlach¬
prophylaxe. Cumpe 9. — Schiffsärztl. Verträge mit Rhedereien.
Stölzel 304. — Schleimhauttuberkulose, Zur Behandlung der.
Holländer 306. — Schnellentbindung bei der Eklampsie, Der
Wert der Statistik für die Frage der. Liepmann 321. — Schul-
anaemie, Die sogeu. Unmut 461. — Schule und Korsett. Lange
168, 181. — Schulhygiene, Die wesentlichen Fortschritte auf dem
(irebicte der - in den letzten Jahren. Selter 504. — Schussver¬
letzung d. Kieferhöhle. Eine eigenartige, v. Behm 169. — Schutz¬
pockenimpfung, Die frühzeitige Reaction b, d. v. Pirquet 358. —
Schwachsinnige, Die med. Psychologie mit Bezug auf Behandlung
und Erziehung der angeboren. Uffenheimer 282. — Schwanger¬
schaft und Kehlkopftuberkulose. Levinger 304. — Schwangerschaft,
Ueber seltenere Indicationen zur Untersuchung der - infolge innerer
Krankheiten. Hofmeyer 282. — Schwangerschaftssymptom, Ueber
ein bisher nicht beachtetes - (Hypertrichosis graviditatis). Haibau
33. — Schwangerschaftssymptom, Ueber das Haibausche - (Hyper¬
trichosis graviditatis). Herzei 105. — Schwangerschaft u. Tuber¬
kulose. Rosthorn u. Fraenkel 282. — Schwarzwasserfieber, Beitrag
zur Behandl. des. Dammermann 296. — Sebum ovile, Bern, über
d. Ausschaltung des Magens vom direkten Einfluss der Arznei¬
mittel durch Anwendung von. Saworski 560. — Sectio caesarea.
Zur Indication der. Fleischmann 539. — Sectionen, Wie schützen
wir uns und unsere Diener bei. Thorei 356. — Seelenstörungen,
Klinische Besonderheiten der - uns. Grossstadtbevölkerung. Gaupp
334. — Seelenstörungen. Gaupp 336. — Sehnenüberpflanzung,
Misserfolge d. Vulpius 478. — Sehprüfungen, Ein neuer Apparat z.
Vornahme von. Beck 320. — Sehschärfenverringerung, Bern, zur
ärztl. Begutachtung des Einflusses der - auf die Erwerbsfähig¬
keit. Schmidt-Rimpler 570. — Sehschärfenprüfung, Zwei Apparate
zur. Hoppe 194, — Sehstörung, Beiträge zur Lehre der durch
Erkrankung der hinteren Siebbeinzelle und der Keilbeinhöhle be¬
dingten - und Erblindung. Onodi 550. — Selbstmordversuche,
Ueber. Rothfuchs 355. — Semmelweis’ Vorläufer. Fischer 451,
— Sensibilisatoren, Zur Kenntnis der antituberkulösen. Gengon
550. — Sera, Ueb. d. Konservirung präcipitierender - auf Papier.
V. Eisner 219. — Serumbehandlung, Ueber die weiteren Erfolge
der - des Scharlach. Schick 20, — Serumlipoide, Sind die nor¬
malen - Träger oder bloss Vermittler von Antiwirkungen. Detrc,
Seilei 339. — Serviettenhüllen aus Celluloid. Edel 286. — Seuohen-
gesetz, Das preussische - vom 28. Aug. 1905. Kirchner 124. —
Silberspirochaete, Bern, zu dem Aufsatz, Die. Levaditi 479. —
Sklerodermie, Unters, üb. d. Stoffwechsel bei. Bloch, Reitmann 289,
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584
MEDICINISCHE WOCHR
Nr. 53.
— SkorbatBf Zur Kenntnis des. Senator 207. — Sonde, Eine
für Röntgenstrahlen nndnrchlässige. Erennd 31. — Sonde, Die
galvanokanstische - für den Tränenkanal. Peschei 162. — Sonde
de tronsse, M^faits de la. Minet 84. — Sonnenlichtbehandlnng der
Kehlkopftuberknlose, Zur. Baer 149. — Sophol, Zur Verhütung
der gonorrhoischen Ophthalmoblenorrhoe mit. y. Her£F 275. —
Specialitäten, Ueber ärztl. - und Specialärzte. Quinke 321, 334.
— Speiseröhren < Divertikels, Zur Behandlung des. Lotheissen 45.
— Speiseröhre, Elin zweiter Fall von Äbknickung der - durch
vertebrale Eckchondrose. Zahn 253. — Speiseröhrenerkrankungen,
Ueber die diagnostische Verwertung der Röntgenstrahlen und den
Gebrauch der Quecksilbersonde bei. Cahn 44. — Speiseröhren¬
schnitt, Ein. Burmeister 205. — Spinalanalgesie, Zur Technik u.
Indikationsstellung der. Fochhammer 321. — Spinalanalgesie, Die
Höhenausdehnnng der. Dönitz 567. — Spirochaetennachweis, Ueb.
d. diagnostischen Wert des - bei Lues congenita. Simmonds 335.
— Spirochaetenbefunde in d. Organen syphilitischer Neugeborener.
Schlimpert 337. — Spirochaeten, Beitrag zur Kenntnis der.
Loewenthal 125. — Spirochaeten, Das Verhältnis zwischen - und
den Organen kongenital syphilitischer Kinder. Gieike 123. —
Spirochaete dentium, Ueber eine scheinbär pathogene Wirkung
der. Milter 124. — Spirochaete pallida, Ueber den Nachweis der
— im 83 rphilitiechen Gewebe. Mucha, Scherber 94. — Spirochaete
pallida, Ueb. die diagnostische Bedeutung der. Hofi5nann 505. —
Spirochaete pallida, Beiträge zum Nachweis der in - sypbil. Pro¬
dukten. Ritter 459. — Spirochaete pallida (Treponema Scbaudinn),
Weitere Mitteilungen über die. Herxheimer, Äpificius 103. —
Spirochaeta pallida (Scbaudinn) und Cystorrhyctes (Siegel), Mit¬
teilungen über. Schätz 160. — Spirochaete pallida, Zur Färbung
der. Berger 230. — Spirochaete pallida, Weitere Beobachtungen
über. Buschke, Fischer 162. — Spirochaete pallida bei angeborener
Syphilis, Ueber. Beitzke 321. — Spirochaete pallida und Organ¬
erkrankungen bei Syphilis congenita. Euebschmann 322. — Spiro¬
chaete pallida, Zur Färbung der. Berger 320. — Spirochaete pal¬
lida, Ueb. den Nachweis von - in tertiär-syphilitischen Produkten.
Dutrelepont, Grouven 296. — Spirochaete pallida, Ueb. d, Nach¬
weis d. - bei tertiärer Syphilis. Tomasczewski 335. — Spirochaete
pallida, Ueber Befunde von - in den Nerven des Präputiums bei
syph. Initialsklerose. Ehrroann 347. — Sprachstörungen, Grund¬
züge der Behandlung nervöser. Gutzman 206. — Stangenlager,
Das. Hahn 169. — Staphylocoocentoxin u. dessen Antitoxin, Ueber.
Kraus, Pribraun 219. — Stan'krampfserumbehandlung, Zur. Riedl
126. — Status epilepticus, Ueb. d. Beh. des - und von Zuständen
verwandter Art. Bökelmann 559. — Status hemiepilepticus, Bei¬
trag zur Lehre von. Bernhard 518. — Staubbeseitigung, Ueber.
Friedemann 357. — Stauungshyperaemie, Ueber Biersche - bei
Äugenkrankheiten. Renner 45. — Stauungshyperaemie, Zur Be¬
handlung acuter Entzündungen mittels. Lexer 179. — Stauung,
Ueber partielle - und Druckbehandlung bei Entzündungen. Heer-
mann 283. — Stauungshyperaemie, Anwendung der - bei acut
eitrigen Prozessen im Gamisonslazarett Altona. Herhold 92. —
Stauungshyperaemie, Zur Technik des Bierschen Verfahrens mit.
Mindes 92. — Stauungshyperaemie, Die Biersche - vom Stand¬
punkte der Endotoxinlehre. WolfF-Eissner 304. — Stauungshyper¬
aemie, Erfahrungen über die Behandlung acut entzündlicher Pro¬
zesse mit - nach Bier. Bestelmeyer 180. — Stauungsverfahren,
Das Biersche eine allg. Betrachtung m. bes. Würdigung der
gegnerischen Kritik. Rattner 520. — Sterilisation der Laminaria
und ihre praktische Bedeutung, Zur. Fürth 289. — Sterilisation,
La - du material de suture, Ugature, sondage, drainage. Longuet
85. — „Stiele“, Die Behandlung der - bei g 3 mäkoiog. Operationen.
Theilhaber 336. — Stimmbänder, Gibt es jetzt eine Ausnahme von
der Reg«l, dass bei intensiver AfFection der Nn. rekurrentes vagi
die Abduktoren der - früher Funktionsstörungen zeigen als die
Adduktoren. Rosenbach 530. — Stimhimerkrankung, Symptome
der. Anton 335. — Stovain, Das - in der Infiltrationsanaesthesie.
Lohmann 9. — Stovainvergiftung, Ein Fall von schwerer
— nach Lumbalanaesthesie nebst Bemerkungen über halbseitige
Anaesthesieen. Trautenroth 104. — Streckaponeurose der Finger
(Distalen Phalanx), Ueber den Abriss der. Selberg 181. —
Streckaponeurose der Finger, Ueber d. Abriß der. Läufer 334. —
Streckaponeurose der Finger, Ueber den Abriß der. Frank 304.
— Streptokokken, Beiträge z. Unterscheidung der. Baumann 319.
— Struma, Akute - als Folge von Seekrankheit. Bosenfeld 82.
— Studienreise, Randglossen zur VI. ärztlichen. Weissmann
551. — Stuhlverstopfung, Zur Pathogenese der angeborenen -
(Hirschsprungsche Kitmkheit). Bittorf 93. — StUve, Osnabrück
124, — Styrakol, Ueber die therapeutische Wirkung des. Ulrici 9.
Syphilidologie, Prakt. Ergebnisse auf dem Gebiete der. Bruhns
551. — S 3 rphilisantisubstanzen, Ueber den Nachweis von spec. - und
deren Antigenen bei Luetikern. Dehre 289. — Syphilis, Du prurit
dansla. Thorei 163. — Syphilitische Aetiologie und Therapie der
Tabes dorsalis, Ueber die. Goebel 452. — Syphilitischen Blotes,
ExperimenteUe Untersuchungen über die Infektiosität des. Hoff-
mann 169. — Syphilis, Ein Beitrag zur Semmbehandlung der.
Engel 479. — Syphilitischer Primäraffekt, Zur Frühdiagnose des.
Danziger 479. — Syphilis, Eine serodiagnostische Reaktion bei.
Wassermann, Neisser, Bruck, 283. — S 3 rphili 8 hereditaria tarda,
Ein Fall von - bei der Ohrlabyrinthe, v. Behm 196. — Syphilis
tertiaire, Localisations regionaires inv4t4rees de 1a. Dieulafoy 233.
Syphilisübertragungsversuche, Experimenteller Beitrag zur Kritik
der Siegelschen. Wechselmann 93. — Syphilis, Ueber - der Caruu-
kula snblingualis. Helbi 358, — Sjrphüis und Unfallversicherung
der praktischen Aerzte. Jesionek 346. — Syphilis, Versuche zur
Uebertragung der - auf Affen. Neisser 169. — Syphilis, Weitere
Studien über Immunität bei - and b. der Vakzination geg. Variola.
Kraus und Volk 289. — Syphilis, Weitere Untersuchungen über
die Ätiologie der. Siegel 45, — Syphilis, Zur Allgemeinbehandlung
der. Loew 560. — Syphilis, Zur Aetiologie der - (Kraus-Spitzer)
Spirochaetenbefunde. Kreibich 115.
T.
Tabes dorsalis, Zur hydrotherap. Behandlung der. Laqueur
506. — Tabakvergiftung, Zur Frage der chronischen. Tavarzer
289. — Tabes bei Hunden, Experimentelle. Spielmayer 566. —
Tamponade, Hintere - bei Nasenbluten. Naegeli-Ackerblom 387. —
Taubenpocke, Unters, über die sogen. Loewenthal. — Taubheit,
Ein Pall von hysterischer. Thomisch 195. — Tabischer, Ueber
den plötzlichen Tod der, Hirscbberg 72. — Teleangiektamen, Zur
Behandl. der flachen - m. Radium. Exner 305. — Temperatur¬
messung in elektrischen Lichtbädern. Üblich 148. — Temperatur¬
steigerang, Einseitige - in der gelähmten Körperhälfte bei cere¬
braler Herderkrankung. Motzen 336. — Temperatorsteigerungen,
Ueber praemenstrielle. Riebold 148. •— Temperatursteigerungen,
Ueber praemenstrielie. Riebold 161.—Tetanusantitoxin, Ueber pro-
phil. Injectionen von. Lothemsen 305. — Tetanie, Zur Kenntnis des
intestinalen Ursprungs. Quosig 136. — Tetaniestar, Zuckerstar,
Alterstar. Pineies 304. — Tetanustoxin, Ueber Komponenten des
— hei Anwendung von wasserfreiem Salzsäuregas bei der Tempe¬
ratur der flüssigen Luft. Wolff-Exner 515. — Tetanus traumaticus,
Heilung eines Falles von. 265. — Thephorin, Pharmakolog. Unters,
über ein neues Diureticum. Maass 209. — Teophyllin, Die neueren
Erfahrungen über. Thienger 161. — Therapie, Ueber naturgemäße.
Goldsoheider 135. — Thiosinamin. Boseck 568. — Thiosinamin-
behandl., Zur kausal. - des Malum Dupuytren. Jellinek 359. —
Thiosinaminbehandlung bei traumatischen Strikturen. Mohr 56. —
Thiosinamingebrauch, Temperatursteigemng nach. Briniker 55. —
Thoracoplastik, Ueber. Goebel 518. — Thorakalgeräusche. Ueber
autochthone. Fleischer 9. — Thorax-Durchleuchtung. 460. - Thorax-
Durchleuchtung, Ueber den Wert der - bei der Pneumonie. Rieder
449. — Thoraxhälfte, Missbildung einer - und. d. entspr. oberen
Gliedmaße. Flinker 149. — Thyreoiditis, Ein Fall von acuter,
nicht eitriger. Stadler 70. — Thyreoiditis acuta und Jodismus
acutus. Lublinski 114. — Tonsillenabszess, Kritisches und Neues
zur Therapie des. Sommer 147. — Torfmull, Lagerung von unreinen
Kranken auf. Zippel 93. — Totenstarre, Zur Kenntnis der intrau¬
terinen. Sommer 93. — Trachoms mit Radium, Beitrag zur Behänd-
lang des. Dinger 451. — Traumatische Entzündungen des Knie¬
gelenks, Ueber. Hoffa 19. — Trigeminus. II. Teil. 171. — Tricu-
spidalklappe, Ueb. die Wege der Kompensation bei Fehlem der.
Franke 379. — Tripper, Zur Statistik des Trippers beim Manne
und seine Folgen für die Ehefrauen. Erb 565. — Trommelfelle aus
Paraffin, Künstliche. Hamm 115. —Trommelsohlägerfinger, Links¬
seitiger - bei Aneurysma arcus aortae. Groedel 93. — Trommel¬
schlägerfinger, Ueber Vorkommen und Aetiologie einseitiger.
Bernhard 148. — Tropakokain-Analgesien. 1000 meduUarl. Schwärs
378. — Tsutsugaraushi-Krankheit, Vorl. Mitteilung über die Aetio-
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1906.
MEDIGINISCEB WOCHE.
585
logie der. Ogata 518, 548. — Taberkelbasillen, Beitrag zur
Kenntnis der Virulenz der. Marmorek 136. — Tuberkelbaoülen,
Das Verhalten der - in den verschiedenen Organen nach intravenöser
Injektion. Neumann Wittgenstein 358. — Tuberkelbaoillen, Experi¬
mentelle Beitrftge zur Frage des Vorkommens von - in Kolostrum
und Muttermilch. Finster 288. — Tuberkelbazillen • Präparate,
Experimentelle Studien Über die Wirkung von • auf den tuber¬
kulös erkrankten Organismus. Wassermann, Bruch 161. — Tuberku¬
lin, Die Anwendung d. - bei der Behandlung von Lungenschwindsucht.
Elrüger 334. — Tuberkulinbehandlnng, Zur. Jassler 398. — Tuber-
kulinbehandlong der Lungentuberkulose. Hammer 567. — Tuber¬
kulintherapie in der ambulanten Behandlung und bei Fiebernden.
Die. Krause 8. — Tuberknlose-Behandlnng im Höhenklima. Morin
558. — Tuberkulose-Beitrag zur Lehre der primaren-(Lupu8)
der Nasenschleimbaut. Fein 550. — Tuberkulosebekämpfung, Ueber
den derzeitigen Stand der. Koch 54. — Tuberkulosebehandlung,
Einiges zur Frage der - in Volksheilstätten. Fenzoldt 218. —
Tuberkulose, Die Beziehungen der - zu der Ferlsucht der Rinder.
Rabinowitsch 321. — Tuberkulose-Frage, Beitrag zur - auf Grund
experimenteller Untersuchungen an anthropoiden Affen. Düngern
80. — Tuberkulose, Ueber einige Enttäuschungen und Hoffnungen
bei der Behandlung der - de Renzi 253. — Tuberkulose-Heilstätte,
Die steierische. Pfeiffer 531. — Tuberkulose, Die medikamentöse
Behandlung der. Bielharz 183. — Tuberkulose inflection, Ueber
die Beziehungen zwischen Organzelle und. Bartel 490. — Tuber¬
kulose, Neuere experimentelle Unters, über. Rabinowitsch 517. —
Tuberkulose der Mamma, Ueber. Geissler 504 — Tuberkulose
der Milz, Ueber primäre - der Milz. Franke 461. —
Tuberkulose imd Schwangerschaft. Rosthorn n. Fraenkel 282. —
Tuberkulose, Die Sterblichkeit an - in Oesterreich. Teleky 452.
— Tuberkelbazillen, Ueber das Verhalten der - an der Eingangs¬
pforte. Uffenheimer 171. — Tuberkulose, Unters, über primäre -
im Verdauungskanal. Ipsen 322. — Tuberkulosefrage, Zur -. Bartel
208. — Tumoren, zur Beurteilung der nach 0. Schmidt in ma¬
lignen Tumoren auftretenden protozoenähnl. Mikroorganismus -.
Schulberg 516. — Tuberkulose, Die spec. Therapie der -. Mara-
gliano r>19, 506. — Tumor der linken Gesichtshälfte, ausgehend
vom Bachendache, - Ein. Jäger 270. — Typhus, Zur - Diagnose.
Meyerstem 515. — Typhus abdominalis, Die Behandlung des -.
Stadelmann 569. — Typhusagglutinine, Ueber das Verhalten der -
im mütterlichen und foetalen Organismus. Staubli 219. — Typhus
und Ämoebendyseuterie, Ueber einen Fall von gleichseitigem Be¬
stehen von kompl. durch Milz- und Leberabszesse. Martin 286.
Typhusbazillen, Der kulturelle Nachweis der - in Faeces, Erde
und Wasser mit Hilfe des Malachitgrüns. Löffler 114. — Typhus¬
bacillen, Ueber das Verhalten des im Blute der Typhuskranken
nachweisbaren. Conradi 346. — Typhusbacillen, Ein Beitrag zur
Züchtung von - aus dem Blute. Porot 303. — Typhus^acillen,
Ueber das Verhalten der im Blute der Typhuskranken nachweis¬
baren - gegenüber der bakteriziden Wirkung des Blutes. Eppen-
stein Körte 318. — Typhusbakterien, Nachweis von - in ein¬
gesandten Blutproben. MüUer-Graef 45. — Typhusbacteriurie und
deren Verhältnis zu den Nieren, Ueber. Vas 171. — Typhus,
Biliöser. Ehrlich 478. — Typhusdiagnose, Zur - mittels des
Typhusdiagnostikums von Picker. Meyerhoff 83. — Typhusdiagnostik,
Beitrag zur. Foeppelmann 321. — Typhuserreger im Blut, Ver¬
fahren zum Nachweis von. Conradi 46. — Typhusgalleröhre,
Weiteres über die Verwendung der - zur Blutkultur. Eayser 449.
u.
Ueberdruckverfahren, Praxis und Theorie des. Brauer 181.
— Ulcus corneae serpens. Die Behandlung des. Heilbron 287. —
Unfallverletzter, Vorschläge zu einer den Heilungsprozess nicht
retardierenden Unterstützung der. Hackländer 568. — Unfallver¬
letzter, Eine Bemerkung zur Begutachtung. Mulert 571. — Uni¬
versalblende, Eine. Stein 491. Unternährung, Die - und deren
rasche Heilung. Fürst 436. — Unterricht, Die Aufgaben des
— in der med. Klinik, v. Noorden 490. — Untersuohungsobjekte,
Wie sollen - eingesandt werden? Dürck 367. — Unterschenkel-
gesdiwüre, Zur Behandlung der, Bringe 232. — Urin, Rück-
Stauung des - nach dem Nierenbecken. Geigel 568. — Urinfänger
für Kinder, Ein. Finkeistein 45. — Uterusblutungen. Bunge 253.
Uterusoarcinom, Ueber den Kampf wider das. Döederlein 421. —
Utemshaltezange. Früsmann 450. — Uterustuberkulose, Ein seltener
Fall von. v. Braun 33. — Uviolbad, Axmann 206. — Uviolbe-
handlung. Weitere Erfahrungen über die -, sowie einen neuen
Apparat zur Bestrahlung des ganzen Körpers mittels ultravioletten
Lichtes. Axmann 206.
V.
Vakzineerkrankung des Auges, Ueber. Alexander 147, — Vak-
zineimmonität, Beitrag zur. Nobl 290. — Valyl gegen Ohrensansen.
Knopf 95. — VentUschallstUck, welches jede grössere Spritze zu
einer Rir Stauung und Funktion tauglichen Luftpumpe macht, Elin.
Gross 148. — Verblutung, Ein seltener Fall von - der Mutter
bei der Geburt. Emmerich Kossow-Gerrosey 73. — Verpflegung,
Vorschläge zur prakt. Durchführung einer individuellen - In Bade¬
orten. Silbergleit 450. — Veronal, Selbstmord durch. Ehrlich 161.
Vestosol, Die Beh. der Hyperidrosis mit. Saalfeld 368. — Videaut
oonsules. Alt 136. — Vierordt, Oswald, Nekrolog, Hannover 529.
Vierzellenbades, Die Einwirkung des - auf den Blutdruck 357.
ViskositätsbestimmuDg, Zur Methodik der - des menschlichen
Blutes. Determann 253. —- Visvit, Elrfahrungen mit dem neuen
Nährpräparat. Rosenthal 551. — Visvit, Ueber ein neues Nähr¬
mittel. Bergner 435. — Vitaquelle, Chemisch-physikalische Unter¬
suchung des alkat.-muriatischen Säuerlings zu Sulz. Ludwig,
Panzer, Zdarek 208. — Vomissements incoercibles chez nn jeune
homme de seize ans. Broeckaert 242. — Vöslauer Therme, Ueber
die. Ludwig, Panzer, Zdarek 83, — Vulvacarciuom, Die Prognose
bei Operation des. Grünbaum 104.
w.
Wachsuggestiou, Ist - erlaubt? Spaeth 282. — Wallerache
Gesetz, Ueber das. Zander 336. — Wanderniere bei Frauen.
Heidenhain 95. — Wäscheschutz bei Gonorrhoe, Ein neuer. Philip
169. — Wasser als Feind der Röntgenaufnahmen, Das. Lichten¬
stein 134. — Weihnachtszeit nach Florida, Um die. Beck 282.
— Wehen und Wehenschmerz und deren Beziehungen zur Nase,
Ueber. Jerusalem, Falkner 195. — Wöchnerin, Diätetik der. Heger
570. — Wolfrachen und perorale Tubage. Kuhn 181. — Wunden,
Die Beh. frischer - m. d. Wärme zum Austrookenen gebr. Ver¬
bänden. Asbek 476. — Wurmfortsatz, Ist eine chronische Ent¬
zündung des - die Vorbedingung für den akuten Anfall Aschoff
327.
z.
Zahnspirochaeten, Ueber die Züchtung von - und fusiformen
Bacillen auf küustl. Nährböden. Mühlens 285. — Zahnverlust,
Ueber die Ursachen des frühzeitigen. Wamekros 290. — Zentri¬
fuge, Eine neue - mit hoher Tourenzahl und zuverlässigem Touren¬
zähler. Thilenius 8. — Zimmtsäure, Ueber die Wirkung der.
Weissmann 560. — Zirkulationskühlung, Eine neue - für die Finsen-
lampe. Axmann 115. — Zitronalkur, Die - in propbylaki und therap.
Beziehung. Kühner 387. — Zuckerarten, Ueber die Ausnutzung
der verschiedenen - bei Diabetikern. Petitti 83. — Zuckeraus-
scheidung im Urin bei krupöser Pneumonie, Ueber. Bosenberger
327. — Zuckerausscheidung, Ueber den Einfluss der Temperatur
auf die. Brasch 218. — Zuckerbestimmuug im Ham, Quantitative.
Levy 82. — Zuckerbestimmung im Harn mittelst einer Modifikation
der Trommerachen Probe. Simrock 231. — Zuckerbildung, Zur
Frage der - aus Fett Kolisch 288. — Zuckerstar, Pineies 304.
Zunge, Rückläufige Strömung in die Speiseröhre als Erklärung der
belegten. Kasch 356. — Zunge, Ursachen der belegten. Rollin 231.
Zweifadennaht und Bauchschnittschluss. Torggler 338. — Zwerch-
fellthermie mit Magenruptur, Ein Pall von. Daxenberger 104. --
Zyklodialyae, Weitere Erfahrungen mit der - auf Grund von 50
Operationen. Heine 45.
Digitized by LaOOQie
Adam, Berlin 114.
AdamÜewicz, Wien 540.
Adler, New York 518.
Ag6ron, Hamburg 450.
Amfeld, Marburg 104, 478.
Albers < Schönberg, Hamburg
219.
V. Aldor, Karlsbad 379, 530.
Alexander, Berlin 115.
Alexander, Nürnberg 147.
Alland 105.
Alt, Konrad 136.
Alt, Uchtspringe 318.
Alt 506.
Althen, Wiesbaden 388.
Amberger, Frankfurt a. M. 182.
Amende, Berlin 206.
Anton, Halle a. S- 335, 867.
Apolant, Frankfurt a. M. 287.
Apetz, Würzburg 253.
Archimontanus, Dr. 188, 198.
Ameth, Wtirzburg 218, 231,
282, 303.
Arnheim, Rixdorf 518.
Asbeck, Harburg 476.
Aschoff, Marburg 327.
Asher, Dr. W., Leipzig 269.
Assfalg, Frankfurt a. M. 459.
Assmann, Leipzig 346.
Aufrecht, Magdeburg 9.
Axenfeld, Freiburg i. Br. 282.
Axmann, Erfurt 115, 206.
Bacelli, Prof. Dr., Bonn 271,
292, 297.
Baer, Wienerwald 149.
Baer, Strassburg 515.
Baermann 345.
Baginsky, Berlin 147, 161.
BaS 73, 339, 506.
Baisch, Tübingen 421.
Bartel, Wien 490.
Bauer, Berlin 287.
Bauermeister, Braunschweig
184.
Baumann, Breslau 168.
Baumann, Metz 319.
Baumgarten, Tübingen 462.
Baumgarten Tübingen 566.
Baumgarten, Wien 163.
Bashford, London 194.
V. Bavach, R., Lemberg 219.
Bechtold, Würzburg 516.
Beck 282.
Beck, Wtirzburg 320.
Becker, Hildeshoim 346.
Beer, "Wien 83.
Beetmano, Batavia 94.
V. Belim, Erfurt 169, 196.
[lamen-Rejisfer.
Beichenstein, Lemberg 163.
Beisheim, Dr. A., Salzschlirf
437.
Beitzke, Berlin 321.
Benedikt 336, 339.
Benjamin, Wien 338.
Benfey, Berlin 55.
Bergeat, München 321.
Berger, Köln 320, 230.
Berger, Hamburg 168.
Bergner, Dr. Hans 435.
Berliner, Breslau 170.
Bemdt, Stralsund 113.
Bernhard, Berlin 148, 338, 518.
Bemard 209.
Best, Prof. Dr., Giessen 107.
Bestelmeyer, München 180.
Besold, Falkenstein 517.
Bettmann, Heidelberg 284.
Bettmann, Leipzig 502.
Benthner, Priv.-Doz. Dr., Genf
85.
Bickel, Berlin 32, 207.
Bier, Prof. Dr. Bonn 303, 95.
Biemacki. Lemberg 232.
Bilharz, Sigmaringen 183.
Bingel, Tübingen 383.
Binz, Bonn 182.
Birch-Hirschfeld, Leipzig 528.
Birnbaum 254.
Bittorf, Breslau 231.
Bittorf, Leipzig 93.
Blaschko, Berlin 105.
Blenke 464.
Bloch, Kattowitz 504.
Bloch, Wien 289.
Blum, Strassburg 516.
Blume, Kopenhagen 357.
Blumenkranz, Wien 171.
Blumenreich, Berlin 114.
Bluth, Neuenahr 71.
Boas, Dr. J., Berlin 283, 379,
436.
Böhm 528.
Böhme, Marburg 503.
Boesser. Chemnitz 503.
Bondi, Wien 47.
Bonboeffer, Breslau 356.
Bonygues 163.
Boochardt, Berlin 338.
Borgnis, Mannheim 478.
Boseck, Stettin 568.
Boss 232.
Bosse, Berlin 32.
Bosse, Berlin 148.
Bourget, Lausanne 55.
Bracco, Turin 114.
Bradt, Berlin 503.
Brauer, Marburg 181, 282.
von Braun, Temwald 33, 507.
Braun, Göttingen 181.
Brann, Leipzig 31.
Braun, Dr. R., Wien 141.
Brasch, München 218.
Breitung, Zahnarzt 450.
Brenner, Heidelberg 450.
brennmg, Dr. M., Berlin 510,
522.
Bresgen, Dr. Maximilian, Wies¬
baden 407.
Brings, Wien 232.
Brinitzer, Bern 55.
Broer, Witten 367.
Broeckaert 243.
Bröse, Berlin 462.
Browning, Frankfurt a. M. 286,
287.
Brownii^, Glasgow 195.
Bruck, Berlin 101, 321.
Bruck, Breslau 283.
Brühl, Berlin 532.
Bruhns, Berlin 84, 105.
Bruns, Prof. Dr. L. 184.
Bruns, Berlin 115.
Bruns, Leipzig 334.
V. Bruns, Tübingen 421.
Buberl, Wien 149.
Büchner, München 315.
Bumke, Freiburgi. Br. 204.
V. Bunge, G. 254.
Bürgi, Bern 285.
Burgl, Nürnberg 124.
Burk,»Frankfurt a. M. 450.
Burmeister, Concepcion (^Chile)
205.
Burwinkel, Dr.C., Nauheim480.
Busalla, Hannover 286.
Buschke, Berlin 162, 284.
Cahn, Strassburg 44.
De la Camp, Berlin 19.
Carpi 506.
Casper, Berlin 422.
Castellani, Colombo 71.
Cassaet 209.
Chiari, Prof. Dr., Prag 398.
Cholewa, San.-Rat, Nauheim
243.
Cbotzen, Breslau 335.
Chrobak 539.
Classen, Grube (Holstein) 207.
Claus 528.
Clemm 163, 173.
Cluss, Prof. Dr. A. 436.
Coenen, Dr. Franz 72.
Colley, Insterburg 92.
Colmers, Leipzig 180.
Digitlzed
Connstein, Dr. W., Berlin 254.
Conradi Neunkirchen 46.
Gonradi 346.
Cohn, Dr. M., Berlin- Gharlotten-
bnrg 7, 19, i.7, 42, 69, 81,
91,102, 110, 167, 171, 174,
192, 203, 229, 262, 259,
295, 298, 301, 311, 317, 347,
448, 499, 506. 519, 515, 527,
538.
Cohn, Breslau 8.
Gohn, Königsberg 95.
Gohn, Mannheim 820.
Cohn-Ejndborg, Bonn 462.
Gohn, Berlin 195.
Gramer, Bonn 253.
Cred6, Dresden 319.
Cremer, München 218.
Gumpe, Schnarsleben 9.
Gurschmann, Tübingen 421,
Czaplewzki, Köln 147.
Dammermann, Berlin 296.
Danziger, Frankfurt a. M. 479.
Daxenberger, Regensburg 81,
104.
Deetz, Rostock 345.
Dege, Berlin 519.
Delavilla, Wien 305.
Delkeskamp, Königsberg i. Pr.
70.
Denker, Erlangen 275.
Denker, Erlangen 570.
Detennann, Freiburg i. B. 253,
Detre, Budapest 289, 339.
Deutsch, Wien 55.
Deutschiänder, Hamburg 286,
287.
Deutschmann, Prof. Dr. R.,
Hamburg 47, 62.
Deutschmann, München 217.
Dietrich, Rixdorf 518.
Dinger, Amsterdam 451.
Diesing, Kamerun 296.
Dieudonnö, München 303.
Dienlafoy 233.
Düudonnö 568.
Dmitrenko, Dr. L. F., Odessa
481, 520.
Doederlein, Tübingen 205, 421.
Dönitz, Bonn 345.
Dönitz. Bonn 567.
Doerffeler, Weissenbg.134,477.
Doering, Göttingen 337.
Doerner. Wiesbaden 135.
Doerr, Wien 312, 379, 479.
Dorf, Klein Mohrau 125.
Doutrelepont, Bonn 296.
Google
190«
MEDICINISCHB WOCHE.
587
Drehmaim, G., Bre8laol37,219.
DreyfasS} Heidelberg 113, 346,
380.
Dabar 243.
Diihrssen, Prof. Dr., Berlin 13.
Diirck, Mlincben 367.
Daager, Dresden-J. 205.
▼. Düngern, Freibui^ 30.
Dänin, Warschau 4'J2.
Ebermayer, München 169.
Ebstein, Dr. E., Göttingen 88,
253, 308,314, 321, 324, 330,
454.
Eckersdorff, München 515.
Eckstein, Dr. G., 398.
Edel, Wyk a Föbr 286.
Edlefsen, Hamburg 72.
Ehret, Strassbarg 53.
Ehrlich, Stettin 161, 478.
Ehrlich, Frankfurt a. M. 287.
Ehrlich, Wesel 146.
Ehrmann, Berlin 9.
Ehrmann, Ludvrigshafen 47.
Ehrmann, Wieden-Wien 339,
347,
Eichhorst, Zürich 282.
Einhorn, New York 285,
Einis, Dr. L. L., Ekaterinodar
453-
V. Eisler, Wien 219, 305.
Elsaesser, Hannover 93.
Emmerich, Koszow-Gerronay
72.
Enderlen, Basel 477.
Engel, Dr. H., Berlin 479, 553.
Engel, Dresden 319, 337, 378.
Eppenstein, Breslau 318, 516.
Erb Heidelberg 565, 569.
Erdmann, Halle a. S. 114.
Elenm^er, Bendorf a. Rh. 104.
Esch, Berlin 193.
Esch, Bendorf 532.
Escherich, Wien 311, 358.
Eschle, Sinsheim 56, 208.
Etienne 234.
Ewald, Heidelberg 528.
Ewald, Berlin 125, 337.
Exner, Wien 305. [
Falkenstein, Gr. Lichterfelde
106.
Falkner, Wien 195.
Favarger, Wien 289.
Federschmidt, Dinkelsbühl 161,
477.
Fehling, Strassbarg i. E. 501.
Fehling, Strassbarg a. E. 566.
Fein 379. !
Feldmaon, Budapest 305.- '
Fellner jr., Franzensbad 367. ,
Felix, Baden 480.
Fer6 209.
Finder, Berlin 72. 115, 519. !
Fink, Franz, Karlsbad 303, 219. \
Finkelnburg, Bonn 123,
Finkeistein, Berlin 45.
Finsterer, Wien 338.
Fisch, Dr. Maurus, Karlsbad
242.
Fischer, Berlin 284.
Fischer 451.
Fischer, Berlin 162.
Fischer, Bonn 475.
Fischer, Kiel 92, 104.
Fischer, Prag 290.
Flatau, Dr. S., Berlin 72, 75,
492.
Fleischer 9.
Fleischmann, Wien 539.
Fleischl, Dr. E. 233.
Fiesch, Budapest 206.
Flinker, Wiznitz a..Ez. 149.
Fock, Hamburg 515.
Focke, Düsseldorf 286.
Foges 289.
Fomet, (Juter Eisass 303.
Frank, Dr. Erwin, Berlin 85.
Frank, E. R. W., Berlin 422.
Frank, Flensburg 304.
Franke, Lemberg 379.
Franke, Braunschweig 461.
Frankenstein, Kiel 135.
Franze, Nauheim 552.
Fraeukel, Berlin 124.
Fraenkel, Badenweiler 282.
Fraenkel 528.
Fraenkel 516.
Frankel, Berlin 502,
Freund, Danzig 9, 31, 199, 187.
Freund, Halle a. S. 347.
Freund, Reichenberg 83.
Freytag, Dr. Gustav, München
307, 313.
Fried heim, Hamburg - Eppen¬
dorf 46.
Friedmann, Berlin 106.
Friedmann, Berlin 357.
Friedberger, Königsberg 205. |
Friedjnog, Wien 306.
Fridezko, Wien 183.
Fromme, Halle 30.
Frommer, Wien 115.
Funck, Köln 450.
Fürst, San.-Rat Dr. R., Berlin
4.16.
Fürth, Dervent 28.
Füster, Wien 288.
Füth, Leipzig 123.
Oaethgens, Strassburg i. E. 346. |
Galew'iky, Dresden 346. !
Galli, Giovanni, Prof. Dr., Rom
499. i
Galli-Valerio, Lausanne 55,368.
Ganz, Brünn 184. i
Ganz, Dr. Carl 509.
Garr6 254.
Gärtner, Prof. Dr., Jena 210.
Gätgen, Dr., Bockau i. Erzgeb.
482, 494.
Gaupp, Tübingen 528.
Gaupp, München 334, 336.
Gaiiss, Freiburg i. Br. 335.
Gebele, München 169, 303.
Geigel, Würzburg 568.
Gfiigel, Würzburg 218.
Geissler, Schöneberg 504.
Georgi, Dresden 194.
Gerhardt, Jena 335.
Gerlach, Göttingen 282.
Gernsheimer, Mannheim 124.
Gersuny, Wien-Döbliug55,149.
Gessner, Oldenstedt 518.
Gioseffi, Pola 378, 539.
Giese, Jena 124.
Gierke, Freiburg 123.
Glaessner, Wien 378.
Gluzinski, Lemberg 163.
Goebel. Bielefeld 452.
Goebel, Breslau 518.
Goldbaum, Hamburg 241.
Goldscheider, Prof., Berlin 135,
207, 460.
Goldschmidt, Berlin 84.
Göllner, Hermannstadt 20.
Graff, Prof. Dr. H., Bonn 349.
Graef, Kiel 45.
Graeffner, Berlin 146.
Graser, Erlangen 70.
Grassmann, München 53, 240,
517
Grashey, München 333.
Gränpner, Nauheim 336.
Grissou, Hamburg 502.
Oroedel. Nauheim 93, 218.
Gross, Harburg 148.
Gross, Dr Ludwig, Liegnitz 212.
Grosse, München 517.
Grossmann, Wien 491.
Grouven, Bonn 296.
Grube, Bad Neuenahr 356.
Grüubaum, Berlin 104.
Grünwald, Reichenhall 346.
Gundel, Dr. phil. Direktor,
Rastenburg 137.
Gunkel, Fulda 71.
Gutzman, Berlin 32, 206.
Guzmann, Wien 208.
V. Haberer, Wien 339.
Hackländer, Giessen 568.
Haedicke, Falkenstein 183.
Hagedorn, Dr. M., Hamburg
389.
Hagen, Nürnberg 276.
Hager, Magdeburg 194.
Bahn, Mainz 169.
Hahn, München 304.
Halban, Wien 33.
Halben, Priv.-Dozent Dr. R.,
Greifswald 381.
Halberstädter, Batavia 91.
Halberstädter 345.
Halbron 233.
Halbe, Berlin 479.
Halbe, Berlin 490.
V. Haelst 209.
V. Hansemann, Berlin 115, 286,
287.
Hamburger, Wien 182, 339.
Hamm, Braunschweig 115.
Hammer, Prof. Dr. Heidelberg
528, 567.
H^rrass, Greifswald 528.
Hartung 275.
Haudek, Max 461.
Hecht, Beiithen .334.
Hecht, Wien 103.
H-ichinger, Freiburg i. Br. 170.
Hecker, München 160.
Hegar, Freiburg i. Pr 570.
Heepke, W. 210.
Heermann, Posen 283.
Heermann, Essen 319.
Heidenhain, Marienwerder 95.
Heil, Darmstadt 290.
Heilbronn, Berlin 287.
Heiiman, Göteborg 504.
Heine, Breslau 45.
Heine, Berlin 55.
Heinecke, München 217.
Heinsheimer, Baden-Baden 287»
Heinze, Beelitz-Berlin 284.
Heitler, Wien 125.
Hempel, Dresden 103.
Helbing, Nürnberg 103,
Heller, Salzburg 304, 321.
Heller, Charlottenburg 358.
Hengge, München 205.
Hensel, New York 518.
V. Herff, Basel 275, 355, 366,
Herhold, Altona 92.
Hering, Prag 94.
Herscheimer, Frankfurt a. M.
103.
Herscheimer, Wiesbaden 285.
Herschensteiner, München 218.
Hertzka, St. Beucschau 124.
Heryng, Wersau 136, 148.
Herz, Meran 502, 518.
Herzl, Wien 105, 379.
Herzog, Heidelberg 347.
Heusner, Barmen 193.
Hinsberg 253. .
Hinterstoisser, Teschen 33.
Hildebrandt, Berlin 162.
Hilgenreiner, Prag 136.
V. Hippel, Richard, Kassel 464.
Hirsch 234.
Hirsch, Berlin 285, 286.
Hirsch, Kudowe 357.
Hirschberg 283.
Hirschfeld, Dr. Magnus, Char-
lottenburg 491.
Hirachberg, Dr. L., Berlin 441,
426.
Hirschberg, R., Paris 72.
Hirschfeld, Berlin 231.
Hirschl, Wien 149.
Hirschstein, Hamburg 253.
Hirtz 163.
Hochenegg, Wien 8.
Hoeniger, Dr. F., Rechtsanwalt,
Berfin 24.
Hoepfl, Haushain 70.
V. Hoesslin, München 218.
Hoffa, Prof. Dr. A., Berlin 19,
20, 105, 283, 284, 285, 356,
464, 407 , 505.
Hoffmann, Berlin 505.
Hoffmann, München 134.
Hoffmann, Leipzig 170.
Hofbauer, Wien 94.
Hofmann, Karlsruhe 93, 356.
Hofmeier, Würzburg 83, 282.
Hoffmeier, Rethem a. Aller 319.
' Hohmann, München 275.
; Holländer, Berlin 306.
Hoppe, Köln a. Rh. 194, 450,
Hoppe, Königsberg 368, 379.
Hornung, Marbach am Boden-
' see 499.
Horstmann, Berlin 478.
Holup, Karlsbad 288.
1 Hotys 184.
Hölscher, Dr. Ulm 561.
Huber, Salzburg 114.
Huberti d’ Dalberg, Dr. G. K.
L. 248.
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588
MEDIGINISGHE WOCHE.
Nr 53.
HudoTemig, Badapest 478.
Hübner 519.
Hnebschmann, Genf 822.
HnismannSf Edln 508.
Hutzier, München 161.
Illyes, Budapest 135.
^sen, Kopenhagen 822.
Jacob, Eudowe 386.
Jacoby, Berlin 337.
Jacol^, Breslau 46.
Jaff6, Posen 231.
Jagi5, Wien 288.
Jäger, Hof 276.
Jankau, Dr. L. 276.
Jansen, Eopenh^en 490.
Jassler, Dr. G., Frag 398.
Jauregg, Wagner von 506.
Jehle, Wien 311, 855.
Jellinek, Wien 358, 479.
Jerusalem, Wien 196.
Jesionek, Giessen 319, 346.
Jockmann, Breslau 206, 285,
355, 459, 591.
Jodlbauer, München 181.
Johansen, Br. J. C., Kopen¬
hagen 822.
Jolly, Berlin 320.
Jonas, Wien 298.
Juki, Leth 243.
Julinsbuiver, Dr. Otto Steg-
litz-BeHin 436.
Jung, Greifswald 8.
Jungmann, Wien 358.
Jus^ Karlsruhe i. B. 312.
Jiisti, SteglitZ'Berlin 847.
Kaiser, Dresden 209.
Kaiser, Strassburg 218.
Kaiserling, Berlin 171.
Ealberlah 528.
Ealisky, Breslau 82, 269.
Kamman, Hamburg 337.
Karewski, Berlin 286.
Käst, Berlin 287. 356.
V. Kautz, jun., Wien 195.
Kavser, Strassbnrg i E. 449.
Kellner, Hamburg 567.
Kompner, Berlin 171.
Kephallinos, Korfu-Graz 288,
367.
Kern, Wien 288.
V. K4tly, Budapest 868.
Kikuchi, Osaka 879.
Kienboeck, Wien 183.
Kionka, Prof. Dr, Jena 422.
Kirchner, Berlin 124.
Kirchner, Güttingen 347.
Kistjakowski, Dr. E. W. 323.
Klan, Berlin 56.
Klaussner, München 476.
Klautsch, Halle a. S. 387.
Klautz, Wien 520.
Kleintjes, Dr. 480.
Klieneberger, Königsberg 230,
258.
Knapp, Prag 539.
Knauer, Wiesbaden 114.
Knauth, Würzbiirg 205,
Knopf, Frankfurt a. M. 95.
Knotz, Wien 126,
Koch, Berlin 54, 94.
Eodi, Dr., Marine-Oberstabsarzt
a. D., Schömberg 493.
Koch, Freiburg 531.
Köhler, Hosteraausen 820.
Kohn, Prt^ 336.
Eoliscb, Wien-Karlsbad 288.
Kolle, Berlin 147, 206.
Koellrentter, Rostock 123.
König, Altona a. E. 804.
König, Grunewald, Berlin 565.
Koerte, Berlin 71.
Koranyi, Budapest 282.
Eom 254.
Körte, Breslau 318.
Köster, Leipzig 803, 804.
Kowarski, Berlin 327.
Kraepelin, München 204.
Kraft, Wien 231.
Kran^elder, Berlin 169.
Kraus, Wien 219, 289, 379.
Krause, Berlin 29^.
Krause, Gorbersdorf 8.
Kraus, Prof. Dr., Berlin 42,566.
46, 98, 108, 118, 128.
Krautwig, Dr. P., Köln a. Rh.
342, 360, 362, 370, 382, 390,
402, 411.
Krecke, München 198.
Krefft, Berlin 188.
V. Krehl, Strassburg i. E. 282.
565.
Kreibich, Wien 116.
Kren, Wien 479.
Kromayer, Berlin 135.
Krönig, Berlin 162, 207, 606.
Kronheimer, Nürnberg 105.
Kronthal 287.
KrÜche, München 532.
Krüger, Vetschau 334.
Kuhn, Kassel 95, 181, 282, 460.
Kühnei, Wien 47.
Kühner, Koburg 387, 388.
Kümmel, Hamburg 134, 182,
838, 357.
Küppers, Düsseldorf 205.
Kurrer, Horb 452.
Kurt, Wien 463.
Küster, Freiburg i. Br. 275.
Kutscher, Berlin 337, 463.
Küttner, Marburg 46, 54.
Labhardt, Basel 53.
Landgraf, Bayreuth 181
Landsberger, Gharlottenburg
282.
Landen, Wiesbaden 367.
Landsteiner, Wien 531.
Lange, München 168.
Lange, Tübingen 84.
Langstein 253.
Lanz, Amsterdam 70.
Laquer, Frankfurt a. M. 136,
282.
Laqueur, Berlin 506.
Lapinsky, Krakau 531.
Lassar, Berlin .837.
Läufer, Luxor 334.
Ledderhose, Berlin 285.
Lefur 84.
Lemaire 163.
Lengfellner, Berlin 515.
Lenhartz, 528.
Leopold, Dresden 230.
Leo, Bonn 485, 338.
Lesser, Berlin 368.
y. Lesser, Leipzig 162.
Leu wer, Bonn 195.
Levaditi, Paris 479.
Levin, Stockholm 55.
Levinger, München 804.
Levy Dr. Fritz, Berlin 41,146,
233, 504.
Lev^, Heidelberg 82.
Lewin, Dr. Carl Berlin, 286,
863, 480, 504.
Lewinson, Moskau 462.
Lezer, Eöni^berg i. Pr. 179.
Lichtenberg, Heidelberg 58.
Lichtenstein, Dresden 184,146.
Lichtenstem, Wien 520.
Liebe, Heidelberg $2.
y. Liebermann, Budapest 104.
Liebreich, Berlin 208, 867.
Liefmann, Balle a. S-, 501.
Liefschütz 137.
Lilienfeld. Gr. Lichterfelde 125.
Lilienstein, Nauheim 205.
Lindemann, Berlin.
Lindemann, München 218,282.
Lindemann, Bochum 516.
Lindenstein, Nürnberg 518.
Liepmann, Berlin 321.
Lissauer, Werden a. R. 104.
Litten, Berlin 504.
Litthauer, Dr. M. Berlin 182,
191.
Lockemann, Leipzig 108.
Loeb, Strassburg 82.
Loebe, Leipzig 71.
Loelb, Erankmrt a. M. 281.
lioele, Leipzig 303.
Loening, Leipzig 476.
Loewenthal, Berlin 125.
Loewenthal, Berlin 282.
Loewenthal, Braunschweig530.
Lobmann, Berlin 9.
Lohnstein, Theodor, Berlin 463.
Lohnstein, Rudolf, Berlin 468.
Lohnstein, Berlin 170.
Longuch 85.
Lothemsen, Wien 305.
Lots, Friedrichroda 183.
Louros, Athen 46.
LöflFler, Greifswald 114.
Löbnberg, Hamm i. W. 283.
Löwy, Prag 451.
Lublinski, Berlin 114, 368.
Lucksch, Gzemowitz 358.
Lüdke, Würzburg 379.
Ludlon, Breslau 319.
Ludwig 83, 208, 620.
Lungwitz Dr. Hans, Halle a. S.
401, 412, 428.
Maas Dr. P., Aachen 220.
Maas, Berlin 209, 387.
Maas, Heidelberg 450.
Magakjan, Dr. G. N. 410, 425.
Magnus 346, 356.
Mannase 254.
Mancesze, Berlin 461.
Mangold, Jena 134, 147.
Manteuffel, Halle a. S. 1U3,458.
Mann, Triest 491.
Maragliano, Genua 490,506,519.
Marcovich, Triest 520.
Marcus, Wien 288.
Marmorel^ Paris 136.
Martens, Berlin 479.
Martin, Frankfurt a. M. 808.
Martin, Togo 276, 285.
Martin, Greifswald 357.
Mattanschek, Wien 219.
Mattö, Köln a. Rhein 286.
May, München 113, 218.
Mayendorf 530.
Mayer, Berlin 462, 463.
Mayer, München 459.
Ma^er 450.
Meissner, Dr. Paul Berlin 117,
380.
Meittner, Dr. W. Wostritz 256,
261, 272.
Meller, Wien 288, 305,
Meitzer, New York 47.
Mendel, Berlin 284.
Mennacher, München 502,
Merk, Innsbruck 208.
Merzbach, Berlin 55.
Meyer, Berlin 148, 286, 306.
Meyer, Bemstadt i. Sa. 184.
Meyer, München 217.
Meyerhoff, Berlin 83.
Meyerstein, Köln 515.
Michaelis, Leipzig 231.
Micheleau 209.
Milchner, Berlin 306, 450, 463.
Miller, Berlin 124,
Miller, Bayreuth 53.
Mindes, Drohobyez 92.
Minet 84.
Minin, Dr. A. W. St Peters¬
burg 197, 212.
Mohilfa, Dr. Karl 20.
Mohr, Berlin 56,127,143, 158,
288
Moll, Prag 219.
Möller, Altona 95.
Mollweide, Freibnrg i. B. 188.
Mörchen, Hohe Mark 204.
Morgenroth, 506.
Monan, Essen 53.
Moritz, Chemnitz 296.
Moro, Graz 82. 171, 289, 458.
Mosetig, Moorhof 519.
Mosse, Berlin 478.
Much, Marbuiw 358.
Mucha, Wien 94, 531.
Mulert, Waren 671.
Mühlens, Berlin 285.
Mühsam, Berlin 347.
Müller, Augsburg 30.
Müller, Breslau 355, 459.
Müller, Dr. Hamburg 1211, 221,
231.
Müller, Kiel 45.
Müller, München 217.
Müller, Wien 289, 378.
Murath, Graz 171.
Muskat, Dr. Gustav Berlin 151.
Naegeli, Genf 387.
Nakajama, Prag 281.
Neisser. Prof. Dr. Breslau 169,
283, 345.
Neisser, Frankfurt a. M. 47.
Nespor, Fiselia i. Polen 312.
Neubauer, München 217.
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«06
MEDICINISCHE WOCHE.
589
Neumanfr^ Berlin 182.
Neumann, Bautzen 581.
Neumann, Potsdam 880.
y. NeuflCwann, Wien 72.
Neumann, Oberstabshrzt Dr.
Brombere 534, 542,454'562.
Neumann, wieu-Gteiehenbeiv
205, 358, 379.
Neumark, Berlin 530.
Niessen yon^ Dr. Wiesbaden
329, 341. I
Nieter, Halle a. S. 501.
Nobl, Wien 290.
y. Noorden, Wien 490. i
I
Oberndorfv Münehen -4C1.
Ogata, Tokio 518.
(^m, Berlin 477.
Opitz 230.
Oppenheim, Berlin 838.
Oppenheimer, München 135.
Opißeius, Frankfurt a. M 103.
Oertel, Berlin 169. I
Ostermann, Breslau 147.
Oeeterreicher 339.
Ostmann, Marburg 193.
Ostwatd, Paris 19, 804.
Ottolenghi, Siena 378.
I
Palma, Dr. P., Reichenberg398. I
Palmer, Biberach 460. j
Panzer 83, 208, 520. j
Passini, Wien 289. !
Pfiasler, Dresden 501.
Pater 233.
Pelman 205.
Penzoldt, Erlangen 218.
Pers, Kopenhagen 205.
Pemtz, München 834. ;
Peschei, Frankfurt a. M. 162. ^
Peters, Magdeburg 516.
Peters, Petersthal 123. i
Petitti, Neapel 83.
Peukert, Freiburg i. B. 180.
Pfannenstiel, Giessen 460.
Pfeifer, Tübingen 118.
Pfeiffer 531. |
Pfeiffer, Graz 219, 491. |
Philip, Hamburg 169 i
Pick, Berlin 195, 208, 281, |
253, 312. j
Picker, Budapest 506. [
Pichon 163. :
PincQssohn, Berlin 207, 334. |
Pineies, Wien 804.
y. Pirquet, Wien 358, 366.
Plaut, Dresden 319, 378, 504. ,
Plescb, Budapest 283.
Pochhammer, Greifswald 821. i
Pollak, Prag, Weinberge 387.
Pollak, Wien 463. j
y. Poehl, St. Petersburg 231,
253. I
Popper, ^Is 290.
Popper, Wien 163. |
Poeppelmann. Coesfeld 321.
Posner, Prof. Dr., Berlin 125,
161, 490.
Posselt, Innsbruck 160, 165.
Preitz, Dr. H. 436.
PrilM'am, Wien 219.
y. Preuss, 480.
Profanter, Franzensbad 94.
Prokiewica, Krackaa 146,-149.
Prüsmann, Dresden 450.
Pudor, Dr. H., Steglitz 438.
Puppe, Küni^berg 148.
Püschmann-, Britz b. Berlin 286.
Quermonprez, Dr. Fr., Paris
407.
Quest, Leinberg 339.
Qninke, Kiel 321, 334, 450.
Quosig, Wiesbaden 135.
Raab, München 356, 867.
Rabinowitsch, Berlin 821, 517,
Racine, Essen 275.
Rahn, Dr. A., Dresden 95, 184,
188, 235, 571.
V. Ranke, München 304.
Ranzi, Wien 71.
Rastner, Berlin 461.
Rattner, Berlin 520.
Rau, Wreschen 9.
Rantenbem, Königsberg 490.
Reicher, Berlin 368.
Reimer, P. L., München
Rennert, Hamburg 54.
Keinecke, Hameln 283.
Reinhard, Wildungen 304.
Reis, 378.
Reitmann, Wilh. 289.
Remien 269,
Renzi de, Neapel 253.
R6thi, Wien 452.
Reuschel, Graz 320.
y. Reuss, Wien 338.
Rheinboldt, Kissingen 206,286,
321.
Rhese, Paderborn 207.
Ribbert, Bonn 477.
Richarz. Barmen 253.
Richter, Waldenburg 194.
Riebold, Dresden 148, 161,
847.
Riedel, Rothenburg 124.
Rieder, München 53, 218, 449.
Riedingen, Dr., Würzburg 436.
Riedl, Bad Ullersdorf 126.
Riegler, Jassy, 134.
Riehl, München 356, 460, 516,
528.
Riese, Britz b. Berlin 286.
Ringleb, Berlin 114, 283.
Ritter, Gharlottenburg 459.
Robbers, Gelsenkirchen 207,
296.
Rodari, Zürich 357.
Boeder, Berlin 304.
Boeder, Berlin 162.
Roemer, Marburg 357.
Röhrig, Wildungen 304.
Rojas, Berlin 490.
RoUin, Stettin 72, 231.
Rolly. Leipzig 355, 503.
Romberg, Prof. Dr., Tübingen
421. 532.
Rosenbach, Berlin 230, 463,
530.
Rosenbaum 356.
Roaenberg, Neuenahr 422.
Rosenberger, Heidelberg 828.
Rosenfeld, Breslau 82, 387.
Rosengart, Frankfurt a. M. 276.
Rosenhaupt, Frankfurt a. M.
478.
Rosenheim, Berlin 296.
Rosenstem, München 281, 303.
Rosentbal, Berlin 346.
Rosthom, Badenweiler 282.
Roth, Df. E.,' Halle 86, 76,
256, 262, 466, 484, 496.
Roth, Jägerndorf 528.
Rothfuchs, Hamburg 855, 476.
Rotky, Dr. H., Prag 897.
Rudinger, Wien 367.
Ruff, Wien 232.
Ruhemann 347.
Rühl, DÜIenburg 147.
Hühl, Turin 319.
Rumpf, Bodd 20.
Rumpf, Ebersteinburg, Baden-
Baden 355.
Runge, Prof. Dr., Göttingen 480.
Runge, Berlin 253.
Ruppanner, Basel 92.
Saalfeld, Berlin 368.
Saathoff, Augsburg 476.
Sachs, Frankfurt a. M. 47, 286,
287, 368.
Sachs-Muke, Magdeburg 334.
Sadger, Wien-Gräfenberg 56.
Saito 450.
Salge, Berlin 125.
Salles, Pr^ 463.
Salomon, Irankfurt a. M. 32.
Salus, Prag 358, 366.
Sargo 105.
Sarwey, Tübingen 421.
Sauerbrueb, Breslau 30.
Schaedel, Leipzig 71, 135.
Schaefer, Bonn 113.
Scheib, Prag 5ü3, 505.
Scheibe, München 281.
Scheinpflug, Vorderbruhl 20.
Schellenberg, Beelitz i. M. 284.
Schenk, Dr. P., Berlin 278,
292.
Scherber, Wien 94, 289, 305.
Scherf, Bad Orb 387.
Scherk, Hamburg 87, 97, 465.
Schick, Wien
Schickele, Strassburg i. E. 281.
Schickeil, Strassburg 148.
Schiefferdecker, Bonn .327.
Schiff, Wien 93.
Schiffmann, Wien 531.
Schilling, Nürnberg 93, 804.
Schilling, IVanzensbad 367.
Schindler, Breslau 337.
Schirmer, Greifswald 285.
Schittenhelm 336.
Schlamp, München 532.
Schlesinger, Strassburg i. E.
290.
Schlesinger, Berlin 504.
Schlesinger, Wien 31.
Schliep, Stettin 209.
Schlimpert, Dresden 337.
Schlösser, München 47.
Schlossmann, Dresden 337.
Schlüpfer, Bern 515.
Schmieden, Bonn 45.
Schmidt-Rimpler 32, 570.
Schmidt, Berlin, Wuhlgarten
195.
Digitized by C
Schmidt, Dresden 54, 160, 170’
356 569.
Schmidt, Leipzig 504.
Schneider, Berlin 94.
Schober, Dr. P, Paris 274.
Schönewald 110, 119, 249, 265,
332, 334.
Schoengut, Krakau 503.
Schöppler, München 517, 571.
Schrecker, Köln a. Rh. 53.
Schreiber, Meran 232.
Schridde, Marburg 70.
Schuberg, Heidelberg 516.
Schubert, Breslau 450.
Schüler, Charlottenburg 282.
Schüller, Berlin 94.
Schümann, Leipzig 45.
Schultz, Berlin 32.
Schultz-Zehden, Berlin 125.
Schütz, Frankfurt a. M. 160.
Schütz, Wien 182.
Schütze, Charbin 95, 148.
Schwalbe, Berlin 285.
Schwarz, Wien 47, 838.
Schwarz, Agram 378.
Seelig, Dr. A, Frauzensbad,
398.
Seeligmann, Hamburg 231.
Seid^, Berlin 114.
Seitz, München 458, 477.
Selberg, Berlin 181.
Seilei, Budapest 339, 519.
Selling. München 218.
Selter, Bonn 504.
Senator, Geh Rat Prof. Dr.,
54, 207, 287.
Senka,Wien 338.
Sieber, St. Petersburg 194.
Siebert, Breslau 337.
Siegel, Berlin 45.
Siegel, Frankfurt a. M. 168.
Siegel, Reichenball 386.
Silbergleit, Kissingen 450.
Silbermark, Wien 195.
Silberstein 480.
Simionescu 209.
Simon 506.
Simnonds, Hamburg 335.
Simrock, Frankfurt a. M. 231.
Sittler, Strassburg 231.
Singer, Dr., Berlin. 364,^430.
Smit, Rotterdam 284.
Sofer, Wien 288, 289, 290.
Sommer, Dresden 183.
Sommer, Prof. Dr., Giessen 4,
234.
Sommer, Niedermendig 93, 147.
Sondermann, Dieringhausen 517.
Sonnemann, Berlin 380.
Sörensen, Kopenhagen 188.
Spaet, Fürth 282.
Spaether, Duisburg 358.
Spaether, München 320.
Spengler, Davos 206.
Speroni, München 217.
Spiebneyer, Freiburg i. B. 355
566.
Spiess, Frankfurt a. M. 113.
Suchier, Hofrat Dr., Freiburg
i. B. 464.
Sudeck, Hamburg 459.
Sudhof, 528.
Suess i05.
oogle
590
MEDICINISCHE WOCHE.
Nr. 63.
Sng&r 195.
Stadelmann, Berlin 55, 569.
Stadler Leipzig 46, 70.
Stahr, Krakau 126.
Stäubli, München 218.
Stegmann, Karlsruhe i. B. 103,
312.
Stegmann, Wien-Döbling 54,
208.
Stehr, Dr., Wiesbaden 245.
Stein, Budapest 491.
Stein, Hildesheim 161.
Steinbüchel, Graz 82.
Steindorff, Dr. K., Berlin 27,
30, 51, 160, 176, 269, 276,
475.
Steiner, Altenburg S.-A. 136. j
Stenczel, Wien 231. '
Stenger, Königsberg 93.
Stephani, Mannheim 50 >-
Stern, Düsseldorf 205.
Sternberg, Berlin 337, 478. |
Stemberg, Wien 94, 100. i
Stiede, Königsberg i. Pr. 499. i
Stintzin, Jena 31. j
Stöckel, Berlin 72. i
Stölzel, München 304. '
Storbeck, Magdeburg 531. i
Strasser, Wien 170. 1
Stransky, Dr. E. 72. i
Strebei, München 452.
Strohe, Köln a. Rh. 194.
V. Stubenrauch 321.
Stuhl, Giessen 207.
Talma, Utrecht 287.
Tamasczewski, Halle 114, 335.
V. Tappeiner, München 181.
Tauber, Wien 149.
Teleky 452.
Terrien 243.
Teschenmacher, Neuenahr 56.
Theilhaber 304, 336.
VarknivortUcher R«<l>kteur : Dr. F.
Thesing, Dr. E-, Magdebui^
373
Thorei,^Nürnberg 163, 356.
Thienger, Nürnberg 161.
Thilenius, San.-Rat Dr., Soden
6, 8, 156.
Tiedemann, Strassburg 501.
Tilliss, Berlin 461.
Tintemann, Göttingen 478.
Tischler, Berlin 208.
Tischler, Deggendorff 367.
Tobias, Berlin 84.
Torggler, Klagenfurt 838.
Trautmann. München 502.
Treplin, Hamburg - Eppendorf
284.
Treutlein, Würzburg 230, 320.
Trommsdorff, München 160.
Uffenheimer, Dr. A., München
158, 171, 282, 374.
Uffenordt, Göttingen 313.
Üblich, Berlin 148, 182.
Uhmt, Dresden 461.
Ullmann, Znaim 290.
ürbantschitsch 451.
Vandeweyer, Brüssel 318.
Vas, Budapest 171.
von den Velden, Magdeburg
514.
Velhagen, Chemnitz 518.
Veiel, Cannstatt 103.
Veiel, Nürnberg 514.
Veit, Halle a- S. 105.
Velich, Prag 288, 290.
Veuema, Strassburg 358.
zur Verth, Kiel 253.
Viereck, Hamburg 356.
Vieth, Horneburg 571.
Voit, Nürnberg 366.
Volk, Wien 289, 463.
Voelker, Heidelberg 53.
Volland, Davos 95.
Voltolini, Naumburg a. S. 125.
Vömer, Leipzig 123, 161.
Vossius, Prof. Dr., Giessen 6,
61.
Vulpius 282, 304, 366, 478.
Wagner v. Janregg 33.
Waiiaschko, Markow 476.
Wallart, St. Ludwig 517.
Waelsch, Prag 459.
Walz. Stuttgart 281.
Warnekros, Berlin 290.
W'assermann, Berlin 161, 206,
283, 504.
Wätzold, Freiburg 502.
Weber, Dr. 234.
Wechselmann, Berlin 03.
Wechsberg 379.
Weckerle,»Frei8mg 460.
Wehrle, Basel 184.
Weichardt, Priv.-Doz. Dr., Er¬
langen 30, 305, 428.
Weil, Prag 281, 339.
Weinberg, Dortmund 181.
Weinberg, Stuttgart 367.
Weinstein, Odessa 358, 422.
Weiss, AUand 520, 540.
Weissbart, München 194.
Weissmann, Lindenfels 387.
Weitzel, Weichenbnchen 283.
Welsch, Kissingen 161.
I Werner, Berlin 282.
Wertheim 338.
Westenhoeffer 83, 451.
Weygandt, Dr. R , Wtirzbnrg
I 220.
I Wichmann, Blamburg 170.
Wiehern, Leipzig 476.
' Wieck, Halensee b. Berlin 450.
Wiesel, Wien 305.
' Wiesner, Aschafifenburg 502.
j Wiesner. Wien 305.
I Wieth, Ludwigshafen 47.
] Wild, Schwarzenbach a. S. 147. I
1 Wilms, Leipzig 70, 321. 1
Wimmer, Kopenhagen 530<
Winkelmann, Polte 31.
Wintersteiner 531.
Wittgenstein, Wien 358.
Wohlgemut, Berlin 207. -
Wolff, Berlin 306.
Wolflf-Bisner, Berlin 71, 304,
356, 515.
Wolff, Leipzig 518
Wolflfberg, Breslan 477.
Woltenberg, Tübingen 282. -
Wunsch, Berlin 148.
Wybamo, Brüssel 318. •
Wyssotzki, Dr. A. A., Moskau.
521, 533.
Zahn, Halle a. H. 253.
Zander, Königsberg i. Pr. 336.
Zangenmeister, Königsberg i Pr.
337.
Zarek, 520.
Zdarek 83, 208.
Zehdeo, Dr. G., Berlin 361.
Zelensld, Krakau 463.
Zernik, Steglitz 503.
Zesas, Denis G, Lausanne 219.
282.
V. Zetschwitz, München 146.
Zettnow, Berlin 135.
Ziegenspeck, München 452.
Ziegler, Breslau 501.
Zikmund, Oderberg 72.
Zippel, Hamburg 03.
Zirkelbach, Budapest 491.
Zoepperitz, Königsberg 230,
253.
Znckerkandl, Wien 346.
Zunker, Berlin 83.
Znpnik, Pr^ 463.
Zweifel, Leipzig 103.
Zypkin, Mosaau 540.
Meiisner, B«rlm W. tt, Knrfar»t«n»tr. St. — Vnaütworttieb Utr des Inier»t«nt«il: Der Verlef vom Cerl Merhold. Helle e. S.
Dreck voa der HeTnemeae'echea Baehdruckeiei, Gebr. Wolff. Hella e. S.
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Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes
__ Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee
Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*:
Dr. Siebelt, Plinsberg i. Schl.
Verlag; Gart Marfaold in Halle a. S„ UUandstrafie 6.
Tel.-Adr.. Marhold Verlag HallesaaJe. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Alle Zuschritten an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hofrat Dr. W. H. Qilbwt, Badea-Badeo.
Hofrat Dr. W H. QUbert, Baden-Baden.
Oer Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inh
Original: Einiges Uber Klima. Von Professor Dr. Adolf Ott.
Feallleton: Auszug aus einem Voitragc, golialten anlässlich der V.
halneolog. Kurse in Baden-Baden von Hofapotheker Dr. C. Holfnianii.
Sitzan^bencht: Pretukull der XIV, Jahresvcrsanuuluiig des Allge¬
meinen Doutsehon Bäder-Verhandos zu Ems.
alt.
Ans den B&deru nad Kurorten.
Literatur.
Vermlsehtes.
Meteorologische Statistik.
Einiges über Klim a.
Von Professor Dr. Adolf Ott.*)
Heutzutage, wo man bestrebt ist, immer melir von der
medikamentösen Behandlung chronischer Leiden abzusehen und
von der Natur gebotene Hilfsmittel in Anwendung zu ziehen,
wird man sich immer häufiger vor die Frage gestellt sehen;
ob eine Veränderung des Klima, beziehungsweise welches Klima
im gegebenen Falle am besten geeignet wäre, um eine Bes¬
serung oder Heilung der Gesundheitsstörung herbeizuführen.
Um hierin ein richtiges Urteil fällen zu können, muss man,
wie bei jeder therapeutischen Verordnung, mit den Eigentüm¬
lichkeiten der verschiedenen Klimato bekannt und sich darüber
klar sein, was man von der Einwirkung derselben für den
speziellen Krankheitsfall zu eru’arten habe. Die Kenntnis der
Bedeutung und physiologischen Wirkung der einzelnen, ein
Klima charakterisierenden Faktoren, sind die Vorbedingung
dafür. Die Faktoren, welche den Klimaeharakter bilden, sind:
die Luft, der Boden und das Wasser, beziehungsweise die
diesen entstammende Feuchtigkeit.
Bezüglich der Luft kommt es vor allem auf ihre Reinheit,
insbesondere auf Staub- und Miasmenfreiheit an. Der Gas¬
gehalt ist weniger von Bedeutung, da der Sauerstoff- und
*) Vorfrag gehalten auf der V. ärztlichen Studienreise.
Stickstoffgehalt nur wenige Schwankungen aufweison, und nur
der Kohlensäurcgehalt stellenweise bedeutender ist, jedoch
kaum an einer klimatischen Station eine solche Höhe erreichen
dürfte, um in die Wagschale zu fallen. Über den Ozongehalt
lässt sich nichts bestimmtes sagen, da wie auch Glax bemerkt,
alle gebräuchlichen Methoden, Ozon in der Luft nachzuweisen,
.so unsichere Resultate geben, dass daraus zu ziehende Schluss¬
folgerungen kaum zu begründen sind. So viel lässt sich aber
als feststehend annehmen, dass im allgemeinen der Ozongehalt
am Meere bedeutender ist, als im Binnenlande, und ebenso auf
Höhen in der Nähe von Waldungen grösser, als in der Ebene
und im baumlosen Terrain.
Wichtig ist die Temperatur der Luft Sie ist je nach
Erhebung des Ortes über der Meoresfläche, je nach der Lago
und nacli Dauer der Belichtung verschieden. In klimatolo-
gischer Beziehung wird nur die mittlere Temperatur in Be¬
tracht kommen. Die Wärme eines Ortes hängt hauptsächlich
von der Dauer und Intensität der Sonnenstrahlung ab, des¬
gleichen auch dossen Belichtung. Um die Temperatur eines
Ortes beurteilen zu können, wird man daher ausser anderen
Momenten vorzugsweise die Zahl der sonnigen Tage in den
einzelnen Jahreszeiten, die Dauer der Besonnung an den ein¬
zelnen Tagen keimen müssen. Sie hängt wesentlich von der
Wolken- und Nebelbildung, *d. h. von der in der Luft befind¬
lichen F euchti gke it ab, welche gleichfalls einen wichtigen
Faktor der Luftbeschaffenheit ausmacht, und den wir aus der
Feuilleton.
Auszug aus einem Vortrage,
gehalten anlässlich der V. halneolog. Kurse
in Baden-Baden
von Hofapotheker Dr. C. Ho£^ann
Vorstand des Amtlichen Unter-iucb.-Laboratoriunis Baden-Baden
Oktober 1905.
Sie stehen auf historischem Boden. Bis zur Römerzeit
reicht die Geschichte Baden-Badens zurück. Nicht nur der
Ort als solcher, sondern auch das Bad Baden-Baden kann
bis in die Tage der römischen Kaiser Hadrian und Caracalla
seinen Stammbaum zurückführen. Verdankt es doch auch
diesem Caracalla, dessen eigentlicher Name bekanntlich Marcus
Aurelius Antoninus war, seinen römischen Namen
„Aurelia aquensis.“
Noch heute erzählen die vorzüglich erhaltenen (zwischen
dem Grossherzogi. Friedrichsbade und dem „Kloster zum Heiligen
Grabe“ gelegenen) Römerbäder mit ihren bewundernswerten
Einrichtungen von der Bedeutung des Kurortes zu Römerzeiten.
Unzählige Funde, gelegentlich der hier schon seit vielen Jahren
glänzend durchgeführten Kanalisation ausgegraben, bestätigen
ferner die römische Ansiedlung, die nach den Fundorten dieser
ausgegrabenen Gegenstände zu schliessen, eine recht bedeutende
gewesen sein muss.
Es soll heute nicht meine Aufgabe sein, Ihnen, hoch¬
geehrte Herren, die Geschichte Baden-Badens vorzutragen.
Ich erwähne daher nur kurz, dass die römische Herrschaft
von derjenigen der Alemannen und später jener der Franken
abgelöst wurde. Die Historie erzählt dann voniBaden-Baden
als dem Besitze der Mönche des elsässischen Klosters Weissen-
burg; dann berichtet sie von dem neuen Herrn, dem Grafen
von Calw, bis schliesslich der Ort in den Besitz des edlen Ge¬
schlechts der Zähringer, dem bekanntlich auch unser geliebter
Grossherzog angehört, überging.
Manch heftiger Sturm, namentlich zur Zeit des dreissig-
jährigen Krieges und der Franzosenkriege ist über dieses schöne
Fleckchen Erde dahingebraust (1689 wurde es vollständig
zerstört), aber wenn auch Kriege uqd Unglück so manche
Wunden schlugen, — wie ein Phönix aus der Asche stieg es
immer wieder empor und ist zur Zeit als Kur- und Badeort
zu herrlicher Blüte gediehen. Das hat Baden-Baden seiner
schönen, geschützten Lage, im Schosse prächtiger Berge und
Wälder, seinen in hygienischer Beziehung hervorragenden
staatlichen und städtischen KinrichtuDgen, das hat es aber
auch seinen natürlichen Kurmitteln, in erster Linie den Thermen,
zu danken.
In der märchenhaften Tiefe von ca 2000 m unter der Erde
wirken die wunderbaren Quellengeister, die uns das heilsame
Thermalwasser brauen und unterhalb des Schlossberges in einer
ganzen Anzahl von Quellen, die der Volksmund mit den wenig¬
schönen Namen: Brüh-Höllen-Ungemach-Quelle etc. belegte,
zu Tage treten lassen. Nahezu eine Million Liter Wasser, —
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BALNEOLO GISCHE CENTRALZEITUNG
1906.
Zahl der Regent^e, beziehungsweise Regenimen^ entnehmen
können. Je weniger ein Klima von wechselnden Feuchtigkeits¬
mengen beeinflusst wird, um so gleichmässiger wird es sich
gestalten. Der Luftdruok ist nicht nur nach den Breitegraden
und je nach der Erhebung über dem Meere verschieden, sondern
auch periodischen Schwankungen unterworfen, welche von der
Temperatur und dem Feuchtigkeitsgrad der Luft abhängen.
Die trockene Luft ist leichter, die feuchtere schwerer.
Rascher Wechsel des Luftdnicks und der Temperatur
führen zu beschleunigter, stärkerer Luftbew'eguug, in-höherem
Grade zur Entstehung von Wind. Je nach der Häufigkeit und
Intensität derselben und der sich damit einstellenden Verände¬
rungen der Temperatur- und Feuchtigkeitsgrösse werden die
klimatischen Vernältnisse eines Ortes wesentliche Änderungen
erfahren.
Der Boden ist durch seine Einwirkung auf die Tempe¬
ratur und Feuchtigkeit der Luft von wesentlichem Einfluss auf
das Klima. Grosse Wa.sserflächen, wie die Nähe des Meeres
oder von Binnenseen, werden durch beständige Verdunstung
die Temperatur herabsetzen, den Feuchtigkeitsgehalt der Luft
steigern. Desgleichen auch au^edehntere W^dbestände und
Wiesenflächen, indem sie die Erwärmung und Austrocknung
des Bodens verlangsamen. Je vegetationsärmer, steiniger der
Boden ist, umsomehr Wärme w'ird er absorbieren und aus¬
strahlen, umsow’eniger Feuchtigkeit entwickeln.
Wie diese, den Charakter eines Klimas bestimmenden
Faktoren auf den menschlichen Organismus einwirken, lehren
uns die Erfahning, sowie diesbezüglich angestellte Unter¬
suchungen.
Geringe Schwankungen des Gasgehaltes der Luft wei*den
keinen wesentlichen Einfluss haben. Hauptsache wird immer
die Reinheit und der Sauerstoffgehalt derselben bleiben. Die
günstige Einwirkung der mäßigen Wärme auf den Gang der
Lebonsfunktionen ist bekannt. Ein Gleiches ist von der Be¬
lichtung zu sagen. Beide wirken günstig auf das Gefäss- und
Nervensystem und steigern damit den gesamten Stoffumaatz im
Körper. Wie Pflanzen und Tiere bei Licht und Wärme ge¬
deihen, so ist dies auch bei Menschen der Fall. Durch die
Sonnenstrahlung wird die Wasserdampfabgabe durch Haut und
Lungen befördert. Ausser der Wärme ist aber noch der
Feuchtigkeitsgehalt der Luft bestimmend für die Wasserabgabe
des Körpers, und zwar: je geringer der Feuchtigkeitsgehalt,
um so grösser die Wasserabgabe, und umgekehrt. Im allge¬
meinen ist feuchte Luft dem Menschen w-eniger zuträglich.
bei einer Temperatur von ca. 60® C — entströmt täglich — zum
Wohle der leidenden Menschheit — dem Schosse der Erde. All’
die erwähnten Quellen wurden io den Jahren 1871—77 anlässlich
der Erbauung des Gr. Friedrichsbades in einen gemeinschaftlichen
Stollen vereinigt und erhielten den Namen „ Hauptstollen-Qnelle“,
den man später, in begründeter Dankbarkeit gegen den Landes-
fürsten, unsem allgeliebten Grossherzog, der so oft mit
energischer Hand die Geschicke Baden-Badens zum Guten führte,
in „Friedrichs-Quelle“ umänderte.
War es schon in den 50er Jahren die Trinkhalle, in
der Sie stehen, welche für den Kurort einen wesentlichen An-
ziehungsmmkt bildete, so sollte ihm die Errichtung des „Gross-
herzogl. Friedrichsbades“ mit seinen noch heute an Voll¬
kommenheit und Komfort von keinem Bade erreichten Ein¬
richtungen einen kaum geahnten Aufschwung bringen. Die ,
zaghaften Gemüter, welche mit Schluss des Hazard-Spieles im .
Jahre 1872 auch glaubten den Ruin Baden-Badens zu sehen, ,
wurden gar bald eines Besseren belehrt. Die Fremdenzahl, |
die im Jahre 1872 ca 30000 betrug, wird in diesem Jahre I
auf nahezu 80000 steigen, wohl der oeste Beweis dafür, dass
Baden-Baden nicht von dem Spiele abhängig war, sondern im i
Kurort seine wesentlichste Bedeutung zu suchen hat
Was die neuesten Forschungen und Erfahrungen auf dem
Gebiete der Balneologie gebracht hatten, das wurde in diesem
Musterbade, dem erwähnten Friedrichsbade, verwertet Thermal-
Wannenbäder und Schwimmbäder, Wildbäder, Dampfbäder,
Bäder in heisser Luft, alle Arten Douchen, Fango, Elektrische
Bäder, Tallermaon etc. etc., alles werden sie dnreh eigene
Ist feuchte Luft zu^eich warm, so wirkt sie anfai^ beruhi-
hend, später erschljÄend, besonders auf Nerven und Verdauung,
die Verdunstung durch Haut und Lungen hemmend. Kalte
feuchte Luft wirkt w'ärmeentziehend, d^er leicht erkältend,
welche Wirkung sich namentlich an Schleimhäuten und Ge¬
lenken bemerkbar macht Die IBehinderung der Wasserabgabe
durch Haut und Lunge führt zu Steigerung derselben durch
die Nieren. Bezüglich des Luftdrucks haben wir hauptsächlich
nur die Verminderung desselben in Betracht zu zieh^, da die
Zunahme des Luftdrucks niemals, selbst am Meere, einen so
hohen Grad erreicht, dass dadurch auffälligere Erscheinungen
au^elöst würden.
Über die Einwirkung des verminderten Luftdruckes be¬
ziehungsweise verdünnter Luft, wie solche im Hochgebirge ^ch
findet, gehen die Ansichten weit auseinander. Soviel steht je¬
doch fest, dass wie William*) gefunden hat, die Thoraxer¬
weiterung infolge der bei LuftverdÜnnung sich einstellenden
tieferen Inspirationen zunehmen und damit die Lungenventilation,
der Saiierstoffsverbrauch, wie die Kohlensäureausscheidui^
wesentlich gesteigwt werden. Der Puls wird frequenter, die
Gefässspannung geringer. Über dasVerhalten derBlu^örperchen-
zahl und der Hoem^obinmengen in verdünnter Luft ist die
Frage heute auch noch nicht entschieden. Während Jacquet*),
Löwy*) und A. für eine Zunahme eintreten, ist Abdertalden®)
der Ansicht, dass diese nur scheinbar sei und nur auf Verände¬
rungen der Weite der Blutgefässe beruhe. So hat sich denn
auch Grawitz auf der diesjährig«! Balneologenversammlung
in Berlin dahin ausgesprochen, dass. die Blutveränderungen
nicht auf die verdünnte Luft im Hochgebirge zu beziehen
seien, sondern vielmehr auf den Einfluss der allgemein günstigen,
durch Veränderung der Luft- und Lebensverhältnisse herhei-
geführten Umstände.
Von Bedeutung ist die Einwirkung der Luftbewegung,
besonders jene des Windes. Abgesehen von dem hierdur^
bedingten Wechsel und Reinigung der Luft würd ihre Ein-
w'irkung verschieden sein, je nach der Wärme und Feuchtig¬
keit der Luft, ferner der Stärke'ihrer Bewegung. Warme und
feuchte Winde wirken erschlaffend, trockenwarme erregend,
feuchtkalte w-ärmeentziehend. Je rascher die Luft bewegt
W'ird, desto grösser ist ihre Einwirkung. Bei rascher Luftbe¬
wegung — starkem Wind, ist überdies der derselben von
Seiten des Körpers entgegenzustellende Widerstand zu berück¬
sichtigen, welcher die Muskulatur zu stärkerer Aktion anregt.
_ (SchliwB folgt.)
Anschauung dort vereinigt finden und ich bin — ohne pro
domo zu reden — im Voraus überzeugt, dass Sie von aen
mustergiltigen Anlagen befriedigt sein werden.
Der Besuch dieses Bades war denn auch ein so lebhafter,
dass schon wenige Jahre nach der Erbauung des Friedrichs¬
bades das lebhafte Verlangen nach Erweiterung der Bfider-
aulage laut wrurde und die Regierang unter dem Szepter eines
weitschauenden Fürsten zum Ban eines besonderen Franenbades,
des jetzigen Kaiserin-Augusta-Bades, sich entschloss.
Auch dieser Millionenbau dürfte wohl unter den Bädern
Europas seinesgleichen suchen. Die spätere Besichtigung wird
Ihnen am besten meine Behauptung bestätigen und beschränke
ich mich nur noch darauf, hinzuzufügen, dass beide Bäd«*;
Friedrichsbad und Augustabad neben den erwähnten vielseitigen
Badeeinrichtungen anch die denkbar vollkommenste Einrichtung
für „Schwedische Heilgymnastik“ enthalt«!.
Als weitere sehr erwünschte Vervollkommnung unserer
Kurfaktoren ist noch das Grossherzogi. Inhalatorium
zu erwähnen, das im Jahre 1899 dem Verkehr übergeben
wurde und wohl zur Zeit das besteingerichtete derartige In¬
stitut auf dem Kontinent sein dürfte. Schliesslich möchte
ich auch uoch des Landesbades gedenken, dessen wohltätige
Einrichtung besonders den weniger Bemittelton zu Gute kommt
und das unter der bewährten Führung des Gr. Mediziaalrats
Dr. Neumann, den Sie in den Kursen auch als Dozenten
schätzen lernen werden, sich eines grossen Rufes erfreut Alle
erwähnten Anstalten sind der Leitung der „Badeanstalten-
Kommission“ unterstellt, an deren Spitze der Ihnen heute
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xm.
BALITBOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
8
Sltzuns^sbericht*
Protek4jU der XIV, Jethreeverttammlung des
Allgemeinen Hentechen Bäder~Verbande» xu Ems,
Der Vontond batte unter Bekanntgabe nacbatehender Tages¬
ordnung re^taeitig etngehtdea:
Mittwoch» den 4. Oktober. Vormittags 8^/, Uhr: Erste
allgemeine Sitaung. 1. Ühöffiiiingsanspracba des VorsHz^den. 2 .
GescbAfcliche Mitteilongem 3. Vorträge: a) Dr. Stemmler-
Bad Ems: Historische Entwickelung von Ems. b) Dr. Ernst-
Bad Ems: über die hygienischen und sanitären Verhältnisse in
Ems. c) Prof. Dr. Fresenias-Wiesbadeii: Über die chemische
Zosanunensetaung der Mmeralqnellen. d) Dr. Wagner-
Bad E&sen: Der Spcwt in Knrorten. e) Eairdirektwr Hey’l-
Aaohen: Straaseareinigsag und Staabeatwi^^lnag in Kurorten,
f) Ingenieur Seherrer jun. Bad Ems: Mineralquellen-
faasuagen mittet Bohren und Schärfen, g) Sanitäts - Rat Dr.
Winkler-Bad Nenadorf: Über die Behüidlung der gemeinen
Schi^ipenfleehte mit Nenndorfer Scbwefelwasser.
Donnerstag» den 5. Oktober. 1. Mitteilungen. 2. Vor¬
träge: h) Bürgermeister Bleymüller-Ilmenau: Über die
Persenentarifrelbnnen in Beziehung zu der Frequenz der Bäder
und Somraerfrisoben. i)Dr. 8ohtttze-Bad Kösen: Das Kranken¬
haus in kleinen Kurorten, k) Dr. Eddy Schacht-Todtmoos:
Seereisen als Heilmittel. 1) Dr. Delkeskamp-Giessen: Zur
Büdungsweise der Mineralwässer, mit besonderer Berücksichtigung
der Emoo r Mineralquellen, m) Sanitätsrat Dr. Nicolas-Wester¬
land: Die Eonfessionsfrage in den Bädern und Kurorten.
Dritte — uichtbffentUche Sitzung.
Abstimmongathhige Anträge sind nieht eingegangen. 1. Q«-
sohäftlicbe Mitteilungen. 2. IXe Kurortkomniiäsion der Berliner
äntUeben Staadesrerehie. 3. Re^ungjriegung. 4. Vorstands-
w'ahL 5. Wahl des Versammlungsortes für 1906.
Der Einladung waren nachgekommen von hohen Behörden das
Ea»erli(^e Gesundheitsamt, vertreten durch Herrn kaiserl. Re-
gienmgsrat Dr. Rost, Berlin; die Eönigl. Regierung zu Wiesbaden,
vertretendur^Herrn Regienuig8ratDr.v.Lucke,Wie^aden. Sonst
warmi erschienen, zum Teil in Begleitung ihrer Damen, die Herren:
Dr. Rud. Michaelis-Rehbnrg, Geheimer Sanitätsrat. Dr. Axel
Winkler - Nenndorf, Sanitätsrat. Professor Dr. phil. E. Hintz-
Wiesbaden. Kurdirektor F. Rütten-Neuenahr. Dr, J. G. Siebelt¬
morgen durch seine Begrüssongsrede sehoe bekannt gewordene
geniale Geheime Regierui^srat Haape steht Als Grossherzogi.
Badearzt ist neben den anderen Ärzten Baden-Badens, die alle auch
als Badeärzte fungieren, Hofrat Dr. Obkircher erfolgreich tätig.
AU die oben erwähnten Kurmittel, von Menschenhand ge¬
schaffen, soUeii aber nur den Zweck verfolgen, unsere natür¬
lichen Mittel, vor Allem die Thermen, in ihrer Wirkung zu
unterstützen. Die Baden-Badener heissen Quellen gehören zu
den „alkalischen Kochsalztbermen^ und sind, neben dem hohen
Gehalt an Chlomatrinm, besonders durch ihren wesentlichen
Gehalt an „Lithium‘^ und „Ai-sen“ von nicht zu-unterschätzender
Bedeutung. Die Erfolge, die bei den Kuren namentlich von
bamsanrer Diäthese, bei Gicht und Rheumatismus, (für welche
die hiesigen Qn^en besonders indiziert sind) erzielt wurden,
sind ganz hervorragende, aber auch die Behandlung von Folge-
zust^den nach Verwundungen wio sie z. B. in letzter Zeit viel¬
fach bei Pflege von Südwestafrika-Kriegem angewendet wurde,
bei EnochenDrü(^en etc., dann andererseits auch hei Malaria,
Katarrhen der Schleimhäute. Krankheiten des Nervensystems,
Frauenkrankheiten etc. erzielte vorzügliche Resultate.
Wenn ich vorhin die heilsame Wirkung unserer Thermen
hauptsächlich auf ihren Gehalt an Lithium und Arsen znrück-
fübrte, so könnte man zu der Ansicht kommen, dass man durch
eine Lösu^ dieser Körper im gleichen Verhältnisse dieselben
günstigen R^ltate erreichen konnte. Mögen aber die Chemiker
der Natur schon so oft in’s Handwerk gepfuscht haben, mögen
m mit emsigem F l e iss e ihren Spuren folgen, hier stehen sie
vor einem Rätsel. Die natürlichen Heilqumlen nnd namentlich
Flinsberg (Sohleuieii), ReiQhsgrfhäoher Badsarst. Oberst z. D.
V. Dresky-Ems, K^. Kurkoaunisaar. Prof. Dr. H. Freaenius-
Wiesbaden, Geheimer Regierungsrat. Dr. iur. Schubertrt^is,
Bürgermeister. Dr. phil. B. Büttner-Bad Salzbrunn, Kurdirektor.
Bürgermeister Bleymilller-llmeiiaa. Dr. Stem-Langenachwalbacb.
Stadtrat Tecb-Eolberg. Bürgermeister v. Graetzel-Swinemünde.
Sanitätsrat Dr. Varenhorst-Nenndorf. Sanitätsrat Dr. v. Hoffmann-
Bentheim. Bergrat Menzel-Diez a. Lahn. Bürgermeister Bnaz-
Soden a. T. Knrdirektor v. KöUer-Soden a. T. Dr. Pohl-Wann¬
brunn, Reichsgräflicher Badeeh'zt. Dr. Krone-Teinadi, Dir. Bade¬
arzt. Kammerherr v. Preen - Badenweiler, Oberamtmann. Re-
gierungsrat v. Alberti-Bad Elster. Rittmeister a. D. Dommes-
Bad Harzburg, Herzogi. Kurkommissar. Sanitätsrat Dr. Schenk-
Bad Sulza. Karl Gründling-Bad Sulza, Mitglied der Badedirektion.
Frhr. v. Hundelshausen-Pyrmont, Fücstl. Brunnendirektor. Dr.
med. Reuter-Ems. Dr. med. K. Reckmann-Oeynhaueen. Bergrat
Morsbaoh-Oeynhausen. Dr. med. Wagner-Kösen. Dr. med, Apt-
Ems. Direktor Richard Riess-Ems. Rücker, Besitzer der ROmer-
qnelle in Ems. Direktor Ort'mann-Franzensbad. Dr. mfed. Schantz-
Ems. Dr. med. Baur-Ems. Dr. med. Koch-Ems. Dr. med.
Missmahl-Assmannshausen. Hofrat Dr. med. Röcdiling-Misdroy,
Badearzt Bürgermeister Kindler-Westerland (Sylt). Rudolf
Trommsdorf-Ilmenan. 0. Kaempf-Friedriohroda. Dr. med. Julius
Mü]lei>Eais. H. Schaedel-Friedrichroda. W. Liebold • Friedrich¬
roda. Leopold Schuchardt, Friedrichroda. Hauptmann a. D. Ge¬
orgesohn-Bad Godesberg a. Rh. Salinendirektor ^ttgast-Salzongen.
Bürgermeister v. Statterheim - Bad Harzburg. Kaiser-Koblenz.
G. Pappenheim-Koblenz. Sanitätsrat Dr. Hufnagel-Bad Orb. Dr.
med. Scherf-Bad Orb. Major a. D. Adolf-Kreuznach. Redakteur
Grötsch-Ems. Bürgermeister Dr. iur, Beyendorf-Kösen. Dr. med.
Stemmler-Ems. Dr. med. Emst-Eras. Dr. iur. Frhr. v. Gagem-
Kissingen, Kgl. Kammeijunker, stellv. Badekommissar. Oberstabs¬
arzt Dr. Bassmann-Montigny. Direktor Georg Bmder-Kiasingen.
Dr. med. Prorok-Soden a. Taun. Bürgermeister v. Beckerath-
Langewiesen i. Th. Bergreferendar H. Hocbstrate-Diez a. Lahn.
Ingenieur Seherrer jtm.-Fachingen. Geh. Sanitätsrat Dr. Elngel-
mann-Kreuznach. Oberleutnant a. D. Haeseler-Bad Salzschlirf,
Kurdirektor. Dr. med. Schütze-Kösen.
Einer am Nachmittag des 3. Oktober abgehaltenen Vorsttmds-
sitzong folgte ein Begi’Ussungsabend für die bereits eingetrofienen
Teilnehmer der Versammlung in den Räumen des Königl. Kur¬
hauses. (Schluss folgt)
die Thermen sind auf künstlichem Wege nicht nachzuahmen;
immer wird dem Kunstprodukt ein Etwas fehlen, das die
Wirkung beeinträchtigt. Ob die molekulare Zusammensetzung
eine andere ist, ob durch den Gehalt an Radium, jenem noch
so geheimnisvolien Stoffe, der mit seinen Eigenschaften alle
unsere bisherigen Tbe(men über den Haufen zu werfen scheint
und der in unseren Baden-Badener Thermen durch bervor-
ra^nde Forscher wie Engler, Himstedt, Geitel u. A. besonders
geTialtrekh angetroffen wurde, eine Erklärung gefunden wird, das
wird uns in den nächsten Tagen Herr Geheimrat Engier in
seinem Vortrage über Radium besser und ausführlicher sagen.
Ich will heute nicht lange darüber philosophieren und
Hypothesen stellen, sondern will mich mit den Kranken, die
unsere schöne Bäderstadt besuchen, der wunderbaren Einrichtung
{reuen, die uns die Natur geschaffen hat.
Auf dem Oiebelfelde dieser Trinkballen-Fassade, werden
Sie eine Quellnymphe dargestellt sehen, welche mif einer
Seite die Kranken sich nahen, während auf der andern Seite
die Geheilten beglückt davonziehen. Mit diesen lassen Sie
mich sagen:
Deine Quelle lässt gesunden.
Schenkt dem Kranken Lebenslust,
Heilt des Armen Schmerz und Wunden,
Macht das Herz frei in der Brust,
Lässt an sonnig-heit’ren Festen
Den Gesunden sich erfreuen,
Schenkt den Becher ihm von^ besten
^ Golden-klaren I^iebenswein.
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4
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
1«O0.
Aus den Bädern und Kurorten.
BadW-Baden. Nach den vergleichenden Übersichten ge¬
staltet sich die Frequenz der hiesigen Grosslierzoglichen Bad-
Anstalten im Monat November d. Js. in folgender Weise:
Im Grossherzoglichen Friedrichsbad wurden 597
Bader abgegeben, Abonnenten der Heilgymnastik waren es 2, die
Anzahl der Massierungen betrug 6. Die Einnahmen hierfür stellen
sich auf 935 M. 50 Pf. Die Gesamteinnahme für die 11 Monate
Januar-November d. Js. beliefen sich im Friedrichsbad auf 124592
M. — Pf. gegen 123 087 M. 20 Pf. im gleichen Zeitraum des
Vorjahres.
Im Kaiserin Augusta-Bad wurden im Monat Oktober
d. J. 1765 Bäder abgegeben, Abonnenten der Heilgymnastik
waren es 38, die Anzahl der Massierungen betrug 24. Hierfür
wurde eine Einnahme von 3098 M. 70 Pf. erzielt, während sich
die Gesamteinnahme im Kaiserin Augustabad für die Monate März-
November d. J. auf 70563 M. 50 Pf. stellt, gegen 57 698 M.
60 Pf. im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
An Fango-Behandlungen wimden im Monat November
d. J. im Grossherzoglichen Friedriohsbad abgegeben: grosse Be¬
handlungen zu 4M. 50 Pf. 16, kleine Behandlungen zu 3 M. 86,
Abonnements zu 27 M. 1. Die Einnahmen hierfür betrugen 357
M. — Pf., während sich die Gesamteinnahme für die 11 Monate
Januar-November auf 17 567 M. — Pf. stellt, gegen 15452 M.
50 Pf. im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Die Gesamtfrequenz war insofern eine sehr günstige, als sie
diejenige der'Vorjahre um ein bedeutendes übertrifft, trotz der un¬
günstigen Witterung während der Monate September und Oktober.
Literatur.
C. Engler. Über die Radioaktivität der Thermal¬
quellen von Baden-Baden. (Zeitschr. f. Elektrochemie.)
Verf. hat die Quellen der berühmten badischen Bäderstadt
einer genauen Prüfung auf Radioaktivität unterzogen. Er be¬
schreibt zunächst einen von ihm neukonstruierten Apparat zur Be¬
stimmung der R. Der Apparat ist leicht transportabel und bietet
deshalb den Vorteil, dass von jetzt ab solche Untersuchungen an
Ort und Stelle der Quellen vorgenommen werden können. Das
rasche Abklingen und Verschwinden der Aktivität verbietet den
Versand per Post und Bahn.
Die älteste Quelle in Baden-Baden, die sog. Büttquelle zeigt
die stärkste Aktivität (6900 Voltabfall pro 1 Lit. und 1 Std.).
An zweiter Stelle steht die Murquelle (2020 Voltabfall). Die
anderen sind wesentlich schwächer, — Auch der Schlamm der
Badener Quellen enthält Radium, wie der Verlauf der Abklingungs-
kurve im Elektroskop ergibt, welche derjenigen von Curie für
Radium entspricht. Die Menge der mit dem Radium vergesell¬
schafteten Elemente (Tor, Mangan, Baryum, Titan) steht nicht mit
der Radioaktivität im Einklang. Es lässt sich deshalb schwer
aufklären, aus welchem Gestein, ob aus tiefen oder oberflächlichen
Schichten die Radioaktivität der Quellen von Baden-Baden stammt.
Letzteres ist nach Verf. da.s wahrscheinlichere. Engel.
Vermischtes.
— Dem Ingenieur Georges Claude in Paiis ist es ge¬
lungen die Scheidung des Sauerstoffs und Stickstoffs der flüssig
gemachten atmosphärischen Luft im grossen und auf billige Weise
zu bewerkstelligen; seine Methode entwickelte er in der letzten
Sitzimg der Pariser Gesellschaft der Zivilingenieure, Olaudes Ver¬
fahren beruht darauf, dass bei Verflüchtigung der flüssigen Luft
zuerst der Stickstoff frei wird, während der Sauerstoff sich länger
im Gefässe hält. Anderseits ist zu beobachten, dass bei Erzeugung
von flüssiger Luft die ersten gewonnenen Teile sehr reich an
Sauerstoff, die letzteren sehr reich an Stickstoff sind. Diese
Wahrnehmungen führten zu einem der Rektifikation des Alkohols
ähnlichen Prozesse, über den nähere Mitteilungen zu machen Claude
sich noch vorbehält.
Wie bekannt, sind sowohl reiner Sauerstoff als auch reiner
Stickstoff für die Technik ausserordentlich wichtig und imstande
ganz neue Industrien ins Leben zu rufen, sobald ihr Preis unter
eine gewisse Grenze sinkt. So kostete das Kubikmeter Sauerstoff
noch vor wenigen Jahren 5 M. und wurde erst durch das ver¬
besserte Lindesche Verfahren, bei welchem die Luft verflüssigt
wird, auf 5 Pf. pro Kubikmeter herabgesetzt. Bei diesem Preis
konnte man bereits an die Gassauerstofi'beleuchtung ganzer Städte
denken, während die Anwendung in der Hüttentechnik noch be¬
schränkt blieb. Sollte jedoch jetzt der Preis, nach den Erklärungen
des Ingenieurs Georges Claude, wirklich auf ca. 1,6 Pf. herunter-
gegangen sein, so würde der Sauerstoff damit seinen Einzug in
die Hüttentechnik halten können, und wahrscheinlich würde anch
der Stickstoff in der Stahlbereitung sowie in der Darstellung des
Kalistickstoffes eine wesentliche Rolle spielen.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneolegisotien Zentralzeitung..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
miuimum
Mittleres
Temperatur¬
maximum
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5 ,
l:s|
8 — S
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Regen¬
tage
Sonnen-
schein-
tage
Wiviel
Tage i
bewölkt
Wind¬
stärke j
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
15.-22.12,
3,6 C.
8,6 C.
769,7
_
5
2
_
Badenweiler.
—
—
—
—
—
_
__
Driburg.
n
— .
—
—
—
—
—
—
—
Ems..
0,3 C. '
4,2 C.
766,2
4
2
5
2—8
Giesshübl-Sauerbrunn . .
— 3,3 C.
1,3 C.
.—.
2
2
3
_
_
Franzensbad.
—
—
—
—
—
—
_
—
Herrenalb.
IV, C.
4V,C.
733
1
27,
3
—
1 Tag Schnee
Kreuznach.
_ '
—
_
Langenschwalbach . . .
—
—
— •
—
—
—
—
—
Lippspringe.
—
5 C. i
763
2
2
3
1
—
Nauheim . ..
— 1,2 C.
2,7 C.
738,7
1
1
6
1—3
_
2 Tage Schnee
Nenndorf.
—
—
_
—
—
—
_
_
Norderney.
—
—
—
_
—
—
—
Orb.
—
_
_
_
_
_
Reichenhall . . . . • .
—
_
-■
_
_
Reinerz.
— 5 C.
2,0 C.
721
1
6
4
1
1 Tag Schnee
Salzbrunn.
n
—
—
—-
—
—
—
1 __
Verantwortlicher Redakteur: Hofrat Dr. W. H. Gilbert. Uaden-Baden. — Verantwurilich für den Anieigrnteil: E. Abel, Kixdorf.
Verlag von Carl Marhold. Halle a. S. — Druck von Heyncmann'sche Huchdruckerei, Gebr. Wolff, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. 1906. Nr. 2.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Biderverbandes, des SchwarzwaldbiUertages, des Verbandes
Deutscher Nordseebider und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des ,Allg. D. B.-V.*:
Verlag: Carl Marbold ln Halle a. S.» Uhlandstrafte 6.
TeL-Adr.: Maiiiold Verlag HaDesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. Sebelty Plinsberg i. Schl.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hotrat Dr. W. H. OUbert, Baden-Baden.
Hofrat Dr. W. H. Qflbert, Baden-Baden.
Der Nachdmck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inhalt
Origlsal: Eini^ Uber Klima. Von Professor Dr. Adolf Ott. (Schluss.)
Feallletoa: ÜW die Anwendunff von Einreibungen mit Kaliseifo und
nachfolgenden Bfidem nach der Kappesser'scbcii Methode bei Lues.
Von Oberstarbrarzt a. D. Dr. Gielen-Halensee.
Httsun^berteht: Protokoll der XIV. Jabreeversammlung des Allge¬
meinen Deutschen Bäder-Verbandes zu Ems. (Fortsetzung.)
Aus den Bädern nnd Knrorteu.
Literatur.
Tennlsclites.
Personalien.
Meteorologtsehe Statistik.
Einiges über Klima.
Von Professor Dr, Adolf Ott.*)
(Schluss.)
Mit den einzelnen, das Klima charakterisierenden Faktoren
und deren Wirkung vertraut, wird es nicht unschwer sein, das
Nichtige zu wählen. Dass dabei die Konstitution, das Alter,
die Wderstandakraft, sowie die besonderen Erscheinungen der
Erkrankung berücksichtigt, mit einem Worte individualisiert
werden müsse, ist wohl selbstverständlich. Diese Umstände
werden dann bestimmend sein für die Wahl des Ortes, welcher
aus der sonst allgemein indizierten Klimagnippe sich da am
besten eignet. Aber selbst nach richtig getroffener Wahl,
wird man noch die topischen Verhältnisse zu berücksichtigen
haben, z. B. wie in dem speziellen Falle die Wohnung zu
wählen sei: hinsichtlich der Lage nach Süden oder Norden,
der Windrichtung, der allgemeinen hygienischen Anforderungen
n. a. m.
Durch eigene Anschauung gewonnene Lokalkenntnis der
einzelnen klimatischen Stationen wird am besten ermöglichen,
dem Patienten diesbezüglich geeignete Vorschläge zu geben.
Da dieses aber nur in der Minderzahl erreichbar ist, so werden
genaue Berichte über alle Verhältnisse einer klimatischen
Station dafür eintreten müssen. Es wäre deshalb zu wünschen,
dass solche in möglichster Vollständigkeit den Ärzten zur Ver¬
fügung gestellt würden.
Der allgemein angenommenen Einteilung Herman Webers
folgend, werden die Klimate in See-, Insel- und Küstenklimate
und in Binnenklimate unterschieden, wobei die Ersteren hier
als Seeklima zusammengefasst werden sollen. Inwiefern die
Elinteilung von Michaelis®) in hyper- und hypokinetisches
Klima zweckmäßig wäre, mag dahingestellt bleiben.
Das Seeklima ist durch eine gewisse Gleichmässigkeit
der Temperatur, welche sich auch über die Grenzen der ein¬
zelnen Jahreszeiten hinaus erstreckt, durch vermehrten Feuch¬
tigkeitsgehalt, grosse Reinheit der Luft unter Beimengung von
Kochsalz, Brom und Jod in feinster Verteilung, erhöhten Luft¬
druck, vermehrte Luftbewegung und stärkere Belichtung charak¬
terisiert.
Aus diesen Potenzen ist die Gesamtwirkung derselben ab¬
zuleiten, welche einmal eine allgemein stärkende, andererseits
eine abhärtende ist. Alle Forpcher stimmen darin überein,
dass das Seeklima den Stoffwechsel mächtig anrege. Nach
Robin*) wird vorzugsweise der Stickstoffaustausch vermehrt,
die Ausnützung der zugeführten Nährstoffe intensiver, der
Eiweissgebrauch gesteigert, die Löslichkeit der Harnsäure er¬
leichtert. Es kommt tuso, mit einem Worte, zu besserer Assi¬
milation dieser Grundstoffe.
Die Einwirkung des Seeklimas wird hinsichtlich ihrer Inten¬
sität verschieden sein, je nach der Lage des Ortes: auf einer
Insel oder am Strande, ob diese Stationen vom Binnenland©
kommenden Luftströmungen, Winden ausgesetzt oder durch
gegen die See abfallende, namentlich Nordwinde abhaltende
Gebirgszüge geschützt sind. Am meisten wird sich der Ein¬
fluss des Seelaimas auf offener See während einer Seereise oder
auf einer freien, vom Binnenland© im Meere liegenden Insel
geltend machen.
Therapeutisch werden wir das Seeklima in allen jenen
krankhaften Zuständen anwenden, wo allgemein© Stärkung und
Kräftigung bei weniger widerstandsfähigen Naturen anzustreben
Feuilleton.
Über die Anwendung von Einreibungen mit
Kaliseife und nachfolgenden Bädern
nach der Kappesser’schen Methode hei Lues.
Von Oberstabsarzt a. D. Dr. Gielen-Halensee.
Zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens rechne ich
die in Bad Tölz verlebten Tage. Wenn ich einen Kranken
weiss, dessen Leiden den Gebrauch einer Eur in Tölz wünschens¬
wert erscheinen lassen und Zeit und Mittel ihm das erlauben,
so kann ich nur dringend dazu raten. Auch Syphilitische können
dort, wie bekannt, behandelt werden und neben anderen son¬
stigen Heilmitteln die Seifenabreibungen nach M. Höfler mit
hervorragendem Erfolg gebrauchen.
Für diejenigen Syphilitischen, welche speziffsche Euren
'bereits gebraucht haben und sich im Stadium der Latenz be-
ffndeu also meist* nur noch eine leichte Schwellung der Lymph-
drttsen und demnach eine Beeinträchtigung des Lymphgefäss-
^Sterns erkennen lassen, habe ich neuerdings, wie in dieser
Zeitschrift (No. 51 vom 18. 12. 05) erwähnt wurde, die Seifen¬
einreibungen nach Eappesser empfohlen. Das sind aber doch
andere als die Höfler'scben Seifenabreibungen. Die Kranken¬
heiler Seife ist eine Jodsodaseife. Kappesser aber empßehlt
bekanntlich Schmierseife, also eine nicht jodh^tige
Ealiseife. M. Höfler und die anderen Erankenheiler Ärzte
rechnen, glaube ich recht,^stark mit dem Jodgehalt-ihrer Seife
und der Aufnahme des Jods als eines spezifiscmen Mittels gegen
Lues in den Körper.
Ich aber habe nur das Lymphgefass^stem beeinflussen und
kräftigen wollen mit den methodischen Seifeneinreibungen und
den nachfolgendenjwarmen Bädern, etwa drei Mal^wöchentlich,
und dies zu einer Zeit, wo die Anwendung von Vorkur und Jod
bereits erfolgt© und di© weitere Anwendung solcher unnötig
oder aus irgend welchen Gründen bedenklich eracheint.
Mir scheint, dass auch die Krankenheiler Ärzte nach Be¬
endigung der von ihnen vorgenommenen Kur namentlich bei
minder Bemittelten die Kappesser’sche Kur empfehlen können.
Bei vermögenden Kranken kann die Kaliseife geruchverbessernde
Zusätze erhalten.
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6
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 2.
ist, daher bei den niederen Graden yon Anämie, insbesondere
bei schwächlichen oder zu Skrophulose neigenden Kindern,
wo eine gewisse Torj)idität des gesamten Vegitationsprozesses
vorliegt, bei allgemeiner Erschlidfung der Nerven, sowie bei
gewissen Reizzuständen des Nervensystems, welche nicht auf
tieferer organischer Störung beruhen. Ganz vorzüglich eignet
sich der Aufenthalt an der See für alle jene Erkrankungen, die
einen gewissen Feuchtigkeitsgrad der Luft, möglichste Gleich-
mässigkeit der Temperatur verlangen und deren Disposition
durch Gewöhnung an die Luft und Abhärtung herabgesetzt
werden soll. Dies sind vor allem die katarrhalischen Erkrank¬
ungen, sowie die Disposition zu leichteren rheumatischen Affek¬
tionen. Auch für bronchiales und nervöses Asthma wird der
Aufenthalt an der See gerühmt. Doch würde ich dies nur für
die Mehrzahl der Fälle gelten lassen. Für alle Fälle passt es
nicht. Hier wird oft die Erfahrung entscheiden, welches Klima
ja selbst welcher Ort einer Klimagruppe dem speziellen Fall
am besten zusagt. Von Erkrankungen des Zirkulationsapparates
werden nur die leichteren Fälle, namentlich jene auf f^ktio-
neller Basis beruhenden, aus gestörter Innervation hervorge¬
gangenen, nach lang dauernden erschöpfenden Erkrankungen, nach
übermäßiger psychischer Erregung und Anstrengung entstandenen,
für Seeklima geeignet sein. Die Einwirkung des Seeklima auf
die Nerven ist anfangs meist eine erregende, besonders bei
trübem, stürmischem Wetter. Es hängt dies zum nicht geringen
Teil von der Luftbewegung und wechselnden Belichtung ab.
Sie wird sich vorzüglich an aus dem Binnenlande Kommenden
durch stärkere Aufregung bemerkbar machen. Man wird dem¬
nach gut tun, reizbare Individuen darauf hinzuweisen und
ihnen zu raten, sich erst allmählich an die geänderten Luft¬
verhältnisse zu gewöhnen, den Aufenthalt im Freien anfangs
nur auf kurze Zeit mit abwechselndem längerem Verweilen
im geschlossenen Raume einzuschränken.
Die Binnenklimate scheiden sich: in Höhen- und
Niederungsklimate. In therapeutischer Beziehung kommt
hauptsächlich das Erstere — auch Gebirgsklima genannt — in
Betracht. Das Gebirgsklima findet sich in verschiedenen
Höhen, je nach der Lage des Ortes in den verschiedenen
Breitengraden. Während in Deutschland sich die Höhe auf
600—800 m bezifiert, so gleicht dies in den Alpen einer Höhe
von 1000—1200 m. Der Charakter des Gebirgsklimas hängt
ab: von der Sonnenstrahlung, der Reinheit, Verdünnung, Tem¬
peratur, Feuchtigkeit und Bewegung der Luft, von der Be¬
wölkung und Nebelbildung, von den Vegetationsverhältnissen,
Gestaltung und Beschaffenheit des Bodens. Je nach der Lage
des Ortes wird die Temperatur verschieden sein. Gegen Süden
oder Südosten gelegene Höhenstationen werden der stärksten
Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt sein, daher auch
meist höhere Temperaturen aufweisen. Mit Zunahme der Er¬
hebung wird die Tei^eratur und Luftfeuchtigkeit geringer,
desgleichen auch der Luftdruck, dagegen die Bewegung der
Luft lebhafter, namentlich im^Sommer, weniger im Winter.
Breite Hochtäler gestatten der Sonne grösseren und längeren
Zutritt und werden dementsprechend höher temperiert sein,
als schmale, von hohen Bergen eingefasste Täler. Schmale
Gebirgsrücken oder einzelne hervorragende Gipfel werden dem
Wechsel der Luftverhältnisse vielmehr unterworfen sein, als
massige, ein grösseres Plateau einnehmende Höhen. Während
bewachsener Boden, Wälder, die Feuchtigkeit mehr festhalten,
werden felsige Terrainverhältnisse sich durch vorwaltente
Trockenheit dos Bodens auszeichnen.
Alle diese Verhältnisse sind bei der Auswahl eines Höhen-
ortos eingehendst zu berücksichtigen. Empfindliche, leicht zu
Erkältungen neigende Naturen worden jene Orte, wo geringe
Belichtung, rascher Temperaturwechsel, geringer Windschutz
und grössere Feuchtigkeit obwalten, zu meiden haben.
Die Wirkung des Höhenklimas wird sich darin äussern,
dass die Tätigkeit der Haut durch stärkere Verdunstung und
B(dichtung erhöht wird, die Transpiration vermehrt, die Lungen- j
vtmtilatiun durch die bei längerem Aufenthalt sich einstellende .■
Thoraxerweiterung begünstigt in der Sauerstoffeinnahme und j
Kohlensäureabgabe gesteigert, die Aktion des Herzmuskels ge- ,
kräftigt werden, die roten Blutzellen und der Hämoglobingehalt ,
des Blutes zunehmen. Wesentlich ist der günstige Einfluss
auf die Entwicklung der Muskel- und Nervenkrait Indem
das Nahrungsbedürfnis in erhöhtem Maße sich einstellt, wird
zugleich die Assimilation und Anbildung gefördert, allgemeine
Kräftigung erzielt.
Daraus lässt sich also erkennen, dass das Höhenklima
überall da angezeigt sein wird, wo es sich um eine Kräftigung
und Tonisierung des Gesamtorganismus handelt Dabei dan
aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass für höhere, 1000 m
übersteigende Gebirgslagen, ein gewisser Kräftebestand bereits
vorhanden sein müsse, um den Einfluss dieser Höhenluft un¬
beschadet zu ertragen. Namentlich bei reizbaren, schwäch¬
lichen Individuen wird darauf Rücksicht zu nehmen sein. Für
diese wird es sich auch empfehlen, einen allmählichen Über¬
gang aus niederen in höhere Stationen vorzunehmen, und zwar
erst dann, wenn in den niedriger gelegenen eine gewisse
Widerstandskraft gewonnen wurde. Dies gilt besonders für
hochgradig Nervöse, sowie für Patienten mit Herz- und Gefäss»
affektionen, welch letztere überhaupt den Aufenthalt in höheren
Lagen kaum ertragen.
Die grosse Zahl der klimatischen Stationen in allen Höhen
und Lagen ermöglicht es, alle Verhältnisse der Station im
Zusammenhalt mit den zu erfüllenden Indikationen zu erwägen
und so den für den speziellen Fall am besten passenden Urt
herauszufinden. Aber selbst bei richtiger Auswahl wird zu¬
weilen das rasche Versetzen in grössere Höhe mit nicht unbe¬
deutenden Reaktionserscheinungen, Herzklopfen, Atemnot, Schlaf¬
losigkeit, Eingenommenheit des Kopfes, Verminderung des
Appetits und allgemeinem Schwächegefühl beantwortet werden.
In solchem Falle muss, wie bei jedem schroffen Klimawechsel
überhaupt, die Gewöhnung an die veränderten Luftverhältnisse
allmählich erfolgen; daher wird die Bewegung, der Aufenthalt
im Freien eingeschränkt, mit Ruhepausen, in der^ Stube unter¬
brochen , jede stärkere Erregung vermieden werden müssen.
Bei grösserer Differenz oder Höhenlage mit jener des Heimats¬
ortes wird es immer geraten sein, in dieser Hinsicht Vorsicht
zu empfehlen. '
Das Gebirgsklima ist angezeigt: bei allgemeiner Schwäche
des Organismus, sei dieselbe folge vorausgegangener fieber¬
hafter Erkrankungen, wie Typhus, Malaria oder mangelhafter
Blutbildung oder geschwächter Nervenenergie, wie solche durch
anhaltende geistige Anstrengung, besonders in Stubeuluft sich
entwickeln und nicht selten mit psychischer Depression einher-
f ehen. Auch bei schwächlicher Anlage, zurückgebliebener
[uskelentwicklung, bei Anlage oder nicht weit vorgeschrittener
Phtise, bei nach überstandener Pneumonie^ oder Pleuritis zu¬
rückgebliebenen Exudatresten, wo durch die im Hochgebirge
sich einstellende tiefere Inspirationsbewegung der Thorax er¬
weitert, bessere Entfaltung der Lunge herbeigeführt wird. All¬
mähliche Trainierung wird wesentlich zur Erreichung günstiger
Resultate beitragen, und man kann Mosso^ nur beistimmen,
wenn er in der hierdurch gegebenen Anregung für Körper,
Geist und Gemüt ein Hauptmoment der Heilwirkung des Hoch¬
gebirges erblickt.
Endlich wären noch die Niederungsklimate zu erwähnen.
Sie werden in trockene und feuchte geschieden. Die ersteren
üben einen mehr anregenden, die letzteren mehr beruhigenden
Einfluss aus. Von den trockenen finden hauptsächlich nur die
trockenwannen Verwendung, und zwar in all denjenigen Zu¬
ständen, wo stärkere Anregung der Hauttätigkeit, Hintanhaltung
von Kälte und Feuchtigkeit, Vermeidung stärkerer Luftbe¬
wegung angezeigt sind. Am besten ist dieses Klima durch das
Wüstenklima repräsentiert.
Chronische Nierenerkrankungen, Neigung zu Rheumatismus
und mit Erschlaffung einhergeheiide Schleii^iautkatarrhe, zum
Stillstand gebrachte rlitisen, Anämien leichten Grades drohender
vorzeitiger Marasmus sind, namentlich im Winter, die Indi¬
kationen dafür.
Von den Niederungsklimaten wird hauptsächlich dasjenige,
welches sich durch mäßige feuchte Wärme, Windstille und
möglichste Gleichmäßigkeit auszeichnet, therapeutische Ver¬
wendung finden. Es eignet sich besonders zum Aufenthalt für
Leute mit Schleimhautkatarrhen, welche durch spärliche Ab-
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1906.
BALNBOLOGISCHB CBNTR.^LZEITUNG
7
Sonderung und grosse Reizbarkeit charakterisiert sind, für
Emphysematiker, Neurastheniker, auch für Ruhebedürftige, leicht
erregbare Individuen.
Aus dem Mitoeteilten lässt sich also entnehmen, wie sich
im Grossen und Ganzen die Charaktere der einzelnen Klimate
gestalten, wie dieselben auf den menschlichen Organismus ein¬
zuwirken und welchen Indikationen sie gerecht zu werden
vermögen.
Eingehender mich darüber zu verbreiten, gestattet die mir
zugemessene Zeit nicht. Auch sollte mein Vortrag nur eine
Anregung geben, Ihre Aufmerksamkeit auf die einzelnen Fak¬
toren der Klimas, sowie auf die therapeutische Verwendung
der verschiedenen Klimate zu lenken — und damit schliesse ich.
Littoratur:
1. Brit. med. Journal. Julr. 27. 1001.
2. Arch. f. exper. Pathologie. Bd. 45. 1. Heft.
3. Pflügers Archir d. ges. Pbyeiol. Bd. 66. 1897.
4. ZtacEft. f. Biologie. Bd. Heft 3, 4.
5. Michaelis, Balneol. Zeitung, Nr. 32.
6. Robin, Kongress f.«Tha1as8othpie Biarritz. 1903.
7. Der Mensch auf den Hochalpen. Leipzig 1898.
Sitzungsbericht.
JVofofeott der XIV» JfxhresversamnUung des
AUgemei/nen Deutschen Bäder-Verbandes »u Ems.
(Schluss.)
Die eigentlichen Verhandlungen erö£hiete der Verbandsvor-
sitzende (^heimrat Dr. R. Michaelis-Rehbarg am 4. Oktober,
9 Uhr morgens mit einer Begrüssungsansprache an die erschienenen
\'ertreter von Staats- und Kommanalbehörden und Mitglieder.
Es folgten Erwiderungen der Herren Regierungsrate Dr. Rost und
Dr. V. Lucke, in weldien das Interesse betont wird, welches die
hohen Reichs- und Staatsbehörden an dem Verbände und seinen
Bestrebungen nehmen. Der Vorsitzende gibt ferner eine Über¬
sicht über die Tätigkeit des Verbandes im abgelaufenen Geschäfts¬
jahre und berichtet über den Stand der Arbeiten der Quellenschutz-
kommission, sowie der Gesundheitskommission für die deutschen
Kurorte.
Der Mitgliederstand war folgender: Dem Verbände gehörten
an Kurverwaltungen und Korporationen 61, Ejinzelmitglieder 134.
Dazu kommen ein Ehrenvorsitzender und 3 Ehrenmitglieder. Durch
den Tod verlor der Verband die Herren Geh. Regierungsrat Dr.
iur. Ritter, Generalbevollmächtigten der Fürstlich Flessischen Be¬
sitzungen zu Waldenburg in Schlesien, sowie Dr. med. Vopelius,
Besitzer des Bades Imnau in Hohenzollem. Wenn der erstere
au(di infolge einer chronischen Krankheit und Überbürdung mit
anderweitigen Beru&geschäften nicht in der Lage war, persönlich
an den Verhandlnngen der letzten Jahre teüzunehmen, so hegte
er doch grosses Interesse für dieselben, zumal er auf mEmchem
Gebiete des Bäderwesens, vor allem des Quellenschutzes als
Autorität galt. Den zu seinem Verwaltungsgebiet gehörenden Bade
Salzbrunnen in Scdilesien war er ein eifriger Förderer. Das An¬
denken der beiden Verstorbenen wird in üblicher Weise geehrt.
Hierauf wurde in die Tagesordnung eingetreten. Aus der
Reihe der Vorträge schieden infolge plötzlicher Behinderung aus:
Kurdirektor Heyi-Äachen, Strassenreinigung und Staub in Kur¬
orten, Dr. Schütze-Kösen, Das Krankenhaus in kleinen Kurorten,
Dr. Delkeskamp-Giessen, Zur Büdungsweise der Mineralwässer
pp., Sanitätarat Dr. Nicolas-Westerland, Die Konfessionsfrage in
den Bädern und Kurorten. Dagegen wurde nachträglich auf die
Tagesordnung gesetzt: 0. Kaempf-Friedrichroda, Die allgemeinen
Mietbedingungen in den Thüringer Kurorten. Bezüglich Inhalts¬
angabe der Vorträge wird auf den vorläufigen Bericht Nr. 44/45
1905 der Verbandszeitschrift verwiesen. Zu Beginn der zweiten
Sitzung am 5. Oktober konnte der Vorsitzende die erfreuliche
Mitteilung machen, dass nunmehr auch die Kgl. Bayerische Re¬
gierung ihr Interesse am Allgemeinen Deutschen Bäderverbande
dadurch kimdgegebeu habe, dass die Kgl. Kurkommission des
Bades Kissingen ihrerseits zum Anschlüsse an den Verband ver¬
anlasst wurde.
Die geschäftlichen Angelegenheiten wurden folgendermaßen
erledigt Für die Rechnungslegung wählte die Versammlung zu
Rechnungsprüfern die Heri'eu Bürgermeister v. Graetzel, Bürger¬
meister Dr. Beyendorf und Geheimen Sanitätsrat Dr. En gfllmnTiTi ,
In Einnahme für 1904/05 ergab sich der Betrag von 2336,18 M.,
in Ausgabe 2787,96 M. Der Bestand am 1. Oktober 1905 betrug
3043,17'?M. Die^ Reohnungj wurde für richtig befunden, dem
Kassenführer Herrn Rütter unter Ausdruck des Dankes Entlastung
erteilt. Die Mehrausgabe des laufenden Jahres ündet dadurch Hlr-
klärung, dass die zahlreichen Kommissionssitzungen des laufenden
Jahres erhebliche Kosten verursachten. Es soll versucht werden,
dieselben in möglichst engen Grenzen zu halten.
Demnächst wurde die Vorstandswahl mit Hilfe von Stimm¬
zetteln in geheimer Wahl vorgenommen. Bürgermeister Kummert-
Kolberg hatte sein Amt wegen vorgerückten Alters niedergelegt,
an seine Stelle trat Bergrat Morsbach-Oeynhausen. An Stelle des
bisherigen Generalsekretärs Dr. Schütze-Kösen ging Hofrat Dr,
Röchling-Misdroy aus der Wahl hervor. Der Vorst^d wird von
der Versammlung beauftragt, in Anbetracht der hohen langjährigen
Verdienste der beiden ausgeschiedenen Mitglieder um den Ver¬
band, die nötigen Schritte behufs deren Ernennung zu Ehrenmit¬
gliedern zu tun. Der neue Vorstand besteht nunmehr aus den
Herren; Geheimer Sanitätsrat Dr. Michaelis-Rehburg, Sauitäts-
rat Dr. Winokler-Nenndorf, als Vorsitzende; Prof. Dr. E.
Hintz-Wiesbaden, Bergrath Morsbaoh-Oeynhauaen als Beisitzer;
Kordirektor Rütten-Neuenahr, Schatzmeister; Dr. Siebelt-
PUnsberg, Verbandsredakteur; Hofrat Dr. Röchling-Misdroy,
Generalsekretär.
Ferner kam die Kurort-Kommission der Berliner ärztlichen
Standesvereine zur Sprache. Die Art und Weise, wie dieselbe
sich das einschlägige Material beschaffen will, wird für nicht ganz
richtig erklärt, da dieselbe leicht von persönlichen Verstimmungen
usw. beeinflussbar sei. Ein offenes Vorgehen werde es ermöglichen,
berechtigten Anforderungen Rechnung zu tragen, während die
Führung der sogenannten schwarzen Liste kein einwandfreies
Kampfmittel darstelle.
Weiter kam man auf einen Gegenstand der voijährigen
Tagung zurück, nämlich die Gewährung von Vergünstigungen an
bestimmte Interessengruppen, Krankenkassen und Vereine irgend
welcher Art. Eine vorliegende Statistik ergibt, dass diese
Vergünstigungen stellenweise eine ganz ausserordentliche Höhe,
bis zu 39% der verabreichteu Bäder pp. angenommen haben. Es
werden Schritte eingeleitet werden, eine grössere Gleichmäßigkeit
herbeizuführen.
Bezüglich der Verbands-Zeitschrift wird der Antrag des Ver¬
lages, den Vertrag auf drei Jahre, statt wie bisher auf ein Jahr
zu verlängern von der Versammlung auf Empfehlung des. Vor¬
standes genehmigt.
Nachdem noch Kissingen als Ort der nächsten Tagung ge¬
wählt war, da die vorliegende Einladung nach Westerland-Sylt in
Anbetracht der weiten Entfernung und vorgerückten Jahreszeit,
in welcher man tagen müsse, dankend abgelebnt wurde, fand die
Versammlung unter den üblichen Dankredeu ihren Abschluss.
Siebelt - Flinsberg.
Aus den Bädern und Kurorten.
X ElstOP tritt in die Reihe der Winterkurorto ein. Auf An¬
ordnung der kgl. Badedirektiou wird während des Winterhalb¬
jahres für eine grössere Anzahl von Badezellen der Betrieb auf¬
recht erhalten; ebenso bleibt das von Sanitätsrat Dr. Köhler ge¬
leitete Sanatorium nebst mediko-mechanischer Anstalt für schwedi¬
sche Heilgymnastik ständig offen. An den klimatischen Winter-
kurort stellt die moderne Wissenschaft nicht mehr die Forderung
möglichst südlicher Lage und hoher Wärme, sondern sie verlangt
von ihm eine gleichmäßige Temperatur, eine reine, ozonreiche Luft,
eine gegen heftige Windströmungen geschützte Lage, endlich ge¬
eignete Wohnungen und Kurhäuser. In vollem Maße findet man
das alles in Bad Elster. Die Lage ist sehr günstig. Die Häuser
sind von ziemlich hohen, aber sanft ansteigenden Bergen um¬
schlossen. östliche Luftströmungen hält der Brunnerberg mit
seinem Birken-, Fichten- und Kieferwald ab. Das eigentliche
Elstertal und dessen Nebentäler sind ziemlich bre ’t und gestattet
den Sonnenstrahlen &eien Eintritt. Neben dem Kurhaus bieten
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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Ni . 2.
- 8
zahlreiche Villen und Logierh&user schmucke Wohnungen mit
häuslicher Behaglichkeit Im verflossenen Sommer haben 10 522
Personen gegen 9248 im Vorjahre, also 1274 Personen mehr, die
Kur in Elster gebraucht, die namentlich bei Blutarmut, Bleich¬
sucht, Frauen-, Nerven-, Herzkrankheit, Fettsucht, Gicht und
Rheumatismus, - chronischen Magen- und Darmkrankheiten die
besten Erfolge zeitigt. Es ist zu erwarten, dass auch zur Winter¬
kur die Zahl der Gäste sich von Jahr zu Jahr steigern wird.
X Reichenhall. Die langangestrebte Einverleibung der Nach¬
bargemeinde St. Zeno ist nunmehr perfekt geworden.
X Wlldbad. Schon seit mehreren Jahren haben sich die beiden
sonst so geschmackvoll xmd praktisch eingerichteten Lesezimmer
im König-Karlsbad während der Hauptmonate der Kurzeit als
durchaus unzulänglich erwiesen. Dem wird nun bis zur nächsten
Kurzeit abgeholfen sein. Die Zimmer, die der schwedischen Heil¬
gymnastik dienten, werden während des Winters in Lesezimmer
umgewandelt. Die schwedische Heilgymnastik wird dann in einem
neuen Gebäude untergebracht, das die KOnigl. Domänendirektion
an der Olgahstrasse zwischen den Villen Eanselmann und Johanna
herstellen lässt, wozu die Grabarbeiten schon seit einiger Zeit be¬
gonnen werden, ln diesem Gebäude wird auch ein Schwimmbad
eingerichtet werden, wodurch die Domänendirektion schon länger
geäusserten Wünschen gerecht wird. Am König-Karlsbad werden
auch sonstige Veränderungen vorgenommen. Es soll eine geräumige
WartehaUe an dasselbe an-, bezw. in dasselbe eingebaut und die
Einzelkabinette sowohl der Männer- als der Frauenabteilung sollen
durch Aufbau eines zweiten Stocks vermehrt werden. Sodann hat
die Domänendirektion den Klumpp’schen Gemüsegarten um 9000
M. angekauft, der als Ergänzung in die neuen Anlagen einbe¬
zogen werden soll. Die Badeverwaltung ist nun mit Ausnahme
einiger kleinerer Parzellen im Besitz des ganzen Geländes am
Fuss des Sommerbergs vom neuen Weg an bis zur Rosenau und
darüber hinaus. —
A. Castollainaro. in Neapel hat sich mit einem Kapital von
3 Millionen Lire eine AktiengeseUschaft gebildet, die sich der
Verwandlung von Castellamare di Stabia in einen modernen Kurort
widmen will. Es sollen dort ein grossartiges Badeetablissement
und einige Hotels ersten Ranges errichtet und die Konzession der
Mineralquellen (Elisen- und Schwefelwasser) erworben werden.
X Llppsprlnps. Die Gesamtfrequenz betrug am 23. Dez. 5848,
Literatur.
A. Rahn. Zur Kritik der Jodbäder. (Ther. Monatsh.
1904 Nov.)
Man hat in letzter Zeit die spezifische Wirkung der Jod¬
bäder in Frage gestellt. Verf. betont nun im Gegensatz dazu,
dass das Jod gerade in dieser Form vom Ejanken am besten ver¬
tragen werde, dass selbst bei starkem Gebrauch der Jodbäder
selten Erscheinungen von Jodismus vorkämen. Der Behauptung,
dass die Menge des bei Jodbädem resorbierten Jods viel zu ge¬
ring sei« um wirksam sein zu können, stellt Verf. die Tatsaäe
positiver Erfolge in den betr. Bädern (Hall, Tölz-Krankenteil,
HeUbrun, Kreuznach etc.) entgegen, z. B. ^e des Haller Jodwassers
bei Struma. Nach Verf. Ansicht greifen wir überhaupt bei der
Jod-Medikation in der Dosis viel zu hoch. Bei gleichzeitiger ent¬
sprechender Diät und Hautpflege, und besonders bei Darreicdiung
des Jods in Form von Bädern tritt die Wirkung auch schon bei
kleineren Dosen ein, als sie per os üblich sind. Engel.
Vermischtes.
— Ein Sprudelausbruch in derTepl. Ein starker Aus¬
bruch von Sprudelwasser kann nach dem „Karlsb. Tagbl.“ derzeit
oberhalb des Sprudelsteges in der Tepl beobachtet werden. Das
Wasser dringt mit Gei^t und wallend, was auf starke Adern
schUessen lässt, empor, und scheint auch unter dem Fundamente
der Kolonnade sich dieser Ausbruch fortzusetzen. Wie man uns
mitteilte, beträgt die an den Ausbrachstellen ausfliessende Wasser-
menge ungeföhr 500 Liter pro Minute. Die Eindämmung, die in
der Tepl bereits eingebaut ist, ist schon znm Zwecke der Ver-
machung dieser Äusbruchstellen errichtet worden. Doch dürfte es
sich empfehlen, mit diesen Arbeiten nicht bis zum Einbruch
strenger Kälte zu warten, da die gewaltigen Natamnterschiede
zwischen dem kochend heissen Wasser und der Luft dann die
Verbauung nur erschweren können.
Personalien.
— Dem Badekommissar Hans Freiherm von Welser m Bad
Reichenhall wurde das fürstl. Schwarzburgische Elhrenkrenz 3. Klasse
verliehen.
— Dr. Adolf Ritter in Karlsbad erhielt den Titel eines
Grossh. Oldenburgischen Medicinalrates.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet voa der Redaktloa der Balneologisohen Zeatralzeltang..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
minimnm
Mittleres
Temperatur-
mazimum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen-
schein-
tage
Wiviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
24.-30.12.
5,1
C.
9,4 C.
762,43
2
2
3
_
Badenweiier..
—
_
_
—
Driburg.
n
—
—
—
—
—
_
_
_
Ems.
— 1,7
C.
+ 3,5 C.
756
2
3
_
2,8
_
Giesshübl-Sauerbrunn . .
— 0,9
c.
H- 0,6 C.
—
2
_
5
2
-
2 Tage Schnee
Franzeusbad.
—
—
—
—
_
_
_
—
Herrenalb.
n
-1'/,
c.
+ 5 C.
724
2
3*/*
3^/4
4
_
1 Tag Schnee
Kreuznach.
—
_
_
-
Langenschwalbach , . .
n
—
—
—
—
—
—
_
_
Lippspringe.
n
0,6
c.
4,3 C.
754
2
1
3
2
—
1 Tag Schnee
Nauheim .
— 3,5
c.
1,2 C.
719
_
1
6
1—5
Neundorf .
—
_
_
_
_
_
Norderney .
n
—
—
—
—
—
—
—
—
Reichenhall . . . , • ,
n
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Reinerz .
— 3
c.
1 c.
708
__
7
3
Salzbrunn .
n
—
—
—
—
—
—
—
—
V«r»n(wor(Hc>ier Redakteur: Hofrat Dr. W. H. Gilbert, Badeo.Baden. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von Heynemann'iche BnchOruckerei, Gebr. Wolff, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. 1906. Nr. 3.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bftderverbandes, des Schwarzwaldbidertages» des Verbandes
Deutscher Nordseebftder und des Vereins der Badeftrzte der Ostsee.
VerbandsreeUkteur des „AUg. D. B.-V.*:
Verlag: Cari JMarhold ln HaOe a. S., Uhlandstrafie 6.
TeL-Adr.: Mtrti(rid Verlag Hallesaale. Penisprecher 2834.
Redakteur:
Dr. Sieben, PUnsbeig i. Schl.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hofrat Dr. W. B. Qllbert, Beden-BeÄn.
Hofrat Dr. W. H. Qflber^ Baden-Baden.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inhalt.
Amtlleber Teil : Yeroin der Badeärzte an der Ostsee.
PenllletoD: Die Leproserion speziell Lothringens. Von Dr. £. Roth.
Geschichte der F.ntwicklung des Bades Ems. Vortrag fUr die XJV. Jahres¬
versammlung dos Allgumeinen Deutschen Bäder-Verbandes zu Ems.
Sitzung am 4. Oktober 1905. Von Dr. Stemniicr, Ems.
Ans den Bädern und Kurorten.
Literatur.
Vermisohtes.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
Amtlicher Teil.
Verein der Bcideärxte an der Ostsee,
VI. Jahresversammlung am 3. Dezember 1905 zu Berlin im
„Motivhaus“. Vorsitzender: Hofrat Dr. Röchlin g. Schriftführer:
Sanitätsrat Dr. Rhode. I
Der Vorsitzende eröffnet um 12'/* Uhr Mittags die Sitzung
tmd^begrüsat herzlichst die zahlreich erschienenen Mitglieder.
Derselbe begründet eingehend das Fehlen einer bestimmten i
Tagesordnung und tritt besonders der von einer Seite geäusserten
Auffassung entgegen, dass nur ein sogenanntes Vergnügungs-
Programm (Mittagsessen etc.) aufgestellt worden wäre. Dass solches
nicht der Fall wäre, würde am Schlagendsten durch die am Vor¬
mittag stattgehabte Besichtigung des Müller’scheu orthopädischen
Instituts und der hydrotherapeutischen Anstalt der Universität,
woselbst jeder Teilnehmer in wissenschaftlicher Beziehung auf seine
Kosten kommen konnte, bewiesen. SanitAtsrat Dr. Rhode er¬
stattet den Bericht über das verflossene Vereinsjahr. Eingetreten
sind die Herren Drs. Sachse-Heiligenbafen, Kochs-Zinnowitz,
Wulff-Berg Dievenon, Sanitätsrat Dönselt-Devin, Drost-
Brunshaupten, Anger-SwinemUnde, Hirsch-Lohne a. K.,
Schl üter-Warnemünde, Med.-Rat Behrend, Fabian, Ahl-
mann, Baggord, Hille, Kluck sämtlich in Kolberg und
G1 a so w - Ahlbeck.
Des Weiteren teilt der Berichterstatter mit, dass die Ein¬
ladungen zur diesjährigen Jahresversammlung, besonders in Rück¬
sicht auf die Besichtigung der Erieger’schen Anstalt und des
Müller’schen orthopädischen Instituts, an sämtliche Direktionen der
Ostseebäder verschickt worden seien. Leider war keiner der
Herren Badedirektoren erschienen, obgleich Jeder für das eigene
Seebad Erspriessliches und Änschaffenswertes in Folge der Be-
sichtigimg genannter Institute hätte nach Hause mitnehmen können.
Wohl aber hatten verschiedene Arzte aus Berlin, u. A. auch der
Geheime Regierungsrat Dr. Rahts aus dem Reichs-Gesundheits¬
amte der Besichtigung mit regstem Interesse beigewobnt.
Aus der Versammlung heraus wird gerügt, dass den Bade¬
ärzten keine Einladungen zum „Bädertag“ geschickt wurden.
Der Vorsitzende wird dieses am 4. Dezember er. beim Vorstande
Sanitätsrat Dr. Rhode beauftragt, als besonderer Delegierter an
den Verhandlungen des Bädertages teilzunehmen, eventl. auch ab-
zustimmen.
Herr Hofrat Dr. Röchling teilt mit, dass sich auch ein
„Verein der Badeärzte an der Nordsee“ gebildet habe, und nennt
als Mitglieder derselben die Namen einiger bekannterer Kollegen.
Kurz berührt wird die Hygiene in' den Ostseebädem, auch die
Auzeigepflicht der Badeärzte, wobei erwähnt wird, die Verurteil¬
ung eines Kollegen zu einer empfindlichen Strafe, der einen Typhus
nicht angezeigt hatte.
Es zirkuliert der Konzept einer Anfrage über die sanitären
Verhältnis.se in den einzelnen Badeorten, desgleichen eine Anfrage
Feuilleton.
Die Leproserien speziell Lothringens.*)
Von Dr. E. Roth.
Leider w^erden jahrein jahraus in den historischen Zeit¬
schriften geschichtlich - meaicinische Beiträge veröffentlicht,
welche den Jüngern Äskulaps in der Regel vollständig unbe¬
kannt bleiben, ja vielfach auch dem Bimiographen beim Er¬
scheinen entgehen, trotzdem sie des Wissensw’erten und Inter¬
essanten genug enthalten.
So steht es auch mit der jetzt zu referierenden Arbeit,
welche über die engsten historischen Kreise kaum gekannt
sein dürfte, und die doch verdient w'enigstens in ihren Um¬
rissen die Bekanntschaft mit diesem Kapitel zu erneuern.
Heute vermag man sich gar keine Vorstellung mehr davon
zu machen, mit welclier Heftigkeit die Lepra oder der Aussatz
im Mittelalter Eurima verheerte; keine andere Krankheit hat
annähernd so viele Opfer gefordert als sie; sie hiess die schreck¬
lichste der schrecklichen Krankheiten, oder schlechthin die
Krankheit.
•) J. P. Kireh, Die Leproserien Lothringens, insbesondere dic'Metzer
Leproscrie S. Ladse bei Montigny. Jahrbuch der Ges. f. lothr. Gesch. u.
Altertumskunde. 15. Jg. 1903, S. 46-109; 16. Jg. 1904, S. 56—141.
Nur ■ rohe und ungebildete Völker haben von jeher die
Kranken, die sie für ansteckend hielten, hilflos ausgesetzt,
woher die Bezeichnung Aussatz herrührt, während kultivierte
vielfach in rührender Weise für die von der Lepra Befallenen
sorgten. Der weiten Verbreitung der Krankheit gemäß, kennt
man eine grosse Reihe der von ihr Heimgesuchten. Neben
Aussätzigen finden wir Malzige, neben Siechen gehen Sonder¬
sieche emher, Gutleute entspricht der Sitte, dass die christ¬
liche Charitas sich ilinen vorzugsweise im Mittelalter zuwandte.
Die Franzosen warten auf mit muzels m^zias, maizelles,
bons mallaides, poures oder pauoras mallaides. Der Italiener
kommt zu Lazarett», woher unsere Bezeichnung Lazarett stammt;
lateinisch wurde die Krankheit zu morbus eiephantinus, grie¬
chisch üzur tXtfpuvTlantg.
Äg}’pten !kann im allgemeinen als die Wiege der Lepra
angesehen werden. Der 'Boden Ägyptens mit seinen schäd¬
lichen, feuchtwannen Ausdünstungen, besonders an den Mün¬
dungen des Nil, scheint für immer den Leprabazillus in seinem
Schosse zu bergen. Ja auch Moses nennt die Lepra schlecht¬
weg die ä^T)tische Krankheit. Bereits im 14. Jahrhundert
vor Christi Geburt wird in einem alten Papyrus das Auftreten
der Lepra in dem Pharaonenlande erwähnt; nach den Unter¬
suchungen von Brugsch deuten sogar Anzeichen darauf hin,
dass man um das Jtinr 4266 vor Christi Geburt genaue Kennt¬
nis dieser Plage hatte.
Moses unterscheidet in seiner Gesetzgebung eine dreifache
I Lepra: Körperlepra, Kleiderlepra und Häuserlepra. Die erstere
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10
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 3.
der Berliner ärztlichen Standesvereine, dieselben Verhältnisse be¬
treffend, Ebenso werden die im „Tag“ erschienenen treffenden
Entgegnungen gegen die Meissner’schen Forderungen verlesen.
Sodann berichtete der Vorsitzende über die bezüglich des
Keuchhustens gefassten Beschlüsse der Kommission.
Bezüglich des Hauptpunktes der Tagesordnung, die ärztliche
Schrift über die Ostseebäder, berichtet der Vorsitzende, dass bis¬
her einige Beiträge eingelaufen seien, und knüpft daran die
dringende Mahnung um weitere Beiträge, auch aus der spezieli-
badeärztlichen Praxis. Was zunächst die Form dieser Broschüre
angeht, so soll dieselbe kein „Führer“ sein. Margulies und
Rhode schlugen eine bestimmte Fassung vor. Letzterer will
auch schon den Titel so gefasst sehen, dass es absolut nicht den
Eindruck „bestellter Arbeit“ macht. Demgemäß wird beschlossen;
es werden also nur die Namen der Verfasser von Beiträgen, so¬
wie die Redaktions-Kommission genannt werden. Den Inhalt dieses
„Bäderbuches“ angehend, wird zunächst von Herrn Hofrat Dr.
Röchling ein Manuskript über das Gerippe verlesen. Sehr er¬
wünscht sind auf Bitten des Verlesenden Beiträge über Beobach¬
tungen von Herz-’und Lungenaffektionen, Morb. Bas., Gicht etc.
von der Ostsee, Mitteilungen in der allerkürzesten Form würden
genügen.
Der Beitrag für das Vereinsjahr 1906 wird auf M. 1,50
festgesetzt. Bei diesem Punkte beantragt Rhode dem Kollegen
Meissner*) einen Betrag auszusetzen für die Gratislieferung der
„Medizinischen Woche“ au die Mitglieder, Dieser Antrag wird
mit Rücksicht auf die schlechten Kassenverhältnisse nicht ange¬
nommen. Der Kassenbericht des Kassenführers kann nicht ent-
gegengenommeu werden, da Herr Dr. P au Isen nicht zugegen
ist.
Der bisherige Vorstand wird durch Zuruf für das Jahr 1906
wiedergewählt.
Schluss der Sitzung 3 Uhr.
Sanitätsrat Dr, Rhode.
Verein det' 1iadeiu'%te an der Oatnee,
Als Mitglieder neu aufgenommen; Herr Dr. Glasow-Seebad
Ahlbeck, Herr Dr. Guthmann-Charlottenburg, Wilmersdorfer-
Strasse 137.
Hofrat Dr. Röchling, Sanitätsrat Dr. Rhode,
Vorsitzender. Schriftführer.
*) Dem Verlage der „Med. Woche“. D. Red.
zerfiel nach medicinischem Urteil wiederum in eine fleckige,
gefühllose und knollige Abart, Lepra maculosa, anaestetica
und tuberculosa, welch letztere am häufigsten auftritt.
Keine dieser Formen hat ausschliessliche Symptome; die¬
selben greifen vielmehr ineinander und nur aus äen am meisten
hei-yortretenden Symptomen wird der Charakter der Krankheit
bestimmt.
Jedenfalls galt die Lepra für eine ansteckende Krankheit;
ihr wird aber vorgebeugt durch grösste Reinlichkeit, woraus
die vielen, vom Gesetze der Juden vorge.schriebenen Waschungen
resultieren, andererseits durch Absonderung der Kranken, so¬
wie durch gelegentliche Vernichtung der mit dem Ansteckungs¬
stoff infizierten Gegenstände.
^Vie und wann sich der Aussatz weiter verbreitet hat,
dürfte schwer festzustellen sein, jedenfalls wuirde er durch den
Vorkehr verschleppt Auch düi-fte es wohl unmöglich sein,
jemals anzngeben, wann und wo sich das erste Leprosenheim
eihoben habe. Jedenfalls steht fest, dass bereits ini Jahre 1160
ein Aussatzhaus in Saint Oyan, jetzt St. Claude bestand, Ende
des sechsten Jahrhunderts Hess Bischof Agricola von Chalon
eine Leproserie an den Toren seiner Bischofsstidt errichten,
und von 636 liegen beglaubigte Nachrichten über Aussatzhäuser
in Verdun und Maostrieht vor usw. Im siebenten Säkulum
hat die Geissei bereits den Eisass heimgesucht, denn Odilia,
Gräfin von Hohenburg, pflegte an den Toren des väterlichen
Schlosses zulilreiche Leprosen und wahrscheinlich bestand um
Geschichte der Entwicklung des Bades Ems.
Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des Allgem. Deutschen
Bäder-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1906.
Von Dr. Stemmler, Ems.
Wenn ich Ihnen heute als Arzt einen Vortrag über die ge¬
schichtliche Entwicklung des Bades Ems halte, so muss ich wohl
für diesen Übergriff auf fremdes Gebiet zunächst einen Berechtigungs¬
nachweis erbringen. Dieser ergibt sich aus den GeschichtsqneUen
der letzten vier Jahrhunderte über Ems, die durchweg in Schriften
von Emser Ärzten bestehen, die uns Kunde geben über den Ur¬
sprung des eigentlichen Bades, über seine Quellen, deren Beschaffen¬
heit und Gebrauch, über die fortwährende Erweiterung der Kur¬
gebäude und den stetig wachsenden Zufluss der Kurgäste.
Die Geschichtsschreibung des Bades Ems in den letzten vier
Jahrhunderten ist somit eigentlich eine Balneographie, und in
dieser Form ein Werk der Emser Ärzte, als deren Vertreter ich
Ihnen heute einige historisch - balneologische Bruchstücke vor¬
tragen soll. —
Wenn auch die erwähnten Schriften uns erst genauen Auf¬
schluss in historischer Beziehung geben, so unterliegt es doch
keinem Zweifel, dass Sie hier auf althistorischem Boden tagen.
In seinen Buche: „Neue Beschreibung der warmen Brunnen
imd Bäder zu Ems“ vom Jahre 1716 schreibt der Giessener
Professor Dr, Peter Wolfart, „dass er, nicht allzuweit von dem
Ziel vorbey zu schiessen glaube, wenn er behaubte, dass diese
warmen Quellen,- mit von den ältesten in Teutschland seyen
massen nicht allein Plinius diese warme Wasser, ja alle so wohl
kalte als warme in dieser Gegend und in der Nähe springende
Brunnen Mattiacos fontes insgemein benähmet.“
Diese zu Beginn des 18. Jahrhunderts aufgestellten Mut¬
maßungen haben erst im 19. Jahrhundert eine greifbare Unterlage
erhalten durch die Funde alter Denkmäler und Überreste aus
früheren Zeiten, welche vom Zahne der Zeit wohl angegriffen, aber
nicht zerstört, von Mutter Erde aufbewahrt, der Nachwelt gleich¬
sam ein neues Urkundenbuch eröffneten, das, wie die der scharf¬
sinnige Deuter desselben, unser verstorbener Mitbürger, Heinrich
Hess, richtig sagt „uns in Bild und Muster Einblick gibt in das
Leben, in die örtlichen Verhältnisse, in die Technik einer fernen
Zeit“. Mit Recht folgert er aus den Funden in Ems, besonders
den dort aufgedeckten Gräbern und deren Inhalt, dass auf diesem
Boden eine kleine germanische Ansiedlung bestanden hat. Wohl
982 herum auch in Strassburg eine Zufluchtsstätte für Aus¬
sätzige.
Jedenfalls tritt Kirch der Ansicht entgegen, dass Kreuz¬
fahrer die Lepra vom Orient mitgebracht hätten; der Aussatz
war längst im Abendlande verbreitet zu einer Zeit, als man
noch gar nicht an die Kreuzzüge dachte.
Nach diesen einleitenden Abschnitten wollen wir uns auf
Lothringen beschränken, wo man ebenfalls in der ersten Hälfte
des 7. Jahrhunderts von einem Leprosenheim in Metz Kunde hat,
dem sich bald mehrere im Lande anschliessen. Ja selbst in
und um dieselbe Stadt wurden mannigfach verschiedene Lepro-
sorien gegründet, deren eine die Bemittelten aufnahm, welche
ihren Unterhalt selbst bestritten, wahrend die grössere Mehr¬
zahl den Armen Vorbehalten war, welche nichts ihr Eigen
nannten oder nur über geringes Hab und Gut verfügten und
hauptsächlich auf die Wohltätigkeit ihrer Mitmenschen ange¬
wiesen waren.
Wie zahlreich diese Zufluchtsstätten, welche die Insassen
freilich nur gezwungen aufsuchten, in den damaligen Zeiten
gewesen sein müssen, erhellt aus dem Umstande, dass gar
nicht selten Benennungen von Feldern, Brücken, Wegen usw.
an die Leprosen erinnern und das Andenken ihrer einstigen
Existenz auf diese Weise der Nachwelt erhalten haben. Denn
man muss sich dabei erinnern, dass die Bewegungsfreiheit
dieser Kranken von obrigkeitswegen eingeschränkt war. Es
waren ihnen nur bestimmte Wege zu gehen gestattet, ihr Be-
I wegungsraum wurde vielfach durch ein Kreuz auf den Strassen,
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1906.
BALNBOLOGISCHE CENTRALZBITÜNG
11
mag bei der Wanderlust der germamschen Völkerscbaftpen, bei
dem steten Vordringen derselben nach Westen, diese idyllische
Niederlassung in dem von den bewaldeten Bergen dichtnmschlossenen
Lahntal ihren Besitzer mehrmals gewechselt haben. Eines steht
aber fest und wird durch die Altertumsfunde bis in die neueste
Zeit zur Evidenz bewiesen, dass die Römer hier durch Jahrhunderte
Standquartier genommen haben. Dafür zeugen die massenhaften
Überbleibsel ihres Aufenthaltes, die aufgedeckten Grundmauern
ihrer beiden Kastelle in Dorf Ems und Spiess^Ems (linke Lahn-
seite), die Grabstätte an der alten katholischen Kirche, die an
verschiedenen Stellen aufgefundenen Ziegel mit Stempel der XXll.
X.egion und der 4. Vindelicischen Kohorte, die grosse Zahl von Urnen,
Waffen, Münzen, Votivtafeln, Lämpchen etc. Dicht an den Quellen
und dem Kastell am Spiess vorbei führt von dem Signalturm auf
dem Wintersberg, dessen römische Grundmauern 1857 aufgedeckt
wurden, zur Ba^ absteigend und dieselbe an der jetzigen Bahn¬
hofsbrücke kreuzend, der römi.sche Schutzwall, limes imperii Romani,
welcher sich deutlich im Verlauf des Pfahlgrabens bis zur
Kemmenauer Höhe, wo ein zweiter römischer Wartturm stand,
verfolgen lässt.
(Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
# Davos.
Vom 9. bis 15. Dezember waren
in Davos anwesend
Seit
1. Jan,
1905
Im gleichen Zeit¬
raum 1904
Deutsche . ..
1207
6618
1003
6107
Kiigländer.
416
2108
491
2382
Schweizer.
385
5309
275
5139
Franzosen .
220
1012
151
769
Holländer.
96
484
98
490
Belgier.
61
258
24
497
Russen und Polen ....
355
1191
239
901
Österreicher und Ungarn . .
95
677
138
650
Portugiesen, Spanier, Ita¬
liener, Griechen
155
639
135
651
Dänen, Schweden, Norweger
33
128
25
145
Amerikaner.
76
375
44
314
Aogeh. and. Nationalitäten .
43
222
27
197
Total
3142
19021
2648
17942
’VV’^egen und Feldern abgegrenzt, ein Überschreiten dieses Areals
wurde unnachsichtlich streng geahndet.
Stand eine Strasse oder eine Brücke dom allgemeinen
Verkehr offen, so mussten sie derartig breit sein, dass die
Kranken den Gesunden genügend ausweiclien konnten, wozu
erstere verpflichtet w'aren.
Dass die Reichen bemüht waren, durch Errichtung von
Leproserien dem Übel zu steuern, selbstverständlich in der
Regel nur, um eine Anwartschaft zu haben , der Hölle ent-
ehen zu können, dürfte allgemein bekannt sein. So kam es,
ass kaum eine Ortschaft ohne Leproserie war. Wies doch
beispielsweise Ludwig IX. von Frankreich in seinem Testament
die Mittel an zur Errichtung von 2000 dieser Zufluchtsstätten.
Wer in den Verdacht geriet, am Aussatz erkrankt zu sein,
wer nur einige verdächtige Flecken zeigte, wurde entweder
sofort gezwungen Haus und Hof zu verlassen und in eine
Leproserie überzusiedeln, oder doch wenigstens als der Lepra
verdächtig unter Aufsicht gestellt. Selbstverständlich kamen
vielfach Verwechslungen mit lepraähnliclien Hautkrankheiten
vor, und namentlich die S^hilis mit ihren mannigfaltigen Er¬
scheinungen dürfte oftmals den Aussatz vorgetäuscht haben.
Auch durch Böswilligkeit wurde mancher für aussätzig erklärt,
ohne es zu sein, während umgekehrt Aussätzige dank ihrem
Einflüsse und Gelde für rein hingestellt wurden und frei umher
gehen durften. (Schlusb folgt.)
A Podobrftd. Fürst Hohenlohe-Schiüiugfürst wird auf seiner
Herrschaft Podebrad eine Kuranlage errichten, nachdem dortselbat
eine mächtige Mineralwasserquelle entdeckt worden ist. An dem
Projekt wird bereits gearbeitet und zwar ist eine villenartige An-
lage geplant.
X Aus dem Rlesengeblrge. Nachdem das Jahr 1904 dem
Riesengebirge eine geradezu glänzende Saison gebracht hatte,
machte sich im letzten Sommer ein merklicher Rückzug des Fremden¬
verkehrs geltend. So berechnet der „Bote“, dass 1904 die Zahl
der Sommerfrischler im Riesengebirge 38435 betrug, 1905 da¬
gegen nur 33767, also 4668 weniger. Die Frequenz in den
grösseren Sommerfrischen betrug 1905 in Schreiberhau 9806
(1904 11321), Krumenhübel 4543 (4783), Agentendorf 2249
(3000), Hain 2680 (3540), Hennsdorf a. K. 1460 (2 180), Seidorf
665 (1222), Jannowitz 988 (1065), Petersdorf 649 (1500) ngw.
Allerdings haben ja auch einige Orte, so z. B. Brückenberg und
Saalberg, sowie mehrere kleinere Sommerfrischen eine kleine Er¬
höhung der Frequenzziffer zu verzeichnen. Ganz besonders litt
aber im letzten Sommer der Touristenverkehr, Schreiberhau,
Krumhübel und Hermsdorf a. K zählen auch die Touristen, imd
diese drei Orte hatten zusammen 1904 20545, 1905 aber nur
15*753 Touristen zu verzeichnen, also 4792 weniger. Von den
Bädern hatte Warmbrunn 1904 13806, 1905 aber nur 9498 Ge¬
samtfrequenz, mithin 4 358 weniger, Flinsberg 1904 10311, 1905
aber nur 9010. Gesamtfrequenz mithin 1301 weniger. Dieser
verhältnismäßig erhebliche Rückgang ist auf verschiedene Ursachen
zurUckzuführen. Vor allem dürfte das gänzlich unbegründete Ge¬
rücht von der Genickstarre schädigend gewirkt haben, dann aber
auch die in Öffentlichkeit vielfach hervorgetretenen Klagen über
die angebliche „Beateischneiderei im Riesengebirge“, die ungünstige
Verbindung des Gebirges und wohl auch die Mode, die für dieses
Jahr die Seebäder wieder bevorzugte. Jedenfalls beschäftigt man
sich im Riesengebirge sehr ernstlich mit der Frage, wie man den
Zuzug wieder heben könne. Die Gründung des „Verbandes der
Sommerfrischen xmd Kurorte im Riesengebirge“ ist mit die erste
Folge dieser Bestrebungen.
X Schi6rk6. Unser Höhenluftkurort richtet sich nun auch auf
Winterbetrieb ein. Das hiesige Kurhaus hat eine besondere Ein¬
richtung für den Winter erhalten.
X WiüSbadon. Dr. Friedländer ist in den Mitbesitz des Dr.
Gierlich’schen Sanatoriums eingetreten. Die Anstalt wird nimmehr
von Dr. Friedländer und dem seitherigen Besitzer Dr. Schmielau
unter dem Namen „Sanatorium Friedrichshöhe“ gemeinschaftlich
geleitet.
X Badsn-Badan. Die Gesamtfrequenz im Jahre 1905 be¬
trug 77 555, d. h. nahe an 5900 Personen mehr als im Jahre
1904.
O Franzensbad. Sanitätrat Dr. Josef Diessl hat dem
Bürgermeister Kaiserl. Rat Wiedermann den Betrag von 1000
Kronen zur Verschönerung des Kurortes übergeben.
X Kudowa. Das Richtfest des neuen Badehauses fand am
16. Dezember statt. Dasselbe entspricht allen modernen An¬
forderungen. An die Feier schloss sich ein Festbankett im Kui‘-
hotel an.
Literatur.
Kromayer, Berlin. Die kosmetische Therapie in der
ärztlichen Praxis. (Die Heilkunde, 1905, No. 9.)
Die Kosmetik besteht heute nicht darin, dass man irgend¬
welche wundersam wirkende Salben oder Schönheitawässer ver¬
schreibt, sondern dass man alle technischen und instrumentellen
Fortschritte zur Hilfe nimmt.
Daher gibt Kromayer- für die Unreinigkeiten der Haut ver¬
schiedene zierliche Instrumente an, mit denen man den Pigment-
anomaÜen, Sommersprossen, Geschwülsten (pigmentierte und un-
pigmentierte Naevi, Linsenfiecke, Warzen) und den Anomalien der
Talgdrüsen (Acue, Mitesser und Milien) schonend und mit nach¬
haltigem Erfolge beikommen kann. Mit diesen Methoden, über
die Kromayer schon mehrfach a. a. 0. berichtet hat, vermeidet
man die störenden Narben.
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BALNE0L0GI8CHB CENTRALZBITÜNG
Nr. 8.
Die kleinen Geschwülste stanzt er an mit einem Zylinder¬
messerchen, das er um die Geschwulst — je nach der Größe mit
verschiedenem Ausschnitt —- rotieren lässt; damit wird die Haut
in unmittelbarer Nähe der Geschwulst so oberflächlich durch¬
schnitten, dass der Schnitt nur die Epidermis und die cutis vascu-
losa durchtrennt, nicht aber in die Lederhaut, die cutis propria,
eindringt; der runde Ausschnitt wird alsdann in das Loch eines
Schutzbleches gefasst, welches eine kleine runde Mulde besitzt, als
ob dorthin ein Schraubenkopf gepasst wäre, und mit einem kleinen
Kreismesser wird das also eingerabmte Geschwulstrelief abge-
schnitten. Die Wunde liegt dann in den oberflächlichsten Cutis¬
schichten, die mit der Epidermis narbenlos regenerieren.
Auch die Sommersprossen lassen sich mit dieser Operations¬
methode narbenlos und deflnitiv entiernen, wenigstens sobald sie
sich nicht überhäufen.
Zum Ausstanzen der Acneknoten werden ganz kleine Zylinder¬
messer mit winzigem (weniger als ein mm; Durchmesser benutzt
und die herausgestanzten feinsten kleinen Häutsäulen werden mit
einer besonderen schalenförmigen Pinzette aus ihrer losen Ver¬
bindung mit dem subcutanen Gewebe herausgehoben. Die Milien
werden angeritzt und die herausspringenden Homperlen werden
weggestrichen.
Für den abnormen Haarwuchs benutzt Kromayer ein Kleiu-
zylinder- oder Epilationsmesser derart, dass er gewissermaßen
durch die Haarwurzel den kleinen Zylinder durchstülpt und es in
der Richtung des Haares durch die cutis derart stösst, dass die
getroffene Hautsäule mitsamt der tief im subkutanen Bindegewebe
liegenden Haarpapille herausgezogen wird, damit wird auch das
Haar definitiv entfernt.
Aber nicht blos die Unreinigkeiten der Haut beschäftigen die
Kosmetik, sondern auch der Mangel an Glätte^ Weichheit, Ge¬
schmeidigkeit und Mattglanz der Haut. So gern man allerdings
durch Femhaltung jeglichen Reizes die Homschicht weich und
zart machen möchte, so darf nicht vergessen werden, dass die
Haut auch dem Einflüsse von Wind, Wetter, Licht, Wärme und
Kälte standhalten soll. So hält z. B. der Fuder die Erfrischung
der Luft und die Belebung ab.
Wohl aber nimmt die spröde, rauhe und trockene Haut imd
die Verfärbung der Haut (capillare Hyperämie und Venectasie) die
altbewährte Salbenbehandlung in Anspruch; der Spitzbrenner jedoch
und die Lassar’sche Methode der multiplen Stichelung muss bei
grösseren sichtbaren Venen zu deren Obliteration in Tätigkeit
treten. A. R.
Vermischtes.
— Wüstenhotels. Um die vom Arzte verordnete Ruhe
und Erholung in der Einsamkeit der Wüste gemessen zu können,
hat eine englische Lady das Unternehmen eines Wttstenhotels in
der Nähe der Pyramiden von Gizeh geplant. Jeder Gast erhält
als Schlafstätte sein eigenes Zelt, das zwecks besseren Schutzes
ein doppeltes Zeltdach trägt imd innen mit orientalischen Schlaf¬
teppichen ausgestattet ist. Zwei grosse Zelte dienen als gemein¬
schaftliche Speise- und Unterhaltungsräume. Die Verbindung mit
der Aussenwelt wird durch eine Pferdebahn nach Kairo unterhalten.
Das Fensionsgeld beträgt pro Woche 170 Franken, während sich
sonst die gewöhnlichen Unterhaltungskosten in Begleitung des
Dragomans auf 50 Franken pro Tag belaufen. Doktoren in Kairo
versprechen sich von dem Einflüsse der Wüstenluft und Ruhe
grosse Heilkräftigkeit für ihre Patienten und wollen das Unter¬
nehmen in jeder Weise unterstützen.
— Dr. Pierson hat die ärztliche Leitimg seines Sanatoriums
Lindenhof an Dr. F. Lehmann abgegeben. — Dr. Pierson, welcher
der Anstalt 21 Jahre verstand, wird sich nunmehr auf eine ärzt¬
lich beratende Tätigkeit beschränken.
— Das medico-mechauische Institut und Zander-
Institut im Karlsbader Kaiserbade gelangt zur W’ieder-
Verpachtung, da nach dem Ableben des Dr. Kumpi der Vertrag
des Dr. Grünfeld mit der Stadt gelöst wurde. Das Höchstoffert
ist jenes des Dr. Ty.rnauer, welcher 35 000 K. bietet und welcher
voraussichtlich den Pacht auch erhalten wird. Die bisherigen
Pächter zahlten einen ähnlichen Betrag, sind aber nicht auf die
Kosten gekommen.
Personalien.
— Dem Vorsitzenden der Badanstalten-Kommrssion in Baden-
Baden Geheimrat Haape, dem Oberbürgermeister von Baden-
Baden Dr. Gönner wurde das Kommandenrkreuz, dem Kurdirektor
von Baden-Baden Grafen Vitzthum von Eckstädt das Offiziers-
kreuz des Niederländischen Hausordens von Oranien verliehen.
Der Karlsbader Badearzt Dr. Edgar Gans wurde zum Ritter der
französischen Ehrenlegion ernannt.
Meteorologische Statistik.
VertMteltet vm der Redaktioa der BalaeelejgUcImi Zedtralzeitmy..
Name
1
Woche
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S-S 1
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Durchschnitt¬
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Bemerkungen
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Badenweiler.
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Driburg.
2,1 C.
3,4 C.
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Ems.
— 0,8 C.
2,3 C.
758
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— 6,7 C.
— 2,5 C.
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Laugenscbwalbach . . .
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Nauheim.
— 2,5 C.
2,9 C.
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Verantwortlicher Redakteur; Ho<rat Dr. W. H. Gilbert, Baden-Baden. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S,
Druck von Heynemann'tcbe Buchdruckerei, Gebr. WolfT, Halle a. S.
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Vn. Jahrgans^. Nr. 4. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des ScbwarzwaldbäÜertages, des Verbandes
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*:
Verlag: Carl Marhold ln Halle a. UhlandstraSe 6.
Tel.-Adr.: Marbold Veriag Hailesaale. Pemspreefaer 2834.
Redakteur:
Dr. Nebelt, Plinsberg i. Schl.
Alle Znschrifteii an die Redaktion erbitten wir au Herrn
Hoirat Dr. W. H. Qilb«t, Baden-Badee.
Hofrat Dr. W. H. IBlbert Baden-Baden.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quelleaangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inhalt.
Feuilleton: Die Leproserien speziell Lothringens. VonDr. £. Rotb.(^blass.)
Geschichte der Entwicklung des Badm Ems. Vortrag für die XIV. Jahres*
rersammlnng des Allgemeinen Deutschen bäder*Vorbsndes zu Ems.
Sitzung am 4 . Oktober 1905. Von Ür. Stemroler, Ems. (Forts.)
Ans den Bftdem und Kurorten.
Literatur.
Meteorologische Statistik.
Geschichte der Entwicklung des Bades Ems.
Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des Allgem. Deutschen
Bader-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1905.
Von Dr. Stommler, Ems.
(Fortsetzung.)
£is unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Römer
auch von den warmen Quellen, die ihrer Lebensbequem-
Jichkeit so sehr zu statteu kamen, Gebrauch gemacht haben. Dies
wird besonders bestätigt durch die Tatsache, dass bei dem Bau
des Römerbades im Jahre 1842 neben vielen andren Denkzeichen
aus römischer Zeit ein gemauertes Bad mit Röhren aus Stein und
kupferner Rinne gefunden wurde. So gewinnt die Vermutung
an Wahrscheinlichkeit, dass das Kastell auf der linken Lahnseite
nicht nur dem Schutze des LahnUberganges, sondern auch der
warmen Qnellen diente. Auf jeden Fall wird der Römer gern
in diesem herrlichen Erdenwinkel geweilt haben, der ihm wenigstens
einen kargen Ersatz bot für die üppigen Bäder seiner sonnigen
Heimat. Und so hat sich auch, als nach einer langen Reihe von
Jahrhunderten die Bubenquelle eine gewisse Berühmtheit erlangte,
die Legende ein Vorbild aus der f^merzeit gewählt, indem sie
hierhin die Wiege des Kaisers Callgula versetzte, den Agrippina
nach erfolgreichem Gebrauche der Emser Bäder dem edlen Germa*
nicus gebar: — (In vico ambiatino supra confluentes — Plinius
jun.) Ais die Macht der Römer dahinsank, und die in Germanien
stehenden Legionen von den deutschen Stämmen hart bedrängt
ziu* Verteidigung des heimatlichen Bodens zurückgingen, scheint
der Sturm der Völkerwanderung über Ems hinweggefegt zu sein,
alles niederreissend, was von fremdländische: Kultiir ins Auge stach.
Wenn auch erst der Pflug späterer Zeiten ganz der Erde anver¬
traute, was wir jetzt als wertvolle Urkunden aus ferner Zeit
sammeln, so senkt sich doch mit diesem Zeitpunkt ein undurch¬
dringlicher Schleier über die Geschichte der menschlichen Nieder-
lasstmgen an den Emser Thermen. Wohl deuten Gräberfunde
darauf hin, dass im Anfang des fünften Jahrhunderts die Franken
Herren dieses Tales waren. Eine bestimmte Nachricht von Ems
bringt erst wieder das 10. Jahrhundert. In der Stiftungsurkunde
der Kirche zu Humbach (Montabaur) wird eine kleine Grundherr-
Uchkeit erwähnt, deren Grenze der Bach Omunza (Emsbach) bildete,
deren Besitzer, der Franke Omincus (Oming) mit seinen Gütern
an die Besitzungen des Herzogs Herrmann von Älemanien ati-
grenzte. Unzweifelhaft erkennen wir in dieser Grundherrlichkeit
den Ursprung des heutigen Ems, das sich aus der Benamung
Omtze, Uvemetze (1158) Omize, Oumete (1200), Bad zu Eimtz
(1361), Embtze (1474), Embtz (1438), Eimetz, Eyms, Embesse,
Hembesse, Emps, Embs, und anderen Namensänderungen ent¬
wickelt hat. Dieses Gut sehen wir später lange Zeit im Besitze
der Trierischen Kirche, speziell des Kastorstiftes in Koblenz,
Schirm Vögte waren die Grafen von Amstein, und im 12. Jahr¬
hundert die Grafen von Nassau (Laurenburg). Diese fühlten sich
so sehr als Herren des Landes, dass eine langjährige Fehde ent¬
stand, als Kaiser Friedrich Barbarossa in seinem Hoflager zu
Feuilleton.
Die Leproserien speziell Lothringens.
Von Dr. E. Roth.
(Schluss.);
Nach lothringischem Recht waren zwanzig aussatzver-
dächtige Zeichen vorgeschrieben, um jemand als ladre zu er¬
klären, und zwar zehn am Kopfe und zehn am übrigen Körper,
während in der Christenheit sonst 20 bis zu 30 selbst zur
Überführung eines Leprakranken vorgeschrieben waren. Der
im 13. Jahrhundert sehr beliebte Lehrer Gilbertus anglicus
hat in seinem Compendium medicinae den Aussatz in aieser
Beziehung wohl am besten beschrieben; bei ihm finden sich
27 Kennzeichen, welche zu seiner Zeit maßgebend waren und
die Kirch für wichtig genug hält, um sie ausführlich abzu¬
drucken.
War aber einer für ladre erklärt, so schritt man zur Se¬
questration; und das Zeremoniell bei der Absonderung der
Leprosen war einer der rührendsten Teile der kirchlichen
Liturgie. Dabei waren diese Gepflogenheiten bis auf einige
Einzelheiten in der ganzen Christenheit die gleichen: Man stiess
eben die (Unglücklichen aus der menschlichen Gemeinschaft
aus, der Aussätzige wurde behandelt wie ein Toter, wenigstens
im bürgerlichen Sinne; er musste sich zeitlebens „der gemeinen
Bürgerschaft enthalten und weltlich Hantierung entäussern“;
er konnte weder erben noch vererben. Wurde ein Lepröser
entlassen als geheilt, was freilich selten genug vorkam, so fand
er vielleicht seine Frau wieder verheiratet; eine Rechnungs¬
ablage über das Vermögen konnte nicht gefordert werden.
Selbstverständlich konnten Aussätzige keine Ämter be¬
kleiden, auch nicht in der Kirche. Von Kommunion und
Beichte waren sie aber nicht ausgeschlossen, wenn ihnen auch
im Gotteshause ein besonderer abgeschlossener Raum ange¬
wiesen wurde, falls sie nicht, wie die Regel erheischte, eine
eigene Kapelle besassen. Der Friedhof befand sich gewölm-
lieh in unmittelbarer Nähe der Leproserie und wurde streng
gegen die Leichen anderer Verstorbenen abgeschlossen.
Im Leprosenhaus selbst bildeten alle Mitglieder mit^ ein¬
ander eine Familie, mochten sie verwandt sein oder nicht;
Hoch und Niedrig zählte nicht, alle waren Bruder und
Schwester.
Eine wie g^rosse Rolle die Lepra im Volksglauben y)ielte,
beweisen die zahlreichen diesbezüglichen Legenden und Schrif¬
ten, Gemälde und anderes.
Noch findet man vielfach St. Georgenkapellen, die dem
Schutzherm der Aussätzigen geweiht waren.
Die Kirche war durchgehends die Verwalterin der Ans-
sätzigenheime, doch findet sich auch städtische Verwaltung er¬
wähnt
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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
U
Nr. 4,
Sinzig am 26. April 1158 den Erzbiachof Hillin von Trier filr
seine ihm auf der Expedition nach Italien geleisteten Dienste feier*
lieh das Recht znsprach, um Ems Bergbau auf Silber zu betreiben;
Omnem iusticlam quam in argentaria in Uvemetze (bei Hontheim
XJlmetze) et in toto monte adiacente.
Nachdem in langjährigen Kämpfen die Schirmvögte aus dem
Hause Nassau sich zu Ijandesherren aufgeschwungen, scheint Ems
schnell emporgebldht zu sein. Urkunden des 14. Jahrhunderts
erwähnen den reichen Weinbau um Ems und am 19. Februar
1324 erhält es sogar vom König Ludwig dem Bayern das Privi¬
legium sich mit Mauer und Graben zu umgeben xmd sich Stadt
zu nennen, von welchem Rechte jedoch nicht Gebrauch gemacht
wurde. Während sich die ehemalige Besitzong des Franken
Oming zu einem grossen Flecken (Dorf Ems) entwickelte, geschieht
der Thermen nur nebenbei Erwähnung, um die Lage des Silber¬
bergwerks (argenti fudina ad Thermas Emptzianaa) genauer zu be¬
zeichnen. Immerhin deutet dies daraufhin, dass sie als allgemein
bekannt vorausgesetzt wurden.
Eine Urkunde vom 23. Dezember 1352 erwähnt die „Mühle
und das warm bayt by Eumetze“. Genaueren Bericht liefert uns
die Belehnungsurkonde des Erzbischofs Wilhelm von Cölln, welcher
1355 den Grafen Johann zu Nassau, Herrn zu Hadamar mit dem
Dorfe Embs, mit den Gerichten, Leuten, Weingarten und „vort-
mehr der Mühlen, warmen Baad bei Eymetz‘* gelegen, Holz und
Feld, Wasser und Weyde belehnt. Weitere Urkunden aus den
Jahren 1361, 81, 83 berichten über den Turm auf dem Bade und
das Bad selbst. Im Jahre 1443 tritt eine Teilung der Vogtei
und des Bades Ems ein, indem Katzenellenbogen, gestützt auf
Erb- und Kaufverträge, die Hälfte davon in Besitz nimmt. Mit
dem Erlöschen des Manuesstammes der Grafen von Katzenellen¬
bogen im Jahre 1479 fällt dieser Anteil an Hessen, welches wir
nunmehr bis 1803 gemeinsam mit dem Hause Nassau im Besitze des
Bades Ems sehen. In die Zeit der Gemeinherrschaft des Hauses
Nassau und Katzenellenbogen fällt auch die Erbauung eines neuen
Bad- und Kurhaxises. Aus den älteren Urkunden können wir nur
annehmen, dass der Turm über dem Bade das einzige Badehaus
war, und wir erfahren, dass sich in demselben zwei Bäder be-
landen. Wir lassen dahin gestellt, ob die Unzulänglichkeit dieser
primitiven Einrichtung oder vermehrter Zuäuss von Genesung-
suchenden die beiden Besitzherren veranlassten Wandel zu schaffen.
Jedenfalls gibt uns eine Urkunde aus dieser Zeit genauen Auf¬
schluss Uber den Bau eines neuen Badehauses. Diese Fürsorge
für das Wohl der Badegäste scheint einen starken Aufschwung
der Bäder bewirkt zu haben; denn eine Reihe von Badeschriften
hervorragender Arzte erwähnen die Heilkraft des Bades und
widmen demselben besondere Abhandlungen. Hervorzuheben ist
Die wichtigste Stelle in der weltlichen Verwaltung nahm
der Leprosenmeister ein, er vertrat das Haus nach aussen, er
Unterzeichnete alle Käufe und Verkäufe, er nahm Stiftungen
an, kurz, war der Vermittler der Welt gegenüber. Sonst
wurde das Personal nach Möglichkeit beschränkt, die Aus¬
sätzigen waren durchgohends auf sich angewiesen und mussten
sehen, wie sie sich mit allerlei Handreichungen halfen.
In den geordneten Leproserien, in den grösseren wenig¬
stens, waren die Gesunden von den Kranken durch besondere
Abteilungen getrennt; das Claustrum war der Ort, wo die
pflogonden Laienbrüder und Laienschwestem sich aufhielten,
wenn sie nicht Dienste verrichteten oder die Leprosen pflegten.
Und wenn je eine Aufgabe notwendig und schwierig war,
so waren es wohl die Berufspflichten dieser Brüder und
Schwestern; es gehörte viel Selbstüberwindung und eine
eiserne Ausdauer dazu, in Leproserien auszuhalten, zu sehen,
wie die Unglücklichen unter den schrecklichen Sclimerzen
langsam zu Tode gefressen wurden, ohne neimenswert helfen
zu können.
Daneben müssen die Arbeiter erwälint werden, welclie mit
der Bearbeitung des den Leprahäusern vielfach gehörenden
Landes betraut waren, sie wohnten aber nicht mit in den
Leproserien.
Anders stand es mit den sogenannten Praebendoninhabern.
Mau kann aber vielfach darunter eine Art Aristokrateiilepra-
kranke verstehen. Diese Praebenden standen hoch im Preise.
die Schrift des Marbui'ger Professors Dr. Johannes Dryander, ge¬
nannt Eichmann: „Vom Eymbser Bade“ 1535, damals wie der
Titel angibt „Docktor zu Coblentz“ in welcher er die Wirkungen der
„Embser Thermen“ verherrlicht. Und dieses Zeugnis ist umso
wertvoller, als es sich gründet auf eine für die danuüige Zeit
eingehende Quellenanalyse, die er selbst angestellt hat. Die
Kenntniss von der Komposition des Wassers hält er für die Be¬
urteilung der Wirkung unbedingt für nötig. „Den niemandt wol
erkennen kan/ ein Compositum/ das ist ein dingk vo vielerley zu¬
sammen gefügt/ er wisse dann zuvor/ eines jeglichen Dinges/ so
in die Composition kompt/ eigenschafft". Seine Untersuchung er¬
gab , dass dies Badt vö schweflel/ alun xmd saltz zusammen ge¬
setzt sey/ woU auch andere ertz in sich haben mag; xmd zwar
von den drei Hauptbestandteilen, des aluns, am allermeisten/ des
8 altzes| halb so viel/ des schweffels aber am allerwenigsten.
FxLssend auf eigene Erfahrung xmd gestützt auf das Untersuebungs-
resultat stellt Dryander in kurzen Worten die Indikationen für
das Eymser Bad auf. Die viel Feuchtigkeit in den Lxmgen
haben, sollen dies Bad gebrauchen. Er empfiehlt es
lerne vnd das Podagra, den Spasmum und die entschlaffene Gelider.
So einer im leib der Colica oder Dermgicbe halber mangel hat
oder zu sehr flüssig im Bauch wäre, denen hilft es: Es zerteilt
die sandichten Körnlein in den Nieren und macht die hineghamen,
den Frawen, die unfruchtbar seyn, hilft es wieder zurecht.
Sie sehen meine Damen xmd Herren! Die Indikationen für
Ems sind so alt wie die Balneographie des Bades, — sie sind
xmwandelbar geblieben im Wechsel der Zeiten, konstant wie der
Gehalt der Quellen, zugkräftig wie der Ruf der hervorragenden
Arzte, die in den folgenden Jahrhunderten als Elronzeugen über
die Wirkung der Emser Thermen geschrieben haben. — Ich er¬
wähne zimächst, Gxiinter von Andernach 1565, der das Emser
Wasser besonders für die Engbrüstigen innerlich zu gebrauchen
rühmt, xmd Joh. Göbeliua, 1566, der es den Keuchenden und
Kurzatmigen empfiehlt; ferner Joh. Jac. Wecker, Professor in
Basel 1568, Gallxis Etschenreutter, Dr. in Strassburg 1571,
Thurnneisser 1572, Martinus Rulandus 1578, Jakobus Theo-
dorus Tabernaemontanus 1684, Gravins 1594. — Kein
Wunder, dass der Ruhm des Emser Bades, gestützt auf die Heil¬
kraft seiner Quellen, verherrlicht durch die Veröffentlichung be¬
rühmter Ärzte axis allen Gauen Westdeutschlands weiter ins Volk
drang xmd immer mehr Badegäste anzog. Und die Badenden
kamen in solcher Zahl, dass die Gebäude sie nicht alle fassen
konnten. — Dieser Umstand veranlasste den Landgrafen Wilhelm
za Hessen, Grafen zu Katzenellenbogen, mit seinem Vetter Johann
Grafen zu Nassan wegen eines Neubaues in Verhandlxmgen zu
treten, die zu dem Ergebnis führten, dass eine Trennung xmd
Beispielsweise kam eine in der Leproserie des Grands Malades
zu Verdun auf 9000 Franken zu stehen.
Diese Praebendeiiinhaber nahmen demnach eine ganz privi-
lemerte Stellung ein, durften sich teilweise sogar eigene Diener¬
schaft halten, aber sie waren und blieben Aussätzige, die man
von der Welt abgesondert hatte. Nur sehr selten gelang es
Gesunden eine solche Praebendenstelle zu erhaschen xmJ so
für das Leben versorgt zu sein.
Alle Leproserien fingen arm an, aber die gesamte Bevöl¬
kerung wetteiferte im allgemeinen, den Unglücklichen ihr Los
zu erleichtem und sich durch Schenkungen in guten Geruch
bei der Geistlichkeit zu bringen, wobei letztere vielfach an
Spenden die Weltlichkeit überbot Stiftungen und Almosen,
diese beiden Bestandteile ermöglichten den Leprösen die Exi¬
stenz , wobei sie vom Zehnten befreit waren und selbst teil¬
weise das Recht hatten, Steuern einzutreiben. Hervorzuheben
ist, dass die Leprösenhäuser das Asylrecht genossen und Ver¬
letzungen desselben wie Majestätsverbrechen bestraft wurden.
Dabei mussten die Aussätzigen ein besonderes Kleid an-
legeii, das sie bereits in einiger Entfernung kenntlich machte.
So ist eine gewisse Älinliclikeit mit dem Klösterlichen Leben
unverkennbar, wenn auch meistens nur in Äusserlichkeiten.
Gemeinsam war beiden, dass sie das dreifache Gelübde der
Armut, der Entlialtsarakeit und des Gehorsams ablegten.
Merkwürdig ist, dass wir in den Urkunden, so der Metzer
Leprosen, nirgends einen Arzt für die Aussätzigen erwähnt
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BALNBOLOGTSOHB CBNTRALZBITUNG
15
\<m.
TtÜong d«r Bttdftr und OofiUra unter den beiden grBfiiohen Hftusem
Ten Heesen und Naeeau, die seither dieselben in gemeinsamen Be-
rite hattan, stattfand und von beiden Seiten Neubauten aufgeftlhrt
wurden. — Über die Einser Badeanstalten, über Trink- und Bade¬
kur und Verpflegong der Gftste zu Anfang des 17. Jahrhunderts
beriohtet in ans^rlioher Weise Dr. Marsilius Weigel, „bestellter
Kedicns Ordinarius der Freistatt Wormbs,** der selbst lange Jahre
mit Patienten und der eigenen Gesundheit wegen in Ems geweilt
hat. Seine „Ausführliche Beschreibung des vortrefflichen und
warmen Bads Embtz 1627," gleicht mehr einem Lobeshymnus auf
die Heilkraft des Elmser Bades, „welches seiner wundersamen
Kräfte und Güte halber dem Wissbade weit fürgezogen wird.
(Merian: Topographia Hassiae 1654). Aus Weigels Beschreibung
erfahren wir, „dass zween Vögte oder Pfleger, einer im Hessischen,
einer im Nassauischen, gesetzt und bestellt sind, welche den zu¬
kommenden Badtgästen alle mögliche und notdürftige Freundschaft,
Dienst und Handreichung mit Bettwerk, Leinenzeng, Eüchen-
geschirr nnnd anderen Bedürfftigkeiten thnn vnnd leisten." Weigel
erwähnt in dem HessiBchen Bau, zwey schöne^ ziemlich grosse
Bäder, so noch gebraucht werden, sindt oben zugewölbet, jedoch
mit Luftlöchern vnnd Fenstern, dass der Dampff aufgehen können,
genngsamb versehen." Ober den Reichtum der Quellen an Wasser
und die Reinigung der Bäder berichtet er: „Es wallet oder springet
das warme Wasser in diesen Bädern (wieauch in denenNassawiscben)
aneinander und unaufhörlich, wie man es erleyden kan, nicht zu
heyss oder zu kalt, vnder den badendten, aus der Erden herfür:
lustig anzusehen, also dass man vnnachlässig frisch vnd sauber
Wasser hat, welches dann, wann die Bäder zu voll sind, oben
abläuflft: sonsten aber, werden solche Bäder, alle abendt wie ein
Fichweyer abgezogen oder gelassen, mit Besemen gekehrt vnnd
j^esäubert, dass guitz keine Unsauberkeit, oder alt Wasser, darinn
man zuvor gebadet hette, darinnen bleiben kan." Zur Trinkkur
wurden zu Weigels Zeit Imuptsächlich gebraucht ein „Hilchwarmes,
laulechtes brünnlein" (Kränchen) im Hessischen, und ein Brunnen
im ^wendigen Hof des nassauischen Gebäudes. —
(Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
□ Mftridnbftd. Das Eisenbahnministerium hat an den Be¬
sitzer des Hotel-Etablissements „Rübezahl" in Marienbad, Georg
Zischka, die Bewilligung zur Vornahme technischer Vorarbeiten
für eine schmalspurige elektrische Strassenbahn oder eine elek¬
trische Seilbahn von einem geeigneten Punkte der von Marienbad
finden, wenn auch eine Apotheke für diese Anstalten hin und
wieder anftaucht Man ^nn sich diesen Umstand nur da¬
durch erklären, dass die Unglücklichen eben für tot galten; es
war ihnen also doch nicht mehr zu helfen.
Die Einzelheiten über die speziell die Metzer Verhältnisse
berühi enden Tatsachen wolle man an Ort und Stelle nachlesen.
Als Schlusswort mögen Eireh’s Schlusssätze folgen:
Diese Einrichtungen sind ein Ausfluss der Chf^tas der
Metzer Bevölkerung im Mittelalter für ihre Ärmsten der Armen,
für ihre Republik der Toten, die unglücklichen Aussätzigen in
ihren Leproserien gewesen. Durch die Mildtätigkeit der ißinige,
durch die Freigebigkeit der Päpste, durch den Opfersinn aer
Gläub^en and nicht zum.geringsten durch die Hochherzigkeit der
Stadt Metz, ist uns daselbst eine Armenpflege geschaffen worden,
welche die zahlreichen Metzer und Lothringer Kriege nicht zu
stürzen, das Leproseriensäkularisationsedikt Ludwigs XIV. vom
Jahre 1672 nicht zu sprengen, selbst die grosse französische
Revolution nicht über den Haufen zu werfen vermochte, eine
Armenpflege, deren Wohltat seit mehr als 700 Jahren bis auf
den heutigen Tag im städtischen Hospital Sankt Nikolaus die
Armen von Metz gemessen.
nach Abasohin Mirenden Strasse zum Holel ^Rübezahl" in
Marienbad erteilt.
□ MmtIUI. Der Bau eines Enrmittelhauses nach den von
Architekt Langheinrich abgeänderten Plänen, ist in der Gemeinde-
ausschosssitzung vom 16. Dezember mit einem Gesamtkostenauf-
wande von 650 000 Kronen endgUtig beschlossen worden und soll der
Bau und die Einrichtung bis Herbst 1907 durohgefllhrt sein.
Das Kurmittelhaus, das jeden Eonfort aufweisen soll, wird im
Souterrain ein Schwimmbad, Dampfbad und Wannenbäder für das
allgemeine Publikum, im Paterre und ersten Stock elegante Dampf-
und Wannenbäder, Zanderzahl, Inhalationsräume usw, für das
Kurpublikom enthalten.
^ Nauhüiin. in der Thronrede zur Eröffnung des hessischen
Landt^es, wurde eine neue Verbesserung des Bades Nauheim
angekündigt; es heisst darüber in der Thronrede; „Die fortge-
setote starke Zunahme des Besuches des Bades Nauheim macht
es nötig, neben der Durchführung des bekannten Gesetzplanes für
die Umgestaltung der Badeanlagen auch eine besondere Wasser¬
versorgung für die dortigen staatlichen Betriebe anzolegen. Die
Ergiebigkeit der Quellen des Flusses Lauter ist so gross, dass zu
gleicher Zeit eine grössere Zahl von Gemeinden wie Giessen,
Büdingen, Friedberg mit billigem Wasser versorgt werdra können.
Eine Vorlage hierüber soll dem Landtage zogehen.
X Nonndorf. Die beiden Schwefelquellen, die auf dem
fiskalischen friiheren Schlammlagerplatz in der Gemarkung Alge^
dorf gefunden und im letzten Sommer ausgescbachtet wurden,
haben sich nach der Untersuchung durch einen Chemiker aus
Wiesbaden als stärker denn die Nenndorfer Badequelle erwiesen.
Es soll bis zum Frühjahr 1906 eine Holzrohrleitung von der
Quelle zum Bade Nenndorf hergestellt werden.
X SalzhaU86n. Dem hessischen Landtage wird eine Vorlage
der ^gierung zugehen, welche für eine neue Tiefbohrung zur Er¬
schliessung der naturwarmen Sole, für Errichtung eines neuen
Badehauses und für Einführung der elektrischen Beleuchtung die
nötigen Mittel fordern wird. Die Übertragung dieses seither zum
Domänenbetrieb des GrossherzogUohen Hauses gehörigen Bades
auf den Staat soll eine neue finanzielle Organisierung des Bades
Salzhansen (wie auch Nauheims) ermöglichen und die Aufwendung
verhältnissmäßig hoher Blittte) für das erste zur vollen Entwicke¬
lung zu führende Salzhausen erleichtern.
X TOIZ. Es wurde beschlossen, an Allerhöchster Stelle ein
Gesuch einzubringen, dass das Bad su einer Stadt erhoben werde.
# Arosa. Am 2 . Jan, betrug die Frequenz 621, in Na¬
tionalitäten verteilt wie folgt: Deutschland 307, England 97,
Schweiz 80, Russland 56, Holland 22, Italien 5, Frankreich 14,
Österreich 18, Belgien 1, Dänemark und Skandinavien 7, Amerika
7, Andere Staaten 7,
X BarChteSfaden. Mehr und mehr bürgert sich audi im
bayerischen Hochlwd der Wintersport ein, und Berchtesgaden ist
eine der vornehmsten Stätten hierfür. Denn zu sportlichen Be-
strebimgen sind die Vorbedingungen in und um Berchtesgaden in
geradezu einzigartiger Weise gegeben. Die durch Monate hindurch
solide Schneedecke garantiert vortreffliche Rodel- «ad Schlitten¬
bahnen. Nach vier Richtungen gestatten breite gatgehaltene
Chausseen ausgedehnte Schlittenpartien, berühmte Rodelbahnen
fuhren von den Höhen des Salzberges und von Vorderbrand zu Tal.
Das Spiegeleis des Eönigsees lockt zu Schlittschuhlauf, Staohel-
schlitten and Bennwolf, und überall ringsum ist gntes Gelände
für Skilauf. Aber die Sportfreuden erschöpfen keineswegs die
Motive zu einem Winteraufenthalt in Berchtesgaden, denn dieser
Ort eignet sich infolge seiner bevorzugten Lage auch in hervor¬
ragender Weise zu einem ständigen Kuraufenthalt wälu^d des
Winters.
Literatur.
H. Kionka-Jena. Glykokoll und Harnstoff in ihren
Besiehnngen snr Hamaänre. Eine Theorie der
Gicht. (Zeitschr. f. exp. Pathol u. Therap., 2. Bd.)
Wie die vorhergehenden Untersuchungen zeigen, „spricht
vieles dafür, dass es sich bei der (Hebt um Funktionsstörungen
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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 4.
16
handelt, welche ihren Sitz vornehmlich in der Leber and wohl
auch in den Nieren haben. Ee ist ferner wahrscheinlich, dass
eine derartige angenommene Funktionsstörung Beziehungen haben
müsste zur Harnsäure. Zeigt diese doch gerade beim Oichtiker
ein bedeutend anderes Verhalten als in der Norm.**
E. suchte anlehnend an seine früheren Untersuchungen nach
Stoffen, welche normaler Weise in der Leber Vorkommen und die
möglicher Weise mit Harnsäure in Verbindung treten könnten.
Versetzt man eine Lösung von neutralem harnsaurem Alkali
(Dialkaliurat) mit Sodalösung, so bildete sich bekanntlich das
schwerer lösliche saure Salz (Monoalkalurat) und fällt aus. K.
fand, dass dieser Vorgang erheblich schneller bei der Anwesenheit
von GlykokoU verläuft.
Gerade im entgegengesetzten Sinne ist der Harnstoff wiiksam.
Es Würde also der Harnstoff im Organismus die Rolle eines
solchen problematischen „Schutzstoffes“ der Harnsäure gegenüber
spielen, der, wenn er auch keine direkten Verbindungen mit der
Harnsäure eingeht, doch derartige, wie eingangs besprochene
Eigenschaften besitzt, durch die er das Eintreten von Schädlich¬
keiten von seiten der Harnsäure verzögert. Da jedoch nach Ig-
natowski der GKchtiker (und ebenso der Leukämiker) beträcht¬
liche Mengen von Glykokoll im Ham ausscheidet, während der
normale menschliche Ham höchstens Spuren von Aminosäuren
enthält, so ist anzunehmen, dass der Gichtiker auch unzersetztes
Glykokoll in seinen Eörperflüssigkeiten, in seinem Blute besitzt.
Hierdurch werden aber, wie oben auseiuandergesezt, die Löslich¬
keitsverhältnisse für die Harnsäure verschlechtert, und es muss
leichter zum Ausfallen derselben, zum Entstehen von Uratab-
lagerungen in den Geweben kommen können. Der normale Orga¬
nismus besitzt in hohem Maile die Fähigkeit, Aminosäuren zu zer¬
stören, Bodass soldie auch bei einer direkten Überschwemmung
des Körpers mit denselben niemals unzersetzt ausgescbieden
werden. Diese Zersetzung des Glykokolls (und anderer Amino-
j^uren) findet, wie 0. Loewi gezeigt hat, in der Leber statt und
ist die Funktion eines Fermentes — von anderen als „harnstoff-
bildendes“ Ferment bezeichnet, das von Loewi sogar einiger¬
maßen isoliert wurde. Das durch die Tätigkeit dieses Fermentes
entstehende Zersetzungsprodukt ist nach Loewi eine äther-alkohol-
lösliche Stiokstoffverbindung, die er jedoch nicht als Harnstoff
ansprechen wUl. Indessen müssen wir annehmen, dass dieses
Produkt doch schliesslich weiterhin zu Harnstoff umgebildet und
als solcher ausgeschieden wird. Durch die Tätigkeit dieses Fer¬
ments —- es wird also einmal im Blute vorhcmdenes Glykokoll zer¬
stört und andererseits Harnstoff bezw. eine Vorstufe desselben
gebildet.
Beim Gichtiker muss, wie wir aus den Befunden Ignatows-
ki’s ersehen, die Tätigkeit dieses Fermentes ganz oder teilweise
aufgehoben sein. Fällt aber diese Fermentwirkung fort, so wird
weniger Harnstoff und dafür mehr Glykokoll im Blute und in den
Körperflüssigkeiten auftreten. Durch beides werden aber, wie
wir oben gesehen haben, die Löslichkeitsverhältuisse für Harnsäure
bedeutend verschlechtert. Und da der Gichtiker bekanntlich er¬
heblich mehr Harnsäure im Blute erhält, als der Normale, so
muss sich eine derartige Schädigung bei ihm besonders geltend
naschen: „Es kann zum Ausfallen der Harnsäure Und zur Ent¬
stehung von Uratablagcrungen in den Geweben kommen.“ A. R.
Stephan. Beiträge zur Psychologie der Bewohner
von Nenpommem. (Illustr. Zeitschr. f. Länder- und
Völkerkunde. Bd. 78, Nr, 13.)
Der erste Teil des interessanten Aufsatzes behandelt in amü¬
santer Weise die Beobachtungen Verf. über das seelische Empflnden,
die Anschauungen und Auff'assungsfähigkeiten der Barriai, eines
wilden Stammes in unserer Bismarck-Archipelkolonie. Zwei in ihrer
Psychologie genauer geschilderte Angehörige des Stammes er¬
scheinen unserem von der Kultur beleckten Urteil als kleinste
Kinder mit primitivsten Regungen. Und doch schlummern und
zeigen sich auch in ihnen alle edle Triebe, welche wir gewöhnlich
als das Produkt der Kultur ansehen, wie Ehrgefühl, Scham, Dank¬
barkeit die Individualität ist, was Charakter und Begabung be¬
trifft, auch bei ihnen wie bei uns deutlich, ausgesprochen. Ein
anderer Stamm (von der Insel Hunt aus dem Bismarck-Archipel)
steht in jeder Hinsicht weit hinter den Barriai zurück.
Den zweiten Teil bildet eine Beschreibung der jetzt im
Berliner Museum für Völkerkunde untergebraohten Sammlung
von Gebrauchs- und Kunstgegeuständen der Barriai. Bezeichnend
für ihre sittlichen Ansichten und Natürlichkeit ist es, dass bei
ihnen die Spazierstöcke einen Knopf zu tragen pflegen, der einem
Penis nachgebildet ist. EngeL
Meteorologische Statistik.
VenuMtaltat voe der Redtktloi der Balneelogleehea Zentralzeltmg..
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1 Tag Schnee
Kreuznach.
_
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Lippspringe.
2 C.
7 C.
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Nauheim.
4 C.
6,3 C.
746,1
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Nenndorf.
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2,4 C.
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—
Verantwortlicher Kedakteur: Hofnt Dr. W. H. GHbert, Baden-Baden. — Verlag von Carl Marhold, Kalte a. S.
Druck von Ueynenann'scbe Buchdruckerei, Gebr. WolS, UnU« a. S.
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Vn. Jahf^ang. Nr. 5. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bädeirerbandes, des SchwarzwaldbäÜertages, des Verbandes
Deutscher Nordseebider und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des „Allg. D. B.-V.*:
Verlag: Cari Marhold ln Halle a. S„ Uhiandstraße 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr Siebett, Plinsberg i. Schl.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hofrat Dr W. H. Gilbert. EMen-Baden.
Hofrat Dr W. H. Gilbert, Baden-Baden.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage
be. dei Redaktion gestattet.
Inhalt.
Aatllcher Teil: Allgemeiner deutscher BSderverbaiid.
Feuilleton ; Ein wichtiger Versuch in Betreff des Versandes von Wasser
zu Badezweckon Von Prof. Giovanni GallURotu.
Geschichte der Entwicklung des Bados Ems. Vortrag tUr die XIV. Jahres¬
versammlung des Allgemeinen Deutschen Bäder-Verbandes zn Eros.
Sitzung am 4. Oktober 1905. Von Dr. Stemiolcr, Ems. (Forts.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Literatur.
Vermischtes.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
Amtlicher Teil.
Geschichte der Entwicklung des Bades Eins.
Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des Allgem. Deutschen
Bäder-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1905.
Allgem, Deutscher Büderverband,
Um anderweitiger Auffassung entgegenzutreten, teile ich mit,
daß meine redaktionelle Tätigkeit an der Balneologischen Central-
Zeitung sich ausschliesslich auf die Angelegenheiten des All- i
gemeinen Deutschen Bäderverbandes erstreckt und daß meine
Verantwortung sich lediglich auf die Artikel beschränkt, welche
meine Namensuoterschrift tragen.
Die dem Verbände angehörendeii Kurverwaltungen erinnere
ich hiermit an die Beantwortung des Rundschreibens vom
Oktober 1906 betreff. Vergünstigungen pp. soweit eine solche
noch aussteht.
Neu aufgenommen wurden als Mitglieder: Magistrat zu Orb;
Kg]. Badkommissariat Reichenhall.
Der Verbandsredakteur.
Dr. öiebelt.
Feuilleton.
Ein wichtiger Versuch in Betreff des Versandes
von Wasser zn Badezwecken.
Von Professor GioVAUHi Galli-Rom.
Einer der wichtigsten italienischen Badeorte, dessen ausser¬
ordentlicher Aufschwung im letzten Dezenium ihm auch einen
hervorragenden Platz unter den internationalen Bädern sichert,
ist Salsoma^giore, ein freundlicher Ort, ungefähr halbwegs auf
der Hauptlinie Mailand-Bologna. Seit mehr als einem Jahr¬
hundert sind die Wasser Salsomaggiores bekannt und besonders
f egen Geschlechtskrankheiten, haimtsächlich Frauenleiden,
.rankheiten des Lymphsystems, StofFwechselstörungeii etc., in
Gebrauch. Vorzugsweise kommt das Wasser in Form von
Bädern und Inhalationen zur Anwendung. Die gute Wirkung
des Wassers am Platze wird, ausser durch zahlreiche ärztliche
Forschungen, am besten durch die stets wachsende Zahl der
Badegäste jeder Nation bewiesen, durch einen Versuch im
grossen soll jetzt auch die Heilkraft des auf w'eitere Entfern¬
ungen versandten Wassers bewiesen werden, Diese wichtige
Frage hatte auch den letzten internationalen Kongress für Hy¬
drologie in Venedig beschäftigt und in der Geschichte der
italienischen Balneologie verdient sie jedenfalls besondere Er-
Vou Dr. Stemmler, Ems.
(Fortsetzung.)
Mannigfach sind die Indikationen, die Weigel für den Kurge¬
brauch zu Ems aufstellt: besonders erwähnt er „Schnuppen, Husten
au88 Kälte, kurtzen Athem, Engbrüstigkeit, alle Erkältung mit und
ohne Feuchtigkeit, Zipperlein vund Mutterweb. — Mit Grausen wird
der heutige Kurgast dem Büchlein Weigels entnehmen, dass mau
zu ßeginu des 17. Jahrhunderts zweimal zwei Stunden des Tages
im Bade lag und dabei noch sechs Maß Mineralwasser gleich
zwölf Litern trank, wie es Weigel von sich selbst berichtet. —
Gleich Weigel erwähnt auch Dr. Joh. Daniel Horst, Arzt zu
Frankfurt, in seinem Büchlein „Kurtzer Bericht vom Embser Bad
1683,“ „dass in der Löhn selbsten viele wanne Quellen entspringen.“
Sein Rat zum Gebrauch der Brunnen und Badekur besteht darin,
dass mun „in wehrendem Baden das Brünulein trinke; — das
Brünnlein soll man aber fein langsam trinken, vnnd das Wasser
nicht auf einmal in den Leib schlitten.“ — Horst berichtet, dass
„dahero dann auch dieses Bad von vielen aus-sländischen Potentaten
und vornehmen Ministris, besonders auch von den Schwedischen,
I wähnung. Die Ausfuhr der Mineralwässer für Trinkkuren
[ hatte und hat noch ihre Widersacher, die behaupten, dass die
j Wirkung des versandten Wassers geringer sei, als wenn die
Kur am Platze gemacht wird. Nicht nur der chemische und
physikalische Zustand des Wassers erleidet Veränderungen,
sondern einzelne Wässer müssen auch künstlich mit Kohlensäure
versetzt werden, um sie zu konservieren. Ausserdem kommen bei
der am Platze gemachten Kur auch noch andere Heilfaktoren
in Betracht, wie zum Beispiel reine Luft, veränderte Lebens¬
weise etc., Dinge, die zwar für die Frage, ob versandtes Wasser
noch wirksam ist oder nicht, belanglos sind, aber anderseits
doch in Erwägung gezogen werden müssen. Was die Trink¬
wässer anbelangt, hat die Erfahrung gelehrt und die meisten
sind der Ueberzeugung, dass der weitaus ^össte Teil der
Mineralwässer, wenn auch nicht seine volle Wirksamkeit be¬
hält, so doch auch keine bedeutende Einbusse erleidet, auch
wenn sie auf grosse Entfernungen verschickt werden. Ich weiss
nicht, dass ähnliche Versuche im Grossen und auf wissenschaft¬
licher Grundlage auch für Badewässer gemacht wurden und
glaube daher, dass ein näheres Eingehen auf diesen Versuch,
der hier das allgemeine Interesse erregt, auch den Lesern der
„Baln. Centralzeitung“ nicht unerwünscht sein dürfte.
In der Geschichte 'der Ausfuhr des Salsomaggiorewassers
gibt es verschiedene Pliasen. Das Wasser Salsomaggiores kommt
durch Rohrbrunnen spontan aus dem Boden und durcli An¬
wendung von Pumpen kann der Ertrag der genannten Brunnen
erheblich gesteigert werden. Ausser dem heilkräftigen Wasser
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18
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 5.
fleidsig besucht und mit grossem Nutzen gebraucht worden.“ —
Die Abhandlungen von Weigel und Horst waren bald vergriffen
und erlebten mehrere Auhagen. Ihr werbender Erfolg zeigte
bald, dass die Gebäulichkeiten auf dem Emser Bade bei weitem
nicht aubreichten, die zahlreich herbeikommenden Kranken, besonders
die vornehmen Standes, zu beherbergen. Da das Hessische und
Nassauische Kurhaus fast ganz von fürstlichen Personen besetzt
wurde, so pflegte sich, wie Christian von Stramberg in seinem
Rheinischen Antiquarius erzählt, der zwischen der Felsenwand
und der Lahn befindliche schmale Ufersaum dfoht und regelmässig
mit Zelten zu bedecken, ln diesen Zelten mussten sich die Bade¬
gäste behelfen und taten das um so lieber, je eigentümlicher,
bunter und ergötzlicher das Itebeu unter dem Linnendach sich ge¬
staltete. Selbst berühmte Gäste, wie der kühne Haudegen Hans
Karl Freyherr von Thüngen, mussten mit dieser kärglichen Unter¬
kunft fbrlieb nehmen. Reich an Ehren als Kaiserlicher Feldmar-
schall kehrte er 14 Jahre später nach Ems zurück, um dem gerade
dort weilenden Kurfürsten Johann von Trier seinen Besuch abzu¬
statten. Die eignen traurigen Erfahren unter dem leichten Linnen¬
dach, und wohl noch mehr das Mitgefflhl mit den notleidenden
Kurgästen, mögen ihn bewogen haben, bei des Kurfürsten reicher
Tafä bittere Klage zu führen über die Vernachlässigung der
Quellen und den Mangel namentlich an Gebäuden für die Aufnahme
der Kurgäste. Gern nahm der Kurfürst die Gelegenheit wahr,
sich den hervorragenden Kriegshelden zu verpflichten, und verlieh
ihm ein grosses Grundstück, damit er andern das Beispiel gebe
und darauf ein stattliches Haus aufführe, welches heute unter dem
Namen der „Vier-Türme“ meistens das Absteigequartier gekrönter
Häupter ist. Zur selbigen Zeit, als Thüngen seinen Bau begann,
etwa im Jahre 1694, und in der Absicht, ungestört die Kur ge¬
brauchen zu können, erbaute Freiherr Franziskus Anselmus von
Ingelheim, Erzbischof und Kurfürst von Mainz, auf seinem Besitz
auf dem linken Labnufer gegenüber dem Bad das „Mainzerhaus“
unweit der katholischen Kii'che, welche im Jahre 1661 von dem
Landgrafen Elmst von Hessen-Rheinfcls erbaut und dem hl. Goar
gewidmet war.
Historische Bedeutung erhielt das Mainzerhaus durch den
Emser Kongress im Jahre 1786, die Zusammenkunft der Vertreter
der Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier und Salzburg (Weihbischof
von Heines für Mainz, Qeistl. ^t Tautphaeus für Köln, Offizial
Beck für Trier und Konsistorialrat Bönike für Salzburg). In den
Emser Funktationen legten dieselben ihre gravamina gegen die
römische Kurie nieder, die aber selbst der freisinnige Kaiser Joseph II.
nicht ohne Zustimmung der Sufffagan - Bischöfe vertreten wollte.
Nach deren Absage verlief die ganze Bewegung im Sande. —
entspringt dem Boden, der Ei^ntum des Staates ist, auch Gas
zu Beleuchtuneszwecken und Petroleum, zwei Nebenprodukte,
die, wie das W^ser, gleich an Qrt und Stelle ihre Verwendung
finden. Als ich Salsomaggiore zum ersten Mal besuchte, rief
ich beim Anblick dieses natürlichen Reichtums unwillkürlich
aus: „Gesemeter Boden 1“ Aber dieser Segen des Bodens brachte
nicht nur Reichtum und blühendes Leben nach Salsomaggiore,
sondern er wurde gewissermaßen auch zum Apfel der Zwie¬
tracht. Vor zirka 10 Jahren erhielt ausser der bisherigen alten
Gesell^haft auch eine neue Gesellschaft die Erlaubnis von der
Regierung, Brunnen zu bohren, und damit kam auch neuer
Aufschwung in das Leben Salsomaggiores. Infolge der Kon¬
kurrenz entstanden luxuriöse Hotels, hochelegante Bäder und
Thermen, und die vornehmen, auswärtigen Besucher des Bade¬
ortes, die in den neuen Bauten jeden erdenklichen Komfort
fanden, kamen immer zahlreicher und lieber nach Salsomaggiore.
Auch die alte Gesellschaft und die alten Hotels mussten natür¬
lich, um der Konkurrenz Stand halten zu können, ihre Ein¬
richtungen verbessern und besonders auch die Bäder mit allen
modernen Apparaten versehen, sehr zum Nutzen des Kurortes
und seiner Gäste. Trotz der zahlreichen Neubauten reichten
aber die verfügbaren Lokalitäten bei der steigenden Frequenz
bald nicht mehr aus und dies, sowie vor allem der Gedanke,
dass zahlreiche Leidende aus irgend einem Grund den Badeort
nicht anfsuchen können, Hess die Idee entstehen, es mit einer
Ausfuhr des Wassers zu versuchen. Dazu war natürlich eine
besondere Erlaubnis der Regierung nötig und diese wurde auch
Während die Besitzer des Bades andauernd durch Erweiterung
ihrer Gebäulichkeiten und Verbesserung ihrer Badeanstalten den
gesteigerten Bedürfnissen der Zeit Rechnung trugen, sogar den
vergeblichen Versnob machen die Quellen in der Lahn, das soge¬
nannte Pferdebad zu fassen (1698), fhllt ums Jahr 1712 das Dorf
Ems bis auf drei Wohnstätten einer verheerenden Feuersbrunst
zum Opfer. Im Jahre 1715 wird das alte nassauische Haus durch
einen Prachtbau ersetzt, das jetzige obere Kurhaus, bei dessen |)r-
bauung ,eine ganze Menge krystallicher Bächlein und Quellen“
entdeckt wird. In seiner „Thermarum Embsenium nova Deli-
neatio“ schreibt der Giessener Professor Dr. Peter Wolfart 1716,
dass nicht allein alles dasjenige, was zur Zierde und Vollkommen¬
heit der Nassauischen Brunnen und Bäder, sondern auch denen
Bad-Gästen zu erlaubter Gemüthsbelustigung dienen mag, hier-
selbsten anzutreffen sey. Zu welchem Ende denn auch in dem
untersten ötookwerke die Bäder vor Männer, Weiber und die Armen
jede besonders, in den übrigen aber sehr bequemliche Gtemädier
Stuben und Kammern. Im Beginn des 18. Jahrhunderts nehmen somit
die gemeinsamen Bäder in Ems ihr Ende. Bei Wolfart finden wir
zuerst den Namen „Kraengen“ für das ,,)aalechte, Milch warme
Brünnlein“ des Marsilius Weigel. Zusammen mit dem Diezer Aerzte
Mögen veröffentlicht Wolfart in seiner Abhandlung die im Aufträge
des gräflich Nassauischen Hauses angestellte Analyse der im
Nassauischen Anteil entspringenden Quellen, während die des
Hessischen Hauses bereits 1700 von Helffrich Jungkeu analysiert
worden waren. Jongken war übrigens der erste, welcher die Heil¬
wirkung der Emser Quellen dem Gehalt an alkalischen Salzen zu-
scbreibt. Der Frankfurter Arzt Dr. Job. Jac. Grambs, berichtet
im Jahre 1732 über die Bubenquelle und deren segensreiche Wirk¬
samkeit, die im Jahre 1735 sogar die geistreiche Markgräfin von
Bayreuth, Schwester Friedrich des Grossen, zu dem Emser Thermen
hinzog. — In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sah Ems
an seinen Quellen einen berühmten Gast, den deutschen Dichter¬
fürsten Goethe. Auf einer Reise nach Düsseldorf begrififen, traf
er in Ems mit dem geistreichen Lavater aus Zürich und dem be¬
kannten Professor Basedow aus Leipzig zusammen, und zwar ver¬
zeichnen die „Dillenburger Intelligenznachrichten“ (in welchem sich
von 1773—1809 die Namen derjenigen Emser Kurgäste befinden,
welche in dem oraniscb-nassauischen Badehanse logiert haben) die
Ankunft des Dr. Goeddee aus Frankfurt am 15. VTI, 1774. Schalk¬
haft erwähnt er später seine Gesellschafter in den Versen: „Prophete
rechts, Prophete links, das Weltkind in der Mitte“. Am Ende
des 18. und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wirkte in Ems
und für Ems als oranien-nassauischer Brunnen- und Badearzt der
„alte Geheimbde Rath“ Dr. Pr. August Diel. 1756 geboren.
im Jahre 1895 erteilt und das Wasser zu den Bädern nun vor
allem in das nahe Mailand gesandt. Von Seiten der Mailänder
Aerzte, die Versuche damit gemacht hatten, wurden nach einem
Prob^ahr günstige Berichte veröffentlicht und behauptet, dass
das Wasser durch den Transport keine Einbusse an seiner
Wirksamkeit erleide. Andere Aerzte Salsomaggiores wider-
.sprachen diesen Ausführungen, auch die Gemeinde Salso-
maggiore selbst glaubte sich durch die Ausfuhr geschädigt und
erhob Protest, selbst die politische Presse mischte sich m den
Streit und das Ende vom Liede war, dass die Regierung die
Erlaubnis wieder zurückzog. Die tatkräftige Gesellschaft gab
aber den Kampf nicht auf und jetzt, nach zehn Jahren, nat
sie den Sieg errungen und neuerdings die Konzession zur Aus¬
fuhr des Wassers erhalten. Die Regierung mag dabei vor allem
von dem Gedanken ausgegangen sein, dass es ihre Pflicht ist,
die Schätze des Bodens nach Möglichkeit zu verwerten, und
da zweifelsohne sehr viele Leidende aus finanziellen oder ge¬
schäftlichen oder familiären Ursachen ihren Wohnort nicht ver¬
lassen können, erfüllt sie zugleich eine humanitäre Pflicht, wenn
sie auch jenen Kranken die heilkräftigen Wässer zukommen lässt
' Zudem sind die Bäder in Salsomaggiore fast ein halbes Jahr lang
j geschlossen und das Wasser geht während dieser Zeit völlig
; ungenützt verloren.
I Am wichtigsten ist es nun jedenfalls zu erproben, ob das
I auf weitere Entfernungen versandte Wasser seine heilkräftigen
I Eigenschaften nicht ganz oder teilweise einbüsst. Hervorra-
I gende Kliniker, so dieProfessoren Baccelli(Rom), deGiovanni
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IM«.
OAIjNKOIiO€llSOdJfi
1»
praktiziert er 45 Jahre an den Eraaer Quellen und seine Schriften:
„lieber den Gebrauch der Thermalbäder zu Ems 1825“, und „Uel>er
den innerlichen Gebranch der Thermalquellen zu Ems 1832“,
brachten ihm viele Ehren und viele Verelü^r in mediclnisoben und
Laienkreieen. Als Motto flir jede Badeschrift passte sein klassischer
Aitsspmcb: Anzeigen und Gegenanzeigen' i'über die Zu¬
lässigkeit des Gebrauchs einer Heilquelle und ihre richtige Aus¬
wahl, rnhssen ebenso durchdncht seyn, als die Recipe von jedem
anderen Arzneimittel.“ Das dankbare Ems hat seinen grössten
Arzt in ehernem Bilde in der Ecke des Knrgartens anfgestellt
(12. IX. 1860), wo er so vielen Ijeidenden während der Bnmnen-
stunden seinen Rat zu erteilen pflegte. (Gestorben 1835.) Während
Diel in Ekns praktizierte, traten im Besitz der Quellen bedeutungs-
rolle Aendemngen ein. (Schluss folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
A Abbazia. Meteorologischer Monatsbericht aus Abbazia, vom
Htationsbeobachter: Med. Dr. F. Tripold. Jahr 1905, Monat
Dezember: Durchschnitts-Luftdruck (auf 0" reduc. Barometerstand
in Milliinet.) 767,1, Luftdruck - Maximum 777,1, Luftdruck-
Minimum 752,0, Durchschnitts-Maximum der Lufttemperatur in
®C 9,7, absolutes Maximum der Lufttemperatur in 12,6,
Durchschnitts-Minimum der Lufttemperatur in “C 4,7, absolutes
Minimum der Lufttemperatur in '*C — 0,4, Durchschnitts-Tages-
initt. der Lufttemperatur in «C 6,6, grösstes Tagesmitt. der
liufttemperatur in ®C 10,2, kleinstes Tagesmitt. der Lufttempe-
ratnr in ®C 2,9, dirrchschnittl. relative Luftfeuchtigkeit in Pro-
centen 80, absolutes Maximum der Luftfeuchtigkeit in Procenten
100, ahsolute.s Minimum der Luftfeuchtigkeit in Procenten 50,
ilurchsclmittl. Bewölkung (geschätzt nach Zehnteilen der sicht¬
baren Uimmelsfläche) 3,9, Zahl der vollkomm, bewölkten Tage 6,
Zahl der wolkenlosen Tage 13, Zahl der windstillen Tage 22,
Vorherrschende Windrichtung NE, Monats-Regenmenge in Milli¬
metern 26,5, Zahl der Regentage (Zahl der Tage mit Gewitter) 3,
Zahl der Tage mit bewegter See 10.
A Franzonsbftd. Seit dem Bestände des Kurortes Franzensbad
muß die Saison 1905 als die glänzendste bezeichnet werden. Die
vielen Parke unseres Kurortes werden alljährlich modern aus¬
gestaltet und ziehen sich im Westen bis zu den alten Lieben¬
steiner Forsten hin. Auch die Kuranstalten stehen auf der Höhe
der Zeit, und die Stadtvertretung mit ihrem verdienstvollen
Bürgermeister kaiserl. Rat Gustav Wiedermann an der Spitze,
scheut weder Mühe noch Geldopfer. Mit gros.ser Befriedigung
darf die Kurverwaltung auf die Saison 1905 zurUokblicken, in der
der Besuch sich auf 7 566 Parteien mit 11173 Personen bezifferte.
Von diesem Besuob waren aus Afrika 63 Personen, Asien 24
(asiatisches Russland hinzu 137), Amerika 320, Europa und zwar
Belgien 29, Bulgarien 35, Dänemark 3, Deutschland 1703, (bter-
von ans Preussen 952, Sachsen 395), Frankreich 63, Grie^en-
land 8, Groübritannien 81, Italien 6, Luxemburg 3, Niederlande 19,
Norwegen und Schweden 9, Österreich-Ungarn 6576, Rumänien 148,
Russland 1983, die Schwe» 22, Serbien 8 und die Türkei
22 Personen.
X Kissingen. Die Direktion des Kurhauses sowie der
Restaurationsbetrieb im Kursaal und Kasino sind Herrn Fritz Wirt
aus Luzern übertragen worden.
A KlaUSOn. Nach jahrelangen Bemühungen wird das
malerische Städtchen Klausen eine Art Wassermauer-Promenade
wie Bozen bekommen. Der Gemeinderat bat nämlich boscblossen,
mit einem Kostenaufwand von 11000 Kronen die Gartenstrasse
nach den Plänen des Landesbauamtes auszuftthren.
Bad Nauheim. Die Gesamtfrequenz des Bades im Jahre 1905
betrug 26197 Kurgäste, wovon 18 065 Deutsche und 8132 Aus¬
länder waren. Von den letzteren entfallen auf: Afrika 131,
Amerika 1479, Asien 43, Anstralien 24, Belgien 154, Bulgarien 2,
Dänemark 65, Frankreich 161, Griechenland 7, Grossbritannien
1113, Holland 397, Italien 55, Luxemburg 29, Monako 1, Monte¬
negro 1, Norwegen 23, Österreich - Ungarn 1040, Portugal 9,
Rumänien 37, Russland 2972, Schweden 163, Schweiz 193,
Serbien 8, Spanien 16, Türkei 9.
Bäder wurden insgesamt 383 748 abgegeben, und zwar
wurden gefertigt: 353 137 in den staatlichen .^dehäu^m, 19 325
im Badehanse des Konitzkyatiftes und 11 286 im Elisabefhhmis.
Nach Bäderarten verteilt sicA diese Summe folgendermassen:
30 442 Solbäder, 138913 Thermalbäder, 75 206 Thennalspmdel-
bäder, 132 875 Sprudelbäder, 2386 Sprndelstrombäder, 311 Dusch¬
bäder, 3488 Süsswasserbäder, 128 Morbäder.
Die höchste Tagesbäderzahl (22. Juli) betrug 3480 und zwar:
382 Solbäder, 1116 Thermalbäder, 746 Thermalsprudelbäder,
1128 Sprudel- und Sprndelstrombäder, 53 Sttaswasserbäder,
4 Duschbäder und ein Morbad.
Aus dem Verbände deutscher Nordseebäder.
Wyk auf Föhr. Die Vertretung unseres Badeortes hat ein
Projekt ausarbeiten lassen, nach welAem der hiesige Hafen um
1 m vertieft, die dort befindliche Landungsbrticke wesentlich ver¬
(Padua), Mar^liano (Genua), sowie der oberste Gesundheitsrat
sind der Ansicht, dass das Wasser durch den Versandt keine
Veränderungen erleidet, schon deshalb, weil es keine Gase ent¬
hält, einen sehr hohen (16 Beaum6) Salzgehalt hat und auch
durch Temperatur etc. nicht beeinflusst wird. Dieses Gut¬
achten der ersten Kliniker und Aerzte Italiens hat wohl auch
vor allem die Regierung beeinflusst, ihr Verbot wieder aufzu¬
heben und die Ausfuhr neuerdings zu gestatten. Damit kann
nun das Experiment im Grossen b^innen und kann man nur
im allgemeinen Interesse die Hoffnung ausdrücken, dass die
Resultate so günstig sein möchten, wie bei den an Ort und
Stelle unternommenen Kuren, so dass die heilkräftigen Wässer
auch den fernen, an ihren Wohnort gefesselten Kranken Ge¬
sundheit bringen können. Später, wenn Berichte über diesen
Versuch vorliegen, werde ich wieder auf die Frage zurück-
kommen.
Kleine Mitteilungen.
Die Kaffeebohne als Heilmittel. Durch Vermittlung der
englischen Gesellschaft in Columbien hat das British Medical
Journal von interessanten Beobachtungen erfahren, die ein
spanischer Arzt, Dr. Restrepo, in diesem Lande mit der An¬
wendung von Kaffeebohnen gegen Malaria und andere Arten
von Fieber gemacht bat Es ist nicht eigentlich die Kaffee¬
bohne, sondern nnr deren Hülse, die den gegen die Fieber an¬
geblich wirksamen Stoff enthält Dr. Restrepo wurde dadurch
aufmerksam, dass er zufällig eine Abnahme des Fiebers beim
Genuss von Kaffee wahrnahm, der mit den Hülsen zerstossen
worden war. Seitdem verschreibt er Rezepte gegen Malaria,
die aus 30 g Kaffeeschoten auf 400 g Wasser bestehen. Daraus
ergibt sich ein Trank, der seine starke Wirksamkeit nach fünf
Minuten langem Kochen erhält und den Kranken sechsmal
täglich in einer Tasse verabreicht wird. Ansser Malaria und
anderen Fiebern werden noch Fälle von Influenza und chro¬
nischer Dvsenterie erwähnt, die durch Anwendung dieses eigen¬
artigen Mittels ^bessert werden konnten. Die Malaria wurde
sogar in vielen Fällen ohne weitere Zufälle und Rückfälle ge¬
heilt. Dr. Restrepo macht nun den jedenfalls beachtenswerten
Vorschlag, die chemische Zusammensetzung der Kaffeeschoten
genau zu untersuchen, damit der Stoff, dem jene medicinische
Wirkung zuzuschreiben ist, daraus abgeschieden werde. Uebrigens
sind Zubereitungen von ungerösteten Kaffeebohnen schon früher
gegen Malaria angewandt worden, namentlich von den Holländern
auf dem ihnen gehörigen westindischen Inseln. Auch andere
Teile der Kaffeepflanze sind als Arznei benutzt worden, niemals
jedoch die Schoten selbst. Wenn sich in diesen tatsächlich ein
zur Heilung von Fiebern so wertvoller Stoff findet, so würde
die Entdeckung eine erhebliche Tragweite besitzen, da sie auf
einmal einem Teil der Kaffeepflanze, der bisher für ganz nutzlos
gegolten hat, einen Wert verleihen würde.
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20
BALNEOLOGISCHE CENTRALZETTÜNG
Nr. 5;
breitet und das HasenboUwerk durch eine Betonmauer ersetzt
werden soll. Die Gesamtkosten dieser Anlage sind auf reichlich
300000 Mk. veranschlagt. Durch diesen Bau wird Wyk den
besten Hafen an der Westküste Schleswig-Holsteins erhalten und
vor allem erreichen, dass der Verkehr zwischen Wyk und der
Bahnstation DagebüU unabhängig von Ebbe und Flut vermittelt
werden kann, was namentlich mit Bezug auf die Badesaison von
der grössten Wichtigkeit ist. Braucht man sich um die bald
früher, bald später eintretende Flut nicht zu kümmern, können
die BadezUge viel bequemer für das reisende Publikum ge¬
legt werden.
Literatur.
Ernst Frey-Jena. Das Erankheitsbild nach
Eionka’S Theorie. (Zeitschr. f. exp. Pathol. und Therap.
2. Bd.)
„Das Glykokoll ist ein Zersetzungsprodokt des Knorpels
ausserhalb des Körpers, es ist daher wohl denkbar, dass auch im
Organismus der Knorpel in Glykokoll zerfällt.“
Findet bei einem krankhaften Prozess ein vermehrtes Zu¬
grundegehen von Knorpelsubstanz statt, so muss auch das vor¬
handene Glykokoll anwachsen. Und man kann sich sehr wohl
denken, dass gerade an dem Orte der Entstehung das Gewebe
mehr von dem Zerfallprodukt enthält, als anderswo. F. unter¬
suchte einerseits normalen Knorpel, anderseits Knorpel, welchen
er einem Trauma aussetzte, auf Glykokoll. Er entnahm den
Knorpel imd setzte ihn mit Wasser 24 Stunden in der Kälte an,
darauf entfernte er etwa gelösten Leim durch Fällung mit HgCl2
in Gegenwart von Salzsäure und Kochsalz, um ein nachträgliches
Zersetzen des Leims zu Glykokoll (etwa durch das Ansäuren der
Flüssigkeit) zu verhindern. Darauf bestimmte F. das Glykokoll
nach der Methode von Fischer vind Bergell, das er aus gequetsch¬
ten Knorpel erhielt, während der normale Knorpel bei mehrfachen
Kontrolluntersuchungen keinen Niederschlag ergab. Betreffs der
üratanhäufung spielt die Blutversorgiing eine Hauptrolle, welche
an den betreffenden Lokalisationsstellen verschieden ist. Es findet
sowohl die Beobachtung ihre Erklärung, dass im Ohrknorpel, dem
Hauptsitz der Tophi, die Uratablagerungen nur langsam wachsen,
wegen der gleichmässigen Blutdurchströmung, die nicht solchen
Schwankungen unterliegt, wie das Zehengelenk, einer Stelle, an
welcher Stauungen im Blutstrom häufig und bedingt sind durch
Veränderungen der Blutverteilung in Folge von Anstrengungen,
Laufen oder auch von andern Einflüssen, wie z. B. die Verdauung
mit ihrer Hyperämie der ßauchorgaue ist. Eine reichliche Blut¬
durchströmung wird die Umsetzung der Harnsäure steigern, also
auch die Menge des Umsetzangsproduktes Glykokoll vermehren
und so die Vorgänge der Ablagerung schneller in Gang bringen.
Die Bedingungen, unter denen es einmal zum akuten Anfalle,
das andere Mal zum Tophus kommt, liegen in der Schnelligkeit
des Umsatzes der Harnsäure zu Glykokoll und in der wechselnden
Menge der vorhandenen Harnsäure. Wo Hamsäurevermehrung
auftritt, ist auch Glykokoll vorhanden; daher findet man bei dem.
Gichtiker diesen für ihn schädlichen Stoff. Dass Glykokoll in der
Norm nicht aufbritt, wo doch auch Harnsäure in Ham, also in
Spuren wohl auch im Blute vorhanden ist, liegt an der normalen
Fähigkeit der Leber, das Glykokoll zu zerstören. A. R.
Vermischtes.
— Die 14. Versammlung der deutschen Otologischen
Gesellschaft wird am 9. und 10. Juni in Homburg unter dem
Vorsitz von Dr. F. Kretschmann-Magdeburg stattfinden. Über die
Schwerhörigkeit in der Schule werden Hartmann - Berlin und
Passow-Berlin sprechen.
— Der 10. internationale Kongress gegen den Alko¬
holismus in Budapest ist auf den 12.—16. Septbr. angesetzt.
— Die diesjährige WanderVersammlung der südwest-
deutschen Neurologen und Irrenärzte wird am 27. und
28. Mai in Baden-Baden stattfinden.
Personalien.
— Dem Badekommissar Hans Freiherrn v. Welser in Bad
Reicbenhall wurde das Ritterkreuz 1. Kl. des Sächsischen Albrechts-
orden.s und die preussische Rote Kreuz-Medaille 2. Kl. verliehen.
— Zu königl. bayerischen Hofräten wurden ernannt: die
Badeärzte in Kissingen Dr, Josef Leusser imd Dr. Franz Karl
Dappert, sowie Dr. Anton Gschwändler in Aibling.
— Znin Kurdirektor von Bad Kreuznach ist nunmehr Leut¬
nant z. See a. D. Kendrick gewählt worden.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Baineoiogisohen Zentralzeltung..
N Ji in 0
Mittleres
Tempenitur-
minimum
Mittleres
Temperatur- i
maximum j
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
f
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wiviel
Tage
bewölkt
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungea
Abhazia.
14.-20. 1. 06.
3,9
0. 1
9 C.
767,10
3
3
2
4
_
See2T.8tark bewegt
Badeiiweiler.
—
—
—
—
—
—
—
—
Driburg.
1,2
c.
6,8 C.
—
—
2
5
2
—
5 Tage Schnee
Ems.
1,1
c.
8,3 C.
758,7
5
4
1 '
2,5
—
Gie.sshübl-Sanerbrunn . .
— 1,2
c.
2,2 C.
—
—
1
2
6
—
4 Tage Schnee
Franzeiisbad.
—
—
—
—
—
—
—
—
Herrenalb.
2,5
c.
7 C.
725
3
2
5
4—5
' —
Kreuznach .....
—
—
—
_
_
_
Langenschwalbach . . .
—
—
—
—
—
—
—
—
Lippspringe.
3
c.
8 C.
755
3
1
2
4-5
—
1 Tag Schnee
Nauheim.
0,3
c.
G,6 C.
751,6
2
2
6
1—8
Neniidorf .......
G
c.
7 C.
766
4
1
6
_
Norderney.
—
—
—
—
—
—
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_
_
_
_
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Reichenlinll . . . . • .
—
_
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Reinerz
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c.
4 C.
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7
6
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1 **
0,5
c.
4 0.
717,2
2 V.
3
4
5—6
—
3 Tage Schnee
Veraotwonlicher Redtkteur : Hofrftt Dr. W. H. Gilbert, Oaden-Baden. — Vertag von Carl Marhold, Halle a. S.
Dreck von Heynemann'tche Bacbdruckerei, Gebr. WolfT, Halle a. S.
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Vn. Jahf^ang. Nr. 6. 1906.
Balneolosische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marhold ln Halle a. S., UhlandstraBe 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Hofrat Dr. W. H. Qllbert, Baden-Baden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hofrat Dr. W. H. (HlhOTt. Baden-Badn.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenansabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inhalt.
Fenületon: Ärztliche Stimmungsbilder aus Egypten. Von Dr. H. Engel.
(Heluan bei Oairo.l
Qeschichto der Entvicklung des Bades Ems. Vortrag für die XIV. Jahres*
Versammlung dos Allgemeinen Deutschen Bäder-Vorbandes zu Ems.
Sitzung am 4. Oktober 1905. Von Dr. Steroraler, Ems. (&hlu8S.)
Über die Behandlung der gemeinen tSchuppontlechte mit Nenndorfer
SchwefoUvasser. Vortrag für die XIV. .Tahrosvorsamralung des all¬
emeinen Deutschen Bäderverbandes zu Ems den 4. Oktbr. 1905. Von
an.-Rat Dr. Axel Winckler.
Ans den Bädern ond Snrorten.
Venaischtes.
Meteorologische Statistik.
Geschichte der Entwicklung des Bades Ems.
Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des AUgem. Deutschen
Bäder-Verbandes zu Ems. Sitzung am 4. Oktober 1905.
Von Dr. Stemmler, Ems.
(Schluss.)
Durch den Regensburger Reichsdeputations-Recess 1803 kam
der hessische Anteil an Oranien-Nassau und im Jahre 1806
kamen die Besitzungen des fürstlichen Hauses Oranien unter die
Herschaft des Herzogs von Nassau. Unter der neuen Regierung
wurden die Quellen des unteren Kurhauses im Jahre 1811, des
oberen im Jahre 1819'neu gefasst. 1841 wird der neue statt¬
liche Kursaal vollendet, an ihn anschliessend die Kolonade.
1845 entsteht an dem Haus , Vier Türme“, welche kurz vorher in
den Besitz der Domäne übergegangen war. em neues Badehaus
mit dreissig Bädern. Da die Leistungsfähigkeit der Quellen des
Kurhauses zur Füllung der stark vermehrten Bäder auf ihrem
Höhepunkt angelangt war, hatte bereits im Jahre 1827 eine Privat¬
gesellschaft (Gebrüder Grysar) mit Genehmigung der Regierung
den im Jahre 1698 misslungenen Versuch, die Quellen des Pferde¬
bades in der Lahn zu fassen, wieder aufgenommen. Es gelang
sogar Quellen von der Mächtigkeit des Karlsbader Sprudels und
einer Wärme von 44—47® R. zu isoli. .‘en. Doch machte die tiefe
Lage der Quellen in der Lahn deren Fassung und Gebrauch wieder¬
um unmöglich. Eine glücklichere Hand hatte die herzogliche Re¬
gierung auf dem Unken Lahnufer, wo im Jahre 1852 die Neue
Quelle gefasst wurde. Unweit derselben entstand bald das durch
die Gitterbrücke mit der rechten Lahnseite verbundene neue Bade¬
haus. Der Reichtum der Neuen Quelle war so gross, dass sie
nicht nur die Bäder dieses Hauses, sondern auch alle fiskalischen
Bäder mit Mineralwasser versehen konnte. — Im Jahre 1853 er¬
richtete Hofrat Dr. Spengler mit Genehmigung der Regierung den
ersten Inhalations-Apparat (zur Einatmung der Thermalgase) über
der Augenquelle, welcher im Jahre 1858 durch einen eleganten
InhalatioDspavillon im neuen Badehaus ersetzt wurde. Diese Art
der Inhalation fand keine Gegenliebe bei den Emser Aerzten.
Doch sehen wir später die Inhalationstherapie immer mehr und
mehr an Terrain gewinnen, und heute wetteifern fast alle vor¬
handenen Systeme in dem edlen Bestreben, die Leiden des Emser
Kurgastes zu lindern.
Doch eilen wir in der Entwicklung des Bades Ems nicht vor¬
aus ohne einiger wichtiger Momente zu gedenken, welche besonders
geeignet waren, den sich stetig steigenden Ansprüchen an das Bad
zu genügen und den Kreis der vorhandenen Heilmittel zu erweitern.
In erster Linie ist zu nenneu die Entdeckung der Felsenquelle I
(Wilhelmsquelle) bei dem Bau eines Felsenkellers hinter dem
Nassauer-Hof 1852. Der Einspruch der nassauischen Regierung
verwehrte es allerdings dem Besitzer bis 1861 von dieser Quelle
Feuilleton.
Aerztliche Stimmungsbilder aus Egypten.
Von Dr. H. Eng6l (Heluan bei Cairo).
Die Sprechstunde ist zu Ende. Ich öffne weit das Fenster,
um durch den reinen Atem der Wüste, welche ich von meinem
Hause aus überblicke, die von Kranken verdorbene Zimmer¬
luft zu vertreiben. — Im Geiste lasse ich sie alle nochmals
an mir vorübergehen, die mühseligen und beladenen aus dem
arabischen Volk^, die mich heute besucht. Weil sie wissen,
dass es keinen Heller kostet bei dem „Hakim nerusawi“
(deutscher Arzt), wenn man von drei bis vier Uhr bei ihm
vorspricht, so kommen sie in grosser Zahl, Arme nicht blos,
auch Reiche mit seidenen RöÄen. eingebildete Kranke aus
den zahlreichen Harems des Orts, in denen Beschäftigungs¬
losigkeit, Koketterie und Laune die bekannten Bilder der
Neurasthenie 'und Hysterie hervorzaubert, dann aber auch
alle die schweren Opfer der einheimischen, aus Schmutz und
schlechten Lebensgewohnheiten entstandenen Krankheiten.
Der Lepröse mit den verstümmelten Gliedern, der vorliin hilfe¬
suchend hereinhinkte, quält noch jetzt meine Erinnerung.
Drüben auf dem Untersuchungstiscliehen steht der Ham des
Bilharzia-Kranken, der mich täglich um neue Mittel bettelt,
die ihn von seinen Leiden befreien sollen. Auch die Tuber¬
kulose hält unter der armen egyptischen Bevölkerung reiche
Ernte. Die luft- und lichtarmg^auten Dörfer des engen Nil¬
tals, bestehend aus niedrigen, für Mensch und Tier gleich-
massig bestimmten Lehmhütten, die entsetzlich schmutzigen
und verpesteten arabischen Teile der egyptischen Städte mit
engen Strassen und unbeschreiblichem Menschengewimrael
— das alles sind wahre Brutstätten von Krankheiten, gegen
welche die schwache Macht eines gesunden Klimas nicht auf-
kommen kann. Klar und deutlich tritt dem Arzt der gesund¬
heitliche Wert des Naturlebens im Gegensatz zu dem der
Kultur hier in Egypten vor Augen: der Nomade der Wüste,
der Beduine, kennt die Tuberkulose nicht, während das sess¬
hafte ägyptische Volk nicht weniger davon heimgesucht wird
als europäische Nationen. Eigentümlich aber sind die Lungen¬
befunde bei den von Tuberkulose befallenen Eingeborenen.
Die Formen rascher Erweichung kommen in dem trockenen
warmen Klima nicht zu stände. Meist sind auf den Lungen
nur langsam fortschreitende, indurative Vorgänge nachzu¬
weisen. Das erschwert die Diagnose. Ueberhaupt steht der
europäische Arzt den Körpern des eingeborenen Kranken oft
mit grossen Rätseln gegenüber: das sind ganz anders gebaute
Organismen, als man sie auf den heimatlichen Universitäten
studiert und kennengelernt hat. Zu richtigen ärztlichem Vor¬
teil gehört da ein langiähriges Sich-Einleben in die anders ge¬
artete Natur der egyptischen Race. Der alt-egyptische Staiiun
ist fast ganz verschwunden und die Mischung mit den ver¬
schiedensten Nationen ist kein Vorteil für die Gesundheit des
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22
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
Nr. 6.
Gebrauch zu machen, doch gelang es demselben iin Jahre 1863
die Konzession zur Erbauung eines Badehauses zu erhalten. Bei
der Fundamentierung dieses Baues und der hohen Absohlussmauer
gegen den Berg wurde die Augustaquelle erschlossen und später
die Viktoria- und Eisenquelle 1869. Wie sehr diese Quellen den
therapeutischen Apparat des Bades erweiterten und vervollkomm-
neten, geht schon aus der Tatsache hervor, dass der Königl. preussi-
sche Domänenfiskos dieselben im Jahre 1902 durch Kauf erwarb
und nunmehr in seinen grossen Renovationsplan der Quellen und
Bäder einschloss. — Zu Beginn des Vortrags wurde bereits er¬
wähnt, dass an der Stelle des heutigen Römerbades im Jahre 1842
ein antikes Bad gefunden wurde. Nicht weit davon wurde in Form
einer zum Teil verschütteten und verfallenen Zisterne eine warme
Mineralquelle entdeckt, welche der Besitzer in Anbetracht der
römischen Funde .Römerquelle“ nannte und im Jahre 1858 mit
einer neuen Fassung versah. Heute erhebt sich über derselben
das grosse „Kuretablissement Römerbad“. — Die „Röraerquelle“
ist die einzige, noch im Privatbesitz befindliche Therme zu Ems.
— Im Jahre 1858 machte die Eröffnung des Bahnbetriebes in
Ems auch den Mühsalen ein Ende, welche die Reise der Patienten
nach Ems erschwerte, und brachte das Bad mit der uralten Ver¬
kehrsstrasse des Rheines in direkte Verbindung. — Im Jahre 1866
kam das Herzogtum Nassau und mit ihm das Bad Ems in den
Besitz der preussischen Krone. Nichts war mehr geeignet, den
Schmerz über den Uebergang von einem seit Jahrhunderten ange¬
stammten Herscherhause an einen neuen Herrn in den Herzen der
Einwohner so schnell zu verwischen, als der Umstand, dass seit
diesem Jahre der siegreiche Preussenkönig alljährlich bis zu seinem
Tode gern bei seinen neuen Untertanen weilte. Wenn auch die
Diplomatie und Kriegskunst bei der Gründung des Deutschen Reichs
eine Hauptrolle spielten, und aktuelle Momente von beiden gern
in den Hintergrund gedrängt werden, so kann doch nicht bezweifelt
werden, dass das Deutsche Reich direkt aus den Siegen des Jahres
1870/71 hervorgegangen ist, und ebensowenig, dass hier in Ems,
wo auf der Kurpromenade die diplomatischen Beziehungen zu Frank¬
reich abgebrochen wurden, die Wiege des Deutschen Viehes stand.
Als der HohenzoUemar mit der Kaiserkrone aus Welschland zurück¬
kehrte, begann in Ems die „Kaiserzeit“. Hier l)ewegte sich der
greise Herrscher ungeniert unter seinem Volke, beständig wechselten
ab die Besuche auswärtiger Souveräne. Aus dem stillen t-ms wurde
ein Weltbad, dem Kaiser, Könige und Fürsten als Kurgäste nie
mangelten (Alexander II von Russland; Oskar von Schweden;
All)ert und Georg von Sachsen; Milan und Alexander von Serbien
etc.). So sollte es auch Zeuge werden des I. Aktes des Trauer¬
spiels im deutschen Kaiserhause, indem Kronprinz Friedrich Wil¬
helm, der spätere Kaiser Friedrich, zuerst an den Enoser Quellen
1887 Heilung für sein leider unheilbares Leiden suchte. Wir
können diese historisch-balneologische Skizze vom Bade Kms nicht
schliessen. ohne der Fürsorge zu gedenken, welche die Königlich
preussisclie Regieinmg neuerdings wieder dem Bade, seinen Quellen
und Anstalten widmet. In seinem 1816 erschienenen Buche „Ems
und seine Heilquellen“ rühmt Dr. H. C. Thilenius die früheren
Besitzer des Bades mit den Worten; „Nur im Wohlthun fanden
von je die Fürsten ihre Grösse; — am grössten zeigte es sich in
Anlegung von Heilanstalten für die leidende Menschheit; Badean¬
stalten waren unter jenen vorzüglich geeignet, dieser zu Hilfe za
kommen, sich gross zu zeigen; gross und edel ist der Zweck, gross
und bewährt ist das Mittel“. Diese Tradition der ehemaligen
Herren aus dem nassauischen resp. hessischen Hause, hat die
preussische Regierung voll und ganz aufgenommen, wie sie durch
die ideale Neufassung der Quellen, die herrliche Neugestaltung der
Brunnenballen und des Kurhauses, den Ankauf der König-Wilhelms-
Felsenquellen und den Neubau einer Reihe von Kuranstalten be¬
weist. Auch hier bewährt sich das Hohenzollernwort:
„Mit Volldampf voraus “
lieber die
Behandlung der gemeinen Schuppenflechte
mit Nenndorfer Schwefelwasser.
Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des allgemeinen
Deutschen Bäderverbandes zu Ems den 4. Okt. 1905.
Von San.-Rat Dr. Axel Winckler,
Kgl. dirig. Brunnenarzt am Bade Nenndorf.
fNachdruck gestattet.)
Die gemeine Schuppenflechte, Psoriasis vulgaris, kann man
kurz so definieren: eine, rote Flecken verschiedener Form und
Grösse, die mit weissen, glänzenden, leicht ablösbaren Schuppen
bedeckt sind, erzeugende langwierige, fioberlose Hautkrankheit,
Obgleich leichte Formen dieser Krankheit nicht tragisch
genommen zu werden pflegen, kann das Uebel doch, wenn
es bei grosser Ausdehnung als Psoriasis universalis das
Schreckensbild einer exfoliativen Dermatitis darbietet oder
wenn es als Psoriasis ostracea oder rupioides massenhaft
Schuppen produziert, den Kranken das Leben zur Hölle
machen. Es ist sehr bezeichnend, dass Dante die Schuppen-
Volks. Ein Anthripologe könnte hier den interessantesten
Studien obliegen. Nirgends fällt der Begriff „Mensch“ so
schwer als ira völkerreichen Egypten Der Mangel nationaler
Einheit wird zum Nährboden schlechter Triebe und die Kehr¬
seite dei’ Münze „Mensch“, auf welcher die bösen Worte:
Lüge, Beti-ng, Morallosigkeit stehen, wendet sich im egyptischen
Leben nur zu oft nach vorne. — Mit grosser Freude aber er¬
kennt der in Egypten lebende Arzt Eines: All die grossen
Verheerungen, mit denen der Alkohol, der grosse Feind, an
den Leibern der europäischen Völker wie ein ewiges Krebs¬
geschwür, wie der immer wiederkehrende gefrässige Adler des
Prometheus nagt, all das daraus entstehende geistige, seelische
und körperliche Elend findet er nicht unter dem gläubigen
moharnedanischen Volk, dem die islamische Religion das
Alkoholtrinken streng verbietet. Der schädigende Einfluss
anderer giftiger Genussmittel (Opium, Haschich, Nicotin)
spielt eine ausserordentlich viel kleinere Rolle als der Alkohol-
teufol in unseren Ländern. In wunscliloser Bedürfnislosigkeit
lebt das niedere egyptisclie Volk ein karges, aber doch zu¬
friedenes Dasein. Der Vorzug eines gesunden Klimas drückt
sich in der Seltenheit rheumatischer Erkrankungen aus.
Polyartheritis asuta, Arthiritis doformanus, Vitia cordis auf
artheritischer Basis, Nephritiden etc. — das sind hier seltene
Dinge.
Meine Gedanken werden durch das Vorfahren eines
Wagons unterbrochen. Gedämpfte Stimmen werden immer
lauter. Endlich tritt eine hohe, weisse Gestalt in mein
Zimmer. Ein stolzes, scharf geschnittenes Gesicht von eherner
Bräune, ini Rahmen eines kunstvoll gewundenen Burnus, be¬
trachtet mich forschend. „Dein Tag sei glücklich, Neharak
said!“ Mein arabischer Diener teilt mir mit dem Ausdruck
tiefsten Respekts flüsternd mit, dass dieser stolze Mann, vom
Scheitel bis zur Zehe ein Fürst, der einflussreiche Scheich
eines grossen auf der anderen Seite des Nils gelegenen
Wüstendorfes sei. Sein Vater sei schwerkrank und verlange
ärztliche Hülfe. — Wir brechen sofort auf. Die Sonne brütet
noch heiss auf der weiten Sandfläche, die wir durchqueren
müssen, um zum grün umrahmten Nil zu gelangen. Der
schwefelrüchige Dunst der Heilquellen von Heluan folgt uns,
nachdem wir schon längst die im maurischen Stil gebauten
Badehäuser hinter uns haben. Endlich Hegt die weite glatte
Fläche des Nils vor uns. Ein Boot wird auf den befehlerischen
Ruf des Scheich dicht ans Ufer gezogen. Wir steigen ein.
Ehrerbietige Grüsse empfangen den Dorffürsten. Dann stossen
wir ab. Tief bohren die Kiiderknechte lange Stangen in den
schlammigen Ufer.sand. Arabischer, eintöniger, auTschwungs-
loser Gesang in gedehntem Kythmus und mit ständiger
Wiederkehr derselben Melodie begleitet ihre Arbeit Eine
andere breite Fähre, die viel Volk und Vieh vom entgegen¬
gesetzten Ufer bringt, legt gerade an, als wir abfahren. Ein
Kamel wird unter grossem Geschrei ausgeladen und tappt,
boshaft gurgelnd, mit seinen unförmigen Füssen ins Uferwasser,
dass es hoch aufsprit/.t Viel Heiterkeit und Lust entsteht
daraus unter dem landenden Volk. Emst bleibt nur eine breite,
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loor..
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
28
flechte onter den Höllenslrafen mit aufgezählt hat. Seine
Darstellung ist so meisterhaft, dass ich es mir nicht versagen
kann, sie (nach der Streckfuss’schen Uebersetzung) hier mit-
zateilen. Die Stelle findet sich im Inferno, im XXIX. Gesang,
Vers 73 — 93. Dante ist mit seinem Führer Virgil auf die
Felsenbrücke gekommen, von der sie die letzte, zehnte Abtei¬
lung des achten Kreises der Hölle überschauen, worin Ver-
danunte von widerwärtigen und qualvollen Krankheiten ge¬
peinigt werden. Auf den Rand der Kluft niedergestiegen, ver¬
nehmen sie Jammertöne:
nSich gegenseitig stützend sassen Zween,
Wie in der Küche Pfann’ an Pfanne lehnt.
Mit Grind gefleckt vom Kopf bis zu den Zeh’n.
Gleich wie ein Stallknecht, der nach Schlaf sich sehnt
Und bald sein Tagwerk hofft vollbracht zu haben,
Die Striegel eiligst führt und öfters gähnt,
So sah i<m sie sich mit den Nägeln schaben
Und hier und dort sich kratzen und geschwind,
So gut es ging, ihr wütend Jucken laben.
Und schnell war unter ihren Klau’n der Grind
Wie Schuppen von den Barschen abgegangen.
Die nnterm Messer schneller Köche sind.
„Du, vor dess’ Fingern jetzt die Schuppen sprangen“,
Begann Virgil zu Einem von den Zwee’n,
„Und der du sie auch oft gebrauchst wie Zangen,
„Sprich, fanden sich auch hier Lateiner ein?
„Und mögen, dich zu kratzen und zu krauen,
„Dafür dir ewig scharf die Nägel sein!“
«„Lateiner kannst du in uns Beiden schauen““,
Erwidert’ jener drauf, von Qual durchbebt,
„„Doch wer du bist, magst du mir erst vertrauen““ . . .
Der Dichter wünscht also dem einen Unglücklichen, seine
Fingernägel möchten allezeit scharf und tüchtig genug bleiben,
um die Schuppen beständig abkratzen zu können. Ein pso-
riasiskranker Arzt, mit dem ich über diese Verse sprach,
meinte daraus schliessen zu dürfen, Dante habe gewusst, dass
infolge von Schuppenflechte manchmal auch die Nägel er¬
kranken, zerklüftet werden und an ihren Rändern zerbrechen.
Ich glaube, dass diese Konjektur zu weit geht
Soviel geht aber aus dem Zitat hervor, dass der aus¬
schweifenden Phantasie des grossen Dichters die Schuppen¬
flechte als etwas überaus Schreckliches erschienen ist In
der Tat ist sie eine infernalische Krankheit, die den damit
Behafteten zur grössten Verzweiflung bringen kann.
Zum Glück gibt es Heilmittel gegen dieses teuflische Uebel.
Obenan unter diesen stehen die starken Schwefelquellen; inner*
lieh und äusserlich konsequent gebraucht, bringen sie den Pso-
riatikern gewöhnlich Bossening, häufig sogar dauernde Heilung.
Die Behauptung der Dermatologen, dass die Psoriasis vulgaris
unheilbar sei, ist irrig; mir sind Fälle bekannt, wo sieben,
zwölf und fünfzehn Jahre lang nach einer Nenndorfer Kur
kein Rückfall erfolgt ist und die Haut andauernd tadellos
blieb. Wenn das keine Heilungen sein sollen, so fehlt eben
im Sprachschatz eine treffende Bezeichnung solcher Resultate.
Ich will nun angeben, wodurch und wie wir in Nenndorf
solche Erfolge bei der besagten Krankheit erzielen und will
sodann ausemandereetzen, wie man sich den Heilungsprozess
erklären kann.
Die Hauptsache ist, dass der Patient sechs Wochen lang
grosse Quantitäten eines starken, frisch aus der Quelle ge¬
schöpften Schwefelwassers trinke. Wir verordnen zu diesem
Zweck die Nenndorfer Trinkquelle, die nach der diesjährigen,
von Professor Dr. E. Hintz vom Laboratorium Fresenius,
Wiesbaden, ausgeführten Analyse 0,0007 g Schwefelwasser¬
stoff, entsprechend 41,61 ccm, im Liter enthält, bei 11® C
Quellentemperatur. Wir lassen jeden Psoratiker von diesem
Wasser anfangs zweimal täglich ein Glas zu 200 g trinken
und steigern die Tagesdosis möglichst bald bis auf fünf Gläser,
also bis zu einem Liter. Dies ist nur möglich, wenn man das
Schwefelwasser über den ganzen Tag verteilt trinken lässt,
eine Triukmethode, die von allen Hautkranken in Nenndorf
befolgt wird; die Trinkquelle ist deshalb bis 6 Uhr abends
geöffnet. Ein Liter Schwefelwasser morgens nüchtern zu
trinken, wäre den meisten Kranken unmöglich. Uobrigens ist
es ratsam, das Wasser nicht kurz nach oder kurz vor einer
Mahlzeit zu trinken, sondern dazwischen eine Pause von einer
halben Stunde zu machen. In der Regel lassen wir den
Brunnen kalt trinken, ungern erwärmt oder mit Zusatz von
heisser Milch. Man muss sehr langsam trinken und dabei
etwas promenieren. An den Geschmack und den Geruch des
Schwefelwassors gewöhnt man sich bald. (Schlus.s folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
X B&don-Bddon. Ueber die Frequenz der Grossherzoglichen
Badeanstalten im Monat Dezember v. J. entnehmen wir einer
statistischen Uebersicht folgende Zahlen;
Im Grossh. Friedrichsbad wurden im Dezember 2039 Bäder
abgegeben, Abonnenten der Heilgymnastik waren es 20, die Zahl
stolze Gestalt, ähnlich der meines Scheichs. Beide grüssen sich
auch mit würdevoller Handbewegung. Daun bestingt der Ge¬
landet© ein feuriges Pferd mit langem Schweif und geflochtener
Mähne, welche tiefschwarz vom weisson Hals absticht. Ein
Tigerfell mit. goldroter Verbrämung dient als Sattel. Stolz
stürmt der arabische Renner von dannen und trägt seinen
Herrn, einen Propheten und Abkömmling Muhameds, seinem
Herde zu.
Ich stehe am Bug des langsam gleitenden Bootes. Heimat¬
lich winken zum Abschied die bunten Häuser von Heluan.
Die leblose, graubraune Kette des Wüstengebirges von Heluan,
auf dessen Ausläufern die akropolisartige Säulenhalle des neu
erbauten Sanatoriums steht, dehnt sich nach Norden im gleichen
Lauf wie der Nil. Aus den Felsen dieses Gebirges h^en die
alten Eg 3 mter die mächtigen Blöcke für ihre Pyramiden ge¬
hauen. Noch heute erkennt man deutlich die in die Bergmassen
gehöhlten Steinbruchstellen. Denselben Weg, den ich heute
fahre, benutzten sie — damals vor abertausend Jahren — zum
Transport der Blöcke. Stolz grüssen die Pyramiden von drüben
herüber, die im vergänglichen Reste alter Kultur, mit ihren
latten Flächen sich in der Sonne spiegelnd, mit eckigen
pitzen sich in den Himmel bohrend.-
Arabische Lieder begleiten den gleichmässigen Rudorschlag
der Bootsmänner — der Nil rauscht leise! Auch er singt,
singt ein uraltes, erhabenes, königliches Lied. Es klingt wie
Totensage und Lebenshymne zugleich. Was hat er schon alles
in seine tiefbraunen, unergründlichen Anne geschlossen! Hier
an dieser Stelle vielleicht brachte Rarases ihm goldene und
blutige Opfer. Kostbare Becher, Schalen und Münzen liegen
auf seinem Boden zw’ischen Tiergeripp und Totenbein. Gnädig
überflutet er all dies vergängliche — aber auch unvergäng¬
liches! Er selbst ist unvergänglich. Unvergänglich ist die
Natur, die von ihm lebt Mächtig ist er, alles ist in seinem
Willen unterworfen. Denn olme ihn kein Leben hier, nur Tod
und Wüste. Ich schaue in die Ferne. Weites Fruchtland
dehnt sich zu beiden Ufern. Grüuwogcnde Saaten überall!
Dazwischen frisch aufgepflügte schwarze moorige Erde. Ueber-
all unerschöpfliche G^en der Fnichtbarkoit: Zucker und Korn,
Reis, Mais, Baumwolle. Auf weiten Wiesen weidet kräftiges
Rindvieh. Kamele in langer Kette ziehen mit frisch gemähtem
Gras beladen zum nächsten Dorf. In ununterbrochener Reihe
stehen am Ufer sinnreich erdaclite Wasserschöpfwerke. Sie
arbeiten unablässig, von Tier oder Mensch getrieben. Denn
der Mensch ist unersättlich in seiner Gier nach Gewinn. Dass
der Nil alljährlich einmal Segen und Nahrung spendet, das
genügt niclit Man saugt an seiner Kraft, auch wenn sie er¬
schöpft ist. Man sperrt seine Wege, macht ihn dienstbar,
knechtet ihn. Heute ist der Nil nicht mehr heilig, er ist nur
Flusswasser, nährender Schlamm. Vor wenigen Wochen noch
war all das, was jetzt grünt und prangt, von seinen segnenden
Wassern bedeckt. Dann löste der Nil langsam seine Um¬
armung. Deutlich zeigt sieh an den Stufen der Uferhäiige,
wie Schicht um Schicht der Mutter Erde aus der befruchtenden
Liebkosung zu frischem Leben erwachte. cFortsetzung folgt.)
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24
BALNEOLOGISCHE CENTnAI.ZEITimG
Nr. 6.
der Massierungen betrug 54. Die Einnahme hierfür stellt sich
auf 2742 Mark 30 Pf. Die Gesamtfrequenz des Jahres 1905
stellt sich im Grossh. Friedrichsbad wie folgt: Bäderabgabe 67110
(1904; 66656), Abonnenten der Heilgymnastik 900 (861), Anzahl
der Massierungen 1402 (1583). Die Gesamteinnahmen betrugen
im Jahre 1906 ; 127 334 Mark 30 Pf., im Jahre 1904: 124665 Mark
80 Pf. Die Frequenz war also im Jahre 1905 eine bedeutend
stärkere als im Jahre 1904 und dementsprechend sind auch die
Einnahmen in die Höhe gegangen.
Ueber die Abgabe von Fango-Behandlungen im Jahre 1905
liegen folgende Z^len vor: Es wurden abgegeben grosse Be¬
handlungen zu 4 Mark 50 Pf. 333, Abonnements zu 40 Mark
35 Pf., kleine Behandlungen zu 3 Mark 3706 und Abonnements
zu 27 Mark 136. Die Einnahmen hierfür betrugen 17 688 Mark
50 Pf., gegen 15 515 Mark 50 Pfg. im Jahre 1904. Die Ab¬
gabe von Fango-Behandlungen ist eine mit jedem Jahre grössere
geworden, was als ein Beweis dafür angesehen werden darf, dass
sich dieser Heilmethode ein immer grösser werdendes Interesse
zuwendet.
X LanQOnSChwalbach. Der Bau einer elektrischen Strassen-
bahn von der Eisenbahnstation bis zum Moorbadehaus wird beab¬
sichtigt.
X Oborstdorf. Die steigende Fremdenfrequenz in den
letzten Jahren erregt hier grosse Baulust. Trotz Vergrösserung
von drei Hotels durch Anbauten und Dependancen und des Hotel-
Neubaues „Wittelsbacher Hof“ konnte die Hochflut der anrückenden
Gäste im verflossenen Juli und August nicht in dem gewünschten
Maße bewältigt werden. Es hat sich nun auch die Gemeinde¬
verwaltung entschlossen, ein den wachsenden Ansprüchen und Be¬
dürfnissen entsprechendes Kurhaus mit ausgedehnten Parkanlagen
zu errichten. Die Versicherungsanstalt Schwaben und Neuburg
bat in ziemlicher Entfernung von Oberstdorf ein grosseres Areal
erworben, um im Frühjahr mit dem Bau eines Sanatoriums für
Lungenkranke zu beginnen.
# RIgi-Kaltbad. Die Festtage brachten reges Leben auf
die sonnigen Höben der Rigi. Von Arth-Goldau nach Klösterli
verkehrten an den Hauptfeiertagen regelmäßig Züge. Von Weggis
aus aber wird, wie vor hundert Jahren, als die Rigi als Aus¬
sichtsberg und Alpydill „entdeckt“ wurde, der Verkehr mit
Sattelpferd und Saumtier bewältigt. Beim Felsentor, unterhalb
Ealtbad, taucht der Reiter und die Reiterin aus dem Nebelmeer
auf und übersehen es staunend, Beleuchtungseffekte von ungeahnter
Schönheit spielen in den brandenden Nebelmassen und die Alpen
stehen klar im Aetber. Die Temperatur steigt mittags sehr hoch
und erlaubt stundenlange Sonnenbäder. Interessant ist der Um¬
stand, dass trotz der intensiven Wärmewirkung der Sonne die
Skifelder am Nordabhang des Rotstock imd Schilt stets unver¬
änderliche gute Skibahn im trockenen Pulverschnee bewahren.
X Aus Wiosbadon wird mitgeteilt, dass daselbst in dem
Städtischen Armenbad eine mit Zentralheizung versehene und
während des ganzen Winters geöffnete Anstalt geschaffen worden
ist, in der Kranke aus den Versicherungskreisen auf eigene Kosten
(3 Mk.) oder auf Kosten ihrer Krankenkasse oder der Landes-
versicbeningsanstalt Thermalbade- und Trinkkuren gebrauchen
können. Die Anstalt, die 55 Betten umfasst und während des
Sommers überfüllt war, beherbergt zurzeit nur ca. 20 Kranke,
so dass die Aufnahme weiterer Kranker beiderlei Geschlechts
jederzeit erfolgen kann. Anfragen sind an die Verwaltung des
Städtischen Krankenhauses zu richten, dessen ärztlicbei Leitung
das Armenbad ebenfalls untersteht.
Vermischtes.
— Der Dampfer ,,Oceana“ der Hamburg-Amerika-Linie,
welcher die deutschen Mitglieder des 15. internationalen medi-
cinischen Kongresses nach Lissabon im April bringen und zugleich
als Wohnung der Kongressisten dienen wird, soll auch die Kana¬
rischen Inseln, Gibraltar und Tanger anlaufen. Die Kosten der
Fahrt belaufen sich je nach der Lage der Kabine inkl. Ver¬
pflegung auf etwa 700—1300 Mk. Der Dampfer geht am
7. April von Hamburg ab und trifft am 30. April abends dort
wieder ein.
— In London versucht man alle bestehenden medicinischen
Gesellschaften zu einer Körperschaft (Royal Society of Mede-
cine) zu vereinigen, ohne dass die einzelnen Sektionen ihre Selbst¬
ständigkeit verlieren. Die Royal Medical and Cbirurgical Society
und Clinical Society haben die grosse Aufgabe in die Hand ge¬
nommen, die in der Residenz wohnenden 5000 Aerzte zu einer
grossen, leistungsfähigen Vereinigung zusammenzuschliessen. Die
Ziele der Vereinigung sind noch nicht genauer bekannt.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Rodnktion der Balneologieoben Zentralzeltung..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur¬
minimum
Mittleres
Temperatur¬
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkongen
Abbazia.
21-27. 1. 06.
1 C.
4 C.
763,9
4
3
5
Badenweiler.
—
—
_
_
_
_
_
_
Driburg .
n
— 3,5 C.
1,3 0.
—
2
4
—
2
—
1
Tag Schnee
Ems.
—
—
_
_
_
_
_
_
Giesshübl-Sauerbrunn . .
— 4,9 C.
- 1,4 C.
_
_
3
2
4
_
2
Tage Schnee
Franzensbad .
—
—
_
_
_
_
_
Herrenalb.
— 8 C.
+ 5,5 C.
729
—
2'/4
43 /,
4
—
2
Tage Schnee
Kreuznach ......
—
_
_
_
2
Langenschwalbach . . .
—
—
—
_
_
_
_
_
Lippspringe.
- 4 0.
-f 2 C.
760
1
2
2
1-5
—
2
Tage Schnee
Nauheim.
- 4,4 0.
0,2 C.
756 5
_
3
4
1—5
_
2
Nenndorf.
V 2 c.
2 C.
767
_
2
5
_
_
1
Tag „
Norderney.
—
—
—
_
_
_
_
_
Orb.
—
_
_
-
Reichenhall . . . . • .
_
-
_
_
_
Koinerz.
w
— 8 C.
— 3 C.
718
—
_
7
4
_
2
Tage Schnee
Stehen.
/'
- - 7,4 0.
+ 0,4 G.
719
1
5-6
—
3
H «
Vpraiiiwortllchrr Keilakt«ur : Hofrftt Dr. W. H (7ilb«rt, Haden-Badeo. — Verlaj; von Carl Marhold. Halle a. S.
Druck von HeynemanD’sche Buchdruckerei. Gebr. Wolff. Hall« a. S.
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I
Vn. Jahrgang. Nr, 7. 1906.
Balneologische Centralzeituns
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des SchwarzwaldbäUertages, des Verbandes
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Vtriwndsredakteur des „Allg. D. B.-V.";
Verlag: Carl Marbold in HaHe a. UhlandstraBe 6.
TeL-Adr.: Martioid Veriag Hallesaale. Femspreeber 3834.
Redakteur:
Dr ^beU, Plinsberg i. Schl.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hofrat Dr W. H. OiOert, Bide»-Badea.
Hofrat Dr. W. H. QUbeii, Baden-Baden.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei dei Redaktion gestattet.
Inhalt.
Aaitlieher Teil: Allgemeiner Dentscber Bäderrerband.
Fenilleton; Ärztliche Stimranngsbilder ans Egypten. Von Dr. H. Engel,
(Heloan bei Cairo.)
Über die Bebandlnng der gemeinen Scbnpmnflecbte mit Nenndorfor
Schwefel Wasser. Vortn^ fQr die XIV. Jabresreraammlong des all«
gemeinen Deutschen Bäd.orverbandos zu Ems den 4. Oktbr. 1005. Von
San.'Rat Dr. Axel Winkler.
Abs den BEdem und Kurorten.
Vermischtes. -
Heteorologrisehe Statistik.
Amtlicher Teil.
AUgem, J>eutaeher Bdderverband,
Bericht über die Vorstandcpdtzung vom 8 . Januar 1906.
Ana 8 . Januar fand auf Einladung des Vorsitzenden Herrn
Geheimrat Dr. Michaelis eine Zusammenkunft des Vorstandes des
Allgemeinen deutschen Bäderverbandes zu Hamburg statt, zu
welcher die Vorstandsmitglieder vollzählig erschienen waren. Um
9^/4 Uhr wurde in die Verhandlungen eingetreten und zunächst
der Vortrag Bleymüller über die Eisenbahn-Tarifreform und
deren Sinfluss auf den Verkehr der Kurorte (1. Jahresversamm¬
lung 1905) nochmals erörtert. Der Beschluss der Emser Ver¬
sammlung, den Vortrag dem zuständigen Ministerium als Material
zu überreichen, wird zur Ausführung gebracht. Herr Sanitätsrat
Dr. Winkler berichtet sodann über eine von ihm und Herrn
Rütt en ausgearbeitete Mietordnung für die deutschen Kur¬
orte. Dem Entwürfe diente als Grundlage die von Herrn
0. Kaempf in Em« vorgelegte Mietordnong für die Thüringer
Kurorte, sowie die von Herrn Bürgermeister Dengler-Reinerz im
Jahre 1899 dem Schlesischen Bädertage vorgelegte Mietordnung.
Auch einige bezüglidie Verordnungen, welche in einzelnen Kur¬
orten, z. B. Elms, Gültigkeit haben, fanden Berücksichtigung. Es
wurde in Anregung gebracht, den mit einigen Aenderungen ver¬
sehenen Entwurf gelegentlich der nächsten Tagung in Kissingen
zur Beratung zu stellen und zur Annahme zu empfehlen. Aus
einem Berichte des Herrn Prof. Dr. E. Hintz über den Stand
der Arbeiten zur Herausgabe des im Kaiserlichen Gesundheits¬
amte bearbeiteten Buches „Deutschlands Heilquellen und Bäder“
interessiert besonders die Mitteilung, dass begründete Hoffnung
vorhanden ist. das Werk noch im Laufe dieses Jahres der
Oeffentlichkeit übergeben zu können. Herr Hofrat Röchling
unterzog demnächst die Kurortekommission der Berliner Standes¬
vereine einer kritischen Beleuchtung. So erwünscht ja die Mit¬
arbeit eines jeden Arztes am Gedeihen der Kurorte an sich ist,
sc ist doch wohl die Art und Weise, wie jene Kommission sich
durch Versendung ihrer Fragebogen u a. sich betätigt, nicht ganz
einwandsfrei, namentlich im Hinblick darauf, da.ss z. Zt. die hy¬
gienischen Mindestforderungen an Kurorte im Kaiserlichen Ge¬
sundheitsamte eingehend erörtert werden. Hier arbeiten die Ver¬
treter der zuständigen Behörden in bestem Einvernehmen mit
bewährten Fachleuten aus Kurorten aller Art zusammen und es
Steht ein erspriessliches Elrgebnis in Aussicht. Die Frage, ob das
Vorgehen der genannten Kommission, welches nur aus einer ge¬
wissen Universität hervorgegangen zu sein scheint, zunächst Beob¬
achtung finden soll, wird dahin beantwortet, dass weitere Schritte
derselben abznwarten sind. Auch diese Angelegenheit wird auf
die Tage.sordnuDg der nächsten Jahresversammlung gesetzt.
Feuilleton.
Aerztliche Stimmungsbilder aus Egypten.
Von Dr. H. Engel (Heluan bei Cairo).
(Fortsotzung.)
Drüben badet eine Gruppe braunnackter Gestalten, Mädchen
und Buben. Frauen kommen mit grossen Tonkrü^en auf den
Köpfen an die Badestelle und schöpfen am gleichen Platz
Wasser zum Trinken, schlürfen selbst das schmutzige Nass aus
hohlen Händen. Die ganze Erklärung der Cholera- und
Typhusepidemien Egyptens ist in diesem Bild enthalten. Wenige
Schritte vom Badeplatz entfernt liegt auf einer Sandbank em
ve^esteter Tierkadaver. Der Nil umspült ihn. Möven und
Geier umflattern ihn. Man braucht nicht mehr zu fragen,
warum die Rinderpest in Egypten eine nationalökonomische
Kalamität geworden ist.
In nördlicher Feme tauchen am anderen Ufer des Nils
die Umrisse einer grossen Zuckerfabrik auf. Neben Palmen
stehen Schornsteine und grosse unschöne Magazingebäude.
Das Pfeilen einer Lokomobile unterbricht die Stifie. Von den
Mauern fliegen dichte Schaaren von Tauben. — An die Fabrik
schliesst sich ein Palmenhain. Deutlich, ernst und wuchtig,
heben sich aus ihm die Trümmer eines alte^ptischen Heilig¬
tums heraus. Liebkosend umspielen die Wellen einen halb¬
zerstörten Götterkolosa. Sie erzählen dem Träumenden von
schönen, machtvollen Zeiten. Dicht am Tempel, zum Teil an
ihn hinaufgebaut — denn er ist erst vor kurzem aus dem
Staub der Jahrtausende herausgegraben — stehen die grau
braunen jämmerlichen Lehmhütten eines arabischen Dorfes.
Vergangenheit und Gegenwart in einem einzigen kleinen Ge¬
sichtsfeld, unharmonisch aneinander gereiht und doch tief er¬
greifend für das denkende Auge.-
Ein bescheidenes „Imil namf hawage“, („Verzeihung, Herr“)
unterbricht meine träumerische Betrachtung. Mit bittender
Miene steht ein arabischer Ruderknecht vor mir und deutet
auf sein erblindetes Auge — eines der alltäglichen Opfer des
egyptischen Trachoms. Andere kommen dazu mit demselben
mehr oder weniger eingerosteten Leiden, über die sie mit be¬
redten Worten flagen. Ich kann nur wenig helfen. Aber der
Dank ist gross und im Triumph werde ich auf den Schultern
meiner Patienten vom Boot durch das Uferwasser getragen.
Auf bereit gehaltenen Eseln geht es nun in strengem
Galopp durch die grüne Ebene. Ein am Nil gelegenes Dorf
nimmt uns zunächst auf. Es ist „Beiram“ heute, ein grosses
arabisches Fest nach langem religiösen Fasten. UeberalT Lust¬
barkeit, Musik und Tanz! In unglaublich grellem Festputz,
bei welchem helles Gelb, Scharlachrot und Lila die grösste
Rolle spielt, drängt sich die lebhafte Menge am Schlangen¬
bändiger und Märchenerzähler, an Bazaren und Verkaufs¬
ständen. Diese sind hoch beladen mit Orangen, Datteln, Feigen
und eigentümlichem Backwerk, dessen Anblick europäische
Gaumen nicht reizen kann. Dichte Schwärme von Fliegen
lagern auf allem. Malesch (Tut nichts!). Unrat und Geziefer
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26
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 7.
Nach einer Mitteilung von Dr. Siebelt hat daa Rundschreiben
in Sachsen die in Kurorten an Vereine und Korporationen irgend¬
welcher Art zu gewährenden Vergünstigungen einen guten Erfolg,
gehabt. Eine sehr grosse Anzahl von Kurverwaltungen hat sich
zur Annahme der Leitsätze entschlossen, so dass dieselben nach
und nach wohl allgemeine Anerkennung finden dürften.
Die Frage der Kurortelaboratorien wird wiederum im An¬
schlüsse an einen bezüglichen Bericht des Herrn Prof. Dr. Hintz
erörtert. Die Angelegenheit ist noch nicht spruchreif und es
wird beschlossen, in Rücksicht auf die früheren Verhandlungen
des Verbandes einer von anderer Seite ergangenen Anregung
keine Folge zu geben.
Weiter wurden Erörterungen gepflogen, ob es sich empfehle,
in der Jahresversammlung eine Verlängerung der Wahlperiode
des Vorstandes von ein auf drei Jahre zu beantragen. Aus
Zweckmäßigkeitsgründen wird hiervon abgesehen, zumal eine
Aenderung der^ Satzungen im Falle der Annahme eines solchen
Antrages notwendig werden würde.
Endlich kamen noch einige Angelegenheiten zur Sprache,
welche für öffentliche Behandlung nicht geeignet sind, worauf die
sehr umfangreiche Sitzung um 4^/4 Uhr geschlossen wurde.
Am 9. Januar tagte die Kommission für die Quellenscbutz-
angelegenheit ebenfalls in Hamburg. Die Arbeiten derselben
Sind soweit gefördert, dass sie voraussichtlich noch in diesem
Frühjahr mit bestimmten Vorschlägen wird an die zuständigen
Stellen heran treten können. Siebelt-Flinsberg.
lieber die
Behandlung der gemeinen Schuppenflechte
mit Nenndorf er Schwefelwasser.
Vortrag für die XIV. Jahresversammlung des allgemeinen
Deutschen Bäderverbandes zu Ems den 4. Okt. 1905.
Von San.-Rat Dr. Axel Winckler,
Egl. dirig. Brunnonarzt am Bade Nenndorf.
(Schluss.)
Solche Psoriasiskranke, deren Magen nicht einmal drei
Gläser Schwefelwasser pro die verträgt, werden nicht geheilt.
Andererseits darf die Tagesdosis von einem Liter nicht über¬
gehören ja zum Leben des Orientalen. Nicht einmal aus den
von Schmutz starrenden Gesichtern wird das freche Geschmeiss
der Fliegen vertrieben. Zu Hunderten hocken Kinder, Weiber
und Greise vor den Türen der Hütten — ein förmliches
Opfer des Ungeziefers, die triefenden Augen, die verspeicheJten
Mundwinkel von Fliegen dicht untränderl. Diese spielen in der
Verbreitung von Krankheiten hier in Egypten entschieden eine
selir grosse Rolle. Es existieren im Lande, namentlich in der
Nilniederung Fieber, deren Natur noch nicht aufgeklärt ist
Es handelt sich dabei nicht um Malaria, nicht um Maltafieber,
Denguefieber oder dergleichen, sondern um ganz akute hohe
einmalige Temperatursteigerungen mit raschem Abfall, manch¬
mal aber auch kontinuirlich andauernd bis zur Erechöpfung
des Indiviiluums. Wahrscheinlich sind Mücken und Fliegen 1
die Ueberträger des Krankheitsstoffes. Im Blut konnte ich
bis jetzt allerdings keine Mikroorganismen, Tiypauosoraen oder
sonstige Plesmodien in solchen Fällen nachweisen. Die Tsese-
fliege hat ihren Flug noch nicht bis Egypten ausgedehnt, droht
aber von Siidara heraufzukommen. Der Anopsheles wird nur
in wenigen Teilen Egyptens konstant gefunden.
Auf unserem Weg durch das Dorf werden mir von allen
Seiten, von Krüppeln, Blinden und Aussätzigen bettelnde Hilnde
entgegengostreckt — ein jammervoller Ausdruck mouschliclien
Elends. Nun reiten wir an einer lärmenden Schänke vorüber.
Musik und der stickige Brodom einer arabischen Volksmenge
dringt uns entgegen. In der Türe, umringt von Gaffenden,
steht ein hohes, schlank gebautes Weib, nackt bis zu den
schritten werden. Das Nenndorfer Schwefelwasser ist nämlich
ein starkes Diureticum; es reizt die Nieren, muss daher mit
Vorsicht gebraucht werden; die angegebene, durch meine
eigenen Erfahrungen, durch die Erfahrungen meiner Kollegen
und die unserer Vorgänger festgestellte Maximaldosis muss
unter allen Umständen respektiert werden. Ein Psoriatiker,
der hinter dem Rücken seines Arztes nach dem laienhaften
Grundsätze „viel hilft viel!“ täglich sieben Gläser (gleich 1400 g)
Nenndorfer Schwefelwasser trank, verlor zwar sem Hautleiden,
erkrankte aber an chronischer Nephritis.
Während der ganzen Dauer [der Trinkkur sind dem Pso¬
riasiskranken Eier, Bouillon, Würste, Wildpret, Käse, starker
Kaffee, starker Tee, Wein und starke Spirituosen untersagt.
Am wichtigsten ist es, den Salzgenuss und den Alkoholgenuss
zu beschränken.
Ergänzt wird die Trinkkur durch die Badekur, wozu wir
in Anbetracht der Hartnäckigkeit der Psoriasis das Wasser
unserer stärksten Schwefelquelle, der Gewölbequelle, benutzen.
Diese ist weitaus die stärkste Schwefelquelle Eui'opas; nach
der letzten, im Juli 1905 an Ort und Stelle von Professor
Hintz vorgenommenen Titration enthält sie 0,0664 g, ent¬
sprechend 45,51 ccm, Schwefelwasserstoff im Liter. Der Kranke
muss innerhalb 6 Wochen 28 Bäder von diesem enorm starken
Schwefelwasser nehmen; als Temperatur dieser „Gewölbe¬
quellenbäder“ schreiben wir 34 bis 35" C, als Dauer 20 bis
30 Minuten vor. Robuste Personen können bis 40 Idinuten
in einem solchen Bade verweilen. Bei den meisten Bade¬
ästen erscheint die Haut unmittelbar nach dem Bade gerötet;
ie Röte verschwindet .jedoch binnen 10 Minuten. Auf jedes
Bad muss einstündige Bettruhe folgen.
Nach den ersten fünf oder sechs Schwefelbädern beginnen
die Schuppen erheblich lockerer zu werden; jetzt unterbrechen
wir die Badekur einige Tage und wenden während dieser Zeit
irgend ein Schälmittel an. Ich bediene mich zu diesem Zweck
entweder einiger Einreibungen mit Kaliseife, oder ich lasse
eine starke (jnrysarobinsalbe — 10 g Chrysarobin auf 30 g
Vaselinum flavum — zweimal täglich mittelst eines Borsten¬
pinsels auf die kranken Hautstellen, Notabene nicht am Kopfe
und nicht an den Händen, aufstreichen, bis die schälende Ent¬
zündung beginnt. Wenn die Schuppenbildung nicht sehr aus¬
gedehnt ist. genügen Einreibungen mit Schaum der starken
Nenndorfer Schwefelseife, die 35% Quellensediment aus unserer
Badequelle enthält. Allemal kommt es nur darauf an, die
Schenkeln. Von der braunen Haut hebfsich der aus kupfernen,
silbenien, goldenen Ketten und aus Perlen bestehende Brust¬
schmuck gleissend und glitzernd ab. Breite Armbänder und
die über den nackten Knöcheln sitzenden Fussspangen voll¬
enden das sinnenreizende Bild. Mit den erhobenen Händen
beschreibt sie eigentümliche Linien,*^ während ihr Körper im
Rythmus der Musik vom Hals bis zur Scham wellenförmig
bebt, sich hebt, zittert und stösst. Der Kopf mit den dunkel
umränderten Augen und dem halb geöffneten Mund, aus dem
glänzende weisse Zähne hervorblinken, ist in Verzückung nach
hinten gesunken. Immer stärkere /Schauer erschüttern den
Leib und leise klirren Fiissringe und Armspangen. Andächtig
lauscht die Menge dem Bauchtanz. Der Ajobhek ist trotz der
1 eigentümlichen Bewegung nicht unästhetisch, das Weib selbst
ein stolzes Beispiel egyjitischer Schönheit und herrlichen Eben-
masses, wie man solches unter dem arabischen Volke so oft
findet.
Endlich kommen wir ins Freie und atmen den erquicken¬
den Duft gepflügten Ackerlandes, grüner Wiesen und Felder.
Am Wegrand knien, nach Osten gewendet, auf Teppichen
betende Muselmänner in demütiger Verneigung vor ihrem Gott.
Grosse Züge von Stein-und Fruchtbeladenen Kamelen, Truppen
von eselreitenden. eifrig schwatzenden Arabern kommen uns
entgegen. Unser Zug, dem sich Freunde und Bekannte des
Scheichs angeschlossen, wird mit Ehrerbietung gegrüsst.
! Nach Durchkreuzung eines stillen hohen Palmenwaldes
! erblicken wir endlich das Dorf des Scheich. Trotzdem die
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1906.
BALNBOLOGISCHE CßfTTRALZB[TJ.'^Q
27
Schuppen möglichst abzulösen, damit das Schwefelwasser fortan
auf die kranke Haut vollstündig und gründlich ein wirken könne.
Sobald die Schälung im Gange ist, verordnen wir sofort wieder
die Schwefelbäder.
Ausdrücklich bemerke ich, dass das Schälmittel die Kur
zwar unterstützt und verkürzt, aber keineswegs als Heilmittel
anzusehen ist; es wirkt lediglich als Adjuvans. Mit der Schwefel¬
kur allein kann man die Psoriasis heilen, wie mehrere in Nenn¬
dorf behandelte Fälle beweisen, aber dazu ist natürlich eine
längere Zeit erforderlich, weil dick auflagernde Schuppen
während der ersten Wochen die Einwirkung des Schweiel-
wassers auf die kranken Hautpartien hindern. Es erscheint
daher durchaus rationell, mit Schälmitteln der Abschuppung
nachzuhelfen.
Binnen sechs Wochen pflegt die Haut völlig geheilt, tadel¬
los rein und glatt zu sein.
Diese eminente Wirkung der Schwefelkur auf die psoria¬
tische Haut erkläre ich folgendermaßen. Ich halte mit Polo-
tebnoff die Psoriasis vulgaris für eine vasomotorische Neurose,
die auf Veränderungen des Nervensystems beruht und mit
subjektiven und objektiven Nervensymptomen einhergeht Man
muss bedenken, dass Haut- und Nervensystem aus einem und
demselben Keimblatt entstanden, also genetisch nahe verwandt
sind. Oft konnte ich feststollen. dass psychische Affekte den
Wiederausbruoh, ja die erste Entstehung der Hautkrankheit
verschuldet haben; hiernach wäre sogar eine psychische, sug¬
gestive Behandlung der Psoriasis neben den übrigen Ma߬
nahmen wohl gerechtfertigt. Der Mangel an Schlaf wirkt ver¬
hängnisvoll. weil er das Nervensystem schädigt: eine einzige
scblaflo'O Nacht kann bekanntlich einen Rückfall der Psoriasis
unmittelbar zur Folge haben. Kopfverletzungen und Alkohol¬
genuss wirken ebenso, weil sie gleichfalls die Nervonfunktioiien
alterieren. Kurz, diese Hautkrankheit wurzelt augenscheinlich
in Störungen des Nervensystems. Nun wirkt aber die Schwefel¬
kur sodierend, bis zu dem Grade, da.ss — wie die an starken
Schwefelbädern praktizierenden Herren Kollegen wolil wissen
— der nervenberuhigende, niederschlagonde Effekt der Trink-
und Badekur oft bis zur tiefsteu Depression des Nf'rvenlebens
führt. Und nach meinen Beobachtungen tritt die Heilwirkung
der Schwefelkur bei der Psoriasis stets in jenem Zeitpunkt
ein, wo die sedierende Wirkung der Kur deutlich erscheint.
Sobald der Patient matt, unlustig, schläfrig, total schlaff w’ird,
ist sein Hautleiden geheilt. Die Heilung beruht also im
Grunde wohl auf der Beeinflussung des Zentralnervensystems.
Nebenbei mag ein lokaler Einfluss der Schwefelbäder auf die
Hautnerven in Betracht kommen, deshalb suchen wir, wie ge¬
sagt, die Haut bald von Schuppen zu befreien, um sie für die
sedierende Wirituug des Bademediums zu präparieren. Dabei
denken wir aber keineswegs an eine pilzwidrige Wirkung des
Badewassers. Die Devise der modernen Dermatologie: „Lo¬
kale Krankheit, materielle Erklärung und arzneiliche Behand¬
lung“ ist wenigstens bei der Psoriasis zu verwerfen. Bei diesem
Hautleiden wollen wir durch unsere baineotherapeutischen Ein-
f rifie und diätetischen Vorschriften das Nervenleben und da-
urch mittelbar das Hantleiden heilsam beeinflussen. Das
Svhwefelwasser wirkt nicht antiseptisch und nicht antiparasitär,
das haben Dr. Amsler in Schinznach und Professor Dr. Klebs
in Nenndorf bakteriologisch exakt nachgewiesen; andererseits
ist die Psoriasis vulgans nicht parasitär und nicht kontagiös.
Sie ist eigentlich eine Nervenkrankheit und wird durch die
Schwefelkur deshalb geheilt, weil diese die Hautnerven, die
Gefässnerven und überhaupt das gesamte Nervensystem be¬
ruhigt. Das ist meine Theorie.
Bazin, der verschiedene Dyskrasien als Ursachen der
Schuppenflechte anschuldigte, statuierte u. a. eine gichtische
Psoriasis. Sofern Gicht auf neuropathischer Grundlage beruht,
kann sie allerdings einen günstigen Boden für die Entwicklung
der Schuppenfleimte abg^en. Wir sehen in jeder Saison
mehrere derartige Fälle; diese scheinbaren Ausnahmen be¬
stätigen nur unsere Ansicht vom Wesen der Psoriasis. In
solchen Fällen sind die Schwefelbäder, die ja auch gichtwidrig
wirken, doppelt indiziert und bringen sicheren Nutzen. Auch
weim rheumatische Gelenkaffektionen die Psoriasis komplizieren,
wirken die wannen Schwefelbäder höchst wohltätig.
Ich hoffe, dass dieser kleine Beitrag zur Pathologie und
Therapie der Psoriasis trotz mancher Abweichungen von der
üblichen Anschauungsweise die wohlwollende Beachtung der
Kenner finden und Veranlassung dazu geben möge, dass die
unglücklichen Psoriatiker, denen mit den gebräuchlichen, zum
Teil höchst giftigen Mitteln wie Arsenik, Atoxyl, Jodkalium,
weisser Präzipitatsalbe u. dgl. so wenig genützt wird, dass die
Krankheit jetzt allgemein als unheilbar verschrieen wird, mehr
und mehr den Schwefel(juellen zugeführt werden, wo sie tat¬
sächlich die ersehnte Heilung finden können.
Aus den Bädern und Kurorten.
X Stobon. Dr. Fritz Hammer, langjähriger Assistent an
der königl. Universität zu Würzburg hat sich als Badearzt und
Spezialarzt für Fiaueukrankheiten iu Bad Stehen niedergelassen.
Sonne schon tief steht, wird es heiss und staubig. Die Wüste
beginnt wieder. Angehörige des Dorfs eilen uns entgegen.
Der Scheich, an der Spitze reitend, streckt mit majestätischer
und doch zugleich gütiger Geberde seine Hände aus und reicht
sie seinem Volk zum Kuss. Unendliche Verehrung spricht aus
jedem Gruss. Bald umfangen uns die dunstigen engen Gassen
des Dorfes. An einem niedrigen Thor machen wir Halt. Eine
lichtlose Treppe führt in ein völlig dunkles übelriechendes Ge¬
mach. Ich weiss nicht, wo ich bin, bis endlich ein Licht auf¬
flammt und etwas Helle verbreitet Da liegt in einer Ecke,
auf alten schmutzigen Perserteppichen, in seidene Lumpen ge¬
hüllt, eine magere weissbärtige Gestalt, der älteste Häuptling
des Dorfes — ein reicher, reicher Mann! Modergeruch und
Spinnengewebe umgeben ihn. Kahl sind die Wände. Altes
wertloses Gerät dient zum täglichen Gebrauch. Aber in ver¬
steckter Truhe gleist das Gold. — (Schluss folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Die Abhärtung kleiner Kinder soll, so wird gegenwärtig
von der Mehrzahl der Aerzte verlangt, möglichst frühzeitig be¬
ginnen. Recht beherzigenswerte Vorschriften gibt Geheimrat
Prof. Brieger, der Leiter der Universitätsanstalt für Wasser-
heilkonde zu Berlin, in einem Vortrage, der in dem ersten Heft
der Hygienischen Volksschriften veröffentlicht ist. Nach Ablauf
der ersten Woche nimmt man zu dem üblichen täglichen Reinigungs¬
bad kühleres Wasser, allmählich bis zu 24 Grad Reamur oder
30 Grad Celsius. Nach Beendigung des Bades übergiesse man
den Rumpf des Kindes mit kälterem Wasser von ungefähr 18 Re¬
amur oder 22 Vj Celsius. Hierauf folgt eine kräftige Abreibung
mit dem trockenen Tuche. Das Bad soll während des ersten
Jahres nicht kälter sein, wohl aber muss die Temperatur des für
die Uebergiessung verwendeten Wassers allmählich verringert
werden. Man kann bis gegen das Ende des Säuglingsalters auf
16 Reamur oder 20 Celsius herabgehen. Vom zweiten Jahre an
genügt die Uebergiessung allein; sie ist täglich vorzunehmen. Man
braucht dann die Wasaerwänne nicht sorgfältig zu bestimmen;
auch im Winter reicht man mit dem Wasser aus, welches mehrere
Stunden im geschlossenen Zimmer gestanden hat. Später muss
man noch kälteres nehmen. Zu beachten ist hierbei, was nie ge¬
nug betont werden kann, dass es sich nicht darum handelt, dem
kindlichen Körper die Wärme zu entziehen. Das Bad oder die
kalte Uebergiessung muss aus der Bettwärme nach vorheriger
Erwärmung des Körpers vorgenommen werden und darf niemals
zu lange dauern. Selbstverständlich braucht man nicht schematisch
eine derartige Vorschrift zu befolgen, sondern kann sie — den
jeweiligen Verhältnissen entsprechend — umändem.
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BALNE0L0GI8CHB CBNTRALZBITÜNG
Nr. 7.
X Ans Badenweller im Schwarzwald schreibt man uns: Die
Entwicklung des Luftkurortes Badenweller, der in seiner Thermal¬
quelle einen zweiten schätzenswerten Heilfaktor besitzt, hat sich
in den letzten Jahren in beschleunigtem Tempo vollzogen und
wenn nicht alles täuscht, wird der Aufschwung des reizenden,
von der Natur so ungemein begünstigten und durch Eultur noch
weiter gepflegten Badeortes nunmehr noch deutlicher in die Er¬
scheinung treten. Dem badischen Landtage liegt jetzt im Budget
eine Forderung von einer halben Million Mark vor, bestimmt zur
Ausführung neuer grosser Badeanlagen in Badenweiler. Allgemein
bekannt ist das prächtige, 1875 nach römischem Vorbild erbaute
Marmoibad, das aber den Bedürfnissen nur noch in beschränktem
Maße genügt, da es lediglich ein Schwimmbassin und Douche-
einriehtungen enthält, abgesehen von den Ankleidekabinen. Es
soll nun anschliessend an das Marmorbad eine mit modernen Ein¬
richtungen versehene Anstalt errichtet werden, in der heisse,
elektrische und Lichtbäder verabreicht werden, ferner die gesamte
Kaltwasserbehandlung durchgeßlhrt wird. Dass dadurch die An¬
ziehungskraft Badenweilers noch bedeutend verstärkt werden wird,
liegt auf der Hand. Das Etablissement, ein architektonisch wohl¬
gestaltetes Gebäude, soll im Anschluss an das Marmorbad im Kur¬
park, etwa gegenüber dem Hotel Sommer, errichtet werden. Die
grosse Villa Siegel, welche seit Jahren als Postgebäude dient,
wird voraussichtlich fallen, da sie dem Neubau vorgelagert wäre
und nicht nur bei dem Aushub dar Fundamente mit grossen
Rosten unterfangen und gestützt werden müsste, sondern auch
später den Neubau vollständig verdecken würde. Die Reichspost
wird, wenn der Landtag sich für die Niederlegung des Siegel-
scheu Hauses entscheidet, in dem früheren Reinhardt’schen Hause
untergebracht, das vor einiger Zeit vom Staate angekauft wurde
und in dem auch die Badeverwaltung ihre Bureaus hat. Dieser
Ausbau der Bäder wird gewissermaßen Epoche machen in der Ge¬
schichte des Kurorts, dessen heilkräftige Luft, warme Quelle und
meilenweite Tannenwaldungen mit ihren immer neu anmutenden
Reizen weit und nahe so hoch geschätzt werden. Die Saison
währt in Badenweiler bekanntlich vom frühesten Frühling an, wenn
die Baumblüte beginnt und das Weilertal in bräutlichen Glanz
hüllt, bis in den späten Herbst, bis in die Oktobertage, die Zeit,
da die Rebenhügel sich leeren und die Laubbäume, die den
dunklen Tannenwald säumen, in bunten Farben prangen.
# Davos.
Vom 13. bis 19. Januar 1906 waren
in Davos anwesend
Deutsche.
1396
Engländer.
716
Schweizer.
460
Franzosen .
243
Holländer.
118
Belgier.
105
Rrussen und Polen ....
362
Österreicher und Ungarn . .
103
Portugiesen, Spanier, Ita¬
liener, Griechen
149
Dänen, Schweden, Norweger
26
Amerikaner.
62
Angeh. and. Nationalitäten .
46
Total
3786
Vermischtes.
X Scbworto a. Ruhr, in das Handelsregister des Königl.
Amtsgerichtes hierselbst wurde dieser Tage die Sanatorium-
Hohensybui g-Gesellscbaft mit beschränkter Haftung mit
einem Kapital von M. 20000 eingetragen, deren Zweck es ist, als
VorgeseUscbaft für eine zu gründende grössere Gesellschaft zwecks
Baues und Betriebes einer Heilanstalt für leichte Lungen-, Hals-
ond Brustkranke des Mittelstandes zu Westhofen a. d. Ruhr zu
dienen.
Dem geplanten Unternehmen wird allseitig, auch seitens der
Behörden, das regste Interesse entgegengebracht, zumal da die
ärztliche Oberleitung in den bewährten Händen des Professors Dr.
A, Moeller, des langjährigen früheren Chefarztes von Belzi^^
liegt. Die geschäftliche Oberleitung des Unternehmens ist dem
Kurhausdirektor Gustav Kreienbrink zu Südende-Berlin übertragen
worden.
Meteorologische Statistik.
VeraDstaltet vop der Redaktioi der Balneologlsoben Zeptralzeltung..
N :i in c
Woche
Mittleres
Temperatnr-
miuimum
Mittleres
Temperatur¬
maximum
. n3
ls|
1- i
1 1
m
Regen¬
tage
Sonnen*
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
.
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
28./1.—3./2
1,6
C.
8,3 0.
763,1
6
1
—
—
See ruhig
Badenweiler.
—
—
—
—
—
—
—
—
Driburg.
n
1,3
c.
3,2 0.
—
4
2
—
2
—
2 T^e Schnee
Ems.
1,4
c.
5,4 C.
769,2
6
3
—
3,3
Gie.sshUbl-Sauerbrunn . .
-0,2
c.
1,8 C.
—
—
—
2
2
—
5 Tage Schnee
Franzensbad.
—
—
—
—
—
—
—
—
Herrenalb.
-2V,
c.
4 C.
730
—
IV 2
5 Vs
3—4
—
2 Tage Schnee
Kreuznach.
—
—
—
—
—
_
Langenschwalbach . . .
—
—
—
—
—
—
—
Lippspringe.
1,4
c.
6 C.
758
3
—
3
2
—
1 Tag Schnee
Nauheim .
-0,4
c.
4,5 C.
749,7
1
—
7
1—7
2 Tage Schnee
Nenudorf .
4
c.
5 0.
763 Vi
1
1
6
_
Norderney .
—
—
—
—
—
—
—
Orb.
—
—
_
_
....
Reichenhall . . . . • ,
—
_
_
_
_
Reinerz .
— 2
c.
1,5 C.
714
—
_
7
8
....
3 Tage Schnee
Steben .
n
-0,7
c.
0,2 C.
706
—
3
4
5—6
—
4 n
verantwortlicher Redakteur: Hofret Dr. W. H. Gilbert, Baden-Baden. — Verlnf von Carl Marhold, Halle a. S,
Draok von HeTnamaaa'acbe Bndhdrnekerei, Cabr. Wolff, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 8. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Or^an des Alls^emeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes
Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
«r t. j j j A» n xt Verlag: Carl Mariiold io Halle a.S., Ublandstraße 6.
Verbandsredakteur des „Allg. D. B.-V.“: Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Dr Slebelt» Plinsberg i. Schl. Alle Ziiscbrlften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Hofrat Dr W. R. OUbart, Bndeii-BadM.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei dei Redaktion gestattet.
Inhalt
BeeiDflossung des Geftsstonos und der Blutstromgescbwiodigkeit durch Ans den Bädern and Kurorten.
tbenniscne und met^aniscbe Reize. Yun Dr. von Niesscn^Wiesbaden. Ans dem Verbände deutscher Nordseebäder.
Feuilleton : Aerztliche Stimmungsbilder aus Bgypton. Von Dr. H. Engel Vermischtes.
(Heluan bei Cairo) (Schluss). Meteorologische Statistik.
Redakteur:
Dr. P. Meissner, Berlin.
Am 7. Februar 1906 starb nach kurzer schwerer Krankheit unser langjähriger treuer Mit¬
arbeiter, Freund und Kollege
Hofrat Dr. W. H. Gilbert.
Tieferschüttert stehen wir an der Bahre des zu früh Dahingegangenen. Wir verlieren an ihm einen
hervorragenden Arzt und wahren Menschen.
Friede seiner Asche!
Dr. P. Meissner.
Nccrolog siehe .Med. Woche pag. 89.
Beeinflussung des
Geßlsstonus und der Blutstromgescliwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von Niessen-Wiesbaden.
Mutando perseverut natura.
Wenngleich sich vorstehendes Thema vornehmlich an den
Physiologen zu wenden scheint, so hat die Bearbeitung des¬
selben infolge seines grossen praktischen Wertes für den Arzt
and speziell für den Balneologen ein so hervorragendes
allgemeines Interesse, dass es nicht unberechtigt ist, wenn
ein Praktiker sich an seine nähere Betrachtung macht und
seine Reflexionen darüber den Herren Kollegen, u. zw. nicht
nur den „Badeärzten“, vorlegt.
So vielseitig die Aufgabe ist, so scheint mir unter den
mannigfaltigen Gesichtspunkten, von denen aus sie gelöst werden
kann, der des physikalisch gebildeten Therapeuten der
zweckmäßigste, d. h. der am meisten übersehende, d. h. um¬
sichtige zu sein. Nicht unvorteilhaft scheint mir daher der
Gegenstand so angefasst zu werden, dass an der Hand einiger
konkreter Fälle, wie sie das tägliche Leben und die ärztliche
Tätigkeit mit sich bringen, die theoretischen Schlussfolgerungen
deduktiv gezogea und womöglich als Richtschnur aufgestellt
werden. Der allseitig gründlich vorgebildete Arzt befindet
sich, sobald er allen Ansprüchen seiner Zeit und Klientel ge¬
wissenhaft gerecht zu werden sich bemüht, oft genug vor der
Alternative, welches Register der auswahlreichen Materia medica
er ziehen soll. Viele Wege führen nach Rom, die einfachste
und am meisten naturgemäße Methode bleibt aber in der Regel
die zuverlässigste, und darin besteht die Hauptkunst des routi-
Feuilleton.
Aerztliche Stünmungsbilder aus Egypten.
Von Dr. H. Engel (Heluan bei Cairo).
(Schluss.)
Während ich mich mit eingeschlagenen Beinen auf den
feuchten Boden niedcrlasse, betrachten mich zwei stahlharto
Fuchsaugen mit bohrendem Blick. „Sa ad, hakim, sa ad“ (Hilf,
Doktor, hilf). Und nun ergiesst sich ein Strom des Jammers
über mich. Kein Plätzchen am ganzen Körper, das nicht der
Sitz von Schmerzen! Auf jede ärztliche Frage wird mit orien¬
talischer Ausführlichkeit in seufzender Klage geantwortet. Es
ist unmöglich, auf diese Weise zu einer Diagnose zu kommen.
Eine gründliche Untersuchung wird nicht gestattet, da die
Kleider aus Angst vor Erkältung nicht abgenommen w'erden.
Was dem Manne vor allem not täte, das wäre frische Luft und
^te Nahrung. Aber letzteres verbietet der Geiz, und die Luft
Fürchtet der Alte wie das Wasser. Wie ein kranker Hund hat
er sich in eine dunkle Ecke verkrochen und lässt nun die
Krankheit über sich ergehen. Ob sie zum Tode oder zur Ge¬
nesung führt, das liegt in Gottes Hand. Imsch Allah!
Ich tue mein möglichstes als Arzt. Wahrscheinlich handelt
es sich um eine tuenylost ommen anaemie — eine im Niltal
sehr häufige Erkrankung. Das tuchylostoma laren wandert
durch die unverletzte Haut in den menschlichen Darm. Das
Baden oder Stehen im Nilwasser, welches von Dejektionen
solcher Kranken verunreinigt ist, genügt schon allein zur Auf¬
nahme des Krankheitsstoffes. — Zum Abschied wird mir ein
Schälchen arabischen Kaffees feierlich kredenzt. Der Scheich
und sein Volk begleitet mich noch ein Stück Weges, üunn
reite ich allein weiter. —
Ein Tag der Arbeit liegt hinter mir. Dass der reiche
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80
BALNEOLOGISCHB CBNTRALZBITUNG
Nr. 8.
nierten Arztes, unter den vielen Wegen den jeweilig richtigen,
erprobten zu wählen.
Die physikalische Therapie, die wahre „Naturheil¬
kunde ist daher ihrem g^zen Wesen nach am meisten ge¬
eignet, den Postulaten des Fernas zu genügen und fast schemt
es, dass dasselbe auch eine pädagonsche Seite „moderner
Richtung^^ habe, nämlich die nicht m^r neue Mahnung, das
Heil der Medicin nicht einseitig nur in der Pharmako¬
therapie zu suchen. Das Thema appelliert geradezu an die
physiaalischen Mittel der ärztlichen Heilkunde.
Seitens des Oiganismus, der den g^ebenen Reizen aus¬
gesetzt ist, sind 3 ^uptfaktoren für den Tonus und die Blut¬
stromgeschwindigkeit maßgebend:
1. die Blutmenge und ihre aggregate und sonstige
Beschaffenheit,
2. die Anlage, der Bau des Eanalsystems, des
Gefässapparates und
3. die treibende Muskelkraft und Nervenenei^ie,
worunter das ganze System der Gefäss- und nerz-
muskulatur mit den zugehörigen nervösen Elementen
subsummiert ist, mit einem Wort; die Vis a tergo.
Wie diese komplizierte Maschine physiologisch unter
'dem Einfluss der gegebenen Reize in imen Einzelheiten und
in toto funktioniert, wie sie unter abnormen Bedingungen
pathologischer Betriebsstörung durch jene Reize korrigiert
und kompensiert werden kann, das sollen folgende Beispiele
erläutern helfen.
1. Ein gesunder Mann erwacht nach ruhig durchschlafener
Nacht, er dehnt sich und reckt seine Glieder nach allen Rich¬
tungen, nimmt die gewohnte kalte Abwaschung, erwärmt sich
nach einem warmen Frühstück und tritt auf die winterlich
kalte Strasse. Die Menschen haben es alle viel eiliger als
sonst, die Kutscher schlagen die Arme abwechselnd kräftig
unter den Achseln zusammen und reiben sich die Ohren. Auch
jenen Mann zwickt es in Ohren- und Fingerspitzen. Beim
Betreten seines Dienstzimmers bemerkt er nach dem Ab¬
streifen der Handschuhe, dass die beiden letzten Finger der
rechten Hand wie abgestorben, leichenhaft aussehen, gefühllos
sind. Bald darauf bekommen sie wieder Farbe, werden rot
und er fühlt in ihnen wie in den Ohren ein Prickeln und leb¬
haftes Brennen. Infolge seiner sitzenden Lebensweise hart¬
leibig, muss er darauf beim Stuhlgang mit grösster Anstrengung
die Bauchpresse zu Hilfe nehmen und fühlt dabei eine lebhafte
Kongestion nach dem Kopf.
Mann mich wohl um meine ärztlichen Forderungen betrügen
wird, daran denke ich einstweilen nicht. Der tiefe erhabene
Frieden einer egyptischen Abendstimmung scheucht alle klein¬
lichen Gedanken. Himm el und Erde leuchten in den warmen
Farben der zum Untergang neigenden Sonne. Rot und feurig
brachen ihre Strahlen durch die schlanken schwarzen Stämme
des Palmenwaldes, den ich wieder durchreite. Auf dem Nil
und seinen lan^am gleitenden Wassern ist es dunkel geworden.
Breite violette Streifen und tiefe Schatten huschen über seine
Wellen. Jetzt flammt der ganze Horizont blutigrot auf. Ich
wende mich dem Westen zu. Ueber dem purpurnen Sonnen¬
ball liegt eine pechschwarze Wolke mit schwefelgelben Rändern.
Wie Federstriche heben sich nickende Palmen am westlichen
Ufer vom farbigeu Hintergrund ab. — Tiefe heilige Stille
ringsum! —
Auf dem Weg vom Nil nach Heluan schlage ich die
Richtung zu einem nahen Wüstenhügel ein. Dort hat ein
lungenkranker Patient Zelte aufgesctuagen, in denen er Tag
und Nacht verbringt, um auf solche Weise die Vorteile des
reinen, trocknen Wüstenklimas voll und ganz auszunutzen.
Hotelleben in Egypten ist nur ein unvollkommener Ersatz für
die Wirkung einer in der offenen Wüste durchgeführten Frei¬
luftkur. Wessen Mittel es gestatten, sich als Lungenkranker
in der Wüste für einige Monate häuslich niederzulassen mit
Küche, Bedienung und mehreren Zelten, welche zimmerartig
verwendet werden können, ohne wirkliche Zimmer mit allen
ihren hygienischen Nachteilen zu sein, der komme im Winter
nach Egypten und ziehe wie der Beduine mit seinem Haus in
Hier haben wir einige physiologische mechanische
und thermische Reize, wie sie das t^liche Leben mit sich
bringt: Das Dehnen, eine unwiDkürliche, die Bauchpresse
eine willkürliche Muskelarbeit, wie auch das Zusammens^lagen
der Hände unter den Achseln. Diese bezwecken, hier als
Reflex, dort als Nebenwirkung bei erschwerter Defäkation,
ähnlich wie beim Erbrechen und bei Geburtewehen, und im
letzten Fall schliesslich als halbbewusster Erfahrungsvoi^ang
eine Blutdrucksteigerung, Ausdehnung der peripheren resp.
intestinalen GefUsse und CapiUaren, sowie eine, wenn auch nur
vorübergehend erhöhte Bl uts tro m geschwindigkeit mit
passiver Hyperaemie, ein Hin und Her bei z. T. wechselnder
Blutstromnchtung und erhöhtem Reibungskoefflzienten und den
übrigen z. T. thermischen und sekretorischen Effekten einer,
wenn auch nur kurzen Stase und der diese ausgleichenden
Blutmotion. Bewirkt wird diese, teils aktive, teils reflektorische
Blutmotion durch die Tonusschwankungen, denen die peri¬
pheren Gefasse auf die erwähnten thermischen Reize der
kalten Waschung, der winterlichen Lufttemperatur, des ge¬
heizten Zimmers und eines heissen Getränkes hin unterliegen,
während die Blutbewegungen und dadurch sekundär erzielten
Tonus-Schwankungen der peripheren und intestinalen Gefasse
bei der Bauchpresse mit extremer Anspannung einer
z. T. unnötigen Nebenerscheinung entsprechen, da zum
Ausgleich der beim Akt der Defäkation eintretenden Wärme¬
verluste und mechanischen Einflüsse auf die Zirkulation nor¬
maler Weise solche Hilfsapparate nicht erforderlich sind.
Im allgemeinen prävaliert als causa agens für den Tonus
unter den äusseren Reizen der thermische und zieht den Blut¬
druck erst indirekt, vorwiegend reflektorisch in Mitleidenschaft,
die.ser wirkt dann vornehmlich wieder mechanisch auf den Tonus,
während der mechanischeReiz*) auf den Tonus von aussen
eine relativ untergeordnete Rolle spielt. Die von innen
spontan in erster Linie für den Tonus und Blutdruck in bV^e
kommen. Denn Reizmoraente sind die Inanition und In¬
fektion, andererseits die Plethora und der Turgor, also
teils mechanische, teils chemische Faktoren. Bei der In¬
fektion, so z. B. bei der Syphilis, bekanntlich einer mit
Vorliebe das Gefässsystem befallender Krankheit wird
viel zu wenig der oft schon in frühesten Stadien den Tonus
*) Von der Elektro- und Lichttberapie wird hier als nicht ins Bereich
des Themas gehörig abgesehen. Es bleibt also ausser dem Luft- und
Wasserdruck hierfür nur die Gymnastik, die passive Bewegung und Massage
in ihren verschiedenen Anwendungsformen.
die freie Wüste, zur kältesten Jahreszeit (Dezember, Januar)
etwa in die Nähe von Assuan oder noch höher hinauf, später
und vorher (November, Februar, März, April) in die Wüste von
Heluan. Es ist das vollkommenste, was bei Lungentuberkulose
auf klimatitschem und hygienischem Wege versucht werden
kann. Solch eine grössere, ärztlich und wirtschaftlich gut ge¬
leitete Zeltkolonie für Lungenkranke in der freien W üste würde
sicher treffliches erreichen.
Wälirend ich den Hügel emporsteige, geht die Sonne
vollends unter. Im Osten erscheint gleichzeitig die bleiche
Scheibe des Vollmonds. Es wird dunkler und doch heller um
mich: Zwei verschiedene Himmelslichter kämpfen mit ihren
Farben. Rechts ira Westen liegt noch Sonnenglut, heiss, voll
Leben, im Abschied noch Leben spendend. Nichts ist so
lebendig wie das Dämmerlicht der egyptischen Sonne. Es
spielt in warmen, wunderbaren, zu Herzen gebenden Farben,
die sich schmeichelnd mischen — rot, gelb, violet, grün, in
fortwährendem Wechsel bis zum Uebergang in das tiefe ruhige
Blau des egyptischen Himmels, an dem die Sterne zu leuchten
beginnen. Siegreich greift das harte weisse Licht des Mondes
um sich. Mit kalten Fingern streift es über die Nilebene,
welche oben noch in der Sonne warm geatmet hat. Jetzt liegt
sie tot da. Ihr lebhaftes Grün, ihre bunte Fruchtbarkeit wird
weiss vom Mondenlicht. Die Wüste aber wird grösser. Sie
leuchtet und lebt. Die hellen Vollmondnächte sind die Tage
ihres Lebens. — Leise Töne einer arabischen Violine klingen
mir von den Zelten entgegen. Ich finde den Kranken in Ge¬
sellschaft musikalischer Beduinen, die ihm ihre eigenartigen
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1906.
BALNEOLOGISCHirOBNTRALZBITÜNG
81
wesentlich beeinflussende mechanische Faktor der Inter-
position mikrophytärer Elemente und ihrer reaktiven Gewebs¬
veränderungen berücksichtigt Die thermischen Einflüsse des
Fiebers auf den Tonus und Blutdruck sind mehr indirekter,
endogener Art und sollen, da sie grundsätzlich von den
übrigen nicht verschieden sind und den Umfang dieser Be¬
trachtung unnütz vergrössern würden, hier nicht näher berück¬
sichtig werden.
Um indess die im ersten Fall vermerkten Erscheinungen
etwas eingehender zu verfolgen, so ist das erste Beispiel
eines mechanischen Reizes durch die Körperdehnung nach
und bis zu einem gewissen Grade auch vor dem Schlaf doch
als kein ganz einfach mechanischer Vorgang aufzufassen. Die
namentlich bei Kindern leicht zur Schlafengehenszeit sich
bemerkbar machenden Vorboten der Müdigkeit, das Kälte¬
gefühl, Augenjucken und Gähnen sind hierher gehörige Aeusse-
rungen der Tätigkeit des vasomotorischen Zentrums, dem un¬
mittelbar vor und nach dem Schlaf grössere Arbeitsaufgaben
zufallen, u. zw. teils vorsorglich prophylaktischer Art, nach
den Gesetzen der Erfahrungs- und Gewohnheitsreize, teils
reflektorisch-curativer Art als Antwort auf die Bedürfnisreize
der Inanition resp. bevorstehender Ansprüche an die Leistungs¬
fähigkeit. Da es sich jedoch dabei um einen unw illkürlichen,
wenigstens von innen, reflektorisch eingeleiteten
Muskelinnervationsakt handelt, so habe ich ihn wegen der
vielseitig und vielfältig dabei in Frage kommenden Gesichts¬
punkte vorangestellt.
Die mechanische Reizwirkung der Muskelarbeit
auf die Gefässspannung ist hier, abgesehen von dem konkomi-
tierenden Gefässinnervationsimpuls, wie überall, bei jeder Inner¬
vation, erst eine sekundäre, die Begleiterscheinung jener
Antwort auf die BedürfnLsfrage der Gew’ebe, und sie erfolgt,
was eigentlich selbstverständhch ist, durch Abklemmung und
Rückstauung der venösen Abfuhr. Dem so enstandenen Blut¬
überdruck wirkt dann erst die arterielle Tonus-Spannung in
reflektorisch gesteigertem Maße entgegen, hemmt die Regur¬
gitation und führt so zur funktionellen Hyperaemie.
Die Tonusinnervation, sow^eit sie sich zu dem ununterbrochen
fortbestehenden Gefässspannungszustand der Norm addiert, ist
hier eine vorwiegend durch den Gefässwandüberdruck reflek¬
torisch wachgerufene, indirekte, wenngleich stets auch isochron
mit Jeder Muskelanspannung, z. B. des Biceps, je nach deren
GraoL reguliert eine direkte Tonuainnervation der die
betroffene Muskulatur versorgenden Gefässe angenommen
Weisen unter freiem Himmel vortragen, während er liegend
zuhört Meine objektiven ärztlichen Fragen passen wenig zu
der schwärmerischen Stimmung der Umgebung. Da ich den
Kranken wohl finde, so schlage ich bald den Heimweg ein.
Rasch umfangt mich wieder die tiefe Stille der Wüste.
Ich gehe langsam weiter. Kein Weg führt zu bestimmten
Zielen. Hier ist alles endlos weit, Himmel und Wüste! Die
Fussspur, kaum entstanden, verschwindet sofort im bodenlosen,
weichen Sand. Lautlos sind meine Tritte. Ein plötzliches
Verlangen fasst mich, zu rufen. Ich spreche einige leise Worte
vor mich hin. Die Töne verlieren sich rasch in der des Lärms
ungewohnten Luft, werden gierig von ihr aufgesogen, wie der
Sand — noch heiss von der Sonne, die am warmen Tag auf
ihm gelegen — gierig Regen und Tau verschlingen würde. —
Ein trockener, reiner Wind weht mir unaufhaltsam ins Gesicht.
Ich fühle ihn mehr, als ich ihn höre. Auch der Wind ist
schweigsam in der Wüste. Keine Blätter plaudern mit ihm ;
keine Felsen, keine Berge gebieten ihm Halt mit donnernder
Stimme. Hier thront aUein die Majestät des Schweigens 1 —
Eine Art Rausch der Einsamkeit überfällt mich, ein unwider¬
stehliches Verlangen, ein physischer Drang, mich jetzt für
immer in diese grosse Leere zu versenken, spurlos zu ver¬
schwinden in diesem endlosen, erhabenen Schweigen, dieser ge¬
heimnisvollen Unendlichkeit. Meine Gedanken erheben sich
über die Flachheit und ablenkende Aeusserlichkeit des AU-
taglebens. Im kleinlichen Daseinskampf kränkelt ^enes un¬
beeinflusstes Fühlen, freies unabhängiges Denken. Hier, in er¬
habener Einsamkeit, regt sich das Wahre, Schöne, Gute, das
werden kann, mit der sich allerdings sehr lebhafte, reflek¬
torisch meldende Reize summieren und interferieren, wie über¬
haupt das zentrifugal als Begleiterscheinung jedes Willensim¬
pulses ausgelöste und das durch periphere Reize zentripetal
angesprochene Tonuswechselspiel des vasomotorischen
Zentrums, in den Phasen seiner A&tion sowohl, als auch den
Nachschwiugungen mit zu den kompliziertesten und meist-
seitig in Anspruch genommenen Körperfunktionen gehört, so-
dass es oft kaum möglich erscheint, zu entscheiden, wo die
treibende Kraft der Aktion zu suchen ist, zentral oder peripher,
ob die prima causa der Tonusinnervation endogen und zentri¬
fugal erfolgt oder ektogen-reflektorisch. —Nur neben¬
her sei darauf hingewiesen, dass diese, unter normalen Ver¬
hältnissen völlig geregelt und geordnet ablaufenden Vorgänge
bei Betriebsstörungen irgend welcher Art zu den grössten
Konfusionen führen können. Das Ueberszielschiessen, die un¬
genügende resp.' überreizte Anspruchsfähigkeit, die Atonie,
Labilität und Hyperaesthesie des Gefässzentrums sind nament¬
lich in der Psy^atrie und 'Neurologie, bei manchen Haut¬
krankheiten und therapeutischen Hautreizen tägliche Erfah¬
rungen. Vasomotorische Neurosen heisst ihr Sammel¬
begriff. Die Frage, ob die funktionelle Hyperaemie eine aktive
oder passive ist, muss dahin beantwortet werden, dass es sich
während der Muskelspannung um passive Hyperaemie handelt,
unmittelbar darauf um aktive. Ein Typus künstlicher p^siver
Hyperaemie ist die Bier’sche Stauungstherapie, ein Beispiel
der aktiven die Hautröte nach Priessnitz-Heissluft- und Heiss-
wasserbehandluDg, resp. die Reaktion nach Kaltwasserbehand¬
lung. Auf die nebenher sich dabei abspielenden Druckeffekte
an den Blutzellen selbst wird weiter unten eingegangen werden.
Allmählich kehrt dann der Tonus wieder zur Norm zurück.
Die Verhältnisse finden ihr Analogon in der Pathologie bei
den Herzfehlern mit Kompensationsstörungen. Zur aktiven
Hyperaemie ist auch die „Schamröte“ und deren patho¬
logische Analoga bei vasomotorischen Neurosen zu rechnen.
(Fortsetzung folgt,)
Aus den Bädern und Kurorten.
X BHden b. Wien. Die Frequenz betrug im Jahre 1905
29349 Personen, um ungefähr 1306 mehr als in 1904 und die
Einnahmen aus der Kurtaxe sind um rund 7000 Kronen gegen
das Vorjahr gestiegen. Erwähnenswert ist, dass bei der Steigerung
der Frequenz die Frauen den Ausschlag gegeben haben. Tausend
in jedes Menschen Seele lebt Hier sollte die Philosophie ihre
Lehren schreiben, hier dürften der Gerechtigkeit die Augen
entbunden sein.
Träumend nähere ich mich Heluan. Bald grüssen mich
die ersten Häuser. Vom Turm der Moschee tönt hart und
streng der Gesang des muhamedanischen Gebetrufes „Allah
ist gross.“ — _
Kleine Mitteilungen.
MflSSaQO durch Blinde. Die bekannte Tatsache, dass bei
Blinden der Tastsinn am stärksten ausgebildet ist, hat seit langer
Zeit schon die Japaner veranlasst, Blinde als Masseure zu ver¬
wenden. Solche Leute sollen — bei richtiger Ausbildung — ganz
Vorzügliches leisten, weil ihr Griff viel zarter ist als der von
Personen mit gröberem Tastgefühl. Ausserdem ist diese Be¬
schäftigung, die ihnen naturgemäß Interesse an der sie um¬
gehenden Welt einflösst, in körperlicher und geistiger Hinsicht
sehr gesund für sie.
ln einigen Ländern des Kontinents hat man diesen japanischen
Brauch auch angenommen, so z. B. in St. Petersburg. Dort müssen
die Blinden, diesich zu Masseuren ausbilden wollen, einen zweijährigen
Kurs in Anatomie und Physiologie durchmachen. Es gibt dort
schon eine ganze Anzahl blinder Masseure. Weitere Schulen zur
Ausbildung von Blinden in der Massage sind in Brüssel, Leipzig
und Brünn. Amerika besitzt in Philadelphia eine Anstalt zu
gleichem Zwecke, die schon sehr hübsche Resultate aufzuweisen
hat. Nnr England hat in dieser Beziehung noch nichts imter-
nommen.
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32
BALNEOLOGISCHE CBNTRALZEITUNG
Nr. 8.
Fraoen haben in dieser Saison die Schwefelstadt mehr besueht
als ün vorigen Jahre.
Schwsrt&U. Die Erbauung eines Kurhauses für 300000 Mk.
wu^e beschlossen.
X TopiitZ-SchdnfiU. Da in letzter Zeit Differenzen aui-
getaucht sind bezüglich des gegenseitigen Wirkungskreises zwischen
der Kursektion und der städtischen Bäderkontroll-Kommission, be¬
schloss der Stadtrat die Auflösung der BäderkontroU-Kommission
und die Zuweisung ihrer Agenten an einen Unterausschuss der
Kursektion.
Aus dem Verbände deutscher Nordseebäder.
X WdStorland a. Sylt. Die Nordseebäder Westerland und
Wennigstedt auf Sylt haben in der letzten Saison abermals eine
wesentliche Frequenzsteigerung erzielt, und zwar einen Gesamt¬
besuch von 22152 Personen, gegen 18812 Personen im Vorjahre.
Die Zunahme beträgt demnach 3340 Personen. Westerland wurde
von 20 577, Wennigstedt von 1575 Personen besucht. Von den
Kurgästen stammten ihrer Nationalität nach aus: Deutschland
21044, Oesterreich-Ungarn 828, Russland 98, Grossbritannien 86,
Dänemark 26, Schweden und Norwegen 23. Schweiz 23, Nieder¬
landen 18, Türkei 8, Italien 6, Frankreich 3, Portugal 2, Spanien
und Rumänien je 1 Person; aus aussereuropäischen Ländern: Amerika
26, Asien 5, Afrika 4 Personen. Die höchste Zahl der an einem
Xage — 25. Juli — in Westerland anwesenden Kiirgäste betrug
6030 Personen. An Bädern wurden entnommen: Strandbäder
(Westerland) 1. im Familienbad 29,827, 2. im Herrenbad 38,822,
3. im Damenbad 21 284, zusammen 89 833; Strandbäder Wennig¬
stedt 8832, warme Seebäder 11 762, Luft- und Sonnenbäder 748.
Die höchste Zahl der an einem Tage genommenen Bäder betrug:
Strandbäder: 1. im Familienbad 808, 2. im Herrenbad 794, 3. im
Damenbad 577, im Warmbadehause 203, Luft- und Sonnenbäder
35.
Vermischtes.
— Das medicinische Studium in Japan. Einem kürzlich
erschienenen Bericht der Mediciniscben Schule des Tokioer Armen¬
spitals (Tokio Charity Hospital Medical school) entnehmen wir die
folgenden Notizen über die Ausbildung der japanischen Medicin-
stndierenden. Das Studium dauert vier Jahre. Der Lehrplan ist
recht vielseitig, von wichtigen Fächern fehlt nur Biologie. Um
in der Anstalt aufgenommen zu werden, muss der Schüler vor¬
weisen: das Abiturientenzeugnis einer Mittelschule, ein Zeugnis
Uber Charakter, Gesundheit und geistige Fähigkeiten und einen
selbstverfassten Lebenslauf. Auf den regelmäßigen Besuch der
Vorlesungen wird grosses Gewicht gelegt, denn kein Student, der
nicht mindestens zwei Drittel der Vorlesungen gehört hat, kann
zu der Prüfung zugelassen werden, die am Ende eines jeden
Studienjahres abgelegt werden muss. Erst, wenn man diese be¬
standen hat, kann man in den nächsthöheren Kurs aufrücken. Zu
diesen JahresprUfongen kommen noch zwei Examina, das erste am
Schluss des zweiten, das andere am Schluss des vierten Jahres.
Das erste entepricht dem englischen M. B.-Examen nebst Chemie
und Physik, das zweite umfasst Arzneikunde, Chirurgie, Ophthal¬
mologie, Gebortshülfe, Gynäkologie, Pathologie, praktische Patho¬
logie und Hygiene. Viel Wert wird auf praktisches Arbeiten
gelegt. Während des ganzen Studiums muss der Student Englisch
lernen. Dies geschieht wohl weniger um Englands, als um
Amerikas willen, weil Amerika die japanische Heilkunde sehr stark
beeinflusst.
— Lichtbehandlung für Herzleid ende. Die Oberleitung
des Finsen’schen Lichtheilinstitutes in Kopenhagen beabsichtigt
die Errichtung einer Lichtheilanstalt für Herz- und Nervenkrank¬
heiten. Zur Errichtung dieser Anstalt, die ebenso wie das Licht¬
heilinstitut für Lupuskrankheiten privaten Charakter haben soll,
wird um Staatsbeihilfe nachgesucht. Ausserdem wird das Komitee
für ein Finsen-Denkmal aufgefordert, eine grössere Summe von
den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für die neue Licht¬
heilanstalt aufzuwenden. Ueber die Versuche, die Dr. Hassel¬
bach im Finsen-Institut vorgenommen hat, wird berichtet, sie
hätten schon die im Jahre 1900 von Finsen ausgesprochene Ueber-
zeugung bekräftigt, dass durch Lichtbehandlung vielen Herz¬
leidenden, möglicherweise auch gewissen Nervenleidenden, geholfen
werden kann.
— Die Berliner Balneologische Gesellschaft wird
bekanntlich vom 2.-6. März d. Js in Gemeinschaft mit dem
Zentralverbande der Balneologen Oesterreichs in Dresden tagen.
Das Entgegenkommen der Behörden und der Aerzte Dresdens
verspricht eine besonders rege Teilnahme am Kongress. Vorträge
werden u. a. halten die Professoren Curschmann, Hoffmann,
Ad. Schmidt, Winternitz imd Kisch.
Meteorologische Statistik.
Veraastaitet von der Redaktion der Balneologlaehen Zentralzeitnng..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
miuimum
Mittleres
Temperatur¬
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand'
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage '
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
4./2.—10./2
2,9 C.
7,3 C.
952,6
—
3
4
3
—
Badenweiler.
—
—
—
—
—
—
—
—
Driburg.
n
1,9 C.
1 0,7 C.
—
—
2
3
3
—
2 Tage Schnee
Ems.
— 0,2 C.
2,6 C.
753,4
—
6
—
—
—
Giesshübl-Sauerbrunn . .
— 4 C.
— 0,6 C.
—
—
2
4
—
—
1 Tag Schnee
Franzeusbad.
—
—
—
—
—
—
—
—
Herrenalb.
- 2,5
0 c.
722
—
3
—
3 Tage Schnee
Kreuznach ......
—
—
—
—
—
—
—
Langenschwalbach . . .
—
—
—
_
—
—
—
—
Lippspringe.
1,6 C.
3,4 C.
752
_
1
2
i
—
4 Tage Schnee
Nauheim.. .
, —1,8 C.
2,1 C.
745,3
1
—
7
—
—
5 „
Nerfndorf.
: — 0 C.
-f 3 C.
753
7
—
—
3 n
Norderney.
—
—
—
—
—
—
—
Orb..
—
—
—
—
—
—
—
—
Reichenhall , . . . • .
—
—
—
—
—
—
—
—
Reinerz.
— 6 C.
— 1 C.
709
—
1
6
3
—
1 Tag Schnee
Hteben.
n
—. 6 C.
— 2 C.
698
—
4
3
j
4—5
—
2 Tage Schnee
VcTantwordicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von HeynenuLnn'tche Bachdruckerei. Gebr. Wolff. Halle a. S.
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VD. Jahrgang. Nr. 9. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.“:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Verlag; Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834
Redakteur:
Dr. P. Meissner. Berlin.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Dr. P. MeUsoer, Berlin W. 62, KurfUrstenstrasse 81.
Der Nachdrnek aas dieser Zeitschrift ist nar mit Qaellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Beeinflussung des QeAietonus und der Blutstromgeschwindigkeit durch | Ans den Bftderu nnd Knrorten.
thermische und mcchanisGhe Reize. Von Dr. von Niessen^Wiesbaden. | Vermischtes.
(Fortsetzung). Personalien.
Fenllleton: Der 34. Schlesische Bftdortag (1905). Von Dr. Siebelt'FIinsberg. j Meteorologische Statistik.
Beeinflussung des
Uefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von NiOSSen-Wiesbaden.
(Fortsetzung.)
Im allgemeinen ist das Primäre, der auslösende Heiz,
der Zellhunger oder der Betätigungstrieb, in letzter
Instanz also für endogene Tonustätigkeit stets der Inanitions-
z US tan d, der sich in den regulierenden Nervenzentren meldet.
Natürlich wird sich dieser Zellhunger, den die Tätigkeit
lies Tonuszentrums zwar eine Zeit lang spontan resp. mit Hilfe
äusserer Reize in Schach zu halten, ohne Nahrungszufuhr je¬
doch nicht dauernd zu befriedigen vermag, da jenes Zentrum
schliesslich selbst der Inanition verfällt und sich selbst zu er¬
nähren, ja wie anzunehmen ist, selbst in einem gewissen Tonus-
Zustand zu erhalten hat, am ehesten nach längerem Fasten,
also am Ende der Nachtruhe in erster Linie bemerkbar machen,
u. zw. bei der Zentrale, die für die Zufuhr neuen Brennmaterials
rechtzeitig zu sorgen hat, nachdem während der geringeren
Ansprüche der Nachtruhe mit dem vorhandenen Reservefond
ausgekommen wurde. Diese Zentrale ist wiederum das Gefä.ss-
zentrum und der Zellhu^er stellt so eine Art Tonusminus der
Zelle selbst resp. ihrer (jesaintheit dar. — Während die Ina¬
nition also das treibende Element ftir die Tonustätigkeit
bildet, entspricht der Turgor der gemästeten Zelle dem Gefühl
des Behagens, der Fülle, Ruhe, allerdings auch, wenn nicht
genügend vom Inanitionszustand unterbrochen, der Trägheit
und Untätigkeit und ist so imstande, zu krankhaften Anomaüeen
zu disponieren. Hieraus erhellt, dass man sowohl von einem
Tonus der Gefässe und ihres Zentrums, als auch von
einem Tonus der einzelnen Zelle selbst sprechen kann
und dass das Bedürfnisgefühl nicht ungestraft auf die Dauer
unterdrückt werden darf noch kann, denn im Wechsel von
Tätigkeit und Ruhe, Reiz und Antwort, Leere und Fülle, mit
einem Wort im Tonus-Wechsel für uns speziell liegt das
Lebensprinzip und der Schlüssel für die Gesundheit, die zweck¬
mäßig mit dem Pendelspiel der Zunge an der Wage ver¬
liehen worden ist. Dieses leitet zur Uiätetikherüber, doch
ann dieselbe hier nicht in das Bereich der näheren Betrach¬
tunggezogen werden. —Die Antwort auf die Inanitionsreize erfolgt
von den motorischen Zentren u. a. in'Fonn jener erwähnten Blut¬
drucksteigerung durch das Dehnen oder durch neue Nahrungsauf¬
nahme und -Zufuhr, wobei darüber nicht entschieden werden
soll, in welchem Abhängigkeitsverhältnis Hirnrinde, Gefäss-
zentrum und Muskulatur zu einander stehen. Um sich den
Hergang vorzustellen, kann man indess annehmen, dass die
Hirnrinde zuerst erwacht, die noch schlafende Muskulatur weckt
und dass diese, um bildlich zu sprechen, beim vasomotorischen
Zentrum um Brod bittet. Hiervon erstattet das Tonuszentrum
seinerseits bei der Hirnrinde Bericht, damit diese, die auch
ihre Ansprüche an das Versorgungsajnt des Gefasszentrums hat,
wenn dessen Vorrat erschöpft ist, ihrerseits weitere, nachdrück¬
lichere Vorkehrungen zur Ernährung ihrer Untergebenen treffen
Feuilleton.
Der 34. Schlesische Bädertag (1905).*)
Von Dr. Siebelt-Flinsberg.
Am 11. Dezember 1905 fand in Breslau unter dem alt¬
bewährten Vorsitz von Bürgermeister Dengler-Reinerz der
34. Schlesische Bädertag statt. An den Beratungen nahm auch
in dankeswerter Weise der Regierungs- und Medicinalrat Dr.
Telke aus Breslau teil. Die dem Verbände angehörigen Kur¬
orte waren vollzählig vertreten, neu aufgenommen wurde die
Stadt Ziegenhals, welche sich, wenn ihr auch natürliche Heil-
uellen fehlen, immer mehr zu einer Kurstadt herausbildet, da
ort die Anwendung des Wasserheilverfahrens in mehreren
Anstalten zu beachtenswerter Entwicklung gelangt ist In
seiner Begrüssungsansprache gab der Vorsitzende u. a. der
Trauer der Tagung über das Hinscheiden zweier verdienter
Mitarbeiter Ausdruck, der Herren Geheimer Regierungsrat
Dr. iur. Ritter zu Waldenburg und des Geheimen Sanitäts¬
rat Dr. S cholz zu Görlitz. Ersterer hat als Generalbevoll¬
mächtiger der Fürstlich Ploss’schen Verwaltung, zu welcher
auch das Bad Salzbrunn gehört, regen Anteil an der Entwick¬
lung der schlesischen Bäder genommen und mit seinem weit-
reitenden Einfluss und einem sicheren praktischen Blick diese
*) Bai. Zeitung, 20. Januar 1906.
f efördert. Scholz war ursprünglich in Altwasser, später in
^udowa tätig und wurde von den schlesischen Badeärzten als
liebenswürdiger Senior verehrt, bis das Alter ihn zwang, seine
Arbeit eiuzustellen. Mit zahlreichen wissenschaftlichen Ver¬
öffentlichungen bat er die allgemeine Balneologie bereichert,
ganz besonders aber seinem heimatlichen Kurort genützt. Das
Andenken beider Männer dürfte noch lange vorbildlich wirken.
Die Tagesordnung war wie gewöhnlich eine ausserordent¬
lich reiche. Die Reihe der Vorträge eröffnete Dr. Winckler-
Charlottenbrunn mit dem Thema: Die Tuberkulosefurcht.
Es handelt sich hierbei natürlich im wesentlichen um Lungen¬
tuberkulose. In sehr eingehenden Untersuchungen legt der
Verfasser dar, dass dieselbe stark übertrieben ist. Vor allem
müsste man doch annehmen, dass Aerzte und Personal der
Lungenheilansialten ganz besonders gefährdet seien. Das
ist, wie die bekannten Beobachtungen Bremer’s, Römp-
1er’s u. V. a. beweisen, nicht der Fall. Redner erörtert weiter
die Schutzmaßregeln gegen die Tuberkuloseinfektion und teilt
das Ergebnis einer Umfrage in den schlesischen Kurorten mit.
Aus derselben geht hervor, dass gerade in den dabei am
meisten in Betracht kommenden Orten mehr geschehen ist, als
notwendig wäre. Schliesslich wurden noch die neueren Unter¬
suchungen aus dem Reichsgesundheitsamt mitgeteilt, aus denen
man wichtige Winke erhält, wie man sich gegen Tuberkulose¬
infektion durch Fleischnahrung schützen kann. Eine an¬
schliessende, ziemlich umfangreiche Diskussion förderte in-
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84
BAIiNEOLOGISCHB CBNTRALZBITUNG
Nr. 9.
kann, die natürlich von neuem in Muskelarbeit. Blutzufuhr,
Ernährung bestehen.
Durch den Muskeldruck wird nun, so muss man sich
weiter vorstellen, ehe neue Nahningszufuhr von aussen erfolgt,
eine Unzahl von Blutkörperchen zerdrückt und mr
halböüssigei', freiwerdender Inhalt als Reseiwenährmaterial mit
dem über Nacht z. T. verbrauchten Serum in die Zellinter-
Btition gepresst, resp. den hungernden Zellen zugeführt und so
folgt dem Zelltonusminus ein ^lltonusplus neben den gleichen
Schwankungen des Gefässtonus, um im weiteren Wechselspiel
der fortwährend auch unter normalen Bedingungen schwanken¬
den Bilanz von Einnahmen und Ausgaben die treibende Kraft
für die Arbeit des Gesamtzellenkomplexes des Organismus und
seine Ernährung zu werden. — Wem die Anschauung vom
Hineinpressen nicht plausibel oder annehmbar erscheint, dem
bleibt es nicht benommen, die Aufnahme der ernährenden
Flüssigkeiten nur auf dem Wege der Quellung und Aspiration,
also aativ sich vorzustellen, wie sie ja als sicher anzunehmen
ist. Jedenfalls kommen sehr lebhafte und wechselnde Strö-
mungMUSgleiche zwischen Gapillar-Innerm und den Interstitieu
und Zellen der Umgebung zu stände, deren Richtung, Art und
Intensität vom jeweiligen Tonuszustand und Druckunterschied
abhängig sind. Quellungs- und Kontraktionsvermögen der
einzelnen Zellen resp. ihres Plasmas bilden hier gleich zahl¬
losen kleinen Pumpstationen eine der Haupttriebkräfte.
Nirgends ist der schroffe Wechsel in der Bilanz des Ge-
webstonus auffälliger, als in vielen Fällen von Syphilis, wo
mit der Farbe und dem Aussehen die Fülle, ich möchte sagen
das Gewebsvolumen, oft so beträchtlichen Schwankungen aus¬
gesetzt ist, dass solche Patienten manchmal von einem zum
anderen Tage völlig verändert erscheinen, vom Plus zum Minus
und umgekehrt Konsum und Ansatz und namentlich die
Tonusfunktion der organisch veränderten Gefasse gehen hier
eben unter den ungünstigen parasitäten Bedingungen vor sich,
die als solche wieder sehr erheblichen Schwankungen der
Evolution und Involution aasgesetzt sind, was zu den ent¬
sprechenden, oben erwähnten Folgezuständen des Turgors und
der Inanition im meist reciproken Verhältnis steht. Man muss
hierbei berücksichtigen, dass eine Unsumme mechimischer Keiz-
momente unablässig direkt auf die Gefässwandungen iu Gestüt
der in diesen lokalisierten Krankheitserreger wirkt, was natür¬
lich, abgesehen von den Einflüssen des Infektionschemismus
indirekt seinen Ausdruck in den Reflexen des Tonuszentrums
finden wird, die hier und da durch Unterbrechungen in der
normalen Gefässwandstruktur und damit durch mehr oder
weniger ausgebreitete Elastizitätsverluste Störungen im nor¬
dessen nichts wesentlich Neues zu Tage. Im Zusammenhänge
mit dieser Frage steht der folgende Vortrag: Wäschereini-
gnng bei ansteckenden Krankheiten von Dr. Klose-
Altbeide. Von dem Verfahren, infizierte Wäsche durch trockene
Hitze oder im Dampfsterilisationsapparate zu sterilisieren, musste
man bald abkommen, weil bei der mit Eiter, Schleim, Blut
und ähnlichem beschmutzten Wäsche untilgbare Flecken ein¬
gebrannt wurden. Das gleiche gilt vom Auskochen der Kranken¬
wäsche. Man hat deshalb in neuerer Zeit in den Grossbe¬
trieben besondere Apparate im Gebrauch, welche das Ein¬
brennen der Schmutzflecke vermeiden, trotzdem aber die Wäsche
reinigen und entgiften. Im allgemeinen aber empfiehlt es sich,
die Wäsche bei ansteckenden Krankheiten durch chemische
Mittel ungefährlich zu machen. Von letzteren genügt am besten
allen Anforderungen die zehnprozentige Kroosolseifenlösung.
(Fortsetzung folgt.)
Kleine IVlitteilungen.
Bergfteigekuren für Nervenkranke. Immer mehr bricht
sich der Gedanke Bahn, dass für Nervenkranke der Aufenthalt im
Gebirge ausnerordentUch heilkräftig und wirksam ist. Bis jetzt
hat man immer die VorzUge betont, welche das Hochgebirgsklima
seihst in sich birgt. Die Stärkung und Kräftigung der Nerven
ist eine ausserordentlich grosse, die nervösen Nervenverstimmnngen
verschwlndeD sehr schnell, vorausgesetzt natürlich, dass die Küche
eine gute ist. Dr. Keller macht darauf auffnerksam, dass das
malen Betriebe und Verbiauch dos Gefäs.smuskoltonns finden
müssen. Auch die eigentümlichen, urticariaartigen Turges-
cenzen der Haut mancher Syphilitiker, auf geringfügige Rei-
buugsreize bin erscheinend, wie auch das häufig blühende Aus¬
sehen jener Kranken im Anfangsstadium dieser Gefasserregungen
gehört in dieses Kapitel mechanisch bedingter Gefäss-
tonusanomalieen. Auf die so interessanten Zelltonusano¬
malien bei infektiösen Diathesen kann hier nicht näher ein-
gegangen werden. — (Fortaetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
X Brunnon. Der Bau eines Kursaales ist in Aussicht ge¬
nommen. Er .soll in der Nähe des Waldstatterhofs zu stehen
kommen.
X Blrslgtal. Im Verkehrsverein des Birsigtals wurde die
Gründung einer Gesellschaft zur Erstehang von Höheiigasthöfen
angeregt, da es an solchen im Tale noch fehle. Dieselben wären
auch für den Winterbetrieb und zui' Beherbergung von Kur¬
gästen einzuriohten.
A. Bozon. Die Bozener Fremdenstatistik für den Monat
Dezember 1905 verzeichnet als Gesamtsumme 1859 Personen.
Hiervon aus Deutschland 730, Oesterreich-Ungarn 894, aus anderen
Ländern 235 Personen. Im Dezember 1904 wurden 2146 Per¬
sonen verzeichnet, somit jetzt um 287 weniger.
X Dirsdorf. Das durch seine Schwefelquellen bekannte
Bad Dirsdorf in Schlesien ist plötzlich herrenlos geworden, nach¬
dem seine bisherige Besitzerin mit ihrer Familie unter Mitnahme
des beweglichen Inventars vor einigen Tagen von dort abgereist
ist. Das Bad wird voraussichtlich schon in nächster Zeit unter
den Hammer kommen.
X Langonschwatbach. Der diesjährige Kuretat, welcher
in Einnahme und Ausgabe auf 64065 M. festgesetzt ist, wurde
in der StadtverorJneten-Versammlnng genehmigt.
# Lank. Auf Veranlassung des Badbesitzers Herrn P. Ver-
mier hin wird die Korrektion des grossen Qnellgebietes hinter
dem Dorfe am Fass der Wehfluh geplant. Die AusführuDg dieses
Werkes würde für die Talschaft einen grossen Fortschritt be¬
deuten und jedenfalls auch dem Fremdenverkehr zu gute kommen.
X Settera-Haaaan. in der in Giessen abgehaltenen Ge¬
werkenversammlung der Gewerkschaft Selters-Hossen wurde be¬
richtet, dass die Quellenfassungs- uud Fülleinrichtungen am Bene-
dictus-Sprudel, der vorzugsweise ein medicinisches Heilwasser
Bergsteigen ebenfalls beim Aufenthalt in den Bergen einen nicht
zu unterschätzenden Heilfaktor darstellt. Der Wert der Arbeit
für den Nervenkranken wird von allen Seiten anerkannt. Durch
dieselbe werden nicht nur die Muskeln, sondern audi das Gehirn
in genügender Weise beschäftigt, die Kranken haben keine Ge¬
legenheit, hypochondrische und selbstquälerische Gedanken in sich
aufkommen zu lassen. Es ist aber sehr schwierig, eine Arbeit zn
finden, welche dem Kranken Interesse einflösst. Dagegen ent¬
spricht gerade die Arbeit, welche mau beim Bergsteigen leistet,
all diesen Anforderungen. Wer viel im Gebirge gewandert ist,
wird an sich selbst die Erfahrung gemacht haben, dass beim
Steigen jedes Gespräch verstummt, alle Gedanken konzentrieren
sich aut die Schwierigkeiten, welche zu überwinden sind, die
Muskelarbeit seilest lässt das Denken nicht zn, und die Sorgen,
das aufregende Moment, welches uns nervös gemacht hat, ver¬
schwindet selbst auf Stunden, und später, wenn das Gehirn sich
von seiner früheren wertlosen Gedankenarbeit immer mehr erholt
und beruhigt hat, versinken die uns quälenden Gedanken voUr
kommen. Noch ein anderes Moment wirkt dabei mit, die Ner¬
vosität des Kranken zu beheben. Bei einer richtig geleiteten
ßergsteigekur, bei dem Training, welches auch jeder Bergsteiger
im Anfang seiner Reise durchzumacben hat, wird mit kleinen
Leistungen begonnen, um immer Grösseres zu bewältigen. Sieht
nun der Nervöse, wie er immer mehr zu leisten vermag, nachdem
er schon an seinem Können verzweifelt war, so hebt sich sein
Lebensmut wieder und damit auch seine Arbeitskraft.
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190C.
BALNKOLOGISCHE CENTRALZEITDNG
35
liafert, im woientUchen beendet aisd, die Fasaung imd Verrohnuig
des Elosterbrunnens mit seiner stärkeren kohlensänrehaltigen Sole
gegenwärtig in Arbeit ist und die Fertigstellung beider Quellen
im Frühjahr su erwarten steht, Ueber die geplante Anlage einer
Badeanstalt und die von der Geschäftsleitung projektierte Anlage
einer Tafelwasser-Gewinnung soll die demnäcbstige Gewerkenver¬
sammlung beschliessen.
X Soodün a. Werra. Ein weit über Hessens Grenzen hinaus
woklbekanntes Werk, die Saline des Solbades Sooden a. Werra
wird aufhören zu bestehen. Durch die Abfindung der Eigen¬
tümer der Salzquellen, der uralten Pfännerschaft, hat auch die
unter Landgraf Philipp dem Grossmütigen geschlossene sogenannte
„ewige Lokation“ ihr Ende gefunden. Am 2. Januar wurde die
vom prensaisohen Staate bewilligte Abfindungssumme im Betrage
von 1037 563 M. an die Pfännerschaft ausgezahlt. Dieser Tage
wurde nun den hiesigen königl. Salinenbeamten und Arbeitern
mitgeteilt, dass der Salinenbetrieb eingestellt sei und sie zu
anderen staatlichen Werken versetzt würden. Die Saline war
mit dem Badeorte Sooden jahrhundertelang eng verbunden und
alle Lebens- und Erwerbsverhältnisse hingen ab von dem Blühen
and Gedeihen des Werkes. Im Interesse des Bades wurde das
Gradierwerk mit der vom Soolgraben gespeisten Wasserkraft von
der Gemeinde- und Badeverwaltung erworben.
A. Tepiitz. Laut Kurliste bis 31. Dezember 1906 waren
angemeldet 3600 Parteien mit 4621 Personen. Hierzu kommen
noch die in den Militärbadehäusem untergebrschten 1036 Fremden,
80 dass die Gesamtzahl der Kurgäste 6667 beträgt gegen 6639
im Jahre 1904. Die Zahl der Touristen imd Passanten bis Ende
1904 mit 28, 266 (gegen 28, 872 im Vorjahre) hinzugerechnet,
beziffert sich die Gesamtfrequenz in Teplitz-Schönau im abgelaufenen
Jahre auf 33923 Fremde.
X Thale a. H. Gegen den anfänglich geplanten Bau^des
neuen Kurhauses auf dem Lindenberge ist von dem Kammerherm
von dem Busche-Streithorst hier, dem Besitzer des angrenzenden
Waldes, Einspruch erhoben worden, der als berechtigt erkannt
wurde. Das Gebäude wird nunmehr am Fusse des Lindenberges,
gegenüber der Försterei, errichtet werden.
O Schlftnyftnbftd. Heute wurde hier der Geh. Sanitätsrat
Dr. Banmann unter reger Beteiligung einheimischer und aus¬
wärtiger Kreise zur letzten Ruhestätte gebracht. Es waren ver¬
treten der Herr Landrat von Schwalbach, die Schlangenbader und
Eltviller Aerzte, der Kriegerverein und Gemeindevertreter. Ge-
heimrat Dr, Baumann war 46 Jahre in Schlangenbad äiztlich
tätig, fast ein halbes Jahrhundert. Was das bedeutet, vermag
nur ein Arzt gebührend zu würdigen, kfit dem Verstorbenen ist
ein Stück Schlangenbader Geschichte hingegangen und manches
gekrönte Haupt ist während des Kuraufenthalt^ von ihm ärzt¬
lich beraten worden. So mancher treuer Kurgast Schlangenbads
wird den Verlust lebhaft empfinden und bei allen Klienten und
Kollegen wird dem allgemein geschätzten Arzt ein bleibendes und
ehrenvolles Andenken gesichert sein. — Wie wir hören, werden
sich in Zukunft in die Funktionen der Badeärzte die Herren Dr.
Hannappel, Dr. Müller de laFuente und Dr. von Niessen
teilen, welch letzterer, seit 1892 bereits während der Sommer¬
monate dort tätig, seinen Wohnsitz mit der Saison nach Schlangen¬
bad verlegt.
Vermischtes.
— Programm der 27. öffentlichen Versammlung der
Balneologischen Gesellschaft in Gemeinschaft mit dem
Zentralverbande der Balneologen Oesterreichs in Dresden vom 2.
bis 6. März 1906.
Tagesordnung. Freitag, den 2. März, vormittags 10 Uhr:
Besichtigung des netien städtischen Güntz - Bades unter Führung
des Herrn Stadtrat Dr. May, — Um 11 Uhr Besichtigung der
Königlichen Frauenklinik unter Führung des Herrn Geh. Rat Prof.
Dr. Leopold. Gesellige Vereinigung von abends 8 Uhr an im
Hotel Bristol am Bismarckplatz, mit Damen. Sonnabend, den
3. März, vormittags 9^/| Uhr: Eröffnung des Kongresses."')
Ansprachen. Nachher: Sitzung. Vorträge.**) Nachmittags 3 Uhr:
Sitzung. Vorträge. Abends: Ev«atuell Oper im Hoftheater.
Sonntag, den 4. März, vormittags 10 Uhr: Sitztmg. Vorträge.
Nachmittags: Besichtigung des König-Friedrich-August-
Bades in Klotzsche. Ab&hrt Dresden (Hauptbaknhof), 2^ Uhr:
Klotzsche an: 3,'* Uhr. Rückfahrt: ab Klotzsche 4,^^ Uhr. —
An: Dresden 4,^^ Uhr. Abends 7 Uhr: Diner mit Damen im
Königlichen Belvedere, das Kuvert zu 6 Maik;. Montag, den
6. März, vormittags 9 Uhr und nachmittags 3 Uhr: Sitzungen.
Vorträge. Dienstag, den 6. März, vormittags 9 Uhr und nach¬
mittags 3 Uhr: Sitzungen. Vorträge. Nachmittags: Ausflug nac^
dem Luftkurort Neuschandau. E^ladung durch den Gründer
der Villez^olonie und des Sanatoriums, Herrn Sendig. Abfahrt
von Dresden [Hauptbahnhof) nat^ Schandau 2,'^ Uhr nachmittags.
Ankunft in Schandau 3,^^ Uhr. Abfahrt von Schandau 5,^’’ Uhr,
Ankunft in Dresden 6,^* Uhr (oder 6,‘* — 6,®*).
Das Fest-Komitee.
1. Herr Professor Dr. Adolf Schmidt, Oberarzt am Stadtkranken-
banse in Dresden. 2. Stadtrat Dr. May. 3. Hoftat Dr. Fr.
Hänel, Vorsitzender der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.
4. Dr. 0. Kretzschmar, Vorsitzender des ärztlichen Bezirksvereins
Dresdeu-Stadt. 5. Dr. H. Meyer.
Das Damen-Komitee.
1. Frau Oberbürgermeister Beutler, Reichenbachstrasse 77.
2. Frau Professor Schmidt, Sidonienstr. 22. 3. Frau Dr. Bally,
Sidonienstr. 20. 4. Frau Hofrat Dr. Ganser, Lüttichaustrasse 26.
5. Frau Professor Dr. Pässler, Sidonienstr. 27. 6, Frau Professor
Dr. Schlossmann, Franklinstr. 11.
Vorträge:***) 1. Herr Liebreich (Berlin): Eröffiaungsrede.
2. Ansprachen. 3. Herr Brock (Berlin;: Bericht über das ver¬
flossene Vereinsjahr. 4. Wahl des Vorstandes. 5. Herr Cursch-
mann (Ijeipzig): Der heutige Stand der Diagnostik der Aorten¬
sklerose. 6. Herr F. A. Hoffmann (Leipzig): Ueber die moderne
Therapie der Herzkrankheiten. 7. Herr Ad. Schmidt (Dresden):
Die Wechselbeziehungen zwischen Störungen der Herztätigkeit und
der Verdauungsorgane. 8. Herr Burwinkel (Nauheim): Ueber
Angina pectoris. 9. Herr Jacob (Kudowa': Pathologie und Therapie
des Morbus Basedowii. 10. Herr Siegfried (Nauheim): Die Ver¬
änderung des physiologischen Verhältnisses zwischen Puls- und
Atmungsfrequenz bei Herzkrankheiten. 11. Herr Achert (Nau¬
heim): Ueber die Prognose der Herzleiden. 12. Herr Bach
(Elster): Beiträge zur Chlorose und ihrer Behandlung. 13. Herr
Galewsky (Dresden): Das Säuglingseczem und seine Behandlung
(mit Demonstrationen). 14, Herr Ullmann (Wien): Elrfahrungen
über StauuQgs- und Saugtherapie bei einigen Haut- und Geschlechts¬
krankheiten. 16. Herr Weiß (Pöstyen): Beitrag zur Messung der
Hauttemperatur. 16. Herr Guhr (Tatra Szeplak): Heliotherapie
der Psoriasis vulgaris. 17. Herr ^ein (Baden bei Wien): Ueber
das lokale Finwirken der Sdiwefelthermen auf das Auge. 18. Herr
Kolisch (Karlsbad): Ueber Diabetes-Behandlung. 19. Herr Lenne
(Neuenahr): Zur Behandlung des Diabetes mellitus. 20. Herr
Grimm (Sauerbmun b. Neustadt): Therapie der hamsauren Dia-
these, 21. Herr Bum (Wien): Die passive Hyperämie in der
Therapie der Bewegungsstörungen. 22. Herr Sieveking (Karls¬
ruhe) : Die Radioaktivität der Mineralquellen (mit Demonstrationen).
23. Herr Wiek (Gastein): Die Beziehungen der Radioaktivität zur
Heilwirkung der Gasteiner Therme. 24. Herr Wintemitz (Wien):
*) Die Sitzungen finden statt in der Auls der technischen Hoch¬
schule am Bismarckplatz. Daselbet befindet sich anch das Bnrean der
Balneolo^chen Gesellschaft.
**) Die Herren Vortragenden, welche zn ihrem Vortrage einen Pro¬
jektionsapparat oder andere Demonstrationsmittel branchen, werden gebeten,
dies baldigst nnserem Mitgliede, Herrn Dr. Josionek, Arzt in Idildenan-
Wiesenbad, Kgr. Sachsen (vom 1 März ab: Dresden, Hotel „Kaiser Wilhelm“
am Wiener Hatz), mitznteilen. Auf jedem Manuskript muss die genaue
Adresse des Vortragenden und die Anzahl der gewünschten Separate ange-
eben sein. Auskunft wegen Wohnnngen ert^lt bereitwilligst Herr Dr.
osionek. Er bittet, ihm den ungefähren Preis pro Tag, Bcttenzahl, Tag
der Ankunft nnd Aufenthaltsdauer bis zum 20. Februar mitzuteilen. Der
Besitzer dee Augnstabades, Herr Wischko, Prager Strasse 46, ladet die
Kongressteilnehmer zur Besichtigung dieses Bades ein, täglich l'/*—4 Uhr.
*♦*) Die Ordnung der Vorträge wird durch eine Tagesordnung bestimmt.
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36
BALNBOLOGISCHE CENTRALZETTÜNG
Nr. 9.
Altes und Neues über hydriatiscbe Technik. 25. Herr Kisch
(Marienbad): Ueber rhythmisch auftretende pathologische Symp¬
tome im Geschlechtsleben des Weibes und deren Balneotherapie.
26. Herr Strasser (Kaltenleutgeben): Ueber Therapie bei Nephritis.
27. Herr Brodzki (Kudowa): Experimentelle Untersuchungen über
den Einfluss der Nahrung auf den Blutdruck bei Nephritis. 28. Herr
Heinsheimer (Baden-Baden): Experimentelle Untersuchungen über
den Einfluss von künstlichen und natürlichen Salzlösungen auf die
Magensaft-Sekretion. 29. Herr Pariser (Homburg): Ein Beitrag
zur Frage kurgemäßer Diät in Badeorten. — Referat erstattet
im Aufträge der Homburger medicinischen Gesellschaft. 30. Herr
FoUatschek (Karlsbad): a) Ueber Bleibeklystiere, b) Zur Palpation
des Abdomens. 31. Herr Tausz (Lipik): Können wir den Einfluss
der Mineralwässer auf die Magenfunktion auf Grund physikalischer
Gesetze erklären? 32. Herr von Pöhl (St. Petersburg): Die
Kombination der Balneotherapie mit der Organotherapie in ihrer
Bedeutung zur Beeinflussung von Stoffwechselanomalien. 33. Herr
Kugler (Marienbad): Balneologiscber Bericht aus Marienbad.
34. Anträge aus der Versammlung. 35. Herr Stemmler (Ems):
Ueber den Wert der Inhalation frei zerstäubter Flüssigkeit bei
der Behandlung des chronischen Bronchialkatarrhs. 36. Herr
Münz (Kissingen): Das Kinderheilstättenwesen in Deutschland.
37. Herr Fischl (Prag): Höhenklima und Seeluft als Heilpotenzen
bei fLinderkrankheiten. 38. Herr Epstein (Wien): Die Höhen¬
stationen der deutschen Alpen Oesterreichs. 39. Herr Fr. Kisch
(Marienbad): Wie reagiert der normale Zirkulationsapparat auf
natürliche Kohlensäure-Bäder? 40. Herr Hirsch (Kudowa): Die
Einwirkung des Vierzellenbades auf den Blutdruck. 41. Herr
Löbel (Dorna): Trink- und Badekuren bei Erkrankungen des Wurm¬
fortsatzes. 42. Herr Klimek (Wien): Skropbulose und deren Be¬
handlung in Jodbädem. 43. Herr Marcuse (Ebenbausen): Die
diätetische und therapeutische Bedeutung der Luft- und Sonnen¬
bäder. 44. Herr von Szaboky (Gleichenberg): a) Ueber den Ein¬
fluss verschiedener Mineralwässer auf die Viskosität des Blutes,
b) Ueber Konzentrationsveränderungen des Harns und des Blutes
bei Darreichung verschiedener Mineralwässer. 45. H6rr Siebelt
(Flinsburg): Aufgaben der Baupolizei in Kurorten. 46. Herr
Schüi-mayer (Berlin): Die Bedeutung der physikalischen Therapie
nach operativen Eingriffen bei Cbolelithiasis. 47. Herr Reinboldt
(Kissingen) : Zur bakteriziden Wirkung der Mineralquellen. 48. Herr
Steinsberg (Franzenabad): Thema Vorbehalten. 49. Herr Nena-
dovicz (Franzensbad): Gynäkologische Fragen aus der kurärztlicben
Praxis. 50. Herr Köhler (Elster): Demonstration von Apparaten
für Teilmoorbäder. 51. Herr Ullmann: Bericht über das Jahr 1905
im Zentralverbande. — Ueber Wünsche des Präsidiums. 52. Herr
Tuczkei: StoffWechseluntersuchungen im Moorbade (Tierexperiment).
Im Februar 1906.
Der Vorstand
der Deutschen Balneologischen
Gesellschaft.
Liebreich.
Wintemitz. Schliep. Thilenins.
Brock, Rüge,
General-Se^etär. Sekretär.
Der Vorstand des Zentral-
Verbandes der Balneologen
Oesterreichs.
Wintemitz.
Klein. Kisch.
Ullmann, General-Sekretär.
Hatschek und Podzabradsky,
Sekretäre.
— Im Juni findet in Mailand ein internationaler Kon
gress für Gewerbekrankheiten statt.
— Der III. internationale Kongress für Elektro¬
biologie und medicinische Radiologie, welcher infolge be¬
sonderer Umstände im Jahre 1905 nicht abgehalten werden konnte,
wird vom 5. bis 9. September d. J. in Mailand stattfinden.
Personalien.
— Sanitätsrat Dr. Vossen-Aachen ist gestorben.
— Mehrere Mitglieder des Vorstandes der deutschen Heil¬
stätte in Davos wurden durch den Deutschen ELaiser ausgezeichnet.
Es erhielten: Geh. Reg.-Rat Dr. jur. Hempel den Roten Adler¬
orden III. Kl., San.-Rat Dr. Oswald Peters denselben Orden
IV. Kl., Konsul Hermann Burchhard und Hofrat Heinrich
Mühlhäuser den Kronenorden III. Kl.
Berichtigung.
In Nr. 7 ist in Zeile 4 von unten zu lesen „Animosität**
statt „Universität.“
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneologieehen Zentralzeltang..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
minimnm
Mittleres
Temperatur¬
maximum
i
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazi a.
11./2.-17./2
3,3 C.
8,6 C.
754,8
2
2
2
--
Badenweiler.
_
_
_
-
-
_
Driburg.
- 2,5 C.
3,2 1
0 .
—
2
4
1
1
—
Ems .
— 0,1 c.
+ 5 0.
748,5
1
4
_
_
_
Giesshübl-Sauerbrunn . ,
— 7 C.
1,3 er
_
— -
3
2
3
2 Tage Schnee
Franzenabad.
—
—
_
_
_
Herrenalb.
- 3V, C.
+ 2
c.
777
l®/i
2—3
—
2 Tage Schnee
Kreuznach.
_
_
-
Langenschwalbach . . .
—
—
_
_
_
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Lippspringe.
— 1 c.
5
c.
747,5
1
2
4
3
_
Nauheim .
— 1,8 C.
3,6 C.
744,4
3
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7
1—4
Nenndorf .
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Norderney .
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Reichenhali . . . . • .
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Reinerz .
— 4 C.
— 3
c.
i 709
1
6
5
Stehen.
t1
— 3,5 C.
— 0,7
c.
704
—
7
1
3—4
—
Verantwortlicher Redakteur: Dr. H. Meissner, Beilin — Verl»* von C«tI Marhold, Halle a. S,
Druck von nejrnenano'ache Uuchdruokeiei. Gi-br. WollT, Halle j ■'
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Vn. Jahin^ang. Nr. 10. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bdderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.':
Verlag: Carl Markold in Halle a. S., Ublandstrasse
Tel.-Adr.: MarhokI Vertag Hallesaale. Fernsprecfaer 2834.
Redakteur:
Dr. Siebclt, Ftinsberg i. Schl.
Alle ZutcliriiteD aa die Redaktion erbitten wir an Herrn
Dr. Stebr, Godesberg.
Dr. Stehr, Godesberg.
Der Nackdmck aut dieser Zeitsehrift ist nar^nit Qoellenanfabe and aaek Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Beeinflassane des Geftsstonus und der Blut8tron)g:e8cbwiDdtgkeit durch
tbennische und mechanisebe Reize. Vuo Dr. von Niessen*Wiesbaden.
(Fortsetzung).
FeaUletoa: Der 34. Scbiesisobe Bädertag (1905). Von Dr. SiebeIt>Flinsberg.
Xns den Bftderu and Kurorten.
Literntnr.
Meteorologlgche Statistik.
Beeinflussung des
Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von Niesssn-Wiesbaden.
(Fortsotznng.)
Es sei mir gestattet, hier, wo es sich um den ganzen
Kernpunkt der Dinge bandelt, denen Tonus und Blutzufnhr
zu dienen haben, n&nlich um Ernährung nnd Stoffwechsel,
eine eigene Beobachtung einzuschalten, welcke gewiss geeignet
ist, die komplizierten Verhältnisse dem Verst^dnis näher zn
bringen. Der Tonus-Wechsel, die Ebbe und Flnt, ist die
Grundbedingung der Blutdruckschwanktingen und damit der
Ernährung nicht nur, sondern überhaupt von Leben und Ge¬
sundheit, sowohl für die vita propria der einzelnen Zelle,
der ernährenden, wie der zu ernährenden, als auch für ihre
Gesamtheit — Die Vita propria der Einzelzelle ist zur
Genüge dadurch bewiesen, dass Leucocyten extravasal Nahrang
aufnehmen und dass Erythrocyten wochenlang im hohlen
Objektträger, in Gelatine und Bouillon nicht nur fortleben,
sondern in ihren plasmatischen Komponenten sich fortpflanzen,
um erst sebr allmählich der Involution und dem molekularen
Zerfall zu verfallen. Nicht nur einzelne Zellen eines Orga¬
nismus, sondern selbst eiozeloe Zellteile sind imstande,
selbständig fortzuleben und sich zu reorganisieren, wie zahl¬
reiche Beispiele im Tier- und Pflanzenreich lehren. — Das mobile
Emährungskapital der Blutkörper ist nun bekanntlich einem
ewigen Werden und Vergehen unterworfen, andererseits muss
die Nahrung für die fixen Zellen, um resorptionsläbig zu sein,
verflüssigt werden. Von der auch für die fixen Zellen bis
zu einem gewissen Grade anzunehmenden Phagozytose soll
hier abgesehen werden. Wie wird das nun vom Organismus
bewerkstelligt?. Das geschieht, wie ich in einem Aufsatz in
Virchow’s Archiv, Bd. Ul (1896), ausgeführt habe, folgender¬
maßen. Die Erythrocyten sind sehr leicht durch thennisclie
und mechanische Reize zu zerdrücken und danut ist ihr Inhalt
zum Conflux zu bringen, zu verflüssigen. Man kann das sehr
leicht einmal im hohlen Objektträger auf geheiztem Objekt-
tisch, den man schroffen Temperaturschwankungen innerhalb
physiologische r Grenzen aussetzt, andererseits durch Schütteln
und Pressen von frischem Blut und Zahlungen resp. Färbungen
vor und nack dieser Prozedur nach weisen. Unter dem Mikro¬
skop sieht man bisweilen direkt die roten Blutkörper bersten und
mit dem Serum confluieren resp. sich mit diesem vermengen.
Dieses gleichsam verflüssigte Zellmaterial besitzt nun die merk¬
würdige Fähigkeit, in Ruhe gelassen, sich wieder conglobu-
lativ zu regenerieren und zellig sichtbar zu rekonstruieren,
was ich als „regenerative Vermehrung‘‘ bezeichnet habe.
Auch hier vollzieht sich also ein beständiges Werden und
Vergehen unter den Milliarden der Blutzellen.
Im Gesichtswinkel unseres! Themas gewinnt die mitgeteilte
Beobachtung nun folgende praktische Bedeutung:
Feuilleton.
Der 34. Schlesische Bädertag (1905).
Von Dr. Siebelt-Flinsberg.
(Fortsetzung.)
„Ueber die Entwicklungsfähigkeit der schlesischen
Kurorte“ sprach Geheimrat Dr. Jacob-Kudowa. Er geht
davon aus, dass die Ergebnisse der Untersuchungen über die
Wirkungsweise der Mineralquellen durchaus nicht eindeutig
sind, dass vielmehr hier und da recht erhebliche Beweislücken
klaffen. Demgegenüber zeigt er, dass der Kunst der an den
fraglichen Orten tätigen Aerzte, dem grossen Komfort, der
Ausgestaltung der hygienischen Einrichtungen, der Sorge für
Unterhaltung ein guter Teil der gelegentlich erreichten, in
hoher Frequenz sich erweisenden Ertolge gebührt. So kommt
Redner dazu darzulegen, inwiefern die Heilanzeigen der schle¬
sischen Kurorte noch nicht erschöpft sind und in welcher Weise
sie der Vervollkommnung ihres Heilapparates nachzuhelfen
haben. In derselben Richtung bewegte sich Dr. Witte-
Kudowä mit seinen Ausführungen, indem er die wissenschaft¬
lichen und praktischen Maßnahmen erörterte, welche die Indi¬
kationen der schlesischen Bäder erweitern und verbessern
können. Es müssen die baineotechnischen und hygienischen
Einrichtungen immer mehr ausgebildet werden. Guten Ver¬
kehrsverhältnissen ist Rechnung zu tragen, auch das Eisen¬
bahnwesen muss uns das bieten, was wir zu verlangen be¬
rechtigt sind. Der Berichterstatter schlägt schliesshch die
Bildung eines verwaltungstechnischen und emes ärztlichen Aus¬
schusses vor, welche sich eingehend mit den fraglichen Ange¬
legenheiten zu beschäftigen hätten. Beide Vorträge führten
zu eingehendem Meinungsaustausch, dessen Ergebnis war,
manche Forderungen der Redner als zu weitgehend und ein¬
zelne Anschauungen als unübertragbar in die Praxis anzuseben
seien. Letzteres galt besonders von der These Witte’s, die
Spezialisierung der Indikationen müsse soweit reichen, dass
der eine Kurort nur Herzkranke oder Lungenkranke, der andere
nur Kinder aufnehmen solle usw. „Die Bedeutung des
Höhenklimas für dieBehandlungNervöser“ erörterte
Dr. Stern-Reinerz und betont, dass auch im schlesischen
Mittelgebirge die Bedingungen erfüllt sind, welche eine gün¬
stige Wirkung des Klimas bei diesen Kranken verbürgen.
Derselbe Redner kam auch auf die Winterkuren zurück,
und beschäftigte sich mit den Bedingungen, unter welchen
dieselben möglich sind. Dass dieselben sich durchführen lassen,
beweisen die im Winter geöffneten Heilstätten. Für die be¬
züglichen Einrichtungen könne man viel von den Schweizer
Kurorten lernen. Die Diskussion erkannte an, dass eine Aus¬
dehnung des Verkehrs auf die Wintermonate recht wünschens¬
wert sei, die Schwierigkeiten, die einer Verwirklichung dieses
Gedankens entgegenstehen, sind aber unverkennbar sehr gross,
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38
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 10.
Unter dem Einfluss thermischer Reize, Hitze oder Kälte,
analog dem Versuch auf dem heizbaren Objekttisch, ist der
gesteigerte Blutdruck beim Tonusplus der Vasokonstriktion und '
der eigenen Zellkontraktion, zumal nach Nahrungsaufnahme zur
Zeit des Blutzellturgors und ebenso bei angestre^ter Muskel¬
tätigkeit, wiederum besonders beim Zusammentreffen mit jenen
Umständen in hohem Grade geeignet: Erstens grosse
Mengen von Blutkörperchen zur Ruptur und ihren
Inhalt zum Conflux zu bringen, zu verflüssigen
und der Resorption zugänglicher zu machen, zwei-,
tens durch Erhöhung desReibungscoeffizienten resp.
durch Verminderung desselben eine wesentliche
Vorrichtung zur Regulieruüg der Wärmeökonomie
zu bilden. Welcher Wert diesen Faktoren der Ernährung
und des Stoffwechsels, des Ansatzes und der Verbrennung im
Körperhaushalt physiologisch und pathologisch zukommt, das
braucht hier nicht weiter expliziert zu werden. Das Rechen¬
exempel mit den eingang^s auf^ezählten, gegebenen Grössen,
muss in jedem einzelnen Fall stimmen, wenn nicht Störungen
eintreten sollen, wobei dann gesteigerte Arbeitsleistungen er¬
forderlich werden.
Um‘2 Beispiele zu wählen, so würde der grösste Ver- I
brauch an Blutzellen etwa dann stattflnden, wenn jemand I
nach einer reichlichen Mahlzeit im Winter, dürftig bekleidet einen
Berg hinaneilt, die lebhafteste Regeneration dagegen, wenn
jemand nach bescheidener Nährungszufuhr im Höhenklima
zur Sommerszeit warm zugedeckt, auf einem Lager eine kurze
Rast halten würde. — Hier handelt es sich nicht um einfache
Verschiebungen des Verhältnisses der Blutkörperzahlen der
Körperperipherie zum Intestinum, sondern um absolute Unter¬
schiede der Gesamtzahl an Blutkörpern, die bekanntlich im
Höhenklima * eine gesteigerte ist. Dauernde Bilanzstörungen -
werden dadurch infolge der Akkomodationsfähigkeit und regu¬
latorischer Vorgänge im Organismus auch für den Tonus nor- '
maler Weise nicht bedingt. —
Doch um zu unserem ersten Fall zurückzukehren: die .
Nüchternheit nach der Nachtruhe, während der zwar viel
Nährmaterial bei entspanntem resp. normal gespanntem Tomis
verbraucht worden vrar, ein gut Teil jedoch Zeit hatte, sich regene¬
rativ zellulär neu zu formieren, zu konzentrieren, greift zunächst
zum bequemsten Mittel, sie führt den sich zentral meldenden,
hungernden Muskelzellen das in den reorganisierten resp. über
Nacht neugeborenen und neufoimiertenBlutzellen aufgespeicherte
Reservenährmaterial dadurch zu, dass die Gesamtmuskulatur •
eben durch jenes Dehnen resp sonst in Aktion tritt, dass dabei
als Begleiterscheinung jeder Muskelinnervation der Gefässtonus
namentlich deswegen, weil die Betriebsaufwehdungen in gar
keinem Verhältnisse zu den Einnahmen stehen. Ein schlesi¬
scher Kurort, welcher den Winterbetrieb drei Jahre lang in
beschränktem Maße aufrecht zu erhalten versuchte, setzte da¬
bei durchschnittlich 6—8000 M. in jedem Jahre zu!
Eine für die schlesischen Kurorte aiissorst belangreiche
Angelegenheit behandelte Dr. Determ eyer-Salzbrunn, näm¬
lich den Einfluss der diesjährigen Genickstarre-Epi¬
demie in Oberschlesien auf die Frequenz der schle¬
sischen Bäder. Durch Umfrage bei den Verwaltungen der
im Bädertage vertretenen Bäder hat Referent festgestellt, dass
die meisten derselben unter der Furcht des Publikums vor
der in Oberschlesien zu einer Epidemie ausgoarteten Genick¬
starre mehr oder weniger schwer gelitten haben. Hervor-
gerufen und unterhalten wurde diese Furcht durch die ständigen
Berichte in den Zeilungen über wirkliche und vorgol)liche
Genickstarre-Erkrankungen, besonders auch dadurch, da.ss bei
diesen Berichten kein Unterschied gemacht wurde zwischen
don weniger infizierten Kreisen Oberschlesiens und der ganzen
Provinz, währenil. andorei*seits nichts zur Aufklärung des Publi¬
kums über die Gefahrlosigkeit des Besuches der schlesischen
Bäder, in welchen auch tetsächlich nicht eine Spur der Genick¬
starre beobachtet worden ist, geschah, abgesehen von einem
leider erst zu Ende Juli erschienenen Artikel der „Schlesischen
Bäder-Zoitung“. ^lit Schuld war ohne Zweifel auch der Um¬
stand, dass im Publikum Oberschlesien vielfach im gebirgigen
angespannt, mit einem Wort, dass der Blutdruck gesteigert
wird und zahllose Blutkörper zermalmt, der Assimilation zu¬
gänglich gemacht werden. Es folgt beim Nachlass der Muskel¬
spannung, die das Blut in den Venen sogar in entgegengesetster
Stromriebtung, soweit es die Klappen gestatten, durchgedrlickt
und durchgearührt hatte, eine um so lebhaftere Regurgitation
und Beschleunigung des Stromes, die wenn auch nur kurze
Stockung mit reaktiv verstärktem Anprall nach dem Heizen
bewirkt eine reflektorisch kräftigere, kompensatorische Kon¬
traktion des letzteren, es kommt Mischung, Aktion, Leben
und Fluss in das neuangeregte System. Allein der Gefäss-
apparat ist beim Kulturmenschen unserer Zeit meist recht ab¬
genutzt, der Tonus ist zu labil und unbeständig, es gibt|a
auch „Atonieen“, — also „tonisierende Lebensweise“ ist die
Parole. Aus dem Bett geht es erst ans kalte Wasser, das
macht nicht nur rein, es härtet ja aucii ab, belebt. — Diese
Abhärtung beruht vornehmlich auf Belebung des Tonus-
Wechsels durch Schaffung einer Art Kampfbereitschaft den
Infekiionserregern gegenüber. In letzteren ist die vorwiegende
Ursache der „ Erkältungen“ zu sehen und in einem regen, nicht
zu , extremen Tonuswechsel ein Ausdruck der Gesundheit und
Widerstandskraft Es kommt noch dazu,'dass die durch das
kalte Wasser hervorgebrachten Bl utdmckschwankungen den Stoff¬
wechsel beleben und dass durch Steigerung der Zellappetenz die
normalen bactericiden Stoffe im Blut bei- der Rpptur der Blut¬
zellen im gesteigerten Maße frei werden. Auchdie Akkomodations¬
theorie des„Similiasimilibus“ hatfürdieErklärupgder Abhärtung,
die stets eine Art Immunität ist, manches für sich, nur muss
man berücksichtigen, dass eine ununterbrochen fortge¬
pflegte, selbst an sich zweckmäßige Gewohnheit und Lebens¬
weise durch Verwöhnung nachteilig werden kann und der
Satz, dass man der Natur ab und zu einen Stöss versetzen
müsse, hat seine gute Berechtigung. Wo Erkältungen durch
Vasospasmus, resp. Vasoparese und Paralyse bedingt sind, da
liilft oft die beste Abhärtung nichts. Hier spielen Anomalieen
der Anlage, organische und funktionelle Nerven- und Gefäss-
leiden, unzweckmäßige Berufswahl und Lebensweise als oft
unvermeidliche Schädigungen neben der Witterungsünbill eine
zu einschneidende Rolle. Bisweilen hilft es dagegen palliativ
therapeutisch, den krankmachenden Reiz zu üueireizen, wo
die causalen Anlässe nicht zu vermeiden sind. So werden
erfrorene Körperteile mit Schnee gerieben und manche Vas-
atonieen durch heisse Waschungen kuriert. Der Üeberreiz be¬
wirkt eine zentrale Regulierung des darauf wieder normal
reagierenden und funktionierenden Gefässtonus, oder es bleibt
eine bei bestimmten Gelegenheiteursachen sich wieder meldende
Teil der Provinz vermutet wird. Um bei einer später etwa
auftretenden Epidemie selbst Nachteile zu vorhüten, schlägt
Referent vor: rechtzeitig sowohl bei den Behörden, deren Ver¬
öffentlichungen, weil am objektivstengehalten, dengrösstenEin¬
druck auf das Publikum machen, vorstellig zu werden, dass
von Zeit zu Zeit amtliche Berichte veröffentlicht werden, in
welchen der tatsächliche Stand der Epidemie mitgeteilt, vor
allem aber genau angegeben wird, welche Gegenden bezw.
Ortschaften infiziert und welche seuchefrei und ungefährlich
sind, als auch auf die Presse in diesem Sinne. einzuwiiken.
Endlich muss seitens der Badeverwaltungen das Publikum über
die in den Bädern getroffenen Maßnahmen aufgeklärt werden,
welche den Zweck haben, für den Fall der Einschl^pung der
Krankheit die Verbreitung derselben unter allen Umstanden
unmöglich zu machen. Referent weist noch darauf hin, dass
bei den heutigen Verkehrsvorhältnissen die Uebertragung einer
Infektionskrankheit in weit entlegene Orte ebensogut möglich
ist, als in näher gelegene, dass z. -B, von Oberschlesien aus
ebensogut Karlsbad oder Ems, Thüringen oder die Ostseebäder
infiziert werden können, wie die schlesischen Kurorte. Die
anschliessende Besprechung förderte einige klassische Beispiele
dafür zu Tage, wie Badeidatsch weitergetragen und von sensa-
tionssüchtigen Zeitungen breitgetreten wird zum Schaden der
betreffenden Kurorte. (Schluss folgt)
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BALNBOLOGISGHE CEOTRALZBITUNG''
3d'
VaSüpai'esß. zurück, die auch als Vasoparalyse erscheinen kann,
z. B. im WntW recidivierende Frostbeulen, die Zustande so¬
genannter fliegender -Hitze, die roten Nasen, Teleangiektasieen
u. d^l. mehr. Als ferner noch hierhergehörig sei die ausser¬
ordentliche Binpfindlichkeit mancher Menschen für Witterungs-
umsbhläge, Windwechsel und Barometerschwankungen genannt,
die aus diesen oder jenen Zeichen hyperaesthetisch reagieren¬
der Tonusschwanknngen die betreffenden Aenderungen gleich
Wetterpropheten Voraussagen. — Doch kehren wir zur kalten
Waschung in unserem Fall zurück. Diesmal kommt der Reiz
für die Vasoconstriction — die erste war nur vorübergehend
und hatte sich bald wieder gelöst — von aussen. Nicht
nur die Hauptgefässe ziehen sich direkt vom thermischen Reiz
betroffen' zusammen, der Kältereflex verengt stets, je nach
Dauer und Grösse auch die tieferen Gefässärkaden, die Lunge
aspiriert bei der auf den Kältereiz erfolgenden, starken Zwerch¬
fellskontraktion grosse Mengen Blut zum Herzen und mit kräf¬
tigen, weit und tief ausholenden Schlägen treibt dieses das
Kjit, um die feindlichen Widerstände in seinem Strombett zu
überwinden, in die entlegensten Winkel, die Arbeit, ein Vor¬
spiel der Tagesleistung, beginnt. — Stark ist der Druck auf
die periphere, zusammengezogene Arterien wand, Millionen
von Krythrocyten bersten, die Reibung der standfesten Zellen
ist eine maximale, neuer Brennstoff wird frei. In der reflek¬
torischen Inspiration bei Kälteprozeduren liegt auch ein
reflektorischer Wärmeregulierungsvorgang oxydativer Natur.
Wie anzunehmen ist, bewirkt auch das Exspirium eine Kom¬
pression des Lungenblutes und damit besonders bei der Bauch¬
presse au<'h Blutzellrupturen, was vielleicht infolge der Ober-
flächenvermehrung für die Oxydationsprozesse nicht belanglos
ist Auch das „Luftbad“, diese moderne, uns zur Natur zurück-
führende Art der Hautpflege hat vornehmlich oxydativ-venti-
lalorische Wirkung nehen resp. durch die Ionisierende auf
Haut-, Haar- und Gefässmuskulatur. —
Die über seine Untergebenen verfügende Instanz, in un¬
serem Fall jener Beamte, kommt den regulatorischen Ma߬
nahmen seiner aufgerüttelten Zellen durch tüchtiges Frottieren
der Haut, durch rasches Anziehen und warme Bekleidung zu
Hilfe. Dem Kältegefühl der Revolution folgt Wärme der Haut
und damit grössere Blutfülle in den sich weitenden, dem Blut¬
druck nachgebenden Kanälen, der Ebbe folgt die Flut.
Da nun aber, was in der Peripherie Flut, zentral wieder
der Ebbe entspricht, da das Zellmaterial mehr und mehr redu¬
ziert ist, machen sich neue Regungen und Bedürfnisse in Ge¬
stalt einer Unsumme milliarer mechanischer Inanitions-Reize
auf das die Versorgung regulierende vasomotorische Zentrum
bemerkbar, das seinerseits, meist ohne auf diese zu warten
und gewohnheitsmäßig, da es auch nur eine Behörde ist und
nicht den Nährstand im Staatsorganismus darstellt, nunmehr
eine Anleihe bei der grossen Speisekammer, dem Darmtraktus,
macht. - Der. „Sympathicus“ tritt in seine so vielseitige
Funktion. — Natürlich gilt der Satz von der Ebbe und Flut
auch umgekehrt.— Wie erhebliche Blutdrucksteigerungen innerer
Organe bei peripherer Gefässkontraktion eintreten können, das
beweist u. a. die Erfahrung oft wesentlich gesteigerter Urin-
sekretioD bei winterlicher jKälte undi Kaltwasserprozeduren. —
Die übrigen Beobachtungen des Falles 1 sind nur als be¬
lebende Schlaglichter des Bildes gedacht, die zur pathologischen
Seite der Frage binüberleiten sollen. Der durch anhaltende
Frostwirkung erzeugte Vasospasmus kann zur Congelidatio,
zum Erfrieren führen, andererseits die forcierte Bautmpresse mit
den plötzlichen Gefässkaliber und Dnickschwankungen bei
kranken Gefässen zu Schwindelanfällen, Gefässrupturen, plötz¬
lichem Tod, — das ist allbekannt. — Die längeren Unterbrech¬
ungen des normalen Atmungsablaufs, z. B. bei Tauchern, Bläsern,
Hobisten und Sängern, sowie beim starken Schnauben haben
einen ganz evidenten, oft genug nachteiligen Einfluss auf Vaso-
tonus und Blutstromgeschwindigkeit. Schon beim herzhaften
Lachen, in gleicher Weise wie beim Schreien der Kinder, beim
Schluchzen kennt jeder Laie die teils kongestiven, teils ab¬
strahierenden, resp. mobilisierenden Elffekte dieser nahe ver¬
wandten Affektäusseningen auf Tonus und Blutzirkulation.
Nur gestreift sei bei dieser Gelegenheit der mächtige Einfluss
der Affekte iii.sgemein auf die Gefässinnervatioo, so namentlich
beim Schreck, der Angst, Freude und Trauer und’ schliess-
1 ich ihr verschiedenes Verhalten bei den einzelnen Temperamenten.
2 . Eine junge Frau liegt spät Vormittags im Bett, ihre
Mutter war Nierön-leidend, der Vater ein Xrihker', sie selbst
in den Entwicklungsiahren sehr bleichsüchtig. Schon einige
Tage wartet sie auf ihre menses*), die immer, unregelmäßig ein¬
treten und langwierig, unter Schmerzen verlaufen. —
Um ihren Eintritt zu befördern nimmt sie ein recht heisses
Fussbad. Die Periode tritt ein, zugleich aber au’ch einö hef¬
tige, mit Erbrechen einhergehende Migräne. Der Hausarzt
findet die Kranke leichenblass mit mattem, schwachem Puls.
Sie verlangt Coffein oder Antipyrin, weil das ihrer Meinung
nach besser hilft, als Eisen und warme Bäder. Sie klagt
ferner, dass sie, sobald sie nur den Fuss aus dem Bett heraus¬
steckt, niesen muss und dass.es sie, wenn sie Urin gelassen
habe, ordentlich schüttelt, dass sie überhaupt gar nicht mehr
recht warm werde. Der Arzt bestätigt die befürchtete „Blut¬
armut“ und widerrät bei der dabei vorhandenen vasomotorischen
Neurose Coffein und Antipyrin. Er verlangt vielmehr, dass
die Lebensweise total geändert und vor allem genau befolgt
werde, was verordnet wird. Nicht „warme“ Bäder hat er vor¬
geschrieben, sondern heisse, aber keine heissen Fussbäder.
*) Die bei dem physiologischen Vorgang der menses sich ab¬
spielenden Gefässtonusfunktionen gehören mit zu den am wenig¬
sten erforschten. Bekannt ist, dass dieselben ihren Schatten in
allerhand mehr weniger greifbaren Anzeichen vorauswerfen, von
Nachschwingungen gefolgt sind und durchaus nicht nur auf die
Sphäre der Generationsorgane beschränkt sind, was namentlich
bei Anomalieen und universellen Vasoneurosen zu Tage tritt.
Die endogenen Störungen und Anomalieen im Eintritt und
Verlauf, wie die besonders gefürchteten ektogenen durch un¬
zweckmäßige thermische und mechanische Reize um diese Zeit
sind geeignet, die bei den menses normal sich abspielenden
Tonusmnervations-Verhältnisse mit ihren derivatorisch-resorp-
tiven und exbretorischen Effekten, die der Volksmund mit dem
zutreffenden Ausdruck der „monatlichen Reinigung“ bezeichnet
hat, aufzuklären. — Wenn auch nicht sicher stehend, so ist die
Abhängigkeit von metereologiachen Einflüssen für den
Tonus keineswegs von der Hand zu weisen, sind doch ins¬
gemein die Tages- und Jahreszeiten und Mondphasen für das
Gefässleben und damit für das Leben überhaupt von unabweis¬
barer Bedeutung. Auf die gewaltigen revolutionären Vorgänge
der Gefässspannung und des Blutumlaufes in der Gravidität
und besonders während des Partus, sowie nach demselben für
Mutter und Kind hier näher einzugehen, würde zu weit führen.
Eine jede Wehe, der Schüttelfrost nach erfolgter Geburt, der
Blutverlust, das erste Schreien des Neugeborenen gibt des An¬
regenden eine solche Fülle, dass der Partus als aUeiniges Bei¬
spiel zur Veranschaulichung des Mechanismus der zahllosen
mechanischen und thermischen Reizmomente im Sinne der ge¬
stellten Aufgabe des Themas sehr wohl geeignet erscheinen
muss. — . .(Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
A. Karlsbfld. ln der Sektion Karlsbad des Zentralvereins
deutscher Aerzte in Böhmen wurde im abgelaufenen Vereinsjahre,
nachdem der Stadtrat den ärztlichen Vereinen Karlsbads gegen¬
über sich Uber mangelnde wissenschaftliche Reklame seitens der
Karlsbader Aerzte beklagt hatte, behufs Erzielung einer wirkungs¬
vollen und auf streng wissenschaftlicher Grundlage beruhenden.
Reklame die Anregung zur Errichtung eines chemisch-physiolo¬
gischen Institutes gegeben, eine Anregung, die, wie es scheint,
bei der Mehrheit der Gemeindevertretung sympathisch aufgenom¬
men wurde.
X Lobenstdin. Ein Kurverein hat sich hier gebildet.
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40
BALNEOLOGISGHB CENTRALZETTÜNG
Nr. 10.
X Salzungen. Die hiesige Salinenverwaltong beabsichtigt
die Errichtung einer Trinkkur, zu welchem Zweck der Bau einer
Brunnenballe in der Grösse von 120 qm zwischen den Gradier-
häusem geplant ist. Eine vor zwei Jahren wieder aufgefundene
schwache Soolequelle kommt zor Verwendung. Auch wird ein
Versand der Kurmittel nach auswärts zum Hausgebrauche beab¬
sichtigt,
# Schinzach. Der Betrieb des Bades wird in bisheriger
'Weise fortgeführt. Zu diesem Zwecke sind sowohl der bisherige
Direktor H. Moser, als auch der langjährige Eurarzt Dr. Äms-
1er gewonnen worden. Alle MaHnahmen sind getroffen, dass die
Saison wie üblich am 15. Mai ihren Anfang nimmt.
A. Stein. ln Bad Stein hat sich soeben ein Verein zur
Hebung des Eremdenverkehrs gebildet, welcher es sich zur Auf¬
gabe gemacht hat, auch die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf
die landschaftlichen Schönheiten dieses aufstrebenden Kurortes und
seine Umgebung zu lenken.
Literatur.
A. De Giovanni, Padua. Ein Yierteljahrhnndert Er¬
fahrung über Roneegno I nebst einem Anhang: An¬
weisung für Aerzte über den therapeutischen Wert beim inner¬
lichen Gebrauch des Mineralwassers von Roneegno von Professor
Dr. G, Viola. Padua 1905.
Zu innerem Gebrauch ist Boneegnowasser vor allem zu em¬
pfehlen, wenn es sich darum handelt, eine Verbesserung der Blut-
mischung zu erzielen, einerlei, in welchem Stadium sich irgend
eine Krankheit befindet, sei es nun, dass die schlechte Beschaffen¬
heit des Blutes die Folge einer weit vorgeschrittenen Krankheit
ist, sei es, dass sie den Ausdruck einer von Geburt an schwäch¬
lichen Konstitution darstellt.
Bei allen Krankheitsformen also, bei denen von der Ver-
besseriing der Blutmischung und des Nervensystems Vorteile zu
erwarten sind, ist ein therapeutischer Erfolg durch die Boneegno-
kur sicher. Die Kur von Roneegno findet ihre hauptsächliche
Verwendung bei den Krankheiten des Gesamtnervensystems. Die
Quellen und das Klima von Boneegno haben als die besten Mo¬
difikatoren und Regeneratoren des Organismus zu gelten.
Die interne Behandlung mit Boneegno muss eine ganz und
gar individuelle sein. Von diesem arsenik- und eisenhaltigen
Mineralwasser können in nicht seltenen Fällen ungeheure Tages¬
dosen mit grösstem Vorteil angewandt werden, ungeheuer im Ver¬
hältnis zur durchschnittlichen Tagesdosis, ^so bis zu drei Flas<^SD,
äquivalent etwa ein Liter. Ebenso aber gibt es auch, wenn auch
nur seltene Fälle von Intolerabilitftt, so dass es sich den Arzt
empfiehlt, anfangs nur geringe Dosen des Getränks zu verordnen
und diese von Tag zu Tag zu steigern, bis zu der maximalen von
dem betreffenden Kranken vertragenen Dosis.
Wenn man auch jetzt nicht mehr so ängstlich ist in der
Darreichung des Boneegno-Wassers wie früher, so söU jeder er¬
wachsene Patient die Kur in der Weise beginnen, dass er am
ersten Tage nicht mehr als einen halben Esslöffel Boneegnowasser
(verdünnt mit einem halben Becher Wasser) dreimal täglich nehme,
und zwar morgens nüchtern und eiue halbe Stunde vor den Haupt¬
mahlzeiten. Die grösseren Dosen werden schnell erreicht, indem
man die Anfangsdosis von Tag zu Tag um einen halben Xiöffel
steigert, bis man die Dose von drei Elsslöffeln pro Tag erreicht hat.
Je grösser die zur Anwendung gelangende Tagesdosis ist, um
so geringer kann im Verhältnis die Verdünnung sein, damit nicht
durch die exzessive Flüssigkeitsmenge der Magen überlastet wird.
Es gibt schliesslich auch Patienten, welche 2—3 Flaschen Mineral¬
wasser pro Tag konsumieren, diese dürfen die Quelle nur auf die
Hälfte verdünnt oder können sie auch ganz nnverdünnt nehmen.
Jede Behandlung mit Boneegnowasser darf nicht weniger als
zwei Monate dauern; gegen das Ende der Kur ist es gut, von
Tag zu Tag die Dosis zu vermindern. Eine vollkommene Tätig¬
keit des Darmes ist während der Behandlung unumgänglich nötig.
Bei Malaria muss man grosse Dosen versclu^iben, sowohl
während des Verlaufes der Krankheit selbst, als bei der Anämie
und Kachexie, welche ihr zu folgen pflegt, und die Behandlung
muss eine langdauernde sein.
Bei Basedow’scher Krankheit lassen sich die höchsten
Grade von Tolerabilität für BoneegnoTasser erreichen.
Bei den chronischen Magendarmkatarrhen, auch bei
akuten Magendarmkatarrhen und beim Abdominaltyphus
gibt man die Boncegnoquelle möglichst verdünnt.
Bei den katarrhalischen Äffektionen der Respi¬
rationsorgane, besonders den akuten, helfen kalte und lau¬
warme Inhalationen mit Boneegnowasser. A. B.
Die Bedaktion der Balneologiscben Centralzeitung hat in
liebenswürdiger Weise Herr Dr. Stohr in Ood.68l>6rg^ über¬
nommen. Wir bitten in allen redaktionellen Angelegenheiten sich
an diesen zu wenden.
Meteorologische Stätiotik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneologieohen Zentraizeltang..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur¬
minimum
so s S
iii
” 2 *3
^§1
Eh
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen-
sebein-
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Abbazia.
18./2.-24-/2
3,7 C.
8 C.
759,1
2
4
1
2
Badenweiler.
—
—
_
_
_
_
_
Driburg.
-0,8 C.
2,9 0.
—
2
2
1
1
—
Ems.
0,6 C.
5,8 C.
754,6
7
4
_
2
Giesshübl-Sauerbrunn . .
— 1,6 C.
1,7 C.
_
—
1
2
0,2
_
Franzensbad.
—
—
_
_
_
- -1
,
Herrenalb.
— 1,5 C.
4 0.
721
—
2
_
Kreuznach .....
—
—
_
_
_
Langenschwalbach , . .
—
—
—
—
—
—
—
—
Lippspringe.
— 3 0.
7,3 C.
753
2
—
4
2
—
Nauheim ..... . .
— 0,6 C.
4,8 C.
747
1
_
7
1—5
Nemidorf .
3 C.
6 C.
759,5
1
7
Norderney ......
—
—
—
—
—
_
_
Orb .
—
—
_
_
_
_
Reicbenhall . . . . • .
_
_
_
_
Reinerz .
— 2 C.
— 2 0.
712
_
_
7
2
rr —
Stehen .
n
— 1 C.
— 1,5 C.
704
—
4
3
3—4
—
VanntwprtUcber Redakteur: Dr. P. MeiMner, Berlin. — Verlaf von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck TCu HaTuamana’eche Bnchdruckerei. Gebr. Wolfi^ Halle a. ^
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Besondere
Bemerkungen
3 Tage Schnee
— 2® C. minim.
4 Tage Schnee
— 2 Tage Schnee
1 Tag Schnee
3 Tage Schnee
— I 2 Tage Tanwett.
vn. Jahrgang. Nr. 11. 1906.
Balneologlsche Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.*:
Or. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
! Verlag: Carl Marbold ln Halle a.S., Ublandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hatlesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. Stehr, Godesberg.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Dr. Stetar, Godesberg.
Der Nachdmck ans dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Beeiofiaseanff des Gefässtonns und der Blatstromgescbwindigkeit durch
tbermiscoe und inecbanische Reize. Yen Dr. von Niessen-Wiesbaden.
(Forteetzung).
Fenilletoii: Der 34. SchlesUcbe Bädertag (1905). Yen Dr. Siebelt-FHnsberg.
Ans den Bftderu and Kurorten.
Literatur.
Meteorologische Statistik.
Beemflussung des
Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von Niessen-Wiesbaden.
(Fortsetzung.)
Im Frühjahr soll ein Luftkurort im Gebirgswald besucht, eine
gelinde vegetarische Diätkur mit Milch, Hydrotherapie, leichter
Massage, eventuell mit sachgemäßer elektrischer Behandlung*)
kombiniext mit Luftbädern und Terrainkur systematisch dur^-
gefÜhrt -werden. —
*) Die Physiologie sondert von thermischen und mecha¬
nischen die chemischen und elektrischen Reize. Nur mit
den beiden ersten hat es unser Thema zu tun, dennoch
kann die Elektrotherapie nicht ganz übergangen werden, da
ein Teil ihrer Wirkungsart, die Kataphorese, auf vor¬
wiegend mechanischen Vorgängen beruht. Ein jeder kann
leicht folgenden Versuch anst^len: Ein hängender Tropfen
frisches Blut wird in der Weise mit Paraffin abgediclitet, dass
unter 2 gegenüberliegenden Seiten des Deckglases je einige
Pinselhaare mit eingebettet werden, die auf der einen Seite
in das Blut tauchen, auf der anderen an die Drahtenden eines
konstanten Stromes befestigt sind. Beim Stromschiuss und
-Wechsel sieht man unter dem Mikroskop die Erj'throcyten in
lebhaftem Tempo von der Anode zur Kathode fortgerisseu
werden, sie fiiessen wie intravasal hin und her und bleiben
Feuilleton.
Der 34. Schlesische Bädertag (1905).
Von Dr. Siobelt-Flinsberg.
(Schluss.)
Dereelbe Redner berichtete auch über den Nutzen der
Gesundheitskommissionen. Sie haben im grossen ganzen
segensreich gewirkt, namentlich da, wo die Polizeibehörden
den Anregungen Folge gegeben haben. Dr. Hoffmann-
Warmbrunn trat für eine verschärfte Marktpolizei in
den Kurorten ein. Der Verkehr mit Nahnings- und Genuss¬
mitteln erfordert namentlich in der warmen Jahreszeit beson¬
dere Vorsicht. Das plötzliche Anschwellon des Bedarfs zur
Hochsaison der Kurorte "macht die Kontrolle schwierig, aber
gerade deshalb ist sie um so notwendiger, damit minderwertige
Ware ausgeschlossen werde. Sie wird erleichtert durch Ein¬
richtungen, welche einem zentralen Verkauf der dem Verderben
ausgesetzten Nahrungsmittel, wie Milch, Fleisch, Fische, Obst
usw. dienen. Redner fordert die Errichtung von Markthallen
und Schlachthäusern, denen Kühlräume nicht fehlen dürfen.
Einen für die Hygiene der Kurorte ausserordentlich wich-
Die verwöhnte Patientin will aber gleich von ihrer Mi¬
gräne befreit sein. Der Arzt nimmt zunächst die kalte Kom¬
presse von der Stirn, rät, wenn schon, dann lieber zu heissen
und empfiehlt statt des Berges von Kopfkissen flache Lagerung,
statt der überhitzten, verbrauchten Zimmerluft Freiluftatmung,
auch des Nachts womöglich, Milch, Malzpräparate, Obst, überhaupt
möglichst vegetabile Ivost. Die Energielosigkeit soll die Kranke
mit einer kurzen kalten Waschung, leichter Motion, Tätigkeit,
Spaziergängen, die gefürchteten Ohnmächten mit Tieflagerung
regungslos, sobald der Strom geschlossen wird. Die praktische
Nutzanwendung für die Appbkationswahl der Elek^oden bei
Stasen z. B. ergibt sich hieraus von selbst. Nur nebenher sei
ferner auf die evidente Wirkung des konstanten Stromes auf
den Gefässtonus bingewiesen. Ich habe z. B. oft gesehen,
dass Applikation der Anode auf die Gegend des vasomoto¬
rischen Zentrums bei einer Stromstärke von 3 MA auf einen
Querschnitt von 70 qcm, also bei einem schwachen Strom
nach einer Minute Dauer, trotz vorsichtigen Ein- und
Ausschleichens mit dem Rheostat, Ohnmachtsanwandlungen ein-
treten machte. Die roten Flecke der Haut unter den Elek¬
troden, namentlich der Katliode, die nach selbst so kurzen und
schwachen Stromwirkungen bisweilen längere Zeit persistieren,
sind als Belege der Tonusbeeinflussung allbekannt. Sie, wie
die Ueberlegung, dass jede Muskelzusammenziehung, also auch
die des konstanten und faradischen Stromes auf Tonus oder
Zirkulation einwirken, ist das beste Antidot gegen die den
Wert der Elektrotherapie in ebenso einseitiger, wie falscher
Weise diskreditierende Suggestionstheorie. —
tigen Gegenstand behandelte Dr. Sieb eit - Flinsberg. Der
Berichterstatter, welcher schon früher eine Reihe von Arbeiten
über die Beseitigung der Abwässer in Kurorten veröfi'entlicht
hat, sprach „lieber neuere Systeme der biologischen
Kläranlagen“. Nach einem historischen Ueberblick be¬
schäftigte er sich mit den automatischen Kläranlagen und
schilderte besonders das Sprinklerverfahren, welches neuerdings
im Vordergründe des Interesses steht. Dasselbe hat manchen
Vorzug, ater auch viele Mängel. Einen wesentlichen Fort¬
schritt scheint ihm das neueste, vom Königl. Baurat H. Schmidt-
Liegnitz angegebene Verfahren zu bedeuten. Derselbe hat die
Beschickung des Oxydationskörpers von oben her aufgegeben,
er führt vielmehr die Abwässer von der Seite zu, staut sie
nicht an, sondern lässt sie mit sehr geringer Stromgeschwindig¬
keit durchfliessen. Der Beachtung wert erscheint auch eine
Klärkesselanlage von Erich Merten-Berlin. Dieselbe ist nach
Art eines mehrfachen Hebers ausgebildet, arbeitet ebenfalls
selbsttätig und erfordert wenig Aufsicht. Sie wirkt allerdings
mehr als Entschlammungsanlage und bringt die Schwimmstoffe
mechanisch zur Ablagerung. Ein Hauptvorzug ist, dass sich
üble Gerüche nicht entwickeln können, der Kessel also überall
aufgestellt werden kann. Um eine einwandfreie Arbeit der
biologischen und sonstigen Kläranlagen herbeizuführen, fordert
Redner die Ueberwachung derselben, ähnlich wie Dampfkessel
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42
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
Nr. U.
des Kopfes bekämpfen. Die Frage, ob sie nicht lieber an die
See gehen soll, venieint der Arzt entschieden und besteht auf
einem Wildbad oder milden mittleren Höhenklima. Ehe er
geht, ermahnter seine Klientin, weniger mitzumachen,— statt
seichter Romane lieber erbauliche Werke*) zu lesen und Sprachen
zu treiben, sich in irgend einer gemeinnützigen Richtung zu
betätigen, nicht nur immer an sich zu denken. —
Zum Abschied komprimiert er ihr herzhaft und anhaltend
den Magen, indem er sie von hinten her umfasst. Ihr blasses
Gesicht liat danach um einige Nüanzen mehr Farbe, die Stim¬
mung ist wieder gehoben. —
Was lehrt uns dieses Beispiel ärztlicher Praxis im Ge¬
sichtswinkel unseres Themas? Unter anderem das: Deriva-
torische Maßnahmen sind nur mit der grössten Vorsicht
zu verwenden, ein Gebiet, auf dem namentlich die Laienpraxis,
die Naturpfuscherei recht erheblich sündigt. Man denke sich
ein blutarmes Geschöpf bei einer ausgesprochenen Disposition zur
funktionellen Vasoneurose einer spastischen Migräne zur Zeit
der Periode ihr bischen Blut nach den Füssen ableiten. Dass
dabei nicht mehr dauernde und schwere Schädigungen des
Zentralnervensystems eintreten, ist nur der wunderbaren kom-
ensatorischen Tätigkeit des vasomotorischen Zentrums zu
anken. — Wie sollen wir uns diese Tätigkeit z. B. im vor¬
stehenden Fall erklären? Wir wissen, dass jede, sei es un¬
willkürlich ablaufendo Organfunktion, sei es willkürliche Muskel-
innervation, in gleicher Weise wie der thermische und mecha¬
nische Aussenreiz ihre vasomotorische Mitwirkung resp.
Widerspiegelung und Reaktion findet, u. zw. im Rücken¬
markszentrum dieser Tätigkeit. Die Mittel, die dieser Zentrale
*) Es ist zweifellos, dass, wie im Affekt die Erregung die
Pulse schneller schlagen macht, Vasospasmen, Kälte^fühl, Muskel¬
zittern bedingen kann, andererseits kalm ieren de Eindrücke, die
religiöse Andacht, der Waldfrieden, Selbstverleugnung und ähn¬
liches manchen Spannungszustand zu lösen und damit be¬
ruhigend, erwärmend zu wirken geeignet sind. Solches gehört
• nicht nur in die Psychiatrie und ^elsorge, sollte vielmehr
auch von der somatischen Therapie weit mehr gewürdigt
werden. Das alte biblische Handauflegen bat neben dem psy¬
chischen einen direkt physikalischen Erklärungsgrund in der
Entspannungswirkung auf den Gefässtonus, der bei psychischen
Affekten nicht minder in Mitleidenschaft gezogen wird, als bei
somatischen Funktionsstörungen. Hierher gehören auch die
mächtigen Revolutionen, denen die Gefässmnervation durch
die Experimente der Suggestion und Hypnose ausgesetzt
ist und die geeignet erscheinen, ihren therapeutischen Wert
wegen der vielfach schwer sich ausgleichenden Alterationen
des Tonus in Frage zu stellen. —
zu dem Zweck zur Verfügung stehen, sind die Vasokonstrik¬
toren, und wie man annimmt, deren Antagonisten, die Vaso¬
dilatatoren des Syrapathicus und anderer Gefässnervenäste. Da
jeder Akt der Tätigkeit, beispielsweise ein Gedanke, die Funk¬
tion und Arbeit irgendwelcher Gebinirindenpartie, einer Sub¬
stratabnutzung und Ermüdung, dem Erholun^bedürfnis unter¬
liegt, muss eine momentan gesteigerte Blutzuiuhr in das gerade
in Anspruch genommene Gebiet erfolgen. Das geschieht durch
die neben der Innervation von den gerade betätigun^bedUrftigen,
angeregten Zellkomplexen aus als eine Art Nebeideitung funk¬
tionierende Gefässinnervation, u. zw. behufs gesteigerter Blut-
znfuhr in Form einer Anspannung und eines gesteigerten Blut¬
drucks, der unmittelbar von einer Entspannung, dem Zustand
der funktioneilen Hyperaemie gefolgt ist, einem Zustand,
der sich unter normalen Verhältnissen durch die feinen regu¬
latorischen Vorgänge eines feinstfühligen Vermittlungsver¬
fahrens allmählich von selbst zum gewöhnlichen Blntzufuhrs-
modus resp. Gefassspannungsdurchschnitt rückbildet, oder bei
Ueberanstrengungen und unter pathologischen Verhältnissen
auch nicht, resp. nur unvollkommen rückbildeL Man muss
dabei annehmen, dass das vasomotorische Zentrum eine Reihe
ganz besonders komplizierter Vorkehrungen zur Selbststeue¬
rung der eigenen, so intensiven Tätigkeit, sowie der eigenen
funktionellen Blutversorgung und Tonusregulierung besitzt. Es
müssen hier ganz exceptionelle Verhältnisse obwalten, deren
anatomische und biologische Enträtselung die geheimnisvollsten
Dinge ans Licht zu bringen geeignet ist. Die Vielseitigkeit
der Richtung, Reihenfolge und Ordnung dieser Angaben,
welchen das vasomotorische Zentrum unablässig und oft neben¬
einander gleichzeitig zu dienen hat, erhellt aus der Mannig¬
faltigkeit der Ansprüche, die daran gestellt werden, und soll
hier nur angedeutet sein, ebenso wie die Frage, ob das vaso-
moterische Zentrum nur reflektorisch zu funktionieren im
stände ist, ob es also nur eine Versorgungsanstalt für die zahl¬
losen Bedürfnisse des Organismus, eine Art Proviantverteilungs¬
amt darstellt. Mir scheint, dass es ausserdem in einem direkten,
synergetischen Abhängigkeitsverhältn is der moto¬
rischen Zentren steht.
Eine der bekanntesten funktionellen Hyperaemien ist die
der Verdauung. Gewaltige Blutmassen füllen zu dieser Zeit
strotzend das intestinale Gefässsystem. Dieser Plethora sucht
man bekanntlich bei besonders dafür Disponierten dadurch
entgegenzuwirken, dass man sich nach den Mahlzeiten Be¬
wegung macht. So wird für eine Art Derivation gesorgt,
welche die Verdauung zwar nicht beschleunigt, aber der Blut¬
überfülle im Abdomen vorbeugt. Naturgemäß tritt dabei in
der Peripherie, also der Haut und im Gehirn eine reciproke
relative Blutleere ein, das Verdauungsfieber ist ebenso
und sonstige Maschinenanlagen überwacht und von Zeit zu
Zeit auf ihre Zuverlässigkeit geprüft werden.
Endlich wurde noch die Frage der Kurortelaboratorien
gestreift, indem Dr. phil. Wagner-Salzbrunn das chemische
und bakteriologische Laboratorium seines Kurortes, dessen
Vorsteher er ist, beschrieb. Der Vortrag schildert zunächst
die aus Bureau, einem chemischen Laboratium und einem als
bakteriologisches und Wägezimmer eingerichteten Raume be¬
stehenden Lokalitäten. Sodann gibt derselbe ein übersicht¬
liches Bild über das Arbeitsgebiet der Anstalt. Dazu gehören
die Beaufsichtigung der Molkenanstalt und die tägliche Prüfung
der gelieferten Milch, die Beobachtung der Mineralquellen und
ihre analytische Kontrolle, die Beaufsichtigui^ der meteoro¬
logischen Station, die ständige, alle 14 Tage erfolgende
Untersuchung des Leitungswassers. Ferner untersteht der An¬
stalt das Desinfektionswesen, die Zubereitung der Medikamente
für das Inhalatorium und pneumatische Kabinet. Auch die
Nahrungsmittelkontrolle, welche z. T. den ganzen Kreis Walden¬
burg (Milch) und einige benachbarte Kreise (Wein) umfasst,
wird hier ausgeübt. Hierzu gesellt sich Untersuchung und
Begutachtung von Brunnenanlagen, von Trink- und Abwasser,
ebenso von Kesselspeisewasser. Schliesslich fällt dem Labora¬
torium die grosse Zahl der Harn- und Sputumuntersuchungen zu,
die sich meist weit über die üblichen Daten hinaus erstrecken.
Rechnungslegung und Vorstandswahl, aus welcher Bürger¬
meister Dengler-Reinerz und Sanitätsrat Adam-Flinsberg
wiederum wie seit Jahren hervorgingen, bildeten den Beschluss
der arbeitsreichen Tagung, welche seitens des Vorsitzenden
mit den üblichen Dankesworten an die Teilnehmer geschlossen
wurde.
Kleine Mitteilungen.
Lieber die Heilwirkungen einer neuen Schlammart. Von
Dr. Hans Karfunkel in Niederfinow. („Medic. Klinik“ Nr, 53,
1905). Es handelt sich um die therapeutische Verwendung eines
Seeschlick, der den Grund des ehemaligen Sees von Ludwigs¬
hof i, P. bedeckt. Der Seeschlick (Handelsname „Panzerschlamm“)
besteht aus 80—90% Wasser und über 3% Stickstoff in der
Trockensubstanz und enthält vorwiegend Kieselpanzer von abge¬
storbenen Bazillariaceenformen und Bruchstücken von solchen.
Verfasser hat diesen Seeschlick seit ca. drei Jahren bei etwa
1500 Patienten angewandt und folgende Leiden mit Erfolg da¬
mit behandelt: Akute und chronische Neuralgieen, Lumbago,
Ischias, akute und chronische Gelenkleiden, auch ganz veraltete
Fälle, frische Wunden (mit Sublimatschlick, 1 gr auf ein Liter
Schlick), Panaritien, Frostbeulen, Tendovaginitis, Ulcus cruris,
Erysipel, Bi*andwunden, Hautkrankheiten wie akute und chronische
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1906.
BALNEOLOGISOHE CENTRÄLZEITÜN G
iS
bekannt, wie das alte: Plenas VMiter non stndet libenter.
Hiermit hängt auch die alte Erfahrungsregel zusamm^, nach
der Mahlzeit nicht zu baden, also keine weiteren Tonusschwan-
kungen und BlutdRickvermindeningen der Peripherie und des
Gehirns zu verursachen.
Kehren wir nach diesem kleinen Excurs zu unserem zweiten
Fall zurück, so sehen wir daran, wohin die künstliche Steige¬
rung der physiologischen Derivationsvorgänge fuhren kann.
Ein an sich erblich labil veranlagtes Gefässnervensystem wird
durch unzweckmäßige Maßnahmen in seinen Schwankungs¬
dimensionen weiter überreizt, in seinen erschwerten Ausgleichs¬
bestrebungen der Blutverteilung noch mehr gestört. So kann
es zu dauernden Ernährungsstörungen kommen, aus dem funk¬
tioneilen wird ein organisches Nervenleiden, das Gehirn
wird zu nachdrücklicheren Revulsivmaßregeln getrieben und
sucht durch die Würgebewegungen des E^rechens den' nega¬
tiven Blutdruck zu reparieren, um vorübergehend durch diese
Selbsthilfe zu erreichen, was die Inversion b^ei der Synkope an¬
strebt, — mechanisch wird beim Ohnmächtigen durch das Auf-
den-Kopf-steilen*) das Blut den leeren Rindengefassen mittels der
Schwerkraft zugeführt, der Blutdruck im Gehirn gesteigert. —
Würden die törichten jungen Mädchen, die, um interessant
blass zu erscheinen, da rote Backen „ordinär“ sind und gar
Erröten sich nicht schickt, hungern, den Zimmerpflanzen gleich
vegitieren und sonstige unmoralische, ja selbst unzüchtige Mittel
anwenden, bei denen ihnen besser wäre, wenn sie die Scham¬
röte heiss aufwallen fühlen möchten, — die traurigen Folge-
zustände ihrer Gesundheitsuntergrabung und Schädigung ihres
Nachw'uchses an solchen Konsequenzen, wie sie Fall 2 schildert,
bei Zeiten sehen können, oder wollen, sie brauchten keinen
Arzt für ihr frühzeitiges Siechtum, keine Massage und Hydro¬
therapie, um ihr maltraitiertes, faules Blut in Bewegung zu
bringen, keine Sommerfrische und Mastkur, um die vergeudeten
Elemente und Lebenskräfte des Blutes zu erneuern, überhaupt
keine künstlichen Ersatzmittel für das meist unwiederbringlich
Verlorene. — Die oft irreparablen vasomotorischen Neurosen,
an denen viele Onanisten leiden, sprechen vernehmlich genug
für die hervorragende Beteiligung des Gefässnervensystems an
den Funktionen des Geschlechtslebens, dessen Schädigungen
zumal zur Zeit der Pubertätsentwicklung die Blutbildung und
die um diese Zeit sehr regen evolutiven Vorgänge im Gefäss-
•) Es wäre interessant zu erfahren, wie sich die Tonusver¬
hältnisse bei Kopfequilibristen und Tauchern z. B. verhalten.
Dass die Leute gerade geistreicher werden, ist nicht anzunehmen.
Jedenfalls muss man sicn wundem, dass hier nicht häufiger Gefäss-
rupturen und ernste Zirkulationsstörungen mit deren Folgezu-
stäoden eintreten.
Ekzeme, Psoriasis, Herpes zoster, ClavL Ferner Gichtknoten,
skrophuloae Geschwüre, Exsudate der weiblichen Genitaladnexe,
Oedeme und andere Schwellungszustände. Die Indikationen decken
sich zum Teil mit denen anderer Schlamme und der Moore, sind
aber weitgehender. Als grundlegenden Unterschied nennt Verf.
die besondere Eigenschaft des Panzerschlamms, in beliebiger selbst
kalter Temperatur volle Wirksamkeit zu entfalten, doch will er
für chronische Leiden die wärmere Anwendung vorgezogen wissen.
Als Ureaohen für die Heilwirkungen werden angeführt das geringe
Wänneleitungsvermögen, wodurch die Körperteile unter gleich¬
mäßiger Temperatur gehalten werden, der intensive, von den
Kieselpanzern der Diatomeen ausgehende Hautreiz (Beeinflussung
der Hautzirkulation), das Fehlen von Nebenwirkungen. Die Be¬
handlung besteht in lokalen Packungen. Dem Schlick können
nach Belieben Medikamente hinzugefUgt werden, wie Jodtinktur,
Salizylsäure, Sublimat, essigsaure Tonerde, doch wird er vorzugs¬
weise im Rohzustände verwendet, ist unbegrenzt haltbar und
geruchlos. Speziflsche Wirkung schreibt. K. dem Panzerschlamm
zu bei Erysipel und Brandwunden, sowie bezüglich der Auf¬
saugung von Elzsndaten in Gelenken. Einige Krankengeschichten
sind der Abhandlung beigefugt. Verfasser hat für die Behand¬
lung mit diesen Schlamm in Berlin ein Institut begründet (Intern.
Mineralquellen Ztg.)
System und deren Zentrale dauernd in Mitleidenschaft zu ziehen
geeignet sind. — Viele Hysterieen, puerperale Psychosen,
Unterleibsleiden mancher Art, sie alle gehören in das Kapitel
der leichtfertig überreizten Funktionen der wichtigsten Organe
und Lebenszentren, die niemand ungestraft missbraucht und
die von der sachgemässesten tonisierenden Therapie meist
auch keine völlige restitutio ad integrum zu erwarten haben. —
Auch das Bild des Falles 2 enthält einige belebende Neben¬
figuren. — Es gehört zu den alltäglichen Erfahrungen, dass man
öuers beim Barfussgehen auf kaltem Boden niesen muss, dass
einen nach dem Urinlasaen ein kurzer Schauer oder Schüttelfrost
überläuft, dass man ferner auf dem Wasser und auch beim
Schaukeln an Land seekrank wird. All diese Erscheinungen ge¬
hören in das Kapitel der gestörten Blutverteüung und der ab-
nonnen Tonusschwankungen, welche die Natur durch ihre
Blutdruckregulierungshilfsmittel: Niesen, Schüttelfrost und Er¬
brechen auszugleichen bemüht ist, — Ursache und Wirkung
liegen dabei kbu- auf der Hand. Was indess bei diesem Fall
nocheinigerWorte der näheren Betrachtung wert ist, sind nament¬
lich 2 Punkte:
Einmal fragt man sich mit Recht: Warum greift der Orga¬
nismus das eine Mal zum Niesen, das andere Msd zum Schüttel¬
frost und dann wieder zum Erbrechen?
Zweitens: Was hat das Höhenklima mit dem Tonus zu
tun und wie ist sein therapeutischer Effekt, sein oft so wohl¬
tätiger Einfluss zu erklären?
Die erste Frage ist leicht zu beantworten: Wo geringe
Wärmeverluste stattfinden, braucht der Körper keine Gewalt-
maßregelii. Blin paar kräftigere, reflektorisch durchs Niesen und
einen kurzen Schauer provozierter Blutwellen ersetzen den ge¬
ringen Verlust und expandieren die territorial minimal und
vorübergehend kontrahierten peripheren Gefässe, die zudem für
längere Blutstockungen nicht sonderlich empfindlich, ja daran
ewöhnt sind. Anders steht es um die Tonusverhältnisse und
as Bedürfnis eines mehr stabilen Blutdruckes im Gehirn.
Periphere Vasokonstriktion macht hier gesteigerten Aiflux, ein
Wärmeverlust der Hautdecke wird also für das Zentralnerven¬
system selbst weniger direkter Ausgleichsmaßnabmen bedürfen.
(Fortsotzuog folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
A. Mari6nbad. Zur Ehrung der Manen des Historiker und
Balneologen Dr. Adalbert Danzer, welcher sich um die Geschichte
unserer Kurstadt unvergängliche Verdienste erworben hat, haben
Freunde und Verehrer des Verewigten eine Aktion eingeleitet,
damit ihm in seinem Sterbehause im „König von Bayern“ eine
Gedenktafel errichtet werde.
X Chariottanbrunn. Der Besuch des Kurortes Charlotten-
brunn war im Jahre 1905 ein ganz besonders erfreulicher. Die
Zahl der Kurgäste betrug 1063 (806) Familien mit 2076 (1581)
Personen, diejenige der Vergnügungsreisenden 1181 (994) Fami¬
lien mit 1517 (1489) Personen, die GesamtbesudierztJd denmach
2244 (1800) Familien mit 3593 (3070) Personen. (Gegen das
Vorjahr mehr 444 Familien mit 523 Personen.) Der Brunnen¬
verbrauch war bedeutend und betrag allein aus 384 Brunnen-
scheinen ca. 47 000 Flaschen. Der Versand umfasste 8645 Fla¬
schen, oder 869 Flaschen mehr als im Voijahre. An Bädern
wurden 6563 verabreicht, 736 mehr als im Vorjahre und 2270
mehr als 1903. Dieselben verteilen sich auf 224 Mineralbäder,
178 Fangobehandlungen und Moorbäder, 1866 Süsswasserbäder,
89 Solebäder, 58 Dampfkastenbäder, 2355 Fichtennadelbäder,
1365 Kohlensäurebäder, 102 Duschen- imd Wasserbehandlungen,
259 elektrische Vierzellenbäder, 57 elektrische Lichtbäder und
Bestrahlungen. Die Bäderanlagen wurden durch AufsteUong eines
zweiten elektrischen Vierzellenbades und eines elektrischen Be¬
strahlungsapparates erweitert. Das Inhalatorium wurde durch
einen Anbau erweitert und die Zahl der Stände auf 7 erhöht,
ebenso ein «besonderes Wartezimmer geschaffen und zeitgemäß
ausgestattet. — Für den Verkehr mit Bahnhof Charlottenbrunn
wurde seitens des Bades ein neuer Omnibus beschafft und der
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44
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 11.
bisber mangelhafte Zufahrtsweg neu chaussiert. Pür den Bahn-
hof Tannhausen-Charlottenbnmn wurde noch ün Spätherbst ein
bequemer Fussgängerweg geschaffen, der die Entfernung ganz be¬
deutend abkürzt.
# Davos. Die Besuchsziffer in der ersten Februarwoche
dürfte wohl die kühnsten Erwartungen, die je in Davos gehegt
worden sind, weit übersteigen. 4041 gleichzeitig anwesende Gäste
hatte die Woche zu verzeichnen, etwa 750 Besucher mehr als im
Vorjahre, wobei fast sämtliche hier vertretene Nationalitäten einen
Zuwachs aufweisen. In erster Linie die. deutsche Frequenz, die
mit der imposanten Zahl von 1515 Besuchern um mehr als 300
Gäste die des Vorjahres übersteigt, sodann aber sind auch die
Schweiz, Frankreich, Russland, Belgien mit einem starken Plus
vertreten; selbst die englische Besuchszififer, die zu Beginn der
Saison einen kleinen Rückgang verzeichnete, ist gegenüber dem
vorigen Winter zur Zeit wesentlich im Vorsprung.
X EiSOnach. Das „Eurbad Eisenach“, das jüngste deutsche
Kurbad, soll im Juni dieses Jahres eröffnet werden. Der vier¬
zehntägige Fumpversnch aus der Grossherzogin Karoline-Quelle in
Wilhelmglücksbrunn zeitigte eine tägliche Minimalfbrderung von
500 Kubikmeter Wasser.
X KiOSinQOn. Die diesjährige Badesaison wird bereits am
Ostermontag, 15. April, offiziell eröffnet. Von da bis 1. Mai ist
die Kurmusik, d. h. das Morgen- und Abendkonzert, der Kapelle
des 9. Infanterieregiments in Würzburg übertragen. Vom 1. Mai
ab konzertiert die Kapelle des Wiener Orchester-Vereins. Vom
15. April ab können Trink- und Badekur begonnen werden. Die
Leses^e sind geöffnet. Das Theater begiimt am 1. Mai. Das
Kurhaus und einige Hotels öffnen am 15. April.
X Lauchstädt. Wie im Landtage der Provinz Sachsen der
Oberpräsident mitteilte, schweben Verhandlungen zwischen der
Königl. Staatsregierung und der Provinzial-Verwaltung wegen un¬
entgeltlicher Ueberlassung des Bades Lauchstädt an den.Provin-
zial-Verband zu Eigentumsrechten. Der Provinzial-Ausschuss hat
die zur Wiederherstellung der Gebäude erforderlichen Kosten in
den Etat aufgenommen.
X Oeynhausen. Da das bisherige Kurhaus den Anforde¬
rungen an ein modernes und so stark besuchtes Bad wie Oeyn¬
hausen nicht mehr genügte, wurde im vorigen Herbste mit dem
Bau eines neuen Kurhauses begonnen. Dasselbe wird in den
südlichen, hochgelegenen Teil des Kurparkes mit einem Kosten¬
aufwands von 1 200 000 M. erbaut. Es wird einen grossen Kur¬
saal, Wintergarten, Lesesaal, Rauchsalon, Spielsaal, Speisesaal usw.
enthalten. An die nördliche Front wird sich eine grosse verdeckte
Halle mit zwei Seitenflügeln anschliessen, mit einem 2^/| Morgen
grossen Konzertplatz davor. Um von diesem und den Hallen aus
einen freien Blick zu gewinnen, ist durch Entfernung der An¬
pflanzungen ein freier Raum von ca. 80 m Breite tmd 350 m
Länge geschaffen worden, der mit gärtnerischen Anlagen und
einem 1200 qm grossen Teich versehen wird. In dem Terrain
zwischen Sielkanal und Werre, 200 Morgen umfassend, ist mit
der Anlage eines neuen Parks begonnen worden, der sich von
dem Turbinenhaus bis zum Nadelwehr bei dem benachbarten
Werste erstrecken wird. Auch dieser Park erhält einen 4^/i Morgen
grossen Teich, der im Winter als Schlittschuhbahn dienen soll.
Literatur.
F. Diebold, Baden (Aargau). Das Thermalwassor an
Baden (Aargan). Aargau 1905.
Auf der Fahrt von Zürich nach Genf führt der Zug den
südlich sich wendenden Reisenden auch an dem niedlichen und
sauberen Baden bei Zürich vorbei; man braucht diesen schmucken
Ort bloss einmal gesehen zu haben, um sich ihn ein für alle Mal
einzuprägen. Schliesslich sollte man nicht an ihm vorbeifahren,
denn so manche Reisende, die nach dem Süden sich sehnen, vor
allem die chronischen Bronchitiker und Laryngitiker, sind in Baden
wohl aufgehoben und in strenger, bedachtsamer Kur; dazu kommt
der Vorteil, dass Baden das ganze Jahr hindurch offen ist.
Das Badener Thermalwasser (46,9 Grad) zeichnet sich nicht
bloss durch seine hohen Wärmegrade, sondern auch durch seine
vielseitigen hervortretenden Bestandteile aus.
Hinsichtlich seines Lithium- und Brom-Gehaltes nimmt Baden
den ersten Rang ein.
Hinsichtlioh des Natrium-Gehaltes nimmt Baden eine mittlere
Stelle ein. Daneben enthält Baden auch viel Calcium, Brom und
Schwefel. Das Wasser kann somit ebenso gut zu den Kochsalz¬
wassern gerechnet werden, wie zu den erdigen Quellen oder zu
den Schwefelwassern.
Neuerdings ist auch nachgewiesen worden, dass das Badener
Wasser verhältnismäßig viel Radium enthält. Dr. A. Rahn.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneologleohen Zentralzeitung..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
miuimnm
Mittleres
Temperatur-
mazimum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen-
schein¬
tage
1 Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
25./2.-3./3
6 C.
9,7 0.
1 759
4
3
_
4
_
Badenweiler.
—
' _
—
—
—
Driburg.
—
—
—
—
—
—
—
—
Ems.
1,6 C.
7,6 C.
750,3
7
3
4
3,2
—
Giesshübl-Sauerbrunn . ,
— 0,2 C.
3,6 C.
_
6
1
—
5
—
Franzensbad.
—
—
_
—
—
—
—
—
Herrenalb.
— 1 C.
5 C.
721
6
IV» '
5V,
3—4
—
2 Tage Schnee
Kreuznach .....
—
—
- :
—
—
—
Langenschwalbach , . .
—
—
- '
—
—
—
—
—
Lippspringe.
— 0,2 C.
6 C.
747,6
5
—
—
2,5
—
2 Tage Schnee
Nauheim.
— 0,8 C.
6,9 C.
745,4
4
1
6
1—5
—
Nenndorf.
2V, C.
41/, C.
751,5
6
7
—
—
1 Nacht Sturm
Norderney.
—
—
—
—
—
—
und Siffmee
Orb..
—
—
_
—
_
—
_
_
Reichenhall . , , . • .
—
_
_
_
_
_
_ '
Reinerz.
—
_
_
_
_
—
_
_
Stehen.
n
— 1,8 C.
-h 2,0 C.
710,5
1
3
4
3—4
—
3 Tage Schnee
Venmtwortlieher R«dAkteur: Dr. P. MeUiocr, Berlia. — V«rl«( von Carl Marhold, Halle a. S.
Dniok vos HopBoaaaa'oelio Bncbdniekaroi, Gobr. WolU; Hallo a.
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Vn. Jahrgang. Nr. 12. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.";
Verlag: Carl Marhold in Halte a. $., Ubiandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 2834
1 Redakteur:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
Dr. Stehr, Godesberg.
Dr. Stehr. Godesberg.
Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Beeioflussong des GefKsstonns und der Blutstromgescbwindigkoit durch
thermUcoe und inecbanische Reize. Von Dr. von Niosson-Wiesbaden.
(Fortsetzung).
Fenuletott : Haben Scbiffssanatorien eine Zukunft? Von Dr. Eddy Schacht«
Todtmoos.
Beeinflassung des
Gefässtonus und der Blutstromgescliwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von Niessen-Wiesbaden.
(Fortsetzung)
Um so mehr werden dagegen ableitende Vorgänge intensiverer
Art, unter Umständen sogar partielle periphere Wärmesteige¬
rungen zentral empfunden. Erreicht der cerebrale Gefässtonus
dann ein gewisses Minimum und sinkt der Blutdruck der Hirn¬
rinde unter bestimmte Werte, die im Vergleich zu den übrigen
Organen naturgemäß weit weniger extreme Schwankungen ver¬
tragen, so hilft sich das vasomotorische Zentrum, wie erwähnt,
indirekt durch drucksteigemde Momente: Würgen, Bewegungs-
drai^ und Krämpfe, die ärztliche Kunst durch tonisierende und
die Zirkulation excitierende Mittel, wie physikalische Prozedureu,
Alkohol,*) Kaffee u. dgl. —
•) Nichts vermag ausser dem Fieber mehr den Blutstrom zu
beschleunigen, als der Alkohol im excitierenden Anfangsstadium
seiner Wirkung, nichts allerdings auch mehr die Elastizität
des Gefässtonus zu beeinträchtigen, zu schädigen und zu
lähmen, als dasselbe Gift in seinem paralysierenden Einfluss
Aus <lcu Kiidoru und Kurorten.
Literatur.
Porsoiialieii.
.tleteorologisrhe Statistik.
Das Erbrechen der Graviden und beim Hirndruck (Tumoren,
Chloroformnarkose, Alkoholvergiftung etc.) ist auf die gleiche
Ursache zurückzuführen, ira ersten Fall direkt auf ein Tonus¬
minus durch derivatorische Inanition, beim Hirndruck teils
direkt als Blutdruckausgleichsmittel für die von der Kompres¬
sion genügender Blutzufuhr entzogeuen Gebiete, teils indirekt
auf die infolge der collateralen Stase einer ungenügenden Blut-
emeuerung ausgesetzten Bezirke. In beiden Fällen bringt die
Würgebewegung einen, wenn auch mir passager erhöhten Blut-
bewegiingsimpuls und Blutverteilungsausgleich in die stockende
Zirkulation, ähnlich wie bei den cerebralen Blutdruckschwank¬
auf die Vasomotoren, und darin liegt die cumulative Gefahr
des Alkohols für den Trinker. Tüchtige Excesse im Alkohol-
f enuss brauchen meist 24 Stunden für die Herstellung des
onusgleichgewichts bei Nichtalkoholikem. Beim Gewohn¬
heitstrinker liegen die Verhältnisse komplizierter. Der Alkohol
f ehürt als thermisches Reizmoraent gewiss in das Bereich des
hemas, kann hier aber unmöglich auch nur annähernd im
vollen Umfang seiner Wirkungssphäre auf Tonus und Blut¬
druck besprochen werden. Als physiologisches Produkt des
Kohlehydratstoffw’echsels hat er sicher seine Bedeutung, als
gelegentlicher „Sorgenbrecher“ für den Kulturmenschen sogar
einen gewissen kurativen Wert, es erscheint daher ebenso un¬
möglich wie unberechtigt, ihn dem Organismus völlig entziehen
resp. versagen zu wollen. —
Feuilleton.
Haben Schiffssanatorien eine ZnknnftV
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. Deutschen
Bäderverbandes zu Ems am 5. Oktober 1905.
Von Dr. Bddy Schacht-Todtmoos.
Die medicinische Wissenschaft bat ira Verein mit der
Chemie und Industrie in den letzten Jahrzehnten die leidende
Menschheit mit einer solchen Fülle von neuen Heilmitteln,
Heilapparaten und Heilinstituten beschenkt, dass oft genug der
Arzt m Verlegenheit kommen mag, wo er seine therapeutischen
Hebel ansetzen soll, namentlich, wenn es sich um solche seiner
Kranken handelt, deuen nun einmal mit den besten Drogen
und Patentmedicinen nicht beizukommen ist. Willkommen ist
so gewiss manchem in der Not der reaktionäre Ruf: Zurück
zu den natürlichen Heilmitteln, zurück zur Natur, zur Sonne,
zum Wasser, zur Luft und zum Licht. — Die Periode der
klimatischen und physikalischen Kuren setzt ein. Der Haupt¬
sache nach für ochwindsüchtige und Nervenkranke. Aber
neue Schwierigkeiten erheben sich. Der eine will den Lungen¬
kranken aufs Meer, der^ andere ins Hochtal schicken. * Dieser
sieht das Heil für den Neurastheniker im Höhenklima, und
jener beweist uns, dass nur die Seeluft ihn retten könne. Das
Merkwürdige ist nun, dass beide Recht haben, beide Erfolge
aufweisen können. Und das ist nicht widersinnig, denn wir
wissen, dass bei der günstigen oder ungünstigen Wirkung eines
Klimas nicht nur die bestimmte Erkrankungsart, sondern vor¬
nehmlich die individuelle Veranlagung des Trägers dieser Er¬
krankung in Betracht kommt. Ich darf Sie an die vortrefflichen
Ausführungen von Michaelis erinnern, die wir auf der vor¬
jährigen Versammlung gehört haben.
Zu erforschen, wie ein Klima und seine Komponenten auf
das Individuum in seinen gesunden und kranken Tagen ein-
wiikt, nicht wie es die einzelnen Krankheitsgruppen beeinflusst,
wird die wichtigere Aufgabe der Klimatotherapie sein.
Bisher sind in dieser Hinsicht trotz eifriger und fleissiger
Versuche die Ergebnisse recht geringe. Denken Sie an die
Untersuchungen über die Vermehrung der roten Blutkörperchen
und des Hämoglobingehalls, die Kontrolle des Gaswechsels
in den Bergen und die Stoffwechselversuche an der See und
in der Höhe. Immer ist das Resultat individuell verschieden.
Da heisst es sich vorläufig mit den empirischen Ergebnissen
begnügen — und die sind ja ermunternd genug. —
Wenn wir von dem Wüsten- und Polarklima absehen, so
sind die beiden Klimaarten, die wir vornehmlich therapeutisch
verwerten, das Höhen- und das Seeklima mit ihren Modi¬
fikationen.
Hat man nun schon seit geraumer Zeit in den Gebirgen
Plätze geschaffen oder vorhandene ausgebaut, wo Kranke nicht
nur eine Klimakur durchmachen können —, sondern wo ihnen
I auch alle jene therapeutischen Hilfsmittel zu Gebote stehen,
I die nach dem Stand der modernen wissenschaftlichen Anschau-
Digitlzed by
Google
46
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
Nr. 12.
ungen bei der Seekrankheit, der auch mechanisch bedingte
Blntverteilungsstörungen zu gründe liegen. — Manche Formen
von Zwangsbewegungen, als Potenzierungen des Sichschüttelns
und Heriimspringeus, der schnellere Gangart beim Frieren,
ferner das stets unbefriedigte, rastlose Haschen nach neuen
Eindrücken und Reizmomenten der „hungernden Seelen“
gehört mit in dies Kapitel, ebenso manches psychopathische
S^Tnptom bei anämischen Zuständen, bei Onanie, puerperalen
Psychosen etc. — Es kann schliesslich nur vorübergehend
auf die durch corticale Vasospasmen reflektorisch ausgo-
lösten Krämpfe, Epilepsieen, hysterischen Kontrakturen und
Konvulsionen hingewiesen werden, die eine in Unordnung
geratene Blutzufuhr in expansiver, aber oft unzweckmäßiger
resp. ungenügender Weise korrigieren sollen, denn natur¬
gemäß fmgt der hochgradig angespannten Muskelarbeit eine
periphere funktionelle Hyperaemie, die unter Umständen —
ein Circulus vitiosus des hier dann verhängnisvollen Tonus-
wechsels — erneuten Anlass für zentrale V^ospasmen geben
kann.
Das Frösteln und Ueberrieseln beim Urinlassen und beim
Frieren ist das physiologische Pendant zum Fieberschüttelfrost.
In jedem Falle liegt ein Vasospasmus zu Grande, der in jenen
ersten Beispielen durch den Wärmeverlust direkt bedingt ist,
im letzteren als ein diesem adaequater, ich möchte sagen em-
irischer Reiz des vasomotorischen Zentrums aufzufassen ist,
enn hier wie dort folgt dem Schüttelfrost des Tonusplus
kräftigere Herzaktion, erhöhter Roibungscoefficient, Wärmeauf-
^eicherung. begleitet von hier mehr, dort weniger empfundener
Entspannung des Tonus und peripherer, dort regionärer, hier
universaler Hyperaemie, erhöhter Pulsfrequenz und unter Um¬
ständen Sch Weisssekretion, Temperaturausgleich, Fieberabfall.
Unfraglich gehen mit V 2 Liter blntwarmem Urin dem Körper
eine grosse Anzahl Calorieen verloren, ebenso bei der Defä-
cation. Das gleiche tritt in noch erhöhterem Maße beim Ab¬
lass grosser Mengen von Punktionsflüssigkelten ein und der
reflektorische Einfluss auf die Vasomotoren und ihr Zentrum
scheint mir für die hierbei leicht vorkommenden Collapse nicht
unterschätzt werden zu dürfen, was einem jeden erfahrenen
Kliniker geläufig ist. —
Im Grunde genommen suchen ja auch die Antifebrilia
nichts anderes zu erreichen, als den Vasospasmus zu lösen,
resp. die Vasoparese zu überreizen, den erschlafften Tonus zur
Norm zurUckzuführen und der durch Reibung resp. Stase ver-
ursacliten Wärmehäufung resp. dem Wärmeverlust, entgegen
ung die Hauptkur in loco weseotlich unterstützen sollen, so
sucht man jetzt den Gedanken zu verwirklichen, in gleicher
und ebenso vollkommener Weise die Heilagentien des See¬
klimas Kranken zugänglich zu machen und zwar durch Er¬
bauung von schwimmenden Sanatorien — Schiffssanatorien —
Sanatorien auf See. Da diese Angelegenheit eine actuelle ist,
möge es mir vergönnt sein, vor Ihnen kurz die Frage zu er¬
örtern: „Haben Schiffssanatorien eine Zukunft?“
Der Gedanke, sich die Heilkraft des Meeres, losgelöst von
allen tellurischen Einflüssen, auf einem besonders eingerichteten
Fahrzeuge oder einem solchen der grösseren Schiffslinien zu
Nutze zu machen, ist bereits älteren Datums.
Schon 1872 finden wir ihn angeregt durch Biermann in
seiner Schrift: Ueber sanatorische Seereisen. 1873 schreibt
Thomas Peacock „Ueber den günstigen Einfluss von Seereisen
auf einige Krankheiten.“ 1875 empfiehlt Faber in Stuttgart
längere Schiffsreisen.
Valentinor und Ruidsay-Belfast (1890 und 91) preisen
den Nutzen der Seereisen aus Gesundheitsrücksichten. 1892
regt Baiser, wohl als erster, den Gedanken an, ein „Sana¬
torium auf See“ zu erbauen. x\uch Sir Hermann Weber
wünscht besondere „therapeutische Schiffe“, E. Sobotta
„schwimmende Sanatorien.“ In fester Gestalt legen 1903
Michael und Maurer ihre detaillierten Pläne für ein Kur-
schiff für Lungenkranke (ein Sanatorium auf hoher See) niede?*,
und im Beginn dieses Jahres hat die Hamburg-Amerika Linie
ihren Prospekt über die Kurfahrten auf dem üceansauatorium
zu wirken. Des Fiebers Zweck ist ja, wenn man so sagen
darf, W’ärmehäufung- und Stoffwechselsteigerung. Nun, wie
diese Vorgänge durch den Tonuswechsel belebt und ge¬
hemmt werden, haben wir vorhin ausgeführt und möchte ich
nicht unterlassen, auf die gerade beim Fieber so hoch poten¬
zierten Vorgänge des Blutzellenverbrauchs und -Ersatzes auf¬
merksam zu machen, der unter dem Gesichtswinkel meiner
Beobachtungen der diglobulativ und conglobulativ-plasmatischen,
regenerativen Vermehrung der Blutzellen für die Wärmeöko¬
nomie und den Stoffumsatz nicht nur, sondern auch für die
Imraunitätslehre manche aufklärenden Momente enthält.
Ein grosser Teil der Fieberwärme ist ja natürlich auf den
durch die Toxine und Ptomaine gestörten Chemismus, die
erhöhte Oxydation des gesteigerten Zellzerfalls der ßacterien-
und Blutkörper zuriickzufüliren und diese Vo^äiige sind es
vornehmlich sogar, die bei länger anhaltenden Fieberprozessen
den Tonus lähmen und den für den Stoffwechsel so unerläss¬
lichen regulären Tonuswechsel ausser Kurs setzen. In
diesen Fällen, z. B bei • dem Typhus, tritt die wunderbare, den
Tonus neu belebende Kraft des kalten Wassers in seine Rechte
und hilft dem infizierten Organismus die Spannkraft seiner
Gefässe und ihr Elastizitäts.spiel neu in Aktion treten zu lassen,
wie er sie beim ersten Angriff selbst angewendet hatte, bevor
ihre übermüdete Funktion versagte.
Eine jede Infektionskrankheit verdiente von dem Gesichts¬
punkte der thermischen Reize, wie sie aus ihr selbst ge¬
boren werden und therapeutisch zu den physiologisch und
meteorologisch gegebenen in Corrolation treten, eingehend stu¬
diert zu werden. Dazu gehören indess klinische Spezialstudien
an umfangreichem Material. —
Die zweite Frage: Was hat das Höhenklima mit dem
Tonus zu tun und wie ist sein wohltätiger resp. nachteiliger
Einfluss darauf zu erklären, gehört vorwiegend in das
Kapitel der mechanischen Reize, wmhrend die erste Frage
sich vorwiegend mit den thermischen befasste.
Die Wirkung des Höhenklimas, wie des Klimas an sich,
ist insofern zu einem grossen Teil eine mechanische, als
der Luft- resp. Barometerdruck und die Luftströmung
direkt mehr weniger belastend auf die Körperoberfläche und
auf ihre besonders fein reagierenden Gefässwandungen ein¬
wirken.
Der Gefässtonus eines stürmischen maritimen Klimas der
Ebene ist ein gänzlich anderer, als der eines geschützten
Höhenklimas im Gebirgswalde. Hier ist der Luftdruck ein jäli
hinausgeschickt, dessen ärztliche Leitung Prof. Schweninger
übernehmen sollte.
Wenn es bisher bei dem Prospekt geblieben, so hegt der
Grund dafür nicht darin, dass dem schwimmenden Sanatorium
eine innere Existenzberechtigung abzusprechen wäre, sondern
dass die materielle Basis für die glückliche Durchführung eines
solchen grossen Unternehmens zur Zeit nicht gesichert scheint,
d. h. die Rentabilität in Frage gestellt ist. Ich darf vielleicht
diesen Gesichtspunkt, wenn ich auch ein wenig abschweife,
einmal verallgemeinern. Sehr häufig hört man Klagen, dass die¬
ses oder jenes Heilmittel zu wenig geschätzt sei, dass dieser
oder jener Kurort mit seinen hochwertigen Quellen noch g^-
nicht gouügend bekannt sei, diese und jene klimatische Station
trotz ihrer wunderbaren Erfolge nicht hinlänglich gewürdigt
würde. Angebot und Nachfrage stehen in klaffendem Gegensatz.
Aber ni. H. vergessen wir nicht, dass auch die Gesundheit
so oft ein materielles Aequivalent hat, dass sie in Geldeswert
umzusetzen ist. Zum Glück ist sie ja in unseren Tagen billiger
geworden.
Wenn jetzt z. B. alljährlich hunderttausende sich neue
Spannkraft, neuen Lebensmut, ja die Gesundheit aus unseren
Seebädern holen, «o ist das die Folge des gehobenen Volks¬
wohlstandes, der verbesserten Verkehrsmittel, der Verbillignpg
des Lebensunterhaltes und der Herabsetzung der Werte mi
allgemeinen, nicht aber der besser erkannten und durch die
Wissenschaft begründeten Vorteile <‘ines Seeaufenthaltes.
Wenn wir in Lindemann’s Buche über Helgoland hinten
die geschichtliche Tabelle durchmustem, so sehen wir, wie der
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im.
BALNEOLOGISCHE CBNTRALZBITUNG
47
wechselnder, relativ hoher, dort ein beständigerer, relativ
niedriger.
Gastein hat z. B. einen mittleren Barometerstand von
678, demgemäß ist hier der mittlere Caliberstand der Blutge¬
fässe natürlich ein verhältnismäßig weiter entlasteter. Ein
Gegenstück dazu wäre Helgoland. —
Von diesen Gesichtspunkten geleitet wird es dem Arzt
leichter sein, die oft nicht so einfache Frage zu entscheiden,
ob einem Kranken ein Aufenthalt im Wildbad, z. B. in dem
herrlichen Schlangenbad, oder an und auf der See dien¬
licher ist. Unter Umständen wirkt sogar eins das andere er¬
gänzend. So wäre Helgoland nach Schlangenbad eine Stei¬
gerung und io vielen Fällen sehr vorteilhalt. Nach systema¬
tisch im Wildbad mittels gelinder Reize gokräftigtem Vasotonus
gäbe das Seebad eine energischere Uebung desselben, eine Vaso-
motion, denn auch im Seebad entspricht die Reaktion auf
den starken Tonusreiz dem resütutiven Stadium, das im Wild¬
bad prävaliert. Freilich ist es ein entsprechend kürzeres, allein
die Ansprüche des heutigen Kulturlebens an den Tonus-
vgechsel sind oft grellere als im Seebad und in einer Kalt¬
wasserheilanstalt. Auf die Ausspannung folgt wieder Anspan¬
nung und die Aufgabe dieser künstlich regulierten Uebung ist
die Gewöhnung an gesteigerte Ansprüche, nach dem Ausgleich
der Bilanzstörung die Ansammlung eines Reservefonds an Spann¬
kraft. Dann ist der endogene, reaktive Tonuswechsel
dem ektogenen, irritativen wieder gewachsen, bis er
früher oder später erneut versagt, anfangs zeitweilig und repa¬
rabel, schliesslich dauernd, erlöschend, falls nicht entsprechend
vorgebeugt wird. —
Bekannt ist, dass die Zahl der roten Blutkörperchen im
Gebirge zunimmt. Wie ist das zu erklären?
Ich habe vorhin wiederholt meine Beobachtungen über
regenerative Vermehrung der Eiythrocyten, ihren Konsum und
ihre Restitution angeführt und dabei ausgeführt, dass Tonns¬
plus und hoher Blutdruck die Erythrocyten in gleicherweise
wie Temperatur-Schwankungen, die ihre Kontraktion bedingen,
zur Ruptur bringen, zerquetschen können und dass ihre con-
globulativ-zellige Regeneration zur Zeit des Tonusminus
und des geringeren Blutdrucks vor sich geht.
Beispiele lehren am besten. Um zu den vorhin genannten
2 weitere hierher gehörige anzuführen, resp. dieselben mehr
von der klimatischen Seite zu beleuchten, so würde ein
Mensch während eines Seebades an einem rauhen, stürmischen
Tage bei hohem Wellenschlag dem Fall entsprechen, wo bei
maximal gesteigertem peripherem Tonus und Blutdruck durch
Kälte, Wasserbewegnng, Wind und Motion die relativ grösste
Menge von Erythrocyten zermalmt wird.
Das Gegenstück wäre jemand, der nach einem warmen
Wildbad in der Mittagssonne*) bei völliger Windstille auf seiner
Terrasse liegend, im behaglichen Gefühl der Wärme, Entspan¬
nung und Leichtigkeit den numerischen Bestand seiner Ery¬
throcyten, ohne viel eigenes Zutun und ohne die kräftigen
Revulsiva jenes Seebades zu nehmen, macht. —
*) Dass Licht- und Sonnenbäder in natura und in Form ihrer
modernen Surrogate neben dem thermischen auch einen mecha¬
nischen , wenn auch noch nicht zu bestimmenden Reiz auf
Integument und Gefässtonus ausüben, kann wohl nicht be¬
stritten werden. (Fortsetznng folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
X Eisonach. Ein Juwel in unserer mit landschaftlichen
Reizen überaus reich ausgestatteten nächsten Umgebung, das herr¬
liche Johannistal, droht der Bauspekulation zum Opfer zu fallen.
Diese aus Weimar gekommene Kunde hat hier wie eine Bombe
eingeschlagen und eine tiefgehende Beunruhigung innerhalb der
gesamten Bürgerschaft hervorgerufen. Das in Frage kommende
Tal ist ein etwa 1 km langer Wiesengrund, der am südlichen
Stadtende in der der Wartburg gegenüberliegenden Richtung
vom Mariental abzweigt und sich in sanftester Steigung zwischen
bewaldeten Bergen hinzieht. Gegen rauhe Winde geschützt, hat es
zudem eine bevorzugte klimatische Lage, und rauscht auch der
Fremdenstrom zumeist an ihm vorbei, so wird es um so mehr und
lieber von der Eisenacher Bevölkerung aufgesneht. Nun ist
zwischen dem Staatsministerium und einem Baumeister ein Vertrag
zu Stande gekommen, wonach das Johannistal und die angrenzen¬
den W'aldpartien in den Privatbesitz des Baumeisters übergehen
sollen, um von diesem mit Villen bebaut zu werden. Dieser Vertrag
bedarf noch der Zustimmung des Landtags, und wenn auch seitens
des Ministeriums ausdrücklich in den Verkaufsbedingungen fest¬
gelegt worden ist, dass das Johannistal weder von seiner land¬
schaftlichen Schönheit etwas einbüssen darf, noch dass unsere Be¬
wohnerschaft das Tal und die anbegenden Höhen als öffentliche
Promenaden verloren gehen, eo ist gleichwohl die öffentliche Meinung
hier ausgesprochen und mit aller Entschiedenheit gegen die Verwirk-
gesundbeitliche Wert des Seeklimas und der Seebäder schon
in den ältesten Zeiten erkannt war, aber erst seit 30 Jahren
kann man z. B. von einem Massenbesuch unserer Seebäder
sprechen.
Ist nun auch aus ökonomischen Gründen die Idee des
Sanatoriums auf hoher See noch nicht verwirklicht worden,
so dürfen wir uns doch die Frage vorlegen, ob seine Existenz
in therapeutischer Hinsicht als Fortschritt zu begrüssen wäre.
Es müsste also zu dem bestehenden etwas neues, vorteilhafteres
bringen, ohne vorhandenes aufzugeben.
l)ie Vorzüge des Seeklimas, dessen Haupteigenschaften,
Reinheit- und Keimfreiheit der Luft, vermehrter Sauerstoff,
Kochsalz- und Ozon- verminderter Kohlensäuregehalt, geringe
Temperatnrschwankung, stärkere Luftströmung, erhöhter Luft¬
druck, hohe, aber ziemlich konstante Feuchtigkeit, starke
Insolation und ihr wohltätiger und gesundheitbringender Ein¬
fluss auf ilen menschlichen Organismus Ihnen allen bekannt
sind, gewähren mehr oder weniger in verschiedenen Modi¬
fikationen alle Seestationen an den Küsten und auf den Inseln.
Ja auch jene Kurhäuser, in denen bestimmte Heilapparate und
therapeutische Anlagen vereinigt sind, um die Seeklimakur zu
vervollständigen, sind vorhanden io Gestalt der Strandsanatorien,
sowohl auf der Festlandsküsto, wie auch auf einer Reihe von
Inseln verschiedener Breiten.
Was könnte ein schwimmendes Sanatorium mehr bieten?
Vor der Beantwortung dieser Frage müssen wir vorerst
zwei Punkte festlegen. Einmal, wie soll das Kurschiff beschaffen
und für welche Art von Kranken soll es bestimmt sein? Wir
denken uns einen genügend grossen Doppelschraubendampfer
mit ausbalanzierten Maschinen und Schlingerkielen, um den
ruhigen Gang zu sichern und so die Gefahren der Seekrank¬
heit nach Möglichkeit zu beseitigen. Die Wohn- und Gesell¬
schaftsräume, wie überhaupt der ganze innere Ausbau müssten
den geltenden hygienischen Prinzipien adaptiert werden. Die
Möglichkeit der Ajiwendung physikalisch-diätischer Heilmethoden
unter der Kontrolle eines tüchtigen, erfahrenen Arztes müsste
gewährleistet werden. Vollständig ausgerüstete Apotheke und
Laboratorium mü.ssten an Bord sein. Kurzum, die Ansprüche,
die wir an ein erstklassiges Sanatorium stellen, müssten er¬
fülltsein. Und das wäre vollauf möglich. Die angewandte Hygiene
auf unseren grossen Pass^erdampfem ist heute einwands¬
frei. Zwei schwerwiegende Punkte, die Kanalisation und die Be¬
seitigung von Abfallstoffen, sind auf dem Meer ja so leicht zu
erledigen. Auf unserem Kurschiff, das ja einem eigenen Zwecke
dienen soll, würde ausserdem in jeder Beziehung besondere
Rücksicht genommen werden können. So würden sich die
Übelstände, die den grossen bestehenden Verkehrsdampfern
noch anhaften, wie die Entwicklung von Rauch und Kohlen¬
staub, der Fettgeruch von der Masimine her, die Ansammlung
und Verunreinigung des Bilgenwassers, die mangelhafte Lüftung
der Innenräume, der Lärm der arbeitenden Maschinen u. s. w.
wohl, wenn auch nicht gänzlich beseitigen, so doch wesentlich
einschränken lassen. (Schloss folgt.)
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48
BALNT50L0GISCHB CENTRALZETTUNG
Nr. 12.
lichung dieses Projektes gerichtet. Da die Entscheidung beim Land¬
tage liegt, so hofft man, das Johannistal doch noch in seiner jetzigen
Gestalt erhalten zu können.
X H6lQ0land. Der anfangs von den Helgoländer Fischern
abgelehnte Antrag der Hamburg-Amerika-Linie, die Landungs¬
brücke zu verlängern, um durch direktes Anlegen der Dampfer die
bisherigen schwierigen Landungsverhältnisse zu beseitigen, ist nun¬
mehr einstimmig von der Gemeinde angenommen worden. Das
malerische Ausschiffen der Passagiere fällt somit künftig fort.
X Karlsbad- Wahrend im Jahre 1904 54960 Personen
Karlsbad besuchten, waren im Jahre 1905 in der Kurstadt an der
Tepl 59736 Badegäste zu verzeichnen. Die Besucher verteilten
sich auf die österreichischen Staaten mit 26139 Personen, auf
Deutschland mit 18 044 (Sachsen 2140) Personen, Asien 269,
Afrika 258, Amerika 3074 und Australien mit 13 Personen. Aus
anderen europäischen Staaten waren 11969 Kurgäste anwesend,
ln diesen Zahlen sind die zahlreichen Passanten, die Karlsbad all¬
jährlich besuchen und sich nicht länger wie sechs Tage daselbst
aufhalten, nicht mit enthalten.
X Soolbad SsizunQSn hat der Kurpark nunmehr durch
Ankauf zweier Gärten eine wesentliche Vergrösserung und Ab¬
rundung erfahren, und so steht dieser Kurpark in seiner ganzen
Ausdehnung mit den umschliessenden ausgedehnten städtischen
Parkanlagen in Verbindung.
X Von dor Ostsooküste. Im Sommsr 1906 werden regel¬
mässig zwei Dampfer den Verkehr zwischen Lübeck, Travemünde,
den oldenburgischen Ostseebädern Niendorf, Timmendorfer Strand,
Scharbeutz nnd Haffkrug, bis nach Neustadt unterhalten im An¬
schluss an die ans- und einlanfenden Züge in Lübeck und Neu¬
stadt. Ausser der schon bekannten „Ilse** wird ein neuer, grösserer
Dampfer eingestellt werden für die Linie und für Extratouren in
die holsteinischen und mecklenburgischen Bäder und Küstenstädte.
In Timmendorfer Strand arbeitet man eifrig mit dem Plan, gegen¬
über dem Seepavillon bei B. Schramm» Hotel mit Hilfe von Staats¬
mitteln eine feste Anlegebrücke herzustellen.
X Wiesbaden hat der Magistrat das Projekt für das
städtische Thermalbad auf dem Adlerterrain nach den Plänen der
Architekten Werz und Huber genehmigt. Die Kosten wurden
von 2535000 Mk. auf 2006 000 Mk. reduziert.
Literatur.
Klonka - Jena. Die gallentreibende Wirkung der „Gicht-
mitteP*. (Zeitschr. f. exp. Pathol. und Therap. 2. Bd.)
Unter den Arzneimitteln, welche gegen die Gicht zur An¬
wendung kommen, kann man drei Gruppen unterscheiden. Die
eine umfasst diejenigen Mittel, welche symptomatisch gereicht
werden, wie die schmerzstillenden, antinenralgisch wirkenden and die
Abführmittel. Mit der EinfUhrnng der Mittel der zweiten Groppe
versuchte man die Lösungs- nnd Ausscheidungsbedlngungen für
die Harnsäure zu verbessern, so durch Darreichung von Alkalien
oder organische, harnsäurelösende Basen: Piperazin, Lycetol, Ly-
sidin U8W. Hierher sind auch das Urotropin nud — wenigstens
lag seiner theiapeutischen Einführung ein derartiger Gedanke za
Grunde I — der Harnstoff zu rechnen. Die dritte Gruppe schliess¬
lich umfasst eine Anzahl von Mitteln, denen man bestimmte spezi¬
fische Einwirkungen auf den Verlauf der Gicht oder wenigstens
auf den Hamsäurestoffwechsel zuschrieb. Diese Mittel sind das
Colchicin, die Chinasäure und ihre Verbindungen bezw. Benzoe¬
säure und die Salicylpräparate.
Für die Mittel der letztgenannten Gruppe suchte K. nach
gemeinsamen Wirkungen. K. konnte an Gallenfistelhunden nach-
weisen, dass den als spezifischen Gichtmittel verwendeten Sab-
stanzen der Benzoesäure, bezw. Chinasäure, der Salicylsäure und
dem Colchicin übereinstimmende cholagoge Wirkungen znkonunen.
Es ist dazu geeignet, die Befunde in Beziehung zusetzen za der
klinisch erprobten, heilkräftigen Wirkung dieser Präparate bei der
Gicht, und er sieht darin seine Vermubang bestätigt, dass die Er¬
scheinung der Gicht vor allem ihre Ursache in den Vorgängen der
Leber haben. A. B.
Personalien.
— Der Schriftführer des Thüringer Bäder-Verbandes, Dr.
Wiedeburg hat sein Amt niedergelegt. An seine Stelle ist
Dr. F. W. Müller, Grosstabarz, gewählt wurden.
— Dr. Ernst von Düring, Professor der Dermatologie an
der Universität Kiel, ist als leitender Arzt an Dr. Lahmanns Heil¬
anstalten „Weisser Hirsch“ berufen worden.
Meteorologische Statistik.
VeraMtaltet vor der Redaktion der Balneologleohen Zentralzeltnng..
Name
Mittleres
Temperatnr-
minimiim
Mittleres
Temperatur-
1 -
Durchschnitt-
lichec
Barometerstand |
Regen¬
tage
Sonnen-
scbein-
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazi a.
11./3.-17./3
4,6 C.
10,3
C.
761
3
1
3
—
—
Dadenweiler.
—
—
—
—
—
—
—
—
Driburg.
n
'Sk.
p
7,2
c.
—
4
4
—
2
—
2 Tage Schnee
Ems ..
— 1
—
—
—
—
—
—
—
Giesshübl-Sauerbninn . .
— 1 C.
3,4
c.
~
6
1
—
5
—
Franzensbad.
—
—
—
—
—
—
—
—
Herrenalb.
2,0 C.
8,5
c.
724
1
4-5
—
3 Tage Schnee
Kreuznach ......
—
—
—
—
—
' —
Langenschwalbach . . .
—
—
—
—
—
—
—
—
Lippspringe.
— 2,2 C.
7 '
c.
750
3
—
2
—
—
2 Tage Schnee
Nauheim.
— 0,1 C.
8,8 '
c.
747,2
3
2
5
1—7
—
Nenudorf .
3 C.
7
c.
754,5
5
—
7
5
—
2 Tage Sturm
Norderney .
—
—
—
—
—
—
—
—
Orb .
—
—
—
—
—
—
—
—
Reichenhall . . , , • .
—
—
—
—
—
—
—
—
Reinerz.
— 4 C.
3
c.
709
—
—
7
5
—
3 Tage Schnee
Steben.
n
2 C.
6
c.
706
2
5
3—4
.
VertintwOTtlicher R«dakt«ur: Dr. P. MeiHner, Berlin. — Verlag von Carl MarhoM, Halle a. S.
Dmck von Heynetanno'sclie Bnchdru^erei. Oebr. WolfT, Halls •.
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Vn. Jahrgang;. Nr. 13. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des „Allg. D. B.-V.*:
Dr. Siebelt, Flinsberg 1. Schl.
Verlag: Carl Marbold in Halle a. $., Uhlandstrasse 6,
Tel.-Adr.: Marhotd Verlag Hailesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
j Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilbelmstrasse 52.
Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt
Beeinflimune des OeftsstoDos uod der Blutstromgescbwiedigkeit darcb
thermiscbe and mecbaniscbe Reize. Von Dr. von NiesseO'Wiesbaden.
(Portsetznng).
FeaUleton: Haben Scbiffssanatorien eine Zukunft? Von Dr. Eddy Schacht*
Todtmoos.
Sltimgsberiehte.
Ans den BSderu and Kurorten.
Personellen.
Beeinflnssang des
Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von Niessen-Wiesbaden.
(Fortsetzung.)
Hier Laben wir wohl das beste Beispiel für Tonusminus
und günstige Zirkulations-Bedingungen. Vielleicht dass diesen
die Verhältnisse, unter denen sich das Kind im Mutterleibe
befindet, noch überlegen sind, wo der im Vergleich zum kind¬
lichen relativ sehr hohe Blutüberdruck für annähernd gleiche
und konstante Tonus- und Zirkulationsverhältnisse im Kindes¬
körper sorgt. Freilich ist selbst intrauterin der Mensch vor
den Tonnsschwingungen der Aussenwelt nicht sicher.
Die vielen hier in Frage kommenden, sehr interessanten
Gesichtspunkte können nicht gut kursorisch berührt werden.
Die estremsten Grade von Tonusentspannung und Blutstrom¬
beschleunigung infolge verminderter peripherer Widerstände
konnten z. B. dadurch erzielt werden, dass jemand in einer
hydropathischen Packung ruhend, HerzstimuJantien bekäme.
Das "Wäre indess ein Experiment, welches unter Umständen
verhängnisvoll ablaufen könnte, etwa wie Viel-Sekt-trinken in
den Tropen, oder umgekehrt, ein kaltes Flussbad unmittelbar
nach einer reichlichen Mahlzeit. Was die Packung für das
Feuilleton.
Haben Schiffssanatorien eine Znknnft?
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. Deutschen
Bäderverbandes zu Ems am 5. Oktober 1905.
Von Dr. Eddy Schacht-Todtmoos.
(Scbloss.)
Die Trinkwasserversorgung und die Verpflegung, auch die
diätetische, bieten heutzutage keine Schwierigkeit mehr. Die
Fabel .von der Eintönigkeit der Schiffskost scheint nun über¬
trieben. Bekanntlich ist das Essen auf den Schiflen unserer
beiden grossen Linien ausgezeichnet. Sanatorien-, Schiffs- oder
Hausmannskost, alle Beköstigungsarten leiden unter einem ge¬
wissen Schematismus, Nur der Wechsel von der einen zur
anderen lässt uns die frühere Verpflegungsart minderwertiger
und eintöniger erscheinen. Eine besondere Einrichtung, die
Anbringung einer oder mehrerer grösseren Schwebekabinen
würde auch bei Seegang eine ungestörte Untersuchung und die
Vornahme etwa nötig werdenden Operationen ermöglichen.
Zeitweilig könnte man sie auch den schwer Seekranken zur
Verfi^ng stellen.
Wamm wählen wir nun den Dampfer und nicht das Segel¬
schiff, das die vorhin erwähnten, jenem anhaftenden Uebel-
Integument in toto, das bedeutet der Priessnitz'sche Um¬
schlag regionär. Territoriale Gefässentspannung und Blutstrom-
beschleunigung, aktive Hyperaemie, sowie collaterale relative
.Anaemie bei Tonusplus, nach Art der Derivation überhaupt.
Was ferner auch nur cursorisch gestreift werden kann, das ist
die resorptive Wirkung, die bei nicht zu lange anhalten¬
dem Tonusminus für die von diesem Zustand betroffenen Ge-
websgebiete eintritt, und zumal bei trockenen Hitzeapplikationen
eine sehr erhebliche werden kann, beruhend auf dem Dmck-
uoterschied, der extravasal im Vergleich zu dem innerhalb des
Gefässrohres entsteht.
Die Blutstromgeschwindigkeit der Peripherie ist um so
grösser, je weiter das GefiissTumen und je kräftiger die Herz¬
tätigkeit ist. Letztere ist dabei direkt von den Widerständen
abhängig und wird durch sehr feine, teils im Herzen selbst,
teils im Zentralnervensystem gelegene Regulatiousapparate aequi-
libriert. Das Gegenstück zur Resorption ist das Oed em: Blut-
druckplus bei relativem Tonusminus. Hier spielen indess auch
noch andere Faktoren mit und ist das Studium der verschie-
deuen Kombinationsmöglichkeiten zwischen Blutquantnm und
Qualität, Gefässkaliber und Durchlässigkeit (Tonus) sowie vis
a tergo-ein ebenso vielseitiges als lehrreiches. —
Es ist indess dafür gesorgt, dass die Bäume nicht in den
Himmel wachsen. Ueberspannung nnd Stagnation sind an¬
haltend in gleicher Weise vom Uebel und weder dnrchzuführen
noch auszuhalten, sie dürfen gewisse Werte nicht übersteigen,
stände nicht besitzt, dagegen von anderer Seite warm befür¬
wortet wird? Hier entscheidet bereits die Bewegungsfreiheit
und die bessere Manöverierfähigkeit des Dampfers. Den Di¬
mensionen eines Segelschiffes werden infolge seiner Eigenart
bald Grenzen gesetzt, und ein kleines Schiff, wie es z. B.
Michael und Maurer skizziert haben, würde im inneren Aus¬
bau arg beschränkt sein, kaum den gewünschten Ansprüchen
genügen können und bei seinen Bewohnern leicht das Gefühl
wachmfen, doch sehr an die „Planke^ gebunden zu sein.
Durch die Anordnung der Segel nnd die Rücksichtnahme auf
den Schwerpunkt ist auch der Hochbau über den Wasserspiegel
beim Segelschiffe wesentlich erschwert Ausserdem ist es bei
Kreuzsee und stärkerem Wind mit dem so sehr gerühmten,
ruhigen, sanften Gang des Segelschiffes bald vorbei. Es kann
dann äusserst ungemütlich werden. — Und eine Hilfsmaschine
sollte das Kursegelschiff von Michaöl und Maurer auch
haben.
Allerdings würden die Kosten für die Erstellung eines
Dampfers sich erheblich höher stellen als für die Eroauung
eines adäquaten Segelschiffes. Das würde bedingen, dass der
Aufenthalt auf demselben ein recht kostspieliger wäre — und
am Ende doch nicht teurer, als in manchen von imseren ersten
Landsanatorien. Somit könnten sich nur reiche Leute diese
Spezialkur leisten. Aber trotzdem würde mit der Zeit die
Nachfr^e dem Angebot entsprechen.
Wer soll nun unser schwimmendes Sanatorium bevölkern?
„Es soll eigentlich mehr sein, als eine blosse Heilstätte
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60
BALNEOLOGI8CHE OBNTRALZEIT(TNG
Nr. 18.
• ~ mntando perseverat natura. Neben dem Tonii.sminug,
das so wohltätig auf die im Kampf ums Dasein, zumal d^r
Städter überspannten Vasomotoren wirkt, ist dem Gebirgsklima
noch ein wesentlicher^ diesen Ruhezustand der-Gefässe, der
auf die Dauer auch nicht heilsam wäre, korrigierender Faktor
eigen, das ist die recht erhebliche Schwankungsgrösse der
Tagestemperatur und Luftfeuchtigkeit, der Unterschied
zwischen Mittagswänue und Morgen- resp. Abendkühle. Der
erquickende Morgentau und der belebende abendliche Berg¬
wind, der gleichsam die spontane Ventilation der Gebirgstäler
darstellt, geben diesem Klima das Gegengewicht für etwaige
Atonieen und Monotonieen. —
Der „tonisierende“ Einfluss braucht nicht immer in einer
Tonuszunahme zu bestehen. In einer Regulierung der ab¬
normen Gefässspannnngsverhältnisse, hier in einem Plus, dort
in einem Minus, und überall in einem geordneten Wechsel der
physiologischen Schwankungen beruht seine belebende Kraft
und Heilwirkung. Sowohl Kälte und Pression, als auch Hitze
und Expansion Kann zur Ruptur der Erytrocyten führen und
so einen sehr wertvollen nutritiven Faktor bilden. Es ist also
dafür gesorgt, dass im hohen Norden wie in den Tropen diese
Vorkehrungen funktionieren. Nicht jeder freilich vermag sich
ihrem Wechsel anzupassen, zu akklimatisieren. —
Man sieht also: Neben der mehr mechanischen Reiz-
wirkuog des Luftdruckes und der Luftbewegung mit
ihren Schwankungen ist für die physiologische Funktion der
Gefässwandungen der thermische Reiz, also der Tempe¬
raturunterschied unerlässlich und im so durch Luft¬
druckschwankungen und Temperaturunterschiede
geübten, wo nötig therapeutisch geregelten Tonns-
weehsel liegt das Geheimnis der Gesundheit und des Wohl¬
befindens u. zw. sowohl unter physiologischen, wie auch
bis zu einem gewissen Grade unter funktionell gestörten
Bedingungen. —
Als Tonusgleichgewicht, oder Eutonie resp. Eu-
cardie, könnte man den Zustand des Wohlbefindens im Wild¬
bade resp. nach dem Aufenthalt dort bezeichnen, wo das Mittel
zwischen Reizansprüchen und reaktiver motorischer Leistungs¬
fähigkeit für Herz und Gefässe erreicht ist. Also um Aus¬
gleich der Ueberreizungen in der einen oder anderen
Richtung handelt es sich, u. zw. dadurch, dass man den Pendel¬
schwingungen Zeit lässt, sich dem Nullpunkt zu nähern, und
alle den Ausgleich störende Magnete entfernt.
Eher ist ein gewisses üebergewicht der Spannkraft
gegenüber den vou neuem wartenden Reizen anzustreben, wie
ja ein solcher Tonus dem physiologischen Zustand entspricht
und auch meist im Wildbade erreicht wird.
Die sogenannte „günstige Nachwirkung“ solcher
Kurven, natürlich nicht nur solcher, beruht zu einem guten
Teil in diesem Wohlgefühl des Kraftzuwachses und der wieder¬
gewonnenen Spannkraft der Gesamtmuskulatur, vornehmlich in-
dess der vasomotorischen den gewohnten Ansprüchen des
Berufslebens gegenüber. So erklärt sich das Gefühl jugend¬
licher Frische und Elastizität, wie es gerade die Wild¬
bäder zumal abgenutzten Gefässnerven verleihen, und mit
Recht spricht man daher hier von der „verjüngenden Wirkung
dieser Art noch lange nicht genügend gewürdigter Kurorte. —
Die Regelmäßigkeit der unter dem Einfluss der Natur-
heilfaktoren spontan sich vollziehenden An- und Entspan¬
nung der Gefässe bei praevalierender Entlastung,
also relativ gesteigertem Tonusminus, die Ruhe, die
der im Berufsleben stets durch Ab- und Ueberspannung ge¬
störten , aufgehaltenen Restitution der ernährenden Blutzml-
elemente und der Gefässinnervation zu gute kommt; das ist
der Mechanismus dieser Art klimatischer*) Heil¬
potenzen, und auf ihm beruht der wohltätige, neu belebende
und Ionisierende Einfluss des Wildbades, den man mit
Recht mit einem Jungbrunnen verglichen hat. —
Nimmt man motorische Vasodilatatoren an, so würde
es sich hier auch um keinen rein passiven Vorgang handeln
und die wohltätige Wirkung mehr in einer Stärkung dieser
schlecht behandelten und geschwächten Antagonisten beruhen.
Mir scheint indess, dass man von motorischen Dilatatoren der
Gefäße oft absehen kann, wenn man annimmt, dass unter ihnen
sensible Nervenelemente zu verstehen sind, die über den je¬
weiligen Spannungsgrad beim vasomotorischen Zentrum Bericht
zu erstatten haben, damit von dort aus rechtzeitig der ße-
fugnisUberschreitung extremer Tonuszustände durch die Vaso¬
motoren vorgebeugt wird. Hier läge also eine Art Gefäss-
nervenrefle'xbogen vör. Gibt es Vasodilatatoren, so wäre
das Wort Gefässlähmung stets genau zu präzisieren. — Mir
scheinen dio eigentlichen Vasodilatatoren, also die Längsmusku¬
latur, hauptsächlich einer übermäßigen longitudinalen Gefass-
ausdehüung (Arterienschlängelung) entgegenzuwirken, während
der Ringmuskulatur neben der Widerstandskraft der Gefäss-
wand vielleicht auch eine gewisse Peristaltik der Blutbeförde-
*) cf. hierzu: Winterkiiren im'Gebirge. Wilhelm Erb. (SaTOitilnng
klinischer Vorträge Nr. 1^71, bei Breitkopf & Härtel-Leipzig.) _
ein problematischer Gesnndungsort, in welchem sanguinische
Hoffnungen sich mit einer vierwöchentlichen Karenz von den
Sünden eines Jahres loskaufen zu können wähnen“, heisst es
in dem Prospekt über das Ozeansanatorium der Hamburg-
Amerika Linie. Ganz recht! Es sollte eine Zufluchtstätte sein
für die, die nach jahrelanger, aufregender and anstrengender
Tätigkeit einen Zusammenbruch ihrer Nerven erlitten haben,
die abgewirtschaftet haben, für alle schweren Neurastheniker,
die mit einer sommerlichen Ferienkur nichts erreichen können,
dann für solche mit Dispositionen für eine Erkrankung oder
mit einer chronischen Infektion, so vor allem für Schwind¬
süchtige im ersten Stadium und die, welche zur Tuberkulose
neigen. Manches andere würde sich nach gesammelten Er¬
fahrungen anreihen lassen. Die überraschend guten Resultate
in den Kinder-Hospizen und Kuranstalten an der Seeküste
weisen namentlich auf Disponierte in den Entwicklungsjahren
hin. Wie in den Schulsanatorien zu Davos könnte anf dem
Schiffssanatorium Gelegenheit zur rationellen geistigen und
köi-])erlichen Entwicklung geboten werden, ein Schulschiff, aber
im anderen Sinne.
Sollte man in dem Zusammenleben von Tuberkulösen mit
anderen Kranken eine Gefahr erblicken, so müste man erstere
ausschliessen, wie es die Hamburg-Amerika-Linie auf ihren
Kurfahrten will, oder für sie ein eigenes Schiff bauen, wie es
Friedrich, Sobotta und Michael vorgeschlagen haben.
Worin würde nun der eigentliche Vorteil eines solchen
Sanatoriums auf See gegenüber einem Strandsanatorinm be¬
stehen?
Seine Ueberlegenheit würde ich in seiner Freizügigkeit
sehen. In idealer Weise würde es die klimatischen Einflüsse
dosieren können. Je nach den Jahreszeiten können wärmere
oder kühlere Breiten aufgesucht werden. Graduell kööüten
die hypo-, die meso- und nyperkinetischen Zonen durchlaufen
werden, wenn ich diese Bezeichnung auf eine Klimaspezies
anwenden darf. Wo eine hypokinetische Zone für ein Indi¬
viduum nicht im gewünschten Rahmen liegt, können wir
korrigierend und paralysierend durch hydrotherapeutische
Maaßnahmen, durch Gymnastik, durch sportliche Betätigung,
durch Anwendung von Luftbädern eingreifen. Auch der Ge¬
brauch der Seebäder würde nicht fortfallen. An Bord sowohl
wie im Meer könnten sie genommen werden. Eine Schutz¬
vorrichtung gegen Raubfische wäre leicht geschaffen. Bas
ganze Leben an Bord würde natürlich vom Arzte nach pröpio'-
lactischen und therapeutischen Gesichtspunkten zu regeln sein.
Eine wohltuende Abwechslung zwischen Kur, ^istiger Be¬
schäftigung und Ruhe wäre Bedingung. Hier würde dem Ante
als Erzieher eine wichtige Aufg^e zufallen. Da das Schiff,
das nicht immer unter Dampf zu sein braucht, keine bestimmte
Route, kein bestimmtes Ziel hat, nur das Einnehmen von Kohlen
und frischen Nahrungsmitteln, sowie die alljährliche Dockung
legen ihm einen gewissen Zwang auf, so ist auch mehr Ge¬
legenheit gegeben, sich mit dem Meer und seinen Bewohnern
eingehender zu beschäftigen, ich möchte nur die Tiefsee- ond
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lOOC.
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
61
ruDg mit obliegt. Jeder Muskel bat seinen physiologischen
Tonus, ein solcher ist auch für die Gefässmuskulatur anzu-
nehmen. Derselbe tritt zumal bei Gefässverletzungen als die
bekannte spontane Blutstillung in Kraft. —
Damit sollen die anderen Heilfaktoren balneo-klimato-thera-
peutischer Art nicht herabgemindert werden, denn im Grunde
genommen muss jede sachgemäße Kur und Therapie auf die
richtige Abwägung von Plus und Minus bei der mechanischen
und thermischen Heizwirkung auf das Gefösssystem, mit einem
Wort, auf eine Aequilibrierung des Tonus-Wechsels
bedacht sein u. zw. in jedem einzelnen Falle in durchaus ver¬
schiedener Weise: dem einen sind die revulsiven Reize des
Wellenschlages und der niederen Temperaturen dienlich, dem
anderen schädlich, dem letzteren frommt dagegen eiu kalmie-
rendes Wildbad, während solches für ersteren zu schwacher
Tabak wäre. Suum cuique. Die ärztliche Kunst besteht darin,
für jeden das Richtige herauszufinden, das eine durch das
andere zu ergänzen. Hierfür soll als drittes und letztes Bei¬
spiel die Kasuistik folgender 2 Fälle einige Fingerzeige enthalten:
1. Major X., Infanterist, 45 Jahre alt. ln der Aszendenz
Nervenkrankheiten. Selbst früher nie ernstlich krank gewesen.
Leidet seit dem Feldzuge an Krampfadern und Rheuma¬
tismus. Hae morrhoidarier. Letzthin Ischias und
Schlaflosigkeit. — Verschiedene Badekuren, Vibrations¬
massage , interne Medicamente und Diät halfen nur vornber-
ehend. Am besten tat gelinde Massage, faradische Bäder,
üble Strahl- und Regendouchen, systematische Atemgymnastik,
mäßiges Radfahren und leichte Terrainkuren in mitUerem Ge¬
birgsklima bei nüchterner Lebensweise und geringer Flüssig¬
keitszufuhr.
2. Marineoffizier Y., 50 Jahre alt. Vater starb an Schlag-
anfall. Sonst stets gesund, hatte er nur infolge von Witte¬
rungsunbill und schroffem klimatischem Wechsel
mehrmals Gelenkrheumatismus. Spezifisch infiziert und starker
Trinker. Seit mehreren Jahren gelegentliche Gichtanfälle,
Atheromatose und heftige Kongestionen nach dem
Kopf, die von Schwindelanfällen und Kopfschmerz
gefolgt sind. Dieselben werden dnrch heisse Kompressen,
Fussbäder und Jodkalium kupiert, durch Mäßigkeit zeitweilig
vermieden. Heisse Thermalbäder in Teplitz und Wiesbaden,
Dampfbäder und hydropathische Packungen haben stets gut
getan, wenn auch nicht dauernden Erfolg erzielt. Der robuste,
vollblütige Mann hat letzthin etwas Eiweiss im Urin und lässt
sich gelegentlich „vorbeugend*^ einen Aderlass machen oder
wenigstens schröpfen. Er behauptet, sich dadurch leichter zu
fühlen, besser zu schlafen und weniger an Schwindel zu leiden.
Absichtlich wählte ich zwei nicht gerade seltene Vor¬
kommnisse der ärztlichen Praxis zumal in Bädern und Heil¬
anstalten. Beide sollen zugleich den hereditären Einfluss
des Tonusverlustes bei gewissen Gefässanomalien mit dem
Resultat teils schlaffer, teils rigider Wandungen andeuten,
wie sie Venen und Arterien betreffen können: Hier also die
Varikosität, dort das Atherom oder die Arteriosklerose.
Der 2. Fall zeigt ferner die deletären Folgezustände orga¬
nischer Störungen auf disponierter Basis, wie sie die
Syphilis an den Gefässwandungen in Form der endarteri-
tiscn - obliterierenden und periarteritisch • hypertrophierenden
Zustände erzeugt, auf solche Weise selbstverständlich wie kaum
ein anderer Prozess die Gefässelastizität und Tonusexkursionen*)
direkt schädigend, ihre zentrale Regulierung indirekt
erschwerend und hemmend. —
Dass die in diesem Fall des weiteren hinzukommenden
Momente hochgradiger thermischer Heize extrem schroffer
Witterungsumschläge, des häufigen Klimawechsels und nament¬
lich des Alkoholmissbrauchs kaum dazu angetan waren, die
Gefässveränderungen rückzubilden und die geschwächte Elasti¬
zität dauernd zu ersetzen, die Innervation zur Norm zurück¬
zuführen, daran ist weniger die Anlage als vornehmlich der
genannte Infektionsprozess schuld, denn das Gefässsystem einer
ge 8 u n d en Seemannsnatur kann schon „einen Puff vertragen“,
und gerade in diesem Beruf wird ja seine Gesundheit auf die
abgehärtete, wetterfeste, anstrengende Lebensweise mit ihren
ermanent wechselnden Einflüssen auf den Tonus zurückgeführt,
ie geeignet ist, auch manche schwächliche Konstitutionen zu
festigen, zu tonisieren. —
Ununterbrochene körperliche Anstrengungen und Strapazen
können sicher zu Schädigungen nicht nur funktioneller Art
führen, sondern auch organische Veränderungen herbeiführen,
an denen in allererster Linie der Gefäesapparat und das vaso¬
motorische Zentrum mit ihren trophiscnen Au^aben be¬
ledigt sind. Wie ein Zuviel, so kann aber auch ein Zuwenig
vom Uebel sein. Um ein Beispiel anzuführen, so würde der
*) Auf die gestörte Tonusfunktion und Innervation mit den
aus diesen resultierenden Ernährungsstörungen der Hirnrinde
und Mednlla ist die progressive Parjuyse und Tabes der Syphi¬
litiker in allererster Lime zurückzuführen, auf die Tuberkulose
in der Aszendenz die auffallende Labilität des Gefässsystems,
so z. B. bei Hysterischen. —
Planktonforschung erwähnen. Das Anlaufen der verschiedenen
Inseln, das ganz nach Gefallen und ohne Programm geschehen
kann, wird viel Abwechslung bringen. Bei geschicktem Vor¬
gehen dürfte das Gefühl der Eintönigkeit und der Einsamkeit
nie aufkommen. Wie wohltuend muss es z. B. für einen
Börsennenrastheniker sein, einmal von Zeitung, Tel^hon und
Telegraph (auch eine Funkenstation dürfte nicht an Bord sein)
verschont zu sein.
Die Möglichkeit des lan^amen Klimawechsels würde auch
verhüten, dass ein Verlust der Reaktionskraft gegen meso- und
hyperkinetisches Klima bei längerem Aufenthalt m einer hypo¬
kinetischen Zone eintritt. Ich darf Sie an die Tatsache er¬
innern, dass eine Reihe von Menschen, besonders aber kranken
Menschen, die von einem meso- oder hyperkinetischen Klima
in ein hypokinetisches übersiedeln, daselost bei längerem Ver¬
weilen die Widerstandskraft gegen das heimatliche Klima ein-
büssen, es späterhin nicht mehr ertragen können.
Wenn der alte Hippokrates schon sagte: Bei langwierigen
Krankheiten ist es gut, den Ort zu verändern, so müssen wir
hinzufügen, aber nicht zu lange am neuen Ort zu bleiben, falls
man Gefahr läuft, seiner Reaktionskraft gegen die heimatlichen
metereologischen Einflüsse verlustig zu gehen. —
Alles in allem möchte ich wohl glauben, dass das Schiffs¬
sanatorium eine nicht zu unterschätzende Bereicherung unserer
therapeutischen Mittel für eine gewisse Klasse von Kranken
bilden würde, und da die zu überwindenden technischen und
ökonomischen Schwierigkeiten keine zu grossen sind, wird uns
die nächste Zeit wohl diese Bereicherung de facto bringen.
Und was in schwankender Erscheinung schwebt.
Befestiget mit dauerhaften Planken 1
Kleine Mitteilungen.
Oer „Apollinarie“-Steinkopfr. Man hiese ihn allgemein so,
weil er seinen MiUionen-Reichtum der Einführung des „Apollinaris“
in England zu danken hatte und sich für diese gute Idee durch
eine Million Pfund Sterling belohnt sah. Ein geborener Mecklen¬
burger, war er anfangs der Siebziger Jahre nach Glasgow gekommen,
wo er aber wenig Glück hatte. Das Blatt wandte sich, als er
1874 mit einem Engländer zusammen das Äpollinarisgescbäft grün¬
dete. Unter SteinkopfPs zugleich kluger und unternehmender
Leitung wuchs es so, dass es 1897 für beinahe zwei Millionen
Pfund Sterling verkauft werden konnte. Steinkopff liess sich seinen
Anteil, etwa eine Million in barem Gelde, auszahlen. Er war
mehrere Jahre Besitzer der „St. James Gazette“, bis er sie 1903
mit schönem Gewinn verkaufte. Er spielte sich als Stockengländer
auf. Sein Blatt schimpfte schlimmer als jedes andere auf Deutsch¬
land, wodurch er sich wohl bei seinen vornehmen englischen Freunden
ini Carlton-Club populär machen wollte. Seine Frau war eine
Frankfurterin und sein einziges Kind hat er an einen schottischen
Aristokraten, den Oberst Stevard Mackenzier, verheiratet.
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52
BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITÜNG
Nr. 13.
best funktionierende periphere GefSsstonus an sich allein
nicht imstande sein, die durch Erkrankung der trophischen
Zentren der Rtickenmarksvorderhörner bedingte Muskelatrophie
aufzuhalten; wo keine Betätigung existiert, da be¬
steht auch kein Bedürfnis. Man muss indess annehmen,
dass jene trophischen Ganglienzellen in einem be¬
stimmten Vertragsverhältnis zum Gefässtonus und
seiner Innervation in den abhängigen Muskelbe¬
zirken stehen. (Fortsetzung folgt.)
Sitzungsbericht.
Acad^mAe de mededne,
Januar-Sitzung.
Robin berichtete über die Tuberkulosemortalität in
Frankreich und Deutschland. Dabei wendet er sich gegen die
Annahme, dass die Mortalität in Frankreich grösser sei als in
Deutschland (39 gegenüber 22 : 10000'. In vielen Fällen sei
chronische Bronchitis mitgezählt, besonders sei die Statistik in
kleinen Landgemeinden nicht verlässlich, andererseits hätten die
angewandten Mittel (Sanatorien), die eine Abnahme der Tuberkulose¬
mortalität zur Folge gehabt haben sollen, in Wirklichkeit gar keinen
Wert gehabt.
Auf Grund französischer Zahlen weist er das bemerkens¬
werte Gesetz nach, dass die Tuberkulosemortalität mit der Dichte
der Bevölkerung abnimmt. Im Jahre 1903 betrug sie in Paria
45,2 auf 10000. In französischen
Städten von 100—492i)00 Einwohner 34,4
n
„ 30—100000
n
32,8
5 »
„ 20— 30000
30,8
n
„ 10— 20000
26 6
„ 5— 10000
23.4
Vf
„ 1— 5000
20,4
Danach wäre also die Durchschuittsmortalität 24,4, was den
22 der deutschen Statistik nahe käme. Dr, St.
Aus den Bädern und Kurorten.
BraunlagB. Die Aufsichtsbehörde hat die Erbaiiung eines
Kurhauses genehmigt. Die Kosten des Baues sind auf 150 000 M.
veranschlagt, die Anlage verzinst sich aus den Einnahmen des
Kurtaxstatus. Der Bau wird im Frühjahr in Angriff genommen
und soll möglichst noch in diesem Sommer im Rohbau fertiggestellt
werden.
Davos. Der Verband Deutscher Post- und Telegraphen-
Assistenten hat anlässlich der Silberhochzeit unseres Kaiserpaares
der hiesigen deutschen Heilstätte für minderbemittelte Lungen¬
kranke als Zuschuss zu den Kosten des am 13. Dezember 1905
eröffneten „Kaiser Wilhelm II, Hauses“ den Betrag von 3000 M.
aus Verbandsmitteln überwiesen.
GÖrbersdorf. Der Chefarzt der Brehmerseben Heilanstalt
bat zehn Betten in dieser Anstalt für lungenkranke Lehrer und
Seminaristen gegen ein Entgelt von vier Mark für die Person
nnd den Tag dem preussischen Kultusminister zur Verfügung ge¬
stellt. Dieser ist nach einem soeben ergangenen Erlasse bereit,
für die in die Anstalt aufzunehmenden Personen das Entgelt von
vier Mark täglich in Form von Unterstützungen zu übernehmen;
von den zehn Plätzen hat Dr. Studt zunächst drei für Seminaristen
und sieben für Volksschullehrer bestimmt.
HerIngodorf. Die Berliner Hotel-Gesellschaft hat den Um¬
bau des ihr geliörenden Kurhauses beschlossen, um mit Rücksicht
auf den bedeutenden Aufschwung, den das Seebad nimmt, das
Kurhaus für einen möglichst langen Aufenthalt von Gästen ge¬
eignet zu machen, d. h. durch Heizvorrichtungen den Aufenthalt
im April — Mai und September — Oktober zu ermöglichen.
Kairo, 28. Februar. Das Hotel du Nil (bisheriger Besitzer
Bäck) wurde für den Preis von 58000 Pfund Sterling an eine
Gesellschaft verkauft. Diese will eine neue Zugangsstrasse zu dem
Hotel herstellen und es baulich renovieren lassen.
Kolborg, 3. März. In unserem Ostseebado \vird Mitte April
ein neugegründetes Schulsanatorium eröffnet werden, in dem
Kindern, für die aus irgendwelchen Gründen längerer Aufenthalt
au der See ärztlicherseits erwünscht ist, Abhärtung, ärztliche Be¬
handlung und gleichzeitig individuell angepasster Schulunterricht
geboten wird. Dieses Schulsanatorium „Kinderheil“ ist das ganze
Jahr geöffnet. An der Spitze des Unternehmens steht der Berliner
Orthopäde Dr. Georg Müller,
Die Bohrungen im Kurpark zu Salzuflen führten zur Er¬
schliessung eines kohlensäurereichen Thermaisprudels. Die Tem¬
peratur am Ausfluss beträgt 25 Grad Celsius, im Bohrloch 34 Grad
Celsius, Chlomatriumgehalt 4 bis 5 Prozent; Ergiebigkeit der
Quelle gegen 200 Liter per Minute, Tiefe des Bohrloches 534 Meter.
Schiorko (Oberharz). Wie schon früher erwähnt, wird in
diesem Jahre hier eine Kurtaxe eingeführt für die Zeit vom 16.
Mai bis 30. September. Sie beträgt bei einem Aufenthalt von
fünf bis sieben Tagen 2 M. für die Person, bei legerem Aufent¬
halt 5 M., für eine Familie von 2 Personen 8 M., für Familien
von mehr als zwei Personen 10 M. für die Saison. Dagegen ist
die Einrichtung in Wegfall gekommen, dass den Gästen Listen
zum Einzeichnen freiwilliger Beiträge für den Harzklub vorgelegt
werden. Es sollen in diesem Jahre nun auch in regelmäßigen
Zeitabständen sowohl in den Anlagen als auch in den einzelnen
Hotels Konzerte stattfinden, an die sich Abends Rennions an-
schliessen.
ln Schwartau (Ostholstein) hat der Besitzer und Gründer
des dortigen Solbades „Elisabethbad“ eine neue Solquelle erbohrt.
Man stiess auf die Solschicht in einer Tiefe von 295 Meter.
Wieshadan. Die Frequenz betrug im letzten Jahre nach
den amtlich geführtan Listen 156515 Personen, die grösste Zahl,
die seither jemals erreicht worden ist. Ausserordentlich sind dem¬
entsprechend anch die Aufwendungen, die für die Interessen des
Kurlebens alljährlich gemacht werden. Kaum geht der Kurhaas-
neubau seiner Vollendung entgegen, so ist bereits ein neues Projekt,
ein mit allen Einrichtungen der Neuzeit versehenes städtisches
Badeetablissement, in der Ausführung begriffen.
Gleashühl Sauerhrunn. Für die diesjährige, vom 15. Mai
bis 15. September währende Saison wurde — neben dem ersten
Kurarzt und Leiter der Kur- und Wasserheilanstalt, Dr. Gnstav
Wawor — Dr. M. Alois Ehrenberger, als zweiter Kurarzt
berufen.
Vermischtes.
— Ein Verband der Kurorte und Sommerfrischen
im Riesen- und Isergebirge ist in Hirschberg begründet worden.
Auf die Aufforderung eines Ausschusses hatten sich bereits 48
Mitglieder gemeldet. Mitglieder sind der Hauptvorstand und einige
Ortsgruppen des Riesengebirgsvereins, Stadt- und Landgemeinden,
Badeverwaltungen, Orts- und Gastwirtsvereine sowie mehrere ein¬
zelne Personen.
Bei der Vorstandswahl wurden gewählt: Arzt Dr. Kleidt
(Schreiberhau) als Vorsitzender, Oberst a. D. Freiherr von Reissniti
(Warmbrunn) als dessen Stellvertreter, Pastor Gebhardt (Brücken-
bergl als Schriftführer, Badearzt Dr. Siebell (Flinsberg) als dessen
Stellvertreter, Bürgermeister Kleinert (Schmiedeberg) als Kassierer,
Rentier Beyer (Agnetendorf) und Schneegrubenbaudenpächtsr
Greulich als Beisitzer. Als erstes Zeichen seiner Wirksamkeit
will der Verband eine vornehm gehaltene Empfehlungsschrift über
das Riesengebirge herausgeben und verbreiten lassen.
Personalien.
— Neuenahr. Dem hiesigen Arzte Dr, Niessen und dem
Kurdirektor Rütten wurde seitens des Pürsten von Hohenzollern
das Ehrenkreuz 3. Klasse des Fürstlich Hohenzollem’schen Haus¬
ordens verliehen.
Verantwortlicher Redakteor: Dr. P, Meissner, Berlin, — Verlac von Carl Marhold, Halle a. S.
Dmek von HojseaaBa'sehe Bachdrackerei, Gebr. Wolff, Halle a.
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Vn. Jahf^ang. Nr. 14. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des ,AUg. D. B.-V.“;
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834
Redakteur:
Dr. med. et. polit Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Die hygienischen nnd sanitiren Einrichtungen in Ems. Von Dr. Ernst-Ems.
Beeinflussung des GcAsstonus und der Blutstromgeschwindigkeit durch
thermische und mechanische Reize. Von Dr. von Niessen-Wiesbadon.
(Fortsetzung).
Feuilleton; Die 27. öffentliche Versammlung der ßalneologischen Gesell¬
schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. Neuos über Eladium.
Aus den Bäderu uud Kurorten.
Fersonallen.
Heteorologiscbe Statistik.
Die hygienischen nnd sanitären
Einrichtungen in Ems.
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allgemeinen
deutschen Bäder-Verbandes zu Ems am 4. Oktober 1905.
Von Dr. Emst-Ems.
Bei der Wahl des Themas für den Vortrag, den ich als
Vertreter des hiesigen Aerztekollegiums heute zu halten die
Ehre habe, habe ich lange geschwankt Da Sie zum ersten-
male Ihre Jahresversammlung in unserer Stadt halten, hätte
es nahe gelegen, Sie mit den mannigfaltigen Kurmitteln be¬
kannt zu machen, welche in seltener Reichhaltigkeit und mo¬
dernster Ausführung den hiesigen Kurfremden zur Verfügung
stehen. Aber besser als der theoretische Vortrag an diesem
Platze, wird Sie die persönliche Besichtigung der Quellen, der
Gewinnung der Quellenprodnkte, der Inhalatorien und Bade-
einrichtungen orientieren, da an Ort und Stelle Ihnen alsdann
von sachkundiger Seite die nötigen Erläuterungen gegeben
werden.
Von einer Besprechung der Indikationen für Ems nehme
ich Abstand, da der grössere Teil der Teilnehmer an den Ver¬
sammlungen des Allgemeinen deutschen Bäderverbandes Nicht-
Aerzte sind, und daher für dieselben derartig rein medicinische
Auseinandersetzungen kein Interesse bieten würden. Nur einen
Augenblick möchte ich hier verweilen und auf einen Fehler
hinweisen, auf welchen fast alle Kurorte und Heilanstalten bei
der Aufstellung ihrer Indikationen verfallen.
In den baineotherapeutischen Lehrbüchern, den Bäder-
Almanachs und den Zeitungsannoncen finden wir die Indi¬
kationen auf eine zu grosse Anzahl von Krankheiten ausgedehnt
und nicht immer den natürlichen Heilmitteln der betreffenden
Kurorte entsprechend aufgestellt. Dieser Fehler wird begangen
durch das Bestreben möglichst viele Patienten anzuziehen.
Aber ich glaube, dass wir dem Ansehen und der Freijuenz
unserer Badeorte besser dienen, wenn wir die Indikationen
entsprechend der Zusammensetzung der Quellen und der Ein¬
richtungen der Kurmittel mehr einschränken, wenigstens genau
unterscheiden zwischen Hanpt- und Nebenindikationen. Da¬
durch würde auch eine Erleichterung für die in der Praxis
stehenden Aerzte bei der Wahl eines Badeortes für ihre Patienten
eintreten. Der Patient soll von seinem Arzte an den Ort ge¬
sandt werden, an welchem die grösste Garantie geboten wird,
jenen von seinen Beschwerden zu heilen. Je besser der Heil¬
erfolg ist, um so grösser ist das Vertrauen des Patienten zu
dem Kurort iu welchem er genesen ist. Das ist die beste Re¬
klame, die wir für unsere Kurorte machen können. Und wir
erreichen sie durch eine richtige Indikationsstellung.
Die starke Konkurrenz unter den einzelnen l^rorten und
die mannigfachen Faktoren, denen Rechnung zu tragen ist, er¬
schweren eine Einigung auf diesem Gebiete. Aber ich glaube,
dass von Seiten der Leiter der Kurorte und Heilanstalten der
ersuch gemacht werden könnte, in gemeinsamer Beratung
Feuilleton.
Die 27. öffentliche Versammlung der
Baineologischen Gesellschaft
in Gemeinschaft mit dem Zentral verbände der
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2.-6. März 1900.
Referent: Dr. Bnrwinkel - Bad Nauheim.
Unter der bewährten Leitung von Liebreich und Winter¬
nitz nahm der diesjährige Kongress der Badeärzte einen überaus
angenehmen und anregenden Verlauf. Zu seiner Begrüssung
batten staatliche und städtische Behörden, sowie die Aerzte-
schaft Dresden’s ihre Vertreter entsandt. Leider hat die Ge¬
sellschaft durch den Tod vier ihrer hervonagendsten Mitglieder
verloren: den Geheimen Sanitätsrat Meyer, den Senior der
Aerzte Aachens, Dr. Schuster in Aachen, Geheimrat Bau¬
mann in Schlangenbad und deu allen Lesern dieser Wochen¬
schrift wohlbekannten Kollegen Gilbert in Baden. In pietät¬
vollen Worten wurde der Verstorbenen gedacht. Unter allge¬
meiner Zustimmung wurden dann die H. H. Fiedler, Exzellenz
und Leibarzt des Königs von Sachsen, der bekannte Kinderarzt
Ptof. Henoch und Prof. A. Schmidt in Dresden zu Ehren¬
mitgliedern der Balneologischen Gesellschaft ernannt. Es ist
wohl in erster Linie den Bemühungen von Piof. Schmidt das
Zustandekommen und glänzende Gelingen des Dresdener Kon¬
gresses zu danken. Auch hat Schmidt während seiner Lehr¬
tätigkeit in Bonn seine Schüler stets veranlasst, möglichst viele
Badeplätze aus eigener Anschauung kennen zu lernen.
Die in CTosser Zahl angemeldeten Vorträge berührten fast
alle Gebiete der praktischen Medicin und haben auch für weitere
ärztliche Kreise besonderes Interesse. Wie fast auf allen Bal¬
neologischen Kongressen nahm die Besprechui^ der Herzleiden
auch diesmal wieder einen Hauptplatz ein. Prof. F.A. Hoffmann-
Leipzig gab in der an ihm gewohnten kritischen und präzisen
Weise eme Uebersicht über die moderne Therapie der
Herzkrankheiten. Grade ihre Lehre hat in den letzten
Dezennien durch die genauere Kenntnis der Arteriosklerose,
Myocaniitis, der Bedeutung der Vasomotoren, durch die Be¬
stimmung des Blutdrucks und der Herzkraft unerwartete Fort¬
schritte gemacht. Jtadurch ist auch die Therapie entschieden
sicherer geworden, aber sie verlangt auch weit mehr Kenntnis
und Nachdenken, als früher. Zudem ist der therapeutische
Apparat in einer so bedenklichen Weise kompliziert worden,
dass gerade durch das Zuviel eine bedenkliche Unsicherheit und
\ ielgeschäftigkeit begünstigt werden. In diesem Gedränge muss
man eine Reihe grundlegender Indikationen festhalten. Zunächst
hat man die ätiologischen Momente zu berücksichtigen und
g(igebenen Falles zu eliminieren. (Missbrauch von Tabak,
Alkohol, Kaffee, Tee, Fettleibigkeit). Sodann kommen 3 Mittel
in Frage, für deren Anwemlung verhältnismässig recht bestimmte
Anhaltspunkte gegeben sind. 1. Die Digit^is, welches am
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BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 14.
unter Hinzuziehung der Aerztevereine der betreffenden Bade¬
orte, die Indikationen einer genauen Prüfung zu unterziehen
und dieselben nach Haupt- und Nebenindikationen je nach der
Zusammensetzung der natürlichen Heilmittel nnd sonst ge-
scliaffenen Kureinrichtnngen neu aufzustellen.
Wieweit dieser Anregung h'olge gegeben werden kann,
überlasse ich dem Vorstande des Bädenrerbandes und komme
nun zu meinem eigentlichen Thema:
„Den hygienischen und sanitären Einrichtungen
unserer Stad Ems“.
Wir begeben uns auf ein Gebiet, auf welchem von einer
Konkurrenz unter den einzelnen Kurorten nicht die Rede sein
kann, auf welchem jeder Badeort nach seiner Frequenz und
nach seinen Mitteln bestrebt sein muss das vollkommenste zu
leisten. Mit grosser Genugtuung werden wir es alle begrüsst
haben, dass in den letzten Jahrzehnten wesentliche Verbesse¬
rungen in hygienischer und sanitärer Beziehung in fast allen
Kurorten und Heilanstalten gemacht worden sind, dass das
Publikum selbst in dieser Hinsicht hohe Anforderungen stellt
nnd auch von Seiten der Regierung bezüglich der sanitären
Einrichtungen eine Reihe von Anforderungen an die Badeorte
gestellt werden. Hand in Hand mit dieser Verbesserung der
Gesundheitsverhältnisse zum Schutze der Heilung suchenden
Fremden geht allerdings auf der anderen Seite eine schwere
pekuniäre Belastung der einzelnen Gemeinden, die es oft nicht
möglich macht in dem Maße, wie es wünschenswert wäre, in
der Verbesserung der hygienischen Einrichtungen vorwärts zu
schreiten. Aus diesem (jrunde ist z. B. bei uns in Ems die
Anlage einer allgemeinen Kanalisation noch nicht fertiggestellt.
Verzögert wurde dieselbe allerdings auch durch die Quellfas.sungen
der letzten Jahre, welche erst fertiggestellt werden mussten, um
durch Legung der Rohre durch das Quellgebiet, diesem keinen
Schaden zuzufügen.
Welche Anforderungen die Regierung bezüglich der gesund¬
heitspolizeilichen Einrichtungen in Badeorten und Sommerfrischen
stellt, zeigt z. B. ein Erlass des König], sächsischen Mioisteriums
vom 4. April 1905. In demselben handelt es sich nur um all¬
gemeine Anordnungen; es ist den Aufsichtsbehörden überlassen,
entsprechende Vorschriften zn geben unter folgenden Gesichts¬
punkten und Anforderungen:
1. Chemisch- und bakteriologisch einwandfreies Trink-
und Nutzwasser.
2. Reguläre Abfuhr und Beseitigung der Abfallstoffe. Für
die nötige Klärung der Abwässer wird das biologische Klär¬
verfahren empfohlen.
sichersten bei Herzmuskelschwäche wirkt. Doch nicht nur bei
herabgesetztem, sondern auch bei erhöhtem Blutdruck zeigt
sich Digitalis wirksam, es beeinflusst neben den Herzmuskel
selbst auch noch die Gefässwände. Seine Hauptindikationen
sind Stauungsklappenfehler und Erkrankungen des Herzmuskels,
viel weniger Erkrankungen der Aortaklappen und arteriellen
Gefässe. Ist der II. Ton an der Herzspitze kaum hörbar oder
an der Basis schwächer als die ersten Töne, dann ist wenig
mehr von der Digitalis zu erhoffen. 2. Das Jod ist vor allem
bei anämischen Leuten mit hoher Spannung im Gefässsystem,
wenn der II. Ton viel zu stark ist, anzuwenden. Doch müssen
die Nieren gesund und keine Basedowsymptome oder Neigung
zu Hämoptoe vorhanden sein. Es kommen also in Betracht:
Aortenlehler. Aneurysmen, Sklerose der Aorta, Coronarien und
poripheren Arterien, hin und wieder auch das Asthma cardiale.
Man soll nicht auf Jahre hinaus Jod geben, sondern nach
4—6 Wochen pausieren nnd, wenn es gut getan hat, erst nach
längerer Zeit von Neuem beginnen. Im allgemeinen eignen sich
Leute mit gewöhnlichem und niedrigem Blutdruck nicht für die
Jodbehandlung. 3. Das kalte Wasser in Form von Kühlapparaten,
Eisbeutel etc. ist das Hauptmittel für die Basedow-Gruppe;
nebenher ist lacto-vegetabile Ernährung am Platz.
Sodann gibt es weitere 3 Mittel, die allen Herzkranken in
gewissem Grade nützlich und zu mehr oder weniger dauernden
Gebrauch zu empfehlen sind. Ihre Anwendung ist daher
auch nicht au so strikte Indikationen geknüpft, nur ist eine
3. Aeusserste Reinlichkeit «nd Sauberkeit der Wohnungen,
Höfe und Strassen.
4. Gut eingerichtete Krankenhänser mit Isolierräumen {Qr
ansteckende Krankheiten.
5. Geeignete Leichenräume für Verstorbene, speziell für
solche, welche an ansteckenden Krankheiten gelitten haben.
6. Geordnetes Desinfektionswesen.
7. Besondere Schutzmaßregeln zur Verhütung der Ver¬
breitung der Tuberkulose.
8. Zweckentsprechende Einrichtungen zur ersten Hilfe¬
leistung bei plötzhchen Uoglücksfällen. (Fortsetzoog folgt.)
BeeinfluBsnng des
Gefässtonus und der Blutstromgeschwindigkeit
durch thermische und mechanische Beize.
Von Dr. von Niessen -Wiesbaden.
(Fortsetzung.)
Am Ende sind diese „trophischen“ Ganglien nichts anderes
als Tonusregulatoren und die Mnskelatrophie eine Folge einer
Erkrankung der Gefässe und ihrer Nerven. Neben der Selbst¬
steuerung des Tonus eigener Gefäßgebiete käme ihnen eine solche
Funktion für ihre abhängigen Muskelpartieen zu, unbeschadet
der Abhängigkeit dieser Funktionen vom vasomotorischen Zen¬
trum.— Mechanische Ueberreizung kann also ernste Folge¬
zustände nach sich ziehen, die zumal auch dem Gefössnerven-
system drohen. Ich erinnere nur neben den Strapazen der
Kriegssoldaten an die zahlreichen Ueberanstrengungen der Be¬
schäftig iings neu rosen.
Als Kierhergehörig sei noch eine extreme mechanische
Keizwirkung angeführt, wie sie bei Unfällen, Erschütterungen,
beim Shock zum bekannten Syinptomenkomplex der trauma-
tiscTien Neurose mit ihren Tachykardi-een und son¬
stigen vasomotorischen Störungen führen kann. —
Es lässt sich sogar eher zugeben, dass die gesunde, den
Vasotonus und damit den Stoffwechsel so energisch and
wechselvoll anregende Lebensweise des Seemannes auf die
Syphilis und manche andere Infektionskrankheit bis zu einem
gewissen Grade einen relativ konsumierenden, resorptiven,
eliminierenden Einfluss ausübt und den Antagonismus g^n
die Diathese unterstützt Dies gilt natürlich nur bedingt and
temporär, in erster Linie für besonders widerstandsfähige ond
wetterfeste Naturen.
richtige Dosierung notwendig: a) die Bedeutung und Wirkung
der Balneotherapie sind am meisten umstritten. Nichts ist ver¬
kehrter als beispielsweise die Nauheimer Bäder in ihrer Wirkung
mit der Digitalis vergleichen zu wollen. Richtig ist wohl der
Standpunkt von Gumprecht, der auf Grund eingehenden Stu¬
diums zu folgendem Resultat kommt: die thermische Wirkung
von Nauheim und ähnlichen Bädern auf die Zirkulation ist im
Beginn der Kur eine Herzentlastung, nämlich so lange die
COj ärmeren Bäder dauern, eine Her/gymnastik und Blutdruck-
Steigerung, sobald CO. reiche kühlere Bäder in Anwendung
kommen. H. möchte den spezifischen Einfluss aufs Herz weniger
betonen, als den allgemein tonisierenden Einfluss auf Darm,
Leber, Herz, Lunge, Nervensystem durch Änre^ng der Haut¬
zirkulation, dadurch bedingter Ableitung des Blutes aus den
inneren Organen und deren besserer Durchblutung. Nach
Nauheim gehören also Leute mit asthmatischen und stenocar-
dischen Anfällen, mit Herzschwäche und Herzdilatation, selbst
wenn mässige Ödeme bestehen, mit beginnender Arteriosklero^,
einerlei ob der Blutdruck normal oder nicht besonders erhöht
ist. Ob die COj Bäder durch die elektrischen Bäder zu ersetzen
sind, hält H. für wahrscheinlich. Die persönlichen Verhältnisse
und der individuelle Eindruck müssen entscheiden, in welc^
Bad oder Sanatorium der Patient am besten geschickt wim.
b) Üeber die Bedeutung der Hygiene speziell der Diät berre^t
ziemliches Einverständnis unter den Aerzten und Missgriffe
kommen hier kaum vor. Das reklamehait aagepriesene Antiskle-
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1906.
BALNEtÄ^OCaseHB CKNTRALZBITUNG
55
Bedenkt maa nämlicli, daas die tlierapeutisch von jenem
Seobfiren ^brauchten kontrastreichen thermischen Reize Her
russischen Bäder eigentlich im kleinen und in gedrängter Form
künstlich imitieren, was die Natur die Seeleute im Beruf
durchzumacheu nötigt, so kann die Methode als eine dorchaiis
zweckmäßige und naturgemäße gebilligt werden, ge^en welche
sogar die Uefässveränderungen Keine Kontraindikation bilden,
so lange sie nicht yorgesohnttener Art sind. Immerhin muss
man diesbezüglich vorsichtig bei der Verordnung der modernen
Seefahrtkuren auf „schwimmenden Sanatorien^ sein. —
Uns^ Marinier batte also keinen Anlass, mit der Vorsehung
wegen der Widerwärtigkeiten seines Berufes besonders zu
rechten. In den vermeintlichen Widerwärtigkeiten li?gt oft
gerade das kurzsichtig verkannte Heil und die Schuld, wenn
die Rechnung nicht stimmt, wird nur zu gern ausserhalb ge¬
sucht, wülirend sie, wie namentlich bei Syphilitikern, inner¬
lich begründet ist. —
Das Dampfbad, die Wärme bewirkt eine maximale Dila¬
tation der oiganisch uud mechanisch durch die Wucherungs-
f irozesse verlegten, eingeengten und funktionell schwerer regu*
ierbaren Gefässlumina, der folgende Ueizeffekt des kalten
Wasaers einer Dusche, oder eines Halbbades, zwar nicht im¬
stande die durch die Hitze vorübergehend gleichsam paraly¬
sierte Gefässwand des Integuments zn nachhaltiger Kon¬
traktion zu bringen, regt renektorisch eine kräftige Piimparboit
des Herzens an, die noch durch Frottieren, Schlagen mit
Besen u. dgl. unterstützt wird. So ist die Blutstromgeschwin-
digkeit eine den Umständen gemäß sehr lebhafte, und den
eapillareii Stasen wird nicht nur vorgebeugt, sondern manches
Hindernis der Blutpassage wird weggeräumt, bis sich die über¬
spannten Gefässwandungen allmühli^ zum gewohnten Kaliber
wieder kontrahieren. —
Wer die Art aus Augenschein und eigener Probe kennt,
wie die Russen ihre Dampfbäder mit obligaten Birkenbesen-
prügeln der Haut nehmen, der wird sich bei genügender Ueber-
legung nicht darüber wundem, dass sich diejenigen unter ihnen,
die sich gelegentlich im Uebermut den Spass machen, sich mit
dem Uliemitzten nackten Körper in den Schnee zu legen, nicht den
geringsten Schaden tun. — Hierher gehören auch die bekannt¬
lich in Japan vielfach gebräuchlichen Bäder bei extrem hohen
Temperaturen, wie sie gegen Syphilis und andere Leiden nach
Prof. Bälz-Tokio dort gebraucht werden, ohne dass dadurch
Schädigungen, Erkältungen und Verweichlichungen erzielt
würden. — Extrem hohe Kälte- und Wärmegrade haben ja
bekanntlich die Eigenschaft gemein, dass sie nach kurz vor¬
übergehendem vasomotorischem Reiz beide vasodilutierend
und gefässlähmend wirken. Je länger die Einwirkung, um
so langwieriger die spontane und bis zu einem gew'issen Grade
auch me künstlich exzitierte Restitution zum normalen Tonus-
aequiliber. — Es sei noch erwähnt, dass die das Gefühl herab¬
setzende Wirkung langanhaltender hoher Wärmegrade ihr Ana¬
logon in der durch mechaiiis(^n Vorguig bedingten Infiltra-
tionsanaesthesie findet —
Der durch die gesteigerte Transpiration solcher Prozeduren
bedingte Wasserveniist wird bald durch Trinken rasch ersetzt
und. ist jedenfalls nicht imstande eine erhebliche Blutdmck-
verminderung zu veranlassen. Im übrigen liegt auch hierin
ein die Tonusschwankungen nicht unwesentlich in Mitleiden¬
schaft ziehendes resp. aus ihnen resultierendes Moment, das
sicherlich auch den Aderlässen*) zu ihrer früheren, z. T. nicht
unberechtigten Beliebtheit verholfen hat. Das» dem Aderlass
ein Tonusplus folgt, ist klar, dass dieses derivatorisch, ent¬
lastend, . ansaugena wirkt und reflektorisch das vasomotorische
Zentrum, die Blutneubildung, den Stoffwechsel anr^end belebt,
ist nicht zu bezweifeln, und diese Ueberlegungen mögen es
sein, die vor einiger Zeit zu der fast para^x erscheinenden
Empfehlung des Aderlasses bei Chlorose und Anaemie geführt
haben. —
Um schliesslich noch mit ein paar Worten auf die allge¬
mein wichtigen Gesichtspunkte einzugehen, die sich auch dem
ersten unserer zwei Fälle für die Praxis abgewinnen lassen,
so Enden wir hier den Typus einer passiv-hyperämischen
Anomalie als Folgezustand einer auf Grund erblicher Dispo¬
sition zur Vasatome mechanisch bedingten venösen Stase, der
bekannten varikösen Gefasserschlaffung. **) —
Ob der Mann, wenn er einen anderen Beruf erwählt
hätte, als den des Infanterieoffiziers, dieser Anlage hätte ent¬
gegenarbeiten können, etwa dadurch, dass er zur See gegangen
wäre, das kann allerdings nur vermutet werden.
Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, wie diese Zu¬
stände sich entwickeln und wie schwer sie, sind sie einmal
entwickelt, sich von selbst rückbilden resp. zu beseitigen sind.
*) cf. J. Bauer. Goscliicbto der Aderlässe. Gekrönte Proissebrift.
1870, bei P. Haiistein-Bonn.
**) Das künstliche venöse Stasen neuerdings curativ bei in¬
fektiösen Prozessen Verwendung finden, ist gewiss genügend be¬
kannt. Die Gefässerweiterung, Blutstromverlangsamung und
der intravenöse Ueberdruck wim hier überernährend, bakterizid
und digestiv auf die überschwemmten Gebiete, die darauf
folgende Entlastung resorptiv.
rosia wird vollständig ersetzt durch Vermehrung der organischen
Säuren in unserer Nahrung, c) Viel zu wenig beachtet ist
bisher das 3. Mittel, eine ordentliche Respiration, und doch
bendMU Oertel’s Erfolge in erster Linie auf ihrer richtigen
Anwendung. Dircb kräftige Inspiration wird das Blut nicht
nur in den Thorax angesogen, es werden auch die Lungen-
oad Herzgefässe erweitert, i^eo deren Durchströmung direkt
gefördert, oer Abfluss des Blutes in den 1. Ventrikel begünstigt.
Auf keine Weise kann man dem Herzen so sicher eine krmtigende
Blutwelle zuführen und seine Ernährung heben. Darum sind
Atemübungen nicht nur in Frühstadien, sondern auch bei vor-
geschrittenen Störungen besonders bei Arteriesklerose zu em¬
pfehlen. —- {Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen,
Neues Ober Radium. Prof. Preebt von der Technischen
Hochschule za Hannover ist es gelungen, bei im Vakuum ge¬
trocknetem Radinmbromid die dauernde Entwicklung eines Gases
von bequem messbarem Druck nachzuweisen. Interessant ist der
Weg, der ihn zu diesem Resultat führte. Er hatte Ende 1904
in ein 2 mm weites Glasröhrcben von '/s mm Wandstärke 25 mgr
Radinmbromid eingeschmolzen, vorher letzteres aber fein pulve¬
risiert und durch längeres Erhitzen von einem Teile seines Kri¬
stallwassers befreit. Anfangs wnrde es zu zahlreichen Messungen
im Eiskalorimeter verwendet. Dana im November v. J. wurde es
mehrere Male in flüssige Luft gebracht und nachher jedes mal
wieder auf Zimmertemperatur erwärmt. Das Röhrchen mit dem
eingeschmolzenen Radinmbromid batte also hierbei Temperatur¬
schwankungen von reichlich 160 Grad durchznmachen. Nachdem
es etwa sieben mal diese Behandlung ertragen batte, explodierte
es plötzlich mit schanfem Knall, während es unberührt auf einem
Holztiscbe lag, 3 Minuten nach dem Herausnehmen aus der
flüseigen Lufr, Die- Kxplosion war so heftig, dass die Glasmasse
in nahezu mikroskopische Teilchen zerstäubt wurde, während das
Eadtumbromid in staubförmiger Verteilung im Dunkeln als leuch¬
tender Sternenhimmel auf dem Fnssboden des Zimmers wieder-
zaiinden war. Die Hauptmasse lag in mehr als 1 m Entfernung,
der Tisch’ war fast frei von Radium. Die Temperaturändernng
i konnte nicht die Ursache der Explosion sein, weil das Glas dann
nnr gesprungen, nicht zerstäubt worden wäre, was unbedingt
auf das Vorhandensein eines bedentenden Ueberdnicks im Innern
des Röhrchens hinwiea. Preebt schätzt ihn auf 20 .Atmosphären.
Demnach hätte also das Radium ein Gas, sei es nun Emanation
oder Helinm von etwa 20 Atmosphären Druck im Laufe von elf
Monaten in dem Röhrchen entwickelt. —
Die österreichische Regierung demonstriert auf der nächsten
Londoner Ausstellung in einem mntoakapähnlichem Apparate
radiumhaltigen Badeschlamm der Schwefelquellen von Baden bei
Wien, der ebenso leuchten soll, wie ein in einem ähnlichen Röhrchen
befindliches Körnchen Radium. Die Emanation soll in Form von
kleinen leuchtenden, nach allen Richtungen aasgeschlenderten Pu*-
tikelchen sichtbar sein. Dr. St.
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56
BALNEOLOöISCHE CENTRALZEITÜNG
Nr. XL
Hier sei uur darauf hingewiesen, wie leicht die interuen
Varicositäten. z. B. der innerhalb des IschiadiciH verlanfenden
Venen, dort mechanische Druckwirkungen verursachen können,
und welche Last gravide Frauen, Haemorrhoidarier und manche
Herzkranke von diesen venösen Atonieen haben.*) —
*) Man muss nicht glauben, dass es ohne Muskel keinen
Tonus gibt, die Kontraktilität des Zellprotoplasmas ist auch eine
Art Tonus. Freilich könnte man einwenden: wer weiss, ob
diese Zelltätigkeit, die wir nicht weiter zu zergliedern vei-
mögen, nicht auch ihrerseits in der Muskelaktion analogen Vor¬
gängen beruht. Auf dem Wechsel von Kontraktion und Expan¬
sion der Zelle beruht z. B. ihre bakterivore Fähigkeit. Die den
Tonus-Wechsel treffenden Reize stellen somit einen wesent¬
lichen Faktor im Antagonismus gegen die Infektionskrank¬
heiten dar, mechanisch-resorptiv, wie chemisch-digestiv. — Viel
zu wenig wird noch die Tatsache berücksichtigt, dass die
Syphilis eine exquisite Gefässkrankheit ist, dass sie auch
die Venen, ja die Capillaren bereits zu einer Zeit in
Mitleidenschaft zieht, wo man von einem Exanthem, also
einer Ausbreitung der Infektionskeime noch nichts wabmimmr.
(Siehe hierzu Meissner, Verhdlg. der Aachener Naturforscher-
versamml. 1900.) — (Schluss folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Ostseobad Bansin. Die Beliebtheit dieses jüngsten unweit
Heringsdorf gelegenen Ostseebades nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Während 1897 nur 380 Badegäste gezählt wurden, erreichte ihre
Zahl in der kurzen Zeit von 8 Jahren die stattliche Summe von
5000 Badegästen. Ausser der schönen Lage und Billigkeit hat
Bansin den Vorzug, die erholungsbedürftigen Grossstädter mit so¬
genannter Kurmusik zu verschonen.
Elster. ln das Elsterhad will der sächsische Staat ganz be¬
deutende Mittel stecken. Während es im letzten Etat mit einem
UeberschuAs von 67800 M. erschien, ist fiir die beiden Jahre 190G
und 1907 ein Zuschuss von 1028000 M. vorgesehen, weil allein
eine Summe von 1147 000 M. für erforderlich erachtet wird, um
eine ganze Reihe Neu- und Erweiterungsbauten vorzuneliinen.
Madsira. Die Madeira-Streitfrage ist nunmehr zum Abschlu-ss
gekommen. Die Sanatorien-Gesellschaft hat auf die Erwerbung
des streitigen Grundstücks vernichtet und ei'hält von der Begie-
niug ein anderes, gleichwertiges Gi-undstück in der Nähe von
Funciml, das sich zur Anlage eine.s Sanatoriums gleichfalls treff¬
lich eignet. Es verlautet, dass die Gesellschaft eine eigene
Schiffsverbindung zwischen Lissabon und Funchal elnrichten und
zu diesem Zwecke mehrere Prachtdampfer erwerben wird, die die
Fahrt von Lissabon nach Madeira in 26 Stunden zurücklegen
sollen; dabei sollen die Fahrpreise niedriger sein, als auf den an¬
deren Dampfern dieser Strecke.
Nauheim. Den Klagen über die Leistungen der Eurkapelle
ist durcli Berufung des Kapellmeisters Winderstein vom Philhar¬
monischen Orchester in Leipzig abgeholfen worden. Dem Gesuch
um Vej'längeiuiig der Kurzeit wurde von der he-sslschen Regierung
nicht stattgegeben.
Schlachtenseo bei Berlin soll Kurort werden. Der Ortsans-
.schuss zur Beratung der Mittel für Hebung x\nd Verschönerung
des Ortes empfahl die Errichtung einer Badeanstalt und eines
Kurhauses am Dubrow-Platz, zu dessen Ausschmückung (eine
Rosenanlage geschaffen werden soll. Das erforderliche Geld soll
durch Einführung einer Kurtaxe gewonnen werden, deren Ülrtrag
zunächst auf 6000 M. jährlich berechnet wird. Die Vorschläge
fanden allgemeine Zustimmung und werden wahrscbeinlluh auch
zur Ausführung gelangen, da der von der Gemeindeverwaltung
geforderte Garantiefonds zum grossen Teil bereits aufgebracht ist.
Wyk auf Föhr. Das Programm für das geplante Stadtjubilänm
unseres Badeortes steht nun endgültig fest. Für den historischen
Festzug sind drei Hauptabteilungen vergessen, von denen die
erste auf vormalige und gegenwärtige Sitten der Inselbewohner
(etwa 20 Gruppen), die zweite auf die Entwicklung des Bade-
lebens (10 Gruppen) und die dritte auf die Lage am Meer be¬
dingten Erwerbsquellen, Schiffahrt und Fischerei (10 Gruppen),
sich beziehen wird. Eine Tribüne soll an passender Stelle errichtet
werden, um in erster Linie den Ehrengästen einen freien Ueber-
blick über den Festzug zu ermöglichen.
Personalien.
— Herr v. Pander, kgl. jjreuss. Leutnant a. D., früher
Kurdirektor in Bad Wildstein ist zum Kurdirektor des Kar- und
Mineralbades Eisenach gewählt worden.
Meteorologische Statistik.
Verasstaltet von der Redaktion der Balneologioohen ZontralzoltHog..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
minim um
Mittleres
Temperatur¬
maximum
Durch.schnitt-
lieber
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
1
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
ö.-14,/4.
1 11,6 c.:
17,7 C.
766,3
—
4
3
—
—
Badenweiler.
—
—
—
—
—
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—
—
Driburg.
n
—
—
—
—
— ■
—
—
—
Ems.
3,5 C.
19.2 C.
762,7
2
7
—
2,9
1
Giesshübl-Sauerbininn . .
1,9 C.
19 C.
—
—
6
1
0,2
—
Franzensbad.
—
—
—
1
—
, —
—
—
Herrenalb.
—
—
—
—
—
■ —
—
—
Kreuznach.
—
—
—
— 1
—
i —
—
—
Laugeuschwalbach . . .
—
—
—
—
—
—
—
—
Lippspringe.
n
5,4 C.
25 C.
7G2
1
6
i —
2,6
—
Nauheim .
2 -8./4.
— 0.1 C.
12,6 C.
757,7
1
4
j 1
1—6
—
Nonndorf .
13 G.
22 C.
771
—
6
1
—
—
Norderney .
1 —
—
—
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—
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—
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Reiuhenhall . , . . • .
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Stehen .
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V«ru>(wortlicber Re<Ukt«ar : Dr. P. MeiMner, Berlin. — Verlag von Carl Marbold, Halle k S.
Dmck von Heynetnann'tche Bucbdnickerei. Gebr. Wolff, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 15. 1906.
Balneolosische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. :
Dr. Sicbelt. Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Maibold In Halle a. S., Uhlandstrasse 6 .
Tei.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Pernaprecber 2834
. Redakteur:
Dr. med. et. pollt. Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuscbriften an die Redaktion erbitten wir aa Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilbelmstrasse S3.
Der Nachdruck aut dieser Zeitschrift Ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Die b^eniscben ond sanitären Einricbtungon in Ems. Von Dr. Emst-Ems.
Beeinfluseting des GeRtsstoous and der Blatstroms^bwindigkeit darcb iber-
miscbeund mccbanische Reize Von Dr. von Niessen-Wiesbaden. Schluss.
FeuiUeton : Die 27. OffentHcbe Versammlung der Balneologischen Gesell¬
schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. Fortsetzung.
Aus den GroAsberzogUeben Anstalten in Baden-Baden. Eleine Uitteilnngen.
Ans den Bidera nnd Kvrorten.
Versaninilnngen nnd Kongresse.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
Die hygienisclien und sanitären
Einrichtungen in Ems.
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allgemeinen
deutschen Bäder-Verbandes zu Kms am 4. Oktober 1905.
Von Dr. Emst- Ems.
(Fortsetzung)
Inwieweit wir diesen Forderungen in unserer Stadt bereits
gerecht geworden sind, lassen Sie mich jetzt näher ausführen
und Ihnen zuerst mitteilen, welche hygienische Maßnahmen bei
der Quelifassung, der Einrichtung der Gurgelkabinette, der
Füllräume und Pastillenfabrikation, sowie in den Inhalatorien
und Badehäusern getroffen worden sind, um diese Kurmittel
unseren Bad^ästen so zur Verfügung zu stellen, dass für die¬
selben jede Gefahr einer üebertragung von Krankheitskeimen
ausgescolossen ist.
Bei der Fassung der Quellen durch Heirn Ingenieur
Scherrer wurde mit l>e8onderer Sorgfalt darauf Bedacht ge-
nommeD, den Zutritt von Schmutz- und Tagwasser in das Qiiell-
gebiet durch Aufführung von mächtigen Isolierschichten von
Zement und Lette zu verhindern. Die Fassungsgefässe der
Trinkquellan sind mit Glas überdeckt, sodass mde Verunreinigung
durch Staub und durch Hineinfassen mit ^höpfgefässen oder
durch das Hineiogelangen sonstiger Unsauberkeiten unmöglich
ist. Auch das Füllen der Trinkgläser ist so geregelt, dass diu
Bedienung mit den Fingern nicht mit dem Wasser in Berüh¬
rung kommt.
Die Buffets, in welchen die Brunnengläser gereinigt und
aufgehoben werden, sind in zwei Abteilungen geteilt. In der
ersten werden die Gläser in sanberem Zustande an die Kur¬
gäste ausgegeben, in der zweiten werden sie nach dem Ge¬
brauch abgegeben und mit einer Sahsänrelösung und dann in
ffiessendem Wasser gereinigt und alsdann getrocknet Vor
Verwechslungen schützen Nummern, welche an den Gläsern
angebracht sein müssen.
Da in unserem, Kurort hauptsächlich Erkrankungen der
Atmnngsorgane zur Behandlung kommen, müssen wir beson¬
dere Sorgf^t auf eine schnelle Beseitigung des Aaswurfs ver¬
wenden. Diese Forderung richtig zu eiiüllen, ist sehr schwierig
gewesen, aber jetzt einwandfrei gelungen. Nicht nur in den
Gurgelräumen, deren elegante und saubere Ausstattung ich
Ihrer besonderen Berücksichtigung bei der Besichtignng em¬
pfehle, haben die Speigefässe fliessende Wasserspülung., die¬
selbe ist auch bei sämtlichen Spuckeimem, die in aen Brucnen-
hallen und auf dem Kurhof aufgestellt sind, eingerichtet, so
dass der Auswurf sofort den ^flusskanälen zugeführt wird.
Später sollen auch die in der Wandelbahn beßndlichen Spuck¬
eimer ebenso eingerichtet werden. Einstweilen enthalten sie
eine Scbmierseifenlösung und der Inhalt wird täglich mehrere
male in die Lahn entleert. Auf Veranlassung des Aerzte-
kollegiums ist das Ausspeien auf den Fussboden in sämtlichen
Inhalatorien durch Anschlag verboten und dafür Sorge ge-
Feuilleton.
Die 27. öffentliche Versammlung der
Balneologischen Gesellschaft
in Gemeinschaft mit dem Zentraiverbande der
Baineologen Oesterreichs in Dresden 2.-6. März 1900.
Referent: Dr. Bnrwinkel-Bad Nauheim.
(Fortsetzung.)
Mit der richtigen Anwendung der genannten Mittel ist
eigentlich alles erschöpft. Coffeinpräparate, Calomel. Aether,
Campber, Alkohol, Morphium, Dionin, Chloral. Brom, Nitro¬
glycerin, Punktion der Transsudate sind als Syraptomatika
schätzenswert, kommen aber für die eigentliche Dauerbeband-
lung nicht in Betracht. Besonders weist der Vortragende
darauf hin, dass man eingebildeten Herzkranken öfters be¬
gegnet Bei Hochdrängung des Zwerchfells durch die chro¬
nische Magenblase wird das Herz verlagert und in seiner
Funktion gestört. Einfache Diät und Beseitigung der Obsti¬
pation befreien die Patienten meist schnell von ihren Beklem-
mun^gefühlen und von dem Herzklopfen.
ln der sehr lebhaften Diskussion lobt Winternitz der
Anwendung von zuweilen recht kalten Wasserprozeduren bei
der Arteriosklerose gute Erfolge nach. Gleichzeitig wird Jod- j
kali nur in einmaliger Tagesdosis kurz vorm Zubettgehen ge¬
geben. Oeder hat vom Calomel ganz überraschenden Nutzen
bei cardialem Hydrops gesehen. Strasser warnt vor Calomel,
das zwar eine hervorragende diuretische Bedeutung hat; doch
ist namentlich bei älteren Leuten ein plötzlicher f&tus hinter¬
her nicht selten, wohl infolge abnehmender Gewebsspannung.
Die Wechselbeziehungen zwischen Störungen
der Herztätigkeit und der Verdauungsorgane be¬
spricht Prof. A Schmidt-Dresden. Unter der allgemeinen
Blutstauung infolge von Herzinsuffizienz leiden Mt^^en und
Darm verhältnismäßig wenig, weil das vorgeschaltete Pfort-
aderc^illarsystem den venösen Druck abschwächt. Das ein¬
zige Zreichen schlechter Zirkulation bildet häufig die Gasan-
sammlung im Verdauungsschlauch, welche auf verminderter
Resorption, nicht aber auf vermehrter Zersetzung beruht
Diese Gasauftreibung beeinträchtigt die Herztätigkeit und
schafft so einen Circulus vitiosus. Subjektiv können die von
der Gasansammlung ausgehenden Beschwerden das Krankheits¬
bild völlig beherrschen.
Primäre Erkrankungen des Magens und Darmes, wie Ulcus
und Carcinom, führen nur ausnahmsweise zu Herzstörungen.
Diese seltenen Fälle zeigen dann allerdings oft alarmierende
Symptome. Funktionelle Herzstörungen stellen sich meist im
Anschluss an länger bestehende Magendarmbeschwerden ein
(Colitis niembranacea, Iniliituelle Obstipation etc ). Diese gastro-
genen rc«>p. enterogenen Störungen teilt man zweckm^ig in
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BALNEOLOGISCHB CENTRALZETTÜNG
Nr, 16.
tragen, dass mit Wasser gefüllte Spucknäpfe in ausreichender
Zam zur Verfügung stehen, die täglich mit 2% heisser Soda¬
lösung gereinigt werden. (Fortsetzacg folgt.)
Beeiuflnssung des
Gefässtonus und der Blutstromgescliwmdigkeit
durch thermische und mechanische Reize.
Von Dr. von Niesson-Wiesbaden.
(Schiaas.)
Die Ther^ie ist hier in der Tat recht machtlos und wie
so mancher Praktiker aus eigener Erfahrung weiss, unbe¬
friedigend.
m solchen Fällen sind die entlastenden, tonisierenden,
mittleren klimatischen Höbenluftkurorte und eine systematische,
gelinde mannelle Massage, eventuell mit Faradisation kombi¬
nier^ noch die besten Mittel, neben den Vorkehrungen der
passiven Abflusserleichterung, die bisweilen dauernd Uinisch
verwendet, den Gefässtonus vorübergehend kräftigen kann. —
Im allgemeinen haben die mechanischen ^ize auf den
Gefässtonus und die Blutstromgeschwindigkeit im Vergleich
zu den thermischen und klimatischen, bei welch letzteren
ja auch die thermischen nicht zu eliminieren sind, nur
untergeordneten therapeutischen Wert, wobei ich aktive und
passive Gymnastik ausnehme, da hier die Tonusinnervation
mit den Impulsen der Muskeitätigkeit collateral verlaufend
auch auf den resultierenden Tonus - Zustand unzweifelhaft
energischer anregend und kräftigend einwirkt und so seine
Spannkraft durch den Willen indirekt zu beleben
und zu disziplinieren imstande ist.
Solches tritt bei der Massage mehr reflektorisch,
erst reaktiv und meist ohne jede Einschaltung der Willens¬
tätigkeit ein, ist daher oft nicht von Bestand, weil nicht
durch eigene Kraft erworben, daher zentral nicht ordent¬
lich vertreten und angelegt.
Das kräftigste Durchwalken bleibt ein passiver Vorgang,
der eine aktive Körperarbeit nie ganz zu ersetzen vermag.
Deswegen ist freilich die Massage gerade beliebt, vielleicht
auch w’egen ihrer Nebenwirkung aut die Sinnlichkeitssphäre.
Ihr touisierender Einfluss soll nicht in Abrede gestellt werden,
denn es ist dabei eine Kräftigung der Gefässmuskulatur, direkt
und indirekt, durch die Druckwirkung und wenn auch nur
flüchtige Gefässentlastung anzunehmen.
Ein wirklicher Spannkraftzuwachs ist hier gewöhnlich nur
eine kurze Unterbrechung des durch Ruhe, Atonie und Ueber-
lastung mechanisch angestauten Gefässgebietes, die vorüber¬
gehende Belebtmg eines Trägheitszustandes, den bei
manchen überreizten, sensiblen Naturen möglichst zu erhalten,
allerdings der Zweck der Therapie ist
Ohne die weit kräftigeren und natürlicheren thermischen
Reize der Tagestemperatur-Schwankung, des Witterungsum¬
schlages, der Jahreszeiten und ohne eine willkürliche
Muskelinnervation ist der künstliche mechanische Reiz der
Massage nur ein verhältnismäßig schwaches Hil&mittel, den
Tonus und Blutdruck von der erlahmten Energie zur verloren
gegangenen Selbsttätigkeit wieder anzuregen, zu heben*).
Diese wirkt sonst vielfach nur so lange, resp. so kurz der Reiz
eben anhält, aber nicht lange darüber hinaus. Jedenfalls
ist ihr die Hydrotherapie weit überlegen.
Zudem hat die Massage in ihren Erscnütterungsformen, zu¬
mal die Konkussions- und Vibrationsmassage, wie überhaupt
jede anhaltende, sei es partielle, sei es totale, rythmisch
wiederkehrende Erschütterung des Körpers, nicht nur bei sen¬
siblen Naturen, sehr leicht sogar nachteilige Nebenwirkungen
und KoordinationsstÖrungen der Gefässinnervation im Gefoge.
So können z. B. bisweilen nicht unbedenkliche nervöse
Herzarrythmieen eintreten, die sich einmal als Organgefühl
unliebsam bemerklich machen, andererseits nicht selten länger
anhaltende Hyperaesthesie und nachklin^nde leichte Erregbar¬
keit lind Schwäche, ähnlich der nach Dimtalis, hinterlassen,
wie ja solche Znstände „nervöser Herzen“ nach den
Stössen lange anhaltender Eisenbahn- und Zweiradfahrten ge¬
nugsam bekannt sind. —
Die Schädlichkeiten des Radfahrens beruhen nicht nur in
den Herzdilatationen, sondern auch gerade in diesen nnuuter-
brochen und unberechenbar fortwirkenden Erschütterungen des
Herzmuskels und schliesslich in der durch psychische pMtoren
vielfach interpellierten, an sich reflektorisch schon äusserst
vielseitig in allen Richtungen in Anspruch genommenen Tonus¬
innervarion. Auch die Interferenzen der aktiven Pulswellen
mit den durch das mechanische Auf- und Abschleudem des
Körpers bedingten passiven Blutströmungen sind hierbei, ähn¬
lich wie beim Reiten, zu berücksichtigen, in gleicher Weise
wie die sehr unregelmäßig arbeitende, durch Anekte mancher
*) Durch die Massage bei Mastkuren z. B. kann das Herz
während der Bettruhe derart träge und verwöhnt werden, dass
es bei späteren Ansprüchen den inzwischen gewachsenen Wider¬
ständen gegenüber sich als insufficient erweist. —
3 Gruppen, a) tachykardische und allorhythmische, b) Angina
pectons ähnliche Zustände und c) das sog. Asthma dyspepticum.
An der Hand von Beispielen werden diese verschiedenen Typen
besprochen und betont, dass eine strenge Trennung nicht durch¬
führbar ist und dass insbesondere das Asthma dyspepticum
(eigentlich Tachypnose!) seinen Namen mit Unrecht führt.
Zur Erklärung muss man auf Vagusreflexe und Hochdrängung
des Zwerchfells durch Gasauftreibung im Magen und Darm
zurückgreifen, wie dies Hoffmann durch Röntgenbilder treff¬
lich illustriert hat.
Auf Grund kritischer Sichtung des Materiales nnd seiner
Erfahrungen gelangte Vortragender zu der Ansicht, dass wohl
schon immer eine Schädigung des Herzens re^. seiner Inner¬
vation vorher bestanden und durch die Magenaffektion manifest
geworden ist. Auch für diesen Causalnexus führt er Beispiele
an. Endlich bespricht S. die Diagnose, Prognose und Therapie;
letztere liefert hier die paradoxe Erscheinung, dass ein Herz¬
leiden vom Magen aus und ein Magenleiden vom Herzen aus
kuriert werden muss. (Fortsetzung folgt.)
Aus den Grossherzoglichen Anstalten
in Baden-Baden.
Man kann aus folgenden Zahlen ein hocherfreuliches Fort¬
schreiten in allen Zweigen der Grossh. Badeanstalten in Baden-
Baden erkennen:
Die Gesamtbäder-Frequenz in Baden betrug:
im Jahre 1904 . 186454
im Jahre 1905 . 201816 oder 8,2% mehr.
Die Bäder-Frequenz der Grossh. Badeanstalten betrug:
im Jahre 1904 . 132251
im Jahre 1905 .140717 oder 6% mehr.
Die Heilgymnastischen Anstalten waren besucht:
im Jahre 1904 . . . von 2007 Patienten,
im Jahre 1905 . . . von 2257 oder 12,4% mehr.
Die Anzahl der Inhalationen betrug:
im Jahre 1904 . 12829
im Jahre 1905 . 14205 oder 11,5% mehr.
Während im Jahre 1897 auf einen Fremden 1,89 Bäder
kamen, und sich dieses Verhältnis von Jahr zu Jahr steigerte,
entfielen im Jahre 1905 auf einen Kurgast 2,6 Bäder.
Die Zusammenstellung der Bäderabgabe des Friedrichs-
Bades und Kaiserin Augusta-Bades zusammen ergibt für die
letzten 5 Jahre folgendes Bild: Von insgeraiati. Baden-B.
1901 = 92 343 163842
1902 = 97105 178826
1903 = 98814 187111
1904 = 95528 186454
1905 = 103832 201816.
Es wurden also in ersteren im Jahre 1905 8304 bezw. 8,6%
Bäder mehr abgegeben als im Jahre 1904. und 11489 oder
12,4% mehr als im Jahre 1901. Dabei sind die Fangobäder
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1906.
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
59
Art ^störte Atmung bei vielfach unzweckmäßiger Haltung.
Das Uegenstück hierzu ist die Atem- und Widerstands-
ymnastik mit ihren wohltätigen Einwirkungen auf den
lutumlauf und die Herzstärkung, z. B. bei Dilatationen und
Tachykardieen. Auch hier sind es kräftige Blutwellen, die
dem Herzen zugefUhrt werden, um seine Tätigkeit zu regu¬
lieren, aber unter geordneten, gleichmäßigen und günstigen Be*
dingungen mit aktiv in Bereitschaft gehaltener Tonusinner-
vation und Tonuskontrolle durch das vasomotorische Zentrum
für Herz und Gefasse. —
Die Klopf- und Vibrationsmassage’^) scheint mir daher als
mechanischer Tonus-Reiz und als Blutstromgeschwindigkeit be¬
förderndes Mittel relativ nur bedingt in Frage zu kommen.
Ich halte sie fUr nicht unersetzlich und mr einen durchaus
nicht harmlosen Zweig der Mechanotherapie, den jeder Masseur
und Heilkünstler als neueste Mode in der Medicin planlos an¬
wenden durfte, ohne befürchten zu müssen, dass er damit
schaden könnte. —
Soviel wollte ich, wenn auch nicht mit Statik und Dyna¬
mik, nach Maß und Gewicht, an komplizierten Apparaten uo<i
umständlichen Tierexperimenten, so doch in praktisch, wie ich
hoffe, anschaulicher Weise zur Beleuchtung des überaus viel¬
seitigen Themas beitragen, um zu zeigen, wie der Gefäss-
tonus und die Blutstromgeschwindigkeit durch ther-
*) Auch Peitschenhiebe und Backenstreiche, diese z. B. in
der Chloroformnarkose, wirken unzweifelhaft als Revulsiva auf
den Tonus und Blutdruck, erstere sogar unter sehr lebhafter
Mitbeteiligung höherer Reflexbögen der Psyche und ihrer vaso¬
motorischen Begleiterscheinungen, von der Strieme bis zur
höchsten Affektwirkung.
Ferner sollen Rutenschläge der Glutaeen auf die lenden¬
lahmen Nervi erigentes mit ihrem Concomitat vasomotorischer
Ereignisse, dem Prototjrp physiologischer functio-
neller Hyperaemie, eine reflektorisch-mechanische Reiz
wirkang entfalten können, die übereifrige Pädagogen zu dem
Entschluss geführt haben, von den für die Prügelstrafe prae-
destillierten, edleren Körperteilen abzusehen, aus Furcht vor
verkehrten und nicht gewollten Erziehungsresultaten. Das alte:
„vott hinten aufs Herz wirken“ ist zwar sonach physiologisch
richtig, aber pädagogisch angeblich nicht enmfehlenswert. —
Sicher ist die Erection eins der vielseiti^ten Beispiele, welche
Energie und Kraft der Tonuswechsel und die Blutdruck¬
schwankung zu entfalten vermögem__
mische und mechanische Reize so manuigfach und wunder¬
bar nicht nur physiologisch, sondern auch therapeutisch beein¬
flusst werden können, um den Menschen leistungsfähig an
Muskelkraft und widerstandsfähig gegen Witterungsunbill, fein¬
fühlig gegen die Eindrücke der Aussenwelt und reaktionsstark
gegen ihre Schädlichkeiten zu machen, damit er ihrem un¬
berechenbar bunten Wechselspiel in einem zur Energie er¬
zogenen Körper einen prompt und elastisch funktionie¬
renden, anpassungsfähigen Tonuswechsel gegeu-
überstcllen kann, sei es unbewusst, sei es mit der Erfahrung
und dem Sicherheitsgefühl der Lebensweisheit des:
Mutando perseverat natura.
Llteratiira&snig.
1. Abderhalden: blinüass des HobenkUmas aof die Zasaniniensetzung des
Blutes. Hed. Klinik 9, 05.
2. Baner; Geschichte der Aderlässe. P. Hanstein-Bonn. 1870.
8. Beoce: Klinische Untersnehongen (Iber die Viscosität des Blntes.
Zeitsebr. f. klin. Med. Bd. 58, H. 3 n. 4. cf. aach d. Ref. in d.
Manch Med. 'W'. 7, 06.
4. Bie: Pie Anwendnngdes Lichtes in der Medicin. Bei^ann-Wiesbaden.
5. Bier: Hyperämie als Heilmittel. F. C. V. Vogel-Leipzig.
6. Brieger and Meyer: Licht als Heilmittel. Moderne ärztl. Bibliothek.
Heft 10. Verlag L. Simon Nfg.-Berlin.
7. Bnxbaum: Kompendinm der ^ysikaliscben Therapie. G.Thieme-Leip-
zig.
8. Canon: Die Bakteriologie des Blutes bei Infektionskrankheiten. G.
Fischer* Jena.
9. Determann and Schröder: Die Wirkangen des Höhenklimas anfden
Menschen.
10. Brb: Winterkuren im Gebirge. Samml. ktin. Vorträge No. 271. Breit¬
kopf & Uärtel-Lcipzig.
11. Erloumeyer: Die Steigerung des arter. Blntdrnckes bei der Arterio¬
sklerose n. deren Behandlung. Deutsche med. W. 7, 06.
12. Goldschneider und Jacob: Handbuch der physikalischen Therapie.
13. Haig: Über den Kapillarkreislanf n. den Blomruck. Royal med. and
Chrirurgical society 9. I. 06. (ref. Manch, med. W. 7, 06.)
14. Uobenkliraa und Bergwanderungen in ihren Wirkungen auf den
Menschen bei Oskar Betendes. Berlin W. Baiowstr. 49—
1.5. Holobut: Üb. die Beziehungen zwischen Blutdruck und Zusammen¬
setzung des Blutes. Wien. kltn. W. 49, 05.
16. Krehl; Üb. d. krankhafte Erhöhung d. artor. Druckes. Deutsche med.
W. 47, 05.
17. Lexikon der physikalischen Therapie. Urban & Schwarzen¬
berg-Berlin.
18. Matthes: Handbuch der Hydrotberapie.
19. von Niosson: Regenerative Vermehrung menschlicher Blutzellen.
Virch. Arch. 141.
20. — Die Erklärung und die Ursachen des Schwankens der Erytbrozyten-
zahl. Med. Klinik 29, 05.
21. I'appenbeim: Atlas d. nienscblicben Blutzellen. G. Fischer-Jena.
22. Pick: Kurzgefassto praktische Hydrotherapie.
23. Regenbadkur. Von der Stadt Austin in Texas oingefUbrt.
nicht mit eingerechnet Es ist dies die höchste bisher erreichte
Leistnng unserer Anstalten. Die ausserordentlichen Fortschritte,
die der Badeknrort gemacht hat, springen um so mehr in die
Augen, wenn man erfährt, dass im Jahre 1894 in Baden
109776, im Jahre 1904 dagegen 201816, also nahezu doppelt
so viele oder genau 82 % mehr Bäder abgegeben worden sind.
(Schluss folgt.)
Kleine Mitteilun£:en,
Radioaktivität der Quellen von Baden (Schweiz). Nach
Untersuchungen, die stud. von Susy im Laboratorium von Professor
Gockel in Freiburg (Schweiz) auageführt hat, sind die Quellgose
von Baden (Schweiz) stark Argon haltig. Die Radioaktivität, ge¬
messen in dem von Rache angegebenen Maße (iXlO*), ist gleich
26,ö. Das ist also gleich der Rf^ioaktivität der Gase der Teplitzer
Quelle. Der Emanationsgehalt des Wassers selbst ist unbedeu¬
tend, wie man das bei allen gashaltigen Quellen beobachtet, weil
die Emanation durch das emporstehende Gas mitgerissen wird, er
beträgt in dem oben angegebenen Maße, unmittelbar an der Quelle
gemessen 0,24 bis 0,48, je nach der Quelle. Der Emanations¬
gehalt von Badewasser, das 12 Stunden lang in offenem Becken
gestanden, war auf 0,03 gesunken.
lieber die Mineralquellen des mittelrheinischen Schiefer-
Qebiryee schreibt man der „Frkf. Ztg.“ aus Wiesbaden: ln einem
Vortrag über die Entstehung der Mineralquellen des mittelrhei¬
nischen Schiefergebirges setzt Dr. phil. Grünhut-Wiesbaden der
Lepsiua’schen Theorie eiue neue entgegegen. Nach seiner Auf¬
fassung ergiesst sich ein kochsalzhaltiger Grundwasserstrom aus
den in die Tiefe der oberrheinischen Ebene gesunkenen Gebirgs-
formationen — also zwischen Jura und Vogesen auf der einen,
dem Schwarzwald und Odenwald auf der anderen Seite — wie
zwischen gewaltigen Manem im Erdinnem nordwärts. Die quervor¬
gelagerten, undurchlässigen Formationen des mittelrheinischen
Schiefergebirges hemmen dann den Weiterlauf dieses onterirdisohen
Salzstromes, sodass er in Form der Mineralquellen einen Ausweg
nach der Erdoberfläche Sachen muss; also rechtsrheinisch im Taunus-
gebiet, linksrheinisch in den Gebirgszügen von Hunsrück bis zur
hohen Venn. Den Hauptbestandteil aller Mineralqnellen dieses
grossen Gebietes, denen sich unter mehr lokalen Bedingungen da
und dort noch andere Bestandteile zumischen, bfldet einheitlich
Kochsalz. Die Wärmeunterschiode rühren von der grösseren eder
geringeren Tiefe her, die z. B. beim Wiesbadener Kochbrunnen
mit 64 Grad Celsius auf etwa 2000 Meter geschätzt wird. Den
Häuptunterschied, dass die ganze rechtsrheinische Quellengruppe
kohlensäurehaltig, die linksrheinische dagegen alkalisch ist, erklärt
GrUnhut damit, dass jene eine Kohlensäurezufuhr aus dem Vogels¬
berg erhalte, diesem gewaltigen vorgeschichtlichen Vulkangebiet, ^
das an Grösse dasjenige des Aetna um das Vierfache übertraf.
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60
BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITÜNG
Nr. 16.
24. Rossbach: Lehrbuch der ^ysikaliscbeo Hoilmetboden. Berlin 1882.
25. Rzetko'w^ski: über den Einfluss des Scbwitzens auf die Bintzu*
samoiensetzung. Zeitscbr. f. Di&t u. physikal. Therapie.
26- Schillings: Hydrotherapie. 2. Aufl.
27. P. Schmidt: Beitrag zur Blutregeneration. Mflucbn. med. Woche 13, 03.
28. Singer: Einfluss der Sonnen- und LicbtlAder. Siehe Deutsche med.
Woche 24, 03.
29. Stru b eil - Wien: Über Vasomotoren in den Lungengefässen (Pneumo-
rasomotoren).
30. TUrk: Vortrag Uber Etinische Hämatologie. BraumUllor*Wien.
Aus den Bädern und Kurorten.
Artorn. Die für skropbulöse Kinder Mer errichtete Heil¬
stätte, am Parke des Königlichen Soolbades gelegen, wird am
1. Mai eröffinet. Die Knrzeit dauert bis Ende Septem^r.
Bad Harzburg, Solbad und Gebirgsluftkurort. Unter diesem
Titel ist soeben der diesjährige illustrierte Prospekt von Bad
Harzburg in ganz hervorragend schmuckem Gewände und gediegener
Ausstattung erschienen. Er wird an unsere Leser, die zum Kur¬
gebrauch nach Harzbnrg zu gehen gedenken, auf Wunsch mit
einem ausführlichen Wohnungsverzeichnis, welches sämtliche Preise
enthält, kostenfrei versandt.
Bad Landack. Dem Badearzt'Dr. Herrmann ist für sein
Haus, welches bisher schon der Aufnahme von Kurgästen diente,
die laodesbehördliche Genehmigung als Privatkrankenanstalt er¬
teilt worden. Neben dem in gleicher Weise bereits ^her kon¬
zessionierten medico-mechanischen Institut des Besitzers wird die
Anstalt fortab als Sanatorium für Bewegangsstörimgen, Frauen¬
leiden und Nervenkranke geführt.
Borkum. Unsere seit etwa 50 Jahren bestehende Seebade¬
anstalt hat sich zu einer der besuchtesten deutschen Seebade¬
anstalten emporgeschwungen. Vor einigen Jahren wurde auf
Borkum der Familienbadestrand mit Beibehaltung der bisherigen
Badeplätze eingelührt, so dass auch diesen Wünschen entsprochen
worden ist. Es ist nicht nötig, die Saison abzuwarten, wenn man
nicht kalte Seebäder nehmen will, denn die Einrichtungen für den
Aufenthalt der Fremden bestehen auf Borkum während des ganzen
Jahres.
Driburg. Eis ist im Mai und im September sehr blutarmen
und schwächlichen Personen immer von Wert gewesen, in einer
behaglich durchwärmten Zelle zu baden, und dementsprechend
wurden in diesem Jahre sämtliche Zellen des grossen und kleinen
Badehauses, sowie des Moorbadehauses mit einer Heizanlage ver¬
sehen.
Wioob&don. Das Sanatorium Siegfried in Wiesbaden für
Herz-, Nerven- und Stoffwechselkranke, dessen Leitung Dr. Stehr
in Wiesbaden übernommen hat, hat seine Luft- und Sonnenbäder
des guten Zuspruchs im ersten Jahre ihres Bestehens halber er¬
heblich erweitert. Ausserdem ist eine heizbare Halle zor Durch¬
führung der modernen Skoliosenbebandlung — aktive funktionelle
Gymnastik nach Klapp — errichtet worden. Näheres über diese
Behandlungsmethode und ihre Bedeutung für Sanatorien bleibt
einem Aufsatz, der demnächst in der „Medicinischen Woche** er¬
scheinen wird, Vorbehalten. Das Sanatorium, welches abseits von
dem grossen Betriebe der Badestadt liegt, eignet sich seiner
Höhenlage wegen (216 m) besonders für den Aufenthalt von Neu¬
rasthenikern und kann sich ebenfalls dieser Lage wegen mit, gegen¬
über den Wiesbadener Preisen, sehr mäßigen Sätzen begnü^n.
Versammlungen und Kongresse.
Die Deutsche Gesellschaft für Volksbäder wird
ihre Hauptversammlung am 23. Mai in Worms abhalten.
Die 31. Jahresversammlung des Deutschen Vereins
für öffentliche Gesundheitspflege tagt vom 11. bis 15.
September in Augsburg.
Personalien.
Dem Grossh. Badearzt in Badeuweiler Dr. Schwoerer
wurde seitens des GroMherzogs von Baden der Titel Hofrat ver¬
liehen.
Dr. Karl Dapper in Bad Kissingen ist der Titel Pofessor
beigelegt worden.
Der Chefarzt der badischen Lungenheilstätten Friedrichs-
heitn und Luisenheim in der Nähe des Hochblauen, Dr. Rumpf,
legt diese seine Funktionen nieder, um im Mai d. J. sein eigenes,
auf der Höhe von Ebersteinburg bei Baden-Baden erbautes Sana¬
torium zu übernehmen. Das neue Sanatorium ist nur für leicht-
lungenkranke Damen bestimmt. Die Leitung von Friedricbsheim
und Luiaenheim wird Herr Dr. Curschmann aus Giessen über¬
nehmen.
Meteorologische Statistik.
Veranttaltet von der Redaktion der Balneologleohea Zentralzeltang..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
miuimum
Mittleres
Temperatur-
mazimum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
22.-28./4
9,9
C.
13,7® C.
754,1
6
■PBI
_
_
BadenweQer.
—
—
—
_
Driburg.
16.—22.
3,3
C.
14,4
—
3
1
Ems.
22.-28.
3,3
c.
11,8 C.
751,1
1
2,5
_
Giesshübl-Sauerbrunn . .
3,5
c.
11,2 C.
_
2
■ 0,2
.
Franzensbad.
_
_
_
Herrenalb.
3
6,5 C.
719
3
^B^B
3
Kreuznach.
—
_
_
_
Langeuschwalbach . . .
—
—
—
—
HMH
__
_
Lippspringe .....
3
c.
14,5 C.
749
—
4
_
Frequenz 363
Nauheim.
2,8
c.
12,3 C.
741,9
3
6
1—7
, 1085
Nenndorf.
7,5
c.
13,5 C.
755
6
7
_
Orb.
3,8
15,1 C.
757,4
2
5
_
_
, __
Norderney.
—
—
—
—
_
_
.
Reichenh^ . . . . •
_
_
_
.
_
_
Reinerz .......
_
■
,
_
_
Steben.
—
—
—
—
—
—
—
Verutwortlicher Redakteur: Dr. P. MeiMner, Berlia. — Verlag voa Carl Marhotd, Halle a. S.
Druck eaa HiywiMaaa’ache Bnchdrackcrei. Cebr, WolB, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 16. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des ,AUg. D. B.-V.*;
Dr. Siebelt. Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Martiold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834
Redakteur:
Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wlihelmstrasse 52.
Der Nachdruck aas dieser Zeitschrift ist nur mit Qnellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inhalt
rHe bjgieniflcben and sanitftren Binricbtuogon in Ems. Von Dr. Ernst-Ems.
(Fortsetzung).
Fcnllleton : Dio 27. Oifentlicbe Vorsaromlung dor Balneologiscbcn Gesell¬
schaft. Referent: Dr. Burwinkei-Bad Nauheim. Fortsetzung.
Aus den Gro-ssherzogHchen Anstalten in Baden-Baden. Kleine Uittoilungen.
Ana den Bäderu und Knrorten.
Llteratar.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
Die hygienischen und sanitären
Einrichtungen in Ems.
Vortrag auf der XIV. Jahresversammluog des Allgemeinen
deutschen Bäder-Verbandes zu Ems am 4. Oktober 1905.
Von Dr. Emst-Ems.
(Fortsetzung.)
Auch ist in allen Inhalatorien auf gute Ventilationsein¬
richtung, zweckmäßige Beschafifenheit der Wände und Fuss-
böden, peinliche Reinhaltung der Räume, sowie der Apparate
und der mit permanenter Wasserspülung versehenen marmornen
Tischplatten sorgfältig Bedacht genommen. Die zum Betriebe
verwandte komprimierte Luft wird aus den Berg- und Garten¬
anlagen entnommen und vor ihrer Verwendung noch durch
mehrfach in die Leitung eingeschaltete Wattefiltcr geleitet.
Bei der Besichtigung der Füllräume und der Pastillen¬
fabrikation wird Ihnen nicht nur die äusserst praktische maschi¬
nelle Einrichtung auffallen, sondern vor allem das Prinzip, die
strengste Reinlichkeit zu beobachten und zu erreichen, dass
Menschenhände mit den Quellprodukten so wenig wie möglich
in Berührung kommen.
In unseren Badehäusern finden Sie hohe, luftige Bade¬
zeilen. Die Wannen sind mit weissen Porzellankacheln aus¬
gekleidet und können daher sehr leicht gereinigt werden. Die
wasserreiche Badequelle erlaubt uns Bäder in unbeschränkter
Zahl zu geben.
Wenn Sie in diesen Tagen unsere Quellen und Kurein¬
richtungen besichtigen, hoffe ich, dass Sie den Eindruck ge¬
winnen, dass die ernsten Bemühungen der Königlichen Staats¬
regierung und unserer Stadt, hinsichtlich ihrer hygienischen
Fürsorge für unsere Heilquellen und sonstige Heilmittel nicht
fruchtlos gewesen sind.
Ich wende mich nun einer weiteren Pflicht der Kurorte
zu, für einwandfreies Trinkwasser zu sorgen und eine strenge
Kontrolle der Nahrungsmittel zu handhaben.
Mögen die Einrichtungen eines Kurortes auch noch so
vollkommen sein, ohne eine Wasserleitung mit chemisch und
bakteriologisch reinem Trinkwasser wird derselbe nie zu einer
dauernden Blüte kommen. Ist doch eine der ersten Fragen
eines Fremden beim Betreten des Hotels oder des ärztlichen
Sprechzimmers: „Darf ich das Wasser der Leitung ohne Ge¬
fahr für meine Gesundheit trinken?“ Und sehen wir nicht
bei den Typhusepidemieen immer wieder, dass verunreinigte
Wasserleitungen oder die Benutzung der Brunnen in Ermange¬
lung eines geeigneten Trinkwassers unzählige Bewohner des
betreffenden Ortes an Leben und Gesundheit schädigen. Ob
Quellwasser oder filtriertes Fluss- oder Grundwasser zur Wasser¬
versorgung verwandt wird, hängt von den betreffenden Orts-
j und Gebirgsverhältnissen ab.
Feuilleton.
Die 27. öffentliche Versammlung der
Baineologischen Gesellschaft
in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der
Baineologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6. März 1900.
Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim.
(Fortsetzung.)
Die Angina pectoris ist nach Burwinkel-Nauheim
keine eigentliche Krankheit, sondern nur ein Symptom. Man
unterscheidet eine A. pectoris vera und spuria, auch nervosa
oder vasomotoria genannt. Diese sog. Pseudo-Angina ist teils
toxischen, teils (seltener) reiu neurotischen Ursprunges (Tabak-,
Alkohol-, dyspeptische Angina). Bei der Angina vera handelt
es sich um organisch bedingte Veränderungen an den Coronar-
Arterien, wie dies zahlreiche Sektionen ergeben haben. Diese
Coronar-Angina ist ein keineswegs seltenes Leiden. Vortragender
hat 117 Fälle beobachtet, die sämtlich aus den wohlhabenden
Bevölkerungsklassen stammten. Auffallend war der hohe Pro¬
zentsatz von Juden. Frauen erkranken bedeutend seltener
(16:101 Männer). Klinisch äusserte sich das Leiden meist
erst im mittleren und höheren Alter, aber nicht ganz selten
schon in der 2. Hälfte der 30er Jahre, hin und wieder selbst
früher. Als aetiologische Momente wurden konstatiert:
1. die Lues, bei über 20% der Fälle sicher vorausgegangen;
sie begünstigt anscheinend die Entwicklung der Krankheit in
relativ jugendlichem Alter.
2. Fettsucht, Diabetes und Gicht. Wiederholt stellten sich
stenocardische Beschwerden direkt im Anschluss an forzierte
Entfettungskuren ein. Nicht selten äusserten sich Diabetes und
Nephritis zunächst unter dem Bilde einer Angina (also stets
Urin untersuchen!).
3. Klappenfehler an den Seminularklappen der Aorta
komplizierten sich 16 mal mit Coronarangina, und zwar han¬
delte es sich auch hier um meist jüngere Leute.
4. Die Influenza (nach französischen Autoren auch die Malaria).
5. Die Heredität. Der Alkohol hat anscheinend keine
Bedeutung.
Differentialdiagnostisch ist hervorzuheben, dass die retro¬
sternalen Schmerzen meist bei vorher ganz herzgesunden Per¬
sonen und zunächst nur nach Anstrengungen auftreten, sowie
durch Nahrungsaufnahme verschlimmert werden. Im steno-
cardischen Anfall war die Herztätigkeit regelmäßig gestört.
Muskelrheumatismus und Gallensteinkoliken können mit Angina
pectoris verwechselt werden, Mediastinaltumoren, Wirbelpro¬
zesse und Aortenaneurysmen täuschen gelegentlich Angina vor.
Die Prognose ist nicht absolut schlecht. Ganz vereinzelte
Male erfolgte völliger Ausgleich, relativ häufig Stillstand des
Leidens. Doch ist stets Resen'e am Platz. Der Anfall kann
stets wiederkehren und bei jedem Anfall kann der Tod ein-
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62
BALNBOLOGISCHB CENTRALZEITUNG
Nr. 16.
In unserer Stadt besitzen wir als Trink- und Nutzwasser
filtriertes Grundwasser.
Etwa 10 Minuten oberhalb der Stadt, auf dem linken Lahn¬
ufer, in einem unbewohnten Wiesenterrain, ist ein ca. 300 m
langes Filterrohr eingebaut. Es hat einen Durchmesser von
40 cm und läuft in einer Tiefe von 4 V 2 ^ unter der Boden-
fläche, der Lahn in einer Entfernung von 25 m parallel. Dieses
Filterrohr ist von einem breiten Bing von Steinschlag und
Kiesel in wechselnder Reihenfolge eingeschlossen und ausser¬
dem durch mächtige Schichten von Lehm und Füllmaterial
von der Terrainoberfiäche abgeschlossen. Von diesem Rohre
gelangt das Wasser in einen grossen zementierten Sammel¬
schacht, von welchem es durch eine in der Nähe befindliche
Dampfmaschine in zwei 45 m hoch gelegene Wasserreservoirs
epumpt wird, die zusammen 900 cbm Inhalt haben. Von
iesen Reservoirs werden sämtliche Wasserleitungen unserer
Stadt mit Trink- und Nutzwasser versehen.
Das unser Trinkwasser von tadelloser Beschaffenheit ist,
beweisen die chemischen und bakteriologischen Untersuchungen
die 4 mal im Jahre in der hiesigen NahrungsroitteluntersuchungS'
anstalt durch einen staatlich geprüften und vereidigten Chemiker
durchgeführt werden und bis jetzt stets ein einwandfreies Re¬
sultat ergeben haben. Dasselbe wird regelmäßig in der Emser
Zeitung veröffentlicht.
Hieran anschliessend möchte ich bemerken, dass die grosse
Ergiebigkeit unserer Wasserleitung es uns gestattet, durch
häufiges Besprengen der Strassen und Anisen unsere Kur¬
gäste vor Staubbelästigungen zu schützen. Gegen die Unsitte
vieler Damen ihre Kleider im Eurhofe und den anstossenden
Promenaden schleppen zu lassen, sind wir mit Erfolg dadurch
vorgegangen, dass wir auf Plakaten, die in den Promenaden
angebracht sind, die Damen gebeten haben, im Interesse der
Patienten ihre Kleider nicht schleppen zu lassen.
Die vorhin schon erwähnte Nahrungsmitteluntersuchungs¬
anstalt, die unter Leitung des Herrn Dr. Trost steht, hat
ausser der Untersuchung der Wasserleitung, auch die Kon¬
trolle der noch vorhandenen Pump- und Laufbrunneo. Ferner
werden auf Veranlassung der hiesigen Polizeiverwaltung von
derselben verschiedene Nahrungsmittel, wie Fleisch, Wurst,
Brot, Mehl, Zucker und Spezereien in bestimmten Zwischen¬
räumen untersucht.
Einer besonders scharfen Kontrolle unterliegt der Milch¬
handel in unserer Stadt
Eine ausführliche Polizeiverordnung reguliert den Verkehr
der Milch bezüglich der Beschaffenheit derselben als Voll¬
milch und Magermilch, der Milchgefässe und Milchtransport-
mittel.
Das Einbringen von Milch aus Häusern und Ortschaften,
in welchen ansteckende Krankheiten herrschen, ist solange ver¬
boten, bis der zuständige Kreisarzt bescheinigt hat, dass die
Epidemie erloschen und die notwendige Desmfektion durch¬
gerührt ist In den letzten 3 Jahren sind über 200 Milch¬
untersuchungen in der hiesigen Nahrungsmitteluntersuchungs-
anstait vorgenommen worden. Die beiden hiesigen Milchkur¬
anstalten werden zweimal monatlich durch die ärztlichen
Mitglieder der städtischen Gesundheitskommission besichtigt.
Eine wichtige Neuerung auf sanitärem Gebiete bedeutet
der im vergangenen Jahre dem Betrieb übergebene städtische
Schlachthof, dessen schmucker Gebaudekomplex eine Zierde
unserer Stadt bildet und in seinen Einrichtungen allen An¬
forderungen vollkommen entspricht. Er steht unter Leitung
eines beamteten Tierarztes, des Herrn Dr. Reil, welchem die
Kontrolle nicht nur des dort geschlachteten Viehes, sondern
dos auch von aussen eingebrachten Fleisches, untersteht, so¬
weit es nicht vorher schon tierärztlich untersucht ist.
Die mit dem Schlachthaus verbundene Eisfabrik ermög¬
licht uns, unseren Kurgästen stets keimfreies Eis zum inneren
Gebrauch zur Vei-fügung zu stellen. Sie finden die Pläne des
Schlachthauses hier aufgehängt und nehmen vielleicht später
Gelegenheit dieselben zu besichtigen.
Ich komme nun zu einer weiteren wichtigen sanitären
Fürsorge, der Beseitigung der Abfallstoffe. Ueber die Ent¬
fernung und das Unsch^lichmachen des Sputums habe ich
schon früher eingehend gesprochen. Unsere Hauswasser nnd
atmo^härischen Niederschläge werden durch zementierte Kanäle
und Tonröhren dem Flusse zugeführt. Die Fäkalien gelangen
in zementierte Gruben, die unter polizeilicher Aufsicht regel-
mäßig geleert und auf ihre Dichtigkeit geprüft werden. Die
Hotels und alle dem Kurbetriebe dienenden Logierhäuser sind
mit Spülklosets versehen. Die fiskalischen Gebäude sind an
eine eigene Schwemmkanalisation mit Kläranlage angeschlossen.
Eine allgemeine städtische Kanalisation mit einem Ab¬
wasserreinigungsverfahren (biologisches Klärverfahren), welches
neben der Entfaulung gleichzeitig eine fast völlige Entkeimung
der Schmutzwässer herbeiführt, wird, wie schon erwähnt, diesen
Winter in Angriff genommen. Abgesehen von den hohen
Kosten, die unserer Stadt durch die Anlage einer allgemeinen
Kanalisation erwachsen, war es besonders der Mangel eines
für Emser Verhältnisse geeigneten Abwasserreinigungsverfahrens,
welcher die Lösung dieser Frage lange hinausgescboben hat
Erst das Studium des Oxydationsverfahrens durch eine von
treten. Der Exitus erfolgt bei reiner Coronarsclerose gewöhn¬
lich plötzlich, bei Kombination mit Aortenfehlern allmählich
unter zunehmender Herzinsufficienz. Beim Anfall ist die
übrigens ganz ungefährliche Morphiuminjection das einzig zu¬
verlässige Mittel. Hautreize wirken abkürzend. Durch In¬
halieren von Amylnitrit und dreistere Dosen von Nitroglycerin
werden leichtere Anfalle gelegentlich koupiert In der Zwischen¬
zeit ist Ruhe, äusserst mäßige mehr vegetarische Ernährung,
Verbot des Coitus am Platz. Für reichliche und regelmäßige
Deiäcation, für ordentlichen Fortgang der Blähungen ist zu
sorgen. Jod und Diuretin leisten hervorragende Dienste,
ebenso der periodisch wiederholte Aderlass. Nauheim und
ähnliche Bäder nützen, wenn sie richtig und vorsichtig ge¬
braucht werden. Auch der Aufenthalt an der See ist gänz¬
lich ungefährlich. Im Winter passt ein wärmeres Klima.
Die Einwirkung des Vierzellenbades auf den
Blutdruck, Puls und Temperatur prüfte Hirsch-Cudowa
auf der II. med. Klinik zu Berlin. Unter sorgfältiger Aus¬
schaltung aller blutdruckerhöhenden Faktoren wurde in einer
Serie von Fällen der galvanische, faradische und sinusoidale
M'^echselstrom angewandt. Der von Schnöe behauptete gün¬
stige Einfluss auf den Blutdruck konnte niemals bestätigt
worden. Damit fällt eine ganze Reihe der von Schnee auf¬
gestellten Indikationen weg. doch soll der Wort des Vierzollen-
bades bei anderen therapeutischen Maßnahmen nicht bestritten
werden. _^^Fo^tsetzullg folgt.;
Aus den Grossherzoglichen Anstalten
in Baden-Baden.
(Schiass.)
Der Gebrauch der kohlensauren Bäder hat seit ihrer Ein¬
führung im Jahre 1897 von Jahr zu Jahr ausserordentlich
zugenommen. Im Jahre 1905 erreichte er die Zahl 5414,
im Jahre 1904 4020. Das bedeutet eine Zunahme um 1394
oder 25,7%. Die Erfahrung der Aerzte spricht dafür, dass
sie unserem Kurort Herzkranke zuführen. Die Steigerung des
Gebrauchs kohlensaurer Bäder im Kaiserin Augustabad gegen¬
über dem Vorjahr betrug sogar 50%. Wir erkennen daraus
den Einfluss der im Augustabad im vorigen Jahr in besonders
schöner Ausstattung neuerrichteten kohlensauren Bäder.
Die Bedeutung der mit grossem Kostenaufwand neu her¬
gestellten Kaltwasserabteilungen in beiden Anstalten zeigt sich
an folgenden Zahlen: Im Jahre 1904 betrug die Zahl der
Anwendungen 11131 und im Jahre 1905 12882 oder 1751
bezw. 15% mehr, während es im Jahre 1900 noch 9952 ge¬
wesen sind, was zugunsten dos Jahres 1905 einen Unterschied
von 29,4% ausmacht.
Der Aufschwung der Fangobebandliing ist ein ganz ausser¬
ordentlicher. Im Jahre 1905 wurden 5859 und im Jahre
1904 4031 Fangobäder genommen. Das ist eine Steigerung
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1906.
BALNEOLOGISCHE CENTRALZETTüNG
63
der Stadt nach England entsandte Kommission vermittelte end-
lieh die Kenntnis eines geeigneten Yerfahrens.
Vor allem sollte die Kommission entscheiden, ob von den
beiden Gruppen der bakteriologischen Reinigungsverfahren:
die aeroben Oyvdationsbetten ^ei denen das Aus¬
lassventil stets offen ist, das Schmutzwasser also conti-
nuierlich durch das Bett hindurchsickert)
oder
die Eontaktbetten (die durch Schliessen und Oeffnen
des Auslassventils abwechselnd mit Abwasser beschickt
und wieder entleert werden)
für unsere Stadt das geeignete Klärverfahren darstellen. Die
Entscheidung fiel für die aeroben Oxydationsbetten aus. Auf
die nähere Begründung kann ich aus Mangel an Zeit nicht
eingeben. (Schluss folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Ei86nach. Da» Km- und Mineralbad Eisenach, das jüngste
deutsche Kurbad, erbaut jetzt gegenüber der Wartburg seine neuen
Kurgebäude (Brunnen und Wandelhalle). Der Wunsch des ver¬
storbenen Groesherzogs von Sachsen-Weimar, dass JBlisenach mit
seiner Wartburg die Metropole Thüringens würde, dürfte nunmehr
in Erfüllung geben. Im vorigen J ahre waren schon nahezu
100000 Fremde in Eisenach. Am 1. Juni wird nun das neue
Kur- und Mineralbad eröffnet. Für diesen Tag sind grössere
Feierhchkeiten geplant.
Garda866. Es gibt jetzt öfter halbtägige Rundfahrten von
Qardone, Salo etc. aus. Viel angenehmer, nämlich unabhängig
und ungestört, ist das billige Abonnement, genannt Äbonnameoto
Feriale, wobei man für 21 T^ire an beliebigen Tagen des Jahres
erster Klasse mit jedem beliebigen Dampfschiffe fahren kann.
Dieses Abonnement kann Tonristen und Gardaseebesnehem nicht
genug ennpfohlen werden. Der vom Norden Kommende möge sich
die Abonnementskarte schon in Riva bei der Schiffsagentur (Hafen-
platz) kaufen.
Hoinburg. Die Bohrungen nach neuen hlineralqueUen haben
ein erfreuliches Resultat gehabt. Eine bei 70 Meter Tiefe erbohrte
Quelle bat eine Ergiebigkeit von 15 Kubikmeter pro Tag.
KiSäinyen. Die Saison beginnt offiziell am 15. April. Nach
dem soeben zum Abschluss gebrachten Erweiterungsbau des Kgl.
Kasinobades zu einem monumentalen Prachtbau ergibt sidi, dass
nunmehr in den drei Badeanstalten 400 Badekabinen für Sol- und
Pandorbäder, Wellen- und Moorbäder, sowie grosse Abteilungen
um 45%. Die Zunahme ist bisher von 1512 im Jahre 1900
eine mit jedem Jahr erheblich steigende gewesen.
Dieses glänzende Bild der Entwickelung in den Grossh.
Badeanstalten mit den vorstehenden überzeugenden Zahlen ist
ein unantastbares Zeugnis, dass die Grossh. Regierung in
ihren unablässigen Bemühungen, den Erfordernissen der Zeit
Rechnung zu tragen und in rascher Folge entsprechende Neu¬
einrichtungen zu treffen, das Richtige tut. Die Einführung
kohlensaurer Bäder, des elektrischen Lichtbades, die beiden
neuen Kaltwasserabteilnngeu, welche die Bewunderung der
Fachmänner erregen, das unübertroffene Inhalatorium und
die technisch und hygienisch mustermltigen Gurgelkabinette,
die Aufnahme der Tallerman’schen Behandlung, der Fango¬
bäder, welche in diesem Jahre ebenso schöne wie zweckmäßige
Räumlichkeiten durch Umgestaltung des ganzen 3. Stockwerks
des Friedrichsbades erhalten werden, sind Errungenschaften
der letzten 10 Jahre. Zudem w’erden noch in diesem Früh¬
jahr in der freigewordenen Kaltwasserabteilung des Friedrichs¬
bades 8 Einzelbäder neu eingerichtet Eines ist für ein elek¬
trisches Yierzellenbad nach Dr. Schn6e, zwei sind für Wechsel¬
strombäder bestimmt. Diese letzteren sollen mit den übrigen
5 aach für die Abgabe von kohlensauern Bädern eingerichtet
werden. Die sieben neuen Wannen können dann überdies
je nach Bedarf auch als einfache Thermalbäder Verwendung
finden.
Ein überzeugenderer Beweis des warmen Interesses der
für Fangobehandlung zur Verfügung stehen. Zu den Badeanlageu
tritt das Gradierwerk, das bei reichster Soleverdunstung eine
Doppelbahn von mehr als 300 Meter Gesamtlänge besitzt. Die
Ausdehnung der Kissinger Badeanstalten ist bedingt worden durch
den steigenden Andrang von Kurgästen, der in der Saison 1905
die Frequenz von 36000 Personen erreichte. An Rokoczy worden
in der letzten Saison etwa 3*/8 Mill. Becher zu je 300 gr ge¬
trunken ; drei bis viermal grösser mag die als Tafelwasser getrunkene
Menge Maxwasser sein.
L&nQ6n8ChW8lb&Ch. In der Kurtaxe sind für 1906 ver¬
schiedene Vergünstigungen eingeführt worden; Personen, die in
den naheliegenden Luftkurorten wohnen und unsere Badeeinricht¬
ungen benutzen, sollen eine ermäßigte Kurtaxe entrichten.
In Bad Orb wurde unter anderen Neuernngen eine elektrische
Licht- und Kraftanlage geschaffen. Mit dem Elektrizitätswerk ist
die neue Schlacbthausanlage verbunden. Zur Erwärmung der Sole
wurden in den neuen Hallen die neuen patentierten Hessingschen
Apparate aufgestellt.
Oät-Dlovsnow. Die Direktion des Seebades Ost-Dievenow
bat, um auch den minder Bemittelten Gelegenheit zu geben, die
Vorzüge und Heilkraft Ost-Dievenows kennen za lernen, in diesem
Jahre eine Wohlfahrteeinrichtung getroffen, indem ade für die
Monate Juni und September den Preis für die Solbäder von 1,25 M.
auf 50 Pf. ermäßigt hat; ausserdem ist für die gleiche Zeit ün
Kurhause und Strandhotel Pension (Wohnung und Verpflegung)
schon von 4,50 M. an den Tag erhältlich. Der Spezialwoblfährtspro-
spekt wird von der Direktion anf Verlangen kostenfrei zngesandt.
Pyrmont. Im Juni soll hier eine Hundertjahrfeier des Pyr-
monter Aufenthalts der Königin fjuise von Preussen stattfinden.
Von der fürstlichen Verwaltung wird eine . grössere Feier mit
Konzert, Festaufführung im Theater usw, geplant.
S&lzbrunn i. Schi.^ Ebne bedeutende Erweiterung Bad Salz-
bronns wird in diesem Jahre ihren Anfang nehmen. Das über
200 Morgen grosse Terrain zwischen Bahnhof und Bad, das in
den Besitz des Herzogs von Pless übergegangen ist, wird in Park¬
anlagen amgewandelt und zwei breite Strassen mit einem grossen
Randplatz sollen darin Bauplätze zum Verkauf erschliessen, auf
denen zeitgemäße Villen erstehen werden, — Ein Rückblick anf
die verflossene Saison zeigt einen G^samtbesuch von 13866 Per¬
sonen, darunter 7613 Kurgäste. Es wurden 31469 Bäder verab¬
reicht und 49 586 Vz 1 Kuhmilch, 5461 Ziegen-, 143*/41 Schaf- und
385*/s 1 EselinmUoh verbraucht. Man verzeichnete im Gesellschafts-
inhalatorium (System Heyer) 2750 Sitzungen, im Einzelinhala¬
torium 1250, im Zander-Institut 1365 und im pneumatischen
Kabinett 2834 Sitzungen.
Grossh. Staatsregierung für den schönen Kurort Baden-Baden
ist wohl kaum zu erbringen.
Kleine Mitteilungen.
Baln80logi8Che8 au8 dem Altartum. Vor einer Reihe von
Jahren wurden in Epidaurus Inschriften gefunden, die besagten,
dass die Mineralquellen in Epidaurus, die kohlensaure Salze ent¬
hielten, öfters die Heilung von Steinleiden und von Erkrankungen
der Verdauungsorgane bewirkt hätten. Die chemische Unter¬
suchung, der man nun neuerdings, wie die „Gazette des Elaux“
berichtet, das Wasser der Brunnen des Aeskulap-Heiligtums in
Epidaurus unterzogen hat, bestätigt die Mitteilung der Inschriften.
Das Wasser enthielt einen starken Zusatz kohlensaurer Salze.
Dasselbe Resultat hatte die Untersuchung des Wa-ssers von An-
phiarüa und von Frikki, den Heiligtümern des Aeskulap in Thes¬
salien. Die Quellen in Frikki, die jetzt längst versiegt sind,
wurden sicher zu therapeutischen Kuren benutzt, da man dicht da¬
bei Badeeinrichtungen entdeckte. Die chemische Untersuchung
der Quellen des Aeskulap-Heiligtums in Epidaunis stellt sie etwa
auf die gleiche Stufe mit den Heilquellen von Ändros in Griechen¬
land und von Evian-les-Bains am Genfer See.
rre<|Uenz dor Kurorto. Aachen (14. April) 17963; Abbazia
(23. April) 17 768; Arco (21. April) 3010; Baden-Baden (26. April)
9581; Davos (13. April) 7408, hievon anwesend 2499; Gries
(18, April) 2947; Kwlsbad (20. April) 1758; Meran (22. April)
17976, hievon anwesend 4636; Nauheim (21. April) 1829.
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64
BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITÜNG
Nr. 16.
SiebsntaUrgen. Darcb die Tätigkeit des siebenbürgisclien
Karpathen-Vereins wird Siebenbürgen, dieses wegen seiner Natur-
Hchönbeiten und interessanten Völkerstämme höchst anziehende
Bergland, im westlichen Europa immer bekannter und namentlich
von deutschen Touristen immer mehr besucht. Wegen aller Aus¬
künfte über Land tind Leute, Reiserouten, Gebirgstouren, Bade¬
orte nsw. wolle man sich an die Fremdenverkebrskanzlei in Her-
mannstadt wenden, welche bestrebt ist, den Besuchern des Landes
mit Rat und Tat an die Hand zu gehen.
Westerland-Sylt. Da die Nordsee an der Schleswig-Hol-
steinschen Küste von Mitte April bis Ende Juni eine höhere Luft-
basonders aber eine 3®—4° höhere Wassertemperatur hat, als an
der ostfriesischen und oldenburgischen Küste z. B. Norderney und
Borkum, so werden auf Sylt dementsprechend die Hotels und
Pensionate früher eröffnet, namentlich aber die Kinderheilstätten.
Die neu erstandenen Logierhäuser las.sen hoffen, dass der in vor¬
jähriger Saison beobachteten Wohnungsnot vorgebeugt ist.
Literatur.
Antltuberkulose-Serum-Marmorek. Seit einem Jahre ist
nach E. Mannheim die wissenschaftliche Literatur um 14 Ver¬
öffentlichungen, betreffend die Anwendung desselben, reicher ge-
w’orden. Uebereinstimtpend wird von den Autoren — deutschen,
schwedischen, französischen, englischen und amerikanischen etc. —
seine Unschädlichkeit anerkannt, dessen allgemeinster Prüfung und
Einführung in die Therapie der Tuberkulose nunmehr kein Hindernis
mehr im Wege steht. Leider machte die Technik in der Serum¬
anwendung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Ein Fortschritt
be.steht nunmehr in der Einführung der Serumklysmen. In dieser
Zeit wurde keine Veröffentlichung bekannt, wo das Serum sich
nach eingehender Prüfung als schädlich oder unwirksam erwiesen
hätte. Bemerkenswert ist, dass meist auffallend schlechte und
fortgeschrittene Fälle behandelt wurden, und auch von diesen
günstige Resultate berichtet werden.
Schwarz-Gleiwitz berichtet z. B. von 2 tuberkulösen Ulcera
von Hirsekomgrösse auf den rechten Aryknorpeln, die schon nach
4 Tagen ulcerativ abgestossen wurden. Nach 8 Tagen war Heilung
eingetreten. Frey-Davos ist auf Grund 2Vs jähriger Erfahrung
begeisterter Anhänger des S.-M. geworden. Er schreibt ihm eine
deutlich spezifische Wirkung zu, die zunädist antitoxischer Natur
sei und sich vor allem in sichtbarem Einfluss auf das Fieber in
den Fällen kund gab, die sonst allen Fiebermitteln trotzen. Prof.
Dübard-Dijon, der 36 Fälle zumeist mit günstigem Erfolg be¬
handelte, betont, dass frische Fälle sich besonders günstig durch
das Serum beeinflussen lassen. Vei 11 ard-Genf berichtet über
22 Patienten, deren Lungenerkrankung z. T. einer anderen Therapie
nicht mehr zugänglich war. £.n den meisten hatte das Serum
günstige Wirkung. —
Angesichts solcher ermutigenden Berichte wäre es an der Zeit,
dass nunmehr auch die klinische Prüfung und Feststellung der
Anwendungsweise nicht mehr länger auf sich warten Hesse. Der
Kampf gegen diesen schlimmen Feind unserer Zone, der uns zwingt,
enorme Geldmittel in unserer Heilstättenbewegung festzulegen, die
in ihrem Umfange noch lange nicht genügt und in ihren Erfolgen
so wenig befriedigt, macht es uns zur Pflicht, auch die anderen
Wege, auf die uns verdiente und zuverlässige Forscher weisen, zu
prüfen. Marmorek stellt sein Serum für jede Nachprüfung be¬
reitwilligst zur Verfügung. Dr. St.
Personalien.
— Prof. Dr. R. Kobert, Rostock, ist aus dem Aufsichts¬
rate der Dr. Bremer'schen Heilanstalten, G. m. b. H., ausge-
schioden und an dessen Stelle Prof. Dr. Gutzeit, Dahlen, ge¬
treten.
— Professor Dr. Th. Schott in Bad Nauheim hat von der
Bostoner Universität eine Einladung erhalten, dort im nächsten
Winter Vorträge über Herzkrankheiten und deren Behandlung zu
halten.
— In die Lungenheilanstalt Reiboldsgrün (Vogtland) ist Dr.
Sobotta, bisher Chefarzt der Johanniter-Heilanstalt Sorge im
Harz, eingetreten, um sich mit dem bisherigen alleinigen Leiter,
Hofriit Dr. Wolff, in die Leitung der Anstalt zu teilen.
— Im März d. J. hat Regierungsrat Professor Dr. Glax in
Abbazia, der geniale Organisator, Ausgestalter und Apologet dieses
Kurortes, seinen 60. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlasse
hat die Kurkommission eine Festschrift „Abbazia als Kurort“
herausgegeben. Sie enthält eine Biographie des Jubilars von Br.
T ripol d.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneologischen Zontralzeltnng..
Name
Woclio
Mittleres
Temperatur-
B
9
s
p
B
Mittleres
Temperatur-
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen- 1
tage
Sonnen-
.scliein-
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
1
i
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
6-12/5
14
C.
19,3
C.
758,9
3
4
_
_
Badenweiler.
—
—
_
_
_
Driburg..
8,8
c.
21,6
C.
_
1
6
1
1
2
Ems.
6.—12./5.
9,3
c.
21,9
C.,
753,8 '
4
7
2,1
3
Gies-shübl-Sauerbrunn . .
11,9
c.
21,2
c.
!
_
6
1
2
5
Franzensbad .
8,7
c.
25
c.
715
1
GVz
Va
_
2
Herrenalb ......
10
c.
19
c.
724
5
3V4
3V4
3
5
Kreuznach.
—
_
c.
_
_
--
[..angensoliwalbnoh . . .
n
5,9
c.
20,7
c.
734,4
3
7
7
2
4
am 10. Mai Hagel
Lippspringe.
29./4.-r}./5.
5
c.
17
c.
750,5
2
2
3
4
1 1
Frequenz 531
Naulieim.
C._12./5.
10,2
c.
23,3
c.
746,3
■ 2
5
2
1—7
1 7
Noniidorf.
12
c.
22
c.
763
_
7
am 8. u. 9. Mai
Orb.
8,4
c.
20,1
c.
741
1
6
_
_
3
Wetterleuchten
Norderney.
13
c.
25
c.
750
—
2
5
3
-
Reiclienhall . . . . • .
7,93
c.
20,6
c.
718,8
4
7
3
- .
l
Reinerz.
—
-
_
-
Stehen .
6,7
c.
22
c.
711,5
1
G
—
3—4
i 1
Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner. Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von Hejmeaunn'acbe Buchdruckorei, Gcbr. Wolff, Hallo a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 17. 1906.
Balneologtsche Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.“: ,
Verlag: Carl Marhold In Halle a. S., Ufalandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 2834
Redakteur:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DOr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Die bygionischen und sanitftreo Einriebtuugon in Ems. Von Dr. Ernst-Ems. | Schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauhoiin. Fortsetzung.
(.Schluss). I Die neuen Badeanlagen und die staatlichen Neubauten in Bad Nauhoiin.
lieber private und öffentliche Badeoinrichtungon in den Vereinigten Staaten. ; Von Dr. med. Hirsch, Bad Nauheim. Kleine Mitteilungen.
Voii Dr. B. [.aquer. Wiesbaden. Aus den Bädern und Kurorten.
Fenflletoii : Die 27. Utfontliche Versammlung der Balneologischon Qesoll- j Stetcorologische Statistik.
Die hygienischen und sanitären
Einrichtungen in Ems.
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allgemeinen
deutschen Bädor-Verbandes zu Ems am 4. Oktober 1905.
Von Dr. Ernst- Ems.
(Schluss.)
Maßgebend für die Wahl war. dass die aeroben Organismen
unter dem Einfluss des Sauerstoffs die im Schmutzwasser ent¬
haltenen gelösten organischen Stoffe zerstören, ohne dass es
zu fauligen Zersetzungen kommt, und dann vor allem, dass
die aeroben Betten nicht nur eine chemische, sondern eine
bakteriologische Reinigung der Schmutzwasser bewirkeu, wäh¬
rend der Ablauf von den Kontaktbetten alle Keime des rohen
Schmutz Wassers in fast unverminderter Zahl enthält.
Für Ems als Badeort ist es von der grössten Bedeutung,
dass unser Abwasser in der denkbar vollkommensten Wci.se
gereinigt wird, zumal dadurch auch eventuellen Beschwerden
seitens der Bewohner der flussabwärts liegenden Ortschaften
am besten vorgebeugt wird.
Von allen aeroben Betten hat sich in England das von
Candy eingeführte Sprinklerpolaritverfahren am besten bewährt,
für dessen Ausführung in Deutschland unser Landsmann, Herr
Ingenieur Werner aus London das alleinige Recht hat Ems
Feuilleton.
Die 27. öffentliche Versammlung der
Balneologischen Gesellschaft
in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6. März 1900.
Referent: Dr. Burwinkel ■ Bad Nauheim.
(Fortsetzung-.)
lieber Therapie bei Nephritis teilt Strasser-Wien
einige bemerkenswerte Beobachtungen mit. Die Niere ist ausser-
ordentlicli empfindlich gegen Hautreize. Ischaemie und St<ase
führen unfehlbar zu Störungen, während arterielle Hyperaemie
Insufficienzserscheinungen bezüglich Wasser-, Stickstoff- und
Kochsalzbilanz auszngleiclien vermag. Diesen günstigen Effekt
liaben 1 — iVjStündige Bäder von 34" C, 1—2m^ am Tag
verabreicht, sowohl bei orthotischer Albuminurie als auch bei
parenchymatöser und acut haemorrhagischer Nephritis (scar-
latinosa). Es handelt sich nicht einfach um eine Steigerung
der Hauttätigkeit. Auch stellte sich bei Kontrolle der Wir¬
kung von Schwitzprozeduren die theoretisch überaus inter-
'essante Tatsache heraus, dass entgegen der neueren Ansicht
über Entstehung des Oedems bei Nephritikei-n allein durch
ist die erste deutsche Stadt, die dieses neue Klärverfahren in
Kürze hier ausführen lässt.
Das Projekt ist unter der Annahme aufgestellt, dass das
Regenwasser nicht in das städtische Kanalnetz eingeführt,
sondern wie bisher durch besondere Leitungen der Lahn direkt
zugeführt wird. Mit Rücksicht darauf, dass in Ems als Kurort
die Bevölkerungsziffer im Sommer viel höher ist als im Winter
und mithin eine verschiedene Inanspruchnahme stattfindet, ist
die Kläranlage in zwei vollständig symmetrische Teile zerlegt.
Die Pläne finden Sie ebenfalls hier aufgehängt.
In Kürze ist das Verfahren folgendes:
Die Kanalflüssigkeit gelangt zunächst in einen Behälter,
in welchem durch ein Gitter die groben Schwimmstoffe (Korke,
Holz, Papier etc.) abgefangen werden. Darnach werden die
Abwässer durch ein Pumpwerk in die Einlaufkaramer und von
da in die Schlammkammer geführt. Erstere soll Druckschwan¬
kungen des Pumpwerks von der Schlammkammer femhalten,
in letztere setzen sich mineralische und anorganische Stoffe
ab. Aus der Schlammkammer fliesst das Abwasser in die
Aufbereiter, kreisrunde Bassins, in welchen während einer
dreistündigen Dauer der Rest des mineralischen anorganischen
Schmutzes abgesetzt wird. Die organischen Stoffe werden in
diesen Bassins durch die zahllosen Bakterien zersetzt und ver¬
flüssigt und für den weiteren Oxydationsprozess vorbereitet.
Von den Aufbereitem aus werden die beiden Oxydationsbetten
durch besondere Beriesler (Sprinkler) beschickt.
Kochsalzretention die Lehre von primärer toxischer Schädigung
der Gefässwände im Sinne der alten Auffassung Cohnheim’s
für viele Fälle und Stadien der Nephritis gewiss noch Geltung
hat und die gefassschädigende Substanz in der Richtung der
uraemischen Intoxication zu suchen ist.
Zur Behandlung des Diabetes mellitus verlangt
Lenn6-Neuenahr strikte Diätvorschriften. Der Diabetiker be¬
darf nicht mehr Kalorien als ein Gesunder, er bedarf derselben
Nährstoffe, nur ist deren Zusammensetzung zu ändern. Die
Eiweisskost ist zu beschränken, wie dies neuerdings auch
Naunyn und v. Noorden für die mittel- und schweren
Fälle verlangen. Man muss trachten bei minimaler Eiweiss¬
menge das Stickstoffgleichgewicht zu erhalten. Auch Strasser
wendet sich gegen die Üeberfütterung der Diabetiker. Diese
können nicht nur, sondern müssen Kohlehydrate je nach Tole¬
ranz in verschiedener Form geuiessen. Der Alkohol ist als
Reizmittel zur Belebung schwer zu entbehren.
Die Arthritis deformans ist nach Prof. Cursch-
mann-Leipzig sicherlich keine Alterskranklieit. Man findest
sie zwar vorzugsweise bei den Insassen der Sieclienhäuser.
Das rührt aber nur daher, dass die Leute mit ihrem Leiden
recht alt werden. Von C.’s 167 Fällen trat in der Hälfte die
Krankheit zwischen dem 12.—35. Lebensjahr auf, ein Fünftoil
stand sogar vor dem 20. Jahr. Männer erkranken seltener,
60 Männer: 107 Frauen. Bei jugendlichen Individuen beginnt
die Arthritis meist acut mit Schwellung und Fieber; im Alter
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66
BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITUNG
Nr. 17.
In den priuiüren oder Vorbetten-ßasains, die mit einem
Gemisch von Ziegelbrocken und Kleinschlag in Lager Ton
verschiedener Eomgrösse gefüllt sind, geht der bereits in den
Aufbereitem eingeleitete Prozess der Lösung und Verflüssigung
der festen organischen Stoffe unter Bakterieneinfluss in ver¬
stärktem Maße weiter.
In den zweiten, den sogenannten Carboferritbetten, welche
als Füllungsmaterial ein Gemisch von Sand und Carboferrit,
einem stark sauerstoffhaltigen Eisenerz, enthalten, werden bei
den Durchsickern die organischen Verbindungen höher oxydiert
und die Bakterien zum grössten Teil vernichtet.
Das 80 gereinigte Abwasser unterliegt nicht mehr der
fauligen Zersetzung und kann ohne Bedenken dem Flusse zu¬
geführt werden.
Es erhält Ems auf diese Weise ein Reinigungsverfahren,
das in seiner Wirkung auch über das von den deutschen Auf¬
sichtsbehörden geforderte Maß hinausgeht.
Um unser Quellgebiet vor ungünstigen Einwirkungen durch
die Kanalrohre zu schützen, sollen, sämtliche Rohre der Kanali¬
sation, der Wasser- und Gasleitung, der Ableitung der Tag¬
wässer, jedes für sich isoliert, in grosse Sammelrohre einge¬
bettet werden, die durch äussere Isolierschichten von Cement
und Lette vom Quellgebiet abgetrennt sind.
Die Beseitigung des Kehrichts und der Küchenabiälle ist
in der Weise geregelt, dass morgens in der Frühe die von
den Hausbesitzern am Abend vorher vor die Haustüren auf¬
gestellten Müllkasten durch einen damit beauftragten Fuhr¬
unternehmer geleert werden. Die Beschaffenheit der Müll¬
kasten und die hygienische Beseitigung des Abfalles bedarf
noch einer Verbesserung. Aber ich kann schon jetzt ver¬
sichern, dass die städtischen Behörden in allernächster Zeit
diese Fr^e der richtigen Lösung zuführen.
Der vierte und letzte Abschnitt meines Vortrages soll
sich mit den sanitären Einrichtun^n beschäftigen, die zur
Verhütung und Bekämpfung von Epidemien getroffen sind.
Denn ein jeder Kurtort hat die Verpflichtung, nicht nur die
ansässigen Einwohner, sondern besonders die von auswärts
kommenden Kurfremden vor ansteckenden Krankheiten zu
schützen. In Betracht kommen für unsere Gegend: Typhus,
Ruhr, Scharlach, Diphtherie und Tuberkulose. Has Ein¬
schleppen dieser Krankheiten an Badeorte, wohin zahlreiche
Menschen aus den verschiedensten Orten zusammenströmen,
ist natürlich leicht möglich. Da gilt es, den vereinzelt auf¬
tretenden Krankheitsherd im Keime zu ersticken. Solche ein¬
geschleppte, oder auch am Orte selbst entstandenen Krank¬
heitsfälle sind für die Allgemeinheit ungefährlich, wenn eine
sofortige Absonderung und Desinfektion stattfindet
In unserer Stadt wird nach folgenden Grundsätzen ver¬
fahren :
1. Der Anzeigepflicht wird bei jedem einzelnen Fall einer
ansteckenden Krankheit unbedingt nachgekommen. Bei
zweifelhaften Fällen wird durch das hygienische Institut
in Marburg, mit welchem ein Vertrag abgeschlossen ist,
zur Herbeiführung einer schnelleren und sicheren Diagnose
eine bakteriologische Untersuchung, z. B. des Belags bei
Diphtherie, des Blutes bei Tjrphua vorgenommen.
2. Ansteckende Kranke werden sofort isoliert, ln den
meisten Fällen werden dieselben in eines der beiden
Krankenhäuser aufgenommen, besonders wenn derartige
Fälle in Hotels oder Kurlogierhäusern auftreten.
3. Der Transport in die Krankenhäuser erfolgt durch einen
vom hiesigen vaterländischen Frauenverein beschafften
Krankentransportwagen (Modell der Berliner Unfallstatio¬
nen), der nach jedem Transport desinfiziert wird.
4. Die betreffenden Krankenzimmer werden nach Genesung
der Kranken oder nach Unterbringung derselben in ein
Krankenbaus sofort desinfiziert.
Die Desinfektionen werden auf Grund einer schriftlichen
ärztlichen Bescheinigung des behandelnden Arztes oder des zu¬
ständigen Kreisarztes durch die Ortspolizeibehörde ausgeführt
und zwar durch zwei staatlich geprüfte Desinfektoren, die
ihre Arbeit unter Aufsicht eines Desinfektions-Aufsehers
(Polizeisergeanten) ausführen. Im Sommer werden die Des¬
infektionen in den Hotels meistens nachts vorgenommen, um
den Betrieb nicht zu stören.
Wir wenden zwei Arten von Desinfektionen an:
a) die einfache, d. h. mechanische Reinigung mit Schmier¬
seifen- und heisser Sodalösung und Form^nzerstäubung.
Die Räume werden 7 Stunden unter der Einwirkung
des Formalins belassen und dann Ammoniak zur Besei¬
tigung des stechend riechenden Formalins eingeleitet,
welches eine Stunde lang in dem betreffenden Zimmer
verbleibt.
Sie findet Anwendung bei Diphtherie, Scharlach, Masern
und Tuberkulose.
b) Die gemischte Desinfektion, d. h. mechanische Reinigung
und Formalinzerstäubung in den Krankenzünmem und
die Desinfektion der Leibwäsche, Kleider, Betten usw. im
städtischen Dampfdesinfektionsapparate. Sie findet haupt¬
sächlich bei Typhus, Ruhr, Geniclcstarre und bei schweren
Fällen von Scharlach und Diphtherie Verwendung. Für
fehlt diese Reaktion meistens. Charakteristisch ist die früh¬
zeitige Degeneration der Muskeln, besonders an der Hand.
Diese Dystrophie ist weder zentralen Ursprunges noch Folge
von Inaktivität Die Erklärung des Wesens dieser Krankheit
steht noch aus. (Fortsetzung folgt.)
Die neuen Badeanlagen
und die
staatliclien Neubauten in Bad Nauheim.
Von Dr. med. Hirsch, Bad Nauheim.
Seitdem die Bad Nauheimer Thermen in ihrer Bedeutung
für die Behandlung der H erzkrankheiten erkannt und ge¬
schätzt sind, hat sich die Besuchsziffer des Badeortes alljähr¬
lich wesentlich vergrössert, und zwar uro so mehr, als auch
die alten hervorragenden Indikationen der kohlensäurehaltigen
Solthermen für Rheumatismus, Gicht, Nervenleiden, Franen-
leiden, Scrophulose und noch a. m. nach wie vor ihre An-
ziehungskrjut ausüben.
Um der grossen Zahl der Heilung Suchenden die Bäder
zugänglich zu machen, sind in rascher Aufeinanderfolge in
den letzten 13 Jahren mustergültige Badehäuser entstanden,
so die Badehäuser V, VI und VII.
Da die Nachfrage nach den Bädern sich immer noch ver¬
mehrte, trat die Frage der Neubauten von Badehäusern auls
Neue an die Regierung heran. Gleichzeitig wurde aber be¬
schlossen, die alten, den Anforderungen der Neuzeit nicht
mehr genügenden Badehäuser I, H, Ul abzureissen und an
deren Stelle Ersatzbauten zu schaffen. So entstand jener
imposante „7 Millionen-Plan“, der in seiner Grossartig¬
keit bis jetzt an keinem Badeort seinesgleichen gefunden hat
Man beschloss, ein gewaltiges Oarrö von Badehäusern um die
Sprudel herum zu bauen, die alle miteinander durch Wandel-
§ änge verbunden sein sollten. Da aber für Beheizung and
eleuchtung dieses Häuserkomplexes noch weitere Anlagen
und ausserdem noch eine Anzahl anderer Neubauten für ge¬
sellige Zwecke usw. sich als notwendig erwiesen hatten, so
teilte man den ganzen grossen Plan in verschiedene Abtei¬
lungen ein.
Die erste Gruppe umfasst den Bau von sechs neaen
Badehäusern mit ca. 300 Badezellen — vier an Stelle
der abzureissenden Häuser I, II, IH und VII und zwei weitere
neue; ferner neue, architektonisch prunkvoll anzulegende
Sprudelbassins.
Seit einigen Jahren — seit der Neuverrohrung des Spru¬
dels 7 und der Anlage der unterirdischen Bassins für die
Thermalsprudelbäder — bestehen die Bassins um die Sprudel
herum für die Thermalsole provisorisch aus grossen Holz-
hottichen. Allen Besuchern .Nauheims sind die schönen Sprudel-
DigitizGd by V_‘J ooge
1906.
BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITUNG
67
Cholera, Pocken, Pest etc. bestehen reichsgesetztliche
Bestimmungen.
Dass wir sowohl auf den Friedhöfen als auch in den
Kraukenhäusern geeignete Leichenhallen besitzen, will
ich nur beÜäutig bemerken.
Eine wesentliche Unterstützung bei Bekämpfung anstecken*
der Krankheiten leistet die städtische Oesundheitskommission,
von der man in Ems sagen kann, dass sie nicht nur auf dem
Papier besteht, sondern auch arbeitet, ln regelmäßigen viertel¬
jährlichen Sitzungen werden etwaige hygienische Missstände
unserer Stadt besprochen und zur Abänderung Vorschläge
ao die städtischen Behörden gemacht. Es Rüden jährlich ver¬
schiedene Besichtigungen aller gewerblichen Betriebe statt und
beim Auftreten von ansteckenden Krankheiten werden die
Mittel und Wege erwogen, wie eine Verbreitung mit mög¬
lichster Sicherheit verhindert werden kann.
Es hat ferner auch die Stadt durch Anstellung eines
Schularztes Fürsorge getroffen, die gesundheitliche Entwicke¬
lung der Schuljugend zu überwachen und zu fördern und
das Umsichgreifen von ansteckenden Krankheiten zu verhin¬
dern. Ein jeder weiss, wie sehr die Schule dazu beiträgt,
Diphtherie,. Scharlach, Masern, Keuchhusten weiterzutragen.
Deshalb ist eine der wichtigsten Aufgaben des Schularztes bei
auftretenden Epidemieen durch regelmäßige Schulbesuche fest¬
zustellen, wie viele Schulkinder erkrankt sind, wo dieselben
wohnen und ob Geschwister von solchen Kindern, die an einer
ansteckenden Krankheit leiden, in der Schule anwesend sind.
j^Aus allen diesen verschiedenartigen Einrichtungen zur
Verhütung von Epidemieen mögen Sie ersehen, dass alles ge¬
schehen ist, was zur Bekämpfung derselben geschehen kann.
Wir haben, wie auch jede andere Staat, ab und zu in
Ems ansteckende Krankheiten, aber wir können diesem Feinde
ins Auge sebanen, da wir die Mittel besitzen ihn unschädlich
zu ma«meD.
Besonders günstig für unseren Badeort sind die Kranken-
hansverhältnisse.
Wir besitzen zwei stattliche Krankenhäuser, die allen
sanitären und hygienischen Anforderungen entsprechen. Das
eine ist im Besitze des Diakonissenmutterhauses in Bern und
bat evangelische Diakonissen. Es ist mit Köntgenkabinett und
medico-mechao. Apparaten ausgestattet und umfasst mit dem
Isolierhause 55 Betten. Das andere mit 40 Betten gehört
dom Kloster zu Heiligenstadt bei Cassel und hat katholische
Schwestern. Beide Häuser nehmen Kranke jeder Konfession
auf und senden auch Schwestern zur Privatkrankenpflege aus.
Auf diese Weise ist für die Pflege kranker Kurgäste m den
ummaueruiigen von früher in Erinnerung, oder vom Bilde her
bekannt. In ähnlicher Weise sollen die neuen im Massivbau
wieder hergestellt werden.
Die zweite Gruppe der Neubauten betrifl't die Vergrösse-
rung und Erweiterung der Anlagen, die dem geselligen Ver¬
kehr und den Vergnügungen dienen, also Verbreiterung
der Kurhauster rasse, Erbauung eines neuen grossen
Musiktempels und eines grossen Konzertsaales, worin
bei schlechtem Wetter die Konzerte abgehalten werden, ferner
daran anschliessend die Anlage eines Koozertgartens, der durch
gedeckte Wandelhalle abgeschlossen wird.
Die dritte Gruppe enthält die Bauten im Gebiete der
Trinkkur-Anlagen, also Neubau der Wandelhalle am
Kurbrunnen, Anlage einer neuen erweiterten Kolonnade mit
Kaffeehaus.
Die vierte Abteilung betrifft die neuen Gewächshäuser
mit Gärtnerei-Anlagen, (Schluss folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Bekämpfung der Mückenplage. Gegen die MUcken, die zur
Sommerszeit zu einer grossen Plage werden können, ist in der
Stadt Breslau eine systematische Bekämpfung mit so gutem Er¬
folge durebgeführt worden, dass sich für solche Bade- und Kur¬
orte ihre Nachahmung empfiehlt, die gleichfalls unter dieser Plage
Hotels oder in den Krankenhäusern aufs beste gesorgt, da im
Sommer an 30—40 Schwestern hier tätig sind.
Für plötzliche Unglücksfälle steht im Badehause dos
Nassauer Hofes ein Zimmer zur Aufnahme zur Verfügung, in
welchem die nötigen Einrichtungen für die erste Hilfe ge¬
troffen sind.
Hiermit möchte ich meine Ausführungen schliessen. Ich
glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass nach
Vollendung der Kanalisation und Vervollkommnung der Müll¬
abfuhr in hygienischer Beziehung alles von seiten des Staates
und der Stadt geschehen ist, was an sanitären Einrichtungen
in einem Kurort von der Bedeutung von Ems geschaffen
werden kann. Und wenn Sie bedenken, dass Quellfassung,
Schlachthaus und Kanalisation eine Errungenschaft der letzten
5 Jahre ist, so werden Sie mir zugeben, dass die pekuniären
Opfer, die Staat und Stadt zur Verbesserung unseres Badeortes
gebracht hat, sehr bedeutende gewesen sind. Dass wir gerade
auf dem sanitären Gebiete solche Fortschritte gemacht haben,
verdanken wir auch dem Umstande, dass Regierung, Kur¬
kommission , Stadt und Aerztekollegium nicht nebeneinander
sondern miteinander an dem Gedeflien unserer Stadt weiter
gearbeitet haben.
Dieses Hand in Hand Gehen der verschiedenen maßgeben¬
den Faktoren gibt uns auch die Gewähr, dass wir je nach
den wissenschaftlichen und technischen Fortschritten das ein¬
mal Geschaffene noch weiter ausbauen und verbessern.
So werden wir unserer Verpflichtung am besten gerecht,
unseren hier Heilung suchenden Kranken nicht nur ihre Ge¬
sundheit wiederzugeben, sondern sie vor Erkrankungen jeg¬
licher Art in unserer Stadt nach Möglichkeit zu bewahren.
Ueber
private und öffentliclie Badeeinriclitungen
in den Vereinigten Staaten.
Nach einem Referat der Jahresversammlung des Deutschen Ver¬
eins für Volksbäder zu Worms am 23. Mai 1906.
Von Dr. B. Laqtier, Wiesbaden.
Ein aus Amerika zurückgokobrter Volkswirtschaftlor be¬
gann seinen Reisebericht mit dem Hinweis, dass eine Flut von
Amerika-Schriften in Sicht wäre; vierzig Deutsche Gelehrte
hätten gelegentlich des intematiunalen|Kongresses für Kunst und
zu leiden haben. Der Kampf gegen die Mücken ist von dem
Leiter des Breslauer hygienischen Instituts, Geheimrat Flügge,
aufgenommen worden. Er ging zuerst den namentlich in Kellcr-
räumen überwinternden eiertragenden Weibchen zu Leibe, die er
vernichten und sich dann die Vernichtung der in Tümpeln usw.
sich entwickelnden Mückenlarven und -Pappen angelegen sein
liess. Die Vernichtung der Larven geschah mittels eines von
Celli angegebenen, aus GaUol bestehenden „Larvicid“ genannten
Pulvers, welches, mit wenig Wasser zu einem Brei verrührt, in
einer Menge von 3 g pro cbm Wasser in die Tümpel eingegossen
wurde. Dieser Brei tötet die Müokenlarven binnen einer halben
Stunde sicher ab, ist auch für einzelne andere Insekten bei läaigerer
Einwirkung nicht unschädlich, wohl aber für grössere Tiere,
Frösche, Fische und dergleichen. Weit schwieriger als gegen die
Larven Ist ein erfolgreiches Vorgehen gegen die Puppen. Diese
sind gegen das Larvicid unempfindlich. Die Auffindung eines
auch gegen die Puppen praktisch brauchbaren und wirksamen
Mittels wird eine der nächten Aufgaben im kommenden Sommer
sein. Die Breslauer Versuche zur Beseitigung der Muckenplage
haben in hohem Maße das Interesse anderer, von der Plage stark
heimgesuchter Orte erregt; Anfragen über die Art des Vorgehens
sind von vielen Seiten nach Breslau gerichtet (z. B. von Düssel¬
dorf, Karlsruhe i. B., Dessau, Dornbirn (Voralberg), Wiedenbrück,
Scheveningen, Kreuznach, Kis.singen, Bad Münster u. a.).
Digitized by LjOOQie
68
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 17.
Wissenschaft, der vom 19.—26. Sept. 1904 in St. Louis stAtt-
fand, die Vereinigten Staaten mit und ohne vorgefasste An¬
sichten bereist und dabei das schon einmal 1496 von Columbus
entdeckte Land vierzigmal von Neuem entdeckt. Dieser
Warnung können die heimgekehrten Dolmetscher des Neu¬
landes leicht begegnen; sie sollten nur hinsichtlich allgemeiner
politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse auf ihre Vorgänger
Bryce, Mün ster b erg, vo n Pol enz, Lamprecht, Kolb,
Hintrages, Goldberger, v. Unruh usw. hinweisen, im
übrigen aber ihr Entdeckerrecht einschränken auf das, was
sie im Umkreis ihrer eigenen Forschung und im Austausch
mit amerikanischen Fachgenossen sowie auf Grund hier unbe¬
kannter, drüben zugänglich gewordener Landesschriften neu
hinzu gelernt. — Auf diesem Wege ist auch obige Fragestel¬
lung entstanden; zu Hilfe kam das Reiseziel: das Studium der
amerikanischen Temperenz-Bewegung im Aufträge der von der
Berliner Fakultät verwalteten Gräfin Bose-Stiftung, sowie die
Reisekameradschaft mit Volkswirtschaftern, wie W. Sombart
und Johannes Conrad.*) (Fortsetzung folgt.)
*) Das Studium der Tetuperenzfrage sowie das dos September-Berichtes
1904 aee Arbeitsamtes zu Washington, (etwa unserem «lleicbsarat des
Innern* zu vergleichen) welcher neben einer weitzUgigon Abhandlung Uber
Arboitorhaushaltuiigoo, Arbeiterwohnungeu, auch eino solche Uber „OofTont-
licbe Bäder in den Voreinigton Staaten* enthält, brachte nebon den in¬
zwischen ersebionenon h{k:h3t anregenden Sombart'schen Studien (Archiv
ilir Sozial-Politik Bd. 21. 1905.) obigen Thema entgegen.
Aus den Bädern und Kurorten.
Borkum. Die Bedeutung des Bades geht aus der hohen
Besucherzahl — 20 439 — im Sommer 1905 hervor. Es ist die
höchste Zahl, die während des mehr als 50jährigen Bestehens
des Bades bisher erreicht wurde. Der neuerschienene illustrierte
Füljrer mit Ortsplan wird von der Badedirektion gratis verabfolgt.
Binz a. Rügon. Am l. Mai ist das Kurhaus hierselbst
niodergebrannt. Der Brand entstend um 5 Uhr morgens in den
Souterrain-Räumen, wo Zimmerleute, die an der Vex-grösserung
des Baues arbeiteten, ihre Werkzeuge aufbewahrten. Es ist
möglich, dass infolge von Unvorsichtigkeit der Brand entstanden
ist, doch liegt nach der Sachlage die Wahrscheinlichkeit der
Brandstiftung näher. Nach vier Stunden war das Kurhaus trotz
der grössten Anstrengungen der Feuerwehr völlig niedergebrannt.
Während der Bau mit 400000 M. vei-sichert ist, ist das Mobiliar,
das grösstenteils neu angeschafft w’urde, noch nicht versichert, so
dass dem Besitzer ein bedeutender Schaden entstanden ist.
Emo. Dank der günstigen Witterung ist der Fremdenzufiuss
andauernd äusserst lebhaft. Zu den vielseitigen IleUfaktorea
unseres altbewährten Bades treten noch als schätzenswerte Vor¬
züge hinzu die erquickende, staubfreie Luft der prächtigen An¬
lagen und bewaldeten Berge, mannigfache Unterhaltungen ge¬
selliger oder künstlerischer Art, abwechslungsreiche Spaziergänge
und genussreiche Fahrten zu Berg mit Drahteeilba!^ und zu
Wasser mit Motorbooten.
Homburg. Die zur Zeit hier weilende Deutsche Kaiserin
nimmt täglich kohlensaure Bäder, w’elche schon in früheren Jahren
mit gutem Erfolge gebraucht wurden. Zur Trinkkur wii’d der
neu erschlossene Landgrafen-Bninnen benutzt. Auch die Prin¬
zessin Viktoria Luise nimmt täglich Mineral-Bäder. Die Damen
und Herren des Gefolges, sowie der Leibarzt, Generala^t Dr.
Zunker, gebrauchen gleichfalls die Trink- und Badekur.
Johannisbad. Der 900. Jahrestag der Quellenaufündung soll
am 24. Juni festlich begangen werden.
Lünoburg; Eine Enveitenmg des Solbades ist in Ausiucht
genommen. Mit dieser Erweiterung soll eventuell die Schaffung
eines Kurparkes in dem Gelände zwischen der Saline und Neu-
Lindenau verbunden werden. In ihm soll ein Badehaus errichtet
werden. Ferner sollen dort ein Solegradierwerk, eine Trinkhalle,
ein Kurhaus und ein Musikpavillon für die Kurkapelle geschaffen
werden.
Neuenahr. Der neuerbohrte Wülibrordus-Sprudel in Bad
Neuenahr wird am 1. Juni a. c. durch den Oberpräsidenteu
der Rheinprovinz, Freiherrn von Schorlemor-Lieser, feierlich ein-
geweilit werden. Diese neue Heilquelle, welche eine wertvolle
Bereicherung des Heilseliatzes des Bades Neuenahr darstellt, wird
alsdann unmittelbar in Gebrauch genommen werden.
Oranionbaum. Eine Heilstätte für tuberkulöse Kinder der
Provinz Sachsen und Anhalts ist hier feierlich eröffnet worden.
Durch die neue Anstalt wird zum orsteu Male das Prinzip der
Bekämpfung der Schwindsucht durch Licht- uud Luftbehandlung
verwirklicht.
Meteorologische Statistik.
VeraRstaltet von der Redaktion der Balneologiechen Zentralzeitung..
Name
Woebü
Mittlere.s
Temperatur-
roiüimum '
Mittleres
Temperatur-
masimum t
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand ;
Regen¬
tage
Sonnen-
schein-
tago
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemorkungen
Abbazia.
20..20,/5.
12,7 C.
19,4 C.
757,3
2
2
3
—
—
Badenweiler ....
—
—
—
—
—
—
—
—
Driburg.
14.—20./5.
7,8 C.
14,2 C.
—
3
—
4
—
1
Ems.
20.—26./5.
9,1 C.
18 C.
752,0
5
7
2
1,9
—
(t iessbübl-Sauorl irunn
9,9 C.
16,7 C.
—
3
4
—
3
3
Franzensbad . . .
20.—26./5.
9 C.
19 C.
710
1
4
2
—
1
Ilerrenalb ....
«
9,5 0.
17 C.
722
5
3
4
2—3
—
Kreuziiacli . . .
•
—
— C.
—
—
—
—
Liingenschwalbacli .
•
6,5 C.
16 C.
733,7
6
4
7
2
1
Lippspringe ....
10 C.
20 C.
751
1
5
1
1,5
—
Nauheim.
7,8 C.
18,2 C.
748,8
4
1
G
1—5
1
Nonudorf.
13,5 C.
19,5 C.
759
2
6
6
—
—
Orb.
10 C.
18,6 C.
750,5
2
5
—
—
1
Norderney ....
— C.
- C.
—
—
—
—
—
Reichenball ....
8,4 C.
17,2 C.
718,5
G
6
5
—
6
Hoinerz.
13.-19./5.
9
20
708
—
5
2
3
4
Sielien.
p
p
6,2 C.
16,6 C.
711,3
4
2
1
3—4
—
Verantwortlicher Redakteur : Dt. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von Hevnentann'sche Buchdrpckeiei, Gebr. Wolff, Halle e. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 18. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
1
Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.‘:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Verlag; Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6 .
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834
Redakteur:
Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stebr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nacbdnick aas dieser Zeitschrift ist nar mit Qoellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet.
Inhalt.
Uober prirato and Öffentliche Badceinricbtangcn in den Vereinigten Staaten.
Von Dr. 6. Laqnor. Wieebadon. (B'urtsetzung).
FeDilleton : Die 27. Öffentliche Versanrnlung der Balneologischon Gesell¬
schaft. Referent: Dr. Burwinkol-Bad Nauheim. Fortsetzung.
Die neuen Badeanlagen und die staatlichen Neubauten in Bad Nauheim.
Von Dr. med. Hirsch, Bad Nauheim.
Literatur.
Aentlicbe Studleureisen.
Ans den Bäderu und Karorteo.
Meteorologische Statistik.
üeber
„Slums“ (die Zahlen der Proben s. unten), also in den
schlimmsten dichtbewohntesten Vierteln von
private und öffentliche Badeeinrichtnngen
in den Vereinigten Staaten.
Nach einem Referat der Jahresversammlung des Deutschen Ver¬
eins für Volksbäder zu Worms am 23. Mai 1906.
Von Dr. B. Laquer, Wiesbaden.
(Fortsetzung.)
Bis ist ja auch klar, dass die Frage, ob die amerikanischen
Lohnarbeiter in toto weniger Alkoholica pro Kopf geniessen,
weiter zu der Erörterung der Ursachen (allgemeine und spezielle
Lebensführung, seelische Einflüsse, Sport), kurz zu dem, was
man Standard of life nennt, führen musste, sowie zu denjenigen
werktätigen Einrichtungen sozialhygienischer Art, denen die
heutige Tagung gilt
Es sind zuerst au der Hand des amerikanischen Berichtes
die privaten Badeeinrichtungen in den Lohnarbeiterschichten
Nordamerikas zu erörtern; sie zeigen, dass die Badekalamität
drüben“ von vomeherein nicht so schlimm lag, wie bei uns.
AufGrund der Statistik des oben erwähnten Arbeitsamts hatten
1887 in 18 Städten von U. St 1/4 der bewohnten Mietshäuser
Wannenbäder, ebenso '/i <^ 6 ^ Bostoner Mietshäuser 1892. Es
hatten ferner von den natürlich nur in Stichproben untersuchten
Feuilleton.
Die 27. öffentliche Versammlung der
Baineologischen Gesellschaft
in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6 . März 1906.
Referent: Dr. Burwinkel * Bad Nauheim.
(Fortsetzung.)
Die passive Hyperaemie in der Therapie der
Bewegungsstörungen verwendet Bum -Wien seit 4 Jahren.
Die schmerzstillende Wirkung der Bier’schen Stauung bewährt
sich besonders bei gonorrhoischen Arthritiden, wo sie eine
frühzeitige Mobilisierung der befallenen Gelenke gestattet und
einer späteren Ankylosierung vorgebeugt. Dasselbe gilt vom
acuten Gichtanfall, vom acuten und subacuten Gelenkrheuma¬
tismus mit Ausschluss der deformierenden Gelenkentzündung.
Die bactericide Wirkung ist in erster Linie bei Tuberku¬
lose d^r Gelenke, Sehnenscheiden und Schleimbeutel von
Nutzen, der lokal-emährungsförderndo Effekt bei der Therapie
und Prophylaxe der Pseudarthrose.
Die Einfachheit ihrer Technik prädestiniert die für den
New-York, wo ca. 360000 Personen in Slums hausen,
Chicago, „„ 162000 „ „ „ „
Philadelphia, „ „ 35000 „ « » »
Baltimore, „„ 25000 „ n . n n
3 ^/ 4 % in Chicago (untersucht wurden nur je 2()000 Personen
umfassende Slums)
6 iii New-York (untersucht wurden nur je 29000 Personen
umfassende Slums)
9 ’/ 5 % in Baltimore (untersucht wurden riur je 18000 Personen
umfassende Slums)
18% in Philadelphia (untersucht wurden nur je 17000 Personen
umfassende Slums)
private Badegelegenheiten.
Von 387 in Philadelphia untersuchten nicht slumartigen,
also besseren Häusern hatten 20% Baderäume. In Deutsch¬
land hatten von 1 Vg Millionen Wohnungen ca. 120000 gleich
10% Badegelegenheit.*)
Man darf ferner mit Sombart annehmen, dass die Woh¬
nung des amerikanischen Arbeiters im Durchschnitt dort 4
Räume hat, wo die des deutschen noch nicht 2 hat. Entfiel
doch auf die 908 Berliner Haushaltungen**), die doch gewiss
*) Statistisches Jahrbuch der Deutschen Städte Bd. XI. S. 82.
**) Berliner Statistik von E. Hirsebberg H. 3 Berlin 04.
Kranken wenig lästig Methode für den praktischen Arzt, be¬
sonders auch für den Badearzt, der sie mit balneotherapeutischcn
Agentien verbinden kann.
Ullmann-Wien rühmt die guten Erfahrungen über
Stauungs- und Saugtherapie bei einigen Haut- und
Geschlechtskrankheiten, wie Hodentuberkulose, Furun-
kulose, Acne, Folliculiti.s, Alopecia areata, Bubo, Perinealabs-
cesse, während Lupus und acute Gonorrhoe mit und ohne Epi-
didymitis ungeeignet für die Behandlung sind.
Fischl-Prag lobt Höhenklima und Seeluft als
Heilpotenzen bei Kinderkrankheiten. Anaemisch-
rachitische Kinder mit Atonie der Digestionsapparate und
nervöser UebereiTegbarkeit finden während der ersten Lebens¬
jahre den meisten Nutzen von einem mehrmonatliclion Aufent¬
halt an der Ostsee oder je nach der Jahreszeit am Mittelmeer.
Eine notwendige Voraussetzung des Erfolges ist häusliche
Menage, welche allein die Darreichung einer tadellosen und
jeweilig notwendigen Kost garantiert. Mittelgebi^sgegonden
kommen erst vom 6 . Jahre an in Frage, da ältere ßnder ohne
Ermüdung weitere Wege machen können und gegen den im
Gebirge unvermeidlichen Temperatun^'echsel widerstandsfähiger
sind. Der Keuchhusten verläuft leichter in milden Gobirgs-
klimaten, während sein katarrhalisches Ausgangsstadium auoli
an der See abgekürzt wird. Katarrhe der oberen Luftwege,
recidivierende exsudative Angina und chronische Hj^pertrophien
des lymphatischen Rachenringes werden durch protahierten
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70
BALNEOLOGISCHE CENTRALZBITmö
Nr. 18.
oIiiM' einen iihernorniiilon Typ repräsentieren, im DiirciiscliDitl
eine Wohnung von rund 1,4 Zimmern, während die Zahl der
Räume, welche die 25440 vom „Arbeitsamt“ untersuchten
amerikanischen Arbeiterfamilien*) bewohnten, soweit sie in
Miethäusern lebten, 4,67, soweit sie eigene Häuser hatten, so¬
gar 5,12 im Durchschnitt betrug. Aber auch die innere Aus¬
stattung der Wohnung ist in, Amerika unvergleichlich viel
komfortabler als bei uns. Die be.sseren Arbeiterwohnungen
drüben machen den Eindruck der Wohnung eines deutschen
MittelbUrgers. „Der amerikanische Arbeiter kennt also im
grossen und ganzen, New-York**) ausgenommen, wo täglich
3000 Einwanderer meist niederer Kulturstufe landen, nicht
drückendes Wohnungselend, er wird aus seinem Heim nicht,
weil es kein Heim ist wie die „Stube“ des grossstädtischen
Arbeiters im kontinentalen Europa, hinaus in die Wirtschaft
getrieben, er kann vielmehr in reichlichem Maße den Empfin¬
dungen des feinsten Egoismus, wie ihn die behagliche Häus¬
lichkeit entwickelt hat, Raum geben“.
Auch unter den in dem oben zitierten Berichte dos Arbeits-
*) Bass es sieb um eine Eliteschiebt der Arbeiter bandelt, bemerkt
Sombart 1. c. Bd. XX. S. 644, vorgl. die Aiim. beer. N. Y.
•*) Ueber Cbicago vorgl. A. Kolbs Pracht-Essay; Als Arbeiter in
Nordamerika. 4. Äutl. 05. Berlin. So berichtet auch Sombart aus
Robert Hunter, „Poverty“, 1901, das „hineinleuchtot in die Tiefen des
amerikanischen Grosestadtelends“ folg'endos:
„Der Verfa.sser veranschlagt die Zahl der unterhalb der Grenze der
Armut lebenden Personen, also derjenigen, die in Nahrung, Kleidung und
Wohnung nicht das Nötigste haben, in den Vereinigten Staaten auf insge¬
samt 10 Millionen in Zeiten durcbscbnittlichcr Prosperität, wovon 4 Milli¬
onen üffenlUche Arme*) sind. Im Jahre 1897 empfingen in New-York
ArinonuntorstÜtzung Ober 2 Millionen Menschen*), 14 Prozent der Bevölke¬
rung derselben Stadt leben -^in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs (1903) —
20 Prozent — in schlechten Zeiten (1897) — im grössten Elend, das heisst
von ihnen weiss man es; zählt man die verschämten Armen hinzu, meint
Hunter so wird die Zahl der in New-York und anderen Gressstädten
in Armut Lebenden selten unter 25 Prozent sinken. In Manhattan, dom Haupt¬
stadtteil New-Yorks, wurden 1903, also in einem guten Jahre, 60463
Familien, das sind 14 Prozent aller Paniilien, aus ihren Wohnungen ex¬
mittiert. Jeder zehnte Toto wird in New-York als Stadtarmer aufPotters
Field beerdigt“ vergl. auch H. Albrecht’s Schilderungen über englische
Gro.ssstädte „Concordia" 1904. Nr. 1 — 55 u. 1905 Nr. 8.
*) Der sämtlichen Eiiiw. ‘= 5®/o
in Deutschland (1885) *= 3,4® (,
in Berlin — 6,6
Ln Hamburg =•
■j Darunter wohl vielfache Doppelzählungen, bemerkt Sombart dazu.
E.S sind vrobl die Fälle von bereits oingetrotoner Armonunterstütznng gemeint,
(iiinz New-York zählte ja 1897 erst 3'/* Millionen Einwohner. — Nach
Peabody betrug die Gesamt-Arnien-Äusgabc (private und öfFentliche)
4 —ü Doll, pro Aopf 1895, i. G, 19 Mill. Dollars. Das alles sind nach
unten hin „unbegrenzte Möglichkeiten!“
Aufenthalt in Binnenmeerbädern entschieden gebessert, auch
wohl geheilt. Bei chronischen Reizzuständen der tieferen Luft¬
wege entscheidet das Älter: jüngere Kinder passen für die
üst.s (‘0 und das Mittelmoer, ältere fürs Mittelgebirge.
Nordseebäder sind ungeeignet für blutarme in der Ent¬
wicklung zurückgebliebene Kinder aus dem Binnenlande, wenig¬
stens im Laufe der ersten 7—8 Jalire, dasselbe gilt für grossere
Höhenlagen.
Heinsheimer-Baden-Baden berichtet von oxperimen-
tellen Untersuchungen über den Einfluss von natür¬
lichen und künstli ch 0 n Salz 1 ö sun«ren au f die Mairen-
saftsekretion.*) (.Schluss folgt.)
*) lieber diesen Vortrag erscheint demnächst an dieser .Stelle ein
Autorn'fetat.
Die neuen Badeanlagen
und die
stautliclien Noubauten in Bad Xaulieim.
V'i>n I)r. med. HirSCh. Bad Nauheim.
(S<-liltiss.)
Die fünfte Abfoilnng schüesst das niMio E lok tr i z itä ts-
Werk, die Mas<'hinen- und Hoizzentrale mit Fernheiz¬
amtes aufgefiihrton, von 16 grossen amerikanischen Betrieben
erbauten Arbeiterwohnhäusem finden wir Baderäume vielfach
angegeben, wie ja auch solche bei uns in dem Albrecht-
Postschen Handbuch der Arbeiterfnrsorge unter gleichen Um¬
ständen geschildert werden.
Es ist hierbei eine Bemerkung einzufügen, aus dem
amtlichen Berichte der Preussischen Reg.- und Gew.-Räte von
1895: Im Regierungsbezirk Magdeburg stehen in Betriebs¬
werkstätten mit 48000 Arbeitern für 34% derselben Bade-
eiurichtungeo zur Verfügung. Der Hannoversche Fabrikinspek¬
tor*) macht jedoch darauf aufmerksam, dass eine erfolgreiche
Benutzung der Badeeinrichtungen seitens der Arbeiter nur
dann möglich ist, wenn letztere nach einem bestimmten Plane
während der Arbeit baden dürfen ohne Lohneinbusse.
Nun zur Entwickelung der öffentlichen Bäder Amerikas.
Zuerst einige geschiclitlicTie Daten: Wenngleich Boston schon
im Jahre 1866 eine kleine öffentliche Strandbadeanstalt aus
Holz für den Sommergebrauch hatte, so ist doch die Entwicke¬
lung erst ein Erzeugnis der letztoo 15 Jalire. Der bekannte
amerikanische Nervenarzt Dr. S. Baruch hatte die Ausstellung
des Lassar-Groveschen Brausebades in Berlin auf der Hygiene-
Ausstellung 1887 besichtigt. Begeistert von der Idee und ihrer
musterhaften Ausführung hielt er 1889 den ersten Vortrag
darüber in der New-Yorker Gesellschaft für Sozialpolitik und
kurz nachher wurde nach einer Beratung mit der Gesellschaft
for improviug the condition of the poor das erste sogenannte
Volksbad mit 76 Douchen in New-Vork in der Rivingtonstreet
eröffnet; es kostete 410000 M. 1895 folgte ein Gesetz, welches
für alle über 50000 Einwohner zählenden Gemeinden des
Staates New-York die Errichtung öffentlicher Bäder als gesetz¬
liche Auflage bestimmte, und nunmehr ging die Entwickelung
rapid voran. Die öffentlichen Bäder der Nordamerikanischen
Gemeinwesen können im allgemeinen in 5 Typen oingeteilt
werden:
1. Strandbäder,
2. scliwimmende Bassin- oder Flussbäder,
3. Bassinbäder in stehendem Wasser,
4. Brausebäder,
5. Die Verbindung von Bassin- und Brausebad.
(Schluss folgt.)
*) V’gl. ferner die intercs.santo Statistik (S. 172 eod. 1.) über Benut¬
zung der neuen Hohenlohe Zinkhütte mit 83,7®/, Beteiligung sämtlicher
Arbeiter (46742 Badetage 55799 Schichttago).
kanal und eigene Dampf-Waschanstalt in sich; ausser¬
dem eine neue Eisfabrik und verscliiedene Verwaltungs¬
gebäude und Wohnhäuser für die Beamten der Saline.
Von diesen geplanten Bauten sind bereits fertiggestellt
und zwar schon im Vorjahr: 1. Die Erweiterung der Terasse
des Kurhauses mit neuen Umfassungsmauern. Letztere mit
schöner Gallerie versehen, sind doppelt und durch einen breiten
Wandelgang getrennt. Die untere Mauer hat eine hübsche
ornamentale Brunnenanlage.
Ferner ist der Konzertgarten fast um die Hälfte vergrössert
und. ein neuer grosser massiver Musiktempel errichtet worden.
Die abschiiessendeu Wandelhallen sind mit modernen bnnton
Glasfenstern und schöner stilgerechter Deckenmalerei ausge¬
stattet.
Für die Saison 1906 sind folgende Bauten vollendet
und in 13(;trieb genommen:
die Maschinen- und Hoizzentrale,
die Waschanstalt,
der Fernheizkanal,
die Verwaltungsgebäude,
da.s neue Badehaus Nr. 8.
Wir wollen bei der Beschreibung der einzelnen Bauten
von Osten nach Westen geh<‘n und beginnen daher mit der
Maschinen- und Heizzentrale. Es sind dies mehrere wuchtige
Massivbauten, in denen sich vier riesige Dampfkessel befinden,
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1906.
BALNEOLOGISCHE CBNTRALZBITUNG
71
Aus den Bädern und Kurorten.
Baden-Baden. Das neue Sanatorium DDr, Frey-Gilbert
stellt eine Masteranlage dar. Es vermag ungefähr 70 Gäste zu
beherbergen, denen alle modernen Heilmittel im Hause selbst ge¬
boten werden. Im Erdgeschoss befinden sich praktisch und vor¬
nehm eingerichtete ßadezellen für Damen und Herren, worin alle
Arten von Bäder verabfolgt werden können, und ein Massage-
raum. Im Hochparterre liegen die ärztlichen Eonsultationsräume,
ein Inhalationsraum und ein schöner Saal für Heilgymnastik. Der
nördliche Flügel enthält die geschmackvoll ausgestatteten Gesell-
schaftsränme, den grossen Speisesaal und eine breite, offene Ter¬
rasse. Die Wohnräume befinden sich in den drei Obergeschossen,
welche breite, luftige Korridore durchziehen, die bei schlechter
Witterung als Wandelhallen dienen können. Alle Korridore sind
in der Mitte zu Hallen ausgebildet, von welchen eine Tür zu dem
jedem Stpckwerk eigenen, gedeckten Balkouo führt. Je zwei
Fremdenzimmer haben einen gemeinsamen Vorraum, so dass völlige
Ruhe gesichert ist. Jedes Zimmer hat einen Balkon, Ventilation,
Zentralheizung und Telephon. Von den Heilapparaten seien noch
erwähnt: In jedem der Aerztezimmer aufgestellte Apparate für
faradische, galvanische und Infinenz- (Fran^nisation) Elektrizität
für pulsierenden Gleich- und Wechselstrom (Sinusoidalisation) und
für Vibrationmassage; komplette Einrichtung für Röntgen-The¬
rapie und Diagnostik (Orthodiagraphie). Apparate für Hoch-
freqnenzströme nach Arsonval. Elektromagnetisches Feld. Sämt¬
liche hydro- und balneo-therapeutiachen Heilfaktoren. Heissluft¬
dusche nach Dr. Frey. Apparate für mechanische Heilgymnastik
und Prenkel-Leydensche Uebungstherapie, Sonnen- und Luft-
Bäder. Der kürzlich so plötzlich verstorlwne Mitbegründer der
Anstalt, Hoirat Dr. Gilbert, hatte an den Vorarbeiten für das
neue Sanatorium reichen Anteil, doch war es ihm nicht vergönnt,
die Eröffnung zu erleben.
Die stark alkalisch und kohlensäurebaltige Quelle schüttet 10
Sekundeniiter Mineralwasser aus.
EisonflCh. Der Gemeinderat hat den Ankauf des idyllischen
Johannistales zu dem vom weimarischen Landtag festgesetzten Preis
von 400000 M. beschlossen.
Ems. Die Fremdenfrequenz ist auf über 2600 Personen; ge¬
stiegen. Ausser dem Erbprinzen Adolf von. Scbaumburg-Lippe
weilt auch S. H. Herzog Emst von S.-Altenburg wieder hier. —
Mit dem Monat Juni beginnen die glanzvollen Saisonfestlichkeiten
und die Vorstellungen im Kurtheater.
Lüneburg soll infolge eines Vertrages der Saline mit der
Stadt eine grosszügige Ausgestaltung seines Soolbades erfahren.
Danach stellt die Stadt der Saline behufs Errichtung eines Sol¬
bades und Anlage eines Kurparkes ein Gelände im Rotenfelde von
etwa 60 Morgen zur Verfügung. Die Saline errichtet auf diesem
Gelände ein Badehaus, ein Kurhaus, Trinkhalle, Musikpavillon,
Kurpark, Gartenanlagen und ein Gradierwerk.
Rauschen. Duroh die Samland-Bahn ist Ostseebad Rauschen
jetzt dem Verkehr erschlossen und von Königsberg stündlich zu
erreichen. Letzten Sommer war Rauschen von etwa 5000 Kur¬
gästen besucht. Rauschen hat den Vorzug, von jeder Insekten¬
plage verschont zu bleiben.
Soden i. T. Das neu errichtete medico-mechanische Institut
befindet sich im mittleren Teile des Badebauses und ist von allen
Badezellen ans leicht zugänglich. Ee enthält ein vollständiges
System von gymnastischen Apparaten für aktive und passive Be¬
wegungen und Massage, welche nach den Angaben von Zander
und Herz konstruiert sind. Das Institut ist eine Gründung des
Sodeuer Aerztevereins und steht unter der Leitung eines erfahre¬
nen Arztes, welcher die Verordnung der hier praktizierenden
Aerzte den Kuigästen erläutert und die richtige Befolgung über¬
wacht.
Bad Landeck. Das jetzt in die 16. Saison tretende Wald-
sanatorinm Germanenbad in Bad Landeck hat den letzten
Winter zu einer erheblichen Vergrösserung benutzt. Durch einen
Neubau des Kurhauses sind ein neuer geräumiger Speisesaal und
mehrere Gesellschaftsräume geschaffen worden und eine grössere
Zahl neuer Zimmer mit und ohne Balkon hinzugekommen. Auch
die Gartenanlagen sind um 40 000 qm vergrösserfc worden, sodass
zu erwarten steht, dass nunmehr die Anstalt dem von Jahr zu
Jahr steigenden Zuspruch vollauf wird gerecht werden können.
Die unvergleichlich idyllische Lage trägt nicht zum geringsten
Teil zur wachsenden Beliebtheit dieses Waldsanatoriums bei.
BrüCkenftU (Rhein). Dieser Tage ist in einer Tiefe von
216 m ein neuer, 10 m übertag treibender Sprudel erhohrt worden.
Literatur.
Morin -Leysin. Die Behandlung der Tuberkulose in
Leysin. (Therap. Mtshefte 1905. No. 10.)
Frühe Diagnose und rascher Entschluss für die Behandlung
in einem Höhensanatorium sind von grösster Wichtigkeit für die
Prognose der Tuberkulose; aber leider wird meist erst der Aus¬
wurf und der Koch’sche Bazillus und damit der eigentliche An¬
lauf der Tuberkulose selbst abgewartet, ja nicht einmal das, erst
im zweiten oder gar erst im dritten Stadium der ausgebrochenen
Tuberkulose denkt man an die Forderungen der Behandlung: Luft-
und Ruhekiir mit passender Ernährung. Man ergreift erst halbe
Maßregeln, die gar zu oft ungenügend sind, und dann erwartet
die fast 30 cbm Wasser fassen, mit üeberhitzungsvorrichtung
versehen. Von hier aus wird der Dampf durch den 1,80 m
breiten Fernheizkanal 430 m weit in die Badehäuser ge¬
leitet und zwar in einer Temperatur von ca. 200—250" mit
10 Atmosphären Druck. Es sind meines Wissens nur wenige
Anlagen m Deutschland, bei welchen das Problem der Fern¬
heizung verwirklicht ist.
In dem Maschinengebäude sind ferner die grossen Dampf-
und Dynamo-Maschinen, sowie die Akkumulatoren uiitergebraciit.
In der sehr geräumigen Dampfwäscherei sind die Wasch- und
Trocknungsapparate und die Mangeln aufgestellt, ausserdem noch
ein grosses Vorratslagor von Wäschestücken.
Der Fernheiakanal läuft unter dem Bahnkörper durch,
die Bahnhofsallee entlang und führt in gerader Linie nach den
Verwaltungsgebäuden und ins Badegebiet.
Die Verwaltungsgebäude schliessen die Bahnhofs¬
allee ab und lassen in der Mitte den Ausblick nach dem
Sprudelhof frei.
Sämtliche Gebäude sind im Barock-Stil aufgeführt und
alle Ausführungen bis ins allerkleinsto Detail stilgerecht ge¬
halten. Wenn man auch über diesen schweren, massiven Stil
für Badeanlagen anderer Ansicht sein kann, das Eine
muss jeder Besucher unumwunden zugeben, dass die Innen-
Einrichtung der neuen Gebäude an Solidität, Pracht,
Eleganz und komfortabelem Luxus ihresgleichen sucht.
Das Innere ist tadellos, prachtvoll ausgestattet und technisch
vollendet.
In den Verwaltungsgebäuden sind sämtliche Bureaus des
Bades, der Saline und des Tiefbauamts untergebracht.
Im ersten Stock sind die eleganten Räume für die Dienst¬
wohnungen des Bado- und Kurdirektors.
Von den Verwaltungsgebäuden gelangt man über eine
grosse Freitreppe ins eigentliche Badegebiet, in den Sprudel¬
hof, dessen Ostseite von dem fertiggestellten Badehaus 8 be¬
grenzt wird und das das oben erwähnte Häuser-Carrö mit 2
symmetrischen Flügeln beginnt. Die beiderseitigen Warte¬
räume sind mit Marmor getäfelt und mit herrlichen elektrischen
Beleuchtungskörpern versehen.
Die einzelnen Badezellen sind geräumiger, als die seit¬
herigen, mit allem denkbaren Komfort und vornehm und elegant
ausgstattet.
Im nächsten Herbst wird wiederum ein weiterer Teil der
Neubauten begonnen, so dass in einigen Jabren der ganze
grosse Plan vollendet sein wird.
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72
BALNBOLOGISCHB CENTRALZBITUNG
Nr. 18.
man von wenigen Monaten schon Heilung. Die Behandlung der
355 in den Sanatorien von Leysin (1. Mai 1904 bis 30. April 1905)
teils gebesserten teils gehellten Tuberkulösen bat wieder den
wichtigen Einfluss des Höhenklimas gezeigt, und interessant ist
die Erläuterung der Elemente des Höhenklimas, wie sie M. uns
gibt: Seit den EorschuDgen von Finsen und den Arbeiten von
Bernhardt (Samaden) kennt man den aussergewöbnlichen Heil-
einflnss der ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes. Während
die Wäi'mestrahlcn das Maximum ihrer Intensität in dem roten
Telle des Liohtspektrums haben, und die leuchtenden Strahlen be¬
sonders in dem gelben mächtig sind, ist es anerkannt, dass die
chemische oder therapeutische Wirkung besonders kräftig ist in
dem violetten und ultravioletten Teil des Lichtspektrums. Gerade
diese ultravioletten Strahlen von so hohem therapeutischem Werte
wurden von Finsen und Bernhardt benutzt. Diese ultravio¬
letten Strahlen werden aber sehr staric von der Atmosphäre ab¬
sorbiert, und zwar so, dass sie eine enorme Abnahme erleiden,
wenn man vom Berg ins Tal henmtersteigt. Die in grosser
Quantität existierenden ultravioletten Strahlen in dem Licht des
hohen Bei^s wurden in Samaden (Graubünden) und in Leysin zur
Behandlung von chirurgischen Tuberkulosen angewendet, und die
Erfolge von Bernhardt und Bollier sind in dieser Hinsicht
sehr überzeugend.
Ausserdem hatte das Tuberkulin, mit Vorsicht bei nicht fie¬
bernden Fällen angewewendet, gute Resultate gegeben. Das Mar-
moreck’sche Serum wurde noch versucht und schien in gewissen
Fieberperioden der Tuberkulose günstig zu wirken. Endlich wurden
je nach den symptomatischen Indikationen der verschiedenen Kranken
die intratrachealen Einspritzungen nach Mendel, Thiocol, Jod,
Arsen, Natrium cacodylicum, Kampferöl und die verschiedenen
Derivate des Opiums in Anwendung gezogen A. R.
Aerztliche StiKtlenreisen.
Die diesjährige Studienreise bat den Besuch der badischen
und württembergischen Kurorte und Lungenheilstätten etc. in
Anssicht genommen. Die Reise soll am 4. September in Heidel¬
berg beginnen und am 15. 9. in Stuttgart, dem Sitze der dies¬
jährigen Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte, einen
Tag vor Beginn derselben enden.
Besucht werden voraussichtlich folgende Kurorte: Wildbad,
Teinacb, Schömberg, Liebenzell, Frendenstadt, Rippoldsau, Gries¬
bach, Peterstal, Badenweiler, Wehrawald, Todtmoos, St. Blasien,
Konstanz, Triberg, Baden-Baden.
Die durch den im Februar d. J. erfolgten Tod des Herrn
Hofrat Gilbert erledigte Stelle eines Generalsekretärs ist bis
zur definitiven Wahl von Herrn Dr. Oliven, Berlin, Lützow-
strasse 89/90, und die Stelle des Schriftführers von Herrn Ober¬
stabsarzt z. D. Dr. Bassenge, Berlin-Gnmewald, übemommeD
worden.
Das Bureau des Komitees zur Veranstaltung ärztlicher Studien-
i'eisen befindet sich von jetzt ab im Kaiserin Friedrich-Haus für
das ärztliche Fortbildungswesen. Berlin N.W. 6, Lnisenplatz
2—4, wohin alle Zuschriften unter Adresse „Komitee für ärzt¬
liche Studienreisen“ zu richten sind.
Die Zahl der Teilnehmer an der diesjährigen Studienreise
soll die Zahl 200 nicht überschreiten, and i^ aus diesem Grunde
eine möglichst baldige Anmeldung geboten. Das definitive Pro¬
gramm sowie Näheres über Kostenpunkt etc. kann erst Mitte
Juni bekannt gegeben werden.
Verschiedenes,
Das „Sylter Intelligenzblatt“ vom 1. Mai 1906 schreibt:
,Jugendpensionat. Einen guten Erfolg bat Herr Dr Koch
mit seinen Bemühungen um den ersten Zögling aufzuweisen, der
während des Winterhalbjahres im Jugendpensionat seine geistige
Ausbildung genossen hat. Genannter Zögling, der im Oktober
1905 die Reife eines Obersekundaners nach Vijäbrigem Besuch
der Obersekunda eines Gymnasiums hatte, ist bis zum 1. April
1906 im Jugendpensionat durch die Obersekunda und Unterprima
geführt worden und hat vor einigen Tagen die Aufnahmeprüfung
für die Oberprima des städtischen Gymnasiums zu Danzig be¬
standen, — bat also in ca. 5 Monaten ein l'/4jährige8 Klassenpensum
bewältigt. Wir wünschen Herrn Dr. Koch, dass sich diesem
schönen Erfolge weitere in grosser Zahl anreihen mögen. Unser
Bad kann jedenfalls bei derartigen gnten Leistungen der Zöglinge
des Jugendpensionates nur gewinnen, sofern u. E. hier einer der
Angelpunkte für eine Propaganda für Winterkuren von Schülern
schwebt, die in der körperlichen Elntwicklong zurückgeblieben
sind.“
Meteorologische Statistik.
Verustaltet voa der Redtktiei der Balneelegleebe« Zeetralzeltang..
Name
Woolte
Mittleres
Temperatnr-
miuimum
Mittleres
Temperatur-
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonteu-
schein-
tage
1
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazi a.
3.—9./6
14,1 C.
759,9
1
4
2
—
—
Badeuweiler.
—-
—
—
—
—
—
—
Driburg .
6,2 0.
17,6 C.
•—
2
3
2
1
1
Ems.
8,3 C.
17,6 C.
759,5
4
6
1
3
1
Giesshübl-Sauerbrunii . .
9,9 C.
15,5 C.
—
1 —
4
3
3
—
Franzensbad .
10 C.
23 C.
718
Vz
4V2
2
—
—
Herrenalb.
10 C.
18 C.
726
3
3«/4
3V4
3—4
1
Kreuznach .
—
— C.
—
—
—
—
—
—
Langenschwalbach . . .
4,2 C.
16,2 C.
739,6
3
6
7
2,6
1
Reif am 6. Juni.
Lipp8i)riiige.
8 C.
19 C.
752,5
2
3
2
2
—
Frequenz 2Ubl).
Nauheim ..
, 8 C.
18,9 C.
753,5
3
3
4
1—5
1
, 8928.
Nenndorf.
1 11 C.
18 C.
768
2
4
7
—
Orb.
1 9 C.
17,1 C.
755
—
7
—
—
Norderney.
8,6 C.
13,1 C.
763,1
2
6
9
4
—
Reichenhall . . . . •
7,7 C.
15,3 C.
723,6
3
5
6
—
—
Rcinerz.
—
_
_
—
—
—
—
— 1
Stehen.
n
7,14 C.
16 C.
715,7
3
3
1
3—4
—
Verantwortlicher Redakteur: Or. V. Meissner, Berlin — Verlag von Carl Marbold, Halle
Dniek von IleynemaaD'kche Ilucbdrucketei. Gel>r. Wolff, Halle a. ^
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Vn. Jahrgang. Nr. 19. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Or£:an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des ,Allg. D. B.-V.“:
Dr. Siebelt Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marhold ln Halle a. $., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. roed. et polit Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
lieber private und Öffentliche Badeeinrichtungen in den Vereinigten Staaten. 1 Ans den Bftderii and Kurorten.
Von Dr. B. Laquer, Wiesbaden. (Schluss). 1 MeteorolofflBChe Statistik.
FeoUleton : Die 27. Öffentliche Versaromlnng der Balneologischen Gesell- |
Schaft. Referent: Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. (Schluss.) I
lieber
private und öffentliche Badeeinrichtnngen
in den Vereinigten JStaaten.
Nach einem Referat der Jahresversammlung des Deutschen Ver¬
eins für Volksbäder zu Worms am 23. Mai 1906.
Von Dr. B. Laquer, Wiesbaden.
(Schluss.)
Boston z. B. besitzt 10 Strandbäder, Milwaukee 4, Chicago,
Baltimore je 3, etc. Sie sind die billigsten Formen, da sie
nur Ankleidezeilen zur Voraussetzung haben. Flussschwimm¬
bäder besitzt Boston 12, New-York 15, Brooklm 5. Die Kon¬
struktion besteht aus einer Diele, die auf Flössen liegt In
der Mitte der Diele ist das Bassin, während die Ankleidezimmer
um das Bassin herumliegen. Das Bassin ist derartig gebaut,
dass es freies Durchströmen des Wassers erlaubt Diese ßade-
form ißt nur im Sommer möglich und nur in Städten, welche
eine Wasserseite haben; sie ist besonders für kleine Städte
geeignet, welche einen Fluss oder See besitzen, die frei von
Verunreinigungen sind. Diese Badeform verschwindet aber
aus den grossen Städten Amerikas entsprechend der wachsen¬
den Schwierigkeit, das Flusswasser rein zu halten, und macht
Bassin-Bädern in Hallen mit stehendem Wasser, vor allem aber
Brausen verschiedener Art Platz. Das erste wurde 1885 in
Philadelphia konstruiert, weil das Wasser des Flusses unsauber
wurde. Diese Stadt hat nunmehr 15 derartige Einrichtungen.
Die einfachste Form besteht aus einem sogenannten pool,
umgeben von Ankleidezimmern, teils bedeckt, teils frei. Die
oben erwähnten Strand-Flussbäder sind nur im Sommer, etwa
4 Monate, zu benutzen, sie erfrischen den Körper, üben die
Muskeln, aber ihre Wirksamkeit ist in der kühlen Jahreszeit,
io der Bäder am notwendigsten sind, gehemmt, und da auch
die Wannenbäder in öffentlichen Bädern Amerikas nicht mehr
üblich sind, so ist nunmehr die Brause oder das Regenbad
an ihre Stelle getreten. In Boston wurden die ersten Brausen
1889 errichtet, Milwaukee, Chicago folgten. Es gibt nun¬
mehr 39 Einrichtungen mit im ganzen 1500 Einzelbrausen
in den Städten der Vereinigten Staaten. In Baltimore sind
öffentliche Turnhallen und öffentliche Waschanstalten mit
ihnen verbunden. Man hat im grossen ganzen für die Orts¬
frage des Bades die Dezentralisation in den Arbeitervierteln
zum Grundsatz erhoben — das Volksbad muss „wie ein Ver¬
sucher auf dem Wege von der Arbeitsstätte zur Wohnung“
liegen —, ferner postuliert man drüben bei Vorhandensein
von Licht, Wärme, Sauberkeit den Fortfall von äusserem
Prunk. Die Kosten für Grundstück und Bauten schwanken
von 500 Dollar gleich 2000 M. bis zu 461000 Doller gleich
fast 2 Millionen M. (wobei allerdings Spielplätze, Turnhallen
etc. inbegriffen sind). Die Eintrittsgelder für die Besuche sind
Feuilleton.
Die 27. öffentliche Versammlung der
Balneologischen Gesellschaft
in Gemeinschaft mit dem Zentralverbande der
Balneologen Oesterreichs in Dresden 2. — 6. März 1906.
Referent: Dr. Burwinkel • Bad Nauheim.
(Schluss.)
Guhr-T4bra-Sz6plak berichtet über die günstigen Erfolge
der Heliotherapie bei Psoriasis vulgaris. 3Wochen
lang wurden Sonnenbäder in der täglichen Dauer von 20 bis
25 Minuten gegeben. Wichtig ist, dass die Sonne unmittelbar
auf das entschuppte Corium einwirkt.
V. Pöhl-St. Petersburg weist hin auf die Kombination
der Balneotherapie mit der Organotherapie in ihrer
Bedeutung zur Beeinflussung von Stoffwechselano¬
malien. Mit dem Sperminum-Poehl und dem Haemoglobin
lassen sich die herabgesetzten Oxvdationsprozesse erhöhen.
Für die Fortschaffung der Stoffwecnselprodukte speziell aus
den Nervengeweben kommt das Cerebrinum-Poehl in Betracht.
Die kombinierte Behandlung mit Spermin und alkalischen
Wässern und physikalisch-diätetischen Mitteln hat bei Neu¬
rasthenie, Hysterie, Arteriosclerose etc. sehr gute Resultate.
Schwefelbäder in Kombination mit Spermin liefern bei Syphilis,
Tabes, Scrophulose überraschende Resultate. Für die Nieren-
insufficienz kommt das Reninum-Poehl zur Anwendung. Ratio¬
nell hergestellte Organpräparate sind mit Ausnahme von Adrenal
und Suprarenalin gänzlich unschädlich. Selbst das Thyreoi-
dinum-Poehl kann bei Myxoedem jahrelang unausgesetzt ge¬
nommen werden, ohne dem Organismus Schaden zuzufügen.
N en ado vics-Franzensbad streift einige Gynaeco-
logische Fragen aus der kurärztlichen Praxis. Bei
Behandlung der Uterusmyome gibt man allgemein noch den
Soolbädem den Vorzug. Doch sind die Moorbäder mehr in
den Vordergrund zu stellen, da sie das Blut von den inneren
Organen ableiten, den Blutdruck herabsetzen, die Blutbüdung
begünstigen. Vor allem verdienen sie den Vorzug bei Myom¬
kranken jugendlichen Alters und zarter Konstitution, bei denen
die Blutungen zu Anaemie und sekundären Herzbeschwerden
geführt haben, ferner wenn Chlorose und Arteriosclerose be¬
stehen. Eine weitere Frage ist, wann die Badebehandlung
bei exsudativen Prozessen einzusetzen hat Man soll die
Kranken ins Bad schicken, sobald das Fieber aufgehört hat
und die Patientin reisefähig ist, wenn auch noch Schmerz¬
haftigkeit besteht.
Hiermit dürfte das Wissenswerte aus den Verhandlungen
gegeben sein. Natürlich brachte der Kongress noch eine ganze
Reihe geselliger Unterhaltungen. Der Munificens der Stadt
verdankten die Teilnehmer eine Einladung zur Vorstellung im
Opernhaus. Die Aufführung von Hoffmanns Erzählungen war
künstlerisch vollendet Auch das Festmahl im Königlichen
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n
BALNBOLOGlSCJflE CENTOALZEITUiTG
Nr. 19.
entweder sehr niedrig oder ganz frei, letzteres überwiegt in
mehr als der Hälfte auch für Seife und Handtücher etc. Die
Kosten für die Aufrechterhaltung des Bades rangieren von
l Pfg. in den städtischen Bassinbädern Philadelphias bis zu
12 oder 16 Pfg. in grossen Städten wie Buffalo, Milwaukee
etc. Nur wenige kleine Städte mit schlechtem Besuche gehen
darüber hinaus. In 9 Städten sind die Flussbäder ganz frei,
in 3 Städten werden kleine Eintrittsgelder erhoben. Strand¬
bäder sind in 3 Städten gratis, in 8 Städten werden kleine
Beträge für Benützung der Wäsche erhoben. Brausebäder
sind in 9 Städten gratis, in 4 Städten gegen Bezahlung zu¬
gänglich. Aber in fast allen öffentl. B^ern, in denen Ein¬
trittsgelder erhoben werden, gibt es Ausnahmestnnden und
Ausnahmetage, an denen die Bäder ganz frei sind.
Eine weitere wichtige im Anschluss an deutsche Vorbilder
erfolgte Neuerung ist die Einführung von Brausebädern in
öffentlichen Schulen. Der in Amerika gemachte Versuch,
eine untere Grenze der Reinlichkeit in Aussehen und Kleidung
für die Schulkinder festzul^en, ist gescheitert Man hat mit
den Schulbädern be.ssere Erfolge erreicht; eine grosse Zahl
von Kindern konnte in kurzer Zeit mit sehr geringen Aus¬
gaben gebadet werden, in Boston z. B. in 2 Schulen Mädchen in
einzelnen Zellen, Jungens unter einer Gruppendouche. 1904
hatten 30000 Schulkinder New-Yorks diese Einrichtungen; der
Neubau einer jeden Schule erhält sie eo ipso. Originell-ameri¬
kanisch ist die Bemerkung , dass die Abnahme der Zahl von
jugendlichen Verbrechern in Boston auf die Einrichtung der
Volksbäder zurückgeführt worden ist.
In einigen Städten, so in Brooklin, hat man Badeanstalt
und Schule örtlich verbunden, ja sogar Gratis-Schwimmunter-
richt wird während der Ferien in einigen Städten erteilt.
Oeffentliche Wasch- und Bügeianstalten gibt es in Chicago,
Baltimore, Cleveland und Troy. Hierbei stehen kaltes und
warmes Wasser zur Verfügung, ebenso maschinelle Anlagen
zum Ausringen, Trocknen und Bügeln der Wäsche. Trocken¬
legung und Ventilation der betr. Räume sind ebenfalls vor¬
gesehen.
Aus der Statistik des Dr. Hanger vom Bundesarbeitsamt
führe ich folgende Zahlen an: Die sämtlichen Öffentlichen
Bäder in den 34 Städten Nordamerikas kosteten 3Vj Millionen
Dollar gleich 15 Millionen M., also im Durchschnitt hat jede
Stadt 441000 M. dafür ausgegeben. Sie wurden besucht von
über 20 Millionen Menschen im Jahre (in 18 deutschen Städten
mit viel kleinerer Einwohnerzahl von 8 Millionen Menschen).
In deutschen Städten wurden 20 Millionen M. für den gleichen
Belvedere verlief zur allgemeinen Zufriedenheit. Unter der
liebenswürdigen Führung von Herrn Sanitätsrat Re ich ar dt
fand eine Besichtigung des König Friedrich August-Bades in
dem reizend gelegenen Klotzsche statt. Am Schlusstage des
Kongresses unternahm noch eine grössere Zahl von Teilnehmern
einen Ausflug nach dem unvergleichlich schön gelegenen Luft¬
kurort Neuschandau in der Sächsischen Schweiz, aus dem der
tatkräftige Leiter und Begründer Hen” Sendig einen auf¬
strebenden Villenort geschaffen hat. Das herrliche Märzwetter
und die freundlicl o Bewirtung versetzte alle Besucher in die
gehobenste und beste Stimmung, so dass man nur ungern von
dem so idillischen Platz Abschied nahm.
Und so waren die Kongresstage allzuschnell vorbei; sicher¬
lich haben sie bei allen Teilnehmern eine Reihe angenehmster
Erinnerungen hinterlassen.
Kleine fVlitteilungen.
Lungentuberkulose und das Bad Lippspringe. Das Bad
Lippspringe bat mit jedem Jahre steigende Aufnahmeziffern von
Lungenkranken, die an der A r min in squel le Heilung suchen,
n i nsch - Lippspringe stellte eine Statistik auf über die Dauer¬
heilerfolge der vom Rekonvaleszentenverein Elberfeld nach Lipp¬
springe entsandten Lungenkranken. In den Jahren 1898 — 1902
liess der genannte Verein 1237 Lungenkranken, meistens Fabrik¬
arbeitern, Handwerkern, (.Schlossern, Schreinern, Webern), Nähe¬
rinnen, Fabrikmädchen etc. die Wohltat einer Lippspringer Kur
Zweck ausgegeben. Interessant ist die Spende des Bostoners
Mr. Walter nur für Bäder für cploured people, für Farbigei!
Baltimore gab für 30 Brausen 100000 M., für 45 Brausen
160000 M. aus, wobei die sehr hohen Arbeitslöhne (s. o.) zu
beachten sind Das Milbank - Bad in New-York kostete
600000 M. für 93 Douchen, wobei für diese Stadt der teure
Baugrund eine Rolle spielt. Den Rekord hat New-York mit
seinen 6 Millionen Einwohnern erreicht; hier sind nunmehr
bis 1906 18 öffentliche Bäder im Werte von 8 Millionen Mark
im Bau, die dann soviel Badegelegenheit gewähren, dass jeder
New-Yorker zweimal in der Woche auf städtische Kosten frei
baden kann. Die europäischen Einrichtungen sind wohl gross¬
artiger und zahlreicher*) als die amerikanischen, aber dass man
in den Vereinigten Staaten in öffentliche Bäder so hineingelit
wie in öffentliche Parks oder in Lesehallen, das unterscheidet
Amerika von Europa nicht zum Vorteil des Letzteren.
Hinzufügen wollte ich noch, dass auch in den Werkstätten
und Fabriken drüben zwar die einfachsten Schutzvorrichtungen
fehlen, dass aber der hygienische Komfort — Badewannen,
Douchen, temperierte Räume — reichlich vorhanden ist. Zu
den öffentlichen Bädern gehören auch die in Gefängnissen.
In den sogenannten Besserungsanstalten (Reformatories) werden
die Strafgefangenen anders gehalten als bei uns. Täglich
Fleisch, jede Woche ein Bad, elektrisches Licht, etwa im
Stil des Hotels 2. Ranges; der Kultus und die Ueberschätzung
der Erziehung kommt in diesen Dingen drüben zum Ausdruck.
Es ist, so fügt Hintrager**) hinzu, eine Lust, Gefangener
in den Vereinigten Staaten zu sein.
Ich komme zum Schluss; Folgende Dominanten sind von
Wichtigkeit:
I. Dass der amerikanische Optimismus, die Energie der
Besiedler der neuen Welt auch in der Errichtung Öffent¬
licher Bäder zum Ausdruck kommt. Die Wertung des
ziffernmäßig Grossen, entstanden durch die grossen Dimen¬
sionen des Landes, die Hochstellung des Erfolges, des
Wettkampfes auch in idealen Dingen, das 'aQtartifiy ist
eben drüben von zentraler Bedeutung; es ist ein Teil des
amerikanischen Geistes; es bestimmt die Richtung des
Wollens auch io öffentlichen Dingen.
II. Dass wir Deutsche, im Speziellen die Gesellschaft zur Er¬
richtung von Volksbädern vorbildlich gewesen sind für
die oben geschilderte soziale Hygiene und dass auch
*) Dio neueste Statistik ^ibt 15000 üfTentliche Brausen in Deutschland an.
Wie lebt und arbeitet man in den Vereinigten Staaten. Berlin.
11. Aull. 1904.
zuteil werden, dieselben hatten freie Behandlung im offenen Bade
Lippspringe.
Die Kontrolluntersuchung zwei Jahre nach der Kur,
die nach den Bestimmungen der Landesversicherungsanstalfc Rhein-
Provinz bei 395 vorgenommen wurde, ergab folgendes durch die
Kur gewonnenes Dauerresultat:
Es hatten eine ununterbrochene Erwerbsfhhigkeit in den
beiden Jahren 334 Personen = 84,56%, durch Krankheit hin
und wieder unterbrochene Erwerbsfähigkeit 26 Personen = 6,58%,
es waren nicht mehr erwerbsfähig 30 Personen = 7,59%, es
waren verstorben 5 Personen = 1,27%.
Diese Statistik nahm auch Cornet auf, und er gibt sie
wieder in der Gedenkschrift, welche das deutsche Zentralkomitee
zur Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke für den im
Oktober 1905 zu Paris atattgehabten internationalen Tuberkulose-
Kongress verfasst bat, und er knüpft daran die Schlussfolgerung:
„Wir sehen also hier in einem offenen klimatischen Kurorte und
unter dem Einflüsse einer Heilquelle bei einer kurz e n Behandlimgs-
dauer bemerkenswert günstige Resultate, die uns neben sonstigen
Erwägungen veranhi.ssen dürften, künftig auch dem klimatischen
Faktor und den Heilquellen eine grössere Beachtung zu schenken,
als die.s bisher geschah.“ A. R
Zur Tuberkulosetherapie in Lippspringe entnehmen wir
dem Verwaltungsbericht dei’ Landes-Versichorungs-Anstalt West¬
falen noch folgende Angaben:
„Den Hauptanteil unserer Kranken stellten auch diesmal
wieder die Lungenleidenden. Ueber */ö der Behandelten wurde
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1906.
BALNBOLOGISCHE CBNTRALZBITUNG
75
drüben durch diese so einfachen und wirksame Einrichtungen
mehr Menschenleben vor Krankheit bewahrt werden als
wir Aerzte zu heilen imstande sind. Immer sichtbarer
wird der Tod zurückgeworfen; die Sterbeziffer ist von
29,4 ®/uo im Jahre 1855 auf 21,1'7,,o imJahre 1903 ge¬
fallen ; es lebe das Leben!
Aus den Bädern und Kurorten.
CharlottBnbrunn. Der Kurort erfreut sich in diesem Jahre
ganz besonderer Beachtung. Bis Anfang Juni war derselbe schon
von 220 Familien mit 354 Personen, (gegen das Vorjahr mehr 89
Familien mit 151 Personen) als Kurgäste besucht, während die
Zahl der Vergntlgungsreisenden 355 Familien mit 415 Personen
betrug. Ein neuer illustrierter Prospekt und Wegekarte gibt über
den Ort weitgehende Auskunft.
Davos. Die Deutsche Heilstätte für minderbemittelte Lungen¬
kranke in Davos veröffentlicht soeben ihren Jahresbericht für
1905. Die Zahl der Verpflegungstage hat abermals eine Steige¬
rung erfahren. Die Anstalt war im Winter sowohl wie im Som¬
mer voll besetzt; der durchschnittliche tägliche Krankenbestand
betrug 1089 Personen. Der Erweiterungsbau der Heilstätte wurde
am 13. Dezember 1905 dem Betrieb übelgeben. In der Anstalt
können nunmehr 125 Kranke untergebracht werden.
ln Bad Elmon sollen neue Anlagen dadurch geschaffen werden,
dass ein Teil des Gradierwerkes zum Abbruch gelangt.
Ischl. Ausser den Soolbädem, Schwefelschlammbädern und
Inhalationseinrichtnngen sind es besonders die seit 2 Jahren bestehen¬
den pnenmatischen Kammern, welche die Kurfremden anziehen.
Die Leitung der Kuranstalten ist dem Kais. Rat Dr. Mayer über¬
tragen worden.
Von der Gemeinde wurden im Laufe des Wintere vielfach
Verbesserungen durch Weganlagen und Anpflanzungen ausgeführt.
Erwähnt seinen auch der Ankauf eines Terrains zur Vergrösserung
des Kurgartens, sowie eines solchen am Ischlflusse gegenüber dem
Kaiserpark zur Errichtung von Parkanlagen zu Promenadezwecken.
K&rlsb&d. Die Vereinigung Karlsbader Aerzte hat eine Ein¬
gabe an den Stadtrat von Karlsbad gerichtet zwecks Begründung
eines ictemationalen Kurhauses für unbemittelte Aerzte. Die¬
selbe ist damit begründet, dass der Kurort unzweifelhaft
in erster Linie seinen Aufschwung der Wertschätzung seiner Heil¬
quellen von seiten der internationalen Äerzteschaft verdankt. Bei
der Kursaison vom 1. April bis I. Oktober könnte bei einer Kur-
daner von 4 Wochen jährlich 140 Aerzten Gastfreundschaft ge-
als arbeitsunfähig aus der Kur entla.ssen. Besonders tritt hervor
der Unterschied der Kurdauer die den Lungenheilstätten gegenüben
jener im Bade Lippspringe. In den Heilstätten haben die Kranken
dnrchschnittlich 73 - 90 Tage zu Ihrer Wiederherstellung gebraucht,
während die in Lippspringe in Privathäuser zur Kur untergebrachten
Kranken dort durchschnittlich nur 44—46 Tage verblieben und
zwar mit nicht schlechterem Erfolge, denn auch diesmal haben die
in Lippspringe untergebrachten Kranken wieder die gleichen Dauer¬
erfolge gezeitigt. Es scheint fast, als ob die günstigeren Kuren
Lippspringes auf die grössere Bewegungsfreiheit der Pfleglinge,
ihre abwechselungsreichere Beköstigung, die Erfahrungen der Lipp-
springer Quartiergeber in der Pflege von Lungenkranken und nicht
zum wenigsten auch der Aufenthalt der Kranken in Familien zu¬
rückzuführen seien. Eine Auswahl der Kranken erfolgt nicht,
Lippspringe erhält diejenigen Kranken, welche wegen Platzmangels
in den Heilstätten keine Aufnahme Anden können. Die auffallen¬
den Erfahrungen, welche wir in dieser Beziehung machten, haben
uns schon seit einiger Zeit veranlasst, vom Bau weiterer Heilan¬
stalten in Westfalen zunächst abzuraten.“
In Lippspringe ist jetzt eine neue Heilquelle erschlossen worden.
Nachdem mehrere Chemiker, wie Dr. Wackemoder, Kassel und
Dr. Au gen hot, Berlin die Gleichwertigkeit dieser Quelle mit dem
Arminiusbi’unnen festgestellt hatten, wurde der neue Lippspringer
Kurbrunnen auch von den Wiesbader Chemikern Prof. Dr. Hintz
und Prof. Dr. Fresenius analysiert und die volle Uebereinstim-
mung bei den Brunnen bestätigt. Der Lippspringer Kurbrunnen
wird jetzt nach den Anlagen des neuerbauten Kurbades geleitet.
währt werden, wenn das Kurhaus auf 20 Wohnräume eingerichtet
würde.
In Bad LangonSChwalbacb wollen einige Bürger einen Golf¬
spielplatz ersten Ranges, wie ihn Homburg und Baden-Baden be¬
sitzen, schaffen. Das Weinbrunnental, von einige» bekannten Golf-
sachverständigen als ein geradezu idealer Spielplatz befanden, dürfte
schon im Laufe dieser Saison internationale Toumiere sehen.
Marianbad. Bis 31. Mai sind 3089 Parteien mit 4304 Per¬
sonen angekommen, gegen die gleiche Zeit des Vorjahres ein Plus
von 337 Parteien mit 451 Personen.
In Msran betrug die Gesamtfrequenz in der Saison 1905/06
(l. September bis 31. Mai) 11749 (-j-823 gegen das Vorjahr)
Parteien mit 19014 (-|-1593) Personen.
Nach der Staatsangehörigkeit: Deutsches Reich 9544 Per¬
sonen (-}-1606 gegen das Vorjahr), Oesterreich 4689 (—890),
Ungarn 857 (+145), Russland 2306 (-1-678), England 444 (—11),
Amerika 320 (+52), Holland 206 (+51), Schweiz 125(4-7) usw,
Bad Rainsrz liegt in der südwestlichen Ecke der Grafschaft
Glatz, umgeben von den romantischen Heuschener-Felsen und dem
Mensegebirge, ist Bahnstation der Linie Glatz—Landesgrenze, hat
direkte Verbindung mit sämtlichen Zügen und seit diesem Jahre
mit dem neuen Bäderschnellzuge Berlin—Glatz. Das 568 - 600 m
hochgelegene Bad, in einem muldenartigen Tale gelegen, ist um¬
kränzt von bewaldeten Höben und bietet ein entzückendes, male¬
risches BUd dem Auge dar.
Die köstliche Bergluft, das subalpine Klima und die mittlere
Temperatur desselben sind allbekannt und werden ärztlicherseits
ganz besonders gewürdigt und kurgemäfl angewendet. Dazu ge¬
sellen sich 9 Mineralquellen, von denen 4 zum Trinken, die
anderen znm Baden benutzt werden. Sie sind alkalisch erdige
Eisensäuerlinge mit reichem Kohlensäuregehalt und haben eine
Wärme von 10® aufwärts bis 18,4®. Ältberühmt ist die laue
Quelle, welche bei Katarrhen aller Art, Asthma, Krankheiten der
Verdauungs- und Hamorgane ganz ausgezeichnete Dienste leistet.
Die Mineralbäder werden bei dem reichen Koblensäuregehalt be¬
sonders für Herzkrankheiten und die sehr jodhaltigen Moorbäder
gegen Rhenmatismos, chronische Knochen- und Gelenkskrankheiten
mit Erfolg angewendet. Hervorragend sind die Duschen, die in
einem eigenen grossen Gebände 4 grosse Säle einnehmen und mit
den reichhaltigsten Apparaten aller Art ausgestattet sind. Sie
gelten in ihrer Vollkommenheit als eine ganz besondere Spezialität
des Kurortes. Ebenso steht ein vorzügliches Inhalatorium zur
Verfügung. Die vorhandene Milch- und Molken-Kuranstalt, ge- ,
gründet im Jahre 1800, ist eine der grössten unter den Kurorten
und bat Knb-, Ziegen-, Schaf-, Eselinnenmilch, sowie Kuh-, Ziegen-
und Schafmolken für den Kurgebrauch.
Kurz gesagt, Reinerz bietet eine reiche Auswahl von Kur¬
mitteln, ist darum vielseitig angezeigt und gegen mannigfache
Leiden wirksam. Es steht mit seinen Einrichtungen auf der Höhe
der Zeit und wächst die Besucherziffer von Jahr zu Jahr.
Salzbrunn hat infolge der günstigen Maiwitterung eine sehr
stark besuchte Vorsaison. Allgemeinen Anklang findet die „Neue
Gurgelhalle^*, ein eleganter Bau aus Holzfachwerk mit weisseu
Verblendziegeln und schön gegliedertem Dach mit Türmchen.
Zum überhaupt erstenmal ist dabei das Prinzip des Einzel¬
kabinensystems für die Prozeduren der Hals-, Nasen- und
Kehlkopfspülungen, praktisch durchgeführt und in hygienischer Be¬
ziehung Mustergültiges geboten. Auch in diesem Jahre, und zwar
vom 12. bis 15. Juli findet ein grosses Tennisturnier unter Loitnng
des Schlesischen Lawn-Tennis-Verbandes statt. Im vorigen Jahre
waren über 150 Nennungen eingegangen. Eine Beleuchtung der
Kuranlagen, bei welcher über 30000 Flammen zur Verwendung
kommen, wird gelegentlich dieses Turniers veranstaltet werden.
Kurgäste waren bis zum 15. Juni 2080 anwesend.
Westerland auf Sylt. Der Insel steht in den nächsten
Tagen und Wochen starker Besuch bevor. Es kommen mit der
Hamburg-Amerika-Linie eine Anzahl grosser, öffentlicher and
privater Vereine, um unsere schöne Landschaft, unser Meer und
die Dünen kennen zu lernen, insbesondere hat auch der
„Verband deutscher Schriftsteller und Journalisten^ seinen Be¬
such anlässlich seiner Tagong in Hamburg für den 14. und 15. Juli
1906 zugesagt.
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76
BALNEOLOGISCHE OENTRALZEITDNG
Nr. 19.
Es wird auf Sylt fieberhaft gearbeitet, um die Gäste würdig
aufzunehmen und ihnen unsere schöne Gottesnatur im besten Ge¬
wände zu zeigen. Auch auf unserer Heide, auf unseren Fluren
hat der Frühling seine grosse Kunst entfaltet. Es ist jetzt das
herrlichste Wetter, die beste Lufttemperatur; auch die Wasser¬
wärme der Nordsee betrug am 13. Mai bereits 15*^, also schon
mehr als genügende Badetemperatur. Bekanntlich kann man in der
Nordsee schon bei 12^ unbeschadet baden, in der Ostsee dagegen
erst bei 15—16*^, im Flusse kaum unter 18^; so verschieden ist
die innere Kraft der Nordsee im Vergleich der übrigen Bäder im
Freien, so ungleich wirken die verschiedenen Bademedien als
wänneerzeugende Kraft. Der hohe Salzgehalt, die Strömung, viel¬
leicht auch die Schwere durch den Salzgehalt, erklären diese
höchstintei^essante Tatsache.
Wiesbadon nimmt hauptsächlich für den eleganten Teil des
Publikums an Bedeutung zu, da, wie die günstige Rentabilität
der grossen und luxuriösen Hotel-Neubauten zeigt, auch der Zu¬
wachs an Badegästen, die von 146 044 1904 auf 156615 Personen
im Jahre 1905 stiegen, meist durch die elegante Welt repräsen¬
tiert wird. — Der Neubau der alten am Eingang des Nerotals
liegenden Dr. Lehrschen Kuranstalt Bad Nerotal, jetzt
unter dem Namen „Kurhaus Bad Nerotal" im Besitze einer Ge¬
sellschaft mit beschränkter Haftung befindlich, schreitet nach
glücklicher Vollendung' der äiisserst schwierigen Grundarbeiten
rüstig vorwärts. Bei der herrlichen Lage des Terrains dürfte der
von Herrn Architekten Albert Wolff zu Wiesbaden in einfach
vornehmen Stil gehaltene Neubau eine Zierde des Nerotales werden
und sich nach Vollendung, die zeitlich mit der Eröffnung des
neuen Kurhauses, der neuen Post und des neuen Bahnhofes Zu¬
sammentreffen dürfte, diesen genannten Prachtbauten in würdigster
Weise anschliessen. Während des Neubaues wird die Anstalt in
den gegenüberliegenden Villen „Beaulieu" und „Nadine“ als Pro¬
visorium unter Leitung der Herren Dr. med. Schubert und Dr.
von Pruss-Mierzwinski in gewohnter Weise weiter betrieben.
Wndbad. Im König Karl-Bad wurden, der stets wachsenden
Zahl der Fremden entsprechend, weitere Lesesäle, sowie ein Billard¬
saal eingerichtet. Ausserdem wmrde die Zahl der Badekabinen
vermehrt. Am Eingang der Olgastrasse wird zur Zeit für die
schwedische Heilgymnastik und für ein Schwimmbad ein schöner
Neubau errichtet. Auch die ausgedehnten Kg). Kuranlagen er¬
fuhren durch die Erwerbung des „Klumppschen Gartens“ eine
Erweiterung. Der in diesem Teil gescdiaffene „Alpengarten" wird
ein neuer Schmuck der so überaus schönen Anlagen sein. Auch
von seiten der Stadtverwaltung ist etwas geschehen, was zur
Verschönerung unseres Badeortes beiträgt: die städtische Säg¬
mühle, der „Hermhilfe“ gegenüber, ist abgetragen worden. An
ihrer Stelle wird ein zweites Elektrizitätswerk errichtet, und den
freien Platz werden gärtnerische Anlagen schmücken. ^ wird in
Zukunft den Fremden, der diese Stadt betritt, ein freundlicheres
Bild empfangen.
Wildlingen. TJeber 2000 Kurgäste, ein Plus von 300 gegen
dieselbe Zeit im vergangenen Jahre, haben bereits bis jetzt diese
Quellen aufgesucht. Das neue Badehotel mit den Mineral- und
Sprudelbädem ist in diesem Jahre noch mit Dampf-, Heissluft-,
Elektrischen Licht- und Wasser-Bädern, sowie Fango ausgestattet,
sodass nun allem Rechnung getragen ist. Doch ist dieses noch
nicht alles; so ist man auch jetzt damit beschäftigt, die herrlichen
Waldwege, welche zu Terrainkuren wie geschaffen sind, für jeden
Besucher leicht kenntlich zu machen. Es werden alle Spazier^nge
von einer viertel Stunde an bis zu fünf Stunden auf einer Karte
vereinigt, welche mit ihrer Farbenbezeichnung genau mit den Be¬
zeichnungen der Wege übereinstimmt. Das Saisonprogramm bietet
an Veranstaltungen reiche Abwechslung. Besonders viel versprechen
die 3 Komponisten- und Schriftstellertage.
WiHdün a. Amrum. Im Verlage der Nord friesischen Bach¬
druckerei und Verlagsanstalt in Wittdün ist der diesjährige Bade¬
prospekt der Nordseebäder Wittdün und Satteldüne auf Amrum
in einer Auflage von 10 000 Elxemplaren erschienen. Das gut ge¬
schriebene Büchlein gibt in seinem ersten Abschnitt eingehende
Auskunft über die Vorzüge der Nordseebäder Wittdün und Sattel¬
düne im allgemeinen. Im zweiten Abschnitt werden, vom ärztlichen
Standpunkte aus, die Wirkungen der Seebäder, sowohl der warmen
wie der kalten, und der Einfluss der Seeluft auf den Organismus
erörtert. Der dritte Abschnitt bringt eine Beschreibung der Insel
Amrum, der Halligen und des Wattenmeeres. Hin ausführlicher
Wohuungsnachweis, genaue Beschreibung der Reisewege und der
Fahrzeiten der vier verschiedenen Dampferlinien, die nach Wittdttn
fuhren, genaue Preisangabe der direkten Fahrkarten von allen
grösseren Städten Deutschlands nach Wittdün, sowie eine Flut¬
tabelle für die Monate Juni, Juli, August und September machen
diesen „Führer für die Badegäste“ besonders wertvoll.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet voa der Redaktion der Balneolefliaeben Zentralzeltang..
Name]
Woche
Mittleres
Tempera tur-
mlTiirnnm
Mittleres
Temperatur-
mftTiTnnm
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerknogen
Abbazi a .
17.—23./6
19,7 C.
25,6 C.
760,1
5
2
_
1
Badenweiler.
—
—
—
_
—
—
—
—
Driburg.
11,9 C.
22,8 C.
—
2
3
2
1
1
Ems.
13,5 C.
24,3 C.
758,7
6
7
1
2,6
3
GiesshUbl-Sauerbrunn . ,
10,9 C.
22,4 C.
—
4
2
1
2
3
Franzensbad .
12,5 C.
25,5 C.
720
1
4V8
IV2
—
Herrenalb .
15 C.
21,5 C.
726
5
2V4
4V*
2—3
5
Kreuznach .
—
— C.
_
_
_
_
_
Langenschwalbach , , ,
9,3 C.
23,1 C.
—
5
7
7
1.1
4
Lippspriuge .
n
13,5 C.
25 C.
757
2
3
2
1
—
Frequenz 2900.
Nauheim .
13,8 C.
24,1 C.
752,3
3
3
5
1—6
6
, - 11970.
Nenndorf .
10.—16./6.
13,5 C.
22 C.
762,5
2
6
6
—
—
Orb , . .
17.—23./6.
13,4 C.
21,3 C.
755
2
6
2
_
2
Norderney .
12,6 C.
18,8 C.
765,9
1
7
7
3
—
Reichenhall , . , . - .
12,91 C.
22,77 C.
723,5
4
7
4
_
1
Reinerz .
—
_
_
_
_
_
_
Stehen .
11.—17./6.
7 C.
17 C.
711,2
4
2
1
4—5
—
Verantworilicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin. — Vertag von Carl Marhold, Halle a. S.
Dmck von Ueynemann'sche Bucbdrackerei, Gebr. Wolff, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 20. 1006.
Baineologische Centralzeitung
Org^an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des ,AlIg. D. B.-V.*:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marbold In Halle a. $.. Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. med. et. polit. Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stelir, Wiesbaden, Wiihelmstrasse 52.
Der Naclidrnck aas dieser Zeitsebrift ist nar mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
D«r Sport in Kurorten. Von Dr. Philipp Wagnor, Bad Roson. (Fort- | Ans den Bädern and Kurorten.
Setzung folgt.) | Literatur.
Feuilleton: Höhenklima und Bergwanderungen. Von Dr. E. Roth. | Meteorologische Statistik.
(Fortsetzung folgt.) Kleine Mitteilungen. {
Der Sport in Kurorten.
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. deutschen
Bäder-Verbandes zu Ems, den 4. Okt. 1905.
Von Dr. Philipp Wagner, Bad Kosen.
Hui, wie die Motore fliegen!
Tuff, tuff, tuff, tuflf, rast’s im Takt,
Wie die Steher nach den Siegen
Gieriges Verlangen packt!
Denn als Preis winkt höchster Kraft
Ganz Europas Meisterschaft.
Man fragt sich unwilkürlich, ist er Ernst oder Satyre der Inhalt
dieser Verse? Nun, sie sind ernst gemeint, sie leiteten kürz¬
lich einen Nekrolog für einen verunglückten Rennfahrer ein.
TiigUcli bringen uns die Zeitungen Nachrichten über UnglUcks-
fälle, die der moderne Sport fordert Männer im Vollbesitze
ihrer Kraft blühende Jünglinge werden dem Leben, dem Staate
entzogen! Da drängt sich uns wohl der Gedanke auf, verdient
dieser Wettstreit der Kräfte den Namen Sport? Sport ist ein
ntes urgermanisches Wort, das schon in der Bibelübersetzung
es Bischofs Wulfila vorkommt; es bedeutet ursprünglich so
viel wie Spiel, Belustigung, und ist dann im weiteren Sinne
auf das ehrgeizige Bestreben eines Mannes nach hervorragender
körperlicher Leistung ausgedehnt.
Dieser Begriflf des Sports war schon dom Altertum und
dem Mittelalter bekannt. In neuerer und neuester Zeit ist nun
der Sport nach allen Seiten ausgebildet und zwar vornehmlich
in England. Daher ist man auch heute noch gewohnt, seine
Sportspiele von England zu importieren, und soll ein solches
Spiel Ansehen gemessen, Beliebtheit gewinnen, so muss es einen
englischen Namen führen, wenn es auch in Frankreich, Deutsch¬
land oder in einem anderen Lande erdacht ist. Immerhin
aber muss man anerkennen, dass die aus England verbreiteten
Sportspiele — vorausgesetzt, dass sie in vernünftiger Weise
getrieben werden — keinem Volke geschadet haben ; und der
Engländer seinerseits hat ebenfalls Sportarten, wie Wettschlitteln,
Skilaufen, Ringen, Turnen, von anderen Ländern gern über¬
nommen, um sich an ihnen auch in seiner Heimat erfreuen
zu können.
Man unterscheidet mehrere Arten von Sport und zwar
ersteoR solchen der gesundheitlichen Zwecken dient und Kraft
fordert resp. Kraft fördert; zweitens solche Sportarten, die
Kraft und Geschicklichkeit erfordern, drittens solche, die Kraft
und Geschick’ erfordern und mit einer gewissen Gefahr ver¬
bunden sind, welch letztere durch das Geschick überwunden
werden muss.
Hier ist es interessant, einen Blick in das Altertum zu
werfen und zu sehen, wie sich die Alten den Sport oder besser
die Gymnastik ansgobildet haben. Der Ruhm, die Gymnastik
zuerst als Kunst aufgefasst zu haben, welche nach bestimmten
Regeln den ganzen Körper zur höchsten Vollkommenheit bilden
will, gebührt den Griechen. Sie sahen in der Kalokagathie, d. h.
Feuilleton.
Höhenklima und Bergwanderungen.*)
Von Dr. E. Roth.
Das Werk ist dem Altmeister der Physiologie Eduard
Pflüger zu seinem fünfzigjährigen Doktorjubiläum gewidmet
und wert, in den weitesten Kreisen gewürdigt zu werden.
Selbstvei*8tändlich vermögen wir in unserer Skizze nicht
den ganzen Inhalt dieser gehaltreichen Untersuchungen gerecht
zu werden, wir wollen vielmehr nur versuclien, den Leser
einen kleinen Begriff davon zu geben, was er von der Arbeit
dieser vier Forscher erwarten kann und ihn dazu anregen
sich in die Lektüre des Buches selbst zu vertiefen, dessen
prachtvolle Abbildungen und Hochgebirgswiedergaben geeignet
erscheinen, Begeisterung für die Alpenwelt auszulösen.
Dass sich ein derartiges Werk, wie das vorliegende, nicht
aus der Erde stampfen lässt, dürfte erklärlich erscheinen. So
erfahren wir denn auch, dass die Anfänge der mitgeteilten
Untersuchungen bereits zwei Jahrzehnte zurückliegen. 1895
*) Höhenklima tind Bergwanderungen in ihrer Wirkung auf den
Menschen, Ergebnisse experimenteller Forschungen im llochgebiige und
Laboratorium von N. Zuntz, A. Loewy, Franz Möller und W. Caspari.
Berlin, Deutsches Verlagsbaus Bong u. Co. 40 XIY. 494 S.
erfolgte die erste Expedition ins Hochgebirge, welcher sich bis
1903 noch drei weitere anschlossen. Sie haben ein reiches
Material zur Erkenntnis des Einflusses des Hochgebirges und
des Bergsteigens auf den menschlichen Organismus geliefert,
das im vorliegenden Bilde mit den Resultaten anderer Forscher
zu einem möglichst abgerundeten Bilde verarbeitet ist
Unvermeidlich ist es, wie unsere Verfasser im Vorwort
hervorheben, bei der Mannigfaltigkeit der behandelten Fragen,
dass nicht allen Lesern jedes Kapitel gleich leicht verständlich
sein wird. Aber den Ruhm muss man dem vierblätterigen Klee¬
blatt lassen, dass sie mit Erfolg bemüht gewesen sind auch in
den Fällen die Darstellung so fasslich als möglich gestaltet zu
haben, wenn es galt rein wissenschaftliche Sachen zu diskutieren.
Wenn auch das Reisen im Allgemeinen in hobeni Grade
mehr und mehr zugenommen hat und scheinbar fortgesetzt zu¬
nimmt, so sind doch die Gebirgs- und vornehmlich die Hoch-
gebirgstouren in weit bedeutenderem Maße erst in der Jetztzeit
in den Vordergrund getreten. Aber nicht nur der Gesunde sucht
die Alpen zur Erholüng auf, auch als Heilfaktor ist das Ge¬
birge besonders in den letzten Jahrzehnten sehr in Aufnahme
f ekommen. Bis in die Hochgebirgsregionen hinauf finden sich
anatorien und Heilstätten, Gebirgsaufenthalt wie Bergsteigen
haben im modernen Kulturleben eine hohe Bedeutung erlangt.
Dadurch ergab sich naturgemäß die zwingende Notwendig¬
keit, die Einwirkung des Hochgebirgsklimas und des Berg¬
steigens auf den menschlichen Organismus einer eingehenden
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BALNEOLOGISCHB CENTRALZETTÜNG
Nr. 20.
• 78
in der V^ereinigung einer edlen Seele mit einem schönen Körper
das Ideal des Menschen. Zu Schutzgöttern der Gymnastik
ernannten sie Herakles und Hermes und regelten ihren Betrieb
durch Gesetze. Nur der freie Bürger durfte sie betreiben, dem
Sklaven war sie verboten. In Sparta mussten auch die Mädchen
Gymnastik treiben. In keinem Volke des Altertums war der
Sinn für das Schöne so ausgesprochen, wie bei den Griechen.
Zeugen doch davon noch heute die herrlichsten Bildwerke, die
in unsere Zeit hinübergerettet sind. Fast alle diese Werke
zeigen die Figuren in göttlicher Nacktheit. Die Alten freuten
sich eben an der lebenden Schönheit ohne alle Nebengedanken.
Albrecht Dürer sagt in seiner Proportionslehre 1523: „Darum
sieb die Natur fieissig an, richte dich danach und geh’ nicht
von ihr ab in deinem Gutdünken, dass du meinst, du wollest
das Bessere von dir selbst finden, denn du würdest verführt.
Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus
kann reissen, der hat sie. Ueberkommst du sie, so wird sie
dir viel Fehls nehmen in deinem Werk. Aber ie genauer dein
Werk dem Leben gemäß ist in seiner Gestalt, desto besser
erscheint dein Werk. Und dies ist wahr, darum nimm dir
nimmermehr vor, dass du etwas Besseres mögest oder wollest
machen, als Gott es seiner erschaffenen Kreatur zu wirken
Kraft gegeben, denn dein Vermögen ist kraftlos gegen Gottes
Schaffen . Das sind wohl dieselben Gedanken, die auch die
Griechen bewegten in ihrem ganzen Leben. Man vergleiche
doch nur Menschenbildnisse aus jener Zeit und von Keutel
Welch Unterschied namentlich beim weiblichen Geschlechtl
Man sehe die edlen Formen einer Venus an und daneben den
durch das Schnürleibchen verunstalteten Körper der heutigen
Frau! Aus diesem Schönbeitsgefühle heraus wurde denn auch
bei den Griechen der Gedanke geboren, die Wettspiele in völlig
nacktem Zustande ausführen zu lassen. In den Ringschulen
und Gymnasien boten sich so, durch keine Kleidung verhüllt,
die schönsten Körper in den verschiedensten Stellungen den
Künstlern zum Studium dar; jedes Glied, jeder Muskel konnte
da in seiner Kraftäusserung studiert werden. So übte die
Gymnastik einen äusserst bmebenden Einfinß auf die plastische
Kunst der Griechen aus. Den klarsten Begriff von den gym¬
nastischen Uebungen der Alten geben die Festkampfspiele der
Griechen, von denen die olympischen Spiele die berühmtesten
sind. Sie wurden in dem Tale Olympia in Elis alle vier Jahre
Zeus zu Ehren abgehalten. Schon früh gelangten die Olym¬
pien zu so allgemeiner Bedeutung, dass sie wirkliche National¬
feste wurden. Auf das hohe Alter dieser Festspiele deuten die
mit ihnen verknüpften Mythen und elischen Priestersagen hin.
Dieselben reichen bis in die idyllische Zeit des goldenen Kronos¬
wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen, zumal sich bald
herausstellte, dass nicht für Jedermann der Aufenthalt in
grösseren Höhen vorteilhaft und nützlich sich erwies.
Verf. sind denn auch der Meinung, dass die wohltuende
Wirkung des Höhenklimas sicher von jeher wenigstens einzelnen
bevorzugten Leuten wohl bewusst gewesen sei; sie gehen bei¬
spielsweise so weit zu erklären, dass die Worte des alten
Testamentes: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von
denen mir Hilfe kommt“, viel weniger symbolisch seien, als wir
gemeinlich annehmen. Aehnlicherweise hebt freilich auch
Schwarz (Erschliessung der Gebirge 1888) hervor: „So mögen
wohl auch im wirklichen Leben bereits damals manche Hellenen
zu gleichem Zwecke die Gebirge aufgesucht haben, so dass
wir alvSo das heutzutage so florierende Institut der Sommer¬
frische kaum als ein rein modernes anzusehen berechtigt sind.
Freilicli lag den Grieclicn auch das Wasser mehr am Herzen
untl aucli vorteilliafter. (Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Künstlicher Salzbrunner Oberbrunnen. Die Herzoglich
Ples.s’scho Brunnen-Verwaltung hat sich, wie wir der Balneologi-
sclien Zeitung entnehmen, der danken.s\verten Aufgabe unterzogen,
einmal künstlichen Salzbrunnen Oherbrunnen von dem Chemiker
Herrn Dr. Wagner in Bad Salzbrunn untersuchen zu Ia.s,sen, um
festzustellcn, wie sich denn künstlicher Oberbrunnen zu dem Natur¬
regiments zurück und Pelops der Stammvater der vorhellenischen
H^binseldynastie, Pisos, aör fabelhafte Gründer von Pisa, uad
Herakles, der A^herr der Dorischen Fürstenfamilien, werden
als Stifter und Festordner bezeichnet. Im Zeustempel stand
die Statue der Schutzgöttin des Gottesfriedens, den Ipnitos be¬
kränzend. Die Landschaft Elis war für alle Zeiten vor allen
feindlichen Angriffen geschützt. Alle an den Spielen sich Be¬
teiligenden mussten vor der Bildsäule des Zeus schwören, dass
sie noch keine frevelhafte oder ehrlose Tat begangen hätten,
dass sie nicht gegen die Gesetze derWettkämpfeveratossen wollten,
dass sie sich mindestens 10 Monate lang auf die abznlegenden
Proben ihrer Geschicklichkeit vorbereitet hätten, und dass sie
freie Hellenen, keine Barbaren oder Sclaven wären. Jedoch
würde es zu weit führen, alle Vorbereitungen und voi^e-
schriebenen Ceremonien zu beschreiben. Ich wende mich non
gleichzu den vorkommenden Kämpfen: Die Wettläuferwaren
vollkommen nackt, der ganze Körper wurde mit Oel gesalbt
Lukian schreibt hierüber: „Der gute Läufer strebt, wenn das
Seil gefallen ist, nur vorwärts, richtet seinen Sinn nach dem
Ziele, auch wenn er in seinen Füssen die Hoffnung auf den
Sieg birgt, und übt keinen Betrug an seinem Nebenbuhler noch
braucht er nach Art anderer Agonisten allerhand Kunstgriffe.“
Der Sieger erhielt einen Palmenzweig. Die Ringkunst war
die ausgebüdetste und kunstvollste Art der hellenischen Gym¬
nastik. Hierbei kam es darauf an, mit festem Auge vorsichtiger
Deckung, schulgerechten Griffen und Finten, durch raschen
Ruck oder Stoss, durch Aufheben in der Umschlingung, Bein¬
stellen, Drosseln und Pressen den Gegner zu Falle zu bringen
und ihn zu zwingen, sich für besi^ zu erklären. Charakte¬
ristisch ist Homers Schilderung des Kampfes zwischen Odysseus
und Ajax: „Als sie beide gegürtet, da traten sie vor in den
Kampfkreis, fassten sich dann einander, umschmiegt mit ge¬
waltigen Armen, wie die vom Baumeister verschränkten Balken
eines hohen Hauses. Beiden knirschte der Rücken, von stark
umspannenden Armen angestrengt und zuckend, und nieder
strömte der Schweiss rings. Aber häufige Striemen an Seiten
und Schultern, rot von schwellendem Blut, erhoben sich, und
mit Begier rangen sie Beide nach Sieg nm den schön gegossenen
Dreifuss. Weder vermochte Odysseus im Ruck auf den Boden
zu schmettern, noch auch Ajax war es im Stande. — Doch
der List nicht sparte Odysseus, schlug ihm von hinten die
Beugung des Knies und löste die Glieder; rücklinM warf er
ihn hin und es sank von oben Odysseus ihm auf ^e Brust“
Die schwerste und gefährlichste Kampfart war der Faust¬
kampf, dieser artete durchaus ins Rohe aus. Treffend charak¬
terisiert ilin der Epigrammendichter Lukilios:
Produkt verhält. Das Fabrikat stammte ans der Fabrik von A.
Braun, Breslau, und wir geben im nachstehenden die Analyse
dieses Knnstproduktos und die Znsammenstellung dieser mit der
der Natur-Quelle an:
In 1000 g: sind entbalcon
beim kflnstlichen beim natürlichen
Oberbrunnen: Oberbninnen
(17. XII. 05):
Natron (NsjO) . . . 0,4932 g 1,3610 g
Kalk (CaO) .... 0,0661 „ 0,1660 „
Magnesia (MgO) . . 0,0698 „ 0,1380 „
Chlor (CI). 0,0946 „ 0,1144 „
Schwefelsäure (SOg) . 0,1906 „ 0,2791 ,
Kieselsäure (SiO.J . . 0,0576 „ 0,0S07 „
Kohlensäure (COg) . . 4,0855 „ 3,8023 „
Abdampfrückstaud . . 1,2733 „ 3,1430 „
Analyse des künstliclien Salzbruuner Oberbrunnens aus der
Fabrik von A. Braun-Breslau:
1. Bestimmung de.s Chlors:
a) 160,02 g Wasser lieferten 0,0617 g
Chlorsilber, entsprechend Chlor . . 0,09535 g. p. “•
b) 318,9 g Was.ser lieferten 0,1210 g
Chlorsilber, entsprechend Chlor . . 0,093 82 „ « n
Mittel 0,0945 g. p-
2. Bestimmung der Kohlensäure:
a) 201,0 g Wasser lieferten 0,8172 g
Kohlensäure, entsprechend . i . . 4,1610 g. p.
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1906.
BALNEOLOGISCHB CBNTRALZBITÜNG
79
„Vormals, Freunde, besass hier dieser Olympikos alles:
Augen und Ohren und Kinn, Braunen und Käse wie wir.
Air das fehlt ihm jetzt, als rüstigem Streiter im Faustkampf;
Und nun wird er so^ar auch noch des Erbes beraubt.
Denn jetzt kommt sem Bild vor Gericht in den Händen des
[Bruders,
Und er verliert den Prozess, weil er dem Bilde nicht gleicht.“
Dem Faustkampf fol^ das Pankration, eine Yei^indung
des Ring- und FaustJLampies. Das Pentathlon endlich war un¬
streitig denenige Teil der olympischen Wettstreite, in welchem
die Trefflichkeit eines nach allen Seiten hin harmonisch aus-
ebildeten Körpers sich am vollkommensten bewähren konnte,
eon er bestand im Sprunge, Lauf, Diskoswerfen, Wurfspiess-
schleudem und Ringen. Den Diskos schildert Solon als einen
ehernen, runden, kleinen Schild ohne Handhabe und Riemen,
schwer und wegen seiner Glätte nicht leicht zu fassen. Die
Haltung des Diskoswerfers erkennt man am besten aus der
Statue des berühmten Myron. Ueber diesen sagt Hettmer:
„Gerade in dem Augenblicke erfasst wo er den Diskos abschleu¬
dert, ist sein Oberkörper vorwärts übergebeugt; der Blick
wendet sich prüfend nach dem Diskos, den er in der rechten
Hand hält. Er hat diese rückwärts in die Höhe gestreckt, um
weit ausholend dem Wurfe nachhaltigen Schwung zu geben:
das eine Knie ist ein wenig eingebogen, das andere (rechte)
hält er mit der linken Hand, damit er im Wurfe nicht ausgleite.
Ein Augenblick — der Diskos ist abgeschleudert, und der Körper
richtet sich, wie Lukian in seiner Beschreibung ausdrücklich
hervorhobt, zugleich mit dem Wurfe in die Hohe.“
(Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
BÜSUin. Die üskalischen Arbeiten am hiesigen Hafen sind
nahezu beendet, sodass der Badebetrieb am 1. Juni in vollem Um¬
fange ungestört aufgenommen werden konnte. Die gewaltigen
Ekd- und Kammarbeiten haben allerdings die Strömung im neuen
Hafen derart beschleunigt, dass infolgedessen das Damenbad hat
verlegt werden mUssen; das Herrenbad, sowie das gemeinsame
Bad haben ebenfalls der veränderten Wasserverhältnisse wegen
einen anderen Standort erhalten.
Föhr, Kolonio Südstrand Das Jugendpensionat auf Föhr,
eine Zweiganstalt von Dr. Gmelins Nordseesanatorium, bat im Be¬
triebsjahr 1905/06 8000 Pflegetage erreicht. Diejenigen Pfleg¬
linge, welche nicht nur allgemeine Erholungsbedürftigkeit in den
Ferien herfübrte, sondern durch konstitutionelle Leiden zu monate¬
langem Aufenthalt, teilweise auch zur Ueberwinterung genötigt
waren, setzten sich zusammen aus jugendlichen Neurasthenikern,
Blutarmen, Broncbitikem, Prophylaktikern, Asthmatikern und
Skropholösen. Es ist schwer zu sagen, in welchen Fällen die er¬
freulichsten Erfolge erzielt werden.
Am meisten in die Augen springt jedoch die Sorglosigkeit,
mit welcher man die zu Haus so ängstlich behüteten Patienten
mit chronischem Broiichialkatarrh und Asthma draussen tummeln
lassen kann. Sie bewegen sich wie Gesunde. Der bei längerem
Aufenthalt von den Angehörigen stets gewünschte Unterricht stellt
nicht nur keine Hemmung, sondern in richtigem Maß und richtiger
Art erteilt, geradezu eine Fördenmg der Kur dar, weil dadurch
in den Tageslauf Regelmäßigkeit kommt und die pädagogische Be¬
einflussung einen günstigen Einfluss auch auf den Körper äussert.
Es gelingt in der Regel, die Zöglinge so zu fördern, dass sie mit
der Schule der Heimat Schritt halten und auch etwa beabsichtigte
Examina ablegen können.
In Loichlinyon (Rheinprovinz) wurde die daselbst erbaute erste
VolksheUstätte für weibliche Nervenkranke am 28. v. Mts. eingeweiht.
Kahlbcrg. Als ständiger Badearzt für Kablberg ist laut
Altpr. Ztg. der Arzt Dr. Jacobi in Lautenburg gewonnen
worden. Damit ist auch einem mehrfach gehegten Wunsche der
Kaiserin nach einem ständigen Badearzt in Kahlberg Rech¬
nung getragen worden. Dr. Jacobi, der als Badearzt von der
Regierung und der Akt.-Ges. Seebad Kahlberg gemeinsam ein
Einkommen von 2000 Mk. bezieht, wird, da die behördliche Ge¬
nehmigung als sicher zu erwarten ist, voraussichtlich schon im
Laufe der nächsten Woche seine Tätigkeit in Kahlberg autreten
und dort ständig, auch im Winter, Wohnung nehmen.
Neusnahr. Am 2. Juni wurde in Bad Neuenahr die von
dem Geologen Prof. Dr. Kaiser (Giessen) erforschte, neue 376 m
tiefe Heilquelle, die WilHbrordusquelle durch den Oberpräsidenten
der Rheinprovinz, Freiherrn von Schorlemer feierlichst eingeweiht.
Zeugen waren Vertreter der mediciniscben Fakultät Bonn, die
Professoren Bier, Binz und Schultze. Ein Festmahl vereinigte
nachher die Gäste in dem Festsaale des neuen Kurhauses. Deu
Kaisertoast brachte der Oberpräsident aus, namens der Univer¬
sität Bonn sprach der Rektor Magnificus Geheimrat Jacobi,
namens' der Aerzte in Neuenahr Dr. Niessen und Sanitätsrat Dr.
Unschuld,
Salzbrunn i. Schl. Eine für Eltern, die ihre Kinder
auf ihrer Badereise mitnehmen wollen, gewiss sehr wiUkommene
Neuerung hat Bad Salzbrunn in diesem Jahre getroffen. Für die
Ferienzeit ist ein mit der Leitung von Jugendspielen vertrauter
Lehrer gewonnen worden, der täglich Vor- und Nachmittag mit
den Kindern der Kurgäste Bewegungsspiele und Spaziergänge in
die berg- und waldreiche Umgebung Salzbrunns ausführen und
3.
4.
5.
6 .
b) 192,1 g Wasser lieferten 0,7711 g
Kohlensäure, entsprechend .... 4,0100
Mittel 4,0855
Bestimmung der Schwefelsäure:
a) 153,7 g Wasser lieferten 0,0861 gBary-
umsnlfat, entsprechend Schwefelsäure 0,1920
b) 315,0 g Wasser lieferten 0,1738g Bary-
umsulfat, entsprechend Schwefelsäure 0,1892
MittelO^läOe
Bestimmung der Kieselsäure:
a) 304,7 g Wasser lieferten 0,0181 g
Kiesel^ore, entsprechend .... 0,0594
b) 247,2 g Wasser lieferten 0,0138 g
Kieselsäure, entsprechend .... 0,0558
Mittel 0,0576
Bestimmung des Kalks:
a) 304,7 g Wasser lieferten 0,0202 g
Kalk, entq)reohend. 0,0662
b) 247,2 g Wasser lieferten 0,0163 g
Kalk, entsprechend. 0,0659
Mittel 0,0661
Bestimmung der Magnesia:
a) 304,7 g Wasser lieferten 0,0619 g
Magnesiumpyrophosphat, entsprechend
Magnesia. 0,0736
g- P-
g. p. m.
g. p. m.
nun
g. P- m.
g. p. m.
H n H
g. p. m.
g. p. m.
w n w
g. p. m.
g. p. m.
b) 247,2 g Wasser lieferten 0,0450 g
Magnesiumpyrophosphat, entsprechend
Magnesia. 0,0660 g. p. m.
Mittel 0,0698 g. p. m.
7. Bestimmung des Natrons (Alkalimetalle):
a) 319,6 g Wasser lieferten 0,2941 g
Alkaliohlorid, entsprechend Natron . 0,4884 g. p. m.
b) 273,3 g Wasser lieferten 0,2565 g
Alkalichlorid entsprechend Natron . 0,4981 „ „ „
Mittel 0,4932 g. p. m.
8. Bestimmung des Abdamp6rückstandes:
a) 304,7 g Wasser lieferten 0,3954 g bei
150® getrockneten RüokstMid, ent¬
sprechend . 1,2976 g. p. m.
b) 247,2 g Wasser lieferten 0,3159 g bei
150® getrockneten Rückstand, ent¬
sprechend . 1,2490 n „ n
Mittel 1,2733 g. p. m.
Anmerkung. Der Kohlensäuregehalt ist um ein geringes zu
niedrig gefunden worden, weil geringe Verluste beim Umfüllen
schwer zu vermeiden sind. ^ Die Differenz wird kaum mehr wie
0,1 g betragen.
Der^Geschmack des Wassers ist scharf prickelnd^
hinterher etwas erdig-bitter und zeigt mit dem des
Oberbrunnens gar keine Aehnlichkeit Dr. Wagner.
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80
BALNEOLOaiSCflE CBNTRALZEITÜNG
Kr. 20.
so den £ltern die Aufsicht über ihre Kinder erleichtern wird.
Die vom Bade etwa 30 Minuten entfernten ausgedehnten Wal>
düngen am Hochwald sind dem Kurpublikum durch einen neu an*
gelegten bequemen Fussweg erschlossen worden.
St. Moritz. Der Gemeinderat hat eine Bekanntmachung er- •
lassen, wonach alle auf Gemeindeboden sich behndlichen Afßchen,
Reklametafeln usw. bis 15. Juni entfernt sein müssen.
Soodon 8. Worrs. Am 8. Juni wurde das 25jährige Bestehen
des Solbades Sooden unter Anteilnahme der gesamten Bevölkerung
von Sooden und Aliendorf und zahlreicher auswärtiger Gäste fest¬
lich begangen. Aus kleinsten Anfängen heraus ist das Solbad
Sooden dank der umsichtigen Verwaltung seines Begründers, des
verstorbenen Bürgermeisters Lange und infolge seiner herrlichen
Lage eines der am meisten besuchten deutschen Bäder geworden.
Noch vor etwa 20 Jahren waren es alljährlich nur einige Hundert
Personen, die hier Heilung und Erholung suchten, heute beträgt
die Zahl der Kurgäste aus allen Ländern, darunter sogar solche
aus fremden Erdteilen, etwa 4000. Aus dem kleinen Sooden,
das durch da.s beständige Zurückgehen seiner Salzsaline vor dem
Ruin stand, ist ein moderner Badeort geworden mit vorzüglichen
balneologischen Einrichtungen.
In Bad Wildungon wurde heuer das neue Fürstliche Bade¬
hotel mit den Mineral- und Sprudeibädern, mit Dampf-, Heissluft-,
elektr. Licht- und Wasserbädein, sowie Fango ausgestattet.
Literatur.
Bieling-$anatorium Tannenhof in Friedrichroda (Thür.) Ueber
die Notwendigkeit, den Alkohol in ärztlich ge¬
leiteten Heilanstalten in die Apotheke za ver¬
bannen and aber die Darchfahrbarkeit dieser
Massregel. (Zeitscbr. f. Krankenpflege, 1905, No. 10.)
Will der Arzt das Volk mit erziehen helfen zur Gesundheit
und zu einer halbwegs erreichbaren Lebensharmonie, so muss er
vor allen Dingen den Alkohol, den grössten Feind unserer Kultur
bekämpfen heUen und denselben für seine Person auch selbst mit
bekämpfen; ganz besonders aber muss man dies Prinzip von dem
Leiter einer Alkohol-Entziehungsanstalt verlangen. Wenn es vor¬
gekommen ist, dass in ärztlichen Anstalten der Alkoholgenuss so¬
gar von den leitenden Aerzten selbst noch sanktioniert worden ist.
wenn ganz offiziell die Aerzte an Abschieds-Gelagen von ab¬
gehenden Alkohol-Kranken teilgenommen haben, so ist damit dem
Zwecke solcher ärztlichen Anstalten und Einrichtungen Hohn ge¬
sprochen worden. Wenn so wenig Konsequenz selbst an führender
Stelle innegehalten wird, dann muss schlechterdings der Einfluss
solcher Anstalten und deren prinzipielle Bedeutung versagen. Wo
es so hergeht, kann man nicht mehr von einer Heilanstalt sprechen,
sondern nur von einem „Hotel ersten Ranges mit ärztlii^er Be-
dienung**.
In welcher Eigenschaft präsentiert sich noch immer der Alko¬
hol der heutigen Welt? Erstens als diätetisches Mittel, zweitens
als Büttel zur Stillung des Durstes und drittens als Büttel zur
Hebung der Geselligkeit.
Der im Wein und Bier enthaltene Alkohol ist zum mindesten
für die Ernährung wertlos und wenn irgend welcher Einfluss von
Biergenuss auf die Hebung des Körpergewichtes feststellbar ist,
dann sind andere Stoffe daran beteiligt als der AlkohoL
Zum Durststillen sind alkoholarüge Flüssigkeiten schlecht ge¬
eignet. Der Genuss von alkoholhaltigen Getränken verführt höch¬
stens zu einem stärkeren Konsum, als dem eigentlichen Durst,
d. h. dem Wasserbedürfnis des Körpers entspricht, und anderer¬
seits verführt derselbe zum Genuss von stark gewürzten Speisen,
die ihrerseits wieder das Wasserbedürfnis des Körpers steigern.
Dass gegen „Ersatzgetränke** ein unüberwindlicher
horror bestände, kann man durchaus nicht sagen; man beobachte
nur die Kinder bei ihren ersten Biertrink-Versuchen. Oder wie
manches junge Mädchen empflndet geradezu erst Widerwillen gegen
das Bittere und Herbe des Bieres, und nur die burschikose An¬
regung der Umgebung veranlasst sie, hie und da sich mit dem
Biere allmählich zu befreundeu; also kann man getrost auch an
ein Gewöhnen der bisher etwas fremdartigen „Ersatzgetränke^
denken.
Dass man schliesslich auch ohne Alkohol die Geselligkeit ge¬
hoben halten kann, wird wohl niemand bezweifeln, der die Gut-
templer-F^ste beobachtet und verfolgt «nd dar nameptlich selbst
den guten Willen hat, mit einigen glücklichen und sozusagen den
Wein und die Bowlen cachierenden Arrangements „alkoholfreie“
Feste zu geben und zu feiern.
„Wir können es nach unseren heutigen Anschauungen ent¬
schieden als einen ärztlichen Kunstfehler schwerster Art betrachten,
wenn Alkoholiker Anstalten überwiesen werden, in denen der Al¬
kohol als Genussmittel verabfolgt wird“. A. E.
Meteorologische Statistik.
VertMtaltet von der Redaktion der Balneolofllaoben Zentralzeltaag..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
miuimum
Blittleres
Temperatur¬
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazi a ...
1.—7./7
17,1 C.
22,3
c.
760,8
3
5
_
—
2
Badenweiler.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
Driburg .......
1.—7./7.
11,2 C.
21,1
C.
—
3
4
—
1
1
Ems.
24.—30./6.
11,5 C.
23,5
C.
756,5
3
7
—
3
2
Giesshübl-Sauerbrunn . .
1.—7./7.
11,4 C.
20,9
c.
—
1
3
3
3
1
Franzensbad .....
11 C.
28,8
c.
721
1
4
2
—
3
Herrenalb.
16 C.
22
c.
724
3
3V8
3V2
2—3
4
Kreuznach.
—
—
—
—
—
—
—
—
Langeuschwalbach . . ,
24.—30./6.
10,8 C.
23
c.
737,8
2
7
6
3,3
2
Lippspringe.
13 C.
28,5
c.
754
—
4
3
2
2
Frequenz 31&0*
Nauheim .... . .
—
_
—
—
—
—
Nenudorf .
24.—30./6.
18 C.
23
c.
762
3
7
3
—
1
Orb.
13,3 C.
25
c.
752,8
2
7
—
—
1
Norderney.
1.—7./7.
11,5 C.
17,7
c.
763,1
1
5
7
2—4
—
Reichenhall . . . . •
_
—
_
_
—
—
—
—
Salzbrunn ......
17.—23./6.
12
23,4
c.
_
2
6
1
1
—
Stehen.
n
10,2 C.
16,5
c.
717,1
2
3
2
3
2
Verantwortlicher Redakteur
:ner Kedaktenr: Dr. P. MeiMoer, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S. *
l>nidi von lla]maMau'iche Bnclfdrackarei, Gebr. Wollt; ^ ^ ^
Vn. Jahrgang. Nr. 21. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des »Allg. D. B.-V.*:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. !
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. med. et. polit. Stebr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DOr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Der Sport in Kurorten. Von Dr. Philipp Wagnor, Bad Kösen. (Fort¬
setzung.)
Feailletüu; nohcnklima und Bergwanderungen. Von I^r. E, Roth.
(Fortsctzuiig.) Kleine Mitteilungen.
Der Sport in Kurorten.
Vortrng auf der XIV. Jaliresvorsammlung dos Allg. deutsclien
Bäder-Verbandes zn Knis. den 4. Ükt. 1905.
Von Dr. Philipp Wagner, Bad Kösen.
(Fortsetzung.)
Das Speerwerfen war eine sehr, beliebte Uebung und wurde
mit stumpfen Stäben ausgeRihrt, die ganz unsern Geeren glichen.
Wer im Pentathlon als Sieger gekränzt sein wollte, musste in
allen fünf Kampfarten allen andern ülterlegen sein.
Don Vorrang in den Festspielen behau])teten jedoch die
Wagen- und Rosserennen. Die Beteiligung an ihnen war
immer etwas Aristokratisches, eine nobele Passion der Reichen
und Fürsten. Ihr Schauplatz war das Hippodrom. Die Wagen
waren zweirädrig, mit ovalen, hinten offenen Kästen, in denen die
Wagenlenkor standen. Im Anfänge w'urden nur Viergespanne
zngelasseu, später auch Zweigespanne, hin meisterhaftes Bild
des Wettrennens gibt uns Sophokles in seiner Elektra:
„Und als sie standen, wie des Kampfes Richter dort
Die Lose warfen und die Wagon ordneten:
Da schmettert Erzdrometenschall fort stürzten sie,
Befeuerten ihre Ross’ im Flug, und schüttelten
Die Zügel; nun mit einmal war die Bahn erfüllt
Von lautem Wagenrasseln: hoch auf wöiikte sich
Der Staub, es rannten alle durcheinander hin
Und schonten nicht der Geissein, um vorbei zu fliehn
Feuilleton.
Höhenklima und Bergwanderungen.*)
Von Dr. E. Roth.
(Fortsetzung.)
Die Römer kamen erst später etwas weiter in der Schätzung
der Gebirge, aber desto mehr leisteten sie für die Wald¬
lichtung und Wegbarmachung der Alpen, wenn auch ursprüng¬
lich diesem V^orgehen nur ein strategischer Zweck zu Grunde
lag. Dafür trat aber in der späteren Kaiserzeit die hygienische
Bedeutung der Berge mehr und mehr in den Vordergrund,
wobei die Quellen mancherlei Art den Anziehungspunkt aus¬
machten. Baden-Baden, Wiesbaden, Badenwoiler, Ems, Wild¬
bad usw. waren damals bereits bekannte und vielbesuchte wie
gerühmte Erholungsstätten.
Schon ein Galen äusserte: Es ist offenbar, dass die hoch¬
gelegenen Orte, welche von allen Seiten durchweht und für
die Winde kein Hindernis sind, auch die besser ventilierten
darstellen, und dass deshalb ilire Bewohner fast ganz gesund
ihr Leben hinbringen.
Wer da glaubt, dass die prächtigen Seen am Südabhange
Ans den Bädern nnd Kurorten.
Aerztlichc StudiciirelMeu.
liitcratur.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
Die Räder und das schnaubend wilde Ross’gespann.
Denn alle Rücken und zugleich der Räder Spur
Benetzte dampfend Schaum und Hauch der Rosse rings
Schon lenkt ()r68tes um die letzte Säul’ herum
Die Nabe stets bindrängend und dem rechten Ross
Den Zügel lassend, zog er mehr sein linkes an.
Anfänglich gingen allzumal die Wagen ^t.
Bis eines Arniers Ross’ mit hartem Maul
In Sturmeseil ausrissen, und rechtshin gewandt
Den sechsten oder siebenten Lauf vollendend schon,
Die Stirne rannten auf die Wagen Libyas,
Und nun zerschmettert einer durch den Einen Fehl
Den andern, stürzte nieder, nnd zerbrochener
Rennwagen Trümmer deckten rings das Phokerfeld.
Dies sah der kluge Zügellenker aus Athen;
Drum lenkt er auswärts, hemmt der Rosse Lauf und Hess
Vorbei der Wagen Strudel, der die Bahn durchwogt.
Auf diesen folgend, trieb Orestes sein Gespann
Als allerletztes, bauend auf des Kampfes Ziel.
Wie jener sah den Einen der noch übrig war.
Da jagt er, hell aufdröhnend traf sein Ruf das Ohr
Der schnellen Renner, und in gleichem Laufe flohn
Die Beiden hin, nun dieser, nun der andere
Das Haupt von seinem Wagensitze vorgestreckt.
Und all’ die andern Bahnen wohl vollendete
Der Arme sonder Fährde, fest auf festem Stand;
Da Hess er nach den Zügel, als das linke Ross
Sich wendend umbog und den Rand der Säule traf
der Alpen erst in neuerer Zeit entdeckt und begehrt sind, be¬
findet sich in einem hohen Irrtum. Die römischen Grossen
der Kaiserzeit wussten diese Lage wohl zu schätzen und pracht¬
volle Paläste säumten die Gestade aller dieser Wasserbecken.
Aber im Grossen und Ganzen ergibt sich doch als Facit
aller Betrachtungen, dass es in Asien die göttliche Verehrung
war, welche die Menschen bewog, die Höhe der Berge zu er¬
klimmen, um den gütigen Gottheiten nahe zu sein, während
in Europa die Vergöttlichung der Berge die Menschen davor
zurückschreckte, dieselben zu besteigen und kennen zu lernen.
In dieser Furcht vor dem Hochgebirge kann man sogar
einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Empfinden der
Menschen des Altertums und der neuern Zeit erblicken und
konstruieren. In dem Hochgebirge teilt sich eben nach Sven
Hedin die Ruhe des Todes mit der Kälte in die Herrschaft.
Im Mittelalter waren es dann namentlich Mönche und
Einsiedler, welche dazu beitrugen, das Gebirge den Menschen
zu eröffnen. Was braucht man beispielsweise an die Zuflucht¬
stätten an den Pässen der Alpen zu erinnern, ein jeder kennt
diese Ho.spizien oder las wenigstens davon.
Einzelnen Begeisterten — man muss aber doch von Aus¬
nahmen reden — kannten freilich auch in jenen entlegenen
Zeiten die Schönheit dos Hochgebirges, ja es wird uns sogar
von eigentlichen Bergtouren berichtet. Um einen bekannten
Namen damit zu verbinden, wollten wir an die Besteigung des
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82
BALNEOLOGISCHB CENTRALZEITÜNG
Nr. 21.
Er unversehens; mitten brach die Nabe durch:
Vom Kranz des Wagens glitt er und verwirrte sich
Im langen Riemenzeug; und als er niederfiel,
Flohn seine Rosse durch die Bahn in wilder Flucht!
Das Wettreiten wurde bereits in der 33. Olympiade oingefübrt.
Mehrere berühmte Renner haben unsterblichen Ruhm erworben.
So singt Pindar: „Wohlan, die Dorische Harfe nimm von der
Wand ob des Ruhmes des Pherenikos, des edelsten Renners,
den Geist in wonniges Sinnen versenkt. Wie er dahin braust
dort am Alpheios, mine stachelnden Sporn, die schone Gestalt,
seinen Herrn zum Siege tragend.“
Die Zwischenzeit zwischen den einzelnen Spielen füllton
Sänger und Dichter aus, die ihre Werke vortrugen.
Wenn so die olympischen Spiele im allgemeinen ein
äusserst anziehendes Bild edlen Sportes darbieten, so fehlte es
aber auch nicht an Ausartungen, wie wir es bei der Schilderung
des Faustkampfes gesehen haben; jedoch auch beim AVettlauf
kam derartiges vor, wie das Beispiel des berühmten spartanischen
Läufers Ladas zeigt, der nach errungenem Siege tot niedersank.
Den Griechen selbst ist diese Ausartung der Agonistik nicht
entgangen. Weder Alcibiades noch Alexander der Grosse
hielten etwas von der Athletik, und Sokrates behauptete* sogar,
dass sie zum Kriege untüchtig machte, indem bei den Läufern
die Beine auf Kosten der Schultern, bei Faustkämpfern die
Schultern auf Kosten der Beine ausgebildet und gekräftigt
würden.
Die Pythien, Nemeen und Jsthmien boten dasselbe Bild
wie die Olympien, nur dass bei den pythischen Spielen noch
djis Theater hinzukam.
Nach Rom kam die Gymnastik nach Unterwerfung der
Griechen. Jedoch fand sie nicht viel Anklang, namentlich
nicht bei den Männern, welche die Feldarbeit, Reiten und
Schwimmen für bessere Hebungen hielten. An die Stelle der
gymnastischen Uebungen traten bei ihnen die Gladiatoren¬
kämpfe und zirzensischen Spiele, die ich wohl übergehen darf.
Auch den altgermanischeu Völkern war die Gymnastik
nicht fremd, Jedoch übten sie dieselbe in mehr kunstloser
Weise, indem sie sich namentlich im Springen und Laufen übten.
Zu erwähnen ist noch der Waffentanz der Jünglinge, w’elcher
nackt zwischen den scharfen Spitzen der Speere und Schwerter
ausgeführt wurde. A^on berühmten Wettkäm})fen aus späterer
Zeit wäre an den Wettkampf Günthers mit Brünhilde zu er¬
innern, wo Speerwurf, Steinstossen und W^ettiauf zur Geltung
kamen, und an den Wettlauf zwischen Hagen und Siegfriea
In der christlich-germanischen Zeit stiegen die Wettkämpfe
zu glänzender Hohe empor. Kaiser Heinrich I. war der Stifter
Mont Vontoux, eines Vorborges der Westalpen, durch Petrarca
in Gemeinschaft seines Bruders erinnern. Eine genaue Be¬
schreibung seiner Empfindungen hat uns der Gelehrte hinter-
lassen, aus welcher hervorgellt, dass das Gefühl des Alleinseins
dem Bergsteiger Lust und Mut zum Aufstieg verlieh und dass
die Sehnsucht nach der Einsamkeit als Triebkraft wesentlich
mit in Betracht kam.
Die Freude an den Bergen selbst aber beginnt erst recht
eigentlich iu den A’^ordorgrund zu treten, als in Italien die
Sonne der Renaissance auigeht, mit ihren Strahlen die hohen
Gipfel der Schneebergo trifft und die verborgenen Gründe der
Gebirgswelt beleuchtet. Alit dem weiteren Empfinden für die
Schünlioit im Allgemeinen lebt auch das Verständnis für die
unvergleichliche Herrlichkeit der Borge auf. Da konnte denn
auch zuerst von Hochgebirgstoiiren die Rede sein, da konnten
sich erst Männer finden, welche ans Freude am Bergsteigen
selb.st bis zu den Hölnm der Gletscher vordrangen, ja Gipfel¬
bosteigungen ausfiilirten, welche wir noch heute als alpine
I.ieistungon betracht<‘n müssen. Leonardo da Vinci leuchtet
auch hier, wie in fast allen W’issenscliaften, glänzend hervor,
und dürfte er wohl als erster den Monte Rosa bezwungen
haben, für die damalige Zeit eine wahre Heldentat
Um bei bekannten Grössen zu bleiben, so muss die Be¬
steigung dos Pilatus von Conrad Gessntsr hier erwähnt
worden. Heute ist solches Beginnen nicht der Rede wert, ab-
der ritterlichen Kampfspiele, der Toumiere, die im christlichen
Mittelalter eine älinliche Stelle einnahmen wie die gymnastischen
Spiele des hellenischen Altertums. In ihrer Schilderung folge
ich den Ausführungen Freitags in seinen „Bildern aus Deutsch¬
lands Vergangenheit“. Zu dem Reiterhandwerk des Mittel¬
alters gehörten ausser den alten Turnübungen; Steinstoss, Wurf,
Sprung, vor allem der Gebrauch der AVaffen, dann die vor¬
nehme Jagd mit Falken und Winden, höfischer Tanz und
ritterlicher Dienst bei Frauen durch Liederdichtung und Ge¬
sang. Grösste Bedeutung erhielten dem Ritter seit dem Ende
des 12. Jahrhunderts die Waffenübungen, welche ein Vorrecht
seines Standes geworden waren. Von diesen Uebungen war
die häufigste die Tjost, der Speerstich zweier gerüsteter
Ritter gegeneinander. Zweck dieses Kampfes war, den Gegner
im scharfen Anritt mit dem Speer so zu treffen, dass entweder
der Gegner vom Pferde geworfen wurde, oder der Speer in
die Rüstung des Reiters drang und von dem Stosa zersplitterte.
Zu diesem Einzelkampf wurde durch Boten und Briefe von
Kampflustigen aufgefordert, er fehlte bei keinem Hoffest.
(Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Baden-Baden. Wie das „Badeblatt“ erfährt, werden die Mit¬
glieder der Gesellschaft „Les Excursions Medicales Internationales“
in Paris Baden-Baden am 21.—23. August zur Besichtigung unserer
sanitären Einrichtungen einen Besuch abstatten. Der Stadtrat hat
beschlossen, anlässlich der Anwesenheit der Gäste auf der Prome¬
nade eine Festlichkeit zu veranstalten. Die Gäste besuchen vor¬
her die Städte Aachen, Köln, Bonn, Wiesbaden, Frankfurt a. M.,
Marburg, Leipzig, Berlin, Dresden und Heidelberg.
In Bad Dürrheitn, badischer Schwarzwald, wurde dieser Tage
das neuerbaute, dem badischen Frauenverein gehörige Kindersol¬
bad dem Betrieb übergeben,
EiSBnach hat in seiner neugefassteu „Grossberzogin Karolinen¬
quelle“ ein Heilwasser, welches nach der Analyse des Professor
F resen ius’schen Laboratoriums in Wiesbaden als sulfatiscbe
Kocbsalzquelle einen nicht zu unterschätzenden Gehalt an Glauber-
und Bittersalz aufzuweisen hat. —
Aus Bad Elster: Das Luft-, Sonnen- und Schwimmbad ist
vor einigen Tagen der Benutzung Übergeben worden. Die Anlage
zeigt einen grossen, geräumigen Schwimmteich mit Duschen und
Fontaine, sowie ein zweites weniger tiefes Bassin. Ferner sieht
man Rasenplätze inmitten herrlicher Parkanlagen, schöne Lauben¬
gänge lind alle die nötigen Räumlichkeiten zum An- und Aaskleiden,
Ruhen etc. Jeder Besucher wird gestehen müssen, dass man sich
gesellen davon, dass die Mehrzahl der Besucher dieses Aus¬
sichtsberges — man wäre geneigt in Analogie mit Salontiroler
den Ausdruck Salonberg zu prägen — die beijueme Eisenbahn-
fahrt dem kletterreichen Aufstieg vorzieht. Hinzu kommt, dass
gerade der Pilatus damals für einen Haupttummelpiatz der
Spuckgeister galt. Gessner ist wohl auch der erste, welcher
der Körperbewegung selbst als eines günstigen Faktors Er¬
wähnung tut. Aber auch auf alle sonstigen Erscheinungen
achtet der aufmerksame Wandersmann, Er spricht von den
Freuden des Gefühlssinnes (heute redet man von Hautsinn), er
stellt Betrachtungen über die Einwirkung des Hochgebirges
auf Auge, Ohr und Geruchssinn an und vergisst selbstver¬
ständlich nicht den Geschmack, welcher in den materiellen
Zeiten des Mittelalters eine so grosse Rolle gespielt zu haben
scheint.
Als Quinterenz seiner AA^ortc, sagt unser Gelehrter: AVir
wollen also endlich schliessen, dass an den Bergtouren, welche
mit Freuden unternommen werden, überhaupt die grössten
A^ergnügnngen und die angenehmste Ergötzung aller Sinne ge¬
wonnen werden; . . . welche Art der Ergötzung kannst du,
wenigstens innerhalb der Grenzen der Natur finden, die an¬
ständiger und in jeder Hinsicht vollständiger wäre? .... Es
werden alle Teile des Körpers geübt, wenn man marschiert,
und bi.swiülen auch spiingt, alle Nerven und Muskel werden
ange.spannt und sind tätig, aber andere beim Aufstieg, andere
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BALNEOLOGISOHE CENTRALZETTÜNG
83
Vauta etwas Reizvolleres als die herrlichen Parkpartien mit den
Teichen denken kann, mit dem Blick auf die bewaldeten Berge.
Goczaikowltz. Eine neue Solquelle wurde im letzten Herbste
in einer Tiefe von 143 Metern erbohrt. Diese Bohrungen sind
mit Beginn des Frühjahrs fortgesetzt worden, und gegenwärtig ist
man bis zu einer Tiefe von 204 Metern gedrungen. Es besteht
die Absicht, die Bohrungen bis zur völligen Erschliessung der
überaus reichhaltigen Quelle weiterzuführen.
Karlsbad. Am Sonntag, den 17. Juni, ist hier das neue
städtische Elisabeth-Badehaus im Franz Josefspark eröffnet worden.
Es enthält 42 Moorbäder, drei Moorteilbäder, 29 Sprudelbäder,
15 Kohlensänrebäder, zwei Säle mit 24 Zellen für Moorumschläge,
eine Gesamtkaltwasserkur für Herren mit 20 Auskleidezellen, eine
ebensolche mit 12 Zellen für Damen und drei Einzelkaltwasser-
kuren. Alles ist streng hygienisch angelegt.
KudOWa. Kürzlich wurde das neue Badehaus in Kudowa
eröfihet, das neben 30 Mineralbadezellen zwei Duscheräume, ein
Heissluft- bezw. Dampfbad - sowie elektrische Bäder und eine me-
diko-mechanische Abteilung enthält und mit Zentralheizung und
Personenaufzug versehen ist. Ferner ist in diesem Winter eine
elektrische Zentrale erbaut worden, die schon seit Anfang der
Saison das Bad, die öffentlichen Wege sowie die meisten Logier-
bäuser mit Licht versorgt.
Nonndorf. in Gegenwart des Herrn Ministers von Podbielski,
des Oberpräsidenten von Windheim, des Unterstaatssekretärs von
Conrad, des Regierungspräsidenten von Bernstorff und vieler anderer
Persönlichkeiten wurde am 22. Juni das neu erbaute Schwefel- und
Solbad im Kgl. Bad Nenndorf eröffnet.
06ynhaU86n- Die heilkräftigen kohlensäurehaltigen Thermal-
Bolbäder des Königlichen Bades Oeynhausen erfreuen sich in diesem
Jahre wieder eines besonders starken Zuspruchs. Mit grossem
Interesse verfolgen die Kurgäste die grossartigen Neuanlageu,
welche teils in der Ausführung begriffen sind, teils ihrer Voll¬
endung entgegengehen. Das neue Kurhaus, welches eine Facade
in schlesischem weissen Sandstein von 90 m Länge erhält, ist be-
. reits soweit vorgeschritten, dass mau die imposanten Formen dieses
Prachtbaues erkennen kann. Die neuen Anlagen vor dem Kur¬
hause sind bereits fertiggestellt und finden den ungeteilten Bei¬
fall der Kurgäste.
Der Kurgarten ist in den letzten Jahren unausgesetzt er¬
weitert worden, im vergangenen Winter sind auf einem 200 Morgen
grossen Terrain, welches von dem Werrafluss und dem grossen
Sielkanal umflossen wird, über 150000 Bäume der verschiedensten
Art gepflanzt worden. An allen Enden wird an der Entwicklung
des Bades unausgesetzt gearbeitet. Der Erfolg ist auch nicht aus¬
geblieben. Die Zähl der zu längerem Kurgebrauch eingeschriebenen
beim Abstieg und anders bei jedem derselben, wenn er bald
gerade, bald schräg vor sich geht, wie dieses in den Bergen
der Fall ist.
Alle diese goldenen Worte sind bereits 1540 niederge¬
schrieben ! (Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen,
Aufforstungon auf Fdhr. Was Föhr unter den Nordsee¬
bädern fraglos eine landschaftlich und hygienisch eigenartige
Stellung gibt, ist seine Vegetation. Statt gelbe Dünen und brauner
Heide bunte Wiesen, lauschige Gärten, Alleen und die Krone
dieser Anlagen, der Lembckehain am SUdstrand. Hier atmet die
Lnnge ein würziges Gemisch von Tannenduft und Seeluft. Die
Macht des Windes ist hier gebrochen, hier dicht hinter dem
Strand. Im Kampf mit dem Nordwest sind die Kiefern und
Fichten langsam und gedrungen gewachsen, zu einem undurch¬
dringlichen Dickicht. Hier, wo die Wärmeentziehung durch die
Luftströmung wegfällt, kommt die relativ hohe Temperierung und
die Weichheit der Seeluft erst zum Bewusstsein. Dieser letztere
Faktor im Seeklima für sich allein hat nur eine beruhigende,
schonende Wirkung. Wir haben es also in der Hand, mittelst
Aufforstungen, denen sich Wandelbahnen' und Liegehallen an-
schliessen mögen, in geeigneten Fällen nur diese letzteren ein-
Kurgäste, welche 1894 7000 Personen nicht erreichte, hat von
Jahr zu Jahr zugenommen und im vergangenen Jahre die Zahl
15000 Überschritten.
Zu den 4 Thermalsprudeln, welche die Badehäuser mit natur¬
warmer, koblensäurehaltiger Thermalsole versorgen, ist im ver¬
gangenen Winter ein neuer Sprudel hinzugekommen, welcher in
der Minute über 2Q00 Liter auswirft. Das Bad Oeynhausen
verfügt jetzt in der Minute über mehr als 3000 Liter der edelsten
Thermalsole, damit ist die Zukunft des Bades auf lange Zeit ge¬
sichert. Die beiden Solquellen von 9 und 4% Kochsalzgebalt
dienen zur Bereitung gewöhnlicher Solbäder, wie sie in Kreuznach,
Königsborn, Eimen usw. gegeben werden.
Aerztliche Studienreisen.
Sechste ärztliche Studienreise vom 2.—15. September 1906.
Das „Komitee zur Veranstaltung ärztlicher Studienreisen“ (Vor¬
sitzende: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Leyden; Geh. Rat Prof. Dr.
A. Ott; Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Stümpell; Prof. Dr. Kutner)
hat das „Vorläufige Programm für die sechste ärztliche Studien¬
reise“ aufgestellt. Ausgangspunkt ist Heidelberg, wo am 2. Sep¬
tember, vormittags 9 Uhr, in der Universität Begrüssung durch
die Behörden der Stadt und der Universität und Vortrag des Geh.
Hofrat Prof. Dr. Vierordt stattfindet. Hieran schliessen sich Be¬
sichtigung des Krebsinstituts, der gynäkologischen und chirurgischen
Klinik und des neuen Bades. Für den Nachmittag sind nach
einem gemeinschaftlichen Mittagessen in der Stadthalle Ausflüge
nach der Molkenkur, dem Schloss, Neckargemünd usw. vorgesehen.
Am 3. September Fahrt über Pforzheim und Höfen nach
Schömberg. Besichtigung der dortigen Anstalten, Vorträge der
Herren Dr. Schröder, Dr. Koch, Dr. Dünges. Abends Weiter¬
fahrt nach Wüdbad, wo um 9 Uhr abends geselliges Beisammensein.
Am 4. September findet eine wissenschaftliche Sitzung mit
daran sich anschliessender Besichtigung der Bäder und Kuran¬
lagen statt.
5. September: Fahrt nach Teinacb. Besichtigung des Bades,
Vortrag des Herrn Dr. Krone. Nachmittags über Freudenstadt
und Hotel Waldeck nach Rippoldsau. Nach dem Abendessen Vor¬
trag des Herrn Dr. Oechsler.
6. September: Fahrt über den Kniebis und Oppenau nach
Badenweiler.
7. September: Besichtigung des Kurortes und der Kurein¬
richtungen in Badenweiler, des Sanatoriums von Dr. Fraenkel, des
Kurbades von Dr. Forstmeyer u. a., Vorträge der genannten Herren
und des Hofrats Dr. Schwoerer,
treten zu lassen. Ein bescheidener Versuch ist von Dr. Nicolas
in Westerland-Sylt an Lungenkranken und Blutarmen gemacht
worden, in dem Erholungsheim der hanseatischen Versicherungs¬
anstalt, nach seinen Berichten mit sehr befriedigendem Erfolg.
Dass viele Nervöse Föhr schon bisher besser ertrugen, als die
vorliegenden Inseln, wenn sie nicht, wie von Dr. Ide auf Amrum
mit peinlicher Sorgfalt geschont und vor dem Wind gehütet
werden, ist häufig zu beobachten. Ich kann mich des Gedankens
nicht entschlagen, dass Pöhr-Südstrand als Kurort für Leicht-
lungenkranke, Astmatiker, Nervöse, Blutarme noch eine grosse
Zukunft hat. Ausser dem Lembckehain, der vor 14 Jahren ange-
gelegt, jetzt schon beim heftigsten Wind eine stille Oase dar¬
stellt, und von vielen Häusern in wenigen Schritten zu erreichen
ist, finden sich in mehreren Gärten geschützt© Spaziergänge. Der
ca. 30 Morgen grosse Park bei Dr. Gmelins Sanatorium besitzt
ausser solchen eine ca. 100 Meter lange Wandelbahn und mehrere
Liegehallen. Noch Zukunftsmusik ist eine 20 Morgen grosse Auf¬
forstung 10 Minuten westlich vom Sanatorium. Aber es ist der
Mühe wert, au die Zukunft zu denken. Ein systematisches Vor¬
gehen in dieser Richtung, das auch die Regierung in dankens¬
werter Weise fördert, wird hier in absehbarer Zeit neue wirk¬
same Heilfaktoren für die Behandlung von Schwächezuständen
mancherlei Art zur Verfügung stellen.
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84
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
Nr. 21.
8. September: Abfahrt über Wehr nach Todtmoos und Wehra-
wald. Besichtigung der dortigen Anstalten, Vorträge von Dr. Eddy
Schacht und Dr. Lips. Nachmittags Fahrt nach Sankt Blasien.
9. September: Wissenschaftliche Sitzung. Vorträge der Herren
Privatdozenten Dr. Determann, Dr. van Oordt, Dr. Sander, später
Besichtigung der Institute, Kurhaus, Sanatorium St. Blasien, Sana¬
torium Luisenheim, Besii^krankenhaus, Erholungsheim Friedrichs¬
haus in Gruppen.
10. September: Fahrt über Altbruck und Schaffhausen (Rhein-
fallbesichtignog) na(^ Konstanz.
11. September; Wissenschaftliche Sitzung im Stadthaus, Be¬
sichtigung der Stadt, des Krankenhauses etc. Mittags: Rundfahrt
auf dem Bodensee, Besuch des Insel Mainau; Abendessen im Insel¬
hotel in Konstanz.
12. September: Fahrt nach Triberg. Besichtigung und Aus¬
flüge.
13. September: Fahrt von Triberg nach Baden-Baden. Wissen¬
schaftliche Sitzung im Kurhause. Besichtigungen: Friedrichsbad,
Augustabad, Landesbad, Inhalatorium; abends Fest im Knrhause.
14. September; Erinnerungsfeier für den verstorbenen Hofrat
Dr. Gilbert im Kursaal. Besuch der Sanatorien Dr. Frey-Gilbert,
Quisisana ^Dr. Lippert), Dr. Ebers und Heinsheimer. Nachmittags
gemeinsamer Ausflug nach dem alten Schloss.
15. September, mittags 1 Uhr: Ankunft in Stuttgart.
Der Gesamtpreis für die ca. 14 tägige Reise (freie Fahrt per
Eisenbahn und Wagen, freies Quartier und volle Verpflegung ex¬
klusiv Getränke) beträgt 225 M. Die Anmeldungen für die ^ise
werden zugleich mit einer Fosteinzahlung von 25 M. als Einschreibe¬
gebühr bis spätestens 20. August d. J. an die Adi’esse des General¬
sekretärs Dr. Oliven, Berlin NW., Kaiserin Friedrich-Haus, Luisen¬
platz 2—4 erbeten. Vorträge haben u. a. zugesagt: Prof. Kionka,
Prof. v. Krehl, Prof. Strauss, Prof. Strassmann, Prof. Romberg, Prof.
Kutner, Prof. Vierordt, Prof. Weizsancker. Das Komitee behält
sich Aenderungen im Progamm vor, Aenderungen im Preise ßnden
nicht statt.
Französische ärztliche Studienreise. Bei der diesjährigen
französischen ärztlichen Studienreise, welche am 1. September in
Lyon beginnt und am 12. September in Uriage endet, werden
folgende Kurorte besucht: HauteviUe, Evian, Thonon, St. Gervais,
Chamounix, Aix, Challes, Salins-Moutier, Brides, Pralognan, AUevard,
Bouqueron, La Motte, Uriage.
Der Preis für die Reise ist a«f 300 Fn». festgesetzt. An¬
fragen sind zu richten an; Docteur Caiton de 1& Carriere, 2 me
Lincoln, Paris.
Literatur.
Album der domänenfiskalischen Bäder und Mine¬
ralbrunnen im Königreich Frenssen. Beschrieben
von Dr. Stern.
Unter diesem Titel erscheint soeben im Aufträge der Preuss.
Domänen-Verwaltung ein Praebtwerk ersten Ranges, wie über die
anderen deutschen Bäder ein ähnliches bisher nicht existiert. Die
dekorative Form der Politik, die in unserem kunstsmnigen Zeit¬
alter eine so herorragende Rolle spielt, hat zweifellos ihre Be¬
rechtigung, solange die Dekoration die Magd der Politik bleibt,
solange nicht die schädliche Umkehrung dieses Verhältnisses ein-
tritt. Sie wird des Erfolges sicher sein, solange der ernste Zweck
nicht durch den leicht verweichlichenden Mantel des Kunstsinns
angekränkelt wird. Diese schöne Harmonie zwischen Kunstsinn
und ernstem Zweck finden wir in diesem Buche ln seltener Voll¬
endung. Inhalt ist eine sachliche und erschöpfende Beschreibung
der fiskalischen Bäder, zu denen folgende gehören: Ems, Fachingeo,
Lange nschwalbach, Nenndorf, Selters, Norderney, Rehberg, Schlangen¬
bad, Weilbach. ^ wird bei jedem behandelt; Lage, Klima, Ge¬
schichte, Kurmittel, Quellen mit Analysen, Bäder, Wirkung, In¬
dikationen, Mineralwasser und Quelleuprodukte. Diesen Angaben
folgt eine Zusammenstellung von wirtschaftlichen Nachrichten und
der Ausflüge. Alles durch sorgfältig gewählte Illustrationen er¬
läutert. Der eigenartige Buchschmuck, der von Georg Geyer,
Wiesbaden, herrührt, kann als vorbildlich gelten. Ausserdem ent¬
hält das Werk eine Anzahl farbiger Illustrationen nach Gemälden
von Gscheidel-Berlin, Günther-Naumborg, Charlottenburg und von
Wedel-Cassel, die seinen Wert nicht zum Wenigsten erhöhen.
A. St.
Personalien.
— Dem Kreisarzt Medizinalrat Dr. Gleitsmann in Wies¬
baden ist der Charakter als Geheimer. Medizinalrat verliehen
worden.
Meteorologische Statistik.
Veraistaltet voi der Redaktioe der Balneologfsollen Zentrnlzeltnng..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
3
B
Mittleres
Temperatur¬
maximum
.
I ^
lll
i
ä 2
Q J
^ PQ
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
_
—
_
_
_
_
_
—
Davos.
11.—17./7.
3,2
C.
13,7
c.
—
4
4
4
—
—
2 Tage Regen mit
Driburg .....
9.—15./7.
10,9
c.
20
C.
—
2
4
1
2
2
Schnee.
Ems . ..
15.—21./7.
14,3
c.
23,4
C.
756,2
3
6
—
3
2
Giesshübl'Sauerbnmn
10,1
c.
21,6
C.
—
3
3
1
5
1
Franzensbad . . .
—
_
—
—
—
Herrenalb ....
15.—21./7.
19
c.
26,5
c.
726
3
4V2
2 V 2
2—3
—
Langeuschwalbach .
15.—21./7.
10,6
c.
21,8
c.
737,7
2
6
7
2,3
—
Lippspringe ....
12
c.
26
c.
752
3
3
1
8
3
Frequenz 4177.
Nauheim.
2.—8./7.
12,1
c.
22,1
c.
749,8
5
1
5
2
2
14820.
Nenndorf.
15.—21./7.
13
c.
24
c.
760
6
7
6
—
2
Orb.
10,2
c.
25
c.
748,5
1
6
—
—
—
Frequenz 2 öUÖ.
Norderney ....
9._14./7.
12
c.
18
c.
763,8
4
6
7
4
—
Reichenhall ....
12,9
c.
19,7
c.
723,4
3
3
7
_
_
Salzbrunn ....
_
_
_
_
—
_
—
Frequenz 2880.
Stehen ......
8.—17./7.
9
c.
21,6
c.
716,3
2
4
1
4—5
_
Triborg.
15.—21./7.
11,3
c.
22,8
c.
—
3
3
3
—
—
Verantwortlicher Rerlakleur: Dr. P. Meissner. Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Dnick Toa Uejneautna'tche Bachdruckerei, Gehr. Wolff, UaUa a. &•
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86
BALNBOLOGISCHB CBNTRALZMTUNG
Nr. 22.
ihr Glück zu machen, denn es galt jetzt nur, Gefangene zu
gewinnen.
Ein solcher Massenkampf phantastisch geschmückter
Kämpfer, die ungeheure Menschenmenge erregte den leiden¬
schaftlichen Anteil der Zeitgenossen, wie kein anderes Ereig¬
nis. Immer wurden der Frühlingsglanz des Mai, das frische
Grün des Grundes, die Blüten am Baum und auf der Wiese
als zugehörig mit empfunden. Der unaufhörliche Wechsel
leidenschaftlich bewegter Gruppen, Speerkrach und Schwerter¬
klang, das Wiehern und Schnauben der Rosse, die Rufe der
Ritter, Knappen und Beamten des Turniers, die Gestalten und
Rüstungen erlauchter Herrn, bekannte und berüchtigte Reiter
der Landschaft, die Tribüne mit geschmückten Frauen, die
bunten Farben und Stoffe, Malereien, neue Erfindungen an
Waffenkleidem und Pferdedecken, es waren Sinn betörende
Bilder für Kämpfende und Zuschauer.
Sämtliche Ritterspiele forderten grosse Kraft und
Uebung. Am meisten litten Hände und Arme, welche am
Abend von den Stössen und der Erschütterung durch Brechen
der Speere und Ruck der Schilde geschwollen, blau und mit
Blut unterlaufen waren. Ebenso waren die Knie übel zuge¬
richtet. Bei alledem fällt auf, dass die Kämpfer bei der Tjost
nicht häufiger verwundet und vom Rosse gesetzt wurden, als
es in Wirflichkeit geschehen ist Die Turniere waren aller¬
dings viel wilder und gefährlicher, im Gewühl vom Ross zu
stürzen brachte manchem Mann den Tod oder langes Siech¬
tum, und kaum ein Turnier mag ohne schwere Unfälle ver¬
gangen sein. Doch auch auf die höfischen Tumiergenossen
legte sich ein Fluch, welcher jeden trifft, der friedliche Arbeit
verachtet. Und es war eine besondere Strafe, dass dieser
Fluch sie zuerst gerade da schlug, wo sie am stolzesten waren,
in ihrer Waffentüchtigkeit. Seit die Ausbildung des reisigen
Mannes für Sport und Turf der Stechbahn Hauptsache wird,
ist seine Brauchbarkeit im Kriege auffällig verringert. Die¬
selbe Zeit, welche den gepanzerten Reiter mit einer Ehre und
Poesie umgibt, die ihn hoch über seinen Ahnherrn, den
Bauer, ja über seinen Nachbar, den Bürger, erheben will, be¬
reitet ihm in den Schlachten eine Niederlage nach der andern.
Die Horden der Mongolen, die leichten Reiter der Ungarn er¬
drücken seine Haufen, bald schwingt der nackte Bauer und
Bürger bei Morgarten, Laufen, Sempach siegreich seine Helle¬
barde gegen ihn, endlich auch der böhmische Landmann seine
Holzkeule. Wir sehen wohl woher das kam. Die Bewaffnung
der Ritter wurde durch die Tumierspiele unpraktischer, der
Beginn jeden Treffens forderte grosse Vorbereitung, der Ver¬
folgung fehlte die Behendigkeit Die Hebungen mit dem Speer
Höhe, das alpine reicht bis zu 1900 m und darüber hinaus,
setzt dann das hyper- oder hochalpine Klima ein.
Luftdruck, Luftwärme, Intensitität der Sonnenstrahlung
und Luftfeuchtigkeit, ebenso elektrisches Verhalten und Be¬
wegung der Luft verändern sich mit zunehmender Höhe in
charakteristischer Weise.
Als zusammenfassende Charakteristik können wir sagen:
Das Höhenklima zeichnet sich aus: durch verminderten Luft¬
druck und dementsprechende Sauerstoffverarmung, durch nied¬
rige Lufttemperaturen, durch intensive und kurzdauernde Wärme-
iind Lichtstrahlungszeiten der Sonne, durch jähe Wechsel im
Wasserdampfgehalt der Luft mit vorwiegend grosser Trocken¬
heit.
Die Luftbewegung ist stark — es bilden sich vielfach
lokale Winde und eigentümliche Modifikationen der allgemeinen
Luftströmungen. Die Verdunstung geht energisch vor sich.
Die Höhenluft ist rein, klar, enthält wenig Staub und orga¬
nische Keime. Der Ozongehalt ist höher als im Tiefland.
Gewitter sind in den Bergen im allgemeinen nicht häufiger
als in der Ebene, doch ist die Blitzgefahr auf Bergspitzen eine
gesteigerte.
Das elektrische Potentialgefälle ist auf den Bergen erhöht
Die Jonisation der Luft wachst mit der Höhe, und es herrscht
besonders auf Bergesspitzen eine ausgesprochene unipolare Leit¬
fähigkeit infolge des Ueberwiegens der positiven Jonen.
und Turnierschwert gewöhnten an einen Kampf mit gewissen
Rücksichten. Der Ritter wandte den Brauch der ^ost und des
Turniers immer auf die Schlacht an. So wurde Friedrich von
Oesterreich im Jahre 1246 von den Ungarn hinterrücks über¬
fallen, weil er sie wie eine feindliche Turniei schar ansah, die
erst auf ein gegebenes Zeichen losbrechen würde, und unter¬
des vor der Front seinen Haufen sorglos ermahnte.
Ich glaube mit Vorstehendem eine ausreichende Schilderung
der Sportarten des Altertums und des Mittelalters sowie deren
Folgen gegeben zu haben, soweit uns letztere bekannt ge¬
worden sind; und sollte ich etwas langatmig hierin gewesen
sein, so bitte ich, dieses zu entschuldigen, da es mir darauf
ankam zu zeigen, wie harmonisch sich unsere Vorfahren ihren
Sport ausgebildet haben.
Nunmehr gehe ich zum heutigen Sport über. Der Sport¬
arten gibt es viele, deren einzelne Aufzählung Sie mir wohl
erlassen, da sie Ihnen allen bekannt sind und ich auf die Ein¬
zelnen, so weit es nötig ist, in meinem weiteren Vortrage zu¬
rückkommen werde. Als ein besonderes Merkmal des Sports
ist anzusehen, dass derselbe nicht am des Gelderwerbs willen
betrieben werden soll. Dieses Moment ist aber in letzter Zeit
immer mehr in Fortfall gekommen. Man braucht ja nur die
Sportnachrichten zu verfolgen, um staunend wahrzunehmen,
welche Geldsummen heutzutage durch den Sport verdient
werden. Fast das ganze Sportleben wird von dem Drange
erfüllt, Rekord’s zu schaffen; wer sich dem Sporte widmet, bat
im Allgemeinen für eine andere Beschäftigung nicht viel Zeit
übrig.
Auf dem Deutschen Kongress für Volks- und Jagendspiele
hielt Herr Prof. Koch-Braunschweig einen fesselnden Vortrag
über „die Erziehung zur Selbstständigkeit“. Er führte
unter anderem ungefähr aus, dass Deutschland, falls es
den Wettkampf mit seinen mächtigen Nebenbuhlern auf die
Dauer aushalten solle, Männer und Jünglinge bedürfe, die ans
eigenem Antriebe denken und handeln können. Das beste
Vorbild gäben in Bezug auf Selbständigkeit des Wollens und
Ausführens die sportlich geschulten englischen und amerika¬
nischen Männer. Die geistige Seite der Leibesübungen müsse
noch viel mehr beachtet werden. Der Schüler müsse lernen,
mit bewusstem Wollen seine Pflicht zu tun. — Zur Erreichung
dieses Zweckes erscheint allerdings der Sport geeignet zu sein.
Herr Generalarzt a. D. Dr. Meissner-Berlin legt auf grösste
Pflege des Turnens im weitesten Sinne des Wortes, verbanden
mit Spiel, Wandern, Rudern, Schwimmen, Schlittschuhlaufen den
grössten Wert. Auch kurze Freiübungen seien am Schlüsse der
Unterrichtsstunden als Ausgleichsbewegung für den notwendigen
Wie weit die erhöhte Jonisation der Luft im Gebirge auf
eine radioaktive Emanation zurückzuführen ist, hat zur Zeit
noch keine genügende Klärung gefunden.
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den leitenden Ge¬
sichtspunkten der Untersuchungen. Die Verfasser richteten ihr
Augenmerk auf die mechanische Bedeutung der Luftverdünn¬
ung, auf die chemischen Wirkungen derselben, auf die Quellen
der Muskelkraft. Die vorbereitenden Studien, die Ausrüstung
und der Verlauf der Expedition füllen die Seiten 122—149.
Darauf werden wir mit den eigentlichen Untersuchongs-
methoden bekannt gemacht, welche die Interessenten im Bu^o
selbst studieren mögen.
Wichtiger für die Allgemeinheit ist die Wirkung des Höhen¬
klimas auf das Blut und die blutbildenden Organe. In dürren
Worten und darum um so einfacher stellt sich der Effekt
folgendermaßen dar:
Das Höhenklima besitzt einen ausgesprochenen Einfluss
auf die Blutbildung. Es steigert sie, indem er das Knochen¬
mark in einen Zustand erhöhter Tätigkeit versetzt. Am ans¬
gesprochensten geschieht dieses bei jugendlichen Individuen. Der
wirksame Faktor ist die Luftverdünnung, bezüglich die mit
dieser parallel gehende Sauerstoffverarmung der Luft.
Nicht minder wichtig ist der Einfluss Ton Höhenklima und
Muskelarbeit auf die Verdauung der Nahrung. Es ergaben
sich da individuelle Verschiedenheiten in der Ausnutzung einer
r-nnähemd gleichen, leicht verdaulichen Nahrung.
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1906.
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
87
Sitzzwang wertYoll; dagegen sei die Erreichung von Dauer- und
Gipfelleistungen bedenkli^. Mit diesen Ausführungen kann man
nur übereinatimmen. Bei allen den von Meissner angeführten
Sportarten wird der Körper harmonisch ausgebildet. Schön
ist diejenige Gestalt, welche sich in allen Stellungen und in
allen Ansichten, soweit sie in der idealen Kunst überhaupt
verwendet werden kann, vorteilhaft verwenden lässt. Die
Bildhauer des Altertums suchten die schönste Venus, den
schönsten Apoll, die schönste Juno hervorzubringen. Die Venus
von Milo oder die von Medizi könnte man lagern wie man
will, sie würden dieselben Schönheiten bleiben. W’as aber be¬
dingt die Schönheit der menschlichen Gestalt? Erstens das
Skelett, das schön sein muss in seinen Proportionen; zweitens
die Muskeln: ohne gut entwickelte Muskeln mbt es keine
schöne Männergestalt, und ebenso bedürfen die Frauen wohl-
gebildeter Muskeln, nur müssen sie hier durch eine mäßige
Fettdecke verhüllt sein. In dritter Reihe kommt das Fett:
auch der männliche Körper bedarf einer gewissen Menge von
Fett, ein herkulisch gebauter Mann, bei dem das Fett unter
der Haut des ganzen Körpers mangelt mit einseitigem Vor¬
herrschen der Muskeln, ist entschieden hässlich. Schliesslich
kommt noch die Haut in Betracht, welche fein und elastisch
sein muss. Zur Erreichung dieses Schönheitsideals kann ent¬
schieden der Sport dienen, wenn er in vernünftiger Weise be¬
trieben w'ird. Und nicht nur dem Körper wird durch ihn ge¬
nützt, nein, auch der Geist hat seinen Nutzen davon. Im edlen
Wettstreit entsteht kein Neid, das Blut rollt frischer durch die
Adern, erneute Lebenslust durchströmt den Menschen. Was
ist es z. B., das die Menschen antreibt zum Besteigen der
Berge, zu gefährlichen Klettereien an schier unbezwinglichen
HöhenV Ist es etwa nur der Drang, etwas zu leisten, was
noch kein Anderer geleistet hat? Seinen Fuss an noch nie
betretene Stellen zu setzen? Nein, es ist die Freude am
wilden Leben, der leichte Rückfall in das einfache Dasein des
Naturmenschen (Richter). Sodann ist es die Lust an der
üeberwindung von Mühe und Gefahr. Vor allem aber ist es
der Genuss an der Schönheit des Gebirges, was den Berg¬
steiger belohnt, wie kein anderer Sport seine Verehrer. Der
Bergsteiger ringt um sein Ziel mit Anstrengung, vielleicht Ge¬
fahr; er freut sich seiner Kraft und Gewandtheit. Soweit ist
sein Tun mit dem Treiben anderer Sports zu vergleichen, aber
er Rodet ausserdem einen Lohn der diesen nicht bescbieden ist:
den Genuss der allerschönsten und erhabensten Natur. Da¬
gegen kann die Bergfexerei nie genug verurteilt werden,
wenn in unzureichender Ausrüstung, ohne Führer Gebirgs-
touren unternommen w'erden, die nur von geübten Steigern
Märsche während der Wintermonate bewirkten Verbesser¬
ung, während der Sommermonate umgekehrt Verschlechterung
der Ausnutzung der Nährstoffe, vor allem des Stickstoffs. Als
Nachwirkung der Trainiermärsche und vielleicht auch des
Aufenthaltes in 2300 m Hohe trat Verbesserung in der Aus¬
nutzung ein.
Was den direkten Einfluss der Höhe betrifft, so verhielten
sich mittlere und grosse Borghöhen verschieden. Erstere zeigten
keinen nachweisbaren Einfluss, letztere (2900 und 4500 m) da¬
gegen bewirkten eine Steigerung der Stoffverluste infolge von
Störungen der Verdauungsprozesse. (Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Schlangenbiss: Lacerde führte im Jahre 1881 das über¬
mangansaure Kali in die Behandlung der Schlangenbisswninde ein.
Seine erfolgreiche Wirkung wird von anderen Autoren bestätigt.
Die Behandlung besteht in der subkutanen Injektion von 2 cc.
einer 5®/o-Lösung zur einen Hälfte in die erweiterte Bisswunde,
zur anderen in die Gegend der nächsten geschwollenen Lympf-
gefhsse mit folgender Einpackung der Extremitäten mit Kompressen,
welche in 5%-rjösung getränkt sind. Es ist anzuraten, dass in
gefährdeten Bezirken Landarbeiter eine kleine Menge dieses Salzes
hei sich tragen. Die von Calmette inaugurierte Serumtherapie wird
stets nur bedingten Wert haben, w’eil einmal Serum nicht immer
unter allen Vorsichtsmaßregeln ausgeführt werden dürfen. Da¬
her alljährlich die grosse Anzahl von Alpinen - Unfällen, die
jeden fernerstehenden mit Grauen vor den „heimtückischen
Bergen“ erfüllen. Einen ähnlichen Genuss wie der Bergsport
bietet ihrem Liebhaber die Jagd. Wie ist dagegen der Motor¬
fahrer zu bedauern, der die schönsten Gegenden auf seiner
Maschine durchfliegt, doch aber, wenn er es recht gestehen
will, so gut wie gar keinen Genuss davon hat.
(Schluss fogt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Bädcn-Bsdcn. Eine elektrische Bahn Baden-Baden nach
Lichtenthal, tmd zwar vom Bahnhof Oos nach Lichtenthal bis
zum Gastbaus zum Löwen, ist beschlossen.
In Aachen ist der Bau einer städtischen Schwimmhalle in
Verbindung mit römisch-irischen Bädern, Freilicht- und Freiiuft-
bädern mit einem Kostenerfordemis von 750000 M. beabsichtigt.
In Bad Althcidc wurden am 20. y. M. im neuen Kurhaus
20 neue Kabinette für Mineralbäder in Betrieb genommen.
Eisenach. Die nach dem Entwurf des Architekten H. Bollert-
Dresden für das Kuibad ausgeführte Trink- und Wandelhalle ist
bis auf die gärtnerischen Anlagen fertiggestellt.
Jodbad Hall verzeichnet in der heurigen Saison eine Zunahme
von 10% der verabreichten Bäder gegen das Vorjahr.
In Sti Moritz hat der Kurverein die Einführung einer Kur¬
taxe für Passanten beschlossen, u zw. wird von allen Passanten,
die sich mehr als einen Tag in St. Moritz aufbalten, eine Kitrtaxe
von 25 Cents pro Tag erhoben.
Orb. Trotz der ungünstigen Witterung, welche den Besuch
überall in den Bädern schädigte, bat sich die Frequenz unseres
Bades wesentlich gesteigert. Am 11. Juni vorigen Jahres wies
die Kurliste 909 Personen auf, während die diesjährige Ziffer
1866 beträgt. Im Badehaus No. 1 zeigt sich schon das Gepräge
der Hochsaison; die Zahl der hier abgegebenen kohlensäurereichen
Sprudelbäder hat sich gegen das Vorjahr verdoppelt.
Aus Pyrmont wird gemeldet: Durch das Kämmen und Aus-
scbachten bei den Kurhausneubauten ist eine neue Quelle erschlossen
worden, die jetzt zutage getreten ist. Dieselbe hat schwefelhaltiges
Wasser und ist bereits eine Probe davon erst hier vom Hofapo¬
theker Wiertl geprüft worden. Ebenso wurde eine Probe nach
Berlin zwecks chemischer Analyse abgesandt. Die Quelle gibt
pro Stunde 1000 1 Wasser.
Roinerz. Die hier seitens der Stadt-Verwaltung systematisch
durchgeführte Bewaldung der Höhen macht weitere Fortschritte,
nachdem durch den Ankauf der Adler-Wirtschaft wiederum 3 ha
rasch zur Hand sein kann und dann immer nur eine spezifische
Wirkung für das Gift einer bestimmten Schlangenart hat.
(Rif. med. 1905 Nr. 109.)
Frequenz der Kurorte.
Personen
Personen
Aachen
35426
Kreuznach
5 942
Abbazla
22 404
Kudowen
4 337
Baden-Baden
37 082
Landeck
4132
Badenweiler
2 888
Langenschwalbach
3 335
Bad gastein
3946
Marienbad
17196
Davos
10 551
Nauheim
16421
Elster
5898
Neuenahr
11652
Ems
12083
Norderney
11939
Friedrichsroda
6 364
Orb
2 590
Godesbach
4649
Pyrmont
9 872
Harzburg
7 028
Reichenhall
6 854
Helgoland
7033
Salzbrunn
3526
Homburg
6915
Soden i. T.
.2 789
Karlsbad
37 478
Wiesbaden
43861
Kis singen
16691
Wüdbad
6 719
Königstein i, T.
2 272
Wildungen
5515
Digitized by i^ooQie
88
BAXiNSOLOGISCHS GBNTRAXiZEÜTUlTG
Nr. 22.
hn Anschluss an den bestehenden Wald aufgeforstet und mit
Promeuadenwegen versehen worden sind. Die Länge der Wald¬
steige ist dadurch auf rund 20 Kilometer ausgedehnt und dafür
gesorgt, dass man auf diesen Aus- und Fernblicke von entzücken¬
dem Reize findet. Dabei ist aber auch Sorge getragen, dass
schwache Personen solche nach Belieben steigen und sich in der
stärkenden Waldluft kräftigen und erholen können. — Zu beklagen
ist die immer noch geringe Baulust, die sich aber erst entwickeln
kann, wenn Bauplätze abgegeben werden; der Kurort würde dann
ganz andere BesucherzÜfem aufweisen und sich noch schneller ent¬
wickeln können.
In Bad Salzbruilll hat die herzogl. Brunnen- u. Badedirektion
da.s Tragen von Schleppen auf der Kurpromenade verboten.
Bad Salzbrunn stand während der letzten 8 Tage imter dem
Zeichen des III. Allgemeinen Tennis-Turniers, zu welchem über
200 Nennungen nicht nur aus der Heimatprovinz, sondern auch
aus Berlin, Prag, ja selbst aus England eingegangen waren. In
sportlicher Beziehung bot das Turnier hervorragende Leistungen.
— Eine we8entli<^e Verbesserung erfuhr das pneumatische Kabinett,
System Göbel-Ems, durch Einführung des Dreidrucksystems, welches
die verschiedensten Stärkeabstufungen für Aus- und Einatmung
ermöglicht.
Vom Ssirnnoring wird geschrieben: Fürst Liechtenstein hat
jetzt die Einwilligung zur Errichtung einer 4 m breiten Winter¬
sportbahn vom Sonnwendstein zum Hotel Erzherzog Johann herunter
erteilt. Die Bahn wird infolgedessen noch in diesem Sommer mit
einem Kostenaufwande von 30000 Kronen vom Winterspxjrtklub
erbaut werden.
Personalien.
— Der Deutsche Kaiser hat die Rote Kreuz-Medaille 3. Klasse
folgenden Hen'en verliehen: Dem Arzt Dr. Paul Ebers, Besitzer
des gleichnamigen Sanatoriums, dem Arzt und Leiter eines Sana¬
toriums Dr. med. Heinrich Burger und dem Medizinalrat Dr.
J. Baumgärtner, sämtlich in Baden-Baden.
— Dr. Bartels, Besitzer des Sanatoriums Bad Kreischa bei
Dresden, erhielt den Titel Sanitätsrat.
Verschiedenes.
— Die Verein igung Karlsbad er Aerzte bat, wie wir be¬
reits wiederholt berichteten, eine Eingabe an den Stadtrat gerichtet,
in welcher die Stiftung eines internationalen Kurhauses für un-»
bemittelte Aerzte unter Benützung des alten Sparkassagebändes
angeregt wird. Es wird geplant, 36 Stiftungsplätze österreichischen,
34 relchsdeutscben, 15 ungarischen, 14 russischen, 11 amerika¬
nischen, 8 rumänischen, 7 englischen, 5 französischen, je 3 italie¬
nischen, schwedischen und norwegischen, je 2 schweizerischen und
niederländischen Aerzten zur Verfügung zu stellen.
— Der verstorbene Prof. Tarnowski in Jalta hat sein
Landgut zur Errichtung eines Sanatoriums für kranke Aerzte be¬
stimmt.
— Berichtigung. GegenüberunsererNotizin Nr. 19der B.C.Z.
dass in Bad Langenscdiwalbach einige Bürger einen Golfspielplatz
ersten Ranges schaffen wollten, ersucht uns Herr Dr, Ebstein,
früher in L., um folgende Berichllgnng:
Nicht durch die Bürger dieses Ortes, sondern einzig und allein
durch die Langenschwalbacher Aerzte und deren dankbare und
opferwillige Patienten sei das Bad mit dem „Golf-Croquet- und
Bowling Club** beschenkt worden. Diese hätten allein ohne
nennenswerte Hilfe der Bürgerschaft ein Kapital von 17 600 M.
für diesen Zweck aufgebracht. Die Bürgerschaft hätte nicht niu’
die dem Club noch fehlenden 3400 M. nicht bewilligt, sondern
sogar „in schmählichem Eigennutz, der eich „zur Gleichgiltigkeit
und Verständnislosigkeit gesellte^, eine unschöne Spekulation mit
den vom Golfclub ins Auge gefassten Grundstücken organisiert.
Es müsse das deshalb betont werden, weil gerade die Langen-
schwalbacher für alles Missgeschick, das das Bad traf, die Aerzte-
schaft verantwortlich zu machen pflegte.
— Auszeichnung. Der Fabrik patent. Badetabletten von
Dr. Sedlitzky in Hallein wurde in Würdigung der vorzüglichen Fa¬
brikate , insbesondere der neuen Tabletten zur Herstellung von
Kohlensäure-Bädern und K ohl ensäure-Solebädern (ä la
Nauheim) von der Jury der hygienischen Ausstellung in Wien
die Goldene Fortschrittsmedaille mit Ehrendiplom verliehen.
Eine Zweigniederlassung wurde in Berchtesgaden gegründet.
Den Generalvertrieb für Deutschland, wo der Verbrauch dieser
Tabletten sehr zugenommen bat, hat die Handelsgesellschaft
deutscher Apotheker in Berlin übernommen.
Meteorologische Statistik.
Vertistaltet voi der Redaktioi der Baleeologieehen Zentraizelting..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur¬
minimum
Mittleres
Temperatur¬
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkoogen
Abbazi a.
_
_
_
—. ,
1
_
Davos ..
2B.-31./7.
8,9 C.
18,9 C.
3
4
4
—
—
Frequenz 12547.
Driburg.
23.—29./7.
11,1 C.
23,6 0.
—
2
5
1
1
1
29./7.-4./8.
15,9 C.
25,7 C.
755,8
3
7
—
2,3
3
Am 4.Aug. 4Ge-
GiesshUbl-Sauerbrunn . .
13,1 C.
26 C.
—
2
5
—
2
2
Witter.
Franzensbad.
—
—
—
_
_
_
_
Herrenalb.
22.—28./7.
10 c.
23,5 C.
724
4
4V4
2—3
2
Kreuznach.
22.—28./7.
13 C.
19 C.
—
2
7
2
Langenschwalbach . . .
29./7.-4./8.
13,8 C.
26,5 C.
738,1
3
6
2
3
Nauheim ..
—
—
—
_
—
_
_
Nenndorf.
29./7.-4./8.
17 C.
301/* C.
761
3
_
2
Norderney ..
22. —28./7.
13,6 C.
20,9 C.
761,6
e
7
3
—
Orb.
29./7.-4./8.
18,4 C.
26,7 C.
750,6
6
—
—
3
Frequenz 34(8.
Reichenhall .... -
22.—28./7.
15,6 C.
24,4 C.
721
6
3
_
1
Salzbrunn.
11,4
25,8
_
_
2
_
Stehen.
8,4 C.
22,6 C.
714,2
1
6
_
3
_
Trihorg.
29./7.-4./8.
14,5 C.
25,6 C.
—
2
2
1
—
2
V erkntwortlicher Redmktenr: Dr. P. MeiMner, Berlin. — Verlag v«b Carl Harhold. Halle a. S.
Druck von Hejmamaiia'icbe BHchdtuckerai, G«br. Wolff, Hall« a. b.
Digitized by GooqIc
Vtl. Jahrgang. Nr. 23. 1906.
Balneolosische Centralzeitung
Org:an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des >Allg. D. B.-V.":
Dr. Siebelt, Fllnsberg 1. Schl.
Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Te].-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nacbdrock aas dieser Zeitsebrift Ist nur mit Qaellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Der Sport in Kurorten. Von Dr. Thilipp Wagner, Bad Kosen. (Fort¬
setzung und Schluss.)
Die Arminiusqnelle in Lippspringe und die Lungentuberkulose.
Fenilleton: Höhenklima und Bergwanderungen. Von Dr. E. Roth.
(Porteetzung.)
Ana den Bädern und Kurorten.
Vereine und Kongreaae.
Meteorologiache Statistik.
Der Sport in Kurorten. *
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung des Allg. deutschen
Bäder-Verbandes zu Ems, den 4. Okt. 1905.
Von Dr. Philipp Wagner, Bad Kosen.
(Schluss.)
Doch wenden wir uns nun zu den Schädlichkeiten des
Sports. Wenn wir zunächst die heutigen üblichen Wettkampf¬
spiele betrachten, so muss uns auffallen, dass auf das Schön-
heitsgefübl nicht im mindesten Rücksicht genommen wird.
Man denke doch nur an die Radfahrer, Fussballkämpfer,
Motorfahrer, an die Jockeys mit ihren meist unglücklichen
Figuren. Bekleidung sowohl wie Haltung des Körpers be¬
leidigen einfach das Auge; weich Contrast auf dem Rücken
eines edlen Pferdes die zusammengekrümmte Gestalt des
Reiters, welch unheimliches Bild der gänzlich verhüllte Motor-
fahrer in seiner duftenden Maschine! Doch dies wäre ja noch
der kleinste Fehler. Um wie viel grösser sind die Schädigungen,
denen der menschliche Körper bei allen Uebertreibungen im
Sport ausgesetzt ist. Welcher Arzt hat noch nicht eine akute
Herzerweiterung nach angestrengtem Radfahren gesehen,
welcher Arzt noch niclit einen unglücklichen Menschen in
seiner Behandlung gehabt, der durch fortwährende üeberan-
strengung eine nicht wieder gut zu machende Schädigung
seines Körpers, seines Herzens davongetragen hat. Um die
Schädlichkeit einer Ueberanstrengung .für das Herz nachzu¬
weisen, hat Th. Schoth gesunde kräftige Menschen bis zum
Eintreten von Dyspnoe mit einander ringen lassen und danacli
eine Vergrösserung des Herzens sowohl nach rechts wie nach
links um ein bis zwei und mehr Zentimeter unter entsprechender
Aenderung des Blutdrucks feststellen können, Kisch in Prag
hat von drei Fettleibigen Pulskurven im Ruhezustand, un¬
mittelbar und sechs bis zehn Stunden nach dem Radfaliren
aufgenommen und konnte kompensatorische Erweiterung der
überfüllten Gefässe deutlich nachweisen. Albu trennt die
Einwirkungen des angestrengten Radfahrens in zwei Gruppen:
die eine betrifft das Herz, die andere die Nieren. Auf die
übermässige Inanspruchnahme des Herzens ist die Atemnot zu¬
rückzuführen, es handelt sich um eine cardiale Dyspnoe. Mit
den Hilfsmitteln der physikalischen Diagnostik lassen sich bei
Rennfahrern nach jeder Tour folgende Befunde erheben: In
der Gegend des Spitzenstosses, namentlich aber in der
Regioepigastrica ist eine sehr lebhafte Pulsation sichtbar; das
Herz schlägt mit einem ungemein kräftigen Iktus an die
Brustwand, Schlagfolge erheblich vermehrt; die Grenzen der
Herzdämpfung verschieben sich nach links und unten, seltener
nach rechts; zweiter Pulmonalton verstärkt; mehrfach leichtes
systolisches Geräusch. Bei allen untersuchten Fahrern konnte
nach jeder einzelnen Tour das Auftreten von Eiweiss im Ham
festgestellt werden. Ausserdem sind noch Entzündungen der
hinteren Harnröhre, der Prostata, des Kniegelenks und andere
Feuilleton.
Höhenklima und Bergwanderungen.
Von Dr. E. Roth.
(Fortsetzung.)
Die Verbrennungsprozesse sind in der Höhe gesteigert, und
zwar sowohl beim ruhenden Menschen, wie bei Arbeitsleistungen,
Das Maß dieser Steigerung wie die Höhe, in welchem sie ein¬
setzt, ist individuell selir verschieden. Für die Grösse der
Muskelarbeit des Bergsteigens spielen, neben Weglänge und
Steigung, die Terrainverhältnisse eine geradezu belierrschende
Rolle.
Unter gleichen äusseren Bedingungen ist der Aufwand für
Ueberwindung gleicher Niveauunterschiede beim trainierten
Menschen ausserordentlich viel geringer, als bei dem für die
speziellen Anforderungen niclit geübten. Auch die steigernde
Wirkung der Höhenluft wird durch Trainierung in erheblichem
Maße kompensiert.
Ein Eiweissansatz tritt in mittleren Berghöhen hervor,
wenn derselbe mit Muskeltätigkeit unter Vermeidung eines
Uebermaßes verknüpft ist. In subalpinen wie alpinen Höhen
wird man bei gesunden Menschen im jugendlichen oder mitt¬
leren Lebensalter wohl mit Sicherheit auf einen Ansatz von
Eiweisssubstaiiz rechnen dürfen. Die günstige Wirkung auf den
Eiweissansatz geht bis zu einer Höhengrenze hinauf, welche
individuell verschieden ist.
Das Höhenklima übt sicherlich eine erregende Wirkung
auf den Atmungsvorgang aus.
Die Luftverdünnung in solchen Höhen vermag auf mecha¬
nischem Wege den Kreislauf nicht nachhaltig zu verändern, doch
haben wir mit Herzermüdung zu rechnen.
Jedenfalls erreichen wnr durch sportliche Tätigkeit und
speziell durch Ausübung des Bergsports ein Anwachsen unserer
Körpermuskulatnr, eine Stärkung des Herzens und der Lunge,
eine Uebung des Ner^'ensystems wie eine Stählung und Stärk¬
ung unserer psj'^chischen Funktionen.
In Bezug auf die Körpertemperatur können wir einen
deutlichen Ilöheneffekt nachweisen, welcher nur bei ver¬
schiedenen Personen in verschiedener Höhe beginnt. Die sonst so
konstante Körperwärme wird durch die Reize des Hochgebii'ges
eben in individuell verschiedenem Grade bis zur fieberhaften
Höhe gesteigert. Die im Körper beim Bergsteigen und Berg¬
abgehen erzeugten Wärmemengen sind nicht nach der Grösse
des Stoffumsatzes zu beurteilen.
Ein sehr wichtiges Kapitel handelt von der Bekleidung
und der hygienischen Ausrüstung des Bergsteigers. Nicht nur
gegen die Kälte muss der Bergfahrer gerüstet sein, selbst auf
dem Gletscher ist es der rasche Wechsel von eisiger Kälte,
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Google
90
BALNEOLOGISCÖE CBNTRALZtotlNÖ
Nr. 23.
Krankheiten beobachtet werden. Andererseits aber ist es un¬
bedingt richtig, dass mäßiges Radfahren dem Körper zuträglich
ist, dass es in gleicher Weise wie die Heilgymnastik bei vielen
Krankheiten heilend wirkt. Und wiederum äussert nicht nur
das übermäßige Radfahren schädliche Wirkungen sondern jede
übertriebene g}'mnastische Uebung. üebrigens ist es eine alte
Erfahrung, dass durch einseitige Ausbildung von Kör})erkräften
der Geist nicht geübt wird; stellten doch schon die Alten
starke Menschen immer mit einem auffallend kleinen Kopfe
dar. Und die Geschichte lehrt, dass die Sinnensart von
Völkern die nur in sportlichen und kriegerischen Uebungen
sich auslebten, verroht. Zum Beweise dessen brauche ich nur
an den südafrikanischen Krieg der Engländer mit den Buren
zu erinnern. Schliesslich ist, wie wir schon bei den Griechen
und bei den Rittern gesehen haben, der übertriebene Sport
durchaus nicht eine Vorübung zum Kriege. Auch die Neuzeit
hat gelehrt, dass er in vielen Fällen das Gegenteil hiervon
ist; war doch in Frankreich bei der Aushebung in den letzten
Jahren z. B. der Prozentsatz der dienstuntauglichen Radfahrer,
die wegen zu engen Brustkorbes zurückgestellt werden mussten,
ganz erschreckend; mehren sich doch allmählich die Fälle von
Kailway spine bei Motorfahrern.
Nun ist es eine alte Erfahrung, dass jährlich unter zahl¬
reichen andern Kranken auch viele durch den Sport körperlich
ruinierte Menschen Kurorte aufsuchen, um ihre Gesundheit
wieder herzustellen. In früheren Jahren stellten die Kurorte
eine Stätte der absoluten geistigen und körperlichen Ruhe dar.
Die Besucher kamen meist aus Grossstädten, um sich in
idyllischer ländlicher Ruhe von dem Hasten und Lärmen ihrer
Heimat zu erholen, am Busen der Mutter Natur auszuruhn
und Kräftigung aus den heilsamen Quellen zu schöpfen. Wie
anders ist das heute! Jeder, auch noch so kleine Kurort hat
seine Badekapelle, die recht und schlecht zweimal täglich ihre
Weisen ertönen lässt; rfnmions, gesellige Zusammenkünfte,
Partien jagen sich, kaum dass die Patienten Zeit haben, den
ilmon verordneten Brunnen zu trinken oder die notwendigen
Bäder zu nehmen. Anstatt dieser aufreibenden zwecklosen
Veranstaltungen wäre es nun angezeigt, Sport in therapeutischer
Gabe einzuführen, ja die. Aerzte dürften sich nicht scheuen,
ihren Patienten je nach Individualität und Körperzustand sport¬
liche Bewegungen in freier Luft in bestimmten Dosen zu ver¬
schreiben, ja selbst mit gutem Beispiel voran zu gehen, weil
dieselben ein vortreffliches Mittel sind zur Pflege, beziehungs¬
weise Wiedererlangung der Gesundheit und zur Erziehung der
jungen und alten Menschen zu einem lebensfrohen, starken,
mutigen, vaterlandsliebenden Geschlecht (Sperling). Dem
Einen empfehle man Spazierengehen oder auch weitere
Wanderungen: Dass auch anstrengende Fusswanderungen dem
gesunden Menschen nichts schaden, sehen wir. aus den Unter¬
suchungen von Levy, der bei 400 Leuten, welche die 496 km
lauge Strecke von taris nach Beifort in 10 Tagen zurückge¬
legt hatten, eine Abnahme der Körperlänge um mehrere
Zentimeter, des Gewichts um 600 bis 700 Gr. feststellte, da¬
gegen die Herztätigkeit bis auf vier Fälle normal fand; auch
Krampfadern waren nicht entstanden. —
Andere Patienten lasse man jagen, andere schicke man
in die Berge; wo Gelegenheit ist, führe man Ruder-, Segel-,
Schwimmsport ein; kleinmütigen, ängstlichen Naturen verordne
man Reiten; Fechten, Turnen, in Winterkurorten Schiittschnb-
laufen, Rodeln, Skilaufen dürfen nicht übergangen werden:
auch Tennis und der neuste Sport „der Rocket-Ball“ dürften
sich als nützlich erweisen, aber wohl gemerkt, nur in dem
von mir oben auseinander gesetzten Sinne. Um aber diesen
kurgemässen Sport ausüben lassen zu können, ist es unbedingt
notwendig, öffentliche Spiel- und Sportplätze anzulegen. Ferner
ist es für jeden Kurort, der zu den modernen in hygienischer
Hinsicht gerechnet werden will, unerlässlich, Schwimm- und
Brausebäder anzulegen, seien es offene oder noch besser be¬
deckte Hallen, die im Winter erwärmt werden können. Das
Schwimmen ist, wie Kabierske-Breslau im Deutschen Verein
für öffentliche Gesundheitspflege ausgeführt, Turnen im Wasser
und übt körperlich und seelisch die vorteilhafteste Wirkung
auf den Menschen aus. Die Kräftigung der Atmung, die Blut¬
bewegung und Nerventätigkeit, die vorzügliche Ausbildung des
Brustkorbes, die Widerstandsfähigkeit gegen Erkrankung der
Luftwege, welche regelmässige Schwimmübungen hervorbnngen,
lassen in ihnen ein hervorragendes Vorbeugungsmittel gegen
die Schwindsucht erkennen. Ganz besonders aber sei die
weibliche Jugend auf den Wert des Schwimmens hingewiesen,
da sich bei ihr weniger Gelegenheit zu kräftiger Ausbildung
des Körpers bietet und dies eine Uebung ist, die sie am besten
für ihre späteren schworen, köqierlichen Aufgaben vorbereitet
An zahlreichen Beispielen hat sich schon gezeigt, dass die
Herstellung und der Betrieb öffentlicher Schwimmhallen nicht
nur für grössere, sondern auch für kleinere Städte möglich ist
und keine unerschwingliche Mehrbelastung der Gemeinde dar¬
stellt. Um wieviel mehr wird es jedem, auch dem kleinsten
Kurorte möglich sein, wenn nur irgend Wasser vorhanden ist,
eine solche zu bauen.
Wenn wir so kurz den Zweck der Kurorte beleuchtet
haben, so müssen wir auch zugeben, dass die Einführung von
Sportwettkämpfen in einem Kurort nicht zu dessen Empfehlung
vielleicht bis zum Unerträglichen gesteigert durch saussenden
Sturm und Wolken von Eisnadeln, bis zu sengender Hitze im
Sonnenbrände, welcher die Vorsorge des Wanderers erlieischt.
Als zweckmäßigste Tracht erscheint den Herausgebern
die gut verschliessbare Lodenjoppe und die bis unter das Knie
reichende Hose aus gleichem Stoff. Eine Weste zu tragen er¬
scheint unzweckmäßig. Besonders zu widerraten ist die Ver¬
wendung dicht gewebter Futterstoffe als Rückenteil der Weste
und zur Abfütterung einzelner Kockteile.
Eine unentbehrliche Ergänzung erfordert der Anzug durch
den Mantel; undurchlässig für Was.>er muss er sein, dabei
aber porös. Grau erscheint als Farbe für Oberkleidor und Mantel
am zweckmäßigsten.
Das Unterzeug soll den Körper in der Ruhe vor Unter¬
kühlung scliützen, andererseits aber bei der Arbeit eine aus¬
giebige Kühlung durch Wasserverdunstung ermöglichen. Wenn
auch nicht ganz bedcutungslo.s ist. ob man Wolle, Leinen,
Baumwolle oder Seide wälilt, so ist doch die Webweise viel
we.si'iitlichor. Und da erscheint als Stoff zu Hemden wie
Unterhosen ein möglichst poröses nur durch einzelne Fäden
verknüpftes Doppelgewebe am be-sten.
Dann die Fiissbekleidung! Von der Leistungsfähigkeit der
unteren Extremitäten hängt ja melir oder minder der Erfolg
und Genuss jeder Bergwanderung ab. Also gute Fettung der
Schnlie, auch Einfetten der Aussenseite der Wollstrümpfe mit
Lanolin oder Vaselin, gut passende, dehnbare und wolil im¬
prägnierte Gamaschen am vorteilhaftesten aus grober Wolle
nergestellt. Die schädlichen Wirkungen des Schweisses sind
sofort zu verhindern. Plattfüsse sind besonders stark zum
Schwitzen geneigt, weshalb namentlich Juden in der Regel nicht
zum Bergsteigen taugen.
Schutz gegen die Sonnenstrahlen gewährt ein Einfetten
des Gesichtes und sonstiger blosser Körperteile. Zweckmäßig
setzt man dem Fett eine rote oder gelbe Farbe zu, damit die
chemisch - wirkenden Strahlen besser von der Haut abgehaiten
werden. Masken sind für empfindliche Leute vom Notzen.
Schleier helfen und Brillen bilden ein unentbehrliches Requisit.
Für die Kopfbedeckung wähle man eine hellgraue oder
weisse Farbe, wobei die Krempe den Nacken und möglichst
das Gesicht vor direkten Sonnenstrahlen schützen soll. Ven¬
tilationsöffnungen sind anzubringen; gegen Wasser sei der Hut
undurchlässig.
An Gepäck nehme man möglichst wenig mit und verstaue
es in einem Rucksack mit recht breiten Riemen.
Da die Damen sich mehr und mehr an Gebirgsfahrten be¬
teiligen, sei darauf aufmerksam gemacht, dass nicht nur das
Korsett, sondern auch jede Einschnürung der Taille durcJi
Bänder vom Uobel ist. Vor Allem treffe man auch Vorsorge,
die Kleider bei starkem Wind genügend abschliessen zu können.
Der Kock soll niclit über die Mitte des Unterschenkels reichen.
Das Haar schütze man durch eine am Mantel sitzende gut
schliessende Kaputze. _ (Schluss fogt.)
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1906.
BALNBOLOGISC5HB CENTRALZEITUNG
91
in ärztlicher Hinsicht dienen kann. Es ist im Grunde
nommen schade darum, denn viele Menschen kennen kaum die
Quellen und andern Heilmittel vieler internationaler Badeorte,
sondern wissen nur, dass dort grosse Kennen etc. stattfinden,
dass man dort vorzüglich verpflegt wird, dass man dort die
Welt hndet, die sich amüsiert. Der Name des Siegers gebt
allerdings in alle Welt hinaus und damit auch der Name des
Ortes and dient so dem letzteren zur Reklame. Ein schönerer
Ruhm für einen Kurort ist es aber meines Erachtens durch
recht viel segensreiche Wirkung, nur durch diese, berühmt zu
werden. Es ist ja menschlich, dass nicht nur die aus der
Feme herbeigeeilten gesunden Sportsfreunde an den Auf¬
regungen, die ein grosses Sportsereignis immer mit sich bringt,
teilnehmen, sondern auch die im Kurorte befindlichen Kranken.
Das aber widerspricht ja völlig den Zwecken des Kurortes.
Der Idealzustand wäre meines Erachtens; Verbannung aller
überflüssigen, vor allem aller geräuschvollen und aufregenden
Vergnügungen aus den Kurorten, dafür aber Einführung ärzt¬
lich geleiteter gymnastischer Spiele, Anlegung von Spiel- und
Sportplätzen im oben geäusserten Sinne und Erbauung von
Schwimmhallen mit Brausebädern.
Wenn es mir im Vorstehenden gestattet war, in allge¬
meinen Zügen die Entwicklung des Sports von seinen wahr¬
scheinlichen Uranfängen bis auf die heutige Zeit darzu¬
stellen, so glaube ich auch hier wieder ohne Voreingenommen¬
heit auf die Antike zurückweisen zu dürfen. Mens sana in
corpore sano wird nur durch eine harmonische Ausbildung von
Körper and Geist erzielt, und wir Germanen würden das Lob
der tiefgründigen Denker verlieren, wenn wir uns auf den ein¬
seitigen Sport beschränken wollten ; wir würden die Möglich¬
keit verlieren, unsere Jünglinge zu denkenden Männern und
zu tüchtigen Kriegern auszubilden, wir würden die Möglichkeit
verlieren, unsere Jungfrauen zu gesunden und kräftigen
Müttern heranzuziehen, wenn wir einzig und allein nach dem
Muster unseres Vetters jenseits des Kanals die rohen und
brutalen Sportarten uns zu eigen machen wollten.
Wie eine gewaltige Mahnung dringt an unser Ohr das
Wort des Xenophanes aus Kolophon:
.Eitelen Sinnes hat dies man festgesetzt: denn es ist unrecht,
Höher als würdige Kunst schätzen des Leibes Gewalt.
Nicht ja wenn kundig des Fäustegefechts bei den Völkern ein
Mann wohnt,
Oder des Fünfkampfes auch, oder im Ringen gewandt,
Oder begabt mit der Füsso Geschwindigkeit, welches der Kräfte
Zierde man nennt, so viel Männer entfalten im Kampf,
Wird im gesetzlichen Segen darob mehr blühen die Gemeinde:
Wenig Gewinn für die Stadt kann sich ergeben daraus,
Wenn wettkämpfend ein Bürger gesiegt an den Ufern des Pisas,
Denn dies füllet mit Gut nimmer die Speicher des Staats.
Die Arminiusquelle in Lippspringe
und die Lungentuberkulose.
Stets von neuem lesen wir in den Tageszeitungen von den
günstigen Wirkungen der Heilstättenbehandlung und von den
vortrefflichen Ergebnissen, welche u. a. Landesversicherungs-
anstalten, Vereine etc. mit dieser Behandlung erzielen. Diese
ausgezeichneten Erfolge stehen unzweifelhaft fest und die Er¬
richtung der zahlreichen Lungenheilstätten ist nicht nur für
den einzelnen Kranken und dessen Familie, sondern sie ist
und bleibt für das gesamte deutsche Volk und für das Vater¬
land von hervorragender Bedeutung. Indessen sind es nicht
ausschliesslich die Heilstätten, welche vorzüglich als Mittel zur
Bekämpfung der Tuberkulose in Betracht kommen. Das
„deutsche Zentral-Komitee zur Errichtung von Heilstätten“
hat in Anerkennung der Richtigkeit dieses Satzes seinen Namen
geändert und sich den Namen: „Deutsches Zentral-Komitee
zur Bekämpfung der Tuberkulose“ beigelegt.
Bei der Bekämpfung der Tuberkulose spielen nämlich die
Heilquellen und insbesondere die Arminiusquelle zu Lippspringe
eine ganz erhebliche Rolle. Das vorgenannte Zentral-Komitee
erwähnt in seinem Geschäftsbericht von 1903 Seite 75 den
günstigen Einfluss der Kuren in Lippspringe, sowie den Um¬
stand, dass die Kosten für eine Lippspringer Kur wesentlich
niedriger sind als für eine solche in geschlossenen Anstalten,
weil <£e Lippspringer Kuren bei gleichen Erfolgen kürzere Zeit
in Anspruch nehmen. „Nicht unerwähnt darf bleiben,“ — so
heisst es weiter — „dass viele Kranke eine Kur in Lippspringe
derjenigen in einer Heilstätte vorziehen, weil die erstere be¬
trächtlich kürzer ist und infolge des Unterbringens in Privat¬
quartieren mangels der ständigen Ueberwachung — die Kranken
in Lippspringe eine grössere Bewegungsfreiheit haben.“
Der Barmer Verein für Gemeinwohl stellt folgendes be¬
achtenswerte Zeugnis aus: „Bei dem Vergleich der Kurerfolge
von Lippspringe mit den anderen Kurorten bezw. Anstalten
für Lungenkranke steht Lippspringe an erster Stelle“.
Die bereits oben betonte Kürze der Lippspringer Kur
wird noch besonders hervorgehoben durch die nachstehenden,
ebenso unparteiischen wie bemerkenswerten Zeugnisse der
Landesversicherungs-Anstalt Westfalen, welche in den letzten
Jahren jährlich 600 Versicherten eine Kur in Lippspringe zu
teil werden iiess. Diese Versicherungs-Anstalt sagt in ihrem
Geschäftsbericht über das Jahr 1903:
„Denn auch diesmal haben die im Bade Lippspringe unter¬
gebrachten Kranken wieder die gleichen Dauererfolge gezeigt,
wie die in den Heilstätten behandelten, obschon die Kur in
liippspringe durchschnittlich 46, in den Heilstätten dagegen
etwa 80 Tage gedauert hat“ usw.
Und in dem Geschäftsbericht über 1904 heisst es:
„Sodann tritt besonders hervor der Unterschied der Kur¬
dauer in den Lungenheilstätten gegenüber jener im Bade Lipp¬
springe. In den Heilstätten haben die Kranken durchschnittlich
73—9^0 Tage zu ihrer Wiederherstellung gebraucht, während
die in Lippspringe in Privathäusern zur Kur untergebrachten
Kranken dort durchschnittlich nur 44—46 Tag^e verblieben und
zwar nicht mit schlechterem Erfolge, wie die Schlussergebnisse
in der Anlage 24, namentlich jener unter c dartun. Es scheint
fast, dass die günstigeren Kuren Lippspringes auf die grössere
Bewegungsfreiheit der Pfleglinge, ihre abwechslungsreichere
Beköstigung, die Erfahrungen der Lippspringer Quartiergeber
in der Pflege von Lungenkranken und nicht zum mindesten
auf den Aufenthalt der Kranken in Familien zurückzuführen
seien usw.“
Durch diese maßgebenden, von durchaus unparteiischer
Seite abgegebenen Urteile ist also festgestellt, dass die Kur in
Bad Lippspringe in annähernd der Hälfte der Zeit denselben
dauernden Heilerfolg bei Lungenkranken hat, wie die ca. drei
Monate währende Heilstättenbehandlung. Da aber die Tages¬
kosten der Lippspringer Kur nicht höher sind als diejenigen
der Heilstättenoehandlung, so folgt, dass die Lippspringer
Kur bei gleichem Erfolg nur annähernd die Hälite
der Kosten erfordert als die Behandlung in den
Heilstätten, ganz abgesehen von den unschätzbaren Vor¬
teilen, welche die kürzere Kurdauer dadurch mit sich bringt,
dass der Kranke entsprechend kürzere Zeit seiner Familie und
seiner Beschäftigung entzogen wird.
Entsprechend den Kurerfolgen ist die Zahl der Kurgäste
der Arminiusquelle in Lippspringe von rund 2 700 im Jahre
1895 und auf annähernd 6000 im Jahre 1905 gestiegen. Die
Frequenz des Jahres 1906 ist der vorjährigen bereits wieder
erheblich voraus.
Hiernach bedarf es keiner weiteren Beweise, dass das Bad
Lippspringe und seine Arminiusquelle einen ganz bedeutenden
Fahtor bei der Bekämpfung der Lungentuberkulose bilden.
Und wenn man ferner die schon so günstigen Erfolge der Heil¬
stättenbehandlung in Betracht zieht und hiermit die Lippspringer
Erfolge vergleicht, wie sie die oben wiedergegebenen Stimmen
— die übrigens noch ergänzt werden könnten — bekunden,
so liegt es klar auf der Hand, dass nach jenen unparteiischen
Zeugnissen diese Erfolge hervorragend sind und unerreicht
dastehen.
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92
BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITüNG
Nr. 23.
Aus den Bädern und Kurorten.
Bornburg. Ger Erweiterungsbau des Solbades ist jetzt mit
Ausnahme des Obergeschosses vollendet, so dass nunmehr sämtliche
Räume in Betrieb genommen sind.
In St. Blasion wurde eine Gesellschaft gegründet zur Er¬
richtung und zum Betriebe eines Erholungsheims, in welchem
minder- und unbemittelte Kranke jeden Standes und jeder Eon-
iession, unter Ausschluss von Lungenkranken, Geistesgestörten und
mit ansteckenden Krankheiten Behafteten gegen mäfiige, ihren
Verhältnissen entsprechende Vergütung Aufnahme und Verpflegung
Anden sollen. Die Erzielung eines Untemehmergewinnes ist grund¬
sätzlich ausgeschlossen, die Heilanstalt soll lediglich gemeinnützigen
Zwecken dienen. Eine geeignete Stätte für die Anstalt hat sich
bereits gefunden. Mit den Bauarbeiten wurde im April dieses
Jahres begonnen, so dass im Frühjahr 1907 die Anstalt ihrem
Zwecke zugefilhrt werden kann.
Lünoburg. Der Minister hat das grosse Projekt einer Kur¬
anlage in Lüneburg nach den Beschlüssen der städtischen Kollegien
genehmigt. Mit der Ausführung wird nun unverzüglich begonnen
werden.
In Bad Nauheim ist das neue grosse Badehaus Nr. 8 Süd
am 20. V. M. eröflhet worden. Der Bau ist eine Sehenswürdigkeit
ersten Ranges.
Pyrmont. Bei den Neubauten des Kurhauses wurde eine
neue Quelle erschlossen, welche schwefelhaltiges Wasser führt,
Reinerz. Seit Einführung der elektrischen recht splendiden
Beleuchtung des Kurortes ist hier auch abends ein sehr reges
Leben auf den hellen Promenaden und im Kurgarten. Da¬
mit ist den vielen Gästen, die Theater, Konzerte, Reunions und
andere Künstlervorstellungen nicht besuchen wollen, eine will¬
kommene Gelegenheit geboten, die Abendstunden im Freien zuzu¬
bringen und die herrliche Luft zu geniessen, die ins Tal herabströmt.
Salzbrunn i. Schl. Da mit Beginn der nächsten Saison der
Kurort vom Kurhaus aus Anschluss an das Netz der elektrischen
Strassenbahnen des Kreises Waldenburg erhält, werden Ausflüge
von den Salzbrunner Kurgästen dann billig und bequem bis tief
in das herrliche Waldenburger Gebirge hinein ausgedehnt werden
können, denn die elektrische Bahn führt bis Dittersbach-Neuhaus,
also bis hoch in die Berge hinein.
Salzungon. Am 8. v. Mts. wurde die neuerbaute Trinkhalle
mit der dorthin geleiteten Bemhardsquelle feierlich eröffnet. Das
Wasser des Beinhardsbrunnens, welches jahrzehntelang unbeachtet
geblieben war, zeigt in seiner Zusammensetzung grosse Aehnlich-
keit mit den Quellen von Kissingen, Kreuznach, Homburg usw.,
so dass nunmehr die Bade- und Inhalationskuren durch eine Trink-
knr wirksamer gestaltet werden können. Die Trinkhalle gibt dem
geräumigen Konzertplatz zwischen den Gradierhäusem nach Süden
zu einen hübschen Abschluss und trägt in ihren architektonisch
wirksamen Formen wesentlich zur Verschönerung der ganzen Um¬
gebung bei.
Wlldungon. Die von dem Vorstand einer gemeinnützigen
Stiftung hier begründete und geleitete „Deutsche Volksheüstätte
für Blasen- und Nierenleidende** hat während der kurzen Zeit, in
welcher sie unter diesem Namen in dem am 13. September 1903
eröffheten neuen Knrkrankenhause Heleuenheim besteht, aus allen
deutschen Gauen so viel Zuspruch gehabt, dass die Räume nicht
mehr ausreichen. Wenn auch die weiblichen Patienten und die
bettlägerigen oder operationsbedUrftigen Männer dieser für Kassen¬
patienten und Minderbemittelte bestimmten Abteilung noch ferner¬
hin darin Platz finden können, so ist doch die Errichtung eines
eigenen neuen Gebäudes für die zwar nicht bettlägerigen, aber für
schwere Leiden Heilung suchenden Männer dringend erforderlich.
Der Vorstand stellt zu diesem Zweck ein Grundstück frei zur Ver¬
fügung and hat ausserdem ans Anlass der silbemen Hochzeit des
Kaiserpaares bereits 6000 Mark bar gesanunelt.
Vereine und Kongresse.
Der Verein der Badefachmänner hat seine diesjährige Jahres¬
versammlung am ö. and 6. Augnst in Bemburg abgehalten.
Der Deutsche Verein für ölTentliche Geeundheitepflege
wird seine Jahresversammlung vom 12. bis 16. September in Augs¬
burg abhalten. Folgende Verhandlungsgegenstände sind u. a. in
Aussicht genommen: Walderholungsstätten und Genesungsheime;
die Bekämpfung des Staubes im Hause und auf der Strasse.
Der XIV. Internationale Kongreee für Hygiene und Demo¬
graphie findet vom 23. bis 29. September 1907 in Berlin statt.
Die Geschäfte des Kongresses führt der Generalsekretär Oberstabs¬
arzt a. D. Dr. Nietner. Die Geschäftsstelle befindet sich Berlin
W. 9, Eiohhomstr. 9.
Meteorologische Statistik.
Veraastaltet vom der Redaktioe der Bataeolegleohea Zeatralzelting..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
miTiiTmiTn
Mittleres
Temperatur-
mazimum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen*
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazi a.
_
_
_
_
_
Davos.
8.-14./8.
5,7 C.
18,2 0.
633,6
2
5
3
—
Driburg.
6.—12./8.
10,2 C.
18,7 0.
—
3
3
2
1
Ems.
12.—18./8.
13,1 C.
22,3 C.
753,1
3
7
Giesshübl-Sauerbrunu . .
10,5 C.
21,4 C.
—
3
2
2
4
Franzensbad.
—
—
—
—
—
—
—
Herrenalb.
12.—18./8.
13 0.
21,6 C.
724
4
4V4
2Vi
3—4
Kreuznach.
_
— C.
— C.
—
—
—
—
—
Langeuscbwalbach , , .
12.—18./8.
9,5 C.
21,4 C.
734,9
5
7
6
2
Lippspringe.
12 C.
750
1
3
3
2
Frequenz öö 2 Ö.
Nemidorf.
17,5 C.
4
7
4
—
Norderney.
14,2 0.
2
5
6
3
3
Orb.
12.—18./8.
14 C.
21,9 C.
749,7
l
6
1
—
—
Frequenz 3940.
Reichenhall . . . . • .
5.—11./8.
10,7 C.
22,5 C.
720,7
2
7
5
—
4
Am 9. 8. 3 Ge-
Salzbrnnn.
_
—
_
_
_
—
_
_
Witter.
Stoben.
_
1 —
— C.
—
—
_
—
—
—
Triherg .......
5.—11./8.
l' 0 ,l c.
19,7 C.
—
3
4
1
—
3
—-
Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meitsncr. Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von Heyneuiaiin’Kbe Buchdruckerei, Gebr. Welff, Halle e. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 24, 1906.
Balneologische Centralzeitung
Org^an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee,
Verbandsredakteur des >AIIg. D. B.-V.*:
Dr. Slebelt, FHnsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marbold in Halle a. S.» Ublandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaaie. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. med. et poiit Stebr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stebr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der NacMmck ans dieser Zeltscbrift Ist nnr mit Qaellenangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt
Beitrag 2 ar Frage kurgomasser Diät in Badeorten. Von Dr. Gurt
Pariser>Hombnrg v. d. U.
Fenllleton : Höhenklima und Bergwanderungen. Von Dr. E. Roth.
(Schluss.)
Monismus des Geistes. Von Dr. Paul Franze (Bad Nauheim.
Ans den Bädern and Kurorten.
Recbtsprechnng;«
Meteorolo^sohe Statistik.
Beitrag
zur Frage kurgemasser Diät in Badeorten]
(Homburger Diäten).
Von Dr. Curt Pariser-Homburg v. d. H.
Im Aufträge der Homburger Medicinischen Gesellschaft refe¬
rierte in Dresden Verfasser über die Art, wie die Frage kurge¬
mäßer Diät in Homburg geregelt sei, ein Modus, auf den schon
Ewald 1905 auf dem balneologischen Kongress hingewiesen
hat. Die Materie der kurgemiulen Diät sei von Alters her
eine brennende und eine schwierige. Die Schwierigkeit ist
eine doppelte, eine theoretische und eine praktische. Bis in
eine noch recht nahe Vergangenheit stand der Brunnen im
Mittelpunkt der bezüglichen Betrachtungen. Die kurgemäße
Diät wurde bestimmt von den grossenteils hypothetischen An-
schaviungen über die Unzuträglicbkeiten ganzer Nahrungs¬
mittelgruppen wie einzelner Gerichte oder Zutaten im Ver¬
hältnis zum Brunnen. Daraus resultierte Einseitigkeit und !
Enge sowie ausserordentliche Unzweckmäßigkeit, mt diesem,
in der Praxis schon vielfach durchbrochenen Standpunkt, der
aber bisher noch nicht für einen ganzen Badeort eine einheit¬
liche anderweitige Regelung erfahren hat, ist in Homburg ge¬
brochen. Auch wir sind der Überzeugung, dass die systema-
tische Zuführung der Mineralquellen eine Trinkkur, keine
indifferente Maßnahme sei und daß die Diät eine leichte, nicht
stark gewürzte, nicht überladen de sein müsse. Aber wir sind
nicht minder der Meinung, dass ein Brunnen an sich nicht
den Ausschluss ganzer N^rungsmittel^uppen für die Dauer
der Kurzeit rechtfertige, sondern das Verbieten und Erlauben
sich einzig nach den wissenschaftlichen diätetischen Grund¬
sätzen regulieren müsse, welche für die einzelnen Krankheiten
Geltung haben. Das moderne Problem kurgemäßer Diät ist
damit klar geworden, zugleich hat sich anscheinend die prak¬
tische Schwierigkeit vergrössert. Diese letztere liegt bei den
Besitzern der Hotels und Logierhäuser und soll, wie man
meist ausgesprochen hört, aus Mangel an gutem Willen und
an genügendem Verständnis resultieren. Der zweite Faktor
ist der schwererwiegende, aber es hätten den Gastwirten etc.
auch die genügenden Normen für die Möglichkeit zweckmäßigen
Schaffens allerorten gefehlt. Diese Normen müssen so be¬
schaffen sein, dass sie dem einzelupn Arzte zwar nach Ma߬
gabe seiner persönlichen Meinung und nach den individuellen
Verhältnissen des Einzelfalles bequem Modifikationen gestatten
und dass zugleich alle Aerzte sich darauf verpflichten können,
weil sie nur Anerkanntes und dieses erschöpfend enthalten.
Solche Grundrisse müssten ferner kurz und einfach sein, damit
sie auch der Laie leicht verstünde und der Hotelier leicht
durchführen könne. Sie müssten ferner vor allem andererseits
vielgestaltig sein und die verschiedenen Krankheiten berück-
Feuilleton.
Höllenklima und Bergwanderungen.
Von Dr. E. Roth.
(Schluss.)
Sauerstoffmangel macht sich bei vielen gesunden Menschen
in mittleren Höhen des Hochgebirges deutlich bemerkbar, sodass
er bei Blutarmen, bei Störungen des Kreislaufs und der At¬
mung besonders früh auftritt. Durch die Auregung der Atmung,
welche die in einzelnen, besonders schlecht mit Kut versorgten
Partien des Körpers gebildeten Spaltungsprodukte bewirken,
wird der übrige Organismus vor Sauerstoffmangel geschützt.
Erst in Höhen von 4000 m treten bei der Mehrzahl der
Menschen grössere Störungen auf, während einzelne bevorzugte
Naturen 6000 m und mehr Höhe er- und vertragen.
Das führt nun zur sogenannten Bergkrankheit. Das
charakteristische und eindeutige Bild dieser Affektion enthüllt
sich uns erst unter Umständen, wo keine körperliche Arbeit
geleistet wird. Jedenfalls ist die Ursache im Sauerstoffmangel
zu suchen. Wer bis zur Erschöpfung Velo fährt, wettrudert
oder wettläuft, wird genau dieselben Symptome der sogenannten
Bergkrankheit zeigen, selbst, wenn auf Meilen kein Berg in
der Nähe ist. Wir müssen also zur Verhütung des Eintrittes
der Bergkrankheit in jeder Hinsicht dahin streben, dass die
Sauerstoffversorgung unserer Organe so gut wie möglich ge¬
staltet werde. Darum suche man beim Aufstieg, wenn möglich,
pralle Sonne und schwüles Wetter zu vermeiden; bei Körper¬
ruhe muss man die andringende Kälte fernbalten. Das sicherste
Vorbeugungsmittel, den Sauerstoff, wird man auch bei Berg¬
bahnen in genügender Weise mit sich führen können, wie es
ja auch jeder Luftschiffer zu tun gezwungen ist. Schliesslich
pflegt ein sofortiger Abstieg in tiefere Regionen sofort zu helfen,
ihm kann nach einiger Zeit ja dann der Versuch eines er¬
neuten Aufstieges folgen.
Heilwirkungen und Gefahren des Höhenklimas haben selbst
für die weitesten Kreise allgemeines Interesse. Kurz zusammen¬
gefasst, müssen wir sagen: Das Höhenklima regt die lebens¬
wichtigsten Organsysteme unseres Körpers zu erhöhter Tätig¬
keit an, es veranlasst sie zu energischerer Arbeit.
Zu empfehlen ist daher der Aufenthalt im Hochgebirge
bei Lungenschwindsucht, Skrophulose, Blutarmut, en^ischer
Krankheit, allgemeiner körperlichen Schwäche, bei chronischen
Katarrhen des Magendarm-Kanales, bei Blutstockungen in den
Bauchorganen, bei Wechselfieber.
Dagegen sucht man Kranke mit akuten Katarrhen der
Respirationsorgane, mit Lungen- und Brustfellentzündungen,
mit Gelenkrheumatismus oder Affektionen des Herzens vom
Hochgebirge fern zu halten.
Das Höhenklima eignet sich vorzüglich als Abhärtungs¬
mittel bei verweichlichten Naturen, nur sende man keine Per-
Digitlzed by
Google
94
BALNEOLOGISCHE CENTRALZBITUNG
Nr. 24.
sichtigen, zu deren Heilung oder Linderung sie mit beitragen |
sollen. Die Aerzte Homburgs entwarfen eine Reihe von
Schemata, welche die in Homburg vorwiegend zur Behand¬
lung kommenden Leiden berücksichtigen und bezüglich deren
Inhalt eine Einigung und Einigkeit leicht erzielt wurde. Die
Affektionen sind: Der chronische Magenkatarrh ohne oder mit
muskulärer Schwäche des Organes, nervöse Magenleiden,
chronische Darmkatarrhe mit Diarrhöen, chronische Obstipa¬
tionen, Diabetes, Herzkrankheiten, Gicht, Nephritis, Neurasthenie.
Jedes Diätschema trägt als Ueberschrift die Bezeichnung Hom-
burger Diäten, redigiert von der Homburger Medicinischen Ge¬
sellschaft, um es als Darbietung der ärztlichen Allgemeinheit
auszuweisen; dann folgt der Untertitel: Diät I, 11 etc. Ein
breiter Rand mit der Ueberschrift: Besondere ärztliche Anord¬
nungen, lässt jedem Arzte die Möglichkeit zu Abänderungen.
Die Schemata sind einzeln gedruckt ohne Diagnosenhinzu-
fugung. Das geeignet erscheinende Schema wird jedem Pa¬
tienten bei der Gonsultation gegeben. Jedes Diät-Schema zer¬
fällt in 3 ganz kurz gefasste Teile: A. Leitende Gesichts¬
punkte. — Zusammenstellung der Prinzipien, nach denen die
Diät konstruiert ist. B. Allgemeine Vorbemerkungen. — Kurz¬
gefasste Mitteilungen über allgemeine Zubereitungsarten etc.
C. Spezielle Bemerkungen. — Gruppenweise Erörterung der
einzelnen Nahrungsmittel nach der Frage des Erlaubens' und
Verbietens. Das Ganze ist sehr kurz, übersichtlich und doch
erschöpfend. Die Homburger Diäten enthalten 4 Schemata,
die völlig ausreichen. Diät I ist die Grundform einer ganz
blanden Diät. Daher in erster Reihe die Diät des chronischen
oder subchronischen Magenkatarrhes. Ebenso aber geeignet
für Magenreizerscheinungen und Uebersäurebildung. Auch hier
wird die Fernhaltung von Reizen jeglicher Form für geboten
erachtet, da die Störung eben dann begründet ist, dass auf
schon kleine Reize unverhältnismäßige starke secretorische
Antworten erfolgen.
Die Diät I hat drei Unterformen. Diüt I a ist die Diät I
unter Berücksichtigung motorischer Schwäche des Magens,
Diät Ib ist Diät I mit Modificationen, geeignet für Neurasthe¬
niker, nervöse Dispeptiker, Herzleidende, Giclitiker. Diät Ic
ist Diät 1, moditiciert in Rücksicht auf Nephritiden. Diät II
ist die Diät für chronischen Magenkatarrh mit anhaltenden
Diarrhoen. Unter den leitenden Gesichtspunkten sei hervor¬
gehoben, dass bei diesen Zuständen in Homburg prinzipiell
zunächst gemüsefreie Kost gegeben wird, Kartoffeln nur in
Pureeform, Kompotts mit Ausnahme von Heidclbeerpuree ver¬
boten sind, Fische nur gesotten gegeben werden und bei
Fleisch jede geräucherte Faser vermieden werden soll. Bei
Besserungen oder leichteren Formen wird Gemüse- und Com-
pottgenuss zunächst nur in Pureeform gestattet.
Diät III ist die Diät der chronisch Obstipierten, schlacken¬
reich und mechanisch derber, versehen mit ununterbrochenen
Hinweisen auf die mechanischen und die in der Nahrung zu-
führbaren chemischen Anregungsmittel der Peristaltik.
Diät IV ist die Diät der Diabetiker. Sie war naturgemäß
die schworst zu rubrizierende, weil sie aus bekannten Gründen
den meisten individuellen Schwankungen und besonderen ärzt¬
lichen Anordnungen unterworfen ist. Trotzdem ist es auch
hier gelungen, eine überraschend klare üebersicht mit grösster
Auswahl zu geben. Bezüglich der interessanten Details muss
auf das Original verwiesen werden.
Der nächste praktisch wichtige Schritt war der, diesen
neuen Normen bequem den Weg in die Offices und Küchen
der Hotels zu bahnen. Zu diesem Zweck worden 3 große
Plakate gedruckt, welche aufgezogen in die Küchen gehängt
werden und welche in grosser Schrift, vom Herde aus lesbar,
den Extrakt der Diätformen I—III enthalten. Das Empfohlene
ist schwarz gedruckt, das Verbotene rot; Hinweise auf beson¬
dere Zubereitungsart erfolgen in fetter, schräger Schrift Für
Diät IV (Diabetes) wurde in Uebereinstimmung von Aerzten
und Gastronomen keine besondere Küchentafel entworfen. Im
übrigen ist für die Diabetiker wie auch für alle anderen diät-
bedürftigen Kurgäste noch in weiterer detailliertester Weise
durch das Zusammenarbeiten der Aerzte und Gastronomen
gesorgt und zwar folgendermaßen. Man sah ein, dass die
neuen Vorschriften nun auch noch an denjenigen wichtigen
Stellen zu leichter und umfassender Verwertung kommen
mussten, an welchen der tägliche praktische Austausch von
spezieller Nachfrage der Gäste und Angebot seitens der Speise¬
wirte vor sich geht, in den Speisesälen der Hotels und Logier¬
häuser. Dafür wurde eine Karte kurgemäßer Speisen in
deutscher und französischer Sprache in einer Auswahl von
über 220 Einzelgerichten geschaffen. Auch diese Karte trägt
wie die Diäten den Titel: redigiert von der Homburger Medi¬
cinischen Gesellschaft. Auf dem Titelblatt stehen die ein¬
fachen und kurzen Vorbemerkungen zum Gebrauch der Speise¬
karten, die sich untrennbar an die Diätschemata anlermen.
Auf der ersten Innenseite sind die generellen Bestimmungen
der einzelnen Diätfonnen bezüglich Art und Quantum der Ge¬
tränke in übersichtlichem Wiederabdruck zusammengestellt.
sonen mit Erkrankungen der Blutgefässe dorthin; auch Gich-
tiker und Nierenkranke sollen im allgemeinen die Hohen meiden,
wie auch ältere Leute überhaupt vorsichtig sein müssen, da
ihre Blutgefässe eben starrer und zerreissbarer als bei der
Jugend sind.
Nun noch einige Worte über die Ernährung des Berg¬
steigers. Dabei wollen wir daran erinnern, dass kleinere Indi¬
viduen pro Kilogramm Körpergewicht einen grösseren Ver¬
brauch haben, als grössere, und dass sich dieser annähernd der
Körperoberfläche, nicht dem Gewicht nach, proportional ge¬
staltet. Beim Bergaufgehen aber ist der Verbrauch dem Ge¬
wicht proportional. Für einen 70 kg wiegenden Menschen
kommen unsere Gewährsmänner bei müßiger körperlicher Tätig¬
keit im Gebirge zu einem Bedarf von 3500 WE pro Tag.
Was die Zusammensetzung der Nahrung anlangt, so wird
namentlich Fett zura Essen empfohlen; Speck und Schmalz sei
die hauptsächlichste Nahrung. Fettmengon riefen bei den
Mitgliedern der Expedition niemals Beschwerden hervor und
keiner hatte die Empfindung, es würde ihm irgendwie Schwierig¬
keiten machen noch mehr davon zu geniessen. Leider wird
bei grossen Höhen die Verdauung vielfach geschädigt und ver¬
liert dann die Fähigkeit Fett zu verarbeiten.
Dabei liüte man sich aber vor jeder stärkeren Belastung
des Magens. Kleine Mengen Nahrung öfter genossen, erfüllen
denselben Zweck mid setzen nicht die Leistnngsfähigkoit herab.
Als Anregungsmittel sind Kaffee und Thee zu empfohlen;
hro Wirkung findet sich noch vereinfacht in den Kolapräparaten.
Alkohol stellt keineswegs ein so unbedingt verwerfliches Mittel
dar, wie seine eingeschworenen Gegner behaupten. Aber jedes
Uebermaß erzeugt in ganz kurzer Zeit ErschlaÄung; reichliches
Kneipen am Vorabend vor alpiner Leistung ist direkt zu ver¬
werfen und schädlich. Nicht zu verwerfen ist aber eine kleine
Menge Wein oder Kognac gegen Ende grösserer Märsche, wenn
OS gilt, die erlöschende Kraft für eine letzte Anstrengung an-
zufachen.
Vor dem Gebrauch von Arsen ist energisch abzuraten.
Was das mehrfach empfohlene Antitoxin leistet, weiss man
noch nicht recht.
Jedenfalls bevorzugt man in den Hochregionen schärfer
gewürzte Speisen. Nur wer schon längere Zeit an grössere
Höhen gewöhnt ist, dürfte imstande sein, ohne Appetitreize dort
so viel Nahrung aufzunehmen, wie es dem Körperbedarf ent¬
spricht.
Gegen den Durst gibt es überall Schnee und Eis, wobei
der Geschmack des geschmolzenen Schnees mit einer Prise
Kochsalz leicht zu verbessern ist. Vor Allem schalte man die
Mundatmung aus und vermeide dadurch die quälende Aus¬
trocknung.
So weit das Skelett des Buches, das auch weitere Fragen
aufwirft. So wäre beispielsweise zu erforschen, ob die An¬
passung an die Höhe zu Rassenmerkmalen führt. Von einzelnen
Höhenmerkmalen, wie der gewölbten und dabei beweglichen
Gestalt dos Brustkastens, ist das wahrscheinlich. Aber es wäre
für alle Organe zu erforschen, es erschiene das als eine lohnende
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1906.
BALNBOLOGISCHB CENTRALZBITUNG
95
Die Karte ist eine T^eskatie, d. h. der Hotelier etc. nimmt
an jedem Tage neue Exemplare. Er füllt aus der Menge der
Möglichkeiten diejenigen Gerichte durch PreishinzufUgung aus,
die an dem jeweiligen Tage bei ihm vorhanden sein werden.
Der Kur- und Verkehr-Verein liefert den Speisewirten die er¬
forderlichen Exemplare zu dem sehr niedrigen Selbstkosten¬
preis. ^ In den H^den der Homburger Aerzte befinden sich
Verzeichnisse, die dem Inhalt dieser Karten genau entsprechen.
Die Aerzte sind dadurch in der L^e, die Klienten zugleich
mit den Diätschemata über den &,hmen derselben änaus
detailliert zu informieren, ohne dass indess die Schemata selbst
an ihrer prinzipiellen Bedentung etwas einbüssen. Der orga¬
nische Zusammenhang, in dem die Karte mit den Diätschematen
steht, ermöglichte es allein, der Speisekarte eine einfache und
doch universelle Form zu geben: Neben jedem einzelnen Ge¬
richt sind in römischen Zahlen diejenigen Diätformen ange¬
geben, für welche es gestattet oder empfohlen ist; die aus¬
fallende Diätform ist durch einen Strich markiert. Auf diese
Weise steht in sämtlichen Positionen der Karte dieselbe Diät¬
nummer stets in einer und derselben Columne und ermöglicht
dem Kurgast eine augenblickliche und irrtumslose Mögli^ikeit
der Orientierung. Z. B.:
Kraftbrühe I — Ib — E III IV
Kraftbrühe mit Reis I — Ib — EIE —
Kraftbrühe mit Eierstich I — Ib — E EI IV
Kraftbrühe mit Gemüseeinlagen--EI IV.
Für die Diabetiker, Diät IV, sei aus den Vorbemerkungen
der Speisekarten folgende zweckmäßige Maßregel hervorge¬
hoben: Verehrliche Kuigäste, welche nach Diät IV zu speisen
wünschen, werden gebeten, bei Bestellung freundlichst hinzu-
zufügen: „Für Diät IV“, damit bei der Bereitung jeder Mehl¬
oder Zuckerzusatz für dias Gericht oder die Saucen etc. ver¬
mieden werde.
Für Diät IV können auch Süssspeisen, Kompotts etc. kur-
^mäß mehl- und zuckerfrei (Saccharin- oder Cristallose- resp.
Laevulose-Süssung) hergestellt werden bei rechtzeitiger Vor¬
ausbestellung.
Der Hinweis auf dieses besondere Erfordernis rechtzei¬
tiger ,Bestellung wird jedesmal durch ein Ausrufungszeichen
wiederholt, z. B. IV!.
Zum Schluss sei noch bemerkt, dass der Kur-Verein den
Aerzten besondere Mappen mit praktischen Fachabteilungen
gewidmet hat, um den Kollegen in den Sprechstunden die
üebersicht über die einzelnen Diätenschemata und das Ver¬
zeichnis kurgemäßer Speisen zu erleichtern.
Aus den Bädern und Kurorten.
Alexandersbsd im bayerischen Fichtelgebirge. Das alte
Badehaus wurde vor zwei Jahren umgebaut, mit zwei neuen
Flügeln versehen und bekam vollständig neue Einrichtung für
die natürlichen kohlensauren Stahlbäder, für die Moor- und Fich-
tennadelbäder, denen ein römisch-irisches Bad sowie zwei Kabi¬
nette für Inhalation von Fichtennadeldämpfen angereiht wurden.
Im vorigen Jahre wurden die iieideu vorhandenen Stahlquellen
durch Erbohrung einer dritten vermehrt, die ebenfalls zu Trink-
und Badezwecken benutzt wird. An das Mineralbad schliesst sich
die gut renommierte Wasserheilanstalt an.
In Franzensbad bildet seit einer Reihe von Jahren das
Kinderfest den Glanzpunkt der Saison, heuer aber hat das Fest
alle früheren in jeder Beziehung weit übertrofFen. Die Zahl der
Fremden aus den benachbarten Gebieten wurde auf 12000 bis
15000 geschätzt. Um 3 Uhr nahm das Fest im Kurpark seinen
Anfang. Daselbst konzertierten ausser der Kurkapelle noch zwei
andere Kapellen. Auf einer Naturbühne brachten die Mitglieder
des Stadttheaters die Gesangsburleske „Schlimme Buben“ unter
grossem Beifall zur Darstellung. Um halb 6 Uhr abends bewegte
sich der schier endlose Kinderfestzug durch die Strassen; an dem¬
selben nahmen 2600 zumeist kostümierte Kinder teil. Mehrere
künstlerisch arrangierte Festwagen und 40 reizende Gruppen aus
der Märchen- und Sagenwelt und dem Volksleben wurden von
dem zu Tausenden Spalier bildenden Pnhliktmi bejubelt. Bei der
Franzensquelle war eine 1000 Personen fassende Tribüne errichtet,
die vornehmlich von Kurgästen dicht besetzt war, die ebenfalls
zahlreiche Kinder an dem Festzuge teilnehmen Hessen. Das
glanzvoll verlaufene Fe>t wurde abends mit einer brillanten Illu¬
mination des Kurparks beschlossen.
Aus GastBin wird berichtet: Der vom Pastor BodeJschwingh
begründete Verein „Kaiser Wilhelm-Stiftung“ hat das bekannte
Ga.sthau8 ,,Die schwarze Liesl“, in dem Kaiser Wilhelm, Bismarck
und Moltke häufig Kegel spielten, erworben, um invaliden deutschen
Soldaten eine Kur in Gastein zu ermöglichen.
Madoirft' Die Sauatoriengesellschaft auf Madeira überträgt,
wie aus Lissabon gemeldet wird, alle ihre Rechte gegen 500 000
Pfd. St. einer deutsch-englischen Gesellschaft, die einen Kontrakt
Aufgabe, wie denn die ganze anthropologische Seite des Prob-
ieme bisher überhaupt noch kaum in Angriff genommen ist.
Dann kann die biologische Forschung in der Höhe beitragen
zur Lösung der grossen Probleme der Umwandlung der Form
der Lebewesen und damit der Artbildung. Und angesichts
dieser bedeutungsvollen Aufgabe erscheint die von Mosso
inaugurierte Gründung eines internationalen, allen Zweigen der
Naturbeobachtung gewidmeten Höhenlaboratoriums auf dem
Col d’Olen als em überaus glücklicher und vielversprechender
Gedanke.
Wir sind am Ende! Mögen diese Zeilen dazu beitragen,
dass das Werk von möglichst vielen gewürdigt und gelesen
werde. Möge der Alpensport in vernünftigem Sinne daraus
weitere Anregung und Befruchtung finden.
0 Atem der Berge, beglückender Hauch!
Ihr blutigen Kosen am hangenden Strauch,
Ihr Hütten mit bläulich gekräuselten Rauch.
Monismus des Geistes.
Von Dr. Paal C. Franze (Bad Nauheim).
Die unter den Gebildeten heute am meisten verbreitete
Weltanschauung dürfte wohl der materialistische Monismus
sein; man versteht darunter die Deutung aller Erscheinungen,
auch der geistigen und seelischen Vorgänge, aus materiellen
Bedingungen. Vertreter der Naturwissenschaft, namentlich
Hackel, haben bekanntlich zur Verbreitung dieser Auffassung
viel beigetragen.
Demgegenüber erscheint es mir als eine Pflicht, darauf
hinzuweisen, daß die Anwendung wirklich logischen Denkens
auf die neuesten und besten Errungenschaften der Physik das
direkte metaphysische Gegenteil einer materialistischen Weltan¬
schauung zu Tage fördert, nämlich die Deutung alles Seins
und Geschehens aus ihrem geistigen Inhalt allein.
Das ist der Monismus des Geistes: er besagt also, dass
die Körperwelt aus Geist hervorgegangen sei, dass demnach
alles mechanistische Geschehen, wie es das Forschungsgebiet
der Physik und Chemie ausmacht, und von dem auch der
nicht-psychische Teil der Lebenserscheinungen keine Ausnahme
bildet, durch einen geistigen Inhalt ausreichend erklärt werde.
Diese Richtung heisst in der Philosophie auch Spiritualis¬
mus oder Idealismus.
In der Physik gelangt neuerdings ein dynamistischer Mo¬
nismus immer mehr zur Herrschaft, der alle physikalischen
Vorgänge als rein energetische erklären will. Seine Stütze
findet er in der dynamistischen Elektronentheorie, einer exakt
ausgearbeiteten Hypothese, der die Zukunft in der Physik zu
gehören scheint. Wenn wir diese Hypothese in den Mittel¬
punkt der Beweisführung setzen, so lässt sich dartun, dass der
Monismus des Geistes die Weltanschauung ist, die am ehesten
als richtig bezeichnet werden muss. (Fortsetzung folgt.)
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96
BALNEOLOGISCHB CBNTRALZKITÜNG
Nr. 24.
mit der portugieeischen Regierung scbliesst. Die Annahme des
Vertrages steht englischerseits noch aus.
Nauheim. Vorträge und Demonstrationen aus dem Gebiete
der physikalischen Diagnostik und Therapie (Röntgenverfahren,
Orthodiagraphie des Herzens, Messung der Herzkraft etc.) fanden
vom 16. bis 18. Juli in Dr. Hofmaons Kuranstalt zu Nauheim
vor einem ärztlichen Auditorium statt, zu welchen die Nauheimer
Badeärzte DDr. Franze, Gräupner, Hofmann und Pöhlmann einge-
laden batten. Die Vorträge erfreuten sich eines guten Besuches
und sollen demnächst ihre Fortsetzung finden.
In Norderney wurde am 24. Juli am Herrenbadestrande die
Zahl 1600 der in der Zeit von 5 Uhr morgens bis 2 Uhr nach¬
mittags Badenden überschritten, während am selbigen Tage auch
am Damenstrande mehr als 1600 Bäder verabreicht wurden. Seit
Bestehen des Bades ist dies die grösste je erreichte Zahl. — Die
diesjährige Frequenz bis zum 1. August beträgt 18779 Personen
gegen 1905; 17284 und 1904: 16631 Personen.
Orb. Kaum sechs Jahre sind verflossen seit der Neugründung
des Bades Orb. Während vor dem Jahre 1900 der Besuch des
Bades sich aus den Nachbarstädten zusammensetzte, schicken jetzt
alle Gressstädte Deutschlands B^nke nach hier. Der Andrang
seit Ende Juni ist enorm und die Kurfrequenz würde hervorragend
günstig sein, wenn noch eine grössere Anzahl von Hotels und
Pensionen vorhanden wäre. Das Bad hat sich insbesondere als
Zufluchtsort für Herzkranke in den letzten Jahren in Aerztekreisen
soviel Freunde erworben, dass seine Zukunft als gesichert be¬
trachtet werden kann.
Wildungon. Ein Bazar für den Erweiterungsbau der
deutschen Volksbeilstätte für Blasen- und Nierenleidende hatte
den schönen Ueberschuss von ca. 8000 Mark ergeben. Im nächsten
Monat steht das Eintreffen des lOOOOsten Kurgastes bevor und
werden zu dessen Ehrungen grosse Vorbereitungen getroffen. Der
Senior der deutschen Antropologen Professor Ernst Haeckel aus
Jena weilt zur Zeit hier als Kurgast.
Rechtsprechung,
Haftpflicht dar Badebesitzer. Die Stadtgemelndc Cham in
Bayern hatte eine Badeanstalt dem Verkehr übergeben, in welcher
der Zu^ng vom Doschebänschen zu dem Sohwimmbassinfloss durch
meterlange Bretter hergestellt war. Der Boden des Duschebäuschens
schloss dicht ab nnd liess das abfliessende Seifenwasser nicht
durch. Letzteres floss stets den zum Bassin führenden Zugaogs-
steg hinab, sodass dieser schliesslich glatt und schlüpfrig wurde.
Obwohl der Bademeister wiederholt auf den gefahrvollen Zustand
hingewiesen hatte, war doch nichts zu dessen Abänderung. ge¬
schehen. Eines Tages kam der Kaufmann T. auf diesem Stege
zu Falle. Er zog sich einen Kniescheibenbrach zu, der nur
mangelhaft verheilte, sodass eine Verminderung der Erwerbsfähig¬
keit von 35 pCt. bei ihm bestehen blieb. T. erhob Schadenersatz¬
klage gegen die Stadtgemeinde Cham unter Zugrundelegung von
15 Mk. Tagesverdienst. Das Landgericht Nürnberg and das
Oberlandesgericbt München erkannten seinen Anspruch flir gerechtr
fertigt an und verurteilten die beklagte Stadtgemeinde zur Er¬
stattung der Heilungskosten, 1000 Mk. Schmerzensgeld und einer
Jahresrente von 1575 Mk. Gegen das oberlandesgeriohtliche Ur¬
teil batte die Beklagte Revision eingelegt, aber erfolglos. Der
III. Zivilsenat des Reichsgerichts bestätigte das Vorurteil unter
Zurückweisung der Revision.
Ein ähnlicher Fall. In dem Bade der Gemeinde Gross-
zschocher-Windorf kam am 5. Juli 1903 der Arbeiter W. dadurch
zu Schaden, dass er bei einem Hechtsprung in den Elsterfluss mit
der Wirbelsäule auf einen unter dem Sprungbett schwimmenden
Sperrbalken stiess. Dieser Balken war von zwei Schwimmenden
am Ufer gelöst worden, welche ihn, auf ihm sitzend nnd rudernd,
so unter Wasser hielten, dass man ihn nicht sehen konnte. An
den Folgen des Unfalles verstarb W. im Oktober 1903. Die
hinterbliebene Witwe klagte nun gegen die genannte Gemeinde
für sich und ihre unmündigen Kinder auf Schadenersatz gemäss
§ 840II und § 823 B. G. £. Während das Landgericht Leipzig
auf Abweisung der Klage entschied, war das Oberlandesgericht
Dresden anderer Meinung und verurteilte die Beklagte zur Zahlung.
Gegen dieses Urteil hatte die Beklagte Revision eingelegt, die
vom Reichsgericht aber zurückgewiesen wurde, indem es aasführte:
Wer eine Badeanstalt einrichtet und dem öffentlichen Verkehr
übergibt, muss dafür sorgen, dass die Einrichtungen derselben
sicher sind. Es ist hier festgestellt, dass die Einrichtungen mangel¬
haft waren, sodass die Lösung des Balkens erfolgen konnte und
insofern die Gefahr mit sich brachte. Infolgedessen hat auch die
Beklagte dieses Verschulden zu vertreten.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneologlsohen Zentraizeltong..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
mitiimum
Mittleres
Temperatur-
a
p
3
3
Durchschnitt- |
lieber !
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abb'izia.
—
—
_
_
_
_
_
_
_
22.-28 /8.
6,7 C.
18,4
C.
637,5
2
6
3
—
—
Frequenz lö 2o3.
Driburg.
20.—26./8.
11,3 C.
21,3
C.
—
3
4
1
2
1
Ems.
26./8.—1./9.
10,9 U.
21,3
C.
760,6
3
7
—
2,8
—
Am l.Septb. Krd*
(Tios.'^hübl-Saiierbnirin . .
19.- 25. 8.
11,3 C.
20,4
C.
—
4
1
2
5
2
8toß von 3. Sei“
UeiTPualh.
26./8.-1./9.
14 C.
28
C.
730
1
öVi
l»/4
1—2
—
Dauer.
Jsreitrnach.
12.-18./8.
11 C.
18
c.
—
1
3
5
—
1
Lani:eii8c.hwalbucli . . .
26./8.-1./9.
5,1 C.
22,7
c.
742,2
2
7
3
1,8
—
Lippspringe.
8 C.
20,5
c.
757
—
4
3
2
—
Freciuenz 6032.
Nauheim.
20.-26 /8.
13,3 C.
22,2
c.
751
2
5
5
3
—
Frequenz 24441.
Nenuiiurf .
26./8,-l./9.
11 C.
22
c.
762,5
1
7
2
—
—
NonliMvey.
13,1 C.
20,7
c.
766,7
1
6
5
2,6
—
Orb ........
18.-25./8.
13,1 C.
20,4
c.
752,7
—
7
—
—
Frequenz 41i»-
Roichenhull.
26./8_l./9.
9,8 C.
22
c.
726 5
4
7
1
—
—
Reinerz.
12.—18./8.
10 C.
20
c.
714
2
4
2
—
Stellen.
26.'8.-l./9.
6,3 C.
22
c.
—
—
6
1
3
—
Tril.org .
19./8.-1./9.
0,34 C.
20,4
c.
—
3
11
2
—
2
Vprantwo«lich.*r Rrdaktenr: Dt. P Meis.n^r, l>rHn, — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S
Druck von Heynemann'ache liuchdruckerei. C.ebr Wolfl, Halle a. >
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J
Vn. Jahrgang. Nr. 25. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Org:an des A]lg:etneinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des .Allg. D. B.-V.*:
Dr. Siebelt, Flinsberg i. Schl.
: Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6. 1
Tel.-Adr.: Marhold Verlaa Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden.
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist nur mit Quellenangabe und nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Die Mietordnnng; dos Thüringer Bttderrorbandcs. Vortrag aof der XIV.
Jabrebversammlung des J. allgemeinen Deutschen BUderrerbandes
zu Ems am 5. Oktober 1905. Von C. Kacmpf-Fricdricbroda.
Fenilletou : Monismus dos Geistes. Von Dr. l’aul Franze (Bad Nau¬
heim) (Fortsetzung.)
Die Mietordnimg des Thüringer Bäderverhandes.
Vortrag auf der XIV. Jahresversammlung dos 1. allgemeinen
Deutschen Bäderverbandes zu Ems am 5. Oktober 1905.
Von C. Kaempf-Friedrichroda.
Es war schon seit vielen Jahren der Wunsch im Thür.
Bäder-Verband, für sämtliche Thür. Kurorte eine einheitliche
Mietordnung einzuführen und sind deshalb jahrelange Ver¬
handlungen gepflogen worden.
Die immer grösser werdende P'reqnenz der einzelnen Kur¬
orte und die gesteigerten Ansprüche und Bedürfnisse der Kur¬
gäste machen es uns zur unerlässlichen Pflicht, eine möglichst
einheitliche Mietordnung einzuführen, um den vielen Miet-
differenzen, die nun einmal nicht ausbleiben, vorzubeugen.
Es wird zwar die allerschönste Mietordnung wohl kaum
im Stande sein, alle entstehenden Mietdifl“erenzen ganz zu be¬
seitigen, immerhin würden letztere mit Einführung der Miet¬
ordnung ganz bedeutend vermindert, und ich habe es mit
Freuden begrüsst, dass in der Jahre.sversammlung des Thür.
Bäder-Verbandes, abgehalten am 29. September in Großtabarz,
die Mietordnung einstimmig angenommen,wurde.
Wir haben in Friedrichroda schon seit dem Jahre 1884
eine behördlich genehmigte Mietordnung und haben damit auch
recht befriedigende Erfolge erzielt.
Im Jahre 1887 trat der Thüringer Bader-Verband der
Mietordnungsfrage näher, um für Tliüringen einheitliche Be-
Feuilleton.
Monismus des Geistes.
Von Dr. Paul C. Pranze (Bad Nauheim).
(Fortsetzung.)
Wir brauchen für den Beweis folgende Voraussetzungen:
1. Eine monistische Weltanschauung an sich,
2. die Unmöglichkeit, geistige Prozesse aus materiellen
Bedingungen zu erklären,
3. die dynamistische Elektronentheorie und
4. das Vorhandensein der Analogie in dem Verhältnis von
Geist und Energie zum Materiellen.
Der Beweis liegt dann in dem Schluss per analogiam,
der als eine der sichersten Grundlagen der Ueberführung dort
gilt, wo die Analogie nachweisbar ist, und darin, dass gerade
in der Natur Analogien allgemein herrschen. Zunächst haben
wir die Aufgabe, unsere Voraussetzungen etwas näher zu prüfen:
Die erste von ihnen will ich keiner eingehenden Unter¬
suchung unterziehen aus dem einfachen Grunde, dass sich
exakte Beweise für und wider nicht beibringen lassen. Es
bleibt gewissermaßen Glaubenssache, ob man die Welt moni-
Ans den Bädern nnd Knrorten.
liiteratnr.
Yemchiedenes.
Forsonalleu.
Meteorologische Statistik.
Stimmungen über die Mietverhältnisse aufzustellen, und es wurde
derzeit eine Kommission gewählt, um eine Mietordnung aufzu¬
stellen, welche in allen Thüringer Kurorten einheitlich einge¬
führt worden sollte. Die Sitzungen dieser Kommission tagten
damals in Friedrichroda, unter dem Vorsitz des Herrn Medicinal-
rat Dr. Keil.
Ueber die Arbeiten dieser Kommission wurde mehrere
Jahre lang in den Generalversammlungen verhandelt, aber zu
einer definitiven Einführung kam es nicht, und es baute sich
so jeder Kurort seine eigene Mietordnung zusammen; obgleich
alle diese Mietordnungen allerdings im grossen und ganzen
der von der Kommission ausgearbeiteten Mietordnung nachge¬
bildet wurden, so glaubte doch jeder Kurort, dieselbe verbessern
zu müssen und damit war das Schicksal einer einheitlichen
Mietordnung besiegelt.
Durch Einführung des B. G. B. glaubte mau nun auch die
Mietordnung einer Reform unterziehen zu müssen, und es wurde
deshalb schon im Jahre 1902 auf der Jahresversammlung des
Thüringer Bäder-Verbandes in Friedrichroda von Herrn Ober-
landgerichtsrat Dr. Stichling ein Vortrag über Mietordnung in
Kurorten gehalten, und seit dieser Zeit erschien nun alljährlich
die Besprechung der Mietordnung auf der Tagesordnung der
Jahresversammlung des Thüringer Bäder-Verbandes, ohne zu
einem befriedigenden Resultat zu führen.
Ja, meine Herren, die Aufstellung einer einheitlichen Miet¬
ordnung unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse der
einzelnen Kurorte ist auch gar nicht so leicht.
Bei den gepflogenen Beratungen wurde von den Herren
stisch oder dualistisch erklären will. Mir scheint der Dualis¬
mus an dem Problem der gegenseitigen Beziehungen zwischen
materiellen und psychischen Vorgängen im Organismus zu
scheitern, und der menschliche Erkenntnistrieb wird sich schwer¬
lich je mit einem Dualismus begnügen.
Vom erkenntnistheoretischen Standpunkte ferner ist nichts
gegen die hier vorgetragene Anschauung einzuwenden.
Der Monismus, den wir also aprioristisch als gegeben
setzen wollen, nimmt das Vorhandensein geistiger und physischer
Prozesse an und sucht sie einheitlich zu erklären.
Die zweite unserer Voraussetzungen, nämlich dass es un¬
möglich ist, geistige Prozesse aus materiellen Bedingungen ab¬
zuleiten, darf heute als Tatsache sclilechthin angesehen werden.
Du Bois-Reymond war es, der zuerst in seiner berühmten
Hede: „Ueber die Grenzen des Natnrerkennens“, gehalten 1872,
auf der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher
und Aerzte zu Leipzig, auf die Unbegreiflichkeit dieses Zu¬
sammenhanges hinwies. Er definiert Naturerkennen als das
„Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf Be¬
wegungen von Atomen, die durch deren von der Zeit unab¬
hängige Zentralkräfte bewirkt werden, oder Auflösung der
Naturvorgänge in Mechanik der Atome.“ Er legt also seinen
Schlussfolgerungen die mechanistische Weltanschauung zu
gründe, und zwar auch für die Erklärung des Lebens, und
gelangt dabei an zwei unbedingte und ewige Grenzen des
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98
BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITÜNG
Nr, 25.
Juristen immer wieder auf das B. G. B. verwiesen, ich muss
aber offen gestehen, ich finde in den einzelnen Para^aphen
des B. G. B. eigentlich keinen, welcher klipp und klar die Miet-
verhältnisse in Kurorten behandelt, dieselben weichen denn
doch ganz bedeutend von den üblichen Jahresmieten und auch
von den sonstigen sog. Gar^onmieten ab. — Der Kurgast,
welcher auf kürzere oder längere Zeit, sei es zur Kur oder
zur Erholung, mit oder ohne Familie einen Kurort aufsucht,
stellt ganz andere Ansprüche an die Vermieter, als das in einer
ständigen Wohnung der Fall ist, und es ist dieses auch gewisser¬
maßen berechtigt, kann doch der Kurgast alle die zu seiner
Bequemlichkeit dienenden Sachen nicht immer mit sich führen,
viele Gäste glauben auch durch Zahlung der Kurtaxe berechtigt
zu sein, selbst den Vermietern gegenüber alle möglichen An¬
sprüche stellen zu können.
Bei Aufstellung einer Mietordnung kommt es hauptsächlich
darauf an, alle Sachen in der Mietordnung anzuführen, welche
leicht zu Differenzen Anlass geben können.
Im vergangenen Jahre wurde die Mietordnung auf der
Jahresversammlung des Thüringer Bäder*Verbandes nochmals
an eine Kommission, bestehend aus dem Vorstand, Herrn Ober-
landgerichtsrat Dr. Stichling und meiner Wenigkeit, zurückver¬
wiesen, bei diesem Beschluss hatte wohl jeder das .Gefühl, als
wolle man damit die ganze Angelegenheit auf anständige Art
zu Grabe tragen, ich war deshalb nicht wenig überrascht, als
ich kurz vor Abhaltung der Jahresversammlung des Thüringer
Bäder-Verbandes durch den Vorstand, Herrn Landrat Dr. Ritz,
die Aufforderung erhielt, gemäss des Beschlusses vom vorigen
Jahre doch in Gemeinschaft mit Herrn Oberlandgericbtsrat Dr.
Stichling die Mietordnung nochmals durchzuberaten. So habe
ich nun auf Grund meiner langjährigen Erfahrungen die wesent¬
lichsten Funkte, welche immer wieder Grund zu Mietdifferenzen
gaben, und unter möglichster Berücksichtigung der von den
einzelnen Verwaltungen im vergangenen Jahr erhobenen Ein¬
wendungen den Entwurf vorbereitet und Herrn Oberlandge¬
richtsrat Dr. Stichling zur Prüfung eingesandt.
ln einer gemeinschaftlichen Sitzung der Kommission, ver¬
treten durch Herrn Landrat Dr. Ritz, Herrn Oberlandgerichts¬
rat Dr. Stichli^ und mir, wurde nun die Mietordnung, nach¬
dem sie von Herrn Dr. Stichling nach der juristischen Seite
hin bearbeitet war, nochmals einer genauen Prüfung unterzogen,
und die Kommission war nun der Ansicht, dass die Mietordnung,
wie dieselbe jetzt vorliegt, nach jeder Seite hin, sowohl nach
der juristischen als auch nach der praktischen, als einwandfrei
zu betrachten sei. Sollten in einzelnen Fällen von einigen
Kurorten kleine Aenderungen, welche den lokalen Verhältnissen
entsprechen, vorgenommen werden, so dürfte doch wohl kaum
die ganze Mietordnung dadurch beeinflusst werden. Ueber die
Mietordnung selbst will ich mich des weiteren nicht auslassen,
da darüber die Jahre her genug gesprochen wurde, ich will
mich darauf beschränken. Ihnen dieselbe im Wortlaut zur
Kenntnis zu bringen (folgt die Mietordnung).
Im Anschluss an Ziffer 17 finden Sie noch Bestimmungen
über Entschädigungen bei Todesfällen. (Siehe Beilage II.)
Wir waren der Ansicht, dass es nicht recht passend er¬
scheine, derartige Bestimmungen in der Mietordnung selbst
aufzunehmen und würden wir den Verwaltungen empfehlen,
diese Bestimmungen ebenfalls im allgemeinen anzunehmen und
vorkommendenfafls in Berücksichtigung zu ziehen, gleichzeitig
empfehle den Kurverwaltungen den beifolgenden Meldezettel
(Anlage 3), derselbe müsste ^lerdings polizeilich vorgeschrieben
werden, ganz besonders mache darauf aufmerksam, auf den
Meldezetteln auf keinen Fall anzubringen „voraussichtliche“
Dauer der Mietzeit oder des Aufenthaltes, da dieses in den
meisten Fällen Gelegenheit zn Differenzen gibt.
Ich wurde durch Herrn Generalsekretär Dr. Schütze in
Kösen veranlasst, die auf der Jahresversammlung des Thüringer
Bäder-Verbandes in diesem Jahre angenommene Mietordnung
auch hier zur Kenntnis zu bringen, vielleicht gibt das Veran¬
lassung, auch für weitere Verbände eine einheitliche Miet¬
ordnung aufzustellen.
Aus den Bädern und Kurorten.
Badsn bei Wien, Am 11. v. Mts. wurde das von der Oesterrei-
chischen Gesellschaft vom Roten Kreuze in Weikersdorf bei Baden
errichtete Militärkarhaus eröffnet.
B&den-Badsn ist reich aa grossartig eingerichteten Sanatorien.
Zu den bestehenden Anstalten dieser Art soll nun noch eine
weitere mit eigenartiger Zweckbestimmung hinzukommen: ein
Sanatorium fUr Tropen kr an ke. — Mit Abschluss der
glänzend verlaufenen Rennwoche ist die Zahl der Besucher schon
auf 60000 gestiegen.
B6rcht68gaden. Im Frühjahr 1905 liess die Gtemeiade die
im Wimbachtale am Fasse des Hochkalter gelegenen Quellen, den
besten Born der ganzen Gegend, fassen and in einer interessanten
Leitung mit kolossalem Hochdruck durch das Ramslaner Tal dem
Markte zuführen. Die grossartige Schöpfung ist nun vollendet
und wird dieser Tage der allgemeinen Benutzung übergeben
werden. Das Wasser zeigt an den Verbranchsmündungen eine
selbst möglichst vollkommen gedachten menschlichen Erkennt¬
nisvermögens : das eine Mal wird uns demnach immer der Zu¬
sammenhang von Kraft und Stoff und ihr eigentliches Wesen
unbegreiflich sein, das andere Mal das Hervorgehen geistiger
Prozesse aus materiellen Bedingungen.
In der an diese Rede sich anschliessenden Kontroverse
blieb Du Bois-Reymond Sieger, weil vom Standpunkte der
rein mechanistischen Weltanschauung aus, von dem sowohl er
wie auch seine Gegner ausgingen, die erste These auf Grund
von blosser Reflexion unwiderlegbar war und die jetzt vor¬
handenen empirisch erworbenen Kenntnisse mit ihren theoreti¬
schen Konsequenzen damals fehlten, und weil der zweite Satz, die
Unmöglichkeit der Erklärung des Psychischen aus mechanischen
Bedingungen, tatsächlich richtig ist. Hieran ändert die Zu¬
grundelegung der dynamistischen Elektronentheorie, die wir
gleich kennen lernen werden, nichts; denn sie ist auch eine
mechanistische.
Wir kommen hiermit zur Besprechung unserer dritten Vor¬
aussetzung, der dynarai.stischen Elektronentheorie. Ihr Inhalt
ist kurz folgender:
Früher nahm man an, dass die Stoffe, aus denen alle
Kö^er zusammengesetzt sind, in letzter Instanz aus allor-
kleinsten, durch kein Mittel weiter zerlegbaren Teilchen, den
Atomen bestehen. Man unterschied so viele verschiedenen
Arten von diesen letzteren, als es zusammengesetzte chemische
Grundstoffe gibt (ca. 80), die Elemente heissen. Aus Atomen
bauen sich uso die Elemente auf, und aus Verbindungen dieser
untereinander bestehen alle Körper. Für diese Anschanong
war das Atom das kleinste Substitut der Materie.
Heute nun nehmen wir mit Sicherheit an, dass das Atom
selbst noch weiter zerfallen kann. Es zeigt sich nämlich bei
der Bildung der Kathodenstrablen ebenso wie bei der Selbst¬
strahlung der radioaktiven Substanzen, des Uraniums, Thoriums,
Radiums, dass die Atome desaggregierenund sich in noch kleinere
Teile auflösen: sie bestehen also aus solchen. Diese kleinsten
Partikelchen nennt man Elektronen und unterscheidet deren
positive und negative von primärer Existenz: gleichviele von
beiden Arten setzten das Atom zusammen.
Somit ist das Elektron der einheitliche und gemeinsame
Urbaustein aller Atome und daher auch aller Elemente. Es
gibt nur zwei Arten von Elektronen: positive und negative,
und die Verschiedenheit der Atome beruht nur auf der ver¬
schiedenen Zahl, Gruppierung und intra-atomistischen Beweg*
ungsart der sie konstitnierenden Elektronen.
Was aber sind die Elektronen?
Der Atomismus erblickt iu ihnen allerkleinste wirklich
materielle Teilchen als Träger des kleinsten Elementarquan¬
tums der Elektrizität. Der Dynamismu s, dem die Mehrzahl
der Physiker jetzt schon angohört, sieht in den Elektronen
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1906 .
BALNBOLOGISCHE CENTRALZBITUNG
99
Temperatur von 7*/2 bis 8® R. und ist von seltener Güte und
Reinheit Auf diese Weise ist nun auch die Trinkwasserfrage
Berchtesgades einer ausserordentlich günstigen Lösung zogeHihrt
worden.
Karisbftd hat eine ganz ausserordentlich bewegte Hochsaison.
Bis zum 20. August zählte man Uber 53000 Kurgäste, gegen das
Vorjahr ein Plus von mehr als 3000.
Bad Nauhsim wurde Mitte d. Mts. von 41 Aerzten aus
Frankreich, zum grössten Teil Professoren und Krankenhaus¬
direktoren, besucht. Nach einem offiziellen Empfang im Bahnhofe
seitens der Kurverwaltung erfolgte eine Besichtigung der Bade¬
anlagen. Wissenschaftliche Vorträge hielten Professor Schott
and Dr. H ä n e 1. Ein Festmahl vereinigte die Gäste und ihre
dentschen Kollegen.
Roinorz. An die Verwaltung ist dem Vernehmen nach die
.\nfrage gekommen, ob Geneigtheit vorhanden sei, das ganze Bad
einer Gesellschaft zu verkaufen. Die Stimmung dafür ist eine
günstige, da man der Ansicht ist, dass es für das weitere Empor¬
blühen des altrenommierten Bades von höchster Bedeutung sei,
mit grösseren Kapitalien und in schleunigerem Tempo zu arbeiten,
als dies bei einer Kommunalverwaltung möglich.
S&lzbninn. Nachdem die Badediroktion mit aller Energie in
dieser Saison den Kampf gegen die Schleppe geführt hat, wurde
durch sie öffentlich bekannt gemacht, dass vom nächsten Jahre ab
das Tragen des Kaftans verboten ist. Bekanntlich wurde das
Tragen des Kaftans auch in anderen schlesischen Bädern ver¬
löten. — Der Besuch von Bad Salzbrunn l)etrug Ende August
14655 Personen, darunter 7981 Kurgäste. — Die Arbeiten der
SalzbachüberbrUckong nehmen einen ra.schen Fortgang, sodass man
hofft, vor Beginn der nächsten Saison den ganzen Bau, der einen
Kostenaufwand von rund 100000 Mark verursacht, zu Ende
fahren zu können, — Der über die Schweizerei Idahof nach den
ausgedehnten Waldungen des Hochwalds angelegte Fussweg wird
zu einem Fahrweg ausgebaut, ebenso werden noch zwei weitere
Tennisplätze angelegt.
ln Bad SälZBChlirf fand am 18. d. die Einweihung des
neuen Bonifaziusbrunnens statt.
In W&rn6lllünd6 ist die Errichtung eines besonderen Kur¬
hauses in Aussicht genommen.
In WiSSbadBn wird das neue Kurhaus, falls nicht ganz be¬
sondere Zwischenfklle eintreten, bestimmt zu dem ursprünglich
vorgesehenen Zeitpunkt, im Mai des kommenden Jahres, eröffnet
werden können, nach einer Gesamtbauzeit von nicht ganz 2'/j Jahren.
In Warmbrunn hat sich die Zahl der Kurgäste auf 2546
Personen xmd die der Erholungsgäste und durchreisenden Fremden
nur ränmlich begrenzte Energie, bezw. das Elementarquantum
der Elektrizität.
Nach, dieser dynamistischen Richtung gibt es überhaupt
keine Materie im bisherigen Sinne, sondern die auf einen un¬
endlich kleinen Raumteil begrenzte Energie schafft das, was
uns als Masse erscheint. Für diesen dynamistischen Monismus
der Physik sprechen manche Tatsachen, so z. B., dass man
durch Berechnung aus den Ablenkungsbahnen der Elektronen
fand, dass ihre Masse gleich Null sein kann. Diese Theorie
ist zugleich auch eine kinetische, daher mechanistische. „Nicht
nur alle Körper^, sagt Toramasina, „sondein auch alle physi¬
kalischen Kräfte bestehen nur aus Bewegungsformen“ (Tom-
masina; Ueber die kinetische Theorie des Elektrons als
Grundlage der Elektronentheorie der Strahlungen; Physikal.
Zeitschrift, Nr. 2, 1906). (Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Ein Tuberl(Ul 086 *MuS 6 Uin ist nach dom Vorgänge von Berlin
und Karlsruhe nunmehr auch in Darmstadt eiTicht«;t worden.
Dasselbe ist von der Lanciesversicheriingsanstalt für das Gross¬
herzogtum Hessen eingerichtet und als Wimdermuseum gedacht,
das in allen grösseren Orten des Landes die Ergebnisse der ine-
dicinisclien Wissenschaft auch den Laien in leicht verständlicher
Weise vorführeu soll. Zur Zeit ist es in dem Gewerbemusoum
auf; 3 720 Personen erhöht. Das Wetter ist nach wie vor herr¬
lich. Bemerkenswert ist eine neue Einrichtung der Badeverwaltung,
nämlich die Veröffentlichung der Nachrichten des öffentlichen
Wetterdienstes, aus denen man sich über das Wetter, das am
nächsten Tage auf dem Kamm voraussichtlich herrschen wird,
orientieren kann. Alle, die aus gesundheitlichen oder auch ästhe¬
tischen Gründen das Dahinschleppen langer Franengewänder auf
der Strasse für einen Unfug halten, lesen erfreut das hier jetzt
überall angebrachte bezügliche Verbot. Das hier abgehaltene
Kinderfest verlief zu allgemeiner Zufriedenheit. .Die Beteiligung
war sehr gross, die Kinder sehr vergnügt; spät abends schloss
ein Fackelzug das wohlgelungene Fest. Die in den Räumen der
Holzschnitzschule untergebrachte Kunstausstellung erfreut sich eines
lebhaften Besuches.
Literatur.
Otto Liemberger-Levico. Beitrag zur Behandlung der
Ankylostomiasisanaemie and der Tropenanae-
mien. (Berl. klin. Wochenschr., 1905, No. 14.)
Die Ankylostomiasis, die besonders in den letzten Jahren in
den rheinisch-westfälischen Kohlendistrikten eine ausserordentlich
verderbliche Ausbreitung genommen und eine wichtige soziale Be¬
deutung erlangt hat, macht das Bild einer Anaemie auf toxischer
Basis. Das Goldman'scbe Xaeniol scheint den Schmarotzer sehr
energisch samt den Eiern zu entfernen, aber vielmals ist diese
Kur nicht gleich anwendbar wegen eines bestehenden Kräftever¬
falles und dann will diese Taeniolkar auch nachher unterstützt sein.
L. konnte in der Tat bei drei völlig versagenden schwersten
Anaemien mit Levico-Starkwasser (3—4—5 mal 1 Esslöffel) den
AUgemeinznstand binnen 6 Wochen so beben, dass eine Taeniol-
kur gut vertragen wurde, und in 133 Fällen Hess sich durch Le-
vicowasser nach der erfolgten Radikalkur die Anaemie schnell
lieben.
Daher möchte L. in infizierten Gewerkschaften gerade in be¬
zug der Kombination einer Taeniol- und Levicoknr folgende Thesen
beachtet wissen;
1. Durch Heranziehung der Levioowässer zur systematischen
Behandlung anaemisch gewordener Wnrmträger, besonders bei Be¬
rücksichtigung der Fälle beginnender Anaemie, dürfte es mögHch
sein, die Arbeiter auch in stark infizierten Graben bis zum Zeit¬
punkte einer radikalen Abtreibungskur dauernd arbeitsfähig
zu erhalten. Hierdurch w'äre der Termin der Radikalknr nicht
mehr von dem Befinden der Arbeiter abhängig, sondern würde
lediglich durch praktische Momente der Grubensanierung diktiert.
des hessischen Landesgewerbeverein zu Darmstadt untergebracht.
Die Organisation besorgte der Vorsitzende der Hessischen Landes-
versicherungsanstalt, Geheime Kegierungsrat Dr. Dietz, unter Mit¬
wirkung des Generalsekretärs der Berliner Auskunfts- und Für-
sorgestellen für Tuberkulöse, Dr. Kayserling, der auch an der
Einrichtung der Berliner und Karlsruher Museen lebhaft beteiligt
war. Das Roichsgesundheitsamt, das grossherzoglich hessische
Ministerium des Innern, das Reichavereicherungsamt, die Aus¬
stellung für Arbeiterwohlfahrt in der Praunhoferstrasse in Charlotten¬
burg, das Kuratorium der Berliner Ausstellung für Säuglingspflege,
der Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke, das deutsche
Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, die Berliner
Erholung.sstätten vom Roten Kreuz etc. haben dem Museum Ma¬
terialien zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Tabellen und Tafeln
geben ein Bild von der Verbreitung der Tuberkulose und den
Heilbemühungeii der Landesversicherungsanstalten, anatomische
Präparate, so die Sammlung von Sommerfeld, zeigen die Ver¬
änderungen in den Lungen und anderen Organen des Körpers,
Modelle und Bilder aus der Heubnerschen Kinderklinik der Charite,
aus dem Charlottenburger Säuglingsheim, den Berliner Kinder¬
erholungsstätten geben ein Büd von der Fürsorge gegen Tuber¬
kulose im frühesten Lebensalter. Während der Ausstellung sollen
gruppenweise Führungen unter ärztlicher Leitung und populäre
Vorträge für alle Bevölkcrungskreise veranstaltet werden.
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96
BALNEOLOGISCHB CENTRALZBITUNG
Nr. 24.
2. Arbeiter, die an sehr vorgeschrittener Ankylostoraia--
sisanaemie leiden, sind vielleicht auch ohne Arbeitstinterbrechung
bezüglich ihrer Anaemie so weit zu bessern, dass die stets etwas
drastischenKadikalkuren ohne Gefährdung dorPatienten vorgenommen
werden können,
3. K ac h erfolgter Radikalkur können die restierenden Anaemien
mit Hilfe des Levicowassers rasch und ohne Unterbrechung
der Arbeit vollkommen geheilt werden. (Goldman.)
Es dürfte demnach das Levicowasser bei ent¬
sprechender Anwendung ein nicht zu unterschätzen¬
des Unterstützungsmittel in dem Kampfe gegen die
Wurmseuche in Mitteleuropa abgeben. A. R.
A. Erlenmeyer-Bendorf. Wachsaal und Dauerbad in
der Privat-Irrenanstalt. (Psychiatrisch-Neurologische
Wochenschrift, 1905, No. 37).
Nächst der landwirtschaftlichen Beschäftigung hat die Wach-
•saal und Dauerbadbehandlung das meiste Anrecht auf allgemeine
Durchführung. Nur in Privatanstalten glaubte man noch häufig ge¬
nug, auf Widerstand aus sozialen Bedenken zu stossen. Denn es
lag zu nabe, dass die Angehörigen gerade derjenigen Kranken,
welche in eine besondere Klasse der Privatirrenanstalten kamen,
dass diese Angehörigen sich den Anspruch auf ein eigenes Zimmer
durcliaus Vorbehalten würden. Daher fing sogar auch E, zögernd
an, in den Privatabteilungen, entgegen’dem früheren Usus, melirere
Kranke zwecks einheitlicher Ueberwachung zusammenzulegen, und
doch war es schneller, als gedacht, möglich, die sozialen Bedenken
bei den Angehörigen der Kranken zu überwinden. Nun war Air
E. der Zeitpunkt gekommen, wo das strenge Einzelzimmersystem auch
in der Privatabteilung fiel, und es wurden von ihm 1904 eine
Herren- und eine Damenvilla geschaffen, die eine Kombination
aller modernen Ansprüche bedachte. Im Parterre einer jeden Villa
wurde sowohl ein Dauerbad, als auch ein Wachsaal erbaut, natür¬
lich wurde auf einige Einzelzimmer noch Bedacht genommen. Die
beiden in der Arbeit niedergelegtcn Grundriss-Skizzen zeigen deut¬
lich die feinen Details des baulichen Komforts der Anlage und
geben zugleich ein Vorbild für die Durchführung obiger Prinzipien.
A. R.
Verschiedenes.
Vom Aerzte-Verein Langen - Schwalbach werden wir um fol¬
gende Berichtigung ersucht:
„Die iu No. 22 dieser Zeitung von Herrn Dr. Ebstein-Eisenach
verfasste, das hiesige Golf-Projekt betreffende „Berichtigung“ ent¬
spricht in keiner Weise den tatsächlichen Verhältnissen. Wenn
auch die erste Anregung zu einer Golf-Gründung von einem hie¬
sigen Arzte und dessen auswärtigen Freunden aasging, so ist doch
nur ein ganz minimaler Teil des von Dr. Ebstein genannten Ka¬
pitals von den hiesigen .Aerzten und ihren dankbaren Patienten“
aufgebracht worden. Die hiesige Bürgerschaft hat sogleich bei
der ersten an sie ergangeuen Apellation dem Golfprojekt das
grö.sste Interesse entgegengebracht und sich ausserordentlich opfer¬
willig und hilfsbereit gezeigt, sodass ihr für dies Entgegenkommen
im höchsten Maße dankbare Anerkennung gebührt.
— Ueber die Errichtung eines Lehrstuhls für die
physikalischen Heilmethoden an der Universität Zürich
bat sich der Lehrkörper der genannten medicinischen Fakultät letz^
hin in bemerkenswerter Weise geäussert. Einige Zeitungen des
Kantons Zürich hatten das Professorenkollegium in heftiger Weise
beschuldigt, dass es sich dieser Frage gegenüber ablehnend ver¬
halte und dadurch eine Kundgebung des Volkswillens missachte.
Das Professoreukollegium veröffentlichte daraufhin eine akten-
mäßige Darstellung der Angelegenheit, aus der hervorgeht, dass
dasselbe bereits im Jahre 1904 sein Gutachten im eutschiedenea
Sinne für die Errichtung einer Lehrkanzel für physikalische Heil¬
methoden an die Kantonalregierung abgegeben habe, dass die Sache
seither jedoch bei dieser Stelle vollständig ruht.
Personalien.
— In Dresden ist Sanitätsrat Dr. Pierson, Besitzer und bis
im vorigen Jahre Leiter der Heilanstalt Lindenhof bei Coswig,
nach eiaer Operation im .Alter von 60 Jahren gestorben.
— Der Leiter der Wiesbadener Kuranstalt Bad Nerotal
Dr. Schubert ist, erst 48 Jahre alt, an einem Schlagaufall in
seiner Heimat in Schlesien gestorben.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneoioglechen Zentralzeltung..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur- ]
miuimum
ülittleres !
Temperatur- j
maximum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
1 Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
_
. _
_
' _
_
_
_
_
—
5.—H./9.
6,9
C.
17,3
C.
636,9
4
5
5
—
—
Driburg.
10.—16./9.
5,7
C.
16,2
C.
—
2
4
1
1
1
Eine.
9.—15./9.
9,1
C.
18,3
c.
757,9 1
1
7
—
2,0
—
Gtesshübl-Sauerbninn . .
8,5
C. 1
14,5
c.
_
3
1
3
3
—
Ilerrenalb.
8
C. '
15
c.
726
3
4
3
3
—
Kreuznach.
9
C.
19
c.
774
2
4
3
—
—
Langensohwalhach . . .
4.5
C.
17,8
c.
737,9
2
7
7
2,3
—
Lippspringe .
6
C.
16
c.
755
—
5
2
1,5
—
Frequenz 25979.
Nauheim .
3.—9./9.
i;5,6
C.
24,1
c.
751
1
3
3
2
—
Nenndorf.
14
C.
20
c.
757
o
6
3
—
—
Norderney.
_
C.
—
c.
_
_
_
—
—
—
Orb .
_
—
C.
1 _
c.
_
—
_
—
—
—
Keichenhall . . . . • .
2—8./9
i;{,9
C.
1 25.6
c.
724
1
0
IV 2
—
1
Reinerz .
9.— 15./9.
6,5
C.
! 12,8
c.
i —
4
—
7
2
—
Stebeu .
—
—
C.
0.
_
_
_
—
—
—
Triberg ..
2,—15./9.
9
C.
19,8
c.
—
1
13
2
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—
_ — -
Verantwordicher Redakteur : Dr. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von Heynemann'tche Buchdruckerci, Gebr. Wolff, Halle a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 26. 1906.
Balneologische Centralzeitung;
Org:an des Allgemeinen Deutschen Bäderverbandes, des Schwarzwaldbädertages, des
Verbandes Deutscher Nordseebäder und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Verbandsredakteur des ,AUg. D. B.-V.“:
Dr. Siebelt, Fllnsberg i. Schl.
Verlag: Carl Marhold in Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 2834.
Redakteur:
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Dr. med. et poltt. Stehr, Wiesbaden.
Der Nachdruck aas dieser Zeitschrift ist nar mit Qaellcnangabe and nach Anfrage bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Ucber dio cbemiscbe Zasamniensetzung dor Emser Mineraiquellen. Von
Dr. H. Frcsenias-Wiesbaden.
Fenilleton ; Monismas des Geistes. Von Dr. Paul Franze (Bad Nau¬
heim) (Schluss.)
Ans den BMeru and Knrorten.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
lieber die chemische Zusammensetzung
der Emser Mneralquellen.
Vortrag f. d. XIV. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen
Bäderverbandes zu Ems am 4. Okt. 1905.
Von Dr. H. Fresenins- Wiesbaden,
Geb. Regieruugsrat und Professor.
Bei einem Kurorte von Weltruf, wie Bad Ems, ist es
selbstverständlich, dass seine Quellen wiederholt und eingehend
chemiscli untersucht worden sind.
Schon ehe sich die Chemie zur Wissenschaft entwickelt
hatte, ist das Bestreben hervorgetreten, die Natur der Emser
Mineralquellen zu erforschen. Es wird uns berichtet, dass be>
reits 1700 Dr. Helfrich Jungken die damals hessischen
Quellen und 1715 Professor Dr. Peter Wolfart in Giessen
zusammen mit dem Diezer Arzte Mögen das „Kränchen“
untersucht und analysiert haben. Näheres über die Ergeb¬
nisse dieser Untersuchungen ist mir nicht bekannt geworden.
Aus dem 19. Jahrhundert besitzen wir viele chemische
Analysen von Emser Mineralquellen. Es wurden analysiert:
Vor 1832 Kränchen und Kesselbrunnen von Struve,
1838 dieselben Quellen von Kästner,
1839 dieselben (Quellen, sowie der Fürstenbrunnen von
Jung,
1851 die neue Badequelle von Stamm er.
neue
aus-
Die zahlreichsten und zuverlässigsten Analysen der Emser
Mineralquellen hat in der Zeit von 1851 bis 1878 mein ver¬
storbener Vater, Geh. Hofrat Professor Dr. R. Fresenius,
ausgeführt und veröffentlicht, und zwar hat er zweimal aus¬
führlich analysiert, in den Jahren 1851 und 1871, das Krän¬
chen, den Kesselbrunnen, den Fürstenbrunnen und die
Badequelle.
Einmal hat R. Fresenius ausführliche Analysen
geführt von folgenden Emser Mineralquellen:
König Wilhelms-Felsenquellen; da¬
mals in Privatbesitz, jetzt dem Fis¬
kus gehörend.
Römerquelle (in Privatbesitz),
SeKnnen} fiskalische Quellen.
R. Fresenius noch mehrfach weniger um¬
fassende Analysen, namentlich mancher fiskalischen Mineral¬
quellen, vorgenommen, welche sich nur auf die Hauptbestand¬
teile erstreckten und den Zweck hatten, festzustellen, inwieweit
die fiskalischen Quellen Schwankungen in ihrem Gehalte unter¬
worfen sind. Veröffentlicht wurden diese Analysen nicht.
Seit dem Tode meines Vaters im Jahre 1897 habe ich wieder¬
holt im Aufträge der Königlichen Regierung weniger umfassende
Analysen der wichtigsten fiskalischeu MiDeralquellen (Kränchen,
Kesselbrunnen, Fürstenbrunnen, Kaiserbrunnen, neue Badequelle),
der vom Fiskus, erworbenen Mineralquellen des Hospitalbades
(Hospitalbad-Kränchen, Hospitalbad-Kesselbrunnen und Hospital-
1865:
1869:
1870:
1876:
1878:
Später
Augustaquelle
Victoriaquelle
Feuilleton.
Monismus des Geistes.
Von Dr. Paul C. Franze (Bad Nauheim).
(.Schluss.)
Alle Energieformen sind ineinander verwandelbare Be¬
griffe: es gibt nur eine Urenergie, deren Bezeichnung an sich
natürlich gänzlich irrelevant ist; jedoch erlauben physikalische
Ueberlegungen die elektrischen Erscheinungen als Substratum
aller anderen anzusehen. Somit gibt es vom physikalischen
Standpunkte aus nichts als Energie elektro-magnetischer Art,
aus der also auch die Materie besteht. Materie ist eine be¬
sondere Form von Energieäusserung.
Von der ungeheuren Menge der im Innersten der Atome
aufgehäuften Energie kann man sich kaum eine Vorstellung
machen. Wind sagt, dass die in einem Gramm Wasserstoff
angesammelte Energiemenge — unter der Voraussetzung, dass
jenes ganz aus Elektronen besteht — in mechanische Arbeit
umgesetzt, genügen würde, um eines der rossen Dampfschiffe
der Holland-Amerika-Linie fünfmal seinen Weg über den Ozean
hin und zurück ausführen zu lassen (Wind: Elektronen und
Materie; Physik. Zeitschrift, Nr. 15, 1905).
Was also die dritte unserer Voraussetzungen anlangt, die
Zurückführbarkeit der Materie auf Energie, so können wir
sagen, dass wir es hier mit einer exakt au^earbeiteten und
sehr wahrscheinlichen naturwissenschaftlichen Hypothese zu tun
haben.
Es ist interessant, hier den Blick rückwärts zu wenden
und zu sehen, wie im Priuzip etwas dem Aehnliches, was jetzt auf
mathematischem Wege mit grösster Wahrscheinlichkeit nachge¬
wiesen ist, schon ein Jahrzehnt zuvor, wenn auch in anderer
Formulierung und von ganz anderer Ueberlegung ausgehend
von Ostwald angenommen wurde.
In seiner 1895 auf der Naturforscherversammlung zu Lübeck
gehaltenen Rede: „Die Qeberwindung des wissenschaftlichen
Materialismus“ verlangte Wilhelm Ostwald, Professor der
Chemie an der Universität Leipzig, anstelle der materialistischen
eine energetische Weltauffassung.
Ostwald geht von der Erfahrungstatsache aus, dass wir
die physische Welt nur an ihren Energieäusserungen wahr¬
nehmen können, da unsere Sinneswerkzeuge nur auf Energie¬
unterschiede zwischen ihnen und der Umgebung reagieren.
Materie und Energie sind nun nach ihm nicht wirklich etwas
von einander Verschiedenes, sondern das, was wir von der
Materie wissen, ist schon in dem Begriff der Energie enthalten:
„Was in dem Begriff der Materie steckt, ist erstens die Masse,
d. h. die Kapazität für Bewegungsenergie, ferner die Raum¬
erfüllung oder die Volumenergie, weiter das Gewicht oder die
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102
BAliKEOLOGISCJUfi GUNTRALZBUTÜNG
Nr. 26.
bad-Victoriaquelle), sowie der vom Fiskus erworbenen König
Wilhelms-FelsenqueÜen (Wilhelmsquelle, Victoriaquelle, Eisen¬
quelle) ausgeführt. Diese Analysen, bei welchen nur die Haupt¬
bestandteile bestimmt wurden, hatten teilweise den Zweck,
festzustellen, inwieweit die Hospitalbadquellen den alten fiskali¬
schen Quellen in ihrer Zusammensetzung ähnlich sind, teilweise
wurden sie während der von Herrn Ingenieur Scherrer mit
grosser Sachkenntnis und gutem Erfolg ausgeführten Neufass¬
ung der auf dem rechten Lahnufer befindlichen fiskalischen
Hauptquellen und der vom Fiskus neu erworbenen König
Wilnelms-Felsenquellen zu verschiedenen Zeiten vorgenommen,
um die chemische Beschaffenheit der einzelnen Mineralquellen
in verschiedenen Stadien der Fassungsarbeiten festzustellen.
Diese Analysen sind nicht veröffentlicht worden.
Nach Vollendung der Neufassung des Kränchens, des
Fürstenbrunnens, des Kaiserbrunnens und Kesselbrunnens habe
ich im Aufträge der Königlichen Regierung ausführliche chemische
Analysen, sowie physikalisch-chemische Untersuchungen der ge¬
nannten vier Quellen vorgenommen.
Nachdem nunmehr auch die Neufassung der König Wil¬
helms-Felsenquelle und der Victoriaquelle beendigt ist, hat
mich die Königliche Regierung mit der Vornahme ausführlicher
chemischer und physikalisch-chemischer Untersuchungen auch
dieser beiden Quellen beauftragt.
Die Untersuchungen dieser beiden Quellen sind zur Zeit
im Gange.
Wie Sie sehen, meine Herren, liegt über die Emser
Mineralquellen in der Tat ein ungewöhnlich reichhaltiges ana¬
lytisches Material vor, welches mir in Betreff der seit 1851
bis heute vorgenommenen Untersuchungen, auch soweit es
nicht veröffentlicht worden ist, vollständig zu Gebote steht,
weil die betreffenden Analysen sämtlich im „chemischen Labo¬
ratorium Fresenius“ ausgeführt worden sind. .
Wenn ich, gestützt auf dieses reiche Material, Ihnen einen
Vortrag über die chemische Zusammensetzung der Emser
Mineralquellen halte, dann muss ich vor allem um ihre Nach¬
sicht bitten, schon deshalb, weil ich wohl den Meisten von
Ihnen nichts Neues mitteilen kann. Viele der Analysen —
auch der neuesten — sind ja, wenigstens auszugsweise, bereits
im Druck erschienen und ausserdem habe ich über das Thema
meines heutigen Vortrages in der vor zwei Jahren den Teil¬
nehmern der dritten ärztlichen • Studienreise von der König¬
lichen Staatsregierung überreichten Festschrift „Ems“ eine Ab¬
handlung veröffentlicht.
Eine vollständige Untersuchung einer Mineralquelle im
heutigen Sinne umfasst die eigentliche chemische Analyse,
in der allgemeinen Schwere zu Tage tretende besondere Art
Lageenergie und endlich die chemischen Eigenschaften, d. h.
die chemische Energie. Es handelt sich immer nur um Energie,
und denken wir uns deren verschiedene Arten von der Materie
fort, so bleibt nichts übrig, nicht einmal der Raum, den sie
einnahm; denn auch dieser ist nur durch den Energieaufwand
kenntlich, welchen es erfordert, um in ihn einzudringen. So¬
mit ist die Materie nichts, als eine räumlich zusammengeord¬
nete Gruppe verschiedener Energien, und alles, was wir von
ihr aussagen wollen, sagen wir nur von dieser Energie aus.“
So sehen wir, dass Ostwald von ganz anderen Gesichts¬
punkten ausgehend doch zu ähnlichen allgemeinen Resul¬
taten gelangte, wie sie im Dynamismus ausgesprochen werden.
Im speziellen naturwissenschaftlichen Sinne aller¬
dings besagt die dynamistische Elektronentheorie etwas ganz
anderes als Ostwalds Energetik.
Die vierte Voraussetzung war, dass das Psychische im
analogen Verhältnisse zur Materie stehen müsse, wie die Ener¬
gie es tut.
Mit dein, was uns als Materie erscheint, ist stets Energie
in untrennbarem Zusammenhang: für die genannte Analogie
brauchen wir also den Nachweis, dass auch das Psychische ein
Attribut alles Materiellen ist. Ersteres fand seine Erklärung
in der Möglichkeit, die Materie auf Energie überhaupt zu
reduzieren; letzteres würde dann analog zur Reduzierung der
sowie von physikalischen Bestimmungen die Feststellung der
Temperatur, des spezifischen Gewichtes, der Gefrierpunkts-
emiedrigung und der elektrischen Leitfähigkeit. Ganz neuerdings
ist dann noch die Prüfung auf Radioaktivität, beziehungsweise
Emanationen dazu gekommen.
Untersuchungen auf Radioaktivität und auf Emanationen
sind bei den !^ser Quellen bisher noch nicht ausgeführt
worden, sollen aber in nächster Zeit vorgenommen werden.
Die Königbche Regierung hat mir bereits den Auftrag zur
Ausführung dieser Untersuchungen, zunächst an einer Quelle,
erteilt.
Auf die Ergebnisse meiner physikalisch-chemischen Unter¬
suchungen der fiskalischen Emser Mineralquellen gehe ich
heute nicht ein. Darüber habe ich vor zwei Jahren an dieser
Stelle den Teilnehmern der dritten ärztlichen Studienreise
einen Vortrag gehalten, der abgedruckt ist in Band ä der
Reiseberichte des Komitees zur Veranstaltung ärztlicher Studien¬
reisen, Berlin 1904, S. 131 — 142.
Heute will ich mich beschränken auf die chemische Zu¬
sammensetzung der Emser Quellen.
Wenn wir Chemiker eine Mineralquelle untersuchen, dann
stellen wir mittels der qualitativen Analyse fest, welche Be¬
standteile an Basen, sowie an Säuren und Halogenen überhaupt
vorhanden sind. Mittels der quantitativen Analyse aber be¬
stimmen wir, und zwar vorwiegend auf gewichtsanalytischem,
seltener anf maßanalytischem Wege, die in wägbarer Menge
vorhandenen Basen, Säuren und Halogene. (Als in unwäg¬
barer Menge vorhanden pflegen wir die Bestandteile zu be¬
zeichnen, welche in etwa 60 Litera des Mineralwassers wohl
noch erkannt, aber nicht mehr ihrer Quantität nach bestimmt
werden können.) (Schluss folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Abbazia. Es wird der Bau einer Zahnradbahn von Abbazia
nach Aprinao geplant, an welche sich eine Trambahn bis zum
Schutzbaus „Stephanie“ auschliesseu soll, so dass es möglich wäre,
in einer halben Stunde den Aufstieg auf den Monte Maggiore bis
zu einer Höhe von 1000 m zu machen.
Baden-Baden. Neben dem jedem Besucher Baden-Badens
bekannten schönen Aussichtspunkte, dem „Echo“, hat Dr. Heins*
heimer vor kurzem ein neues Sanatorium eröffnet, das speziell
zur Behandlung von Magen-, Darm- und Zuckerkranken bestimmt ist.
Das Heim für Tropenkranke (Bismarckstrasse), über dessen
Energie (da wir jetzt diesen Begriff statt Materie setzen können)
auf ein nur geistiges Sein oder Geschehen führen.’
Dass für unsere Erfahrung die geistigen Tätigkeiten stets
mit materiellen Bedingungen Zusammenhängen, wird wohl nie¬
mand leugnen; es ist die organisierte, lebende Materie, für die
das feststeht. Soll die Analogie aber vollständig sein, so muss
auch die anorganische Materie beseelt sein, ebenso wie sie mit
Energie behaftet ist.
Da die psychischen Qualitäten nicht aus mechanisclien
Bedingungen ableitbar sind, so muss für die restlose Erklärunjr
der organischen Natur unter allen Umständen ein weiteres
Prinzip als die blosse Mechanik eingoführt werden. Da wir
ferner den Monismus als gegeben gesetzt haben, so folgt daraus,
dass das gleiche Prinzip, das in der organischen Materie zur Er¬
klärung des Psychischen erforderlich ist, auch in der anorgani¬
schen Materie schon vorhanden sein muss: denn, wäre dies
nicht der Fall, so hätten wir einen Dualismus, den wir apn-
orislisch verworfen haben.
Mit der aprioristischen Voraussetzung des Monismus also
und dem Nachweis, dass gewisse Erscheinungen an der be¬
lobten Materie die Annahme eines psychischen Faktors ausser
dem Mechanismus erfordern, ist die Allbeseelung der Matene
gegeben; das Psychische ist dann der Materie überhaupt
immanent, ebenso wie die Energie es ist.
Nun haben wir hierin eine volle Analogie in dem Ver¬
hältnis von Geist und Energie zur Materie. Da aber bei der
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1906.
BAIiNBOLOQISGHS CUNTRAXiZSlTUlTO
103
Entstehen wir bereits berichteten, ist nunmehr eröflfnet. Die An¬
stalt steht unter der administrativen Leitung der Vorsteherin Frau
Ilma V. Blücher. Als ärztlicher Leiter fungiert der Arzt Dr.
Diesing. —
Im Sanatorium DDr, Frey-Gilbert, G. ra, b. H., trat an
Stelle von Hofrat Dr. Gilpert als weiterer Geschäftsführer der
Arzt Dr. Franz Dämmert in Baden.
Borkum. Die hiesige Badedii'ektion beabsichtigt, im kom¬
menden Winter nochmals den Versuch zu wiederholen, die Saison
und Badekur über den Herbst und Winter auszudebueu. Die
Borkumer Kleinbahnaktiengesellschaft unterhält den ganzen Winter
über eine tägliche Dampferverbindung zwischen Emden und der
Insel Borkum.
In Bad Elster sind während der letzten drei Wochen 1000
Fremde zur Anmeldung gekommen. Die Besucherzahl von Bad
Elster iät am 14. September auf 12000 zum ersten Male seit seinem
Bestehen gestiegen. — Das Sanatorium von Sanitätsrat Dr. Köhler,
verbunden mit dessen medico-mechanischem Institut, bleibt auch
im Winter geöffnet.
Franzonsbad. Das zur Erinnerung an Goethes wiederholten
Aufenthalt in Franzensbad errichtete Denkmal wurde am 9. d. M.
unter allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung und der Kurgäste
feierlich enthüllt.
Karlsbad. Am lO. d. M. wies die Kurliste den sechzig¬
tausendsten Kurgast auf. Bei der Zahl von 60000 sind nur
die angemeldeten Kurgäste gerechnet. Im Jahre 1888 hatten wir
zum ersten Male 30000 Kurgäste, so dass sich nach 18 Jahren
deren Zahl verdoppelt bat.
Lobdnstoln. Hier soll von jetzt ab auch während des Winters
das Kurhairs offen bleiben, und zwar als Sanatorium für Herz- und
Nervenkranke.
Sulzuflon. Am 15. Augu.st 1905 der 5000. Kurgast, am 15.
August 1906 der 6000. Kurgast, das ist das Ergebnis der dies¬
jährigen Saison.
Sylt. Die im Bau begriffene Verlängening der Kleinbahn
Westerland-Kampen bis nach List, der nördlichsten Spitze der
Insel, wird nach ihrer Fertigstellung für die Kurgäste Sylts inso¬
fern eine grosse Annehmlichkeit sein, als sie erst hierdurch in die
Lage versetzt sind, die grossartige Lister Dünenlaudschaft in kurz¬
fristigen Ausflügen zu erreichen. Zum Frühjahr 1907 wird die
Bahn eröffnet. Eisenbahndirektor Kuhrt-Flensburg, der die
Strecke bauen lässt, hat sich auch die Konzession zu einer Bahn
Westerland-Keitum gesichert, die gleichfalls für Ausflüge auf der
Insel eine nicht geringe Bedeutung erreichen wird.
Energie dies Verhältnis sich in einer Reduktion der Materie
überhaupt auf Energie auflöste, so ist nun analog beim Geiste
das Entsprechende anzunehmen. Das heisst, indem wir eben
für Materie Energie sagen: Energie lässt sich auf eine psychi¬
sche Qualität zurückfüiren und ist durch eine solche voll¬
kommen bestimmt,' gerade so, wie die Materie durch energe¬
tische Qualitäten ausreichend bestimmt ist.
Hiermit ist der Monismus des Geistes als Weltanschauung
aus dem Dynamismus der Physik abgeleitet.
Schliesslich möchte ich nicht unterlassen, den gezogenen
Analogieschluss noch durch den Hinweis auf die allgemeine
Geltung von Analogien in der Natur überhaupt zu bekräftigen.
Je mehr von der Natur durch die wissenschaftliche Forschung
offenbart wird, desto weitgehender scheint das Prinzip der
Analogie den Aufbau der Gesamtheit der Dinge zu beherrschen.
Kant benutzt ohne weitere Begründung in seiner „Allgemeinen
Naturgeschichte und Theorie des Himmels“ den Analogieschluss
und anerkennt seine Berechtigung ausdrücklich, indem er sagt,
die Analogie müsse uns allemal in solchen Fällen leiten, wo
dem Verstände der Faden der untrüglichen Beweise mangele.
Nur auf einige Hauptmomente der Analogie alles Existierenden
kann ich hier kurz hinweisen.
Zunächst beherrscht nach unserer jetzigen Anschauung das
Prinzip der Entwicklung das Anorganische ebenso wie das Organi¬
sche; denn nach derKant-Laplaceschen Theorie sind einerseits
die Himmelskörper vom Einfachen und Gleichartigen anfangend
B&d Orb. Im Institut Fresenius zu Wiesbaden ist die
neue Analyse der Martinus-Quelle nunmehr fertiggestellt worden.
Das Ergebnis der jetzt fertig vorliegenden Untersuchung bestätigt
die Hoffnungen, welche man auf Grund früherer Feststellungen
und der günstigen Einwirkung des Wassers auf die verschiedensten
krankhaften Zustände hegen konnte. Das Wasser der Mai'tinus-
Quelle hatte sich in den letzten Jahren in Aerztekreisen einer
durchaus günstigen Aufnahme zu erfreuen.
Die Summe der festen Bestandteile beträgt 1,3 pro Hundert.
Will man die Quelle charakterisieren, so wird man sie als eine
eisenhaltige sulfatische Kochsalzquelle bezeichnen. Sie zeichnet
sich durch einen sehr starken Gehalt an Litbion aus und rangiert
nach der stärksten Lithion-Trinkquelle Türkheim, während sie die
übrigen lithionbaltigen Quellen mit 0,029 Chlorlithium übertrifft.
Hervorzuheben ist auch der Gehalt an Brom und Jod; auch die
kohleusauren Verbindungen des Kalkes und der Magnesia zeichnen
die Quelle vorteilhaft aus. Nicht uuerwähnt darf auch der Gehalt
an saurem arsensauren Kalk und phosphorsaurem Kalk bleiben,
Substanzen, welche natürlich nur in geringen Gewiebtsmengen
in der Quelle enthalten sind, für die arzneiliche Wirkung aber
eine wesentliche Rolle spielen. Ausserordentlich gross ist auch
der Gehalt an freier Kohlensäure, wie ihn kein Wasser, welches
mineralische Bestandteile in gleicher Zusammensetzung aufweist, in
höherem Maße haben kann.
Die Zusammensetzung der Quelle erklärt die günstige Wirkung,
welche eine Trinkkur bei gichtischen und chronisch-rheumatischen
Zuständen äussert, desgleichen die vorteilhafte Einwirkung bei
chronischen Magen- und Darmstörungen, bei Leber-, Stein- und
Griesletden. Die Quelle wird mit ihrer lösenden, mild abführenden
und harntreibenden Wirkung dem Arzte ein schätzenswertes Heil¬
mittel in Zukunft sein.
Die diesjährige Frequenz des Bades betrug bis 7. d. M. 4502
Kurgäste.
Bad Wildlingen. Ein Zeichen des Aufschwunges, den unser
Bad genommen, ist das Eintreffen des 10 000. Kurgastes (Colonel
Maberly, London). Ein gros.ses Fest-Konzert mit nachfolgendem
Festballe, Illumination der Kuranlagen sowie Ueberreichung eines
wertvollen Pracht-Albums mit Ansichten von Wildlingen, sind die
äusseren Zeichen der Feier dieses freudigen Ereignisses.
Rechtsprechung.
Die fingierten Raubanfötle in Bad Elster. In frivoler
Weise waren, wie seinerzeit berichtet wurde, vor einigen Monaten
und zum Komplizierten und Vielfältigen fortschreitend allmäh¬
lich entstanden, und ebenso haben sich andererseits die Lebe¬
wesen nach der Deszendenztheorie aus einfachen Urformen
allmählich entwickelt
Das Prinzip der Anziehung zwischen ungleichnamigen und
der Abstossung zwischen gleichnamigen Qualitäten hält das
Weltall zusammen, wie es bei dem Organisierten die Art er¬
hält. Ungleichnamige Elektrizitäten und Magnetismen ziehen
sich an, gleichnamige stossen sich ab, und analog ist in psy¬
chischer Hinsicht das Verhalten der Geschlechter.
Innerhalb der eigenen Gebiete des Organischen und An¬
organischen für sich sind die Analogien vollends herrschend.
Das Schliessen per analogiam, um in der Natur aus Be¬
kanntem Unbekanntes zu folgern, scheint also auch nach
allgemeinen Gesichtspunkten das richtige regulative Prinzip zu
sein. Ich habe es hier benutzt, um einer der ohnehin plau¬
sibelsten Weltanschauungen, die zugleich die idealste ist, dem
Monismus des Geistes, d. h. die Deutung der Gesamtheit
der Dinge aus ihrem geistigen Inhalt, von neuem eine Stütze
zu geben, und um diese Auffassung der Wirklichkeit als die
unserer wissenschaftlichen Einsicht angemessenste nachzuweisen.
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104
BALNBOLOGISCHE CENTRALZKITÜNG
Nr. 26.
Einwohnerschaft und Badegäste von Bad Elster von zwei zur Kur
dort weilenden Damen in lebhafte Aufregung versetzt worden.
Die Dresdener Konzertsängerin Ida Edelmann und deren Mutter
sprachen eines Tages, als sie sich unweit Bad Elster auf einer
Chaussee befanden, einen Kutscher an. Sie baten den Mann, sie
mit nach Bad Elster zurückzunehmen, da sie vor Schreck nicht
weiter könnten. Ein Strolch habe sie soeben angehalten und miss¬
handelt. Der Fremde habe es zweifellos auf Raub abgesehen ge¬
habt. Natürlich nahm der Kutscher sich der Damen an. Diese
empfahlen sich in Bad Elster, ohne ihre Namen zu nennen. Der
Kutscher meldete den Vorfall sofort bei der Polizei und diese
setzte gleich alle Hebel in Bewegung, um sowohl den angeblichen
,Räuber“ wie auch die Ueberfallenen festzustellen. Diese konnten
denn auch umgehend ermittelt werden, nicht aber der „Räuber“,
denn die beiden Damen gestanden nach längerem Verhör ein, sie
hätten die ganze Raubgeschichte erfunden, um sich an Bad Elster
zu rächen. Da der Raubanfall von vielen Blättern gemeldet worden
war, hatte die Sache für den Badeort tatsächlich eine unangenehme
Seite. Die beiden sonderbaren Kurgäste miissten den Ort sofort
verlassen. Mit dem Ausweisen war die Sache für die Dresdener
Konzertsängerin und ihre Mutter jedoch nicht erledigt. Sie hatten
sich kürzlich in Adorf (Voigtland) wegen groben Unfugs vor dem
Schöffengericht zu verantworten. Dieses verurteilte sie zu 25 M.
Geldstrafe oder 5 Tagen Haft.
Vereine und Kongresse.
Der deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Ge¬
tränke hält am 2. bis 4. Oktober in Karlsruhe seine 23. Jahres¬
versammlung ab. In der öffentlichen Versammlung wird referiert
über „Alkohol und Volksemährung“ von Dr. med. et polit. S tehr-
Wiesbaden und über „Alkohol und Kolonien“ von J. K. Vietor-
Bremen. — Während der Tagung des Kongresses im Ständehans wird
eine Ausstellung zur Bekämpfung des Alkoholismus unter Leitung
von Dr. Eggers-Bremen und Dr. Fu c b s- Karlsruhe veranstaltet
werden. Den Vorsitz des Gesamtverbandes hat Seoatspräsident
Dr. von Strauss und Torney,
FQr den XIV. Internationalen Kongress für Hygiene und
Demographie vom 23. bis 29. September 1907 in Berlin hat das
Organisationskomitee folgende Präsidenten und Sekretäre der ein*
zelnen Sektionen gewählt: Sektion I: Hygienische Mikrobiologie
und Parasitologie. Präsident: Prof. Dr. F1 ü g g e - Breslau. Se¬
kretär; Regierungsrat Dr. Weber, Oross-Lichterfelde-West.
Sektion II: Emährungshygiene und hygienische Physiologie. Prä¬
sident: Prof. Dr. Rubner, Berlin, Sekretär: Dr. Kisskalt,
Privatdozent, Berlin. Sektion III: Hygiene des Kindesalters und
der Schule. Präsident: Prof. Dr. Heubner, Berlin. Sekretär:
Dr. Leo Langstein, Berlin. Sektion IV: Berufshygiene und
Fürsorge für die arbeitenden Klassen. Präsident: Geh. Rat Dr.
Renk, Dresden. Sekretär: Dr.A. Kayserling, Berlin. SektionV:
Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten und Fürsorge für
Kranke. Präsident: Geheirarat Dr. Gaffky, Berlin. Sekretär:
Dr. Lenz, Charlottenburg. Sektion VIA: Wohnungshygiene und
Hygiene der Ortschaften und der Gewässer. Präsident: Prof.Dr.
Gruber, München. Sekretär: Dr.R. Lennhoff, Berlin. BrHygiene
des Verkehrswesens. Präsident: Geheimrat Dr. Schwächten,
Berlin. Sekretär: Dr. Ramm, Charlottenburg-Westend. SektionVII:
Militärhygiene, Kolonial- und Schififshygiene. Präsident: Prof. Dr.
Rom, Berlin. Sekretär: Dr.Kuhn,Gross-Lichterfelde. SektionVIII:
Demographie. Präsident: Dr. von der Borght, Berlin. Sekretär:
Regierungsrat Dr. Leo, Berlin-Dahlem.
Personalien.
— Medizinalrat Dr. Wagner, Vorsitzender des thüringischen
Bäderverbandes und Ehrenbürger von Salzungen, ist am 17. v. M.
gestorben.
— Dem Sanitätsrat Dr. B e c h l e r in Bad Elster, der die
beiden kleinen Prinzessinnen während der Kur in Behandlung hatte,
ist vom König von Sachsen der Albrechtsorden I. Klasse mit der
Krone verliehen worden. i
— Dr. Dahms, früher Kurhausbesitzer in Blankenburg a. H., j
hut die ärztliche Leitung des Sanatoriums Bad Grüna i. S. über¬
nommen.
- Hofrat Turban in Davos ist vom Grossherzog von Baden
zum Geheimen Hofrat ernannt und vom Prinzregenten von Bayern
durch die Verleihung des St. Michaelsordens II. Klasse ausgezeichnet
worden.
— Medizinalrat Dr. Neumann in Baden-Baden wurde zum
Geheimen Medizinalrat, und Dr. Obkirch er in Baden-Baden znm
Geheimen Hofrat ernannt.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balnoologleohen Zantralzeitnug..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur-
S
ö
a
s
Mittleres
Temperatur-
!
3
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
23.—29./9
9,7
16,9
767,6
_
6
1
2
_
Davos.
15.—21./9.
1,9
c.
7,8
C.
634,8
4
5
4
_
—
Driburg ..
17.—23./9.
7,7
c.
13
c.
—
6
1
—
1
—
Ems.
23.—29./9.
6
c.
13,9
c.
765,9
2
6
—
2,2
—
Oiesshübl-Sauerbrunn . .
4,7
5
c.
11,2
0.
—
3
1
3
0,4
—
Herrenalb.
0.
14
c.
733
2
41/2
2‘/2
3
1
Kreuznach ......
5
c.
14
c.
784
—
3
3
_
_
Laogenschwalbach , . .
1,9
c.
12,7
c.
745,8
—
7
7
2
—
Lippspringe .
4
c.
11
c.
762,5
1
4
2
1
—
Frequenz 6480.
Nauheim .
c.
15,5
c.
759,7
—
3
3
2
_
, 27192.
Nenudorf .
7
c.
13,5
c.
768
1
6
2
_
Norderney .
16.—22./9.
10,8
c.
16
c.
764,2
4
6
7
4
—
Reiohenhall . , . . •
23.—29./9.
4,8
c.
11,4
c.
729,3
3V4
4
5
_
_
Reinerz .......
3,9
c.
8,3
c.
_
2
1
7
2
_
Am 25, u. 26 . Schnee.
Salzbrunn .
15.—22./9.
7
c.
15,2
c.
724,2
6
3
4
1,4
_
Frequenz 8230.
Stehen .
16 — 22./9.
6
c.
14,4
c.
712,5
6
_
1
4—5
_
Frequenz 1781.
Trilterg ......
16.—29./9.
3,4
c.
9,75
c.
4
10
2
—
1
Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin, — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck «OB Heyuemann'tche Bochdruckerei. Gebr, Wolff, Hall« a. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 27. 1906,
Balneolosische Centralzeitung
Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Redakteur:
Dr. raed. et polit. Stehr, Wiesbaden.
Verlag; Carl Marhold ln Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Halleaaale. Fernsprecher 823
Der Naehdrock aus dieser Zeitschrift ist
nur mit Qncllenangabe nnd nach Anfrage
bei der Redaktion gestattet
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Inh
Teber die chemische ZosammensetzuDg der Emser Mineralqaeilea. Von Dr.
H. Fresenias-Wieebadeo. (Fortsetzung.)
Ailgememe Hietbedingungen für die thüringer Kurorte.
FeaUletoa : Von schlesischen BSdem.
Marieobad in der Saison 1905. Von a. 0. Professor Dr. E. Heinrich Kisch
alt.
Ans den Bädern nnd Kurorten.
Tersehiedeues.
Personalien.
Meteorologisehe Statistik.
lieber die chemische Zusammensetzung
der Emser Mineralquellen.
Vortrag f. d. XTV. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen
Bäderverbandes zu Ems am 4. Okt. 1905.
Von Dr. H. Fresenius- Wiesbaden,
Qeb. R^ieruugsrat und Professor.
(Fortsetznog.)
Auf die AnsfQhrung der analytischen Arbeiten, au! die
Technik der chemischen Analyse, gehe ich hier nicht ein, aber
ich muss hervorheben, dass wir die durch die (qualitative Ana¬
lyse ermittelten Basen, Säuren und Halogene m Form genau
bekannter Verbindungen zur Wägung oder maßanalytischen
Bestimmung bringen. Aus diesen gewogenen oder maßanaly¬
tisch ermittelten Verbindungen berechnen wir dann die so¬
genannten Originalzahlen für die Basen, Säuren und Halogene.
Diese Originalzahlen sind das Bleibende und Wertvolle
der Mineralwasseranalysen. Sie würden auch für den Chemiker
genügen. Sie geben aber nicht sofort ein anschauliches Bild
von der Zusammensetzang des Mineralwassers, dessen doch
vor allem die Aerzte bedürfen.
Um diesen Zweck zu erreichen, hat man stets Zusammen¬
stellungen der Resultate gegeben, aber naturgemäß in ver¬
schiedener Form, dem jeweingen Stand der Wissenschaft ent¬
sprechend.
Die Sache hat bekanntlich ihre besonderen Schwierig¬
keiten, welche darin begründet sind, dass die Mineralwasser-
Salzlösungen von sehr komplizierter Zusammensetzung sind.
Zuerst hat man, um übersichtliche, ein Gesamtbild ge¬
währende und Vergleichung ermöglichende Darstellungen zu
geben, aus den Basen einerseits und den Säuren und Halo¬
genen andererseits Salze berechnet und diese tabellarisch zu¬
sammengestellt.
In der ersten Zeit der wissenschaftlichen Mineralwasser¬
analyse hat man angegeben, wieviel Gran der einzelnen Salze
in einem Pfund (gleiwi 7680 Gran) des Mineralwasser ent¬
halten sind. Diese Darstellungsweise ist heute gänzlich ver¬
altet und schon seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts all¬
mählich verdrängt worden durch Zusammenstellungen, die
angeben, wieviel Teile der einzelnen Salze in 1000 Teilen
Mineralwasser enthalten sind.
Die Bindung der Basen an Säuren, beziehungsweise der
Metalle an die Halogene, zu Salzen, wurde na(m gewissen
Prinzipien vorgenommen, die sich auf die chemische Verwandt¬
schaft und die Löslichkeitsverhältnisse gründen.
Da diese Prinzipien nun nicht zu allen Zeiten gleich waren
und nicht von allen Chemikern gleich angenommen wurden,
so ergab sich naturgemäß eine gewisse Verschiedenheit der
Darstellungen.
Um diese auszusehalten, hat man schon im letzten Viertel
des vorigen Jahrhunderts mehrfach von der Berechnung auf
Salze ganz abgesehen und sich mit der Zusammenstellung der
Feuilleton.
Von schlesischen Bädeni.
Unter dieser üeberschrift veröffentlicht die „Schlesische
Zeitung“ eine Reihe von Zuschriften, in denen Kurgäste und
andere Freunde der schlesischen Bäder über die starke Ueber-
flutung letzterer durch russisch-polnische Elemente nicht wenig
angenehmer Art Klage führen. Es heisst u. a. in dem Artikel:
„Die meisten scmesischen Bäder, insbesondere die der Graf¬
schaft Glatz und Salzbrunn, waren und sind noch in diesem
Jahre von Russen, zumal aus Polen, förmlich überflutet. In
Landeck stieg die auch sonst nicht unbedeutende Anzahl russi¬
scher, bezw. polnischer Badegäste bis Ende August über 1400,
das sind etwa 20 Prozent der Gesamtziffer, in Kudowa erreichte
der Prozentsatz zeitweise 30 und auch in Reinerz, Langenau,
Salzbrunn, sowie auch in den meisten anderen Kurorten waren
bedeutend mehr russische Untertanen als je zuvor.
Die Namen der schlesischen Bäder erfreuen sich seit langer
Zeit auch jenseits der russischen Grenze eines guten Rufes; es
lag also nahe, dass unter dem Drucke der Verhältnisse diese
Orte besonders, nicht nur aus Gesundheitsrücksichten, sondern
auch als Zufluchts- und Erholungsstätten ausersehen wurden.
Wer dies tat und die Kurtaxe entrichtete, liess auch im allge¬
meinen die Gelegenheit, von Brunnen und Bädern Gebrauch
zu machen, nicht vorübergehen, und so wurden die Flüchtlinge
Kurgäste. Die Badeverwaltungen hatten ihrerseits natürlich
keinen Anlass, diesen aussordentlichen Gästen ungastlich zu be¬
gegnen, soweit sich diese den üblichen Voraussetzungen gemäss
verhalten und durch den Pass legitimieren. Die Gewährung
des Gastrechts hat allerdings ihre Grenzen — räumlich und formell.
Was die formellen Beschränkungen für ausländische Kur¬
gäste betrifft, so kommen hier nur solche gegenüber den unter¬
sten Kulturstufen russischer und polnischer Staatsangehöriger
in Betracht, und zwar zunächst das sogenannte Kaftanverbot
für polnische Juden. Diese Maßnahme besteht schon seit
Jahren für Bad Reinerz; Kudowa hat sich dem Beispiele zu¬
nächst angeschlossen und die meisten übrigen Bäderverwaltuugen
haben sich, gedrängt durch die diesjährigen Erfahrungen, be¬
wogen gefunden, die gleichen Maßregeln zu ergreifen. Noch
wichtiger als das Kaftanverbot, welches sich übrigens, wenig¬
stens in Reinerz, nicht nur auf den Kaftan, sondern überhaupt
auf die Anpassung der Kaftanträger und ihrer Angehörigen an
zivilisierte Gewohnheiten bezieht, erweist sich die Ablehnung
der „Schnorrer“, d. h. solcher polnischer Juden, die tatsächlich
oder angeblich nicht die Mittel besitzen, um Taxe und Kosten
der Kur zu bezahlen. Auch hierin ist die Badeverwaltung von
Reinerz unter Leitung ihres ausgezeichneten Bürgermeisters
Dengler mit gutem Beispiele vorangegangen.
Für die unabweisbare Notwendigkeit dieser Beschränkungen
polnisch-jüdischer Invasion hat dieses Jahr vielfach und reich¬
lich Beweise erbracht. In allen Badeorten, abgesehen von Alt¬
heide, das bisher anscheinend nur in gebildeteren Kreisen Polens
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106
BAXiNBOLOGISCHE (XENTRAXiZSITUNG
Nr. 27.
gefondenen Basen, bezielmn^weise Metalle, einerseits, sowie
der Säuren und Halogene andererseits begnüg. Meines Wissens
bat dies zuerst C. von Tban vorgeschlagen und bei der Dar¬
stellung seiner Mineralwasseranalysen durchgefiihrt.
' AUgemein üblich aber wurde diese Darstellungsweise nicht,
es verblieb vielmehr bei der inzwischen ziemlich fest einge¬
bürgerten Berechnung auf Salze.
Eine entscheidende Wendung trat erst ein, als die An¬
schauungen über die Natur der wässerigen Salzlösungen durch
die Ergebnisse der neueren physikalisch-chemischen Forsch¬
ungen eine durchgreifende Umwandlung erfuhren.
Während man bis dahin annahm, dass die Moleküle der
einzelnen Salze als solche in den wässerigen Lösungen vor¬
handen seien, ist man jetzt zu der zuerst von Arrnenius
klar ausgesprochenen Ansicht gelangt, dass die Salze in den
wässerigen Lösungen nur zum geringsten Teil in Form unge¬
spaltener Moleküle vorhanden, zum überwiegenden Teil aber
dissoziiert sind, und zwar gespalten in Ionen. Diese Ionen
sind bei den Haloidsalzen nicht einfach die Atome der be¬
treffenden Metalle und Halogene, bei den komplizierter zu¬
sammengesetzten Salzen nicht einfach die Atome der Metalle
und Atomgruppen der Säurereste, sondern man nimmt an,
dass sie elektnsch geladene Atome und Atomgruppen sind.
Man unterscheidet mit positiver Elektrizität geladene Kationen
und mit negativer Elektrizität geladene Anionen.
Seit Annahme der Arrheniusschen Lehre von der Natur
der Salzlösungen pflegt man deshalb die Darstellung der
Mineralwasseranalysen in zweierlei Art zu geben. Man gibt
erstens eine Zusammenstellung, in welcher die berechneten
Salze aufgefUhrt sind, zweitens eine Zusammenstellung der
Ionen, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Dissoziie-
rung der Salze eine vollständige sei, was ja in Wirklichkeit
nicht der Fall ist. _ (Schluss folgt.)
Allgemeine Mietbedingungen fUr die thüringer Kurorte.
Beilage zu dem in Nr. 25 abgedruckten Vortrage.
1. Für den vereinbarten Mietpreis hat der Mieter ausser auf
die ausschliessliche Benutzung der gemieteten Räume einschliess¬
lich des Mobiliars und auf die Mitbenutzung der für die Hausbe¬
wohner bestimmten gemeinschaftlichen Räume und Einrichtungen
Anspruch auf Beleuchtung des Hausflurs und der Treppen und
Vorhaltung von Bettwäsche und Handtüchern.
Ist Pension vereinbart, so versteht sich diese für vorstehende
Leistung und Gewährung von Frühstück, Mittag- und Abendessen.
und Galiziens bekannt ist, hat es nicht an Missstimmungen und
Beschwerden über die ohne oder mit Nationaltracht geduldeten
polnischen Juden gefehlt. Man brauchte nicht erst die Bäder
selbst zu besuchen, um das zu begreifen. Schon eine Bahn¬
fahrt auf den Bäderstrecken bot dazu hinreichend Gelegenheit.
Ueberall sah und hörte man auf den Bahnhöfen, sowie in der
3. und 4. Klasse polnische Juden, und wer sich nicht durch
die üblichen Defekte oder die Unsauberkeit solcher Reisege¬
fährten in seiner Freude an den Schönheiten der Natur stören
Hess, der konnte doch nicht ohne Unbehagen Zusehen, wie die
selten bescheidenen, aber meist recht zudringlichen fremdlän¬
dischen Reisegefährten die Abfälle ihrer Nahrungs- und Ge¬
nussmittel auf und unter den Sitzplätzen verschwinden Hessen,
ohne an ihre Entfernung beim Ende der Fahrt zu denken. In
den Kuranlagen oder bei geselligen Veranstaltungen sind solche
Boobaclitungen natürlich noch weniger geeignet, das Behagen
empfindsamer, feinfühlender Naturen zu erhöhen. So fehlte es
denn, wie g(!sagt, nicht an Verstimmungen und Beschwerden
über solche Badegäste; zu ernsteren Konflikten, von denen
mehrfach Gerüchte im Umlauf waren, scheint es jedoch des¬
halb in keinem der genannten Bäder gekommen zu sein. Ge¬
wisse Schwierigkeiten entstanden zeitweise in Badeeinrichtiingen,
die ungeheuer stark in Anspruch genommen w’aren, so dass
nicht selten bis in den Nachmittag hinein gebadet wurde. Be¬
sonders Moorbäder, eine Spezialität der polnischen Juden,
waren ausserordentlich begehrt. Viele Badegäste weigerten
sich, nach den unbeliebten Hurgenossen zu baden.“
Beleucbtnug und Heizung der Zimmer ist nach Uebereinkunft
zu vergüten.
2. Die Zeit der Beleuchtung des Hausflurs und der Treppen
richtet sich nach den ortspolizeilichen Vorschriften. In Ermangelung
solcher besteht Anspruch auf die Beleuchtung von Eintritt der
Dunkelheit an bis 10 Uhr.
3. Die Bettwäsche wird bei längerem Aufenthalt des Mieters
alle 14 Tage gewechselt. Wird häufigerer Wechsel beansprucht,
so ist die Vergütung dafür besondere zu vereinbaren. Ebenso ist
für jedes über die ursprünglich vereinbarte Zahl hinaus verlangte
Bett die Vergütung besonders festzusetzen.
Handtücher werden für die Woche und die Person zwei ge¬
währt. Werden mehr beansprucht, so ist die Vergütung dafür
besonders festzusetzen.
4. Für Bettenmachen, Aufräumen und Reinigen des Zimmers
und Beitragen des Trink- und Waschwassers ist der Betrag von
1 Mark für die Woche und die Person zu entrichten.
Das Reinigen der Kleider und des Schuhwerks ist der damit
betrauten Person angemessen zu vergüten.
Für die Vergütung aller sonstigen Leistungen z. B. Waschen,
Plätten, Vorhaltung von warmen Wasser, Wasser zum Kochen und
Baden gelten die getroffenen besonderen Vereinbarungen.
5. Ist das Mietverhältnis tageweise auf unbestimmte Zeit ein-
gegangen, so kann es von jedem Teil an jedem Miettag (vergl.
Z. 8) für den folgenden Tag gekündigt werden.
6 . Bei wochenweise auf unbestimmte Zeit abgeschlossener
Miete muss eine Kündigung mindestens 3 Tage vor Ablauf der
Mietwoche erfolgen.
7. Ist auf bestimmte Zeit gemietet, so endet das Mietve^
hältnis ohne weiteres mit Ablauf der bestimmten Zeit. Eine ein¬
seitige Erhöhung des Mietpreises innerhalb der Mietzeit ist selbst¬
verständlich ausgeschlossen.
8 . DerMiettag wird V. Mittag 12 Uhr bis Mittag 12 Uhr gerechnet.
9. Die Räumung der gemieteten Wohnung muss pünktlich mit
Ablauf des Miettages erfolgen, mit dem das Mietverhältnis endigt.
Nichteinhaltung dieser Vorschrift verpflichtet zum Ersatz des dem
Vermieter entstehenden Schadens, mindestens aber zur Eutrichtimg
der vollen Miete für den neuen Miettag.
10. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Gestattung der
Aftervermietung.
11. Der Mieter haftet für Beschädigungen, die auf ihn oder
eine zu seinem Haushalt gehörige, oder von ihm in die Mietwohnung
aufgenommene Person zurückzuführen sind, auch wenn ein Ver¬
schulden nicht vorliegt.
Die Schwierigkeiten, die den schlesischen Badem aus dem
Besuche der geschilderten Gäste erwachsen, sind allbokannt
und mit Recht treten die Verwaltungen dagegen auf, denn es
ist nicht zu verlangen, dass, wenn diese polnischen Herren sich
gebadet haben, andere Leute mit westlicher Kultur vertrauens¬
voll in dieselben Wannen steigen. Von Antisemitismus kann
hierbei keine Rede sein, sondern nur von Achtsamkeit auf die
hygienischen Maßregeln, die jeder Kurort im Interesse seiner
Gäste, wie seinem eigenen, scharf zu beobachten hat. Es gehört
doch keinesfalls zu einem religiösen Gebrauche, so schmutzig
zu sein, wie es diese galizisch polnische Gesellschaft meist ist.
Wir wissen von einem schlesischen Kurdirektor, dass in einem
Stübchen, das kaum für eine Person Platz bietet, vier solcher
Leute gewohnt haben. Dagegen einzutreten ist einfach Pflicht.
Dass diese Herrschaften die Vergünstigung des Haustrunks,
der den Gästen in Flaschen neben dem Quellgebraucli gewährt
wird, vielfach dazu benutzen, um sich 20 bis 30 Flaschen ue-
orlaubt mitzunehmen, soll nur nebenbei bemerkt werden, ün-
seres Eraclitens haben die Kurgäste, die den polnisch-galizischen
Sitten der Unsauborkeit nicht huldigen, ein volles Recht da¬
rauf, von der Direktion zu verlangen, dass diese Sorte von un¬
liebsamen Gästen keine Störung des Betriebes, keinen Widerwillen
gegen den Gebrauch der Bäder und Trinkkuren hervorruft und
sie sich den hygienischen Vorschriften, die in Kurorten strenger
als sonst bei dem Zusammenfluss grosser Menschenmengen m
kurzer Zeit beobachtet werden müssen, auch strikte fügt'
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1906.
BALNKOLOQISCHB CBNTRALZBITUKG
107
12. Die Miete ist, wenn das Mietverhältnis über eine Woche
dauert, wöchentlich za entrichten. Desgleichen sind am Ende
jeder Mtetwoohe die im Laufe derselben entstandenen sonstigen
Ansprüche des Vermieters zu befriedigen. Der Mieter kann ver>
langen , dass ihm am Ende einer jeden Mietwoche eine Rechnung
über die sämtlichen Forderungen des Vermieters ausgehändigt wird.
13. Petroleum* oder Spirituskocher dürfen nur mit Genehmigung
des Vermieters in der Mietwohnung benutzt werden.
14. Gibt ein Mieter die Wohnung vor Beendigung der Miet¬
zeit auf, so hat er alsbald die voUe Miete für den Rest der Miet¬
zeit zu entrichten. Wird die Wohnung vor Ablauf dieser Zeit
anderweit vermietet, so muss ihm der Vermieter den erzielten
Mieterlös bis zur Höhe des gezahlten Betrages abgewähren.
15. Zar sofortigen Aufhebung des Mietverhältnisses ist der
Vermieter berechtigt:
a) wenn der Mieter die gemieteten Räume nicht bei Beginn der
Mietzeit bezieht,
b) wenn der Mieter einen eiligen Betrag trotz Mahnung nicht
bezahlt,
c) wenn der Mieter von den gemieteten Gegenständen einen
vertragswidrigen Gebrauch macht oder die Mitbewohner des
Hauses oder die Nachbarschaft durch Lärm oder sonstwie
belästigt,
d) wenn der Mieter oder eine zu seinem Haushalt gehörige oder
von ihm in die Mietwohnung aufgenommene Person von einer
ansteckenden Krankheit befallen wird.
16. Der Mieter ist zur sofortigen Aufhebung des Mietver¬
hältnisses berechtigt:
a) wenn ihm die gemieteten Räume nicht pünktlich übergeben
werden,
b) wenn in dem Hause, in dem sich die Mietwohnung befindet,
eine ansteckende Krankheit ausbricht,
c) wenn im Laufe der Miete au der Mietwohnung ein Fehler
entsteht, der ihre Tauglichkeit zu dem verbranchsmässigen
Gebrauche aufhebt, und der Fehler nicht sofort beseitigt wird.
17. Stirbt der Mieter oder eine zu seinem Haushalt gehörige
oder von ihm in die Mietwohnung aufgenommene Person in dieser,
so ist dem Vermieter mit Rücksicht auf die ihm dadurch in der
Regel entstehenden Aufwendungen und Nachteile ein, im Streitfälle
gemäss Ziffer 19, nach billigem Ermessen festzusetzendes Ersatz¬
geld zu gewähren.
18. Dem Vermieter steht wegen seiner Forderungen aus dem
Mietverhältuis das gesetzliche Pfandrecht an den eingebrachten
Sachen des Mieters zu.
Marienbad in der Saison 1905.
Von a. ö. Professor Dr. E. Heinrich Kisch in Prag-Marienbad.
Auch die verflossene Saison Marienbads muss in Anbe¬
tracht der zunehmenden Fre(juenz als eine günstige bezeichnet
werden. Das Plus beträgt im Vergleiche zum Vorjahre 682
Parteien und 1381 Personen. Es waren im Sommer 1905 im
Ganzen 17 782 Parteien mit 27871 Personen anwesend, den
Touristen und Passanten, welche weniger als 8 Tage im Kur¬
orte weilten, nicht eingerechnet.
Von den Kurgästen entfallen der Nationalität nach auf
Oesterreich 4894 Parteien mit 7577 Personen, auf Ungarn
1687 Parteien mit 2 624 Personen, auf Bosnien und Herzego¬
wina 22 Parteien mit 26 Personen, demnach auf die Gesamt¬
monarchie 6603 Parteien mit 10227 Personen. Aus Böhmen
waren 1353 Parteien mit 2 062 Personen, aus Wien 1742
Parteien mit 2893 Personen. Das Deutsche Reich stellte
ein grösseres Kontingent an Kurgästen und zwar 7 534 Parteien
mit 11357 Personen. Darunter aus Preussen 4889 Parteien
mit 7 378 Personen, aus Bayern 505 Parteien mit 770 Personen,
aus Sachsen 1208 Parteien mit 1841 Personen, aus Württem-
berg 182 Parteien mit 271 Personen, aus Grossberzogtum
Baden 111 Parteien mit 148 Personen, aus Mecklenburg
32 Parteien mit 51 Personen, aus dem Grossherzogtume Sachsen-
Weimar 21 Parteien mit 31 Personen, aus Hamburg 317
Parteien mit 481 Personen, aus Bremen 38 Parteien mit 49
Personen, aus den sächsischen Herzogtümern 123 Parteien
Zur Abwendung der Geltendmachung dieses Pfandrechts kann
der strittige Betrag vom Mieter bei der Kurverwaltung oder beim
Stadtrat hinterlegt werden.
19. Streitigkeiten aas Anlass des Mietverhältnisses entscheidet
die Kurverwaltung vorbehaltlich des gegen deren Entscheidung
offen stehenden Rechtsweges. (Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
In Borkum beabsichtigt die Badedirektion im kommenden
Winter nochmals den Versuch zu wiederholen, die Saison und
Badekur über den Herbst und Winter auszudehnen. DieBorkumer
Kleinbahnaktiengesellschaft unterhält den ganzen Winter über eine
tägliche Dampferverbindung zwischen Emden und der Insel Borkum.
Ems. Die Anerkennimg für die in den letzten Jahren mit
grossen Anwendungen vorgenommene Ausgestaltung der Kurein-
richtungen äussert sich am glänzendsten in der bedeutenden Zu¬
nahme der Frequenz des Badeortes, die schon Mitte September
um mehr als 2000 Personen höher war, als im vergangenen Jahre
Die Nachsaison bietet den Gästen bei andauernd herrlichem Wetter
noch die vielseitigsten Natrir- und Kunstgenüsse. Eine Ver¬
pflichtung zur Lösung von Kurtazkarten besteht für die jetzt ein-
treffenden Fremden nicht mehr.
Homburg V. d. Höhe. Der veränderten Reisemode folgend,
nach der viele Familien ihre Erholungsreisen jetzt erst im Herbst
oder Winter antreten, hat die Kurverwaltung sich entschlossen
eine Winterkur hier einzuführen. Die Kurtaxe ist auf die Hälfte
ermäßigt worden und das Kurhaus mit seinen Lese- und Spiel¬
sälen, sowie das Badehaus, bleiben den ganzen Winter Uber ge¬
öffnet. Die Mineralwässer werden in der 120 Schritt langen,
geheizten Wandelhalle des Kurhauses verabreicht. Es finden
täglich Konzerte des Kurorchesters, sowie wöchentlich ein bis drei
Theatervorstellungen statt. Mehrere grössere und kleinere Hotels
und Logierhäuser werden gleichfalls den ganzen Winter über ge¬
öffnet bleiben.
Aus Karlsb&d wird geschrieben: Eine interessante Ausstellung
von Plänen und Modellen zu dem projektierten Kolonnadenbau in
Karlsbad, und zwar vom Schlossbrunnen bis zum Muhlbrunnen,
findet in der Zeit vom 10. bis 24. Oktober im Kurhause in Karls¬
bad statt. Der Stadtrat von Karlsbad hat einen Wettbewerb unter
den deutschen Architekten ausgeschrieben und sind 50 höchst
wertvolle und bedeutende Projekte eingelaufen.
Kreuznach. Das Bad hat einen erfreulichen Fortschritt durch
die Betriebseröffnung der von der Becker-Gesellschaft Berlin er-
mit 172 Personen, aus Lübeck 25 Parteien mit 35 Personen.
Die übrigen europäischen Staaten sandten 3194 Parteien mit
5 365 Personen und zwar: Belgien und Luxemburg 59 Par¬
teien mit 95 Personen; Dänemark 30 Parteien mit 39 Per¬
sonen ; Frankreich 202Parteien mit 376 Personen; Griechen-
land 14 Parteien mit 24 Personen; Grossbritanien 418
Parteien mit 726 Personen; Italien 42 Parteien mit 95 Per¬
sonen; Niederlande 90 Parteien mit 148 Personen; Rumä¬
nien 241 Parteien mit 450 Personen; Russland 1873 Parteien
mit 3053 Personen; Schweden und Norwegen 94 Parteien
mit 132 Personen; Schweiz 48 Parteien mit 78 Personen;
Serbien 28 Parteien mit 43 Personen; Spanien und Portu¬
gal 17 Parteien mit 30 Personen; Türkei und Bulgarien
38 Parteien mit 76 Personen. Aus den übrigen Weltteilen
kamen 451 Parteien mit 922 Personen und zwar: Afrika 67
Parteien mit 151 Personen; Amerika 356 Parteien mit 723
Personen; Asien 22 Parteien mit 38 Personen; Australien
6 Parteien mit 10 Personen. Bemerkenswert ist, dass trotz des
Krieges die Zahl der aus Russland stammenden Kurparteien
wesentlich, um 262 Parteien, gegen das Vorjahr zugenommen
hat. Auch das deutsche Reich stellt ein stetig wachsendes
Kontingent, diesmal um 486 Parteien mehr als im Voijahre.
Hingegen ist die Besucherzahl aus Oesterreich wie aus Ungarn
esunken, ein Minus von 213 Parteien gegen das vorhergehende
ahr, was wohl in den ungünstigen p<mtischen und wirtschaft¬
lichen Verhältnissen seinen Grund haben mag. (Schluss folgt.)
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108
BALNEOLOGISCHE CENTRALZfilTÜNQ
Kr. 2?.
banten elektrischen Strassenbabn zu verzeichnen. Diese führt vom
Bskhnhof Bad Kreuznach unmittelbar in das Herz des Kreuznacher
Badelebens. Ferner aber stellt sie eine ebenso bequeme, wie
rasche Verbindung nach dem benachbartein Ausflugsort Münster a. St.
her, indem sie ihren Weg durch das wegen seiner landschaftlichen
Beize weltberühmte Salinental Karls- und Theodorshalle nimmt.
WlBSbaden. in der letzten Stadtverordnetensitzung machte
Oberbürgermeister v. Ibell davon Mitteilung, dass der Magistrat
die Prüfung der Beschwerde der Badehausbesitzer wegen Ent¬
ziehung von Thermalwasser durch die Anlagen von Drainagen
seitens der Stadt dem Polizeipräsidenten überlassen und dieser im
Einverständnis mit der Königlichen Regierung zwei Bergräte und
einen Landesgeologen als Sachverständige berufen habe. Der aus
der Mitte der Versammlung lautgewordene Wunsch, an den
Arbeiten dieser Sachverständigen auch die von der Stadtverordneten¬
versammlung in dieser Angelegenheit eingesetzte Kommission zu
beteiligen, soll dem Polizeipräsidenten unterbreitet werden. Der
Oberbürgermeister bemerkte noch, dass als Ursache des Rückgangs
der Thermalquellen hauptsächlich die Erdarbeiten für zahlreiche
Neubauten im Thermalwassergebiet und das damit im Zusammen¬
hänge stehende Auspumpen der Baugruben anzusehen sei. Der
städtische „Bäckerbrunnen“ habe vor dieser Periode 62 Liter
Wasser in der Minute gegeben, am 31. August nur noch 2 Liter,
und heute laufe er gar nicht mehr. Nach dem Gutachten des
Oberingenienrs Frensch werde sich jedoch das Wasser wieder ein¬
stellen, sobald die Kellerräume der Neubauten verdichtet seien
und das Pumpen dort aufhöre.
— Seit einigen Tagen ist eine Automobilverbindung mit
Schlangenbad im Betrieb. Die Fahrt dauert etwas über dreiviertel
Stunden, der Fahrpreis beträgt für die einfache Fahrt 1 M. 50 Pf.,
für Hin- und Rückfahrt 2 M. 50 Pf. Vorerst verkehren die be¬
quem ansgestatteten Wagen viermal täglich in jeder Richtung.
— Zur Erlangung einer ärztlichen Propagandaschrift für das
Wiesbadener Kurwesen erlies die Stadt ein Preisausschreiben an
die in Wiesbaden wohnenden Aerzte und setzte drei Preise iin
Werte von 1500, 1000 und 500 M. aus.
Verschiedenes.
— Rückgang der Ostseebäder. In der „Frankf.Ztg.“
lesen wir folgende Mitteilung aus Stettin: „Für die meisten
pommerscben Seebäder bedeutet die diesjährige Saison eine Ent¬
täuschung, um so mehr, als im vorigen Jahre der Andrang der
Fremden ganz ausserordentlich gewesen war und infolgedessen an
verschiedenen Orten, besonders in Swinemünde, eine rege ge¬
wordene Unternehmungslust neue Villen und Pensionsbäuser in
grosser Anzahl erstehen liess. Aber die Fremden kamen in diesem
Sommer bei weitem nicht so zahlreich wie im vorigen. So sind
in Swinemünde bis zpm 1. September 30490 Fremde gewesen,
gegenüber 31001 am gleichen Tag des Vorjahres. In Ablbeck
sank die Frequenz von 18188 Kurgästen am 30. August 1905 auf
15903 am 31. August 1906, in Heringsdorf von 15435 auf 14433,
in Misdroy von 15115 auf 13683, in Zinnowitz von 8350 auf
7828. Man möchte dieses Abflauen des Fremdenstromes mit der
nasskalten Witterung ftr einem grossen Teil der Nachsaison er¬
klären, doch dürfte diese Begründung nicht ansreicbend sein.
Denn an den meisten dieser Orte konnte man schon von Anfang
an, auch während der Hauptsaison, einen schwächeren Besuch
gegenüber dem Vorjahr feststellen; und dem steht ein erheblich
stärkerer Besuch der kleineren Badeorte an der pommerscben und
mecklenburgischen Küste gegenüber, so in Heiligendamm, Prerow,
Zingst, Dievenow, auch der meisten rügenschen Bäder, vor allem
aber von Kelberg (15 713 Kurgäste gegen 14 653 im Jahre 1905).
Und die Erklärung dieser Erscheinung? Im vorigen Jahre gingen
auf Gnmd des grossen Andrangs die Preise für Wohnung und
Lebensmittel in den oben genannten Modebädern derartig in die
Höhe, dass vielen Kurgästen die Lust zum Wiederkommen ver¬
gangen ist.
Personalien.
— Geheimer Sanitätsrat Dr. Stroschnow, der Nestor der
dentsch-böhm. Aerztesebaft, ist, nach 41jähriger Praxis, in Franzens-
bad gestorben.
— Dem Sanitätsrat Dr. Kot he in Friedrichroda wurde der
Rote Adlerorden IV. Klasse verliehen.
— Kurarzt Dr. Thomas in Badenweiler wurde zum badischen
Medicinalrat ernannt.
— Dr. Heinrich Mache, Privatdozent an der Universität
Wien, bekannt durch seine Untersuchungen der hauptsächlichsten
Mineralquellen auf ihre Radioaktivität, wurde zum a. o. Professor
der Experimental-Pbysik au der Universität in Innsbruck ernannt.
Meteorologische Statistik.
Veraastaltet von der Redaktion der Balnoologioehen Zaatralzeltnng..
Name
Woche
Mittleres
Temperatnr-
tniniTirmm
Mittleres
Temperatur-
\
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
7.—13./10.
11 c.
17,7
C.
762,8
7
—
Davos.
•
•
3.—9./10.
1,5 C.
14,5
C.
635,6
—
6
1
—
—
Driburg.
•
•
1.—7./10.
7,1 C.
16,6
c.
—
3
3
1
1
—
F.ina.
•
•
7._13./10.
7,6 0.
16i5
c.
755,2
—
7
—
2,3
—
GKesshübl-Sauerbnmn
•
•
4,8 C.
17,9
c.
—
5
2
—
Herrenalb ....
•
•
10 c.
18
c.
725
1
Si/i
1V4
2—3
—
Kreuznach ....
•
•
— c.
—
c.
—
—
—
—
—
—
Langeuschwalbach .
•
•
—
— c.
—
0.
—
—
—
—
—
—
Lippsprinsje ....
•
•
7.—13./10.
6,5 C.
14
c.
755
—
6
1
2
—
Frequenz
Nauheim .
•
•
4,5 C.
17,7
0.
747,1
1
5
2
2
—
t 27471.
Nenndorf . . . . .
•
•
9 C.
17
c.
759
2
6
2
—-
—
Norderney ....
•
•
23.—29./9.
11,1 0.
16,1
c.
773,1
—
6
3
—
Reichenhall ....
.
•
—
— C.
—
c.
—
—
—.
—
—
Reinerz.
•
*
7.—13./10.
2,6 C.
13,3
c.
—
2
4
—
—
Salzbrunn ....
«
«
—
— C.
c.
—
—
—
—
—
Stehen.
•
•
—
— C.
—
c.
—
—
—
—
Triborg.
•
30.—13./1Ü.
6,1 C.
15,3
c.
—
3
11
3
—
1
Verantwortlicher Redaktear: Dr. P. Meissner, Berlin. — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Dmck von He]niamaiin*sche Bocbdniekerei, Gobr. Wolff, Hallo a.
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Vn. Jahrgang. Nr. 28. 1906.
Balneologische Centralzeitung
Organ^des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
^ ^ . Verlag: Carl Marhold ln Halle a. S., Uhlandstrasse 6.
Redakteur: Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823
Dr. med. Ct poHt. stehr, Wiesbaden. Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
__DDr. Stebr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52._
Der Nacbdruck ans dieser Zeitschrift ist
nur mit Quellenangabe und nach Anfrage
bei der Redaktion gestattet.
Inhalt.
Ueber die chemiache Zusammensetzaag der Etnser Mineralquellen. Von Dr. Das Ludwig-Wilhelm-Pflegebaus in Baden-Baden. Von Dr. C. Hofmann.
H. Fresenius-Wiesbaden. (Schloss.) Ans den Bädern ood Kurorten.
Das Baden in der Armee. Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannover. Tersammlungen und Kongresse.
FeoUletoa : Marienbad in der Saison 1905. Von a. 0. Professor Dr. E. Hein- Meteorologische Statistik,
rieh Kisch. (Schluss.)
lieber die chemische Zusammensetzung
der Emser Mineralquellen.
Vortrag f. d. XIV. Jahresversammlung d. Allgem. Deutschen
Bäderverbandes zu Ems am 4. Okt. 1905.
Von Dr. H. Fresenius-Wiesbaden,
Geh. Regierougsrat und Professor.
(Schluss.)
Ganz besonders anschaulich gestaltet sich die Zusammen¬
stellung der Ionen, wenn man die Form der graphischen Dar¬
stellung wählt.
Die farbige Tafel gibt Ihnen eine solche Darstellung der
chemischen Zusammensetzung des Kränchens nach meiner neuen
ausführlichen Analyse.
Die Zusammenstellung meiner neuen Analysen des Krän¬
chens, des Fürstenbrunnens, des Kesselbrunnens und des Kaiser¬
brunnens auf dem in Ihren Händen befindlichen Blatt zeigt
Ihnen dagegen die Darstellung dieser Analysen nach der Me¬
thode der Berechnung auf Salze.
In meiner Schrift über die Untersuchung der Römerquelle
finden Sie auf Seite 18 eine Darstellung der Analyse nach der
Methode der Berechnung auf Salze, auf Seite 19 eine tabel¬
larische Übersicht nach Ionen, und zwar in drei Spalten. Die
erste gibt an, wieviel Gramme jedes Ions in einem Liter
Feuilleton.
Marienbad in der Saison 190.').
Von a. ö. Professor Dr. E. Heinrich Kisch in Prag-Marionbad.
(Schluss.)
Von Neuerungen, welche die letzte Saison gebracht hat,
ist die Neufassung der Waldquelle hervorzuheben, welche
hierdurch an Ergiebigkeit und Kohlensäuregebalt gewonnen
hat. Die Waldquelle in der malerisch herrlichsten Gegend
Marienbads, in der Waldschlucht gelegen, ist ein alkalisch-
salinischer Säuerling. Sie ist in Hinsicht auf Qualität der fixen
Bestandteile ähnlich zusammengesetzt wie der Kreuzbrunnen
und Ferdinand-sbrunnen, quantitativ hat sie jedoch nur den
dritten Teil der in diesen (jlaubersalzwässern enthaltenen Salze,
während der Kohlensäurereichtum derselbe ist. Ihre thera¬
peutische Verwertung findet darum die Waldquelle bei den
leichteren Formen von Unterleibsstörungen, bei chronisch-
katarrhalischen Zuständen der Respirationsorgane, bei Reizzu¬
ständen der Hamwege. Die Waldquelle, welche bisher nur zu
Trinkkuren Verwendung fand, wird jetzt überdies auch in das
Badehaus zur Speisung der kohlensauren Bäder geleitet.
Die Zahl der kohlensänrereichen Bäder erweist sich noch
immer, dem erhöhten Begehre gegenüber, unzulänglich und das
Stift Tepl hat sich entschlossen, im neuen Badehause die Zahl
der Kabinen um 40 zu vermehren, so dass an einem Tage 400
Mineralwasser enthalten sind, die zweite Spalte gibt die Milli-
Molen an und die dritte die Milligramm-Aequivalente. Es ist
dies eine Darstellung nach dem ochema, welches nach dem
Vorschläge meines Schwagers, Professor Dr. Ernst Hintz,
und des Dozenten Dr. L. Grünhut für das von dem Kaiser¬
lichen Gesundheitsamte in zweiter Auflage vorbereitete Werk
„Deutschlands Heilquellen und Bäder** angenommen worden ist.
Auf den Seiten 22 und 23 meiner Schrift über die Unter¬
suchung der Römerquelle finden Sie endlich nach der Berech¬
nung auf Salze dargestellt meine neuen Analysen der Römer¬
quelle, des Kränchens, Fürstenbrunnens, Kesselbrunnens und
Kaiserbrunnens.
Diese letztere Uebersicht beschränkt sich auf die in wäg¬
barer Menge vorhandenen Bestandteile, desgleichen auch die
farbige graphische Darstellung meiner neuen Analyse des
Kränchens.
Aus allen diesen vor unseren Augen befindlichen Dar¬
stellungen erkennen wir nun die chemische Zusammen¬
setzung der Emser Mineralquellen.
Was die qualitative Zusammensetzung anbetrifft, so sind
in allen Emser Quellen nachgewiesen
Basen: Säuren und Halogene:
Natron Kohlensäure
Kali Schwefelsäure
(Caesion) Phosphorsäure
(Rubidion) (Boreäure)
Lithion Kieselsäure
kohlensaure Bäder mehr als bisher werden verabreicht
werden können.
Eine beachtenswerte Neuerung ist auch die in diesem Jahre
erfolgte Errichtung eines Inhalatoriums nach dem Bulüng-
schen Systeme. Dieses Inhalatorium wird in Verbindung mit
der Neufassung der Waldquelle sicherlich dazu beitragen, dass
das Kontingent der mit chronischen Katarrhen und Reizzuständen
der Atmungsorgane behafteten Kranken in Marienbad zunehmen
und hier erfolgreiche Hilfsmittel finden wird.
Zu verzeichnen ist ferner unter den Lokalereignissen eine
Reihe von sportlichen Neuerungen; die Errichtung eines Golf¬
spielplatzes, ein Tennistournier, ein Fechttournier. Ich bekenne
es offen, dass ich nicht dafür war und mich auch jetzt nicht
dafür begeistern kann, auf diese sportliche Ausgestaltung in
Marienbad ein besonderes Gewicht zu legen, indes geht einmal
die ^Meinung des Publikums dahin. Aber als Hauptsache muss,
nach meiner Anschauung, die sorgfältigste Pflege der eigent¬
lichen Kurmittel, die höchste Anspannung aller Kräfte für Ein¬
richtung der Kuranstalten, der splendideste Aufwand von Geld¬
mitteln für vervollkommnete hygienische und sanitäre Einrich¬
tungen, das intensivste Studium der therapeutischen Verwertung
der Heilquellen und Bäder gelten. Marienbad soll immer mehr
als ernster bedeutungsvoller Kurort mit ernsten,
wirkungsreichen Heilmitteln anerkannt und geschätzt werden,
und erst in zweiter Linie als beliebte Sommerfrische und an¬
genehmer Sportplatz.
Unter den Kurgästen waren vorwiegend jene vertreten,
welche zur Trinkkur mit den Glaubersalz wässern, Kreuz-
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110
BATiNEOLOGISOillS CBN TKALzJ ülTU ITQ
Nr. 28.
Basen:
Ammon
Strontian
Baryt
Kalk
Magnesia
(Tonerde)
Eisenoxydul
Manganoxydul.
Der eigentliche Charakter der Quellen ergibt sich aber
erst aus den quantitativen Verhältnissen.
Bei den Darstellungen, welche die Berechnung auf Salze
geben, zeigen sich überall neben der freien Kohlensäure als
Hauptbestandteile doppelt kohlensaures Natron und Kochsalz,
und zwar annähernd in dem Verhältnis 2 :1.
Dasselbe erkennen wir aus der farbigen graphischen Dar¬
stellung der Kränchenanalyse.
Ich mache darauf aufmerksam, dass es nicht die Linien,
sondern die Flächen sind, welche hier miteinander verglichen
worden müssen.
(J1 qmm gegen HCO 3 117750 qmm Na 60000 qmm etc.)
Die Emser Mineralquellen gehören demnach zu den alka¬
lisch-muriatischen Säuerlingen und werden — weil sie
warm sind (28°—50° C) — mit Recht als alkalisch-muria-
tiscbe Thermen bezeichnet.
Neben den vorwiegenden Bestandteilen (doppelt kohlen¬
saures Natron und Kochsalz) treten bei den Emser Mineral¬
quellen noch doppelt kohlensaurer Kalk und doppelt kohlen¬
saure Magnesia hervor. Sulfate hingegen sind nur in geringen
Mengen vorhanden, doppelt kohlensaures Eisenoxydul ebenfalls
in relativ geringer Menge. Alle anderen Bestandteile treten
sehr zurück.
Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Punkte hervor¬
heben, die sich aus der Vergleichung meiner neuen Analysen
mit den Analysen meines Vaters ergeben haben.
1 . Die neugefassten Mineralquellen liefern ihr heilkräftiges
Mineralwasser in der gleichen Zusammensetzung, in welcher
sie den Weltruf von Ems begründet haben.
2. Die Emser alkalisch-muriatischen Thermen sind von
hervorragender Konstanz in der Zusammensetzung — ge¬
wissermaßen Heilmittel von sehr gleichmäßiger natürlicher
Dosierung.
und Ferdinandsbrunn, und zum Gebrauche der Moor¬
bäder, wie der kohlensäurereicheu Bäder hierher gekommen
waren. Ihnen zunächst die Gruppe der eisenbedürftigen Per¬
sonen, welche den an Kohlensäure und Eisen reichen Ambrosius¬
brunnen mit den milderen alkalisch-salinischen Säuerlingen,
besonders der Waldquelle, tranken und Stahlbäder wie Eisen¬
moorbäder nahmen. Hiernach die stets wachsende Zahl der
zum Gebrauche der Rudolfsquelle bestimmten, an chronischen
Erkrankungen der Harnorgane, wie an harnsaurer Diathese
leidenden Individuen. Nur in geringer Aufnahme ist bisher die
Alexandrinenquelle und der Pottasäuerling.
Ein überaus grosses Kontingent stellten zu den in Marien¬
bad vertretenen Erkrankungsformen die mannigfachsten Herz¬
beschwerden, von den leichteren durch das Mastfettherz
verursachten Störungen der normalen Herzarbeit bis zu den
schwersten durch Erkrankung des Herzmuskels veranlassten
j)athologischen Veränderungen des Blutkreislaufes. Und dies
veranlasst mich zu einigen Bemerkungen.
Wenn ich wiederholt hervorgehoben habe, was die balneo-
logischon Heilmittel Marienbads zu leisten vermögen, um die
durch mannigfache Störungen erhöhte Arbeit des Herzens zu er¬
leichtern und die Leistungsfähigkeit desselben zu steigern, so
halte ich OS für meine Pfliclit, einer gewissen Einschränkung
Ausdruck zu geben.
Unsere an Kohlensäure reichen Bäder vermögen tat¬
sächlich, bei sorgfältig überwachender Verordnung, in vielen
Fällen von funktionellen Ilerzstürungon in Folge von Anaemie
und in der Rekonvalescenz, bei Erkrankungen der Herzklappen
Wie wir gesehen haben, meine Herren, ändern sich, je
nach dem Stande der Wissenschaft, nicht nur die Forschnngs-
methoden, sondern es ändert sich auch die Art und Weise,
die gewonnenen Ergebnisse darzustellen.
Was bleibt und sich nicht geändert hat, soweit wir es
verfolgen können, sind in unserem Falle die Emser Mineral¬
quellen und ihre Heilkraft. Mögen sie fortfahren, ihren Segen
zu spenden uns und den fernsten Geschlechtern.
Das Baden in der Armee.
Vortrag in der HaoptversammlaDg der Deatachen Gesellschaft für Volks-
bäder am 23. Mai 1906 zu Worms.
Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannover.
Nicht gar so lange Zeit ist es her, dass das Verständnis
für die Aufgaben und Bestrebungen der Gesundheitspflege mehr
und mehr in immer weitere Kreise der Bevölkerung gedrungen
ist und noch heute erhebt sich nicht selten von vielen und ge¬
wichtigen Seiten Widerspruch, wenn an ihre Opferwilligkeit
Anforderungen gestellt werden, welche dem hygienischen Inter¬
esse dienen sollen. Sterben doch die Besserwisser nicht aus,
die da meinen, dass vor Zeiten auch ohne Kenntnis und Be¬
folgung der hygienischen Lehren weite Kreise gelebt, gearbeitet
und Werte geschaffen hätten; dass die Gesundheitspflege ver¬
weichliche, eine weise und gerechte Selektion verhindere und
überflüssige Opfer für die Erhaltuu^ von Schwächlingen, die
für das Wachsen und die Zukunft eines Volkes ein Nichts be¬
deuteten, heische. — Nun, mag auch hier und da in der Tat
das Bestreben, stets und überall im Sinne der Hygiene zu
handeln, über das Ziel hinausschiessen, und so unnötig eine
gewisse Angst um das liebe Ich erzeugen — darüber sind wir
uns in diesem Kreise wohl alle einig, dass für eine verständnis¬
volle Aufklärung und Erziehung des Volkes im hygienischen
Sinne trotz allem noch recht viel zu tun übrig bleibt.
Und nicht hoch genug ist die Unterstützung zu bewerten,
welche dieser Arbeit durch das planmäßige, jahrzehntelange Ver¬
geben der Militärverwaltung erwächst. Lässt sie es sich doch
seit langer Zeit angelegen sein, bei der Ernährung, Kleidnng
und Unterbringung der Truppe iu weitgehendster Weise die
Erfahrungen der Neuzeit zu berücksichtigen; nein, sie sorgt
auch weiter durch mancherlei sanitäre Einrichtungen dafür,
und Gefässe, bei Erkrankungen des Herzmuskels, in erster
Linie bei der Fettumwachsung und Durchwachsung des Myo-
cards, eine wesentliche Erleichterung der Herzarbeit herbeiza-
führen, eine Herabsetzung der erhöhten Widerstände im Blut¬
kreisläufe zu erzielen, die Arbeitsfähigkeit des linken Herzens
zu steigern und diesem durch Schaffung grösserer Ruhepausen
Gelegenheit zu einer Kraftansammlung zu bieten.
Das methodische Trink en unserer Glaubersalz Wässer ver¬
mehrt die Darmsekretion, regt die Diurese an, und vermag da¬
durch einer bestehenden erhöhten Druckzunahme in den Blut¬
gefässen entgegen zu wirken, die Widerstände herabzusetzen,
während anderseits wir in unseren reinen Eisenwässem ein
Mittel besitzen, durch günstige Beeinflussung der Blutmischung
eine bessere Ernährung des Herzmuskels zu erzielen.
Endlich bewirken auch die klimatischen Einflüsse unseres
iu mittlerer Höhenlage befindlichen Kurortes mit nicht zu
grosser Wärme und mäßiger Feuchtigkeit eine Erweiterung
der peripherischen Blutgefässe mit Ableitung des Blutstromes
von den Zentralorganen, eine Erhöhung des Blutdruckes und
Steigerung der Diurese.
Diese wichtigen und mächtigen Mittel zur Erleichterung
der Herzarbeit berechtigen jedoch nicht zu der in jüngster
Zeit allzuweit gehenden Ueberschätzung dieser Heilpotenzen
bei Herzkrankheiten und davor möchte ich hier warnen.
Nach meiner Erfahrung und durch manche traurige Enttäuschung
belehrt, möchte ich es kräftig betonen, in die Kurorte nur solche
Herzleidonde zu schicken, deren funktionelle Störungen sich
noch innerhalb der Breite der Accomodationsfähig*
Säuren und Halogene:
Chlor
Brom
Jod
(Fluor).
Digitized by
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1906.
BAIjK J&0rj0G'ISüJ9& GBNTRATjZEiITUITQ
111
dass der einzelne Mann nicht ohne Nutzen für sich und die
Pflege seines Körpers die Schule des Heeres verlässt. Dass
unter solchen Einrichtungen wiederum die Kasernenbäder an
erster Stelle zu nennen sind, wird jeder zugeben, der überhaupt
geneigt ist, dem Baden einen hohen Wert für Gesundheit und
Erziehung beizumessen.
Unser verehrter Herr Vorsitzender hat selbst einmal be¬
zeugt — es war auf der ersten Tagung unsrer Gesellschaft zu
Weimar im Jahre 1902 — dass das in der grossen Hygiene-
ausstollung zu Berlin 1882 aufgeführto „neue und zukunfts¬
reiche Ausstellungsobjekt^^ der Volksbrausobäder der Armee
und Herrn David Grove nachgebildet war und dass erst auf
Grundlage dieses Vorgehens in der Armee die Volksbäder
entstanden sind. So einfach und beschränkt auch die Mittel
waren, mit denen 1879 der damalige Oberstabsarzt Dr. Münnich
jene erste Brausebadeanstalt im Kasernement des Kaiser Franz-
Regiments in Berlin einzurichten gezwungen gewesen war, so
haben sie doch hingereicht, ein Muster für weitere ßrausebade-
anlagen niclit nur für das Heer, sondern auch — wie wir
soeben gehört haben — für das Volk zu schaffen.
Dieses, wie erwähnt, im Jahre 1879 errichtete Brausebad
ist jedoch nicht das älteste, uns bekannte in der Prcussischen
Armee. Bereits im Jahre 1870 war wegen der zahlreichen
Scharlach- und Pockenerkrankungen unter den französischen Ge¬
fangenen zu Stettin auf Anregung des Generalarztes Petruschky
durch den jetzigen Professor Dietrich in Charlottenburg eine
Duscheanstalt eingerichtet worden, welche es ermöglichte, täg¬
lich 500 bis 1000 Gefangene abzubrausen, währenddes ihre
Kleidung desinfiziert wurde. Die Franzosen verkannten zwar
zuerst vollkommen die Wohltat eines solchen Bades, so dass
sie aus Furcht vor einem drohenden Massakre mit dem Bajonett
in den Baderaum getrieben werden mussten; späterhin jedoch
verwandelte sich ihr Abscheu in das Gegenteil und oft mischten
sie sich heimlich unter die zum Baden kommandierten Kame¬
raden. Abgesehen von dieser einen grösseren Anstalt wissen
wir jedoch aus der Zeit vor 1879 nur, dass für eine Kompagnie,
Batterie usw. je eine Badewanne, auf deren Benutzung alle
Mannschaften, vorzugsweise aber die Rekruten angewiesen
waren, etatsmäßig war; und dass diese voraussichtlich kaum
hingereicht hat, jedem Soldaten wöchentlich ein Bad zu ge¬
währen, dürft© auf der Hand liefen. Nachdem nun aber jene
Brausebadanlage in der Franz-Kaserne zu Berlin eingerichtet
war und sich bewährt hatte, erging noch in demselben Jahr
eine Verordnung des Kriegsministers von Karaecke, durch welche
bei Neu- und Umbauten von Kasernen die Herstellung von
Badeanstalten mit Brausevorrichtungen angeordnet wurde. Für
ein Infanterie-Bataillon, Kavallerie-Regiment oder eine Artillerie-
Abteilung wurde ein heizbarer Raum — geteilt oder ungeteilt
— zugestanden, in welchem eine Brauseeinrichtung zur gleich¬
zeitigen Benutzung für 8—10 Mann geschaffen werden sollte.
Die Dauer eines Bades wurde auf höchstens 3 Minuten ange¬
geben, die Wassermenge für jeden Mann auf 15—20 Liter be¬
rechnet, so dass GS möglich sein müsste, in einer Stunde 96—120
Bäder zu verabreichen. (Fortsetzung folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
Aschen. Die Schwefelquelle, die in Aachen entdeckt wurde,
erweist sich als eine starke Bereicherung der dortigen Quellen.
Im Hotel „Zum grossen Monarchen“ stiess man bei Ausschach¬
tungsarbeiten auf eine Schwefelquelle, die einen derart starken
Ausfluss hat, dass sie mittels einer elektrischen Pumpanlage iu
den städtischen Kanal abgeleitet werden musste. Das Wasser,
das in einem Durchmesser von 25 cm dem Bohrloch entspringt,
hat eine Wärme von 50® C und entspricht auch im Geschmack
dem weit über die Grenzen Aachens hinaus bekannten Wasser
des Eisenbrunnens.
DavOS- Der Deutsche Kaiser hat der deutschen Heilstätte
für Lungenkranke in Davos einen weiteren Beitrag von 5000 M.
bewilligt
Bad Eisiar. Die Tabelle der letzten Kurliste zeigt, welch
gewaltigen Aufschwung das dem sächsischen Staate gehörige Bad
in den letzten Jahren genommen hat. In der verflossenen Saison
kamen 12112 Personen zur Anmeldung (gegen 10522 im Vor¬
jahre), von denen 9526 (1905: 9217) die Kur gebraucht haben.
Im ganzen wurden 116744 Bäder aller Art verabreicht, gegen
112012 im Voijahre. — Wohnungsmangel ist nicht eingetreten,
Bad Boczalkowitz (Pr.-Schles.) ist durch Kauf in den Besitz
der oberschlesischen Knappschaft übergegangen.
Harzburg. Mit dem 1. Oktober ist in Bad Harzburg die
Sommersaison geschlossen worden. Trotz sehr wechselnden Wetters
hat die Frequenz wieder um 2600 Personen zugenommen und die
stattliche Zahl von 38600 erreicht. Bad Harzburg entwickelt
sich infolge seiner heilkräftigen Solquellen immer mehr und mehr
zu einem internationalen Heilbade, wie auch zu dem besuchtesten
keit befinden, wo die Kompensationsstörungen sich nur im
ersten Beginne zeigen und nur zeitweilig bei ungewöhnlicher
Inanspruchnahme und sehr starken Leistungen Herzinsufficienz
eintritt. Nur bei solchen nicht zu weit vorgeschrittenen Herz¬
beschwerden dürfen wir dem Leidenden die Mühsal der Reise,
das erste Unbehagen des Eingewöhnens in neue Verhältnisse,
die immerhin Kräfte beanspruchenden Leistungen des Badens,
Trinkens und grösserer körperlichen Bewegung zumuten. Hin¬
gegen ist es nicht berechtigt, Herzkranke m die Bäder zu
schicken, bei denen die funktionelle Störung so weit vorge¬
schritten ist, dass keine ausserwesentliche Arbeit (Rosenbacli)
geleistet werden kann, und wo die Insufficienzerscheinungon
nicht erst bei grösseren Anforderungen, sondern auch im Zu¬
stande völliger Körperruh© eintreten, oder wenn gar schon
die Erscheinung des gestörten hydrostatischen Gleichgewichtes,
Niereninsnfficienz, hydropische Ergüsse die Führung
der Krankheitssymptome übernommen haben — Verhältnisse,
unter denen nur die häusliche Behandlung oder die Behand¬
lung im Sanatorium angezeigt ist. Aber auch in der ersten
Reihe der Fälle ist das baineotherapeutische Verfahren ein
scharfes, zweischneidiges Instrument, welches nur in behut¬
samer, dem Einzelfalle angepasster Weis© verw'endet werden
kann, im Einklänge mit den im Kurorte gegebenen variablen
Bedingungen der Schonung und Uebung der Ruhe und Bewe¬
gung, der Ueberemährung und Entziehung.
In der Chronik der letzten Saison ist noch das traurige
Ereignis zu verzeichnen, dass einer der tüchtigsten Marienbader
Aerzte, Hr. Med. Dr. Ludwig Ingrisch, im Monat Juni eines
plötzlichen Todes verschieden ist Derselbe hatte eine gute
Schulung an der Prager Deutschen Universität durchgemacht,
hatte si^ dann in Marienbad niedergelassen, wo er die Stelle
des Stadtarztes und Arztes am Krankenheim bekleidete.
Das Ludwig-Wilhelm-Pflegeliaus
in Baden-Baden.
Von Dr. Gurt Hoffmann, Baden-Baden.
Von allen deutschen Bädern dürfte wohl keines von der
Natur so begünstigt sein wie Baden-Baden. Sowohl in hy-
£ ionischer Beziehung wie auch hinsichtlich seiner entzückenden
age ist es im wahren Sinne des Wortes ein gottgesegnetes
Stück Erde, das denn auch vielen Tausenden von Kurgästen
alljährlich Erholung und Genesung bringt.
Wenn solch ein schöner Ort durch die denkbar voll¬
kommensten Einrichtungen zur Pflege von Kranken und Er¬
holungsbedürftigen, durch den Ausbau seiner natürlichen Kur-
mittel (der heissen Quellen etc.) unterstützt wird, dann kann
er wohl als ein idealer Kurort bezeichnet werden. Nur er¬
wähnt seien die durch ihre luxuriöse und doch praktische Ein¬
richtung weltbekannten Bäder, das Grossh. Friedrichsbad und
Kaiserin-Augusta-Bad, das neue Gr. Inhalatorium und das
Landosbad, welche alle unter der weitschauenden Regierung
des jetzigen Landesherm, Grossherzog Friedrich, entstanden
sind. (Schluss folgt.)
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112
BAIiNEOLOGISOHE CBSNTRALZEITUNG
Nr. 28.
Gebirgalnftkurort. Im Jahre 1905 tranken 1000 Personen Krodo-
brunnen, 1906 dagegen 1947. Das mit den neuesten Emser
Apparaten ausgestattete Inhalatorium wurde dieses Jahr von 2104
Patienten besucht, und das städtische Badehaus Juliusball verab¬
folgte 30600 Bäder.
Im Frühjahr 1907 wird die mit gewaltigen Kosten errichtete
Kanalisation dem Betriebe übergeben, so dass Bad Harzburg auch
in hygienischer Beziehung sich den modernsten Kurorten an die
Seite stellen kann.
Nenndorf. Kurz vor Schluss der Saison ist noch das neu
erbaute kleine Schlammbadehaus in Betrieb genommen worden,
das einer gesteigerten Beanspruchung wesentlich entgegenkommen
wird. Für 1906 ergibt die Uebersicht ein nicht unerhebliches
Mehr gegen 1905: an Bädern wurden 62770 verabreicht (1905:
56488, also mehr: 6322), darunter allein 18950 Vollschlammbäder
(17101, mehr: 1849).
Bad Salzbrunn. Trotzdem die Saison mit der letzten Kur¬
musik Ende September eigentlich beendet ist, weilt in diesem
Jahre noch eine beträchtliche Anzahl von Kurgästen am Orte. Der
Anfang Oktober brachte bei den herrlichen Herbsttagen sogar noch
eine Reihe von Neuanmeldungen. — Die Saison 1906 ist mit
8247 Kurgästen die besuchteste,* die Salzbrunn bisher überhaupt
gehabt hat. Die Zunahme gegen das Vorjahr beträgt 634 Kur¬
gäste. Wenn Zahlen beweisen, so spricht die stetig wachsende
Frequenzziffer deutlich für die immer weiter sich ausdehnende
Wertschätzung Bad Salzbrunns als Kur- und Erholungsort.
In Salzschlirf betrug die Zahl der Kurgäste in der heurigen
Saison 4633 gegen 4219 im vorigen Jahre. Die Zahl der Bäder
stieg von 56 560 auf 61000. Der Flaschenversand hat um 60000
Flaschen zugenommen.
Schierke. Jetzt beginnt man bereits mit den Vorarbeiten
für die Wintersaison, in der Skiklub und Kurverwaltung für die
weitere Hebung des Winterverkehrs und Wintersports tätig sein
werden. • In diesem Winter bleiben sämtliche Hotels — bis auf
eins — geöffnet
Wiesbaden. Trotz der Beeinträchtigung durch den Kurhaus-
neubau gehört das Kurjahr 1906 zu einem der glänzendsten in
den Annalen der hiesigen Kurgeschichte. Die Fremdenfrequenz
betrug bis Ende September 138473 Personen, eine Zahl, die bis¬
her noch nicht erreicht worden war. Mit den enormen Aufwen¬
dungen , die seitens der Kurverwaltung und der Behörden ge¬
macht werden, halten die Privatnntemehmungen gleichen Schritt.
Neue prächtige Hotels, kaum eröffnet, füllen sich sofort mit
Gästen.
Wildbad. Die diesjährige Saison ist leider durch das Wetter
beeinträchtigt worden. Die Monate Mai, Juni und zum Teil noch
der Juli waren regnerisch und hatten Temperaturen, die weit
hinter dem langjährigen Mittel zurückblieben und die Grossstädter
länger als gewöhnlich zu Hause zurückhielten. So kam es, schreibt
das Badeblatt, dass der Eintritt der Hochsaison weit hinausge-
rückt und sie selbst wesentlich gekürzt wurde. Die zweite Hälfte
des Juli, endlich der August und vor allem noch die erste Sep¬
temberwoche brachten dagegen hendiches und beständiges Wetter
und machten bis zu einem gewissen Grade wieder gut, was ihre
Vorgänger gefehlt batten. — Der Neubau des neuen Schwimm¬
bads und der Heilgymnastik geht jetzt der Vollendung entgegen.
Versammlungen und Kongresse.
Der IV. internationale Kongress für Thaiasso-Therapie,
für dessen Abhaltung Abbazia in Aussicht genommen wurde,
findet dort im Mai 1907 statt. Der Aerzteverein in Abbazia
konstituierte sich als Organisationskomitee.
Die 24. Generalversammlung des Thüringer Bäderver¬
bandes wurde mit einer Vorfeier am Abend des 30. September
eingeleitet. Die Hauptversammlung wurde tags darauf durch den
stellvertretenden Vorsitzenden des Verbandes, Dr. Müller (Gross-
Tabarz), eröffnet. Geh. Medizinalrat Dr. Leubuscher begrtisste
die Versammlung im Namen der herzogl. Staatsregierung, worauf
Dr. Passow (Meiningen) seinen Vortrag über das Vierzellensystem
hielt. Weitere Vorträge hielten Direktor Tobzien (Liebenstein)
über das Verhältnis der Feuerversicherungs-Gesellschaften zu den
Kurhäusern und Dr. Fosa (Liebenstein) über Emähmngstherapie.
Es folgten Besprechungen über die Feier des 25 jährigen Jubiläums
des Thüringer Bäderverbandes. Auf Vorschlag des Herrn Dr.
Müller wurde Sanitätsrat Dr. Schenk zum Vorsitzenden und
Hanisch (Friedrichroda) zum Kassierer gewählt.
Meteorologische Statistik.
VeraBstaltet voa der Redaktion der Baineologischen Zentralzeitung..
Name
Woche
Mittleres
Temperatur¬
minimum
Mittleres
Temperatur-
mazimum
Durchschnitt¬
licher
Barometerstand
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abbazia.
2i.-27./l0.
10,6
C.
16,3 C.
764,1
1
6
_
3
_
Davos.
17.—23/10.
1,3
0 .
12,9 C.
636,6
—
7
2
—
—
Driburg . ..
15.-21./lO.
4,1
c.
19,1 C.
—
2
4
1
1
—
Ems..
21.—27./10.
7,9
c.
14,6 C.
759,1
4
5
1
2
—
Giesshübl-Sauerbrunn , .
2,3
c.
9,2 C.
—
1
6
_
—
Herrenalb.
8
c.
17 C.
727
1
3
2—3
—
K reuznach.
—
c.
— C.
—
—
—
—
Langeuschwalbach . . .
—
—
c.
— C.
—
—
—
—
—
Lippspringe.
21.-27./lO.
G
c.
15 C.
757
1
3
3
1
—
Frequenz 6600.
Nauheim.
5,1
c.
12,4 C.
752,9
2
1
6
2
—
, 27 600
Nenudorf.
8
c.
16 C.
759,5
1
5
2
—
—
Norderney.
—
c.
— 0.
—
—
—
—
—
—
Reichenhall . . . . • .
—
—
c.
— C.
—
—
—
—
_
—
Reinerz.
21.-27./10.
1,5
c.
8,6 C.
20,3
4
3
4
3
—
Salzbrunn ......
—
c.
— c.
—
—
—
—
—
Stoben.
—
—
c.
— C.
—
—
_
_
—
Triberg.
21.-27./1Ü.
5,9
c.
13,5 0.
—
3
12
2
—
—
Verantwortlicher Redakteur: Dr. P. Meissner, Berlin, — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck von Hejmomana'sche Bachdruckerai, Gehr. Wolff, Halle ■. S.
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Vn. Jahrgang. Nr. 29. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Redakteur;
Verlag: Carl Marhold in Halle i. $., Uhiandstrasse 6.
Tet.-Adr.; Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823
Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist
nur mit Quellenangabe and nach Anfrage
bei der Redaktion gestattet
Dr. med. et polit. Stehr, Wiesbaden. '
1
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Inh
Das ßaden in der Armee. Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannover. (Fort¬
setzung.)
Altmmeioe lüetbedin^ungen für dio thüringer Kurorte.
Feaineton ; Das Ludwig-Wilhelm-rflegebaus in Baden-Baden. Von Dr. C.
Hotfmann. (Schluss.)
alt.
Bad Neiionabr. RoisccindrUcko.
Ans den Bädern und Knrerteu.
Terschiedcues.
Personalien.
Meteorologische Statistik.
Das Baden in der Armee.
Vortrag in der Hanptrcrsamuilung: der Deiitscben Gesellschaft für Vylks-
bäder am 23. Hai 1900 zu VVornjs.
Von Dr. Erebs, Stabsarzt in Hannover.
(Fortsetzung.)
Diese Anordnungen bewährten sich, so dass die Verwaltung
sehr bald zu dem endgültigen Entschlüsse gelangte, in jeder
Kaserne als feststehende Badeeinrichtung Brausebäder einzu*
richten; und man tat dies in der Einsicht, dass das Brausebad
die billigste, hygienisch einwandfreieste und in kürzester Zeit
zu benutzende Bäderart bilde und hat bis auf den heutigen
Tag keinen Grund gehabt, von diesem Entschlüsse zurückzu-
konimen. Bereits 1883 ergingen Bestiramungen, welche detail¬
lierte Vorschriften über die Errichtung von Brausebädern in
den Kasernen enthielten und eine Verbesserung insofern dar¬
stellten, als sie besonders für die Truppeneinheit eines Bataillons
anstatt der früheren 30 — 40 nunmehr 40 — 60 qm Bodenfläche
einräomten. •— Später traten zu den Bädern als weiterer hy¬
gienischer Fortschritt in denjenigen Kasernen, welche an die
Wasserleitung angeschlossen waren, noch besondere Wasch¬
räume, w'elche bequem zu den Wohn- und Schlafräumen ge¬
legen sein sollten, und bei denen auf 4—5 Mann je ein Wasch¬
becken zu rechnen sei.
Wenn ich nunmehr kurz schildern darf, in welcher Weise
zur Zeit die Kasernenbäder gebaut sind, so ist zuerst zu be¬
merken, dass sie nicht mehr wie früher in den Kasernen selbst,
sondern in den sogenannten Wirtschaftsgebäuden, welche viel¬
fach durch überdeckte Gänge mit den Wohngebäuden in Ver¬
bindung stehen, errichtet werden. Hier liegen sie im Erdge¬
schoss, sind holl und luftig und bestehen aus zwei Räumen, dem
Aus- und Ankleideraum und dem eigentlichen, mit diesem durch
zwei als Ein- und Ausgänge zu benutzenden Türöffnungen ver¬
bundenen, Badoraum. Der Füssboden besteht aus hellen Fliesen
und wird zur Zeit des Badens mit geölten, stets peinlich sauber
zu hallenden, nach dem Baden senkrecht hochzustellenden
Lattenrosten bedeckt; die Wände und Decken sind hell mit
Oolfarbe gestrichen. Ich brauche kaum zu betonen, dass die
Baderäumo gut ventiliert, zu kühlerer Jahreszeit sämtlich vor
der Benutzung gut erwärmt sind und dass bei Dunkelheit für
künstliche Beleuchtung ausreichend gesorgt ist. Ausser den
zwölf - stets schräg gestellten — Brausen zum Abduschen des
ganzen Körpers sind neuerdings auch aufsteigende Sitzduschen
in beschränkter Anzahl vorhanden, deren grosse Zweckmäßig¬
keit von vornherein einleuchtet. Auf die Schaffung mulden¬
förmiger Vertiefungen im Füssboden unter jeder Brause ist
bisher abgesehen worden, da die Truppenteile über eine be¬
trächtliche Anzahl von Fussbadewannen verfügen, welche dauernd
und ausgiebig, zum Teil allabendlich von den Mannschaften be¬
nutzt w'erden. Auch auf die in den Volksbädern zur Bildung
besonderer Braiisekojon gebräuchlichen Zwischenwände ist, um
die Uebersicht über die Badenden nicht zu verlieren, verzichtet
worden; desgleichen fehlt aus begreiflichen Gründen die Mög¬
lichkeit, dass der einzelne sieh die Brause nach Gefallen an-
oder abzustellen, das Wasser warm oder kalt zu mischen ver¬
mag. Vielmehr regelt sich der Betrieb derart, dass unter Auf-
Feuilleton.
Das Ludwig-Wilhelm-Pflegehaus
in Baden-Baden.
Von Dr. Curt HoflTmann, Baden-Baden.
(Schluss.)
Einzig in seiner Art ist aber auch das Ludwig-W^ilhelin-
Pflegehaus, das seine Entstehung einem Werke der Nächsten¬
liebe verdankt.
Grossherzogin Luise, die Wohltäterin und Segeiisponderin
auf dem Fürstenthrone war es, die mit bewundernswerter
Opferwilligkeit dieses Heim schuf.
Das Jahr 1888 hatte der hohen Frau durch Verlust des
Vaters, des Bruders und de.s Sohnes schwere Wunden ge¬
schlagen. Welch ideale Auffassung, nun nicht an das eigene
Leid zu denken, sondern an Jene, die ähnliche Verluste erlitten.
Ihr Erlass vom 7. September 1888 sagt:
,Jn diesen letzten Monaten als Mutter, Tochter und
Schwester gleich schwer heiragesucht, denke ich an diejenigen
Frauen, welche infolge ähnlicher Prüfungen, aber in veroin-
sarotem Leben und mit mancherlei Sorgen kämpfend, eine
Erschütterung ihrer Gesundheit erlitten haben und, sei es zu
bleibendem, sei es zu längerem oder kürzerem Aufenthalte,
Heilung und Stärkung in Baden-Baden suchen. Ihnen eine
Stätte zu bereiten, ist mein Wunsch.“
Auf die Worte folgte die Tat. Im Jahr 1892 schon hatte
die hohe Protektorin die Freude, ihr Liebeswerk vollendet zu
sehen. In dem idyllischen Rothenbach-Tale erhebt sich der
stattliche Bau (ein Werk des damaligen Bauinspektors Kredell)
im edlen gotischen Stile. Die parkartige Umgebung mit ent¬
zückenden Blicken auf die naheliegenden Schwarz wald - Berge
bildet einen herrlichen Rahmen. Wie eine Burgfeste grüsst
von der nächstliegonden Anhöhe das Grosslierzogliche Schloss,
die Sommer-Residenz des Grossherzogs und der Grossherzogin
von Baden, gleichsam „die Schöpfung dort unten im Tale“
schützend und behütend.
Ein lichtheller herrlicher Treppenflur, geschmückt mit der
Büste des so jung dahingeschiodenen Prinzen Ludwig Wilhelm,
dem das Mutterherz mit der Erbauung dieses Hauses ein Denk¬
mal der Liebe errichten wollte, empfängt den Eintretendeii.
Lichthell und freundlich sind auch die Innenräume, die Gesell¬
schaftszimmer, Speisezimmer und Wohnräunie der Damen, die
reizenden Veranden und Altane; praktisch und zweckent¬
sprechend die Wirtschafts- und Baderäume. Üeberall schaut
das Grün der Schwarzwaldtannen in die Fenster und eine
köstliche ozonhaltige Luft strömt ein, die für so manche Ge¬
nesungsbedürftige neuen Lebensodem bedeutet.
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114
BALNBOLOGISCMÜj GICNTRAIjZBITUNG
Nr. 29.
sicht der Unteroffiziere eine den betreffenden Brausen ent¬
sprechende Anzahl Mannschaften in den ßaderaiim hineintritt
und dort 3—4 Minuten lang mit Wasser von 30—34** C., dessen
Temperatur dauernd kontrolliert und geregelt wird, von einem
dazu kommandierten Soldaten, der von Beruf Maschinist oder
dergl. ist, abgebraust wird. Diese Abteilung verlässt sodann durch
den Ausgang den Baderaum, um sich im Ankleideraum, der
mit Bänken und Kleiderriegeln ausgestattet ist, wieder zu be¬
kleiden, während die nächstfolgende Abteilung durch eine zweite
Passage möglichst ohne Aufenthalt alsbald den Baderaum be¬
tritt, um demnach zu baden. Es gelingt auf diese Weise be¬
quem, ein Bataillon von 500 Köpfen in 2—3 Stunden abzu¬
brausen.
Die Systeme der Wassererwärmung sind der verschiedensten
Art; teils gelangen Zirkulationsöfen nach Grove, teils Gegen¬
strom-Gliederkesselanlagen, teils der Schaffstädt’scheDampf-
Gegenstromapparat, der besonders auf den Schiffen der Kaiser¬
lichen Marine beliebt zu sein scheint, zur Anwendung.
Badewannen sind in den Kasernen nur noch vereinzelt
vorhanden; zumeist sind sie auf Kosten der Truppenteile selbst
beschafft und nur zum Gebrauch der Unteroffizierfamilien in
den Garnisonsorten bestimmt, in welchen die Erlangung von
Wannenbädern selbst in unserer hochkultivierten Zeit noch auf
Schwierigkeiten stösst.
Als Badetag für die Truppen gilt fast allgemein der Sonn¬
abend, wobei sie durchwegs angehalten werden, reine Leib¬
wäsche mitznbringen, um sie nach dem Baden anzuziehen.
Falls im Sommer keine Gelegenheit vorhanden ist, im
Freien zu baden, werden selbstverständlich auch die Brause¬
bäder in dieser Jahreszeit mehr als einmal in der Woche be¬
nutzt. Glücklicherweise sind es aber nur ganz wenige Garni¬
sonen, w’elche nicht in der Lage sind, zur warmen Jahreszeit
die Mannschaften in offenen Gewässern baden zu lassen. Wo
es nur einigermaßen die Verhältnisse gestatten, werden Garni-
sonbadeplätze und -Schwimmanstalten an möglichst hygienisch
einwandfreien Stellen angelegt, falls etwaige städtische Bade¬
plätze von den Truppen nicht mitbenutzt werden können. Welch
ein Leben, und welcher, Jubel bei solchem Baden herrscht,
weiss jeder, der Soldat gewesen ist, oder Gelegenheit gehabt
hat, solche Badeszenen mitanzusehen. Diejenigen Mannschaften,
welche das Schwimmen erlernen wollen, — und das ist stets
eine grosse Anzahl, so dass fast niemals jemand dazu gezwungen
zu werden braucht — werden zuvor einer genauen ärztlichen
Untersuchung unterworfen, und besonders auf das Bestehen
eines Ohrenleidens hin geprüft. Von der Errichtung von Hallen-
Einzelstehenden, besonders erholungsbedürftigen Damen
soll das Ludwig-Wilhelm-Pflegehaus ein Heim bieten, soll es
das schmerzliche Gefühl des Alleinstehens nehmen. Und dieser
Zweck wird voll und ganz erreicht. Unter der geschickten
Leitung von Freiin von Neveu wächst, blüht und gedeiht das
schöne Unternehmen. Helfend und beratend steht die liebens¬
würdige Oberin schon seit vielen Jahren den Damen werktätig
und unermüdlicli zur Seite und versteht es ganz vorzüglich,
das Heim auch heimisch zu gestalten. Das Oratorium unter
Vorsitz des Herrn Geh. Regierungsrat Haape ist fürsorglich
bemüht, die Verwaltung zum Wohle der Insassen zu leiten.
Uebcr dem Ganzen aber schwebt der gute Geist der Gross¬
herzogin Luise, die jederzeit die Entwickelung ihres Werkes
mit regem Interesse und persönlicher Anteilnahme verfolgt.
Die wohltätige Stiftung ermöglicht es, die Pensionspreise
niedrig zu halten, sodass der Aufenthalt in dem Hause auch
Damen gestattet ist, welche mit Glücksgütern nicht allzusehr
gesegnet sind.
Wenn ein solches Heim als ein Idyll der Ruhe und dos
Wohlbehagens an einem Platze geschaffen wurde, dessen Vor¬
züge als Kurort Eingangs die.sos nur angedeutet wurden, mit
alli'u Einrichtungen de.s Komforts und der Hygiene, so ist
w'lil hogreifiieh. welch idealen Auhmtlialt dasselbe bietet und
tlankerfiillt wiial so maui'lies. ehemals vereinsamte, Menschen¬
herz die hohe vStifterin segnen.
Schwimmbädern für die Mannschaften, die auch in der kalten
Jahreszeit zu benutzen wären, ist aus leicht begreiflichen Gründen
abgesehen worden. Denn an körperlicher, Muskeln und Nerven
stärkender Bewegung mangelt es unseren Leuten auch sonst
nicht, und die Abhärtung wird zweifelsohne mehr durch den
dauernden Aufenthalt in der Luft bei Wind und Wetter als
durch das Wasser erzielt. Nur die Kadettenanstalten sind in
letzter Zeit dazu übergegangen, Hallenschwimmbäder zu bauen,
um auf diese Weise Winters und Sommers die in den Klassen¬
zimmern und Arbeitssälen lange Zeit zubringende militärische
Jugend körperlich nach jeder Richtung hin kräftigen und aus¬
bilden zu können.
Ich will nur vorübergehend erwähnen, dass selbstverständ¬
lich in allen Lazaretten dieselben Badeeinrichtungen bestehen
wie auch in gut geleiteten Krankenhäusern. In jedem CTÖsseren
Lazarett können ausser Wannenbädern auch Sand- und Dampf¬
bäder verabreicht werden, dazu kommen neuerdings die Licht¬
bäder und hydrotherapeutische Apparate aller Art, so dass auch
auf dem Gebiete der Heilbäder unsere Krankenanstalten auf
der Höhe stehen. Hinzufügen möchte ich noch, dass von Jahr
zu Jahr mehr der Gebrauch von Kurorten aller Art und Heil¬
quellen steigt, so dass bereits im Berichtsjahr 1902 bis 1903 1732
Mannschaften des aktiven Heeres (ohne Bayern) Badekuren be¬
willigt werden konnten, ganz abgesehen von der grossen An¬
zahl von Leuten, welche den gut eingerichteten und günstig
gelegenen Militär-Genesungsheimen überwiesen wurden.
Zum Vergleich mit diesen unseren Badeeinrichtungen sei
es mir gestattet, kurz einige mir bekannt gewordene Angaben
über das Baden bei fremden Armeen mitzuteilen: In dem uns
verbündeten Heere Oesterreichs badet der Soldat zur kälteren
Jahreszeit ebenfalls möglichst einmal wöchentlich in den Brause¬
bädern der Kasernen, im Sommer so oft als angängig im Freien.
In einigen Garnisonen, so auch in Wien, bestehen bei den
Lazaretten grössere Badeanlagen, welche ausser Duschen auch
Dampf- und Wannenbäder, sowie Kalt- und Lauwasserbassins
enthalten und zu denen die Mannschaften turnusweise geführt
werden. — Auch der dänische Soldat erhält vermöge der seit
mehreren Jahren in den Kasernen eingerichteten Brausebädern
allwöchentlich sein Bad. (S(-hluss folgt.)
Allgemeine Mietbedingungen für die thüringer Kurorte.
Beilage zu dem in Nr. 25 abgedruckten Vortrage.
Extrabestimmungen bei Todesfällen.
Bei Todesfällen gelten folgende Bestimmungen:
Bad Neuenahr.
Reiseeindrücke.
Ailch Bäder und Heilquellen haben ihre Geschichte und
Schicksale. Auf der einen Seite sind manche einst weit be¬
rühmte Badeorte zu stillem beschaulichem Dasein zurückge¬
kehrt, und manche haben mit dem ungeheuren Aufschwung der
modernen Kulturverhältnisse nicht Schritt halten können, ihr
Stillstand bedeutet gleichsam einen Rückschritt. Andererseits
ist in den letzten Jahrzehnten auch manches unbekannte Dorf
zum Range eines Kurortes erhoben worden und hat sich den
Ruf eines Heilbades zu erwerben gewusst. An Mineralquellen
hat es auf der Erde nie gemangelt, selbst unser verhältnis¬
mäßig gebirgsarmes Deutschland ist von jeher sehr reich daran
gewesen. Aber man hat all diesen tausend kleinen Quellen
keine Beachtung gesclienkt, sie nicht zu verwerten gesucht und
verstanden. Erst der enorm gesteigerte industrielle Geist der
Neuzeit hat auch in zahllosen dieser unscheinbaren Mineral¬
quellen einen Wert erkannt und weiss ihn mit ebenso grossem
Eifer wie Geschick auszunutzen. Der Amerikanismus, der in
allen Teilen unseres Öffentlichen Lebens sich immer mehr breit
macht, findet ja seinen glänzendsten Ausdruck in der Reklame,
wcdcho alle Dinge bis ins Ungemessne preist. Auch die Em¬
pfehlung von Badeorten und Heilquellen vollzieht sich heute
nicht nur vielfacli, sondern man kann getrost sagen.
grösseren Teil auf diesem Wege, zumeist über die Köpfe der
Digitized by ' ooQ e
1906.
BALNBOLOGISCHB CBNTRÄLZEmJNG
116
I. Bei Todesftlllen, welche nicht durch anstockende Krankheiten
herbeigeführt worden sind, ist
1 . bei einwöchentlicher Vermietung der Älietbetrag für die
Mietwoche nud eine zweite Woche zu bezahlen;
2. bei mehrwöchentUcher Vermietung ist dann, wenn der Tod
in die erste Hälfte der Mietperiode fällt, der Betrag der Miete ihr
die ganze Mietzeit, und wenn der Tod in die zweite Hälfte der
Mietperiode fällt, ausser der vollen Miete noch der auf eine Woche
entfallende Betrag mehr zu zahlen;
3. tritt ein Todesfall am Ende der Saison (1. Oktober) ein,
so ist die Miete lediglich für die laufende Woche zu bezahlen;
4. für die Matratze, das Bett, die Bettwäsche, die unbrauch¬
bar oder entwertet, ist dem Vermieter Ersatz, bezw. Entschädigung
zu leisten. Wird der volle Wert ersetzt, dann gehen die Gegen¬
stände selbstverständlich in das Eigentum des Zahlenden über.
n. Bei Todesfällen, welche durch ansteckende Krankheiten,
nämlich Tuberkulose, Cholera, Typhus, Blattern, Diphtherie, Ruhr,
Scharlach, Masern, Rose erfolgen, ist
1. bei einwöchentlicher Vermietung der Mietbetrag für die
laufende Woche und für zwei Wochen mehr zu zahlen;
2. bei mehrwöchentlicber Vermietung ist
a) wenn der Tod in die erste Hälfte der Mietperiode ^llt, der
Betrag der Miete auf die ganze Mietzeit unter Hinzufügung
des auf eine Woche mehr entfallenden Mietbetrages,
b) wenn der Tod in die zweite Hälfte der Mietperiode fällt,
der volle Mietbetrag und weiter der sich auf zwei weitere
Wochen über die Mietzeit hinaus berechnende Betrag als
Entschädigung zu zahlen;
3. tritt ein Todesfall am Ende der Saison (1. Oktober) ein,
so ist die Miete auf die vereinbarte Mietzeit oder — wenn diese
nicht noch wenigstens eine Woche dauert — für eine Woche vom
Todestage ab zu zahlen;
4. das Bett, auf dem der Tod erfolgte, ist nach seinem Werte
zu bezahlen, wogegen dasselbe selbstverstäudlich in dtus Eigentum
des Zahlenden übergeht. Für die hölzerne oder eiserne Bettstelle
ist Ersatz oder Entschädigung nicht zu beanspruchen.
5. Auch fär die Desinfektion und die etwa notwendige Restau¬
rierung der Sterbezimmer bezw. der Möbelstücke ist Ersatz zu
leisten. Ob die Restaurierung notwendig, darüber entscheidet der
behandelnde Arzt, oder, wenn ein Arzt nicht zugegen war, der
der Badedirektion angehörende Arzt. Gegen den Ausspruch des
Arztes ist Berufung auf den Ausspruch des Gerichtsarztes auf
Kosten des Anrufenden zulässig.
Aerzte hinweg. Der Wert wissenschaftlicher Feststellungen
wird ja überflüssig, wenn man sich mit exakten Zahlonanalysen,
welche ihren Eindruck nie verfehlen, direkt an die breite Oeffent-
lichkeit wenden kann! An die Stelle langsamer und mühseliger
Prüfung und der Abwartung bewährter Beobachtungen tritt die
grosssprecherische Annonce in den Tageszeitungen, deren In¬
halt sich ja viel schneller Auge und Gehirn einprägt, als dem
Ohre die langsamen und spärlichen Empfehlungen der Aerzte,
welche nur in dem Maße steigender Bewährung sich zn mehren
pflegen. Auch auf dem Gebiete der Heilbäder und Brunnen
ist heute die öffentliche Reklame die wirksamste Propaganda
geworden!
Das ist nun einmal der Gang der Dinge, die Folge der
allgemeinen kulturellen Entwickelung, gegen welche jedes Be¬
denken und jeder Widerspruch wirkungslos, ja zumeist unge-
hört verhallen werden. Gegen eine derartige Propaganda kann
auch kein sittlicher Vorwurf erhoben worden, weil ja diejenigen,
welche sich die gewerbliche Ausnutzung von Mineralquellen
angelegen sein lassen, ihr Geld in solche Unternehmungen hin¬
eingesteckt haben und es rentiert wissen wollen. Der Betrieb
von Mineralquellen ist eben auch eine Erwerbsquelle geworden,
deren Berechtigung nicht ganz abzustreiten ist. Es wäre frei¬
lich viel besser, w^enn alle Quellen, deren Heilkraft durch lang¬
jährige ärztliche Beobachtungen erwiesen ist, in staatlichen
oder städtischen Besitz gelangten, weil in den Händen von Be¬
hörden die Verwertung solcher Schätze stets eine viel uneigen-
Polizeiliche Anmeldung von Kurgästen.
Tag der Ankunft:.
lid«-.
No
Name und Stand der
Kuriere (nebst Namen
der Dienerschaft)
Heimats-
resp.
Wohnort und
Staat
Anzahl
der
Personen
Voraussicht¬
liche Dauer
der Mietzeil
Bemerk¬
ungen
1
2
3
4
5
6
Friedrichroda, den
Namo des Vermieters:
Nach der Verordnung des Herzogi. Landratsamtes Walters-
hauseu vom 21. Juni 1905 muss jeder Vermieter von Wohnungen
an Kurgäste die l^etzteren innerhalb 24 Stunden nach Ankunft
derselben beim Stadtrate polizeilich anmelden und es ist die Unter¬
lassung dieser Anzeige mit einer Strafe bis zu Dreissig Mark be¬
droht.
Die Anmeldung muss mittels des vorgeschriebenen Formulars
erfolgen und es müssen die Meldungen in zwei gleichlautenden
E.\emplaren eingereicht werden. Das eine Exemplar wird dem
Vermieter nach erfolgter Abstempelung innerhalb 3 Tagen nach
dem Eingänge zurückgegeben oder ist nach dieser Zeit abzuholen.
Belm Verzüge eines Kurgastes in eine andere Wohnung hat
der neue Vermieter in gleicher Weise polizeiliche Meldung zu er¬
statten und zwar ebenfalls mittels des vorgeschriebenen Formulars.
Es ist dabei anzugeben, wo der Mieter vorher gewohnt hat.
Der Nachweis über die erfolgte, resp. rechtzeitigerfolgte An¬
meldung kann einzig und allein durch den in der Hand des Ver¬
mieters beflndlichen imd polizeilich abgesteropelten Meldezettel ge¬
führt werden. Die ahgestempelten Meldezettel sind von den Ver¬
mietern 6 Monate lang aufzubewahren.
Es wird den Vermietern dringend empfohlen, das eine Exemplar
der Anmeldung von den Kurgästen selbst ausfüllen zu lassen.
Aus den Bädern und Kurorten.
In Adelboden hat sieh ein Verband der schweizerischen
Winterkurorte mit dein Sitze daselbst gebildet.
nützigeie sein wird, als im Besitze privater Eigentümer. Wo
ein anerkanntes, öffentliches Interesse in Frage kommt, da muss
die Allgemeinheit in der Lago sein, von einer Wohlfahrtsein-
richtung den denkbar zweckmäßigsten Gebrauch machen zu
können! Die Erfahrung beweist auch, dass allenthalben die¬
jenigen Heilbäder am wohltätigsten wirken, welche ausschliess¬
lich im öffentlichen Interesse verwaltet werden. (Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Der Fremdenverkehr In der Schweiz. Man hatte in der
Schweiz gefürchtet, dass die strengen Maßnahmen gegen das Auto-
mobilfahren einen grossen Teil der reichsten Sommergäste von dem
Lande fern halten würde. Aber diese Befürchtung war völlig un¬
nötig, wio der glänzende Verlauf der diesjährigen Saison bewiesen
bat. Das seltene Auftauchen von Automobilen ist von den Besuchern
geradezu als eine Annehmlichkeit mehr empfunden worden, im
Gegensätze zu den Erfahrungen, die Turisten an den italienischen
Seen gemacht haben, wo man fortwährend den durch die Auto¬
mobile aufgewirbelten Staub schlucken muss. In der ganzen Saison
haben diesmal über 500 000 Turisten die Schweiz besucht, Ange¬
hörige aller Nationalitäten von ganz Europa. Die Zahl der deutschen
Besucher ist grösser gewesen als je zuvor und betrug ungefähr
38 Prozent aller Turisten. Nächst den Deutschen waren die Eng¬
länder am zahlreichsten vertreten, sie stellten etwa 18 Prozent
der Gesamtzahl.
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iie
BALNBOLCKHSCHK CENTRALZEITUNG Nr. 29.
Bädon-'BädBn. Nivch den nunmehr vorliegenden Zililen über
di6 PrequßBi! der hiesigen grossherzoglichen Badeanstalten Jür
die Monate Januar bis einschliesslich September; also die Zeit der
stSirksten Inanspruchnahme, wurden in diesem Zeitraum im Fried-
ncbsha’d 55799 Bader abgegeben, im Kaiserin Augusta-ßad
32 983. Im Friedrichsbad betrugen die Einnahmen für Bäder,
Maa.sage, Heilgymnastik etc. 125223 Mark (1905: 116519 Mark),
im Augusfa-ßad 74919 Mark (1905: 63896 Mark). Für Fango¬
behandlungen wurden in diesem Zeitraum 16212 Mark einge¬
nommen gegen 16314 im Vorjahr. Die Einnahmen sind also in
allen Abteilungen bedeutend höher gewesen als 1905.
Das Sanatorium Ebersteinburg bei Baden-Baden, welches
im Mai dieses Jahres von Dr. Rumpf, früherem Leiter der Staat
liehen badischen Lungenheilstätten Priedrichsheim und Luisenheim,
eröffnet wurde, hat sich ausserordentlich rasch eingeführt und ist
auch für den Winter schon besetzt. Aus.ser der landschaftlich
unvergleichlich schönen Gebirgslage und den hygienisch muster¬
gültigen Einrichtungen des Sanatoriums fand bei Publikum und
Aerzten besonders viel Anklang die von Dr. Rumpf getroffene
Neuerung, in seinem vornehm ausgestatteten Sanatorium nur leicht
lungenkranke Damen aufzunebmen.
Gries. Am 17, v. M. gelangte eine Aufforderung der k. k.
Bezirkshauptmannschaft Bozen zur Beratung, welche eine kur-
polizeiliche Verfügung der Kurvorstolning verlangt, um das Nach¬
schleppen der Kleider, sowie das freie Ausspucken auf Promenaden
etc. zu verbieten. Nach längerer Debatte wurde beschlossen, das
Nachschleppen der Kleider, sowie das Ausspucken auf Promenaden,
Anlagen und Fusswegen im Kurorte Ciries zu verbieten.
In WiOSbaden haben die Stadtverordneten die Erhöhung der
Eintrittsgelder zu den Veranstaltungen der Kurverwaltung ge¬
nehmigt.
Wegen dos schwankenden Gesundheitszustandes des Herrn
Dr. Schubert war bereits vor mehreren Monaten an dessen Stelle
in Bad Nerothal Herr Dr. V. Herff getreten, dem zugleich die
künftige Leitung des neuen Sanatoriums übertragen wurde. Die
Eröffnuug des im Bau begriffenen Kurhaus Bad Nerothal, welches
mit allem Komfort der Neuzeit und sämtlichen der jetz'gen Hoho
der Wissenschaft entsprechenden technischen und therapeutischen
Hilfsmitteln ausgestattet ist, findet bestimmt am 1. April 1907
statt.
Bäderfrequenz.
Wiesbaden
150997.
Baden-Baden
72346.
Karlsbad
61959.
Harzburg
38663.
Norderney
38136.
Oeynhausen
34614.
Marienbad
29507.
Helgoland
28929.
Nauheim
27 601.
Ems
24629.
Kolberg
23805.
Neuenabr
22069.
Salzbrunn
14991.
Wildbad
14861,
Homburg
13836.
Elster
12112 .
Landeck
11110
Kudowa
10962.
Verschiedenes.
— Der „ständige Ausschuss für die gesundheit-
liclien Einrichtungen in den deutschen Kur- und Bade¬
orten“ hat seine dritte Zusammenkunft am 13. Oktober in
Kis.singen abgehalten. Das kaiserliche Gesundheitsamt, das
preussische Kultus- und das Landwirtschaftsministerium, die
bayerische und die hessische Regierung hatten Vertreter ent¬
sendet. Die erneuten Beratungen über die Mindestforderungen
für Wasserversorgung und Beseitigung der Abfallstoffe gelangten
nach den Ausführungen des Vorsitzenden, Hofrat Dr. Röch¬
ling-Misdroy, zum Atischluss. Eine Reihe von Vorschlägen für
Bau- und gesimdheitspolizeiliclie Verordnungen in den Kurorten,
Referent Dr. Siebelt-Flinsberg, wurde in zweiter Beratung end¬
gültig angenommen.
Personalien.
— Herr Dr. Determann in St. Blasien ist zum Hofrat er¬
nannt worden.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneologischen ZentralzeUnng..
Name
Woche
1
Mittleres
Temperatur¬
in in imum j
Mittleres !
Temperatur- |
maximum
.
c
Hup
-= V K
^ -a -2
ü — S
— o
Q M
Regen¬
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abb izia • . . . .
4.1 —O./ll.
13,3 C.
15,9
C.
5
_
2
4
_
Davos.
31/10.-G./1I
— 2,2 C.
7,1
C.
623,9
2
5
5
—
—
2 Tage Schnee.
Driburg ....
29,/10,-4./lI.
2,5 C.
13,6
0.
—
2
5
—
—
—
Ems..
l./ll.-lO./ll-
5,4 C.
11,8
C.
748,1
5
6
—
1,8
—
Giesshübl-Sauerbru
nn
3,2 C.
8,9
C.
—
—
5
2
5
—
Herrenall) . . .
5 C.
10,5
C.
717
4
3
4
4—5
—
Kreuznach . . .
— c.
—
C.
—
—
—
—
—
—
Langenschwalbach
—
— C.
—
C.
—
—
—
.—
—
—
Lijiiis|iriTigo . .
•i/ii.-io n.
4,8 C.
10,-1
C.
746
1
1
5
3—6
—
Frequenz 6651.
Nauheim ....
3,7 C.
10,4
C.
745,7
4
3
5
1
_
, 27 691.
Nemi'iorf . . . .
28., lü. 3/11.
6,5 C.
15,5
C.
742
, 2
7
3
—
—
Norderney , . .
—
— 0.
—
C.
—
—
—
—
—
—
Roicheuhall . . .
-
—
— C.
—
C.
—
—
—
—
_
—
Reinerz ....
•
4.—lO./ll.
7,3 C.
12
C.
—
1
5
2
5
—
S;i!z))runn . . .
4
—
— C.
—
c.
—
—
—
—
—
—
Stellen.
•
—
— C.
—
C.
—
—
—
—
Tri! erg . . .
•-
•
28;i0.-10.;!l
2,6 C.
9,6
C.
—
5
9
5
—
—
Verantwortlirh^r Redakteur : Dr. P. Meissner, Merlin — Verlag von Carl Marhold, Halle a. S.
Druck vnn H-frnemann'tche iluchilrnckerri. Cebr. W<il|T, Halle a. S
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Vn. Jahrgang. Nr. ^0. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Redakteur:
Dr. med. et polit Stchr, Wiesbaden.
Verlag: Carl Marbold ln Halle a. S.» Uhlandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823
Der Nachdruck ans dieser Zeitschrift ist
nor mit Qoellenangabe and nach Anfrage
bei der Redaktion gestattet
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Inh
Das Baden in der Armee. Von Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannorer. (Scblsa.)
Bericht über den 16. Schwarwaldbädertag in Baden-Baden Von Dr: med.
Eddy Schacht, Todtmoos.
Feallleton : Bad Neuenahr. ReiseeindrQcke. (Forteetzang.)
Haftung dee Badebesitzers im Altertm.
alt.
Ans den Bädern and Siirerten.
Vereine und Kongresse.
Personalleu.
Meteorologische Statistik.
Das Baden in der Armee.
Vortrag in der Hauptreraammlang der Deutschen Gesellschaft für Volks¬
bäder am 23. Mai 1906 zu Worms.
Dr. Krebs, Stabsarzt in Hannoyer.
(Schloss.)
Vom rassischen Heere ist bekannt, dass die im russischen
Volke 80 beliebten Dampfbäder auch den Soldaten verabfolgt
werden, and wie auch bei den Japanern das Baden zur festen
Gewohnheit geworden ist, geht schon aus mehreren Bildern
über Szenen des letzten grossen Krieges im fernen Osten her¬
vor: auf ihnen sehen wir, wie die japanischen Soldaten selbst
bei niedriger Temperatur höchst vergnüglich im Freien in ihren
mit heissem Wasser gefüllten, halb in die Erde vergrabenen
Tonnen stecken, um das altgewohnte heisse Bad darin zu nehmen.
Im französischen Heere ist bereits im Jahre 1861 eine
Braueeeinrichtung in einer Kaserne zu Marseille eingerichtet
gewesen, und au^ Tollet hat in seinem 1877 erschienenen Werk
über die Reform der Kasernen mehrere Typen von Brausebad¬
projekten wiedergegeben, welche schlechterdings als muster-
^Itig anzusehen sind. Als Kuriosum möchte ich die in manchen
französischenKavallerie-Regimentern Sitte gewesene Art, warmes
Wasser zum Baden auf einfache und billige Weise zu be¬
schaffen, erwähnen. Man stellte nämlich in die Düngerhaufen
bei den Pferdeställen verschieden grosse, gut verschlossene
Wasserbehälter auf, deren Inhalt nach einigen Tagen bereits
durch die wärmeerzeugende Gärung des Pferdedüngers bis
auf 50® C erwärmt wurde. Durch besondere Pump- und Hebe¬
vorrichtungen wurde sodann dies so erwärmte Wasser zum
Baden der Mannschaften nutzbar gemacht. Die englische Mili¬
tärverwaltung widmet seit der Beendigung des südafrikanischen
Krieges der Erlernung des Schwimmens gesteigerte Aufmerk¬
samkeit. So sind im grossen Lager zu Aldershot 1902 ausge¬
dehnte Schwimmbäder eingerichtet worden, um ähnliche Un¬
glücks- und Todesfälle zu verhüten, wie sie sich in jenem Kriege
wegen der Unkenntnis des Schwimmens nur zu oft ereignet
haben.
Meine verehrten Anwesenden, ich hoffe, ich habe Ihnen
mit diesen kurzen Ausführungen zeigen können, in wie hohem
Maße und mit wie nie erlahmendem Eifer seitens unsrer Militär¬
verwaltung daran gearbeitet worden ist, der ihr im Heere an-
vertrauten Blüte der männlichen Jugend unseres Volks auch
alle Vorteile und Segnungen einer durch das Baden bedingten
und erhöhten Körperpflege zu Teil werden zu lassen. Hand
in Hand damit gehen die anderen Maßregeln, welche geeignet
und dafür bestimmt sind, die Gesundheit der Truppen zu er¬
halten und zu stählen und so die Schlagfertigkeit des Heeres
zu erhöhen. Und nicht umsonst ist gearbeitet — das lehren
die nackten Zahlen der Sanitätsberichte, welche fast ohne Unter¬
brechung einen Rückgang der Krankenzugänge zu konstatieren
vermögen. Sind doch diese z. B. im Vergleiäi zu der Zeit vor
20 Jahren um rund 28®/o zurückgegangen; das besagt bei einer
Armee von 526 000 Mann, wie wir sie jetzt besitzen, dass
147000 Krankenzugänge weniger zu zählen gewesen wären als
vor 20 Jahren — bei gleich angenommener Heeresstärke. Diese
Zahlen reden eine deutliche Sprache. Und niemand unter uns
wird es leumen können, dass solch erhebliche Fortschritte zum
gi'ossen Teil auf die hygienischen Maßnahmen und die Fürsorge
Feuilleton.
Bad Neuenahr.
Keiseeindrücke.
• (Fortsetzung:.)
Zu solchen Gedanken wird wohl jeder unbefangene ärzt¬
liche Beobachter gedrängt, welcher wie der Schreiber dieser
Zeilen in diesem Sommer Gelegenheit gehabt hat, das Bad
Neuenahr gründlicher kennen zu lernen. Es ist vielleicht der¬
jenige Kurort Deutschlands, welcher in den letzten Jahrzehnten
die glänzendste Entwickelnng aufzuweisen hat. Nachdem die
Quelle erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durch einen
Weingutsbesitzer entdeckt worden ist, in dessen Familie der
Besitz bis auf diesen Tag verblieben ist, hat eine rührige Propa¬
ganda es dahin gebracht, dass der Kurort in diesem Jahre
schon gegen 10000 Gäste aufzuweisen hatte. Die Frequenz
hat sich gerade in den letzten Jahren ausserordentlich gesteigert
infolge der ebenso energischen wie geschickten Leitung durch
die gegenwärtige Kurdirektion. Es ist geradezu erstaunlich zu
sehen, wieviel Zweckmäßiges und Schönes dort zum Wohle der
Kranken in letzter Zeit geschaffen worden ist. Die Gesamt¬
einrichtung der Kuranlagen lässt eine Grosszügigkeit erkennen,
welche vom modernen Geiste durchweht ist. Der Kurplatz
mit den beiden darauf stehenden Rieseogebäuden, dem Kur¬
hotel und dem Kurhaus, hat nicht viel seinesgleichen in den
Kurorten Deutschlands und Oesterreichs. Insbesondere ist das
mit einem Kostenaufwande von mehr als einer Million vor zwei
Jahren neu erbaute Kurhaus eine architektonische Sehens¬
würdigkeit. Es birgt neben einer grossen Terrasse und einer
als Weinrestaurant menenden Glasveranda ein Theater von un-
ewöhnlich grossen Dimensionen und prächt^e Lese- und
pielsäle, welche mit fast verschwenderischer Eleganz ausge¬
stattet sind. Die von Marmor starrenden Räume bieten nament¬
lich bei den abendlichen Lichteffekten einen intonierenden An¬
blick dar. Von den hohen Fenstern und dem Balkon des Lese¬
saals blickt man auf die lieblichen Ufer der dicht vorbei¬
rauschenden Ahr. In dem Musikpavillon auf dem Kurplatz
wird den Gästen zuweilen sehr gute musikalische Unterhaltung
geboten. Weniger Lob verdient die gewöhnliche Kurkapelle,
welche zweimal täglich in den Kuranlagen jenseits der Strasse
spielt. Dieser Park, der sich auch hart am Ahrufer entlang¬
zieht, ist mit ausserordentlich feinem gärtnerischen Geschmack
angelegt, und bietet den Kurgästen Gwegenheit zu ausreichen¬
den und sehr hübschen Spaziergängen während der Brunnen¬
kur. In den Kuranlagen befindet sich auch die Trinkhalle, in
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118
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUKG
Nr. 30.
der.Militärbehörden zurückgeführt werden müssen. Maßnahmen,
unter denen die stetig mehr vervollkommneten Badeeinrichtungen
und ihr häufiger Gebrauch sicherlich nicht an letzter Stelle zu
nennen sind!
Im Heere ist das vielgenannte Wort Lassars seit Jahren
zur Tatsache geworden:
„Jede Woche jedem Deutschen ein Bad!“
Bericht über den 16. Schwarzwaldbädertag
in Baden-Baden.
Von Dr. med. Eddy Schacht, Todtmoos.
Am 29. und 30. September d. J. fand in Baden-Baden die
16. Jahresversammlung des Schwarzwaldbädertages statt.
Nach einer eingehenden Besichtigung der Grossherzoglichen
Kuranstalten, des Friedrichs*Augusta- und Landesbades, sowie
des Inhalatoriums und der Trinkhalle, wobei Herr Geheimrat
Obkircher in liebenswürdiger Weise die Führung übernahm,
vereinigten sich die Teilnehmer am Spätnachmittag zur allge¬
meinen Sitzung im Konversationshause.
Zum Vorsitzenden der Versammlung wurde Obkircher-
Baden-Baden gewählt, das Amt des Schriftführers übernahm
Schacht-Todtmoos. — Den Bericht über das verflossene Ver¬
einsjahr erstattete Herr Medicinalrat Frey. Danach zählt der
Veroand 52 Mitglieder. Zwei sind im Laufe des Jahres ver*
zogen, zwei andere, Rumpf und Heinsheimer, beide Baden-
Baden, neu eingetreten. — Der Vermögensstand ist günstig.
Die Rechnungsablage wird durch Herrn Sanitätsrat Hauss-
mann geprüft und für richtig befunden.
Schacht-Todtmoos spricht über „Hotel und Kurhaus“.
Er beleuchtet kurz die Vor- und Nachteile für Gesunde und
Kranke, die sich aus einem geeinigten Hotel- und Kuranstalts¬
betriebe ergeben, und streift die Schwierigkeiten, die bei den
oft diametralen Interessen der wirtschaftlichen und ärztlichen
Leitung unvermeidlich sind. Er will die Art der Kranken,
die offene Kuranstalten aufsuchen, enger begrenzt wissen und
sieht in den kleineren geschlossenen Sanatorien für spezielle
Krankenklasseu mit einheitlicher Leitung die Behandlungs¬
methode der Zukunft.
Einen interessanten Ausblick über „die Prognose der
Lungentuberkulose“ gibt Rumpf-Baden-Baden. Die
welcher die Quelle neuerdings an zwei verschiedenen Stellen
gefasst und geschöpft wird. Fast ist die Halle schon zu klein,
um dem häufig recht starken Andrange der Quellenpilger ge¬
nügend Raum zu bieten. Sie würde auch zweckmäßiger zu
ebener Erde liegen! Sehr bequem und vornehm angelegt
und reich ausgestattet ist auch das mit dem Kurhotel unmittel¬
bar verbundene Badehaus, in dem alle Arten Bäder verab¬
reicht werden und auch vorzüglich eingerichtete hydrotherapeu¬
tische Abteile vorhanden sind.
Was ausserhalb der eigentlichen Kuranlagen im Bade
Neuenahr liegt, macht leider einen weit weniger günstigen Ein¬
druck, es ist fast alles veraltet und unzweckmäßig geworden.
Die Verkaufskolonnade ist eine armselige Baracke, deren Schau¬
läden sehr unmodern anmuten. An neuen, eleganten und
grossen Hotels mangelt es in Neuenahr fast vollkommen. Die
Ursache dafür ist darin zu suchen, dass sich die Banlust bis¬
her noch immer hauptsächlich in dem alten Dorfe konzentriert
hat, dessen enge Strassen gar keine Entwickelung der Häuser
in die Höhe und Tiefe zulassen. Die Stadt Neuenahr an sich
macht für einen modernen Badeort einen wenig vorteilhaften
Eindruck. Einstweilen scheinen noch die privaten Sonder¬
interessen der in dem Städtchen maßgebenden Persönlichkeiten
(Hotelbesitzer und dergl.) es zu verhindern, dass die Bautätig¬
keit sich an denjenigen Stellen entfaltet, an w'clchen dort über-
luuipt nur eine moderne Architektur zu ihrem Rechte kommen
hereditären Momente, die Brehmersche Belastung, der phthi-
sische Habitus, die Spirometrie, die katarrhalische Disposition,
die Unterernährung, überstandene Krankheiten, Lebensalter
U8W. werden auf ihren prognostischen Wert kritisch geprüft.
Den wichtigsten Anhaltspunkt für die Voraussage des einzelnen
Krankheitsfolles bietet der Vergleich zwischen der Dauer der
Krankheit und dem Grad, den die Erkrankung in dieser Zeit
an In- und Extensität in den Lungen und an Schädigung des
Allgemeinzustandes erreicht hat.
Von den physikalischen Krankheitserscheinungen sind für
die Beurteilung des Verlaufes am höchsten zu bewerten die
Rasselgeräusche, und von diesen wieder die kliugenden. Nicht
unwesentlich ist der Sitz der Tuberkulose, ferner, ob sie eine
offene oder geschlossene ist.
Während die Zahl der Tuberkelbazillen im Auswurf in
ihren Schwankungen keinen prognostischen Anhaltspunkt gibt,
ist das dauernde Verschwinden der Bazillen während der Be¬
handlung als günstig aufzufassen. Aeusserst wichtig ist das
Verhalten der Temperatur und des Herzens. Das Fieber ist
wohl das bedeutungsvollste Zeichen der Schwere des Kampfes,
den der befallene Organismus mit den feindlichen Krankheits¬
erregern führt. Kleiner, frequenter Puls auf die Dauer ist als
infaust anzusehen.
Haemorrhagieen sind im Einzelfalle für die Prognose be¬
deutungslos, bei öfterer Wiederkehr ein omen malum.
üebergreifen der Tuberkulose auf andere Organe ist im
allgemeinen eine angem gesehene und ungünstig zu deutende
Komplikation.
Freisein von anderen Krankheiten und im übrigen ein
widerstandsfähiger Körper — Verdauungsorgane, ein in¬
taktes Nervensystem und ein gesundes Herz — sind das Beste
für die Ueberwindung der tuberkulösen Infektion in den Lungen.
(Schloss folgt.)
Aus den Bädern und Kurorten.
In Abbazia wurde anfangs dieses Monats infolge eines ausser¬
ordentlich starken Schirokko, welcher mit einer gewaltigen Sturz¬
flut und Wolkenbruch verbunden war, die vordere Hälfte des
grossen Molo durch den Anprall der Wogen ganz zerstört, so dass
er einstürzte. Der Schiffsverkehr nach Fiume und nach den dal¬
matinischen Inseln Avar für längere Zeit unterbrochen, resp. stark
beeinträchtigt. Auch sonst wurde grosser Schaden in Abbazia und
Umgebung angerichtet.
kann: nämlich an den beiden Ahrnfern, die sich ja zu beiden
Seiten des Kurhauses fast eine Viertelstunde lang hinziehen,
und in den schönen hoch gelegenen Strassen oberhalb des Kur¬
hotels. Einen grossen Teil des bebauungsfähigen Terrains hat
die Kurdirektion (Aktiengesellschaft!) au^ekauft, wohl um das
Anbohren des Bodoms für andere Quellensucher zu verhindern (?).
Für die bauliche Entwickelung des Badeortes bedeutet das aber
ein bedauerliches Hemmnis. Der schwerste Schaden aber, den
das Bad Neuenahr zur Zeit hat, ist der Mangel einer
Kanalisation. Wäre das den Aerzten allgemein bekannt so
würden sie ihre Patienten niemals mit ruhigem Gewissen dort¬
hin schicken können. Denn die Art und Weise, wie dort Fäka¬
lien und Unrat versorgt werden, ist ein Spott auf die moderne
Hygiene! Es liegt darin eine Quelle ernster Gesundheitsge¬
fährdung für die vielen Tausende von Menschen, welche all¬
jährlich dort ihr Heil suchen. Neuenahr kann von Glück sagen,
dass bisher dort noch keine Epidemie irgend einer Infektions¬
krankheit zum Ausbruch gekommen ist! (Schluss folgt)
Haftung des Badebesitzers im Altertum.
Die ägj'ptische Papyri bringen eine Menge Fälle aus dem
Privatleben zum Vorschein, wie sie heutzutage oft wieder vor
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1906.
BALNBOLOGISCHE CENTRALZEITÜNG
119
Bsden'BadBn. Zur Errichtung eines Krematoriums wurden
.der Stadtgemeinde von einem ungenannten Mltgliede der Fremden-
kolonie 90000 M. zur Verfügung gestellt, falls der Bau innerhalb
dreier Jahre ausgeführt und das Krematorium von der Stadt io
Betrieb genommen wird. Der Stadtnvt hat die Schenkung mit
Dank angenommen.
Borkum. Das Ergebnis der diesjährigen Sommersaison ist
sehr günstig gewesen, denn die Zahl der Besucher hat die Höhe
von 21611 erreicht! Im Jahre vorher waren 20439 Fremde auf
der Insel, so dass die Besucherzahl um 1182 Personen zugenom¬
men hat. Jetzt beginnt die Herbst- und Wintersaison, die vor
zwei Jahren eingerichtet wurde. Alle Einrichtungen iUr warme
Bäder, Kanalisation und Wasserleitung bleiben im Gange, ebenso
Dampferverbindung mit Emden. Die meisten Hotels, Pensionen,
Kaufläden, Post und Telegraph sind für den Verkehr geöffnet.
BrUckBnaU. ln einer Tiefe von 410 Meter wurde eine
mächtige Kohlensäure-Gasquelle erbohrt. Der Gasausbruch, welcher
sich fünfmal wiederholte, war so stark, dass die Wassersäule
30 Meter hoch geschleudert wurde.
KoIoiu’b SQdstrand Ftthr. Am l. und 2. Noveml>er tagte in
Bremen die Generalversammlung des Verbandes Deutscher Nord¬
seebäder. Von den Gegenständen der Verhandlung ist mitteilens¬
wert, dass künftig den Aerzten in den Nordseebädem ein grösserer
Einfluss in der Vertretung des Verbandes und auf die Propaganda
eingeräomt werden soll. Gelegentlich dieser Versammlung hat
sich die Mehrzahl der in den Nordseebädern tätigen Aerzte zu
einem Verein zusammengeschlossen, mit dem Zweck gegenseitiger,
wissenschaftlicher Anregung. Insbe.sondere sollen die Erfahrungen
über die Heilwirknngen der Nordsee ausgetaiischt und systematische
Untersuchungen über den Einfluss derselben auf den Stoffwechsel
veranlasst werden.
Mit der Geschäftsführung wurde Dr. Gmelin vom Sanatorium
Südstrand Föhr beauftragt
NordBrnBy. Norderney ist in diesem Sommer von insgesamt
38 148 Personen besucht worden. Im vorigen Jahre waren es nur
37 350 und im Jahre 1904 nur 35647.
SBb&StianSWBilBr. Wie aus Tübingen gemeldet wird, wurden
in letzter Zeit durch den Besitzer Ha 1 d e nwang in allernächster
Nähe des Bades zwei weitere, sehr ergiebige Schwefelquellen ent¬
deckt, was für die Weiterentwicklung des aufstrebenden Bades
von grosser Bedeutung ist.
ViBrwaldstättBrSBB. Die Winterstationen am Vierwaldstätter¬
see scheinen sich rasch die Gunst des luft- und sportliebenden
Publikums zu gewinnen. In Engelberg sollen für den bevor¬
Gericht verhandelt werden, so auch aus dem Badeleben, das
bei den Alten eine grosse Rolle spielte. Mit der „Haftung des
Badebe8itzer6‘‘ wollen wir aber — so schreibt die „Frankf.
Ztg.“ — nicht auf die häufigen Fälle hindeuten, wo einem
Badenden etwas in der Badeanstalt gestohlen wird; denn die
waren im Altertum auf der Tagesordnung und es gab eine
ganze Profession von Manteldieben und „Paletotmardem“
in den Bädern und Palästen im alten Athen, worüber Aristo-
phanes oft etwas zu sagen hat. In unserem Falle handelt es
sich darum, dass durch Unvorsichtigkeit der Badebediensteten
ein Badender an seiner Gesundheit geschädigt worden ist. Das
Altertum besass keine eigentlichen Spitäler, sonst würden ge¬
wiss Fälle, wie sie durch geringe Unvorsichtigkeit verursacht,
in unseren Spitälern Vorkommen, auch aus den Papwi erkennt¬
lich sein; z. B. folgender: Eine noch schwache K^ranke wird
ins Badezimmer des Hospitals geführt, sie wird einen Augen¬
blick allein gelassen, fallt vom Stuhl und verbrennt sich an
den Heizrohren, oder nach einer Operation werden einer
Patientin durch zu heisse Wärmeflaschen die Füsse verbrannt;
in beiden Fällen haftet die Hospitalverwaltung. Unser ägypti¬
sches Pendant dazu aus der Ptolemaeerzeit ist gemäß einem
Papyrus aus Magdola folgendes: In einer Eingabe an den
König Ptolemaeus schreibt Philistia, Tochter des Lysias, aus
dem Fayumdorf Trikomia:
„Icli bin durch Petechon an meiner Gesundheit geschädigt
stehenden Winter bereits gegen dreihundert Gäste Quartier be¬
stellt haben. Für Rigl-Kaltbad und Rigi-Klösterli lässt die Vitznau-
Rigibahn zum erstenmal den ganzen Winter über täglich Züge
Vitznau—Rigi—Kaltbad und zurück verkehren. Engelberg, sowohl
wie das südliche Rigihochplateau sind durch eine ausserordentlich
hohe Durchschnittszahl von sonnenhellen Wintertagen begünstigt.
An beiden Plätzen wird der Wintersport eifrig gepflegt.
In WarnBÜlündB schloss die diesjährige letzte Badeliste mit
einer Frequenzzifi'er von 18522 ab, d. L ca. 1000 weniger als 1905,
In WfilVBr in WBStfalBn haben die Vorarbeiten für die
Bildung eines Solbades stattgefunden. Bekanntlich wurde bei
Welver vor mehreren Jahren eine starke kohlensäurereiohe Thermal-
solquelle erbohrt. Es wird angestrebt, Welver zur Bade- und
Rentnerstadt Westfalens zu machen.
WBStBrIand. Das statistische Material Westerlands zeigt,
dass die seinerzeit so heissumstrittenen „Familienbäder‘‘ in einer fort¬
gesetzten Steigerung begriffen sind und sich einer stetig zunehmen¬
den Popularität erfreuen, ohne dass die „deutsche Sittlichkeit in
Trümmer ging“, wie von den vielen Gegnern befürchtet worden
war.
Während in dem Eröffnungsjahr 1902 wenige Tausend „ge¬
mischt badeten*, benutzten 1903 bereits 21000 Kurgäste die
Familienbäder und heute ist die Frequenz schon auf die stattliche
Zahl von 34600 gestiegen. Die Damen-Strandbäder wiesen eine
Besuchsziffer von 29000 auf. Die Herrenbäder eine solche von
38 000 Personen, welche Zahlen mit dem Vorjahr gleichen Schritt
halten. Die warmen Seebäder wurden von rund 1500 und die
modernen Luft- und Sonnenbäder, welche in Westerland in romanti¬
scher Lage anf den Dünen sich befinden, wurden von 1000 Per¬
sonen benutzt.
Bezeichnend ist, dass die höchste Tagesfrequenz ebenfalls
vom Familienbad, und zwar mit 910 Badenden erreicht wurde.
In Nordseebad Wittdüll wird jetzt mit dem Bau der elektri¬
schen Zentrale, eines modernen Warmbadehauses, einer Dampf¬
wäscherei und Eisfabrikationsanlage begonnen. Diese Bauten
sollen bi.s zum 1. Juni n. J. betriebsfUbig sein.
Vereine und Kongresse.
ÜBr VBfband dBUtSChBr NordSBBbfldBr hielt am l. und 2.
d. M. in Brenxen seine diesjährige Tagung ab. Zu den Verhand¬
lungen batte das preussische Ministerium der öffentlichen Arbeiten
einen Vertreter gesandt. Im Aufträge des Bremer Senats wohnte
Prof. Tjaden den Verhandlungen bei. Der Vorsitzende des Ver-
worden. Als ich in den öffentlichen Badem des Dorfes ein
Bad nahm, goss dieser Petechon, der die Aufgabe hat, das
Frauenbassin mit Wasser aufzufüllen, gerade in dem Augen¬
blick, als ich herausstieg, um mich abzuseifen, Kannen heissen
Wassers über mich, so dass mir der Leib und die Schenkel
bis zum Knie verbrannt wurden und ich in wirklicher Lebens¬
gefahr schwebte. Ich liess sofort in Gegenwart des Epistaten
Simon ein Protokoll aufnehmen und dem Rechtosiris, dem
Archiphylakiten, überreichen. Ich bitte Dich, o König, dass
mir mein Recht wird, wo ich so zugerichtet worden bin, ich,
die ich von meiner Hände Arbeit leben muss. Befiehl also,
dass der Strateg Diophannes den Simon, den Rechtosiris und
den Petechon vorlade und die Sache behandle.“
Das Aktenzeichen auf der Rückseite des Papyrus lautet:
„Datum des Eingangs“ (5 Tage später als das Datum des Un¬
falls). „Philistia, Tochter des Lysias gegen Petechon wegen
Körperverletzung durch Brand.“ Die Dorfverwaltung scheint
wohl für den Badeschaden haftbar zu sein, sofern der leicht¬
sinnige Badediener nicht dafür aufkommen kann.
(Illustr. Badeblatt.)
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120
BALNBOLOGISCHB CENTRALZEITUNG
Nr. 30.
bandes, Bürgermeister Petersen-Wyk, begrüsste die Er¬
schienenen. Darauf erstattete der Geschäftsführer den Jahres¬
bericht. Die Generalversammlung im vorigen Jahre hatte be¬
schlossen, die Propaganda für den Besuch der Nordseebäder in
bedeutendem Maße zu verstärken. Das sei geschehen. Der Er¬
folg sei nicht ausgeblieben, wie sich aus dem starken Besuch der
Inseln und Küstenbäder in diesem Sommer ergebe. Der Vor¬
sitzende stellte die Frage auf Errichtung einer eigenen Geschäfts¬
stelle in Berlin zur Debatte. Es sei zweckwidrig, dass der Ver¬
bandssekretär auf einer entlegenen Insel hause; sein Domizil müsse
eine Verkehrszentrale sein. Erforderlich seien etwa 15,500 Mark,
von dieser Summe würden 12,500 Mark durch Einnahme gedeckt,
der Rest müsse durch besondere Umlage aufgebracht werden.
Der Verbandstag erklärte sich mit den Ausführungen des Refe¬
renten einverstanden. Nach einem R-eferat des Vorsitzenden über
die Vertragsverlängerung mit Scherl wurde der Vorstand beauf¬
tragt. den Verbandsleitfaden in derselben Audage und Ausstattung
wie im vorigen Jahre herauszugeben. Dem Vorstande wurde
überlassen, wegen der Herausgabe der Verbandszeitung das Nötige
zu veranlassen. Dr. Nicolas-Sylt hielt darauf einen Vortrag
über: „Die Stellung der Nordseebäder in der modernen Balneo¬
logie.“ Er wies an der Hand von Gutachten hervorragender Au¬
toritäten auf die Heilkraft der Nordseebäder bei den verschieden¬
sten pathologischen Zuständen des menschlichen Körpers hin.
Der Amtrag betreffend Vergünstigung für Aerzte und ihre Ange¬
hörigen veranlasste eine längere Aussprache, die zu dem Ergebnis
führte, dass der Antrag von der Tagesordnung abgesetzt wurde,
weil man nicht allein in dieser Frage vergehen wollte, sondern
Hand in Hand mit dem deutschen Bäderverband arbeiten will.
Zum Schluss sprach Direktor Weselmann-Hamburg über die
Frage: „W’elche Schritte siud zu unternehmen, um eine Ver-
grösserung der Anzahl der Einzelprospekte für die Ausgabestelle
zu erreichen?“ Ein Beschluss wurde zu diesem Punkte nicht ge¬
fasst. — Am zweiten Tage wurde eine Reihe neuer Propaganda¬
vorschläge, und insbesondere die Form der gemeinsamen Annon-
cierung erörtert. Der Verbandssekretär Jakob erstattete ein
Referat zu der Frage: „Was kann geschehen, um in den einzelnen
Bädern die örtliche journalistische Tätigkeit zu heben, und wie
kann man die bessere .Journalistik iu den Grossstädten für die
Interessen der Nordseebäder gewinnen?“ Von einer Beschluss¬
fassung in dieser Sache wixrde abgesehen. Die Zahl der Vor¬
standsmitglieder wurde durch die Zuwahl der Vertreter des Nord¬
deutschen Lloyd und der Hamburg-Amerika-Linie, sowie des neu-
gegründeten Verbandes der Badeärzte der Nordsee (Dr. Gmelin-
Südstrand Föhr) auf neun erhöht. — Beschlossen wurde, an den
Minister der öffentlichen Arbeiten das Ersuchen zu richten, für
diejenigen Badezüge nach und von den Nordseebädern, die be¬
reits bestehen und zukünftig noch eingerichtet werden, auch für
die Folge nach Einführung der Tarifreform von der Erhebung
von Zuschlägen abzusehen. Direktor Weselmann-Hamborg
wandte sich schliesslich gegen die Verringerung der Bewegungs¬
freiheit der Reisenden durch die beabsichtigte Aufhebnng der
Rückfahrkarten und die angeblich geplante Beschränkung der
Gültigkeitsdauer einfacher Fahrkarten auf zwei bis drei Tage.
Bürgermeister Petersen-Wyk schloss dann die Generalver¬
sammlung mit einem Hoch auf den Kaiser.
Ein Unterverband oet- und westpreuesischer Osteeebäder
ist in Elbing begründet worden. Es wurde beschlossen, der
nächsten Generalversammlung des Verbandes deutscher Ostsee¬
bäder im Jahre 1907 zu Berlin folgende Anträge zu unterbreiten:
1. Die Erlangung der Ferienzüge von Berlin, Könitz, Dirschau
nach Königsberg, bezw. Dirschau nach Danzig zum Anschluss an
die Ostseebäder, ferner der Ferienzüge nach Breslau, Bromberg,
Dirschau, nach Königsberg, bezw. Dirschau nach Danzig. 2. Die
auswärtigen Vertreter der Ausgabestellen (Reisebureaus usw.) sind
zur Besichtigung der Ostseebäder im Jahre 1907 einzuladen.“ —
Der Verband tagt alle Jahre abwechselnd in Königsberg, Elbing
und Danzig.
Eine Versammlung der süddeutschen Volksheiletättenfirzte
fand in der zweiten Hälfte des Oktober unter Vorsitz von Dr. Nahm-
Ruppertshain in Heidelberg statt. Vorträge hielten Dr. Pit-
sch in ger-Luitpoldheim, Dr. Cnrschmann- Friedrichsheim, Dr.
Nahm-Ruppertshain. Als Ort der nächstjährigen Versammlung
wurde Baden-Baden gewählt, als ständiger Vorsitzender Dr. Nahm.
Personalien.
— Dem Kurarzt Dr. Tripold in Abbazia wurde der Titel
eines Kaiserlichen Rates verliehen.
— Dr. Eddy Schacht-Todtmoos praktiziert wieder bis Ende
März in Assuan, Oberägypten, und Dr. Brühl, bisher zweiter
Arzt der neuen Heilanstalt zu Schöneberg, in Gm*done Riviera.
Meteorologische Statistik.
Veranstaltet von der Redaktion der Balneelofllsohen Zentralzeitung..
Name
Woche
Mittleres i
Temperatur- 1
3
2
S
Mittleres '
Temperatur¬
maximum
Durchscliiiitt-
lieber
Barometerstand
Regen-
tage
Sonnen¬
schein¬
tage
Wieviel
Tage
bewölkt
Wind¬
stärke
Ge¬
witter
Besondere
Bemerkungen
Abb i/ia ....
18.-24./11.
8,3
C.
13,6 C.
765
2
5
_
4
1
1 Tag Seesturm.
Davos.
•
14.-20./11
— 6,4
0.
3,7 C.
628,5
1
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3
—
—
Driburg ....
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12.~18./1I
2,1
c.
7,9 C.
—
4
2
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Ein.s.
18 -24./11.
5,7
c.
9,2 C.
757,2
5
2
2
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m .
3,1
5
c.
6,1 C.
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c.
12 C.
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2
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K reuznach . . .
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— C.
—
_
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—
—
c.
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—
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Lippspringe . . .
18.- 24 /11.
3,5
c.
7 C.
753
3
1
3
2_5
—
Frequenz 6712.
Nauheim ....
19.-28./I1.
4,2
c.
7,8 C.
755
2
—
7
2
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27818.
Nenndorf ....
18—24/11.
5,5
c.
10 C.
753
3
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4
Sturm
_
Norderney . . .
5.-ll./ll.
2,8
c.
10,5 C.
—
2
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3
1
_
Hoiirhenhnll , . .
Keinerz ....
18.—24./il.
1,5
c.
n
— C.
7,6 C.
716,3
2
3
4
3
—
Salzbrunn . . .
a
—
c.
— c.
—
_
_
_
_
Sieben .
•
—
—
c.
C.
_
_
_
• _
Tril erg . , .
» •
11.—24./11.
-0,2
c.
5,.5 C.
7
9
6
—
—
V.raniworOicher Redakteur: Dr. R Meissner, Rerlin. — Verlag von Carl Marhold. Halle a. S
Druck von Ileynemaan'sche Ruchdruckerel, Oebr. WolfT, Halle a, S
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Vn. Jahi)|;ang. Nr. 31. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Organ des Schwarzwaldbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Redakteur:
Dr. med. et polit Stehr, Wiesbaden.
Verlag: Carl Marhold in Halle a. S.« Ublandstrasse 6.
Tel.-Adr.: Marhold Verlag Hallesaale. Fernsprecher .823
Alle Zuschriften an die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDf. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Der Nacbdmck ans dieser Zeitschrift ist
nnr mit Quellenangabe nnd nach Anfrage
bei der Redaktion gestattet
Inhalt.
Der Eindass ron UoorMdera auf das Herz und den Blutkreislauf. Von
Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Steten.
Bericht Ober den 16. Schwarwaldbädertag in Badoa-Badon Vo') Dr. med.
Eddy Schacht, Todtmoos.
FenUleton : Von der 78. Versammlung dentscber Naturforscher und Aerzte
in Stuttgart. Von Dr Burwinkel*Bad Nauheim.
Bad Neuenahr. ReiseeindrUcke. (Schluss.)
Alts den Bllderu nnd Kurorten.
Personalien.
Der Einfluss von Moorbädern auf das Herz
und den Blutkreislauf.
Vortrag für den 15. Allgemeinen Deutschen Bädertag in
Bad Kissingen am 11. Oktober 1906.
Von Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Stehen.
Meine sehr verehrten Herren!
Wena ich mir als homo novus auf dem Gebiete der
wissenschaftlichen Balneologie die Freiheit nehme, heute hier
vor diese hochansehnliche Versammlung zu treten und Ihnen
einiges von meinen Beobachtungen und Erfahrungen über den
Einfluss von Moorbädern auf das Herz und den Blutkreislauf
mitzuteilen, so bin ich mir vollauf bewusst, in wie hohem Maße
ich dabei Ihre Geduld und Ihre Nachsicht in Anspruch nehmen
muss. Erst seit drei Jahren ist es mir vergönnt, in unserm
altbewährten kgl. bayerischen Stahl- und Moorbade Stehen als
ordinierender Badearzt tätig zu sein, und erst etwas über 1300
Patienten habe ich während dreier Sommer zu behandeln und
zu beobachten Gelegenheit gehabt Nicht ganz der dritte Teil
hiervon hat bei uns Moorbäder gebraucht, aber doch haben
sich mir bei der Beratung dieser ca. 400 Fälle schon Beob¬
achtungen anfgedrängt, welche es mir scheinen lassen wollen,
als ob man bisher in der Anwendung von Moorbädern teilweise
etwas zu zurückhaltend gewesen wäre, als ob der Kreis der
Gegenindikationen gegen Moorbäder, d. h. der Gründe, aus
denen man sie lieber vermeiden soll, einer Einschränkung
fähig, ja geradezu bedürftig sei.
Bevor ich Ihnen die bis jetzt gültigen Gegenanzeigen
gegen Moorbäder kurz skizziere, gestatten Sie mir, Ihnen in
aller Kürze die Beschaffenheit und die Anwendungsweise
unseres Stebener Bademoores zu schildern. Westlich von
unserm Badeorte, in unmittelbarer Nähe des Parkes, auf einer
grossen, tiefgründigen, von eisen- und kohlensäurereichem
Wasser durchströmten Wiese, befindet sich unser 4,36 ha grosses
Moorlager, welches uns für viele Jahre hinaus auch bei erheb¬
lich gesteigertem Bedarf einen schier unerschöpflichen Moor¬
vorrat gewährleistet, zumal auch der jetzt noch im Privatbe¬
sitz befindliche kleinere Teil dieses Moorlagers demnächst vom
bayerischen Staate käuflich erworben werden soll.
Das frische Moor stellt eine dunkelbraune, leicht erdig¬
säuerlich riechende, etwas fettige feinbröckliche Masse dar,
welche neben geringen Mengen von Manganoxydul und Mag¬
nesia 4,8 g Kalk, 6,8 g Eisenoj^dul und 14,8 g Schwefel¬
säure im Kilogramm enthält. Das Material ist von grosser
Gleichmäßigkeit im Kerne und in der Mischung und reich an
organischen Substanzen, welche in einem fortschreitenden Zer¬
setzungsprozesse begriffen sind und so eine ununterbrochene
Kohlensäoreentwicklung in der Masse selbst erhalten. Von der
Moorwiese führt ein kleiner Schienenstrang zur sogenannten
Moorküche, wohin das täglich frisch gestochene Moor in Kipp-
wagen befördert wird. Zur Verwendung verwitterten Moores
Feuilleton.
Von der 78. Versanunlnng
deutscher Naturforscher und Ärzte
in Stuttgart
vom 16.—22. September 1906.
Berichterstatter:
Dr. Burwinkel-Bad Nauheim (im Winter San Remo).
weg ein recht guter. Eine ganze Reihe hervorragender
Kliniker waren anwesend, ich nenne nur die Professoren
Naunyn, Leube, Senator, Lenhartz, Rumpf, Minkowski, Moritz,
Nolda, Romberg. Auch viele ausländische Kollegen, namentlich
aus Österreich uud Russland waren erschienen, sogar das ent¬
fernte Ägypten hat in dem bekannten Arzt Dr. Hess-bey in
Kairo seinen Vertreter gestellt. Auf der Tagesordnung standen
nicht weniger als 50 Vorträge angemeldet; sehr praktisch er¬
wies es sich, dass dieselben nach den verschiedenen Körper¬
organen gruppiert und die Diskassion dann nicht wie bisher
nach jedem einzelnen Vortrag eröffnet wurde, sondern erst
nach Erledigung einer Gruppe von Vorträgen. Nur auf diese
Weise gelang es, das Programm in der zustehenden Zeit zu
erledigen.
Als die Versammlung znm ersten und einzigsten Mal im
Jahre 1834 in der württembergischen Hanptstadt tagte, da
wurde den Besuchern ein für damalige Zeiten glänzender
Empfang bereitet. Auch diesmal hat Stuttgart seinen Ruf als
vorzügliche Kongressstadt in jeder Weise gewahrt. Die ganze
schwierige Frage der Organisation war in befriedigender Weise
gelost und wohl jeder der mehr als 2000 Besucmer ist nach
mlen Richtungen hin zu seinem Recht gekommen. Jede der
vielen Sektionen hatte ein bequemes Versammlungslokal be¬
kommen, in welchen anderen Städten ist dies möglich. Die
16. Abteilung für Innere Medicin, Pharmakologie, Balneologie
nnd Hydrotherapie hielt ihre Sitzungen in dem prächtigen
Saal der technischen Hochschule ab. Der Besuch war durch-
Zuerst fanden die Krankheiten des Blutes und Kreislaufes
ihre Besprechung. Senator (Berlin) sprach über Erythrocy-
tosis megalosplenica, eine Krankheit, die erst seit 1892
bekannt und in einigen Dutzenden von Fällen beschrieben ist
(Osner, WeintrandX DiecharakteristischenMerkmalesind: Ver¬
mehrung der roten Blutkörperchen, die dunkelrote frische Farbe
des Blutes und die Milzvergrösserung. Senator hat zwei
typische Fälle, Männer in den 50 er Jahren, genauer studiert.
Die roten Blutkörperchen waren bezüglich ihrer Zahl in der
Ranmeinheit ganz erheblich vermehrt, in ihrer Gestalt und
Grösse aber unverändert. Auch die farblosen Blutkörperchen
verhielten sich normal. Aus der auffallenden Vermehrung der
Myclocythen und eosinopbylen Zellen muss man auf eine ge-
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122
BAXiNSOLOGISUUlfi CENTRAX<2iBITUNG
Nr. 31.
haben wir uns bis jetzt trotz mehrfacher Anregung hierzu nicht
entschliessen können, da wir mit der Verwendung des frischen
Moores bis jetzt nur die besten Erfahrungen gemacht haben
und das Verfahren der Verwitterung für unser Moor für über¬
flüssig und umständlich halten. Die Wasserlöslichkeit unsres
Stebener Moores ist eben auch in frischem Zustande eine der¬
artig grosse, daß ein richtig zubereiletes, d. h. genügend lange
gedämpftes und dann genügend lange mit Handräder durchge¬
arbeitetes Moorbad einem solchen von Bad Elster oder von
Franzensbad, wie ich mich persönlich überzeug habe, an
Weichheit, Flaumigkeit und Molligkeit nichts nadimbt! Das
Absetzen einer Wasserschicht über den Moorbrei ^s Zeichen
mangelhafter Auflösung des Moores im Wasser erfolgt auch
bei uns nur dann, wenn das Moorbad sehr lange gestanden
hat, oder wenn im Drange der Geschäfte während der Hoch¬
saison einmal ein Bad nicht genügend durchgearbeitet worden
ist. In der Moorküche wird das Moor in grossen, ca. 3 cbm
haltenden Holzkesseln durch Einleitung von Dampf in heißen
Brei verwandelt und von da in die Wannen gelassen, io denen
es durch Zusatz von mehr oder weniger kaltem Moor auf die
verordnete Temperatur und Konsistenz gebracht und dann mit
breiten Handrudem so lange durchgearbeitet wird, bis es eine
möglichst gleichmäßige breiige Masse darstellt. Die Moor¬
wannen werden dann auf ihren Rädern von hinten in die Bade¬
zellen hineingefahren, und das Moorbad ist zum Gebrauche
fertig.
Die Krankheiten, gegen welche Moorbäder bei uns ange¬
wendet werden, sind vor allem eine große Anzahl Erkrankungen
der weiblichen Geschlechtsorgane, sodann der chronische Mus¬
kel- und Gelenksrheumatismus und die Gicht, seltener Nerven-
und Rückenmarkskrankheiten oder Verletzungsfolgen. Die
Wirkung des Moorbades beruht ja bekanntlich weniger auf
einer chemischen Einwirkung auf die Haut, denn erstlich sind
die Stoffe, welche überhaupt chemisch auf die Haut einzu¬
wirken vermögen, also vor allem die organischen Säuren und
sauren Salze, nur in sehr grosser Verdünnung im Moor ent¬
halten, und dann ist die völlige Undurchlässigkeit der ge¬
sunden menschlichen Haut für auf sie gebrachte lösliche Stoffe
meines Erachtens schon längst in einer völlig zweifellosen
Weise festgestellt worden, ^s vielmehr auf der ja freilich
auch vielfach angezweifelten Durchwirkung des mehr oder
weniger dicken Moorbreies auf den Körper und vor allen
Dingen auf der Möglichkeit einer intensiven Wärmeeinwirkung,
welche besonders bei allen schmerzhaften Erkrankungen, seien
steigerte Tätigkeit des Knochenmarkes schliessen, welches auch
hyperplasiert war. Das ^eziflsche Gewicht, die Menge und der
Haemoglobingehalt des Gesamtblutes sind vermehrt. Die er¬
höhte Venosität des Blutes bedeutet eine Mehrarbeit fürs Herz,
üeberraschend war der nach jeder Richtung hin gesteigerte
Gaswechsel (verstärkte Gewebsatmung?). Jede Therapie ist
aussichtslos, Hutentziehungen bringen vorübergebenden Nutzen.
_ (Fortsetzung folgt.)
Bad Neuenahr.
Reiseeindrücke.
(Schlusa.)
Ein weiterer Missstand des Kurortes ist der Mangel an
guten Spazierwegen, welcher erholungssuchende Kurgäste
selbstverständlich sehr dringend bedürfen. Es gibt nur eine
einzige Promenade in Neuenahr, welche namentlich für ältere
fiente ohne Beschwerden passierbar ist: das ist der Weg längs
des einen Ahrufers vom Wasserwerk bis zu der reizend auf
der Höhe gelegenen Kolonie Johannisberg, welche den Titel
eines „Luftkurortes“ wohl mit Recht für sich in Anspruch
ludimen darf. Alle anderen Wege in und um Neuenahr be¬
finden sich in einem teilweis geradezu schauderhaften Zustande,
so dass man oft über Steine und Geröll stolpert. Der Ver-
schünoningsverein hat zwar den Neuenahrer Wald (zum Teil
liorrlicher Hochwaldl) zugänglich gemacht, dessen Krone der
sie rheumatischer, gichtischer oder chronisch-entzündlicher
Natur, so ungemein wohltätig und heilbringend empfunden
wird. loh stehe auf dem Standpunkt, dass bei allen derartigen
Erkrankungen die Wärme des Moorbades das Hauptbeilmittel
ist und verordne sie deswegen in solchen Fällen immer Ober¬
hautwarm, d. h. über 37*^ C. steigend bis 39® und 40®, in
selteneu Fällen auch bis zu 42® Temperatur, indessen nur ganz
ausnahmsweise und höchstens bei Halb- oder Teilbädem.
So zahlreich die Krankheiten der genannten Art sind, bei
denen eine Heilwirkung der Moorbäder erwartet werden kann,
so häufig sind sie aber leider mit Erkrankungen des Herzens
und der Blutgefäße vergesellschaftet, welche bei der Anwen¬
dung warmer Moorbäder nicht gleichgültig sind und daher zur
Vorsicht mahnen. Wir finden selten einen Rheumatismus, eine
auf anaemischer Basis beruhende Unterleibserkrankung, bei
welchen das Herz — und selten einen Fall von Gicht oder
Fettleibigkeit, bei welchen die Blutgefässe mehr oder weniger
in Mitleidenschaft gezogen wären. Die Angaben in der
Literatur über den Einfluss von Moorbädern auf das Herz und
den Blutkreislauf sind nun so verschieden and zum Teil direkt
widersprechend, was sich nicht ausschliesslich nur aus der Ver¬
schiedenheit des Moores selbst und den angewendeten Tempe¬
raturen erklären lässt, dass man hei der Behandlung Kranker mit
Moorbädern der eignen Beobachtung gar nicht entraten kann,
wenn man mit der Zeit ein einigermaßen sicheres Urteil da¬
rüber gewinnen will, welchen Patienten, oder sagen wir gleich
genauer, welchen Herzen man Moorbäder zumuten dan und
in welchen Fällen man sie widerraten muss; das letztere wird
dann und wann nötig, in Fällen, in denen Patienten der Ge¬
brauch von Moorbädern von ihrem Hausarzte ohne vorgänmge
genaue Untersuchung des Herzens und der Blutgef^se, ohne
Bestimmung des P^sbildes und des Blutdruckes angeraten
worden ist.
Als konstante Wirkung jedes warmen Moorbades habe ich
in Stehen gefunden: Beschleunigung des Pulses und Sinken
des arteriellen Blutdruckes bei ^eicKzeitiger venöser Stauung
im Innern des Körpers und in den Venen der vom Moor nicht
bedeckten Körperteile, also besonders des Kopfes und Gesichts.
Diese Erscheinungen gehen ganz analog der Temperatur und
dem Dichtigkeitsgrade des einzelnen Moorbades in die Höhe:
je heisser und dicker das Bad, umso schneller der Puls, umso
niedriger der Blutdruck, umso stärker die venöse Stauung I
Letzteres betrachte ich als die eigentliche Heilwirkung, ersteres
beides als unliebsame Nebenwirkungen des Moorbades, und in
Berg Neuenahr mit der Burgruine ist, von der man eine herr¬
liche Aussicht auf die Rheinebene hat Aber noch sind die
Wege grösstenteils für Kranke und Schwache fast ungangbar
und selbst für Kräftigere wenig angenehm, so dass die Mehr¬
zahl der Kurgäste mit Recht es vorzieht, den Tag innerhalb
der eigentlichen Kuranlagen zuzubringen. Dieser mangelhafte
Ausbau und die schlechte Pflege der Wege ist um so bedauer¬
licher, als sie an sich Neuen^r zu einem Terrainkurort
ausserordentlich geeignet machen würden. Die Indi¬
kationen für diesen Kurort, welche sich in der Hauptsache
bisher auf Verdauungs-, Stoffwechsel- und Nierenkrankheiten
beschränken, würden sich unschwer auf viele Herzleiden und
Kreislaufstörungen u. a. m. erweitern lassen, wenn die in allen
möglichen Steigungsgraden schon vorhandenen Wege ordnu^-
gemäß hergerichtet würden. Dazu freilich ist Geld nötig! Hat
die Stadt nicht genug dazu, dann sollte es die AkBengesell-
schaft, welche im Besitze des Bades ist, hergeben, auf die Ge¬
fahr hin, ihre hohe Dividende vorübergehend um einige Prozente
herabsetzen zu müssen! Die Kurtaxe ist wahrlicn hoch ge¬
nug! Sie sollte niedriger sein in humanitärem Interesse, könnte
danir aber obligatorisch für alle Fremden im Orte sein. Das
Essen ist nicht teuer in Neuenahr, das Wohnen gerade¬
zu billig. Welchen Gewinn die Stedt Neuenahr von dem
Aufblühen des Bades hat, entzieht sich der Kenntnis des
Fernstehenden. Es ist zu bedauern, dass die Aerzte des Kur¬
ortes bei der Lage der Verhältnisse nicht den notwendigen
Einfluss auf die sanitären Einrichtungen gewinnen können. Iq
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fiALKfiOLOOtSCHB CSNtRALZSmmQ
133
iMe.
der riclitigeii Abmessung dieser beiden Faktoren: möglichste
Steigernng des ersteren bei möglichster Verringerung des
letzteren erblicke ich die eigentliche Kunst einer richtigen,
IndividuelleD Moorbadeverordnung. Modifiziert wird die Ein¬
wirkung der Wärme durch die des Druckes auf den Körper.
In der Literatur findet man zwar einerseits Angaben, das
spezifische Gewicht eines dicken Moorbades sei 1,25, anderer¬
seits die Behauptung, der Moorbrei sei leichter als Wasser,
aber bei uns wiegt ein Liter dicker Moorbrei aus einem
fertigen, dicken Moorbade von 40° C. 1050 g; die Mehrbe-
Ustong des Körpers im Vergleich zu einem Wasserbade von
300 1 = 300 kg beträgt also immerhin ca. 15 kg. Dieser Druck
verhindert die Blutüberfüllung der peripheren Venen, welche
sonst in der Wärme eintreten und ein Bad von 40° G. schon
als unzuträglich heiss empfinden lassen würde, weswegen die
Haut auch im heissen Moorbade stets weiss bleibt, und läßt das
Blut nach Stellen mit geringerem Druck strömen, also einmal
— erwüBschterweise — nach den Muskeln und Nerven, den
Gelenk- und Körperhöhlen, und dann s unerwünschterweise —
nach dem vom Moorbrei nicht bedeckten Kopf und Gesicht, so¬
wie vor allen Dingen nach dem Herzen!
Es bängt nun ganz vom Zustande des Herzens, und zwar
vor allem, um dies gleich vorwe g z u nehmen, vom Zustande
des Herzmuskels ab, in welcher Weise und in welcher Zeit
der Körper mit den unerwünschten Nebeneinwirkungen des
Moorbades — Beschleunigung des Pulses und Sinken des Blut¬
druckes infolge der Blutstauung nach dem Herzen zu — fertig
wird. (Schloss folgt.)
Bericht über den 16. Schwarzwaldbädertag
in Baden-Baden.
Von Dr. med. Eddy Schacht, Todtmoos.
(Schloss.)
Es folgte der Vortrag von Heinsheimer-Baden-Baden
„lieber den Einfluss von Ruhe und Muskelarbeit (Be¬
wegung) auf den Erfolg diätetischer Kuren“.
Redner weist auf den Wandel der Anschauungen in obiger
Beziehung hin, der sich z. B. in der neuerdings allgemein ge¬
wordenen Liegekur bei Gallensteinkranken in Karlsbad gegen¬
über der früher üblichen Verordnung von reichlicher Bewegung
einer Kurdirektion sollte neben dem Verwaltungschef stets auch
ein Arzt mit gleicher Stimme seinen Platz haben.
Wenn dem so wäre, dann könnten in Neuenahr wie in
manchem anderen Kurort viele veralteten, nur durch die Tra¬
dition geheiligten Gewohnheiten schnell beseitigt nnd manche
den modernen Fortschritten der Wissenschaft entsprechende
Nenernngen eingeföhrt werden. Dazu gehört in Neuenahr z. B
das täglich dreimalige Trinken der Quelle, welche schon jedes
einzelne Mal der Mehrzahl der Kranken in viel zn grosser
Menge verabreicht wird. Die Skala der Brunnengläser, die
doch non einmal vorhanden ist, sollte von dem Brunnenmädchen
weit aufmerksamer beobachtet werden. Viel wichtiger aber er-
Bcheint eine sorgfältigere Erwärmung des Brunnens, welche in der
dortigen Trinkhalle noch in sehr primitiver Weise nnd zumeist
auch unzureichend bewerkstelligt wird. Es verdient auch
erwähnt zu werden, dass die Sauberkeit der Brunnengläser
oft zu wünschen übrig lässt Ob es zweckmäßig ist, den Sprudel
immer ün Henimgeben trinken zu lassen and den Kranken da¬
nach noch einen längeren Spaziergang anzuordnen, das noch
einmal im Sinne mo^rner wissenschaftlicher Anschauungen zu
prüfen, wird Sache der dortigen Aerzte sein müssen. Im All¬
gemeinen herrscht auch hier wie in fast allen Kurorten in der
Verordnung der Trinkkuren viel zu sehr das hergebrachte
Schema vor. Individualisieren in der Behandlung ist aber ge¬
rade bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten von der
allergrössten Wichtigkeit. Der erst vor wenigen Monaten neu
eröfihete Remigiusbrunnen, dernnter einem wenig geschmackvoll
ausdrückt In ähnlicher Weise ist die Ordination reichlicher
Körperbewegung zu modifizieren bei chronischer Obstipation,
da bei ausgesprochen spastischer, oder bei Mischformen von
spastischer und atomischer Obstipation sich ein alle mecha¬
nischen Reize ausscbliessendes, krampflösendes Regime von
Ruhe, Wärmeanwendung und laktovegetabiler, leichtverdau-
licber, butterreicher Kost, ergänzt durch Oelapplikationen,
viel besser bewährt, als ein auf Anregung der Muskelarbeit
des Dammes gerichtetes Verfahren. Dass umgekehrt, allzuviel
Ruhe und Mangel au energischer Muskelbetätigung ungünstig
auf den Dauererfolg vieler Ueberemährungskuren wirkt, hat
Redner auch im Tierezperiment nachweisen können, indem
Hunde bei Ueberernäbrung plus Muskelarbeit die Nahrung
besser resorbierten (spec. das Fett), als bei Ueberemährung in
Ruhe. — Zu grosser Vorsicht in der Bewertung von Ruhe
und Arbeit rät H. bei schweren Diabetikern. Im Gegensatz
zu leichten Fällen werden schwerere Fälle durch Muskelarbeit
nicht wesentlich entzückert, im Gegenteil kann eine Schädi¬
gung des Organismus die Folge von körperlicher Anstrengung
sein. Auch über diese Frage und ihre theoretische Bedeutung
für das Diabetesproblem überhaupt hat Redner eigene Uuter-
suchungen angestellt, die kurz gestreift werden. Ausführliche
Publikationen sollen folgen.
Auf Antrag von Schacht-Todtmoos beschliesst die Ver¬
sammlung, jedes zweite Jahr zu Freibuig im Breisgau zu
tagen, wo also im kommenden Jahre der Schwarzwaldbäder-
tag zusammentreten wird.
Auf allgemeine Akklamation hin wurde Herr Medicinalrat
Frey weiterhin zum Geschäftsführer ernannt
An die Sitzung schloss sich ein gemeinschaftliches Essen
im Kurhanse an.
Der nächste Tag war dem Besuch der einzelnen Kur¬
anstalten und Sanatorien gewidmet, wozu die Besitzer einge-
laden hatten. Neben der vornehmen und ruhigen Quisisana
und der behaglichen und gediegenen kleineren Kuranstalt des
Dr. Burger erregten die erst jüngst entstandenen Sanatorien
Frey-Gilbert, Heinsheimer und Rumpf das grösste
Interesse.
Das erstere, für Nerven-, Herz- und Stoffwechselkranke,
vereinigt bei einer gewählten, luxuriösen Ausstattung in sich
alles, was moderne Technik und medicinische Wissenschaft an
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden crei'ert hat. Die
Wasserheilanstalt war wohl das sinnreichste und grossartigste,
was wir bisher gesehen.
aufgebauten und dekorierten Zeltdache verzapft wird— es fliessen
wohl stündlich mehrere Tausend Liter unbenutzt ab — unter¬
scheidet sich nach seinem Geschmack und Kohlensäuregehalt
von dem alten Sprudel so sehr, dass es erst sorgfältiger Beob¬
achtung bedürfen wird, ob und wie weit sich diese Quelle
therapeutisch verwerten lässt. Einstweilen sollte man ihre An¬
wendung noch recht vorsichtig gestalten.
Das Bad Neuenahr ist so reizend in dem lieblichen Ahr¬
tale gelegen, dass es verdiente, weitmebr auch der Zufluchts¬
ort jener Leute aus aller Herren Länder zu werden, welche
jetzt noch immer nach Karlsbad, Kissingen, Homburg und dergl.
pilgern, weil sie dort mehr Komfort zu finden wissen, als
ihnen das noch jugendliche Neuenahr zu bieten vermag. Wenn
auch der dortige Sprudel, die einzige alkalische Therme Deutsch¬
lands, sowohl an Wirksamkeit, wie an Mannigfaltigkeit der
Indikationen den Quellen jener eben genannten Kurorte nicht
völlig gleichwertig erachtet werden kann, so bietet sie doch
gerade durch die Verbindung derselben Eigenschaften, welche
Vichy in der ganzen Weit berühmt gemacht haben, eine
Fülle von Heilanzeigen dar, welche die Kranken in anderen
Kurorten nicht in gleicher Weise finden, so z. B. bei der immer
häufiger werdenden Uebersäurung des Magensaftes, leichten
chronischen Diarrhoeen und anderen Verdauungskrankheiten.
Hier erweist sich die Milde des Brunnens geradezu als ein
Vorzug. Die Entwickelung der Kurorte zu Luxusbädern be¬
deutet allerdings häufig eine schwere Beeinträchtigung für die
Genesung der Kranken. Aber andererseits darf jeder ver-
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124
BALNSOLOGISCHB CBNTRAXiZBITUNG
Nr, 31.
Für Magen- nnd Darmkranke ist das Sanatorium Heins-
heimer erstellt worden. Die ruhige Lage im grossen Park,
die im Villenstil gehaltene bauliche Anordnung, die behag¬
liche, komfortable Inneneinrichtung und der vollkommene Hefl-
apparat machen es zu einer Musterspezialanstalt.
Unter Verwertung aller Errungenschaften moderner ßau-
hygiene und gesundheitstechnichen Einrichtungen ist das Sana¬
torium Ebersteinsburg in der Nähe von Baden-Baden erbaut,
mit dem Zweck, leicht lungenkranken Damen Aufnahme zu
gewähren. Auch hier finden wir alles auf die spezielle Be¬
handlung einer bestimmten Krankheitsgruppe nach mustergül¬
tigen Prinzipien zugeschnitten.
Mit voller Bewunderung für das Gesehene und das schöne,
unvergleichliche Baden-Baden, das sich im herrlichsten Wetter
präsentierte, und mit warmer Anerkennung für die vielen ge¬
botenen Anregungen trennten sich die Mitglieder in den Nach¬
mittagsstunden des zweiten Tages.
Aus den Bädern und Kurorten.
Wiesbaden. Von jeher als Herbstaufentbalt von den Polen
und Russen bevorzugt, ist Wiesbaden in diesem Jahre ganz be¬
sonders stark von ihnen frequentiert. Man hört die fremden Laute
Überall am Kochbrunnen, an der Wilhelmstrasse, dem Korso
Wiesbadens, in allen Kuranlagen. Der besonders schöne Herbst,
sowie die Unruhen in Russland mögen nicht wenig zur Steigerung
des Fremdenbesuches beigetragen haben. Darauf scheinen auch
die russischen Aerzte zu spekulieren, die sich neuerdings hier
niedergelassen haben, und die nach echt russischer Art auf zahl¬
reichen Reklamescbildern in russischer Sprache den Landsleuten
ihre ärztliche Kunst anpreisen.
Der Kurverein hielt dieser Tage im „Hotel Hahn“ seine
ordentliche Hauptversammlung unter dem Vorsitze des Geh. Sanitäts¬
rats Dr. Pfeiffer ab. Von dem Magistrat lag ein Schreiben vor,
wonach der sich auf 4—5000 M. belaufenden Kosten wegen, und
weil man auch an anderer Stelle keine Verwendung dafür habe,
der Tempel des früheren Wilhelmsbrunnens vorerst an seinem
jetzigen Standorte verbleiben müsse. Der Besichtigung des Kur¬
haus-Neubaues haben 70—80 Vereinsmitglieder angewohnt. Herr
Stadtverordneter Simon Hess beantwortete eine Anfrage nach dem
Arrangement für den Konzertplatz. Die Mosikzelte sollen, wie
früher, zu beiden Seiten des Platzes aufgestellt werden, dass der
Schall besonders nach den Terrassen gebe. Die Zelte erhielten
nicht die alte Muscbelform, sondern eine neue, die sich besondere
bewährt habe. Um das Panorama zur Geltung kommen zu lassen,
bleibe mitten vor den Terrassen ein Raum von 5-—6 Meter Breite
frei; rechts und links würden Bäume angepflanzt, ebenso vor dem
Weiher; wahrscheinlich Kastanien, weil diese sic^ schon früh be¬
lauben. Herr Walter regte eine Späterlegong der durchweg
schlecht besuchten Frühkonzerte am Kochbrunnen an, der Vor¬
sitzende die Einschiebung eines etwa eine halbe Stunde währenden
Fiühkonzerts um 11 Uhr, aus dem sich für die Kurverwaltung
eine ganz akzeptable Vermehrung ihrer Einnahme ergeben werde.
Die Anträge wurden jedoch abgelehnt. Herr Effelberger
sprach zu Gunsten von Vorstellungen bei der städtischen Ver¬
waltung nach der Richtung, dass die fünf bei dem Aufgang vor
dem Kurhaose nach der Sonnenbergerstrasse siebenden unschönen
Bäume und ebenso die gesamten in dem Bürgersteig der Sonnen-
bergerstrasse stehendetf^ dem Verkehr hinderlichen Bäume beseitigt
werden, resp. durch wirklich Schatten spendende Neuanpflanzungen
zu ersetzen seien. Es wurde beschlossen, einem Anträge im Sinne
der Effelbergerschen Ausführungen stattzugeben.
Wlttdün-Amrunt, Seit die Dampferverbindung Husum—Am¬
rum nicht allein während der Sommermonate, sondern auch In der
übrigen Zeit des Jahres unterhalten wird, hat sich der Personen-
und Güterverkehr bedeutend entwickelt. Die Insel Amrum bat
zwei Dampferverbindungen fürs ganze Jahr erhalten. — Der Bnten-
fang ist in diesem Jahre aussergewöbnlich ergiebig. Ebenso ist
das Sammeln von Seemoos am Wittdüner Badestrand ein grosser
Erwerbszweig für viele Einwohner des Orts geworden.
Personaliien.
— Den Hofräten Badearzt A. Obkircher in Baden-Baden
und Turban in Davos wurde der Titel Geheimer Hofrat ver¬
liehen.
— Prof. Sauer ist auf den neu errichteten Lehrstuhl für phy¬
sikalische Heilmethode an der Universität Zürich berufen woiiieo.
langen, auch in einem Kurorte annähernd solche Wohnungs-,
Lebens- und Ernährungsverhältnisse vorzufinden, wie er sie in
der Häuslichkeit gewöhnt ist. Wo sich der Kranke nicht wohl
fühlt, wird auch stets die körperliche Wiedererstarkung zu
wünschen übrig lassen. Deshalb wird das Bad Neuenahr, wenn
OS auf den Zustrom des wohlhabenderen und internationalen
Publikums hofft, das bis jetzt dort nur spärlich vertreten ist,
auch noch grösseren Wert auf die Ausgestaltung der äusseren
Verhältnisse legen müssen. Nicht Komfort, aber Behaglichkeit
braucht der Kranke und kann er beanspruchen!
Es gibt freilich eine nicht geringe Zahl von Kranken,
welche in solchen Kurorten all das, was sie benötigen, über¬
haupt nicht bei freier oder oft sogar sogen, wilder Kur als
Hotelgast oder „Chambregarnist“ — wenn dieser ßarbarismus
der Wortbildung gestattet ist — finden, sondern nur oder
jedenfalls zweckmäßiger in einem Sauatorinm. Auch dazu
finden sich in Neuenahr bereits einige erfreuliche Anfänge.
Mit der diätetischen Verpflegung von Verdauungs- und Stoff-
wochselkranken in Gastwirtschaften ist es in Neuenahr, wie
allenthalben, recht mangelhaft bestellt. Die Restaurateure
tragen zwar insbesondere den Zuckerkranken etwas Rechnung,
indem sie einige besondere oder wenigstens besonders zube¬
reitete Gerichte auf den Speisekarten vorrätig halten; aber die
dortigen Aerzte können unmöglich selbst glauben, dass, wenn
sie ihren Kranken die notwendigen scharf umschriebenen Diät¬
vorschriften geben, dieselben an einer allgemeinen Table d’höte,
an welcher 50, 100 oder mehr Personen teilnelimen, zur vor¬
schriftsmäßigen Durchführung gelangen. Man kann sich des
Lächelns nicht erwehren, wenn man den Kellner die Teller
herumreichen hört, mitderFiage: „Zucker oder Magen?“ Das
sind doch Dinge, welche gerade in einem solchen Kurorte, wie
Neuenahr es sein will, ni^t mehr zeitgemäß sind. Die Neuen-
ahrer Aerzte sollten sich das Homburger Bei^iel angelegen
sein lassen, wo auf die Hotel wirte anscheinend mit Erfolg seit zwei
Jdiren ein sehr energischer Druck inbezug auf das Speiseregimen
ausgeübt worden ist. Viel leichter und sicherer wird siA das
aber jedenfalls stets in Sanatorien durchführen lassen. Wes¬
halb derartige Heilanstalten bisher in Neuenahr anscheinend
nicht gern gesehen werden, ist nicht erfindlich. Weder die
Kurverwaltung, noch die Hotels können durchdiese verschwindend
kleine Zahl von Kurgästen eine Beeinträchtigung ihrer Inter¬
essen befürchten. Im übrigen wird der Strom der Zeit auch
über diesen Widerstand rücksichtslos hinweggehen.
Die Mehrzahl der Uebelstände, unter denen der Kurort
Neuenahr heute noch zu leiden bat, würde sich leichter und
schneller beseitigen lassen, wenn, wie dies einleitend auseiu-
andergesetzt wurde, die Heilquellen im Besitze des Staa^
wären. Es ist ernstlich zu erwägen, ob nicht nach den bis¬
herigen Erfahrungen eine gesetzliche Regelung dieser Frag«
sich als zweckm^ig erweist. Die Heilquellen unserer Mutter
Erde müssen auch uneigennütziges Gemeingut ihrer Bewohner
bleiben. —1—
Verantwortlicher Rednkteui: Dr. P. MeUener, BerUn. — VerUf von CnrI Mnrheld, Hnlle n. S.
Druck TOD Hejmeannn'tche Bachdmekerei. Gebr. Wolff, HnUe n. S.
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VH Jahrgai^. Nr. 32. 1906.
Baineologische Centralzeitung
Orgrati des Schwarzwatdbädertages, des Verbandes Deutscher Nordseebäder
und des Vereins der Badeärzte der Ostsee.
Redakteur:
Dr. med. et poUt Stebr, Wiesbaden. |
Verlag: Carl Marbold io Halle a. Sh Uhlandstrasse 4.
Tel.-Adr.: Marbold Verlag Hallesaale. Fernsprecher 823
Der Nachdruck aus dieser Zeitschrift ist
nur mit Quellenangabe nnd nach Anfrage
bei der Redaktion gestattet
Alle Zuschrifteu so die Redaktion erbitten wir an Herrn
DDr. Stehr, Wiesbaden, Wilhelmstrasse 52.
Inh
Der Eiofloss von Koorbadem tof das Herz and den Blntkreialaof. Von
Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Stehen, (^bluss.) '
Veattlelea: Von der 78. Versaromlnng deutscher Naturforscher und Aerzte
alt
in Stuttgart. Von Dr. Burwinkel-Bad Nauheim. (Schluss.)
Tersehledeoes.
Literatur.
Der Emflüss von Moorbadem auf das Herz
und den Blntkreislant
Vortrag fUr den 15. Allgemeinen Deutschen Bädertag in
Bad Kissingen am 11. Oktober 1906.
Von Dr. Willy Scheibe, Badearzt in Bad Stehen.
(Schloss.)
Die Beobachtungen, welche mich als Anfänger vor drei
Jahren zuerst von meiner zu grossen Aengstlichkeit in der An*
Wendung von Moorbädern bei nicht ganz mtaktem Herzen zu¬
rückbrachten, betrafen zwei herzkranke Herren, einen typischen
Gichtiker und einen sehr schweren, chronischen Rheumatiker
mit dem bekannten fliessenden Cebeigang von chronischem Ge*
Uokrheumatismus zur chronischen Oelenkgicht, beide mit
schwerer Mitralinsuffizienz, die heim letzteren nicht einmal
g anz kompensiert war. Der eine nahm auf eigne Hand dicke
Eoorbäder von 42^0 und 45 Minuten Dauer, der zweite ging
ebenfalls auf eigne Hand von den ihm verordneten MooHuß*
hädern zu Moorsitz- und dann zu Moorvolibädern über, und
siehe da: —beide hatten nicht nur subjektiv grosse Erleichte¬
rung von ihren Schmerzen, sondern sie blieben auch frei von
wesentlichen subjektiven Beschwerden von seiten ihres Herzons-
Beim zweiten halte ich Gelegenheit, bald nach dem Bade Puls
und Blutdruck zu untersuchen: Vs Stunde nach dem Bade
war der Puls noch 130 und der Blutdruck 80, mit dem
Gärtnerschen Tonometer gemessen, aber bereits vier Stunden
später war der Puls auf 100 herunter- und der Blutdruck auf
110 hinaufgegangen —das Herz, oder vielmehr der Herzmus¬
kel, war also trotz der schweren Insuffizienz der Mitralklappe
in verhältnismäßig kurzer Zeit mit der Schädigung durch das
Moorbad fertig geworden. Diese Beobachtungen vor drei Jahren,
an welche si^ in den beiden letzten Sommern noch mehrere
ähnliche angeschlossen haben, haben mich dazu geführt, bei
Moorbadekandidaten vor allem der Beschaffenheit des Herz¬
muskels meine größte Aufmerksamkeit zuzuwenden, und dann
den Einfluss der ersten Moorbäder, die ich bei nicht ganz
zweifellos gesundem Herzmuskel nie wärmer als37°C. nehmen
lasse, auf das Herz und den Blutkreislauf sorgfältig zu kontrol¬
lieren. Dass auch bei völlig gesundem Herzen jedes warme
Moorbad eine gewisse Schädigung der Herztätigkeit im Gefolge
hat, habe ich im letzten Sommer sehr schön und wiederholt
au einem Fall beobachten können, wo der Puls regelmäßig
von 84 auf 100 hinauf-, und der Blutdruck jedesmal von 150
auf 110 herunterging; das völlig gesunde Herz glich aber
jedesmal erstere Erseneinung in einer, letztere in etwa 5—6
Stunden vollkommen wieder aus.
Zur genauen Beurteilung der BesebafFenbeit und Kraft
eines Herzmuskels gehören vier Feststellungen: erstlicli die
Grösse der absoluten Herzdämpfung, zweitens die Art. Zahl und
Regelmäßigkeit der Herztöne, drittens die Beschaffenheit der
Pulskurve, und viertens die Höhe des Blutdrucks. Lässt man
auch nur eine dieser Feststellungen ausser acht, übersieht man
z. B. eine wesentliche Verbreiterung der Herzdämpfung, eine
abnorme Niedrigkeit der Pulskurve, eine stäikere Verringerung
des Blutdrucks, so riskiert man, dass ein Moorbad unerwartet
schlecht vertragen wird und dem verordnenden Badearzt mit
Recht Vorwürfe gemacht werden. Eine Vergrösseruog der
Herzdämpfung im Verein mit schwachem Puls und niedriger
Pulskurve zeigt uns eine Erschlaffung des Herzmuskels an,
eine sei es akute, sei es chronische Herzerweiterung. Unregel¬
mäßige, leise Herztöne bei niedriger und unregelmäßiger Puls¬
kurve beweisen eine Schwäche des Herzmuskels, die ohne
Feuilleton.
Von der 78. Versammlung
deutscher Naturforscher und Ärzte in Stuttgart
vom 16. —22. September 1906.
Berichterstatter:
Dr. Burwinkel-Bad Nauheim (im Winter San Remo).
(Schluss.)
Über die klinische Bedeutung der Herzarhyth¬
mie bat Hoffmann (Düsseldorf) an 183 Patienten der
ambulanten Praxis seine Beobachtungen gesammelt Die Herz-
irregularität ist keineswegs das Zeichen einer organischen Er¬
krankung des Herzens, sie wird vielmehr häufiger bei funktionellen
HerzstÖriingen angetmffen. Eine ganz auffallende Verlang¬
samung der Pulszahl bei der Exspiration sieht man besonders
bei Neurasthenikern. Bei diesen fiudet sich auch die ortho-
tische Irregularität, d. h. ein erhebliches Aufsteigen der
Pulsfrequenz beim Aufriebten. Eine häufige Erscheinung bilden
die sogen. Extrasystolen, die oft dauernd vorhanden sind. Auch
Nenrastheniker bieten dieses Symptom außerordentlich häufig
dar, allerdings auch Arteriosklerotiker, Nephritiker und Leute
mit organischen Herzleiden. Bei schwangeren Frauen hüte
man sich, aus dieser Erscheinung auf die Notwendigkeit eines
künstlich einzuleitenden Abortes zu schließen. Am 5. bis 7.
Tage der Pneumonie wird der Puls bei älteren Leuten öfters
irregulär, ohne dass deshalb die Prognose absolut ungünstig zu
sein braucht, wie von Mackenzie behauptet worden ist. Extra¬
systolen können auf rein nervöser Basis entstehen, ein 14jähr.
Knabe zeigte sie jedesmal beim Kopfrechnen. Eine andere Beob¬
achtung betraf ein vierjähriges Kind, dessen Vater und Gross¬
vater das nämliche Sympiom zeigten. Bei nervösen Leuten
wechseln vielfach kräftigere und weniger kräftige Pulsschläge
ab (Pulsus alternans).
Die Therapie der Aortenaneurysmen wird nach
Rosenfeld (Stuttgart.’ viel zu aussichtslos in den Lehrbüchern
bezeichnet. Bei tertiär syphilitischen Prozessen an der Aorta
erzielt man durch Jod und Quecksilber gute Resultate. Das
sackförmige Aneurysma, w’elches fast immer durch frühere
Syphilis bedingt ist und gern zur Mors subita führt, eignet sich
für die Gelatinebehandlung. Es kommt dann zur Gerinnung
des Blutes im Sack. Bei cylindrisch geformten Aneury'smen
soll man versuchen, durch Bettruhe und vegetarische Diät die
Geiässspannung herabzusetzen. Ferner kommen solche Mittel
zur Anwendung, welche das Blut dünnflüssig maohen, also
Jodkali und das Stagnin, eine eisenhaltige Eiweisssubstanz, die
aus der Pl'erdemilz gewonnen und eingespritzt wird. Auch
der Aderlass erweist sich von Nutzen.
Die Erfahrungen, welche Schickler (Stuttgart) über
Blutentziehung in 15 jähriger Praxis gewonnen hat, sind
sehr günstig. Bei Sugillationen nach Frakturen und Kontusionen,
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126
BALNEOLOGISCHE CENTRALZEITUNG
Nr. 82.
eigentliche Erkrankung des Herzens selbst häufig nach den
verschiedensten schweren fieberhaften Krankheiten, bes^’ nders
der in dieser Beziehung mit Recht gefürchteten Influenza, zu¬
rückbleibt. Da ich mich wiederholt Überzeugt habe, dass ein
warmes Moorbad bei nicht ^&nz krältigem Herzmuskel eine
akute Herzerweiterung herbeiführen kann, wie man sie auch
nach starken Ueberanstrengungen, z. ß. durch Marschieren,
Radfahren oder Schwimmen, beobachtet hat, welche sich durch
eine deutliche Verbreiterung der absoluten Herzdämpfung
dokumentiert und unter Umständen tagelang braucht, bis sie
sich wieder völlig zurückbildet, so möchte ich alle Erschlaffungs¬
zustände des Herzens, sowohl die chronische Herzerweiterung,
als auch die primäre und sekundäre Herzmuskelschwäche, als die
wichtigste, aber auch eigentlich als die einzige Gegenanzeige
gegen Moorbäder von seiten des Herzens bezeichen. Denn ein
derartiges Herz ist eben einfach nicht im Stande, die Schwan¬
kung in der Blutverteilung, welche durch die starke Fluxion
des Blutes von aussen nach innen und von unten nach oben
hervorgerufen wird, innerhalb kurzer Zeit wieder auszugleichen,
und hierdurch leidet nicht nur das schwache Herz selbst, das
gegen übermäßige Widerstände ankämpfen muss und diese
doch nicht bewältigen kann, sondern es leiden unter Um¬
ständen auch die Organe, welche von der starken Blutstauung
und Blutüberfüllung nicht rechtzeitig wieder befreit werden.
Ich will hier als ausserhalb meines eigentlichen Themas liegend
nur kurz erwähnen, dass sich aus dieser Erscheinung ander¬
weitige Gegenanzeigen gegen Moorbäder herleiten, welche mit
der Neigung zu Blutungen aus Schleimhäuten und Geschwül¬
sten, sowie etwaigem Wideraufflackern noch nicht ganz abge¬
laufener Entzündungen Zusammenhängen.
Der zweite Faktor, welcher der starken Schwankung der
Blutverteilung und damit des Blutdruckes in den arteriellen
und venösen Blutgefässen gewachsen sein muss, das sind die
Blutgefässe selbst. Ihre Beschaffenheit ersieht mau au^ der
Höhe und Form des Pulsbildes und aus dem Blutdruck; höhere
Grade von Arteriosklerose, Verkalkung der Arterien sind an
den oberflächlich gelegenen direkt fühlbar. Die Elastizität der
normalen Arterien lässt im Pulsbild die ROgeuannteu Elastizitäts-
elevationen entstehen, mehr oder weniger deutliche, kleinzackige
Erhebungen im absteigenden Schenkel der Pulskurve; je ge¬
ringer diese ausgeprägt sind bei sonst kräftiger Pulsbeschaffen¬
beit, umso geringer ist auch die Elastizität der Arterien. Bei
zahlreichen Aufnahmen von Pulskurven wird man überrascht
sein, wie häufig man im Pulsbild diese abnorme Verringerung
der Elastizität der Arterienwandungen findet, auch bei sonst
intaktem Herzen; ich erblicke hierin die Erklärung dafür,
warum Moorbäder z. B. von starken Biertrinkern in der Regel
schlecht vertragen werden, da der reichliche Alkoholgenuss in
Verbindung mit der Zufuhr grosser Flüssigkeitsmengen erfah¬
rungsgemäß die Elastizität der Blu^efässwandungen zu ver¬
ringern geeignet ist. Veränderte Elastizität der Blutgefässe
verändert auch den in denselben herrschenden Druck in dem
Sinne, dass derselbe mit der veränderten Elastizität derselben
sinkt. Dieser Blutdruck, d. h der Druck, unter dem das Blut
in den Blutgefässen steht, schwankt nun zwar physiologisch
innerhalb weiter Grenzen: er ist höher nach Körperbewegungen,
im Liegen und während d^r Ausatmung, niedriger in der Ruhe,
beim Stehen und Einatmen, aber trotzdem lassen wiederholte
und sorgfältige Messungen, wozu nach meinen Erfahrungen
das Gärtnersche Tonometer, bei Ausschaltung aller vermeidbaren
Fehlerquellen — unrichtige Lage und Haltung des Armes, Auf¬
regung. Husten, Sprechen oder Lachen —, vollkommen genügt,
doch mit Sicherheit erkennen, ob eine dauernde oder we.sentliche
Verminderung desselben vorliegt. Die normale Hohe des Blut¬
drucks beim gesunden, erwachsenen Menschen beträgt im Mittel
140—150 mm; die zulässige untere Grenze dürfte etwa um 100
herum liegen. Ein noch niedrigerer Blutdruck lässt nicht nur
auf geschwächte Herztätigkeit und daher mangelhafte Füllung
der Arterien, sondern auch auf geringere Spannung in den¬
selben, infolge pathologischer Veränderungen ihrer Wandungen
schiiessen, und bedingt daher bei der Anwendung warmer
Moorbäder besondere Vorsicht.
Einer besonderen Erwähnung bedarf nun aber hierbei
noch die Arteriosklerose, die zunehmende Verhärtung und Ver¬
kalkung der Arterien. A priori sollte man annehmen, dass
eine Verringerung des Blutdrucks verhärteten Arterien nicht
gefährlich werden könnte, aber wir haben gesehen, dass diese
Verminderung des Blutdrucks sich nur auf die peripheren
Arterien bezieht. während sowohl das Herz wie der Kopf im
Moorbad einem gesteigerten Blutandrang au-^gesetzt sind, und
erfahrungsgemäß sind das gerade die beiden Praedilektions-
stellen, wo arteriosklerotische Gefässe mit Vorliebe platzen und
unter dem Bilde des Herz- oder des Gehirnschlages einen
plötzlichen Tod herbeiführen können. Jedes Jahr von neuem
beweisen plötzliche Todesfälle in oder nach Moorbädern, dass
sowohl das Gebrauchen von Moorbädern ohne ärztliche An¬
weisung und Kontrolle, als auch die unvorsichtige Verordnung
solcher durch junge und unerfahrene Badeärzte eine recht ge¬
fährliche Sache ist.
Bevor ich zum Schluss komme, gestatten Sie mir noch
bei Parotitis, Anginen, Glottisödem, Parulis, Otitis media, Kar¬
bunkeln empfiehlt er die Applikation von Blutegeln. Ein
Aderlass bewährt sich bei der Pneumonie, bei capillärer
Bronchitis. Apoplexie, Arteriosklerose, Eklampsie,akutemLungen-
ötlera, Cbloroformasphyxie. Seine gün.slige Wirkung erhöht
man bei Scarlatina-Nephritis und Gasvergiftung durch nach¬
folgende Kochsalzinfusionen. Burwinkel-Nauheim schÜesst sich
dem Vortragenden in der Empfehlung lokaler und allgemeiner
Blutentziehung ganz und gar an. Er bedient sich der Biut-
cgol besonders auch bei der Behandlung von Perityphlitis und
Pericarditis. Bei LeberanschwelJung im 1. Stadium der Cirrhose
und bei Stauungsherzfehlern sieht man oft überraschenden
Erfolg nach Applikation von 6—10 Blutegeln am Rippenbogen
und 2—3 Blutegeln am After. Burwinkel verweist auf seinen
zu Hamburg (1001) gehaltenen Voi'trag zur tlierapeutischen
Verwendung des Adenasses. Der periodisch wiederholte Ader¬
lass ist vor allem bei Arteriosklerose und bei Nephritis chronica
au<j;ezeigt. Leider wird zum grossen Schaden der Patienten
viel zu wenig venaeseziert, «‘s liegt dies sicherlich auch daran,
dass so wenige Aerzte heutzutage diesen kleinen, gänzlich iin-
gofiihrlieheu Eit)griff zu machen verstehen. Audi Huismans
iCüln) plaidicrt für die Anwendung des Aderlasses bei der
Pnenmonie, wenn der Puls gut ist.
Die Therapie der Herzkrankheiten hat Rumpf
(Bonn) durch Einführung o.scillierender Ströme boreicheit,
Leute mit Emphysem und mit leichter Insuffizienz des Herz¬
muskels erfahren eine bedoutcmle Steigerung ihrer Leistungs¬
fähigkeit. Objektiv war besonders von rechts her eine Ver¬
kleinerung der Herzdämpfung nachweisbar. Wahrscheinlich
beruht dies auf Erweif erung der Lungengefässe und einer hier¬
durch bedingten Entlastung des rechten Ventrikels.
Unter üen Vorträgen über Erkrankungen der Hamwerk-
zeuge nenne ich zuerst den von Romberg „Uber die Diag¬
nose der beginnenden Schrumpfn iere“. Zweifellos spielt
die Arteriosklerose eine grosse Rolle, indem bei dem ge¬
steigerten Blutdruck die Glomeruli zur Verödung gebracht wer¬
den. Bei Arteriosklerotikern entwickelt sich besonders häufig
eine Schrum ifniere, wenngleich die Arteriosklerose auch
sekundär bei die.sera Leiden vorkommt. Die arteriosklerotische
Sebrumpfniere ist nicht von den anderen Formen abzugrenzen,
wir sehen bei ihr selbst alle möglichen Uebergänge. An 16
Fällen der Tübinger Elinik wurde das Verhalten des Herzens
genau geprüft. Drahtpuls, vermehrter arterieller Druck, Herz-
hypertrophie, reichlicher diluierter Harn ohne Albuminurie,
Kopfschmerz, Oedeme und uraemische Erscheinungen vervoll¬
ständigen das Bild. Je nach dem Verhalten des arteriellen
Blutdruckes wecliselt die Urinmenge. Hält das Herz aus, so
kommt es schliesslich zur Uraemie, sonst wie bei chronischer
Myocarditis zu allen Erscheinungen der Herzinsuffizienz.
Seine Beobachtungen über akute Nierenbeckenent¬
zündungen teilt Lenliartz (Hamburg) an 60 Fällen mit. Das
Bild der Pyelitis ist zwar im allgemeinen wohlchaiakterisiert.
doch kann die Diagnose gegenüber der Cystitis schwierig wer¬
den. Die Pyelitis entsteht nicht auf dem Blutwege, sondern
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1906 .
BALNEOLüGlSCHB CfeNtRALZEl'TTOG
127
kurz auf die unbedingte Notwendigkeit einer sorgfältigen ärzt¬
lichen Kontrolle des Einflusses von MoorbädHjii auf das Herz
und den Blutkieislaiif tiinzuweisen. Auch wenn die £i'S('blHf-
fung dos Herzens und der Blutgefässe, welche ich oben als
die einzige und wichtigste Gegenanzeige gegen Moorbäder von
seiten des Herzens bezeichnet habe, anfangs nur in geringem
Grade vorhanden ist, so kann sie durch Anwendung warmer
Moorbäder gesteigert und verschlimmert werden; immer wird
also eine sorgfältige Kontrolle des Herzens und dos Blutkreis¬
laufs den Zeitpunkt zu bestimmen haben, von dem ab Tempe¬
ratur und Dichtigkeit, Tempo und Dauer der Moorbäder nicht
mehr gesteigert werden dürfen. Und auch für das ganz ge¬
sunde Herz kommt ein Zeitpunkt, wo die andauernde An¬
strengung desselben durch die Moorbäder zu gross wird und
deswegen dieselben unterbrochen oder sistiert werden müssen;
aus diesem Grunde habe ich es mir zur Kegel gemacht, nie
mehr als drei Moorbäder nacheinander nehmen zu lassen und
dann immer erst ein herzstärkendes kohlensaures Bad da¬
zwischen zu schieben.
Beobachtet man aber die geschilderten Erscheinungen genau
und sorgfältig, so geben alle übrigen chronischen Erkrankungen
des Herzens, also ganz besonders die Herzklappenfehler, keine
Gegenanzeige gegen Moorbäder, vielmehr kann man dieselben,
vorausgesetzt, dass nicht Gegenanzeigen von seiten anderer
Organe vorliegen, auf welche einzugehen nicht in meinem
Thema li^gt, in allen den Fällen ohne Bedenken anwenden,
wo der Herzmuskel kräftig und die Blutgefässe noch elastisch
sind. Berücksichtiaen wir dieses, so befolgen wir auch den
Satz, welcher für Moorbäder nicht weniger als für alle anderen
therapeutischen Maßnahmen gilt.
Primiim est non nocerel
Verschiedenes«
Folgender Auszug geht uns mit der Bitte um Aufnahme zu:
„Eine interessante PoHzeiverordnung veröffentlicht der Wetz-
larer Anzeiger in seiner Nr. 24. Sie lautet: „Auf Grund der §§
5 und 6 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März
1850 wird hierdurch zum Schutze der Quelle „Karlssprudel“ in
der Gemarkung Biskirchen a. d. Lahn gegen gemeiuschädliche
Einwirkungen, nachdem diese Quelle als Heilquelle anerkannt worden
ist, die nachstehende PoHzeiverordnung erlassen:
durch Hinaufwandern der Entzündungserreger von den unteren
Hamwegen aus. Es handelt sich in ®/ß aller Fälle um das
Bakteriumcoli und nur selten um den Paratyphus und Milch¬
säurebacillus. Das Verhalten der Temperatur wird an einer
grossen Reihe von Kurventafeln demonstriert. Den Fieberattacken
pflegen kolikartige Schmerzen vorauszugehen. Das Fieber
wird nicht, wie vielfach angenommen wird, durch Verlegung
des Nierenbeckens hervorgenifen, denn gerade zu dieser Zeit
ist die Urinmenge und die Ausscheidung von Bacillen eine sehr
reichliche. Zehnmal war deutlich ein Tumor zu fühlen. Die Prog¬
nose ist quoad vitam gut; 40 mal erfolgte Heilung, wenn auch
im Urin noch Colibacillen nachzuweisen waren. Zweimal trat der
Exitus letalis ein und ebenso oft stellte sich als toxische Be¬
gleiterscheinung ein schwerer Pseudurheumatismus im Knie¬
gelenk ein. Die Therapie muss für Durchspülung der Niere
mit Wildunger Wasser oder mit Lindenblütenthee (2 Liter pro
die) sorgen. Eine Operation kommt nur bei einseitiger Er¬
krankung in Frage, wenn es zu einer geschwulstartigen Aus¬
dehnung des Nierenbeckens gekommen ist und wenn dies trotz
zweckmäßiger Behandlung nach Wochen nicht zurückgeht. In
der Diskussion weist Fr. Müller (München) auf die stets vor¬
handene Obstipation als aetiologisches Moment hin. Möglicher¬
weise wandern die Bakterien direkt aus dem Darm in die
Niere über. Auch starke Erkältung verdient ursächliche
Berücksichtigung. Eine Verwechslung mit Tjqjhus ist möglich.
Naunyn fand oft hochgradige Albuminurie; ebenso s^ er
Nierenatrophie sich entwickeln im Anschluss an Cystopyelitis,
§ 1. Innerhalb der , Gemeinde Biskirchen a. d. Lahn dürfen
in einem Umkreise von 1400 m um den „Karlssprudel“ Erdaus-
schachtnngen jeder Art von mehr als 4 m Tiefe unter der Erd¬
oberfläche nur nach vorher eingeliolter polizeilicher Erlaubnis vor¬
genommen werden.
§ 2. Die Erlaubnis wird gegebenen Falles nur auf Grund
eines von dem öesuchsteller auf seine Kosten zu beschaffenden
nnd vorzulegenden Gutachtens eines geologischen Sachverständigen
erteilt. Die erteilte Erlaubnis kann von der Polizei-Verwaltung
zurückgezogen werden, falls sich bei der Ausführung der Erdaus¬
schachtungsarbeiten gleichwohl zeigt, dass die HeilqueUe „Karls¬
sprudel“ gefährdet wird.
§ 3. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des § 1
werden mit Genehmigung des Königlichen Regierungs-Präsidenten
in Koblenz mit Geldstrafe bis zu 30 Mark oder entsprechender
Haft im Nicbtbeitreibungsfalle bestraft,
§ 4. Diese PoHzeiverordnung tritt mit dem Tage ihrer Ver¬
kündigung in Kraft.“
Bekanntlich bemühten sich die Preussischeu Mineralbrurmen-
besitzer schon längere Jahre um den Erlass eines ihre Be¬
triebe schützenden Gesetzes. Die betreffende Petitionen wurden
dem Herrn Minister durch das Abgeordnetenhaus als Material
überwiesen, aber weiter kommt die Sache nicht, anscheinend wohl,
weil die Interessen der künstliche Wässer fabrizierenden Be¬
triebe in Mitleidenschaft gezogen werden könnten.
In der Tat reichen die bestehenden Gesetze aus, um den
Schutz der medicinisch wertvollen Quellen durch die Kgl. Regierung
zu ermöglichen, wie der vorliegende Fall beweist. Der Verwaltung
de.s Karlssprudels in Biskirchen a. d. Lahn ist es schon nach fünf¬
jährigem Betriebe gelungen, durch zahlreiche Anerkennungen ärzt¬
licher Autoritäten den Beweis von der grossen Heilkraft der
Quelle zu erbringen. Bemerkt sei noch, dass das Wasser des
Karlssprudels ohne jeden Zu.satz, resp. ohne Enteisenung verfüllt
wird und sich, wohl mit infolge des sehr praktischen Verschlusse.s
durch Schraubenstöpsel, lange Zeit gut hält.
Dieser Umstand war mit ausschlaggebend für die Frage, ob
das zum Versand kommende Wasser als Heilmittel anzuerkennen
sei, da oflenbar Zersetzungen und Aenderungen eines an sich heil¬
kräftigen Wassers, z. B. durch das Einpressen eines Uebermaßes
fremder Kohlensäure, die ursprüngliche Wirkung einer Heilquelle
beeinträchtigen können.
Einen breiten Raum in den Verhandlungen nahm auch
diesmal wieder die Tuberkulose ein. Volland (Davos) plädiert
für die Verwendung des Kampfers bei Lungen¬
kranken. Die chronische Herzschwäche bei den Phthisikern
wird so am wirksamsten bekämpft und eine Besserung des
Allgemeinbefindens herbeigeführt. Selbst in schweren Fällen
nahm der Aaswurf ab, die Herztätigkeit wurde ruhiger und
die Infiltrationen gingen zurück. Schon Alexander hat dies
Mittel empfohlen, aber in viel zu ängstlichen Dosen. Volland
gibt 3—4 Spritzen von 10 ®/o Kampferöl, die Patienten können
sich die Injektionen selbst machen, am besten in den Ober¬
schenkel. Unangenehme Erscheinungen traten niemals auf,
auch nicht, wenn die Medikation ganz plötzlich abgebrochen
wird. Eine Patientin erhält beispielsweise 2000 g Kampferöl
innerhalb von 15 Monaten. Gutes hat Volland von Kampfer¬
einspritzungen auch bei Emesis gravidanim gesehen. Koch
(Freiburg) lässt eine Kampfersalbe, Praevalidin genannt, ein¬
reiben. Schickler (Stuttgart) macht gern vom Kampfer in
Kombination mit Sauerstoffinhalationen bei schweren Pneumonien
Gebrauch. Weinberg (Stuttgart) empfiehlt monatelangoKam¬
pfermedikation bei Sepsis.
Auf Grund seiner nunmehr 12 jährigen Erfahrung tritt
Weissmann (Lindenfels) warm für die intravenöse Hetol-
behandlung der Tuberkulose ein, deren Nutzen er an
prägnanten Fällen schildert.
UeberTuberkulinbehan dl ung, insbesondere Perl¬
suchttherapie spricht Wolff (Elberfeld). Es gibt
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BALNBOLOGISCHB CBNTRALZBITüNG
Nr. 3ä.
Literatur.
lieber die Radioaktivität von Quellen im Groseherzogtum
Heesen und Nachbargebieten von Heinrich Wiüy Schmiut
und Karl Kurz^). S.-A. der physikal. Zeitschrift 7. Jahrg. No. 7.
Die Verfasser haben über 100 Quellen auf Radioaktivität im
Giessener physikal. Institut geprüft. Die Quellen im Odenwald,
im Spessart, im Westerwald, in der Umgegend von Giessen, in
der Wetterau, die Quellen am südöstlichen Taunusrand, im Nahetal
und die Aktivität der Quellensedimente sind auf ihre Emanation
hin erforscht.
Das Hauptresultat der Untersuchungen ergibt, dass fast alle
aus dem Boden dringende Quellwasser radioaktive Emanation mit
sich iübren. In den meisten Fällen konnte Radiumemanation, in
einigen Fällen die Anwesenheit von Tboriutnemanaticn nacbge-
wiesen werden.
Der Charakter der Emanation ist übersichtlich aus den
Kurventafeln zu ersehen, die Versucbsresültate sind in Tabellen
nach der geographischen Lage der Quellen geordnet. Es besteht
eine deutliche Abhängigkeit von den geologischen Verhältnissen.
Quellen aus Eruptivgesteinen sind im allgemeinen viel stärker
aktiv, als Quellen aus Sedimentadergesteinen. Am wenigsten aktiv
zeigen sich die Quellen aus Kalken und Sauden.
Suchen wir nun zunächst die induzierte Radioaktivität
und die Emanation zu definieren, so ist festgestellt, dass
wenn ein Körper sich in der Nachbarschaft eines Radiumsalzes
oder einer Radiumsalzlösung befindet oder einige Zeit lang zu¬
sammen damit aufbewabrt wird, dann gleichsam ein Teil der
aktiven Kraft auf ihn übergebt und er selbst nunmehr seinerseits
selbstäudig fhhig ist, für einige Zeit Bequerelstrablen auszu-
sendeu. Diese Energie, welche als induzierte Radioaktivität be¬
zeichnet ^vird, verschwindet allmählich wieder. Bedingung dieser
Uebertraguug ist direkter Kontakt des zu aktivierenden Körpers
mit dem Radiumsalz, die aktive Strahlung spielt dabei keine Rolle.
(Radium und Radioaktivität von Dr. med. Elmst Sommer 1906.)
j Das Radium, sowohl seine Salze, als seine Lösungen ent¬
wickeln ständig ein unsichtbares, positiv elektrisches Gas in mess¬
baren Quantitäten, dasselbe verbreitet sich im Luftstrom und be¬
sitzt die Fähigkeit, den in Kontakt stehenden Körpern induzierte
R^idioaktivität zu verleiben, so dass dieselben Ihrerseits zum
Ausgangspunkte von Bequerelstrablen werden. Die Radium.
') Nai'li einem Referat in derHomhuiger Med. fiesellscli am 9. Mai 1906.
aoliologisch verschiedene Arten von Phthise, Doppelinfektionen
von Perlsucht und Tuberkelbazillen, Einzelinfektionen dieser
beiden, die sich auch klinisch unterscheiden. Daher kann man
die Phthise nicht mit einem Praeparat heilen. Jeder Kranke
wird auf das Toxin geprüft, was für ihn nicht toxisch wirkt.
Von grösster Wichtigkeit ist die koml)inierte Jodtherapie,
Jodliweiss innerlich, oder Jotliion perkutan, nicht die Joaal-
alkalien. Der Bericht umfasst 12U Fälle, die ambulant in ilirem
Beruf, und zwar mit unausgesprochenem Erfolg behandelt worden
sind. Die ,.Sabfebrilen‘‘ (37,1 stomall erfordern grosse Vorsicht.
Blutung ist keine Kontraindikation, da das Tuberkulin ein vor¬
zügliches Styptikum ist, ebensowenig Larynx- oder Nierener¬
krankung, Hysterie und Neurasthenie. Dadurch ist die Indi-
kationsstellung ausserordentlich erweitert. Bei Kindern erweisen
sich porkutane Tuberkulineinreibungen von grossem Nutzen.
Nolda (St. Moritz) hat sich in Davos von dem Nutzen dieser
von Spengler eingeführten Behandlungsmethode überzeugt. Er
seihst hat sie bei einem jungen Mann mit doppelseitiger
Nierentuberkulose angewandt: die Nierenblutung, die sonst
alle 3—4 Wochen auftrat, sistiert seitdem, Allgemeinbefinden
ist gebessert, Bacillen und Albumen im Urin haben abgenommen.
Guldschmidt (Reichenhall) macht eine kurze Mitteilung
über recidivierende Pleuritis. Die Leute sind nach 3 4
Tagen von ihrer leichten, kaum fieberhaften Pleuritis wieder¬
hergestellt, aber sie werden durch das ewige Recidivieren psychisch
de])rimiert. Die furchtbare Verstimmung ist ajadezu pathog-
noiuunisch. Therapeutisch bewährten sich die Salicylpräparate,
emanation schädigt das animalische Gewebe nicht; doch kommt
derselben eine starke Desinfektionskraft zu. Die spontane Um¬
wandlung der Radiumemanation in Helium ist, nach Ramsays
Forschungen, noch nicht spruchreif.
Während Uran und Polonium nicht imstande sind, in
einem geschlossenen Gefässe induzierte Radioaktivität zu erzeugen,
fand Debierre dieselbe beim Aktinium und Rutherford beim
Thorium. Das Thorium sendet demnach in analoger Weise wie
das Radium Bequerelstrablen aus und kennzeichnet sich durch
Emanation feiner Parfcikelchen, welche eine Zeit lang nach ihrer
Emission Tadioaktiv bleibt.
Während Elster and Gelte 1 in Nauheim. Engler in
Baden-Baden und Aschoff in Kreuznach in den Mineralquellen
Thor, resp. das die Thbraktivität verur-Hacbende Element naohge-
wiesen haben, dagegen keine Thoremanation im Wasser seihst
konstatieren konnten, ist dieselbe nach den interessanten Unter¬
suchungen der Verf. im Hamburger Kaiserbrunnen vorhanden. Das
Sinter dieser Quelle besitzt die radioaktiven Eigenschaften des
Thors im starken Grade.
Die Homburger Elisabetquelle enthält neben Radium nodi
Thoremanatiou.
Es ist auf den ersten Blick nun aufi^lÜg, dass sich diese
beiden Homburger Mineralquellen durch Thoriumemanationnach-
weis von allen anderen Quellen, welche die Verf. untersucht haben,
unterscheiden.
Jedoch heben dieselben selbst hervor, dass im Falle die
Thoremanation nicht naebgewiesen werden konnte, zu beachten ist,
dass das die Tboraktivität verursachende Element sebr rasch zer¬
fällt, und dieses der Grund sein kann des negativen Befundes.
Ob dem Nachweis der radioaktiven Emanation in den Idineral-
quellen eine balneotherapeutiscbe Einwirkung bei (Gebrauch von
Trinkkuren zuzusebreiben ist, darüber sind die Akten noch nicht
geschlossen und es ist fraglich, ob die Forschungen in der Zukunft
uns je darüber Aufschluss geben werden, immerhin ist durch diese
Untersuchungsresultate erwiesen, dass der spezifische Charakter der
einzelnen Quellen nicht von der Hand zu weisen ist and dass
neben den chemischen Bestandteilen, welche durch die Analysen
bestimmt werden, noch neue Faktoren za berücksichtigen sind,
S c h e r k • Homburg.
Rumpf (Bonn) sah wiederholt solche Fälle in Tuberkulose
ausarten.
Lange (Leipzig) spricht über die therapeutische.
Beeinflussung der Ischias und anderer Neuralgien.
Er spritzte Encain-Kochsa>zlösnng in die Nierenscheide bei
36 Patienten ein. In 80 % dieser Fälle wurde nach 1—3
Tagen völlige Heilung erzielt Auch Moritz (Giessen) be¬
stätigt die prompte Wirkung dieser Injektionen. Leo (Bonn)
lobt die unolutige Nervendehnung mit eventueller Combination
eines Narcotikums. In diesem kurzen Rahmen dürfte das
wiedergegeben sein, was allgemein ärztli(‘hes Interesse bean¬
sprucht Es erübrigt noch, auf die mannigfaltigen geselligen
Veranstaltungen hinzuweien. Das in den Parkanlagen von
Cannstadt arrangierte Gartenfest wurde leider durch ein plötzlich
einsetzendes Regenschauer in unliebsamer Weise unterorochen,
wie überhaupt das Wetter den Kongressbesuchem wenig hold
war. Um so glänzender gestaltete sich das Fest auf dem
Rathaus, welches im Schein elektrischer Lichter stolz erstrahlte.
Das Innere war durch fein angebrachten Schmuck von Blumen
und grünen Pflanzen zum vornehmen Festraum gemacht; die
hellerleucliteten Hallengänge waren zu Laubengängen umge¬
wandelt Reizende Stuttgarterinnen waren dienstfertig zur
Hand, um den keineswegs abstinenten Kongressteilnehmern
köstlichen Landwein zu kredenzen. Sicherlich wird dieser
Abend in der Erinnerung aller Teilnehmer einen guten Platz
behaupten.
Im nächsten Jahre wird die Versammlung in Dresden tagen.
Varwiwortlichar RecSkktenr : Dr med. et polic. Stehr, Wiesbaden. — Verla( ▼es Carl Uarhold, HaUe a. S.
Draek voa UaTaaMiw'Kh« Baelidroekarei, Oabr. Welff, Halla a. S.
§409
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